Norbert Oettinger Universität Augsburg CDU 801.52: 809.198.7-22 MITTELHETHITISCH HATTES SIE SCHLACHTETE> 1. Die Benennungsmotive des Terminus technicus 'schlachten' können unterschiedlich sein. Während man z.B. gr. sphäzö unter der Annahme von i-mobile etymologisch mit gr. pegnymi verbinden, eine idg. Wurzel *(s)pehjg-1 postulieren und so eine Grundbedeutung 'anpflocken, festbinden' ansetzen könnte, geht dt. schlachten von 'schlagen' und türk. kesmek 'schlachten' von '(ab) schneiden' aus. Bei den hethi-tischen Termini, nämlich huek-mi und hatt-a, hat B. Cop2 als Benennungsmotiv jeweils '(ab)stechen' wahrscheinlich gemacht. Und zwar verbindet er in plausibler Weise huek-mi 'schlachten' mit ap. a-vaj-am 'ich stach aus'3 und hatt-a 'schlachten' mit av. äfii- 'Verderben'4. 2. Die 1983 gefundene hurritisch-hethitische Bilingue, die eine mittelhethitische Niederschrift darstellt5, bietet in ihrer hethitischen Version eine neue Form des letzteren Verbs, nämlich hattes 'schlachtete'. Der Text handelt davon, daß der Wettergott und Suualiiatt-6, also gewissermaßen Zeus und Hermes, hinab in die "finstere Erde" gingen, um die Sonnengottheit der Erde und die Alten Götter zu besuchen und so für die Dauer eines Festmahls die Gegnerschaft zwischen Himmlischen und Unterirdischen außer Kraft zu setzen7. Bei der Festzubereitung spart die Sonnengöttin der Erde nicht (KBo 32.13 H 15 ff.): 15 nu SIG7 -an GUDHI A -un ha-at-te-es dIM-un-ni 1 Zur Rekonstruktion von gr. pegnymi vgl. R.S.P. Beekes, The Development of the Proto-Indoeuropean Laryngeals in Greek, 1969, p. 183. 2 Diese Zeilen seien dem Jubilar mit den besten Wünschen zu seinem Fest und zugleich auch zur Unabhängigkeit seiner Heimat gewidmet. 3 RHA 13, 1955, p. 63 f. und K. Strunk in: Hethitisch und Indogermanisch, edd. Neu und Meid, 1979, p. 241-256. Vgl. J. Puhvel, HED 3, 1991, sub "huek-". 4 B. Cop, Lingüistica 3, 1958, p. 52-68 und später; s. Puhvel, HED 3, sub "hat(t)-". Das Verbum av. Sú- selbst ist nach J. Kellens, Le verbe Avestique p. 113 A. 1 unsicher. Aus dem Fortsetzer von altiranisch *Si3i- entlehnt ist arm. ah 'Furcht'. 5 Vgl. E. Neu in: Sedat Alp'a Armagan/Festschrift für Sedat Alp, Ankara 1992, p. 394. 6 Suualiiatt- weist durch seine Wortbildung auf Entstehung im Hethitischen der Kültepe-Zeit, also am Beginn des Zweiten Jahrtausends. Das könnte dafür sprechen, daß diese Gottheit als hethitisches Pendant des Tasmisu der Hurriter, des Begleiters des humtischen Wettergottes, entstanden ist. Zu Tasmisu als einer Art Hermes vgl. W.Burkert in: Zweihundert Jahre Homer-Forschung (ed. J. Latacz) 1991, p. 170 A. 60; ders., The Orientalizing Revolution, 1992, p. 212 A. 15. 7 Vgl. E. Neu, Das Hurritische. Eine altorientalische Sprache in neuem Licht. Mainz-Stuttgart 1988, p. 15. 153 Hl A yfi 16 sal-la-i pi-ra-an SIG7-a« GUD ' -un ha-at-te-es 17 IE SIG? UDU UDUGUKKAL? + KUNHIA-«a ha-at-te-es 18 kap-pu-ua-u-ua-ar-ma ku-e-da-ni NU.GÄL 19 MAS.TUR-z SILA4-i MÄS.GAL-ia nu a-pi-ni-is-su-ua-an 20 ha-at-ta-at (15) Und sie schlachtete zehntausend Rinder vor dem großen (16) Wettergott, zehntausend Rinder schlachtete sie9, (17) auch schlachtete sie dreißigtausend Fettschwanzschafe. (18) Wo kein Zählen möglich war, (19) das waren Zicklein, Lämmer und Ziegenböcke, (20) soviel schlachtete sie (davon). 3. Wie man sieht, ist 'sie schlachtete' in 15-17 durch hattes, in 20 jedoch durch hattat ausgedrückt. Im Gegensatz zur ersten Form kann die zweite keiner der Flexionen des Aktivs angehören und ist daher medial. Sucht man nach dem Grund der Variation, so dürften metrische Gründe ebenso ausscheiden wie die Annahmen partieller Veränderung durch einen hethitischen Abschreiber oder eines Einflusses der hurritischen Vorlage. Das Hurritische weist nämlich zwar zwei verschiedene Verben auf10, doch sind sie anders verteilt: In 15 und 16, wo Rinder Objekt sind, ist uw-, in 17 und 19 hingegen, wo es um Kleinvieh geht, Sur- als Verb gebraucht. Es gibt jedoch deutliche Hinweise darauf, daß das betreffende heth. Verb im Alt-hethitischen als athematischer Stativ ("a-Medium") hatt-a und im Junghethitischen als halbvokalischer, aktiv flektierender Stamm hatta- erscheint11. So stellt sich Med.Prät.Sg.3 hatt-at (20) in eine Reihe mit ah. Med.Prs.Sg.3. ha-at<-ta>-ri (hatt-ari), PI. hatt-anta usw.12 und in Gegensatz zum Junghethitischen, wo Akt.Prs.Sg.3. hattai mit PI. hattanzi das Normale darstellt. Der im Ah. noch athematische Charakter wird nicht nur durch zahlreiche Ableitungen, sondern auch durch die vereinzelte Neubildung Akt.Prs.Sg.3. ha-at-zi13 des graphisch jungen Textes KUB 53.12 HI 24' bestätigt. 4. Unsere mittelheth. Bilingue zeigt nun mit hattes und hattat die Übergangsphase vom alten medialen zum jungen aktiven Gebrauch von hatt-. Man vergleiche den sprachlich ebenfalls mittelheth. Text KBo 6.34+ (StBoT 22 p. 59 ff.), der den Moment 8 E. Neu, ib. p. 7. 9 Die inhaltiche Wiederholung hat der Hethiter aus der metrischen hurr. Vorlage übernommen. 10 E. Neu in: XXIII. deutscher Orientalistentag. Ausgewählte Vorträge, ed. E.v. Schuler, 1989, p. 297. 11 Vg. Münchener Studien zur Sprachwissenschaft 34, 1976, p. 124-126. 12 Zu diesen Formen s. auch E. Neu, StBoT 5, 1968, p. 51 f. und StBoT 26, 1983, p. 61 f. Die Vorteile des athematischen Ansatzes von hatt- (nach unserem System: hatt-a) dürften nun deutlich werden. 13 Zutreffende Analyse hat-zi bei Puhvel, HED 3 1991, p. 254,249. Allerdings ist die vollständige semantische Identität von hatt-a (> jungheth. hatta-) mit hazzie-ml, von der Puhvel ausgeht, nicht gesichert. 154 konserviert, wo ebenfalls mediales sarrata 'übertritt' durch aktives sarrizzi abgelöst wird, aber noch nicht der gängige jungheth. Typ sarrai (wie hattai) eingetreten ist14. Unsere Form hattes erklärt sich nun als durch sprachwirkliche Anaptyxe aus *hatt-s entstanden15 und gehört zum Wurzelverb. 5. Sprachwirkliche e-Anaptyxe findet sich einerseits bei anlautenden *sr- und *tr- vor hellem Vokal der Folgesilbe, wie z.B. in heth. *teri- '3' < uranatolisch *tri- > *teri- > keilschriftluwisch *tärri-16. Dabei zeigt *tärri- Gemination nach B. Cops Regel (IF 75 p. 86 ff.), wie z.B. auch k.-l. tappas- 'Himmel' mit doppelter Media [bb] (nicht Tenuis \p]\) < uranat. *nebes-, Vergleichem.E. heth. s&r 'auf < uranat. *sri> k.-l. särri 'auf'. Im Inlaut findet sich e-Anaptyxe in *-sn- (> sen) wie etwa inpisena-'Mann' und parsina- 'Lende', nicht aber in deren (vermutlich anders akzentuierten) Ableitungen, und bei *-sk- (> sek) wie in tarsi(k)ke- 'jeweils sprechen' usw. Dagegen liegt in *-ksk- (> kesk) eine morphologisch bedingte Anaptyxe vor, indem *taksez(z)i 'er fügt' (vgl. tarsikke-) zunächst analog nach dem Plural zu *takszi restituiert und dann (ebenfalls sprachlich ) zu takkeszi erleichtert wird. Ebenso entstand auch unser hattes (und akkis, sakkis, uakkis, sähis), denn mit lautlicher Anaptyxe können wir es hier nicht zu tun haben, da auslautendes -z generell erhalten bleibt, wohl aber mit morphologisch bedingter, da es ein Vorteil war, wenn sich die Endung (-s) vom Stammauslaut abhob. Povzetek SREDNJEHiriTSKO HAÏTES 'ZAKLALA JE' Srednjehetitsko hattes 'zaklala je' je prav tako atematska oblika kakor tudi obstoječi hattat istega pomena. Vrivanje e-ja *hatt-s > hattes z glasovnega vidika ni nujno, torej je pogojeno oblikoslovno. Glasovno pogojeno vrivanje e-ja nahajamo nasprotno na primer v hetitskem sër 'na' < *sri in v pisena- 'mož' < *pesno-. 14 Vgl. N. Oettinger, Die Stammbildung des hethitischen Verbums, Nürnberg 1979, p. 184 ff. 15 Die Rückführung von hattes auf *hatta- 'is dürfte E. Neu, Das Hurritische (s.o. A. 7) p. 7 A. 12 zu recht mit Fragezeichen versehen haben. 16 Vgl. H. Eichner in: Indo-European Numerals (ed. J. Gvozdanovic), Berlin-New York 1992, bes. p. 71 f. 155