WIEN 1911. IM KOMMISSION BEI DER K. K. UNIVERSITfiTSBUCHHHNr JNG GEORG SZELINSKI, WIEN. DRUCK VON H. SLOVAK, KREMSIER. ŽUNKOUIČ, DIE SLAVEN, EIN URVOLK EUROPAS. SECHSTE AÜSQ^Bi Pt ŽUNKOViČ, DIE SLAVEN, EIN URVOLK EUROPAS. DIE SLAVEN, ------- EIM URVOLK EUROPAS. == VON MARTIN ŽCINKOVIČ. SECHSTE HU5SR Mit einer Karte als Beilage. Ufas • m dpi# ^ WIEN 1911. IN KOMMISSION BEI DER K. K. UNIVERSITÄTS-BUCHHANDLUNG GEORG SZELINSKI, WIEN. DRUCK VON HEINRICH SLOVAK IN KREMSIER ALLE AUTORRECHTE VORBEHALTEN. caT < oder »S a c h-sen« genannte Orte sind noch nicht nachgewiesen. Ganz flüchtig taucht in der Kriegsgeschichte von 1866 ein Frankenwald (Branka-Wald) bei Nachod an den nach Glatz führenden Pässen auf etz.» — Gründlicher konnten seine Ansichten von Niemand entwertet werden, als er dies hier selbst besorgt. Die vermuteten deutschen Ansiedlungen sind nie dagewesen; und der »Frankenwald» ist eben eine »Branka» (branka — Wehr), d. h. ein Punkt, wo man sich am günstigsten zur Wehre setzen konnte (z. B. Blockhaus, Wachhaus, Tor), wie ansonst an ähnlich beschaffenen Gebirgsspässen; und trotz dieser ureinfachen Erklärung müssen die »Franken» die Wahrheit verschleiern! Die Gegenwart macht gerne aus allem Politik, d. h. wir können uns dieses Einflusses auf die Wissenschaft infolge der permanent wirkenden Eindrücke des modernen Völkerlebens schwer erwehren, daher bei der künstlichen und hochtrabenden Auslegung zumeist auch nicht die Forschung sondern ein bestimmter Wunsch der treibende Faktor ist. — Die objektive, nüchterne Untersuchung ergibt aber eine gründliche Enttäuschung, ebenso wie sich die Begeisterung des Theaterbesuchers rapid legt, wenn er sich die Dekorationen vom Zuschauerraume aus zum Schlüße auch auf der Bühne ansieht. — Täuschen wir uns doch nicht damit, daß wir je unsere Urgeschichte auf künstlichen Stützen für die Dauer aufbauen werden! Wenn aber etwas logisch klar der Natürlichkeit widerspricht, so ist es Sache der Mandatare der Wissenschaft den Dunstkreis panegyrischer Vorspiegelungen zu durchleuchten und den angedichteten Ruhmesflitter der Wahrheit zuliebe zu beseitigen. Die Wissenschaft ist ein großes Freigut, die nur offene Beweisführung verträgt; würde daher jedermann den Mut haben auf diesem ernsten Forschungsgebiete die persönlichen Rücksichten und das Pa-godentum abzustreifen, so wären wir über das Märchenhafte unserer Urgeschichte schon längst hinaus und stünden bereits auf gewachsenem Boden. — Der richtige Weg hiebei ist nur der induktive, d. h. die Folgerung vom Besonder n zum Allgemeinen, vom Bekannten auf das Unbekannte, vom Lebenden auf das Abgestorbene! Wenn nun in Europa die meisten ethnographischen, sowie viele Gebirgs- und Flußnamen im Altertume, wenn im allgemeinen in Europa die meisten Ortsnamen slavischen Ursprungs sind, so müssen sie wohl von Slaven herrühren, denn es konnten doch unmöglich Slaven, wenn sie erst zur Zeit der sogenannten «VölkerWanderung« hieher vor gedrungen wären, Jahrhunderte voraus irgendwelchen Einfluß auf die Namengebung geübt haben; und wenn so viele Völker slavische Namen tragen, so müssen ja doch eher Slaven da gewesen sein, um die Gelegenheit zu haben, jemanden einen Namen zu geben; wenn sie aber später gekommen wären, so hätten sie schon festgelegte Namen vorgefunden und würde wohl niemand eine neue Na- mengebung beachtet haben, ebensowenig wie Römer und Deutsche in di es er Hinsicht wesentlich etwas änderten noch ändern konnten; ja man muß geradezu staunen, wie rein sich die Originalbegriiie oft erhalten haben, daher man sie gerade deshalb nicht erkannte, weil der Glaube an die reine Erhaltung bei den vielen fremden Einflüssen nicht einleuchtete. Wo sind überdies die Millionen Menschen hingekommen, die von den Römern unterjocht wurden, zumal diese so staatsklug waren und jedem Volke Religion, Sprache und Sitte beließen? Wie kommt es, daß nach dem Sinken der weströmischen Macht auf einmal Millionen von Slaven Europa in ungezählten Ansiedlungen bewohnen, und doch gab es auf diesem Gebiete, so lange römische Macht gebot keine derartigen Vernichtungsschlachten, daß man an ein förmliches Ausrotten der früher dort ansäßigen Völker denken könnte und daß diese Völker sofort und so massenhaft durch Slaven ersetzt worden wären ! Sollte übrigens eine so großartige Umwälzung, daß auf einmal Millionen bodenständiger Menschen durch ebensoviel zugewanderte Slaven abgelöst worden wären, stattgefunden haben, so konnte sich, abgesehen davon, daß ja dadurch ein halber Weltteil irgendwo menschenleer geworden wäre, die Sache wohl nicht so unbemerkt abwickeln, daß es die römischen und griechischen Schriftsteller, welche sonst ganz belanglose Vorgänge verzeichneten, gar nicht wahrgenommen hätten, denn unter den Völkern, die in der vermeintlichen großen Völkerwanderung genannt werden, findet man, wie die d e r m a 1 i g e Geschichte behauptet, verhältnismäßig sehr wenig Slaven. Wenn inan daher so viele geographische Namen in den verschiedensten Gegenden mit slavischem Wurzelworte aus vorchristlicher Zeit kennt, welche die vollkommen zutreffende Charakteristik und die lokale Übereinstimmung mit dem damit belegten Objekte offen dartun, so kann dies, selbst bei krassesten Vorurteilen — bei vielen Tausenden von Namen doch keine bloße Zufälligkeit sein. Die gesamten Beispiele und Erklärungen in diesem Buche sind daher durchaus nicht vom Verfasser konstruiert, erfunden oder erdichtet worden, denn die Beweise sind ja einerseits in den Sprachen niedergelegt, anderseits — und das .ist das weit wichtigere — stehen sie draußen, für jedermann sichtbar, im offenen Lande! Alle diese Namen sprechen aber eine fast ausschließlich nur dem Slaven verständliche Sprache aus altersgrauer Zeit! — II. Etymologie der topischen Namen. Die sprachwissenschaftliche Durchforschung der topographischen Namen ergibt das interessante und bisher fast gar nicht beachtete Resultat, daß sich die weit überwiegende Zahl dieser Namen auf das Slawische zurückführen läßt und nur in diesem Sprach-zweige eine Erklärung mit entsprechendem, natürlichem Sinne ergibt. — Die nichtslavischen Namen dieses Gebietes bezeichnen, soweit sie auch erforscht und gedeutet sind, zumeist sekundäre Ansiedlungen auf einer bereits früher verteilten Gemeindeflur, welche aber im besonderen erst nach der politischen Besitzergreifung der slavischen Gebiete durch die Deutschen, Franzosen, Italiener, Rumänen, Magyaren, Osmanen usw. und die darauf erfolgte Deslavisierung ins Leben gerufen wurden. Diese dürften hie und da nichtslavische Namen haben, was man rechtlich so lange zugeben muß, bis nicht alle Namen durchforscht und ob ihrer Entstehung und Bedeutung geklärt sind. Auf Grund reichlicher Erfahrungen kann ich aber bereits an dieser Stelle eröffnen, daß auch von den Namen dieser Art bei weiterer Forschung recht wenige verbleiben dürften, denen man diese Entstehung dauernd; zuerkennen wird. wenn hiebei mit besonderer Vorsicht und bei voller, Ausschaltung der vorgefaßten Meinungen vorgegangen wird. — So ist die Ansicht des malerischen Felsentales «Rosstrappe« im Harzgebirge (siehe Figur ]) doch bezeichnend für das zerklüftete Felsgebiet (slav. rozdrapa); wo es ein «Slatina» gibt, dort ist eine Mineralwasserquelle; wo ein «Toplice« ist, dort findet sich ' . Rosstrappe. auch eine \v arme Quelle vor, mag man nun den Originalnamen auch in: Dobl, Tobel, Tobelrisse, Teplitz u. drgl. entstellen, und lassen sich diese Beispiele in die Tausende fortsetzen.*) Die Namen slavischen Ursprungs lassen sich aber nicht nur durch die deutschen Gebiete Österreichs und Deutschlands, was ja ohnehin nicht geleugnet wird, sondern auch in der Schweiz, Italien. Spanien, Frankreich, Niederlande, Dänemark usw. nahezu untrüglich verfolgen; daß aber die östlichen und sonstigen südlichen Gebiete Europas zum großen Teile leicht erkennbare slavische Namen besitzen, bedarf nur einer vorübergehenden Erwähnung.**) Es wäre auf jeden Fall vom hohen Interesse für die Wissenschaft, zumal für die Ur- und Kulturgeschichte, festzustellen, welches die äußersten Grenzen der topographischen Namen slavischer Genesis sind, da man heute nur mehr auf diese Weise ernstlich ergründen könnte, wie weit die einstige Besiedlungszone der Slaven, die zweifellos weit größer war als die heutige, gereicht habe; doch auch diesem Streben setzen die allgemein oder sporadisch durchdringenden Reste der einstigen Allgemeinsprache, der Ursprache, eine Unendlich-keits grenze. *) Es gibt wohl auch Ortsnamen, die gleich oder ähnlich geschrieben sind, welche aber der erwähnten Voraussetzung entbehren, weil sich irgendeine weniger bekannte Originalform diesem, etymologisch bekannteren Namen anpaßte. — *') Auf diese Art findet auch so mancher unlogische oder unverständliche Orts- und Familienname erst seine Aufklärung. So haben die böhmischen und mährischen Dynastengeschlechter geradezu modemäßig im XIII. Jahrhunderte ihre Namen zu germanisieren begonnen, von denen sich noch urkundlich manche auf die slavische Urform rückverfolgen lassen. Der slo-venische Uradel ist z. B. fast ganz verschwunden, weil er schon in jener Zeit seine Namen konventierte, aus welcher bereits vergleichende Urkunden fehlen: so wurden die «Turjaški« zu »Auersperg«, die «Ostroverhar« zu «Scharfenberg«; die Graien «Zidanic« (Radkersburg) sind wahrscheinlich in irgendwelche «Mauerberg, Mauerburg« transponiert worden; die Herren von »Prueschenkx hießen einst wohl «Prežnik« und nennen sich heute vielleicht: «Lauer, Lauerer« (preža slov. Lauer); die auf slovenischem Gebiete hervorgegangenen Adelsgeschlechter: Schinkowitz, Lugaster. Osterwitz, Garrach, Jabornegg, Katzianer u. ä. sind in der slovenischen Geschichte so gut wie unbekannt; die Etymologie allein deutet noch auf deren sprachliche Zugehörigkeit. Es kann sich daher hier in erster Linie nur darum handeln, zu beweisen, daß es slavische Ortsnamen schon lange vor Beginn unserer Zeitrechnung gegeben habe, daher im Nachstehenden hauptsächlich solche Begriffe etymologisch erklärt werden, die in den ältesten Schriften erwähnt, also älter sind, als die dermalige Zeitannahme der Slaveneinwanderung. Selbstredend folgen aber weiter auch jene Namen, über welche sich keine älteren schriftlichen Beweise erhalten haben, um zu zeigen, daß alle ethnographischen wie topischen Namen nach demselben Plane konstruiert sind, und die älteren wie die jüngeren im breitesten Sinne nur in der slavischen Sprache ihre natürliche Deutung finden; es müssen sonach jene Me nschen, welche die älteren Namen gaben, dieselbe Sprache gesprochen haben als jene, welche den jüngeren Namen ihre sprachliche Basis verliehen, d. h. diejiingerenNamensindebensoalt, wie die älteren, nur fehlen noch die konkreten Belege für diese Feststellung. * ■¥r * Nachdem es einstweilen noch nicht angeht, alle topischen Namen etwa schon in alphabetischer Ordnung und sprachlich gesichtet anzureihen, obschon hiemit bereits der Grundstein für ein künftiges Monumentalwerk, ein «Allgemeines etymologisches Ortsnamenlexikon« gelegt erscheint, weil dies einstweilen zu viele Wiederholungen und Hinweise erfordern würde, so werden hier die wichtigsten zur Erklärung herangezogenen Objekte nach der praktischen Verwertung in kurzen Monographien, die sich aber jede für sich noch außerordentlich erweitern lassen, etymologisch besprochen und zunächst, wenn auch eine genaue sachliche und technische Scheidung ausgeschlossen ist, umsomehr als die konstant wirkende Diffusion im Entwicklungsgänge dieser Begriffe nicht rückgängig gemacht werden kann, in folgende Begriffsgruppen geschieden : A) Sicherung der Weideplätze; B) Sicherung der Qebietsgrenzen. Grenzbe-g riffe; C) militärische Schutzorganisation der U r-völke r.- Topische Namen verteidigungstechnischen Ursprungs; D) sonstige topische Namen. A. Sicherung der Weideplätze. Kin unerwartet erfolgreiches wissenschaftliches Resultat ergab die Untersuchung der überaus zahlreichen Benennungen für die Sicherungsvorsorgen, die der Urmensch zur Wahrung der persönlichen Freiheit und zum Schutze seiner Existenzbedingungen gebrauchte, denn die Organisation der Lebens- und Besitzverteidigung bildet offenkundig den Uranfang unserer ältesten Verfassungsform. — Die Völkergeschichte bezeichnet die ältesten Bewohner ihrem Lebensunterhalte und Gewerbe nach als Jäger-, Fischer- und Hirten Völker, die ein nomadisierendes Leben führten, also kein seßhaftes Volk waren. Die nähere Beobachtung und Überprüfung dieser Behauptung bestätigt sich aber durchaus nicht. Weshalb soll z. B. ein Fischer, der am Meeresufer einen günstigen Fischfangplatz gefunden, nicht daselbst ständig ansäßig bleiben, denn schließlich ergänzt sich ja der Fischstand durch Zuzug und natürliche Vermehrung, und weshalb soll der Mensch ungeschickter sein als das Tier, welches einen günstigen Lagerplatz mit Vorliebe immer von neuem aufsucht. Es gibt ja noch heute primitive Ansiedlungen genug, die lediglich im Fischfänge und Fischhandel ihre Existenzbedingungen finden, wobei Sie noch mit vielfacher Konkurrenz zu rechnen haben; sie wechseln den Fangplatz, wenn dies der Erfolg heischt, ansonsten kehren sie aber stets in ihr ständiges Heim zurück. -- Dasselbe gilt für die Jagd. Man suchte einen Platz auf, wo viel Jagdwild festgestellt wurde, und ließ sich dort nieder. Sollte da etwa die Familie mitgezogen sein? Gewiß nicht, weil dies schon für den Jagderfolg an sich nachteilig wäre. Auch ist dies durch die Selbsterhaltung begründet, denn geht der nomadisierende Jäger immer unstät herum, so stößt er dabei unwill- kürlich auf andere Jägersippen, was zu einem Streite führen muß, und die Geschichte spricht ja von Jagdvölkern und nicht von einzelnen Jägerfamilien. Schließlich wird der Mensch wohl auch die primitivsten Verpflegsvorsorgen, wie sie etwa der Hamster hat, für jene Zeit, wo die Fischerei oder die Jagd erfolglos ist (See- und Schneestürme, strenger Winter, Überschwemmungen), nicht verabsäumt haben; oder sollte er zu dieser Zeit auch herumgewandert sein? — für so unpraktisch und gegen sich selbst rücksichtslos dürfen wir wohl auch den Urmenschen nicht halten! — Man findet auch meist an einem Platze die Knochen der unte r-s c h i e d 1 i c h s t e n T i e r e (z. B. Predmost in Mähren, Paris u. a.). da der Jäger die Beute immer wieder auf dieselbe Stelle, d. i. za seiner Hirtte und Familie brachte. — Dasselbe beAveisen ja auch die Kjökkenmöddinger, die mitunter 300 m langen und bis 3 m hohen Küchenabfallhaufen oder Kulturschuttlager, welche auf größere und langandauernde Ansiedlungen daselbst schließen lassen und bereits auf hygienische Vorsorge deuten, nachdem die Abfälle nur aneinem bestimmten Platze abgelagert wurden. Sicherlich ist es aber ein unbedingter Irrtum, wenn die Geschichte auch die Hirtenvölker als Nomaden bezeichnet. Justinus schreibt z. B. ; ><, der paša der «Pascha» (harampaša heißt noch heute in einigen Gebieten Dalmatiens der Dorfälteste), usw. vor. So finden wir auf dem Wege einfach natürlicher Betrachtung die Urform unserer heutigen Staatsverfassungen wieder, wobei nur der Unterschied besteht, daß mittlerweile Gemeinden zu Staaten wurden und daß folgerichtig z. B. der Car nicht mehr der Vertreter einer Gemeinde sondern solcher eines Reiches ist, da sich die Vergrößerung und Vermehrung der Gemeinden und dementsprechend die Würde des Ältesten derselben in gleichem Verhältnisse entw ickelte, als mehrere Gemeinden dasselbe Oberhaupt, was namentlich in bedrängter Zeit oft geschah und auch noch wiederholt geschichtlich belegt erscheint, wählten oder anerkannten. An die älteste Form der politischen Verfassung erinnern nur noch die Namen «paša» und »župa», obwohl deren Zusammenhang mit der Organisation der Hirtengemeinden auch kaum mehr fühlbar ist. — Paša war ursprünglich die Bezeichnung für den Beobachtungspunkt, von welchem aus man die Herde beaufsichtigte und im weiteren Sinne sicherte. Die Grundbedeutung steckt in den Begriffen «paziti« (= achtgeben) und «pasti« (= auf das Weidevieh achtgeben), deren geringe lautliche Differenzierung sich in der Praxis dadurch ausgebildet hat, daß man das Achtgeben entweder im allgemeinen oder speziellen Sinne kennzeichnen wollte. — Weitere Namensformen dieses Stammes sind: pazka, pazar, bazar, basca. Unter «bazar« versteht man den Marktplatz, d. i. den Raum auf welchem man sich versammelt, wo Beratungen stattfinden, also sozusagen der «Alarmplatzx für die Bewohner einer größeren Ansiedlung. «Bazar« ist sonach gar kein türkisches Wort, daher auch die Ortsnamen: Novi pazar, Wir pazar. Pasarović, Pazarište. Passeier u. ä. nicht von den Türken herrühren. — Die Etymologie dieses Begriffes lehrt also, daß so benannte Lokalitäten schon sprachlich kennzeichneten,, daß man sich beim feindlichen Angriffe hier einzufinden und zu verteidigen habe; es hat daher auch jede älteste Stadt in der Mitte einen größeren Platz, den Ring, denn hier konnte man sich gut verteidigen, weil nur in den paar einmündenden Gassen der Feind abzuwehren war. Daß nebstbei hier auch die Verkaufslokale waren, ist ja selbstverständlich. — Gleichen Llrsprungs ist auch der Gattungsbegriff «Paß«, also die gefährliche Übergangsstelle im Gebirge, auf die man aufpassen muß. Das beigegebene Bild der Stadt Passau aus d. J. 1644 zeigt überdies, wie sorgfältig man- hier an der Grenze diese Passage, weil die Donauinsel den feindlichen Uferwechsel begünstigt, sicherte. — «Basca« ist dem Kroaten der Garten, d. i. d a s E i n gefriedete, und scheint diese Substantivbildung origineller zu sein, als «paša«, denn die ältesten Goldmünzen weisen auch die Aufschrift «pašča« d. i. Pascha, der Verwalter eines «Paschalik« (jetzt = türkische Provinz) auf, worin auch der Hoheitsname dieses Grundwortes enthalten ist. — Auch der Name des ersten geschichtlichen Fürsten der Polen «Piast« ist ursprünglich wohl nur der Hoheitsname des Ältesten einer kleineren oder größeren Gemeinde. Die Polen gebrauchen auch noch heute die organisch verwandten Begriffe «piastowad« für pflegen, warten, ver w a 1-t e n, wie auch für chikanieren, quälen; «piastun« ist sowohl der strenge Wärter, der Quäler, wie auch der Kinder- Fig. 2. Passau, Wärter. — xPastviskox wurde in den älteren Urkunden oft als xPiastviskox geschrieben. Unter xbacinax versteht der Kroate heute eine Sennerei; dem Cechen ist aber xbastax schon: Bollwerk, Turm, Bastei, dem Slovenen xbastijax, dem Franzosen xBastionx. — Die Wallachen in Mähren kennen auch xbacax (bafa = Vater) als Hoheitsame, welcher sich als Deminutiv xbatjuskax (Väterchen) auch im Russischen erhalten hat. Ansonsten gilt xpasax heute bei den Slaven im allgemeinen als der Flurname für den Hutweideboden.4') Ortsnamen dieser Genesis sind; Pašina, Pasičina, Paschendorf, Pasterze, Baška, Bačka, Bažanv, Waschka u. ä. — Von den ethnographischen Namen gehören hieher: Bastami, ein schon von Plinius und Mela erwähntes Volk in Ostgalizien; die Baschkiren sowie die Basker, um welch letztere sidi die Wissenschaft betreffs deren sprachlicher Zugehörigkeit an meisten ereiferte. Die Etymologie sagt aber nun geradezu deutlich, daß die Basken nichts weiter als die naturgemäß berufenen Wächter der Pyrenäenpässe, also jene Bewohner Spaniens sind, denen der Grenzschutz gegen Einfälle von Norden her oblag, d. h. so benannte man im allgemeinen jene Personen, welche den Grenzdienst direkte versahen. — Im Siid-slavischen heißt der Aufseher, der Wachmann auch noch heute xpaznik.x •— " , *) *) Das Pascha-Fest der Juden ist meines Erachtens ursprünglich nichts weiter als der Abschiedschmaus der mit den Herden über den Sommer fortziehenden Hirten einer Gemeinde, denn Ostern gilt auch in den Alpenländern als der Beginn der offiziellen Weidezeit und wird noch jetzt der aufgenommene Gemeindehirt angewiesen, sich am Ostermontage anzumelden. — Das Laubhüttenfest hingegen war die Feier der Rückkehr der Herden im Herbste, welche gleichfalls mit einem Schmause begangen wurde; die tatsächlich erbauten Hütten hatten wohl nur die Bestimmung für die Überwinterung der Herde. — Daß das Laubhüttenfest, welches gegen Ende Oktober geeifert wurde, ein Erntefest gewesen wäre, ist entschieden unrichtig, weil im südlichen Klima jede Ernte im Vergleiche zu unseren Verhältnissen in Mitteleuropa mindestens einen Monat früher stattfindet; man begeht aber ein Erntefest eben am Schlüße der Ernte und nicht 2—3 Monate später. — In den Alpengegenden werden sowohl der Auf- als auch der Abtrieb der Herden durch ein Gelage gefeiert. Meiner Behauptung, daß das Baskische ein Rest jener Slaven sei, welche einst die iberische Halbinsel bewohnten, stellt man die Hypothese entgegen, daß dies eine keltische Sprache sei, was schließlich auch richtig ist, denn das Keltische ist ebenso auch Slavisch, worüber später noch gesprochen wird. Es dreht sich dermalen noch alles in einem planlosen Rundlauf um das unauffindbare Keltisch, welches von den Kabinettsgelehrten als ein willkommener Universaltopf angesehen wird, in den man kurzweg alle sprachlichen Rätsel wirft. Tatsache ist, daß die älteren topographischen Namen sowohl auf baskischem Gebiete, wie auf der iberischen Halbinsel überhaupt relativ slavische Grundwörter aufweisen. Dieses ist bei dem Charakter des Wohngebietes der Basken besonders einleuchtend, denn sie wurden als isolierte Gebirgsbewohner von der Romanisierung nicht so intensiv betroffen, weil das Gebirge stets eine natürliche Wehr der Entnationalisierung bildet, da der Verkehr erschwert ist; der Gebirgsbewohner wahrt daher auch seine hergebrachten Sitten und Gebräuche besser, hängt also an seinem Volkstume zäher, als der Ebenebewohner, wo der gemischte Verkehr eine Anpassung an das Fremde schon aus Erwerbsgründen fördert. Es fällt aber auch auf, daß gerade die ältesten Gebrauchswörter konkreter Natur im Baskischen mit den slavischen — und unter diesen zumeist mit den slovenischen — die engste sprachliche Verwandschaft zur Schau tragen.*) — Ich kann dermalen wohl nicht von spruchreifen Forschungsergebnissen auf diesem Gebiete sprechen, da es meine Verhältnisse nicht zuließen an Ort und Stelle den Kontakt zu bewirken, aber ich fand beim Studium der baskischen Sprache immerhin Beispiele genug, welche meiner Behauptung eine *) *) Darauf hat zuerst Joh. Topolovšek in seinen Werke: Die basko-slavische Spracheinheit (Wien 1894) die wissenschaftliche Welt aufmerksam gemacht. — Wie es sich nun herausstellt sind die Behauptungen dieses Sprechforschers ganz begründet, und wirkt es geradezu abstoßend, wenn man sich nur an einen kleinen Teil jener Orgien erinnert, welche die »Gelehrten« seinerzeit veranstalteten, um Topolovšek als einen Phantasten und Ignoranten zu stempeln. Zum Glücke ist es dem unerschrockenen Forscher noch beschieden den starken Einschlag der Skrupellosigkeit des Zunftgelehrtentums in eigener Sache aufgedeckt zu sehen. — unleugbare Berechtigung verleihen. Man vergleiche außer den im Texte sporadisch vorkommenden Hinweisen noch folgende baskische Wörter: Bandera, baldera = Fahne; slov. bandera = Kirchenfahne (vergleiche auch Banner, Banderium); bazka = Weideplatz; slav. paša, pašča, pastvo, pastvisko etc. (= Weideplatz; lat. pascua); behia = Weidevieh, Kuh; slov. beka = Schaf, bekati, böhm. bečeti = blocken; bola = Beule, Kugel; slov. bula = Beule, das Geschwellte ; bular = Zitze, weibliche Brust, (vergi, bola). Bei den sla-vischen Türken ist >< = Frau, Mutter, Säugerin; im Deutschen: Buhle (Geliebte) und xFullax der nordischen Mythologie in der Auffassung: Amme, Kinderfrau; bask, cepois = Holzprügel; slov. cep; choko ff Winkel; slov. kot; derna = Handfläche; slov. drn = Zucken in der Hand. (Vergi, auch den deutschen Vulgärausdruck: Dern, Tern = Schlag mit der flachen Hand); err = Ende, Spitze; slov. rt = Spitze; ezcura = Eiche; slov. sura = Korkeiche; gar = Flamme; slav. žar = Flamme, Glut; bask, garabia = Krahn, Hacken; slov. grabiti = erfassen; bask, gori = brennen; slov. goreti = brennen; bask, goritu, gorizen = in Liebe brennen, küssen; slov. goreti (za koga) = begeistert (für jemand), schwärmerisch lieben; gora = gegen die Höhe, auf der Höhe; slov. gor, gori = hinauf; bask, gorena = hoher Berg, slov. gorenje, Gorenjsko = Gebirgsgegend; bask, goierritar = Gebirgsbewohner; slov. goričar = Bergbewohner; gorhain, gorhaindu = Reiz zum Ekel, Brechreiz; slov. gorki = bitter, etwas zum Brechen Reizendes; heya gora = ein Klageruf (interjeckt.); slov. oj gorje = ach weh!; kukudatz = das Gackern der Henne nach gelegtem Ei; slov. kokodajsk; leka = Hülse, Schote; slov. leča = Linse (bot.); liska = Moor, Sumpf; im Slovenischen bezeichnet man damit durchwegs Wassertiere und Sumpfpflanzen; bask, liskar = Streit; slov. liskati = sich im Streite schlagen, sich ohrfeigen; menast = metallen; slov. menast, medinast = erzen; menina — Geschmeide; palanka = Stange, Stab; slov. planka = Zaunpfahl; phuncella = Jungfrau; slov. punca = Mädchen; phonetisch ähnlich klingend auch deutscher Vulgärausdruck in verächtlichem Sinne als xFunzex und xProfunzx*); bask, poistarika = Bach- *) Die Lausitzer Wendinnen bezahlten als Heiratsabgabe an den Gutsherrn einst das «Punzengeldx, ein Ausdruck, den sich die Sprachforscher bis nun nicht erklären konnten. stelze; slov. pastarica; picher = Wassertopi; slov. = pisker; pikarda = scheckig; slov. pikast ■= gesprengelt, punktiert; pot, poz = lustig sein, küssen; slov. božati = liebkosen, streicheln; daj poč = Handkuß der Kinder; senar = der Ehemann; slov. ženar, ist aber in der Bedeutung Ehemann (einer,der sich eine Frau — žena genommen) nicht mehr im praktischen Gebrauche, obschon es eine genauere Determination bietet, als ><, das nur einen Mann ohne Standesangabe bezeichnet; šopa, slov. soba = Zimmer, Kabine; zama, sama = Last, Bürde; slov. samar = Tragtier; samariti = ein Tragtier führen. — «Samariter« ist wohl auch desselben Ursprungs und wird in der Bibi. Geschichte stets mit einem seitwärts stehenden Tragtiere abgebildet; Saum weg ist sonach ein Sla-vismus und bezeichnet einen Weg, auf dem man Lasten nur tragend fortbringen kann (auch Grenz weg); zamarra = Bluse, hochgeschlossenes Kleid; böhm, Samara — hochgeschlossener Rock, geltend als Nationalkleid. Der Slovene kennt nur den Begriff «earner« für den Aufseher einer Herde (tamor!) und für eine Mütze aus Schafwollstoff. Es scheint, daß es sich hier um ein besseres, repräsentatives Kleid aus feinerem Wollstoffe, also um ein Festkleid handelt, dessen Qualität dem jetzigen Samt ähnelte, mit dem es auch sprachlich verwandt sein dürfte; zanko = Franse; slov. zanka = Masche. Schlinge (am Schlüsse einer Näh-, Knüpf- oder Webearbeit); zapi = Stück Leinen; slov. capa = Fetzen, Stück fadenscheinigen Leinens; zapata ~ Schuh; zapatu = schwer gehen; slov. copata = Flechtschuh, Patsche; copati = schleppend gehen, im Kote marschieren; copak = einer mit defekter Beschuhung u. s. w. Das Baskische ist sicherlich durch die beiden romanischen Nachbarn (Franzosen und Spanier), vielleicht teilweise auch durch die ungenaue Darstellung der Aussprache, — nachdem die vorhandenen Sprach- und Wörterbücher nicht von Verfassern baskischer Muttersprache stammen, — auffällig, ja unnatürlich mit Vokalen überfüllt, daher der etymologische Kern eines Begriffes zumeist schwer auszulösen ist. Immerhin müssen aber die wenigen Beispiele bereits jedermann stützig machen, ob denn dies alles reine Zufälligkeiten seien.*) *) Al? Kuriosität sei erwähnt, daß das Metropolitankapitel von Pamplona bereits im 17. Jahrhunderte das Baskische als die Sprache des Diese unerwünschte Klärung und Festigung der sprachlichen Zugehörigkeit des Baskischen steht aber nicht vereinzelt da. Audi die plötzliche Entdeckung des Sanskrit übte seinerzeit einen unangenehmen Druck auf die konservative Wissenschaft aus, als die zerstreuten Spracheleniente der verschiedensten Zungen auf einmal in den neu ausgegrabenen Veden wieder ihre Blutsverwandten erkannten; als es überdies feststand, daß die Hindudialekte dieselbe Grundlage haben, wie die Hauptsprachen Europas, da kam doch zum Teile der absurde Gegensatz zwischen Vernunft und Logik in Konkurs, daß die Sprachen nicht einer gemeinsamen Quelle entstammen. Leider differenzierte sich diese plötzliche divinatorische Erkenntnis sehr bald wieder zur trägen, unelastischen Masge, und der erste Effekt dieser denkwürdigen Entdeckung ist längst verpufft und wieder in scholastische Pubrikenfächer eingekapselt; es bleibt daher nichts übrig, als den Kampf wieder in einer anderen Front zu beginnen. Župa, Dieser Name ist in den verschiedensten Varianten weit verbreitet, gilt aber heute nur mehr als Gattungsname für die G e-mein.de oder Pfarre im allgemeinen; deren Vertreter war der xzupanx, dessen Funktion ebenso einem kleinen Orte wie einer ganzen Provinz gelten konnte. Diesbezügliche Ortsnamen deuten auf das Vorhandensein befestigter Punkte, wie Zips, Zupanec (isolierter Felskegel mit einer Burg in der Slovakei), Z u p a n j a c (Bosnien, das alte Delmi-nium) u. a. — Im Mittelater wird häufig eine «civitas Ziupx erwähnt. Der Begriff xzupanx (auch xžupnikx, welcher Beiname heute nur mehr dem xPfarrerx beigelegt wird) hat seine Entstehung zweifellos schon in der bukolischen Urzeit. Es geht dies daraus hervor, daß der Vertreter einer Hutweidegemeinde in etlichen Gegenden Untersteiermarks und Oberkrains, dann im Venetianischen noch immer xžupanx heißt und ist dies wohl noch der letzte Originalrest der ältesten Gemeindeorganisation.*) — Da ich die Verhältnisse aus Paradieses erklärt hat und reklamierte J. B. Erro in seinem Buche: El mundo primitivo (1814) von neuem die allgemeine Zuerkennung dieser These. — *) In Salzgewinnungsgegenden war «župan« gleichbedeutend mit xSalzrichter«. meiner Heimat kenne, will ich dieselben, wie ich sie gesehen und erfahren, an dieser Stelle veröffentlichen, nachdem sie wohl verdienen noch der Vergessenheit entrissen zu werden. — Hat die Gemeinde eine eigene H u t w e i d e, so besorgt die wirtschaftlichen Angelegenheiten der «župan«, dessen Funktion nur ein Jahr dauert und im regelmäßigen Turnus alle Mitglieder des Weidegerechtsames passiert. Der «župan« nimmt den Gemeindehirt auf, beaufsichtigt die Zahl des Weideviehes, damit nicht jemand ungebührlich oder abnormal viel Vieh der Weide zuführe, er vereinbart den Pachtschilling für die Weidemieter, vergibt die Mistnutzung, weist die Robot zu, falls auf der Hutweide welche Arbeiten nötig werden (Grabenreinigung, Instandhaltung des Zaunes u. ä.), und zahlt die Grundsteuern. Um Allerheiligen wird nun die «sosečka«, d. i. die Zusammenkunft aller das Weiderecht besitzenden Nachbarn (sosed) in Gegenwart des Gemeindehirten abgehalten; der «župan«, welcher auch für eine entsprechende Bewirtung zu sorgen hat, legt die Jahresrechnung über sein Gebahren vor; der Gemeindehirt erhält an Ort und Stelle den vereinbarten Hüterlohn in Zerealien, mitunter auch einiges Geld; die Berechnung basiert sich hiebei auf die Zahl des erwachsenen Weideviehes; sodann werden noch Vorschläge. Klagen oder sonstige die Sache betreffenden Angelegenheiten besprochen, worauf die Funktion für das folgende Jahr dem an die Reihe kommenden übergeben wird. B. Sicherung der Gebietsgrenzen. Grenzbegriffe. Öie Sicherung der Grenze und die Hintanhaltung des Überschreitens derselben in feindseliger Absicht erforderte naturgemäß seit den Urzeiten entsprechende militärische und technische Vorkehrungen, die bereits bei der Gemeinde begannen und dann im Einigkeitsfalle auch über ein großes Gebiet einheitlich durchgeführt und ergänzt wurden, daher sich diese Vorsorgen mosaikartig über alle Gebiete Europas wie auch weiter hinaus ziehen. Es ist festgestellt, daß sich einst jede Gemeinde auch unabhängig für sich sicherte und hatte dieselbe einen genau ausgearbeiteten Mobilisierungsplan, ähnlich wie heute jede Armee und jeder kleinste Armeeteil. Es wird daher kaum irgendeine Gemeinde geben, die nicht ihren eigenen Versammlungspunkt für sich hatte, wo sie sich zur Wehre setzte, denn sie konnte ja gelegentlich auch von ihrem nächsten Nachbar überfallen werden, und bestätigt uns dies nicht nur der selbstverständliche Selbsterhaltungstrieb, sondern auch der Umstand, daß sich solche Vorsorgen vielfach ja bis heute erhalten haben, sowie daß sie überall in den Ortsnamen sprachlich nachweisbar sind. Solche Punkte waren: Die Kirche oder der Friedhof mit der Umfassungsmauer, der Dorfplatz, ein eigener Wallgraben, ein festes Gebäude (Schloß, Hof, Schüttkasten), eine Schanze, eine Bach- wie Flußlinie oder eine verteidigungsfähig hergerichtete Höhe, wenn die Bodenplastik dies ermöglichte. — Von der Zeit der ersten Nachrichten an. daß ein feindlicher Einfall drohe, wurde die Grenze beobachtet und bewacht, der Verteidigungspunkt verstärkt und verproviantiert, die Habe in Sicher- heit gebracht und so der Feind erwartet.*) Wurde man hier geschlagen, so zog man sich zum nächsten verteidigungsfähigen Punkte oder Abschnitte zurück, und so ging es weiter, bis man entweder selbst oder mit fremder Hilfe siegte und den Feind wieder vertrieb, oder aber unterlag. — Diese Tatsache bestätigt nebst Xenophon und Polienus besonders Amianus Victor, welcher bei der Beschreibung des Feldzuges des Kaisers Gratianus gegen die Goten (378 n. Chr.) schreibt : «Diese Barbaren zogen sich von einer Höhe zur anderen zurück, wo die Legionen deren Befestigungen immer von neuem erstürmen mußten«. Nach altem Brauche wurde an den Grenzen auch stets ein gewisser Streifen Landes als neutrale Zone belassen, die unbebaut und unbesiedelt blieb, analog wie schon die Anrainer zwischen zwei Ackerparzellen einen schmalen Grenzstreifen (Rain) gewohnheitsmäßig freilassen, damit sich die Besitzungen nicht unmittelbar berühren; dieser Rain bleibt auch unproduktiv, wird also weder gemäht noch abgegrast. Der Slovene nennt einen solchen Grenzstreifen sprachlich vollkommen zutreffend in der Diminutivform «mejica« '(== kleine Grenze) daher dessen «meja« (= große Grenze) einen größeren Streifen voraussetzt, der namentlich in jenem Falle so be- *) Eine solche Mobilisierungsdisposition hat sich in meiner Heimatsgemeinde traditionell noch recht gut erhalten und ich gebe sie hier wieder, wenn dem Leser auch die lokalen Verhältnisse unbekannt sind. Bei der ersten Alarmnachricht wurden von der Abendämmerung bis zum Tagesanbrüche alle Zugänge an der Gemeindegrenze, da es ein gebirgiges Terrain ist, besetzt gehalten und waren hiezu die Häuser, welchen dieser Dienst zukam, vorherbestimmt; der Rest der waffenfähigen Männer begab sich auf den Tabor und vervollständigte hier noch die Vorsorgen; tagsüber war ein Beobachtungsposten auf dem Kirchturme etabliert; einzelne Frauen begaben sich zur Versehung des Samariterdienstes auch auf den Tabor; die Kinder, Greise, Frauen mit Mutterpflichten und erwachsene Mädchen wurden aber in das Kolos-Gebirge gesendet, wo jeder wohlhabendere Ortsbewohner einen Weingarten mit einem mehr weniger primitiven Wohnhause besaß; dahin wurde auch die wertvollere bewegliche Habe, sowie das Vieh gebracht, soweit letzteres eben nicht zur Verproviantierung des Tabor abgegeben wurde. Die Waffen wurden instandgesetzt und verteilt, die Signalstationen aktiviert, Verhaue an bestimmten Punkten angelegt, Brücken unterbrochen, Stege weggeräumt und Hinterhalte an verschiedensten Stellen gelegt, wie dies der Verteidigungsrat, an dessen Spitze der Bürgermeister stand, je nach der vermutlichen Einbruchstelle ad hoc bestimmte. liannt wird, w enn er bereits mit Gestrüpp bewachsen ist. Tatsächlich haben die Gemeindegrenzen in manchen Gegenden noch heute einen unnötig breiten, meist von Dorngestrüpp überwucherten Grenzstreifen, welchen niemand kultiviert, weil der Boden eben niemand gehört, abgesehen von der Notwendigkeit einer wurzelfesten perennierenden Grenzflora, damit sich die Grenze etwa im Winter oder bei einer Überschwemmung nicht verwische. Der Verletzung der Grenze im kleinen war schon in der patriarchalischen Verfassung eine strenge Strafe zugedacht, sie galt als Sakrileg, und fand nach dem Volksglauben noch nach dem Tode Fig. 3 a) Fig- 3 b) keine volle Sühne, denn z. B. die xGrenzsteinrücker« müssen sich bei mondhellen Nächten wieder am Tatorte einfinden, um ihr Verbrechen gutzumachen. Um nun die Grenze auch für den Fremden unzweifelhaft kennbar zu machen, brachte man daselbst verschiedene Kennzeichen, wie: künstliche Grenzhügel (Hotterhaufen) oder auffallende Grenzsteine, oft mit bildlicher oder schriftlicher Warnung an. Von den letzteren sind die interessantesten die bildlichen, wie sie ziemlich zahlreich, namentlich auf norddeutschem Gebiete vorgefunden und auch von der Wissenschaft als Bildwerke aus altslavi-scher Zeit widerspruchslos anerkannt wurden. So zeigt uns Fig. 3 eine seit Menschengedenken als Grenzstein zwischen den Dörfern Mosgau und Groß-Herzogswalde in Westpreußen geltende Statue aus rötlichem Granit von 126 cm Höhe. Die Skulptur zeigt an, daß man je nach Art der Grenzverletzung entsprechende Gegenmaßregeln ergreifen werde, denn die Attribute sind: ein Dreschflegel oder Knüttel zum Zurücktreiben von unbewaffneten Menschen, dann von Tieren, welche etwa hirtenlos die Grenze überschreiten ; ein Schwert, um einzelne Menschen, welche in feindseliger Absicht kommen, abzuwehren; ein Horn, um das Signal zu geben, daß größere Gefahr der Gemeinde drohe. Selbst die Flanke stellt eine Figur (Figur 3b) dar, die die Arme ausgebreitet hält, wie zur Warnung: «nur bis hieherbt*) *) Über das Alter und die Bestimmung dieser Steine herrschen die einfältigsten und unnatürlichsten Meinungen. So sagt Dr.. Weigel im Aufsätze: «Bilderwerke aus altslavischer Zeit» (im Archiv für Anthropologie, Berlin 1892), daß diese Skulpturen schon deshalb slavisch seien, weil nur die Slaven eine so primitive Kultur hatten, keine Schrift besaßen, keine eigenen Münzen kannten, nichts vom Golde, Silber und Bronze wußten u. drgl. — Um die Einwanderung der Slaven im 5. oder 6. Jahrhunderte n. Chr. stimmend zu machen, meint er, in jenen Gegenden saßen zuvor die hochkultivierten Germanen ,dann kam die triste Zeit der Völkerwanderung, und nachdem es die bei dieser Gelegenheit eingedrungenen Slaven zu keiner nennenswerten Kultur brachten, trat die Regermanisierung ein. — Eine Polemik über diese ethnographischen Zauberkünste wird wohl niemand erwarten, denn wer soll dann allen diesen Fundorten slavische Namen gegeben haben, wenn sowohl zuvor als auch nachher die Germanen es waren, welche einzig die hohe Kultur repräsentierten und es sozusagen nur auf eine Probe ankommen ließen, ob sich die Slaven kulturell bewähren werden oder nicht, weshalb haben sie da selbst keinerlei sprachlich-kulturellen Einfluß geübt! — Erwähnenswert ist auch die Hypothese, daß die Grenzsteine ursprünglich slavische Götzenbilder waren und erst später die profane Verwendung fanden. Ich behaupte hingegen, daß die Figur selbst ein «granit, granic«, d. i. ein Grenzstein von allem Anfänge war, und daraus erst der Gattungsname für den Stein, aus dem die Figur bestand, — Granit — wurde, denn der widerstandsfähigste Stein war eben Ein anderer Grenzstein wurde bei Regnitz nächst Bamberg gefunden (siehe Fig. 4.) Der Stein ist 140 cm hoch, weist aber nicht die früheren Attribute auf. Auf der Rückseite (Fig. 4b) ist jedoch eine Ellipse mit mehreren regelmäßig gruppierten, wagrechten Fur- chen ausgemeißelt, welche die imaginäre Umfriedung der Grenze in der Form von Absperrlatten anzeigen sollen. gerade für den Grenzstein geeignet. Ja man bezweifelt sogar, ob die Skulptur mangels von Eisen bei den Slaven nicht mit harten Steinen ausgeführt wurde; darüber gibt wohl die Härteskala in jeder Mineralogie einen klaren Aufschluß, abgesehen davon daß ja die Figuren selbst Schwerter tragen, das Eisen also zweifellos bekannt und im Gebrauche gewesen sein muß, denn Schwerter aus Holz kennen wir bis jetzt nur als Surrogat bei den .— Kinderspielen. Ein ganz eigenartiger Grenzstein ist jener von Husiatyn in Galizien.*) Es ist dies eine Steinsäule von 27 mm Höhe und einer quadratischen Basis von 34 cm Seitenlange; sie ist hier (Fig. 5 u. 6). sowohl von einer Ecke als auch mit ihren vier Fronten in eine Ebene gelegt dargestellt. Die vier Figuren stecken unter einem einzigen Hute und zeigen wohl damit an, daß sich hier im gefährlichen Grenzgebiete (Galizien und Podolien) einst vier Älteste oder Führer von Gemeinden zur gemeinschaftlichen Abwehr des Feindes vereinigt haben, und war jener mit dem Schwerte und Pferde versehene der fallweise Oberbefehlshaber. — In der zweiten Etage sind zwei männliche und zwei weibliche Figuren zu sehen, welche einen Reigen *) Man glaubt in slavischen Kreisen, es sei dies ein Standbild des Kriegsgottes «Svantevidx, (d. i. Allesseher, Weltseher), also eines verdoppelten Janus, welcher in Arčona auf Rügen verehrt wurde und dort auch seinen Tempel hatte. — Tatsächlich ist hier die Allegorie der Einigkeit sehr geistreich erfaßt, denn die vier verschiedenen Personen sehen alles, haben aber nur ein Gedankenzentrum. Wir finden darin auch die Erklärung des gangbaren Spruches: «sie stecken alle unter einer Decke (einem Hute)», wie dies hier der Fall ist, und kennen diese Redensart fast alle Sprachen. — Deutsche Forscher glauben hingegen, daß die drei Etagen die U n t er w e 11, die Welt und den Himmel bedeuten, was man rundweg als eine ganz unmotivierte Idealisierung ablehnen muß. — Ich halte die Bildwerke dieser Kategorie lediglich als äußere Zeichen geschlossener Bündnisse, die zur Erhöhung des Wertes mitunter auch in Tempeln oder Gotteshäusern aufbewahrt wurden, um einen sakralen Charakter zu erhalten. Die vielen mehrköpfigen Statuen sind daher nur als Einigkeitsallegorien zu nehmen, ob sie nun an einer wichtigen Grenzscheide (z. B. der oft vorkommende «Dreimarkstein») oder in einem Tempel stehen, genau so wie wir Bildstöcke haben, die am Felde, im Weingarten, auf der Brücke aber ebensogut außen und innen an der Kirchenwand oder gar in dem Altar stehen. Der als »Triglav« bekannte Berg ist daher kein Drei k o p f, denn er hat, wie die beeigegebene Figur 7 zeigt, gar nicht drei Kuppen, sondern deutet hiemit an, daß er an dem Vereinigungspunkte dreier Landesgrenzen steht, was tatsächlich stimmt. — Stellen, wo drei Grenzen Zusammentreffen, kennzeichnen die Slaven auch als: trojica, t rojeno (Tročnovo); möglicherweise ist auch «Troja» dieses Ursprungs. — Das katholische Dreifaltigkeitsprinzip hat daher schon seiner bildlichen Darstellung nach bereits in der T r i g 1 a v-Statue sein Vorbild, ebenso wie die dreiköpfige Steinfigur des indischen T r i m u r t i etymologisch auch nichts weiter ist, als die Vereinigung von drei Fürsten oder Stammesältesten an einer Grenze (»tri» und »mor, mur«) behufs einheitlichen Vorgehens bei feindlichen Anlässen, also ein Dreibund der uralten Politik. — vielleicht aus Freude über die Einigung — aufführen. Die untersten Figuren sind entweder diejenigen der Führer, welche sich später ausgezeichnet haben, oder die Nachfolger der oberen — wobei schon der vierte fehlt —, denn sie machen den Eindruck einer späteren und reiferen Arbeit. — Alles dies sind , jedoch suggerierte Vermutungen; am naheliegendsten ist aber die Annahme, daß dies ein Grenzstein am Zusammestoßpunkte von vier Grenzgebieten ist, und bringt jede Seite den Beherrscher des betreffenden Gebietes zur Darstellung; es ist dies also ein xViermarksteinx. Weshalb man aber die erwähnten Grenzsteine, die lediglich einen warnen de n Grenz Wächter darstellen sollen, deshalb den Slaven zuschreibt, weil die Skulpturen so ungemein roh und primitiv aussehen, ist unerklärlich, denn diese Denkmäler sind augenscheinlich uralt und mindestens für diesen Zweck hätten sicher auch die klassischen Griechen keine Aphrodite aus parischem Marmor bei Praxiteles bestellt! In die Kategorie der Grenzsteine gehören auch die sogenannten xBabax-Steine, die zahlreich in Rußland gefunden werden. Unter xBabax versteht man vor allem Höhen an Grenzpunkten, daher auch Ortschaften, die am Fuße solcher liegen, xPodbabax lauten"), denn ansonsten gilt xbabox als der alte Vater, Großvater, Familienälteste, dann Kommandant an solchen Grenzgebieten. Weil er große Gewalt hatte, war er auch gefürchtet, und kam so zur Bewertung als Drohgespenst, woraus im Deutschen xWa-wau, Wauwaux wurde, daher er auch in drohender Pose dargestellt erscheint. Im Slovenischen gebraucht man xbavec, bavcx (= Schreckgespenst), im Griechischen „ßav^co“ (bau-bau — rufen), im Russischen xbavunx für den diesen darstellenden Stein, das Grenzzeichen, auch als xbaba-jagax bekannt; dieses ist aber wieder nur eine Verballhornung von xbabjakx und xvabjax, worunter man jenen Grenzstein versteht, der heute als ein Findling oder errati-scherBlock bezeichnet wird. — Nun ist aber die landläufige Erklärung, daß diese Blöcke schon in der Eiszeit vom Norden her *) *) Ansonst: Babel, Bab-el Mandeb, Babylon, Babylom, Wawel u. ä. — Im nächsten Umkreise der Stadt Brünn gibt es z. B. vier «Babax-Höhen, die möglicherweise einst die äußerster Punkte der Brunner Verteidigungszone bildeten. herabgeschoben worden seien, auch falsch, da schon die Vorstellung mangelt, wie solche Monolithe die Qebirgswälle übersetzten. Die Tatsache ist eben anders: zur Markierung einer wichtigen Grenze brachten sich die Bewohner große, in fern gelegenen Fundorten gebrochene Steine von geringem Verwitterüngsvermögen. Solche Kolosse konnte nun auch niemand leichterdings umstellen und noch weniger unauffällig ersetzen, weil der Transport eines zweiten gleichartigen Steines oder das Zertrümmern wie das Entfernen doch nicht leicht unbeachtet vorgenommen werden konnte. Geht man aber dem Fundorte solcher Grenzsteine nach, so wird man finden, daß sie tatsächlich oftmals weit hergeschafft und überdies häufig mit irgendwelchen primitiven Skulpturen versehen wurden, damit, sie für jedermann leicht erkennbar sind, und destoweniger umgewechselt werden konnten.*) Die Baba-Steine**) tragen mitunter auch die Aufschrift xBalbalx, was man als Götze auslegte, das aber eigentlich den Grenzwächter oder Grenz Verteidiger bezeichnet, denn x balvan x gilt noch heute dem Slaven als auffallender Felsblock, aber auch zugleich — in erweiteter Bedeutung — als G ö t z e. *) Einen solchen xFindiingx fand man bei Teschen und verfaßte sofort sein curriculum vitae dahin lautend, er sei in der Eiszeit von Schweden hergewandert und sei hier am Olsa-Ufer zum Stillstände gekommen. Wie er die Höhen nahm und in der Olsa. die doch selbst gegen Norden fließt, weiter kam, darüber zerbrach man sich gar nicht den Kopf; er wanderte eben, allen Naturgesetzen entgegen, flußaufwärts und bisweilen auch auf trockenem Wege — bergauf! Daß es aber viel näher solche Gesteine gibt, wie hier in den Beskiden, wo sich verschiedenfarbige »Teschenite* in Einzelausbrüchen der Kreideformationen vorfinden, diese Erklärung wäre selbstredend zu einfach gewesen! **) Es gibt aber auch xBabax-Steine, die tatsächlich mit einer »baba» (— altes Weib, Hebamme) im Zusammenhänge stehen und nur durch den Gleichklang zu irrigen Erklärungen führten. Skulpturen dieser Kategorie welche entweder Frauengestalten in Gravidität oder geradezu den natürlichen Geburtsakt drastisch darstellen, dürften einst keinen anderen Zweck gehabt haben, als bildlich anzuzeigen, wo eine Hebamme wohnt, war also auch ein Zunft- und Gewerbezeichen, wie wir analoge noch heute genug besitzen, und ähnliche z. B. im alten Pompeji als typische Orientierungsobjekte für Freudenhäuser bei den Ausgrabungen vorfinden. — Alles weitere Fabulieren über jene Steine kann wohl als gründlich verfehlt angesehen werden, wie z. B. daß dies Göttinnen weiblicher Fruchtbarkeit seien, denn der Zu- Grenzsteine oder auch nur W egweiser sind überdies die sogenannten Rinnen-, Schalen-, O p i e r- und Zeichensteine, welche namentlich in Gebirgs- und steinigen Gegenden nicht unhäufig angetroffen werden. Sie erhielten einst gewisse künstliche Einkerbungen, sei es nun in Form von Rinnen, eckigen oder runden Ausnehmungen, damit sie sich äußerlich in Bezug auf ihre spezielle Bestimmung von sonstigen Steinblöcken und Felsen der Umgebung abheben und hiemit Irrungen für die Besitzer oder die Säumer ausschließen; es sind dies wohl die ältesten, aber auch die unverwüstlichsten Methoden und Beispiele von \V e g- und Grenzmarkierungen. Daß es geradezu lächerlich ist. solche Steine als rituelle Objekte prähistorischer Provenienz anzusehen, zeigt der » Umstand am besten, daß es oft naturgewachsene Monolithe sind, die mitunter auch sehr weit von menschlichen Ansiedlungen, immer aber an Wegen oder Grenzlinien liegen. Die Zahl der eingegrabenen Linien oder Löcher mag auch, da der Naturstein doch nicht immer gerade auf der natürlichen Grenze oder mitten im Wege stehen kann, konventionell, ähnlich wie unsere Hydrantentafeln, in den damals gangbaren Längenmaßen angegeben haben, wie weit hievon und nach welcher Seite z. B. die w a h r e Grenze läuft, wofür uns heute allerdings noch die synchronistische Denkmethode mangelt, was sich aber bei Vergleich mehrerer solcher Punkte doch vielleicht wieder festlegen lassen dürfte. — In der Schweiz gibt es längst uralter Saumpfade eine Anzahl von ><, und wer diese noch weiter für Opfer- u. Kultussteine hält, der dürfte doch bald mit seiner Phantasterei allein dastehen.*) sammenhang zwischen diesem Firmenschilde, wobei meist auch ein Kind am Arme gehalten wird, scheint mit der heutigen Kennzeichnung einer Hebammenwohnung — dem Muttergottesbildnis mit dem Erlöser am Arme — organisch durchaus noch nicht ganz unterbrochen zu sein. Einmal diente hiezu ein roh gemeißelter Stein, ein andermal eine käuflich erhaltbare Bronzefigur; mußte aus irgend einem Grunde das Gewerbe unterbrochen werden, so wurde natürlich auch wieder das Firmazeichen entfernt. — Die ganz kleinen Figurchen dieser Art können aber auch Devotionalien gewesen sein, um eine glückliche Entbindung bei höheren Gewalten zu erflehen. *) Ein massiver Monolith liegt auch nördlich von Velehrad (Mähren), der im Volksmunde als xKönigstischx (krälüv still) bekannt ist, weil angeblich dort ein Premyslide eine Mahlzeit gehalten habe. — Tatsächlich ist es ein Grenzstein, der auch noch heute die Gemeindegrenze markiert, wovon man sich leichterdings auch in jeder Spezialkarte überzeugen kann. Auf dem Kamme des Gebirgszuges von «Malavas« im französischen Departement Haut-Loire fand man drei solche Schalensteine, die aber das Volk noch als «Martinsteine« (mar = Grenze), also heute unverstanden aber etymologisch richtig als Grenzsteine kennzeichnet. Einen Pietätswert haben diese Steine, — man wallfahrtet ja noch immer dahin —, allerdings dadurch erhalten, daß an solchen Punkten oft auch angesehene Persönlichkeiten bestattet wurden, denn die alten Völker begruben ihre Toten mit Vorliebe entweder auf aussichtsreichen Höhen oder aber an Wegen und namentlich an Kommunikationskreuzungen, weil der Tote dadurch einerseits nicht so leicht dem Gedächtnis der Epigonen entschwand, andererseits erhielt aber die Grabstelle und hiemit auch die G r e n z e dadurch von selbst einen exterritorialen und zugleich sakralen Charakter. Daß der gemeinsame Weg naturgemäß an der Grenze lief, ist selbstverständlich, denn auf diese Art gab jeder Besitzer nur die Hälfte des nötigen Grundes dazu, und ist dieses bei (iemein-dewegen ja auch heute nicht anders. — Eine ähnliche Doppelbestimmung hatten die «Menhir's«, die Gräber an einer Grenzzone (menjati = wechseln; menjik = Grenzstein); menih, Mönch hieß nun der Kommandant an einem solchen Grenzverteidigungspunkte; und die Stelle, wo ein solcher bestattet wurde, hieß sodann «menhir« oder ähnlich klingend.*) Eine derartige Wahrheit noch weiterhin zu begründen ist allerdings schwer, wenn die auf der Kombination aufgebauten klaren Tatsachen keinen Glauben finden, denn dann müssten wir schließlich auch glauben, daß unsere Urahnen nur verreist sind, weil wir sie mit eigenen Augen nicht sterben gesehen haben. *) An dieser Stelle sei auch dem Begriffe «cromlech« wissenschaftlich nähergetreten. Man behauptet, daß die mit Steinen belegten alten Gräber in England deshalb so genannt werden, weil dies im Keltischen «Kreis-steine« (crom = Kreis, lech = Stein) bedeute. Abgesehen davon, daß diese Hie Erfahrung lehrt nun, daß auch die Volks- und Gegendnamen zum größten Teile so lauten, wie in der Sprache der betreffenden Bewohner die Grenze gekennzeichnet wurde, denn der Nachbar ist eben jener, der jenseits einer bestimmten Grenze wohnt, was aber auch wieder auf Reziprozität beruht, so daß jeder den Nachbarcharakter trägt, daher es dort Wenden, Winden gibt, wo die Grenze xven, vin>< lautete: Limnones gab es bei «lim«, Medi, Meder bei xmedx, Markomanen bei «mar, mark«, Krain, Ukraine bei xKrajx, Samniter, Samland bei xsam, zamx; es gibt ein Oderb erg, Sachsenb e r g in der reinen Ebene, weil die Grenze dort als xbreg, Bergx bezeichnet wurde u. a. m — Die Etymologie ganz willkürlich, ohne welche sprachliche Basis, aufgestellt wurde, ist die Schlichtung auch meist nicht in der Kreisform, — und wo ja, dort war es eben ein vorbereiteter Kampfplatz, — sondern sogar in überwiegenden Fällen in der Jl -Form vorgenommen. Statt aber nun den uächtsliegenden, allerdings slavischen Begriff «groblje, u grobljeh« (= bei den Gräbern) zur Erklärung heranzuziehen, stellt man lieber eine falsche Grabsteinschlichtung her, um eine aus der Luft gegriffene Etymologie äußerlich zu rechtfertigen, denn darüber bestand nie ein Zweifel, daß dies alte Gräber seien. Nun beschreibt aber Prof. Trojanović (Belgrad) auch einen solchen xcromlechx, der in Westserbien beim Dorfe «Votnjakx (Vodnjak) auf dem Hügel xRicerakx entdeckt wurde. Daselbst befindet sich ein im Konglomeratboden geebneter, dominierender Höhenplatz, der von drei Seiten'her schwer zugänglich ist; auf der vierten Seite aber, wo das Nahen zur Plattform leichter ist, befindet sich auf etwa 100 Schritte zuvor ein «cromlech», d. h. eine Art Zwinger, gebildet durch auf die Spitze gestellte und im Halbkreise angeordnete Steine, um solcherart den Zugang auch von dieser Seite abzusperren oder dem Gegner doch den Angriff aus dieser Richtung zu erschweren. — Das Ganze war sonach eine für die Verteidigung technisch vorbereitete Stelle, und wurden daselbst nebstbei auch die im Kampfe Gefallen bestattet. Der genannte Forscher ist jedoch der Ansicht, daß von der Thronhöhe aus der Fürst und die Stammesältesten den Funktionen des- heidnischen Priesters zugesehen haben, denn sie konnten das bei dem sogenannten Opfersteine stattfindende Ritual von dort aus noch gut beobachten. Dies alles ist eine unmotivierte Annahme, die nebstbei auch durch die Praxis unhaltbar ist, denn bei allen gottesdienstlichen Handlungen gilt die Proportion, daß je höher jemand im Range steht, desto näher befindet sich sein Platz am Altare oder beim gotesdienstlichen Funktionär, da dies natursächlich zur Ehrung von Hoheitspersonen gehört. Grenze war deshalb seit altersher entweder durch mehr oder weniger markante Grenzzeichen, oder durch schwächere oder stärkere Schutz- und Wehrbauten festgelegt, hatte in völkerrechtlicher Auffassung eine ungewöhnlich hohe Respektsbedeutung und bildete die Passierung derselben unter gewissen Vorbedingungen stets mehr oder weniger nachdrückliche Staats- und Kampfaktionen, was sich bis heute nicht im geringsten geändert hat.*) *) Die Etymologie der Ortsnamen wäre auch bei Grenzregulierungen der Staaten zu berücksichtigen, denn man will doch überall in objektiver Weise jene Linie als Grenze wissen, die seit undenklichen Zeiten als solche galt und dies besagen eben am klarsten die topischen Namen daselbst. Grenzbegriffe. Med, Mej, Meh, Meža, Mža, Mžaae, Meissen, Misa, Mah, Mak sind durchwegs Wurzelsilben für die Bezeichnung: Grenze, Ufer, N a c h.b a r g e b i e t. — Dem Kroaten ist «meda« = Grenze, «mediti« = begrenzen, «medik» = Markstein; dem Slovenen ist «mek« = das Flußufer, «meja« = die Grenze, «mejaš = der Nachbar (auch «medas«); dem Russen ist «meža« = Grenze. Grenzstein: «mežak« =der Nachbar, «meza« (alte Form) = die Grenze; nachdem sich die Kämpfe zumeist im Grenzgebiete abspielen, ist dem Südslaven «me.idan« = Kampfplatz; «mehala, mahala«, Mehadija (an der Czernia!) ~ der Stadtteil (der verteidigungsfähige); «mehala« ist auch zugleich die Bezeichnung für eine Gruppe freiwilliger Kämpfer, Freischärler (zurVerteidigung der Grenze); im Lateinischen hat «me-dius« die Bedeutung: das in der Mitte gelegene, das neutrale Gebiet; im Oskischen ist «niedix*) = Älteste, das Oberhaupt eines Städtebundes, daher auch die Familie «Medici«. Alle Orte der Form: Meda Mede, Medeba, Medelpad, Medern, Medevi (woraus die Slaven das anklingende «medved« (= Bär) machten, daher auch «Medovo selo« zu «Medvedovo selo« und im deutschen dementsprechend zu «Bärental« wurde), Mediaseli, Media (Medler). Medina, Medine, Mediolanum, u. a., welche alle auf eine Küstenlandschaft, einen Fluß, ein Grenzgebiet oder einen befestigten Platz deuten. Dem Araber ist «medina« überhaupt der Begriff für die verteidigungsfähige Stadt, daher es in zusammengesetzten Ortsnamen wie: Medina del Campo, M. de Rio-seco u. a. auch wiederholt vorkommt. — Sehr zahlreich sind die ~) Das »X« in lateinischen, aus dem Slavischen stammenden Begriffen ist normal das Zeichen für die Transkription des slavischen »č«; medix — medič. — topischen Bezeichnungen: na medi d. i. an der Grenze. In dieser Hinsicht ist namentlich die im Rheine, von einem toten Arme gebildete Insel «Namedy« charakteristisch. — Der «Slavist« Miklosich machte sich in seiner Schrift «Die sla-vischen Ortsnamen» (p. 72) über jene lustig, die in den topischen Namen slavi sehe Wurzeln entdeckt haben wollten, indem er meinte : Bei gutem Willen kann man selbst Mekka und M e-d i n a ohne viel Scharfsinn für s 1 a v i s c h erklären ! — Die Wirkung des ironisch gemeinten Ausspruches nimmt bereits reflexive Formen an; es gehörte aber immerhin auch einiger Scharfsinn dazu zu beweisen, daß der «gute Wille« ein berechtigter ist, denn sonderbarerweise haben sowohl Mekka wie Medina uralte Forts (Haram), beide Städte lagen an der Grenze, und Mohamed selbst war ursprünglich, soweit man der Geschichte glauben darf, doch nur Befehlshaber einer kriegerischen Freischar oder Gemeinde. — In das gleiche Sprachgebiet sind noch einzureihen: «meč« = Schwert, also die Waffe der Grenzverteidiger; «mekteb« ist die türkische M i 1 i t ä rakademie; »medschlis« sind die Räte in einem türkischen Kollegium, sowie die Ortsnamen: Melk, Mölk, Mödling, Mettnitz, Metz, Mettau, Meten vrh, Metković, Mietne, Metalka-Sattel, Messina, Messene, Messala, Mesen, Messenhaus, Medžiskala, Medjugorje, Mezzolombardo, Le Mession (bei Metz), Mies u. ä., welche alle mehr weniger noch heute an Landes- oder Provinzgrenzen stehen oder eine hervorragende Rolle in der Grenzsicherung eines Terainabschnittes spielen. — Ein altslavischer Gott hieß bei den Redariern »Mita«; etymologisch ist der Name gleichbedeutend mit Grenzverteidiger. Die Formen: Melk, Mödling u. s. w. sind z. B. heute schon arg verballhornt, denn wir wissen, daß Melk i. J. 831 noch «Medelicha«, geschrieben wurde; es bieten aber auch beide auf ihren erhöhten Felskuppen zweifellos sehr günstige Beobachtungspunkte.*) *) Die landläufige Auslegung, daß Melk wie Mödling nach dem gotischen Verbum «mathljan« (— sprechen) die «Sprechende, Geschwätzigen bedeute, kann, weil ganz unnatürlich, für alle Zeiten fallen gelassen werden. — Melk selbst kann nebstbei auch einParalellname sein, der aus «Mel« (vergi. Melnik) hervorgegangen ist. — Gegen die slavische Etymologie, die zum großen Teile, wenn auch ohne richtige Erklärung, bisweilen schon zugegeben wird, führt man vor allem an, daß etliche Fliiße auch den Namen «Melk« tragen doch dies ist nichts Verwunderliches, denn das Gewässer wurde behufs leichterer Orientierung so benannt, weil es an einem wichtigen Landesverteidigungspunkte voriiberfloß, und zeigen die Analogien, daß die Flüsse meist nur sekundäre, militärisch wichtigen Terrainpunkten entnommene Bezeichnungen führen, je nachdem sie dieselben berühren, begrenzen oder verstärken. Der Hoheitsname hat sich als «maitre« (= Lehrer, Leiter) noch im Französischen erhalten; in anderen Formen wurde er zu Personennamen, wie: Metellus, Metelko, Meduna, Medardus, Medea, Medusa, Methusalem (Hebr. der Gewappnete), Methusala (Hebr. Mann mit dem Geschossei), Mezihoräk (= Grenzbeobachter) u. a. — Unter «met, mete, metej meteh, meta« versteht man im allgemeinen kegelförmige Aufwürfe an der Grenze; das Kroatische «me-teriž« ist die G r e n z s c h a n z e (auch Hinterhalt). — Die thessali-schen Klöster «Meteora« haben daher nicht den Namen von «Meteor«, sondern nach den eingentümlichen, kegelförmigen Felsmassivs, welche aus der Ebene direkte über 700 m emporragen und auf die man teilweise nur mittels Stricken und Leitern gelangen kann; sie dienten einmal lediglich als günstige Grenzverteidigungspunkte. —-Hieher gehören sonach auch die alten Provinznamen: Moesia, Ma-kedonia, Messenia. — Auf den vielen «Messbergen« wurde demnach auch nicht zuerst eine Messe gelesen, sondern profaner Grenzwachdienst versehen. — Desselben Ursprungs ist auch der Pro-vinzname «Meklenburg« (früher «Melchenburg«), welches hiemit nur eine Grenzgegend anzeigt: die Burg selbst hieß i. J. 973 noch «Willi-grad« (d. i. Veligrad, Belgrad). — Ein weiterer engverwandter Grenzbegriff ist «meteh«, wie er bei den Balkanslaven gebraucht wird; Namen dieses Ursprungs sind ziemlich häufig und bildet gerade «Metohija« (Metehija. mit dem Pa-ralellnamen Gacko) die Grenze zwischen der Herzegovina und Montenegro; ein weiteres «Metehija«, die südöstliche Grenze Serbiens u. ä. Eine wichtige verteidigungsfähige Lokalität erhielt mit der Zeit überhaupt statt des Eigen — den Gattungsnamen «mesto, miasto«. was seinerzeit als Lagerplatz, Versammlungsstelle der Bewohner eines Gebietes galt, heute aber schon die Qualifikation einer Stadt, d. i. eines größeren Ortes bezeichnet; dementsprechend ist xmestys, mesteökox der Gattungsbegriff für weniger bedeutende Punkte dieser Art an einer Grenzzone. Raj. Alle topischen Namen, wie Raj, Rajec, Rajach, Rajsko, Rajbrot, Rajnkovec, Reich, Reichau, Reichers, Raichenau, Reichenberg, Reichub, Reichenhag u. ä. haben >< als Wurzel, welches im Slavischen heute dem Paradiesesgarten gleichkommt, eigentlich aber das Jenseits d. i. das Territorium jenseits der Grenze bezeichnen will. Wir wissen dies nicht nur aus dem Begriffe xrajnix, d. i. der Verstorbene, der ins Jenseits abgegangen ist, aus der Redensart uv raj itix = die Grenze überschreiten, sondern erinnert daran das deutsche xRainx = die Feldgrenze, sowie die vielen Ortsnamen xRannx, welche alle an natürlichen Grenzlinien, namentlich an Flüssen liegen und früher als xRayn, Rain, Reinx geschrieben wurden. xRajhradx (Kloster in Mähren) ist sonach ein Grenzverteidigungspunkt; xReichstättenx ist keine reiche Stätte, sondern ein Grenzhügel in Niederösterreich, wie auch xReichenbergx kein reicher Berg ist, sondern gab der aussichtsreiche Jeschkenberg als wichtiges Grenzobjekt augenscheinlich der Ansiedelung den Namen. xRajax hat am Balkan heute noch die Bedeutung xüirtex, d. h. der Nachbar wurde von den Türken so benannt; in Indien ist jedoch der xRajax schon bis zur Königswürde vorgerückt, wo er sonach einst als. Hoheitsname für den Kommandanten der Grenzsicherung angewendet wurde. Im indischen Epos Rigveda hat xrajax auch schon den Gottcharakter. Ebendaselbst wird auch eines, früheren mächtigen Grenzvolksstamms erwähnt, der den Namen xRajbarx (raj-var) führte. Bewohner an solchen Grenzpunkten nannte man : Raitzen, Rajci, Ratzen. Dieses Ursprungs ist auch der Vorname xRainerx, in der Heutigen Form als Anrainer. Vin. Dieses Wurzelwort liegt ungewöhnlich vielen topischen und ethnographischen Namen zugrunde und deutet auf eine an einer Grenzlinie hergerichtete Verteidigungsstellung. xVinx ist im Slavischen in dieser Bedeutung, namentlich im Russischen als »bühij« (= Gürtel. Grenze) erkennbar, dann im Lateinischen als »finis» (= Grenze), »vindicare« (= rächen); im Französischen »vindicte, vindicatifx (= strafende Gerechtigkeit), deutsch: winden, d. i. überwinden und Feind, welche Begriffe an Überfälle und Kämpfe an der Grenze anspielen. Hiezu gehören vor allem: Wien (röm. Vindomina, Vindobona), Windisch (röm. Vindonissa in der Schweiz) sowie alle Zusammensetzungen mit diesem Bestimmungsworte, wie: -Büchl, -Dorf, -Garsten, -Gratz, -Landsberg, -Matrei u. v. a.,; dann: Vinar, Vinarje, Vinje, Vino, Vinica, Vinkovce, Na vinice, Vinograd, Vinohrady (= Befestigung an der Grenze), Wienau, Vindorf, Vinti, Windpassing (Beobachtungspunkt an der Grenze), Weinleiten, Wiener-Neustadt (an der ungarischen Grenze), dann die Volksnamen: Winden (Vinidi, Vindi) und Vindelicii. — »Vi-nodolx Um kroatischen Küstenlande ist daher kein xvallis vinaria», wie es im Mittelalter übersetzt wurde, sondern ein Grenzgebiet uralten Datums, denn dort befand sich schon die Römerfeste Asse-s i a. Auch besaß »Vinodolu schon ein eigenes Gesetzbuch, von dem ein Exemplar v. J. 1280, in kroatischer Sprache verfaßt, vorgefunden wurde. — Wenn die Taucher die sagenhafte Wendenstadt »Vineta«, welche von der Küste Usedoms ins Meer gesunken sein soll, erfolglos suchen, so wird dies erklärlich, nachdem dieser Name ja möglicherweise einst nur ein Grenzgebiet oder ein Grenzsiche-rungsobjekt bezeichnet haben mag. — Der »Wendengletscher» in der Schweiz bildet die Grenze zwischen den Kantonen Uri. Bern und Unterwald; desgleichen hat das deutsche: Wende, wenden doch nur die Bedeutung des Sichumkehrensan einem bestimmten Punkte. Eine weitere Klärung bringen die topischen Namen mit der Wurzelsilbe »ven», die viel ausgesprochener diese Etymologie stützen. Im Slovenischen bedeutet »ventati, ventiti, ventovati, ventarne, ven-tavecx abweh ren, entgegentreten, Abwehr, Verteidiger; das lateinische »venio» gebraucht man auch für: feindlich kommen, heranrücken; die französischen Begriffe »veneurx (= Jäger, »vengeur» (= Rächer), »vendre» (sich verteidigen) sprechen eine noch präzisere Deutung in diesem Sinne aus. Die Wenden. Veneti. Venedi sind daher die Grenzbewohner im allgemeinen, das »Hohe Venn. Venedig, Vendée, Venosa (röm. Venusiani), Weimar (früher Vinar). Venusberg (ein solcher hieß früher Veensberg), Ventia. Venta» u. ä. sind sonach- Grenzgebiete und Zufluchtsorte. Den Schlesiern sind «Feinesleutex, auch >< sagenhafte Bewohner von alten Göttersitzen, Anhöhen und Felskuppen, die den Umwohnern in Not und Gefahr beistehen. — In dieser ihrer Beschäftigung liegt aber auch versteckt die Etymologie ihrer hiezu geeigneten Aufenthaltsorte, denn sie wohnen angeblich am xFenessteinx (bei Pitarn wie bei Schwarzwasser), in der xFenshöhex (bei Messendorf) u. ä., denn es fällt auf, daß die Nachbarorte selbst schon sprachlich als Grenzorte gekennzeichnet sind, und waren die xFenesleute« eben die Grenzwächter, welche den Umwohnern «in Not und Gefahrx beistanden. — Die Küstenbewohner xPhönizierx sind gleichbedeutend mit XVeneti« und täuscht uns nur der angelernte Gebrauch der griechischen Namensform. Etymologisch dasselbe sind die von Homer erwähnten »'Evstoi* in Paphlagonien. Es kann dem Kenner der Lage von Wien auch gar nicht entgehen, daß die Stadt einerseits tatsächlich an einer natürlichen Grenze liegt und war dieselbe andererseits dadurch gefährden, daß der Gegner von Norden her gerade hier infolge der vielen Inselbildungen leicht und gedeckt einen Uferwechsel bewerkstelligen konnte. Wenn aber auch jedes Geschichtsbuch sagt, daß Wien ursprünglich eine keltische Ansiedelung war, so hat meine Deutung dieses Namens früher doch zu großer Skepsis sowie zu allerlei Beschuldigungen, wie: ich betreibe lediglich Slavomanie, Phantasterei u. drgl. Anlaß gegeben, daher ich mich verpflichtet fühle noch einige Orientierungsdaten zuzufügen, denn daß Wien einst s 1 a v i s c h war, ist außer den Lokalnamen: Wieden, Am Tabor, Leopoldsberg u. s. w. und den sonstigen Ortsnamen Niederösterreichs auch durch einige Kultusnotizen ersichtlich. Gerade diese zeigen uns deutlich an, daß die Winden (Slovenen) allmählig vom Norden gegen den Süden verdrängt wurden, bezw. sich sprachlich mit den Deutschen assimiliert haben, denn der russische Chronist Nestor (11. Jahrh.), erzählt z. B. daß die Merowinger den Krönugseid auf ein xslavonisches« Evangelium leisteten. Als Zar Peter in Rheims weilte (im Jahre 1717), zeigte man ihm daselbst dieses hochbewertete Buch, welcher sofort die Sprachzugehörigkeit des Inhaltes erkannte. Aus der Vorredf der Übersetzung von Durandus’s xRationale divinorum officiorumx, welche i. J. 1384 Herzog Albrecht mit dem Zopfe anfertigen ließ (der Codex befindet sich in der Hofbibliothek in Wien), ersieht man auch, daß um diese Zeit in Wien der Gottesdienst noch in der slovenischen Sprache abgehalten wurde. Die betreffende Stelle besagt, daß. «zum drittenmale (zum erstenmale lateinisch, zum zweiten griechisch, d. i. altslavisch, deutsch noch gar nicht) die Messe in w indischer Sprache abgehalten wird wegen der Allgemeinheit und der großen Verbreit ungdieserSprache, «denn keine andere Sprache ist so weit verbreitet als diese Sprache, die man die w i n d i s c h e nennt«.*) Das Kapuzinerkloster in Wien verwahrt unter anderem einen Beutel, der aus dem Anfang des 11. Jahrhundertes stammt; auf diesem befindet sich folgende altslovenische Aufschrift: Bože uščedri ny i blagoslovi ny i prosveti lice svoje na ny i omi — (Herr belohne ihn und segne ihn und lasse dein Antlitz leuchten auf ihn . .) Dieser Beutel (bursa) bildete aber einst einen Teil der ungarischen Kroninsignien und wurde vom Kaiser Ferdinand III. dem genannten Kloster geschenkt.**) Die Bürger von Laibach und Krainburg stifteten i. .1. 1495 ein Beneficium in Aachen und hielten daselbst einen slovenischen Prediger, wohin jährliche Heiltumsfahrten unternommen wurden, weil die Slovenen sogar dort aus einer früheren Zeit noch eigene Gnadenobjekte gehabt haben mußten.***) *) Wortlaut in der Handschrift (Nr. 2765 und 3045): Daraus ist auch zu sagen, umb wie das Ambt der Messe in dreyerhande Sprache wird begangen nach des heiligen Römischen Stuls Verhengnus und Willen, wissen-leichen: chriechisch, lateinisch und wIndisch, und warumb in Ebrais.cher Zungen cain Mess gesprochen wirt, sind das doch das Ampt der Messe Ehraischen angevangen ist oder wart. Dar zu ist zersprechen, das drei gelehrte Sprachen ausgenommen seint in den dicz wirdig Ampt begangen wirt in Bezaichnunge der heiligen Drifalticheit mit der und in der es wird begangen . . . ; dann:.Zu dem dritenmahl die Messe begangen in windischer Sprach durch Sache der Braittunge und Qemaihait, wan kain ainige Sprach an ir selber ist. so weit seteilet, als die man windische" nennet .... **) Den alten Schriftstellern (wie z. B Lud. Gebhardi), welche sagen, daß der erste ungarische Monarch seinen neuen Staat nach slavischen Mustern geformt hatte, kann man daher durchaus nicht widersprechen. ***.) Daß sich die Slovenen noch im 15. Jahrhunderte für Aachen begeisterten, riihrt daher, weil sie jedenfalls durch irgendwelche religiöse oder kulturelle Bande an ihre einstigen Wohnsitze daselbst erinnert wurden, Die obige Notiz im «Rationale« bedarf daher vor allem keines näheren Kommentars; nebstbei dürfte sie aber auch jene Urteile etwas alterieren, die meine Erklärung kurzerhand als «lächerlich« abtun wollten. Alte Urkunden beweisen überdieß auch, daß um das Jahr 1000 n. Chr. z. B. um Kremsmünster noch «windisch« gesprochen wurde.*) Noch frappanter ist die Beschreibung Wiens seitens des Historikers Bordini (um 1450), welcher die Stadt folgend schildert: Wien gehört gewiß unter die schönsten Städte der Barbaren. Wien’s ganzes Gebiet ist ein ungeheurer, herrlicher Garten, mit schönen Rebenhügeln und Obstgärten bekrönt etz.; und dann: die Stadtmauer hat wohl über 2000 Schritte und doppelte Wälle, damit das grobe Geschütz ihnen desto weniger Abbruch tue. Rings um die Wälle ist ein schöner Spaziergang; auch sieht man dort viel schöne Türme, einige ganz von Quadern und viereckig, andere aus gebrannten Ziegeln mit schönen Gittern und Fenstern geziert und mit eisernen Pförtlein versehen. Die Schußlöcher stehen 30 Schuhe hoch und fassen jedes Geschütz. In den Gräbern sind mehrere Quellen und es ist denn Aachen's älteste Namensformen sind slavisch. Daß die Sprache des Unterjochten immer naturnotwendige Konzessionen seitens des Eroberers genießt, hiefiir gibt es noch viel ältere Beweise. So zeigt uns das Tonprismenarchiv von Ninive dasselbe Verhältnis. Dieses hat uns eine Menge Bitten, Litaneien, Psalmen und Rituale in zweisprachiger Abfassung erhalten, denn die assyrischen Priester mußten sich beim Gottesdienste auch der alten «heiligen* Sprache der Sumerier, d. i. jener Sprache bedienen, welche den Ureinwohnern verständlich war. *) Siehe: Strnadt, die Geburt des Landes ob der Enns, p. 14 u. 15; Mon. boic. XI. 106; Kümmel, Die Anfänge deutschen Lebens in Österreich, p. 160—163. — So ist es auch erklärlich, daß in der von seinem Schüler Eugippius um 511 n. Chr. verfaßten Biographie des hl. Severin einer mönchischen Niederlassung «ad vineas« erwähnt wird, die man in die Nähe des heidnischen Götterberges nächst Göttweig verlegt und als »bei den Weinbergen» übersetzt hat; die naturgemäße Translation ist wohl »an der Grenze*. — Es sei hier auch folgende Kuriosität Wien’s erwähnt. — Für die Besucher des Stephansturmes befand sich früher im Eintrittsraume folgende in Stein gehauene Orientierung in slovenischer Sprache: Listje za sv. Štefana nahod ... fd. i. Karten für den Aufgang auf den Stephansturm . . .) Seit etwa 30 Jahren ist dieselbe entfernt. — Es war jedenfalls einst ein praktisches Bedürfnis eine solche Belehrung anzubringen und für die Wien besuchenden Engländer oder Amerikaner hat man sicherlich nicht gerade den slovenischen Text gewählt. leicht sie schnell und ringsum mit Wasser zu füllen. Neben den Stadttoren stehen große viereckige Türme, haltbar gegen den wütendsten Angriff etz. — Wir werden sonach die gangbare Bedeutung des Begriffes «Barbarenx auch mit der Zeit zu Besserem umwerten, zumal wir wiederholt hören, daß die hochgebildeten Griechen, die dies auch nicht ohne w elche Vorbilder und Vorbereitung geworden sind, ihre Kenntnisse doch auch von da und dort, also auch von den «Barbaren« übernommen haben mußten. — Es ist hier auch der Platz dahin zu weisen, daß das Niederreißen der einstigen Bedeutung und Ausdehnung der Wenden — Slaven erst in neuester Zeit systematisch eingesetzt hat, namentlich seit die bewuißte oder unbewußte Fälschung der Geschichtslehrbücher allgemeine Oberhand erhielt, denn die ältesten Schriftsteller, die noch vom Gifte nationaler Gehässigkeit nicht betäubt w-aren, erzählen mit ungetrübtem Freimute über die Slaven alles das, was sie eben diesbezüglich wußten, sahen oder hörten, mochte es Hun günstig oder ungünstig auslauten. So schreibt Ludwig Gebhardi in seiner «Geschichte aller Wendisch-Slavischen Staaten« (Halle 1790), obschon man aus verschiedenen kritischen Bemerkungen durchaus auf keine slavenfreundliche Tendenz desselben schließen kann, in der «Vorrede« folgendes: «In den Jahrbüchern der Welt findet sich keine Völkerschaft, welche so sehr die Aufmerksamkeit der Weltweisen auf sich ziehet, als diejenige, die man bald die wendische, bald die s 1 a v i s c h e Nation nennet. Denn diese bewohnt oder beherrscht jetzt die Hälfte von Europa und Asien, und schon im 17. Jahrhundert gab der Regent eines Teiles derselben (Fedor, Großfürst der Russen) nicht durch ein fürchterliches Heer, sondern durch einige Hundert Abenteuer, seinem Reiche eine solche Ausdehnung, daß es weit größer w'ard, als eine derer ältesten Monarchien, die von unseren Vorfahren Herrschaften der ganzen Welt genannt, und deren zahlreiche Eroberer fast als übernatürliche Menschen bewundert zu werden pflegen. Die Urheber dieser furchtbaren Nation machten keine Entwürfe zur Errichtung großer Staaten, sondern dachten nur auf Zerstörung blühender Staaten, oder auf Befriedigung ihrer Leidenschaften, vernichteten gewöhnlich durch Eigenwillen und fehlerhafte Regiments-Verfassungen die Vorteile, die sich ihnen ungesucht darboten, und gelangten dennoch zu der beträglichen Größe, die bei ihren Nachkommen noch immer im Wachstnme begriffen ist. Die Nachrichten. die von dieser Nation vorhanden sind, fangen mit ihrer Kindheit an, und werden nicht nur für den Geschichtsschreiber der Nation, sondern für jeden, der sich über Entstehung menschlicher Größe durch Tathandlungen belehren will, so wichtig, daß man schon lange hätte auf eine vollständige, allgemeine Geschichte aller Wenden denken müssen, die aber bis jetzt noch immer fehlt«. — In der goldenen Bulle v. J. 1356, welche als deutsches Reichsgrundgesetz gelten sollte, verlangt Kaiser Karl IV., daß jeder Kurfürst die wendische Sprache fertig reden müsse, in der Absicht selbe zur herrschenden Staatssprache zu machen. — Von Kaiser Otto I. (936) erzählt Widukind, daß er die romanische und slavische Sprache zu sprechen vermochte. — Man entnimmt diesem allem, daß wendisch damals noch die eigentliche Volkssprache war, daß man aber in Hofkreisen lateinisch sprach, ähnlich wie man noch im Anfänge des 19. Jahrhundertes das Deutsche mied und nur das Französische als hoffähige Sprache anwendete. — Van. Im Deutschen gibt es viele Ortsnamen in der Form: Wanzen, Wanzenau W a nzleben u ä,, welche etymologisch mit der zoologischen Wanze nichts zu schaffen haben, denn das Grundwort «van« (Wand) kennzeichnet eine Grenze, «wandern« = die heimatliche Grenze überschreiten; «vanati, vantati, vancati, vančati» im Slavischen: hüten, achtgeben, aufmerken; es waren dies sonach ursprünglich Beobachtung s punkte an irgendeiner Grenzzone. — Sonstige topische Namen dieser Wurzel sind: Wan (türkisches Vilajet und Zitadelle), Wang, Wanau, Wa-nitz, Wanköw, Wanowitz, Wansch, Wantsch, Wantschen, Vanca, Vantačić, Vandans u. ä. — Der Hoheitsbegriff war «Van«, wie er sich im Holländischen als Attribut bei vielen Personennamen noch erhalten hat. — Die «Wa-nen» der Edda sind lediglich die gefürchteten Grenznachbarn, die «Riesen, die von Osten kamen, die Weltordnung stark erschütterten und etliche Äsen stürzten«. — Als feindliche Grenznachbarn sind auch die «Vandalen« anzusehen. — Die Völkergeschichte sagt zwar, daß sie ein germanisches Volk waren, das im J. 439 das Vandalenreich in Afrika gründete, deren Name aber mit dem Jahre 534 wieder völlig erlöscht, als deren König Gèlimer dem oströmischen Feldherrn Belizar unterlag. — Nun wissen wir aber, daß der hl. Ruppert noch i. J. 705 den «Vandalen« predigte; es heißt näm- lieh: transcenosque monte altissimo, mons Durus (— Tauern) appe-lato, praedicavit W a n d a 1 i s («nach Passieren des sehr hohen Durus-Qebirges predigte er den Wandalen«), worunter man die heutigen Slovenen zu verstehen meint, als die Bewohner südwärts jenes genau bekannten Gebirges. Die eine oder die andere geschichtliche Feststellung muß sonach falsch sein; wahrscheinlich ist aber dies die erstere, denn niemand wird jemandem predigen, der seit 170 Jahrennichtist! — Helmold («Chronika Slavorum«) schrieb i. J. 1172: «An der Grenze Polens kommt man zu einem sehr ausgedehnten slavischen Lande, nämlich zu denen, die voralters Wandalen, jetzt aber W i n i t h e n oder W i n u 1 e r genannt werden. Die ersten derselben sind die Pomeranen, deren Wohnsitze sich bis an die Oder erstrecken«. Die «Wandalen« Afrikas und jene Pommerns sind daher offenkundig zwei lokal verschiedene Volksstämme, wobei sich noch die Frage aufwirft, wer die ersteren — ein ganzes Volk' — nach Afrika überschiffte, denn dies ist doch keine so einfache Prozedur, daß man sich darüber keine Vorstellung weiter zu machen brauchen müßte. — Herbord («Leben des Bischofs Otto von Bamberg«) erzählt um das Jahr 1200 ergänzend: «Der polnische Herzog Boleslaus (1102—1139) habe die Pommern, weil sie Heiden waren, entweder auszurotten oder aber zum Christentume zu bekehren versucht. Die Pommern setzten jedoch im Vertrauen auf ihre Kräite und weil sie Städte und am Eingänge ihres Landes sehr viele durch Natur und Kunst befestigte Burgen hatten, bewaffneten Widerstand entgegen; doch sie wurden besiegt, und ihre Stadt Stettin, die von allen Seiten von Sumpf und Wasser umgeben war, daher als uneinnehmbar galt, wurde durch Benützung der Eisfläche erobert. Der Herzog führte nun 8000 Mann mit Weib und Kind nach seinem Lande und siedelte sie an den gefährlichen Grenzpunkten in Städten und Burgen an, damit sie sein Land schützen und mit seinen Feinden, den auswärtigen Völkern, Krieg führen.« — Nun, hiemit hätten diese Pommern-Vandalen wohl nur eine fiktive Transferierung durchgemacht, denn sie verteidigten bestenfalls nun die nominell polnische Grenze, die aber eben früher ihre eigene war. Sehr fraglich ist es aber, daß ein Eroberer je so unvorsichtig war und die Verteidigung seines Landes einem eben unterworfenen, daher völlig unverläßlichen Volksstamme überantwortet hätte, den man vor allem selbst bewachen muß. In dieser Schilderung ist sonach entweder der Kriegszug oder die disponierte Ansiedlung historisch nicht haltbar! — Auffallend ist es aber, daß hier durchwegs Volksnamen Vorkommen, die alle etymologisch die Grenze bezeichnen, wie «pol, van, vin, mor (d. i. «Po-morzani« = die an der Grenze Wohnenden).*) Alle mythologischen wie auch sagenhaften Daten über die «Wanengötterx, die polnische Königstochter «Wanda« (wahrscheinlich ist dies aber ursprünglich ein männlicher Name), den Quaden-fürsten Vannius (Vana) u. a. müssen in Bezug auf ihre Entstehung auf eine sehr prosaische Basis rückgeschoben werden. Eigennamen, vie: Vanék, Wannieck, Vaniček, Vanino u. ä. deuten auf Familien, denen die Grenzverteidigung oblag, oder die an der Grenze wohnten; der einzelne Verteidiger hieß «Fant« (Vant), wie man noch heute einen erwachsenen Burschen benennt. — Überdies erzählt Krantz in «Wandalia« (Hanau 1619), daß die Slaven mit dem alten Namen «Vandali« hießen und daß dieser Name wieder in Folge Änderung des Stammvokales mit «Wenden« identisch sei, sowie daß der einflußreichste Mann bei den Wandalen «Winus« genannt wurde. — Vag, Waag. Auch dieses sind Bezeichnungen für bewachte Grenzgebiete. Der Slovene sagt noch immer: «na vagi« (= an der Grenze), dem Russen ist «vagän« der starke Bauernbursche, der zum Soldaten Geeignete; dem Deutschen ist «Vagant« und «Vagabund« derjenige, welcher leichtlebig ins fremde Gebiet zieht; ein «vager« Begriff ist ein solcher, der nicht genau begrenzt ist; die «Wagsteine« sind prähistorische Grenzzeichen gewesen. Das deutsche : Wacht, Wache sind schon vorgeschrittene Begriffe für die Sicherung der Grenzgebiete, daher die vielen: Wach- und Wacht berge. Das durch die Waag (Slova-kei) geteilte Gebiet wird «Povahi« (= Waaggegend, Grenzgegend) genannt, und fällt auch durch die vielen grenz- und verteidigungstechnischen Ortsnamen auf. — Sonstige Namen dieses Stammes sind: *) Auch die chinesische Mauer ist nichts weiter als etymologisch die Grenzmauer und heißt auch im Chinesischen «Wan-li-čang-čeng« d. i. die Grenzmauer von 10.000 Li Länge. — Ein Tor bei Peking weist sogar Inschriften in sechs Sprachen auf u. z. in erster Linie in Sanskrit, ein Beweis, daß die Chinesen einst nicht so exklusiv waren, wie heute, oder daß ein anderes Volk damals das regierende war. Wachau (an der Donau, bei Leipzig u. a.), Vacha (bei Weimar), Wachtl, Wagrein, Wagram, Wagna, Wagendorf, Wagstadt, Wagrien (der von den alten Wenden bewohnte Teil von Holstin) u. a. Klin, KHni, iNa klinah, Klen, Chlen, Glein, Glin, Hlinsko u. ä. deuten auf Grenzlinie n, denn im Altslavischen, namentlich Altböhmischen, gilt «klin« noch als G r e n z p f 1 o c k, E c k s t ii c k, Grenzfeld, dann als Grenzstreifen im allgemeinen. Das Grundwort ist «kleniti« (= abschließen), wovon noch der Begriff «klenot«, der im Deutschen zu dem sinnlosen «Kleinod« wurde, für etwas Umschließendes (z. B. Spange, Ring, Halskette, Diadem) im Böhmischen noch heute gebraucht wird. Ansonst wenden die Slovenen z. B. «vkleniti« (= in Spangen schließen), «zakleniti« (= ein'schließen), «okleniti« (= umschließen) u. a. an, die alle den Begriff des Schließen s, Abschließen s, Abgrenzens in sich bergen. — Auf Basis des Begriffes «skleniti« (= abschließen) bildeten sich auch die Ortsnamen Sklenov, Sklenau, Sklen, Skleny, Sklennä u. ä„ welche sonach auf eine einstige vorbereitete Grenzsicherung schließen lassen und meist auch noch Beweise hiefiir durch Schlösser oder Ruinen daselbst erbringen. Jablonka, Jablanje, Jablonany, Jablonov, Jablone, Jablunkau, Jablanica, Gablitz, Gabel, Gablonz u. ä. haben mit der landläufigen Deutung «Apfelgegend« (jablan = Apfelbaum) nichts zu schaffen und weisen auf Punkte, welche einst technisch verstärkt oder in eine Verteidigungszone einbezogen waren. Das reine Grundwort konnte einstweilen nicht gefunden werden; nur die Russen gebrauchen noch ein organisch verwandtes als «gabjun« (= der Schanzkorb). Tatsächlich haben aber alle Lokalitäten dieses Klanges irgendwelche äußere Anzeichen, daß sie einst fortifikatorisch verwertet wurden. — So ist «Gabela« im Südslavischen der Ort. wo der Zoll eingehoben wurde, d. i. der Punkt, den man zu diesem Zwecke absperrbar machte; dem Polen ist es heute der Zoll, die Steuer selbst, also der Punkt an der Grenze; Jablunkau (Schlesien) ist umgeben von «Kostköv« und gilt in alten Aufzeichnungen stets als Grenzfestung; am Jablunkau-Passe befand sich eine Reihe von Schanzen, die noch heute mehr weniger erhalten sind; Pläne aus dem Jahre 1680 führen noch an: Große, Kleine, Alte und Ochsen-Schantz, von denen namentlich «Stari šanac« (Alte Schanze) sehr alten Ursprungs sein muß, denn hier an der Grenze von Schlesien und Ungarn war die günstigste Einbruchstelle von Osten her. — Jablanica (Herzegovina) ist eine wichtige Talsperre, welche zur osmanischen Zeit (ebenso wie heute) militärisch besetzt war; Jab Ionica hieß eine Redoute der alten Festung Bosnisch-Novi; Jablani e (Untersteiermark) besaß einst eine größere Schanze, denn eine Urkunde v. J. 1502 besagt, daß sich bei xGablanachx auf dem Pettauer-Felde ein xTaborx befand. — Ähnlich ist es bei Gabel und Gablonz in Nordböhmen; bei dem ersteren gibt der L ä m b e r g (= Grenzberg), bei dem letzteren der aussichtsreiche Schwarzbrunn (xSchwarzx hier falsch aus xcernyx statt xcirnyx übertragen) als einstige technisch hergerichtete Sperre. — Hieher ist etymologisch vielleicht auch das kriegerische Hirtenvolk der J a p o d e n. mit seinen Felskastellen, einzureihen. Hiezu gehören auch die mit xH>< beginnenden topischen Namen, wie : Havel, Habelschwerdt u. ä., wobei xhavx in der Bedeutung : Küstenwall, Dünenschanze, Nehrung, die das offene Meer absperren, daher Hafen, noch bekannt ist.* *) Das xHa-vellandx war einst vermöge seiner sehr geschützten Grenzen ein großes Bollwerk gegen feindliche Angriffe. Augenscheinlich gehören hieher auch die vielen: Habr, Gaber, Gabernik, Gaberje u. ä., sowie die zahlreichen xHavranna Skalax, die fast immer an Punkten stehen, die noch heute irgendeine Grenze bilden. — Hiezu gehören weiters die Namen: Absberg, Absdorf, Absbach, Abstetten, Abstall, Abtsdorf. Habstein, Kaps, Chapfis, Chapfas u. ä. Es sind dies augenscheinlich Orte, wo der Älteste bereits hohegerichtsherrliche Rech-t e innehatte, denn solche Punkte haben immer feste Objekte und sind diesen, da es sich hier zugleich um Aburteilung größerer Verbrechen handelte, auch Kerkertürme beigegeben,*) die natürlich mit den Aussichtstürmen der Schlösser und Burgen identisch waren. Der Älteste, der Kommandant, der Gerichtsherr hieß in diesem Falle: Abt, opat (slav.), caput (= Haupt), kapitan (slav.). *) Ähnliche Verhältnisse hat auch der befestigte Hafen Le Havre de Grace (gradeč = kleine Festung) in Frankreich. — *) Man gebraucht deshalb auch die Redewendung: in den Turm geworfen werden. Diese Etymologie gibt auch Klärung über den Namen «Habsburg«. Auf der Höhe W ü 1 p e 1 s b e r g, auf welcher die Hab s-b u r g steht, befand sich in vordenklicher Zeit ein Aussichtsturm zur Beobachtung und Sicherung gegen feindliche Anschläge. Später erbaute sich der mit dem Schutze jener Gegend Betraute eine Burg beim Turme selbst, womit die Höhe eine verstärkte Verteidigungsfähigkeit erhielt. Als das Ansehen des Verteidigungskommandanten dieser Höhe wuchs und ihm die Sicherung des ganzen Kantones Aargau oblag, befand sich daselbst auch das Zentralgericht dieses Kantons. Der älteste Bauteil der Habsburg ist tatsächlich der große Turm mit einer Etage tief unter der Erde und drei weiteren oberirdischen. Der Begriff «haps« ist nämlich bei den Balkanslaven noch heute in vollem Gebrauche für Kerker, Haft. Der Slovene versteht unter «hapati«: haschen, schnappen, züchtigen (namentlich der Kinder); der Ceche gebraucht «kapsa« (= Sack, Abgeschlossenes); litauisch: «kapt« (= faßt ihn!); deutsch: «hopp«nehmen; lat. «captus«. — Sonderbarerweise heißt auch der Kerker, in welchem Christus gefangen gehalten wurde, wie dies jedermann in Jerusalem gezeigt wird, «Habs el Messiach.« Slavische Ortsnamen der Wurzel «haps« sind ins Deutsche oft als «Amtmannsdorf« übertragen worden, und zeigen somit selbsttätig an, daß an solchen Punkten ein Gericht höherer Instanz war; so besaß der Überlieferung nach der Amtmann in Apače (richtiger «Hapačje«, deutsch : Amtmannsdorf auf dem Pet-tauer-Felde) sogar das jus g 1 a d i i. — Ein solcher Funktionär mußte deshalb ein festes Objekt als Gefängnis zur Verfügung haben und ist überall ein solches auch noch jetzt nachweisbar, doch nennt es z. B. der Slovene heute nur mehr «štog«, woraus wahrscheinlich auch das deutsche «Stockhaus« wurde, denn für die Verabreichung der Stockprügel bedurfte man keines eigenen festen Gebäudes. Auffallend ist es, daß sich an der Drann (Untersteiermark) zwei angrenzende Ortschaften mit nur einem «štog« befinden, wovon aber eine «Apčja ves« (deutsch A m t m a n n s d o r f), die andere «S'to-govce« lautet. — Eine analoge Bildung hat der Stadtname «Stockholm«; es ist dies wohl der «štog« auf dem «holm«, der heutige «Schloßberg«. Jedenfalls ist die Übereinstimmung sonderbar, daß «zamek« im Böhmischen und Polnischen, «zamok« im Russischen, «ključ« im Südslavischen, «Schloß« (ahd. elusa) im Deutschen stets sowohl das Schloß als Bauwerk wie das Schloß als Türsperre bezeichnen, also immer homonyme Begriffe sind, was doch keine Zufälligkeit sein kann, weil eben die Burgen und Schlösser vor allem als absperrbarer Zufluchtsort bei feindlichen Invasionen galten, und nur nebstbei auch Gefängnisplätze waren, d. h. bei den Leuten erhielt später der Charakter des Gefängnisses mehr Beachtung als der wahre Urzweck des Bauwerkes. Die Deutung «Habichtsburg« ist daher eine verunglückte Auslegung des etymologisch unverstandenen Namens «Habsburg«. Gran, Granica, Hranice. In einigen Gegenden Mitteleuropas ist die einstige Organisation der Landesverteidigung noch historisch nachweisbar, ja seit der Auflösung der österreichischen Militärgrenze, die lediglich diesem Zwecke diente, ist kaum ein Menschenalter vergangen. — Alle den feindlichen Einfällen besonders günstige und exponierte Gebiete wurden einst streng bewacht und diente hiezu ein besonders organisierter Grenzwachdienst. Diese Grenzpunkte hießen «gran« (russ., poln,), «hranice« (böhm,), «granica« (südsl.) und bedeuten im Prinzipe nicht die Grenze im buchstäblichen Sinne, sondern die B e w a c h u n g derselben, denn das verbum : hraniti drückt nicht so sehr das «grenzen, angrenzen« aus, als das: behüten, betreuen, verwahren; wohl bedeutet aber igrana, hrana die Kante, den Rand; nachdem aber die schärfere Bewachung vor allem die Grenze erforderte, flössen die Begriffe in einen Wert zusammen. Das deutsche Grenze (Gränze) ist ein Slavismus, der aber, wie man allgemein, wenn auch fälschlich glaubt, durch das Wort «Mark« paralysiert wurde. — Das Grundwort «gran« ist in sehr vielen topischen Namen enthalten, wie: Gran (Stadt mit dem 66 m hohen Festunsgberg), Gran (Grenzfluß), Granada, sowie die vielen: Granica, Granitz, Granville, Granollers, Gransee, Granz. Grant, Granikos (Grenzfluß in Kleinasien), Gränzing, Gränzendorf. Gron (im Polnischen), Grensberg, Grenzdörfel, Grein, Kranzberg, Kranzbüchl, Kramnach, Hranice, na Hraničku (Gegend von Mähr.-Weisskirchen) u. ä.*) *) «Kranz« ist auch die Schmückung der Umfassung eines Gegenstandes, wofür aber die Slaven das Grenzwort «ven, vin« mehr in Anspruch nehmen, wie: venec, vinek (= Kranz) aber auch als «krancelj« (Slovenen) gebrauchen. Hiezu zählt auch das äußerlich reindeutsche, wenn auch sinnlose xGrunwaldx, d. i. xgrónx (grün) und xvalx (= Wall, s. xBal-kanx), sowie die alte sächsische Grenzveste xGrona, Granax, über deren eigentliche Lage man noch heute im Zweifel ist. Andere Bollwerke ähnlicher Art heißen z. B. im Deutschen: Gronau (älteste Form xcronuax), Grünau, Deutsch Crone, Krahnenberg, Kranichberg u. ä. Auf diese Art findet auch der xkeltischex Gott Granus seine Erklärung; es war dies bei den Slaven einst der Befehlshaber einer zu verteidigenden Grenzzone. Jener Gott soll auch der Stadt Aachen den alten Namen Aquae Grani gegeben haben; dieses ist aber gleichfalls unrichtig, denn hiemit sind lediglich die an der Grenze gelegenen Heilquellen bezeichnet.*) * Der Hoheitsname für den Befehlshaber eines solchen Punktes der Grenzverteidigung fehlt ja auch nicht; es war dies jedenfalls einst der «granx oder xgrandx, welcher Ausdruck sich aber in diesem Sinne nur in den romanischen Sprachen erhalten hat. Der Siidslave kennt nur mehr die Bezeichnung xgraniöarx für den Grenz Wächter, der Deutsche: Grenadier, richtig xGranadierx, der zur Verteidigung auch die xGranatex gebrauchte. Die Abgabe an der Grenze benannte man dementsprechend xkron, krona, corona, Kronex, woraus später ein bestimmter, noch heute gangbarer Münzbegriff wurde. — Die Mauerkrone galt schon bei den Römern als äußeres Sinnbild der Bürgers, d. i des Verteidigers der krenelierten — Grenzschutzmauer. Mar, Mark. Alle Namen wie: Steiermark, Dänemark, Mark von Pitten, Mark Brandenburg u. ä. deuten ähnlich wie gran, granica auf ein Grenzgebiet, welches verteidigungsfähig hergerichtet war. Die einstige Windische Mark ist das heutige Krain, wobei jeder Name dasselbe besagt, ebenso wie xMarkx Brandenburg (Branibor) nur eine Tautologie ist. — Das Grundwort ist das russische xmarx in der Bedeutung : pyramidenförmiger Berg, Steinhaufen, und ist xmar, markx, sowie das heutige xMarktx nichts weiter als die Bezeichnung für eine Grenzverteidi gunshöhe, ei- *) Aachen führt auch den franz. Namen Aix-la Chapeile, der aber slavisch ist und stammt xChapellex von xkopeljx = B a d. Tatsächlich besitzt Aachen berühmte heiße Quellen. nenCirenzhügel, und scheint solchen ein höherer Rang aus den vorzeitlichen Pflichten der Landesverteidigung anzuhaften. *) Im «Keltischen« bezeichnet «marun« den Wegweiser, das Grenzorientierungszeichen. Hiemit klärt sich auch der Name «Mähren« sowie der etno-graphische Begriff «Markomannen« auf. — Die March war stets eine natürliche Barrière gegen feindliche Einfälle; den Fluß selbst nennen die alten Schriftsteller: Marus, Margus, Margis, also: Grenzfluß, und spricht die Etymologie dafür, daß die ursprüngliche Namensform Mara, Marava, war, und daß das Gebiet, welches die March durchfließt, als Marava ausgesprochen wurde, denn das ganze Land, namentlich aber die Marchlinie, bilden einen geschlossenen «limes moravicusx.* **) Daß Karl d. Gr. die «Ostmark« gegründet hätte, hat durchaus keine Glaubensberechtigung, nachdem die Grenznamen sprachlich viel älter sind; bestenfalls hat er eine Revision der vorhandenen Vorsorgen veranlaßt, denn gerade der Marchlinie entlang gibt es eine Unmenge noch heute sichtbarer sowie etymologisch als s 1 a-visch erkennbarer Verteidigungspunkte. Ähnliche Verhältnisse obwalten aber auch beim Landstriche «March« in der Schweiz, welcher stets als Grenzlinie zwischen dem germanischen Gebiete und Rätien galt. — Ebenso ist die englische Stadt «March« auf einem pyramidenförmigen isolierten Hügel erbaut, und die belgische Stadt «Marche« ist eine gute verteidigungsfähige Höhe, die ehemals ohnehin Festung war. — An der Morava (Serbien) lag zu Römerzeiten: Horreum Margi (= mara hora, d. i. Grenzberg). Die Tab. Pentingeriana verzeichnet auch eine Station «Namare« in der Gegend des heutigen Melk. — Man erklärt sich diesen Namen als durch einen Schreibfehler entstanden, damit wohl die römische Gründung motivierter sei, und sollte derselbe etwa richtig «Admuros« ,:) So wundert man sich, weshalb das in diesem Buche auch abgebildete Maria Neustift das Markrecht hat, obschon es nicht 100 Einwohner zählt; aber der Frager erhält sofort dahin Bescheid, daß dieses Recht blutig erworben wurde, weil sich die Neustifter stets auf ihrem Tabor heldenmütig verteidigten, d. h. die Tatsache ging der Formalität lange voraus. **) Vergi. A. Srba: Limes moravicus — Olmütz 1908. Abdruck des «Casop. Vlast, muzea olomuckého«. oder xAdmauros» lauten, was schon deshalb abzuweisen ist, weil die Römer sicherlich anstrebten eher die Vorgefundenen Namen der eigenen Sprache näher zu bringen, statt sie zu entfremden. Man bedenkt eben nie, daß zu Römerzeiten hier auch schon Ansiedlungen mit festgelegter Nomenklatur waren, denn wo steckten dann die Einwohner, mit denen die Römer Krieg führten, wenn letztere erst alle Ortschaften gründeten und gleich mit Garnisonen versahen! — Diese unlogische Auslegung ist weiter unhaltbar und bietet nur auf Basis der slavischen Etymologie die natürliche Erklärung ima mare», auf dem G r e n z b e r g e, d. i. auf dem heutigen Stiftsfelsen, oder doch auf einer ähnlichen Erhebung im dortigen Gebiete. *) Aus den Begriffen «mar, mark« gingen auch die Personennamen: Mariä, Marian, Marius, Markus, Markwart u. ä. hervor, bedeuteten sonach im Anfänge den an einem Grenzpunkte Wohnenden oder den mit der Bewachung der Grenze Betrauten. — Als Hoheitsname hat sich >< (= Herr) im Syrischen, xmarquisx im Französischen und xMarkgrafx im Deutschen erhalten. Hieher gehören auch alle Namen mit dem >< in der Stammsilbe, wie: Mor, Mohra, Mora, Mori, Morava, Morini, Morea, Morinje, Morlak, Muora (Mur), Muorica (Mürz), Morgeti, Morgentia u. ä.; es sind dies Orte. Flüsse, Volksstämme, welche an einer natürlichen Grenze, liegen, eine solche bilden oder bewohnen. Dieser Etymologie gehört wohl auch der Berg xMoria» (bei Jerusalem) an, der angeblich mit M o r d s t ä 11 e gleichbedeutend sein soll. Da aber meines Wissens nur der Slave den Begriff »morija» (= Mord im großem Stille) tatsächlich kennt, scheint es sich hier um einen sprachlichen Mißgriff bei der Deutung dieses Namens auf slavischer oder ursprachlicher Basis, jedoch schon bei Verlust der Kontinuität, zu handeln. Erst dieser Etymologisierung ist daher wahrscheinlich die Opferlegende Abraham — Isaak zuzuschreiben, ebenso wie wir eine Menge Burg- und Ortsnamen kennen, deren Entstehung durch posthume, meist gründlich verunglückte etymologische Sagen zu erklären gesucht wird. — Diese Auslegung führte weiter *) Auf diese Weise wird das «keltische«: Marabudum, welches sonderbarerweise zwischen «Hradišf« und «Stradonitzx liegt, auch etymologisch verständlicher. auch zur Behauptung, daß hier Menschenopfer dargebracht wurden; dem ist jedoch entgegenzustellen, daß die Alten auch den Unterschied gefühlt haben werden, wonach sie eine Opferstätte nicht als «Mordstätte>< identifiziert haben, nachdem die erstere doch stets einen sakralen Charakter hatte. Die Namensformen wechseln eben je nach der Zeit, Sprechgewohnheit und nach dem Grade fremder Beeinflussungen eines Sprachgebietes. Im Deutschen schrieb man früher «Maren«, heute «Mähren«; man schrieb es auch «Möhren«, aber im Slavischen blieb der Name «Morava« unverändert. Daß «Morava« ein Grenzgebiet bezeichnet, ersieht man auch daraus, daß man sagt: «na Morave« also a n Mähren, auf Mähren und nicht «v Moravč« ■(= in Mähren), wie im Deutschen, wo sich das sprachliche Feingefühl bei der Übertragung nicht mehr geltend machte. — Das slavische «more, more, morje« {— Meer) ist also nichts weiter, als das Grenzgebiet, das Ende des Festlandes. — Die slavische Todesgöttin «Morana« ist nur die Personifikation des fremden Gebietes, des Jenseits, denn alle Religionen lehren, daß der Geist, die Seele des Menschen nach dem Verlassen des Körpers eine Reise in eine fremde Region antrete. — Das in alten Büchern so oft erwähnte «Morenland« ist sonach das Grenzland oder ein am Meere gelegenes Gebiet im allgemeinen. — Die Südslaven gebrauchen auch «mrgulja, margulja« für den Grenzstreifen, den niemand bebaut. — Die deutsche Anpassung lautet meist als: Mauer, Mauerbach u. ä. — «Mauern« zeigt noch heute Spuren einer alten Grenzveste Vorarlbergs. Lim (Grenzfluß), Limbach, Limberg, Limburg, Limbuš, Limuz, Limbarska gora, Lima, Limerčje, Limerick, Limagne, Limoges u. ä. deuten alle auf daselbst befindliche Grenzverteidigungsvorsorgen, doch ist das Grundwort «lim« nur mehr im übertragenen Sinne den Slaven bekannt. Die Cechen und Polen gebrauchen noch «limec« und «Iimecek« für den Endbesatz des Kragens, der Hemdmanschette oder des Frauenrockes, sonach auch hier in der Bedeutung: äußerster Rand, Grenzstück. — Im Lateinischen ist aber der jedenfalls einst von den Slaven übernommene Begriff «limes« sowie «limbus« ■(= Gürtel, Umgebung, Saum) in der Urbedeutung noch erhalten geblieben. Derselben Etymologie sind aber auch alle Ortsnamen mit «e« in der Grundsilbe, wie: Lemberg, Lembach, Lehmdorf, Lehmstätten. Lemsitz, Lemove u. ä., denn idem« (= Saum am Kleide), «podlem» (der untere Saum am Frauenkleide), »lemiti» (= säumen), «oblemo-vat« (= passepoilieren, abgrenzen) wird im nämlichen Sinne gebraucht. Einen verwandten Begriff haben die Cechen auch noch in «linati» = das Haar, die Federn wechseln (bei Tieren). Dasselbe bedeutet aber auch das deutsche «Linie«, wie es z. B. der -Wiener für jene Zone gebraucht, wo man die Verzehrungssteuer zahlen, also den früheren Festungsgürtel überschreiten muß. — Alle topischen Namen wie: Lein, Leine, Leiningen u. ä. wurden in älterer Zeit als «Lin« geschrieben. *■ Einen mehr weniger ausgeprägten Sicherungsgürtel findet man in Europa, — sowie auch weiter hinaus —, überall, und ist die Frage der Limes-Forschung gerade dadurch auf eine falsche Basis gestellt worden, weil man voreingenommen glaubte, daß es nur einen zusammenhängenden Limes «germanicus» und «raeticus« gäbe und daß diese selbstverständlich nur von den Römern herrühren können. Solche Limes gibt es aber auch anderswo und könnte man ebenso von einem Limes moravicus, styriacus, carniolicus, pannoni-cus, hispanicus u. a. sprechen. Die slavische Etymologie überzeugt uns daher, daß dies keine römischen, sondern ausschließlich vorrömische, also a 11 s 1 a v i-s c h e Sicherheitsvorkehrungen waren, denn Fortifikationen baut nicht der Angreifer sondern der Verteidiger, d. i. derjenige, welcher ein Gebiet bereits innehat und es auch weiter für sich erhalten will. Wie soll man den Umstand sonst aufklären, daß die avarischen Slaven, die Hunnenknechte, und was man da Albernes darüber liest, die zu jener Zeit sicherlich verwischten oder , verfallenen Defensivvorsorgen so feinsinnig und technisch richtig erkannt und determiniert hätten, denn da müssen sie die heutige Gelehrsamkeit, welche noch immer für die Limes keine echte Klärung findet, weit übertroffen haben! Es scheint, daß alle Ansiedlungen des Namens: Lind, Lindau, Linz, welches letztere die Römer als «Lentia« benannten, auch dieses Ursprungs sind. An Flüssen gelegene Städte, wie: Wien, Graz, Marburg, Klagenfurt nennen noch immer den Stadtteil längs jenes Fluß- Uferbereiches, der für eine Landung, also Qrenzübersetzung besonders wichtig ist, die «Lend«, Lände«; es entwickelte sich daher dort eine Ansiedlung, wo das Terrain einen Einfall begünstigte, weil dieses paralysiert werden mußte. Kain, Kamen, Karnitz, Kametz, Kamnice, Kamenica, Kamno, Komno, Kamyk u. ä. bedeuten nicht direkte einen Stein oder steinige Gegend (slav. kamen = Stein), sondern eine auf einem Felsen, Felsvorsprunge oder überhaupt aus Steinen hergestellte Beobachtung s- oder Verteidigungsstellung, von wo aus man irgend ein Grenzgebiet bewachen konnte. So liegt dem ehemaligen Schlosse Lembach (Limbuš bei Marburg) Kamca (Kamnica, deutsch Gams) mit einem vorspringendem Felsen als Ergänzung der Sperre des Drautales gegenüber. Ebenso ist K a m e n der einzig richtige Punkt, der Ratopolje und das gegen Livno führende Tal bei Mostar zugleich gut beobachten konnte ; Kamen bei Mostarsko blato ist ein weit in den See vorspringender Felsen, der für den ersten Moment diesem Zwecke nicht zu entsprechen scheint, nachdem weit höhere Terrainpunkte benachbart sind; und doch ist dies richtig, denn nur von diesem zentral- und im Niveau des Sees gelegenen Punkte ist es möglich, die Vorgänge längs der stark gerippten Gebirgshänge, die den See begleiten, zu beobachten. Kamen ergänzt bei Doboj die Beobachtungszone dieser einst starken Veste, und ähnlich sind die Verhältnisse bei allen in Österreich an Hunderte zählenden topischen Namen dieses Grundwortes. — Die Wurzel ist jedenfalls «kam«, aber in diesem Sinne nicht mehr gebräuchlich; hingegen kennt der Russe noch xkama, kajma« für Grenze, Rand, Umfassung (Kama als Grenzfluß); dem Türken ist «kaim« der Wächter, «kaimakam« der Kreisvorsteher. Es scheint, daß die biblischen Namen Cham, Kain auch schon auf Hoheitsbegriffe oder angesehene Geschlechtsnamen deuten. Hieher gehören auch die zahlreichen Ortsnamen, wie: Como See mit den anwohnenden «Camunen«, Komar, Camera ager am Meeresufer im alten Lukanien, Komarno, Komarovice, Komno (Alm), Komorany u. a. — Daß diese Namen mit «komar« (~ Gelse), wenn sie auch oft als G e 1 s e n b e r g, G e 1 s e n k i r c h e n, u. ä. übersetzt wurden, in etymologischer Hinsicht nichts gemein haben, sei nur als Beispiel erwähnt, wie oberflächlich man deutscherseits bei der Translation der Ortsnamen vorging. — Überdies sind die topischen, meist Höhen kennzeichnenden Namen, wie: Hum, Horn, Hamm, Cham, Um, Umac, Uman, Homberg, Homburg, Chumetz, Kumitz u. ä. hier einzureihen. Unter idium, hom, holm« versteht der Slave eine mäßig hohe Kuppe mit meist sanftem Oberteile; solche Höhen befinden sich immer in der Nähe von Ansiedlungen, da sie ja durchwegs zur Verteigung ausgenützt wurden. Die Ägypter bezeichneten die «Ummani« als einen Teil der «Ratan« •(= kriegerischer) Völker. Aus dem 15. Jahrhunderte v. Chr. hinterließ Thutmosis III. ein geographisches Werk mit 119 topographischen Namen; darunter befindet sich auch «Hum«. — Polyhistor nennt als Stammvater der Äthiopier in der babylonischen Genealogie den «Hum«, welchen Begriff wir im lateinischen als «homo« («humanus«) und namentlich im Siidslavi-schen als «kum« (= Pate) wiederfinden. Alle diese Gattungsbegriffe zielen auf die Kennzeichnung von Stammes- und Ortsältesten hinaus, denn sie hatten Pate n-Pflichten im Großen, d. h. ihnen oblag der Schutz ihrer Gemeinde; im Lateinischen wurde jedoch der «kum« zum «comes« und später zu «Kommandant«; sein Befehlsbereich hieß «Komen« und «Commune«. Gebiete mit mehreren «Hum«-Stellen erhielten dann die Kollektivbezeichnung: Pohumje, Predhumje, Zahumje. Augenscheinlich gehören auch alle Namen mit dem eingeschobenen «1« hieher, wie: Holm, Kulm, Chelm, Chlum, Chlumetz u. ä. denn dem Slovenen ist «hum« und «holm« identisch. — «Olmütz«, welches noch im Mittel-alter als «Holomous, Golomac« u. ä. geschrieben wurde, bedeutet sonach die Gegend mit befestigten, verteidigungsfähigen Hügeln. — Vermutlich gehören hieher alle Ortsnamen der Form: Kon, Konice, Konjice, Konskau, Konjski potok, Konopišt, Kounov, Kanna, Cannae, Kanale (Kanavlje), Kuna, Kunčiče, Hana, Hanau, Hannover, Hunkovice, Hundsdorf u. a. — Der Ceche versteht unter «hon« die Jagd, unter «honiti« weiden, auf das Vieh achtgeben. Der Hoheitsbegriff ist «hanak«; sein Wohngebäude «han« (jetzt Gemeindegasthof) oder «konak«, womit man noch heute bei den Balkanslaven die Residenz, das Schloß des Höchsten in einer Stadt, d. i. des Fürsten, Königs oder Regierungsvertreters versteht. — Im Tatari- sehen wurde der Höchste auch «Chan« genannt. — In Ungarn nannte man früher den slovakischen Pandur auch «hanak«; es war dies also auch ein Qrenzwächter, Qrenzverteidiger. Die Namen: Konjsko vrelo, Konjski vrh, Konjski potok u. ä. sind ziemlich häufig, haben aber mit «konj« (= Pferd) nichts zu schaffen. Das griechische «Hippokrene« (— Pferdequelle) ist augenscheinlich nur eine wörtliche Übersetzung des urslavischen «Konjsko vrelo« in jener Zeit, als man unter «konj« nur mehr die Bedeutung «Pferd« kannte. — Kraj, Krajova, Krajina, Ukrajna, Uckermark u. ä. sind in Ursprung und Bedeutung dasselbe wie: gran. — Unter «kraj« verstehen die Slaven die Gegend im allgemeinen, aber auch den Rand, die Grenze; dem Slovenen ist «okraj« = Bezirk, d. i. die Gegend, die einst einem Verteidigungsoberkommandanten unterstellt war, und wer die Peripherie eines Bezirkes abgeht, wird immer finden, daß sich diese fortifikatorisch zusammenschließt. Ifn Großen hat sich daran bis heute auch nichts geändert, denn einstenš sorgten schon die kleinen politischen Einheiten als: Gemeiden, Bezirke, Gaue für die Sicherung, heute besorgt dies der Staat, indem er an der Grenze und an den einbruchgünstigen Punkten Brückenköpfe, Forts, Festungen und befestigte Lager erbaut. Der Hoheitsname war «krajnik«, wie solcher im slovakischen Gebiete (z. B. bei Munkacs) einst gebräuchlich war. — Daß sich zwischen «gran« und kraj« nur in der Aussprache eine äußere Differenzierung ergeben hat, ohne die Bedeutung zu verändern, ersieht man daraus, daß der Untersteirer den Krainer «Krajnc«, der letztere aber sich selbst «kranc« (grane) benennt. Grenzberge heissen mitunter «krajec«, woraus im Deutschen «Kreuzberg« wurde. — Auffallend reich an solchen Namen ist z. B. die heutige Schweiz. So gibt es dort viele «Kraj«-Lokalitäten, z. B. Kraiburg (im Inntale). dann den Grenzpaß G r e i n a (La Greina in den Graubündner Alpen) sowie Graj is che Alpen. — Desselben Ursprungs ist auch das oberösterreichische Grein (mit der hochgelegenen «Greinburg«) und dem benachbarten Kreuzen, wozu auch Greiz in Deutschland zählt. Russen. Es ist eine allgemein verbreitete, wissenschaftlich ausgesprochene Ansicht, es hätten die Russen ihren Volksnamen von den «Ruodsen« (= Ruderern) erhalten, welche i. J. 891 n. Chr. in der Schlacht bei Löven geschlagen, sich an die Küsten des baltischen Meeres flüchteten und daselbst eine neue Heimat gründeten. Dieses, sowie eine zweite Erklärung, die Bezeichnung stamme von dem Gründer der russischen Monarchie, Rurik, gehört vollends in das Reich der Sage, denn schon Tacitus nennt die Russen >< benannt. — Unter «rubiti« versteht der Slovene noch heute: plündern, ausrauben, pfänden; hingegen ist «rubisko« dem Cechen die Rodung, vermutlich jene im Grenzverteidigungsgebiete, denn niemand wird sich in einem bedeckten Terrain, namentlich Walde, verteidigen wollen. Hiezu gehören auch die topischen Namen der Form: Rab, Raab, Rabnitz, Rabenstein, Rabengebirge, Raben a, RavennauJ. welche aus xrobx durch den einfachen Vokalwechsel hervorgingen und gleichfalls auf einen befestigen Grenzpunkt oder an eine natürliche Grenzlinie deuten. Begriffe dieses Anklanges haben wir noch heute in «Rabatte« (= der Saum mancher Kleidungsstücke, das Randbeet) sowie in «Rabattstein«, dem Bordsteine beim Straßenpflaster. Der einschlägige Hoheitsname war: Rabbi, Rabbiner, Rabban, der sich bei den Israeliten in der Bedeutung »der Wissende« bis heute erhalten hat — Zweifel können über diese Etymologie umsoweniger auftauchen, als in den Urkunden des Mittelalters verwandte Namen meist im Lokativ angewendet werden, wie: an der Grenze, auf der Grenze, als: na robu, im Rab, am Raab, — also noch im Maskulinum, welches Geschlecht auch der slavische Begriff hat. — Der Begriff «robota« rührt also augenscheinlich von Arbeiten für den Grenzschutz her. — Eine verwandte Form ist auch «ravno, rovno», das im Slavischen heute wohl eben, flach bedeutet, aber bei den topischen Namen dieser Art nicht zutrifft, da dies meist Höhenpunkte sind, die einst mit einem »rov«, d. i. Graben, Wall u. drgl. versehen waren. Rama, Roma. Auch diese Namenskategorie deutet auf b e f e s-tigte Grenzpunkte, obschon die russische Sprache allein noch 'en veralteten Begriff »rama« in der Bedeutung: Grenze, Einfassung mehr kennt; hingegen versteht sie unter «ramo« — die Macht, dieKra ft, unter «roman« den Mauerbock (als Kampfmittel). Aber auch der Grieche verstand unter »o w ui?« die Leibesstärke; «roman» nannte man sonach jeden kräftigen Mann, jeden Kampffähigen. Die Franzosen verstehen unter «rame« die Äste, mit denen man ein Gartenbeet begrenzt; der deutsche hat ncch den Begriff «Rahmen« für die schützende Ein- oder Umfassung eines Gegenstandes. Der französische Begriff «ramasser« (= durchprügeln, einen Gegner in die Hand bekommen), der lat. «ramus« (= die Kante), der italienische «rammantare« (beschützen), der böhmische «ramus« (= Lärm, Streit) stehen zum Grundworte im organi-nischen Zusammenhänge. Dem Slovenen bedeutet «romati« auf eine geheiligte Stätte pilgern; auf der Perkunust-Statue von R.ietra steht aber noch als Epitheton «en romau« d. i. ein Führer, Beschütze r. H e 1 d. — Es scheint daher, daß die vielen topischen wie ethnographischen Namen dieser Basis angehören, wie: Rama (altes Königreich in Bosnien, wobei der Rama-Fluß die Grenze bildete), Rom, Romagna (Grenzstrich in Italien wie Griechenland), Romania (Rumänien), dann die vielen: Ramberg, Rambach, Ramath, Rambla, Ram-bel (Rämbel), Romanshorn, Romanówka, Romeno, Römerstadt, Ram-sau, Rammersdorf u. a„ welche meist Grenzorte oder Höhen sind, die einst Verteidigungszwecken dienten. — «Roman, Romanze« ist daher ursprünglich die Erzählung von Heldentaten (im Grenzkampfe) und gilt die Romanja planina (Bosnien) noch heute als die Hochburg einer längst entschwundenen Heldenzeit, die aber in der Wirklichkeit einer Räuber-Romantik eher ähnlich gewesen sein mag. Del, Djel, Delos, Delle, Dehli (Delhi), Deli, Delitzsch, Delme u. ä. bezeichnen durchwegs befestigte oder verteidigungsfähige Grenzhöhen oder wichtige Küstenpunkte. Das Grundwort ist das altslavische «djel« (= Berg), welcher Begriff aber augenscheinlich nur dann angewendet wurde, wenn er an der Grenze oder Küste lag. Andere Namensformen sind, «Djal« und «Džial«, wobei sich schon die polnische Aussprache bemerkbar macht. Unter «deliti, djeliti« verstehen alle Slaven: trennen, scheiden, abgrenzen; auch das Französische «delier« bezeichnet: lösen, lostrennen; das lateinische «delio« schreitet in verwandter Bedeutung zu : unbrauchbar machen, zerstören — weiter. — Die alten sorbischen «Deležen«, waren sonach etymologisch die Grenzbewohner; ihre Hauptfestung war «Delx«, das noch heute Festungsmauern und Wachtürme aufweist. — Die «Delavare« sind ein Judianerstamm am Flusse und der Stadt gleichen Namens (Delavar = befestigte Grenze, Grenzfestung). — «Deli« sind häufige Namen von befestigten Küstenorten wie in Asien, auf Timor, Sumatra u. a. — «Deli« hieß auch das tolle, zerstörungssüchtige Kriegskorps der Türken. Prag, Praga, Praha u. ä. sind seinerzeitige Sicherungspunkte und Befestigungen an einer natürlichen Grenze (wie z. B. am Flusse), um dem Gegner den Uferwechsel zu verwehren. Im Altsla-vischen hat «präg« noch die Bedeutung von: Grenze (limes); im ähnlichen Sinne wird dieser Begriff aber heute noch in Redensarten wie: du darfst nicht meine Schwelle (prag) übertreten — angewendet. Verwandte Namen finden sich oft in Grenzgebieten, wie z. B. am Jablunkau-Passe : Praženkova und Praženkova gora (= Grenzberge); dann: Praschberg, Praschka, Praše, Prašin u. ä. Daß xpragx (russ. «porog«) als Ortsname auf keine Stromschnelle deutet, ersieht man daraus, daß laut einer Urkunde v. J. 925 als xPragax eine Alpenweide (an der Grenze von Kärnten und Tirol) bezeichnet wird; ebensow enig liegen P r a g bei Hutturm, bei Stuttgart und ein solches in Baden an irgendwelchen Flüssen mit Stromschnellen, hiefiir aber an natürlichen Grenzen. Die Grenze zwischen Siebenbürgen und Rumänien b'.ldet eine Strecke die «Prachova« (Fluß). — Eine Gegend in Untersteiermark hieß i. .1. 1365 xan der Prach«, die noch heute die Bezirksgrenze bildet. In Böhmen liegt ein Prachowa an der Bezirksgrenze von Gr. Bittesch. — Miniaturen der chinesischen Mauer, w elche einst doch die künstliche Grenzwehr bildete und auch im Chinesischen xVan« (= Grenze) heißt, finden sich auch an anderen Punkten. Ein bemerkenswertes Gebiet führt B. Jelinek in seinem Werke: Über Schutz- und Wehrbauten (Prag, 1885 p. 12) an, wo es heißt: xWenn man aus dem Dorfe P r a c h o v (bei Jičin) auf dem Fahrwege, welcher zu den Pracho-'Ter Felsen und weiter gegen Lhota parezskä führt, fortschreitet, bemerkt man zu beiden Seiten Wälle, die sowohl durch ihre Länge wie auch durch ihre eigentümliche Lage und Richtung auf-fallen und mit dem Ausdrucke «v šancich« (šanac = Schanze) benannt werden. Es sind dies Doppehvälle, welche nebeneinander, w ie durch einen Graben getrennt, fortlaufen. Stellenweise bilden sic Bastionen von 3'8 m Höhe. Dieselben beginnen bei dem Jägerhause hinter Prachov, wo sie sich an Felsen anlehnen, und ziehen sich sodann im weiten, gegen Süden geneigten, über 760 m langen Bogen gegen das Dorf und von da weiter gegen N. W. in den Wald Buko-V i n a, wo sich selbe abermals an 340 m deutlich erkennbar an Felsen hinziehen. Verfolgt man diese Spur durch die Waldflur xnad Kory-tanamax weiter, so gelangt man zu xMoravskox, von wo sich die Wälle mit Gräben, getrennt durch einen breiten Zwischenraum, wieder von der Anhöhe zum Bergfuße hinabziehen. Fs ist wahrscheinlich, daß diese Wälle mit den vorerwähnten Verschanzungen Zusammenhängen.x Hiebei ist noch erwähnenswert, daß diese Feststellung auch durch die topische Etymologie kräftigst unterstützt wird, denn außer «Prachov, Bukovina, Sanac, Moravsko« befindet sich in den Prachover Felsen ein abgesonderter hochgelegener Platz, namens xStary Hradek« (Alte Befestigung), wo auch ein uralter Friedhof festgestellt wurde. In derselben Gegend liegen auch die Ruinen der Veste Pa rez (Vareš!) im Nordwesten; am westlichen Ende der genannten Felsen stand einst die Burg Brada (Broda); im Südwesten beim Dorfe Ober-Lochov (Loka) findet sich wieder eine Höhe, namens Hradištka (Verschanzungen) vor.*) — Es muß sonach dieses Gebiet einst eine wichtige Grenze gebildet haben, daher es auch zu einem verschanzten Lager — im modernen Sinne —■ technisch hergerichtet wurde. Jan. — Alle topischen und sonstigen Eigennamen dieses Stammes weisen im allgemeinen auf eine Grenzsicherung. «Jan« bedeutet im Slovenischen einen Grenzstreifen, aber auch Zank. Streit, Kampf. Der römische Kriegsgott Janus, mit zwei oder auch vier Gesichtern dargestellt, ist wohl ursprünglich der Name des Chefs einer Grenzgegend gewesen, der dieselbe nach allen Richtungen beobachten mußte; den Beobachtungsdienst selbst besorgten dieJanitscharen, welche heute als eine rein osmanische Institution angesehen werden. — Nach der Auffassung in der ältesten Zeit hatte die Mißachtung der Grenze einen sakralen Charakter. *) Der Leser möge sich fallweise bei jenen topischen Begriffen, deren Erklärung noch nicht vorausging, mit Hilfe des am Schlüsse beigegebenen «Verzeichnisses« die etymologische Orientierung holen. denn jede ältere Religion hat die Grenze einer schützenden Gottheit zugewiesen. — Der Monat Jänner ist sonach nicht ganz unmotiviert der Grenzmonat des Jahres. Die vielen Ortsnamen, wie: Jana (Grenzfluß), Janów, Janina, auch Jani a, Janiča, Jankov, Janowitz, Jantra (Grenzfluß), J a n i c u 1 u s (am rechten Tiberufer) u. a. sowie alle in der Wurzel als >< lautenden Eigennamen sind augenscheinlich dieses Ursprungs. Vielfach wurden Ortsnamen dieser Art zu xjänx, wie Jena, Wenigenjena (xvenx und xjanx also zwei Grenzbegriffe), Jenissei, Jenbach, Jenko u. a. — Die xHansax (Jan = Hans) war augenscheinlich nur ein Bund zur Verteidigung jenes Küstenstriches, welcher besonders den Handel begünstigte. — Littau, Litija, Leitha. Alle Namen dieser Wurzel deuten auf Grenzverteidigungspunkte hin, und hat sich der sprachliche Beweis hiefür am deutlichsten im Lateinischen erhalten, wo xlitusx = Grenze, Ufer, Küste (ital. xlidox), xlituusx = der Beobachter, Signalgeber, xlis, litisx = Streit, Kampf — bedeutet; xLito-ralex kennzeichnet ebenso ein Küstengebiet, wie xLydienx. — Im Slavischen herrscht mehr die Form xljut, ljudx vor, worunter man heute das Volk, selbst versteht, früher aber damit die Verteidiger (des Volkes) kennzeichnete; die Cechen gebrauchen jedoch noch immer die Form xlidx (= Volk). — Die Namensformen xLeitenx und xLeuthenx sind sonach etymologisch gleichwertig; xW einleiten ist eine Verteidigungsvorsorge an der Grenze; Leitomischl (Litomysle) ist ein Grenzpunkt an einer Bergnase; der Älteste und Führer einer solchen Verteidigungsgemeinde hieß folgerichtig xLeiterx; ein slavischer Hoheitsname dieser Genesis hat sich nicht erhalten, denn z. B. Ljudovik (= Volksrufer) ist bereits zum allgemeinen Taufnamen geworden. Don, Donau, Dunaj, Donee, Dunajec, Donawitz u. ä. sind Flüsse und Ansiedlungen, welche zur Vermeidung von Grenzüberschreitungen befestigt d. h. verteidigungsfähig vorbereitet waren. Das Grundwort ist in seiner primären Bedeutung nicht mehr gebräuchlich; die deutsche Namensform ist bereits xZaunx (eine gesicherte Stelle); im Englischen bedeutet xtovnx schon stigte Stadt. — Der Ort «Donami (Böhmen) heißt ansonst auch «Hajek« (= Sicherungspunkt). Jeder Fluß bildet einen natürlichen Grenzwall; von den meisten wissen wir aber noch, daß sie an jenen Stellen, welche für einen Uferwechsel günstig schienen, technisch verstärkt waren. Auffallend ist es, daß die Donau weder im Oberlaufe (Brege und Brigach) noch (im Altertume) im Unterlaufe (Ister) als Donau benannt wurde, weil die anwohnenden Völker die Grenze, die der Fluß bildet, längs des langen Laufes verschieden bezeichneten. Der Hoheitsname ist doch wohl «don« (auch «dom«), wie er sich bei den romanischen Völkern sowie slavischen Istrianern erhalten hat (lat. dominus = Herr). Der deutsche Gott Donar, auch Thu nar, ist also in seiner Ursprünglichkeit der Befehlshaber einer «Don«-Gegend gewesen, und sind auch die Berge des Namens: Donnersberg, Donatiberg u. ä. nichts weiter, als befestigte oder in einen Verteidigungsbezirk einbezogene Höhen. -— Im Festungsbau versteht man unter «donjon«, welches irisch noch immer «befestigter Ort« bedeutet, den höchsten für die Verteidigung hergerichteten turmartigen Bau. — Ein weiterer Hoheitname ist «Dynast« (griech. der Mächtige, der Vornehme); d v v w = sich in den Krieg begeben, d. i. jener, welcher einst den «dun« (kelt. Berg), die Grenzhöhen, die befestigte Grenze verteidigte, denn die wichtigeren Grenzlinien führen stets entweder längs eines Gewässers oder aber über die höchsten Teile eines Gebirges. — Selbstredend gehören auch alle Namen mit dem anlautenden «T« hieher, wie: Tuner See, Tunis, Tungusen, Tum, Tom, Toman, Tomi, Tomsk, Tonale, Tondern, Tönsberg (Norwegen, mit alten Burgresten), Tonna (Gräfentonna) u. a. sowie Dom, Dombe, Dom-basle. Dombrau, Domažlice, Dommitzch (wendisch noch: Duminač), Domnau, Domanovo. Domanović*) u. a. m. — *) Domanović, ein Weiler an der Strecke Mostar—Stolac—Metković in der Herzegowina, wurde im Jahre 1878 sofort militärisch besetzt, und blieb es bis heute als wichtiger Punkt einer Etappenlinie: als solcher galt er aber auch schon in früheren Zeiten. In den russischen «Bilinen« (= Geschehenes, d. i. epische Erzählungen) sind «Don« und »Dunaj« (auch »Voljga«) noch Namen von Helden, die nach der falschen Volksetymologie ihrer Verdienste wegen in die benannten Flüsse verwandelt wurden, um so unsterblich und unvergessen zu bleiben. Kreis, Kres, Križ, Grič. — Ein kreisförmig abgeschlossenes Verwaltungsgebiet nennt der Slave noch «okres«, d. i. Bezirk, Kreis. Es war dies auch einst so, nur war die Peripherie eines solchen Gebietes, weil sie zugleich eine Grenze gegen mehr weniger feindlich gesinnte Nachbarn bildete, auch entsprechend verteidigungsfähig hergerichtet. Die Ortsnamen: Kreševo, Kresan, Krešice, Kreslice, Kresbach, Kressenbrunn u. ä. deuten sonach darauf, daß sie als Grenzorte zugleich für den Kampf vorbereitete Plätze waren, denn der Slave versteht unter xkresanje, kresatix Kampf, Geplänkel, sich prügeln. — Der sprachlichen Metamorphose wie lokalen Aussprache zufolge wurde aus xkresx auch xkrsx und xkrstx, sowie xkfižx und «grič« (= niederer Hügel), daher die so häufigen Höhennamen Krstac, Križ, Križeva gora, u. ä — Der Begriff xkfižx (= Kreuz) kam sonach erst dadurch zur heutigen Bedeutung, daß auf einem als xKfiž, Kreuz, Krstx benannten Kampfplatze ein Erinnerungszeichen errichtet wurde, bezw. daß die technische Vorsorgen daselbst so benannt wurden, daher auch so viele Orte dieser Genesis zugleich Kapellen, Kirchen, Burgen, Ruinen, Klöster, Meierhöfe, Friedhöfe sind. — Ein typisches Beispiel, daß «Kreuz« aus «križ« wurde und nicht umgekehrt, bietet der Name der Burg «Kreuzenstein x (bei Wien), welcher Name in der ältesten erhaltenen Urkunde (um das Jahr 1100 n, Chr.) noch xOrizanestein« lautet, hier also nicht aus «krajx hervorgegangen sein kann. Nachdem «tini« (= Umfriedung) im Deutschen meist zu «Stein x transformiert wurde, bedeutet sonach dieser Name soviel als xGrenzsicherungshöhe«, und war dies wahrscheinlich dereinst, als die Donau noch näher an jener Höhe vorüberfloß, vollends berechtigt. Es fällt nun auf, daß unsere heutige politische Einteilung nur Begriffe kennt, die etymologisch auf eine gewisse Abrundung des Gebietes weisen, wie: xkres, okres« = Kreis, Kreiseinteilung; «Bezirk« ist ein durch «cirkev« (lat. circus, circum) abgegrenztes Gebiet, wobei die einzelnen Verteidigungspunkte jene slavischen Namen führten, von denen heute «cirkev« schon nur mehr als K i r c h e (mit Umfassungsmauer) gebraucht wird; der Franzose hat hiefür das «Arrondissement«. Zam, Sam. Dieses Wurzelwort liegt außerordentlich vielen Grenz- und Verteidigungspunkten zu Grunde, wobei augenscheinlich «zam« die ursprünglichere Sprech- und Schreibweise ist. — Die Kontinuität der Bedeutung hat sich im Slavischen in xza-mek, zamokx (= Schloß, Burg, sowie: Schloß, Sperre), im Deutschen in xSaum, Säumer, umsäumenx erhalten. — Alle Namen dieser Richtung zeigen einen deutlichen Zusammenhang mit Q r e n z e, Befestigung, Absperrung, was durch Verbindungen mit ähnlichen, sachlich verwandten Begriffen noch weiter bestätigt wird, wie z. B. bei Sambor, Samobor, Szombor, Saumburg u. a. Als Hoheitsname galt xSamox, d. i. der Kommandant eines solchen Platzes, womit sich auch der sagenhafte oder unklare Ursprung des slavischen Königs xSamox von selbst dahin berichtigt, daß dies eben ein Gattungsbegriff der Slaven für Herrscher, Befehlshaber war; sie werden wohl mehrere Fürsten gehabt haben, die sie xsamox (oder xzamox) nannten, aber die Geschichte hat uns nur die Existenz des einen übermittelt, daher derselbe gleich als Eigenname aufgefaßt wurde. Hiemit erhalten wir auch eine Klärung für folgende der älteren Geschichte angehörende Namen, als: Zama, Same, Samos, Somo-thrake, Samaria, Samarobriva, Samnium, Samniter, Zamora u. a. Weiter gehören hieher: Same (— das Volk der Lappen), Samojedi, Samhara (~ das Küstengebiet von Erythräa, Afrika), Samland (der Küstenstrich an der Ostsee), Samoa, Samogitien (Rußland), Samsun (Stadt am Schwarzen Meere), Zamostje (russ. Festung), Samokow (bulgarisch, einst befestigte Stadt), Samotschin (Stadt in Preußen), Zamach, Zamanje, Zamasco, Zamarsk (hier ist also keine Präposition xzax zu suchen!), Zambana, Zamberg (deutsche Analogie: Schaumburg), Zamek, Zamez, Zamky, Zamost. Zamrsk, Zams, Zamserberg, Samberg, Samechov, Samaden, Saming, Samone, Samotin, Samšin, am Sand u. a.; wahrscheinlich gehören hieher auch alle mit xnx geschriebenen Namen, wie: San, Sann, Sana, Sanov, Sandec, Sany, Sanok, Sand, Sändau u. s. w. —- Den Südslaven wie Osmanen ist xSandžakx gleichbedeutend mit Grenzgebiet. Das Kloster, welches den Ursprung meist einem einstigen Verteidigungsplatze verdankt, nennt der Siidslave xsamostanx. Sonstige Hoheitsnamen dürften auch xSamuel, Samsonx sowie vor allem xSanx gewesen sein, woraus sich sodann richtigerweise xsanctusx (= heilig) bildete, denn der höchste im Staate gilt überall als eine geheiligte Person. Eine nähere Beleuchtung für diese Etymologie gibt auch der deutsche Begriff xSarntgemeindex. worunter man die Verbindung mehrerer Gemeinden zu einem gemeinschaftlichen Zwecke, ohne Aufhebung der Flurvertassung, versteht, also in erster Linie wohl zu Verteidigungszwecken und zur nachdrücklicheren Abwehr eines gemeinschaftlichen Feindes. Hiemit sprachlich innig verwandt sind ferner: Sem, Semit, Semil, Semur, Semipalatinsk, Sempione (ital. Sim-plon-Paß), Semendria (Smederevo), Semlin (Zemun), Semoy, Sempach, Semien (abess. Provinz), Semirječensk (ist kein «Siebenstrom-landx, da es geradezu zwischen zwei Seen liegt). Sends (Gebirgs-stock), Senne, Seine, Sienica, Zenica, Sienna u. a. die durchwegs Namen für Grenzpunkte sind, doch gebrauchen die Slaven das Grundwort >< heute nicht mehr in diesem, sondern nur im übertragenen Sinne. «Zemlja« ist das Land im allgemeinen; «zemljan« der Landsmann, der Nachbar; «zemstvo« ein sich selbst verwaltender Kreis in Rußland; «zeman« ist der Älteste, der Mächtigste in der altslavischen Verfassung; «Semernik«, wie der «Semmering« in alten Urkunden, z. B. 1221 als «Mons Semernik«, geschrieben erscheint, ist sonach sowohl sprachlich wie auch geographisch der Grenzberg, und wird in südlichen Ländern oft auch als Čemer, Čemerno. Čemernik ausgesprochen und geschrieben vorgefunden. — Desgleichen haben andere Sprachen diesen Stamm in gleicher Bedeutung, wie: «šemi« lat. halb; «Semmel« im deutschen, «žemlja« im Slavischen, das geteilte Gebäck; «senor« im Spanischen, «signore« im Italienischen für Flerr, Gebieter; «senatus« die gesetzgebande Körperschaft in Rom; «Semuai« griech. die Ehrwürdigen; «Semperfreie« im altdeutschen Rechte die Fürsten und freien Flerren, welche für die Grenzsicherung verantwortlich waren; «Zenith« ist der Scheitel-, Durchschnitts- oder Grenzpunkt; «Semaphor« ist nach dem Griechischen der Zeichenträger, aber das Zeichen selbst ist eben das Grenzzeichen der Station. — «Sem« (der Sintflutsage und der biblischen Völkertafel) war sonach ein Hoheitsname der Semiten, also der Bewohner jenseits der Grenze eines anderen Volkes; desgleichen sind die gallischen S e m n o n i oder S e n o n e s etymologisch die Nachbarn, die Anrainer. — Ob es tatsächlich eine Königin Semiramis gab. ist sehr zweifelhaft; augenscheinlich war dies nur der Name einer Grenzstadt («seni« und ><), die eine Zitadelle, namens ><, mit noch heute sichtbaren krenelierten Mauern hatte und tatsächlich an der Grenze (am Ufer des Tigris) lag. — Berg, Breg. Heute versteht man darunter zumeist nur Bodenerhebungen; ursprünglich scheint man aber damit Grenzpunkte bezeichnet zu haben und gelten als solche namentlich die Flußufer, die der Slave gleichfalls «breg, breh« nennt, daher auch die vielen Flußnamen wie: Brege, Brigach, Bregava. Pregel u. a. welche eine Grenze bildeten, ebenso wie die Ortschaften: Breg, Bregenz, Bregana, Brehor, Brehy. Briga, Brigidau, Prekär u, a. auf ein Gren z-gebiet anspielen. Das häufige: Pobrež, Pobrežje ist sonach eine Grenzgegend im allgemeinen. Die Ortsnamen Breg, Brežice u. ä. wurden daher folgerichtig vielfach im Deutschen in: Rann, Rain, Rein«, übertragen. (Siehe Artikel: Raj.) Daß diese Etymologie richtig ist, ersieht man auch daraus, daß es Orte «Berg, Bergen, Bergenthal« u. ä. gibt, die gar keine Höhen aufweisen. Weitere Ortsnamen dieser Richtung sind z. B. Pressburg. Pressberg (Prassberg), Preša, Preschkau, Preska, Preserje, Pressano u. ä., die hiemit Grenzpunkte festlegen, welche für die Beobachtung oder Verteidigung technisch vorbereitet waren. Jemand der auf einem solchen Punkte Wache hielt, hieß «prežar« (Lauerer), der Punkt selbst «preža« (= Lauerstätte, Hinterhalt), «prežati« (= scharf beobachten, lauern). — Hieher gehören daher vor allem alle mit dem anlautenden «B« geschriebenen Namensformen, wie: Breza, Brezina, Brescia (mit einer Zitadelle), Brzesč (Brest-Litovsk), Brest, La Bresse, Bresslau, Breclava, Brezovice, Breznice, Brzežany, Bfezolupy, Nabrežina (Grenzgegend mit drei Wallringen, gradišče, Castellieri genannt, und reichen prähistorischen Funden) u v. a. — Die bisherige Annahme, daß z B. B r e z i n a als Ortsname von «breza« (= Birke) stamme, daher eine Birkengegend bezeichne, hat sich als unberechtigt erwiesen und verführte vielfach zur etymologisch trügenden Schreibweise. — In deutschen Gegenden gibt es vielfach Höhen des Namens: Kanzel, Kanzelberg, Predigtstuhl; diese ungewöhnlichen Bezeichnungen sind der unrichtigen Übersetzung des slavischen «prežnica« (= Lauerstätte), welches aber als «prižnica, prižnik« auch Kanzel bedeutet, hervorgegangen. Hieher gc- hören audit die Namen: Pržno, Prženka, Pržnica, Moiitpreis u. ä. (Siehe Abbildung des Schlosses Montpreis in Steiermark.) ln der Herzegow ina gebraucht man noch den Begriff «briga« als Grenzlinie; z. B. an der Grenze der Bezirke Mostar-Stolac legt man den Höhen nebst dem Eigen- auch den Gattungsnamen «briga« bei. Längs des Bodensees wohnten einst die Brigantier; ihre Burgen waren Brigobanne (Breunlinge) und Brigantium (Bregenz); das Gebiet bildete eine Grenzgrafschaft; der Grenz-Wächter w ar der Brigadier (jetzt General ; in Frankreich Gefreiter) und Brigand, wrelch letzterer allerdings heute schon zur Bedeutung Räuber herabsank: «briga» bedeute im Mittellateinischen Streit, eine «brigue« ist dem Franzosen eine Rotte (von Gleichgesinnten). — Dem Slovenen ist «briga« = Sorge; im Keltischen bedeutete es aber noch: Ufer, Grenze; «brig« war gleichbedeutend mit «Jäger«. — Reka, Rjeka. —; Der Slave versteht heute darunter den F 1 u ß oder ein Gebiet mit mehreren Wasserlinien, doch entspricht dies augenscheinlich nicht der Urbedeutung, denn man muß damit einst eine natürliche Grenzzone, die zur Verteidigung geeignet war, bezeichnet haben, nachdem es viele Örtlichkeiten dieses Namens gibt, die überhaupt an keinem Fluße liegen. Sprachliche Beweise hiefür haben wir im Slovenischen, wo »rega« : Einschnitt, Spalte, Gr enzzeichen, im Kroatischen das Bedrohen kennzeichnet; namentlich hat sich aber das Grundwort im Lateinischen in rego (= beherrschen), regio (= Grenze), regnum (= Flerrscher, Leiter) erhalten. Das Lateinische »rex» hat aber auch Analogien im Slavischen als «rek« (čech. = Held), und »Recke» im Deutschen. »Reguläre» Truppen waren sonach einst die Grenzsicherung s-t r u p p e n, «Regent» war der Kommandant, »Regatta« der Wettkampf derselben (heute nur mehr beim Rudersporte). Bezügliche topische Namen sind: Regen, Regensburg, Regenstein, Regenstauf, Regnitz, Regau, Regersdorf, Regnersdorf, Rečica, Reka (= Fiume), Cerna reka (eine Höhe), Retz, Rečkovice, Rehost, Črnorečje, Rekawinkel (mit zwei Grenzbegriffen: »reka» und «vin«) Reggio (Regium) u. a. Desgleichen kennzeichnen die vielen Orts- und Riednamen: Zarzycze, Zarječ, Zeretse (1250), Zarjeco, Sareitz, Za>r-zitz u. a. nicht so sehr die Gegend hinterdem Fluße (»Zarječje«) sondern jene hinter derörenze, sowie auch »Porečje, Porjeka Pörtschach (das entstellte »Porječje«) nur die Gegend an und nächst einer Grenze andeuten; desgleichen ist »Meseritsch» (»Mezirječje») das Gebiet zwischen zwei Grenzen, wobei man bei allen die Wahrnehmung macht, daß bisweilen tatsächlich ein ein Fluß da ist, aber ebensooft auch nicht. Loka, Louka, Luka, Lug, Lož, Ložnica, Loosdorf, Lausanne, Laak, Lukovec, Lugeum u. ä. bezeichnen einen mehr oder weniger gesicherten Grenzpunkt. Unter »ločiti, ločilo» versteht der Slovene: sich trennen, die Trennung, das Schisma; lok = Bogen (als Waffe); lokav = hinterlistig; logar = der Hüter, Heger; »Loge, Loggia« wie «locus» deuten im Romanischen auf einen ab gegrenzten Raum; «luka« ist der Hafen, d. h. wo die Schiffe geschützt sind; «loka«, «louka» ist im weiteren Sinne als W i e s e, A n g e r ja auch ein gesicherter Ort, d. h. jene abgeschlossene. umzäumte Grasnutzungsfläche, die man vorerst mähen. also nicht deni Weidevieh überlassen will. «Loki« ist sonach der Kämpfer an der Grenze, in anderer Form auch als: »Lukas, Lucia». Weitere Klärungen bringt auch das griechische „Linos' (= Lager, Hinterhalt, Abteilung Infanterie), „Aoxayog“ (= Kommandant von 100, bei den Persern von 24 Mann), „Xoyéw“ (= im Hinterhalte liegen, deutsch: locken). Auch die Herzegovzen nennen das Lager «ulog», die S'ovenen »lož, loža» wie «loka» (= Zufluchtsstätte).*) Wie unbeholfen einzelne Forscher noch herumtappen, weil sie, wie auch die meisten wissenschaftlichen Gesellschaften, die jeder Kontakt mit dem Slavischen gleich konvulsivisch macht, diese ganz natürlichen Forschungsresultate hartnäckig ignorieren, ersehe der objektive Leser an dieser Stelle, an welcher alle die hiezu nötigen Verständnisprämissen bereits vorausgeschickt sind. Prof. S. Troja-nović (Belgrad) erzählt in den Mitteilungen der Wiener Anthrop. Ges. (1909, III. u. IV. Heft), er habe einen Schalenstein knapp am Wege beim Dorfe Lozani (Serbien) — in der Nähe des Berges »Vojnici» und des Hügels «Bandera« (Vandera) — gefunden, auf dem sich 56 künstliche Vertiefungen befinden. Er glaubt nun, daß dies Opfersteine oder überhaupt religiöse Objekte seien, wundert sich aber doch auch, daß ein ganz ähnlicher Stein, wie in Serbien bei «Lozane«, auch in Frankreich beim sprachlich gleichstamnügen Orte »Losère» gefunden wurde, und scheint dies mit dem deutschen Begriffe «Los« in Zusammenhang zu bringen. — Ich hoffe damit doch einige konstant Ungläubige zum Nachdenken aufzurütteln, ob wer einen gewachsenen Felsen längs eines Grenzweges mit *) Erwähnenswert ist hier das Zusammentreffen einer auffallenden interlingualen Kongruenz, denn sowie das slovenische »loka, loža» gleichbedeutend ist mit dem griechischen »h'.yoq* bedeutet dieses zugleich auf die Geburt; aber der Slovene bezeichnet mit »loža» lediglich die Nachgeburt; den Bognii nennt dieser »lok«, der Grieche »Li'yog« (das Biegsame); »Aüyf« ist dem Griechen: der Sehende, der Scharfsehende, der Luchs, dem Slovenen ist »luč« (— Licht, im allgemeinen); »Ary/uo« (=biegen, ringen, werfen), slov. »lučati» (= werfen, ringen) u. s. w. — Es zeigen sonach die gleichen Wurzelbegriffe in den zwei äußerlich grundverschiedenen Sprachen noch sehr deutliche Spuren ihrer einstigen gemeinschatiichen Genesis auch hinsichtlich der Bedeutung. kleinen künstlichen und auffällig gruppierten Vertiefungen versehen wird, um dort das Opferblut aufzufangen, oder aber um hiemit eine schwer verwischbare Grenz niarkierung ersichtlich zu machen ! Celle, Zell, Zellnrtz, Celje (Cilli), Schelleberg, Schelletau, Schellenburg Schellesehitz, Čelo, Vrh Čelo, Čele Kula, Czeladna, Monte Celio, Celovec (Klagenfurt), Zill, Ziller, Sill, Sillein u. ä, weisen auf feste, gut verteidig u n gsfähige Grenzpunkte. Das Grundwort ist das slavische «čel« (= kräftig, stählern) wie auch: cel~ Ziel, Endziel, Grenze, Zollstation. Verwandte Begriffe sind noch: čelesn (= der Tüchtige, der Hervorragende); čelad, čeled (= die Waffenfähigen, die Angehörigen einer Verteidigungsge-memde); čelada (slov. der Helm); čelka (russisch der Roßschweif, die Fahne =- als Attribute des Kriegers); čelo (= Spitze, der steile Gipfel eines Berges); das italienische «cella» ist die Vorratskammer (in einem Verteidigungsraume); celjni (russ. das Stück Land, welches unbebaut bleibt, also jenes an der Grenze) u. ä. Auf diesem Umwege gelangt man endlich zur Klärung des viel-umstrittenen Namens «Celti« ; es waren dies sonach jene Bewohner, die ihre Verteidigungsvorsorgen an den Grenzen: «čelo, selo«, und die sich als Kämpfer und Verteidiger «čeled, čelad» nannten oder von den Nachbarn so genannt wurden. Dem Russen gilt noch heute als «selo« nur jene Ansiedlung, die eine Kirche aufweist, also einen festen Kernpunkt für die Verteidigung besitzt. — Hiemit ist wohl auch die sprachliche Zugehörigkeit dieses den Gelehrten so rätselhaften Volkes sowie die ungewöhnliche Verbreitung desselben klarer geworden, und ist es nun geradezu zweifellos, d a ß a 11 e s jene, dem der keltische Stempel aufgedrückt wird, eine slavische Grundlage hat, abgesehen davon, daß ja auch alle Gebirge, Gewässer und Ansiedlungen jener Gebiete, die den »Kelten« als Wohnsitze zugeschrieben werden. Namen führen, für welche nur die slavische n Sprachen eine natürliche u n d sinngemäße Deutung kenne n.*) *) Typisch für die Denkmethode der Geschichtskritiker ist jedenfalls die Fixierung des Zeitpunktes für die Kimvanderung der Slaven. Man sagte sich: i. J. 451 werden die Markomannen zum letztenmale genannt: i J. 495 ziehen aber schon die Heruler über das slavische Gebiet, daher der logische Schluß : in der Zwischenzeit müssen die Slaven e i n g e- Es ist heute wohl schon eine Notwendigkeit das slavische Gebiet zu betreten, wenn man seine Bedürfnisse nach Vergrößerung des Sprachwissens befriedigen will, und es ist sicherlich eine große Unterlassung, mag sie nun der Unkenntnis, Antipathie oder Gleichgültigkeit entstammen, wenn man bei der Forschung n a ch den Urbewohnern Europas dies noch immer nicht berücksichtigt; diese Einseitigkeit hatte bedauerlicherweise nur den einen Erfolg, daß man bisher eigentlich keine Geschichte der Slaven schreiben konnte, weil sich stets das Kelten-t u m in die Quere legte und der Begriff «keltisch« allein jeden Geschichtsschreiber, wie die Schlange den Vogel, hypnotisierte. Es ist und bleibt daher unverständlich, warum die zünftige «Historie« den ungeheuren Quellen wert der prähistorischen, sowie nun auch der o n o mast i s c h e n Forschungen noch immer nicht anerkennen und verwerten will! Man versuche es nur einmal das Keltische mit dem slavischen Sprachschätze zu vergleichen und man wird überrascht sein über die Identität und Verwandtschaft der Begriffe; das künstlich aufgebaute, oft nur in Bezug auf die Begriffsbedeutung dem Gefühle oder der Vermutung nähergebrachte «Keltisch« ist lediglich ein S 1 a v i s c h, w elches im Sinne der heutigen Auffassung den Titel jener Volksstämme darstellt, aus deren Summe sich eben bis heute durch die Wissenschaft der Gesammtbegriff «Slaven« gestaltet hat, — Die Keltomanie hat aber mit ihrer intensiven Einsetzung aller Kräfte eigentlich selbst und unbewußt die Erkenntnis an den Tag gefördert, daß w ir das Keltische mit dem Slavischen zu identifizieren haben, nachdem die Ähnlichkeit und organische Verwandtschaft umso schärfer hervortreten, je mehr Vergleiche angestellt werden. Unser ganzer Streit und die w issenschaftliche Kontra-diktion ist, gleich dem Nebel in der Sonne, in jenem Momente zerronnen. wo man erkenntnisvoll zugibt, daßallesals keltisch Angesehene nichts weiter als S 1 a v i s c h im wandert sein! Sonderbar: wer in der Geschichte unter dem heute gangbaren Namen nicht existiert, der war nie! Und diese Folgerung setzte dementsprechend voraus, daß die Markomannen zugleich C e 11 e n wraren, daher am Papiere eigentlich die Rechnung stimmt; sonstige Krfahrungs- und Beweisgründe sind dabei wertlos! heutigen allgemeinen Sinne, d a ß «K e 11 i s c h>< u n d «S 1 a v i s c h« identische Begriffe sind. Nur auf diesem Identitätszugeständnisse haben die bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten auf keltischer Grundlage einen Selbstkosten wert; andernfalls ist die völlige Destruktion und Vergessenheit ihr unaufhaltbares Los! Die Geschichtsschreibung hat auch den Szenenwechsel, wonach die Kelten schon die Weltbühne verlassen hätten, als die Slaven auftreten, sehr plump arrangiert, denn v ie können dann die Slaven nahezu die gleiche Sprache sprechen, als die Kelten, wenn beide niemals im Kontakte waren! Auch wäre es schade um die Druckerschwärze, wenn ich heute etwa noch weitere sprachvergleichende Beispiele anführen wollte, wie ich es bisher getan ! Der Hoheitsbegriff hat sich im Slovenischen noch in «načelnik« (= Vorsteher) erhalten. Aus der Bezeichnung für die Verteidiger scheint auch der Begriff «Zeloten« hervorgegangen zu sein, worunter man heute einen Fanatiker versteht, einst aber hiemit auch rücksichtslose Kämpfer, Revolutionäre belegt haben mag. — Der primäre Begriff für den Ältesten einer Celten-Gemeinde war aber wohl « uenoBÌncL, človek«, welches heute schon nur mehr den Menschen im allgemeinen, als höheres Wesen im Vergleiche zu den übrigen Geschöpfen, hervorhebt. Trak, Trakien, Tragin, Tragöss, Tragwein («trak« und «vin«), Trasdorf, Traa (Drau), Trausnitz, Trakoštjan, Drak, Draga, Dragali, Dragotuš, Drachenburg, Drachenfels, Draxl, Dražence, Drače u. ä. sind Ansiedlungen sowie Verteidigungspunktc an der Grenze, denn trak = Band, Grenzstrich; draga — Engpaß, Schlucht; draka r Kampfplatz, Rauferei; drače, dračje -= Dorngestrüpp, das auf der Grenzlinie wuchert. —• Im weiteren Sinne gehört hieher: der Drache, früher meist als «track« geschrieben, d. i. das feindselige Tier, dann : böses Weib, endlich der Feind im allgemeinen ; «trach« nannte man auch die ersten Geschütze (Hauptbüchsen). Von Personennamen kennen wir vor allem den strengen Gesetzgeber «Drakon«, dessen Name wahrscheinlich erst später als Typus einer Person, welche ungewöhnlich strenge im Dienste der Grenzverteidigung auftrat, auftauchte. Ansonst kommt in der ältesten Geschichte der Slaven «Drog« als Fürstentitel wiederholt vor. — Alte Flußbette heißen noch immer «draga, draha«, aber nur dann, wenn sie zugleich eine Flur- oder Gemeindegrenze bilden; der Wächter hieß augenscheinlich «Dragoner«; die Knechte, welche den Gutsherrn zu begleiten und zu beschützen hatten, nannte man «Draben« oder «Trabanten«. — Pol, Polen. Die mit der Wurzel «pol« gebildeten topischen Namen gehören gleichfalls zur Gruppe der Grenzbezeichnun-g e n, denn «Pol« ist an sich die Grenze, «pol« = die Hälfte, also das Geteilte; im Russischen galt jedoch «pol« im altem Gebrauche noch vollkommen als : Grenze, Rand, Ufer, Küste. Vergleiche auch: nolvg — Staat, reo leu óg = Krieg, der Kampf mit dem Nachbar. — Der Volksname der Polen deutet sonach durchaus nicht auf die Ebenebewohner (polje = Ebene, Feld), wenn sie auch zumeist mindergebirgige Gebiete bewohnen, aber andere, wie Pollauer Berge, Po 11 au, Pöllau (in den alten Urkunden meist als «polan« geschrieben) Pöls, Pöllerberg, Pöllberg u. a. sind geradezu Namen für Höhen in Gebirgsländern. Eine Grenz- weil Küstenstadt ist auch Pola (slav. Pulj), bei Mela: Pola; Polom ist ein häufiger Name von Grenzbergen u. s. w. Die an den Grenzen aufgeführten Schutzbauten hießen früher auch «Polgraben«, sowie «Pallgraben«. — Die russische Grenzwehr (Landwehr) nennt man noch immer «opolčenie« (von «opolčat« — sich zum Kampfe ausrüsten, und «oplot« = Schutzmauer, Umzäunung, Grenzschutz). — Im Inn- und Pustertale waren einst die einzelnen Verteidigungsabschnitte in «Oblate« (auch «Obleien«) eingeteilt und war diesen zur weiteren Unterscheidung noch der spezielle Ortsname beigefügt, wie: Oblai Rietz, Oblay zu Berchach, Oblat Vierschach, Oblat im Gartisch u. a.*) — Jene Gruppe, die unter einem Kommando einen solchen Abschnitt zu sichern beziehungsweise zu verteidigen hatte, bildete einen «polk«, d. i. nach der heu- *)Daßdieserart jene Gemeinden bezeichnet wurden, welche der Pfarrkirche Oblaten zinsen mußten, wie dies einige Etymologen behaupten, dieses ist an sich widersinnig, da mitunter dort überhaupt keine Kirche war, daher völlig unhaltbar. — Boguphalus, der älteste polnische Geschichtschreiber, sagt auch, daß der Name «Polen« vom Grenzschlosse xPolan« stamme, was in bezug auf die Etymologie zweifellos richtig ist. — tigen militärischen Auffassung ein Regiment, woraus das deutsche «Volk« hervorging, und sonach ursprünglich ungefähr dem Territorium eines Ergänzungsbezirkes für ein Infanterieregiment von heute entsprach. Diese geradezu familiäre Zusammengehörigkeit erhielt sich in der ehemaligen Militärgrenze bis zum letzten Bestandstage und ist dem Kroaten der Begriff xpukx immer gleichwertig sowohl für xRegimentx wie auch «Volk«. — Der Kommandant hieß nun xpolkovnik, pukovnik« oder xplukovnikx (ćech. auch xpluchar«; deutsch: Blücher) oder: Polzer, Oppolzer, Apfoltern (dann xAbfai-ternx) im Deutschen,Polak, Pukovič, Bukovič, Vukovič, Bolkovič u. ä. im Slavischen. Als Hoheitsbegriff dieser Richtung ist uns bisher nur mehr aus der griechischen Mythologie der Name «Apollo, Apollon« (ursprünglich daher wahrscheinlich in der Form «Opolo«) bekannt; doch auch über diesen wissen wir, daß er als Beschützer bürgerlicher und staatlicher Ordnung galt, sowie daß er frevelhafte Übergriffe — mit seinem ferntreffenden Bogen — zu rächen pflegte; nichtsdestoweniger kommt dieser Name aber auch auf den antiken Patera-Figuren wiederholt in Verbindung mit slavischen Texten (vergi. Fig. 27 der gelösten Runenschriften) und in der Bedeutung: Ratgeber, Beschützer vor. Sonstige Personennamen sind : A p o 1 o n i a, Ap-p o 1 i n a r i s sowie die Ortsnamen : O p o 1 a n, O p o 1 a n y, Opladen. O p o č n o, O p o č n i c e, Oppeln, Oplotnica, Obali, A p u 1 i e n u. ä. — Die Abgabe, die bei der Passierung der Grenze zu entrichten war, nannte man aus gleichem Grunde: obol, obolos. Ein «pol« sprachlich und sachlich verwandter Begriff ist auch: Balkan. Die Bezeichnung für die große Halbinsel galt ursprünglich wohl nur kleineren Gebietsteilen, entwickelte sich aber später zu dem Gesamtnamen, der im allgemeinen auch den Teilen entspricht. — Das Grundwort ist «val« (Wall, Palisade, vallum, vallus) in der Bedeutung eines durch Gräben und Palisaden verstärkten Verteidigungsplatzes. Dieser Begriff kann noch bis in die Zeit der Hirtenverfassung zurückverfolgt werden, denn «balka« bedeutet im Russischen noch heute Schaf, und «vlah« ist im Altslavischen gleichbedeutend mit Hirt. Damit aber der Hirt seine Herde schütze, wurde durch entsprechende künstliche Korrektur die Bodenplastik diesem Zwecke dienstbar gemacht, d. h. durch Aushebung von Hindernisgräben ein Materialwall geschaffen, in den sodann Palisaden eingebaut wurden. Der Ceche, Pole, Russe gebrauchen den Begriff >< in diesem wie auch im erweiterten Sinne, namentlich der Ceche, als «valka« (= Krieg), «valerti, baljkatix (= kämpfen, «balgen«); «val«, Wall« = der technisch verstärkte Kampfplatz, daher auch «Validus« = stark, mächtig; «Invalide« = schwach, nicht kampffähig. — In «Valjevo« warfen die Serben i. J. 1909 wieder neue «Wälle« auf; «Zavalje« ist ein altes türkisches (!) Sperrfort im kroatischen Plitvica-Distrikte ; «Zavala« ist eine alte Burg mit Kula in der Herzegowina u. a. — Eine besondere Art von solchen Wällen sind die S c h 1 a c k e n-w ä 11 e, wo das aufgeworfene Material noch durch einen Brandprozeß verschlackt wurde; in Schottland fand man sogar an verschiedenen Punkten verglaste Wälle, die für die seinerzeitige Kriegführung gewiß unzerstörbar waren. Jenes Gebiet, welches viele solche Verteidigungsvorsorgen hatte, nannte man daher W a 11 a c h e i, die Bewohner Vlahi (Lahi), Vlaši, Vlasi, Wallachen. Die W a 11 a c h e i (an der Donau) besaß z. B. schon zu Römerzeiten eine dreifache Zone alter Wallund Wehrbauten. — Hiefür ist jedoch der verwandte Begriff «vlačiti (slov.), b o ji o u n T b (russ.)« weiter vorhanden, denn er bedeutet: Verbindungsgräben ziehen, in die Länge ziehen. — Im Okkupationsgebiete gibt es viele Höhen, namens: Volinje, Volinjak, Volujak, Vo-losko, Volkovina, auf denen uralte Schanzenreste noch heute sichtbar sind, und die zum Teile i. J. 1878 erneuert wurden. — Im Polnischen versteht man unter «wola« einen Freigrund. Die Ortsnamen dieser Basis sind ungemein zahlreich und dabei formverschieden, wie: Vale, Valy, Wall, Vale, Wahl, Wahlen, Wald. Waldegg, Waldeck, Waldenstein, Walkenstein, Wals (Heide), Wall-sce, Walowice, Walowa Gòra, Wallstein, Walch, Walchen, Baljke, Balkow, Balkovina, Balkovci, Bal, Balin, Balki, Balta, Volin, Volyné, Wolhynien, Falkenberg, Falkenau, Falknow u. a., sowie die Personennamen, welche den Chefs solcher Verteidigungspunkte einst beigelegt wurden, wie: Vali, (die erste Sultansfrau heißt: Validé), Wal-tar (Waltarilied), Walther, Falco, Falk, Boiko, Baidas, Balder, Baltazar, Volk, Vuk (d i. Wolf), Valkun (Valhunus) u. a m. Hieher gehört auch der Volksname «V o ! s c i« (Italien)*) und « Volci« (Gallien). *) Hier sei eine allgemein bekannte Sage etymologisch beleuchtet. — Die römische Wölfin, welche das ausgesetzte Zwillingspaar Romulus und Dagh, Daker, Dacier. Unter «dac, dača« versteht der Slovene den Grenzzoll, die Accise, die Steuer; «dacar« ist der Grenzzolleinnehmer; «dagh« ist dem Osmanen der Berg, namentlich ein solcher an der Grenze; «dagg« ist dem Holländer das Endstück des Taues usw. — Diese Beispiele zeigen an, daß die alten Daker von ihren Nachbarn eben als Grenzbewohner angesehen wurden. Wenn man daher die wilde Felsschlucht «Dazio grande« in der Schweiz (Tessin) als «großer Zoll« übersetzt, so ist dies nicht vollkommen richtig, sondern soll nach der Urbedeutung «große Grenze« lauten. — Dieser Etymologie sind daher augenscheinlich die Ortsnamen: Dachau, Dachy, Dachstein, Dachberg, Dachenberg, Dachsberg, Đačiće, Dahany, Tacha, Tachau, Tachów, Taggenbrunn, Takem, Takačovo (1436 noch «Takač«) u. ä. — Hoheitsbegriffe sind z. B. D a g a n (ein semitischer Gott), dann Dagmar, Dagobert, D a n k w a r t u. a. als Personennamen. Remus in der Schilfwildnis des Tiberufers gesäugt und sich durch diese freiwillige Übernahme der Mutterpflichten mittelbar um die Gründung der Stadt Rom und die Weltgeschichte verdient gemacht hat, ist heute noch das populärste Wahrzeichen der ewigen Stadt. Zum Gedächtnis an die Amme des Zwillingspaares werden bis heute auf städtische Kosten lebende Wölfe in einem Käfig zur Schau gehalten. — Die wissenschaftliche Forschung pflegt aber selbst vor den ehrwürdigsten Sagen keinen Halt zu machen. Abgesehen davon, daß sich der Gemeinderat von Rom alle diese Futterauslagen ersparen könnte, wissen wir auch, daß an der kapitolinischen Wolfsgruppe die Zwillinge eine spätere Zufügung sind, daß die Beine der Wölfin im 10. Jahrhundert n. Chr. angeflickt wurden und daß nur ihr Kopf und ein Rumpfteil unverfälschte antike Arbeit aus vorchristlicher Zeit darstellen. Der Archäologe Pericle Ducati aus Bologna hat nun festgestellt, daß die Geschichte von der säugenden Wölfin auch keine römische Originalsage ist, sondern daß sie von den «Etruskern« übernommen wurde, wenn man auch sonst von der ungewöhnlichen Appetitlosigkeit dieses gefräßigen Raubtieres ganz absieht. Der Ursprung der Sage ist nun augenscheinlich folgender: die «Volsci, Volci«, ein Urvolk Italiens, strebten, ebenso wie andere, die etymologische Erklärung ihres Namens an; nachdem aber «Volci« im Slavischen, der Sprache der Urbewohner Italiens, gleichbedeutend ist mit «Wölfe« (volk = Wolf), mußte man nun auch an die Formulierung einer dies beglaubigenden Sage denken, welche dann ebenso ernst genommen wurde, wie etwa der Bär für Berlin. — Die naive Erklärungskunst macht das Unmöglichste möglich, aber die exakte Wissenschaft darf sich dadurch nicht beirren lassen! Dana, Dane, Danje, Danek, Danndorf, Dankowitz, Danz, Danzig, Danzlau, Dannenberg, Tanzenberg u. ä. sind Orte an einer Grenze, d. h. an einer Stelle, wo man eine Abgabe entrichten mußte, denn «dan« bedeutet in allen slavischen Sprachen Steuer, Tribut; im Russischen hat sich sogar die veraltete Form «čornaja dan« (= Grenzsteuer) erhalten. — Bei diesem Grundworte ist besonders der Name «Dänemark« bemerkenswert. Dieses Land benennen die Slaven noch immer als «Dansko« (= Grenzland), während die Deutschen noch «mark« hinzufügten, also eine Tautologie konstruierten, da sie das Grundwort wohl noch verstanden aber nicht für genügend prägnant ansahen. Desgleichen bekräftigen diese Etymologie auch die «Danevirke, Danevorke« (= Grenzfortifikationen, d. i. dan, vir und bor), die als alte Grenzwälle, welche schon i. J. 808 die Dänen gegen die Deutschen aufgeführt haben sollen, seit jeher angesehen werden; der Etymologie nach sind aber diese Werke wohl noch weit älter. — Als Personennamen sind namentlich: Dan, Danaos, Danae, Daniel bekannt, von denen der erstere als der mythische Ahnherr der an der Nordg r e n z e Palästinas wohnenden Juden gilt. Die Danaer {= Bewohner von Argolis) waren sonach richtigerweise auch die Nachbarn der Athener. Stain, Stein. Die nach vielen Hunderten zählenden topischen Namen dieser Kathegorie sind sonderbarerweise nicht deutschen Ursprungs, sondern haben zum Grundworte das slavische: «stan, sten, stena« d. i. Wand, Grenze. In vielen Fällen hat man im deutschen Gebrauche gleich die Übersetzung zugefügt, daher die zahlreichen Orts- und Riednamen: Steinwand. — Solche Punkte liegen ausschließlich an mehr oder weniger wichtigen Grenzlinien und wurden je nach ihrer Qualität auch zur Grenzverteidigung ausgenützt. Mit dem deutschen Begriffe «Stein« decken sie sich in vielen Fällen nicht, da der Name auch in nicht steinigem Gebiete, ja in der reinen Ebene (wie z. B. Freistein), vorkommt. — Die Grenze bildet eben eine gewisse Wand, daher man dort auch Halt machen muß; aus diesem Grunde gelten die Ortsnamen: Stan, Stani, Stanov, Stanovisko, Stanovisté, Standort, Stanestie, Stanik, Stanetinci, Stann, Stanislau, Stanislovice, Stanošina, Stanków, Stain, Steinz, Stenitz, Steinilz u. ä. als dieser Etymologie angehörig. Die Haltsteile^ heißt daher auch «stanice, stancija« im Slavischen. Ufe: dru? Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht der alte norddeutsche Ort «Vadstena« (= die verschanzte Grenze), wo auch der «germanischen Runenbrakteat gefunden wurde, der aber auch slavi-schen Text aufweist; es sprechen sonach sowohl die prähistorischen Funde wie die topische Etymologie für die slavische Vorvergangenheit. — Daß eines Steines wegen ein Ort je den Namen erhalten hätte, ist auch logisch ausgeschlossen. — Am deutlichsten drückt dieser Etymologie die «Kavkazkaja stjena« den Stempel auf. denn das ist die mit Toren und Türmen versehene lange Grenzmauer, welche einst von den Persern gegen die Chazaren aufgeführt wurde, und die sich vom Kaspischen bis zum Schwarzen Meere über Berge und Täler hinzieht. Bog, Bohä, Bug. In diesen Namen ist der slavische Hoheitsbegriff: bog, büh (= Gott) enthalten und ist derselbe aus der primären Bedeutung von Grenzverteidiger, Held, der Höchste hervorgegangen. In der Bewertung «Grenze« kennt das Grundwort heute nur mehr die baskische Sprache, denn sie gebraucht noch xbuka« für: Ende, Grenze, «bukaera« für: Grenzgebiet. Im Südslavischen ist «buga, bugar« = Held, Vorsteher, «bugarija« = Heldenlied; «bogati« = folgen, Befehlen (des «bog«) entsprechen; die Cechen, Polen, Russen, Mongolen verstehen noch heute unter: bohatyr, bohater, bogatir, bagadir den Held, den Höchsten. Da der Kommandant an einem Grenzverteidigungspunkte alle feindlichen Anschläge überblicken also auch abwehren mußte, wurde dem «bog« auch die Eigenschaft des A 11 s e h e n s und A11 w i s-s e n s zugeschrieben. Die Ländernamen «Bugarija« (Bulgarien) «Böhmen« (Bohemia) «Bukovina, Buchara« sind sonach ebenso als Grenzgebiete im großen aufzufassen, wie die Ortsnamen B o-gen, Bogenau, Bohova, Bohunice, Buchlov, Buchberg, Bukovo, Vukovo, B ü c h 1 u. ä. im kleinen, haben daher namentlich mit Buche (bot.) nichts zu schaffen. — Übrigens ist es augenscheinlich, daß «bog« mit «puk, vuk, volk, Volk« organisch verwandt ist. — Anta. Alle auf dieser Begriffsbasis gebildeten einfachen oder zusammengesetzten Ortsnamen deuten auf ein Grenzgebiet hin. denn «anta« ist dem Balkanslaven, namentlich dem Syrmier, die Bezeichnung für Grenzzeichen, Grenzhaufen. Auch das griechische «anti« deutet auf das Gegenüberliegende. Namen dieser Genesis sind sonach: Antipater, Antiochus, Antigones, Anti-machos, Antilochus, Antaxerxes u. a. welche auch mit ihrem Grundwerte nur noch das Bestimmungswort ergänzen, also durchwegs besagen, daß dies ursprünglich Grenzverteidigungskommandanten waren. Die heute gebräuchlichen Namen sind vor allem: Anton und Andreas, sowie die vielen: Oridra, Ondruch, On-druš, Ondrejnik (Grenzberg zwischen Mähren und Schlesien), Ontario, Andromeda, Andalusien u. a. — '(Andres, Andreas« hat in dem griechischen navógegu = die Männer, die Waffenfähigen noch seine Urbedeutung für den Verteidiger (der Grenze). Die Hafenstadt «Antivari« heißt im Südslavischen noch immer nur «Bär« ; in Kleinasien erwähnt Mela auch den Volksstamm der «Antibarani«. — Diese Etymologie klärt uns auch den Volksnamen der «Anten« auf. die den alten Schriftstellern als ein großes Volk Westrußlands bekannt waren. Ebenso sind die «Anden« (Kordilleren) ein ausgesprochenes Grenzgebirge. Der Hoheitsname war «Andel, Angel«, d. i B e s c h ii t z e r, dem man zum Überfluße noch «stražec, stražan, varuh« u. ä. in jener Zeit beifügte, als man die Urbedeutung von «andél« nicht mehr kannte. Die verworfenen Engel der Bibel waren sonach jene Grenz-und Landesverteidiger, die nicht ihre Pflicht taten oder gar Verrat übten. — Nov, Novi (Kroatien, Dalmatien, Herzegovina, Bosnien), N o-V i č i (Mähren), Novska (Kroatien), Erceg Novi (Castelnuovo), Noya (Spanien), Noyon, Nyons (Frankreich), Novara, No-vellara (Italien) sowie die zahlreichen römischen Namen Novi-o d u n u m für : Never s, Neuvy und Soisons (in Frankreich), Neuenburg mit dem Schlosse Chaumont (Hum!), Ny on in der Schweiz ; dann Noviomagus (für Nimwegen, Neumagen, Speyer, Lisieux) sind durchwegs Festungen oder gut verteidigungsfähige Punkte mit Burgen, Ruinen oder Mauerresten; ja bei Novi im kroatischen Küstenlande steht seit undenklichen Zeiten eine Burgruine, Lopar genannt, auf der Stelle eines römischen Festungswerkes, zum Schutze der Straße nach Seina, — Es scheint, daß hiemit in erster Linie befestigte Grenzpunkte gekennzeichnet wurden, und hieß der Befehlshaber eines solchen etwa «novak«, was im Slavischen zu einem überaus häufigen Familiennamen wurde; der Verteidiger war der «novič, novinec«. worunter wir heute den zum Soldaten geeigneten Mann, den Rekruten verstehen; die Abgabe an der Grenze nennte man xnovac, novčič (= Kreuzer). — Das Grundwort dürfte im Originale >< (d. neu) nichts zu schaffen und sind die Namen: Novigrad, Neuern, Neuenburg, Neuenahr (mit Ruine auf dem hohen Basaltkegel) nur spätere, an geläufigere Begriffe sich anschmiegende Assimilierungen. Ein Rest des alten Begriffes hat sich augenscheinlich in der Fortifikationswissenschaft als «noyaux (franz. Kernpunkt einer Festung) erhalten, welches eben jene Stelle bezeichnet, wo es für den Angreifer am schwersten wird dem Verteidiger beizukommen, also die ursprüngliche natürlich und künstlich verstärkte Stelle. — Dem Slovenen ist «noja, nuja« = Not, Plage, also möglicherweise «noj, nuj« jenen Platz andeutet, welchen man in der Not, bei feindlicher Bedrängnis aufsucht, also gleichsam Zufluchtsort.*) Asberg, Assling, Assang, Assach, Asch, Aschach u. ä. haben «as« zur Basis, womit man den verteidigungsfähigen Punkt bezw. den Befehlshaber desselben benannte. Die «Äsen« sind die Götter der germanischen Mythologie, die Beschützer der Menschen. Dir Slaven kennen diesen Begriff nicht mehr, außer in der Form «at« sowie «ot« = der Vater, das Höchste; hingegen ist «asan« den Türken der Begriff für einen hohen Würdenträger. Bei den Semiten war der Königsname: Assar, Assarhadon. Salrrarasmr gangbar; einen hohen Wüstengeist nannten sie «Asasel«; sie kannten auch die «Aschera«, die Göttin A s t a r t e, welche sonach den weiblichen Hoheitsnamen von «as« repräsentierte. Die «Asanen«. ein tatarisches Volk, nennen ihre Häuptlinge «As«; «As« ist auch im Kartenspiel die höchstbewertete Karte. Dem Südslaven, wie Os-manen und Araber ist «ask, askar, asker« derSoldat, dasMili-tä r. also die Stütze des «as«. -- Die Burg, wo die «Äsen« wohnten, hieß der Edda zufolge «Asgard« (Asgrad, analog, wie «Stargard« statt Stargrad). «Asier, Asiarch« waren bei den Griechen Begriffe für bestimmte Funktionäre; «Asia« ist wie xAzowx identisch mit Grenzgebiet, welches «Ase« sichern. — Die Münze, welche ein solcher prägen ließ, hieß »as« u. s. w. — *) Bei Mostar ist eine kegelförmige isolierte Bergspitze mit altem Mauerwerk, die «Novi« heißt. Siegalt augenscheinlich, da sie einen weiten Ausblick gestattet, mehr als vorgeschobener Wachpunkt, denn die Bergspitze bietet nur etwa 3—4 Kämpfern Raum für die Verteidigung. In vielen Namen macht sich aber schon der Übergang des >< {= Zuruf, Alarmgeschrei), das im Russischen als «viklik« dasselbe bezeichnet; «vikar, ist sonach gleichbedeutend mit Wächter d. i. derjenige, welchem das Auf merksam machen, der Schutz obliegt. Namentlich besitzt die lateinische Sprache eine Menge organisch verwandter Begriffe, wie: «vigilia« (= die Runde, welche sich durch Zurufe selbst kontroiiert und wach erhält), «vicus« (= Dorf, der Ort, wo man sich auf ein Alarmsignal versammelt), «vicinus« (= der Nachbar), «vicis« (= der Wechsel, die Grenze, da solche Fürsorgen doch hauptsächlich an Grenzzonen lagen), «Jupiter Vice-linusx Jup der Wachsame) u. s. w. — Das älteste und naheliegendste Mittel für die Alarmierung der zum Schutze Anvertrauten war sonach die menschliche Stimme, und hat dementsprechend die slavische Sprache in «vik« auch noch die ursprüngliche, das Lateinische aber schon nur mehr die kulturell erweiterte Bedeutung des grundlegenden Begriffes. — Von diesem primitivsten aber niemals versagenden Verständigungsmittel machen alle Naturvölker noch heute ausgiebigen Gebrauch; sie rufen ihren Nachbarn Warnungen und Direktiven in einer Weise zu, die auch jener Unberufene meist nicht versteht, w elcher sonst derselben Sprache vollkommen mächtig ist. — Die feindlich gesinnten Bewohner Bosniens und der Herzegovina bereiteten in den Jahren 1878 und 1882 den öst-ung. Truppen dadurch viele Schwierig- keiteii, daß sie von erhöhten Punkten alle Bewegungen derselben verrieten und dadurch die Operationen wesentlich verzögerten. Grmada. Nach dem heutigen Sprachgebrauche der Slovenen ist dies ein Haufen Brennmaterial, welches bei besonderen Anläßen, z. B. als Johannesfeuer, angezündet wird. Früher verstand man darunter das auf übersichtlichen Höhen bereitgehaltene Holz und Reisig, welches bei feindlicher Gefahr als Feuer- oder Rauchsignal verwendet wurde.*) Damit man auf das Zeichen auch aufmerksam werde, wurden früher phonische Signale zugefügt, später, nach Erfindung des Schießpulvers, auch Pöllerschüße abgefeuert. Um dies bei jedem Wetter zu ermöglichen, mußte daselbst auch eine Hütte erbaut sein, in welcher die Wache Unterkunft fand und wo auch das Unterzünd-und Schießmaterial verwahrt wurde. — Dieses Sicherungs- und Verständigungsmittel ist uralt, denn Herodot fand es bei den Griechen (481 v. Ch.), Xenophon bei den Karduchen, Caesar bei den Galliern und i. J. 1878 bedienten sich derselben auch die österreichischen Okkupationstruppen in Bosnien: auf den Trajanssäulen in Rom sind solche Feuersignalposten der Skythen abgebildet; die Indianer kennen ebenso diese Feuerpost, wie sie zur Zeit der Türkeneinfälle in ganz Mitteleuropa organisiert war. Ein ausgesprochen klassisches und dabei großzügiges Beispiel enthält Aeschylos Tragödie «Agamemnonu (I. Akt, 3. Szene), in welcher Klytämnestra ausführlich beschreibt, wie ihr Agamemnon binnen einer Nacht den Fall Troja’s signalisierte, da dies jedenfalls vorbesprochen oder vorerprott war, wie aufmerksam die Wachen waren etc., denn sie erzählt auf die Frage, welcher Bote so behende gewesen sein konnte, folgendes: xHephästos, er, der hellen Glanz vom Ida schickt — Von Feu’r zu Feuer flog hieher die Flammenpost. Der Ida selbst sandte sie dem Hermesfels**) Auf Lemnos zu; vom Eiland nahm den vollen Strahl *) Als neueste Einrichtung zur Anwendung von Rauchsignalen gelten die Rauchkugelöfen, welche die Österreicher im Jahre 1908 und 1909 an der serbischen und montenegrinischen Grenze zur Anwendung brachten. **) Im Namen selbst liegt auch schon das Grundwort «grm. germ», sonach hatte die Lokalität die ihrer Bestimmung entsprechende Benennung auch schon bei den Griechen; übrigens galt Hermes als der Götterbote, d. h. er war ursprünglich der Höchste auf einer solchen Feuersignalstation. Sodann der zeusgeweihte Athosgipfel auf. Froh prasselt auf die Fichte, weithin überglänzt Forthüpfend nun den Meeresrücken das Wanderfeu'r Und wirft sein golden Tageslicht Makistos zu. Der Späher auf der Warte dorten säumet nicht Nachlässig oder schlafend seines Botenamtes, Und fern gegen Euripus Brandung fliegt der Strahl Der Fackel, ruft die Wächter auf Messapion. Da flammt es auf zur Antwort — dürre Beide lag Dort längst bereit geschichtet; weiter geht der Ruf, Und gleich dem Licht der klaren Mondessichel eilt Das Feuer unumwölket, noch erstickt von Dampf. Von Asopos Triften zu Kithärons Fels, allwo Den nächsten Posten in der Flammenkctt- er weckt. Nicht weigert sich der Weiterförderung des Lichts Die Wache, größre Lohe noch wird angeschürt, Daß längs das Sees Qorgopis blitzt der Widerschein. An Aegiplanktos Bergeskuppe landend, dort Die Wärter antreibt, nicht zu säumen ihrer Pflicht. Die sparen nicht der Lohe, prasselnd steigt empor Die mächtige Feuergarbe, die der saronschen Bucht Vorklipp erleuchtet und noch weit herüberstrahlt. Bis daß die letzte Warte, die vor unsrer Stadt Noch blieb, erreicht ist, Arachnäons Felsenturm. Nun endlich zu des Atreushauses Zinnen eilt Die Flamme her, die von des Idas Feuern stammt. — So ward der Fackelläufer Ordnung aufgestellt. So schwang von Hand zu Händen stets die Fackel sich. Doch Zwei, der Erst' und Letzte, siegten in dem Lauf. Ein sichres Zeugnis wolltest du; ich gab es dir. Mein Gatte selber sandt- es mir von Troja her.« — Diese «grmada’s«, deutsch auch «Kreid-« und «Gereutfeuer« genannt, weisen ein unregelmäßiges Netz auf, dessen Maschen je eine solche «grmada« bildete; von dieser konnten 2—3 andere das Signal abnehrnen und waren die Punkte im Terrain derartig vorteilhaft ausgesucht, daß es z. B. möglich war einen Türkeneinfall im Raume von der Kulpa bis an die weststeirische Grenze an einem Tage, d. h. in einer Nacht za avisieren. In Steiermark war dieser Signaldienst schon im Mittelalter von den Landständen aus organisiert. So wird i. J. 1480 einer xGermada am Skorlynx (Untersteiermark) erwähnt; überdies weiß man auch, daß zu den tüchtigsten Organisatoren dieser Art Johann Adam Baron Welsersheim gehörte, welcher von 1662—1664 die Leitung dieses Sicherungdienstes versah und die xGrmadasx im Lande zu inspizieren hatte. — Das Grundwort ist wohl xgrmx, welches heute im Sloveni-schen nur mehr Busch, Gestrüpp bezeichnet, das aber einst die Grenze selbst, die ja meist durch ein Gestrüpp kennbar war, andeutete. Man sieht dies daraus, daß die vielen Ortschaften wie z. B. Grm, Grmovje, Germans, Crveni grm, Črnigrm u. ä. stets an einem Grenzgebiete liegen. — Der Leiter einer solchen Signalstation selbst, die mit der Zeit ebensogut zu einer Burg oder zu einem starken Tabor erweitert worden sein konnte, hieß nun: ger, geros, german, geront, Herr, Heros, Herkul, Herman, Hermes, gerob, gerhab (= Vormund) u. ä. Das lateinische xgerox bedeutet: führen, kämpfen, «Herax ist identisch mit: Beherrscherin, Göttermutter; xherecx ist im Böhmischen der Heldendarsteller; xHerzogx = der A n-führen — Die Eigennamen : Herg, Herta, Herakles, Heraklea, Her-culanum, Hermdorf, Hermanitz (sehr oft im böhmischen Gebiete), Gera, Gerasdorf, Oersdorf, Germersheim, Germating (Germadnik) u. ä. sind daher Begriffe, denen die Hoheitsbezeichnung >< Ptuj (in die Stadt Pettau), weil ihm die richtige Etymologie noch traditionell unbewußt anhängt. — Der Hoheitsname war «Tuisco«; dieser galt als der Sohn des Kriegsgottes Tiu, der auch den Beinamen «Wodan« bildet, und gilt der deutschen Genesismythe zufolge als Stammvater der «Teutonen«; tatsächlich hieß aber der Stammälteste so und ist dies gleichbedeutend mit : Beschützer, Verteidiger. (Vergi, auch das lat. tueor := beschützen, verteidigen).*) Čič. Dieser urmilitärische Begriff, der offenkundig arch die Grundform für das deutsche Erbwort «Schütze« bildet, ist gleichbedeutend mit dem deutschen : Krieger, Schildknappe, Reisige, Grenz Wächter. Man muß dieses aus einer Stelle der alten slovenischen Volksdichtung schließen, wo der Held Raubar zur Abwehr der Krain bedrohenden Türken seine Kampfgehilfen zusammenruft, denn: «auf den Ruf des Herrn erschienen achtzehn Tschitschen, die ihm dienen.**) Weitere Formen gleicher Bewertung sind wohl auch «Žižka« und «Šiška«, und hieß der Fremde, d. i. der die jenseitige Grenze Bewachende, darnach der «cizy« (Königinhofer - Handschrift noch «cuzy«) der Fremde, analog wie der «čič« in der Herzegowina «čuš«, im Türkischen schon «čauš« (= Unteroffizier) lautet. Grenzpunkte, die durch «čiče« bewacht und daher entsprechend verteidi- *) Lange fehlte auch die Entscheidung, ob es richtiger sei «teutsch« oder «deutsch« zu schreiben. Grimm endete diesen Streit damit, daß er entschied, «teutsch« sei niedersächsisch, «deutsch« aber hochdeutsch, daher das letztere auch das richtigere sei — wie die Etymologie zeigt, ein sprachlich unrichtiges Schlußwort. **) Diese Übersetzung riihrt von A. Grün her. der sie in seinem Buche «Volkslieder in Krain» in dieser Fassung bietet. Der Originaltext lautet etwas prägnanter: «Glas gospodov hlapce kliče Osemnajste svoje čiče . . .« «Tschitschen« nannte man die abgehärteten, kriegerischen Bewohner jenes Teiles von Krain. wo schon der Karst beginnt. gungsfähig hergerichtet waren, hießen nun: Cičevo, Tschitschen-boden, Cičovice, Ciców, Ćižek, Ćižice, Žižkov, Žižin, Žižovec u. ä. Rin organisch verwandter Begriff ist der ziemlich häufige Name «Cihadlo, Zihadlo« für Höhenpunkte, welche eine gute Beobachtung gewährten. Die Slaven kennen genug stammgleiche Determinationen wie: čigati, čihati (= lauern, auslugen), čigar, čigavec {= Spion), čihan, cikan, cigan (= Ruhestörer, Vagabund, Zigeuner), und gehören hieher auch die deutschen topischen Namen, wie: Sieg, Siegdorf, Siegersberg, Siegersdorf u. ä., und wurde so durch die sprachliche Metamorphose der Urbegriff «čigarn, d. i. der Kämpfer im allgemeinen zum «Sieger«, also dem erfolgreichen Kämpfer. — Die Slovenen suchten einst den günstigsten Aussichtspunkt auf dem Bacher-Gebirge, um einen Aussichtsturm zu erbauen; es stellte sich schließlich heraus, daß der Punkt, der schon seit undenklicher Zeit den Namen «Zigert« führt, hiezu am entsprechendsten sei. — Behufs Alarmierung der Umwohner benützte man hölzerne Sprachrohre, wie solche in Ostschlesien noch heute von Hirten gebraucht und «fujara« (vojara?) genannt werden. Überdies wurden Feuer- oder Rauchzeichen gegeben, später auch Polier und Haubitzen abgefeuert. Pozor (Poser, Posur), Pozofice, Prozor, bezeichnen einen Höhepunkt mit einem weiten Ausblicke; z. B. der spitze Kegel nächst der Gleinalm (Steiermark) heißt: Posur. (Pozor, pozorovati slav. = achtgeben, beobachten). Hiezu gehört auch «Pozork«, welches im Deutschen zu «Posruck«, ja sogar «Bocksruck« wurde. Motrice, Modriach (neben Herzogberg), Modra (neben Vele-hrad), Modla (bei Buchlovitz), Modrič, Mödritz, Modrice, Möder-bruck u. ä. bezeichnen einen Beobachtungspunkt (motrit: slav. = beobachten). In der Nähe solcher Punkte findet man immer weitere Lokalnamen, die auf sonstige Verteidigungsmaßnahmen schließen lassen. Der Hoheitsname dieses Stammes hat sich in «moder« (— weise), «modrc, modrijan« der Weise, der Überlegende) im Slo-vcnischen erhalten. Patfin, Patriasdori, Patras, Petrin, Petersdorf, Peterwald u. ä. überhaupt mit «Peter« zusammenhängende Ortsnamen deuten auf Punkte, welche zur Beobachtung dienten. Das Grundwort ist anscheinend: patrati. pattiti, opatfiti (= forschen, achtgeben, sorgen). wie es im Cechischen noch im Gebrauche steht. Der Verantwortliche für ein solches Sicherungsgebiet war der: patr, wie der Slave noch heute «pater« ausspricht, woraus sich dann «Patron«, als Beschützer einer Gemeinde, und «Patriarch« als Verweser einer Kirchengemeinde und «Patricierx als regierende Partei bildeten. Die Sicherungswache hieß in diesem Falle: Patrouille, das zu sichernde Gebiet: patria, und die Gemeindezugehörigen wurden zu : Patrioten. Im Slovenischen nennt man ein Holz-, namentlich Brettergerüst: petra. petre, und bezieht sich dieses möglicherweise auf eine bezügliche Vorrichtung für den Beobachtungsposten in Waldgegenden, um vom erhöhten Standpunkte die Umgebung besser zu überblicken. Der Ceche gebraucht jedoch noch «patre« für Stock-we rk, also erhöhte Aussicht. — Daß nachher aus «patr« allgemein «Peter« wurde, ist wohl nur kirchlichen Einflüssen zuzuschreiben, denn der Mensch inkliniert bei unverständlich gewordenen Begriffen später naturgemäß zu solchen, die ihm fallweise näher oder geläufiger sind. — Eine gleiche Entstehung hat auch der Name: Petersburg. — Das Volk nennt die Stadt: Piter, nach irgendeinem Punkte, der zur Beobachtung der Meeresseite sowie der Festung Kronstadt diente, denn im Litauischen bedeutet «pitrieti, spitrieti«: etwas mit großer Aufmerksamkeit beobachten. — Würde der Stadtname ausschließlich nur von Peter d. G. stammen, so hätte sich das Volk wohl den Namen «Pjotr« zurechtgelegt. — In Obersteiermark gebrauchte man früher «Pitter« für: Wächter, Wachmann, Amtsdiener. Oglej, Pogled u. ä. bedeuten im Slavischen: Ausblick, Fernsicht (ogledati slav. = sich umsehen; pogledati = ansehen) und sind Höhenpunkte, welche in mehrfacher Richtung einen günstigen Rundblick gewähren. Sie liegen meist auf niederen, aber für diesen Zweck günstigen Erhebungen, wie Oglej (Aquileja) zur Beobachtung des Okra-Passes; Pohledy an der Sazawa; Poh led bei Metz; Pogled in Untersteiermark; von hier aus beobachtete man das Dranntal bei Gonobitz, indes das gegenüberliegende Planke n st e i n die aktive Verteidigung besorgte, sich aber dabei selbst keinen günstigen Ausblick verschaffen konnte; Pogledak befindet sich senkrecht auf der Längenaxe des Nevesinjsko polje (Herze- gowina) mit dem Gegenbeobachtungspunkte Kleni, während die eigentliche Verteidigung Grad und Gradina mit einem relativ beschränkten Ausblick führen müssen. Alle diese Posten hatten einen halbpermanenten Bau, damit die Beobachter und Wächter gegen die Wetterunbill geschützt seien. Der Dienst erstreckte sich zumeist nur vom Frühjahre bis zum Spätherbste; im Winter war dies unnötig, da in dieser Jahreszeit erfahrungsgemäß keine feindlichen Einfälle zu befürchten waren. Gledavac (bei Metković; gledati slav. sehen, beobachten) befindet sich in der Umgebung von Gradina, Koštjela. Gabela, Čarda-čina, Vranja, Norinska kula, welche alle etymologisch auf Fortifika-tionen deuten. — Andere Formen dieses Stammes sind: Ogled, Ogladnica, Rotzlethöhe (rozhled, razgled = Aussicht). Pandurica nennt oder nannte man einen Beobachtungsposten auf einer gut übersichtlichen Flöhe, welchen Dienst «Panduren« (pandur slav. = Wächter) versahen. Das österreichische Pandurenkorps besorgte einst die Bewachung der südöstlichen Landesgrenze. Am Balkan heißt der Wachmann häufig noch: Pandur. Strn ist die Wurzel häufiger Ortsnamen, wie: Sternberg, Sternfeld, Sternthal u. ä. — Das Grundwort ist entweder «strem, streti« (= beobachten) oder «strniti (= sich versammeln, zusammenrotten): Lokalitäten dieser Namensform sind daher entweder Beobachtungspunkte oder bestimmte Alarmplätze bei Feindesgefahr gewesen, und weisen solche noch heute Kirchen, Burgen oder Ruinen auf. — Die Slaven, namentlich Slovenen. nennen heute solche Punkte meist «Strmec« d. i. die s t e i 1 e Höhe, da man sich zum erwähnten Zwecke begreiflicherweise gute Übersicht bietende und vor allem schwer einnehmbare Höhen auswählte. Devin, Divin, Devina, Podivin u. ä. sind Beobachtungs punkte. — Das Grundwort ist: divati (= beobachten), dev. div (= der alles Sehende, Gott). Devin, Divin kommt als topischer Name in allen alten Weltteilen häufig vor und scheint überall auf eine Bodenplastik zu deuten, welche die Beobachtung feindlicher Anschläge begünstigt. «Dévin« (Böhmen) ist in der Chronik Kosma's erwähnt als: oppidum natura loci firmum, cui inditum est nomen Die win. — war sonach schon zu Beginn des 12. Jahrhundertes kein bloßer B e-obachtungs punkt mehr, sondern schon ein fester Vertei- đigungsplatz. — Auch der älteste Name von Velehrad (Mähren) lautete: Dévin. — «Magdeburg« hieß früher «Devin«, denn man glaubte, daß dem Namen xdevax (slav. = Mädchen) zum Stamme diene, daher im Deutschen das Auftreten von so vielen Maidberg, Maidburg, weil auf Basis der falschen Etymologie auch eine dementsprechende Übersetzung folgte. — Auf gleicher Prämisse entstand auch die völlig mißglückte Sage des čechischen Chronisten Hajek (16. Jahrhundert) vom xBöhmischen Mägdekriegex, der von der Burg Devin aus in Szene gesetzt wurde, was auch den Stoff zu einem Heldengedichte K. E. Eberts bot. — Dieser Übersetzungsfehler zog noch weitere Kreise, denn auch die vielen xdivci skalax, die zu: Mägdesprung, Jungfernsprung, Mädchenfelsen u. ä. übertragen wurden, sind nichts weiter als hohe, mitunter vorspringende, namentlich an Gewässern, wo eine gedeckte Annäherung auf Wasserfahrzeugen möglich ist, für den Ausblick gewählte günstige Punkte, also : Auslugfelsen. — Die zahlreichen dieser falschen Etymologie angepaßten Sagen über Jungfrauen, welche sich bei der Verfolgung von einem solchen Felsen herabstürzten, sind daher nichts weiter als Sagen und haben nur den einen realen Wert, daß jener Felsen eben einmal ein Aussichtspunkt war und deshalb xdevin, divin« u. ä. hieß.*) Ortsnamen dieses Stammes sind überdies alle: Theben. — So erwähnt der Minnesänger «der Freudenleerex (13. Jahrh.) in dem Schwanke: Die Wiener Meerfahrt — des Burggrafen von Devin d. i. Theben (an der Einmündung der March in die Donau). Dies war aber auch bereits i. J. 864 eine Feste, und wurde schon damals, — was gewiß sehr beachtenswert ist —, der Name auf Grund des sjavischen Sprachschatzes ausgelegt, denn die Annal. fuld. Rudolfi sagen schon: Civitas quae lingua gentis illius Dovina, id est puella dicitur (das Gebiet, welches in der Sprache dieses Volkes Dovina, d. i. Mädchen genannt wird). — In der Herzegowina gibt es ein «Djevojačko greblje«, von dem man sagt, es seien dies vornehmlich Jungfrauengräber; tatsächlich sind dies Gräber *) So heißt jener Felsen der alten Burg Qösting (bei Oraz), von dem sich Anna v. Qösting in die Mur gestürzt haben soll, der »Jungfernsprung». Tatsache ist es aber, daß dieser Punkt für die Veste die günstigste Beobachtung des engen Felsentales und der Zugänge von nordwärts bot, und daher »devin« hieß, was erst posthum zur Bildung der Sage führte. der Gefallenen auf einem aussichtsreichen Kampfplatze, denn die Nachbarlokalitäten militärischen Wertes heißen auch «Pan-duricax und «Svatovsko greblje«. — Die ägyptische Stadt Theben, die «Hunderttorige«, wurde hingegen von den Ptolemäern als Diös-polis (Gottesstadt) ins Griechische übertragen, weil man in «dev, div« — Gott vermutete (deus, 9 e n g), daher die Übersetzung wieder auf einen slavischen Begriff im weiteren Sinne basiert erscheint. —• Desgleichen ist das böotische Theben, nachdem es zerstört wurde, wieder zu «Thivae« geworden, das identisch ist mit jener Höhe, auf welcher die Burg Kadmeia stand. Hieher gehören auch: Deva (Spanien), Déva (Ungarn), Déville (Frankreich, Devizes (England), Devol (Fluß und Ort in Albanien), Dévolny (Gebirge in Frankreich), Dewe-Bojun (Höhe in Armenien, 1877 von den Russen erstürmt), Diva (Insel in Indien), Divača (Österreich), Dives (Fluß und Ort in Frankreich); Deutz hieß römisch «Divitio« und hatte ein starkes Kastell zwecks Beobachtung und Sicherung der Rheinbrücke bei Köln, Dibio (auch Diviodunum der Römer, ein befestigter Platz der Lingonen, jetzt Dijon, Frankreich); Dibon (alte Moabiterstadt); Divonne (Schloß in aussichtsreicher Lage in Frankreich); Divodurum (wurde fälschlich in «Götterburg« übersetzt, jetzt Metz), Divak (Aussichtsberg bei Pribram) u. ä. — Sonstige Formen sind noch: Tepa (zwei Brückenbeobachtungspunkte in Mostar), Tepina (Beobachtungshöhe über das Drannfeld, Untersteiermark, 1490 Depina), Under der Tephen (1381, Steiermark), Tiwer (jetzt Tiiffer, mit dem hohen ruinengekrönten Bergkegel). Teuffen-bacli (alte Formen: Tivfen, Tewfen, Tewbach), Tywein (Diwein), sowie alle Tivoli (Tibur, Divolje) u. ä. — Der Hoheitsname ist: div, dev, welcher vielfach zu «Divis« wurde,*) womit der Bewohner an einer solchen Stelle bezw. der Kommandant oder Älteste eines solchen wichtigen Punktes belegt wurde. Eine analoge Bewertung hat daher auch der Gott «Tivač« (= Divač), der einzige, der angeblich von allen «germanischen« Stämmen verehrt und namentlich am Niederrheine hochgehalten wurde. - Dem Slovenen ist «Tivra« — der Wauwau, der Strafende, mit dessen Berufung man den Kindern droht, falls sie unfolgsam sind. In England gilt «devon, devon- ') Die Familie der «Sternbergex führte früher den Namen Diviš von Di viso v; «Sternberg« bedeutet aber etymologisch auch dasselbe, ist also nur ein Parallelname. shire« noch immer als Adelstitel. — Im Persischen ist «dev, div« die Bezeichnung für den bösen Geist (Zendavesta: devas, deutsch: Teufel, divi, tuifel; rom. diable, diavolo). — In der Türkei heißt der Staatsrat «divan«, das ist die das Wohl des Landes beobachtende Körperschaft. In Indien ist «devan« der erste Minister, der Kanzler. — Das russische Igor-Lied kennt den «Div« als Vogel, sagt aber von ihm, daß er den Polovcern zuruft sehr wachsam zu sein, da er eben von der Vogelperspektive über die gegenseitige Situation besser orientiert ist. Ich habe mich bei diesem Artikel nicht ohne Absicht geographisch ungewöhnlich verbreitet, denn ich will hiemit zeigen, wie wenig Berechtigung wir haben, von scharfbegrenzten Sprachkasten zu sprechen, und wirft der Sprachenhaß nur einen tiefen Schatten auf d:e Kenntnisse unserer Vergangenheit und Kulturentwicklung. Vir, Vyr, Virje, Virovitica, Fürth, Furt, Fürstenberg, Fürstenfeld, Württemberg (früher Wirtemberg geschrieben) u. ä. sind ursprünglich Wachstellen gewesen, die später zu festen Verteidigungspunkten wurden. — Das Grundwort ist jedenfalls «vir« (= Wachpunkt; im Lateinischen der Mann, Kämpfer — auf einem solchen Punkte), doch ist der Begriff in diesem Sinne im Slavischen nicht mehr gebräuchlich; hingegen kennt der Slovene noch «vireti« (= mit unverwandten Augen ansehen, spähen) und «virostovati« (= wachen, überwachen), der Kroate «viriti« (= überblicken), der Ceche «vejrati« (= große Augen machen).*) — Im Keltischen bedeutet «vnr soviel als Mann, «ver« = der Starke, der Mächtige. Der Hoheitsname lautete wohl: «viros, virost« oder ähnlich, geriet aber im Slavischen außer Kurs, hingegen hat er sich im Deutschen «Fürst« erhalten. Ansonsten haben jedoch die slavischen Sprachen die primären Bedeutungen dieses Stammes, welche mit den *) Folgerichtig ist «vyr« der Uhu, der im Finsteren sieht, daher auch allgemein als Symbol der Gelehrsamkeit gilt, da er eben ins Unbekannte (Finstere) zu sehen vermag. — Aus einer alten poetischen Sage der deutschen Kolonie in «Sette Comuni« (nördlich Vicenza) ist noch zu hören, daß »Wirt« = Tyrann war, denn die betreffende Stelle sagt: Wir sind Deutsche; unsere Väter kamen von den Bergen (jenseits des Tirol) und flüchteten aus ihren Landen, um nicht unter einem schroffen und grimmigen Wirten zu bleiben (im Originale: »Biar sain teutsche; unzare vetere kamen aber vun auporz, un inkangen vun iarn lentom, zwa net sianan untargabèrft alterne schroffen un grimmegen biarte« Hoheitsnamen organisch verknüpft sind, vielfach beibehalten, so: «vira« (= Geldstrafe für einen Mord, die also nur ein v i r. Fürst verhängen konnte), «birič« (= Gerichtsdiener. Scherge, auch Herold, also ein Hilfsorgan des Fürsten; «biros« (= Rinderhirt, ein Begriff, der noch aus der Hirtenorganisation datiert): «birt, virt, Wirt« (— dem die Obsorge der Gemeinde oblag); «birka« umfaßte anscheinend alle Pflichten an den Gemeindeältesten, und ist heute identisch mit K e r b h ol z, auf welchem sonach die Abgaben verzeichnet wurden. — Vid, Vidim (bei Mélnik), Vidin, Viden, Videm, Vidak, Vidov, Vidce, Vidomina (Wien), Vitina, Vitanje, Wittingau, Montevideo, Vitkov (Wigstadtl), Vizina, Vizovice, Vicence, Vicov, Viče, Vičiče u. ä. sind günstige Beobachtungspunkte, denn vid ist = Aussicht, videti = sehen. Solche Punkte weisen für die Ausspähung der feindlichen Anschläge günstige Höhen auf, die zumeist noch heute aus einer uralten Zeit Schlösser, Burgen, Klöster und Ruinen tragen. Es ist zweifellos, daß die Urbedeutung auch die eines g e-sicherten Weideplatzes ist, denn das deutsche «Weide« ist wohl aus «vid« hervorgegangen, «vidula« ist die Hirtenquerpfeife (lat. vidula), «vidalice« ist zum deutschen «Fiedel« (im Slavischen Querpfeife bedeutend) geworden; «videm« ist der Gemeinde- oder Pfarrpfründegrund. Die Ortsnamen dieser Gruppe besagen sonach nichts weiter, als daß sich die Bewohner daselbst durch «vid« — Vorkehrungen gegen feindliche Anschläge sicherten, wobei sich die Bedeutung dem progressiven Kulturfortschritte und Ausbaue des Punktes sprachlich weiter anschmiegte. So hieß Weiz (in Steiermark) i. J. 1240 noch immer: «an der Wides« (videš = Aussichtspunkt), wogegen die Kirche daselbst schon i. J. 1188 «am Tabor« genannt wird, also die passive und aktive Verteidigungsvorsorge stehen bereits paraleli nebeneinander, wie das ia bei jeder Burg der Fall war, wo das erstere der Wartturm, das letztere die Ringmauern besorgten. — Windenau (bei Marburg a/D.), slov. Vidnjava. stand an der Stelle, die man noch heute «Staro mesto« (Beobachtungspunkt an der Nase des Bacher-Geb ) nennt, und wo bereits viele prähistorische Funde gemacht wurden. — Ähnlich ist es bei Wien, wo Wieden. Am Tabor, Hohe Warte, Leopoldsberg die gleiche, sich gegenseitig ergänzende Rolle spielen. Javor, javorje, Javorik, Javornik, Javorovy, Jaworów, Jauern, Jauernigg, Jauerbiirg u. ä. bezeichnen einen Höhenpunkt, welcher als Reobachtungs- oder A 1 a r m s t a t i o n gegen feindliche Einfälle diente (jav, javiti = melden, Zurufen, mitteilen). Die bisherige Etymologie, als würden diese Namen von »javom (Ahorn, Ahorngegend) stammen, hat sich als ganz unzutreffend erwiesen, nachdem eine so benannte Gegend oft gar keinen Ahornbestand aufweist. hingegen dies in sehr vielen Fällen ein Gebirgszug oder eine Höhe mit vorzüglichem Fernblicke wie: Javorina, Javornik, Javorik. Javorowi, oder ein Ort mit Verteidigungsanlagen (Burg, Schloß) ist. wie Jauer, Jauernigg, Jaworów u. a. Ždar (heute meist in der Form »star») sind jene Höhenpunkte, welche einst für die Bewachung der Gegend entsprechend eingerichtet waren; das Grundwort ist das altslav. ždati = warten, erwarten, beobachten, das auch noch in der Königinhofer Handschrift im verwandten Sinne vorkommt. — Ortsnamen dieses Stammes sind: Stara gora (also fälschlich: Altenberg). Sedlo Stare (Altsattel). Star trg, Stargard (Stargrad), Starič, Starše. Starovo, Zđarov. Zdarec, Zdarka, Zdarae. Starzingerberg, Sterzing u. a. Es ist logisch richtig, daß es z. B. einen Namen »Altendorf» auch ursprünglich nicht geben kann, da niemand eine erste Ansiedlung als »alt«, sondern doch viel eher als »Nendorf» benennen wird; ebenso ist ein «Altenberg» ganz undenkbar, da man ja doch die Berge in derselben Gegend nicht in Bezug auf die geologische Entstehung skalieren kann. Das Urwprt ist augenscheinlich »ždar, ždjar» (= abgebranntes Waldstück), um Aussicht für die Beobachtung der Umgebung zu gewinnen, wie es im Böhmischen und Sorbischen (ždžar) noch erhalten ist und in Mitteleuropa überaus häufig vorkommt. Im Hoch-sclnvab-Zuge liegen z. B. die Staritzen-Alpen; sie gelten als die schönsten Alpenweiden von Steiermark. Der älteste einer solchen Gemeinde hieß daher folgerichtig »ždar, starost, starosta»; in Pommern wird eine Gemeinde noch immer »Starostei« (sprich: Schta-rostei) benannt; unter «schtarost« verstand man daselbst den Schloßoder Gutsherrn, und nachdem diese mitunter sehr unbeliebt waren, gilt noch heute der Spruch, «hei is schtarostisch« in der Bedeutung: der ist eigensinnig, unerbittlich, wie ein «schtarost». Fig. P. Kochom bei Koblenz i. J. 1646. Mis, Mislik, Mislowitz, Misslitz, Mysliborice, Mistek, Mysiik, Myslin, Miseno (Cap), Miszkolcz u. ä. sind Gegenden und Ansiedlungen an Höhenausläufen, Gebirgsnasen, Talöffnungen (mys, mis = Vorgebirge, Bergnase), und waren naturgemäß in erster Linie für den Beobachtungs-. dann auch Verteidigungsdienst ausgenützt. Die diesen Dienst Versehenden hießen «myslivec«, wie der Ceche noch heute den auf Anstand Gehenden, also Jäger, benennt. — Dem Russen bedeutet: m i s e c, misik noch heute: kleines Vorgebirge, Bergnase. Kuk, Kukus, Kukau, Kukuksberg, Kuklena, Kuklenberg, Koke, Kochein, Kokarje, Kokorina, Kokorin u. ä. bezeichnen Auslugspunkte.— Das Grundwort ist «kuk, kukati« = gucken, auslugen. — Am Balkan gibt es eine große Zahl von Höhen mit vorzüglicher Fernsicht, die Kuk, Orlov kuk, Kukin u. ä. lauten. — Der Höhepunkt, welcher die beste Umsicht über die Umgebung von Znaim gewährt, heißt: Kuketaj. — (Vergi, die beigegebene Abbildung von Cocheim aus dem J. I6J6, wo jede Höhe befestigt erscheint.) Wahrscheinlich sind auch viele mit «Hoch« zusammengesetzte Ortsnamen dieses Ursprungs, denn z. B. «Hochwald« haben die Cechen nicht in «Visoke val« übersetzt, sondern gebrauchen den ungefähr ursprünglichen Namen «Hukval« (statt «Kukval«), Sveta gora, Svatä hora. Alle topischen Namen d:eses Ursprungs (deutsch «Heiligenberg«) sind ursprünglich militärische Beobachtungspunkte gewesen, denn das Grundwort ist «zvedeti« (in Erfahrung bringen, erkundigen) woraus der Hoheitsname: svetnik = Ratgeber, dann auch Heiliger wurde. — Die Russen gebrauchen «svjedat«, die Slovenen «zvedeti« für: erfahren, «zveden« = der Erfahrene. — Augenscheinlich ist auch «svet« (die Welt) einst gleichbedeutend mit Grenze gewesen, denn man sagt z. B. unter den Slovenen: grem v svet = ich gehe in die Fremde, d. h. ich überschreite die Grenze. — Es gibt wohl keinen Ort dieses Namens, welcher nicht an oder auf einer gute Aussicht wie auch günstige Verteidigung bietenden Höhe liegen würde. Bei manchen Ortsnamen ist noch der Name nicht mit «svet« (= heilig) identifiziert, wie z. B. Sveča gora, (in Obersteiermark einmal in «Lichtmessberg« übersetzt), Svitavka, Svetina, Svetinje, Zwetkofzen u. ä. — Die «Heiligkeit« der Lokalität hat sich allmählich aus sich selbst entwickelt, weil der Punkt durch die Kämpfe daselbst und die Begräbnisstätte der Vorfahren zum Gegenstände besonderer Verehrung wurde; die traditionelle Pietät machte sie jedoch zu Wallfahrsorten, seit der militärische Charakter derselben verblaßte.*) Wahrscheinlich gehören hieher auch alle Namen, wie: Svetla, Zwettl, u. ä., welche, da man «svetel« für «licht« nahm, sodann als Liechtental, Liechtenort, Lichtenwald in’s Deutsche übertragen wurden. Analog hat das Stift Zwettl, slavisch, «Svetla« seinen ursprünglichen Namen bis heute erhalten, während dessen künstlicher Name «Liechtental« längst wieder außer Kurs ist, und sind dies lediglich etymologische Spielereien, die in den allermeisten Fällen als vollkommen mißglückt gekennzeichnet werden müssen. So behandelt J. v. Zahn im III. Bande seiner «Styriaca« (Graz 1905) unter dem Titel: «Poetische Ortsnamen und andere« ein ähnliches Thema, legt aber der Entstehung derselben folgenden, wesentlich verschiedenen Ursprung zugrunde. Er schreibt: «Wenn ein Grundherr an der Stätte, die ihm vor allen anderen lieb und an das Herz gewachsen war, eine Gründung vollzog, dann pflegte er aus dem Borne warmer Empfindung einen Namen hervorzusuchen, um ihn seiner Gründung beizulegen, gleichzeitig als Ausdruck seiner väterlichen Liebe und auch als Empfehlung der Stiftung an kommende Geschlechter. Dieser allgemeine Vorgang findet seine besondere Anwendung bei dem naturfreudigen Orden der Zisterzienser, welcher seine Niederlassungen in Frankreich: Lichtental, Goldental, Gu tenta!. Gutenbrunn, Hellbr on, Gutenfeld. Liebenfeld, Lichtenort etz. nannte«. Ich kann aber nicht umhin, die gewiß gutgemeinte und durch den äußeren Schein suggerierte Ansicht des Verfassers rauh zerstören zu müssen, da dies meine Erkenntnis sowie die mangelnde Natürlichkeit dieser Entstehung erheischen. — Diese Namen sind durchaus nicht aus dem «Borne warmer Empfindung« hervorgegangen, sondern sind n a-türlich begründete, bereits Vorgefundene slavi-sche Namen gewesen, wr eiche die Deutschen iiber- *) In der Herzegowina gibt es ein «Svatovsko greblje«, welches die Sage und Volksetymologie dahin erklärt, es seien dies Oräber eines verunglückten Hochzeitszuges; tatsächlich ist es ein Beobachtungspunkt, auf dem es einst zu einem blutigen Gefechte gekommen sein muß, daher auch die meisten Grabsteine daselbst mit militärischen Figuren verziert sind. setzten oder ganz ohne Rücksicht ani die neue Bedeutung a n p a ß t e n, wobei sie es allerdings nicht versäumten hoch- und wohlklingende Namen zu konstruieren. Wie man aus den erwähnten Beispielen ersieht, fassen solche unnatürliche Namensbildungen zumeist keine tieten Wurzeln und holen wir uns in jenen Fällen, wo die Namensänderung gewaltsam geschah, die Urform aus den vergilbten Urkunden wieder hervor. Wenn man daher heute vielfach von Slavisierung der Ortsnamen hört, so ist dies dadurch begründet, daß man die slavische Urform des Namens wieder anwenden und dem wahren, historisch enNamenzumRechteverhelien w i 11; von Neubildungen ist also hier keine Rede, sofern es sich nicht um vereinzelte geschichtswidrige Zwangsformen handelt.*) Ćaga, Cakov, Cakowitz, Čakaturn (= Wartturm), Saggau, Sachendorf, Čekau Čekov, Čekanitz, Cekyn, Segno u. ä. stammen alle von čakati, čekati ~ abwarten, auf Anstand sein, achtgeben, sind somit auch günstige Beobachtungspunkte, die, wenn sie von Natur aus nicht genügend günstig waren, künstliche Ergänzungen erhielten. Alle die Türme bei Kirchen und Schlössern hatten ursprünglich wohl nur diesen Zweck, daher es auch kein altes Schloß ohne einen ausgesprochenen, etwaige andere Türme überragenden Turmbau gibt; dasselbe gilt für die Kirchen, welche, wenn sie in derEbenestanden, höhereTürme hatten, als solche, w elche ohnehin auf einer übersichtlichen Höhe angelegt waren, — In čechischen Gebieten findet man noch häufig Flurnamen «na čekarne«. Die Hoheitsnamen sind: Diakon«, nachdem die Griechen das slavische «č« nur zerlegt darstellen konnten, dann «žak, djak, dijak« — der Studierende, der Achtgebende; «djak« (russ.) der Schriftkundige, früher: der Geistliche. Laver, Lavis, Laverone, Lavrovce, Lavranovo, Lovrana, Lofer, Loferstein. Foretto (slav. Lovreto) u. ä. scheinen für Hinter- *) Was die Deutschen vor etwa acht Jahrhunderten taten, das wiederholen heute die Magyaren, indem sie alle nichtmagyarischen topographischen Namen übersetzen, verunstalten oder ihrer Sprache anpassen, was aber durchaus nicht hindert, daß einst bei geänderten ethnographischen oder politischen Verhältnissen die ursprünglichen und natürlichen Namen aus alten Büchern v’ieder hervorgeholt werden können. Die Geschichte kann uns auch in dieser Hinsicht als Lehrmeisterin dienen! halte, also i iir ve rsteckte Beobachtung oder überhaupt Überlistung des Gegners geeignete Terrainpunkte gewesen zu sein. Das Grundwort ist bereits schwer erkennbar, muß aber entweder «law (slovenisch z.B. lavra, lavrati = Lauer, lauer n), oder >dow (= Jagd, Anstand) zur Basis haben. — Der russische Begriff «lavra« für Kloster bestätigt dies, wenn man die Entstehung der Klöster, wie dies später geschildert wird, allgemein in Relation bringt. Eine endgültige Klärung wird wohl durch weitergetragene Forschungen erbracht werden. — Das berühmteste aller Klöster auf dem Berge Athos liegt auf dem höchsten Gipfel und heißt St. Lavra (Laura). Lesno, Lesany, Leskovec, Leštno, Lišno, Lišen, Lisky, Lsténi u. ä. bezeichnen Gegenden, wo sich einst Zufluchtsstätten oder vorbereitete Kampfplätze befanden. Das Grundwort ist «leš, ljeh, lis. liš«, worunter der Slave im allgemeinen etwas mit dem Kampfe Zusammenhängendes versteht, wie z. B. «liskati« (= raufen), «lišiti« (= berauben), «leža« (= das Lager) u. ä. — Verwandt ist auch das lat. «lis« (= Kampf), wie das griechische »Xrjaiij g« (= Räuber, Kampfer im Guerilla Kriege). Der Kommandant eines solchen Platzes hieß nun «ljeh« (Plural: lesi, wie dies die Grüneberger Flandschrift aufweist), war also nichts weiter als der Älteste einer Verteidigungsgemeinde der Urverfassung. In späterer Folge wurden solche Ämter von einem höheren Führer (Lehensherr) bestimmten Personen (Lehensträgern) zugewiesen, d. h. der Betreffende versah die Sicherung des ihm zum Schutze anvertrauten Gebietes, analog wie auch z. B. der Sicherungsdienst in der bestandenen Militärgrenze organisiert war. — Straža ist ein Wachposten, zumeist auf einer Höhe mit guter und weiter Aussicht, von wo aus man bei feindlichen Anlässen auf phonetischem Wege, also durch laute, nur den Eingeweihten verständliche Zurufe, oder auch durch Feuer- und Rauchzeichen, den Umwohnern die drohende Gefahr ankündigte. Die Wache hatte eine Schutzhütte und war diese auch insoweit verteidigungsfähig gemacht (Zwinger, Schießscharten), um den Posten wenigstens so lange halten zu können, bis die nächsten Ortsbewohner eintrafen. — Der Name «Straža« kommt in Mittel- und Siideuropa überaus häufig vor, und sind alle mit «Strass« zusammengesetzten Namen dieser Provenienz; so: Strassberg, Strassburg, Strassengel, Strassgang, Strasser- perg, zu Strasy, Strassnitz, Hochstrass (bei Mödling, Deutschlandsberg u. a.), Strosen, Stragut (in Deutschland vom altsorb. straža, straga) u. a. Sonderbar ist es aber, daß z. B. der Name xStrassengelx, deliri steirischen Urkunden v. J. 860, 890, 982, 984, 1051 u. s. f. stets in der Form xStrazinolax angeführt erscheint, nie ins Deutsche übertragen wurde, während bei xStrassgangx, das i. J. 1030 urkundlich als «Strazcanx vorkommt, auch noch zugefügt wird, daß dies eigentlich der Name der Befestigung auf der Höhe sei; der Name muß daher schon von den slavischen Vorbewohnern herrühren. Karaula ist ein gemauerter, viereckiger Bau für eine Wache, welche sich darin auf kurze Zeit verteidigen konnte. — Auf dem Balkan sind solche Objekte noch sehr häufig, aber nunmehr schon meist als Ruinen anzutreffen. — Bei den Russen heißt die Wache selbst xkaraulx. Kula ist ein hoher, solider, mit Schießscharten versehener, mitunter krenelierter Run dbau, welcher augenscheinlich, da er für eine Wache nicht eingerichtet ist, nur als vorgeschobenes Glied eines festeren Verteidigungsplatzes galt oder als Aussichtspunkt diente. — Solche Kula-s gibt es in großer Zahl am Balkan; aber auch sonst findet man solche Türme, wie z. B. bei der alten Veste Stramberg, (richtiger xStranbergx), welcher xKulatinax genannt wird. (Siehe Abbildung von Stranmerg in Mähren). Mit der Höhe mußte hier so weit gegangen werden, damit vom Turme aus keine toten Räume für die Beobachtung verbleiben. — Im Tatarischen ist xkolax = Vorwerk, im Arabischen = Turm. Buda, Budua, Budine, Budkov, Budéjovice, Budečko, Budisin (Bautzen), Baude, Bautsch u. ä. haben xbud, buda, budka (= Hirtenhütte), budistéx zur Grundlage und weisen eine analoge Bildung wie xchod, koč, kocax auf. Im Deutschen ist die Form b u o d e (mhd.), bude (nhd.) bekannt (vergi, auch b u w e n, buoven für baue n). — Es mag ja nun der ursprüngliche Begriff aus xbusx (bos, bovis), also einer Weidetriftbenennung hervorgegangen sein, nachdem man sich am Weideplätze auch eine Hütte (Bude) zum Schutze der Hirten wie des Pferchs erbaute. Augenscheinlich war aber dieser Unterstand an einem solchen Punkte, von wo aus man die Herde beobachten wie auch durch entsprechende Wachsamkeit rechtzeitig Fig. 10. Stramberg in Mahren. in Sicherheit bringen konnte, daher solche Stellen mit der Zeit verteidigungsfähig gemacht wurden, denn xbuditix heißt im Slavischen: erwecken, aufwecken, xbdeti, bditix, litt, budèti: wach sein, Wache halten (jetzt: bei den Kranken), litt, budruss: wachsam. Nebstbei sind solche Punkte stets auf Höhen, gekrönt mit Kirchen, Schlössern, Burgen, Ruinen, alten Friedhöfen, wie Budisin (Bautzen), Buda (-Pest), Budua, Büdingen, Budwitz u. ä. Das Volk der Budine r, w eiche Herodot in das heutige Rußland oder in das nördliche Griechenland verlegt und sie im besonderen als blondhaarig bezeichnet, bilden sonach nur ein Analogen zu den Gottscheern in Krain. Der Hoheitsname hat sich anscheinend in xBuddhax konzentriert; sonderbar ist es jedenfalls, daß xbuddhax :'m Sanskrit, welcher Sprache der Name ja zugeschrieben wird, xder F.rwecktex (wohl richtiger xder Weckendex) bedeutet. Strehov, Strehau, Strechwic (heute Strettweg), Streckelberg (auf Usedom), dann die slavischen Formen Črešno. Črešnjevec u, ä., welche in Folge dieser äußeren Form auch irrig als xKirschdorf, Kirschbadx ins Deutsche übertragen wurden, sind Terrainpunkte, avo ein Schutzdach, Flugdach für die Wache oder die Beobachtungsposten vorbereitet war, denn xstrecha, stresnox (= Dach) deutet auf diese Etymologie. (Hiezu Abbildung von Strechau in Steiermark.) xStrežitx heißt im Böhmischen übrigens auch: hütten. Wache halten, daher Strachov und Strechov, wie Stražov und Strežov, indentisch sind. Suh, Sucha, Suchau. Suchen, Suchodol, Suhdol, Suchohrdly (d. Zuckerhaudl). Suchor, Suchov, Sukdol, Sukowate, Suky, Zug, Zuki, Zukovo u. ä. sind Punkte, wo sich eine Laube, d. i. xsuhta, suhtax befand, welche dem xsuh, suk, sokx (= altsl. Krieger, suhi = kriegerisch) für die Beobachtung des Feindes Schutz im Kampfe wie gegen Ungewitter bot. Im Russischen bezeichnet xsuchotnikx*) noch heute den Pfleger, Fürsorger, wie als solcher einst wohl der Älteste einer .solchen Gemeinde gegolten hat ; überdies erzählen-die russischen xBilinenx viel vom Helden xSuhanx. *) Über mehrfachen Wunsch habe ich Begriffe russischer Sprache mit lateinischer Schrift wiedergegeben, um das Lesen zu erleichtern. Der im Regierungsbezirke Düsseldorf gelegene mit prachtvoller Fernsicht ausgestattete «Heiligenberg« gehört zur Stadt «Süchteln». Hieher sind auch alle Namen des Grundwortes »sok, sokol« einzureihen, wie: Sokal, Sokale, Sokol, Sokolovac, Sokolec, Sokoli. Sokolnitz, Sokolow, Sokolowka u. ä. Der heutige slavische »sokol«, d. i. der den Turnsport gesellig Betreibende, hat ursprünglich mit dem Falken (slav. sokol) gar nichts zu schaffen, und ist das Abzeichen Fig. 11. Strechau in Steiermark. der Falkenfeder erst dieser späteren Etymologie zuzuschreiben. Die »sukoli. sokoli« waren sonach einst die Verteidiger, die Soldaten, die sich zum Kampfe ensprechend vorübten. Eine organische Verwandschaft ist aber doch vorhanden: der auf Posten stehende mußte wie ein Falke die Umgebung beobachten, mußte also sehr g u t e A u g e n haben. Die Volkslieder und Heldengedichte der Slaven im allgemeinen, dann der Südslaven und Russen im besonderen, welche den Geliebten oder Helden stets einen Falken nennen, müssen daher aus jener Zeit herrühren. als der rein milita- rischè Begriff «sokol>< noch im praktischen Gebrauche war und Held, kräitiger Mann, stattlich erKrieger bezeichnete. Okrog, Okrühlik, Okrouhlä, Okruglitz, Krungl, Grundlsee u. a. nennt man «Kula« artige Wachtürme in Mitteleuropa. Bei Syracus hieß im Altertume ein solcher Turm: Akragos (Okrog; okrog, okrogel ~ rund). — Interessant ist es hier zu zeigen, wie viel Luftstöße man zuvor machen kann, ehe man zur richtigen Etymologie eines Ortsnamens gelangt; es sei dies an dem Namen «Grundlsee« vorgezeigt, wie ich selbst erst auf dem Umwege über die ältesten Namensformen (1188 Chrungilsee, 1300 Chrungelsee, 1386 Krungelsee) auf «krunkelj« (= Abstockung) kam, und von dieser erst auf die obige, hoffentlich bleibende Erklärung, wenn ich mir stets auch die Leitidee vor den Augen hielt, daß die älteste erhaltene Namensform immer derUrform am ähnlichsten ist und daß die Verballhornungen in dem Maße zunehmen, je geringer der Einfluß des namen gebenden Volksstammes wird, weil mich das im deutschen Gebrauche übliche Einschieben des «n« beirrte.*) Auch Krieglach (Obersteiermark) hieß i. J. 1148 noch «Chrugelahe« ; hier hat sich also der Originalname noch wenig geändert. *) Die Deutung des Namens «Grundlsee« wurde bereits vielseitig versucht; während aber die meisten ob ihrer sprachlichen Entgleisung keiner Erörterung wert erscheinen, erfordert die des Universitätsprofessors Dr. Strekelj in Graz (im «Časopis« der historischen Gesellschaft für Untersteiermark p. 86/1904) doch der Erwähnung. Der Erklärer erkannte ohne-weiters, daß der Name slavischen Ursprungs sein müsse und deutet ihn aus dem Aitslovenischen «kraglo« (= rund) als «kraglo jezero« (— runder See). Nachdem aber gerade dieser tückischerweise obiger Definition nicht entspricht, denn er ist ungefähr 6 km lang und 1 km breit, meint der Ausleger, daß die Slovenen der alten Zeit bei solchen Dingen nicht mit dem Zirkel umgingen. Aber gerade diese Rechtfertigung der Auslegung, daß unsere Altvorderen^ mögen sie auch welch' Stammes immer gewesen sein, einen so verdorbenen Blick für die Natur gehabt hätten, fordert zur Erwiederung heraus, denn die Erfahrung lehrt das gerade Gegenteil: unsere Ahnen hatten, je weiter die Stufe nach rückwärts geht, ein umso ungetrübteres Auge, denn das beweist uns eben ihre gesamte impressionistische Namensgebung. — Es schwebt mir bei dieser Behauptung die allgemein herrschende Ansicht vor, daß der Indianer ein besseres physisches Auge besitze, als die Kulturmenschen. Dies ist aber ein Trugschluß, entstanden dadurch, daß der Wilde alles mit der Seele ansieht, d. h. seine Psyche ist derart, daß sie alle Zerstreuung. Belastung und Ermüdung des Gehirns aus- Peč, Petschke, Pece, Pečen, Petschen, Peckan (1050 Pecah), Pečica, Pečnek, Pecendorf, Pötzleinsdorf, Pečjak, Pesjak, Beč (Wien), Bečic, Bečice (bei Tabor), Bečva, Beczarka, Beckengrund u. ä. sind alte W achstandorte (peč, peča = Bewachung, Sorgsamkeit) und kommen meist als ergänzende Vorsorgen bei festeren Verteidigungspunkten vor. Nun wird es auch klarer, weshalb Wien verschiedene Namen führt, denn es handelt sich dabei nur darum, welchem Sicherungsgebiete der Name entnommen wurde; dem Ce-chen ist es: Viden, dem Romanen Vienna, Vienne, dem Deutschen Wien, dem Magyaren: Becs, dem Slovenen: Dunaj. Bistrica. Dieses ist ein auffallend häufiger Name von Flüssen, Bächen, Ortschaften wie auch Höhen. — Man wäre wohl geneigt darin das Wort »bister« (= rasch) festzustellen und diese Eigenschaft schnell fließenden Gewässern als äußeres Merkmal beizulegen, doch ist dem nicht so. Jedes fließende Gewässer hat nahezu die gleichen Grundbedingungen: im Oberlaufe, also in der Gebirgsgegend, fließt es rascher, in der Ebene angekommen, langsamer, müßte also naturgemäß wiederholt den Namen wechseln. Es gibt aber auch Höhen, welche: Bistrica, Na bistrim, Bystro u. ä. lauten und kein Wasser bezeichnen können, weil sich dort kein Bach oder Fluß vorfindet, oder der Wasserlauf selbst eine abweichende Benennung hat. Das schließt, sobald die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet ist, daher auch die staunend natürliche und unbeeinflußte, daher bessere Beobachtung. Der Gebildete kann aber dabei nicht so leicht alle beeinflußenden Nebenumstände ausschalten, und kann ich, gestützt auf meine Empirie in dieser Hinsicht wohl offenbaren, welche Energie und welches physische Exerzitium dazu notwendig ist, um nur ein Moment einem einzigen Gegenstände die ganze Aufmerksamkeit zu widmen, wenn im Gehirne zugleich die verschiedenartigsten Eindrücke, Ideen und Spiegelbilder Platz genommen haben. Übrigens glaube ich, daß man auch heute von Jedem Bewohner der Umgebung des Grundelsees, dem man die Anerkennung desselben als eines runden suggerieren wollte, in ehrenrühriger Weise abgefertigt werden würde, denn die sehr ungleichen Dimensionen lassen sich in diesem Falle bereits von den Randkommunikationen erkennen und die geologischen Verhältnisse gestatteten in den letzten tausend Jahren sicherlich auch keine andere Gestaltung. Es erhielt daher der See den Namen erst vom Orte K r u n g 1, wo sich ein R u n d t u r m zur Beobachtung einst befunden haben wird. Grundwort ist hier wohl «bister«, jedoch in der Bedeutung: scharf sehen, gut beobachten, und sind dies sonach jene Höhepunkte in Grenzgebieten, welche eine sehr gute Beobachtung der Umgebung gestatten, und die als «Bistrica« (Feistritz, Viustriez, Vustritz u. ä.) gangbaren Gewässer erhielten diesen typischen Namen nur deshalb, weil sie bei solchen wichtigen Punkten entspringen oder vorüberfließen. Daß «bus« und «bister« in der Urzeit noch identisch waren, ist leicht verständlich, denn der Hirt beobachtete eben seine Herde von einem hiezu günstigen Punkte. — Die Ce-chen haben auch noch das Originalwort «bister« in «vystraha« (=; Warnung) im Gebrauche; es waren dies eben Punkte, von wo aus man die Bewohner warnte, und gibt es Namensformen dieser Gattung in alten Urkunden zur Genüge; so schreibt eine steirische Urkunde vom Jahre 1154: Wiztraha, Wiztra curtis, eine andere: Wit-rach, Wizdrach u. s. w., welche zeigen, daß dies zu jener Zeit auch schon technisch verstärkte Beobachtungshöhen waren — Die wechselnde Aussprache von «y« als «i« und «u« brachte es mit sich, daß «Bistrica« in alten Urkunden wiederholt als «Bustricus, Bustricius« u. ä. wiedergegeben erscheint, daher auch die Ortsnamen: Bosak. Busak, Busovača, Busento u. ä. hieher gehören. — Überdies zeigt das lat. «vis« (= Kraft, Gewalt), daß Höhenpunkte, wie: Viša, Višina, Višarje u. ä. einst vorbereitete Kampfplätze waren. Sot, Sodnja ves, Sodiiija ves, Söding, Södingberg, Sooden, Soden u. ä. bezeichnen Wachpunkte meist an Gebirgskommuni-kationen (sot = Gebirgsweg) oder Talengen und Schluchten (= soteska). Der Befehlshaber über eine so bewachte Gegend war der «sodni, sotnik, sodnik«, heute gleichbedeutend mit Richter, Hauptmann; der Feld- oder Flurwächter heißt im Slovenischen noch heute «sotar«. Das dalmatinische «Sutomore« ist sonach etymologisch : die bewachte Grenze, und befindet sich daselbst auch der vorgeschobene vorzügliche Beobachtungspunkt «Špica«, dessen Erwerbung begreiflicherweise einen Hauptwunsch der Montenegriner bildet. Aber auch im lateinischen «soter, socius, sodalis« ■(= Kamerad, Waffengenosse) ist derselbe Stamm vorhanden, wie im griechischen »atoTijo « (= retten, erlösen). Die «sotnija« (— Kompagnie, Kameradschaft) ist also ursprünglich eine Gruppe von Kampffähigen, von Waffengenossen gewesen und ist es noch heute. Daß «sotnik, stotnik« = Hauptmann, d. i. Befehlshaber von 100 Mann ist. scheint sonach erst eine spätere Anpassung zu sein, denn der Richter, der z. B. «sodnik« heißt, hat mit der Zahl 100 schon nichts mehr zu tun; übrigens bedeutete im Altslavi-schen «sotnja« eine Zunft, Innung — ohne Rücksicht auf die Zahl. Schottland (Scotia) ist sonach wohl nur als ein von «sot's« verteidigtes Nachbarland und ist «Scotia« nur die latinisierte Form, analog wie man das slavische «šola« im Lateinischen zu «scola« machte. Car, Carigrad (Konstantinopel), Carići, Carević, Careva gomila, Carevo polje, Carina, Carine u. ä. deuten durchwegs auf einen einstigen verteidigungsfähigen Terrainpunkt hin, d. h. es war hier eine genau bestimmte Stelle, wo man sich bei feindlicher Bedrohung zum Kampfe entgegenstellte; dies war selbstredend zugleich die Grenze, daher auch die Slaven unter «čara« den Grenzstrich verstehen. Der Kommandant über eine oder mehrere Gemeinden zum Schutzzwecke hieß nun «car«; die Abgaben, die er hiefür erhielt, nannte man «carina«, noch heute in der Bedeutung Abgabe, Zoll; der Verteidigungspunkt selbst hieß so oder ähnlich, wie die oben angeführten Ortsnamen; nur die russische Sprache kennt noch den in die Urverfassung reichenden Begriff «carina« in der Bedeutung: Einfriedung, Hiirde.*) Seine Frau hieß folgerichtig «cara«, wird aber in dieser Form nur mehr im Hebräischen als «Sara« gebraucht in der Bedeutung bezw. Übersetzung: angesehene Frau, Fürstin. — Im Baskischen ist «zar« = der Älteste, der Alte, der Ehrwürdige. — Der Beginn des Namens «car« als Ältester einer Gemeinde verliert sich bereits im Nebel der vorhistorischen Zeit, denn die Ägypter bezeichneten mit «Zar« schon den Kommandanten einer Festung (z. B. Tyrus), und im Kymbrischen ist «car« auch schon identisch mit Festung. Sie kannten auch eine Stadt am Meere, namens «Zar«, und verzeichneten als Eigentümlichkeit derselben, daß man ihr Süßwasser mittels Schiffen zuführen müsse, was bei «Zara« einst zutreffend war, wenn die vorhandenen Zisternen über den Sommer nicht ausreichten. — Sonstige topographische Namen glei- *) Bei den Guanchen (Kanarische Inseln) bedeutet «carinas« — Flechtwerk; den Berbervölkern ist «carian« dasselbe, also natürlicherweise einen eingefriedeten Platz andeutend. chen Ursprungs scheinen im deutschen «Saar« (Fluß, der an einem Grenzgebiete vorbeifließt) und die mit diesem Begriffe zusammengesetzten Ortsnamen zu sein; dasselbe gilt für «Sarajevo« (Bosna Šaraj = Verteidigungsplatz, Festung an der Bosna), Saragossa, Sarn-thein, Saarbrücken, Sardes, Sarai (Rußland) u. ä., und scheint das Grundwort «car, sar« im innigen organischen Zusammenhänge mit «čardak, čertak«, welches mehr als Diminutivum anzusehen ist, zu stehen. (Vergleiche den Artikel «čartak« und «čir«.) Die Verteidiger eines solchen befestigten Platzes hießen nun «Saraceni« oder ähnlich, was ja natürlich ist, denn hieß z. B. die auf 60 km sich erstreckende, mit Forts reich besäte Grenze gegen , die Kirgisen (Rußland) die «Zarizin’sche Linie«, so hatten die Verteidiger derselben eben auch zur Kennzeichnung einen dementsprechenden Namen, analog wie der Kommandant eines «čertak« zu «Serdar« wurde. Die wunderlichste Blüte völkererzeugender Etymologie ist wohl die Entdeckung, daß einige Täler in der Schweiz und in Südfrankreich dereinst von arabischen Sarazenen besiedelt wurden, weil dies untrüglich einige Pässe, Verteidig ungs-und Beobachtungspunkte durch ihren Namen wie : «Sarazenenstein, Pierre aux Sarassins, La Motte des Sarrasins, Vi Sarrazin, La Came aux Sarrazins u. ä. beweisen. Der Ethnograph B. Reber erzählt (6. u. 7. Heft der Mitt. der geogr. Gesellschaft 1907, Wien), daß sich in jenen Gegenden viele mit sonderbaren Zeichen versehene Steine befinden, die augenscheinlich einst als Markstein e oder Wegweiser dienten. Diese Deutung ist vollkommen zutreffend; sie lagen eben an der Grenze (= čara, kleine Grenze = čarica) und die Bewohner, die diese Grenze zu sichern hatten, waren eben überall die «Sarazenen«. Bis daher widersteht Reber tapfer den Lockungen der gangbaren Ortsnamenetymologie, die unter «Sarazenen« ausschließlich arabische Emigranten sieht; aber zum Schlüße stellt er fest, daß die Anwesenheit der Sarazenen — nämlich der arabischen — im Alpengebiete doch eine historische Tatsache bleibt. Es zeigt uns dies, welche dämonische Kraft ein Name ausüben kann, der sich in unserem Gehirne während der Studienzeit eingenistet hat, denn wir können uns davon ebensowenig trennen, daß die Sarazenen auch noch wo anders sein konnten, ohne Araber zu sein, wie wir anderer- seits nicht begreifen wollen, daß zwei grundverschiedene Volksstäm-rne ohne fühlbaren Sprachkontakt doch denselben Namen führen können, weil wir die allgemeine ursprachliche Bedeutung des Grundwortes nicht anerkennen oder berücksichtigen wollen. Ebenso ist über die Herkunft und Bedeutung des Begriffes «cani schon das Verschiedenste wie auch Unglaublichste geschrieben worden. Als Beispiel, wie weit die vorstehende Auslegung und die Ansicht des Dr. Honegger auseinandergehen, folge hier des letzteren Meinung über dieses Thema: «Die Moskowiter sind keine Slaven. Der beste Beweis dafür ist der Name ihrer Herrscher (!). Kein Volk der Welt hat je seinen Fürsten mit einem Fremdworte benannt, aus dem Worte Czar aber konnten die vereinten Bemühungen aller panslavistischen Philologen kein slavisches machen. Es ist ein unzweifelhaft tatarisches, asiatisch w ie die Sitten und Gebräuche am Hofe von Moskau«. Der Anlaut «c« wurde jedoch zugleich oder unter bestimmten Verhältnissen auch als «k« ausgesprochen, daher wir auch sehr viele Namen in der Form : Kar. Kara, Karn. Carnuntum, Kara Otok. Kara G j o r g j e v ić, Kara Mustapha u. a. besitzen. Sie kennzeichnen im allgemeinen fortifikatorische Grenzpunkte, wie z. B. im Grusinischen: Tor, Engpaß. — «Kara« bedeutet dem Slaven im allgemeinen eine Strafe (karati = strafen, verwaisen), bei den Südslaven überdies: Pranger. Ortsnamen d:eser Art deuten daher zugleich auch auf einstige Richtplätze, und solche Personennamen auf angesehene, mit hohen Strafrechten bet rau teVertreter von Gemeindenode r Bezi r-k e n. — Der erste serbische Fürst Kara Gjorgjevič ist also durchaus nicht der «scfrwarze Georg«, sondern ein Glied jener Familie, welche im Volke besondere Ämter innehatte, darunter auch mit «kara«-Rechten der slavischen Verfassung ausgestattet w ar. Das türkische «kara« (= schwarz) ist daher hier unrichtig ausgelegt worden; hingegen übersetzten die Osmanen «Montenegro« auch in «Ka-radagh«, also ebenso falsch in «Schwarzer Berg«, wie alle übrigen Sprachen, weil sie die falsche Namensauslegung bereits vorgefunden hatten. Der Älteste einer solchen Gemeinde und deren Gerichtsherr hieß bei den Slaven «kralj«, in der alten Form noch «Charal«, woraus dann der Name «Karl« hervorging; die Gemeinde, der ein solcher Vorstand, sowie dessen Sitz, hießen nun: kraljevo, kraljestvo, kraljevina. Übersetzt wurde «kralj« als «König« ins Deutsche, was jedoch unkonsequent ist, da letzteres «hon, kon« zum Stamme hat, daher auch die Übertragung von «Kraloviee« in «Karolinental« richtig. «Kralové Hradec. Krälovo pole« in «Königgratz. Königsfeld« hingegen etymologisch falsch, wenn auch in der Bedeutung identisch ist. Die Neger in Afrika nennen auch die Summe von Hütten, die einem Häuptling unterstehen: Kral (K r a a 1). Aus der bukolischen Zeit stammt noch der Gebrauch bei den Cechen, daß zu Pfingsten, wenn das Vieh zum erstenmale auf die Trift geführt wird, ein Hirtenkönig (krälicek) und eine Königin (krälovna) gewählt werden; wahrscheinlich ist aber dies der Rest der jährlichen Wahl des Verwalters für die Gemeindehutweide, ähnlich wie dies beim Artikel «Župa« geschildert wurde. — Aus Analogien ist es daher berechtigt zu schließen, daß sich vom primitiven Gemeindeältesten die Würde eines «kralj«, wie «Karl«, zum höheren Gerichtsherrn und im Slavischen speziell zum Könige erhöhte. — Bei den Hebräern war «kara« der Thoraleser, daher gewissermaßen der Gelehrte und geistige üeiter der Gemeinde. — Sonstige Namen dieses Stammes sind weiter: Harrau, Karava. Garrach, Garjak, Garač, Haraberg, Harachsthal, Karberg u. ä. Die bekannte alte Adelsfamilie «Harrach« finden wir in alten Urkunden sowohl in Bayern, als auch Oberösterreich, Steiermark, Kroatien (hier in der Form «Garač«), die untereinander ursprünglich gar nicht verwandt waren, denn Inhaber hoher Gerichtsprivilegien hießen eben da und dort gleich, und überall, wo sich solche Ortsnamen erhalten haben, finden wir auch Burgen, Ruinen oder verteidigungsfähige Höhen, über deren einstige Bestimmung oft nur mehr eine dunkle Volkstradition Kunde gibt. Diese bei den Forschungen aufgefallenen Daten juristischer Richtung wurden hier nur deshalb erwähnt, weil sie immerhin kleine Beiträge für das ä 11 e s t e G e r i c h t s- u n d G e f ä n g n i s w e s e n liefern. Ansonst ist jedoch «kar, kara«, ebenso wie «kor, gora, hora« nur ein Grenzbegriff, daher die alten Namen, wie: Karnische Alpen, Carniolia, Carantania, Carnuntum, Koralpe (an der Grenze von Steiermark unk Kärnten) u. ä. nur wieder verteidigungsfähig hergerichtete Grenzgebiete kennzeichnen; es haben daher die Ortsnamen: o Karlin, Karlovice, Karadagh, Charbin, Charachata (alte Festungsstadt Asiens) u. ä. augenscheinlich den gleichen Ursprung. Auch die häufigen Namen xKartschowinx — heute in der Bedeutung Rodung, Aufwurf — sind daher nichts weiter als Dämme an Grenzlinien, wobei allerdings mitunter Wälder gerodet werden mußten, um das Kampffeld zu lichten. — Im xKeltischenx bedeutete ukane die Höhe, das Haupt, und war >< eben der Wachhabende, der Verteidigungskommandant; xkaraulx ist die W a c h e selbst, «karaulax das Wachhau s, der Wachturm, die Wart e.*) Čir. Darunter versteht der Russe noch heute die Grenze; xcirkaz, cerkazx ist ihm der G r e n z w ä c h t e r. — Wir erhalten hiedurch auch eine Erklärung für das slavische: xcirkva, cirkevx = Kirche, wie das lateinische xcircusx, denn dies sind ursprünglich feste, verteidigungsfähige Punkte zur Grenzverteidigung, also kreisförmig hergerichtete Kampfplätze gewesen. Die älteren Kirchen weisen noch heute feste Umfassungsmauern auf. •— Im Altböhmischen hieß der Nachtwächter noch: cerklir, cirklir. — Hiezu gehören die Ortsnamen: Tschirm (vergi, auch das deutsche xschirmenx!), Cierliezko (neue Form: Tirlitzko), Ciré, Cirkno, Cirknik, Žirec, Žirje, Žirovo, Žirovišče, Čerma, Cerna, Cerna gora. Cerno morje (xSchwarzes Meerx), Circhov (Grenzberg zwischen Böhmen und Bayern), Zernitz (Grenzort am Inn, Schweiz), Černuče, Cernovice u. a. Die vielen mit >< (Steiermark) und der Fluß xCernax im alten Dakien. — Wie die beigegebene Illustration zeigt, gewährt der relativ niedrige Berg einen ungewöhnlich günstigen und weiten Ausblick nach allen Seiten. *) Das angehängte xaulx bezeichnet für sich den verteidigungsfähigen Vorraum bei Kirchen und größeren Objekten, was wir noch heute als «aulax benennen. Die Vorräume der Häuser am Balkan, namentlich die türkischen, sind stets mit einer «avlijax versehen, die auch Schießscharten (jetzt Gucklöcher), Maschikulis u. drgl. aufweisen. Dem Kasaken ist eine Summe von solchen Objekten der xaulx. d. i. das Dorf. welcher sich vom Kirchturme aus begreiflicherweise noch wesentlich hebt; die Kuppe selbst bildet ein Konglomeratielsen, der allseits nahezu senkrecht geböscht ist; gegen Osten ist überdies ein tiefer Einschnitt, an den sich wieder ein schmaler Bergrücken mit beiderseits steilen Hängen anschließt; und dieser Kamm führt heute den sprachlich ganz unverständlichen Namen: Formin, was wohl richtig: bormin, borminje (= Verteidigungsplatz) lauten sollte.*) Es wird kaum welche Punkte geben, die eine durch die Natur selbst so günstig kombinierte Verteidigungsstellung nach zwei Fronten mit derart schwer zugänglichen natürlichen Flügelstützpunktcn hätten, als hier. (Die beigebene Abbildung stellt nur den Tabor-Berg dar, wie derselbe im 17. Jahrhunderte aussah.) >< überging, weil der Begriff «čirx mit der Zeit seine Bedeutung einbiißte, d. h. weil das ähnlich lautende «čem« bekannter war. Vielleicht ist «Cyrus« ebenso wie >< der daraus gewordene Hoheitsname. Görz schreibt, denn der Urnarne ist und bleibt doch «gorica« (= niederer Berg), und erscheint trotz dieser Entstellungen die angepaßte Namensforrn der betreffenden Sprache doch fortan als ein Fremdling!’5) Hieher gehören auch die folgenden Namen: Cartak, Čardak, Čerdak, Cardaci ist ein stärkerer Wachposten an einem Grenz- oder Gebirgswege oder an einem Passe, mit der Bestimmung den vordringenden Gegner wenigstens so lange aufzuhalten, bis eine Unterstützung eintreffen kann. Als Unterkunft diente gewöhnlich ein auf vier Pfeilern ruhendes Blockhaus (siehe beigegebene Skizze), welches 15—20 Mann als Besatzung aufnehmen konnte. Es war nach Tunlichkeit auf einem solchen Terrainpunkte erbaut, wo dem Gegner nur die Passage knapp beim Blockhause zur Verfügung war. Die Leiter wurde nötigenfalls eingezogen. Damit der Gegner nicht etwa die Säulen absäge, konnte man auch durch den Boden, der mit Schußlöchern versehen war, schießen. Das Durchgangstor wurde selbstredend geschlossen oder verrammelt. — Solche Cartak's gab es bis in die jüngste Zeit an der österreichischen Militärgenze. Einzelne Höhen in Nordbosnien und in Kroatien führen diesen Namen, weil daselbst eimal ein solches Blockhaus stand. Betreffs der Etymologie dieses Wortes kann nur gesagt werden, daß die allgemeine Ansicht, «cartak« sei türkischen Ursprungs, unbedingt falsch ist. «Čardak« bedeutet heute im Russischen : Dachstube, Raum unter dem Dache. Erker; certa = die Grenzlinie, daher ein «Blockhaus an der Grenze«; der jenseits der Grenze Wohnende, galt als F e i n d; der Ceche gebraucht noch immer den Begriff «čert«, allerdings heute nicht mehr für den physischen, sondern für den «höllischen« Feind. — Derselben Wurzel sind auch im Lateinischen: certus = entschieden, entschlossen, certamen = Streit, certo = kämpfen, streiten. Ob nun «čertak« (wie man früher schrieb) oder «čardak« richtig ist, erscheint nebensächlich, denn auf jeden Fall ist dies ein Blockhaus zur Grenzv ehr, aber kein türkisches Wort, denn *) *) Hingegen war zu lesen, daß man in Deutschland slavische Ortsnamen auszumärzen beabsichtigt und bereits einige umgewandelt hat; so z. B. Oorczenka in «Gorschau«; Stanislawken in «Bergwalde«; Czer-winsk in «Schmentau« u. a. m. Daß alle neuen Namen nun rein «deutsch« klingen würden, wird doch niemand behaupten, und wozu einen wertvollen Köder auswerfen, um dann einen Weißfisch zu ziehen! z. B. die Obersteirer werden nicht erst die Türken gefragt haben, wie jene ein solches fortifikatorisches Objekt benennen, abgesehen davon, daß die ersten «cartak’s« ja gar nicht gegen die Osmanen errichtet waren. — Bekannt waren sie aber auch schon den alten Dakiern, den die halberhabenen Arbeiten an der Trajanssäule (114 n. Chr.) in Rom zeigen als Verteidigungs - Schutzbauten derselben gleichfalls solche Blockhäuser. Fig. 13. Ein Ćartak in Obersteiermark im Jahre 1650. Eine Schilderung der Sicherungsmaßnahmen und Alarmbestim-mungen für die österreichische Militärgrenze aus dein Jahre 1816 sagt: «Unsererseits sind außer den Festungen an der trockenen Grenze sowohl als auch am linken Saveufer Wachthäuser. welche man «Csardaken« nennt, in gewissen bald größeren bald geringeren Entfernungen von einander aufgestellt, doch so, daß ein jedes Wacht-haus seine beiden Nachbare stets im Auge habe, oder wenigstens, wo dies in Gebirgen nicht tunlich ist. kein Fleck unbew'acht bleibe. Sie stehen teils zur leichteren Beobachtung w egen der häufigen und stark verheerenden Austretungen der Save auf mehreren Eichenpfählen. Die Avachthabenden Grenzer bleiben da eine ganze Woche lang, und müssen sich selbst verkosten. Es treten oft Fälle ein, avo man zu den Csardaken nicht anders als auf Nachen hinschwimmen kann. Die Schuldigkeit der KordonsAvache ist genau darauf zu sehen, daß außer den xRastellx-Tagen (Markttage), Avelche zum Verkehr mit den Türken bestimmt sind, kein Mensch, sei er Christ, Türk oder Jude, aus Bosnien herbeikommex. — Dann weiter: xFür den Fall eines feindlichen Einbruches sind in der ganzen Grenze die zweckmäßigsten Anstalten getroffen. Mögen die Muselmänner avo immerhin einfallen, so ist die ganze Grenze höchstens in 4 Stunden in Alarm gesetzt und bereit, dort aa o es nötig ist, zu operieren. Bei einer jeden, an der Haupstraße längs der Grenze liegenden Offiziersstation sind sogenannte Alarmstangen, mit Stroh uniAvickelt, aufgestellt, und daneben steht beständig ein Mörser, Avelcher in einem Nu geladen und losgebrannt Averden kann, Im Fall des Türkeneinbruches geben daher zuerst die Csardaken Feuer, in der nächsten Station wird die Alarmstange angezündet und der Mörser losgebrannt Die nächsten Stationen tun das Nämliche und so geht der Lärm in der ganzen Grenze mit der größten Schnelligkeit los. Jeder dienstbare Grenzer begibt sich nun beAvaffnet und in seiner Montur zur nächsten Offiziersstation. Ordonnanzen benachrichtigen das Regimentskommando, dieses die Brigade und so ist die ganze Grenze in möglichst kurzer Zeit schlagfertig und im Aufstandex. — In ähnlicher Weise wird dies auch in den sonstigen Gegenden vorbereitet gewesen sein. Ein etymologisch sonderbarer Ortsname ist Podčetrtek (deutsch: Hörberg) in Untersteiermark. Dem deutschen Namen nach zu schließen, nannte man den isolierten Berg zuerst: gora (= Berg); als später am Fuße des Berges eine Ansiedlung entstand, die sich auf dem Felsberge mit einem xcertak. cartakx sicherte, hieß diese xPod-certakx ; nachdem mit der Zeit dieser Name unverständlich wurde, machte man, da in der Nachbarschaft auch ein xPodsredax (Montpreis) existierte, ein J’odcetrtek (= Unte r-Donnerstag) daraus. Der Kommandant eines xcartakx hieß sinngemäß ursprünglich wohl xcart, certx, und galt dies dereinst als Hoheitsname für den Befehlshaber eines festen Platzes, Avie man dies auch dem Römersteine von Videm (Untersteiermark) entnehmen kann, der Avohl von den Ruinen der Stadt Neviodumim. jetzt xDunejx bei Gurkfeld. her- rührt. Die Aufschrift lautet: «Invicto Deo Charto Neviod. Summ.«, was wohl als: dem unbezwungenen Gotte Cart, dem Höchsten von Nev.x übersetzt werden muß. — Ansonst heißt ein solcher Funktionär nicht nur bei den Balkanslaven, sondern auch bei den Türken, Persern so wie allen mittelasiatischen Völkern «serdar« (richtiger «cerdar«) und »čerikas« (= Čerkez; im Spanischen: «dela Gerda« als häufiger Familienname) in der Bedeutung: Häuptling, Feldherr. Wahrscheinlich ist der deutsche Begriff «Scharwache« auch dieses Ursprungs. Ansonsten kommen oft noch Namen wie: če rtov kamen, čertova skala für: Grenzstein, Grenzfels, čc rtova brazda für: Grenzwall (nicht «Teufelsfurche) u. ä. vor. Palanka. Diesen Namen führen viele hölzerne Blockhäuser auf dem Balkan, deren Verteidigungsstärke ursprünglich feste Palisadenhindernisse bildeten. Der Südslave versteht unter «palanka, planka« den Zaunpfahl, den Eichenpfosten in einer Holzumfriedung; im Russischen ist «Palanka« schon zum Begriffe: Befestigung, Pfahlwerk, ein durch Palisaden gesicherter Ort geworden («palja = Pfahl). Ortschaften wie: Pal, Pale. Paljevdol, Lom-Palanka, Palčje, Palitz, Palič, Palovič, Plankenstein, Plankenwart, Plankstadt, Blankenburg u. ä. sind dieses Ursprungs. — Diente zur Sicherung einer Ansiedlung ein derartiges Verteidigungsobjekt, ein Bau aus: pal, pala, palka (das deutsche «Pfahl« ist dasselbe), so wurde daraus der Name: pal at. palac, palata, palača, p a 1 a s, Palast, also ein festes Objekt, in welchem auch der Verteidigungskommandant: Pallas. Pala d i n d. i. in der «Pfalz« wohnte. Der älteste geschichtliche Name dieser Art ist der «Mons Pa-latinus«, der zugleich als der älteste Teil, als die Uransiedlung Rom's gilt. Die einstige starke Umwallung aus mächtigen Tuffblöcken hat sich zum Teile bis heute erhalten. Die griechische «Phalanx« hat ursprünglich wohl nur vom Kampfe hinter den Palisaden ihren Namen erhalten, ebenso wie die deutschen Begriffe plänkeln, Plänkler dieses Ursprungs sind.*) Tur, Tuf, Turje, Turan, Türingen, Türken, Tauris, Taurisker, Tour, am Thury (Wien), Dornau u. ä. haben alle «tur. dur. tor. dor« *) Es ist aber wahrscheinlich, daß «pal« mit «pol« organisch verwandt ist. denn solche Vorkehrungen befanden sich eben an der Grenze. zur Grundlage und weisen auf Funkte, die durch Türme, Tore, U m i i i e d u n g e n, kreisförmig geführte Mauern und drgl. gesichert waren. Diese oder wenigstens eine organisch ver-w andte Bedeutung haben alle Begriffe dieser Wurzel in den meisten Sprachen. In den semitischen Sprachen ist »turn = Berg, Gebirge, die verteidigungsfähig gemachte Höhe; die gleiche Bewertung hat es auch im Keltischen. Die romanischen Sprachen gebrauchen xturris, tueor (beschützen), tour, torre« ; griechisch »rvgmg« und »zvqqos» (befestigtes Haus, Burg). Der Slovene kennt: «torišče« - Kampfplatz), «turčati« (=. Wettkämpfen), «turkati« (= bedrängen), «tarlati« (= durchbohren, «turati« (~ sich balgen), «duri« (= Türe), womit auch die innige Verwandtschaft mit dem deutschen «T ü r« hergestellt ist, und war der erhöhte Platz «am Thury« in Wien sonach einst lediglich ein wichtiges Stadttor. Die «Hohen Tauern» nennt der Slovene heute «Visoki Turi«, die man aber i. J. 705 n. Chr. noch als «Mons Durus« bezeichnete. Derselben Bedeutung ist da> deutsche «turnen« (= kämpfen, sich zum Kampfe stärken), wie das französische «tour« (= der Platz zwischen zwei Mauern oder längs einer Mauer), «tournée« (— Rundreise), dann das lateinische «durus« (= Festes, Andauerndes), denn was fest ist, d a u e r t, d. h. hält sich lange. Unter «Türken«, — früher oft auch «Torken« geschrieben —, haben wir durchaus nicht die Osman en von Heute zu verstehen, die erst im Mittelalter Europa betraten, denn das von ihnen dermalen bewohnte Gebiet hieß schon so vor Christi Geburt, wie dies eine Stelle aus Melas Schriften (I, 116) beweist: «Budini Gelonion urbem ligneam habitant; iuxta Thyssagetae Tu re acque vastas silvas occupant alunturque venando.« Bei den römischen Schriftstellern findet man noch die I au rine r (in Piemont) und T u r i a in Spanien. Plinius sagt auch : «Carni, quondam T a u r i s c i, tunc Norici«, was nur beweist, daß man von den Wohnsitzen der damaligen Völkerschaften nur vage geographische Kenntnisse hatte oder daß die Volksnamen keine festen waren, daher umso verschiedener aufgefaßt wurden, ic vielfacher die namenbietenden Momente waren. — Die Stadt Zürich nächst dem Turgau hieß im Altertume «luriacum«, wobei es auffällt, daß das anlautende «t« seit den älteren Zeiten u. z. in der Richtung von Süden gegen Norden, vielfach in «z« überging. Die italienische Stadt Dyrrachium dürfte ursprünglich auch «Turjak« gelautet haben. — Hiezu gehören auch der Provinzname T y r o I, dann Schloß T y-rol, Tyrol (Böhmen), im Tyrol (Gegend im Steiermark), Tyr-ra, Tyrn (Schlesien), Tyrawa (Galizien), Tyrnau u. ä. Der Hoheitsbegriff dieses Stammes hat sich in der nordischen Mythologie als Gottname xTyrx (auch xThorx), sowie ansonst als «Tyrann« erhalten, worunter man ursprünglich eine königliche Person meinte, im modernen Sinne aber einen gewalttätigen Herrscher versteht. — Aber schon in der vorrömischen Zeit galt «turan« als Kennzeichnung für einen hervorragenden Mann, für einen Heros, wie dies aus den Runenaufschriften verschiedener alter Fundobjekte hervorgeht, und hat sich derselbe in der Form: Tur, Turk, Turek, Thür, Türk, Taurer u. ä., je nachdem er für die Ältesten und Führer einst angewendet wurde, auch in zahlreichen Familiennamen erhalten. Der Gott «Thor« gilt auch als W a g e n 1 e n k e r, der das Einspannen der Rinder einführte und deshalb das altgermanische Attribut xvaldi kiola« erhielt. Doch dieses «altgermanische« Wort ist eben das reinslaviscbe «Wagenlenker«, denn «vlada, vladati« bedeutet: lenken, regieren, und «kola« = Wagen. Räder, obschon dieses wieder nur eine mißglückte Übersetzung für das homonyme «kolo« in der Bedeutung Kreis ist, «valdi kola« daher eigentlich einen Kr eis Vorsteher in der Unterlassung bezeichnet haben muß. — Solche sprachlich-chemische Reinigung wird der germanischen Mythologie noch manche Enttäuschung und Überraschung bringen, wenn es einmal zur gründlichen Prüfung der Grundelemente kommt. xTurx bedeutet im Slavischen heute nur mehr den Auerochs, also das Symbol der Stärke, und wurden in diesem Sinne topische Namen auch ins Deutsche übersetzt (z. B. «Turjak« in «Auersperg«), ein Beweis, daß die Translation erst in jener vorgerückten Zeit vorgenommen wurde, als man die primäre Bedeutung von «tur« nicht mehr kannte. Ähnlich ist es mit den Namen: Tor, Im Tor, Torfeld, Torka, T o r o v o. Thorn, Torstätten, T h Ö r 1, D o r, Dor-nau, Dorišce u. ä., welchem «tor« zugrundeliegt. «Tor« heißen bei den Balkanslaven jene Weideplätze, welche mobil umzäunt sind, d. h. die Herde wird in einem mit geflochtenen Hürden umgrenz- len Weideraume eingeschlossen gehalten; nach der Abgrasung der einen Stelle werden die Zaunteile wieder weiter umgestellt. Es' geschieht dies behufs Ersparung einer permanenten Aufsicht in jenen Gegenden, wo sonst Feldschäden schwer hintanzuhalten wären. In solchen Gegenden entstanden aber gleichfalls Schutzhütten für die Hirten, — denn die Herde war ja dadurch vor Raub nicht sicher —, die mit der Zeit zu festen Aussichtsobjekten wurden, welche wir als xturn, Turm, tour, turris, torre, To r>< kennen, und welche Bauwerke auch Ansiedlungen, wie : Tours, Turniše, Turn am Hart, 1 urna, Turna u, T u r n i t z, T ü r n i t z u. ä. einen bleibenden Namen gegeben haben. — Der sukzessive Übergang dieses Begriffes vom bukolischen ins fortifikatorische Gebiet ist hier noch recht anschaulich; desgleichen ist es augenscheinlich, daß der primäre Begriff den Slaven angehörte, weil er in dieser Fassung noch heute nur ihnen verständlich ist. Grad, Gradina, Gradistè, Gradiška, Grades, üratz, Grätz, Grado, Hrad, Hradek, Hradisko, Hradisté und ähnliche sind überaus zahlreiche mehr oder weniger schwer ersteigbare Höhen, auf welchen sich die Kampffähigen sammelten, sobald feindliche Gefahr signalisiert war. — In den meisten Fällen scheinen dies zugleich Friedhöfe gewesen zu sein, den «grad, hrad« bedeutet das «Umfriedete«, daher auch der deutsche Begriff kaum von «Friede«, sondern vom «umfrieden« stammt. — Solche Plätze sind, abgesehen von den bis nun erhaltenen Namen, meist darnach leicht zu erkennen, daß auf dem höchsten Punkte oft noch jetzt Steinschutt liegt, denn «gradina« bedeutet auch : Ruine, Schutthaufen, weil sich die Bezeichnung in der Bedeutung dementsprechend metamorpho-sierte, als das benannte Objekt auch einer Änderung unterlag; überdies ergeben Grabungen an solchen Stellen in den meisten Fällen Funde aus prähistorischer Zeit. Böhmen hat viele Hunderte diesen Namen tragender Lokalitäten; das gleiche ist aber auch in allen sonstigen Provinzen Österreichs wie am Balkan der Fall.*) — Der slavische Name «hradek« *) In dieser Hinsicht gibt das Werk: «Über Schutz- und Wehrbauten aus der vorgeschichtlichen und älteren geschichtlichen Zeit« (Prag 1885) vom Konservator Bfetislav Jelinek geradezu überraschend stimmenden und meine Forschungsergebnisse voll bestätigenden Aufschluß. Der Verfasser zählt mit zu den Wenigen, die bisher den Mut hatten, auf Basis ihrer eigenen Forschungsresultate die Slaven offen als Autochthone zu erklären. wurde mitunter verballhornt in. Erdberg, Hardegg, «bradu zu: Hart, Hartberg, Stargard u. ä. — Der 66 m hohe felsige Verteidigungsplatz bei Syrakus hieß bei den Griechen : Achradina (ohradina); die zwei damals bekannten Steinbrüche (Latomia) in der Nähe lieferten wohl die Steine, um damit von der Höhe die etwa anlandenden feindlichen Ruderschiffe zu beschädigen oder fernzuhalten. — Sonstige Namensformen sind noch : Grotschke (bei Querfurt). Gr odišt è, Hradisfany (woraus «Radelsteinx wurde), G ro d n o u. s. w. Im polnischen Gebiete wird es meist als: G r 6 d. Grud, Grudek u. ä. geschrieben. Jene Punkte, die eine Tal-, Fluß- oder Paßsperre bilden, führen oft den Namen «pregrada« (= Absperrung), Pregratten, Prägarten u, ä. Bemerkenswert ist noch der Begriff «Vinohradyx, der sonach etymologisch gleichbedeutend ist mit Grenzfestung (>< und xhradx). Man versteht im Slavischen darunter auch den Weingarten — die umfriedete Rebenanpflanzung -- aber sprachlich kann nur die ersterwähnte Erklärung die richtige sein, weil es auch xWeingartenx und xVinohradyx in Gegenden gibt, wie z. B. Obersteiermark, Oberösterreich, wo es in historischer Zeit mit Rücksicht auf das Klima nie eine Weinpflanzung gegeben haben konnte. Desselben Ursprungs ist xFinnlandx und wahrscheinlich auch «Winland« auf Labrador, wo in historischer Zeit gewiss kein Weinbau war.*) ’) Eine ganz neuartige Auslegung des Namens «Graz« bringt Guido List in der Broschüre: Die Namen der Völkerstämme Germaniens und deren Deutung (Wien 1909), indem er sagt (p. 60): «Aber auch in dem Gebiete der heutigen Steiermark, welches durch seinen Namen «Styria« und sein uraltes Wappen sich als ein ariogermanisches Urland erweist, erhebt der Slave seine raublüsterne Hand nach urheiligem germanisch-deutschem Erbbesitz. In erster Linie handelt es sich um die Hauptstadt Graz an der deutschen Mur wie oben in Böhmen an der deutschen Moldau um die Hauptstadt Prag, auf deren deutschen Namen und deutschen Ursprung wir noch eingehend zurückkommen werden. Der in Graz verstümmelte deutsche Name lautet: Creuz und war i. J. 1735 noch unvergessen. Die heutige Namensform ist einfach durch lautliche Abschleifung aus Kreuz entstanden und hat mit dem slavischen »gradeč« gar keinen Zusammenhang. Aber unsere Forscher der alten Schule, die keinen Begriff von einer Ursprache haben und über das Althochdeutsche nicht hinauskonnten, verwiesen jeden unverständlichen Ortsnamen aus Bequemlichkeit entweder in das Slavische oder Keltische, um so seiner los zu werden und nicht sagen Bor. Die Ortsnamen dieses Stammes bezeichnen eine Höhe, welche einst als Verteidigungspunkt diente (»bor» slav. Kampf, »boriti» = kämpfen). Alle Örtlichkeiten wie: Bor. Borac,Borak. Borovo, B o r a u, B o h r a u. Borki, B o r e k, B o f e ti c e, B o r g o, Borie, Borovnica, Borovje, Borovca, Boro-V a n, B o r ó v, B o r o w a, Borowina, Boro w i e c, Bor y. Boryslaw, B o r s c h e n, H o c h b o r r e, H o c h b o r n, Voran, V o r d e r n b e r g u. ä. sind dieser Abstammung.*) — Die erste Fixierung dieser nun so einfach scheinenden Erklärung war außerordentlich schwierig, da die sonstigen gleichlautenden Begriffe, als: zu müssen, daß sie unfähig wären, ihn zu erklären. Welch' traurige Folgen sie damit heraufbeschworen das bedarf wahrlich keiner besonderen Erwähnung. Auch die modernen Konversations-Lexika, wie Brockhaus. Meyer usw., schreiben unkritisch den verderblichen Unsinn der slavischen Abstammung von Graz und vieler anderer Ortsnamen nach; und gerade deren Redaktionen hätten die nationale Pflicht, derartigen Wahnsinn nicht unkritisch ins Volk zu tragen. — Es würde für sich ein Buch allein füllen, die Fluß-, Berg-, Flur- und Ortsnamen der schönen deutschen Steiermark auf ihren ausnahmslos ari o-g er manischen Name n su r-s p r u n g zuriickzuführen usw.« Der >< Etymologe erzählt auch, daß »Creutz» die mundartliche Bildung aus »Krajan» ist und K r eidfeuer (Alarmzeichen) bedeutet; nun ist aber «krajan» erst recht slavisch, denn es bezeichnet den Grenznachbar, auch Lands m a n n, und die »Kreidfeuer» sind eben Feuersignale an der bedrohten Grenze. — Mit dieser Beweisart kommt Guido List auf keinen grünenden Zweig, cs wäre denn, daß er hiemit lediglich eine andere Art von Auslegung der »Freiheit in der Forschung» einführer 'Vili. — Das zur Deutung angekiindigte »Prag» bildet gleichfalls eine Überraschung, denn es sei nicht slavischen Ursprungs, sondern ein aus Urzeiten herüberragender ariogermanischer Urort. namens »Parhaag», entstanden aus «par» — Wald, Park, und »haag« = eingeschlossen, sonach : der heilige Bannwald des Halga-d o m s (Heiligtums!) — Es seien hier noch einige etymologische Geistesblitze angeführt, wie: Kikinda — ein kindergebender Ort, eine Z eu g u n gs s t ä 11 e; Krems = Stätte eingeschlossener Vermehrung: Wien = Männer des freudigen Gewinnes; Laibach — vom Sonnenfeuer umstrahltes Gesetz; Agram (Zagreb) = die von der Sonne aus der Erde Hervorgebrachten; Volci = Wissenskeim usw. — Gutmütigkeit kann man den Mitgliedern der Guido-List-Geseilschaft gewiß nicht absprechen, wenn sie solche »Wissenschaft» geduldig ertragen. *) Auch Burgund lautet in den ältesten Namensformen noch: Borri n g i a (Saxo Gramat.). — Barkau (bei Lübeck) hieß i. J. 1316 noch: B o r e o w e. bor -- Föhrenwald, vor = Überfuhr, borovnica = Heidebeergegend, irreführend waren oder doch zur Vorsicht mahnten. Erst als an verschiedenen Punkten Europas festgestellt wurde, daß sich einzelne Namen in solchem Terrain vorfinden, wo von Föhren, Fähren oder Heidelbeeren nie die Rede sein konnte, dabei aber stets Burgen, Rumen, Friedhöfe u. drgl. vorfindbar waren, konnte endlich die Deutung offen ausgesprochen werden, und dürften die Nachprüfungen allerorts dasselbe Resultat ergeben. Viele Namen dieser Richtung gibt es aber auch in der Form; Orel, Orlik (meist Vorlik ausgesprochen), Orlow, Orlovac, Oriinka, Orlamünde, Arlberg u. ä. — Während im Südslavischen und Romanischen das anlautende «Bk sprachgebräuchlich verloren ging, nahm es in den sonstigen Gebieten bisweilen infolge der gangbaren alten Schreibweise (b und v als — u) gleichfalls die abgeschliffene Form an. — In dieser Bedeutung ist aber >< auch schon in der ältesten angelsächsischen Sprache bekannt, in welcher: Borhoe, Borgh, Borge. Byrig identisch ist mit dem deutschen Burg, ursprünglich einen geschützten, zur Zuflucht vor feindlichen Angriffen dienenden Platz bezeichnend. An der Spitze einer solchen Gemeinde stand der «portgeréfax (= Burggraf). — In der Verfassung Englands nach der Eroberung durch die Normannen hießen diese Verteidigungsbezirkskommandanten, die unmittelbar dem Könige unterstellt waren, « borough«, und erkennt darin der Slave sofort sein «porok« (Slovene) «poruka« (Russe), das auch im Deutschen richtig zu «Bürge«, d. i. der Verantwortliche wurde ; «Bürger« sind daher anfänglich d i e Ältesten oder die Mitkämpfer solcher Gemeinden gewesen. Des Stammes «bor« sind auch die Formen «port, porta, portus, Pforte«, also Punkte, wo man Schutz sucht oder Einlaß heischt, sei dies nun ein Hafen oder sonstiger sicherer Bau (Tor). — Die slove-nischen Fischer an der Adria nennen jene kleine Buchten, die ihren Fahrzeugen bei stürmischer See Schutz bieten, «portič«, und ist die bekannte Burg «Malepartus« in dem Tierepos «Reineke Fuchs« nichts weiter als der befestigte Schutzort sowie die «Hohe Pforte« — die höchste Staatsgewalt. Als Vorsorgen für die Verteidigung entstanden auf hiezu günstigen Punkten einfache Schutzhütten und Deckungen; diese wurden allmählig verstärkt, mit krenellierten Mauern versehen, schwer zu- gänglich gemacht und schließlich zu testen Burgen und Schlössern ausgebaut, welche oft mit mehrfachen Ringmauern umgeben waren; für die Lebensbedürfnisse (Wasser, Proviant, Munition) wurde derart vorgesorgt, daß man für einige Zeit auch ohne Verbindung mit auswärts die Verteidigung führen konnte. Der ursprüngliche Wach- und Beobachtungsdienst wurde mit der Zeit permanent; der Älteste der Gemeinde oder des Schutzbezirkes nahm schließlich sein Quartier ständig im Verteidigungsbau, und auf diese natürliche Art bildete sich das Burgenwesen auf den durch die Bodenplastik begünstigten Punkten in ganz Europa aus. Das ist die komprimierte Geschichte der Entstehung und Entwicklung der Ritterburgen und des Adels, sowie der allmähligen Umwandlung der patriarchisch-allodalen Verfassung in die feudale. Hiemit finden auch Ortsnamen, wie: Maribor (Marburg), Straßburg, Ratbor, Chotebof, Branibor (Brandenburg), Siegersburg u. s. w. endgültige Erklärung. Ebenso sind die heutigen Vornamen, wie : Boreš, Boris, Borut, Borita, Borivo j, Boro je, Borislav u. a. einst nur die verschiedenförmigen Berufsnamen für die Ältesten einer solchen Gemeinde gewesen, und ist der heutige Adelsgrad «Baron« (= Freiherr) wohl nur einer vorausgegangenen Form «boro, boron«, sowie die Bezeichnung für die Verteidiger selbst als: «bortasi, portasi« (z. B. in der Gegend von W. Meseritsch) zuzuschreiben. Auch die Basken gebrauchen «bor« in gleicher Weise wie: «bornia« — Mauerwerk, «bortcha« — Kraft, «borroka« = Kampf, das Ringen. Eine weitere Spezialität sind die Tief-, Moos- und Wasserburgen, bei welchen ein Wasserlauf als Annäherungshindernis verwertet wurde, wenn in der Nähe keine oder keine günstige Höhe für eine Verteidigungsanlage vorhanden war. — Die Kastelle in Ungarn gehören fast durchwegs in diese Kategorie.*) (Hiezu Abbildung der Wasserburg E e i s t r i t z in Steiermark.) *) Der Etymologie wie der Bedeutung nach mit «bor, vor« verwandt sind auch das französische: Port (Feste), force (Macht), das lateinische «fortis« (kräftig), xfortitudo« (Tapferkeit), das italienische «forza« (Kraft) lind andere stamm- und sinnähnliche Begriffe. Trojaburgen. Im nördlichen Europa gibt es zahlreiche labyrin-thische Steinsetzungen, welchen die Wissenschaft die sonderlichsten Entstehungen und Verwertungen zuschreibt, wie, daß dies Zauberstätten, prähistorische Observatorien (obschon sie verschieden orientiert sind) oder Plätze für heilige Tänze nackter Jünglinge und Jungfrauen seien. Mir ist zwar keine solche xTrojaburgx von Augenschein bekannt, (siehe Abbildung), aber ich halte dieses Steinarrangement lediglich für einen Sammel- und Grenzverteidigungsplatz, welcher Fig. 15, Grundriß einer Trojaburg. deshalb so angelegt war, um für die eigene Rettung einen Vorsprung zu haben, wenn einmal der Gegner nicht mehr gehalten werden konnte.*) Es handelte sich dabei um die Erreichung eines Vorteiles für die letzte Verteidigung, denn der Kundige war darin wohlorien- *) Das griechische >&QÓog* bedeutet auch: versammelt, vereint. — Die Etymologie ist noch unklar, doch kann die griechische Sprache bei den Namen auf slavischem Boden nicht allein entscheidend gewesen sein. — tiert, indes der fremde Eindringling in den verworrenen, eingeschnittenen und mit «erratischen« Blöcken begrenzten Gängen in eine höchst gefährliche Situation und dabei beim Handgemenge zum Nachteile kam, da er von allen Seiten bedroht war. Es sind diese sonach nichts weiter, als die Uridee der Labyrinthe, deren wir mehrere aus dem Altertume kennen, die ja auch nur Verteidigungszwecken dienten, und scheint es, daß die Irrgänge lediglich den Zweck hatten, den Verfolgern den Weg zu erschweren und den Geschlagenen Zeitgewinn zu bringen, denn solche Trojaburgen liegen, ebenso wie die Labyrinthe, fast durchwegs in der Nähe von Meeren, Seen oder Gewässern; es handelte sich daher bei diesem Baue vielleicht weniger um den hartnäckigen Widerstand selbst als um den dadurch gesicherten Rückzug und die Desorientierung des Gegners. *) Viele Orte dieses Namens liegen aber auf verteidigungsfähigen Punkten, so: Troja (am Idaberge), Troja (Italien, auf einer Anhöhe), Trojan (Bulgarien, auf einem Balkanpasse), Troja (bei Prag), Troia-novice (am Radhost), Trojana (Rrain) u. a.**) Obri, Oberdorf, Oberklee, Oberhöhe, Oberfeld, Obereck, Oberndorf, Oberstdorf, Obernau, Obora, Obris, Obfistvi, Obrh, Obršje, Obrovac, Obrlln u. a. deuten auf eine verteidigungsfähige oder technisch verstärkte Höhe, wobei «bor« die Wurzel zu bilden scheint und sich zum Sammelbegriffe «obora« entwickelte. — Unter «Obri« sind die Verteidiger zu verstehen, wozu begreiflicherweise die größten und stärksten Männer herangezogen wurden, daher der Slave unter «obr« stets einen starken Mann. Riesen versteht. Die Hoheitsbegriffe waren «Obrist« (Oberst), wobei die Bedeutung des Großen, des Riesen später vom p h y s i-schenzumsocialen Standpunkte umgewertet wurde. Die Vorsteherin eines Klosters wurde folgerichtig zur «Oberin«. Die alten Deutschen benannten Leute von hohem Wuchs als «Hünen« (Hewn, Heunen im Nibelungenliede), woraus in jenen Spra- *) Das intensive Bestreben von heute, genaue Zeichnungen von Festungen fremder Staaten zu erreichen, hat den gleichen Zweck; wo sie stehen, wissen wir ja, aber die Orientierung im Innern, wie namentlich das Kennen der Schwächepunkte, ist zunächst erwünscht. *') Dr. Hörnes kam dieser Auffassung («Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa) auch am nächsten, denn ihm scheint es, daß die «Trojaburgen« den Umrissen mehrfacher Ringwälle gleichen. chen, die keinen Umlaut kennen, »Hunnen« wurde; die als Hünengräber bezeichneten alten Grabstätten sind daher nichts weiter als Gräber hervorragender Männer, die einst im Kampfe gefallen sind, und da man Helden gewöhnlich dort begrub, wo sie zusammenbrachen, erklärt sich der Umstand umsoleichter, weshalb solche Hünengräber meist nur Einzelskelette enthalten. Der Begriff »obr», der latinisiert zu »Avar» wurde, ist sonach gleichwertig mit «Hüne», wobei wieder das slavische »hon» (Jagd), kon (König, Kunig) den sprachlichen Zusammenhang vermittelt. Der vermeintlich deutsche Ursprung von »ober» wird auch dadurch entwertet, daß in Bosnien. Montenegro und Nordalbanien einst bei größerer Gefahr aus den einzelnen »knez» (den Kommandanten einer «knežina») ein «obor-knez», also ein s t a r k e r F ü h r e r, d. h. der Fähigste als Oberbefehlshaber gewählt wurde. Die geschichtliche Behauptung, es hätten erst die Avaren ihr «Dienstvolk« — die Slaven, nach Westeuropa gebracht, ist daher eine völlig unbegründete, und hat nur den Zweck und die sehr durchsichtige Tendenz, sie in dem Momente, als deren Existenz schon nicht mehr geleugnet werden konnte, wenigstens als inferior hinzustellen.*) Die »Obri« (Avaren), »Hunnen« wie «Slaven« sind Teile desselben slavischen Volkes, und sind die Namensunterschiede lediglich als differenzierende Gattungsbegriffe anzusehen, was ja auch aus alten Schriften hervorgeht. — So schreibt Porphyrogenetes noch i. J. 949« «Sciavi, qui et Abari nuncupati«, dann an anderer Stelle: «Sciavi sive Abari« und «Abari sive Hunni«. Schon die ganze Geschichte der Völkerwanderung ist, wie sie heute dargestellt wird, eine vom Grunde aus mißglückte, kritiklose und einseitige Schilderung einer Zeitepoche, die es in Wirklichkeit solcherart nicht gegeben, wo anscheinend ein und dasselbe Volk unter verschiedenen Namen geschichtliche Aktionen ausgeführt hat, von denen es selbst keine Ahnung haben mochte. Wir wissen ja *) Auch der Name »Attila« klingt slavisch und scheint so viel als «Väterchen« zu bedeuten; zum mindesten klingt aber der Name eines der Söhne Attilas, Dengesić, slavisch. — Als kleiner Beweis fiir die Oberflächlichkeit diene der Umstand, daß die zeitgenössischen Geschichtsschreiber Attilas nicht einmal bestimmt sagen können, in welchem Jahre und wo die in ganz Europa gefürchtete «Geißel Gottes» gestorben ist. auch, daß bis zur Zeit des Äneas Silvius (geb. 1405, gest. 1464) in der damaligen Wissenschaft von der sogenannten Völkerwanderung nichts bekannt war und fiel es keinem Geschichtsschreiber oder Chronisten bei zu verneinen, daß die Slaven von altersher jene Gegenden bewohnten, welche sie auch heute innehaben, oder daß sie ausgerottet worden wären. Äneas Silvius mutmaßte aber, da er sich gleichfalls die ethnographische Situation in Europa nicht erklären konnte, es müssen im V. oder VI. Jahrhunderte unter den damaligen Völkerschaften große Unruhen geherrscht haben, was ein Wandern einzelner Stämme von Ort zu Ort verursachte, und auf diese Weise seien die Slaven in ihre heutigen Wohnsitze gelangt. Weil es ein P a p s t gesagt, mußte die Sache auch richtig sein, und hat sich bis heute fast niemand die Mühe genommen, über das Unlogische und Unnatürliche der Behauptung nachzudenken. So lange man daher nicht den Mut aufbringt, eine ganze Reihe scheinbar gelehrter Traditionen als das anzusehen, was sie wirklich sind, d. i. als ein Gewebe von Selbsttäuschung und flacherLiige; so lange man sich ruhig dazu versteht, unlogische Angaben ohne Rücksicht auf den Charakter ihrer Quelle auch nur zum Teile zu glauben, so lange wird sich auch die Geschichte von der sogenannten Völkerwanderung aus der willkürlichen Verwirrung, in der sie durch xberühmtex Autoritäten künstlich erhalten wird, nicht loslösen. Für die sprachliche Klassifikation der Völker sowie die Scheidung der ethnographischen Namen soll aber ebensowenig wie für die Axiome der beliebten Wandertheorien eine Autorität maßgebend sein. Die einzig rettende Methode im Labyrinthe der falschen Differenzierung der Volksnamen kann doch nur die allgemeine natürlicheVergleichung sein, und diese sagt uns umgekehrt daß gerade an der Seßhaftigkeit der Urei nw o h n e r-schaft so lange zu halten sei, bis aus den unzweideutigsten Quellen oder durch nüchterne Kombination die überzeugenden Beweise des Gegenteiles einmal für jede einzelne Frage und einmal im Zusammenhänge möglichst vieler solcher Fragen an den Tag gebracht werden. Zur Verwirrung führten aber eben die verschiedenen Namen für die gleichen Volks- und Sprachstämme und in diesem falschen Netze sitzen wir bis heute in starrer Unbeholfenheit ge- fangen. So kann z. B. heute in Krain jedermann leicht Folgendes feststellen, wenn er einzelne Personen um ihre Nationalität fragt: der erste sagt, daß er ein «Krainer« sei, der zweite, er ist ein «Gorenje« (wenn er zufälligerweise in Oberkrain geboren ist), der dritte stellt sich als «Slovene« vor und alle drei benennt ein hinzugekommener Deutsche als «Windische« ; und doch können alle aus demselben Dorfe, ja auch Brüder sein. Lediglich solche äußerliche Widersprüche sind es, die zu den unreinen Zeugnissen führten, als ob einzelne Völkerschaften, deren Paralellnamen zufällig außer Kurs kamen, ausgewandert wären, weil deren Name seit einer gewissen Zeit verstummt ist. — Hiebei haben aber im subjektiven Sinne trotzdem alle eine richtige Antwort gegeben, denn die Unterschiede haben nur darin ihren Grund, daß der einfache Mann eine beschränktere Grenze für seine geographischen, nationalen oder politischen Definitionen zieht als der gebildete. In genau derselben Lage waren aber die einstigen Geographen auch, die uns derartiges Material lieferten: auch bei ihnen regulierte die Erkenntnis der geschilderten Sachlage lediglich der eigene größere oder geringere Gesichtskreis, die eigene Selbsterfahrung sowie der Grad der kritischen Behandlung der niedergeschriebenen Materie. So kann es Vorkommen, daß verschiedene Schriftsteller ein und dasselbe Volk verschieden benennen, und ist dafür der Beweis heute geradeso erbringlich, wie von ehedem; wer würde z. B. in 1000 Jahren, wenn alle sonstigen Behelfe verloren gingen, daraus klug werden, falls er eine Zeitung von heute fände, die von «Cechen« spricht, und eine zweite dasselbe von den «Böhmen« erzählt, daß beide gleiches bezeichnen? Wenn alles dies heute bewußt geschieht, weshalb soll es einst nicht in erhöhtem Maße auch unbewußt geschehen sein! — Solcher Art können daher die Quellen sein, aus denen wir unsere Geschichte schöpfen, und solche sollen nicht ungeprüft zum Dogma erhoben werden; von solchen Kannegießereien und Willkürlichkeiten hängen dann unsere Überlieferungen ab und gelten nachher als Marksteine der Wissenschaft! Über die Hunnen sind wir überdies gewohnt stets zu lesen, daß sie die ärgsten Barbaren waren, die sich ihr Genußfleisch auf dem Sattel mürbe ritten,*) klein von Gestalt, häßlich u. drgl. aussahen, — also durchwegs abträgliche Beschreibungen —, und sollen dabei Hünen, Riesen genannt worden sein, da dies im Deutschen doch synonyme Begriffe sind! Es ist eigentümlich, daß die Geschichte über die Hunnen lediglich jenen schriftstellernden Zeitgenossen Attilas Daten entnahm, die über ihn und seine Scharen nur das Gräulichste zu erzählen wußten, während andere, wie Priscus, der die Verhältnisse wesentlich lichtvoller schildert, unberücksichtigt blieben. Tatsache ist, daß uns da Vorfälle geschildert werden, die sich niemals mit der Kritik und Logik werden vereinbaren lassen. Wie ist es z. B. erklärlich, daß ein solcher Barbar par excellence, wie Attila, die Burgunderfürstin Kriemhilde zur Gattin erhält, daß das Hochzeitsfest in Wien durch 17 Tage gefeiert wird, daß die Burgunder den Hof Attilas besuchen, dessen Residenz große Paläste bildeten, daß er um Honoria, die byzantinische Kaiserstochter werben läßt, trotzdem die Geschichte erzählt, Attila habe wenig Kriegsglück gehabt, sei aus Italien unverrichteter Dinge zurückgekehrt, ist i. J. 451 auf den Catalauni-schen Feldern fast vernichtet worden, indes er allgemein gefürchtet war, ihm der Kaiser von Byzanz den jährlichen Geldtribut namhaft erhöhen mußte u. a. — alles ein Beweis, daß man es hier mit einem Geschichtsirrtum oder einer Geschichtsfälschung plumpster Art zu tun hat. Überdies hat es stets Standesunterschiede gegeben, und doch kann sich niemand dermalen bei modernen sozialen Ansichten etwa eine ernste Brautwerbung eines besiegten Indianerhäuptlings bei einer europäischen Herrscherfamilie vorstellen. War aber Attila ein solcher Wüstling, wie ihn die Geschichte hinstellt, so hätte er sich eine ausgewählte Braut wohl mit Gewalt geholt oder hätte selbe rauben lassen; etikettmäßige Brautwerbungen sind aber in diesem Milieu ganz undenkbar. *) Diese Behauptung enthält an sich etwas ganz Unmögliches, denn auf ungesatteltem Pferde reibt das aufgelegte Fleisch sehr bald das Pferd auf; hingegen ist doch niemand so dumm, daß er sich auf den Sattel Fleischstücke (am Ende noch mit unausgelösten Knochen!) aufbinden wird, um selbst aufgeritten zu werden; wer praktische Erfahrungen im Reiten hat, weiß schon, wie bald die geringste Falte der Bekleidung Schmerzen und offene Wunden erzeugt; und da macht auch der «Hunne« keine Ausnahme; trotzdem wird so ein Nonsens weiter in genauer Evidenz gehalten! Gibt man auch zu, daß manches nur eine Sage sein mag, so ist es befremdend, daß gerade die Sage schöne Worte und humane Handlungen für einen «Barbaren« findet, da sich dies, wenn es nur annähernd so arg gewesen wäre, im Volksmunde und in der Sage nur noch dunkler gestaltet hätte. — Es fällt weiter auf, daß die Geschichte erzählt, nach dem Tode Attila’s habe dessen jüngster Sohn Irnak (Ende des 5. Jahrh.) die hunnischen Horden wieder nach den Wolga-Steppen zurückgeführt, wo sie unter anderen Nomadenvölkern aufgingen. — Es ist allerdings so am einfachsten ein Volk von der Völkertafel auszuwischen, aber der Natürlichkeit entspricht dies nicht. Daß je ein ganzes Volk auf einmal aufgebrochen wäre, um sich neue Wohnsitze zu suchen, ist nicht denkbar, denn die Sache ist viel zu * gewagt und ist kein Grund, daß ein Volk als solches jenen Boden verläßt, von dem es sich bisher ernährt hat, weil es in der Geschichte auch kein Pendant dafür gibt.*) Hingegen hat jederzeit der Populationsüberschuß, der in der Heimat keinen Lebensunterhalt finden kann, nach auswärts gravitiert und spielt sich in der Jetztzeit die größte Völkerwanderung ab, ohne daß die Geschichte dieselbe verzeichnet, denn die Auswanderungen aus Europa und Asien nach Amerika berechtigen vollkommen zum Gebrauche dieses Begriffes, und gibt es in Amerika bereits geschlossene Provinzen, die von Deutschen, Cechen, Kroaten, Slovenen u. a. bewohnt werden; und diese Völkerwanderung geschieht nur einzeln oder familienweise, aber doch nicht nach Art der Heuschreckenschwärme! Auch ist es nahezu ausgeschlossen, daß ein Nomadenvolk, welches doch nur ein bestimmtes Maximum von Individuen ernähren kann, so ohneweiters noch ein neues Volk in Kost übernehmen könnte. Wäre aber der Fall eingetreten, daß die Hunnen, nachdem sie kurz vorher angeblich nahezu vernichtet wurden, plötzlich wieder erobernd auftraten, so mußten sie die ansäßigen Bewohner vorerst besiegen, und dies war auch einstens nicht so einfach, denn alle Gegenden weisen ganz hervorragende Verteidigungsvorsorgen auf, und standen die Hirtenvölker sozusagen immer unter Waffen ; waren nun die Hunnen siegreich, so gingen die Stammbewohner zu Grunde, war *) Der Auszug der Juden aus Ägypten hatte wohl wesentlich andere Gründe, ganz abgesehen von sonstigen historischen Unrichtigkeiten, die dabei unter dem Titel «Geschichte« figurieren. es umgekehrt, so gelangten die Hunnen überhaupt nicht in ein fremdes Gebiet. Auf diese Art Völker zu eskamotieren ist im gewissen wissenschaftlichen Dilemma ja willkommen, aber es frägt sich, ob auf die Dauer für solche Taschenspielerkünste Gläubige zu finden sein werden. Wir kennen aber eine andere Quelle, die über die Existenz der Hunnen noch im 8 Jahrh. Aufschluß gibt; es ist dies der i. J. 735 verstorbene englische Kirchenschriftsteller Beda, welcher (Hist. Eccl. I.) schreibt, daß die erste Spur von den Slaven im nördlichen Deutschland anzutreffen ist; er nennt sie xHunnenx und läßt sie in der Nachbarschaft der Dänen, Sachsen und Rugier wohnen. — Dieses ist weit glaubwürdiger und ist die ganze Geschichte über die Hunnen kurz dahin zu präzisieren, — wenn dies überhaupt nicht eine ganz andere Völkergruppe war, wie es ja zugleich viele von einander ganz unabhängige Volksstämme von Wenden, Kroaten, Serben u. a. gab unb gibt — daß diese mit bewaffneter Macht von ihren Sitzen aus Raubzüge gegen Südosten (Byzanz), Süden (Österreich und Italien) sowie gegen Westen (Gallien) unternahmen, ähnlich wie die Osmanen durch Jahrhunderte gegen Westen und Nordwesten zu häufige Einfälle ausführten, wobei es sich im Prinzipe weniger um Ländererwerb als vielmehr um Raub von beweglichem Gute handelte. — Übrigens erfahren wir noch Positiveres durch den Geschichtsschreiber Widukind (10. Jahrh.), welcher erzählt, daß König Heinrich I. an die Unterjochung der Sorben schreiten mußte, weil sie ihn als beständige Verbündete der Hunnen gefährlich zu werden begannen. Nachdem er vorerst die Unruhen in Deutschland gestillt, schloß er mit den Hunnen einen neunjährigen Waffenstillstand, griff dann die Heveler (an der Havel) an und nahm darauf deren Hauptstadt Brennabor (Brandenburg) ein u. s. f. — Es gab also im 10. Jahrhunderte im nördlichen Europa noch immer xHunnenx, mit denen Bündnisse zu schließen es deutsche Könige nicht unter ihrer Würde hielten! Man muß immer genau unterscheiden, was ein Einzelner als Autorität ohne Begründung behauptet, oder was jemand bei logischem Gedanken- und naturgesetzlichem Aufbau herausgefunden hat. So fragt Wimmer (xDie Runenschriftx, Berlin 1887), der die Runenschrift lediglich als eine Schrift xnordischerx Völker bezeichnet, «was denn mit den Völkern geschehen sein mag, die im Völkerwanderungs- kämpfe unterlagen? So lange man nicht zu beantworten vermag, wo die vielen Millionen von Menschen hingekommen sind, ist die Völkerwanderungstheorie nur ein Mittel, wie man einen Knoten zerhaut, den man sonst zu lösen nicht imstande ist; man führt einfach ein neues Volk vor, sobald man sich größere Kulturveränderungen nicht zu erklären vermag, und dabei verwischen sich Dichtung und Geschichte!« — Letztere lehrt aber gerade, daß kein Volk infolge einer Niederlage dauernd oder spurlos zu Grunde gegangen ist, sondern daß es nach einer entsprechenden Erholungszeit erst recht seine latenten Kräfte, wenn auch unter veränderten Äußerlichkeiten, an die Oberfläche kommen läßt. Die einstigen Slaven besitzen z. B. im Russenreiche noch immer den besitzmächbgsten Staat der Welt als Urbegtand; das kleine Griechenland des Perikies hat nach 2000 Jahren wieder ein neues Griechenland geboren; das i. J. 1389 vernichtete Serbien ist heute wieder ein bemerkenswerter Machtfaktor, und Frankreich steht finanziell heute weit höher als vor dem Jahre 1871! Jur, Jura, Juran, Jurov, Jurków, Jurkówka, Jurinka, Jurčiči, Jurjeviče, Jurdani, Jurjevsk, Jordan, Jordanów u. ä. sind Namen von Höhen und Punkten, welche für die Verteidigung von Natur aus günstig gestaltet sind. Die historische Entwicklung d:eser Determination ist die analoge wie bei sonstigen Benennungen deser Art. Das russische >< bezeichnet noch einen besitzlosen Grasanger, einen freienPlatz; xjurtx ist das Gesamtgebiet eines Stammes. Der Vorstand einer solchen Gemeinde, war der: Juri, Juraj, Giuro, Jiri, Jorg u. ä., der in derselben auch das Recht sprach und die Verteidigung leitete, wie auch der hl. Georg als Krieger und Bekämpfer des Feindes (des Drachens) dargestellt wird. — Gangbare Ausdrücke dieser Wurzel haben sich noch erhalten in: jus (Recht), Jury (franz. und engl.) als rechtsprechende Kommission ; für die Verteidigung und den Kampf hat der Balkanslave noch: juriš = Sturm; juriš iti = stürmen (im Kampfe), j u r n i t i = angreifen, juriti = treiben u. ä. Tatsächlich sind so benannte Orte meist Festungen oder befestigte Städte, oder ansonst stark gebaute Klöster, Burgen, Wallgräben u. drgl. — Ein ausgesprochener Hoheitsbegriff dieses Stammes ist xYorkx, der im Englischen dem Titel eines Herzogs gleichkommt. Stepen, Stefan. Auf dem Balkan heißen sehr viele Burgruinen,— erhaltene Burg gibt es daselbst meines Wissens keine einzige —, Stepen, Stjepangrad u. ä. — Dieser Name hat ursprünglich mit dem gleichnamigen Heiligen nichts zu tun, sondern so bezeichnete man eben einen Punkt, der rings herum eine Brustwehr (griech. a i e cp avrj) hatte, bezw. rings herum dicht umschlossen war (griechisch orécpco = dicht umgeben). Der Kommandant eines solchen Punktes hieß sodann: Stepan, Stefan, Stipo. Die Slaven haben eine Menge sinnverwandter Begriffe gleicher Wurzel und sind Ortsnamen, wie: Stefanau, Stefansberg, Stebno, Stibno, Stibnik u. ä. weder dem griechischen noch auch dem kirchlichen Einflüsse zuzuschreiben. — Gaj, Gaisberg, Gaisruck, Gairach, Geiselberg, Haj, Hajov, Hajen, u. a. gehören auch in die Gruppen der Verteidigungsvorsorgen. Im Altslovenischen wie im modernen Gebrauche ist «gaj», ein eingefriedeter lichter Wald, (im Deutschen desselben Stammes: Hain), eben so im Russischen; im Čechischen ist «hajiti« = verteidigen, wehren. Es waren dies zur Verteidigung günstige, daher auch eingefriedete Terainpunkte, zumeist auf Höhen. Jene Personen, welche hiebei den Wachdienst versahen, nannte man «hajduk«, eine Bezeichnung, die zuerst den Grenzsoldaten, später auch der ungarischen Infanterie beigelegt wurde, aber später die berechtigte Bewertung «Räuber, Plünderer« annahm. Darin liegt auch die Erklärung für »Heiden«, die feindlich gesinnten Grenznachbarn, und hatte dieser Name sonach mit Religionsunterschieden ursprünglich nichts zu schaffen. Es zeigen daher topische Namen, wie : Heide 1 b e r g (Stadt und viele Bergkuppen), Heiden schanze, Heidemauer, Heidenkirchhof, Heidenschaft, Heideck, H a i d i n u. ä., welche stets auch prähistorische Funde aufweisen, vor allem an, daß sie uralte Zufluchsteätten waren. «Hai« ist im Harz die Benennung für eine ausgeschlagene Stelle im Walde, was auch dem obigen Zwecke am besten entspricht. — Ein häufiger Höhenname ist «Heuberg», dessen Grundwort «haj« ist, und haben solche Punkte oft einen ausgesprochen felsigen Charakter, eigneten sich daher niemals zur Heukultur. — Ansonsten wurde ein Berg mit einem «gaj» im Deutschen zumeist zu »Geisberg, Gaisberg«. Der zugehörige Hoheitsname ist augenscheinlich «Kaiser», d. i. wer die Untergebenen schützt. So ist es auch erklärlich, weshalb wir so viel Träger des Familiennamens Kaiser, Kajzar, Hajzar, Gajsar u. ä. haben, denn dies sind Nachkommen von Personen, welche einst in der-patrialchalischen Verfassung diesen Funktionsnamen führten. Njegoš, Njeguš, Negau, Negova1'), Negonje, Negers, Nechutin, Nechanice, Negoi (Berg), Negotin u. ä. sind oder waren einst für Verteidigungszwecke ausgenützte Punkte. Das Grundwort ist im Slovenischen noch erhalten in «negovati» = hegen, schützen. — Der Ahnherr der montenegrischen Fürstenfamilie hatte das Prädikat «Njeguš«, d. i. der Herrscher; ebenso ist derselbe Gattungsname in Abessinien im Gebrauche, wo «Negus« — König bedeutet. Die Deutung der «altgermanischen« Göttin N e-h a 1 e n i a als «Hilfreichnahende« ist daher ganz zutreffend, sowie ihre Attribute: ein Hund und zwei Körbe, womit sie anzeigt, daß sie den Wachhabenden Proviant herbeischafft ; es war dies möglicherweise die Frau des Befehlshabers, welcher nach den heutigen Vornamen zu schließen, Njegoš, Njegovan, Neko, Niko, Nikola, Nikita u. a. genannt wurde, die sich bei kriegerischen Ereignissen auch nach Tunlichkeit mitbetätigte, und schließlich auch jede Frauensperson, die den Kampf passiv förderte. Längs des Neckar gibt es außerordentlich viele Burgen und verteidigungsfähige Punkte; der Umstand, daß der Fluß zahlreiche solche Stellen berührt, führte auch bei ihm, wie in vielen Analogienfällen, zu dieser charakterisierenden Benennung, d. i. das Wasser, das längs der Burgen fließt, sonach die Grenze bildet. Četa, Cetinje, Zeta, Zetče, Ziče, Zezz, Mons Cetius, Zec planina, Seč, Siče, Setnik, Setzdorf, Sette communi*) **) u. ä. zeigen an, daß sich dort feste, verteidigungsfähige Positionen befinden. Dem Slaven ist «četa« eine Abteilung Bewaffneter, «četa m ist der Führer einer solchen Gruppe, »Setnik« = Hauptmann (Kommandant von 100 Mann); das franz. «cité« bezeichnet die befestigte Altstadt, das englische Cite den ältesten, d. i. einst befestigten Stadtteil Londons; das italienische «citta« ist die mit Mauern umgebene Stadt (cito = lat. sicher), «citoyen« = der Bürger, Verteidiger, «citieren» = rufen, laden (zum Kampfe) u. s. w. — Eine Vorburg oder der kleine vorgelegte Teil einer Festung führte vielfach den Namen: Zitadelle. Aus »cetar« wurde das slovenische «cesar« und das lateinische «caesar«. *) Hier wurden auch die bekannten bronzenen «Negauer Helme« (26 Stück) i. J. 1811 ausgegraben. Von denen tragen zwei eine bisher ungelöste, wie man meist annimmt «etruskische« Umschrift. **) Daß «Sette« hier «Sieben« bedeuten würde, ist sehr unwahrscheinlich. Spy, Na spy, Spichern, Spiessberg, Spitz, Spica, Spezzia, Spino, Spiny, Spinnelsdorf, Spinnhof, Zbènice, Spèsov u. ä. sind günstige Verteidigungspiinkte, welche für eine bestimmte Gegend zugleich als Beobachtung s- und Alarmplatz galten, ähnlich oder gleich, wie ja dies beim Militär noch heute in jeder Station sofort ins Klare gebracht werden muß. Verwandte Begriffe sind: xspinat« (= eine Gegend versperren, absperren, lat. impedire iter, locum), «nasip« = Wall, Aufwurf; unter xspytix versteht man erforschen, also : beobachten, spähen, nachspü-r e n, daher auch jene Punkte, wo es sich zugleich um die Ausforschung des Gegners, also um das Aviso zur Ralliierung handelte, als Spita, Spital (wo man heute nur noch Kranke beobachtet), Spittelberg, Spytinov u. a. benannt wurden. *) Analog gehören hiezu alle xSpuzx und wissen wir, daß „an o vu auch im Griechischen Auge bedeutet, aber ein xscythischesx Wort sein soll. Noricum, Noreja, Narisker, Narona. Auch diese Namen deuten auf eine verteidigungstechnische Vorsorge, denn xnorax bedeutet im Slavischen: Versteck, Schlupfwinkel, Höhle, Asyl, Lager; xnorjex = bergig, steil gelegen; xnorovitx = aufpassen, lauern; man nannte daher die Bewohner jener Gegenden, welche sich bei feindlicher Bedrohung auf «nora, norjex sicherten, als «Norici, Narisci« u. ä. — Die Hauptstadt der Noriker soll xNorejax gewesen sein, deren Lage man sowohl bei Neumarkt (Steiermark) wie bei Friesach (Kärnten) vermutet; die genaue Stelle ist aber nicht bekannt, weil es eben viele solche «noreja« gab, daher wir auch nicht wissen, wo die Römer i. J. 113 v. Chr. von den norischen Tauriskern geschlagen wurden, da dies augenscheinlich nur ein Gattungsbegriff für einen Verteidigungspunkt im allgemeinen war. Auf Sardinien gibt es an tausend feste Rundtürme aus prähistorischer Zeit, die man «nuraghox nennt. Die Archaeologen meinen, daß dies sonderbare Königspaläste seien; dieses ist mit Rücksicht auf die Bauart und die unbequeme Unterkunft völlig ausgeschlossen; **) **) Desselben Ursprungs sind wahrscheinlich auch die sonderbaren Namen .«Spinnerin am Kreuz« (bei Wien und Wiener-Neustadt), welcher Höhenpunkt einmal »na spix oder »na spini» gelautet haben wird und später im Erklärungsbedürfnis in der bekannten Sage seine unnatürliche Deutung fand. — es waren dies lediglich Wach- oder Verteidigungsoljekte. Beim Fort Opus (Dalmatien) steht die xNorinska kula«, welche die Passage zwischen der Narenta und dem dort auslaufenden Gebirgsrücken abzusperren hatte. Brana, Branka, Branky, Branzoll, Vransko, Vranduk u. ä. sind im besonderen jene hradisko, grad, gradina u. s. w., die ein Tal an der schmälsten Stelle verteidigen sollen. — Frain bei Znaim, Branky bei Troppau, Vranduk an der Bosna sind in dieser Fhnsicht Muster einer künstlich verstärkten Naturtalsperre. Man findet daher auch an solchen Punkten meist Burgen oder Ruinen, oft erinnert aber an solche nur mehr ein Steinhaufen, eine Ortssage oder volkstümliche Erzählung. Alle Objekte dieser Namensform deuten schon nach ihrer äußeren Beschaffenheit und Lage auf einen fortifikätorisch ausgenützten Punkt der ältesten Landesverteidigung hin (bran = Verteidigung, branik = Verteidigungsmauer, Hüftmauer). Man vergleiche nur den Brankja-Wald bei Nächod (1866), den natürlichen Zwinger Branževci bei Töplitz in Krain. P r a n c k in Obersteiermark und die natürlich feste Stellung am Branysz-k o, dem Passe aus der Zips nach Eperies, wo sich am 5. Februar 1849 ein blutiges Gefecht abspielte, weil die Österreicher die ungemein günstige Verteidigungsstellung daselbst sofort erkannten. Sonstige Namensformen gleichen Ursprungs sind oft schon stark entstellt. Dazu gehören z. B. Franken, Frankstadt (bra-nište — und nicht Frenstät), Frankfurt, Frankenberg, Frauenberg, Frauenburg (Obersteiermark, mit röm. Bauresten), Franzdorf (Krain), Frohndorf, Frohnleiten, Braunberg u. ä. — So gab es bei Schönstein in Steiermark eine Ruine, namens Frauen bu r g, welche aber das Volk xTaborx nennt; die daran liegende Besitzung heißt noch Braunberg, aber jene Ergänzung des xtaborx, welche einst brana, branka hieß, ist der heutigen Kenntnis entschwunden, d. h. deckt sich mit dem Namen Braunberg, woraus in der Urkunde ein Frauenburg wurde. — Im Polnischen ist die Form xbron. Broni, Borania (Barania)x gebräuchlich, das aber im Deutschen oft «Frohne, Frohndienstx war, daher ursprünglich der Verteidigungsdienst und bestand in persönlicher Mittätigkeit oder in Deputaten (Beistellung von Nahrungsmitteln, Baumaterial, Fuhrwerken u. drgl.), ist daher dasselbe wie xRobotx. Das Grundwort «bran» hat sich im deutschen Gebrauche meist zu Brand, Brandeis, Brandstatt, Brandberg u. ä. verwandelt, hat sonach mit «brennen« keinen direkten Zusammenhang. Am auffälligsten ist dies z. B. nordöstlich von Olmütz der Fall,-wo sich zwischen zwei «Wachhübeln« und mehreren >< zu ><) aus xkljucx gebildete Namensformen für VerteidigungspunktebeiFelsdefilés, (Vergi, auch das griechische -/leig lat. clavis, ital. chiusa — Schlüssel). Melje, Mélnik, Meliti je, Me!m, Mala, Mala Strana, Mala Breza, Mala Gora, Malé, Maiinje u. ä. zeugen durchwegs auf eine verteidigungsfähig vorbereitete Anhöhe. Im Slavischen bedeutet xmelx noch heute eine abschüssige Stelle, während das Hebräische «mella« (vergi. Bücher der Könige III., 9) darunter direkte eine Feste, eine Burg versteht. Überdies kennt der Slave den Begriff «malik« -- Götze, Feind, Teufel, sowie «naleti« = brandschatzen, herumvagieren. «Maleventum« war daher ursprünglich ein Si-cherungspunkt an der Grenze. — Alle Lokalitäten der Form: Mélnik, Meiling, Melos, Melk, Melbourne («mel« und «bor«), Melkart-Säulen (Gibraltar*) u. a. sind zugleich immer steile Höhen mit einstigen oder noch heute bestehenden Schutzbauten. — Vergleiche noch: «Malepartus« (Raubhöhle des Reineke Fuchs), «Malabar« («mal« und «var«) ein indobritischer Küstenstrich, bewohnt von den «dravidischen« Malabaren, «Malaga (Spanien mit der Zitadelle), «jfAalakov (die wichtigste Bastion Sebastopols), «Malchen«, auch «Melibokus« (Gipfel des Odenwaldes), «Malta« (früher «Melite«) u. a. m. — Fis. Dieser Begriff, der bei den Slovenen noch heute in der Bedeutung Zauberkreis, Kreis, den niemand Unberufener betreten darf, gebraucht wird, bezeichnete ursprünglich wohl den behufs Verteidigung abgeschlossenen Platz, doch kennen ihn nur mehr die Cechen als «riše«, d. i. in der Bedeutung der Staat, mithin als ein größeres, genau umgrenztes Gemeinwesen; dem Russen hingegen ist «riznica« bereits die Schatzkammer, d. i. der Raum, wo er bei Feindesgefahr seine wertvollere Habe sichert, also- auf dem gemeinsamen Kampfplatze. — Als Hoheitsname gebrauchen die Slovenen in einigen Gegenden noch «ris, risan« für die Kennzeichnung eines bärenstarken Mannes, wofür aber der Deutsche auch den Begriff «Riese« besitzt. Ortsnamen dieses Stammes sind: Risano, Riše Stara Rište, Risola, Rižan, Riese, Riesenberg, Riesenburg, Riesach, Ryzany u. ä. — Auf der «Reisscheibe« — einem Felskopf am Wallen-See — wurden noch ziemlich sichere Spuren einer alten Veste entdeckt. Var, Varda, Warta, Warthe, Wartestein, Wartenberg u. ä. weisen auf einen für die Verteidigung hergerichteten Terrain punkt. In der Urzeit bezeichnete «var, varda, vardišče« wohl noch den günstigen Aussichtspunkt für die Beobachtung dei *) Mela bezeichnet Gibraltar noch als: Skala Hannibalis. (»skala» slav. Felsen). weidenden Herden, denn manche Begriffe, wie z. B. das slovenische: varuh (= Hüter), vardevati (= Vieh hüten, beaufsichtigen), varde-vavec (= Schafhirt) haben die bukolische Urbedeutung noch immer nicht völlig eingebüßt. — Auf der ägyptischen Una-Aufschrift finden sich xuar>< und xuart«, welche bereits, wie die Ägyptologen meinen, auf eine große Stadt, große Festung deuten. Dieser Stamm dient ungezählten topischen Namen als Grundlage und treffen wir gerade ungewöhnlich viele typische Beispiele aus der Zeit vor dem Beginne unserer jetzigen Zeitrechnung. So erwähnt Mela (III, 15): Vardulli, una gens hine ad Py-rennaei iugi promunturium pertinens cludit Hispanias; dann: Varum flumina utraque ab Alpibus delapsa, sed Varum quia Italiani finit aliquanto notius (III, 72); Varus flumen (II, 74); Va r dei (Ardei) in Dalmatien; Varin i werden von Plinius und Tacitus wiederholt angeführt. Es fällt hiebei auf, daß so viele Flüsse, wie: Warthe, Vardar, Wartbach u. ä. diesen Namen führen, trotzdem der organische Zusammenhang scheinbar dabei nicht vorhanden ist; und doch ist dem so: die Flüsse bildeten entweder selbst eine G r e n zverteidigungslinie oder erhielten diese Namen, weil sie an verteidigungsfähigen Objekten, die man ja mit Vorliebe an natürliche Annäherungshindernisse anschmiegt, vorüberflossen. Die «Pharisäer« der Bibel waren nur die Bewohner einer durch xvarx gesicherten Gegend; desgleichen die xVarjag« (Waräger) in Rußland. — Die befestigte Grenzstadt «Vence« (Südfrankreich) hieß bei den Römern «Ventia« und zugleich auch «Var«, also: Festung an der Grenze, — Im Slovenischen heißt «varčen« — behutsam, «varati« — beobachten, «varvati« aber schon beschützen; auch im Althochdeutschen bedeutet «wara« noch: Acht, Aufmerksamkeit; im Polnischen «obwarowac« befestigen. Hieher gehören auch die meisten Namen von der Form: »v a r, ba r« und «par« («v, b« und «p« wechseln fortgesetzt, namentlich im Anlaute), wie :Temesvar, Vukovar, Peterwardein, Varna, Varaždin. Bar, Baric e, Barmen, Bari. Parma, P a r i s, P a r i ž 1 j e, dann Fahrn, Fahren, Gainfahrn u. v. ä. " So muß Paris selbst eine uralte bewachte oder befestigte Ansiedlung gewesen sein, denn bei den jüngsten Ausgrabungen für die Stadtbahn hat man eingenartige Altertümer an den Tag gefördert. — Die tieferen Schichten lieferten ungewöhnlich grob gearbeitete Messer aus Kiesel, daneben lag ein vollkommen erhaltener Mammutzahn, sowie der Backenzahn eines Rhinozeros. — Aber auch schon vor 40 Jahren wurden diverse Werkzeuge des steinzeitlichen Menschen, dann Knochen des Mammut, Rhinozeros, der Urform des Rindes, Pferdes, Hirsches, Renntieres und Nilpferdes gefunden, was den sicheren Schluß zuläßt, daß der Mensch schon vor ungezählten Jahrtausenden an der Stelle, auf der jezt Paris steht, ständig gewohnt haben muß.*) Der Hoheitsbegriff hat sich als xfarx {= Pfarrer), >< (= Pfarre) bei den Slovenen noch fast unverändert erhalten;**) die xfarax ist heute die Gemeinde im kirchlichen Sinne und ist der «far* nunmehr der Seelenhirt seiner Gemeinde. Einstens war er jedoch die weltliche und kirchliche Autorität unter einem für seine Gemeindeinsaßen, was ja heute vielfach (z. B. in Montenegro) noch fortbesteht, und ist schließlich ja jetzt in den meisten Fällen G e-m e i n d e und Pfarre ein katastral sich deckender Begriff. — Im Spätlateinischen ist xparochx — der Pfarrer, xparochiax — die Pfarre, im Slovenischen der Wohnsitz derselben xfarovx (= Pfarrhof). Ein häufiger, sprachlich verwandter Familienname ist xBaruchx, den aber auch schon das alte Testament erwähnt. — Die Ägypter nannten ihren Ältesten, welcher die Gemeinde gegen feindliche Angriffe zu sichern hatte, xpharaox, und kam dieser Titel nach Vereinigung größerer Territorien in gleichem Fortschreiten des Ansehens sogar der heutigen Königswürde gleich. — Im Bulgari- *) Unter Paris (ursprünglich vielleicht xvaris, varesx lautend) ist augenscheinlich ein geschlossenes Gemeinwesen zu verstehen, wie es sich noch in England erhalten hat, denn z. B. London selbst war bis zum Jahre 1888 noch in lauter «Parishes« (= Kirchspiele, Pfarren) eingeteilt. **) Man sprach und schrieb einst «var», denn im althochdeutschen Alphabete ist das >< auch bei den Longobarden und Römern. — Dieser Gegendname, der sich z. B. auffalend oft auf Kreta wiederholt, ist fast überall in der Nähe dér größeren Ansiedlungen in mehr oder weniger entstellten Formen zu finden, und ging im Deutschen allmählig in die Form und Bedeutung «Warten über, weshalb der böhmische Begriff «varta« (für Wache) durchaus nicht als Germanismus angesehen werden darf. Der Begriff «var« hat die Umwertung vom bukolischen zum militärischen Grade frühzeitig erfahren, denn die Namen ersterer Richtung sind heute nur mehr äußerst selten etymologisch feststellbar, hingegen jene letzterer überaus zahlreich. So bedeutet «faro« im Italienischen den Wachturm (Leuchtturm) am Meere, und sind alle «faro« (als Ortsnamen) entweder übersichtliche und befestigte Punkte, Vorgebirge, Häfen oder Gewässer, die an solchen vorbeifließen. In «var« haben wir einen Begriff, welcher schon dem Urwort-schatze des Menschen angehört haben muß, umsomehr als er auch in fast alle Sprachen in ähnlicher Form und gleicher Bedeutung aufgenommen erscheint; z. B. deutsch: W a rt e, w a rt e n (in der Bedeutung pflegen), Sternwarte; franz. garder, ital. guarda, guardare u. s. w. — So gelangt man zwanglos zu Ur- und Grundbegrüffen. — Allerdings haben dabei die Slavisten selbst den großen Fehler begangen, daß sie solche Urformen, die sich mit den heutigen sla-vischen meist noch vollkommen decken, bedingungslos als solche deutschen Ursprungs kennzeichneten, was die des Slavischen unkundigen Forscher gerne und überzeugtermaßen glaubten, weil es jadieSlavenselbstsagten. So wurde namentlich Mikiosich dafür der «große Slave« und der «Unsterbliche« benannt, weil er alle slavischen Kulturwörter als deutsche Lehn- und Fremdwörter erklärte. Dieser nun so schwer gutzumachende Fehler war aber nur deshalb möglich, weil diese Auslegung die sympati-scheste war und der Erklärer als große Autorität umso ernster genommen wrerden musste. — Eine spezielle Erörterung verdient der Begriff «Barbar«, welcher ursprünglich «varvar« gelautet haben mag, denn in älteren Schriften findet sich noch häufig diese Schreibweise vor; so wird z. B. in einem Briefe des Kaisers Leopold I. (1690) noch der «varvari sehen türkischen Tyrannei« Erwähnung getan. »Barbaren« waren sonach ursprünglich die bodenständigen, gegen fremde Belästigungen sich sichernden Bewohner, welche durch die Griechen wie Römer dadurch in einen minderen Ruf gerieten, daß diese alle ihre Feinde und namentlich jene, deren Sprache sie nicht verstanden, darunter besonders die Szythen und Germanen so benannten. Daß ursprünglich der Begriff «Barbar» nicht das Odium der heutigen Auffassung trug, ersieht man aus verschiedenen älteren Anwendungen dieses Begriffes. — Ephor, Sohn des Isokrates, erzählt z. B., daß die Barbaren älter sind als die Griechen, und daß diese von jenen- alle Künste und Kenntnisse erhielten. — Venantius Fortunatus, Ende des 6. Jahrh. Bischof zu Poitiers, schrieb einen Brief an einen gewissen FlaVüs, worin er diesen auffordert, ihm entweder lateinisch oder in einer anderen Sprache zu antworten; wenn er etwa nicht lateinisch schreiben wolle, könne er ja z. B. mit «barbarischen Runen« auf Holztafeln oder auf einem glatten Holzstabe schreiben.*) Fortunatus wollte damit andeuten, daß ihm einerseits diese Schrift auch geläufig sei, andererseits wollte der Bischof sicherlich auch nicht unter «barbarisch« andeuten, daß damit eine Schrift der Ungebildeten und Rohlinge gemeint sei, da er ihn damit nur beleidigt hätte. — Ebenso spricht er auch von «interpres barbarus« (= der Dolmetsch für das Barbarische), «barbara carmina» (= barbarische Lieder, also: Volkslieder), wozu^er noch «leudos« (= Volk, Leute, ljudi) beifügt; «barbarus karpa« (= barbarische Harfe) u. a., also alles Kennzeichnungen der Stammbewohner im Vergleiche zu den eingewanderten und herrschenden Römern. Tacitus erwähnt auch, daß der berühmte «germanische« Markomannenkönig Marobod (marovod = Grenzverteidigungs-Kommandant) ebenso wie der Chattenfürst Ad-gandester Briefe an den römischen Senat geschrieben haben, und wundert sich gar nicht darüber; daß diese unbedingt lateinisch geschrieben waren, ist zu bezweifeln, denn es gab eben auch «inter-pretes barbaros« ! Als Hoheitsname kommt außer «far« (= Pfarrer, Priester) meines Wissens nur «Barbe» vor, welcher Begriff in den französisch-waldensischen Gemeinden des 15. Jahrhundertes identisch war mit: Vorsteher, Meister. — «Baraba« nennt sich noch heute *) Daß diese «barbarische« Sprache in Runenschrift offenkundig die slavische war, wird im IV. Abschnitte dargelegt. ein Hirtenvolk im Gouvernement Tomsk; jene Männer, die als Grenzwächter verwendet wurden, nannte man xbarabax, was aber mit der Zeit die Bedeutung Wegelagerer, Plünderer, Raufbold annahm, da diese Anstellung wahrscheinlich auch zu privaten Exkursen ausgenützt wurde. Chod, Choden, Hotinje, Hotzenplotz, Hoče (alte Schreibweise xChotsex), Hodoše, Chocznia, Kot, Kodanj, Koče, Kočno u. ä. deuten auf befestigte Plätze. Der Vorstand einer solchen Gemeinde, die er zu b e s c h ü t z e n hatte (altslav. xhodatix = verwalten, Prokurator sein, ein bevorstehendes Unglück verhütten; čech. xchovatix = pflegen, beschützen; russisch xkotoräx = Feindschaft, Fehde) war chod, chot (heute böhmisch in der Bedeutung Ehemann, Eheweib), das aber bei den Deutschen zu xGottx, bei den Osmanen zu hodža (= Priester) wurde. — Nestor erzählt überdies, daß xHocax ein altrussischer Götze war, dem Großfürst Vladimir einen Tempel erbaut haben soll. — xRoc, koča, kuca, chatax ist ursprünglich eine Hirtenhütte; xhoch, hosix bedeutet noch heute im Cechischen einen Hirten oder Knaben, xkocovatix ist gleichbedeutend mit nomadisieren. — Während nun das deutsche xGötzex auch nur eine spracheigentümliche Anpassung an xchoc, hoča, hodžax u. ä. ist, bedeutet aber xgočah, kocakx im Tatarischen noch immer den tapferen Krieger, bezw. den Ort, wo tapfere Männer wohnen, also fester Punkt, Fortifikation. -— Im Chinesischen ist xkücikx = wohnen. — Im ältesten Denkmale der indischen Literatur, dem xRigvedax, in welchem die Sprache noch älter ist als das klassische Sanskrit, heißen die Priester noch allgemein xchotarx. Im Indischen ist xkotvalx heute der oberste Polizeibeamte (vergi. xHoch-waldx und Gottwaldx); xcotex selbst gilt dort als die befestigte Höhe, das Fort. — Der Übergang von der Hirtengemeinde zu einer namhaften Verteidigungsgruppe ist hier leicht organisch zu verfolgen, denn xchotar, kotar, kotorx (franz. xCote d’or)x ist ursprünglich die von einem xchodx geleitete Gemeinde, welche aber durch Vereinigung von mehreren Gemeiden zu einer Kreis- oder Bezirksvereinigung führte, die im Südslavischen noch immer xkotorx lautet, und war der Verteidigungschef eben der noch heute an das Militärische anspielende Bezirkshauptmann; im 15. Jahrhunderte verstand man im Böhmischen unter xchodx noch den Grenz Wächter; ein Erd- oder Steinaufwurf zur Kennzeichnung einer Grenze heißt im Deutschen noch heute Hotterhaufen (= Qrenzhügel). — «Hody« (= Kirchweifest) ist anscheinend nur mehr der Reflex der einstigen Versammlungspflicht auf dem Gemeindesammelplatze zu gewissen Zeiten behufs Kontrole oder Waffenübung, analog wie in der bestandenen Militärgrenze militärische Übungen an Sonntagen stattfanden, um die Leute nicht in ihren Wirtschaftsarbeiten zu verkürzen. Die Namen «Kotor« für Ansiedlungen kommen in Europa überaus häufig vor, sind aber auch in anderen Erdteilen reichlich zu finden. Wir wissen z. B. daß Island einst politisch in 39 «Godarde« (Bezirke) eingeteilt war, welchen als Ältester je ein «Gode« (God, Göd = Pate) Vorstand. Von den topischen Namen seien hier noch besonders erwähnt: Gott (Volksname). Gotha, Gottes, Göttingen (das slav. Hotinje), Gotenburg (mit Bohas-Län), Gotaland, Godula, Kottlas, Kot (z. B. Kot-Alpe, die zu W i n k 1 e r-Alpe übersetzt wurde, weil «kot« später die Bedeutung Winkel, Ecke, Grenze annahm), Kottbus, Kočevje (Gottschee), Kočubej, Košubi, Kočno, Chodi (ein Volk in Böhmen, das die Einbruchstellen von bayerischer Seite her zu bewachen hatte), Chodan, Chodavendikjar (Türkei), Chodschar-Saleh (Dorf in Afghanistan), Chodshent (Turkestan), Chodziesen (Kolmar in Posen), Chot-zen, Chotebor, Chotina, Chotiesiny, Cottage (eine Gruppe von Hirtenhütten, jetzt Villen) u. a. m. — Hieher gehört wohl auch der vielumstrittene Name «Quadi«. Den vielfachen Erfahrungen zufolge entspricht das «Qu« in der lateinischen Transkription andersprachiger Wörter dem «H« oder «Ch« (z. B. Haloze wurde «Qualose« geschrieben), wofür die Griechen wieder durchwegs ein «K>< setzten. Die «Quadix (Tacitus) und »Kovàó'oi« (Strabon) sind demnach nichts weiter als die C h o d i der slovakischen Aussprache («chuodi, kuodi«) in der schriftlichen Anpassung. •— Tacitus erzählt auch, daß sie im Gebiete der March und Gran, also als Nachbarn der heutigen Slovakei, wohnten, und zu jener Zeit den König Vannius (Vana) als Herrscher hatten; sie mußten daher schon damals eine alte und vorgeschrittene Kultur gehabt haben, wenn ihr Gemeindeältester bereits namentlich und in der Königswürde den Römern bekannt wurde. — Die jetzige Geschichte weiß über die Quaden zu erzählen, daß sie ein mächtiges «germanisches« Volk waren, die oft in das römische Gebiet einfielen, » aber im 4. Jahrhunderte n. Ch. aus der Geschichte verschwinden. — Selbstredend sind sie nicht verschwunden und auch nicht «in den Bayern aufgegangen«, wie man dies vermutet, sondern ihr Volksname wurde im Namen «Slovaken« oder «Mährer, Moravani« zusammengefaßt, als man einmal die geographischen Begriffe zu generalisieren begann. Prokopius (De bello gothico I, 7) nennt Gothen und Slaven noch nebeneinander; desgleichen führt der König von Schweden den Titel: «König der Gothen und Wenden«. Hieher gehören auch: Kacin, Kačji vrh, Kaczmary, Katschitz, Katzenberg, Katzendorf, Katzenelenbogen u. ä. sowie alle scheinbar «koza« (= Ziege) zur Wurzel habenden Ortsnamen, wie: Kozje, Kozji vrh, Kozlów, Kozarki, Kozjak, Kozina, dann Kcsor, Kosel, Kosice, Kosovo, Kositz, Košiče usw. Sie alle kennzeichnen einen schutzfähig hergerichteten Platz und läßt sich diese Behauptung auch sprachgebräuchlich festlegen, denn die «Katze« ist bei den alten Festungsanlagen immer eine wichtige, meist vorgeschobene Bastei (oder ein T u r m) wie z. B. in Rotenburg a. T., in Soest, in Passau, in Würzburg u. a. — Das eigentliche Grundwort ist wahrscheinlich das slavische «kač« = steiler Abfall, steile Höhe, denn es gibt eine Menge von Begriffen dieses Stammes, die alle in verteidigungstechnischer Hinsicht mit jenem organisch Zusammenhängen, wie: kačaga (= Überfall, Wegelagerer), kazarma (= Kaserne), kaz-jonka, kazna (= Pulverkammer, Waffenplatz), kat (= Scharfrichter), kazak, meist als «kozak« ausgesprochen, als Bezeichnung für den Verteidiger, Krieger, auch freier Mann, stattliche Gestalt. — In der «Choden« — Tragödie spielt auch ein «Kozina« die Hauptrolle. — Die Begriffe «chod, kot, kat, kač, kaz« stehen im sprachlichen Zusammenhänge mit dem nachfolgenden «kost«. Kost, Kostel, Kostelec, Kostelka, Kostelany, Kosten, Kosten, Kastav, Host, Hosti, Hoštice, Hostyn (d. Hochstein), Hostivar, Hostyn, Gastein, Gösting u. v. a. weisen auf gut verteidigungsfähige Punkte, die anscheinend auch zumeist als Friedhöfe dienten. — An manchen Stellen dürfte «kostet« eine Art vorgeschobener Befestigung gewesen sein, um dem Gegner schon vor der Erreichung des eigentlichen Angriffspunktes Verluste beizubringen, ihn zur Zersplitterung zu nötigen oder Zeit zu gewinnen, damit die Zentrale Muße habe ihre Verteidigungsvorsorgen zu vervollständigen, sich zu verproviantieren usw. — Bei den Katarakten von Brekovica (Bosnien) durchbricht die Una gewaltsam das vorgelagerte Felsmassiv; dicht daran ist die Kuppe Kostel (kroat. Kosteo), welche einst als Ergänzungsglied der anschließenden Grenzveste Brekovica bildete. — Kostel bei Lundenburg scheint als Abwehr gegen den feindlichen Uferwechsel der Thaya gedient zu haben; daneben ist die Höhe: Podi vi n. — Ein häufiger Name ist auch «Kostajnica«. Auf einer Insel der Una befindet sich ein Kastell zur Beobachtung der beiden Flußufer, daher : Bosnisch- und K r o a t i s c h-Kostajnica. Daß Kostajnica einen fortifikatorischen Sicherungspunkt bezeichnet, ersieht man auch daraus, daß in einem Falle (Krain) der Name in «Landstraß« ins Deutsche übertragen wurde, also als: Wache an der Grenz e.*) «Kostelje« bedeutet im Slavischen: die Knochenstelle, d. i. den Friedhof, welcher überall verteidigungsfähig hergerichtet war; die Cechen verstehen heute unter «kostel« : Kirche. —j Daß «kost, kostel« erst vom lateinischen «castellum« herrühre, ist deshalb unmöglich, weil ganz Europa diesen Namen unter ausschließlich slavi-scher Namensumgebung kennt, hingegen niemand weiß, daß der Name tatsächlich Höhenbefestigungen beigelegt ist. weil die Urform «kost, kostel, kostelje« ihre einstige Bedeutung einge-biißt hat. Es ist geradezu sicher, daß die Römer hievon ihr «castellum« bildeten, denn in Mitteleuropa war früher lateinisch die Amtssprache; war aber «castellum« ein ursprüglich lateinisches Wort, so hätte es ja nicht seine Kontinuität eingebüßt, denn Konstanz, ein doch geschichtlich vielgenannter Ort, ist bis zum 15. Jahrhunderte immer nur als «Kostencz, Costnitz« verzeichnet und niemals als «Castellum«. — Auch hätten die später gekommenen Slaven, wenn sie den Begriff «Castellum« irgendwo übernommen hätten, denselben nur sporadisch gebraucht, so ist er aber überall und inmitten von sonst reinslavischen Verteidigungsbegriffen anzutreffen, als: Kost (Böhmen), H o s t y n (Mähren), Konstanz (Baden), Costa (Tirol), Castagna (Istrien), K a s t a n i c a (Griechenland), K o s t r e i-n i t z (Steiermark), Kosten (Posen), Q u a s t a 1 a (Italien), C a- *) Loka (= Grenze) wurde oft zu: lonk, lank, lang — und hier zu «land« — der Straße wegen, wie man «straža« eben phonetisch niederschrieb, um ein gangbares deutsches Wort zu erhalten. s t i 1 i e n (Spanien), Kastenholz (Siebenbürgen, früher Kostolatz), Uhošti (Burgberg bei Kadan, also beim xRostx); Kostolany vrh (Slovakei); Castallische Quelle (Griechenland); ober der letzteren befindet sich ein Felsberg mit einer Kapelle;*) der durchaus der Mythologie zugeschriebene und bekannte Aussichtspunkt xRadhostx (in Mähren) gehört auch dieser Etymologie an; dort stand kein Tempel des slavischen' Gottes xRadegostx sondern ein XWachobjekt« auf dem xratx, von wo eine weitreichende Beobachtung sowie eine erhöhte Möglichkeit war dem Gegner das Vordringen zu verwehren, falls er der Tallinie ausweichen sollte; es würde in dieser auffällig ausgeprägten, geschlossenen Verteidigungszone sonst der unbesetzte Flöhenrücken eine Lücke gebildet haben, welche alle sonstigen Maßregeln illusorisch gemacht hätte. — Ähnliche Verhältnisse sind bei Hostéradice (Mähren) und R adii o s t o v i ce (Böhmen). *)■ Die Lösung der Wasserfrage ist stets ein Wertmesser für die absolute Widerstandskraft einer Fortifikation. — Da nun die einstigen Burgen und Tabor’s zumeist auf Bergkuppen, ja sehr oft auf hohen Felskegeln standen, mußte für eine sichere Wasserversorgung gleichfalls vorbedacht werden. — Die hohe Veste Wurmberg (Steiermark) besaß z. B. nebst einer großen Zisterne im Haupthofe noch innerhalb der Umfassungsmauern einen 72 m tiefen, in Felsen gehauenen Brunnen; die Burg Rosenau (Siebenbürgen) hatte sogar einen solchen von 152 m, der daher durch den ganzen Jurafelskegel ausgestemmt war. — Mit der Unterbrechung der Wasserversorgung konnte der Belagerer hier also nicht rechnen und zeigen diese technisch äußerst schwierigen Bohrungen nur allzudeutlich, wie ernst man die Sache der Verteidigung genommen. — Hingegen war z. B. die sonst sehr starke Burg Smolenik (Slovakei) in der Sommerzeit bald überwunden, weil der Fels nicht bis zur eigentlichen wasserführenden Schichte durchbohrt war, der Wassermangel daher selbst den grimmigsten Feind der Besatzung bildete. Befand sich jedoch eine nahe Quelle oder ein Wasserlauf außerhalb der Verteidigungszone, so wurde ein unterirdischer Gang hiezu hergestellt und an der Schöpfstelle ein starkes Verteidigungsobjekt (z. B. bei der Burg Hissar in Serbien der Wasserturm) erbaut, oder wurde aber die Quelle, wie beim Tabor Maria Neustift, von außen vermauert und maskiert. In Deutschland, wie auch anderswo, fand man auch bei den Wällen, Schanzen u. drgl. Spuren von Brunnen. — Große moderne Städte, die stundenweit ihren Wasserbedarf herleiten lassen z. B. Wien, sind daher gegen feindliche Bedrohungen schon aus diesem Grunde sehr empfindlich, wenn nicht zugleich für den Tiefquellwasserbezug im engeren Weichbilde vorgesorgt ist; desgleichen wird schon der Wasserfrage wegen niemand große Festungen in wasserarmen Gebieten (z. B. Karst) anlegen. Desselben Ursprungs wie >< ist auch xcastrumx (= Heerlager), welches doch zumeist befestigt und stets gesichert war. — Als Hoheitsname ist Gastrin, Casti raot bekannt; so benannte man nämlich die griechischen Kommandanten jüdischer Städte in vorchristlicher Zeit; ansonst hieß der Gemeindeälteste «Košta«, wie man im Siidslavischen den Namen Constans, Constantin u. ä. gebraucht. Überdies nannte man die Kommandanten solcher Zufluchtsorte auch: xgosx, woraus dann xgost, gospod, ho-spodaf, gosudar, kostelnik, Castellan, custos, hospes» — wurde. Im Böhmischen wurde sprachanalog «gos» zu xHusx, woraus hervorgeht, daß z. B. xHussitx nicht speziell den Anfänger des Reformatoren Johannes Hus bezeichnete, sondern dies war längst vorher der Name jener, denen der Schutz irgendeines Verteidigungspunktes oblag, daher xhusit, husar,*) huissierx den Krieger, den Wache haltenden, den Hütte r im allgemeinen andeutet. Nachdem aber die Gans (gos, hus) auch zur Ergänzung des Wachdienstes herangezogen wurde, fungiert dieser Vogel zugleich als Attribut der Wachsamkeit (z. B, bei allen Darstellungen des Radegast). — Das >< (= Wehr, Damm). — Der Pole nennt heute den Adeligen «jasni pan«, also: Schutzherr (nicht aber blonder oder heiterer Herr!). Sol, Sohl, Soline, Solonka, Solta, Soltystvo, Solcano, Solce, Solan, Söll, Sölk, Solling, Zoll, Zola, Zolldorf, Zollfeld, Zollern, Zöllnern, Zolkiew, Zofnówka, Zöllnel u. ä. sind verteidigungsfähig vorbereitete, an der Grenze gelegene Punkte, deren Wachmannschaft mit dem heutigen Begriffe «Soldatu und «Zöllner« identifiziert erscheint. Der sprachliche Stamm ist in allen diesen Namen das slavische «zol, zolx, dessen Existenz sich bei den Polen und namentlich Slo-venen bis heute in verwandter Bedeutung erhalten hat, denn erste-rem ist «žolnierz« = Soldat, letzterem «žold« = Krieg, «žol-ner, Žolnir« = Soldat, «zoliti« = lärmen, Alarm schlagen. Eine anklingende Deutung hat auch das lateinische «solide« (= sicher), «solido« (= befestigen), «soldus, solidus« (= fest, reell, gediegen), daher die von den Römern her bekannte Münze «solidus« nichts weiter ist, als der heutige «Zoll«, den man an der Grenze entrichten muß oder «Sold«, d. i. der Beitrag zu den Grenzbewachungskosten. Der Hoheitsname hat sich in «Sultan« •(= höchster Befehlshaber) und «Zoltan« (magyarischer Vorname) erhalten. Veles, Velež, Velehrad, Velja, Vellach, Bjelina, Beljak (Villach), Bilovice, Beli potok, Belgrad, Beiovar, Bélotin, Bèla, Bilek, Bilsko, Biala, Bilin, Vili, Villa, Vilovo, Vilice, Viletta, Vilenjak, Vils, Filz, Filzmoos u. ä. deuten auf verteidigungsfähig hergerichtete Punkte, die man ihrer Festigkeit wegen «vel« (= Superlativ von einer Eigenschaft) nannte; der Kommandant, der das Recht hatte zu befehlen, d. i. «veleti«, hieß dann: Vele, Velar, Belar, Vilar, Vilem (Wilhelm), Veles, Velpan u. ä. — In der türkischen Verwaltung ist «Vilajet« gleichbedeutend mit Provinz. Die Frau oder die Töchter eines solchen Befehlshabers nannte man dann «vila«, worunter die slavische Mythologie die Berg-, Wald- und Wassernymphen, d. h. hervorragend schöne Mädchengestalten versteht, wobei in der Wirklichkeit mitunter mehr der Respekt als die Schönheitsgründe, analog wie heute, maßgebend waren. Die Wohnung, das Haus des Höchsten nannte man aus gleichem Grunde «villa», also: besseres und isoliertes Gebäude, wovon sich der Name auch noch im Begriffe Weiler erhalten hat. Die germanische Sybille xVeledax, die angeblich vom hohen Turme aus prophezeite, war in der Wirklichkeit augenscheinlich ein Man n von Rang, der auf einem hochgelegenen Punkte wohnte und von dort aus die ihm Unterstellten sicherte und leitete. Ves. Darunter versteht der Slovene heute das Dorf im allgemeinen (auch in der falschen Form xvasx gebräuchlich), d. i. die Gemeinde, welche einst auf eine eigene Sicherung gegen feindliche Einfälle bedacht war. Der Älteste einer solchen Gemeinde war der xBesx (die Form xVesx hat sich, wenigstens in den Schriften, nicht erhalten); seine Frau war die xVesnäx, welche die Dichter später zur Frühlingsgöttin avancieren ließen ; die Bewohner eines größeren Gebietsteiles, welcher sich mit xvesx sicherte, hießen dann xBessix; xPesoglavx ist daher nicht ein xHundskopfx, sondern das Haupt, der Älteste mehrerer xVesx = Gemeinden. Ob die xPe-soglavcix je einen Hundskopf im Banner führten, ist kaum zu beweisen, und ist dies gesichert, so geschah es eben auf Basis der falschen Etymologie, wie sich der Volksmund unverständliche Begriffe selbst ohne tiefere Begründung zurechtlegt. Die Umwertung des Begriffes xbesx in Teufel, der xBösex (!) geschah auf demselben Wege, wie dies bei xcert, cartx dargelegt wurde: bei den eigenen Leuten war der xBesx der Führer, der Beschützer, beim Gegner der Feind, der Böse; nachdem den ersteren der fremde xBesx auch ein Feind war, nahm mit der Zeit der Begriff allgemein die Personifikation des feindlich gesinnten Prinzipes, also des widerwärtigen Nachbars an, von dem nur Nachteiliges, Böses zu erwarten sei. Der Begriff xvesx ist im Slavischen von der Bedeutung xDorfx ganz absorbiert worden; hingegen hat die magyarische Sprache, welche überaus reich an slavischen Wörtern ist, noch die Form xveszx für Not, xveszelyx für Gefahr rein erhalten; allerdings besitzen die Slaven dieses Grundwort auch im verwandten Gebrauche, aber eben in der äußerlich veränderten Form xbesx. Im xReltischenx hat xvasx noch die Bedeutung: Turm. Die zahlreichen Orte des Namens: Ves, Vesca, Vesce, Veselä, Veseli, Veselka, Veste (deutsch xFestex), Včštin, Včžnice, Vézky, Vezenice, Vas, Vasja ves, Vassach, Vsetin, Wassie, Wasendorf, Wasseno, Wasser, Wasserau, Wasgora, Wassersuppen (Tautologie von «vas» und «župa«), Wassertlieuer («vas» und «tur«), Wasylów, Waszkoutz, Wes, Wesce, Wesselä, Wessely, Wesetz, Weska, Wcs-kau, Wesselitz, Wessnitz (cedi. Form von «ves« ist auch «vesTce«), Westetz, Westendorf, Fessnach u. v. a. lassen ihre Etymologie aus diesen Beispielen leicht erkennen. Ansonsten gehören hieher nebst den «Beskiden«, d. i. das Grenzgebirge gegen Ungarn, auf dem die Übergänge durch «ves« gesichert waren, noch: Bessarabien, die römische Provinz »Bessica« (im nordöstlichen Thrakien), Besermjanen (tatarisches Volk in Rußland), Fes (arab. Fas, Provinz in Afrika), Wessen (Tschuden in Rußland), Wessex (angelsächsisches Reich), Rap Wessel (Südaustralien) u. a. — Als Hoheitsname haben sich «Vezir« (türk. Würdenträger), Vesta (die Göttin des Hauses), Vestalinnen (die das Feuer am Mons Palatinus bewachten, Feuerbereitschaft hielten), Bessos (pers. Satrapenname, der auch als Gattungsbegriff galt), «vescovi« (der Bischof, jetzt der kirchliche Leiter eines Bistums) erhalten. Daß es sich hier um eine Verteidigungsvorsorge handelt, ersieht man aus den ins Deutsche übergegangenen Begriffen: Fest, Feste (Veste), Festung, namentlich aber aus dem Böhmischen «veža« (= Turm). Tribus, Tribun. Es gibt eine ungewöhnlich hohe Zahl von Lokalitäten, deren Namenswurzel aus «tri, tre, trib, treb, trez« u. ä. besteht, die alle auf einen Verteidigungspunkt oder vorbereiteten Kampfplatz anspielen, wobei jedoch der eigentliche und grundlegende Begriff in seiner Urform nicht mehr klar erkennbar ist. — Alle alten Formen, wie das altslavische «trizna« (— Kampf, Gefecht), «triznište« (= Kampfplatz), das slovenische «drezati» (—■ lauern, aufpassen), «dregati« (= stoßen, anspornen), «trib-ljati« (hin- und herstoßen), das lateinische «Tribun« (= Befehlshaber, Ältester eines Tribus), welches im Slavischen wieder als «Trifun» gebräuchlich ist, dann das deutsche »Treffen« (= Gefecht), »treten« (= unterdrücken), «trischaken« (= prügeln, nieder-kämpfen), «tribulieren» (— quälen, bedrängen) u. a. zeigen alle eine interlinguale Verwandtschaft sowohl in Bezug auf Form wie Bedeutung. — Die Berechtigung, dieses Grundwort als s 1 a v i s c h der Genesis nach hinzustellen, geben aber eben wieder die Ortsna- men, denn zahlreiche solche Punkte befinden sich inmitten von sonst untrüglich slavischen Lokalnamen, können daher nicht fremden Ursprungs sein, abgesehen von dem Umstande, daß vielen davon noch historische Beweise der slavischen Provenienz anhängen. Ob nun die Punkte: Trebinje (röm. Terbunia, Travunia), Trenčin (alt. Tricin), Trient (Trento), Trifels, Trbovlje (Trifail), Tring, Trikkala, Trivia, Triptis (alte Sorbenburg), Triplis, Timovo, Trnovo, Tersat, Trst (Triest), Tresternitz u. ä. oder: Drežno, Drežnica, Drenovik, Dren-sko rebro, Dervent. Derbent, Drbalov, Drbalovice u. ä. lauten, fast überall zeigen d;e Bodenplastik oder wenigstens die Überlieferung wie auch die Erdfunde daselbst, daß sich hier irgendein wichtiges Kampfobjekt befunden hat, denn davon rühren ja noch die Begriffe «trdnjava« (slav. Festung) her, sowie das lat. «Tribunal« (= der erhöhte Richterplatz), daher man im Deutschen auch noch immer sagt, daß ein Verbrecher «auf die Festung« kommt, wenn dies ansonst auch nur ein einfaches Qefangenhaus ist. Die Flüsse: Drin, Drina, Drinovača, Trent, Drava (Drau), Dravnja (Drann, Dränn, Tränn), Trefen, Traisen u. a. haben daher diesen Namen, weil sie längst einer Linie mit solchen festen Punkten flössen und diesemioch natürlich verstärkten, also eine Grenze bildeten. Die Abgabe, die man beim Passieren entrichten mußte, nannte man demnach «Tribut«. Daß der Begriff «trebiti« — roden, abstocken zugleich bedeutet, zeigt nur auf den natürlichen Zusammenhang des auserwählten Kampfplatzes mit dem Vorgefundenen Urterrain, welches zu diesem Behufe erst hergerichtet und wenn bewaldet, vorerst abgeholzt werden mußte.*) Bruck, Prugg. Namen dieser Form befinden sich zumeist in Gegenden, wo heute eine Brücke vorhanden ist; es kommen aber auch Zusammensetzungen, wie Moderbruck, Hohenbruck, Brückenberg vor, wo es sich vorerst um keine Brücke handelt. Es drehte sich hier im Anfänge nur um eine Verteidigungsvorsorge bei einem günstigen Grenz- oder Uferwechselpunkte oder einem sonstigen Zugänge, denn die Bewohner mußten stets darauf bedacht sein, daß *)" Bacmeister glaubt (Alemannische Wanderungen, Stuttgart 1867, p. 87), daß »treljir» attiriseli sei, und klug bedeute. Dieses soll auch die Etymologie der Tr evi ri (Urbs Treviorum) sein! Er setzt deshalb zu, daß manche gallische Volksnamen, echt gallisch, etwas prahlerische Prädikate in sich schließen. — Recht hat jedoch keiner! ihre Brücken, Furten, Viadukte auch der Gegner benützen wird, man mußte daher auch in dieser Hinsicht vorbereitet sein. Alle P r u k, Prucha, Bruck u. ä. sind daher im allgemeinen als Brückenköpfe ältesten Systems anzusehen, und ging daraus erst der Begriff «Brücken für das Objekt selbst, welches gesichert wurde, hervor. Normal waren das am oder nächst dem Ufer aufgeworfene Dämme, denn im Russischen ist «prudka« = Damm, pružit, pru-dit = aufdämmen, a n s c h w e 11 e n, pruženie = das Dämmen, brukat, bruhat = werfen, aufwerfen. — War ein solcher Terrainpunkt von größerer strategischer Bedeutung, weil er sozusagen für den Gegner ein Einfallstor bildete, so war auch die Sicherung eine verstärkte, daher sich an solchen Stellen meist auch feste Burgen, Schlösser oder Ruinen vorfinden, wie z. B.: Bruck a, L., Bruck a. JVL, Rlosterbruck, Waidbruck, Bruckhausen u. a. — Im Deutschen findet sich oft die Form «Brühl« für «bruhla« vor; z. B. die V o r d e r- und Hinte r-B r ü h 1 waren wohl einst nur ergänzende Fortifikationen der Veste Mödling (bei Wien). Most, Mosty. — Analog wie «Bruck« ursprünglich nicht die Brücke selbst bezeichnete, bedeutete einst auch «most« nur einen Übergang im Terrain, der verteidigungsfähig hergerichtet war., Daß dies zumeist eine Brücke oder ein Viadukt war, ist wohl naheliegend; aber ebenso gibt es z. B. bei Teschen wie am nahen Jablun-kau-Passe je ein M o s t y, wo sich kein Bedürfnis nach einer Brücke je einstellen konnte, da beide Orte auf der Höhe liegen. Mosty bei Jablunkau weist npch heute zahlreiche Schanzen auf, denn es sperrte den Grenzübergang gegen Ungarn ab. In etymologischer Hinsicht erscheint der Begriff schon sehr verschwommen; der Stamm ist aber jedenfalls «moz« = das Mark, die Stärke, im Böhmischen «moc«; der Verteidiger eines solchen «most« var der «mož« = der kräftige Mann, der Starke, «rnozik, mužik« (= der starke Bauersmann. Die «Moschen« ' dienten nach Herodot im Heere des Xerxes und stammten aus der Umgebung des Schwarzen Meeres. Augenscheinlich benannte man einst «most« jenen Übergangspunkt, der für den Kampf technisch vorbereitet, also verstärkt war. Namen dieser Genesis sind daher vor ailem die vielen: Moos, Moosbach, Moosburg, Mooskirchen, Moosleithen, Mozole, Mozirje, Mosténice, Mossa, Mossi, Mosel, Mosel, Moszczenica, Moskva, Moskau, Moser, Mosern u. a. — Hieher ist auch der Name «Mostar« einzureihen. — Der Name der herzegowinischen Hauptstadt wird zumeist als «most star« (= alte Brücke) ausgelegt, was jedoch ein Nonsens ist, denn bis zum Jahre 1884 bestand nur diese einzige Brücke, und es wird doch niemand eine einzelne Brücke vom Neubaue an als «alte Brücke« bezeichnet haben. — Mostar liegt zwischen dem Podvelež und Hum eingeengt und muß diesen Engpaß jedermann, der vom Meere ins Land oder umgekehrt gelangen will, passieren, denn es gibt weder für den Kaufmann mit den Tragtieren, noch für den Eroberer einen anderen gebahnten Weg. An diesem Defilé zum Meere entstand auch natürlichermaßen eine Ansiedlung und wurden die Bewohner bei der vom Meere bis Konjica einzigen Brücke über die Narenta als «Mostarji« (= Ansiedler an der Brücke) benannt, woselbst sich aber behufs Verwehrung des Uferwechsels Verteidigungsobjekte befanden, denn die beiden heute noch vorhandenen Brückenverteidigungstürme sind eben nichts weiter als ein Brückenkopf alten Systems. Ženjak, Dženjak, Senarka, Senjak, Senica, Sienica u. ä. bezeichnen alle einen technisch mehr oder weniger vorbereiteten Kampfplatz, und hat im Kroatischen «dženjak« noch heute diese Bedeutung. Die deutsche Namensform lautet heute äußerlich meist als : S c h ö n n i a k, S c h ö n n e g g, S c h ö n s e e. — Es ist auffallend, daß i. J. 1878 bei der Okkupation von Bosnien und der Herzegowina sofort alle Ortschaften namens : Zenica, Senica, Sjenica militärisch besetzt wurden, da sie jedenfalls durch ihre Lage einen erhöhten taktischen Wert aufwiesen. — Auf dem «Ženjak« (Hügel in Untersteiermark) wurden im Jahre 1811 die berühmten 26 N e g a u e r Bronzehelme ausgegraben, von denen zwei «etruskische« Inschriften tragen. — Die Etymologie zeigt nun, daß hier auf dem 317 m hohen Berge einst eine Verteidigungsstellung war, und daß es hier Kämpfe gab, ersieht man eben daraus, weil die Gefallenen samt ihrer Rüstung am Kampfplatze bestattet wurden. Eine weitere Bestätigung, daß es sich hier um verteidigungstechnische Vorsorgen handelt, ersieht man auch daraus, daß man vor dem 17. Jahrhunderte diese Gegend noch in den Urbarien als «an der Voyt>< verzeichnet findet und verstehen die Slovenen unter xvojdx den Dorfältesten, den Führer des xvojx, d. i, des Kampfes, der Verteidigung, woraus das deutsche xVogtx hervorging. xAn der voytx bedeutet sonach den Kampfplatz, a u f oder a n dem auch der Leiter der Verteidigung, der Gemeindeälteste, wohnte. Der Hoheitsname war ><žen, ženin, Ženihx, welches noch seine Spuren in xgens, Gendarme, Geniex zurückgelassen hat und im Deutschen heute den häufigen Famieliennamen xSchönx bildet, denn xzenemx heißt im Slovenischen auch heute: führen. — Aus >< keine naturgemäße sprachliche Deutung; hingegen gebraucht der Russe «salma« für: schmale Meerenge, Bucht; «salmaš« ist ihm der Hirtenälteste, also der primitive Hoheitsname, wie er sich weiter in den Personennamen: Salm, Salomon, Solman (Soliman), Salmanassar u ä. erhalten hat. und Bedeutung verwandt mit «rat« (= Kampf) ist das deutsche « Radau« (= Streit). Der Erbauer der Habsburg, Graf Ratbod, («Bischof Werner gab das Geld, Graf Ratbod hat sie hingestellt«) war sonach etymologisch einst lediglich der Funktionsname des Verteidigungskommandanten, des Kampfleiters («rat« und «vod«) daselbst, und heißt der Hauptturm jener Burg auch der «Rattod-Turm«, d. h. dort hielt sich der jeweilige Kommandant auf. Spas. Kommt am Balkan wie in Galizien oftmals vor und deutet einen Sicherungspunkt an, denn «spas«, «spasiti« heißt im Siidslavischen: Rettung, retten, sich in Gewahrsam bringen. — Eine solche Höhe befindet sich z. B. nordwestlich Bosnisch- Kostajnica, einer Gegend, die überaus zahlreiche Sicherungspunkte, namentlich mehrere Karaula’s aufweist. — Boj, Voj. Unter dieser Bezeichnung versteht der Slave Zug, Korps, Heer; «vojna, vojska« = Krieg, Militär"; «vojak, vojin« = Soldat, Kämpfer; «bojišče, bojište« = Kampfplatz, Verteidigungsplatz; «vodej, vodnik, voditi« = Führer, führen; «vojvod« = der Führer größerer Abteilungen, und führte dieses zum Begriffe «veliki vojvod« (= Großwoiwode), wenn er Oberfeldherr war, d. h. mehrere Verteidigungsbezirke unter seinem Kommando vereinigte, daher auch die Titulatur «Großwoiwodschaft« einigen Provinzen (z. B. Serbien. Siebenbürgen) zukam. Jene Punkte, welche als Kampfplätze in voraus in Aussicht genommen waren, führten auch diese charakterisierende Namen, wie : Bojan, B o j a n o v i c e, B o j a n o w i t z, B o j a n o w o, Boitzenburg, Bojište, Boj ary, Bojenice, Bojówka, Vojkov, Vojno, V o j s k o V o j n i k, V o j s 1 a v i c e, W o j tese h i t z, W o j t i t z u. ä. — Derselben Entstehung sind nun auch die alten Namen: Boji, Boj uva ri (bei welchem schon «boj« und «var« zusammengeschmolzen erscheint), womit auch die Etymologie dieses Volksnamens näher beleuchtet erscheint. Überdies gehören hieher: «bojar« = der Kämpfer, der Adelige, der Führer im Kampfe, und «vojvod« in der Bedeutung : Heerführer, Herzog. — Daß es einst Herzog swahlen gab, bei w elchen noch ein Bauer gewählt wurde, wissen wir von Unrest. cincin kärntnischen Geschichtsschreiber, welcher erzählt, daß es in Kärnten um 820, d. i. nach dem Einfalle der xHe\vn>< (= Hunnen) keinen Herrn und keinen Herzog gab. Und nun wählte das Volk «und namen für ainen gemainen man von paurn geschlackt, den machten sy zum herrn und hertzoge im Land Quarantanox-, — Die Hauptfunktion desselben war sonach offenkundig die Leitung der Landesverteidigung, damit ein einheitlicher Vorgang gewährleistet sei, also durchaus kein pflichtenloser Ehrentitel! Bod. Vod. — Alle Ortsnamen der Form: Bode, Bodenbach, Bodensee, Bodisch, Böding (vodnik), Voda, Woditz, Vodérad, Wod-na, Vodiče, Wödling u. ä. zeigen, daß an dieser Stelle die Ortsverteidigung einem Führer oblag, der als «vod, vodnik, vodejx benannt wurde. — Während dies bis heute im Slavischen dieselbe Bedeutung beibehielt, bildete sich im Deutschen daraus der Name für die höchste xurgermanischex Gottheit, den xWodk, Wode, Woden, Wodan, Wuotan, Othinx. — Daß dieser Name aus dem Slavischen hervorgegangen ist, ersieht man nicht nur daraus, daß die alten slavischen Pommern, Slovinzen u. a. auch eine Gottheit dieses Namens hatten, sondern ist der Umstand besonders bemerkenswert, daß die alten Bücher ja die Funktion des Wodan als Führer, Befehls haber noch ausdrücklich anführen. Masch (xDie gottesdienstlichen Altertümer der Obotritten«. Berlin 1771) sagt p. 64: xDer Name xWodax ist ein altes scythisches Wort, und heißt so viel als ein Anführer, sonderlich im Kriege oder bei einer Versammlung einer Menge Volkes. Dieser Name, der eigentlich ein Amtsname ist, ist so allgemein geworden, daß wie sich dieser Anführer den Namen Othin gegeben, der Name Wo da in Meklen-burg geblieben, und ihm nach seiner Vergötterung beigelegt worden X. — Diese Ans’icht ist noch natürlich, und entspricht auch sachlich der etymologischen Entwicklung. — Im Deutschen schrieb man diesen Begriff im 18. .Jahrhunderte oft als xWaidux oder xWaidawutx, kannte aber noch die richtige Etymologie, denn Hartknoch (um 1750) fügt hinzu : dieser Götze war ein Gott des Krieges, welcher durch seine kluge Führung den Sieg verschaff tx. Dieser Hoheitsname scheint übrigens sehr verbreitet gewesen zu sein, denn z. B. die Chlapanezi auf Yukatan nennen ihren Stammvater auch xWodanx. Nem, Nim. — Diesen beiden Begriffen liegt die Kennzeichnung von Verteidigungspunkten zur Grundlage, doch ist das Wurzelwort «nem« nur mehr im «Keltischen>< als: eingefriedeter Platz nachweisbar; die >< nannten überdies jene Gebäude, die mit eichenen Palisaden umgeben waren: nemet; desgleichen hat das lateinische «nemusx die Bedeutung von: Hain, Einfriedung. — Hingegen deuten topische Namen zahlreich darauf hin, daß einen solchen Namen nur jene Lokalitäten führten, die auch einen verteid'gungs-fähig hergerichteten Punkt besaßen. So war Nemi (im Albanergebirge nächst Rom) ein altes Kastell auf einem Felsvorsprunge; N e-mau sus (jetzt Nimes) war der befestigte Hauptort der keltischen xVolcaex; Nimburg hat alte Wälle und Festungstore; Nim-w egen war eine alte Festung der Bataver; Nemours (lat. N e-m u s) ist ein altes Schloß in Frankreich; so lautet auch eine algerische Stadt, die lange den Korsaren als Zufluchtsort diente. Die meisten Orte Ungarns, welche xNemetx lauten oder deren Namen dieses Attribut führt, besitzen meist noch heute Kastelle. Ansonsten finden sich folgende Ortsnamen sehr häufig: Nemiž, Nemaniče, Nem-čice, Nemetitz, Nemschen, Nemojan, Nemška Vas, Niemcy, Niem-tschau, Niemica, Niemen u. ä. -— Als ethnographischer Name ist xNemeti« bekannt für einen gallischen Volksstamm; überdies bezeichnen die Slaven wie Magyaren den Deutschen als: Nemec, Nć-met. — Unter xnem, nemec, nemčik u. ä. verstand der Slave einst den Feind, den Gegner ohne Rücksicht auf die Nation oder Sprache, und bezeugt dies nicht nur der alte italienische Begriff «nemici«, sondern auch das lateinische «inimicus« und das französische xennemi«, worunter man den Feind im allgemeinen zu verstehen hat, sondern es läßt sich derselbe Schluß auch aus einzelnen Stellen der Königinhofer Handschrift ziehen, wo es z. B. heißt: «Vezdy nani sùsiedé niemci« — d. h. immer sind uns die Nachbarn feindlich gesinnt, denn die Deutschen können damit nicht direkte gemeint sein, da die Čechen wie die Mährer doch zum mindesten längs der langen Ortsgrenze wie auch gegen Norden und Süden wieder Slaven zu Nachbarn hatten.*) Auch der Russe verstand früher unter xNjemec« lediglich den Fremden, *) Aus dem ganzen Zusammenhänge dieses Teiles der Handschrift geht klar hervor, daß «niemci« hier nur im allgemeinen Sinne als «Feinde« aufzufassen ist, denn wollte der Dichter speziell feindlich gesinnte Nachbarn den Ausländer, den Nichtrussen. Ebenso dürfte das lateinische xnemox (= kein Mensch) einst jenen beigelegt worden sein, die man als: keinervonunserer Artoder Sprache, kein Freund — kennzeichnen wollte; von gleichem Werte ist überdies auch das griechische xNemesisx, das jedoch schon den Homeriden nur mehr als Abstraktion derRachefürerlittene Unbill, als das feindliche Schicksal angesehen wurde. Als Hoheitsbegriffe kennen wir : Nimrod und Nemanja. Ersterer galt als ein uralter Machthaber, der sich besonders durch Bau befestigter Städte, wie: Ninive, Resen, Kalach hervortat, und werden überhaupt alle großen Ruinen Mesopotamiens als von ihm aufgeführte Bauten bezeichnet. xNimrodx, auch xNimrudx war sonach nur ein Gattungsbegriff für den H er r s c h e r, wie dies auch bei xNemanjax oder xNemanicx*) der Fall ist, denn so hießen die ältesten Fürsten Serbiens. — Taras. Im Südslavischen bezeichnet xtarasx einen Erdwall, ein Bollwerk, eine Bastei, und bildet eine solche daher eine T e r a s s e. Das russische xtarasax ist ein P f a h 1 w e r k. — Tara ist ein Grenzfluß; Taras, Taras p, Tarancon, Tarascon, 7' araz on a, Tarde s, Taranto u. ä. sind Städte, Kastelle, Aussichtstürme u. drgl. Kopanina. Ist ein sehr häufiger Name für Aufwürfe zu Verteidigungszwecken (kopati = graben, aufwerfen). In manchen Gegenden, z B. an der Strecke Teschen—Friedeck, hat fast jede Höhe einen schanzenartigen Aufwurf. Lombardei. Gegenden, welche durch Bewässerungsanlagen fruchtbar gemacht werden, nennt man auf dem Balkan xlumbardax; xlumbatix bedeutet sonach : Gräben ziehen, Schutzdämme machen. Diese technischen Arbeiten hatten aber einst vor allem einen militärischen Zweck, denn sie dienten zur Deckung im Kampfe sowie zur Erschwerung der Annäherung des Gegners, denn xlumbardatix heißt im Südslavischen zugleich :beschießen, aus einer Deckung schießen: xlumbardax ist : schweres Geschütz, also so1- hervorheben, so hätte er bezügliche Volksnamen angeführt. Überdies hätte sich Hanka als Fälscher wohl sicher verleiten lassen den Begriff »niemcix, der immer mit kleinem Anfangsbuchstaben dargestellt erscheint, groß zu schreiben, umsomehr als Hanka selbst xniemcix als «Deutschex übersetzte. *) «Nemanič» wurde in der deutschen Übersetzung zu »Habenichts» (z. B. Walter von Habenichts), was nach der heutigen Sprachauffassung wohl zutreffend, aber sprachhistorisch doch unrichtig ist. — ches in Festungen und Forts. — In Gebieten, welche über wenig Übersichtspunkte verfügen und wo das Steinmaterial zu Schutzbauten mangelt, wie eben z. B. in der Lombardei, behalf man sich bei der Verteidigung durch Anlage von Gräben, deren Material dann zu Schutzdeckungen verwertet wurde. Hausberg. Unter diesem Namen versteht man allgemein prähistorische, heidnischer Gottesverehrung gewidmete Stätten, welche zu diesem Zwecke ein Haus oder eine Burg gehabt haben sollen, und wurden bei Nachgrabungen tatsächlich vielfach Scherben von Freihandgefäßen, Bronzegegenstände und allerlei sonstige Kulturbelege gefunden. Im allgemeinen waren aber die >< nur vorbereitete Alarm- und Kampfplätze der einzelnen Ansiedlungen; die bezüglichen Höhen wurden zu diesem Zwecke entsprechend hergerichtet und namentlich mit Frdwällen und Gräben versehen, sowie oft steil abgeböscht. Der Name «Haus« hat aber hier mit einem Wohnbau weniger zu schaffen, sondern das Wurzelwort ist xkavsx (spr. xkausx), wie es noch der Slovene in der Bedeutung Rauferei, Kampf gebraucht, denn die Redensart: danes gremo na kavs (= wir gehen heute auf den Kampfplatz, d. h heute ist angesagte Rauferei) hat sich noch vollgültig erhalten. Der Kommandant einer solchen Zufluchtsstätte einer Gemeinde hieß nun: Kavc, Kautz, Kavčič, Kaučič, Kavas (türk. Schutzsoldat), Kavaler (Ritter, auch Erdwerk, kleine Bastion), Kafka u. ä. — Solche Punkte heißen oft auch >< und befinden sich mitunter bei ganz inferioren Ortschaften, wo es nie eine höhere Gerichtsbarkeit gegeben haben mag, die aber immer zugleich die günstigste Verteidigungslokalität bildeten, denn «Galgen« ist augenscheinlich nur eine Verstümmelung von «kavke, kauke«, wie der Slovene noch heute den Galgen nennt; hingegen ist es wahrscheinlich, daß man den Alarmplatz gelegentlich auch .zugleich als Richtstätte benützte. Die vielen Ortsnamen, wie : Haus, Hausbach, Hausleiten, Hautzenberg, Haut zendor h Hausm oos, K a u t-zen, Kauth, K a u k a, Kavče, Kavač, Kavčiče u a, sind dieses Ursprungs.- Hieher gehören auch der Gebirgsname Kaukaz (Kavkaz), sowie der alte Volksname «Ca uci>< des Tacitus, bezeichnet sonach Gegenden, in denen sich die Bewohner auf «kauke, kavke« bei feindlichen Bedrohungen verteidigten. * * * Die Summe aller hier erklärten Begriffe gibt nun das Schlußurteil, daß die Namen sämtlicher dieser Sicherungsvorsorgen und Verteidigungspunkte, also der Schlösser, Burgen, Türme, Wälle, Schanzen u. drgl., sowie der Kommandanten über diese, — des Adels im patriarchalischen Sinne —, etymologisch als s 1 a v i s c h — in moderner Auffassung — erscheinen, somit alle samt und sonders einer Zeit entstammen, die vor dem römischen und germanischen Einflüsse liegt, denn die Nomenklaturen dieser Richtung weisen gar keine fremdsprachige Störung auf, und haben die Deutschen, die doch so manche Benennung umwarfen, in dieser Hinsicht alles nahezu unverändert übernommen, weil sie die Bedeutung nicht mehr erfaßten, die Spuren oft nicht mehr vorfanden, oder richtiger, seinerzeit noch kein Bedürfnis zur Änderung empfanden. Es wird allenthalben auch unnatürlich erscheinen, wie so es möglich ist, daß es überall so zahlreiche Benennungen für die einstige Landesverteidigung in der Natur gibt, und trotzdem ist dies sehr naheliegend. Es ist hiemit der Beweis erbracht, daß einst schon jedes Dorf für sich sorgte, damit es nicht überfallen werde; daß aber jeder Marktflecken und namentlich jede Stadt noch im Mittelalter befestigt war, das wissen wir doch aus den Ortschroniken. Erst die Bildung größerer Länderkomplexe zu Staaten, sowie die Einführung stehender Heere machte die Sicherheitsvorsorgen im Inneren überflüssiger, — bis etwa auf das Zentrum des Staates, die Metropole —, dafür wurden aber an der Peripherie des Landes umso stärkere feste Plätze angelegt. — Allerdings dürfen wir nicht annehmen, daß in der prähistorischen Zeit der gesamte Siche rungsdienst in Permanenz war, sondern daß eben alle wichtigen Punkte bereits sprachlichmilitärisch vorbestimmt waren, die gegebenenfalls zu beobachten oder zu besetzen sind, welche Familie, welches Dorf diese oder jene Partie in Obhut erhält; ansonst wurde die Besetzung erst ad hoc durchgeführt, wenn einmal Alarmnachrichten kamen. Daß vorbereitete feste Punkte trotzdem oft überfallen, durch Verrat oder List genommen wurden, zeigt eben, daß in einem Falle dieser Dienst sehr gewissenhaft, in einem anderen aber auch äußerst nachlässig betrieben wurde. Wer einige militärische Kenntnisse besitzt, wird sich sagen müssen, daß dies ja auch heute nicht wesentlich anders ist. Wird ein Gebiet militärisch besetzt, so läßt man die Umgebung durch vorgeschobene Posten, durch Feldwachen, mobile oder stehende Patrouillen beobachten, um rechtzeitig über die Anmarschrichtung des Gegners unterrichtet zu sein und darnach die Dispositionen treffen zu können. Genau dasselbe zeigt aber auch hier die Topoomie an, und würde ein moderner Verteidiger daran kaum etwas Wesentliches ändern. — Überdies hat heute auch jede Garnison in der ständigen Stationswache eine Vorsorge mit gleicher Aufgabe, wie in prähistorischer Zeit, denn auch diese beobachtet und bewacht die Umgebung, alarmiert die Besatzung.und verteidigt den Posten, bis die Unterstützung kommt, sei dies nun ein offener Platz oder eine Festung ; es wacht daher kontinuierlich mindestens eine P e r so n. Auf diese Art werden auch manche Namen, wie sie z. B. Caesar und Tacitus anführen, verständlicher und wissen wir nun, was wir unter : Brannovici, Morini, Uimnones, Nemeti, Varin i, Fenni, Veneti, Triboci, Treviri, Bellovaci u. a. etymologisch zu verstehen haben. Überdies erzählen uns aber auch beide in mehr oder weniger ausführlicher Weise, wie ausgeprägt der technische Sinn für die Landesverteidigung bei den erwähnten Völkerschaften war, und beweist dies nur wieder, wie berechtigt es ist, die allgemeine Genesis der topischen Namen dieser Tendenz zuzuschreiben. Die Studien ergaben überdies das Resultat, daß diese auf Autopsie und Nachgrabungen begründete topographische Etymologie auch heute in militärischer (zum Teile auch touristischer) Hinsicht, namentlich in unbewohnten Gegenden, wie im Hochgebirge oder besonders im Karstgebiete, ganz willkommene Angaben bieten kann, vorausgesetzt, daß man eine Militärkarte besitzt. Liest man diese, so möchte man oft gerne wissen, wie es an einem erwünschten Punkte in Bezug auf Hilfsquellen und taktische Verhältnisse aussehen mag und gibt in vielen Fällen schon der Name jener Gegend eine reelle Andeutung. — So ist es dem Kommandanten eines Nachrichtendetachements im Karstgebiete sehr wissenswert, ob er an einem zu passierenden Punkte z. B. Futter für Pferde und Tragtiere finden werde, ob genügend Wasser vorhanden sei u. drgl. — Liest er in der Karte z. B. «Pašina livada», so sagt ihm der Name, daß es dort eine fette Weide gibt; überdies ist daselbst Baumwuchs; die Stelle muß konstantes Wasser haben, denn «livada« deutet auf eine bewässerte Weide. Weist die Karte eine «lokva« (= hervortretendes Orundwasser) auf, so kann man ausnahmslos überzeugt sein, daß man dort Wasser, wenn auch kein hygienisch zum Trinken geeignetes, finden wird. — Wer eine Hohe namens: Straža, Stražnica, Pandurica, Grmada, Pogledak, Oglej, Ogladnica, Ogrodzon, Grad, Gradina, Straßburg, Straßberg, Tabor, Vesely, Ključ, Brana und drgl. zu besetzen oder anzugreifen hat, kann in voraus überzeugt sein, daß dies ein Punkt ist, welcher nicht nur sehr gute Übersicht bietet, sondern der auch schwer einzunehmen ist, denn die Naturvölker suchten sich für ihre Sicherheit die günstigsten Beobachtungs- und Verteidigungspunkte aus, und wir können mit absolut er Bestimmtheit solche Punkte als die taktisch wichtigsten in einem gewissen Umkreise ansehe n, denn unsere älteste Geschichte ist einmal ausschließlich Kriegsgeschichte, daher folgerichtig unsere älteste Terrain-Nomenklatur nur solche kriegstechnischen Ursprungs sein kann. Kenntnise dieser Art können im Ernstfälle immerhin einen momentanen taktischen Vorteil bieten und ist z B. für die Balkanländer, wo die topographischen Begriffe noch sprachlich rein erhalten sind, hiezu nicht mehr als die Bedeutung von etwa hundert einschlägigen Begriffen wissenswert und einige Kenntnis des Karstcharakters; auf Basis der dargebotenen Etymologien kann aber dieser Vorteil nun fast auf ganz Europa ausgedehnt werden. — Man kann daher eine Karte, welche auch nichts weiter als die Orts-, Gegend- oder Riednamen enthält, namentlich in Bezug auf die militär-taktische Bewertung ziemlich sicher lesen, ohne das Terrain zu kennen; allerdings gehören sprachwissenschaftliche Vorkenntnisse dazu, die dermalen noch vollkommen fehlen.*) *) Meinen Kameraden von der Truppe kann ich eröffnen, daß mir diese Kenntnisse wiederholt, — allerdings mangels ernster Gelegenheit nur bei Friedensübungen —, sehr zu statten kamen, denn sie üben eine sehr verläßliche und reelle Suggestion auf die taktischen Maßnahmen aus und verleihen eine erhöhte Sicherheit beim Auftreten in einer völlig fremden Gegend. Ich hatte selbst wiederholt praktische Gelegenheit nach- Die Naturvölker haben sonach ihren für die Sicherung und Verteidigung gewählten Plätzen je nach Art der Verwertungseignung immer auch das sprachliche Stigma aufgedrückt. Die topo-nomische Sprache verheimlicht uns daher nichts und weshalb sollen wir nun nicht jenes, was den Einheimischen zweckdienlich ist, auch für uns verwerten, nachdem wir einmal hinter ihre offenen Geheimnisse gekommen sind!*) Als demonstratives und beweiskräftigstes Mittel für diese Behauptungen diene die am Schlüße eingefügte Karte eines Teiles des Waaggebietes in der Slovakei, welche zeigt, wie zahlreich die Namen für Beobachtu n g s- und Verteidigungspunkte sind und wie sich diese gerade an den natürlichen Grenzen häufen, denn da folgen die bereits etymologisch bekannten Namen, wie: Straž, Stražnica, Bor, Vidin, Tabor, Breznica, Vah, Tur u. ä. in konstanter, wenn auch unregelmäßiger Folge. Doch so ist es überall, nur lassen sich alle hier ersichtlichen topischen Namen in Bezug auf ihre Etymologie, wenn sie auch subjektiv,bereits geklärt scheinen, aus Gründen der noch nötigen Verbreiterung der Nachprüfung dermalen noch nicht in bestimmter Weise aussprechen. In diesem Sinne kann aber nun jeder Interessent auch weiteren, entlegeneren Beweisen nachgehen und namentlich jene Gebiete etymologisch überprüfen, deren Lage und Physiognomie er genau kennt. zuweisen, daß die Naturtaktik der rein papierenen immer weit voraus ist, und beweisen dies auch alle Kriege der Qroßstaaten gegen kleine Naturvölker, denn letztere unterliegen nie der gegnerischen Kriegskunst, sondern schlimmstenfalls nur der Übermacht. *) Als vor Jahren eine neue Festung angelegt wurde, erforderten die Kalkulationen, wo die Forts anzulegen seien, begreiflicherweise eine geraume Zeit, bis das Schlußwort gesprochen werden konnte; aber siehe da: alle für die Anlage von Werken endgültig bestimmten Höhepunkte führen bereits seit aitersher verteidigungstechnische Namen, deren Lage noch den heutigen Distanzen und den modernen Ansprüchen zusagt, was jedoch niemand beachtete und auch nicht beachtet hätte, wenn man die Bedeutung der topischen Namen auch erkannt hätte, weil man die Naturtaktik unserer Altvorderen stets für inferior anzusehen gewohnt ist. Erwähnenswert ist aber noch der Umstand, daß ein solcher durch den Namen prädestinierter Punkt ursprünglich unberücksichtigt blieb; doch später zeigte es sich, daß es vorteilhaft wäre auch diesen in den Festungsgürtel einzubeziehen, was auch nachträglich durchgeführt wurde. 14 So wird der Nachforschende in der nördlichsten Provinz Dänemarks viele gleiche Namen wie in der beigeschlossenen Karte finden und dabei erfahren, daß auch dort die namengebenden Bedingungen die gleichen sind. Das Gebiet heißt z. B. Vendsyssel (ven); dasselbe ist vom übrigen Festlande durch den Lim-Fjord getrennt; dort sind auch: Grenen (grau, das nördlichste Kap), Vors Aa und Borgum (bor), Vaar (var), Lökken (loka, Uferort), Mose, Mosbjerg (moz, breg), Brönderslev (bron, bran), Veslös (ves) u. a. m. Widmet man z. B. den topischen Namen der Insel Korfu, wie diese von Thukydides, Xenophon und Diodoros angegeben werden, einige Beachtung, so gelangt man abermals zu gleichem Resultate, wie folgende Beispiele bezeugen. xAkrajax (= okraj) mit einer Steinsäule, welche zugleich den Grenzstein des Hera-Heiligtums bildete; Garitsa, Gastu ri, Hrais, Kardak (= Čardak; Tempel mit Quelle), K y 11 e n e (Berg mit xkula’sx), Leukas (= loka, luka), Mese, Pylos, Pylides (Hafen und Berg), Venitsa, Vido u. s. w. — Ebenso finden sich an der Nordküste Afrikas, auf Cypern, im einstigen Phönizien wie auch in Kleinasien eine Menge topischer Namen vor, deren Etymologie uns bereits aus europäischen Analogien bekannt ist. Nun liegt die Vermutung nahe, daß durch unbeabsichtigte, daher ganz zufällige Laut- und Silbenkombinationen ja auch solche Begriffe Zustandekommen müssen; dies ist gewiß zutreffend, aber es handelt sich nun in der Hauptsache darum, vras denn solche xZu-fälligkeitsbegriffex gegenständlich bezeichnen; doch da stellt es sich heraus, daß sie auch hier gleichen Terrainobjekten beigelegt sind, wie in Europa. — H. A. Hamaker hat in seinen Werke xMiscellanea Phoeniciax (Leyden 1828) wohl alle Namen jener Gegend als phö-n i z i s c h erklärt, d. h. semitisch ausgelegt; aber die beigefügte Kennzeichnung der Lokalität hat sachlich ihre volle Berechtigung nach unserem Sinne; z. B.: Cima (xmons Zeugitanae, cornu, vertex montisx) ist ein Grenzberg; (vergi, xcir, cerna); Cote, Cotta, Cotte (xextremum Africae occidentalis promontoriumx) ist auch eine E c k e, G r e n z e ; als wichtiger Punkt — Kote — auch in der Kartographie bekannt (vergi, xchod, kotx); Babba (xporta, mons angustusx), also eine schmale, leicht absperrbare Stelle (vergi, xbabax); Maxala, Maxul a. Mase u la wrar eine befestigte numidische Stadt (vergi, xmahalax); der gleiche Name kommt aber in Untersteiermark als xMakolex (deutsch xMaxaux) in nahezu gleichen Formen vor und hatte dort im Vereine mit der Burg Stattenberg das Dranntal abzusperren; Burca war auch eine befestigte numidische Stadt (vergi, »bor, bur«); Misna, Missua (»urbs Zeugitanae, vicina promontorio Mercurii«) war eine Grenzstadt (vergi, »mis«); Phara (befestigte Stadt zwischen Uttica und Thap-sus) war sonach ein abgeschlossener Ort, Festung (vergleiche »var, fara«); Ru sadir («promontorium, oppidum et portus Mauretaniae«), Rusacus, Ruscinona, Rusconi a, Rusconi u m, R u s i c a d e, R u s i c i b a r u. a. ä, sind durchwegs Namen von Vorgebirgen in den eingangs erwähnten Gebieten (vergi, «ros, rus, rog, rož»); Ataburium (mons Tabor); Su ccabar (und Z u c h a b a) («municipium Mauretaniae«) war eine befestigte Stadt (vergi, «suh« und «var«); Zetha («promontorium regionis Syrticae«) also Grenzgebiet (vergi, «ceta« sowie «čir, sir« betreffend die S y r t e) u. v. a.*) — Desgleichen tragen die ältesten Burganlagen in Amerika Namen, die sich jenen in Europa etymologisch anschmiegen. Ebenso sind die Behauptungen der Etymologen, daß Ortsnamen, wie: »Gajovci, Markoviče, Vidin« u. ä. so lauten, weil sie einst Elauskommunionen — zadruga — waren, denen ein «Gaj, Marko, Vid« u. s. w. Vorstand, vollends hinfällig, denn es waren dies lediglich Orte, wo ein Zufluchtspunkt (gaj), Grenzpunkt (mar, mark), Übersichtspunkt (vid) diesn Ortsnamen suggerierte. Wer aber die Oberaufsicht darüber hatte, der erhielt darnach seine n ■Funktionsnamen, denn vorerst war die bezügliche Lokalität da und dann stellte sich erst das Bedürfnis ein, jemandem die nun sich ergebenden Pflichten zu überantworten. Der Funktionsname deckte sich aber in den seltensten Fällen mit dem Personen- oder Familiennamen, und ist es ja heute auch nicht Sitte, die Regierenden etwa mit den Familiennamen zu nennen, sondern es genügt doch vollkommen, wenn man sagt: unser Kaiser, euer König u. drgl. Diese irrige Ansicht über die Entstehung der Ortsnamen datiert namentlich seit der Schrift des Slavisten Mi- *) Der mecklenburgische Geschichtsschreiber Latomus, der sein Werk i. J. 1610 vollendete, erzählt traditionell, daß einstens auch in Afrika im ägyptischen Heere wendisch gesprochen wurde. 14* klosich: »Die Bildung der Ortsnamen aus Personennamen im Slavi-schemi her, denn gerade das Umgekehrte der darin ausgestellten Behauptungen ist das richtige, und ist der Irrtum leicht bewiesen, wie: xBrdjanix sind merkwürdigerweise immer dort, wo es ein xbrdox (= Berg) gibt, anzutreffen; der Berg bildete sich aber doch nicht erst, als die xBrdjanix dort festen Fuß faßten! — xStu-dencanix sind die Bewohner bei einem xstudenecx (Quelle, Brunnen); soll hier die Quelle erst später entstanden sein, als die xStudencanix schon da waren, — denn jede Ansiedlung setzt die Erledigung der Wasserfrage voraus: gewiß nicht, denn der Name sagt ja: die Bewohner bei der Quelle! — Ist eine xzupax einmal da, dann stellt sich von selbst auch das Bedürfnis ein, einen xzupanx zu wählen; so lange eine Gemeinde keine Kirche hat, erhält sie auch keinen Pfarrer u. s. w. Hingegen sind die einst gebräuchlichen Funktionsnamen und Hoheitsbegriffe später zu Vor- und Familiennamen geworden; es ist daher der Ursprung der letzteren, wie dies ja aus den vorausgegangenen Erklärungen ersichtlich ist, in seiner Mehrheit ein sehr vornehmer. Die fortschreitende Ausprägung und Vervollkommnung des. Landesverteidigungswesens zeitigte aber auch stufenweise Adelsdeterminationen, deren soziale Gradation stets mit der Größe und Wichtigkeit des Kommandobereiches einherging; war jedoch die Funktion nur eine fiktive, so traten noch weitere Titel und Prädikate hinzu. Im Prinzipe findet man daher bei jedem Volke, also auch beim primitivsten, eine Art Adel, nur treten die Rangabstufungen und Standessezessionen in den produktiveren Gegenden früher und prägnanter hervor, und haben mehr Beiwerk von Formalitäten, als in den ressourcenarmen, wo die patriarchalischen Sitten keine besonders fühlbare Differenzierung aufkommen lassen. * * * Es ist wohl kein Zweifel, daß das Erforschen und die graphische Darstellung des alten Verte:digungsnetzes in jeder Provinz sehr willkommene Resultate ergeben würde, da wir dadurch einen großen Schritt zur Erkenntnis der ältesten Landesgeschichte nach vorwärts tun könnten und auf diese Weise über so manches ein Licht käme, was jetzt noch als Sage oder Mythe im Umlaufe ist. Auch sind noch Behelfe genug vorhanden, denn es bieten hiezu die griechischen wie römischen Schriftsteller, das babylonische Tonprismenarchiv, die altindischen Epen, wie namentlich die Geschichte des Alten Testamentes, worunter besonders die Bücher der Könige, Pa-raiipomenon und das Buch Esdras, ganz hervorragende Beweise; ja letztere erzählen ziffermäßig von jedem israelitischen Könige, welcher um die Festigung seines Reiches einigermaßen besorgt war, wie viel Städte und offene Orte er von neuem befestigt habe, wie viel Türme und Wachhäuser er errichtete oder instandsetzte, wie viel Zisternen er baute u. ä. — Die Römer erbauten zum Schutze Rhätiens von Norden den idimes rhäticusx, einen langen Grenzwall, der noch jetzt in seinen Spuren besteht: so sagt heute die Geschichte. — Die Etymologie hingegen sowie die Volkserzählung berichtigen aber diese Aussage dahin, daß dies eine Mauer unbekannten Ursprungs sei und xTeufelsmauerx genannt wurde. Nun entstand aber dieser Name überall dort, wo sich eine Grenzmauer befand, und da xcertax — Grenze, xčertx ■— Teufel, Feind bedeutet, wurde diese s 1 a v i s c h e Form xcertov zid, čer-tov valx zur : T eu felsmauer statt zur : Grenzmauer, Laut der xNotitia Dignatorumx, einer Art römischen Staatskalenders um das Jahr 400 n. Chr. führte der xHcrzog von Rhätienx (dux Rhätiae) ein gemaltes Wappenschild mit 10 rhätischen Kastellen, was also beweist, daß die "SjVappeneinführung nicht erst im Mittelalter erfolgte. — Die Namen der vielen Wach- und Signaltürme,* *) dann der zahlreichen Kastelle und Standlager haben äußerlich wohl die lateinische Form aber die sprachliche Bedeutung ist im Lateinischen unbewertet; es muß daher die erste Anlage auch noch in die vorrömische Zeit rückdatiert werden, denn die ältesten Kastelle heißen z. B. — den späteren Inschriften nach — xPföringx und xKöschingx, also den Analogien entsprechend xBornikx und xKocnikx, deren sprachliche und sachliche Bewertung wir bereits kennen. Ähnlich war es beispielsweise auch in Mösien und Dacien. Der Donau-Limes zog sich von Taurunum, Tricornium, Margum, Vimi- r , *) Vegetius (De re milit. III. 5) erzählt, daß von diesen Türmen bei der Nacht durch Feuer, beim Tag durch Auf richten und Senken eines Brettes signalisiert wurde; es war dies sonach eine Art Festungssignaldienst, wie er zum Teile noch heute besteht. nacium, Dierna, Zerna, Drobetae u. s. w. also an Lokalitäten, deren lateinische Interpretation entweder erfolg- oder aber sinnlos ist, deren siavische Bedeutung aber fast durchwegs leicht erkennbar ist, da sie zugleich der Naturlage entspricht. — Einen ähnlichen ><-Fluß, welcher dem ganzen Laufe nach mit Wachtürmen, Schanzen, Kastellen und Standlagern besät war, von den Römern aber obendrauf als xMargus«, also wieder als Grenzfluß bezeichnet wurde. Wo immer man nun eine solche Forschungsarbeit einsetzt, überall findet man dieselben Prämissen und dieselben Resultate. Über die heutigen Burgen in Siebenbürgen schreibt z. B. Ackner:*) «Wir finden die deutschen Burgen durchaus, wo es nur sein konnte, auf den Gipfeln hoher Berge und hauptsächlich auf den Vorgebirgen und am Fuße der südlichen und östlichen Grenzalpen gegen die Moldau und Wallachei, dem eigentlichen Lande der Sachsen, welche in früheren Zeiten zur Beschützung der durch die wilden Völkerstürme höchstgefährdeten und stets bedrohten Landesstriche und Engpässe berufen waren. Von den deutschen Burgen Siebenbürgens können wir leicht, wenn wir die zum Teile mit Türmen, Bastionen und Wassergräben stark befestigten Kirchen-Kastelle mitzählen, über 300 nachweisen, von welchen einige noch sehr gut erhalten, andere in Schutt und Trümmer gelegt sind; weitere, von denen nur noch spärliche Überbleibsel von Mauerwerk und Wällen sich zeigen, und noch andere endlich, von welchen auf mehreren zu Schlössern sehr geeigneten Burgkuppen und mit Wald dicht bewachsenen Berghöhen nur die Benennung der Burg noch übrig geblieben ist.« Dann weiter: «Die deutschen Burgen sind nicht von Adeligen erbaut; Bürger waren es, die sie erbauten. Kein Ritter hauste in ihnen, sie umfaßten keinen Ahnensall adeliger Geschlechter; ihre Trümmer erinnern nicht an den Stolz und die Macht der Feudalherrschaft; um ihre Habe besorgte Bürger und Landleute bauten in emsigen Fleiße und mit großen Aufopferungen diese Schlösser, um in ihnen in Tagen der Not und Gefahr Zuflucht und Schutz zu finden. Sie fanden ihn, und diese *) Römische Altertümer in Siebenbürgen. — Jahrbuch der Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. J. 1856. Burgen gewährten oft später, bei drangsalvollen Zeiten selbst fremden Nationen ein sicheres Asyl. Von diesen Bergschlössern beherrschten sie die Umgegend und den ganzen Landesstrich, und nachdem sie nach und nach an Zahl Zunahmen, an Kraft erstarkten, behaupteten sie mutig sich auch im Flachlande. Blühende Städte, Marktflecken, Dörfer erhoben sich; die Städte wurden mit Mauern, Türmen und Außenwerken umgeben, die Märkte und Dörfer durch, um ihre Bethäuser und Kirchen angelegte Kastelle gesichert. Die Burgen und Kastelle bestanden meist aus einer oft doppelten, nicht selten dreifachen Ringmauer und waren mit hohen Türmen, starken Basteien, Wassergräben, Fallgittern und Aufziehbrücken versehen. Unsere Bauernkastelle und Bürgerburgen waren nicht nur in strategischer Hinsicht für die damaligen Zeiten sehr stark und zweckmäßig zur Überwachung und Sicherstellung dieser südöstlichen Landesstrecke Siebenbürgens gegen feindliche Anfälle und Streifzüge, welchen sie, wie gesagt, am meisten ausgesetzt waren, angelegt, sondern auch im Innern mit vielen kleinen Wohnkammern, gewölbten Kellerräumen zu einer zahlreichen, möglichst bequemen Aufnahme gebrechlicher, alter und schwacher, dann wehrloser und unmündiger Familienmitglieder eingerichtet. Diese Burgfesten standen früher unter strenger Hut und Bewachung bürgerlicher, sich abwechselnder Zehentschaften. Die kleinen Hütten, Gewölbe und Kästen in diesen Burgen waren fortwährend, selbst in friedlich scheinenden Zeitläufen, im Falle eines plötzlichen Überfalles und unerwarteter feindlicher Belagerung verproviantiert, und die Bastionen und Türme mit Gewehren, Waffenrüstungen und Kriegsmunition versehen. Wasserbehälter und tiefe, unzerstörbare Zisternen und Brunnen mit frischem gesunden Trinkwasser, Roß- und Handmühlen u drgl. Unentbehrliches fehlten dabei nie». Alle diese Angaben und Beobachtungen sind vollkommen zutreffend, jedoch nicht nur für Siebenbürgen allein, sondern eigentlich für die ganze feste Erdoberfläche und mit sehr gewaltiger Vordatierung.*) *) Allgemein wird behauptet, daß Siebenbürgen von den sieben Hauptburgen des Landes den Namen habe; dies ist jedoch dahin richtigzustellen, daß «Sieben» nur eine Anpassung des Qrenzwassers »Cibin« an das deutsche ist, wo sich auf dem scheinbar geborstenen Felsenberge die feste Grenzburg Betrachten wir z. B. die Wurzelsilbe xisx vom allgemeinen toponomischen Standpunkte, so fehlt vorerst die Erklärung, wie so es möglich ist, daß sich Ortsnamen dieser Begriffsbasis über alle Weltteile erstrecken, und müssen für den ersten Augenblick bezweifeln, daß das namengebende Motiv überall dasselbe gewesen sein konnte; und doch ergibt die sprachliche Destillation das Resultat, daß h is k im Urfeeginne nur einen gesicherten >< läßt sich durch alle Sprachen dahin verfolgen, daß es sich überall selbst zu der Urbedeutung eines Sicherungsbegriffes reduziert; z, B : im Swanetischen ist xiskarx = ein zentral gelegener Punkt; im Grusinischen ist xisx = Tor, xis-karx = Engpaß; jener Teil von Tiflis, der die eigentliche Burg auf dem linken, felsigen und abschüssigen Kura-Ufer bildet, heißt daher auch xlsnix; im Ossetischen ist xistakx bereits: Friedhof; im Hebräischen ist xesrax = Hilfe, xlsraelx = Helfer; im Slavischen bedeutet xistitix = sichern, schützen: xisx ist ein häufiger Familienname im Böhmischen, dessen Bedeutung man aber erst aus dem Hebräischen deduzieren kann, wo es xMannx, also einen Wehrfähigen, Kräftigen bedeutet, was auch dem griechischen x i'g x (= Körperkraft) organisch entspricht, xisx ist eine befestigte Stadt am Euphrat; xlseranx war ein Alpenpaß; xisbax nannte man den Gerichtssaal des Car’s in der alten Zeit; xispanx = Richter, Gespann im Magyarischen; xispravnikx = Kreisvorsteher im Russischen; Je sum nennt der Mons Cibinii, welche anscheinend mit dem i. J. 1327 genannten sächsische.. xWinsbergx identisch ist, befand. — Ebenso ist der Ansatz der xdeutschen« Burgen Siebenbürgens viel älter, was ja die Namen, wie: Kronstadt (gron = Grenze), Rosenau, Törzburg, Braniš, Rakowitz (auch Tsetatye, vergi. Čedad in Italien), Budislav, Negoj, Mehburg u. a. bezeugen, deren Etymologie bereits an anderer Stelle behandelt erscheint. — Im Slavischen heißt Siebenbürgen tatsächlich xSibinjx. Koran ><, die Südslaven >< und dürfte dies ursprünglich der Hoheitsbegriff für den Ältesten oder Führer einer Gemeinde gewesen sein; ja ><.) D) Sonstige topische Namen. Man glaubte bis heute, daß die breite Grundlage der Ortsnamenmotive namentlich Tiere, Pflanzen und Mineralien, dann Rodungen geboten hätten, doch ist diese Ansicht als eine äußerlich trügerische zu nehmen, seitdem sich die bestimmte Tendenz des Naturmenschen hervorhebt, daß ihm vom Urbeginne an die Sicherung seiner physischen wie materiellen Existenz stets die Hauptsache, das Um und Auf seiner Lebenssorge war. Die nicht dieser Impression zuzuschreibenden Ortsnamen sind daher relativ sehr spärlich und werden wahrscheinlich noch spärlicher, je weiter die etymologische Entkernung der topischen Begriffe gedeihen wird. Nachstehend seien einige Ortsnamengruppen angeführt, welche mit mehr oder \yeniger Sicherheit nicht zu den bereits vorausgesendeten eingereiht werden können. a) Namen fiir Rodungslokalitäten. Wo jemand einen Wald ausrodet, sich daselbst eine Hütte baut oder einen Weideplatz, Acker oder Weingarten anlegt, dort ist er eben der erste Bewohner gewesen, denn hat er sich wo ständig niedergelassen, so mußte er in einem mäßigen Umkreise für seine Bedürfnisse Vorsorgen. Hat nun diese Ansiedlung nach der hier vorgenommenen Rodung den Namen, so muß dieser Ansiedler ein Slave gewesen sein, wenn der topographische Begriff des Besiedlungsgcbietes ein zweifellos slavischer oder nur dem Slaven verständlicher ist. Nachdem aber in ganz Mitteleuropa — und auch viel weiter hinaus — fast ausschließlich slavische Ortsnamen Vorkommen, so müssen die ersten Ansiedler Slaven gewesen sein, da ja Europa seit der historischen Zeit, wie wir es der Völkergeschichte doch zweifellos entnehmen können, stets mehr oder minder dicht bewohnt war Da aber alle Namen dieser Kategorie nur eine rein lokale Bedeutung haben, können selbst die gangbarsten Bezeichnungen für Rodungen, wie: lisa, laz, pleša u. a. im großzügigen Sinne keinen dauernden Wert behalten, denn wird später die Rodung zum Walde, so verliert sich allinählig auch der bezügliche Name, weil ihm hiemit zugleich die Gebrauchsgelegenheit benommen wurde. — Dem Namengeber handelte es sich aber dabei auch nicht um die Fixierung der Abstockung selbst, sondern um den dadurch gewonnenen Nutzungsplatz, den er sich nun auch dauernd sichern wollte. I m Sprachgebrauche fließen daher viele Rodungsnamen mit solchen von Verteidigung s- oder Sicherungspunkten zusammen, weil gerade diesem Zweckeoftdas Roden vorausgehen mußte, daher hier gleichfalls sehr häufig homonyme Begriffe v o r w a 11 e n. b) Namen orographischer Richtung. Die Bodenerhebungen stimmen zumeist auch, da sie in erster Linie für Verteidigungszwecke günstig sind mit der Nomenklatur der letzteren überein. So können z. B.: Vrh, Verhole, Verovice, Vergorac, Werchow, Vrhbosna, Vrhpolje, Veržeje u. ä. sowohl eine Höhe, eine Ansiedlung, aber auch eine technisch vorbereitete Vorsorge für die Verteidigung auf einer Bodenerhebung andeuten, die aber auch schon zum Teile unter dem Wurzelworte >< näher gekennzeichnet wurden. Ausgesprochene Höhennamen ohne defensiven Charakter sind selten, und können hiefür einstweilen nur folgende zwei Beispiele angeführt werden. Podirac. In Frankreich trägt ein Berg, welcher die Eigentümlichkeit hat, daß er immer niederer wird, seit undenklichen Zeiten diesen Namen, und führte diese Wahrnehmung wohl einst die Um- wohner dazu ihn xPodiracx (slav. xpodirati sex, verb, durat. = langsam einstürzen) zu benennen. Erst vor kurzem gelang es einem kühnen Forscher der Sache auf den Grund zu kommen. Er ließ die trichterförmige Kuppe öffnen und entdeckte darunter eine große 90 m tiefe Höhle. Die Bergkuppe muß einmal aus irgendeinem Grunde eingebrochen sein, wobei sie sich ober der Höhle verkeilt hat; Teile davon stürzten allmählig in die Höhle, die Atmosphärilien sorgten von außen für die Nachfüllung mit Erosionsmaterial und so kam der Berg zu diesem vollkommen berechtigten Namen schon in jener Zeit, als dort noch Slaven gewohnt haben mußten. Dimniki, Dimnice. So bezeichnet man die erst vor wenigen Jahren bei Markovščina (nächst Triest) entdeckten, sehr sehenswürdigen Grotten. — Hätte man ehedem der toponomischen Etymologie die verdiente reelle Bedeutung zuerkannt, so wäre diese Entdeckung schon längst geschehen. In slovenischer Bedeutung sind nämlich xdimnikix — die Kau ch röhren; es sind dies jene bei warmer Temperatur die kalte Grottenluft durchlassenden Felsspalte, welche den Umwohnern auffielen, weil die Gegend zu gewissen Zeiten den Eindruck vieler Kamine machte. Es hätte sonach der Name selbst dahinführen können, daß diese Luftsäulen unterirdischen Hohlräumen entstammen müssen. c) Namen hydrographischer Richtung, Viele Namen dieser Gruppe bieten dem Weiterforschenden ein ungemein weites Feld, wie und wann dieselben enstanden sein mögen, weil sie meist kunsttechnischen Ursprungs sind. — Suez (slav. svez, — Verbindung) klingt im ersten Momente in Bezug auf die slavische Bedeutung unglaublich, aber die Geschichte selbst zeigt, daß dem doch so ist. — Im 14. Jahrh. v. Chr. war der 112 km breite Isthmus von Suez bereits durchstochen und wurde später wiederholt, da er stets versandete, ausgebaggert. — Nachdem aber diese immense Arbeitsleistung doch nur zum Zwecke der Schiffahrt inszeniert worden sein kann, hat es große Berechtigung an-zunehmen, daß der erste bekannte Durchstich noch gar nicht der erste ist, denn die Ägypter waren doch kein so ausgeprägtes Handelsvolk wie etwa die Phönizier; es ist somit wahrschein- Loh, daß sich dieses Bedürfnis bereits den letzteren (richtiger: Venetier) aufdrängte, daher auch der s 1 a v i s c h e Name für die V e r-b i n d u n g des Mittelländischen Meeres mit dem Roten.") — Daß Afrika zur Zeit des Königs Nechao (610—595 v. Chr.) umschifft wurde, ist einer gravierten Inschrift aus jener Zeit zu entnehmen, also das erstemal offiziell bestätigt, daß damals der Schifffartskanal von Suez bereits benützt wurde. Prerov, Prerau gibt es in Mähren, Böhmen, Deutschland usw. Die Etymologie deutet auf einen Wasserkanal. Bei Prerau in Mähren war dies wahrscheinlich ein quer durch das Bečva-Tal gezogener Damm mit tiefem Graben zu Verteidigungszwecken. Die Bečva wurde hier zur Verstärkung des auf einer mäßigen Höhe (heute noch Schloß) befindlichen Hauptpunktes für die Abwehr feindlicher Angriffe einbezogen. Es fällt hier besonders auf, daß im benachbarten Predmost (= vorgeschobenes Werk) massenhaft Reste der verschiedenartigsten prähistorischen Tiere, darunter sehr zahlreich jene des Mammut gefunden wurden, daher es wahrscheinlich ist, daß diese Küchenabfallhaufen von den einstigen Kanalgräbern, namentlich aber von den Wachen und Verteidigern stammen. Bei Prerovee (nächst Troppau) scheint es, daß die technische Verstärkung der «Stražnica» dadurch bewirkt wurde, daß man das Vorbrechen des Gegners aus dem Stettiner Walde durch einen starken Damm (mit entsprechendem Graben) erschweren wollte. Perekop. Die 7 km breite Landenge, welche die Halbinsel Krim in!t dem Festlande verbindet, muß schon einmal durchstochen worden sein, denn dies besagt der Name «Durchstich-Kanal«. Die Verbindung der Karkinit-Bai mit dem Azov’schen Meere ist schon lange projektiert, aber es blieb bis nun beim Projekte. In einer weit hinter uns gelegenen Zeit muß aber der Durchstich schon vorgenommen worden sein, weil in der augenscheinlichen Trace des Kanals jetzt noch an 30 Salzseen liegen, und die Stadt «Perekop« daselbst erhielt doch nur deshalb diesen Namen, weil sie eben an einem Schiffahrtskanale entstand. *) *) Aus dem »Buche der Könige« ist auch zu entnehmen, daß König Ezechias (um 700 v. Chr.) einen Berg durchbohren ließ, um durch denselben die Wasserleitung zu führen; es ist dies der erste historisch beglaubigte Tunnelbau. — Die technischen Künste waren daher einst gar nicht so inferior, wenn man derartig großangelegte Arbeiten ausführte. Provlika. Am schmälsten Teile der Landzunge Akte aut Chal-kidike ließ angeblich Xerxes einen Kanal graben, damit seine Flotten nicht genötigt seien, den Berg Athos zu umschiffen. DL stellenweise noch heute mit Schilf bewachsene Kanaltrace heißt noch immer «provlika«, bei den dortigen Bewohnern in der Bedeutung: Durchstich. Nun ist aber dies auch ein slavisches Wort, welches auf etwas Durchgezogenes, Traciertes (provleči = durchziehen) hinweist und so etwas baut man nicht erst, wenn man das einmalige Umschiffen eines Berges ersparen soll, denn der Kanalbau und das Umschiffen eines Vorgebirges stehen doch sicherlich im verkehrten Zeitverhältnis. Stagno. Von Interesse ist hier der Umstand, daß die F3 km breite Landenge der Halbinsel Sabioncello einst auch schon durchstochen gewesen sein konnte, denn an den beiden Isthmusenden befinden sich die beiden Sicherungs- und Verteidigungspunkte «Stagno piccolo« und «Stagno grande«. Während nun das slavische «stan« (hier «Ston«) einen Hafen, Zufluchtsort für Schiffe, auch Schutzhütte bezeichnet, deutet das romanische stagnum, stagno in seiner Bedeutung schon auf ein: k ii ns tl ich angelegtes Bassin, einen Kanal. Ich kenne zwar diese Gegend nicht vom Augenscheine, aber ausgeschlossen ist es nicht, daß auch hier schon einmal die Unterbrechung einer Seestraße zwischen dem nördlichen und südlichen Dalmatien beseitigt war, die aber später wieder versandete oder mit der Zeit sich verschüttete, so daß dermalen dieser Umstand ohne fremde Inspiration nicht mehr näher beachtet wird.*) Jezero (— See) kommt als Ortsname in verschiedensten, leicht erkennbaren Formen als: Jezera, Jezernf, Jezernice, Jezirko, Ozero, u. ä. vor. In den meisten so lautenden Gegenden ist aber heute der Name nicht zutreffend, da der zugehörige See bereits lange, mitunter seit undenklichen Zeiten, fehlt, wenn dieses die Bodenformation oft auch rechtfertigt oder geologisch bestätigt. So gibt es auf dem *) *) Es ist bekannt, daß die Durchstechung des Isthmus von Stagno schon die Republik Ragusa und später auch der Marschall Marmont planten ; momentan trägt sich auch das österreichische Marinekommahdo mit dieser Idee um. Wie man sieht, sind unsere prähistorischen Väter, die den Kanal von Suez, Perekop, Athos u. a. angelegt haben, uns in dieser Beziehung doch bedeutend vorausgewesen! 15 Pettauer Felde ein «Sv. Stefan ob jezeru« (deutsch ist der Name gar nicht im Gebrauche). Diese Benennung könnte nur in jener Zeit entstanden sein, als das Pannonische Meer mit seiner großen Bucht bei Pettau-Marburg zu weichen begonnen. Nun hat aber Kaiser Octa-vian bereits im Jahre 35 v. Chr. Pettau, die große pannonische Stadt, zerstört, nachdem er zuvor, weil er die Verproviantierung der Verteidiger nicht rationell verhindern konnte, alle Waldungen der Umgebung niederbrennen ließ. Hier war damals und schon Tausende von Jahren vorher unmöglich ein See. «Sv. Stefan ob jezeru« liegt aber auf derselben Ebene im Niveau etwas höher, es muß daher dort der Seecharakter umso eher geschwunden sein. Überdies kann dort auch zu jener Zeit kein lokaler See gewesen sein, nachdem sich in der Nähe von Pulsgau die Marmorsteinbrüche befanden, woher alle römischen Steine Pettau’s ihre Provenienz haben, dort die römische Poststraße führte, und diese, falls der See auch umgangen wurde, dann bei Pragerhof erst wieder in ein Seegebiet gekommen sein mußte, da jene Gegend noch heute sehr durchweicht und moorig ist. — Die Berechtigung zur slavischen Benennung eines Sees, der seit mindestens 2000 Jahren nicht existiert, kann doch nur derjenige, gehabt haben, der ihn gesehen hat! — Übrigens ist im benachbarten Dranntale dasselbe Analogon mit «Sv. Andraž ob jezeru« zu finden, wo ein rechtschaffener See nie gewesen sein konnte. Man kann sich dies anders nicht logisch erklären, als mit der Vordatierung der Siavenexistenz in Mitteleuropa, oder, was einzig und allein richtig ist, daß »jezero« ursprünglich nicht Sée sondern «jez« bedeutete, wie heute: Abgrenzung, Stauung, d. h. Grenze im allgemeinen. »Sv. Stefan« und »Sv. Andraž ob jezeru« sind sonach Kirchen am Grenz wall, an der Grenzlinie, und bezeichnet der überaus häufige Ortsname »ujezd« eben den gesicherten, eingefriedeten oder umwallten Punkt, also eine technisch hergerichtete Lokalität.*) — Der Rückschluß, daß sich dort, wo der Ortsname »jezero« existiert, einst tatsächlich ein See befunden hat, kann daher richtig aber ebensogut falsch sein, wenn nur eine etymologische Begriffsannäherung vorliegt. *) Die Verwandtschaftsbegriffe gingen gleichfalls aus Hoheitsnamen hervor, wie z. B.: «ujec«, der Kommandant eines »ujezd», heute — Onkel; »otec» (— Vater) ist derjenige, der jemand beschützt (oteti = retten) u. s. w. Brod .(= Furt), Brodek (=kleine Furt). Vergleiche noch: Böhmisch-, Bosnisch-, Serbisch-, Slavonisch-, Ungarisch- Brod, Brodau, Brody, Brotkowitz, Qrossenbrode, Prode, Prodenów, Pro-tivin u. ä. — xBrodx kennzeichnet aber eigentlich in den seltensten Fällen die Furt selbst, sondern lediglich jene Stelle, welche für einen Uferwechsel sehr günstig ist, also keine Schnellen, Felszacken oder seichte Stellen, sondern einen ruhigen Charakter, wenn möglich Inselbildungen aufweist. — So bildete bei Slavonisch-Brod die mächtige Save wohl zu keiner Zeit eine durchgängige Furt, wohl aber einen günstigen Punkt für den Uferwechsel in Form von Überfuhr (brod = Fähre). Nachdem aber an solchen Stellen die Gefahr des feindlichen Einbruches auch am wahrscheinlichsten ist, so wurden diese besonders beobachtet oder gar befestigt, daher an vielen Punkten dieses Namens Festungen, Forts, Verteidigungstürme oder Ruinen von solchen anzutreffen sid. — Da xprotitix — sich wehren, verteidigen, entgegenstellen, xoprodax im Slovenischen noch heute den Mitkämpfer, Waffengefährten andeutet, (z. B. Protivin = ein Verteidigungspunkt an der G r e n z e) ist es auch erklärlich, daß wir oftmals ein xBrodx finden, wo es gar kein nennenswertes Gewässer gibt, sich also um eine Furt niemand Sorgen macht, sondern wo es sich lediglich um eine Stelle handelt, die man nötigenfalls zum Widerstande ausgewählt hat. — Der Hoheitsname ist xProtx, wie die Russen den Prior, Superior eines Klosters benennen.*) Slatina. Ein überaus häufiger Name für Lokalitäten, wo ein Säuerling oder überhaupt ein Wasser mit mineralischen Substanzen entspringt; die Grundsilbe ist xsolx (= Salz).* **) !) Miklosich erklärte diesen Stamm als von den Magyaren entlehnt, wonach er klein bedeuten soll. — Man macht fortgesetzt die Erfahrung, daß die Slavisten mit Vorliebe slavische Begriffe als Fremd- und Lehnwörter erklären, wenn sie nur den ungefähr gleichen Stamm in irgendeiner anderen, d. h. nichtslavischen Sprache entdeckt haben. — Allerdings hätten die bisherigen Forscher auf diesem Gebiete nicht so viel geirrt, wenn sie der praktischen Entstehung konkreter Begriffe nähergetreten wären; doch konnte mit Rücksicht auf die geschilderte ungeahnte militärische Urorgani-sation naheliegenderweise zu dieser Erkenntnis am ehesten ein Offizier gelangen. **) Es sei hier ein interessantes Beispiel angeführt, wie man den Gegenbeweis erbringen kann, daß ein Name tatsächlich in der Natur begründet und nicht aus der Phantasie geholt ist. Ich fand im Okkupationsgebiete 15* Kissingen hieß im J. 1544 noch «Kisecke« (slav. kiseljka = Sauerwasser), bedeutet sonach eine Quelle mit Sauerwasser), oder ein Wasser mit Beigabe von salzigen Substanzen im allgemeinen. Deutsche Anpassung meist in der Form: «Gieshübel«. Toplice heißen jene Lokalitäten, wo sich warme Quellen (toplo = warm) befinden. — Dieser Name ist ebenfalls sehr häufig, wenn auch vielfach entstellt, wie z. B.: Tobelrisse (Qastein), Tobl-bad (bei Graz), Tepl (in Böhmen), Töplitz (in den verschiedenen Provinzen); Römerbad (bei Cilli) am Toplitzbache hieß früher «Toplice x u. ä.*) d) Namen botanischer, zoologischer und geologischer Richtung. In verhältnismäßig verschwindend kleiner Zahl treten topische Namen botanischer, zoologischer und geologischer eine Ansiedlung, die «Slatina« genannt wird, konnte aber jahrelang daselbst keinen Säuerling finden, und wußten mir die Landesbewohner diesbezüglich auch keinen Bescheid zu geben. Doch ich benützte jede Gelegenheit, um herauszufinden, ob der Name hier doch nicht natürlich begründet ist. Endlich fand ich in einem Kukuruzfelde eine ergiebige schwefelhaltige, kalte Quelle, welche sich bereits nach vier Metern eigenen Abflußes in einen Süßwasserbach ergießt. — Die Auffindung war erschwert, weil sich die Quelle in einem bebauten Acker befand; anderseits ist der Bevölkerung die Bedeutung für den Begriff «slatina« bereits entschwunden, denn sie nennen eine schwefelhaltige Quelle in jener Gegend heute «smrdeli« (= übelriechendes Wasser); aber diese Quelle kannten die Umwohner sehr gut, denn sie benützen das Wasser, da es radiumhältig zu sein scheint, äußerlich zur Heilung von allerlei Hautausschlägen und innerlich gegen Gicht sowie als Purgativ — angeblich allseitig mit großem Erfolge. — Ich machte gelegentlich Kreise, welche dies interessieren müßte, aufmerksam auf diesen Naturkurort für Gichtleidende, aber — wenigstens bis heute — war mein menschenfreundliches Bestreben erfolglos. / *) Anläßlich des Baues der Südbahn ersuchte der damalige Besitzer die Bahnverwaltung um eine Haltestelle mit dem imposanteren Namen «Rö-merbad» statt des gangbaren «Toplice«, was ihm auch gewährt wurde, weil die Quelle angeblich zuerst von den Römern (?) benützt wurde. Es gibt aber vereinzelt auch Namen dieser Form, ohne daß sich daselbst eine warme Quelle vorfinden würde; es sind dies jene Namen, die sich.durch ungenaue Aussprache oder Wiedergabe, dann durch den Rotazismus lautlich verwandter Buchstaben aus «dob« entwickelt haben. Richtung auf, was naheliegend ist, nachdem sich das namengebende Objekt leicht verändert oder auch gänzlich verwischt. Die Pflanze übt als die hervorragendste Bedeckung der Erdrinde wohl einen nennenswerten Einfluß auf die Namengebung aus, denn um einen Terrainpunkt näher kennzeichnen zu wollen, na-metlich beim Fehlen sonstiger typischer Merkmale, sagt man : d o r t bei der großen Eiche, beim Birkenwaide, am Erlen-bache, beim Schilfteiche u. ä., wobei es sich aber doch nur um Riednamen, also um Terrainteile inferiorer Natur handelt. Wird so ein Gebiet ausnahmsweise einmal zum Wohnorte, so wird der alte Name in seiner bisherigen Bedeutung umgewertet. Es gibt z. B. ungezählte: Dob, Dobrava, Dober dol, Dobro selo, Dub, Dubina, Dubrovnik (Ragusa) u. ä., welche im Prinzipe anzeigen, daß es sich hier um einen Eichenwald (dob, dub = Eiche) handelt; viele solche Ortsnamen wurden aber später in sinnlosen Neubildungen, als: Gutenhaag, Gutendorf, Gutenberg, Gutenfeld, Gu-tenbüchl, Gutenstein u. ä. ins Deutsche übertragen, wobei bereits das slavische k dobro« (= gut) fälschlich als Grundwort (und nicht >< ist bekannt; >< ist der Stamm für Hügel, Erdaufwurf, wie z. B. slov. xgomilax (= Grabhügel), griech. » yw^ia » (= Wall, Grabmal), slav. xhom, humx (= Hügel), altfranz. xcomax •(= Schlafsucht, also schon auf die Ruhe im Grabe anspielend), slov. xgomaritix (= hocken, auf Vieren gehen). Die obige Schrift kann sonach auch als: Hier liegt, hier hockt, hier schläft . . . gelesen werden. — Obschon man nun erst zwei Wörter kennt, entnimmt man, abgesehen von der Steinform selbst, doch schon daraus, daß es sich hier um eine Grabschrift handelt. Welcher Sprache im heutigen Sinne diese jedoch angehört, ist nach den dürftigen Anhaltspunkten noch schwer zu sagen, zumal die technische Wortscheidung fehlt, man daher die Suffixe nicht kennt, die, wenn sich auch sonst inferioren Wert haben, doch die Sprachzweige äußerlich charakterisieren. Es scheint aber, daß in diesem Schriftdenkmale bereits die Abschwenkung der französischen Sprache von der primären Allgemeinsprache eine fertige Tatsache bildet.**) Auch hier bleibt die leidige Ursprungsfrage so lange offen, bis man nicht die Erkenntnis rücksichtslos ausspricht, daß alle Schriften der alten Welt auch nur eines Ursprungs sind, und scheinen da gerade die xRunenx, als diejenigen primitivster Form und als eine Art vereinfachter Bilderschrift, für den ersten Ansatz zur sichtbaren Wiedergabe der menschlichen Laute grundlegend gewesen zu sein. — Es ist daher als sicher anzunehmen, daß die älteste Schrift der Slaven identisch ist mit der sogenannten Runenschrift, was auch schon die Etymologie des Begriffes xRunex erklärt, denn der Stamm hiezu ist wohl xritix (= eingraben, einmeißeln), woraus dann *) Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß «ros« schon nicht mehr zu >< gehört. **) Auffallend ist es, daß die sogenannten Bogumilengräber auf dem Balkan zumeist mit: c| C 6 (= hier) beginnen, sowie daß die zwei letzten Buchstaben vollkommen in der Form jenen des Avignon-Grabsteines gleichen, sonach diese xzyrillische« Schrift einst über ganz Europa verbreitet gewesen sein muß. das deutsche «Rinne« (~ rijna) hervorging, denn wir kennen dermalen tatsächlich nur Runenschriften auf Stein und Metall, da sich solche auf Wachstafeln oder weniger dauerhaftem Material selbstredend nicht erhalten konnten. Der Wechsel von «Rine« zu «Rune« ist in der konstant labilen Lesung des »y« sowohl als «i« wie als «u« begründet, ganz abgesehen davon, daß «rujem, ruti« z. B. im Slovenischen auch ausreißen, eine Vertiefung machen Fig. 18. bedeutet. — Nebstbei ist es ater nahezu sicher, daß der Begriff «rune« überhaupt nur für jene Schriftzeichen angewendet wurde, die eingeritzt waren; die sonstigen nannte man wieder an, ders, wie: čare, črke (= Striche), pismenky (= Schriftzeichen), bukva (= Buchstabe) u. s. w. — Man darf daher die Runen auch nicht als eine exotische oder gänzlich fremde Schrift bezeichnen, sondern sie nur als die Ursprungsformen unserer gangbarsten Schriften a n s e h e n. Die ganz überraschende Behauptung, daß die Runenschrift slavischen Ursprungs sei, soll aber nun gewissermaßen homö- o p a t i s c h behandelt werden, ehe zur Lesung einiger Runendenkmäler selbst geschritten werden kann, und möge hiezu vor allem die «Edda« dienen. Diese enthält Götter- und Heldenlieder, welche man teils als «nordisch« teils als «gemeingermanisch« teils als «deutsch« erklärt. Sie war ursprünglich wohl nur ein Lehr büch, was ja die Kapitel «Was Lodfafner lernte«, die Schöpfungsmythe und «Wodan’s Runenkunde« dartun, denn Edda, :— richtig Ueda, Veda — deutet an, daß dies ursprünglich ein Lehrbuch <= «Das Wißen«) war und nicht — «die Großmutter«, wie die Germanisten den Buchtitel etymologisieren. Von hervorragender Bedeutung für die sprachliche Zugehörigkeit der Runen ist überdies der Abschnitt «Runatals thättr Odhins« (= Wodan’s Runenkunde), denn es wird darin in einem Gedichte die Beschreibung einer jeden Rune in Bezug auf ihre Bedeutung gegeben. Merkwürdigerweise haben aber diese Runen gegenständlich genau dieselben Namensbegriffe sowie dieselbe Reihenfolge, wie das altslavische Alphabet, die «Azbuka«, denn diese hat für jeden Buchstaben, ähnlich wie im Griechischen, einen Begriff festgelegt, in dessen Nennung der betreffende Buchstabe den Anlaut bildet, und scheint dies ein mnemotechnischer Lernbehelf in der Schule gewesen zu sein, denn das Gedicht klingt auch nachstehend aus : Heil ihm, der es lehrt, Heil ihm, der es lernt, Das Heil, all ihr Hörer, Nehmt euch zu Nutz!*) Die «Edda« kennt im Ganzen 18 Runen.**) Vom ersten Buchstaben heißt es: Hilfreich zu helfen verheißt dir das Eine In Streit und in Jammer und jeglicher Not. *) Die Daten aus der «Edda« sind der deutschen Ausgabe Hans v. Wolzogen's entnommen. **) Das vollkommenste altslavische Alphabet hat bereits 43 Buchstaben, zeigt also auf eine ungewöhnlich hohe Entwicklung in der Sprach- und namentlich Schriftpflege. So viel Buchstaben hatte das «altslavische« Alphabet schon ungefähr im 10. Jahrhunderte; welche Zeit mag aber von der Bildung der 18 Buchstaben bis zu 43 dazwischen liegen! 16 Dies ist der erste Buchstabe «az«, worunter Gott, der höchste Beschützer des Menschen gemeint ist. «Äsen« sind der Edda zufolge Götte r.*) Die zweite Strophe lautet: Ein Anderes lernt ich, das Leute gebrauchen. Die Ärzte zu werden wünschen. Es ist dies der zweite Buchstabe des Alphabetes, namens «buki« (= das Buch); die dritte Strophe: Ein Drittes kenn’ ich, das kommt mir zu gut Als Fessel für meine Feinde; Dem Widerstreite verstumpf ich das Schwert, Ihm hilft keine Wehr und keine Waffe. Dies ist der dritte Buchstabe: «vedi« (—. das Wissen, die überzeugende rhetorische Kraft); die vierte: Ein Viertes noch weiß ich, wenn man mir wirft Die Arm und die Beine in Bande; Alsbald ich es singe, sobald kann ich fort, Vom Fuße fällt mir die Fessel, Der Haft von den Händen herab. Wer denkt dabei nicht sofort an den vierten Buchstaben «g«, der «glagol« genannt wird; und dieses bedeutet Gesang, wras die Čechen am besten wissen, die ihre Gesangsvereine als «Hlahol« benennen. Die fünfte Strophe: «Ein Fünftes erfuhr ich: wmnn fröhlichen Flugs Ein Geschoß auf die Scharen daherfliegt. Wie stark es auch zuckt, ich zwing es zu stehn, Ergreif ich es blos mit dem Blicke«. *) Weiteres ist in dieser Hinsicht beim Artikel «Asberg, Adam« zu finden. Dies ist der fünfte Buchstabe: xdobrox (= tapfer, mutig, vorsichtig). Die sechste Strophe: «Ein Sechstes ist mein, wenn ein Mann mich sehrt Mit wilden Baumes Wurzel; Nicht mich versehrt, den Mann verzehrt. Das Verderben, mit dem er mir drohtex. Es ist dies xj, jex als xjedx (auch xjetx), das xGiftx bedeutet, und ist dieses auch heute noch der sechste Buchstabe des russischen Alphabetes, der after zwei verschiedene Zeichen führt. Die weiteren Strophen folgen augenscheinlich nicht der arithmetischen Reihenfolge, was ja natürlich ist, da dieses Alphabetpoöm eben nur 18 Buchstaben besingt, die Azbuka selbst aber 40 Laute zählt. Überdies wissen wir ja heute nicht mehr verläßlich die synchronistische Bedeutung der einzelnen Buchstabenbegriffe, da sich diese (wie z. B. xdobrox) im Wandel der Zeiten organisch verschob. Man behauptet überdies ziemlich allgemein, daß die Runenschrift eine Geheimschrift war, weil xrunox gleichbedeutend sei mit Geheimnis, denn das deutsche xraunenx bedeute: Geheimnisse zuflüstern, welche Ansicht allerdings nur richtig wäre, wenn xraunenx Geheimnisse verhüllen bezeichnen würde. Diese Etymologie ist aber hier zweifach widerlegbar. — Als Geheimnisse können die Runen allerdings auch angesehen werden u. z. vor allem für den Analphabeten, genau so wie die heutige Schrift einem solchen ein Geheimnis ist; überdies bildeten die Runen wohl auch seit jener Zeit, als man sie nicht mehr zu lesen verstand, und dieses währt bis heute, ein allgemeines Geheimnis. — In ganz analoger Weise entwickelte sich im Slavischen der Begriff: čarodej, čarodelnik, čarodelec, čarovnik, d. i. derjenige, der xčarex {= Striche) macht, mithin schreiben kann, was aber heute schon der Bedeutung: Zauberer, Zauberkünstler gleichkommt. Was er schrieb, verstand der des Lesens Unkundige einst natürlich nicht, daher solche Zeichengruppen für den Analphabeten eine geheime oder apokryphe Bewertung annehmen mußten. 16' Andererseits kann aber eine öffentlich verwertete Schrift keine Geheimnisse enthalten, die man in Bronze, Eisen, Stein und Holz mühsam einmeißelt oder in gebrannten Ton eingräbt und so der Welt offen darbietet, wie z. B. auf Waffen, Schmuckstücken, Weihobjekten und sogar Naturfelsblöcken längs einer für den allgemeinen Verkehr bestimmten Kommunikation. — Die sogenannten »BuchenstäbeK waren sonach auch keine geschnitzten Einzelrunen oder Typen, sondern enthielten einen gedankengemäß geordneten Text größeren oder kleineren Umfanges, also zwecks Fixierung von Gedanken, die man erhalten oder jemand anderem mitteilen will, waren also eine primitive Form von Briefen. Daß man daher solche beschriebene »Buchenstäbe» wahllos hingeworfen und daraus geweissagt hätte, ist daher schon im Prinzipe nicht ernst zu nehmen und ist das sogenannte »Staben» der Runen nur eine etymologische Entgleisung, u. z. ein »sdobit», wie es der Slovene statt »zdolbit» {= ausmeißeln) im Jargon noch heute gebraucht, denn die Runen wurden eben in hartes Material mühsam eingegraben, daher wir in der »Edda» selbst vielfach Stellen dieser Anspielung finden, wie: »Urredner ritzte, Urgötter gruben, Asenhaupt schnitt sie ein», dann: »Weißt du zu ritzen, weißt du zu raten» usw.*) Daß es aber einst auch Leute gab, die auf diese Weise ihre Zukunft erfahren wollten, das soll hiemit durchaus nicht in *) Die »Edda» ist auch sonst vom hervorragendem Interesse für die slavische Urgeschichte; leider hat sich meines Wissens bisher kein Forscher slavischer Provenienz gefunden, den die Sirenentöne »Yggdrasil» (richtig »Ustrašil»), »Skogul» (richtig »Skokal»), »Modln» (richtig »moč) u. a., die auch richtig als: »Schreckfuß, Sprungfertig» und «Mut» (eigentlich »Kraft») ins Deutsche übertragen wurden, herangelockt hätten, denn diese, sowie namentlich die poetische Runensignierung kann unbedingt nur jemand bewerkstelligt haben, der sehr gut slavisch verstand. — Auch der Stein, mit dem sich Freya schmückte, war der »brisingamen» (= Bernstein), also »brižen kamen», d. i. der Uferstein, der Stein, der am Meeresufer gefunden wird, denn das slavische »kamen» ist dabei schon gar nicht wegzuleugnen. Guido v. List hat auch dieses Gebiet in »Das Geheimnis der Runen« — »aufgeklärt». Beispielsweise löst er »Yggdrasil» in die drei Wurzelworte »ig, dra, sii» auf, welche folgende dreistufige Bedeutung haben sollen, 1. Ich, das Heil im Urfyr zeugend, 2. Kampfträger des Gesetzes, 3. Vernichtungsschreckensziel. — Ich glaube, daß dieses Beispiel vollkommen genügt, sich darüber ein abschließendes Urteil zu bilden. Zweifel gezogen werden, denn zwischen den Enthusiasten für die Wünschelrute, das Kartenaufschlagen und das Zahlenlotto von Einst und Heute dürfte gleichfalls kaum ein wesentlicher Unterschied festgestellt werden, wenn wir uns auch heute noch so aufgeklärt und unsere xgute alte Zeit« für noch so beschränkt halten! Die älteste Schrift mögen die Runen auch deshalb gewesen sein, weil sie dem Steinmetz oder Graveur infolge ihres eckigen Charakters für die Einmeißelung am willkommensten waren, daher jene Schriften, welche nur noch eckige Runen gebrauchen, älter sind als jene mit Bogenteilen; doch umging der Graveur auch diese Schwierigkeiten, indem er solche Buchstaben einfach nur punktierte, wie dies z, B. auf den Bronzehelmen von Negau zu sehen ist. Im Grundzuge der Runen liegt wohl schon die Anlage für die heutigen lateinischen Schriftzeichen, welche sich möglicherweise in Italien entwickelt haben und schon von jenen Völkern stammen, die vor den historischen Römern dieses Gebiet bewohnten, denn Titinus (ap. Festum) erzählt uns, daß jene o b s k i s c h und vol-skisch redeten, nachdem sie lateinisch nicht kannten («qui Obsce et Volsce fabulantur, nam Latine nesciunt«), — Überdies sagt auch die Geschichte, daß die Römer fremdsprachige Völker vorfanden, und wenn deren topische Namen s 1 a v i s c h waren, wer soll dann sonst dort gewohnt haben als — Slaven!*) Die Sage erzählt wohl, daß Kadmus von den Phöniziern (Veneti!) die Schriftzeichen zu den Griechen brachte; letztere präparierten diese nun ihrem Geschmacke zu, wie die Slaven ihre Glagolica und Cirilica, und unterscheiden sich diese Alphabete mit ihren äußeren Abweichungen fast ebensowenig oder ebensoweit voneinander, wie etwra eine heute moderne sezessionistische Schrift von der normalen Fraktur- oder Lateinschrift; überdies ist die Einhaltung derselben Grundform bei den meisten Buchstaben in den verschiedenen Alphabeten nicht unschwer zu erkennen. — Es scheint auch, *) In Unteritalien gibt es noch heute ein größeres Gebiet, wo sich eine der kroatischen sehr ähnliche Sprache noch gut erhalten hat; es sind dies wohl die letzten Reste jener Sprache in Italien, die einst allgemein verbreitet war und durch die romanische bis heute nicht vollends verdrängt oder aufgesogen werden konnte. — Auch die bleiernen römischen Schleudergeschosse tragen lateinische aber auch Runeninschriften, je nachdem sie jüngeren oder älteren Erzeugungsdatums sind. hw* daß in einer bestimmten Vorzeit das Schreiben nicht gar so rar war, wie'man allgemein annimmt, und wer weiß, ob es zu jeder Zeit so viel Analphabeten gab, wie heute; wenigstens weisen die Papyrusfunde dahin, daß man im alten Ägypten selbst beim Verkaufe einer Kuh eine Bescheinigung, einen kurzen schriftlichen Vertrag ausstellte, wir daher heute trotz alledem noch immer nicht im tintenklecksend-sten Zeitalter zu leben scheinen. Alles dieses lenkt aber zur Berichtigung unserer dermaligen Ansichten dahin, daß wir uns allmählig werden dazu herbei-lassenmüsseninHinkunft mit einer höheren Span-nung der Kulturemanationen der Slaven in vor-denklicher Zeit zu rechnen. * -* * Betrachten wir nun vor allem jene alten Münzen, welche bisher gar nicht entzifferte oder unnatürlich ausgelegte Texte tragen. Die Münze bezweckt die Erleichterung des Güterwechsels, repräsentiert daher überall eine festgesetzte Werteinheit im Tauschhandel und wird aus diesem Grund seit dem Uranfange auch mit irgend einem konventionellen Wertzeichen signiert gewesen sein, um vor Benachteiligung zu bewahren. Daß der Höchste, welcher Münzen herstellen ließ, auch sein Kopfbild, seine Attribute, eine Gottheit, eine Idealgestalt und drgl. darauf zur Darstellung bringen ließ, ist ja naheliegend und natürlich, und haben sich die Münzen (wie Brak-teate) seit dem Uranfänge bis heute wesentlich ebenso wenig geändert — was übrigens die Funde beweisen, — als der Hauptzweck der Münze selbst, die doch den Tauschhandel, — denn jeder Kauf ist ja nur der Umtausch einer Ware gegen eine äquivalente Münze —, erleichtern soll. Vor allem seien jene Goldmünzen erwähnt, welche das ungarische «Museum Hedervari« verwahrt, und die C. Michael à Wiczai i. J. 1814 beschrieb mit der Schlußklassifikation, sie seien «barbarische«, nachdem die Lesung der Aufschrift absolut nicht gelingen wollte. — Im J. 1838 versuchte Franz Bozcek in der Zeitschrift «Moravia« (Brünn) eine neue Lösung derselben und kam zum Resul-tete, daß dies «slavische Goldmünzen, wahrscheinlich aus der Zeit des großmährischen Reiches seien«. Er entdeckte in der Schrift das Wort xpegnazex (čech. und poln. = Geld) und nahm an, nachdem die Münzen den mazedonischen gleichen, daß sie durch Cyrill und Method nach Mähren gekommen seien, oder von diesen hier nach jenem Muster weitergeprägt wurden, sowie daß die griechischen Buchstaben darauf einen slavischen Text darstellen.*) Wie die Figuren zeigen, ist die Aufschrift auf Fig. 19 EEFNV und GZ oder Z3, bei Fig. 20 EIEEIIVM und EZ oder ZE. Fig. 20. Boczek vereinigte nun beide Teile zu einem Worte, und erhielt daraus xpegnazex, wozu er allerdings eine Reparatur vorausgehen ließ, indem er den Anlaut E um 90° nach rechts drehte und das erwünschte |~| erhielt. — R. Forrer (Jahrbuch der Gesellschaft für *) Henri de la Tour, Atlas des monnaies gauloises, kam der Sache bereits weit näher, indem er diese Münzen als k e 11 i s c h-r h ä t i s c h e bezeichnete, ohne auch die Schrift entziffert zu haben. lothringische Geschichte etz., 1902) glaubt hingegen, es sei dies ein bedeutungsloses Monogramm. Wieder andere schrieben die Schrift dem rätorömischen Geschlechte Caecina zu, und sei auf der Münze der Name ihres Oberhauptes Ciecinnos, Ciecinus eingeprägt. — Anderseits stellten jedoch Cohen und Babylon fest, daß es bis Ende des 1. Jahrh. kein so vornehmes, für das römische Münzwesen maßgebendes Geschlecht xCaecinax gegeben habe, sondern es sei eher xCaeciliax zu lesen, aus welchem Geschlechte ein römischer Münzmeister, namens Aulus Caecilius (um 189 v. Chr.) existiert habe usw., — durchwegs bestgemeinte Vermutungen, die phonetisch der Sache auch nahe kamen, aber jeder natürlichen oder motivierten Basis fernestehen, denn die rätselhafte Inschrift ist kurz gesagt s 1 a v i s c h (wenn man will, auch kelto-rhätisch!) und heißt xen cekinx (= ein Goldstück), wie der Slovene (als xzecchino« auch der Italiener) noch heute jede Goldmünze im allgemeinen benennt. Die phonetische Lesung ist bei Fig. 19 etwa: cegnj, bei Fig. 20: ciekinj. In den mir vorliegenden Darstellungen sind die Schlußlaute recht undeutlich und entweder von den Originalen ungenau kopiert oder dort selbst schon schwer leserlich.*) Geht man nun der Etymologie des Begriffes xcekinx nach, so kommt man auf das slavische xsekatix (= schlagen, hauen, hacken), daher auch ital. xzeccax (= Münzpräge), deutsch xZechex (= Bergbaugesellschaft), und benannte man einst jene aus Gold, — mag dies nun Berg- oder Waschgold gewesen sein —, zu Münzen geschlagenen Stücke (man sagt noch immer : Münzen schlagen) xse-kin, cekinx; daß xcx und xsx in den slavischen Schriften oft wechseln, ist jedermann, der die slavischen Alphabete kennt, genügend bekannt. — Es hat daher auch keines dieser alten Münzexemplare *) Eine solche Originalmünze konnte ich bisher leider weder käuflich erwerben noch leihweise zu Studienzwecken erhalten; alle Angaben sind daher nur auf Abbildungen jener Münzen aufgebaut. — Die Lesung des xcx (oder «g«) als xk« darf weiter nicht irritieren, denn auch der Lateiner kannte kein xk«, umschrieb es daher mit xcx. — Aber auch später machte man keinen genauen Unterschied zwischen xcx und xkx, — Die älteste deutsche Münzaufschrift (um das Jahr 1170) lautet: Maregrave Otto (von Brandenburg), während zu gleicher Zeit sein Nachbar und Kollege von Köpenick, der Wendenfürst, seinen Münzen slavische Aufschrift gab: JAKZA COPTNIK CNE. (Jakša Koptnik knez), wobei gleichfalls >( regellos als xkx angewendet werden. dasselbe Gewicht, die gleiche Stärke, noch auch äußerlich eine konsequent gleiche Aufschrift, weil sie einzeln und fallweise, je nach Einlauf des Goldmetalls, erzeugt wurden. — Eine solche Münze ist daher schon sprachlich nichts weiter als ein Stück geschlage-11 e s Gold, also nein Goldstück«, und gibt es irgendwo eine Münze mit der Aufschrift ><šč« mag einst dem Schreiber die gleichen Schwierigkeiten geboten haben, wie etwa heute dem Deutschen oder Franzosen, denn für diesen Doppellaut haben die einzigen Russen ein einheitliches Zeichen. die Münzen im ungarischen Museum auch Fälschungen sein, aber dazu war ein Hanka doch noch zu jung ! Übrigens können doch nicht alle Menschen, welche alte Münzen finden, zugleich Münzenfabrikanten sein, denn gar so einfach ist die Sache doch nicht! Weiters wird behauptet, die Herrscher des großmährischen Reiches prägten keine Münzen (!) und daraus deduziert, daß Hanka’s Münzen deshalb gemeine Nachahmungen sein müssen; die Münzen sind aber eben nicht vom großmährischen Reiche, sondern vielleicht 1000 Jahre früher geprägt, können daher keine Falsifikate Hanka-Kilian’s sein! Hanka beging gerade selbst unbewußt den Fehler, daß er sie einer Zeit zuschrieb, — eigentlich tat dies Boczek —, die — angeblich — keine eigenen Münzen besaß, wodurch er sich eben verdächtig machte, denn dessen Lesung xRasticax ist lediglich eine selbst suggerierte. Vielleicht wäre es doch korrekter noch einmal, wenigstens auf diese Anregung hin, die Sache zu überprüfen, als alles gewissenlos als eine Fälschung zu stigmatisieren, was die historischen Grundsätze der Slaveneinwanderung zu erschüttern droht.*) Sprechen wir nun einmal über die ganze häßliche Affaire die völlig ungeschminkte und nackte Wahrheit aus: Sobald ernste Beweise des Autochthonismus der Slaven auftauchen, rückt auch schon die Hermandad der Wissenschaft heran, gebietet xHaltx und nimmt die neuen Belege sofort unter ihren Verschluß, worauf die Sache wieder bis zum nächsten Anstoße ruht. Ob dabei wirkliche Unwissenheit oder aber lediglich Mißgunst und Augurentum die Oberhand haben, darüber herrscht keine volle Klarheit; der Schein sagt aber, daß sich beide ungefähr die Wage halten. Symptomatisch ist es für jeden Fall, daß sich gerade die slavischen Vertreterder WissenschaftjederKlärungaufdie-sem Gebiete am energischesten in den Weg stel-1 e n.**) — *) In letzter Zeit hat sich Josef Smolik in der Broschüre: Zlaté mince s domélym opišem xPegnaze» (Prag 1906) wieder bemüht die ganz unmotivierten Verdächtigungen gegen Hanka weiter wachzuerhalten. *0 In verwichener Zeit stellten sich verschiedene Hochschulprofessoren gegen mich und beanständeten namentlich meine Berufstellung, welche angeblich nicht darnach angetan sei, auf wissenschaftlichem Gebiete Ersprießliches zu leisten. Diese Kritiker übersehen, daß auf den verschie- Es gibt weiter auch Goldmünzen, welche die Aufschrift xBIAT« und xBIATECx tragen. Diese Texte wurden gleich anfangs richtig gelesen und gedeutet, denn «biti, bijatix bedeutet im Slavischen wieder das Schlagen, die obigen Schriften xbiatx und xbiatecx also das Geschlagene, die Münze. — Ob sich nun dieses Schlagen darauf bezog, daß die Münze bestimmte Zeichen einge schlagen erhielt oder daß sie geschlagen wurde, um eine erwünschte, für den Gebrauch handliche Form — rund oder oval — anzunehmen, ist nicht von tieferer Bedeutung; auffallend ist es aber, daß nicht nur die hier erwähnten Münzen etymologisch etwas G e-schlagenes, Festes bedeuten, sondern daß dasselbe auch bei xsoldusx der Fall ist, sowie daß der deutsche Begriff xMünzex (lat. munitus = fest, ital. moneta, monetare = prägen, schlagen) dieselbe Grundbedeutung hat. Überdies bedeutet das russische xdenj-gix (= Geld) auch dasselbe, und hat sich sogar im Deutschen der innig verwandte Begriff xd e n g e 1 nx erhalten. Daß aber ein Fürst je xpegnazex auf seine Geldstücke prägen ließ, ist höchst unwahrscheinlich, denn xpenizx bedeutet, wie es die Cechen und Polen gebrauchen, das Strafgeld, d. i. den Betrag, welcher fallweise für eine strafbare Flandlung als Sühne auferlegt wurde, nachdem in der ältesten Zeit meist Geldstrafen verhängt wurden. Dem Russen ist die Geldstrafe xpenjax, dem Lateiner xpo-enax sowie rPönalex. Hatte aber die Münze nur den Zweck des Strafgeldes und nicht den des K a u f m i 11 e 1 s, dann ist sie an sich ein Pasquill auf die Aufschrift, weil ja der Bestrafte zuvor eine solche Münze erst hätte eingehändigt erhalten müssen, — sie erhielt aber diesen Namen eben erst aus der Praxis! — Ebenso ist xdollarx, woraus xTalerx wurde, etymologisch die Schuld für eine Sache (im Lateinischen xdolumx), und gebraucht der Russe noch xdoljax (= bestimmte Abgabe), der Slovene xdolgx (= Schuld im allgemeinen). Es haben aber auch andere Münzsorten die gleiche sprachliche Bedeutung; so ist der slovenische Begriff xvinarx (= Heller) aus xvinax (= die Schuld, auch: Grenze) hervorgegangen; die russische densten Wissensgebieten, namentlich aber bei geographischen Forschungen, die Offiziere meist die ersten Pioniere wie auch Opfer waren und darf ihnen eine gewisse Vielseitigkeit und vor allem die Fähigkeit der Beobachtung mit offenem, durch Politik und Parteilichkeit nicht getrübtem Auge billigerweise nicht abgesprochen werden. Silbermünze «grivenka, grivenik« ist ein Reugeld, Sühngeld, denn im slovenischen Jargon hat sich das Grundwort «grivati« (= bereuen), «grivenga« (= Reue) in diesem Sinne noch voll erhalten, und war diese Münzsorte wohl auch bei den übrigen Slaven im Umlaufe; so hatte z. B. Wenzel der Heilige jährlich »300 hriven stribra« {300 solche Silbermünzen) als Tribut ans Deutsche Reich zu zahlen.") Im allgemeinen zeigen aber die Münzbenennungeh, und namentlich die Münzeinheiten, auch etymologisch an, daß sie vor allem als Zoll an der Grenze galten, denn dieses ist z. B bei den Münzen: Mark, Kreuzer (kraj), vinar, metal, obolus u. ä. unverkennbar. Erwähnenswert ist noch der «wissenschaftliche« Terminus «Rc-genbogenschüsselchen« für die ältesten Goldmünzen. Ein deutscher Numismatiker glaubte in den Einprägungen und Eindrücken die Ähnlichkeit mit einem Regenbogen, — tatsächlich ist eine Ähnlichkeit eher mit dem Halbmonde herzustellen—, gefunden zu haben, und prägte nun diese skurile Determination selbst weiter aus, welche sodann unbedacht übernommen wurde, denn Münzen dieser Spezies weisen noch keine Schrift auf. Solche Münzen wurden aber in den verschiedensten Gegenden und oft in großen Mengen an e i n e r Stelle thesauriert gefunden (z. B. bei Bodenbach in Böhmen ein Schatz im Werte von ungefähr 120.000 K). — Wahrscheinlich sind aber die «Regenbogenschüsselchen« nur ein Kleider- und Pferdegeschirr-Schmuck gewiesen, wie solchen ja auch der Balkanslave auf seiner «torba« (Umhängledertasche), dann auf dem Zaum- und Sattelzeuge reichlich anbringt, und in ähnlicher Weise auch der Slovake, Russe, Litauer u. a. verwendet. Die Eindrücke auf den Zierbuckeln können zum Teile auch von zufälligen mechanischen Schlägen herrühren, sind sonach bei dieser Entstehung ganz bedeutungslos. — Dr. Basanović fand in Südwestrußland wie auf dem Balkan eine Menge solcher knopfartiger Zierrate, denen noch Seide oder Lederstückchen anhingen; ob darunter auch solche von Gold waren, ist mir nicht bekannt. — Daß dieser Schmuck nur bei den Reicheren aus Gold bestand, ist naheliegend; bei den Ärmeren mußte hingegen *) *) Ansonst gilt im Altslavischen «grivna« als Halsband, Spange, d. i. als Frauenschmuck durch Anreihung mehrerer solcher Münzen auf einem Faden. Silber, Bronze, Messing oder Zinn genügen, und sind Funde dieser Art aus den ältesten Nekropolen genug bekannt.*) Das Vorfinden von Münzen gleicher Prägung an den verschiedensten Punkten beweist aber zur Genüge, daß es einst sehr bedeutende Handelsverbindungen gab, daß der Bergbau blühte, daß die Schrift allgemein verbreitet war, und daß die Träger dieser Kultur, die ihre Münzen mit slavischen Texten versahen, doch nur Slaven gewesen sein konnten. — Es fällt überdies auf, daß sich solche Münzen meist an Punkten vorfinden, wo sich sozial höher gestellte Personen aufgehalten haben mußten, also auf Verteidigungsplätzen, Burgbergen, alten Wachpunkten, die noch heute unverkennbar sla-vische Namen urmilitärischer Provenienz tragen, wie: Bodenbach (vod, vodnik), Hradisté (wiederholt), Stradonice, Stražnica u. ä.*) **) Ansonst möge in dieser Sache die Numismatik im Vereine mit der Sprachwissenschaft weitere Klärung bringen. * * * *) Die Verwendung solcher Schmuckstücke aus Edelmetall mag früher bei eingetretenem Geldmangel auch Versatzzwecken gedient haben. Ich entsinne mich hiebei einer der ältesten Jugenderinnerungen. Die Männer trugen in Untersteiermark einst an der Veste große, enganeinandergereihte halbkugelförmige Silberknöpfe. Da sah ich einmal in einem Gasthause, wie ein Mann, augenscheinlich schon in Weinlaune, den obersten Knopf von seiner Weste abriß und ihn dem Wirte zuwarf mit den Worten: xNoch eine Maß!» — Setzte jener Zecher diese Prozedur so fort, so hat er jedenfalls auch alles »bis auf den letzten Knopf* vertrunken, daher diese Redensart einst wörtlich und bildlich vollkommen berechtigt war. **) Unter Reserve gebe ich auch meine Ansicht über die sechs gestielten Kugeln (bei Fig. 21) frei, die in der Zahl 6 oder 3 auch bei einzelnen »Regenbogenschüsselchen« Vorkommen; vielleicht führt die breitere Kenntnis derselben doch zu einer positiven Klärung. Ich glaube, daß wir hier das Urbild unserer Adelskronen zu suchen haben. Türkischer-seits wissen wir es noch genau, daß der Roßschweif seinerzeit den höchsten militärischen Würdenträgern als äußeres Rang-, wie auch Feldzeichen galt. Es bestand aus einem von einem vergoldeten Halbmonde herabwallenden Pferdeschweife, der an einer Stange mit aufgesetzter goldener Kugel getragen wurde. Der Pferdeschweif war jedoch durch Seiden- oder Wollfäden ersetzt, welche entweder wirr herabhingen oder zu einer Quaste vereinigt waren; die Verlängerung derselben führte dann vermutlich zu Standarten. Wimpeln und Fahnen. — Die goldene Kugel war hohl und ent- ; .über die, Sprachzugehörigkeit der bisher ungelösten Schriften in Rurien> lateinisqhen, griechischen und altslavischen Zeichen läßt sich aber auch schon ein positives, wenn auch noch kein allgemeines Schlußurteil fällen, denn man kann denselben sprachlichen Text schließlich in jeder Schrift niederschreiben, nur mangeln oft hiezu die erforderlichen Buchstaben, die man daher durch ähnlich bewertete hielt Steinchen oder Metallstüeke, welche beim Tragen schellenartiges Geräusch verursachten und lediglich den Zweck hatten aufmerksam zu machen, daß ein Hoher nahe und daß man den Platz freihalten müsse. — Der Höchste, der Sultan, hatte als Rangszeichen sechs Roßschweife, die ihm entweder vorangetragen oder im Kriege vor dessen Zelte aufgesteckt wurden; andere hohe Militärs hatten sodann absteigend drei, zwei und ein solches Feldzeichen. Dieses Attribut wurde nun vermutlich auch auf den Münzen ersichtlich gemacht, und sind die sechs gestielten Kugeln eben die sechs Roß schweife, das Symbol oder Wappen des Prägeherrn dieser Münzen in einer Zeit, die ungefähr 1000 Jahre vor Mohamed liegt. — Der Anachronismus, der sich hier einstellt, nachdem die Osmanen erst im 14. Jahrhunderte n. Chr. in Europa festen Fuß faßten, die erwähnten Münzen aber etliche Jahrhunderte vor Chr. geprägt scheinen, ist bald aufgeklärt, denn es ist doch naheliegend, daß die Türken als Regierende ihre Münzen nicht mit slavischen Texten werden versehen haben. — In der vorchristlichen Zeit wohnten aber als Herrschende die Slaven in der jetzigen europäischen Türkei. Der Grundstock der Bevölkerung besteht daselbst ja noch immer aus Slaven und bilden die Türken, namentlich solche vom mongolischen Typus, nur einen sehr kleinen Bruchteil der Gesamtbevölkerung. Den Einfluß über die Slaven gewannen aber später die Osmanen durch die Religion sowie die politisch kluge Organisation einer wohlgeschulten Kriegsmacht und der Gründung des ersten stehenden Heeres, wobei sie den Übertritt der Christen zum Islam durch allerlei Vorrechte beschleunigten, die erbliche Dienstpflicht der Soldaten aber mit Einkünften einzelner Dörfer in den neueroberten Gebieten belohnten. Daß sie anfänglich dabei die Sprache, Sitten und Gebräuche der Starr mbewohner schonten und manches übernahmen, um die Slaven rascher für sich zu gewinnen, ist wohl naheliegend. Auf diese Art. kamen nun auch die urslavischen Feldzeichen, sowie das südslavische Wappen—der Halbmond mit dem Sterne — auf einmal in das türkische Milieu. — Die ganze Nomenklatur politischer Richtung ist im Türkischen offenkundig auf das Slavische aufgebaut, ja das Slavische muß in der ersten Zeit als zweite Staatssprache gegolten haben, denn es gibt eine Menge Urkunden aus den Jahren von 1421—1566, die in slavischer Sprache verfaßt sind, und zugleich den »Türgas« (= Sultanssiegel) als Zeichen des Originaldokumentes tragen (z. B. in den Archiven von Ragusa). in dein gegebenen Alphabete ersetzt octer umschreibt.*) — Nachstehende Beispiele zeigen jedoch klar, daß es weiterhin; unmöglich wird die Behauptung zu verteidigen, daß die alten Slaven keine Schrift gekannt oder besessen u-nd deshalb auch keine schriftlichen Denkmäler aus ihrer Urzeit zu rilfckgelassen hätten. Die Gegenbeweise sind entschieden da, und wenn darunter Steine sind, die seit dem. Jahre. 79 n. Chr. unter harter Lavadecke in Herculanum und Pompeji ruhten, so war es wenigstens durch ungefähr 1900 Jahre nicht möglich, daß sie etwa schon ein antiker Hanka gefälscht hätte, denn die Geschichte von heute sagt, daß die Slaven vier Jahrhunderte später kamen, und überdies in Süditalien nie waren. Hoffentlich werden die folgenden Beweise die Klärung dieses Geschichts-und Gelehrtenirrtums besiegeln. Es ist aber sicherlich nicht leicht heute den Schrifttext auch einer bekannten Sprache zu entziffern, wie sie vor etwa zweitausend Jahren gesprochen und geschrieben wurde, da man nicht mehr den Artikulationsmodus und die schriftliche Darstellungsmethode der Aussprache von Einst nachprüfen kann, und bilden namentlich die Zischlaute und die Sibillanten dabei die größten Lösungsschwierigkeiten. Wir müssen uns,daher bei den Entzifferun-genandie, wenn auch nicht ganz klare Buchstabierung derLautfolge im kleinen einerseits, andererseits aber an den logischen Inhalt im großen anlehnen, denn auch unsere ältesten Vorfahren werden auf einem bestimmten Objekte nur das aufgeschrieben haben, was mit diesem organisch zusammenhängt, wie ich dieses auch an Ortsnamen in tausend Beispielen nachgewiesen habe, denn das entscheidende Machtwort spricht dabei doch immer die Impression! *) Die böhmischen Urkunden und Werke sind durch mehrere Jahrhunderte hindurch in Kurrent und Fraktur dargestellt. — Bis zum Jahre 1848 gab es in Untersteiermark etliche Volksschulen, in denen die Schüler wohl slovenischen Text schrieben, aber nur in Kurrentschrift, nachdem der Lehrer die lateinische Schrift nicht kannte und nebstbei die Sprache der Schüler nicht beherrschte — die richtigste Methode aus einer Sprache ein Kauderwälsch zu machen und der Jugend die Schule zu verleiden! 17 Es sei aber hiemit keineswegs behauptet» daß alle Vorgefundenen Runendenkmäler sia vise he Texte haben müssen» denn ebenso wie wir mit der lateinischen Schrift Lateinisch, Deutsch, Französisch, Magyarisch u. s. w. schreiben, können auch die Runen verschiedenen Sprachen zugleich als Schrift gedient haben. Wir kennen doch epigraphische Runenschriften von Rhätien, Skandinavien, Ungarn, Etrurien, Griechenland, Phrygien, Äthiopien, Amerika (Mississippital) u. a., wissen aber nicht, welcher Sprache sie zuzuschreiben sind, so lange uns die sprachliche Gesamtdeutung der mühsam entzifferten Einzellaute ein Rätsel bleibt. — Ich kann daher auch in den folgenden Beispielen keine in jeder Richtung unanfechtbare Lesungen bieten, wohl aber etwas, was durch den Inhalt wie daszugehörige ObjektoderBild selbst als natiir-lich begründet oder doch naheliegend erscheint. Etruskische Runeninschriften. I. Bei Perugia (alt: Perusia in Italien) wurde ein marmorner, etwa 1 m hoher und noch etwas breiterer Sarkophag gefunden, in dem mutmaßlich einst eine hohe Persönlichkeit beigesetzt wurde. Auf einer Breitseite befindet sich in Relief eine nackte männliche Figur, welche von fünf Kriegern römischer Tracht gemartert, d. h. lebendig zerstückelt wird. Die sprechende Szene klärt oberhalb noch die Aufschrift «Mutjina krul«— auf, was als «Marterung der Königs« (oder «des Königs«) zu übersetzen ist, denn «mučiti« bedeutet im Slavischen noch heute martern, quälen, und «kral, krul« ist: König, Anführer. -— Tatsächlich spielt sich in der Geschichte Perusia’s eine ähnliche Episode ab, denn im Perusinischen Kriege habe Oktavian am 15. März 40 v. Chr. nach der Kapitulation der Stadt vierhundert vornehme Perusiner, und darunter wohl auch den König, d. h. die Führer, martervoll hinrichten lassen; es ist daher nicht ausgeschlossen, ob diese Darstellung nicht direkte an jenes Ereignis anspielt (siehe Fig. 23), denn die Stammeinwohner Perusia's dürften damals noch nicht latinisiert gewesen sein. Die Schrift selbst ist offenkundig von rechts nach links zu lesen, was daraus erleuchtet, daß alle nichtsymetrischen Schriftzeichen nach links gekehrt erscheinen und den Eindruck machen, als hätte der Graveur hier eine Schriftvorlage zuerst abgedrückt und dann gleich das Negativum ausgemeißelt.*) Fig. 23. II. Auf etrurischem Gebiete wurden zahlreiche Urnen ausgegraben, welche Runenschriften aufweisen. Eine solche zeigt Fig. 24. Sie ist mit der Aufschrift «lacnemix (= dem Hungrigen) versehen und dokumentiert damit, daß die Urne nicht zur Aufnahme der Asche selbst, sondern als ein Gefäß zum Aufbewahren der Wegzehrung für den Toten diente, sowie meist auch ein weiteres Gefäß für Getränke, dann ein solches für Salben und die Grablampe beigegeben war. *) Umgekehrte Inschriften kommen auch später vor. So besitzt Viska (bei Boskowitz in Mähren) uralte Glocken mit Inschriften, die lange niemand enträtseln konnte. Endlich gelang dies dem H. Sloväk (Kremsier), der als Buchdrucker darauf verfiel, es könne die Schrift ein Negativum sein, was dann sofort die Klärung brachte, denn ein solcher Text lautet z. B.: svata marya, matko boži . . . Der Glockengießer hat den von einem Mönche erhaltenen Widmungstext aus Unwissenheit verkehrt angebracht, oder lag dies schon in der bestimmten Absicht des Mönches, um die Widmung mj'stischer erscheinen zu lassen. — 17" ■ Aach diese - Aufschrift, die'der Slovene heute : als >< an. Die gesamte Gelehrtenwelt müßte dieser Darstellung ratlos ge- /I \| 2 M 3 $ I 4 A \| - Henkd '/ JlancL VT ATsmfrdJu^ nA'INAXV^MA'I^OI^ hai vajÄ' Fig. 33. Germanische Runeninschriften. , I. Auf der bei Freilaubersheim ausgegrabenen KleiderSpange befindet sich auf der Innenseite eine‘Runeninschrift, von der bisher nur die letzte Zeile gelöst ist, da sie für den Slaven keinerlei tieferes Studium erfordert ; sie lautet : Bozov-raet runa, d. h. Bozo ritzte die Runen ein. — Es ist dies selbstredend eine Art Dokument, wer die vorausgehende Widmung in die Spange gravierte, ähnlich wie . auch der Maler, Bildhauer oderErzgießer zu seinem Namen an irgendeiner Schlußstelle noch sein xpinxit, sculpsit« oder xfecitx am fertigen Werke anbringt. Die Germanisten kamen nun sonderbarerweise zu gleicher Translation des Textes, nur mit dem Unterschiede in der Behauptung, daß dieser deutsch sei, was man aber deshalb bezweifeln muß, weil «vraetn der altslavische Aorist von xvritix (eingraben, einritzen) ist, und wenn auch das einfache Verbum xriti« identisch und phonisch gleichlautend ist mit dem altdeutschen xritanx (= ritzen), so ist aber hier die Zusammensetzung mit xvx (slav. = in, hinein), einer ausschließlich slavischen Präposition, doch für die deutsche Provenienz unhaltbar, und wird darüber, wenn einmal der übrige Textteil entziffert ist, das maßgebende Schlußwort für jene fallen, welche sich zur slavischen Texterläuterung dermalen noch skeptisch verhalten. xBozox (von xbogx oder xvozx = der Führende, voziti = führen) ist wahrscheinlich gleichbedeutend mit Priester, der die Spange gravierte und weihte, denn ebenso wie die Waffen der Männer wurden einst die Gürtel, Spangen und sonstiger Schmuck der Frauen zuvor geweiht, ehe sie zur ernsten Ververtung kommen sollten; sie galten als wertvoller Familienbesitz und wurden schon als eine Art Devotionalien erworben, wofür noch heute bei Kirchweihfesten und berühmten Gnadenorten genug Analogien zu finden sind. — Überdies galten die Priester und Mönche beim Landvolke genüberstehen, denn der Spruch ist vor allem gar nicht türkisch, sondern rein slavisch, welchen aber der slavisch sprechende Türke in der Form xne boi sex (= fürchte dich nicht) tatsächlich oft gebraucht. — Ich hätte in jener exotischen Schreibweise auch niemals die Sprachzugehörigkeit und die Bedeutung erkannt, wenn ich beim Lesen jenes Artikels nicht zugleich festgestellt hätte, daß der Verfasser in dem Irrtume lebt, der Mohammedaner im Reichslande spreche türkisch, was aber eben nicht zutrifft. seit vielen Jahrhunderten bis in die jüngste Zeit als die einzigen xSchrift-Gelehrtenx. Wäre aber nun xbozo vraet runa« — deutsch, dann stammt die Schrift aus einer Zeit, als deutsch und slavisch noch identisch war, doch da ist es wieder sonderbar, daß sich hiebei die slavischen Formen, — trotz aller Unterdrückung des Slavischen —, gramatisch unverändert richtig bis heute erhalten haben, während im Deutschen dies absolut nicht zutreffend oder nachweisbar ist. Angenommen jedoch den Fall, daß die Deutschen wirklich einmal so sprachen: wie kommt es nun, daß die im 5. Jahrhunderte einwandernden Slaven schon genau so sprechen, wie es auf der erwähnten Spange steht, nachdem sie ja nicht deutsch sprachen! — Rührt aber die Schrift aus der Zeit nach der Einwanderung derSlavenher, dannistsieumsomehrslavisch, als sich das Deutsche zu dieser Zeit mit der slavischen Sprache doch nicht mehr deckte; haben aber die Slaven das Deutsche aus dieser Zeit übernommen, dann gäbe es heute kein Slavisch, und dieses läßt sich doch auch nicht wegleugnen! Nun ist aber ein analoger Schlußpassus in anderer Form, aber gleicher Bedeutung auch auf anderen >< Runendenkmälern zu lesen, wie z. B. auf dem Stein von Varnum: xrunoh varitu« = . . . hat die Runen geritzt; ein andermal, wie z. B. auf dem Steine (Grabsteine?) von Tune auf der einen Seite: xvorah to runotex = derBeschiitzer(Priester!)hatdiesgeritzt; auf der anderen Seite : xvoduridex = Meisterritzer (analog unserem: Schriftenmalermeister). Einen ähnlichen Text haben auch die Maeshover Inschriften, wo zu lesen ist: xpisar*) (oder: tisar; tesati = meißeln) runarx = Runenschreiber, Runenmeißler. Bei allen diesen Beispielen wird aber die deutsche Sprache — im heutigen Sinne — doch schwerlich ihre Paternität nachweisen! II. In Pommern wurde ein kleiner Tonkopf gefunden, der unten mit einem kurzen fünfseitigen Prisma endet; auf jeder Seite ist ein Buchstabe eingekerbt; überdies auch ein solcher am Scheitel. Man *) Pisati = schreiben. — Im Assj'rischen heißt der beschriebene Tonzylinder auch upisanu«, d. i. das Geschriebene. weiß nun nicht, wo man zu lesen beginnen soll, um einen Sinn herauszubekommen; beginnt man aber bei “| (g), liest nun ringsherum, so erhält man das Wort «glavnu« oder «glavny«, wodurch man sofort orientiert ist, denn die Kopffigur stellt jedenfalls das vor, was die Schrift sagt: das Oberhaupt, den Führer oder irgendeine die Hauptrolle spielende Person, analog wie wir uns die Büsten von h K H q A 4 Fig. 34. Herrschern, von großen Feldherrn, Dichtern, Musikern usw. anschaf-fen. — Einen ergänzenden Wink für die slavische Lesung dieser Runen gibt uns auch der Umstand, daß der Tonkopf in jenem Pommern gefunden wurde, welches bis vor mäßiger Zeitfrist noch ganz slavisch war.*) Der Tonkopf befindet sich jetzt in Berlin. «) Zur obigen Lösung und Erklärung führte mich H. Slovak in Krem-sier, ein hervorragender Archäologe, welcher auch an den Fortschritten dieses Werkes stets das lebhafteste Interesse bekundet hat, wofür ihm an dieser Stelle aufrichtig gedankt sei. Žffj Slavische RuneninschriSten. Unter diesem 'lite! weiden fene Denkmäler mit Runenschriften zusämmengefaßt; dereü Provenienz man bisher den Slaven beließ, bezw. deren Lesung zu keinen sprachlichen Zweifeln führte. Hiezu gehören': I. Auf dem Smrčnik, einem der höchsten Punkte des Kremnitzer-Gebirges in der Slovakei wurde i. J. 1861 durch Paul Rrižko auf Grund von märchenhaften Erzählungen der Umwohner ein etwa 15 langer Stein mit der in der Abbildung (Figi 35) ersichtlichen Schrift entdeckt. Eine glaubwürdige Entzifferung des Textes gelang bis jetzt niemandem, wenigstens so weit dies bekannt wurde. — Fig. öS. Mein Versuch den Text zu erklären, gab folgendes Resultat: «rubi chury kryje mugila«, d. h. «Die Grenze des Berges bedeckt das Grab«, was tatsächlich stimmt, denn dort läuft die Romitätsgrenze und dort übersetzt auch der Weg, welcher Kremnitz mit Neusohl in der kürzesten Linie verbindet, das Gebirge. Ob sich daselbst auch ein Grab befand, ist heute schwer zu entscheiden, da sich nach dem Bekanntwerden des Schriftfundes sofort habsüchtige Leute fanden, welche den Stein von der ursprünglichen Stelle verschoben und dort herumgruben. — Die Begriffe: rub, hora, kryti, mugila — sind jedem Slaven bekannt. — Das äußerste Zeichen rechts ist augenscheinlich ein «s«, doch ist die Bedeutung einstweilen nicht bekannt; möglicherweise gehört es aber noch zu «mugila« also: mugilas. Als höchstes oberstes Zeichen ist ein Kreuz angebracht, worüber ein Zweifel besteht, ob es eine sakrale Bedeutung hat, oder ob es die Kreuzungsrichtung der Grenze mit dem Karrenwege andeutet. Für jeden Fall ist dieser Stein in erster Linie ein Grenzstein, und damit dieser pietätvoll behandelt, also nicht verrückt werde, diente er allenthalben zugleich als Grabstein für eine daselbst oder auf dem nahen Velestur, Flradek oder der Divči skala im Kampfe gefallenen Krieger, denn alle diese uns schon bekannten Namen zeigen an, daß sich auf diesem, mit einer ungewöhnlich weiten Aussicht nach allen Seiten gewährenden Punkte, einst ein wichtiger Wach- oder Verteidigungsposten befunden haben muß. — Ebensogut ist es aber möglich, daß hier überhaupt kein Grab w ar, sondern daß der Stein ausschließlich als Grenzstein diente, denn der Slovene versteht unter xmugax auch die Grenzlinie, den Grenzstreifen für sich, daher die Inschrift auch als: xdie Kante (die Krete, die Kammlinie) des Gebirges deckt der Grenzstreifen « gelesen werden kann, zumal dies auch heute noch zutrifft. Diese Inschrift konnte noch von niemandem als eine Fälschung erklärt werden, weil hiezn bisher die Vorbedingung der ersten Lösung fehlte. II. Auf dem höchsten Punkte des Kremnitzer-Gebirges, xVelestur« genannt, wurde vier Jahre später eine Runeninschrift auf einem Fels-1.locke, -gleichfalls von Pani Križko entdeckt, wozu ihm sagenhafte Erzählungen der Bauern den Impuls gaben.*) Die beigegebene Figur 36 zeigt die Inschrift selbst, die schon Križko lautlich richtig unter Zuhilfenahme von Kollär's xStaroitalija Slavjanskax (Wien, 1853), w elches Werk die verschiedenen italischen Runenalphabete enthält, entzifferte, jedoch zum großen Teile unrichtig deutete. Der Text lautet: xPrjechach silian od morane zrumich kremenitju te turu i vsia grada i bje gode po turu dvjestje te osemdstx — d. h. xEs kam der Silleiner von der Grenze, zerstörte Kremnitz und Tur, sowie alle Burgen und alle befestigten Punkte im Turgebiete an 280.x ) Križko fand bet dieser Gelegenheit auch noch auf einem schiefertafelartigen Bruchstücke eine Runenschrift, die aber weiter textlich nicht von Bedeutung ist, w eil erst das fehlende Stück eine glaubwürdige Lesung ermöglichen könnte. Dieser zur Gegend vollkommen passende geschichtliche Text ist vor allem deshalb von hohem wissenschaftlichen Werte, weil er umfangreich ist, daher die meisten Laute des Alphabets enthält und überdies für etliche meiner längst vorausgegangenen etymologischen Begriffserklärungen, wie: morana, tur, god — die Bestätigung erbringt, daß dieselben schon in jener Zeit richtig ausgelegt wurden, als mir diese Inschrift noch völlig unbekannt war. Der obige Text bildet für das Verständnis des Slaven sonach keine besonderen Schwierigkeiten, namentlich wenn er folgendes weiß : xprjechachx ist der Aorist von xjehatix (= kommen, marschie-ien) mit der Präposition xprix (= zu, bei), welche aber z. B. der Slovene als xprx, also mit dem stummen xex in gewöhnlicher Rede gebraucht; xSilianx ist der Machthaber, der Herr von Sillein an der Waag. Ganz ähnliche, ja lautlich sich nahezu deckende Texte kann man im Slovenischen vom xCeljanx, d. i. dem xCillierx, dem Grafen von Cilli, in den alten Chroniken lesen. Sillcin befindet sich am linken Waagufer, also nicht im Tur-Komitate; xKremenitju, turn, grada, inorana, god« (unter xChodx) sind im II. Abschnitte etymologisch erklärt; xtex bedeutet dem Slovenen wie Kroaten xundx, welche Partikel sonach auch bei den Slovaken früher im Gebrauche war; xbjex ist offenkundig ein Schreibfehler, wobei eben das «s« ausgefallen ist, was aus dem Gesamttexte: xi vsia grada i vsje (xbx wird zugleich als xvx ausgesprochen) godex deutlich hervorgeht.*) *) Die beigegebene Karte bietet hiezu eine nähere geographische Orientierung über den Zug des xSilianx von Sillein über Turócz-Szt. Marton nach Kremnitz. Sie zeigt weiter, wo sich der Runenstein befindet (7 km ONO von K'remnitz); überdies soll sie beweisen, daß die militär-technischen Vorsorgen der Bewohner dieses Gebietes zwecks ihrer Sicherheit sehr bedeutend waren, denn gerade die Erwähnung dieses konkreten, wenn auch geschichtlich nicht näher aufgezeichneten Vorfalles, drängt uns doppelt die Bestätigung auf, wie außerordentlich gerüstet unsere Altvorderen gegen gegnerische Einfälle waren. — Das große Brandschatzungsgebiet ist hier nur im Maße 1 : 200.000 dargestellt, daher die xgodix zum großen Teile nicht ersichtlich gemacht sind; immerhin zeigen aber die zahlreichen verteidigungstechnischen Namen, die hier rot unterstrichen sind, deutlich, daß es hier viele größere und noch mehr kleine befestigte Punkte gab, welche im erwähnten Gebiete ganz gut die für den ersten Augenblick überraschende Zahl von 280 erreichen konnten, da schon auf der Generalkarte des Turöcz-Stz. Marton Komitates allein an 80 solche Punkte festgestellt sind. Dem ist aber weiters zuzufügen, daß abgesehen von der noch ausständigen etymologischen Entkernung der übrigen auf der Karte erwähnten Ortsnamen, zahlreiche ergänzende Belege namentlich die Katastralmappen bieten. Der Konsequenz halber wurde auch dieses slawische Runendenkmal gleich wieder als eine Fälschung bezeichnet, ja sogar schon i. J. 1865 von mißgünstigen Gegnern zerkratzt, was jedoch den wissenschaftlichen Teil nicht weiter stört, da rechtzeitig mehrere Gypsabklatsche angefertigt wurden. Für die Fälschung spricht nichts, gegen dieselbe Folgendes: a) Der Entdecker Paul Križko wurde erst durch Erzählungen der Bauern, daß es auf dem Velestur nicht geheuer sei, daß dort geheimnisvolle Zeichen eingegraben seien, daß man dieser Stelle ausweichen müsse u. ä., auf die Schrift aufmerksam gemacht; b) ist dieses unzutreffend, dann ist es widersinnig, wenn Križko die Schrift selbst eingeritzt hätte, daß er dann nicht weiß, was sie besagt, denn er las sie wohl lautlich richtig, aber seine Erklärung derselben ist unrichtig, da er folgenden Text ermittelte: «Es kam der Silian vom Norden, zerstörte Kremnitz und Tur und alle Burgen; es war dies 280 Jahre nach dem Tur», wobei namentlich der den Zeitpunkt ergänzende Satz weder dem Texte entspricht, noch sonst etwas besagt. Es ist aber doch anzunehmen, daß der Fälscher einer so umständlichen Arbeit etwras aufschreibt, was er vor allem selbst versteht, denn es wird doch niemand eine sinnlose Kratzerei auf einem vier Stunden Gehweges entfernten. 1266 m hoch im Gebirge befindlichen Felsen vornehmen; c) will jemand Moderner etw as aus eigenem oder nationalem Ehrgeiz in historischer Hinsicht fälschen, so wird er wohl einen Text wählen, der einen Forschungseffekt bilden soll; diese Inschrift erzählt uns allerdings ein lokales Ereignis, läßt uns aber in Bezug auf die handelnde Person, namentlich aber betreffs des Zeitpunktes vollkommen im Unklaren; ja, der Entdecker rechnete autosuggestiv damit, daß die Zahl 280 eine Jahreszahl sein müsse; d) den Fälschungscharakter vernichtet aber vollends der Umstand, daß im Texte Begriffe, vde: morana, god, tur — Vorkommen, deren Bedeutung der Fälscher selbst nicht versteht, die aber jetzt durch diese toponomischen Klärungen, welche übrigens der Kenntnis dieser Felsinschrift weit vorausgegangen sind, zeigen, daß sie in dieses Milieu vollkommen passen, beziehungsweise gerade dadurch deren richtige Etymologisierung bestätigt w ird. Für jeden Fall ist es bedauerlich, daß alle diese Auf- und Inschriften, — es ist die Existenz vieler weiterer im Lande bekannt —, keine für die Vorgeschichte selbst orientierende Daten bieten; immerhin ist aber ihre Existenz allein ein kräftiger Beweis der hohen Kultur wie der intensiven militär-politischen Vorsorgen der Altslaven jener Gegend, denn wahrscheinlich ist es. da auf dem Velestur jedenfalls ein wichtiger, ständiger Wachposten etabliert war, daß die Felsinschrift daselbst die Diensthabenden wie auch die Vorübergehenden stets an die Wachsamkeit und die gew issenhafte Pflichterfüllung erinnern sollte, damit sich das einstige Unglück, das der xSilian« über diese Gegend brachte, nicht wiederhole. III. Einen unumstößlichen Beweis, daß auch die nordischen Slaven die Runenschrift kannten und anwendeten, bieten die sogenannten, jetzt im Museum zu Neu-Strelitz aufbewahrten »(gottesdienstlichen Altertümer der Obotriten zu Rhetrax. — Wie aber alle Belege für das historische Alter der Slaven gewohnheitsmäßig vorerst als Falsifikate erklärt zu werden pflegen, so war es auch hier: man will herausgefunden haben, daß sie Fälschungen eines Gelbgießers von Neu-Strelitz selbst seien. Doch diese Verdächtigung ist nicht nur unbegründet, sondern geradezu albern, wenn schon nicht boshaft, w'as leicht bewiesen werden kann, denn: a) ist bis jetzt nirgends etwas annähernd Gleiches gefunden worden, und zum Falsifikate gehört doch ein Original; b) ist es bekannt, wo und unter welchen Verhältnissen der Fund in der Zeit von 1687—97 gemacht wurde, wie ebenso, daß er erst i. .1. 1769 aus der Dunkelheit gezogen und über Anregung des Herzogs Carl von Meckienburg-Strelitz endlich einer wissenschaftlichen Beachtung teilhaftig wurde; c) wird sich kein Gelbgießer dazu hergeben etw a 50 verschiedene Figuren, noch dazu fast jede mit einer anderen Metallmischung, nach den oberflächlichen Beschreibungen der mittelalterlichen Schriftsteller, wde: Saxo. Helmold, Adam v. Bremen u. a. zu modellieren und zu gießen, sodann durch den Edelrost zersetzen und schließlich auf gut Glück zu vergraben, ganz abgesehen von der kostspieligen künstlerischen Leistung; d) handelt es sich bei jeder Fälschung doch um die Frage, wer hiebei ein positives Interesse hat. denn wollte jemand vor etwa 150 Jahren die Kenntnis von der alten Kultur der Slaven verbreiten und beweisen, daß die Slaven im Norden auch die Runenschrift gebrauchten, so mußte er doch die Runen der südlichen Slaven kennen, um das Märchen glaubwürdig zu machen; damit wäre aber indirekt bewiesen, daß wenigstens die Slaven im Süden die Runen anwendeten. Übrigens besaß man zu dieser Zeit noch eine hohe Meinung von der slavischen Kultur, wie die zeitgenössischen Schriftsteller beweisen, es war daher damals kein zwingender Grund, den Nimbus durch Fälschungen zu erhöhen. — Oder soll ein Gelbgießer nur mit divinatorischer Eingebung oder gar zufällig Runeninschriften auf den Bronzefiguren angebracht haben, die nun sonderbarerweise den später ausgegrabenen Fundstücken mit etruskischen Runen sehr ähnlich und textlich nur dem Slaven verständlich sind? Woher hatte nun der Mann diese Wissenschaft, denn bis heute glaubt niemand, ja nicht einmal irgendeine s 1 a v i s c h e Akademie daran, daß die Runen je eine slavische Schrift waren! Und trotzdem weisen die Statuetten, die mit starker Patina überzogen sind und wohl viele Hunderte von Jahren in der Erde lagen, zum dargestellten Gegenstände immer die richtigen textlichen Kommentare in Runenschrift auf; e) wen schließlich diese Vernunftsgründe nicht überzeugen, der sei auf Dietmar v. Merseburg (geb. 975) verwiesen, der selbst als Domkapitular erzählt, daß er Götzen zu Rhetra, welche mit Runenschriften versehen waren, mit eigenen Augen gesehen habe, und diese Angabe kann doch keine Phantasterei gewesen sein, da Götzen solcher Art daher sicherlich vorhanden waren, sonach wenigstens im Laufe der verwichenen 1000 Jahre nicht gefälscht, sondern höchstens vervielfältigt worden sein konnten. — Von den verschiedenen «Götzen zu Rhetra« wird zum Beweise hier «Radegast (Radegost, Ridegast)«, wie diese Statue allgemein gekennzeichnet wird, dargestellt (Fig. 37). Die Vorderansicht zeigt eine Menschengestalt mit einem Löwenkopf; auf diesem sitzt eine Gans; auf der Brust ist ein S t i e r k o p f dargestellt. Auf der Vorderseite finden sich wohl Schriftzeichen vor, die aber einen bis auf «cern . .« nicht mehr verläßlich lesbaren Text aufweisen; hingegen sind auf der Rückseite (Fig. 37b) deutlich von oben nach unten zu lesen: «Radegast, Belbog (Belbocg*) und «Rjetra«, also etwa in der Be- *) «Gx schrieb man früher am Schlüße eines Wortes ziemlich allgemein als «cgx ; z. B. «rinneweegx (= Rennweg i. J. 1259). deutung: Kriegsherr, Oberführer, Beschützer. Diese drei Gottnamen sind ähnlich aufzufassen, wie etw a Zeus oder Jupiter, deren einheitlicher Person die verschiedensten Funktionen, wie: Donnerer, Beherrscher der Welt. Beschützer der staatlichen Ordnung, Schirmer des Rechtes u. a. übertragen w aren. Man nimmt meist an, daß diese Statuetten den alten Wenden als Feldzeichen dienten. Diese Verwendungsart hat jedoch, wenigstens in unserem heutigen Sinne, w enig Wahrscheinlichkeit für sich. da die Figuren kaum 20 cm Höhe erreichten, und hatten die Ausnehmungen am Boden wahrscheinlich nur den Zweck des Erzerspar-nisses. Hingegen ist es glaubwürdiger, daß sie eine Art Devotionalien oder Talismane waren, welche man im Kampfe mit sich trug, die aber dann an einer hervorragenden Kultusstätte, vermutlich in einer Art Schatzkammer, analog wie dies z. B. in Maria Zell, Lourdes, Czenstochau, Kazanj u. a. der Fall ist, aufbewahrt wurden. — Hiebei fällt es auf, daß es sich hier schon durchwegs um symbolisierte Darstellungen der Eigenschaften von Hoheitspersonen handelt und nicht mehr um das menschliche Original selbst, was nur beweist, daß zwischen der Zeit des irdischen Wandels des Originals und dessen bürgerlich-kriegerischer Benennung bis zu dessen Gottw erdung, ja bis zur völligen Transsubstantation in attributive Symbole eine sehr bedeutende Epoche liegen muß. Hingegen haben andere xRadegastx-Figuren derselben Sammlung noch menschliche Gesichtszüge; ja ein anderer xRadegastx, wie ihn Saxo Grammaticus bildlich überliefert hat, weist w ohl auch die Attribute des Stierkopfes und der Gans auf, zeigt aber sonst eine proportionierte kräftige Mannesgestalt, die überdies mit einer Hellebarde ausgerüstet ist (Fig. 38).*) Die erwähnten xGötzennamenx beglaubigen von neuem die vorausgeschickte Entstehung der Hoheitsbegriffe, denn die «Götzenx von Rhetra geben uns nur Wiederholungen von längst bekannten Namen der alten militärischen Hierarchie, wie: vod, vodja, vodaka, belbog, černibog, mita, svantevitj u. ä. — Fs ist hier wohl nicht der Platz für eine ausführliche Besprechung der Altertümer zu Rhetra, immerhin sei aber an dieser Stelle Folgendes zur Klärung der gangbaren Ansichten über jene niedergelegt. — Vor allem ist der Begriff xRhetrax (auch xRethrax), worunter man ausschließlich eine Stadt verstehen will, richtigzustellen, denn dem anlautenden R folgt kein stummes xhx (als Rune) sondern ein halbtönendes xjx (bezw. xix), denn auf einer anderen Figur derselben Provenienz ist noch die Schreibweise xRietrax angewendet, ein Beweis, daß die Entstehung der Figuren gar nicht ans gleicher Zeit und von gleicher Hand stammen muß, sondern daß sie nur eine Sammlung verschiedener Weihobjekte bilden.**) Aber auch Tiethmar v. Merseburg (t 975) wie Adam v. Bremen (t 1076) schreiben den Namen schon nicht mehr phonisch richtig; ja. sic wußten damals schon nicht mehr, daß die Aufschrift xRhetrax auf den Statuen eine Hoheitsperson oder Gottheit bezeichne. Hingegen erzählt aber Tiethmar, daß im Gau der xRedarierx eine Burg, namens xRidegastx gestanden sei, was jedoch wieder zeigt, daß dies zuerst nur eine Kennzeichnung für einen Verteidigungspunkt bezw. dessen Befehlshaber *) Dieses Bild findet sich aber schon in Conrad Botho’s xChroneken der Sassen aus dem Jahre 1133; woher sie wieder dieser hatte, weiß man weiter nicht. *«) Die Schreibweise xRhetrax entstammt nur der falschen Lesung des altslavisehen Schriftzeichens xH», das aber nicht als xhx sondern als xjx galt. — war, später aber zum ausschließlichen Gottesbegriffe umgewertet wurde. Hiezu bildet aber gerade der Name xRjetrax ein Analogon. Es gab einst bestimmt eine als Zufluchtsstätte hergerichtete Höhe und Ansiedlung in jener Gegend, die xRjetra hieß, denn daselbst befinden sich tatsächlich noch immer der xRhetrerbergx sowie die Wälle der xRhetrerbergex. — Übrigens gebrauchen wir fortifika-torische Begriffe dieses Stammes noch heute, denn unser >< (= sägeartiges Befestigungswerk), xredoutex (= Schreckschanze) und xreduitx (= enger befestigter Raum) sind in jeder Hinsicht verwandte technische Bezeichnungen. Die xRedarierx waren sonach die Wächter und Verteidiger solcher Punkte, und versteht der Südslave unter xredarx noch immer den Schutz- oder Wachmann. Der höchste Befehlshaber wurde aber mit der Zeit zum Heroen xRjetrax (= Befreier, Erlöser, Retter), wodurch es klar wird, weshalb xRjetrax auf den genannten Skulpturen fortgesetzt mit anderen zweifellos slavischen Götzennamen vermischt vorkommt, es sonachi n diesem Milieu a bsolutkein Ort s-n a m e sein kan n.*) Daß sonach die Slaven in Süden wie Norden die Runenschrift kannten und sich derselben bedienten, darüber kann kein Zweifel mehr bestehen, und zeugen hiefür, wenn man schon den alten Schriftstellern, wie z. B. Adam von Bremen, nicht glauben will, doch die noch sichtbaren Runendenkmäler, denn es geht doch nicht weiter an alle diese Belege immer kurzweg und ausschließlich als Fälschungen zu brandmarken, um sie unter dieser Prämisse als Beweisobjekte dauernd f e r n h a 11 e n zu wollen! — *) In militärischer Hinsicht erwähnenswert ist noch das Attribut der Gans, die allen Darstellungen des xRadegast« beigegeben ist. — Die Gans ist außerordentlich empfindlich gegen ungewohnte nächtliche Geräusche und gibt ihre Empfindungen durch ein andauernd bedächtiges, jedoch mit der fortschreitenden Gefahr zunehmendes Gackern kund. Es scheint nun, daß dieser Vogel einst den Wachdienst in Fortifikationen gegen nächtliche Überfälle ergänzen mußte, nachdem der Mensch hiezu doch nicht vollkommen verläßlich ist, der Hund jedoch seinen Dienst zu lärmend besorgt. Die Gänse, welche das Kapitolium durch ihr Geschnatter vor dem tiberfalle durch die Gallier retteten, dürften daher eine bewußte Ergänzung des Festungswachdienstes in Rom gebildet haben. — Ob sich sonstwo in der Kriegsgeschichte eine ähnliche Bestätigung vorfindet, ist nur bisher nicht aufgefallen. Man sagt überdies, daß zum mindesten die Schrift bei den Rhetra-Statuetten eine spätere Zutat sei, weil sie sich so gut leserlich erhalten habe; doch auch dieses ist natürlich erklärbar, denn der Graveur oder Runenschneider hat sich zur Anbringung der Schrift eben die glattesten Stellen ausgesucht, da es sich dort leichter graviert, wie über Falten; solche Stellen unterliegen aber auch weniger der Oxydation, da sie meist stärker gehalten sind als die ein-oder, ausspringenden Flächenteile; es ist sonach auch die Annahme für die teilweise Fälschung nicht begründet. — Die Runenalphabetdenkmäler. Man glaubt allen Ernstes, daß viele Runendenkmäler lediglich Runenalphabete darstellen, welche man daher nach ihren Anfang-lauten als xfudarkx kennzeichnete. Nun ist aber diese Annahme an sich höchst unnatürlich, denn daß jemand einen Grabstein zur Fibel machen wird, oder daß man auf Münzen, wie auf den sogenannten Brakteaten vor Tjörkö und Vadstena, — eigentlich sind diese schon als Frauenschmuckmünzen anzusehen —, auf denen im Mittelschilde auch eine heraldische Figur angebracht ist, ein Alphabet eingegraben haben wird, ist auch höchst unwahrscheinlich. Übrigens entwertet sich xfudarkx als Alphabet-Analogon durch xWodan’s Runen-kundex der Edda selbst, denn keine Sprache hat zwei grundverschiedene Alphabete in denselben Schriftzeichen; außerdem werden, in einem Alphabete von 16 oder 18 Buchstaben nicht z. B. zwei xax-Laute aufgenommen sein, wie hier; jedoch am beweiskräftigsten ist die Lesung dieser Aufschrift selbst, die ohne spitzfindige Lautänderungen auf dem Brakteat vom Tjörkö besagt: xvudjar y hniasx, also : F ü h r e r u n d F ü r s t.*) — Es ist kaum anzunehmen. *) Ich fühle wohl, daß der Leser gerne an dieser Stelle behufs Nachprüfung der gebotenen Runentexte die nötigen Runenalphabete beigegeben finden würde, doch ist dieses, abgesehen von der Verteuerung des Werkes und dem Umstande, daß ja Faulmann («Das Buch der Schrift»), Kollàr, W. Grimm, Wimmer, Frisch u. a. eine mehrweniger entsprechende Orientierung bieten, schwer durchzuführen, da die Runen ebenso von jedermann individuell angewendet wurden, wie sich ja auch unsere Handschriften bei gleichem Texte niemals gleichen, es daher auch eine Anzahl von Buchstabenformen gibt, die für die bildliche Darstellung sehr viele Tabellen erheischen würden. — daß je Münzen mit der Absicht und dem Nebenzwecke geprägt wurden, um auf diesem Wege die Schriftkunde zu popularisieren, denn jeder Münzherr hat bis jetzt auf seinen Münzen ausnahmslos nur entweder seinen Namen, seinen .Titel, sein Bild, sein Wappen, eine Allegorie oder die Wertziffer der Münze ersichtlich gemacht, abgesehen davon, daß sich einst die Münzen schließlich auch in den Qeld-säcken der Reichen vereinigten, die meisten Menschen sonach kulturell davon nichts haben konnten. * Es handelte sich hier durchaus nicht darum, gleich alle Runendenkmäler mit Hast und Gewalt entziffern zu wollen, vielmehr soll hiemit nur wieder der Beweis erhärtet werden, daß die Slaven unmöglichEinwanderersind. Allerdings wollte ich nebstbei hiemit den Runenschrift-Interessenten den Wink geben, es mit der Enträtselung auch einmal auf Slavischer Sprachbasis zu versuchen, zumal alle Exkurse in andere Sprachgebiete bisher negativ endeten. v. Dichtung und Wahrheit in der Wissenschaft In der wissenschaftlichen Deutung vieler Naturvorgänge findet man oftmals eine Interpretation, die sich nur durch die konstant urteillose, gedankenträge Nachbetung konsolidieren konnte, welche aber schon einer einfachen, ungezwungenen und ungekünstelten Nachprüfung sofort weicht, wie der Morgennebel der Sonne. — Nachstehend werden einige solche, schon zu Axiomen gewordene Satzungen erwähnt, um paralelle Beweise vorzuführen, daß auf die nämliche Art, wie die Vorstellungen von der alten Barbarei, der Entstehung der Rassen, der Religionssysteme, der Pfahlbauten u. a. eine abschließende Erklärung gefunden haben, die aller logischen Naturvorgänge spottet, auch die geschichtlichen K o n k lusionen über die Völkerwanderung, das Auftreten der Slaven auf der We 11bühne, ja die ganze ethnographische Wissenschaft des Altertums zum großen Teilenichts weiteralsPhantasi eg ebild'e sind, welche wohlDichternalleEhremachen, aberbeiderSuche nach der Wahrheit schonungslos ausgeschaltet w erden müssen. So dürfen wir uns schon einmal in Bezug auf unsere Kulturfortschritte nicht von einem Größenwahne befangen lassen, denn der Einfluß der Kultur auf die Massen ist. namentlich in ethischer Bezie- hung, kein so tiefgreifender, daß wir von profunder Umwertung der Erziehungserfolge sprechen könnten, und obwaltet in den ärmsten Klassen, dann in den von Kulturzentren entfernten Gegenden noch heute ein Zustand, der von dem vorgeschichtlichen gar so wesentlich nicht abweichen kann; ja der natürliche Kunstsinn, der dem urwüchsigen Bewohner innewohnt, ist entschieden im Rückschritte, weil sein Bedarf durch die billigere Massenerzeugung der Stadt weniger mühevoll wettgemacht werden kann. — Betrachten wir uns nur den in der Einöde wohnenden Herzegowzen oder Albanen ärmster Kategorie! — Alle Kulturgegenstände, die wir in alten Gräbern finden, besitzt er auch; die vitalen Bedürfnisse als: Milch und Fleisch bieten ihm die paar Ziegen und Schafe; in einer Karstdoline wachsen auch einige Krautköpfe — sein Gemüse —, die meist der Überwinterung im Freien Trotz bieten; aus der Wolle seiner Haustiere erzeugt er sich selbst seine Kleidung und färbt sie mit echten, sehr haltbaren Naturfarben; die Kleider sind im Sommer, den Wärmegesetzen entsprechend, fast durchwegs weiß und meist tadellos rein gehalten; von einem Nacktgehen ist keine Rede; die Bekleidung richtet sich ganz nach der Jahreszeit und dem Klima; daß er dabei praktischer und hygienischer vorgeht, als der Kulturmensch, darüber ist kein Zweifel, denn er bleibt dabei gesund, weil er sich konstant der Natur anzupassen trachtet. Er genießt keine schädlichen Getränke, lebt sehr mäßig; kennt weder Diebstahl noch geschlechtliche Ausschweifungen; er baut sich selbst seine Hütte und erzeugt sich selbst seine Hausgeräte;*) sogar sein Musikinstrument ist samt Besaitung meist sein eigenes Fabrikat. Er besitzt hohen Familiensinn; bei Krankheiten bedarf er weder des Arztes noch der Apotheke, und seine Hausarzneimittel sind durch viele Jahrhunderte wohlerprobt, wenn sie auch dem Fernestehenden wie Roßkuren aussehen.**) — Er kennt *) Fs mangelt uns heute meist die Vorstellung, wie jemand aus einem Handstücke Syenit, Jadeit, Nephrit oder Eklogit eine Axt mit der Ausnehmung für die Handhabe ohne mechanische Hilfsmittel hersteilen könnte; diese Vorstellung ist aber deshalb eine falsche, weil wir dem Urmenschen keinen Hausverstand und praktischen Sinn zumuten, daher glauben, daß er keine mechanisch-technischen Vorteile kannte, was eben ein Trugschluß ist. **) So wird z. B. der Scharlach bei Landleuten folgend behandelt: geknetener Töpferton wird teigartig ausgewalkt und das fiebernde Kind in denselben eingepackt. Hat die Hitze den Teig hart getrocknet, so wiederholt man die Procedur, bis das Fiber aufhört. Nach drei Tagen wird angeb- keine Frömmelei; sein Gebet ist äußerst kurz: Totschläge oder Morde sind eine große Seltenheit und gehen meist aus religiösem Fanatismus oder den Begriffen über die Blutrache, nie aber aus der Habgier oder Alkohohvirkung hervor. — Kretins sind eine große Seltenheit, ebenso Krüppel; allerdings stoßt das Naturleben alle jene Objekte vom Leben aus, welche den nötigen Widerstand nicht aufweisen können. — Und dieses alles ohne Schule! Und doch ist der Naturmensch mit einem großen Hausverstande begabt und besitzt einen Stolz und ein Selbstbewußtsein, die aber durchaus in keinem Mißverhältnisse zu seiner Situation stehen, denn er ist einmal ein freier Mann seiner Berge und fühlt sich stets als Krieger, daher auch seine große Liebe zu schönen, prunkhaft verzierten Waffen, da er außer Hause stets in voller Manneswürde, also reich bewaffnet, auftritt. — Und welcher bewunderungswürdige Naturkunstsinn ist in diesem Volke geborgen, was uns in beschämender Weise dessen Erzeugnisse an herrlichen Spitzen, schöngemusterten Teppichen, feinen Schafwollgeweben (bez)*) und stilvollen, der klassischen Ornamentik gar nicht nachstehenden Muster bei Einlegearbeiten dartun, denn alles dies ist aus dem kräftigen Natursinne für Schönheit, Ebenmaß und Zartheit ohne Fachschulen, Wanderlehrer, Museen und Ausstellungen hervorgegangen. — Der Urmensch kannte auch die Schrift, also lesen und schreiben, wie uns die alten Steine und Funde von Metallgegenständen beweisen; wir kennen wohl die Hieroglyphen und die Tonbibliothek von Babylon, sind aber heute leider noch lieh jedes Kind gesund ohne weitere Folgeerscheinungen, die den Scharlach zu begleiten pflegen. Vielleicht steckt in dieser Heilmethode doch etwas, worin dieselbe der modernen voraus ist; zum mindesten ist dies ein verkürztes Verfahren bei gleichem Schlußerfolge. *) Unter Bez-Geweben versteht man die zarten, durchsichtigen Gewebe aus Schafwolle, oft mit Seidenfäden durchzogen, welche aus der Hausindustrie am Balkan hervorgehen. Der Name xbezx ist alt und sachlich wie sprachlich mit xByssosx der Alten identisch, worunter man kostbare Gewebe verstand; die römischen Damen übeniitzten es zu Festkleidern und Haarnetzen, es mußte also sehr zart und durchsichtig gewesen sein. — Der Slovene kennt noch die xbizex, die aus der Hausleinwand erzeugte weiße, weite Hose mit Fransen. (Bez, vez slav. = Gewebe, Gebundenes.) -— Ob bei den alten Byssos-Geweben auch Muschelseide verwendet wurde, ist weiter gegenstandslos, denn es handelt sich stets nur um die technisch fertigen Gewebe. nicht so weit den Inhalt dieses uns Zunächstliegenden voll enträtselt zu wissen. Es gibt noch heute Völkerschaften, die nur noch den Tauschhandel kennen. Hingegen erzählt schon Moses, daß es bereits zu Abrahams Zeiten Geld und Münzen gab. Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus behauptet sogar, daß,es Geld schon vor der Sintflut gegeben, und war Kain der erste Bergmann; er war an Eisen und Kupfer reich, und sein Enkel Tubal-Kain habe ihm Rüstungen und allerlei Waffen erzeugt; letzteren nennt Moses deshalb auch schon einen Meister in allerlei Erz- und Eisenerzeugnissen. Man behauptet auch, daß der Urmensch äußerst abergläubisch war; auch dieses erscheint nicht stichhältig, denn der Urmensch, der alles natürlich sieht, erlangt bald die Erklärung über etwas, was ihm die jahrelange Beobachtung ununterbrochen vor die Augen stellt. Ich erwähne hier nur die Vorkehrungen des Naturmenschen gegen Blitzschlag, der nicht erst eines Prokop Diviš oder Benjamin Franklin bedurfte, um sich einen Blitzableiter zu konstruieren; man pflanzte sich einfach zu seiner Behausung eine Pappel, Linde, Fichte, Tanne, Lärche oder Eiche (niemals eine Buche, weil es in diese erfahrungsgemäß nicht einschlägt), damit der Blitz durch die höhere Spitzenwirkung von der Hütte abgelenkt werde. Noch in meinen Knabenjahren hörte ich bisweilen die Kritik, ein Bauernhaus, das nicht einmal einen hohen Baum als Blitzschutz besitze, gelte als verwahrlost und minderwertig. — Die eigentliche Anregung zur Kon-stiuktion von künstlichen Blitzschutzvorrichtungen dürfen sich die zwei erwähnten Erfinder wohl auch aus der Beobachtung der konkreten Maßnahmen des Naturmenschen geholt haben.*) Und heute? Der Wert des natürlichen Blitzschutzes durch Bäume hat seine traditionelle Unterbrechung erfahren und die künstlichen Blitzableiter schafft man sich nicht an; bestenfalls wird gebetet, wenn ein schweres Gewitter losbricht. — Was leisten wir aber heute in der »aufge- *) Blitzschutzvorrichtungen gebrauchten aber auch schon die Ägypter 1500 Jahre v. Chr., denn wie die Tempelaufschrift von Edfu (Oberägypten), sowie sonstige Pylonen- und Obeliskeninschriften bestätigen, brachte man Blitzableitungsstangen neben und Kupferspitzen a u f den Obelisken an, um so die Skulpturen vor der Zerstörung durch Blitzschlag zu schützen. — Ebenso kannten den Blitzableiter die Inder und die Juden, wie ci? :;i Schriften erzählen. klärten« Zeit an Aberglauben, Kurpfuscherei, Gesundbeten? Die Wünschelrute geht noch herum, wie im finstersten Mittelalter; die Weissagung, Cheiromantie, Sterndeuterei und das Kartenaufschlagen soll noch für so manchen Charlatan eine einträgliche Erwerbsquelle bilden! — Wenn unsere Vorfahren heute aufstünden und nur die Verwertung des Wette rläutens und Wetterschi e 13 e n s beobachten könnten! Ihnen waren dies noch phonische Signale für die Umwohner, wenn ein feindlicher Einfall drohte; heute soll aber irgendein verrosteter Mörser mit aufgesetztem Schalltrichter Wunder wirken und den Hagelwolken Halt gebieten, wenn es auch naheliegend ist, daß die ganze Artillerie der Welt kaum im Stande ist, einem hohen Wolkenzüge auch nur eine mikrometrische Derivation zu geben. Und solche Ansichten über Naturvorgänge und Naturkräfte tragen heute ernsten Charakter in den Köpfen der «Gebildeten«, und verdummen das sonst natürlich denkende Landvolk. Der Aberglaube steht ursächlich mit dem Elend der ärmsten Volksschichten, welche sich stets eine Umwälzung zu Besserem auf myst'schem Wege erhoffen, im organischen Zusammenhänge; der Naturmensch bedurfte jedoch dieser latenten Erlösung nicht, da er materiell allzeit glücklicher situiert und dabei weniger verwöhnt war, denn er besaß vor allem seine eigene Hütte und eigenen Boden, war also frei und unabhängig, und bot ihm die Natur im Anschlüße an sein eigenes Zutun auch unentwegt das notwendige, wenn auch äußerst bescheidene Existenzminimum. Fragen wir uns nun auch, ob heute wohl ein Prozent der ganzen lebenden Menschheit die Zusammensetzung der Bronze, die Gewinnung des Eisens, die Herstellung des Glases kennt; die eisernen Pflugscharen, die man aus dem Laibacher Moor ausgegraben, zeigen einen unvergleichlichen Fortschritt gegen den heutigen Bauer in der Herzegowina, der noch jetzt kein Stück Eisen am Pfluge oder Wagen kennt; die in den verschiedenen Nekropolen Vorgefundenen Gürtelschießen und Situlae mit Reliefarbeiten sind weit kunstvoller, als sie auf dem Balkan heute von den einheimischen Gold- und Silberschmieden erzeugt werden- können. Wie viel Arzneipflanzen kannte ein jedes Bauernweib noch vor einem Menschenalter, die heute nicht mehr ein zünftiger Pharmaceut kennt; die Geologie ist oft in Verlegenheit ein Gestein bestimmter Struktur zu determinieren. 19 aber ein alter Winzer weiß hiefür sehr detaillierte Unterschiede und nennt alle Abstufungen der Gesteine seines Weingartens mit zutreffenden, altererbten Namen, die aber leider schwinden, weil die Theorie auf allen Linien die Praxis verdrängt. — Auf Morirne, einem unheimlich öden Weidegebiete in der Herzegowina, findet man alte Gräbergruppen, mit 60—70 Ein-Block-Grabsteinen in solchen Dimensionen, daß jede Erklärung mangelt, wie diese Kolosse hieher geschafft wurden, da es keinen Fahrweg gibt, und wer sich hier begraben ließ, da nach allen Weltrichtungen hinaus viele Kilometer weit keine Ansiedlung anzutreffen ist. Aber die Erklärung hiefür ist eben die, daß sie aus jener Zeit stammen, als die Gegend noch nicht so abgeholzt und kahl, daher begehrenswerter war.*) Der grimmigste Feind des Waldes war wohl der Bergbau, und eben diese wichtige Kulturregung trug zugleich den Keim des eigenen Verderbens in sich, nachdem für die Feuerung der Schmelzöfen lediglich Holzkohle benützt wurde, daher man mit den Öfen wanderte, sobald in einem gewissen Umkreise das Heizmaterial aufgebracht war; die Steinkohlenfeuerung im Montanbetriebe ist aber noch eine relativ junge Errungenschaft; überdies dachte hernach niemand an eine rationelle Wiederaufforstung, daher solche Gebiete zum nunmehrigen Karstbilde werden mußten. Auffallend ist es auch, daß die meisten montanistischen Fachbegriffe sowie die zahlreichen Daten über den Bergbau, so schwierig auch derselbe ist, ein ehrwürdiges Alter aufweisen. Man stößt in Obersteiermark, Salzburg, Kärnten und Tirol auf ungezählte alte Bergbaue. In den Mitterbergalpen bei Bischofshofen sind reiche Kupfererzfundorte vorhanden, wo man noch auf alte Stollen kam. Auf den außen sichtbaren Halden hat man festgestellt, *) Die Ansicht, daß auf diese Weise die «Borax (richtiger «Bura«) entstand, ist eine landläufige Fabel, denn sie wird schon bei Homer als der scharfe Nordwind ß not y.g erwähnt, welcher aus dem unvermeidlichen Ausgleiche der Luft in der Alpenzone mit der Seeluft hervorgeht. — In den waldlosen Ebenen Nordasiens herrscht gleichfalls der gefürchtete kalte Wind, xburianx genannt. — Jenes Morirne wurde aber einstens als Grenzgebiet auch gut gesichert, denn dies beweisen eben die militärtechnischen Namen: Pandurica, Djevojačko-, Svatovsko greblje u. a. daselbst; an diesen Punkten fanden einst blutige Kämpfe statt, aus welchem Grunde auch die Grab-Monolithe zum großen Teile Skulpturen kriegerischer Richtung zur Schau tragen. daß hier der Bergbau auf einer Höhe von 1500 m betrieben wurde; außerdem öffnete man hier viele Gruben, deren Verhaue nicht eingestürzt sind, in denen man noch die Schlögel- und Eisenarbeit ersehen kann. In diesen Verhauen hat man nicht nur vom Gestein mit Kraft abgesonderte Erzklumpen gefunden, sondern auch eine Anzahl von Kienfackeln, Holzbühnenbestandteile, hölzerne Tröge, kupferne und bronzene Schlögel, welche von den einstigen Bergleuten herrühren. Es sind sogar Steingeräte zum Vorschein gekommen, die zum Aufbereiten der Erze gebraucht wurden. — In der Nähe der Gruben sowohl wie auch entfernt, in der Mitte des Waldes, stößt man auf Ruinen von Schmelzöfen; auf einem Platze fand man einen ganz wohlerhaltenen Schmelzherd. — In den hohen Tauern kamen, als ein Gletscher teilweise abschmolz, an der Stelle Ruinen von Knappenhäusern und alten Bergwerkstollen zum Vorscheine. Die außerordentlich reichen Funde an Gold-, Bronze- pnd Eisengegenständen aus der prähistorischen Zeit bestätigen daher direkte, daß der Bergbau einst ganz bedeutend gewesen sein muß, daß die Kenntnisse der Metallmischungen (Bronze), die Zubereitung der Rohstoffe, die technische Gewandtheit und Vielseitigkeit in den Mustern, die Modellierkunst (z. B. Strettweger Opferwagen, Nordendorfer Schmuck) auf einer hohen Stufe standen.*) Das sattbekannte Bezweifeln, als hätten die alten Bewohner unseres Erdteiles — Ausgenommen die Griechen und Römer — keine eig,ene rechtschaffene Kultur besessen, ist eine natürliche Ungerechtigkeit, denn jede Kultur ist. sobald sie diesen Namen trägt, nichts *) Eine vermutlich mehrere Tausend Jahre alte, im Gräberfelde zu Watsch (Krain) gefundene Schußverletzung zeigt uns bereits die einstige geniale Erfindungsgabe in der Konstruktion wirksamer und gefährlicher Waffen. Dort wurde ein Oberschenkelknochen ausgegraben, in welchem auf 2'5 cm eine dreikantige, mit grüner Patina bedeckte Bronzepfeilspitze eingekeilt war. Das Projektil, rückwärts mit einer runden Öse, anscheinend zum Hineinstecken des Pfeilschaftes versehen, durchschlug glatt die Knochenrinde und ragt in die Markhöhle hinein. Das glatte, nicht splitternde Durchschneiden des Knochens zeigt einerseits von der großen Durchschlagskraft und der enormen Anfangsgeschwindigkeit, andererseits aber auch von einer der modernen Präzisionsarbeit ebenbürtigen Ausführung, denn die Spitze ist haarscharf und nirgends deformiert oder schartig, weil das Geschoß schon nach Art unserer Stahlbronze gehärtet war. 19* weiter als eine Sammlung des Kulturschuttes aus allen Zeiten und Welten, welche umsobesser ausfällt, je größer die Auswahl und je rigoroser die Wahl war. Es darf uns daher nicht befremden, daß z. B. die alten Völker des Alpengebietes in der Gewinnung des Eisens sehr bewandert waren, wenn wir lesen, das selbst bei afrikanischen Negerstämmen eine eigene Eisenindustrie vorgefunden wurde, die es auch verstehen in primitiven, kegelartigen Lehmgebilden das Brauneisenerz zweckentsprechend zur Schmelze zu bringen. Desgleichen ist es festgestellt, daß die Herstellung des Eisens zu Stahl schon längst vor unserer Zeitrechnung bekannt wrar, und wenn (nach der Genesis) Tubalkain als der Stammvater der Schmiede gilt, so muß doch der Bergbau und die Kenntnis eines wenigstens primitiven Hochofenbetriebes unbedingt weit vorausgegangen sein. Es ist aber auch Tatsache, daß viele Schriftsteller die Slaven als die ältesten Bergleute in Europa bezeichneten, und bringe ich hier nur jene Stellen an, die schon Jan Kollar in seinen xErklärungen zu Slävy deerax (1832) älteren deutschen Schriftstellern entnommen hat. So sagt Henze (Gesch. des Fränkischen Kreises, p. 96): xFriih-zeitig legten sich die Slaven auf den Bergbau. Die ergiebigen ungarischen Bergwerke wurden von ihnen erfunden, die böhmischen erhoben sich jedenfalls sehr bald, und unsere Voralters in ausnehmender Blüte gestandenen Bergwerke stammen wahrscheinlich von ihnen her. Weil die Slaven die ersten waren, welche sich mit dem Bergbau vorzüglich beschäftigen, sind noch so viele slavische Wörter im Bergbau gebräuchlich, als: Flötz, Kuks, Kies, Kiprieht, Schacht, Schwaden, Kobalt, Schicht, Seiffen, Spath, Stollen, Meiler u. s. w.x — Herder (Ideen, T. IV. 1792, p. 37) sagt: xln Deutschland trieben die Slaven den Bergbau, verstanden das Schmelzen und Gießen der Metallex. — Adelung (Vorw. zu Thams böhm. Lex. Prag 1788, p. 5) schreibt: xWir finden den Bergbau, die Handlung und manche mechanische Arbeiten bei den Slaven sehr frühe im Gange und zw ar früher als in dem mittleren und nördlichen Deutschlande, welches sich nicht schämen darf, manches in diesem Stücke von den Böhmen erlernt zu haben. In dem südlichen Deutschland ist der Bergbau unstreitig ein Überbleibsel der römischen Kultur; allein in dem mittleren und nördlichen ist er allem Ansehen nach ein Ab- kömmling der Slavi sehen« — Isis (1882, Heft 5, p. 1) führt an: «Cie Slaven taten sich sehr frühzeitig im Berg- und Hüttenwesen hervor«. Diese Urteile deutscherseits, die meist nicht w eiter durch einleuchtende Beweise fundiert sind, seien nastehend als berechtig dargelegt. Vor allem haben alle Gebirge Europas, soweit sich deren Etymologie verfolgen läßt, slavischen Ursprung und sind gerade jene Gegenden, welche einst Berg- und Hüttenwerke hatten, umso reicher an slavischen Namen topographischer Richtung. Man vergleiche nur die erzführenden Gebirge in Siebenbürgen. Nordungarn. Schlesien, Böhmen, Steiermark, Tirol, Schweiz, Pyrenäen. Apeninnen u. s. w. — Einen weiteren, sehr massiven Beleg gibt die Prüfung, ob die bergtechnischen Begriffe, wie sie zuvor angeführt wurden, tatsächlich slavischer Genesis sind, was aber zutrifft, denn der Slave hat für jeden Begriff den lautlich verwandten w eit k ürzeren, daher primären Ausdruck, wohingegen der römische und deutsche im Wege der Übernahme und Anpassung länger geworden ist und meist schon durch ungew öhnlichen Klang das Stigma des Fremden an sich trägt. — So wurde aus dem Slavischen «čad« (= verdorbene Luft) das vom Plinius II. (Historia naturalis 1. XXXIV) erwähnte «cadmium« im Deutschen zu «Schweden«; der scharlachfarbene Traubenkobalt heißt bei Plinius «brotrytis«; der Slave nennt den roten Farbstoff «broč«; «Scharsach« ist dem Deutschen der weiche Stahl, dem Slaven «žarica« d. i. das Eisen aus der Rotglühhitze, aber auch «Scharlach«; das «cassiteron« gilt schon Homer als Helmmetall; der Kroate nennt aber den Helm «kacida«; auch die Käferfamilie «Cassidae« hat diesen Ursprung, nachdem sie sich mit ihrem unverhältnismäßig großen Halsschilde den Kopf vollkommen deckt; «kok, kolk« (spr. kuk) bedeutet dem Slaven «einen Teil des erzhaltigen Berges, d. i. den ideellen Anteil an einem Bergwerke, im Deutschen als «Kuks« benannt; žik, deutsch «Schicht«, zeigt eine schwache Erz- oder Kohlenmächtigkeit an; «scoria« (bei Plinius) bedeutet Schlacke; im Slavischen bezeichnet dies die Kruste, w'elche sich an der erstarrenden Schlacke bildet; sip (= Geschiebe) d. Seifen u. s. w„ alles Begriffe, denen besonders ein sprachlich gebildeter Bergtechniker nähere Beachtung widmen könnte. Es fällt auch auf, daß das Rasieren schon eine sehr alte Sitte ist. und scheint es schon in uralten Zeiten Mode gewesen zu sein, die (iesichtshaare zu entfernen. Die Marmorstatue des babylonischen Königs David, der um das Jahr 4500 v. Ch. zu Adab regierte, stellt denselben glattrasiert dar, indes die Könige um das Jahr 3000 v. Chr. schon mit gekräuseltem Barte dargestellt erscheinen. Es muß also zu jener Zeit schon der Stahl bekannt gewesen sein, wenn die Haare damals, wie dies zum Teile bei den Orientalen noch heute, nicht auf chemisch-mechanischen Wege entfernt wurden, wogegen aber dessen Ausrüstung mit dem Schwerte spricht. Es gibt überdies eine Menge anderer Dinge, die sich dem unbeeinflußt beobachtenden Laien oft wesentlich anders bieten, als sie wissenschaftlich erklärt werden. Ich führe hier nur meine Ansicht über die Pfahlbauten an, die ich bei den Studien der Bodenbeschaffenheit in verschiedenen Gegenden gewonnen, und glaube, daß man der P f a h 1 z e i t eine bei weitem nicht zukommende Bedeutung seitens der Archäologen zumißt, weil man hauptsächlich die Moor-f u n d e eingehend studiert, nicht aber die Möglichkeiten und Prämissen, w i e diese Gegenstände dahin gelangt sein konnten. Sobald man aber in einem Moore eiserne Pflugscharen, Bronzeschmuck, keramische Produkte, Zerealien. Hopfen u. ä. findet, muß man annehmen daß die xPfahlbauernx seßhafte Leute waren, die unmöglich auf dem Wasser gelebt haben konnten, und halte ich folgende Hypothese für weit natürlicher. Wohnte jemand an einem See oder im Inunda-tionsgebiete, so erbaute er sich seine Wohn- und Wirtschaftsgebäude derart, daß er dem Hochwasserstande zugleich Rechnung trug, also auf Pfählen; und diese erhielten später, durch die Veränderungen des Wasserspiegels, erst den Schein von Wasserbauten. Daß der Mensch direkte auf dem See gewohnt und dort den schwierigen Pilotenschlag ausgeführt hätte, ist sehr unwahrscheinlich, denn schließlich mußte er seine Herden, also seinen Lebensnerv, doch auf dem Festlande haben, und die sogennanten xPfahlbauernx waren, wie die Funde aufweisen, sowohl Ackerbauer als Viehzüchter. Daß wir aber heute die Phähle unter dem Wasser finden, hat einen ganz anderen Grund. Alle Seen mit Pfahlbauten sind von Bergen umgeben; der Wasserspiegel des Sees steigt aber allmählich, wenn ein natürlicher Abfluß nicht vorhanden ist, weil die Erosionsprodukte der Atmosphärilien, das Alluvium, den Boden des Sees stetig heben; der Mensch mußte daher öfter mit seiner Hütte bergwärts weichen und sich eine neue Unterkunft schaffen. Bei allen Naturvölkern beobachtet man aber, daß sie das Material der alten Wohnstätte aus Aberglauben wie ans praktischen Gründen (z. B. Wanzen) nicht mehr zum Neubaue verwerten; so z. B. in der Herzegowina; entsteht ein Hausbrand, so wird — auf dem Lande — gar nicht gelöscht; die Ruine bleibt, wie sie aus dem Feuer hervorging, und der Besitzer siedelt sich nahe davon von neuem an; daher stammen auch am Balkan die auffallend vielen Hausruinen. Wo das Baumaterial teuer ist, findet es allerdings wieder Verwertung; hier wird es aber niemand beifallen, die festgekitteten Bausteine lösen zu wollen, da sich ja neue Bausteine im unangenehmen Überflüsse daneben befinden, ebesowenig wie jemand in einer holzreichen Gegend etwa einen tief im Seegrunde steckenden Pfahl ausgraben wird, da er sich einen besseren Ersatz weit müheloser im nahen Walde verschaffen kann. Auf diese Weise ist auch der Umstand erklärlich, daß sich im Lac de Chalain (Jura) der Wasserspiegel bereits 3 rri über den Pfahlbauten befindet. Im Laibacher Moore sind Einbäume ausgegraben worden, die über 4 m tief lagen; wie soll nun ein 120 m2 umfassender horizontal liegender Kahn anders so tief gelangen, da er doch sicher als Wasserfahrzeug diente, als daß er seinerzeit im Wasser gesunken und später durch die Veränderung der Wasserstandsverhältnisse so hoch mit Torf und Moor überdeckt wurde. Der verstorbene bos. herz. Berghauptmann W. Radimsky brachte in den »Wissenschaftlichen Mitteilungen)» des Landesmusetims in Sarajevo unbew'usst für diese meine Behauptungen auch durch einen konkreten Fund die orientierende Bestätigung. Er schreibt: «Im Jahre 1890 war bei Ružniči, unterhalb Ripač (Bosnien), ein Kalktuff-katarakt, wie solche in der Una häufig Vorkommen, durchbrochen worden, wodurch bei Ripač ein um L5 m tieferer Wasserstand erzielt und den häufigen Überschwemmungen der Ufergelände ein Ziel gesetzt w'urde. Durch diese Melioration verloren aber die Mühlenbesitzer von Ripač einen Teil ihrer Wasserkraft, und um diese wieder zu heben, gingen sie daran, einige trockenliegende Katarakte oberhalb ihrer Mühlen zu durchstechen, wobei unter einer stellenweise tis 1 m mächtigen Tuffschichte ein Pfahlbau entdeckt wurde. Es scheint, daß wir es in Ripač mit einem der seltenen alten F 1 u ß-pfahlbaudörferzu tun haben, denn es sind nicht nur die Pfahlköpfe, sondern an einzelnen Stellen auch die Plattformen, jedoch nur bei sehr niedrigem Wasserstande, über dem Flußspiegel sichtbar. Der Wasserstand muß also in alter Zeit niedriger gewesen sein als heute und eine Anschwellung des Una-wassers bei Ripac zu einem förmlichen See dürfte damals kaum bestanden haben. Aber später, als sich das Flußbett hob, stieg auch das umliegende Inundationsterrain in gleichem Maße, weil auch der Fluß sein Bett wechselte, wie eben Grabungen gezeigt haben. Der Pfahlbaugrund weist nämlich an einer Stelle oben eine F5 m starke Schichte von Lehm und Erde, darunter etwa 50 cm Flußgerölle und Kalktuff, die wieder auf einer 50 cm starken Kulturschichte lagern und erst unter dieser ist fester Untergrund. An einer zweiten Stelle lag unter dem 50 cm starken Kalktuffe schon die Kulturschichte und darunter der gewachsene Boden. Die schwarze Kulturschichte bestand aus Holzkohle, Asche und Schlamm; die große Masse der Holzkohlenstücke deutet dahin, daß das einstige Pfahldorf durch Feuer zugrunde gegangen sei. Die Pfähle sind unten zugespitzt; sie bestehen ausschließlich aus Eichenholz von 10—30 cm Durchmesser und sind in unregelmässiger Abständen von 0'5 — 2 meingerammt. Auch die an mehreren Stellen noch erhaltenen Plattformen sind aus gespaltenen Eichenstämmen hergestellt. In der Kulturschichte, sowie in den unteren Partien des Tuffes kommen zwischen den Pfählen massenhaft Tongefäßscherben, Hirschgeweihe, Eberzähne und Tierknochen vor. Man muß sich nun fragen, wie man sich die Pfahlbauten und die Funde daselbst zu erklären habe. Die Antwort ist sehr einfach und die Deutung jedermann sofort einleuchtend. Das vermeintliche Flußpfahlbaudorf findet man an der Una heute in ganz gleicher Weise; es sind dies die Mühlen und auch Kaufläden (dućani), welche die dortigen Bewohner auf Pfählen in den Fluß hineinbauen; die Fußböden sind aus Eichenbohlen, damit sie nicht so leicht nachgeben und vom Wasser nicht so bald angegriffen werden; nimmt heute ein Hochwasser die Mühlen und Verkaufsbuden, welche übrigens als Wohnstätte gar nicht dienen, fort, so bleiben dieselben Pfähle und Plattformen zurück, und wir haben ein prähistorisches Pfahldorf moderner Entstehung, womit sofort der phantastische Nimbus, den die Gelehrten der Pfahlbauzeit zugedichtet haben, in reale Prosa übergeht. — Der Wechsel der Kulturschichte, welche hier direkte auf gewachsenem Boden liegt, ist eben der Wanderung des Flußbettes der Una zuzuschreiben und ist dasselbe bei allem Flüssen der Fall, denen die Uferformation eine seitliche Bewegungsfreiheit gestattet. — Ähnlich sind die Verhältnisse bei Secpfahlbaudörfern. Da es hier keine Mühlen gibt, können die Pfähle entweder von Uferschutzbauten, Anlegerampen für Kähne und Boote, Hütten für Reservevorräte herrühren. Daß aber die Wohnstätten selbst auf dem Wasser gewesen wären, ist höchst unwahrscheinlich. sondern die Häuser standen außerhalb des Wasserbereiches, und zwar so hoch auf Pfählen, als és empirisch der höchste Wasserstand bei Regenperioden oder Wolkenbrüchen diktiert hat. Solche Vorsorgen waren in jenen Gegenden, wo Ansiedlungen Ln Inundationsgebieten lagen, somit natürlich begründet, und findet man z. B. bei Bosnisch-Novi noch heute genug solcher Bauten.4) — Daß wir an einem Punkte hohe Schichten von Kohlenresten und Asche finden, obschon jedermann die Asche notwendigerweise entfernt, ehe er ein Feuer anmacht, damit der noch schwache Brand nRht durch die Asche erstickt wird, dies verursacht das Wasser, das alle leichteren Gegenstände an das Ufer u. z. immer gegen eine Bucht zutreibt — und dort finden wir ja auch stets die Pfähle. Die Knochen der verzehrten oder verendeten Tiere sind aus hygienischen Gründen, die Hirschgeweihe und Eberzähne, soweit sie nicht Verwendung fanden, als wertlos ins Wasser geworfen worden; dasselbe geschah mit den Scherben zertrümmerter Gefäße, um Fußverletzungen zu vermeiden, daher man so selten einen gebrechlichen Gegenstand in ganzem Zustande auffindet; trifft man aber solche an, so können sie ebenso durch Kinder dahingelangt sein, die sich wohl seit den prähistorischen Zeiten nicht geändert haben werden und nach wie vor alle zur Hand befindlichen Gegenstände ins Wasser zu werfen pflegen. — Weshalb wundern wir uns überhaupt über die Entstehung großer Scherbenfunde? — Jeder Bauer besitzt ein Gestrüpp oder eine sonstige Stelle, wohin er alle wertlos gewordenen Hartgegenstände wie: Porzellan-, Topf- und Glasscherben, alte Messer, Sicheln und Blechabfälle, zahndefekte Kämme, Knochen u. ä. schafft oder vergräbt, *) *) Bringt es der Zufall, daß man daselbst zur Zeit des Hochwassers eintrifft, so kann man auch durch die Gassen von Novi in etwa 10 m langen Kanoes (Einbaum-Kähnen) fahren und so die «märchenhafte» Pfahlzeit vergegenwärtigt sehen. damit sich niemand daran verletzen könne. Ein Müller wirft sie selbstredend ins Wasser, der Karstbewohner in eine Höhle (><. — Hiemit wurde die Sache abgetan, obschon sie mit dieser kurzen Schilderung in der Hauptsache noch gar nicht erledigt ist, denn nun drängt sich unvermittelt die Frage auf, welchen Zweck diese künstlichen, vertikalen Erdröhren hatten, und was man mit «skrysex besagen will. Der Berichterstatter — anscheinend ein Ceche — konnte sich diesen Begriff doch gut erklären, denn er bedeutet ihm: Versteck, Schlupf- Winkel.*) — Die Lokalität im Vereine mit der Sprachwissenschaft sagt uns hiemit unwiderleglich, daß diese Erdröhren dereinst zu irgendeinem S i c h e r u n g s z w ec k e ausgehoben wurden, u. z. entweder als Depot für Feldfrüchte, wenn die oberirdischen Baulichkeiten gelegentlich nicht ausreichten, was noch jetzt mit Wasserrüben, Möhren, Erdäpfeln u. drgl. in vielen Gegenden geschieht, oder als Versteck bei feindlichen Einfällen sowohl für die bewegliche Habe als auch für die Menschen, nachdem man darin auch Brandstellen vorfindet; die Kampffähigen stellten sich dem Feinde entgegen, ihre Familienmitglieder brachten sie hingegen in einem solchen Verstecke unter und verdeckten in unauffälliger Weise die Einlaßöffnung auf die Gefahrdauer. Nicht ausgeschlossen ist es überdies, da die Tiefe auffällt, daß man bei feindlichen Einbrüchen an voraussichtlichen Annäherungspunkten solche Fallen anlegte, um den Gegner automatisch hineinfallen zu lassen, von wo er sich mit Rücksicht auf das ungünstige Profil der Grube — das einer Flasche — einzeln schwer retten konnte; es waren dies sonach eine Art von Wolfsgruben, wie man sie auch heute militärischerseits in der Zone der Hindernisse anzulegen pflegt. Jene Gruben nun, welche unten Brandstellen aufweisen und keramische Reste ältester Provenienz enthalten, sind jedenfalls auch uralt, also vermutlich prähistorisch; es kann aber der Anthropologie doch auch nicht gleichgültig sein zu erfahren, wer diese Gruben hergestellt und in denselben fallweise gewohnt hat: doch nur derjenige, der sie ihrer Bestimmung gemäß auch be- *) In der böhmischen Ausgabe der »Bücher der Könige v. J. 1869 ist diese Verwendung ausdrücklich und mit gleichen Begriffen dargestellt, denn es heißt (I, 13:16): »Což když videli muzi izraelšti, žeby byli postaveni v üzkosti, s k r y 1 i se v jeskynich a v s k r v š i c h, v skaläch také a v doupa-tech i v cisternach». (Als die Männer Israels sahen, daß sie bedrängt werden, versteckten sie sich in Grotten, Erdlöchern sowie Felsen, Baumhöhlen und Zisternen). — Übrigens haben die Böhmen auch den Begriff xskrinè», also ein abschließbares Möbelstück, das etymologisch als »Kasten» (= kost), »Spind« (= spina), »omara« (= Abschließung) überall etwas andeutet, was die Sicherheit der Aufbewahrung voraussetzt. Dasselbe Wort gebrauchen aber auch schon Sallust, Horaz u. a. in gleicher Bedeutung als »scrinium«, doch versagt hier bereits die Etymologie, ein Beweis, daß es für das Lateinische schon ein Lehnwort war. — Im Althochdeutschen lautete das heutige »Schrein» noch »scrini». — nannthat, also wieder — derSlave! Solche Momente sind es, die, wenn irgend etwas, den Forscher verläßlich über das Gebiet der Kulturgeschichte auf jenes der Völkergeschichte hinüberführen. Daß einmal eine Uferansiedlung durch eine Elementarkatä-strophe (Wolkenbruch, Torrenten, Erdrutschung, Erdbeben) zugrunde ging und dabei alle Gegenstände des Hauses sofort oder mit der Zeit in den See gelangten, ist auch natürlich, da dies ja heute ebenso zutrifft; aber eingerammte Pfähle bleiben in den meisten Fällen stehen, da sie dem Wasser eine geringe Querschnittsbelastung bieten; außerdem werden die Pfähle später nur noch mehr fixiert, wenn neues Alluvium hinzukommt. — Andererseits sind Seen ganz verschwunden oder zu Mooren geworden, wenn der See einen oberirdischen Abfluß hatte und sich dieser durch die Erosien ein immer tieferes Rinnsal schaffte oder sich der Seeboden durch stetig zukommendes Seifenmaterial hob, so daß der Seewasserspiegel naturgemäß sinken mußte und auf diese Art auch der See selbst mit der Zeit verschwand. Es müßte daher in verschwundenen Seen derKulturgradderFundstücke gegen die Mitte zu ■—, bei noch bestehenden Seen aber abnehmen; ob dies auch zutrifft oder überhaupt beobachtet wurde, ist mir nicht bekannt.") Limnographische Beobachtungen, Untersuchugen über die Sedimentation und die Wandlugen des zugeführten Alluviums, sowie Notizen über die kulturellen Veränderungen der Uferobjekte geben jedoch reichliche positive Daten. Es ist nämlich längst bekannt, daß z. B. die Seen in Trockengebieten Westsibiriens, Turkestans und in den amerikanischen Felsengebirgen an Abzehrung zugrundegehen. Ebenso ist in den niederschlagsreichen Tiefebenen und Mittelgebirgen, z. B. in der Mark, deren Zahl im Abnehmen, ja in Thüringen sind im Laufe der letzten Menschenalter ohne welchen Kultureingriff viele Seen, darunter der recht beträchtliche Schwanensee, gänzlich verschwunden. In Tiro! sind innerhalb eines Jahrhunderts nicht weniger als 118 Seen eingetrocknet. Nach August von Böhm hat sich in *) *) Es gibt allerdings noch heute Pfahlbauten, die ganz im Meere liegen (z. B. an der Insel Celebes); ob dies der Raubtiere, Giftschlangen, Springfluten, aus hygienischen Gründen oder ungünstiger Festlandsbodenverhältnisse wegen geschieht, ist schwer zu entscheiden, wenn man lie lokal-maßgebenden Gründe nicht durch Augenschein kennt. hundert Jahren die Zahl der kleinen Hochseen im Gebiete der Ostalpen, vom Splügen an betrachtet, von 3278 auf 2466 verringert. Ein gleiches gilt auch von den Hochseen des Riesengebirges, xTeichex genannt, denjenigen des Böhmerwaldes und den xMeeraugenx der Tatra. Es handelt sich also hier lediglich um eine geophysikalische Erscheinung, bei der alle früher angeführten natürlichen Vorgänge Zusammenwirken. Es mutet auch die Behauptung immer eigentümlich an, daß die vorgeschichtlichen Kulturepochen in eine eigene Stein-, Bronze- und Eisenzeit gruppiert werden, und dies daraus deduziert wird, weil man an e i n e r Stelle die Spuren aller dreier zusammenfindet. Es ist ja selbstverständlich, daß es einst ausschließlich Steinwaffen gegeben hat, aber diese Zeit wurde in dieser Gegend früher, in der zweiten später, in der dritten noch bis heute nicht von der Metallzeit abgelöst. Liegen aber Werkzeuge aus Stein, Bronze und Eisen in einem gemeinsamen Grabhügel oder in einem Kjökkenmöddinger beisammen, so standen sie bereits im gleichzeitigen Gebrauche. Weshalb soll nicht jemand eine Steinwaffe gebrauchen, indes der Nachbar eine solche aus Eisen besitzt? Der Dampfpflug arbeitet heute neben dem Holzpfluge; es gibt noch genug Leute, die Zündhölzchen aber zugleich auch Stahl, Schwamm und Feuerstein in der Tasche tragen, um sich im Falle des Naßwerdens der Streichhölzer noch immer ein Feuer beschaffen zu können. In derselben Gesellschaft trägt einer eine goldene, der andere eine silberne, der dritte eine Nickeluhr; die eine Dame einen echten, die andere einen falschen Schmuck; armen Leuten genügt ein Trauring von versilbertem Blech, dem Reichen nur ein goldener; ein Hirte trägt noch in der Kürbisflasche sein Getränk mit, der andere schon im Tonkruge; der primitivere ist der erste, aber dabei der praktischere, weil sein Behältnis weniger gebrechlich ist; der erstere kann dabei sogar der vermögendere sein, aber dies diktiert ihm die Sparsamkeit. In alten Gräbern findet man oft nichts, als paar Tonscherben, wenn es arme Leute waren, und die Gegend selbst kulturarm ist; in reichen Gegenden w erden hingegen die wertvollsten Funde gemacht. — All dies hängt und hieng zu allen Zeiten vom Vermögen, dem Ge-schmacke und den praktischen Anschauungen ab. Es ist gar kein Zweifel, daß der arme Bosnier seine Egge, die er sich ad hoc aus einem Querholz konstrniert, in das er einige frische Äste steckt. gerne durch eine eiserne substituieren würde, aber diese kostet eben — Geld! — Die Theorie braucht für jedes Ding eine eigene nummerierte Schublade, die Praxis macht aber die Theorie auf allen Linien zuschanden ! Wenn w ir den richtigen Blick für die Urzeit gewinnen wollen, so müssen w;ir den bedenklichen Mangel an Widerstandskraft gegen die Wahngebilde des Aberglaubens endlich erkennen und alle die sku-rilen Vorstellungen abstreifen, als ob sich der Mensch seither physisch, biologisch oder sozial geändert und es einst nur Menschendrohnen gegeben hätte, die arbeitslos vegetierten, Mythologien konstruierten, Mystik betrieben, auf Bärenhäuten liegend pokulierten und lediglich als Helden Balladenstoffe boten. — Die Urzeit des Kulturmenschen w^ar ebenso abwechslungsreich und im allgemeinen nicht anders, als die Gegenwart. Die wilde Rebe gibt keinen genießbaren Wein, sie muß gepflegt werden, und diese Pflege erfordert eine harte, verständnisvolle Arbeit; und doch wird des Weines seit der Dämmerung der Geschichte oftmals Erwähnung getan, und deshalb haben fast alle Sprachen für diesen Begriff dieselbe Sprach-wurzel, ein Zeichen, daß wir es mit einem uralten, offenkundig von e i n e r. Zentrale ausgegangenen Worte zu tun haben. Die schönen Bronze- und Eisenwaffen, die Reliefarbeiten und Schmuckgegenstände, alle die Objekte der Keramik in den Gräbern erforderten dieselbe Arbeit w ie heute, ehe aus den Rohprodukten ein solcher Gegenstand hervorging. Es muß einst auch ganz bedeutende Handelsverbindungen gegeben haben, denn z. B. der Bernstein ist überall als Grabschmuck zu finden, und die Fundorte desselben sind doch sehr rar; auch einer Vergnügungsfahrt wegen hätte wohl niemand den Isthmus bei Suez oder auf der Halbinsel Krim durchstochen; und die allgemeine Landes- und Küstenbefestigung, die bewunderungswürdig organisiert war, läßt doch in bestimmter Weise darauf schließen. daß man feste Wohnsitze hatte und sie auch nicht ohne äußerste Gegenwehr preiszugeben willens war. Diese Etymologie führt uns überdies dahin, daß man auch die Entstehung der etnographischen Begriffe den allgemeinen Gesetzen des unbeeinflußten historischen Geschehens unterwerfen muß, wodurch die Prärogative der differenzierten Abstammung von selbst in Brüche geht. — So hat die Rassenlehre einen Kurs eingeschlagen, der schon vom Standpunkte des nüchternen Denkens niemals zum ersehnten Hafen führen kann, denn während sich die objektive Wissenschaft mühsam tastend fortbewegt und sichere Merkmale gar nicht laut anzugeben wagt, stürmt der Chorus mit inhaltslosem Geschrei über die wissenschaftlichen Bedenken skrupellos hinweg und setzt mit dem Rassen kämpfe ein, ohne welchen festen Boden hiezu zu haben. Wenn nicht alles trügt und der gesunde Verstand in zwölfter Stunde nicht die Oberhand gewinnt, so gehen wir nach den glücklich beendeten Religionskriegen der noch zersetzenderen und blutigeren Ära der Rassenkämpfe entgegen, weil wir einer gewalttätigen Pseudo-Wissenschaft nur einen zaghaft kombabischen Widerstand entgegensetzen. Es ist doch jedem denkenden Laien unfaßbar, wie die Anthropologie nach einigen alten Schädeln schon genau begrenzte Gesetze für Rassen und Sprachen aufstellen konnte, wo wir doch alle wissen, welche Differenzierungen es schon in einer Familie in Bezug auf Schädelbau, Typus, Größe, Haut- und Haarfarbe geben kann, und welche Unterschiede sich diesbezüglich schon dem Beobachter der Bewohner eines einzigen Dorfes ergeben, wo fast nur von einer Inzucht gesprochen werden kann. — Wie unbedacht, ja geradezu unglaublich gewissenlos oft Behauptungen aufgestellt werden, deren Entstehung in der Folgezeit oft schwer kontrolierbar ist, und wie Rassengeschichte «gemacht« wird, zeige folgende Tatsache. — Dr. Biedermann schrieb in seiner Abhandlung «Die Serben-ansiedlungen in Steiermark« (p. 33): «Immerhin ist es jedoch richtig, daß in der Pfarre Hajdin (bei Pettau) ein Menschenschlag wahrgenommen wird, der vom Typus der einheimischen Slovenen merklich a b w e i c h t, indem dessen Repräsentanten durch ihre kleinen schwarzen und geschlitzten Augen, durch aufgeworfene Lippen, eine plattgedrückte Nase und stark vortretende Backenknochen, häufig auch durch schwarzes, gekraustes Haar sich von ihrer Umgebung abheben.« — Es berührt eigenartig, wieso ein ernster Forscher etwas als Tatsache hinstellen konnte, was er selbst unmöglich wahrgenommen hat, oder wie er eine so bedenkliche Mitteilung ungeprüft in einer wissenschaftlicher Publikation darzulegen imstande war, denn es mußte ihm auffallen, daß somit Hajd:n das Dorado für alle Anthropologen wäre, weil hier geradezu die weißgewordenen Äthiopier wohnen müßten. — Es ist gewiß kein Zweifel, daß sich hier einzelne Vertreter finden, die vom Äußeren des Gros der Bewohner in dieser oder jener Hinsicht abweichen; wer sich aber die Mühe nimmt und sich den Typus der Pfarrinsaßen von Haidin gründlich ansieht, was man am besten summarisch und unauffällig sonntags anläßlich des Kirchenganges der Bevölkerung abtun kann, der wird sich unbedingt sagen müssen, daß die Rassenabweichungen hier in gleichem Maße vorliegen, wie in jedem anderen Orte. — Nun wie kam Biedermann zu dieser sonderbaren Entdeckung? — Ihm schwebte lediglich der Ortsname «Haidin«, als aus «Heiden» her-vorgegaugen, vor, und nur diese Prämisse hat ihm den Schluß suggeriert, die Haidiner zum Teile als Abkömmlinge von gefangenen Türken (Mongolen), also «Heiden«, anzusehen. Nun stimmt aber dies in der Praxis auch nicht, denn die türkischen Soldaten waren zum großen Teile ohnedies auch Slaven, ja die Garde, die Janitscharen, ist größtenteils aus importierten Slavenkindern ergänzt worden, — woher also eine ausgesprochene Rassendifferenz!*) — Überdies haben die Slovenen in ihrem seinerzeit berechtigten Hasse gegen die Osmanen es kaum zugelassen, daß sich ein g e f a n-g e n e r Türke mitten unter ihnen nach dem mohammedanischen Muster etwa auch einen Harem gründet, oder ihm schwerlich eine Gnadenfrist gewährt an eine Familienrestauration zu denken, welche noch heute unter sich keinen israelitischen Krämer auf die Dauer dulden, wenn er nicht in entsprechender Frist den Weg zum Taufbecken findet; und die paar Türkenkinder, welche bei einem ungünstigen Gefechtsverlaufe zuriickgelassen w erden mußten, und die später als «natus in Saracenis« ganz vereinzelt in Taufmatriken aufgenommen erscheinen, oder die von Vergew altigungen herrühren, können doch nicht in der Folge von derartigem Einflüße gewesen sein, daß sie gerade den Typus der «Haidiner« merklich beeinflußt hätten. Desgleichen brachte die Kraniologie in die Urgeschichte des Menschen eine heillose Verwirrung und hat selbst nüchterne For- *) Aus verschiedenen Quellen wie Überlieferungen geht überdies hervor, daß sich z. B. die Slovenen mit dem Gegner leicht verständigten. In den meisten Fällen waren die Räuber daher nur slavische. der Türkei unterstehende Bewohner jenseits der Savegrenze, mag man sie heute nun als Raitzen, Serben, Bosnier u. drgl. bezeichnen. Ihre Haupttendenz war Menschenraub, infolge Leutenot, und die Geraubten können nur wieder Slaven gewesen sein! scher auf Abwege geführt, weil die intensiven Messungen, deren eine nie der andern im Resultate gleicht, zur Hauptsache, die natürliche Beobachtung und das einfach logische Denken dabei zur Nebensache wurden. •— So sollen die Hunnen die Sitte der Verunstaltung des Schädels besessen haben und fanden es für schön, wenn derselbe zuckerhutartig verlängert aussah, denn daran seien die Hunnenschädel zu erkennen. Und ändert, — abgesehen davon, ob dies überhaupt wahr ist — eine solche Modetorheit etwas an Rasse oder Sprache, denn man kann auch heute beim Kinde diese Schädelform zur Entwicklung bringen, wenn man den Kopf eine zeitlang mit Bändern verschnürt hält; dies kann doch kein anthropologisches Merkmal sein, da wir ja auch heute genug Menschen mit Spitzköpfen haben; und die Chinesin ändert sich in Bezug auf Rasse, wenn sie ihre Füße freiwillig verkrüppelt, ebensowenig, wie die Modedame, die sich der Taille zuliebe mit dem Mieder die Wirbelsäule verkrümmt. — Oder hat ein Slave, der plötzlich als Germane auftritt, oder ein Deutscher, der aus praktischen Gründen spontan ein Magyare wird, anatomisch oder somatisch seine Rasse oder Abstammung gewechselt? — Gewiß nicht, und wenn er noch so täuschend seinen Namen verdeutscht oder magyarisiert ! Unter prähistorischen Schädeln findet man fast immer Lang-und Kurzschädel beisammen, ebenso wie oft in derselben Familie; wo steckt da also der Rassentypus basiert auf Schädelformen? Ein Virchov glaubte sogar nach dem Schädel die sprachliche Stammeszugehörigkeit zu erkennen und dessen Autoritätsirrtum haben die Epigonen blind in Pacht genommen, ohne die Diskrepanz der Behauptung wahrzunehmen, was doch so leicht gewesen wäre, denn diese Ansicht ist ganz unhaltbar, wenn man nur erwägt, daß einer z. B. als Slave geboren und als Deutscher gestorben sein kann; hat dessen Sprache oder Gesinnung die Schädelform auch rekonstruiert? — Und berücksichtigt man noch die permanent wirkenden Kreuzungen, so ergibt sich nur mehr die trostlose Frage, wo der Rassenbiologe noch ein jungfräuliches Gebiet finden könnte!*) *) Den Baumeistern bezw. Züchtern der strengen Rassenbiologie seien an dieser Stelle die Forschungen des Dr. v. Velics empfohlen, welcher in der Einleitung zur Publikation: «Über Ursprung und Urbedeutung der Wörter« (Budapest 1902) zur Bekräftigung der interlingualen Hypothese, schreibt: «Hautfarbe, Gesichtswinkel und Haarbeschaffenheit sind wahr- 20 Die Naturgesetze lassen sich vor allem von Menschen nicht gängeln. Und wer so nebelhafte Theorien immer wieder und umso rücksichtsloser verficht, je durchsichtiger ihre Haltlosigkeit zu werden beginnt; wer Systeme aufbaut auf die subtilen Messungen eines Neandertalschädels, welcher anscheinend viele Hunderte von Jahren unter schwerer Erddecke lag, daher auch deformiert sein kann, oder gar einem Kretin angehörte, — der kann doch nicht ernst genommen werden, wenn er auch als Autorität gottgleich gehalten wird, denn die lebende Stimme von Heute ist unerschütterlich nur der leise schwindende Widerhall des totenEinst! Die gesamte Rassenlehre, wie sie sich heute bietet, ist meiner Erkenntnis nach eine unter der ernsten Maske der Wissenschaft hausierende Irrlehre, deren Fabriksmarke aber jeder denkende Mensch sofort erkennen kann ; sie ist im jetzigen Stadium nichts weiter als eine Klassenlehre im Interesse national-feudaler Vorrechte, als ob wir uns wieder das finstere Mittelalter, die Zeit der Herren und Knechte, herbeisehnen wollten. — Und wissen wir nicht alle, daß heute niemand mehr ernstlich imstande ist, irgendwelche Blutmischungen kulturmäßig zu skalieren, nachdem eine dauernde Superiorität einer bestimmten Rasse schon dadurch empirisch widerlegt wird, daß die verschiedensten Volks- und Sprach-kategorien ihre Flut und Ebbe in der Geschichte und Kultur bereits hinter sich haben, ein Beweis, daß in den natürlichen Kreislauf der Dinge keine Macht der Welt mit Erfolg eingreifen kann! Das einzige Arkanum für die Zukunft eines Volkes ist der gesunde volkswirtschaftliche Fortschritt; überdies werden jene Kulturvölker, die dem Kindersegen keine bewußte Grenze setzen, stets scheinlich verschwindend leichtwiegende Momente der Argumentation für die vielerlei Art des menschlichen Geschlechtes und fiir die Verschiedenheit der Quellen der menschlichen Sprache, in Betracht der schlagenden Beweise, welche die unbegrenzte Fruchtbarkeit zwischen Menschen verschiedener Hautfarbe, der gleiche anatomische Bau, Gleichförmigkeit der physiologisch-biologischen Erscheinungen (gleiche Anzahl des Pulsschlages, gleiche Körpertemperatur, gleiche Dauer der Schwangerschaft u. s. f.), vorzüglich aber die gleiche physische und ethische Veranlagung uns an die Hand geben«. gegen jene int Kraftvorteile bleiben, w elche eine zahlreiche Nachkommenschaft als Ballast ansehen, und ist geradezu bei den slavi-schen Völkern bis heute kein Merkmal einer Populations-Kasteiung an den Tag getreten. — Zeigt sich aber einmal, wie z. B. heute in Frankreich, die sexuelle Betätigung nur unter Widerwillen gegen Nachkommenschaft, so beginnt hiernit automatisch der numerische Rückgang des Volkes. Kommen nun keine frischen Kräfte von außen zu, welche die Sache der Menschheit weiterführen, so ist das schließ-liche Aussterben unausbleiblich; stellen sich aber fremde Kräfte ein, welche der Volksdekadenz entgegenw irken, und die ja eigentlich die Bevölkerungsziffern aller Städte ständig heben, so vermischen sie die «Rasse« nur noch w eiter. — Die Türken bilden sich ein. daß sie ihre arabische Rasse rein erhalten haben, nahmen sich aber früher Weiber aller Völker zu Frauen; der Flochadel führte sich behufs Familienobservanz nur Ebenbürtigkeitsehen ein. ein Kammerdiener macht aber gelegentlich alle Flausgesetze zuschanden; und solcher Unstimmigkeiten wie Selbsttäuschungen ließe sich noch eine lange Reihe anführen. So wird der Begriff «Rassenreinheit« sowrohl durch die Natur, durch menschliche Sondertriebe wie auch durch das unbewußte Durchbrechen aller Gesetze von selbst zum unsinnigsten aller Schlagwwter! Sonderbarerweise hat aber diese «Wissenschaft« gerade in Deutschland besonderen Nährboden gefunden, wo doch jedermann w eiß, daß dieses Gebiet nichts weiter als ein großes slavisches Gräberfeld ist; die lebenden Zeugen der einstigen Bewohner sind ja in den slavischen Provinz- und Ortsnamen niedergelegt; ja die Germa-nisierung dauert doch schon Hunderte von Jahren fort und vollzieht sich heute weiter vor unseren Augen; politisch kann dies der Wissenschaft einerlei sein, da es sich dabei doch nur um die statistische Verschiebung einer bestehenden Zahl zu Gunsten dieser oder jener Sprache handelt, aber auf solcher Basis noch von einer Reinkultur einer Rasse zu sprechen, w ie es doch rassenbiologische Publikationen offen tun, dieses kann wohl nur ein wahnbetörter Irrtum sein! Es ist weiters ganz unglaublich mit welchem gedanklosen Starrsinn man mitunter für eingefleischte Ansichten eintritt, wrenn die Erkenntis der Kontradiktion noch so handgreiflich ist, wreil der Autoritätsglaube, d. i. das ungeprüfte Fürwahrhalten eines fremden Urteiles, immer die große Masse ansichzieht, der falsche Herold daher mit Sicherheit auf Erfolg rechnen kann. Betrachten wir in dieser Hinsicht die sogenannten Grüneberger und Königinhofer Handschriften. Als sie seinerzeit (1817) gefunden wurden, hatte noch niemand ernstlich den Gedanken erfaßt, daß die Slaven in Europa ein uraltes, autochthones Kulturvolk sein könnten; unter dieser Voraussetzung nahm man daher sofort an, können sie auch keine alten schriftlichen Denkmäler zustandegebracht haben, ergo — müssen diese Handschriften gefälscht sein.- Diese erste Autosuggestion wirkt bis heute nachhaltig fort und ist die Meinung von der Fälschung durch Wenzel Hanka so allgemein eingelebt, daß es mir bisher, trotz andauernder Gegenbeweisführung, noch nicht gelang dieses Thema zu einer ernsten öffentlichen Diskussion oder erneuerter Überprüfung zu bringen, trotzdem niemand einen Grund hat anzunehmen, daß i c h etwa ein geheimes Mandat für den Nachweis der Echtheit dieser Handschriften erhalten oder gar ein persönliches Interesse habe mich in diesen öden Streit einzulassen. Aber der Wahrheit zum Siege zu verhelfen, eine böse Nachrede zu überprüfen und die Ehre eines Mannes, der unverdient mit dem Brandmal eines literarischen Schwindlers ins Grab gesunken, zu retten, ist jedermanns sittliche Pflicht! Abgesehen von der Tatsache, daß es bis zum Jahre 1816 keinen Menschen gab, der die hiezu nötigen Sprachenschätze gekannt hätte, die durch Dobrovsky und Kopitar zum Teile gehoben wurden, mangelt vor allem die logische Vorstellung, daß jemand mit immensen Sprachkenntnissen eine so aussichtslose Arbeit, wie sie die Herstellung der Synchronie einer mangelhaft bekannten Sprache mit den gleichlaufenden kulturellen und sozialen Verhältnissen von einst in einem größeren Gedichte erfordert, vorzüglich löst und dabei noch seine Autorschaft verschweigt. Wäre aber immerhin eine solche umfangreiche Zurückdichtung sprachlich denkbar, so sprechen dagegen noch besondere Umstände, die erst jetzt durch meine toponomischen Forschungen ihre Klärung finden, denn sonderbarerweise stellt es sich jetzt nach teilweiser Aufhellung der retrospektiven Kulturverhältnisse heraus, daß weder Hanka noch dessen Nachfolger eine richtige Deutung oder Übersetzung des Inhaltes gegeben haben, noch auch seinerzeit geben konnten, weil ihnen die Vorkenntnisse für eine richtige Lösung vollends fehlten. Eine so unrichtige, ja mitunter geradezu aus der Luft gegriffene Translation aber, wie sie Hanka ausgegeben, zeigt jedoch unumstößlich, daß Hankanichtzugleich derDichterdes Originals gewesen sein konnte. J. Jireček, der i. J. 1879 eine neue Übersetzung ausgab, bekennt noch offen: «Bei der tiefen Verschiedenheit, welche den Ideenkreis des slavischen Mittelalters und jenen der modernen Welt von einander scheidet, bietet die genaue Wiedergabe so mancher Stelle nicht unerhebliche Schwierigkeiten«. — Der Übersetzer hat darin vollkommen recht, denn die Forschungen nach der seinerzeitigen Bewertung und Bedeutung vieler uns unklarer Begriffe und sonstiger Unstimmigkeiten in den Handschriften werden wohl noch einige Zeit andauern, ehe da volle Klarheit wird ; hingegen soll Hanka schon in der Jugend alles gewußt haben, was der vereinigten Gelehrtenwelt noch heute ein Rätsel ist! Zum Beweise werden nachstehend nur die einleitenden sieben Verse der Grüneberger Handschrift, deren sprachliche Zugehörigkeit man dem 9. Jahrhunderte zuschreibt, die aber mit Rücksicht auf den darin auftretenden ausschließlichen Polytheismus offenkundig schon in die Zeit vor der Christianisierung zu verlegen wäre, angeführt: «Všiak ot svej čeledi voje vodi, mužie päsiü, ženy ruby strojia. I umrè-li glava čeledina, déti vše tu sbožiem v jedno vladu, vlädyku si z roda vyberüce; ky plezné — die v snemy slavny diodi, diodi s kmetmi, s léchy, vlädykami«. Die bis nun aufgedeckten einstigen sozialen Verhältnisse mit ihrem entschieden militärischen Einschläge, die etymologische Entkernung der historischen Entwicklung einzelner unklarer Begriffe, endlich die Verbreiterung des zugrundeliegenden Sprachschatzes diktiert folgende wortgetreue Übersetzung, die auch sachlich natürlicher klingt und sich dem Geiste der Gesamtdichtung wesentlich anders anschmiegt, als alle anderen bekannten Translationen ins Deutsche: xJeder Vater (Oberhaupt) leitet die Scharen (die Wehrfähigen) seiner Sippe, Die Männer üben sich im Waffenhandwerke (bezw. versehen den Sicherungsdienst), die Frauen besorgen die Wirtschaft. Und stirbt einmal das Flaupt der Sippe, dann wählen alle Genossen (Jüngeren) einträchtig behufs einheitlicher Leitung einen Führer sich aus ihrem Stamme, der fürsorglich weiter in die höheren Versammlungen geht, geht mit den Ältesten. Vorstehern und Führern (bezw. Priestern).*) *) Hanka sab in Gemeinschaft mit W. Svoboda das Werk: «Die Königinhofer Handschrift« (Prag 1829) deutsch heraus; dort lautet diese Stelle (p. 195) folgend: xJeder Vater herrschet seinem Hause; Männer ackern, Weiber nähen die Kleider. Aber stirbt des Hauses Haupt, verwesen Alle Kinder insgesamt die Habe, Sich ein Haupt erkiesend aus dem Stamme, Das. wenns frommt, sich stellt zum hohen Tage Mit den Räten, Rittern, Stammeshäuptern.x Im Jahre 1843 gab Hanka allein in xPolyglotta« eine neue Verdeutschung aus, welche betreffs dieser Stelle lautet: xJeder Vater führt sein Volk im Heere; Männer ackern, Weiber schaffen Kleider. Aber wenn nun stirbt das Haupt des Hauses, Walten insgesamt des Guts die Kinder, Sich ein Haupt erkiesend aus dem Stamme, Das des Wohles wegen geht zum Hochding, Geht mit Knieten, Lechen und Wladykenx. Jos. Jireček übersetzte 1879 (xDie altböhmischen Gedichtex, Prag) die gleiche Stelle folgend: xJeder Vater ist das Oberhaupt seiner Familie, Männer bauen den Acker, Weiber bereiten die Kleider. Und wenn das Familienhaupt stirbt, da walten die Kinder gemeinsam des Gutes, einen Lenker aus der Sippe sich erkiesend, der nun des Gemeinwohls willen die feierlichen Versammlungen besucht. sie besucht mit den Ältesten, Edlen und Familienhäupternx. Die Mauptdifferenzen dieser Translation gegenüber den bisherigen sind: xvoje vodix = er führt seine Kriegsschar, sein Fähnlein. — xPasiüx (oder xpäziüx) ist bereits bei xpasax erklärt, oder es kommt von xpažax = das Waffenhandwerk, später: Pagendienst; daß es ackern bedeuten sollte, ist sprachlich unrichtig und diese Translation völlig unbegründet. — xWeiber nähen Kleiderx ist gleichfalls grundfalsch, denn entweder datiert dies noch aus einer Zeit, in welcher die Kleidung noch sehr primitiv war, oder handelt es sich aber um Trachten, die jedoch als derart solid bekannt waren, daß sie von Mutter auf Tochter und Enkelkind übergingen, es müßte sonach in jener Zeit lauter vazierende Schneiderinnen gegeben- haben; noch eher könnte xrubyx als a c k e r n genommen werden, denn im Russischen kann xrobitx auch ackern bedeuten; überdies gebraucht man xstrojx im Russischen noch heute für: Ordnung, gute Wirtschaft. — xDetix kann hier nicht Kinder bedeuten, da diese begreiflicherweise kein Wahlrecht hatten, sondern die einem xdédx Unterstehenden, also: Genossen, Jüngere, Zugehörige. — xS boziemx ist durchwegs unrichtig aufgefaßt worden, denn es bedeutet noch heute in der slovenischen Form xzbogati sex = in Eintracht leben, sich verstehen, welche Deutung hier ausschließlich paßt. — xVjednu vladux = einheitliche Führung. — Unter xvladykax ist ein Ältester, ein Stammesoberhaupt zu verstehen, das sowohl mit politischen wie auch kirchlichen Würden ausgestattet war.— xPleznex ist wohl identisch mit dem heutigen russischen xpoleznox = fleißig, strebsam, fürsorglich. — xDlex gebraucht der Slovene als xdljex noch heute in der Bedeutung: weiter. — xSlavnyx hat hier noch eine an die Urbedeutung anspielende Verwendung, d. h. er geht in Versammlungen, denen ein h ö h e r e r Funktionär vorsteht. — xKmetx bedeutet in der altslavischen Verfassung das Oberhaupt einer Familiengenossenschaft, also Gemeinde, ist daher gleichwertig mit: Gemeindevorsteher, Bürger me iste r, Ortsrichter (im Spätlateinischen als xkmetonesx angeführt) und wird in diesem Sinne in Serbien noch heute gebraucht. Im Russischen bezeichnete man damit den Wehrmann, den kräftigen, jungen Mann im allgemeinen.*) — *) Der altägyptische Gott xKniephisx (t geht organisch oit in f über) war der Hauptgott Theben's vor Amon-Re; er hatte eine menschliche Gestalt, trug ein Szepter und eine Federkrone, wurde jedoch mit blauer Haut. — also als b 1 a u b I ü t i g dargestellt. Die xslavny snémyx waren daher eine Art Kreis- oder Landtage, wo wichtige Provinzangelegenheiten besprochen und entschieden wurden, wo alle Starnmesältesten, Häuptlinge, Bürgermeister sowie etwaige besondere geistliche Würdenträger zu erscheinen hatten, und müssen bei dieser Gelegenheit Proben stattgefunden haben inwieweit das Volk kampfbereit und kampfgeübt ist, da sich der Beratung zumeist auch Kampfspiele, also eine Art von Waffenübungen, anschlossen. — Im Prinzipe ist aber zwischen «kmet, ljeh, vladika« auch eigentlich kein Unterschied, analog wie der Slave heute den Gemeindeältesten als: načelnik, predstojnik, starosta, glavar, knez, muktar, staršina bezeichnet und den Bürgermeister von Wien ebenso k župan« nennt wie den Vorsteher der kleinsten Gemeinde. — Aus dem Vergleiche der vorangeführten Übersetzungen ergibt sich aber folgende Kapitalfrage: wie kommt es, daß Hanka als Fälscher schon i. J. 1829 wie auch 1843 nicht mehr weiß, was er im Originaltexte geschrieben, denn die beiden Translationen aus obigen Jahren weisen schon in diesen sieben Versen allein zwei, d. i. den zweiten und vierten auf, die sprachlich und sachlich komplett, die übrigen 5 Verse aber mehrweniger falsch aufgefaßt sind, da man doch annehmen muß, daß der Fälscher weiß, was er geschrieben hat oder sagen wollte, denn eine Fälschung muß doch einen bestimmten Zweck haben, daher dem Fälscher auch die Wahl des Inhaltes völlig überlassen ist. NunhataberHanka jedesmal den Originaltext sogar inhaltlich nicht immer gleich übersetzt, hat also hiemit selbst gezeigt, daß er das Original selbst nicht versteht. — Gerade durch diese Unstimmigkeiten kommen aber die Fälschungsanhänger in einen Engpaß, aus dem es keine Rettung, außer dem Rückzuge, mehr gibt. Man sagt: Hanka wollte mit der Unterschiebung der beiden Handschriften seinem Volke als glühender Patriot den Mangel eines eigenen Volksepos ersetzen. Dieses setzt naturgemäß voraus, daß er weiß, was er niedergeschrieben; nun weiß er aber gerade jene Stellen, welche die wichtigsten für die Erken nt n iss der ältesten sozialen und kulturellen Verhältnisse seines Volkes sind, selbst nicht zu enträtseln! — Und doch sind diese Stellen sprachlich enträtselbar, wie ich es getan habe; daß sie aber auch sachlich richtig gelöst sind, das beweist uns Tacitus in seiner «Germania«, denn er zeigt uns darin, daß die einstigen Verhältnisse wirklich so waren, denn auch Tacitus erzählt, daß die Sorge für Haus, Herd und Held den Weibern oblag («Domus et penatium et agrorum cura feminis senibusque delegata est«); daß der Mann, wenn er nicht in den Krieg zieht oder die Zeit der Jagd weiht, im Nichtstun verbringt («Quotiens bella non ineunt, non multum venatibus, plus per otium transigunt«); daß es Versammlungen einzelner Häuptlinge für inferiore Angelegenheiten, aber auch solche wichtigerer Natur gab, wo alle Häuptlinge Zusammenkommen mußten u. ä. — Hanka mußten sonach diese sozialen Urzustände zweifellos bekannt sein, daher er sie in der altböhmischen Sprache schilderte, war aber dann nicht imstande, obschon er deutsch vorzüglich beherrschte, diesen selbstgewählten Text auch nur annähernd richtig ins Deutsche zu übertragen; ja, noch mehr: Hanka fälschte sodann wieder sich selbst, denn es ist doch eine pathologische Inkonsequenz, wenn man einem Volke ein Epos bietet, in welchem selbstredend dessen Vergangenheit geschildert ist, ihm aber zugleich den unverstandenen Inhalt selbst vorenthält. Nun existieren aber die von Tacitus geschilderten Verhältnisse tatsächlich auch noch heute ununterbrochen weiter, denn bei den Albanesen, Montenegrinern, Miriditen u. ä. ist noch immer der Mann vor allem Krieger, das Weib hingegen besorgt das Feld und führt die Wirtschaft; die Grüneberger Handschrift beweist daher, daß es in der Zwischenzeit sonach auch in Böhmen noch nicht anders war. — Daß aber die sozialen Zustände einst tatsächlich derart oder ähnlich waren, ersieht man eben aus dem Inhalte der beiden Handschriften selbst, denn alle Teile — bis auf die lyrischen — sprechen nur von Kämpfen, feindlichen Nachbarn, Kampfspielen, vom Weibe, das für die Führung im Kriege zu schwach sei u. ä.. sind also genau so gehalten, wie alle sonstigen nationalen Epen, ein Beweis, daß die einstige Völkerorganisation tatsächlich nur vom kriegerischen Standpunkte zu nehmen ist. Nun ergab aber die chemische und paläographische Untersuchung des Pergamentes wie der Schrift, welche Momente für die Fälschung als die schwierigsten angesehen werden müssen, auffal- lenderweise für die Echtheit keinerlei Bedenken; nichtsdestoweniger verlegte man nun die Fälschungsbeweise auf das schlüpfrigste und weichselzöpfigste Gebiet, d. i. auf das grammatische. Doch auch in dieser Hinsicht sind die vorgebrachten Verdachtsmomente schon deshalb sehr lendenlahm, weil die Gegner eben keinen Blick über den Zaun ihrer engbegrenzten Beobachtungszone werfen. — So sagt man, daß der im Gedichte vorkommende «Vesten« der Name eines englischen Ritters sei; vergleiche man nun die Etymologie von «vesx und man wird einen solchen bodenständigen Ritter auch vielleicht nächst Prag finden. Man beanständet die Form «siry« (= breit), weil man sie im Altböhmischen nur als «ciryx kennt; aber erstere Form kommt sonst in allen alten Volksliedern unzähligemale vor; kann es denn nicht möglich sein, daß das «s« und xć>< im Altsla-vischen einmal nicht phonetisch genau dargestellt werde, oder daß sich in der Handschrift überhaupt sprachnachbarliche Einiliisse geltend machen konnten; wahrscheinlich ist aber «ciryx auch «čir« (= Grenze) ganz richtig, und zugleich die ursprüngliche Form, sonach: die breite, die benachbarte (Welt) bedeutend, welcher Begriff den Kritikern eben fremd ist. — Weiters wird als bedenklich hervorgehoben, daß in der Bezeichnung «krajina Neklanina« eine unrichtige Konstruktion und eine grammatisch falsche Anwendung des Adjektivs vorliege; das ist aber gar nicht unrichtig, sondern nur eine abweichende Form, die der Siidslave noch immer in bestimmten, diesem ähnlichen Fällen gebraucht; so sagt man z. B. «krajina Posavina« (= die Savegegend) statt «krajina posavinska«, wobei in allen Fällen «krajina« unnötigerweise beigefügt wird, und geschieht dies eben nur dann, wenn der Zuhörer mit der anzuführenden geographischen Situation nicht vollkommen vertraut ist, oder aber gelegentlich als licentia poetica. — Man beanständete «b o s chlapec« statt «bosy«; der Slovene sagt aber «b o s hlapec« und «bosi hlapec« (= der barfüßige Knecht), je nachdem er dies allgemein oder speziell ausdrücken will, und doch wird der Unterschied als bedenklich erklärt. Es zeigt dies nur. daß die Scholastik von Heute für so manche noch gangbare Sprachfeinheit unempfindlich geblieben ist. Wenn daher die Anhänger des Prinzips, daß alles, was man selbst nicht versteht oder sofort erklärlich findet, gefälscht sei, mit keinen solideren Gegenbeweisen auftreten können, so müsse n sie auch in dieser Richtung sachfällig werden, denn die bisher vor- gebrachten Argumente kann die Sprachwissenschaft, sobald dieselbe einmal den beschränkten Dorfstandpunkt aufgibt, alle entwerten. — Jede Gegend zeigt kleine Sprachnüanzen, jeder Schriftsteller hat seine Eigenheiten, von Kilometer zu Kilometer ändert mancher Begriff seine Bedeutung, nur die erwähnten beiden Handschriften müssen die Sprache jenes geistigen Krähwinkels führen, dem der Zensor entstammt!*) Auch der Umstand fällt sehr auf, daß Hanka im 26. Lebensjahre die Königinhofer Handschrift gefunden, also zu einer Zeit, als er zur Fälschung, — wenn die Anwendung dieses Ausdruckes ansonst berechtigt wäre —, noch weit unzulängliche sprachwissenschaftliche Kenntnisse hatte, abgesehen davon, daß er sich dazu doch mehrere Jahre eigens vorbereitet haben müßte, denn eine Fälschungsarbeit, die nun durch fast 100 Jahre vielseitigen Strebens und Studiums nicht als solche nachgewiesen werden kann, setzt doch eine mehrjährige vorbereitende Selbstarbeit voraus. — Die Lebenszeit Hanka’s war aber bis zu seinem 26. Jahre nicht darnach gestaltet sich mit brotlosen und so nebelhaften Dingen befassen zu können, denn seine Lebesexistenz erforderte positive, nährende Arbeit. Hanka müßte sonach geradezu sofort mit dem Beginne des Erdenwallens mit den Vorbereitungen für einen literarischen Fälschungsbetrieb en gros eingesetzt haben, um noch in jüngeren Jahren einen Erfolg aufzuweisen, denn auch die künstliche Veralterung der einmal beschriebenen Pergamente, — die aber absolut nicht nachweisbar ist —, erfordert gleichfalls eine geraume Zeit, und da gelangen wir wieder zum Knabenalter Hanka’s, also zu biologisch unantastbaren Unmöglichkeiten, die doch als Beweise weit reeller sind, als all die gramma-t i s c h-p hilologischen Haarspaltereien der Fälschungsenthusiasten. Die genannten Handschriften sind gewiß ebensowenig, wie irgendein sonstiges Volksepos der Welt, als eine schulgrammatische *) Universitätsprofessor Gebauer (Prag) plagte sich durch etwa fünfundzwanzig Jahre ab den nachhaltigen Beweis der Fälschung jener Schriften zu erbringen; aber gerade vor seinem Tode mußte er erfahren, daß alle seine mühevolle und wohl auch überzeugungstreue Gegenarbeit wieder gründlich erschüttert ist. Etwas Echtes läßt sich als Falsifikat auf die Dauer eben nicht nach weisen. Musterarbeit anzusehen; sie haben daher wohl dialektische Formen und scheinbare Sprachinkonsequenzen, was aber umsomehr gegen die Fälschung spricht, denn ein so genialer Fälscher wird doch immer froh sein, wenn er einen vor vielen Jahrhunderten augenscheinlich gangbaren Begriff endlich ergründet zu haben meint, wird daher nicht zugleich auch nach verschiedenen Varianten und Ausnahmen auf Suche gehen. — Die beiden Schriften sind daher, — unbekümmert darum, ob Hanka an der Schrift selbst, etwas graphisch ausgebessert hat, denn für die Hauptsache, d. i. den Inhalt selbst, ist dieses an sich ganz gegenstandslos, — zweifellos eine wichtige Zwischenetappe für das archäologische Studium des ältesten böhmischen Schrifttums; überdies haben sie eine hochzubewertende Bedeutung, weil sie zugleich die sozial-kulturellen Verhältnisse der Altslaven offenlegen, beziehungsweise das, was wir diesbezüglich bereits wissen, bestätigen. Ich erkläre daher hiemit offen und innerlich überzeugt, daß sowohl die Griineberger wie die Königinhofer Handschrift unbedingt echt sind; ja Ich glaube, daß die Grüneberger Handschrift heute vielleicht als das älteste bekannte Literaturdenkmal der Slaven in lateinischer Schrift anzusehen sei/') Es wurde hier diesem Thema schon aus dem Grunde ein breiterer Raum gegeben, um an einer relativ leicht nachweisbaren Tatsache öffentlich klarzulegen, daß ebenso wie in diesem Falle analog *) *) Mögen die Zweifler an der Echtheit nun ihre Bedenken öffentlich äußern; Rede wie Gegenrede werden sodann wohl zu einem abschließenden Urteile führen. — Übrigens sind die subtilen Gründe, welche seinerzeit zum Auftauchen der Fälschungstheorie führten, ziemlich bekannt, aber wenig geeignet dem Sonnenlichte ausgesetzt zu werden. — Tatsache ist aber, daß die Fälschungserklärung wxder im Volke noch bei den fachlich Gebildeten eine tiefere Beachtung erzielt hat, denn die beiden Handschriften befinden sich heute noch immer auf einem Ehrenplätze im Böhmischen Nationalmuseuni und nicht etwa in einer Sammlung der corpora delicti. Es wäre daher Sache der Verwaltung des erwähnten Museums in allererster Linie selbst dahin zu drängen, daß in dieser Frage endlich das Schlußwort falle. — Hanka wurde übrigens auch beschuldigt die 18 Goldmünzen mit der Aufschrift xPegnaze«, die er gleichfalls unrichtig gelesen, gefälscht zu haben; diese Beschuldigung habe ich bereits beweiskräftig widerlegt. Ein 7 eil der geraubten Ehre wurde ihm sonach schon rückgestellt; der Rest wird folgen. auch Begebenheiten von weltgeschichtlicher Bedeutung von der Richtigstellung zurückgehalten werden können, denn es ist immer am bequemsten einem unerklärlichen oder unsympathischen Probleme dadurch zu begegnen, daß man es kurzerhand aufhebt. — Dichtung und Wahrheit in der Wissenschaft stehen indessen oft auch - in direkter Relation. — Daß in jedem Namen ein Stück Wahrheit steckt und daß der Volksinstinkt nur deshalb nicht irrt, weil er den Zusammenhang von Einst und Jetzt niemals verloren oder unterbrochen hat, mögen folgende Beispiele zeigen. — Den Geologen befremdet es leicht, wenn er in einer Gegend einige vulkanische Gesteinfragmente findet und sich diese in einem ganz fremden Milieu nicht erklären kann; weiß er aber, daß sich in der Nähe eine kraterartige Vertiefung befindet, die z. B. der Slovene: «žega, žekno, žegam (Krater, auch Öffnung des Schmelz- oder Kalkofens) nennt, so erhält er damit die Bestätigung, daß hier einmal wohl ein vulkanischer Berg war, und daß diesen der Mensch selbst noch gesehen haben muß: und dies war wohl nicht im 5. oder 6. Jahrhunderte n. Chr., sondern aller Wahrscheinlichkeit nach noch in der Tertiärzeit, so wie es unbedingt abzuweisen ist, daß diese Erkenntnis den geognostischen Erfahrungen des primitiven Gebirgsbewohners entsprossen sei, wenn sie schon einen Fachgeologen vor ein Rätsel stellt. — Sieht man sich aber in einer solchen Gegend nach näheren Argumenten um, so kann man sich auch weiter überzeugen, daß dies durchaus keine Zufälligkeiten, unmotivierte Einfälle oder Traumgebilde sind. So ist gerade bei ><2ega>< (auch ><), einem Orte bei Studenitz (Untersteiermark), — mag auch die Etymologie gründlich falsch sein —, nicht nur der Krater selbst durch den Namen festgelegt, ja es befindet sich da nicht allein die kraterförmige Vertiefung und das vulkanische Gestein sporadisch im Umkreise, sondern der anstoßende Berg selbst heißt obendrauf «Besni-n oder xBesniski bregx (= feuerspeiender, wütender Berg), wobei es auffällt, daß der Name schon in jenem vorgeschrittenen Stadium der Sprachentwicklung angewendet wurde, als «bes, vesx nur mehr als Prinzip des Bösen galt, sonach zwischen der Ursprache und dem Beginne der vulkanischen Tätigkeit jenes Berges bereits ein bedeutendes Zeitinterkalare liegen mußte. — Desgleichen befindet sich in den Karpaten zwischen dem Fluße Czyroka bis zur Wielka Aga eine Gebirgskette, welche die Bevöl- kerung als xWyhorla« (= Herausbrennendes) also Vulkan im allgemeinen bezeichnet. Die Geologie sagt, daß dort vor undenklichen Zeiten Vulkane waren; überdies sind noch heute die Kraterformen sowie die vulkanische Asche daselbst zu sehen, und der Name selbst beweist es als dritter im Bunde. Ich habe meinerseits auch den praktischen Beweis erbracht, daß diese Thesen im allgemeinen richtig sind, denn auf Grund der topographischen Etymologie suchte ich lokale Analogien und fand auf dieser Basis tatsächlich alte Bergwerke, Erzstätten, Nutzsteinlager, Mineralquellen u. a. in jenen Gegenden, die mir früher ganz unbekannt waren. — Es kann daher folgendes als Axiom gelten: I s t die Etymologie eines Namens richtig, so erbringt die Natur hiezu den Gegenbeweis selbs t.*) Die Weiterforschung auf dieser Basis dürfte noch ganz ungeahnte Resultate für die Ur- und Kulturgeschichte des Menschen sowie auch namhafte Vorteile in volkswirtschaftlicher Richtung bringen. Allerdings kann ein einzelner nur in einem begrenzten Gebiete die gründliche und gewissenhafte Durchforschung bewältigen; es wäre aber von allgemeinem Interesse, wenn sich Vertreter dieser Richtung für alle Territorien fänden. Eine ähnliche Beweiskraft, wie die Namen von erloschenen Vulkanen, haben auch die zahlreichen Drachensagen. — Nichts berechtigt dazu anzunehmen, der Urmensch könnte nur in Asien entstanden sein und habe dann die Wanderung angetreten, da wir dann schon einmal nicht Avüßten, wieso auf die später entdeckten Weltteile Amerika und Ozeanien Menschen gekommen wä- *) Es fällt z. B. im serbischen Volksliede auf, wenn der Geliebte prahlt: >dim>< (Grenze), xolim, olimjex (Grenzgebiet) bezeugt. Die Grenze zwischen Thessalien und Makedonien, d. h. die Pässe, mußten militärisch bewacht werden. Der Kommandant eines Teiles dieser Linie war der Kronos (gran, gron = Grenze), eines anderen Teiles Uranos (Vranos, brana, vrana = Verteidigungsstelle), eines dritten Zeus (Jene, deus, dev, div, divinus, dien u. s. w.), der Beobachter feindlicher Vorgänge.*) So ist es auch erklärlich, daß Kronos den Uranos entthronte und dieser wieder vom eigenen Sohne Zeus um die Herrschaft gebracht wurde; es sind dies wohl nur Kämpfe um die höchste Kommandostelle und Gewalt in jenem Grenzgebiete, welches zum Schlüsse auch zum Göttersitze einer solchen Heroenfamilie wurde, was die Epiker und die Volksdichter dann noch poetisch ausprägten und erweiterten. Diese Deutungen werden wohl als ungeheuerlich angesehen werden, denn schon die Verquickung mit dem Slavischen allein gilt als ein Kriterium des Unmöglichen. Doch wird sich dagegen nicht mehr viel ausrichten lassen, denn es tritt immer klarer und entschiedener der Grundzug hervor, wonach alle Göt.terwel- *) Der Olymp heißt jetzt «Lachax, was wieder zeigt, daß ein dortiger Punkt einst auch «Loka« geheißen haben muß. ten in jener Zeit zu keimen begonnen haben, als n ochdie Ursprachemaß gebend w a r, undKampf und Krieg noch das eigentliche Lebenselement unserer Vorfahren ausmachten. Man muß daher bei dieser Beweisführung wieder die sozial-militärischen Urzustände in eine logisch-harmonische und genetische Wechselwirkung mit der Sprachwissenschaft bringen, denn niemand gebraucht für ein b e k a n n t e s Objekt ein unbekanntes oder unverstandenes Wort. Betrachtet man in diesem logischen Sinne auch kurz die Kos-mogonie der Edda, so wird man sofort zugeben müssen, daß dieser Galimathias nicht der Gedankensphäre eines natürlich denkenden Menschen entstammen kann, sondern nur die künstliche Verballhornung einer Vorgefundenen Naturreligion ist, in welcher man die noch zum Teil erkannten Begriffsbedeutungen sprachlich falsch interpretierte, und auf dieser fehlerhaften Etymologie einen planlosen Bau ausführte. — Es diene zum Beweise hiezu nur folgender Auszug aus der germanischen Weltschöpfungsmythe: Das Weltall ist ein mächtiger Baum, die Weltesche >< ist eben in allen slavischen Sprachen der Begriff für die Esc h e, und die große fürchterliche (Yggdrasil) Esche wurde in seiner falschen Translation zur W e 11 e s c h e, statt zur obersten Schutz — (= straža) Person. Jener Kompilator muß sonach noch ganz annehmbare Kenntnisse des Slavischen besessen haben, da er außer dem Begriffe >:Asen>< arch noch «jasen>< kannte, welcher Begriff in den verschiedenen Dialekten noch heute ohne Präjotation gebraucht wird.*) Alle mythischen Erzählungen entpuppen sich schließlich als solcherart entstanden; allerdings erleidet dabei, wenn man sie der poetischen Zutaten entkleidet, die holde Sagenwelt, die gefestigte Überlieferung und das in der Jugend Angelernte eine derbe, empfindliche Störung. Namentlich weicht man der wissenschaftlichen Aufrollung religiöser Forschungsfragen gerne aus, da solche dann meist nicht kritisch sondern gefühlsgemäß aufgefaßt werden, daher es eben kommt, daß sich Glaube und Wissenschaft heute noch immer schroff entgegenstehen und sich gegenseitig ihre Fundamente untergraben, statt die Khift gemeinschaftlich zu überbrücken. Jeder Schritt aber, der das Wissen und Glauben der Wahrheit näher bringt, vermindert den Abstand zwischen beiden und führt uns zu dem, was wir bis nun noch nicht kennen : zur reinen, natürlichen Offenbarung! — Allerdings muß aber auch der Theologe den Tatsachenbeweis der Wissenschaft rückhaltslos anerkennen und *) Um überzeugender zu wirken, sei noch folgendes aus der Edda angeführt: der von «hodrx (chod, chodar) getötete Balder wird von dessen Bruder xbous« (Saxo xboth«, altdänisch xvali«, «alix — isländisch) gerächt. Diese Exekutoren der Blutrache sind uns etymologisch durchwegs schon bekannte Namen (bos, vod, vali), welche uns überdies den äußerst wichtigen Fingerzeig geben, daß die Darstellung von Stierköpfen (als Symbol der menschlichen Stärke) in der reich Vorgefundenen alten Skulptur (z. B. Mithras, hl. Lukas u. a.) schon in der Zeit nach der falschen Etymologie von bus, bos, tur, tor, etz. hervorgegangen sein müssen, denn zur Zeit des ungetrübten Verständnisses wird niemand seinen Herrscher oder Befehlshaber mit dem beleidigenden Ochsenkopfsymbol haben ungestraft xehrenx wollen. — Der isländische Ase xVidarx bedeutet im Nordischen soviel als Beobachter, aber erst die s 1 a v i s c h e Etymologie sagt, daß diese Deutung richtig ist. darf dabei nie den roten Faden verlieren, daß die Hauptaufgabe der Religion doch dieErziehungderMenschheitzurMoral ist und dies bleiben wird; bedient sich dieselbe hiezu solcher Mittel, welche mit dem Glauben allein auch die Beweisführung, erschöpfen, so kann dies jedermann willkommen oder doch gleichgültig sein, nachdem der subjektive Glaube ja weiter niemandem einen Schaden zufügen kann; nimmt aber die Religion zur Stütze ihrer Lehren jene Momente hinzu, deren Glaubwürdigkeit durch die Hilfsmittel der Spekulation, als: Bewußtsein, Erkenntnis und Überzeugung erschüttert werden kann, so entsteht der unvermeidliche Zusammenstoß der Meinungen, wobei alternierend einmal die Wissenschaft, ein andermal die Religion den Rückzug antreten muss. — So lange sich also die Religion auf die anerkannten moralischen Grundgesetze der menschlichen Lebensbetätigung und deren Geltendmachung basiert, — denn sie war ja tatsächlich überall der erste Träger der Wissenschaft —, sind Differenzen ausgeschlossen; sobald sie aber kosmische Vorgänge lediglich der Diktatur des Glaubens unterwirft, bilden sich dort scharfe Gegensätze, wo die individuelle oder fremde überzeugende Logik zu anderen Schlüssen gelangte. —■ Prinzipielle Kollektivideen sind daher auf diesem Gebiete ausgeschlossen, denn sowohl von enem, dem die Religion eine wertvolle Sache ist, wie von jenem, der ihr feindlich gegenübersteht, ist, — sofern sie nicht umhin können sich gegenseitig zu beunruhigen —, eine vorurteilslose Überprüfung nicht zu erwarten; wer aber indifferent ist, der weicht dem Thema überhaupt aus praktischen Gründen aus. Es machen daher die äußerste Rechte wie die äußerste Linke hier gemeinsame Sache: sie diskreditieren beide den wahren Wert der Religion. Die dargelegte Entstehung der Gottesbegriffe zeigt uns jedoch klar, daß jede Religion in ihrem Beginne nur ein Produkt natürlicher Vorgänge ist; sie zeigt uns aber andererseits auch, wie jede Religion allmäh lig ihre Objekte der Verehrung dem i r d i s c h-p rofanen Milieu entzog, mit der Zeit ganz auf das mystische, substanzlose Gebiet abschwenkte und solcherart behufs Ausschaltung der Möglichkeit einer Nachkontrolle alle Grenzen für Zeit und Raum entfernte. Es gibi beim primitiven Volke eben keine Vorstellung, die nicht einen ursächlichen, naturgemäßen, auf logischer Gedankenarbeit fußenden Anfang hätte, und wird es einem Helldenkenden niemals einfallen, auf die Dauer Sagen, Mythen und Legenden lediglich als Produkte spielender Phantasie anzusehen, wenn sich auch der wahre Kern infolge vieler bunter Umhüllungen gut verborgen erhält; aber die höchste Humanität, das profundeste Wissen, dieidealsteP eligionruhtd och in der Erkenntnis und Verbreitung der reinsten Wahrheit! i ■■ à: Schlusswort. Es ist unvermeidlich, daß in einer so umfangreichen synt h e-tischen Arbeit, zu welcher wohl viele, aber meist verwitterte Bausteine zugetragen werden mußten, nicht nur da und dort Irrtii-mer und falsche Fundierungen unterlaufen, sondern auch ebenso unvorhergesehene Mißdeutungen Eingang finden können; der große Bereich des in Erwägung gezogenen Stoffes erheischt daher noch eine intensive Detailarbeit, denn die endgültige und überzeugende Klärung so manches toponomischen Begriffes und so mancher landläufiger Erklärung weit entrückter Vorgänge wird sich dem Einzelnen erst anschaulich ergeben, wenn allseits und überall Vergleiche angestellt und Überprüfungen auf Basis dieser Grundgesetze vorgenommen werden. — Wir befinden uns aber hier erst im Beginne des Hebens einer total verfahrenen und vernachlässigten Wissenschaft, welche bisher nur als falsche Münze im Parteigetriebe kursierte oder lediglich als politische Vogelscheuche in Dienst gestellt war.*) *) Mau vergleiche einmal die Broschüre des Münchner Universitätsprofessors Dr. Sepp: «Ansiedlung kriegsgefangener Slaven oder Sklaven in Altbayern und hre letzten Spuren: (München 1897), welche Slaven nur als Sklaven und Kriegsgefangene kennt, die man «gnadenhalber in den wertlosen Surnpfgebieten ansiedelte, zu den wilden Tieren in eine Bergwildnis verpflanzte und sie dort ihrem Schicksale überließ.» — Was nützt die äußerste Konzentration der Bücherweisheit, wenn bei der Verwertung derselben die Objektivität, die Logik wie auch das Gedächtnis vollends versagen, denn an anderer Stelle sagt wieder Dr. Sepp, daß von den Slaven Hunderte von Ortsnamen in Bayern herrühren und daß der deutsche Adel deshalb so viel slavische Namen führt, weil er sieh den Namen nach Alles bisher Gesagte ist daher nur eine wissenschaftliche Kleinarbeit, der eigentlich die Forschung nach der Urgeschichte der Slaven nur zur Folie dient, die aber doch den Leser leicht zu dem voreiligen Urteile bewegt, als ob es sich hier nur um eine Liebhaberei oder Glorifizierung des Slavischen im allgemeinen gehandelt hätte, und wurde mir in dieser Flinsicht viel schweres Unrecht getan. Ich muß daher dem Leser, welcher den Grund und Schluß so mancher dieser Detailbehauptungen nicht sofort zu erkennen vermag, dadurch entgegenkommen, daß ich nun alle diese kleinen Lichter in einem großen Reflektor vereinige und zeige, mit welchem mächtigen Lichteffekte sie nun alle zusammen das bisherige Dunkel unserer historischen Lebensgeheimnisse überstrahlen. * # den eroberten slavischen Burgen und Besitzen beigelegt hat. Merkwürdige Leute — diese Slave n-S klaven! — Wohin sie kommen, überall gaben sie neue Namen aus ihrem Schilf und Moor, und das Herrenvolk beugt sich dieser Anmaßung geradezu sklavisch; der Adel nimmt ihnen ihre Burgen und Latifundien weg und legt sich den bezüglichen Besitznamen bei; aber diese Besitzung konnten doch nur wertlose Filze und Sümpfe gewesen sein! — Ja man überläßt die «Sklaven« ihrem Schicksale unter den wilden Tieren, aber im Orte «Taut'kirchen« soll man sie summarisch zum Christentum präpariert haben; wozu also diese übertriebene Sorge für deren Seelenheit! — Mit dem kleinen Maßstab der Gehässigkeit und Parteilichkeit läßt sich die große Welt doch nicht messen, und man kommt da bald mit der Wissenschaft bald mit der Wahrheit in Konflikt, und bald mit beiden zugleich! — Doch hiemit ist die Sache noch nicht abgetan. Dr. Sepp kannte vermutlich jene Stelle des Pseudo-Maurikios, augenscheinlich eine Art arabischen Münchhausens, welcher berichtet, daß bei den entsetz-'ichen Jagden auf die Slaven diese schließlich auf die Idee kamen «sich bei urplötzlichen Überfällen ins Wasser zu stürzen und viele Stunden lang, aus Schilfrohren atmend, die Räuber zu täuschen«. Während nun Dr. Sepp vorsichtig genug ist diese Quelle nicht anzuftihren, glaubt Professor J. Peisker (Graz) allen Ernstes daran, denn in dem Vorberichte zum Werke: «Neue Grundlagen der slavischen Altertumskunde« (1910) fügt er hinzu: «So wurde er (der Slave) zu einem elenden Amphibium. Diese Slavenjagden, bei denen es ungleich mehr Tote als Gefangene gab, sind Es läßt sich die Tatsache nicht ableugnen, daß die Sprachforschung bisher sehr einseitig arbeitete, weil die Forscher meist die erforderlichen Sprachkenntnisse nicht besaßen, und namentlich die slavischen Sprachen fast gar nicht in den K al-kiil zogen; was aber diese Adepten als Dogma hinstellten, das führte die späteren Forscher zum Irrtume, denn diese setzten wieder ihre Studien dort ein, wo sie bereits ein geläutertes Gebiet vorzufinden glaubten. Und darin steckt der Hauptteil unserer geschichtlichen Irrtümer, daß wir ein Volk immer erst die Weltbühne betreten lassen, sobald dessen geschriebene Geschichte beginnt, — ein Fehler vergleichbar mit dem, wie wir auch alle einst im naiven Kindersinne glaubten, daß die Sonne unmittelbar hinter dem nächsten Gebirge unseres Horizontes aus dem Ozean steige. In der Entwicklung eines Volkes, welches plötzlich agierend auftritt, muß aber eine, nicht einmal annähernd in Zahlen bestimmbare vorbereitende Zeit vorangegangen sein, und daran denkt man oftmals nicht. — Und gerade für das hohe, ehrwürdige Alter der Slaven in Europa uralt etc.» — Man sieht, daß selbst die größte Unnatiirlichkeit Professoren nicht vor Gehässigkeit zurückhält, wenn dies nur bei Herabsetzung der Kultur der Slaven seinen Zweck erfüllt! — Kann sich Prof. Peisker die Situation vorstellen, daß ein Mann viele Stunden lang unter Wasser liegt und nur aus Schilfrohren atmet? Der Amphibien-Slave wird urplötzlich überfallen, wirft sich platt auf den Rücken in den Sumpf, schneidet oder bricht sich ein Schilfrohr ab, bohrt sich das Diaphragma an den Knotenpunkten sauber aus, — natürlich alles unter Wasser! — sucht sich beim Überfalle nur jene Sumpfstelle aus, die eine bestimmte Tiefe hat, sinkt im Sumpfe nicht weiter ein, als das Schilfrohr lang ist und atmet so — stundenlang! Bei alledem sind aber die Räuber so einfältig, daß sie nicht wissen, wo er liegt, zumal das Schilfrohr heraussteckt, oder sind plötzlich so human ihn weiter nicht in seinem Elemente zu belästigen. — Das ungekiindigte Werk soll auch folgende, tatsächlich vollkommen neue Grundlage für die Ermittlung der Slavenwiege bringen: »Die Slaven haben keinen Ausdruck für Buche aber einen für den Hornbaum; daher lag ihre Wiege außerhalb der Buchenregion, Linie Königsberg-Odessa, und innerhalb der Hornbaumgrenze, welche im weiten Bogen die Pripjat-Siimpfe — Poljesje — umspannt». Diese Idee ist jedenfalls noch nicht da gewesen, sowie man auch hier das erstemal hört: »Der Sumpf bildet keinen Kriegsschauplatz, daher die slavische Kriegsuntüchtigkeit und keine Schlachtordnung!» — Auch das ist neu, daß die Slaven als Soldaten nichts taugen! — Nach alledem müßte der letzte Slave doch schon längst nur mehr in einem Panoptikum zu sehen sein! selbst sprechen verschiedene lebende wie tote Zeugen, und ist der wichtigste lebende Zeuge vor allem die Sprache, denn die Summe so vieler etimo- und topographischer Namen in Europa allein mit ihrem slavischen, d. h. dem Slaven sachlich verständlichen Wurzelworte spricht wohl beredt dafür, daß die slavische Sprache als eine Art Grundsprache angenommen werden muß. Aber diese Grundsprache kann ebensogut mit einem anderen Namen belegt werden, wie man ja bis heute dafür auch «indogermanisch« im weiteren Sinne aber ebensowenig prägnant anwendete, sofern die Benennung «ursprachlich« dermalen noch nicht für opportuni gehalten wird, denn man kann sich bei der wissenschaftlichen Terminologie nur an jene Begriffe halten, die den Gegenstand mit Rücksicht auf die heutigen Verhältnisse in gehaltvollster Weise umgrenzen.*) Tatsächlich müssen Renner der slavischen Sprache zugeben, daß einzelne Sprachzweige dem Altslavischen, das man aber wissenschaftlich noch als A 11 s 1 o v e n i s c h, wie auch A 11 bulgarisch näher kennzeichnet, umso ähnlicher erscheinen, je ältere Sprachproben zu dessen Vergleiche verwendet werden. Andererseits ist es aber selbstverständlich, daß alle im Buche angeführten Namensbildungen nicht als slavische im heutigen politischen Sinne aufzufassen sind, aber die Mehrzahl derselben *) Die vergleichende Sprachforschung führt auch zu der Hypothese, als wenn die slovenische Sprache, welche von den Sprachgelehrten ohnehin als die Grundsprache der großen slavischen Völkerfamilie angesehen wird, mit diesem alten Wortschätze die meiste Identität oder doch Verwandschaft hätte. Diese hat sich in ihrer vermutlichen Ursprünglichkeit erstaunlich unbeeinflußt erhalten. Die etymologische Schreibweise ist durchaus beibehalten und diese ist zugleich phonetisch. Die G r a m-matik bietet nahezu keine Ausspracheregeln; es gibt keine Akcente, keine Diphtonge und keine Doppellaute. Viele Begriffe konkreter Richtung enthalten noch heute keine Vollvokale, w. z. B. črn, drn, krt, krst, prt, prst, rt, rž, u. a. und bieten diese mit ihrem beihabenden stummen e, das ja allen Konsonanten (ausgenommen h und k) naturgemäß anhaftet, noch lange keine so zungenschwierige Aussprache, wie etwa die deutschen Begriffe: nichts, Pflicht, pfropfst, stampfst u. ä., sowie in : ank erst, stolp erst ja die gleichlautenden Silben auch Vorkommen, daher die landläufigen Ansichten, daß die slavischen Sprachen hart seien, schon bei diesen wenigen Vergleichen wesentlich entwertet erscheinen, und behauptet dies wohl nur derjenige, welcher keine solche Sprache gründlich kennt. gehört eben zum U rvorschatze des prähistorischen Bewohners unseres Weltteiles, und eben der Umstand, daß sich diese Sprach elemente gerade bei den Slaven in Form und Bedeutung nahezu unverändert erhalten haben, eröffnet uns ein neues Feld für die Lösung dieses Rätsels, daß es nämlich zwischen den verschiedensten Sprachen unleugbar latente Beziehungen gibt, die sich ohne Unterbrechung um den ganzen Erdball zu spannen scheinen. Darin ist wohl auch die erstaunliche Aufnahmsfähigkeit des Slaven für andere Sprachen natürlich begründet, denn er besitzt nicht nur einen vielfältigen, sondern vor allem einen von der Urform noch wenig abweichenden Grundwortbestand, welcher Vorzug ihn eben befähigt, das Wesen einer jeden anderen Sprache rascher und gründlicher zu erfassen, daher die Slaven auch dem Gebiete der Sprachforschung trotz mancher Ungunst der Verhältnisse so Hervorragendes geleistet haben. Die slavischen Sprachen weisen nämlich einen erstaunlichen Reichtum an Formen und Begriffen in einer Skala auf, für die uns heute bereits die Erkenntnis der subtilen Bedeutungsunterschiede mangelt. Namentlich sind die konkreten Begriffe, wie dies schon aus den Benennungen der Grenzzonen, der Wach- und Verteidigungspunkte hervorleuchtet, ungemein zahlreich, indes die abstrakten Wortformen nicht so vielseitig sind, wenn sie auch dem normalen Bedarfe vollauf genügen.*) * Es fällt auch auf, daß z. B. die Slovenen noch alte Begriffe für Kleidungsstücke kennen, die schon längst mit dem Schwinden der Trachten alle praktische Anwendung verloren haben, aber man findet dieselben in anderen Sprachen u. z. modernisiert, wieder; so «župane«, ein ärmelloses Kleid, als Joppe im Deutschen, als «jupon« im Französischen, als Schlafrock (župan) im Böhmischen und Russischen; «mohaj« war ein schwarzes weibliches Oberkleid mit breitem grünen Saume (ähnlich der Schlesierinnen-Tracht), als «mohair« im Englischen; «rob, robaca«, ein Kleidungsstück mit einem Saume (statt auslaufender Fransen), als «robe« im Französischen; «bregese«, eine Kniehose aus starkem Hausleinen, als «breeches« (Reithose) im Englischen: «burnus«, ein Schutzkleid gegen Wind und strenge Kälte (bura), ist auch den Arabern und Marokkanern bekannt; «godeže« erwähnt Lichtenstein (in «Frauendank«) als «ein windisch wibes kleit«; heute unbekannt, aber anscheinend ein Miederkleid und im Französischen als «cottes«, oben enge, unten weite Kleider des Mittelalters, erhalten. — Es kann aber eine Sprache, die einfach und natürlich geblieben ist, auch nur unter der Voraussetzung einfach und natürlich geblieben sein, wenn sie von fremdwärts unbeeinflußt war und ihr die Gelegenheit mangelte ihre Originalität einzubüßen; jede andere Erklärung ist prinzipiell anfechtbar, nachdem eine Sprache im erweiterten Gebrauche — vielleicht Gewaltmittel ausgenommen — niemals kompendiöser sondern nur stetig breiter wird. So kommt es auch, daß die konkreten Begriffe, je weiter man zur Urzeit, die sich begreiflicherweise noch wenig mit Abstraktheiten befaßte, zurückgeht, in allen Sprachen nahezu gleichlautend sind, und fließen alle jene Begriffe, die dem Urmenschen augenscheinlich bekannt gewesen sein mußten, je weiter man in die Urver-hältnisse dringt, umso konzentrischer zusammen. Wir wissen allerdings nichts Exaktes darüber, welche Wandlungen die Begriffe von der Grenze der historischen Zeit bis zu den Uranfängen der Sprachmechanik durchgemacht haben, ob und inwieweit sie verblaßt, verschwommen oder entstellt sind, verfügen aber immerhin über genug Anhaltspunkte für das Erkennen der Urform, denn sind wir nur einmal bei einem einsilbigen Worte angelangt, so berechtigt dies zur Annahme, daß diesem nicht mehr viel Schlacken anhängen können, denn schließlich erschöpfen sich die Lautpermutationen einfacher Silben immer noch eher als die Reihe jener Objekte, die der Urmensch zu benennen hatte. Die eingehende Untersuchung ergibt aber eben, daß jene Gegenstände, welche seit der ältesten Zeit vorhanden waren, fast durchwegs einsilbige Bezeichnungen aufweisen — soweit wir deren Urform kennen —. indes die der späteren Epoche entstammenden nahezu imer zwei- oder mehrsilbig sind. — Es ist doch undenkbar, daß die Menschen im Urzustände, sobald sie der Sprache mächtig waren, für jene Objekte oder konkreten Handlungen, mit denen sie in unvermeidlicher Berührung standen oder die ihnen auf-fallen mußten, keine Ausdrücke gehabt hätten, wie: Sonne, Mond, Erde, Wasser, Stein, Baum, Zaum, Wein, Beere, Salz, Drache. Ochs, Tag, Nacht, Licht, Wunde, Grab, arbeiten, flechten, melken u. a. ; aber gerade diese sind noch heute als Wurzelwörter fast durchwegs einsilbig, wie die vielen Hoheitsbegriffe, als: as, ot, car, chod, grau, knez, ljeh u. s. w. und gerade diese haben zumeist in allen indoeuro-päischen Sprachen dieselbe Grundform und die- selbe Bedeutung im allgemeinen behalten, ein sprechender Beweis, daß sie alle von einer Zentrale, einer Sprachquelle und einem Sprachschätze ausgegangen sind, daher man die Syn-glosse, d. h. den gemeinsamen Ursprung der einzelnen Sprachgruppen durchaus nicht als ein Phantasiegebilde hinstellen darf. Es erscheint uns dies wohl anfangs rätselhaft, aber wie alle Dinge so lenkt auch dieses unentwegt auf eine monistische Lösung hinaus, denn die Vereinigung der Empirie und Spekulation, d i. der sinnlichen Erfahrung und des logischen Denkens neigt auch bei dieser Frage zur Naturphilosophie der Einheit des Ursprungs.“) Die erstaunlichen Fortschritte in der Naturkenntnis des ver-wichenen Jahrhunderts haben die Entwicklungsgänge aller Lebewesen, die Stammes- und Schöpfungsgeschichte, ja selbst die Religion auf eine monistische Basis geleitet, und liegt nicht das geringste Bedenken vor, weshalb die Sprache nicht auch den gleichen Naturgesetzen folgen sollte, denn auch für die Entstehung dieser gibt es nur einen einheitlichen und natürlichen Anfang, und ist das Intermezzo der Sprachenverwirrung beim Turmbaue von Babel hiefür gewiß sehr lehrreich, denn es zeigt uns nur, daß das ursprüngliche Sichverstehen langsam verloren g in g, je entfernter die Heimat der daselbst' beschäftigten Arbeiter lag. Man beginnt in neuester Zeit dieser Erkenntnis auch schon mehrseitig näherzutreten. So sagt z. B. Dr. Täuber (Zürich) in einem *) *) Man vergleiche einmal nur vorübergehend die Sprache der asyrisch-babylonischen Mythen und Epen aus den keilinschriftlichen Tonarchiven sumerischer Provenienz; auch diese diskreditieren durchaus nicht obige Behauptung. So ist dort «Bel« schon ein Q o 11, in der Urverfassung noch Chef eines Verteidigungspunktes; xbilix Kleider, Zeug; im Slavischen: Leinenkleider, Wäsche (bilidlo, bèlidlo = Wäschebleiche im Cechischen); xsibiax = Hirtenstab; im Slavischen: Hirtenrute, Kinderrute; xsuba, subatx = Kleid; im Slavischen: zubun, subun = Frauenkleid, šuba = Pelz, Winterkleid; xitkux = weben (tkati = weben); xutulatix = Kuhhirt; im Cechischen litulna = Schutzhütte, (vermutlich; Hirtenhütte); xultima Thulex, daher: letzte Schutzhütte u. s. w. — Eine weitere Vergleichung jener Texte unter Beobachtung der Synglosse dürfte aber noch beweiskräftigere Klärungen bringen. Aufsatze: «Die Ursprache und ihre Entwicklung« (.Globus, 1910) ganz analog: «Die Frage nach den Anfängen der menschlichen Sprache ist eines jener Probleme, die wie die Schöpfungsgeschichte, die Abstammungslehre, die Flugversuche seit langem die Sinne der denkenden Menschheit gefangen hielten. Erst nahm man angesichts des unentwirrbar scheinenden Rätsels göttlichen Ursprung an, später stellten die Philosophen verschiedene Theorien auf, wobei die zum Vergleich herangezogenen sprachlichen Äußerungen von Tieren und Rindern, Gefühlslaute und Schallnachahmungen eine große Rolle spielten. Es scheint mir indessen noch einen anderen Weg zu geben, der rascher und praktischer zum Ziele führt: abstrahieren wir aus einem genügend durchforschten Sprachstamme nur das Wesentlichste, d. h. streifen wir, wie aus den etymologischen Wörterbüchern zu ersehen, in erster Linie die zur Differenzierung der Begriffe dienenden Formen und Laute ab und behalten die bloße Wurzel, den Kern, und versuchen wir dann noch einen Schritt weiter zu gehen, indem wird die auf diese Weise verbleibenden Wurzelwörter neuerdings auf gemeinsame Sprachelemente und Begriffe untersuchen.« Dann: «Wenn alle Sprachen und Sprachfamilien aui einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen, so können wir mit irgendeiner von ihnen die Untersuchung anfangen, und wir müssen überall zum gleichem Endresultate kommen«. — Dr. Täuber fügt nun etliche Tabellen an und geht dabei z. B. folgend vor: er fand den Wortkern «bar« (identisch mit xvarx) für Unterschlupf, Höhle, sagt aber nicht, daß das Slavische diese Wurzel in verwandter Bedeutung — als Schutzpunkt — kennt, hingegen legitimiert er eine Menge davon abgeleiteter Begriffe, wobei es besonders auffällt, daß er alle möglichen Sprachen in Betracht zieht, aber die slavische, welche die einfachste Form in der Urbedeutung kennt, mit keiner Silbe erwähnt, obschon seine Deduktionen dadurch, sowie durch die Anführung der nachgeborenen, organisch verwandten Begriffe, wie: Barre (Schranke), Barrierre, Barrikade, Barreau, Barrage (= Wegmaut), Warte psw., noch weit überzeugender wirken müßten. — Unsere landläufige Erziehung zur Nichtbeachtung des Slavischen hat eben zur Folge, daß die sprachwissenschaftliche Forschung nie über den toten Punkt hinauskommt; macht man aber einmal darauf aufmerksam, so wird man sofort zum Phantasten, Nörgler oder Hetzer gestempelt. Was jedoch den allgemeinen Grundsatz betrifft, so ist dieser leicht faßlich, denn der Mensch benennt die Gegenstände immer nach dem Eindnicke, den sie auf ihn machen, und diese Empfindung und Wahrnehmung ist allerorts nahezu die gleiche. Aber diese Ursprache hat bei der Weiterverbreitung Änderungen erfahren, welche mit der Entfernung wuchsen; und dieses kann uns nicht befremden, da wir ja noch heute wahrnehmen, daß sich schon in zwei benachbarten Dörfern geringe Wortunterschiede finden; welche Differenzen ergeben sich aber bereits zwischen gleichsprachigen Bewohnern, die ein größerer Gebirgszug trennt! Welche Wandlungen sind in den Sprachen im Laufe der historischen Zeit vorsichgegangen, welche die Wissenschaft noch festgestellt hat, und was geschah erst in den Zeiträumen, die sich der Nachprüfung entziehen !*) Und trotz allem ergeben die etymologischen wie auch phoni-schen Vergleiche der verschiedenen Sprachen miteinander frappierende Verwandtschaften und Gleichklänge; wer sich da einer besonderen Mühe unterzieht, wird unerwartete Harmonie finden und *) Walter v. d. Vogelweide hat vor sieben Jahrhunderten auch in deutscher Sprache geschrieben, aber dieses Geschriebene versteht heute niemand mehr ohne besondere Vorbereitung; oder versteht etwa der heutigé Italiener als direkter Nachkomme des Römers noch den Cicero? — Die modernen Bestrebungen, ein einheitliches sprachliches Verständigungsmittel — eine Kunstsprache (wie z. B. Volapük, Esperanto) — zu schaffen, können nur auf vorübergehenden Erfolg rechnen, denn alle lebendige Rede verändert sich beständig im Gebrauche, und ist es eine Täuschung an die Erhaltung einer dauernden Originalität zu glauben. — Wozu konstruiert man aber neue Sprachen, wp wir ja nur wieder der Urform unserer Idiome näherzurücken brauchen, und da besitzen wir bereits eine allen sympathische, organisch verwandte Gemeinsprache! — Man findet die eigene Sprache zu schwerfällig und will dafür eine einfachere neue! Ja, wer zwingt denn den Polen ein «o« zu schreiben, das als «u« ausgesprochen wird, und den Russen ein geschriebenes «e« als «jo« auszusprechen; schreib er gleich den Laut, welchen die Aussprache erheischt! — Werfen wir den unnatürlichen Sprachenflitter ab, zu dem es ja schließlich doch kommen muß, und der Drang nach der Vereinfachung wird sich von selbst einstellen! — Die gewaltsame Verbreitung einer Kunstsprache bedeutet aber zugleich die Verkümmerung und Mißhandlung des natürlichen Sprachgefühls, die Ertötung des Geistes der Sprache selbst und einen bedauerlichen Kulturrückschritt im allgemeinen. — schließlich den Eindruck gewinnen, daß wir eigentlich gar kein Recht haben so viel von Latinismen, Slavismen, Germanismen, Gallizismen u. ä. zu sprechen, denn dieses sind nicht entlehnte, sondern lediglich in der fremden Form gangbar gewordene Begriffe, wr e i 1 die gleichen eigenen bereits eine andere verwandte Bewertung erhielten. Hier einige Beispiele. — Strabo erwähnt die «Buroi« in der heutigen Slovakei; daraus ist der deutsche Begriff «Bauer« geworden, der dem Slaven als ur deutsch es Wort gilt; der Lausitzer Wende gebraucht aber noch immer die Originalform «bur» für Bauer. Die envähnten «Buroi« (Peutinger Tafel, 3. Jahrh.) sind aber die Bewohnèr einer gut befestigten Gegend, welchen ein «bor« (bour) Vorstand, und ist dasselbe auch im «Burzenland« (Siebenbürgen) der Fall, wo der Älteste «borec« (bouree) gelautet haben mag. Desgleichen gebraucht man auch an der ostafrikanischen Küste, in Hinterindien, in Australien, bei den Samojeden «bur, borgi« für den Berg, d. i. den für dieVerteidigung geeigneten oder hiezu vorbereiteten. — Der Irländer nennt den Alpdruck «phuka«; dem Slaven ist aber dies der: vuk, vlk, vukodlak(= Vampyr). — «Meč« ist dem Slovenen, Magyaren, Türken, Perser u. a. das Schwert, dem Deutschen nur mehr das «Messe r«, der Bre-neserin (bei Ragusa) die dolchartige Haarnadel. — Wegen meiner Deutung von «Suez« vrerden sicherlich gegen mich Pfeile abgeschossen, ehe die Skeptiker die Lektüre des Buches beendet haben werden; ich kann aber vielleicht beruhigend wirken, wenn ich anführe, daß das anklingende französische «suite« auch Verbindung bedeutet; ebenso ist das deutsche «schweißen« nur das Verbinden zweier Eisenstücke.*) — Jeder reinsprechende Slo- *) Zur weiteren Beruhigung möge noch folgendes beitragen. Vor etlichen Jahren wurden in Egyten zwei Grabkammern geöffnet, die mit Einrichtungsstücken, Bettzeug und sonstigem Hausrat eines altägyptischen Ingenieurs vollgefüllt waren. Die Papyrusrollen, welche die Beschreibung hiezu bieten, nennen das dort hinterlegte flache Brot «pogače«, oder «fokaccie«, wie dies jetzt in Turin, wo die Funde im Museum aufgestellt sind, in italienischer Anpassung gekennzeichnet ist. — Welcher Slave kennt nicht dieses Gebäck niederer Form, das aber als Mehlspeise slavischen Ursprungs unter «Pogatscherln« oder «Poganzen« auch dem Deutschen bekannt ist! — Ob nun dieser Begriff in Egypten vor etwa 4000—6000 Jahren ein heimischer oder ein importierter war, ist gegenstandslos: Tatsache ist, daß er nur bei den Slaven allgemein im praktischen Gebrauche steht. — vene entsetzt sich, wenn jemand für das deutsche «Mehl« etwa «melj« gebraucht, weil er dies für einen unverzeihlichen Germanismus hält; daß er aber für mahlen «meljem« sagt und mit «melj« das fein gebröckelte Gestein, das Steinmehl sprachlich korrekt anwendet, das fühlt er nicht mehr. — Das slovenische «trebuh« (= Bauch) hat sich im Französischen «trébucher« (= vorgewichtig sein) in Form und Bedeutung nahezu unverändert erhalten. — Unter besonderer Reserve sei hier der Begriff «Lungensucht« angeführt, an dem doch niemand zum Zweifler wird, als ob er nicht urdeutsch wäre. Es mag ja sein, aber die Etymologie wie die Logik erschüttern dies doch, denn «Lungensucht« ist an sich ein sinnloses Wort, indes das slavische «lonsucha« sprachlich das aussagt, was die Krankheit äußerlich charakterisiert, d. i. d a s E i n-trocknen der Brust, die Brustdarre (lona = Brust, suh, suša = trocken, Darre, Trockenheit). Ist es aber nicht rätselhaft, daß der Pole (in benachbarten Gebieten auch der Ceche), ein deutsches Wort in Gebrauch nimmt, das erst in seiner Sprache etymologisch sowie sachlich richtig und verständlich wird! — Dasselbe gilt für «zagruta«. Es kennzeichnet dies das laute Schreien und Anspornen der kämpfenden Araber seitens ihrer Weiber und Mädchen in der entscheidenden Phase des Kampfes, um sie zur Standhaftigkeit aufzumuntern. — Dies soll aber ein semitisches Wort sein und ungefähr : aufschreien, aus voller Brust schreien — bedeuten. Es mag dies ja ganz zutreffend sein, aber nach der sprachlichen Morphologie ist dies nur dem Slaven, namentlich dem Slove-nen verständlich, denn diesem bedeutet «zahruti« eben: aus voller Brust plötzlich aufschreien (grud = Brust). Diese Beispiele, die sich endlos fortspinnen lassen, führen zu dem Schlüße, daß dieUrsprache eine gewisse typische Gesetzmäßigkeit aufweist, d. h. jedermann hat im Urzustände, ähnlich wie sich die Anfangsstadien des Sprechens fast aller Kinder gleichen, von demselben Gegenstände denselben Eindruck, benennt ihndaherunbeeinflußt überallgleichoderähnlich. Ob die höhere Differenzierungsstufe des Kehlkopfes -also der Sprache—- beim Menschen sofort eintrat oder erst das Resultat einer weiteren Entwicklung war, ist hier gleichgültig; es hat aber die Wahrscheinlichkeit unbedingt für sich, daß die ersten Laute zu B e g r i f f s n e n n u n g e n onomatopöischer Natur wurden und als solche an allen Punkten nahezu diegleichenwaren. Und so erklären wir uns, weshalb die Begriffe bar, bor, mar, var, log, sem u. s. w. in ganz Europa — und auch viel weiter hinaus, ja die Sprachen der Indianer nicht völlig ausgeschlossen — verbreitet sind und merkwürdigerweise überall ungefähr dasselbe bezeichnen. — Die heutigen Abstände ergaben sich eben erst durch den gesteigerten Verkehr, durch ungenaues Erfassen, Hören und Aussprechen, wie zum Teile auch durch die Wissenschaft. Die Sprache des Urvolkes, die Natursprache, hatte in ihrem Kindesalter allerdings einen beschränkten Wortschatz, wie ja auch das hinterlassene Inventar mit verhältnismäßig wenigen Begriffen erschöpft ist. Aber diese wenigen Urbegriffe zogen weitere Kreise, verloren dabei das ursprüngliche Aussehen wie die Bedeutung in dem Maße, als sie sichimGebrauchevonihremStammboden entfernten, ähnlichdemSteine, derins-Meergeworfen, eine Kreisbewegung hervor ruft, die sich in immer schwächeren Wellen in der Unendlichkeit des Meeres verliert, so daß schließlich der Erreger dieserBewegungnicht mehrerkannt oderbeachtet wir d.*) Obendrauf differenzierte sich die Natursprache durch die Wissenschaft, welche die einfach-natürliche Rede sozusagen verfeinern wollte, was bei mäßigen Vorteilen sehr viele Nachteile hervorbrachte, denn durch die scholastische Behandlung haben die Sprachen viele Entstellungen erfahren, Schnörkel und Bizarrereien angenommen, die ihnen nicht nur die ästhetische Einfachheit raubten, sondern geradezu für die allgemeine Bildung nachteilig wurden, zumal heute *) Hiezu nur paar recht drastische Beispiele. •— In Niederösterreich (namentlich Wien) nennt man einen, dessen Äußerem man eine gewisse, meist ironisch zu nehmende Anerkennung zollen will, «Fex«; südlich des Semmering, also im benachbarten Steiermark, ist «Vex« aber der kropfige Cretin. — Dem Slovenen sind «gegen die engen, kurzen Hosen; der Träger solcher heißt dann «gegec, gigec«; im Deutschen wurde daraus schon der verächtliche Begriff «Geck«, der nur mehr allgemein auf das Äußere anspielt, während das Diminutivum hievon in der Form «Giegerl« schon wieder eine weniger bedenkliche Charakteristik ergibt. — Der Slo- jedermann genug Wichtigeres zu lernen hat, als diffizile Akzente, zarte Aussprachenuanzen und sinnlose Dehnungszeichen, die wir ja doch mangels von Phonogrammen aus der Vorzeit niemals als je bestehend kontrolieren können. Es hatten daher jene Sprachen sozusagen ein fragliches Glück, welche wissenschaftlich wenig begünstigt waren, denn sie erhielten sich dadurch ihre Natürlichkeit und Ursprünglichkeit. Viele solcher Auswüchse in Sprache und Schrift bilden aber heute ein unbedachtes Bildungshindernis und könnten Dei einigem einsichtsvollen Nachdenken kurzweg beseitigt werden, wodurch die freigewordene Lernzeit von der Jugend auf reellerem Gebiete verwertet werden könnte.*) vene versteht unter »zapomniti* — sich etwas merken, der Ceche unter »zapomenouti« — vergessen, also genau die Extreme; und doch ist da ein inniger Zusammenhang, denn der eine meint: vergiß nicht dir es zu merken, der andere: merk es dir, um es nicht zu vergessen! — Fast alle Slaven verstehen unter «brak« —.die Vereinigung, die Ehe; das deutsche »Brakwasser* deutet jedoch schon nur mehr die Vereinigung des Süß wassers mit dem salzigen an, d. i. den Beginn der seichten Stelle wo das Schiff zum »Wrack* kommt, bezw. wird. ■— Die lebende Sprache ist eben eine elastische Feder und kein starrer Eisenklumpen ! *) Daß die Sprachen viel wertlosen Kram mit sich führen, welcher etymologisch wie historisch an sich unrichtig, in der Praxis aber ein Ballast ist, ersieht man am besten an der französischen Sprache, die sich doch jahrhundertelang besonderer Bevorzugung erfreute. Die Begriffe sind oft grenzenlos verballhornt; die Aussprache stellt die Schreibweise geradezu auf den Kopf; die Syntax wird immer komplizierter; und in welchem Mißverhältnis stehen die französich Lernenden und die französisch Erlernenden! — Ebenso könnten die Russen ihre Halbvokale ausmärzen, die vier i-Laute auf einen reduzieren, und brauchen bei dieser Reinigung nichts weiter, als ihre zyrillische Schrift in einem prunkvollen Reliquienschrank zu deponieren, und eben jetzt, gelegentlich des Neuaufbaues des Volksschulwesens, die lateinische einzufiihren. — Die jetzige Schrift ist vor allem für die Russen ein Kultur- und Verkehrsimpediment schwerwiegender Art; daß sie je die lateinische verdrängen wird, ist nicht vorauszusehen, und wäre es auch nicht wünschenswert, da sie für die Praxis zu wenig deutlich und zu viel überflüssige Laute hat. Die Serben sind, trotz derselben Schrift, schon weit besser daran, weil sie die unnötigen Laute längst abgestoßen haben, hingegen sind die Albanesen radikaler, denn diese sind in jüngster Zeit bestrebt, die zyrillische Schrift ganz gegen die lateinische auszuwechseln; tatsächlich weisen auch die Völker mit zyrillischer Die Wahrheit zu hören ist meist unangenehm; das Altgewohnte auf einmal aufzugeben, fällt schwer; man wirft sich daher über die Kausalität einer althergebrachten Sache auch niemals gerne selbst eine Frage auf; aber die Sprache wollen auch andere lernen, denn sie ist doch ausschließlich eit; Verkehrs-, Verständigung s- und Bildungsmittel, nicht aber der Spielplatz für Schultheoreme mit dem falschen Schein der Notwendigkeit! Es handelt sich nun auch um die hypothetische Erklärung, daß der Mensch im Tertiär nicht nur gelebt haben, sondern auch schon sprachbegabt, ja sogar relativ kunstverständig gewesen sein muß, wieso er die Glazialzeiten überdauert hat, sowie daß die gleichen Sprachelemente auf einer so gr-oßenZone dasselbe Objekt bezeichnen und daß sich schließlich auch das gleiche Kulturbewußtsein überall geltendmacht. Dies alles ist auf Basis der Präzession der Erde erklärlich. —• Daß der Neigungswinkel der Erdachse gegen die Ebene der Erdbahn nicht konstant ist, gilt als erwiesen; die Anziehungskraft des Mondes wie auch der Sonne auf die äquatoriale Anschwellungszone bringt es mit sich, wie dermalen die Flypothese sagt, daß in einem Zeiträume von 25.000 Jahren, dem man aber ruhigen Gewissens noch mindestens eine Null anhängen kann, die beiden Hemisphären das Perihelium und Schrift trotz Schulen die meisten Analphabeten auf, was wohl zu denken gibt! In ähnlicher Weise mögen die Deutschen ihre undeutliche Kurrentschrift für immer hinterlegen und dieser noch die großen Anfangsbuchstaben beischiießen, denn kommen alle anderen Sprachen ohne diesen hohen Respekt vor den Substantiven aus, und sind die Deutschen bis Luther damit ausgekommen, so wird es heute wohl auch gehen. Vielleicht genügt noch ein Anlauf zum phonetischen System, wie er schon vor etlichen Jahren partiell gemacht wurde, damit der deutsche Schüler von der Volksschule bis zur Matura nicht mehr so viel kostbare Zeit lediglich für diese scholastische Kleinkrämerei verliert. — In neuester Zeit haben sogar schon etliche einsichtsvolle Redaktionen politischer Zeitschriften, nachdem ja wissenschaftliche Werke bereits seit langem die Kurrenttypen gänzlich meiden, die Lateinschrift eingeführt, denn heute kennt z. B. in Ungarn die jüngere deutschsprechende Generation nicht mehr die Kurrentschrift, da sie in der Schule nicht mehr gelehrt wird; ebenso lassen die immer' größere Verbreitung nehmenden Schreibmaschinen diese Typen fast gänzlich unbeachtet. das Aphelium vollends wechseln.*) Daß dies schon mindestens einmal der Fall gewesen sein muß, darüber glaubt die Wissenschaft allen Zweifels enthoben zu sein, weil in der tropischen Zone, wie z. B. in Afrika, in den Kordilleren, die Vergletscherung und die Eiszeit in den Erdschichten ebenso vorhanden und nachgewiesen erscheinen, wie in der gemäßigten Zone. Die Kälteperioden, die man daher in allen Formationen der Erde zu erkennen meint, sind durch die Präzessionsrhythmen in den großen, turnusartig wiederkehrenden Zeiträumen vollkommen begründet. Es ist daher ziemlich sicher, daß der Mensch schon die Tertiärzeit unserer Erdgeschichte miterlebt, daß er die Epoche zwischen dem Tertiär und Diluvium, d. i. die Zeit eines geschlossenen Präzessionsturnusses der Erde, überdauert hat, weil er der für ihn gefährlichen Eiszeit unbewußt auswich und so samt der Fauna wie Flora um die Erde wanderte. Dieser Umstand bietet uns aber weitere wichtige Klärungen. Vor allem ersieht man daraus, daß es tatsächlich eine Völkerwanderung, aber im großen Stile, u. z. eine automatische gab, gibt und aus zweierlei Gründen geben muß, denn erstens: weicht der Mensch vernunftgemäß der heranrückenden Eiszeit aus, wandert daher stets mit dem angewohnten Klima weiter; zweitens: kann er ohne Fühlbarwerden klimatischer Einflüsse auch nicht immer auf demselben Erdflecke sitzen, weil sowohl die mechanischen wie chemischen Wirkungen der Atmosphärilien in Gemeinschaft mit den Flüssen und Meeren, dann die vulkanischen wie tektonischen Erdbeben den trok-kenen 'Teil der Erdkruste konstant umformen. Der Mensch kann daher aus diesen Gründen auch bei bestem Willen nicht stabil bleiben, was sich allerdings mit Rücksicht auf die großen Zeiträume für den Einzelnen oder mehrere Generationen nicht fühlbar macht, da Katastrophen, die einen sofortigen Besiedlungswechsel diktieren, schließlich doch eine Seltenheit sind. Daß jedoch die Erdoberfläche in einer gewissen Zeit ihre Festlandskonturen völlig ändern muß, kann man aber doch schon aus *) In den 6000 Jahren der Geschichte ist noch keine entschiedene Änderung wahrgenommen worden. Man glaubt wohl, daß die Wärme jetzt gegen Norden vorriicke, weil man festgestellt, daß die Gletscher in Rückbildung seien; manche Wandervögel, welche vor Dezennien noch den Süden aufsuchten, nicht mehr fortziehen u. a., doch sind dies nur Momente, welche noch zu keinem positiven Schlüße berechtigen. den Beobachtungen weniger Menschenalter ersehen, denn wir wissen z. B., daß sich die Küste Hollands sowie die Westküste Grönlands gegenwärtig senkt, indes sich die ganze skandinavische Halbinsel binnen 100 Jahren bereits um einen Meter gehoben hat. Es können sogar massenhafte Namen von Städten und Ortschaften aufgezählt werden, die an historisch genau zu bestimmenden Tagen in den Meereswogen der Nordseeküste ihren Untergang gefunden haben. — Durch das Erdbeben i. J. 1750 in Südamerika wurde die Küste von Chile gleich um 8 m gehoben; das Erdbeben i. J. 1861 in Griechenland verursachte eine sehr fühlbare Senkung der Küste von Achaja. — Man sucht Yineta knapp an der Küste, ist aber enttäuscht, daß von dem großen Steinlager am Vineta-Riffe auch nicht ein einziges Stück die Spur eines menschlichen Eingriffes aufweist, weil man immer annimmt, daß die Reste noch knapp am Ufer liegen müssen. Gab es aber eine solche Stadt, so können deren Trümmer nun schon kilometerweit von der heutigen Küste entfernt liegen, umsomehr als wir wissen, daß sich an der fraglichen Stelle erst i. J. 1872 das Meer das Vorwerk Damerow auf Usedom wieder als Opfer holte. Überdies macht auch das Seifenmaterial der Flüsse das Durchzugland immer niederer, erhöht aber damit den Boden im Mündungsgebiete; die Höhen werden daher immer abgetragen, die Tiefen hingegen eingeebnet; das Alluvium bildet im Meere selbst neue Inseln und Berge, das freigewordene Wasser dringt aber dafür wieder in das entstandene Festlandsvakuum, ein Beweis, daß der geotektoni-sche Prozeß in Permanenz ist. Es ist daher auch gar keine Sage im allgemeinen, wenn ein ägyptischer Priester Solon erzählt habe, daß es einst im Atlantischen Ozean eine Insel, Atlantis (auch Lemuria) genannt, von der Größe Asiens gab, die aber in Folge eines Erdbebens verschwunden sei. Das letztere ist wohl kaum wörtlich zu nehmen, sondern sie senkte sich allmählig, das Meer überflutete schließlich die ganze Landmasse, die Gebirge bildeten noch Inseln, aber anderswo wurde hie-für wieder ein Festland frei. Ein solcher durchgängiger Wechsel der festen wie flüssigen Erdoberfläche bildet sonach ein eigentliches geologisches Zeitalter nach unserer derzeitigen wissenschaftlichen Terminologie, die aber in großzügiger Auffassung doch wieder unhaltbar ist, weil der Glaube an die Schichtenpermanenz der Erdrinde gerade dadurch wieder seine Stütze verliert. ' ■ ! ■ lifei!-vHV/O'S Die gleiche Beobachtung gibt uns auch einen natürlichen Aufschluß über die Sintflut. Die traditionellen Erzählungen des Menschen knüpfen sich unbedingt an natürliche Vorgänge, d. h. an einen sich unerwartet eingestellten, oder noch nicht erhofften Festlandsverlust durch Wassereinbruch in größerem Stile; ja, die Biblische Geschichte sagt doch selbst, daß Gott den Menschen noch 120 Jahre Besserungsfrist zuvor gab, was dahin auszulegen ist, daß man das Gefühl hatte, in dieser Zeit müsse die Katastrophe in einer bestimmten Gegend eintrefen, aber die Menschen glaubten eben nicht daran, daß diese Berechnung eine richtige sei, wie ja schließlich der Bauer seine Bachbrücke auch nicht früher für gefährlich, daher reparatursbedürftig erkennt, bis sie nicht unter dem Fuhrwerke selbst einstürzt. Die Mythe von der Sintflut zieht sich daher durch alle Zonen, weil schließlich der Mensch überall den verderblichen Einfluß des Wasserelementes aut seine Existenz am eigenen Leibe erfahren konnte. — Aus diesem Grunde ist auch die Forschung nach der Lage des Paradieses eine erfolglose und müssige, weil der eigentliche Schauplatz unserer traditionellen Schöpfungsgeschichte wohl schon längst umgeformt und momentan gerade auch vom Meere bedeckt sein kann. Daß aber die Eiszonen auch nicht stabil sind und sein können, das beweisen die Kohlenlager sowohl am Südpol, wie dies bei der Expedition des englischen Leutnants Shackleton (1907—1909) festgestellt wurde, als auch am Nordostkap Asiens, also am nördlichen Eismeere, wo sich beim Dorfe Dudinskoje vorzügliche Glanzkohle in reichen Mengen und am Tage liegend vorfindet. Wie kommt nun dorthin ein Lager von Kohlen ältester Formation, wo es ja fast keinen Baumwuchs gibt? — ein Beweis, daß es aber einst hier bei einem weit milderen Klima einen sehr üppigen Baumwuchs gegeben haben muß. — Gerade die Kohlenlager sprechen aber beweiskräftig gegen die wissenschaftlich festgelegte Schichtenpermanenz der Erde, denn z. B. durch Mittel- und Untersteiermark zieht sich augenscheinlich ein ununterbrochenes Lager von Schwarz- und Braunkohle. Daß dies vermoderte Pflanzensubstanzen sind, ist zweifellos, denn man gräbt oft noch Holzstrünke heraus, deren Struktur am meisten dem Holze der Esche oder Edelkastanie ähnelt, aus denen man sogar noch Möbel zu erzeugen versuchte. Diese Bäume müssen aber einmal frei gewachsen sein, und doch sind heute schon ganze Gebirgszüge, wie: Posruck, Bachern, Sanntaler Alpen auf diese einst lebende Flora aufgesetzt; ja die Kreideformation, die doch als älter gilt wie das Neogen (jüngere Braunkohlenzeit), sitzt an der steirisch-krainischen Grenze in mächtigem Massiv auf dem Kohlenbecken von Trifal-Hrastnik auf, ein Argument, durch welches die gegenwärtige Annahme der geologischen Formationen erschüttert werden dürfte. Als weiterer Beweis für die turnusartige Wanderung des Polareises wird auch die wahrgenommene Veränderung der Lage der magnetischen Pole angesehen, denn es wird allen Ernstes angeführt, daß sich zwischen einer Messung im J. 1700 und einer solchen i. J. 1895 für die Nordpolgegend bereits eine nennenswerte Divergenz ergeben hat. Ebenso wurde eine geänderte Lage am Südpole festgestellt. Doch brauchen wir uns gar nicht an solche Angaben, die mangels von Nachkontrolle auch auf falsche Prämissen gestellt sein können, zu halten, da ja noch handgreiflichere Beweise zur Verfügung stehen. — Schon an vielen Stellen wurden Funde aus der älteren und jüngeren Steinzeit gehoben, wobei es aber stets auffiel, daß beide Fundlagen tote, kulturlose, oft bis drei Met er mächtige geologische Sedimente trennen. — Die Erklärung hiefür ist wohl die, daß die ersten Kulturresiduen von Menschen herrühren, w'elche aus klimatischen oder sonstigen Gründen ihre Wohnstätte aufgeben mussten, daher ein Kul-turinterkalare eintrat. Ja, dieses Bild läßt sich sogar noch weit klarer darstellen. — Bei Grabungen künstlicher Aufwürfe wmrde wiederholt bemerkt, — so jüngst auf Guinea und dem Bismarck-Archipel —, daß der Spaten aus der Erde Objekte fördert, die auf frühere Bewohner mit weit höherer Kultur schließen lassen, weil die heutigen Insulaner eigentlich die Steinzeit noch nicht völlig hinter sich haben. — In Troja, Pergamon, Babylon u. a. wurden mehrere, äußerlich wesentlich verschiedene Kulturschichten übereinander festgestellt. Dieser Beweis würde übrigens als geschlossen anzusehen sein, wenn man z. B. am Südpole, den nicht wie den Nordpol ein tiefes Meer, sondern ein durchschnittlich 3100 m hohes Tafelland umgibt, bei Tiefgrabungen auf Original-Kulturreste, wie: Topfscherben, Steinwaffen, Bernstein- oder Bronzeschmuck u. drgl. stoßen würde, denn diese können doch nur von einstigen Bewohnern vor der Eiszeit daselbst herrühren, da der Mensch dieses Gebiet unter dem momentanen Klima doch nicht mehr bewohnt haben kann. Die Erklärung für diese Kulturschichten ist eben folgende: es rotiert mit der Präzession auch die Kultur, deren Höhepunkt sich ausschließlich an die gemäßigte Zone hält. Nachdem aber diese Zone einmal jeden Punkt der Erdoberfläche passiert, sind dieselben Funde, wie es z. B. Sphynxe in Ägypten, Babylon und Sibirien gibt, dieselben Sprachelemente sowie dieselben topischen Namen überall zu finden. Löst jedoch einmal die tropische oder kalte Zone einen solchen Punkt ab, so tritt eine Kulturebbe ein, denn das heiße Klima hat, ebenso wie die Polarzonen, für höheren Geistesflug keine Schöpfungskraft; sie bringt auch keine tiefen Denker, Forscher. Dichter oder Musiker hervor. Auf die reiche Kulturschichte setzt sich daher alternierend stets wieder eine kulturarme auf, und so wandert die Kultur in Hausse und Baisse äonenperiodisch im Kreisläufe um den Erdball. Hatte aber der Mensch schon in den früheren geologischen Epochen eine solche Kultur, wie sie ja beweiskräftig tief in der Erde eingelagert ist, so muß er die Sprache schon in einer weit früheren Zeit besessen haben, denn man kann ohne Sprache niemand etwas mit-teilen, weil selbst die schriftliche Übermittlung nur durch die Sprache festgelegte Begriffe voraussetzt, um Dagewesenes und wieder Verschwundenes durch die Schrift überliefern zu können. Es ist daher schon aus diesem Grunde die viel bestrittene und doch richtige Annahme, daß der Mensch als sprachbegabtes Wesen schon mit dem Beginne der Quartärzeit anzusetzen sei, dahin zu erweitern, daß er zum mindesten schon im Anfänge des Tertiärs — im Sinne der heutigen geologischen Nomenklatur — auch sprechfähig war. denn dies beweisen eben die Namen und im allgemeinen richtigen Vorstellungen über einzelne Saurier, dann die Kenntnissevon Vulkanen, für welche dem Quartärmenschen augenscheinlich jedes Paradigma in ganz Zentraleuropa mangelte, sowie schließlich auch die in unberührten Tertiärschichten v o r gefundenen, weitüberdieAnfangsstadien der-Übung reichenden Zeichnungen und manuellen Fertigkeiten. Alle diese Beispiele, Hypothesen und Belege rechtfertigen aber wohl zur Genüge die schonungslose Bekämpfung eines offenkundig 23 großen geschichtlichen Irrtums, da sie zeigen, daß der verläßlichste Führer in die Urzeit des Menschengeschlechtes wohl nur unsere Sprache sein kann, und bildet die Summe .jener Begriffe, die der Mensch einst seinen Ansiedlungen und Zufluchtstätten. Bergen und Flüssen, Tieren, Pflanzen und Mineralien, Hoheitspersonen und Gottheiten beigelegt hat, dessen Ursprachschatz, welcher zugleich dessen Urgeschichte repräsentiert. Jenes Volk aber, das auf Grund dieses noch heute besitzenden Sprachschatzes schon die Urbenennung jener Objekte und namentlich der noch innehabenden oder schon verlorenen Terrainpositionen durchzuführen die Gelegenheit hatte, kann nicht eingewandert, sondern auf diesem Boden nur ein Urvolk sein Man braucht sich daher auch gar nicht zu wundern, wenn man so viele prähistorische Funde macht, die slavischen Kunstcharakter tragen, oder alte Schriften findet, die slavische Texte verbergen. Die Erklärung hiefür geht vor allem aus Analogien hervor, denn derselbe Prozeß, der sich in Mexiko und Peru mit den Azteken und den hochkultivierten Inka’s abspielte, und der sich uns heute wieder in Amerika bietet, wo die autochthone indianische Urbevölkerung mit ihrer mäßigen Kultur durch die Zuwanderer fremder Weltteile verschwindet, vollzog sich seit Jahrtausenden in gleicher Art an der slavischen Urbevölkerung Europas. Diese Ureinwohner oder richtiger, diese T räger jener alten Kultur, si nd daher durchaus nicht zugewandert, sondern sie sind, soweit eben deren Kulturwiderstand nicht ausreichte, lediglich aufgesogen worden. So, aber nur so sind die zahlreichen xaltslavischenx Sprach- und Kulturreste in einem so großen geographischen Raume logisch natürlich erklärbar! — Es ist einmal Tatsache, daß wir bereits mit Strahlen nach allen Richtungen feste Körper durchleuchten; das Licht des Auges späht tausendfach verstärkt in unendliche Himmelsgefilde hinaus; aber den Schatten, deraufunsererVergangenheitliegt, sind wirnichtimstandezu durchdringen. — Soll daher diese wichtige Frage gelöst werden, so muß vor allem die Gelehrtenwelt den untrüglich vorhandenen Widerspruch gewisser Naturgesetze zu den derzeitigen Ansichten zugeben, die starren Satzungen ihrer despotischen Doktrin entkleiden und die Gesamtforschung dem Geiste natürlicher, sch ranke nloserWahrhe it unterwerfen. — Alles Wissen ist dem Wesen nach nichts weiter als die Offenbarung i n d iv id u e 11 e r Beobachtungen und Erfahrungen; und sind diese richtig und abgeklärt, so werden sie, unbekümmert darum, wer sie verkündet hat, auch ihren Wert finden und behalten! — Und solche Erfahrungen verkünde ich hier; sie sind zum großen Teile Ergebnisse einer neuartigen Forschung, denn den Autochthonismus der Slaven haben schon andere vermutet aber mit unzulänglichen Belegen gestützt;") die Völkerwanderung haben schon manche als ein Märchen erkannt, sie aber nicht vom Kerne gelöst; über Nomadenvölker spricht man von jedem Katheder, aber nicht vom Turnusverkehre derselben; man vermutet in den alten Inschriften jede Sprache, nur nicht die slavische; man forscht unseren Volks-, Hoheits- und Gottesbegriffen nach, indem man ihre Erklärung in der Mythologie. Sage und Mystik sucht, indes sie sich jedem offenen Auge sichtbar auf dem gewachsenen Boden darbieten u. s. w. — Die mit dem Titel dieses Buches zur Beweisleistung übernommene Pflicht erscheint hiemit nach allen Seiten und, soweit die menschliche Denk- und Urteilskraft reicht, gewissenhaft erfüllt, denn wer jemand in die Wüste des Zweifels führt, muß ihm auch den Weg in ein Kanaan weisen. — Immerhin mag aber bereits morgen jemand mit der Entdeckung kommen, daß dies noch immer nicht die erste Etappe der Kulturemanationen sei; trotzdem haben wir vorläufig doch reichlich genug Arbeit unsere wissenschaftlichen Verirrungen gründlich zu berichtigen und uns wenigstens bis zu dieser geklärten Phase unserer Genesis nachsinnend durchzuarbeiten. Mögen nun diese Forschungsresultate als ein ernster Beitrag zur Klärung und Erweiterung unserer ältesten kulturellen wie sprachlichen Regungen aufgenommen werden; mögen sie aber auch beitragen zur großzügigeren Auffassung des der Dezentralisierung immer mehr verfallenden organischen Monismus sowie zur Erkenntnis der überall und ewiggleich wirkenden Naturgesetze! *) *) Gelehrte und Forscher, von welchen die Slaven als Autochthone in Europa erkannt wurden, waren außer den Slaven M. v. Kalina, Jan Kollar. Alois Šembera, Dr. H. Wankel, P. Karl Sicha, H. Schulz, Alfons Müllner, Bretislav Jelinek, Dr. J. Woldrich u. a. auch viele Deutsche von bestem Klange in der Wissenschaft, wie: Aug. Schlözer (1771), Dav. Popp (1820). Aug. Wersebe (1826). Heinrich Schulz (1826), J. H. Müller (1840), G. A Stenzei (1853), Viktor Jacobi (1856, J. Landau (1862) u. a. 23 ‘ Um jedoch alle Mißdeutungen tunlichst zu zerstreuen, zumal sich meine wissenschaftlichen Gegner zumeist an dem Begriffe >*.\ ;J lijisztrràs (il $cSinifrnj~^^?Jiižsh ÌCZ /Szrbu/d Ifafsstab 1;200.000 d.N. oder lem. 2 km ttl ff m4^| m;lv mmaé mÈSmdfo $&Éw>Zs/l 3.000 Schritte K.u.k. militär-geographisches Institut.