Oskar Moser Grundsätzliche Fragen zur Forschungs- und Museumssituation Freilichtmuseum und Hausforschung stehen zu einander in einer unmittelbaren Relation und Abhängigkeit. Das erstere ist quasi das Resultat praktischer Auswertung und Umsetzung von Erkenntnissen des zweiten und zwar der Umsetzung in eine wissenschaftlich geleitete, denkmalpflegerisch und edukativandragogisch orientierte Museumseinrichtung unter freiem Himmel. Der geistige Ort für alles das war seit jeher und liegt allemal im Bereich ethnologischvolkskundlicher Grunderkenntnisse und Zielsetzungen. Beide Bereiche, Museum und Grundlagenforschung, operieren zwar selbstständig und scheinbar unabhängig, müssen aber zugleich in ihrem Kontext gesehen werden, denn sie stellen uns vor ganz besondere Aufgaben und vor umfassende Problemkomplexe, denen ja auch unsere heutigen Gespräche gelten sollten. Das Museum und insbesondere die relativ junge Sonderform des sogenannten Freilichtmuseums hat eine variantenreiche Entwicklung seit über 100 Jahren hinter sich und ist namentlich in den letzten Jahren nicht zuletzt durch gewisse inflatorische Tendenzen aktionistischer Art zunehmend diskutiert, aber auch kritisiert worden. Die Ansätze dazu begannen schon in Skansen vor 50 Jahren. Dabei geht es nicht nur um die Fragen der unmittelbaren museumstechnischen und konservatorischen, organisatorischen und verwaltungsmäßigen Führung derselben, sondern mehr noch um deren wissenschaflichen, darstellerischen und andragogischen Stellenwert, um deren kulturelle Orientierung, kulturpolitische Erfordernisse und Möglichkeiten und nicht zuletzt um deren direkte und indirekte Aussagen in einer sich radikal umschichtenden Gesellschaft von heute und natürlich auch um deren tatsächliche Akzeptanz beim Besucherpublikum. Das aber sind schwierige und z. T. sehr heikle Fragen. Die Anstöße zu all dem gingen von der gründerzeitlichen Erkenntnis eines radikalen Schwundes überlieferter Formen der Volksarchitektur aus, der sich infolge der Industrialisierung zeitlich zwar ungleich, aber letzlich überall in Europa durchgesetzt hat. Daraus entwickelte sich zunächst die volkskundliche Hausforschung besonders in Nord- und Mitteleuropa, die dann in mehreren, methodisch-inhaltlich deutlich unterschiedenen Etappen entwickelt wurde. Zunächst ging man von der Beschreibung bestimmter auffäliger Einzelobjekte aus, erkannt aber bald deren Auftreten in breitgestreuten typologischen Gruppen und bemühte sich daher um eine formale, anlagemäßige Erfassung und Erklärung im Sinne globaler Stammesvorstellungen oder evolutionistischer Sachreihen, doch ging man zugleich über zu einer intensiveren Auffächerung in Detailfragen (Grundrißtypen, Bauweisen, Raumtypen Feuerstätten u. dgl.). All das führte noch vor dem ersten Weltkrieg zu ersten großflächigen Bestandsdarstellungen und ersten kartografischen Entwürfen, aus denen in einer weiteren Phase um etwa 1930 neue Interpretationen im Sinne der Kulturkreislehre und der Theorie von Kulturströmungen in neuer bauanalytischer Betrachtungsweise folgten (B. Schier) und die schließlich zur funktionsanalytischen Methode in der Hausforschung erweitert wurde (R. Weiss). Aus ihr resultierte schließlich eine zwar kleinräumiger angelegte, aber flächendeckende Gesamterfassung der Baubestände (K. Bedal, O. Moser, V H. Pöttler u.a.m.). Gemeinsam ist all diesen neueren Bemühungen der Hausforschung die ganz entscheidende Wende zur Historisierung der Bestandsbeurteilung, während man vorher die traditionellen Hausformen eher ahistorisch, nur grob stammeskundlich oder evolutionistisch zuzuordnen verstand. Erst jetzt wurde die Beziehung auch der Kunstgeschichte, Archäologie und verfeinerter Methoden der Altersbestimmung (Dendrochronologie) möglich. Der neue Forschungsstand ermöglichte, ja provozierte eigentlich erst die Schaffung von Architektur-Freilichtmuseen, obwohl die Forschung seit Anbeginn von derartigen Ideen in den Ländern Europas begleitet worden ist. Waren aber diese schon bei Georg Karlin in Lund und A. Hazelius in Stockholm ein mutiger Versuch der Aktualisierung und Modernisierung des alten Museumsgedankens seit dem Späthumanismus und Manierismus, so ist man dabei trotz dessen massenhafter Realisierung seither in Europa nicht stehen geblieben. Ihre Weiterführung zeigte sich zunächst bei George-Henri Riviere in Frankreich mit den besonders anspruchsvollen, aber völlig anders orientierten Öko-Museen. Und . ie erfährt, wie es scheint, eine neue Version in den schwedischen Bemühungen unter dem Schlüsselwort SAMDOK. Dieses neueste Konzept verfolgt seit etwa 20 Jahren in Schweden eine Art Museumsverbund mit gleichzeitig intensivierter und soziologisch ausgeweiteter Aufgabenteilung in der Grundlagenforschung mit etwa 10 großen Arbeitsgruppen verschiedener Fachrichtungen. Die Umrisse einer solchen europaweiten Entwicklung hier äußerst flüchtig und sehr vereinfacht anzudeuten, erscheint mir notwendig, wenn wir unsere eigenen und kleinräumigen Probleme richtig ansetzen und einordnen wollen. Wir sind ja vielmehr gewohnt, diese allein und vordergründig, dafür aber viel großstabmäßiger zu sehen, bis hin zu allen aktuellen Fragen der statuarischen, materiellen und existenziellen Weiterführung unserer eigenen Unternehmungen. Indessen wird es gut sein, sich angesichts unserer heutigen Situation auf die von außen an uns herangetragene Frage einzustellen, die da lautet: Sind unsere Museen Anlaß zur Verunsicherung oder zur Identitätsstiftung unserer Menschen ? In dem eben erschienenen “Handbuch der schweizerischen Volkskultur” (I, S. 35) stellt Paul Hugger diese Frage an den Anfang seiner generellen Perspektiven volkskundlichen MuSeums-wesens. Darin geht er von einem tief verankerten Hang der modernen Gesellschaft aus, heute alle individuelle und kollektive Welt zu musealisieren. Er erklärt dies im Sinne von Odo Marquand als eine Art Kompensation der Verlustrealität “durch eine verstärkte “BewahrungsrealitätAlles oder viel spricht dafür, daß dies in der postindustriellen Gesellschaft gilt oder zu großen Teilen zutrifft, d. h. die Bestrebungen einer wissenschaftlichen Kulturanalyse und Volkskunde werden mit unseren musealen Bestrebungen höchst aktuell für die Zukunft. Sie erfüllen ganz offenbar eine Funktion, die weit über eine bloß wissenschaftliche Neugierde und den Erkenntnisdrang Einzelner hinausführt. Die Aufgabe wird also zunehmen, neben allen aufklärerischen und bildungstheoretischen Zielen diese wachsenden Bedürfnisse der Menschen wahrzunehmen und mit beizutragen zur inneren Sicherung und Solidisierung derselben. Allerdings werden dazu auch unsere eigene Einsicht und das Bewußtsein kommen müssen, daß alle unsere wissenschaftlichen Bilder, die wir auch museal entwerfen, zeitbedingt sind. Unser Erfolg wird immer nur relativ gelingen, wird immer nur Annäherungen an eine Wirklichkeit darstellen, weil diese selbst eben nur eine theoretisch stimulierte Objektivität und ein Kind ihrer Zeit ist. Als wir im März 1991 in Kranj erstmals zusammengekommen sind, habe ich versucht, auf entscheidende Probleme bei der Realisierung und beim Betrieb unserer Museen hinzuweisen. Das bitte ich, nicht falsch zu verstehen, als warnendes Gegenargument gar, wie man meinte. Das Gegenteil ist der Fall: Unter Fachleuten können wir da nicht in romantischen Verzückungen stecken bleiben, sondern müssen uns energisch der Diskussion stellen. Wir glauben uns angesichts der sich neuerdings häufenden Mißgriffe vielmehr verantwortlich für alles, was solche Institutionen gefährdet oder behindert. Inzwischen hat mir die Zeit Recht gegeben. Unsere Museen stellen uns vor gewichtige Probleme, nicht nur materiell und wirtschaftlich, sondern, was viel entscheidender ist, ideell und in ihrem Stellenwert. Es gab dazu immer schon kritische Stellungnahmen: vor allem in den skandinavischen Ländern begannen schon vor dem zweiten Weltkrieg lebhafte Diskussionen um die ideologischen Voraussetzungen solcher “Volksmuseen”. War deren Grundfunktion je in der Rettung und Bewahrung des “kulturellen Erbes” zunächst gewiß eher in malerischen als wissenschaftlich fundierten Aspekten gesehen worden (G. Karlin, A. Hazelius), so zeigten sich deren postromantischen Wurzeln nach einem anfänglichen Enthusiasmus und manchen sentimentalen Folgewirkungen nur um so deutlicher in den Unzulänglichkeiten eines falsch verstandenen, rückgreifenden und anaklitischen “Artivismus” nach Auffassung und Ausführung. Dies aber drängt auf die Frage hin, ob unsere Institution grundsätzlich ein wissenschaftlich geführtes und verantwortetes, gewiß auch anspruchvolles und kostspieliges “Kulturreservat”sein sollte oder - wie man auch manchmal schon hört -ob dieses geradewegs hindriftet auf ein mehr oder weniger kommerzielles Establishment mit entsprechend eingefärbter, unterhaltender Tendenz nach Art von Disneyland und Freizeitpark. Wir aber brauchen eine hausbaukundliche Dokumentation des Lebens und Wohnens der Menschen, die vor uns gelebt haben, allein aus unserem europäischen historischen Selbstverständnis heraus. Nur in einer zweiten Realität, eben unserer Museumsrealität, können wir mithelfen, die Zusammenhänge und die Lebensformen der Vergangenheit mit unserer Gegenwart und Zukunft verständlich, den ständigen Kulturprozess um uns herum begreiflich und damit die notwendige kulturelle Kontinuität auch für die herstellbar zu machen, die nach uns kommen. Dies aber setzt voraus, daß einzig und allein wissenschaftlich fundierte, ernste Grundlagenforschung für Schaffung und Betrieb der Freilichtmuseen maßgebend sein können und daß jede, vor allem kommerzialisierte, verfälschende Einmischung hier zur Gefahr des kulturelen Trödelmarktes und damit eben zur Verfälschung unseren historischen Grundauftrages, will sagen zum Ende einer solchen Institution führen muß. Povzetek Temeljna vprašanja o položaju muzejev in raziskovalne dejavnosti Učinkovitost muzeja na prostem je kar najbolj povezana z raziskovalno dejavnostjo. Muzej na prostem naj bi bil praktični rezultat spoznanj, ki jih prinašajo znanstvene raziskave načina življenja ljudi različnih družbenih skupin in z njimi povezanih oblik ljudskega stavbarstva. Muzej na prostem je komaj sto let stara posebna oblika muzeja, ki je v zadnjih desetletjih podvržena ostri kritiki. Kljub temu je mogoče ugotoviti, da potrebujemo dokumentacijo o načinih bivanja človeka v stavbah, prav to pa ponujajo muzeji na prostem. Seveda pa predstavitve v muzejih na prostem ne smejo izzvenevati v duhu romantike in idealiziranja, pač pa se morajo naslanjati na spoznanja o stalnih kulturnih procesih in kulturni kontinuiteti. Kvarni vplivi komercializacije muzejev na prostem vodijo te inštitucije na napačno pot in k opuščanju njihove dejavnosti.