1 -/ /."k Von der Uiberseßungskunst überhaupt und ins besondere von der Mersetzung aus der lateinischen in die deutsche Sprache. Eine akademische Vorlesung von Franz Peesenegger, Lehrer der Redekunst am k. k. akademischen Laibach, zn haben bcy Ioh, Georg Licht, priv. Buchhändl. i 8 o o- Nec conuerti, ut interpres, fed ut orator, sen- tentiis i'sdem et earnm formis, taflquam figuris, verbis ad noftram consuetudinem aptis, in quibus non verbum pro verb 5 neccffe habui reddere, sed genus omnium verborum, uimque seruaui. Non enim ea me adnumerare lectori piUaiii oportere, sed tanquam adpendere. Hie labor mens hoc adsequetur, ut nollri homines — intelligant. Cicero de optima gem re oratorum. Allgemeine philologische Grundsätze der Mersetzungskunst überhaupt. i. Das Uibersehen als Mittel zur Cpra-- cheukunde. Linker den Mitteln sich die fremden Sprachen, vorzüglich die Tobten, eigen zu machen, und sei¬ nen Geschmack für die schönen Wissenschaften zu bilden, ist eins der vorzüglichsten, die klassischen Schriftsteller zu übersetzen. Auch wir werden uns dieses Mittels vorzüglich bedienen. Wir wollen a 2 al- 4 also, um von dieser Uibung den Nutzen zu ziehen, Len wir uns davon versprechen können, erst eine Anleitung zur Uibersctzungskunst vorausschickcn; man muß ehe wissen, was man zu leisten hat, als man es in der That leisten kann. 2. Erfordernisse eine Sprache zu verstehe!». Um eine fremde Sprache zu verstehen, wird erfordert, daß man erstens alle Wörter derselben in ihrer eigenen und -figürlichen Bedeutung so in¬ ne habe, daß man mit jedem Worte eben densel¬ ben Begriff verbinde, den der Mensch von der fremden Sprache damit verbindet. Zweitens, daß man die Wortfügung, die Setzung der Wörtex und die Wendung der Gedanken der fremden Spra¬ che völlig und ganz kenne, um den Sinn derselben vollkommen zu fassen, den man durch gleichbedeu¬ tende Wörter in seiner eigenen Sprache, aber durch eine Anordnung der Wörter, und Wendung der Gedanken, die nur ihr wieder eigen sind, de¬ nen, die unsere Sprache reden, vollkommen dar- strttet. 3« §, z. §. Erfordernisse zum UiberfeHm. 5 Der aus einer fremden Sprache in die feuri¬ ge übersetzen will, muß zu erst jene, so wie wir gesagt haben, verstehen. Dazu wird aber noch ausserdem erfordert, daß er auch die Sprache, in die er übersetzet, vollkommen kenne, korrekt schrei¬ ben und alle Gattungen des Stils in derselben genau darstcllen könne. Dan» erst kann ex sich über einen Autor wagen , wenn er dessen Stil, der sich immer nach der abgehandelten Materie richtet, sich mit ihr zugleich senkt, und wieder er¬ hebt, aber immer nur nach dem Grundcharakter der Sprache, in die er übersetzt, in diese mit zu übertragen vermag. Dieses sind die Bedingungen, ohne welchen keine gute Uibersetzung möglich ist; dicß die Vorkenntnisse, die uns in den Stand setzen, das zu leisten, was man von uns als Uibersctzcrn mit Recht erwarten kann. An- 6 Anmerkung. Das Studium dtr Sprachen besonders der Tobten, unter welchen die griechische und latei¬ nische wegen den darin verfaßten Meisterwerken, die auf uns gekommen sind, den ersten Rang be¬ haupten, macht einen eigenen Zweig der Gelehrsam¬ keit ans, und wird unter den, Namen der Philologie begriffen. Wenn man bedenkt, welchen Umfang Liese beydcn Sprachen haben, welche alle Begriffe, und den ganzen Jdeenschatz der zwey politesten Nationen, die je den Schauplatz der Erde betre¬ ten haben, enthalten; wenn man betrachtet, daß sie nur aus Büchern müssen erlernt werden, so wird man daS Studium, das sich mit ihnen be¬ schäftiget, sowohl in Ansehung der inncrn Wichtig¬ keit, als auch wegen ihrer beständigen Zurückwir¬ kung auf alle Fächer der Wissenschaften nach Ver¬ dienst zu würdigen wissen. Der Philologe arbeitet für alle Theile der nützlichen Gelehrsamkeit, er sammelt für den Geschichtschreiber und Staats¬ mann die interessantesten Materialien; er liefert dem Achter und Redner die besten Muster, nach cheuen er sich bilden kann- Selbst die schonen Kün- 7 Künste, die Oekonomie, die Baukunst, finden nur bcy ihm die ersten Nachrichten von ihrem Anfän¬ ge und Wachsthume. Aber auch auf der andern Seit? wird man sich nimmermehr über den trockenen, unfruchtbaren Pedantismus und nie zur Würde eines Philologen aufschwingen können, wenn das Sprachstudium nicht mit philosophischen Geiste, und in Begleitung aller Theile der Wissenschaften getrieben wird. Diesen philosophischen Geist vor¬ ausgesetzt, ohne welchen in der ganzen morali¬ schen und geistigen Natur nichts gutes und ver¬ ständiges gedeihen kann, braucht der Philologe noch andere sehr vielfache Kenntnisse, als eben so viele Hilfswissenschaften, mit denen ec ausge¬ rüstet seyn muß, und von denen wir einen kurzen Begriff hier geben wollen. I. Grammatische Sprachkenntnisse setzen ihn in den Stand die Autoren selbst in die Hand zu nehmen. s. Noch wird er sie nicht schön finden, so lange er nicht die ästhatischen Grundlage der Dicht und Redekunst siudirt hat. 3« s Z. Bis dahin bleibt seine Beschäftigung hlos Unterhaltung; hat er aber einmahl durch gründli¬ ches Studium der Philosophie den Menschen ken¬ nen gclernet, und daraus die ewigen Gesetze der Morali oder des Rechtverhaltens der Menschen herleiten gelernt; dann wird er wie mit einem neuen Sinne begabt, neue Entdeckungen machen, und das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Diese drei) Stücke sind das, was Hcineccius die krineipia strli xrammacws, rchstorica, und xllilo- Svphica nennet. 4. Um die klassischen Schriftsteller zweckmäs¬ sig und in einer schicklichen Ordnung zu lesen, muß ec sich ehevor eine historische Renntniß von ihnen, ihren Werken, von den Ausgaben, Ko- mcntatorcn derselben machen, was allein einen beträchtlichen Theil der allgemeinen Litcrargcschich- te ausmacht. Um sich diese Kenntnisse geschwinder und leichter zu erwerben, haben mehrere Gelehr¬ te neuerer Zeiten vortreffliche Anleitungen gelie¬ fert. Ich nenne hier zwei), welche wegen ihrer Vollständigkeit, bei) einer gedrängten Kürze zu em¬ pfehlen sind. r. I- Thr. Fried. Bahrens Anzeige der griechisch, und latein. Klassiker. Halle 786. in - 8vo. 9 8vo. 2. Uiderstcht verschiedener Ausgaben der griechisch, und röm. Classikec mit Anmerkungen von Eduard sarwsod aus dem Engl. übersetzt von R. F. Alter. Prof, der griech. Sprache zu Wien. Bep Weingand 778. 8vs. Anfängern hu' kicb will ich auch ein paar gute Handwörterbücher nennen, I vsllbeding griechisch deutsches Hand¬ wörterbuch nebst Supplementen Leipzig, 784. Zwcp Bande gr. 8vo. 2. Schellers größeres la« tein. Wörterbuch Z Lände. 5. Oft aber kann sich der Philologe nicht bloß mit gedruckten Editionen begnügen, sondern sieht sich gezwungen, bey Verschiedenheit der Le- scarten und andern Dunkelheiten die Handschrif¬ ten selbst anzusehcn. Dazu braucht er denn neue Kenntnisse, die zusammen ein eigenes wissenschaft¬ liches Fach, die Diplomatik, verbunden mit der hi¬ storischen Rritik, ausmachen, 6. Eben so nothwendig ist ihm das Studium der Antiquitäten, der alten Denkmählcr in Mün¬ zen und Steinen, der Sitten und Gebräuche, der Religion, und Götterlehre, der alten Geographie, der Staats-und Kriegeseinrichnurg; ftcylich fin¬ det ro det er die sichersten Nachrichten von allen diesen Gegenständen in den alten Schriftstellern selbst; allein sie sind nur theilweise auzutreffen, und es kostete eine unendliche Arbeit, und zu viel Zeit¬ aufwand, um aus allen diesen Bruchstücken ein vollständiges Ganzes herauszubringen. Auch hier begnüge ich mich ein paar sehr nützliche Schriften meinen Zuhörern zu empfehlen, r. Lamberti 6o;ii ^.nti^unatum xraecarum praccixue sttioarum. brevis Lezcriptio , eciitio novs, cum votiz ^eunis 787. 2. Nicnpoort rituum, yui olim spuä romanoz obtinnerunt, LUocincta explicstio. verbunden mit eben desselben k^toria reipubÜLge et imperü romanorum. 2 lomi. Ich glaube durch Liese Vorzeichnung des Umfangs der Philologie meinen Zuhörern, die jetzt nur erst an der Schwel¬ le zu dieser Wissenschaft stehen, einen neuen Ei¬ fer einzujWen, um mit allem Fleiße sich zu be¬ streben , immer mehr und mehr iu das Heiligthum eines so edlen Studiums einzudringen. rr 4- §. Was der Uiderssher zu leisten hak. Nun wollen wie erst näher bestimmen/ was ein guter Uibersctzcr zu leisten habe, wenn sein Werl, als eine getreue Copie des Originals voll¬ kommen seyn soll. Ein Uibcrsctzer muß sich aufs genaueste an das Original halten, jede Wendung, jeden figür¬ lichen Ausdruck desselben getreu übertragen, wenn jene dem Genius der Sprache nur nicht ganz und gar zuwider streitet, oder dieser etwas für den Geschmack seines Volkes empörendes hat; er darf sich nicht erkühnen, weder aufzuhellen, was der Autor in räthselhaftes Dunkel ge- hüllet hat, noch zu schwächen, wo er nervös, noch zu starken, wo er matt ist; cs sey denn, daß die Sprache ganz unüberwindliche Hindernis¬ se ihm in den Weg legte; er muß das, was er an einem Orte schlechterdings zu geben nicht im Stande gewesen ist, auf eine andere Art wieder eiubnngcn. z. B. Wortspiele/Sprichwörter; und schließlich muß er stets den Engländer, den Fran¬ zosen, >2 zosen, Italiener oder Spanier, den Römer oder Griechen durchschimmern lassen. Die atterpünktlich¬ ste Treue muß immer sein Hauptgesetz seyn. Es ist nie ein Complimcnt für eineUibcrsetzung, wenn es heißt, sie läßt sich völlig wie ein Original le¬ sen; cs ist dieß ein sicherer Beweis, daß alle Nationaleigenheiten des Autors daraus glatt weg¬ gewischt sind. Ferner muß ihm der ganze Sprachschatz un¬ eingeschränkt zu Gebothe stehen; er muß nach sei¬ nen Bedürfnissen daraus wählen können, Provin¬ zialismen und Obsoleten, Sprichwörter und Wort¬ spiele, gleich viel, ob Schwabe, Oesterreicher, Schweitzer oder Niedersachse sie gebraucht, so bald sie nur in seinen Kramm taugen. In diesem letzten Stücke war besonders, Bettuch, der deut¬ sche Uibersetzer des voncMxott glücklich. Doch hierin muß freylich glückliche Untermischung und weise Sparsamkeit sein Hauptaugenmerk seyn. All- Anwendung der vorangeschickten philologi¬ schen Grundsätze auf die Uibersetzungs- kunst aus dem Lateinischen in daS Deutsche. «<4?as wir bisher gesagt haben, kann genug seyn, um uns von den Pflichten eines Uibersetzers überhaupt einen richtigen Begriff zu geben. Um aber diese allgemeinen Begriffe auf etwas bestimm¬ tes anzuwcnden, werden wir zeigen, wie die ge¬ gebenen Regeln beym Uiberfttzen aus dem Lateini¬ schen ins Deutsche ihre Anwendbarkeit haben, und wie man bey dieser Arbeit die sich ergebenden Schwierigkeiten glücklich überwinden könne. Di« 14 Die Haupt scbwicrigkcit bcym Uibersctzen liegt nicht darin, den Gedanken des Autors zu ver¬ stehen. Leder, der sich daran macht, bringt we¬ nigst die gemeinsten Sprachkenntmsse mit. Dey dunkeln Stellen kann man immer bey den Inter¬ preten und guten Editionen und vornehmlich da¬ durch Rath finden, daß man die Vcrb'ndungen unter den Begriffen aufsucht. Eben so findet man oft in der Geschichte, in den Antiquitäten und in der Fabel die nöthigc Aufklärung. Um alles das zu leisten, was wir von einem Uibersctzcr oben gefordert haben, liegt dieHaupt- schwierigkcit für ihn in dem Unterschiede der latei¬ nischen und deutschen Wortfügung. Wir wollen nun den Genins der bcyden Sprachen, den der Uibcrsctzer vor allen kennen muß, betrachten und erst von der lateinischen, dann von der deutschen Wortfügung sprechen. Auf die Resultate davon werden wir sodann die Regeln der Uibcrsetzungs- kuust aus dem lateinischen ins deutsche gründen. Z. h. Von der lateinischen Wortfügung. Wenn wir Deutsche in der Setzung, und An¬ ordnung der Rede immer einerlei) Neg gehen müs- IZ müssen; so sind hingegen die Lateiner Herren über ihre Rcbeverbindung; sie setzen ihre Worte nach ihren Gefallen, entweder dem Ohre zu schmeicheln, oder den Verstand zu belehren, oder das Herz zu rühren. Bald stehet ein Zeitwort an der Spitze, dem sie auch einen andern Platz hät¬ ten anwcisen können, bald ein Bcywort, bald ein Nebenwort, nachdem cs der Vortheil der Redensart in Absicht auf den Wohlklang oder Nachdruck erfor¬ dert. Daraus kann man aber noch nicht schließen daß die Lateiner Versetzungen machen, wann sie wollen; daß sie an gar keine Gesetze gebunden sind; oder daß nur unsere Art zu setzen die ein¬ zige Ordnung der Natur ist, die bey den Cpra» chen die ewige Regel machen soll. Wir müssen vor allen erst die Ordnung kennen lernen, welche die Natur an sich selbst fordert; dann werden wir entscheiden können, ob die Lateiner dieser Ord¬ nung folgen, oder nicht. Der Gedanke ist ein innerliches Bild der Sachen; der Ausdruck ist ein äußerliches Bild des Gedankens. Wenn nun die Rede die Gedan¬ ken verstellen soll, wird sie dann in der natürli¬ chen Ordnung gesetzt seyn, wenn man das, waS Man eher denkt, auch eher ausdrücket. Z. B. Wenn ich i6 ich Brod haben will, so ist dieser Gegenstand das erste, was die Seele denkt- Nach der natürlichen Ordnung muß ich also sagen: kanem xraebe miki. Brod gieb mir. So schrieb ein General an den Senat: Brod gebt unfern Kriegern und ihr sc>)d des Sieges gewiß. -Vrma virum^ue cano, fängt Virgil an; und auch der Grieche: Ein auffallendes Beyspiel von dieser Setzung gicbt uns Tazitus im Leben des Agrikola, wo er so anfangt: Llarizzimorum virorum sgcta, nwres^ue posteris trsäere anti- ^ultur usitatum etc. etc. ganz in unserer angege¬ benen Regel, nach der Wichtigkeit der Begriffe gesetzet. Das wäre denn die Ordnung, welche die Natur des Denkens erheischte, und also die natür¬ liche; doch kann man eine Sprache, welche für alle, für studierte und den gemeinsten Mann, für Weiber und Kinder gleich das Mittheilungsmittel der Gedanken ist, nicht eher nach diesen natür¬ lichen Gesetz beurtheilen, bis man nicht die Ge¬ wohnheit, welche eine andere Natur ist, und be¬ sonders in diesem Punkt ihre Macht äussert, da¬ von abgerechnet hat. Alle Abweichungen, die man von der gezeigten Ordnung der Natur in den Spra- r/ chen findet , müssen dann ans Rechnung der Ge¬ wohnheit geschrieben werden, welche dann auch für jed,- besondere Sprache eine eigene Regel macht, die der Uibersehcr kennen muß, um das eigen- thümliche sowohl in der, aus welcher er überse¬ tzet, zu erkennen; und es daun durch das eigen¬ tümliche seiner Sprache wieder zu geben. Dieses Gesetz, welches die Gewohnheit in die Sprachen eingeführet hat, heißt die grammati¬ kalische Ordnung; man findet sie für jede Spra¬ che verschieden, da hingegen die Ordnung der Na¬ tur immer eine und dieselbe Wenn die gram¬ matikalische Ordnung für das Volk ist; so ist hin¬ gegen die natürliche Ordnung, die auf die Wichtig¬ keit der Gegenstände gegründet ist, für den Red¬ ner und guten Schriftsteller; indem er dadurch in den Stand gesetzt wird, die Menschen zu rüh¬ ren und zu gewinnen. Selbst der gemeine Renier wird viel anders seine Worte gesetzt haben, als rin Cicero oder Tacituö^ Wir können also den allgemeinen Grundsatz aufstcllcn: daß nach der Natur des Denkens durch die Sprache, welche der Ausdruck des Gedankens b ist, i8 ist, diejenigen Gegenstände zu erst dargestellt wer- den müssen, die die Seele am ersten fassen soll: ihnen gebührt die erste Aufmerksamkeit, welche allezeit die stärkcste ist, und die größte Wirrung macht. Wenn man nun die lateinische Sprache nach diesem Grundsatz beurtheilt, so wird man finden, daß sie vor allen andern der Ordnung der Natur in ihrer Wortfügung folgt. Daher die Freiheit der Lateiner den Nedcthcilen den Platz in der Rede anzuweiien, den der Gedanke, dessen Zei¬ chen das Wort ist, seiner Wichtigkeit nach erfor¬ dert. Romanns rum civi», sagt Scävola, beym Livius; und k-aviuz: Oivis ronmnur rum. Die Eigenschaft eines Römers war bey dem einen der wichtigste Begriff; bey dem andern war es die Eigenschaft eines Bürgers. Findet man aber in der lateinischen Sprache eine Abweichung von die¬ sem Gesetze, so muß sie allein dem Wohlklang und dem harmonischen Gange der Rede zu ge¬ schrieben werden, worüber nur das Ohr entschei¬ den kann: Doch da das Ohr bey der Sprache im¬ mer dem Verstaube untergeordnet feyn muß, so darf es auch nur in so weit Eingriff in die Rech¬ te des erstem machen, als die Rede mündlich vor- ge- getragen, dadurch wohlklingender wird, ohne dem Sinne etwas in seiner Starke zu benehmen. 6. §. Von der deutschen Wortfügung. Nächst dem daß der, welcher aus dem latei¬ nischen ins Deutsche übersetzen will, die lateinische Wortfügung kennen muß, muß er auch eben so die Gesetze der deutschen Wortfügung kennen, um zu wissen, wann die Natur seiner Sprache eine Abweichung von dem lateinischen Original cr- hcuscht, wenn beyde von einander unterschieden sind. Da ich bey meinen Zuhörern nur die ersten grammatischen Kenntnisse der deutschen Sprache voraussctzcn kann, so würden tiefere Spekulationen über die Analogie und bas Naturell' derselben jetzt noch für sie ganz unverständlich seyn Ich kann ihnen also für jetzt nur diesen Grundsatz ««geben, Laß sie nächst der Beobachtung der grammatischen Regeln nur immer darauf sehen müssen, ob die Setzung, die sie wählen, wirklich mit der deut¬ schen Gewohnheit sich auszudrückcn, die sie durch Lektüre und Beobachtung in der gewöhnlichen Um- b 2 gangs- 2O gangssprache sich bald eigen machen werden, über- einkümmt. Ich will nun die Regeln der Uibcrse- tzungskunst, als Folgen der bisher vorgetragcnen kehre, angebcn. >7- §- Allgen'.elne Regeln der lateinischen Uiber» setzungskunft. i. Der Uibersctzer darf sich nicht eher von dem Gang der Lateiner entfernen, als bis er durch den Verstand der Worte, oder durch die Reinigkeit ^ber Sprache, oder durch den Wohl¬ klang dazu gezwungen wird. Bleibt er aber bey der lateinischen Wortfügung auch dann noch, wenn sich das Deutsche nicht dazu bequemen will, so macht er einen Latinismus, der im Deutschen im¬ mer ein großer Fehler ist. So macht er einen La¬ tinismus, wenn er, aiunt cloctum cum fuisie mit: sie sagen, gelehrt sep er gewesen, übersetzt; da die deutsche Wortfügung zu sagen fordert; man sagt, er sey gelehrt gewesen. Kurz die erste Re¬ gel bey der Uibcrsctzung ist - Man lasse die Redever« bindungen so, wie sie in der Urschrift sind, wenn sich hepde Sprüchen gleich gut dazu be- quemmen. ». 2» 2. Der Uibersctzer muß die Art des Stils bcybehalten; er darf Perioden, wenn sie auch lange sind, nicht in Zwischensätze, noch den ab¬ gebrochenen Stil, wie der in Briefen ist, in Pe¬ rioden, verwandel». z. Die großen, glanzenden Gedanken müssen gleichfalls durch hohe Ausdrücke gegeben werden. Hier muß der Uibersetzer besonders sich bemühen, daß er nicht unter dem Originale stehen bleibe, sonst verliert die Uibersetzung. 4. Sowohl die Wort als Sachfiguren müssen beybchaltcn werden, wenn es das Deutsche zu¬ läßt: inglcichen alle Metaphern und Bilder; manchmahl kann es kommen, daß diese Meta¬ phern im Deutschen ungewöhnlich wären; dann muß man sie durch ein anders dem Deutschen an¬ gemessenes Bild ersetzen. 5. Sprichwörter, wenn sie nicht übersetzt wer¬ den können, müssen mit andern, die der Sprache, in die übersetzt wird, eigen sind und gleichen Sinn haben, gegeben werden 22 6. Umschreibungen können nur durch die höch¬ ste Nothwendigkeit entschuldigt werden, sonst sind sie allcmahl fehlerhaft. 8- tz- Besondere Regeln für einzelne Gattungen la« relnischer Werke. Die Hauptzattungcn lassen sich auf diese drey zurückbringen: auf die historischen, auf die red¬ nerischen und auf die poetischen Werke. I. Bey einem historischen Werke muß der Uibersetzer nebst der Ordnung der Erzählung auch den Charakter seines Autors kennen, und aus- drnckcn. Tacitus, zum Beyspiel ist kurz und gedrängt, voll Gedanken, die er nur durch einzelne Wörter oft hinwirft, voll Vergleichungen, wie sie nur der große Philosoph machen konnte. Der Uibersetzer muß nun diesen Charakter allenthalben hervor¬ leuchten losten. II. Bey der Rede muß der Uibersetzer immer bemüht scyn, den festlichen Gang, der allezeit der Rede eigen ist, bcyzubchaltcn, und besonders den Wohlklang und die Rundung zu seinem ersten Au¬ genmerk zu machen. HI. 2Z III. poetische Werke vollkommen zu überse¬ tzen, ist ein Werk des Genies, und fordert bey- nahe immer so viel Kunst als selbst ein Original. Davon kann also die Rede hier nicht seyn. Wir übersetzen die Dichter nur, um sic ver¬ stehen zu lernen, und aus ihnen die Regeln der Kunst oder vielmehr ihre Anwendung zu sehen; für diese Absicht ist es genug, wenn wir die Aus¬ drücke des Originals mit gleich starken 'geben können, wenn wir gleich kein vollkommenes Gan¬ zes daraus zusammen setzen können, das so ganz an die Stelle des Originals trcttcn könnte.