„^ //^ ^^ Reisen und Länderbetchreibnngen der «älteren und neuesten Zeit. Mit Karten. Seclisiiiiflzwiuizlggte JLieseruiigr* Vteise durch Nnßland nach dem KAU&ASlaCHEW ISTHMUS. Zweiter Band. H^P» Aufgeschnittene oder. ^schmutzte Exemplare werhe« nicht zurückgenommen« Neisen und Länderbeschreibungen der altern und neuesten Zeit, eine Sammlung der interessantesten Werke über Länder- und Staaten-Kunde, Geographie nnd Statistik. Herausgegeben von Ne. Eduard Wibenmann, 3!edactc>ir dlü Auslandcö, ««». Hermann Hauff, Redacteur dcö Morgsi!l'l»ittci>. Rste Lfg. Irlands gegenwärtiger Instand. Preis 1 fi. oder 16 gr. Hte — Mlgier wie eS ist. Mit einer großen Karte. 1 fl. 30 kr. oder 2t gr. 3te — Alexander Nurnes' Reisen in Andicn und noch Bukhara. Elster Band. Mit einem Steindruck. 2 fl. 30 oder 1 Nthlr. 12 gr. Hte — Washington Irvings Musslug ans die Prairien zwischen dem Arkansas und Red-Niver. 1 fi. oder 1 während die letztern mitten im lesgischen Kaukasus wohnend der jetzt dort herrschenden Kriege halber mir wohl unzugänglich bleiben werden. Daß die Alanen die Ossen sind, bezweifle ich, weil uns Ammian mit bestimmten Worten ihre Einwanderung erzählt. Sie fanden aber die ihnen stammverwandten Offen und ihre zurückgebliebenen Stämme schmolzen später mit diesen zusammen. Dadurch geschah es, daß in der spätern Zeit die Namen Offen (Assen oder As) und Alanen gleichbedeutend wurden. Die Ossen sind um so wichtiger als sie,Heine ächt indoeuropäische (und nicht wie einige wollen finnische) Sprache redend, hinsichtlich ihrer Körperconstitution und ihrer Sitten wiederum mit den Indoeuropäern und zwar am meisten mit dem germanischen Volke des blonden Stammes übereinstimmen. Dieser blonde Stamm zerfällt eben in drei große Völker, die alle drei der Reihe nach im und am Kaukasus ihre Sitze hatten. In den ältesten Zeiten wohnte das baskisch-keltische Volk daselbst, bis wahrscheinlich türkische Völker es verdrängten; dann nahm das germanische Volk deren Sitze ein, bis Finnen den größten Theil nach Westen trieben, und endlich erschien das Xl slawische Volk, vermischte sich vielfach mit den frühern Be< wohnern und machte zum Theil den späteren Mongolen Platz. Die Untersuchung der ossischen Sprache ist eine Hauptaufgabe meines gelehrten Begleiters. Nicht minder wichtig sind die Tscherkessen, ein unbeugsames Volk, das zum Theil noch gegen die russische Uebermacht kämpft und wahrscheinlich zum großen Theil kämpfend untergeht. Meinen anthropologischen und vergleichenden Untersuchungen nach sind sie ein Mischvolk der Türken mit Indoeuropäern, und die sprachlichen Forschungen des Hrn. Dr. Rosen werden lehren, in wie weit diese mit den meinigen übereinstimmen. Was endlich meine botanischen Untersuchungen anbelangt, so habe ich in mehreren Heften der Linnäa das Verzeichniß der gesammelten Pflanzen gegeben und in denselben einstweilen nur die neuen Arten mit einer Diagnose versehen. Das Geographische ist weitläufiger in diesem zweiten Theile meiner Reiseberichte niedergelegt und so eingerichtet, daß es Männern vom Fache und Laien zu gleicher Zeit genehm seyn wird. Auf der nun bevorstehenden Reise hoffe ich die Beiträge noch zu vermehren, um dadurch mehr in den Stand gesetzt zu werden eine Flora des kaukasischen Isthmus herauszugeben. Diese Flora soll aber nicht nur karge Diagnosen und trockne Pflanzen-beschreibungen enthalten, sondern vor allem die geographische Verbreitung der Pflanzen berücksichtigen und vergleichende Uebersichten mit den ihr verwandten Floren des Altai, Kleinasiens, Rumeliens, Griechenlands, Ungarns, Italiens Ill und der Alpen enthalten. Ich wünsche nur, daß dann alle die Männer, denen Sammlungen aus genannten Ländern zu Gebote stehen oder schon mir darin vorgearbeitet haben, mich mit Rath und That unterstützen mögen, um das leisten zu können, was ich gern möchte. So will ich denn getrosten Muthes zum zweitenmale das theure Vaterland mit allem was es mir Liebes enthält verlassen, um auf dem Altare der Wissenschaft aufs neue Opfer niederzulegen. Möge der gütige Himmel mich schirmen und schützen und meinem rastlosen Streben sein Gedeihen nicht versagen! Karl Koch. Siebenzehntes Eapitel. Neise iibcr den Kaukasus. WladiknifaK; Abgabe; Vie lautasische ^eismiße; Abreise Ingusche'!' da-'' novdossscl,e Gebilge; del ssluß Mafel und sei,, Tüal; aeolügische u„d l>otnnis>l,e Vemertmigen; ^!avs und die Schimitl'en: Dcnjel odev die ?»uU, ..ili^zi«,!,'. Lawine am Tsach-Pon; Guletbi; Dorf Kaobek: Flivst ckasbel: DiNnct ^l,ewi; mitMossiscbcö Gebirge; Vev>, Äabbek und seine Sage»; da?> Tl,al des Terek biö Kol'i i» sseoloqischer. bonnuschev ",,d to>'»>ivavt,!scher Einsicht; K^'di; die Turseu und Gudoschauvcn-, 3>n,s det> Tevek; ^ Uedevqa,,^ über den Kreüzberg; Kc,ischnuv: das siidossische (tzebir^e; die Oiöber^e: Mti„!ctl>i; die Gudomalaren; ^asa„ain,r; der Engpaß ^'>,'» TschlMal; E>"t,itl in Grusien; Anauur; geologische ,md botanische Nemertun^en; Duschet!', Mt'chttl,; An,- tuxfl in Tisliö. ÄNladikaukas bildet den Schlüssel zum Kaukasus, und konnte deßhalb keinen passenderen Namen als diesen, der übersetzt "Herr des Kankasus« bedeuter, erhalten. Es ist der bedeutendste Ort, den ich seit Stauropol gesehen habe, und muß mit der Zeit immer wichtiger werden, denn es bildet den Punkt, wo das nördliche Vorderasien den nordöstlichen Ländern Europas die Hand reicht. Die Stadt bestehr aus der Festung von nicht unbedeutendem Umfang und einer noch stärkern Befestigung, einem Quartier Inguschen und zwei Quartieren Ossen. Ein Bataillon Linien-militar, dessen Chef zugleich Commandant ist und auch die übrigen Festungen diesseits der Malta befehligt, bewohnt mit den russischen Beamten die Festung. Außerdem ist es nur wenigen russischen n»d armenischen Kaufleuten erlaubt, sich des Handels wegen dort aufzuhalten. Der Fluß Terek bildet hier die Gränze bischen Ossen n»d Inguschen, zweien einander völlig ungleichen Volkern, und da Wladikaukas auf beiden Seiten liegt, wird es "uch von beiden Völkern bewohnt, ohne daß diese sich einander genähert hätten. Ich übergehe hier die Beschreibung derselben, da Wladikaukas der einzige Ort ist, wo ich Gelegenheit hatte Inguschen zu sthen, und verweise hinsichtlich der Ossen auf ein späteres Capitel. Wer nicht im Auftrage der Krone reist, hat hier eine Abgabe zu entrichten, und nun kann man ungestört bis Tiflis reisen. Reisen u. Ländell'eschleiblnigci,. XXV i (Neise nach Kaukasien.) ^ s Diese Abgabe ist schon sehr alt, und alle Völker, welche der Reihe nach in diesen Gegenden herrschten, verlangten von den Reisenden einen oft nicht unbedeutenden Tribut. Trotz dem zogen aber asiatische und europäische Kaufleute diese rauhe und wilde Gebirgsstraße dem Wege längs der Westküste des caspischen Meers vor, da auf der letztern eine Menge kleine Fürsten ebenfalls Schutzgeld verlangten, ohne im Stande zu seyn oder den Willen zu haben ihre Schützlinge gegen Ueberfalle zu sichern. Die letzten Jahrhunderte hindurch herrschten am Terek die Fürsten der tagaur'schen Ossen und erhoben selbst von dem Könige Grusiens einen besondern Tribut. Außerdem mußte ihnen noch in Tiflis freies Quartier gegeben werden. Dafür schloffen sie sich aber auch den Heereszügen der grusischen Könige an. Jeder Reisende mußte für die Sicherheit seiner Person 10 Rubel Silber (fast 11 Thaler) bezahlen. Diese Abgabe blieb auch noch, als Rußland Herr von Grusien wurde. Nach dem persischen Kriege, wo einzelne taganr'sche Fürsten sich den Russen feindlich gezeigt hatten, wurde ihnen die Abgabe entzogen und die Krone nahm sie dafür in Empfang. Seit sechs bis acht Jahren hat man auch diese abgeschafft und es herrscht nun zwischen Asien und Europa freier Verkehr. Die Regierung sorgt für die Erhaltung des Weges und läßt sich dafür in Wladikaukas die geringe Entschädigung von 25 Kopeken Silber (8 Silbergroschen) für jedes paar Pferde, Ochsen oder Büffel, für ein Kamel aber 50 Kopeken zahlen. Wladikaukas besitzt eine Lage, der sich gewiß nur wenig Orte erfreuen. Am Fuße des mächtigen Kaukasus und am südlichen Ende einer fruchtbaren, reizenden Ebene breitet es sich besonders auf dem rechten Ufer des Terek aus. Wenn auch sein Inneres noch nicht der romantischen Gegend entspricht, so sieht man doch schon in der Stadt die ersten Spuren der europäischen Cultur. Gegenüber auf dem linken Ufer des Terek liegt das ossische Dorf Safali und südlich, kaum einige Werste entfernt, die Weiler Aret und Bohomet. Ueber dem letztem erhebt sich ziemlich steil der erste Verg des eigentlichen Kaukasus, der II aus Kalk bestehend, und dicht mit Laubholz bewachsen. Leider wurde der Wunsch, seine Höhe zu besteigen, der Gefährlichkeit halber mir nicht erlaubt, und so konnte ich hart an seinem Fuße mich nur der üppigen Entfaltung der Kinder Florens erfreuen. Sie waren im 3 Allgemeinen nicht verschieden von denen, wie ich sie in der Ka-bardah geschildert habe, und ich freute mich, neben manchen einheimischen Pflänzchen doch viele Fremdlinge zu sehen. Auch unser Jelängerjelieber (I.onio«i.i (^ln-ilnlinm I..) schlangelte sich (leider ohne Blüthen) durch das dichte Gebüsch eines Zaunes. Auf einer Seite beengt der II das Thal des Terek so sehr, dasi sich zwischen beiden nur ein schmaler Pfad hinzieht. Auf dem andern Ufer zieht sich aber fast dieselbe lackende Ebene noch eine Meile fort. Bevor ich meine Reise weiter verfolge, wird es wohl noth-wendig, etwas über die große Heerstraße, welche den Kaukasus in einen westlichen und östlichen theilt, zu sagen. Allem Anscheine nach ist sie sehr alt, und wenn auch weder Merander der Große noch Pompejus trotz der allgemeinen Sage hier gewesen sind, so war sie doch auf jeden Fall schon damals bekannt, und Pompejus hat wenigstens den südlichsten Theil derselben betreten. Seitdem Rußland seine Absichten auf den Kaukasus und auf Grusien ins Leben treten ließ, war auch sein erstes Augenmerk auf diese wich« tige Straße gerichtet, und nach unsäglichen Opfern ist es ihm endlich gelungen, sie für Fuhrwerk gangbar zu machen. Sie verfolgt den Lauf des Terek bis auf die Höhe des Kreuzberges, um dann, nachdem sie 7000 Fuß aufwärts gestiegen, wieder abwärts die weniger reißende Aragua zu begleite». Besonders ist es der Terek, welcher vermöge seines wilden Wassers und der vielen Bäche, die aus den nahen Gletschern in ihn sich münden, die meisten Schwierigkeiten in den Weg legt und nicht selten dem Wanderer ungeheure Felsenblöcke entgegensetzt. Im Frühjahre, wenn der auf den Höhen angehäufte Schnee schmilzt, schwillt er zu einer fürchterlichen Hohe an, und reißt alles wildbrausend mit sich fort. Wochen lang war früher oft die Straße gesperrt, und man war gezwungen mit Geduld die Zeit zu erwarten, wo die passer verlaufen waren. Regelmäßig alle sieben Jahre fallt vom elsigen Kasbek eine Lawine und verschüttet das ganze Thal mit ungeheuren Massen von Schnee. Mit einem Wagen zu passiren lst in dieser Zeit nicht möglich, mid selbst zu Pferde oder zu Fuße ist man den größten Gefahren ausgesetzt. Alljährlich hört man von Unglücksfallen, die sich hier zugetragen, und Jedermann, der die Straße in der neuesten Zeit passirt hat, gratulitt sich, wenn er die Gefahren und Mühseligkeiten überstanden hat. Wenn sie schon 1* 4 im Sommer nur mit großer Mühe passirt werde» kann, so ist es noch schwieriger im Winter, besonders wenn Schneegestöber sich einstellen. Frau v. Freigang hat in ihren Briefen die lranrigste Schilderung ibres Ueberganges über den Kaukasus gemacht, nud nicht selten wnrde mir sehnliches von spateru Reisenden erzahlt. Und doch ist diese Straße noch die beste nnd bequemste, es ist die Strasie, welche selbst die Zugvögel gehen. Auster ihr eristiren noch drei, von denen aber nur eine für Reisende gangbar ist. Es ist dieß die Straße längs der Westküste des caspischen Meeres, die aber, außer unsäglichen Plackereien mit den kleinen Fürsten daselbst, nicht weniger Mühen und Gefabren bieten soll. Die beiden andern befinden sich km Westen, und die eine ist vou mir später zum großen Tbcil untersucht worden. Sie verfolgt den Lauf des Uruch und übersteigt die Riongletschcr, um von da in das Thal des Rion zu gelangen. Die dritre Straße endlich ist die alte Handelsstraße des nordlichen Asiens mit Dioskurias, und verfolgt den Lauf des großen Indschik und des Kodor. Von Wladikankas an wird der Weg sicherer; die zehn tagauri-schen Fürsten sind zwar ab- und zur Ruhe gewiesen, erhalten zum Theil aber doch eine Pension (wie man das Abfindegeld für das Versprechen, Ruhe zu halten und auf Nuhe zu sehen, nennt). Die Ordnung ist meisterhaft, und seit vielen Jahren wurde die Straße zu jeder Zeit des Tages nud der Nacht betreten, ohne daß eiuem Reisenden irgend ein Unglück pafsirt wäre. Aus dieser Ursache ist der Reiseude von hier aus sich selbst überlassen, und kann reiseu wie und wann er will. Nur uns (mir und meinem Reisegefährten) oder vielmehr dem Gelde, was dieser bei sich führte, wurde eine kleine Begleitung von Kosaken, die auf der ganzen Heerstraße eine Anzahl bestimmter Posten zu besetzen haben, mitgegeben, und so fuhren wir am Morgen des 1 Septembers aus Wladikaukas wiederum auf das linke Ufer des Terek, um dem 25i Meilen entfernten Tifll's zuzufahren. Es ist noch gar nicht lange her, daß dieser Weg zum großen Theil nur zu Pferde gemacht wcrden konnte, nnd man war selbst noch gezwungen an den gefährlichen, Stellen abzusteigen. Für die Anwesenheit des Kaisers in Grnsien im Iabre 183? wnrdeu mehrere Bataillone „nd außerdem eine große Menge Menschen beanfnagt, die Straße in mir einigermaßen fahrbaren Anstand zu setzen. 5 Wir hatten im Anfange unserer Reise auf der einen Seite den Terek und die westlichen Abhänge und Schluchten des bewachsenen II, auf der andern Seite hingegen dieselbe Ebene allmählich sich verengernd, bis sie nach einer Meile Wegs durch einen nordöstlichen Arm des nordossischen Gebirgszuges, der hier den Namen Gämachta führt und ebenfalls aus demselben Kalk besteht, „ach Suden geschlossen wird. Das Dorf Babatchoch befindet sich dort, aber den Eingang selbst besetzt die kleine russische Befestigung Redant. *) Wahrend der Gamachta das rechte Ufer des Terek beengr und den Weg zum Theil schwierig macht, erweitert sich nun das Thal auf der andern Seite. Der II selbst verläuft sich südlich und steht durch den unbedeutenden Verg Konkur mit dem Suudschagebirge (die Matschen - Verge von den Einwohnern genannt), was nur eine Forcsetzung dcs iwrdossischcu Gebirges bildet, in Verbindung. Eine Menge kleiner Bache entströmen besonders dem Konkur und machen das Thal im hohen Grade fruchtbar. Die Steppenkräuter vereinigen sich hier mit denen der subalpinen Form. Klaproth *") nennt hier einen Fluß Senkagin, ein Name, nach dem ich vergebens gefragt habe. Alle Bache führen den Namen Konkur. Die Inguschen, jenseits des Konkur, bewohncu eine schone Hochebene, welche der tarökische Kessel genannt und von einer Menge die Kumbalei bildender Bäche bewässert wird, und kommen im Commer häufig in das Thal des Terck, um ihre Schafe daselbst weiden zu lassen. Der Besitz desselben gab früher zwischen den ossischen Tagauren und Inguschen hausig Anlaß zu Streitigkeiten, lmd erst der russischen Regierung wurde es möglich, diese durch Gewalc zu beseitigen und den Besitz des gauzen Thales deu Ossen zuzusprechen. Diese erhalten deßhalb von den Inguschen eine jahr- l'chc Abgabe au Naturalien. Das Dorf Bükau (Vuschua nach Klaprvrh) liegt mitten im Thale, auf der linken Scitc hingegen befindcr sich daß Dorf Valta, was Klaproth Valrasch genauut haben IM. Der unbedeutende Bach, den Dubois Sau-Don nennt, bildet kaum ein Thal. Wenige Werst von Valta entfernt wird das Thal des Terek *) Redant bedeutet eigentlich schon cmc kleine Befestigung im Russischen. **) Klaproth Reise; Band I, Seite 659. s pldtzlich so euge, daß man gezwungen war den Weg in Felsen zu hauen. Der Masarodschin auf der linken und der Dik auf der rechten Seite bestehen aus einem schwarzlichen Thonschiefer, der nur der Gewalt des reißenden Terek allmählich nachgegeben hat, und besitzen im Thale selbst jähe und schroffe Felsenwande, in deren Klüften armselige Kiefern und Wachholder kaum hinlängliche Nahrung finden. Es war das erstemal, wo mir der eigenthümliche wilde Charakter des Kaukasus in seiner ganzen Schönheit entgegentrat. Leider erlaubte mir das unfreundliche Wetter, was in einem feinen Regen bestand, nicht, die Gegenden naher in Augenschein zu nehmen, und ich gebe hier vieles, was ich erst im December des Jahres 1837 beobachtete, um bei den einzelnen Schilderungen so vollständig als möglich zu seyn. Der Weg war zu gefährlich, um in dem Wagen ruhig senn zu können, und trotz der sechs Pferde, die vorgespannt waren, kamen wir nur langsam vorwärts. Ich stieg aus, warf die Botanisirbüchsc über den Rücken und wanderte dem reißenden Terek entlang, um mit dessen Pflanzen etwas naher bekannt zu werden. Der schöne I^inantiiu« aiien^U« L. wucherte üppig zwischen großen Felsblöcken des Ur- und Uebergangsgebirges und eine hübsche Vorcmic^ der ^llun^uiari» NL. ähnlich, aber wohl verschieden, überraschte mich durch die Neuheit ihrer Form. Leider wurden alle hier gesammelten Pflanzen bis auf wenige Ausnahmen durch die anhaltende Nässe schwarz und zum großen Theil selbst unbrauchbar. Vei dem Dorfe Maksimkin fand ich einen großen Baum iu Form einer Brücke über den Terek gelegt, und da mir von den beiden Deutschen, welche uns auch von Madikaukas an von neuem begleiteten, gesagt wurde, daß nach einer Stunde Wegs wiederum eine Brücke über den Terek führe, so entschloß ich mich das jenseitige Ufer, was noch weit romantischer war, zu besuchen. Unser Wagen ging nur Schritt vor Schritt vorwärts. Ein kleiner aber wildbrausender Bach Makel-Don stürzte sich im eigentlichen Sinne des Wortes zwischen oft mannshohen Fclsblöcken hindurch in den Terek, und sein Bett lehrte mich das Gestein der entfernten Berge kennen. Die größten Massen bildete derselbe Thonschiefer, ein feinkörniger dunkelfarbiger Porphyr, Syenit und Diorit. Die südlichen Abhänge des Thonschiefergebirges der nördlichen 7 Gebirgskette unterscheiden sich wesentlich von denen der nordlichen dadurch, daß ihre Felsenpartien noch wilder, romantischer und zerrissener erscheinen. Man sieht bei ihnen die Wirkung der einst hier durchgebrochenen plutonische» Gebilde, von denen mehrere bedeutende Hebungen nach nnd nach erfolgt seyn müssen. In drei jähen Armen verläuft sich der Dik südwestlich in den Winkel, der durch den Terek und Makel gebildet wird. Es geht allgemein die Sage, daß Alexander der Große (der überhaupt nach dem Glauben aller Kaukasier hier eine wichtige Rolle spielte) an dieser Stelle eine geräumige Höhle mit vielen Zimmern habe einHauen lassen, um daselbst die schönsten Madchen fern von ihren Verwandten einzusperren. Das Innere dieser Gemacher sey mit herrlichen Tapeten ausgeschlagen und mit prachtigen Teppichen belegt. Vor einigen 50 oder 60 Jahren habe man ein Zimmer davon noch betreten können, allein seitdem wäre ein ungeheurer Fels heruntergestürzt und habe das Zimmer begrabe,,. Der Theil des Berges führt noch den Namen Iungfrauenberg. Es gibt wenige so unbedeutende Thaler, als das des Makel, die eine so starke Bevölkerung besitzen: 28 Dörfer und Maiereien (Vagir, Kalmükau, Dallag-Kau I^Kau bedeutet Dorss, Unter-, Ober-Obin, Gaudsi, Ronpi, Bain, Memor, Gamschki, Kausik, Futchal, Mischal, Garaka, Ulag, Arsi, Koschko, Malordso, Knrach, Tarschi, Sohoan, Bälgül, Salgi, Gu, Chuli, Cheri, Lalaga und Kodsi) von Inguschen und Ossen bewohnt, füllen alle einigermaßen ebenen Stellen aus, und eine Menge Viehheerden weiden den ganzen Sommer hindurch auf den krauterreichen Matten, besonders der Thonschieferfelsen. Ich habe schon früher die Beobachtung gemacht, daß der Thonschiefer in der Regel wasserreicher ist und daher den Wuchs der Alpenpflanzen im hohen Grade begünstiget. Die schroffen, oft senkrechten Felsen faud ich zum großen Theil feucht und mit niedlichen Steinbrecharten, be-londers äaxil'rn^ juni^oiina ^clain», Nlugooiäoz Wulk. und Hir-^' ^lsino reeurva Doc., au^triaca Doe., /Vrongria Hu» Io5tca NL., oxalic ^oot<)5o!Ia 1.. und ^bis äldicla 8wv., dle wohl kaum, wie der scharftrennende C. A. Meyer schon sagt, von .chim» ^ unterschieden ist, besetzt. An dürren Stellen in Klüften, wo kaum der Felsen mlt Erde bedeckt war, bildeten Glockenblumen, besonders campanula ^äümi KL. und coliina ww. I »Mrs Saxifraga juniperina Adams, muscoidcs Wulf. unb Hir-J- * Alsine recurya Dec., austriaca Dec., Arenaria Ho-lestca MB., Oxalis Acetosclla L. unb Arabis albida Stev., btC wohl kaum, wie der scharftrennende C. A. Meyer schon sagt, von .chim» ^ unterschieden ist, besetzt. An dürren Stellen in Klüften, wo kaum der Felsen mlt Erde bedeckt war, bildeten Glockenblumen, besonders campanula ^äümi KL. und coliina ww. 8 ill niedlicher Form und Nelken (Niainliuz onuegzicu» ML., mon» t,i»nl,5 NN. und «uaiudonz ^Vü.) dichte Raseu. Vergebens suchte ich aber »ach der hübschen (^un^i»nula »Iliin-1 l«!i« (^. V. Nl-)'., welche neben vielen andern Seltenheiten der unermüdliche Meyer zuerst aufgefunden hat. Im Süden wird der Makel-Do» vom Dschagrüsch eingeschlossen, und dieser beengt zu gleicher Zeit westlich den Terek auf eine solche Weise, daß es mir unmöglich wurde, ohne großen Gefahre» mich auoznsetzeu, meiue Wanderung längs des rechten Ufers des Terck fortzusetzen. Der Dschagrüsch übertrifft noch an senkrechten Felsenpam'en und ungeheuren Abgründen die südlichen Abhänge des Dik und läßt noch deutlicher die Spuren des einst fürchterlichen Kampfes Vulcans mit unserer Muttererde erkenneu. Ein nur wenig aufmerksames Auge sieht, »vie die Hebungsmassen den Thonschiefer zerrissen und das iin innern Schooße der Erde neu verfertigte Gestein an das Tageslicht kam. Auf den Thonschiefer folgt eine Porphyrbreccie, und diese wird alsbald von einem feinkörnigen Dioric oder Syenit vertreten. Vergebens suchte ich nach einer Brücke, die mich wiederum auf das linke Ufer des Terek bringen sollte, und so mußte ich mich bequemen den Fluß zu durchwaten, um zu dein gegenüberliegenden Lars zu gelangen. Es war lange Mittag vorbei, als wir daselbst ankamen und uns und den Pferden die kurze Ruhe von iVü Stunde gönnten. Leider erhielten wir nach dem abscheni lichen Wege von über 3^ deutschen Meilen keine frischen Pferde, und waren gezwungen mit unsern müden Gäulen noch 2'/- Meilen bis zur nächsten Poststatiou Kasbek zu fahren. Die beiden Deutschen blieben zurück. Lars liegt hart am Fuße der nördlichsten Kuppe des Kasbek, die den Namen Kaidschin führt, und besteht jetzt nur noch aus einigen unbedeutenden Häusern für die hier liegenden Soldaten und Angestellten. Früher benannte man so mit diesem Name»» die Burg, welche auf einem vorspringenden Felsen lder ebenfalls aus Thonschiefer besteht) erbaut ist und >mn in Trümmern liegt. Auf ihr residirte früher ein Fürst der tagaurischen Ossen und ließ sich die Erlaubuiß des Durchgangs von jedem Reisenden theuer bezahlen. Wenn man den Nachrichten Klaproths trauen darf, so war früher das ganze Thal von Lars bis Madikaukas von In- 9 guschen bewohnt und walagir'sche Osscn, die Feindseligkeiten halber aus ihren Thälern hierher flohen, zahlten den erster« im Anfang einen Tribut. Mit der Zeit machten sie sich unabhängig, und mit dem Beistände der Russen unterwarfen sie sich auch das Thal des Makel-Don. Nach ihrem Hauptorte Schim erhielten sie den Namen Schimithen, und das ganze enge Thal von Valta bis Lars wurde Schimith genannt. Ihre vier Dörfer waren Balta, Schim (Tschim oder Zmi-Kau, auch Mag geuanut), Dallag-Kau und Lars. Mit Ausnahme Valta's haben die Sä)imitheu (welche sich übrigens zu den Tagauren und nicht zu den Walagiren rechnen) das ganze Thal des Tcrek den Nüssen überlassen uud dafür das Thal des Makel«Dou erhalten. Dort haben sie ihre Dörfer wieder erbaut und sind unter russischer Oberherrschaft machtiger als je. Klaproth neuut die Fürstenfamilie der Schimithen Slonathe, mir hingegen wurde sie Dudarathe genannt. Sie bekennt sich zwar zur mohammedanischen Religion wie die übrigen Fürstenfamilien der Tagauren, mehrere Glieder sind aber in russische Dienste ge-treren und haben die christliche Religion angenommen. Besonders zeichneten sich die zu Lars früher residirenden Fürsten durch ihre Treue gegen Rusiland aus, und wurden dcsihalb der Gegenstand des Hasses für die Bergvölker. Die übrigen ossischen und sämmtliche tscherkcssische Fürsten sahen sie nicht mehr für ebenbürtig an uud vermieden alle engern Verbindungen mit ihnen^ Auch die Inguschen, welche in die hdhcrn Gegenden des Ostens zurückgedrängt waren, haßten die Schimithen, und als ein Fürst von Lars, der damals Commandant iu Wladikaukas war und die christliche Religion angenommen hatte, im Jahre 183l vou der russischen Regierung den Auftrag erhielt, bei den Inguschen Be-kchrungbversuche anzustellen, wurde er erschlagen. Der Weg von Lars bis Kasbek gehört zu den schlechtesten ""d gefährlichsten der ganzen Heerstraße, und jeder Reisende kann s'ch granllireu, wenn er semeu Wagen glücklich bis Kasbek bringt. "'s war cs nicht vergönnt, denn schon nach iV- Stunde Wcgs brach die Vorderachse. Einer unserer Kosaken ritt schuell in das nahe Darjel »nd ^^^ ^^ ^ ^ ^, ^,, fertigen Achsen, die allenthalben von den Bewohnern vorräthig gehalten »verden. Der Kaidschi,, „nd der Dschagrüsch engen das Thal auf eine Weise ein, daß es selbst dem Terek versagt ist, sich wie sonst 10 auszubreiten. Die Ossen nennen die engste Stelle, wo nur wenige Stunden um Mittag die Sonne scheint, Himmelsthal (Arwe, Kum), und im vorigen Jahrhundert war jeder Reisende hier gezwungen den habsüchtigen Ossen einen Theil seiner Habe zurückzulassen. Die überhangenden Felsen drohen jeden Augenblick alles was unter ihnen befindlich ist zu begraben, und klopfenden Herzens eilt man durch den gefährlichen Engpaß. Eine Brücke führt alsbald auf das jenseitige Ufer des Terek, um auf einer zweiten wiederum auf das diesseitige zu gelangen. Bei Darjel führt eine dritte Brücke von neuem auf das rechte Ufer. Der Mond stand am Himmel, als wir nach fünf Stunden großer Mühen endlich in Darjel ankamen und uns gezwungen sahen hier zu übernachten. Der freundliche Commandant nahm uns in seinem Hauschen auf und bewirthete uns so gut, als es eben in einer solchen schauerlichen Gegend möglich war. Sein offenes zuvorkommendes Wesen bildete einen großen Contrast mit den wilden Umgebungen. Er war in Deutschland gewesen und erinnerte sich besonders noch Sachsens. Sein Auge glänzte und seine Stimme wurde lebendiger, als er die Kriegszüge von 1812 bis 1815 mir erzählte, und leid that es mir, bei dem sehr gebrocheneu Deutsch, das er sprach, ihm in seiner Rede nicht folgen zu können. Alle Russen, besonders die niedern Officiere, die zur Zeit der französischen Occupation oder der Freiheitskriege in unserm Vaterlande waren, haben Deutschland lieb gewonnen und sprechen gern von den Zeiten, wo es ihnen dort wohl ging. Sachsen ist aber das Land, was sie vor allem übrigen lieben und es vorziehen. Seit mehreren Jahren hatte er den Posten eines Commandanten in Darjel bekleidet, und es kann deßhalb nicht auffallen, wenn diesen ehrlichen Russen eine große Sehnsucht, die nur der strenge Dienst zurückzuhalten vermochte, nach dem eisigen Norden ergriff. Der Sinn für Naturschönheiten war aber trotzdem in seiner Brust noch lebendig, und fast zudringlich stürmte er so lange in mich ein, bis ich mich entschloß, durch ihn geführt, die Schönheiten Darjels bei Mondenschein zu betrachten. Der Mond stand im vollen Glänze über uns und beleuchtete mit seinem sanften Lichte die wild-romantischen Felsengruppen. Die Stille des Abends wurde nur durch das rauschende Wasser des Terek unterbrochen. Kaum 1000 Schritte von unserm Häuschen entfernt vernahm ich n aus der Feme ein tobendes Brausen, wie wenn eine wilde Fluch in ihrem Laufe beengt ihre Ufer überschreitet und alles mit sich fortzureißen droht. Aengstlich sah ich vor mich hin, und der Gegend allmählich mich nähernd, erblickte ich einen kleinen Berg-fiuß — Karachy, der sich zwischen den nördlichen Dschagrüsch und den südlichen Kum hindurchdrängt, um sich mit dem Terek zu vereinigen. Bei einem Falle von oft 20 bis 30 Grad stürzte er sich über Fels und Stein westlich laufend herab und erreichte fast nur als Schaum den Terek. Man sollte kaum glauben, daß es möglich wäre in seinem fast unzngänglichen Thale sich anzusiedeln, und doch befindet sich in ihm das Dorf Wcdschal. Die Karachy erinnerte mich lebhaft an den Gießbach oder Reichenbach in der Schweiz, und wie dort wurde ich in seiner Nahe allmählich naß. Von hier gingen wir wieder zurück und überschritten die Brücke, um die alce poi-la c^uc^lea, den berühmten kaukasischen Engpaß, in dem ich mich eben befand, zu besichtigen. Der Terek hatte kaum Platz mir seinen schon zusammengedrängten Wassern hier dnrch zu fließen, und mit Hülfe der Kunst hat man daneben einen schmalen Weg, wohl schon seit langer Zeit, gebahnt. Auf beiden Seiten gehen die Felsen senkrecht herab, und mit Necht hat man dem Engpaß den Namen eines Thores gegeben. In einer Höhe von 300 Fuß flacht sich auf der linken Seite ein Protogynfelsen ab, und der kühne Mensch hat die Flache zur Erbauung einer Burg benutzt, um von da die ganze Heerstraße zu beherrschen. Wer sie erbaut hat, weiß man nicht mehr, die Burg scheint aber uralt zu seyn. Im Kaukasus wird ihre Erbauung fast allgemein Aleran« der dem Macedonier zugeschrieben, nach der grusischen Geschichte hingegen soll sie vom Könige Mirwan, der zwischen den Jahren 167 bis 123 v. Chr. regierte, gegen die häufigen Einfälle der Chasaren errichtet worden seyn. Massudi laßt sie endlich durch be« Persischen Isfendiar, den Sohn Guschtasps (Darius Hystaspis der Grieche»), erbauen. Plinius kennt die Burg genau und gibt thr den Namen Cumania, aber schon vor ihm hat Strabo weitläufig über die Hauptpasse im Kaukasus gesprochen. Unter den Byzantinern ist P^p, der sie ebenfalls beschreibt und sie auch von Alexander erbaut seyn läßt. Aus ihm ersehen wir ferner, daß die Hunnen sie später in Besitz nahmen. Ein gewisser Amba-zukes wollte sie dann dem Kaiser Anastasius übergeben. Darauf is wurde sie von Griechen >md Persern gemeinschaftlich besetzt, und endlich kam sie »ach und nach in die Hände aller der Völker, die im Mittelalter hier eine wichtige Rolle spielten. Mcnander gibt ihr den Namen Darina und läßt den byzantinischen Gesandten Zemarchos durch sie seinen Weg nehme». Zosimns ueunt sie die marpesischcu Passe, und die Orientalen, besonders die Perser, haben ihr den Namen Vab al Allan (Pforte der Offen) gegebc». Iakuli, ein arabischer Schriftsteller dcs 1Atc« I'Mhiluderts, „cnnt sie Darineiit. Bei den Offen wird sie Dairan, bei deu Almeniern Tarial und bei den Grusineru Darima oder Chewiokari, d. h. Thor des Thales genannt. Ueber die Ableitung des Namens ist man verschiedener Meinung; anf jeden Fall ist das Worr sehr alt und wohl nur aus der alt-türkischen Sprache abzuleiten. Der zweite Eugpasi am caspischen Meere, Derbend, hat wohl denselben Ursprung. Die Sage, daß eine Königin dieses Namens hier einst geherrscht habe, beruht auf keiner geschichtlichen Grundlage. Nach Wachuschc ^) soll das Wort Sieger bedeuten. Am besten ist ohne Zweifel die schon bekannte Ableitung aus dem Türkischen Dar-Iol, d. i. Thorweg. Wahrscheinlich wurde sie erbaut, um die nördlichen Barbaren von den Einfällen in die südlichern Provinzen abzuhalten, und wenn auch :ncht ein eisernes Thor, wie die Sage geht, den Engpaß verschloß, so ist doch wenigstens richtig, daß eine Mauer anf beiden Seiten dcs Terek aufgeführt wurde, um den Pafi ganz zu verschließen. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts solleu noch Spuren vorhanden gewesen seyn. Daß diese Mauer gleich der chinesischen über den Kaukasus sich ausgebreitet habe, ist unglaubhaft, und die Spuren vou Mauern, welche man im Osten in der Nahe von Derbend oder im Westen in der Melda jetzt „och findet, hingen auf keinen Fall mit dieser zusammen, sondern verschlossen nur eine gangbare Straße, die erste die große Straße langst des caspischei, Meeres, die zweite den alten Handelsweg nach Diookurias. Ebc>, so erbauten die Mingrclier nach Lamberti vor nun fast AOU Jahren eine große Mauer iu der Nähe des Elbrus gegen die Einfälle der Tscherkessen. *) Description de la Gcorgie par Ic Tsarcwitch Wafchoucht, tra^ duite par Br 0395t pag. 229. 13 Jetzt hat man die Burg, welche bis auf die Besitznahme durch die Nüssen von Grusieru besetzt war, verlassen und einige unbedeutende Hanser, in denen eine kleine Anzahl Soldaten wohnen, anf die gegenüber liegende Seite des Terek erbaut. Selbst die Ruinen sind nur unbedeutend und eine kaum mehr gangbare Treppe führt auf die Hdhe. Eine zweite Treppe führte früher an das Ufer des Terek und war bis an dasselbe mir einer Mauer umgeben. Auf dem westlichen Abhänge sieht mau eine große Cisterne. Der Raum oben ist beengt und erlaubt dnrchauS nicht, wie Reineggs will, daß daselbst Getreide gebaut werden könne. Kaum grame der Morgeu, als wir uns wiederum in Bewegung setzten, um doch nicht weiter als bis zu dem acht Stunden entfernten Kobi zu kommen. Dieselben Pferde mußten uns nock bis zu dem drei Stunden entfernten Kasbek bringen. Mit Darjel halten wir das alte Königreich Grusien betreten und befanden uns in dem von Ossen und Grusiern bewohnten District Chewi (d. i. Thal). Der Weg war noch schlechter als vor Darjel, und bis zu dem kaum V? Stunde entfernten Bache Tsach-Don (Defdaroki grnsisch) brauchten wir fast zwei Stunden. Steinblöcke von mehreren Fuß im Umfauge, grobes Gerölle und nicht unbedeutende Locher machten das Weiterkommen im hohen Grade beschwerlich. Mir war der Aufenthalt gerade erwünscht. Stannend stand ich an dm schroffen Felsenwanden der westlichen Abhänge des Kasbek und Kaidschin und bewunderte die Werte einer großartigen Natur. Ans den Schluchten vom Kasbek herab stürzten sich außer dem Tsach - Don eine Menge kleine Backe und bedeckten das linke Ufer des Terek mit Steinen und Gerölle. Hier ist die Stelle, wo in der Regel alle sieben Jahre eine große Lawine herunterstürzt, "m das ganze Thal des Terek zu verschütten. Auf einem nord-westll'chel, Vorsprung des genannten Berges häuft sich nämlich nach "'b „ach d^. Schnee in uugehcurcn Massen an, und wenn der "sprnng diese nicht mehr erhalten kann, so löst sich meist im ^Ikll Sommer die ganze Masse und rollt, alle» aufgehäuften Schnee des Weges mit sich fortreißend, mit einem fürchterlichen Getose, das weit durch das Gebirge schallt und die ganze Umgegend erzittern wachr, in der Regel längs dcs Thales des Tsach-Don herab, das des Terek ganz verschüttend. Der reißende Fluß, ln seinem eiligen Laufe aufgehalten, schwillt alsbald an und droht !4 das ganze Thal zu einem See zu machen, wenn der nach unten meist nur lockere Schnee dem Wasser nicht erlaubte sich einen Durchgang zu erzwingen. Schon mehrmals waren die Bewohner des wenig höher liegenden Dorfes Gulethi gezwungen ihre armseligen Häuser zu verlassen und noch hoher zu fliehen. Die Communication ist auf mehrere Tage gesperrt. Nur zu Fuße und zum Theil auch zu Pferde wird es möglich, langst des Karachy aufwärts zu klimmen und den dem Kasbek gegenüberliegenden Kuru zu umgehen. Es soll auch ein bequemerer Weg um den Kasbek herumführen, wo mau dann gezwungen wäre den Tsach-Don oder eine der vielen Schluchten aufwärts zu gehen. Das Dorf Gulethi ist eines jener armseligen ossischen Dörfer, deren ich im Verlaufe meiner Reise viele gesehen habe, und hat das sonderbare Geschick, daß jeder Reisende es mit einem andern Namen belegt und glaubt, es allein richtig benannt zu haben. Reineggs nennt es Göletta, Klaproth Giuletta und Gelathi, Dubois Gwelethi, wahrend ich nur den Namen Gulethi vernommen habe. Noch höher, fast zwei Drittel des Weges, kommt man bei dem eben so armseligen Dorfe Sto vorbei, und endlich sieht man das romantische Dorf Gergethi. Diese drei Dörfer liegen auf der linken Seite des Terek oft an schroffen Felsenwänden, wahrend die Heerstraße auf dem rechten Ufer sich hinzieht. Höchst romantisch war die Lage des Dorfes Sto auf einem ebenen Aus-laufer des zwischen den Kaidschin und Kasbek hineingeschobenen Berges Züklaur. Endlich kamen wir in Kasbek au, um daselbst neue Pferde zu erhalten. Mein Gefährte gönnte sich hier einige Stunden Ruhe, und so war, zumal ich beschloß dann zu Fuß weiter zu gehen, mir Zeit gegeben die nahen Umgebungen meines Dorfes in Augenschein zu nehmen. Das Dorf selbst gibt ein deutliches Bild der Bauart der Ossen in diesem Theile des Gebirges. Die Hauser, selbst das des hier residirenden Fürsten nicht ausgeschlossen, sind einstöckig und bestehen aus einfachen Mauern, in denen Oeffnungen für Thüre m,d Fenster gelassen sind. Ihre Bauart ist einfach. Es wird zuerst der Boden geebnet und darauf sucht man sich von den ringsherum liegenden Stücken des dunklen Thonschiefers, die in der Regel eine flache und viereckige Form besitzen, die besten aus, um durch Uebereinanderlegen der- 15 selben eine Mauer aufzuführen. Die etwa dazwischen befindlichen Zwischenräume werden mit Moos verstopft. Das Dach ist keineswegs flach, sondern neigt sich nach oben in einen sehr stumpfen Winkel zusammen. Von einer Straße ist nirgends die Rede, sondern jeder Einwohner baut sich sein Haus wie und wohin er will. Durch ganz Ossien liebt man dle Häuser an die Berge anzulehnen, einestheils um sie dadurch warmer zu machen, andern-theils um sie mehr gegen Ueberfalle zu schützen. Für das letztere werden sie häufig noch mit einer Mauer umgeben. Auch findet man in fast allen ossischen Dörfern viereckige Thürme von 40 bis 60 Fuß Hohe, wohin in der Noth die Einwohner sich flüchten. Der Eingang in das Innere befindet sich auf einer solchen Hohe, daß man nur vermittelst einer Leiter hineinkommen kann. Besitzer des Dorfes und des ganzen Districtes Chewi ist der Fürst von Kasbek. Der Sage nach ist er tscherkessischeu Ursprungs und seine Familie führt den Namen Tsobichan-Schwili. Seine Vorfahren wurden schon in sehr früher Zeit als Gouverneure der sogenannten Thalbewohner (d. h. der Bewohner des Thales des obern Terek oder des Districtes Chewi) eingesetzt und erhielte» den Titel Kasibeg. Sie zeichneten sich durch Treue gegen die grusischen Könige aus, und da die Stelle vom Vater auf den Sohn überging, so wurde sie allmählich in der Familie erblich. Aus dem Titel bildete sich ein neuer Familienname, der sogar auf das Dorf und spater anch auf den höchsten Berg der Umgegend überging. Mit der Zeit usurpirte die Familie auch den Titel eines Fürsten. Der jetzige ist General in russische« Diensten, hat sich aber nach seinem Stammort zurückgezogen und ergibt sich mit ganzer Liebe der Jagd, besonders der Steinböcke und Gemsen, welche in den Bergen der Nähe sich in großer Anzahl aufhalten. Seine Frau, eine kabardische Fürstin, hat die christliche Religion angenommen ""d eine recht hübsche Kirche, die dem heiligen Stephan gewidmet wurde, erbaut. Diese Kirche ist in der neuesten Zeit dadurch eine ^rt Berühmtheit geworden, daß in ihr die Trauung des wirklichen Staatsrathes Rodofinikin mit seiner jetzigen liebenswürdigen Frau vollzogen wurde. In dieser schauerlichen Einöde fand sich die vielfach geprüfte Braut allein von ihrem Bruder begleitet ein, um daselbst nach sehnsuchtsvollem, aber stillem Harren dem Geliebten ihres Herzens, der allen Stürmen hindurch sich und ihr treu 16 geblieben war, angetraut, um mit ihm auf immer vereinigt zu werden. Auf einer Höhe von fast 000N Fuß über der Meeres-fläche, in einer reinen Atmosphäre, besiegelten sie den Bund, den ihre Herzen schon lange geschlossen hatten, mit dem Ja. was ihnen der Priester abforderte. Das Dorf Kasbek führte früher den Namen Stepan-Zminda, d. h. heiliger Stephan. Es liegt auf einer mir Felsblöcken, Steinen und Gerolle dicht bedeckten Hochebene, durch die der wilde Terek allmählich für sein Wasser ein mehr als hundert Fliß tiefes Bett sich gerissen hat^ Der unermüdliche Fleiß des Menschen hat den steinigen Boden urbar gemacht und er baut auf dieser Höhe sein kärgliches Getreide. Mir unsäglichen Anstrengungen durchwühlt er den Voden, um ihm sein kärgliches Gerstenbrod, das er im Schweiße seines Angesichts genießt, abzugewinnen, während die fruchtbare Kabardah, welche die geringste Arbeit vielfach belohnen würde, ode liegt und nur den wilden Thieren reichliche Nahrung darbietet. Die Achkaraberge, die Fortsetzung des nn'ttelossischen Gebirgs-zuges und besonders der zu ihnen gehörige Kuru, schließen die Hochebene nach Osten und der majestätische Berg Kasbek nach Westen ein, und beide bieten dem Beschauer einen grandiosen Anblick dar, den in der Schweiz nur die Jungfrau oder das Finsteraarhorn geben kann. Die Hochebene gibt ein deutliches Bild von oen Revolutionen, die in grauester Vorzeit hier in dem Schooße der Muttererde wütheten, und ohne Zweifel waren sie hier am größten. Wenn auch der ganze kaukasische Isthmus von den Fünfbergen bis zum Ararat und von den Schlammvulcancn Tama„s bis zu den Naph-thaquellen bei Baku als ein großer vulcamscher Herd betrachtet werden muß, so sieht man doch deutlich, daß die vulcanische Thätigkeit nicht allenthalben sich gleich blieb, und außer den genannten vier Gränzpunkten möchte wohl noch mitten im Kaukasus eine vulcamsche Linie, die eine von Westen nach Osten gehende und nur bisweilen etwas südlich sich neigende Nichtnng besitzt, angenommen werden, in deren Bereich in verschiedenen Zwischemäumen zuerst plurpnische Hebungen von bedeutender Mächtigkeit und dann vulcanische Eruptionen erfolgten. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die bedeutendsten plutonischen Berge, wie der Kasbek 17 und Elbrus, eine lange Reihe von Jahren, die aber über die Zeit unserer Geschichte weit hinausreichen, thätige Vulcane waren. Der Kasbek zeigt es noch, und vorzüglich nach Nord-Ost und Süd-Süd-Wesi ergossen sich die im Innern des ungeheuren Berges geschmolzenen Steinmassel,. Am interessantesten ist die erste Richtung, weil hier die Ausgüsse nach Westen durch eine Reihe von sechs dicht nebeneinander stehenden Bergen, deren nördlichster der Kaidschin ist, auf einen kleineren Raum beschränkt waren. Hierher müssen sie auch am reichlichsten ausgefiossen seyn, da sie noch die ganze Thonschieferebene bedecken und kaum dem Terek erlauben seine» Weg weiter zu verfolgen. Interessant ist es (wenn meine leider für die Wichtigkeit dieser Thatsache doch nur ober^ flachlichen Untersuchungen richtig sind) zu beobachten, wie die tiefern Lagen ein grobkörniges (d. i. gram'tartiges), die mittlern ein mehr zusammengeschmolzenes (d. i. porphyrartiges) und die obern ein gleichförmiges (d. i. glasiges) Gefüge besitze». Von den Neibungscouglomeraten habe ich trotz meines eifrigen Nach--sllchenS hier keine Spur gefunden, und ebenso habe ich die regelmäßigen Formen der gleichförmigen» Porphyre und Basalte, die ich aber weiter oben am Terck fand, hier wenigstens vermißt. Der Kasbek bildet den östlichsten Punkt der mittelossischeu Gebirgskette, die auf dem jenseitigen Ufer des Terek durch die Achkaraberge weiter nach Osten fortgesetzt wild, und ist wohl ohne Zweifel der höchste Punkt dieser Kette, die als die eigentliche Fortsetzung des kaukasischen Gebirgsrücken-,' zn betrachten ist. Wie diese selbst ist sie plntonischen Ursprungs und hatte in flühern Zeiten Vulcaue. Nach Weste» nehmen die Berge, welche sie zusammensetzen, an Höhe ab. Als Urgebnge können (wenigstens in Ossien) nur die eigentlichen Höhen des nord- und süoossischen Ge-birgszuges betrachtet wc>dcn, und sie bestehen immer, wie ich schon fiüher gesagt habe, aus einem fast glcicheu dunkel-, jedoch auch blamirothfalblgen Thonschiefer, an den sich Kalk anlehnt. Aber auch außerdem ist der Kasbek ein interessanter uud wichtiger Verg. Er besitzt eine Höhe von 14,730 Fuß („ach Meyer) und seine Schneelmie beginnt mic dem lO.ON'"' A,ß, die Eismassen ziehen sich aber bis zu 709 l Fuß herab. Seine Form ist der des Finsteraarhorns, weniger der der Ilingftau ahn< lich, und wie bei dem ersteru »st sie rciu kegelförmig. Ueber alle leisen u. L.nidevl'es.!,vcil'»n.is„. XXV. 2 (Reise «ach Kaukasien.) 18 umgebenden Höhen ragt er weit hinaus, und überall im Norden und Süden, so weit das unbewaffnete Auge selbst um schauen kann, ist er sichtbar. Seine Felsen sind zum Theil, besonders nach Osten, schroff, und das nackte rdthliche Gestein bildet vorzüglich im Sonnenschein mit den Hellglanzenden Eismassen einen lebhaften Contrast. Erstiegen ist er noch nicht, und selbst der unermüdliche Meyer, der ganz, wie es auch bei dem leider verstorbenen Parrot d. j. der Fall war, zum Reisen überhanpt und besonders in Gebirgen geschaffen zu seyn scheint, konnte den Gipfel nicht erreichen^ Seitdem mm auch die Unmöglichkeit des Gelingens Volksglaube geworden ist, so wird es wohl auch dem, dem es wirklich gelingt, wie einst Parrot das geschehen ist, abgeläugnet werden. Der eigentliche Name des Kasbek ist Tscheresti-Sup, d. h. christliche Hohe oder Urs-Choch, d. h. weißer Verg (Montblanc). Bei den Grnsiern fnhrt er nach Chroniken den Namen Mkinwari, ein Name, nach dem ich selbst bei Grusiern vergebens gefragt habe. Relneggs nennt ihn allgemein den Schneeberg (ossisch Choch). Der Kaukasus besitzt eine Menge sogenannter heiliger Berge, und jeder Bewohner dieses Gebirges, mag er Mohammedaner, Christ oder keines von beiden seyn, blickt einen solchen nicht an, ohne sich zu verbeugen und vor der Brust das Zeichen des Kreuzes zu machen. Auf meiner weitern Reise habe ich oft Gelegenheit gehabt es bei den Ossen zu bemerken. Von diesen heiligen Bergen nimmt der Kasbek eine der wichtigsten Stellen ein. Seit den ältesten Zeiten geht die Sage, daß anf der Höhe eine Kirche enstire und in dieser befinde sich noch die Wiege unseres Herrn Jesus Christus. Ueber sie allsgespannt sey das Zelt Abrahams, ohne von einer Pfoste oder sonst etwas unterstutzt zu seyn. Wahr-scheinlich entstand das Mährchen zu der Zeit, als die Araber mit Feuer und Schwert ihre Religion predigten. Das Wunder, daß der Sarg Mohammeds frei in der Luft schwebe, bestimmte vielleicht die damaligen christlichen Priester ein ahnliches Wunder ihren Glaubigen anzupreisen. Diese Sage mag wohl anch die große Königin Thamar, die als Ossi" die Berge über Alles liebte, be-siimntt haben, dem größten Berge ihres Vaterlandes eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Eine Einsiedlerin (vielleicht 19 auch ein Einsiedler) mit Namen Gergethi zog sich zu oder kurz vor ihrer Zeit in eine am Kasbek befindliche Höhle von dem Gewühl des öffentlichen Lebens zurück, und ihr frommes Leben zog alsbald die Aufmerksamkeit der Offen anf sich. Einige Wunder machten sie alsbald zur Heiligen, und ans weiter Ferne wallfahrten besonders Kranke Hieher, um wenn auch nicht Heilung, doch wenigstens Trost zu empfangen. Allgemein betrauert starb sie endlich im hohen Alter, und Thamar erbaute über ihrem Grabe eine Kirche, die noch heut zu Tage steht und zu der nach wie vor gewallfahrtet wird. Die Kirche liegt auf einem Verge, welcher durch einen der oben bezeichneten vnlcanischen Ausflüsse entstanden ist und den Namen Quenesch-Verg (Quenesch-Mta grusisch) führt, und ist der heiligen Dreieinigkeit (Zminda-Samehba grusisch) ge-weiht. Mit der Zeit siedelten sich anfangs wohl nnr Gläubige, dann anch Offen, die von den Wallfahrten Vortheil ziehen wollten, in der Nähe der Kirche an, und auf diese Weise entstand das Dorf, was nach der (oder dem) heiligen Gergethi den Namen führt. Da die Sage ferner gehl, daß sich neben der Wiege auch eiu großer Schatz befinde, so hat die Habsucht schon mehrmals Menschen bewogen, die Hohe des Kasbek zu ersteigen. Entweder ist es wirklich niemand gelungen oder die auf der Spitze des Berges Enttäuschten zogen vor den Aberglauben zu bestärken, als sich dem Gelächter auszusetzen. Alte Leute haben mir erzählt, daß die Kirche auf der südöstlichen Spitze des Kasbek noch im vorigen Jahrhundert gesehen worden sey; ein heruntergestürzter Fels habe sie aber den Augen der jetzt heidnischen Offen entzogen. Zur Zeit des vorletzten grusischcn Königs Irakli (Heracleus) erschienen zwei Mönche, Vater und Sohn, und versprachen den Schatz zu holeu. In der Kathedrale zu Tiflis erhielten sie den Segen des Archimandrite«, u»id so vorbereitet traten sie ihre schwierige Reise an. Nach 14 Tagen kam der Sohn allein zurück und brachte die Nach-ncht, daß die Zeit, den Schatz zu heben, noch nicht gekommen sey. Ihm sey es seiner Sünden halber nicht gelungen, bis zur geheiligten Stelle zu kommen, wohl aber seinem Vater. Dieser habe ihm am siebente» Tage seines Harrens ein Stück vom Zelt, von der Wiege und ein Stück Marmor vom Altar, was noch die Spuren dcs Blntes von Jesus trage, zum Zeichen der Wahrheit übergeben, und sey dann auf göttlichen Befehl nach oben zurück- 2 * 30 gekehrt, um dort den heiligen Dienst zu versorgen. Wahrscheinlich war der unglückliche Vater in eine der vielen Schluchten gestürzt, und der schlaue Sohn verstand selbst das Unglück zu seinem Vortheil zu benutzen. Die Gewißheit des Schatzes in der obern Kirche erregte aber bald darauf von neuem die Habsucht zweier Ossen, Dudarok und Adaschuk, und diese beschlossen den Berg zu ersteigen. Vergebens erwartete man ihre Rückkehr, und so zogen die Bewohner des Dorfes Gergethi aus, um den Unglücklichen nachzugeheu. Nach langem Suchen fand man sie erblindet, und der Aberglaube sieht das Unglück als eine Strafe für das frevelhafte Beginnen an. Es soll vor K0 Jahren geschehen seyn, und ein siebenzigjahriger Vsse verbürgte mir die Wahrheit der Erzählung. Das Erblinden war wahrscheinlich durch den blendend weißen Schnee, auf den vielleicht die Sonne schien, verursacht. Als ich von meiner Excursion zurückkam, war der Verabredung gemäß mein Gefährte weiter gefahren, und so trat ich in Begleitung eines ehrlichen Ossen, dem ich meine Doppelstinte anvertraut hatte, den Weg bis zu dem fünf Stunden Wegs entfernten Kobi an. Von Kasbek a,i bis Kobl wird das Thal breit, aber nichtsdestoweniger erheben sich auf beiden Seiten, wie aus einer Ebene, ungeheure Verge, die meist eine Zuckerhutform besitzen. Derselbe Thonschiefer, welcher auch das Thal bei Kasbek bildet, setzt sich fast bis zur Hälfte des Weges fort, und dann ist es erst den platonischen Gesteinen gelungen die Schieferdecke zu durchbrechen. Auf beiden Seilen bestehen aber die das Thal begränzenden Verge aus emcm rothlichcn, bisweilen auch schwärzlichen Porphyr. Das vom Tcrck hinlänglich bewässerte Thal gchort zu den freundlichsten des Gebirges. Im hohcn Grade zwar steinig, ist der Thonschieferboden wie überall sehr fruchtbar, und wem, auch die bedeltteiide Hohe von über 0NU0 Fnß m'cht mehr erlaubt Weizen und Korn anzubauen, so fand ich doch allenthalben G?rstenfelder im üppigen Wüchse. An Alpenpflanzen ist die Gegend reich, und C. A. Meyer, welchem es vergönnt war sich längere Zeit hier aufzuhalsen, hat eine große Menge seltener und zum Theil nexer Arteu hier aufgefunden. Nicht so glücklich war ich auf meiner freilich hier flüchtigen Reise, und so große Mühe ich mir auch Blitum virgatum L-, Eurotia ceratoides. C. A. Mey., Thymus iiummularius MB., Leontodon caucasicus Slev., Ceniaurea glastifolia L., Pyrethrum carneum MB., P. caueasicum W., Anthemis caucasica Ad., Inuia grandtflora W., Cineraria parvidora MB., Veronica petraea Stev., Polygala major Jacq., Rubus saxatilis h.} Alchemilla sericeaW., Poten^ tilla sericea L., Lavatera thuringiaca L., Gypsophila tenui-folia MB. it. f. iv. 5(n ©triUidjent fct() id) Salix hippophaefolia Thuill., S. prunifolia Sm., Sambucus ebulus L., Viburnum Lantana L., Vaccinium myrtillus L. Uttt» Rhododendrum cauca-sicum Pall. n gab einige de» neaen Psianzen aufzufinden, so glückte es mir doch nur mit ?ol)^0nun, ülpozlle <Ü. H. Nv). Außerdem waren die wichtigsten, welche mir im Districts Chewi, also von Darjel bis Kobi, entgegentraten: Die Zahl der Dorfer, welche in dem Thale von Kasbek bis Kobi sich befinden, ist nicht unbedeutend, und außer den beiden genannten liegen noch besonders auf dem linken Ufer: Ranschethi, Arscha, Atschchotü, Artschalet, Kutschkanü, Gorbani, Sion, Gor-sichi, Pchelschi, Kurtis, Kanopi, Ober- und Unter-Uchat, Tolgost und Almawan. Fünf Viertelstunden oberhalb Kasbek passirte ich einen nicht unbedeutenden Bach, Dschuta genannt, und befand mich damlt an den, Abgänge eines in ftüheru Zeiten durch seine Räubereien berüchtigten Thales, was früher den Namen Kobfaö, d. i. Kob-thal, führte, und jetzt nach der Hauptbnrg des Gudoschaur genannt wird. Merkwürdigerweise erwähnt Dubois in seiner sonst genauen Reisebeschreibung weder das Thal noch den Bach, trotzdem er ihn passiren mußte. In diesem Thale liegen die Ortschaften Samirowan, Dschankoit, Sno, Achalzich, in deren Nähe die zerstörte Burg Gudoschanr sich befindet, Maguda, Artchmo, Kulkutsch und Dschuta. Unweit der Einmündung der Dschuta in den Terek nimmt der letztere den in dem Thale des Terck fließenden Atschchot, mit dessen Namen Klaproth die Dschuta benennt, auf. Vei Sion ergießt sich in den Terek ein dritter Bach, der ebenfalls den Namen Sion führt. Es war sehr spät geworden, als ich endlich in Kobi ankam und daselbst zu meiner großen Freude ein erträgliches Wirthöhaus Y2 H« und in ihm eine deutsche Familie fand. Wie innig vergnügt war ich, wiederum deutsch sprechen zu können. Die Nacht war schauerlich, es erhob sich ein fürchterlicher Sturm und laut heulend tobte es um mich her. Doch mir war es wohl in meinem erwärmten Stübchcn. Am Morgen, als ich zum Fenster hinausblickte, war alles weiß, und so fügte ich mich von selbst in die Nothwendigkeit weiter zu reisen, ohne das romantische Thal des Terek näher besichtigt zu haben. Ich war schon entschlossen gewesen, hier noch einen oder zwei Tage zu bleiben und dann mit den beiden Deutschen, die auf der Reise hierher waren, weiter zu gehen. Die Quellen des Terek waren zu wichtig, um sie nicht aufzusuchen, und dann interessirren mich auch die Schwefel- und Sauerwasser, die in dem Thale des Terek von Kobi bis Sion in nicht geringer Menge vorkommen. Trotz des tiefen Schnees besichtigte ich doch die Umgebungen Kobi's. Das Dorf dieses Namens selbst liegt auf oder vielmehr an eiuer nicht unbedeutenden Anhöhe von der Station entfernt und gibt mit seinen eigenthümlichen steinernen Häuschen einen seltenen Anblick. Aber nicht allein Kobi, sondem alle übrigen Dörfer des weiten Thales liegen auf Anhöhen. Der Berg, au dem Kobi liegt, ist für den Geologen äußerst merkwürdig, indem er zum großen Theil aus horizontalliegenden Vasaltsäulen, über denen sich eine röthliche Porphyrdecke befindet, besteht. Der Terek besitzt von hier an bis Iekaterinograd einen rein nördlichen Lauf, verfolgt man ihn aber bis zu seinen Quellen, so muß man von Kobi an die südliche Richtung in eine rein westliche verwandeln. Er entspringt vorzüglich von den hinter dem Kasbek befindlichen Höhen des mittelossischen Gebirgszuges, besonders von dem Züta, Dschumara, Steß und Siweranr, und nur wenige Quellen haben auf der südossischen Kette ihren Ursprung. Die ossischen Tursen oder Tirsen bewohnen das enge felsige Thal in fünfzehn Dörfern: Siweraut, Steß, Tep, Dschumara, Zozelta, Burmasik, Karatkau, Suatis, Ober- und Unter-Desi, Abano, Sagakur, Ketris, Ober- und Unter-Okrowan. Die Dörfer Mna, Suardin und Nokkau, welche gegen den Ausgang des Tursen-Thales liegen, gehören noch zum Districts Chewi. Von Süden, und zwar von den Höhen des Kreuzberges herkommend, nimmt der Terek den unbedeutenden Weißfluß (Urs- 23 Don ossisch, Tetri-Skali grusisch, Schthasawali bei Wachuscht) auf, weiter unten hingegen den Uchat-Fluß (Uchat-Don). So bedeutend als Dubois will, sind die genannten Bäche keineswegs, und ihr Wasser verschwindet in den Fluchen des Terek. Um ein Bild von dem schnellen Laufe des Terek von Kobi bis Wladikankas, also für eine Entfernung von 8/^ geographischen Meilen, zu geben, braucht man nur Meyers Hohenmessungen zu vergleichen. Vei Wladikaukas befindet er sich auf einer Höhe von 4U41, bei Kobi hingegen auf einer von 5985 Fuß, er Mt demnach von dem letztern bis zum ersten« Punkte um nicht weniger als um 4044 Fuß, während er auf dem 147. Meilen langen Wege von Wladikaukas bis Iekaterinograd nur 400 Fuß Fall hat. Im Durchschnitt besitzt demnach der Terek auf der Meile Wegs 476 Fuß Fall. Am bedeutendsten ist der Fall zwischen Darjel und Kasbek, also auf einer Entfernung von 1^ Meile, da er hier nicht weniger als 1482 Fuß, also etwas mehr als auf dem weiten Wege von Wladikaukas nach Iekaterinograd, betragt. Auf die Meile kommt hier 942 Fuß. Zur Uebersicht gebe ich hier das Schema für die verschiedenen Entfernungen, Hohen und für den Fall. >ßi,ihe. Ontstlnuüg. Terek bel Kobi . . 5985 Fuß „ „ Kasbek . . 5254 — 2 >/i5 Meile 731 Fuß „ „ Darjel . . 3772 — 1482 - „ „ 5!ars . . . 3094 — 078 — „ „ Stcdant . 2268 — 826 — „ „ Wladikaukas 1941 1 — 327 — 8 V. Mcile 4014 Fuß Das Wetter war seit dem Morgen ruhiger geworden, aber der Himmel noch dicht bedeckt uud Schneestocken fielen in großer Menge herab. Mein freundlicher Wirth warnte uns vergebens vor der Weiterreise, ich selbst, dem die Unthatigkeit auf dieser kalten Höhe unleidlich wurde, bestimmte mich dafür. Es zog mich mächtig nach den lachenden Gefilden Grusiens und nach dem azurblauen Himmel einer südlicheren Gegend. Der Weg führte das Thal des weißen Flnsses aufwärts; aber welcher Weg? Der Schnee hatte alles dicht bedeckt, uud ohne die gute Führung unseres Postillons wären wir wohl ver- 24 lore,, gewesen. Anstatt den Wagen auf einen Schlitten zu setzen, hatte mein Reisegefährte die geringen Kosten gescheut und war mit Rädern weggefahren. Schon ^ Stunde über Kobi mußten wir ausstcigen und den tiefen lockern Schnee, in dem keine Spur einer Bahn aufzufinden war, durchwateu. Noch wäre es Zeit gewese»« umzukehren, aber trotz der Warnungen des Postillons bestanden wir auf der Weiterreise, in der Hoffnung die Hohe des Kreuzbesgfs bald zn erlange». Das Thal, in dem wir uns befanden, heißt das Teufelsthal, und wirklich konnte es keinen passenderen Namen erhallen. Der Weg wurde allmählich steiler, und wir selbst mußten an den schwierigsten Stellen Hand anlegen, um weiter zu kommen. Es war eine eisige Kälte, und mein Thermometer, was in Kobi ein Grad unter Null stand, sank allmählich bis zu 3'^ Grad herab. Znm Glück erhielten uns die Anstrengungen warm. Der Wagen stürzte mehrmals um und verlangte unsere vereinigten Kräfte, nm ihn wieder aufzustellen. Oft fielen wir, wenn wir etwas seitwärts vom Weg gekommen waren, ,u eine der vielen Schluchten oder gar in den daneben unter der Schneedecke stießenden Bach. In kurzem waren wir ziemlich durchnäßt. Ein Schluck Branntwein, den mein Gefährte stels bei sich führte, stärkte von neuem unsere Kräfte, die mit der Zeit zu ermatten begannen. Je höher wir kamen, um so schlechter wurde das Wetter; es erhob sich ein Wind, der allmählich zum Sturm sich umwandelte und den Schnee durch die Lnfte trieb. Es wurde gegen Mittag so finster, wie es nie bei uns im Winter bei großem Schneegestöber ist, und nur mit vieler Mühe suchte unser Postillon den Weg, indem er immer voranscilte und allenthalben sondirte. Endlich erreichten wir die höchste Stelle der Heerstraße, eine Hohe von 7435 nach Meyer oder nach andern von 7977 Fuß über dem Spiegel des Meeres, und ganz abgemattet gdunten wir uns eiue kurze Zeit Ruhe. Wie dankte ich meinem Landsmann in Kobi, daß er mir fast gegen meinen Willen Proviant mitgegeben hatte. Leichter ging zwar der Weg abwärts, aber auch um desto gefährlicher. Zum Glück' sahen wir, weun auch nur wenige Schritte, vor uns hin, und konnten die fürchterlichen Abgründe, welche im December des nächsten Jahres in ihrer Fürchterlichkeit vor mir lagen, «ichr erblicke,,. Ein falscher Schritt, m,d man war auf ewig verloren. Die Straße zog sich nun um einen zweiten Berg. I5 welcher den Namen Gudberg fühlt, herum. Hier waren die gefährlichsten Stellen, und der Postillon riech uns nicht umsonst unS so viel als möglich links zu halten. Endlich gestaltete sich das Wetter einigermaßen besser; der Wind legte sich und mit ihm das Schneegestober. Es wurde mir alsbald vergönnt einen Blick in das freundliche Thal der weißen Aragua, die tief nnter uns floß, zu thun. Welchen Contrast da unten mit meiner Umgebung! Der Schnee war dort nur Regen gewesen. Eine Menge Dörfer mit zerstreuten Häusern erfüllten das ganze Thal, welches den Namen Gudo führt und vcn den gud'-schen Ossen bewohnt wird. In ihm bewegten sich die Menschen in Form von Pygmäen herum. Ich sah aber auch jetzt die gefährliche Straße in ihrer ganzen Gewichtigkeit und erblickte hinter mir die Abgründe, an denen ich glücklicherweise ohne Schaden vorbeigekommen war. Unserer Pferde halber, die gegen 7 bis 8 Stunden keine Nahrung erhalten hatten, wnrde an einer sichern Stelle angehalten. Ich holte mein letztes Stückchen Brod hervor und gab es den hungrigen und geplagten Thieren. Unser Postillon suchte unter dem Schnee Gras und Krauter, um sie ebenfalls den Pferden zu geben. Dcmlinu ^lomorglg I^»m. und ^2»Iea nontic» 1^. waren die einzigen Pflanzen, welche ich unterscheiden konnte. Endlich brachen wir wieder auf, um noch bis zu der Station Kaischaur zu gelangen, und nach neuen Mühseligkeiten und An, strengungen erreichten wir sie gegen 9 Ukr des Abends. Kein Mensch auf der ganzen Tour von Kobi bis Kaischaur war uns begegnet, und über 13 Stunden hatten wir gebraucht, um die ^ Meilen (lb Werst) Wegs zurückzulegen. Aber noch waren unsere Leiden nicht aus. Die Poststation bestand aus einem Loch, in dem der Schmutz so angehäuft zu seyn schien, daß es uns un« möglich war darin ein Unterkommen zu suchen. Wir machten uns daher nochmals auf, um zu dem nahen Dorfe gleichen Namens zu kommen. Aber auch hier hatten wir uns geirrt. Der Chelosani (Schnlze) wies uns ein Quartier an, was nur aus einem leeren Raume, der von vier feuchten Mauern umgeben war, bestand. Der nackte Boden sollte uns beherbergen. Es war innerhalb fast kalter als im Freien. Nichtsdestoweniger holte ich meinen Reisekoffer her nnd zog trockne Kleider an. 2S Hunger und Durst hatten sich schon lange eingestellt und uuser Vorrath war aufgezehrt. Auf die Frage uach einem Duchautschik *) wurden wir an ein armseliges Haus geführt. Nach langem starkem Pochen frug endlich eine Stimme was wir wollten, und auf die Antwort Wasser zum Thee und Brod wurde alles wieder still. Erneutes Klopfen half nichts, und gewiß hätten wir leer abziehen müssen, wenn mein Gefährte nicht gedroht die Thüre einzustoßen. Erst als wir versprachen für den Samowar (Selbstkocher, d. i. die Maschine, in der das Wasser zum Thee gekocht wird) einen Rubel Silber zu bezahlen, wurde die Thüre brummend geöffnet. Das Feuer brannte noch inmitten des Zimmers und fröhlichen Gemüthes setzten wir uns darum, um die erstarrten Glieder zu erwärmen. Wie wohl that uns der Thee, und nach dem ersten Glase durchrieselte eine angenehme Warme den ganzen Körper. Eitles Brod war unsere einzige Zugabe, und doch mundete es, wie selten etwas geschmeckt. In unsere Wohnung zurückgekehrt, beschloß ich die Nacht lieber in dem Wagen als auf der feuchten Erde zuzubringen, und so verließ ich meinen alsbald schnarchenden Gefährten, um im Freien den Nest der Nacht zu verschlafen. Doch umsonst; der Schlaf floh meine Augen, denn die Glieder begannen allmählich zu erstarren. Ich sprang herab und versuchte durch Gehen mich etwas zu erwarmen. Die Kalte hatte auch meinen Gefährten von dem harten Lager anfgescheucht und fluchend kam er zu mir. Der Mond schien hell über uns, und so beschlossen wir weiter zu fahren. Im Post-Hause wurde Allarm geschlagen, und alsbald verließen wir den traurigen Ort, um dem südlichen Thale der Aragua zuzufahren. Leider war es mir nicht vergönnt diesen interessanten Theil des Kaukasus naher in Augenschein zu nehmen, und als ich im December 1837 zum zweitenmal hierher kam, war das Wetter zwar in hohem Grade frenndlich, allein eine tiefe Schneedecke verhüllte mir die Oberfläche der Verge. In geologischer Hinsicht verdienen die Gudberge eben so sehr eine Berücksichtigung, als der Kasbek und seine Umgebungen. Sie gehören zwar zur südlichen *) Mit dem Namen Duchan bezeichnen die Grusier eine Art Schenke und Laden zu gleicher M. Man erhält daselbst alle Bedürfnisse des Lebens, besonders Nahrungsmittel. Der Besitzer davon heißt Du-chantfthie. 27 Kette des ossischen Gebirgszuges und beendigeil diese im Osten, allein mehr als es bei der nördlichen Kette der Fall ist, haben sie vulcanischen Eruptionen als Werkstätte gedient. Dubois nimmt eiue von Norden nach Süden gehende vulcanische Linie an, und hat in einem Durchschnitt die Reihe vulcanischer und plutouischer Berge vom II bei Wladikankas bis znm Ararat in Armenien gegeben, allein eine Linie, welche die Richtung bezeichnen soll, kann wohl von Norden nach Süden nicht angenommen werden. Der ganze kaukasische Isthmus ist, wie schon gesagt, vulcanischen Ursprungs, aber die ersten Hebungen geschahen ohne Zweifel von Westen nach Osten. Eine vulcanische Linie als solche laßt sich nur in dieser Richtung annehmen und fällt mit dem Lauf des Hauptgebirges selbst zusammen. Die ganzen Gudberge bestehen aus demselben schwärzlichen Thonschiefer, wie ich ihn in der nord-ossischen Gebirgskette bezeichnet habe, aber wurden durch pluto-nische Berge, hier aus einem schon rothen Porphyr bestehend, durchbrochen. Die letzter» dienten wahrscheinlich eine sehr lange Zeit zum Herd eines vulcanischen Feuers. Die Gipfel waren Krater, aus denen die geschmolzenen Steine und die Lava herausgeworfen wurden. Wegen des rothen Porphyrs führen sie auch den Namen dcr rothen Verge. Nach Westen setzen sich die Gudberge fort und laufen in die Hochebene Keli aus. Diese Hochebene, von der ich noch später sprechen werde, besitzt eine Meile Länge und V2 Meile Breite und war wohl am längsten thätiger Vulcan. Seine Höhe soll aus demselben Porphyr bestehen und dicht mit Vasaltsaulen bedeckt seyn. Ein kleiner See füllt jetzt die Oeffnung des Kraters. Wichtig ist diese Hochebene, da von ihr vier wichtige Flüsse entspringen: die Aragna, der Ksan, die große und kleine Ljachwa. Die Gudberge haben den ihre Abhänge und Thäler bewohnenden Volksstämmen den Namen gegeben, südwestlich wohnen die Gudeu, nordöstlich die Gudoschauren und südöstlich die Guoo-makaren. Sie selbst und das Thal der Aragua rein südlich nehmen die Mtiulethen, d. i. Bergbewohner, ein, während rein nordlich von ihnen in dem breiten Thale des Terek die Chewcn, d. i. die Thalbcwohner, befindlich sind. So groß auch das Bedürfniß in uns war, vor unserer Abreise ein Glas warmen Thees zu trinken, so mußten wir doch %8 durchfroren und mit hohlem Magen weiter fahren. Von Kaischam, was noch auf einer Höhe von 5359 Fuß liegt, führt der Weg einen steilen Pfad hinab in das Thal der weißen Aragua. Obgleich noch eng hat dieses Thal doch schon ein mehr südliches Ansehen. Die Hohen ringsherum sind mit Laubholz bewachsen, ihre Spitzen waren aber dicht mit Schnee bedeckt. So frühzeitigen Schnee hat man da unten nur selten gesehen. Die Aragua kommt aus dem District Gudo, in dessen äußerstem Westen sie von der Hochebene Kell, besonders aber von dem Kadlasa, entspringt, und wälzt sich bis zu der Heerstraße wie der Terek wild schäumend und brausend über Felsen und Steine. Bei den Ossen heißt sie Kadde, weßhalb auch Güldenstädr von einem ossischeu District Kada unterhalb dem von Gudo spricht. Klaproth nnd Dubois uennen nach den grusischen Beschrei« bungcn die Eisberge westlich vom Gudberg Chochi; dort wird aber auch die ganze Kette vom Kasbek bis zum Gudbcrg und selbst auch ein Theil des nn'ttelossischen Gebirges so benannt. Allein Clioch bedeutet im Ossischen einen hohen und bedeutenden Berg, besonders Eisberg, und die Grusier bedienten sich mit den Ossen eben des Wortes, um die ganze Reihe hoher Berge im Innern Ossiens zu bezeichnen. Dieses ist auch die Ursache, warum nach der von Klaproth übersetzten grusischen Topographie alle einigermaßen wichtigen Flüsse von den Bergen Chochi entspringen können. Am Fuße des kaischaur'schen Berges liegt das Dorf Quischeth ,md ist der Sitz des KreishauptmannS für eine Anzahl ossischer und grusisch - ossischer Stamme. Ein daselbst befindlicher Dnchan n>ar für uns unwiderstehlich, und reichlich holten wir das Versäumte mit Essen und Trinken uach. Der Aufenthalt im Gebirge mußte nun nachgeholt werden, und so wurde beschlossen bis z>, dem fast !4 Meilen entfernten Tiflis in einer Tour zu fahren. Das Thal. in dem wir uns befanden, führt den Namen Mtiulethi und zeichnet sich durch seine allenthalben bewachsenen Berge und durch die vielen Ruinen, die auf den steileu Hohen der das Thal einschließenden Berge zerstreut liegen, aus. Es erinnerte mich au Graubündten, und wie dort der Rhein, so fließt hier die Aragua. Die Flache des Thales selbst ist eben, mir viel Gesträuch bewachsen und nur wenig bewohnt. Die Mtiulelhen !i—24l mid !N9—375> ^om. V pgg. 20—5!<. 3l wählten und bekämpften einander gegenseitig, ohne sich nm ihren Oberherrn zu bekümmern. Der Thonschiefer setzt sich durch das ganze Thal der Aragua fort und wird nur hie und da von Kalkschichten unterbrochen. Durch unterirdische Revolutionen hat er seine ursprüngliche Lage verloren und er scheint, wie Dubois auf seiner oben bezeichneten geologischen Karte sehr gut angegeben hat, verworfen. Bisweilen stehen die einzelnen Schichten vollkommen senkrecht (wie Dubois beobachtet hat), gewöhnlich haben sie aber nach Süden eine Neigung von 35 bis 45 Grad. Zu Mittag waren wir in Ananur in dem eigentlichen Grusien, ich tauschte mich aber, da ich eine Stadt, wenn auch nicht wie in Deutschland, doch wenigstens wie in Rußland erwartete. An der Poststatlon angekommen, sah ich eben keine Häuser, sondern nur auf,dem nahen Berge eine noch ziemlich erhaltene Burg von einer Ringmauer eingeschlossen. Nach oben sehend nahm ich dorthin meine Richtung, als plötzlich vor mir Rauch aufstieg. Ich blickte herab, und durch eine Oeffmmg bemerkte ich inmitten eines unterirdischen Zimmers eine Familie nur kärglich mit Lumpen be-deckt um ein Feuer sitzend. Lange begriff ich nicht, wo ich war? und erst nach einer geraumen Zeit wurde es mir klar, daß ich mich auf Ananur und zwar auf den Dächern befand. Hatte ich noch einen Schritt gethan, so wäre ich zn meinem großen Schrecken und wahrscheinlich auch zu dem der Familie in das Innere einer sogenannten Semljanke (Erdhauses, wie die Russen mit Recht diese Art Häuser nennen) gestürzt. Wie die Ossen bauen nämlich die Grusier ihre Hauser an Berge an und graben sogar zum Theil in diese hinein, um sie im Winter warmer zu haben. Das ist die ltrsache, daß man sie so wenig bemerkt und sich leicht, ohne dasi man es weiß, auf den Dachern befinden kann. Die ganze Stadr besteht aus solchen elenden Erdhütten. Früher herrschte in Ananur der Gouverneur der beiden Aragua und gehörte zn den mächtigsten Vasallen in Grusien. Ueber mehrere angränzcnde Stämme übte er eine Art Oberherrschaft aus. Sein Sitz war in der Burg. Frömmigkeit bewog einen derselben, Georg, im Jahr 1704 eine große und schöne Kirche, die er mit Mauern „mgab und durch eine feste Burg beschützen komttc, zu den beiden schon vorhandenen zu erbauen. Ein unglücklicher Zwist 32 mit dem Gouverneur des Ksan lief leider zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Lesgier in das Land, und diese rohen Barbaren eroberten die Veste von Ananur. Alles was einigermaßen fortzuschleppen möglich war, wurde geraubt, und nur die nackten Wände blieben zurück. In den ältesten Zeiten diente wohl auch die Burg, um die räuberischen Völker des Nordens, besonders die Inguschen, und die im Süden von diesen verwilderten grusischen Stamme abzuhalten. Aus dieser Ursache wurde sie wohl von den tatarischen Völkerschaften Karakalkan-Kalah, d. h. Veste der Schwarzschilder, genannt. Mau nennt jetzt noch die östlich von der grosien Heerstraße wohnenden Stamme, besonders die Inguschen, Schwarzschilder. Bei Ananur verläßt man das Thal der Aragua, da dieser Fluß auf eine Entfernung von drei Meilen von den anstoßenden Bergen so eingeengt ist, daß das Thal kaum erlaubt neben dem Flusse noch einen schmalen Weg zu führen. Trotz dem wird aber doch wohl die Straße dahin gefuhrt werden müssen, um die hohen Berge, welche zwischen Ananur und Duschcth liegen, zu vermeiden. Wir brauchten nach dem nur etwas über 1'/,, Meile entfernten Duscheih fast eben so virl Zeit als von Pasananur nach Ananur nöthig gewesen war. Sehr oft mußten wir auosteigeu, u»d so wurde es mir doch möglich, die uachsten Umgebungen etwas naher in Augenschein zu nehmen. Alle Höhen sind hier wie auch iu dem Thale der Aragua bewachsen, uud wenn auch die Sträucher und Bäume nie eine bedeutende Höhe erreichen, so stehen sie doch dicht gem'g, um Wälder zu bilden. Die Holzarten sind von den unsrigen wenig verschieden, uud unsere Noth? und Weißbuche neben der Esche und Zitterpappel waren die vorzüglichste» Bäume. Ei»en fremden Anstrich gibt ihnen aber die orientalische Buche. Einzeln sah ich in tfylicn Sambucus nigra L,, Viburnum opulus L., Slaphylca pinnata L. uiib Eyonymus laiisolius Scop., allenthalben abex unsere Haselnußstaude. An trocknen Stellen wuchs unserm Schwarzhörn und Hundsrosen gleich der schöne Christdorn 1^Iiu,l,5 ««ul^iuz I^m.; von ihm geht die Sage, daß aus ihm die Dornenkrone für Christus verfertigt worden sey. Au Bachen und sonst an feuchten Stellen kam einzeln der schone Sauddorn Hippopl»^ 33 rkamnoiäez I.., in großer Menge aber?opulu5 aid» I^. (die Silber- pappel) vor. Das Gestein war Kalk und nur selten bemerkte ich noch den oben genannten Thonschiefer. Gegen Abend kamen wir in Duscheth an und fanden ein gutes wiederum von einem Deutschen gehaltenes Gasthaus. Duscheth ist eine ansehnliche Stadt, die halb grusisch, halb russisch erscheint und zum Sitz des Kreishauptmanns (Natschalnik) des Duschethschen Kreises erhoben ist. Sie liegt mitten im Gaue Vasalethi (Scristo bei Klaproth), der von der Mündung des Tschartal bis zum Ge-biet des Fürsten Muchran, also bis zu den Tinibergeu, sich erstreckt. Zum erstenmal trank ich hier grusischen Wein und zwar mit Naphtha versetzt. Es war mir aber unmöglich mehr als ein Glas zu mir zu nehmen, so sehr war mir der Naphthageschmack zuwider. Ich habe damals nicht geglaubt, daß es möglich wäre sich an diesen penetranten Geschmack so zu gewöhnen, daß man die Naphtha gar nicht mehr schmeckt. Spater werde ich weitläufiger über die Ursachen dieser Versetzung und über den Weinbau und die Wein^ behandlung sprechen. Vor Dunkelheit fuhren wir noch ab, um gegen Mitternacht die letzte Poststation vor Tiflis, Karthiskari, zu erreichen. Sie liegt 3'/? Meilen entfernt. Ohne bergig zu seyn, ist doch die ganze Strecke für Fuhrwerk nur schwierig zu passiren. Das ganze Terrain besteht aus dem tertiären Gebilde der Molasse und aus einem der Nagelsiue der Schweiz ahnlichen Kieselsteinconglomerate, Unweit der Dörfer Saljautkan und Laranantkari kamen wir wiederum in das Thal der Aragua und blieben auf dem westlichen User desselben. Wie ftoh war ich, als die vier Postpferde uns nun endlich dem noch vier Meilen entfernten Ziele zuführen sollten. Die Freude, dasselbe nun bald erreicht zu haben, ließ mich nicht schlafen. Aber nur langsam ging es vorwärts immer längs der Aragua, bis sich diese bei Mscheth in den Kur ergießt und diesem Fluß den Namen Kura, d. h. Kur und Ra, wie die Aragua auch genannt wird, ertheilt. Von den schönen Ruinen Mscheths konnte ich mir wenig unterscheiden, und so will auch ich die Beschreibung derselben auf eine spatere Zeit verschieben. Eine Brücke hatte uns über den Fluß Reisen u. Ländn'l'csckm'Unm^m. XXV. <» (Reise nach Kaukasieu.) ^ 34 geführt, und auf dem rechten (d. i. südlichen) Ufer der Kura ging der Weg zuerst über den classischen Boden der alten Stadt Armasi, auf dem einst auch des Pompejus Kriegsvölker standen, in die von geringen Höhen unterbrochene Ebene Diduri. Der Tag begann allmählich zu grauen, und alsbald tauchte Tiflis aus der nebligen Ferne und aus dem Dunkel der Nacht hervor. Rasch wurden die Pferde angetrieben und über Stock und Stein »ollte der Wagen. Doch das Ende unserer Mühen war noch nicht erreicht, denn es brach alsbald ein Rad. Der Denschik *) meines Gefährten wurde in ein nahes Dorf geschickt, um eine Arbe**) zi, miethen. Nach Verlauf von einigen Stunden kam diese mit vier Büffeln bespannt, und so gingen wir, nachdem unser Gepäck glücklich auf die Arbe gebracht war, neben diesen häßlichen Thieren langsam einher. Wenn schon unser Rindvieh durch Langsamkeit und Dummheit sich auszeichnet, so verdient der Büffel diese Attribute im höhern Grade. Die Schnauze vorgestreckt, ruhig einen Fuß nach dem andern setzend ging unser Viergespann gleich einer Schnecke vorwärts. Gern wäre ich vorausgegangen, jedoch wohin? Meine ganze Geduld mußte ich im Angesicht des endlichen Zieles zusammennehmen. Endlich kamen wir in Tiflis an und mochten wohl in unserer schmutzigen Kleidung nicht einen günstigen Eindruck machen. Ich verdachte es dem Herrn Salzmann, einem Schwaben, der eine Art Wirthshaus besitzt, nicht, als er anstand, mich in seinem Hause aufzunehmen. Achtzehntes Capitel. Neise durch Aarthli und Gssien. Nicht leicht konnte ich wohl eine freundlichere Aufnahme finden, als in dem Hause des Herrn Salzmanu, eines Schwaben, der im Jahre 1819 mit vielen seiner Landsleute nach den geseg? neten Gefilden Grusiens wanderte m,d daselbst zu einer nicht un- *) So heißen die Soldaten oder ausgediente Uttterofficiere, welche höher Gestellten zu Bedienten gegeben werden. »*) Cin armseliger zwnrädriger Wagen. 35 bedeutenden Wohlhabenheit gelangt ist. Es herrschte ein, Gemüthlichkeit in seiner Familie, wie wir sie eben nur in Deutschland zu finden gewohnt sind. Außerdem war mir Herr Salzmann auch nützlich, da er mit den dortigen Verhältnissen genau bekannt war und mich mit Rath und That unterstützte. Mein erstes Geschäft war, die Papiere dem Oberbefehlshaber der kaukasischen Länder, Baron von Rosen, zu übergeben und dann weitern Verfügungen entgegen zu sehen. In allen meinen Wünschen kam dieser mir freundlich entgegen und sagte für die Zeit meines Aufenthaltes in den kaukasischen Ländern die nöthige Unterstützung mir zu. Staatsrath S. wurde beauftragt, alles Nöthige mit mir zu besprechen; aber leider war der Mann, dem ich anvertraut wurde, am wenigsten befähigt, mir in meinen Wissenschaft« lichen Untersuchungen an die Hand zu gehen und liebte die Bequemlichkeit, außerhalb welcher er gegen alles gleichgültig war. Und doch war er der Mann, der in Grusien die Wissenschaft repräftn-tiren sollte; ihm war (oder ist noch) die wichtigste Stelle in jenem paradiesischen Lande anvertraut, den Bewohnern der transkaukasischen Lander mit Rath und That beizusiehen; er sollte eine Musterwirthschaft gründen, von der er gar nichts verstand, und in den Gewerben und in der Laudwirthschaft die technischen und ökonomischen Vortheile, welche Scharfsinn und Thätigkeit bei uus allgemein gemacht haben, einführen. Von allem dem geschah aber nichts, und deßhalb wird es auch Niemand wundern, wenn dieser Mann auch für mich nichts that. Hätten meine wissenschaftlichen Bestrebungen nicht mehr Anklang bei hochstehenden Militärpersoneu gefunden, so wäre mir, wenn auch nicht alles, doch viel vereitelt worden. Zunächst war es der Oberbefehlshaber selbst, der, trotzdem er im Kriege auferzogen und seine Lebenszeit hindurch im Lager zugebracht hatte, einen regen Sinn für alles Schöne und Gute in seiner Brust bewahrte, und dann unterstützten mich nicht weniger die Generale Walchoffsky und von der Hoven, die mit der liebenswürdigsten Vereitwilligkeit mir in Allem entgegenkamen, und endlich, da S. für mich eben gar nichts besorgte, meine Angelegenheiten nach einem unndthigeu Aufenthalt von 14 Tagen ordneten. Nicht zufrieden damit führten mich beide Generale in ihren in hohem Grade gebildeten Familien ein, und verschafften mir auf die ganze Dauer meines Aufenthaltes in Tiflis einen Genuß, den 3 * 86 ich in dem uncultivirten Grusien nicht erwartet hätte. Auch der Familie des Oberbefehlshabers wurde ick vorgestellt und fand alsbald in ihr freundliche Aufnahme. Endlich war die Bekanntschaft des Fürsten Konstantin Su-woroff*) für mich ein um so glücklicherer Umstand, als dieser Enkel des großen italischen Helden mir an Jahren gleich war und für mich und meine Bestrebungen ein solches Interesse faßte, daß er in dem Verlaufe meiner ganzen Reise den wohlthatigsten Einfluß auf mich ausübte. Das Interesse verwandelte sich alsbald in Freundschaft, und trotz der großen Rangverschiedenheit hat wokl Niemand sich als Freund mit Rath und That mehr bewahrt als der Fürst Suworoff. Die nähere Beschreibung meines Aufenthaltes in Tiflis übergehe ich, und die der Stadt Tiflis und des höchst interessanten Lebens in derselben verschiebe ich auf die Zeit, wo ich durch eiuen längeru Aufenthalt daselbst mehr Muße und Gelegenheit hatte, alles in seinen Eigenthümlichkeiten kennen zu lernen. Ebenso wird das Capitel, das eine kurze Charakteristik Grusiens und sei-ner Bewohner enthalten soll, erst später folgen, einestheils weil mir es ebenfalls weit spater erst möglich wurde, das Land naher kennen zu lernen, anderntheils um nicht die Reihenfolge zu uuter? brechen. Deßhalb eile ich jetzt schnell nach Ossien, dem Lande, dessen Untersuchung ich mich mit Vorliebe widmete und dessen ich schon bei meinem Uebergange über den Kaukasus mehrmals Erwähnung gethan habe. Leider herrschte wahrend meiner Anwesenheit in Tiflts trotz der vorgerückten Jahreszeit eine große Hitze, die durch die Nachle nur unbedeutend abgekühlt wurde, und alöbald fühlte ich die übcln Folgen einer Schwäche des ganzen Vcrdauungssystemes, besonders Uebelkeit, Erbrechen »nd Kopfweb. Die Anwendung vo» Cremor lartari und größerer Genuß von Rothwein beseitigten diese Störungen etwas, und erlaubten dem Uebel nicht sich zu vergrößern. Mit den besten Papieren versehen, reiste ich am 2«, Septem- *) Fast allgemein schreibt man Tuwaroff und legt beim Allssprechen des Namens den Ton auf die erste Sl'lbe, allein „ach dem Enttl des berühmten Generals heißt der Name Suworoff und hat den Ton auf der zweiten Si'lbe. 37 ber gegen Abend, von einem Uebersetzer, Joseph mit Namen, und Armenier von Geburt, und einem deutschen Bedienten, der den Namen Fritz führte, begleitet, ab. Es wurde um so nothwen, diger, daß ich noch denselben Tag Tiflis verließ, als der Oberbefehlshaber eine größere Inspectionsreise nach den westlichen Pro-vinzen vorhatte, und ich dadurch, wenn ich nicht einen Vorsprung hatte, gegen seinen Willen aus Mangel an Pferden aufgehalten werden konnte. Mein Weg führte mich nach Westen mitten durch Karthli (Kanalinien) zu der Hauptstadt desselben, Gori, und von da über Zrchinwall nach den südossischeu Gauen. Auf einem Postkarrcn (einen bessern Namen sind diese Wagen wirklich nicht werth) fuhren wir drei auf dem bekannten Wege längs der K»ra und über Mschct der fast 4 Meilen entfernten Station Garziskari zu und langten daselbst gegen Mitternacht an. Es war das zweitemal, wo ich die alre grusische Residenz Mschet bci Mondenschein sah. Leider wurden wir in Garziskari am folgenden Tage den grdßten Theil des Morgens aufgehalten, da der Baron Rosen seit 8 Tagen bereits angesagt war nnd deßhalb keine Pferde weggegeben werden durften. Unentschlossenheit und Zaudern waren die beiden Hauptfehler des Oberbefehlshabers, wtlche die Ausführung seiner guten Absichten vielfach hemmten, aber wohl in seinem holien Alter eine Entschuldigung finden. Von Garzis^ kari bis Gori, das noch 87o Meilen entfernt ist, läuft die Poststraße «m Norden des Kur, oon dem sie durch ein unbedelllendcs Gcbirg getrennt wird. zuerst durch das Gebiet des Fürsten von Mnchran in einer fruchtbaren Ebene (Mnchraniß-Mindori). Dcn Eingang bildet eine Schlucht, die eigentlich den Namen Garziokari fnhrt, und durch Felsen gebildet wird. Der Wcg führt nicht nach der StadtMuchran, sondern unterhalb dcrsclben in einer elenden Hütte werden von Kosaken, die hier die Post zu besorgen haben, die Pferde gewechselt. Die Muchrausche Ebene läuft iu ein großes Bassin aus, in dem jetzr die beiden Flüsse Ksau nnd Ncchula*) befindlich sind, und was rriedcrnm mir einem z,veiten Bassin bci Gori in Verbindung sieht. Man sieht cs noch deutlich, daß hier vor langen Zeilen ein bedeutender See war. Der ganze Boden besteht aus einem Gerölle, das zum große» Theil mir c'llier fruchtbaren ") Die Nnssen «cnncn meist dcn Fluß Lächnra. 38 Erde bedeckt ist. Von jeher waren auch diese Gegenden die Getreidekammern Grufiens, wahrend Kachien (Kachelten) oder das Thal des Alasan Grusiens Weinkeller genannt wird. Trotz des vierzigjährigen Besitzes hat leider Rußland die Spuren der letzten Verwüstungen dieses Landes, besonders die zu Ende des vorigen Jahrhunderts durch die Perser noch nicht ganz verwischen kölM,. Diese fruchtbaren Gegenden des Ksan und der Rechula liegen noch zum großen Theil ««angebaut und wüst da. Au der Rechula unweit des Städtchens Tschala liegt das alte Kloster Samthawißi auf einer unbedeutenden Anhöhe. Leider erlaubte mir die Zeit nicht, seine große und schone Kirche in Augenschein zu nehmen. Sie ähnelt deu übrigen grusischen Kirchen und ist aus Sandstein, der sich nach dem Kur hin in großer Menge befindet, elbaut. In frühern Zeiten hatte hier der Bischof von Karthli seinen Sitz. Es war Abend geworden, als wir in der Hauptstadt Karth-li's ankamen und von einer Menge neugieriger Menschen umgeben wurden. Der Kreishauptmann (Natschalnik) von Gori war nicht anwesend, denn er erwartete an der Gränze seines Kreises seit mehreren Tagen den Oberbefehlshaber und war deßhalb gezwungen hier in einer Hütte mehrere Nächte zuzubringen. Nach langem Hin- und Herfragen kam endlich der Bürgermeister der Stadt, ein Grusier, und befahl einer Wittwe mit ihrer Familie ihre Wohnung zu räumen und mir selbige zu übergeben. Sie sträubte sich lange Zeit und gab ihren Unmuth dnrch lautes Schreien, von dem ich glücklicher Weise nichts verstand, kund. Die Kinder weinten, eine Menge herumstehender Manner und junger Bursche lachten, und ich wußte nicht, ob ich verrathen oder verkauft sey. Mein Uederseher machte mich alsbald mit den nähern Verhältnissen bekannt, und da ich mich unmöglich entschließen konnte in der freien Luft zu übernachten, „ahm ich das Quartier der armen vertriebenen Familie in Besitz. Dl'ese ächt türkische Sitte, den Besitzer des eigenen Hauses aus seinen vier Wanden zu vertreiben, erfuhr ich im Verlaufe meiner Neise noch mehrmals, mid so weh es mir auch immer that, so war ich doch gezwungen, von den Gewaltstreichen der Magi-stratspersonen Gebrauch zu machen. Sie wird freilich dadurch gemildert, daß bei dem völligen Mangel an Wirthshäusern die Ma- 39 gistratspersonen gezwungen sind, für das Unterkommen von Reisenden, die wie ich (meinen Papieren nach) auf allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers reisten, Sorge zu tragen. Unser Einquartierungsgesetz wird in solchen Fällen auch in Asien in Anwendung gebracht und man wechselt mit den Eigenthümern der Häuser bei solchen Fallen. Leider ist aber den meisten asiatischen Völkern der Geist des Widerstandes selbst gegen wohlthatige Anordnungen, wenn sie von der Regierung ausgehen, eigen, und die Einzelnen gehorchen nur der äußersten Nothwendigkeit. Unter der türkischen und persischen Herrschaft waren die grdßern und kleinern Gouverneurs unumschränkte Herren und die größte Strafe (am häufigsten Stockprügel, die eine wundersame Wirkung bei den Asiaten äußern) erfolgte auf Ungehorsam. Seitdem die mildere Regierung Rußlands eingeführt und freie Unterthanen nie (gesetzlich sondern nur eigenmächtig) durchgeprügelt werden können, hat sich der Geist der Widersetzlichkeit im hohen Grabe vermehrt und angesehene und kräftige Familienväter verstehen es, von ihren Behörden, besonders wenn diese aus Eingebornen bestehen. Manches zu ertrotzen. Leider sind diese Behörden auch nicht immer ehrlich, und Geschenke verandern nicht selten willkürlich die Sache. So steht es auch mit der Einquartierung, von der sich die angesehenen und körperlich kräftigen Bewohner zu befreien wissen. Es kommt die Reihe häufiger an Arme, besonders an Wittwen, die keines mannlichen Schutzes sich erfreuen. Nichtsdestoweniger ist die Gastfreundschaft auch in Grusien und in den übrigen transkaukasischeu Landern zu Hause, wenn auch nicht in so hohem Grade, als bei den Völkern des Gebirgs, und ich würde gewiß auch in Gori in irgend einem Hause ein freundliches Unterkommen ohne obrigkeitlichen Befehl gefunden haben. Kaum hatte ich übrigens von der mir eingeräumten Woh-nuug Besitz genommen, als die vertriebene Wittwe ihren gerechten Unmuth vergaß und mich in ihrem Hause willkommen hieß. Die armseligen Teppiche, welche sie mit sich fortgenommen hatte, ließ sie wieder holen und breitete sie auf einer erhöhten Stelle für mich zum Nachtlager auf. Diese Teppiche bildeten das ganze Ameuble-ment der Familie und vergebens frug ich nach einem Tisch und Stuhle. Die gute Wittwe begriff mich gar nicht. Das ganze Haus bestand aus dem einzigen 14 Fuß ins Ge° 4ft viert haltenden Zimmer, und war einfach aus übereinandergelegten Steinen zum Theil in die Erde gebaut. Eine Schicht von Lehm, durch Stangen und Flechtwerk in seiner Lage erhalten, bildete die Decke des Zimmers und zugleich das Dach des Hauses. Der Boden war die nackte Erde. Die einzige Oeffnung bildete der kaum 5 Fuß hohe Eingang, der durch eine schlechte Thür nur unvollkommen ge> schlössen werden konnte. Der Thüre gegenüber war eine Art Kamin angebracht. Ills ich eben mit meinen Sachen mir einen Sitz gemacht hatte, um das was ich seit gestern gesehen und erfahren, in meinem Tagebuche niederzulegen, kam der Bediente des Grafen Opper-mann, der hier Chef eines Linien-Regimentes ist und citirte mich zu seinem Herrn. Als ich mit Müdigkeit mich entschuldigen ließ, kam alsbald Vefehl. Unmuthig hierüber ergriff ich Feder und Papier und drückte in einem Villetchen nochmals meinen festen Willen aus, heutt nicht auszugehen, versprach aber den andern Morgen in aller Frühe meine Aufwartung zu machen. Damit löste sich ein Mißverständniß. Der Bediente des Grafen, ein Kurlander, hatte meinen Namen gehört und geglaubt, daß ich veredeln Kochkunst ergeben dem Oberbefehlshaber voraus geschickt wäre. Um über die nun wahrscheinliche Ankunft des Oberbefehlshabers genauere Nachricht zu erhalten, hatte der Graf auf mein Kommen so lange bestanden, bis er durch mein Billetchen eines Andern belehrt worden war. So sehr ich mich auch nach Vollendung meines Tagebuches nach Ruhe und Schlaf gesehnt hatte, so wurde mir doch beides vereitelt. Wenn schon die Unreinlichkeit in Rußland und noch mehr in Polen der Erzeugung jener kleiner Thierchen, der Kleiderläuse und Flohe, förderlich ist, und Fremde in hohem Grade von ihnen belästigt werden, so ist dieses l'n weit hdhcrm Grade in den transkaukasischen Ländern der Fall. Ich würde noch oft Gelegenheit haben, von dieser Landplage berichten zu können. Das ganze Zimmer wimmelte im eigentlichen Siune des Wortes, und mit einer Wuth fiel das Ungeziefer über ihr Schlachtopfer, daß es selbst meinem Uebersetzer, der doch einigermaßen, wie er mir selbst erzählte, daran gewdhur war, unmöglich wurde zu schlafen. Ich zündete Licht an, und hatte Mühe mich zu reinigen. Obwohl noch ganz ermüdet, dankte ich doch dem lieben Gott, als der Tag graute. 41 Bei dem Grafen Oppermann fand ich eine herzliche Aufnahme und sie war mir um so angenehmer, als ich eine deutsche Familie, in der die ganze Einrichtung und die Lebensweise mich an mein Vaterland erinnerte, fand. Außer der schönen und liebenswürdigen Gräfin und ihrer Gesellschafterin, einer Deutschen, belebten noch ihre beiden Brüder, die polnischen Grafen Noniker, den traulichen Fa-miliencirkel. In der ganzen Zeit meines Aufenthaltes brachte ich die doppelte Tischzeit in der gräflichen Familie zu, und erfuhr in ihr, was Interessantes mir die Umgebung darbot. Ich konnte die Zeit vor Tisch (bis 5 Uhr Nachmittags) nicht besser anwenden, als mich zuerst mit den nächsten Umgebungen der Stadt bekannt zu machen und erstieg zu diesem Zwecke die mitten in der Stadt liegende Burg. Welcher großartige Anblick bot sich hier meinen Augen dar! Unter meinenFüßen breitete sich dieStadt fast rings herum aus und dann begann nach Norden eine schöne und große Ebene, in der viele Flüsse sich vereinigen, bevor sie mit dem südlich fließenden Kur zusammenkommen. Die wichtigsten sind die große und kleine Liachwa, die Medschuda und die Per--chuscheti. Hinter ihr entfaltete sich das mächtige südossische Gebirge, und mit ewigem Eis und Schnee bedeckt erhob der Brut-sabstli (heilige Scheuer) sich bis in die Wolken. Nach Westen und Osten schließen nur unbedeutende Höhen, aus tertiären Gebilden, besonders Molasse und Sandstein bestehend, die fruchtbare Ebene. Südlich stießt der Kur und über ihm befinden sich die Sandberge desRasmithi. Auf einem derselben steht das jetzt verfallene Kloster Goridschwari. Betrachtet man die große Ebene, in der Gori liegt, etwas näher, so unterliegt es keinem Zweifel, daß sie einst einen See bildete, aus dem vielleicht nur der Burgberg (aus Molasse bestehend) herausragte. Das Bassiu läßt sich mit leichter Mühe abgranzen, und besteht wie das der Rechula und des Ksan, mit dem es früher wohl auch zusammenhing, aus Gerölle, daS zum Theil vo» Schlammerde bedeckt ist. Die oben genannten Flüsse zertheilen sich in eine Menge Arme, die sich bildeten, als die Wasser sich verliefen. Der See eristirte auf jeden Fall noch zu Anfang unserer christlichen Zeitrechnung und es wird seiner bei Strabo ") und einigen *) Slrabonis rcrum geograpliicarum übri XV1I.; recens. Casau-boni; Lib. XI. pag. 345, ^f,'l« lfl« ?t^/l«ro5, « /sylti l) /wln.«,/." Es ist möglich, daß unter diesem See oder Sumpf auch der See des Ksan und der Lächura zu verstehen ist. 43 gin den Falken zurückzubringen; zum Lohne verlangte er aber ihre Hand. Die Königin erwachte aus der Melancholie, in die sie sich versenkt hatte und gelobte alles zu thun, was man von ihr verlangen wollte. Da stürzie der kühne Fremdling sich keck in die Flmhen, zertheilte mir gewaltigen Armen die Wasser und erreichte alsbald den steilen Felsen. Ruhig blieb der Falke sitzen und mit leichter Mühe wurde er von seiner Hand gefangen. Vom Felsen herab stürzte sich der fremde Ritter zum zweitenmale in die Fluchen, mit der Linken den Vogel hoch in den Lüften haltend, mit der Rechten dem Ufer zusteuernd. Da fiel plötzlich der Königin ihr Versprechen ein, und erschrocken warf sie sich nieder auf die Knie, ein Gebet nach dein andern zu dem höchsten Gotte entsendend. Sie hatte früher gelobt, ihr ganzes Leben hindurch Jungfrau zu bleiben. Aber immer näher schwamm der Fremdling dem Ufer. Ewiger Gott, rief sie aus, du hast früher meinen Schwur vernommen, daß kein Mann je mich umfangen soll, daß meine jungfräulichen Lippen nie durch einen unreinen Kuß entweiht werden sollen, und jetzt wagt es ein Verwegener den Schwur, den ich damals geleistet, zu verspotten. Schon streckt er die gottlosen Hände aus, um mich zu besitzen, befreie mich Herr von diesem Frevler und ich verspreche dir eine Kirche zu bauen, um in ihr jeden Morgen meine Dankgebete aufsteigen zu lassen. Eher stürze ich mich selbst in die Fluchen und begrabe in denselben meinen jungfraulichen Leib, bevor ich solche Schmach erdulde. Das Gebet fand Erhdrung. . Es schwanden dem muthigen Schwimmer die Kräfte, und er sank hinab in das kühle Grab des Sees; der Falke aber erhob sich in die Lüfte und flog seiner Gebieterin zu. *) Auf die Frage, wo sie die Kirche erbauen sollt.', soll eine heilige Einsiedlerin (vielleicht die Gergethi des Kasbek) ihr befohlen haben, den See durch einen Kanal abzuleiten und auf dem Berge, von dem der Felsen des Falken die höchste Spitze war, die Kirche zu erbauen; denn um den Berg herum würden sich alsbald betriebsame Menschen ansiedeln und die fruchtbare Ebene des Sees *) Aus diesem Gebet ersieht man, daß man eme andre Königin mit der Thamar, die zweimal verheirarhet war, und vorn Jahre 1171 bis 1198 regierte, verwechselte. Aber leine der grusischcn Chroniken gibt uns von einer jungfräulichen Königin des Landes Nachricht. M bebauen. Es würde daselbst eine Stadt erstehen, deren Bewohner machtig und reich werden. Den Worten der Einsiedlerin getreu, befahl Thamar, daß dem See durch die vordern Hügel des unbedeutenden Gebirgsrückens Swcrnak in die Ebene von Moessis ein Ausgang eröffnet würde, nnd so nicht mehr zurückgehalten, verliefen die Wasser alle in kurzer Zeit. Aber je mehr diese verronnen, um desto mehr erhob sich der genannte Felsen; und als die Ebene leer war, wurde der jetzige Burgberg in seiner ganzen Große sichtbar. Man ebnete hierauf seine Spitze und auf ihr wurde eine Kirche gebaut, deren Ruinen man noch jetzt findet. Die heilige Kirche zog nach und nach eine Menge Glaubige hierher und viele siedelten sich am Fuße des Berges an. Auf diese Weise entstand die Stadt Gori, welche allmählich größer und nächst Tiflis die wichtigste Stadt Karthli's und alsbald auch Grusiens wurde. Ueber die Gründung der Burg herrscht aber noch eine andere Sage, daß nämlich der griechische Kaiser Heraklins sie erbaut habe. *) Nach Dubois deuten auch die Ruinen den griechischen Ursprung an. Wir wissen ferner aus den grusischen Chroniken und aus den Byzantinern Theophanes und Konstantin Porphyro-geneta, daß Heraklkus viele nnd glückliche Kriege mir den Persern um den völligen Besitz Grusiens und Armeniens geführt hat. Nach Theophanes hatte sich der damalige König von Karthli (was bei den Griechen den Namen Iberien führte) Varsamoises mit dem Könige von Persien verbunden, und fiel in einer Schlacht mit den Griechen im Jahre 624 dem Kaiser Heraklius in die Hände. Grusische Schriftsteller erzählen hingegen, daß der König Grusiens, der unter dem Namen Stephanos II aufgeführt wird, in einer Schlacht gegen den Kaiser Heraklius im Jahre 619 geblieben sey. Adar-nasseh, ein Nachkomme Vakurs, wurde nach ihm als Konig eingesetzt. Wie groß übrigens der Einfluß des Kaisers in Karthli gewesen seyn muß, ersieht man daraus, daß nach Samt-Marti» in der Zeit es geschah, in der die grusische Kirche sich von der armenischen trennte und sich mit der griechischen verband. Rei-neggs und nach ihm Dnbols glauben den Namen Gori in dcm alren Chorpena (was Dubois falsch Gorsenna nennt) zu finden. *) Nach Wachuscht (Geographie von Grusien ins Französische übersetzt von Brosset) nannte Heraklius die Burg Tonthio, d. h. Goldberg 5 L.; und kokanzini» lUn58lmn ^. ^. Ne). Außerdem sammelte ich noch auf dieser Höhe lioolii» koop^rill 8«ni'3<1.) /Vrtomi^la sgzolculgln ^. N., ^V. wnrica Wiilli. u. a. M. Von der Burg ans hatte ich die beste Uebersicht über die Stadt, die noch ächt grnsisch ist, denn anßer der Wohnung des Grafen Opperman» eristiren in ihr kcine europäisch gebauten Häuser. Die Mehrzahl der grusischen sind neu gebaut und bieten aus der Ferne gesehen dem Fremden einen freundlichen Blick dar. Sie sind bis auf wenige Ausnahmen zweistöckig und mit einem Balken versehen. Die Mahi chen der tausend und einer Nacht traten lebhaft vor meine Phantasie, wenn die jungen Mädchen, sobald sich die Sonne hinter den nahen Beigen verborgen hatte, auf *) Strabo, lAh. XI. j>ag, stii. 4« den terrassenförmigen Dachern erschienen und mit Gesang und Tanz sich die schönen Abende vertrieben. Gern hätte ich bei ihnen verweilt, wenn nicht gerade mein Erscheinen sie verscheucht hätte. Die Hauptstraßen sind (nach asiatischen Begriffen) ziemlich breit und durchaus nicht so schmutzig, wie z. B. in Tistis; um desto schlechter erscheinen aber die andern, wenn diese labyrlnthähnlichen Gange zwischen über einander gelegten Steinen (die dadurch zu Hausern werde») den Namen Straße verdienen. Nicht selten ge-riethich, als ich gegen Abend die Stadt durchwanderte, ohne es zu wollen, auf die Dacher der Hauser und fand dann nur mit großer Mühe wiederum die Straße. Wenn man alle Löcher, in denen Menschen sich aufhalten, für Häuser gelten läßt, so mag wohl die Zahl derselben über 500 betragen und in ihnen wohnen mit Einschluß des hier zum Theil garnisonirenden Regimentes gegen 40(10 — 4500 Menschen. Die Einwohner sind größtentheils Armenier, die sich zum Theil zum katholischen Glauben bekennen. Grusier sind nur wenige hier wohnhaft. Nach allem, was ich schon über den Reichthum Karth-li'S gesagt habe, darf es nicht auffallen, daß in Gori keineswegs Armllth, wie in den meisten Provincialstadten Grusiens, sondern im Gegentheil eine gewisse Wohlhabenheit herrscht. Die Bergvölker des Südens und des Nordens kommen hierher um ihre Erzeugnisse gegen andere Bedürfnisse eiuzulauschen, und die Armenier verstehen dabei, wie nicht leicht ein Volk, ihren Vortheil. Der Basar zählt eine Menge Kaufläden und zeichnet sich durch Reinlichkeit vor dem in Tiflis aus. Dadurch aber, daß er zum großen Theil überdeckt ist, erscheint der Boden zwar beständig trocken, allein die verschiedenen und zum Theil stark riechenden Waaren, wie flüchtige Oele, getrocknete Fische, Lichter, Fleisch !c. rufen nicht immer Wohlgerüche hervor. Wenn die Kaufleute Gori's nicht selbst zur Verbesserung der Lnft viele Sorge trügen, so wäre es wohl kaum möglich, daselbst sich lange Zeit aufzuhalten. Zu meiner großen Freude fand ich auf dem Basar ein Pulver, das alles Unzieftr todten sollte. Nichts konnte mir für die Nächte erwünschter seyn, als dieses mir sehr gerühmte Mittel, von dem ich alsbald Gebrauch machte. Ich streute es über mein ganzes Lager ans, und wirklich wurde mein Schlaf in der folgenden Nacht nicht ein einzigesmal unterbrochen. Als ich dcu nächsten Morgen 47 mein Lager besah, sah ich meine Peiniger leblos da liegen. Bei näherer Untersuchung des probaten Mittels fand ich kleine Vlüthen-theilchen einer Composite. Von den Kaufleuten wurde mir die Pfia«ze verheimlicht, allein durch die Freundlichkeit meiner Hausbesitzerin erhielt ich eine Blüthe, aus der ich ersah, daß es?yr. etkrurn cgrneum N. ü. war. Nach weitern Versuchen wurde mir klar, daß der penetrante Geruch, der übrigens dem unserer Cha-mille gleicht, es ist, der allen Arten von Insecten durch Betäubung schädlich und selbst tödtlich wird. Größere Insecten, wie Schmeißfliegen, Schmetterlinge :c. erwachten nach einiger Zeit wieder und selbst die gewöhnlichen Fliegen wurden nach 1 oder 2 Stunden wenn man sie an einen andern Ort legte, wiederum lebendig. In aller Frühe des andern Morgens ging ich in Begleitung meiner beiden Leute und einiger Armenier nach der 1^ Meilen entfernten Uplos-Veste (Uplos-Ziche), um die merkwürdige Felsensiadt, von der ich in Gori so viel gehört hatte, in Augenschein zu nehmen. Der Weg führte auf der Linken des Kur wiederum nach Osten zurück. Der Swernak, eine unbedeutende Hügelreihe aus Molasse bestehend, und zum Theil von Alluvialgebilden bedeckt, schließt die Ebene von Gori (von den Eingebornen Samilachoro genannt) nach Südosten, während Arme des südossischen Gebirges, aus Kalk, der zum Theil von Mergel bedeckt ist, bestehend, sie nach Nordost begränzen und sich zwischen den Flüssen Berscho^thi, Metschuda und der kleineu Liachwa nach Süden ziehen. Als ich die letzten Hügel des Swernak, welche den Bewohnern Gori's zum Theil als Gottesacker dienen, überschritten hatte, setzte ich meinen Weg zwischen dem Kur und der sich zu einem unbedeutenden Gebirge erhebenden Hügelreihe fort. Alsbald eröffnete sich meinen Blicken die schöne Ebene Moessis. Je mehr ich diese betrachtete, und mit den beiden andern, der der Liachwa (Samilachoro), und der des Ksan-Lächura in Verbindung setzte, um so klarer wurde es mir, daß sie ebenfalls früher vom Wasser bedeckt war und mit jenem einen großen See bildete. I„ ^m Maße als sich Alluvialgebilde in demselben besonders an den herausragenden tertiären Felsen der Molasse und Nagelflue niedersetzten, wurde der See, der sich einst von den Felsen an der Aragua bis weit über Gori hinaus erstreckte, iu drei kleinere getheilt, bis auch diese wahrscheinlich auf dem Wege der 48 Kunst abgeleitet wurden, und nun die drei fruchtbaren Ebenen entstanden. Durch die Berge des Swernak ist die Aussicht nach Norden beschränkt, aber nach Süden eröffnete sich mir, sobald ich nur eine unbedeutende Höhe erstieg, ein Panorama, was sich wohl in gleicher Schönheit im Verlaufe meiner kaukasischen Reise mehrmals wiederholte, aber nichtsdestoweniger zu den seltnem gehört. Unter mir floß der Kur, über den sich die Ebene Moessis ausbreitete, und nun erhoben sich die Sandsteinfelsen der Rasmithi-, über diesen hingegen die Erchali- und Dschamschali-Verge, hinter denen Trialien und Grusisch-Armenien sich hinziehen. Der ganze fruchtbare Theil der Gegend bildet den grusischen District Satarchino. Eine Menge Thürme und Kirchen wurden anf den Höhen sichtbar, und ließen vermutheu, daß die Gegend sehr bewohnt seyn müsse. Meine armenischen Begleiter verneinten aber die Frage und erzählten, daß Karthli allerdings in frühern Zeiten viele Menschen ernährt habe, allein die öftern Verwüstungen durch Türken und Perser (besonders die letzte zn Ende des vorigen Jahrhunderts), die Unmachr der grusischen Könige und die Einfalle der Ossen und Lesgier hätten das Land i» hohem Grade entvölkert. Erst seit kaum vier Jahren, wo die russische Regierung Ossen und Lesgier in ihren eigenen Bergen bedroht hätte, wäre Ruhe und Frieden im Lande einge-treten. Durch den letzten russisch-türkischen Krieg sey auch den Raubern ihr vorzüglichster Markt, wo sie ihre Gefangenen verkauft hatten, die Stadt Achalziche, dadurch daß diese jetzt in dem Besitze der Russen wäre, genommen worden. Einer meiner Begleiter wurde einmal von den Ossen gefangen, jedoch in dem letzten Kriege des Generals Rennenkampf in Ossieu im Jahre 1832 wiederum aus den Händen seiner Rauber befreit. Die Zeit sey übrigens noch gar nicht fern, wo die Lesgier in großer Anzahl Gori plötzlich überfallen hätten, und die Burg allein ihnen eine Zufluchtsstätte gewesen wäre. Endlich erreichten wir das elende Dorf Uplos-Ziche und erstiegen, von einem Einwohner daselbst begleitet, die steilen Felsen des aus Molasse bestehenden Berges. Der Weg führte im Zickzack hinauf, so daß Jemand, der ihn nicht genau kennt, leicht auf einen Irrpfad und auf diesem in die größte Gefahr gerathen konnte. Er war nur so breit, daß einer dem andern folgen konnte. Je höher 49 wir kamen, um so steiler wurde der Weg. Zuerst gelangten wir noch tief unten an eine eingchauene armenische Kirche aus einer spatern Zeit. Nach vielem Hin- und Hergehen traten wir endlich durch das Thor einer zum Theil verfallenen Mauer, und wir befanden uns in der Felsenstadt. Ich glaube nicht, daß es anf der Erde eine zweite Stadt dieser Art gibt^ und Wardsia in Samsche, so wie Petra in Arabien besitzen nnr eine entfernte Aehulichkeit. Diese merkwürdige Stadr ist anf der Höhe dcö Verges gerade so ausgehauen, wie man jetzt die alten römischen Städte Hercula-num und Pompeji ausgrabt. Sie ist nicht wie Wardsia und Petra in den Felsen eingehanen, sonder» die Felsen, welche die Spitze des Berges ausmachen, haben nur dazu gedient, an Ort und Stelle das Material zur Fertigung der Hauser zu geben. Diese stehen frei auf der Hdhe des Berges, von dem sie früher eincn iute-grirenden Theil ausmachten, mid sind durch Strassen und Gänge von einander geschieden. Sie gleichen nach ihrem Aeußern den unsrige«, und haben zwar (jetzt, ob anch früher?) ein plumpes Aussehen, sind aber um so schöner in ihrem Innern, wo sie oft. 8 bis 10 Gemächer besitzen. Die großen Zimmer werden in der Negel in der Mitte durch Säulen getragen. Die DectV'ift wie« diese Säulen oft mit den herrlichsten Zieralhen geschmückt und erscheint nicht selten gewölbt; Orffnungm dienen als Fenster und zum Durchzuge der Lnft. Viele Zimmer sind mit Balconen versehen. In den Strasten sieht mau noch Rinnen und Cauale, in denen wahrscheinlich das Negenwafscr gesammelt wurde. Auch einzelne Cisiernen erblickt man hie nnd da. Dnbois, der wenige Jahre vor mir besuchte, und so viel ich weiß, der einzige Europaer ist, der sie geseheu, hat in dem Atlas zu seinem Reisewerk vorzügliche Abbildungen der ganzen Felsenstadr und einzelner Theile derselben gegeben und verspricht ihnen noch andere hinzuzufügen. Nach ihm zelgt die darin enthaltene Bankunst zwei verschiedene Zeiten, in denen Uplos-Ziche geblüht hat. *) Die Gründling von Uplos-Ziche reicht weit über uusere Geschichte hinaus, »,„d verliert sich in den ältesten Sagen über die Vevolkcmng Grustens. Wahrscheinlich entstand cs iu der Zeit, ) Dubois Voyage tom. III. pag, i<>f>. etc unb Ath?, Series IVr- ^ciscn u, U.mdevbeschvciblmgsn, XXV. (Reise nach Kankasien.) 4 50 als die oben genannten drei Ebenen noch mit Wasser bedeckt waren, imd nur die höchsten Spitzen des Swernak aus den Fluthen herausragten. Wachtang V. läßt in seiner schon mehrmals citirten gru-sischen Chronik nach der Verwirrung der Sprachen Armenien, Trans-kaukasien und den Kaukasus durch einen Urenkel Iaphel's Thar-games mit Namen bevölkern. Unter den vielen Kindern, die dieser hatte, zeichneten sich acht durch Tapferkeit aus, und theilten das vaterliche Erbe unter sich. Karthlos erhielt die beiden Ufer des Mtkwari (Kur) von dem Einfluß des Aragua aufwärts bis zu seinen Quellen, und theilte diesen Gegenden seinen Namen mit. Einer seiner Enkel Uplos erbaute nun Uplos-Ziche, h. h. Herrenschloß (wie die Chronik sagt). Wann dieses geschah, laßt sich wie gesagt nicht bestimmen; wenn aber wirklich dieser Sage etwas Geschichtliches zu Grunde liegt, so muß die Zeit auf jeden Fall weit über das erste Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung gesetzt werden. Indier und Perser befanden sich übrigens schon damals auf einer hohen Stufe der Cultur, und es ist zu vermuthen, daß zumal wohl Grusien zu jener Zeit eiuen Theil Persiens ausmachte, die geschmackvollen Zierathen von Persiens Künstlern verfertigt seyn mögen. Zum zw!?itenmale wird Uplos-Ziche in der Geschichte unter dem neunten grilsischcn Könige Arschak, von dem es heißt daß er an Größe und Kraft dem Goliath glich, genannt und von ihm wird gesagt, daß cr Uplos-Ziche vergrößert habe. Es geschah dieses im ersten Jahrhundert vor Christus. Seitdem wird es in der Geschichte kaum noch erwähnt, und es heißt nur noch in der Geographie des Wachuscht, daß die Stadt zur Zeit des Dschingis-Chan verlassen worden sey. Damals war sie wohl aber nur noch unbedeutend, da sie sonst nicht erwähnt wird. Das Thal in dem sie liegt, gehört aber fortwährend zu den reichsten und fruchtbarsten Gegenden von Karthli, und hatte früher Ueberfluß an Getreide. Sein Wein wurde selbst dem von Kachien vorgezogen. Allenthalben findet man noch Spuren eines frühern Glanzes und häufig sieht man noch die großen eingemauerten oder in Felsen eingehauenen Wcinkrüge. Nur ungern trennte ich mich von der Felsenstadt und schlug auf der Heimkehr ziemlich denselben Weg ein. In geologischer Hinsicht habe ich von dem Swernak schon gesprochen, und es genüge hier noch die wichtigsten Pflanzen, die ich auf dieser Hippophae chramnoides L., Elaeagnus angustifolia L., Cannabis sativa L.? Euphorbia micrantha Willd.., E# salici folia Host., Spinacia inermis Mncb., Polygonum alpestrc C. A. Mey., Xanthium Strumarium L., Gnaphalium candidissimum M. B., Xeranthemum radiatum Lam. L., Micranthum C. Koch.3 Cirsium rigidum Dec, C. peniciliatum C. Koch., Kentrophyllum glaucum F1« etM., Leontodon corniculatus Kit., L. scrotinus Kit. L., bes-sarabicus Fiscb., Asperula humifusa Bess,, Plumbago lapatbi-folia W., Heliotropium europaeurn L., Lithospermum tenuiflo« rum L., Lycopsis picta Lehm., L. Lutcc. Lam., Echium italicum Lam., Erythraea pulchella Fr. mit reeißer miö votier SSliU^C/ L. maria genistifolia Mill,7 Ziziphora serpyllacea M. B., Satureja montana L , Teucrium Scordium L., T. scordioides Schreb., Eryngium dichotomum Dess., Bupleurum falcatum L., Rbus Cotinus L,, Tamarix gallica L., Cleomc iberica Dec, Clypeola .Jontblaspi L., Draba nemorosa L., Reseda orthostyla C, Koch; D. ianthus iimbriatus M. B., Zygophyllum Fabago L, Dclpliinium di\ raricatum Led., Linum marginatum Poir. unt> Astragalus cau- Casiicus Pali. *) S. unten bet der Beschreibung Grnsiens im Anfange des 25. Capitels. 4 * 51 Ercursion und überhaupt in der Umgebung vonGori fand, aufzuführen. Leider verhinderte mich eingetretenes Regenwetter.die beiden Klöst er Goridschwari und Sion zu besuchen. Von dem erster« habe ich schon gesprochen; das andere liegt hart an der Ebene Moessi s auf einem Verge im Thalc der Tana und ist wohl auch nicht t,oeiter als i'/z Meilen von Gori entfernt. N»euen Aufenthalt verursachte mir der Oberbefehlshaber dadurch, daß man nicht wagte, einige von den hier stehendenKosaken wir lmH Ossien zur Begleitung zu geben, sondern alle zu seinem Empfang verwenden wollte. Zum Glück ttaf derselbe nach dem 30. September mit einem großen Gefolge ein, und besichtigte die Stadt und ihre Einrichtungen. Unter seiner Begleitung befand sich außer dv'M Fürsten Suwoross noch der Major Mdbius, ein höchst interessanter Mann. In seiner besten Jugend war er als Handlungsdiener von Hamburg, seiner Geburtsstadt aus, nach Ostindien, wo, wie es scheint, es ihm nicht gut ging, gegangen. Von dem guten O/mpfange aller Europäer bei Nnndschit-Sing in 52 Lahor hörend, nahm er bei einem englischen Sergeanten im Exercieren Unterricht, verließ hieranf Ostindien, und erhielt in Lahor durch die Vermittlung Ventura's eine Mill'tärstelle. Bald darauf wurde cr Chef eines Linien-Regimentes. Mehrere Jahre hindurch zeichnete »er sich in allen Gefechten mit den nördlichen Völkern ans. Sehnsucht nach dem Vaterlande und die Bitten seiner noch damals lebenden Mutter in Hamburg bewogen ihn später nach seiner Heimath zurück zu kehren. Er nahm den Weg durch Persien nach Tiflis u„d kam daselbst im Winter 1835/36 an. Hier sah er, daß ihm das nordische Klima nicht mehr zusagte, und so trat er von neuem mit dem Range eines Majors in russische Dienste. Leider starb er aber im Januar 1837. Nur durch einen Machtspruch des Oberbefehlshabers erhlelt ich endlich den 1. October gegen Abend Pferde und drei Kosaken zur Begleitung und reiste alsbald ab. Der Weg führte mich nach Norden durch die Medschuda auf das östliche Ufer der großen Liachwa in der Mitte der Gorischen Ebene. Das schönste Wetter begünstigte meine Reise, die ich von nun an zu Pferde machen mußte. Das an und für sich unangenehme Reisen zu Pferde wurde mir, da das Reitzeug den unsrigen unähnlich ist, im hohen Grade lästig und beschwerlich, wenn ich anch im fernern Verlaufe meiner Reise deutlich sah, daß unsere Art zu reiten der asiatischen in jeder Hinsicht nachsteht. Der Asiate, der einen großen Theil seines Lebens auf dem Pferde zubringt, wußte auch darauf bedacht seyn, das Reitzeug so bequem als möglich zu machen. Aus dieser Ursache ist der Sattel klein und schließt den Körper so ein, daß eS dem letzter« nicht möglich ist, seine Lage ohne den Willen des Reiters zu verandern. Ferner sind die Steigbügel breit, und erlauben dem ganzen Fuß in ihm einen Ruhepunkt zu fmden. Dadurch daß sie hoch geschnallt sind, sitzt man mehr auf dem Pferde als bei uns, wo man mehr stehr, und gezwungen ist eine gewisse Kraft anzuwenden, um seinen Fuß in dem schmalen Bügel zu erhalten. Für mich waren die hohen Bügel im Anfange unerträglich und verursachten mir im Knie ungemeine Schmerzen. Mit der Zeit jedoch gewöhnte ich mich daran, und ich machte später nicht unbedeutende Reisen zu Pferde. Der Asiate reitet auch entweder nur Schritt oder Galopp; Trab ist ihm unbekannt und auch beschwerlich. 53 Es war volle Nacht eiugetreten, als wir bei Schertuga durch die große Liachwa ritte», und nun auf dem westlichen Ufer dieses Flusses bis nach Zrchinwall *) bliebe,,. Alle Dörfer dieser Gegeud besitzen ciue Art fester Plätze, die in hohen, viereckigen Mauern bestehen und in welche die Einwohner zur Zcit der Noth sioheu. Seitdem nun volle Ruhe in Karthli eingetreten ist, hat mau sie zu andern Zwecken benutzt. Vor zehn Iahreu wäre es nicht möglich gewesen, in so geringer Begleitung des Nachts diesen Weg zu Passiren. < In dem Hause des Vaters meines Dolmetschers fand ich in Zrchinwall eine freundliche Aufnahme und schlief zum erstenmale wiederum seit meiner Abreise von Petersburg auf einem weichen Nachtlager. Da der zweite October ein Sonntag war, so beschloß ich den Tag i» Zrchinwall zu bleiben, und erst den andern Tag Ossieu zu betreten. Ich hoffte auch erst „och nähere Nachrichten über das gefährliche Land, vor dem mau mich in Tiflis und Gori wiederholt gewarnt hatte, emzuziehcll, imd darnach meine Weiterreise einzurichten. Mehrere Ojscn, die mich besuchten, schilderte» jedoch ihreLandsleute auf eine so günstige Weise, daß ich für den 3. October die Begleitung derselben nach Dschawi (Dschau off.), dem ersten ossischen Dorfe, mit großem Danke annahm. Die Umgebungen Zrchinwalls sind im hohen Grade freundlich. Auf dem westlichen Ufer der großen Liachwa gelegen, wird es von beiden Seiten von den bewachsenen Hohen der von der südossischen Kette sich herabziehenden Berge umgeben. Die Stadt ist weit kleiner als Gori und die Zahl ihrer Häuser mag kaum 2 — 300 betragen. Die letztern sind bis auf wenige Ausnahmen einstöckig und bestehen meist nur aus einem emzigen Zimmer. Hart an der großen Liachwa liegt die geräumige Festung, aus vier starken und 9 bis 12 Ellen hohen Mauern bestehend, und enthält, da die Zeiten der ossisch-lesgischenRaubzüge aufgehört haben, jetzt den armlichen Basar, der in jeder Hinsicht dem von Gori nachsteht. Klaproth nennt mic Unrecht die Festung die eigentliche Stadt und laßt deßhalb Zrchinwall mit Mauern umgeben sevn. *) Dieser Name wird der schwierigen Aussprache halber verschieden geschrieben, so heißt er bei Wachuscht (nach Vrosset's Schreibart) Ktzkhil-wani, bei Güldenstädt Krzchinwal, bei Eichwald Tzchmwali u. s. w. 54 Auf der östlichen Seite der Festung fließt die große Liachwa (Didi Liachwa grus.) und eine hölzerneBruck'e führt über den Fluß. Bei näherer Betrachtung fand ich Spuren einer großen steinernen Brücke, und als ich mich naher darnach erkundigte, erfuhr ich, daß die Ueberbleibsel aus uralter Zeit, wo hier eine sehr große Stadt gestanden habe, herstammten. Diese führte den Namen Phitschchis-Kalaki (Reisig- oder Gestrauch-Stadt) und man sagt von ihr, daß sie sich weit nach Süden erstreckt hatte. Wann die Stadt zerstört worden ist, wußte man nicht. Spater hatten drei Brüder den Grund von Zrchinwall gelegt und bei der Erbauung ßch so vertheilt, daß der älteste die Burg, der mittlere die Kirche, und der jüngste die Mühle erbaut habe. Auf der Karte des Wachuscht befindet sich auf dem linken Ufer des Flusses noch ein Dorf, das den Namen Phitchkhiskalaki führt. Die Einwohner Zrchinwalls, ungefähr 2000 an der Zahl, sind betriebsam und beschäftigen sich vorzüglich mit Wein- und Obstbau, weßhalb auch eine Menge Garten die Stadt umgeben. Die Anlage der Weinreben ist nicht von der unsrigen verschieden; sie werden entweder Stock für Stock an einzelne Pfähle gebunden, oder es wird eine Planke, an der die einzelnen Reihen befestigt werden, gezogen. Anders verhalt es sich, wie ich später zeigen werde, inImeretien. Wein und Obst hatten üicht die Qualität, welche ich erwartet hatte, und gewiß sind die von den eisigen Vrutsabseli kommenden kalten Winde der Entwickelung des Zuckerstosses in genannten Früchten nicht günstig. Der bereitete Wein hat meistens eine rothe Farbe und kommt im Geschmack unsern Roth-Sorten aus dem Norden Würtembergs am nächsten. Auf jeden Fall ist er etwas milder und feuriger. Daß das Obst, mit Ausnahme der Wallnüsse, schlecht war, erregte in mir noch mehr Verwunderung, da Grusicn nicht mit Unrecht das Vaterland des Obstes und WeineS genannt werden kann. Wenn ich aber sah, wie man dieObfibaume behandelte, oder daß man sie vielmehr sich selbst überließ, so fand ich es natürlich. Der Getreidebau ist ebenfalls nicht unbedeutend und Weizen und Gerste sind hier vorzüglich. Die Einwohner bestehen großtentheils aus Armeniern, G»'u-siern und Inden. Letztere leben ihrem Gottesdienst getreu, und besitzen eine ärmliche Synagoge, in der sie alle Sonnabende ihren 55 Gottesdienst halten. Sie sind wie bei uns großtentheils verachtet, hängen aber unerschütterlich au ihrcu Sitten und Gebräuchen und führen bei allen umwohnenden'Völkern dcn Namen Mi. Ihre Einwanderung in Grüften ist sehr alt, denn wir wissen mit Gewißheit, daß Juden schon vor der Zerstörung Jerusalems durch Titus in den transkaukasischen Ländern lebten, und sich daselbst mit der Zeit einen bedeutenden Einfluß zu verschaffen wußten. Nach Moses von Chorene") wurden schon nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebukaduezar (also gegen das Ende des sechsten Jahrhunderts v. Chr.) Juden nach den südkaukasischen Ländern versetzt, und namentlich wird der Gau Ispira (Sber) genannt, der ihnen besonders übergeben wurde. Andere baten (nach grusischen Chroniken) ^) den König von Grusieu um Land, und erhielten gegen Erlegung einer Abgabe eine Gegend anderAragua, die von den Abgaben (Charchifa) tioch jetzt Cherch Heisien soll, angewiesen. ***) Die Häuptlinge der am schwarzen Meere im Gau ISpira lebenden Juden zeichneten sich unter dem Namen der Vagratiden aus, und verstanden die armenischen Unruhen zu benutze». Auch in Grusl'en wurden sie mit der Zcic so machtig, daß der Kaiser Heraclius, von dem wir schon oben gesprochen haben, einen Va-graditen mit Namen Guram als König von Grusieu einsetzte. Griechische, armenische und grusische Nachrichten stimmen nicht allein damit üderein, sondern lassen sogar die Vagratidcn, durch den Namen Uri, dcn die Juden bei oen Grusicru besitzen, verführt, von David uud der Frau dcs Unas direct abstammen, s) Die Berge der Umgegend vou Zrchimvall bestehen am Flusse "us einem der Nagelslne oder Molasse ähnlichen Gebilde, uud sind alls den Höhen mit einem grauen Kalkstein ohne Versteinerungen bedeckt. Weiter nördlich wird der letztere durch einen porösen Traß ") Klaprotl) Reise; Vand u. S. 87. Vergleiche damit S. 1N6. ***) Siehe mnen bei der Beschreibung von Grüften, im 25. Capitel. l) Ueber alle Sagen der Einwanderung der Juden, s. Vreitenbauch Geschichte der Staaten von Georgien, Seite 7; Konstantin Porphproge-neta erwähnt sie in l,i8t,anllu i.nzici!«; ^>>,>. /lg. __ Der Name Bagratiden stammt von Vagrat (Pankratius), ihrem Ahnherrn. 56 und Basalt zum Theil vertreten. Sie sind zwar sämmtlich bewachsen, allein die Vegetation ist wegen Mangel an Waffer anf den Hohen nur gering. In der Nahe sieht man keine Walder von bedeutender Ausdehnung, und selbst das Laubholz erscheint nur in Form verkrüppelter Sträucher. Die Hasclstaude, der Maulbeerbaum (No,'u» aidii 1..), die Dürrlitze (On-nu« n»»5c:ulolberfhslud) waren geno&biilid). Sin ber. Jgistd)roa tefanben fid) btc Süberpa^pcs^ nieljrcrc öBcfbca titib Alnus den-ticula C. A. Mey. Sin Krautern war bic ©esjcnb slim, unb außer Heracleum cyclocarpum C. Koch., Libanotis sibirica C- A. Mey., Lascrnitium bispidum M. B., Astragalus flaccidus M. B., Sonchus cacalifülius M. B., Lactuca salignaL., PLcrolheca biiida F. et M., Siegcsbeckia iberica WiUd., Contaurca salicifolia M. B., L. elon-gata C. Kocli insc., Scabiosa bipinnata C. liocb., Digitalis ncr-vosa Sleud., Polygonum arenarium Kit, nub P. alpestre C A. IV?c^. geHonen sie zn den allgemeiner verbreiteten Pflanzen. Gegen Mittag, Montag den ,»October, rcioten wir noch von einigen Grusier» und Offen begleitet nach dem ^ biü 3'/, Meilen entfernten Dschawi ab. Der Weg Mrt die grosie ^'iachwa aufwärts. Wir erstiegen aber zn Fuß die östlichen Berge um eine merkwürdige Quelle und iittcrcffanre Höhle zn besuche», nnd schickten die Sachen in Begleitung zweier Kosaken dcn geraden Weg vorwärts. Anf der Hohe angekommen, wendete ich mich noch einmal, nach Sude», dcr Gegend zu, die ich eben verlaffen hatlc, und schanlc über die Gori'sche Ebene nach den jenseits des Knr liegenden Bergen, und nach dem eigentlichen Karthli. U>ncr dem letztern Namen begreift man (wie ich später weitläufiger sagen werde) die ganze Gegend von dem Flüßchcn Proueh im Westen bis znr Araglia im Osten diesseits des Kur. Kanhli bildete die un-mtttclvm-c Besitzung dcr königlicheil Herrsclicr. Da Grusicr und Offen sich allmählich in den Dörfern des Ksan, der Rechula »nd der bcidci, ^'lachwcn vermischten und die Hom'gcKarthli'ö sich nicht allein dicsc unterwarfen, sondern auch allmählich sich eine Menge 57 ossl'scher Gaue tributpflichtig machten, so ist seine Gränze nach Norden nie bestimmt gewesen. Die Quelle, zn der wir alsbald kamen, liegt, wie die Hdhle auf dem östlichen Berge über dem Dorfe Saba-Zwinda, d. i. der heiligen Saba, und gehört unstreitig zu den seltsamsten Erscheinungen im ganzen Kaukas'ls. Ich harte schon in Gori von der erster« viel vernommen, und bis jetzt wo ich davor stand die Wahrheit der Aussagen bezweifelt. Diese Quelle kommt aus einer Oeffnung von ungefähr 2—3 Fuß im Durchmesser ans der westlichen Seite des Berges heraus, ist unbedeutend und enthält, wenn man die Steine, welche als grobes Gerolle die Hohle zum Theil bedecken, herausnimmt, bei einer Tiefe von 4 — 5 Fuß Eis. Der heutige Tag gehorte keineswegs zu den heißen, und mein Thermometer zeigte im Schatten 17" N. Das Wasser besaß dem Gefühl nach eine bedeutende Kalte, das Thermometer zeigre aber in der untersten Tiefe im Wasser eine Wärme von(>"R., außerhalb desselben betrug sie nur wenig mehr. Trotzdem fand ich auf dem Grunde der Hohle ein kleines Stückchen Eis von 2 Zoll im Durchmesser. Das Gestein ist wie gesagt hellgrauer, bisweilen rdthlichnvcißer Trast und rings herum liegen Vasaltstücke mir Olioin. Der ganze Berg besitzt viele Spalten und Höhlen, und die letzten, wurden von den Bewohnern . früher häufig als Zufluchtsort benutzt. Was diese merkwürdige Erscheinung noch mehr erhdht, ist, daß (der Erzäylung meiner ossischen Begleiter nach) die Masse des Eises sich um so mehr vergrößert, je warmer die Tage sind. Der Graf Oppermanu in Gori erzählte mir, daß er im hohen Sommer bisweilen hierher schicke, um frisches Eis zu holen. Gegen daS Ende Decembers reiste ich znm zweiccnmale hierher, und fand, trotzdem ringsherum Schnee lag und die Ränder des Baches Eis zeigten, innerhalb der Hdhle keine Spur davon. Nach der Aussage memer Begleiter soll auch im Winter die eigentliche Quelle von Eis befreic und sogar warm seyn. Dem lctztern widersprachen meine Erfahrungen, denn das Thermometer zeigte auch im Decem-b/ nur li" R. Ei»c zweite Eisquclle befindet sich, wie wir später sehen werden, m Radscha. Vergebens habe ich mich bemüht das Räthsel zu lösen. Das helle klare Wasser, was zwischen den Steinen hervorrieselte, schmeckte nur wenig nach Kalk und war außerdem geschmacklos. Ein Glas- 58 chen, das ich gefüllt mit solchem Wasser mit mir nahm, ist leider zerbrochen und die Krankheit, die mir im folgenden Jahre so vieles vereitelte, erlaubte mir nicht zum drittenmale eine Reise Hieher zu machen. Ich bin auch zu wenig Physiker und Mineralog, um das Problem in seiner ganzen Größe zu lösen, und so muß es liegenbleiben, bis ein anderer Reisender zur Untersuchung desselben vorbereitet es glücklich lost. Interessant ist es, daß anch der Herzog von Ragusa auf seiner Reise durch Ungarn u. s. w. dort eine ahnliche Quelle beschreibt, und außerdem hie und da ähnliche Erscheinungen auftreten. In der Nähe dieser Quelle befinden sich, wie gesagt, mehrere Höhlen, von denen ich einige besuchte. Die eine derselben befindet sich in einem hervorstehenden Felsen, und diente in frühern Zeiten zum Aufenthalte eines Einsiedlers und seiner Frau. Das gottselige Leben, das beide führten, zog alsbald eine Menge Glaubige Hieher, und als sie gestorben waren, verwesten ihre Leiber nichr. sondern blieben als Mumien der Nachwelt aufbewahrt. Am Fuße des Berges an der Liachwa entstand ein Dorf, das den Namen der Frau, Saba-Zminda (heilige Saba) erhielt, und eine im Trachyt ausgehauene Kirche besitzt, wahrend die Hohle selbst nach dem Einsiedler Kasabianr-Kldae (Kasabiant-Felsen) genannt wurde. Die muhamedanischen Lesgier zerstörten auf einem ihrer Raubzüge das Dorf, und warfen die heiligen Mumien aus ihren Särgen. Ueber diese EntHeiligung seyen die Leiber verschwunden, und nur eiu Fuß und Unterschenkel (ohne Ferse) der Frau blieb für die frommen Pilgrime zurück. Noch jetzt sah ich die heiligen Ueberreste, und selbst die mich begleitenden heidnischen Ossen nahten sich ihnen mit Ehrfurcht. Außerdem lag noch ein gedrucktes grusisches Buch in Quart da, und es geht die Sage, daß dieses das Gebetbuch des Einsiedlers gewesen sey. Von dem Kasabiant-Kldae stiegen wir nach dem Dorfe Saba-Zminda herab und verfolgten nun die Straße nach Dschawi. Je mehr wir aufwärts stiegen, um desto größer und zahlreicher wurde das Laubholz. Nadelholz sah ich nur cmzcln und zwar 1'inuä ^Iveztri» !_.. und ?mu5 ^iontalis I.. Nirgends habe ich aber so viel wilde Bäume aus den Familien der Keru - und Sleinobst-bäume als hier gesehen, so den Ml- und Süßkirschbaum, den gemeinen und Haberschlehenstrauch, I^unuä microo^a (^. ^. ^lo^. 59 (wenn ich mich nicht geirrt habe, da mein Tagebuch den Namen nur mit einem Fragezeichen enthalt), die oben genannten Weißdorn-Arten, den kleinen Smith'schen Mispelstrauch, den Vogelbeerbaum, den wilden Apfel- nnd Birnbaum, I^ru5 »älilMoliel 1^ den Arols- und Elsbeerenbaum und den Wallnußbaum. Nicht ohne Herzklopfen stieg ich immer mehr bergan, passirte die letzten grusischen Dörfer Cheita und Cherti und überschritt endlich bei der verfallenen Vurg Kechwa den Rustaff, um in dem eigentlichen Ossien einzutreten. Ein Bergkessel eröffnete sich meic nen Blicken und in ihm breiteten sich einige Dorfer aus, von denen Dschawi oder Dschau das wichtigste ist. Mit einem Empfehlungsbrief an den hier stehenden Bataillons« chef Anosoff versehen, ritt ich nach der Wohnung desselben, die ungefähr 1l)0 Schritte von dem Dorfe Dschawi entfernt ist, und erhielt, bevor Anosoff nur wußte wer ich war, eine freundliche Aufnahme. Der Pristaff (Distlictsaufseher) Fürst Georg Pauleno war verreist u„d sollte erst den folgenden Tag zurückkommen; dieses hinderte aber den Bataillonschef durchaus mcht, mir das Quartier des Pristaffs einzuräumen. Was die Küche der Madame Anosoff nur hergab, wurde so schmackhaft als möglich zubereitet und mir vorgesetzt. Meine Ankunft hatte in der erst seit einem halben Jahre verheurathcten und gleich darauf hierher versetzten Familie eine große Freude verursacht, und es that mir leid die vielen Fragen über ihr geliebtes Rußland, und besonders Petersburg, nicht so ftiuk beantworten zu können, da beide leider nur russisch verstanden. IhreSehnsucht nach dem Norden sprach sich in allem aus. In Dschawi steht der äußerste russische Posten, und er ist, die Militärstraße ausgenommen, der einzige in Ossien. Er wurde um so nothwendiger, als zwar die Ossen nach der Expedition des Generals Rennenkampf Ruhe und Frieden versprachen, aber nach dem Abzüge der Soldaten sich nicht so leicht ihres räuberischen Lebens entwöhnen können. Mit der Zeit mehrten sich wiederum die Einfälle auf grusischem Gebiete, und die drei in Südossien (in Dschawi, Beloti und Waneti) emgesctzten Pristasss standen beständig in Gefahr, von den Ossen ermordet zu werden. Der vorletzte in Dschawi wurde auch wirklich ein Opfer seiner Strenge und Gerechtigkeit. Um die Pristaffs in ihrer Autorität zu erhalten, wurde mm bei Dschawi eine Caserne (die sich freilich nicht «0 in den besten Umstanden befindet) errichtet und ein Bataillon des in Gori garnisouirenden Regiments dorthin versetzt. In aller Frühe des Morgens war bereits der Pristaff angekommen und verließ mich während meines ganzen Aufenthalts in seinem Bezirke nicht ein einzigesmal. Mit den Oertlichkeiten machte er mich bekannt, und seinen freundlichen Mittheilungen verdankte ich viele wichtige Nachrichten über Ossien und seine interessanten Bewohner. Um keine Zeit zu verlieren, gingen wir noch an demselben Morgen ans, theils um die Ossen in ihrem innern Leben kennen zu lernen, theils um mit der Umgegend in geologischer und botanischer Hinsicht bekannt zu werden. Das nahe Dschawi wurde zuerst in Augenschein genommen und gab mir ein vollkommenes Bild eines ossischen Dorfes, wie ich eS alsbald in einem besondern Capitel beschreiben werde. Allenthalben kamen mir die Bewohner freundlich entgegen und öffneten mir die Thüren ihrer armseligen Hauser. Auch die Frauen zogen sich nicht zurück und berrachteten den Fremdling mit neugierigen Blicken. Selbst halb nackte Kinder flohen mich nicht, was sogar noch in Zrchinwall der Fall war, und befühlten meine Kleider. Auf diese Weise legte sich alsbald die Acngstlichkeit, welche mich mit dem Eintreten in Ossien ergriffen hatte, und unter den halbwildeu Meuschen fühlte ich mich alsbald wohl. Die angeschensten Bewohner Dschawi's und der umgebenden Dörfer fanden sich allmählich ein, um den Fremden in ihrem Lande willkommen zu heißen. Unter den Angekommenen stellte mir der Fürst Pauleno einen breitschultrigen kraftigen Ossen besonders vor, weil er einen mächtigen Einfluß über seine Laudsleute ausübte. Sein Name war Vek. Früher gehörte er zu den kühnsten Raubern, die ihre Strcifzüge bis nach Gori liuodehutcn, und war durch ganz Karthli berüchtigt. Sein .yauptsieschäft war Menschen- und besonders Kinder-Raub, nie hat er aber, wie er mir selbst auf seine Nauberehre versicherte, wuthwillig cincu Mord begangen, sondern im gerechten Kampfe (wie er sich ausdrückte) nur bisweilen einen hartnackigen Feind erschlagen. Kinder hielt er nicht zurück, verkaufte sie auch nie, sonder» gab sie gegen ein geringes Ldsegeld ihre» Eltern zurück. In alleu Fällen wandten sich die beraubten Grusier an ihn, und wenn seine Landsleute harrnackig ihre Gefangenen zurückhielten vber ein zu großes Losegeld verlangten, wußte er mit Gewalt oder 61 List diesen wiederum ihre Freiheit zu geben. Als General Rennenkampf in dem Thale der großen Liachwa verheerend einzog nnd mit seinen Kanonen die Ossier zu Paaren trieb, gehörte Bek zu den wenigen, die von keiner Unterhandlung etwas hören wollten, und selbst da noch, als die größte Anzahl seiner Landsleute bereits dem russischen Kaiser gehuldigt hatte, setzte er mit wenigen den Kampf fort. In einem jener schon früher genannten viereckigen Thürme wagten neun Ossen, und unter ihnen Bek, einem ganzen Bataillon zu trotzen, und nur dadurch, daß man den Thurm mit Holz umlegte und dieses anbrannte, wurden fünf getödtet und die andern vier gefangen. Auf der Burg von Gori hielt man Bek so lange gefangen, bis es ihm gelang sich seiner Fesseln zu entledigen und zu entfliehen. Von neuem suchle er seine Landslente zum offenen Aufstand zu überreden, jedoch vergebens, die ihnen geschlagenen Wunden waren noch zu neu. Eben so vergebens suchte aber auch die russische Regierung seiner wieder habhaft zu werden, und so zog sie vor sich mir ihm in Unterhandlungen einzulassen. Die Unmöglichkeit seines fernern Widerstandes einsehend unterwarf er sich endlich gegen einen jährlichen Gehalt. Treu hat er seitdem seinen Schwur gehalten und ist nicht selten behülflich gewesen andere Räuber einzufangen. Er ist die vorzüglichste Stütze des jetzigen Pristasss. Man spricht ihn übrigens von der Theilnahme bei der Ermordung des vorigen Pristaffs nicht frei, und er selbst sprach nur mit Ingrimm von ihm. Unter Lachen erzählte er, wie dieser nur selten gewagt habe des Abends auszugeben, nnd dann, wenn es doch geschehen mußte, seinen weißen und sclbst in dem Dunkel der Nacht weit schimmernden Barr mit einem dunkeln Tuche be« deckt habe. Die Vernachlässigung dieser Maaßregel habe ihm auch das Leben gekostet. Der Aufenthalt in Dschawi wurde nur in hohem Grade interessant und würde mir noch mehr Vergnügen gemacht haben, wenn der Osse Vek mich nicht (gegen den Wille» des Fürsten Pauleno) an eine blutige Stelle vor ein Haus geführt und mir mit heiterm Gesicht gesagt hatte, daß vorgestern hier ein Einwohner Dschawi's nicht ermordet (nach seinem Begriffe), sondern der Blutrache anheim gefallen sey. Diese Blutrache herrscht iu ihrer ganzen Gräßlichkeit und Unnatürlichkeit noch in Ossien, und trotzdem sie schon großes Unheil hervorgerufen und die Ossen 6s vorzüglich durch sie von ihrer Macht zu dieser Unbedeutsamkelt herabgesunken sind, so kann man doch hier ahnliche Beispiele, als Malcolm in seiner persischen Geschichte aufführt, nennen. Die einzelnen Glieder zweier feindlichen Familien ermordeten sich über ein Jahrhundert gegenseitig. Ein Mitglied der Nar'schen Verbrüderung hatte den Mörder seines Vaters in Dschawi erschossen. Jahrelang hatte er den furchtbaren Gedanken in sich getragen, bis er zur That herangewachsen sich des Nachts in eine dem Hause des der Blutrache Verfallenen gegenüberliegende Scheune schleicht und in dem Augenblicke, als sein Feind nichts ahnend beim Anbruche des Tages aus der Thüre heraustritt, diesen erschießt. Schaudernd wendete ich mich von der mit Blut besteckten Stelle ab. In zahlreicher Gesellschaft machte ich den Nachmittag eine Emlrsion in die südöstlich sich befindenden bewachsenen Anhöhen, und wurde leider durch den ossischen Anstand in der Untersuchung der Gegend, wo ich war, sehr gehindert. Zu gehen ist nämlich nur den gemeinsten Leuten erlaubt, und wer nur ein Pferd besitzt, wird selbst die kleinsten Ausflüge zu Pferde abmachen. Demnach mußte auch ich reiten, und wenn ich an einer interessanten Stelle anhielt und abstieg, so that die ganze aus einigen und zwanzig Personen bestehende Gesellschaft ein Gleiches. Jedermann wollte mir botanisiren helfen und rupfte mir oft die besten Pflanzen ab. Von jedem Kraute wollte man wissen, wozu es gut sey, und ich hätte meiner Ehre geschadet, wenn ich nicht irgend etwas gesagt hatte. Von der Wissenschaft als solcher hatten selbst die beiden mich begleitenden Fürsten feinen Begriff, und ich ware für wahnsinnig gehalten worden, wenn ich ihnen gesagt, warum ich hierher gekommen sey. Der Kessel oder das Becken, in dem ich mich befand, bildet eine nach Nordost sich ziehende Fläche von ungefähr einer Meile Breite und zwei Meilen Länge, und ist dicht mit Dörfern und einzelnen Häusern bedeckt. In der Regel befinden sich die letztern auf den Anhöhen und sind stets mit den eigenthümlichen viereckigen Thürmen, bei denen der Eingang gewöhnlich mehrere Ellen hoch angebracht ist, versehen. Die Höhen bestanden aus Kalk und waren zum Theil von Mergel bedeckt. Spuren von Versteinerungen aus der Classe der Mollusken fand ich. Die Ebene selbst enthielt 63 eine fruchtbare Erde über Gerölle und andern Alluvialgebilden, so daß wohl auch die dschawische Ebene einst mit Wasser bedeckt gewesen seyn mag. Die Ossen nennen sie Dschau-Kum, d. h. Dschau-Thal, und legen diesen Namen dem ganzen Thale westlich bis zum Einfluß der Patza bei. Die Bewohner der kleinern Thaler im Westen des Einflusses der Patza in die große Liachwa haben sich Mit denen von Dschaukum vereinigt, und bilden mit dkeseu eine große Verbrüderung, welche die dschawische genannt wird und unter dem Pristaff Fürst Pauleno die russische Oberhoheit anerkennt. Sie bewohnen 50 größere und kleinere Dörfer in 600 Häusern, und bilden demnach die größte aller ossischen Verbrüderungen. Wenn man den Nachrichten Güldenstädts trauen darf, so bildete die dschawische Verbrüderung früher mehrere kleinere, die sich selbst unter einander befehdeten, bis die gemeinsame Gefahr sie vereinigte. Die dschawischen Kalkberge besaßen nur einen geringen Kräuterflor und außer den schon bei Zrchinwall aufgefundenen Pflanzen waren es besonders Stachys lanata Jacq.; Linaria genisti-folia Mil].; Betonica grandiflora Willd.; Campanula lamifolia M. B.; Sambucus Ebulus L.; Centaurea salicisolia L., y. intermedia C. Koch MSC; Serratula quinquefolia M. B.; Cir-siam obvallatum M. B.; Cirsium ponicillatum C. Koch; C. ne-morale Rchb.; Sisymbrium Columnae L.; Erysimum aureum M. B.; Draba repcns M. B.; Hclleborus orienialis Lain. un& Sedum gracile C. A. Mey. M. B., ^ welche ich sammelte. Reicher war der Straucher- und Baumflor und außer den schon früher im Liachwa-Thale genannten fand ich k^ruk elöLaFnilalia M. V. und eine eigenthümliche rrunuz.Art mit glashellen Früchten von der Größe einer Zuckererbse, aber von länglich-rundlicher Form, fo daß sie mit k'lunus «viuin 1^.. gar nicht verwechselt werden konnte. Leider sind die eingelegten Eremplare irgend wo verloren gegangen. Zu den Waldbäumen gesellte sich auch der spitz- und siumpfblättrige Ahorn, der Maßholder und der orientalische Ziegelstrauch (Olti» »nörglig I..). Unter den Strauchern fand ich noch tic>82 ikoric» 8tsv. In aller Frühe ritt ich am 5 Oct. in großer Begleitung ans, um die Eisberge des Brutsabseli (oder Brutsamseli) in Augen, schein zu nehmen. Wir verfolgten den Lauf der großen Liachwa, 64 deren Thal ich allenthalben sehr bebaut fand. Dieselben Kalkberge setzten sich noch fort, aber bei dem Dorfe Chze erschien zum erstenmal wiederum derselbe Thonschiefer, wie in dem Gebirge an der obern Aragua. So nah uns auch die Eisberge zu liegen schienen, so fern waren sie in der Wirklichkeit doch noch. Je hoher wir kamen, um so mehr verschwanden die Bäume und zuletzt sogar die Straucher. Schroffe Felsen, tiefe Abgründe, ungeheure Steiublöcke machten uns die Weiterreise höchst gefährlich und nicht selten mußten wir absteigen und unsre Pferde weiter führen. Ich benutzte um so lieber diese Gelegenheit, als mir es dadurch möglich wurde die Umgebungen weiter zu untersuchen. Im Verlaufe der Weiterreise fand ich nicht selten noch den Thonschiefer vom Kalk bedeckt, bis er endlich das alleinige Gestein wurde. Damit erblickte ich auch wiederum dieselben grotesken Gestalten, die ich bei meiner Neise längs der großen Straße über den Kaukasus beschriebe» habe. In Tapan (Tagiani auf der Stabskarte von 18,'N?) beschloß ich zu bleiben, um die große Menge von Pflanzen, welche ich gesammelt, mit Muße einzulegen und weitere Nachrichten überOssien einzuziehen. Die wichtigsten Pflanzen waren: Cotchicum specio-sum Stev.; Crocus Suworowianus C. Koch; Aiiium !on^is])a-thum lied.; etnp merftvurbtge 2i&art bf3 Humcx pratensis M. et H. nur mit etncr idc>'l>es,'!n'l'il'!ni,^!!, XXV. 5, (Reise nach Kaukasien.j 66 geht die Sage, daß vor langen, langen Zeiten die ganze Umge- bung des Berges sehr fruchtbar gewesen sey und eine große Menge Menschen sich in Ruhe und Eintracht um ihn herum angesiedelt hätten. Da wo jetzt Eis und Schnee liegt, sproßten einst wohlriechende Blumen und aromatische Krauter. Mehr als ein Jahrtausend hatte dieser Zustand gedauert und die Könige des Landes herrschten von ihrer auf der Hdhe erbauten Burg über Cis- und Transkaukasien. Der Segen Gottes ruhte auf dem Reiche und zum Zeichen seines Wohlgefallens übergab Gott dem jedesmaligen Könige einen Stern vom Himmel mir dem Versprechen, daß so lange der Scern in seinem Besitze sey, das Volk sich auch des reichsten Glückes zu erfreuen habe. Mit großer Sorgfalt wurde der Stern in einem eigenen Schrein aufbewahrt und den neugierigen Augen des Volks entzogen. Zuletzt herrschte eine Königin, die von den Ossen Thamar genannt und mit der hochgefeierten Königin Grusiens verwechselt wird. Sie selbst war gut, besaß aber schlechte Diener. Einstens verließ sie ihre Lieblingsburg auf dem geheiligten Berge, dem Vrutsabseli, und übergab ihrer treue-sien Dienerin den Schlüssel zu dem geheimnißvollen Schrein mit der Mahnung, diesen nicht zu öffnen. Doch kaum hatte sich die Herrin entfernt, so öffnete die Neugierige den Schrein; der heiW lige Stern entzog sich den Blicken der ungehorsamen Dienerin und stieg hinauf au das Himmelsgewölbe, von dem er genommen war. Als Thamar zurückkehrte und den Berg ersteigen wollte, fiel un? ndlicher Schnee herab und hinderte ein weiteres Emporsteigen. Und es fiel immer mehr Schnee und bedeckte allmählich die grünen Matten und die fruchtbaren Garten des Vrutsabseli, dessen Hdhe von nun an den Menschen verschlossen werden sollte. Alle Schatze einer lange herrschenden und glücklichen Kdnigsfamilie wurden unter dem Schnee begraben und harren wie die des Kasbek auf ihre endliche Erlösung. Hier schließt die Sage. Sollte wirklich ihr etwas Geschichtliches zu Grunde liegen, so wäre man wohl gezwungen, hinauf in das graueste Alterthum zu steigen, in eine Zeit, der selbst unsere älteste Geschichte noch fern liegt, und diese Erzählung mit de-, Sagen Sibiriens und Grönlands in Zusammenhang zu bringen. Denn auch die Eskimos und Samojeden erzählen den Reisenden, daß einst da, wo jetzt ungeheure Eis- und Schneemassen die Erde be- 67 decken, grüne Wiesen und lippige Walder waren. Haben wir nicht noch aus jenen Gegenden Zeugen, die lant uns verkünden, daß eS einst in diesem hohen Norden anders war? Diese Zeugen fehlen uns freilich bis jetzt auf den Hohen des Brutsabscli oder Kasbek. Aber auch in Sibirien muß gleich wie (oieftrSage nach) auf dem Kaukasus die Kälte plötzlich eingetreten seyn, weil die liesigen Thiere nicht Zeit hatten nach den warmem Gegenden des Südens Zu ziehen, und sich eingefroren in ihrer unveränderlichen Form mit Haut und Fleisch bis auf unsere Zeiten erhalten haben. Dieser Untergang der vegetabilischen und animalischen Well auf der Erde (oder wenigstens eines Theiles derselben) durch Schnee könnte noch den Hypothesen einiger frühern Geologen, nach denen die Erde mehrmals zuerst durch Feuer und dann durch Wasser untergegangen wäre, kühn an die Seite gesetzt werden. *) Mit dieser Sage steht eine zweite dadurch im Zusammenhang, daß nach ihr vor derSündfiurh die Höhen des Kaukasus noch nicht mit dickeu Eiolagen bedeckt waren, sondern in üppigem Krauter-wüchse grünten. Als aber Gott die ruchlose Menschheit durch eine große Fluth von der Erde vertilgt hatte, und Noah allein zur Erhaltung des menschlichen Geschlechts auserlesen wurde, segelte dieser mit seinem großen Schisse auf den Fluchen umher, und schickte von Zeit zu Zeit Voten aus, die ihm Nachricht bringen sollten, ob die Wasser sich zu verlaufen begannen. Endlich erschaute er in weiter Ferne, daß eine Spitze aus den Fluchen herauöragte, und muthig steuerte er auf sie zu. Es war die Höhe des Vrut-sabseli. Aber der tückische Berg (so erzählt die Sage) neigle sein Haupt, und die Arche, die auf ihm festen Fuß fassen wrllre, glitt wieder in die Fluthen hinab. Da verfluchte Noah den gottlosen Berg, der nun auf ewig unfruchibar seyn, und nur Räubern und Mordern zum Aufenthalt dienen sollte. Endlich ragte auch der Ararat aus den Fluthen empor, und so steimte er diesem zu, auf seiner Höhe sich niederlassend. Und der Berg, den zuerst wieder eines Mnschen Fuß betrat, und die Menschen, die später an *) Ohne von den Hypothesen Karl Schimpers und Agassiz's etwas zu wissen, da beide Gelehrte erst später darauf kämm, habe ich durch die Sage darauf gefühlt schon im ^ahrc 16^! den Mgm Gedanken in meinem Tagebuchs niedergelegt, nnd gebe ihn desihald hier treulich wieder. ' > 5* 68 ihm ihren Aufenthalt aufschlagen würde», wurden gesegnet. Ueppige Krauter wuchsen um ihn, und der Mensch benutzte die fruchtbare Erde zu seinem Vortheil. Noch jetzt sind die Armenier stolz auf diese Sage, und die, welche mich aus Zrchinwall begleitet hatten, erzählten sie mir mit großem Wohlgefallen. Diese beiden Sagen habe ich schon früher in dem Journal: Miscellen, von Nr. Friedrich Vran, wenig verändert mitgetheilt. Die Ursache der nicht genauen Uebereinstimmung liegt darin, daß ich jenen Aufsatz in Odessa, wo ich durch die damals dort herrschende Pest zurückgehalten wurde, verfertigte, und die Papiere, auf welchen ich diese Sagen aufgeschrieben. uicht zurHand hatte. Ich schrieb sie deßhalb dorr so nieder, wie sie mir im Gedächtniß geblieben waren. Mein ueuer Plan an der Liachwa aufwärts bis zu ihrem Ursprung in der Hochebene Keli zu gehen, uud dann wieder rückwärts mich wendend, den Sikara, wo dieser einen Gebirgsrücken zwischen der großen Liachwa und der Patza herabsendet, zu übersteigen, nm in das Thal der Patza, das an ihrem obern Theile die Verbrüderung der Keschelten bewohnt, zu gelangen, wurde ebenfalls, und zwar aus zwei Gründen vereitelt. Zuerst war der Ueberganq des Sikara an dieser Stelle nicht möglich und dann zog am andern Morgen eine große Gesellschaft Ossen aus. um nach Gemsen und Steinböcken zu jagen. Dieser interessanten Jagd mit beizuwohnen, schickte ich meine Sachen auf einem bequemern Wege nach dem kleinen ossischen Dorfe (Kau) Kola und begleitete die kühnen Gemsenjäger, unter die ich Pulver und Kugeln ausgetheilt, und dadurch eine große Freude hervorgerufen hatte. Nach den Aussagen der Ossen ist es jetzt die gelegenste Zeit, um den Vergthieren nachzugehen. Die höchsten Höhen, auf die sie sich wahrend der heißen Sommerzeit zurückziehen, bieten ihnen im Herbst keine Nahrung mehr dar, und so gehen sie allmählich in die tiefer gelegener«, Bergthäler hinab. Der Weg führte uns westlich einem kleinen Thale aufwärts auf dem südlichen Ausläufer des Sikara, der in seinem südlichen uud unteru Theile, in so weit ich seiner ansichtig wurde, au?Thonschiefer, in seinem nördlichen und obern hingegen aus Porphyr, zum Theil auch aus Me-laphyr bestehr. Trotz der späten Jahreszeit war die Flora selbst auf den Hohe» von 7 bis 8000 Fuß üppig, und eine Menge höchst si9 interessanter Pflanzen sammelte ich an einzelnen Stelleu. Die Beigkuppen besaßen in der Regel abgerundete Formen und waren dann, wen» sie nicht zu hoch lagen, mit Gras und Kräutern bewachsen. Nichtsdestoweniger erschienen besonders ii, Thonschiefer nicht selten schroffe Felsenwände nnd tiefe und zerrissene Schluchten, an deren Rändern zu gehen es selbst geübten Berggängern ängstlich wurde. Im Verlaufe des ganzen Tages sammelte ich folgende interessante Pflanzen: Crocus Suworowianus C. Koch, Colchicum speciosum Stov, Yaleriana alliarisolia Vahl; Knautia montana Coulr., Cephalaria taiariea Sclirad., Scabiosa caucasiea M, B., Cirsium crythrolcpis C. Koch ; Cenlaurca ossica C Kocli, Plero-theca bisida F. ct M. Anihemis rigcsccns VVilld.; (Campanula Caucasiea M. IV, C Jiicbersteiniana Schult., Calamintha ^randi-llora Mnch., Betonica grandiflora VVill UU'l)rcrc rttibfrc bereits schon frnher genannte Pflanzen. Der Flor der Hohen der ossischen Berge ist verschieden von dem, wie ich ilin auf den Alpen der Schweiz beobachtete, und die große Mannichfaltigkeit von Pflanzen in den Regionen, wo Schnee beginnt, sieht man keineswegeS hier. Zunächst sind die Alpen Ossiens im 'Allgemeinen steriler u»d während in der Sckweiz an Stellen, welche die Sonne clst spar im Jahre von Schnee befreit und meist noch davon umgeben sind, Ranunkeln, Silenen, Kreuzblürh-ler und andere zierliche Pftanzchen in zwar gedrängtem, aber doch lippigem Wüchse emporwuchern, finder man nur selten hier, wo Schnee beginnt, ein freundliches Vlümcheu. Vielleicht liegt der Grund darin, dast die Schneemasseu nicht als Gletscher so tief wie in der Schweiz herabsteigeu und demnach auch »licht Bächen und Flüssen so reichliche Nahrung wie dort darbieten können. Oaß übrigens nicht im Sommer auch Schnee selbst 2090 Fust und mehr unterhalb der Schneelinie, die hier mit einer Hohe von gegen 10,000 Fuß beginnt, angelrossen werden könne, will ich nicht behaupten, denn im Aligust!8'5!) waren die Höhen der großen Straste, wie ich oben erzählt habe, mehrere Fuß hoch mitEchnec, der aber frisch gefallen war, bedeckt. Ich läugne nur das tiefe Herunter- 70 steigen der Gletscher, wie cs z. V. im Grindelwald der Fall ist. Mau könnte auch noch darin einen Grund finden, daß in Ossien und wahrscheinlich im ganzen Kaukasus die Verge eine andere Form haben. In der Schweiz unterscheidet man an den Alpen zwei Theile: die eigentlichen Berge und die sogenannten Horner, welche in Zuckerhutform sich ans dem Rücken der eigentlichen Berge erheben. Iu Ossien haben wir nur die mächtige Hochebene des Thonschiefers, die hie und da Berge von verschiedener meist zerrissener Form in die Höhe sendet, aber durch plutonische Hebungen, zu denen spacer noch zum Theil vulcanische Ausgüsse sich gesellen, allenthalben unterbrochen wird. Diese Thonschiefer-Hochebene, welche in dem District« Chewi in ihrer normalen Form und Höhe sich befindet, liegt noch 4 — 5000 Fuß unterhalb der Schneelinie zwischen den beiden Gebirgsketten des Nordens und Südens und scheint nirgends und zu keiner Zeit Gletscher enthalten zu haben. Die aus der Hochebene hervorragenden Berge besitzen nur enge und steile Thäler, in denen sich der Schnee nicht leicht aufhäufen kann. Eine nothwendige Folge des Mangels an Gletschern ist anch der des Wassers, und wahrend in der Schweiz eine Menge großer und kleiner Flüsse, von denen ich nur den Rhein und die Rlwne nennen will, in den Gletschern der Alpen ihren Ursprung besitzen, haben wir im Kaukasns nur wenige und meist unbedeutende Flüsse, von denen nur drei (Kuban. Terek und Rion) gegen den Ausfluß hin schissbar werden. Die geringere Fruchtbarkeit des kaukasischen Gebirges im Vergleich zu den Alpen der Schweiz ist eine fernere Folge des Wassermangels. Ich ergreife hier auch die Gelegenheit, einige Worte über die großern und wicheigen Thiere des Kaukasus und besonders Ossiens zn sagen. In der Manmchfaltigkeit und iu der Menge derselben übertrifft der Kaukasus weit die Schweiz, wenn ich auch nicht ab-laugnen will, daß die große Verfolgung der Geweih und Hörner tragenden Thiere iu unsern Alpen viel zur Verminderung derselben beigetragen hat. Am Haufigsien findet man die Gemse und dcn kaukasischen Steinbock (Ibex cau<^5i«u3), mid die erstere unterscheidet sich in nichts von der unserer Alpen. Wohl aber ist der kaukasische Stein-bock hinlänglich uon dem der Alpen Mitteleuropa's und dem der Pyrenäen ((^pi'« Idex liuts. und (^ p^rongica 5ckin2) unter- 7! schieden, und schon Güldenstadt hat ihn in den actis potropoUta-nl» des Jahres 1779 unter dem Namen (^prn o^ucagiea beschrieben »nd abgebildet. In ,rie weit der sibirische Steinbock (Q^allszii 8okin2) unterschieden ist, wage ich nicht nach der Abbildung Pal» las' in seinen Spicilogii» xoologicis zn entscheiden. Ich über« gehe eine Beschreibung des kankasischen Steinbockes als etwas Bekanntes. Dubois rvirfr in seinem Rlisewerke ^) allen Zoologen und besonders Schinz eine falsche Nomenclatnr vor, weil sie den Steinbock des Kaukasus (>»pra oauoszica nennen, trotzdem schon Güldenstadt diesen Namen der wilden Ziege (^p^ ^«^ruz ^mol. gegeben hatte. Mein Güldenstäd: versteht unter der Ziege, Vodscha, keineswegs die wilde Ziege, sondern eben den in den »mig petro-polunni» abgebildeten kaukasischen Sceinbock, und Dubois ließ sich wahrscheinlich durch das Wort Ziege irreleiten. Der Steinbock und die Gemse bewohnen das höchste Gebirge des Kaukasus und kommen stets in großen Heerden vor. Weniger den Verfolgungen der Kaukasier und den fürchterlichen Lawinen ausgesetzt, vermehren sich beide Thiere ruhig neben einander. Die Gemse wird nur nebenbei erlegt, und ihr Fleisch gern gegessen, dem Steinbock stellt man aber wegen seiner schönen Hörner nach, und mitten im Gebirge trifft man wenige Familien, welche nicht ein oder das andere Horn in Silber gefaßt im Besitz hätten, um bei Gastmählern ehrende Toaste daraus zu bringen. Außer diesen beiden Wiederkäuern kommen noch zwei andere Arten vor, und die eine ist bis auf die neueste Zeit ein Gegenstand des Streites gewesen. Es sind dieß der kaukasische Aner-ochse und ein mir nur durch die Hörner bekanntes Thier aus dem Geschlechte <>Ipr3. Was zuerst den Anerochsen anbelangt, so unterliegt seine Eristenz keinem Zweifel, wohl aber streitet man sich noch, ob und inwiefern cr von dem lmhauischen unterschieden ist? Meine Meinung darüber hatte ich schon gegen Professor Nathke in Königsberg ausgesprochen, und dieser bat sie bcreirs mitgetheilt. *) Lebende Thiere habe ich nicht gesehen, wohl aber zwei Hänte, und diesen nach, besonders wenn ich die Nachrichten, die ich darüber *) Dubols Voyago; Tom. IV. pag. 278. **) Preußische Provincialblätter xlX. Seite 543. 72 einzog, damit in Zusammenhang bringe, ist der litthauische vom kaukasischen als 8peeio5 verschieden. Weißenborn *) gibt schon den dunklern Rückenstreif und die kürzern Hufe an, und ich füge diesen Merkmalen noch die hellere Farbe der Haare, die grösiern Hörner und die kleinere Gestalt bei. Auch die Lebensart ist weit verschieden, und wahrend der polnische in fast undurchdringlichen und sumpfigen Waldern der Ebene lebt, geht der kaukasische nicht allein das ganze Kuban-Thal aufwärts, sondern überschreitet nicht selten den Rücken des Gebirges und erscheint (jetzt seltener als früher) auf den südlichen Abhängen. Nordmann **) wurde ebenfalls berichtet, daß der Auerochse in dem gebirgigen Gaue der Abadsechen im Sommer die höchsten Berge besteige. Der Huf muß deßhalb anders gebaut seyn, als bei den Thieren der Ebene. Ferner konnte auch die Gestalt des kaukasischen Auerochsen nicht so plnmp als die des litthauischen seyn, wenn ihm ein Aufenthalt in Gebirgen möglich seyn sollte. Wem, übrigens auch der dunklere Rückeusireif beim litthauischeu Auerochsen im Winterkleide vorhanden seyn sollte, so tritt er gewiß nicht so deutlich hervor, als bei dem kaukasischen; ich fand den Rücken im Winter bei dem erster« nur dunkler gefärbt, durchaus nicht mit einem eigentlichen auf beiden Seiten abgegranzten Streifen versehen. Was den zweiten Wiederkäuer anbelangt, dessen Hörner vor mir liegen, so soll er die Größe einer kleineu Kuh oder eines Hirsches besitzen, und in der Form seiner Gestalt zwischen beiden stehen. Die Farbe des Haares ist die gewöhnliche rehgraue, nur wenig heller. Die Horner haben bei einer Länge von 1 Fuß 11 Zoll (Leipz. M.) an der Basis einen Umkreis von 11^/, Zoll, genau in der Mitte hingegen von V/!. Zoll; am obern Ende endlich sind sie zugespitzt. Das Horn zeigt in der ersten Hälfte eine nicht vollkommen rundlich-konische Form mit einer voidern imd hintern Fläche mid zwei Seiten. Dief der 20jahrigc Sohn meines Wirthes in der l/ochsten Verwunderung aus: „Vater, für die Waffe gebe ich zwei Ochsen." Außer der geringen Geschicklichkeit und den guten Waffen verdanke ich meine gute Aufnahme in Ossien und in allen kaukasischen Landern noch zweierlei. Ich war Arzt und Deutscher. Wennschon überhaupt jeder Europäer an und für sich als Arzt betrachtet wird und oft gegen seinen Willen curiren oder wenigstens seine Meinung aussprechcn muß, so wild der Deutsche noch mehr der edeln Heilkunde erfahren gehalten. Engländer, Franzosen und Russen durchreisen Asieu entweder in politischer Hinsicht oder in Handeleangelegenheiten. So wurde mir selbst mehrmals erzählt, alleiu den Deutschen, sagte man, treibt keines von beiden, sondern nnr die Weisheit (worunrer wohl Wissenschaft verstanden werden soll) nach Asien. Da st der letztere demnach Arzt seyn muß, versteht sich von selbst und vielleicht, folgerte man weite., trieb ihn (wie mich) gar die Wißbegierde dahin, nm wirksame Krauter und Wurzeln für scin Vaterland zu sammeln. Allenlhalben wurdeu mir auch Kranke gebracht, und nicht selten schmälerte man dadurch meine kostbare Zeit. Als Deutscher war mau von mir gewiß, daß ich nicht gekommen war ihr Land auszukundschaften, und selbst der gefährliche Umsind, daß ich Abends und Morgens mein Tagebuch in Ordnung brachte, 77 wurde bei mir übersehen. Kein Kaukasier der noch freien Thäler wird sonst einem Europaer erlauben, in seinem Lande zu schreiben oder wie er sich ausdruckt, sein Land abzuschreiben, weil er glaubt, daß mau die Lage der Thaler uud Berge nur verrathen wolle. Als Deutscher erfreute ich mich endlich nochiuOssien eines freundlicheren Entgegenkommens, weil auf dem ganze» Kaukasus der Glaube herrscht, daß Ossen und Deutsche von einem Volke stammten oder das eine aus dem andern hervorgegangen wäre. Die Keschelten besitzen nur das Thal der Patza, eines reißenden Vergflüßchens, das ebenfalls aus den südlichen Abhängen des Brutsabseli entspringt, und werden durch den Gebirgsarm des Sikara im Oste,, von dem District der großen Liachwa uud von Dschawi und durch die Morecha, eines zweiten vom Sikara südwärts sich ziehenden Armes von dem District Kudaro im Westen geschieden. Das Thal ist sehr eng und auf hervorspringenden Höhen haben die Keschelten ihre Dörfer erbaut. Kola liegt mir seinen neun Häusern in hohem Grade romantisch und hat sich in der neueste» Zeit durch seine tapfere Vertheidigung berühmt gemacht. Mau zeigte mir noch die Ruine, wo neun Ossen im Jahre 1K30 sich gegen die ganze Macht deß Generals Rennenkampf hartnackig vertheidigten, eine Menge Soldaten tödteten, noch mehr verwundeten und selbst den General i» den Arm schössen. Allenthalben, wohin meiu Auge blickle, sah ich noch Spuren jencr Zerstörung. Aber trotzdem wollen die Keschelten die Oberherrschaft nicht anerkennen, und wenn auch Fürst Pauleno ihr eingesetzter Pristaff ist, so vermag dieser nicht allein sein Ansehen bci ihuen nicht geltend zu machen, sondern wagc sogar den District gar nicht zu betreten. Alö fast zu derselben Zeit wo ich in Ossien war, vou dem verdienstvolleu Baron von der Hooen der Lieutenant Andrejsfföky nach Eüdossieu zur Anfnahmc einer Kane gesendet wurde und sich verkleidet cuif die Hoheu des Keschelter Thales wagte, hatten einige Kuschelten ihn ausgespäht und, heimlich die Hohen von einer Seite erklimmend, gesucht ihn gefangen zn nehmen. Glücklicherweise bemerkte er es noch zcilig und die ossischc Gastfreundschaft kennend, flüchtete er sich gerade nach dem Thale der Keschelten in das Hans eines seiner Verfolger. Die ehrwürdige Matrone hieß den Fremdling willkommen, und reichte ihm zum Zeichen ihres Schutzes einen Bissen Brod. Alsbald trat ihr Sohn, einer der Verfolger, herein und versicherte dem russischen Ofsicier seinen völligen Schutz. „Verlaß mein Haus nicht, sagte er, denn ich bin nicht machtig genug, dich gegen deine zahlreichen Feinde zu schützen. Innerhalb desselben wagt dich Niemand zn kränken." In der Angst seines Herzens schickte Andrejeffsky seinen Wirth nach Dschawi um ein Bataillon Soldaten zu seiner Befreiung zu erbitten. Unter einer starken Bedeckung kam er glucklich aus dem Thale der Keschelten. So weit erstreckt sich die ossische Gastfreundschaft, daß sie selbst den Feind, der einmal die Schwelle des Hauses übertreten, schützt. So großartig als ich am October von Kola aus der Patza abwärts reiste, habe ich noch nie eine Reise gemacht. Gegen vierzig Personen, meist Keschelten und Dschawer, begleiteten mich den ganzen Tag. Sechs bis acht ritten mit vorgehaltenen Gewehren vor und feuerten von Zeit zu Zeit mir zu Ehren ihre Flinten ab. Die Freude wurde noch mehr erhöht, als ich über ein Pfund feines Pulver, was ich allenthalben wo Militär lag, meiner Person wegen erhielt, vertheilte. Das Pulver, das im Lande verfertigt wird, ist sehr grob und für unsere Schießgewehre fast gar nicht zu gebrauchen. Allgemeiner Jubel herrschte im ganzen Thale und lautes Schreien und Jauchzen gab unsere Ankunft schon von weitem kund. Meine Begleitung bestand aus schonen und kräftigen Gestalten, mit denen ich den ganzen Kaukasus hätte durchwandern können. Wenige waren unter ihnen, denen uicht im Gesicht oder sonst am Körper ein Zeichen aufgeprägt worden war, daß sie im Kampfe gewesen seyen. Einer unler ihnen zeigte mir eine bereits vernarbte Wunde, und ich kann nicht begreifen, durch welches Wunder der Mann genesen ist. Durch einen scharfen Säbelhieb war ihm ein nicht unbedeutendes Stuck Hirnschale mit etwas Gehirn abgehauen und bloß durch Auflegen frischer adstrmgirender Krauter hatte sich wiederum über dem Gehirn eine Knorpelschicht gebildet; nur wenn es sehr heiß oder sehr kalt war klagte er über Kopfweh. Auch allzustrenge Arbeit und überhaupt Erschütterungen riefen Unwohlseyn hervor. Er verließ mich auch schon nach einer Stunde Weges. Wir kamen bald an die südliche Gränze der Keschelten und traten wiederum in dcu Gau der Dschawen (in DschauKum) ei,,. Dasselbe enge Thal aber freundlicher mit ^Inuz äenticulaw c. 7«f ^. Ney. bewachsen, setzte sich fort. Die schroffen Thonschieferfelsen waren nur kärglich mit Steinbrech, Glockenblumen, aber reichlich mit Moos und Flechten besetzt. Endlich erblickten wir auf einer bedeutenden Hohe eine nicht unbedeutende Ruine (die zum Dorfe Socho geHort), und als wir uns ihr noch mehr genähert hatten, empfingen uns daselbst eine Menge Menschen mit Freudengeschrei. Es war mein braver Fürst Pauleno, der mich hier erwartete. Ein beschwerlicher Weg führte im Zickzack hinauf. Ein großes Gastmahl wartete unser und vor lauter Schmausen kam ich nur vorübergehend an meine wissenschaftlichen Unter, suchungen; aber gerade dieses Zusammenleben mit den Ossen ver» schaffte mir eine solche genaue Kenntniß des Volkes, wie sie noch keinem Reisenden vergönnt war. Der Zeit nach war unser Gastmahl ein Frühstück und lieb war es mir daher, daß wir nock Zeit hatten, um bis an die südliche Gränze von Ossien, wo Imerien beginnt, zu kommen. Die meisten Kescheltcn kehrten um und andere Ossen, Dschawen, traten an ihre Stelle. Zu meinen eifrigsten Psianzensammlem gehörte der schon mehrmals genannte Vek, und da meine Botanisir-büchse schon lange überfüllt war, so erbot er sich, sie in eine Art Jagdtasche, die er mit sich führte, zu stecken. Das Interesse für die Pflanzen hatte sich aber allmählich verloren und als ich in unserm Standquartier Ierzo ankam und die Pflanzen einlegen wollte, hatte er sie nach und nach seinem Pferde zu fressen gegeben. Leider wurde mir dadurch ein nicht unbedeutender Verlust. Die wichtigsten Pflanzen dieser Tagereise ware,,: ^nckus» rosea M. B., Cerinthe minor L., Lysimachia verticillata M. B., Veronica filisormis Vahl., V. petluracularis M. B., V. caucasica M. B., Leonurus villosus Desf., Anisoderis rhoeadifolia F. etM., Cacatia macrophylla M. B., Achillea biserrata M. B. unb Hyperi-cum Orientale L.jViciasepium L. ß caucasica; Vicia monosperma C.Koch., Trigonella polycerata L. unt) Trifolium elegans Savi. Von Socho ging der Weg bergauf, bergab über den nicht unbedeutenden Gebirgsrücken Liobo in ein lachendes freundliches Thal, das südlich nach Imcrien verläuft. Dieser Liobo hängt durch den Morccha, dessen Fortsetzung er ist, mit dem Hauptzuge des Kaukasus zusammm u»o geht südlich in das meschische Quer- 80 gebirge über. Südöstlich steht er durch die Verge von Dsari mit dem südossischem Gebirge, nordwestlich hingegen durch den Sürchle-werthe mit dem Nakeralm in Verbindung. In Ierzo, einem kleinem Dorfe mit zwölf Häusern, machten wir Halt und wurden mit großen Ehren empfangen. Es erneuerte sich dieselbe Schmauserei von gestern und große Fröhlichkeit herrschte unter allen Anwesenden. Der verschmitzte Bek hatte wiederum seine Geschicklichkeit gezeigt und zwei Schweinskopfe und die Kal-daunen entwendet, um selbige in einem Nachbarhause sich zuzubereiten. Vergebens suchte man seiner und des Geraubten habhaft zu werden. Als er wieder zum Vorschein kam, war eben unser Gastmahl bereitet und Bek bewies in der Zeit auf keine Weise, daß er schon gegessen harre. Leider war in unserm sonst geräumigen Zimmer zum Durchgang des Rauches in der Decke keine Oeffmmg und dieser konnte nur durch die offenstehende Thüre nach außen entweichen. Aufrecht zu stehe» war deßhalb unmöglich, und so hatte sich die ganze Gesellschaft auf den Voden gelagert. Innerhalb des Zimmers war mir es nicht möglich zu schreiben, und da mein Vorrath von Lichtern aufgezehrt war, jo hielten zwei dienstfertige Ossen brennende Spähne in der Hand, um mir zum Führen des Tagebuches zu leuchten. So saß ich unter Gottes freiem Himmel noch 'gegen Mitternacht und brachte alles was ich gesehen und vernommen zu Papier. Ierzo liegt freundlich an einer Höhe am Rande eines nicht unbedeutenden Kessels und ist fast der äußerste westliche Punkt des Districts von Dschawi. Ein unbedeutender See befmdet sich innerhalb desselben und der Sage nach soll er mit einem zweiten im Thale der Patza zusammenhängen. Es soll nämlich ein Junge mit einem paar Ochsen in den letztern gefallen ünd in dem erstern wieder zum Vorschein gekommen seyn?? Mir dem Kessel von Ierzo hat Ossieu einen ganz andern Charakter der sich selbst auf seine Bewohner und deren Wohuungcn fortsetzt. Während der Osten durch seine wildromantischen Thäler und Schluchten und dle Ossen daselbst durch ihre rohe Lebensart und durch den kriegerischen Sinn sich auszeichnen, werden die Thäler bei Ierzo und im Districte von Kudaro, in den ich alsbald eintrat, breiter und freundlicher. Die Bewohner wohnen friedlich nebeneinander und beschäftigen sich mit Viehzucht und Ackerbau. Auch hi die Häuser bestehen nicht mehr aus übereiuandergelegten Steinwänden, die nach oben durch flache Dächer verschlossen sind, sondern die Menschen haben sich ans den nahen Wäldern Bäume gefällt und mit diesen sich ihre Wohnungen verfertigt. Die Dächer sind von nun an nicht mehr flach, sondern schräg. Die ganzen Hauser gleichen denen der Schweiz im Entlibuch oder Wallis. Aber anch in geographischer Hinsicht befand ich mich auf einem andern Terrain. Ich hatte eine große Wasserscheide überschritten und bei Ierzo das Flußgebier des Niou betteten. Jenseits der Berge über die ich herkam, war das Flußgebiet des Kur und alle Bache und Flüsse von der Patza bis an das kaspische Meer, die südlich von den kaukasischen Bergen fließen, ergießen sich in den Kur. Diese Wasserscheide wird durch ein besonderes Gebirge, das den Namen des meschischen fuhrt,*) gebildet. Es lauft von Norden nach Süden, imd verbindet den Kaukasus mit der^oHebenc der tausend Quellen (Bing-Gol); weiter unten werde ich umständlicher von ihm sprechen. Unweit Ierzo bei dem Dorfe Zono entspringt aus dem oben genannten See die Quirila. Das Flußgebiet der Quirila wird durch eine zweite ebenfalls vom Morecha ausgehende Gebirgskette, die rein westlich läuft und die ich mit dem Namen Nakerala bezeichnet habe, von dem des eigentlichen Rion geschieden. Es bildet demnach der Nakerala, von dem der obere Theil den Namen Sürchlewetthe führt, eine zweite Wasserscheide. Nur in seinem Anfange scheint er eine bedeutende Hohe zu besitzen, denn ein Berg mit Namen Sau-Ka-schala, der mit ewigem Eis und Schnee bedeckt ist, gehört ihm ohne Zweifel an. Er lag mir in Ierzo nordwestlich, später aber von Tschassawali aus südlich. Von Ierzo aus begleitete mich Fürst Paulcno nur noch eine kleine Strecke bis zum Ende seines Districts. Am Rande eines schonen Laubwaldes nahmen wir Abschied. Nur wenige Ossen folgten mir «och weirer bis zu dem zwei Stunden entfernten Dorfe Samtharethi. Auf welcher Höhe dieses Dorf liegt, kann man daraus ersehen, daß man eben jetzt erst beschäftigt war das einzige Getreide, das hier wächst, Gerste (ut,d zwar N«'l>o"m lU8,ic1><,n^.) *) Dnbois hat den Namen des niedrigsten Theils, wo der Uebergang von Grusien nach Imerien ist, auf das ganze Gebirge übergetragen und nennt es deßhalb Gebirge von Lichi. Reisen u, ^»Vslveschreibnn^n. XXV. ^ (Neise «ach Kaukasion,) 8% einzuernten. Die thätigen Bewohner des Dörfchens nahmen mich aber trotzdem freundlich auf und verschafften mir alsbald Pferde zur Weiterreise. Die Lage von Samtharethi und die Offen daselbst erinnerten mich lebhaft an mehrere Gegenden der Schweiz oder selbst Thüringens, z. V. an die Schmiedefelds bei Suhl. Die an den Abhängen liegenden Felder waren wie dort mit einem ärmliche» Zaune versehen und in den engen Thalern zogen sich grüne Wiesen entlang. Dieselben breitschultrigen, blondhaarigen und blauäugigen Gestalten traten mir wie bei Schmiedefeld freundlich entgegen und nur leid that es mir daß ich ihrer Sprache nicht kundig war. Längs der Kiramula führte uns der Weg nun auf die Höhe der Wasserscheide an die Quellen des Alpenflusses und alsbald eröffnete sich mir jenseits derselben eine herrliche Aussicht. Unter mir lag das freundliche Thal der Dschedschora mit seinen neun Dörfern und über ihm erhoben sich die Eisberge der Kedela und der Riongletscher. Alle Höhen waren bis an die Gränze des Schnees bewachsen und zum großen Theil sogar mit den schönsten Wäldern besetzt. Nur laugsam ritten wir das Schiefergebilge herab und gelangten alsbald in das breite, 2—3 Stunden lange Thal der Dschedschora, woselbst ich beschloß zu bleiben. Ein Offe zu der Verbrüderung der Kudaren gehörig nahm mich in seinem Hause, was zum Dorfe Tschassawali gehörte, auf, und bewirthete mich so gut als möglich. Das Thal der Dschedschora ist fruchtbar und seine Bewohner zeichnen sich durch Friedfertigkeit aus. Früher sollen sie aber in Imerien häufig Einfalle gemacht haben, so daß der König Salo-mon einen Zerstörungszug nach dem Disiricte Kudaro machte und alle Burgen, die übrigens weit geräumiger und größer als bei den übrigen Offen sind, zerstörte. So lag auch die Burg von Tscheffawali wüst und leer. Nirgends in Ossien habe ich schönere Walder gesehen als in dem Gaue Kudaro, und Bäume und Sträucher wurde ich in reicher Manm'chfalrigkeit in ihm gewahr. Vorherrschend warLaubholz und vou den Nadelholzern fanden sich H.l>io8 peotinaw Qc>m., ^. excel»» Dec, A. oriental!» Poir., Taxus baccata L. unb Juniperus communis i,. nur einjeln *>or. Uebernjtegcnb waren @i$en CQuer" cus liobur L. unb Q. iberica Stev.), 58ud)Cti (Carpinus oriental is Tj. unb Fagus sylvatiea L ), 2U)oin (Acer platanoides L.)? 33 ^tnbett (Tilia parvifolia Ehrh. ß. caucasica) unb (Jrlett (Alnus denticulata C. A. Mey.) 3ln ©trdudjern bemerFte id); Euonymus latifolius L., Rhamnus Frangula L., 11. cathartica L., Staphylea pinnata L., Viburnum oricntale Pali., Cytisus calycinus M. B., Lonicera coerulea L. unb L. ibcrica M. B. (?) Slu4> an Maurern max trog ber fyaten $ät meine 9lu$&eute nic^t gering «nb bte interessantesten STrreii ivareit: Datisca cannabina L., Echi-nops sphaerocephalus L., Ccntaurea ochroleuca Muss. Puschk. Carlina vulgaris L. ß. caucasica, Scabiosa Colugibaria L. ß hannatica W. et K., Asperula odorata L., Campanula lactiüora M. B., Atropa Belladonna L., Symphydum asperrimum M. B., eine neue 2frt be§ d5efrf>[ecf>te6 Scrophularia L., Alchemilla pubes-cens M. B., Aconitum nesutuni Fisch., Actaca spicata L., Viola occulta Lehm., Cardamine Impatiens L., Galega orientalis Latn. itnb Lalhyrus aurantiacus C. Koch« In aller Frühe brach ich am 9 October auf; der Himmel hatte sich den Abend vorher umzogen und eine Veränderung des Wetters stand bevor. Ich entschloß mich daher den Plan die Dschedschora aufwärts über den Kedela in die Gaue Sacle und Sramaga zu gehen und dann die Schlucht von Nara zu besuchen, aufzugeben. Ich hatte auf diese Weise geglaudr meineu Lieblings-wunsch den Vrutsabseli zu ersteigen, noch in Erfüllung zu bringen. Auch mein Wunsch längs der Dschedschora nach Radscha zu gehen, blieb unerfüllt, da dieser reißende Vergflutz selbst kaum Platz hat sich zwischen dem Ukibeth und dem Sürchlewerthe hindurchzudrau: gen. Der Weg nach Zedusi, dem ersten radschischeu Dorfe führt, die Höhe des Ukilech (was ein unbedeutender Ausläufer des Kar-magala ist und sich in dem Winkel der Vereinigung der Flüsse Dschedschora und Kwedruli verliert) hinauf und besteht oft nur aus einem Pfad, der kaum erlaubt, daß zwei Menschen nebeneinander gehen. Und doch ist der ganze südwestliche Abhang mit herrlichen Buchen bewachsen. Nur langsam kamen wir vorwärts. Endlich erreichten wir die Höhe und ein seltenes Panorama entfaltete sich vor unsern Blicken. Vor uns zog sich das enge Thal der Dschedschora dahin und verband sich in der Ferne mit dem reizenden des Rio». Der Upiro trennte uns von den Thalern der Rion-Qnellen, über denen die eisigen Höhen der Rion-Gletscher vom Mjätschich-Par bis zum Songur ihre weißen Häupter kühn bis 6 * 84 zum Himmel schickten. Die Kedela-Verge begranzten nach Nord' osten die Fernsicht und nur einzelne Höhen des Brutsabseli ragten über ihnen hervor. Südlich versperrten Wälder die Aussicht. Hier an der Gränze von Ossien und Radscha, der nördlichen Provinz Imeriens, saften mir die meisten der mich begleitenden Offen ein herzliches Lebewohl. Als ich von dem ans Thonschiefer besiehenden Ukileth dem großen Dorfe Zedisi, das an dem westlichen AbHange desselben liegt, zuging, wurde ich alsbald eiuen sonderbar geformten Berg gewahr. Er führt den Namen Elion-Mta (Elias-Verg) und erhebe sich plötzlich ans dem westlichen AbHange senkrecht in die Höhe. Er bestehr aus Thoneisenstein, dem Quarzfelsen untermengt sind, und bildet eine mächtige runde, oben abgestutzte Säule, so daß es wohl in das Vereich der Unmöglichkeit gehört seine Spitze zu erklimmen. Von dem Abhang aus mag seine Hohe nicht mehr als 1000 Fuß betragen. Das merkwürdigste an ihm ist eine bedeutende Höhle, die in sein Inneres führt. Vergebens suchte ich in dem nahen Zedisi Leute zu gewinnen, die mich in dieselbe begleiteten. Aberglaube hat sie zum Aufenthalt von bösen Kobolden gemacht. Nach andern soll der Prophet Elias einen Schatz darin zurückhalten und ihn von unterthanigen Geistern bewachen lassen. Nichtsdestoweniger (wie ich spater in Oni erfuhr) sollen aber einige Bewohner Zedisi's aus dieser Höhle den eisenhaltigen Stein holen, aus dem sie ihr Eisen verfertigen, und wenn auf der einen Seite der Aberglaube mir hinderlich war, so »vurde auf der andern das Mißtrauen der Zediser Schmiede, die alles aufboten, um mich in der Ausführung meines Plans zu hindern, durch meinen Vorsatz erregt. Einige 30 Schritte wagte ich es zwar allein in derHdhle vorzudringen, allein die volle Finsterniß und ein in der Ferne hörbares Rauschen hielt mich vom weitern Vordringen ab. Mit angstlicher Hast kam mein Uebersetzer mir nachgelaufen, um mich zur Rückkehr zu bewegen. Erst im vorigen Jahre» seyen zwei Grusier in die Höhle gegangen und bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Zedisi ist ein großes grusisches Dorf, deren Bewohner sich von jeher durch räuberischen Sinn und Feindseligkeit gegen die russische Regierung ausgezeichnet haben. Auch mein Erscheinen schien keine Freude zu erregen, und wenn mich nicht die kaukasische Gastfreundschaft in dem größten Hause willkommen geheißen hatte, so wäre 85 ich wohl in Gefahr gerathen. Meine Fragen nach den Schmieden hatte ihr Mißtrauen noch mehr erregt und trotzdem ich allenthalben Schlacke fand, läugncte mau die Eristenz derselben geradezu. Später erfuhr ich erst mit Gewißheit, daß hier viel Eisen geschmiedet wird. Zu Waffen verstehen die Zediser es nicht zu verarbeiten, und so wird es nur zu Hacken, Messern, Sensen, Ketten :c. benulZt, um in dieser Form durch den ganzen Kaukasus verführt zu werden. Von Zedisi kam ich wiederum in das enge Thal der Dsched-schora, und blieb daselbst bis zu seinem Einfluß in den Rion, von dem nicht fern der Hauptort des Districts von Radscha, Oni, liegt. Von Tschassawali bis Oni blieb die Vegetation sich gleich. Dieselben Wälder zogen sich auf beiden Seiten der Dschedschora hin, und ziemlich dieselben Pflanzen traten mir auf der ganzen Wanderuna entqeaen. Vorzüglich sammelte ich in großer Menge: Spiranthes autumnalis Rich., Thesium humisusum Dec, Cen-taureaochroleucaPuschk., Peucedanurn rulhenicumM.B., Pasti-naca armena F. et M., Papaver dubium L. ß. laevigatura M. B., Helianthemum vulgäre Grl. ß. grandiüorum All., Polygala major Jacq.? Mespilus Smithii De C. unb Tunica Saxifraga Scop. ZIeunzehntes Capitel. Ossien unl, seine Pewohner. ^) Von all den Ländern in und um den Kaukasus verdient wohl keines mehr unsere Aufmerksamkeit als Ossien und trotzdem ge-horr es zu denen, die sich unserer Kenntniß fast noch ganz entzogen haben. Der Geschichtsforscher vor allem würde in ihm eines der ") Nur wenige Reisende haben es bis jetzt gewagt in das Innere des Landes vorzudringen. Wie mit Reineggs in Ossien gewesen ist, weiß man nicht; Güldenstädt war nur in den südlicheren Gauen. Cinen interessanten Reisebericht nach dem nördlichen Ossicn hat einUnbeuann-ter in den neuen nordischen Beiträgen Vand 7. Pcttrsb. und Leipzig 1796 niedergelegt. Älaproths Reise in Ossien, deren Bericht er in dcm zweiten Bande seiner Neisebeschreidung liefert, ist nicht von ihm, son- 8« ältesten Völker, das sich Jahrtausende unverändert erhalten hat, sinden und das Studium desselben ihn gewiß'aus hdchst interessante Thatsachen führen. Der Ethnograph sieht ein Volk, das trotz der vielfachen Berührungen mit mongolischen, sinnischen und türkischen Stammen sich unverändert erhalten hat, und der Lingui-stiker findet in der ossischen Sprache das Bindeglied zwischen den indogermanischen Sprachen Asiens und Europa's. Der Geograph würde ein mächtiges Gebirge kennen lernen, was dem Geologen unendlich viel Sioff darbietet, die Geschichte der Erde zn studiren. Der Oryktognosi hätte ein neues Feld vor sich, auf dem fast noch gar nichts gethan ist, imd der Zoolog sowohl als der Botaniker könnten ihre Sammlungen auf eine Weise bereichern, wie es nicht allenthalben der Fall ist. Noch manches Pflanzchen wachst dorc in großer Menge und ist doch dem Gelehrten unbekannt geblieben. Ossien erstreckt sich im Westen der großen Heerstraße, die selbst noch von Wladikaukas bis Darjel zu ihrem Vereich geHort, bis zn den ostlichen Quellen des Rion nnd zieht sich sogar längs der Riollgletschcr im Norden derselben bis zum Guran hin. Im Norden bildet Her Pschechesch die Gränze gegen die Kabarder und der vom Guran am östlichsten auslaufende Gebirgsarm des Guran dern von einem russischen Ossicier (wie Dubois auch nachgewiesen hat). Im Jahre 1628 befand sich der Russe Gregoriewitschky in Ossien und seine Berichte sind imAusland Jahrg. 1839 Nro. 1U8 abgedruckt worden. Sjögren hat im Jahre 1837 einen Theil des nördlichen Ossiens besucht und einige Miscellen über die Offen in den Memoiren der Petersburger Akademie niedergelegt. Zu gleicher Zeit fast war ich in Ossien und habe über das Land und seine Bewohner schon in einem Aufsäße in den Miscellen von Vrau Jahrgang 1838 gesprochen. Eine Beschreibung Ossiens verdanken wir auch Klavrorh, und zwar nach einer von ihm aufgefundenen grusischen Topographie in ^.«vean .7nu^n<-,i ^l. ittiquo, 1l,m. V. p«ss. 29. Dem Akademiker Vrosset ist es gelungen, diese wiederum und zwar vollständig (wahrscheinlich aber in einem andern Manuscripte) aufzufinden. Nach ihm gehört sie einem natürlichen Sohne des vertriebenen Königs Wachtang VI., Wachuscht mit Namen an, und wurde im Jahre 1745 in Nußland verfertigt. Sie führt den Namen: „Geographische Beschreibung von Grusien" und ist von Brosset ins Französische übersetzt worden. Dubois de Montpereur hat nur die große Heerstraße bereist, aber in dem 4ten Bande S. 320 seiner Neise cine wichtige Abhandlung über die Ossen geliefert. Kohls Nach' richten liefern gar nichts Neues. 87 die gegen die tatarischen Stämme Tscherkessiens. Südlich bewohnen die Offen noch die Kalkberge des südossischen Gebirgszuges; wo aber diese von tertiären Gebilden bedeckt sind, beginnen die Wohnungen der Grnsier. Ossien liegt demnach zwischen dem 61" 10' und 62° 15' d. L. und dem 42° 20' und 43" 30' n. V. Seine Ausdehnung ist unbedeutend und nach dem Urtheil sachverständiger Officiere beträgt sein einigermaßen bewohnbares Land kaum 50 Quadrat-Meilen. Das Land ist im hohen Grade gebirgig und besitzt mit Aus-nahme der nördlichen schon früher erwähnten Ebene nur enge Thäler und Schluchten. Mitten in Ossien liegt ein hoher Thal-keffel (Kabris-Cbeoba, d.i. Thor-Kessel) und ist rings herum von bedeutenden Bergen eingeschlossen. Ein See füllte ihn wohl in uralten Zeiten aus, und seinem Wasser gelang es endlich auf der Nordseite den Bergkranzzu durchbrechen und in die Ebene abzufließen. Der tolle Fluß, Aroon(Ärre-Don), wie ihn die Ossen nennen, entspringt aus vielen hundert Quellen noch jetzt in dem Thorkessel und hat eben wegen seiner wilden, über Felsen und Steine wic narrisch dahinfließenden Wasser die,en Namen erhalten. Von den westlichen Bergen des Kranzes entspringt der ostliche Rion, von den östlichen hingegen der Terek, die beiden größten Flüsse des Kaukasus. Der Kranz von Bergen ist ohne Zweifel plntomschen Ursprungo und wurde wohl auf einmal durch die Thonschieferdecke aus der Tiefe der Erde emporgehoben. Gewiß geschah es zu gleicher Zeit als auch der übrige Kaukasus durch unterirdische Gewalten getrieben, emporstieg, und somit den Anfang des kaukasischen Isthmus bildete. Interessant ist es, daß der Thorkessel so viel ich weiß der einzige dieser Art im ganzen Gebirge ist, und wohl ziemlich die Mitte desselben einnimmt. Die Höhe der ihn umgebenden Berge ist unbekannt, aber ohne Zweifel ist sie im Westen, wo eine fast gleichmäßige Bergwand mit nur unbedeutenden Kegelspitzen den Thorkessel von dem Thale des Rion trennt, am niedrigsten. Die Grusier haben dieser den Namen Kedcla, was Mauer bedeuten soll, gegeben. Ohne Zweifel besitzt der südliche Theil des Kranzes die höchsten Spitzen, und Grusier undOssm haben ihm den Namen der Dwalen-Verge (Dwaltha-Mta) gegeben. Er heißt sonst auch Brutsabseli (Brutsamseli) d. h. heilige Scheuer, wahrscheinlich wegen 88 seiner schief abgehenden Hohen, und besitzt in dem Sikara seine höchsten Spitzen. Wenig niedriger sind westlich von diesen der Chalaza nnd Karmagala, östlich hingegen der Souh, Vagfandag, Sochs undZozolt; östlich, aber nordwärts gehend, schließen sich demZozolt an: der Sudan und Siwerant. Nnn wendet sich der Kranz wieder westlich, und es folgen die Hohen: der Zirit, der Stür-Choch (d.i. große Höhe), Kaserai. Kalperi, Adai und Songut. Der Kadela schließt sich nordlich an den Songut an. Zwischen dem Kascrai und Kalpcri geht der tolle Flnsi nach Norden. Vom Zozolt setzt sich der Kaukasus östlich fort und bildet zunächst noch die bedeutenden Hohen Kadlasa (von dem südlich eine sumpfige Hochebene, Keli *) sich hinzieht und die Quellen der beiden Liachwen und der Aragua besitzt). Deß, Arsukom und die rothe» Berge, um nach Dagestan zu gehen. Westlich schließt sich der Hauptrücken des Gebirges dem Songut an, und führt bis zu dem Mjatschich-Par den Namen Rion-Gletscher. Seine wichtigsten Hohen sind vou Osten nach Westen: der Kuparai-Ser, Gulgariess-Zeck, Gurdt sieff-Zeck, Charüsch, Zachpunt-Zeck, Guran und Mjalschich-Par. Die Grusier nennen auch die RiongletscherGebis-Mta, Berge von Gebi, die Ossen hingegenGebis^Choch, *') d. h. Hohen von Gebi. Den Theil vom Guran bis Mjatschich-Par sehen die erster« als einen einzigen Berg an, und nennen ihn Paß-Mta, d. h. Paß^Berq. Vom Siwerant seyt sich aber anch der Kaukasus östlich dem Hauptrücken parallellaufend fort, und allmählich machtiger werdend hat er in dem Kasbek seinen höchsten Punkt erreickl. Es ist doch der Mühe werih, daß die Geologen sich mit den Ursachen beschäftige», warum die höchsten Berge eines Gebirges sehr hansig außerhalb seines Mittelpunktes liegen? Aus gleiche Weise verhalt es sich mir dem Ararat, dem Allagas, und, wenn ich mich nicht irre, auch mit dem Elbrus. Ehe dieser Ausläufer aber den Kasbek erreicht, bildet cr noch die bedeutenden Höhen: Reß, Dschnmcna, und ?>'ua. Nördlich verläuft er mit cmer Menge kurz ansein-. *) Keli bedeutet, wenn ich nicht irre, im Grusischen Hochebene oder etwas Achnlichcs. ^) Daö Wort Choch entspricht nnserm deutschen Höhe ck verstehen die Offen zerrissene Verqspiycn, unter Ser hing^en abgerundete Höhen. Sollte Zeck nicht unser deutsches Wort Zacke seyn? 8V anderfolgender Vergkegel, dereu äußerster Kaidschin genannt wird, i» das Quergebirge Achoth, was sich mit dem nordossischen Gebirge verbindet. Die Ossen nennen die ganze Reihe Berge vom Kasbek bis zum Kasarai, weil sie die höchsten im Lande sind, schlechtweg die Hohen, Choch, und die Grnsier haben diesen Namen znr Bezeichnung derselben oder des ganzen ossischen Kaukasus in ihrer Sprache aufgenommen. Klaproch und Dubois sprechen vielfach von den Bergen Chochi, ohne aber zu wissen was der Name bedeutet. Dem Hauptrückeu des Kaukasus, der in Ossien aus dem Thorkessel großlcntheils besieht, parallel ziehen sich zwei Thonschiefergebirge, denen anf der äußern Seite Uebergangs-Kalk aufangs auch schiefrig sich angelagert hat. nördlich nnd südlich, und rufen dadurch wiederum zwei Thaler hervor, die zn Ossien gehören, und wenn der Tbalkessel den Namen Mittelossien führt, den Namen Nord- l,nd Südossien verdienen. Auch die Gebirge selbst bezeichne ich mit den Namen des »ord- und südossichen. Beide bilden nicht eine fortlaufende Kette von Bergen, sondern sind durch die vom Hauptgebirge entspringenden Flüsse mehrfach durchschnitten, nnd stehe» durch (wahrscheinlich schiefrige) Quergebirge, die Ausläufer des Hauptrückcns sind, mit diesem in vielfacher Verbindung. Die wichtigsten Höhen des nordossischen Gebirges sind von Osten nach Westen gehend: Goradschin, Gämachta, Tobau, Karjuh. Choseck,Chodoff-M. Churuchom-Ses, Kagkascff-Zeck undSürchiff-Zeck. Von vorlctztgeucmnter Hohe an wendet sich das Gebirge nördlich, und läuft dann in nordöstlicker Richtung unter dem Namen des Pschechesch (des Gebirges derTschcrkessen bei Wachuscht) oder des Schwarzbergcs (Karadag) bis an den Terek. Von seiner Umbiegung an ist es neptunisch, und besteht meist aus Sandstein. Das ftldossischc Gebirge beginnt östlichen der Aragua, und Hai von da auo die Verge von Kando, Zchrasma, Dschurta, Zipor, Bcndcr, Poui,a. Krchwi und Dsari demcrteuswerth. Westlich geht co in den ^!iobo, der durch den Ausläufer Morecha mir dem Sikara iu Verbindung steht, nnd den Anfang des meochischcn Qücrgebiraes bildet, über. Mir d-m südliche» Ende des Morccha hängt m>cl) dcr ^latcrala, die Nwn-Qnirila-Wasserschcide, zusammen, und ihr ostlicher Thcil, Sürchic>verthc, gchdit zu Ossien. Die Flüsse Ossieuö sind unbedeutend, und habcu sämmtlich 90 eine nördliche oder südliche Richtung. Die nördlichen Flüsse ergießen sich sämmtlich in den Terek und sie sind von Westen nach Osten: 1) Der Uruch oder Ireff entspringt auf der Nordseite der ganzen Riongletscher vom Guran bis zum Songut, durchfließt den Gau der Digoren, nimmt den Digor-Don auf, und tritt am Nordwesten des Pschechesch in der Kabardah ein. 2) Der Durdur und Ursdon (ossisch Psehchuschtscherk; beide Namen bedeuten weißer Fluß) entspringen auf den nördlichen Abhängen des Sagkaseff, Churuchem und Chodeff und fließen im Süden des Pschechesch innerhalb der ossischen Ebene. Vor ihrer Mündung in den Terek vereinigen sie sich. Ihr Flußgebiet wird von den Digoren bewohnt. 3) Der Ardon, oder tolle Fluß, unstreitig der wichtigste Fluß Ossiens, hat seine Hauptquellen auf dem Vrutsabseli, nimmt aber von allen Seiten des Thorkessels Wasser auf. Fünf Bäche setzen ihn vorzüglich zusammen, und von ihnen entspringt der Saele auf dem Kedela, der Srogo auf dem Chalaza, der Ginat auf dem Sikara, der Saka auf dem Zozolt und Siweraut, und der Nar auf dem Slürchoch. An jedem Bache hat sich eine besondere Verbrüderung niedergelassen, die nach ihm den Namen führt, und von ihrer aller Vereinigung zum Ardon an bis zum Austritt dieses Flusses aus dem mittelossischen Gebirge wohnt eine fünfte Verbrüderung, die der Sramagen. Vom nordossischen Gebirgszuge v.'mmt er wiederum viele Bäche auf und tritt endlich in die ossische Ebene. Die Verbrüderung der Wallagiren bewohnt die übrigen Thäler des Ardvn jenseits des Hauptrückens. 4) Der Flag, Fog oder Pogk entspringt vom Siweraut, und geht in gerader Richtung durch das nordossische Gebirge in die Ebene. Um ihn wohnen die Kurtaten. 5) Der Kisil (auf russischen Karten Gisal-Don) entspringt vom Neß, nimmt vor seinem Austritt aus dem nordossischeu Gebirge den vom Züta herkommenden Genal auf, und tritt dann ebenfalls in die Ebene. Um ihn wohnen die Tagauren. 0) Vom Terek habe ich schon gesprochen und ebenso von den Stammen, die in seinen Thälern sich niedergelassen haben. Die dem Süden zuströmenden Flüsse ergießen sich mit Ausnahme der beiden westlichen in den Rion fließenden, der Qm'rila und Dschcdschora, in den Kur »md sind die schon mehrmals ge- 91 nannten beiden Liachwen, der Ksan und die Aragua. Sie entspringen sämmtlich von der genannten Hochebene Keli und zwar die große Liachwa (Didi Liachwa ossisch) im Westen. Sie geht anfangs westlich, und empfangt, bevor sie sich südlich wendet, vom Zozolt, Sochs und Bagfandag bedeutende Bache. Zuerst durchstießt sie den Gau von Magran-Dwalien, dann den Gau der grnßen Liachwa und endlich den von Dschawi, wo sie die aus dem Gau der Kescheltm herkommende Patza aufnimmt. Unterhalb Zrchinwall, bei dem Dorfe Tschwindisi, vereinigt sie sich mit der kleinen Liachwa (Patara Liachwa). Diese entspringt fast rein südlich von Keli. An ihr hat sich eine Verbrüderung, welche nach ihr den Namen führt, niedergelassen. Der Ksan geHort nur an seinen Quellen zu Ossien, und diese bewohnt die Verbrüderung der Dschamuren. Die Aragua, von der ich schon früher gesprochen habe und spater noch sprechen werde, entspringt im Osten ebenfalls von Keli und durchstießt nur den Gau der Guden. Nach diesen vorausgeschickten Bestimmungen wird es klar, daß ganz Ossien im hohen Grade unfruchtbar ist. Die nördliche Ebene macht allein eine Ausnahme. Von Getreide wird Gerste und Hafer gebaut, und nur in einzelnen Gegenden kommt das einen steinigen Boden liebende Einkorn (Irincum monocaccum 1^..) fort. Der vielfach zerrissene Boden, die schroffen Felsen und die jähen Schluchten sind nicht zur Erzeugung von Humus geeignet, »md es wird noch ein Jahrtausend vergehen müssen, bevor das harte Gestein verwittert, und sich durch Ansetzen vonFlechten undMoosen die erste Grundlage zur Bildung von Humns bildet. Die üppig sprossende Vegetation, wie wir sie fast allenthalben in der Schweiz zu sehen gewohnt sind. fehlt hier ganz. Walder finden sich in beträchtlicher Ansdehnnng und von gutem Aussehen nur in dem Gau von Kudaro , und wie man sagt auch in dem von Digor, während die der südlichen und nordlichen Gaue nur mlbedeuteild sind. Noch häufiger, wie in den mittlern Gauen, ist ganzlicher Holzmangel vorhanden, und kaum bedeckt armseliges Gestrüppe den Boden. Trotzdem geHort Ossien zu den bevdlkertsten Landern deö kaukasischen Isthmus. Während nach Abzug der Gletscher, der jähen Felsen, Schluchten :c. bei einem Flacheninhalte von kaum 50 Quadratmeilen ungefähr 40,000 Menschen in Ossien leben und dem-. 92 nach auf die Quadratmeile 800 Seelen kommen, besitzt Ciskau-kasien, wenn man daselbst die Hälfte seines Flächeninhaltes als nicht bewohnbares Land betrachtet, auf derselben Strecke kaum mehr als ein Viertel derselben Anzahl. Der Vergleich mit der großen Kabardah würde noch abweichender ausfallen. In dem schon erwähnten Aufsätze über Ossien in den Mis-cellen von I>r. Friedrich Bran habe ich das Land in Nord- und Südossien getheilt und zum erstern alle Gane diesseits, zu dem letzcern hingegen alle jenseits der Wasserscheide, d. i. des Hauptzuges des Kaukasus gerechnet. Ich will hier die Gaue, welche in dem großen Kessel liegen, zur grdßeru Deutlichkeit Mittel-Ossien nennen. Unter dem Namen Gau verstehe ich die Wohnsitze einer und derselben Verbrüderung, während Kreis das Land eines ganzen Stammes bedeutet. Ich beginne mit Südossien. l. Südossien. Die Bewohner der südlichen AbHange des Vrntsabseli standen schon seit den ältesten Zeiten unter der Oberherrschaft der grusischen (oder kartlilischen) Könige, respectirten diese aber nur wenig, sondern gehorten immer zu den unruhigen und unsichern Unterthanen. Die Grusier nennen sie Bwalen oderDwalethen, ihr Land hingegen Dwalta oder Dwalerhi und behaupten, daß sie von den ächten Osscn erst sparer ans den Thälern des Hochgebirges vertrieben waren. Wahrscheinlich sind sie mit den Ossen nicht eines Stammes und gehören vielleicht sogar den Grusiern an. Seit Dschingis-Chaü oder wahrscheinlich schon seit Murwam Kru nahmen sie aus dem Süden verdrängt Thäler des höchsten Kaukasus ein. Als besonders durch Timur die Ossen, welche damals die Ebenen um die Malka und um deu obern Kuban bewohnten, in die Berge ge-tliebm wurden, unterwarfen sie sich daselbst die Dwalen, welche von nun an die Sprache der Ossen redeten. Diese Dwalen, welche alle Eigenthümlichkeiten der Ossen äuge« nommcn haben, bildeten früher eine Menge Verbrüderungen, und standen nnrcr den Statthaltern (Cristawen) der Aragua, desKsan und' dcr Liachwcn, die, besonders die des Ksan, mir unumschraukrer Machr in ihrem Gebiete herrschten. Nach ihrer respective» Machc erkannten mchr oder weniger Verbrüderungen ihre Oberherrschaft an. Seitdem Rußland die Zügel dcr Regierung in Grusieu er- 93 griffen hat, sind mehrere Gaue Grusien ganz einverleibt worden, und die übrigen unter vier Pristaffs (Aufscher) gestellt worden. Wie aber schon früher viele Dwalen, besonders dle des Hochgebirges die Statthalter nicht anerkannten, so respectiren auch bis jetzt einige nicht den Pristaff. Nach der jetzigen Bestimmung besitzt Südossien von Osten nach Westen folgende Kreise: 1. Der Kreis dev Hochebene von Keli umfaßt die Ver, brüderungen derGuden, Magran-Dwalen und Dschamuren und steht unrer dem Pristaff von Quischeth am Fuße des Kaischanrschen Berges. Er liegt sehr hoch und taum erlaubt die rauhe Witterung daselbst Gerste zu bauen. Mit Ausnahme des Gaues der Guden sind auch die Weiden schlecht und die Viehzucht ist daher nur gering. Wald eristirt gar nicht und nur der südliche Theil des Gaues Dschamur besitzt wenig Gestrauch. «. Der Gau G,,do zählt in 5 Dörfern und 52 Hause,» 4W Seelen und nimmr das hohe Thal der Aragua, was die Osse», Chadde-Kum (Chadde- ft. i. Aragua^ Thal) nennen, ein. Die Berge von Lomisa scheiden ihn von Dschamur. I). Der Gau Dschamur besteht aus dem obern Thal des Ksan, der bei den Osscu Dschamur heißt, und seine 1000 Eiu» wohner wohnen in 117 Häusern und iu 1(> Dörfern. Das Gebirge von Dschurta trennt ihn von Karthli. «. Urs-Dwalta d. i. Weiß-Dwalien oderMagran-Dwaletl» (Magran-Dwalta) d. i. eiuferlttes Dwalien (auf den russischen Karten falschlicher Weise Magland olcte) begreift au dcu Quellen der großen Liachwa ein unfruchtbares Land und seine 1200 Bewohner besitzen 153 Hauser iu 17 Dörfern. Das Gebirge Mschlebl trennt ihn von dem Gaue der kleinen Liachwa. '!. Der Gau der kleinen Liachwa nmfaßt das Thal der kleinen Liachwa bis Belori, das der Pooisa und den obern Theil der in die kleme Liachwa sich mündenden Geri, nnd steht u>,ter dem Pristass z„ Veloli. Er ist weit fruchtbarer als der vorige und hat besonders gege,, Süden unbedeutende Wälder. Seine "000 Einwohner besitzen 90,'Z Häuser u»d leben in 75i Dörfern zerstreut. In früheren Zeiten bildeten sie mehrere kleinere Verbrüderungen, die Güldenstädt (Bd. I> Seite 474) anführt. Da sie aber jetzt 94 ihre Bedeutungen verloren haben, so habe ich ihre Namen übergangen. 2. Der Kreis der großen Liachwa erstreckt sich von der Höhe des Sikara in den obern Thalern des genannten Flusses bis in das südossische Gebirge. Im Westen überschreitet er den Liobo und dieser selbst, so wie der Sürchlewerthe, der östlichste Theil des Nakerala, gehören zu ihm. Zwischen Liobo und Sürchlewerthe, wo diese am Morecha sich vereinigen, entspringt die Qm'rila, deren oberstes Thal demnach einen Theil des Kreises der großen Liachwa bildet. Der Boden ist im Norden und Osten im hohen Grade unfruchtbar. Von den vielen Gauen, die früherhin in dem Kreise angenommen wurden, sind „och jetzt vier zu nennen. a. Der Gau der großen Liachwa nimmt das obere Thal genannten Flusses, wo dieser ans Urs-Dwalta tritt, bis fast zu dem Kessel von Dschawi ein, und ist in hohcm Grade unfruchtbar. Seine 3000 Einwohner bewohnen 34 Dörfer in 360 Hänsern. An der südlichen Gränze Karthli's liegt die Veste Wanethi und in ihr hat der Pristaff des Gaues seinen Sitz. b. Der Gau Dschau-Kum d. i. Dschau - Thal begreift eigentlich nur den Kessel von Dschawi, das Thal der Patza bis zum Morecha und das des Chaledon, jetzt hingegen rechnet man noch die ganze Gegend östlich bis fast zur kleinen Liachwa und das Thal um den Ursprung der Qmrila dazu. Seine 5000 Einwohner haben 025 Hauser inne und leben in 56 Dörfern. «. Der Gau Keschelta umfasse nur das obere Thal der Patza von ihrem Ursprung bis fast zum Einfluß des Chaledon und ist unfruchtbarer als der vorige. Seine Bewohner gelten nächst den Narcn für die größten Nauber Ossiens und leben mit den meisten ihrer Nachbaren in Streit und Zank. Dem Pristass von Dfchawi zwar unlerthan, gehorchen sie ihm aber auf keine Weise. Seine 400 Einwohner bewohnen 135 Häuser in 16 Dörfern. 6. Der Gau Kudero *) westlich von dem vorigen, von dem er durch den Morecha getrennt nmd. Er ist unstreitig der freundNchste Ossiens und dicht mit schönen Wäldern bewachsen. Er umfaßr die Thaler der Dschedschora (Dschedso) und Kiramula bis *) D'vaneti bei Güldcnstädt Vd. l, S. 47<>. Dwalethi oder Dwalts in Klaproths Beschreibung der georgischen Lander in seiner Reise Vd. U. S. 42. 95 zu deren Eintritt in Imerien. Viehzucht und Ackerbau sind die Hauptbeschäftigungen der Bewohner, deren Anzahl sich bis auf 14N0 belauft. Die 178 Häuser bilden 20 Dorfer. Bis zum Jahr 1768 gehörte der Gau den Eristaweu von Nadscha und wurde dann unmittelbares Vesitzthum der Könige von Imerien. Jetzt ist er wiederum mit Ossten, aber unter Rußlands Oberherrschaft vereinigt. II. Mittelel ossien. Dwalen waren, mit Ausnahme der Bewohner des obern Terek-thales, die Einwohner Mittelossiens, das fast nur aus dem Thorkessel besteht, und gehorchten bis zur Zeit der Thamar den grusi-schen Königen. Ein großes Thor bewachte den Eingang gegen die nördlichen Völker, besonders gegen Osscn und Chasaren, und wahrscheinlich der letztern halber hiesi es Kasarah oder Kasris-Kari d. i. Chasaren? Thor. Als aber die Mongolen die Ossen aus der Ebene vertrieben, drangen die letztern im Thorkessel ein und vermischten sich wohl zum Theil mit den Dwalen. Nur der Kreis Turso huldigte den grusischen Zaren stets und war von den Kasi? begen (woraus spater der Name Kasbek wurde) Chewi's abhängig. Das Land besitzt die höchsten Gebirge des Kaukasus und seine Thäler sind so eng, daß sie kaum dem Fluß durchzugehen erlauben. Holz gibt es in ganz Mittelossien nicht und selbst die Weiden sind nur von geringem Werthe. 1. Der Kreis des obern Terek umfaßt nur das Thal des Terek von seinen Quellen bis an die Hochebene Chewi. Seine 350 Bewohner bilden eine einzige Verbrüderung, welche schon seit den ältesten Zeisen den Namen Turso, Tirso oderTruso führt. Wachuscht, die schon mehrmals citirte grusische Topographie und Klaprvth irren sich, wenn sie den Gau Turso aus 3 Thälern bestehen lassen. Die Dörfer habe ich schon bei Gelegenheit der Beschreibung meiner Reise durch Chewi genannt. 2. Der Kreis des obern Ardon oder der Thorkessel, Kari's-Cheoba. umfaßt das übrige Mittelossien und ist fast nur allein durch den Engpaß Kasara oder Kasris-Kari zugänglich, da sonst allenthalben die höchsten Schneeberge ihn umgeben. So viel mir brkamtt ist, hat noch kein Europäer diesen Kreis betreten und da die fünf Verbrüderungen, die denselben einnehmen, noch unter sich in Stteit leben und die Lebensweise der alten Ossen auf gleiche Weise fortführen, so 96 wird auch Uns noch dieser interessante Kreis mit seinen kühnen Bewohnern und den Hunderten von Legenden und Sagen verschlossen bleiben. Von dem Gau Truso wird er durch den Sübau und von Radscha durch den Kedela geschieden. 2. Der Gau Saka liegt westlich von Truso an dem Bache Saka und besteht aus einem einzigen Thale. *) Seine 800 Bewohner besitzen 97 Hauser in 12 Dörfern. 1i. Der Gau Nar liegt westlich und umfaßt vorzuglich zwei sehr enge Thaler, von denen das des Ginat von Süden nach Norden, das des Nar von Norden nach Süden geht. Außerdem besitzt er noch das untere Thal des Srogo und eine kleine Strecke des eigentlichen Ardon-Thales. Seine 1fiO0 Bewohner sind die räuberischsten und zanksüchtigsten Ossen und leben mit ihren Landsleuten im fortdauernden Streit. Im Jahre 1837 aufs härteste von den vereinigten Ossen gedrangt, schickten sie eilig nach Tiflks, um sich der russischen Regierung zu unterwerfen. Diese nahm jedoch Anstand, da sie wohl weiß, wie schwierig ein solches Terrain zu behaupten ist. Der Gau besitzt noch viele Spuren, dasi einst hier und zwar schon in sehr frühen Zeiten die christliche Religion herrschte. Eine alte Kirche, Nusala, hat durch ihre Inschriften, welche Brosset d. I. entziffert hat, viel Geschichtliches enthüllt. Die 35 Dörfer bestehen aus 195 Hänsern. e. Der Gau Srogo liegt in dem obern Thale des Srogo und besteht nur aus 8 Dörfern, 51 Hansern und 400 Einwohnern. ll. Der Gau Sgele (bei den Russen Mamison, statt Man-suani und in der grusiscken Topographie, so wie bei Wachuscht Igele **) befindet sich im Westen auf der Ostseite des Quergebirges Kedela in dem Felsenthale des Mansuani und zeichnet sich besonders dadurch aus, dasi die Hanser nicht so zerstreut wie in dem übrigen Ossieu liegen. So besitzt z. V. das Dorf Tib allein 02 Hauser. Die 1900 Einwohner haben 238 Hauser in 8 Dörfern. *) Klaproth Reise (Vd. n, S. N4) laßt fälschlicher Weise den Gau aus drei Thälern bestehen und Güldeustadt (Reise Vd. i, S. 47l) verseht ihn sogar nach Westen an den Dschedscho (Dschebschora). ^) Mit Unrecht habe ich indem schon genammn Aufsatz überOssien diesen Gau auch Dnialethi genannt. Der Irrthum mtstand dadurch, daß dk Grusier bisweilen die fünfGaue des obern Ardon zuDwalien zählen und die Russen wahrscheinlich dadurch irregeleitet denGauDwalethi nennen- 97 o. Der Gau Sramaga besteht vorzüglich aus dem Thale des Ardo» bis zu seinem Austritt durch die Chasaren-Pforte u,id enthält außerdem uur noch zwei unbedeutende Thäler. Seine 1U00 Einwohner besitzen 132 Häuser in 14 Dörfern. III. N o r d - O s si e n erstreckt sich von den nördlichen Abhängen des Kaukasus-Rückens über das nordossische Gebirge bis zum Pschechesch und schließt demnach auch die schöne nnd fruchtbare ossischc Ebene ein. Der Süden ist in hohem Grade gebirgig, aber trotzdem hat der größte Theil der Ossen die engen Thaler eingenommen und erst jetzt wo allmählich Ruhe und Frieden über deu Kaukasus kommt, beginnen die Nordoffen sich nach und nach in den niedrigern und fruchtbarern Gegenden niederzulassen. Große Wälder sollen besonders im Westen vorhanden seyn, die des Ostens sind nicht bedeutend. Die Einwohner sind meistens ächte Ossen und gehören zum Stamme der Olagkren (oder Walagiren), besitzen aber im Westen und Osten wahrscheinlich fremde Herreu, die jetzt allgemein als Fürsten betrachtet und denen der Tscherkesseu gleich geachtet werden. Schon seit mehreren Jahrhunderten übten sie unumschränkte Gewalt über das Volk aus. Ohne Ausnahme haben sie sich Rußland unterworfen, entrichten aber keine Abgabe. Die Verbrüderungen habe» in Nordossicn ihre Bedeutung verloren, da die russische Regierung stets auf der Seite der Fürsten und Aeltesten diese gegen das Volk schützt. Nach den vier Flüssen wird Nordossien in vier Kreise getheilt. 1. Der Kisil-Terek-Kreis oder der Kreis von Tagate begreift das Thal des Terek von Darjcl an bis Wladikaukas, dann das linke Ufer desselben bis an den Pschechesch und außerdem noch die Thäler des Kisilsiusses. Seine Bewohner (Tagauren genannt) slud wohl nur zum Theil ächte Ossen und zwar das Volk in den Kisilthalern, wahrend die des Terckthalcs größlentheilö zu den Inguschen gehören. Die Fürsten scheinen peisischcn Ursprungs zu seyn n»d es herrscht noch die Sage, daß sie ans Persien eingewandert seyen. Der große Nuschirwan setzte zur Verhütung von Einfällen aus dem Norden Gränzwächter nach Darjel und unmöglich ist es deßhalb nicht, daß von diesen Grauzwachsnn die jetzigen tagaurischen Fürsten stammen. ^"N'„ I!, L.n,dcN'lftl,nil'u,!>ic,i, XXV. '7 (Reife nach Kankasicu.) 98 Das Thal des Terek wird Schimitteh oder Schimitt genannt. Nach Klaproth und der grusischen Chronik geht die Sage, daß die daselbst herrschenden Fürsten aus dem Westen *) und wahrscheinlich aus dem gleichnamigen Thale des obern Fiag eingewandert seyen. Von den hierher gehörigen Dörfern habe ich schon früher gesprochen. Der Gau Schimitteh wird von den Kisilthälern durch das Quergebirge Achoth getrennt. Jenseits desselben liegen die beiden großen Thäler des Genal und Kisil, von denen das erste als das eigentliche Stammthal der Tagauren auch den Namen Tagate besitzt, wahrend das andere Dergipsch genannt wird. Im Ganzen besitzt der Kreis 20 Dörfer. Leider kann ich die Einwohner- und Häuserzahl hier wie in den übrigen nordossischen Kreisen nicht angeben, da mir das Blatt, worauf ich sie wahrend meiner Reise geschrieben, verloren gegangen ist. 2. Der Fiag-Kreis wird von dem Stamme der Kurtaten bewohnt und nimmt westlich von jenem das ganze Thal des Fiag von seinem Ursprünge bis zu seinem Ausflusse in den Terek ein. Wie der vorige besteht er ans einem gebirgigen südlichern und einem ebenern nördliche» Theil. Der erste wird durch ein Quer-gebirge, was den Steß mit den Tobau verbindet, von Dergipsch geschieden. Der südliche in dem Gebirge gelegene Theil bildet die beiden Gaue Schimitt, oder Zmitti, an den Quellen des Fiag und Trinsch an der Dschimara, einem in die Rechte des Fiag fallenden Bache. Die Anzahl der Dörfer betragt 24. 3. Der Unter - Ardon - Kreis liegt westlich von dem vorigen, von dem er durch ein Quergebirge, was den Namen Schimitt-Choch (d. i. die Höhe von Schimitt) führt, getrenut wird, und nördlich von dem Ober-Ardon-Kreis. Der schon dort genannte Engpaß Kasara scheidet den leyteru Kreis. Dicht an ihm finden sich noch die Spuren einer Mauer, v?n der es heißt, daß der König Wachtang Gurgassal von Grusien sie gegen die Einfalle der eigentlichen *) Klaproth Meist, Bd. I, S. 6 » h ihre Gcbr ä >« ch e, So oft ich „litten unter den gefürchletcn Ojjen mich befand und diese iltteressanten Bewohner dcö Kaukasus betrachtete, so fühlte ich mich nntcr dcn, fremden Volke heimischer, und fand wich zl» den biedern Mäuueru, die iu den Ebenen als Räuber betrachtet werden, auf ei»e Art hingezogen, wie es mir sonst »irgcuds geschehen ist. Dieselben kraftigen und schönen Gestalter!, wie ich sie häufig im Thüringer Walde, besonders in der Gegend von Schmiedcfeld oder i» t^r Ruht gesehen, traten mir hier freundlich entgegen und hießen mich eben so herzlich willkommen, wie es dort mir häufig geschehe«, war. So müssen die alten Dcutschcu gewesen sey„! und häufig schienen mir die dunkeln Er-inuerungeu, die mir aus Tacitus <^,'"im>n gcblicdcn, jetzt ins *) Nordische Beiträge, Vd. vil. S. !20. 102 Leben getreten zu seyn. Wie ganz anders fand ich das Volk, als es Klaproth und nach ibm Dubois geschildert hat. Die Offen bilden einen schdnen Menschenschlag und können hinsichtlich ihrer Schönheit den Tscherkessen m,d Grusiern (Cir-kassiem und Georgiern) an die Seite gesetzt werden. Sie unterscheiden sich aber wesentlich von den letztern und können deschalb mit diesen eben so wenig wie die Deutschen mit den Italienern verglichen werden. Wie der Thüringer des Gebirges hat der Osse eine kräftige Constitution und einen gedrungenen Glieberbau. Der Körper ist durchaus nicht schlank aber mehr groß als klein, und besitzt das was man bei nns untersetzt nennt. Aber es sind die starken Muskeln, die ihm eine breite Brust und volle Arme und Schenkel geben, nnd nicht Fettunterlagen, wie bei der mongolischen Race. Klaproth läßt die Offen nur 5 Fuß nnd 2 bis 4 Zoll hoch seyn, ich habe aber nicht selten Frauen gesehen, die diese Größe besaßen. Das Gesicht Hat bei großer Regelmäßigkeit interessante Züge, und wenn auch der Geist der Bildung nicht inMlhm thront, so spricht sich doch auf ihm der rege Sinn für alles was vorgeht aus. Blondes oder braunes Haar umwölkt den mehr rundlichen als länglichen Kopf, und erlaubt der nicht großen, aber auch nicht kleinen Stirn deutlich hervorzutreten. Die meist blauen und großen Augen haben bei den Frauen etwas Mildes, bei den Männern hingegen etwas Ruhiges. Der wilde Blick, der sonst den Tscherkeffen wie jeden Kaukasier auszeichnet, mangelt den Ossen. Die Nase ist durchaus nichc so klein, wie Klaproth sie angibt und eben so wenig eine sogenannte Stumpfnase, sondern erscheint ganz in der Form, wie man sie in Thüringen und fast durch ganz Deutschland findet. Der Mund ist nicht klein, und häufiger fand ich ihn sogar etwas zu groß. Die Hände der Os-sinnen sind von einer großen Schönheit, aber die Füße stehen denen der Tscherkessinnen weit nach und sind wenigstens mittelmäßig. So findet man die Offen im Innern des Landes, und so fand ich die Keschelten, Kudaren, Digoren u. Ihre angenehme Gestalt wird noch durch die Freundlichkeit, ich möchte Liebenswürdigkeit sagen, mit welcher sie jedem Fremden entgegenkommen, erhöht. Alle ihre Bewegungen sind abgerundet, und festen Schrittes schreiten sie einher. Was bei uns Knaben und Mädchen mit 1«3 vieler Mühe erst erlernen, ist ihnen angeboren. Ich sah in Kola ein sechzehnjähriges Mädchen in Lumpen gehüllt ein paar Ochsen vor sich hettreiben, und trotz dem entzückten mich ihre Haltung, ihr Gang, alle ihre Bewegungen selbst mehr noch als ihre blendende Schönheit. Ruhig schlug sie ihre großen Augen auf, als ich ankam nud blickte mich mit derselben unveränderten Miene an, als sie ihre Brüder vielleicht angesehen hätte. Als sie aus meinen Mienen und Worten die Bewunderung, welche ich ihr zollte, sah, benahm sie sich gleich unsern Schönen des Thüringer Waldes, und kokettine auf eine unschuldig scheinende Weise, wie ich sie nicht bei einem Naturkinde gesucht hatte. So tief ist der Hang zu gefallen in des Mädchens Brust gelegt. Wie der Charakter aller Bergvölker sich durch Gutartigkeit auszeichnet, so ist auch der Offe ein braver und guter Mensch, wenn er mit seinen Verhältnissen richtig aufgefaßt wird. Was den letztern zukommt, darf ihm nicht zugerechnet werden. Daher kommen die widersprechenden Nachrichten, die man von den Ossen besitzt. Der unbekannte russische Officier gibt ihnen dasselbe Zeugniß, was ich eben aufstellen will. Klaproth und Du-bois stützen ihre Aussagen auf fremdes Urtheil, und der Russe Gregoriewitschky hat ebenfalls Unrecht, wenn er die Ossen feig nennt. Gerade er hatte die meiste Gelegenheit ihre Kühnheit und Tapferkeit zu bewundern, und seiner Beschreibung nach sollte man es auch gar mcht von ihuen erwarten. Der Osse erkennt „ur Eine Tugend an, die männliche Kraft, und von ihr gehen alle seine Handlungen aus. Sie beseelt ihn ill allem was er thnt. Je vollkommener sie bei einem Menschen ist. um so höher wird er geschätzt und um so mehr gibt sie diesem ein Ansehen. Demjenigen, dem sie am meisten inwohnt, gehorchen die übrigen in nöthigen Fallen und folgen ihm willenlos auf allen Naubzügen. Der Zustand der Cultur hat deu Vcgriss von Eigenthum noch nicht so festgesetzt, als es bei unsern bürgerlichen Einrichtungen der Fall ist, und aus dieser Ursache ranbt uud plündert der Osse ohne zu glauben daß er ein Verbrechen begangen habe. Es steht ja nach seinen Ansichten dem Beraubten frei sich zu wehren, und er würde nur sich die Schuld zumessen, wcnn er beraubt würde. Was er in der Fremde nicht mit Gewalt erlangen kann, sucht cr durch seine ihm angeborne Schlauheit zu 104 gewinnen. Die Tscherkessen machen immer ihre Raubzüge in großer Anzahl, und bedienen sich dabei mehr der Gewalt als der List; nicht so der Osse, der oft allein oder nur von wenigen begleitet auszieht und kein Mittel scheut, um scinen Zweck' zu erreichen. So furchtbar und selbst schrecklich er außer dem Bereich seiner Wohnung ist, so freundlich und liebevoll ist er in derselben. Die Familienglieder leben friedlich neben und mit einander, und es stießen mir in der Folge nicht selten dieselben patriarchalischen Scenen auf, wie sie die Bibel uus schildert. Wer zu ihnen kommt, wird bereitwillig aufgenommen und nicht allein gespeist und getränkt, sondern er erhalt auch denselben Schutz, dessen sich jedes Familienmitglied erfrent. Wenn einer seine Mahlzeit halt, so hat jeder andere, der zufällig es sieht, das Recht mit zu essen, und vielleicht selbst hungrig murrt er nicht im geringsten über den Abzug der ihm bedürftigen Speisen. An Ausdaner und Entbehrungen gewöhnt trotzt er allen Stürmen eines rauhen Klima's und allen Unbequemlichkeiten eines unfrnchlbareu Vaterlaubes. Im Kampfe ist er tapfer und sieht dem Tode keck entgegen. Sieben Ossen trotzten in einem der später zu beschreibenden Thürme einem ganzen Bataillon. So eigenthümlich die Ossen an «md für sich sind, so abweichend sind sie in ihren Verhaltnissen zu einander von allen übrigen Völkern des Kaukasus. Der Raum erlaubt mir nicht, eine geschichtliche 'Auscinandersrtzung der Entstehung jciucr jetzigen Verfassung zu licfcrn, nnd so gebe ich m,r den Zustand wie er ist. Mit Ausnahme der beiden Stämme der Tagauren nnd Di-goren besitzen, wie gesagt, die Osse» keine Fürsten, m»d selbst bei diesen haben sich erst Fremde anfangs mir M nnd danu mit Gewalt dazu aufgeworfen. Vei den übrigen Stammen Nordossiens üben die Aeltestcn (Cldar) cinc Art Herrschaft ans, in der sie durch die benachbarten Fürsten unterstützt werden. Die Bewohner Nordossiens werden daher von jcber von den übrigen freien Ossen Olagiren (Walagiren bei dei, Russen) genannt, wahrend sie sich selbst dcn Namen Misoreu ertheilen. Die Familienvater sind bei dcn Misoren die eigentlichen Herrscher, und erwachsene und vcrhcurathetc Sohne hegen gegen ihren Vater einen unbedingtcn Gehorsam. Wem, der Vatcr gestorben ist, blcibcn die Edhnc mit ihren Kindern noch i» der Nähe del väterliche» Wohnung, die dem ältesten meist zufällt, m,d bilden mir ihren Familien einen sogenannte,, Kau, dessen Mitglieder, durch Blutsverwandtschaft eng mit einander verbunden, gegenseitig sich schützen. Ein solcher Kau führt in der Negel den Namen der Familie, die ihn bildet. Meist besteht er nur ans wenigen Hausern, die durchaus nicht so dicht neben einander liegen, wie Klap-roth will, und er kann daher nur uneigentlich mit Dorf überseht werden. In dem Maaße, als die Hauser zunehmen und die Familie demnach sich vergrößert, wird das Verhältniß der einzelnen Mitglieder auch lockerer. Die frühere Einigkeit wird durch allerhand Zwistigkeiten gestört, und cin Theil entschließt sich endlich einen neuen Kau, vielleicht schon in der nächsten Nabe, zu gründen. So entstanden allmählich die vielen Kane in den ossischeu Thälern. Die neuen Kaue trennen sich aber nicht vo» den altern, denn bei allgemeinen Angelegenheiten erscheinen sie wiederum in Verbindung mit ihnen. Die einzelnen Mitglieder stehen immer noch gegenseitig für einander, sobald austere Verhältnisse sie zu einem engern Bündnisse auffordern. So entstanden die Verbrüderungen, welche wir schon, wenn auch zum Theil anders, bei den Tscher-kessen kennen gelernt haben. Sie unterscheiden sich eben dadurch, daß sie ihre ursprüngliche Vedentung beibehalten haben und nur aus den Gliedern einer großen Familie bestehen. Eine Verbrüderung nimmt in der Negel cin bestimmtes Thal ein und duldet in demselben keine Fremden, selbst nicht ihre Landsleuic, mit denen sie sonst gar keine Gemeinschaft haben und selbst in immerwährender Feindschaft leben. Der Osse hält es für keine, Sünde, seinen Landsmanu, wenn keine verwandtschaftlichen Verhaltnisse obwalten, zn bcranben und zu plündern, wie er selbst auch immer auf der Hot ist, seinen Feind würdig zu empfangen. Dieser gesetzlose Znstand unter den Ossen ist die Ursache, warum dieselben, so lange diese Verhaltnisse unter ihnen obwalteten, „ie zu einer Bedcutuug gekommen sind. Er erklärt uns "»cd, daß den Kabardem es möglich wurde, im vorigen Jahrhundert sich zu Herreu eiucs Theils dcr Osscn auszuwerfen und diese selbst anö ihrem Lande zu entführen. Dadurch wird es ferner uns klar, wie den Nüssen cö gelang, ihre Eroberungöversuche in Ossicu „n't Glück zu unternehmen. So tapfer auch die einzelne» 105 wk Verbrüderungen sich wehrten, so konnten sie den geordneten Kriegszügen der Russen nie lange widerstehen. In den unterworfenen nördlichen und südlichen Thalern hat sich die ursprüngliche Bedeutung der Verbrüderungen mit der Gefahr verloren. Die russische Regierung duldet unter ihren Unterthanen keine Ueberfalle, und so haben sich in der neuesten Zeit mehrere kleinere Verbrüderungen, die in einem Kreise lagen, vereinigt, und bilden nun eine große, die meistens den Namen des Thales, das sie bewohnt, führt. Für die äußern Angelegenheiten werden von einer Verbrüderung in der Regel erfahrne und ältere Mitglieder, die den Namen Eldar (Aelteste) führen, erwählt, und diesen liegt es ob, die Streitigkeiten unter sich zu schlichten, bei Raubzügen anzuführen und bei etwaigen Ueberfallen Vorkehrungen zu treffen. Die Zahl der Eldars ist verschieden; bisweilen besitzt einer das Zutrauen der ganzen Verbrüderung, in der Regel sind es aber mehrere, die für das Wohl derselben sorgen. In der Zeit der Ruhe haben sie gar keine Gewalt, üben aber nichtsdestoweniger, besonders als Bejahrte, einen moralischen Einfluß aus. Nur in Nordossien sind sie unter dem Einfluß der Fürsten zum Theil erblich geworden, bilden in den Thälern des Terck, Kisil und Uruch einen Mittelstand zwischen Volk und Fürsten, und stehen bald auf der einen, bald auf der andern Seite. In den Thalern des untern Ardou und Fiag nehmen die Aeltesten die Stelle der Fürsten ein. Die freien Ossen (Misvren) aber sehen immer mit einem gewissen Grad von Verachtung auf ihre abhangigen Brüder (Olagirm) herab. Daß nach diesem Vorausgesetzten eine große Anarchie und Willkür unter den Ossen herrscht, kann nicht auffallen, und wäre das Volk nicht so fruchtbar als es ist, so müßte es sich bci den immerwahrenden blutigen Streitigkeiten und großen Entbehrungen schon lange gegenseitig aufgerieben haben. Wenn ihnen auch eine staatliche Verfassung geradezu abzusprechen ist, so hat doch das Herkommen und der Gebrauch meh-reres geheiligt, dem der Osse sich unbedingt unterwirft. Es leben bei ihm selbst uoch Erinnerungen aus den ältesten Zeiten, und wie der Grusier die Aussprüche der glorreichen Konigin Thamar, einer gebornen Ossin, immer noch im Andenken trägt, so leben die Einrichtungen des tapfern Königs Bagatar, der in der Mitte des fünften Jahrhunderts herrschte, noch bei den Ossen fort, und geben nicht selten bei Streitigkeiten die Entscheidung. Mit der Vertreibung der Ossen ans der Ebene durch den Mongolen Timur trat ihr anarchisch-demokratischer Zustand ein und entwickelte sich in den engen Thälern allmählich auf die Weise, wie er sich jetzt vorfindet. Wenn schon bei den Tscherkessen in den Worten: Ehrfurcht vor dem Alter, Blutrache nnd Gastfreundschaft die ganzen gesetzlichen Einrichtungen derselben liegen, so sind diese doch bei ihnen in den neuern Zeiten durch die Umstände modisicirt worden. Ganz anders ist es bei den Ossen; hier herrschen sie auf dieselbe Weise, wie es seit mehreren Jahrhunderten der Fall war, fort. Betrachten wir sie demnach etwas naher, so ist die Ehrfurcht vor dem Älter bei den Osscn in hohem Grade ausgebildet und unterscheidet sich in nichts von dem, wie ich sie schon bei den Tscherkessen geschildert habe und wie sie mit wenigen Ausnahmen durch deu Kaukasus herrscht. Die Blutrache, dieses furchtbare Gesetz, was oft Jahrhunderte zwischen zwei Familien wüthet, hat bei den Ossen ihre höchste Ausbilduug erhalten, und jedes, selbst ein geringes Vergehen fällt ihr anheim. Wenn bei den Tscherkessen nur Blut durch Blut gesühnt wurde, so muß bei jeder Beleidigung, die einem Ossen widerfährt, Blut stießen. Tag und Nacht sinnt der Vollstrecker der Blutrache auf eine sichere Gelegenheit seiu Urtheil zu vollziehen. Bis dahin flieht er die wilden Spiele seiner Freunde, nimmt nicht an gefährliche« Raubzügcn Theil, um sein Leben, das ihm jetzt erst recht wichtig ist, nichr für eine Kleinigkeit zu vergeuden; er verläßt den Herd seiner Familie und stürzt sich, den Mordgedankell, der ihn allein leitet, in der Brust, hinaus in das Freie. Wie ein' gieriges Raubthier schleicht er sich in die Nähe seines Opfers und erlauscht, ohne zu ermüden, die günstige Gelegenheit seine Rache zu vollstrecke«. Es ist fürchterlich einen Menschen zu sehen, der Jahre lang den Gedanken des Mordes in sich trägt und dessen "icht eher sich entäusiern darf, als bis der Mord geschehen. Und ist es ihm cxolich gelungen, dann kehrt er freudig zum Vaterhause zurück und opfert auf dem Grabe des Gesühnten eine Ziege oder ein Schaf. Mit dem Augenblicke, wo das Blut des OpferthiereS die irdischen Reste des Erschlagenen berührt, eittftiegt dessen Seele erst zu einem bessern Sey«,. Nun tritt der Racher wiederum unter 107 108 die Seinen «nid man empfängt ihn mit großem Jubel. Ein neues Leben beginnt in ihm, er übergibt sich wiederum der Freude, der er sich zuvor verschlossen. Aber er ist wiederum dein Tode verfallen, denn wie bei den T scher keßen muß der nächste mannliche Verwandte den Tod des znr Sühne Gefallenen rächen. Das kümmert ihn aber nicht, und unbesorgt um die Zukunft erfreut er sich der Achtung, die ihm geworden. Es ist keine Kleinigkeit bei den Ossen Vollstrecker einer Sühne zn seyn. Die Verbrüderungen leben streng von einander geschieden und die Oertlichkeiten ertheilen dem Verfolgten eine nicht geringe Sicherheit. List und Schlauheit muß der Vollstrecker anwenden, und nnr selten gelingt es ihm mit offeuer Gewalt aufzutreten. Der der Sühne Verfallene kennt die Gefahr, welche ihm bevorsteht, und ohne sie zn fürchten ergreift er doch alle Mittel, um sich so viel als möglich zn sichern. Sein Feind ist gezwungen ihn mitten unter seinen Freunden aufzusuchen, und wenn auch die letzter» nur den Mord abwehren und nie die Partei ihres Freundes ergreifen, so ist es doch nicht leicht bis in die Nähe desselben unbemerkt zn dringen. Vei meiner Durchreise durch Ossien wurde mir, wie schon oben gesagt ist, die Stelle in Dschawi gezeigt, wo einer der Blutrache gefallen war, und ich erfuhr die nähern Verhältnisse der Ursache des Mordes. Es war bereits das fünfte Opfer, was in einem Zeitraum von 40 — 50 Jahren zwischen zwei Familien nothwendig geworden war. Der Ermordete halte vor fast W Jahren dei» Vater des Mörders zur Sühne für seinen altern Bruder, der mit eigener Hand den Mörder seines Onkels erlegt hatte, erschossen. Die Ursache dieser unglückseligen Folgen war durch den Raub und die Entehrung eines Madchen entstanden. Als der Vater des jetzigen Mörders unter den Händen seines Feindes fiel, war er nur wenige Jahre alt, aber trotzdem blieb ihm die Vollstreckung des Todesurtheils. Mit dem Gedanken des Mordes zog die Mnttcr ihren einzigen Schn auf und wusite doch, daß auch er dann „ur einem gewissen To5.c entgegen gehen müsse. Mehrere Jahre laug hatte cr eine Gclegenhe,'^ gesucht, um seiuen Plan zn vollziehen, ,,„d sich endlich bei dunkler '^'M in einer Scheune, die dem Hause seines Feindes gegenüber lag, vttb?^""- "'" d"s"'' wenn er des Morgens am Begim, des Tages aus seines Wo,/.'.'""6 heraustreten würde, zu erschießen. Wahrscheinlich hatte er schon in mancher Nacht den Schlaf geopfert, um die Gewohnheiten seines Feindes zu erspähe». Nur in sehr seltenen Fälle» geschieht es, daß die Sühne bezahlt wird, da immer den Theil, der sich abfinden läßt, mehr oder minder Verachtung trifft. Es kommt nur dann vor, wenn zwei Verbrüderungen von gleicher Starke der fortdauernden Ermordung ihrer Glieder müde sind uud endlich zur Einsicht gelangen, daß sie beide dadurch verlieren, oder wenn es klar vor Augen liegt, daß die Ermordung nur zufallig und ohne alle Absicht geschah. Unter den einzeluen Familien oder Verbrüderungen kommen nur selten Ermordungen vor, und der Thater wi»d in der Regel mit seinem ganzen Besitzchum verbrannt. Viswcilen flieht er auch auf ewig das geliebte Thal und den Kreis seiner Verwandten, die ilm gern ziehen lassen, um der Vollstreckung der gerechten Strafe enthoben zu seyn. Aber nicht allein ein Mord verlaugt Blut, sondern jede Beleidigung muß blutig gerächt werden. Zum Glück kommen die einzelnen Glieder zweier Verbrüderungen nur seilen zusammen, und es wird dadurch die Gelegenheit vermieden. Die grdsile Beleidigung ist das Andenken eines Familienhauptes durch Schmakwortc zu beflecken, oder auf dem Grabe desselben eilten Hund zu schlachten. Bisweilen geben auch Entführungen Veranlassung zur Blutrache, besonders wenn ein verheuratheter Mann der Entführer ist, und die Schande durch eine Verbindung mir dem geraubten Mädchen nicht wieder gut gemacht werden kann. Solche Fälle sind aber selten, denn nicht leicht wird von einem Volke das innere Familienleben so hoch als bei den Ojsen gehalten. Ehebruch gehdrt zu den fast unbekannten Dingen. Jede Verletzung des Korpers ruft ebenfalls Blutrache hervor, kann aber viel leichter gesühnt werden, und die Strase richtet sich Wie bei den Tschcrkessen nach der Wichtigkeit des verletzten Gliedes "»d „ach der Gefährlichkeit der Wunde. In allen Fallen, wo beide Theile einer Versöhnung entgegensehen, wählt eine jede Partei drei Nichter. Von diescn unter-sllchen zwei lvon jeder Partei einer) die vorliegende Sache, und wachen einen Vorschlag. Sie heißen Muson. Zwei andern, Li- 109 tamon, liegt es ob, den Vorschlag naher zu erörtern, seine Billigkeit den beiden versammelten Parteien vorzulegen, und wenn auf beiden Seiten Zufriedenheit sich zeigt, zu bestätigen. Damit ist der Ausspruch aber noch nicht gegeben, denn die letzten zwei. Kussa-gon, untersuchen von neuem und controlircn dadurch die vorigen in ihrem Rechtsverfahren. Wenn die beiden Kujsagouen glauben, daß irgendwo das Recht verletzt ist, so stoßen sie den Ausspruch um, und es wird unter Erwählung anderer Richter eine neue Versammlung zur Entscheidung gewählt. Aber trotzdem ist keine der Parteien gezwungen den Ausspruch zu befolgen, und kann noch machen was sie will. Gewöhnlich aber unterwerfen sie sich, da ja die Sehnsucht nach dem Beiseitelegen des Streites sie schon zu der Wahl der Richter veranlaßt hatte. Um die Partei des Beleidigten im voraus für eine Versöhnung zu gewinnen, macht auch in der Regel die des Beleidigers schon vor dem Beginn der Verhandlungen ein nach den Verhältnissen mehr oder minder bedeutendes Geschenk. Wie in Tscherkessien so ist auch hier das Rindvieh die gangbare Münze, und man schätzt in Ossien alles nach Ochsen. Um den Mord eines Mannes zu sühnen, sind wenigstens 18mal 18 Ochsen nothig, *) während der einer weiblichen Person nur die Hälfte der Sühne verlangt. Die geringste Verwundung, bei der Blut geflossen ist, wird mit 18 Ochsen gestraft, und je wichtiger das verletzte Glied oder je gefährlicher die Wunde ist, um desto größer wird die Strafe. Merkwürdig ist, daß die Nase zu den nothwendigen Gliedern des Korpers gehört, und deren Verletzung gleich der des Auges, der Arme oder Beine geschätzt wird. Eine Verstümmelung der letztern verlangt 9 mal 1s Ochsen. Entführung steht einem Morde gleich, wenn der Manu durch die Verbindung mit dem Mädchen und durch Abtragung des Vrautpreises die Schande nicht wieder gut macheu kann. Diebstahl kommt im eigentlichen Sinn des Wortes nicht *) Die Ossen haben das Octodecimal-System; Dubois (7'om.lV. ,.66.441) hat deßhalb Unrecht, wenn er glaubt, daß dieOssen nicht über 18 zählen könnten. Merkwürdig ist, dasi die Tagauren anders zählen, das Decimalsystem besitzen, und mit geringer Abweichung sich der persischen Namen für dje Zahlen bis zehn bedienen. 110 unter den Ossen vor, da sie emestheils zu arm sind, um Gelegenheit dazu zu geben, und dann die geringe Anzahl der Mitglieder einer Verbrüderung ihr gegenseitiges Eigenthum genau kennt. Nur in den nördlichern Kreisen, z. B. bei den Digoren erscheint er häufiger. In der Regel wirb er nur durch Zurückgabe des gestohlenen Gegenstandes und durch eine Abgabe eines mehrfachen Werthes desselben bestraft, und zwar muß diese wenigstens das Dreifache betragen, wenn der Bestohlene zum Volk, das Sechsfache wenn der letztere zu den Aeltesten, und das Neunfache, wenn er zu den Fürsten gehört. So selten eigentlicher Diebstahl, d. h. Einbruch in das Innere einer Familie, dessen Heiligkeit selbst der Feind respcttirt, vorkommt, so häufig smd Ueberfalle und Straßenraub. Das Vieh ist der hauptsächlichste Gegenstand, wornach es dc» Ossen gelüstet, und vor Allem müssen Pferde mit großer Sorgfalt gehütet werde». Neben der Ehrfurcht vor dem Alter und der Blutrache ist, wie schon gesagt, die Gastfreundschaft bei den Ossen in hohem Grade ausgebildet und übertrifft noch die der Tscherkessen. Während der einmal in der Familie Aufgenommene bei den letztern nur als Mitglied derselben betrachtet und als solches beschützt wird, so lange er sich nicht des Schutzes unwürdig macht, so steht er bei den Osscn noch über allen eigentlichen Gliedern der Familie und ist im völligen Sinn Herr derselben. Die Rechte, die er einmal genießt, sind unveräußerlich, selbst in dem Falle daß er sich ihrer unwürdig gemacht hatte. Der Bruder, der seinen Bruder erschlagen hat, verfallt, wie wir oben gesehen haben, der härtesten Strafe, wenn er sich derselben nicht durch schleunige Flucht entzieht; nicht so der Gast. Man verabscheut ihn vielleicht ,md doch wagt Niemand ihn zu bestrafen oder ans dem Hause zu vertagen. Es wird erzahlt, daß ein Fremder den einzigen Sohn einer Wittwe erschlug, und verfolgt in das Haus derselben, die nichts ahnte, floh, um durch das Berühren ihrer Brust mit seinen kippen lhr Sohn zu werden. Mit Schaudern vernahm sie alsbald die schreckliche Kunde, und doch, als ihre Freunde den Verbrecher der gerechten Strafe überliefern wollten, schrie sie: ,,was wollt ihr? Habe ich nicht Unglück genug, daß mir schon ein Sohn erschlagen ist? Wollt ihr auch den zweiten morden?" Ill its So lange ein Gast im Hause ist, darf nichts gethan werden. Jedermann ist nur auf seinen Willen gespannt, und beeilt stch ihn zu vollziehen. Das letzte Cchaf wird zu Ehren des Gastes geschlachtet, und ein Fest folgt anf das andere. Alle Einwohner des Dorfes nnd selbst der ganzen Verbrüderung fmden sich ein, um an denSchmansereien Theil zu nehmen, und gehen nicht eher von bannen, bis alles aufgezehrt ist. Man darf sich deßhalb nicht wundern, wenn der ganze Hausstand in wenigen Tagen durch einen einzigen Gast ruinirt werden kann. Der Osse bringt lieber eine lange Zeit in dem grdßren Elende zu, als daß er sich den Vorwurf machte, seinen Gast nicht gut bewirthet zu habeu. Als ich in Glola, einem Dorfe des obern Nion, bei dem Schnlzeu da« selbst emgekehrt war, erschienen auch einige Digoren von dem Jenseits der Verge, um mich zu sehen. Unser Wirth gab her waS sein Haus lieferte: Huhner, Eier n»d Brod, aber er schlachtete kein größeres Thier. Darüber ergrimmt trat plötzlich ein Digore uor mich hin, und mit finsterm Gesichte nnd seine Vranen schrecklich ruuzelnd, frug er mich um Erlaubnist, unserm Wirthe die Zahne einzuschlagen. Warum? frug ich erschrocken. ,,Weil er dich und uns so wenig ehrt, und nicht einmal eines seiner Schafe geschlachtet hat," war die laute Antwort, die der Witth ebenso gnt als ich vernahm. Ich hatte groste Mühe den gereizten Offen zu besänftige», und ihn von seinem Vorhaben, die einzige Kuh nnserS Wirthes zu schlachten, abzubringen. Es wird nicht mmiteressant sey», um die Art und Weift der Sckmansereien kenne» zu lernen, eine der vielen Scenen der A>t die ich in Ossien erlebte, etwas näher zu beschreiben. Bevor ich noch das Dorf, in dem wir einzukehren beschlossen hatten, erreichte, kamen mir die Aeltesten desselben entgegen, und hirsieu mich willkommen. Sie blieben mir zur Seile bis zu dem Augenblicke, wo ich vor dem mir bestimmten Hause ankam. Einer derselben war nur beim Absteigen behülflich, und führte mich in das Innere des reinlich gekehrten Zimmers. Der Wirth mit entbldsitem Haupte nahm mich in Empfang und zwar meist mit den Worten: ,,Heil nur ,n,d meinem Hause, daß du uns der Ehre theilhaftig machen wirst, dich „ach Sitte und Geb, auch bewirthen zu können"; damit verbeugte er sich, legte die Hände kreuzweise über die Brust zusammen, nnd stellte den rechten Fuß mit der Spitze hinter den linken. „Nochmals Heil mir." Hiermit führte er mich in das Zimmer und dem brennenden Feuer in der Mitte vorbei nach einem kleinen dreibeinigen Sessel, der genau der Thüre gegenüber stand. Bevor ich in der Beschreibung des Festes weiter fortfahre, wird es gut seyn Einiges über die Beschaffenheit der ossischen Häuser zu sagen. Wie ich schon oben erwähnte, befinden sie sich nur selten in dem Thale, sondern liegen zerstreut auf Höhen oder selbst auf Abhängen. Mehrere dieser Häuser bilden den oben näher bezeichneten Kan, deren Bewohner in der Regel einer Familie angehören. Zum Schutze eines Kaues werden ein oder mehrere . Thürme erbaut, worein die Einwohner in Gefahr sich flüchten. Diese Thürme besitzen das Eigenthümliche, daß sie bei einer Höhe von 40 — Kl) Fuß eine viereckige Gestalt haben, und ihr Durchmesser nach oben unbedeutend abnimmt. Dadurch unterscheiden sie sich wesentlich von den übrigen asiatischen Thürmen, die mir zu Gesicht gekommen sind. Der Eingang in dieselben befindet sich in einer betrachtlichen Höhe, so daß man nur vermittelst einer Leiter in das Innere derselben gelangen kann. Die Thürme sind von Stein, wahrend die Hauser auch zum Theil von Holz sind. Die letztern bestehen in der Regel nur aus einem einzigenZimmer, das außer dem Menschen auch noch den ganzen Viehstand in sich einschließen muß. Nur die reichern Ossen besitzen bestimmte Stalle. Zweistöckige Häuser habe ich nirgends gesehen. Die Form der Hanser wie der Zimmer ist viereckig, und nur da, wo es viel Holz gibt, besitzen sie schiefe Dächer mit Holz oder Schilf bedeckt. Das Innere eines Zimmers zeigt nur den nackten Boden und kahle Wände. An der Seite dem Eingänge gegenüber, aber nicht in der Mitte, wie bei den Kalmücken, sondern in der Ecke ist dic erhabene Schlafstelle des Hausherrn befindlich uud in ihrer Nahe hängen oder stehen die sauber gehaltenen Waffen. In der Mitte lst der Herd, und über ihm in der Decke eine Oeffnung, die einzige außer der des Einganges, zum Durchgang des Ranches, ^uf dem Herde glimmen wenigstens Kohlen, und mau kalt eö für ein böses Zeichen, wenn auch sie verlöschen. Da die Ossen das Fener durch das Reiben zweier trockenen Holzstücke sich verschaffen, so müssen sie anf seine Erhaltung mehr Sorgfalt verwenden, um eben der Mühe, es frisch zu bereiten, enthoben zu seyn. Neisen u. Länderbcschreibungen. XXV (Neise nach Kaukstsien.) g 113 114 Die Art und Weise der Erhaltung ist, wenigstens in den Gegenden wo Holz wachst, eigenthümlich. Die jungen Männer gehen in den Wald mid hauen einen kranken oder dürren Baum um. Wie er ist, wird er nun bis zur Wohnung geschleppt, und von da mir dem untern Theile vornweg in das Innere des Zimmers gezogen. Den untern, dickern Theil legt man auf die Kohlen, und damit er, wenn auch nicht brennen, doch verkohlen kann,'bricht man die dünneren Aeste und Zweige von dem Baume ab, uud legt sie, um eine lichte Flamme zu erhalten, unter und um den Stamm. Es versteht sich von selbst, daß der größte Theil des Baumes mit seinen Aesten noch außerhalb des Zimmers befindlich ist. In der Weise, wie das untere Ende verbrennt oder vielmehr verkohlt, wird der Stamm nachgeschoben. Für eine lange Zeit ist die Familie der Mühe überhoben neues Brennmaterial sich zn verschaffen. Die Asche wird entfernt, wenn sie in zu großer Menge sich angehäuft hat. Ueber dem Feuer hängt an einer Kette der eiserne Kessel, das einzige wesentliche Geräth einer ossischen Wirthschaft. Er verlaßt fast nie seinen Platz, und dient sowohl zur Bereitung des Biers und des Branntweins, als auch zu der der Speisen. Sobald ich auf meinem wackeligen und niedrigen Sessel Platz genommen hatte, trat der Herr des Hauses wiederum vor mich hin, und sprach mit feierlicher Stimme die Worte: ,,Hcrr, mit dir ist der Segen in meinem Hause uud in unserm Dorfe eingezogen, erlaube uns demnach Anstalten zu treffen, dich mit deinem Gefolge zu ehren. Was verlangst du, das wir für dich schlachten? Willst du eine Kuh oder einen Büffel, zwei Schweine oder zwei Schafe? Gib uns Herr deinen Willen kund, meine Sohne sind bereit denVefehl zu vollziehe»." Nachdem ich nun der Nothwendigkeit nachgegeben, und meinen Wunsch durch den Uebersetzer zu erkennen gegeben hatte, entfernten sich die an der Thüre in Ehrfurcht harrenden jungen Bursche. Nach einer geraumen Zeit erschienen sie, die geschlachteten Thiere vor mich niederlegend. „Herr! wir haben deinen Willen vollzogen, das Opferthier (als welches sie das zum Gastmahl bestimmte Thier betrachten) hat keine» Schrei des Schmerzes ausgestoßen, demnach erlaube uns, daß wir zur Bereitung des Gastmahles selbst schreiten." Es ist nämlich eine schone Sitte bei den Ossen, daß an Freudeutagen selbst 115 von Thieren kein Schmerzenslaut gehört werden darf, und auf alle Weise machen sie dem zum Schlachten bestimmten Thiere es unmöglich zu schreien. Das Thier, dem es doch gelingen würde, wäre frei und von dem Tode gerettet, und Jedermann würde es für eine üble Vorbedeutung halten. Alsbald ergriffen wiederum die jungen Bursche das geschlachtete Thier, legten es auf den dicken unten brennenden Baumstamm, weideten es aus, und zogen hierauf das Fell ab. In der Zeit, wo die jungen Bursche mit der Vereitung des Fleisches zu thun hatten, waren auch die jungen Frauen oder ältern Mädchen nicht müßig, und beschäftigten sich mit der Vrodbereitung. Es versetzte mich in die alten Zeiten des troischen Krieges, und alle die Menschen von Bedeutung, gleichviel ob Hirt oder Krieger, bewegten sich vor mir. Die kräftigen Gestalten der Frauen in ihren großen und weiten, meist blauen Kleidern mengten vor meinen Augen das nur grob gemahlene Mehl mit Wasser, und als der Teig ohne gesäuert zu seyn fettig war, brachten sie ihn iu kleine kuchenförmige und runde Formen von ungefähr einem Fuß im Durchmesser. Zuvor schon hatten sie eine Art thönener flacher Schüsseln unter den Kohlen glühend gemacht. Mit einer Zange zogen sie diese heraus, legten die Brode darauf, wendeten sie einmal um, und schoben sie in die am Herde aufgehäufte Asche. Nur eiue kurze Zeit blieben sie der nicht unbedeutenden Hitze ausgesetzt, und wurden dann für gar erklärt. Auf gleiche Weise verfertigten sie eine ArtKuchen, welche mit dem Zwiebel- oder Speckkuchen der Thüringer große Aehnlichkeit haben, und dieselben Ingredienzen enthalten, und erinnerten mich dadurch lebhaft an meine Heimath. Die jungen Bursche zerschnitten mit ihren großen Dolchen das Fleisch und warfen es in den mit Wasser und allerhand gewürzhaften Kräutern, besonders Zwiebeln, angefüllten Kessel. Die bessern Stücke wurden noch mehr zerschnitten, und kaum ein Loth schwer an einen spitzzugeschnittenen Stock gesteckt, um sie bei gelindem Feuer zu braten. Nicht leicht habe ich wohlschmeckendere» Spießbraten gefunden als in Ossien. Wahrend der Zubereitung hatten sich die Aeltesten d?S Dorfes und meine fürstlichen Begleiter um mich versammelt, und mn den guten Leuten doch wenigstens in etwas ihre Güte zu vergelten, 8 * IIS ließ ich ihnen durch meinen Bedienten Thee bereiten. Dieses Getränk war ihnen vollkommen unbekannt, wurde ihnen aber, so vorsichtig sie auch von Anfang an es genossen, mit der Zeit so lieb, daß sie mich, menn mein Bedienter seine Bereitung noch nicht angefangen hatte, daran erinnerten. Alle Asiaten lieben das Süße ilnd so konnten die Offen nie genng Zucker in ihren Thee bekommen. Der Zucker war ihnen ebenfalls unbekannt, und sie hielten ihn anfangs für weißen Steinhonig. Die Kinder versuchte ich oft vergebens zum Genuß dieser Steine, wie sie meinten, zu bewegen. Weiiu endlich das Mehl zubereitet war, und sich alle Bewoh-«er des Dorfes und meine Begleiter in dem Zimmer eingefunden hatten, so wurden an den Seiten der Wände lange Bänke, auf denen zunächst die ältern Personen Platz nahmen, hingestellt. Die jüngern Leute setzten sich auf den unten brennenden Baumstamm oder ware» sogar gezwungen vor der Thüre dem Gastmahle beizuwohnen. Frauen und Kinder wurden ausgeschlossen. War alles geordnet, so trat der Herr des Hauses in derselben ehrwürdigen Stellung wieder vor mich hin, und sagte „Herr! meine Sohne und Töchter haben das Gastmahl vollendet, verkünde uns deinen Willen, ob wir es beginnen sollen." Ein Sohn oder Diener des Hauses erschien mit einem Krug Wasser und schüttete einem jeden Wasser zum Waschen auf die Hände; ein zweiter folgte mit einem Handtuche zum Abtrocknen und ein dritter breitete ein langes schmales Tuch, eine Art Serviette über die Knie der Vornehmern, so weit es eben reichte. Nun trat der Aelteste des Dorfes an den Kessel hin, zerlegte mit Unterstützung der Söhne des Hauses mit seinem Dolche das gekochte Fleisch, und schnitt das Gebratene von dem Spieße. Sobald alles auf den Schüsseln gehörig und zwar nach dem Range und dem Alter der Anwesenden ausgetheilt war, ergriff der Wirth ein großes Horn (meist das eines Steinbockes oder eines Auerochsen, *) füllte es mit Branntwein oder Bier, und vor mich hin- *) S. Seite 70— 7A. Wird man nicht unmittelbar an die Stelle erinnert, wo es heißt: ' stneß Wein ins >5'l>n: ihm, Humgin, den besten, den du hast, Dci Fremdling, will ich hojsen, ist unser Winterest. Da nahm die Frau, die edle, das Horn, daö vor ihr siand, DaK Kleinod, einst die Zierde des Urs, in ihre Hand. Frithjoffs Sage von Esaias Tcgner, übersetzt von Mohnife; 4te Auflage ; 17. Gesang. l17 tretend sprach er mit feierlicher Stimme die Worte: „Heil dir, daß du bei uns eingezogen bist, um uns Gelegenheit zu geben, die hdchste Tugend, die Gastfreundschaft, auszuüben. Möge Glück und Segen ihr Füllhorn in reicher Fülle über dich ausgießen, mögest du gesund und froh zu den Deinigen zurückkehren, und mit ihnen ein freudenreiches Leben durchleben; die süß duftenden Blume»! der Liebe und Achrmig mögen dich umschweben. Heil dir nochmals!" Eine Wenigkeit aus dem Hörne libirte er zuerst den Laren des Hauses, und in einem Zuge leerte er nun den natürlichen Becher. Zum Zeichen, daß er mich hochgeehrt hatte, trat er zu dem brennenden Feuer heran, und kehrte das Horn über demselben um. Und siehe, kein Tropfen fiel in die lodernde Flamme. Man berechnet nämlich bei solchen Gesundheilen die Ehre stets nach dem Getrunkenen, und je weniger Rückstand in dem Becher bleibt, um so großer ist die angethane Ehre. Lodert die bläuliche Flamme des Branntweins bei dem Umkehren des Bechers empor, so ist es eben ein Zeichen, daß derselbe nicht geleert war. Der Neihe nach ist nun ein jeder der Anwesenden verbunden meine Gesundheit zu trinken, und darauf das Horn über dem Feuer umzukehren. Zum zweitenmale ergriff nun der Wirth das Horn mit den Worten: „Die zweite Gesundheit gilt den Deinen im väterlichen Hause. Möge deinem Vater und deiner Mutter, deinem Weibe und deinen Kindern, deinen Brüdern, Schwestern und Freunden reichliche Belohnung und ein langes freudenreiches Leben werden, dafür daß sie dich in fremde Lander ausziehen ließen, um uns mit deiner Gegenwart zu beglücken. Heil den Deinen." Wenn dieses geschehen war, nahm ich der Sitte gemäß das Horn, füllte und leerte es, nachdem der Uebersetzer in geschmückter Rede für mich den Dank ausgesprochen hatte. Nun war die Reihe an mir eine Gesundheit zu bringen, und so ergriff ich zum zweitenmal den Becher und trank die Gesundheit meines fürstlichen Begleiters Pauleno. Jedermann war gezwungen dem Range und dem Alter nach ein Gleiches zu thun, und als alle geendet, bedankte sich der Fürst, an dem es nun lag eine neue Gesundheit auszubringen. So verstrich die größte Zeit bei fröhlichem Zechen, wobei noch zu bemerken ist, daß es gegen den ossischen Anstand ist die Gesundheit des Wirthes zu trinken. Das große Steinbockhorn wechselte auch später, wo die wichtigsten Gesundheiten gebracht worden waren, mit dem eines Ochsen. 118 Anstatt der Messer bediente man sich der Dolche und die Finger mußten Gabeln und Löffel vertreten. Die Speisen wurden in kleinen hölzernen Schüsseln, aus denen in der Regel mehrere Personen aßen, auf lange Bänke, die sich von denen auf welchen die Ossen saßen in nichts unterschieden, gesetzt. Eine Eigenthümlichkeit dieser Bänke ist, daß sie an einem Ende nur ein, an dem entgegengesetzten hingegen zwei Beine besitzen. Die Gewohnheit beherrscht den Ossen so sehr, daß er diese wackeligen Geräthschaften, trotzdem sie häufig umfallen und die darauf befindlichen Speisen zur Belustigung der übrigen auf die Erde geworfen werden, nie aufgibt. Heitere Laune und allgemeine Fröhlichkeit würzten das Mahl. Lautes Gelächter erschallte bisweilen durch den dicht mit Menschen' angefüllten Raum. Man neckte sich gegenseitig aus Ursachen, die oft schon der Vergangenheit anheim gefallen waren; man suchte die guten Bissen sich gegenseitig zu entwenden, und Spott traf noch den, der ungeschickt genug war sich etwas nehmen zu lassen. Gregoriewitschky erzählt, daß stets Zank und Streit unter den Schmausenden entstehe, ich habe aber auf meiner ganzen Reise nie etwas, was sich dem nur genähert hatte, gesehen, und wahrscheinlich wurde er durch die tobende Freude irre geführt. Der ossische Anstand verlangt, daß mit dem Augenblick, wo der Gast zu essen aufhört, jeder Anwesende gesättigt seyn muß; man hälr es für eine Unschicklichkeit in Gegenwart eines Fremden zu essen. Aus dieser Ursache blieb ich so lange sitzen, bis alles aufgezehrt war. Mit dem Ende des Gastmahls stellt sich allmählich Ruhe ein, und sobald das Fleisch aus den Schüsseln verschwunden ist, erhebt sich der Wirth oder der Aelteste des Dorfes und bedankt sich bei dem Gaste nochmals für die Ehre, durch seine Anwesenheit das Dorf verherrlicht zu haben. Es erscheinen wiederum zwei Diener, der eine mit Wasser, der andere mit einem Handtuche, und die Gäste waschen sich. Die Einwohner des Dorfes verlassen stillschweigend das Zimmer und die Fremden suchen sich einen Winkel, in den sie sich, ohne die Kleider abzulegen, niederlegen, um nun des süßen Schlafes sich zu erfreuen. Was die Religion der Osseu anbelangt, so gehören die Ossen zu den wenigen Völkern, die fast gar keine Gebräuche besitzen. N9 wenn auch nicht zu läugnen ist, daß das Gefühl eines höhern Wesens ebenso gut in der Brust eines Ossen, wie eines jeden Menschen liegt. Nur dle Tagauren und Digoren bekennen sich zum Theil zum mohammedanischen Glauben, befolgen aber dessen Ritus eben so wenig wie die Tscherkessen. Die übrigen Ossen sehen mit Verachtung und Spott auf Mohammedaner und Chriiien herab. Sie belächeln die erstern, weil sie kein Schweinefleisch, was ihre gewohnlichste Nahrung ist, essen dürfen, und beklagen beide der häusigen Fasten wegen. Trotzdem ist es klar, daß die Ossen, auch wenn es uns die Geschichte nicht sagte, in einer frühern Zelt Christen waren, denn eine Menge Kirchen, die sämmtlich aber unbedeutend und den grusischen ähnlich sind, finden sich bei ihnen mehr oder weniger erhalten vor. Aus dem ossischen Worte für Kirche Dschuar sieht man, daß die christliche Religion durch Grusier dahin verpflanzt wurde. Dschwari bedeutet nämlich in der Sprache der letztern Kirche. Die ganze Religion des Ossen besteht in der Anerkennung eines hohern Wesens, an das er aber nur dann denkt, wenn äußere Umstände ihn daran erinnern. Alles Erhabene, Großartige und Geheimnißvolle sagt ihm, daß es ein solches, von dem dieses ausgeht, geben müsse, und es ergreift ,hn unmittelbar eine bange Ehrfurcht, wenn ein Gewitter heranzieht oder wenn er zu seineu Eisbergen hinaufsieht. Willenlos (mochte ick fast sagen) und nur von seinem innern Gefühle getrieben nimmt er seine Mütze ab und schlagt von der Rechten zur Linken ein Kreuz. Gregorie-witschky hat deßhalb uurecht. wenn er behauptet, daß die Ossen nie ein Kreuz schlagen; denn ich habe es häufig mit eigenen Augen von verschiedenen Ossen gesehen. Alle Höhlen, vorzüglich wenn sie groß ,md mit wunderlichen Felsen geschmückt sind, erscheinen dem Osseu heilig, und besondere Wesen, die der Gottheit naher stehen, oder abgeschiedene fromme Seeleu haben nach ihrer Meinung ihre Wohnung darin aufgeschlagen. Alte Gebäude und Ruinen wecken ihn ebenfalls aus seiner Gleichgültigkeit und fordern ihn zm stummen Ehrfurcht auf. Krankheiten in der Familie oder unter dem Vieh, Mißwachs, Mangel an Regen u. erinnern ihn ferner an die Gottheit, die es willkürlich abändern könne. Mein Bedienter Fritz erzählte mir, oaß die Ossen, welche einige 120 Dörfer in Kachien besitzen, nach einer langen Dürre des Morgens vor Sonnenaufgang ausziehen und dem ersten bedeutungsvollen Gegenstande, der ihnen entgegentritt, göttliche Ehre anthun. Außer dem Kreuzschlagen und dem Entblößen des Hauptes bringt der Osse, wie überhaupt der Kaukasier, auch an meist bestimmten Tagen Opfer dar, und verfahrt dabei auf dieselbe Weise, wie ich es schon bei den Tscherkessen beschrieben habe und wie es seit undenklichen Zeiten auf dem Kaukasus Sitte gewesen ist. *) Die Allgabe Klaproths, daß die Ossen fasteten, habe ich nicht bestätigt gefunden, und sie kann demnach nur für die nördlichern Bewohner wahr seyn. Wohl aber ist es richtig, daß besonders die Einwohner von Nord- und Mittelossien bestimmte Heilige aus dem Christen- und Iudemhum haben, denen sie an gewissen Tagen ein Thier opfern. Namentlich sind es Elias (Elja oder Ilja), Georg oder Gregor (Kerki oder Kirki) und Nikolaus (Nikolai), die sich einer besondern Verehrung erfreue» und deßhalb das Pradicat Watsch, d. i. heilig, führen. Jeder dieser genannten Heiligen hat eine Hohle, in deren Nähe sich Ruinen befinden und zu der die Ossen sogar Wallfahrten machen. Elias wird am höchsten geachtet, und eigenthümlich ist es, daß er nicht allein in Tscherkessieu und Ossien, sondern sogar im ganzen Kaukasus allgemein verehrt wird. Vor allen halten ihn die Tagauren hoch, und die Höhle, in und an der man ihm besonders opfert, liegt in dem Gaue Dergipsch. Nikolaus gilt als der Schutzpatron der Digoren, und seine Anbetung findet vorzüglich in einer Hdhle unweit des Dorfes Donifors statt. Der heilige Georg wird in dem ganzen Fiag- und Terekthale hoch gehalten, und seine Anbetung erstreckt sich als des Schutzheiligen Grusiens auch auf den Gau Chewi. Seine Haupthdhle besitzt er am Fiag bei dem Dorfe Dschigwiß. Vielleicht hä„gt auch die allgemeine Verehrung der Kirche zu Gergethi, zu der auch Ossen wallfahren, mit dem heiligen Georg zusammen? Wäre es nicht möglich, daß der ursprüngliche ossische Name Kerki (für Georg) von den Grusiern mit der der grusischen Sprache eigenthümlichen Endung „ethi" versehen und so der Name Kerkethi oder Gergethi entstanden sey? *) Man sehe die altern Reisewerke eines Chardin, be la Motrape, Jean de Luca lc. nach. 121 Eine Einsiedlerin oder ein Einsiedler kann ja immer, wie auch die Sage geht, die Erbauung der Kirche veranlaßt haben. Dieser Mangel an Religionsgebräuchen muß als die vorzügliche Ursache betrachtet werden, daß die Ossen einander sich so befeinden. Denn selbst dieses letzte Band, was die Tscherkessen noch einigermaßen zusammenhält und zusammenführt, fehlt den Ossen zur nähern Verbindung. Mehrere Reisende, wie Klaproth, Gregoriewitschky und Dubois, haben wohl auch nur daraus den Schluß gezogen, daß die Ossen, weil sie eben nichts hatten was ihnen heilig sey. auch keinen Glauben und keine Treue gegen ihre Mitmenschen kennen könnten. Daher die Vorwürfe der Wortbrüchigkeit und des Meineides, die ihnen besonders von Seite der Russen gemacht werden. Es ist wahr, die einzelnen Stamme haben sich schon oft unterworfen oder wenigstens Ruhe versprochen und es mit einem feierlichen Eid bekräftigt. Man muß aber bedenken, daß oer Osse den Schwur, wie ihn der Russe verlangt, nicht heilig hält, und da er eben in ihm nichts findet was eine magische Gewalt über ihn ausübt, so bricht er ihn bei der ersten besten Gelegenheit. Er wird aber ein Versprechen, das er auf seine Weise feierlich bekräftigt und an einem geheiligten Orte gegeben, halten und es nie wagen diese Art von Schwur zu brechen. Er schlachtet bei dieser Gelegenheit ein Thier (dessen Fleisch er nicht genießen kann, wie z. B. einen Hund, einen Baren u. s. w.) und ruft dabei aus, daß dieses ihn, wenn er seinem Schwüre je untreu werden sollte, ewig beißen und kratzen möge. Oder die beiden contrahirenden Theile begeben sich auf ein Grab, und der der den Schwur leistet. ruft die abgeschiedene Seele zum Zeugen auf. Sollte der Schwur gebrochen werden, so verpflichtet sich der Meineidige der angerufenen Seele bis in alle Ewigkeit zu dienen. Ein gezwungener Diener wird aber einem Sklaven gleich geachtet. Die Furcht vor einem Meineid ist deßhalb groß. Zum Zeichen, daß der Schwur geleistet ist, wird an der geheiligten Stelle ein Stein oder ein Knochen aufgestellt. Trotzdem dieses Merkmal nicht laut zeugt, so kommt es doch nie vor, daß einer der contrahireuden Theile es abgeläugnet hätte. Dieses Aufstellen von Steinen oder Knochen dient dem Ossen auch als Chronik, und so oft ihm wahrend seines Lebens etwas Interessantes oder Wichtiges widerfährt, legt er zum Zeugniß des- 122 selben etwas an einen geheiligten Ort. Eine Menge solche geschichtliche Erinnerungen finden sich besonders in alten Kirchen, heiligen Höhlen u. s. w., und die Ossen haben sich so daran gewöhnt, daß sie im Srande sind in Gegenwart dieser Merkmale ihre wichtigsten Momente schnell aufzuzählen. Der unbekannte russische Ofsicier in den nordischen Beitragen erwähnt eine ahnliche Chronik bei den Nordossen und erzählt, daß dort bei allen wichtigen Angelegenheiten ein Kerbschnitt in ein Stück Holz gemacht und dieses an einer geheiligten Stelle aufbewahrt wird. Von Zeit zn Zeit wandern die Einwohner an die geheiligte Stelle, um sich der Ereignisse wiederum zu erinnern. Gewiß eine eigenthümliche Art von Chronik, die leider nur dem Schreiber zuganglich ist. Keine Art religiöser Gebräuche findet bei den drei wichtigsten Epochen des Menschen, Geburt, Verheurathung und Tod, statt. Der Mensch tritt bei den Ossen ohne weitere dabei stattfindende Feierlichkeit in die Welt ein. Die Frauen zeichnen sich durch ihren guten Körperbau aus und gebären auf einem Lager von Stroh leicht. Das Kind erhält einen Namen und wird in dem Hause erzogen. Die Sitte der Tscherkessen, nach welcher die Kinder der Vornehmern von Niedrigern herangezogen werden, eri-stirt wenigstens in Mittel? und Südossten nicht. Die Angabe einiger Reisenden, wornach der, welcher der Blutrache verfallen ist, das Kind seines Feindes zu rauben sucht, um es zu erziehen und so die Vollstreckung der Blutrache zu vermeiden, ist demnach gar nicht oder nur für die nördlichen mohammedanischen Ossen richtig. Die Madchen werden in Ossien nicht eher mannbar als bei unS, und unterstützen ihre Mutter in den häuslichen Arbeiten so wie in der Bereitung der nöthigen Kleidungsstücke. Jede Familie besitzt in der Regel einen Webstuhl. Die Knaben erhalten streng genommen gar keine Erziehung und laufen bis zu ihrem zehnten bis zwölften Jahre fast ohne alle Kleidung herum. Von selbst verschaffen sie sich die ihnen nöthigen Fertigkeiten und Kenntnisse. Mit den Waffen, welche wie bei den Tscherkessen die größte Zierde bilden, spielen sie am liebsten, und ihrer Behandlung widmen sie die meiste Mühe. Kaum haben sie das Jünglingsalter erreicht, so folgen sie dem Vnter auf seinen Raubzügen und Jagden, unterstützen ihn aver auch in allen Beschäftigungen, welche die Vieh- 123 zucht und der Getreidebau verlangen. Ist der Osse ausgewachsen, so verheurathet er sich einfach dadurch, daß er den Vater eines Mädchens um deren Hand angeht und für diese einen Brautpreis zahlt. Mit dem Zusammenleben ist die Ehe geschlossen. Die Söhne bleiben in der Regel mit ihren Familien in dem Hause des Vaters und verharren daselbst auch nach dem Tode desselben, wenn Ueberfüllung sie nicht zwingt eine neue Wohnung zu erbauen. Der Vater ist unumschränkter Herr, und so tief ist die Ehrfurcht der Kinder gegen diesen eingeprägt, daß sie willenlos den leisesten Wunsch desselben befolgen. Besonders wenn er sehr alt wird und in frühern Zeiten sich durch ritterliche Hhaten ausgezeichnet hat, erfreut er sich einer allgemeinen Verehrung der ganzen Verbrüderung. Man darf sich deßhalb nicht wundern, wenn der Tod elnes solchen Familienhauptes die größte Trauer hervorruft und alle Glieder, und wenn diese arm sind, die ganze Verbrüderung darauf bedacht ist, den Abgeschiedenen so sehr als nidglich zu ehren. Es werden nach der Trauer, die in denselben Mißhandlungen des eigenen Körpers wie bei den Tscherkessen besieht, Todtenfeste, wie ich sie schon bei den Tscherkessen beschrieben habe, gefeiert, und diese wiederholen sich nicht selten nach einem Jahre. Die gänzliche Verarmung einer Familie ist hausig die Folge eines großen Todtenfestes. Die Begräbnisse der Ossen unterscheiden sich wesentlich von denen der Tscherkessen, indem sie bestimmte Oerter, wo die Todten einer Familie begraben werden, besitzen. In der Regel besteht das Erbbegräbniß aus einer Höhle, die heilig gehalten wird, oder man schließt einen erhabenen viereckigen Platz mit Mauern ein. Was endlich die Kleidung der Ossen anbelangt, so ähnelt die der Männer genau der tscherkessischen, und weicht vielleicht nur dadurch ab, daß sie weniger geschmückt ist. Der unbekannte russische Officier in den nordischen Beitragen gibt den Nordossen eine der der Tataren ahnliche Kleidung, allein auf jeden Fall waltet hier ein Irrthum ob. Alle Tagauren und Digoren, deren ich nicht wenige gesehen habe, waren acht tscherkessisch gekleidet. Alle übrigen Reisenden bestätigen ebenfalls meine Behauptung. Bei den Frauen erscheint die Kleidung verschieden, und ein großes weites meist blaues Gewand, das dem Körper nur leise angefügt ist und ihn vom Hals an bis auf die Füße genau bedeckt, bildet 184 die Nationaltracht. Ein Gürtel befestigt das Kleid an der Taille. Beinkleider habe ich bei den achten Ossinnen eben so wenig wie eine Kopfbedeckung gesehen. Die Frauen der Schimitten und Digoren kleiden sich acht tscherkessisch, in den südlichern Gauen hingegen erscheint nicht selten die grusische Kleidung. Ginundzwanzigstes Gapitel. Neise durch Nadscha und Imerien nnch Autais. So sehr Dubois in seiner Reisebeschreibung sich über die schlechte Aufnahme in Oni beschwert, so sehr muß ich die, welche mir widerfuhr, rühmend anerkennen. Der Chelosani empfing mich mit der größten Freundlichkeit und räumte mir und meinen Kosaken zwei Buden auf dem Vasar ein. Ohne nur im geringsten etwas zu verlangen, brachte er mir in aller Schnelligkeit gebratene und gekochte Hühner, Eier und Wein. Oni ist der Hauptort des Kreises oder Districtes Radscha und besteht hauptsächlich aus einer langen Reihe armseliger Hauser, die von Juden und Armeniern bewohnt werden. Der Chelosani war ein Jude und erfreute sich eines guten Rufes, was, da er eben Jude war und die Juden, wie schon gesagt, im Allgemeinen verachtet werden, anerkannt werden muß. Die Chelosani entsprechen am meisten den Schulzen unserer Dörfer und haben die allgemeinen Geschäfte des Dorfes zu besorgen. Ihr Amt ist bei dem starren Sinne der Grusier höchst beschwerlich. In großern Dörfern oder kleinen Städten führt die die Geschäfte leitende Person den Namen Natzewall und hat zwei bis vier Beisitzer (Suduij) zur Unterstützung. Die Verordnungen und Befehle hat der Chelosani zu vollziehen, weßhalb er in diesem Falle unserm deutschen Büttel entspricht. Radscha, die nördliche Provinz Immens, besteht nur aus dem obern Thale des Rion bis westlich an den Gebirgsarm Gwe-listhass. Im Norden sind es die Riongletscher von dem Songut bis zu dem Mjatschich-Par und dann der von dem letztern ausgehende und südwestlich laufende Gebirgsarm Muschar, welche 123 Radscha von Digor, dem tatarischen Tscherkessien und Swanien scheiden. Der Muschar trennt die Flußgebiete des Rion und des Pferdeflusses (Tskhenis-Tskal), in welchem letztern Swanen leben. Oestlich scheidet das Quergebirge Kedela Ossien von Radscha, wahrend südlich der Nakerala die Gränze gegen das eigentliche Imerien bildet. Es besaß früher seinen eigenen Herrscher, welcher den Namen Rabschis-Eristaff führte und unter der Oberherrschaft der imerischen Konige stand. Als der vorletzte König Salomon von den Türken harr bedrangt wurde, suchte sich im Jahr 1768 der Eristaff von Radscha auf gleiche Weise wie früher der Fürst von Mingrelien der imerischen Herrschaft zu entziehen, war aber unglücklich und mußte die Verwegenheit mit dem Verlust seines Landes und seiner Augen büßen. Mit keiner Gegend hat das obere Thal des Rion oder Radscha so viel Aehnlichkeit als mir dem obern Rheinthale, und erinnerten Tracht und Sprache der Radschaer nicht zu sehr an das Fremde, so könnte man sich leicht in die romantischen Gegenden Grau-bündtens versetzen. Dasselbe bald breite, bald enge Thal von Bergen, die ihre Haupter kühn gen Himmel senden, umgeben, dieselbe Menge von Burgen und Thürmen, die allenthalben dem Reisenden entgegentreten, derselbe grünliche, wildschäumende und lautbrausende Fluß, der über große Steinblöcke sich hinabwälzt, um in die fruchtbare kolchische Ebene zu gelangen. Wenn aber Reisende im hohen Grade befriedigt aus dem Rheinthale zurückkehrten und nun Nadscha besuchten, dann würden sie alles noch großartiger und majestätischer finden. Die Zahl der Ruinen ist noch größer, die Berge sind höher, und wohin man blickt, erschaut man die mir ewigem Schnee und Eis bedeckten Haupter. Nicht selten scheinen sie in das Thal herab zu hängen, und schaudernd blickte ich oft nach ihnen, wähnend daß die Zeit nicht fern seyn möchte, wo sie sich von ihrer übrigen Masse loslösen und alles in dem Thale begraben würden. Eine solche Mannichfaltigkeit der Ansichten bietet nicht Graubündten wie Radscha. Alle Stunden Wegs eröffnen sich den Augen des für Naturschdnheiten empfänglichen Reisenden neue Gegenstande. Während hier das Thal geräumig erscheint und in ihm tausend geschäftige Arme bereit sind die Mühen des Frühjahres einzuernten und ihre Scheunen mit 126 Getreide, ihre Vorrathskammern mit Obst und ihren Keller mit Wein zu füllen, ist es an einer andern Stelle nicht so breit, daß der Rion auf gewohnte Weise weiter fließen könnte. Der Mensch ist gezwungen mit großer Gefahr an Felsen herumzuklettern. Eine dritte Stelle des Thales gestattet vielleicht neben dem Fluß noch einen Pfad, da treten aber mit den schroffen Felsenwänden an Höhe wetteifernde Bäume, zwischen denen allerhand Buschwerk und eine Menge Schlingpflanzen sich befinden, dem Wanderer entgegen und verwehren ihm den Durchgang. Eichen und Buchen, die vielleicht mehrere Jahrhunderte dem Sturme und dem Wetter getrotzt hatten, unterlagen endlich der Zeit und waren quer in das Thal gefallen. Niemand räumt sie aus dem Wege, und es wird wiederum der Zeit überlassen sie mit Hülfe der Fäulniß allmählich zu vernichten. Bevor ich den Verlauf meiner Reise weiter verfolge, wird es gut seyn die orographische und geologische Beschaffenheit Rad-scha's näher zu betrachten und sie mit dem Frühern, besonders dem was ich bei dem Uebergange über den Kaukasus gesagt habe, in Zusammenhang zu bringen. Ich habe schon früher erwähnt, daß die mmelossische Gebirgskette die eigentliche Fortsetzung deS Hauptzuges vom Kaukasus und als solche plutonischeu Ursprunges ist. Ein unbedeutender Arm deß Karmagala, der Ukileth, trennt Radscha noch im Süden von Kudaro. Der Songut, die nordwestlichste Höhe des Thorkesselkranzes, hängt mit den Rionglet-schern zusammen, und diese besitzen eine Menge kegelförmiger ziemlich breirer Spitzen, die sich von den meist zerrissenen Höhen der Schiefergebl'rqe auf den ersten Blick wesentlich unterscheiden. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß sie zum großen Theil in frühern, Zeiten thatige Vulcane waren. Ihr ganzes Ansehen kommt nicht allein mir dem des Kasbek und der rothen Berge überein, sondern dieselben vulcanischen Steinmassen, wie man sie im Terek-thale nicht sellen sieht, treten auch hier dem Reisenden entgegen. Wollte ich daher eine genauere Beschreibung der Felsenmassen, die ich daselbst gesehen, geben, so müßte ich grdßtentheils das wiederholen, was ich schon oben gesagt habe. Die Aehnlichkeit wird um so deutlicher, als auch hier Mineralquellen vorkommen. Wahrend diese aber auf der großen Straße vorzüglich schwefeliger Natur sind, findet man hier, so viel ich weiß, nur Säuerlinge mit vieler 127 Kohlensäure, die außerdem auch an einigen Stellen aus Felsenklüften emporsteigt. Wie man sich von den Riongletschern südlich entfernt, kommt Thonschiefer znm Vorschein und lehnt sich sogar an einigen Stellen bis zu einer beträchtlichen Höhe an die plutonischen Porphyr-, Diorit-, Serpentin- und Syenilberge an. Es ist dieses eine Beobachtung, die ich in dem obern Terekthale gesehen zu haben mich nicht erinnere. Die Riongletscher, welche auch den Namen der digor'schen Berge oder der Berge von Gebi (Gebis-Mca grnsisch, Gcbi-Clioch ossisch) führen, besitzen die bedeuteude Höhe von 10—13,000 Fuß, und ihre Hauptspitzen von Osten nach Westen heißen: Songut, Chuparai-Ser, Gurdsieff, Charüsch, Zachpuut, Guran und Mjat-schich.Par. Von dem Guran laufen nördlich die drei schon in der Beschreibung Tscherkessiens erwähnten Arme durch Balkarien nach der Kabardah. Vom Mjatschich-Par verläuft zuerst südöstlich der Scheda zwischen dem westlichen Rion und der Sakaura, einem Nebenflusse des Rion. Ein zweiler Arm geht südwestlich, führt den Namen Muschar und besitzt auf den südöstlichen Abhängen für den Rion, auf den nordwestlichen hingegen für den Pferdestuß eine Menge Quellen. In dem Winkel zwischen dem Hauptzug und dem Muschar entspringt der Pferdefluß und in dem zwischen dem Hauptzug und Scheda der westliche Rion. Der Kaukasus selbst läuft vom Mjatschich-Par nur eine gelinge Strecke bis zum Agüschtan und wendet sich von da mehr nordwestlich, schickt aber zuvor einen bedeutenden Arm, der anfangs westlich und dann südwestlich geht, in die kolchische Ebene. Nach seiner Hauptspitze nenne ich ihn Skhem. Er begränzt nördlich das Thal des Pferdeflusses, südlich hingegen das des Iugur, der zwischen ihm und dem eigentlichen Kaukasus fliesn. Beide Thäler bewohnen bis dahin, wo sie in Kolchis eintreten, die Swanen. Verlassen wir nun die nördliche Gränze und wenden uns zur südlichen, so finden wir h«r ein an Hohe unbedeutendes Kalkgebirge, Nakerala, das wir schon an seinen, östlichen Ende, dem Sürchlewerthe, selbständig kennen gelernt haben. An derselben Stelle, wo das meschische Gebirge mit dem Morecha zusammenhängt, geht auch der Naserala in diesen über. Es führt an ver- 138 schieden«« Stellen verschiedene Namen: Sürchlewerthe, Ketzebi, Satsalike, Nadschichurewi, Sagoreh, Gadschrili und Sapriela. In dem Winkel, den der Rion, indem er seinen westlichen Lauf in einen südlichen umändert, bildet, hat das Gebirge sein westliches Ende. Den 10 October benützte ich, um die schönen Umgebungen Oni's näher zu besichtigen und wandte mich deßhalb südlich der Menge von Ruinen zu, die auf den nahen unbedeutenden Höhen sich vorfinden. In ihnen soll der letzte Eristaff von Radscha gewohnt haben. Es that mir leid nirgends etwas Näheres über die verfallenen Schlösser zu erfahren. Das bedeutendste liegt gegen das Ende des Berges, der hier vom Rion und der Dschedschora eingeengt wird, und ist zum Theil noch erhalten. Einen großen viereckigen Thurm fand ich noch unversehrt, und er besaß genau die Form der übrigen kaukasischen Thürme. Der hohe Eingang erlaubte mir nicht sein Inneres zu beschauen. Weiter liegen die Ruinen des große» Hauptgebäudes, und waren von Brombeerstrauchern, deren reife Beeren mich zum Genuß aufforderten, umrankt. Das schdue dunkelgrüne Laub contrastirte mit dem gelblich-grauen, mit Moos und Flechten bewachsenen Gestein. Prächtige iberische Eichen standen in einem Viereck auf dem schönen Platze. Vorn auf der Ecke des Berges, da wo am Fuße der Rion und die Dschedschora sich vereinigen, sieht eine Art Wachtthurm mit Schießscharten versehen. Wegen seiner runden Form unterscheidet er sich von den kaukasischen Thürmen. Am Fuße des Berges befand sich auch ein noch erhaltenes Schloß, das wahrscheinlich erst seit kurzem verlassen ist und nlcht aus grauer Vorzeit stammt. Alle Schlösser dieser Art kommen hinsichtlich ihrer Bauart mit den deutschen aus dem Mittelalter überein. Das Hauptgebäude war zweistöckig und vorn mit drei schönen Säulen versehen. Thüren und Fenster erschienen zwar klein und bildeten oben Bogen. Das Dach machte einen sehr stumpfen Winkel. Die Höhe des Berges erlaubte auch den kesselfömn'gen Thcil des Rionthales, in dem Oni liegt, näheu in Augenschein zu nehmen, und verschassle mir dadurch eine herrliche Aussicht. Das Thal wird nach Westen und nach Osten durch Berge geschlossen und mag ungefähr 2 bis 2^ Stunden im Durchmesser haben. Es ist eben und besitzt eine Menge verschiedener Dörfer, deren Häuser zum 129 Theil ebenso zerstreut wie in Ossien liegen. Die Ebene selbst wirv von den fleißigen Bewohnern znm Getreidebau benutzt, ist aber leider häufigen Ueberschwemmungen ausgesetzt. Unser gewöhnlicher Sommer- und Winterweizen, die 6- und 2-zeilige Gerste, Mais und Hirsen waren die Sorten, welche ich angebaut fand. Auf den Hohen fand ich auch das Einkorn (^'incum monoLocoum 1^.). Die Berge erheben sich allmählich aus der Ebene und sind unten zum großen Theil mit Weiufeldern, zwischen denen zerstreut Hauser liegen, versehen. Ueber diesen beginnt die Region des Laubholzes und steigt bis zu einer bedeutenden Höhe aufwärts, ja bedeckt sogar die unbedeutendern Berge ganz und gar. Es bestand aus der Stiel? und iberischen Eiche, aus der gewöhnlichen und orientalischen Weißbuche, aus Rothbuche, dem Kastanienbaum, der Espe, der Silberpappel und verschiedenen Obstbäumen. Zu ihnen gesellten sich noch größere und kleinere Sträucher, der Tarbaum, die Stechpalme (llox ^uikoNum), die Bärentraube, /^alea pontioa L, Rhododendrum caucasicum L., Viburnum Orientale L., \. Lan-tana L., J5i!rrliljen CCornus mascula L.)^ der Kreuzdorn, der Faulbaum (kkamnus 5'l'gnßul» I^.), <^ti8U5 cai^cinug N. L., die schon mehrgenannten vier Weißdornarten, der Perückenstrauch und 8mi-lax excels I.. Nirgends im kaukasischen Isthmus erinnere ich mich so viele verschiedenartige Hölzer neben einander gesehen zu haben als im Kreise Radscha. Den größten Theil des Nachmittags brachte ich in der Ebene mit Pflanzensammeln zu; die Ausbeute war wegen der spaten Jahreszeit gering, aber der interessanten Eremplare halber be- loljuenb. Euphorbia macroceras V. et M., Cynoglossum pictum Ait., Stachys iberica M. B , St. pubescens Ten., Cleome Steven-siana Schult, (virgata Stev.)j> Androsaemum officinale AIL, Di-chrocephala sonchifolia T)e C. u«t> Teleckia speciosa Baumg. waren die vorzüglichsten Arten, welche ich vorfand. Den 11 October ließ ich einen Kosaken mit meinem Gepäcke in Oni zurück und ging iu ansehnlicher Begleitung den Rion aufwärts. Anfangs war die Richtung ostndrdlich, dann aber wurde sie von Utsere an rein nördlich. Von Oni aus passirte ich einen lauttobenden vom Kedela sich herabwälzeuden Bach, die Garaula, der fast gegenüber die vom Mjatschich-Par kommende Sakaura sich in den Rion mündet. An dieser Stelle verengert sich das Thal, und (Reife nach Kaukstsien.) " i30 ich war gezwungen auf das jenseitige rechte Ufer zu gehen. Hier blieb ich bis Utsere und passirte auf dem Wege die Dörfer Lagwanta (Langwarta bei Güldenstadt), Nagiethi, Parassnethi, Negausebi und Rusianti. Hinter Lagwanta wird das Thal wiederum breiter, und es herrscht dieselbe üppige Vegetation wie in dem Kessel von Vm; allenthalben fand ich verwilderten Wein und eine Menge Obst- und Nußbaume. Die Früchte von den letztern waren vorzüglich. Gegen Mittag befanden wir uns in Utsere und machten daselbst Halt, um die beiden Sauerwasser zu besichtigen. Nach Dubois beginnt die Reihe derselben schon eine Stunde früher bei dem Dorfe Negansebi und erstreckt sich bis an die Riongletscher. Bei Utsere sind deren zwei, von denen das eine unweit einer verfallenen Kirche aus der fruchtbaren Erde hervorquillt. Dem Geschmacke nach ist ihr Gehalt au Salzen gering, was auch durch die spätere Untersuchung des Apothekers Wilhelms in Tiflis bestätigt wurde. Die zweite Quelle befindet sich eine halbe Stunde entfernt in einer Schlucht und sprudelt aus dem Felsen hervor. Das Wasser ist reich au Kohlensaure, die auch allenthalben aus Spalten des Felsen herausströmt. Die Eingebornen bringen ihre Kranken besonders hierher und lassen sie das Gas einathmen. Der frühere große Glaube an die Wirksamkeit des Wassers hat aber in der neuesten Zeit bei den Eingebornen verloren, dagegen ist der Ruf der spater zu erwähnenden Quelle bei Glola gestiegen. Es befanden sich bei mir zwei Leberkranke, welche in Glola Bäder gebrauchen wollten. Utsere verdient auch noch in einer andern Hinsicht einer Erwähnung, denn nirgends in Imerien habe ich so schöne Mädchen als hier gefunden. Der grusische Charakter hatte sich mit dem ofsischen vereinigt und dadurch Schönheiten hervorgerufen, die eben Radscha eigenthümlich sind. Wie die Ossen sind auch die Bewohner Radscha's von mittelmaßiger Große und mehr untersetzt als schlank. Der braunliche Teint der Grusier herrscht im Allgemeinen noch vor und die blitzenden dunkeln Augen der Madchen zwingen einen jeden Mann, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Gesichtszüge sind mehr ossisch und die große lange Nase der Grusier habe ich nie bei den Mädchen und Frauen Radscha's, wohl aber häufig bei den Männern gefunden. Das 131 Gesicht hat eine rundliche Form und das Haar eine kastanienbraune Farbe. Eine halbe Stunde hinter Utsere ändert sich mit einemmale der Charakter der Gegend. Das Thal wird plötzlich enge und gestattet kaum dem Rion sich zwischen den baumhohen Felsen durchzudrängen; der Weg fühlt auf den mit dem schönsten Laub- und zum Theil Nadelholz bewachsene», Abhängen fort und erlaubte mir nur selten ihn zu Pferde weiter zu verfolgen. Der Weinstock, die Obst- und Nußbäume sind mit einemmal verschwunden, denn es weht eine kältere Luft. Trotzdem traten mir hier immer grüne Sträucher, wie der Kirschlorbeer, der Epheu von bedeutender Größe (Ueclors Helix 1^. colckloa Q Kocli), die Stechpalme, die kaukasische Alpenrose und einzeln der Buchsbaum entgegen, da diese doch sonst ein wärmeres Klima verlangen. Auch das liebliche Frauenhaar (^6i3inum ^apillu» i^..) hätte ich hier nicht gesucht und doch wuchs es häufig an deu Felsen. Das ganze Thal bis an die Stelle, wo der westliche und östliche Rion sich vereinigen, gehört zu den schönsten Punkten des Kaukasus und ich erinnere mich nirgends in der Schweiz ein Thal gefunden zu haben, das an Großartigkeit diesem an die Seite gesetzt werden könne. Zwar besitzt es nicht mehr als eine Lange von kaum 3 Stunden; aber trotzdem bietet es viele völlig von einander verschiedene Ansichten dar, Wasserfalle erhöhen den Reiz der Landschaften und vor allem nahm einer, wo das Wasser aus der Mitte eines senkrechten Felsen herausstürzt, meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch. Die freie uuverfälschte Natur legt hier ihre Schönheiten wie sie sind an den Tag und keines Menschen Hand hat jemals hier zu einer wesentliche» Veränderung beigetragen. Fichten, Edeltannen und Buchen wetteiferte», au Höhe mit den Felsen, au deren Fuße sie sich mir ihren weitgehenden Wurzeln festgesetzt hatten und beschatteten die zahlreichen Quelle»,, die allenthalben hervorsprudelten und über das frische Grün des Mooses dahin rieselten. Vom Alter gebeugt vermochten die stärksten Bäume den heftigen Winded nicht mehr zu widerstehen mid sankeu in das Thal hinab, in ihrem Falle eme Menge kleinerer Baume, unter denen sich vielleicht viele »lner Kinder befände», mit sich niederreißend. So bildete», sie oft emc natürliche Brücke über den laut tobende», und mit Schaum bedeckten Nion, der in 9* 132 seinem schnellen Laufe durch ungeheure Felsenbldcke aufgehalten wurde. Mein Auge schweifte allenthalben umher und war stets in Verlegenheit, wo es langer ruhen sollte. Ich hätte gern häufiger angehalten, wenn meine Begleiter mich nicht wiederholt daran erinnert hatten, daß die Nacht bald einbrechen würde. Nur die Hoffnung zum zweitenmal auf dem Rückwege das Thal zu sehen, bestimmte mich endlich zur Eile. Es war schon spat, als wir an der Vereinigung der beiden Rionbache ankamen und uns nachOsten zu wandten. Der östliche Rion oder das Glolawajser (GlolislTsqal) wird nicht von einem gleichen romantischen Thal, als ich eben verlassen hatte, eingeschlossen, und hat seine Hauptqnellen auf dem Kedela, dem Songut und Gurdsief-Zek. Mein Weg führte mich in der Nähe von Abhängen durch Wälder, deren Baume eine unbedeutende Höhe besaßen. Es war bereits Nacht eingetreten als ich in Glola ankam und bei dem dor^gen Chelosani eine freundliche Aufnahme fand. Glola oder Glowla (Glnr bei den Ossen) liegt mitten in dem östlichen Rionthale und besteht nur aus einigen und zwanzig Häusern, zwischen denen sich dieselben eigenthümlichen Thürme wieder vorfinden. Die Häuser sind größtentheils von Stein und zeichnen sich durch Größe und Geräumigkeit vor den bis hierher gesehenen aus. Sie besitzen nach vorne einen großen eingeschlossenen aber freien Raum. Auf den nächsten Höhen sieht man Ruinen, vorzüglich von Thürmen. Dicht an dem Dorfe, aus einer unbedeutenden Schlucht hervorsprudelnd, befindet sich der Sauerbrunnen und wird von den Eingebornen, die ihn nicht allein zum Trinken, sondern auch zum Vaden gegen alle Krankheiten, denen eine Dyskrasie zu Grunde liegt, benutzen, hochgeschätzt. Es gibt wenige Mineralwasser, welche eine solche bedeutende Menge Kohlensäure enthalten und man kann es deßhalb dem Sauerwasser beiKislowodsk im Pjätigorsk'schen Kreise an die Seite stellen. Nach den chemischen Untersuchungen des Apothekers Wilhelms ist es aber schwacher und enthält weniger Mittelsalze. Das Thal, in dem Glola liegt, erweitert sich östlich von dem Dorfe zu einer nicht unbedeutenden Ebene und die Bewohner bauen hier ihren Bedarf an Getreide, das fast nur aus Gerste besteht. Wichtig ist, daß selbst noch in dieser Höhe, von über 5000 Fuß, 133 Kern, und Steinobst in Menge wild wächst. Besonders fand ich Birn- und Süßkirschbäume. Die Lage von Glola ist im hohen Grade romantisch und eigenthümlich, da, wohin daö Auge auch schaut, man über sich nichts weiter als Eisberge erblickt. Der untere Theil der Verge ist noch 1 bis 2000 Fuß hoch mit Laubholz bedeckt und dann beginnt die Region der Alpenstsäucher, von denen die Värentranbe und ^^lea pomioa L. dicht gedrängt zur Schneeregion emporsteigen. Große Stauden, als verschiedene Senecio-Arten, Naronicum cnucgzlculn. N. L., Voonitum N35MUM I«izcn., I^rLllirum m»cl<)zi1^Num Willä. u. s. w. wachsen zwischen ihnen. Höher hinauf sah ich nur wenige Alpenkräuter und es zeigte sich dieselbe Vegetation, wie ich sie schon bei meiner Reise durch Ossien näher bezeichnet habe. Meinen Wunsch die Riongletscher zu ersteigen, mußte ich aufgeben, da es die Einwohner Glola's für ein großes Wagniß hielten und mich zu begleiten abschlugen; gern aber folgten mir einige auf den Upiro, einen nicht unbedeutenden Gebirgsrücken des Kedela, der zwischen dem ostlichen Rion und der Kwedrula, einem Nebenfluß der Dschedschora, lauft. Ich fügte mich um so lieber der Nothwendigkeit, als Sttinbdcke und Gemsen sich jetzt allmählich vom Kedela in die niedern Gegenden hergezogen hatten und sich zahlreich in der Nähe einer Schlucht des Upiro aufhalten sollten. Unser Weg führte uns südlich durch schone Walder zu der Region der Alpensträucher, wo sich die eben bezeichnete Stelle vorfand. Meine radschischen Begleiter blieben hier zurück, wahrend ich mit einem Kosaken und dem Ueberfetzer hoher hinauf wanderte. Nicht leicht habe ich einen Berg gefunden, der sich so leicht ersteigen ließ, als der Upiro und schon zeitig langten wir auf der nur karglich mit Schnee und Eis bedeckten Höhe an. Ein magnifiker Anblick bot sich mir dar und erinnerte mich an die Umgegend des Seidelhorns in der Nähe der Grimsel. Ringsum Eisberge, die noch weit über meinen Horizont sich erhoben und kühn bis zum Himmel zu streben wagten. Eine ganze Kette von Bergen wie das Finsteraarhorn und die Jungfrau zog sich von Osten nach Westen u,,d bildete die Riongletscher. Jetzt sah ich ein, welche Schwierigkeiten sich ihrer Besteigung entgegengesetzt hatten. Das graurdthliche Grundgestein war an verschiedenen Stelleu von grauschwärzlichen Massen bedeckt und es hatten dadurch sich die- !34 selben schroffen Felsenwande und Hervorragungen wie bel dem Kasbek gebildet. Die kuppelfdrmig abgerundeten Spitzen schienen dicht mit Eis bedeckt zu seyn und blitzerten beim Beschemen der Sonne, wie Diamanten beim Kerzenlicht, nur weit großartiger und prächtiger. Der große Mjatschich-Par verschloß mir die Aussicht nach dem nahen Elbrus. Nach Westen war der Schoda und nach Osten der Kedela. Da wo letzterer mit dem Songut sich verbindet, ist ein Sattel mit Schnee bedeckt und dient den hier herumwohnenden KlUlfasiern zum Uebergang über das Gebirge. Von der Höhe hat man zwei Wege: der eine führt unmittelbar in den Gau Sgele, also in das Thal des Arden, der andere hingegen zieht sich im Westen des Songut über die Höhe zu den Digoren, also in das Uruchthal. Die Einwohner behaupten, daß diese Straße weit weniger Mühseligkeiten und Gefährlichkeiten darbiete als das Terek-thal. Ich habe nur einen sehr kleinen Theil dieser kabardisch-imeri-schen Straße gesehen, bin aber überzeugt, daß der Theil des Rion-thales von Utsere bis zur Vereinigung der beiden Rionfiüsse schon allein sehr große Schwierigkeiten darbieten würde. Die Hauptsache bliebe aber immer der Uebergang über den Kamm des Gebirges, und wenn hier weder Lawinen noch solche schauerhafte Abgründe, wie sie am Gndberge sich vorfinden, zu fürchten waren, so verdiente diese Straße allerdings eine Berücksichtigung. Das Uruchthal würbe aber auf jeden Fall dem Ardenthale vorzuziehen seyn, da eine Straße im letztem wohl kaum für Wägen gangbar gemacht werden kann. Der General Iermoloff hatte früher Ingenieure Hieher gesendet und wollte eine Straße durch Radscha und Digor anlegen. Da brach der persische Krieg aus und er wurde durch Paskewitsch ersetzt. Der Baron Rosen griff den Plan wiederum auf, allein Ingenieure, welche er gesendet hatte, sprachen sich dagegen aus. Mit der Zeit wirb sie aber doch gangbar gemacht werden müssen, um eine unmittelbare Commnnication zwischen Cis-kaukasien und Imerien herzustellen. Als ich zu meinen radschischen Begleitern zurückkam, war es einem derselben gelungen eine Gemse zu erlegen und so traten wir schon ziemlich spät unsern Rückweg an. In dem Laubwalde schoß ich noch einige Fasanen und erregte, da man wähnte ich habe mit Kugeln geschossen, großes Aufsehen. Den andern Morgen traten wir unsern Rückweg an und ver- 135 folgten den Rion abwärts bls zu seiner Vereinigung mit dem westlichen Flusse, der ungefähr 2 Stunden von Glola entfernt seyn mag. Meinen Wunsch, auch den westlichen Rion und die beiden daran liegenden Bergdörfer Tschiora und Gebi zu besuchen, gab ich auf, zumal ich das ganze Thal schon von der Hdhe des Upiro aus übers sehen hatte. Die Bewohner stehen in dem Rufe, daß sie Fremde nicht gern bewirthen. Zum zweitenmale durchging ich nun das oben beschriebene romantisch-wilde Thal, das wirklich im Stande ist an einen Urwald zu erinnern, und ich erfreute mich wiederholt an den reizenden Umgebungen. Der Weg führt von dem einen Ufer auf das andere und schwankende Brücken, deren Unterlagen zum Theil verfault sind, verbinden die beiden Ufer. Nur einzeln wagten wir sie zu überschreiten. In Utsere wechselte ich die Pferde und kam Abends ziemlich spat wiederum in Oni an. Den 14 October beschloß ich in Oni zu bleiben, um einestheilS meine Sammlungen und Papiere in Ordnung zu bringen und anderntheils, da es gerade ein Freitag war, wo hier Markt gehalten wird, um das Gewühle der Bergvolker naher zu betrachten. Das letztere lnteressirte mich nicht weniger, als ich die Aufmerksam, keit der verschiedenen Kaukasier erregte. Dicht am Eingänge mel-nerWohmmg war ein großer freierPlatz, aufdem drei schone Linden*) standen. Auf ihm versammelten sich die Müßiggänger, Manner und Frauen, und fanden an mir und meiner Kleidung hinlänglich Stoss zur Unterhaltung. Die Frauen waren sehr neugierig, und wenn sie auch im Anfang sobald ich mich ihnen näherte, flohen, so gewohnten sie sich doch bald an mich, und begannen alsbald meine Kleider anzutasten. Vor allem war meine Brille ihnen etwas ganz Sonderbares. Als ich ihrer sich mehrenden Zudringlichkeiten müde war und mich in meine Bude zurückzog, folgten sie mir auch dahin und ließen sich nur mit Gewalt zurückweisen. Leider war ich gezwungen die Thüre offen stehen zu lassen, da sie die einzige Oeff-nung war, durch die Licht einfiel. Unter den jüngern Frauen und Mädchen sah ich nicht allem *) Wahrscheinlich bilden diese kaukasischen Linden, die ich auch schon in Ossien fand, eine eigene Art, die bann mit Recht den Namen 5>Iia r»ne28iea verdiente. Siehe übrigens i^innn», Journal für die Botanik; Bd. XV. H. 6, S. 714. 136 !36 schbn.e Gesichter, sondern auch edle Gestalten, deren Bewegungen ln Einklang standen. Die Männer waren in der Regel untersetzt. Ein plötzlich losbrechendes Gewitter zwang die meisten muer den Bäumen ihre Zuflucht zu nehmen. Hier ließen sie sich nieder und alsbald ertönten ihre eigenthümlichen Gesänge, bei denen ein Vorsänger eine Strophe in nicht abwechselnden Tönen absang oder vielmehr ableyerte und die übrige Gesellschaft ebenso eintönig einfiel. Selbst den andern Morgen war ich noch gezwungen mich mit dem Ordnen meiner Pflanzen zu beschäftigen. Die wichtigsten Arten, welche ich auf meiner Excursion nach Glola und zurück gesammelt hatte, waren außer den schon früher genannten: 'I^inu» com. munis L., Thesium humisusum D C, Pterotheca bifida F. et M., Cirsium oblongifolium C. Koch., Hieracium foliosum W. et K., Mulgedium prenanthoides D. C, Senecio rariflora C. Koch., Scabiosae bipinnata C. Koch., Galium boreale L., Campanula Caucasica M. B.} Valeriana alliari folia Vahl., Myosotis sparsi-flora Mik., Veronica peduncularis M. B., Datura Stramonium L,, Alsine setacca M. et K., Tunica Saxifraga Scop., Circaea lute-tiana L., Rubus platyphyllus C Koch (mit Fiederblättern von fast Fußlänge und Ranken, welche sich 30 Fuß und mehr ausbreiteten) und H. sänctus Leiireb. Es war spät geworden, als wir von Oni aufbrachen und den Rion abwärts bis Sori, einem großen und zerstreut liegenden Dorfe, gingen. Dasselbe reizende Thal, bald enger, bald weiter, blieb uns. Die Entfernung bis hierher betrug kaum mehr als drei Stunden Wegs. Trotzdem der Chelosani des Dorfes nicht gegenwartig war, brachte uns der Geistliche des Ortes in dessen Hause unter, und alsbald stellten sich viele Menschen ein, von denen ein jeder etwas zu essen bei sich führte. Auf diese Weise war in kurzem das Mahl fertig. Alles wurde mir einzeln vorgetragen, um das Beste herauszulesen, und bis dahin wagte Niemand einen Bissen zu sich zunehmen. Hierauf kamen die hölzernen Schüsseln an meinen Uebersetzer Joseph, der seinen Lieblingen und den treuen Kosaken gute Stücke auswählte, und nun erst suchte ein jeder das zu fassen, wornach sein Herz sich sehnte. Rother Wein war in Menge vorhanden, und es wurde so lange getrunken als ein Tropfen sich vorfand. Die einzigen Instrumente, welche während des Essens 137 gebraucht wurden, waren Messer und Dolche; von Gabeln und Löffeln war keine Rede, und Jedermann griff mit den Fingern zu, ohne im geringsten einen Austoß zu geben. Vor und nach dem Essen wurde wie in Ossien Wasser zum Waschen gereicht. Unter den Speisen fand ich auch dieselben gefüllten Brode und Kuchen welche mir in Ossien so sehr gemundet hatten, wieder; sie waren aber keineswegs so wohlschmeckend als dort, und enthielten vorzüglich käsige Stoffe. Einige waren auch mit Eingemachtem gefüllt, und vor Allem schmeckte ich Wallnuß vor. Vergebens bemühte ich mich die andern Ingredienzien herauszubekommen. Während im Innern des geräumigen Zimmers gelärmt und getobt wurde, war die Natur außerhalb derselben in Ruhe versunken. Tiefe Finsterniß bedeckte die Erde, und die funkelnden Sterne am Himmel versuchten vergebens auch unserm Planeten von dem ihrigen etwas Licht mitzutheilen. Ich entzog mich für einige Augenblicke dem immer fröhlicher und lauter werdenden Ge-wühle, und suchte daö Freie. Ein wunderschönes Schauspiel eröffnete sich meinen Blicken. Man hatte auf den nahen Hohen des Muschar einen Wald angezündet, um fruchtbares Land zu gewinnen, und hell loderten die Flammen durch das Dunkel der Nacht, in der sich die grauen Rauchwolken verloren. Diese Feuer erinnerten mich unmittelbar an die gewichtigen Tage der großen Völkerschlacht, welche auf Leipzigs Felder» geschlagen wurde, und vor 23 Jahren standen beide Heere an dem heutigen Tage iu banger Erwartung. Nur ungern trennte ich mich von der Einsamkeit. Am 16ten brachen wir früh auf, um das obere Rionthal für immer zu verlassen. Das Dorf Sori zog sich noch weit hin und allenthalben umgaben es schöne Weingärten. Ein schattiger Eichen-und Buchenwald vertrat später deren Stelle und seine schlanken emporstrebenden Bäume erinnerten mich an die Tharander Säulen-Halle. Es war ein heiliger Schauer, der mich inmitten dieses Haines ergriff, und alle meine Sinne für eine Zeit fesselte. Allmählich wurde das Thal enger und allenthalben fand ich Spuren der hier vor einigen Tagen geschehenen Verwüstungen durch Feuer. Wie der Tscherkesse und Osse, so düngt auch der Imerier nicht seine Felder, sondern sucht sich, wenn diese mit der Zeit ihre Fruchtbarkeit verloren haben, neue. Am liebsten brennt er dann Wälder nieder, und gräbt die Asche ,'n den urbar gemachten Boden. So hat er wiederum für lange Zeit fruchtbares Land. Endlich verengerten nackte Felsen, die nur hie und da kärgliches Gestrauch trugen, das Bett des Flusses und unsern Weg, und bildeten die Pforten zu einem neuen fruchtbaren Thalkessel, in dem eine Menge Hauser, Kirchen, Schlösser und Thürme zum Theil als Ruinen sich vorfanden. Diese herrliche Gegend ist das einzige Besitzthum, was der Familie des unglücklichen Eristass von Radscha nach seiner Empörung geblieben. Die reiche Fürstenfamilie der Zereteli verstand es, den größten Theil der übrigen Besitzungen an sich zu bringen. Zesi heißt das Hauptdorf, und liegt zerstreut auf unbedeutenden und bewachsenen Anhöhen. Allenthalben waren die Einwohner beschäftigt die reichlichen Gaben der gütigen Göttinnen Pomona und Ceres zu sammeln, und aus dem Füllhorn des unermüdlichen Bacchus zu schöpfen. Das schönste Wetter begünstigte das fleißige Treiben und Drangen der Zesier. Ich habe aber auch nur selten eine solche üppige Vegetation, und solche mit labenden Früchten strotzende Obstbäume gesehen, als hier. Der Aufenthalt den ich durch die beschäftigten Einwohner erhielt, wurde mir hinlänglich durch den Genuß, den Mutter Natur mir hier verschaffte, ersetzt. Allenthalben, wo ich hinblickte, waren die Weinreben dicht mit blauen und weißen Trauben behängen, und hatten sich zum großen Theil dem Messer und der Zucht des Menschen eutzogen, um die Gipfel der Eschen und Obstbaume zu ersteigen. Von enormer Größe waren dieWallnußbäume, und trotzdem sich die Einwohner schon ihren Bedarf eingetragen hatten, hingen sie noch über und über voll. Die Gaben waren demnach selbst den Menschen zu viel. Auch Birnen und Aepfel wurden nur zum geringen Theil eingesammelt und Quitten hingen todtreif an den Bäumen. Das kleinere Obst, wie Dürrlitzen (Cornu» macula I..), Haselnüsse, Maulbeeren, Brom- und Himbeeren wird gar nicht geachtet, und die Zäune, welche die schönen Gärten einschlössen, hatten von der Menge der Dürrlitzen und Brombeeren, zu denen sich noch die Beeren von 8mUax oxoolä»^. gesellten, eine bald schön rothe, bald mehr roth-braune Farbe, welche mit dem dunkeln Grün ihrer Blätter und derer des Epheus abwechselte. 139 Vom Epheu hat man in ganz Imerien und Mingrelien zweierlei Sorten, von denen die eine sich von dem unsrigen in nichts unterscheidet, die andere hingegen in allen seinen Theilen weit größer ist. Seine länglichen, gar nicht oder nur wenig eingeschnittenen Blätter erreichen nicht selten den Umfang einer Mannshand. Ich sah Stamme, welche an der Basis den Durchmesser eines Fußes und mehr besaßen, und mit der eben so starken Weinrebe die Spitzen 60—90 Fuß hoher Baume erreicht hatten. Rostfarbige schilfrige Schuppen bedecken die große doldentraubige Rispe und ertheilen ihr ein rdthliches Ansehen. Wie es scheint, ist es derselbe Epheu, den schon Dalechamp als Neäer« Lni^zoc^rpa beschreibt, und von dem L. Bauhin behauptet, daß er von den Römern zu Kränzen benutzt wurde. Letzterer nennt ihn deßhalb Hs^er» poe-lica. Meines Wissens nach kommt ein solcher Epheu aber gar nicht in Italien vor, wohl aber scheint er mit dem, den Roxburgh in Ostindien beschreibt, nicht verschieden zu seyn. Ich habe ihn zum Unterschiede von dem lmsrigen Ueäsra Holix 1^. /?. oolokioa genannt; es wäre wohl aber möglich, daß er auch speciell unterschieden sey. *) Unweit Zesi ist die Gränze von Hoch- und Nieder - Radscha, und während bis hieher die Porphyr- und Syenit-Gebilde mitten durch den Thonschiefer emporgehoben wurden, und beide Felsarten neben und übereinander sich vorfinden, so beginnt hier die Formation des Kalkes, die zwar ebenfalls wie in dem Thale der Aragua Plutonischen Gewalten preisgegeben wurde, aber nur selten war es diesen gelungen, die Kalkdecke zu durchbrechen, und das im Innern neu bereitete Gestein an das Tageslicht zu bringen. Die ersten Kalklagen, welche auf den Thonschiefer folgen , und in ihrer Bildung noch den Hang zur schiefrigen Textur zeigen, sind nur selten in Ruhe geblieben, sondern in der Regel von den unterirdischen Machten über den Haufen geworfen. Dicht bei Zesi wurden beträchtliche Felsen hoch emporgehoben und stürzten kopf-abwärts über. So liegen sie noch mit der Basis nach oben u„d der Spitze nach unten, und bilden auf beiden Seiten des Rion zwei schroffe Wände, die den Nion in seinem Bette verengern. Hier ist der Hauptpasi, um von Süden aus nach Hoch-Nadscha *) i^innae«, Jahrgang 1842, Heft 4. 140 zu gelangen, und wenige Tapfere sind hier im Stande ein ganzes Heer aufzuhalten. Er bildet ein langes Thor, durch das der Rion laut tosend sich wälzt. Auf dem Gipfel eines Felsen hatte man in frühern Zeiten eine Burg Chidis-Kari gebaut, welche wahrscheinlich den Eingang bewachen sollte. Eine schwankende Brücke führt hoch über den Rion hinweg auf das jenseitige Ufer und erregt wegen ihrer Unsicherheit bei jedem der gezwungen ist sie zu passiren, nicht unndthiges Grauen. Dieselben Felsenwände mit der Basis nach oben setzen sich, aber weniger schroff, noch eine Zeit lang fort, und werden durch eine geraume Zeit von einem blättrigen Thonschiefer unterbrochen, um später wieder zu erscheinen. Chimschah ist das nächste Dorf auf der andern Seite des Felsenthales. Dieselbe Fruchtbarkeit wie vor demFelsenthale setzt sich auch hier fort, und dieselben Beschäftigungen nehmen die Einwohner in Anspruch. Ganz vorzüglichen Most reichten mir die freundlichen Chimschaher. Unter andern wurde auch Tabak und zwar der sogenannte Bauerntabak (wicotiana Zustloa!_..) gebaut, und von den Einge-bornen in der Regel, ohne zuvor die nöthige Beize erhalten zu haben, geraucht. Das Rauchen ist dem Asiaten, selbst in dem entferntesten Winkel einer Schlucht, ein noch größeres Bedürfniß geworden als dem Europäer, und wenn ihm Tabak versagt ist, so nimmt er allerhand Krauter und Blatter, und stopft sie in seine kurze Pfeife. Von der Weinbereitung werde ich später, wenn ich im Begriff bin das eigentliche Weinland Kachien (Kachetien) zu schildern, sprechen. Unweit Chimschah verließ ich das Rionthal, und ging einem kleinen Flüßchen Krichula (auch Krachula genannt) aufwärts. Hiermit betrat ich die ächte Kalkregion des Nakerala. In dem Maaße als ich aufwärts ging, traten die Hdhen der Umgebungen hervor. Rechts erschienen, ei»,er nach dem andern, die weißen Eisgipfel der Riongletscher, links hingegen wurden die zackigen und zerrissenen Spitzen des Muschar, von denen nur einer eine weiße Farbe hatte, sichtbar. Das Thal der Krichula wurde gleich anfangs enger und wilder und die ganze Gegend war mit armseligem Gesträuch bewachsen. 141 Dieselbell Felsenwände wie zwischen Zesi »ud Chimschah traten wieder hervor. Allenthalben wurden die Spuren unterirdischer Ge-walren deutlich, doch war nirgends einem plutom'schen Gestein gelungen die dichte Kalkdecke zu durchbrechen. Die Unfruchtbarkeit der wasserarmen Kalkberge bildete einen grellen Contrast mit dem fruchtbaren Thonschieferthale des Nion, wo allenthalben Quellen hervorsprudeln, uud Bäche in leichlicher Anzahl den Hauptfluß mit Wasser bereichern. Schon zeitig kamen wir in Chothewi an, und da der hier residirende Natschalnik des Kreises von Radscha in Kutais zum Empfange des Oberbefehlshabers anwesend war, empfing mich der Pomoschtschnik Vakradza, ein ehrwürdiger schöner Alter von einigen und 80 Jahren, und wies mir ein freundliches Logis an. Der Pomoschtschnik bildet den ersten Secretar des Kreishauptmannes (Natschalnik), und hat in dessen Abwesenheit die Geschäfte des Kreises zn leiren. Ich hatte gerade noch Zeit, die gesammelten Pflanzen, zu denen fast gar nichts Neues hinzugekommen war, einzulegen. Den 17 October beschloß ich hier zu bleiben, und weniger war es die Fruchtbarkeit der Gegend, als vielmehr die reizenden Fernsichten, welche mich hier zu verweilen veranlaßten. Das Terrain der nächsten Umgebung unterscheidet sich in nichts von den Hochebenen, wie wir sie besonders oberhalb des Landgrafenberges bei Jena, wo Napoleon wenige Tage früher im Jahre 1806 die Preußen schlug, besitzen, und wie dort, so macht auch hier der Maugel an Wasser die Gegend zum großen Theil unfruchtbar. Zwar waren die nahen unbedeutenderen Hohen bewachsen, aber die Bäume halten einen zwergartigen Wuchs, und übertrafen die sie umgebenden Sträucher nur wenig. Weißbuchen waren das Hauptholz, und nur einzeln ragten I^ru5 wiminäliz ^r^. und ? ^»ia Nliri,. hervor. Der Dünlitzenstrauch, das Schießholz (62n<^ ^uv.-, Nill.) bestehend. Meine Begleiter, besonders die Kosaken, wunderten sich anfangs, als ich die siachlichen Früchte zerschloa, und ihnen die köstlich schmeckenden Kastanien zeigte. Wie die hungrigen Wölfe fielen sie aber alsbald über die herrlichen Früchte her und beachteten nicht die stechenden Stacheln und den in Cttomen fließenden Regen, der allmählich sich einitellte. Endlich kamen wir in das enge Thal dcs Satsireh-Flusses (satsirek.'l'äkl»!) l,nd waren froh in dem großen Dorfe Zkrowani ein Unterkommen zu finden, und unsre durchnäßten Sachen am helllodernden Feuer trocknen zu können. Der freundliche Chelosani hatte uns sein Keltcrhaus, was mich mit meiner nächsten Umgebung kaum fassen konnte, auf meine Bitte eingeräumt, denn ich fürchtete, der vielen Kinder halber, das zwar weit geräumigere aber im Innern schmutzige Wohnhaus. Mir dem Ueberschreiten des Nakerala befand ich mich in dem eigentlichen Imerien und zwar in dem Gaue Okriba, zu dem das ganze Gebiet des rothen Flusses ('I'5k.',I./itneIil), in den der Sat-sireh-Fluß sich ergießt, bis zu seinem Einfluß in die Qumla gehört. In Zirowani war trotz dcs schlechten Wetters Weinlese und Alt und Jung beschäftigte sich mit dem Einsammeln der Trauben. Mein Haus stand mitten in einem großen Weingarten, in dem die Reben einer sorgfältigen Behandlung sich zu erfreuen schienen. Zirowani liegt, wie die meisten Dörfer des Gaues Okriba, an den bewachsenen Anhöhen und mag, da die Häuser ze> streut liegen, wohl eine Stunde im Umfang haben. Oein- und Hirse-Bau sind die vorzüglichsten Beschäftigungen der Okribaer und jede Familie erbaut sich mitten in ihrem Vesitzthum gewöhnlich ein Hans für die Familie, eines für das Vieh und eines für die Wem- l4U bereiluug. Das erste besitzt meist noch einen Vorraum (oder nach unsern Begriffen eine Hausflur). Wie in Radscha werden die Häuser ans übereinander gelegten Baumstammen, die aber erst mir dem Beil viereckig gemacht werden, verfertigt, und Moos verschließt alle Ritzen genau genng, um Wind u»d Regen abzuhalten. Das Dach ist schief, bildet aber einen sehr stumpfen Winkel. Während es in Radscha und dem westlichen Ossien, ähnlich wie in der Schweiz, besonders im Walliscr Thale, mit Brettern, die durch schwere Steine in ihrer Lage erhalten werden, bedeckt wird, tritt hier Stroh an deren Stelle und die Hauser sehen den schlech-tern Pommerns und der Insel Rügen nicht unähnlich. Da aber die Okribaer nur Hirse und wenig Weizen baue», mid den letztern durch Ochsen austreten lassen, so bauen sie grosthalmige Gräser, besonders t^Iunlaßl'tigti» »^Ivan^-, I'. .) und wird auf folgende Weise bereitet: ,.Man stoßt dic Körner in einem Mörser und thut das so erhaltene Mehl in den Kessel, der wie in Ossien auch hier über einem ewigen Fcuer hangt, um es mit Wasser zu übergießen. Bei beständigem Umrühren kocht die Masse bis zur Lathwergen-Consistenz, bei welcher sie ziemlich steif ist. ein, und wird nun wie sie ist mit einem hölzerneu Löffel herausgenommen, um anstatt des Brodes genossen zu werden. Nur bei Festlichkeiten erlaubt sich der Imerier aus Hirsen- oder Maismehl Brod zu backen. Wer je Hirsenbrei mit Wasser und ohne alle Schmelze genossen hat, wird sich einen Begriff von dem Geschmacke der Gomi 150 machen können. Mir war es unbegreiflich, wie die hiesigen Be-wohner diese unangenehme Speise Jahr ans Jahr ein ohne Ueber-druß genießen konnten, da sie mir schon nach wenig Tagen zuwider war. Das Maisbrod mir seiner schön gelben Farbe mundete mir im Anfange, besonders frisch, und war durch ganz Imerien meine vorzüglichste Nahrung. Ein oder mehrere Tage alr wird es aber, wie daS Brod aus Gerste, trocken und ein deutscher Magen vermag es nur aufgeweicht, besonders in Milch, zu genießen. Je alter es aber ist, um so weniger nimmt es Feuchtigkeit in sich auf. Hühnerfleisch, Eier und Weintrauben waren durch das ganze Land meine übrigen Nahrungsmittel. Die Hirsenfelder befinden sich gewöhnlich in der nächsten Nahe der Wohnungen und die Ernte wird auf kleinen Wagen, die der Oertlichkeit angepaßt sind, durch Hornvieh nach Hause gefahren. Diese Wagen haben das Eigenthümliche, daß ihre beiden Räder wie in Ossien ungleich sind und aus einem einzigen Stück bestehen. Der im hohen Grade unebene Boden macht es auch nothwendig, wenn der Wagen nicht umfallen soll, und das große Rad von 2 Fnß im Durchmesser befindet sich je nach der Oertlichkeit bald auf der rechten, bald auf der linken Seite. Auf der Achse ruht das 4^2 Fuß lange, hinten 3 und vorn 2 Fuß breite Gestell, in dem die Deichseln vermittelst Haken befestigt sind. Die Vereitung des Weins ist einfach und seine Güte hangt mehr von der Zufälligkeit als von der Sorgfalt der Besitzer ab. Anstatt der Fässer besitzt man ausgehöhlte Baume, besonders Kastanienstämme, in denen er der Gährung überlassen wird. Große irdene Krüge oder Thierhäutschlauche nehmen den einigermaßen geklärten Wein auf. Die ganze Nacht hindurch hatte es geregnet und es regnete noch als ich den andern Tag gegen Mittag abreiste, um wenig" stens bis zu dem 5 bis k Stunden entfernten Gclathi zu gelangen. Das Thal des Satsireh-FlusseS erschien kaum so breit, daß ich neben dem Flusse meine Reise fortsetzen konnte. Allenthalben waren die nahen Verge bis in das Thal herab bewachsen und dieses selbst füllten au den Ufern Erlen, sowohl die unsrige, als auch die ge-zähnelte ans. Zwischen ihnen au den aufsteigenden Hohen kamen einzeln die oben genannten Straucher und unter ihnen auch ^M-ß«g iMorus 1'tloi. und Moä^äsnäron pomicum ^ V0l. Obst" !5t bäume, Kirschen, Birnen und Aepfel wechselten mit ihnen ab und zu ihnen gesellte sich noch der Lotusbaum (Niosp^ro» Lmu« L.), deren Früchte bei den Eingebornen den Namen Churma führen, lmd erst, wenn sie teig geworden oder gefroren ein schwarzes Ansehen erhalten, genießbar werden. Reif haben sie bei der Größe unserer Herzkirschen und der Form unserer kleinen Pflaumen ein schmutzig-gelbes Ansehen und besitzen einen widerlich bittern Geschmack. Das sind wohl die Datteln, von denen einige Reisende und Vrosset in seiner Uebersetzung des Wachuscht sprechen. Wahrscheinlich haben an diesem Irrthum die deutschen Colouisten Schuld, da sie die Früchte bisweilen Datteln nennen. Trotz des Regens sammelte ich einige interessante Pflanzen und unter ihnen I'anicum un,1lilansolium ^r<^ I^tkrum wmen-w5um NM. und I'ii^tolgcoa 6ec9nck'» 1^.., die Kermesbeere. Da ich die zuletzt genannte Pflanze auch in Lerschkum und zwar immer in den entlegensten Thalern wild fand und sie (so viel ich gesehen habe) nirgends angebaut wird, so kann ich wich durchaus nicht der Meinung hingeben, daß die Kermcsbecre aus Amerika nach dem Kaukasus gekommen sey. Auf jeden Fall wächst sie wie ja so vicle Pflanzen in Asien nnd Amerika zugleich. Marschall von Biederstem fand sie auch in dem gebirgigen Theile der Krim und in Kachien. So lange demnach nicht nachgewiesen wird, wie sie in die entfernten Thäler gekommen ist, während sie doch in den Ebenen fehlt, muß sie als zur Flora des Kaukasus gehörig betrachtet werden. Es war spät geworden als wir in Gelathi ankamen und bei den zerstreuten Häusern eine lange Zeit brauchten, bevor es uns möglich wurde den Schulzen aufzufinden. Ein geräumiges Kelterhaus war wieder unser Nachtquartier und alsbald loderte in ihm das Feuer, um unsre durchnäßten Kleider zu trocknen. Kurz vor Gelathi kamen wir an den rothen Flusi (^l^l.Aitola), der nicht von den orangenfarbenen Schwammen, wie Klaproth behauptet sondern von den rothen Felsen, die zum Theil sein Wasser einschließen, den Namen erhalten hat. Leider regnete es anch am folgenden Morgen und ich mußte meinen Plan, die besonders in geologischer Hinsicht so interessante Gegend naher in Augenschein zu nehmen, aufgeben. Mit großer Anstrengung erstieg ich auf einem schroffen Wege das berühmte 152 Kloster von Gelathi, von dem ich schon so viel geHort hatte, uud ein freundlicher Mönch, schwarz gekleidet, zeigte mir mit großer Bereitwilligkeit die Merkwürdigkeiten. Der große Hofraum schließt anßer dcn wenigen schlechten Häusern für den Erzbischof und die übrigen Mönche zwei Kirchen und eine Capelle ein. So große Vorstellung ich mir auch von der großem Kirche, die der heiligen Jungfrau gewidmet ist, gemacht hatte, so wenig wurde ich befriedigt. Wenn ich auch gestehen muß, daß ich mit Ausnahme der zerstörten bei Kutais keine zweite Kirche in Grust'en gefunden habe die ihr an Große Vorstände, so bleibt sie doch immer im Vergleich zu unsern großartigen in Europa unbedeutend. An Bildern, Sculvturen :c. steht sie der von Nigor-Zminda weit nach. Die vielen kleinen Raume, welche sie außer der Hauptkirche besitzt, tragen noch dazu bei, den Eindruck des ganzen Gebäudes zu schmälern. Das einzige was ich in ihr großartig und ausgezeichnet fand, war die herrliche Mosaik, welche im Fond des Gewölbes des großen Chors drei grandiose Fignren in Gold eingetragen darstellt. In der Mitte steht die heilige Jungfrau blau gekleidet und hat das Iesuskindlein in ein goldenes Kleid gehüllt auf dem Schooße. Zur Rechten steht ihr der Erzengel Michael, zur Linken hingegen Gabriel, ebenfalls mit vergoldeten Kleidern angethan. Der übrige Raum des Chors ist mil Frescogemalden, Engel und Heilige vorstellend, ausgefüllt. Außerdem interessirte mich die Emaille in verschiedenen Farben, welche sich neben vielen andern Reichthümern in dem Allerheiligsten (Ikonostas) befindet. Dubois glaubt, daß der größte Theil dieser Emaille-Arbeiten, die rein byzantinisch sind, aus dem allen Patriarchen sitz zu Pitzunda nach dessen Zerstörung Hieher gebracht wäre. Alle Gemälde, die sich im Innern der Kirche befinden, sind Fresco und ächt grusisch, d. h. groß, ohne Schatten und richtige Proportionen. Un:er ihnen befindet sich das Vildniß Davids 1>, von dem behauptet wird, daß ihm, nachdem er sein Vaterland von Türken und Persern befreit hatte, ein Engel mit dem Bedeuten erschienen sey, neben der Kirche des heiligen Georg in Gelathi eine zweite zu erbauen und sie der heiligen Jungfrau Maria zu widmen. Wahrscheinlich ist es aber, daß nachdem Abchasien (das 153 Lazien oder die Lafika der Byzantiner) und Grusien unter einem Scepter vereinigt waren, die Herrscher derselben für das Oberhaupt ihrer'Kirche einen nähern Sitz als das entfernte und den Ueberfallen der Bergvölker ausgesetzte Pitzunda wünschten und den Erzbischof, bevor er nach Mschetl) übersiedelt wnrde, Hieher versetzte». Für die westlichen Provinzen, besonders seitdem Imerien wieder ein selbständiges Königreich wurde, hat der Patriarch in Gelathi ein großes Ansehen. Unter den Merkwürdigkeiten, welche mir in der'Kirche gezeigt wurden, befand sich auch das berühmte Marienbild von Azchwari (oder Azchur), von dem Dubois in seiner Beschreibung der Kirche gar nichts erwähnt und bei der von Azchur sagt, daß man nicht wisse wohin es gekommen sey.*) Wie allewunderthätigcnMarienbilder mit der Zeit durch das Aufdrücken von Küssen ihre Normalfarbe verlieren und gegen die herrlichen Steine u«d das reiche Gold eineu nicht freundlichen Eindruck machen, so erschien mir auch dieses im hobeu Grade lmscheinlich. Seit den ältesten Zeiten wurde es in der Kirche von Azchur in Samsche oder der heutigen Provinz Achalzich aufbewahrt, und als ein Wunder- und Schutzbild geehrt. Im Jahre I48l) kam es in die Hände dcs ungläubigen Jacob-Khan und erst im Jahre 1553 wurde es nach verschiedenen Schicksalen wiederum in der Kirche von Azchur aufgestellt. Zu welcher Zeit das Vild nach Gelathi gekommen ist, weiß man nicht uud ebeu so wenig auf welche Weise es geschah. Der Priester, welcher mir es zeigte, behauptete, daß eö während der Kampfe der Atabegs (Herrscher) von Achalzich mit den Türken, also im 17ten oder 18ten Jahrhundert, von dem Engel Gabriel hierher gebracht sey, um es den Handen der Ungläubigen zu entziehen. Außerdem befindet sich anch ein zweites Vild der heiligen Jungfrau Maria von dem Evangelisten Lukas gemalt hier und endlich zeigt mau noch vou der Mutter Gottes Milch, mit der sie den Heiland säugte. Die Kirche ist der Begrabnistort der Könige Grusiens und dann Imeriens und in ihr liegen die benchmtesten, wie David der Wicdcrhcrsteller, Georg III, die Konigin Thamar, Stußudan :c. begraben. *) Dubois Voyage; Tom. II. pag. 535- 154 Neben der Hauptkirche befindet sich eine zweite und unschein-lichere, welche dem heiligen Georg gewidmet ist und der Sage nach weit alter als jene seyn soll. Ihre Bauart ist dieselbe und sie zeichnet sich ebenfalls durch die enormen Sandstein-Quadern ans, welche zum Theil die Mauern bilden. So fand sich ein einziger Eckstein auf der südwestlichen Seite vor, welcher die Länge von 12 bis 14 Fuß besaß und bei der Aufstellung die größten Schwierigkeiten dargeboten haben muß. Nachdem ich auch diese besichtigt hatte, nahm ich den berühmten eisernen Thorftügel von 13 Fuß Hohe und 5 Fuß Breite in Augenschein. Die kufische Inschrift auf demselben hat in dem Aufsatze des geistreichen Akademikers Frahn in Petersburg wohl eine Uebersetzung, aber keineswegs eine genügende Erklärung gefunden. Nach einer grusischen Chronik soll dieser Thorflügcl von David dem Wiederhersteller aus Durubandi, d. i. Darbend geholt und nach der Inschrift vom Emir Schawir ben-el-Fasl (Abul-Siwer, Emir von Tovin, in den armenischen Chroniken), der in den Jahren 951 — 107de, uud nimmt eine Menge kleinere Bäche, von denen der Dschrudsch (wahrscheinlich Rachchiß-Tokal bei Klaprotli) der wichtigste ist, auf. Durch ein enges Felsenthal stürzt sie sich mit großem Geräusche, das ihr den Namen Quirila, d. i. Lärm gegeben hat, südlich, und wendet sich bei Scharopani westlich, um bei der Rosen-Feste (Warziche) in den Nion sich zu ergießen. In ihrem Verlaufe von Osten nach Westen erhält sie eine Menge Zuflüsse, und zwar zuerst aus Osten die Dsirula, welche in dem 161 Winkel, wo die Berge von Colbeuri vom meschischen Gebirge abs gehen, entspringt, und später die ihr an Grdsie fast gleiche Tscheri-mela aufnimmt; dann die Tschalapuri, die nach der Vereinigung der Budscha und Susa diesen Namen erhalt; ferner die Dsewrula und endlich den rothen Fluß (Tskal-Zitela). Die letzten Flüsse entspringen vom Nakerala. Von Süden nimmt die Quirila unbedeutende Flüsse auf, und von ihnen sind der Fluß von Chaui und Satschino zu bemerken. Imerien besaß früher eine größere Ausdehnung, und bestand in seinen bessern Zeiten aus sieben Kreisen, von denen der nordwestlichste, L e tschk u m, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch den Dabian von Mingrelien erobert worden ist, den südöstlichen hingegen, Mtis-Ikith, zwischen den Bergen von Colbeuri und dem meschischeu Gebirge, hatten noch früher die Könige von Karthli eingenommen. Es bleiben demnach nur fünf Kreise, von denen aber wiederum zwei nicht mehr vollständig zu Imerien gehören. Von Radscha dem nördlichen, zwischen den Rion-gletschern, dem Mufchar und dem Nakerala habe ich schon gesprochen. Die andern vier sind im Westen beginnend: 1) Die Ebene, Wake, besteht aus einem Dreieck, was durch die Vereinigung des Pferdestusses mit dem Riou gebildet wird, und hat im Nordosten ein unbedeutendes Kalkgebirge, was sich vom Pferdeflusse südöstlich nach der Veste von Klttais herabzieht, zur Gränze. Weil der ganze Kreis aus flachem Boden besteht, hat er den Namen Wake, d. i. Feld oder Ebene erhalten. Früher gehörte auch das rechte Ufer des Nion bis über die ono-gur'schen Berge zu ihm. 2) Der Kreis Okriba nördlich und östlich vom vorigen umfaßt das Thal des Rion, südlich vom Emfluß der Latschana bis nach Kutais, und die Gebiete des rothen Flusses und der Dsewrnla, mit Ausnahme des untersten Theiles derselben. Oestlich trennt ein vom Sagoreh ausgehender Ausläufer, den ich mit dem Namen der Berge von Ber bezeichne, den Kreis oou dem folgenden. 3) Der Kreis Argueth oder Margueth besteht aus dem Gebiete der Tschalapuri, der obern Quirila, der Dsirula (aber nur diesseits der Berge von Colbeuri und seine rechte Seile) und der Tscherimela (mit Ausnahme seines obern Theiles und seiner linken Seite), und endlich aus der rechten Seite der untern Quirila bis (Neise nach Kaukasien.) 162 zu ihrem Einfluß. Das weite Thal der obern Quirila von ihrem Austritt aus Ossien bis dahin, wo sie zwischen engen Felsen südlich sich wendet, wird unter dem Namen vonSemo-Kwakana, d.i. der obern Wohnsitze unterschieden. 4. Der Kreis Persath (nach Güldenstadt und Klaproth auch Mas-Sachli,d.i. dieBerghauser, vonWachuschtauchSa-Tschcheidso, weil er größtentheils den Fürsten Tscheidse gehört, genannr) liegt südlich von den drei Vongen, von denen er der Reihe nach vrn dem Rion, der Quirila, der Dsirula und Tscherimela, in so weit genannte Flüsse ihren südlichen Lauf in einen östlichen verwandelt haben, getrennt wird. Früher gehörte auch im äußersten Westen derGauSadschawacho, der jetzt einen Theil vonGurien ausmacht, dazu. Seitdem Imerien russische Provinz ist, hat man das Land in vier Kreise getheilt, und einem jeden steht ein Kreishauptmann (Natschalnik) vor. Der Kreis von Choni begreift den westlichen Theil zwischen dem Pferdestuffe und dem Rion, und setzt sich auch in gerader Linie südlich über den letztern bis an das Gebirge von Persath fort. Der Kreis von Kutais erstreckt sich östlich bis an die Scheide der Tschalapuri und der obern Quirila, und setzt sich auch südlich über den zuletztgenannten Fluß bis an die Höhen vou Persath fort. Er umfaßt demnach die Thaler des rothen Fluffed, der Dsewrula und der Tschalapuri. Der Kreis von Scha-ropani besteht aus dem übrigen Theile und demnach aus den Flußgebieten der obern Quirila, der Dsirula und Tscherimela. Der vierte Kreis ist der Kreis von Radscha, der genau nördlich vou allen dreien liegt, und schon naher bezeichnet ist. Nach einer ungefähren Berechnung enthalt Imerien gegen 180 — 200 Quadrat-Meilen und gegen 120.000 Einwohner. Du-bois gibt die Zahl der letztern nach russischen Quellen zu 100,400, die Tistiser Stabskarte hingegen zu 152,000 an. Vou diesen kommen auf den Kreis von Choni 36,000, auf den von Kutais 34,000, auf den von Scharopani 20,000, und aufRadscha 30,000 Seelen. Ich übergehe hier eine detaillirtere Beschreibung der Sitten und Gebräuche, so wie der Kdrperform der Imerier, und eben so erwähne ich nichts von ihren staatlichen Verhältnissen, da alles dieses sich nicht von dem, was ich in dem Capitel über Grusien 163 sage, wesentlich unterscheidet. Es bleibt mir nur noch Einiges über die Hauptstadt Kutais zu sagen übrig. Sie ist der Sitz des Gouverneurs vvn Imerien, Gurien, Min-grelien und Abchasien, und scheint alb solcher allmählich die Bedeutung wieder zu erhalten, welche sie schon in frühern Zeiten hatte. Ihre jetzige Anlage ist so eingerichtet, daß sie gedeihen kann. Die Srrasien laufen gerade, uud sind breit und nur hie und da tritt der Nationalcharakter des Landes hervor. Ein groster Platz, welcher dem daselbst zum Theil garnisonirenden Regimente zum Ercr-cieren angewiesen ist, wird mit der Zeit eine Zierde der Stadt werden. Die Häuser, welche von Russen gebaut sind, destehen grdßtentheils nur aus dem Parterre, besitzen aber ein angenehmes Aeußere, und sind meist auf russische Weise aus Holz verfertigt. Die Zimmer erscheinen geräumig, und viele Fenster machen sie freundlich. Die Zahl der Häuser beträgt mit Einschluß der Krons- und Basar-Gebäude gegen 500, und i» ihnen wohnen, ohne das Militär (was bald 1 bald 2 Bataillone ausmacht) zu rechnen, nicht mehr als 2500 Menschen. Seit dem Anfange dieses Jahres, wo allmählich Ruhe eintrat, hat sich auch der Haupthandel des ganzen westlichen Tranokaukasien hiehergezogen, und die Anzahl der Buden mehrt sich mit jedem Jahre. Für mäßige Preise kann selbst ein Europäer seine Bedürfnisse einkaufen. Den größteu Theil der Handelsleute bilden Armenier, und ausierdem sieht man viele Juden, die aber keineswegs, wieDubois will, die europaisch-jüdische Physiognomie besitzen, sondern wie in Kleidung so auch in Physiognomie und Korperform sich nur wenig von den Eingeborneu des Landes unterscheiden. Imerier bilden den kleinsten Theil der Kaufleute uud überhaupt der Einwohner. Unter der Armeniern sinden sich wic in Gori viele Katholiken vor, und diese zeichnen sich durch ihren unbedingte», Gehorsam gegen ihre vom Papst gesandten Priester aus dem Orden der Capuziuer aus. Unstreitig sind die katholischen Armenier hinsichtlich ihres Lebenswandels und der Reinheit ihrer Sitte»! allen übrigen Trans-kaukasiern vorzuziehen, und man muß den Capuzinern volle Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sic mit gutem Beispiele voran« 11* 164 gehen, und sich dadurch wesentlich vor den grusischen Geistlichen auszeichnen. Eine schmale Brücke führt auf das jenseitige Ufer des Rion, und von meinem freundlichen Apotheker geleitet erstieg ich die Höhe des steil emporstrebenden Verges, nm die Trümmer der großen Burg zn besichtigen. Das Wetter war wieder freundlich geworden. Welche schöne Ruine entfaltete sich allmählich vor meinen Blicken, und wie großartig muß einst dieGränzveste des katholischen Landes gewesen seyn. Der ganze Berg ist über und über mit Trümmern bedeckt, und unter ihnen befinden sich auch die einer herrlichen und großen Kirche, wie sie sonst Transkaukasie», nicht aufzuweisen hat. Die schönsten Säulen und Sculpture» liegen zerstreut umher, und bezeugen die Kunstfertigkeit und den Geschmack der Erbauer. Ueberall hat grünender Epheu sich angesetzt und umzieht das graue Gestein mit seinem frischen Laube. Ich übergehe eine nähere Beschreibung der Burg, da ich zu dem, was bereits Dubois *) aufgeführt hat, nichts Neues hinzufügen kann, nnd erwähne nur noch, daß jetzt das alte Kloster, was hart an der Kirche liegt, wieder in Stand gesetzt ist und zu einem Seminar benutzt wird. Fragt man die Geschichte, wann die Burg von Kutais oder Kuthathis erbaut worden ist, so reicht ihre Entstehung wahrscheinlich über unsere Zeitrechnung hinaus. Die Lage ist zu wichtig, um nicht schon in den ältesten Zeiten erkannt worden zu seyn. In d^m Verlaufe der Jahrhunderte war sie aber vielen Veränderungen und Unglücksfallen ausgesetzt gewesen. Gewiß muß Archäopolis, die Hauptstadt des lazisch n Reiches, Hieher versetzt werden. Es wl'rd um so wahrscheinlicher, als Leon, den grusi'sche Chroniken den ersten abchasischen König nennen, hieher seine Residenz verlegte, und wie es heißt, eine Citadelle und eine Brücke erbaute. Bagrat lV, der Grusien zu seiner Blüthe vorbereitete, erbaute die jetzt rm'nirte Kirche und widmete sie der heiligen Matter Gottes. Durch seine Gemahlin Helena, eine Tochter des griechischen Kaisers Romanuö, erhielt er griechische Baumeister. Ihre Entstehung datirt sich daher ans dem Uten Jahrhunderte. *) Dubois Voyage ; Tom. I. pag. 398 — 432, 165 Der Fürst Sechm'a Tschcheidse überlieferte im Jahre 1666 die Festung den Türken und diese blieben mit geringen Unterbrechungen 100 Jahre im Besitz derselben. Im Jahre 1692 eroberten sie sie mir Gewalt, zerstörten die Kirche nnd schleppten die schönsten Marmorsaulen mit sich fort. Die jetzige und letzte Zerstörung der Vnrg geschah durch den General Tottleben im Jahre 1770. Die Imerier empörten sich nämlich gegen ihren Konig Salomo I und riefen die Türken, welche alle Festungen im Lande besetzt hielten, zu Hülfe; Salomo seinerseits wandte sich nach Rußland, und blitzesschnell drang Tottleben durch dcnGau derDigvren nachRadscha und eroberte alleFestungen in denen türkische Garnisonen lagen. Um es den Türken unmöglich zu machen sich im Lande wiederum festzusetzen, rasirte Tottleben mir Bewilligung des Königs die meisten festen Plätze, und unter diesen auch die Burg von Kutais. Die Zerstörung der Burg von Chothewi zu derselben Zeit habe ich schon oben erwähnt. Die Aussicht von dem Burgberge ist magnifik. Auf zwei Seiten rauscht im engen Felsenbette der grünliche Riou, und darüber breitet sich das nette Städtchen mit seinen freundlichen und bedachten Häusern, die fast sämmtlich ein Gartchen haben, auf einer großen Strecke aus. Noch weiter im Umkreise diesseits und jenseits des Flusses beginnen unendliche Walder, und begranzen soweit das Auge blicken kann die kolchische Ebene, hinter der das schwarze Meer befindlich ist. Nach Norden waren die eisigen Gipfel des Kaukasus noch tiefer als vor einigen Woche» mit Schnee bedeckt, während nach Süden die ebenfalls weißen Höhen des Persath und des adscharischen Gebirges den Horizont begranzten. Oestlich rauben die nahen Berge alle Fernsicht. Während des sechstägigen Aufenthalles (vom 21 bis 26 Oct.) benutzte ich alle Stunden, die einigermaßen freundlich waren, zu Ercursioncn in die nächste Umgebung von Kutais und gern hatte ich die wüsten VestenDarbasi oderTamar (Ziche-Darbasi oder Tamara-ziche), die nur wenige Stunden von Kutais entfernt am Rion liegen, besucht, wenn es in dieser Jahreszeit möglich gewesen ware durch die unwegsamen Gegenden, in welchen genannte Trümmer liegen, zu dringen. Einige freundliche Officiere theilten mir aber alles mit was ihnen durch eigene Ansicht darüber bekannt war, «nd ich würde gern diese Mittheilungen hier niederlegen, wenn der 166 unermüdliche Dubois, wie in vielem, so auck hier mir nicht zuvorgekommen ware. Ich verweise daher, um nicht schon Erzähltes mitzutheilen, auf sein ausgezeichnetes Reisewerk. *) Trotz des unfreundlichen Wetters nahm ich den Vorschlag des Apothekers an, die Rosen-Veste (wie Dubois nach Klaproth Warziche richtig übersetzt) und eine Einsiedlerin daselbst, Fräulein Gamba, zu besuchen, und so ritten wir trotz des feinen Regens, welcher immerwahreno herunterfiel, am 25 October sehr früh aus. Der Weg führt auf der Linken des Rion in einer schönen Ebene zwischen dem rothen Flusse und dem Rion**) rein südlich, und ist etwas über zwei Meilen lang. Kaum ausKntais herausgetreten, empfing mich wiederum derselbe schöne Urwald, wie ich ihn schon bei dem Uebergange über den Nakerala beschrieben habe, aber die Umgebung war nicht bergig, sondern unbedeutende Anhöhen ausgenommen, eben. So ein Urwald hat etwas Großartiges, dem alle unsere Wälder fremd sind. Herrliche Buchen (meist Oi^inus orielNalis I^am.) und Enhen, Planeren, wenige Kasta-nieubäume und Platanen ragten mit ihren Wipfeln hoch in die Lüfte und riefen ein geheimnißvolles Düster hervor. Es fehlten aber die immergrünen Straucher des Nakerala; dafür umwand der dunkelgrüne Epheu die mehrere Fuß im Durchmesser halreuden Stämme, oder Weinreben von den mächtigen Stützen gehalten klimmten zu einer seltenen Hohe empor, und ihre bläulichen Trauben hingen wie auf Faden gereiht von Baum zu Vaum, den hungrigen Reisenden einladend. Daneben bildeten die rdthlichen Beeren des schon bezeichneten Smilar einen lieblichen Contrast mit de» in langen haarähnlichcn Aesten hcrultterhangendeu grauen Bart-Flechten aus dem Geschleckte Usnea, und mit dem gelben Grün der in dichte Haufen zusammengedrängten Mistel (Viäoum album ^) Nur langsam vermochten wir auf dem weichen mit Blattern dicht bebeckten Boden vorwartS zu kommen, und waren deßhalb höchlichst erfreut, als wir endlich die Quirila durchritten, und bald darauf bei den zum großen Theil verfallenen Gebäuden des Frau- *) D.^ol» Vo?l,6«; lum. II. p»ß. 2M, — 2ll). ") Dubois nennt die Ebene fälschlicher Weise Adschameth — ein Name, der einem Flusse jenseits der Quinta angehört. Klaproth begeht ebenfalls hier einen großen Irrthum, indem er den rothen Fluß unmittelbar sich in den Rion ergießen laßt. 167 leins Gamba ankamen, um von der Besitzerin freundlich bewillkomme zu werden. Wie die Lady Stanhope in der syrischen Wüste uns weit prachtiger Rm'nen auf classischem Boden ihr seltsames Leben dahinbrachte, so lebt Fräulein Gamba, abgeschnitten von der ganzen gesitteten Welt, fast allein und nur von einem treuen Diener der allein ihre Sprache mit ihr redet, umgeben in einem Urwalde Imeriens. Del Hang nach dem Abenteuerlichen und ein Widerwille gegen europäische Verfeinerung bestimmte oben genannte Engländerin die Wüsten Syriens zu suchen. Unweit der Stelle, wo einst auch eine Frau als Königin herrschte und lange Zeit der mächtigen Roma trotzte, erbaute sie sich ihre Burg, und mit den Sitten und der Sprache der dortigen Volker vertraut, bewegte sie sich in den ritterlichen Sphären der kühnen und kräftigen Häuptlinge. Nicht so Fräulein Gamba. Dem Charakter ihres Geschlechtes getreu spricht sich in allem was sie thut das rein Weibliche aus, und mit jener liebenswürdigen Gemüthlichkeit kam sie mir ent« gegen, sich ganz der Freude hingebend, einen gebildeten Europaer bewirthen zu können. Fern von dem Haschen nach dem Seltsamen und Abenteuerlichen hac sie sich trotz der Wildniß, in der zu leben sie sich selbst bestimmte, in ihrer Brust die Sehnsucht nach europäischer Sitte und das Gefühl für Holme geistige Ausbildung treu bewahrt. Aus ihrem Varerlande erhält sie noch von Zeit zu ZM Nachrichten und Bücher, und der Tag, an welchem sie diese bekommt, ist ihr ein Fest das lange Zeit noch nachhaltt. Mit mehrern geistreichen Männern ihres Vaterlandes steht sie in Verkehr und unterhalt lebhast einen Briefwechsel, der ihr das Vaterland ersetzen soll. Als Französin hängt sie mit all der Licbe, die jedem ihrer Landöleute eigen ist, an Frankreich, und mit inniger Freude empfing sie die Nachrichten, welche ich über dasselbe mittheilte. Mit zu hellem Verstände begabt, schwärmt sie auch nicht in der Religion, und hat nicht ihretwegen die Einsamkeit gesucht. Auch iuteressirt sie nicht das Volk unter dem sie lebt m,d dessen Sprache sie trotz des langen Aufenchaltes nicht erlernt hat; eben so wenig ist sie entzückt über die paradiesische Gegend welche sie umgibt. Was konnte demnach eine solche geistreiche Dame bestimmen, ihr Leben in solcher Einöde zu vertrauern? Ich glaube nicht daß Mangel an den nöthigen Kosten für ihre eigene Unterhaltung sie lS8 veranlaßt hat die entfernten Besitzungen ihres Vaters ferner zu bewohnen. Mit leichter Mühe würde sie sich bei ihren empfehlenden Talenten auch mwerheurathet eine Stelle im bürgerlichen Leben erwerbe» können, und sollte ihr Bruder, der ihrer eigenen Allssage nach Oberst in französischen Diensten ist, nicht so viel Liebe für seine Schwester besitzen, um sie zu sich zu nehmen? Ein Räthsel ist und bleibt sie, und sie wurde mir es um so mehr, je langer ich mich mit ihr unterhielt. Sollte eine unglückliche Liebe sie bestimmt haben Europa zu fliehen? das ware der einzige Beweggrund, der sie nach meinen Ansichten zu diesem seltsamen Entschluß hätte bestimmen können. Fräulein Gamba ist die einzige Tochter des im Jahr 1833 verstorbenen französischen Consuls in Tistis, und lebt seitdem ab, geschlossen von der Welt auf den hinterlassenen Gütern ihres Vaters. Damals, wo ich sie besuchte, mochte sie gegen 40 Jahre alt seyn. Ihr Vater war von der Fruchtbarkeit und dem Reichthum der transkaukasischen Gegenden so entzückt, daß er der russischen Regierung Vorschlage machte, eine Musterwirthschaft anlegen zu dürfen. Man ging gern darauf ein, und in dem Glauben, daß Herr Gamba auch der Mann ware so etwas durchzuführen, verkaufte man ihm in der Gegend der Rosen-Veste eine große Strecke Landes um ein Geringes. Anstatt klein zu beginnen, war Herr Gamba mehr darauf bedacht großartige Plane zu entwerfen, als sie durchzuführen. Er ließ aus Frankreich eine Menge Arbeiter, die er gar nicht zu beschäftigen verstand, kommen, und verschleuderte dabei sein ganzes Vermögen. Mit jedem Jahre trat größerer Geldmangel ein, und trotzdem verwickelte er sich bestandig in Dinge, die er zum großen Theil gar nicht verstand. Zuerst wurde er mit Geld unterstützt, dachte aber weder daran die Interessen zu bezahlen, noch das Capital einmal zurückzugeben. Seine Leute verließen ihn allmählich, und so gingen alle seine Unternehmungen wieder zu Grunde. Da starb er zum großen Glück, und hinterließ diese Tochter, von der behauptet wird, daß sie zum großen Theil daS Reisewerk über den Kaukasus, was ihr Vater veröffentlichte, bearbeitet hat. Der einzige Sohn war schon früher nach Frankreich zurückgekehrt. Es war traurig, als mir ihr treuer Diener, die einzige Seele, mit der sie, da sie eben nur französisch spricht, sich unterhalten 169 kaun, die verfallenen zum Theil großartigen Gebäude zeigte. Mehrere standen ganz leer und dienten wilden Thieren zum Zufluchtsort. Das einzige was hier noch geschieht, ist ein kärglicher Kartoffel-und Gemüsebau, und von dem Verkaufe des Ueberflüssigen bestreitet Fräulein Gamba ihre nothwendigsten Ausgaben. Nach Tisch führte uns der Diener zu der »iahen Ruine von Warziche, welche auf einer unbedeutenden Hdhe im Winkel des Zusammenflusses der Quirila und des Rion liegt. Wenn auch weniger die massiven Ueberbleibsel der einstigen Residenz der imeri-schen Könige mein Gefallen erlangen konnten, so war trotz des bedeckten Himmels die Aussicht über den ungeheuren Urwald großartig. Die Ruinen bestehen nur aus Ringmauern uud Wachtlhürmen und nehmen einen nicht unbedeutenden Umfang ein. Wie eS mir Mien, so waren die untersten Mauern viel alter als die übrigen, und Warziche hätte demnach im Verlaufe der Zeit verschiedene Veränderungen erlitten. Vergnügt über die Bekanntschaft des interessanten Fräuleins Gamba litten wir gegen Abend denselben Weg nach Kutais zurück, nnd kamen daselbst spar an. Wenn es auch im Verlaufe der ganzen Woche, die ich in Kutais zubrachte, nur wenige Stunden nicht regnete, so machte ich doch stets botanische Excmsionen in der nächsten Umgebung. Hr. Ragoffsky fülnte mich auch in den Krongarten dem er vorstand, und zum erstenmal sah ich hier einen prächtigen Lorbeerbaum im Freien. Daneben stand auch der Keuschlammstrauch (Vitsx »gnu» C35W3 I..), dessen Beere allgemein durch den ganzen kaukasischen Isthmus als Pfeffer benutzt werden und auch diesen Namen besitzen. Man hatte hier auch seit zwei Jahren Versuche mit der chinesischen Indigopflanze (poi^onum tinctoiium 1^,.) gemacht, und erfreuliche Resultate erhalten. Ich bin überzeugt, daß wenn man sich nur cinigermasien mit dem Anbau und der Benutzung dieser wichtigen Pflanze in Transkaukasicn Mühe gäbe, die Fabrication von Indigo mit der Zeit einen wichtigen Ausfuhrartikel bilden würde. So baut man aber nur die Pflanze, weil es von Petersburg befohlen ist, rühmt das Gedeiheu und die Vortheile und verfällt dann in eiuen Schlendrian, bis wieder etwas Neues hervor-gesucht wird. So ist es mit dem Indigo wie mit vielen andern Dingen gegangen und es wird noch so lange auf gleiche Weise fort- 170 gehen, bis endlich ein Mann der mit Liebe sich dem Lande widmet und nicht bloß etwas thut um einen Orden oder Rangerhöhung zu bekommen, die Leitung der in Kaukasien einzuleitenden Verbesserungen erhalt. In dem Garten sah ich auch mehrere Sorten guten Obstes und unter diesem einen Spalierapfel von vorzüglicher Güte. Die hier gezogenen Quitten waren meistens Virnquitten von einer nicht unbedeutenden Größe und besaßen sämmtlich einen angenehmen und feinen Geruch. Die Feigen, welche ich zum erstenmal bei Gelathi wild gesehen hatte, fand ich weniger gut, und um die Granatäpfel mit Genuß verzehren zu können, war es nicht mehr warm genug. Von dem Krongarten aus geleitete mich Ragossskp nach dem Grabe des leider zu früh verstorbenen Botanikers Szovits. Er war ein Opfer seiner Wißbegierde. Während heutzutage allent« halben Denkmäler gesetzt werden, wird wohl in wenigen Jahren die Stelle nicht mehr erkannt werden, wo Szovits begraben liegt. So ehrt die Mitwelt ihre Heroen und die Wissenschaft ihre Mars tyrev! Aber auch nur Naturforscher vermögen ihrer Wissenschaft so viele Opfer, ja selbst das Leben darzubringen, ohne dabei von Selbstsucht oder Eigennützigkeit geleitet zu werden. Leider war die Jahreszeit schon zu sehr herangerückt, um eine große Ausbeute von Pflanzen machen zu können und doch war ich zufrieden mit dem was ich sammelte. Die wichtigsten Arten rooreii: Crocus speciosus M. B.; Ruscus aculeatus L.; Amaran-thus adscendens Lois.; Euphorbia micranlha W.; Hippophii rhamnoides L.; Succisa australis Schott; Ccntaurea iberica Stev,; ArtemisiaannuaL.; Erigcron aciisL. y. asterioides Andrz.; Gentiana Pneumonanthc L.; Lysimachia dubia Ait.; Vcrhascum Blattaria L.; Leonurus Marrubiastrum L.; Meniha Pulegium L.; Melissa osficinalis L,; Teucrium hyrcanicum L.; Ranunculus Ijmatocarpus F. er. M, unb Hubus sanctus Schreb, 17t Dreiundzwanzigstes Gapitel. Heise nach Mingrelieu und Letschkum. Am 27 October klarte sich der Himmel einigermaßen a„f ,md ich beeilte mich,,um meine Reise nach Sngdidi, der Residenz des Herrschers von Mingrelien, zu beginnen. Auf der Post verweigerte man mir scherzend die Pferde, weil ich den armen Thieren alles Futter abgepflückt hatte. Der Weg führt westlich durch den Gau Wake oder durch den Kreiß von Choni nach dem Marktflecken gleichen Namens, am Pferdcflnß, und die Entfernung bis dahin beträgt ungefähr 3'/, Meilen. Mit dem Ueberschreiten der hölzernen Brücke über den Nlon beginnt die große kolchische Ebene, die in ihrer westlichen Ausdehnung nur vom Meere beschränkt wird und sich nördlich bis an die Vorberge des Kaukasus und südlich bis an den Persath und die adscharischen Gebirge erstleckt. Der Wald bis Choni hat nicht den wilden Charakter, wie ich ihn beim Uebergange über den Nakerala und bei dem Besuche von Warziche beschrieben habe, und man sieht, daß die Hand des Menschen ihn einigermaßen in Ordnung erhält. Zwischen hohen Buchen und Eichen befand sich kleineres Gebüsch und unter diesem die ^^Isa punned i^. in ungeheurer Menge. Von ihr fand ich eine inter-cssante Abart mit ruthenförmigen Zweigen, an deren Spitze wenige Blütben dicht gedrängt standen. Durch die graben Staubgefäße unterschied sie sich anßerdem von der Hanptart, die ich ebenfalls hie und da blühend aber stets mit sparrigen Aesten fand. *) Um die Verbindung zwischen Kntais und Sugdidi, der Residenz des regierenden Fürsten von Mingvelien, besser einzurichten, war ein Bataillon Linienmilnar eben beschäftigt eine Strasie mitten durch den Wald zu machen. Eine gltte Straße aber auf einem morastigen Boden und in einer Gegend wo alle Steine mangeln, gehurt gewiß zn den schmierigsten Aufgaben eines Ingenieurs, und ich bm fest überzeugt, daß die Art und Weise, wie man hier verfuhr, ganz verfehlt war. Der Ban der Straße bestand in nichts weiter als im Abhauen und Ausroden der Bäume und im Ebnen des Bodens. So lange trockncs Wetter herrscht, *) S. I.,nn«e2 Jahrgang 1843. 173 wird niemand liber die Straße zu klagen haben, da bei der bedeutenden Breite und dem wenigen Fuhrwerk der Weg nicht leicht allsgefahren werden kann; tritt aber einigermaßen Regenwetter ein, so wird es unmöglich auch mit dem leichtesten Gepäck die Straße zu Wagen zn passnen. Mir wurde es selbst jetzt unmöglich zu Pferde auf dem Wege zu bleiben, und ich war gezwungen in dem Walde zu reiten. Durch das Ausroden der Wurzeln hat der schwarze Moorboden seine letzte Festigkeit verloren und gibt dem leichtesten Druck nach, zumal die Gras- nnd Moosdecke des Bodens, dem auch oft noch die Blatter der Bäume einen grbßern Halt verliehen, ebenfalls fehlt. Dadurch, daß man den Weg ebnete, ist auch dem Wasser alle Möglichkeit genommen abzufließen und wird sich auch auf dem tiefern Wege leichter ansammeln. Man hätte im umgekehrten Falle die unbedeutenden Hohen beibehalten und nur auf ihnen den Weg fuhren sollen. Durch Ziehen von Gräben, welche sich nur an wenig Stellen vorfanden, wäre dem Wasser ein Abfluß geworden, und wenn man auch in den Niederungen gezwungen würde mit Holz, das ja zum großen Theil nlcht benutzt wird, den Weg fest zu machen, so hätte man doch auf den Hohen leichteres Spiel gehabt. In Choni, dem Sitze des Kreis-Hauptmanus, erhielt ich zum letztenmale auf dem ganzen Auefiuge ein einigermaßen bewohnbares Logis. Da den andern Tag Markt gehalten wurde, so beschloß ich einen großen Theil des Vormittags das interessante Treiben und Drangen der verschiedenen Volker zu beobachten. Auf dem einen Ende des schönen großen und mit herrlichen Platanen, Nuß-bäumen und Eichen bepflanzten Marktplatzes war der Basar und auf ihm wurde es schon frühzeitig lebendig. Es war wiederum schönes Wetter geworden und der heitre Himmel hatte eine Menge Käufer und Verkaufer eingeladen. Mingrelier und Imerier bewegten sich neben einander und zwischen ihnen zogen einige russische Officiere uud Beamte schäkernd herum. Jedermann hatte seine schönsten Kleider angethan und suchte mit ihnen zu gefallen. Die jungen Bursche gingen in ihrer Nationaltracht herum und die Mädchen in ihre Tschadri's *) gehüllt lugten mit ihren blitzenden *) So nennt man das große baumwollene Tuch von weißer Farbe, worin die Frauen sich einhüllen. 173 Augen hervor oder weniger verschämt zeigten sie das Gesicht zum großen Theile unbedeckt. Einige von ihnen hielten allerhand Früchten feil und riefen besonders die Fremden neckend znm Kaufen an. Im Allgemeinen sah ich viele hübsche Gesichter, aber nur wenig schöne Gestalten, m»d die erstem würden mich wahrschein« lich mehr entzückt haben, wenn die haßliche Sitte, anf den Wangen die Schminke ziemlich dicht aufzutragen, nicht entstellt hälte. Wie es mir scheint, rvird der Markttag, welcher wie in Oui an jedem Freitage gehalten wird, ähnlich den Jahrmärkten unserer kleinen thüringischen Landstädtchen mehr als Vergnügungsort betrachtet und im Allgemeinen wenig ge- und verkauft. Choui ist eiu freundlicher Marktflecken mit ungefähr 250 Hau, sern und 1400 Einwohner',. Allenthalben befinden sich schöne Gärten mit Weinreben und Obstbäumen bepflanzt und nur einzeln sieht man Hirsen- und Maisfelder. Unbedeutendes Erlengebüsch bildet die nächste Umgebung. Dicht hinter Choui stießt der Pferdestuß oder Tskhenis-Tskal, und da eben keine Brücke vorhanden ist, waren wir gezwungen ihn zu durchreiten. Wahrscheinlich erhielt der Fluß wegen seines raschen Laufes diesen Namen, zumal auch die Griechen ihn HippoS nennen. Die grusischen Chroniken, die alle oft auf die lach/rlichste und selbst unsinnige Weise erklären, behaupten, daß von dem großen Heere des fanatischen Arabers, Murwan-Kru, 40,000 Abaschen mit ihren Pferden in diesem Fluß ertrunken waren. Sie sollen aber auch in dem bald zu erwähnenden Flusse Mascha ertrunken seyn und diesem den Namen gegeben haben. Auf dem jenseitigen Ufer beginnt das Fürstcnthum Mingrellen und setzt sich bis an das Meer als dieselbe Ebene fort. Nur vom Norden her ziehen sich Ausläufer der kaukasischen Vorberge herab und einem solchen ritten wir zu, um das berühmte Kloster von Martwili zu besichtigen. Dieses Kloster befindet sich auf einer Anhöhe von 5 bis 000 F.,ß über der Ebene und zwar auf dem E»,de des Gebirgrückens, der sich zwischen dem Pferdestusse im Osten und der Abascha im Westen südlich erstreckt. Jeder Reisende, dem es je beschieden ist den kaukasischen Isthmus zu besuchen, darf die Gelegenheit nicht vorüber gehen lassen das Kloster von Martwili zu besehen; selbst wenn ihm, wie mir jetzt, es versagt wäre das Innere der ehrwürdigen Kirche z„ beschauen, so 174 würde die herrliche Allssicht für alle Mühen, die vielleicht auf der Reise bis hierher geworden waren, hinlänglich belohnen; der schdnste reine Himmel begünstigte die Aussicht in die weiseste Ferne. Vor meinen Füßen lag die reizende kolchische Ebene, über und über mit den schönsten Waldern bedeckt, zwischen denen hie und da unbedeutende Erhöhungen, meistens mit Rumen versehen, sich emporheben. Weit nach Süden hin glänzten die riesigen Gipfel des Persctth und von ihm sah man eine Menge Ausläufer in die nördliche Ebene sich erstrecken. Nach Osten traten die südlichen Aus-länfer des Naferala hervor und ihr dunkles Grün oder Grau bildeten einen seltenen Contrast mit den weißen Gipfeln des eigentlichen Kaukasus. Die nächste Umgebung selbst war ganz geeigner das Malerische der Gegend zu erheben und in mehreren Armen durchstoß die Abascha die nächste Ebene. Der Vordergrund mir den alterthümlichen Gebäuden, die über und über mit Epheu und Weinreben umrankt waren, und die alten ehrwürdigen Baume konnten unmöglich reizender gedacht werden. Aber unendlich schöner war alles, als ich von der Ringmauer herab am 10 November die Sonne aus den meschischen Bergen emporsteigen sah und die ganze Gegend vergoldet erschien. Nur ungern trennte ich mich von dem seltenen Schauspiel, um die nächste Poststation, welche nach dem Flüßchen Abascha den Namen hat, noch zu erreichen. Martwili ist der Sitz eines Bischofes und zwar desjenigen, welcher den größten Einfluß in ganz Mmgrelien ausübt. Lange Zeit verwaltete der Schwager des Fürsten von Mingrelien, ein Fürst Zereteli, das wichtige heilige Amt und beherrschte mit Hülfe seiner Schwester, der regierenden Fürstin, das Land. Der Vergiftung eines Bruders des Dadians verdachtig, wurde er endlich nach einer Menge ruchloser Thäte» seines Amtes entsetzt, verstand aber schon zeitig seinen Verlornen Einfluß wieder geltend zu machen. Mehr als je seufzte alsbald das Land unter dem grausamen und wollüstigen Bischöfe, bis endlich die Ankunft des Kaisers im October 1837 allen seinen Schandthaten ein Ziel setzte. In aller Frühe brach ich schon anf, um die großartigen Ruinen von Nakolachewi (Nalakchewi bei Güldenstädt) in Augenschein zu nehmen. Mitten durch den Wald nach dem Flusse Techur zu geführt, erreichte ich sie alsbalo. Sie besitzen einen bedeutenden Umfang und sind zum großen Theil noch gut erhalten. Eine dicke 175 Mauer umschließt sie und ist von Strecke zu Strecke mit viereckigen Thürmen, die eben so wie die Mauer zum großen Theil aus Backsteinen erbaut sind, versehen. Innerhalb befindet sich elne solche Menge von Steinhaufen über einander geworfen, wie ich sie nur zu Oni, der alten Hauptstadt Armeniens, gesehen habe, und da allenthalben Wein, Epheu, Smilar und Brombeerenranken die Ueberdleibsel überzogen haben, so wird es schwer, etwas Bestimmtes aus ihnen heraus zu bekommen. Den durch die Mauern bezeichneten Räumen nach müssen die Zimmer groß und schön gewesen seyn, uud wenn ich auch durchaus nicht der Meinung Du-bois' bin, daß hier einst Medea uud Kirke gewandelt haben, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß die erste Gründung Nako-lachewi's weit über unsre christliche Zeitrechnung hinausreicht. In der Zeit wo indische Cultur sich an den östlichen Ufern des schwarzen Meeres festsetzte, mag Nakolachewi vielleicht eine sehr wichtige Stadt des alten Kolchis gewesen seyn. In der spätern Zeit hatte sie verschiedene Unglücksfälle erlitten, bevor das Christenthum in ihren Mauern einzog und die Stadt von neuem blühte. Die noch gauz erhaltene Kirche trägt den Charakter des ursprünglichen byzantinischen Styles, der in der Nähe befindliche Thurm aber gehört ohne Zweifel einer spätern Zeit an. Auf einer unbedeutenden Höhe hart am Techur sieht man die Ruinen eines festen aus Stein erbauten Schlosses, was durch einen tiefen Graben von der übrigen Stadt geschieden ist, und erfreut sich von hier einer herrlichen Aussicht, besonders wenn man sich auf das steile Ufer des Flusses stellt. Darüber erhebt sich eine zweite nicht unbedeutende Höhe und trägt auf seinem Rücken ein zweites noch festeres und sicher weit älteres Schloß. Wenn dieses auch nicht so schwierig zu ersteigen ist, als Dubois meint, so bietet das Hinaufkommen für jemand, der das Bergsteigen nicht gewohnt ist, allerdings Mühseligkeiten dar. Der einzige einigermaßen gangbare Weg führt nordöstlich hinauf uud sein Eingang war einst mit Thürmen besetzt. In der Mitte des Rückens liegen die Ruinen einer alten Kirche und auf dem andern Ende desselben, wo der Berg am steilsten sich hinabsenkt, sieht man die Trümmer eines großartigen Gebäudes. Geht man in das Alterthum zurück und sieht sich unter den Städten, welche die Geschichtschreiber, besonders die des Argo« 176 nautenzuges, und außerdem Procop und Agathias uns nennen, um, so ist es »iicht leicht, unter den heutigen zum großen Theil schon aufgeführten Ruinen diese mit Bestimmtheit herauszusuchen. Um es zu versuchen, wird es wohl nothwendig zuvor einiges über das alte Fabelland Kolchis, dann über das spatere Lazien und endlich über das heutige Mmgrelien zu sagen. Allem Anscheine nach verstand man unter Kolchis in den ältesten Zeiten das ganze Bassin, was von den meschischen Bergen, dem Kaukasus und dem Meere eingeschlossen wird. In den Zeiten als Phrirus dorthin flüchtete und etwas spater Iason seinen berühmten Zug dahin machte, stand es unter einem Herrscher, dessen Hauptstadt Aea genannt wird. Von ihr wird gesagt, daß sie da am Phasis (Rion) liege, wo der Hippos mid der Glaukos sich in ihn münden. Nach Plinius lag sie 15,000 Schritte, nach Stephan von Vyzanz hingegen 300 Stadien vom Meere entfernt und zwar auf einer Landzunge, welche durch genannte Flüsse gebildet wird. Der HippoS ist wohl ohne Zweifel unser heutiger Pferdestuß, der Glaukos wird aber wohl unbestimmt bleiben müssen, da auf derselben Seite nur der Techur (und zwar ungefähr 4 Stunden östlicher) sich in ihn ergießt. Auf jeden Fall lag Aea auf der Zunge, welche durch einen Vogen des Rion und des Pferdeflusses gebildet wird, also wahrscheinlich da, wo das heulige Ust-Tskheuis-Tskal (Pferdestuß-mündung) liegt. Dnbois halt das heutige Nakolachewi für das alte Aea — eine Meinung zu der er sich «ur durch die großartigen Ruinen verführen ließ. Ware es wirklich der Fall gewesen, so müßte (abgesehen von der verschiedenen Lage) das Flüßchen Techur zu jener Zeit so bedeutend gewesen seyn, daß die Argo ihn hinauffahren komite. Procop halt sein Kutatision, worüber ich gleich sprechen werde, für das alte Aea. Mir scheint es, daß mehrere Städte dieses Namens enstirt haben. So läßt Ptolemaus sein Aeopolis am Meere liegen, wahrend Stephan von Byzanz nach Nikanor behauptet, daß Dioskurias (wahrscheinlich vor der Besitznahme durch die Griechen) Aea genannt worden sey. Vor der Zeit, wo Strabo sein geographisches Werk schn'eb, war Kolchis in mehrere kleine Fürstenthümer, denen Skeptucken (Fürsten) vorstanden, getheilt, es erkannte aber mit Michridates die Oberherrschaft der pontischen und spater der bosporischen Könige an. Damals erstreckte es sich bis in die meschischen Gebirge, zu 177 denen damals wohl auch der Nakerala mit seinen südlichen Ausläufern gerechnet wurde, hinein, und wle es scheint war Sarapana (das heutige Scharopani am Zusammenfluß der Dsirula und Quirila) die östlichste Gränzfestung. Ebenfalls iin kolchischen Antheile von Meschien lag Leucothea mit einem reichen Tempel, der von Phar-naces und Mithridates Pergamenus geplündert wurde. Wenn wir die weitere Bestimmung Strabo's,^) nach welcher dieser oberhalb genannter Flusse (^^c"««« ""^ ).5x>^^?c<)^ ?rc)rtt/,l5^) lag, ,„iter denen doch nur der Phasis mit seinen Nebenflüssen, der Glaukos und Hippos verstanden werden kann, ins Auge fassen, so wird es nicht unwahrscheinlich, zumal bei Strabo unter Meschicn die gebirgigen, unter Kolchis aber die ebenen Gegenden zu verstehen sind, dasi das heutige Nakolachewi Strabo's Leucothea gewesen ist. Vielleicht hat der Tempel aber auch da gestanden, wo jetzt Martwili steht. Schlagen wir auch die grusische» Chroniken nach, so wird uns von hier aus unendlich mehr Licht. Kudschi, der Statthalter Mingreliens unter Pharnawas, erbaute sich eine Residenz, welche nach ihm Ziche-Godschi, d. i. Kndschks-Veste genannt wurde und auch den Namen Nakolachewi erhielt. Sie wurde durch Murwan und später noch einmal verwüstet und endlich ganz verlassen. Die Grusier kennen den Namen Kolchis gar nicht nnd Dubois hat deßhalb Unrecht, wenu er ihn aus dem Grusischen und zwar von Kolachi soder vielmehr Kalakü), d. i. Stadt, ableitet und sagt, daß dieses der Benennung 7w)5 »ui-I'^rmönio; 'lom. 11. pa^. 199, UNd Klap- roth Reise, Vd. 11. S. 99. *^) lirozzet jeune, cluoni^u« g^onAlonn« ; PZß. l, UNl> 6eoeri»pln6 ***) Die Alten ließen den Phast's aus Armenien entjpringm und verstanden unter diesem Namen zuerst die Tscherimela, dann die Quinta bis zu ihrem Einfluß in den Nion und endlich diescn bis an seine Mündung. Unter Phasis verstehe ich daher im fernern Verlaufe meiner Beschreibung den so bezeichneten Fluß, unter Nion hingegen den wie man ihn jetzt bestimmt. 179 Pferdefluß, wo dieser aus den Engpässen des Gebirges heraustritt bis zu seiner Vereinigung mit dem Rion. Es hat deßhalb jetzt noch fast dieselbe Lage wie zu Ptolemaus Zeit das Land der Man-rali. Spater, weil ganz Kolchis wahrscheinlich von einem acht wingrelischen Fürsten beherrscht war, wurde der Name Mingrelien auf das ganze Bassin diesseits des Rion übergetragen. Dubois irrt sich, wenn er behauptet, daß die Russen erst den Namen Mingrelien zur Bezeichnung des Landes eingeführt hatten, denn alle frühern Reisenden, Chardin, der Pater Lamberti :c. nennen es so und der Kbm'gssohn David spricht in seiner kurzen Geschichte von Grusien vom Lande Megreltha. Zur Zeit als Procop sein Geschichtswerk schrieb, hieß das Land Lazien, erstreckte sich aber südlich nur dls zum Rion und hatte seinen eigenen König, welcher zu gleicher Zeit auch über Swanien herrschte. Der Kampf Persiens und des griechischen Kaiserthums znerst um Albanien und Iberien und dann auch um Lazien, brachte Miugrelicn wiederum zur Kenntniß der Europäer. Am Meere wohnte jetzt das Volk der Apsilier, war aber den Laziern unterthan; weirer im Nordosten befanden sich die Mist-wianen. An der äußersten östlichsten Gränze lag die Festung Sarapana uud daneben Skanda. Der fruchtbarste Gau wurde Muchiresis (d. i. von ^Ilieiig, Eiche, Eichenland) genannt, und in ihm befanden sich außer zahlreichen Dörfern Kutatisiou und nahe dabei Uchimeriou. Kutatision in der Ebene wurde verlassen, von den Persern aber wiederum befestigt, um (wie es ausdrücklich heißt) die Verbindung der Römer zwischen Archäopolis und Uchimerion, so wie mit deu nördlichern Provinzen abzuschneiden. Es ist nun die Frage, welche der jetzt noch vorhandenen Ruinen hierher zu beziehen sind. Dubois hat den Procop ganz falsch verstanden, da er Muchiresis zu einer bestimmten Sradt macht und sagt, daß es die heutigen Ruinen von Ziche-Darbasi seyen, wahrend er Kutatision und Uchimerion das heutige Kutais seyn laßt. Noch jetzt ist dle Gegend zwischen dem Rion und dem Pfcrdesiuß die fruchtbarste m dem kolchischen Bassin, und Wein, Feigen und Honig werden m großer Menge daselbst erzeugt. Der Fl'nsi, an dem Kutatision lag, war der Rheon, also der heutige Rio". Die Namen Kutais und Kutatision dürfen nicht für das letztere bestimmen, denn die Alten, besonders aber die Sänger des Argonautenzugs nannten die 12 * 180 ganze gebirgige und zum Theil selbst die ebene Gegend des Phasis das kytaische Land, die Il^^io ^«^orum oder mit Ptolemaus Kotacene. Procop irrt ebenfalls, wenn er eine Stadt Kytaja nennt und von ihr behanptet, daß sie die Vaterstadt des Aetes gewesen sey. Meiner Meimmg nach lag das alte Kutatision nördlich von dem heutigen Kutais, und vielleicht war es die heutige Veste Qm'schilethi. Von hier aus war es den Persern möglich die Verbindung mit dem Norden abzuschneiden. Kutais oder vielmehr die alte jetzt eingeschossene Burg halte ich für die Archäopolis des lazffchen Reichs, und wcnn Dlibois glaubt in der Burgruine von Nakolachewi dieselbe Stadt mit allen ihren Theilen wieder zu finden, so bin ich doch keineswegs weder dieser Meinung, noch daß Aea mir Archäopolis gleichbedeutend sey. Nach der Beschreibung Procops *) lag die Stadt anf einem unzugänglichen Hügel, welchen ein aus den Bergen entspringender Fluß bespült. Wie der Fluß heißt, wird nicht gesagt, der Phasis kann es aber keineswegs seyn, denn die Perser gehen vor Archao-poll's vorbei, um das römische Lager am Phasis anzugreifen. Von einer am Fuße des Verges gelegenen Stadt, wie in Nakolachewi, ist bei Archäopolis gar keine Rede, sondern Procop kennt nur die Vurg und würde, wenn eine solche bedeutende Stadt eristirt hätte, sie gewiß nicht vergessen haben. Es heißt ferner, daß die untern Thore an den Fuß des Berges führten, zwar nicht uneinnehmbar waren, aber einen unebenen Zugang hatten. Die obern Thore suid mit Abgründen und dichtem Gesträuch umgeben. Weil die Einwohner oben kein Wasser hatte», ging ein durch eine Mauer geschützter Gang von der Hohe nach dem Flusse herab — eine Erscheinung, die wir schon bei Darjel und Gori erwähnt haben. Noch jetzt ist dieser Gang sichtbar, vergebens habe ich mich aber bemüht ihn in Nakolachewi aufzufinden. Die Thore lassen sich ebenfalls noch heutzutage an der Vurg von Kutais nachweisen; Dubois will sie zwar auch in Nakolachewi gesehen haben. Wenn Dubois seine Behauptung auch etymologisch z" bekräftigen versucht, so scheint es mir, daß er seiner Lieblings-ansichr ebcu so gezwungen zu Hülfe kommt, als bei der Ableitung des Wortes Kolchio. Nakolachewi (odcr Nakolakewi, wie er es *) Procopii de bello gothico Lib. IVs. cap. 14. 181 schreibt) soll im Musischen einen Ort, wo mau eine Stadt gemacht hat, wo eine Stadt gewesen ist, d. h. eine alte Stadt bedeuten; wie sich aber die eigentliche Zusammensetzung verhält, davon schweigt er. Chewi bedeutet übrigens im Grusischen ein Thal und nicht einen Ort, und die Grusier bedienen sich gern des Wortes zur Vezeichnnng eines Flußgebietes. Archaopolis bedeutet allerdings eine alte Stadt, und wird wohl da gestanden haben, wo mit Recht die heutige Burg von Kutais noch steht, weil die günstige Lage derselben schon von den ältesten kolchischeu Königen erkannt nnd zu einer Burg, welche »ach der Gegend in der sie lag den Namen der kutaischen erhielt, benutzt war. Diese kutaische Burg, von der die Sänger des Ar-gonautenzugs sprechen, ist aber verschieden vom Kutatision des Procop, das ja in der Ebene lag. Ich erlaube mir hier ferner dem gelehrten Reisenden Dnbois, dem ganz Europa so viel ticht über den Kaukasus verdankt, noch einiges zu erwiedern. Die Ansicht, nach der Odysseus seiue Irrfahrten längs dcr Küsten des schwarzen und asoff'schcn Meeres gemacht hat, und nach der z. V. die Lastrigonen Homers die heutigen Tschcrkessen seyn sollen, lasse ich als einen geistreich behandelten Gegenstand dahin gestellt seyn, wenn ich auch nicht be^ greifen kann, wie drr Dichter seine Helden zweimal durch den e»gen Hellespont, der doch den Griechen damals schon bekannt gewesen sryu muß, schiffeu laßt, ohne dessen zu erwähnen. Meine Erwiederung betrifft den schon oft besungenen und besprochenen Argonanleuzug und die daraus entsprungene Meinung, daß der Kaukasus reich an Gold fty. Leider scheinen die bcsteu Dichtungen über diesen Heldenzug, von denen Srrabo spricht, verloren gegangen zu seyn, und von den altern eristirt nur noch das zweifelhafte Gedicht des Orpheus, das nicht im Stande ist über die damalige Beschaffenheit dcs Landes Aufschluß zu geben. Die gediegenern Classiker, wie Slrabo, sagen selbst, daß dieser berühmte Zug zum großen Theil der Fabel anheimfalle und schweigen ganz von dem Goldreichchum des Kaukasus; andere jedoch, wie PliniuS z. V., führen dort Flüsse (so einen Namens (^ry^liliogä, d. i. Goldfluß, und die ^-nu^- iluvN i.nium lol-LMo») auf, deren Namen schon auf das zu enthaltende Gold deute. Die Sage erhielt sich in Europa fast bis in die neneste Zeit, und nach einer 18% englischen Träumerin Marie Gutrie *) war das goldene Vließ noch zu ihrer Zeit, d. h. zu Ende des vorigen Jahrhunderts, vorhanden. Selbst die russische Regierung ließ sich durch Abenteurer überreden dort nach Gold zu suchen. Man hat aber weder im Gebirge noch in den Flüssen etwas Erhebliches gefunden, und selbst Dubois, der mit der Mineralogie so fleißig sich beschäftigt har, schweigt bei seinen Untersuchungen ganz davon. Ob das Gebirge Gold führen kann, glaube ich wohl bezweifeln, aber durchaus nicht wlt Bestimmtheit verneinen zu können, da mir alle dazu gehörige Kenntniß abgeht. Die Einwohner selbst wissen nichts davon, und wenn Dubois das Gegentheil behauptet, so erfuhr er es von den nächsten Verwandten des regierenden Fürsten, denen allerdings die Sage bekannt ist und die deßhalb das Vließ in ihrem Wappen aufgenommen haben. Ich habe vergebens mich bemüht von dem Volke etwas darüber zu erfahren, und selbst die Eristenz der Ruinen von Nakolachewi erfuhr ich erst dnrch Zufall in Choni. Nach der Aussage des Erbprinzen von Mingrelien soll von Zeit zu Zeit zwar ein wenig Gold im Ingnr, dem nördlichen Granzsiusse, gefunden worden seyn, aber er war nicht im Stande mir etwas zu zeigen. Das einzelne Vorkommen von Gold in Flüssen ist aber eine häufige Erscheinung, und wenn auch in der Saale bei Jena und in einem in diese mündenden Bache wirklich Gold gefunden ist, so wird doch Niemand die Verge von Jena goldreich nennen. Betrachten wir aber den Argonautenzug und seine Ursachen etwas näher, so liegt in der ganzen Erzählung gar nichts, was auf G"ldreichthum des kolchischen Landes hindeutet. Phrirus, ein griechischer Fürst, floh anf einem Widder, worunter man eben ein Schiff, das vorn einen Wioderkopf hatte, zu verstehen hat, nach Kolckis und hing, wie die Sage erzählt, das goldene Vließ des Widders in einem geheiligten Haine auf, d. h. er gab seine mitgebrachten Schatze daselbst in Verwahrung. Eine geraume Zeit nach seinem Tode überredete Pelias, der für seinen unmündigen Neffen Jason die Regierung verwaltece, diesen, als er mündig geworden, das goldene Vließ, auf das er als naher Verwandter des Phrinls ein unbestreitbares Recht habe, aus Kolchis zu holen. Eine Menge der damals nach Abenteuern durstigen Griechen schlössen *) Marie öulrie a. tour through the Tauridej London 1802- 183 sich dem Jason cm, und auf einem besonders dazu erbauten Schisse, das den Namen Argo führte, setzte sich der ganze Zug in Bewegung. Der König von Kolchis, Actes, versprach dem Iason nur dann die Zurückgabe des goldenen Vließes, d. h. des Erbes von Phrirus, wenn er zuvor durch einige Heldenthaten sich dessen würdig gemacht habe. Medea, eine Tochter des Aetes und berühmte Zauberin, verliebte sich in Iason, und mit ihrer Hülfe genügte er allen Anforderungen. Da das Erbe auch ferner noch verweigert wurde, raubte er es und entfloh mir demselben und der Medea auf einem von der Phantasie der Dichter gebildeten Wege durch das Eismeer und die Säulen des Hercules, um uach lauger Abwesenheit endlich wieder in die Heimath zu gelangen. Was die übrige» Städte von Kolchis anbelangt, so halt Dubois, wie schon gesagt, Warzichc für die Rhodopolis deS Procop. Allein diese lag ganz in der Ebene und wnrde deßhalb von den Kolchiern verlassen, Warziche hingegen befindet sich auf einer wenn auch unbedeutenden Anhöhe. Ferner lag Rhodopolis anf der reckten Seite des Rion, Warziche liegt hingegen südlich von ihm. Dubois stützt seine Behauptung auf die Namen, die beide im Gmsischcn und Griechischen Rosenstadt oder Rosenveste heißen. Vielleicht ist das heutige Ziche-Darbasi die alte Rosenstadt. Onoguris, was nach den Ugern dieses Namens, welche hier besiegt wurden, genannt wnrde, ist das heutige Chopi am Flusse gleichen Nameus, nud die ganze Reihe von Hügeln, welche die Ebene in cinen nord-wcstlichen (Egrißi oder Odischi) und in einen süd-dstlichen Theil (das eigentliche Mingrelien oder Sall'partiano) bringt, führt den Namen der onogurischen Berge. Nach Agathias übten die byzantinischen Kaiser fortwahrend einen Einfluß über Kolchis ans und bestimmten zum Theil selbst die Herrscher. Der lazischc Stamm muß aber alsbald aufgehört haben der herrschende zu seyn, denn die Abasger, ein Stamm des einst mächtigen Volkes der Heniochen, unterwarfen sich das heutige Abchasien und ganz Kolchis. Ihie Herrscher gründeten 785 das abchasische Königreich vom Mcere bis an das meschische Gebirge uud bestiegen sogar den grusiscken Thron. Statthalter mit dem Namen eines Dadian regierten darauf in Kolchis und machten sich in den bedrängten Zeiten der imenschen Könige mehr oder weniger unabhängig. AIs später die Türken sich Achalziche's bemächtigten. 184 erkannten auch die Dadiane deren Oberherrschaft an. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde Mingrelicn für unabhängig erklärt, unterwarf sich aber 1804 dem russiichen Scepter. Betrachten wir nun das heutige Mingrelien etwas näher, so besteht es aus drei Gauen und aus zwei unter der Oberhoheit des Dadians stehenden Herrschaften. Das eigentliche Min-grelien oder der Kreis von Sign ach (Sennach bei Suboff), auch Sallpartiano genannc, umfaßt die rechte Seite des Pferdeflusses, wo dieser aus den Engpässen heraustritt bis an die onogurischen Berge. Egrißi oder Odischi oder der Kreis von Sugdidi liegt in Nordwesten und südlich vom Ingur. Er ist zum großen Theil hügelig, ja selbst gebirgig, da die letzten Vorberge des Kaukasus sich hier verlieren, und besitzt außer mehreren unbedeutenden Hafenstädten die Winterresidenz des Dadianö, Sugdidi. Letschkum besteht aus den Thälern des obern Pferde-fiusses von der nördlichen Gränze des eigentlichen Mingreliens bis an die Engpässe von Muri und aus dem Thale der in den Rion sich ergießenden Latschana. Nördlich von Muri, an den Quellen des Pferdestnsses liegt der Theil Swaniens, dessen der Dadian in neuester Zeit sich bemächtigt hat und der jetzt die swanische Herrschaft bildet. Nordlich vom Ingur erstreckt sich die zweite Herrschaft Samursachanien bis au Abchasicns Gränze. Suboff gibt die Anzahl der Einwohner Mingreliens zu hoch an, wenn er ohne Samursachanien 00,000 Seelen annimmt, da die Anzahl selbst mit dieser Herrschaft kaum auf 70,000 angegeben werden kann. Von diesen kommen auf: das eigeluliche Mingrelieu......30,000 Egrißi............24,000 Letschkum........... 3000 5) das mingrelische Swanien ...... 5000 Samursachanien......... 9000 Nach diesem Vorausgeschickten kehre ich zur weitern Beschreibung der Reise zurück. Meine Kosaken führien mich mitten durch *) Suboff (I^rlinil liMilgzk.-lwa Il.gjii, 'I'5s-!,i,5t IV, pilss. 2<9) läßt in Letschkum 13,000, in dem mingrelischcn Swanien hingegen 25,000 Menschen wohnen!!! 185 de>» Wald ans einem kaum für Fußgänger bequemen Wege nach der Straße. Cine große Stille herrschte rings herum und nur leise säuselte der Wind durch die zmn Theil abfallenden Blatter. Da ertönte plötzlich aus der Ferne Hörnerklang mit der Melodie des bekannten Liedchens: „Die Franzosen haben das Geld gestohlen, Die Deutschen wollen es wieder holen. Hurrah! hurrah!" eines Liebchens, was in meiner ersten Jugend, die kurz auf die Freiheitskriege erfolgte, so oft in den Straßen gesungen oder gepfiffen wurde. Kaum traute ich meinen Ohren, aber immer näher kam ich den bekannten Tonen, die mich mit ganzer Macht an die theure Heimath erinnerten. Da war es wieder stille und es wurde ein Geräusch vernehmbar, als wenn viele hundert Men-scheu sich neben einander bewegten. Bald schien es mir, als vernähme ich deutlich Stimmen von Menschen, und es war mir sogar, als wenn vaterländische Tone mein Ohr berührten. Ich traute kaum meinen Sinnen und wähnte mich im Oriente iu die Tage der Vorzeit, wo die Mahrchen der Tausend und Einen Nacht sich ereigneten, versetzt. Aber es war kein Traum, denn kaum trat ich aus dem Düster des Waldes, so übersah ich eine Menge Soldaten im Schatten der Eichen und Buchen gelagert und eben ihr Mittagsmahl verzehrend. Das Horn hatte die rüstigen Arbeiter der kutais-sugdidischeu Straße, von der ich schon oben gesprochen habe, zur Mittagsruhe aufgefordert, und freudig halte jeder Soldat ein schattiges Plätzchen sich erwählt. Aber ich hörte meine Muttersprache nicht mehr und „ur kaum bekannte Laute vernahm mein Ohr. Ein Armenier machte den Marketender und war mit allerhand Speisen und Getränken versehen. Da er ein Bekannter meines braven Uebersetzers Joseph war, so erhielt ich alsbald die schönsten Stücke Spicßbraten um einen billigen Preis, und mitten unter den Soldaten, die den Fremden neugierig beäugelten, liest ich mich nieder. Da trat ein junger Lieutenant freundlich zu mir »nd grüßte mich in meiner Muttersprache. Ich hatte den Officier, der ein Knrlander war und Witte hieß, noch nie gesehen, und doch waren wir in wenig Augenblicken so vergnügt mit einander, als hätte» wir seit immer uns gekannt. Die Bewohner der Ostsee- 186 pwvinzen, besonders die Kurländer, sind durch ganz Rußland zerstreut, und man findet sie wegen ihrer besondern Fähigkeiten vorzüglich als Ingenieurs. Wahrend der Erstgeborne das vaterliche Gut übernimmt, bleibt in der Regel den andern Söhnen nichts weiter übrig, als außerhalb ihres Vaterlandes sich eine neue Stellung zu suchen. Da ich deu Tag nicht mehr nach Sugdidi gelangen konnte, so verweilte ich eine längere Zeit bei meinem neuen Freunde, und hatte gern seinem Wunsche, noch einen Tag zu bleiben, nachgegeben, wenn es mich nicht weiter getrieben hatte. Die Straße besitzt dieselbe Beschaffenheit, wie ich sie zwischen Kutais und Choni gesehen habe, nur war das Terrain, da sie sich hier über den Rücken der onogurischen Berge hinzog, günstiger. Ueber die Bäche und Flüsse hatte man hölzerne Brücken gelegt oder war im Begriff dieses zu thun. Die nächste Poststation liegt auf einer geringen Anhöhe mitten im Walde und war etwas wohnlicher als die vorige. Außer Brod war nichts zu erhalten, und zum Glück hatte ich mich mit dem Uebrigen versehen. Am andern Morgen (den 30 Oct.) nicht sehr früh brach ich wiederum auf, um das 5 bis 6 Stunden entfernte Sugdidi zu erreichen. Das Wetter war im hohen Grade freundlich. Die Gegend wurde hügliger und der Weg führte von einer Höhe zur andern, bald einem lachenden Thale entlang, bald auf dem Rücken eines Berges. Mit jeder Viertelstunde wechselte die Aussicht, die immer reizender zu werden schien. Alles wurde aber übertroffen, als ich unweit des Dschani-Flufses einen nicht unbedeutenden Berg erstieg. Die ganze kolchische Ebene mir ihren unbedeutenden Höhen, auf denen hie und da Burgen oder Kirchen, so die von Chopi, sichtbar waren, breitete sich unter mir aus und setzte sich bis zum fernen Meere fort, welches als ein blauer Streifen das durch die Wälder bedingte dunkle Grün der Ebene begranzte. Die im Untergehen begriffene Conne vergoldete mir ihren glühenden Strahlen den blauen Horizont. Auf beiden Seiten erhoben sich in der Ferne die Gipfel des Kaukasus und des adscharischen Gebirges hoch in die Lüfte und erschienen, wenigstens die erster», dicht mit Eis und Schnee bedeckt. Die Walder waren wiederum dieselben, wie ich sie schon 187 früher geschildert habe, nur bemerkte ich hier und da mehr Spuren von Cultur, besonders Obstbäume und vor allen Zwetschgen in nicht geringer Anzahl. Die Weinreben hingen trotz der spaten Jahreszeit überall von den Bäumen herab und ihre bläulichen Trauben luden uns nicht umsonst zu ihrem Genusse eiu. Trotz der spaten Jahreszeit sammelte ich doch hie und da „och Spatlinge, und von Kutais bis Sugdidi fand ich folgende Pflanzen blühend: (^porus i1:ive50Ln8 1^. /3 maximus, l^> NvlNi L. ft]., C. australis Schrad., Saccharum cylindricum Lam., Crocus speciosus M. 15,, Tragopogon heterosperrnus Schweig., Hiera-cium umbellatum L., Anisodcris rhoeadifolia F. et M., Carpe-sium abrotanoides L., C. cernuum L., Senecio rupestris YV. et K., Rhododcndrum ponticum L., Azalea pontica L. ß au-tumnalls, Peiiploca gracca L., Ajuga pyramidalis L., Lycopus exaltatus L., Calamintha umbrosa Rchb., Bethonica n. sp., Physalis Alkekengi L., Epilobium Dodonsei Vill., Potentilla subpcdata Ct Koch mi& Astragalus flaccidus M. B. Am Nachmittag desselben Tages kam ich in Sugdidi an und fand einen erhabenen, von Bäumen rings umgebenen Platz, auf dem die fürstlichen Gebäude ohne alle Ordnung und zerstreut lagen. Ich hatte mir die Residenz des Dadians stattlicher ge« dacht. Der Muraff (Kreishauptmann) führte mich zum Secretär des Fürsten, der mich in seinem geräumigen Zimmer aufnahm. Leider brachte mein Erscheinen in dem fürstlichen Hause keine Freude hervor, und nur der angebornen Gastfreundschaft und der besondern Empfehlung des Oberbefehlshabers, der mtterdeß hier gewesen war, hatte ich es zu verdanken daß ich nicht ebenso wie Dubois in Letschkum aufgenommen wurde. Reisende werden stets von den regierenden Fürsten Mingreliens mit schelem Auge angesehen, und wenn sie jetzt auch nicht mehr den Verationen, wie weiland Chardin, ausgesetzt sind, so sucht man doch so schnell als möglich sich ihrer zu entledigen. Klaproth hat die j,etzt herrschende Dynastie zuerst in ihrem Argwohn bestärkt, indem er den erbärmlichen Zustand des Landrs schilderte wie er ihn fand. Ein unglückliches Misiversiandniß zwischen dem Dadian und Nordmaml, *) *) Nordmann, Professor der Naturgeschichte auf dem Lyceum in Odessa, machte in demselben Jahre W BegleitungMllingers, eines Sohnes 188 was wellige Wochen vorher stattgefunden hatte, trug noch dazu bei mich z« verdächtigen, und wundern darf es deßhalb nicht, wenn der Dadian die wissenschaftliche Tendenz meiner Reise gar nicht begreifen konnte und in seinem Aerger unwillig ausgerufen haben soll: „Warum sagt mir es nicht der Kaiser, ich wollte ihm so viel Heu schicken als er verlangt, nur die Gelehrten mag er mir fernhalten." Der gute Manu schätzte auch den Menschen nur nach den Epauletten, und als der Fürst Konstantin Suworoff ihn besnchte, hielt er ihn anfangs, weil er keine Epauletten trug für einen Bedienten mid drückte später darüber seine Verwunderung ans. Zum Glück fand ich in Sugdidi zwei Menschen, die der deutschen Sprache mächtig waren und mich als Landoleute begrüßten, einen Arzt und einen Schneider. Der erste wurde von der Negierung dem Fürsten gehalten und führt hier in dieser traurigen Zurückgezogenheit ein Leben, was in einem beständigen Nichtsthun besteht. Nicht ungebildet, denn er rebcte vier Sprachen fertig, fehlte ihm doch aller Sinn für das Höhere in einem Lande, wo er so viel hätte thnn können. Als Militärarzt war ihm die Subordination zur zweiten Natur geworden, und beständig mußten die ihm beigegebenen beiden Diener steif und unverwandten Blickes an der Thüre stehen, um des Herrn Befehle zu empfangen. Milde gegen Untergebene vertrug sich mit seinen Ansichten durchaus nicht, und er konnte nicht begreifen, wie man in Deutschland, wo alle Menschen hoch und gering vor dem Gesetze gleich stehen, ruhig über die Straße gehen könnte, ohne l'nsultirt zu werden. Und dieser Arzt wollte ein Deutscher, dessen Vater aus Ver-lin stammte, seyn? Der Schneider war ein geraufter Jude aus Riga und hatte sich nach mancherlei Schicksalen nach Mingrelien verirrt, um daselbst Hofschneider und erster Kammerdiener des des bekannten Münchener Anatomen, eine natnrhistorische Reise, deren Bericht in dem Bulletin der Petersburger Akademie abgedruckt ist, nach dem westlichen Kaukasus. Trotzdem er eines lahmen Fußes halber gezwungen ist am Stocke zu gehen, besiegte er doch alle Hindernisse und Mühen einer solchen Reise und krhrte in demselben Jahre glücklich nach Odessa zurück. Nicht so der arme Döllinger, der von den in Mingrelien herrschenden Fiebern sich den Keim zu seinem bnl-digen Tode geholt hatte. 189 weiblichen Theils der Familie zu werden. Um diese brauchbare Person für immer zu haben, versprach der Dadian ihn zum Edelmann zu machen, mit einem gnadigen Fräulein zu verheurathen und ihm einen jährlichen Gehalt auszuzahlen. Die beiden ersten Punkte wurden alsbald vollzogen, aber als der glückliche Mann zum erstenmal mit seiner Frau alleiu ist, fmdet er sich betrogen, denn anstatt einer ganzen Frau hatte er eine einarmige erhalten. Seine Klagen halfen nichts, denn der Dadian berief sich auf die Zeugen des kirchlichen Actes; da aber auch der Gehalt nicht kam, beschwerte cr sich bei der russischen Regierung, die denn auch die Ehe aunullirte nnd gebot ihn frei zu geben. Mit großer Gefälligkeit diente mir der Arzt in meinen fernern Verhandlungen mit dem Dadiau und stellte mich den einzelnen Gliedern der Familie vor. Das fürstliche Palais erinnerte mich an unsre Ritterzeiten. Ein überdeckter Gang führte eine schlechte hölzerne Treppe aufwärts in den grosten Vorsaal, vor dem mehrere Fürsten oder Vasallen die Ehrenwache hielten. In seinem Zimmer, in dem die rotksammtnen Tapeten schon lange zu bleichen begonnen hatten, empfing mich der Dadian, ein Sechziger, auf acht orientalische Weise, d. h. mit einem Schwall von Schmeichelworten und blumigen Redensarten, von denen ich ganz verdutzt wurde und deßhalb meinen Uebelsetzer bat, zu erwiedern was er für gut hielt. Viele Vasallen umstanden ihn lautlos auf beiden Seiten der Thüre. Auf einem Sessel der Vorzeit empfing ich die Versicherung, daß in ganz Mingrclien alles zu meiner Disposition stände und einer seiner Fürsten mich dahin begleiten würde, wohin ich es wünschte. Auf meine Fragen nach den Merkwürdigkeiten war aber alles in Mingrclien gewöhnlich und kaum des Seheus werth, nnd hatte ich nicht laut den Wunsch gcausiert, kttschkum, die Schweiz Mingreliens, zu besuchen, so wäre mir dieser romantische Gau wohl für immer verschlossen geblieben. Der Dadian. Lewan mit Namen, stammt aus der fürstlichen Familie der Tschikwani und sein Grosi- oder Nrgrostvater wurde in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von den Türken mit dem Reiche belehnt. *) Der vorige wurde vertrieben, floh mit seiner *) Diese Nachricht, die so viel ich weist nirgends gedruckt ist, verdanke ich einem Mitgliede der jetzt russischen Familie Dadianoss und sie mag die Angaben des unglücklichen Schultz ergänzen. 190 Familie nach Rußland, wo diese Land und Leute erhielt und noch unter dem Namen Dadianoff enstnt. Er lenkte wohl zuerst die Aufmerksamkeit der russischen Selbstherrscher auf das entfernte Mingrelien. Der Streit um Letschkum, was eigentlich den ime-rischen Zaren gehörte, veranlaßte im Jahr 1804 den Vater Lewan Georg sich Rußland zu unterwerfen. Letschkum wurde für immer mit Mingrelien vereinigt. Seitdem hat der Kaiser sich allein das Recht der militärischen Besetzung und der Todesstrafe vorbehalten, zahlt aber dafür eine Penswn. Was der Name Dadian anbelangt, so soll er nach einigen der Name des erstcrn Herrschers von Mingrelien gewesen seyn. Nach Clxndin bedeutet cr so viel als Haupt der Gerechtigkeit, nach Reineggs hingegen Mundschenk, und die grusischen Konige (sagt Dubois) belehnten ihren Mundschenk auf gleiche Weise mit Mingrelien, die Erzieher ihrer Kinder (Atabegs) hingegen mit Sa< Atabego (Achalzich), wie es in den alten Vorzeiten die deutschen Kaiser lhaten. Vrosset ist geneigt, das Wort von dem mingreli-schen Dorfe Dad abzuleiten. So sehr man auch in der neuesten Zeit die Ableitung von Chardin in den Hintergrund gestellt und die von Reineggs vorgezogen hat, so ist die des erster« doch die allein richtige. Thamar hatte ihrem Reiche einen großen Theil Armeniens hinzugefügt und ernannte für die armenischen Provinzen einen Richter, Dadian (von dem armenischen Worte „Dar, der Richter"). Als später diese wiederum verloren gingen, wurden die armenischen Richter nach Mingrelien in gleicher Eigenschaft versetzt und fügten zuerst ihrem Namen Dadian das grusische So-dee, was ebenfalls Richter bedeutet, bei. Später wurde der Titel erblich und ist es noch bis jetzt. Der Erbprinz David, ungefähr 24 Jahre alt, empfing mich in seiner einfachen, ländlichen Wohnung ohne alles Gepränge, und es war mir als wenn er es redlicher mit mir meinte. Leider fehlt ihm bei dem besten Willen, der ihm inznwohnen scheint, die Krafl und Energie, welche nothwendig ist, um das schone Land der traurigen Wildheit und Barbarei, in die es ganz versenkt ist, zu entreißen; die älteste Geschichte seines Landes interessirt ihn und mit Stolz sprach er vom Argonautenznge. Mit vieler Liebe liest er die russischen Uebersetzungen der Werke Cäsars und Tacitus' und versucht sie in das Grusische zu übertragen. Cäsar ist sein Held 191 der ihn Tag und Nacht umschwebt. Zum Glück für ihn und das Land ist er mit der gleich liebenswürdigen, schonen und verständigen Katharina, Fürstin Tschaftschewadse, seic einigen Jahren ver-henrathet und hoffentlich wird sein Schwiegervater nach dem Tode des jetzigen Dadians Lewan die Zügel der Regierung im Namen seines Schwiegersohns ergreifen. Dieser Fürst Tschaftschewadse ist unstreitig der gebildetste Grusier, der während seines langjährigen Aufenthalts in Petersburg und zum Theil im übrigen Europa sich Kenntnisse erworben hat, die man nicht in dieser Ferne sucht. Sollte das schöne Mingrelien, das Land wo (um mit der Bibel zu sprechen) Milch und Honig fieustc, wo einst Cultur herrschte und Handel und Gcwerke blühten, auch ferner von den Dadianen auf gleich barbarische Welse behandelt werden, dann wäre es besser daß Rußland die Fürsten ganz pensionirte. Man vergleiche jetzt Imerien und Mingrelien. Wie glücklich und wohlhabend befinden sich die Bewohner des ersteren Landes im Vergleich mir denen des letztern? Die Unwissenheit und Barbarei ist hier seit dem verständigen Rcgimcnte der Gouverneure Walchossöky und Aglastischeff um vieles gewichen, und wenn auch noch unendlich viel zu verbessern ist und kaum der Schein der Morgendämmerung leuchtet, so hat man doch wenigstens den Anfang gemacht. Das unglückselige Feudalsystem, das eine lange Zeit auch die germanischen Volker unter seiner eisernen Zuchtruthe gedrückt hielt und jeden freien Aufschwung des Volkes boshaft hemmte, ja sogar unmöglich machte, waltet hier noch in seiner ganzen ve,de»b-lichen Strenge, und wahrend in Frankreich. England und Deutschland der Geist des milden Christenthums und der angeborne edle Sinn des Germanen den Konig und die Ritterschaft beherrschte, so ist in Mingrelieu noch derselbe Aber- oder Unglaube, wie ihn Chardin schildert, zu Hanse. Wenn auch einzelnen der Ritter ein reineres Gefühl nicht abzusprechen ist, so hat doch die Barbarei der seit Jahrhunderten herrschenden Dadiane eine große Abneigung gegen alle Cultur hervorgerufen. Wie das Thier lebt das V^lk in seinen Waldern und vermag trotz der fruchtbaren Gegend kaum sein armseliges Gomi sich zu bauen und seinen Leib mit Lumpen zu bedecken. Nirgends sieht man den geringsten Wohlstand, und wo er sich auch blicken ließe, da wäre er auch bald wieder vernichtet. Die russische Regierung hat in Sugdidi eine Schule er- 192 bauen lassen und bezahlt Lehrer; aber der Dadian Lewan, jeder Cultur, die ihm je Schranken anweisen könnte, feind, untersagte allen Fürsten und Bauern ihre Kinder in die Schule zu schicken, und so sieht sie vielleicht jetzt noch leer, und der Lehrer streckt sich ruhig auf die Bärenhaut. Am Hartesten drückt das Necht des Dadiau und aller Herren, bei ihren Unterthanen sich so lange eiuzuquartieren bis alles aufgezehrt ist, die armen Einwohner und, außerdem daß taglich eine bestimmte Anzahl von Schlachtvieh und Hirse au den fürstlichen Hof geliefert wird, durchzieht der Dadiau mit meist großem Gefolge sein Laud nach allen Richtungen, sick bei deneu seiner Unterthauen, wo er etwas zu finden glaubt, einnistend. Wie ist unter solchen Umständen nur der geringste Wohlstand möglich? Kennt die russische Regierung diese grausame Sitte? Hat man dem Kaiser, dem ein großes Gefühl für Recht iuwohnc und der den besten Willen alle Mißbrauche abzuschaffen besitzt, den wahren Bestand vorgelegt? Viel ist zu seiner Kunde gekommen und viel haben wir demnach zu hoffen. Vom Erbprinzen führte mich der Arzt zu der Gemahlin des Dadian, und eine geraume Zeit sasi ich neben der Frau von der ich so viel gehört hatte, und die mir deutlich genug zu verstehen gab dast sie uur ungeru mich sah. Ihre Unterredung war lebhaft und zum Theil geistreicher wie die des Dadian. Sie erkundigte sich viel uach dem Zustande der deutscheu Frauen und pries diese glücklich, da sie nicht wie hier dem blinden Willen der Männer unterworfen wären. Sind sie schon? frug sie weiter, und vermögen sie mit den Grusierinneu zu wetteifern? fügte sie im Gefühle ihres eigenen Werthes hinzu. Sie war vou bedeutender Corpulenz, trug aber noch die Spuren einer frühern großen Schönheit. In die gewöhnliche grusische Kleidung gehüllt, zeichnete sich nur ihr prachtvolles Diadem aus. Lacherlich war es mir aber, daß sie aus ihrem offeneu Busen von Zeit zu Zeit eine hübsche Schnupftabaksdose hervorholte. Dicse Fürstin, Martha mit Namen, stammt aus dem berühmten imerischeu Geschlechte der Zercreli, und zwar aus der Linie der Owoy, und beherrschte mit ihrem Bruder David dcu Dadian und das ganze Land. Schon Dubois erwähnt die Grausamkeit des letztern, dcr eines Mordes halber feiner Bischofsstelle in Martwili entsetzt wurde und eine Zeitlang außerhalb Mingreliell wohnen mußte, und die Ränke und Ehrsucht der erstem. Der Bischof Zereteli ist in hohem Grade der Wollust ergeben und entführte mit Hülfe seiner Schwester ein schönes Mädchen ans einer angesehenen Familie. Umsonst forschte der unglückliche Vater nach seiner Tochter, wenn auch jedermann sich sagte, daß der Bischof der Thater seyn müsse. Das Mädchen widersetzte sich allen Zudringlichkeiten des Räubers und ertrug die härteste Behandlung. Da erfuhr sie die Ankunft des Kaisers, und im Schreiben unbewandert, stickte sie schnell ihre Entführung auf ein Tuch und ließ es durch eine vertraute Dienerin dem Kaiser in Kutais überreichen. Das Mädchen wurde sogleich in Freiheit gesetzt; was aber nach der strengen Untersuchnng dem Bischof geschehen ist, weiß ich nicht. Erinnert nicht diese Geschichte an die M"the der Philomele? Die älteste Tochter Nino, im ganzen Kaukasns durch ihre Schönheit berühmt und die Rose Grusiens genannt, war seit l4 Tagen an den Fürsten Vagration-Muchnansky aus königlich grusischem Geschlechte verhenrathet, und da ihr Gemahl schon während seines knrzen Aufenthaltes in Tifiis gegen mich freundlich gewesen war, so kam er auch mir, als ich ihm meine Aufwartung machte, in meinem Wunsche zuvor und stellte mich seiner jugendlichen Gemahlin vor. Veioe waren in ächt grusischer Nationalkleidung. Die Fürstin empfing mich nmgeben von eincr Anzahl ihrer jugendlichen Freundinnen, die unter einander an Schönheit wetteiferten, aber im Vergleich zu ihrer Herrin m,r Sterne waren, die erst sichtbar werden we»» die Sonne sich entfernt. Die Liebenswürdigkeit des Fürsten gestattete mir auf dem Divan neben seiner reizenden Gattin mich niederzulassen, und um der europäischen Sitte, mit der er gern vertraut seyn wollte, zu genügen, hatte er gewünscht, daß sämmtliche Damen ii» meiner Gegenwart entschleiert erschienen. Im Verlaufe meiner kaukasischen Reise hatte ich oft Gelegenheit die kaukasischen Frauen der indogermanischen Vblker wegen ih^r Schönheit zu bewundern, als ich aber neben der Fürstin Nino saß, hätte ich mit jenem Araber, welcher, alö e.- zuerst eine Tsche»kessil, sah. der Gottheit ein Loblied anstimmte, ausrufen mbgen: „Gott du bist groß und deine Merke wunderbar." Im vollen Sinne des Wotts geblendet s«iß ich sprachlos leisen m>d L>md>'!'bcs>l'N'!l'>,ngcn. XXV. 13 (Neise nach Kankasi?« ) 194 und wagte kaum zu athmen, denn ich fürchtete mein Athem möchte der Engelsgestalt nur schaden. Schüchtern schlug ich die Augen auf und senkte sie wieder, denn die strahlende Schönheit, der ich mich so nahe befand, fesselte alle meine Sinne und umgab mich mit einem magischen Zauber der mich gefangen hielt. Sie war in Seide, Gold u«»d Silber gekleidet, aber so sehr dieses alles auch strahlen mochte, es blieb nur ein matter Schimmer gegen die Sonne welche es umgab. Unsere Unterhaltung, die im Anfang durch meine Schweigsamkeit nur karg geführt wurde, erhielt besonders durch die Liebenswürdigkeit des Fürsteu Regsamkeit, zu der sich allmählich Scherz gesellte. Der zärtliche Gemahl neckte fortwährend die Geliebte seines Herzens und diese beklagte sich lächelnd über die Zudringlichkeit ihres Gatten, der ihre Lippen wund geküßt habe. Unter ihren Freundinnen befand sich auch ihre jüngere Schwester, die schon seit ihrem zehnten Jahre an einen 12jährigen ab-chasischen Fürsten aus der herrschenden Familie stammend verheu-rathet ist. Leider kommen diese frühen, der Entwicklung beider Gatten so schädlichen Verheurathungen nicht selten inGrusien vor, und diese Ehe hatte sichtbar auf beide Theile höchst nachtheilig gewirkt, so daß der Arzt mit Recht für beider Gesundheit besorgt, eine zeitliche Trennung der Gatten als Heilmittel ausgesprochen hatte. Mein letzter Besuch endlich in Sugdidi fand bei dem General Especho, einem Spanier von Geburt und Chef aller in Min? grellen und Abchasien stehenden Truppen, statt. Von ihm zog ich mehrere Nachrichten über das Land ein, und seinem Rathe zufolge entschloß ich mich den romantischen Gau Letschkum zu besuchen. Trotz der grosien Versprechungen des Dadian erhielt ich erst am 2 November die Begleitung des Fürsten Saal Pagawa und hinlänglich Pferde, um denselben Weg bis zu dem Kloster Mart-rvili wiederum zurückzulegen. Die Verspätung erlaubte mir nicht an demselben Tage bis dahin zu gelangen, und so war es mir angenehm als ich, nachdem ich den Dschani *) m,d Chopi durchritten, am Zuwa meinen Freund Witte wiederum auf der Straße fand und später in einem '/2 Stunde entfernten uud im Walde ») Ohne Zweifel der Cpaneus der Alten, 195 liegenden Dorfe die Nacht zubringen konnte. Ich war allein im Lager geblieben und hatte mich so sehr den angenehmen Gesprächen hingegeben, daß lange Nacht eingetreten war, bevor ich an das Zurückgehen dachte. Allem war es unmöglich, den Weg in dieser stock? finstern Nacht nach dem Dorfe zu finden und so begleitete mich ein Soldat, der ihn zu kennen vorgab. Als wir ^eine halbe Stunde im Walde gegangen, war plötzlich der Pfad zu Ende und so standen wir, kaum einen Schritt vor uns hinsehend, allein in dem dichten Gestrauch. Das Geheul der Schakals, welch« in ungeheurer Anzahl ganz Grusien bewohnen, umtdnte uns schauerlich und dicht neben uns hörten wir Brechen und Knacken im dichten Gebüsch. Ohne alle Waffen wurde ich doch allmählich ängstlich» Ich überlegte lange was zu thun sey, zumal der dumme Soldat gar keinen Rath geben tonnte. Ich legte mich auf die Erde um vielleicht Stimmen zu vernehmen, aber wiederum ertönte nur gleich dem schreienden Gewimmer eines Kindes das Heulen der raubsüchtigen Schakals. Auf meinen Ortssinn bauend ging ich endlich denselben Weg, der im Anfang mit der größten Aufmerksamkeit aufgefunden werden konnte, zurück, und genau die Gegend ermessend wo das Dorf liegen mußte, verfolgte ich einen neuen Pfad den ich in einem minder dichtem Gehölz aufgefunden, und befand mich plötzlich wieder ohne Weg. Es war eine verzweifelte Lage, und da ich vergebens den Rückweg suchte, war ich fest entschlossen die Nacht an der Stelle zu bleiben, um mich nicht in dem unendlichen Walde zu verirren. Da fiel mir noch ein einen Baum zn ersteigen, ob ich vielleicht von ihm das Feuer des Lagers erschauen konnte. Oben bemerkte ich einen hellen Schimmer, aus dem Rauch emporzusteigen schien. Glücklich darüber stieg ich wieder herab, zertheilte langsam und mit Vorsicht das dichte Gebüsch das zum Glück allmählich dünner wurde. Plötzlich erblickte ich in weiter Ferne 20 bis 30 bewaffnete Menschen, die alle mir fremd schienen, um ein Feuer herumsitzend, und große Hunde lagen neben ihncn. Eiligst legten wir uns auf den Boden und nur Rauber ahnend, suchten wir ,ms so still als wöglich wieder zu entfernen. Da schlugen plötzlich die Hunde au und der ganze Trupp Manner sprang auf. Allmählich wurde es wie? der ruhig und es war mir als hdrte ich aus dem Kreise die Stimme meines Joseph. Da kroch ich noch einige Schritte vor- 13 "' 196 warts und horchte von neuem, und denselben Ton vernahmen meine Ohren. Da faßte ich mich und mit lauter Stimme rief ich: ,.Ioseph." Mit einem Nu waren alle Männer aufgestanden und die Hunde stürzten laut bellend mir entgegen. Hier! Badono! (gnadiger Herr) ertönte die Stimme meines Uebersetzers, und von der peinlichen Lage befreit eilte ich festen Schrittes dem Feuer zu. In aller Flühe ritt ich am nächsten Morgen ans und fand am Techur einen andern knrlandischen Deutschen, Zille, der freundlichst mit Thee mich bewirthete. Gegen Mittag erstieg ich den kegelförmigen Berg, ans dem das berühmte Kloster Martwili, von dessen Umgebungen ich schon gesprochen, liegt. Diestmal war ich glücklicher und erhielt im Kloster eine geräumige Zelle, um daselbst eln wohlschmeckendes Mahl einzunehmen. Durch die Verwen« dung des mich begleitenden Fürsten empfing mich der Bischof Georg Kuchalowi, ein starker, ehrwürdiger Mann von einigen und sechzig Jahren, auf seinem Zimmer. Auf meinen Wunsch wurde mir auch die Kirche mit ihren fünf Capellen geöffnet. Leider hat die verruchte Hand der Türken und die alles verwüstende Zeit machtig an ihren Steinen gerüttelt und die meisten außerhalb oder in den Vorraumen befindlichen Bilder zerstört oder geschändet. Nach Dubois, der übrigens eine detaillirte Beschreibung von ihr gibt, *) soll sie den heiligen Märtyrern geweiht seyn, allein nach der Aussage des Bischofes ist sie der hinscheidenden Maria gewidmet. Ihr Vild (von dem Dubois trotzdem es wichtig ist, nichts erwähnt) scheint sehr alt zu seyn und ist überall mit Edelsteinen besetzt. In seiner Mitte enthalt es ein Stück ans dem Kleide der Mutter Gottes. Der verstorbene Kaiser Alexander ließ das Vild nach Petersburg kommen und es in einen goldenen Rahmen fassen. Außerdem erhielt die Maria nocheiue Strablenkrone von Perlen. Nach der Sage soll der Apostel Andreas, der hier die ersten Spurendes Christenthums hinterlassen hat, dieKirche erbaut haben ;**) *) I)lll'o>8 Vn)Äße; 'Inni. III. s»a^. 59. **) Nach Köllig Wachtangs V. Chronik kamen von den zwölf heiligen Aposteln Aiidrill und Suimo» der.kananeer nach Abchasethi unbEgrißi, wo der heilige Snimon in der Stadt Nikoli (Änakopi) starb; Andria bekehrte aber die Megrelm, d. i. Mngrelier. S. Klaproth Neise. TH. II. Seite 113. 497 nach einer andern soll sie unter Constantin dem Großen entstanden seyn. Wahrscheinlich ist es, daß sie kurz nach der Gründung von Etschmiadstn und Slon bei Gori erbaut ist. Sie war vielen Veränderungen unterworfen. Vielleicht hat hier der Tempel von Leuko-thea gestanden, zumal man hie und da noch ältere Spuren findet, und die Sage selbst noch geht, daß unter einer alten Eiche hier einst den Göttern geopfert wurde. Der Name Martwili soll in der alten Ursprache (in der lazischen oder kolchischen?) König der Eichen bedeuten. Neben der Kirche steht ein großer viereckiger Thurm, der sich in nichts von den übrigen kaukasischen Gebäuden dieser Art unterscheidet. Ich weiß nicht, wie ihn Dubois für einen Glockenthurm halten konnte. Er dient jetzt einem Einsiedler von (damals 35) Jahren zur Wohnung, und eine hohe Treppe führt von außen zu der wie bei allen kaukasischen Thürmen hohen Thüre. Der Unglückliche glaubt, wenn er da drinnen abgeschlossen von aller Menschheit in Gebeten sein Leben beschließt, der Gottheit einen Dienst zu erweisen! Leider soll es mehr Heuchelei als Frömmigkeit seyn, was ihn bestimmt hat. Als ein Wunder wurde mir von den Mönchen erzählt, daß hart am Thurme nach jedem Negeu ein blaues Flämmchen sich zeige, und den besondern Schutz der Gottheit bedeute. Erst spat ritten wir von Martwili weg nach dem Gebiete deS Fürsten Alexander Tschikoani, der von nun an mein Begleiter werden sollte, und trafen, als es dunkelte, in Kuuci ein. Auf dem Wege begegnete uns ein großer, wohl gegen hundert Menschen fassender Zug in große Trauer gehüllt, da er eben von der Beerdigung eines angesehenen Fürsten zurückkam. Die Frauen, wie die Manner auf den Pferden sitzend, waren tief verschleiert, und ritten, als sie mir begegnen sollten, sämmtlich von der Straße ab. Kunci liegt auf der westlichen Seite des das Thal der Abascha von dem des Pferdefiusses scheidenden Bergrückens und die Umgebung erinnerte mich wegen der grünen hügeligen Abwechslungen an manche Gegenden aus der Nähe von St. Gallen in der Schweiz. Nirgends blickte ein nackter Felsen hervor, sondern überall bedeckten Gräser und zum Theil noch blühende Kräuter den nackten Boden. Erlengebüsch fand in den Niederungen sich einzeln vor, und an den Bäumen schlangelte sich die Weinrebe, deren Blätter zum Theil 198 abgefallen waren, oder schon die rothe Färbung angenommen hatten dicht mit blauen Trauben bedeckt, empor. Die Höhen waren mit Eschen und Maulbeerbäumen regelmäßig bepflanzt, und diese abgestutzt, benutzten die Einwohner, um die bessern Weinreben, deren Trauben man nur zur Weinbereitung verwandte, daselbst empor^ ranken zu lassen. Woraus der Boden bestand, weiß ich nicht mit Gewißheit zu sagen, aber wahrscheinlich war es derselbe Grobkalk, der den ganzen Rücken des Verges bildete, und wahrend er auf jener Seite plutonischen Zerstörungen unterworfen war, war es hier ruhig geblieben, und die unterirdische Gewalt vermochte nur hie und da unbedeutende Hebungen zu machen. Die Nacht hindurch war mein Aufenthalt nicht der angenehmste, denn wenn ich auch weniger von dem Ungeziefer zu leiden hatte, so waren Ratten um so unverschämter, und nagten wahrend ich ruhig lag, sogar an meinen Stiefeln. Unglücklicher Weise be« fand ich mich an einer Stelle, wohin das über uns sitzende Federvieh seine Zuflucht nahm, als der Morgen anbrach. Trotz allen Bittens erhielt ich am andern Morgen (4 November) nicht eher Pferde, als bis die Sonne den Zenith erreicht hatte. Der Weg führte über den Rücken des Berges hinweg in das Thal des Pferdeflusses, das einen ganz verschiedenen Charakter besaß. Grobkalk bildete hler schroffe Felsenwande, die durch emporgetriebenen Melaphyr diese senkrechten Stellungen erhalten hatten, und wurde durch dicscn häufig unterbrochen. Ueber uns ragte die Burg von Gordi, welche der Vater meines Begleiters Michael David Otja Tschikoam hartnäckig gegen die bedeutende Macht des imerischen Zares Salomo vertheidigte, um U'tterthan des Dadian, zu dem er früher nur im geringen Grade einer Abhängigkeit stand, zu werden. Der Dadian übernahm später die Vestc, und erbaute sich sogar auf der Hochebene, auf der vorn auf einem Felsen dl'e Burg liegt, eine Sommer-Wohnung. Aber nur mit Widerwillen fügten sich die reichen Tschikoani der Nothwendigkeit. Meinem Wunsch, die Höhe zu ersteige», wurde gewillfahrt und im Zickzack reitend erreichten wir alsbald die reizende Hochebene, von der eme herrliche Allssicht nach dem Süden, Osten und Westen mich erfreute. Leider konnte ich selbst von dem Besitzer dieser l99 romantische!, Gegenden gar nichts über die Geschichte erfahren; Fürst Alexander kannte seine Vorsahren nur bis zu seinem Urgroßvater. Das Dorf Gordi befindet sich an der ost-nördlichen Seite des Berges, und liegt wie alle Dörfer der ganzen Umgegend zerstreut, so daß es wohl einen Umfang von einer Stunde einnehmen kann. Im Thale des Pferdeflusses wiederum angekommen, setzten wir unsern Marsch den Fluß aufwärts fort. Ein Bataillon Soldaten fängt auch hier an einen Weg nach Letschkum zu bahnen, hat ihn aber nur erst da, wo es am wenigsten nöthig, begonnen. Ungefähr zwei Stunden lang ist das Thal breit, und in hohem Grade lieblich; Churmen- (vio^yro» I^om» L), Kastanien- und Wallnußbaume, an denen sich wiederum der Wein emporschlängelt, befinden sich von oft bedeutender Starke in ihm. Allmählich wurde es aber enger, und der Pfad schmäler, und dasselbe Thal, wie ich es über Msere in Radscha beschrieben habe, wiederholte sich. Aber "s war weniger wild und urwäldlich in ihm, a» romantischen Felsenpartien und pikanten Punkten hingegen gab es nichts nach. Es erschienen wiederum dieselben schroffen, aber nicht so hohen Felsemvande des granschwärzlichen Thonschiefers, und eben so dieselben zerrissenen Schluchten, in denen jene oben genannten immergrünen Sträucher besonders Vurbaum von enormer Große, und TiU'baum mit feinern Nadeln, üppig wucherten, und von den vielen herabstürzenden Bächen reichliche Nahrung erhielten. Liebliche Farrnkrauter erhöhten den Neiz der ganzen Gegend durch ihr reines Grün, und stachen wunderbar gegen das graue Schwarz der Felsen ab. Hie und da hatte Melaphyr die Schieferdecke durchbrochen, oder Kalktrümmer bedeckte» noch das schwärzliche Gestein. Allmählich wnrde es wilder, und Buchen und Eichen verdrängten das übrige Gebüsch, als wir in dem Dorfe Guerdi*) ankamen, und bei einem mingrelischen Edelmanne ein freundliches Unterkommen fanden. Nacht war eingetreten und allenthalben brannten unter uns in dem Thale die Wälder. Diese Verge, welche oft 1000 und mehr Fuß den Flust überragten, und an ihnen die feurigen Streifen, die hoch flackernd ihre Flammen herumwarfen um neue Nahrung zu suchen, boten einen seltenen Anblick dar. ----------------- ,n^- *) Wahrscheinlich ist das Dorf Vou^di des Dubois (Vo^ßc 'lom.'ll. l»2ß.455.) dasselbe. 2W Die Ursachen, warum man die Wälder anzündet, sind verschieben. In Radscha, Imcrien und Ossien geschieht es, um Platz zum Anbau des Getreides zu erhalten, oder nm fur deu Winter trockenes Holz zu besitzen. Indem in der Negel nur das kleinere Gesträuch und die trockenen Kräuter brennen, bleiben die grdßern Bäume stehen, gehen aber durch die bedeutende Hitze zu Grunde. Wenn der Kaukasier dann trockenes Holz braucht, geht er in den Wald um sich einen solchen Baum zu fallen. Die Fruchtbarkeit an solchen verbrannten Stellen ist enorm, und wenn die Kaukasier sie nicht zum Anbau ihrer Gomi gebrauchen, wuchern die schönsten Krauter, an denen das Vieh im nächsten Jahre ein herrliches Futter findet, dafür. Oft geschieht das Anzünden anch nnr der Jagd halber, um die vielen Schlingpflanzen zu zerstören und sich dadurch den Durchgang leichter zu machen. Die Fener brannten noch am andern Tage, und wir waren »ft gezwungen sie zu durchreiten. Leider entstand dadurch im Thale eine unerträgliche Hitze und die emporsteigenden Rauchwolken'ver, wehrten mir die Fernsicht. Das Thal des Pfcrdeflnsses setzt sich auf dieselbe Weise fort, nur herrschte jetzt Porphyr in verschiedenen Gestalten, besonders aber als Melaphyr vor. Es schien mir anch als wenn Vasaltsäulen auf dem entgegengesetzten Ufer sich befanden; der Thonschiefer war ganz verschwunden, mochte aber wohl noch in der Tiefe des Thales, vielleicht im Flußbette selbst vorhanden seyn. Hie und da trat Kalk hervor und bedeckte zum Theil die Höhen. Je näher wir dem Dorfe Ogurcsch kamen, um so häufiger erschien er, bis er daselbst alle Hohen bedeckte, aber deutlich die Cpnrcn der unterirdischen Gewalten trug. In Oguresch befindet sich eine Kirche mir dem Vildnisi des heiligen Georg in Messing geschlagen, und es gchr die Sage, daß der Heilige selbst hier ein Gotteohauo erbaut habe, und zwar auf der Stelle wo jetzt eine Linde steht. Das Thal des Pferdesinsscs wurde allmählich noch enger und der Weg iu ihm gefährlicher; wir verließen es deßhalb, und erstiegen einen mit Eichen und Vuchen dicht besetzten Thonschieferberg, von dem aus uns das wildromantische Thal südwestlich lag. In demselben ragte ein Porphprkcgel hervor, auf dem die Vu-rg 20l Subi steht. Weiter vor uns befand sich das Kloster Namarna mit einer neuen, von der Fürstin Martha erbauten Kirche. Endlich erreichten wir die Höhe und das schöne Bassin dcS Pferdeflusses, was hier eigentlich den Namen ketschkum führt, er« öffnete sich unsern Blicken. Die Burg Muri und hinter ihr Berge, die ihre Häupter kühn gegen den Himmel sireckten, schlössen den Horizont im Norden. Wenn schon das Aufsteigen beschwerlich war, so wurde das Absteigen wahrhaft gefährlich und mit vieler Mühe kletterten wir an Abhängen und tiefen Schluchten über Grobkalk-Trümmer und Porphyrblöcke dem Flußbette der Dschonauli zu. Dieser reißende und laut tosende Bergbach ist durch seine verschiedenen Ufer interessant, uud während hier der Kalk einer Mauer gleich den Fluß einengt, so bietet das entgegengesetzte Ufer steile, zerrissene und zum Theil spitzzulaufende Felsenwände aus schwärzlichem Thonschiefer gebildet dar. Der Thonschiefer ist zwar allenthalben das Grund- oder Urgebivge des kaukasischen Isthmus, wird aber auf beiden Seiten desselben von Kalk verschiedener Art bedeckt. Während von Gordi an und vielleicht noch früher der Grobkalk, der uutcru Krcidcschicht angehörend, *) bis zur Dschonauli erscheint, so tritt in dem Bassin des Pferdeflusses wiederum derselbe Kalt auf, wie er sich auf deu äußern Seiten der süd- und nordossischen Gebirge unmittelbar dem Thonschiefer anlagert und anfänglich selbst schicfrig erscheint. Ich möchte deßhalb ihn als ächten Utbergangskalk bezeichnen, während Dubois ihn Jurakalk nennt. Das ganze Bassin oder das eigentliche Letschkum ähnelt ,m hohen Grade dem oberu Thale des Tcrek oberhalb Kasbek hin-sichtl.ch seiner Gestalt. Aber nicht Thonschiefer bildet den Boden, londern cben dieser Uebergangskalk, und «ur die hdheru Verge, welche das Bassin einschließen, bestehen zum Theil aus ihm Hie l^".^ "' vou Grauwacke, die zum Theil schiefrig auftritt, vedeckr. **) D.e nächsten und niedrigern Berge enthalteu wiederum Kalk, am Fuße aber häufig Thonschiefer. Hie und da, aber durchaus n.cht zusammenhängend kommen vulcanische Durchbrüche eines ''«r«fmV./:U? z^ .7" »"""" "" >"" -5«'» 20% schwärzlichen, zum Theil verglasten Porphyrs nnd Hebungen unterirdischer Gesteme, meist in Trümmern vor. Das ganze Bassin, das der Pferdestuß oft in mehrern Armen durchstießt, ist zum großen Theil mit Gerolle bedeckt, und daher weniger angebaut. Im Frühjahr wenn der Schnee auf den Höhen schmilzt, wird es nicht selten ganz überschwemmt, und dieselbe Erscheinung wiederholt sich bisweilen im Sommer. Alle Dörfer liegen deßhalb an den weniger abschüssigen Seiten der nahen nicht hohen Berge, und die benutzten Felder, so wie die Menge der Weinreben bezeugten die Fruchtbarkeit, welche hier der Thonschieferboden besitzt. Die steilen besonders porphyrigen Hohen waren zu Burgen benutzt und allenthalben fand ich die schon beschriebenen viereckigen kaukasischen Thürme. In dem Bassin, das wohl eine Lange von 2 — 3 Stunden haben mag, angelangt, waren wir gezwungen den reißenden Pferdefluß zu durchreiten, und am obern Ende angekommen führte uns eine halsbrecherische Brücke wiederum auf das jenseitige Ufer, wo einige neuerbaute hölzerne Hauser des Dadiau uns geöffnet wurden. Trotz der vorgerückten Jahreszeit war ich doch so glücklich, noch mehrere Pflanzen einzusammeln. In den mingrelischen Wäldern fand ich mehrere Farrnkräurer, welche sämmtlich aber von den unsrigen nicht verschieden waren, nämlich: I^äN-ea «UIstÄtg I^osl L., filix mas Prcsl, Aspidium iilix femina Sw., Struthiopteris Zerinanica W., ?t6ri» g^uilin» 1^, in ungeheurer Menge und von bedeutender Größe ?o^poc!iu,m v^garo ^., ill dem Thale des Pferdestusses an Felsen hingegen: Aspidium aculeatum Svv., Asple-nium Adiantum nigrum L., unb bte iibrigen steinern SMrteu Adian-tum capillus L., ßlechnum septentrionale Wallr., Scolopen-drium oi'sicinarum Sw., Cystopteris fragtlis Bemh. nub Ceterach officinarum C. Bauh. 2In ^)I)stneroflöJtien Ic^te id; etn; Amaran-tus retroflexus L,, (?) paniculatus L-, (?) Kentrophyllum lana-tum DC. et Dub., Senecio crucifolius L., Eupatorium canna-binum L., Scabiosa Columbaria L., Verbascum Blattaria L-, Cyclamen vernum Rchb.? Dianthus collinus W. et K., Berteroa adsccndens C. Koch, Cardaminc tenera Grn. jun., Lathyrus vcr-nus Bernb. unb Psoralea acaulis Stev. Anhaltender Regen hielt mich in dieser freundlichen Gegend einige Tage gefangen, und nur mit Mühe erstieg ich die nahe Burg, 203 welche dem Dadian als Staatsgefängniß dient. Die unregelmäßig und zerstreut erbauten Gebäude der Burg sind sämmtlich mehr oder weniger thurmahnlich und an und für sich nicht fest. Man hat es auch mehr der Lage auf einem schroffen Felsen, der drohend über dem unten gelegenen Dorfe liegt, zuzuschreiben, daß es dem Vater des jetzigen Dadian gelang, die Burg gegen die bedeutende Macht des imerischeu Königs Salomo zu halten. Leider war mit dem Regen mir auch die Möglichkeit genommen, das nahe Swanien zu besuchen. Die Schlucht von Lukuano, durch die der Pferdefluß kaum dringen kann, scheidet Letschkum von Swanien und beginnt hart bei Muri. Dasselbe Unrecht, was den Vater des jetzigen Dadian bestimmte in der Vedrängniß, in welcher König Salomo sich befand, Letschkum diesem zu entreißen, hat auch den jetzigen angetrieben, sich zum Herrn der um die Quellen des Pferdeftuffes hemmwohnenden Swanier aufzuwerfen und die freien Bewohner der Berge unter sein hartes Joch zu stellen. Von neuem lernen wir hier ein Volk kennen, das seit den ältesten Zeiten unverändert dasselbe geblieben ist. Strabo (als Soanes), Pliuius, Ptolemäus und Procop lassen auf derselben Stelle des Kaukasus die Swanier wohnen, wo sie sich noch be-« finden. So armselig und gering wie sie früher waren, siud sie noch heutzutage. Die Swanier nehmen die rein südlichen AbHange des Elbrus und zwar die hohen Thaler des Iugur und des Pferdefiusses ein. Der Mjatschich-Par und der davon südwestlich auslaufende Muschar scheidet ihr Land ostlich und südöstlich von Radscha; südlich bildet zuerst das Gebirge von Muri die Gränze von Letschkum und dann weiter westlich die Fortsetzung eines Gebirgsarms, den ich nach seiner höchsten Spitze Zcheru nennen will, und der vom Rücken des Kaukasus westlich vom Mjatschich - Par gehend die Thaler des Pferdestusses und des Iugur trennt, die von Egrißi (oder Odischi). Sanmrsachanien liegt im Westen; der Dschumantau und hinter ihm die große Abassah, die Alanen, der Elbrus und hinter ihm die tatarischen Stämme befinden sich im Norden Swaniens. ^ Die Bewohner sind wahrscheinlich mit den Grusiern eines Stammes und sprechen einen grusischen Dialekt. Zum geringen Theil bekennen sie sich zur christlichen Religion und ihre beiden Fürstenhäuser haben sich erst seit der Anwesenheit des Kaisers in TranS« 204 kallkasien taufen lassen. In Sitten m,d Gebräuchen stimmen die Swam'er im Allgemeinen mit den Ossen überein. Ihre Anzahl betragt kaum 24—28,000 Seelen, und von ihnen sind ungefähr 6 — 8000 dem Dadian unterworfen, 12 — 14,000 gehorchen zwei von einander unabhängigen Fürsten nnd gegen 4000 leben völlig unabhängig. Der Atlas des westlichen Rußlands von Schubarth nennt in der östlichsten Spitze desIngurthales einen Stamm Nekrasoffzi oder Malachi. Sollten vielleicht einzelne der Nekrasoff'schen, früher am Kuban lebenden Kosaken, welche wie schon gesagt nach Bessarabien versetzt wurden, Hieher geflüchtet seyn? Dllbois, durch die Tifliser Generalstabs-Karte von 1834 verleitet, glaubt, daß die Quellen desIngur und des westlichen Rion nur durch einen Contrefort des Paß-Ma (Mjatschich-Par) getrennt wären; allein die erster«, so wie das daran liegende große Dorf Bograschi befinden sich weit westlicher, und um vom Ingurthale nach Radscha zu gelangen, muß man erst in das hohe Thal des Pferdeflusses herabsteigen, in dem das große DorfLaschchethi ungefähr so von Gebi entfernt liegt, wie Dubois es vonBograschi angibt. Erst am 8 November wurde der Himmel wieder heiter uud mir möglich meine Weiterreise anzutreten. Bis dahin vergnügte ich mich mit meiner Begleitung so gut als es ging, und Besuch verkürzte uns die Zeit. Der Pfarrer von Murl hielt es für seine Pflicht, mich Mittags zu bewirthen, und wenn ich bei ihm auch nicht Brod fand, so waren doch wenigstens die grusischen Flaten, von denen ich später weitläufiger sprechen werde, mir angenehmer als die Gomi, welche wiederum seit einer Woche meine Haupt» nahrung war. Der gute Pfarrer versuchte bei seinem Gastmahl so europäisch als möglich zu seyn, und hatte durch Joseph mir sogar eine Suppe, die man durch den ganzen Orient nicht liebt und selbst nicht kennt, bereiten lassen. Da es ihm au Tellern fehlte, so lrug man den Braten, das gekochte Fleisch und die Fleisch-Klößchen auf genannten Flaten auf. Der Teller wurde demnach im vollen Sinne des Wortes aufgegessen. Als Dessert bekam ich zähen und in Zöpfe geflochteneu Käse und hieraufObst, unter denen sich ganz vorzügliche Quitten befanden. Bevor wir am Morgen des genannten Tages aufbrachen, nahm ich von dem freundlichen Pfarrer Abschied «nd ließ mir noch 205 die uralte Kirche, die der von Kutais ähnlich ist, zeigen. In ihr liegt der Vater des jetzt regierenden Dadians und der letzte Me« tropolitan von Mingrelien *) begraben. Sie gehört zu dem Dorfe Muri, von dem es heißt, daß es einst eine bedeutende Stadt gewesen seyn soll. Aus jener Zeit mag es wohl noch herstammen, daß jedes Jahr daselbst am 13 September (alten Styles) ein Jahrmarkt gehalten wird, zu dem Kaukasier aus weiterFerue kommen. Mein Weg führte mich quer durch das Bassin des Pferdeflusses über einen unbedeutenden Gebirgsarm in das reizende Thal der Latschana (Ladsauauri bei Dubois), deren Bereich noch zu Letschkum geHort, obgleich dieser reißende Bergfluß nicht in den Pferdefluß, sondern in den Rion selbst sich ergießt. Mein liebenswürdiger fürstlicher Begleiter hatte allenthalben Sorge getragen, daß alles wohin wir kamen in Bereitschaft stand, und doch war eS uns nur möglich heute einen Weg von kaum 3 Stunden zurückzulegen. Wie in Ossien, so war anch hier die Gastfreundschaft das Hinderniß, das mich de» wissenschafllichen Untersuchungen entzog, und kaum waren wir in Orbeli, einem Dorfe mit ciuem festen Schlosse angekommen, so forderte mich der dortige Schulze auf, doch bei ihm das Mittagsmahl einzunehmen. Das ganze männliche Personal des Dorfes fand sich eiu und schmauste unter allgemeiner Fröhlichkeit mit uns. Bevor ich abreiste, besuchte ich noch das feste Schloß, was kühn auf einem schroffen Felsen, der sich aus derselben Art von Kalk, wie ich ihn im engen Pferdeflußthale angegeben habe, emporgehoben hat, erbaut ist. Es ist auf dieselbe Weise wie Muri erbaut, „ur kleiner, und wie dort beschützt es ein Burgvogt des Dadians mit einige», Leuten. Ein herrlicher Anblick wurde mir von dem einen viereckigen Thurme und der ganze kaum 10N0 — 1500 Fuß über dem Bassin hohe Gebirgsarm mit seinen vielen kegelförmigen, obcn meist abgerundeten Globkalkhdhen breitete sich vor mir ans. Alles war grüu und au abgestutzte,, Erlen und Eschen schlangelte sich die Weinrebe empor. Ueberall sah ich Spuren der Gomi, und MaiSfelder, *) Dle Dadiane ernannten in dcr Zeit ihrer Unabhängigkeit, um auch 0le Gastlichkeit dem grnsischen Einfwsi zu entziehen, für MmgreUm emen eigene» Metropoliten, der in Martwili oder Oguresch seinen Sch hatte. Als das Land unter russische Oberhoheit kam, stellte man dle dorttge Geistlichkeit unter den Metropoliten von Tiflis. 206 Nur hie und da besonders auf der westlichen Seite und in dem Thale der Latschana wurden schroffe Felsen, die der durchgebrochene Porphyr hervorgerufen hatte, sichtbar und bildeten mit den üppigen Matten einen wunderlichen Contrast. Von Orbeli führt der hügelige Weg in das Thal der Latschana herab und hier bemerkt man wiederum schwärzlichen Thonschiefer. Der Gebirgsarm, Gwelisthaff, der das Thal der Latschana von dem östlichen Gränzfluß Aski, der ebenfalls in den Rion sich ergießt, trennt, ist höher und zeichnet sich vor jenem durch schroffere und nacktere Felsen, welche oft, wie bei Gelathi, Terrassen bilden, aus. Auf einer solchen Terrasse liegt eine Sommerresidenz des Dadians, welche nach dem daran liegenden Hauptorte Letschkums den Namen Lailasch führt. Schon zeitig erreichten wir es und erfreuten uns der romantischen Gegend, deren Ferne leider durch nebelartigen Duft geschlossen wurde. Dieselbe Fruchtbarkeit herrschte anch hier wie auf den entgegengesetzten Hohen und allenthalben hingen noch Trauben an den Bäumen. Wie in Muri, so hat auch hier der Dadian einige hölzerne Häuser mit vielem Schnitzwerk versehen erbauen lassen und hält sich im Sommer abwechselnd in Lailasch und Muri auf. Das Dorf selbst besitzt gegen 80 Hänser und 600 Einwohner und hat einen Basar, auf dem man feil hält, wenn man etwas zu verkaufen hat. Der Markt ist demnach nicht wie in dem nahen Oni, inRadscha, an einen bestimmten Tag gebunden. Am andern Morgen schlugen wir unsern Weg wiederum süde westlich ein, da der vor einigen Tagen gefallene Regm auf den Höhen Schnee geworden war und dieser mir nicht erlaubte über ihnen meinen Rückweg anzutreten. Der Weg führte durch die romantisch-sien Partien Letschkums, die weniger wild als im engen Pferdefluß-thale durch die grünen Matten und allenthalben erbauten Hauser und Thürme einen eigenthümlichen pikanten Anblick gewahrten. Es erinnerte mich an einzelne Gegenden Appenzells, z. V. an die Hölle -unweit des Weißbades. Durch drei Thäler, deren Seiten äußerst schroffe Felsenwande bildeten, gelangten wir auf unserer langsamen Wanderung nach dem Dorfe Agui und machten an einer alten kleinen Kirche Halt« Dieses Dorf wird auf eine solche Weise von den nackten Felsen eingeschlossen, daß es nur wenige,Stunden, während der Mittagszeit, «07 der Sonne möglich wird die Hauser zu beschemen. Der Fürst Tschikoani und Joseph erlaubten mir geradezu gar nicht die Abgründe und Schluchten in der Nähe zu beschauen, um wich vor allem Unglück zu bewahren. In sorgsamere Hände konnte ich nicht gelegt seyn. So wollte ich einen fruchttragenden Zweig eines Eibenbaumes ('rgxug kgcegw L.), der hier allgemein den Namen Rothholz führt und an einer Schlucht stand, selbst holen; da befahl der ängstliche Fürst den ganzen Baum zu fallen, damit ich mir bequem was ich wünschte nehmen konnte. Auffallend war es mir, daß in der Nähe das wohlriechende Vasilicum in üppiger Entfaltung wucherte und wahrscheinlich aus den nahen Garten entflohen war. Man benutzt es zu den gewürzhaften Brühen, welche man besonders zu dem Hammelfleische bereitet. Von Agui gelangten wir wiederum in das Thal des Pferdeflusses und kehrten auf demselben Wege nach Sugdidi, wo wir am I2ten Abends glücklich anlangten, zurück. Leider hatte sich wiederum Regen eingestellt und der Dadian war gezwungen, mich bis zum 17ten zu beherbergen. In Gesellschaft des Arzres und Schneiders verlebte ich die Tage so angenehm als es eben ging und sammelte besonders durch den gefälligen Schneider, der der Volkssprache kundig hier schon mehrere Jahre gelebt hatte, vorzügliche Nachrichten über das innere Leben der Mingrelier. Der Umgang mit Naturmenschen hatte mir manchen Blick in die innere Beschaffenheit zu thun erlaubt, und so boten sich mir auch Beweise dar. wie sehr der Mensch erst lernen muß seine Sinne zu gebrauchen. Von meinem ärztlichen Freund darauf aufmerksam gemacht, stellte ich Versuche an und zwar zuerst mit dem auf seine Weise gebildeten Fürsten Tschikoani, später auch mit gemeinen Leuten. Der erstere war nur im Stande Personen auf Bildern, wenn sie gemalt waren, zu erkennen, beschwerte sich aber über den Schmutz, wie er den Schatten nannte. Bei nicht illummirten Bildern waren wir gezwungen ihm die Theile des Körpers einzeln zu zeigen und vorzusagen, bevor cs ihm möglich wurde die ganze Person sich zusammenzusetzen. Die Farblosigkeit war ihm aber stets ein Stein des Anstoßes, und als ich ihm einen Kupferstich, eine Trinkgesellschaft, in der eine Person eben ein Glas ausleeren wollte, darstellend, vorlegte und ihm die Personen der Reihe nach deutlich 208 gemacht hatte, glaubte er, daß diese sämmtlich (wegen der Farb-losigkeit) krank wären und deßhalb Arznei tranken. Gemeine Min-grelier begriffen den Kupferstich auf keine Weise. Vierundzwanzigsles Eapitel. Neise längs der Meeresküste und durch Gnrieu zurück nach Kutais. Auf erbärmlichen Kleppern, von einem verarmten Fürsten begleitet, verließ ich endlich die Winter» esidenz am 17ten ziemlich spät am Tage und war schon nach 1'/> Stunden gezwungen in einem armseligen Dorfe zu übernachten. Zum erstenmal erfuhr ich hier eine Unfreundlichkeit, wie sie mir noch nie vorgekommen war. Der Schulze suckle nur mit Widerwillen ein Haus, in dem ich geschützt gegen den Regen übernachten konnte, und als ich eintrat, verwehrten mir die Bewohner, besonders die Frauen, den Eingang. Alle Neden des Schulzen und Fürsten halfen nichts, und wollte ich nicht die ganze lange Nacht im Negen zubringen, so war ich gezwungen mit Gewalt mir ein Platzchen im Hause zu erobern. Und während dieses geschah, wurden die Stricke von meinen Sachen gestohlen. Alle Gastfreundschaft war hier gewichen, und gern wäre ich weiter gezogen, wenn es in der stockfinster» Nacht und in dem weglosen Walde möglich gewesen wäre, denn iil lauten Verwünschungen setzten die Mingreli'er ihre Feindseligkeit gegen uns fort. Nach der Aussage des mich begleitenden Fürsten ware in der gauzeu Ebene das Volk nicht besser. Die ganze Nacht hindurch schloß ich kein Auge. Zur Vorsicht setzte ich meine Waffen in Stand und wahrscheinlich hatte ich es ihnen zu verdanken, dasi der Morgen ruhig a nbeikam. Ohne Zögern packte ich auf und eilte dem nur zwei Stunden entfernten Anaklea am schwarzen Meere zu. Dieses Maklea wird gewöhnlich als eine bedeutende Hafenstadt der Ostküste des schwarzen Meeres aufgeführt, ist aber?<>' armseliger, von Türken und Juden bewohnter Ort, au der linken Seite des Iugnr, der ungefähr 60 Schritte davon entfernt sich 209 ins Meer ergießt. Ringsum findet man noch dicke Mauern, die auf ein hohes Alter hindeuten, und wohl möglich möchte eS seyn, daß das alte Heraklea der Griechen hier gestanden hat. Ich befand mich an der Gränze Mmgreliens und Abchasiens und selbst Anaklea gehörte eine Zeit lang dem fürstlich-abchasischen Geschlechte der Schirwaschidse, bis der jetzige Dadian die abchasi-schen Unruhen benutzend nicht allem von Anaklea, sondern auch von gauz Samursachanien, was übrigens noch früher schon zu Mingrelien gehörte, Besitz nahm. Bevor ich meine Weiterreise nach Redut-Kaleh beschreibe, wird es nothwendig, einige Worte über Samursachanien und Ab-chasien zu sagen. Die zuerst genannte Herrschaft erstreckt sich nördlich vom Ingur bis zur Markula, wahrend nordöstlich der Hauptzug des Kaukasus selbst die Gränze setzt. Obgleich zu Min-grellen gehörig, sind die Samursachanier nur sehr schlechte Unter« thanen des Dadian und gern ergriffen die Russen die Gelegenheit, als der Dadian mit dem dortigen Fürsten Antschebadse in Streit lag und jene um Hülfe ansprach, im Jahre 1832 die Veste At-langelo auf dem rechten Ufer des Ingur anzulegen. Samursachanien ist das Apsilien der Alten und war von jeher bald in den Handen der Herrscher von Mingrelien (Lazien), bald in denen der von Abchasien (Abasgien). Als beide Lander unter türkischer Oberhoheit standen, wurde Samursachanicn von einem ihrer Fürsten aus dem Stamme der Schirwaschidse, der zur mahom-medanischen Religion übertrat und den Namen Mursa Chan annahm, beherrscht und die Grusier nannten den Gau Sa-Mursa-Chano, d. h. Land des Mursa-Chan, auf gleiche Weise wie sie Mingrelien den Namen vou Sa-Dadiano, d. h. Land des Dadian und Samsche oder Achalzich den von Sa-Atabago, d. h. das Land des Atabeg, wie die Herrscher daselbst hießen, ertheilten. Wahrend der innern Unruhen in Abchasien, im Jahre 1824, zwang der Dadiau den Fürsien Michael, Samursachanien seiner Mutter, die eine Schwester Lewaus war, als Appanage auszu-setzeu und nahm es nach deren Tode formlich in Besitz. Umsonst hat sich bis jetzt Michael-Vey über seinen Onkel beschwert. Das heutige Abchasien entspricht genau dem Abasgien der Alten und begreift die ganze Meeresküste von der Markula an bis zur Schlucht von Gagra, also bis an die südliche Gränze von Reisen u. Ländcrbcschrelbuugcn. XXV. ^4 (Reise nach Kankasicn.) 210 Tscherkessien. Der Hauptzug des Kaukasus trennt die große Abassah von Abchasien. Die Bewohner sind die Nachkommen der alten Heniochen und nahmen unter diesem Namen in den ältesten Zeiten auch das ganze Rion-Vassin ein, bis sie von den um Tre-bisond wohnenden Laziern vertrieben wurden und sich ins Gebirge flüchteten, wo nun die große Abassah entstand. Auch hier blieben sie nicht ruhig, denn die Tscherkessen, besonders die Kabarder, übten alsbald eine Art Oberherrschaft über sie aus und zwangen sogar sechs Stämme sich an den Quellen derKuma und des Podkumok niederzulassen. Diese nannten ihr neues Vaterland die kleine Abassah, während sie selbst von den Tataren den Namen Alti-Kessek, d. h. die sechs Stämme erhielten. Andre Abchasier (oder wie sie eigentlich in Gesammtheit genannt werden müssen, Abassen) vereinigten sich mit den westlichen am Meere wohnenden Tscherkessen und machten mit ihnen gemeinschaftliche Sache. Dieses wurde für mich der Grund die diesseits des Gebirges wohnenden Abassen mit den Tscherkessen zu gleicher Zeit aufzuführen und die jenseits des Gebirges und der Schlucht von Gagra wohnenden, als einem eignen Fürsten angehörig, besonders und zwar nach dem vorherrschenden Stamme als Abchasier aufzuführen. Ihre diesseitigen Landsleute und die Tscherkessen nennen sie Kusch-Hasip, d. h. die jenseits wohnenden. *) Diese im Vaterlaude zurückgebliebenen Abassen oder die Abchasier waren eine Zeitlang von den lazischen Kdm'gen abhängig, wurden aber nach dem Verfall ihres Reiches unter selbständigen Fürsten im achten Jahrhundert so machtig, daß sich 785 ihr Fürst Leon König nannte und über ganz Lazien herrschte. Später wurde sein Reich, wie ich schon gesagt habe, mit Grusien vereinigt und kam mit diesem in gleichen Verfall. Die Türken nahmen es in Besitz und unter den Sultanen Selim II und Amurath III wurden auf der ganzen Küste Festungen angelegt und Paschas eingesetzt. Von den letztern bedrückt, empörten sich im Jahre 17/1 die Abchasier unter Anführung der beiden Fürsten Lewan und S«-rab-Vey, aus der Familie der Schirwaschidse, und verjagten die Türken. Uneinigkeiten unter den beiden Brüdern und Bestechungen riefen aber die Besitznahme des Landes durch die Türken wieder *) S. Bd. I. S. 313-328, besonders 219, 211 hervor und ein gewisser Kelem-Vey (oder nach Reineggs Kelisch-Bey) aus derselben Familie (nach einigen der älteste Sohn Lewans) beherrschte unter türkischer Oberhoheit das Land. Aber auch er schüttelte im Jahr 1779 das Joch ab, und wurde der ganzen östlichen Küste durch seine immerwährenden Raubzüge im hohen Grade gefahrlich. Er nahm sogar Anaklea weg und zwang den damaligen Dadian Gregor ihm den Sohn Lcwan als Geisel und die Tochter seinem ältesten Sohne als Frau zu geben. Den flüchtigen Teherpascha von Trebisond nahm er 1806 sogar in Schutz, zog sich aber den Haß der Pforte so sehr zu, daß diese seinen eignen Sohn Asian bestach, um den Vater im Jahre 1808 zu ermorden. Aslau mußte aber hierauf nach Tscherkessien fliehen und Saphir? Bey, sein alterer Bruder, nahm den unsichern Thron ein; 1821 folgte ihm sein ältester Sohn Demetrius, der aber auch schon 1823 starb, und ,mn kam der zweite Sohn Michel-Bey an die Regierung. Die häufigen Thronwechsel und die Streitigkeiten unter den Gliedern der herrschenden Familie, von denen Hassan-Bey am wenigsten Willens war seinen Neffen anzuerkennen, riefen einen traurige« Zustand hervor und dieser wurde noch vermehrt, als Aslan von Tscherkessien aus die Fahne der Empörung aufsteckte. Von allen Seiten gedrängt, nahm Michel-Vey seine Zuflucht zu Rußland und eiu russisches Heer rückte unter dem Befehle des Fürsten Gortschakoff in Abchasi'en ein, um scheinbare Ruhe herzustellen. Die Festungen am Meere wurden besetzt und das schon von den Türken angelegte Suchum-Kaleh ^) bildete den Haupt-Waffenplatz der russischen Waffen. Seitdem ist eiu ganzes Regiment in Abchasi'en vertheilt. Trotzdem sind aber nur die Küsten unterworfen und man kann ohne starke Bedeckung nicht wagen, sich nur eine Stunde von der Küste zu entfernen. Der Fürst Con-, stantiu Suworoff, dem ich meine Nachrichteu über Abchasien besonders verdanke, befand sich, weil er sich zu weit in das Gebirge wagte, mehrmals iu großer Gefahr. Nordmann erzählt ebenfalls von den Gefahren, denen er dort entgegengegangen sey. *) Ich bin geneigt, das Wort Suchum oder Sochum von Ga-Gum, d. i. das Land an der Gum, dem Flusse woran die Festung liegt «nd die auch den Namen Gumista führt, abzuleiten, 14* 21s Das heutige Abchasien zerfallt in fünf Gaue, deren Bestimmung aber wie die der Tscherkessen nicht genau angegeben werden kann. Nördlich, bis znm Flusse Kodor, wohnt der Stamm der Abschuasen, hoher im Gebirge, an den Quellen des Kodor hingegen der Stamm der Zibelder. Nordwestlicher nehmen die eigentlichen Abchasen die Thäler des Kelasur, der Vaslata, Gu-mista und Psüstra ein. Die schone Ebene am Meere nördlich von der Psüstra heißt Luchin oder Lechne und wird von den Flüssen Vaklanka, Chüpsta und Mütschisch durchflossen. In den hdhern Thalern dieser Flüsse und am ganzen Bsnb wohnen die Vsübbeh. Die Anzahl der Einwohner Abchasienö mag sich auf 35 — 40,000 Seelen belaufen und davon kommen gegen 9000 auf den Gau der Abschuasen, „ 5000 „ „ „ „ Zibelder, „ 7000 „ „ „ „ Abchasen. „ 5000 ,, die Ebene Luchin, „ 10,000 auf den Gau der Bsübbeh. Von der Cultur, die einst hier geherrscht haben muß und die noch von den zahlreichen Ruinen der Kirchen, Kloster und Schlösser bezeugt wird, sieht man jetzt noch eine Menge Spuren. Die Nahe der Tscherkessen, denen die Abchasen an biederm Sinn nachstehen, hat bei ihnen allmählich einen gleichen Sinn für Räubereien hervorgerufen und Menschenraub geHort noch heutzutage zu den gewöhnlichen Dingen. Ihre Kleidung ist von der der Tscherkessen fast gar nicht verschieden und auch die Lebensart erscheint als ziemlich dieselbe. Das Christenthum zeigt in Abchasicn noch deutlichere Spuren, während der Islam von jeher nur unbedeutende Fortschritte gemacht hat. Die Russen haben leider noch wenig thun können, um die Abchasier der Barbarei zu entreißen und sind Zunächst darauf bedacht sich zu behaupten. Nur am Meere haben sie vier Vestcn, Gagra, Bambora, Suchum-Kaleh nnd Kelasur nnd verhindern daselbst mit allen ihnen zu Gebote stehenden Kräften die Sklaverei. Um den häufigen Einfällen der Zibelder Einhalt zu thun, unternahm der damalige Oberbefehlshaber Baron von Rosen im Früh' jähr 1837 einen Zug in die hdheru Thaler des Kodor. Mit vieler Mühe laugte daß Elpeditionsheer in der Zibelda an. Ihre Bewohner iu ihren eigenen Schlupfwinkeln angegriffen, versuchten «13 keinen Widerstand und schwuren auf den Koran den Eid der Treue. Der Gau ist nach Augenzeugen keineswegs so unzugänglich als man glaubt und mir die dichten Wälder legten dem Eindringen große Hindernisse in den Weg. Allenthalben fand man Spuren einer Cultur, wahrscheinlich noch ans der Zeit, wo die große Handelsstraße aus dem nordöstlichen Asien hier durch nach Dioskurias ging. Als spater die Korarier den Weg unsicher machten, erbauten die Einwohner von Dioskurias eine Quermauer, deren Spuren man noch jetzt findet. Eine ähnliche Mauer erhallten die Grusier, wie wir gesehen haben, in Ossien und wahrscheinlich die Perser die im Terekthale. Eine zusammenhängende über den ganzen Kaukasus gehende Mauer hat aber nie eristirt. Das xttti^ov ^e^a^ des Ptolemäus war eine ähnliche Mauer am Kelafur und schützte Dioskurias gegen Norden. Nach dieser kurzen Abschweifung kehre ich znr Beschreibung meiner Reise zurück. Gern hätte ich einen Tag in Anaklea verweilt, wenn ich ein nur einigermaßen gutes Unterkommen gefunden hätte. So war ich iu eine Art Karawanserai, in dem schon zwei Türken Platz genommen hatten, gewiesen und besaß in demselben einen viereckigen Raum, in dem mir allein es schon unmöglich wurde mich niederzulegen. Das ganze hölzerne Gebäude bestand nämlich aus einem einzigen viereckigen zehn Fuß im Durchmesser haltenden Zimmer und war durch Gitter in vier gleiche Abtheilungen gebracht. In der Mitte befand sich der Herd, den bereits schon die beiden Türken in Besitz genommen hatten. Unter Begleitung von Kosaken, welche hier die Station besitzen und die Post zu besorgen habeu, reiste ich den Nachmittag nach dem 4 bis 5 Stunden entfernten Redut-Kaleh ab. Der Weg führte uns längs des Meeres und meine beiden Diener brachen in lautes ho! ho! aus, als sie den ruhigen Wasserspiegel des Meeres zum erstenmale erblickten. Redut-Kaleh liegt am Ausfluß des Chopi und besteht aus drei Theilen, von denen zwei auf beiden Seiten des Flusses dicht am Meere liegen, und zwar auf der linken aus der Festung, auf der rechten hingegen aus der Caserne und einigen andern Gebäuden. Ein Bataillon stand damals unter dem Major Lewaschoss hier. Der dritte Theil, die eigentliche Stadt, liegt fast '/> Stunde hhher am südlichen Ufer des Flusses und enthält einen großeu Vasar, in dem 214 aber äußer wenigen Lebensmitteln nur Baumwollenzeug, Zucker und Kaffee sich vorfand. Vergebens frug ich nach Papier. Redut-Kaleh ist im Jahre 1821 von den Russen angelegt, und da diese von allen Waaren nur einen billigen Eingangszoll erheben, so wurde die Sradt in kurzer Zeit der wichtigste Hafen auf der ganzen Ostküste des schwarzen Meeres. Alle Waaren aus Deutschland, Italien und Frankreich, die für Persien bestimmt waren, nahmen ihren Weg über Redut-Kaleh und wurden von da in dem sichern Grusien über Tistis und Eriwan nach Tauris und dem übrigen Persien versendet. Der Handel Grusiens nahm mit jedem Jahr zu und grusische Kaufleute besuchten Lyon, Marseille uud Leipzig. Aus letzterer Stadt wurde allein wahrend der höchsten Blüthe des Handels jährlich über eine halbe Million Waaren bezogen. Mit jedem Jahre vermehrte sich der Transithandel und Glusien führte Products die es nicht verarbeiten konnte, wie Seide, Holz, Honig und selbst Wein aus. Je mehr aber deutsche und französische Waaren über Redut-Kaleh gingen, um so weniger wurden russische Erzeugnisse jenseits des Kaukasus gekauft, denn diese konyten unmöglich an Güte und Wohlfeilheit mit den letztern wetteifern. Der Nachtheil, der dadurch den russischen Kaufleuten und Fabriken entstand, und die asiatisch-russische Gesellschaft in Tistis, welche ungeheure Vorräthe gekauft hatte und durch eine Sperrung des Handels sich großen Gewinn versprach, bestimmten das Ministerium der Finanzen, durch jene Gesellschaft irre geleitet, die russische Zolllinie auch über den Kaukasus auszudehnen. Aller Transithandel über Redut-Kaleh war mit einem Nu vernichtet und die großen Niederlagen europäischer Waaren in Konstantinopel und Odessa wurde«: überfüllt. Man suchte neue Wege, und aus zuerst genannter Stadt gingen die Waaren nach Smyrna oder nach Trebisond, aus Odessa nach Trebisond und Vatum. Viunen wenig Jahren war die Straße von Trebisond nach Erzerum und Tauris eben so leb-» haft, als früher die von Nedut-Kaleh über Tistis und Eriwan. So hat Rußland mit seiner Gränzsperre nur wenig gewonnen, Grusien aber ungemein verloren. Das blühende Redut-Kaleh ist seit dem Jahre 1832 zu seinem vorigen Nichts zurückgesunken und zählt jetzt kaum 1500 Einwohner. Cochenille und Indigo sind noch die einzigen Handelsartikel, mit denen Geschäfte gemacht werden. Viele Kaufleute haben Tiflis und Eriwan verlassen und sich in Trebisond sis und Erzerum niedergelassen oder besitzen ihre Agenten in zenen Städten und kaufen nach wie vor in Leipzig:c. ihre Waaren, lassen sie aber Transkaukasien gar nicht berühren. Wahrend meines Aufenthalts in Redut-Kaleh gab man sich der Hoffnung hin, den Hafen wiederum zum Freihafen erklart zu sehen, zumal man die Absicht hat längs der Ostküste des schwarzen Meeres von Anapa an eine Straße zu erbauen, auf der man während der stürmischen Monate die Transporte versenden konnte. Doch hierzu bedarf es wohl noch eine geraume Zeit, denn dann muß Tscherkessien und Abchasien ganz unterworfen seyn. Meinen Wunsch auf einem Kahne den Fluß aufwärts nach dem 4 — 5 Stunden entfernten Kloster Chopi zu fahren, mußte ich aufgeben, weil — man sollte es kaum glauben — kein Kahn aufzufinden war. Die einzigen, welche sich vorfanden, gehörten einem Italiener und dienten den Soldaten nnd Angestellten zur Ueberfahrt. Aus gleichem Grunde war es wir auch nicht vergönnt in das offene Meer zu fahren, um daselbst die dort in großer Menge sich vorfindenden Quallen näher zu besichtigen. Um nicht unthätig liegen zu bleiben, reiste ich den andern Tag gegen Mittag nach dem 2'/Z — 3 Stunden entfernten Poti ab. Der Weg führte mich anfangs längs der Meeresküste und verschaffte mir, da heiteres Wetter sich eingestellt hatte, dcn vollkommenen Genuß eines herrlichen Panorama's. Vor mir (nach Westen) das ruhige dunkle Meer und auf ihm in weiter Ferne einige einmastige Schiffe. Leider vermißte ich die Schaar der Wasservdgel, welche das Lebendige einer Meeransicht unendlich vermehren, und nur die in bestimmten Tacten anschlagenden Wellen erregten ein freundliches Gemurmel. Hinter mir (nach Osten) lag die dicht bewaldete kolchische Ebene, aus der sich das Kloster Chopi auf einem steilen Hügel emporhob. Gleich einem halben Monde umgab eine mit Eis und Schnee bedeckte ununterbrochene Bergkette die Ebene. Besonders im Norden ragten die greisen Häupter des Kaukasus und im Süden die des adscharischen Gebirges weit in die Wolken und beide Gebirge wurden durch die niedern erst seit wenigen Wochen mit Schnee bedeckten meschischen Berge verbunden. Die Küste gewährt besonders noch dadurch einen besondern Reiz, daß der Buchsbaum von Zeit zu Zeit eine so dichte Wand 216 bildet, als ware sie durch die Kunst des Menschen bereitet. An andern Stellen hingegen ist ein solcher Reichthum von Obstbäumen vorhanden, wie ich ihn nirgends in wildem Zustande gefunden habe. Alle Sorten Kern- und Steinobstes waren selbst in dieser späten Zeit noch zum großen Theil an den Bäumen, die aber alle keme bedeutende Größe besaßen. Vorzüglich waren es Mispelsträucher, welche ebenfalls wie der Vuchöbaum hie und da dichte Wände bildeten. Sie unterschieden sich von der unsrigen durch schmälere Blatter und kleinere Früchte, und ich habe sie in der Aufzählung der von mir in dem kaukasischen Isthmus gefundenen Pflanzen als Unterart der ^vlozpüu» ^eimanica L., und zwar unter dem Namen microcai-pa unterschieden. ^) Eine Menge Brombeeren, besonders Iwbus eanug Uit. fanden sich ebenfalls vor. Trotz der späten Jahreszeit sammelte ich an den Ufern des schwarzen Meeres, vorzuglich um Poti noch folgende Pflanzen in blühendem Zustande: Phragmitis ponticus C, Koch, Euphorbia Paralias L., Senecio rupcstris W. et K., Lysimachia dubia Ait-, Verbascum gnaphaioides M. B., Teucrium chamaedrys L., Eryngium maritimum L., Glaucium Jutcum Scop,, Cakile mari-tima L., Eruca sativa L. nnb Ranunculus sceleratus L. Ich kam in Pott noch zeitig genug an um mir die neue Stadt zu besehen. Wie alle russischen Städte, so ist auch diese in einem großartigen Style angelegt. Sie befindet sich auf dem linken Ufer des Rion zwischen dessen Ausfluß und dem aus dem See Valästom heraustretenden Flusse Karpatschai. Zur Zeit meiner Anwesenheit bestand sie nur aus einer regelrechten freundlichen Straße die an der Karpatschai liegt und von verheuratheten Soldaten bewohnt wird. Der sehr kleine Bazar liegt am Rion und die übrigen Häuser zwischen diesem und jener Straße zerstreut. Westlich vom Bazar erbauten die Türken schon im Jahre 1578 eine Festung, aus einer einfachen aber festen und viereckigen Mauer, mit Wachthürmen versehen, bestehend. Nach der Zerstörung im Jahre 1640 durch die Imerier bot der Dadian selbst wiederum die Hand zur Wiederherstellung seiner Zwingveste und verkaufte die schönen Ruinen von Sacharbet im Norden des Rion an die Türken. Damals mögen auch die meisten Ueberbleibsel der alten «) Kinn»««, Jahrgang 1642, Seite 251. 217 Stadt Phasis verschwunden seyn. Im Jahre 1770 wurde die Festung von den Russen vergebens belagert, aber im Jahre 1809 glücklich eingenommen und bis zum Jahre 1812 behalten. Wahrend des letzten türkischen Krieges fiel sie wiederum in die Hände der Russen, und ist durch den Vertrag von Huukiar-Skelessi förmlich an diese abgetreten. Paskewitsch versuchte bei der Festung eine Stadt zu gründen, wurde aber alsbald auf den polnischen Kriegsschauplatz abgerufen. Der Baron Rosen griff den Plan wieder auf, und da Redut-Kaleh aufgehört hatte das Emporium der südeuropäischen Waaren zu seyn, so hoffte er das weit besser gelegene Poti nm so mehr dazu erheben zu können. Seitdem hat man weder Menschen noch Geld geschont um der Stadt eine Bedeutung zu geben, aber so lange mau nicht erst das Hauptsächlichste, das Ausströmen verderblicher Efsiuvien aus dem morastigen Boden gehoben hat. werden alle Mühen umsonst seyn. Um den ungesunden Zustand besser ins Auge fassen zu können, wird es wohl nothwendig zuvor einige Blicke auf die Lage von Poti zu werfen. Der Boden auf dem es sieht ist angeschwemmt und war im vorigen Jahrtausend noch vom Meere bedeckt. Der See Balästom, der jetzt rings vom Lande eingeschlos« sen ist, bildete vor unserer geschichtlichen Zeitrechnung auf jeden Fall eiue Bucht in die der Rion sich ergoß. Es scheint dieses selbst aus der ältesten Beschreibung des Argonautenzuges durch Orpheus hervorzugehen. Da änderte der Rion, wahrscheinlich in Folge einer Ueberschwemmung seinen Lauf, und suchte sich nördlich von dem jetzigen Dorfe Ekadis ein neues Bett. Das alte Flußbett versandete, erhielt aber immer noch aus den nahen Bergen einige Nahrung und eristirt „och jetzt unter dem Name» des Flusses Pitschora. Die Kraft des aus ihm fließenden Wassers war geringer als die der Brandung des Meeres, und es bildete sich am Ausgang der Bucht eine Sandbank, die nach und nach über die Oberfläche des Meeres emporragte und Land wurde. So mag der See Valästom entstanden seyn und die milesischen Griechen gaben ihm ohne Zweifel den Namen alte Mündmig oder Pa-lästom, woraus später Valästom oder Valaston wurde. Die Menge des angeschwemmten Landes mehrte sich bis in die neueste Zeit, so daß die Russen gezwungen waren, um die Meeresküste zu be« setzen, an dieser eine neue Festung in Form eimS Fünfeckes zu 218 erbauen und in sie, als dem gesundesten Theil, das Lazareth zu verlegen. Die Zeit seitdem Kolchis in der Barbarei versunken liegt, rief auch allmählich den ungesunden Zustand hervor. Das stürmische Meer überschwemmte das flache Land und ließ sogenanntes Brackwasser zurück. Damit bildeten sich Sümpft und Moraste und außer Schilf und ahnlichen Pflanzen bedeckten allmählich Waldungen den Boden, der dadurch der austrocknenden Kraft der Sonne ganz entzogen wurde. So lange man nicht die letztern niederbrennt und durch Canäle das Land austrocknet, wird derselbe Zustand verharren. Dadurch dast man die Karpatschai in den Rion ableitete, hat man nur das Wasser des letztern verdorben und sonst nichts gewonnen. Besser ware es gewesen, man hätte sie direct mitten durch den Wald ins Meer geleitet und dann das ganze Bett der Karpatschai, welche am südlichen Ende der frühern Bucht und späteren Sandbank ungefähr drei Stunden vom Ausfluß des Rion entfernt ins Meer sich ergießt, trocken gelegt. Wenn aber auch die Lage Poti's sich wirklich gebessert hat, so wird es doch nie ein bedeutender Handelsplatz werden, da daS Nothwendigste, ein sichererHafen, fehlt. Das schwarze Meer setzt immerwährend in der Krümmung seiner Ostküste Land an, und alle Flüsse welche in diese sich ergießen, besitzen an ihrem Ausfluß bedeutende Anhäufungen von Sand. Dadurch wird es großem Schiffen geradezu unmöglich in den Fluß einzulaufen. Eine Bucht in der diese ruhig liegen könnten, enstirt auch nicht, und so wären sie gezwungen, dem Wind und Wetter preisgegeben, vor der Mündung des Flusses Anker zu werfen. Wenn mir als Gegengrund das alte Phasis genannt wird, so erwiedere ich darauf daß sich seitdem auch die Umstände geändert haben und daß in der Zeit, wo Phasis das wichtigste Emporium an der Ostküste war, die Bucht zum Theil noch enstirte. Ein Blick auf die Karte welche in dem ersten Theil des ^IiogNun» zoo^ia^^i^s vetsriZ? von Petrus Bertius Veverus herausgegeben, enthalten ist, gibt ein deutliches Vild von dem damaligen Zustand. Leider wurde es mir wegen des durch das anhaltende Regenwasser noch unzu« gänglicher gewordenen Bodens nicht möglich, einen Ausflug nach dem alten Phasis und dem Tempel der phasischen Göttin anzustellen. Unglücklicherweise stellre sich auch noch, als ich die Kar- 219 patschai aufwärts in den Balästom fuhr, ein nicht unbedeutender Sturm ein und erlaubte mir nicht, tiefer in denselben einzudringen. Das Wasser des Sees hatte eine grünliche Farbe und besaß durchaus nicht das morastische Ansehen welches Dubois ihm Mr. Ebenfalls fand ich seine Oberstäche nur wenig mit Wasserlinsen (LomnÄ) und Wassernüssen ('lrapa natan» I..) und zwar nur an den Ufern bedeckt. Den Armleuchter (Owra) den DuboiS so viel sah, habe ich gar nicht gesehen. Hohes Schilf und Rietgras, sowie mehrere Schwertlilien (Iri» Kueläonstaeätiana I.op. und ?86u6.^ooru5 I..) faßten mit Erlen- und Weidengebüsch die Ufer ein. Dnbois, der einige Jahre vor mir dieselbe Gegend besuchte, lvar so glücklich eine Stunde aufwärts, zwischen dem Rion und dem See, also genau wie es Strabo angibt, 4 viereckige Thürme mitten in einem Moraste und drei Stunden noch weiter aufwärts den Canal Nadorta, welcher unter Justinian zum bessern Schutz von Phasis gebaut wurde, aufzufinden. *) Der Arzt in Pott, Dr. Vartels, ein Sohn des berühmten Dorpater Professors, nahm mich freundlich auf, und je näher ich den unglücklichen, in Tiefsinn brütenden Mann kennen lernte, um so mehr stieg die Achtung vor ihm. Seine frühere Geschichte ist mir völlig unbekannt, und ich kann deßhalb nicht sagen ob erst der traurige Aufenthalt in Poti seinen Tiefsiun hervorgerufen hat. Als er dem Oberbefehlshaber vorgestellt wurde, schickte ihn dieser, sein unangenehmes Aeußere als Folge der Trunkenheit betrachtend, ohne weiteres nach Poti, und so lebt nun der Arme mitten unter dem Abschaum von Menschen, welche hkeher verwiesen werden. Und doch fand fast nirgends mein Geist so viel Nahrung, als gerade bei diesem verkannten Menschen. Alle deutschen Classiker waren ihm genau bekannt und ihre Werke führte er zum Theil bei sich. Da Angestellte und Soldaten Poti vor allem fürchten und niemand freiwillig Hieher geht, so werden von den letztern alle die, welche Spießruthen gelaufen haben, nach Poti geschickt um daselbst das Ende ihres Lebens zu vertrauern. Wer einmal Hieher gesendet wird, kann in der Regel mit der übrigen Welt seine Rechnung abschließen. *) Dubois, Voyage; Tom. III. pag. 62-81. %%o Zu Anfang des Jahres 1836 befanden sich in Poti gegen 400 Mann Soldaten, davon waren bis zu meiner Ankunft 273 krank geworden. Gegen 100 befanden sich bereits wieder auf den Beil uen, eben so viel waren aber gestorben und die übrigen mußten noch das Vett oder wenigstens das Zimmer hüten. Aber auch die Gesunden verdienten keineswegs diesen Namen, denn ihr bleiches, fahles Aussehen, ihr abgezehrter Körper und ihr unsicherer Ga»g deuteten auf den allmählichen Verfall hin, dem der gesundeste Körper hier entgegenging. Je langsamer das Gift der miasmatischen Efsiuvieu im menschlichen Körper wirkt, um desto sichrer wird dieser eine Beute des Todes. Bevor ich Mingrelien oder das alte Lazien verlasse, wird eS nothwendig noch einiges über den südlichen Granzfluß, den Rion, zu sagen. Keineswegs verstanden die Alten unter ihrem Phasis den heutigen Rion, sondern da jener, wie ich schon oben gesagt habe, aus den Bergen Armeniens entspringt, den Rion bis zur Aufnahme der Qumla, danu diese bis zur Aufnahme der Dsirula, dann diese bis zur Aufnahme der Tscherimela und endlich diese bis zu ihrem Ursprung. Der Name Nion ist aber wenigstens eben so alt als jener und scheint (als Rheon oder Rhoas der Griechen) bei den Eingeborncn schon seit den ältesten Zeiten für den Theil von seinen Quellen bis zur Aufnahme der Quirila in Gebrauch gewesen zu seyn, bis er endlich, als man sah daß dieser Theil an Starke die mit der Dsirula und Tscherimela vereinigte Quirila übertrifft, auf die ganze Ausdehnung bis zu seinem Einfluß ins Meer übertragen wurde. In dem ersten Jahrtausend nach Christus muß der Phasis bedeutender gewesen seyn, denn als gleichbenamtte Stadt ein blühendes Emporium war, gingen die Waaren zu Wasser bis nach Scharopani (Sarapana) und wurden dann zu Lande bis an den Kur transportirt. Heutzutage hingegen ist er kaum 15 Stunden aufwärts schiffbar und Soldaten transportircn von der Einmündung des Pferdeflusses an die Waaren nach Kuraiö. Diese Soldaten gehören einer religiösen Secte, die zum Theil unsern Muckern entspricht, an, und sind znr Strafe daß sie sich aus Schwärmerei selbst castrirten, von der Regierung hicher versetzt worden, um ihr Leben daselbst zu vertrauern. Der Phasis verdient endlich noch deßhalb einer Erwähnung- 32l weil er einem bei ims wegen seines wohlschmeckenden Fleisches bekannten Vogel den Namen Phasan oderFasan gegeben hat, und wirklich sind die Wälder des ganzen kolchischen Bassins damit angefüllt. Aber nicht allein in der Ebene halten diese Vögel sich auf, sondern ich schoß mehrere in den hohen Thälern des Rion, selbst unweit der beginnenden Schneereglon. Am 22 November trat ich meine Weiterreise längs der Küste bis au die türkische Gränze an und erreichte die äußerste sogenannte Gränzfestung St. Nicolaus, welche vier Meilen von Poti entfernt ist, schon zeitig. Der Weg unterscheidet sich in nichts von dem, wie er vonAnaklea bis Poti war, nur fand ich die Zahl der Obstbäume geringer, die der immer grünenden Sträucher hingegen größer; die Wände welche von den letztern gebildet werden und von denen ich schon oben gesprochen habe, übertreffen hier an Dichtheit die früheren und setzen sich oft stundenweit ununterbrochen fort. Nach drei Stunden erreichte ich zuerst den Ausfluß der Karpatschai, welche hier die Moltauka aufnimmt und sollte in der hier befindlichen Kosakenpost die Pferde wechseln. Das einzige Pferd das sich hier vorfand, war aber krank, und so zwang ich meinen mich begleitenden Kosaken, mich noch bis St. Nicolaus zu bringen. Von dieser Station aus wurden die Ufer sandiger und deßhalb für uns schwieriger, und als wir an dem Ausfluß der bedeutenden Suftsa ankamen, waren wir gezwungen, da keiu Fahrmann wie zu Dubois' Zeit sich vorfand, diese mit der größten Lebensgefahr zu durchreiten. Der am Ausfluß aufgehäufte Sand gab nämlich den Tritten meines Pferdes nach und dieses sank plötzlich so tief hin-ein daß ich schnell herabsprmgen musite, und mit vieler Anstrengung und mit Hülfe meiner Begleiter endlich den festen Bodeu erreichte. Noch viel schwieriger wurde es uns mein Pferd her-auszubekommeu, und oft blieb einer von uns wieder stecken und bedürfte zuvor der Hülfe der andern. Um auf das jenseitige Ufer zu gelangen, waren wir gezwungen landeinwärts zu gehen und den Fluß zu durchschwimmen. Dieselbe Mühe hatte,, wir von neuem bei der eine Stunde entfernten Sopa. Wir kamen deßhalb erst gegen Abend in St. Nlcolaus an. Wie wunderte ich mich als ich in St. Nicolaus statt einer Festung nur einige h'olzerue Häuser, von einem palisadenähnlichen Zaune umgeben, und einen armseligen Kosakenposten fand. Und 322 fortwahrend führen die meisten grbßern Geographien St. Nicolaus als eine wichtige Festung an. Der Ort liegt an dem Ausfluß des Natabene, der zuvor den das russische Transkaukasien von dem türkischen Paschalik Trebisond trennenden Tscholok *) aufnimmt, und hat dem Anschein nach eine freundliche Lage. Der Boden ist nicht sumpfig und wegen der Waldungen nur feucht zu nennen, und doch ist St. Nicolaus der verrufenste Ort im ganzen kaukasischen Isthmus. Nirgends, selbst nicht in dem verberbenschwan-gem Poti ist die Sterblichkeit so groß als hier. Der reizend und höher gelegene Gottesacker ist ein lebendiges Zeugniß der vielen Opfer die hier gefallen sind. Früher stand hier ein Bataillon Soldaten, aber schon nach dem ersten Monate war man gezwungen es wegzunehmen und nur eine Rotte von 100 Manu zurückzulassen. Doch der Tod hauste auf eine fürchterliche Weise unter den Zurückgebliebenen, und um nicht alle einem gewissen Unter-gange zu widmen, entfernte man die übriggebliebenen bis auf 12, mir diesen nun in bestimmten Zwischeuräumen wechselnd. Als ich hier war, fand ich die ganze Mannschaft erkrankt und ihr Chef lag am Tode; nur das Personal der Quarantäne, aus Grusiern bestehend, fühlte sich einigermaßen wohl. Zum Glück ist hier der Handel im höchsten Grade unbedeutend, und Menschen setzen sich fast nie der Gefahr aus, durch eiue 14tägigr Quarantäne den todbringenden Miasmen sich preiszugeben. Die hier sowie in den Ebenen des ganzen kaukasischen Isthl nms vorherrschenden Krankheiten sind das Wechselfieber und alle niit der Leber und der Galle znsammenhängenden Krankheiten. Jeder Fremde, bei dem deßhalb der Verdauungsapparat nicht in einem kräftigen Zustande sich befindet, geht in den kaukasischen Ländern einem sichern Untergang entgegen und er muß stets darauf bedacht seyn, durch kräftige thierische oder wenigstens säuerlich? Nahrung, und vor allem durch Weiutrinken, sich eine gesunde Vel'-daum'gbkraft zu erhalten. Alle pflanzliche Nahrung, besonders Pfirsiche und Melonen, sind ohne Wein höchst gefährlich und viele haben sich durch die wohlschmeckenden Früchte den Tod geholt. Arbnsen (Wassermelonen) mit ihrem erquickenden Safte und Weintrauben machen eine Ausnahme. ") Dubois nennt ihn Skarua. 223 Alle dortherrschendenKrankheiten: Wechselfieber, Gallenfieber, Leberentzündung :c. beginnen mit Kopfweh und dieses ist bei dem Gallenfieber oft so bedeutend, daß der Arzt, dem die Erfahrung noch fehlt, leicht der Meinung seyn kann, eine Gehirnentzündung vor sich zu haben, zumal der Sonnenstich in diesen Landern nicht selten als Entzündung der Gehirnhäute auftritt. Der gelbe Anstrich besonders des Weißen im Auge und die gastrisch-biliösen Ausleerungen deuten aber auf das wahre Leiden hin. Kalomel, Brechnuß und Ricinusöl sind nebst Vlutcntziehungen in der ersten Zeit die Mittel welche schnelle Hülfe bringen müssen, bevor das Uebel überhandgenommen hat. Das Wechselfiebcr herrscht an vielen Orten endemisch und ist zu bestimmten Zeiten so intensiv auftretend, daß jedermann der sich hinlänglich den Miasmen ausgesetzt hat, davon ergriffen wird und sein Leiden nicht eher wieder los wird, als bis die Zeit vorüber ist oder er den bisherigen Aufenthalt verlassen hat. Selbst Thiere werden ergriffen, und ich sah in St. Nicolaus eine Henne die einen förmlichen Anfall von Fieber bekam. Ihre Federn standen sämmtlich gerade in die Höhe und alle ihre Glieder waren eingezogen, der Frost gab sich deutlich durch lang anhaltendes Schütteln kund. Der arme Capitan, dessen Simmer ich zu theilen gezwungen war, befand sich in einem traurigen Zustande, denn der Frostanfall war so heftig, daß ich wähnte einen epileptischen Kranken vor mir zu haben. Wahrend er vorher aus Schwache kaum ein Glied zu rühren vermochte und die laeioz nippocraNL» auf ihm sich deutlich machte, bewegten sich jetzt die Beine krampfhaft auf und nieder. Die Arme schlugen herüber und hinüber, die Kinnbacken klapperten laut mit ihren Zahnen, die Gesichtsmuskeln zogen sich bald convulsivisch zusammen, bald erschienen sie in einer envrmen fadenförmigen Lange; die Augen waren hervorgetrieben und so matt, daß sie einem Sterbenden anzugehöreu schienen. Das Stadium der Hitze war in keinem Verhältniß zu dem der Kalte und der Schweiß nur unbedeutend. Die kritischen Erscheinungen gaben sich mehr iu dem eigenthümlichen Harn und in flüssigen, schwarzgalligen Ausleerungen kund. Der Aufenthalt in Sr. Nicolaus war für mich traurig, aber vergebens hoffte ich am andern Tage weiter zu kommen. Alle Pferde der Kosaken waren zu Grunde gegangen und so war 224 ich gezwungen eine zweite Nacht mit dem dem Tode nahen Ca-pitän in demselben engen Zimmer zuzubringen. Forscht man den Ursachen dieser schrecklichen Krankheiten nach, so wird man bald finden, daß nicht allein die bösartigen Effluvien einer von Brackwasser und feuchtem Boden umgebenen Gegend so furchtbar in den Menschen wüthen, sondern andere Ursachen sich noch dazu gesellen. Ich bin überzeugt, daß bei verständiger Behandlung von Seiten der Aerzte viele Menschen genesen, und daß wenn mehr für die Bedürfnisse im allgemeinen gesorgt wäre, weit weniger Soldaten von Krankheiten ergriffen würden. Aber nicht allein die Regierung müßte für Nahrung und Wohnung mehr Sorge tragen, sondern die einzelnen selbst, denen das unglückliche Loos in solche Gegen-deu versetzt zu werden zu Theil geworden ist, dürften sich nicht der brütenden Trägheit und Gleichgültigkeit hingeben. Betrachten wir demnach zuerst die Wohnung dieser armen Menschen, so fand ich, daß nur die höhern Beamten diese einigermaßen bequem und geschützt gegen die äußern Einflüsse besitzen. Der Nr. Barteis in Poti war gezwungeu mit zwei andern Angestellten ein kleines Zimmer, in dem nur ein Stuhl und ein Tisch vorhanden war, und eine noch kleinere Kammer einzunehmen. Die Häuser für die Gemeinen und Kosaken erscheinen oft nur in Form von mit Buschwerk zusammengeflochtenen Hütten, die weder dem Regen noch dem Winde den Eintritt zu versagen vermögen, und sind sie von Holz armselig zusammengezimmert; so besitzen sie keinen gedielten Boden und kein Vorzimmer. Von ordentlichen Fenstern und Oefen oder Kaminen ist nirgends die Rede. Selten ist Jemand darauf bedacht sein Logis zu verbessern, und oft kamen, besonders Kosaken, bittend zu mir, mich bei dem Oberbefehlshaber zu verwenden, daß ihnen Häuser gebaut würden. Wcnn ich ihnen nun sagte: „baut cuch doch wenigstens einstweilen für die Zeit, wo die Krone für ench nichts gethan hat, ein Haus, ihr versteht es ja, da ihr dasselbe in eurem Vaterlande thun müßt; Holz und Schilf ist hinlänglich vorhanden", so erhielt ich die Antwort: „was geht das uns an, die Regierung muß es uns bauen." Auf den Boden hingestreckt, verschlafen diese Menschen den größten Theil ihrer traurigen Einsamkeit und sind blind fnr alle Schönheiten, womit die Nat.ur sie umgibt. ^ 2Ž5 Noch mehr wird die Anlage zur Krankheit durch die schlechte Nahrung befördert und wenn die Bewohner von großern Orten, wie von Poti, Nedutkaleh u. s. w. dieser weniger unterworfen sind, so wäre doch auch hier unendlich viel zu verbesseru. Der Kaiser könnte sich Tausende seiner Soldaten jährlich erhalten. Zunächst glaube ich nicht, daß das saure Roggenbrod in jeneu Gegenden den Soldaten zuträglich ist. In allen wärmer» Landern genießt mau Weizenbrod. Dann ist es nothwendig auf frisches Fleisch zu sehen und deßhalb taglich Vieh zn schlachten. Jetzt geschieht es kaum ein- oder zweimal die Woche und das Fleisch wird außerdem noch 4—8 Stunden und mehr bei einer Wärme von 28 bis 30" R. im Schatten transportirt. Trotzdem Fasanen und andere genießbare Vögel in Menge die Hütte des Kosaken umfliegen, gibt dieser sich doch nicht die Mühe jene einznfangeu oder zu schießen, sondern kocht lieber sein verdorbenes Fleisch, um desto weniger Arbeit zu haben. Ebenso ist es nothwendig auf die Getränke zu sehen und vor allen müßten die Soldaten gewisse Portionen des so sehr wohlfeilen Weines erhalten. In der ganzen kolchischen Ebene ist das Wasser schlecht und um so schlechter, je seichter die Flüsse sind und je langsamer diese fließen. Mehrere besitzen geradezu ungenießbares Wasser, so z. B. die Karpatschai. aber doch tranken die Kosaken am Ausstnß derselben dieses, trotzdem sie wußten, daß Fieber als unmittelbare Folge eintreten würde. Einige Stunden entfernt war gesünderes Wasser, aber die Entfern unng hielt die tragen Kosaken ab, sich dort ihr Bedürfniß zu holen. Man sollte niemand erlauben Wasser ohne Wein zu ttinken. Der größte Ruin für die in Transkaukasien wohnenden Russet, ist aber unstreitig der schlechte Fuselbranntwein, der dort allgemein von den Gemeinen getrunken wird. Schädlicher als der Spiritus ist der rein giftige Fusel. Ich habe stets gefunden, daß je mäßiger überhaupt die Soldaten lebten, sie um desiomehr dem feindlichen Klima zu trotzen vermochten. Durch die Bemühungen meines Dolmetschers erhielt ich endlich am 24 November von jenseits des Tscholok wohnenden Lazen drei Pferde und so setzten wir uns zum Theil zu Fuß uach dem sieben Stunden entfernten Hauptort Osurgethi in Bewegung. Der Weg führt rein östlich in der Nähe des Natanebi mitten durch Reisen u. Lcmderbeschveibungen. XXV 1^, (Neise nach Kankasien.) ssft dieselben Walder,*) wle ich sie in Mingrelien beschrieben habe. Im allgemeinen fand ich mehr Cultur als dort, und nicht selten stießen wir auf Stellen, in denen Gomi oder Mais gebaut war. Mitten darin befanden sich unsern freien Taubenschlagen ähnliche Gelüste auf vier Pfählen, welche ein kleines offenes Häuschen zum Trocknen des Getreides trugen. Dubois hat sich erzählen lassen, daß diese Hauschen zum Schutz gegen die Baren dienten. Der Boden war im hohen Grade sumpfig und häufig wurden wir gezwungen kleinere Flüsse und Bache, die sich in dem lockern Boden ein tiefes Bett gegraben hatten, zu durchwaten. Der bedeutendste unter ihnen war der Skurdebi, der ungefähr4—5 Stunden von St. Nikolaus in den Natanebi stießt. Einer meiner lazi-schen Begleiter machte mich auf Ruinen aufmerksam, die an seinem Ausstuß sich vorfanden, und so wanderte ich von ihm geleitet ihnen zu. Es war nicht leicht sich einen Begriff von diesen Ruinen zu machen, da orientalische Buchen und Eichen nebst andern kleinern Bäumen und Gebüsch die Räume eingenommen hatten, welche früher Menschen bewohnten. Eine Brücke, welche über den Skurdebi führte, nahm meine Aufmerksamkeit zuerst in Anspruch und führte mich in den innern, von einer zum Theil verfallenen Mauer umgebenen Raum eines Parallelogramms. Von da gelangte man in einen zweiten Raum, dessen Mauern ebenfalls zum großen Theil verfallen waren und der den Winkel zwischen dem Natanebi und Skurdebi einnahm. Ein zweites jenem fast entgegengesetztes Thor führte, wie es mir schien, auf einen freien Raum, in dem aber Spuren von Gebäuden, von dem eines die Form eines Achteckes hatte, sich vorfanden. Leider war der Wald um so dichter, je weiter ich mich südöstlich von dem Achteck entfernte; aber allenthalben sah ich Spuren von untergegangenen Gebäuden. Selbst in der bedeutenden Entfernung einer halben Stunde sah ich eine Art Eingang, dessen Seiten kaum noch einige Fuß Hohe besaßen. Die ganze Bauart, besonders die viereckigen Thürme, welche in den Ringmauern des Parallelogramms sich befanden und senkrechte *) Dubois läßt die Wälder aus Feigenbäumen und Eichen bestehen, allem die erstem bilden nirgends Wälder und kommen in Transkaulasien nicht in sumpfigen Ebenen, sondern immer auf Erhöhungen, am Msten zwischen Felsen vor. vubms Vo^e; 2,'om. UI. i>»8- 97. 227 Mauern besaßen, erinnerten mich lebhaft au die Ruinen von Oni im Paschalik Kars, zumal auch dessen ganze Lage am Fluß mit dieser übereinstimmte. Kutais, Nakolachewi und Warziche hatten ein anderes Ansehen, und leid that es mir, daß der Wald nicht erlaubte das Ganze mit Einem Blicke zu überschauen. Die Ruinen sind um so interessanter als in der neuesten Zeit auch eine Stadt in Centtalamerika mitten in den Urwäldern entdeckt worden ist. *) Fragt man nun die Geschichte, woher diese Ruinen stammen, so harren wir vergebens nach einer Antwort, da so weit sie reicht keiner der alten Schriftsteller auf eine bedeutende Stadt in dieser Gegend hindeutet. Dubois glaubt, daß es die von Justinian während seiner Kriege mit den Persern erbaute Petra sey, allein Procop, der uns so treu die Geschichte dieser Kriege erzählt, läßt Petra am Meere 06^3 ^t3«^«c?c7/tt) gelegen seyn, während diese Ruinen 4—5 Stunden landeinwärts liegen. Daß das Meer früher bis dahin gegangen, darüber fehlen uns alle Beweise und Andeutungen. Petra war übrigens nie eine Stadt, sondern nur eine Burg, von der aus der tyrannische Tzibos die Lazier bedrückte, und wurde mehrmals von den Persern erobert. Diese hatten übrigens in der kurzen Zeit ihres Besitzes keine Zeit einen Feuertempel, für den Dubois das Achteck halt, zu erbauen, und bekriegten die Griechen nicht der Religion, fondern des Landes halber. Procop würde gewiß wenigstens Andeutungen gegeben haben, daß es ein Religionskrieg gewesen wäre. Die Einwohner des Landes nennen die Ruinen Urikalaka, d. h. Stadt der Uri, und behaupten, daß es die Hauptstadt eines untergegangenen Volkes, das sich Uri genannt hatte, gewesen sey. Das Wort Uri hat ohne Zweifel mit der jenseits des Rion bis nach Vatum gelegenen Provinz Guria einen Zusammenhang und vielleicht ist ihr Name daraus entstanden. Wer sind aber die Uri? Das ist wohl eine Frage, die vielleicht nie beantwortet werden wird, aber uns doch erlaubt Andeutungen zu geben. Wir haben mehrmals erwähnt, daß schon seit den ältesten Zeiten Juden in Grusien wohnen nnd daselbst den Namen Uri führen; ferner habe ich bei der Beschreibung von Zrchinwall gesagt, welchen Einfluß *) Sjehe Ausland 1842. Nr. 2. 45 5 22& sie gehabt haben müssen, daß die jüdische Familie der Vagratiden sich des grusischen Throns bemächtigen konnte. Wir wissen anch ans grusischen Chroniken, daß Juden von den grusischen Königen Gegenden angewiesen bekamen, und eine solche habe ich eben aufgeführt. Ans armenischen Chroniken endlich haben wir erfahren, daß Inden durch Nebnkadnezar nach der Verwüstung ihres Landes an die Küste des schwarzen Meeres versetzt wurden. Das Stammland der Bagratiden war daselbst der Gau Sber oder Ispira. Vielleicht nahmen die Juden das Land bis an den Rion ein, und die umwohnenden Grusier nannten es mit einer Kehlaspiration Guria. Sie fanden vielleicht schon vorhandene Rninen vor und erbauten sich aus ihnen ihre Hauptstadt, die von den Grusiern, mit denen sie sich allmählich vermischten, Uri - Kalaka genannt wurde. Woher stammen denn aber die schon vorgefundenen Ruinen? Müsse" sie nicht einer frühern Zeit angehören? Die griechischen Schriftsteller kannten die Gegenden von Trape-znnt bis au den Nion nur wenig, und ließen daselbst eine Menge unzugänglicher Volker, die niemand gehorchten, wohnen. Zur Zeit des Aigonanteuzuges, also noch vor dem troischeu Kriege, scheint hier aber viele Cultur geherrscht zn haben, und weuu man das Gedicht des Orpheus von Kroton bedächtig liest, so wird es um so wahrscheinlicher. Damals und auch später eristirte in dem heutigen Gurien eine Stadt und ein Fluß Apsarus, die beide früher nach dem unglücklichen Bruder der Medea Absynus hießen. Die erstere muß bedeutend gewesen seyn, denn Procop erzahlt noch von der Großartigkeit dieser Ruiuen, von dcnen zu semer Zeit sich noch ein Amphitheater auszeichnete. Sollte demnach Apsarns und Mi-Kalaka nicht einerlei seyn? Dubois glaubt in dem Worte Uri das persische Hur zu finden, und dieß bedeutet .(»ach Hyde) Sonne; er bringt demnach die Stadt wiederum mit dem Feuerdicust der Perser in Verbindung und läßt die Uri achte Feueranbeter seyn. Nach ihm führt auch der Raum der großen Ringmauer mit dem Achteck und der zwischen dem Natanebi und Skurdebi gelegenen Landzunge den Namen Udschenar. Regen veranlaßte mich Urikalaki früher zu verlassen, und so eilte ich durch Mälder nach Osurgethi, dem Hauptorte Guriens, 229 um dort weder gegen Regen, noch gegen Wind geschützt zu seyn. Ich war gezwungen in einem aus Brettern zusammengeschlageneu Hause mir den dicksten Sachen mich zuzudecken, um gegen herab-tröpfelndes Wasser geschützt zu seyn. Der dicke kaukasische Filzmantel, Burka allenthalben genannt, leistete mir vortreffliche Dienste» Osurgethi liegt am Ende der Ebene, wo sich die Hohen der südlich gelegenen adscharischen Berge verlieren, und besteht aus einem zerstrent liegenden Dorfe und einigen unbedeutenden Häusern der russischen Beamten. Es ist der Sitz der Regierung, deren Chef ein Präsident (damals Major Orloss) ist, und unter dem Gouverneur zu Kutais steht. Seit dem Tode des letzten Herrschers von Gurien steht das Land zur großen Unzufriedenheit der einheimischen Fürsten unmittelbar unter Rnßlalid und der Sohn des letzten Herrschers wird in St. Petersburg erzogen. Das habsüchtige Benehmen einiger Beamten mag wohl die Fürsten veranlaßt haben eine Bittschrift nach Petersburg zu senden und ihren rechtmäßigen Herrscher zurück zu verlangen. Bis jetzt befindet er sich aber noch in Petersburg. Was die frühere Geschichte Guriens anbelangt, so wurde cs, wie schon gesagt, nach und nach von verschiedenen Stammen, die wohl sämmtlich dem lazischen Volke angehörten, bewohnt, und noch jetzt nennen die Orientalen den ganzen Küstenstrich vom Ausfluß des Rion bis nach Trapesunt Lazestan. Gurien gehorte stets zu Grusien, spielte aber wohl immer wegen seiner Entfernung eine mehr unabhängige Rolle. Spater gehörte es zu Imerien. Ein eigener Statthalter mit dem Namen Guriel erscheint erst in der zweite», Hälfte des I5te„ Jahrhunderts, denn grusische Chroniken berichten uns, daß der Guriel Kachaber 1483 gestorben ist. Auf lhn folgt sein Sohn Georg, und alle Statthalter führen vmt nun an den Titel Guriel. Damals reichte aber Gurien südlich bis nach Batuhm. *) Spater kam es mit Immen unter türkische Oberherrschaft und machte sich im vorletzten Jahrhundert von Imerieu ganz unabhängig. Der letzte Guricl Manila mtterwarf sich 1810 Rußland, allein seine Wittwe Sophie nahm in dem letzten türkischen Knege Partei gegen Rußland und sich mit ihrem Sohne auf ») Mehrere neuere Karten, selbst die sonst auerkamttcn von Stieler setzen, dadurch irre geführt, die Gränze Transfaukasicns bis dahin. 23l> türkisches Gebiet, woselbst sie auch starb. Der Sohn begab sich später auf Verlangen der russische» Regierung nach Tiflis und wird jetzt, wie schon gesagt, in Petersburg erzogen. Gurlen, wie es jetzt ist, bildet ein kleines Landchen, das sich vom Rion acht Stunden weit südlich bis nach St. Nikolaus herabzieht. Die adscharischen Gebirge und der Fluß Tscholoki scheiden es von dem türkischen Kreise Vatuhm, während im Osten die Fortsetzung des meschischen Gebirges es von Achalzich, und ein an seinem Winkel nordwärts gehender Arm desselben es von Imerien trennt. Die gröfite Ausbreitung von Osten nach Westen betragt 10 bis 12 Meilen. Man theilt es jetzt in zwei Kreise oder Gaue, von denen der westliche am Meere gelegene der Kreis von Osurgethi, der östliche hingegen, der von Seitenarmen des adscharischen Gebirges durchzogen wird, der Kreis von Nagomari genannt wird. In beiden zählt man 127 Dörfer mit 6100 Häusern und 18,000 Einwohnern. Anhaltender Regen hinderte mich die reizenden Umgebungen von Osurgethi naher zu betrachten, und so beschloß ich, zumal der spaten Jahreszeit halber kein gutes Wetter mehr zu erwarten war, die Rückreise nach Kutais und Tiflis anzutreten. Am 20 Nov. reiste ich demnach ab und blieb noch gegen X Stunden in der Ebene von Osurgethi, dann war ich aber gezwungen die letzten nördlichen Ausläufer des adscharischen Gebirges auf einem sehr schlüpfrigen Boden zu überschreiten. Leider waren unsere Pferde nur schlecht beschlagen, und anstatt unserer Hufeisen hatten diese nur flache, halbmondförmige Platten, die wohl das Ablaufen der Hufe verhinderten, aber bei abschüssigem schlüpfrigem Boden keinen Halt zu geben vermochten. Nach 3^/, Stunden kamen wir an die zweite Residenz der frühern Herrscher, nach Nagomari. Alle Burgen Guriens bestehen zum großen Theil ans viereckigen Mauern und unbedeutenden oft hölzernen Häusern. Da sie in der Regel aus nicht behauenen Steinen erbaut sind, sondern diese (meist 1 bis ^/2 Fuß lang und oft auch dick) aus den nahen Flüssen ausgesucht und mit einem Mörtel vereinigt werden, so vermögen die Burgen nie einer langern Zeit zu widerstehen. Nagoman war erst von dem Vater des letzten Guriels wieder hergestellt woiden. Wahrend Mingrelieu bis auf wenige Ausnahmen der Gastfreundschaft abhold ist, zeichnet sich Gnrien um desto mehr S3! durch diese Tugend aus, und obgleich der Fürst Georg Nakaschidse mich von Osurgethi aus hinlänglich mit Proviant versehen hatte, kamen doch trotz des kurzen Aufenthalts in Nagoman neue Vorrathe au. Mitten durch Kastanien- und Eichenwälder führte uns der Weg in das nahe, reizende und romantische Thal der Supsa, was in vieler Hinsicht dem von Letschkum nicht unähnlich ist. Es ist ziemlich breit und wird von mittelmäßigen aber schroffen Höhen auf beiden Seiten begränzt. Auf der südlichen hatte sich der immer noch fallende Regen in Schnee verwandelt. Mitten in diesem trotz des unfreundlichen Wetters lieblichen Thale erhebt sich, vhue mit dem linken Hdhenzuge in Verbindung zu sieheu, ein Berg, und auf ihm sieht die uralte Vurg Bereschauli. Leider war ich gezwungen, um noch vor dem Einbrechen der Nacht die Poststation zu erreichen, weiter zu ziehen, und vor mehreren guri-schen Dörfern, welche ich zum erstenmal ansierhalb der Wälder erblickte, vorbei kam ich nach ungefähr vier Stunden Wegs nach Tschochotauri, um hier das Thal der Supsa zu verlassen. Die hier liegende Kosakenstation zeichnete sich vor allen bisher von mir gesehenen durch ihre Sauberkeit und Wohnlichkeit aus, und die unmittelbare Folge war auch das gute Aussehen der Bewohner, die in dem besten Vernehmen mit den die Umgegend bewohnenden Guriern standen. Die Gastfreundschaft erfuhr ich auch hier wiederum in hohem Grade, und kanm war ich eine Stunde in meinem Logis, als auch der Fürst Georg Enstaff und ein Edelmann mir reichlichen Vorrath sendeten. Leider goß der Regen fortwahrend in Strömen herab und erlaubte mir wiederum nicht die nahe Vurg zu ersteigen. Am andern Morgen reiste ich trotz der Ermahnungen der freundlichen Kosaken weiter, und war zunächst gezwungen den Gebirgsrücken, der Gurien von Imerien trennt, zu überschreiten. Unter unsäglichen Anstrengungen und Gefahren erreichten wir glücklich die Hohe, um noch größern Mühen entgegenzugehen. Der Rege» hatte sich oben in Schnee verwandelt und große Flocken fielen auf uns herab. Endlich auf der andern Seite angekommen versperrte uns ein Fluß, der nach der Anssage der mich begleitenden Kosaken im Sommer ein unbedeutender Vach ist, den Weg. Vergebens riethen meine Begleiter znr Rückkehr. Sollte ich aber einige Tage in 232 Tschochotauri in dieser traurigen Einsamkeit, in der ich nicht das Zimmer verlassen konnte, verbleiben und abwarten bis die Waffer verlaufen waren? Nach vielen Versuchen gelang es uns das jenseitige Ufer zn erreichen. Aber damit waren die Gefahren noch nicht zu Ende, denn wir kamen in ein anderes Thal, das sich oft plötzlich verengerte und dem darin stießenden Bache kaum für sich hinlänglich Raum darbot. Dreimal glückte es uns den zum reißenden Strom gewordenen Vach zu durchreiten; beim viertenmal wurde mein Pferd vom Strome ergrissen, glücklicherweise aber an das jenseitige Ufer getrieben. Ein Gleiches geschah auch dem einen Transportpferde, aber auf der Seite liegend wurde es von dem Wasser da hinge führt. Fast zu gleicher Zeit warfen Joseph und ich uns wieder in die Flutheu, um das verlorue Pferd zu retten, wurden aber ebenfalls von dem Strome ergriffen und fortgerissen. Zum Glück erweiterte sich allmählich das Thal uud unsere beiden Pferde faßten wieder Fuß; Joseph stürzte sich, mir den Zügel zuwerfend, in die Fluchen und erreichte glücklich das Packpferd, um es wieder auf die Veine zu bringen. Wir befanden uns zwar auf dem jenseitigen Ufer, aber senkrechte Felsen versperrten uns die Weiterreise, und so waren wir wiederum gezwungen nach dem jenseitigen Ufer zu reiten und zum zweitenmal das Waguiß zu versuchen. Es gelang uns. Endlich erreichten wir die Ebene und alsbald auch bei der Pferdeflußmündung (Ust-Tskheuisiskal) einen Posten, den Rion. Das 8 bis 10 Fuß hohe uud thom'ge Ufer dieses Flusses setzte uus der Pferde halber neue Schwierigkeiten entgegen, aber auch diese wurden beseitigt, und mau brachte uus auf einem Floß glücklich auf das jenseitige Ufer. Ust-Tskheuistskal oder, wie es gewöhnlich ausgesprochen wird, Ustje, ist erst seic eiuem Jahrzehnt augelegt und zur Stadt bestimmt worden. Wie ich schon oben gesagt, gehen die Waaren von Poti auf dem Rion bis hierher und werden von den Eunuchcu-Soldaten dann weiter nach Kutais gcbrachl. Diese unglücklichen Menschen unterschieden sich aber wesentlich von denen in Poti durch ihr besseres Aussehen uud zcichncu sich durch ihre Freundlichkeit aus, denn mir ihnen hatte ich es zu danken, daß ich glücklich das jenseitige Ufer des Rion erreichte. Die ganze Stadt besteht aus der Casernc und einigen Beamteuhäusern und besitzt ciuen mit vielen Waaren angefüllten Basar. 233 Gern ware ich die Nacht hier geblieben, zumal diese an dem hentigen Tage früher einzubrechen drohte; meine Kosaken verlangten aber in ihre Station gebracht zu werden, und so ritten wir von Kopf bis zn Fuß durchnäßt und an allen Gliedern vor Frost zitternd einen breiten, in dem Urwalde ausgehauenen Weg noch zwei Stunden bis zu dem Kosakenposten Marana. Das Wasser bedeckte Fuß hoch den Boden. Endlich erreichten wir die Station, aber anstatt ein nur einigermaßen wohnliches Logis zu finden, waren wir in Marana kaum gegen Wind und Regen, der immer noch wie aus Mulden goß, geschützt. Eine Hütte nothdürftig aus Flechtwerk bereitet nahm uns auf. Frühere Reisende schienen schon einen Theil der Wände verbrannt zn haben, und so hatten diese kaum noch eine Hdhe von 4 Fuß. Der Voden war naß, und um trocken zu stehen wurden wir zuvor gezwungen uns eine trockene Unterlage Zu machen. Man sollte kaum glauben, daß man mitten im Walde an brennbarem Holz Mangel haben konnte, und doch ging es uns hier so. Die faulen Kosaken des Postens waren nicht darauf bedacht gewesen sich mit Brennmaterial zu Verseheu, und so mußten sie, da es einige Tage anhaltend geregnet hatte, sich des nassen bedienen. Selbst hiervon sammelten sie am Tage nur so viel als sie den Augenblick brauchtet,. Die eine Seite unserer Wohnung, und zwar die welche uns nicht gegen den Wind zu schützen brauchte, wurde cingerissen und mit dem Flechtwerk zündeten wir uns ein Feuer, das uns erwarmen und die Kleider trocknen sollte, an. An ein Umkleiden war nicht zu denken, zmnal auch die eingepackten Kleider ebenso naß als die andern waren, und so trockneten wir einen Theil nach dem andern an der bald helllodernden Flamme. Der reichliche Vorrath an Brod, Fleisch und Wei» stärkte uns einigermaßen, und alle halbe Stunden wmde ein Glas Thee, den Zuckerwasser versüßte, getrunken. Schlaf war nicht möglich, und so erwarteten "" hoffend deu andern Morgen. Kaum beganu es zu dämmern, als wlr auch wiederum auf deu Pferden saßen. Der Himmel hatte sich aufgeheitert, meiu Thermometer stand etwas unter Null, und das allenthalben sichende Wasser war mit einer schwachen Eis. decke versehen. Nur langsam kamen wir vorwärts, und Mittag war lange vorbei als wir in dein fünf Stunden entfernten Choni anlangten 234 und daselbst das schon bekannte wohnliche Logis wiederum einnahmen. Um alle meine Sachen zu trocknen, verlebte ich auch noch den andern Tag in Ruhe. Den 30 Nov. endlich trat ich den Rückweg auf der bekannten Straße nach Kutais an und fand bei dem freundlichen Commandanten Naskoss sogleich ein gutes Mittagessen vor. Fünfundzwanzigstes Gapitel. Nückreise nach Tiflis. Die imerischen Posthäuser; Major Iljin; Scharopa»! dnK alte Sarapcma; Skanda; Muchura; daö enge Quirilathal; die natürlichen Vlattern; das Hundcthal; die Vurcf von Sweri; Vschinebi; Semo.Kwakana; Satschcheri; Motamnache; Leukothea und Ideessa; der PhasiS der Alte,,; Fürst A6lan Zereteli; der Quirilatessel; Meinbercitung; die Familie der Zcretelis; Dschala; Uebergang über den Peranga; Mittazz^mahl aus der Hohe; Ortssinn der Kaukasier; Eintritt in Karthli; Sagina nnd sein Selberberg-werk; geologische Veobachtungen; die Fürsten Palawando; freundliche Älufnahme bet tinem Össeu in Thormancult; Kirche dcü heiligen Georg; Zrchinwall; tie Eisqxelle; Gori; TifliS. Vergebens hoffte ich, daß das Wetter sich andern würde, und nachdem ich mehrere Tage unnütz in Kutais zugebracht hatte, reiste ich den 6 Dec. auf dem Wege nach Tiflis ab. Aber so wenig wir es möglich war auf der ganzen Strecke von Osurgechi bis Kutais in geologischer Hinsicht mit der Umgegend bekannt zu werden, eben so wenig konnte es jetzt geschehen. Der Weg fühlt rein östlich auf einer von Höhen unterbrochenen Straße und geht nach fünf Stunden dem Ufer der Quirila und dann der Tschala-puri entlang bis zu der etwas über sieben Stunden von Kutais entfernten Posistatt'on Tschalapnri. Die PostHäuser sind hier bedeutend besser und bestehen aus mehreren Zimmern, von denen i» Tschalapuri zwei sogar geheizt werden konnten. Leider hatte man aber anstatt kleiner Oefen oder Kamine die großen russischen Oeftn angebracht, und man konnte in der Zeit, bis es warm wurde, erfrieren. Was in und um Petersburg vorzüglich ist, muß in dem warmen Transkaukasien höchst unpraktisch seyn, aber trotzdem erbaute man auch in Privatwohmmgen die unförmlichen Warme-maschinen, rveil — (man sollte es kaum glauben) eö so vorgeschrieben ist. So wenig wagt man in Rußland von dem Buch- 235 staben des Gesetzes abzugehen, trotzdem es gewiß in dem Geist desselben nicht liegt. So wohnlich es sonst um mich war, so unfreundlich zeigte sich der hier wohnende Kosakenofficier, und wiewohl dieser angewiesen war den Reisenden der Krone das Brennmaterial zu liefern und er genug Vorrath hatte, so verweigerte cr es hartnäckig mir und einem auf der Reise befindlichen Officier. So froren wir trotz des Ofens und erwarteten sehnlichst den Morgen. Kaum aus der tschalapm'schen Poststation herausgekommen, empfanden wir wiedernm lebhaft den Mangel an Brücken, und nur mit großer Mühe gelangten wir auf das jenseitige Ufer der Tschalapuri. Nach kanm zwei Meilen mußten wir auch die größere Qmrila übersetzen, und in einer auf jenseitigem Ufer befindlichen Poststation, welche dcn Namen nach dem Flusse fühlt, wechselten wir die Pferde. Fortwahrend war das Wetter im hohen Grade unfreundlich, und theils um an der russischen Gastfreundschaft mich wieder zu erholen, theils um die Ruinen der alten Burg zu Scharopani zu besichtigen, verließ ich die Poststraße und ritt einen steilen Berg aufwärts nach dem Sitz des scharopan'schen Kreises. Der Nat-schalnik Major Iljin war zwar nicht zu Hause, aber trotzdem wurde ich von dessen Frau auf das freundlichste aufgenommen und mehrere Tage hindurch gut bewirthet. Das jetzige Scharopanl liegt auf einer reizenden Hohe über der Quirila, die sich unter ihm beeilt die kolchische Ebene zu erreichen. Es besteht nur aus wenigen Häuseln, welche der Kreishauptmann und seine Untergebenen bewohnen. Das Hauptgebäude nimmt der Major Iljiu mit seiucr liebenswürdigen Familie ein; es liegt vorn auf der Höhe. Leider war es mir wegen des schlechten Wetters nicht vergönnt die Aussicht in ihrer ganzen Schönheit zu genießen, und immerwährend fielen grosie Schneeflocken, die fußhoch den Boden bedeckten, herab. Nach Westen breitete sich die fruchtbare, anfangs von unbedeutenden Hdhen unterbrochene kolchische Ebene aus und verlor sich in blauer Ferne; im Süden lagen unbedeutende Hdhen und darüber erhoben sich die mir ewigem Eis und Schnee bedeckten Gipfel des Gado und Persath. Nach Norden und Osten war die Aussicht beschrankt, da die nahe» Ausläufer der Kur - Rion - Wasserscheide oder des 236 weschischen Quergebirges und die der Quirila-Rion-Wasserscheide oder des Nakerala den weiter liegenden Kaukasus bedeckten. Den 10 Dec. klarte sich endlich der Himmel auf, und so ergriff ich wiederum meinen Licblmgsgedanken, an der Quirila aufwärts nach den ältesten Wohnsitzen der mächtigsten imerischen Familie der Zeretelis zu gehen. Ich setzte gleich den andem Tag zur Abreise fest. Den Nachmittag benutzte ich noch, um die Ruinen des alten Gränzschlosses Scharopaui in Augenschein zu nehmen. Es liegt kaum zehn Minuten nördlich und besteht jetzt noch aus der bedeutenden und so ziemlich erhaltenen Ringmauer, innerhalb welcher die durch einander geworfenen Steinhaufen nichts unterscheiden lassen. Ihr Umfang ist nicht unbedeutend und beträgt mehr als der aller von mir auf dem kaukasischen Isthmus gesehenen Burgen. Dieses Scharopam oder Sarapana stammt noch ans der ersten Zeit des grusischeu Königthums und soll von Pharnawas erbaut und zum Sitz eines Statthalters ernannt worden seyn. Strabo führt es auch an, und zur Zeit Procops spielt es als Gränzfestung des kolchisch-lazischen Reiches eine wichtige Rolle, da es gleichsam den Eingang in die kolchische Ebene bewachte. Spater war es in dem Besitze der fürstlichen Familie Maschidse und wurde endlich von den Türken eingenommen. General Tottleben rasirte sie im Jahr 1770 und so liegt sie noch in ihren Trümmern. Von der Höhe der Wohnnng des Kreishauptmanns wurde mir auch der Thurm von Skanda gezeigt. Diese zweite Gränz-festung dcs lazischcn Reichs unter Justinian wurde nach Procop von den Griechen verlassen und zerstört, worauf die Perser sie in Besitz nahmen und wieder aufbauten. Seitdem hat es nie mehr in der Geschichte eine Rolle gespielt. Weiter oben au demselben Flusse Susa*), der nach der Vereinigung mit der Vlldscha den Namen Tschalapuri führt, liegt das Dorf Muchura, von dem Klaproth und Remeggs mit Unrecht behaupten, daß hier die fruchtbare Ebene Muchiresis des Procop zu suchen sey. Früher habe ich schon wenläusiger über diese Gegend gesprochen. Der Himmel erschien zwar hell, als ich am genannten Tage *) Dubois nennt ihn Dschussa. 237 abreiste und auf den Höhen des Gebirges längs der Qmrila norv-wärts meinen Weg nahm, aber Kälte von einigen Graden unter Null war eingetreten. Leider erlaubten mir die kurzen Tage, zumal der Aufbruch erst spät geschah, nicht weit zu gehen, und so blieb ich mit meiner zwölf Mann starken Begleitung in einem armseligen Dorfe, was den Namen Voslebi führt. Dieser Ort mag ungefähr fünf bis sechs Stunden von Scharopani entfernt seyn. Die Gegend war freundlich nnd bezeugte die emsige Thätigkeit der Bewohner des schönen, von maßigen Höhen unterbrochenen Gaues Argwethi, in dem mitten darin Voslebi sich befindet. Eine Höhe in der Nahe gestattete mir eine weite Umsicht, und rings um mic lag dcr Gau, der im Allgemeinen mit den nördlichen Kantonen der Schweiz, besonders dem Theil zwischen dem Bodensee nnd St. Gallen, eine Aehnlichkc'it besitzt. Seine südlichere Lag? macht ihn nur noch lieblicher. Ackerbau fand ich fast gar nicht vor, denn aufier Mais kam mir kein anderes Getreide zn Gesicht. Es war mir lieb, daß ich nicht wiederum gezwungen war mich a>, der unschmackhaften Gomi zu sattigen, wenn auch Maisbrod, sobald es einen Tag alt ist, noch schneller als das Gelstenbrod austrocknet. Sein Anball geschieht anf gleiche Weise wie es mit dem Hirsen in andern Gegenden der Fall ist. Wein sah ich allenthalben, und besonders Kernobst schien häufig wild zu wachsen. Auck die Churme begegnete mir allenthalben und ihre Früchte harten ibr schmutziges Orangengelb in ein dunkles Grauschwarz verwandelt. Wie ganz anders schmeckten sie jetzt. Das unangenehme Bittere hatte sich ganz verloren und eine bedeutende Süßigkeit, die mir aber bald zum Ekel wurde, war an ihre Stelle getreten. Ich habe schon früher gesagt, daß man mner Chnrme l>it,»?).'03 I.ou,, I.. zu verstehen hat. Allerhand Gehölze und Bäume bedeckten auch auf der fernern Reise bis Satschcheri die Höhen und Thäler, standen aber nie so dicht wie in den Ebenen und auf dem Nakerala. Die Nachricht, die Pest sey in der Umgegend ausgebrochen, erschreckte mich nicht wenig, und eben als ich an, andern Morgen abreisen wollte, kam mein Uebersetzer todteubleich zn mir mit den Worten: „Eilen Sie, gnadiger Herr, die Pest ist im Dorfe/' So gefährlich auch diese Krankheit ist, so wußte ich doch wohl, daß sie nur durch unmittelbare Berührung des Krankheitsstoffes über- 233 getragen werden kann, und um nicht unnöthige und vielleicht mich hindernde Vorkehrungen zu treffen, beschloß ich mich zuvor selbst von der Wahrheit der Sache zu überzeugen. Daß die Geschwüre in Menge im Gesichte seyn sollten, ließ mich schon vermuthen, daß es die Pest nicht war. Trotz der innigsten Bitten meiner Begleiter und besonders meines Uebersetzers ging ich in das Haus, wo der Pestkranke liegen sollte. Dort fand ich auf einem schmutzigen Teppiche einen 20 —24jährigen Mann, dicht an das Feuer gelagert. Sein Gesicht war über und über, nicht aber mit Pestbeulen sondern mit Blatterngeschwüren bedeckt, so daß die Augen als solche gar nicht mehr sichtbar waren. Eine Salbe, mit dem man ihn beftti-chen hatte, vermehrte den ekelhaften Eindruck, den ein Blatter? kranker an und für sich hervorzurufen im Stande ist, noch weit mehr. Da lag nun der arme Teufel an dem Feuer, das dem Verlöschen nahe war und schauderte vor Frost. Seine nächsten Verwandten hatten ihn geflohen, um nicht auch von der Pest ergriffen zu werden, und so war er nur sich selbst überlassen, um eben aus Mangel an Pflege unterzugehen. Kaum fand sich eine mitleidige Seele, die ihm gleich einem Hnnde ein Stückchen trocknes Mais« brod zuwarf, oder das Feuer von neuem anschütte. Das armselige, aus Brettern zusammengezimmerte Haus vermochte ihn nicht gegen die Stürme der Außenwelt zu sichern und Wind und Regen drangen hie und da durch die Ritzen ein. Kann unter solchen Umstanden der kräftigste Mensch genesen? Alles was ich über diese Krankheit, die fast mehr als die Pest gefürchtet wird, vernahm, war fürchterlich. Ganze Dörfer werden nicht selten in einem Jahre von Menschen leer, und wer nicht die Tod bringende Statte verläßt, geht sicher seinem Untergange entgegen. Vier Stunden entfernt sey die Krankheit zuerst in einem Dorfe ausgebrochen und 16 Menschen waren in wenigen Tagen gestorben. Beruhigt reiste ich weiter und zwar immer auf der Höhe fort. Je nördlicher ich kam, um so mehr erweiterte sich mein Horizont; das ganze kaukasische Gebirge mic seinen eisigen Höhen lag im Norden, das Gebirge von Persath hingegen entfaltete sich südlich vor meinen Blicken. Die Qm'rila befand sich zu meiner Linken und erlaubte kaum, so sehr ist sie oft von schroffen Felscnwänden umgeben, daß ein Pfad sich an ihren Ufern hinziehe. Nachdem wir uns in dem Dorfe Zrugwerhi zur Einnahme des 339 Mittagsmahles etwa eine Stunde aufgehalten hatten, gingen wir dem berühmten Hundethale (Sasaklis-Chewi) zu. Das Dorf Sweri hat dem darin fließenden Vach und den nächsten Höhen seinen Namen gegeben. Leider war wieder unfreundliches Wetter eingetreten und mir es kaum erlaubt das romantische Thal näher in Augenschein zu nehmen. Schroffe Felsen des Höhlenkalks, abwechselnd mit denen eines dunkeln Porphyrs, zum Theil Melaphyr, schließen es auf beiden Seiten eng ein, sind aber immer auf ihren Höhen mit Gestrauch bedeckt. Allenthalben, wohin meine Augen nur spähten, erblickten sie Grotten und Höhlen und zu den meisten war der Zugang höchst schwierig, ja zum Theil selbst unmöglich. Nach der Aussage meiner Begleiter sind sie zum Theil natürlich, zum Theil aber auch von Menschenhänden verfertigt und dienten in den unruhigen Zeiten, wo die Türken vom Süden, die Lesgier und Offen vom Norden aus raubend und plündernd einfielen, zum sichern Zufluchtsort der Bewohner des Gaues Argwethi. In der Nahe des Dorfes erhob sich ein kegelförmiger Berg, der ganz ausgehöhlt zu seyn schien, leider aber gar nicht zu besteigen war. Hier stand die berühmte Burg von Sweri, die einzige, welche der fanatische Mordbrenner Murwan-Kau in seinem verheerenden Zuge durch Grusien nicht bezwingen konnte. Um die Höhlen und ihre Bauart näher kennen zu lernen, kletterte ich einen steilen Verg aufwärts und erreichte nach manchen Mühen den Eingang. Dieser war geräumig und schien von der Natur während des Emporhebens der Massen gebildet zu seyn. Eine schauerliche Stille umgab mich, als ich eintrat. Alsbald fand ich Spuren menschlicher Kunst, und wie es schien war alles mit viel Geschick verfertigt. Leider wurde mir es nicht möglich tief einzudringen, da alsbald dunkle Nacht mir entgegentrat und so war ich leider gezwungen umzukehren. Glaskraut und das niedliche Venushaar wucherte allenthalben aus den Klüften hervor und besaß noch sein frisches Grün. Der Weg aus dem engen Thale auf die gegenüberliegenden Höhen war für unsere Pferde beschwerlich, und nur durch die Ge-schicklichkeit meiner Begleiter kamen sie glücklich nach oben. Auf der Höhe angelangt, gingen wir nordwestlich dem großen Kessel der Quirila, der den Namen Semo-Kwakana führt, zu; es wurde uns aber erst kurz vor dem Dorfe Bschinebi vergönnt ihn ganz zu über- %4Ö blicken. Ein freundlicher Asnaur (Edelmann), Abduschelo, der zu gleicher Zeit den Priester in seinem Sprengel machte, nahm uns auf nnd ertheilte mir ein gutes Nachtlager. Unter dem vielerlei Eingemachten, was im Ganzen die Transkaukasier der vielen Fasten wegen lieben, fand ich anch die Sonscholi vor. Nach der Aussage des Wirthes soll es eine Schmarotzerpflanze seyn, die »vie unsre Mistel auf Bäumen wachst; das was ich aber sah, wider., sprach dem ganz und eher schienen mir es die Knospen der f'e, iplaoa gr-^ca I^. zu seyn. Erst am andern Morgen (12 December) kamen wir in dem Hauplsitze der Zerettlis, in Satschcheri an m,d fanden leider den Fürsten Gregor nicht anwesend. Der Sitte gemäß dürften uns die Frauen nicht empfangen, nichtsdestoweniger sorgten sie für ein einstweiliges Unterkommen und sandten in aller Eile zu einem Vetter, Aslan, um uns dort eine Aufnahme zu bereiten. Die Zeit benutzte ich, um in Begleitung eines fürstlichen Dieners die nahe Burg Mo? tamnache zu besuchen. Sie ist ans dem aus Grobkalk bestehenden Rücken eines Vorsprunges des Ketsebi erbaut und beherrscht das ganze weite Thal der Quirila. Ihr Umfang ist bedeutend und sie zieht sich auf der Höhe gegen 3—400 Fuß hin. So lang sie auch ist, so wenig betragt oft ihre Breite, denn ich maß Stellen von 25 Fuß. Eine Ringmauer, die vorn durch einen, hinten durch zwei Thürme geschloffen wird, umgibt sie von allen Seiten. Eine Quermauer hingegen tremit den Hof in zwei grosie Ranme. Außer einer noch ziemlich erhaltenen Capelle in der Mitte der Burg waren die übrigen Gebäude entweder ganz oder zum Theil verfallen, man sah aber dem Ganzen au, daß die Zeit noch nicht lange her war, wo sie noch bewohnt wurde. Die Capelle wird noch in der ganzen Umgegend für heilig gehalten und viele Glaubige kommen besonders des Sonntags, um die alten Stücke abgetragener Kleider, welche der Sage uach von dem Apostel Andreas und von den 13 heiligen Vätern Grusienö stammen sollen, und einige Becher zu küssen. Die Erbauung der Burg fallt durchaus nicht in das graue Alterchum, wieDubois will, denn nach der Erzählung Aslan Zere-teli's wurde sie von zwei seiner Vorfahren Pabuna und David, unter einem Alexander, vielleicht demnach gegen das Ende des 46ten oder wahrscheinlicher, wenn wir spätere Nachrichten damit 241 in Zusammenhang bringen,*) in der ersten Hälfte des 17ten Jahrhunderts erbaut und diente in den beständigen Kriegen mit den Türken und Bergvölkern als Zufluchtsstätte. Die Zeretelis erwiesen sich stets als treue Vasallen des imerischen Königthums und vergrößerten durch Geschenke der Herrscher ihre Besitzungen so sehr, daß sie jetzt wohl als die mächtigsten Fürsten vielleicht ganz Gru-siens betrachtet werden können. Während der Empörung des Eristaffes**) von Radscha und einiger anderen Großen blieben sie fast allein treu, und als mit russischer Hülfe Salomo I diesen gefangen nahm und die Türken ganz aus dem Lande verjagte, erhielten die Zeretelis einen Theil von Radscha als Lehen. Als aber 1810 Salomon il, der sich 1804 Nußland unterworfen hatte, nur mit Widerwillen das fremde Joch ertrug und die Fahne der Empörung mit Hülfe der Türken aufsteckte, blieben auch die Zeretelis ihm treu. Selbst da, als Salomon überall geschlagen nach Achal-zich floh und die meisten Zeretelis sich wieder dem russischen Scepter unterworfen hatten, trotzte der mächtigste derselben der Uebermacht. Von seiner Vnrg abgeschnitten, mußte er ebenfalls nach Achalzich fliehen; seine Frau aber warf sich mit einem Theil der Truppen nach Motamnache und trotzte in derselben den Russen. Vergebens suchten die letztern diese zu erobern und erst als die Besitzerin (wahrscheinlich vergiftet?) starb, wurde sie übergeben und zerstört. Dnbois ***) hat die Geographen des Alterthums nicht verstanden, wenn er in den Kessel der Quirila, die er fälschlicher Weise für den Phasis hält, Leukothea (nicht Leucothii) und Ideessa (nicht Idessa) setzt, und unter dem erstern das heutige Mgwimeh (6vim6 bei ihm) und unter dem letztern Motamnache begriffen haben will. Der Tempel Lenkothea und die unbedeutende Stadt (Tro^x^up) Edeessa^) lagen aber weit auseinander und die Lage des erstern habe ich schon oben näher bezeichnet. Ideessa befindet sich in Istria (d. h. Karthli), hart an der kolchischen Gränze, während *) Siehe unten S. 249. ^*) Eristaff entspricht am besten dem griechisch persischen Worte Satrap und bedeutet einen Statthalter, dessen Familie diese Würde meist in der Familie vererbt hat. S. unten. ***) vudoiz Vo).-,^, L«m. III. p. 1?1, s) 8tsÄi>«; I^d. Xl. pgß. 544 (eäit. 628Äubou>). (Reise nach Kaukasien.) 242 Mgwimeh sich im Norden des alten MeschienS auf der Nordseite, Motanmache hingegen kaum zwei Stunden von diesem entfernt auf der Südseite liegt. Unbegreiflich ist es ferner wie ein so gelehrter Mann wie Dubois das Wort TraA^o^, d. h. Städtchen, für den Namen halten und aussprechen kann, daß Edeessa früher Polpchnium (für Polichnium) geheißen habe. Ueber den Phasis der Alten habe ich ebenfalls schon früher gesprochen, und abgesehen davon, daß Strabo mit deutlichen Worten sagt, daß der Phasis aus Armenien entspringt,*) spricht der Lauf der Quirila schon ganz dagegen. Dubois hat den bedeuten-den Bergrücken Peranga nicht überschritten und kennt demnach die Gefahren und Mühseligkeiten eines solcken Ueberganges nicht. Es heißt aber bei den Alten weiter, daß die Waaren auf dem Phasis bis Serapana gebracht wurden, von da seyen sie auf Pferde gepackt und nach dem nahen Kur befordert worden. Es unterliegt deßhalb keinem Zweifel, daß die alte baktrisch-indisch-kolchische Handelsstraße noch dieselbe ist, die heute von Poti nach Suram und Tisiis führt. Als ich wiederum unten ankam, fand ich den freundlichen Fürsten Aslan schon vor, um mich zu sich zu führen. In seiner Begleitung besuchte ich zuvor noch das noch unvollendete Schloß des Fürsten Gregor. Tataren, die im ganzen nördlichen Vorderasien sich als gute Baumeister beweisen, bauen es und haben in dem weißen Grobkalk der Umgebung ein vortreffliches, leicht zu bearbeitendes Material. Das Schloß selbst ist acht orientalisch angelegt und von bedeutendem Umfange. Die Zimmer der Frauen und zum Baden besinden sich nach hinten. Leider sind sie im allgemeinen klein und oft kaum 12 Fuß lang und 6 breit. Es wurde eben das erste Stockwerk aufgeführt, welches nach oben ein plattes Dach schließen soll. Die Steine verband man mit einem harten Kalkmörtel. Der Wohnsitz des Aslan ist kaum eine Viertelstunde entfernt, und als ich daselbst ankam, fand ich mehrere Glieder der Zeretelis schon versammelt, um mich in Empfang zu nehmen. Mit der gewöhnlichen kaukasischen Gastfreundschaft wurde ich begrüßt und *) 5tr«I,<>, I,d selbst kein vierfüßiges Thicr noch ein Vogel unterbrach die grauenvolle stille, welche in dieser Region herrschte. Plötzlich ertönte Hülfegeschrei. Ein Imerier war vor meinen Augen versunken und aus der Tiefe kam jenes hervor. Aengstlich schaute ich auf die Stelle und sah nur die Oessmmg, durch die Mein Begleiter verschwunden war. Ein murmelndes Rauschen, 346 was von unten zu meinen Ohren kam, vermehrte noch meine Be-sorgniß. Doch bald überzeugten wir uns von der Gefahrlosigkeit und ein helles Gelächter folgte auf den ersten Schreck. Es hatte sich nämlich über eine Schlncht, in der ein Bach stoß, eine dichte Schneedecke gebildet und beide Ufer mit einander verbunden. Die leichtern Fußganger waren gut darüber gekommen und eben so die ersten Retter, bis eben dieser, der Schulze des Dorfes Dschala, eingesunken war, zum Glück ohne sich Schaden gethan zu haben. Der Einbruch geschah gleich am Anfang und so war er mit dem Pferd bis hinunter gerutscht; um ihn aus seinem Gefängniß zu befreien, mußte die ganze Decke durchgeschlagen werden. Aber nur mit großer Mühe und nach lauger Zeit gelang es uns sein Pferd und die der übrigen nachfolgenden auf das jenseitige Ufer zu bringen. Es war lange Mittag vorbei, als wir endlich die Höhe des Rückens erreichten und plötzlich mit einem Geschrei empfangen wurden. Aengstlich sah ich vor mich hin und erblickte die sechs vorausgeschickten Imerier um ein hellaufloderndes Feuer, Menschen und Pferde überließen sich ganz der Freude, uach großen Anstrengungen sich eine Stunde kurzer Ruhe übergeben zu können. Das Mahl war fertig und hurtig lagerte sich alles, die Vurke (den dichten Filzmantel) unter sich ausbreitend, auf den Schnee um das große Feuer, dem ganze Stamme Nahrung gaben. Es war cm eigenthümliches Mahl im Freien mitten im Winter. Ringsum hatte Mutter Erde sich in ihr weißes Gewand gehüllt und über uns breitete sich der schönste dunkelblaue Himmel aus. Fast mitten in ihm glänzte die Sonne und erquickte mit ihren wohlthuenden Strahlen die eine Seite unseres Körpers, die eben nicht dem Feuer zugewendet war. Herrliche Eichen- und Buchcnbäume entstiegen dem Boden und strebten mit ihren zahlreichen Aesten dem freien Lichte zu aufwärts. Ihr schönes Grüu wurde durch Schneeflocken, die allenthalben herunterhingen, vertrete,,, und diese glänzte» im Sonnenschein wie Diamanten im Kerzenlicht. Ich suchte vergebens die Stelle in meiner Erinnerung, wo ich eine schönere oder wenigstens gleiche Winter-landschaft gesehen hätte! Nordwärts erhob sich der Rücke» des Gebirges noch weit mehr und zeigte eine breite ^»on Wald nicht bedeckte Stelle, die eben deßhalb, weil sie nur mit Krautern bewachst« und von Bäumen entblößt ist, den Namen Peranga, d. i. Hemd, erhalten hat. Man nennt aber auch den ganzen Theil des Quer- 247 geblrges von der Stelle an wo es aus Ossien herausgetreten ist, bis zu der Stelle wo die Sirula entspringt, Peranga. Lachoni und Loban sind die höchsten Spitzen auf der imerischen, Lochoisa hingegen auf der karthlischen Seite. Südlicher nennt man daS Gebirge Mschwildauri. Ich konnte unmöglich das Vergnügen entbehren, die Höhe der eigentlichen Peranga wenigstens in so weit zu ersteigen, als mir der Wald bei der Fernsicht nicht mehr hindernd entgegentrat und wirklich gehört auch der Anblick von dort zu den schönsten und weitesten die ich gesehen, denn vor mir lag Imerien mit seinen unbedeutenden Hohen, auf denen allenthalben verfallene Burgen emporragten und die ganze kolchische Ebene bis an das Meer. Im Osten hingegen erlaubten mir die hohen Verge von Dsari nicht über sie hinwegzusehen. Im Norden waren aber die ganzen kaukasischen Gebirgszüge und der mächtige Sigara sichtbar, im Süden hingegen zogen sich die Lichiberge hinab und verbanden sich mic dem Persathgebirge. Unmittelbar umschlossen mich die Urwälder der Peranga und erlaubten mir nicht die zahlreichen Engthäler des breiten Rückens zu erblicken. Diese Wälder unterschieden sich von denen in Mingrelien und auf dem Nakerala. Sie waren nicht so dicht, da das kleinere Gestrauch der immergrünen Hölzer zum großen Theil fehlte, dafür waren aber die Stamme der Eichen und besonders Buchen schlanker und höher. Nur den Kirschlorbeer wurde ich noch bis fast auf die Höhe gewahr und seine breiten Blätter contrastirten wunderlich durch ihr bräunliches Dunkelgrün mit der ganzen Umgebung. Unter lautem Jubel wurde das Mahl verzehrt und der Wein getrunken. Durch die große Hitze schmolz unter uns der Schnee, und ehe wir uns versahen sanken, wir einige Fuß tief ein. Auch über uns löste sich der Schnee von den Aesten und zum allgemeinen Gelächter fielen einigemal Schneeklumpen gerade auf den Braten eines Imeriers. Es war wirklich Zeit daß wir aufbrachen, denn das Feurr hatte bereits den Boden erreicht und brannte deßhalb zum Theil unter uns. Auch unser Lager war immer weicher und unsicherer geworden. Unsere sechs Vorausgeschickten traten ihren Rückweg an, wäh« rend wir selbst nun der andern Seite zu abwärts gingen. Wie bewunderte lch den Ortssinn meiner Begleiter, die im tiefen Schnee 248 nicht die Richtung verloren, die sie zu nehmen hatten. Und unser Weg führte uns nicht etwa gerade vorwärts, sondern nicht selten waren wir gezwungen einem Bergthale abwärts zu gehen, um eine bedeutende Höhe zu vermeiden. Nach mancherlei und oft lange dauernden Krümmungen kamen wir erst wieder an der Stelle an, von wo aus wir erst wieder dieselbe Richtung verfolgen konnten. Das Thier hat wirklich in Betreff der Sinne nichts vor dem Menschen voraus, und wenn z. B. der Hund sich so leicht wieder nach Hause findet und sich selten verirrt, so darf es uns nicht auffallen, denn alle Naturmenschen finden sich bei ihren unverdorbenen Sinnen ebenso leicht. Die Cultur ist die Ursache, daß bei den meisten Europäern der tief angeborue Ortssinn so gut als gar nicht vorhanden ist. Die genau bezeichneten Wege uud Chausseen müssen für den Menschen, der auf ihnen wandelt, sorgen, und ohne sich um die Himmelsgegend oder die nächste Umgebung zu kümmern, geht er auf ihnen vorwärts, weil er weiß daß sie zum Ziele führen. Trotzdem verlauft sich ein gebildeter Europäer auf seinen gebahnten Wegen viel eher und häufiger, als der Kaukasier in seinenVergen oder der Kosak auf seinen Steppen. Tragt nicht auch noch unsere stubenhockerische Erziehung, bei der man nur den Geist bilden will, dazu bei, den Rest des Ortssinnes noch zu vertilgen? Die Sonne senkte sich immer mehr und noch hatte ich keine Aussicht die freundlichen Thaler Karthli's wieder zu sehen. Sie ging selbst vor uns gleich einer glühenden Kugel unter, und lange bedeckte ihre rothe Gluth die uns gegenüberliegenden Berge. Zum Glück stand schon der Mond am Himmel uud gab uns mitleidig von dem Lichte was er selbst erst von der Sonne empfangen. Die Fröhlichkeit meiner Begleiter war allgemach durch die Kälte herabgestimmt und alsbald umgab uns eine schauerliche Stille, die nur durch das Schnauben der Rosse unterbrochen wurde. Wir alle waren bereits am ganzen Leibe erstarrt abgestiegen und suchten durch Gehen uns einigermaßen wieder zu erwarmen. Vis hierher hatte mir der abenteuerliche Zng gefallen, allein allmählich sehnte sich mein Körper zur Ruhe, zumal auch der Magen anfing seine Rechte zu verlangen. Die Einsamkeit wurde alsbald durch das Geheul der wilde» Thiere die bisher sich in ihren Schlupfwinkeln still verhalten hatten, unterbrochen und die heulend - winselnden Töne deö Schakals 249 vermehrten das Unheimliche in dem wir uns befanden. Hie und da blickten uns die funkelnden Augen eitles hungrigen Wolfes entgegen und nicht selten lief ei» Fnchs oder ein wildes Schwein vorbei. Selbst das Brummen des Bären*) glaubte ich zu vernehmen. Ueber mir blieb aber derselbe freundliche Himmel und die hellen Sterne funkelten ruhig neben dem bleichen Monde, der im halben Volllichte sich befand. Hoch schlug unser aller Herz und laut jauchzte die ganze Gesellschaft als wir aus der Ferne Hnndegebell vernahmen. Wie traulich tönte uns dieses entgegen und wie sehr erinnerte derselbe Ton mich an mein Vaterland, wo auch die Hunde, wenn ich auf meinen vielen Fußreisen noch am späten Abend mich auf der Straße befand, mir die Nähe eines Dorfes kund gaben. Menschen und Pferde schienen dadurch erstarkt und rascher gingen wir dem Thale in dem die Sagiua entspringt abwärts, um alsbald das Dorf Sagina zu erreichen. Die Masse des Schnees hatte allmählich wieder abgenommen, und als wir in dem Thale vor Sagina ankamen, war er verschwunden und trocknen Fußes langten wir in genanntem Dorfe an. Ein freundlicher Osse nahm uns in seinem Hause auf. Der Uebergang über die Peranga ist sehr alt und dem grusi« schen Geographen Wachuscht**) schon bekannt; er führt aber nicht wie es dort heißt über das Kloster Gomartha, sondern geht vou Sagina den Fluß desselben Namens (der bei Wachuscht Phtza oder Phtzis-Phrone heißt) aufwärts bis an seine Quellen. Vrosset darf übrigens durchaus nicht das grusische Dschala mit Wald übersetzen, sondern Dschala ist das erste imerische Dorf das man erreicht. Meine eigene Reiseronte macht es auch hinlänglich klar. Am andern Morgen (16 Dec.) besuchte ich zuerst das verfallene Silberbergwerk, das der Sage nach von dem König Irakli I (Herakleus), also gegen das Ende des 17ten Jahrhunderts angelegt seyn soll. Zu den Zeiten des Konigssohnes Wachuscht lag es schon unbenutzt und man kann sich deßhalb denken, in welchem Zustande ich es fand. Es war in die eine Seite des Lochoisa ein Gang horizontal *) Daß die kaufasischen Bären bestimmt keinen Winterschlaf halten, ist mir ganz klar. **) >ZVÄc!"i5eI»t äygoript'ion Hy i, Sergio trncl. pav Lrogsotz p»ß. 265. **) Wachuscht description de la Georgie trad, par Brossct", pag, 265. 250 gearbeitet, er stand aber so voll von Wasser, daß es unmöglich war nur 10 Schritte in ihm vorzudringen. Was für Erz das Silber enthalten haben mag, ist mir unbekannt, wahrscheinlich niag eS aber ein silberhaltiger Bleiglan; gewesen seyn, aus dem man es bekam. Thonschiefer bildetznm großen Theil die ganzePeranga. Auf den Hohen bemerkte ich nirgends plutonische Gebilde. Die AbHange im Westen und Osten waren mit Uebergangskalk bedeckt und darauf folgte ein tertiäres Gebilde, im Westen Grobkalk, im Osten Molasse, weiß und roth todt liegendes. Die unbedeutenden Höhen, welche daS Thal der Sagina von dem der Prone scheiden, so wie die bedeutenderen welche das der Prone von dem der großen Liachwa trennen, bestehen nur aus den letztern Felsarten und unterscheiden sich in nichts von denen wie ich sie bei Zrchinwall beschrieben habe. Die beiden Thäler der Sagina und Prone (Dwani's Phrone oder Dwana bei Wachuscht) gleichen demnach ganz den karthlischen und gehören auch zu Karthli, worin sie am westlichsten liegen. Die Hauser sind nicht mehr imerisch, sondern zum Theil wiederum unterirdisch und mit ächt orientalischen Terrassendächern versehen. Die Wände hat man aber noch aus übereinandergelegteu Baumstämmen, deren Zwischenraume mit Kuhmist ausgefüllt werden, verfertigt. Im Norden sind beide Thäler von Ossen bewohnt und Sagina besteht zur Hälfte aus ihnen, zur Hälfte aus Grusiern. Sie haben, da sie auf grusischem Boden leben und den Statthaltern mehr als ihre Laudsleute im Norden unterworfen waren, mit der Zeit die christliche Religion angenommen, sind aber in Sitten und Gebräuchen sich treu geblieben. Die Fürsten Palawando sind zum Theil noch Herren in dieser Gegend und herrschten früher auf beiden Seiten der Peranga, bis eben die lesgischen Zeretelis sie auf der Westseite vertrieben. Sie erbauten sich unter Herakleus I, der 1688 den grusischen Thron bestieg, ein großes Schloß in Sagina, dieses ist ziemlich erhalten und wurde noch vor wenigen Jahren von dem letzten Sprossen des mach-tigen Zweiges der Palawandos bewohnt. Er war derselbe greise Prlsiaff der in Dschawi vor Pauleno ermordet wurde.*) Das Schloß selbst ist zum großen Theil aus Backsteinen erbaut und hat außer dem weitläufigen Parterre noch ein Stockwerk. Dls *) Stehe oben Seite 61. 251 Mauern haben eine Breite von zwei Ellen und mehr. Eine Menge kleiner Zimmer, die sämmtlich gewölbt sind, befmden sich unten, wahrend sie oben nur wenig geräumiger erscheinen. Ein breiter viereckiger Thurm mit drci Stockwerken hat wohl zum Schutz gedient und iu ihm führt eine steinerne Treppe mit ellenhohen Stufen aufwärts bis auf die obere Terrasse. Außerdem ist in der Nähe noch ein ziemlich erhaltener Thurm, aber von Kaltsteinen erbaut. Eine Ringmauer schließt ihn ein und der Eingang zu ihm selbst ist noch durch eine Vormauer verschlossen. Vergebens bemühten wir uns in Sagina Pferde zu bekommen und so überschritten wir mit denen die wir aus Dschala mitgebracht hatteu, die unbedeutenden Hohen des Lebeur und kamen nach zwei Stunden in Massoa an. Auch hier ging es uns nicht viel besser, und mit vieler Mühe wurde es uns möglich zwei derselben aufzutreiben. In der Zeit nahm ich die freundliche Einladung eines verarmten Gliedes der Palawando'schcn Familie an, bei ihm das Mittagsmahl einzunehmen. Seine Wohnung war nichts weniger als fürstlich und besaß gar keine Möbels. Eine Oeffnung in der Decke diente als Fenster und als Rauchfang. Ueber dem ewigen Feuer in der Mitte hing der Kessel in dem alles gekocht und be-reitet wurde. Die erlauchte Fürstin saß barfuß und mit überein-andergcschlagenen Beinen auf einem schlechten Teppich und spann Wolle. Trotz der Einfachheit ihres Instrumentes, das eben nur aus der Spindel, welche sie in einer hölzernen Schüssel herumdrehen ließ, bestand, ging die Arbeit rasch vorwärts und der Faden wurde so gleichmaßig als er bei unsern Spinnrädern nur werden kann. Ehe ich abreiste, besuchte ich noch den viereckigen Thurm, der sich in nichts von dem in Sagina unterschied, und als ich eben mein Pferd bestieg, trat ein alter ehrwürdiger Osse vor mich hin mich freundlich zu sich ladend. Unmöglich konnte ich es ihm absagen und so zogen wir in seinem auf der entgegengesetzten Höhe der Prone liegenden Hause das zum Dorfe Thormanculi gehörte, ein. Drei erwachsene und bereits ver heu rathete Sdhne empfingen mich an der Thüre und führten mich zu dem dreibeinigen Sessel in der Mitte des Zimmers gleich hinter dem Feuer. Die eine Schwiegertochter verließ ihren Webstuhl und entfernte sich mit den Kindern. 252 Allenthalben herrschte große Reinlichkeit. Der Kessel war selbst gegen die Regel rein gescheuert und an der Wand über der Schlafstelle des Vaters hingen die saubern Waffen. ES eröffnete sich alsbald dieselbe Scene, wie ich sie schon bei den Ossen geschilder habe und ich übergehe sie daher als schon bekannt. Mit Freude blickte ich auf die schönen großen Gestalten der jnngen Frauen, die in einem einzigen blauen Gewände gehüllt sich mit der Vrod-bereittmg beschäftigten. Hätten Dubois und Sjögrcn sie gesehen wie ich sie sah, so waren sie wohl an dem finnischen Ursprünge der Ossen irre geworden. Mit Würde schritten sie einher und mit Anstand machten sie alle ihre Bewegungen. Es that mir unendlich leid, daß sie sich, nachdem das Brod gebacken war, wieder entfernten. Kaum war ich am andern Morgen eine Stunde von Thor-manenli die Höhen des Dsari aufwärts geritten, als von neuem ein biederer Osse mich bat sein Haus zu beehren, und es that mir weh den guten Mann durch eine abschlagliche Antwort zu betrüben. In dem breiten Thale der großen Liachwa angekommen, besichtigte ich zuerst eine alte dem Verfalle nahe Kirche, die dem heiligen Georg gewidmet war. Ihre Bauart unterschied sich wesentlich von der wie ich sie bisher gesehen. Zwischen den schönen großen Sandsteinquadern befanden sich nämlich zwei Reihen durch Kalkmörtel vereinigter Ziegeln. Durch den Druck der mächtigen Bausteine waren die Ziegeln zum großen Theil zerdrückt und der baldige Einsturz des Gebäudes schien nicht mehr fern zu seyn. Von weitem betrachtet sahen die Mauern ganz eigenthümlich aus. Schon zeitig langten wir in Zrchimvall, wohiu mein Uebersetzer schon im voraus geeilt war, an und herzlich wurde ich wiederum von dessen Vater empfangen. Gern gab ich der Einladung hier einige Tage zu verweilen »ach und benutzte die Zeit die merkwürdige Quelle bei deni Kasadiantfelsen im Winter zu besuchen. Trotzdem rings um mich Schnee lag, so war das Wasser daselbst "" Vergleich zur Außenwelt warm zu nennen, und so sehr ich mich auch bemühte ein Stückchen Eis zu finden, so war mein Suche« doch vergebens. Wahrend meines viertägigen Aufenthaltes besuchten mich der mir schon von der ossischen Reise bekannte Fürst Kaikosro, der witzige 253 Osse Bek und mehrere andere meiner ossischen Bekannten. Allen Einladungen, die fast stündlich aus der Umgegend zu mir kamen, entsagte ich um niemand zu betrüben. Den 21 December reiste ich von Zrchinwall wiederum ab. Ich übergehe alle Einzelnheiten meiner Reise bis Tiflis, da ich schon früher weitläufiger die ganze Strecke beschrieben habe. Denselben Tag kam ich in Gori a„ und legte am andern den 87 Werst langen Weg bis Tiflis glücklich zurück. Mein freundlicher Wirth Herr Salzmann empfing mich mit der gewohnten Herzlichkeit. Sechsundzwanzigstes Gapitel. De schrei bung von Ornsien. Dcl Name Grusicn; Tbargamos Stammvanr dcv Ginster und Armenier; Kanlnie^; Cmthcilung KaNbli'S; Il'erier; Meöchier; MSchethos; Älbnß ciner Geschichte Grusienü ; die verschiedenen Dynastien; das jeyige Grusien; Gränzen; Cintl,eilung; 1. Kartbli, feine Vejchreibun^, alte nnd neue Emtheiliing; 2. Samsche, seine vevschlcdcncn Namen, Ausdehnung, alte und neue Lmtheilnng, Geschichte; 3. Grusisch-Aruienien oder^üwchicn, seine Beschreibung, Clnlheiluny und Geschichte; h. Kachicn; dag Thal der Aragua und Kuvc,, die Iora, der Alasan, Geschichte; 5., die tatarische Provinz, Kasachien und seine Einwohner; Turanier, Gandscha und seine Geschichte. So weit die Geschichte hinaufreicht und so weit selbst die dunkeln Sagen gehen, zeichneten sich die Bewohner der obern Hälfte des Kurgebietes durch ihre Liebe zur Freiheit und Unabhängisskcil aus und trotzten oft mit Glück in den Bergen, welche ihr Vaterland für alle Eroberer so schwierig machten, gegen fremde Ein. falle; das untere Kurgebier hingegen, grositentheils Ebcne und nur von unbedeutenden Höhen durchzogen, huldigte fremden Herrschern, oft denen des obern Gebietes, die durch Statthalter in den einzeluen Provinzen sich vertreten ließen. Während in dem "stern schon frühzeitig das Christenthum Eingang fand und sich dnrch alle Stürme siegreich erhielt, breitete sich in dem andern der Islam schnell und bleibend aus. Das obere Gebiet des Kur^) nannten die Orientalen nach dem Flusse Gurdschistan, d. h. Land des Kur, die Einwohner aber Gurdschi. Hieraus entstand der *) Die Grusier nennen ihn Mtkwari, die Griechen Il?ro3 und liorog. 254 Name Grusien, dessen die Russen sich allgemein bedienen, und aus ihm der Name Georgien. Lächerlich ist es deßhalb, wenn selbst in der neuesten Zeit Gelehrte die albernen Ableitungen der grusischen Geographen und Chronikenschreiber nachsprechen, daß Georgien entweder nach dem heiligen Georg *) g^er nach seinen ackerbauenden Bewohnern so benannt worden sey. Ich habe mich stets zur Bezeichnung des angegebenen Landes des Wortes Grusien bedient, einmal um eine Verwechslung mit dem Staate Georgien in Nordamerika zu vermeiden und dann um jene Ableitungen dadurch noch ferne zu halten. Seitdem Moses und seine Juden dkc Erde zum zweitenmale durch Noah bevölkern und jedes selbstständige Volk von einem der Söhne oder nächsten Nachkommen entstehen lassen, so verfolgten auch die Armenier und die ihnen verwandten Grusier dieselbe Ansicht, um sich selbst ein größeres Gewicht zu geben, zumal Moses vergessen hatte ihren Stammvater mit unter den Nachkommen Noahs aufzuführen. Sie nennen diesen Thargamos und lassen ihn einen Urenkel vonIaphet seyn. Die babylonische Sprachenver-wirrung war auch die Zeit wo Thargamos sein Vaterland verließ und sich zwischen dem Ararat und Massissi ansiedelte. Von seinen acht Söhnen stammen die acht Volker des kaukasischen Isthmus ab. **) Karthlos heißt der Stammvater Grnsiens, d. h. des obern Kurgebietcs, Egros hingegen der des Niongebietes. Die Söhne und Enkel des Karthlos geben nun wiederum den Gauen, die sie in der Theilung erhalten, ihre Namen. Verfolgen wir die Geschichte in das graucste Alterthum, so nehmen nach grusischen Nachrichten Karthlier die Gegenden des obern Kurgebietes vom Einfluß der Aragua bis zu den Kodian-bergen ein, und diese selbst führen den Namen Karthli (oder Sa-Karthli).***) Nach den Griechen bewohnen sie Ibener, und der Name Karthli kommt weder bei ihnen noch bei den orientalischen *) Dieser Georg ist aber durchaus nicht der Ritter Georg, sondern lebte zu Ende des 3ren Jahrhunderts und ist durch seine Siege und erlittenen Martern in der Kircheugeschichte hinlänglich bekannt. **) Die nähere Beschreibung des Stammbaumes s. in Klaproths Reise; ii. Theil, pilg. <;z — 8u< *) Sa bedeutet, wie ich schon oben gesagt habe, als Vorsetzsylde Vesihthuw oder Land, demnach Land des Karthlos. 235 Geschichtschreibern vor. Noch höher den Kur hinauf werden bei Grusiern und Griechen Meschier genannt. Suchen wir zuerst den Namen Karthli zu erklären, so wird dieses nicht so schwer werden als es scheint, denn in der Nahe des Einflusses der Aragua in den Kur, auf der südlichen Seite desselben Flusses befindet sich ein Berg mit einer Ruine, welcher noch jetzt den Namen Karthlos besitzt. Das unbedeutende Thal auf seiner Westseite, aus dem sich ein Bach in die Linke des Kur ergießt/heißt KarthlisMewi, d.i. Thal von Karthli. Hier ist also ohne Zweifel der Ursprung des karthlischen Königreiches zu suchen, und die Grusier sagen selbst daß der Name Karthli später auf beide Ufer des Kur bis an die Kodiauberge übergegangen sey. Gewiß weit später und nur un-eigentlich wnrde bisweilen auch das übrige obere Kurgebiet zu Karthli gerechnet. Seit den ältesten Zeiten theilen die Grusier Karthli in drei Districts ein: Semo-, Schina- und Kwemo- (Ober-, Mittel- und Unter-) Karthli. Unter Semokarthli versteht man eigentlich nur den höchsten Theil des achten Karthli von den Kodianbergen bis 3>t denen von Machwila und Oerzeni, oder die beiden Gaue Sadscher und den Thalkessel (Cheoba gr.); bisweilen will man aber auch daS oberste Kurgebiet oder Samsche mit darunter begriffen haben. Ich jedoch nehme es nur in der ersten Bedeutung. Schinakarthli ist das ächte Karthli, und unter Kwemokarthli begriff man die Gebirgsgegenden südlich bis zur armenischen Gränze. Die Griechen lassen wie gesagt Iberier in Karthli wohnen. Die Grusier selbst kennen den Namen Iberia, schreiben ihn Iweria und gebrauchen ihn später als Imeria zur Bezeichnung deS Rion-gebietes. Ich habe schon früher bei der Beschreibung von Gurien gesagt, daß nach der Zerstörung des jüdischen Reiches eine Menge Juden nach den Küsten des schwarzen MeereS und nach Grusien versetzt wurden. Bei den Grussern heißen sie Uri, bei den Armeniern *) hingegen Wcriatsi. Entfernt man die armenische Endung „atsi", so bleibt Wen und man sieht nun, daß Armenier und Grusier für diese Juden nur einen Namen hatten. Als spater die Römer in den Süden des kaukasischen Isthmus kamen, lernten ') Moses von Chorene; Buch 2, 7. sie von den Armeniern den Namen Weri kennen und nannten das Land zwischen dem meschischen Gebirge im Norden undderAragua Iberia, weil eben da viele Juden wohnten. Wahrscheinlich entstand aus gleicher Ursache für die mit Inden vermischten Grusier die armenische Bezeichnung ,,Wirk" fur die Einwohner Grusiens. Die Grusier selbst kennen das Wort Iweria zur Bezeichnung eines Theiles ihres Landes und Imerien ist ohne Zweifel daraus entstanden. Daß die Juden Grnsiens mit ihren Brüdern in Iudäa spater noch in mannichfacher Verbindung gestanden, sieht man auch daraus, daß nach grnsischen Chroniken die Kleider des Heilandes einem Manne aus Norden, der in Mschetha wohnte, Chiton mit Namen, durch das Loos zufielen. *) Auch schon früher schickten Juden aus Iudäa zu ihren Landsleuten nach Grusien, damit auch deren Schriftgelehrte sich über den erstandenen Heiland berathen sollten. Vei den Griechen, besonders bei Strabo und bei de» Grusier»» heißen die Bewohner des obersten Kurgrbietes von den Kodian-bergen an südwestlich Meschier. Fassen wir den Namen Meschier, der sich bei den Griechen viele Jahrhunderte hindurch erhalt und bei den Grusiern bis in die neueste Zeit vorkommt, ins Auge, so unterliegt es keinem Zweifel, daß man darunter ein selbstständiges Volk zu verstehen hat. Wollte man es zu einem Urvolk machen und seinen Stammvater unter den Enkeln Noah's aufsuchen, so müßte man die Meschier als Nachkommen des Mestch, eines Sohnes Iaphets betrachten. Diese Meschier bewohnten das ganze Quergebirge was das Rion, und Tschorok-Gebiet von dem des Kur und des Arares trennt, und die armenische Hochebene der tausend Quellen (Bing-Gdl) mit dem Kaukasus verbindet. In ihren Bergen trotzten sie allen Eingriffen griechischer und persischer Eroberer. Nach Strabo gehörte ihr Gebiet zu Kolchis, Ibcrien und Armenien; ihr Hauprsitz ist der große Kessel des Kur, in dem Achalzich mitten inne liegt, denn dort lassen grusische Schriftsteller sie jetzt noch wohnen. Hier hatten sie eigene Herrscher, wahrend sie im Norden zum Theil den Kolchiern und Iberiern, im Süden hingegen zum Theil den Armeniern gehorchten. Der Kessel selbst, wahrscheinlich sogar die ganze obere Hälfte des obern Kur- y Wachtang v. Chronik, in Klaproths Reise; Band 2, 15«. «56 257 gebietes erhielt den Namen Mescheth oder Sa-Mesche(Samsche), d. i. Land Meschien, den es noch bis auf den heutigen Tag besitzt. Wahrscheinlich ist es, daß dieselben Herrscher sich spater Karthli's bemächtigten und nachdem sie die Hauptstadt des Karthlos verwüstet hatten, in dem Winkel der Aragua und des Kur eine andere Hanptstadt, welche die mcschische (Mescheth oder Mscheth) genannt wurde, erbauten. Mschethes (d. i. derMeschier) wird der Erbaner genannt. Er soll zwar der Sohn des Karthlos gewesen seyn, allein sein Erstgeborner, der schlechthin Herr (Uplos) genannt wird, und ein Herrenschloß (Uplosziche) erbaut, herrscht über ganz Karthli, wahrend seine beiden andern Söhne Odschorß und Dschawachos sich in Samsche, d.i. in das ursprüngliche väterliche Reich theilen, abel fortwährend die Oberherrschaft ihres altern Bruders anerkennen. Die erste sichere Kunde vom grusischen Reiche bekommen wir in der Mitte des 3ten Jahrhunderts v.Chr., wo ein Nachkomme deö Karthlos, Pharnawas, den makedonischen Statthalter Ason der in Mscheth residirte, verjagte und sich zum König nicht allein des eigentlichen Grusicns, d. h. des obern Kurgebietes, sondern anch eines Theiles des untern und des ganzen Rion-Tschorok-Gebietes, d. h. Imeriens, Mingreliens und Gurieus machte. Er baute das alte Karthlos wieder auf und nannte es nach sich Armasi; denn nach grusischcn Nachrichteu bedeutet dieses Wort bei den Persern wo der König seine erste Erziehung erhielt, Pharnawas. Seine Nachkommen herrschte» bis zum Jahr 71 vor Chr. Armenische Arsaciden bestiegen mmdenThrou, um ihn im Jahre 44 v.Chr. wiederum den Nachkommen des Pharnawas zu übergeben. Mir Arschag (Arsaces) dem dritten Könige dieses Namens in Grusicu starb aber die Familie aus, und Aderchi, ein naher Verwandter der Arsaciden sowohl als der altern Konigsfamilie und von Kudsch, dem Schwiegersohne dcs Pharnawas abstammend, nahm dcu Thron mit dem Ve-gmn unse»er Zeitrechnung ei». Die armenischen Arsaciden, welche thm oabei behülflich waren, übten aber eine Art Oberherrschaft über chn aus. Seine Nachkommen herrschten bis zum Jahre 186, wo achte armenische Arsaciden wieder den Thron einnahmen. Die letzte des grnsischen Stammes wurde die Gemahlin des Mirian, mies Sohnes des Saffamden Schapur, und hiemit erschienenSassa-Nlden als grusische Könige vom Jahre 265. Mirian wurde geqen (Reise nach Kaukasicu.) 338 das Ende des Iten Jahrhunderts Christ und ging mit den christlichen Arsaciden Armeniens nähere Verbindungen ein. Die Sassa-niden Persiens, dem Feuercultus treu, versuchten vergebens die christliche Religion in Grusien wieder zu verdrängen, und es beginnt ein harter Kampf zwischen den Persern und den Griechen nm die Oberherrschaft. Wachtang-Gurgaslan (Löwe-Wolf) der tapferste Sassanide wird noch jetzt hoch gefeiert und regierte von 446 — 499. Er gründete im Jahre 455 die Stadt Tiflis, welche sein Sohn Datschi zur Residenz erhob. Die fanatischen Araber drangen auch in Grusien ein, und Munvan Kru (der Taube), der später von 744 — 750 Kalif wurde, würhete auf eine fürchterliche Weise im Lande. Durch ihn scheint die Familie der Bagratiden zu ihrer Thronbesteigung vorbereitet worden zu seyn, denn Aschot wurde 743 zum Gouverneur von Armenien ernannt, und von seinen Söhnen Senbat und Wasag stammen die beiden königlichen Linien der Vagratiden in Armenien und Grusien. Aber schon vorher hatten zwei Vagratiden Guram und Stephan II (von 574— 614) mit Hülfe des griechischen Kaisers den grusischen Thron besessen. Mit dem Jahre 787 erlischt der grusische Stamm der Sassa-niden und der Kalife Harun al Raschid setzte den Vagratiden Aschot, einen Enkel Wasags, zum Herrscher von Grusien ein. Seine Nachkommen herrschten daselbst bis zum Jahre 1800 und nehmen mit Adarnasse (899) den Titel eines Königs an. Im Jahre 964 bemächtigten sie sich auch des abchasischen (d. i. lazischen) Thrones und Bagrat II setzte seinen Enkel Bagrat III daselbst ein. Mit dem Tode Gurgen II bestieg Vagrat III 1008 auch den grusischen Thron und herrschte von dem Einfluß des Alasan in den Kur bis an das schwarze Meer. Sein Urenkel David UI führte weithin glückliche Kriege und herrschte vom Jahre 1089 — 1126 unter dem Namen des Wiederherstellers (Agma Schenebeli) über mehrere Lander des untern Kurgebietes und Armeniens. Am mächtigsten befand sich Grusien unter seiner glorreichen Königin Thamar von 1171 »- 1198. Die Schönheit ihrer Tochter Russudan war die Ursache großen Unglücks, denn dreimal verwüstete der beleidigte Charism-Schah, Dschellaleddin, der ihre Hand verlangte, das Land. Der erlauchte Georg vereinigte aber nach dem Abzüge der Dsch"'-gischaniden wiederum alle grusischen Länder und herrschte vomIahre 259 1318 bis 1340 fast über den ganzen Isthmus im Süden des Kaukasus. Vergebens kämpfte aber sein Enkel Vagrat VI gegen Timur; das Land wurde auf eine Weise verwüstes, wie es nur unter Mur-wan Kru geschehen. Trotzdem erhob Alexander (1414 — 1442) das Reich zu seiner frühern Größe und unterwarf sich sogar wiederum das seit 1327 gegründete imerische Reich. ") Unter seinem Enkel Georg, dem Sohne Wachtangs, machte sich im Jahre 1462 Bagrat, ein anderer Enkel von seinem Sohne Demetrius, als Statthalter Imeriens unabhängig, und legte so den Grund zum späreru imerischen Reiche, das von nun an von Karthli getrennt erscheinr. Mingrelicn, Gurien und Samsche gehören in der Regel zu ihm. Mit gleichem Glücke machte sich ein zweiter Sohn des Demetrius, David, mit Kachieu unabhängig. Von jetzt begannen die Bürgerkriege, die das Land seinem Untergang immer näher führten. Türken und Perser benutzten mit Glück die innern Streitigkeiten, und die einen machten endlich Imerien, die andern Karthli und Kachien sich unterthanig. Noch einmal versuchte Wachtang IV, gewöhnlich Schah Naos genannt, von 1658 bis 1l)75 Grusien zu heben und vereinigte Kachien, ja selbst Imerieu eine Zeit lang mit Karthli. Alle Anstrengungen der vertriebeneu Könige, besonders Theimuras von Kachieu, den Schah Naos zu stürzen, waren vergebens; glücklicher kämpften aber deren Nachkommen. Mitten in diesen Unruhe» gab Wachtang V 1717 seinem Volke Gesetze, die noch jetzt zum Theil iu Anwendung gebracht werden. Persiens groster König Schah Nadir befestigte seine Herrschaft über Grusien, und erst als im eigenen Lande selbst unter seinen Nachkommen Anarchie eintrat, gelang es dem Herakleus II 1748 die Perser aus Tkflis zu vertreiben und sich zum unabhängigen König zu machen. Selbst Gandscha und Kasachieu mußten seine Oberherrschaft anerkennen und somit wurden diese Provinzen für immer mit Grusien vereinigt. Doch die Perser vergaßen nicht, daß Grusien ihuen gehört hatte und verlangten Gehorsam von Herakleus II. Dieser sah endlich ein, daß es ihm nicht möglich ") Klaproch läßt in seiner Reise, Bd. II. S. !93 den König Alexander sein Reich im Jahre 1424 unter seine drei'Söhne theilen; die grusischen Chroniken jedoch, die Vrosset in den Memoiren der Petersburger Akademie, 8er. vi. i'<,m. v.S. il.tt-315 übersetzt hat, sagen gar nichts davon. S. oben. 17* 360 sey dem mächtigen Schah zu trotzen und so unterwarf er sich 1783 der Kaiserin Katharina II. Trotzdem fiel aber der tapfere Schah Aga Mahomed Khan in Tiflis ein und zerstörte es. Es geschah im Jahr 1795 und war das letztemal. Hcraklens N starb 1798 und sein Sohn Georg XI vermachte nach semem Tode 1800 sein Reich dem Kaiser Paul. Er sah wohl ein, daß Grusien bei den vielen Prätendenten nie ohne kräftige Negierung sich einer Nuhe erfreuen könne. Aber nur mit Widerwillen sahen die Grusier die Besitznahme ihres Landes durch die Nüssen. Fürst Ziziano, selbst Grusier, trug zur Beruhigung des Landes am meisten bei. Wahre Nnhe im Lande stellte aber erst der tapfere General Iermoloss her. Leider wnrde er aus Mißtrauen im Anfange des letzten persischen Krieges abgerufen. Paekewitsch folgte ihm in der Statthalterschaft und legte sie schon bald in die Hände des Generals Baron von Rosen; 1838 wurde General Golowin Oberbefehlshaber, um seine Stelle im vorigen Jahre an General Neidhardt abzutreten. Fassen wir noch einmal die Familien auf dem Throne Grusiens ills Auge, so lieferten Herrscher vom Ia>!re 1. Die Nachkommen des Pharnawas 4 247 — 71 v. Chr. 2. Die Arsaciden . . .3 71 — 44 „ 3. Die Nachkommen des Pharnawas 2 44 — 1 n.Chr. 4. Die Nachkommen von Kudsch 14 1 — 186 „ *) 5. Die Arsacideu . . .5 186 — 205 „ ft. Die Sassaniden . . .4 265 — 395 „ 7. Die Arsaciden . . .1 395 — 405 ., 8. Die Sassanidcli . . .11 405, — 574 „ 9. Die Bagratiden ... 2 574 — 619 „ 10. Die Sassaniden . . . 6 019 — "/87 „**) 11. Die Bagratiden . 50 — 60 787 — 1800 „***) Grusien bestand als es die Russen l'lbernahmen, nur aus Karthli und Kachien, mit der Zeit vergrößerte es sich bis zu dem Umfange den es jetzt besitzt. Gandscha wurde 1804 als Provinz einver- *) Vom^ähre 31 — 113 herrschten jedesmal zwei Könige, einer über die Länder nördlich, der andere südlich vom Kur. **) Von 7l8 — 787 regierten zwei Herrscher. ***) Die Zahl der Vagratiden läßt sich nicht ssenau ermitteln, da oft zwei und mehr Könige zu gleicher Zeit eristirten und bisweilen nur den Titcl, den sie besonders von den persischen Schahs erhalten hatten, besaßen. 261 leibt und Samoche zum großen Theil durch den Frieden von Adrianopel wieder erhalten. Nur die Quellen des Kur und das ganze Stromgebiet des Tschorok behielt die Türkei, welche das ganze Land bis dahin durch die Paschas von Achalzich beherrscht hatte. Zu gleicher Zeit wurde ein Theil Armeniens, nördlich von dem Gerstenflnsse, das sogenannte Vasch-Schuragcl, mit Kwemo-Karthli vereinigt, und mit diesen bildet es die jetzige Provinz Grusisch-Armenien oder Somchien. Auch Kachien wurde seit 18Z0 vergrößert und umfaßt jetzt einige lesgische Gaue auf dem südlichen AbHange des Kaukasus. Die grosie Militärstraße und die daran liegenden Gaue bis Dariel gehörten fortwährend zu Karthli, bleiben aber, da ich ihrer schon Erwähnung gethan habe, bei meiner jetzt folgenden Beschreibung ausgeschlossen. In diesem Umfange besitzt Grusien eine nördliche Breite von 40,2 — 42,3" und eine östliche Länge vo» 60 — 64,5°. Seine größte Länge von dem adschar'schen Gebirge bis wenig östlich über den Einfluß der Iora in den Alasan betragt ungefähr 60 — 65 Meilen, seine größte Breite hingegen von dem südossischen Gebirge bis an die südlichen AbHange des Allagas und die Berge Kondur und Muroff im Ellsabeth'schen Kreise hingegen 30 — 35 Meilen. Der Flächeninhalt laßt sich in einem von Bergen vielfach durchzogenen Lande ohne wenigstens ungefähre Messung nicht abschätzen; die Zahl der aus Grusiern, Armeniern, Tataren, Inden und Deutschen bestehenden Einwohner mag ungefähr 400,000 betragen. Die Gränzen sind im Westen das meschische Qucrgebirge, im Norden das südosstche Gebirge, im Osten die Besitznngen des Sultans von Elissuk, die Provinz Karabag und das russische Armenien, endlich im Süden wiederum das russische Armenien und die Reste der türkischen Paschaliks Achalzich und Kars. Nach der jetzigen Eintheilung besteht Grusien aus fünf Provinzen, von denen Samsche dem Gouverneur von Imericn unterworfen ist, wahrend die vier andern, Karthli, Kachien, Grusisch-Ar-menien und die tatarische Provinz, unter dem Gouverneur von Karthli, der in Tiflis seinen Wohnsitz hat, stehen. Jede dieser Provinzen ist wiederum in Kreise getheilt. Betrachten wir nun die Provinzen der Reihe nach etwas näher und beginnen mit dem eigentlichen Mutterlande 262 1. Karthli (Kartal inien bei den Russen), so wird dieses im Süden durch die Wasserscheide der Ksia un des Kur (welche verschiedene Namen: Gebirge von Thori, von Erd-schewan, vo» Dldgorl, Skaldidi und Schindisi fuhrt) von Grusisch-Armenieu geschieden; im Osten setzt ihm die Aragua eine Gränze,*) während im Norden das südossische Gebirge es von Ossicn trennt. Im Westen scheiden es das meschische Qnergebkrge und die Berge von Kolbeur von dem eigentlichen Imerien. Schon bei der Beschreibung dieses Landes habe ich gesagt, daß die Besitzer der Schlucht des Tscherimela und des Thales der Chepml erst im vorigen Jahrhundert sich dem Herrscher vonKarthli unterworfen haben. Karthli besitzt nur wenig ebenes Land und wird vom Norden aus durch Ausläufer des südossischen Gebirges und von Süden aus durch dergleichen der Kur-Ksia-Wasserscheide in eine Menge Thäler getheilt, die entweder von Norden nach Süden oder von Süden nach Norden verlaufen und durch den Kur, der mitten (doch mehr nach Süden) durch Karthli von Westen nach Osten fließt, von einander geschieden werden. Dieser Hauptfluß des Landes der bei den Eingebornen Mtkwari heißt, kommt aus Samschc durch eme Schlucht, die auf der nordlichen Seite durch einen Ausläufer des meschischcn Quergebirges, auf der südlichen hingegen durch die Kodianberge entsteht, und bildet ein breites Thal, das vorzugsweise den Namen Thalkessel (Cheoba) erhalten hat. Nach ungefähr vier Meilen Weges wird er wiederum durch den Mech-wilo, einen südöstlichen Ausläufer des meschischen Gebirges, und durch die Oerzeniberge eingeengt, um mm wenig oder gar nicht gehindert rein ostlich bis an die Aragua, mit der er sich vereinigt und nun den Namen Kura (d. h. Kur und Ra oder Aragua) annimmt, zu laufen. Früher war sein Bett breiter, wie ich oben weiter auseinander gesetzt habe, und wahrscheinlich bildeten die Ebenen anf beiden Seiten in den ältesten Zeiten Seen. Im Thalkessel ergießen sich in seine rechte Seite der Schaff und Thor, deren *) Nach der Beschreibung Grusiens durch Wachuscht gehört auch das Omanis-Thal und die Ebene Didubi, welche beide zusammen den Gau Lilo bilden, im Osten des Kur und unterhalb Mschtth und Tiflis gegenüber zu Karthli. Oestlich gränzt der Gau an die Lilo- und Samgor-b^e und südlich fast bis an die alte Festnng Nustaff. S. in der Uebersetzung von Vrosset, Seite 185. 263 Gebiet den Gau Thor, der jetzt in den von Sadscheri und Gudscha-rethi zerfällt, bilden. Betrachten wir beim fernern Laufe des Knr das reckte Ufer, so ergießt sich von den bedeutenderen Flüssen zuerst der Dsama in ihn. Sein Gebiet, was im Suden durch die Dschamschamaberge von dem Gau Thor und im Osten durch die von Satzcheni von Satarchno geschieden wird, gehört der fürstlichen Familie der Zizi-Dschwili oder Zlziano und führt deßhalb den Namen Sa-Ziziano. Weiter östlich vereinigen sich die Tana und Chowli mir dem Kur und ihre Thaler bilden den Gau Satarchno. Die Rasmithiberge begränzen ihn im Süden und Osten. Zu ihm gehört zum großen Theil die schöne und fruchtbare Ebene Moessis (auch Doessi genannt). Weiter östlich nimmt der Kur den Thezam und die Kasslha auf und deren Gebiet bildet den eigentlichen Gau Karthlos. Die Sadowli-berge scheiden es von der Ebene Digom und dem Gebiete von Tiflis. Im Norden des Kur befindet sich im äußersten Westen die Schola und ihr aufwärts geht die Straße über das meschische Gebirge nach Imerien. Der sogenannte iberische Engpaß befindet sich an der heutigen Tachis-Pforte (Tachis-Kari). Oestlich von ihr nimmt der Kur eine Menge kleiner Flüsse auf, die Wachuscht fast sämmtlich mit dem Namen Phroue belegt. Ihr Gebiet gehört, wie ich schon gesagt habe, der fürstlichen Familie Palawando. Klaproth nennt es Sa-Zerello und demnach müßten die Zeretelis He»r daselbst seyn, was aber nicht der Fall ist. Richtiger heißt demnach der Gau Sa-Palawando. Noch weiter westlich beginnt das große Gebiet der Stadt Gori und erstreckt sich westlich bis an die Osamiberge, welche es von dem Gebiet der Stadt Muchran trennen. Die ganze schöne Ebene der großen Liachwa und das Engthal derselben oberhalb Zrchinwall, die kleine Liachwa bis über den Einfluß der Geri, deren Thal Sawachtango heißt, die Thaler der Medschuda, die sich bei Gori in die Liachwa ergießt, und Rechula mit Ausnahme ihrer Quellen und die schöne zwilchen ihnen liegende Ebene Samilachoro (oder Wake) gehört ebenfalls zu ihr. Nach Wachnscht bildete es mir dem Thalkessel und den Gauen Sapala-wando und Sadscher zu seiner Zeit Ober-Karthli. In dem Gebiete der Stadt Gori liegt Zrchinwall, ferner die Burg und jetzige Residenz eines ossischcn Pristasses, Wanathi, und zwar an der kleinen Liachwa wenig unterhalb des Einstusses der 264 Gen, und endlich das Herrenschloß (Uplosziche). Die Verge, welche Samilachoro von der Ebene Achurian trennt, die hart am Kur und Moessis gegenüber liegt, führen den Namen Swernak oder Tsleff. Im Norden und Osten des Gebietes der Stadt Gori liegt die Statthalterschaft (Eristawat) des unmittelbar in den Kur sich ergießenden Ksan und umfaßt das übrige Gebiet der kleinen Liachwa, die Quellen der Medschuda und Rechula uud das Thal des Ksan oberhalb des Gebietes von Muchran bis an die ossische Gränze. Die Statthalter (Eristass) residirten früher in Achal-Gori (Neu'Gori) und ihre Würde stammt noch aus den ältesten Zeiten. Die Familie selbst leitet ihren Ursprung von einem Ossen Rostom, der vom Kaiser Justinian eingesetzt seyn soll, ab, und zählt bis zue Zeit, als Klaproth die Gegenden besuchte, 375 Statthalter. Die Statthalterschaft der Aragua liegt der vorigen östlich und besteht aus dem Thale der Aragua, nördlich von dem Gebiete Muchran und den Tinibergen bis an die Gränze von Mtiulechi, demnach eigentlich nur aus dem Gau Vasaleth. Seine Statthalter aber übten fortwährend eine Art Oberherrschaft über die Pschawen, Chesssuren, Gudomakareu und Mtiulethen aus. Das Gebiet des königlichen Nebenzweiges der Muchran'schen Bagratiden, die eine Zeitlang von ihrer Eichcnstadt (Muchmn) aus in Karthli herrschten, liegt südlich von der letzten Statthat-terhaft in dem Winkel welcher durch den Einfluß der Aragua in den Kur gebildet wird, und besteht aus dem nördlich am Na-rekwaff liegenden Gremithak und aus dcr Ebene von Muchran, die sich westlich selbst über den Ksau bis an die Osamiberge fortsetzt. Die Earsmethberge, eine Fortsetzung der Swernakberge, trennen sie in zwei ungleiche Theile. Die alte Residenz Mschet geHort Hieher. Nach der jetzigen Einthcilung zerfällt Karthli in zwei sehr ungleiche Kreist, den von Gori und den von Duscheth. Der erstere begreift den Westen bis an den Ksi.u und den ganzen Theil südlich von dem Kur, der letztere hingegen geht vom Ksa» bis au die Aragua. Die nächsten Umgebungen von Tifiis mit einem Theil Grusisch-Arnmüens und Kachiens bilden den Mis" 265 Kreis. Die Anzahl der Bewohner betragt ungefähr 87 bis 90,000 «md von ihnen kommt nicht ein Drittel auf den Kreis von Duscheth. 2) Samsche oder Sa-Atabago erstreckt sich in seiner weitesten Bedeutung von den Kodian-bcrgen westlich bis an das schwarze Meer und das Gebirge von Trebisond, und wird im Norden durch das meschische Gebirge von Imenen geschieden. *) Wo dieses Gebirge im Norden beginnt, habe ich schon bei der Beschreibung Imeriens gesagt, und will daher jetzt seinen Lauf vollends ergänzen. In seinem südlichen Laufe wird es durch den Knr unterbrochen, und gezwungen sich westlich zu wenden. Von nun an heißt es znerst Gado und spater Pher-sath. An der ostlichen Gränze Guriens angekommen, geht es wiederum unter dem Namen der gurischen Verge südlich, um Samsche von Gurien zu trennen, theilt sich in mehrere Arme, von denen zwei bis ans Meer lanfen, und verbindet sich endlich mit der Hochebene der tausend Quellen. Im Süden trennt es die Wasserscheide des Kur und Arares, die hier den Namen der Berge von Tschiloir (Iradschlns-Mta des Wach.) führt. Die nördlichen Quellen des Arares selbst scheinen zu Samsche gel/ort zu haben, denn auf grusischen Karten beginnt südlich von ihnen Armenien, und das Gränzgebirge heistt Somchitis-Mta (d. h. ar^ menisches Gebirge). Was die beiden Namen anbelangt, so bezeichnet, wie wir oben gesehen haben, das Wort Samsche oder Sa-Mesche das Land der Meschier, der ursprünglichen und spätern Bewohner der Provinz. Ob diese Meschier Grusier sind, oder ob nicht vielmehr die Grusier von den Meschiern abstammen, wage ich nicht zu entscheiden, aber auf jeden Fall sind beide Völker sehr nahe mit einander verwandt. Der Name Sa-Atabago, d. h. Land der Ata-begs, stammt noch aus der Zeit, als Atabeks über Samsche herrschten. Mit der Zeit, wo türkische Paschas an die Stelle der Ata-bcgs traten, führt die Provinz den Namen Paschalik von Achal-ziche mw jetzt ist sie in die Provinz und in das Paschalik Achal- *) Früher scheint auch der Thalkessel und Sadscher dazu gehört zn haben, denn Mschethos' Sohn, Alschorß, erhielt es mit dem eigentlichen Samsche. 266 zich getheilt. Die Grusier nennen Samsche bisweilen auch Karthli m,d bei den Armeniern gehört der Theil westlich vom Kur zur Provinz Daikh, der östlich hingegen zu Kukar. Die jetzige Glänze von Samsche oder vielmehr des russischen Antheils ist nördlicher und eine Linie von dem Winkel der guri-schcn Berge bis an den Gerstenfluß macht die Gränze. Man wird sich vielleicht wundern, warum das siegende Rußland seine Ansprüche nicht auf das ganze Samsche geltend gemacht hat. Zunächst hatte es schon früher ausgesprochen keine Eroberungen zu machen und begnügte sich daher mit wenigem. Thut man jedoch nur einen Blick auf die Karte, so erhielt es trotz des wenigen mit dem jetzigen Samsche und mit Vasch-Schuragel ungemein viel. Von seinen Festungen Achalzich, Achalkalaki und Humri, die alle kaum einige Stunden von der Gränze entfernt liegen, beherrscht es die ganzen Gebiete des Tjchorok und Arares. Die Paschaliks Achalzich, Erzerum und Kars stehen den russischen Truppen ganz offen und ebenso vermag Trapezunt, trotzdem der südliche Theil Guriens mit der Stadt Vatuhm noch türtisch ist, diese nicht aufzuhalten. Russischer Einfluß ist daselbst überwiegend und handelt nicht selten sogar dem türkischen entgegen. In seiner jetzigen Gestalt besteht es aus den Gauen Dscha-wach, Poso (Tschugur) und Odschre. Der letzte führt auch vorzugsweise den Namen Samsche und begreift das Thal des Kur bis zu dem Gebirge von Eruschethi und das des Dlaki *) in sich. Der zuletzt genannte Fluß entspringt auf dem Phersath und den gmischen Bergen und ergießt sich inmitten des Gaues, da wo plötzlich der Kur von Süden herkommend seine Richtung in eine östliche verändert, in diesen. Den Namen Odschre soll er von Odschroß, einem Sohne des Mschethos, erhalten haben. In ihm liegt die starke Festung Achalzich (d. h. Neuschloß oder Neuveste) und die alten Burgen Odschre und Kertwis, so wie das berühmte Kloster Azchur (Msqueri). Südöstlich von diesem Gaue liegt Dschawach und bestehr aus dem Gebiete des Flusses gleichen Namens, der sich bei Kertwis in die Rechte d^s Kur ergießt. 3" ") Dieser Fluß führt verschiedene Namen, so bei Wachuscht Kwablowen-Tskal in seinem obern und AchalziclMTskal in seinem untern Verlaufe. Dubois nenut ihn Mcho. 267 dem Gau liegt die Granzveste Achalkalaki (Neustadt) und die großen Seen Pharawan, Sogam und Goli. Die Kodianberge scheiden ihn von Grusisch-Armeuien und die von Nialis-Kuri im Westen von dem Galle Poso. Dieser letzte Gau Samsche's besteht nur aus dem Thale des in einen See verlaufenden Poso. Westlich von ihm ist der Kur, südlich hingegen das Gebirge von Kars, ein Theil des untern Kaukasus (Kur-Ararcs-Wasserscheide). Die übrigen Gaue des alten Samsche sind wie gesagt türkisch und der Reihe nach folgende: 1) Erusch am Flusse gleichen Namens, der in die Linke des Kur fällt; 2) Arraan (Artan oder Artagan)") am Kur, dessen Qnellen :;) der Gau Kola einnimmt. Der Fluß selbst entspringt hart an der Vcste Kllmurlu, auf dem Verge Barchar. Alle übrigen Gaue befinden sich am Tschorok und seinen Zuflüssen und zwar 4) der Gau Pharkal oder Taos**) am Ursprung bis zur Aufnahme der Ispira. In ihm liegt Arralludsch, eine bedeutende Veste aber zerstört, von der Klaproth behauptet, daß es die iberische, von den Byzantinern hau« fig genannte Scadt Adranutzion oder Arses sty. ü) Klardsch oder Klardschethi an der links einfallenden Ispira. Klaproth irrt, wenn er mrmtSamöche heiße auch Klardschethi. Er besteht aus den beiden Thälern Thorihom und Ispiva, und letzteres wird auch unter dem Namen Ispira oder Sber als besonderer Gau be« trachtet. 0) Dortschcha, nördlich vom vorigen im Thale gleichen Namens, dessen Fluß in die Linke des Tschorok fällt. Im Norden dieses Gaues und ihn von Trcbisond scheidend liegen die Berge von Tschanien. So hat sich demnach der Name Tschani, der bei den Griechen ein eigenes Volk bildete, an derselben Stelle von dem Einsiust des Tschorok in das Meer bis Trebisond erhalten. Nach den Grusiern heißt ihr Land auch Laz. nach den Byzantinern hingegen sind die Lazier und Tschanen oder Sanen von einander verschieden. 7) Ligan, das übrige Thal, bis dahin wo *) Zur Zeit des Warnawas hieß die Stadt Huri, d. i. Vlindenstadt. Hängt aber der Name nicht vielmehr mit dem der Juden (Uri) zusammen'^ ") Wahrscheinlich hänqt mit Taos der armenische Name Daich für den größten Theil Samsche's zusammen, und Daich ist das Xand der Daht, von denen nach Ammianus Marccllinus auch em Theil am schwarzen Meere in der Umgegend von Trebisond wohnt. 268 der Fluß m Gurien eintritt. 8) Schaffsch, das Thal der Schaff, welche rechts in den Tschorok fällt, und 9) Adschara, das Thal des Flüßchens gleichen Namens, im Norden von jenem und südlich von Gnrien. Samsche in seinem jetzigen Zustande wird in fünf Sandschaks (Azchur, Achalzich, Aspindse, Kerthwis und Achalkalaki), zu denen aber die Stadt und Festung Achalzich nicht geHort, getheilt. Ein Präsident (Predsjedatel) sieht der Negierung vor und ist zu gleicher Zeit Chef der beiden dort stehenden Bataillone. Er selbst steht unter dem Gouverneur von Imerien. Die Einwohner sind sehr gemischt, denn anßcr den ursprünglichen Grusienl und Armeniern, die aber zum Theil zum Islam übergetreten sind und nun Tataren heißen, befinden sich noch Juden, Kurden und Zigeuner in Samsche. Ihre Anzahl gibt die Tifliser Stabekarte zu 34,000, Dndois hingegen zu 45,400 an, und von ihnen kommen 10,800 allein auf Achalzich. Suboff meint wohl das alte Samsche bis an die Kur-Ararcs-Scheide, wenn er daselbst 70,000 Menschen wohnen lasts. Da Samsche von Karthli häufig unabhängig, ein mehr oder weniger selbständiges Reich bildete, so will ich einige Worte über seine Geschichte sagen. Unter dem Nachkommen Mschethos' scheint es sich allmählich wieder selbständig gemacht zu haben; unter Phar-nawas hingegen, der den Ason, Alexanders Stalthalter in Grusien, hier besiegte, wurde Samsche in seiner größten Ausdehnung wiederum mit Grusien vereinigt und erhielt drei Statthalter. Später scheinen die Meöchier zum Theil wenigstens wiederum unabhängig geworden zu seyn, und in dem Kriege der Griechen mit den Persern werden sie oft genannt, schcinen abcr (znm Theil wenigstens) weder den einen noch' den andern gehorcht zu haben. Vald sieht mau sie mit dcu Laziern, bald hingegen mit den Iberiern vereinigt. In dem westlichen Theile von Samsche wohnten auch Juden, die immer mehr mit de„ Mcschiern sich vermischten. Ibre mächtigste Familie, die Vagranden, hatte ihren Hauptsitz in IsP"'" (Isber oder Sber); von hier aus verbreiteten sie ihre Macht nach Osten und wusnen alle Umstände mit Schlauheit zu ihrem Vortheil zu benutzen, so daß sie mit der Zeit die mächtigsten Fürsten Transkaukasiens wurden und sich sogar dreier Throne, des armem-schen, grusischen und adchasischen bemächtigten. In der Blüthe- 269 zeit Grusi'ens wurde auch Samsche wiederum integrirender Theil und von erblichen Statthaltern, die von ihrem frilhern Amte den Namen Atabegs*) besaßen, beherrscht. Der erste Atabeg war ein gewisser Sargis, sein Sohn Kuarkuare machte sich wahrschein? lich nach dem Tode Georgs des Erlauchten (1346) unabhängig. Seine Nachkommen, zum Theil nur die Oberherrschaft Grusiens anerkennend, regierten mit kraftiger Hand das Land das von mm an den Namen Sa-Atabago, d. i. Land der Atabegs, erhielt, und trotzten sogar eine Zeitlang mit Glück der persischen und türkischen Uebermacht. Zwei Helden jener Zeit, Kuarkuare und Ma-nutschar, werden jetzt noch hoch geehrt, und erst als die Könige Grusiens Tiflis und Gori den Türken übergaben, erkannten sie die Oberherrschaft der letzter», (1,'>79) an. Doch wohl wußte Amu-. rath IV, wie unsicher der Besitz Samsche's unter den Atabegs sey, und schickte deßhalb den tapfern Sapbar Pascha gegen Ma-nutschar. Mit ibm erlischt der Heldenstamm und von lt»24 bis 1716 folgen die Nachkommen Saphar Pascha's ebenfalls nur wenig abhängig. Mit dieser Zeit erhielt das Land den Namen Paschalik von Achalzich. Scicdem herrschten mchterblichc Paschas bis zum Jahre 1829, wo die obeugenainnen drei Gaue unter Rußlands Provinzen eintreten. Der übrige Theil führt aber fortwährend den Namen Paschalik von Achalzich. ^) Grusisch-Armenien oder Somchien. Unter diesem Namen versieht man den von den (Hrusiern in Besitz genommenen Theil Armeniens (Karthel-Somchethi). denn die Armenier werden von den Grusiern Sumechi genannt. Bei den Armeniern heißt das Land Kukae. In den ältesten Zeiten war es aber stets iutegrirender Theil Grusiens, denn zwei Söhne von Karchlos erhalten es, nnd zwar Gerdabcsi den östlichen und südlichen lnttcr dem Namen Gerdabana, Gadschios hingegen den westlichen Theil, den er nun Gadschiam nannte. Zu Grnsisch-Armenien ist seit dcm Jahre 1V29 noch der Gau Vasch-Schuragel, östlich von der Arpatschai, gekommen. In diesem Umfange wird *) Wahrscheinlich hatten sich diese MabeB, d. h. ursprünglich Gouver-neure von Prnzen, dann von Provinzen, auf dieselbe Weise wie in Fars, Laristan r. gebildet. %?0 es im Norden durch die schon oben bezeichnete Kur-Ksia-Wasser-scheide von Karthli getrennt. Im Osten bildet die Kura, *) das Gebirge von Berdudsch, und da wo dieses westlich in die Kur-Arares-Scheide übergeht, der allein stehende Magäs die Gränze gegen Kachien, Kasachien und Armenien; im Süden hingegen, nachdem sich von Norden die Provinz allmählich vcrschmalerr hat, scheiden die Bambak'schen Verge und südlicher die unbedeutenden Höhen von Bogutll die Provinz von dem russischen Armenien. Die unbedeutende Arpatschai im Westen trennt Grusisch-Armem'en vom Paschalik Kars und das Vakuliangebirge von Samsche. Mit Ausnahme des äußersten Südens und Westens, nämlich der Gaue Vasch - Schuragel und Kaikul, liegt die Provinz nördlich vom untern Kaukasus und besteht hier nur aus den Flustgebieten der Ksia und des Mqeth, deren Wasser ein unbedeutendes Gebirge, was von den Erdschewanbergen der Kur-Ksia-Wasserscheide ausgeht, u:id von da aus mit verschiedenen Namen (Lakwa, Bender, Marneul und Lomta) zuerst südlich und dann östlich bis an die von Mschech an südlich fließende Kura läuft, von denen des Kur scheidet. Der Algeth fließt kaum 10 bis 12 Meilen von Westen nach Osten und ergiesir sich nordlich von der Kuraveste in die Kura; von Norden nimmt sie mehrere Flüßchen auf, von denen der Asurethi der wichtigste ist. Oestlich von ihm ist der Gau Gardaban, westlich lnngcgen befinden sich die Besitzungen der Familie Vararhiano, also Sa-Varathiano. Beide zusammen bilden den District Algethis-Chewi mach^ auch die jetzige Distanzie Kasachi einen integrirelden Theil Somchiens aus, und es scheint als wenn sie auch schon ftcher dazu gehört hätte. 27t det den Gau Trialethi,*) der im Süden durch die Schass-Nabadi-Verge von dem Gau Skwireth geschieden wird. Dieser letztere besteht aus dem Thale der rechts in die Ksia fließenden Zurtaketa. Das enge Thal der Ksia selbst, von dem Einfluß des Kartsach bis zum Einfluß des Maschawer, nnd die nördlichen Höhen bis an die Algelh-Ksia-Scheide nennt man Ktsiis-Chra-"i (d.i. Schlucht der Ksia), auch wohl Chr ami schlechtweg.^*) Südlich von ihm befindet sich der Gau Dbani und er besteht aus dem bedeutenderen Gebiete des Maschawcr. Der Gebirgsrücken Lukun scheidet ihn im Norden von dem Gau Skwireth, östlich hingegen begränzt ihn ein Ausläufer des Gebirges von Loki, der nordöstlich zwischen dem Maschawer m.F seinem Nebenfluß Pola-daur sich hinzieht und bei den Grusiern meist unter dem Namen der Verge von Bolm'ö bekannt ist. Westlich liegen die Windberge zwischen ihm und dem Gau Kaikul, südlich hingegen das feuchte Gebirge, hier unter dem Namen von Loki bekannt, zwischen ihm und dem Gau Taschir. Oestlich vom Gau Dbani und den Bob nisbergen in den Thalern des Poladaur und Schulawer, auf der linken Seite der Debeda und nördlich von dem Gebirge Loki be- granzr, liegt der Gau welcher vorzugsweise Somchethi aenannt wird. Die Debeda oder der Verdudsch ist an Größe der Ksia ziemlich gleich und entspringt im Westen auf den Windbergen, von wo aus sie die beiden Nebenflüßcheu Dschelar im Norden und Vambak im Süden empfangt, lauft rein östlich, bis sie bei den Verdudschbergen, die auch die'Namen Vedrudschberge und Baba-kar führen, angekommen, nördlich sich wendet und in die Ksia sich ergleßt. Die Thäler des Dschelar, der obern Debeda und des Bambak bilden den Gau Taschir, den man wiederum in zwei Dtstricte theilt. Den nördlichen mit den Thalern des Dschelar und der obern Debeda nennt man Agud oder Lori, den südlichen hingegen, aus dem Thale des Vambak besiehend, ebenfalls Vam- *) Dieser Gau war schon dem Wnius unter dem Namen Triare (VI. N.) '*) Dubois verwechselt den Maschawer mit dem Chram, welcher Name von dem <,m. II, p»k. 219. Strabo's Sacasenc halt derselbe Gelehrte für die armenische Provinz Sisag, die aber östlicher und südlicher liegt. Ebendaselbst, lom. I. paß. 209. Reisen u, Läüdn'beschieiblMzM. XXV. 1» Reise nach KMkafieu.) " 274 Im Jahre 885 wurde Aschod, der dritte seines Namens, der erste Konig Armeniens aus dem Stamme der Vagratiden, und unterwarf sich den südlichen Theil des grusischen Armeniens bis nördlich an den Lelwar. Sein Sohn Sempad war eine lange Zeit Statthalter in Taschir und scheint den ersten Grund der grdßern Cultur daselbst gelegt zu haben. In der zweiten Hälfte des 10ten Jahrhunderts machte sich Gurgen Gorischeh, Sohn des armenischen Königs Aschod III, unabhängig und gründete sich aus Som-chien und den angranzenden Gallen ein selbständiges Reich, dessen Hauptstadt Lori wurde. *) Sein Sohn David, ein tapferer aber unruhiger Kopf, lebte mit allen Fürsten der Umgegend in Unfrieden, vertreibt mehrere aus ihren Besitzungen und wird oft selbst vertrieben, daher sein Name Anhogin (d. h. ohne Land). Er vertreibt sogar dieOrbclianer aus Samschwilde und hinterlaßt 104<^ das Reich seinem Sohne Gorischeh U, der aber dem Alp-Arslan nicht zu widerstehen vermag. Ihm folgt David N und er oder sein Sohn Apas I wird von David dem Wiederhersteller 1121 vertrieben. Somit kam Grusisch-Armenien wiederum au Grusien, und die Nachkommen dieser Seitenlinie der armenischen Konige, welche nach. ihrem Stifter den Namen Gorischehaner führen, wurden noch bis zum Jahre 12W als Herren einiger Schlösser in Karabag genannt. Die Fürsten der Orbelianer erhielten von den grusischeu Königen die Provinz Grusisch-Armenien als Lehn und Lori blieb nach wie vor Residenz. Trotz der Demüthigung des Fürsten Johann und der Zerstörung seiner Hauptstadt Lori durch den grusischen Georg III erhielt sich die Familie als die mächtigste des Reiches, und vergrößert unter der Königin Thamar ihre Besitzungen bis jenseits des Arpatschai, wo Am nun Residenz wurde. Die Herrschaft Lori ging aber mit dem Erscheinen der Mongolen zu Grunde, und obgleich sie immerfort mit Grusie" vereinigt blieb, so erfuhr sie doch im hohen Grade das wechselnde Geschick. Die Hauptstadt wurde häufig von asiatischen Eroberern welche selbst nicht selten Tifiis einnahmen, erobert, aber nie lange besessen. Die Zeit ihrer eigentlichen Zerstörung kenne ich nickt. *) Eichwald (Reise in dem Kaukasus, S. 475) behauptet mit Unrecht, daß die armenischen Könige pon den Persern vertrieben hier ihre lehte Zuflucht fanden. 275 aber den Ruinen in Tachir nach muß es schon lange her seyn. Jetzt haben die Russen eine Militärcolonie daselbst angelegt. Bji dem Zerfallen des grusischen Reiches blieb Grufisch-Armenien stets mit Karthli vereiuigr. 4) Kachien. Es liegt östlich von der Aragua und der Kura, und umfaßt das Gebiet der weißen Aragua, der Iora und des Alasan. Der Karatschai fließt auf der ostlichen Seite in den Alasan, und der Gebirgsarm des Kaukasus, der ihn im Nordwesten einschließt, scheidet Kachien im Südosten von der Herrschaft des Sultans von Elissen. Weiter im Osten und Norden ist der Hauptrücken des Kaukasus selbst, in dessen Thälern jenseits (also schon in dem Flußgebiete des Terek oder vielmehr seines Nebenstusses Sundscha und in dem der übrigen kleinern in das kaspische Meer sich ergießenden Flüsse) die Kumücken, Lesgier, Dido und Kisten wohnen. Das Land ist im Südwesteu verödet und verlassen, da eines-thei ls Mangel an Wasser und eine unerträgliche Hitze im Sommer in den heißen Monaten dm: Menschen daselbst zu wohnen nicht erlauben, anderntheils die Kriegszüge dcr Perser und die Raube-reicn der früher südlich herrschenden Chans und der nördlichen Kaukasier das Land entvölkert haben. Aus der letztern Ursache sind auch die gebirgigen unfruchtbaren Gegenden des Nordens mehr bewohnt, und waren die Ebenen des Alasan nicht so ungemein ergiebig, so lebten in ihnen gewiß ebensowenig Menschen als in denen der Iora. Bei der Beschreibung beginne ich im Westen «) mlt dem zu Kachleu gehörigen Gebiet der Aragua und der Kura. Die weiße Aragua entspringt von dem Gudau, einem hohen Berg des Kaukasus-Rückens, und fließt rein südlich. Ihr Gebiet wird im Westen durch einen Ausläufer des Kaukasus, der den Namen Salago führt, von dem Gebiete der schwarzen Aragua oder dem Gaue der Gudomakaren geschieden. Im Osten befindet sich ein gleicher Ausläufer Schuschar, der es von dem Thale der Iora trennt. Un« weit Ananur bci dem Dorfe Schinwm, ergießt sich die weiße Aragua in die ächte. Ihr oberes Gebiet bewohnt der Stamm dcr Cheffsuren, zu deren Besitzchnm uoch jetzt die Quellen des in die Sundscha fließenden Argun gehören. Südlich von ihnen beginnen 18 * 2?6 mlt dem Thale eines Baches, der den Namen der Pschaw'schen Aragua führt, die Wohnsitze der Pschawen. Weiter unten gehört sein Thal so wie die linke Seite der achten Aragua bis zu denIolan-bergen zu dem bald zu erwähnenden Gau Thian oder Thianethi. Weiter südlich stießt der Thesam in die Linke der Aragua und sein Thal bildet den Gau Cherk, in dem die ersten Juden sich niederließen. Oestlich begränzen ihn das Gebirge von Kuch und südlich der Zedadsen, ein Ausläufer dieses Gebirges, der an dem Kur, Mscheth gegenüber, sich verliert. Ueber ihm liegt der Gau Grdan, der bisweilen mit dem von Cherk den Namen Saguramo führt. An seiner südöstlichen Gränze schickt das Ge birge Kuch zwei Arme ab, von denen der eine Zmar westlich bis an die Kura, der andere hingegen unter dem Namen Lilo südlich bis zum Flusse Lodschin geht. In dem Winkel beider Arme bis an den Kur liegt der Gau kilo, zu dem die hart an der Kura gelegene Ebene Didubeh gehört. Das Gebirge selbst setzt sich südöstlich fort und verlauft in dem Samgor; dadurch entsteht im Osten des vorigen Gaues ein neuer Kessel, in dem der Lodschin entspringt und der den Namen Martkopi trägt. Der Fluß Lodschin fließt anfangs südlich, dann aber bei dem Samgor angekommen wendet er sich westlich und ergießt sich in die Kura. Sein unteres Thal heißt Oman und gehört zu Lilo. Samgor bildet den Anfai'g des Garedsch-Gebirges, was sich südöstlich zwischen der Kura und Iora hinzieht. Zwischen ihm und der Kura liegt im Norden die Steppe Karaia, in der oben an der Kura die Ruinen der uralten Stadt Bostan-Kalaka oder Rustaff liegen. Wachuscht rechnet die Steppe zu Grusisch-Arme-men, und läßt sie von dem Gardabos erobern. Durch einen westlich bis zur Kura gehenden Arm des Garedsch wird sie von der Steppe Tscheran-Tschuglir, die bis zu dem Einfluß des Alasa" reicht, geschieden. Auf der Tifliser Stabskarte gehört jetzt die Steppe Karaia zu der Distanzie Kasachien und Tscheran-Tschugur zu dem frühern Chanat Gandscha. !)) Das Gebiet der Iora. Sie entspringt vom Borbalo, einem sehr hohen Berge des kaukasischen Rückens und von den Schuscharbergen, die von jenem auslaufend im Süden der Pschawi-schen westlich bis an die weiße Aragua gehen. Ihre Richtung ist anfangs rein südlich, spater jedoch südöstlich. Sie lauft quer 277 durch Kachien, und ihr Gebiet wird im Weste» durch dle Gebirge von Kuch und Garedsch, im Osten hingegen durch die von Kach und Her begranzt. Unweit der südöstlichen Gränze ergießt sie sich in den Alasan, der auch alsbald sich mit der Kura vereinigt. Sein oberes Gebiet bis au die Berge von Lilo und Her ist das Land Knch und fiel als Erbtheil dem Kuchos, einem Sohne des Karthlos, zu. Es heißt aber ausdrücklich in der Chronik, daß Kuchos auch Rustaff erhielt und demnach gehörte wohl alles Gebiet zwischen der Iora und Kura bis nach Rnstaff zu dem Lande Knch. Der obere Theil des Iorathales bildet den Gau Thian oder Thianethi, der sich aber auch im Nord-Westen bis an die Aragua fortsetzt, der untere hingegen den von Erzo. Das untere Gebiet der Iora ist nur im Norden, wo die Berge von Knch in die von Garedsch übergehen, gebirgig und heißt das Land von Garedsch. Ossen oder vielmehr Dwalen bewohnen einen Theil des Nordens und bilden den Gau Twalta-Garedsch, während so„st die gebirgigen Gegenden den Namen Sagaredscho führen. Der untere ebene Theil heißt bis wo sich die Berge von Her verlaufen, das Ga-redschische Kachien (Gareth-Kachethi); der übrige hingegen vereinigt sich mit der Ebene des Alasan und führt mit dieser dcnNamenUpadar. o) Der Alasan lauft im Osten der Iora dieser parallel und ergießt sich an der südlichen Gränze in die Knra. Im Westen begränzen sein Gebiet die Berge von Kach und Her, im Osten und Norden hingegen der Kaukasus Dcr Alasan entspringt auf der Ostscite desselben Berges, auf dem die Iora ihren Ursprung hat, nämlich auf dem Borbalo und geht zuerst rcin südlich, dw er am Einfluß der Ilto in scine rechte Seile sich mehr südöstlich wendet; das Gebirge Kach ist ein Arm des Vorbalo; ein zweiter Arm schließt auch das Thal in Osten ein und scheidet den Alasan von seinem Nebenflüsse Schtora. Um die Quellen wohnt ein schon lange in das Gebirge geflohener grusischcr Stamm, Tuschen genannt, und zwar heißt die Verbrüderung welche sic einnimmt, Zowa. Die beiden andern Ve,brüdermigeil (Zirodcli «md Gomersar) bewohnen auf den jenseitige» Hohen deö Kaukasus die Quellen der tnschischcn Tataren. Das ganze Gebier des Alasau bis zu den Schuabcrgcn, welche an der Vereinigung der Gebirge von Kach und Her von diese» östlich ausgehen und an dem Alasan sich verlieren, bildet 278 das alte Land Kach, was wiederum einem Sohne des Karthlos, Kachos, zufiel. Sein Name giug später auch auf die LänderKuch und Her über. Es zerfallt in drei Gaue, von denen der obere Pankis, der östliche Lopota und der westliche Alawerdi heißt. Eine Menge kleiner Flüsse ergießen sich in ihn, und von ihnen sind auf der rechten Seite der Ilto und Thurdo, auf der linken hingegeu die Schtora, Lopota und Gremi. Die Stadt Thelaff und das berühmte Kloster Alawerdi, bei dem das albanische Thal sich befindet, liegen hier. Südlich von dem Gebirgsarm Schua beginnt das Land Her und wurde von Thargamos, einem Bruder des Karthlos, dem Heros zuelthM; es scheint aber als wenn es schon sehr frühzeitig den Herrschern vou Karthli Unterthan geworden wäre. Das ganze fruchtbare Thal im Nordosten des Gebirges Her bis an deu Ala-san, mit Ausnahme des südöstlichen Theiles, heißt jetzt das iiT tere Kachien (Sch'gmlsch-Kachethi) und bildet den fruchtbarsten Theil Kachiens. Der Weinbau ist besonders ausgezeichnet. Bvd-bch und Signach liegen in ihm. Südlich von ihm in dem Dreieck das durch die Vereinigung des Alasan und der Iora gebildet wird und mit Ausnahme des Nordens nur aus Steppe besieht, breitet sich der Gau Kistk aus. Sein oberer ebener Theil führt auch den Namen Kambeschi, und soll nach Klaproth das Kambysene des Slrabo seyn. Der untere Theil ist durch uubedenlende Höhen in eine westliche und östliche Steppe geschieden, und die erstere haben wir schon als Upadar kennen lernen. Die andere hart am Alasan gelegene heißt ZinatMindori. In dein Winkel der Vereinigung beider Flüsse licgt Chorantha, wo einst die Hauptstadt Heros stand. Jenseits der Iora breitet sich ebenfalls Steppe alls und wir haben sie schon unter dem Namen Tscheran-Tschngur kennen lernen. In dem Winkel, der durch den Einflllß des Alasau in die Kura gebildet wird, liegt Mowakan, einst die Hauptstadt des Landes gleichen Namens, was einem andern Bruder dcs Karthlos zufiel. ") Das Land jenseits dcs Alasan nennen di.' Grusier Gagma-Mchar, d. h. jenseits des Flusses gelegen. Es gehört zu dcn schwierigsten Besitzungen Grusieus, seitdem ihre Konige erlaubte" *) Nouveau Journal »»iat. U'om. V. P»g. 20. Note 2. *) Nouveau Journal asiat. Tom. V. pg. 20, 9?0tC 3. «79 daß Lesgier besonders im Süden derselben sich ansiedelten. Der südöstliche Theil machte sich sogar ganz unabhängig und wurde von Schah Abbas, einem grusischen Renegaten, dcr den Namen Ali-Sulrau annahm, übergeben. Seine Nachkomme,, herrschen noch daselbst unter dem Namen Sultane von Elissen (Elissui auf den russischen Karten), erkennen aber seit 1820 Rußlands Oberherrschaft an. *) Auch die Thäler nordwestlich von Elissen bis zum Einfluß des Kabala machten sich unabhängig, sind aber seit 1831 wieder unterworfen worden und bilden jetzt den Dschar'schcn District. In ihm liegt die Festung Sakatal. Der übrige Theil, vorzugsweise Gagmamchar genannt, ist zwar eben so fruchtbar als auf dem diesseitigen Ufer, allein die häufigen Ueberfälle haben ihn zum Theil verödet. In ihm liegt die nicht unbedeutende Vcsie Veschaigan. Durch die letzten Expeditionen von 1831, 1832 und 1837 sind auch Verbrüderungen jenseits der Gebirge, nämlich die Dido und Unsoh an deu Quelle» der Dido'schen Takara und die Anzug an den Quellen der Samura unterwerft« worden und werden demnach zu Kachieu gehörig gerechnet. Die wichtigsten Flüsse welche der Alasan jenseits aufnimmt, sind von Westen nach Osten derSchtora, Lopota, Gremi, Abano, Kabala, Ulad-Suh, Bclakan-Tschai, Asat, Subalgil-Tschai und Aldschagan, welcher letztere nn-weit Nucha entspringt. Da Kachim mehrmals ein selbständiges Reich bildete, so will ich nur weniges aus seiner Geschichte erwähnen. Nach den Griechen gehörte es zn Albanien und dieses wurde von eigenen Königen beherrscht. Nach den grusischen Nachrichten erhielt Heros den südwestlichen Theil unter dem Namen Herethi; spater wurde es mir dem Lande Kach und Kuch vereinigt und durch Statthalter, die oft aus königlicher Familie stammten, verwaltet. Ein solcher, Grigol, machte sich mit dem Untergänge der Sassani-den gegen das Jahr 787 unabhängig und eroberte sogar noch die tatarische Provinz und den östlichen Theil von Grusisch-Arme men. Vierzehn Herrscher folgten cmf einander, bis endlich der tapfere König Grusiens, David, der zweite dieses Namens und von 1<>8!> *) Eichwald läßt den Eristass von Elissui durch die Lcsgier sicy bchlm-men, s. dessm Neise 414. Die Verbrüderungen (Gesellschaften) des Dschar'schm Freistaates mit ihren Dörfern s. daselbst S. 422. 280 bis 1l30 herrschend, Mo grusischeu Lande wieder mir einander vcreini.qte und deßhalb den Namen Wiederherstelln- erhielt. Bis auf Georg VIll den Enkel Alexanders I, blieb Kachicn Mit Karthli vereinigt; unter ihm aber machte sich ein zwei, ter Enkel desselben Königes David unabhängig und seine Nachkommen herrschten bis gegen die zweite Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts uuuuterbrochen. Mit dieser Zeit beginnt zwischen den Königen Kachiens und Karthli's ein heftiger Kampf, in dem zuerst die letzter» den Sieg davon trugen, endlich aber unterlagen, und Theimuras ll, der Vater des Herakleus il, vereinigte beide Reiche mit einander. Zu Anfang dieses Jahrhunderts fiel Kachien mit Karthli, wie schon gesagt, durch ein Testament an Rußland und im Verlaufe dcr beiden letzten Jahrzehnte unterwarf dieses sich auch die grnsischen Stamme, die früher ins Gebirge geflohen und abgefallen waren, so wie auch die lesgischen auf kachischem Gebiete angesiedelten. Nach der jetzigen Eintheilung besteht Kachieu aus drei Kreisen: dem dscharschen District und der Herrschaft von Elissen. Der Kreis von Tbelass besteht fast ganz aus dem nordwestlichen Theil, nämlich aus den Ländern Knch und Kach, aus einem grosien Theil von Garcdsch, einem Drittel von Her uud aus Gagma-Mchar. Die Gaue Cherk, Grdan, Lilo uud Martkobi bilden den tachischcn Antheil des Tifliser Kreises. Dcr dritte nimmt den übrigen Theil von Garcdsch und Unter-Kach, so wic den Gau Kisik bw an den Einfluß des Alasan in die Kura ein. Der Sitz seiner Regierung befindet sich zu Signach, nach welchem Ort er auch benannt wird. O" dscharsche District besteht vorzüglich aus den Thälern des Velaka» und dcr Fifma. Die grusischen Volksstamme haben ihre Vorsteher (Pristaffs), die zum Theil aus ihnen selbst entnommen sind und unter dcm Kreishanptmann von Thelaff stehen. Die Herrschaft Elissen liegt östlich vom dscharschen District und erstreckt sich bis an die Provinz Scheka. Sie besteht vorzüglich aus den Thalern dcr beiden in den Alasan sich ergießenden Flüsse Kapi-und Kurmuk-Tschai. Der jetzige Herrscher führt den Namen Sultan David. Die Zahl dcr Einwohner, dic zum großen Thc>l achre Grusicr sind, betragt 1^1,000 und von ihnen kommen aus den Kreis von Thclass 54M0, auf den kachischen Antheil des Kreises von Tiflis 7000, auf den Kreis von Signach 46,000, auf 281 die Bergstamme 14,000, auf den dscharschcn District 20,000 und auf die Herrschaft Elisscn 8000 Seelen.*) 5) Die tatarische Provinz. Unter diesem Namen verstehe ich die Provinz Udi der Armenier nebst einem Theile von Artsach. Sie besteht ans drei Gauen, die vorzugsweise von Tataren bewohnt sind und seit lauge es waren. Cie liegen östlich von Grnsisch-Armenien und südlich von Kachien, und werden von dem erstem durch das Verdudschgebirge, von dem andern durch die Kura geschieden. Die Tifliser Stabskarte setzt dieGranzen nördlicher bis an die Garedschberge und weiter östlich selbst bis an die Iora, so daß die Steppen Karaia und Tscheran-Tschugur noch dazu gehören. Im Süden wird die tatarische Provinz durch den untern Kaukasus oder die Kur-Arares-Wasser« scheide, deren höchste Spitzen Schahdag, Kara-Agatsch, Kondur und Muroff heißen, getrennt. Jenseits desselben liegt der blaue See und das russische Armenien. Oestlich scheidet ein nordwärts gehender Arm des Muroff und dann der Kjurak-Tschai von der Provinz Karabag. Die tatarische Provinz besteht aus dem Gaue Kasachieu und dcm frühem Chanate Gandscha. Kasachien ist ohne Zw.'ifel cm Theil der Sacasene des Strabo und scinc Bewohner Heisien seit den ältesten Zeiten bei den Grusiern und Armeniern Kasachen. Nach der von Klaproth gegebenen grusischen Chronik führte Kasachia früher den Namen Gardabani; dieses war aber das Erbtheil des Gardabos, eines Sohnes des Karthlos, und bestand aus den östlichen und südlichen Gauen Somchicns und aus dem jetzige» Kasachien. Seit wann Gardabani sogenannt wurde, wissen wir nicht; die Zeit wo aber Kasachicn zuerst gebraucht wurde, fällt gegen das Ende des 8ten Jahrhunderts. Auch die Geschichte der Orbelianer, welche uns durch Samt Martin im zweiten Bande dcr armenischen Memoiren übersetzt ist, erwähnt im 1Aen Jahrhundert an derselben Stelle die Kasachen. Wer waren nun diese Kasachen? Herodoe sagt, daß die Saken (ein ächt turanisches oder türkisches Volk) den Norden des Kaukasus erobert und die dortigen indogermanischen Völker, welche *) Die Tifliser Stabskarte gibt die Zahl dcr Dscharen zu hoch, nämlich zu 45,000 und die der Herrschaft Elisscn sogar zu 2lM0 Scclen an. 282 er Kimmerier nennt, vertrieben hätten. Von da aus wären sie in Asien eingedrungen und in den Besitz ungeheurer Landermassen gekommen. 28 Jahre herrschten sie dort und wurden endlich durch Verrätherei vertrieben. Strabo erzählt ziemlich dieselbe Geschichte und sagt weiter, daß sie den schönste» Strich Armeniens eingenommen und diesem den Namen Sakasene ertheilt hatten. Genau an derselben Stelle befindet sich das heutige Kasachia, besonders wenn man es mit Gardabam gleich halt. Schlagt man die ältesten grusischen Chroniken nach, so wird erzählt, das; eine große Menge Turanier von dem persischen Könige Haikosro vertrieben nach Mschech kamen und den damaligen König um Land baten. Dieser hoch erfreut, überhäufte ihren Häuptling, der chinesischen Ursprungs zu seyn vorgab, mit Geschenken und übertrug ihm die Bewachung der südlichen an Persien gränzenden Provinz Gardabcnn. Von seiner Residenz, der Burg Ocbel, auch Samschwilde genannt, erhielt er den Namen Orbeliano und noch jetzt herrschen seine Nachkommen daselbst. Damals scheint dcr Name Kasachia oder Sacasene entstanden zu seyn. Die Geschichte der Orbelianer stimmt genau mit den grusischen Nachrichten überein., Das heutige Kasachien scheint erst gegen das Ende des ersten Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung von Grusien losgerissen zu seyn, und wurde von den Herrschern von Siunich und Udi abwechselnd in Besitz genommen. Es bildet jetzt eine sogenannte Distanzie und besteht unr aus den Thälern der Iudscha und der Achstafa, die beide in die rechte Seite des Kur einfallen. Der letztere Fluß entspringt in dem ostlichen Winkel, der durch die Verdudschberge und der Kura-Araxes-Wasserscheide gebildet wird. Wenden wir uns nun zu dem frühern Chanate Gandscha, so liegt dieses östlich von Kasachien und wird durch einen andern von der Kur-Arares-Scheide ausgehenden Gebirgsarm, der den Namen Murgus führt, von diesem geschieden. Unbedeutende Flüsse, welche im Norden der besagten Wasserscheide entspringen und einander ziemlich parallel dem Kur zulaufen, bewässern es hinlänglich' Die wichtigsten sind von Westen nach Osten: Taus, Dschegam, Dschagir, Schamschor, Kuschkar, Gandscha-Tschai und Kjuraktschai. Der Dschagir trennt es in zwei Gaue, von denen der westliche Schamschadil und der östliche Gaudscha heißt. 283 In den ältesten Zeiten gehörte das ganze Chanat zu dem Lande Aran oder Arran, dem ursprünglichen Sitze der Nachkommen des Hahlgk, welche bis in das vorige Jahrhundert sich unter dem Namen Hahigkasni erhalten hatten, und wurde zum großen Theile von verschiedenen Fürsten, die alle Nachkommen des Hahigk seyn wollten, beherrscht. Sisag, ein Urenkel Hahigks, theilt seinen Namen dem Lande mit, aber mit der Zeit als sich seine Nachkommen von einander unabhängig machen, wird der letztere Name auf einen District der armenischen Provinzen Siunich und Artsach (Kara-bag) beschrankt nnd das Chanac gehörte zum Theil zn Siunich oder besaß unabhängige Herrscher, die sich Herren von Udi nannten. Pon Norden her fielen auch Albanier (Agowanen von den Armeniern genannt) ein, nnd ein gewisser Arhan, den die Armenier vom Sisag abstammen lassen, gründet zuerst das albanische Königreich, dessen Gränzen sich nie eine lange Zeit gleich erhielten. Eö war bald den armenischen oder den persischen Königen Unterthan; bald erkannten seine Herrscher aber auch keinen von beiden an. Kandscha oder Gandscha (Kandsag bei den Armeniern) war die Residenz und soll schon von dem persischen Könige Kobad (Kabaoes) erbaut seyn. Mit ihrer Eroberung durch die Seldschuken (im Jahre 1088) verschwinden die albanischen Fürsten, die sich zum Christen-thume bekannten, allmählich aus der Geschichte und mohammedanische Herrscher treten auf kürzere oder längere Zeit an ihre Stelle. Spater erschienen auch Türken neben den Persern und strebten nach dem Besitze des östlichen Theiles Transkaukasiens. Statthalter hatten sich in Schirwan, so wie in Gandjcha und andern Theilen erblich gemacht und herrschten oft unabhängig. Wann die Familie der letzten Chane von Gandscha die Herrschaft übernommen hat, weiß ich nicht; ihre Geschichte hat auch zu wenig Werth um ausführlich mitgetheilt zu werden. Wichtig wurde Gandscha wiederum für Grusml seitTheimuras II und seinem Sohne Heracleus H, denn diese benutzten die persischen Unruhen nach dem Tode Nadir Schah's und machten sich nicht allein unabhängig, sondern ließen sich von mehreren muselmämuschen Chans einen Tribut zahlen. Der damalige Chan von Gandscha hieß Schawerdi-Chan und wurde nachdem er von seinen eigenen Unterthanen vertrieben uiib durch Heracleus wiederum cingefttzt war, ermordet. Es folgte sein ältester Sohn Mohammed Assan Chan, um bald darauf durch den 284 grusischeu König wieder abgesetzt zu werden und cinem Gouverneul Platz zu machen. Nach sechs Jahren bestieg mtter grusischer Oberhoheit ein anderer Sohn Schawerdi - Chans mir Namen Dschiawat^Chau den Thron, »md als Georg, der letzte König Gru-siens, sein Reich Rußland vermacht hatte, wurde Gandscha ebenfalls in Besitz genommen. Der Chan weigerte sich aber >md setzte sich in der Festung und Stadt Gandscha, die am Flusse gleichen Namens lieg/, fest. Den 3 December (a. St.) 1804 wurde die Stadt von dem Fürsten Ziziauo genommen und einen Monat darauf fiel auch die Festung. Der Chan brfand sich „mer den Todten. *) Sein Laud wurde Rußland einverleibt und dem damaligen Kreise von Lori zugerechnet. Die Stadt erhielt den Namen Elisabethpol, weil sie am Namenstage der Kaiserin erobert wurde und hat sich seitdem wieder gehoben. Sie ist der Sitz eincsKrcishauptmannes und eine bcdeurende Handelsstadt, die jetzt über 16,000 Einwohner zahlt. Der Kreis selbst bcstcht aus dcm frühern Gau Gandscha, während der Gau Schamschadil jetzt eine selbständige Distanzie wie Kasachien ausmacht. Die tatarische Provinz ist im Süden sehr gebirgig, besitzt aber einen großen Reichthum an Erzen, und schade ist es dasi die rnssischc Regierung bis jetzt so wenig Werth auf die dortige» Bergwerke gelegt hat. Der Norden ist eben und sehr fruchtbar, so daß die beiden sch'vä bischen Dorfer Annenfeld und Helenendorf im Kreise von Elisabethpol sich nach der Zerstörung durch die Perser trotz der innern Iwistigkeiten schnell erholen konnten. Die Einwohner der Provinz sind großtentheils Tataren und zwar turkomannischen Stammes und sehr betriebsam; außerdem finden sich auch viele Armenier vo>. Ihre Gesammtzahl beträgt 73,000 und vou ihnen kommen auf Kasachieu 25.000, auf Schamschadil 1li,000 und auf dcn K»eio von Elisabethpol, die Stadt eingeschlossen, 32,000. *) Sein Sohn Ugurlu-Chan entkam nach Persim, wurde daselbst (,UM von Choi nnd als solch« von Paskcwttsch <62!Uüc!n clezori^Uon ä« la Ocorßie; raß. 67. *>) Nrosset nennt das Frauenhemd Gulis-piri und verwechselt deßhalb es mit dem Vorhemdchen, was freilich dem niedern Stande fehlt. S. Wachuscht p. 67. 289 seidene oder baumwollene Hemd (Peranga) geht bis über die Knie. Die Strümpfe und Pantoffeln sind wie bei den Männern. Schuhe nagen sie nicht. Auf dem Kopfe haben sie eine eigenthümliche Bedeckung, die im gewöhnlichen Leben ans einem breiten »und um den Kopf gehenden Vande (Thawsakrabi) und einem die Mitte desselben schließenden Deckel, meist aus Filz verfertigt, (Kopi) besteht. Anstatt des Bandes tragen sie bei feierlichen Gelegenheiten ein Diadem. An ihm ist der hinten herabhängende Schleier (Tschikila) *), der aber nie zum Verhüllen des Gesichtes dient, befestigt. Zu diesem Zweck besitzen sie ein großes baumwollenes Tuch von weißer Farbe, Tschadri, in das die grusi-schen Frauen und Mädchen so geschickt den Körper zu verhüllen verstehen, daß man nur die feurigen Augen und die meist grosie Nase sehen kann. Die Haare tragen sie in eine Menge kleine Zöpfe geflochten und so hinten unter dem Schleier herunterhängend. Nur zwei davon legen sie nach vorn und lassen sie über die geschminkten Wangen herunterfallen. Durch die Kopfbinde will man eben die an und für sich unbedeutende Stirn vertreten; man erzählte mir aber, daß die Mütter ihren Töchtern gleich nach der Geburt die Stirn znrückdrückten, um so dem Diadem später eine geradere Richtung, die eben in einer Fortsetzung der Gesichtölinie bestände, geben zu können. Gesehen habe ich es selbst nie, aber vielfach wnrde mir es durch meinen Uebersetzer und mehrere Gru-sier versichert. Russische Ofsiciere behaupteten hingegen zum Theil, daß es eine orientalische Erfindung sey; die zurückgedrängte Stirn habe ich aber stets gefunden, wo ich Gelegenheit hatte den Kopf von Mädchen oder Frauen zu untersuchen. Ob dieses aber künstlich oder natürlich ist, kann ich nicht entscheiden. Zu den nothwendigen Bedürfnissen gehören noch Farbstosse; besonders die ältern Männer färben sich ihr Haar mit der ächten Alhenna roth und mit einem mir unbekannten Stoffe die Augenbrauen schwarz. Die Mädchen und Frauen schminken sich, und zwar weiß mit salzsaurem Wismuth, roth (und sehr derb aufgetragen) mir der Färberrdthe. Wie bei den Vekeunern des Islam ist auch bei den Grusiern das Innere des Hauses und die darin herrschende Familie heilig *) Nach Vrosset: Letschaki; s. Wachuscht «5. N«isen ü, zHidcrbcschrcilnixgm. XXV ,8c?Kt:n' in»ma tsakli, d. h. dein Vater ist ein Hund.« Er besieht sich das Kind und entfernt sich, ohue weitere Sorge um Mutter und Kind zu tragen. Es erscheint nun der Priester, besprengt das ganze Zimmer mit Weihwasser, segnet Mutter und Kind und gibt dem letztern einen Namen. Erst nach acht Tagen wird dieses ohne weitere Festlichkeiten getauft und nur der Priester erhalt häufig ein Mahl. Ist der Vater wohlhabend, so wird das Kind einer oder mehreren Ammen übergeben und beide Eltern bekümmern sich nicht weiter um dasselbe, das eben nur von Zeit zu Zeit der Mutter gezeigt wird. Kann der Vater aber keine Amme bezahlen, so ernährt die Mutter das Kind uud zwar so lange, bis ein neues Kind dieses verdrängt. Ich habe aber selbst Mütter, die zu gleicher Zeit auf beide» Seiten Kinder saugten, gesehen.' Gewöhnlich geschieht es aber nur bis zum sechsten Monat der folgenden Schwangerschaft. Trils diese nicht zeitig ein, so sieht man nicht selten den Fall, daß die Kinder längst laufen und sprechen können und doch noch angelegt werden. ^ Man rühmt immer die Leichtigkeit, mit welcher die Frauen der Orientalen und überhaupt der culturlosen Völker niederkommen, und gewiß ist es, daß die Grusierinnen oft schon denselben Tag 19 * 9Q2 sich wiederum von ihrem Lager erheben und ihre häuslichen Arbeiten besorgen. Schwere Geburten sind zwar seltner, weil die unseligen, oft auch einen Theil der Hüften einschließenden Schnürleiber bei ihnen nicht die natürliche Schönheit des Körpers verdrängen, um einer häßlichen Form und einer eingebildeten Schönheit Platz zu machen, aber doch häufig genug, um Unglücksfälle hervorzurufen. Betrachtet man aber dieselben reizenden Frauengestalten Grusiens nach kaum zehn Jahren wiederum, und man wird kaum glauben, daß sie noch dieselben Menschen seyen. Kaum'30 Jahre alt, gehen sie ihrem Verfalle rasch eutgegen, und die Natur rächt sich bei allen denen, die es versäumten dem Körper nach der stets schweren Geburt die nöthige Ruhe zu gönnen, damit er sich allmählich von den Anstrengungen erholen kann. Die Jugend überwindet zwar mit ihren frischen Kräften alle Angriffe, sie vergeudet aber dabei alles was ihr für das spätere Alter nothwendig wird, und wenn dieses herannaht, wird der schwache Körper siech und schwindet allmählich dahin. Wenn ich 30- bis 40jährige Frauen, deren Gesicht über und über mit Runzeln bedeckt war, sah, so fielen mir immer die häßlichen Zigeunermütter ein, die ich in meiner ersten Jugend gesehen hatte und einen grellen Contrast zu ihren reizenden Töchtern, denen sie gewiß einst ähnelten, bildeten. Leider fehlen mir genaue Tabellen, um Vergleiche mit den Unglücksfallen bei Geburten im Orient und Occident anzustellen, aber nach allen Nachrichten, die ich einzog, sind diese bei den Grusiern ebenso häufig, wenn nicht noch häufiger. Ich spreche hier nur von dem Volke; denn wenn ich sonst in Grusien Matronen sah, die einen angenehmen Eindruck machten, so gehörten diese immer nur den hohern Standen, meistens den Fürsten an und hatten sich nicht viel um die häuslichen Angelegenheiten und ihre eigenen Kinder gekümmert. Diese konnten wohl ihre Schönheit sich langer erhalten. Die Erziehung ist leider in ganz Grusieu sehr vernachlässigt, und trotz den größten Bemühungen und Aufopferungen der russischen Regierung hat wahre Bildung noch keinen Eingang gefunden. Nur die austere Form macht sich geltend, sticht aber um so mehr von der gräuzonlosen Unwissenheit ab. Es ist dieses im hohen Grade zu bedauern, da der Grusier nicht allem für etwas Höheres empfänglich ist, sondern in der Regel gute Anlagen besitzt und 293 ehrenwerth genannt werden muß. Der orientalische Lurus und die sinnliche Verweichlichung hat zwar nie in großem Maaße in Grusien Eingang gefunden, aber doch haben die persischen und türkischen Gemeinheiten das Gefühl für Sittlichkeit herabgestimmt und die äußern Formen unserer europaischen Cultur sind ihm nur schädlich gewesen. Sittenverfall ist wenigstens in Tiflis und im Westen des Landes eingetreten, und Mütter und Väter bringen selbst ihre kaun, mannbaren Tochter den Fremden, besonders Russen, um sie für eine bestimmte Zeit zu verhandeln. In Mingrelien hat die Knabenschanderei auf eine empörende Weise überHand genommen und gränzenlose Unwissenheit und Rohheit sind daselbst an der Tagesordnung. Und doch fand ich beim Volke bisweilen noch eine Spur höheren Sinnes, und hundertjährige Barbarei, wie sie Chardin uns erzählt, vermochte doch nicht das Volk ganz zu demoralisiren. Nicht so ist es in dem ganzen Grusien, und ich habe häufig Gelegenheit gehabt, wie Fürsien mit Sehnsucht einer hdhern Bildung ihrer Kinder und Untergebenen entgegensehen. Enthusiastisch wie der Grusier ist hoffte er in der Kürze den alten Glanz seines Vaterlandes wieder zu sehen. Leider ist aber der Tag noch nicht so nahe! Die Lehranstalten in einem so entfernten Lande vermögen nicht so leicht beaufsichtigt zu werden als es nothwendig ist, und wenn den Vorstehern und Lehrern nicht selbst Liebe zur Belehrung inwohnt, so mag diese von oben herein befördert werden wie sie will, sie wird doch nicht Eingang finden. Mai» lehrt eben häufig nicht aus Liebe zur Jugend, sondern weil man sein Brod dabei verdient und von Zeit zu Zeit eine Belohnung erhält. In dem Zimmer eines obern Lehrers des Gymnasiums hingen an der Wand eine Reihe unanständiger Bilder, die durchaus den besuchenden Schülern nicht verhüllt waren und gewiß viel beitragen mußten die Wollust, besonders südlicher Naturen, zu steigern. Gegen die Einrichtung des Gymnasiums laßt sich nicht viel einwenden, zumal man ein solches Institut nicht mit einem deutschen vergleichen kann und darf, aber die Art und Weise des Unterrichts ist nicht die rechte. Man läßt eben nur wieder die Formen lernen und bekümmert sich nicht um den Geist des Erlernten. Die praktische Tendenz herrscht zu viel vor. Es ist zwar recht gut, daß man nicht auch in Tiflis anfängt einen großen Theil der 294 Jugend durch Auswendiglernen griechischer und lateinischer Worte und Regeln der Syntax's, die in den Sprachen oft gar nicht enstiren, unnütz verlieren zu lassen, aber man verwendet fast keine Zeit die Schüler zum eigenen Denken zu bringen. Der Geist muß sich selbständig entwickeln und der Lehrer soll ihn nur dabei leiten und wo nidglich in der Methode unterstützen. Das ist der große Fehler, den ich in dem Tifliser Gymnasium gefunden. Man lehrte eine Menge der neueren Sprachen und mir Geläufigkeit bewegten sich viele Schüler in denselben, aber keiner vermochte einen zusammengesetzten Satz zu Stande zu bringen oder über etwas was außerhalb der Formen lag ein Urtheil zu geben. Nicht alle vornehmen Grusier thun aber ihre Söhne auf das Gymnasium zu Tiflls, sondern halten sich in der Regel elnen Priester, der den Knaben nothdürftig Lesen und Schreiben lehrt. Utn dle russische Sprache zu erlernen schicken sie diese auf eine Zeit zu ciuer russischen Familie, wo eben alles cx us« beigebracht wird. Die minder wohlhabender« lassen ihre Kinder in der Unwissenheit aufwachsen, m der sie sich selbst befinden. Was die Geschicklichkeit anbelangt, so lernt der Sohn stets von dem Vater, und kaum vermag der letztere das Roß zu besteige«, so lenkt er es auch mit kräftiger Hand, und keine Gefahr kennend achtet er weder Gräben noch Zäune. Dem Waidwerk ergeben geht der Knabe ihm schon in der ersten Jugend nach, uud alle Mühseligkeiten verachtend streift er Tage lang in den Wäldern und auf den Bergen umher, ohne dem Bedürfniß nach Speise und Trank nachzugeben. Kriegsübungeu werden eben noch so fortgefetzt als in de» Zeiteu wo man stets auf der Hut seyn mußte, und mit einer großen Sicherheit schießt er vom Pferde nach dem vorgesteckten Ziele. Seine beiden Hauptspiele sind das Ringen und Ballwerfen. Das erstere geschieht, indem die beiden Gegner ihre Hände sich gegenseitig auf die Achseln legen und so zu schieben versuchen, bis einer der Kraft des andern unterliegt, oder die beiden Ringenden suchen sich an der Taille zu fassen uud zu hebe« bis einer fällt. Beim Ballspiel nimmt einer den Ball und stellt sich in die Mitte, um ihn, wobei er die Umstehenden täuscht, irgend wohin zu werfen. Wer ihn aufhebt, flieht so lange bis er nicht mehr kann und wirft den Ball wieder vou sich. Die ganze 295 Jugend stürzt nun diesem nach und so geht es fort, bis alles er-müdet ist. Die Zeit der Mannbarkeit tritt bei beiden Geschlechtern schon frühzeitig ein, und es sind die Fälle nicht selten, wo Mädchen im dreizehnten, ja selbst im zwölften Jahr Mütter sind und Knaben im vierzehnten schon als Vater erscheinen. Die Ehen werden fast nie durch gegenseitige Zuneigung geschlossen, sondern die Eltern wählen in der Regel nach Aeußerlichkeiten Braut oder Bräutigam. Die sogenannte „gute Partie" ist in Grusien ganz Sitte, und es kommt deßhalb nicht selten vor, daß beide Eheleute sich früher gar nicht gesehen hatten. Häufig werden durch Verheurathungen Streitigkeiten zwischen zwei Familien geschlichtet, und dann wird am allerwenigsten auf die beiden am meisten Betheiligten gesehen. Oft sind diese noch gar nicht mannbar und trotzdem werden sie durch die Ehe verbunden. Ich habe schon früher ein Beispiel, als ich den Hof des Dadians besuchte, erzählt. Wenn ein junger Mann selbst wählt, so bittet er einen Höhern als er selbst ist den Brautwerber zu machen, und man vereinigt sich schon früher über die Ehepacten, bevor es dem Bräutigam er-lanbt ist seine Braut zu sehen. Formell halt er nun selbst um die Hand derselben bei ihren Eltern an und findet diese zur Rechten der Mutter sitzend. Geschenke auf beiden Seiten endigen die Brautwerbung. Die Hochzeit wird in der Regel solenn gefeiert und ein großes Gelag findet in dem Hause der Braut statt, wobei von allen Gasten Geschenke überreicht werden. Am häufigsten geschieht sie eine Zeit lang nach der Verlobung, doch kommen auch Falle vor, wo sie gleich darauf vollzogen wird. Beispiele von Untreue sind nicht selten, sie geben aber dem Manne noch kein Recht geschieden zu werden, sondern er erhalt die Weisung mehr Acht zu haben. Deßhalb wendet er nun seine ganze Rache dem Verführer zu und sucht die Schande mit Blut abzu-waschen. Die Fälle kommen nicht selten vor und der Mörder flieht auf eine Zeit in die Wälder, um sich dem Arm der Gerechtigkeit zu entziehen. Nach Verlauf eines halben oder ganzen Jahrs thut man als wenn cbeu nichts vorgefallen wäre. Die üppigen Frauen bieten selbst zur Uutreue die meisten Gelegenheiten, und eben nicht durch Liebe an den Mann gebunden fassen sie selbst begierig eine jede, sich mit ganzer Leidenschaft derselben ergebend. Russische Officiere 296 erzählten mir häufig solche galante Abenteuer imd zeigten mir kleine Kissen, die ihnen oft unerwartet als Zeichen der Crhdrung und der sehnsüchtigen Erwartung zugesendet waren. Mädchen sind schwieriger zu verführen, vielleicht darum, weil sie schon sehr jnng verheurathet werden; geschieht es aber doch und sie sind gemeinen Standes, so verkauft sie ihr Herr wo möglich schon vor ihrer Niederkunft oder überläßt sie ganz ihrem Geschick. Das häusliche Leben der Grusier ist einfach; der Mann erscheint nur selten in seiner Familie und lebt mehr außerhalb derselben auf dem Basar oder auf der Jagd. Der Vater hat zwar sehr viel Ansehen, ist aber nie unumschränkter Herr und durfte auch in den frühern Zeiten seine Kinder nicht verkaufen. Das weibliche Personal besorgt die häuslichen Geschäfte und sucht sich innerhalb derselben so gnt als möglich zu vergnügen. Sobald die Sonne untergegangen und eine kühlere Luft eingetreten ist, begeben Mädchen und junge Frauen sich anf das terrassenartige Dach und suchen sich mit Spiel und Tanz die Zeit zu vertreiben. Es war mir oft ein lieblicher Anblick, wenn ich ungesehen eine Gesellschaft junger Mädchen auf dem Dache belauschen konnte. Diese reizenden Gestalten mit ihren graziösen Bewegungen versetzten mich in die Zeiten der Tausend und Einen Nacht. Ihr Lieblingstanz ist die sogenannte Lesginka, die ich schon weitläufiger in der Beschreibung der Tscherkesseu beschrieben habe. So lebhaft dic Grusier sich der Freude hingeben, ebenso stark erfaßt sie der Schmerz bei Trauerfällei,. Wenn der Ekihm (Hatim mit dem Tone auf der letzten Sylbe), d. i. Arzt oder die diesen vertretende Matrone die Hoffnung bei einem Kranken aufgegeben hat, so verlaßt die ganze Familie und die Schaar der mitleidigen Nachbarn das Krankenzimmer »nter lautem Weinen und Wehklagen. Man zerreißt sich das Gesicht, rauft sich die Haare aus und gibt auf jede Weise seinen innern Schmerz zu erkennen. Alle Nachbarn laufen zusammen und setzen das Heulen ,'n wo möglich verstärkter Weise fort. Ist der Kranke nun wirklich gestorben, so beginnt eine Schaar Bezahlter das Henlen und Schreien, und es cnstirt in der Zeit kein Zwischenraum, in dem Klagetönc nicht gehört werden. Der Todte wird in seine Lumpen, bisweilen auch in seine prachtigen Kleider, besonders wenn er reich und tapfer ist und viel Ansehen hat, gehüllt, und bei Acrmcrn einen oder wenige, bei Reichern 297 bis sechs Tage ausgestellt; denselben Tag, wo er begraben werden soll, tragt man ihn bei großer Rnhe zuvor in das Gebirge oder in einen Wald, wo der Geistliche den Segen über ihn ausspricht und bringt ihn dann erst in das Grab. Bis dahin war Jedermann still, mit dem Einsenken beginnen aber von neuem die Klagetdnc und das Zerfleischen des Gesichts. Die Anzahl der Begleiter des Todten ist in der Regel groß und es wirb die ganze Verwandtschaft ans nah und fern eingeladen. Mehr als einmal begegneten mir auf meinen Wanderungen große Züge, die zum Todtenfeste gingen oder von ihm kamen. Die ganze Gesellschaft kehrt mm in die Wohnung des Verstorbenen zurück und es ist je nach dem Reichthum der Familie ein Gastmahl angerichtet. Die Iammenone werden von Zeit zu Zeit fortgesetzt und Jedermann läßt sich dazwischen das Vorgesetzte wohl schmecken. Nach acht Tagen bindet man das Stroh, auf dem der Verstorbene gelegen hat, zu einer Puppe zusammen und zieht dieser die Kleider des Verstorbenen an. So wird sie in derselben Lag»: und in demselben Zimmer, wo der Verstorbene seinen Geist aushauchte, hingestreckt und das Henlen beginnt von neuem. Dasselbe geschieht nach 40 Tagen auf dem Kirchhofe. Wichtig ist dabei, daß der Verstorbene dem Priester ein gewisses O.uautum an Geld oder Vieh ausgesetzt hat, denn nach dem Grade des Ausgesetzten und dem Vermögen des Todten richtet sich der Segen. Die Geistlichkeit hat dcn Aberglauben des Volkes so zu benutzen verstanden, daß selbst die Aermsten schon zeitig darauf bedacht sind den Priester zu berücksichtigen. Fünf Rubel Silber, eine Kuh, zwei Kälber oder fünf Ziegen oder Schweine gibt der Geringste. Ich habe die Amme der regierenden Filrstin von Mingrelien kennen lernen, die jeden Pari ergcizte, um ihn für den Priester zurückzulegen. Schon lange hattc die Matrone auch die Gelder für die Schreier zurückgelegt und jammerte doch stets, daß sie nach dem Tode so wenig für ihre Seligkeit thun könne. Was die staatliche Einrichtung betrifft, so ist jetzt alles auf russischen Fuß gesetzt, und wo die russischen Gesetze nicht ausreichen, nimmt mau noch seine Zuflucht zu dem Coder des Königs Wachtang V. Das ganze Land ist, wie wir gesehen haben, in Kreise getheilt und diesen sind Kreishanptleute vorgesetzt. Die kleinern Provinzen, Gurien und Samsche, haben einen Präsidenten zum Vorsteher und Mingrelien wie Abchasien besitzen noch ihre eigenen 298 Herrscher. Der westliche Theil Grusiens bis an die meschischm Berge sieht unter einem eigenen Gouverneur, der in Kutais seinen Sitz hat und zu meiner Zeit durch den Spanier General Especho vertreten wurde. Der Gouverneur des östlichen Theils, damals ein Fürst Palawando, residirt in Tiflis und steht mit dem vorigen unter dem Generalgouverneur der eis- und transkaukasischen Provinzen, jetzt General Neidhardt, der zu gleicher Zeit Oberbefehlshaber aller dort stehenden Truppencontingente ist. Als Grusien seine eigenen Herrscher hatte, besaß es dieselbe Feudaleinrichtung wie Deutschland unter dem Kaiser und Herzögen. Der König war die erste Person des Staats und ihm zunächst standen die Herzöge, Enstaffs genannt, die eben sowohl wie die deutschen erblich wurden und, so lange sie die Ehrerbietung gegen ihren Herrn und König nicht vergaßen, vom Vater auf den Sohn übergingen. Besonders sind es die Eristasss vom Ksan und von der Aragua, welche seit sehr langer Zeit daselbst herrschten und (wie unsere frühern Herzoge) oft mit einander in Streit lagen. Ihre Nachkommen eristiren noch jetzt und werden gewöhnlich als Fürsten Eristaff bezeichnet. Der Titel wurde demnach Familienname, wie wir es gleich auch noch weiter sehen werden. Unter den Großen des Reichs waren die Hof- und Staatsämter vertheilt und auch diese wurden mit der Zeit erblich. Die Fürsten Amilachor, die auch das Eristawat von der Aragua verwalteten, waren z. V. die Oberststallmeister. Der Chef des obersten Gerichts wurde Dadian (von dem armenischen „Dat, Richter") genannt, und er verwaltete zur Zeit der Thamar die entfernten armenischen Provinzen, wo er seinen Sitz in Kari (d.i. Erzerum und nicht Kars, wie Eichwald behauptet) hatte. Der Oberaufseher über die Eri-siasss und die wichtigste Person nach dem Könige wurde Spasalar genannt. Spater scheint es, daß der Erzieher der königliche» Prinzen die Würde erhielt, denn der Name Attabeg wird für Spasalar gebraucht. Der Titel ging als Familienname über, und wir finden die Attabegs als Enstaffs von Samsche, in welcher Eigenschaft sie sich nicht allein erhielten, sondern sich sogar unabhängig machten. Das grusische Volk theilt sich noch jetzt in fünf Classe», von denen die Mthawars oder Thawadö (von Thaw, das Haupt) den obersten Rang einnehmen. Aus ihnen wurden die höchsten Stellen 399 und die Eristasss (d. i. Haupt des Volkes) erwählt. Die zweite Classe bildet der niedere Adel, die Asnaurs. Die dritte Classe entspricht am meiste» unserem Bürgerstande und besteht nur aus den Kaufleuten, zu denen freilich auch die handelnden Handwerker gehören. Die vierte Classe sind die Landbebauer, Msachuri, die zwar in der Abhängigkeit von Asnaurs oder Thawars standen, aber doch nicht unsern frühern Leibeigenen und denen Rußlands gleich Zl«da6 »^ii^ni waren. Unter diesen hat man wohl fünftens die Glechi zu verstehen. Diese bezahlten keine bestimmte Abgabe, wie die Msachuri, sondern bedienten ihre Herren und bebauten deren Felder. Dafür kam ihnen allerdings ein Theil zu. Unter Rusiland sind aber auch aus den Msachuri ächte Leibeigene geworden. Achtundzwanzigstes Gapitel. Tiflis und seine wichtigsten Umgebungen. Charakter von Tisliö; Umsang; Lage; Eintheilung der Stadt; Häuser.- und Einwohnerzahl; Garcth-Uban; Kala; Tphilisi; Iöm; Hull; Geschichte der Stadt; Lebensweise; der Vasar; Vänkelsinger; Mendbelusiigungen aus den Dächern; Sittlichkeit; gesell' schaftlicheö ?eben der höhern Stände; die Familie des 'Oberbefehlshabers; Fürst Konstantin Suworoff; Concerte; Nalle; dic vorzügNMeu Familien; Vcsiusthess; Frau v. Echlschipin; Pseudobarou v. Dicslau; daö Fest der heiligen drei Könige; die Verfluchung der ^ctzer; dic Kirche deö hciligm David; der Schamchal von Tcrku; Cavalcade; dic Vader. Tiflis liegt in einer reizenden Gegend an der Kura und ist von drei Seiten von Bergen dicht umschlossen, von der vierten hmgegen offen. Die Ebene Did-Ubeh besitzt hier ihr Ende. Ihren c.genthumllchcn aMischen Charakter hat sie in der neuesten Zeit zum The.l verloren, und sie zeigt jetzt cin seltenes Gemisch der Manschen Architektur mit der europäisch-russischen. Während dicht an der Kura und auf der Höhe des Nathluch die terrassenförmigen Hauser zum Theil unterirdisch und dicht neben einander gebaut sind und kaum e.n Wagen durch die breitesten Straßen zu fahren vermag, haben dte Russen die alte anßerhalb der Stadtmauer befmd-llche Vorstadt auf der udrdlich gehenden Ebene Did-Ubeh vergrößert und dabei weder Geld noch Raum gespart, um großartig zu erschcmen. Da finden sich Paläste und große Plätze, wie man 300 sie in neuen Städten des großen russischen Reiches zu sehen gewohnt ist. Der Umfang der Stadt ist nicht leicht zn bestimmen, da die Hauser sich an den Höhen hinaufziehen und selbst im Süden hinter dem Schloßberge Thabor in einer engen Schlucht sich fortsetzen. Die Höhen im Osten sind ebenfalls wieder zur Vorstadt geworden, und unter ihr mehr nach Norden befindet sich wiederum ein Dorf, was zu Tiflis gerechner werden muß. Wollle man alles dieses umgehen, so gebrauchte mau ohne Zweifel einen Zeitraum von wenigstens vier bis fünf Stunden. Um eine genaue Einsicht in die Lage der Stadt zn erhalten, wird es nothwendig zuerst den Lauf der Kura naher zn verfolgen. Mit dem Eintritt der Aragua, wo der Fluß seinen Namen Kur iu den der Kura (d. h. Kur und Ra, mit welchem letztern Namen auch die Aragua benannt wird) umwandelt, verändert er seinen östlichen Lauf in einen südlichen mit nnr geringer ostlicher Abweichung. Da wo der Skaldidi, der nordöstlichste Theil der Kur-Ksia-Wasscrscheide, sich am Fluß verläuft, beginnt die gegen drei Sruuden lange Ebene Did-Ubeh, und ruhiger als sonst verfolgt die Kura mitten iu derselben ihre Richtung. Im Süden wird sie durch den Skalnari, den südöstlichsten Theil derselben Wasserscheide begränzt, und da wo die Kalkberge sie im Westen einengen und im Osten die Garedschiberge bis an das Ufer des Flusses unter dem Namen der Nathluchschen vorrücken, liegt Tiflis. In dem Winkel, der durch die Vereinigung der Skaldidi- uud Stal-nariberge gebildet wird, entspringt der Vach Were, und fast bis zu ihm erstreckt sich nördlich jetzt die Stadt. Südlich setzt ihr der Berg Thabor oder der Schloßberg, eine nur unbedeutende und weniger zusammenhangende Anhöhe des Skalnari, und da wo er östlich endet, ein hinter ihm liegender bedeutender Rücken des-selbeu Skaluari, welcher den Namen des saganluchschen führt, eine Gränze. Durch diesen ist die Kura auch gezwungen ihren südlichen Lauf in eiueu vst-süd-ostlichen umzuwcmdcln, und während nach dem saganluchschen Bergrücken zu die Ufer nur allmählich sich erhebe», sind si? auf jener Seite hoch (gegen 150 Fuß) »nd steil nnd bilden senkrechte Felsen, die den uathluchschen Bergen angehören. Zwischen dem Thabor und dem saganluchschen Rücken befindet sich eiue Schlucht, die im Anfang erweitert erscheint. 301 In ihr fließt der Bach Solanak. Ein zweiter noch unbedeutenderer Bach kommt ungefähr 150 Schritte entfernt aus einer Quelle des sagauluchschen Rückens und führt den Namen Krsanisi. Im Westen erhcbc sich allmählich der heilige Berg (Mta-Zminda) oder Ischitutruk, wie er in seinem ganzen Umfange heißt; er gehört ebenfalls zu dem Skalnari. Im Osten befinden sich die nathluch-schen Berge mit steilen Felsen, und auf ihnen sieht selbst ein Theil der Stadt. Man theilt in der Regel die Stadt in vier Theile: Kala, Tphilisi, Isni und Gareth-Uban; mau ist aber gezwungen, wenn man das auf dem Berge liegende Awlabar zu Tistis rechnet, auch das nördlich darunter liegende Dorf Kuki als Vorstadt anzunehmen. Kala liegt anf dem rechten Ufer der Kura und nimmt den wichtigsten Theil dcr Stadt ein, Tphilisi hingegen umfaßt den Schlostberg, die Bäder und den ganzen hinter und östlich von den, erstern hinziehenden Theil. Unter Isni versteht man die jenseits der Kura liegende Stadt auf den Höhcu des Nathluchschen Berges, die Festung und die unter dem ersten sich hinziehende Häuserreihe. Weiter nördlich, wo sich der Nathluchsche Berg in der Ebene verliert, liegt die Vorstadt Kuki. Die neuen Quartiere auf der rechten Seite des Kur gegen den heiligen Berg hin, welche außerhalb der alten Stadtmauer liegen, führen den Namen Gareth-Uban. Die statistischen Verhältnisse von Tistis sind der unregelmäßigen, zum Theil nomadischen Bevölkerung halber nicht leicht festzustellen und wurden mir zu erforschen um so schwieriger, als der Oberbefehlshaber Barm, Rosen, so liebenswürdig m»d hülfrcich er auch sonst war, eine gewisse Geheimnißthuerei in Betreff der Sca-tistik gegen mich beobachtete und beobachten ließ. Wenn man allc die Paläste, Häuser und Sakli (halb unterirdische Wohnungen) zusammenrechnet, so betragt die Zahl der Gebäude nicht unter 5000, ja sie mag vielleicht noch höher seyn. Die russische Angabe der Gesammt-Eittwohner auf 00,000 mag zu hoch gestellt seyn, wc,m auch nicht zu läugnen ist, daß sie so, wie sie Dubois angibt, nämlich nur zu 25,000 Seelen, viel zu gering erscheint. Wahr-scheiulich hat Dubois das Steuerregister in den Händen gehabt und insofern mag seine angegebene Zahl richtig seyu. Eine Menge Einwohner wissen sich aber den Abgaben zu entziehen, und 302 da man nicht wagt mit der äußersten Strenge zu verfahren, so duldet man dieses um so mehr, als bei der gränzenlosen Armuth vieler Bewohner auch keine Abgabe zu erwarten ist. Tansend junge und ältere Leute treiben sich den ganzen Tag auf dem Basare oder sonst wo herum, suchen hie und da eine Kleinigkeit zu verdienen, um nothdürftig zu leben und schlafen im Sommer wo es ihnen am kühlsten ist, im Winter hingegen verschaffen sie sich heute bei einem wohlhabender« Bekannten oder Verwandten, morgen bei einem andern eine wärmere Schlafstelle. Der Adel gibt ferner die ganze Anzahl seiner Dienerschaft nicht an, und wechselt oft auch mit ihr. Endlich hat Dnbois ganz Kuki übergangen und eben so scheint er Awlabar nicht mit eingerechnet zu haben. Das Tifiiser Regiment steht auch zur Hälfte in Tiflis und vier Batterien mit der dazu gehörigen Mannschaft haben ebenfalls ihren Sitz in der Stadt. Der größte Theil (wohl zwei Drittel) der Bewohner besteht aus Armeniern und der Handel befindet sich vorzüglich in ihren Händen. Sie besitzen auch 23 Kirchen, während die Grusier und Russe« zusammen uur 18 haben. Außerdem findet sich noch eine katholische Kirche und eine schulische Moschee vor. Betrachten wir zuerst den neuern Theil der Stadt, Gareth-Uban etwas näher, so finden wir in ihm fast alle russischen Etablissements. Er bildet ohne Zweifel hinsichtlich der Lage und seiner Gebäude den schönsten Theil und verspricht mit der Zeit reizend zu werden. Schöne große Plätze, wie der von Tauris und der von Eriwan, prachtige große Gebäude, wie der Palast des Obe^ befehlshabers, das Haus des Generalstabes, das Gymnasium, daS neue Subaloff'sche Gebäude und viele andere würden selbst nock in Petersburg nicht verschwinden. Nur der nordöstliche Theil, die alte Vorstadt Gareth-Uban besteht grdßtentheils ans Saklis. ^'' gute Straßen ist wie in Rußlaud überhaupt so auch in T»^. noch nicht zu denken, und trotzdem eine Chaussirnng derselben b" dem reichlichen Material leicht herzustellen wäre, kann man »w Winter selbst bei dem schönsten Wetter in Gefahr gerathen im Kothe zu versinken. Das eigentliche Tiflis, die Altstadt, führt den Namen Ka!", was wohl nur eine Abkürzung des Wortes Kalaka, d. i. Stadt, ist. Hier wohnen die vornehmen Eingebornen und besitzen beson- 303 ders an dem etwas hohen Ufer der Knra reizende, siets mit Bal-conen versehene und mehrstöckige Häuser. Es ist demnach der Theil, der seine ursprüngliche Form sich erhalten hat. So weitläufig der Gareth-Uban gebaut ist, so eng ist die Altstadt und nur in den breitesten Straßen wird es einem schmalen Wagen möglich durchzukommen. An freien Platzen herrscht großer Mangel und der von Sardarwabad und der an der Brücke sind die vorzüglichsten. Hier befindet sich der zum Theil überbaute Basar mit dem neuen von russischer Seite erbauten Karawanserai, und nimmt nicht weniger als 6—8 Straßen ein. Die wichtigsten Kirchen befinden sich in Kala, und vor allen ist die von Sion zn nennen, welche der heiligen Jungfrau gewidmet ist. Sie wurde zu Ende des sechsten Jahrhunderts von dem ersten Könige aus der Familie der Bagratiden gegründet, aber durch eine Wittwe, wie es heißt, im folgenden Jahrhundert vollendet. Wachtang V rettete sie durch einen Neubau vor ganzlichem Einsinrz. Jetzt bildet sie die Käthe? drale und dient dem Archierei, d. i. dem obersten Geistlichen ganz Grusiens, znm Halten des Gottesdienstes. Tphilisi oder die Vadestadt zieht sich im Süden zwischen dem rechten Ufer der Kura und dem Thabor bis an den Sagauluch-schen Rücken, dem entlang sie sich in der neuesten Zeit östlich erweitert hat. An ihrem Ende liegen die schönen Gebäude des Archierei, der Mauth und der Quarantäue, am Anfange hingegen die verschiedenen Schwefelbader. Zu Tphilisi rechnet man auch den Schloßberg, auf dem sich noch die ziemlich unbedeutenden Ruinen der frühem Schlösser und Kirchen befinden. Auf ihm refk-dinen seit dem Schah Sofi die Seids (Gouverneurs) der Perser, und die Burg nebst den dazu gehörigen Bädern und Häusem erhielt den Namen Seid-Abad, d. i. Stadt der Seids, wahrend der Name Tphilisi, der in den von Tiflis überging, auf den der Altstadt Kala übergetragen wurde. Längs der Kura, zwischen ihr und dem Saganluchschen Rücken befinden sich die schönsten Gärten von Tisiis. Isni besteht aus dem Vergquartiere, das den besondern Namen Awlabar führt, der Citadelle und dem Sande. In dem erstern findet sich vorn auf der Höhe die Caserne, das einzige Gebäude von Bedeutung, denn selbst das Vebutoffsche Kloster verdient kaum eine Erwähnung. Auf einem vorspringenden etwaS 304 abgesonderten Berge liegt südwestlich die Citadelle, zu welcher der Eintritt mir leider versagt wurde. In ihr befinden sich die Gefängnisse und eine Kirche der heiligen Maria gewidmet, die ge« wöhnlich den Namen Metach führt. Ein höchst beschwerlicher Weg geht neben der Citadelle anf die Höhe, anf der eine Reihe Schmieden die Vorstadt beginnt. Nördlich von der Citadelle, in dem Vette der einst breiteren Kura dicht unter dem senkrechten Felsen des Nathluch'schen Berges zieht sich eine Reihe Häuser, meist von Schwaben bewohnt, hin. Man nennt den Platz den Sand. Eine Brücke führt vom Fuß der Citadelle über den Fluß. Die Vorstadt Kuki endlich verdankt wahrscheinlich erst diesem Jahrhundert seine Entstehung nnd beginnt unweit des Sandes. Sie besteht nur aus Saklis und bildet einen von der übrigen Stadl ziemlich abgeschlossenen Stadttheil. In Awlabar und hier wohnen die Aermsien, und kaum findet man im Innern der Häuschen einen Teppich als einziges Meublement. Tiflis scheint sehr alt zu seyn und lange vorher, bevor es zur Stadt erhoben wurde, waren seine Bäder bekannt. Ihnen verdankt es wohl seinen Namen, der ohne Zweifel mit dem slawischen „teplo, d. i. warm" und mit dem böhmischen Bade Tep-litz eine und dieselbe Wurzel hat. Unter dem siebenundzwanzigsten Könige Warsa-Bakur fielen die Perser in Grusien ein*), und da sie vergebens die damalige Hauptstadt Mscheth belagerten, so gründeten sie auf dem Berge Thabor, wahrscheinlich auch der Bäder halber eine Burg, die den Namen Schuris-Ziche später erhielt. Dieß geschah gegen das Ende des vierten Jahrhunderts. Wachtang-Gurgaslan, dieser große König, scheint sich ihrer bemächtigt zu habe» und erbaitte am Fuße des Berges die Stadt Kala. Sein Sohn Datschi, der ihm 499 folgte, verlegte seine Residenz von Mscheth nach Tiflis. Die wahre Hauptstadt scheint es aber erst nach den Verwüstungen des Murwan-Kau geworden zu seyn. Es gibt wohl wenig Städte, die so viel Unglück erfah- *) Eichwald (Neise anf dem Kaukasus S. 79) nennt den Anführer der Perser Ubarab; allein dieser lebte spater und nahm den König Mir-dat II gefangen. Auch in den Namen macht Eichwald viele Fehler; so schreibt er Muris-Ziche, anstatt Schurisziche; Ispi und Issi"» Mt Isni; Dartschi statt Datschi; TMssa statt Tphilisi u. s. w. 305 ren haben als Tifiis, und schnell erhob es sich immer aus dett Ruinen. Seine Blüthezeit fällt in die beiden Jahrhunderte vor dem Erscheinen der Mongolen, «nd unter David dem Wiederhersteller, Georg IN und der Thamar scheint es seine größte Ausdehnung gehabt zu haben. Unter Timur wurde sie zuerst wieder unter ihren Trümmern begraben, und kaum war die Herrschaft der Mongolen vernichtet, so traten Perser und Türken wiederum in die Schranken, um die arme Stadt abwechselnd zu verwüsten. Aga Mahomed Chan zerstörte sie im Jahre 1795 znm letztenmal auf eine schreckliche Weise und führte mehrere Tausende in die Gefangenschaft. Nur langsam kehrten die geflohenen Einwohner zu den noch rauchenden Trümmern zurück. Wenden wir uns nun zu den Einwohnern und deren Lebensweise, so ist es klar, dasi keine europäische Stadt so mann ich faltige Abwechslungen darbieten kann wie selbst jedrr kleinere Olt Asiens. In Europa durchstreicht der Fremde nur die Straßen, um die schönen Hauser, die alterthümlichen Kirchen, das Theater u. s. w. zu sehen, die Menschen kümmern ihn weniger und gleichgültig streicht er an ihnen vorüber. Ist er müde vom Sehen, dann zieht er sich m sein Wirthshaus zurück und unterhalt sich dort mit Ein-heimischen und andern Fremden oder benutzt eine Einladung, um eine Familie und deren nächste Bekannte kennen zu lernen. Besucht er öffentliche Orte, so kann er allerdings ein oft komisches und interessantes Gewühl der Menschen betrachten und sich an ihm unterhalten, allein für die Dauer kehrt immer dasselbe wieder und der Fremde beeilt sich den Ort zu verlassen. Nicht so in Asien. Der Mann oder erwachsene Sohn flieht am Tage die Znrückgezogenheit seines Hauses und überlaßt die Verwaltung desselben den Frauen. Er erscheint auf dem Basare, dem beständigen Jahrmärkte der Orientalen, und sucht auf ihm die Zeit sich zu vertreiben, die ihm zu Hause zur Langenweile geworden wäre. Die wenigen Bedürfnisse und der milde Himmelsstrich, unter dem die Grusier leben, verlangen nur wenig Mühen um die erstem sich zu verschaffen. Mit eiuem Abbas, der den Werth von sechs Silbergroscheu hat, lebt der Grusier vergnügt eine ganze Woche und glaubt nichts entbehrt zu haben. Für wenige Paris oder . Kopeken kauft er sich Brod und Fleisch oder Früchte und sättigt sich hinlänglich. Der Basar ist der Sammelplatz betriebsamer Neistn u. Landn'beschveil'ungcl!. XXV. »>s> Meise nach Kankafien.) " 80S Menschen, aber auch aller Nichtsthuer, und wer eben kein besondres Geschäft hat treibt sich auf ihm herum, während die Fleißigen in ihren offenen Werkstätten arbeiten oder dem Handel vorstehen. Die verschiedenen Eroberer Asiens haben zwar die Völker vielfach mit einander in Berührung gebracht, und es gibt nur unbedeutende Strecken, welche allein von Gliedern Eines Volkes eingenommen wären; allein trotz der Vermischung sind die Völker, so oft sie auch ihr väterliches Erbe verließen, doch ihren Sitten und ihrer Sprache treu geblieben und halten fest zusammen. Der Deutsche verlernt oft in Rußland seine Sprache und wird Russe; der Asiate, Türke, Armenier:c. bleibt aber derselbe in China oder in Arabien. Die reichern Kaufleute, meist Armenier, haben sich Buden in dem großen Karawanserai gemiethet und in ihnen breiten sie ihre verschiedenartigen Stosse aus. England liefert ihnen seine Stahlwaaren, Frankreich seine Seidenzeuge und Bijouterien, Deutschland und besonders Leipzig seine Linnenzeuge und Tuche. Die Colonial' waaren, besonders Zucker beziehen sie über Hamburg und den Thee liefert Moskau. Alle unbedeutenderen Waaren kommen aus Rußland. Aber auch Asien sendet seine seltneren und gewöhnlichern Stoffe nach Tiflis und man sieht die prachtigsten Teppiche aus Schirwan oder Persien, die köstlichsten Shawls aus Kaschmir, das schwere Seideuzeug Thermalamah ans Gilan u. s. w. neben den gewöhnlichsten einheimischen Stoffen. Ruhig sitzt der Kaufmann mit übereinandergeschlagenen Beinen und raucht aus seiner langen Pfeife, als wenn es ihm gleichgültig wäre was um ihn vorging! aber kaum wird er gewahr daß ein Kaufer sich naht, so faßt er schnell die Gelegenheit um sich Absatz zu verschaffen. Nur mit Mühe gelingt es sich durch das Gewühl der Karawanserai zu drängen und man kommt auf den eigentlichen Basar, um eine noch größere Menge von Menschen zu fthen. Auf beiden Seiten der engen Straßen befinden sich die Buden der höhern Handwerker, besonders der Waffenschmiede, und später treten die Werkstätten der Schneider, Schuster, Pelzhändler, Bäcker, Fleischer «. an deren Stelle. Alles wird vor den Augen der neugierigen Zuschauer verfertigt und die Arbeiter kümmern sich wenig um das Tosen und Lärmen was sie zunächst umgibt. Große Kessel, in denen alles, gleich viel von welchem Vieh es stammt, gekocht 307 wird, stehen in besondern Winkeln der Straßen und aus ihnen sucht der Müßigganger sowohl als der Arbeiter den Hunger, wie er ihn eben überfällt, zu stillen. Ich kenne nichts interessanteres als einige Stunden des Tages auf dem Basare zuzubringen und die verschiedenartigsten Völker des Orientes und zum Theil des OccidenteS in ihren Eigenthümlichkeiten zu betrachten. Da steht ein Trupp Tscherkessen oder Lesgier von Kopf bis zu Fuß bewaffnet um die Bude eines Waffenschmiedes und jeder schreit als wäre er eben allein vorhanden oder hielte den andern für taub; hier streitet sich eine Anzahl Grusier mit eben so viel Armeniern so heftig um nichts herum, daß wer mit einem solchen Verfahren nicht bekannt ist, glauben könnte es käme zum Aeufiersten. Dort treiben sich untersetzte Tataren mit ihrem weizenfarbenen Gesichte und kleinen Augen herum und kümmern sich eben so wenig um die anders denkenden Perser mit ihren schlafrockähnlichen Kaftans, als um die rechtgläubigen Türken mit ihren rothen kurzen Jacken, den weiten Beinkleidern und dem schweren Turban, die vielleicht dicht neben ihnen gehen. Ruhig sieht man einen räuberischen Tschetschen mit einem russischen Soldaten um ein Paar Stiefeln handeln und eben so ruhig klirren die gebogenen Säbel der Don'schen Kosaken auf dem steinernen Boden. Russen in europäischer Tracht handeln freundlich mit einem trotzigen Ossen, und man sollte nicht jene sondern diesen als zur herrschenden Nation gehdng betrachten. Deutsche Colonisten gehen langsam ihre Straße und kümmern sich nicht um ihre Umgebung. Engländer oder Franzosen suchen mir ihren Blicken nach orientalischen Neuigkeiten, um selbige vielleicht den Ihrigen im Vaterlande zuzusenden. Dazwischen bemerkt man von Zeit zu Zeit eine weib-ltche ülgur, dicht in ihren Tschadri gehüllt, und kanm sieht man mehr an ihr als die kleinen Füßchen und das stets große Naschen, über dem zwei blitzende Augen wie brennende Kohlen stehen. Elnen merkwürdigen Contrast bildet sie mit einer nach der neuesten Pariser Mode gekleideten Dame, die sich nicht scheut ihr vielleicht reizendes Gesicht den Blicken roher Barbaren preiszugeben. Man nenne mir die Stadt im cultivirten Europa die so vie- erlei auf einmal darzubieten im Stande wäre, und wenn auch in Leipzig zur Zeit der Messe oder in den größern Häfen und Städ- en, wie Hamburg, London, Marseille u. s. w. viele Völker ihre Repräsentanten daselbst besitzen, so hat die Cultur diese wenigstens 20« 308 im Aeußern mehr oder weniger so verähnlicht, daß nur geringe Abweichungen vorhanden sind. In Tiflis ist auch der Kaukasier seinen Sitten lvie die übrigen Völker den ihrigen treu geblieben und redet mit seinem Landsman» in der Muttersprache, während er mit dem Kaufmann russisch, tatarisch oder grusisch verhandelt, wie er sich eben verstandlich machen kann. Die Sprachen selbst mit ihren schwierigen Kehl- und Zischlauten erscheinen uns Europaern fremder, aber schnell horchte ich auf wenn vaterländische Töne mein Ohr berührten. Oft erscheinen auch plötzlich Bänkelsänger mit Dudelsack'pfeifen und der dreisaitigen Balalaika und singen mit grellen Tönen ein Lied der Liebe oder zum Ruhme eines Helden; werden sie aber einen Vornehmen gewahr, dann wenden sie sich ihm zu u»d im orientalischen Schmuck erklingt sein Lob so lange, als bis dessen milde Hand eine Gabe spendet. Auch Spaßmacher, unsern europäischen Hanswursten nicht unähnlich aber in keiner besondern Kleidung und nur mit einer Pritsche versehen, treten oft plötzlich hervor, schlagen den einen laut klatschend auf den Rücken, nehmen einem andern hingegen die hohe Pelzmütze ab, um sie in die Hohe zu werfen und dem Eigenthümer entsetzliche Fratzen zu schnei-den. Alles lacht, jubelt und drangt sich nach dem Hanswurste, ohne ihm aber allzu nahe zu kommen. Neckend und scherzend halt er seine Mütze oder Hand hiu wo er etwas zu erwarten hat und nicht leicht zieht er sie leer zurück, denn der Aermste würde selbst seinen letzten Kopeken opfern. Was nun das innere Leben in den Familien anbelangt, so beginnt gegen Abend, wenn die Sonne mir ihren brennenden Strahlen untergegangen ist, ein regeres Leben, an dem der Fremde aber nie Antheil nehmen kann und das er selbst nur unbemerkt schauen darf. In seiner Eigenthümlichkeit sieht man es auch nur in den abgelegeneren Straßen der Vorstädte Awlabar und Kuki. Die jungen Madchen mit ihren sylphidenam'gen Gestalten erscheinen auf dem terrassenartigen Dache und setzen sich mit übereinander geschlagenen Beinen in emen Kreis, um uach den, Tönen der Balalaika ein Lied der Liebe zu singen und nachher scherzend und lachend sich zu necken. Vald springt eine von besondererL"st bewegt auf, stellt sich mitten in den Kreis und beginnt den beliebten Volkstanz, die Lesgmka. Alle ihre Gespielinnen erheben 309 sich eben so schnell und schlagen mit den Handen den Tact zu den Tönen ihres Lieblings-Instrumentes. Es entfaltet sich die ganze Grazil? der Grusicrinncn nnd mit feenähnlicher Leichtigkeit schweben die Mädchen in einem Kreise und beeilen sich nur raschen Wellt düngen nach einer Stelle außerhalb desselben, um einer andern Gespielin den Platz zu überlassen. Diese schließt sich in ihren Bewegungen genau denen der Vorgängerin an und fährt fort, bis auch sie ermüdet einer dritten weicht. Gern durchstrich ich am Abend besonders bei Mondschein, von meinem Uebel sctzer begleitet, die entferntesten Winkel der Stadt und ergötzte nu'ch an dem seltenen Schauspiele. Doch kaum wurde man mich gewahr, so zerstob in einem Nu die fröhliche Gesellschaft und es that mir unendlich leid störend erschienen zu seyn. Und wenn ich mm ermüdet auf der Altane meiner abgelegenen Wohnung, auf dem Sande bei Hrn. Salzmann, saß und der Stadt meine Blicke zuwendete, so bot sich mir ein nenes, nicht minder schönes Schauspiel dar. Die Ruhe der Nacht war eingetreten und unter mir hörte ich die plätschernden Wogen der Kura wie leises Geflüster. In ihrem Wasser spiegelten sich die tausend Lichter, welche in den dicht am steilen Ufer erbaute»» Häusern der Vornehmern brannten. Die Illumination war um so ausgezeichneter, als die Häuser, die an den Bergen sich anlehnten und immer höher erschienen, mir die Vorderseite mit den Lichtern darboten. Die Sittlichkeit steht in Tifiis leider, wie in ganz Asien, auf einer sehr tiefen Stuft imd ich muß offen bekennen, daß durch Officiere und Soldaten viel znr Entsittlichung beigetragen wurde. Trotzdem kommen aber innerhalb eines Familienhauses höchst selten Unanständigkeiten vor, wenn auch sonst der gemeine Mann und noch mehr die Matrone kein Bedenken tragt die Tochter dem Fremden oder Russen für eine Zeit anzutragen; diese selbst befindet sich hier besser als in der ärmlichen Wohnung ihrer Eltern und leistet gerne Folge. Wenn sie nun verheurathet ist, behagt ihr das un-gebnndene, ihr mehr bietende Leben bei fremden Männern besser als zu Hanse nnd der Manu sucht oft wochctilang vergebens seine Frau. Von ihrer Untreue überzeugt, ist er doch gezwungen mit ihr die ganze Zeit sej„es Lebens dnrchzulcbe,,. Gezwungen findet er sich häufig später in die eiserne Nothwendigkeit und sucht 3lft aus dem Unabänderlichen den möglichst größten Nutzen zu ziehen. Er wird bald zufrieden, wenn die Frau ihm nur einen Theil der Einnahme überliefert und ihn so in den Stand setzt gar nichts zu thun. Selbst die Falle sind nicht selten, wo Männer ihre eigenen Frauen Monate lang vermiethen und sich für diese Zeit aller Ansprüche begeben. Leider sind jetzt syphilitische Krankheiten in Tiflis nicht selten, und wäre diesen das Klima nicht sehr entgegen, so würden sie unendlich viel Unglück hervorrufen. Die Polizei nimmt sich der Sache gar nicht an und bemüht sich nicht die verrufenen Hauser, welche besonders auf Awlabar in großer Menge sich befmde», unter eine besondere Aufsicht zu stellen. Wenden wir uns nun zn der Lebensweise in den höhern Cir-keln. Der Russe ist im hohen Grade gesellschaftlich und allenthalben sucht er sich selbst in den Einöden seines großen Vaterlandes Menschen, mit denen er zusammenlebt. Er ist mit wenigem vergnügt und sein heiteres fröhliches Temperament schafft ihm schnell die nöthigen Abwechslungen. So hat er sich in Grusien und besonders in Tistis seine Cirkel schnell geschaffen und in ihnen bewegt er sich so gewandt als in Petersburg. Da es ihm schwer wurde die Pforten des grusischen Familienlebens zu offnen und da die in der Regel sehr gebildeten Fraueu der Russen bei den unwissenden Grusierinnen sich nicht lange Wohlbefinden konnten, so schloffen sie sich um desto enger an einander und riefen anf diese Weise eine Geselligkeit hervor, die man wohl nicht in Asien gesucht hätte. Es leben aber auch eine solche Menge Militär- und Civilbeamte in Tifiis, daß es auch nicht schwer fallen konnte europaische Cirkel zu bilden. Mit der Zeit haben sich auch grusische Familien angeschlossen und besonders die des kachischen Fürsten Tschafftschewadse hatte ihr Haus während meiner Anwesenheit an einem gewissen Tage der Woche Einheimischen und Fremden geöffnet. Vor allem suchte der damalige Oberbefehlshaber Baron von Nosen die wichtigsten Familien in seinem Hause zn vereinigen. Die jederzeit offene Tafel führte stets eine Menge Offniere und Beamte zusammen und jeden Donnerstag war Wendnnterhaltung bei der sich auch Damen der gebildeteren Familien einfanden. Ein kleinerer Kreis erschien jeden Abend zur Thecstunde in den Gemächern der Baronin. Bälle und häufiger noch Concerte boten 311 eine Menge Abwechslungen dar, und besonders die letztern hatten auch bei uns die Anerkennung gefunden die sie verdienten. Die Varouill selbst war nicht allein Musikfreund«'«, sondern auch Kennerin und unterrichtete ihre liebenswürdigen Töchter zum großen Theil selbst. Fürst Constantin S'uworoff leitete meist mit geschickter Hand die musikalischen Unternehmungen und erfreute stets durch sein ausgezeichnetes Spiel auf dem Pianoforte. Selbst Componist schasste er immer Neues. Madame Schtschipin, die Frau eines Obersten, besaß eine klangvolle umfassende Stimme und hätte selbst auf einem guten Theater die Prima Donna spielen können. Nicht weniger hätte Hr. Feh, ei» Unglücklicher, der eines Duelles halber an den Kaukasus verwiesen war, mit seinem hellen klaren Tenor bei uns gefallen. Das ausgezeichnetste Concert fand am 26 Febr. unter der vortrefflichen Leitung des Fürsten Suworoff statt und der ganze hohe Adel von Tisiis war mit seinen zum Theil schönen Damen gegenwärtig. Die weitläufige Beschreibung desselben liegt dem Gegenstande zu fern und ich will nur sagen, daß ein acht-häudiges Stück auf vier Flügeln die Krone davontrug. Des Gesanges halber besuchte ich auch häufig die Messe in der Schloßcapelle. Die russische Kirchenmusik ist bekannt und ich habe schon früher Gelegenheit gehabt davon zu sprechen. Die Liebe zur Musik hatte die Baronin auch bestimmt aus dem Lande der Don'schen Kosaken sich Knaben von 10—16 Jahren kommen zu lassen und diese, mit seltenen Stimmen begabt, wurden durch einen geschickten Unterofficier eingeübt. Die Bälle unterschieden sich in der Einrichtung durchaus nicht von den unsrigen und gliche» der grdßern Abwechslungen in den Anzügen halber mehr den Maskeraden. Walzer, Galoppadeu, Fran^lsen, Cotillons und Masurken wurden wie bei uns getanzt. Es wird^'ch der Mühe wohl lohnen, wenn ich den prachtvollsten, am 2 März, wobei die silberne Hochzeit in oer Familie des Ober. befehlshabers gefeiert wurde, seiner interessanten Theilnehmer wegen etwas naher beschreibe: Gegen 300 Menschen halteu sich allmählich in dem großen Saale des Palastes eingefimdeu, als das Brautpaar von den vier Töchtern umringt eintrat und von allen Seiten ruhig begrüßt wurde. Der Oberbefehlshaber begann die Polonaise zuerst mit seiner Frau und forderte dann die wichtigsten Damen der Reihe nach auf. 312 Nach Mitternacht wurde soupirt, wobei Herren nnd Damen getrennt saßen. Vor und nachher tanzte die Jugend, während die ältern Damen und Herren spielten oder anf andere Weise sich vergnügten. Die wichtigsten Häuptlinge der Bergvölker nnd die hohen Angestellten der Emgebornen hatten sich mit Ausnahme der Grusier und Armenier ohne Frauen eingefnnden. Mehrere der mir bekannten Kaukasier, so ein ossischer Fürst, der Sohn des regierenden Fürsten der Kumücken, ein Abassc u. s. w. sah ich in den Reihen der Tanzenden, nnd es war höchst interessant den stolzen Sohn des Gebirges in seiner schönen blauen Tscherkessenkleidung mit silbernen Schildern auf dem Rücken und anf der Brust, mit der Patrontasche und dem großen Dolche in der Seite mir einer der liebenswürdigen Tochter des Oberbefehlshabers unsern Walzer mit eben derselben Leichtigkeit den Saal herauf- und herabtanzen zu sehen. Freundlich stand wahrend einer Fran^aise der Kumücke neben der reizenden Fürstin Palawando und spielte, gleich cinem Pariser, den Löwen, seine Tänzerin mit blumigen Redensarten unterhaltend. Meine beiden Freunde Fürst Suworoff und Feh bemühten sich mich auf alles Interessante aufmerksam zu machen, und wo es möglich war, knüpften wir Gespräche an; der freundliche Osse trug ebenfalls nicht wenig zur Unterhaltung bei und machte häufig den Uebersetzer. Der Oberbefehlshaber selbst stellte mich dem persischen Oberpriester (Muschtehid) vor, suchte aber vergebens mit dem schweigsamen Manne eine längere Unterhaltung möglich zu machen. Dieser auch geschichtlich wichtige Mann, denn ihm gibt man Schuld daß er vorzüglich den Russen die Eroberung von Tauris erleichtert habe, lebt seit der Beendigung des persischen Krieges in der Nähe von Tistis nnd ist das Haupt der in Transkaukasien lebenden zahlreichen Schiiten. Er war mit seinen beiden Söhnen anwesend. Sein langer Aart gab dem sonst uninteressanten Gesichte ein ehrwürdiges Ansehen und seine Augen schienen das Seltsame mic großer Ruhe zu betrachten. In einen blauen langen Kaftan gehüllt mit zwei Sterncu auf der Vrust und jeinen Kopf mit dec spitzigen Nationalpelzmütze bedeckt, ging er oft mitten durch das dichteste Gedränge und warf nur hie und da neilgierige Blicke anf die prachtig geschmückten und reizenden Franen, die in langen Reih«» zum Theil unbeweglich auf beiden Seiten saßen. Was seine Religion noch vor 50 Jahren mit dem Tode bestraft hätte. 313 that jetzt der, dem die Ausübung derselben anvertraut war, zum Beispiel seiner Glaubensgenossen. Nächst ihm erregte ein tatarischer Chan in einen langen buntblumigen Kaftan gehüllt, der bis auf die Füße reichte, meine Aufmerksamkeit. Er schien zum erstenmal einem solchen Feste beizuwohnen, denn keck schweiften seine Augen unter den schonen Frauengestalten herum und stier hefteten sich seine Blicke auf den Gegenstand seines Wohlgefallens. Das Gedränge nicht fürchtend, befand er sich immer im dichtesten Ge-wühle, und es war als wenn an diesem Abende seine kurzen, gekrümmten Beine mit Quecksilber angefüllt waren und ihn zu dieser ungewohnten Behendigkeit zwangen. Doch am interessantesten waren die Physiognomien einiger zum erstenmale einem solchen Feste beiwohnenden Kaukasier, die, da sie sich stets in der freien Natur frei bewegten, auch mit untrüglicher Treue die ungekünstelte und ungezwungene Natur in ihrem Innern walten licsten. Die schönen großen Augen schweiften allenthalben berum und die Eindrücke des noch nie gesehenen Schauspiels ware»: so mächtig, daß sie oft mit offenem Munde dahin starrten und daß laute Ah der Verwunderung, zur Belustigung der andern, ausstießeu. Zu sehr in ihren Sitten und Gebrauchen eingelebt, hielten sie unsere Gesellschaften für im hohen Grade unanständig und sprachen sich deßhalb gegen meine Freunde und mich unverhohlen aus. Wie ist es möglich, sagte der eine nüt wahrer Indignation, daß ihr eure Frauen so zu umfassen, wie es nur dem eigenen Manne geziemt, einem Fremden erlaubt? Seyd ihr nicht selber Schuld an der Sittenlosigkeit die in enrem Lande herrschen soll? Kann bei dieser Weise die Heiligkeit des Familienlebens aufrecht erhalten wer-oen, wo oft scho., die Tochter sieht wie frei sich die Mutter außerhalb des Hauses bewegt? Und diese Kleidung der Frauen, die »o wemg die reizendsten Formen des Körpers zn verhüllen vermag? So sprach dic unverdorbene Natur eines Kaukasiers, dem natürliche Scham noch die Brust erfüllte. Das Uebrige des Balles übergehe ich mit Stillschweigen und berichte von der weiter» Geselligkeit in Tifiis. Der Winter war in der Stadt so belebt, wie er irgend nur in einer grdßern Stadt Deutschlands seyn kann, uud vor allem trug das höhere Officier-corps dazu bei, um Fröhlichkeit und Heiterkeit allenthalben hervorzurufen. Offene Tafel, wy jeder der einmal in der Familie 314 eingeführt war, zur Tischzeit kommen konnte, hielt noch der damalige Oberst-Quartiermeister Baron von der Hoven, einer vo» den liebenswürdigen Kurlandern, die wegen ihrer angebornen Tüchtigkeit und Rechtlichkeit zu den wichtigsten Stellen in Rußland verbraucht werden. In seinem Hause fand man stets eine Anzahl der interessantesten Ingeniem-Officiere, und von ihm habe ich die wichtigsten Nachrichten eingezogen. Der Baron war im vollen Sinne der Vater feiner Untergebenen und leistete seinem Kaiser unendlich viel. Ihm verdankt die Regierung die genauen Nachrichten und Aufnahmen über den Kaukasus, in den er seine Offi-ciere oft mit Gefahr ihrer Freiheit sandte, und doch wurde er wenigstens damals nicht so erkannt wie er es verdiente. Sein wissenschaftlicher Sinn wurde für Schwärmerei ausgelegt und viele seiner wichtigsten Plane blieben unberücksichtigt. Erst im Herbst 1837, als der Kaiser nach Tifiis kam, erhielt er die wohlverdienten Belohnungen. Leider ist er auf seinen Wunsch versetzt worden und bekleidet jetzt die Stelle eines Chefs des Generalstabs im westlichen Sibirien. Einen kleinern Kreis von Bekannten hatten die Familien des Generals Walchoffeky, damaligen Chefs des Generalstabs, die des wirklichen Staatsrathes Rodosinikin, Chef des auswärtigen Departements, die Generale Latschmvss, Tschasstschewadse, Koslai-noff, Froloff und Heß, die Obristen Fürst Dadian, Graf Opper-mann, Schtschipin, Baumer und der Adjutant Minitzky, und bei ihnen fanden sich geistreiche und interessante Manner und Frauen ein. Selbst eine berühmte Notabilität fand sich vor in der Person des Vestnscheff, elnes der ausgezeichnetsten Dichter und Novellisten Rußlands, dessen Schriften zum Theil auch ins Deutsche und Französische übersetzt smd. Einer der hauptsächlichsten Theil-nehmer an der Verschwörung bei der Thronbesteigung des jetzigen Kaisers, wurde er nur wegen seines Talentes begnadigt, nachdem er hatte zuschauen müssen wie feine Freunde am Galgen ein schmähliches Ende fanden. Nach Sibirien verwiesen blieb ihm als Kronbauer (er kam nicht in die Bergwerke) Muße genug «m der Dichtkunst zu leben. Seit 1830 (glaube ich) wurde ihm gestattet Dienste am Kaukasus zu nehmen und so trat er als Gemeiner ein. Nirgends werden wohl solche Unglückliche mehr unterstützt als in Nußland. Seine Vorgesetzten bemühten sich ihm 3l5 Gelegenheit zum Avancement z» geben und rühmten vor allem seine Thaten in Petersburg. So war er im Jahre 1836 bereits Fahndrich, also Officier, und hatte hiermit seinen Adel wieder erhalten. Aber immer mehr war man bemüht seine Stellung zu verbessern und sandte ihn deßhalb im Frühjahr 1837 mit dem Erpeditionsheere nach Ardler an der tscherkessischrn Küste. Tollkühn drang er dort mit der Schützenkette, die er zum Theil befehligte, gegen die Befehle seiner Vorgesetzten vor. Da erhielt er einen Schuß und stürzte nieder. Umsonst bemühten sich die Schützen ihren Führer den Handen der Feinde zu entreißen; er selbst, von der Unmöglichkeit seiner Rettung überzeugt, beschwor seine Untergebenen ihn seinem Geschicke zu überlassen. So wurde er von den über ihren großen Verlust wüthenden Tscherkessen niedergehauen. Das war das traurige Ende des talentvollen Bestuschess, und alle Angaben über seinen Tod, die sonst gediegene Journale verbreitet haben, sind falsch. Vestuscheff war ein schöner großer Mann, der noch in seinen besten Jahren sich befand. Auf seinem Gesichte hatte sich nicht die lange leidensvolle Zeit markirt, sondern der Geist der ihn beherrschte, sprach sich deutlich auf ihm aus. In den dunkeln großen Augen sprühte das Feuer seines hellen Verstandes. So lebendig er erschien, so war er doch in Gesellschaft schweigsamer als man erwarten sollte und es schien mir als wenn ein großes Selbstgefühl sich seiner bemächtigt hätte. Als eine geistreiche Dame ihn ersuchte, das was dcr Mensch für das Wichtigsie und Größte hielt mit kurzen Worten iu ihrem Stammbuch zu bezeichnen, schrieb er, ohne sich weiter zu besinnen, mitten m B. in Petersburg bei einer Kälte von 20—30" R. nicht unbedeutend. Hiermit hatte die Ceremonie ein Ende und man sah nur noch den ganzen Tag Grusier und Armenier aus dem gesegneten Flusse schöpfen. Die Armenier befanden sich mit ihrem Geistlichen ungefähr 100 Schritte weiter stromaufwärts. Den 7 (alten, 19 neuen Styles) März war ich auch Zeuge der Verfluchung aller Andersgläubigen in der Kirche Sion. Mein freundlicher Fürst Suwoross holte mich schon in aller Frühe ab und verschaffte mir in der Kirche einen guten Stand. An dem Tage wurde der Archierei besonders geschmückt und die Messe selbst war feierlicher als sonst. In einer gehaltreichen, durchaus nicht Mansche,, Predigt machte der Archierei alle Anwesenden mit den Vorzügen der griechischen und den Mangeln aller andern Kirchen bekannt und setzte deutlich auseinander, wie die erstere allein auS den Vorschriften Jesu und seiner Apostel hervorgegangen sey. Da in der russisch-griechischen Religion Kirche und Staat aufs engste mtt emander verbunden sind und jeder Majestälsvcrbrecher auch Gottesverächter ist, ft wurden auch alle Empörer, wie Maseppa, der falsche Demetrius u. s. w. verflucht. Der Fluch bestand darin. 320 daß ein Diaconus mit starker Stimme alle diejenigen, die eben verflucht werden sollen, der Reihe nach aufruft und sie mit dem Anathem belegt. Dreimal wiederholt die ganze Geistlichkeit mit schauerlicher Stimme das russische Anafima. Man kann nicht recht begreifen, wie die sonst duldsame russische Kirche in einer aufgcflärten Zeit alle Andersdenkenden noch öffentlich der Verfluchung preisgeben kann, und ein Glück ist es, daß der Russe zu wenig fanatisch ist, um dadurch zur Verfolgung aufgeregt zu werden. Mau kann es um so weniger einsehen, als die Verfluchung auch alle die welche mit Andersglaubenden in irgend eiuer Berührung stehen oder gar Umgang mit ihnen haben, demnach fast jeden trifft. Offen sagten zu meiner Veruhiguug die Russen, daß die ganze kirchliche Feier von ihnen nur als ein mittelalterlicher Brauch betrachtet und hoffentlich bald ihr E«oe haben würde. Nach Beendigung der kirchlichen Feier fand ein großes Frühstück bei dem Archicrei statt und ich folgte gern der freundlichen Einladung des Wirthes demselben beizuwohnen. Die Speisen bestanden großtencheils aus Fisch, da Fleisch aus der Classe der Saugetiere und Vogel den Laieu selbst nicht erlaubt ist. Die Priester enthielten sich aber jeglichen Fleisches. Mit meinem Freunde Fürst Suwoross erstieg ich auch an einem Donnerstage die auf einem AbHange des heiligen Berges erbaute Kirche des heiligen David und mit mir wanderte eine Menge frommer Menschen den steilen Weg hinan, um dort allerhand Wünsche durch den Heilige» ihrem Gotte wissen zu lassen. Neben der Kirche befinden sich zwei unbedeutende Wohnhäuser und vor diesen ein Gottesacker. Auf ihm liegt der russische Gesandte Gribojedoff, der im Jahre 18^9 in Teheran ermordet wurde, begraben. Vor allem interessirte uns die reizende Aussicht, und um dieselbe besser zu genießen, erstiegen wir die 2150 Fuß über dem Meeresspiegel liegende erste Höhe. Die Stadt bot hier eine ganz andere Ansicht als vom Schloßberge oder von der Caserne auf Awlabar dar, und besonders schon nahm sich das bläuliche sich vielfach schlangelnde Band der Kura in der Ebene Didubeh aus. Am 23 März brachte der Schamchal von Taiku, von dem ich später noch mehr berichten werde, dem Oberbefehlshaber seine Huldigung, und man deeifei te sich den mächtigsten Fürsten Dagestans 321 auf jede ehrende Weise zu empfangen. Der Baron Rosen sendete ihm seinen Wagen, den er, nur das Pferd zu besteigen gewohnt, nur ungern annahm. Alle Generale hatten sich versammelt. Ich habe nicht leicht eine bessere menschliche Carricatur gesehen als diesen dagestanischen Fürsten. Ein großer Kopf mit blaßgelbem, aufgedunsenem Gesicht und von einer abgestutzten Tatarenmütze bedeckt, saß auf einem dicken fleischigen Halse. Seine wildfeurigen und nicht kleinen Augeu sahen trotzig umher und paßten zu der großen weic hervorragenden Nase. Die Kleidung unterschied sich mit Ausnahme der Mütze nicht von der tscherkessischen. Der Körper war im hohen Grade plump und an ihm befanden sich die wahrscheinlich durch das Reiten nach außen gekrümmten und kurzen Beine. Das schönste an ihm war ein aus Diamanten und andern Steinen mit geschickter Hand zusammengesetzter Federbusch, den sein Großvater von der großen Katharina zum Geschenk erhalten hatte. Bei allen weniger oder gar nicht gebildeten Völkern ist es nothwendig von Zeit zu Zeit äußerlich zu imponiren und eine gewisse Pracht wirkt bei dem Asiaten um so mehr, als er von Jugend an gewöhnt ist sie an seinem Herrn oder desien Stellvertreter zu sehen. Aus dieser Ursache ergriff mau eine Gelegenheit und veranstaltete am Namenstage (30 März n. St.) der liebenswürdigen Baronin Adele von Rosen cine Cavalcade. Nur die höchsten Militär- und Civilbeamten, so wie einige machtige Fürsten waren dazu aufgefordert und außerdem nahmen noch wenige Freunde des Hauses, zu denen gerechnet zu werdeu ich mich besonders hochschätzte, Theil. Die ganze lauge Cavalcade bewegte sich durch die Hauptstraßen der Stadt und allenthalben war eine Menge Volkes, die zum Theil dem Oberbefehlshaber zujubelte, versammelt. Der Weg führte uns dem rechten Ufer der Kura entlang, und all' die schd-nen Garteu, die seit mehreren Wochen das Winterkleid abgelegt hatten und zum Theil mit den schdusteu blühenden Mandclstraucheru und Pfirsichbaumeu geschmückt waren, gingen vor uns vorüber. Auch der Saganluch'sche Gebirgsrücken hatte seine graue Kalkfarbe' verloren und sich iu das grüne Frühlingskleid geworfen. Es war ein schöner heiterer Tag. I« einem der Garten wurde Halt gemacht und ein Mittagsmahl eingenommen. Da blühteu in reichlicher Fülle duftende Veilchen, verschiedene Anemonen, die kau- ^eistii u, ^cmdcvbeschrnbunge». XXV. «,< (Neise nach Kaukasien.) 322 kasischen Hohlwurz-Arten neben der schönen blauen 8oMa gmoe. nu!a Norn., die Atersnöer» csuoazica M. V., Lulbocoäiuin »vi^ num I.. neben Hyacinthus - Arten. Weiden-, Erlen-, Haselnußstauden hatten zum Theil ihre kätzchenartigen Blüthenstande abgeworfen und selbst schon die Blatter entfaltet. Unsere Tischgesellschaft war sehr gemischt, denn alle Völker Europa's mit Ausnahme der Portugiesen, Holländer und Dänen hatten ihre Repräsentanten neben vielen Asiaten und einigen schwarzen Afrikanern. In siebzehn Sprachen konnte die Unterhaltung geführt werden und in einer Zeit wurden wohl auch gegen sechs auf einmal gesprochen. Gegen Abend bewegte sich der ganze Zug wiederum der Stadt zu und ging eben so langsam und bedachtig durch die Straßen, die noch mehr als bei dem erstenmale angefüllt waren. Bevor ich anfange die wichtigsten Umgebungen von Tiflis zu beschreiben, wird es wohl gut seyn einige Worte über die Bäder zu sagen. Sie befinden sich, wie schon oben bedeutet, zwischen der Kura und dem Schloßberge auf dem jenseitigen Ufer des Va-ches Salalak. Sie sind in der neuesten Zeit zum Theil verbessert worden und besonders die der Krone haben schöne große Gebäude erhalten, während die Bader der Privaten noch zum großen Theil ihre ursprüngliche zuckerhutfdrmige, den Commun-Backbfen unserer Dörfer ähnliche Gestalt besitzen. Ihr Gehalt an Schwefel ist durchaus nicht so bedeutend wie es scheint und dieser selbst an Natron gebunden. Mit diesem bildet er kein Drittel der in dem Wasser sich befindlichen Salze. Nächst diesem ist kohlensaures Natron und Kochsalz in dem Wasser vorherrschend. Der Antheil an Naphtha mag wohl seifenartige Verbindungen hervorrufen und ihm ist wohl die besondere Kraft den Schmutz von dem Körper und von den Kleidern leicht zu entfernen, beizuschreiben. Die Wärme ist verschieden und betragt Zwischen 31—36" R. Die Bäder der Krone hat zum großen Theil ein Armenier für 5000 Rubel Silber gepachtet und nach Abzug aller Unkosten bleibt ihm nach seinen eigenen Aussagen doch noch ein Ueberschuß von 4—61500 Rubeln. Das Gebäude ist in zwei Theile gebracht, wovon der eine vom männlichen, der andere vom weiblichen Geschlechte benutzt wird. Halb unterirdisch sind die großen Badesäle für das gemeine Volk, wo man für ungefähr 18 Pfennige Zutrittt hat. Der Saal der Frauen bildet ein längliches Viereck 323 und besitzt ein großes mit Wasser angefülltes Bassin, was wohl gegen 50—80 Personen auf einmal aufzunehmen vermag. Der der Männer hingegen ist kleiner und bildet eiu achtes Quadrat. Die Badezimmer für die höhern Stände befinden sich Parterre und haben ein schönes meist in Marmor gehauenes Bassin, in dem kaum zwei Platz haben. Die Benutzung kostet einen Rubel Silber, mögen sich nun eine, zwei oder drei Personen auf einmal eines Zimmers bedienen. Man hört so viel vou dem Wohlbehagen, mit dem die Orientalen sich ihrer Bäder bedienen und man findet wohl nicht leicht in Asien ein Städtchen, in dem nicht wenigstens ein Bad vorhanden wäre. Kein Fürst oder nur einigermaßen wohlhabender Mann baut sich ein Haus, ohne in demselben ein prachtvoll eingerichtetes Bad anzubringen. Mau meint gewohnlich bei uns, daß es der Reinlichkeitssinn bei den Orientalen sey, der ihnen eine Vorliebe für Bäder beigebracht hätte. Ich stimme durchaus nicht dieser Ansicht bei, denn sonst müßte sich die Ordnungsliebe auch in andern Fällen zeigen. Es ist vielmehr ein eigener Genuß, deu der Orientale in den stets warmen Badern findet und Stunden lang ist er im Stande sich in das warme Wasser zu legen oder mit diesem sich begießen zu lassen. Die warmen Bäder erschlaffen in heißen Ländern ebensowenig wie starke Getränke mid sagen auch dem Nordlander Europa's in südlichern Zonen zu. Ganze Familien, wobei die mannlichen Glieder sich nicht immer von dcu weiblichen trennen, bringen nicht selten ganze Nachmittage oder Abende in dem süßen Nichtsthun eines Bades zu, und sobald der gemeine Mann seine 2(1 Kopeken sich verdient Hal, geht er in das allgemeine Bad und verweilt Stunden lang m ihm. Fraueu benutzen zu gleicher Zeit die Gelegenheit um ihre schmutzigen Hemden und dergleichen zu waschen, und da der Schmutz beständig auf der Oberfläche des Wassers bleibt und so abstießt, so ist das Bad immer rciu. Einen besondern Genuß finden die Orientalen noch in dem Glicdcrrenken, und so schmerzlich auch einem Europäer dieses Verfahren die erstenmale ist, so gewöhnt er sich uicht allein leicht daran, sondcru findet alsbald dasselbe Wohlbehagen wie der Asiat?. Vei diesem Glieder-renkcn legt sich der Badende auf eine schräg abgehende und erhöhte Stelle und zwar zuerst auf die Bauchseite ohne sich weiter zu bewegen. Ein Badediener (der für seine Diensie ungefähr sechs 21 " 324 Silbergroschen erhalt) beginnr zuerst mit der Wirbelsäule und gleitet mit der Sohle seines Fußes von oben nach unten. Nachdem er dieses einigemal wiederholt hat, stellt er sich in die Kniegelenke und gleitet auf dem Ober - und Unterschenkel herauf und berab. Nun bittet er den Badenden sich auf den Rücken zu legen. Jetzt bedient er sich mehr der Hände und streicht mit diesen zuerst von der Mitte der Brust nach den Seiten. Dann faßt er die Achsel und gleitet von dieser in das Ellenbogengelenk und von diesem bio zu den Fingern. Zuletzt reibt er den ganzen Kopf mit Seifenschaum ein. Ist er nun mit seinen mechanischen Arbeiten fertig, so nimmt er einige Kübel Wasser und übergießt mehrmals deu noch gestreckt liegenden Badenden. Es ist gar nicht möglich zu beschreiben, mit welchem innern Wohlbehagen man sich von der Pritsche erhebt und wie gestärkt man das Vadehaus verläßt. Besonders wenn man recht ermüdet von einer Reise kommt und sich diesem Verfahren nach dem Bade unterworfen hat, ist man wie neu belebt. Der ganze alle Adam scheint mit einemmale zu entweichen. Neunundzwanzigstes Capitel. Ausflüge in die Umgebungen yon Tislis. Die Spitäler von Nathluch; Wiltielmö; Pricbil: der Mustergavtt'n: der KronK>Mtcn; Gesellschaft für Veirberettuliq, sür Seidegewimumg; Geidensal'nfi Abenttuer in Kuli; Ncutifliö; Aln'anderödorf; die übrigen Volumen; Geschichte und ^'mrichtmia derselben; die Schuschncr Misswnäve und die Separatisten: Cxculston nach Klttliannenscid; Alaairi; Gatschiani-, der Gau Vhram; die Äsia; das Dl'ls .hatl,annense!d; Hasenjaad; MaciN' lager auf 5cm Gebirge; daö Tval deS Po!ada»v; erste FrühlingSflora um TMiö; die Schlucht deS Salalal: Cinseütung; EllM'sion „ach Mau.iIiS; Füvst Alexander Dadia',: die Kirche ^o» Mamnis. Das freundliche Klima von Tiflis, was am Mittag eine mittlere jährliche Temperatur von 12V/ N. besitzt und in dem Winter 18Z6/37 besonders mild erschien, erlaubte mir mehrere weitere Eicursionen in die reizenden Umgebungen zu unternehmen. Das Wetter war besonders freundlich und nur einzelne Tage gab es, wo Morgens Schnee fiel um den Nachmittag wieder wegzuthauen. Meine zahlreichen Freunde, Fmst Suworoff, GeneralGostomil, Obrisilieutenant 325 Kiel, Fahndrich Fed, Secretär Fehleisen u. s. w., beeiferten sich in meinen Wünschen mir zuvorzukommen und begleiteten mich allenthalben hin wohin mein Herz sich sehnte. Ich werde nun versuchen allmählich meine nachsichtigen Leser mir den wichtigsten Umgebungen bekannt zu machen und es wird nicht auffallen, wenn ich keine strenge Reihenfolge beobachte, sondern lieber von dem Nähern zu dem Weitern übergehe. Deßhalb führe ich hier manchen Spaziergang auf, den ich schon im September 1836 gemacht hatte oder erst im Herbst 1837 unternahm. Der erste Spaziergang führte mich nach den Spitälern von Nathluch (Otluk, wie ich den Namen meistens aussprechen horte), die ungefähr eine kleine halbe Stunde außerhalb der Barriere von Awlabar enrfernt liegen, um den kaukasischen Botaniker Wilhelms kennen zu lernen. Er hat uns zuerst mit den schönen Pflanzen des kaukasischen Isthmus bekannt gemacht und von ihm sind Samen und getrocknete Pflanzen nach fast allen Ländern der Welt gesendet worden. Marschall Biederstem verdanke ihm zu der Bearbeitung seiner kaukasisch-taurischen Flora wichtige Mittheilungen. Ich fand an ihm noch einen rüstigen Greis, dem es selbst noch wdglich war beschwerliche Reisen zu unternehmen, denn eben war er auch von einer Reise nach den Mineralwässern am obern Rion zurückgekehrt; unstreitig besitzt er das größte Herbar über die Pflanzen des kaukasischen Isthmus. Durch Wilhelms wurde ich dem Oberärzte Staatsrath Dr. Priebil zugeführt und an ihm lernte ich einen gebildeten Arzt kennen. Ein geborner Wiener, hat er in seiner Vaterstadt seine erste Bildung erhalten. Scir langer Zeit befindet er sich in Trans-kaukasien und hat sich stets bemüht die endemischen und epidemischen Verhältnisse des Landes zu ergründen. Ihm verdankt die dortige Medicin ungemein viel, zumal er trotz der Abgeschiedenheit von dem wissenschaftlichen Europa mit der Wissenschaft selbst mehr fortlebt, als mancher Arzc in Deutschland. Die wichtigsten Journale Deutschlands, Englands und Frankreichs läßt er sich mit vielen Kosten kommen und siudirt sie emsig. Er war so gütig mich in dem Spitale, dem er vorsteht, näher bekannt zu machen. Dieses Spital befindet sich ohne Zweifel auf der gesundesten Stelle der Umgegend und besteht auö neun zu drei nebeneinanderstehenden m,d ein Quadrat bildenden Gebäuden. Die verschiedenen Kranken 326 sind streng gesondert und nehmen zum Theil auch andere Häuser ein, damit eben alle Berührung vermieden werde. Die Krankenzimmer werden so häufig als es noth thut gewechselt und so tritt der Patient stets in gereinigte und gesunde Gemacher ein. Apotheke, Waschhaus, Badehaus u. s. w. finden sich im besten Zustande vor und Nr. Priebll tragt die größte Sorge für deren Reinigung. Die Wohnungen des Oberarztes, Apothekers und einiger Beamten sind in der Nahe in besondern Gebäuden. Die Oberaufsicht des Spitales in nicht medicinischer Hinsicht war leider wahrend meiner Zeit einem Obristen, der Unterschleife halber den Militärdienst hatte verlassen müssen, anvertraut, und dieser schwelgte auf fürstliche Weife ohne Zweifel mit den Geldern des Spitales. Kein General soll in Tijilis so gute Weine und sy gute Tafel gehabt haben wie der Inspector des Spitales. Ist es nicht immer ein bedeutender Mißgriff, wenn solche zwei> deutige Leute Stellen erhalten, in denen das bißchen Ehrlichkeit das vielleicht noch in ihnen liegt, auf die Probe gestellt wird? Wie viel hatte man mit dem verschwelgten Gelde in Tiflis zur Wohlfahrt des Landes thun können? Ungefähr X Stunden über dem Spitale dicht an der Kura befindet sich der sogenannte landwirthschaftliche Mussergarten, vorzüglich von Hrn. Salzmann beaufsichtiget und von eioem deutschen Colonisten in Stand gesetzt. Es eMirt nämlich in Tiflis, wie ich früher schon gesagt habe, eine Gesellschaft zur Ermunterung der Landwirthschaft in Grusien. Wie es sich schon von selbst versteht, unterstützt die Regierung das vaterländische Unternehmen und hat deßhalb jährlich eiue Summe von 10,0N0 Rubel Silber, von denen 6000 der Minister der Finanzen gibt und 4000 der Ober-befehlshaber auszahlen soll, zu Bestreitung der Unkosten und zu Versuchen bestimmt. Director ist Staatsrath Schnitz, ftüher Gymnasiallehrer, ein Mann der eher allem andern vorstehen könnte. Zum Glück hat er Hrn. Salzmann sich beigegeben und was einigermaßen gut ist, stammt von diesem. Hr. Schultz ist nur manchmal bemüht, wenn er in einem französischen Journal über eine neue Erfindung etwas gelesen hat, diese sogleich und selbst mit den größten Unkosten ins Leben zu rufen, mag sie nnn vortheilhaft seyn oder nicht. Au eigentlichen Verbesserungen, deren das Land so viel bedarf, ist noch nichts geschehen. Das erste Unzweckl 327 mäßige, das Schultz ins Lehen treten lassen wollte, war ein artesischer Brunnen, und man wählte zu diesem Behufe eine Stelle aus, wo das Wasser der Stadt am wenigsten Nutzen brachte. Schon Dubois, der gerade gegenwärtig war, sprach sich dagegen aus, und zwar um so mehr als man des Terrains halber nur sehr tief erst Wasser finden konnte. Man bohrte ohne es zu verstehen, opferte aus Unvorsichtigkeit das Leben einiger Colomsten, und nachdem man viele tausend Rubel verschwendet hatte und nach mehreren Jahren dock bis zu einer Tiefe von nicht 123 Fuß gekommen war, gab man eine Unternehmung auf, die ohnehin zu nichts geführt hätte. Um zu diesem Entschlüsse zu kommen, war ks aber zuvor nothwendig, daß die meisten Apparate und Instrumente gestohlen wurden. In dem Mustergarten, wohin Hr. Salzmam» mich führte, wurde allerhand gebaut, verschiedene Hirsenarten, Tabak, Bohnen, Ricinus, Sesam, Baumwolle, chinesischer Indigo (I^ol^onum tinctoriurn ^,.), aber alles in eiuem solchen kleinen Maaßstabe. als wäre es nur zum Vergnügen. Der Wasserhebungsapparat war ebenso unbeholfen als er kostspielig gebaut war. Der nächste Zweck bei der Anlegung des Gartens war wohl gute Sorten der cultivirten Pflanzen im Lande zu verbreiten; als ich aber den Director darum fragte, nn'inte er, die Grusier seyen ein halsstarriges Volk und wollten von seinen Verbesserungen nicht Gebrauch machen. Nicht weniger verfehlt war auch der sogenannte Kronsgarten auf dem südlichen Abhauqe des Schloßberges, und als Hr. Schultz im September mich hinführte, fand ich außer wenigen Weinreben und Brombeersträuchern alles versengt und abgestorben. Um ihn zu bewässern, hat man aus dem Bache Salalak eine unbedeutende Wasserleitung hierher geführt. Die Mauern der Terrassen waren im Jahre 1lM> dreimal eingefallen. Um die Zeit, wo mich Schultz selbst in den Kronsgarten ge-führc hatte, doch zu etwas zu benutzen, so erstieg ick den Gipfel des Burgberges. Die daselbst befindlichen Ruinen sind uubedeu-tend, so daß mau nicht mehr herausfinden kann was sie einst dargestellt haben. Trotz der unbedeutenden Hohe von 3—4N0 Fuß über der Stadt (1500 F»,ß über der Flache des Meeres) war die Aussicht reizend. Nach Süden u»d Westen ist sie zwar geschlossen, aber nach Norden breitet sich die Ebene Didubeh aus und hinter 328 ihr entfaltet sich ein großer Theil des mittlern Kaukasus. Vor allem ragte bis weit in den Himmel der breithauptige Kasbek und die ganze Reihe der ossischen Eisberge. Am Fuße des Berges liegt die buntgestaltete Stadt mir ihren magnifiken Gebäuden neben den elenden Hütten. Außer der ökonomischen befinden sich in Tiflis noch zwei andere Gesellschaften, von denen die eine sich weniger mit der Weincultur als mit der Weinbereitung beschäftigt, die andere aber die Seidenzucht im Auge hat. Beide Gesellschaften sind auf Actien gegründet. WaS die erstere anbelangt, so hat sie ihre Aufmerksamkeit zunächst auf die Aufbewahrung des Weins in Fässern ge, richtet und zu diesem Zwecke einen schonen großen Keller im neuen Subaloff'schen Hause gemiethet. Vorsteher oer Gesellschaft ist ein gewisser Lenz, von dem nur zu bedauern ist daß er bei seiner Sachkeuntniß und seinem hellen Verstande nicht die Festigkeit des Charakters besitzt, die bei einem solchen Geschäfte nothwendig ist. Ueber die Weincultur werde ich spater bei Gelegenheit meines Reiseberichtes über das eigentliche Weinland Kachien berichten und jetzt nur einige Worte über die Ursachen der Begründung dieser Weingesellschaft sagen. Daß der grusische Wein vorzüglich ist, habe ich schon früher oft Gelegenheit gehabt auszusprechen und ebenso daß der Naphtha? Beigeschack einem Fremden wenigstens für den Anfang widerlich ist. Die russische Negierung, von jeher darauf bedacht den Erzeugnissen ihres Landes zunächst in demselben Eingang zu verschaffen, war mir der Besitznahme Grusiens hoch erfreut, den Bedarf des Weines nun zum Theil wenigstens aus seincn Provinzen zu ziehen. Die Aufbewahrung des Weins und der Zusatz von Naphtha vereitelte aber schon zeitig die sanguinischen Hoffnungen und vergebens setzte man Prämien aus um ein Mitte! zur Aufhebung des Naphtha-Beigeschmackes aufzufinden. Der Grusier bewahrt uud verschickt nämlich seinen Wein in Schläu' chen, d. h. in umgestülpten Thierhäuten, welche in ganz Trans-kliukasien den Namen Burduk führen. Zu diesem Zwecke bedient mau sich besonders der Felle von Büffeln, Kalbern oder Schweinen, zieht sie in der Regcl umstülpend ab, so daß sie ihre ursprüngliche Form erhalten u»d näht mit Ausnahme eines Hinterbeines alle Locher zu. Um dcr großen Hitze halber die Säuerung des Weines zu vermeiden, tränkt man die nach innen gekommenen 329 Haare mit Naphtha. Ich habe nicht leicht einen lächerlichern Anblick gesehen als wenn diese mit Wein angefüllten Thiere auf einem Wagen oder Pferde transportirt wurden und des Inhaltes halber sich zu bewegen schienen. Der Naphthage'schmack ist Ursache, warum der Wein in Europa nicht leicht Gefallen finden wird und ohne Naphtha vertragt er nicht den Transport. Seit dem Jahre 1819, wo sich die schwa« bischen Colonisten in Transkaukasien befinden, haben diese sich Fasser verfertigt und hierin den Wein aufbewahrt; es war aber nicht möglich diesen länger als zwei und drei Jahr ungesäuert aufzubewahren. Möglich ist es vielleicht, daß der Mangel an guten Kellern die meiste Schuld tragt. In kleinen Burduks habe ich auf der ganzen Reise Wein bci mir geführt und selbst bei der Hitze von mehr als 30" R. im Schatten ist er nie verdorben. Lenz hat sich von den deutschen Colonisten Fässer von oft bedeutendem Umfang machen lassen und diese in dem kühlen Keller des Subaloff'schen Hauses auf nothwendigen Erhöhungen angebracht. Ich habe ihn mehrmals dort besncht und muß ihm deßhalb das Zeugniß ausstellen, daß seine Weine sämmtlich gut und zum Theil sogar vorzüglich waren. Es ist nur zu wünschen daß es möglich wird, sie bei dem enorm wohlfeilen Preise auszuführen. Lenz har auch versucht mousstrende Weiue darzustellen und mit meh-. leren Sorten ist es ihm auch gelungen. Wenden wir uns nun zur andern Gesellschaft, die sich mit Seidenzncht beschäftigt. Sie ist erst seit dem Jahre 1835 (wenn ich nicht irre) zusammengetreten und bezweckt zunächst nur die Gewinnung roher Seide. Um die Zuchr der Seidenwürmer und die Bearbeitung der Cocons nach europäischen Principien einzurichten, war ihre erste Aufmerksamkeit darauf gerichtet, sich europäische Arbeiter zu verschaffen und verschrieb sich zu diesem Zwecke gegen 20—30 Italiener. Damit glanbte man allen Anforderungen Genüge gethan zu haben, und als diese im Winter 1836/37 wirklich ankamen, sah man ein daß man doch auch eine Strecke Landes und ein Local zur Wohnung der Arbeiter und zur Bearbeitung der Cocons haben müsse. Der alte Streit wurde wiederum aufgegriffen und so ging man denn endlich ernstlich daran eine Gegend zn bestimmen. So weit war man wahrend meiner Anwesenheit gediehen, und was bis jetzt daraus geworden 330 ist, weiß ich nicht; nur so viel kann ich sagen, daß die Arbeiter ein Jahr lang umsonst bezahlt werden mußten. Ich ergreife zu gleicher Zeit die Gelegenheit um einige Worte über die kaiserliche Seidenzuchr zu sagen. Der Director derselben, Hr. Desert, war so freundlich mich zu sich einzuladen und so machte ich eines Morgens eine kleine Excursion dahin. Der Weg führte mich von meiner Wohnung auf dem Sande an dem diesseitigen Ufer der Kura aufwärts, zuerst durch die Vorstadt Kuki und dann durch die Colome Neutiflis nach der Fabrik. Die Gebäude sind sehr (wohl zu) weitläufig gebaut, und wie es mir schien fehlte es weniger an Handen als vielmehr an dem guten Willen der Arbeiter. Die ganze Einrichtung ist dieselbe wie sie in Lyon und den meisten französischen Fabriken gefunden wird. Die Cocons waren meistens von weißer Farbe und zum Theil von nicht unbedeutender Größe, denn diese betrug nicht selten über iV.. selbst bis zu 2 Zoll. Auf dem Rückwege hatte ich mich leider verspätet, denn es war bereits zehn Uhr als ich mich dem Hrn. Desert empfahl. Bald bereute ich die Gefälligkeit meines freundlichen Wirthes, mich nach Hause fahren zu lassen, nichr angenommen zu haben. Glücklich kam ich bis zur Vorstadt Kuki und befand mich sogar ohne daß ich es wußte auf den Häusern derselben. Da traten große Hunde laut bellend mir und meinem Weitergehen entgegen. Das Bellen eines Hundes hatte alle übrigen Hunde der Vorstadt aufgeschreckt und ein entsetzliches Hundegeheul umgab mich. Langsam zog ich mich zurück und suchte vergebens einen Weg zu finden. Ehe ich mich versah, war ich wiederum auf den Häusern und die Hunde setzten sich mir von neuem entgegen. Die Vor« stadt zu umgehen war nicht möglich, da auf der einen Seite del Nathluchsch - Berg sich erhob und auf der andern die Kura mit steilen Ufern sich befand. Ich war in einer um so traurigern Lage als sogar mein Rufen und Schreien d'e schlafenden Grusier nicht erreichte oder wenigstens zu kommen nicht bestimmte. Mehrmals war ich willens nach Neunflis zu gehen, doch ich war ganz vom Wege abgekommen und durfte nicht wagen im Dunkel der Nachr auf meinen Ortssinn mich zu verlassen. Endlich kam ich an ein Gebüsch und schnitt mir aus diesen die dicksten Stöcke heraus. Mit diesen beschloß ich Schritt vor Schritt zu sondiren 331 bis ich einen Eingang in die Vorstadt gefunden hatte und zu gleicher Zeit die Hunde abzuwehren. Nach mehreren Stunden vergeblichen Bemühens fand ich endlich einen Eingang und vorsichtig ging ich mitten in der Straße stets von Hunden umgeben vorwärts. Plötzlich hatte auch sie ein Ende, und in wahrer Verzweiflung, da wiederum mein Rufen und Schreien nichcs half, ergriff ich einen großen Stein und schleuderte ihn nach einer Thür aus deren Ritzen ein matter Schein sichtbar wurde- Krachend flog die Thüre aus ihren Angeln und ein Geschrei tönte mir aus dem Innern entgegen. Mit einem Nu öffneten sich allenthalben die Thüren und zum Theil mit brennenden Spähnen und bewaffnet traten die Einwohner fragend was es gäbe heraus. Staunend sahen sie den Fremden an und schrien durcheinander. Vergebens bemühte ich mich ihnen verständlich zu seyn, denn keiner sprach russisch. Endlich fand sich ein Duchantschik (Ladenbesitzer) ein und versprach gegen die Bezahlung eines Rubels Silber mich in meine Wohnung zu begleiten. Gern bezahlte ich das Verlangte und war glücklich von der gefährlichen Verlegenheit befreit zu seyn. Mitternacht war lange vorüber als ich endlich wiederum in meiner Wohnung ankam. Da ich einmal die Colonie Neutistis erwähnt habe, so will ich hier eine Beschreibung dieser und der übrigen transkaukasischen Colom'en anschließen. Neutistis ist ein Lieblingsort der Officiere und Angestellten besonders deutschen Stammes, so wie auch der Fremden, von denen oft einige dort ihre Wohnung aufschlageu, und gern geht man an schönen Tagen dahin. Ein Franzose, gewohnlich Jean Paul genannt und seit 1812, wo er gefangen genommen wurde, in Rußland, hat dort eine Art Wirthshaus gegründet und um billigen Preis findet man bei ihm Speisen und Getränke. Der Aufenthalt einer englischen Familie daselbst war für mich und meine Freunde um so mehr Grund häufigere Spaziergänge dahin vorzunehmen. Seit mehreren Jahren sieht man Engländer den sichern Weg durch Rußland und Kaukasien nach ihren ostindischen Besitzungen und den übrigen Theilen Südasiens nehmen und auch die Familie des englischen Consuls in Bagdad, aus einem Sohn, zwei liebenswürdigen Töchtern und dem Bruder bestehend, hatte sich für diese Route bestimmt. Es gehört wirklich für solche junge Damen von 17 und 19 Jahren ein großer E«t- 332 schluß dazu, mitten durch Asien zu reisen. Wie sie ihren Weg vollendet haben, weist ich nicht und ich wünschte ihnen von Herzen, daß sie recht bald bei ihrem Vater in Bagdad ankommen mochten. Neutifiis hat eine reizende Lage auf der Linken oer Kura und in der Ebene Didubeh und besteht ans 50 Hausern, die eine einzige Straße bilden. Sämmtliche Häuser stehen mit dem Giebel nach der Straße und besitzen ein eingeschlossenes Gärtchen. Die meisten sind einstöckig. Mit ihren Obstbäumen machen sie einen freundlichen Eindruck und verwischen das traurige Bild von Kuki mit seinen hdhlenähnlichen Saklis. Auch die Bewohner untere scheiden sich hinlänglich von den armseligen Transkaukasiern, und trotzdem die Regierung bis jetzt ihre Versprechungen nicht erfüllt hat und die erstern kaum den vierten Theil des versprochenen Lan-des besitzen, har sich Wohlstand bei ihnen eingefunden. Zum Glück beschäftigt das nahe Tiflis die betriebsamen Bewohner, von denen ein Theil sich wie schon gesagt auf dem Sande niedergelassen hat. Noch ungerechter verfahrt man gegen diese, denn mit dem Tage wo ihre Wohnungen in dem Bereich von Tiflis liegen, müssen sie eine doppelte Abgabe, einmal als Colonisten und dann als Handwerker, der Stadt entrichten. Und doch gelangen sie zu einer nicht unbedeutenden Wohlhabenheit. Neutiflis besitzt eine schöne steinerne Kirche und ist der Sitz des Oberpfarrers sämmtlicher transkaukasischer Colonien. Weiter den Fluß aufwärts ungefähr 1V2—2 Stunden von Neutisiis entfernt liegt eine zweite Colonie Alerandersborf und befindet sich wegen des Wassermangels in einer wahrhaft traurigen Hage. Wenn die Regierung nicht darauf bedacht ist durch einen Canal die Colonie mit Wasser zu versehen, so muß diese mit der Zeit ganz zu Grunde gehen. Der Boden unterscheidet sich in nichts von dem dürren unfruchtbaren Kalkboden bei Tiflis, so daß es fast wünschenswerth ist, daß man der Colonie cine fruchtbarere Gegend anweisen möge. Sie besteht nur aus 29 Familien, die zu den ärmsten in ganz Transkaukasien gehören. Von Tiflis wohnen sie zu entfernt, um dort sich eine Nahrungs«Quelle z« verschaffen. Außer genannten Colonien besitzt Tranökaukasien noch sechs. von denen ich drei später besucht habe. Katharinenfeld und Cll-Meththal liegen in Grusisch-Armenien, Marienfeld und Petcrsdvlf 333 befinden sich in Kachien, und Helenendorf und Annenfeld gehören zum Elisabethpol'schen Kreise. Die beiden letztern, die ich nicht habe kennen lernen, befinden sich, trotzdem sie im Jahr? 1826 zerstört wurden, in blühendem Zustande und besitzen ohne Zweifel mit Katharinenfeld die fruchtbarsten Landereien. Helenendorf hat 149. Elisabeththal hingegen 74 Häuser. Der bekannte Missionär und Botaniker Hohenacker lebte eine lange Zeit in der zuerst genannten Colonie und ist jetzt in sein Vaterland Württemberg zurückgekehrt. Sämmtliche Colonien aus 2500 Seelen bestehend datiren sich vom Jahre 1819 her. In diesem Jahre machte die russische Re? gierung bekannt, daß sie Ackerbauer für Grusien brauche und versprach jeder Familie die einzuwandern willens wäre, ein bestimm? tes Stück zum Eigemhume. I>, den ersten Jahren sollte Jedermann von Abgaben frei seyn. Auf diesen Aufruf wendeten sick viele Altlutheraner Württembergs an die Regierung und stellten noch Bedingungen. Zunächst sollten nie von ihnen und ihren Nachkommen Recruten ausgehoben werden und dann verlangten sie vollkommene Religions-Freiheit. Sie würden unter sich ibre Religionslehrer wählen und aus ihren Mitteln Schulen und Kirchen erbauen. Das Oberconsistorium zu Petersburg solle sich zu keiner Zeit in ihre innern kirchlichen Angelegenheiten mischen dürfen. Die russische Regierung gestand ihnen ihre Forderungen zu. Ueber 500 Familien verließen damals der Religion halber ihr Vaterland um in unbekannten Landern sich anzusiedeln, und Württemberg verlor auf diese Weise eincu Theil guter und frommer Unterthanen. In zehn verschiedenen Transporten zogeu sie aus der Donau entlang zunächst nach Odessa. Auf dem Wege starb ein geringer Theil von den Strapazen der Reise, und Herr Salzmann, der bei dem erstcn Traneponc sich befand, schilderte mir noch mit lebhaften Farben die unsäglichen Mühen welche sie bis dahin erduldet hatten. Ruhig und ohne zu murren vertrauten sie aber anf ihren Gott. Ein geringer Thcil siedelte sich in den Umgebungen Odessa's, wo sie schon Landslcute fanden, an, die übrigen wanderten zu Lande im Norden des schwarzen und asosi'sche» Meeres weiter, und kamen in einem traurigen Zustande in Tiflis an. Der damalige Oberbefehlshaber Iermoloff nahm sich mit der ganzen Menschenfreundlichkeit, die ihn stets bestelle, der Ankömmlinge an. 334 und übergab ihnen die bestimmten Landereien. Krankheiten wütheten unter ihnen und das Häuflein der Colonisten wurde immer kleiner. Mit seltener Besonnenheit und der ruhigsten Ergebung gründeten sie alsbald die acht genannten Colonien und organisirteu sich auf ihre eigene Weise. Schnell fanden sie sich in die fremde Lage und vergaßen, zumal Iermvloff sich ferner ihrer väterlich annahm, das nun ferne Vaterland. Die Colonien, so war die Vorschrift, wurden zu Ehren von Gliedern der kaiserlichen Familie benannt, und so erhielt z. B. die Colonie Marienfeld zu Ehren der Großherzogin von Weimar ihren Namen. Alle Colonisten standen unter sich gleich, und da jeder gleich viel Land erhielt, so hatten sie auch im Anfange gleiches Besitz-thum. Jede Colonie erwählte sich ans ihrer Mitte einen Pfarrer, einen Schullehrer und einen Schulzen, und der Einzelne mußte zur Unterhaltung derselben ein Gewisses beisteuern. So ging im Anfang alles recht gut, und brüderlich lebten die Colonisten unter einander. Die Kinder besuchten fleißig die Schulen und mit den Eltern die Kirche, in der die Sacramenre streng nach Luthers Vorschriften gereicht wurden. Nach Beendigung ihrerFeldarbeiren und besonders des Abends in der Winterzeit wurden Versammlungen gehalten, in ihuen geistliche Lieder gesungen und einzelne Capitel aus der Bibel vorgelesen. Mit vielen Kosten verschrieben sie sich Lehr- und Religionsbücher aus Deutschland. Den drei größten Colonien Helenendorf, Elisabeththal und Katharinenfeld widerfuhr leider schon nach Verlauf der ersten Jahre, wo eben ihre Lage sich zu ihrem Besten herausgestellt hatte, ein großes Unglück, da die Perser mit der Ueberrumpelung genannter drei Colonien im Jahre 1826 ihre Feindseligkeiten begannen. Ein großer Theil der Einwohner, besonders Katharinenfelds wurde in die Sklaverei geführt. Wegen ihrer Betriebsamkeit und Ordnungsliebe standen die Geraubten in so hohem Ansehen, daß der Preis eines Colonisten das Doppelte eines gewöhnlichen Sklave" betrug. Die erste Sorge der russischen Regierung nach der Eroberung von Tauris war, die unglücklichen Schwaben zurückzuverlangen, und bis auf wenige fanden sie sich auch alsbald ein. Von den nicht aufgefundenen hat eiuer das seltene Geschick gehabt, daß er, nachdem er in Asien und Afrika durch viele Hände gegangen war, nach Algier kam und dort auf den Befehl des Kdnigs von 335 Württemberg losgekauft wurde. So kam er in seinem alten Vaterlande wiederum an und gedenkt es nicht zum zweitenmale zu verlassen. Allmählich erholten sich die Colonisten von dem harten Unglück und der vorige Wohlstand kehrte wiederum bei ihnen ein. Da säete die Missions-Gesellschaft in Schuscha, der Hauptstadt Kara-bags, eine Tochter der Baseler, Zwietracht unter die betriebsamen und ruhigen Bewohner, und nicht umsonst bemühte sie sich allmählich eine Herrschaft über sie auszuüben. Fern sey es von mir alle Missionare Schuscha's hier öffentlich anzuklagen, denn ich habe mehrere von ihnen kennen gelernt die volle Achtung verdienten; es ist auch möglich, daß diejenigen, durch die eben die Zwietracht hervorgerufen wurde, es nicht aus Herrschsucht, was man ihnen jedoch am Kaukasus allgemein Schuld gibt, sondern aus einem fanatischen Vekehrungseifer thaten, was sie „ie und nimmer verantworten können. Ein Theil der Ausgewanderten war dmch die vielfachen Leiden besonnener worden, und an diese wendeten sich die Schuschaer Missionare zuerst, um sie für sich zu gewinnen. Sie sahen vielleicht auch ein, daß diese Art und Weise ihres Znsammen-lebens nicht für immer bestehen könnte und so hörten sie ruhig den Einflüsterungen der Missionäre zu. Es bildeten sich um so mehr zwei schroffe Parteien, als jene allmählich festen Fuß faßten, und sich sogar mit Hülfe der Regierung, die das für sie gesetzlose Treiben der Colonisten nur ungern bewilligt hatte, als Seelsorger einsetzten. So ist nun mit einemmal der Frieden zerrissen, und es steht bevor daß ein Theil der schon einmal ihres Glaubens halber ausgewanderten Schwaben auch den von neuem liebgewonnenen Boden verläßt, um sich, weiß Gott wo, wiederum einen Ort zu suchen wo sie auf ihre Weise unser aller Gott verehren können. Ist es nicht traurig, rechtliche und betriebsame Menschen aus ihren vier Pfählen zu vertreiben? Haben die Missionare durch die Zwietracht etwa einen Theil der Colonisten dem Reiche Gottes naher gebracht? Ich bezweifle es und vermuthe eher das Gegentheil. Die Liebe zu der Religion hat bei allen denen, die mit dem jetzigen Zustande zufrieden sind, wohl eher abgenommen, da sie nicht mehr durch eigene Thätigkeit die nothwendige Aufregung erhalten. Ich habe sogenannte Separatisten, wie die mit dem jetzigen Zustande Unzufriedenen genannt werden, gesprochen, und mit Thränen in den 336 Augen beklagten sie sich bitter über das Unrecht das man ihnen gethan. Man fängt sogar an die Leute zu verfolgen und sie zu dem zu zwingen, was sie im Jahre 1819 bestimmt hatte ihr Vaterland zu verlassen. Gerade die Separatisten sind die arbeitsamsten, thätigsten und klügsten Colouisten, und es ist nur zu wünschen daß die Regierung sie sich durch ein mildes Verfahren erhalt. Ich bin überzeugt, hätte man sie sich ferner überlassen, sie wären sicher durch sich selbst ohne die Vekehrungswuch anderer zu der eigenen Ueberzeugung gekommen, daß es nicht immer so fortgehen konnte. Dubois erzählt in seiner Reisebeschreibung (Band 4. S. 215 bis 226) die Einwanderung der transkaukasischen Colonisten ganz anders und es scheint mir, als wenn er sie mit den frühern Aus? Wanderungen nach dem Süden Rußlands verwechselt hätte. Von den Gliedern derselben schlössen sich allerdings auch mehrere den grusischen Einwanderern an und namentlich scheint von diesen die Colonie Kathan'nenfeld entstanden zn seyn. Diese Colonisten wan-derten nach ihren Aussagen schon 1818 aus und baten den Kaiser Alexander um Land, kamen aber auch erst 1819 in Grusien an. Für meine Erzählung führe ich Herrn Salzmann als Gewährsmann an, und außerdem könnte ich auch noch mehrere Separatisten nennen, die mir alles genau bestätigten. Ich kann des Raumes halber nicht in eine weitere Auseinandersetzung eingehen. Am 19 Januar 1837 besuchte ich Katharinenfeld und die meisten meiner Freunde begleiteten mich dahin. Es wurde viel von dem Wilde aller Art, was sich in jenen Gegenden aufhalten sollte, erzählt, und so richteten wir uns alle zur Jagd ei». Der Weg führt auf das rechte Ufcr der Kura bei den Schwefelbädern vorbei, zwischen den reizenden Garten und dem Saganlul'scken Rücken, bis dieser nach ungefähr zwel Stunden endet. Nun wendet sich die Straße von Südost nach Südwest und überschreitet die hier unbedeutende Wasserscheide der Kura und der Algeth, einen Ausläufer des Skalnari. Nach vier Meilen gelangten wir in em tatarisches Dorf Koda, in dessen Nahe ein unbedeutender See sich befindet, und eilten nun rein südlich nach dem Flußbett der Algeth, deren ganzes Gebiet den Gau Algethis-Chewi bildet. Einen unbedeutenden Gebirgsrücken, Lomta, überschritten wir und gelangten in die schone und fruchtbare Ebene der Ksia. 337 In der Nähe eines festen Schlosses hielten wir Mittag l,nd so wurde mir einige Zeit die höchst interessanten Umgebungen näher zu beschauen. Besagtes Schloß führt auf den russischen Karten falschlicher Weise den Namen Kalagir, und Dubois nennt es Kola-ghiri, allein sein Namc ist Alagari. Es wurde im vorigen Jahrhundert von Heracleus U zum Schutz gegen die Einfalle der Tataren erbaut, und bildet em ungefähr 200 Schritte enthaltendes Viereck. Es besteht aus den gegen ^0 Fuß hohen Mauern, die in der Mitte und an deu Enden mit viereckigen Thürmen versehen sind. Innerhalb des eiugeschlosscneu Raumes befindet sich eine unbedeutende Capelle. Von der Hdhe der Thürme erfreut man sich einer besondern Aussicht. Der Boden, auf dem Alagari liegt, gehört wohl zn dem von ganz Grusien am meiste» classischen und eine Menge Sagen und Legenden sind von hier aus i»ö Leben getreten. Hier war die Gränze der beiden Gaue Gardabana und Gatschiani, welche nach grusischen Nachrichten den tapfern Söhnen des Karthlos, Garda-bosi und Gatschios, zufielen. Gatschios baute an der östlichen Gränze seiner Herrschaft die Stadt Gatschiaui; es scheint jedoch, baß er il,r nur emeu andern Namen gegeben und sie vergrößert habe, denn die Chronik sagt, früher hiesi sie Sanadiro-Kalaka, d. i. Iagdstadt. Wachuscht führt noch die beiden Dorfer Arkcwan und Gatschian auf, wo einst die alte Stadt gestanden haben soll. Diese befinden sich aber auf der andern Seite der Ksia. Wahrscheinlich hat sie einen bedeutenden Umfang gehabt und breitete sich auch auf dem diesseitigen Ufer der Ksia aus. Der Flusi lommt hier aus zwei unbedeutendeu Bergen, welche aus den letzten Ergießungen der Lava entstanden sind, dcnu hier beginnr der vul-canische Boden, der sich das ganze Thal der Ksia aufwärts hinzieht. Auf ihm sieht man hüben und drüben Ruinen und Steinhaufen großartiger Natur. Auf unserer Seite zählte ich allein fünf Kirchen. Der vulcanische Boden zeichnet sich immer durch Fruchtbarkeit aus und so siedelten sich ln den alten Zeiten, wo hier große Cultur herrschte, eine Menge Maschen an. Der ganze Berg aufwärts mehrere Stunden weit ist ebenfalls übersäet mit Steinhaufen und auf der anderu Seite schienen nicht weniger Ueberreste zn seyn. Es thut mir unendlich leid, der Gegend nicht mehr H'sisl'n und ^mdcvbssa^ibnn^n, XXV. l)« (Neise nach Kankafien.) 338 Aufmerksamkeit geschenkt zu haben; leider kannte ich zu der Zeit wo ich hier war noch nicht die Wichtigkeit derselben. Hier beginnt auch nach Westen zu der Gau Chram, des engen Flußbettes der Ksia halber so genannt, und zieht sich rein westlich zwischen der Algeth-Ksia - und derKsia-Maschawer-Scheide, welche letztere den Namen Lukun führt, bis in den obern Thalkessel desselben Flusses. Ich habe schon oben erwähnt, daß Dubois durch die Tifliser Stabskarte verführt den Fluß Chram nennt. Leider habe ich ebenfalls versäumt diesen wichtigen und interessanten Gau zu besuchen, zumal er auch in geologischer Hinsicht so sehr merkwürdig ist. In ihm liegt die berühmte alte Festung Orbnißi, Orbel oder Samschwilde, der Sitz der ursprünglich türkischen Familie der Orbelianer, nach denen der Gau Gardabaua von da an den Namen Kasachia erhielt. Mehr als zwei Stunden von Alagari entfernt fuhren wir durch die Ksia. Dubois erwähnt hier eine Brücke über die er gegangen ist; ich habe aber nirgends eine gesehen. Das Thal des Maschawer, in dem Katharinenfeld liegt, nahm uns auf und romantischer wurde es um uns. Die unbedeutenden Höhen um uns waren bewachsen und zum Theil mit Ruinen bedeckt. Auch der ganze Weg sagte uns, daß auch dieses Thal einst mehr bewohnt wurde als jetzt, denn allenthalben fanden wir Spuren einer frühern Cultur und besonders weitläufige Todtenäcker. Höchst romantisch war besonders eine Stelle desThales, wo auf einem steilen Trachyt-felsen eine zwar kleine aber noch ziemlich erhaltene Burg, die von den Schwaben die schwarze Festung genannt wird, sich erhob, und hinter ihr die Verge in solcher Höhe zunahmen, daß sie zuletzt mit weißenHäuptern weit in den Himmel ragten. Endlich kamen wir in Katharinenfeld an, und wurden von den biedern Schwaben herzlich aufgenommen. Nicht leicht kann eine Erscheinung einen freundlichern Eindruck machen, als Katharinenfeld in uns allen hervorrief. Vis daher war uns ein Land entgegengetreten, in dem die traurigen Spuren der öftern Verwüstungen allenthalben sichtbar waren, und wo jetzt die Menschen mehr den Thieren gleich in Erdlöchern und nicht wohnlichen Gebäuden einen elenden Aufenthalt besaßen. M't eiuemmale änderte sich die Scene. Vor uns breitete sick^ ei« freundliches Dorf mit seinen 116 Häusern und zahlreiche «Gärten 339 aus. Allenthalben, wohin das Auge sah, das Zeugniß, daß hier betriebsame Menschen wohnten, und als nun gar die treuherzige Sprache der Schwaben mit ihren Zischlauten uns entgegentönte, da war es uns allen, als wären wir in das liebe Deutschland versetzt. Das Dorf besteht aus sechs breiten Straßen und zwei schönen großen Plätzen, auf denen im Jahre zweimal Markt gehalten wird. Die Hauser stehen wie bei Neutiflis mit dem Giebel nach der Straße zu, sind aber meistens zweistöckig und haben ein kleines Gauchen. Ein pallisadenartiger Zaun schützt das Dorf gegen einen etwaigen Ucberfall. Die nächsten Höhen ringsherum sind mit Weinreben bepflanzt, und der Wein den wir hier kosteten, war vorzüglich. Herr Salzmann, der ursprünglich nach Katharinenfeld gehörte, hat hier eine deutsche Mahlmühle mit freilich nur einem Gange bauen lassen und es ist dieses so viel ich weiß die einzige in Grüften. Am 13 August 1826 wurde Katharinenfeld von den Persern überfallen und 160 Menschen führre der Feind in die Gefangenschaft. Von ihnen sind 120 zurückgekehrt. 20 erlagen den Schlägen der Perser. Sämmtlich mit guten Gewehren versehen, begab sich am andern Morgen die Gesellschaft auf die Hasenjagd und hatte sich zu diesem Zwecke den Fuß eines Berges erwählt, auf dem die Ruinen einer Klrche, die einst dem heiligen Georg gewidmet war, standen; dem freundlichen Fürsien Suworoff und mir sagten die Jagd-Vergnügungen weniger zu, und so wanderten wir die Höhe des Berges anfangs mitten durch das dichte Gestrüppe des Stechdornes (raliuru» 2ou1o2wk) und dann durch einen Eichenwald hinauf. Nur wenige Mauern fanden wir noch vor, desto mehr ergötzte uns aber die herrliche Aussicht. Zu unsern Füßen lag das Thal der Maschawer, *) das mit den zahlreichen Nebenthalern den Gau Dbams bildet. Nach Norden erheben sich die vulcamschen Lava-Verge der Ksia-Schlucht, dahinter der Didgori und über *) Dubois nennt den Maschawcr auch Dscyawala (Djavala), allein unter Dschapala verstehen die Grusier einen Bach, der sich östlich vom Ma^ schawer ebenfalls in die Ksi» ergießt. 22 * 340 diesen breitete sich eine lauge Kette von Eisbergen, die alle schon zum Kaukasus gehörten, aus. Oestlich, dem Maschawer abwärts, entfaltete sich die breite Ebene dcrKsia, in der Truchmenen hausen, und über ihr lag in blauer Ferne die Steppe Karaia mit ihre,, unbedeutenden Hügeln. Der Süden war durch die hohe Bergkette des Lelwar und Loki, die zum großen Theil mit Schnee bedeckt waren, bald begränzt. Für den Abend beschlossen wir einen unbedeutenden Ausläufer des Loki, der die Wasserscheide des Maschawer und seines Haupt-«ebenflusses Poladaur bildet und dicht mit allerhand Waldungen bedeckt ist, zu ersteigen und daselbst die Nacht zuzubringen, um den andern Morgen durch die biedern Katharinenfelder uns das Wild ans einem Walde zutreiben zu lassen. Mir gehörigen Vorräthen, besonders Wein, versehen, zogen wir deßhalb über 4l> Mann stark schon den Nachmittag aus. Es war ein lustiges Volkchen was llns begleitete, und wenn wir eben der Fröhlichkeit halber nicht unsern ursprünglichen Zweck erreichten, so gehört doch die Nachtpartie zu den angenehmsten, die ich in Transkaukasien erlebt habe. Auf der Höhe angelangt wurden vier große Feuer angezündet und hoch auf loderten die Flammen, den Himmel purpurroll) färbend. Mehrere Klafter brannten auf einmal. Der Mond stand halb sichtbar am Himmel und lächelte über das narrische Treiben der Menschen unter ihm. Wohl seit langer Zeit war der Friede dieser Thaler mcht so gestört worden als diesesmal, der Wein hatte schon die Gemüther vielfach aufgeregt bevor das Abendmahl bereitet war. Während unsere Schwaben kochten und brateten, entfernte sich ein Theil der Jäger in der Hoffnung Wild zu erlege». In der großen Freude, die allenthalben herrschte, dachte niemand daran, daß durch den seltenen Lärm alles Wild aufgeschreckt und verjagt werden musite, und so lachten wir uns alle gegeuscitig aus, als ein jeder über seine leeren Hände ärgerlich den Feuern wiederum zuging. Eine Menge Tataren, von dem Lärm aus ihren friedlichen Sakli's aufgeschreckt, hatten sich ebenfalls allmählich zu uns gesellt und versuchten, wahrscheinlich umsonst, unsere Anwesenheit zu begreifen. So gastfrei wic sie in ihren Dörfern siud, so langte» sie auch ohne großes Nöthigen zu, und scheuten selbst den Wem nicht, trotzdem ihr Prophet den Genuß ihnen versagt hat. Immer 341 lauter wurde unsere Gesellschaft, und als gar unsere gutmüthigen Schwaben plötzlich Schillers Rauberlied „ ein freies Leben führen wir" anstimmten, so war es uns, als wären wir an die Ufer des Neckar versetzt, nud aus 40 Kehlen zugleich ertönte die zweite Strophe „ein Leben voller Wonne." Staunend horchten die Tataren zu, und als das Lied geendet war, glaubten auch sie sich hdren lassen zu müssen und mit heiserer Stimme und kreischenden Tonen stimmten auch sie ein Lied an. So wurde die ganze Nacht getobt und gezecht, bis der letzte Tropfen des edeln Rebenblutes getrunken war. Es wird unter diesen Umstanden nicht auffallen, wenn alle Thiere von einer Mcile im Umkreise den Ort flohen, wo schon vor der Jagd sie ein panischer Schrecken ergriffen hatte. Unser Treiben war am andern Morgen umsonst und im Thale des Poladaur augekommen steckten wir ein Ziel, nach dem ein jeder zu schießen beordert wurde. Das Thal des Poladaur ist ebenfalls von Tataren eingenommen und steht hinsichtlich seiner reizenden Lage und seiuer Fruchtbarkeit dem des Maschawer durchaus nicht nach. Wie in diesem, so befinden sich auch hier eine Menge Ruinen, und vor allem fiel mir auf der Linken des Flusses eine im einfachen Style erbaute und weder mit einem Kreuz noch mit einer Kuppel versehene Kirche auf, die sich außerdem durch eine Säulenhalle, aus vier Säulen auf jeder Seite bestehend, vor dem Schisse der Kirche und dnrch altgrusische Inschriften u ^ ici^k auszeichnete. Sie ist eine der älresteu Kirchen Grusienö „nd soll durch Pharöman, dem 2?sten Könige im Anfange des 4teu Jahrhunderts erbaut seyn. Wachtaug-Gurgaslan erhob sie zum Sitz des Erzbischofcs der süd, lich vom Ksia liegenden Gauen, also des eigentlichen Somchiens und ein solcher scheint es bis zu dem letzteu Einfall der Perser unter Aga-Mohammed-Chau gewesen zu seyn. Auf dem jenseitigen Ufer auf einer unbedeutende» Anhöhe erhebt sich ein Kloster, was den Namen Sugrugaschen führt und ebenfalls eine schone Kirche aber mit Kuppel besitzt. In den alten Zeiten stand hier eiue Stadt mit Namen Bolins und sie theilt wohl auch jetzt uoch dem gauzen Thale ihren Namen mit. Der Name Tschori, mit dem Dubois diese Ruinen belegt, gehört einem 343 frühern grusischen aber jetzt verlassenen Dorfe an. Nach dem truch-menischen Stamme der Kopenektschi nennen die Schwaben in ihrer Aussprache das Thal das Köppernitscher oder Koppernicker. Unweit der schwarzen Festung ergießt sich der Poladaur in denMaschawer, um mit diesem 1/^ Stunde nordöstlicher dem Ksia zuzufließen. Wir nahmen nnsern Weg zuerst den Poladaur abwärts und dann den Maschawer aufwärts und langten gegen Mittag glücklich wiederum in Katharinenfeld an, um von da nach kurzem Aufenthalte dem 8^ Meilen entfernten Tiflis zuzueilen. Die schönen Tage während der Winterszeit erscheinen in Tiflis in der Regel schon im Februar und März und allmählich brechen Gräser, Kräuter und Zwiebeln durch den im vorigen Sommer versengten und ausgetrockneten, durch den Regen und Schnee aber wiederum befeuchteten Boden. Ich begann demnach schon zeitig meine Wanderungen in den nächsten Umgebungen von Tiflis, und ich erlaube nur schon hier das Verzeichniß der interessantesten Pflanzen, welche ich bis zum Monat April gefunden hatte, hier aufzuführen, um dann nicht in meinen Schilderungen unterbrochen zu werden. Ich sammelte sie besonders auf vier grdßern Ercur-sionen, nämlich in dem schönen breiten Thale der Were, die in dem Winkel des Zusammentreffens des Skaldidi und Skalnari entspringt, in den Schluchten des von Fels zu Fels stürzenden Sa-lalak, auf dem Saganluch'schen Rücken und an den südlichen Abhängen des Didgora. Diese Pflanzen sind: Iris «auoasic» N. V., I. aecjuiloba C. A. Mey., I. paradoxa Stev-, L reticulata M. B<» Crocus variegatus Hoppc, C. vernus Sm., Bulbacodium ver-num L., Merendera caucasica M.B., Galanthus nivalis L., Gagca chlorantba Schult., Puschkinia scilJoides Adams, Scilla anioc-nula Horn, Hyacinthus paradoxus F. et Wf., Muscari racemosur» Willd.j M. comosum Mil1.7 M. ciliatum Knr., Petasites vulgaris Desf., ß hybrida Lasiospora lanata F. et M., Cyclamen vernale Mill., Nepeta Mussini M. B,, Scandix ialcata Loud., S. pinna-tifida Vent ß hirsuta; Amygdalus incana h.f Calcpina Corvio1 Desv., Arabis auriculata Lam., ssatis planisiliqua Stev., Erysl" mum leptopbyllum Andrz. ß dentatum Hob., Corydalis angusti-folia M. B,, C. Biebersteinii Pers., Gymnogramma Ceteracn Spr., Cheilanthes Szovitsii F. et M. 343 An einem solchen schönen Tage besuchte ich das romantische Thal des Salalak, und schlug deßhalb meinen Weg zwischen den Schwefelbadern und dem Schloßberge nach dem hinter diesen befindlichen Theile der Stadt ein. Hier in der nächsten Nähe der Bäder stand das uralte Tphilisi. Es trat mir eine neue Stadt mit einer fremden Bevölkerung entgegen, und staunend über den Fremdling, der sich bis hierher verirrt hatte, kamen die Männer aus ihren Saklis hervor und die Frauen lugten hinter den Ritzen. Die Saklis verdienen hier mehr als irgendwo den Namen Erdhäuser, und gleichen eher Fuchslochern als menschlichen Wohnungen. In den Berg eingegraben und über einander siehend geben sie einen souderbarenAnblick. In dem engen Thale entspringen noch mehrere warme Quellen; da sie aber weit schwacher als die untern sind, so wird das Wasser kaum von den nächsten Bewohnern benutzt. Weiter hinauf kommt man auf einen tatarischen Gottesacker, der ohne Zweifel den Grabsteinen nach sehr alt seyn muß. Mehrere Mestscheds fanden sich als Bethäuser vor, und in ihnen sah ich hie und da Gläubige, die für die Manen der Gestorbenen Gebete zum Himmel sendeten. Von mm au beginnt der Berg schräger, aber nichtsdestoweniger war die Umgebung romantisch. Der Bach hatte sich mit der Zeit ein tiefes Bett gewählt, und laut tosend stürzte selu Wasser von Stein zu Stein, bisweilen sogar Fälle von 50 bis WFuß blldcnd. DasThal verlassend ging ich einer wilden Felsen-Partie zu, wo vor nun 20 Jahren während eines Erdbebens ein Theil des Berges hinab in die Tiefe gesunken war. Je näher ich kam, um so schauerlicher wurde es, und als ich gar selbst auf den großartigen Trümmern wandelte und mitten auf der gräßlichen Wilduiß mich befand, da war es mir als waukre von neuem der Boden. Plötzlich rutschte ich auf einem machtigen Block in die fürchterliche wohl gegen 40 Fuß tiefe Spalte. Erschrocken sah ich auf- und abwärts, denn es schien als wenn eben die fürchterlichen überhängenden Felsen auf mich herabstürzen wollten. Doch unten angekommen, war alles ruhig und der Steinblock hatte eben nur der Schwere nachgegeben. Die halbmondförmige Spalte besitzt ungefähr 16—18 Fuß Breite und eine Lange von 150 — 170 Fuß. Senkrechte Felsen erhoben sich in der Mitte dcr Seiten und ragten zum Theil über; ich wagte deßhalb nicht lange unten zu verweilen und kletterte über die vielen Trümmer wieder auf die 344 Höhe des Verges, der in geologischer Hinsicht sich nicht von den übrigen Bergen der Umgebung von Tiflis unterschied. Von hier aus wendete ich mich den Skaluari, zu dem allc diese Hohen gehören, noch mehr aufwärts, bis ich über den Schloßberg selbst einen großen Theil der Stadt übersehen konnte. Nachdem ich mich an der herrlichen Aussicht ergötzt hatte, schlug ich meinen Weg nach der Stelle ein, wo der Schloßberg mit dem Skalnari Zusammenhängt und kam demnach an die Stelle, wo der Bach Salalak den größten Theil seines Wassers für eine Wasserleitung zum Befruchten der an dem Fuß des heiligen Verges befindlichen Garten abgeben muß. Dieser entlang kam ich wieder Zur Stadt herab. Am 24 März unternahm ich eine größere Excursion längs des Rückens des Skalnari und des Didgora nach Manglis und den Quellen der Algeth. Der unglückliche Fürst Alexander Da-dian, der die älteste Tochter des Oberbefehlshabers vor kurzem geheurathet, hatte den Fürsten Suworoff und mich wiederholt eingeladen, ihn in seinem Standquartier iu der Nahe der Ruinen von Manglis aufzusuchen. Der Weg führt in dem Westen der Stadt einen steilen Pfad zwischen dem Schloß- und dem heiligen Berge hinan auf die Höhe des Skalnari und bald erreichten wir eine nach Süden schräg abgehende Hochebene, die gegen ^000 Fuß hoch liegt. Auf ihr befindet sich die reizende damalige Sommerwohnung des Generals von der Hoven, welche nach eitlem Dorfe den Namen Kadschori führt. Hierher flüchtet sich im Sommer eiu Theil der Tisiiscr Beamten und erfreut sich dcs gesunden, kühlen Klima's. Von den königlichen Gebäuden, die früher hier gestanden haben, soll nicht viel mehr zu sehen seyn und wahrscheinlich wurden sie bei der leiM, Zerstörung von Tisiis ebenfalls niedergerissen. In der Ferne ragte kühn auf einem Felsen die Burg Aseula und immer noch ist ihr Name und der ihres frühern Herrn, des berüchtigten Räubers Kuer-Oglu, in den, Gedächtniß des Volkes. Leider sind die zahlreichen Sagen mld Gesänge, die ich durch den damaligen Gouverneur Armeniens, den Fürsten Vebutoff, erhalten hatte, mir so viclem andern verloren gegangen und was mir noch im Gedächtniß geblieben ist, werde ich später bei einer andern Gelegenheit erzählen. 345 Trotz der Hohe war doch die ganze schiefe Hochebene und der Rücken des Gebirges mit einer Menge blühender Zwiebelgewächse bedecke und sie setzten sich selbst noch fort, als hie und da einzelne Stcllm mit Schnee bedeckt mis entgegcnnareu. Die Aussicht längs des ganzen Berges war magnifik, da nördlich und südlich die Gletscherreihen des Kaukasus und der Kur-Arares-Wasserscheide in ihrer ganzen Ausdehnung sich ausbreiteten. Auch die nächste Nähe war im hohen Grade romantisch und wurde es um so mehr, als dichte Waldungen begannen und uns oft die Fernsicht raubten. Eine Stelle, wo einst ein Theil des Verges hinab in das tiefe Thal der Were sank, nennen die Russen Samprobal. Man erblickt da dicht am Wege eine gegen 4—500 Fusi tiefe und 50 — 60 Fuß breite Schlucht, die nördlich in ein mit Strauchwerk und niedrigen Bäumen bewachsenes Thal ausläuft. Wir stiegen hier ab und verfolgten über eine Stunde den interessanten Weg bis nach Prijudin, einer Sommerwohnung des Oberbefehlshabers mitten in einem schonen Vuchenwalde. Nach einem kurzen Aufenthalte wendeten wir uns mehr südlich und stiegen endlich von einer bedeutenden Höhe dem Kweltibache entlang herab nach dem jetzigen Mauglis. Dieses Standquartier des Tistiser Jägerregiments hat eine reizende Lage unweit der Algeth und besteht nur aus den Gebäuden des Regiments und einigen wenigen Sommerwohnungen der Tifliser vornehmen Welt. Hier versammelte sich, während eine drückende Hitze die Bewohner der Hauptstadt betäubt, eiue ausgesuchte Gesellschaft geistreicher Manner und Frauen während der heißen Monate von 1636 und 1837 und ergötzte sich au den schonen Umgebungen. Wie es jetzt ist, weiß ich nicht, aber zu bedauern wäre es, wenn von neuem Manglis der Vergessenheit übergebet, würde. Chef des Regiments war damals Fürst Alexander Dadian, der leider spater auch in Europa zu einer traurigen Berühmtheit kam. Ich kann ihm das Zeugniß geben, daß er in seinem Um-gauge höchst liebenswürdig war und ich wahrend meiner Anwesenheit die freundlichste Aufnahme erfuhr. Die Wohnungen der Soldaten und das Spital befanden sich in vorzüglichem Zustande und vor allem ließ sich der Fürst die Pflege seiner Kranken augelegen seyn. Ich habe au andern Orten Militarhospitaler gescheu und nirgends mehr Sorgfalt und Reinlichkeit beobachtet. Leider hatte 346 der Fürst sich Fehler zu Schulden tommen lassen (namentlich soll er Unterschleife gemacht und mit seinen Soldaten sich eine Mühle gebaut haben), und im Herbst 1537 traf ihn, wie ich spater berichten werde, die ganze Strenge des Gesetzes. Die wenigen Tage meiner Anwesenheit in Manglis benutzte ich, um mich mit der Umgebung bekannt zu machen und vor allem besuchte ich eine der ältesten Kirchen Grusiens. Sie liegt von den Gebäuden ungefähr ^ Stunde westlicher, und Kiefern, welche ich so selten in Kankasien gesehen habe, umgaben sie. Der Sage nach soll sie von Constantin dem Großen unter der Regierung des ersten christlichen Königs in Grusien, Mirian, im Anfange des vierten Jahrhunderts erbaut worden seyn. Ihren Name» erhielr sie von dem ersten Bischöfe der hier residirte. Da in ihr das Holz, was einst die Füße unseres Heilands trug, aufbewahrt wurde, erhielt sie schon zeitig ein großes Ansehen und dieses wurde um so mehr erhöht, als es die einzige Kirche ist welche nie zerstört wurde. Wahrscheinlich zur Zeit des Murwan Kru wurde in einen Stein Mohammed auf einem Löwen reitend eingehauen und so achteten selbst die fanatischen Araber das Vethaus der Christen. Unter Wachtang-Gurgaslan war es der Sitz des Bischofes für das ganze Algeth - und für das obere Ksia-Thal. Die Kirche selbst ist wic alle alter» klein und ähnelt in der Bauart vollkommen der Kutai-ser. Dieselben arabeskeuartigen Verzierungen finden sich nebst vielen Inschriften auch hier vor. Sie ist noch ziemlich erhalten, geht aber ihrem Verfalle, wenn nicht Vorkehrungen getroffen werden, schnell entgegen. Leider hinderte mich der auf den Höhen noch aufgehäufte Schnee den Didgora zu ersteigen und so begnügte ich mich mit einer kleinern Excursion die Algeth aufwärts nach dem alten Felsenschloß Klda-Kari, d. i. Felsenthor. Der Weg war im hohen Grade romantisch, aber bald stellten sich unserm Weitergeheu solche Hindernisse entgegen, daß wir gezwungen wareu wieder zurück nach Manglis zu gehen. Elst am 28 März kamen wir auf demselben Wege nach Tistis zurück und ich bereitete mich nun auf meine baldige Abreise vor. Ich erhielt durch die freundliche Sorge des Oberbefehlshabers außer einem brauchbaren ehrlichen Uebersetzcr noch einen Kosaken zur besondern Bedienung mit- Einem italienischen Maler Zoboli 347 mit Namen erlaubte ich um so mehr sich wir anzuschließen, als ich von ihm hie und da Gebrauch zu machen hoffte. Von welchem Nutzen er mir später war, werde ich weiter unten berichten. Dreißigstes Gapitel. Neise durch Grusisch-Armenien nach An:. Gardabana; die Hsia; Gchulawer; daö weiße Ochloß; Vortschalo; Pflanzen daselbst; Charakter deö Schulawerthales; Samiö; der Lelwar; ^ostdirector Klement; Achsibiut; Dschelaroglu; der untere Kaufasus; der Gau Taschit', daü Thal Agud vder 3oi!i; die Debeda; die Vefle !^ori; die Stadt ^oli; Hoparzi; Oinnäitun^ der dortigen Wohnungen; Surb-Sarkiö; die Höhlen km Thale dcr Dcbeda; Gurtan', der ^isch:Fluß; Sa.' nain; Achpad; die Bärin; Pflanzen deS Thales von Lori: der Vesobdal; Karatlissa; die Fußwaschung; daS Thal des Vambatfiusses; das Osterfest; Vrodbcreituug; Major Montresor; ^stanzen des Thaleö; Parnigeg; Uebergang über den untern KcmkasuS: Honagaran; Humil; der Armenier Tlgraneb und seine Wohnung, Nach langem vergeblichem Auftnthalte trat ich endlich meine Reise wiederum an und begann sie mit einer Untersuchung des sogenannten Somchicns (Somchetiens) oder Grusisch-Armeniens. Mein Weg führte mich mitten durch die alte Provinz Gardabana über die Algeth und über die Ksia in den Kreis von Bortschalo, zu dem die Russen das ganze Flußgebiet der Ksia und der Algeth und die schone große Ebene zwischen der Debeda und den Ber-dudschbergen rechnen. Tatarische und truchmemsche Stamme nehmen besonders die fruchtbaren Gegenden der untern Ksia-Ebene ein,^m'd namentlich ist im Norden der Ksia der Stamm Baidar, im Vüden hingegen der Stamm Kular zu nennen. So ungesund auch der Aufenthalt für Menschen und Vieh ist und so häusig, wegen des übertretenden Wassers, Fiebercpidemien auftreten, so vermögen es die dortigen Tataren doch nicht über sich, den fruchtbaren Boden auf immer zu verlassen. Wie aber die heiße Jahreszeit eintritt, so flüchten sie sich schnell in die Berge des Lelwar. Da von dem geschmolzenen Schnee der Kur-Ksia und Kur-Araxes-Wasserscheide die Ksia sehr angeschwollen war, so gebrauchten wir eine lange Zeit, bevor es uns gelang den breiten Fluß zu durchfahren. Am jenseitigen Ufer angekommen verfolgten wir den Schulawer aufwärts bis zu dem Dorfe gleichen Namens und wachten hier Halt. Ein gleich im Anfange enges Thal nahm uns 348 alls und stlne schroffen Kalkftlscn erinnerten mich an das Thal der Latschana in Letschkuni. Schnlawer ist eines der bedcutcudsten Dörfer des ganzen Kreises und wird nur von Armeniern bewohnt. Allenthalben blühten Mandelstränchcr und Pfirsichbaume in den Obst- und Weingärten und gaben von der Betriebsamkeit der Einwohner Kunde. Das an und für sich noch unbedeutendere Fluß-chen verschwindet aus dem Dorfe herausgetreten fast ganz, da sein Wasser vielfach abgeleitet wird. Die Häuser sind immer noch dic mehr unterirdischen Höhlen, wie sie allenthalben in ganz Armenien von Armeniern nnd Tataren gemacht werden. Die Raume im Innern sind aber nicht selten groß nnd stehen noch hanfiger mit den Viehställeu in Verbindung. Man liebt dieses um so mehr, als dadurch in dem Winter die Wohnungen warmer werden. Um in meiner Reise nicht Aufenthalt zu haben, wanderte ich am andern Morgen (17 April) mit meinem Uebersetzer Gregor und dem Maler Zoboli nach Agdscha-Ka!a (Thetri-Zichc, d. i. weißes Schloß), zn der Wohnung des damaligen Kreishauptmannes Gorainoff. Mit einem armenischen Führer ucrseheu wanderten wir über die unbedeutenden Kalkberge, die hie und da mit Trachyt-fclscn bedeckt waren, nach dem Thale der Debeda und kamen auch alsbald in ihm an. Der schmelzende Schnee der Bcrdudschbcrge harte auch hier alle Bache und Flüsse zu einer solchen Höhe gebracht, daß wir nur mit Mühe vermittelst Pferden oder Arbeu dar-übcr kamen. Am gefahrlichsten war der Ucbergaxg über die Dc-beda selbst. Schon zeitig langten wir auf Agdscha-Kala an und fandet, leider den Pristaff (wie in Grnsisch-Armenien der Krcis-hauptmann genannt wird, überseht heißt cs Aufseher) nicht zu Hause, sein Secretar bewillkomme uns abcr nichtsdestoweniger freundlich. Agdscha-Kala wird von den Russen Seroi-Samok, d. i. graues Schloß, genannt, und mit dem Namen des wnßcn Schlosses (Veloi-Samok) belegen sie die oben beschriebene Vest? Alagari. ^) Das erstgenannte Schloß befindet sich auf der gegen 500 Fust hvhc" Spitze eines bedeutenden Bergkcgels, aus Hornstein-Porphyr bestehend, der mitten aus der Ebene sich erhebt. Der persische Schah Jakob erkannte die Wichtigkeit des Berges, und mn die dortigen *) S. oben S. 337. 349 Bewohner im Zaum zu halten, erbaute er im Jahre 1488 die noch heutzntaa/ nicht unbedeutende Burg. Schah Abas verpflanzte später hierher den tatarischen Stamm der Vortschalo und machte ihren Häuptling zum Chan und Herrscher des ganzen untern Ksia-und Debeda-Gebietes. Der letzte wird Mussa-Chan genannt. Er fiel, heißt es, in die Hände des grnsischen Königs, wahrscheinlich in die Heracleus II, der von nun an sich hier festsetzte und alle Einsalle der Perser zurückschlug. Jetzt ist die Veste wiederum der Sitz des Kreishauptmannes. Der frenndliche Sccretär forderte mich nicht umsonst auf, das herrliche Thal, was von der Burg aus wie ein schöner grosier Garten erschien, naher zn betrachten. Er führte mich zuerst nach einer Mühle, der ersten grusischcn, welche ich von Stein erbaut fand. Sie hatte das Trcibrad horizontal. Heracleus II soll sie gegründet nnd den Umwohnern wegen ihrer bewiesenen Tapferkeit geschenkt haben. In der Nähe befand sich ein alter Gottesacker mit einer Menge Lcichenstcinen besetzt. Diese letzten» waren ziemlich roh gearbeitet nnd nur der Kopf und der Rücken erschienen dentlich ausgchamn. Sie stellten entweder Pferde oder Widder dar, je nachdem der Todte im Leben sich im Kampf oder in der Viehzucht ausgezeichnet hatte. Interessant war es mir, hier in Menge die kaukasische Schildkröte hernmlanfen zn sehen. Die ganze Ebene zwischen dem kleinen (dem zwischen dem Schulawer und der Debeda vom kelwar auslaufenden Arm) und dem großen Verdndsch führt jetzt nach den in ihr wohnenden Tataren den Namen Vortschalo, während sie früher Km'd-Wadschris-Chewi genannt wnrde. An ihrem nördlichen Ende lag das alte Chunani, von dem ich spater noch weiter berichten werde. Der Prisiass kam erst spar an und so war ich gezwnngen in dem weißen Schlosse zu übernachten. Mit gnttn Papieren versehen ging ich am Morgen des 18 April nach Cchulawer znrück und erstieg dort die in der Nähe befindliche auf einem hohen Tra-chytfelsen erbaute Burg Nakalakewi. In der ganzen Umgegend war schon seit mehreren Wochen Frühling und eine Menge blühender Baume, Straucher 'und Kräuter traten mir allenthalben entgegen. Am Flüßchen Schnlawer befanden sich in Menge verschiedene Weiden, mehrere Pappel,, u„d unter ihnen die Silberpappel, l'ulli8 miztraliz I.., ^imuz 350 campestris L. ß.} suberosa L., Elaeagnus angustifolia Jj., Ta-marix gallica L., Acer campestre L., Aceribericum L., Prunus dioaricata Led.? Spiraea hypericifolia h. ß, crenata L., Sisym-brium Ccesclii L. S., Trio L., Thlaspi annuum C. Koch, Thlaspi-collinum M. B., Calepina Corvini Des., Sterigma tomentosum DC, Chorispora tcnella DC, Meniocus linifolius DC, Hype-coura pendulum L., Holostcum marginatum C. A. Mey, Holo-steum liniflorum Stev., Geranium lincarilobum DC (G. tubero-sum L. ?), G, radicatum M. JJ., Astragalus fabaceus M. B., A. brachycarpus M. B., Ajuga chia Schreb., Scutellaria orientalis L., Sal via verbascifolia M. B., Nepeta mussini M. B., Veronica filiformis Sm., V. austriaca L., V. praecox All., Lasiosporalanata F. et M., Taraxacum corniculatum DC., Euphorbialatifolia C A. Mey, Iris paradoxa Stev., I. iberica Stev., Muscari ciliatum Ker. unb M. comosum Mill. Den 19 April in aller Flühe brach ich von Schulawer auf und verfolgte das reizende Thal des Flusses gleichen Namens. Immer mehr verschwanden die Kalkfelsen und vulcanischen Gebilde, Trachyte von dem sonderbarsten Aussehen traten an ihre Stelle. Die warme Frühlingsluft der Niederung verschwand allmählich und kühle Bergluft wehte entgegen. Der geschmolzene Schnee der Höhen machte den Weg schwierig, zumal schon an und für sich das ganze Gebirge des Lelwar sich durch seinen feuchten Boden und seine vielen Sümpfe auszeichnet. Aus dieser Ursache mag auch der ganze von den Windbergen auslaufende Gebirgsrücken, der die Wasserscheide der Ksia und Debcda bildet, den Namen des feuchten Gebirges erhalten haben. Die Poststraße zu Fuße verlassend eilte ich eine zerrissene Schlucht aufwärts und kam alsbald in schöne Walder, in denen Menschen sich wohl selten verirrten. Sie hatten durchaus nicht das Urwaldliche derer der kolchischen Ebene und alle die niedern Sträucher mit immergrünen Blattern und die kletternden und rankenden Schlinggewachse fehlten ganz und gar. Sie gliche" mehr den unsrigcn und eö schien selbst, als wenn man sie gleiw unsern Forsten gehegt und gepflegt hatte. Nirgends fand ich auch Spuren der Verwüstung, wie ich sie häufig in den Waldungen des Rion gesehen und oben beschrieben habe. Eiue dichte Sch'cht einer schwarzen Humuserde bedeckte den Boden der Wälder sowoh 351 als auch der ausgezeichnet schönen Vergwiesen, die mit jenen abzuwechseln schienen. Die vorzüglichsten Waldbaume waren die imerische Eiche (<^u6ieu8 Ibl-riea 8tcv.), die Stieleiche (<> peäun-euIatÄ Wilici.), die gemeine und orientalische Buche (s^pinug ke. lulus 1.. und <^. «rionwUz I^m.), der breit- und spitzblartrige Ahorn (Acer Pseudo-Platanus L. uttb A. platanoitles L.), litib tutr cut; Settt trcttcn Ulmus excclsa Borkh., Fagus sylvatica In unb Acer rawi'ieum I'. mir entgegen. Die Hohen erschienen meist von Bäumen und Sträuchern entblößt, waren aber mit Krautern, weniger mit Gräsern bedeckt. Nur die jähen, schroffen Felsenwände und die steilen Trachytkegel erfreuten sich keiner besondern Vegetation und trugen oft ihr rdth^ liches oder graulich-schwärzliches Gestein offen zu Schau. Mittag war lange vorüber, als ich endlich in das Dörfchen Opreth kam und von den armen Bewohnern daselbst hinlänglich Speise und Trank erhielt. Die Einwohner sprechen tatarisch, sind aber nichtsdestoweniger keine Tataren und zeichnen sich durch ihre schönen Gestalten und hübschen regelmäßigen Gesichter aus. Grusier und Armenier schienen sie ebenfalls nicht zu seyn; sie läugneten es auch zu einem der beiden Völker zu gehören. Sie waren nicht groß, aber auch nicht untersetzt, besaßen einen dnnkeln Teint, schwarze Haare, dunkle Augen und regelmäßige Züge. Die Nase war eher griechisch zu nennen. Sie bekannten sich zur griechischchristlichen Religion. Allem Anschein nach mußten es auch Griechen seyn, sie hielten sich aber von den griechischen Colonien, welche in der Mitte des vorigen Jahrhunderts aus Kleinasien der Bergwerke halber hierher wanderten, verschieden und behaupteten seit sehr langer Zeit diese Hdheu schon bewohnt zu haben. Die Poststation Samis, wohin ich meine Sachen vorausgeschickt hatte, liegt von Opreth nur eine kleine Stunde entfernt, aber es war doch schon zu spat, um die nahe Burg Zichis-Sopheli noch zu ersteigen und so wanderte ich Samis zu. Viele schöne Pflanzen hatte ich gesammelt, aber im allgemeinen war die Zeit zum Botanisiren auf diesen Höhen zu früh. Die wichtigsten Pflanzen waren: ^or?^!» m^^l^Uiang ?or8., C. angustisolia M. B., Ca^aminc uliginosa M. F>., Dcntaria quin «juefolia M.B. /?. foliolis tcrnis, Draba nemorosa L., Ranunculus Qreophilus M. B., Anemone apennina Lv Potentilla salisburgen- 35% sis Haentte; Viola colüna Bess., Lathraca squamaria L., Veronica pcduncularis M. B , Primula macrocaiyx Bunge, Myosotis alpestris Schmid!;, Humcx angustLfoHus Camp., Orchis sambu-cina L., Pusch^inia sciiloidcs Adams- Sciüa amcenula Horn. Muscari lacemosum Wüld-s Mcrendcra caucasica M. B.^ Luzula erccta Desv., Carex nutans Host, €. stenophyHa Wahienb. unb Chei}ainbes Sxovitsii F. CL M. Leider trat schlechtes Wetter ein und ich war gezwungen den folgenden Tag in meiner einfachen aber doch hinlänglich Schutz bietenden Wohnung zu bleiben. Selbst am dritten Tage (den 21 April) war es nicht viel freundlicher und so zog ich aus, um den Gebirgsrücken des Lclwar zu überschreiten. Unweit Samis entspringt der Schulawer imd fast bis zur Quelle verfolgte ich das Flnßchcn, um nun über cine lmbedcutcnde Erhöhung, von der ans die Wasserscheide des Schulawer und Poladaur (Volnis auf russischen Karten) in die ndrdliche Ebene der Ksia verlauft, in das Thal des Poladaur zu gelangen. Anfangs befitzt dieses eine west-west-ubldliche, spacer hingegen eine rein ndrdliche Richtung. Der Fluß Poladaur entspringt fast ans der Hohe des Lelwar*) nnd ihn aufwärts verfolgte ich meinen Weg. Dieselben trachytischen Gebilde, nicht selten von einer graugrünen Farbe und dem Ser-pentinfelsen ähnlich, setzten sich auch hier fort und nnr einzeln gewahrte ich die einfachen Urfelsen des Feldspathes, seltner des Quarzes. Nirgends sah ich eine Spur acht plntonischer Gebilde und eben so wenig fand ich die eigentliche Decke des kaukasischen Isthmns, den schwarzen Thonschiefer. Wenn auch das Thal des Poladanr romantischer und wilder zu nennen ist, als das des Schnlawer, so fehlten doch alle die trachytischcn Kegel, die ich '" dem letzter« so häufig bemerkte. Die Hohen selbst sind abgerundeter und nnr die schluchtahnlichen Thaler des Poladanr und seiner Nebcnbache besaßen ein im hohen Grade zerrissenes Ansehen. Dieselben Waldungeu, doch vorherrschend die beiden Blicken und Ulmen, in dem Thale hingegen zweierlei Erlen, fanden sich auch hier vor, doch standen die Vanme an Grdsie denen des Schl>law?>'? thales nach. ") In meinen botanischen Verichten der Lmnäa habe ich ihn Alwar genannt. 353 Nur langsam kam ich vorwärts, und wenn ich auch nur wenige Pflanzen, die sich von den genannten nicht unterschieden, sammeln konnte, so war die Wanderung in geologischer Hinsicht um so interessanter. Vergebens forderte ich meinen mich begleitenden Maler Zoboli auf hie und da eine pikante Landschaft aufzunehmen, er freute sich zwar über die merkwürdigen Erscheinungen, aber entschuldigte sich mit allerhand Lappalien. Reizend war der Blick auf das Dorf Achkilpa, das an den schrägen Berg angelehnt erschien. Der Fluß stürzte sich laut tosend über Stock und Stein und murmelnd fielen rechts und links die aus den nach? sten Höhen entspringenden Bäche ein. Mitten in diesen romantischen Umgebungen erschien plötzlich einer meiner Tifliser Bekannten, der Postdirecror Klement, nnd wir beide freuten uns gegenseitig der unerwartete» Begegnung. Schnell wurde der Burduk hervorgeholt und das Glas gefüllt. Alla werdi (die gewöhnliche Be.qrü? ßungsformel Transkaukasiens) riefen wir uns gegenseitig zu und schieden wieder, er nach Norden, ich nach Süden. Ein schwarzes Gewitter störte unser weiteres fröhliches Zusammenseyn. Mit vieler Mühe erklimmte ich die Höhe des Lelwar, auf drr alle Vaumvegetation verschwunden war. Nach Parrots barome-lrischcr Messung berrägt sie an der höchsten Stelle des Ueberganges 5459 Par. Fust. Während unter uns in dem Gau Taschir das Gewitter fürchterlich tobte und Blitze unter uus schlangelnd durch dle Wolken fuhren, war es um uns zwar nicht freundlich, aber doch erfreuten wir ims trocknen Fußes nach der nahen Poststation Achsibint (d. h. Großmaul) zu kommen. Es war tall geworden und leider harte ich mein Thermometer zwar befragt, aber die Angabe anfznschreiben vergessen. Hie und da lag noch Schnee, die Vegetation auf der Höhe w^n ,^^ zurück und ausier der ('^e,-> c!,!o,'nnltu, 8onull. trat mir kein anderes Pstanzchen entgegen. Während die ganze Umgegend in dichten Nebel gehüllt dalag, trat ich am 22 April meine Wanderung in den Gau Taschir an und stieg deßhalb den Lelwar abwärts. Kaum eine Stunde von Achsibiut entferne fand ich einen tatarischen Gottesacker und in der Nähe Spuren eines verlassenen Dorfes. Das Dorf Gaidar-bek, was kurz darauf folgt, besteht jcht nur noch aus wenigen Familien, es scheint aber früher bedeutender gewesen zu seyn. ^!t'!ftn und Landcvl','sch«wumm!, X w «,^> (Reise nach Kaukasien ) ^ 354 Mehrere große Viehheerden begegneten uns und thaten uns die Nähe des reizenden Thales der Debeda kund. Jenseits des Flusses liegt Dschelaroglu, der Sitz des zweiten Pristasss in Grusisch-Armenien, und der Obristlieutnant von Schlippenbach, ein braver redlicher Livlander, nahm mich daselbst auf. Bevor ich in der Beschreibung meiner Reise weiter gehe, wird es wohl nothwendig zuvor einige Worte über die Arares--Kur-Wasserscheide und über einige der nördlichen Ausläufer derselben zu sagen, zumal sich dieses Gebirge wesentlich von dem obern Kaukasus und dem meschischen Quergebirge unterscheidet, und von keinem Reisenden und Geographen selbständig beschrieben worden ist. Einen allgemeinen Namen besitzen wenigstens die Grusier nicht und die Armenier*) nennen es Sdorin-Goffkas, d. i. den untern Kaukasus, auch wohl Methin, d. i. das Finstre, weil es seiner Sümpfe und Seen halber häufig mit Nebel bedeckt ist. Den Namen des ararat'schen Vorgebirges, mit dem es Gülden-siädt und nach ihm Klaproth benennt, wage ich durchaus nicht anzunehmen, zumal es weder als Vorgebirge betrachtet werden kann, noch mit dem Ararat irgendwo zusammenhängt. Der armenische Name des untern Kaukasus ist viel bezeichnender. Bei den Grusiern besitzt das Gebirge verschiedene Namen, wie ich sie bei der Beschreibung der einzelnen Provinzen gegeben habe. Seinen Ursprung nimmt der untere Kaukasus von der großen vorderarmem'schen Hochebene der tausend Quellen (Ving? Gohl), in welcher mitten darauf Erzerum liegt, und er ist als der nordöstliche Ausläufer derselben zu betrachten. Sein östliches Ende besitzt er in dem Winkel, der durch die Vereinigung der Kura mit dem Araxes gebildet wird. Wie die Hochebene in geologischer Hinsicht beschaffen ist, weiß ich nicht, aber sicherlich hat der ganze untere Kaukasus, so viel er mir selbst und durch die lehrreichen Schriften eines Dubois und Eichwald bekannt wurde, einen vulcanischen Ursprung. Trachyte von der verschiedenartigsten Gestalt, zuweilen in Hornsteinoder Pechstein-, selten andere Porphyre übergehend, Basalte und selbst Traß bilden die Felsarten, die vom Ursprung des Kur und des nördlichen Arares bis zu der Vereinigung beider Flüsse Herr- *) Moses chorenensis Lib, XT» Cap. 7, 355 schen. Grobkalkgebilde, die neben vulcanisch-plutomschen das mes-chische Gebirge zusammensetzen, sah ich nur gegen Norden hin besonders in der Nahe des Kur. Ob und wo diese im Süden heginnen, weiß ich nicht. Daß das ganze Gebirge vulcanifch ist, beweisen auch die vielen und reichen Erze jeglicher Art, besonders Kupfererze, die sich allenthalben vorfinden und gewiß noch reichlicher erscheinen als mau glaubt. Sogar der zum Theil bezeich? nende Alaunfels enstirt in der Nähe von Elisabethpol. Ohne Zweifel ist daher der untere Kaukasus weit spater als der obere oder ächte entstanden und seinem Laufe nach haben wir die zweite oder untere vulcanische Linie des kaukasischen Isthmus zu verfolgen. An Hdhc steht der untere Kaukasus ebenfalls nach und wenn wir im Durchschnitt sie zu 6, höchstens zu 7000 Fuß annehmen, so beträgt sie am obern 8000, nur selten weniger. Der höchste Punkt ist der weiter unten zu erwähnende Alagäs, wenn dieser, zumal er auch nur wenig mit dem untern Kaukasus zusammenhängt, nicht älter ist. Parrot gibt seine Höhe zu 12,871 Fuß an. Wahrscheinlich sind im Nordwesten des Gebirgs noch bedeutende Berge, aber leider ist der Theil gerade noch gar nicht untersucht. Der Gau, in dem Dschelaroglu liegt, führt bei Grusiern und Armeniern den Namen Taschir oder Daschir und besteht aus den beiden Thalern Lori, auch Agud (oder Achasdcss) genannt und Bam-bak (auch Pambak), die im Osten in eine enge Schlucht, in der die Debeda fließt, verlaufen. Das Thal Agud erweitert sich nach Westen, trotzdem es immer steigt, und wird von zwei Flüssen bewässert. Der Dschelar *) fließt nördlich und ergießt sich oberhalb Dschelaroglu in den andern Fluß, der eben die Debeda selbst ist. Diese entspringt von den Windbergen (Elladara), wie hier der untere Kaukasus genannt wird, und setzt sich aus drei Bächen, welche die russische Stabskarte von 1834 Tschiugilärdara, Karagatsch und Karakala nennt, zusammen. Das zweite Thal Vambak befindet sich südlich und läuft jenem parallel. U„ seinem ostlichen Ende ist der Fluß, welcher denselben Namen führt, nur auf eine enge Schlucht, die er immer tiefer aus? höhlt, gewiesen und vereinigt sich nordwärts gehend mit der Debeda. *) Eichwald nennt ihn Achschehar, die russische Stabskarte hingegen Dschllga. 23 * 356 Trotzdem hier beide Thäler zusammenlaufen, so ist es doch nicht möglich von dem einen längs der Flüsse in das andere zu gelangen, da diese von den schroffsten Felsen eingeschlossen werden. Eben so wenig kann man aus dem Thal der obern Debeda in das der untern, welches der tatarische Stamm der Bortschalo bewohnt, gelangen, und man ist gezwungen deßhalb den Lelwar zu übersteigen. Um aus dem Thale der obern Debeda nach dem des Bambak zu gelangen, überschreitet man den hohen Vesobdal, einen andern Arm der Windberge, der eben beide Thaler von einander scheidet. Leider begünstigte das Wetter meine Untersuchungen des in jeder Hinsicht wichtigen Gaues Taschir nicht, und es ist zu wünschen, daß ein spaterer Reisender ihm besondere Aufmerksamkeit schenkt. Der Gau ist im hohen Grade fruchtbar und gesund und unterscheidet sich dadurch wesentlich von allen Gegenden Transkau-kasiens. Wenigstens 3500 Fuß über dem Spiegel des Meeres liegend tritt zwar der Frühling erst spat ein, aber mit aller Macht wuchern bei dem ersten warmen Sonnenlüftchen die Pflanzen empor. Der Sommer ist gleichmäßig warm und die Hitze übersteigt nur sel-l?n 24—2l>° N., und wenn sie es thut, so ist sie nie anhaltend, wie Z. V, iu dem Thale der Kura. Die Nachte erhalten sich stets Ml. Der Boden ist mir einer schwarzen Humuserde dicht bedeckt und man könnte ihn wahrend einer laugen Reihe von Jahren benutzen obne ikn einmal zu düngen. Trotzdem liegt er aber zum großen Theil lmbenutzt da und erst in der neuesten Zeit fangeu Armenier wiederum an sich hier niederzulassen, um iu kurzer Zeit wohlhabend z» werden. Auch die Russeu haben die vortreffliche Lage Lori's erkannt und außerdem, daß sie cs zum Sitz des Pristaffs gemacht haben, resioirt noch hier ein Theil dcr transkaukasischen Artillerie, und zwar in Dschclar-Oglu eine Batterie von tt Kanonen und ein Artilleriepark. In dem eine Stunde entfernten Gargar stehen sogar zwei Bcmerk'ü und die dciHü gehörigen Artilleristen sind sammt-lich velheurathcr. Allenthalben wohl?, man blickl sieht man Spuren von V?r-Wüstungen und ^eugm, daß einst die Thäler der Dcbeda und ihrer Nebenflüsse mehr bewohnt waren. Die Gründung eines besonder» armenischen Königreichs (von dem ich schon obei« bei der Besckrcl-bung von Grusisch.Armenieu gesprochen habe) in der zweien Halstt des zehuseu Jahrhunderts m,d dann die VerleM'g des Hauptsitzes 357 der mächtige» Orpelianer nach Lori rlef die hohe Cultur des Landes hervor. Mein erstes war, dasi ich trotz des Regens die Veste Lori besuchte. Sie liegt in einem Winkel, der durch die Mündung des Dschelar in die Debeda gebildet wird und besitzt eine feste, fast uneinnehmbare Lage. Und doch gibt es wenig Vesten, die so häufig erobert worden sind, und bald wurde sie eine Beute der Armenier oder Grusier, bald hingegen der Seldschuken oder spater der Türken. Sie wird von den beiden steilen Ufern der Debeda und des Dschelar eingeschlossen und eine hohe Mauer umgibt sie von der Landseite. Nur hier befindet sich der einzige Eingang, ein schmales unbedeutendes Thor. Inwendig haben sich einige Armenier angesiedelt und wie es scheint die Ruinen zn ihren elenden Hütten verbrauche, denn außer einer kleineu schwarzen Kirche fand ich keine altern Spuren. Wachuscht und Eichwald halten die Veste für die Stadt, es scheint mir jedoch, als wenn die letztere selbst weiter östlich gelegen hätte und diese Veste nur ein Zufluchtsort der armenischen Konige aus dem Stamme der Gorischehaner sowohl als der orpelianischen Fürsten gewesen wäre, denn von Dschelaroglu an den Fluß abwärts sieht man auf freiem Felde eine Menge Ruinen und zum Theil noch ganz erhaltene Kirchen, die nach den Aussagen der hier wohnenden Armenier einst zu der grosteu Stadt Lori gehörten. *) Auf dem jenseitigen Ufer der Debeda befindet sich ein großer Gottesacker zum Theil von einer Mauer umschlossen und auf ihm sieht man dieselbe Art von Grabsteinen, wie ich sie schon in der Nähe des weißen Schlosses gesehen und weiter oben auch schon beschrieben habe. Am 25 April hane sich der Himmel einigermaßen aufgeheitert und sv zog ich in Begleitung eines armenischen Schulzen (Wekil) *») aus, um den interessanteren Theil von Lori kennen zu lernen. Der Fluß Debeda stießt mitten in dem ziemlich breiten Thale und die Russen nennen ihn wegen seiner hohen felsigen Ufer und der in ihm *) Klaprotl) und St. Martin lassen irriger Weise die Stadt Lori noch jetzt enstiren und bewohnen, S. Klaproth Reist nach dem Kaukasus; Bd. N. S. ?. 8t. >V1»l-nn memoirs «ul- l'^r'n6»lll; 5'. l. p. 85. *5) Das Wort Wekil ist arabisch, aber von den Armeniern allgemein gebraucht. In ihrer Sprache wird der Schulze Tanu-Ter, d. h> Herr des Hauses, genannt. Die Tataren bedienm sich auch des Wortes Kjochwa. 358 liegenden Steinblbcke Kamenka, d. i. Steinsiuß. Wenige Schritte von dem eigentlichen Dschelaroglu entfernt stoßt man allenthalben auf Steinhaufen und nnter ihnen finder man viereckige Steine von nicht unbedeutender Größe. Die Kirchen, meist von geringem Umfang und sämmtlich von Basalt erbaut, hatten sich in der Regel erhalten und werden zum Theil von den Emgebornen zu Getreide-Magazinen benutzt. Nur einmal fand ich die Spuren einer Veste, die wahrscheinlich im Mittelpunkte der Stadt Lori lag und jetzt nur noch auf der nördlichen Seite einen bedeutenden Theil der Ring-Mauer unverändert besitzt. Hier muß man die Stadt Lon suchen. Nach den Sagen soll sie ein gewisser Sembat Lori erbaut haben und es scheint, da kein Gorischehaner diesen Namen führt, daß Sempad i vielleicht schon in der Zeit, als ihn sein Vater Aschod I als Statthalter hierher sandte, sie gegründet habe. Leider sind mir die zahlreichen Inschriften, welche ich hier gesammelt, wahrend der traurigen Zeit meiner Krankheit weggekommen; sie hätten ohne Zweifel manchen Aufschluß gegeben. Eine halbe Viertelstunde von dieser Veste entfernt fand ich wiederum eine Kirche, die sich durch Große und Pracht vor den übrigen auszeichnet. Sie schien neuern Ursprungs als die übrigen zu seyn und der Sage nach soll hier auch nach der Zerstörung von Lori eine andere Stadt mit Namen Amrakis cristirt haben. Zwei Stunden von Dschelaroglu liegt das große armenische Dorf Tulakarak und von diesem eine kurze Strecke entfernt die beiden dazu gehörigen Weiler Hoparzi und Wortaplur. In den ersten« führte mich mein freundlicher Begleiter, der Wekil genannter drei Orte, und beherbergte mich in seinem großen Hause. Dieses Haus, dessen Oberfläche dem Boden gleich war, verdient eher den Namen eines unterirdischen Labyrinthes, denn es bestand aus einer großen Menge zum Theil geräumiger und hoher Zimmer, zu denen das Sonnenlicht nur durch kleine Locher in der Decke eindringen und dadurch einen düstern Schein im Innern hervorrufen kouute. Dle Zimmer waren so einfach als möglich und besaßen über einander gelegte Stcmc, die wohl von den vielen Ruinen stammten, als Wände. Nicht in der Mltte, sondern an einer Wand befand sich das Kamin, von dem der Rauch durch eine besondere Oeffmmg nach außen ging» Außer den Schlafstelleu und dcn darüber ausgebreiteten Teppiche« fanden sich keine Meubles vor. Das erste Zimmer war am gerau- 339 migsten und stellte das Wohnzimmer der zahlreichen Familie meines Wirthes dar. Die hintern Gemächer dienten dem Vieh zum Aufenthalte und jeden Morgen weckten mich die unharmonischen Tone desselben aus dem süßen Schlafe. Der weibliche Theil der Familie hatte ein Seitenzimmer eingenommen, schloß sich aber durchaus nicht so sehr ab, wie es bei den Grusiern der Fall war. Die Glieder glichen zwar im allgemeinen den Grusiern, waren aber kleiner und vor allem zeichnete sie eine regelmäßig gebildete Nase aus. Auch erschien das Gesicht weniger markirt und stets machten die jängern Mädchen einen freudigen Eindruck. Hart an dem Weiler Wortaplur befindet sich ein kegelförmiger und mit Laubholz bewachsener Trachyt-Berg und auf ihm liegt eine alte Kirche, welche dem heiligen Sarkis gewidmet ist. Sie führt daher den Namen Surb-Sarkis. Erbauer soll ein gewisser Sarkis, der sich unter dem Gorischehaner David im Kriege auszeichnete, gewesen seyn, und demnach fällt ihre Entstehung iu das Ute Jahrhundert. Sie wird noch besucht und an gewissen Tagen strömt eine Menge gläubiger Armenier den Berg hinauf, um da oben zu beten. Wormplur ist ohne Zweifel derselbe Ort den die Araber Sil-Wardeh nennen; denn der letztere Name bedeutet Rosenstrom, der erstere hingegen Rosenberg. 1064 zwang Alp-Arslan die Bewohner ihre Kirche» zu zerstören und den Islam anzunehmen. In Begleitung eines Sohnes meines Wirthes besuchte ich auch die interessanten Ufer der Debeda. Sie fallen um so mehr auf, als man sie mitten in der Ebene gar nicht erwartet. Im allgemeinen gleichen sie den Gründen der sächsischen Schweiz, so z. B. dem Ottowalder-Grunde, jedoch stellen diese nur in Miniatur auf, was sich hier in seiner ganzen Größe entfaltet. In den Zeiten wo Mohammedaner und Christen abwechselnd den fruchtbaren Gau verwüsteten, fanden die verfolgten Einwohner in den unzugänglichen Felsen der steilen Ufer einen sichern Zufluchtsort und allenthalben sieht man noch Spuren von Höhle,/und Wohnungen. D.e Unglücklichen suchten sich meist schräge Stellen und bahnten sich m.r unsäglicher Mühe in den harten Basalt-Felsen emen schmalen Pfad, auf dem nur ein Mensch vorsichtig wandeln konnte. Wahrscheinlich befinden sich hier die neun Höhlen, von 360 denen die grusische Chronik spricht, daß König Simon sie im Jahre 1582 eingenommen habe. ^) Raubthiere, besonders Füchse und Bären und Raubvögel lM ben jetzt, wo der Frieden auch in diese Thäler eingewandert ist, die Zufluchtsstätten der Menschen eingenommen und verbreiten nun Mord und Tod an den früher friedlichen Stellen. Aber nur die obere Hälfte dieser mehrere hundert Fuß hoben Ufer ist mir solchen steilen und senkrecht abgehenden Felsen versehen, und mehr nach unten beginnt eine schräge Ebene, die wiederum mir derselben schwarzen Erde wie das ganze Thal bedeckt ist. Eine ziemlich dichte Vaumvegelation von Ulmen und Eschen findet hier reichliche Nahrung und außerdem wuchern üppige Krauter in reichlicher Fülle, selbst in den kleinsten Ritzen des Vasaltes. Mit vieler Mühe gelangte ich bis zur Tiefe des Bettes herab, und weißschäumend und laut tosend floß das wilde aber helle Wasser über die Steine und die heruntergestürzten Baumstämme. Vergebens versuchte ich neben dem Flusse diesen abwärts meinen Weg weiter zu verfolgen, um das berühmte alte Kloster Sanain zu erreichen, und so war ich gezwungen mir vieler Mühe wiederum auf die Höhe des Thales zu klettern. Mein Begleiter führte mich am andern Tage zu dem Fischflusse (Baloch-Tschai), einem Nebenflüsse der Debeda, und zwar zu der Stelle wo er ebenfalls begonnen hat den vulcanischen Boden auszuhöhlen. Ein armenisches Dorf, Gurtan mit Namen, liegt hier. Durch den Wekil auf den classischen Voden aufmerke sam gemacht, sah ich mich wiederum in der Mitte von Spuren einer frühern Cultur. Gurtan soll einst eine bedeutende Stadt gewesen seyn und mehreren Königen zur Residenz gedient haben. Namentlich wurde mir einer von diesen, Namens Aschod, genannt, der hier begrabei: liegt. Sein Grab wird durch mehrere viereckige in ein Viereck zusammengelegte Steine, auf denen in der Mitte ein 4 bis 5 Fuß hoher flacher Stein mir einer etwas undeutliche» Schrift ursprünglich aufrecht stand, aber im Verlaufe der Zeir heruntergcworfen ist, bezeichnet. Eine Menge anderer aber kleine- *) ©. Matci'iaux pour scrvir ä Thistoirc dc Göorgie par l$ross«t ill Memoires dc l'acadeinie impcrialc dc sciences dc St. l'eters-bourg, VT. Serie; pag. I9Ü. 3. 9Jote. M rer Grabmäler, jedoch von derselben Form standen rings herum. Der Name Aschod ist schon der zweite Name eines Herrschers von Lori, der unter den von St. Martin in seinen Memoiren genannten Königen aus dem Stamme der Gorischehaner nicht aufgeführt wird, und es ist deßhalb um so wahrscheinlicher daß Taschir schon früher der Sitz vielleicht einer bagratidischen oder sogar einer arsacidischen Nebenlinie gewesen ist, zumal wir wissen daß die Konigin Chosrowanoisch, die Mntter vonGurgen Gorischeh l, gern in diesen Gegenden verweilte und die beiden gleich zu erwähnenden Kloster Sanain und Achpad gründete. *) Immer mehr bedaure ich die dort gesammelten Inschriften verloren zu haben. Eine kleine Strecke von Gurtan entfernt erreichten wir einen Pfad, der zn dem tiefen Bette des Fischflnsfts hinabführte. Die Thal-Ebene Lori verengert sich hier und hört plötzlich vor der Tiefe in der die Debeda mit dem Fisch-Flusse sich vereinigt, auf. Auf der Nordseite beengen es die steilen Felsen des Lclwar, auf der Süd; seite hingegen die des Besobdal auf eine solche Weise, daß es kaum der mit dem Fischfiusse und spater mit dem Vambak vereinigten Debeda gelingt ihren Weg weiter fortzusetzen. Von der Höhe selbst war es mir möglich die Vereinigung genannter Flüsse und die romantischen Umgebungen zu erschauen. Unter mir wohl gegen 200 Fuß nef breitete sich ein lachendes Thal, in dem sich die Flußbetten der Debeda und des Fischflusses aufgelöst hatten, aus, und in ihm entfalteten sich im üppigen Wüchse Baume, Sträu. cher und Kräuter. In alten Zeiten mag das ganze untere Thal ein See gewesen seyn und noch früher war wohl der ganze Di^ strict Lori mit Wasser bedeckt, bis es diesem endlich gelang das Basaltgebirge zu durchbrechen und in dem breiten Thal des Kurd-Wadschri (der untern Debeda) hinlänglich Raum zum Weiterfiießen zu bekommen. Rechts erhob sich eine unbedeutende Höhe und auf ihr erbaute die Konigin Chosrowanoisch schon in der Mitte des lOten Jahrhunderts ein Schloß, was sie zn ihrer Sommerresidenz erwählte. Ihre Frömmigkeit bestimmte sie auch zwei Klöster zu gründen, die beide noch wenig beschädigt sich vorfinden. Sanain liegt auf besagtem Hügel. Weiter hin erheben sich schroffe Basaltfelsen in die Höhe und ein solcher, der eine ab- *) Wachuscht behauptet, daß sie grusischen Ursprungs sepen. 362 geplättete Spitze besitzt, trägt das Kloster Achpad. Nun bilden senkrechte Felsen ein tiefes kaum 20 bis 24 Fuß breites Thor, durch das die Dcbeda laut tosend und wildschäumend ihren Weg nimmt, um an gleichen Felsen des Berdudsch-Gebirges angekommen, in ihrem Laufe gehemmt, diesem entlang eine nördliche Richtung zn nehmen. Von der südlichen Seite sieht man den Vam-bak auf gleiche Weise eingeengt und seinem Lauf eine nördliche Richtung gebend, vereinigt er sich mit der Debeda, um gemeinschaftlich mir ihr sich einen Weg zwischen dem Berdudsch und Lelwar nach der breiten Thalebene Kurd-Wadschri zu erzwingen. Mit großer Vorsicht führte mich mein Begleiter in das lachende Thal hinab und ein schöner Laubwald nahm mich unten auf. Meine erste Richtung wendete ich auf das Kloster Sanain, und zum großen Glück bildete ein umgestürzter Baum eine Brücke über den zwar schmalen aber doch tiefen Fischsiuß. Wie die Katzen kletterten wir die Felsen aufwärts und gelangten endlich auf den Hügel wo das Kloster steht. Eine schauerliche Stille herrschte um uns als wir aus dem Ulmengebüsche in den Hofraum eintraten, und es war mir als wenn all die großen Männer, die einst hier gewandelt haben mögen und der hier herrschenden Cultur sich erfreuten, aus ihren Grabern erwacht wären, um den Fremdling, dessen Fuß nach vielen Jahrhunderten sich hierher verirrt hatte, zu begrüßen. Alle Gebäude waren noch ziemlich erhalten und aus festem Basalte erbaut; hier und da zeigten sich aber doch Spuren einer allmählichen Zerstörung. Die Gebäude bestehen aus vier Wohnhäusern, einer Kirche, die sich nicht von den andern des Districts unterschied, einem länglichen Gebäude, das nur einen großen Saal einschließt, aus einem andern Gebäude in Form eines Quadrates, das den Türken häufig als Getreidemagazin diente, und aus einer kleinen Capelle. Ueber dem Eingang der Capelle war eine Inschrift und ebenso fand ich auch auf zwei Steinen innerhalb der Kirche, die wahrscheinlich Grabmäler waren, etwas aufgezeichnet. Von hier aus eilte ich zu dem auf kühnen Felsen erbauten zweiten Kloster Achpad (Hachpath arm.), suchte jedoch vergebens cinen Pfad der mich hinaufführen sollte. Während ich so an den Felsen herumkletterte, gewahrte ich eine Hohle und gegen den Willen meiner armenischen Begleiter suchte ich sie zu erreichen. Naie njidfottflflen trauter roaren: Ranunculus polyr-rhizos Steph., R. napellifolius DC, Anemone albana Steph» mtt weiftet unb bfatiec 93li*itl)e; Arabis alpina L. unb bte 2lbart^ noeld)c ©tcücn A. albida ncnnt J Cerastium alpinum L., C. species indeterminata (f, Linnaea XV, 709); Viola collina Bess., Oro-bus caucasicus Spreng., Scrophularia vernalis L., Veronica multifida L., V. austriaca L., V. tenuifolia Stev,, Caccinia glauca F. et M., Myosotis sparsiflora Mikan; Hyoscyamus orientalis M. BM Euphorbia amygdaloides L., E. salicifolia Host; Mus-cari ciliaturn Kcr.; PuschUinia scilloides Adams; Oraithogalum refractum Kit.; Carex Michellii Host.; Carex subvillosa M. B. ttnb Melica nutans L. Erst am 27 April verließ ich das reizende Lori um über den Besobdal nach dem Districte Bambak zu gehen; ich richtete meinen Weg deßhalb nach der von den Russen gebahnten Straße, welche die Verbindung zwischen Tiflis und Humri und früher auch zwischen Eriwan und Tiflis herstellt, und kam, bevor ich die Berge e> stieg, nach dem armenischen Dorfe Gargar *) und der Militärcolonie gl. N. Wie fthr contrastirten beide Orte mit einander! Hier die letztere mit ihren regelmäßig gebauten hundert Hansern, denen man doch ansah daß sie von Menschen bewohnt wurden, dort die armseligen Spelunken der Almcnier, die eher Thieren ein Obdach geben sollten als Menschen. Die Straße über deu Besvbdal ist leichter zu passire»' als die über den Lelwar, und ohne ein Hinderniß erreichte ich schon nach zwei Stunden deu Kamm des Gebirges. Nach Parrots barometrischer Messung beträgt er hier 6268 Fuß. Die vulcanischen Kräfte scheinen hier weir weniger wirksam gewesen *) Die Russen nennen es Gerger und dir Militärcolonie Schensttl-Gerger, d. h. verheurathetcs Gerger. 365 zu sem,, denn nirgends fand ich verworfene Massen und selbst die Trachyt- und Hornsteinporphmgebilde traten in den Hintergrund, um wenigstens im Anfang einem Urkalt von grauer Farbe Platz zu machen. Die Vegetation war anch keineswegs so üppig wie auf dem Lelwar und die Waldungen weniger dicht erstreckten sich kaum bis über die Hälfte des Gebirges. An interessanten Pflanzen sah ich: c^ltn» p»I«8^i« I.. in seltner Grdße; 'l'iolll,^ »omolie. ticus C. Koch; Viola somcheiicn C. Koch; Geutiana humilis Stev.; Frittillaria tulipistora M. IJ. unb Gagea chloranlha Stev. Je höher ich kam, um desto mehr traten nackte Felsen hervor. Trotzoem auf der andern Seile die Trachyten wiederum fast alleinig auftraten, so war doch nirgends der wilde Charakter des Lelwar zu finden. Die zahlreichen auf dem Vesobdal entspringenden Bäche haben zwar mit der Zeit tiefe Schluchten in die Berge gerissen, aber sie sind sämmtlich mehr oder weniger abgerundet. Einen solchen Bach abwärts fllhrt der Weg zwar steil aber glatt abwärto und ich freute miä) alodald das liebliche Thal des Bambak zu erblicken. In dem Dorfe Tursali gönnte ich mir und den Pferden nur kurze Ruhe m>d eilte dem Flüßchen Vambak entlang nach Karaklissa, wo der Wekil bereils von meiner Ankunft in Kenntniß gesetzt war. Es war am grünen Donnerstage, an dem ich in Karatlissa, das wörcliä) übersetzt Schwarzkirche bedeutet, ankam und dao ganze Dorf in lautem Jubel fand. Man strömte in großer Menge nach der Kirche; hätte ich aber das ehrwürdige Gcbaude selbst nicht gesehen, so wäre ich eher auf die Meinung gekommen, daß irgend eine Volksbelustigung und nickt eine religiose Handlung staltfände. Es war ein Schreien mid Lärmen durchelinnider, wie es uiir irgend bei öffentlichen Volksbelustignngcn seyn kann. Mf de» Wunsch der kirchlichen Feierlichkeit, die in der Waschung bestand, beizuwohnen, machte mein freundlicher Wiith, indcm er einen seiner hangenden Aermel ergriff und damit unter 5a6 Volk schlug, schnell Platz und so befand ich mich alsbald in der Nahe der Poster. Die Feierlichkeit des Wasche„s begimu nach einer großen Messe damit, das; sich die Priester unter einaudcr die Füße waschen. Hierauf ist es dem Volke erlaubt Theil zu nehmen, aber bei ihm geschieht uichr die Waschung der Füße, sou-dern die der Hände, und der Priester, welcher die heilige Handlung 366 verrichtet, sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem schönen Teppich. Vor ihm liegen die Gläubigen auf den Knien und strecken (wenn ich nicht irre) die linke Hand aus, damit der Priester mit einem in das geheiligte Wasser getauchten Schwamm über den Rücken derselben sireichen kann. Hierauf nimmt ein zweiter Priester ein Stück Butter (das eben die wohlriechende Salbe vertreten soll) und legt es auf die befeuchtete Hand. So ist die Waschung geschehen und man eilt nach Hause um die geheiligte Butter in einem besondern Töpfchen aufzubewahren, denn sie ist nun ein Universal-Mittel gegen alle Krankheiten, besonders aber gegen Augenübel. Das Dorf Karaklissa ist sehr alr und soll nach einer Inschrift von einem gewissen Stephan unter der Regierung von Johannes Arschakoff erbaut seyn. Ich bezweifle aber die letzte Angabe *), da der Name Arschakoff weder in der armenischen noch grusischen Geschichte existirt. Wahrscheinlich ist er ein russisicirter Name und wohl aus Arschag (Arsaces) entstanden. Der letzte Arsacide Armeniens mit dem Namen Arschag und zwar der vierte dieses Namens starb aber schon 389. Mir scheint es, daß, da Vambak wie Lori ein Lieblingsthal des Königs Aschod I gewesen ist und demnach gegen das Ende des 10ten Jahrhunderts besonders blühte, die meisten Ruinen von Kirchen aus der Zeit stammen. Der Name Karaklissa ist ohne Zweifel erst spater entstanden und die Armenier, welche hier später sich niederließen, nannten eben ihren neuen Wohnort nach der alten von schwarzem Vasalt erbauten Kirche in der sie ihren Gottesdienst hielten, Kara-Kilissa, d. h. Schwarzkirche, ein Name der häufig in Georgien und Armenien zur Bezeichnung von Dörfern vorkommt. Die Kirche wurde vor nur 15 Jahren durch ein Erdbeben zerstört. Eichwald, dem wir auch obige Nachricht verdanken, behauptet, daß Timur sie verwüstet habe und verwechselt deßhalb die erste bedeutende Verwüstung des ganzen Gaues Taschir durch den fanatischen Herrscher der Mongolen mit der spätern der Kirche. Die größere Bedeutsamkeit erhielt Karaklissa in der allerneuesten Zeit, wo die Russen Straßen nach Humri und Eriwan bahnten und nach dem Dorfe selbst einige Bataillone des Tiflis"' Jägerregiments verlegten. Seitdem aber die Straße nach Eriwan durch Kasachien geht und die nach Humri eine Stunde entfernt 5) Eichwald, Reift nach dem Kaukasus; S. 496. 367 sich westlich wendet, ist Karaklissa wiederum ein gewöhnliches Dorf geworden. Nur ungern bedienen sich die frommen Almenier der neuen Kirche und besuchen lieber die kleinen entfernt liegenden Capellen. Man sagt es ruhe der Fluch auf ihr, denn der frühere Wekil und Erbauer habe das Geld der Kirche auch anderswo verschwendet und mit der Frau des Priesters Ehebruch getrieben. Auch soll die letztere ihren Mann vergiftet haben. Der 28 April erlaubte mir kaum meine Wohnung zu verlassen, so sehr fiel immer Regen herab und ich war deßhalb vergnügt in der nächsten Nahe einen Landsmann zu finden. Zwei Armenier haben nämlich in der Nahe des Dorfes eine Branntweinbrennerei, die so viel ich weiß die einzige in Grüften ist, erbaut und die Leitung derselben einem Deutschen aus den Ostsee-Provinzen anvertraut. Wie die russische Regierung die Verbreitung dieses Giftes auch in den entfernten Winkel Grusiens hat gestatten können, begreife ich nicht! Die Einrichtung der Brennerei ist roh. Aus einem Pud (40 russische und ungefähr 35 Leipziger Pfund) Gerste, die man zu 10 Kopeken Silber (3 Silbergroschen) kauft, wird nur eine Tunke (ungefähr 5 Weinflaschen) Branntwein, die man zu 80 Kopeken (24 gr.) verkauft, bereitet. Um das Thal näher kennen zu lernen, machte ich an dem Tage vor Ostern eine Ercursion zuerst nach dem gegenüberliegenden Gebirge, was einen Theil der ächten Kura-Arares-Wasserscheide bildet. Ich gmg einem unbedeutenden Bache aufwärts und fand daselbst wiederum denselben grauen Kalkstein, den ich schon auf der Nordseite des Besobdal angegeben habe. Auch die Vegetation unterschied sich nicht und nur waren die Eschen und Ulmen Lori's wieder verschwunden; anstatt ihrer stellten sich hier und da Kiefern ein. Nun wandte ich mich der andern Seite zu, überstieg deßhalb einen abgerundeten Kalkberg und ging einem engen Thale abwärts. Ein alter armenischer Gottesacker mit einer Menge Denkmäler trat mir entgegen, aber auf keinem war eine Schrift zu bemerken. Mitten auf ihm hatte man auf einem neuern Grabe eine Menge Steine aufgehäuft und hierher kommen bestandig fromme Menschen um Opfer niederzulegen. Lumpen, besonders von kranken Kindern, und Eier lagen da. Der Sage nach soll hier ein Priester 368 au einem Sonntage vom Blitz erschlagen worden seyn. Man nennt deßhalb die Stelle Surb-Kiraki, d. h. heiliger Sonntag. Auch einen Stein von der Ruine einer Capelle zeigte man mir mit dem Bedeuten, daß durch sein bloßes Berühren viele Wunder geschehen wären. Jedermann geht deßhalb mit entblößtem Haupte vorbei. Nicht weit davon liegt das tatarische DorfWartanly und an ihm vorbei geht die Straße über das Gebirge, dessen höchster Punkt hier Maimech heißt, nach Armmien. Die höchste Stelle des Ueberganges betragt nach Parrot 7355 Fuß über dem Spiegel der Meeressiäche. Den Bambak, der durchaus nicht die hohen Ufer wie die Debeda hat, verfolgte ich in seinem östlichen Lauf bis zu der Stelle wo er in dem Winkel, der durch den Abgang des Verdudsch-gebirges von dem Hauptkamm des untern Kaukasus gebildet wird, angekommen seine Richtung nordlich fortsetzen muß. Hier wird er plötzlich von dem Berdudsch und Vesobdal so eng eingeschlossen, daß er nur mit großer Anstrengung der Debeda zustießen kann. Dieselben vnlcanischen Formen bilden das Bett des Bambak wie das der Debeda, nur hatte das Gestein eine grauere Farbe, war poröser und zerbröckelte sich leichter. Man sagte mir, daß es an der Lnft allmählich harter werde. Ohne allen Zweifel war es Lava, oder vielmehr Traß, was ich vor mir hatte; das Gestein unterschied sich aber wesentlich von dem wie ich es einige Tage später m dem Gerstenfiusse fand. Leider wurde ich durch eintretenden Regen gezwungen meine Untersuchungen einzustellen, und ich will deßhalb nur noch hinzufügen, daß einzelne Felsblocke, wie ich sie im Thale der Debeda beschrieben babe, hier nicht vorkamen; wohl aber befanden sich im Bette des Bambak dieselben trachyrischen Gebilde, doch im allgemeinen von graner oder schwarzlicher Farbe. Nur einzeln sah ichUrkalk- rderFeldspath-Trümmer. Den ersten Ostertag war tch Zeuge der armenischen Feier, und wie in Rußland so herrscht auch durch ganz Armenien die Sitte des gegenseitigen Küssens und Eier-Schenkens. Mit den Worten: l>!il'l8tc>» ^riujl' i moi-olioi/. (Christus ist gestorben und wieder aufgestandcu) grüßte ein jeder der mich erschaute, reickte mir ein Ei und küßte mich. Orcknoali nru nun <^ir^ 5lo5,' (die Auferstehung Christi sey gesegnet) war meine Antwort, und als Gegengeschenk gab ich ein anderes Ei. Ich ,m»ß gestehen, 369 daß ich herzlich froh war als alle die schmutzigen und ungewaschenen Armenier durchgeküßr waren. Der traurige Aufenthalt in meiner unterirdischen Wohnung machte mich auch mit dem weiblichen Personale bekannter, und so wurde mir gestattet der Brodbereitung zuzusehen. Weizenmehl wurde ohne Sauerteig mit Wasser gemengt und der Teig vermittelst einer hölzernen Walze kuchenähnlich ausgebreitet. Solche Kuchen waren in der Regel 2 bis 2'/> Fuß lang und 1 Fuß breit, und befanden sich auf mit Kattun gefütterten und mit Mehl bestreuten Brettern derselben Form. Der Backofen ist unterirdisch bis 4 Fuß tief, hat 3 Fnß im Durchmesser und eine nach unten sich allmählich zuspitzende Form, und ist aus kleinen über einander gelegten Steinen erbaut. Oben sieht er mit einem Gerüste in Verbindung und unter ihm ist die Erde zum Theil ausgehöhlt, so daß er frei in einer Vertiefung hängt. In diese bringt man das Feuer und erhitzt so den Backofen. Sobald die Steine hinlänglich erhitzt sind, nimmt man das Brett mit dem darauf befindlichen kucheuähnlichen Brode und klebt dieses der innern Seite des Ofens an. Sobald es herunterfällt, ist es ein Zeichen daß es gar ist und hurtig nimmt man es heraus. Einen Zustand des völligen Ausgebackenseyns findet man nur selten, und demnach sind die Brode entweder verbrannt oder wenigstens sehr hart oder noch ganz weich. Bequem sind sie, weil sie zu gleicher Zeit als Teller und als Serviette dienen, denn auf ihnen liegt das Fleisch, was man mit den Händen faßt, und an ihnen trocknet man wiederum die fettigen oder wenigstens nassen Finger ab, während man ein Stück nach dcm andern abreißt, um es zu verzehren. Die Armenier nennen sie Lawaschi, die Grusier Loscht und die tatarischen Völker Hocha-Bischi. Die unangenehmste und schmutzigste Handlung erfolgt nach dem Vrodbacken. Die ganze Familie, Inng und Alt, Mädchen und Frauen, Männer und juuge Bursche, setzt sich in einen Kreis um den erhitzten Ofen, um ein Kleidungsstück nach dem andern auszuziehen und über der ausstrahlende» Wärme auszuschütteln. So fallt das zahlreiche Ungeziefer jeder Art von der Hitze betäubt in das Innere des Ofens, um hier unterzugehen. Trotzdem hält man das Reinigen des Ofens für unndthig und ist dann gezwungen das freilich verkohlte Ungeziefer mit den Lawaschen zu essen. leistn und Llind^beschrcibmMn. XXV. <)H (Reife nach Kaukasien.) " 370 Den 30 April verließ ich Karaklissa, ging das Thal des Bambak aufwärts und gelangte ungefähr 1^ Stunden vor dem Dorfe Hamamluh an die Stelle, wo im Jahre 1804 der tapfere Major Montresor mit einem Bataillon von 104 Mann und einer kleinen Kanone von Morgens 7 Uhr bis Nachmittags 4 Uhr gegen die 15,000 Mann starken Perser kämpfte und endlich der großen Uebermacht unterlag. Aufgehäufte Steine in ihrer rohen Urform und kein Denkmal bezeichnen die Stelle wo der kühne Major mit seinen Getreuen begraben liegt. Mit Hamamluh verändert sich das Thal, wenn auch der Fluß fortwährend in gleichem flachem Bette fließt. Die Berge, wiederum ein schwärzlicher Trachyt, sind nur von einer leichten mit kleinen Steinen besetzten Erde bedeckt und geben den armseligen Gräsern und Kräutern kaum hinlängliche Nahrung. Wenn sie auch noch die abgerundete Form besitzen, so treten doch neben ihnen einzelne nackte und zerrissene Felsen hervor. Die Flora war weiter zurück als in Karaklissa. Alle Vaumvegetation hörte auf, und nur an dem Ufer des Bambak befanden sich einzeln Weiden, i'aiüHrix Fsliie» I^. und Itippo^lia« rkainnoiäe» 1^.. Unverändert blieb das Thal auch über Hamamluh nach dem Dorfe Begkent (türkisch, Parnigeg armenisch) zu, und die Einwohner sind hier gezwungen den Koth des Rindviehes anstatt Holz zu verbrennen. Trotzdem besitzen die genannten Dörfer ein freundlicheres Ansehen und die Häuser sind mehr überirdisch, ja zum Theil selbst regelmäßig und von Stein erbaut. Das ganze Thal bezeugt auch eine größere Betriebsamkeit feiner Bewohner, als in Karaklissa eö der Fall war, und nur selten fand ich unangebaute Stellen in ihm. Wahrscheinlich nur zum Transport durch das Gebirge bedient man sich der Esel, die hier ein munteres frisches Ansehen hatten, aber kleiner als die unsrigen waren. In genannten Dörfern wurde mir das Vergnügen zu Theil die Schlafstelle in einem Verschlage des Eselstalles zu besitzen und am Morgen durch die grellen Töne unserer Lastträger geweckt zu werden. So gering auch meine Ausbeute an Pflanzen im Thale des Bambak war, so zeichneten sich doch die aufgefundenen Arten hinlänglich aus. Die wichtigsten waren: (^rex »wnopkvlw vv^klonb., Gagea reticulata Schult, ß. minima, Sesteria elongata Host, Scleranthua Yerticillatus Tausch,, Plantago saxatilis JW. B«> 371 Androsace villosa L., A. albana Stev., Scrophularia variegata M. B., Pedicularis comosa L., P. verticillata L., Gymnandra stolonifera C. Koch, Doaba ericifolia Stey,, D. brunifolia Stev., Thlaspi annuum C. Roch, Viola occulta Lelim. imfc Ranunculus napellifolius D. C. In Parnigeg (was, wie auch der tatarische Name Begkent, Dorf des Herrn bedeutet) wurde ich einen halben Tag aufgehalten, da eine Menge Kranker, unter denen sich viele Frauen befanden, sich einstellten und von mir Abhülfe verlangten. Vergeblich bemühte ich mich aber wiederum eine Frau dahin zu bringen mir die Zunge zu zeigen. Wie ich schon oben erzählt, wurde die ganze Unterhaltung mit abgewendetem Gesichte und sogar mit umgedrehtem Körper gepflogen. Von Parnigeg steigt man immer dem Bambak entlang aufwärts und gelangt schon zeitig auf die Höhe der Kur-Arares-Wasserscheide, die hier sehr niedrig ist und deßhalb auf einigen Karten gar nicht als Bergrücken angegeben erscheint. So nimmt z. B. die Tifliser Stabskarte hier ein Thal an, durch das der Weg nach Humri führt. Zum erstenmal erblickte ich von hier die Gebirge Armeniens in ihrer ganzen Entfaltung, und der südwestliche Tschildirdag zog sich mit seinen weißen Häuptern mir zur Rechten. Unter mir breitete sich die große Hochebene Schu-ragel bis zu den Bergen von Kars aus und wurde im Osten durch den mächtigen ausgebrannten Vulcan Allagas begränzt. Ein unbedeutender Bach entspringt auf der Südseite des hier niedern Bergrückens, und ihm entlang führt der Weg nach Humri. In jeglicher Hinsicht gleicht der südliche Abhang dem nördlichen, und wie dieser so wird auch jener von betriebsamen Armeniern bewohnt. Die unbedeutenden Dörfer liegen meist hinter geringen Anhöhen versteckt, als fürchteten die Einwohner noch die Ueberfalle der Türken. Honaggran ist das erste Dorf in der Ebene Schuragel und wird von Armeniern bewohnt. Ein un-zeitiger Hochmuth meines Uebersetzers hatte mich in große Verlegenheit bringen können, denn schon hatten die gereizten Armenier diesen und meinen Bedienten zu Boden geworfen, als ich, den großen Respect aller Orientalen gegen Europaer kennend, mit lauter Stimme dazwischen fuhr, und da dieses nichts half mit meiner Reitpeitsche dazwischen schlug» Am wüthendsten benahmen 24* 373 sich die Weiber, und als bereits schon die Männer in demüthige Entfernung getreten waren, schlugen jene fortwährend noch mit großen Stöcken auf meinen Uebersetzer. Da befahl ich meinen mich begleitenden Kosaken die wüthendste zu ergreifen und ihr einige Stockprügel aufzuzahlen. Nichts fruchtete mehr und als, bald erschien der an dem ganzen Streite unschuldige Schulze und bat mich dringend ob der Verletzung der Gastfreundschaft keine Anzeige zu machen. Alle Bewohner Homaggrans waren auf einmal wie umgewandelt, küßten meine Kleider und stimmten in die Bitten ihres Schulzen ein. Das ist das einzigemal, wo ich wahrend meines ganze» Aufenthalts auf dem kaukasischen Isthmus eine thätliche Unfreundlichkeit erfahren habe, und doch lag wohl die meiste Schuld an meinem Uebersetzer. Viele Armenier begleiteten mich nach dem nur wenige Stunden entfernten Humri, das in der Ferne mit seinen platten Dachern eher Ruinen als einer bewohnten Stadt ahnlich sieht. Auf dem Wege begegnete mir ein Trupp schöner junger Männer in prachtige Waffenkleidung gehüllt und begrüßte mich mit einem lauten Hurrah. Sie gingen nach Warschau, um dem Fürsten Paskewitsch zur Leibwache zu dienen. Nahe bei der Stadt kam mir eine Deputation, die mich mit den freundlichsten Worten willkommen hiesi, entgegen. Von meiner Ankunft in Kenntniß gesetzt, hatte einer der reichsten Armenier, Tigranes, bereits sich erboten mich aufzunehmen. In einem prächtigen türkischen Gewände empfing er mich vor seinem Hause und geleitete mich in ein schönes, mit herrlichen Teppichen ausgelegtes Zimmer. Tigranes hatte wohl kaum die Höhe seines Lebens erreicht und stellte einen wohlge form ten, nicht großen aber breitschultrigen Mann dar. Ein prächtiger Kashmirshawl umgab in Form eines Turbans das Haupt, dessen Schönheit durch zwei große feurige Augen und durch einen schönen schwarzen Barr gehoben wurde. Ueber den weireu seidenen Beinkleidern befand sich ein langes lilasammelnes Unterkleid, das an den Hüften durch einen breiten Bund befestigt war. Gleich lang und nicht von dem der Grusier unterschieden war das Oberkleid. Gelbe Stiefeln schlössen den Unterschenkel zum Theil ein und außerdem bedieute er sich «och zur halben Bekleidung des Fußes Pantoffeln, die er jedesmal vor dem Betreten des Zimmers ablegte. Seiu Haus bestand zwar 373 nur aus einem Parterre, war aber geräumig und im allgemeinen bequemer gebaut als ich die Wohngebaude sonst gefunden habe. Allenthalben herrschte die größte Sauberkeit und Reinlichkeit. Obgleich mein freundlicher Wirth Christ war, so lebte er doch in Betreff der Frauen etwas türkisch und besaß in dem Hintergebäude em geräumiges Serail aus mehreren Zimmern und einem Bade bestehend. Tigraneö war einer von den 40,000 Armeniern, welche nach dem Frieden von Hunkiar-Skclessi von dem Kaiser Rußlands auf-gefolderr ihr Vaterland (die Statthalterschaften Erzerum und Kars) verließen, um der Oberherrschaft der verhaßten Türken sich zu entziehen. Leider bereuen aber viele was sie gethan. Der strenge Gränzcordon, welcher seit zehn Jahren auch die transkaukasischen Provinzen von dem übrigen Asien abschließt, hat fast den ganzen Handel der diesseitigen Provinzen vernichtet, und um so mehr sind die in der Türkei zurückgebliebenen Armenier zu einer Wohlhabenheit gelangt, als die europaischen Waaren jetzt sich einen neuen Weg über Trebisoud und Erzerum „ach dem innern Asien geschaffen haben. GinunddreiHigstes Capitel. Peschreibung von Kumri und Ausflüge nach Ani und A l, o h. HumN; die neue Festung; Schuragc! >n,d s.inc Aubdchnung; seme ehemalige Blüthe; Äanlidscha; Erastawors; Plass; Abreise nach Uni; Charakter dcö Gerstcnfwß.-Thalcs -Manzen daselbst; KIsilHlissa; das PaschaM Karö; Dailar; Huschet; Süib.-Gcuika-H°sche-Ma>ik; Ani; die Modelle; Mauzen daselbst; Rückreise; Excursion nach dem Gnu Aboy; daö Ilroa.'Gcbirge; ÄaMili; die Armenier daselbst; die Hochebene von Dschawach; Karagatsch; die Windbev^c: M^n'ise, Humri (oder Gnmri wie die Russen, denen eben der Buchstabe „H" fehlt, die Stadt nennen) verdankt der neuesten Zeit seine Entstehung und ist jctzt zwar „ur die Hauptstadt des russischen Antheils an Vchuragel, wird aber, sobald Rußland die unnatürliche und ihm selbst schädliche Zolllinie aufgibt, es von der gauzcu Provinz werden. Kars ist es bis jetzt l,„d wird es auch noch vor der Hand 374 bleiben. Die Stadt liegt an einem der vielen Trachythügel, die ganz Schuragel durchziehen, nicht weit von dem Gränzsiusse, dem Gerstenflusse oder dem Arpatschai (Rah der Armenier), und besitzt äber 1000 Hauser und zwischen 7—8000 armenische Einwohner. Sie stellt eine ächt asiatische Stadt dar und selbst die Gebäude der Angestellten sind mit wenigen Ausnahmen im asiatischen Geschmack erbaut. Die alte Festnng liegt auf der westlichen Anhöhe und besitzt nur einen armseligen Wall, der durch die ausgeworfene Erde des Grabens sich selbst bildete. In ihrem Bereiche liegen die ebenfalls elenden Gebäude des Commandanten und des hier garnisoni-«nden Bataillons. In größter Unordnung fand ich auch die im letzten türkischen Kriege erbeuteten Kanonen, Mörser und Haubitzen. Sie waren meistens plump und unbeholfen und mehrere der Kanonen hatten ein langes Kaliber. Im Ganzen mochte die Anzahl aller Stücke nicht über 1N0 betragen. Eine halbe Stunde entfernt, auf der bedeutendsten Anhöhe der ganzen Umgegend hatte man den Grund zu einer neuen Festung gelegt und wahrscheinlich hat diese sich jetzt um ein bedeutendes ihrer Vollendung genähert. Den Plan selbst habe ich nicht gesehen und ich kann demnach nur das sagen was mir angefangen zu Gesicht kam. Wahrscheinlich soll die ganze Anhöhe zu einer Citadelle und zum Schutz der Stadt befestigt werden. Allenthalben sah ich abgesteckte Zeichen, die anf jeden Fall die Ringmauer angeben. Anf dem westlichen Ende der Anhöhe war ein eigenthümliches Gebäude vollendet. Es hatte eine längliche Form und bestand aus ringsherum geführten Casematten, von denen eine jede zwar nur eine Kanone zum Schutz hatte, aber auch einzeln vertheidigt werden konnte. Leider wurde mir eine genauere Einsicht nicht vergönnt. Der innere geräumige Hof war noch leer. Der Baustein bestand aus einem weichen Trachyt des felsigen Ufers des Gerstenftusses, und erhielt erst au der Luft die bedeutende Härte, welche ihn auszeichnet. Von der Höhe der neuen Festung wurde es mir möglich die ganze große Hochebene, welche den Namen Schuragcl fnhrt, zu überschauen, und da sie wohl in der Folge eine größere Wichtigkeit erlangen wird, so will ich sie, so weit sie mir bekannt ist, naher beschreiben. Sie erstreckt sich westlich längs des Achurean (dem Flusse von Kars) bis zu dem Gebirge von Tschildir und zieht sich 97» südlich bis zur Mündung des Gerstenflusses in den Arares herab. Oestlich setzt ihr der große Allagas eine Gränze und im Norden scheidet das Ilwagebirge den Gau Abotz von Schuragel. Der höchste Theil der Provinz befindet sich zwischen dem Gerstenflusse und dem AllagHs und die Türken geben ihm, weil er das übrige Schuragel beherrscht, den Namen Basch, Schuragel, d. h. Haupt von Schuragel. Der eigentliche Name der Provinz, dessen sich die Armenier bis in die neueste Zeit bedienen, ist Schirak, und der Name Syracene, den Ptolemaus für eine Gegend in der Nähe der meschischen Berge braucht, ist ohne Zweifel aus Schirak entstanden. Die Türken nen, nen sie Karsuh-Erschir, d. h. Gebiet von Kars, weil sie eine beson« dere Statthalterschaft (Paschalik) bildete, deren Hauptstadt Kars war und zum Theil noch ist. Der Gerstenfluß durchschneidet Schuragel und bringt es in zwei ungleiche Theile, von denen eben der westliche jetzt russisch ist. Unweit Ani nimmt er den Achurean oder den Fluß von Kars, der aber bedeutender ist, auf und dieser trennt den westlichen Theil wiederum in eine nördliche und südliche Hälfte. Humri bildet nicht allein den Schlüssel von Schuragel, sondern von ganz Armenien. In fünfzehn Stunden kann eine russische Armee ohne auf Terrain- oder sonstige Schwierigkeiten zu stoßen, in KarS seyn und in drei Tagen marschirt sie dann längs des Achurean auf die Hochebene der tausend Quellen (Bing-Gohl), um Erzerum zu nehmen. Wenn schon der Gau Taschir als Zeuge der einstigen Blüthe Armeniens unter den christlichen Bagratiden erscheint, so war es noch mehr die Provinz Schuragel, in der zwei Residenzen von Königen, Ani und Kars lagen und von der aus Cultur über das ganze Land verbreitet wurde. Allenthalben sieht man schreckliche Verwüstungen aus einer rohen Zeit und um so mehr vermögen sie einen traurigen Eindruck hervorzurufen als die Trümmer selbst noch großartig sind und die höchste Verwunderung erregen. Die erste Excursion machte ich den Gerstenfluß aufwärts nach dem Dorf Kanlidscha und auf dem Wege dahin wurde mir zum erstenmal das Vergnügen zu Theil den mächtigen Ararat im Südosten zu erschauen. Es ergriff mich bei dem Anblicke des heiligen Berges ein eigenes Gefühl und lange schaute ich unverwandt nach seinem greisen Haupte, das einst die Arche Noahs trug. 376 Der Gerstenfluß besitzt auf beiden Seiten steile Felsen, aber bei weitem nicht so hoch wie die Debeda und scheint früher eine größere Breite gehabt zu haben, denn zum Theil findet man sein Veu nicht allein wasserleer, sondern es haben sich sogar Armenier in ihm angesiedelt. Die Felsen bestehen aus einem lavaähnlichen schwärzlich-grauen Trachyt, der tief im Boden nicht spröde ist und einen Grad von Weichheit besitzt, an der Luft aber so härtet, daß man ihn nur mit Mühe bearbeiten kann. Sein Bruch ist bald mehr glasig, bald mehr körnig und kleine Löcher finden sich besonders an einzelnen Stellen in Menge vor. Dieser Trachyt scheint die Decke von Schu-ragel zu bilden, wird aber nicht von fruchtbarer Erde, wie es besonders in Lori der Fall war, bedeckt, sondern mehr oder weniger zertrümmert besitzt der Boden eine steinige von nur wenig Erde bedeckte Oberfläche. Nur hier und da besonders an dem Gersten« flusse und an einigen andern Stellen hat sich wahrscheinlich erst mit der Zeit eine fruchtbarere Humusschicht gebildet. Mangel an Wasser und eine an und für sich schon bedeutende Trockenheit, die sich in heißen Monaten auf das höchste steigert, sind die Ursachen, daß Schuragel sich im allgemeinen keiner großen Fruchtbarkeit erfreut. Kanlidscha, ein neueres Dorf, liegt ungefähr ^/2 Stunden von Humri nordwestlich entfernt und ist ohne Zweifel aus den Trümmern der alten armenischen Stadt Eraokawors entstanden. Hier herrschten in den Iahreu 85',)—8'>5 und 891—025 königliche Vagratiden. Leider besitzen wir über diese Stadt nur unvollkommene Nachrichten und meiue Feststellung derselben stützt sich besonders darauf, daß Sempao I nach dem Tode seines Vaters aus Taschir zuerst nach Eraskawors kam. Hier wurde er auch durch Afschin, Gouverneur von Aderbeidschan, auf Befehl des Kalifen zum Konige gekrönt. Nach der Aussage des Priesters von Kanlidscha soll der König Wagram (wahrscheinlich Wagarsch) die Stadt gegründet haben, und als sie später die Mohamedaner verwüsteten, wurde sie durch einen König Garip (?) wieder erbaut. Der Priester behauptete dieß auf einem allen Steine in der Kirche gelesen zu haben. Die abgeschriebenen und Vrojset in Petersburg über-gebenen Inschriften der großen Kirche verdankten ihren Ursprung der neuern Zeit. Die Ruinen der Stadt sind zwar unbedeutend aber zahlreich. 377 und außer einer großen und zwei kleinen Kircheu, die sämmtlich ans Trachvr erbaut sind und sich in nichts von den gewöhnlichen armenischen unterschieden, fand ich noch auf dem jenseiligen Ufer des Flusses die Spuren einer Brücke. Durch die besondere Freundlichkeit des Commandanten Freund wurde mir auch die Erlaubnist ertheilt das jenseitige Ufer des Gerstenflusses und die daselbst befindlichen Ruinen von Am zu be-snchen und ich erhielt zu diesem Zwecke zur Bedeckung 12 Kosaken und I Zollsoldaten. Die Abreise wurde auf den 6 Mai festgesetzt, und um leichter zu reisen, ließ ich das Gepäck in Humri zurück. Mein freundlicher Wirth gab mir noch den Abend zuvor ein asiatisches Souper, wozu die Vornehmsten der Stadt eingeladen waren. Ich hatte nicht geglaubt daß man in dieser Entfernung von dem gebildeten Europa eine solche Anzahl schmackhafter Gerichte bereiten könne. Sieben Schüsseln, zum Theil ans reinem Silber bestehend, lösten einander ab und waren mit verschiedenen Fleisch- und Mehlspeisen, mit Eingemachtem und Confitüren jeder Art besetzt. Die Fleischspeisen hatten meist die Form von Kloschen und wurden mit einer pikanten Sauce herumgegeben. Außer dieser war nichts Flüssiges vorhanden, so daß der asiatischen Art mit den Fingern zu essen weniger Hindernisse entgegentraten. Der beliebte Plass (Pillau), den ich von nun an fast täglich erhielt, spielt bei jedem Gastmahl eine wichtige Rolle. Er wird verschiedentlich zubereitet. Seine Haupiingrcdienzen sind Reis, Butter und Hammel- oder Hühnerfleisch. Den Reis befreit man von seiner Hülse, übergießt ihn mit Wasser und läßt ihn so lange kochen bis er weich geworden ist. Nun gießt man das Wasser ab und legt den Reis schichtenweise und auf jede Schicht ein Stück Butter in ein Casserol. Ueber maßigem Kohleufeuer bleibt dieses so lange stehen bis die Bulter den Reis durchzogen hat. So ist der Plaff fertig und man baut aus ihm einen Thurm, der mit Geflügel oder Hammel-sieisch bedeckt wird. Häufig werden auch große und kleine Rosinen dazu gethan. Eine andere Bereitungsart besteht darin, daß man zwischen die einzelnen Reisschichten das schon gekochte Fleisch legt und es ebenfalls von der Butter durchdrwgen laßt. Nach dem Essen (was gegen 11 Uhr vor Mitternacht geender war) wurde starker Kaffee ohne Milch und Zucker herumgereicht und darauf folgte noch eine Art Champagner. Lange Pfeifen machten dem 378 Gastmahle ein Ende. Die Gesellschaft entfernte sich hierauf nur zum Theil, da viele schon in Morpheus' Arme gesunken waren und die Nacht hindurch auf der Stelle, auf der sie sich gerade befanden, liegen blieben. Ein Gewitter, das sich am Morgen des 6 Mai abtobte, zwang mich und meine große Reisegesellschaft, bei der sich auch der Adjutant des Commandanten, Gasmowitsch, befand, die Abreise auf den Nachmittag zu verschieben. Der Weg führte uns dem linken Ufer des Gerstenfiusses entlang über und neben unbedeutenden Höhen. Unsere Seite des Flusses war mir Dörfern dicht besetzt und der größte Theil der Bewohner derselben wohnte vor dem letzten türkischen Kriege auf dem jenseitigen Ufer, das deßhalb jetzt verödet erscheint. Alle 1—2 Stunden begegneten wir einem Posten mit 4—6 Kosaken und 2 Zollsoldateu, und da ich als die Hauptperson betrachtet wurde und sie wohl auch war, so rapponirten mir die Wachen. Es kam mir, einem friedlichen deutschen Professor, oft lächerlich vor, wenn ich in der strengsten Form die militärischen Ehrenbezeugungen erhielt und mit gravitätischer Miene Bescheid ertheilen sollte. Die Dörfer, durch die wir kamen, sahen freundlich aus und ihre Bewohner schienen wohlhabend zu seyn. In zwei derselben, Thaharli und Daffschan-Gischlan, hielten wir einen Augenblick an, um an der in ganz Armenien beliebten Airan (d. i. künstlich gesäuerte Milch mit Wasser vermischt, im Armenischen heißt sie Than) uns zu erquicken und in Kasar-Abad, einem Dorfe von bedeutendem Umfang, beschlossen wir zu übernachten. Hier sah ich den ersten Kurden, einen schonen schlanken Mann, dessen Kleidung von der türkischen sich nur dadurch unterschied, daß das Unterkleid kürzer war. In seinem braunlichen Gesichte glänzten die feurigen wilden Augen als suchten sie nach Beute. Die Kurden nehmen zwar besonders das Gebirge, was die Gränze von Petsien und der Türkei bildet, ein, breiten sich aber auch westlich aus und leben zahlreich in Armenien, einzeln hingegen in dem östlichen Theile Kleinasiens. In dem Paschalik Kars haben sie besonders die verlassenen Gegenden auf der Westseite des Gerstenflusscs eingenom« men und schweifen in der Umgegend von Ani herum. Den Morgen des 7 Mai benutzte ich zu einer Excursion auf die benachbarten unbedeutenden Höhen. Der Charakter der 379 Landschaft ist noch immer derselbe; hie und da eine verlassene aber oft noch erhaltene Kirche, nirgends die Spur einer Vaum-vegetation. Selbst Kräuter wuchsen nur spärlich auf dem dürren trocknen Boden. Wie freute ich mich aber als ich plötzlich eine Seite des Berges dicht mit unsern Gartentulpen bedeckt fand. Sie waren zwar kleiner und ihre Stiele ragten oft nur zwei Zoll zwischen den Steinen hervor, aber nichtsdestoweniger zeichneten sie sich durch ihre Schönheit aus. Die rdthliche Farbe der Blume wurde nur bisweilen durch gelbe Adern unterbrochen. Mitten unter ihnen befanden sich eben so zahlreich mehrere Sorten der Traubenhyacinthe und die Szovits'sche Zeitlose. Den Nachmittag setzten wir unsere Reise in derselben Weise fort. Mit dem unbedeutenden Dorfe Gegctth fingen die Ufer deS Gerstenstllsses hoher zu werden an und bei dem nahen Dorfe Tscherpeli fanden wir dis Ruinen einer Brücke, die über die hohen Ufer erbaut war. Sie bestand nur aus einem Bogen und war zur Hälfte und zwar auf der türkischen Seite erhallen. Einige hundert Schritte entfernt bemerkte ich, aber ebenfalls auf der türkischen Seite, eine Menge Ruinen und übereinander geworfener Steinhaufen. Vergebens hossre ich von den hiesigen Einwohnern etwas Näheres darüber zu erfahren. Wenn man die Geschichte fragt, so besaßen die Armenier außer Am und Eraskawors nur noch Arkina an dem Ufer des Gerstenftusses, und da es von dieser Stadt heißt, daß sie in einer kleinen Entfernung von Ani gelegen habe, so wird es wahrscheinlich, daß die Brücke und die Ruinen dem alten Arkina angehören. Hier residirten eiue Zeitlang die armenischen Patriarchen und zwar von 965—993. Gegen Abend kamen wir in dem großen Dorfe Kisil-Kilissa, d. h. Gclblirche, an, und beschlossen von hier aus das jenseitige Schuragel zu bereisen. Der Tag erlaubte mir noch die nächste Umgebung zu besehen und so wendete ich mich den mäßigen Hohen zu. Die Vegetation der ganzen Provinz unterschied sich zum Theil von der des eigentlichen Grusisch-Armenien oder Somchien, wie die Aufzahlimg der daselbst gesammelten Pflanzen zeigen wird: Alopecurus Pallasii Trin., Iris caucasica M. B., I. aequiioba Ledeb., I. lutcscens Lam., Colchlcum Szovhsn F. etM., Gagea buibi-fera Schult., Muscari racemosum WU1&, H. comosum Mill. H. ciliatum Ker., Tulipa GesneHana L., Thesium ramosum Hayne, 380 Euphorbia armena C. Koch, Scorzonera Szovitsii I). C-, Valleria-nella monodon C. Koch , Valeriana tuberosa L., Galium persi-cum D. C., Anthemis pterygantlia C.Koch, Plantago saxatilts M. B., Cynoglossum umbellatum W. et K., Onosma rupestris M. B., Myosotis montana M. B., Lithospermum Orientale L., Cerinthe maculata L., Caccinia glauca F. et MM Androsace elon-gata L., Hyoscyamus orientalis L., Gymnandra stolonifera C Koch, Scandix falcata Loud., Viola occulta Lchm , Cerestium ruderale M. B., Holosteum polygamum C. Koch, Geranium radi-catum M. B., Thlaspi collinum M. B., Lepidium Draba L., L. perfoliatum L., Alyssum minimum L., Odontari'hena tortuosa C. A. Mey, Arabis alpina L., Aethionema Buxbauinii T\. Br., Dra-bopsis verna C. Koch, Ficaria fascicularis C. Koch, Astragalus aduncus M. B., A. albicaulis D. C, A. laniger J)esf., A. angusti-florus C. Koch, A. soincheticus C. Koch, A. brachycarpus M. B. imb A. monspcssulanus Tu Sechsunddreistig Mann stark verließen wir am 8 Mai, als kaum die Sonne aufgegangen war, Kisil-Kilissa (gew. Kisilkliß genannt), und hofften auf diese Weise jeden etwaigen Ueberfall zu vereiteln, zumal noch die ganze Gesellschaft gut bewaffnet war. Unweit unseres Dorfes war eine Stelle, von der aus wir übersetzen konnten und befanden uns somit auf türkischem Gebiete. Die Gegend unterscheidet sich in nichts von dcr, die ich eben verlassen hatte, nur war sie mit klemen Steinen wie besael und die Hngel wurden seltner, horren sogar ganz auf. Wir folgten den kurzen aber hanfigen Krümmungen des Gerstenfixsscs, dcr ungefähr 5—6 Meilen südlicher in d?n Arares stießt u»d allenthalben auf dem Wege traten uns verlassen? Dorfer, deren Bewohner jetzt das liuke Ufer einnehmen, entgegen. Zuerst machten wir bei einer alten Kirche Halt und betrachteten das Denkmal aus einer früheren Zeit naher. Sie lag in einer kurzen Krümmung des Flusses auf einem senkrecht herabgehenden Felsen. Eine große Mauer verschloß sie von der Landseite aus nnd zwischen ihr und der Kirche sahen wir die verlassenen Hauser eines spätern Dorfes. Man nannte mir die Stelle Dailar. Die Kirche war der Lange nach und nicht in der Form eines Kreuzes erbaut und besasi in dcr Mitte eine Kuppel. Von Dailar aus verließen wir den Fluß und ritten quer über 381 das steinige Feld einem mitten darauf stehenden Thore zu. Man nennt es Hoschek und stellt wahrscheinlich nur einen Theil eines größern aber zerstörten Gebäudes dar, vielleicht gehbrtc es einst zu Ani, dessen Thürme uns aus kurzer Ferne entgegen winkten. Das Thor besteht aus zwei viereckigen Thürmen, die ungefähr eine Höhe von 50 Fuß besitzen und durch einen Bogen, der eben das Thor bildet, mir einander verbunden sind. Einc wie es schien arabische Inschrift war verstümmelt. Wieder uns zu dem nahen Flusse wendend, kamen wir zu einer Krümmung, aus der aber das Wasser, in dem man von dem einen Ende derselben bis zum andern den Voden durchstach, abgeleitet worden ist. Möglich ist es auch, daß der Fluß hier früher eine Insel bildete und man sparer auf der einen Seite die Wasser durch einen Damm zurückhielt und so die Insel mit dein Festlande in Verbindung brachte. Wir kletterten die steilen Ufer herunter und gelangten so auf die ursprüngliche erhöhte Insel, auf der zwei prächtige armenische Kirchen und zwei Capellen fast unversehrt sich vorfanden. Diese vier Gotteshauser sind dem heiligen Georg gewidmet und man nennt deßhalb die Scelle Surb-Geurka. Eine Menge Inschriften fanden sich allenthalben vor und es hatte mehrere Tage verlangt um sie abzuschreiben. Südwestlich erhob sich eine bedeutende Anhohe und begranzte auf der einen Seite den Gerstenflnß. Auf ihr steht das schönste Kloster was ich wahrend meiner ganzen Reise gesehen habe. Die Einwohner von Kisil-Kilissa wohnten einst hier und von ihnen erfuhr ich, daß es eigentlich ein Doppelkloster sey und deßhalb den Namen Hasche-Wauk (d. i. Doppelkloster) führe, keider lonnte ich ihm nur eine kurze Aufmerksamkeit schenken, da meine Begleiter mich zur Eile trieben; denn an demselben Tage Müßten wir wiederum nach Kisil-Kilissa zurück. Nur einige Mohammedaner bewohnen nebst vier armenischen Familien die weiten Raume des Doppelklosters, das allenthalben mit Inschriften dicht besetzt ist. Zwei Kirchen von Westen nach Osten sich erstreckend zeichnen sich vor allen andern Gebäuden an Pracht und Große aus. Vorzüglich die eine besitzt herrliche Säulen im Innern und ist mit den schönsten Zierratheu geschmückt. Die zweierlei Bausteine, ein graugelber Sandstein und ein schwärzlicher Trachyt oder Vasalt, hatte man zu verschiedenen Verzierun- 382 gen benutzt. Die andere Kirche wurde noch von den Armeniern gebraucht, aber es rief eine traurige Empfindung in mir hervor, als ich in den weiten Räumen nur die paar Menschen erblickte. In ihr fand ich noch an den Wänden einige Heiligenbilder, die aber roh gezeichnet waren und eher menschlichen Carricaturen glichen. Der zuletzt erwähnten Kirche hatte man rechts und links zwei kleinere Gebäude mit kleinen Thürmen angebaut und in ihnen befanden sich parterre einige Mönchszellen. Westlich von der südlichen Kirche sieht ein großes und weitläufiges Gebäude, was wohl den Mönchen als Versammlungsort dienre. In ihm sah ich ein großes mit Säulen ausgeschmücktes Zimmer, neben welchem sich noch zwei andere nur wenig kleinere Gemacher befinden. Die übrigen Gebäude sind kleiner und bestehen zum großen Theil nur aus den Zellen für die Mönche. Bis auf die beiden großen Kirchen befindet sich das Kloster in einem schlechten Zustande und mehrere Gebäude sind schon zum Theil eingestürzt. Wie ist es doch Schade, daß solche interessante Werke der Baukunst einem sichern Untergänge entgegengehen! Eine zum Theil eingestürzte Ringmauer umgibt das Kloster. Von Hoschewank hatten wir kaum eine kleine Stunde bis zu dem eigentlichen Am und alsbald ritten wir durch das Thor der Festung. Das Bild eines Löwen war daselbst angebracht. Auf dem ganzen Wege bis daher stießen wir auf Steinhaufen und ohne Zweifel stellen die jetzigen Ruinen nur dle eigentliche Festung dar, wahrend sich die Stadt weit in das Feld hinaus ausbreitete. Das oben beschriebene Thor Hoschek war vielleicht zu der Zeit, als Ani 100,000 Häuser und 1000 Kirchen zahlte, die nördlichste Gränze. Ich übergehe hier eine ausführlichere Geschichte der Hauptstadt und Residenz der bagratidischen Könige Armeniens, da St. Martin in seinen geschichtlichen und geographischen Denkwürdigkeiten Armeniens und neuerdings wieder Ritter in dem neuesten Vande seiner Geographie Asiens sie zur Genüge geliefert habe«, und beginne demnach mit der eigentlichen Beschreibung Ani's, 3"-mal außer Ker Porter und Hamilton, so viel ich weiß, jene verödeten Gegenden kein Europaer besucht hat. Die Stadt liegt hart an dem Gerstenfiusse, der hier eine große Krümmung macht u"d mit seinem 2—300 Fuß hohen senkrechten Ufer mehr als die ächte" Mauern schützt. Sie zieht sich nach Südwest und hat hier den 383 längsten Durchmesser von einer halben Stunde. Die Breite die den Fluß quer durchschneidet, ist unbedeutend. Eine Ringmauer, zum großen Theil eingefallen aber immer noch 20—30Fuß hoch, umgibt die Stadt von der Landseite und wird alle vierundzwanzig Schritte durch einen viereckigen mit Zinnen versehenen Thurm unterbrochen. Nur ein einziges Thor führt in das Innere und dieses ist mit einer zweiten Mauer, mit einem kleinern Eingänge umgeben. Ein zweites Thor ist aber aus jeden Fall auch von der Flußseite her vorhanden gewesen, denn an einer niedrigen Stelle des Ufers glaubte ich Spuren einer Brücke unterscheiden zn können. Innerhalb der Festung sieht man außer den Gotteshausern nur große und durch einander geworfene Steinhaufen. Ich zählte zchn oder zwölf Kirchen, eine Moschee und zwei Minarets. Die Kirchen sind meist groß und bezeugen den Reichthum und den Lurus, der hier besonders im zehnten Jahrhundert herrschte. Sie haben in der Regel die oben beschriebene Form, einige bestehen aber nur aus der Kuppel und scheinen gerade die zu seyn, an welchen man die meisten Zierrathen angebracht hat. Prächtige mit Arabesken versehene Säulen sah ich bci fast allen. Raben und Tauben bewohnen jetzt die heiligen Stätten, in denen früher Tausende von Menschen täglich ihre Gebete emporsteigen ließen. Von den beiden Minarets erstieg ich das eine und gelangte durch den innern kargen Raum auf einer zum Theil schadhaften Wendeltreppe, von der ich vierundachtzig erhaltene Stufen zählte, auf die vbere Galerie. Vor derselben Stelle, wo einst der Mollah seimi Glaubigen zum Gebete und Danke für den Höchsten aufforderte, stand ich eine lange Zeit und betrachtete die untergegangene Große. Die Moschee besaß auch einen unterirdischen Theil, der aber fast ganz verfallen war. Eine Menge Inschriften, armenische, persische und arabische fanden sich vor und Wochen hatten nicht gereicht um sie zu copiren. Ich versuchte daher auf meine spärliche Zeit gewiesen auch gar keinen Anfang zu machen. Auf der west-west-südlichen Seite erhebt sich eine unbedeutende Anhöhe, die wohl einst eine Art Citadelle vorstellte, und mit ihr sieht man eine Menge Mauern und eine ziemlich erhaltene Kirche. Von hier aus gerade fortgesetzt bildet das Land eine Zunge in den Fluß und eine tiefe Schlucht scheidet diese von der übrigen Stadt. Nur mit der größten Gefahr gelang es mir wenigstens einen Theil 384 davon zn besichtigen. Eine Kirche, ei» schloßartiges Gebäude und einen Thurm vermochte ick zn unterscheiden und alle drei waren auf nackten hohen Felsen erbaut. Nur zu der erster» gelangte ich mit vieler Mühe. Unbegreiflich bleibt mir es, wie den Erbauern jener Gebäude es möglich wurde mit Menschenhanden und von keinen Maschinen unterstützt die großen Steinblocke auf die Höhe zu bringen, um sie dort zu verarbeiten. Die steilen Ufer des Gerstensiusses bestehen oben aus senk-rechten Felsen, mehr nach der Mitte zu hingegen aus einem schmutzig-gelblichen leicht bröckelnden Gesteine, einem vnlcanischen Tuf, und in ihm haben wahrscheinlich nach der letzten Zerstörung der Stadt die Bewohner sich Höhlen gegraben, um sich gegen die räuberischen Türken- und Kurdenstämme zn schützen. Da es schon ziemlich spat war und meine Begleiter mich drängten, konnte ich ihnen nicht die nöthige Aufmerksamkeit schenken, aber der Menge und der Regelmäßigkeit der einzelneu Behälter nach konnte es auch seyn, daß diese schon vor der Erbauung der Stadt Menschen zur Wohnung gedient hatten. Auch in botanischer Hinsicht fand ich Ani interessant, und da es mir glückte in ihrem wettern Bereiche zwei neue Pflanzen zu finden, so soll auch der einen der Name 1'l'i^loc1,in ^ni, der andern goi-opkularia H,nl werden. Außerdem sammelte ich auf dem jeu-seitiaen Ufer des Gerstenstusses: s>ols,o^!iuln duld«»um'lvir,., ^u- lipa Gesneriana L., Ornithogalum umbellatum L., Thcsium ra-mosum Haync ß. coarctatum, Ephedra monostachya L., Cousinia macroptera C, A. Mcy., Iiycopsis picta Lclim., Scutellaria orien-talis L., Poientilla hisurca L., Lirium austriacum L., Bunias orientalis L., Camelina microcarpa C. A. Mey, Lepidium vesi-carium L., Lepidiurn pcrfoliatum L., Chorispora tenella D. C., Astragalus corniculatus M. B., A. aduncus M. B., A. angusti-florus C Koch unb Ranunculus elcgans C. Koch ß. huniilis. Es war spät geworden, als wir wiederum in Kisil-Klissa an? langten. Am andern Morgen ritten wir früh anö und legren in kurzer Zeit die ganze Entfernung von ü —6 Meilen bis Humri zurück. Anhaltender Rogen hielt mich einige Tage in Humri gefangen, und kaum war das Wetter am 12 Mai nur einigermaßen erträglich, so trat ich auch eine neue Enursion nach dem Gau Abotz au. 385 Leider war aber die Zeit noch zu früh, um die höchsten Thaler des untern Kaukasus zu besuchen und in botanischer Hinsicht konnte ich unmöglich mit meiner Ausbeute zufrieden seyn. Auch in geologischer Hinsicht wurde die Reise ungenügend vollendet, da fortwährender Regen mich im hohen Grade belästigte und der tiefe Moorboden mir kaum erlaubte die Felsarten zu untersuchen. Der Weg führte mich nordwärts au das Ufer des Gerstenflusses und bei dem Dorfe Gapsch verließ ich die Ebene Schmagel um zwischen dem genannten Flusse und dem hier sich verlanfenden Ilwa-gebirge (Ilwa-Dara) den Gau Abotz zu betreten. Jenseits des letztern verfolgte ich das Flüßchen Ilwa aufwärts und gelangte in den freundlichsten Theil des ganzen Gaues. Das Thal zieht sich von Westen nach Osten und wird von Armeniern bewohnt, die hier die reichsten Viehheerdeu besitzen sollen. Der Schulze des Dorfes Ilwa-Karakliß nahm mich in seinem Hause auf und in seiner Begleitung erstieg ich die südlichen Höhen. Derselbe graue Kalkstein schien den ganzen westlichen Ausläufer des untern Kaukasus zu bilden und nur auf der Höhe sah ich schwarzlichen Tra-chyt und Hornstein-Porphyr. Ausier Kräutern und Gräsern bemerkte ich nur strauchartige und stachliche Traganlhpflauzen und wie es schien mehrere Arten Bibernell-Rosen, sonst war keine Spur irgend eines Gehölzes vorhanden. Die interessantesten Kräuter ttXH'Cn; Globularia Yulgaris L-, Androsacc albana Stev., Scro-phularia ilwensis C. Koch, Thlaspi annuum C. Koch, Erysimnm leptophyllum Andrz., Draba brunifolia Stev., Ranunculus polyr-rhizos Stcph., Ranunculus elegans C. Koch unb Corydalis alpina C. Koch. Das Ilwagebirge beginnt am Maraldag, der Stelle des untern Kaukasus, wo der Hauptrücken seinen nördlichen Lauf in einen östlichen umwandelt und bildet die Gränze zwischen Vaschschuraqel und Abotz. Seine Höhe ist unbedeutend und betragt kaum zwischen 5 und 6000 Fuß, aber doch war es hoch genug, um mir eine herrliche Aussicht nach dem Süden zu verschaffen. Die ganze Arares-Euphrar-Wasserscheide vom hohen Ararat an bis zu der Hochebene der tausend Quellen breitete sich vor mir ans und ihre dicht mit Schnee und Eis bedeckten greisen Häupter ragten weit in die Wolken. Westlich reihten sich die Tschildirberge, welche zum Theil aber von den nahen Vababergen bedeckt waren, an. leistn und L^ndcvbcschveiblmqcü, XXV. 0? (Reise nach Kaukastcu.) " 386 In aller Frühe brach ich am 13 Mai auf, um zunächst wieder dem Gerstensiusse mich zuzuwenden und kam alsbald zu dem festen Dorfe Banduban, was auf einer in den Fluß sick erstreckenden Zunge erbaut ist und wahrscheinlich früher den Eingang in die nördlichen Hochebenen bewachte. Der Weg steigt von hier an bedeutend und die Vegetation trat immer wehr zurück, je höher ich kam. Die Berge besaßen abgernndete Kuppen und Abhänge und waren dicht mit derselben fruchtbaren Erde bedeckt, welche ich in Lori schon angegeben hatte. Auch das Gestein war schwarzer Trachyt. Endlich erreichte ich ungefähr bei einer Höhe von 6— 7000 Fuß den Rücken des Berges und vor mir erschaute ich einen großen Thalkessel, an dessen Eingang das Dorf Schischtapa, am Ausgange hingegen das Dorf Kaituli-Kasantschi liegt. Dieser schöne Kessel führt den Namen Kaikuli und hat wohl 2 Stunden im Durchmesser. Eine Menge Quellen entspringen in ihm, besonders in der Nähe des zuletzt genannten Dorfes und vereinigen sich bei Schischtapa zu einem Flüßchen, das den Namen Kisil-Kodsch führt. Leider war die Vegetation uoch sehr zurück und nach der Aussage der hiesigen Einwohner gedeiht hier außer kärglicher Gerste kein Getreide. Nirgends sah ich auch nur Spuren eines bebauten Ackers. Viehzucht ist daher das einzige Geschäft der hier wohnenden Armenier. So sehr auch Flora jetzt noch in tiefem Schlummer versenkt lag, so soll doch im Julius keine zweite Gegend im ganzen kaukasischen Isthmus mit dem Gau Abotz an Mannichfal-tigkeit, Reichthum und Pracht der Blumen wetteifern können. Fürst Paskewitsch soll als er den türkischen Krieg leitete und hier sich befand, ganz entzückt gewesen seyn. KomianÄ Kunnlis 8tev«, G. angulosa M. B., Barbarea arcuata Andrz. ß., B. plantaginea DC., Scilla Roseni C. Koch mib Gagea reticulata Schult. tt>flV*0 die einzigen Pflanzen, welche ich blühend fand. Die Einwohner von Kaikuli-Kasantschi und des übrigen Gaues unterschieden sich von den Armeniern Schuragels und glichen hinsichtlich ihres gedrängten Körperbaues mehr den Tataren, denen sie aber sonst gar nicht ähneln. Sie bilden einen kraftigen, schönen Volksstamm, der durch Ausdauer und Mühen nach und nach eine Festigkeit des Körpers erlangt hat, die an das Unglaubliche gränzt und trotz der Kälte, die durch den eingetretenen zum Theil noch in 387 Schnee verwandelten Regen erhöht wurde, liefen sie barfuß und in eine leichte baumwollene Kleidung gehüllt herum, ohne daß man ihneu eine Unbehaglichkeit angesehen hätte. Ihr Gau besteht aus zwei Thälern, dem des Gerstenflusses und der Ilwa, aus zwei Thalkesseln, dem von Kaikuli und dem von Karagatsch und aus dem südlichen Theile der Hochebene von Dschawach. Es that mir leid die Hochebene von Dschawach mit ihren vielen Seen wegen des fernern Regens nicht aufgesucht zu haben; denn auf ihr ist auf jeden Fall der Herd zu suchen, aus dem Vorzüglich die vulcanischen Kräfte ihre geschmolzenen Steine herauswarfen. Alle die Krater, welche einst thätig waren, haben sich jetzt mit Wasser gefüllt und sind vielleicht durch spätere Ein-senklmgen zu diesem Umfang gekommen. Die ganzen Berge ringsherum bestehen aus Lava und Trachyr und deutlich kann man bei einigen noch die Ausflüsse verfolgen. Es ist sogar möglich daß beide Thalkessel durch Einsenkungcn hervorgerufen wurden. Wahrscheinlicher ist es noch von dem gleich zu nennenden Karagatsch. Dieser Thalkessel liegt rein ostlich von d?m vorigen, und um in ihn zu kommen überschritt ich eine unbedeutende Hohe. Er hat einen weit grdßern Umfang als Kaikuli und mag wohl 4 Stunden im Durchmesser besitzen. Ueber und über morastig sieht man anf keiner Stelle nur die geringste Cullur. Die Vegetation war noch weiter zurück und außer der obengenannten Scilla, unsern Primeln, Primula auriculata Lam. ß. caucasica, bcr Gentiana angulosa M. B-, und einer ?eäiculari5, wahrscheinlich I'. »^vatic^ I'., fand ich nichts blühendes. Eine Menge Vdgel und Wild trieb sich aber herum und leider sind die Välge von 30 hier geschossenen Vögeln während meiner Krankheit zu Grunde gegangen. Nach der Aussage meiner Begleiter bedeutet Karagatsch nicht Schwarzwald, sondern Schwarzkreuz (von Kara schwarz und Gatsch das Kreuz). Iu diesem Fall wäre der Name eher zu begreifen, deun nirgends in der ganzen Umgegend sieht man die geringste Vaumvegetation. Der unbedeuteude Gebirgsrücken, der östlich Karagatsch einschließt, gehört dem Hauptzuge des untern Kaukasus an ,md führt an dieser Stelle den Namen Elladara, d.h. Windberge. Ueber ihm beginnt der District Lori und aus ihm hat die russische Negierung cine Straße von Achalkalaki nach Humri führen 35 " 388 lassen. Man hatte zu diesem Zweck den Weg über das sumpfige Karagatsch zum Theil chaussirt. Von Karagatsch wandte ich mich wieder dem Ilwathale zu und blieb in dem Dorfe Deschesglar während der Nacht zum 54 Mai. Da das Wetter sich gar nicht zu ändern schien, so ging ich über das Ilwagebirge nach der Ebene Schuragel, die ich denn auch bei Orta-Kilissa (mittlere Kirche) erreichte. Auf dem Gebirge war ich von einem seltenen Schauspiele Zeuge. Dichter Nebel umgab mich daselbst, und ohne einen Blitz irgendwo gewahr zu werden donnerte es von Zeit zu Zeit. Mit einem Nu war hiemit der Nebel auf ungefähr fünf Minuten in einen dichten Regen verwandelt. Gegen Mittag erreichte ich endlich Humri ganz durchnäßt und freute mich wiederum im Trocknet» zu seyn. Iweiunddreißigstes Gapitel. Ueise durch Nussisch-Armcnieu nach Aulp. Daö Kloster Käptschach; der Wlagas; Vasch.Abaran; Russisch-Armenien <» der frühern und jeßigen Zeit; die Provinz Amrnd und ihre Gaue; der Kasach; Sagmusa-Wank; Foanna-Mank; Äarpi; Surl>,Geurka.-Wank; Äschtarat; Pflanzen daselbst; Cnwan; die Waffelleitung HusscimVhans; die Festung; Fürst Vebxtoff; Geschichte Criwans; Klima-, Flora; Etschmiadsin; der schone Priester; Geschichte des Hllosterö >md der früliern hier befindlichen Stadt; Erklärungen einiger Namcn; die Vuchdruckerei; die heilige Synode; die Kirche des Eingsborncn; die Reliquie»; die übrigen Kirchen; der Älrarat und seine Besteigung; Parrot und n>z!'» in der Nähe; Major Proyty; 'Arniavir; Fähre über den Arareö; Älmarath; Iessiden und .Kurden; daö jenseitige Armenien; ?lgmagmeth; ,karatala;Ardatcrs; K»lp; das Saszwerk; KorHgluh; Flova der Umgegend, Erst den 16 April verließ ich Humri, um zunächst einen Theil des früher feuerspeienden Verges Allagas zu besuchen. Sein westlicher Abhang geHort zu Basch-Schuragel und war von jeher weniger culrivilt als der östliche, von dem ich sogleich sprechen werde. Ein Kloster Käptschach mit Namen befindet sich ungefähr drei Meilen von Humri entfernt an dem Allagas und ziemlich an der Stelle wo der Verg senkrecht sich erhebt. Dahin richtete ich meinen Weg und hoffte bei den dortigen Mönchen nähere Nachrichten nber ihn einzuziehen. Vis zu dem Dorfe Chorun blieb ich auf der gebahnten Straße nach Eliwan und stieg dann in einer Schlucht aufwärts, um „ach Käptschach zu gelangen. 389 Das Kloster wurde mtter der Regierung der Königin Thamar von einem Fürsten Arguthoschwili*) erbaut und besteht aus einer im ächten armenischen Styl erbauten Kirche und einigen unbedeutenden Nebengebäuden, welche zur Wohnung der Mönche bestimmt sind. Jetzt befinden sich daselbst ein Archimandrit, zwei Mönche, vier Novizen und ein verheiratheter Priester. Die Kirche besitzt als Merkwürdigkeit ein Porträt der Jungfrau Maria von dem Evangelisten Lukas gemalt. Nach der Aussage des Archimandrite« sind in Asien nur drei Bilder von Lukas vorhanden und von ihnen ist das zweite in Gelathi, das dritte hingegen in einer Kirche zu Trcbisond. In der Nahe befindet sich auch ein dreißig Fuß hoher Felsen und auf ihm hat der Sohn des Erbauers ein Häuschen angebracht, in dem er nach seinem Wunsche begraben liegt. Leider sind die Gebäude und besonders die Kirche in schadhaft tem Zustande, da in dem letzten türkischen Kriege sich ein Trupp Türken in dem auf einer Seite durch hohe Felsenwände geschützten Kloster verschanzte, und die Russen sie daselbst gefangen nahmen. Dicht hinter dem Kloster zieht sich eine Schlucht den Berg aufwärts. Das Gestein derselben gibt kund, daß der Allagäs hier seinen Hanptfluß hatte und auf jeden Fall auch dadurch die Höhe von Basch-Schuragel hervorrief. Noch höher steigt der Berg senkrecht aufwärts und bildet einen ungeheuren Cylinder, der sich nach vben erweitert und deßhalb mit seinen Felsen überzuhängen scheint. Die Felsart habe ich nicht gesehen, wohl aber mochte sie ebenfalls Trachyt oder Hornstein-Porphyr seyn; von weitem erscheint sie schwärzlich. Der Rücken stellt eine Menge zerrissener Spitzen dar, aber diese vereinigen sich zu zwei Theilen, von denen der nordöstliche bedeutender ist. Zwischen ihnen liegt eine Schlucht die nur eine Oessnung und zwar nach Südwesteu (also nach Kaptschach zu) besitzt. Hier mögen vorzüglich die Lavastrome heruntergeflossen seyn. Dicht an dem Rande der Schlucht hangen Schwefel-Stalaktiten in ungeheurer Menge herab und die Einwohner der ganzen Umgebung klettern den Berg hinan bis zu einer gewissen Hohe, um mir Flinten «^^1 dieser Familie hat sich ganz ruWcirt und seinen Beinamen Mchargrzelldse, d i. Langarm, in den von Dolgoruli überseht In der R.gel lassen die Glieder dieses Settenzwciges auch ihren russi-ftcnten Hauptnamen Argntinslp weg und schreiben sich «ur Fnrstm 390 die ungeheuren Schwefelmassen herunterzuschießen. Das Innere der Schlucht soll ein Teich ausfüllen und wahrscheinlich verdanken ihm mehrere Bache ihren Ursprung. Von der Ostseite betrachtet wird man vier Hauptspitzen und keine Schlucht gewahr. Der Allagäs hängt nur wenig mit dem untern Kaukasus zusammen und muß wohl als ein isolirrer ungeheurer Trachytkegel betrachtet werden, der vielleicht schon lange vor der Kur - Arares-Wasserscheide eristirte und sich spater durch seine Lavaströme mit dieser in Verbindung setzte. Nach Süd-Westen bildet die ausgeflossene Lava eine ganze Reihe von Bergen bis an das Ufer des Ara.res und diese mag wohl der Warrabied Wartan *) gezählt haben, wenn er den Allagäs aus 24 großen Bergen bestehen läßt. Daß dieser Verg früher thatiger Vulcan war, beweisen auch die zahlreichen Sagen, welche in ganz Armenien über ihn herrschen. Die vier Hal'ptspitzen des eigentlichen Allagäs (die man von Osten aus sieht) stehen zu zwei einander gegenüber und besitzen so die Form eines Kreuzes. Es heifit, der heilige Gregor habe hier vorzüglich seine heiligen Handlungen verrichtet, und zum Ruhme unseres Herrn Jesus Christus sey von Gott Vater dieses Kreuz auf« gestellt worden. Die Sage geht ferner, daß in dem Raume, der von den vier Spitzen eingeschlossen wird, eine große Höhle sich fände, und in ihr habe der heilige Gregor eine Capelle erbaut. Thränen, die fromme Menschen über die Ruchlosigkeit ihrer Brüder vergossen hätten, füllten die Hohle an und leuchteten einst weithin wie glühende Kohlen. Zwischen den vier Spitzen befänden sich, heißt es weiter, brennende Fackeln, die bei allen kirchlichen Handlungen des heiligen Gregor geleuchtet hätten. Sollte man nicht ans der Sage den Schluß ziehen können, daß der Berg noch zu Anfang unserer Zeitrechnung thatig gewesen ist. Wenn auch nicht mehr Lava-Ströme ausgegossen wurden, so glühten wahrscheinlich doch noch im Innern feurige Massen und der sublimirte Schwefel setzte sich an dem Rande der Schlucht sialak-titenähnlich an. Vielleicht entzündeten die Massen von Schwefel sich bisweilen und leuchteten weit hin. *) S. ^lemoire» zur l'^rmenie s>^l- 8t. Martin, lom. II. psfl- ^^' Wenig anders wird auch hier dieselbe Sage über den Magäs, wie sie mir häufig erzählt wurde, erwähnt. 391 Der Allagäs wird von Christen und Mohammedanern für heilig gehalten, und die Türken legten ihm deßhalb den Namen Alla-Gäs, auf deutsch Gottes-Auge, bei. Die Armenier nennen ihuArakadz, d. h. Wohnung des Ära, eines alten armenischen Königes. Nach Parrots trigonometrischer Messung beträgt seine Höhe 12,871 Fuß und man darf sich deßhalb nicht wundern, wenn er zum Theil im Mai noch mit Schnee bedeckt ist und dieser au einzelnen Stellen sich sogar den ganzen Sommer über erhalt. Da so viel ich weiß noch kein Reisender im Norden des Allagäs das breite Thal zwischen diesem und dem untern Kaukasus berührt hat, so beschloß ich nördlich um den Berg herumzugehen und längs des Flusses Kasach mich nach Eriwan zu wenden. Ich verließ deßhalb schon am frühen Morgen des 17 Aprils die freundlichen Mönche zu Käptschach und wandelte über die vielen Lava-Erhöhungen in das hohe Thal, was sich nördlich vom Allagäs hinzieht und Schuragel mit dem russischen Armenien verbindet. Bei dem großen Dorfe Archwali betrat ich dasselbe und fand in ihm eine schöne, mehrere Stunden breite Ebene, die trotz der Fruchtbarkeit des Bodens aber größtentheils unbenutzt daliegt, Sie führt den Namen Vasch-Abaran, was, da Abaran so viel als königliche Wohnung heißt, eine Gegend wohl bedeutet, wo der Anfang der königlichen Wohnungen zu suchen ist, oder wo die hochgelegenen Wohnungen, die Sommerpaläste sind. Bei einem verlassenen Karawanserai hat der Chef des zu Humri stehenden Bataillons eine Landwirthschaft errichtet, und nicht weit davon kommt man an einige unbedeutende Seen, aus denen der Fluß Kasach entspringt. Hier ist die höchste Stelle der Ebene und die Gränze zwischen Schuragel und Russisch-Armenien. Bevor ich selbst in der Beschreibung meiner Reise fortfahre, wird es gut seyn einige Worte über Russisch-Armenien, was nach dem letzten persisch-russischen Kriege durch den Frieden von Turk-mantschai 1828 von Persieu an Rußland abgetreten wurde, zu sagen. ES bildete damals die beiden Statthalterschaften (Sar? dariate) von Erlwan und Nachitschewau und erstreckt sich in Gestalt eines Kegels von Nord-West nach Südost. Im Norden begränzt es der Hauptkamm des untern Kaukasus, der Allagäs und die unbedeutenden Höhen von Vogutu, jenseits derselben ist Grusien. Westlich liegt der Allagäs und der Gerstenfluß und über diesem 392 Schuragel. Südlich macht die Arares-Euphrat-Wasserscheide, über der das Paschalik Vajafid befindlich ist, und dann der Arares, der die Provinz von dem persischen Aderbeidschan trennt, die Gränze. Im Osten zieht sich ein bedeutender Arm von dem untern Kaukasus herab, und scheidet Russisch-Armenien von Karabag. Nach der neuesten russischen Eintheillmg besteht die Provinz aus vier Kreisen und zwei Herrschaften, die zusammen eine Einwohnerzahl von 161,000 Seelen besitzen. Der Kreis vonSardar-abad liegt westlich und südlich von Vaschschuragel und zählt 30,000 Bewohner. An ihn gränzt ostlich der von Eriwan oder Schulaweri mit 37,000 Einwohnern und weiter nach Osten bis zu den Gränzen vonKarabag und der Herrschaft von Nachitschewan befindet sick der Kreis von Scharuhr mit 31,000 Einwohnern. Jenseits desAraxcs ist endlich der vonSurmaly und zählt 14,000 Bewohner. Die Herrschaften Nachitschewan und Ordubad befinden sich in der äußersten südöstlichen Spitze, und die erstere hat eine Einwohnerzahl von 30,000, die letztere hingegen von 1l,000Seelen. Zu diesen 153,000 Bewohnern Russisch-Armeniens kommen nun noch 8000 Seelen nomadisirender Kurden und Tataren. Die jetzt so gestaltete Provinz besteht nach der armenischen Eintheilung aus der Provinz Siunich und dem östlichen Theile der Provinz Ararad. Die erstere besaß bis gegen das 12te Jahrhundert hin ihre eigenen mehr oder weniger von Armenien oder Persien abhängigen Herrscher aus der Familie des armenischen Stammvaters Hahigk und kam später unter die Herrschaft der Orpelianer. Sie besteht aus den nordöstlichen Theilen und zieht sich auf beiden Seiten des blauen Sees bis nach Karabag und bis zu der Arares-Ebene. Die beiden Herrschaften Nachitschewan und Ordubad werden bisweilen auch zu der transararischcn Pro-vin; Wasburagan gerechnet, gehören aber ihrer natürlichen Lage nach zu Siunkch. Die Provinz Ararad beginnt im Westen der Hochebene der tausend Quellen, und e> streckt sich längs des Arares zwischen den Wasserscheiden des Kur und des Euphrat bis zum Einfluß der Kura. Sie hat von jeher den Haupttheil Armeniens dargestellt, und wird durch den Allagäs in einen westlichen und östlichen Theil gebracht. In dem erster» wurden dieVagratiben, in dem andern Vie Lsrsacldtn mächtig und besaßen daselbst thre Residenzen. 3« 393 der westlichen Hälfte liegen die drei Gaue oder District«: Pasen am obern Arares und Achurean, Schirag oder Schuragel, von dem ich schon gesprochen, und Kapegan auf beiden Seiten des AraxeS südlich vom vorigen. Die fruchtbare Gegend um die Mündung des Gerstenflusses anf beiden Seiten bildet der Gau Arscharuhn (oder Eraschadsor) und er wird als in der Mitte der Provinz gelegen betrachtet. Im Nordosten des Allagas liegt der Gau Ara-kadzodn, d. i. Fuß des Allagas, südlich hingegen bis zum Arares befindet sich der Gau Godahich. Das Gebiet eines Nebenflusses des ArareS, der Medsamor genannt wird und sich nicht weit von Eriwan ergießt, bildet das Gebiet von Towin und die Ebene, welche sich südöstlich gegen Nachitschewan hin ausbreitet, wird Scharuhr genannt. Ueber dem Arares zunächst westlich vom Berge Ararat breitet sich der Gau Sartaph oder Gok aus, wahrend die Hohe des westlich vom Ararat sich hinziehenden Gebirges den Gau Dsaggodn ausmacht. Zwischen ihm und dem Arares und östlich von Arscharuhn liegt der Gau Pakrewant. Mit dem Augenblicke also wo ich an die Quelle des Kasach kam, befand ich mich in dem mit einer Menge Klöstern und Ruinen versehenen Gau Arakadzodn und kam bald darauf nach dem Dorfe Vaschabaran, das früher, wo der Weg von Tiflis nach Eriwan durch Grusisch-Armeuien giug, die erste armenische Station bildete. Man hoffte mit der Zeit aus dem elenden Dorfe eine wichtige Handelsstadt zu macheu, und so erhielt es schon den unzeitigen Namen Adaran-Pol, d. i. Abaran-Stadt. Aber nur kurz genossen die armen Armenier die Freude Bewohner einer Stadt zu seyn, denn mit der Verlegung der Straße wurde das ganze Dorf wiederum der Vergessenheit übergeben. Die Sitte der Armenier und Tataren, die Flüsse nach den daran liegenden Orten zu benennen, hat in deren Namen eine große Verwirrung hervorgebracht. Ich erhielt alle drei Stunden für den Kasach einen andern Namen, der meiner Meinung nach auch einen andern Fluß bedeuten müßte. So wurde er mir an seinem obern Theile Mirak, an seinem mittlern Karpu-Ked, und an seinem untern Wacharschavad-Ked (d. i. Fluß von Kalpi und Wagarschabad) genannt. St. Martin ncnnt ihn in seinen Memoiren K'harsak'h (K'hasagh oder K'hatsach). Der Gau Arakadzodn unterscheidet sich fast gar nicht von Vasch« 394 Schuragel, und wie dort findet man auch hier keine Spur einer Vaumvegeration. Dieselben Lava-Ausflüsse bedecken den Boden und eben so wenig ist die Erde mit einer dichten Humusschichte versehen. Die vielen zerstreut liegenden Vasalt- und Trachytsteine hindern den Anbau nicht wenig. Im Osten zieht sich vom Rücken des untern Kaukasus ein Gebirgsarm, den die Armenier Karnijarach neuneu, südlich herunter und scheidet den Gau von dem zu der Provinz Siunich gehörigen Gau Daratschitschagk. Er wurde zunächst die Ursache, daß der Ararat mir nicht eher zu Gesicht kam, als ich schon den Fluß weit abwärts gegangen war. Ueber die Dörfer Alikotschach und Karaklissa gelangte ich an den Zusammenfluß des Kasach und Zarzadz, Hier beginnt die Gegend, auf der die armenischen Alsaciden ihre Burgen und Städte erbauten. Gleich dem Gerstenstusse, au dem, wie gesagt, die Vagratiden ihre Residenzen besaßen, geht man fast keinen Schritt ohne auf Ruinen zu stoßen und die prachtigsten Kirchen aus jener Zeit treten dem Wanderer entgegen. Das erste Denkmal war das Kloster Sagmnsa-Wank, d. i. das Psalterkloster, denn hier werden einer heiligen Vorschrift gemäß immerfort aus dem Psalter Verse abgelesen. Es war das unbedeutendste von den dreien, die ich der Reihe nach besuchte. Man erzählte mir, daß hier ein Stück vom heiligen Kreuz, an dem noch die Vlutspuren sichtbar wären, aufbewahrt wäre, und mit ihm verrichteten die Priester alle Zeit noch große Wunder. Besonders würden alle Nervenkrankheiten: fallende Sucht, Krämpfe jeder Art, Zahnweh, Kopfweh u. s. w. damit geheilt. Auch wurde ein Finger von dem heiligen Jakob (wie mir gesagt), dem Bruder unseres Herrn, aufbewahrt. Kaum ^ Stunden dem Flusse entlang kam ich zu dem bereits verlassenen Kloster Ioanna-Mank, d. h. Johannes-Kloster. Wie Sagmnsa-Wank ist auch dieses an den steilen Ufern des Kasach erbaut, aber weit größer, und nnr zu bedauern ist es, daß es seinem Verfalle rasch entgegen zu gehen scheint. In der Kirche, welche ZUM Theil schon eingestürzt ist, hat sich eine Abtheilnng erhalten und in ihr zeigte man zwei Rippen von Johannes dem Taufer. Es gehe die Sage, dast der armenische Apostel Gregor diese aus Musch, einer Stadt drei Tagereisen von Erzerum, selbst geholt habe. Das Kloster soll viel später erbaut seyn. Jetzt sind seine Zimmer verödet und Tauben und Staare haben die verlassenen Raume eingenommen. 395 Nicht weit von Ioanna-Wank liegt Karpk, ein nicht unbedeutendes Dorf, das früher eine Stadt gewesen seyn soll und an der Gränze zwischen den Gauen Arakadzodn und Godahich liegt. In ihm befindet sich eine einfache, aber wie es scheint sehr alte Kirche. Das dritte und schönste Kloster liegt VZ Stunde von Karpi den Fluß abwärts und führt den Namen Surb-Geurka-Wank, d. h. Kloster des heiligen Georg, unter dem man wiederum nicht den Ritter, sondern den Helden und Märtyrer zu verstehen hat. Der Heilige selbst liegt hier begraben und das Kloster erfreut sich deßhalb einer besondern Verehrung im ganzen Oriente. Ein Priester kam mir entgegen um mich aufzufordern den Tempel selbst zu betteten. Die Kirche ist aus großen Quadersteinen erbaut. In dem Kloster waren drcr Mönche ,md ein verhcuratheter Priester vorhanden. Außer dem Grabe des heiligen Georg war mir das wenn gleich rohe Bildniß des Königs Abgar mit dem Tuche, auf dem das Gesicht von Jesus abgedrückt seyn soll, interessant. Dieser Abgar lebte zur Zeit Jesus, regierte von 5 vor bis 32 nach Christi Geburt und war (wie man mir in dem Kloster erzählte) vom Ausschlag befallen. Da hörte er von den Wundern, durch die Jesus alle Arten von Kranken heilte und schickte deßhalb zwei Gesandte nach Jerusalem, um ihn zu einer Reise nach Armenien aufzufordern. Im Fall es Jesus abschlagen würde, gab der König der Gesandtschaft einen Maler mit, damit dieser den Heiland porträtiren soltte, denn er hatte die feste Ueberzeugung, daß schon das bloße Bild des Gottessohnes heilen würde. Jesus hoch erfreut über den starken Glanben eines Fremdlings entsandte einen seiner Apostel nach Armenien, und da er den Maler der ihn abzeichnete sah, nahm er ein Tuch und hielt es an sein Gesicht. Und siehe das Bild Jesus hatte sich auf dem Tuche abgedrückt. Kaum eine halbe Stunde von dem Kloster des heiligen Georg entfernt liegt das schöne und große Dorf Aschtarak und in ihm schlug ich mein Nachtquartier auf. Meine Wohnung war reizend und der Blick von ihr in die nächsten Umgebungen besonders bei Mondschein ganz eigenthümlich. Bis spät in die Nacht stand ich an dem Fenster des kleinen Zimmers und sah hinaus in die weite Welt. Eine Burg stand einst hier auf dem schroffen Felsenufer des Kasach und beherrschte wahrscheinlich den ganzen Gau Godahich. In ihr mögen die Arsaciden zu Wagarschabad einen 396 Theil des Sommers sich aufgehalten haben und vielleicht bewohnte ich eines der Gemacher, in denen auch sie vielleicht ihre Nachtruhe hatten. Unter mir plätscherte der Kasach und sein Gemurmel trat um so mehr hervor, als die stille Nacht durch keinen Ton eines Lebendigen unterbrochen wurde. Die grotesken Felsen bildeten bei Mondschein die seltsamsten Figuren und ihre Schatten schienen sich zu bewegen. Gegenüber lag ein anderes ehrwürdiges Gebäude, aber kein Licht leuchtete mir entgegen, sondern seit Jahrhunderten war in ihm alles öde und leer. Eine alte, schone und noch ganz unversehrte Brücke führte über den Fluß und verband beide Ufer mit einander. Die letzten Ausläufer des Karnijarach verliefen sich weiter im Osten in der Ebene des Arares und über ihm erhob sich in seltner Majestät der ehrwürdige Ararat mit seinen vier hinter und übereinander liegenden Spitzen. Ihm zur Seite lag der kleine Ararat, und es schien als wenn der greise Großvater sein braun-haariges Enkelchen führe. Am Morgen des 19 April machte ich mich mit den Umgebungen Aschtaraks vertrauter und fand im allgemeinen wiederum dieselben Verhältnisse wie in Vasch-Schuragel. Ungeheure Lavaflüsse bedeckten den Boden und mit der Zeit hatte sich eine fruchtbare Humuserde darüber gesetzt. Die Ufer des Kasach waren so romantisch als die des Gerstenflusses oder der Debeda und derselbe schwärzliche Trachyt bildete die schroffen verschieden geformten Felsen. Trotz der zahlreichen Flüsse und Bäche, welche vom AllagaS entspringen, herrscht in beiden Gauen Arakadzodn und Godahich im Sommer eine große Trockenheit und die Einwohner sind gezwungen aus den Flüssen mit vieler Mühe das Wasser nach ihren Aeckern abzuleiten. Wo dieses nicht geschieht, ist alles, selbst schon im Mai, dürr und öde und das freundliche Dorf mit seinen zahlreichen grünen Gärten und Aeckern glich einer Oase in einer Steinwüste. Die schönste Baumvegetation herrschte ringsherum, und besonders au den Ufern des Kasach befand sich ein verschieden schattirtes Buschwerk. Alle Arten Obstbäume, besonders Aprikosen und Pfirsiche, sah ich allenthalben augebaut; Tamarisken, der weithin duftende wilde Oel-baum, I^gLgHnuz gnßU5ttfulia I,., ^"V3^!u» incana 1^., und ein schöner Pappelbaum, unserer Schwarzpappel ähnlich aber mir großen herzförmigen Blattern versehen, waren in Menge vorhanden. Auch an nicht holzigen Pflanzen war meine Ausbeute groß und dle 397 wichtigsten längs des Kasach gesammelten Pflanzen waren: 'li in. cum prostratum L. sil., T. orientale M. B., Catabrosa aquatica Beauv., Bromus erectus Huds. ß. angustifolius M. B., Carex nutans Host, Carex sapina Wahlcnb., C. divisa Huds., Gladiolus segetum Ker., Iris Gueldenstacdtiana M. B., Ixioliuon Pallasii Fisch., Allium Ampcloprasum L., Fritillaria laliiolia Willd., Lilium monadclphum M. B., Ornilhagalurn umbellalum L., O. pyrenaicum L., Asparagus verticillatus L., Blitum virgatum L., Euphorbia Gurardiana Jcq., E. Szovitsii F. et M., E. virgata W. et K,, Acroptilon Picris C. A. Mey., Crepis parviflora Jcq., Mulgedium albanum DC, Yalerianella plagioslcphana F. et M., Callipeltis cucullaris Stev., Lithospermum orientale L., Myosotis hispida Schlecht, Onosma n. sp., O. rnicrantha Pall., llochelia stellulata Rchb., Cynoglossum umbellatum W. et K,, Hyoscya-mus pusillus Ij., Vcrbascum fonnosum Bess., Veronica dentata Schmidt, V. biloba L., Dracocephalurn Ruyschiana h., Erenio-stachys laciniata Bunge, Nepeta grandiflora M. B., Bunium paucr folium DC, Pimpinella magna 1,. ß, orientalis Gouan, Ilera-cleum pastinaciloliumCKoch, Anthriscus trichospei mus Schult,, Ribea ciliatum C. Koch, Rhamnus Pallasii F. et M., Geum stric-turn Ait., Scdum gracile C. A. Mey. ß. micranthum C. Koch, Ceraslium dicJiotomum L.( C rudciale M. B., C älpinum L.?, Dianthus Liboschitzianus Ser., Silene lasyantha C. Koch, Sisym-brium Irio L., Conringia planisiliqua F. et JVL, Lcpidium lati-folium L., Nosiurtium austiincum Ontz., Draba siliquosa M. D., Thlaspi collinum M. B., Trigonella arcuata C A. Mey, T. mon-speliensis L., Eryum nigricans M. B., Astragalus irulicosus PalJ.T A, caucasicus Pall. m\b Lathyrus latilolius L. Erst gegen 4 Uhr verließ ich in großer Begleitung Aschtarak, um noch »ach dem 3V. Stnnden entfernten Eriw^n. wo ich bereits meine Ankunft gemeldet hatte, zu kommen. Der Weg gelit über eine Steinwüste, auf der kaum ein Gräschen sich ernähren konnte, und nur einzeln fand ich anf ihr kaum 2—^ Zoll hohe Exemplare des sonst hohen I'^vol- ^<,nn»utiUu,n 5'. ol m. Ei.:c halbe Stunde vor der Stadt kamen mir acht eleganr gekleidete Armenier entgegen und hießen mich willkommen. In ihrer Begleitung ritt ich in die Hauptstadt Armeniens ein und erhielt ein Mit orientalischem Luxus geschmücktes Zimmer. 398 Eriwan ist eine ächt persische Stadt uud in ihr hat sich bis jetzt noch alles Europäische fern gehalten. Gegen 2000 Wohnungen mdgen vorhanden seyn, und ungestört befinden sich neben den prachtvollen Häusern der Reichern die elenden Hütten der Aermern. Große schöne Plätze sind einige vorhanden, aber im allgemeinen stehen die Häuser dicht gedrängt an einander und die Slrasten haben oft kaum die Breite einer Klafter. Vor allem zeichnet sich der schone große Basar aus und besitzt, da er in Schwibbogen überbaut ist, bei weitem den Vorzug uor dem Tifliser. Wie Eriwan sich überhaupt durch seine größere Ruhe und Stille auszeichnet, so ist auch auf seinem Basar fast uie ein Gedränge uud ungestört kann man von einem Ende zum andern kommen. Seitdem die Stadt russisch geworden ist, hat sich der Handel verringert und ist jetzt unbedeutend. Das sind die Folgen der Absperrungen! Die 12,000 Einwohner bestehen aus Persern, schiitischen Tataren und Armeniern und beschäftigen sich grdßtentheils mit der Obst- und Weincnltur. Nirgends habe ich schönere Garten gesehen als in Eriwan, und kaum mag es in Asien eine zweite Stadt geben, in welcher der Gartencultur mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Obstbäume werden im hohen Grade gepflegt und die Weinreben wie bei uns gehegt. Mit unsäglicher Mühe hat der letzte Sardar (persischer Statthalter) Hussein-Chan eine Wasserleitung mitten durch den Berg, der Eriwan westlich begränzt, angebracht und alle Garten bis fast auf die Höhen erhalten durch sie ihr nöthiges Wasser. An einem kühlen Abende führte mich der freundliche Polizeimeister (Bürgermeister) zu der Hohe selbst und zeigte mir dieselbe. Wenn anch die Arbeit im hohen Grade roh war, so erschien sie ebendeßhalb um so großartiger. Mitten durch die Lavamassen war fast eine halbe Stunde lang ein Canal nach der Stadt geführt, und um ihn reinigen zu können waren von der Höhe des Berges Schachte senkrecht auf den Canal geleitet. Obst habe ich nicht gekostet, aber der Wein war vorzüglich und besaß mehr Feuer als der grusische. Im Geschmack und in der Farbe glich er dem von Madera. Dicht an dem Ufer der Seugi (Hrastan arm.) erheben sicl) auf der ost-nördlichen Seite steile Felsen eines Trachytes bis 3" einer bedelltenden Höhe und auf ihnen steht die Festung, welche im Jahr 1582 von den Türken erbaut und 1615 von den Persern 399 eingenommen wurde. Seitdem trotzte sie allen Belagerungen fremder Eroberer, und selbst der Fürst Ziziano vermochte nicht sie im Jahre 1804 einzunehmen. Erst dem Fürsten Paskewitsch gelang es im Jahr 1827 von ihr Herr zu werden. Ich wunderte mich als ich die Festung erschaute, denn durchaus besitzt sie nicht die Festigkeit um einer gut geleiteten Belagerung zu trotzen, und wohl ist ihre Unbezwinglichkeit mehr der Tapferkeit ihrer Bewohner zuzuschreiben. Paskewitsch nahm sie auch bei dem ersten Angriff. Die Mauern sind unbedeutend und zum Theil sclbst von Lehmbacksteinen erbaut. Ihr Umfang mag kaum eine Stunde betragen. Im Innern befinden sich vorzüglich das Schlosi des Statthalters und zwei Moscheen, von denen man die eine zur russischgriechischen Kirche, die andre zum Arsenal umgewandelt hat. Das Schloß ist im ächt orientalischen Geschmack erbaut, besitzt einen bedeutenden Umfang und zählt eine Menge meist kleiner Zimmer. Sein voriger Besitzer, Hussein-Chan, der allem uach ein ausgezeichneter Mann gewesen seyn muß und nach der Niederlage der Perser im unverdienten Elende starb, besaß viel Kunstsinn und liebte im hohen Grade die Malerei. Besonders ist der Audienzsaal mit ausgezeichneten Gemälden, die Dubois weitläufig beschrieben hat,*) geschmückt, und Fenster mit gemaltem Glase fanden sich fast allenthalben vor. Der Gouverneur, Fürst Bebutoff, einer der liebenswürdigsten Männer die ich auf meiner Reise gesehen habe, empfing mich in dem Schlosse mit der größten Freundlichkeit und führte mich in dem labynnthälmlichen Innern herum. In seinem Wohnzimmer erzählte er mir eine Anekdote, die wohl verdient hier aufgeführt zu werden. Vor dem Beginnen der persischen Feindseligkeiten wurde er Gränzstreitigkeiten halber von dem damaligen Oberbefehlshaber Iermoloff zu dem Sardar Hussein-Chan geschickt, und dieser führte ihn nach Tische an das cine Fenster seines Wohnzimmers mit den Worten: „Hier schauen Sie hinaus, welch' schönes und reiches Land Armenien ist, und alles das was Sie sehen steht unter meinem Befehle." Zwdlf Jahre spater nahm der Fürst Vebutvss dieselben Räume ein und das ganze Land gehorchte ihm. Die Aussicht von dem Schlosse ist magnifik und wird die *) vubois, Vo^o; Lom, III. psg. 228. *) Dubois, Voyage j Torn, Hi. pag. 338. 400 Verwunderung selbst des Gleichgültigsien erregen. Unter dem Fenster die steilen Felsen bis an das Bett der laut tosenden Sengi und darüber die große Ebene in welcher der Arares ruhig fließt, bis dahin wo der greise Ararat und das ganze Gebirge der Ara-xes-Euphrat-Wasserscheide mit seinen zum Theil mit ewigem Eis und Schnee bedeckten Gipfeln sich befindet. Die innere Stadt habe ich nur wenig gesehen und vermag deßhalb keine detaillirte Beschreibung derselben zu geben. Auf meiner Rückreise glaubte ich es mit mehr Mnße thun zu können — da kam die Krankheit, die allen fernern Untersuchungen ein Ende setzte. Die Stadt liegt in einer weiten Schlucht des letzten Ausläufers der Gebirge von Daratschitschagk oder des Karnijarach und verliert sich in der großen Annes-Ebene. Nach armenischen Nachrichten soll sie gegen das Ende des ersten Jahrhunderts von Ardasches III auf der Stelle erbaut seyn wo der Usurpator Ero-want II seine Niederlage erlitt, und erhielt deßhalb den Namen Erowantawan, aus dem später Eriwan wurde. Nach der Aussage eines gelehrten Mönches in Etschmiadsin hingegen wurde die höchste Stelle der Arares-Ebene, wo eben Eriwan liegt, weil sie zuerst nach der Sündfluth aus dem Wasser heraustrat, Erewan, d. h. er hat sie zuerst gesehen (von Iereff sehen), genannt. Im 7ten Jahrhundert erscheint die Stadt als Burg. Eine Bedeutung erhielt sie aber erst gegen den Anfang des vorigen Jahrhunderts, und unter dem letzten Sardar Hussein-Chan stand sie in ihrer höchsten Blüthe. Die Hitze hatte sich in den letzten Tagen schon sn vergrößert daß mein Thermometer im Schatten 27—29"R. zeigte und selbst wahrend der Nacht sich nur wenig verminderte. Ich war deßhalb gezwungen meine Elcursionen nur am frühen Morgen und gegen Abend vorzunehmen. Das Klima von Eriwan und der ganzen Arares-Ebene ist den Fremden im hohen Grade gefährlich und viele der russischen Angestellten finden hier ihr Grab. Die Hitze steigt im Sommer (nach der Aussage Vebutoffs und eines Arztes) nicht selten bis zu 33", und selbst 34 und 35" sollen in einzelnen Stunde» vorkommen. Die Nachte werden fast gar nicht abgekühlt und ich hatte in Kanakir oberhalb Eriwan gegen das Ende Iunius Abends 8 Uhr in meinem Zimmer 28" R. So dauert eine gleiche Hitze bis gegen das Ende des Monats August fort. M und nur höchst selten kühlt ein Gewitter für Augenblicke die brennende Luft. Oft schon im April und im Anfang Mai steigt das Thermometer zu einer seltenen Hohe und plötzlich fällt es dann bis einige Grade über dem Gefrierpunkt. Welche Wirkung dieser schnelle Wechsel hervorbringen muß, ist leicht einzusehen, und lm Mai 1835 erfroren in der Araxesebene (besonders im westlichen Theil) und im Süden von Schmagel nicht weniger als einige 30 Menschen. So heiß es im Sommer ist, so kalt wird es im Winter, und wenn auch Dubois' Behauptung daß das Thermometer biszu—20"R. gefallen sey, nicht glaubhaft ist, sosoll eine Kälte von 12" R. doch in Eriwan nicht selten seyn. Der tiefste Stand den man beobachtet hatte, war — I8V2' R. Lange konnte man sich die große Kälte nicht erklären und schrieb sie dem vul, canischen Boden zn. Parrot gehört das Verdienst die Ursache gefunden zu haben, und durch ihn wissen wir daß Eriwan nicht weniger als 3311 Fuß über dem Meere liegt. Vis auf Ausnahme der Gärten und der nächsten Umgebung des Sengi-Flusses ist die Vegetation in der Umgegend von Eriwan unbedeutend und nur wenige Psiänzchen von kärglichem Ansehen fand ich auf der Steinwüste, welche sich nordwestlich hinzieht. Die wichtigsten Pflanzen die ich gefunden, waren: l^oa persica Prin., Biomus crectus Huds., Allium rotundum L., Kacliia hissopifolia Rth.? Acroptilon Picris C. A. Mey., Cnicus benedictus L., Pyre thrum myriophyllum C. A. Mey., Chamo-milla pusilla C. Kocli, Galium segetum C. Hoch, Galium Cru-ciata Scop., ß, chersonensis "Willd., Galium vernum Scop., Asperula humifusa M.B., Campanula lalifoliaL., C Adami M.B., Anchusa paniculata Ait., Heliotropium curopaeum L., Onosma tinctoria M.B., Veronica Buxbaumii Ten., Stachys iberica M.B., Sympliyandra armena DC, Pastinaca dasyantha C. Koch, Scan-«»t pinnatisida Vend., Scandix falcada Loud., Alchemylla se-ricea Willd., Polygala hybrida DC, Peganum Harmala L., Gypsophila elegans M.B., Dianihus Liboschitzianu» Ser., D- hirtus Vill., D. capitalus Pall., Eiemogonc graminifolia Fenzl, Ccrastium dichothomum L., Glaucium curniculatum Pevs., ß. tricolor Bernh., Malcolmia africana R. Br., Hesperis Steveniana DC, H. sibirica L., Sisymbrium Loeselii L., S. Iria L., Erysimum coUinum Andrz., E. lanciolatumR.Br., E.ochro^ Reisen u»d Länderbeschreibuugm. XXV. (Neise nach Kaukasien.) 26 402 leucum DC, ft. petiolatum C. Koch, Lepidium Draba L., ßt crassifolium utlb y- tenuifolium, Delphinium floxuosum M.B., D. Ajacis L., Ranunculus iUyricus L., Medicago Gerardi W. et K,, Trigonella striaia L., Astragalus austriacus L., A. cau-casicus Pall., Vicia polyphylla Desf., Lathyrus varius C. Koch ilttb Sophora alopecuroides L. Den 22 Mai gegen Abend verließ ich Eriwan und eilte auf schnellen Rossen und auf einem gebahnten Wege nach dem uralten Kloster Etschmiadsin. In zwei Stunden legte ich den fast 4^/z Stunden langen Weg zurück und befand mich um so viel wiederum westlicher. Der freundliche Fürst Bebutoss hatte mich seinem Onkel Karganoff, der die Stelle eines Oberintendanten des Klosters bekleidete, besonders empfohlen, und so ritt ich zunächst bei diesem, der in dem nahegelegenen Dorfe gleichen Namens seine Wohnung aufgeschlagen hatte, vor. Herzlich wurde ich begrüßt und alsbald in das nahe Kloster geführt. Eine große Ringmauer, welche man eher bei einer Festung als bei einem friedlichen-Kloster sucht, umgibt die Gebäude und schützte in den unruhigen Zeiten, wo die Perser hier herrschten, die frommen Mönche vor einem plötzlichen Ueberfall. Ein dunkles Thor führt in den innern weitläufigen Raum, der durch eine Reihe querlaufender Gebäude in zwei Hofe geschieden wird, und nachdem ich quer über beide durch Hrn. Karganoff geleitet worden war, empfing mich ein Priester von seltener Schönheit an einer Thüre. Eine große majestätische Gestalt imponirt um desto mehr, wenn noch äußere Umstände sie begünstigen, und so riefen die schonen schwarzen Augen, der dunkle wettherabhangende Bart und die einfache schwarze Priesterkleidung einen tiefen Eindruck in mir hervor. Noch immer sieht der zwar jugendliche und doch ehrwürdige Priester mir vor der Seele. Seine klangvolle kräftige Sprache überschüttete mich mit einer blumenreichen Rede, die wir Europäer uns vergebens zu verschaffen suchen. „So sey du mir willkommen als Christ in dem alten ehrwürdigen Gebäude der Christenheit, und reichen Dank zollen wir dir daß du uns Gelegenheit gibst, dich mit den Heiligthümern unsers Klosters bekannt zu machen, damit das ferne Abendland erfahren mag, wie treu wir Armenier viele Jahrhunderte hindurch unsere Religion gegen Perser und Türken erhalten haben. So sey du uns im Namen un- 403 sers ehrwürdigen Patriarchen gegrüßt. Sieh die Wohnung als die deine an und laß uns zusammen seyn, als wären wir seit immer Freunde gewesen." Das war der Sinn seiner Worte. Hierauf führte er mich in ein für Fremde eingerichtetes Zimmer, in dem orientalischer Luxus sich entfaltet hatte. Reiche Teppiche bedeckten den Fußboden und ein weicher Divan zog sich längs den Seiten des Zimmers. Gemaltes Glas schmückte die beiden Fenster. Von unsern europaischen Menbles war freilich nichts zu finden. Mit derselben Höflichkeit wurde ich hier wiederum willkomme« geheißen und dann eine Zeit allein gelassen. Der Priester verließ mich später nicht mehr und begleitete mich allenthalben auf den weiten Spaziergangen durch die Klostergebäude. Bei Tisch saß er neben mir und unterhielt mich fortwahrend mit dem wonach mein Herz sich wünschte. Ihm verdanke ich die meisten Nachrichten welche ich über Armenien eingezogen habe. Eine schöne Sitte war es daß stets neben meinem Couverte eine blühende Rose lag. Bevor ich die Beschreibung des Klosters selbst beginne, wird es nothwendig etwas über die Lage und Geschichte von Etschmia-dsin zu sagen. Dieselbe Ebene, wie sie südlich von Eriwan befindlich ist, zieht sich auf beiden Seiten des Araxes vou den Gränzen der Karabag'schen Berge westlich bis über die Mündung des Gerstensiusses hiu und wird nördlich durch die südlickcn Ausläufer der Kur-Arares-Wasscrscheide, südlich hingegen von denen der Scheide des Ararcs und östlichen Eupbrac begränzt. Sie bildet ein tiefes Bassin, was ringsum von vulcanischen Gebirgen umgeben ist und durch ungeheure Massen Lava zu einer mittlern Höhe von 2800 bis 3000 Fuß über den Meeresspiegel gekommen ist. Etschmiadsin selbst befindet sich nach Parrot nur 28W Fuß hoch. Lava-Massen und Trachyte bilden demnach die Decke, und wo sie zu Tage gehen, liegen sie zertrümmert auf dem Boden, um eine unfruchtbare Steinwüste zu bilden. Wo aber vulcanische Asche sich aufgehäuft hat, ändert sich der Boden und große Fruchtbare keit tritt an die Stelle der traurigen Wüste. Da haben sich Armenier, Perser und Tataren niedergelassen, bewässern den fruchtbaren Boden und erfreuen sich der reichlichen Früchte, die bei geringen Mühen aus dem unerschöpflichen Füllhom der reichen Mutter Natur gespendet werden. 26* 404 Etschmiadsin liegt an dem Kasach, kaum drei Stunden von Aschtarak entfernt, während Eriwan 4V. Stunden östlicher sich befindet. Westlich ist die nächste aber unbedeutende Stadt Sardar-abad vom Sardar Hussein - Chan angelegt und ungefähr ft Stunden entfernt. Der Ararat liegt südlich und seine Entfernung mag ungefähr 12 Stunden Weges betragen. Was den Namen Etschmiadsiu anbelangt, so ist er der ersten hier vom armenischen Apostel Gregor erbauten Kirche entnommen, denn der Heilige wählte den Ort wo Jesus selbst vom Himmel auf die Erde gestiegen war, um ihm zu erscheinen, ans, um die Kirche zu gründen. Ein Altar mitten in der Kirche bezeichnet die Stelle und rings um ihn ist das heilige Gebäude aufgeführt worden. Es führte den Namen Etsch (d. h. er ist herabgestiegen) miadsin (der Eingeborene, von mi allein und dsin geboren). Früher soll das Kloster den Namen Katurighe geführt haben. Als die Kirche zu Anfang des 4ten Jahrhunderts (303) erbaut wurde, befand sie sich mitten in der volkreichen Hauptstadt der Armenier, deren Alter sich bis in die ältesten Zeiten des grauen Heidenthums verläuft. Hier um den Ararat ließ sich der Ahnherr des armenischen Volkes, Hcihigk (Haigk) ein Sohn des Thargamos *) (den wir schon als gemeinschaftlichen Stammvater der Armenier und Grusier betrachtet haben) und in vierter Liuie von Iapheth abstammend nieder und breitete seine Macht weit aus. Dieses geschah gegen das Jahr 2W7 v. Chr. Sem Volk nannte sich nach ihm, wahrend fremde Volker es mit dem Namen des Armenag, eines Sohnes vouHahigk, benennen. Hahigk nahm also dieselben Gegenden ein welche sein Urahn Noah schon vor ihm bewohnt hatte, und alle Namen die aus dieser Vorzeit stammen, wurden auch auf die spätere Zeit übergetragen. Von Eriwan habe ich schon gesprochen. Nachitschewan oder eigentlich Nached-schewan bedeutet daß Noah zuerst in die Gegend Herabgestiege" ist. Hier iiegt er auch begraben und noch heutzutage zeigt man die Stelle. In Aguri pflanzte der zweite Stammvater der Menschen den ersten Weinstock und daher der Name. Im türkischen Paschalik Bajasid liegt das Dorf Marant, eigentlich Mair- *) Die Armenier nennen nach Moses von Chorene den Vater von Hahigh, Gaihles. 405 ant, d. h. Mutter dort, und in ihm liegt Noahs Frau begraben. Der Ararat selbst führt nicht bei den Armeniern diesen Namen, sondern bei ihnen heißt er Masis. Unter Ararat oder vielmehr Ararad verstehen sie, wie wir schon gesehen haben, die ganze Provinz welche sich zwischen der Kur-Arares- und Arares-Euphrat-Wasserscheide bis zu den karabag'scheu Bergen hinzieht. Sie erhielt den Namen Ara-Rad, d. h. Tod des Ara, eines durch seine Schönheit ausgezeichneten Königs der Armenier, der hier im Kampfe gegen die Gemiramis getddtet wurde. Die Gründung der allen Hauptstadt Armeniens wird dem Könige Erowant l, der vom Jahr 56!) bis 565 v. Chr. regiert haben soll, zugeschrieben, und wahrscheinlich weil in ihr ein Tempel der Diana stand, wurde sie Ardimet Chagack, d. i. Stadt der Artemis (Diana) genannt. Vielleicht eristirte die Stadt aber schon früher, denn ErowantS Schwager, Wartkes, bekam sie als Mitgift und nach ihm erhielt sie den Namen Wartkisi-Awan. Später wurde die Stadt wahrscheinlich zerstört, denn Konig Wagarsch, der von 178 bis 19« n. Chr. Geburt regierte, machte sie zu seiner Residenz und umgab sie mit einer Mauer. Von da an hieß sie Nor-0yagach, d. h. Neustadt, oder häufiger Wagarsch-abad, d. h. Stadt des Wagarsch. Mein freundlicher Priester meinte aber daß der letztere NameWagarschapad zu schreiben sey, denn eben weil der König die Mauer habe ziehen lassen, härte man diese Mauer (Pad) des Wagarsch (Wagarschapad) genannt. Erst später wäre durch den letztern Namen die Bezeichnung Neu-Sradt verdrangt worden. Chosroes I, der Sohn von Wagarsch, wurde durch dic Verrätherci sciucs Vetters Auag, des Vaters des heiligen Gregor, ermordet, und das Reich kam 27 Jahre lang unter die Herrschaft der Sassauidc». Mit Hülfe der Römer gelang es aberTirdat III den väterlichen Thron wiederum einzunehmen und in allem richtete sich der Kom'g nach dem römischen Kaiser. Als daher die königliche Hrimpsimeh, mit blendender Schönheit begabt, von dem rbmischeu Kaiser mit Antragen der Liebe bedroht mit ihrer Amme Gajanneh, ihren Freundinnen Nino, Marianne und Schohagat nebst 30 andern Jungfrauen, die sämmtlich sich der christlichen Religion ergeben hatten, nach ihrem Stammlandc Armenien floh, ließ Tirdat mit teuflischer Bosheit, als Hrimpsimeh auch ihm widerstand, diese mit ihren 406 Freundinnen steinigen. Nur Nino, die dan» die Verknndenn der christlichen Lehre in Grüften wurde, entkam. Kaum hatte aber Constantin das Christenthum zur Staatsreligion erhoben, so ließ Tirdät den heiligen Gregor, den er viele Jahre in einem tiefen Brunnen gefangen gehalten hatte, zu sich kommen um von ihm sich taufen zu lassen. So fanatisch er früher dem Feuerdienst ergeben war, so eifrig suchte er seine neue Religion zu verbreiten. Gregor wurde der erste Bischof, und zur Sühne der von ihm Geopferten erbaute er noch zwei Kirchen, von denen die eine der heiligen Hrimpsimeh, die andere der heiligen Gajanneh geweiht wurde. Unruhen und Thronsircitigkeiten brachten in der Folge Armenien in eine traurige Lage und der Kampf gegen den Feuern dienst der Perser und später gegen den Islam der Araber, Türken und Perser wurde fast immer unglücklich geführt. Im Jahre ^44 hörte Wagarschabad auf Residenz zu seyn und verfiel immer mehr. Auch die Patriarchen verlegten 452 ihren Sitz nach Towin, und dafür scheint im Jahre 524 iu Wagarschabad ein Kloster errichtet worden zu seyn. Trotz aller Stürme der Welteroberer, die nach und nach in Asien auftraten, erhielt sich wenigstens das Kloster mit seinen drei Hauptkirchen oder ging wiederum aus den Trümmern hervor. Nicht so die Stadt, die allmählich uuter ihren Trümmern sich begrub; es verschwand ihr Name, und der der Hauptkirche desEingebornen, Etschmiadsin, trat an seine Stelle. Im Jahr 1441 nahm das Haupt der armenische» Kirche seinen Sitz wiederum in Etschmiadsin und blieb nun daselbst mit nur geringen Unterbrechungen. Die Streitigkeiten der Türken mit den Russen waren die Ursache dast dieErzbischdfe von Wan und Kon-siantinopel sich eine Zeitlang ihrem Oberhaupt entzogen und sich selbst Patriarchen nannten. Doch jetzt erkennt die ganze armenische Christenheit, insofern sie nicht Katholiken sind, den Patriarchen zu Etschmiadsin für ihr Oberhaupt, für ihren Papst an. Nun zur Beschreibung. Das alte Wagarschabad besteht jetzt nur noch aus dem Kloster mit der Hauptkirche, aus zwei an der Erlwan'schen Straße gelegenen Kirchen, aus einer im Süden befindlichen Capelle und aus einem elenden Dorfe. Alles ist einige hundert Schritte von einander entfernt und mit Ausnahme des Dorfes mit hohen Mauern umgeben. Das Kloster besitzt den größten Umfang und besteht aus den eigentlichen dazu gehörigen 407 Gebäuden die in dem hintern Hofraum liegen, aus der Kirche, den Zellen und aus einem aus zwei überdeckten Galerien bestehenden Basare im vordern Hofraum. Südlich befinden sich die Ställe für das zum Kloster gehörige Vieh. Die Gebäude bilden zwei fast gleichseitige Vierecke und schließen demnach zwei große Hofe, die ich als den vordern und hintern bezeichnet habe und zum Theil zu Garten dienen, ein. Der vordere (und östliche) Hofraum dient den Mönchen und Laien zum Aufenthalt, und für die erstem finden sich an zwei Seiten der Mauer Zellen angebaut. Der hintere (und westliche) hingegen wird von dem Patriarchen und den obern Geistlichen benutzt und darf nicht ohne Erlaubniß von einem Laien betreten werden. >--------------' In Begleitung meines, freundlichen Priesters und des Hrn. Karganoff durchwanderte ich am Morgen des ^i Mai die weitläufigen Raume des Klosters und betrat zuerst die Gebäude im hintern Hofraum. Zuerst wurde ich zur Vuchdruckerei geführt. Sie ist zwar klein und besitzt nur zwei Pressen, würde aber unendlich mehr Bücher an das Licht der Welt fördern können als geschieht. Sie wurde vor ungefähr 80 Jahren vom Patriarchen Simon eingerichtet. Nicht weit davon auf derselben Seite ist das große Versammluugszimmer der heiligen Synode, in dem wöchentlich drei Sitzungen (Montag, Mittwoch und Freitag) gehalten werden. Es ist groß und europaisch mit einer langen Tafel um welche Stühle herumstehen, eingerichtet. Der kaiserliche Ukas, vermöge dessen die Beschlüsse der Synode für gültig erklärt werden, ist in Glas und Rahmen eingefaßt und steht auf einer dreieckigen Säule vor der Tafel. An der Wand sind die Bildnisse der wichtigsten armenischen Könige, des Abgar, des Tirdar III, des Leon (letzten armenischen Königs in Cilicien), des Hahlgk:c. aufgehängt. Von hier aus wandten wir uns durch die Gebäude, welche die beiden Hofraume von einander scheiden und in denen der Patriarch wohnt, nach dem vordern Hofraum. Das große Speisezimmer liegt in ihm, kann wohl gegen 100 Gaste fassen und besitzt steinerne Tafeln und steinerne Sitze. Für den Patriarchen ist in der neuesten Zeit ein erhöhter Sitz angebracht worden. Ueber dem Speisezimmer befinden sich die Getreide-Magazine. Südlich führt eine Thüre in einen kleinern Hof, in dem die Gebäude für die Pilgrime sind. Vestlich und nördlich dicht an der 408 hohen Mauer sind Kreuzgänge angebracht und in ihnen die Zellen für die Mönche. Mitten im Hofe sieht die Kirche, dem einge-bornen Sohne Gottes geweiht. Um von ihr eine genaue Einsicht zu bekommen, lege ich hier einen Grundriß bei. Norden. Süden. 1. Der Altar, wo Jesus dem heiligen Gregor erschienen ist. 2. Die Säulen welche den Dom tragen. 3. Ein sehr künstlich gearbeiteter Stuhl, von einem Papst geschenkt und von Holz geschnitzt. 4. Ein anderer Stuhl mit Perlmutter ausgelegt. 5. Zwei Altäre zur Creirung der Bischöfe. Der Patriarch sitzt dabei auf dem Stuhle Nro. 3 und creirt den neuen Bischof in Nro. 5». während die alten Bischöfe sich bei dem Altare Nro. 5d befinden. 6. Eine Vertiefung in der Mauer wo das Taufbecken steht. 7. Zwei Altare auf denen bestandig Kerzen brennen. 8. Das Allerheilige. 9. Eine vorgezogene Barriere. 10. Die Thüre welche zu den Reliquien führt. 11. Zwei Seitenthüren. /5. /H !7 lV ö ""5 - 409 42. Die Hauptthüre. 13. Die Vorhalle und auf ihr der Glockenthurm. Durch die besondere Vorbitte des Hrn. Karganoff wurde mir die seltene Ehre zu Theil die Reliquien zu sehen. Man thut dieses ungern und nur bei besondern Fällen, zumal anch große Vorbereitungen nöthig sind. Nur ein Erzbischof in der schönsten Festkleidung darf die geheiligten Gegenstände berühren. Eine Messe, worin besonders zu den HeUigen, denen die Gegenstände einst angehörten, gebetet wild, geht dem Oessnen der Thüre voraus , und wahrend der Zeit selbst singen mehrere Priester Lob-und Preislieder ab. Die Zahl der heiligen Reliquien belauft sich auf 300. Vor allem zog meine Aufmerksamkeit ein Schnitzwerk dem man das hohe Aster ansah, auf sich. Es stellte die Kreuzigung Christi vor und soll von dem Evangelisten Johannes verfertigt worden seyn. Die wichtigsten Reliquien waren ein Arm des Apostels Simon Judas, ein Arm des heiligen Gregor, ein Stück vom Kreuz, der Speer womit Jesus in die Seite gestochen wurde, ein Stück von der Arche Noah und ein mit seltsamer Farbenpracht geschmücktes Gemälde, die Jungfrau Maria mit dem Goitcökmde vorstellend und von dem vorigenPatriarcheu Iephraim selbst aus China gebracht. Die Vorhalle besteht aus wenigen und mit vielen Verzierungen versehenen Säulen. Auf ihr ruht der Glockenthurm mit einigen unbedeutenden Glocken. Er ist weit später erbaut und paßt wegen seiner dem gothischen Style nachgebildeten Bauart nicht zu dem alteu ehrwürdigen Gebäude. Auf ihm stieg ich nun auf die Galerien, die rings um die Kuppel geführt sind, um das ganze Kloster zu überschauen. Deutlich sah man den Steinen an daß sie lange schon Wind und Wetter getrotzt haben mußten, denn ihre Oberfläche ließ sich wie weicher Sandstein abreiben. Endlich wurde ich auch zu dem Patriarchen Iohanu geführt und ihm vorgestellt. Ich fand den ehrwürdigen Greis, den leider vor X Jahr der Schlag getroffen hatte, auf orientalischen Teppichen, die auf einer erhöhten Stelle lagen, mit übereinander geschlagenen Beinen sitzend und unterhielt mich nur kurze Zeit mit ihm, da sein Arzt ihm Ruhe gebot. Außer ihm finden sich in Etschmiadsin noch vier Erzbischdfe, b Bischöfe und 12 Archimandrite», und zu ihnen gesellen sich 410 noch gegen 40 Mönche, unter denen der Onkel meines Uebersetzers Gregor, der älteste des ganzen Klosters, sich befand; zuletzt wurde mir auch die Bibliothek gezeigt. Sie war nicht so bedeutend als ich geglaubt hatte, jedoch schienen mir mehrere griechische Ma-nuscripte darunter befindlich zu seyn. Es lag eben alles in der größten Unordnung. Der Akademiker Brosset hat in der neuesten Zeit die Bibliothek geordnet und das Verzeichnist derselben bekannt gemacht. Gegen Abend führte mich mein freundlicher Priester zu den Kirchen der heiligen Hrimpsimch und Gajannch, und von ersterer geht die Sage daß sie schon ein Jahr früher als die obige (also 30^) erbaut worden sey. Äls die Perser sie verwüsteten, baute sie der Mezn-Saak *) iu der ersten Hälfte des 5ten Jahrhunderts wieder auf. Hier liegen die Gebeine der heiligen Hrimpsimeh und noch zeigte man mir Steine mit denen man nach ihr geworfen hatte und die Blutflecken zeigeu sollten. Die andre Kirche ist kleiner und hat nichts besonderes aufzuweisen. Da in meinem Zimmer die Bilder über den Ararat von Parrot hingen, so ergriff ich auch die Gelegenheit über seine Be-steignng des Riesenberges nähere Nachrichten einzuziehen. Man läugncte es dasi er die höchste Spitze erreicht habe. Da der Berg vier Spitzen besitzt, von denen die zweite von Osten her am höchsten, die äußerste nach Westen am niedrigsten ist, so sey es Parrot gelungen, biö zn der letzter» zu kommen. Hier soll auch das Kreuz stehen was aufgerichtet wurde. Der frühere Civil-Gouver-neur Armem'ens, Chopin, war der erste der Parrots Angaben bezweifelte und öffentlich seinen Zweifel anssprach. Parrot klagte bei dem Cultusminister und die Sache wurde untersucht, wobei sich alles zu Gunsten des kühnen Reisenden herausstellte. In der neuesten Zeit hat auch ein deutscher Colonist, Vehrends mit Namen, glücklich den Gipfel erstiegen nnd ebenfalls anf der höchsten Stelle ein Krenz aufgepflanzt. Genau auf demselben Punkte in der Nähe eines Abgrunds, wie es Parrot angibt, fand Beh-rends das Kreuz fast ganz von Schnee bedeckt, und wahrschein- *) Mezn heißt groß und ist ein Veiwort, das zwar alle Patriarchen führen, aber diesem Saak, d. h. Isaak besonders zukommt. 4N lich wird der nächste Glückliche der die höchste Spitze erreicht, es nichc mehr finden. Leider wurden mit meiner Krankheit so viele heiße Wünsche zu Grabe getragen, und so entbehrte ich auch die Freude, meinen Willen den Ararat zu ersteigen in Erfüllung gehe» zu sehen. Das leichtgläubige Volk Armeniens halt die Krankheit für eine gerechte Strafe des Himmels, weil ich mich erkühnt hatte die heilige Stätte der Arche, wohin kein Mensch nach Gottes Willen mehr kommen soll, zu betreten. Es darf deßhalb nicht auffallen wenn Armenier und Perser sich mit Gewalt gegen eine Möglich: keit einer Besteigung sträuben, da eben die Unmöglichkeit selbst bei ihnen Glaubenssache geworden ist. Wie vom Kasbek und Brutsabseli eristiren auch bei den Umwohnern des Ararat von diesem Verge eine Menge Sagen und Erzählungen, die darauf hindeuten dasi es keinem Sterblichen vergönnt sey, die Srelle wo die heilige Arche noch stehe, zu betreten. Alle Versuche mißglückten, und als sogar Nadir-Schah in seiner Kühnheit den Gipfel zu erreichen strebte, aber schon zeitig umzukehren gezwungen war, wurde der Glaube um so fester. Auch Chopin versuchte es wenn ich nicht irre zweimal, und M,g deßhalb zur Bestätigung der frühern Annahme noch mehr bei. Wenn daher plötzlich aus hohem Norden ein Fremder kommt und beim ersten Aufsteigen glücklich ist, so liegt es vielleicht einem ungebildeten, tief im Aberglauben versunkenen Volke nahe, ans Starrheit zn zweifeln; wenn aber ein gebildeter Mann, wie Chopin, dem Gewäsche beipflichtet, so kann man nur in seinem Ehrgeize, daß es ihm mißglückt scy, eine Ursache finden. Ich habe das Vergnügen beide Herren, von denen leider der eine zu früh der Wissenschaft entrissen ist, zu kennen, und beim ersten Zusammentreffen sah ich daß Chopins Versuche den Ararat zu besteigen stets mißglücken würden, während Parrot eme Kdrperconstitution besaß, die ganz und gar für das Bergsteigen eingerichtet war. Alles was der letztere ergriff, vollendete er mit Eifer. Chopin brachte mit mir den Winter 1836/37 in Tiftis zu und arbeitete mit großer Ausdauer und seltenem Fleiße an einem Werke über Armenien. Leider ließ er sich dabei in Dinge ein denen er nicht gewachsen war, und versuchte die alte Geschichte zu erklären. Mit großem Fleiße siudirte er deßhalb Plinius' Natur- 412 geschichte, ein doch in vieler Hinsicht confuses Werk, was nicht so leicht, als Chopin meinte, entwirrt werden kann, nnd glaubte allenthalben seine Namen wieder zu finden. Dabei benutzte er noch eine franzosische Ucbersetzuug. Wenn daher die Petersburger Akademie nach Ueberreichung seines Werkes dieses für ein l,s>i8 ^'couvro erklärte und es dock spater einen der Demidoss'scheu Preise erhielt, so kann man freilich den grellen Widerspruch, der von Gelehrten einer und derselben Stadt ausgesprochen wurde, nicht begreifen. Mir ist das Werk selbst noch nicht zu Gesicht gekommen, wohl aber hat Chopin mir einiges im Manuscript gezeigt, nnd wcnn ich mir darnach ein Urtheil erlauben darf, so ist der geographische Theil Ullstreilig das vorzüglichste was wir über Russisch-Armenien besitzen. Als Civilgouverneur winde ihm auch alle Gelegenheit sich mit den statistischen und geographischen Verhältnissen vertrauter zu machen. Das Geschichtliche wird wohl die Akademie besonders ins Auge gefaßt und hiernach ihr Urtheil gestellt haben. Ich glaube mit ihr, das; dieser Theil gar keincu wissenschaftlichen Werth besitzt. Die Zeit meiner Anwesenheit in Etschmiadsin benutzte ich auch/ lim die eintönige nächste Umgebung des Klosters kennen zu lernen. Im Norden setzte sich die schon mehrmals genannte Steinwüste fort und im Süden breiteten sich bis an den Araves die schönsten Getreidefelder, zwischen denen Baumwollen-, Ricinus- und Reis-anpfianzungeu sich vorfanden, aus. Wie bei uns wucherten eine Mcnge Unkräuter auf dem bebauten Felde und suchten die nützlichen Gräser und Pflanzen zu verdrängen. Im Allgemeinen gehorten sie denselben Geschlechtern wie unsere Feldkräutcr an, und die wichtigsten vou ihnen waren: Lathyrus inconspicuus L. , Ij-Aphaca L., L. Jatifolius L., Vicia segetalis Thuill., V. cordala Wulf., V. serdida W. et K., V. peregiina L., V. narbonensis L-, (■>• hcterophylla llehb., Ervuru nigricans M. 13., Trigonella sttiata Ji,, T. arcuala C A. Mey., T. monspeliensis L., Fumaria parviilora Ijam., Diplotaxis biloba C. Koch, Saponaria inc]u*a C. Koch, Silene conica Ij. , S. lacoia Sims., Szovitsia callicarpa F. et M., Scandix pinnatifida Vent., ß. hirsuta, Chaerophyllun1 roseum M. B., Rochelia slcllutata Rchb., Lycopsis flavcscen» C. A. Mey., L. picta Lehm., Veronica biloba L., Dufresnea Jciocarpa C. Koch, Valerianella oxyrrhyncha F. et M., Galium aparinoides Forsk? G. segetum C. Koch, Euphorbia segetalis 413 L., Bromus Danlhouiae Trin. nub Miliimi veraale M. B. Žlit^V« bem sammelte id) nod) an 3<™tun ' ctu 9t«tnen unb ©egen : Astragalus davuricus 1). C, Tiibulus terrestris L., Rosa cau-casica M. B., R. ccntisolia L. ß. mollis, Delphinium hybridum Steph. ß. albiflorum D. C, I), flexuosum M. B., .1). Ajacis L., Dianthus canescons C. Koch, Ccrastiuin pauciflorum Stev\(?), C. umbullalum C. Koch, Lepidium laiilolium L., I- pcrl'oliatum sj., L. vesicarium L., L. salivum L., Veronica orientalis Ait., l^odarlia ovicntalis L., Sidcritis inontana L., IS'cpeta Meyori Bentli. , Dracocephalum ibcricum M. B. , Acinos graveolcns L. K. , Scabiosa linisolia C. Kocli, Euphorbia Myrsinites L., Polygonum elegans Ten. , Ebeagnus angustifolia K , Allium flavum L. unb Carex sLenophylla VVahlenb. Die Hitze war den 23 und 24 Mai l'is auf 31" gestiegen. Vergebens warnten niich die freundlichen Mönche mich ihr nicht zu sehr auszusetzen, da die ersten Heisien Sonuenstrahleu schädlicher als die intensiveren der Monate Julius und Angust seyen. Der Nordländer fnhlt im Anfange die Hitze in wärmern Gegenden nicht in so hohem Grade wie der Eingeborne, auf gleiche Weise als der Südlander die Kalte in den nördlichen Landern im Anfang ebenfalls weniger fühlt, und so laufen Franzosen und Italiener it, Petersburg bei einer Kälte von 28 — 30" wenig verwahrt herum, bis sie dnrch Schaden balo klug werden. Ich hätte nie qeglaubt daß es so heiß gewesen wäre, wenn nicht mein Thcrmcmetcr cs bezeugt hätte; denn mir >var es nlchc anders als an heißen Tagen in dem lieben Deutschland. Doch schon bald erreichte lnlch die Straft meines Leichtsinns. Da allenthalben Wasser auf die Felder geleitet wnrde, so bvtanisirte es sich nicht gut und oft blieb ich in den: schlammigen Boden stecken. Ich schlug deßhalb au cincm schonen Morgen, wo die ganze Gegend in einen feinen Dunst sich gehüllt H.Me, meinen Weg nach der Sandwüste ein. Das kleine I^pavLl' eummulgtuin ^. ^. No), und die Kappernpsianze in schönster Blüthe waren fast die einzigen Pflanzen welchen ich begegnete. Ich besah mir zuerst das Denkmal, das der Kaiser von Rußland den in dem letzten persischen Kriege gefallenen treuen Soldaten errichten ließ, aber trotzdem es seit drei Jahren begonnen ist, noch unvollendet dasteht. Bosheit der Mohammedaner hat die schönen großen Quadersteine 414 schon beschädigt, und so wird es wohl wieder ruinlrt seyn bevor es nur beendigt ist. Es bestand damals aus einer grofien viereckigen Säule. Mehrere Stunden von Etschmiadsin entfernt fand ich mitten auf der Wüste Zelte aufgeschlagen. Neugierig, wcr darin hausen möchte, ging ich trotz der Widerreden meines Uebersehers und meines treuen Kosaken kecken Schrittes auf sie los. Frauen waren vor den Thuren mit Kühen beschäftigt, nahmen aber, als sie mich erblickten, mit Geschrei die Flucht. Ungeheure Hunde stürzten auf mich zu, und hatten Stephan (mein Kosak) und ich nicht unsere Gewehre vorgehalteu, sl> wäre mir wohl meine Kühnheil theuer zu stehen gekommen. Bald darauf erschienen bräunliche Knrden von kurzer Statur und in Lumpen gehüllt, und hielten Pistolen und Säbel in der Hand. Zum Zeichen, daß ich friedlich gesinnt sey, warf ich meine Flinte über die Achsel und winkte ihnen naher zu treten. Mir den Worten Allah han (dem gewöhnlichen tatarischen Gruß) beruhigte ich sie einigermaßen. Aber kaum hatte ich mit der Hand ein Zeichen gegeben, daß ich durstig sey und die Worte ^,i, .in P9U (gib mir gesäuerte Milch) ausgesprochen, so wandte sich ein junger Manu nach dem einen Zelte und kam mit einem irdenen mit Airan gefüllten Gefäße zurück. Somit ware» wir Freunde. Auf meinen Wunsch wurde ich in das Innere der Zelte geführt und mit allen Einrichtungen bekannt gemacht. Diese Kurden führen nach unsern Begriffen ein trauriges armseliges Leben in dieser Stein-wüste, und besitzen kaum Lumpen genug um sich nothdürftig zu bedecken. Die Cultur, welche allmählich auch in Armenien Wurzel zu fassen beginne, hat sie von dem fruchtbarern Theile der Arares-ebene verdrängt. So ziehen sie im Frühling und Winter auf den öden Steppen herum und wenden sich im Sommer und Herbst zu den Bergen der Arares-Euphrat-Wasserscheide. Ihr ganzer Reichthum bestand aus Zelten, einigen Stück Rindvieh, ehernen Kesseln und wenigen irdenen Gefäßen. Und doch befanden sich die Lente glücklich und bedauerten Armenier und Tataren, die ihr ganz^' Leben hindurch auf einer Stelle sich herumbewegcn müßten. Als ich am 25 Mai des Morgens Etschmiadsin verlassen wollte, ließ mir der ehrwürdige Patriarch noch seinen Gruß entbieten und zum Geschenk ein Manuscript der Geschichte des Moses von Chorene überreichen. Zu gleicher Zeit sprach er m einem ft- 415 genannten Pilgrimsbrief seinen Segen über mich aus. Ich habe zwar schon früher diesen Brief in Brans Miscellen (1l. Heft 1337) abdrucken lassen, trage aber kein Bedenken ihn auch in der Beschreibung meiner Reise wiederzugeben. ^ " ^ „Der Diener Jesu Christi, Johann, Katholikos aller Armenier und Patriarch der apostolischen und Christus selbst geweihten Kirche, so wie des ersten heiligen Klosters zu Etschmkadsin dem hochgeehrten Professor Koch uns freundlichst ergeben und in der Gnade unseres Herrn Jesu Ghristi. Wir sind hoch erfreut Dich zu begrüßen in dcm geheiligten Patriarchensitze, noch aus grauem Alterthume stammend, wohin Du mit dem großen Wunsche kämest, die verschiedenen Heilig« thümer, welche hier niedergelegt sind und auf denen unsere wahre christliche Religion gebant ist, in Augenschein zu nehmen. In Folge dessen und aus besonderer Gunst machen wir Dir zum Zeichen unserer freundschaftlichen Gesinnungen aus unserer «ms hier in Etschmiadsin eigenthümlichen Bibliothek ein Manuscript der Geschichte von Moses aus Chorene, bezeichnet mit Nr. 475, zum Geschenk und fügen diese Urkunde unseres heiligen patriarchalischen Segens bei. Mit innigem Gemüthe flehen wir zu dem höchsten Gotte für Dich um seinen Schutz. Möge er Dir bis zu einem hohen Alter ein freudenreiches Leben verleihen, möge er Deinen Lebenslauf mit Tugendblumen bestreuen, mbge er alle Deine Unternehmungen mit Erfolg krönen, möge er Dir unter dem heimischen Dache die himmlische Gnade erhalten, möge er Dich beschützen vor allen feindlichen bewußten und unbewußten Versuchungen der Seele und des Fleisches. Amen! Bis in die Ewigkeit werde ich Dein Fürbitrer seyn. Heilig Etschmiadsin, den 13/25 Mat 1837. Der Katholikos aller Armenier, Johann." Der Weg führte mich von Etschmiadsin südwestlich nach dem nur zwei Stunden entfernten Seiwa, dem Wohnsitze des Kreishauptmannes (Natschalnik) des Sardarabad'schcn Kreises, und nach kurzer Zeit langte ich daselbst an, um die freundlichste Aufnahme zu finden. Da ein ungehenrer Sturm vom Allagas her brauste und bald darauf ein fürchterliches Gewitter sich einstellte, so benutzte ich die Zeit, um von dem Krcishauptmanne Cariatzky Nachrichten über das Land einzuziehen. Bei der Beschreibung 416 Meines Eintritts in Russisch - Armenien habe ich schon im Allgemeinen von Russisch-Armenien gesprochen, und fuge deßhalb hier nur noch bei, daß im Sardarabad'schen Kreise 1A) D'orfer mis 5000 Häusern vorhanden sind. Die Umgebung von Seiwa ist fruchtbarer als der Norden von Etschmiadsin, sieht aber in seinen Ertragen dem Suden jenes Klosters nach. Der Boden, besonders nach dem Allagäs zu, ist zum Theil morastig, und eine Menge Wasser quillt aus dem Ulllcam'schen Gestein heraus. Da es oft keinen oder nur geringen Abfluß hat, so erzeugt sich dadurch saurer Boden, und die niedrig gelegenen Strecken liegen nnbebant da. Der Charakter der Landschaft ist bis auf den zum Theil sumpfigen Boden noch derselbe, und wie in den Gegenden, die ich eben verlassen hatte, fehlt auch hier alles Gehölz Außer der Tamariske, einigen verkrüppelten Weiden und dem wilden Oelbaume vermißte ich selbst die Sträucher, die ich bei Eriwan gesehen hatte. Die Flora hatte durch den moorige» nnd feuchten Voden doch hie und da sich verändert, und ich sammelte eine Menge Pflanzen, die ich bisher noch nicht gesehen. Die wichtigsten waren: Ota- brosa aquatica Beauv., Triticum Orientale M. B., Scirpus Ta-, bernacrnontani Gm., S. maritimus L., Schoberia salsa C. A. Mey., Euphorbia virgata "W. et K., Koclpinia edulis Pall., Podospcrmum canum C. A.Mcy., Taraxacum corniculatum D. C, Tragopogon ilaccosus W. et l{., T. caucasicus F. et M., Oligo-chaeta divaricaia C. Koch, Carduus nervosus C- Koch, Cbamo-milla praccov C. Koch, Arthemis rigescens Wild. ß. uniflorum, Achillca albicaulis C. A. Mey., Antennaria rubicunda C. Koch, Plantago lanceolata L. ß, polystachys maxima, Glaux maritima L., Convolvulus Besseri Spreng., Solanum persicum Willd.» Echinospcrmum patulum Lehrn., Lithospermum setosum I1-et M., Marrubium persicum C. A. Mey., Prunella laciniata L-> Veronica tenuis Ijetl., Scrophularia betonicifolia L., S. Ani C Koch, Dodarlia orientalis L., Phelypaea armena C. Koch, SympodiuiTi simplex C. Koch , Bupleurum Marscliallianum C A. Mey. ß, humile, Daucus pulcliertimus G. D. F. Koch, Ta-maris: cupressisormis Led., Holosteum dichotomum C. Koch» Gypsophila viscosa Murr., G. elcgans M. B., G. perfoliata L. ß, tomentosaWilld., Erysimum leptophyllum Andrz. ß, dentata 417 Hohenack., Sierigftia torulosum D. C., S. tomentosum 1). C, Sameraria armena Desv., Nasturtium austriacum Crntz., Bar-barea plantaginea D. C., Anemone navcissiflora L. ß. villosis-sitna, Glycyrrbiza glandulifera W. ct.K., Astragalus fruticosus Pall., A. triliuloidcs D. C, A. nigrostriatus C. Koch «n& Galega orientalis L. Der feuchte Boden und das kaum fließende Wasser des Kara-Suh (Schwarzwasscr), in dem sich alle auf dem vnlcanischcn Voden entsprillgeudcn Quelle» vereinsgcn, ist Ursache daß sich eine Menge Mucken erzeuge», und Menschen und Vieh im hohen Grade belästigen. Auf meinen Ercursionen an dem Ufer des Schwarz-wasserö war es kamn möglich zn athmen ohne eine Menge mit einzuziehen. Ich unterschied dreierlei, unsere (^ex pipiLn») die kleine kaum sichtbare Mücke, welche Eichwald s>>1ott tfulp waren bie intereffatiteften «Pflatijcnt Ephedi a monostachya L.; Hippophae rhamnoides L., ß, macro-stachys C. Kocb ; Salsola eiicoides M. B., S. glauca M. B., S. araxina C. Koch; Halogeton Kulpianus C. Koch; Halo-stachys caspia F. et M., Halimocnemon Kulpianum C. Koch; Spinacia tetrandra Ster.; Cnicus benedictus Lt; Amberboa odorata DC; Chardinia xeranthemoides Desf.; Valerianell3 oxyrrhyncha F. et M.; Callipeltis cucullaris Stev.; Lycopsis picta Lehrn.; Verbascum formosum Bess.; Veronica dentata Schmidt; Phelypaea coerulea C. A. Mey., Ph. flava C. A.Mey,; Linaria armena C. A. Mey. ; Ferula Szovitsiana DC. ; Li num. annotinum C» Koch; Isatis costata C. A. Mey., I. iberica Stev.; Draba siliquosa M. B.; Glaucium corniculatum Pers., /J. tricolor Bernh.; Ceratocarpus arenarius DC; Nigella foenulacea DC. «nt> N. verrucosa C. Koch. Deeiunddreißigstes Gapitel. Meine Krankheil und Niickreisc über D aratschitschag!? nach Tiflis. 3« Ho,ni?nfüch; Holzmange«; Nückvcise »nich Eriwan; der englische Qfsicier; Kanakil'. daö gclbe Fieber; Temperatur.-Verachtungen; Abreise ,i«ch Daratschtt'cka^k; S.ick'i; Htamwanftrai; Ketschaius,; Flova der Umgegend; Abwechslungen der Tempevaturrer: hältüisse; Neruenfieb« ; die sinsilich Vebutoss'sche Familie; daö Lager von Achmet^Vhan; Mittagessen; Stnißcnmub; der schiitische ^,opüct; Abreise nach Tiftis; der blau« See; Ufbcrgcu,., über ?a^ (^cl'irge; Lschat-Meidan-, daö Thal der Akst«sa; die rotke Vrücke; ^liünani; ^lntunst in T>M. Gegen Abend (30 Mai) vergrößerte sich mein Kopfweh so sehr, daß in anfangs längern doch später kürzern Zwischenräumen wir das Gefühl wurde, als wüldc mit einem glühenden Nagel mir das Hirn durchbohrt. Der Schmerz vermehrte sich m,f eine schreckliche Weise und es wurde mir bald klar, daß der Sonnenstich, eine Entzündung der Gehirnhäute, mich betrossen. Jetzt erst fühlte ich in der ganzen Grbße, was es heiße, entfernt von den Seinigen krank Zn seyn! Ich nahm die ganze Kraft des Geistes 438 zusammen, um in der traurigen Lage nicht unterzugehen. So lag ich in einem verfallenen Thurme, wenig gegen die äußeren Einflüsse geschützt, am Tage bei einer Hitze vou 34" R., in der Nacht von Ungeziefern jeder Art, besonders aber von den schon oben beschriebenen kleinen Mücken geplagt. Mein Zustand verschlimmerte sich mit jedem Tage nnd ich stand mehrmals im Begriff mir selbst zur Ader zu lassen. Doch war ich sicher, daß ich bei dem Fieber, das mich dabei ergriffen, auch die Vene traf? Konnte nicht in dem Augenblicke des Aderlasses einer jener fürchterlichen Paroxysmen mich überfallen, wie sie den Tag 0 — 6mal kamen uud mich in einen bewußtlosen Zustand versetzten? Meine hülflose Lage hatte selbst bei deu halb wilden Bewohnern jener Gegenden Mitleid erregt und Alt und Jung bemühte sich mir behülfiich zu seyn. Der gute Pomoschtschik nahm sick meiner auf die liebreichste Weise au uud unterstützte mich mir allem dem was in seinen Kräften stand. Am fünften Tage Morgens kam ein Mollah zu mir uud versprach mich in wenigen Tagen wieder herzustellen. Als ich ihn aber um das Verfahren bat das er einzuschlagen gedachte, so schauderte es mich. Er wollte eine Grube macheu, diese mit Eis ausfüllen und mich nur '/^Stunde so hineinstecken, daß auch der Kopf vom Eis bedeckt würde. Gegeu Abend rückten die Anfälle so nahe aneinander, daß bis 12 Uhr Mitternacht nur Ein Parorysm zu seyu schien. Nach der Aussage meiner Umgebung soll er fürchterlich gewesen seyn. Mit ihm trat Krise rin. Schweisi bedeckte den gmizcn Kurper und zum erstenmal kam Schlaf in meine Augen. Ich schlief bis zum Morgen und erwachte so schwach, daß ich kein Glied zu rühren im Stande war. Selbst die Zunge versuchte ich vergebeus zum Spreche" zu bringen. Dabei war der Kopf frei. Gleich am ersten Tage meiner Krankheit hatte der Pomosch^ tschik nach Eriwau geschickt um einen Arzc kommen zu lassen, nnd am siebcluen Tage erschien der Unterarzt des in Kanakir bei Eri-wan befindlichen Hospitales, nur mit Lanzette und Calomel. Veide waren unuöthig, aber trotzdem erhielt ich von dem letztem noch bedeutende Dosen. Mit der Sprache stellte sich Appetit eiu und es wurde mir Hühnerbrühe gebracht. Leider ist man auch in dem Surmaly'schen Kreise aus Holzmangel gezwungen den Koth des Rindviehes zu trocknen um ihn als Brennmaterial zu verbrauchen. 429 Man darf sich deßhalb nickt wundern, daß jede gekochte Speise einen abscheulichen Geschmack erhalt und mir die Brühe widerte. So befaud ich mich ganz ohne Nahrung, und nur schwacher Thee, dessen Wasser in dem russischen Selbstkocher (Samowar) gekocht wurde, war das einzige was ich am 8ten und NenTage zu mir nahm. Da sich allmählich wiederum Kopfweh und nnruhige Nächte einstellten, trat ich dem Wunsche meines sorgfaltigen Arztes bei, mich nach Eriwan tragen zu lassen. Leider war die Hitze dieselbe geblieben und ich war gezwungen ein offenes der Sonne ganz preisgegebenes Land zu durchwandern. Wegen der räuberischen Kurden und Iesiden durfte ich eiue Reise des Nachts nicht wagen. Es wurde ein Palankiu erbaut und in diesem trugen mich abwechselnd Tataren und Kurdeu auf dem schon bekannten Wege nach Amarath. Ich nahm alle meine Lebenskraft zusammen um gesunder zu seyn als ich war, denn vou Zeit zu Zeit blickten meiue Träger nach mir ob ich noch lebe. Hatte ich die Augen geschlossen, so wäre ich fur todt gehalteu und der Aussage meines Uebersetzers nach unmittelbar in den nahen Arares geworfen worden. Der Arzt Joboli und meine Bedienten ritten stets voraus um mir immer neue Trager zu verschaffen, und so war ich in der Regel allein und mir selbst überlassen. In Amarath kaum der Ruhe übergeben, begann ich von mir selber nichts mehr wissend zu rasen und raste fort bis es Tag wurde. Ein Nervenfieber hatte sich eingestellt. Es that mir wohl, daß selbst fremde Menschen an dem fürchterlichen Geschicke das mich betroffen, innigen Antheil nahmeu. So schickte der schon bekannte Kosakenmajor Protzky seinen Wagen von selbst bis an den Arares und in diesem wurde ich zwar langsam aber sicher und gut bis zu den, Stabsquartier gebracht. Erst den dritten Tag kam ich in Eriwan an und brachte einige Tage n, meinem alten Logis zu. Der Oberarzt Slephanrff, ein gebildeter, mit den örtlichen Verhältnissen genau bekannter Mann, bestimmte mich zu ihm nach Kanakir in das Hospital zu kommen, theils um stets in seiner Nähe zu seyn und theils um bei dcr hdhern Lage Kanakirs mich in einem kühlern Klima zn befinden. Hier brachte ich vier Wochen in einem traurigen Zustande zu und war einmal dem Tode so nahe, daß der Oberarzt einen Voten nach Tiflis absendete, damit der Oberbefehlshaber einige Leute zum Ordnen meiner Sachen und Pflanzen senden möchte, denn lch 430 würde kaum noch einige Stunden leben. Die Nachricht wurde in Tiflis mit großer Trauer vernommen, und jeder dem ich noch so fern stand, widmete mir eine Thräne des Beileides. Nach vierzehn Tagen kamen von der Baronin Rosen abgesendet Leute — um mich wiederum wohler zu finden. Mein guter, in frühern Jahren abgehärteter Körper hatte gesiegt und ich spürte es, daß ich, wenn auch langsam, doch sicher der Gesundheit wieder gegeben wurde. Nicht so glücklich war ein englischer Officier, der ebenfalls in der Ebene des Arares von derselben Krankheit ergriffen und nach Kanakir gebracht wurde. Dem Tode näher als dem Leben kam er daselbst an und hauchte nach wenigen Stunden fern von der süßen Heimath sein Leben aus. Au seinem Grabe dankte ich, als ich nach mehreren Wochen langsam gehen konnte, der Gottheit, die mich in dieser Gefahr erhalten und gedachte der Seinen, die wahrscheinlich auch wie die Meinen der endlichen Rückkehr freudig entgegensahen. O es ist auch entsetzlich, auf dem Heimwege, nachdem man mehrere Jahre glücklich in der feiudlichen Fremde gewesen, dem Geschicke doch noch zu unterliegen. Kanakir liegt schon 840 Fuß hoher als Eriwan ungefähr eine Meile von dieser Stadt entfernt und hat wegen seiner für das südliche Armenien gesunden Lage die Hospitäler des Eriwan' schen Grenadierregimentes erhalten. Welch feindseliges Klima in Armenien dem Nordländer entgegentritt, sieht man delnlich in diesen Krankenhäusern, die immer überfüllt kaum alle Kranken fassen können. Eine diesen Gegenden eigenthümliche Krankheit wird von den Eingebornen das gelbe Fieber genannt und besteht aus einem Gallenfieber, bei dem der Kopf noch intensiver als bei uns angegriffen ist. In ihrem Verlaufe hat sie viel Choleraartiges und eben so schnell und fast unter denselben äußerlichen Erscheinungen stirbt nicht selten der Kranke. Der Sitz der Krankheit scheint weniger in den eigentlichen Gallenabsondenmgsorganen als vielmehr in dem ganzen Pfortadersysteme zu liegen, nnd eine eigen» thümliche Verstimmung der Unterleibsnerven, die vielleicht erst dmch Consensus mit dem Gehirne hervorgerufen ist, liegt ihr 5" Grunde. Sie beginnt jedesmal mit Kopfweh, so daß man, wenn man eben nicht genau mit den Eigenthümlichkeiten des dortigen Krankheitsgenius bekannt ist, glauben kann eine Entzündung des 431 Gehirnes vor sich zu haben. Aus dieser Ursache wurde auch mein Sonnenstich für das dortige gelbe Fieber gehalten. Ricinusöl als Laranz und Calomel als Altelans bei heftigen Anfällen, die weingeistige Tinctur der Brechnuß dazwischen gegeben, sind die beliebten und oft wunderthuenden Heilmittel der dortigen Aerzte. Aderlaß wird in der Regel vorausgeschickt, kommt aber oft zu spät und schadet nur. Interessant waren die Witterungsbeobachttmgen, welche ich in Kanakir anstellte. Das Thermometer zeigte im Schatten im Durchschnitt 28, in der Sonne 36" R. In meinem Zimmer stieg gegen Ende Innl'us die Warme bis auf 23°, wahrend sie im Anfange nur 19° betrug. Der Himmel war den ganzen Vormittag heiter, allein genau um 3 Uhr Nachmittags erhob sich ein oft siurmahnlicher Wind und führte nicht selten, ja oft mehrere Tage ummterbrochen ein heftiges Gewitter mit Regen vou kurzer Dauer herbei. Man sagte mir aber daß der Regen in andern Jahren lme,idlich selrener gewesen sey. Ohne diesen Sturm würde die Wärme um ein bedeutendes vermehrt worden seyn. Gegen Abend wurde es aber wiederum ruhig und das Thermometer, was in der Zeit auf dem Altane vor meinem Hause um 3 — 5° gefallen war, stieg schnell wiederum um 2—3" und so erhielt es sich die ganze Nacht hindurch. Gegen das Ende des Monats Iunius wurde die Ebene des Arares mit einem weißen Dunst erfüllt und die fernen Berge des Ararat und der ganzen Euphrat-Arares-Wasserscheide erschienen undeutlich. Man erzählte mir, daß dieser Dunst in den Monaten Julius und August sich um ein bedeutendes vermehrt und jede Fernsicht hindert. Als ich so weit geuesen war daß ich wiederum herumgeben tonnte, folgte ich mit Anfang Iunius dem Rathe des Arztes und nahm in den gesündern Bergen der Provinz Siunich auf dem Sommersitze des Fürsten Vebutoff im Gau Daratschltschagk meinen fernern Aufenthalt. So oft ich mich hier den brennenden Sonnenstrahlen aussetzte, trat von neuem heftigeres Kopfweh hervor. Der Oberarzt Srephanoss war so gütig mich selbst nach dem Sommersitze zu bringen, und so fuhren wir in dem Wagen des Fürsten Bebutoff auf der neu angelegten Tiflis-Eriwaner Straße nordwärts und zwar zunächst wiederum herab in das liebliche Thal der Sengi. An diesem Fluß liegt Sacki, der Sitz eines 43% Bataillons, dessen Chef eii, Obristlkeutenant ist. Da in der ganzen Entfernung bis zu dem Sommersitze kein Dorf befindlich ist, so hielten wir eine kurze Zeit hier an. Der Bataillonschef besaß eine idyllische Wohnung, die eher einer schönen großen Laube als einem Wohnhause glich und dicht mit Weinreben und anderll rankenden Gewächsen umgeben war. Innerhalb derselben nisteten Vogel, besonders Schwalben ungestört nnd bezeugten die friedliche Natur des Kriegers. Bei Sacki verließen wir wiederum das Thal der Sengi, die hier eine westliche Krümmung macht und zwischen dem Karnijarach und Kiatang-Dag von Norden nach Slide» läuft. Auf dem südwestlichen Theile des letztern Gebirges fuhren wir aufwärts und erreichten eine desto größere Höhe, je weiter wir kamen. Eine üppige Kräutervegetation, wie ich sie nur in dem tscherkessischen Gau der Kabarder gesehen, trat mir entgegen und es that mir weh die reichen Psianzenschätze unberücksichtigt lassen zu müssen. Vorzüglich waren es Umbelliferen aus der Abtheilung der Peucedaneen, die iu reicher Fülle ihre schön geformten Blätter und großen Dolden ausbreiteten. Sie vertraten die Scabiosen der Kabardah. Mehrmals ersuchte ich meinen ärztlichen Freund zu erlauben, daß nur ein Augenblick angehalten würde. Doch umsonst, denn er fürchtete, wohl nicht mit Unrecht, die brennenden Strahlen der Sonne. Vor mir stiegen die Berge von Daratschitschagk grotesk in die Höhe und zeigten ihre kegelförmigen an der Spitze vielfach zerrissenen Höhen. Zur Linken breitete sich der minder hohe Karni-jarach aus und über ihm ragte der vierspitzige Allagäs hervor. Hinter mir entfaltete sich die große Ebene des Arares und trann'g blickte ich nach dem Gebirge, das ihr südlich eine Gränze setzt. Noch trauriger sah ich nach der Gegend von Kulp: ihre Verge hatten sich in einen granen Nebel gehüllt, als wollten sie sich meinen Blicken entziehen. Der Ararat streckte fein breites Haupt kühn gen Himmel, leider verschleierten aber weisie Wolken zum Theil sein Antlitz. Nach drei Meilen Weges kamen wir in ein flaches und breites Bergthal, in dem eine Art Karawanserai für die Reisenden angelegt ist. Ein Soldat wohnt hier in einer ärmlichen Hütte und bewacht die ebenso ärmlichen fast nur unterirdischen Remisen 433 für Pferde und Geschirr. Der Weg von hier bis zum Sommcrsitz betragt drei Meilen und führt allmählich wiederum abwärts bis in das Thal der Sengi. In der Nahe liegt das armenische Dorf Randamal, von dem man eine unbedeutende Höhe ersteigt um zn dem Somlmrsitze zu gelangen. Die fürstliche Familie und alle Beamten Eriwans wohnten schon seit drei Wochen hier und ich fand dieselben Menschen wieder, die ich schon zu Eriwan kennen gelernt hatte. Der Adjutant des Gouverneurs, Hauptmann Kar-ganoff, ein Neffe des Oberintendanten von Etschmiadsin, nahm mich m seiner Wohnung freundlich anf. Man hätte nicht leicht eine schönere und lieblichere Stelle zu einer Sommerwohnung aufsuchen können als die Ruinen von Ketscharuß (Sanseriuh tat.) im Gau Daratschitschagk, und wahrscheinlich besaßen schon vor den bagratid'schen Königen Arsaciden hier Sommerwohnungen. Die schöne große Kirche, welche allein noch ans der Zeit übrig geblieben ist wo das Land rings umher sich der Cultur erfreute, soll aus dem Uten Jahrhundert stammen und im Jahr 1033 von dem armenischen König Gagik erbaut seyn. Sie befindet sich in rinem breiten aufsteigenden Thale und wird anf drei Seiten von freundlichen, mit allerhand 5,'anhholz bewachsenen Höhen umgeben. Die vierte Seite liegt nach Norden, ist offen und bietet eine herrliche Aussicht nach den nahen Höhen des untern Kaukasus dar. Wegen des üppigen Pflanzenwuchses und der Mannichfaltigkeit der Arten hat die ganze Umgegend den Namen Daratschitschagk, d. h. Blumcnberg, erhalten *) — ein Name der in der neuesten Zeit auf den Sommersitz beschrankt worden ist. Der Gau selbst bildet den nordöstlichsten Theil der armenischen Provinz Sinnich. Wahrend meines nennwochentlichen Aufenthaltes wurde es mir woglich allmählich mit der Flora der Umgegend bekannt zu werden, u»d nm die Reichhaltigkeit derselben an interessanten nnd neuen Pflanzen zu bezeugen, folgt hier ein Verzeichnisi der von mir und meinen Dienern gesammelten wichtigern Arten: 8e<",1, Länd«l'?sck«>!nmgen, XXV 28 Reise nach Kaukasien.) 434 Blitum virgatum L., Beta trigyna W. et K., Rumex n. sp. Polygonum alpinum All., P. undulatum Murr., Euphorbia mu-ricata M. B., E. latifolia C. A. Mey., Crepis sibirica L., C. lo-domiriensis Bess. Var., Hieracium setigerum Tausch. Var,, Lactuca altissima M. B., Lapsana intermedia M. B., Erigeron caucasicus M. B., Pyrethrum armcnum C. Koch, P. Balsamita W., Helichrysum callichrysum D.C., H. armenum D.C., Cen-taurea pulchella Led., ß. yiminea Less., C. ochroleuca Willd., C. salicifolia L.? ß. abbreviata C. Koch, C. glastifolia L., Cru-cianella molluginoides M. B., Asperula Aparine M. B., Galium satureifolium Trev., G. aparinoides Forsk., G. verum L., ß. trachyphyllum, Knautia longifolia Dub.? Cephalaria procera Fisch, et Lall., Campanula eriscarpa M. B., C. sibirica L., Cerinthe maculata L., Echium rubrura Jcq., Symphytum asper-rimutn M. B., Onosma sericeuraWilJd., Litospermum officinale L., Myosotis sparsiflora Mik., Betonica grandiflora Stev., B« orientalis L., B. hirsuta L. Var», Lamium n. sp., Origanum normale Don., Prunella alba Pall., Teucrium Orientale L., Stachys sibirica Lk., Linaria grandifolia Desf., Melampyrum arvense L., ß. pallidum, Phelypaea lanuginosa C A. Mey., Verbascum speciosum Schrad., Eryngium giganteum M. B., Fuernrohria sedfolia C. Koch, Silaus carvifolius C. A. Mey., Hippomarathrum crispum G. D. J. Koch, Angelica dura C. Koch, Ferulago setifolia C. Koch, Ferula armena C. Koch, Pastinaca involucrata C. Koch, P. pimpinellifolia M. B., Heracleum tra-chytoma F. et M., Zosimia orientalis Hoffm,, Prangos ferulacea Ldl., Elcutherospermum grandifolium C. Koch, Ribes ciliatum C Koch, Poterium Sanguisorba h., ß. monogynum, Alchemylla pubescens M, B., A. Yulgaris L., ß. grandis, potenlilla recta L., P. Wiemanniana Guenth., Rosa saxatilis Stev., R. myriacantha D. C, Saxifraga orientalis Jcq., Sedum album L., ß. albellurn Bess., Eremogone cucubaloides C. Koch, Stellaria stricta C. Koch, Holosteum dahuricum Fisch., Dianthus atrorubens All., Tunica stricta F. et M., Silene compacta Fisch,, S. repens Patrin. herb., S. saxatilis Sims.? S. nemoralis W. et K., S. firabriata Sims., Linum nervosum W. et K., L. hirsutum L-, Polygala major Jcq., Hypericum hyssopifolium Vill., H. aspe-rum Led., Helianthemum vulgäre Gaertn., ßt obscurum D, C» 435 Papayer commutatum F. et M., Banunculus caucasicus M. B., Thalictrum datum Jcq., Delphinium datum L., ß. arraenum C. Koch, I), hybridum Stepk, Aconitum nasutum Fisch., Hes-peris inodora L., Erysimum cuspidatum D. C., Odontorrhena obtusa C. A. Mey., Trifolium canescens Willd., T. spadiceum L.; Astragalus pycnophyllus Stey., Vicia truncatula Fisch.? Lathyrus rotundifoliuä L., L. roseus Stev,, L. cyaneus C.Koch unb L. pallescens C. Koch. I» geologischer Hinsicht unterschied sich der Gau in dem ich mich befand, nicht von dem Gaue Abotz, und dieselbe» trachyti-schen Gebilde fand ich wiederum vor. Er liegt auch auf derselben Seite des untern Kaukasus uud ist auf jeden Fall auf gleiche Weise wie jener entstanden, denn auch hier ist in der Nahe ein großer vulcanischer Herd, der seine Lavamassen nach Süden und Norden ergossen hat. Die Höhe auf der ich mich befand, betrug gegen 5500 Fuß, uud mau darf sich deßhalb nicht wundern wenn hier oft ein kalter Wind weht. Das Thermometer zeigte in meinem Zimmer nie mehr als 27, gewöhnlich nur 14 — 16" R. Die Nachte erschienen bedeutend kalt und selbst am 29 August waren am ftnhen Morgen nur 5" N. Wenn ich daher in Kauakir mich vor der Hitze hüten mußte, so wurde es hier uothwendig nie ohne Mantel auszugehen, zumal oft ganz unerwartet ein kalter Wind von Norden kam. Man kennt bei uns nicht die bedeutenden Abwechslungen im Klima wie im Süden, und wahrend man an einer Stelle kaum eine Hitze von 30 — 34, ja selbst 36" R- ertragen kann, ist man vielleicht nur wenige Stunden entfernt gezwungen sich der kühlen Witterung halber warm zu kleiden. Die Nachrichten welche ich aus Eriwan und Tiftis erhielt, schildenen die dortige Hitze auf eine entsetzliche Weise und seit vielen Jahren erinnert man sich nicht eine gleiche ertragen zu haben. Eine Menge Leute waren in Eriwan vom gelben Fieber ergrissen und unter andern der Commandant der Festung. In dem Hospital soll nach der Aussage des Polizeimeisters die Anzahl der Kranken bis auf 200 gestiegen seyn. Die ganze Ebene des Arans hat sich in einen weißen Dunst gehüllt und kamn ist eö möglich weit vor sich zu sehen. Noch heißer scheint es im Kurathale bei Tiflis zu seyn und Fürst Suworoff schrieb mir von dort unter andern, folgendes: 29" 43s „In Tiflis möchte ich Sie wahrhaftig sjetzt nicht sehen. Seit einigen Tagen hat die Hitze so zugenommen daß wir in einem Hdllenpflchle zu sitzen glauben. Denken Sie sich, Himmel und Erde sind in einen Dunst eingehüllt, so daß man in einem russischen Dampfbade zu sitzen glaubt. Dabei weht nicht das geringste Lüftchen das die matten Bewohner nur etwas erquickte. An einigen Stellen der Stadt kommt einem eine drückende Luftmasse entgegen, als wenn Satanas einen tiefen Seufzer dem Kommenden entgegenstieße. Ich halte es kaum aus. Heute ist es wie gestern und morgen wird es wie heute seyn: brennend heiß, trocken, staubig. Noch bin ich wohl, aber matt, sehr matt, kaum fähig die Feder zn halten, befinde mich im ewigen Schweiße und habe zu nichts Lust als ausgestreckt auf dem Divau zu liegen." Der Oberarzt Pribil in dem Nathluch'schen Hospital bei Tiflis schrieb mir, daß der Sommer sich in allem dem gleich verhalte, wie er zur Zeit der Cholera in Tiftis war, und er fürchre daß wenn gleiche Hitze noch ferner herrsche, die Zahl der Kranken so vermehrt werden mochte daß kein Raum zur Aufnahme vorhanden wäre. Der schnelle Wechsel des Klima's äußerte alsbald auf meinen angegriffe nen Körper einen bösen Einfluß und ich war gezwungen wiederum drei Wochen das Bett zu Huten. Ein schleichendes Neruenfieber hatte sich meiner bemächtigt und widerstand allen angewendeten Mittel», die ich der Reihe nach aus der Classe der ^ei-vin» versuchte. Merkwürdig war es daß besonders der Sonnabend es war der sich mir als feindseliger Tag zeigte, und selbst noch in der Zeit als ich in das Vaterland zurückgekehrt war, mußte ich mich am Sonnabend mehr als sonst in Acht nehmen. Von dem Sonntag an besserte es sich allmählich bis zum Freitag, wo ich mich stecs am wohlsten befand, um deu andern Tag wiederum in den alten Znstand zu verfallen. Die Besserung von einem Sonnabend zu dem andern war höchst unbedeutend, betrug aber nach mehreren Wochen doch so viel daß ich den Vor- und Nach« mittag in den reizenden Umgebungen langsam lustwandeln kounte. In der ganzen Zeit nahm sich der Gouverneur von Armenien Fürst Vebutoff auf die liebenswürdigste Weise meiner au und sorgte für alle meine Bedürfnisse wie ein Vater. Nicht genug daß >'cl) die ganze lange Zeit von 9 Wochen ihm und seiner Haushaltung zur Last fiel, ließ er selten einen Tag vergehen, wo er selbst mich 437 nicht mehrmals besucht hätte. Jeden, selbst dcn geheimsten Wunsch schien er mir an den Augen abzusehen um ihn in Erfüllung zu bringen. Selbst geistige Nahrung bot er mir durch mehrere französische Werke dar. Später erlaubte er mir nicht allein ihn bisweilen zn besuchen, sondern öffnete mir selbst seinen Familiencirkel, den sonst in Asien kein Europäer betreten darf. Die Fürstin, eine noch junge Frau, zeigte sich als Armenierin stets in ihrer Nationalkleidung auf eine solche liebenswürdige Weise, wie man sie nicht in einem Lande, was fern von aller Cultur liegt, gesucht hätte. Sie war noch fern von den änßeren Formen der europäischen Etiquette, die in Tiflis unter dcn emgeboruen Damen großen Eingang gefunden hat, und zeigte sich gauz in der natürlichen Weib-lichkeis, die wir auch an unsern Damen um so hoher zu schätzen wissen als sie seltner zu werden anfangt. Mit großer Zärtlichkeit pflegten beide Gatten das einzige Kind, ein siebenjähriges Mädchen, nnd ließen es nicht, wie es sonst gewöhnlich ist, von untergeordneten Leuten e«ziehen. Zu unendlichem Dank bin ich der fürstlichen Familie verpflichtet, da ohne sie mir es weit schwerer geworden wäre, die traurigen Tage fern von dcn Meinen verleben zu müssen. Wer weiß ob ich selbst noch unter den Lebenden wandelte! Die achte und neunte Woche versuchte ich auch größere Spaziergänge in die herrlichen Laubwälder zu unternehmen und auf einem solchen stießen wir plötzlich auf eine in einem Zelte versammelte Tatarengrnppe. Es war der Tatarcnhäuptling Achmet-Chan aus Eriwan, der ebenfalls die heißen Monate in dem kühlern Gebirge des nördlichen Armeniens zubrachte und ächt asiatisch mit einer Menge Untergebenen nnd Dienern den Gan Vlumcnberg (Daratsch,-tsckagk) dnrchwandcrte. Er hatte ein stattliches Zelt aufgeschlagen und in ihm waren die schönsten Teppiche ausgebreitet. Da saß nun auf einem erhöhten Polster Achmet-Chan und ihm zur Nech-lcn ein Kurdcnhäuptling. Dann folgten auf beiden Seiten die Untergebenen in strenger Rangordnung. Die Art des Sltzens bei den Schiiten ist verschieden von der der Sunniten, und wahrend die letztern mit übcreinandergeschlageuen Beinen sitzen, lassen sich die erster» anf die Knie nieder und setzen sich auf die Fersen. In dieser für Europäer peinlichen Lage verharren sie stundenlang ruhig ohne daß einer nur einen Ton als Zeichen seiner An- 438 Wesenheit von sich gäbe. Der Kallian (die persische Wasserpfeife) geht von einem Munde zum andern und der Bediente, dem nur dieses Geschäft obliegt, gibt ihn der Reihe nach herum. Keiner behält ihn länger als fünf Minuten und thut in der Zeit mit der größten Gemächlichkeit kaum 10—15 Züge. Meine Anwesenheit setzte auch einen andern Bedienten, dem die Kaffeebereitung oblag, in Thätigkeit und alsbald wurde schwarzer Motta-Kaffee ohne Milch und Zucker in ziemlich flachen Schalen oder Tassen herumgereicht. Die Unterhaltung wurde durch den Hauptmann Karganoff, der mich auf dem Spaziergang begleitet hatte, hauptsächlich geführt, und da er in der tatarischen Sprache sich meisterhaft bewegen konnte, so erfuhr Achmet-Chan in kurzem die Ursache meines Hierseyns. Ungläubig schüttelte er den Kopf, da er eben von Wissenschaft gar keinen Begriff hatte. Als ich ihm aber sagen ließ, daß ich ein Iekihm (Arzt und Weiser) sey, so erhei-tetten sich seine sonst ernsten Züge und er nahm meine Kenntnisse durch allerlei Fragen, die sämmtlich das Verhalten zu seinem Harem betrafen, in Anspruch. Er war nicht der erste Asiate den ich mit einem ^pkloäi»iiioum glücklich gemacht hatte, denn auf dem ganzen Wege war dieses das einzige Verlangen, das reiche Häuptlinge aller Nationen an mich stellten. Einige Tage darauf fand ich die Häuptlinge bei dem Gouverneur zu Tische und erfreute mich an ihrer Ungeschicktheit auf europäische Weise zu essen. Vorzüglich war es der Kurde, der wie die kleinen Kinder den Ldffcl nur halb verschüttet an den Mund brachte. Oft wenn er ein Stück Fleisch glücklich mit der Gabel gefaßt hatie, fiel es, bevor er es an den Ort seiner Bestimmung gebracht, zum großen Gelächter der übrigen auf den Boden. Es sieht aber auch nichts lächerlicher aus, als wenn man einen starten großen Mann in einer Sache, die drei- und vierjährige Kinder bei uns geschickt zu führen wissen, unbeholfen erblickt. Die gütige Fürstin hatte Mitleid, und um ihm ferner eine Scham zu ersparen, sagte sie ihm auf tatarisch daß er sich nicht geniren und auf seine Weise essen solle. Freudig legte er Löffel, Messer und Gabel zur Seile und aß mit Fingern im hohen Grade geschickt. Während meiner Anwesenheit in Daratschitschagk ereignete sich auch einiges was zur gldßern Verständigung der dortigen Verhaltnisse unser Interesse verdient, und so will ich die Erzählung 439 nicht vorenthalten. Am 6 Julius wurde ein Kaufmann aus Tiflis in der Nahe des Klosters Ctschmiadsin überfallen und seines Geldes so wie eines Theiles seiner Kostbarkeiten beraubt. Der Gouverneur hatte kaum Nachricht erhalten, als er die strengsten Nachforschungen anstellte, und da für den Augenblick wenigstens die Räuber unbekannt blieben, die Einwohner des Dorfes, in dessen Bereich der Raub vorgefallen war, zum Ersatz des Geraubten verurtheilte. Binnen acht Tagen mußte das Dorf Etschmiadsin die nicht unbedeutende Summe von 200 Ducaten erlegen, so sehr auch einzelne sich dagegen sträubten. Lange Zeit besprach ich mit dem Gouverneur die Angelegenheit und hielt ihm offen das ungerechte Verfahren vor. Je mehr ich aber mit den Verhaltnissen jener Länder vertraut wurde, um so mehr sah ich die Nothwendigkeit des barbarischen Verfahrens ein. Raub ist den Mohammedanern im Koran, wo der Stärkere auch der Obere ist, nicht verboten und die Beamten selbst gehen im Beispielgeben voran, indem sie nicht allein alle Arten von Erpressungen bei ihren Untergebenen erlaubt halten, sondern sogar den Raub der Kaufleute, wenn ihnen ein Theil der Beute zukommt, beschützen. Jahrtausende hat dieser Zustand auch in Armenien geherrscht und es war demnach für die russische Regierung keine geringe Aufgabe, diesem Unwesen mit Nachdruck zu steuern. Iermoloff führte zuerst das System der Verantwortlichkeit ein und Paskewilsch lernte besonders im türkischen Kriege die Vortheile desselben kennen. Wahrend man früher wie auch jetzt noch in der Türkei und Persien nur in einer Karawane reisen kann, geht man jetzt in Transkaukasien mit Ausnahme der südlichen Gränzen Tag und Nacht so sicher als bei uns und die Zahl der Räubereien ist sogar weit geringer als z. B. in Italien- So lange demnach Mohammedaner durch größere Bildung nicht einen andern Begriff von Recht erhalten, wird wohl das System der Verantwortlichkeit in seiner ganzen Strenge ge-handhabt werden müssen. Es ist in dem culturlosen Asien nicht leicht Geraubtes auf eine lange Zeit zu verheimlichen und die Einwohner des Dorfes werden bald Mitwisser des Geheimnisses. Wenn sie nun, da der Raub auf ihrem Gebiet geschehen ist, für das Geraubte verantwortlich sind und zu der Erstattung des Werthes beitragen müssen, so haben sie kein Bedenken die Thäter den Gepichten anzuzeigen und zuvor selbst zu sorgen, daß diese ermittelh 440 werden. In der Regel sind auch die Bewohner des Dorfes, in dessen Bereich der Raub geschieht, die Thäter gewesen, da bei der geringen Anzahl von Reisenden die dortigen Bewohner nicht wochenlang aufs Ungefähr mehrere Meilen von ihrem Wohnort entfernt auflauern tonnen. Wie der Gouvernenr vorhergesagt hatte, kamen nach fünf Wochen Einwohner von Etschmiadsin und zeiglen die Thäter an. Diese wnrden ergriffen und nach Sibirien geschickt. Aus ihrem Vermögen erstattete man ihren Mitbewohnern die erzwungenen Auslagen. Wegen eines religiösen Aufstandes wurde einmal der Gouverneur gezwungen eine Woche zu verreisen. Hart an der persischen Gränze war ein neuer Prophet in der Person eines fanatischen Priesters aus der Secte der Schiiten erstanden und predigte wie Mohammed Feuer und Schwert gegen alle Andersglaubeuden. Gegen 20,000 Menschen (sagte man) befanden sich bereits in seinem Gefolge und verübten schon hie und da Excesse. Der Prophet erklärte sich für unverletzlich, und da die dortige Behörde vergebens versuchte seiner habhaft zu werden, so stieg sein Eifer und sein Selbstgefühl um so höher. Einige Bataillone machten unter dem Befehle des Gouverneurs dem Unwesen schnell ein Ende, indem sie scharf geladen auf die Menge losrückten und dem Priester, der eben behauptete keine irdische Macht könne ihm etwas anhaben, mitten aus ihr wegführte. — „Mohammed befreit mich diese Nacht wieder," rief er noch seinen Anhangern zu. Der Thurm, in dem er festgehalten wurde, stand diesesmal aus Vorsicht unter schärferer Bewachung, und wirklich entdeckte man um Mitternacht einen Versuch seiner Alihänger ihn zu befreien. Von oben herein hatte man sich bemüht die Decke zn durchbrechen. Den andern Tag wurde der Pseudoprophet unter starker Bedeckung nach Tiflis gebracht, wo man ihm in der Citadelle Zeit lassen wird sich anders zn besinnen. Ein bedeutender Rückfall bestimmte mich endlich im Anfang des Monats September Daratschitschagk zu verlassen, um in Tiflis endlich unter der Obhut des Oberarztes Priebil wieder zn genesen. Der gute Fürst Suworoff sandte mir einen Wagen und so nahm ich am 2 September mit schwerem Herzen von Armenien Abschied. Der freundliche Gouverneur Fürst Vebutoss geleitete mich noch eine Strecke und so fuhr ich dem Norden wieder zn. Leider war 44l es mir nicht möglich das was mir eutgegenstieß aufzuschreiben, und so wird, da dieses weit später geschah, hier nur eine kurze Beschreibung meiner Reise nach Tiflis erfolgen. Der Weg führte mich zunächst nach dem blauen See, eine der interessantesten Erscheinungen Armenienö. Dieser See, Goktschai (d. h. blaues Wasser). Kadscharsuh (d. h. süßes Wasser) oder Kcgam genannt, besitzt eine Länge von 8'/. und eine Breite von 2—4 Meilen und zieht sich von Nordwest nach Südost bis zu den Gränzen Kara-bags. Seine Hohe über dem Meeresspiegel beträgt nicht weniger als gegen 5000 Fuß. Ringsherum wird er nach Nordost von plutonischcn, nach Südwcst hingegen von vulcanischen Bergen eingeschlossen. Nach Osten hin nehmen diese so au Hohe zu, daß sie Jahr aus Jahr ein mit Schnee bedeckt liegen. Die ganze Reihe, vorzüglich die südliche, bildet kegelförmige und oft abgestutzte aber nie zerrissene Spitzen, die einst sämmtlich de» im Innern der Erde neubereiteten Gesteinen zum Ausweg dienten und diese ungehenren Massen nach Süden und Nordeil sendeten. Dnbois meint daß der ganze grosie Kessel eil» einziger Krater gewesen sey und sich erst später mit Wasser gefüllt habe. Ich kann durchaus nicht beistimmen und glaube vielmehr, daß in der Zeit wo eben erst der untere Kaukasus sich gebildet hatte und die vulcanischen Kräfte thätiger waren, besonders 2, an den Enden hingegen 34 Fuß breit. Im Jahre 1647 wurde sie von dem grusischen König Rostom erbant und dieser nahm sich der Vollendung derselben so sehr an, daß cr selbst den grdßren Theil seiner Zeit bei ihr zubrachte. Sie muß als ein Meisterstück der damaligen Zeit betrachtet werden, und wenn auch jetzt der Thurm in der Mitte und die beiden Karawanserais auf der Seite zum Theil verfallen sind, so können wir doch ihren frühern Glanz aus einer der Vorzeit angehdrigen Beschreibung ersehen. 5) Die beiden Karawanserais sind inmitten der Pfeiler angebracht und dienten znm Beherbergen der Fremden. Das auf dem linken Ufer besitzt zwei, das auf dem rechten nur ein Zim-Mer, beide sind aber so mit Schmutz und Koth bedeckt, daß man *) Des Ritters Chardin Persian- und ostindische Neisebeschreidung. Leipzig 1687, S. 364. ,, » " 444 unmöglich in ihnen eine Nacht zubringen kann. Warnm aber die Regierung nicht Sorge tragt sie wieder für die Reisenden in Stand zu setzen, weiß ich nicht, znmal sie sonst doch für sie sorgt und in verschiedenen Zwischenranmen Zclte aufschlagen läßt. Der Thnrm in der Mitte besitzt eine Treppe, die in das Innere der Brücke in ein rundes Zimmer führt. Den Namen »olhe Brücke (Krasnoi-Most) hat sie von den Nüssen wegen ihrer rothen Farbe erhalten. Bei den Grusiern heißt sie Gatechili-Chidi, bei den Tataren hingegen Sinech-Kerpi, was in beiden Sprachen zerstörte Brücke bedeutet. Diesen Namen selbst führten früher die Ueberbleibsel einer anderen in der Nahe und ihr Material scheint Rostom zu seiner neuen Brücke verbraucht zu haben. Die alte Brücke soll nach Eichwald Pompejus bei seiner Verfolgung des Mithridates loder vielmehr der feindlichen Iberier und Älbanier) erbant haben;*) wahrscheinlich ist es aber, daß sie noch weit alter ist, denn der Boden auf dem sie steht ist für die grusische Geschichte im hohen Grade classisch. In dem Winkel, der durch den Einfluß der Ksia in die Kura gebildet wird, lag die alte Stadt Chunani, deren Erbammg der Gemahlin des Karthlos, die eben diesen Namen führte, zugeschrieben wird. Nach dem Tode des Karthlos vertheilte die Königin die südlichen Provinzen und gab dem Gardaboß die Stadt Chunani mit der ganzen Umgegend, die von nun an Gardadana genannt wurde. DieBurg hatte schon früher enstirt und hieß Kura-Vesie,Mckwlis-Ziche. Spater wurde die Stadt der Sitz eiuer besondern Statthalterschaft, welche oft nach ihr den Namen erhielt. Wie es scheint, ist sie mit dem Beginne unserer Zeitrechnung allmählich in Verfall gekommen. Der fanatische Wüthnch Murwan-Km zerstörte sie und seitdem enstirte nur noch die ursprüngliche Veste, welche von de" türkischen Stämmen den Namen Maocheu-Veste, Kis-Kala, erhielt. Wahrscheinlich führten die mohammedanischen Häuptlinge die gefangenen Mädchen hierher. Es that mir leid, daß ich wegen meines vermehrten Unwohl-seyns nicht im Stande war die Umgegend näher zu erforschen-Die alte Stadt Gatschiani, von der ich oben gesprochen habe, liegt westlicher an demselben Flusse.**) ") Eichwald, Reise in dem Kaufasus, S. 73. **) S. o. S. 253. 445 Bevor ich zu der rothen Brücke kam, trat ich in Grusisch-Armenieu ein und befand mich in dem Thale des turtmauische» Stammes der Bortschalo, den ich schon früher beschrieben habe. *) Unter Zelten brachte ich die Nacht vom 4 zum 5 September zn und eilte dann alsbald auf bekanntem Wege Tifl,6 z». Der überaus gütige Fürst Suworoff hatte mir einen Theil seiner Wohnung eingeräumt und mir brüderlicher Liebe pflegte er mich in der ganzen Zeit. Wie wohl dieses meinem Herzen in dcr weiten Ferne that, vermag ich umsonst zu beschreiben; das Andenken aber an diesen edeln Mann, der, obgleich den höchsten Standen zugehörig, mich mit seltener Freundschaft umfaßte, wird stets in meinem innersten Innern rege und wach bleiben. Vievunddreißigstes Gapitel. Aufenthalt in Tiflis. Mein weilerer Zustand; General Sasi; die vom Silbevvubel eingeschlossen? Kugel; Geisissgegeinvavt deö Generals; der Tscherscsseu.'Hauptling; Voron von ^ahn; die Wittwe des SchinvanSchal,; Vorbereitungen zur Ankunft deö Kaisers; Capita» Nil, braham; ^llnllinft deö Kaisert»; Inspceiionen; ^tevue l'c! Äieutisllö; Parade aus dem Madatoss'schen Plaft; Fürst Alexander Dadian; Trexe der russischen Fra»e»; Vall zu Ehren deö Kaiserö; die lächerlichen Austritle dliftlbst; Neisetour dcö Flaiserö i» TranS-kaukasien; d.ii> Re>,e,!wettcr und dessen Folge; Abreise der Fnn> Varonin ^'on Rosen; Ali.'Schah und die übrige» persischen Flüchtlinge. Meiue Ankunft in Tiflis hatte große Freude erregt u„d alle meine Freunde, die nach und nach m der Stadt sich wiederum eingeflmden hatten, kamen eiligst zn mir um mich zn begrüßen und der Gottheit für meine Errettung ;u danken. Mir ganz fremde Menschen, Grusier, Armenier und R»ssen schickten zn mir, um mich zu bewillkommnen. Die Aerzte Priebil, Terbukasoff, ein geboruer aber sehr gebildeter Armenier, und Iablensky nahmen mich in Behandlung und ihrer freundlichen Sorge verdanke ich es, daß ich allmählich der Gesundheit «äher gebracht wurde. Leider plagte mich aber Kopfweh (oft sehr stark) fortwährend, und kein *) S. 0. S. 34!), 449 Mittel vermochte es nur zu lindern. Priebil gestand mir auch offen, daß hier nur die Zeit lindern und bessern könne, und wohl nicht eher würde es mich ganz verlassen, als bis ich im Vaterlande mich der Ruhe pflegen könnte. So habe ich es nun jähre-laug mit mir fortgetragen, und trotzdem mir im Vaterlande nicht die erwünschte Ruhe werden konnte, bin ich doch allmählich von ihm befreit worden und sel't dem letzten Sommer sind auch die Reste geschwunden. Nur die Kalte, besonders im Anfang des Winters, ruft es bisweilen auf kurze Zeit wieder hervor, während im Gegentheil die heißesten Tage des Sommers mir wohlthätig erscheinen. Mein längerer Aufenthalt in Tiftis verschaffte mir die Bekanntschaft mehrerer interessanten Personen, von denen ich nur die wichtigsten herausheben will. Die bevorstehende Ankunft des Kaisers hatte eine Menge Menschen nach der Hauptstadt des Landes geführt und meiner ausgedehnten Bekanntschaften halber wurde mir hinlänglich Gelegenheit diese näher kennen zu lernen. Vor allen nahm der General Saß meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Dieser Scheitan (d. i. Teufel), wie ihn die Tscherkessen nennen, empfing mich als Deutscher und Landsmann und theilte mir eine Menge interessanter Thatsachen über das wichtige Volk der Tscherkessen mit. Bewundernd schaute ich in seine großen Augen und horchte, kaum zu athmen wagend, aufmerksam seinen Reden zu. Nach dem was ich von ihm gehört hatte, wähnte ich einen rauhen, für alles Zarte abgestorbeneu Krieger zu finden, der in den 17 Jahren seiner ummtelbrochenen Kampfe nur noch für Schlachten und Feinde einen Sinn hätte. Ganz anders war es aber als ich ihm das erstemal gegenüberstand, denn ich sah einen im hohen Grade gebildeten Mann vor mir, der mir mit Leutseligkeit und Offenheit entgegen kam und freundlich in alle neugierigen Fragen einging. Ich habe schon früher in dem Journal Minerva eine Skizze von ihm gegeben und füge demnach hier nur noch folgendes bei. Er ist Knrlander und gehdrt mütterlicherseits zu der Wallenstein'schen Familie. Seine Fignr ist groß und schlank, leider haben aber einige Flintenkligeln, die ihn getroffen, das eine Bein steif gemacht. Auch außerdem ist sein Körper durch die vielen Strapazen geschwächt und oft wünscht er sich Ruhe, weßhalb er schon mehrmals im Begriff war um seinen Abschied zu bitten. 447 So oft aber die Tscherkessen einen Ueberfall gemacht hatten oder im Begriff waren einen zu unternehmen, so tauchte seine ganze Kampflust wieder auf und hurtig raffte er Soldaten und Kosaken zusammen, um den Tscherkessen Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Sein Wohnsitz ist ProtschnoüOkop am Kuban, und ohne einer bestimmten Function obzuliegen, lauscht er in seinem Adlersitze nur eine günstige Gelegenheit ab, um über die Tscherkessen herzufallen. Er hat das Recht nach Gutdünken cinen Theil der in seiner Nähe stationirten Truppen und Kosaken aus ihren Garnisonen zu nehmen und sie nach seiner Willkür zu verbrauchen. Alle seine Plane hält er geheim und nur einigen seiner geliebten Officiere vertraut er si? an. Da die Tscherkessen wohl wissen daß er die Seele aller Unternehmungen ist und oft er allein ihre Erpeditionen vereitelt, so richteten sie sich immer so ein, daß sie nur Ueberfalle wahrend seiner Abwesenheit unternahmen. Dieses rvohl kennend, täuschte Saß nicht selten. Durch Spione, welche er unter den Tscherkessen selbst besaß, kannte er alle ihre Unternehmungen schon lange vor ihrer Ausführung, und um sie hierzu zu bringen, gab er eine Reise vor. Doch bald wurden auch die Tscherkessen die List inne und sendeten zuvor Späher aus, die sich von der Wahrheit der Aussage überzeugen mußten. Er gebrauchte neue List und verreiste wirklich am Tage, «m des Nachts allein zurückzukehren. Jedoch auch hiermit täuschte er die Tscherkessen nur einigemal. Aus dem was Sasi mir mittheilte, will ich hier nur einiges, ihn und die Tscherkessen betreffend, mittheilen, um dadurch von dem außerordentlichen Mann ein Vild zu geben. In einem der hartnäckigsten Kämpfe gegen die Abadsechen erhielt er einen Schuß in den linken Arm und bald darauf traf eine zweite Kugel seine Brust. Ihm war es als wenn diese mitten durchgegangen wäre. Kaum stark genug, um sich auf dem Pferde aufrecht zu halten, nimmt kr alle seine Geistesgegenwart und physische Kraft zusammeu, um nicht herunterzufallen. Mit der Rechten drückt er mit aller Macht auf die Stelle durch welche die Kugel eingedrungen war, um das Blut wo möglich zurückzuhalten; mit der andern lenkt er das Pferd, Er wußte daß mit seinem Fall das Treffen für die Seinen unglücklich ausgefallen wäre. Bald war der Feind verjagt, und wie er einen Theil seiner Getreuen diesen verfolgen sieht, verlassen ihn seine Kräfte und er sinkt zum Schrecken seiner Officiere v^vm Pferde 448 herab. Seiner Sinne nicht mehr mächtig tragt man ihn auf einen erhöhten Platz nnd der anwesende Chirurg sieht die blutende Wunde des Armes. Wahrend der Verbindung erwacht Saß uud lächelt über dle Sorgsamkeit des Arztes der die Nebensache für die Hauptsache hielt. Nicht im Stande zu sprechen zeigt er auf die Stelle wo die zweite Kugel eingedrungen. Man untersucht uud findet die Kugel von einem Silberrubel, der zufallig in seiner Tasche steckte, umschlossen. Von Viertelstunde zu Viertelstunde erholt sich der General und will das Geschehene kaum glauben, da er es deutlich gefühlt habe wie die Kugel durchgegaugen sey. Nur nachdem er eiue bedeutende Contusion, nicht aber eine Schußwunde selbst gefunden, überzeugte er sich von seiuem Irrthume. Meine beiden Freunde der Fürst Suworoff und Feh hatten die vom Rubel eingeschlossene Kugel, die Saß sich zum Andenken aufgehoben hat, gesehen. Ein anderesmal recognoscirt er ein Terrain und entfernt sich, nichts fürchtend, zu weit von seinen Truppen. Plötzlich sieht er über der Laba hinter Büschen Tscherkesscn versteckt. Anstatt schnell umzukehren und die Flucht zu ergreifen, wobei er wahrscheinlich verloren gewesen ware, blickt er gleichgültig nach den Büschen, thut als wenn er nichts gesehen und reitet ruhig weiter. Die Tscher-kessen, durch diese Gleichgültigkeit aus ihrer Fassung gebracht, wähnten wahrscheinlich einen Hinterhalt und ließen so die günstige Gelegenheit, sich ihres verhaßten Gegners zu bemächtigen, unbenutzt vorübergehen. Kaum hatte Saß den nöthigen Vorsprung, so gab er dem Pferde die Sporen und sprengte rasch dahin. Vergebens verfolgten ihn die Tscherkesseu und er erreichte glücklich die Seinen. Eines Tages kam ein gefürchteter Abadsechen-Häuptling zll Saß, und über dessen Ankunft verwundert, fragt der letztere was der Grund sey der ihn hierher geführt hätte. „Rache mich an meinem Feinde" war die lakonische Antwort des Tscherkessen. „Ich bl'n schwer gekrankt und vermag nicht allein gegen meinen mächtigen Feind die Rache auszuführen/' fügte er in demselben Tone hinzn. „So lasi uns Freunde scyn und bleiben und stets gemeinschaftlich liandeln," sagte Saß, „führe die Deinen auf unser Gebiet und lebe fortan unter russischem Schutz/' „Ich bin nicht gekommen/' erwiederte der offene Abadseche, ,,nm deine Freundschaft zu suchen, ich will nur mit dir, weil ich zu schwach bin, den gemeinschaftlichen 449 Feind bekämpfen. Habe ich hinlängliche Genugthuung, dann verlange ich dich nicht mehr." ,,So gehe wenigstens znvor wieder in dein Dorf und bringe die Deinigen in Sicherheit," erwiederte Saß. „Zu was?" fragte der Kaukasier; „glaubst du, daß mein Feind an unschuldigen Weibern und Kindern sich vergreifen würde? Der Tscherkeß kämpft nur mir Männern, nicht mit Weibern und Kindern. Mein Feind weiß daß ich zn dir gehe und trifft seine Maaßregeln." Einige Tage darauf machte Saß unter Anführung des Tscherkessen eine Expedition auf das Gebiet der Abadsechen und verwüstete mehrere Dorfer und unter diesen den Wohnsitz des besagten Feindes. Hiermit war die Nache des Abadsechen gestillt und er verließ Saß, um von nun an wiederum gegen ihn zu kämpfen. Durch die zuvorkommende Güte des Baron von der Hoven wurde ich auch dem Geheimcnrathe Baron von Hahn vorgestellt und erfuhr in seiner Familie die freundlichste Aufnahme. Der Baron von Hahn wurde 1837 mit einer Commission nach Transkaukasien geschickt, um die eigenthümlichen Verhältnisse der dortigen Länder zu prüfen und einer genauern Untersuchung zu uuterwerftn. Man hatte schon lange in Petersburg die mangelhafte Negierungsform Transkaukasiens gefühlt und wünschte diese um so mehr geregelt zu haben, als man die ganze Wichtigkeit der Länder kannte und vielfache Klagen über eigenmächtiges Verfahren bis zu den Ohren des Kaisers gedrungen waren. Die Reise des letztern hing auch genau damit zusammen. Viele Mittheilungen verdanke ich der freundlichen Güte des Barons. Die Familie wurde mir bald heimisch, zumal die Frau Baronin, eine geborne Vadenerin und demnach ächte Landsmännin, in ihrem Hause deutsche Einrichtungen vorwalten ließ. Diese im hohen Grade geistreiche Frau interessirte sick um so mehr für die Bewohner des Landes in dem sie sich gerade aufhielt, als sie durch Reisen in dem größten Theile Europa's und selbst zum Theil Asiens sich eine genaue Kenntniß der verschiedenen Völker erworben hatte. Wahrend ihres langen Aufenthaltes in Genf machte sie auch die Bekanntschaft unseres großen leider nun verstorbenen Botanikers, de Caudolle, und stand mit ihm in Briefwechsel. Einige Briefe von ihr, ihre russisch-asiatischen Reisen betreffend, sind in der liovuo ijo <^ux Mondes abgedruckt worden Uttd zeugen von dem regen Interesse für Kunst und Wissenschaft der unterrichteten Frau. Sie besaß eine interessante Sammlung von Andenken Ncistn u. Läüdevbcschrcibnn.icn. XXV. <)N (Neise nach Kaukasien.) " 450 ihrer Reisen und vor allem erregte ihr Album großes Interesse. Unter andern besaß sie auch Papier von der Papyrusstaude, und als eine damit unbekannte Dame die Worte voilä Ie I^p^i-u» hörte, zeigte sie, in der Meinung es sey xgpier ru556, dieses mit großer Weisheit ihrer Tochter als russisches Fabricat. Leider nahm ich die freundliche Aufforderung des Barons in Rußland ferner zu bleiben oder wenigstens noch eine Zeit lang meine Untersuchungen fortzusetzen, nicht an, und eben so blieb ich taub gegen das Anerbieten Leiter und Führer einer Reisegesellschaft nach dem kaspischen Meere zu seyn. Ich bedaure es um so mehr, da mir anf diese Welse viel Gelegenheit und Unterstützung geboten worden wäre, die transkaukasischen Lander kennen zu lernen. Der traurige Eindruck, den die Krankheit in mir hervorgerufen hatte, die ganze Sehnsucht nach dem Vaterlande geweckt und stets noch unwohl, hielt ich es für meine Pflicht, den kaukasischen Isthmus zu verlassen. Hoffentlich wird es mir nun in diesem Jahre, wo ich eben im Begriff stehe eine zweite Reise nach dem Kaukasus zu unternehmen, gelingen, das zu vollenden was ich das erstemal versäumte. Durch die Freundlichkeit des Chefs des auswärtigen Departements, Herrn von Rodofinikin, wurde mir auch das Vergnügen zu Theil die Familie des 1835 zu Elisabethpol gestorbenen Schirwan« Schah's Mustafa bei ihrer Vorstellung kennen zu lernen. Nach der Eroberung Gandscha's, des heutigen Elisabeihpols, 1805 erkannte schon der Herrscher der Provinz Schirwan, die im Osten des kaukasischen Isthmus an dem Ausfluß des mit der Kura ver, einigten Araxes besonders nördlich sich ausbreitet, die Oberherrschaft Rußlands an. Mit dem Jahre 1813 wurde aber Schirwan von Persien förmlich durch den Frieden von Gulisian abgetreten. Mustafa und mit ihm der Chan von Baku, Hussein, und der Scheich von Derbend, Ali-Chan, ertrugen aber nur ungern die russische Herrschaft und die beiden zuletzt genannten Herrscher wurden nach offener Empörung aus ihren Staaten vertrieben. Mustafa verstand es sich trotz der schweren Anklagen zu erhalten und versicherte fortwahrend seine große Treue, während er es aber im Stillen mit den Lesgiern und den vertriebenen Herrschern hielt. Iermoloff rückte im Jahre 1820 in Schirwan ein, und da Mustafa nach Persien floh, setzte er das Land unter russische Verwaltung. Die Versuche Mustafa's und Husseins ihr Land mit Hülfe der Lesgier im Jahre 451 1826 wieder zu erobern, mißglückten. Der erstere wurde als Sunnite von den schiitischen Persern nicht gern gesehen und als die Russen in, letzten persischen Kriege siegreich den Feind zurückschlugen, trat er wiederum auf die Seite der Russen und bat um Vergebung. Rußland unter den schwierigen Umständen froh ihn zu besitzen, verzieh ihm zwar, aber des Landes blieb er verlustig. Dagegen erhielt er seinem Stande gemäß eine Pension von 5000 Ducaten. Er nahm wie schon gesagt seinen Aufenthalt in Elisabethpol und starb 1835. Der Petersburger Akademiker Dorn hat in den Nömoireg äe 1'aoaäemie imperiaie c>63 »oiencez, VI. 8oris, I'om. IV. P. 523 und ^om. V. p. 317, eine Geschichte der Schirwan-Schahe bis zum Jahre 1820 gegeben. Meine Notizen mdgen sie demnach verc vollständigen. Die Wittwe Sarah Vejuhm erschien im Hause deS Herrn von Nodosinikin um Mittag mit ihrem Sohne und zwei Töchtern, um sich nach ein paar Tagen dem Kaiser vorstellen zu lassen. Sie erschien mir als eine noch nicht bejahrte Frau und zeigte deutliche Spuren ihrer frühern Schönheit. Sie war nicht groß, sondern mehr klein und etwas corpulent. Keine Spur eines tatarischen Zuges bemerkte ich in ihrem Gesichte, das sich vorzüglich durch große Augen auszeichnete. Ihre beiden Töchter ähnelten ihr im hohen Grade und die Augen schienen selbst noch größer zu seyn, während die des vierzehnjährigen Sohnes sich mehr dem länglichen der Tataren zuneigten. Die erster» obgleich (damals) 16 und 13 Jahre alt, waren doch mannbar und völlig ausgewachsen. Sie erschienen wie die Mutter in einen schönen bunten Kashemirshawl gehüllt, zeigten aber das ganze Gesicht unbedeckt. So sehr auch Frau von Nodosinikiu die Damen in ein längeres und interessanteres Gespräch zu bringen suchte, so war es doch nicht möglich von ihnen etwas anderes als was die bevorstehende Vorstellung betraf zu erfahren. Die Zeit der Ankunft des Kaisers rückte mit jedem Tage naher und die ganze Stadt beeiferte sich den Monarchen, der zum ersten, mal das Land betrat, würdig zu empfangen. Die Flügeladjutanten GrafWasiltschlkoff und Katenin waren schon voraus abgesendet, um die Behörden in ihrem Vorhaben mit Rath und That zu unterstützen. Auch ein Engländer, der englischen Gesandtschaft in Teheran zugehörig, Capitan Wilbraham, hatte sich eingefunde,,, um wahv- 29* 452 scheinlich sich selbst von der Art m,d Weise des Empfanges zu überzeugen, und eben so war ein Franzose, de Labertoche, nach Tiflis gekommen, um den hohen Festlichkellen beizuwohnen. So sehr auch der erstere den stolzen Inselbewohner zu verlaugnen schien und wir wahrend eines langern Zusammenscyns uns frenndschaftlich zusammenfanden, so mußte es mich um so mehr befremden, daß er in seiner Reisebeschreibung zum Theil ein ungerechtes Urtheil über mich und weiter folgernd über die Deutschen im allgemeinen fallt. Ich entschuldige ihn nur als Engländer, der für den Anfang einer Bekanntschaft durchaus nicht die freimüthige Offenheit des Deutschen besitzt, aber eben deßhalb war es nicht recht von ihm, wenn er dieses freundliche Entgegenkommen, was ihm doch seine im Anfange iso-lirte Stellung überwinden half und, wie er selbst anerkennt, den Aufenthalt angenehmer machte, tadelnd erwähnt. *) Trotzdem erlaubt mir immer noch meine Offenheit zu gestehen, daß sein mehr-wochentlicher Aufenthalt mir unendlich wohlthuend war und daß die Stunden, welche wir zusammen verlebten, mir stets eine angenehme Rückerinnerung darbieten. Man glaubte daß der Kaiser schon den !9 October Abends in Tisiis eintreffen würde und die ganze Stadt harrte der Stunde mit großer Sehnsucht entgegen. Von der Festung ldnten Kanonen herab und alle Glocken wurden gelautet. Halb neun Uhr hatte man mit einer Rakete ein Zeichen gegeben und jedermann glaubte daß der Kaiser der Stadt sich nähere. Viunen einer Viertelstunde war die ganze Stadt erleuchtet und besonders die öffentlichen Gebäude glänzten in ihrer prachtvollen Illumination. Die Menschenmenge vermehrte sich vorzüglich auf dem großen Eriwan'schen Platz und es war kaum möglich durch die dichten Massen zu gehen. Auch die nächsten Höhen waren spater erleuchtet und vor allem schien der ganze Rücken des Schloßberges nur eine einzige Feuerlinie zu seyn-Nachdem man bis Mitternacht vergebens der Ankunft entgegengesehen hatte, traf endlich die Nachricht ein, dasi der Kaiser die Nacht in der schon bekannten Poststcttion Kodi zubrächte. D»e Rakete hatte ein Witzling steigen lassen, um die ganze Stadt zu täuschen. *) Travels hi the trnnacaticasian provinces of Russia in the aütu^" and winter of 1337; hy Capsatn W!!bra!iam. LonJ. 1839, p- 310. 453 Kaum tagte es am andern Morgen, so begann es auch sich in den Straßen zu regen und je hoher die Sonne stieg, um so lebendiger wurde es. Me Völker, selbst die feindlichen nicht ausgenommen, hatten ihre Repräsentanten nach Tistis gesendet, theils um ihren Monarchen zu sehen, theils um dem verhaßte» Feind ins Antlitz schauen zu können. Der Eriwan'sche Platz hatte sich mit dichten Menschenmaffen gefüllt und ich war vergnügt ein bequemes Plätzchen auf dem Altane des Obristen Schtschipin zu finden. Alle Beamten und Militarpersonen bis zum siebten Rang herab waren beordert den Kaiser zu empfangen. Um 1 Uhr Nachmittags kam der Oberbefehlshaber Baron von Rosen allein, um den hohen Gast würdig zu empfangen. Der Lärm wurde immer stärker und Gru-sier, Armenier, Tataren und Kankasier in ihre prächtigen National-costmne gekleidet sprengten einher um auf dem großen Platze zwei Ehrenreihen, die bis an das Schloß hin sich ausbreiteten, zu bilden. Plötzlich ertönten die Glocken — ei» Zeichen, daß der Kaiser bereits sich in der nächsten Nähe befinden mußte. Endlich hörte man aus der Ferne dnmpfes Geschrei und immer näher kamen die Tone. Alles schaute unverwandt der Gegend zu woher sie kamen und ringsum herrschte Todtenstille. Man wagte kaum zu athmen, um den Augenblick des ersten Vegrüßens von der versammelte» Menge nicht zu versäumen. Der Kaiser hatte bereits die Stadt betreten und hielt vor der Kathedrale an, um in der Kirche dem höchsten Gott für die glückliche Ankunft zu danken. Diese Frömmigkeit erregte bei den christlichen Volkern Bewunderung, und besonders die Grusier, deren Kirche, trotzdem sie in einzelnen Dingen abweicht, seit der Besitznahme des Landes mit der russischgriechischen vereinigt worden ist, waren auf de» Monarchen, der sich zu demselben Glauben bekannte, stolz. Endlich bewegte es sich am Eingänge des Platzes und dichte Menschenmassen schoben sich langsam vorwärts. Man vernahm das Freudengeschrei der Einzelne» deutlich. Mit dem Augenblicke als der Kaiser auf dem großen Platze erschien ertönte aus vielen tausend Kehlen das Hurrah der Russen und das Hih-Hih der Transkaukasier. Alles bis auf das kleinste Kind, was gegenwärtig war, jauchzte dem geliebten Monarchen entgegen „nd die Vewunderung verwandelte sich um so mehr in Staunen, als niemand so sehr versteht dieses zu wecken wie der Kaiser mit seiner kräftigen schönen Figur, dem imposanten Aeußcrn 454 und den blitzenden scharfen Augen. WasoK Impsi-ator Naiaäot?! (Euer Kaiser ist ein tüchtiger Mann) sagten mlr einige Stunden darauf feindliche Kabarder, die ungestört sich in Tisiis aufhalten konnten. Der Kaiser selbst saß in einer Kalesche und neben ihm sein Generaladjutant Graf Orloff. Nur langsam vermochte der Kaiser dem Schlosse zuzufahren, wo ihn alle Angestellten erwarteten und mit einem feierlichen Marsche empfingen. In der Zeit hatte sich ein Gewitter herangezogen und mit dem Augenblicke wo der Kaiser das Schloß betrat und von neuem das Hurrah und Hih-Hih durch die Lüfte ertönte, rollte in den hohem Sphären ein furchtbarer Donner dahin. Das abergläubische Volk entsetzte sich und prophezeite Unglück. An demselben Tage wurde niemand empfangen und der Kaiser zog sich in seine Gemacher zurück, um ungestört arbeiten zu können. Bis spät in die Nacht hinein hat er gesessen und mit seinen Generalen das Wohl des Landes verhandelt. Mir ist es unbegreiflich, wie dieser seltne Mann die größten Strapazen aushalten kann, ohne nur die geringste Rückwirkung zu fühlen. Den ganzen Tag über gönnte er sich keine Ruhe und des Nachts erquickten ihn nur wenige Stunden Scklafes. Alle seine Begleiter klagten über unendliche Müdigkeit, während er, trotzdem er noch weit mehr in Anspruch genommen war, stets munter erschien. Am andern Morgen (Sonnabend den 21 October) war große Vorstellung, und hierauf besuchte der Kaiser das Gymnasium, das Arsenal und die Sapeurs. Zur Tafel waren nur der Oberbefehlshaber und die Flügeladjutanten eingeladen; den Abend brachte er wiederum arbeitend zu. Den dritten Tag wurde zuerst in der Kirche des heiligen Georg, des Schutzpatrones des Landes, Messe gehalten, und dann folgte eine große Revue in der Nahe der Colonie Neu-Tiflis. Das Gorische und Tifliser Jäger-Regiment unter den Befehlen des Grafen Oppermann und des Fürsten Dadian, das Nischni-Nowgorod'sche Dragoner-Regiment unter dem Befehl des Obristen Vesobrasoff und die vier zu Tiflis stehenden Batterien unter dem Befehl des Generals Koslainoff, lösten unter dem eigenen Commando des Kaisers selbst die schwierigsten Aufgaben. Vorzüglich erlangte General Koslainoff die volle Zufriedenheit des Kaisers. Hierauf besuchte der letztere noch die Caserne auf dem Pwlabar und die Spitäler zu Nathluch und fuhr dann zur Tafel, 455 an der alle Angestellten und Militärpersonen bis zum Obristen-Rang Theil nahmen. Den vierten Tag wurde auf dem Madatoff'schen Platze eine Parade gehalten, und ich war Zeuge einer nie gesehenen Handlung. Wenn ich auch schon seit einigen Tagen das Gewitter, das verderbenschwanger immer näher zog, bemerkte, so war der Schlag, wie und den er traf, mir doch unerwartet. Ich würde es für ein großes Unrecht halten das Geschehene der Oeffentlichkeit zu übergeben und so der fürchterlichen Strafe noch eine neue hinzuzufügen, wenn nicht schon vielfach Zeitungen zum Theil entstellt es bekannt gemacht hatten. Hoffentlich wird man von einem Augenzeugen die strenge Wahrheit von dem was ich gesehen nicht übel deuten. Der Kaiser stand furchtbar - ernst in der Mitte und com-mandirte. Alles war still und horchte nur auf das Wort deS Commandirenden, zwischen dem die kriegerische Trommel von Zeit zu Zeit ertönte. Selbst die große Menge der müßigen Zuschauer war von einer Bangigkeit ergriffen, und beobachtete eine Ruhe, die jedem großen Ereigniß vorausgeht. Endlich war die Parade geendet. Da erhob der Kaiser seine gewichtige Stimme: „Meine Herren Generale, Obristen und andere Officiere treten Sie um mich und hören Sie wohl was ich Ihnen sage. Leider bin ich gezwungen da meinen strafenden Arm zu erheben, wo es mir und meinem treuen Gregor Wladimirowitsch *) am wehesten thut. Ich muß aber so handeln und würde es meinen eigenen Sohn treffen. Der Kriegsgouverneur (General-Lieutenant Braiko) nehme dem Fürsten Alerander Dadian die Ehrenzeichen eines Flügeladjutanten ab und ein Feldjäger begleite ihn augenblicklich nach der Festung Bobruisk (»m Gouvernement Minsk), wo ein Kriegsgericht über ihn weiter entscheiden wird. Nehmen Sie alle, meine Herren, dieses zur Warnung und seyen Sie überzeugt, daß der geringste Frevel gegen einen Soldaten oder irgend einen andern Untergebenen auf das strengste geahndet wird. Man glaube ja nicht, daß hohe Stellung gegen Strafe schütze, der Arm der Gerechtigkeit faßt den Schuldigen, mag er sey« wo er will. Aber ich verstehe auch alle die, welche "-) Cs ist durch ganz Nußland selbst im Dienste Sitte, wie ich schon im erstenVande erwähnt habe, Personennicht mit dem eigentlichenNamen, sondern mit dem Vornamen und dem des Vaters, dem man „ewitsch" oder „owna" anhängt, z» rufen und zu nennen 456 es mit mir und dem Staate redlich meinen, zu belohnen und so ernenne ich den Alerander Grigorewitsch (den Sohn des Oberbefehlshabers) zu meinem Flügeladjutanten, nicht weil er der Sohn des Oberbefehlshabers ist, sondern weil er es verdient." Mit diesen Worten ging der Kaiser auf den letztern zu und küßte ihn auf die Stirne. Man glaubt nicht was diese Handlung für einen Eindruck beim leider oft gedrückten Volke und bei den oft schlecht behandelten Soldaten hervorrief. Jedermann pries die Gerechtigkeit seines erhabenen Monarchen und in vielem Abhülfe erwartend blickte man heiter in die Zukunft. Selbst Leute, dle wenige Tage vorher ihrem gerechten Unmuth freien Lauf ließen, erkannten plötzlich das Gefühl für Gerechtigkeit und den guten Willen für die Wohlfahrt seiner Völker in dem Kaiser an. Welche Trauer aber in der Familie des Oberbefehlshabers hervorgerufen wurde, kann man sich denken. Der unglückliche Fürst Dadian erlangte durch die Fürsprache seines Schwiegervaters kaum noch einige Stunden Aufschub, um seine Familien-Angelegenheiten zu ordnen. Gegen Mittag fuhr er dem Norden zu um seiner Strafe entgegen zu gehen und die treue Gattin folgte ihm alsbald nach, um auch in dem Gefängnisse derselbe liebende und tröstende Engel rvie in frohen Tagen zu seyn. Es ist eine erfreuliche Erscheinung der russischen Frauen, so wenig streng sie sonst auch oft erscheinen, daß sie dem Manne ins Unglück folgen mid ihn nicht verlassen. Ein in Rußland Verur-theilter und Verwiesener ist politischtodt und nach russischem Rechte wird die Ehe null und nichtig. Die Frau braucht dem Manne nicht ins Enl zu folgen und kann sogar sich ganz von ihm trennen. Trotzdem aber bleibt die Russin dem unglücklichen Gemahle treu und pflegt ihn oft mit größerer Liebe als vielleicht es früher geschehen war. Der Fürst Dadian wurde später seines Adels für verlustig erklärt und nach Sibirien als Bauer verwiesen. Dort lebt er jetzt mit der treuen Gattin auf der Stelle die ihm angewiesen, und sieht sehnsuchtsvoll der Möglichkeit entgegen, wo ihn die kaiserliche Gnade wieder dem öffentliche« Leben zurückgibt. Deu Abend desselben Tages gab der hohe Adel von Tiflis und Grusien überhaupt dem Kaiser zu Ehren in dem oben erwähnten Subaloffschen Hause einen Festball und mir wurde die Ehre zu Theil dazu besonders eingeladen zu werden. Gege» 1000 Men- 437 schen waren vorhanden und bewegten sich in den großen Räumen nur langsam neben einander. Die Damen saßen in dem Saale und den fünf anstoßenden Zimmern ringsherum und glänzten von Gold, Edelsteinen und Seide. Ein Reichthum herrschte in den Anzügen wie ich noch nie gesehen, und diese selbst interessirten mich um so mehr als sie zum großen Theil national waren. Die Kleidungen der Herren erschienen noch mannichfaltiger, daneben Christen sich auch Mohammedaner eingefunden harten. Die Damen saßen unbeweglich und wagten kaum sich zu regen. Nur die schönen großen schwarzen Augen schienen für die andern Theile des Körpers belebt und glühenden, nie verlöschenden Kohlen gleich, sprühten sie funkenwerfend um sich. Nur bisweilen erhob sich eine oder die andere der Damen, um den Platz zu verändern und majestätisch schritt sie einher. Alle ihre Bewegungen waren graziös und imposant. Man glaubte eine Gestalt aus höhern Sphären vor sich zu haben. In politischer Hinsicht war der Vall in hohem Grade interessant, denn die wichtigsten Notabilitäten dcs ganzen kaukasischen Isthmus hatten sich eingefunden. Von ihnen will ich nur die merkwürdig» sten Männer nennen. Der schiitische Obergeistliche (Musch-Theiit oder Mustahid) Aga Mir Fettah, von dem ich schon früher berichtet habe, war in einen blauen langen Kaftan gehüllt und hatte eine spitze Pelzmütze auf dem Kopf. Neben ihm ging in einem blumigen Obergewande sein Sohn und ihm folgten einige Untergeistliche. Der sunnitische Obergeistliche Mustofin Tidsodin war in tatarische Kleidung gehüllt und besaß nicht die schöne ernste Haltung des Aga Mir Fettah. Mechti-Chan ans Karabag, Abbas-Beg, Bruder des verstorbenen Chans von Talüsch, der Sultan von Elisseu, der Schamchal von Tarku, von dem ich schon früher gesprochen habe, der Dadian Lewan von Mingrelken und sein Sohn David, Michael Schirwaschidse, regierender Fürst von Abchasien; die Haupter zweier Swanen-Stamme, die Wittwe des frühern Chanes von Choi und Gouverneurs von Tanris, Kalbalai-Chan, der den Russen während des letzten persischen Feldzuges Tauris übergab, Ajunten aus mehrern mohammedanischen Provinzen und Deputilte aus allen christlichen Landern hatten sich eingefunden, um dem Kaiser und Herrn ihre Huldigungen darzubringen. Der Ball begann um 7 Uhr, aber erst um 9 Uhr erschien 458 der Kaiser, von der verwittweten königlichen Prinzessin Katiwani und der Baronin von Rosen eingeführt. Mit der ersten eröffnete er mit einer Polonnaise den Ball und setzte sie mit der zweiten fort, um dann der Reihe nach mit den Damen, die eben ausgezeichnet werden sollten, zu tanzen. Unter diesen befanden sich auch die beiden liebenswürdigen Tochter des Oberbefehlshabers, die der strengen Etikette gemäß, trotz des Unglückes das über ihre arme Schwester plötzlich hereingebrochen war, auf dem Ball hatten erscheinen müssen. Wie der Kaiser aber versteht sich selbst die Herzen derer wieder zu gewinnen, die er erst freilich durch Noth gezwungen verwundet hatte, bin ich selbst Zeuge gewesen und auf die liebenswürdigste Weise suchte er in das tieftrauernde Herz der beiden Schwestern lindernden Balsam zu gießen. In der Zeit seiner zweistündigen Anwesenheit wurden ihm noch mehrere Personen vorgestellt und unter diesen erfreute auch ich mich der seltenen Auszeichnung. Das Land selbst und der wissenschaftliche Werth desselben waren der Stoff der nicht kurzen Unterhaltung. Ich bewunderte die Kenntnisse, welche der Kaiser in der Zeit entfaltete. Daß alles sich nach dem Kaiser drängte, war leicht einzu» sehen und besonders die mohammedanischen Häuptlinge, die wohl zum großen Theil zum erstenmale an einer solchen Festlichkeit Theil nahmen, vermochten nicht immer dabei die europäische Sitte zu beobachten. Als wenn sie auf dem Basar wären, drängten sie sich durch die Anwesenden und suchten sich nicht selten durch allerhand handgreifliche Mittel Platz zu verschaffen. Wenn sie von den dazu beauftragten (^pelm 6 Konneurg an das unziemende Verfahren erinnert wurden, begriffen sie zwar durchaus nicht ihr Unrecht, fügten sich aber willig dem Gebote. In der Zeit wo ich mich der besondern Aufmerksamkeit des Kaisers erfreute, stand hinter diesem ein langer Perser und versuchte lange vergebens den Kaiser von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Da der letztere aber fortwahrend der andern Seite zugewendet blieb, so bog der erstere sich mit seinem Oberkörper vor, faßte den Monarchen an der Taille und drehte ihn so herum. Der Kaiser, den ungeschickten Perser scharf ansehend, lächelte aber doch, als dieser erschrocken eiligst zurückprallte. Ein anderesmal faßte ein kurzer Tatar den Grafen Olloff 459 und schob ihn ohne Umstände auf die Seite, um dessen Platz einzunehmen. Wenn auch europaische Sitte bis zur Entfernung des Monarchen noch mehr beobachtet wurde, so gestaltete sich doch später vieles anders und es ereignete sich manches was vielleicht bei einer strengen Etikette als Fehler betrachtet werden kann. Die gebildeteren Damen entfernten sich schon zeitig. In den grdßern Zimmern wurde es von Stunde zu Stunde lebendiger und die Grusier begannen dort ihren Nationaltanz, die Lesginka, auf dieselbe Weise wie sie ihn auf den Dachern zu tanzen gewohnt sind. Allmählich wurde er origineller, und da die europäischen Instrumente den Kaukasiern nicht gefielen, holte man die volkschümlichen herbei. Vor Lärmen und Tosen horte man das eigene Wort nicht mehr. In dem Saale wurde aber europäische Sitte sireng aufrecht erhalten und man sah dieselben Tanze von denselben Asiaten wiederum getanzt, wie ich es schon bei einer frühern Gelegenheit beschrieben habe. *) Den lächerlichsten Auftritt für den Europäer lieferte der Schamchal von Tarku, so sehr auch sein Benehmen in den Augen eines Orientalen gerechtfertigt werden muß. Es ist bei allen Mohammedanern Sitte, sich vor dem Essen zu waschen und oft geschieht die Waschung vorzüglich bei den Häuptlingen zugleich an Handen und Füßen. Dieser Sitte ergeben, ließ sich plötzlich der erwähnte Schamchal auf einem kostbaren Teppiche, den seine Bedienten mit sich geführt hatten, nieder und befahl den letztern die Waschung der Füsie. Während einige Wasser und die nöthigen Tücher holten, hatten die andern schon die Fußbekleidungen zum Theil entfernt. Zum Glück bemerkte es noch zeitig einer der zur Ordnung aufgestellten Herren und untersagte die Handlung als unschicklich. Der Schamchal fügte sich zwar, aber vergebens war es ihn von der Unschicklichkeit der Handlung zu überzeugen. Er für seinen Theil erklärte alle die sich vor Tisch nicht wuschen, für unreinlich und unanständig. Am 24 October früh reiste der Kaiser wieder ab, und hatte leider das Unglück, als er das Thal der Were herabfuhr, aber ") Siehe oben S. 312. 460 ohne Schaden umgeworfen zu werden. *) Mit nur geringer Begleitung passirte er die große kaukasische Straße und traf den 28 October ohne einen wettern Unfall zu erleben inStauropol ein. Damalige Zeitungsnachrichten sprechen von großen Gefahren, denen der Kaiser auf seiner ganzen kaukasischen Reise ausgesetzt gewesen sey und lassen sogar ihn durch ganze Regimenter bewachen. Nur dadurch seyen die mehrfachen Versuche der Kaukasier, ihn gefangen zu nehmen, gescheitert. Von allem dem ist aber kein Wort wahr. Selbst in Tscherkessien haben die feindlichen Volker nicht versucht sich des Kaisers zu bemächtigen, und in Grusien, Armenien oderCis-Kaukasien die unterworfelien Völker selbst Ehrenwachen gebildet und ihn fast allein begleitet. Die Reise des Kaisers hat unendlichen Nutzen gehabt und viele unzufriedene Stämme sind durch seine Handlungsweise zu Gunsten gestimmt worden. Auf der bald darauf stattgefundencn Reise nach Kachien habe ich die Behauptung des Obigen mehr als einmal bestätigt gefunden. Besonders fand die Handlung des Kaisers Anklang, daß eine beson« dere Commission unter dem Vorsitze des Baron von Hahn niedergesetzt wurde, um alle Klagen aufzuzeichnen und Bittschriften anzunehmen. Binnen wenig Tagen betrug die Anzahl derselben mehrere Tausende. Es wird wohl nicht uninteressant seyn, znmal auch hierüber sich falsche Nachrichten verbreitet haben, die Reise des Kaisers in Tsanskaukasien etwas näher zu beschreiben. Wie ich es hier erzähle, habe ich es selbst aus dem Munde eines der Begleiter erfahren und man kanu sich demnach völlig auf die Zuverlässigkeit verlassen. „Den 10 October gcgeu Mittag betrat der Kaiser bei Redut-Kaleh das Land und wurde von dem Oberbefehlshaber, dem Gouve^ ueur von Imerien (damals General Especho) >md dem Aramau der dou'schen Kosaken General Leonoff, nebst deren Gefolge und den De-putirten der Stadt feierlichst empfangen. Nachdem er das wenige was zu sehen in Augenschein genommen , setzte er seine Reise nacb Sugdidi fort und ging am Ufer des Meeres nordwärts nach ') Ich weiß nicht wo Dnbois (I'om. iv. 1,25 229.) die Nachricht her hat, daß der Kaiser bei Mscheth umgeworfen worden seyn soll. 4G1 Anaklea. ^) Dort warteten der regierende Fürst Lewan uud sein Nachfolger David nebst 500 mingrelischen Edelleuten und empfingen ihn mit einem großen Iubelgcschrei. Erst spät kam er in Sugdidi an und besuchte sogleich die regierende Fürstin, welche ihn mit ihren beiden verheiratheten Töchtern und einem großen Gefolge mmgre-lischer Hofdamen in ihrem Schlosse aufnahm. Alle Hauser, deren Zahl freilich nur gering ist, waren erleuchtet. Aus den mingre-lischen Fürsten bildete sich eine Ehrenwache, welche die Nacht über den Dienst versah. Um nicht dasselbe oft wiederholen zu müssen, schicke ich hier für alle Tage der Reise bis Tiflis voraus, daß der Kaiser stets von den Fürsten und Edelleuten des Landes, das er eben durchreiste, umgeben war, und daß diese fast immer in ihren schönsten Anzügen auf stolzen Pferden die Ehrenwache bildeten. Außerdem begleitete ihn anch das gemeine Volk zu Pferd und zu Fuß und ließ fortwährend fein durchdringendes Hih-Hih-Geschrei ertönen. Ferner waren alle Orte (selbst Tiflis in der ganzen Zeit), wo der Kaiser des Abends durchfnhr oder übernachrete, illllminirt. Am andern Morgen überreichte der Kaiser dem Dadian die Diamanten-Insigmen des Alerander-Neffsky-Ordeus und der regierenden Fürstin die erste Classe des Katharinen-Ordens und nahm die Huldigung seiner Vasallen an. Gegen 7 Uhr des Morgens reiste er ab, um den Weg von 14^ Meilen bis Kutais zurückzulegen. Am Pferdeflusse, der mingrclisch-imerischeu Gränze verabschiedete der Kaiser den Dadian mit seinem Gefolge und am jenseitigen User empfingen ihn der imerische Adel und die Autoritäten des Landes, um ihn bis zur Hauptstadt zu begleiten. Hier war das 9te Linien-Bataillon aufgestellt und der Commandant der Stadt nebst deren Beamten standen zu seinem Empfange bereit, ^lm Morgen besichtigte er die Hospitäler, Schule u. s. w. und Mug dann von demselben Gefolge begleitet den Weg nach Su-ram in Karthli ein. An der Gränze verließen ihn die Imerier und der Gouverneur Grusicns, FmstPalawando, mit großem Gefolge karthlischer Edelleute begrüßte ihn mit Freudengeschrei. In *) Das ganze Ufer von Pott bis Anaklea sieht unmittelbar unter Rußland und Anaklea ist der einzige dem Dadian zugehörige Hafen. Der Kaiser betrat deßhalb erst hier die Besitzungen des Herrschers von Mingrelien. 462 Malithi, einem unbedeutenden Dorfe der Gränze, übernachtete der Kaiser und wurde daselbst von dem Marschall Fürst Bagration-Muchran, einem Sohne der oben genannten königlichen Prinzessin Katewani, einer Tochter des Königs Heracleus II, empfangen In Suram kam der Kaiser schon zeitig an und beschloß den ganzen Tag daselbst zu verweilen, um die nöthigen Geschäfte zu vollbringen. Die Ehrengarde bestand aus karthlischen Fürsten und einer Eliten-Compagnie des Eriwan'schen Grenadier-Regimentes. Nach Tisch veranstalteten die Eingebornen des Landes ein Pferderennen (Tamaschah) und der Kaiser bewunderte die Geschicklichkeit der Reiter. Meist wirft einer der Mitreitenden seine Mütze auf die Erde und die andern schießen im gestreckten Galoppe nach dem Ziele. Den 14 October bewegte sich der ganze Zug nach Achalzich und an der Gränze kam der Gouverneur Samsche's, General Patzoffsky, mit den Autoritäten und den vornehmsten Bewohnern der Provinz entgegen um den Kaiser von nun an zu begleiten. VorAzchur besichtigte er eine Eliten-Compagnie des Eriwan'schen Carabiner-Regiments und ein Linien-Bataillon und zog gegen Mittag in Achalzich ein, von den Autoritären empfangen. Hier besichtigte er die Festungswerke, die Caserne und die Hospitäler, und reiste an demselben Tage noch bis Achalkalaki, wo ihn die dortigen Behörden und ein Linien-Bataillon erwarteten. Den 15 October setzte der Kaiser seine Reise nach Humri fort und an der Gränze Grusisch-Armeniens empfing ihn der Pri-staff desLori-Schuragel'schen Kreises mit einer großen Anzahl vornehmer Armenier und Tataren, um ihn bis nach derFestung selbst, wo der Commandant ein Linien-Bataillon aufgestellt, zu begleiten. Hier hatte sich eine türkische Gesandtschaft, besiehend aus dem Seraskier von Erzerum, Asseth-Pascha, und einem großen Gefolge, eingefunden, um zwölf prächtige Pferde zu überreichen. Asselh-Paschah erhielt den weißen Adlerstern und eine prachtvolle mildem Vildniß des Kaisers versehene Tabatiere. Der Kaiser ergriff die Rechte des Seraskiers und legte sie in die des Grafen Orloff, die gewichtigen Worte sagend: „seyd Freunde wie es Eure Herren sind." Den Morgen darauf besah er die Festung und legte mit eigener Hand den Grundstein zu einer neuen Kirche. Denselben Tag ging er noch bis Sardarabad und wurde an der russisch-armenischen 463 Gränze von dem Gouverneur, Fürst Vebutoff, den Behörden und den vornehmsten Armeniern, Tataren und Kurden empfangen. 100 don'sche Kosaken und die Einwohner der Stadt bildeten die Ehrenwache. Den 17ten früh Morgens besah der Kaiser die Festung und schlug den Weg nach Eriwan ein. Vor Etschmiadsin begrüßte ihn der Patriarch Johann mit der ganzen Geistlichkeit zu Pferde. Der Kaiser stieg aus und der ganze Zug bewegte sich zu Fuß in das Kloster. Der ehrwürdige Patriarch hielt eine Rede, worauf das ^6 Oeuni gesungen wurde. Nun erst besah der Monarch die Merkwürdigkeiten des Klosters, verlieh dem Patriarchen die erste Classe des Wladimir-Ordens und setzte seinen Weg nach Eriwan fort. Vor der Stadt empfingen ihn feierlich die Behörden und begleiteten ihn nach der Festung, wo er in dem Paläste des Gouverneurs abstieg. Den andern Morgen besichtigte er die Festung, die Hospitäler, die Schule und übrigen Anstalten und empfing die persische Gesandtschaft. Der Schah hatte seinen achtjährigen Sohn und Thronfolger: Nasreddin Mirsa Weliad, selbst zur Begrüßung gesendet und durch ihn dem Kaiser 15 truchmenische Pferde, mehrere Perlenschnüre und vier Duzend Shawls überreichen lassen. Dem Thronfolger waren beigegeben: der Chef aller regulären Truppen und Gouverneur von Aderbeidschan, Mohamed-Chan, sein Erzieher Emir Nisam, sein Oheim Issa-Chan, sein Wärter Mollah-Moha-med, ein Religionslehrer, ein Arzt und 60 Mann Gefolge. ") *) Lächerlich war es, daß der Schah von Persien seinen Sohn mit einer sehr geringen Begleitung ankündigte und doch mit 70 Menschen die Negierung in Verlegenheit seyte. Diese große Begleitung wird aber nicht auffallen, wcnn man mit den asiatischen Verhältnissen nur einigermaßen vertraut ist. Nach der Zahl der Bedienung wird zunächst die zu erweisende Ehre abgeschätzt und dann vollbringt jeder Bediente genau nur das Geschäft, dem er obliegt. Der, welcher die Pfeife oder die Bereitung des Kaffees zu besorgen hat, wird nicht die geringste Sorge um die Kleidung seines Herrn tragen; der das Zelt aufschlägt oder die Pferde füttert, bekümmert sich nicht um die übrigen Bedürfnisse seines Herrn. Die Pfeife setzt auch bei den Persern, wo man den Rauch erst durch Wasser gehen läßt, einen Bedienten in gehörige Bewegung; denn es ist nicht genug daß dieser den Tabak einstopft uud ihn mit einer Kohle anbrennt, sondern er ist auch gezwungen das Wassergefäß seinem Herrn zu halten und es nicht selten selbst zu, Pferde nachzutragen. 464 Der Kaiser nahm den Thronfolger auf den Schooß und überreichte ihm einen mit seinem Vildniß versehenen Diamantring. Die Ehrenwache bestand aus den vornehmsten Einwohnern und einer Compagnie des Eliten-Regimentes Paskewitsch. Denselben Tag reiste der Kaiser noch bis nach Tschibugluh am nordwestlichen Ende des blauen Sees und wurde daselbst wiederum von dem Gouverneur Grusiens, den Pristaffs Grujisch - Armeniens und der tatarischen Provinz und vielen Armeniern und Tataren empfangen. Den andern Morgen musterte er eine Com? pagnie des Eliten-Regimentes Paskewitsch und setzte seinen Weg durch die schone Distanzie Kasachien fort. Vei dem ersten Karawanserai war wiederum eine ElitemCompagnie des Tifliser Jäger-Regimentes aufgestellt. Des Nachts um 3 Uhr des 20 October kam der Kaiser endlich a»f der Poststation Kodi (3^> Meilen von Tiflis entfernt) an, und besichtigte hier eine Eliten-Compagnie des mingrelischen Regiments. Mittags fuhr er erst Tiflis zu. Alles übrige habe ich schon erzählt. Nach der Abreise des Kaisers benutzte ich das gute Wetter noch zu einer Reise nach Kachien und werde diese in dem folgenden Capitel weiter beschreiben. Gern folgte ich hierauf der freundlichen Einladung des Fürsten Constantin Suworoff, ihn nach Odessa zu begleiten, und nnser Vorhaben wurde selbst da nicht aufgegeben, als ganz unerwartet die Nachricht einlief, daß daselbst die Pest ausgebrochen sey. Einestheils glaubten wir nicht mit Unrecht, daß bis zu der Zeit, wo wir in Odessa ankamen, wohl hinlängliche Maaßregeln getroffen waren um dem Uebel Einhalt zu thun, und andernthcils war es für mich, trotzdem ich der Medicin abtrünnig geworden bin, interessant die bei unö völlig unbekannte Krankheit in der Nahe zu betrachten. Leider trat, als wir von Kachien zurückgekehrt waren, so schlechtes Wetter ein, daß wir nicht wagen durften die Reise über das Gebirge jetzt zu unternehmen. Wochenlang regnete es Tag und Nacht fort, und der Regen wurde um so lastiger, als die grusl-schen Hauser mit ihren terrassenförmigen Dächern nicht im Stande sind hinlänglich zu schützen. Selbst in unserer sonst gut gebauten Wohnung drang endlich der Regen durch, und vou allen Zimmern war zuletzt nur eine Stelle vorhanden wo man trocken liegen konnte. Dorthin wurde das Vett deö Fürsten gebracht, und ich 465 war gezwungen außerhalb meiner Wohnung eln Unterkommen zü suchen. Herr v. Rodofinikin räumte mir in seinem europäisch gebauten Hause eine Schlafstelle ein. In meiner eigentlichen Wohnung waren wir genöthigt mit Galoschen herumzugehen. Wenn ich schreiben wollte, setzte ich mich auf den Divan und breitete einen Regenschirm über mich, um eben mitten im Zimmer nicht durchnäßt zu werden. In der ersten Woche des Decembers fing es endlich an sick aufzuheitern, und das freundlichste und heiterste Wetter trat an die Stelle des unaufhörlichen Regens. Die Abreise der Baronin v. Rosen mit ihren liebenswürdigen Töchtern zwang uns wiederum eine Woche länger zu bleiben, da wir sonst in die Verlegenheit hätten gesetzt werden können aus Mangel an Pferden auf einer elenden Poststation länger zu verweilen als uns lieb gewesen wäre. Eine Menge junger Leute, die der Familie sich verpflichtet fühlten, begleiteten die Baronin bis zur ersten Poststation Garzis? Kark. Auch ich schloß mich gern an und verlebte in Garzis-Kari den letzten traulichen Abend mit der Familie, welcher ich die freundlichste Aufnahme zu danken hatte. Auf dem Rückwege besah ich die Ruinen von Mscheth, so viel eben die Zelt erlaubte, näher, behalte mir aber die Beschreibung derselben auf eine andere Zeit vor. Einige Tage vor meincr Abreise wurde mir noch durch die besondere Gnnst des Oberbefehlshabers das Vergnügen zu Theil, der Vorstellung einiger flüchtigen persischen Prinzen beizuwohucn, und diese erschienen mir um so interessanter, als sie eine Zeitlang eine wichtige Rolle in der Geschichte Persi'ens gespielt haben. ES waren dieß die drei Oheime des jetzigen Schahs Mohammed Ali und der zwölfjährige Sohn des einen. Sie bekleideten wahrend der Ncgiernng ihres Vaters, Feth Ali Schahs, wichtige Stellen und waren mit dem Vater des jetzigen Schahs (so viel mir bekannt ist) hie einzigen rechtmäßigen Kinder. Der älteste, Abbas Mirsa, wurde erklärter Thronfolger und lebte in der Nähe seines Vaters mit seineu beiden Söhnen Mohammed (Mehmcd) Ali und Chosref Mirsa, von denen besonders der letztere, vom Vater und Gioßvater vorgezogen, zum Generalissimus aller Truppen ernannt und wie es scheint auch zmu Thronfolger bestimmt wurde. Der zweite Sohn war Ali Schah, auch Silly Sultan genannt, vcr- Reise» nud ^mdcvln'schrcil'im.mi, XXV. ^/-x (Neise nach Kaukasien.) ^" 466 waltete die Stelle eines Generalgouverneurs (Begier-Beg) von Teheran; der dritte, Ali Nadir Mirsa, unter dem Namen Rokny Daulat bekannt, bekleidete die Stelle eines Vicekdmgs in Kaswin, und der vierte endlich, Iman Werdi Mirsa, stand als Chef den königlichen Leibgarden vor. Leider starb Abbas Mirsa wenige Jahre vor seinem Vater, der ihm 1834 ins Grab folgte ohne bestimmte Vorkehrungen zur Erbfolge getroffen zu haben. Silly Sultan ließ sich krönen und seine beiden Brüder unterstützten ihn in seinen Ansprüchen. Mohammed Ali jedoch hatte die Armee für sich, nahm zunächst seinen Bruder Chosref Mirsa gefangen, um ihm die Augen ausstechen zu lassen und zog gegen seinen Oheim, der nur zehn Monate sich auf dem Throne zu halten vermochte. Dieser wurde endlich mit seinen beiden Brüdern ebenfalls gefangen und nach Ardebil in einen festen Thurm gesteckt. Da lebten diese drei bis zu Anfang des vorigen Jahres (1837), und Ali Schah verstand auf folgende Weise sich und seine Brüder aus der Gefangenschaft zu befreien. Er bat um die Gnade, daß in seinem Zimmer ein tiefes Loch zum Aufbewahren des Wassers gemacht würde, und in diesem arbeitete er fast zwei Jahre ununterbrochen an einem unterirdischen Gange, der nach außen unter den Wällen hinwegführte. Die überflüssige Erde trug er in eine zweite Grube, welche ihm als Abtritt diente. Da er am Tage streng bewacht wurde, arbeitete er nur des Nachts. Einigen seiner frühern Anhänger offenbarte er das Geheimniß, und als der Durchbruch geschah und er mit seinen Brüdern und einem Neffen glücklich die Freiheit erlangt hatte, standen schon Pferde bereit um sie zu entführen. Die Flucht wurde alsbald bekannt, aber vergebens suchte man ihrer habhaft zu werden. Glücklich erreichten sie die Gränze, wo sie von den Russen nach Schuscha gebracht, dort so lange verweilten, bis der Kaiser, der den jetzigen Schah anerkannt hat, wiederum abgereist war, und nun nach Tiflis kamen, um durch die Vermittelung der russischen Regierung von dem Schah begnadigt zu werden oder eine Pension zu erhalten. Alle drei waren schdue große Männer mit feurigen Augen und großem schwarzem Barte, und vor den übrigen zeichnete sich Ali Schah durch seine königliche Hallung, eine größere Lebendigkeit und raschere Bewegungen aus. Sie schienen alle drei damals noch nicht aus den Vierziger Jahren heraus zu sepn und der Sohn Ali Nadir Mirsa's mochte ungefähr 467 12 Jahre haben. Sie waren sämmtlich in die einfache persij Nationalkleidung gehüllt und der lange blane Kaftan reichte bis auf die Ferse». Ali Schah führte die Hauptunterhaltung und hatte eine näselnd-singende Aussprache, die aber überhaupt den Persern eigenthümlich zu seyn scheint. Im Anfange wurde abwechselnd der Kallian (die persische Wasserpfeife) herum gegeben und dann folgte Thee, den alle vier sehr süß liebten. Was später aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht. FünfunddreiHigstes Eapitel. Neise durch Kachien und Beschreibung Dagestans. Spaltungen tn Tislis; Abreise nach Hachien; ^>>o: Martkopi; rusüsche Gastfreund-schast; Aufstand in Pctcrödorf; Oaredsch ? Kachicn ; Graf Plater; die Malerei von Ma,,ar; Ankunft in Karaaatsch; Öl'rist Vesobrasoff; Fal,ndrich O.; Munkdirector T>.: ic; Flusse Dagestans; die stielen; die Le?a,ier; dac> Chanat ?swar; das Chanat Kas,n>niüch; ^>e tatarischen Da>iestaner; die Herrschaft dcr Humüüen; Tarlu; Kaitach; Tal'asaran; Plurale; Kuba; VaN>; Schcli; die Tuschen nnd Dido; die fürstliche Familie ^ndvcnito; Steinhonig; Zünvdal; Thelaff; Cixsalle der Lcs.,icr; Gamlwra; Nuchrawan; Antunft in Tiflid. Die Anwesenheit des Kaisers hatte in Tiflis große Freude aber auch viel Trauer hinterlasse«!, den» viele Beamten waren ihrer Stellen verlustig geworden. Dcr Aufenthalt, dcr früher so angenehm gewesen war, hörte mit einemmale auf es zn seyn. Es bildeten sich in den gesellschaftlichen Cilkeln Spaltungen, und viele, welch« dem Oberbefehlshaber großen Dank schuldig waren, traten letzt auf die andere Seite. Um dieser peinliche», Lage enthoben zu seyn, beschloß ich der freundlichen Aufforderung des Obristen Ve-svbrasoff zu Karagatsch in Kachien Genüge zu leisten und reiste am 2 November in Begleitung des Fürsten Suworoff, Fehs und de Labertoche's ab. Hier heiterte sich allmählich unser Gemüth wieder auf, und zwar um so mehr, als einige Fatalitäten uns in unangenehme Lagen versetzten. Ker Weg geht fast auf der ganzen '50* M Strecke durch unbebaute Steppen, und wir waren deßhalb genöthigt hinlänglich Vorrath mit uns zu führen. Des Morgens gegen 9 Uhr verließen wir Tiflis und fuhren in einer Kalesche den nathluch'schen Bergen aufwärts der Post-station Martkopi, die ungefähr 2^ Meilen entfernt liegen mag, zn. Die ganze Gegend nm uns war znm großen Theil nackter Kalkboden und gehört zu dem Gaue kilo, der in der Regel, trotzdem er jenseits der Knra liegt, zn Karthli gerechnet wird. Wir kamen immer hoher und erreichten endlich die Höhe der lilo'schen Berge, welche die Gränze zwischen den Gauen Lilo und Martkopi bilden. Auf emer abgerundeten Kuppel liegt noch ein Thurm, der wahrscheinlich der alten Burg von Lilo angehört. Mit vieler Mühe und unter häufigem Zufußegehen setzten wir unsern Weg fort und kamen alsbald in das Bergthal der Lodschini, in dem auf einer Höhe die alte einst berühmte Stadt Martkopi lag und jetzt nur noch aus wenigen Ruinen besteht. Endlich kamen wir zur Poststation. Von dem anstrengenden Wege hungrig wurde der Bediente beordert die vielen Fleischpastetchen und andern Vorrathe, die der gütige Fürst hatte bereiten lasten, aufzutragen, und sehnsüchtig sahen wir dem Augenblicke entgegen, wo wir die immer heftiger werdenden Mahnungen des größten Tyrannen des Menschen, des Magens, befriedigen konnten. Da kam endlich nach langem Harren die betrübte Gestalt unseres dienenden Geistes mit den fürchterlichen Worten: ^» »ükül wgok (ich habe alles vergessen) herein. ,,Eo bringe wenigstens den Thee," schrien wir vier fast zu gleicher Zeit. „Alich der liegt zu Hause," war die Antwort des vergessenen Dieners. Da saßen wir nun mitten in einer elenden Wüste bei Kosaken, die uns nur schlechtes Roggenbrod darbieten konnten. Den Unmnth bald vergessend nagten wir an den harten Vrodrinden unserer mitleidigen Kosaken und bewunderten gegenseitig unseen Appetit. Plötzlich hielt ein Officier mit seinem Bedienten an und Freude glänzte auf allen Gesichtern. Haben Sie Lebensmittel und Thee bei sich, war die erste Frage welche wir dem eben eintretenden und ill Verwunderung gesetzten Fremden zuriefen. Es ist rossische Sitte, daß Jedermann voraussetzt der andere gebe mit Freude», her was er hat. Der Bediente des Officiers öffnete de» Sack der Vorräthe und breitete die wenigen Ueberblelbsel vor uns ans. In kurzer Zeit brauste der Selbstkocher (Theemaschine) z" 469 unserer Freude, und ein paar Gläser guten Thee's labten unS nicht wenig. In der Zeit besichtigte ich die Umgebung nnd fand, wenn man sich des Flusses gehörig bediente, einen fruchtbarern Vodcu als im Gau Lilo. Das alle, jetzt aber verfallene Kloster Martkopi lag zu fern um es zu besuchen. Es besaß früher drei Kirchen und wurde schon in der ersten Zeit, wo die christliche Religion in Grusien Eingang gefunden hatte, erbaut. In ihm liegt der heilige Anroni, der zu den dreizehn heiligen zu Anfang des fünften Jahrhunderts eingewanderten Vätern gehört, begraben. Nach Klaproch hat er das Kloster erbaut und lebte in einer Felsenhöhle als Einsiedler; daher soll der Name Martkopi oder vielmehr Martmtophi, d. i. Einzelnlebender, stammen. Spater entstand in der Nähe des Klosters eine Stadt, die häufig von grusischeu Königen besucht und der Sitz eines Kreishauptmanns (Muroff) wurde. Leider waren auf der Poststation keiue Pferde zu finden, uud so wurden wir genöthigt mit uusern vier ausgehungerten Rappen noch bis zu der zwei Meilen entfernten Colonie Petersdorf zu fahreu. Der Weg, so sehr man sich auch Mühe gegeben hat ihn zn bahnen, ist doch schlecht, zumal wir gczwuugeu waren den südlichen Theil des Gebirges von Kuch zn überschreiten. Dunkelheit trat ein und vermehrte unsere kritische kage. Die Verge wurden höher, und nicht genug daß wir sämmtlich zu Fuß gingen, mußten wir die Pferde selbst unterstützen und den Wagen ziehen helfen. Der Fürst kanute den Weg und riech wegen der Abgründe, an dencn dieser bisweilen vorbeiführte, die größte Vorsicht zu gebrauchen, Es war einer der bekannten Spatherbstabeude, an dem dcr Himmel dicht mit Wolken besetzt den Sternen nicht erlanbt ihren matten Schein der Erde zuzuwerfen, und wo man kaum vor sich sehen taun. Schritt vor Schritt wurde untersucht, und so kamen wir endlich n"ch fast sechs Stunden gegen halb zehn Uhr ganz erschöpft in das Thal der Iora nach der Colonie Petersdorf. Hoch schlug unser Herz, als die Lichter der gutmüthigen Schwabeu uns sichtbar wurden und hurtig schritten wir dem Dorfe zu, ohne die Gräbcn, in die wir von Zeit zu Zeit fielen, nnd die Steine, über wclchc wir stolperten, zu achten. Ein pallisadenarliger Zaun verwehrte uns den Eingang; ohne Säumen setzte ich darüber und half meinen Freunden ein Gleiches thun. Der Lärm hatte die Hunde aus ihrer 470 Ruhe geweckt und mit einem Nu bellte es durch das ganze Dorf. Die friedlichen Bewohner, die zum großen Theil schon der Ruhe pflegten, wurden aus dem süßen Schlaft erweckt und fuhren erschrocken an ihre Schiebfenster, nichts Gutes ahnend. „Wasch gibt es, Nachbar?" hdrte ich den einen Einwohner dem andern zurufen. Rasch ging ich auf das erste Haus, in dem noch ein Licht brannte, los, schlug den Hund, der sich mir entgegensetzte, mit einem großen Knüttel auf den Rücken und pochte an das Fenster. Kein Mensch antwortete und das Licht verlöschte. Immer heftiger schlug ich an, wahrend meine Freunde durcheinander riefen. Plötzlich erschien eine Menge Menschen mir Lichtern und laut schreie»d in der Ferne. Hunde von nicht unbedeutender Größe stürzten auf uns zu und verstellten uns den Weg. Man glaubte eben die räuberischen Lesgier seyen eingebrochen. Unser Zurufen in gnt deutscher Sprache half nichls. Deutlich vernahm ich schon die Worte des immer wachsenden Zuges. Da nahm ich auch denselben schwabischen Dialekt an den ich hörte und rief den Schwaben zu, daß wir friedliche Leute und sogar Laudsleute seyen und hier ein Obdach suchten. Die vaterländischen Tone beruhigten mit einemmal. Als die Hunde entfernt waren, näherten wir uns freundlich und baten um Äbendbrod und Logis. Aergerlich, angeführt zu seyn, kehrten die meisten um und ließen uns stehen. Ein Rubel Silber, den ich einem gutmüthig aussehenden Colonisten in die Hand drückte, audcrre die Scene und freudig hieß er uns willkommen. Noch war aber der Wagen nicht da und so wurden wir gezwungen mir einer Laterne diesen zu suchen. Er lag eine Viertelstunde entfernt in einem Graben und neben ihm standen der Kutscher und der Bediente laut weiuend und klagend. Mit Hülfe einiger Colonisten stellten wir unsere Kalesche wieder auf und fuhren glücklich zum Dorfe herein. Mit wahrem Heißhunger fielen wir über die reichlichen Vorräthe unseres Wirthes her, und der gute kachische Wein versetzte uns in die heiterste Laune, in der wir alle ausgestandenen Mühen und Beschwerden belachten und bald vergaßen. Am andern Morgen erwachten wir erquickt von unserer Streue und besahen uns das freundliche Dörfchen, von dem ich schon oben gesprochen habe*), näher. Es besitzt mit dem angränzenden *) Ueber die Colonien s. oben Seite 332. 471 Marienfeld nur Eine Kirche. Einen traurigen Contrast bildete das grusische Dorf Sartütschal. Der District, in dem die beiden Colonien sich befinden und den wir eben durchfuhren, führt den Namen Garedsch-Kachien und besteht aus dem fruchtbaren Thale der Iora, welche östlich durch das Gebirge von Her von dem Thale des Alasau und westlich durch die Garedsch-Verge von dem der Kura geschieden wird. So viele Menschen er auch ernähren könnte, so liegt er doch größteu-theils unbebaut da, und wenn auch die brennende Hitze des Sommers die Bewohner zwingt die nahen Höhen zu besuchen, so ist doch der Aufenthalt im Winter angenehmer als in irgend einem Theile Transkaukasiens. Graser und Krauter erholen sich im Winter durch die eingetretene Feuchtigkeit erquickt wiederum, und wahrend diese in andern Gegenden in Ruhe verbleiben, fangen sie hier schon zeitig zu wachsen und zu grünen an. Das Vieh findet hier in den kältesten Monaten hinlängliche Nahrung. Nadir Schah ist die Ursache, daß das fruchtbare Thal der Iora so entvölkert ist, indem er die hier nomadisirenden Stämme nach Korasan versetzt hat. Im Norden haben sich schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts Offen niedergelassen, leben aber ihren Sitten und Gebräuchen treu. Unsere Schwaben brachten uns den Fluß abwärts nach der fast zwei Meilen entfernten Poststalion, welche nach dem Dorfe Sartütschal den Namen erhallen Hal. Da hier nur ausgehungerte Pferde waren, so verstanden unsere gutmüthigen Schwaben für den gestern zugefügten Schreck erhöhte Preise zu stellen, wenn sie uns »wch bis Karagatsch fahren sollten. Wir bezahlten gern und fuhren weiter. In der 3V2 Meilen entfernten Poststanon Muganly fanden Wir den Grafen Plater, einen angenehmen Gesellschafter, ebenfalls nach Karagatsch reisend, und er wurde es um so mehr, als er freudig seineu großen Vorrat!) an Lebensmitteln vor uns ausbreiten ließ und uns nicht umsonst nöthigte zuzulangen. Die russische Gastfreundschaft hat doch nirgends ein Gleiches. Trotzdem der Graf feme Bäckereien von dem französischen Bäcker in Tiflis zu feinem eigenen Bedarf mit sich führte, holte er auch diese von freien Stücken hervor. Die PostHäuser sind hier ziemlich gut eingerichtet und besitzen sämmtlich für die Reisenden mehrere Zimmer. Auch Oefeu sind darin, aber leider wieder nach der Petersburger Vorschrift russische 47» Oefen, die, wie ich schon bei gleicher Gelegenheit früher gesagt habe, für Fremde, die sich nur ein paar Stunden aufhalten, gar nichts nützen. Trotzdem es schon spät war, versuchten wir doch nach dem 4^. Meilen entfernten Dorfe Magar zu kommen. Das unfreundliche Wetter rief leider an diesem Tage die Nacht früher herbei, und dichte Dunkelheit erlaubte uns nur Schritt für Schritt zu fahren. Die Gegend soll reizend seyn und eine Menge der schönsten Punkte darbieten. Fürst Suworoff, der sie früher schon einmal besucht hatte, sprach jetzt noch entzückt davon. Endlich erreichten wir den Magarschen Chuter *) und machten bei einem Duchan **) Halt, um hier zu überuachten. In dieser schmutzigen Bude verkaufte man mehrere Tage altes Hammelfleisch, uud um uns den Appetit zu verleiden, war es mit Talglichtern au einem und demselben Nagel aufgehängt. Zum Glück führte der gute Graf Plater Thee uud Zwieback bei sich, und so sättigte ich mich wenigstens zum Theil an dieser magern Kost. Noch schlimmer waren wir in Betreff eines Plätzchens für die Nachtruhe bestellt, da der ganze Raum innerhalb des Duchan kaum drei Menschen liegend in sich fassen konnte und außerhalb derselben ein starker Regen jeden Aufenthalt untersagte. Ich erhielt als Patient den innern Raum der Kalesche zu gleicher Zeit mit dem Fürsten Suworoff. Ein Sturm erhob sich aber und machte jeden Schlaf unmöglich. Als kaum am andern Morgen es hell geworden war, fuhren wir wiederum vorwärts über Berge und Höheu, die dem Gebirge von Her, was auch deu Namen Ziwi führt, augehdren, dem Thale des Alasan zu. Ein Nebelregen gestattete uur wenige Schritte vorzusehen, und so bedauerten wir die romantische Gegend nicht weiter besichtigen zu können. Gegen Mittag endlich erreichten wir die freundliche Miluärcolouie Karagatsck (d. i. Schwarzwald). Die acht Tage, welche ich mit meinen Freunden bei dem *) Unter Chuter verstehen die Russen eine Art Maierhöfe, die zu einem größern Gute gehören. **) Ich habe schon früher der Duchans, dieser schmutzigen Buden in dencn alles feil gehalten wird und in denen man selbst logiren kann, Erwähnung gethan. Sie ähneln am meisten unsern Schnapskneipen in kleinern Städten. 473 tapfern Obnsten Vesobrasoff verlebte, gehören zu den angenehmsten meiner ganzen Reise. Der Obrist ist ein im hohen Grade gebildeter und unterrichteter Mann und verstand mit seltener Liebenswürdigkeit uns auf jede Weise zu vergnügen. Der Aufenthalt wurde um so interessanter, als in dem Nischni - Nowgorod'schen Dragoner-Regimente, dem er vorstand, viele geistreiche Officiere, wie sie gewiß kein zweites Regiment auszuweisen hat, sich vorfanden. Es schien als wenn es das Regiment sey, wohin alle jungen Leute, die irgend Geniestreiche begangen hatten, verwiesen wurden. Ich glaube es wird unterhaltend seyn, wenn ich die kurzen Biographien einiger derselben gebe. Der interessanteste Mann war Hr. O.., weil schon seine Geburt ihn zu einem seltsamen Lebenslauf bestimmt zu haben schien. Sein Vater ist ein Grieche, der mit Kapodistrias m russische Dienste trat, seine Mutter hingegen eine Deutsche und er selbst wurde in Petersburg geboren. Schon frühzeitig nahm er Militärdienste und besuchte als Officier seinen Vater, der Consul in einer spanischen Stadt geworden war. Dort brach eben der Freiheitskrieg im Jahre 1819 und 1820 aus, und ohne sich zu besinnen trat er in ein Freicorps und kämpfte rühmlich unter Mina. Mit diesem wurde er flüchtig, ging nach Brasilien und durchreiste hierauf mehrere Länder Europa's. Die Sehnsucht nach seinem Vaterlande oder vielmehr alsbald eintretende drückende Verhältnisse zwangen ihn sich durch die Fürsprache des Großfürsten Michael, der sich damals in Wien aufhielt, nach Petersburg zu wenden. Weil er, ohne Abschied erhalten zu haben, seinen Dienst verlassen hatte, wurde er (ich glaube) ein Jahr nach Schlüsselburg geschickt und dann entlassen. Man erlaubte ihm zwar von neuem Dienste zu nehmen, aber freilich mußte er wieder als Gemeiner beginnen. Um schneller zu avancirin liest er sich nach dem Kaukasus versetzen, war aber in zehn Jahren erst znm Fähndrich avancin. Trotzdem nicht mehr jung, erhielt er sich einen jugendlichen Sinn und trug zur Aufmunterung der Gesellschaft unendlich viel bei. Hr» D., Musikdirector des Regiments, ein grosier Musik-kenuer, hatte um Erlaubniß gebeten, um sich auszubilden das Ausland bereisen zu dürfen, uud ging, da ihm diese geworden, nach Paris. Mit Marschall Bonrmont machte er die Erpedition gegen Algier und kam von dort gerade zurück als die Revolution ausbrach. Ohne Bedenken trat er als Natiol,algardist ein und 474 half die alte Dynastie vom Throne stürzen. Kaum nach Petersburg zurückgekehrt wurde er eingesetzt und bald darauf als Gemeiner nach dem Kaukasus verwiesen. Hier war er noch Junker. Auch mehrere Polen lebten hier in der Verbannung, und unter andern auch der Sohn des polnischen Ministers H. Aber nicht weil sein Vater Theilnehmer an der Revolution gewesen war, denn der Kaiser bestraft nie ein Verbrechen an den Kindern, sondern weil er eine junge Schanspielerin und Sängerin, die eben herangezogen wurde, verführt hatte, büßte er am Kaukasus. Leider waren die ersten Tage unseres Aufenthalts in Karagatsch nicht geeignet die umliegende interessante Gegend in Augenschein zu nehmen. Trotzdem wurde aber die Zeit mir nicht verloren und ich sammelte über das Land interessante Nachrichten. Auch lernte ich mehrere wichtige Häuptlinge des benachbarten lesgischen Kaukasus kennen und spielte sogar mit einem derselben einen vollen Nachmittag Schach. Die Art der mohammedanischen Kaukaster Schach zu spielen unterscheidet sich von der unsrigen nicht wesentlich. An einem der Tage brachten auch zwei Kachier einen Menschen in grauen Beinkleidern und nur mit eiuer Vurke versehen, und wir alle entsetzten uns über das Wilde in seinem ganzen Thun. Wie er in das Zimmer des Obristeu gebracht wurde, fiel er mit den Worten 81»>va Log«, (Gott sey Dank) auf die Knie nieder. Der Unglückliche war vor anderthalb Jahren von den Tschetschen geraubt und von diesen an die Lesgier verkauft worden. Hier hatte er bei magerer Kost die Hartesten und schmutzigsten Arbeiten verrichten müssen. Mit grellen Farben schilderte er die langen Leiden die er ausgestanden, und bat den Obristen dringend ihn wiederum seiner Frau und seinen Kindern, die er jenseits der Linie hatte, zurückzugeben. Mit Heißhunger fiel er über die vorgesetzten Speisen her, und ich ersuchte den Obristen, da er alles in der kürzesten Zeit verschlungen hatte, ihn erst einige Stunden warten zu lassen, damit der ausgehungerte arme Teufel nicht krank würde. Die müßige Zeit, vorzüglich des Abends, wurde mit Gesa"g ausgefüllt, und alle unsere beliebten Lieder, die ich als Student so gern gesungen und geHort hatte, tönten hier in dieser abgeschlossenen Entfernung mir wiederum entgegen. Hr. de Labertoche, obgleich Franzose, kannte doch schon die meisten. Die Sammlung von Liedern, die unter dem Namen Orpheus auch in ganz Deutschland 475 Eingang gefunden haben, fand ich hier in mehreren Eremplaren. Die Capelle, welche Hr. D. sich selbst herangebildet hatte, war deutsch eingerichtet und unterstützte uns in den Gesängen. Mittags lieferte sie uns Tafelmusik und vor allem ward das Echo aus Euryanthe in dieser reizend-romantischen Gegend meisterhaft durchgeführt. Am vierten Tage endlich heiterte sich das Wetter einigermaßen auf und vergönnte uns den Blick nach dem nordlich vor uns liegenden Kaukasus, von dem schon geringere Höhen sich mit Schnee bedeckt hatten. Südlich und ostlich befanden sich die letzten Verge des Gebirges von Her, das jetzt auch den Namen Ziwi führt, und ihm wendete ich meine Aufmerksamkeit zu, Ich habe schon von dem Gebirge bei der allgemeinen Beschreibung Kachiens gesprochen und deßhalb nicht nothwendig das was ich dort gesagt zu wiederholen. Auch die umgebenden Ebenen sind dort ebenfalls naher bezeichnet und benannt. *) Das Gebirge selbst ist ein tertiäres und besteht zum großen Theil aus verschiedenem Kalke mit thonigen Mergelsckichten und kalkigem Sandsteine. Nur im Nordwesten, wo sich das Gebirge von Kach anschließt, treten plutonische Gebilde auf. Was den Kalk anbelangt, so mochte ich ihn trotz der zahlreichen Muschelversteinerungen eher der Kseideformation zurechnen und ihn als sogenannten Grobkalk anerkennen. Er bildet häufig schroffe Fclsenwände, und nicht selten ragen ans dem Rücken des Gebirges kegelförmige Spitzen von mehr als 100 Fllß Höhe empor. Eichwald will auch Thonschiefer gefunden haben, aber wohl möchte diese Decke des ganzen kaukasischen Isthmus mehr dem Norden zukommen. Die ganze Bergkette ist mit verschiedenen Bäumen und Sträuchern besetzt. Der erste Ausflug geschah nach dem Schlosse der Thamar, das zum Theil auf einer solchen kegelförmigen Spitze erbaut ist. Vergebens suchte ich in Wachuschts Geographie dieses wichtige Denkmal der Vorzeit. Wie es scheint, ist es dasselbe was er Kornabndsch oder Dschoeth nennt; seine Beschreibung ist aber zu karg um eine Vergleichung möglich zu machen.") Wahrscheinlich *) S. oben Seite 278. ^) Wachuscht Seite 309. Die Karte von Kachien ist die schlechteste der beigelegten, und besonders erscheint der südöstliche Theil ganz verfehlt. 47s ist die Burg weit alter und war vielleicht schon Residenz albanischer Könige, zumal unter dem Volke die Sage geht, daß einst da wo Karagatsch jetzt steht eine große Stadt eristirt habe. Leider besitzen weder Griechen noch Grusier und Armenier aus jener Zeit genauere Nachrichten, >md wir wissen nur aus Strabo, daß die ganze Gegend sehr bevölkert gewesen ist nnd den Namen Kambysene, der sich noch als Kambeschi erhalten hat, besaß. ^) Der schönste blaue Himmel begünstigte uns. Am Fnße der Bergkette angekommen stiegen wir langsam aufwärts und kamen so schon zeitig an die ersten Vorläufer der ungeheuern Burg. Ein Granen ergriff mich, als ich das Niegesehene in seiner ganzen Größe betrachtete. Ungeheure Felsen echeben sich oft von 300 Fuß senkrecht in die Höhe, und den machtigsten hat die große Thamar benutzt, um eine Burg auf ihm zu erbauen. Dort horstete sie wie ein Adler und höhnte alle Versuche derer, die im Anfange ihrer Regierung versuchten sich ihrer Herrschaft zu entziehen. Die übrigen Felsen bilden eine Reihe und schließen dadurch ein ungefähr X Stunde im Durchmesser besitzendes Plateau ein. Dieses verliert sich südöstlich in ein Thal, in dem man aufwärts steigend auf die Höhe des Rückens der Bergkette kommt. Die Felsen selbst stehen zum Theil so dicht, daß nur an einzelnen Stellen Naum zum Durchgang geblieben ist, und diese Zwischenräume waren entweder durch an Festigkeit wetteifernde Mauern geschlossen oder dienten den Bewohnern als Thore. Die größten Felsen trngen Spuren von Thürmen, die sämmtlich eine rnnde Form besaßen und besonders den Thalweg vertheidigen konnten. In das Innere des anfangs schräg aufsteigenden Plateau's eingetreten, fand ich einzeln stehend ein Thor, das auf der einen Seite noch ziemlich erhalten war, und an ihm hin zogen sich auf beiden Seiten unbedeutende Spuren von Mauern. Hundert Schritte entferne hörte das Plateau auf schräg zu seyn uud wurde auf zwei Seiten eingeengt. Der säulenförmige Vurgfelsen stand südlich und war nach innen, solange er schräg aufwärts lief, mit Krautern und unbedentenden Sträuchern bedeckt, nach außen hingegen bildete er eine ungeheure Wand, die in das schon erwähnte Thal, was hier die Form einer Schlucht besaß, sich hinabsenkte. Ihm gegenüber (nordlich) erhob sich wie- *) Strabo, edit. Caiauboni lib. XI. pag. 345. M derum nacktes Gestein, schroff und wild und bildete zwei Spitzen. Das ganze Terrain, was zwischen diesem Gestein und dem Burgberg liegt, stellte den Bmghof dar und war vorn (östlich) und hinten (westlich) durch Mauern geschlossen. Der Hof selbst besaß keine bedeutende Ausdehnung und hatte eine viereckige Form, von der jede Seite ungefähr 40 Schritte lang seyn mochte. Auf den beiden Spitzen des nördlichen, mit vielen Lochern versehenen Gesteins standen Thürme, die aber bis zu 12 bis 16 Fuß Höhe eingestürzt waren. Vergebens suchte ich einen Weg und war deßhalb gezwungen über die vielen Spitzen, die allenthalben hervorragten, emporzuklimmen. Wichtiger war der säulenförmige ungeheure Felsen, der eher den Namen eines Berges verdiente und von mir schon als Burgberg bezeichnet ist. Ungefähr 60 Fuß hoch stieg er nach der Seite des Hofes, wie ich schon gesagt habe, zwar sehr steil aufwärts, war aber doch ersteigbar und erschien mit aus verwitterten Steinen entstandener Erde bedeckt. Wo aber der Felsen senkrecht zu steigen begann, war ein bedeutender Absatz vorhanden, und auf ihm stand das untere Schloß, von dem leider nur uoch wenige Mauern sichtbar erscheinen. Ich habe sechs zum Theil nicht unbedeutende Räume gezahlt. Der eine gegen den aufsteigenden Berg gelehnt besaß in diesem selbst eingehauen große Löcher, die vielleicht eiumal zur Zuflucht dienten. Das äußerste Zimmer hatte kleine Fenster und das eine bot ein herrliches Bild auf das unten liegende Karagatsch dar. Vergebens suchten wir nach einem Wege, der nach der obern auf dem Gipfel des Berges erbauten Burg führte, und mußten nach langem Suchen unsern Rückweg einschlagen. Hr. Q., mit den Oertlichkeiten genauer bekanut, fühlte mich am andern Tage an eine Stelle, wo die Ersteigung, wenn auch schwierig und höchst gefährlich, doch möglich war, und ich fahre deßhalb schon jetzt mit der Beschreibung fort. Auf einer der Mauern kletterten wir bis fast zu dem Berge und erstiegen einen dort in einer Felsspalte gewachsenen Zirgelbaum (^elliz oriontgliz 1^.), um einen kaum eine Elle breiten Pfad, der sich an dem Felsen hinzog, zu verfolgen. Wenn er auch nur 20 Fuß lang seyn mochte, st' schauerte es mich doch als ich in die jähe Tiefe hinabblickte. Ein einziger Fehltritt hatte mich hinabgeschleudert. Am Ende des horizontalen Pfades gelaugten wir zu dem eigentlichen aufwärtsstekgenden Wege, 478 der zwar ebenfalls nicht breiter in den Felsen gehauen, aber nach außen mit einer Mauer versehen war. Ich erinnere an den Felsenweg, der aus dem Bade Leuk auf die Gemmi führt, und wer diesen zu derselben Zeit wie ich (im Jahr 1830) bestiegen hat, wird ungefähr sich ein Bild von dem, welcher zu der obern Burg der Thamar führt, machen können. Oben angekommen sahen wir nur Ruinen von unbedeutender Größe. Auf einem Vorsprung befanden sich der Beobachtungsthurm und die Cisterne. Mehr noch als alles was wir sahen entzückte uns das Panorama, das sich von dieser Hohe darbot. Wie mir erzählt wurde, erfuhr diese feste Burg schon unter der Thamar selbst ihre Zerstörung; wahrscheinlich ist mir aber, daß es ihre Tochter Rlissudan ist, der die Sage gilt. Jedoch auch von dieser wissen wir, daß sie die letzte Zeit ihres Lebens sich in Imerien aufgehalten hat und 1237 gestorben ist. Es heißt nämlich der König von Persien (wahrscheinlich Tuli-Chan, ein Sohn von Dschingis-Chan) habe sich in die Königin verliebt und ihre Hand verlangt. Als er abschlagliche Antwort erhalten, überzog er Gmsien mit einem großen Heere, verwüstete das ganze Land und belagerte in der oben beschriebenen Burg die Königin. Ein Jahr lang lag er vergebens vor der Veste und war eben im Begriff schimpflich abzuziehen. Da erschien vor ihm ein Armenier, der in dem Dienste der Königin stand und sich des Nachts von oben herab m das Lager der Perser geschlichen hatte und versprach für eine große Summe Geldes die Burg mit ihrer Herrin zu verrathen. Großer Lärm erweckte die Königin plötzlich des Nachts, denn der stolze Perser hatte sich bereits des Schlosses bemächtigt. Doch vergebens suchte er auch die Königin zu gewinnen, da diese sich als er eben in ihrem Gemache eintrat zum Fenster in die fürchterliche Tiefe hinabstürzte. Einer ihrer (wie es heißt) goldenen Pantoffeln blieb zurück. Der König von Persicn, tief von dem Schicksale der unglücklichen Königin ergriffen, hob den zurückgelassenen Pantoffel auf und führte ihn zum Andenken an die Geliebte seines Herzens mit sich, dem Verrather ließ er zuerst die versprochene Summe überreichen und ihn dann zur Sühne des Todes der Königin ebenfalls zum Fenster hinablverftn. Das Schloß selbst befahl er zu zerstören, damit niemand ftruer die geheiligten Gemacher der Königin betreten könne. Man sollte kaum glauben, daß schwerfällige Thiere wie Bären 479 den schmalen Pfad aufwärts steigen könnten. Ein Schäfer, der unten am Fuße des Burgberges seine Schafe weidete, erstieg eineS Tages die Burg. Als er eben den Thurm betreten wollte, kam ihm ein Bär brummend entgegen und ging ruhig neben ihm vorbei den Weg herunter. Mit großer Sicherheit schritt er über die gefährliche Stelle, erstieg den Zirgelbaum und kam so unversehrt in den Hof. Der Schäfer selbst erzählte mir diese Thatsache. Aber auch außerdem findet man noch hie und da Ruinen und vor allem sind südlich über der Thalschlucht zwei enorme Kalkfelsen vorhanden, die ich leider nicht ersteigen konnte. Auf ihnen sieht man Spuren von Manern. Um einen Ueberblick über die Umgegend zu erhalten, stiegen wir mehr aufwärts und fanden einen von Holz entblößten Hügel, von dem aus es uns möglich wurde ringsherum zu schauen. Der mächtige Kaukasus breitete sich in seiner ganzen Größe von Westen nach Osten aus u„d ich habe ihn hier noch großartiger als bei Georgieffsk gefunden.*) Westlich waren die nahen Ausläufer, welche das Gebiet der Iora von dem der Kura scheiden und südlich zog sich die ganze Kura-Araxes-Wasserscheide mit ihren pyramidenförmigen Gipfeln hin. Herr de Labertoche versuchte einen Abriß des Panorama's auf Papier zu bringen und wird gewiß nicht die gelungene Zeichnung länger vorenthalten. Von hier sah ich auch südöstlich Zarskoje-Kolotz (kaiserlicher Brunnen), eine freundliche Militärcolonie, die aus vier Abtheilungen besteht, und südlich die Cantonirungen des Tisiiser Iäqer-Vmabiner-Regiments, eines Artillerieparks und der Reserve des Nischni-Now-gorod'schen-Dragouerregiments. Ganz vorn auf dem östlichen Bergrücken liegen die Sommerwohnungen des zuletzt genannten Regiments, und da man von ihnen ans die ganze Ebene des Alasan (d. i. das alte Land Her) übersehen konnte, wandten wir uns °urz vor Sonnenuntergang dahin, um Zeuge des sogenannten Alpenglühens zu seyn. So viel ich weiß. hat noch kein Reisender das seltene Schauspiel, von dem alle welche die Schweiz besucht haben m,t großer Begeisterung sprechen, erwähnt und ich selbst hatte es früher me in der Schönheit gesehen. Reizend wnrde es besonders, daß gerade m demselben Augenblicke auch der Mond nicht weit *) Siehe l. Theil Seite ny. a*8d über dem Horizonte stand. Lange war die Purpurgluth der untergegangenen Sonne sichtbar und löste sich nur nach und nach in das trauliche Dunkel eines Mondscheins auf. Das Glühen selbst wiederholte sich häufiger als ich es in der Schweiz gesehen hatte und der Mond erschien abwechselnd wie eine glühende Kohle oder sprühte wie Weißfeuer, so daß die Augen uicht im Stande waren den Glanz lauge zu ertragen. Den 13 November verließen wir endlich Karagatsch und trateu unsern Rückweg durch das Thal des Alasan an. Auf derselben Straße fuhren wir in unserer Kalesche bis an die Stelle wo wir über das Gebirge Her hergekommen waren und schickten unsern Wagen mit einem Kutscher leer nach Tiflis zurück. Man vermag nämlich in Transkaukasien nur da zu fahren, wo durch Anlegung einer Straße dafür zuvor Sorge gelragen ist. Wir selbst gingen in die alte Residenz der kachischen Könige und kamen alsbald in Signach an. Der Kreishauptmann Saparaschtschenko nahm uns freundlich auf. Signach ist jetzt noch der Sitz der Regierung des Kreises der seinen Namen führt und ist auf den verschiedenen Höhen des Iiwi, der hier zum großen Theil aus Sandgeschieben oder einer Art von Nagelfluhe besteht, erbaut. Die Zahl der Einwohner betragt gegen 2000. Seine 500 Hauser ähneln großeutheils den imerischen und bestehen aus einem steinernen Parterre und einem hölzernen Stockwerk das ein schiefes Dach besitzt. So finden sie sich grdßtentheils im diesseitigen Kachien vor. Eine große Mauer, welche aber zum Theil eingefallen ist, zieht sich fast eine halbe Stunde entlang, schließt einen großen leeren Raum, der nur eine Kirche enthält, ein und wurde von dem Könige Heracleus zu" Schutze seiner Unterthanen erbaut. Der untere Theil des Berges ist mir Weingarten besetzt. Ungefähr drei Viertelstunden östlich liegt das berühmte Kloster Niuo-Zminda oder Bodbeh und die wenigen Mönche daselbst waren noch in großer Trauer, da vor einigen Wochen der Eizbisckof Kachiens Fürst Makaieff gestorben war. Dieser Erzbisch"f hat früher unendlich viel zur Beruhigung des Landes gethau u«d wurde in dem Dorfe Ikalto im Thelaff'schen Kreise gebore». Als Aga Mohammed-Chan Tislis einnahm und Grusien verwüstete, bildete er eine Schaar Freiwilliger um sich und verursachte mit diesen dem Feinde großen Schaden. Spater zog er sich in das Kloster zurück nnd erfreute sich schon zeitig einer allgemeinen Verehrung. Aus weiter Ferne kamen fromme Menschen zu ihm um seinen Rath zn vernehmen. Das Kloster selbst hat eine unbedeutende Kirche in der die heilige Nino begraben liegt. Leider forschte ich vergebens nach Nachrichten über diesen Apostel Grusieus und man sollte kaum glauben, daß mir selbst mehr aus ihrem Leben bekannt war als den Mönchen. In frühern Zeiten war der Erzbischof von Nino? Zminda der höchste geistliche Würdetrager, führte den Namen Bodbil und klönte den jedesmaligen König. Der Kreis von Signach besteht aus dem östlichen Drittel Kachiens und zieht sich südlich vom Alasan bis zur Kura hin. Die Zahl der Einwohner gab nn'r der Kreishauptmann zn 50,000 an. Die Tifliser Generalstabskarte läßt 46,500 und Dubois nnr 45,000 Menschen daselbst wohnen. Am andern Morgen gegen Mittag verließen wir Signach zu Pferde und ritten auf dem nördlichen Fuße des Gebirges von Her von einem Dorfe zum andern. Wie in Imerien, so liegen auch hier die Dörfer im hohen Grade zerstreut, weil ein jeder Kache das Haus mitten in seine Weinberge setzt. Es war, trotz des Spatherbstes, ein freundlicher Tag der uns erlaubte alle die zahlreich dargebotenen Schönheiten in Augenschein zn nehmen. Der Fürst Suworoff hatte in einem Dorfe jenseits des Alasan Freunde uud so folgten wir dessen Aufforderung und betraten die überall mit Weingarten befäcte Ebene. Leider waren wir gezwungen in dem grosien Dorfe Wells-Ziche zu übernachten, da es mit eintretender Dunkelheit im hohen Grade gefährlich ist das jenseitige Kachien zu bereisen. Ich benutzte die schöne Abendzeit um auch die Weinbereitung in Kachien kennen zu lernen. Sie ähnelt im allgemeinen der imerischei,. Wie im übrigen Transkau-kasien werden die Weintrauben mit den Füßen ausgetreten und dann in die Kupschinen (i>, Kachien Kwäri) geschüttet. Die Kupschiuen sind hier nie in den Felsen gehauen, sondern stellen große irdene bis an den Hals eingegrabene Kruge dar, die mit großer Kunstfertigkeit bereitet und trotzdem sie mit keiner Glasur versehen sind, doch eiue lange Dauer besitzen. Die Oessnung wird in der ersten Woche nur leise bedeckt, so daß die Kohlensäure entstiegen kann. Relseu u. Länderl'eschn'ibumM. XXV. -wähnung gethan habe. Sie nehmen vorzüglich das Thal der Kumbalei und des obersten Theiles der Sundscha ein und bestehen aus drei Verbrüderungen, Nasran, Anguscht und Schalcha, die sämmtlich sich schon lange Rußland mttenvorfen haben. Das Thal des Makal gehörte früher ihnen, ist aber jetzr zum Theil von Ossen bewohnt und steht unter den taganr'schen Fürsten. 4) Die Kisten wohnen östlich von den Galgai in den obern Thälern des großen und kleinen Argun und bilden mehrere Verbrüderungen, von denen ich nur die Adhen, Mesten, Meredschen, Mitcho, Acho und Schubnstn kenne. 5) Was nun die mit Tatareu vermischten Gelen, die sich Mntschkis rufen und die ich der Kürze halber Tschctschen nennen will, betrifft, so bildeten sie früher eine Menge Verbrüderungen die sich znm Theil noch spater erhielten. Die an der Sundscha sind sämmtlich unterworfen und fühle,, den Namen der friedlichen. Die Festung Grosnaja liegt mitten in ihrem Lande und versteht ihrem Hang? zu Räubereien Einhalt zu thun. Mehrere Verbrü- 494 derungen des Gebirges, welche bei den Russen unter dem Namen der feindlichen oder Berg-Tschetschen bekannt sind, und sich selbst Itschar-Mütschkiö nennen, haben bis jetzt ihre Freiheit behauptet, wenn sie auch von Zeit zu Zeit ein- oder andermal Gehorsam versprochen haben. Hieher gehören die Verbrüderungen Ardachli und Tschischri-Kaker am Roschen, ferner die Tscharbilen auf der Westseite der Argun-Takara-Wasserscheide, die Itschkerinen am Ursprung der Arai und die Katschkaliken unter den vorigen. An einem Nebenfiiißchen der Sundscha liegt auch das Dorf Gelen, in dem sich der Name des ganzen Volkes erhalten hat. Das Volk der Gelen wird von der Tifliser Stabskarte zu 198,000 Seelen angegeben, allein die Angabe mag wohl, wenn ich sie mir denen des Westens vergleiche, zu stark seyn; jedoch stimmen die Berichte welche ich von Emgebornen erhielt, so ziemlich damit überein. Nach diesen bestehen: 1) Dle Inguschen aus ..... 11,000 Seelen. 2) Die Karabulaken aus..... 15,000 „ 3) Die Galgai ans...... 8,000 „ 4) Die Kisten aus....... 38,000 „ b) Die Tschetschen der Berge aus . . 30,000 „ 6) Die Tschetschen der Ebene aus . . 8tt,000 ^. Zusammen 188,000 Seelen. II. Das zweite Hauptvolk begreife ich unter dem gebräuchlichen Name», der Lesgier, wenn auch nicht zu läuglien ist, daß unter ihnen ebenfalls fremde Beimengungen besonders filmischer Völker sich vorfmden, und vor allem gehören die Awaren streng genommen nicht Hieher. Die Lesgier bewohnen wie gesagt die engen Thaler zwischen der Argun-Takara-Wasserscheide und dem bedeutenden Gebirgsarm, der sick) nördlich zwischen dem letzten Flusse und dem kaspischen Meer hinzieht. Ebenso nehmen sie das obere Thal der Samum ein und bewohnen sogar, wie ich schon oben erwähnt habe, einen Theil Kachiens und zwar den Dschar'schen Kreis, den ich aber schon bei Kachien abgehandelt habe. Die Lesgier nach ihren Stämmen z>, unterscheiden ist noch schwieriger als die Gelen. Sie leben zum Theil unabhängig und erkennen nur selbst gewählte Aelteste odcr Richter, Kadi genannt, über sich an. Oft unterwirft dann ein solcher Kadi sich auch noch 495 andere Verbrüderungen oder Stamme, mit seinem Tode zerfällt aber in der Regel die Herrschaft. Nur zwei Herrscher welche den stolzen Namen eines Chanes führen, scheinen schon seit mehreren Jahrhunderten enstirt zu haben, und der eine welcher sich Chan der Awaren nennt und von seinen Unterthanen und den benachbarten Völkern Nuzal gerufen wird, war zu Ende des letzten Jahrhunderts im Stande 20,000 Mann ins Feld zn stellen. *) In der persischen und grusischen Geschichte spielen die Awaren-Chane stets eine wichtige Rolle. Ich theile demnach die Lesgier weniger nach ihrer Abstammung als vielmehr in politischer Hinsicht in drei große Stamme. Der erste begreift die freien unabhängigen, der zweite die welche dem Chan der Awaren, der dritte die welche dem Chan der Kasi-Kumüchen unterworfen sind. t) Die freien Lesgier nehmen die nnzugänglichsten Thaler ein und bilden einen Halbmond, der im Südost am San'dag beginnt, sich westlich auf der Koisnh-Takara-Wasserscheide hinzieht und dann nordöstlich am Koisnh zwischen den Awaren und Kumücken (nicht Kasi-Kumüchen) endet. Im Süden und Norden haben einige Verbrüderungen in der nenesten Zeit Nußland den Eid der Treue geschworen, entrichten aber weder eine Abgabe noch bekümmern sie sich viel um ihren Oberherrn. Hicher gehören die Verbrüderungen im obern Thal der Takara und Samnra: die Dido, Unso, Kabutsch und Anzug. Während des Winters 1837/58 war man im Begriff den Didos sogar einen Pristaff zu geben. Man hatte in dem Sommer 1837 unter dem Oberbefehl des Generals Se-warsamidseh, der damals in Sakatal befehligte, mit dem Dragoner-Regiment unter Besobrasoff, mit dem Tifliser Carabiner-Re-giment unter dem Fürsten DolgorukiMrgutinsky und dem Artillerie-Park unter dem Obristen Scharügin, eine Erpedition gegen die Didos unternommen und erstieg zu diesem Zweck die südlichen Höhen. Als man aber in dem Thale der Samura die fürchterlichen Schluchten und Abhänge sah, wagte man nicht weiter vorzudringen und erließ orientalisch-schwülstige Proklamationen. Die russischen Truppen wurden zwar verlacht, hatten aber doch spater eine solche Furcht erregt, dasi die Dido sich nach ihrem Abzüge freiwillig unterwarfen. Die übrigen im südlichen Hörne des *) Siehe Eichwald Reise, Seite 41«. 496 Halbmondes wohnenden Verbrüderungen haben bis jetzt ihre Freu heit behauptet und wohnen in dem obern Thale des awarischen Koisuh. Sie führen auf der Tifi'ser Stabskarte so wle ai,f der russischen, welche das asiatische Kriegstheater darstellt, zusammen den Namen Antkratl. Einzeln heißen sie östlich von den Quellen beginnend: Unchada, Tebel, Dschurmut. Kchenada, Bogim, Anzlar, Tasch und Chuanal. Güldenstadt und mit ihm Klaproth und Eichwald ") begehen hier einen großen Irrthum, indem sie die Verbrüderungen derDido, Kabutsch, Anzug, Tebel nndTumulgi(?) an derSamura wohnen lassen. Der Irrthum entstand wahrscheinlich dadurch baß die Kaukasier die Namen zweier Flüsse, welche nach zwei entgegengesetzten Richtungen von einem Verge entspringen, oft mit gleichen Namen belegen. So heißt der Terek auch Aragua, und russische Officiere nannten mir die dem Alasan in entgegengesetzter Richtung entspringende Takara ebenfalls mit dem Namen Alasan. Wahrscheinlich verwechselten sie auch die Simura, ein Nebenflüßchen des oberen awarischeu Koisuh, an dem wahrscheinlich die Kabutsch wohnen, mit der ähnlich klingenden Samura. Wenden wir uns nun westlich zu den zahlreichen Verbrüderungen welche im Osten der Argun-Takara-Wasserscheide in deren Thälern sich befinden, so vermag ich sie nur zu nennen. Nach russischen Karten und nach meinen eigenen Nachrichten wohnen an der Takara und in deren Seitenthalern von Norden nach Süden folgende Verbrüderungen: Ilanchewi, Nischin, Chir, Vogos, Kialar, Ansalta, Audi, Vurtum und Gumbel. Wenden wir uns wiederum westlich, so erhalten wir an dem nördlichen Ende des Halbmondes an dem Kölsch selbst oder in kleinen zu ihm gehörigen Nebenthälern die Verbrüderungen: Ansokul, Saladag und Arakan, welche man zusammen und mit den beiden letzten der Takara (Vurtum und Gumbel) auch jetzt unter dem Namen Koisuh-bulmen begreift, zumal sie einen eigenen Dialekt sprechen. D«'e übrigen Verbrüderungen der Takara bilden den andisch-lesgischen Stamm und reden eine sehr abweichende Sprache. 2) Das Chauat Awar führt nach der Residenz seines Herr- *) Gülbenstädts Reise, Theil I. S. 488, 490, 49!. Klaproth kaukasische Sprachen, S. 9. Eichwalds Reist, S. 400. 497 schers auch den Namen Chanat von Chunsak oder Kunsak, und besteht aus dem Gebiete des eigentlichen oder awarischen Koisuh und seines Nebenflusses Karak, aufwärts von deren Vereinigung an. Nur die Verbrüderungen der höchsten Thaler haben sich unabhängig gemacht, wie wir oben gesehen haben. Wahrscheinlich ist nur die eigentliche Verbrüderung Awar, die nördlich am Koisuh und südlich über den Koisuhbulinen wohnt, als ein Rest der einst im Norden des Kaukasus eine kurze Zeit mächtigen Awaren zu betrachten und ihr Häuptling unterwarf sich einen Theil der Lesgier, die nun den Namen Awaren annahmen. Es wäre zu wünschen daß Reisende hierüber nach genauer Untersuchung Aufschluß ertheilten. Am Koisuh liegen von Süden nach Norden folgende Verbrüderungen: Kosso, Tomsuda, Natl, Zegur, Taani, Vachtuch, Kchele, Hidatl m»d Awar; am Karak hingegen: Karachi, Mukratl, Rudschik und Andala. 3) Das Chanat der Kasi-Kumüchen ist wohl von dem Cha-nat der Kumücken südlich vom Ausfluß des Terek zu unterscheiden, und hat seinen Hauptsitz Kumüch in dem Thale des kumü-chischen Koisuh, der sich mit dem Karak vereinigt und nun erst dem Hauptflusse zufließt. Von hier aus unterwarf sich sein Herrscher mehrere Verbrüderungen und zwar zunächst nördlich von ihm Zudakara, ferner westlich au den Quellen des Karak Käseruk, und südöstlich an der Samura Rutul, Achti und Dardsch. Auch die Kaitaken-Verbrüderung Sergi an den Quellen des Vugam-Flusses sieht unter dem Chane der Kasi-Kumüchen. Spater nahm Aslan-Chan, der Vater des jetzigen Mursal-Chan und Chan der kurischen Herrschaft, den Thron der Kasi-Kumüchen ein, und so sind beide Chanate jetzt unter einem Herrscher vereinigt. Der Fürst Madatoss machte im Jahr 1820 eine Expedition gegen den Chan, und trotz des schwierigsten Terrains drang er längs des Kma-Tschai glücklich bis zum Hauptsitze Kumüch vor. Aslau-Chan wurde gezwungen den Eid der Treue zu leisten. Die Zählung der verschiedenen lesgischen Stämme ist ungemein schwierig; die Angaben stimmen aber darin überein, daß alle Thäler der Lesgier wie auch des ganzen Dagestans weit bevölkerter sind als die des westlichen Kaukasus und selbst mehr als Grusien. Die große Summe von 260,000 Seelen mag aber doch übertrieben seyn. Von diesen kommen: Ncisen u. Landerbcschrcibmigcn. XXV, <>s, (Neise nach Kankasie,t.) " 498 1) auf dle südlichen frelen Lesgier .... 26,000 Seelen ^) auf die andischen Lesgier......50,000 „ 3) auf die Koislchbulinen ....... 60,000 „ 4) auf das Chanat Awar ...... 82,000 „ 5) auf das Chanat Kasi-Kumüch (mit dem kuri- schen Chanat)........ . 42,000 „ Zusammen 260,000 Seelen. Hl. Wenden wir uns nun zu dem letzten Volke Dagestans, ans einem Mischvolke der Einwohner mit tatarischen Stämmen oder ans achten Tataren bestehend, so sehen wir dieses häufig unter dem Namen der Dagestaner von den Lesgiern und Gelen unterschieden. Sie bewohnen den Theil, welcher sich wegen seiner Lage am Meere am wenigsten den vielfachen Eroberern und demnach auch der Kenntniß entziehen konnte. Längs der Westküste des kaspischen Meeres zieht sich eine wichtige Handelsstraße hin, leider wurde sie aber auch von den wilden Völkern des NordenS betreten, um Feuer und Schwert nach den gesegneten Fluren Trans-kaukasiens zu bringen. Die Herrscher Persiens waren deßhalb schon frühzeitig darauf bedacht die schmalste Stelle der Straße durch ein festes Thor, was durch Burgen beschützt wurde, zu besetzen, und so entstand die sogenannte kaukasische Mauer, die auf keiuen Fall sich über den ganzen Kaukasus ausbreitet und daö eiserne Thor (Temir-Kapi), was spater den Namen Derbent erhielt. Wie aber Persiens Könige unmachtig wurden, machten sie die Hüter des Thores unabhängig und herrschten über die benachbarten Gegenden. Das tatarische Dagestan nimmt den Küstenstrich vom AuS-fluß des Terek bis zu der Landzunge von Apscheron ein und rvird im Westen durch die östliche Koisuh-Wasserscheide von dem Lande der Lesgier geschieden. Südlich macht die Samura-Kura-Wassel-scheide die Gränze. Bisweilen rechnet man auch das Chanat Scheki, das sich östlich von Kachien, westlich hingegen von Schirwan befindet und sich südlich bis zur Kura herabzieht, 5" Dagestan. Die Bewohner sind so verschieden als die Lesgler und Gelen, jedoch herrscht im allgemeinen das tatarische Element vor. Sie gehorchen meist eigenen aber Rußland unterworfenen Herrschern, welche verschiedene Ehrentitel führen, und nur dann, wenn diese 499 von den Russen verjagt sind, stehen sie unmittelbar unter Rußlands Oberherrschaft. In dem Gebirge haben sich zum Theil Verbrüderungen gebildet, die sich um ihre Herren gar nicht kümmern und deßhalb mehr oder weniger unabhängig leben. Wie aber ein kräftiger Herrfcher den Thron besteigt, unterwirft er sich wiederum die abtrünnigen Verbrüderungen. Aus dieser Ursache werde ich diese nicht besonders aufführen. Von Norden nach Süden erhalten wir folgende Herrschaften: 1) Die Herrschaft der Kumücken (nicht zu verwechseln mit den Kasi-Kumüchen) befindet sich zwischen den Flüssen Terek und Koisuh und zieht sich westlich bis über den Einfiusi der Sundscha in den Terek, östlich hingegen bis zu dem Agrachan. Das Land ist im Osten besonders Sandsteppe, die nur von uomadisirenden Nogaiern, deren Anzahl 8000 beträgt, bewohnt wird. Der Arai, der Iamam-Suh und die kumückischen Knmbalei bewässern sie, verlieren sich aber östlich in dem Sande, bevor sie das Meer erreichen. Verschiedene Fürsten haben sich in das Land getheilt, der machtigste von ihnen ist aber der von Mai (Iachsai) und übt eine Art Oberherrschaft über die übrigen aus. In frühern Zeiten war er noch mächtiger und hatte sich viele gelische und lesgische Stämme unterworfen, Handel machte die Bewohner reich und dadurch mächtig. Auch der Fürst von Enden (Andreewa) an einem Nebenarme des Koisuh spielte früher eine wichtige Rolle und besonders war sein Sklavenhandel bedeutend. In der Nähe befinden sich auch Schwefelbader, welche die Rnssen schon frühzeitig in Beschlag nahmen. Die Herrschaft ist in drei Districts getheilt, welche nach den Hauptorteu Mai, Enden und Kostek den Namen führen. In ihrem Gebiete an der Kumbalei in der Nähe der unruhigen Koisuhbulinen haben die Russen die unverhoffte Festung (Wnesannoi) erbaut. Die Gesammtzahl der Einwohner betragt 39,000 Seelen und zwar: ») für den District Aral 8000 Seelen, I>) „ „ „ Enderi 28,000 „ e) „ „ „ Kostek 3000 „ 2) Die Herrschaft Tarku erstreckt sich südlich von der vorigen bis an die Indschik-Chonn'i-Wasserschcide. Nördlich gehört auch die Landzunge, welche durch dic beiden Ausflüsse des Koisuh gebildet wird und den Namen Agrachan führt, so wie die kleinen 500 Inseln Tschetschen, Poposs und Lopatin hierher. Der Herrscher führt den Namen Schamchal, welches Wort syrischer Herrscher be, deuten und auf den Ursprung der Familie, welche im neunten Jahrhundert von den Arabern hierher versetzt wurde, hinweisen soll. Der Einfluß des Schamchals ist um so geringer, je mehr die Gegenden im Gebirge liegen, und nur der Mangel an Salz und Viehweiden hat mehrere Verbrüderungen bestimmt dem Herrscher von Tarku bedingungsweise zu gehorchen. Seine eigentliche Macht beschrankt sich nur auf die Küsten und er selbst hat seinen Sitz in Tarku, einer nicht unbedeutenden Stadt von 8000 Einwohnern. Seln Sohn besitzt den südlichen Theil zur Verwaltung und wohnt in der Festung Boinak. Die frühern Unruhen haben die russische Regierung veranlaßt, die Herrschaft in einen Kreis zu verwandeln und einen eigenen Kreishauptmann mit einer unterstützenden Garnison in die bei Tarku liegende Festung Burnaia zu legen. Die Erpedition gegen Himri hat die Verbrüderungen auf dem Wege dahin gezwungen, die russische Oberherrschaft anzuerkennen. Am hartnäckigsten weigerte sich die von Erpeli und das Dorf dieses Namens wurde erst nach schwerem Verluste erobert. Sie liegt mit der folgenden an Bächen des Torkali-Flusses. Aber in der neuesten Zeit hat Scha-mil wiederum dem General Grabbe hier bei Temir-Chan-Schura eine bedeuteude Schlappe zugefügt und so ist das Ansehen der Russen wieder gesunken. Südlich von Erpeli liegt die Verbrüderung Kasamisch und dann folgt die von Dschungutai, welche einen Verwandten des Schamchals Mechtnla znm Herrscher hat. Auö dieser Ursache wird sie von den Russcn auch die Mechtulische Herrschaft genannt und ihre Bewohner Heisien Mechtulinen. Sie liegt an den obern Quellen des nördlichen Manas. An denen des südlichen wohnt die Verbrüderung Lawasch und noch weiter südlich an den Quellen eines Nebenstüßchens des Koisuh, Akuscha, die wichtigste von allen. Oestlich von Lawasch in dem Thale des Indschik befindet sich eine Verbrüderung, die nach dem Hauptorte Mamisch den Namen hat und dem Schamchal mehr als die andern gehorcht. Bis auf Ausnahme der Herrschaft des Mechtula besitzen die Verbrüderungen cine Art Aeltesten (Kadi), die bisweilen von dem Schamchal eingesetzt werden. Suboff*) führt noch *) 8ub«?ss «»i-ting KgMgzliInV Krsja; I'om. III. z>l>ß. 255. *) Subpff Kartina Kaffkasltawo Krajaj Tom. III. pag. 255. 501 die Verbrüderungen Barkaschei, Berekoi, Welikenr undMadschaliS auf, aber die beiden letztern liegen in der Herrschaft Kaitach. Die Einwohnerzahl beträgt ungefähr 100,000 Seelen und davon kommen: a) auf den District Tarku......20,000 Seelen, d) auf den District Voinak.....12,000 „ o) auf die Verbrüderungen am Torkali . . 18,000 „ c!) auf die Herrschaft Dschungutai (Mechtula) 20,000 „ S) auf die übrigen Verbrüderungen . . . 30,000 „ 3) Die Herrschaft Kaitach liegt südlich von der vorigen und erstreckt sich bis zur Vugam-Darbach-Wasserscheide. Westlich erreicht sie nicht die Höhe des Gebirges, denn dort wohnen die fast unabhängigen Verbrüderungen der vorigen Herrschaft. Sie besteht aus den Thalern Chomri, Vaschli und Vugam, welche auch besondere Verbrüderungen bilden. Das Thal des Vaschli besitzt die Residenz gleichen Namens. Das Thal des Vugam bewohnen vier Verbrüderungen: an seinen südlichen Quellen Kubcschi, an seinen nördlichen Kabadarga, in dem mittlern Theile des Thales Mjuri und an seinem untern Terekemen. Die Quellen des Darbach gehören ebenfalls hierher und werde» von der Verbrüderung der Karakeitachen bewohnt. Die dem Chane der Kasikumüchen zugehörige Verbrüderung Sergi liegt an den mittlern Quellen des Bugam. Die Verbrüderung der Kubeschen, von der zu sprechen ich schon einigemal Gelegenheit hatte, unterscheidet sich durch ihre Sprache wesentlich von allen Volkern des Kaukasus, zeichnet sich durch große Fertigkeit von Waffen aus und steht in geringer Abhängigkeit. Die Anzahl ihrer Glieder, die schon sehr lange bekannt sind, hat sich viele Jahrhunderte hindurch gleich gehalten und beträgt jetzt noch gegen dritthalbtausend Seelen. Der Herrscher der Kaitachen führt den Namen Usmei und regiert fast unabhängig die 40—50,000 Einwohner. ^Die Herrschaft Tabasaran liegt zwischen den Flüssen Oarvach und Girger, dessen nördliche Wasserscheide sie weiter west-NO von dem Knri'schen Bezirk scheidet und besteht nur aus den ^' k.n^^ "'" N"bach. In ihrem Bezirk wird die aspl,ch-kaukasische Handelsstraße am meisten eingeengt und z« lhrem Schutz entstand, wie allgcmemMannt ist, Dttbent Die 50« Einwohner sind bis auf Ausnahme der Küste mehr oder weniger unabhängig und gehorchen zum großen Theil selbst erwählten Ael-testen. Aus dieser Ursache führen sie auch den Namen der freien Tabasaraner und trotz der Nähe Derbents und seiner großen Garnison bewahren sie sich in ihren unzugänglichen Thälern und in ihren kaum ersteigbaren Burgen, von denen Dj uwek die wichtigste ist, ihre Freiheit. Ihr Land wird auch das hohe Tabasaran genannt, wahrend der Küstenstrich den Namen des untern führt. In dem letztern herrscht im Süden eine Art Chan, die Stadt Derbent mit ihren 10,000 Einwohnern aber blieb seit der Vertreibung ihres Herrschers in den Handen der Russen und ist der Sitz eines Commandanten, der zugleich Kreishauptmann von Unter-Tabasaran ist. Die Zahl der Einwohner betragt in der ganzen Herrschaft mit Einschluß der Stadt nicht mehr als 25,000 Seelen. 5) Das Kurische Chanat oder der District Kurale begreift das Thal des Kura-Tschai, der in die Rechte des Girger falll und sein Herrscher besitzt, wie ich schon oben gesagt habe, auch das Chanat von Kasi-Kumüch. Die frühere Residenz war Kurach. Die Anzahl der Einwohner beträgt 12,000 Seelen. Die drei folgenden Chanate führe ich nur oberflächlich an, da sie weit mehr bekannt sind als die bis jetzt abgehandelten. Vielfach und besonders von den Russen werden sie zu Schirwan gerechnet, allein hiernnter dürfen nur die Länder südlich von der Kura-Samura-Wasserscheide gerechnet werden. Scheki gehört, wie ich schon oben gesagt habe, weniger hierher. Orientalische Schrift-' steller, denen wir die Namen Schirwan und Dagestan verdanken, nehmen sie in dem Sinne wie ich sie gegeben. 6) Das Chanat Kuba begreift den weniger gebirgigen Theil nord-wesilich von der Alasan-Samura-Wasserscheide und südöstlich von dem kasikumüch'schen Chanate. Die Zahl seiner Einwohner betragt 95,000 Seelen. 7) Daß Chanat Baku besieht nur aus der Landspitze Apsch^ ron und besitzt 31,000 Einwohner. 8) Das Chanat Scheki habe ich schon oben südlich von der Dagestanischen Gränze gelegen bezeichnet. Die Tifliser Stabskarte gibt die Zahl von 98,000 Seelen wohl zu hoch an. Fassen wir nun noch einmal die Zahl der Einwohner Dagestans zusammen, um die Totalsumme zu erhalten, so besitzt: 503 1) der gelische Antheil........188,000 Seelen. 2) der lesgische Antheil (mit Kmi) . . . 260,000 „ 3) der tatarische Antheil (ohne Kuri und die drei letzten Chanate).......214.000 „ 4) die drei letzten Chanate .... . . 224,000 „ Zusammen: 886,000 Seelen. Nach dleser nothwendigen Abschweifung kehre ich wiederum zu meinen Reiseberichten zurück. Ich verweilte um so lieber in der Familie des Fürsten Tschafftschewadse, als mir von den einzelnen Mitgliedern eine Menge Nachrichten über die kaukasischen Verhältnisse mitgetheilt wurden und drei Kaukasier (zwei Tuschen und ein Dido), die zufällig sich hier eingefunden hatten, mir manchen Aufschluß gaben. Die erstem waren schöne schlanke Leute, die im allgemeinen den Grusiern und besonders den Bewohnern der Aragua (den Mn'ulen oder Mtlulethen) glichen. Der Dido besaß einen kurzen gedrängten Bau und näherte sich deßhalb mehr den tatarischen Völkern, von deren bezeichneter Physiognomie er aber nichts hatte. Die Tuschen waren in eine blaue Tuchkleidung, die im allgemeinen der kaukasisch-tscherkessischen glich, gehüllt. Der kurze Ueberrock war vorn mit silbernen Verzierungen versehen. Die Kopfbedeckung bestand aus einem ursprünglich viereckigen, mit der Zeit aber mehr abgerundeten Filzhut mit aufwärts geschlagenen Krempen. Der Dido war in Lumpen gehüllt, aus denen man keine Nationalkleidung herausbekommen konnte und eine schlechte Burka bedeckte diese zum Theil. Das Volk dem er angehört ist so arm, daß nach dessen Aussage gewöhnlich von fünf nur einer eine Flinte besitzt, und da die zerrissenen Thäler sie nicht hinlänglich ernähren können, so sind die Einwohner zu Einfallen in den gesegneten Fluren Grusiens fast gezwungen. Gegen 200 Didos und andere Lesgier schwärmten jetzt, wie dieser mir versicherte, in Ka-chien herum, und ergriffen die erste beste Gelegenheit, um sich zu bereichern. Wenn auch die Tuschen in fast ebenso unfruchtbaren Thälern wohnen, so haben sie doch wie schon gesagt die Erlaubniß ihre große« Heerdeu auf die Ebenen des Alasan zu treiben. Es g'bt viele Familien unter ihnen, die über 1000 Stück Schaft und 12—14 Stück Rindvieh besitzen. Die noch jugendliche Fürstin Melany Tschafftschewadse gehört dem Fürstengeschlechte der Endroniko (Andronikus) an und theilte 504 mir über ihre Familie wichtige Papiere mit. Leider sind sie verloren gegangen und ich gebe demnach nur das wenige was mir im Gedächtniß geblieben. Sie ist, wie ein großes Diplom bezeugt, deutschen Ursprungs und wanderte unter der Königin Thamar aus dem Oesterreichischen ein, um als Vasall mit Land und Leuten belehnt zu werden. Unter den Stürmen, die alle Jahrhunderte Kachken verwüsteten, erhielt sich die fürstliche Familie Endroniko in ihren Besitzungen. Am andern Morgen, bevor ich abreiste, wurde mir auch sogenannter Steinhonig gezeigt und ich fand ihn in bröcklichen, schmutzig-Honig-gelben Stücken, die zum Theil eine größere Festigkeit besaßen. Die Bienen, welche ihn bereiten, unterscheiden sich nicht von unserer ^i» ineNilLi» und suchen sich zu ihrem Aufenthalte Felsspalten auf. Hier tragen sie nun so lange (und zwar viel Honig und wenig Wachs) ein, bis die Löcher angefüllt sind und ihr Vorrath sie selbst zwingt sich eine neue Wohnung zu suchen. Ost finden sie diese schon in der Nähe. Die Kachier spüren nun die Honigniederlagen aus und klettern mkt aus Weinreben gefertigten Leitern oft mit Gefahr ihres Lebens zu den Lochern, wo sie sie vermuthen. Oft sind ihre Mühen umsonst, da sie nie ein bestimmtes Zeichen besitzen, ob auch wirtlich Honig darin enthalten ist. Wo Bienen noch zustiegen, hüten sie sich den Vorrath zu holen, weil diese sich hartnackig jedem Raube entgegensetzen. Je nachdem der Honig lange gelegen hat, erscheint er mehr oder weniger consistent; steinartig kommt er aber nie vor, sondern stets Feuchtigkeit anziehend zerfällt und verdirbt er, wenn er zu viele Jahre gelegen hat. Meine Frage nach sogenanntem berauschendem Honig wurde hier verneint, und eben so kannte man ihn im westlichen Kaukasus nicht. Die Angabe einiger Reisenden, die ihn, weil es Xeno, phon erzahlt, gesehen haben wollen und sogar die ihn bereitenden Pflanzen (^22iea pomiea I,,) kennen, ist demnach in das Reich der Mythen zu verweisen. Ich zweifle überhaupt, daß die Bienen durch ihren nie täuschenden Instinct geleitet je schädliche Honig-iäfte, die ihnen ja auch uachtheilig seyn müßten, einsangen und glaube, daß wenn Honig je einen giftigen (?) Einfluß auf den Menschen ausübte, dieser verdorben war. Cs war leider sehr spät geworden als wir wegritten, trotz 505 dem wir bis Thelaff ,ioch einen Weg von fast 47. Meilen zurückzulegen hatten. Schone Wälder empfingen uns alsbald und fetzten sich auch fort, als wir wiederum den Alasan überschritten hatten. Die Sonne neigte sich eben dem Horizonte zu als wir zu Zünodal, dem Wohnsitze des Fürsten Alexander Tschasstschewadse, der in Tiflis ein offenes Haus hat, an der Thelaff-Siguach'schen Straße ankamen und uns die herrlichen Anlagen des Fürsten besahen. Zünodal ist wohl der freundlichste Punkt für einen Europaer und nirgends in Transkaukasien habe ich etwas ähnliches gesehen. Es bezeugte alles den Kunstsinn des Fürsten der hier zuerst seine im italienischen Geschmack eingerichteten Wohnungen gründete. Die schonen Weingärten waren hie und da mit Wall-«l,ß- und Lotus-(Churmen-)Väumen besetzt. Zu der einstöckigen Wohnung führte ein schöner geräumiger Hof und sie selbst zeichnete sich durch europäische Einrichtung vor allen grusischen Häusern aus. Die Zimmer erschienen geräumig uud bequem und eines war sogar für ein Billard bestimmt. Die Wirthschaftsgebäude lagen in dem Hofe zerstreut und die der Dienerschaft befanden sich hart an der Hauptwohnung. Hinter dieser hatte der kunstsinnige Fürst einen englischen Garten angelegt, der westlich durch eine wilde Schlucht, in der eiu unbedeutender Fluß dahinfloß, begranzr wurde. Von hier aus hatten wir das Vergnügen die Sonne, aber ohne das Alpenglühen zu bemerken, untergehen zu sehen. Völlige Nacht war eingetreten, als wir endlich dem noch eine Meile entfernten Thelaff zueilten. Der Weg führte uns durch Wald und Buschwerk und der Warnung unserer kachischen Begleiter eingedenk, hatte ich meine Doppelflinte iu einen brauchbaren Zustand versetzt. Plötzlich sahen wir Nauch vor uns aufsteigen und bald darauf bemerkten wir ein großes Feuer, um das eine Menge zerlumpter Männer saß. Unsere Kachier hielten an und der eine legte sich auf seinen Bauch, um auf diesem vorzurutschen. Nach einer Weile rief er uns mit lauter Stimme, daß es Kachier und nicht Lesgier seyen die um das Feuer herumsaßen, und so ritten wir beruhige weiter. Es ist bei den in der Nähe Thelaffs woh« nendcn Kachiern Sitte, sich des Abends vor ihren armseligen Häusern ein Feuer anzuzünden und so in Gesellschaft die Zeit zu verleben. Endlich kamen wir in Thelaff an und quartierten uns bei dem 506 Kreishauptmann Fürst Dmnanoff ein. Thelaff ist ein freundliches Städtchen mit ungefähr 400 Hausern und 3000 Einwohnern und der Sitz der Regierung von dem Kreise, welcher nach ihr den Namen hat. Die Stadt liegt so zerstreut wie Signach und ist sehr alt, denn nach Wachuscht wurde sie von Quiriseh, dem ersten Könige von Kach und Her, erbaut. Die letzte Reihe kachischer Konige, die mit Heracleus II endete, wohnte hier. Heracleus II wurde in Thelaff geboren und trug viel zur Verschönerung der Stadt bei. Hierher brachte er alle Trophäen aus dem persischen Kriege und Eichwald sah noch die ungeheuer große Kanone, deren Oessnung ^ Elle im Durchmesser hatte. Schon frühzeitig verließen wir am 17 November Thelass und schlugen unsern Weg südwestlich ein, um die Stelle des Gebirges, wo die Verge vou Her (Ziwi) und Kach sich vereinigen, zu überschreiten. Die Gebirgsart ist derselbe Grobkalk, wie ich ihn schon bei der Thamarburg bezeichnet habe und bildet hier ebenfalls schroffe Felsenwände und fürchterliche Schluchten, an denen hinzureiten es uns oft schauderte, aber durchaus nicht die kegelförmigen und abgerundeten Formen, wie ich dort beschrieben. Ueberhaupt war das Gebirge wilder und zerrissener, aber ebenfalls mit Laubhvlz bedeckt. Nur die senkrechten Felsen zeigten das nackte Gestein. Allenthalben sahen wir in diesen Löcher, zu denen die oben beschriebenen Leitern führten. Im hohen Grade romantisch lag auf einer bewachsenen Hohe ein noch bewohntes Kloster mit zwei festen Thürmen und nichr weniger lieferten andere Ruinen reizende Bilder. Der Weg führte höher dem Gebirgsrücken zu und allmählich umwehte uns eine kühlere Luft. An einzelnen Stellen sahen wir schon frisch gefallenen Schnee. Wir befanden uns nach Parrot bereits auf einer Höhe von 2400 Fuß. Jenseits der Berge, also der Iora-Ebene zu, war die Gegend nicht weniger romantisch und es that uns leid, daß allmählich ein feiner Regen, der uns keine Fernsicht erlaubte, eintrat. Gegen Mittag kamen wir in Gambora an und fanden bei dem Chef des hier stehenden Artillerieparks, Obrist" lieutenant Iwanoff, eine freundliche Aufnahme. , Es sind kaum zehn Jahre her, wo selbst am Tage niemand wagte den Weg von Gambora nach Thelaff ohne militärische Begleitung zu gehen, und wirklich sind auch wenige Gegenden für räuberisches Gesinde! vorzüglicher beschaffen als das Gebirge, waS den 507 Namen Gambora führt und den Ziwi mit dem Gebirge von Kach verbindet. Hier waren die vorzüglichsten Schlupfwinkel der Lesgier und wochenlang hielten sie sich versteckt, um eine Gelegenheit zu einem Ueberfall abzuwarten. Vor zwanzig Jahren ging der Ueber-mnth dieser räuberischen Banden so weit, daß sie sich in dunkeln Herbstnachten bis nach Tifiis schlichen und dort in den Vorstädten Menschen raubten. Iermoloff, dieser tapfere und weise Oberbefehlshaber, dessen Namen jeder Kaukasier noch mit Ehrfurcht uennt, hat auch hier die erste Ruhe hergestellt, indem er mitten in die Schlupfwinkel eine Artilleriebrigade verlegte. Lange Zeit spotteten aber die Lesgier der schwerfälligen Kanonen, und als Eichwald und Parrot Kachien besuchten, geschah es häufig, daß Soldaten des Abends mitten aus ihrem Lager entführt wurden. Selbst am Tage war es nicht rathsam sich weit zu entferne». Doch die Zeit hac es allmäh' lich verändert und am meisten haben die Kachier selbst beigetragen, indem sie allenthalben Wachen ausstellten, um die Lesgier bei ihrem ersten Erscheinen auf kachischem Boden zu begrüßen. Wiederholte Streifzüge in dem Gebirge lieferten den Russen eine Menge Lesgier, die streng bestraft wurden, in die Hände und diese selbst sahen sich nach der Eroberung von Achalzich des nothwendigen Marktes für ihre Sklaven beraubt. So hat sich allmählich die Sicherheit hergestellt, welche man jetzt mitten in den Schlupfwinkeln der Räuber findet. In Begleitung unseres freundlichen Wirthes kletterten wir auf den Höhen des romantischen Kessels, in dem der Artilleriepark steht, herum und besahen einige der zahlreichen aber stets unbedeutenden Ruinen, welche sich allenthalben vorfanden und nirgends etwas Interessantes darboten. So verging der Nachmittag und wir übernachteten in dem Lager. Den andern Morgen fnhren wir in dem Wagen unseres Wirthes der nächsten 4V2 Meilen entfernten Poststarion Martkopi zu. Der Weg führte uns zunächst nach dem freundlich-romantischen Dorfe Muchrawan, das seiner hohen Lage halber im Sommer von einigen Tifliö'schen Familien bewohnt wird, und wir passirten hier die Iora, die zwischen kahlen Kalkbergen sich durchdrängt. Von da bis znr Poststation liegt unbebautes Land, und wir waren froh als wir daselbst ankamen und glücklicherweise PostPferde vorfanden. So eilten wir denn in den schon 508 beschriebenen miserabel« Postwagen und auf bekannter Straße Tiflis zu und erreichten es wohlbehalten gegen Abend. Sechsunddreißigstes Gapitel. Niickreise bis Stauropol. Sbene Dlgoni; Harthli; Möchethos; weitere Geschichte Möchctb'S; Arma,,; di« Kun brücle; Möcheth; Garchinr; die Kathedrale; Dschunr; Othaeba; Quischetsch und be.-schwerlich« Weg bis Kaschaur; Kobi; Terelthal; Wladikaukaö; Iekatcrinograd; Quaran> täne; Pjatigorök; die Schwefel-, Eisen.-, Sauere und alkalischen Wasser; geringe Frequenz der N«Ver; der Urschlitten; nächtliches Abenteuer; Stauropol; General Wel: iaminoff; die Auerochsen, Den 17 December reiste ich endlich mit dem Fürsten Suwo-roff ab und eilte auf bekanntem Wege nach Mscheth, um dessen Ruinen näher zu betrachten. Ich habe früher die Ebene, welche sich an der Kura hinzieht, Didubeh genannt, allein dieser Name kommt nur der einen Seite, welche jenseits der Kura sich befindet, zu, während die rechte Seite die Ebene von Digom genannt wird. Diese erstreckt sich nördlich bis zum Teufelskm'e (Dewis-Namuchli). Man belegt nämlich mit diesem Namen einen Verg des Sathowli, eines Ausläufers des Skaldidi, der bis au die Kura sich erstreckt und deren Bett selbst einengt. An dieser Stelle ist auch die Straße am schmalsten. Sobald man das Teufelsknie überschritten hat, beginnt auch sogleich der classische Boden auf dem die alten Hauptstädte Armasi und Mscheth sich ausbreiteten. Wahrscheinlich ist die zuerst genannte Stadt, welche wohl einst den Namen Karthlos führte, die erste Residenz der grusischen Herrscher. Von hier aus breiteten diese ihre Macht weiter aus und der Name Karthlos gmg auf die Herrschaft über. Mir scheint es als wenn Grusien im Westen damals nicht über den Thalkessel (Cheowa) hinaus sich erstreckt hätte, denn ohne Zweifel, wie ich schon oben angedeutet habe, *) bemächtigte sich ein meschischer Häuptling später des grusischen Reiches und verjagte die einheimischen Herrscher. Dieser Häuptling, schlechthin der Meschier (Mschethos) genannt, ist demnach *) Siehe oben Seite 257. 509 durchaus nicht der Sohn des Karthlos und zerstörte wahrscheinlich Armasi. Auf dem jenseitigen Ufer, in dem Winkel den die Vereinigung des Kur und der Aragua hervorgerufen hat, erbaute er eine neue Stadt, die wiederum die meschische (Mschetha) hieß und machte sie zu seiner Residenz. Sein väterliches Erbe in Meschien übergab er seinem zweiten und dritten Sohne, während er seinem Erstgebornen, der Uplos, d. h. Herr genannt wird, Karthli hinterließ. Wie lange die meschische Dynastie geherrscht hat, sagt uns keine Geschichte und wir wissen nur, daß Persiens Könige hausig eine Art Oberherrschaft über die Herrscher in Mscheth ausübten und sogar Statthalter dahin setzten. Ein solcher Ardam mit Namen umgab die Stadt mit Mauern, erbaute eine Citadelle und scheint auch Armasi wiederum aus seinen Trümmern gezogen zu haben. Von ihm heißt es, daß er die Grnsier gelehrt die Steine zum Bauen durch Mörtel zu verbinden. Bis dahin hauten sie sich ihre Wohnungen in die Felsen ein und verstanden sogar aus diesen Hauser und selbst ganze Städte zu bilden. Uplosziche verdient noch unsere Bewunderung. Mit dem Untergange des persischen Reichs durch Alexander den Makedonier wurde Grüften durch makedonische Statthalter regiert und ein solcher Ason mit Namen machte Mscheth zur Zwingveste. Er riß die Maueru nieder, erbaute vier feste Thürme und tyrannisirte auf alle mögliche Weise die Einwohner. Pharnawas (oder Pharnaos) machte eine Verschwörung gegen den Usurpator und vereinigte, sich für einen Nachkommen der meschischenDynastie ausgebend,*) die gedrückten Grusier unter seiner Fahne. Glücklich verjagte er den Ason aus Mschetha und Zerstörte ohue Zweifel die vier Zwingthürme. Er verlegte seine Residenz wiederum auf das rechte Ufer des Kur und scheint Armasi bedeutend vergrößert zu haben. Wahrscheinlich ist es auch, daß er die Stadt, welche bis dahin Karthlos hieß, nun erst Armasi nannte. Auf dem Berge auf welchem die Burg stand, errichtete er das berühmte Götzenbild Armasi (Annaz), was ohne Zweifel, da "ach der Geschichte Pharnawas in Persien erzogen wurde, der per- *) In der grusischen Chronik von Wachtang heißt es ausdrücklich, daß Pharnawas ein Nachkomme des Mschethos jey. Wenn dieser nun wirklich ein Eohn des Karthlos war nnd nicht eine selbständige Dynastie gebildet hatte, so sieht man den Grund, warum Pharnawas nicht den Karthlos als Stammvater genannt hat, nicht ein. 510 fische Ormuzd war. *) Auf der andern Selte der Kura stellte er ein zweites Götzenbild, was Zaden geliannt wird, auf und es unterliegt keinem Zweifel, daß sich die Stadt auch bis dahin ausgebreitet habe. Armasi wurde demnach wiederum Residenz der zweiten meschischen Dynastie. Durch Pompejus' siegreiche Feldzüge im kaukasischen Isthmus wurde auch diese Stadt den Abendländern bekannt und Srrabo führt sie unter dem Namen Harmozika auf. Mscheth nennt er Seumara. Die neue persische Dynastie der Arsaciden machte auf Grusien ihre Ansprüche geltend und nahm seinen Thron auch später ein. Aderchi der zehnte König starb 31 n. Chr. und theilte sein Reich unter seine Sohne, so daß Bartos mit Mschetha, das nördlich vom Kur gelegene Land, Chartham hingegen mit Armasi den südlich gelegenen Theil bekam. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß der Herrscher von Mscheth als der eigentlichen Veste die weltlichen, der von Armasi, wo die Tempel sich befanden, die kirchlichen Angelegenheiten zu leiten hatte. 80 Jahre später herrscht wiederum nur ein König. Wie die Sassauiden in Pechen erschienen, bestiegen sie auch den grusischeu Thron und Mirian verwechselt, sobald er Christ geworden war, seine Residenz Armasi mit Mscheth. Die heilige Nino zertrümmerte selbst die Götzenbilder und erbante an deren Stelle Kirchen. Armasi wurde immer mehr verlassen, und als es der schon oft genamne Wütherich Murwan-Kru zerstört hatte, blieb es bis auf die neueste Zeit unbebaut liegen und nur die alte Burg Karthlos hat sich in ihren Ruinen erhalten. Leider habe ich versäumt den classischen Boden bis zum Teufelsknie,**) wo Armasi seine südliche Gränze besaß, zu untersuchen. Auf meine Bitten stieg der Fürst mic mir ab und wir beschlossen bis zu dem eine Meile entferuten Garzis-Kari zu Fuße zu gehen. Vor allem erregte die Brücke, welche einst Armasi mit Mscheth verband, unsere ganze Aufmerksamkeit, da sie zum Theil auf zerrissenen Felsen, welche aus dem hier getheilten Flusse emporsteigen, erbaut ist; aber auch die übrigen hier den Fluß umgebenden Felsen trugen Spuren von Mauern und Thürmen auf ihren Hohen» *) Die grusische Chronik sagt zwar, baß Pharnawas im Persischen Armasi heiße, s. oben Seite 257. **) Tmbois setzt irriger Weise das Teufelsknie an die Vereinigung der Flüsse Aragua und Kur, s. dessen »leise i'om. IV. pnß. 229. 511 Der Theil der Brücke, welcher über den Seitenarm der Kura führt, ist noch fast ganz erhalten und man sieht ihm deutlich an, daß er mit der Ieir verschiedene Veränderungen erlitten hat. Ein noch fester aber kleiner runder Thurm steht auf der Insel und vertheidigte sie wohl besonders. Vergebens suchte ich ihn von innen zu besehen. Uns umwendend kamen wir an die Brücke des Haupt-fiusses und fanden sie leider zum großen Theil zerstört. Die Russen haben sie mit Holz bedeckt und dadurch bei jedem für Denkmaler der Vorzeit sich interessirenden Reisenden einen traurigen Eindruck hervorgerufen. Man sieht deutlich, daß das Holz sich nicht mit dem ehrwürdigen Uebngen vertragen will. Die Erbauung der Brücke wird selbst bei den Eingebornen dem Pompejus, als er die Albanier und Iberier verfolgte, zugeschrieben. Ich zweifle aber wohl mit Recht an der Sage, denn Pompejus hatte auf seinem raschen Zuge weder Zeit noch den Willen eine Brücke der Art zu bauen. Vielleicht hatten sie die Einwohner, um ihrem Feinde den Weg abzuschneiden, selbst zum Theil vernichtet und Pompejus setzte gleich den Russen jetzt Balken und Bretter an die Stelle der festen Steine. Man sieht auch leicht ein, daß zwischen zwei blühenden Städten wie Armasi und Mscheth eine dauernde Verbindung nothwendig war und deßhalb erbaute der schon oben genannte persische Statthalter Ardam, wie die Chronik Wachtangs V mit deutlichen Worten sagt, eine Brücke, die wohl im Verlaufe einer Zeit von mehr als 2000 Jahren manche Veränderung erlitten haben mag. Mit dem Ueberschrciten der Brücke fand ich mich in der Stadt des Meschiers, d. h. in Mscheth. Diese meiue Ableitung des Wortes Mschetha und Mschethos wird auch durch die Grusier und Ossen bestätigt, denn bei beiden Völkern heißt die Stadt auch Meschecha und die Armenier nannten sie mir oft Meschitha. Auch die Griechen kannten sie und Ptolemaus (IH. V. (^p. 11.) nennt sie Mestletha, Agathias (Hi»t. ^ib. II. paß. HO) hingegen Mechista. Wir sehen also allenthalben das „e,"was die Grusier, wenn nicht der Tonaufihm liegt, gern herauswerfen. Aus derselbeuUrsache nenuen, wie ich oben gesagt habe, die Grusier das Stammlaud der Meschier Me-scheth oder Sa-Msche. Die Endung „eth" ist ächt grusisch und muß immer, wenn mau das ächte Staunnwvrt haben will, entfernt werden. Die eigentliche Stadt lag genau in dem Winkel der Vereint- 512 gung beider Flüsse und nordwärts zog sich die Vorstadt Samthawro, aus dem nach Dubois Strabo sein Seumara gemacht haben soll, westwärts hingegen die türkische Vorstadt Sarchine. Von der Einwanderung der Türken (Turanier) in Grusien habe ich schon mehrfach zu sprechen Gelegenheit gehabt und sie müssen sich selbst eine lange Zeit unverändert erhalten haben, da sie sich gegen die makedonischen Truppen lange hielten. Leider blieb mir nur kurze Zeit übrig und so besichtigte ich vor allem die berühmte Kathedrale, in der das Hemd von Jesus uud der Mantel des Propheten Elias aufbewahrt wurden. Diese im acht-grusischen Geschmack erbaute Kirche hat einen bedeutenden Umfang, denn Güldenstadt hat mit der Vorhalle 90 Schritte Länge und 45 Schritte Breite gemessen. Mitten in seinem Lustgarten, sagt die Chronik, erbaute Mirian unter Leitung der heiligen Nino die erste hölzerne Kirche und weihte sie den zwölf Aposteln. Wahrscheinlich errichtete er dabei eine steinerne Säule, und Dubois meint nicht mit Unrecht, daß die jetzige Capelle, die aus zwei Säulen und einem Dome bestehr, die älteste sey. Mirdat, sein Enkel (von 364 bis 379), baute zum Schutz derselben die eigentliche Kirche und nannte sie Ssweti-Tschoweli, d. h. lebende Säule. Auf ihr errichtete er ein Kreuz, das einen heilsamen viele Wunder verrichtenden Balsam erzeugte. Davon soll die Kirche auch Samironeh genannt worden seyn. Später erlebte sie vielfache Schicksale und wurde von Timur so zerstört, daß kein Stein auf dem andern blieb. Alexander I baute sie wieder auf und Wachtang V brachte sie in den Zustand, welchen sie noch bis jetzt besitzt. Das Innere gab ein trauriges Bild der Hinfälligkeit, und wenn auch die Mauern noch samnnlich da standen und nirgends etwa« eingefallen war, so herrschte doch allenthalben Schmutz und Unsauberkeit. Selbst die Matrone, welche mich herumführte, war nicht geschaffen mir die großartige Vergangenheit zu vergegenwärtigen. Die Wände waren schwarzlichgrau und hier und da sah ich Spuren von frühern Gemälden. Inschriften fand ich wenige und diese höchst undeutlich iu grusischer, aber durchaus nicht in griechischer Sprache. Die gute Matrone zeigte mir auch die Grabmäler der wichtigsten grusischen Könige, und Wachtang-Gur« gaSlan, David der Sohn des Lascha, Luarsab der Große :c. liegen hier begraben, niemand weiß aber mehr recht wo! 613 Hatt an der Kirche sind elende Wohnungen erbaut und weiden zum Theil von frommen Glaubigen, die sich hierher von dem Gewühle der Welt zurückgezogen haben, bewohnt. Dieser Kirche gegenüber steht auf dem linken Ufer der Aragua eine zweite Kirche, die schlechthin Dschuar genannt wird, und die Stelle einnimmt, wo vielleicht das Götzenbild Zaden stand. Von ihr erzahlt man, daß eine Kette von der Thnrmspitze herüber zn der der Kirche der 12 Apostel gegangen sey und auf ihr hatten die Heiligen beider Kirchen sich gegenseitig Besuche abgestattet. Wichtiger ist die zweite Sage über die Erbauung beider Gotteshäuser, da auch bei uns ähnliche Sagen allenthalben eristiren. Ich erinnere vorzüglich an die Erbauung des Domes von Naumburg an dessen drei Thürmen ein Meister, ein Geselle und ein Lehrling, der letztere aber den schönsten, gebaut haben sollen. Die Sage geht nämlich auch in Mschech, daß der Meister die jenseitige und der Lehrling die diesseitige Kirche erbaut und der erstere, als er sah wie sehr sein Werk dem des letztern nachstand, sich aus Aerger die rechte Hand abgehauen habe. Den Berg von Sarchine, an dem die türkische Vorstadt lag, habe ich leider nicht naher untersucht, aber viele Sagen beziehen sich auf ihn und auf seiue zahlreichen Hohlen in seinem sandsteincrnen Innern. Auf ihm erhielt auch der Sage nach Mirian die Taufe. Gegen 350 Schritte aufwärts liegt eine zweite kleinere und dem Einsturz nahe Kirche, die den Namen Gthaeba führt und dem Heiland selbst gewidmet war. Fälschlicher Weise führt sie bei mehreren Reisenden den Namen Samthawro, der jedoch der nördlichen Vorstadt, in der sie lag, zukommt. Sie wnrde ebenfalls von Mirian erbaut und hatte mit der beschriebenen gleiches Geschick. In ihrer Nähe befindet sich auch die Capelle der heiligen Nino, von der Klaproth mit Uinccht behauptet, daß hier die Heilige selbst begraben sey. AIs zu Anfang dieses Jahrhunderts eine Quarantäne errichtet wurde, benutzte man die heilige Stätte zu einer Apotheke. In der Nähe befinden sich vorzüglich gegen Sarchine hin viele Ruinen und unter andern wurde mir der Bischofssitz gezeigt. Dubois Will auch das Schloß des Wachtang Gurgaslan aufgefunden haben. Gegen Abend langten wir glücklich in Garzis-Kari an und benutzten den schonen Mondschein, um am andern Morgen früh .I^iseil Uüd ^ändl'rl'cschlsil'iMHen. XXV. ^>l» (Neise nach Kankasicn.) 5t4 ein Uhr weiter zu fahren. Ohne irgend einen Unfall zu erleiden kamen wir glücklich durch das Thal der Aragua bis nach Qui-scheth, um die rothen Verge zu ersteigen. Zum Glück hatte es seit drei Wochen weder geregnet noch geschneit, und so waren wir sicher, daß wir wenigstens einen gebahnten Weg fanden. Die glatte Straße aber mit einem Wageu und mit Pferden zu passiren war unmöglich, und so versuchten wir bei den uns umgebenden und umschreienden Mtiulen und Guden einen Schlitten mit Ochsen bespannt zu miethen. Das unverschämte Volk verlangte für die kurze Strecke von zwei Stunden bis Kaschaur nicht weniger als 20 Rubel Silber. Vergebens suchte ich einen Ausweg bei dem für die hiesigen Bergvölker hier eingesetzten Pristaff, Fürsten Awaloff. Leider war er nicht zu Hause. So ergriff ich ein anderes Mittel und erregte zwischen den beiden Grammen Eifersucht. Es kam zuletzt so weit, daß wenn ich nicht kraftig dazwischen getreten, wohl eine Schlägerei entstanden wäre, und da ich zwei Guden für einen mäßigen Preis gewonnen, wollten uns Mtiulen aus Rache umsonst hinauffahren. Vier paar Ochsen wurden vor den nur unser Gepäck enthaltenden Schlitten gespannt und doch waren wir nicht selten gezwungen nachzuhelfen. Nach Z^ Stunden kamen wir erst glücklich oben an und beschlossen, da der be-fahrne Weg um den Gnd- und Kreuzberg uns als vorzüglich geschildert war, bei Mondenfchein noch bis nach Kobi zu fahren. Unser Postknecht kannte die Schwierigkeiten und Gefahren genau, und als wir ihm ein gutes Trinkgeld versprachen, führte er un-gemein vergnügt uns bis an das Ziel. Wie ganz anders passirte ich jetzt mitten im Winter dieselbe Straße, wo ich z>2 Jahre früher im Sommer den größten Gefahren ausgesetzt war. Bei dem deutschen Wirth in Kobi fanden wir ein warmes Stübchen und ein gutes Abendessen. Früh am 19 December saßen wir schon wieder in unserm Wagen und fuhren fröhlich aber etwas erfroren dem reizenden Thale des Terek abwarrs und kamen glücklich über Kasbek und Darjel nach Wladikaukas. Ein uns befreundeter Officier, Obrist« lieutenant Nestross, nahm uns freundlich auf. In Begleitung eines kumüchischen Fürsten Hassai, eines schd-nen jungen Mannes mit viel Talenten, reisten wir am andern Morgen leider etwas spät durch die gefährliche ossische und ka- »13 bardische Ebene von nur vier Kosaken begleitet und kamen glücklich in der Katharinenfladt (Ickaterinograd) an. Wir hatten nicht willens in Wladikaukas mehrere Tage nutzlos zuzubringen und den Tag abzuwarten, wo die Post mit der früher beschriebenen starken militärischen Begleitung sich langsam durch beide Ebenen bewegt. *) Die Tscherkessen wagen schon seit langer Zeit nicht mehr die friedlichen Gaue ihrer Brüder in der Kabardah zu betreten, und ohne irgend einer Gefahr ausgesetzt zu seyn, kann man ruhig die ganze Straße gehen. Wir wagten es sogar den am meisten gefürchteteu Theil, das Gebirge des Karadag bei schon eingetretener Dunkelheit zu passiren. Die 1000 Soldaten und 300 Kosaken, welche die Straße zu bewachen haben, sind auch zur Sicherheit gerade hinlänglich. Erst den 22 Dec. am Morgen kamen wir in Iekaterinograd an und wurde» von entfernt stehenden Wachen beordert der Quarantäne zuzufahren. Ein bartiger Russe mit einer langen eisernen Zange erschien sogleich, befahl uns auf dem Wagen ferner zu frieren und verlangte unsere Papiere, die er mit dem großen 6 Fuß langen Instrumente in Empfang nahm und sie vor sich gestreckt hinhaltend in das Bureau trug. In der Zeit bewachten uns vier Soldaten wit scharf geladenen Gewehren. Wir Armen klapperten vor Frost und durften uns doch uicht von der Stelle bewegen, damit wir nicht etwa die Pest verbreiteten. Nach einiger Zeit erschien der Zangenmaun wieder und wir meinten schon, daß wir auf gleiche Weise berulitergehoben werden sollten. Er beorderte uns herabzusteigen, ihm genau zu folgen und nichtö anzurühren. Die Aengstlichkcit Wit der alles betriebe» wurde, kam uns trotz der barbarischen Kalte, da wir weder die Pest gehabt noch gesehen hatten, sehr komisch bor und wir lachten herzlich über den drolligen Empfang. Fern sey es übrigens von mir, die heilsame Ansialt nur im geringsten zu tadeln und es freute uns, daß die uns in Bezug darauf gegebenen Papiere nicht rcspectirt wurden. In ein geheiztes Zimmer geführt, mußten wir uns entkleiden, um unsere Kleidung mit dem übrigen Gepäck durchräuchern zu lassen. Hierauf erschien der Arzt und begrüßte mich als College«, und 'hm hatten wir wohl es besonders zu verdanken, daß wir „icht *) Siehe im Isten Theil, Seite Z19. 331 5l6 selbst auch clne Zeit in die Rauchermaschine gesteckt wurden. Gewissenhaft untersuchte er unsere Körper und ließ mis dann eine leinene Kleidung bringen, um in dieser, die weiß Gott schon wer gelragen hatte, die Zeir des Räucherns abzuwarten. Der Herr College hielt es für seine Pflicht uns in der Zeit zu unterhalten. Zum großen Schrecken hatte unser einfaltiger Bediente auch den Speisesack mit in die Räucherkammer gegeben und all die schonen Würste und der herrliche Schinken, mit denen Herr Salz-mann in Tiflis uns versehen hatte, waren von der salpetrigen Säure so durchdrungen, daß es uns »'icht möglich war für den Augenblick etwas davon zu genießen. Zum Glück war der Commandant der Veste und Clief des hier stehenden Bataillons, Major Makaross, ein Bekannter des Fürsten und so fuhren wir dann jenseits der Malta diesem zu. Von hier bis Georgieffsk wird 80 Werst (11^ Meilen) gerechnet und wir waren deßhalb gezwungen denselben Tag in einer elenden Stanitze (Kosakendorf), die den Namen Prochladnaia, d. i. die Angenehme führt, zu übernachten. Eine Menge des Nachts schreiender Kinder und ein überaus übler Geruch machte aber unsern Aufenthalt im hohen Grade unangenehm. Leider fing es an kälter zu werden, und als wir in Georgiesssk ankamen, war das Thermometer bis zu 10 Grad unter dem Gefrierpunkt herabgesunken. Der Mangel an Wirthshausern machte sich auf eine peinliche Weise geltend und »vir waren nun noch am Ende froh, bei einer mitleidigen Frau für vieles Geld ein kaltes Zimmer das nicht erheizt werden konnte zu bekommen. Am andern Morgen war es noch kälter mid es trat ein heftiges Schneegestöber ein, das alle Wege unkenntlich machte. Trotzdem beschlossen wir dem zwei Meilen entfernten Pjatigorsk zuzufahren. Das Wetter wurde bösartiger und wir waren glücklich in einem Kosakenposten mitten auf dem Wege für eine Weile ein Unterkommen zu finden. Unser Schlitten war mehrmals umgeworfen worden und mußte ausgebessert werden. Die Aufnahme im Pjatigorök bei dem Badearzt Hrn. N». Ko»-radi alls Göttingen that uns wohl und gern gaben wir dem Wunsche unseres Wirthes nach, einige vergnügte Tage bei ihm zu verleben. Die Kälte hatte bereits eme bisher unerhörte Höhe erreicht und 5,7 mehrere Tage hintereinander zeigte deö Morgens früh 8 Uhr das Thermometer nicht weniger als 19 Grad unter dem Gefrierpunkte. Pjatigorsk, die Stadt der fünf Hügel wie der Name wörtlich übersetzt heißt, liegt in einer reizenden Gegend auf der südlichen Seite des Maschuk, eines Kalkbergcs unweit eines fünf-spitzigeu pllttom'schen Berges, der schon lange von den Tataren Vesch-Tau, d. i. Fünfberg, genannt worden und die Ursache des Namens Pjatkgorsk gewesen ist. Diese beiden Berge sind isolilte Kegel, welche wahrscheinlich weit früher eristirten als der unbedeutende sand-kalkige Ausläufer des Kuban-Gebirges, zu dem sie jetzt gerechnet werden müssen und den ich deßhalb in dem ersten Theile meiner Reise (Seite 270) ebenfalls Beschtau genannt habe. An seiner äußersten Gränze an oben genanntem Berge, so wie jenseits der Podkumok in den Fuchsbergen befindet sich eine Reihe von Mineralquellen, die zu den ausgezeichnetsten der ganzen bekannten Welt gehören, und sie sind um so interessanter, als sie trotz der Nahe eine verschiedenartige Natur zeigen. Die wichtigsten sind die Schwefel - und Sauerwasser. Außerdem kommen aber noch Eisen- und unbedeutende alkalische Wasser vor. Ich übergebe hier nur eine oberflächliche Beschreibung und behalte mir die genauere für ein anderesmal vor. Die Stadt Pjatigorsk verdankt erst der neuesten Zeit, wo man die Wichtigkeit der kaukasischen Bader in Petersburg erkannte, ihre Entstehung und wurde eben erst angelegt. Um sie schnell zu heben, versetzte man die Regierung des Kreises von Pjatigorsk hierher und ebenso wurde sie der Sitz des Attamans der Linien-Kosaken. Sie bestand damals nur aus einigen zwanzig Gebäuden, wird aber wohl bls jetzt um ein bedeutendes vergrößert worden seyn. Sie steht noch mit der Soldaten'Vorstadt (Slobodka), die hart an der Podkumok liegt aber verlegt werden soll, in Verbindung. Jenseits des Flusses auf dem Wege nach Georgieffsk befindet sich die pjatigorskische Stanitze. Den Theil, der die Bäder und die Hauser der dabei Angestellten besitzt und auf derselben Seite des Berges liegt, nennen die Russen Gorädschowodsk (Heißwasser). Der Schwefelquellen des 2800 Fuß hohe» Maschuk sind sieben an der Zahl, und von ihnen ist die bedentendste die Alexanders-Quelle mit einer Temperatur von 5? und 58° R. während drei (die Elisabeth'sche, Sabamjess'sche und Michael'sche) nur 54 bis 56 518 besitzen. Die andern drei Quellen (Nikolai?, Marien- und Kal-müken - Quelle) sind unbedeutend. Man hat keine Mühe und kein Geld gescheut, um die Quellen würdig zu fassen und überbaute Spaziergänge bieten den Gästen, selbst wenn das Wetter nicht günstig seyn sollte, hinlänglich zur Bewegung Gelegenheit. Au den Quellen (besonders an der Elisabethquelle) wird das Wasser meist nur getrunken und nur selten auch zum Baden angewendet. Zu diesem Zwecke leitet man es in einer eingefaßten Riune den Berg herab und faßt einen Theil, bevor es den Fuß des Berges erreicht, in einem großen Bassin, das übrige Schwcfelwasser läuft in derselben Rinne bis nach unten und wird hier wiederum gefaßt. Von diesen beiden Bassins, in denen das Wasser schon abgekühlt ist, wird es nun in die einzelnen Vadestnben, die zusammen das prächtige Vadehaus bilden, geleitet. Das obere Vadehaus führt den Namen des Iermoloss'schen, das untere den des Nikolai'schen Bades. Trotz der fortdauernden strengen Kalte begleitete mich der Fürst Suworoff selbst nach der Eisenquelle, die bei den Russen Schelesnowodsk heißt, was eben wörtlich übersetzt Eisenwasser bedeutet. Sie befindet sich zwei Meilen nordwestlich am 5400 Fuß hohen Fünfberg und zwar an dem Theile, welcher deßhalb vorzugsweise den Name» Eisenberg führt. Der Weg dahin geht durch die schottlandische Colonie, die auf den Trümmern der alten tatarischen Stadt Karas erbaut ist. *) Die Eisenwasser besitzen ebenfalls mehrere Quellen und von ihnen ist die am eisenhaltigsten, welche den Namen der Tscherkessen-Quelle führt; bei den andern ist der Gehalt an Eisen gering und sie zeichnen sich mehr durch Alkalien ans. Erst Dr. Konradi hat die Regierung veranlaßt, auch diese Quellen, welche eine Temperatur von 30 bis 33 Grad besitzen, einzufassen, und so hat man es nur mit der Tscherkessen-Quelle gethan. Die übrigen besitzen einen denKalmücken-Kibitken ähnlichen Mantel. Die Anlagen stehen denen von Pjatigorsk weit nach, mögen aber mit der Zeit schöner werden, da dieselben mitten in den fünf Hohen, die sich nebst andern Spitzen von Nordwest nach Nordost hinziehen, liegen und freundliche Laubhdlzer sie allenthalben umgeben. Man hatte eben erst augefangen, durch die nahen Wälder schattige Spaziergange zu hauen. *) Ueber sie siehe Theil I Seite 225. 5l9 Die Sanerwasser habe ich leider nicht selbst gesehen und kann demnach nur das von ihnen sagen, was mir Fürst Suworoff darüber mitgetheilt hat. Sie liegen gegen 5/^Meilen südwestlich jenseits der Podkumok an elnem kleinen Nebenbache derselben und an den nördlichen Abhängen der Fuchsberge (Varalük), zwischen einem Kosakendorfe und einer Redoute, die beide den Namen Kislowodsk, was wörtlich Sanerwasser heißt, erhalten haben. Dieses Mineral-Wasser, das von den Eingebornen Geistertrank (Narsan) genannt wird, sprudelt unter vieler Entwickelung von Kohlensäure in solcher Menge empor, daß man in jeder Minute 20 Eimer Wasser erhält. Es besitzt einen höchst angenehmen Geschmack und wird von den kaukasischen Europaern ähnlich dem Selters-Wasser bei uns mit Wein vermischt gern getrunken. Trotzdem beziehen aber die vornehmen Russen zum großen Theil ihr Sanerwasser aus Deutschland, weil (wnt coiumu olio;- nou») der Geistertrank russisches Product ist. Die alkalischen Quellen endlich liegen auf der linken Seite der Podkumok ungefähr etwas über zwei Meilen aufwärts und sind, so zahlreich sie auch erscheinen, doch nicht zu gebrauchen, weil sie im Sommer zum großen Theil versiegen. Es ist im hohen Grade zu bedauern, daß diese Mineralquellen sich noch nicht der Frequenz erfreuen, die man bei der Wirksamkeit derselben erwarten sollte. Mit weit geringeren Kosten würden Reisen dahin bewerkstelligt werden und weniger bemittelte Russen, denen das Ausland zu bereisen nicht möglich wäre, könnten hier Abhülfe ihrer Kränklichkeit erwarten. Die russische Regierung hat alles gethan, was sie vermocht hat um den Bädern Anerkennung zu verschaffen und ungeheure Summen für die Bequemlichkeit der Gaste verwendet. Leider trifft sie auch wieder der Vorwurf, daß sie vieles zu kostbar eingerichtet und deßhalb zu theuer gemacht. Es scheint wirklich mit der Größe Rußlands diese Eigenschaft auch auf alle innern Verhältnisse übergetragen zu seyn, denn selten findet man die gute Mittelstraße. Entweder ist etwas recht gut oder recht schlecht. So hat man auch das Leben in Pjatigorsk eben so unnatürlich vertheuerr, wie in Petersburg, Odessa :c., trotzdem alle Lebensmittel, das größte Bedürfniß des Menschen, so unge-Mein wohlfeil sind. Ein gewichtigerer Grund, warum die kaukasischen Bäder so 520 wenig besucht werden, liegt ai,ch in den Nangstreitigkeiten der Beamten. Wahrend in den deutscheu Badern einer dem andern gleich sieht und niemand nach Nang und Orden fragt, sondern sietS der am meisten geachtet nnd gesucht wird, der die größten gesellschaftlichen Talente besitzt, so ist es nicht so in den kaukasischen Vadcrn, wo man, bevor man mit einem andern spricht, erst wissen will, wer er ist und welchen Rang er einnimmt. Die Kranken sind deßhalb völlig auf sich gewiesen und finden nur in der freien Natnr einen Ersatz. Gemeinschaftliche gesellige Unternehmungen, welche bei uns den Aufenthalt angenehm machen, vermißt man ganz nnd gar inPjarigorsk, und der an sich gesellige Rnsse sehnt sich schon zeitig in seine frühern Verhältnisse zurück. Der Aufenthalt in Pjcuigorsk war für mich im hohen Grade angenehm und Nr. Konradi selbst trug am meisten dazu bei, um seinen Gasten die mitgebrachte heitere Lauue zu crhalteu. Die wenigen anwesenden russischen Familien lebten in dcrAbgeschlossenheit, die der harte Winter vermehrte, traulich unter und mit einander. Einen im hohen Grade geistreichen Mann lernte ich an dem polnischen Fürsten Sanguschko kennen, der, da er an der polnischen Revolution Theil genommen, zur Strafe an den Kaukasus versetzt worden war, aber wieder den Grad eines Officiers erlangt hatte. Den 27 December reisten wir wiederum ab und befuhren die schon bekannte Straße nach Stauropol. Da hinlänglich Schnee vorhanden war, nahmen wir einen der hiesigen Schlitten in ihrer Urform und setzten auf ihm unsern Weg fort. Diese Schlitten be^ stehen aus zwei Kufen, auf denen unmittelbar der muldenförmige Kasten ruht. Da der letztere auf beiden Seiten weit über die erster« reicht, so sind eine Art seitlicher Aufhalter angebracht, die zwar häufig aber doch nicht immer das Umfallen verhüten. Trotz der eintretenden Nacht nnd dem heftigen Schneegestöber fuhren wir von Alexandria der nächsten Poststation weiter. Ueber und über in Pelze eingehüllt, trotzten wir der heftiger werdenden Kalte. Es war um uns schauerlich, als wir in der weiten öden Steppe dahin fuhren und nur die Glocke unseres Schlitten in der traurigen Einsamkeit ertönte. Fast 5^.Meilen war die nächstePostsiation entfernt und keine menschliche Wohnung stieß uns auf dem langen Wege entgegen. Nur hie und da sahen wir Wölfe an uns vor- 52! übereilen. Plötzlich wurden wir umgeworfen, die morschen Stricke unseres Fuhrwerkes rissen und unser Dreigespann lief mit der Glocke dahin. Da lagen wir auf dem Schnee und vermochten kaum durch den dichten Nebel, der sich eingestellt hatte, durchzublicken. Der Klang der Glocke wurde allmählich schwächer und verlor sich endlich in der Ferne. Es war keine Kleinigkeit hier die Nacht verleben zu müssen, und selbst am Morgen war, wenn der Nebel noch ferner blieb, unsere Lage um nichts gebessert. Der Wind hatte die Straße verweht, und einmal von ihr abgekommen, stand uns das Traurigste bevor. Zum Glück hatten wir den Postknecht noch bei nns ul,d wohl den Ortssinn der Steppenbewohner kennend, ging ich mit diesem vorwärts, wahrend der Fürst und sein Bedienter aus dem Gepäck ein Lager machten, um die Zeit der Erlösung daselbst abzuwarten. Nirgends war eiue Spur eines Wagens, trotzdem schritt der Postknecht rasch vorwärts. Plötzlich vernahmen wir den Ton einer Glocke in der Nähe und freudig horchten wir auf. Doch der Ton verstummte und traurig setzten wir unsern Weg fort. Da rief mit freudiger Stimme der Postknecht: Wot darin Io8cIl2Üü! (Hier, gnädiger Herr, sind diePferde!) und wirklich waren die treueu Thiere von selbst stchen geblieben. Eiligst führten wir sie wieder zurück und erfreuten nicht wenig den Fürsten mit unserer Gegenwart. „Einmal des Nachts und im Winter durch Steppen gefahren und nicht wieder/' riefen wir beide zu gleicher Zeit aus, setzten den Schlitten wiederum in Stand und fuhren Sablah zu. In einer elende» Maierei übernachteten wir den nächsten Tag und kamen glücklich deu 29 December in Stauropol an. Wir folgten gern der freundlichen Einladung des Civil-Gonverneurs Baron von Taube und verlebten bei ihm zwei vergnügte Tage. Die nähere Bekanntschaft des Generals Weljaminoff erfreute mich ungemcin. Er ist leider bald darauf gestorben. Ich fand an ihm einen magern Mann, der sich ungefähr in der Mitte der Fünfzige» befinden mochte. Zwar sehr schweigsam, besaß er jedoch große Kenntnisse und war allgemein gebildet. Er hat die ersten Feldzüge gegen die Tschcrkesscn im Jahre 18^4 geleitet und sie bis 1637 fortgesetzt. Ihm danke ich eine Menge der wichtigsten Nachrichten über die Tscherkessen, denn er war es eigentlich, der mich in den Stand setzte, Tscherkessien so zu beschreiben, wie ich es im ersten 533 Theile meiner Reisebeschreibung gethan habe. Bei ihm sah ich auch die Haut eines Kubansckeu Auerochsen. Auch den Schädel eines fossilen hatte er in dem Lande der Schapsuchen gefunden und dieser zeichnete sich durch seine enorme Größe aus. Leider hatte er einen zweiten eben an die Akademie nach Petersburg gesendet, und behauptete von ihm, daß er keine Augenhohlen gehabt hätte!!! So viel ich weiß, hat die Petersburger Akademie nichts über ihn bekannt gemacht und wahrscheinlich beruht die Behauptung auf einem Irrthum. Ueber Stamopol habe ich noch einiges nachzutragen, was ich aus Versehen im ersten Theile (Seite 157) nicht richtig angab. Die Zahl der Einwohner betragt nämlich nicht 2000, sondern zwischen 4 — 5U00 und zu ihnen gesellen sich noch im Sommer gegen 1000 arbeitende Bauern. Siebenunddreißigstes Gapitel. Neise längs der Nordküste des asojsschen und schwarzen Meeres. Saueittaut-Suppe; Neujahrs Nacht ik,'8; daö Sowmerdors; der Tifllser Kaufmann; der Don; Nachitschewan; Nostoff; Vertheilung der Küste deö asossschen Meereö; Taganrog; das Schloß lind dte Eapelle Alexanders Gras S.; Vcschwerlichtelten; Jude,,; Mltc; Maliupol; die llclne Nvgaia; Qefen; NognlSk: N«gaier; Anhalt?>Nöt,)cn; Neleßlawl; Eherson; Nikolajeff; Prosessor Knorre; die Varrlcle von Odessa. Den 31 December fuhren wir wohlverpackt in dem schon beschriebenen Urschlitten wiederum ab und waren gezwungen, schon in der nächsten Station, die den Namen der Moskauischen führt, und 4^2 Meilen entfernt liegt, zu »ibemachten. In einer elenden Hütte und in einem schmutzigen Zimmer befanden wir uns zu gleicher Zeit mit einer russischen Familie aus dem niedern Stande, die nicht weniger als vier kleine Kinder mit sich führte. Der General Weljaminoff hatte uns mit Proviant versehen und eine ziemlich umfassende Gilde mit Sauerkraut-Suppe, in der das Fleisch geblieben war, mitgegeben. Ich möchte jedermann, der des Winters in umvirthsamen Gegenden zu reisen genöthigt ist, rathen sich mit solchen Lebensmitteln zu versehen. Mit der größten Leichtig- 523 keit hieb ich jedesmal gerade so viel von dem Gefrornen mit dem Beile ab, als für uns zur Sättigung nöthig war. In einem eigenen Castrol waren die Stücke in kurzer Zeit über dem Feuer flüssig und bald darauf warm geworden und mundeten uns im hohen Grade. Die armen Kleinen nagten an hartem Brode und so ließ der gutmüthige Fürst auch ihnen eine warme Suppe bereiten. Seit meiner ersten Jugend habe ich noch nle den Uebergang des alten Jahres zum neuen verschlafen, sondern mich gern in dieser Zeit der Fröhlichkeit übergeben. Die ferne Zukunft erhäschte ich um so lieber, je trauriger die Vergangenheit, die mir nicht häufig Blumen auf meinen Pfad gestreut, hinter mir lag. Der eine must eben mehr als der andere mit dem Schicksale und häufiger noch mit seinen Nebenmenschen kämpfen, und zwar geschieht dieses um so mehr als er nur dem Rechtsgefühle, was Natur selbst hervorgerufen hat und deßhalb am wenigsten trügt, folgt, und dieses nicht dem menschlichen Wahne opfern will. Meine Gedanken führten mich ln das heißgeliebte Vaterland, dem anzugehören mein größter Stolz, und das zu verherrlichen wein stetes Streben war. Dle ganze Zeit meiner Reise trat lebhaft mir vor die Seele, und wenn ich auch das nicht erreicht was ich geglaubt, so war ich mir doch bewußt, keine Zeit unnütz verschwendet zu haben. Draußen heulte der Sturm und peitschte mit bei uns nicht gekannter Heftigkeit den Schnee, der mehrere Fuß hoch sich angehäuft hatte. Wie dankte ich dem höchsten Gott, in einer warmen wenn auch noch so erbärmlichen Stube zu seyn. Die armen Kinder wurdeu bald wach und schrien durcheinander. So rückte der Augenblick des Jahreswechsels heran, aber um mich herrschte nicht die harmlose Fröhlichkeit oder Ausgelassenheit, wie ich sie bis jetzt erlebt, sondern die rnssische Familie, der ja das neue Jahr zwölf Tage spater erscheint, suchte nicht mit liebreichen, sondern mit groben, anstößigen Worten die schreienden Kinder zu beschwichtigen. Gern hätte ich mich spater dem Schlafe übergeben, doch der Kampf des einen Elementes außerhalb unserer Hütte schicn innerhalb derselben durch die Russen überboten zu werden. Da lag ich denn auf meiner harten Bank, die eben nicht breiter als ich selbst war, und harrte sehnsuchtsvoll dem Morgen entgegen. Bei zwar hellem Himmel aber bei vermehrter Kälte fuhren wir schon frühzeitig am ersten Januar 1838 dem Städtchen Rostoff 524 an dem nördlichen Ausfluß des Don zn »nd übernachteten, nachdem wir einen Weg von 15V, Meilen zurückgelegt hatten, in dem Sommerdorfe (Ljetnik) bei einem Bauer. Der Voden war unser Nachtlager, während einige Glieder der zahlreichen Familie sich auf dem großen Ofen ausgebreitet hatten. Schon um sieben Uhr legte sich alles schlafen und mau darf sich deßhalb nicht wundern, wenn es um zwei Uhr wiederum lebendig wurde. Wir waren kaum eingeschlafen, als wir durch deu nie versiegenden Wortstrom einiger Frauen aus unserer Ruhe aufgeweckt wurden. Alles Bitten um Stillschweigen half nichts, und so sah ich denn ein, daß ich von meinen Wirthen nicht verlangen konnte, sich in ihrer Zciteinrichtung nach uns zu richten. Wir hatten am andern Tag noch 10 Meilen in der Provinz Oiskaukasien zurückzulegen und kamen den Nachmittag in das Land der don'schen Kosaken, um daselbst vier Meilen weiter in Me-schcdnoje zu übernachten. Hier fanden wir eine Art Wirthohaus, aber der Herr desjelben war der Aussage seiner Frau nach seit sechs Tagen in einem mehr oder weniger bewußtlosen Zustande, den er sich durch beständiges Trinken des kosakischen FuselbrauntweinS zugezogen hatte. Was für ein angenehmes Erwachen stand dem Manne entgegen! Die Trunksucht hat leider den gemeinen Russen tief durchdrungen, und doch thur die Regierung, die in der Branntweinsteuer freilich die grdßte Abgabe hat, wenig oder gar nichts, um diesem unheilvollsten aller Uebel zu steuern. Sollte eine Verringerung der Schnapsschenkcn nicht schon allein im Stande seyn dem Unwesen viel zu steuern? uno würden Maßigkeitsvereine, besonders wenn sie von den Herren geleitet würden, nicht denselben Erfolg haben können, wie in den polnischen Provinzen Preußens oder in Irland? In Gemeinschaft mit einem Tifliser Kaufmann, der eben über Petersburg aus Leipzig kam nnd sich über ein Jahr in Deutsch-ll^ud aufgehalten hatte, brachten wir einen interessanten Abend zu. «Es war ein Armenier, dessen Landsleute, wie ich schon gesagt, den grdßteu Theil des Handelsstandcs in Grusien ausmachen. Er hatte bedeutende Einkauft gemacht. Seine Waaren gingen aber mcht über Tiflis, fondern über Konstantinopcl nach Trebisond und Erzerum, um von da weiter nach der Türkei und Persicn verführt 525 zu werden. Dte gewichtigen Einkünfte eines Transitohandels hat Rußland durch seine Absperrung verscherzt. Den 3 Januar Mittag kamen wir, nachdem wir zwei Stationen mit einer Entfernung von acht Meilen zurückgelegt hatten, bei dem Dorfe Aval am Don an und fuhren rasch über denselben weg. Der Fluß war sehr belebt und die fröhlichen Armenier Nachil-schewan's, was ungefähr drei Stunden westwärts auf Hohen am rechten Ufer des Don liegt, benutzten das heitere Wetter, um auf dem Schlitten den Don aufwärts nach Arai und abwärts nach dem keine Stunde entfernten Rostoff oder nach dem weiten, Asoss zu fahren. Mehrere einmastige Schiffe waren in dem Flusse bei Nachitschewan und bei Rostoff eingefroren. Die armenische Stadt Nachitschewan war uns im hohen Grade interessant, und so beschlossen wir uns einige Stunden in ihr auszuhalten. Sie bietet ein freundliches Ansehen dar, und zeigt deutlich die Wohlhabenheit und den Reichthum der hier herrscht. Vor der Besitznahme der Krim durch die Russen im Jahre 1775 baten fast alle Armenier dieser Halbinsel die große Katharina ihnen zn erlauben, am Don eine neue Stadt, die sie nach der ältesten ihres Vaterlandes nannten, zu erbauen. Es wurde ihnen gestattet. Sie sind es vorzüglich, welche die Waaren, die aus dem asoss'schcn Meere kommen, in das Innre Rußlands verführen. Im Sommer ist die Stadt wie ansgestorben, da alle Einwohner, die nur fähig zum Wandern sind, sich nach allcu Provinzen des weiten Reiches begeben, um die Unterhändler zu machen. Im Winter kehren sie wiederum bereichert zu ihrer Familie zurück und genießen in Fröhlichkeit die Früchte ihrer Betriebsamkeit. Die Jurückgeblie-beueu beschäftigten sich zum Theil mit der Laudwirthschafr, zum Theil aber auch mit Gewerben und vor allem nehmen zehn Ziegel-breunereien viele Hände in Anspruch. Außer der Stadt bewohnen 4200 Armenier noch in dcr nächsten Umgebung fünf Dörfer; Nachitschewan allein zählt über 1l,000 Seelen. Die Zahl der Hauser, von denen fast 2000 aus Holz bestehen, beträgt 2400, die Zahl der Buden und Magazine hingegen l»00. Endlich kamen wir in dem freundlichen Städtchen Rostoff an, und fanden daselbst zum erstenmale wiederum ein gutes Logis. Dieses Städtchen mit ungefähr 50U0Cinwohnern wird fast uur von Russe» bewohnt und besitzt einen schonen geräumigen Markt, auf 52« dem reicher Vorrath von sebensmitttln und Waaren aufgehäuft war. Es spielt in der Geschichte eine wichtige Rolle und der Boden auf dem es steht ist ein classischer, der wohl vrrdieut weit-laufiger untersucht zu werden. Trotzdem die ganze Nord-Ostknste des asoss'schen Meeres zu Rußland geHort, so herrscht doch eine Vertheilung des Landes »nter verschiedene Guverneure, wie wir es nur in unserm lieben deutschen Vaterlaude zu sehen gewohnt sind. Es berühren sich hier verschiedene Vdlker, denen es von jeher daran gelegen seyn musite, an den Vortheilen, die das nahe asoss'sche Meer bietet, Theil zu nehmen. Leider hat man das Land dabei nicht regelmäßig abgetheilt, sondern wie es eben der Verlauf der Zeit mit sich brachte, gehört bunt durcheinander die eine Strecke dem einen Volke und eine zweite einem andern; Russen, don'sche Kosaken und Fremde (Armenier und Griechen) nehmen die Küste und den Ausfluß des Dou auf folgende Weise ein: Arai ist noch ein Kosakendorf mit .'WO Einwohnern, dann kommt mau zu dem BesiNhume der Armenier, daS mit dem der Griechen den Kreis von Taganrog bildet. Mitten darin liegt die acht russische Stadt Rostoff. Die Mündung des südlichen Don - ArmeS mit der Stadt Asoss ist ebenfalls russisch uud beide gehören zu dem Iekaterinoslaw'schen Gouvernement. Südlich von Asoss bis zur Iria, jenseits der das Land der Kosaken vom schwarzen Meer beginnt, gehören zwei isoline Partien zu demselben Gouvernement, während das übrige Land und die nördlichen Auofiüssedes Don Eigenthum der don'schen Kosaken sind. Nördlich liegt wiederum russisches Besitzthum und dann folgt kosakischcs, was aber nicht selbst von Kosaken, sondern von kosakischcu Edelleuten zugehörigen Bauern bewohnt wird. Nun erst beginnt das Gebiet der Stadt Tagaurog und nachdem wieder eine kurze Strecke don'sches Land gekommen, breitet sich das zu dem Taganrog'schcn Kreise gehörige Vesitzthum der Griechen von Mariupol aus. Die Entfernung von Rostoff bis Taganrog beträgt fast zehn Meilen, und so kamen wir am vierten Januar schon zeitig in verschönen Stadt an. Auf der Mitte des Weges sah ich zum erstenmale das asoff'sche Meer, aber dickes Eis und mehrere Fust hoher Schnee bedeckten seine Oberfläche. Endlich erblickten wir iu der Ferne nord-westlich vor uns die neue Stadt, und wohl wissend daß sie 537 auf einer Landzunge sich befindet, konnte ich lange nicht die Lage begreifen. Nach meiner Meinung mußte sie bei unserer Einfahrt südlich oder süd-süd-wcstlich liegen. Der Postknecht klarte mir den Irrthum auf, indem er sagte, daß wir uns auf dem fest zugefrornen Meere befanden und dadurch die große Krümmung, welche die Küste hier macht, abgeschnitten hätten. Der Gradonatschalnik (Stadt-Hauptmann) von Taganrog Franke nahm ims in seiner Wohnung anf und bestimmte uns den andern Tag zu bleiben. Die Stadt verdankt erst der neueren Zeit ihre Entstehung und wurde von Griechen unter Peter I erbaut. Durch den Frieden am Pntth nahm es die Türkei wiederum in Besitz, bis es unter Katharina II wieder an Rußland abgetreten wurde. Zm-Zeit als dieses nur am asoff'schen Meere einige wenige Punkte besäst, verwandte man nicht umsonst Mühe und Geld, um Taganrog zu heben lmd im hohen Grade begünstigt blühte cs schnell und gedieh zu der jetzigen Größe. Als aber allmählich die ganze Nordküste des schwarzen Meeres und die Krim Rußland ein^ verleibt wurde und Odessa, Sevastopol und Kertsch dem offenen Meere näher lagen, hoben sich diese Städte schnell und Taganrog blieb auf der Höhe, auf der es bis dahin gestanden, nicht allein stehen, sondern sein Handel verminderte sich mit jedem Jahre. Was den Namen Taganrog anbelangt, so erhielt die Stadt ihn, weil früher auf der Landzunge, auf der sie liegt, eine Art Leuchtthurm stand, dem,,,Tagan" heißt im Tatarischen und Russischen ein Feuerherd oder ein Dreifuß, und „Rog" eiue Landzunge. Die Zahl der Einwohner betragt 12,500 und diese wohnen in 471 steinernen und 1700 hölzernen Häuser». Die Waare» liegen in 145, Magazinen und zu diesen kommen noch ^.'47 Buden allerhand Art. Wie alle neuern Städte Rußlands, so ist auch Taganrog in einem großartigen Style erbaut, und hätte der vorige Kaiser langer gelebt, so wäre es ohne Zweifel wiederum wichtig geworden. Die Stadt besitzt schöne breite Straßen, große öffentliche Platze und ansehnliche Hauser, wenn auch vier Fünftel davon aus Holz erbant sind. Eine geschichtliche Berühmtheit hat die Stadt durch den Tod Alerandcrs daselbst im Jahre 1.^'5i erhalten, und wer diesen erhabenen Monarchen in seiner einfachen Reinheit und Milde kennen lernen will, findet selbst jetzt noch in Taganrog, wo alle seine Einrichtungen unverändert erhalten sind, die beste Gelegenheit. Der 528 jetzige Kaiser Nikolaus hat ihm auf einem freien Platze dem griechischen Kloster gegenüber ein Monument errichten lassen und dieses besteht aus einer metallenen Statue in Lebensgroße, welche auf einer nur einige Ellen hohen Säule aufgerichtet ist, und im hohen Grade ähnlich seyn soll. In dem griechischen Kloster hat die Kaiserin Elisabeth, die ein halbes Jahr darauf starb, einen einfachen Katafalk setzen lassen. Der Stadthauptmann Franke war so freundlich uus die Gemacher, in denen Kaiser Alexander mit seiner Gemahlin Elisabeth in stiller Zurückgezogenheit von der geräuschvollen Welt seine letzten Tage verlebte, zu zeigen. Das Zimmer worin er starb ist in eine Capelle, in der alle Sonn - nnd Festtage Messe gehalten wird, umgewandelt worden. Die übrigen Zimmer si„d in demselben Zustande verblieben und in hohem Grade einfach. Keine theuren Tapeten zieren die Wände uud keine kostbaren Menbles sind irgendwo vorhanden. Die Tische aus gemeinem Tannenholz verfertigt und mit einem grünen Tuche beschlagen stehen noch auf derselben Stelle, als damals, wo sie gebraucht wurden. Das Toiletten «Zimmer bezeugt den liebenswürdigen Ehegatten, denu vorn zur Seite des Stuhles seiner Gemahlin steht ein Lehnsiuhl, in dem er saß, wenn diese Toilette machte. Trotz des kurzen Aufenthaltes von zwei Tagen in Taganrog machte ich viele Bekanntschaften. Interessant war mir eine Griechin, die binnen drei Tagen Braut, Frau uud Strohwittwe wurde. Graf S. auf einer Mission längs der Küste des asofs'schen und schwarzen Meeres, sah eines Abends daS schöne reizende Mädchen in ihrer vollen Glorie, verliebte sich in sie und hielt den andern Tag um sie au. Der Vater, ein griechischer Kaufmann, beglückt eineu Grafen zum Schwiegersöhne zu bekommen, willigte mir Freuden ein und die Tochter vielleicht willenlos gab ihr Jawort; da wichtige Geschäfte ihn weiter riefen, wurde die Hochzeit schon auf den nächsten Tag festgesetzt. Alle Verwandten und Bekannten wurden eingeladen der feierlichen Trauung beizuwohnen, und als diese vollzogen war, setzte sich der junge Mann in den Wagen, seine jnnge Frau einstweilen zurücklassend. Seit einem halben Jahre hatte er nicht geschrieben. Können solche Ehen Segen bringen? Ein Mittagsmahl, das ein dort wohnhafter Deutscher mir zu Ehren gegeben hatte, wurde die Ursache, daß wir erst am 7 Januar sehr spät von Taganrog abfuhren, um den traurigsten 639 Theil unserer beschwerlichen Reise zurückzulegen. Noch deutlich sind mir die Erinnerungen an dle damals ausgestandenen Mühen und Beschwerden im Gedächtniß, und ich möchte Jedem rathen nicht unter gleichen Umstanden eine solche Reist zu unternehmen. Eine höhere Hand schützte und bewahrte uns vor den Gefahren, welche Kälte und ein ödes unwirthliches Land reichlich hervorriefen. Auf der ungeheuern Slrecke von 70 bls 80 Meilen nirgends ein Obdach, wo wir unsere von Frost erstarrten Glieder hätten erwärmen und unsern ausgehungerten Magen befriedigen können. Es war Mondenschein, als wir auf dem schon beschriebenen Urschlitten saßen und dem zehn Meilen entfernten griechischen Städtchen Mariupol (Marienstadt) zufuhren, um es am andern Morgen zeitig zu erreichen. Glücklich hatten wir die drei ersten Stationen fast zurückgelegt und erblickten schon aus der nächsten Umgebung die elenden Hütten der Sperlingsstation (Worobjewoi), als unser Schlitten umgeworfen wurde und unsere Umrisse sich tief im Schnee einprägten. Freudig eilten die Pferde dem nahen Ziele zu, wir aber erhobeu uns mir vieler Mühe, erstarrt und durch unsere schwerfällige Kleidung in allen freien Bewegungen gehindert, um langsamen Schrittes der Station zuzuwandern. Wir dankten Gott, daß das Unglück gerade hier vorfiel, und dadurch gewitzigt brachten wir in dem elenden Wohnzimmer des PostHalters den Rest der Nacht zu. Iudeu, grdßtentheils aus Polen hierher versetzt, versehen fast auf der ganzen Strecke längs der Küsten des asoff'schen und schwarzen Meeres die Stelle der PostHalter und tragen nicht wenig dazu bei die Beschwerlichkeiten der Reisenden zu vermehren, indem sie vorzüglich sich bemühen deren Börsen leichter zu machen. Mir dem Scheine der größten Gutmüthigkeit und einer ekelhaften Zudringlichkeit wissen sie ihren Vortheil zu erHaschen. Ohne Ausnahme sprechen sie deutsch, aber in einer solchen verdorbene« Mundalt, daß es mir schwer wurde alles zu verstehen. Nach ihrer eigenen Aussage ist es auch nicht deutsch was sie sprechen, sondern es ist die Sprache ihres Volks, ein verändertes Hebräisch. Die Källe hielt auf gleiche Weise an, doch stets so, daß die Nachte hindurch es milder wurde. Gegen 8 Uhr des Morgens erhob sich ein scharfer schneidender Wind und mit ihm stieg die Kälte allmählich bis die Sonne ihren Zenith erreicht hatte um 5>!tisc>, m,d Läüdeldcschnibimgon. XXV. H4 Meise nach Kaukasicn.) »30 mehrere Grad. Mein Thermometer zeigte einigemal gegen 12 und 1 Uhr Mittags 24 und '^5° R., während um dieselbe Zeit der Mitternacht das Quecksilber auf 18, 20, höchstens 22" unter dem Gefrierpunkte stand. Glücklich kamen wir gegen Mittag in Mariupol an und waren schon in dem Gedanken glücklich bei den Nachkommen deS Volks, das die erste Bildung über Europa verbreitete und dessen Lehren noch lmmer die Vasts unserer Erziehung bilden, wenigstens hinlänglich Nahrung, wenn auch nicht für den durch Frost geengten Geist, doch für den erstarrten Körper zu finden. Traurige Täuschung! Die von 3700 Griechen in über 700 Hausern bewohnte Stadt besaß ein ärmliches, elendes PostHaus, in dem wir ver, gebens ein Essen verlangten. Wir priesen noch unser Glück in einer schmutzigen Schnapskneipe neben der Hefe deS Volks ein schlechtes Mahl zu finden. Kein einziges Wirthshaus war vorhanden. Bald saßen wir wiederum auf unserm mit einer Trijuga bespannten Schlitten und fuhren der nogaischen Steppe zu. Mariupol gehört mit seinen 34 ebenfalls von Griechen bewohnten Dörfern zu dem taganrog'schen Kreise und hat, seitdem der Handel sich nach der Nordküste des schwarzen Meeres gezogen hat, ungemein verloren. Die Griechen fangen deßhalb auch an andere Nahrungszweige zn ergreifen, und versuchen nicht umsonst dem dürren Boden Ertrag abzugewinnen. Ihr Land gehörte früher den Nogaiern, dem Reste der einst machtigen Bewohner des Reiches Kiptschach, das eine lange Zeit nach dem Untergange der goldenen Horde in der Krim blühte und mehreremal das in innern Kämpfen zerrissene Nußland an den Rand des Unterganges brachte. Damals bewohnten betriebsame Menschen in großer Anzahl die Nordküste des asoss'schen Meeres und die letztere selbst führte im Gegensatze zu dem großen Stammlande der Nogaier im Osten den Namen der kleinen Nogaia. Es ist schmerzlich, wenn man jetzt die öden und verlassenen Gegenden betritt und vergebens die Cultur sucht von der schon Herodot spricht. Von den mächtigen Völkern finnischen, indo-europaischen und türkischen Stammes findet man keine Spuren mehr, und nur die traurigen Ueberreste einer türkisch» mongolischen Verschmelzung bezeugen die zuletzt untergegangene Größe. Ob die Bemühungen der russischen Regierung, den alten 53t Glanz wieder herzustellen, mit Erfolg gekrönt werden, wird die Zeit lehren. Sie hat weui.qstens weder Mühen noch Kosten gescheut, um das Land der alten Barbarei zu entreißen. Deutsche Colonien, die sich besonders au der Maloschna vorfinden, haben glücklich angefangen den seit einigen Jahrhunderten tragen Boden umzuarbeiten und ihm ihre Früchte anzuvertrauen. Leider habe ich mich selbst nicht von ihrem Wohlstand überzeugt, aber die Aussagen glaubwürdiger Zeugen schilderten mir den im hohe» Grade erfreulichen Zustand unserer Landsleute. Ein warmes Stübchen der erste» über Mariupol gelegenen und vier Meilen entfernten Schilfsiation (Kamüschewatskoje) bestimmte uns hier zu übernachten. Der große russische Ofen nahm fast den ganzen Raum des Zimmers ein und hatte den Tag zum Vrodbacken gedient. Er war nur einige Fuß hoch aber sehr brclt und erlaubte der ganzen Familie meines Wirthes auf ihm sein Nachtlager zu halteu. Diese Art Oefen unterscheiden sich in nichts von den schon mehrfach erwähnten und bewiesen sich in diesem sirengen Winter im hohen Grade den Bewohnern brauchbar. Für die Reisende« hatten sie aber denselben Nachtheil, den ich schon angeführt habe, zumal man hier »och gezwungen ist aus Mangel an Holz der Steppenkränter sich als Brennmaterial zu bedienen. Anderthalb bis zwei Stunden sind nothwendig, ehe man dem Zimmer eine nur eiuigermaßen ertragliche Temperatur ertheilen kann; in der Zeit suchten wir uns dann au dem HModernden Feuer des Herdes, an dem ich gewöhnlich einen Theil unseres mitgebrachten Vorrathes zubereitete, einigermaßen zn erwärmen. Am 9 Januar betraten wir das taurische, vorzüglich von Nogaieru bewohnte Gouvernement und befanden uns demnach nördlich von der Krim, die ebenfalls zn ihm gehört. Die Hauptstadt der Nogaier führt den Namen Nogaisk und liegt von Mariupol 13 Meile» westlich. Wir kamen Mittags in ihr an und erfreuten uns wenigstens an dem warmen Stübchen, das sich daselbst vorfand. Im Allgemeinen waren die Häuser freundlicher als in russischeu Orten und boten in der winterlichen Steppe eine angenehme Erscheinung dar. Eine Moschee schmückte daS Stadtchen, und eine Baumschule, welche die Krone angelegt hatte, bezeugte dle Bemühungen der russischen Negicrmlg hier Wälder 34" 53s ünzulegitt. Leider geschehen nur sehr häufig in der Wahl der Beamten Mißgriffe. In dem nogaischen Dorfe Dschugot-Dscherek 8^ Meilen westlicher übernachteten wir bei einer Nogaierfamilie. Trotzdem die Nogaier sich zum Islam bekennen, werden die Frauen weniger der Oessent« lichkeit entzngen, und unverschleiert und selbst ohne eine Verlegenheit kund zu geben gingen Mädchen und Frauen an uns vorüber. Wenn auch Vielweiberei nlcht verboten ist, so besitzt doch der Mann in der Regel nur eine, selten zwei oder drei Frauen. Möglich, daß Armuth am meisten auf die Nothwendigkeit der Monogamie hingedeutet hat; die Nahe der Russen und Deutschen so wie die Bemühungen der Regierung haben sie zuerst aber eines Bessern belehrt. Die Nogaier des taurijchen Gouvernements unterscheiden sich wesentlich von denen, die ich in Ciskaukasien kennen gelernt -habe, und während die letztern durch kriegerischen oder wenn man will durch räuberischen Sinn und (besonders die, welche jetzt auf Tscherkessiens Gebiete sich niedergelassen haben) durch Energie und Tapferkeit sich auszeichnen, sind die der nogaischen Steppe oder der kleinen Nogaia friedliebend, ruhig und harmlos. Auch in körperlicher Hinsicht zeigen sie sich verschieden, lndem sie mehr die Constitution des großen Finnenstammes, zu dem sie ge» hdren, besitzen. Mehr klein als groß, von untersetzter Statur, abgerundetem Gesichte und Gliedern besitzen sie schwarzes zwar nicht gekräuseltes, aber auch nicht geschmeidiges Haar, unbedeutend hervorstehende Backenknochen und zwar kleine, aber weniger geschlitzte Auge». Viehzucht ist die einzige Beschäftigung der Nogaier, und einzelne Familien zeichnen sich durch große Schafheerden aus. Hier und da haben auch russische Großen Land gekauft und dieses besonders zur Schafzucht verwendet. Man hat die Steppenschafe verbannt und dafür unsere durch spanische Merinos veredelten Thiere allgemein eingefühlt. Wenn ich meinen freilich nur oberflächlichen Untersuchungen trauen darf, so scheint mit der Zeit die eingeführte Race wiederum schlechter zu werden, denn die Wolle war zum großen Theil kaum unserer thüringisch-sächsischen Mittel-sorte gleich. Die Dörfer der Nogaier führen den Namen Auls und sind meist an dem Rande der Erhöhungen, welche sich von Norden 533 nach Süden hinziehen, erbaut. Sie bilden aber durchaus nicht ein ununterbrochenes Ganze, sondern die Hänser liegen nur truppweise zu drei bis fünf beisammen. Unser nächstes Nachtquartier Mulnanoi war zwar «ur 12'/. Meilen von Dschugor-Dscherek entfernt, allein ein starker Wind, der die Wege verwehte und das Unglück eines Postknechteö. der einen Tag lang in der Irre herumgelaufen war und beide Füße erfroren hatte, bestimmten uns schon zeitig, als eben die Sonne im Westen unterging, für heute unsere Neise zu beendigen. Der arme Teufel ganz erstarrt hatte, als er endlich die Poststation aufgefunden, des warmen Ofens sich erfreut, auf ihm alsbald sein Lager aufgeschlagen und dadurch den unglücklichen Znstand hervorgerufen. Nach 5V. Meilen Wegs kamen wir am N Januar Vormittags nach — Anhalt-Kochen. So heißt nämlich eine große Schäferei des Herzogs dieses Namens. Aus weiter Ferne erblickten wir schon die stattlichen Wirthschaftsgebaudc. ^0,000 Stück Merinoschafe (wie man sagte) befanden sich in den weitläufigen Ställen der Schaferei. Ein Inspector, der den Namen Rath führt, steht dem Ganzen vor und bildet mit dem Pfarrer und Arzte die gebildete Welt des einsamen Gutes, das ans zwölf Hauptgebäuden besteht. Unter ihnen befand sich auch ein großes steinernes Wirthshaus, das aber außer den kalten Zimmern uns nur wenig darzubieten vermochte. Nach acht Meilen gelangten wir an dcn Dnepr und fuhren mit unserm Dreigespann über dcn breiten, damals gefrornen Fluß nach dem Städtchen Bereslawl, um dort endlich nach langem vergeblichem Herumlaufeu bei einem Juden ein einigermaßen erträgliches Logis zu finden. Der Dnepr bildet die Gränze zwischen dem taurischen nnd cherson'schen Gouvernement u»d ist leider nicht auf die Art benützt, als er wegen seines Wasserreichthums seyn könnte. Das östliche Ufer ist flach, das westliche hingegen erhebt sich steil. Trotz des häufig eingetretenen Unglücks hat man den schlechten und jähen Weg nach dem Städtchen unverändert gelassen. Vermöge seiner hohen Lage ist Bereslawl vor den häufig im Frühjahre eintretenden Ueberschwemmungeu vollkommen gesichert. ES soll gegen 500 Häuser und 1400 Einwohner zahlen. Schon zeitig legten wir am andern Morgen (l2 Januar) den zehn Meilen weilen Weg bis Cherson zurück und beschlossen dcS a&t unfreundlichen Wetters wegen hier zu bleiben. Schneewolken hatte,, den ganze»! Himmel bedeckt, und immerwährend herunterfallende Flocke» verfinsterten die Luft so, daß man nur wenige Schritte vor sich zu sehen vermochte. Das freundliche, wenn auch theure Logis, das wir bei einem Nachkommen von Abrahams Geschlechte vorfanden, bestimmte uns in Ruhe daselbst zu verweilen und unsere Empfehlungen nicht zu benutzen. Den Dnepr, an dessen rechtem Ufer wir entlang gefahren waren, hatten wir der dichten Schneedecke halber gar nicht gesehen. Die Entfernung von Cherson bis nach Nikolajeff, dem Winterquartiere der Kriegsflotte im schwarzen Meere, betragt nur 8'/. Meilen, und schon Mittag langten wir deßhalb daselbst an. Der Fürst hatte hier Bekannte, in deren Kreisen wir zwei vergnügte Tage verlebten. Wir erholten uns schnell von den großen Entbehrungen und Mühen, welchen wir eine längere Zeit ausgesetzt gewesen waren. Il, Nikolajeff wurde das neue Jahr gefeiert und unsere neuen Freunde verschafften mir die Freude auf einem großen Ball, den eine Gesellschaft aus den Honoratioren bestehend gab, viele interessante Männer kennen zu lernen. Es war dieses das erstemal, wo ich in Rußland eiue geschlossene Gesellschaft ähnlich den misri-gen vorfand, und wie bei uns herrschte auch hier allgemeine Fröhlichkeit. In der Winterszeit ist die Stadt sehr belebt, da die Mannschaft der vier Seedivistonen (16 bis 18 Kriegsschiffe mit den dazu gehörigen Fregatten und Schaluppen) hier ihre Winter, quartiere bezieht. Der Contre-Admiral (General Lasaress) ist zugleich Gouverneur der Stadt. Sämmtliche Seeoffiziere, die kennen zu lernen mir die Ehre wurde, zeichneten sich durch feine Bildung und Kenntnisse aus. Die Stadt hat erst seit dem Frieden von Hunkiar-Skelessi im Jahre 18^8, in welchem das schwarze Meer als russisches Binnenmeer festgesetzt wurde, und mit der Bildung einer grdßern Kriegsflotte seine jetzige Ausdehnung erhalt?». Sie liegt an dem Einfluß des Ingul in den Vng, der hier meerbusenahnlich sich zu erweitern beginnt und dadurch den Schiffen einen bequeme» und sichern Zufluchtsort darbietet. Erst 12 bis 13 Meilen südlicher ergießt er sich in das Meer. Nikolajeff ist weitläufig auf dem etwas erhobenen Terrain erbaut, hat ungefähr eine Stunde im Ü35 Durchmesser und besitzt außer den 6000 Ma,,n Militär 14,000 siehende Einwohner. Die Straßen laufen gerade und schneiden sich im rechten Winkel. Die Häuser stehen einzeln, sind meist einstöckig und stets durch einen grdßern oder kleinern Hofraum von einander geschieden. Leider ist keine Straße gepflastert und im Frühjahre, wenn der Schnee schmilzt, kann man sich kaum auf die Straße wagen ohne Gefahr zu laufen daß man stecken bleibt. Nahe an der Stadt befindet sich für die Flottenofficiere eine ausgezeichnete Sternwarte, welche zum Director einen der tüchtigsten Astronomen, den Professor Knorre aus Dorpac, besitzt. Seiner Freundlichkeit verdanke ich es, daß mir die großartige Anstalt bis in ihre kleinsten Details bekannt wurde. Am 15 Januar fuhren wir über den breiten Bug unserm Ziele Odessa zn und beschlossen trotz der strengen Absperrung wegen der dort noch herrschenden Pest einen Versuch z„ machen eingelassen zu werden. Ich hatte in Nikolajcff gute Nachrichten darüber erhallen und glaubte deßhalb ohne gefährdet zu seyn mit dem fürchterlichen Uebel mich näher bekannt machen zu können. Ich freute mich sogar die gefesselte Krankheit in der Nähe zu scheu und sie selbst in ihren Eigenthümlichkeiten zu betrachten. Denselben Tag fuhren wir noch 7^ Meilen und übernachteten in der freundlichen Station Koblewa, um am andern Morgen noch die letzten 6'^ Meilen Wegs zurückzulegen. Mittags kamen wir vor der Barriere an. Alles hatte schon lange die Nähe des schonen und reichen Odessa angezeigt; die PostHäuser wurden allmählich elegant, und hier und da, besonders am Meere, fanden sich Landhäuser und Anlagen vor. Trotz der Absperrung herrschte ein reges Leben auf der Straße und die Menschen wogten hin und her. Es ergriff mich doch ein eigenthümliches Gefühl, als ich vor der Barriere stand und um die Erlaubniß nachsuchte die verpestete Stadt betreten zu dürfen. Noch war es Zeit umzukehren. Seit dreißig Tagen war kein neuer Fall vorgekommen und seitdem herrschte in der Stadt die größte Sicherheit. Vierzehn Tage (sagre man) sollten die Thore ge, schlössen bleiben und dann hoffte man wieder uneingeschränkt aus-und eingehen zu können. Das Thor wurde geöffnet und ich fuhr mit meinem fürstlichen Begleiter durch die Vorstadt der Höhe zu. 536 auf der die eigentliche Stadt liegt. Dort gingen die Menschen durcheinander als wenn eben gar nichts vorgefallen wäre. Achtunddreisngstes Capitel. Odessa? Uückreise. Freundlich« Aufnahme; der preuLlsche Consul Walthcr; Fürst Galchyn; pk'as Edottn^; geselliges Leben; Luxus; Geschichtliches; Joseph de Nibas; Herzig von Richelieu; Häusel- und Einwohnerzahl; Freihafen; AuSsuftr; Einfuhr; ^cst; die 'peslauartiele; Quarantäne; Pest. Gottesacker; die Pesihäuscr; Erdbeben; vorauögeftende Crschriuuugen; Abreise; Stewenfeuer. der übergetretene Vng; Fürst ^ainaNizen; Uebersahrt; Ölbiopol; Nowo.-Mlrgorod; Ukraw«; Swjäta Kicff; d!cFestung; die KaNiedrale; 'Mesierschmult; daü Älosier und die Katakomben; die 6l0sate» des Düepr; Arsenal; HUtM.-Mi< Spitäler 40 und die der Fabriken 34. Außer dem gewöhnlichen Hafen besitzt Odessa noch einen für die Kriegsschiffe und einen für die Quarantäne. Die 53,800 Einwohner bestehen aus 102 Geistlichen, 5275 Edelleuten und Angestellten, 78 Ehrenbürgern, 229 Kaufleuten erster Gilde, 477 Kaufleuten zweiter Gilde, 2939 Kaufleuten dritter Gilde, 35,387 Bürgern, 3313 Ausländern, 2126 Colonisten (Arbeiter der Vorwerke und Ansiedelungen), 234 verabschiedeten Soldaten und aus 3l,l»2 verschiedenen andern Leuten. Die Zahl der Lehr- und Schulanstalten ist nicht gering und 540 beträgt mit Einschluß des Lyceums und Gymnasiums 22. In ihnen werden gegen 2400 Zöglinge und Schüler unterrichtet. Odessa ist Freihafen und alle Waaren, die eingehen, sind nur einem unbedeutenden meist städtischen Zolle unterworfen. Eine strenge Zolllinie sperrt deßhalb die Stadt von dem übrigen Lande ab und macht die Ausflüge in die nächste Umgebung schwierig. Als Handelsstadt ist sie unstreitig im hohen Grade wichtig und bildet nächst Petersburg den wichtigsten Seehafen Rußlands. Keine zweite Stadt vermag auch auf den ganzen weiten Küsten des schwarzen und asoff'schen Meeres mit Odessa zu wetteifern und sie war auch früher, als Redutkaleh noch nicht verschlossen war, wichtiger für den asiatischen Binnenhandel. Jetzt beschrankt sie sich fast hauptsachlich auf die Ausfuhr russischer Erzeugnisse, besonders Getreide, Talg und Wolle. Die Einfuhr au Colomalwaareu, Tuch, Linnen u. s. w. beträgt an Werth etwas mehr als die Hälfte der Ausfuhr. Hiervon wird wiederum über die Hälfte in Odessa verbraucht, das übrige wird erst in das Innere Rußlands verführt. Im Jahre 1837 kamen 797 Schiffe mit Waaren von 5,700,000 Thaler Werth in Odessa an und 785 gingen mit Waaren von 9,900,000 Thlr. Werth ab. Der wichtigste Gegenstand des Handels war wie früher Weizen und von ihm wurden nicht weniger als 953,000 Tschetwert (zu 12—18 Rubel Ass., d. i. 3^—5^ Rthlr.) ausgeführt. Die Haupthafen wohin er gebracht wurde, waren Livorno, Genua und Marseille, nnr wenig kam nach England. Außerdem waren noch 200,000 Tschetwerl in der Stadt, aber schon verkauft; die übrigen Ausfuhrartikel betrugen: 1. An Roggen 721,000 Tschetwert (zu 2—3 Nthlr.). '/, davon ging nach Amerika, der übrige nach den Hafen des Mittclmceres und nach Holland. 8000 Tschetwert lagen noch vorräthig da. 2. An Gerste 45,000 Tschetwert (zu 1^—2^ Rthlr.). Diese wurde grdßtentheils nach Algier verkauft. 3. Die 13,000 Tschetwert Hafer (zu 1'/,—2 Rthlr.) gingen meist nach England. Vorräthig lagen noch 10,000 Tschetwert. 4. Die 7 7,000 Tschetwert Mais (zu2—3 Rthlr.) wurden nach Triest imd den Häfen Italiens verführt. An Von ach fanden sich noch 15,000 Tschetwert vor. b. An Leinsamen gingen 74,000 Tschetwert (anfangs zu 7^, spater zu 5'/. Rthlr.) „ach England, weniger nach Holland und den 54t Häfen des Mittelmeeres. Vorrathig blieben noch 10,000 Tschet-wert. Für das nächste Jahr waren wiederum schon 15,000 Tsch. zu 5 Rthlr. verkauft. k. Die Ausfuhr an Hanf hat sich ebenso vermindert, als sich die des Leimsamens vermehrt hat. Es wurden kaum 8000 Centner (24,000 Pud) verkauft. 7. Auch die Ausfuhr an Pottasche hat nachgelassen, zumal der Preis des Puds (ungefähr 34 Pfund) in kurzer Zeit von 2'/, auf 1'/, Rthlr. siel. ES wurden demnach nur 17,000 Pud nach England und den Niederlanden verführt. 8. Der Holzhandel ist trotz der weiten Entfernung russischer Wälder immer noch bedeutend und vorzüglich sind viel Latten, Wage,ischossen, Mäste nach Frankreich, England und den Niederlanden gegangen. 9. Die 305,000 Pud (über 100,000 Centner) Talg (anfangs zu 2'/>, spater zu 3'/, Rthlr.) sind nach England ausgeführt worden. 10. Die Ausfuhr an Hauten hat bedeutend abgenommen, da man jetzt angefangen har sie in Rußland selbst mehr zu verarbeiten. Es wurden nur 9000 Pud ausgeführt. 11. Die Geschäfte in Wolle haben sich gleich erhalten und es wurden im genannten Jahre 95,750 Pud besonders nach England und Frankreich verkauft. Dle Einfuhr betrug 19,000,000 Rubel (6,300,000 Rthlr.), aber davon wurden für 10,000,000 in Odessa verbraucht. Die übrigen Waaren an Werth 9,000,000 Rubel brachten gegen 1'/, Mill. Rubel ein. Die wichtigsten Einfuhr-Artikel waren: j. Manufacturwaaren für 4,000,000 Rubel Werth. 2. Zucker- und Materialwaaren 52,000 Pud. 3. Rohstosse (besonders Seide und Baumwolle) "0,000 Pud. 4. Olivenöl 67,000 Pud. Ich habe schon oben gesagt, daß die Anwesenheit der todbringenden Pest den fröhlichen Sinn der Odessaer nur in den ersten Tagen ihres Seyns verscheuchte und eine schauerliche Stille hervorrief. Den guten Maaßregeln, der Energie und der Aufopferung des Generalgouverneurs Grafen Woronzoff verdankt es die Stadt, daß die Pest, welche im Anfange mit furchtbarer Heftigkeit ausbrach, schon zeitig auf ihrem verwüstenden Marsche ge- 54% hemmt und bald wiederum verwiesen wurde. Von den 12t Kranken, die plötzlich ergriffen wurden, sind leider nur wenige besonders durch die dortlebenden deutschen Aerzte gerettet worden. Wie die Nachricht des ersten Pestfalls zn den Ohren des Grafen kam, wurde sofort die Moldawanka, wo die Pest zuerst ausbrach, aufs engste von einem Cordon umschlossen und ein zweiter umgab die ganze Stadt. Zwei Tage laug dnrfte niemand außer mit einer militärischen Begleitung sein Haus verlassen. Jedermann wurde beordert seinen eigenen Gesundheitszustand und jeden Kranken, den er wußte, anzugeben. Die letztern, gleichviel welches Leiden sie hatten, wurden für verpestet erklärt und mußten eine bestimmte Anzahl Tage Quarantäne halten. Kopfweh und Uebelkeit waren die Vorboten der Pest und bei vielen stellten sich aus Angst die genannten Zufalle ein. Wohl oder übel, zumal auf jeder Uebertretung der Tod stand, stellte sich ein jeder der krank zu seyn glaubte. Es geschah dieses selbst da noch als die Verpesteten bereits isolirt waren und innerhalb der Stadt völlige Freiheit herrschte. Mit der Einziehung des achten oder Scheinkranken war es aber noch nicht abgethan, denn die betreffenden Behörden sperrten auch alle die ein, welche den Abend vorher mir jenem umgegangen waren. Aber auch nur mlt dieser Vorsicht war es möglich der Pestilenz so bald Herr zu werden. Nur drei eremplarische Strafen wurden in Erecutiou gebracht. Eln Jude hatte Kleider von Pestkranken verheimlicht, ein zweiter einen Pestkranken verborgen und ein dritter, ein unglücklicher Bräutigam, der um für seine Braut Einkaufe zu machen, nach Odessa gekommen war, versuchte in einem Heuwagen durch den Cordon zu kommen. Durch die liebenswürdige Freundlichkeit des Generalgouver-neurs wurde es mir gestattet die Pcstquartiere in Augenschein zu nehmen. Sie bestehen aus vier abgesonderten Theilen, die wiederum durch eine große Mauer mit einander verbunden sind, und liegen nur wenige Minuten von der eigentlichen Stadt entfernt am Meere. Durch ein Thor, das wie die übrigen streng bewacht wird, gelangte ich in das erste Quartier, das von den niedern Quarantancbeamten bewohnt wird. In dem innern Raume wurde mir das Hauschen gezeigt, in dem der erste Mann an der Pest erkrankte. Durch ein zweites Thor kam ich in einen großen HH3 geräumigen Hof, in dem ein großes Gebäude, die Quarantäne-Kanzlei, sich befand. Hier erhielt ich einen Arzt und mehrere Soldaten zu Begleitern und trat nun in die erste oder freie Quarantäne, die mit dem einen Hafen in Verbindung sieht, ein. Soldaten mit Kvlbenstöcken nahmen mich in einer Entfernung von 5 bis 6 Schritte in ihre Mitte und folgten mir allenthalben auf gleiche Weise. Jede Berührung eines Menschen wurde mir aufs strengste untersagt und selbst die Betastung eines in einem großen Waarenlager aufgehäuften Stückes hätte mich zu mehrwöchentlichcr Quarantäne verurtheilt. Ein großer Damm, an welchem fortwahrend viele Menschen arbeiteten, führt in das Meer zu den einzelnen, ebenfalls Quarantäne haltenden Schiffen. Jedes Fahrzeug das von der türkischen Küste oder von den Dardanellen kommt, muß hier einlaufen, um seinen Waaren die nöthige Reinigung zukommen zu lassen. Es geschieht dieses wie mit den Menschen in besondern Zimmern durch ein Gas, das aus Schwefelsäure, Kochsalz und Magnesia bereitet wird. Die Matrosen bringen in der Regel hier die ganze Zeit ihres Aufenthaltes zu und vergnügen sich unter sich besonders in dem zu diesem Zwecke erbauten Kaffeehause. Reisende, welche die Stadt betreten wollen, müssen in dem dritten Quartier der bestimmten Quarantänezeit sich unterwerfen. Alle vier Monate werden die hier befindlichen Soldaten abgelöst und ändern dann, insofern sie alle Berührung mit Matrosen und Reisenden vermieden haben, ihre Kleidung. Die Passagier-Quarantäne liegt seitlich auf der Höhe eines unbedeutenden Berges. Ein steiler Weg führt auf die Höhe auf der sich die einstöckigen Quarantanehauser nach dem Meere zu befinden. Die Zimmer waren zwar klein, aber reinlich und in der besten Ordnung. Ein Verschlag hinten und vorn sperrte die Wohnungen noch mehr ab, und bis zu diesem war cs erlaubt sich zu nähern, um sich vielleicht mit den Quarantanehaltenden zu unterhalten. , Außerdem finden sich noch kleine Räume mit Kugelakazien bepflanzt vor und auf ihnen ist es den Abgesperrten erlaubt spazieren zu gehen, ohne sich aber zu berühren. Ein Wirthshaus ganz in der Nähe trägt für die Beköstigung der Fremde» Sorge. Die Höhe des Berges nimmt das vierte oder eigentliche Pestquartier ein «nd der Weg dahin führt neben dem Gottesacker vor- 544 bei. Eine tieft weite Grube zeigte die Stelle, wo die 108 an der Pest Gestorbenen begraben wurden. Zu diesem Zwecke gräbt man innerhalb der Grube ein Loch und versteht dieses mit ungelöschtem Kalk. Hierauf legt man den Leichnam hinein und bedeckt ihn wiederum mit ungelöschtem Kalke. Nun gießt man Wasser darauf und bewirkt dadurch die völlige Zerstörung des Todten. Das eigentliche Pesiquartier erregt schon von weitem ein heimliches Grauen. Ungeheure Mauern umschließen den Raum und stumme Schildwachen verwehren mit vorgehaltenem Gewehr den schmalen Eingang. Manner mit schwarzen Mänteln von Wachsleinwand umgaben mich mit dem Augenblick, wo ich durch die enge Pforte eintrat in gehöriger Ferne, und bald darauf erschienen noch grausigere Gestalten, die Mortuos (Pestwärter) in schwarze Lederkleidung gehallt. Für geringen Lohn opfern diese kühnen, unerschrockenen Menschen ihr kurzes Leben und warten mit seltener Aufopferung den Kranken ab. Von den ursprünglich vorhandenen 14 Mortuos waren 6 der Pest selbst unterlegen. Einer derselben, immer 1l) Schritte von mir entfernt, führte mich zn den klelnen steinernen Pesthäuseru, die alle von einander geschieden waren. Nur drei Pestkranke mit zum Theil schon vernarbten Wunden fanden sich noch vor, und leider konnte ich der Entfernung halber die Beulen des einen nicht so deutlich unterscheiden als ich gern gewünscht hätte. Als ich nur einen Schritt vorwärts zu gehen wagte, faßte mich der Arzt mit ängstlicher Hast an meinen Kleidern, mich ausscheltend und zurückhaltend. So sah ich eben nichts als den ungeheuern Umfang und das zerrissene Aeußere der im Heileu begriffenen Beule. Ein Verschlag sperrt jedes der Hauser weiter ab und ein kleines Fenster führt uur kärgliches Licht m das Innere derselben. Leider ist kein Vorzimmer vorhanden und man tritt aus dem Vorhofe unmittelbar in das Krankenzimmer. Da mehrere der Pesthäuser frisch mit Kalk beworfen und an? gestrichen waren, wurde mir es erlaubt in das Innere eines derselben zu treten. Der Mortuos zeigte mir auch eine Stelle mit Backsteinen erhöht und von einem eisernen Geländer umschlossen, wo alle Kleidungsstücke der Kranken verbrannt wurden. Meine Brust wurde allmählich freier, als ich ernsten Schrittes den Rückweg autrat und «ach und nach die verschiedenen Quartiere durchwanderte. Gauz eigenthümlich war mir es aber zu Muthe, als 545 ich den traurigen Aufenthalt hinter mir hatte und fröhlich als wenn ich einer Gefahr entronnen wäre, wanderte ich der Stadt wiederum zu. Nicht minder interessant als die Pest war mir das Erdbeben , das plötzlich am ^3 Januar sich einstellte und mit eiuem-male alle Einwohner Odessa's in neue Sorge versetzte. Ich befand mich den Abend zwischen 9 nnd 10 Uhr mit meinem fürstlichen Freunde Suworoff in dem Wohnzimmer seiner fürstlichen Mutter nm diese selbst zu erwarten, als wir plötzlich ein Geräusch, als wenn ein Wagen über eine gepflasterte Straße fährt, vernahmen. Und doch war die Erde fast ein Fuß hoch mit Schnee bedeckt. Wir sahen uns erschrocken an, da fielen einige Bücher von einem nahen Gestell herab und der mitten in dem Zimmer hangende Kronleuchter bewegte sich von Südwest nach Nordost. Ein Erdbeben! rief der dieses Phänomen mehr kennende Fürst aus, und erschrocken sprangen wir von unsern nicht mehr festen Sitzen. Das Geräusch vermehrte sich von Secunde zu Secunde, es fielen einzelne Sachen von den Tischen herab und der Boden unttr uns fing an zu wanken. Im Vorsaale erhob sich eln Zetergeschrei der Dienerschaft und vor allem glaubten die Kammermädchen, daß der jüngste Tag heranbrcche. Es waren nicht Stöße die sich wie gewöhnlich von Zeit zu Zeit kund gaben, sondern es erfolgte eine zusammenhängende vibrirende Erschütterung, die zweimal bis zn einer gewissen Heftigkeit gelangte und dann sich wieder verlor. Wenn auch die Dauer des ganzen Erdbebens nicht volle 57 Secunden wahrte, so war sie uns doch eine Ewigkeit. Es ist cin infames Gefühl, wo es nicht möglich ist festen Fußes zu stehen und man gezwungen ist gleich einem Betrunkenen hin und her zu wanken. Unsere grauenvolle, Unglück verheißende Lage wurde noch sehr vermehrt als die feste Büste des Grafen Woronzoff gleich der steinernen Bildsäule in Don Juan zu nicken begann und eine zweite (ich glaube die des Grafen Capo d'Istrias) sich langsam herumdrehte. Zum Glück verloren sich die Erschütterungen schon gegen das Ende der ersten Minute nnd die Stadt Odessa kam mit einigen Beschädigungen und die Einwohner mit dem Schrecken davon. Die meisten Hauser, besonders wenn sie in der Nähe des Meeres sich befanden, hatten Risse bekommen, doch waren nur einige vorhanden, die bedeutend beschädigt worden waren. Die Älciftn nnd ^änderbcsämibungen. XXV. I5 (Neise nach Kankasien.) 546 Schildwachen sagten aus, daß sie deutlich die Hauser wanken gesehen hätten. Die dem Erdbeben vorausgehenden Erscheinungen sind nur unvollkommen beobachtet worden, da ja niemand das Unerwartete vermuthen konnte, wenn anch schon zehn Jahre früher Erdbeben und Pest ebenfalls zn gleicher Zeit sich eingestellt hatten. Das Barometer war den ganzen Tag über zwar sehr unrnhig, fiel aber nur unbedeutend; wahrend des Erdbebens hat es so viel ich weiß niemand beobachtet. Mehrere Tage lang blieb es fortwährend unruhig. Das Thermometer zeigte um 9 Uhr noch — 18" C., nach dem Erdbeben hingegen — 16" und stieg von da an bis zum andern Tag Mittag bis zu -^- 5" C. Von den vorausgehenden Erscheinungen wurde mir folgendes bekannt. Mehrere Damen wollen gegen Abend einen starken Geruch nach Schwefel beobachtet haben, und auf einem Landgute des Herrn von Stnrdza sah man wenige Minuten vorher eine Dampfwolke aus einem Brunnen emporsteigen. Alle Thiers befanden sich den Tag über in einer entsetzlichen Unruhe; die Hunde sollen mehrere Stunden vorher unaufhörlich gewinselt und die Pferde mit den Füsien gestampft haben. Auch eine große Anzahl von Damen, besonders der nervenschwachen, gab eine große Unruhe und ein eigenes Befinden kund. Eine Frau kam zeitig nieder, zwei andre verfielen in epileptische Zufalle und hielten das Ende ihrer Tage nicht mehr fern. Mit dem Anfang der Erschütterung fiel die eine mit großem Geschrei auf die Knie nieder und konnte der fürchterlichsten Angst nicht Herr werden. Auf alle Nervenschwachen hatte das Erdbeben einen uachthei-ligen Einfluß ausgeübt und allen Reconvalescenten wurde die Genesung um einige Tage verrückt. Eine Frau wurde wahnsinnig und eine andere verlor die Snmme; bei einem Manne stellten sich ebenfalls Zeichen einer Geistesverwirrung ein. Eine Menge lacherlicher Auftritte hatte das Erdbeben ebenfalls hervorgerufen. Trotz der nicht unbedeutenden Kälte waren aus mehreren Gesellschaften die leicht gekleideten Damen, ohne sich zur wärmer« Kleidung Zeit zu nehmen, auf die Straße gelaufen. Andere die zufällig gerade im Wagen saßen, hatten von dem Erd-beben gar nichts bemerkt und hielten entweder die Erzählung für Scherz oder geriethen plötzlich in den fürchterlichsten Schrecken. 547 Eine hockgestellte Dame las eben am Kamm in einem Romane die Schrecknisse der Hölle, als plötzlich ihr gegenüber eine Büste zu nicken begann und der Boden uitter ihr wankte. Einige, unter diesen Professor Nordmann, wollen noch einigemal hintereinander gelinde Erschütterungen beobachtet haben; trotz meiner gespannten Aufmerksamkeit ist es mir jedoch nicht gelungen etwas ahnliches zu bemerken. Es stellte sich allmählich gelinderes Wetter ein, und als das Thermometer einmal über dem Gefrierpunkte stand, war in einigen Tagen aller Schnee verschwunden. Wider meinen Willen mußte ich anstatt der vierzehn Tage welche zu bleiben ich mir vorgenommen hatte, zwei volle Monate in Odessa verharren. Es ist zwar Gesetz, daß jede verpestete Stadt mit dem letzten in ihr vorgekommenen Pestfall noch 40 Tage verschlossen bleiben muß, der Einsicht des Kaisers bleibt es aber vorbehalten noch näheres darüber zu bestimmen. So erschien plötzlich in Odessa der Befehl des Monarchen, die Stadt noch fernere vierzig Tage in Quarantäne zu halten, um so allem möglichen Unglück vorzubeugen. So unangenehm mir es auch war, so mußte ich mich doch in die Nothwendigkeit fügen, aber an demselben Morgen wo die Stadt geöffnet wurde eilte ich frohen Herzens durch die breiten Straßen Odessa's dem Thore zu, um nicht von neuem eine lange Zeit eingesperrt zu werden. Das schönste Frühlingswetter war bereits eingetreten und über mir wdlbte sich der Himmel in azurner Blaue. Mein Weg führte mich nach Petersburg, wo meine Sammlungen sich vorfanden, und zu diesem Zwecke fuhr ich in Begleitung eines deutschen Bedienten dem eisigen Norden zn. Die Richtung war aber im Anfang etwas östlich und der erste Ort den ich zu erreichen gedachte, war das durch seine Militärcolonieu bekannte Wosnesensk am Bug. Dieselbe Steppe, wie ich sie schon früher auf dem Wege längs der Küsten des asoss'schen und schwarzen Meeres bezeichnet habe, setzt sich auch im Norden fort, und der ebene, nicht einmal von Hügeln unterbrochene Boden macht mit seiner schwarzlichen Farbe einen traurigen Eindruck. Die nackten Stengel der Artemisien, Senecionen, Umbelliferen u. s. w. trugen noch dazu bei diesen zu vermehren. Nur hie und da trat mir durch den Umstand eine andere Erscheinung entgegen, daß man 35* 548 die Pflanzenüberreste angezündet hatte und die helllodernde Flamme von dem Winde rasch weiter geführt wurde. Als ich schon in weiter Ferne die Rauchwolken aufsteigen sah, wähnte ich, daß irgend ein bedeutender Ort dem verzehrenden Elemente preisgegeben sey und fragte erstaunt den mich führenden Postkuecht. Es war schon Mitternacht eingetreten als ich in dem Dorfe Kantakuzen diesseits des Bug ankam und das freundliche Wosne-sensk jenseits des Flusses im Mondenscheme wahrnahm. Die Entfernung von Odessa bis hierher betragt 138 Werst, also gegen zwanzig deutsche Meilen. Leider war der Bug übergetreten und in der Mitte selbst noch mit einer Eiskruste bedeckt. So war ich denn zum zweim,-male in meiner Reise aufgehalten. Eine Iudenfamilie nahm mich in ihrem aus einem einzigen Zimmer bestehenden Hause auf und neben schmutzigen zum Theil nackten Kindern war ich gezwungen mich einzuquartieren. Vergebens hoffte ich am andern Morgen als es Tag geworden war, über den breiten Fluß zu kommen; der hier herrschende Fürst Kantakuzen hatte jede Neberfahrt um Unglück vorzubeugen sireng untersagt. So fand ich mich in einer traurigern Lage als je und dieHoffnung noch nicht aufgebend, wanderte ich dem Ufer auf und ab. Traurigen Herzens kehrte ich in meine Spelunke zurück. Da erschien ein vornehm gekleideter Diener und ersuchte mich im Namen seines Herrn ihn zum Schlosse zu begleiten. Der Fürst Kantakuzen, ein Grieche von Geburt, bot mir bei sich ein freundliches Logis an. Schnell warf ich mich in andere Kleider, nachdem ich zu diesem Zwecke die ganze Iudenfamilie aus ihren vier Mauern herausgejagt hatte und folgte der unerwarteten Einladung. Der Fürst, ein ehrwürdiger Greis, empfing mich an der Thüre und führte seiuen hungrigen Gast zuerst in das Speisezimmer, um ihm hier die erste Erholung Zu gönnen. Das ist russische Gastfreundschaft, die ich schon oft laut gepriesen habe und stets preisen werde. Der Aufenthalt in dem Dorfe Kantakuzen, das nach dem Fürsten den Namen erhalten hatte, wurde mir doch lehrreich, da der Herr desselben die ganze Zeit durchlebt hatte, in der allmählich wiederum Cultur den öden und verlassenen Gegenden zugeführt wurde. Er hatte selbst einmal in einer der Fischerhütten da wo jetzt Odessa 649 steht eine Nacht zugebracht, er hatte die mächtige Stadt entstehen und wachsen sehen. In seiner ersten Jugend verließ er sein schönes, damals noch tief gedrücktes Vaterland, um in der Fremde sich ein neues zu suchen. Als nach der Einverleibung des Otscha-koff'schen Bezirks die Nogaier von Vudschak ihre Wohnplatze verließen um sich größtentheils in Vessarabien niederzulassen, war die russische Regierung schnell daranf bedacht das Land wiederum zu bevölkern und verschenkte den Boden mir freigebiger Hand an die Großen ihres Reiches. Die Bedingung ihn zu bearbeiten schreckte den weist länderreichen Adel Rußlands ab und vergebens suchten einige die 500 bis 1000 Dessatinen Landes, welche sie vielleicht gegen ihren Willen erhalten, wiederum zu veräußern. Doch wer damals er- und behalten, ist schnell ein reicher und mächtiger Grundbesitzer geworden. Viele derselben versetzten einen Theil ihrer Leibeigenen hierher, andere dagegen lockten Juden aus Polen, ihnen goldene Berge verheißend nach den verlassenen Gegenden. Die meisten Herren überließen ihre Besitzungen mehr oder weniger dem Geschick, und nur wenige beciftrten sich ihrem Versprechen nachzukommen. Noch vor vierzig Jahren vermochte der dasige Adel nicht unter sich ein geselliges Leben zu führen, und um einstens einen Ball zn Stande zu bringen, war man gezwungen die Jüdinnen einzuladen. Bei näherer Besichtigung des Znstandes des Flusses sah ich wohl ein, daß hier an ein Ablaufen des Wassers nicht zu denken sey, und da noch dazu ein heftiger Wind jede Ueberfahrt über den mit Eisschollen bedeckten Fluß wenn auch nicht unmöglich doch höchst gefahrlich machte, so beschloß ich, um nicht unnütz hier noch Tage und selbst Wochen zn verlieren, an dem Bug aufwärts zu gehen bis ich endlich einen Uebergaug ausfindig machen konnte. Trotzdem ich erst sehr spät um vieles Geld von einem Juden Pferde erhielt, so beschloß ich doch noch am 12 März gegen Abend mein Heil zu versuchen und fuhr zunächst dem zehn Meilen entfernten Olbiopol zu. Im Sommer mögen die Ufer des Bug freundlicher seyn, im Winter jedoch oder im ersten Frühling geben sie dasselbe traurige Bild, das mir sonst die Steppen darboten. Auf der Mitte des Weges dahin beginnt das Land allmählich hügeliger zu werden. Ich fuhr einen Theil der Nacht hindurch und hatte häusig das schöne Bild eines Steppenbrandes 530 vor mir. Es war ein wundersam-prächtiges Schauspiel. Der blutroth gefärbte Himmel, zu dem dichte Dampfwolken aufstiegen, über mir und vor mir die hüpfenden Flammen des helllodernden Feuers. Mehrmals scheuten meine Pferde zurück. Ich war gezwungen in einem elenden Dorfe meine Zuflucht zu nehmen. Am Morgen des 13 März kam ich in dem Dorfe, das Olbiopol gegenüber liegt, an und fand zwar den Fluß durch die hohen Ufer in sein Vett eingeengt, allem Treibeis machte die Uebersahrt höchst gefährlich. Sollte ich hier wiederum eine Zeit vertrauern oder noch weiter nordwestlich gehen und so einen bedeutenden Umweg machen? Das waren die Fragen welche ich mir stets vorlegte. Endlich erboten sich vier starke Russen für erhöhten Lohn mich auf das jenseitige Ufer zu führen und so ergab ich mich bangen Herzens ihrer sichern Leitung. Mit großer Geschick-lichkeit wichen die vier muthkgen Männer allen Gefahren aus und brachten mich endlich nach vielen Mühen glücklich an das jenseitige Ufer. Das Stadtchen Olbiopol hat mit der einst mächtigen und glücklichen Olbia, ihrer Namensschwester, die mit großem Recht ihren Namen führt, nichts weiter gemein als eben den Namen. Für mich verdiente sie allerdings eine glückliche Stadt genannt zu werden. Sie konnte mich unmöglich bestimmen längere Zeit in ihr zu verweilen. Sie liegt an dem Einfluß der Simucha, die Podolien von dem Cherson'schen Gouvernement scheidet. An demselben Tage legte ich noch einen Weg von 15 Meilen bis zu der neuen Friedeusstadt (Nowo-Mirgorod) zurück und übernachtete in einem mittelmäßig eingerichteten Wirthshause. Die Gegend jenseits (nordöstlich) des Bug ist weit mehr angebaut als die welche ich eben verlassen hatte, und allenthalben traten mir freundliche Dörfer, hie und da auch schon Vamnanpflanzungen entgegen. Nowo-Mirgorod besitzt sogar eine Allee von italienischen Pappeln besetzt und zeichnet sich sonst durch die unbehaglichste Weitläufigkeit, wie sie kaum irgend eine andere Stadt Rußlands besitzt, aus. Das große weite und zum Theil öde russische Reich scheint auch seinen einzelnen Theilen den ihm eigenthümlichen Charakter eingeprägt zu haben. Man will eben selbst im Kleinen großartig seyn und Städte von bedeutendem Umfang haben. Mir fallen immer meine Iugendspiele mit hölzernen Häusern ein, wo 551 ich diese auch recht weit von einander stellte, um ein recht großes Rom zu besitzen. Nowo-Mirgorod liegt an einem kleinen Flüsichen und bildet das Gränzstadtchen im Norde» des Cherson'scheu Gouvernements. Dieses, so wie das taurische Gouvernement und das von Iekate-rinoslaw bildet die Provinz Neurußland, von der Graf Woronzoff Generalgouverneur ist. Vessarabien südlich von Odessa bildet zwar eine eigene Provinz, steht aber ebenfalls unter dem Grafen. Jenseits des kleinen Flüßcheus beginnt die fruchtbare Ukraine, vielleicht die ergiebigste Provinz des europäischen Rußlands, und wie mit cincm Zauberschlage änderte sich der Charakter der Gegend. Fast alle halbe Stunden begegneten mir freundliche Dörfer, deren Hauser nicht mehr das spelunkenähnliche Ansehen wie in Neurußland hatten und überall fand ich den Voden bebaut. Nirgends mehr wüste Steppe und an ihre Stelle traten sogar hle und da Wälder aus Eichen und Buchen bestehend. Ich vermag kaum meine Freude zu beschreiben, als ich das erstemal wiederum durch einen Wald fuhr. Die PostHäuser erscheinen mit cinemmale wohnlich, und wenn sie auch nicht mit denen in der Nahe von Odessa an Eleganz wetteifern können, so stehen sie doch an Brauch-barkeir vor. Stets fand ich das Fremdenzimmer geheizt und mit den nöthigen Möbels versehen. Sogar ein Canapee fehlte nirgends. Auch Brücken sah ich hier und da, wenn auch nicht immer in dem besten Znstande, so daß ich bei dem Städtchen Kortun, als ich über das Flüßchen Rosi fuhr, in dasselbe hineinsank. Nach 1572 Meilen Wegs bedeckte Nacht schon die Erde und ich war gezwungen in Schdpsenfeld (Varanje-Pole) zu übernachten. Ueber die Städtchen Taraschtscha, Weißkirchen (Vcloi-Zerkoff) und Wasilkoss, in denen viel Verkehr zu herrschen schien, kam ich am 15 März glücklich nach einem Wege von über 19 Meilen ,iach Wjata, der letzten Station vor Kiess, und beschloß, um einestheils eine Ansicht der Stadt zu erhalreu, anderntheils die Mühen um ein Nachtlager in einer grdßern Stadt kennend, hier zu übernachten. Leider haben auch in der Ukraine meist Juden die Posthauftr inne und verstehen meisterhaft den Reisenden das Geld abzunehmen. Aber doch war ich froh, wenn auch für vieles Geld ein leidliches Essen zu fmden. Ich hatte es wohl vorzüglich meinem Reisepaß, in dem mit deutlichen Worten stand, daß ich auf allerhöchsten Be- 552 fehl reiste, zu danken, daß ich stets so schnell expedirt wurde, ohne hinsichtlich der Pferde geprellt zu werden. Man glaubte eben, daß der Kaiser mich nach Odessa wegen der Pest gesendet habe und ich jetzt, um ihm zu rapportiren, in aller Eile Peters, bürg zureise. Ich war schlau genug, dem ersten Posthalter, der mich darum frug, Recht zu geben, und so wurde die Nachricht meiner Wichtigkeit durch die Postknechte von Station zu Station verbreitet. Reisende, selbst höhere Officiere, erzählten mir von den unglaublichen Chicanen der dortigen Juden. Nirgends sollen die Reisen wegeu der Juden kostspieliger als in den polnischen Provinzen und in der Ukraine seyn, und auf die schlaueste Weise weiß man das Geld herauszupreffen. *) Mit jeder Station näherte ich mich mehr dem Norden, und allmählich trat eine kalte Luft an die Stelle des freundlichen und milden Klima's von Odessa. Im cherson'schen Gouvernement war bereits aller Schnee verschwunden, allein mit dem Eintritt in die Ukraine erschien er allmählich wieder, bis er endlich vor Kieff so dick lag, daß man hatte Schlitten fahren können. Schon zeitig fuhr ich am 15» März Kieff, der ältesten Stadt Rußlands, die kaum drei Meilen entfernt liegt, zu, hoffte aber vergebens einen gleichen Eindruck, wie Moskau in mir hervorgerufen hatte und jcde deutsche alterthümliche Stadt stets hervorruft, zu erhalten. Eine ächt russische, d. h. eintönige, weitläufige Stadt sah ich schon aus der Ferne; nur die Festung vermochte etwas zu imponiren. Durch eine Empfehlung an den Generalgouverneur Bibikoff «nd durch die liebenswürdige Freundlichkeit desselben wurde ich in den Stand gesetzt alle Merkwürdigkeiten Kiesss in einem Tage, freilich nur sehr flüchtig, in Augenscheiu zu nehmen. Das berühmte Kloster mit den Katakomben und der reichen Kathedrale findet sich in dem Bereich der Festung, und dorthin wandte ich mich in Begleitung meines Landsmannes, des I>l. Mdhring, und geführt von dem Adjutanten des Festungscommandanten. Die Kathedrale, wie es heistt die älteste Kirche Rußlands, vermag schon von weitem mit ihren fünf vergoldeten Kuppeln zu imponiren. Die Hauptkirchc liegt in der Mitte und wird von mehreren *) Ueber die Posten im Allgemeinen s. Vand I. Seite 65. 553 Capellen umgeben. Der Eingang zeugte schon von dem Reich-thume, der allenthalben sich kund that, aber all' das Gold, Silber und dle Edelsteine vermochten nicht die höhern Gefühle in mir zu erwecken, die sonst in andern, besonders katholischen Kirchen unmittelbar sich einstellen. Es fehlte die sinnige Verbindung der einzelnen Kostbarkeiten, es fehlte die das menschliche Herz erhebende Knnst. Die Sinne und der Verstand, nicht das Gemüth wurden in Anspruch genommen. Die Wand, welche das Allerheilige scheidet, zeichnete sich vor allem Uebrigen durch verschwenderische Pracht aus; die Zierrathen waren zwar aus Messing verfertigt, aber dicht vergoldet. Die breite, hohe Thüre bestand aus massivem Silber. Die Gemälde, besonders Marienbilder, contra-stirten wunderlich mit ihrer reichen Umgebung von Perlen und Edelsteinen aller Art und hatten durch die vielen Küsse, mit denen die Gläubigen ihre Frömmigkeit zu erkennen geben, zum Theil ganz ihre ursprüngliche Farbe verloren. Vor allem wurde ein Marienbild, das noch aus den Zeiten vor Wladimir dem Großen stammt, hoch gehalten, und viele Tausende wandern alle Sommer hierher, um ihre innige Verehrung zu beweisen. An der Hauptkirche befindet sich die Capelle des Fürsten Rnmänzoff, in der noch fortwährend Messen zu seinem Seelenheil gehalten werden. Drei Officiere erhalten aus einem von ihm gestifteten Fonds jeder eine jährliche Pension zu 1000 Rubel Silber, und von ihnen muß einer abwechselnd ein Jahr lang dem Gottesdienste beiwohnen. Von hier aus führte uns der freundliche Priester, der meinen Cicerone machte, in die beiden Cabinette, in denen der priesterliche Schmuck aufbewahrt wird. Ob die aufgehäuften Reichthümer hier oder in Moskau größer sind, wage ich nicht zu entscheiden; ich bedaure nur, daß diese Reichthümer der russisch-griechischen Kirche, mit denen alle Armuth aus Rußland verbannt werden konnte, hier nutzlos daliegen und kaum im Jahre einmal zur Ansicht der frommen Menge kommen. Die Kleider siud meist von Kaiserinnen oder mächtigen Fürstinnen mit eigener Hand verfertigt und haben deßhalb ein besonderes Interesse. Noch kostbarer waren die Kirchengefäße, meist aus massivem Gold und ebenfalls mit Perlen uud Edelsteinen besetzt. Vor allem blendete ein Kelch, Geschenk eines Fürsten Scheremetjeff, da er Diamanten von seltner Große enthielt und mehrere Millionen Rubel Werth besaß. Nicht weniger Reisen und ^andevbcschn'ibungc». XXV. »i^ (Reift «stch KWfasiep.) ^ 554 funkelte eiue reiche Kette in ihrer Pracht. Geschichtliches Interesse haben die Halskette Peters des Großen, eine Trottel Katharina's der Großen und der Feldherrnstab des Fürsien Rumanzoff. Von der Kathedrale aus führte uns der freundliche Priester in das Kloster und die unter ihm befindlichen Katakomben, von denen ich seit der frühesten Zeit so viel gehört hatte. In einem feinkörnigen Sandstein hat man in den ersten Zeiten, wo das Christenthum auch bei den slavischen Völkern Eingang fand, Höhlen und Gänge gearbeitet, in denen die verfolgten Christen eine sichere Zuflucht fanden. Einsiedler verschlossen sich auch spater in den unterirdischen Höhlen den Menschen, in dem Wahne ein gottgefälliges Werk zn thun. Mit der Zeit, wo das Christenthum sich befestigte und auch siegreich ans der Mongolenherrschaft hervorging, wurden wichtige Manner, die für ihren Glauben gestorben oder wenigstens gekämpft hatten, hier beigesetzt, und ruhig schlummern die Ueberreste tapferer Helden neben sanften Mönchen. Ein allgemeiner Gang bildet die Verbindung der einzelnen einander gegenüberliegenden Nischen, die auf beiden Seiten ihm angefügt sind und die Gebeine von der militärischen oder Mdnchskleidung bedeckt enthalten. Von den 74 die Gebeine wichtiger Russen einschließenden Nischen interessirten mich, den Protestanten, nur die des berühmten Chronikenschrelbers Nestor und die der 12 Brüder, die Kieff erbaut haben sollen. Ich war froh als wieder die frische Luft mir eutgegenwehte. Die Gemächer der Todten haben von jeher für mich etwas Grausiges gehabt, und nur großes Interesse für die Verstorbenen konnte mich bestimmen eine kurze Zeit mich dem unheimlichen Todtengeruch preiszugeben. Ganz entgegengesetzte Gefühle ergriffen mich, als ich auf einer rings herumgehenden Altane der erzbischdflichen Wohnung stand und mich einer herrlichen Aussicht erfreute. Auf der einen Seite bot sich mir das eintönige Bild der Stadt dar, auf der andern hingegen stiegen dicht unter mir schroffe Felsen in das Flußbett des Dnepr herab nnd über ihm breiteten sich herrliche Walder in unabsehbarer Ferne ans. Am Dnepr war es, wo ahnlich wie am Don, ohne Zweifel aber spater, eine ähnliche Republik aus kriegerischen Mannern sich bildete und den westeuropäischen Christen die hart drängenden Mongolen zurückhielt. Wie die am Don, entstanden auch die 555 Kosaken des Dnepr, von denen die wichtigsten sich Saporoger, d. h. jenseits der Wasserfälle (des Dnepr) nannten, ursprünglich aus Tscherkessen, und ihre erste Vnrg heißt wie dort Tscherkask. Leider gestattet mir hier nicht der Ranm die knrze geschichtliche Auseinandersetzung, die ausgearbeitet vorliegt und anfangs zu einem eigenen Capitel des ersten Bandes: „die Kosaken am schwarzen Meere" bestimmt war, hier abzudrucken. Sie würde um so interessanter seyn, als in der neuesten Zeit Lindner ein oberflächliches Werk über die Skythen des Herodot geschrieben hat und ohne alle genauere Forschung die Kosaken keck zu Nachkommen der alten Skythen macht. Abgesehen davon, daß die Urkunden aus dem russischen Staatsarchive, die Karamsin in seiner russischen Geschichte benutzt hat, die Kosaken mir deutlichen Worten für Tscherkessen von den Mongolen nach dem Norden versetzt ausgeben, daß ferner die Tscherkessen früher bis zu den Zeiten Constantino des in Purpur Gebornen Kosaken oder Kasaken heißen, finden wir auch in Herbersteins Gesandtschaftsreise nach Moskau eine deutliche Stelle, die auf den tscherkessischen Ursprung der Dnepr-Kosaken hindeutet. Dort werden mit deutlichen Worten die Dnepr-Kosaken Zygi (ein Name der Tscherkessen) genannt uud ausdrücklich dabei gesagt, daß noch Zygi am schwarzen Meere wohnten. Lindners Werk mußte sehr mangelhaft ausfallen, da er die vielen Untersuchungen über die Völker nördlich vom schwarzen Meere nur zum geringen Theil kennt und wie es scheint sogar nichts von den Werken eines Vohusz, noch eines Eichwald weiß. Mein gefälliger Adjutant führte mich gegen meinen Willen auch in das Arsenal. Ich liebe zwar nicht die Museen privile-girter Mordinstrumente, aber die geschmackvolle Aufstellung der Säbel, Degen, Flinten, Pistolen, Kanonen, Lassetten, Fahnen :c. erregte im hohen Grade meine Vewunderuug. Leider kam ich am Morgen des 17 März nicht so früh von Kieff weg als ich wollte, da dem Postmeister es beliebte mir anstatt um 5 die Pferde um 9 Uhr zu schicken. Nun muß freilich der Reisende, wenn er die Pferde länger als '/, Stunde aufhält, das Postgeld doppelt bezahlen, einen« armen Reisenden wird aber die achtfache Zdgerung nicht vergütet. Man kommt aber aus dem Regen in die Traufe, wenn man glaubt dnrch früheres Bestellen Zeit zu gewinnen; die Pferde kommen einmal pünktlich und man 536 zahlt den Lohn doppelt, weil man eben zur Abreise noch nicht vorbereitet war. Mit dem Ueberschreiten des Dnepr befand ich mich in Kleinrußland, und zwar in dem Gouvernement Tschcrnigoff, einem Lande, das sich in allem mit der Ukraine oder dem Gouvernement Kieff gleich verhalt nnd in der Regel diese mit in sich begreift. In statistischer Hinsicht bildet aber die Ukraine. Volhynien (das Gouvernement Schitomir) und Podolieu (das Gouvernement Kamenietz) ein Generalgouvernement, und Kleinrnßland besteht als Generalgouvernement aus den Gouvernements Tschernigoff, Pultawa und Charkoff. Tiefer Schnee lag jenseits des Dnepr, und auf einem schon beschriebenen Urschlitten fuhr ich rasch dem gegen 180 Meilen entfernten Petersburg zu. Trotz der späten Abfahrt gelangte ich noch an demselben Tage bis nach Krasnoje, der letzten Station vor Tschernigoff, und würde selbst noch bis zu der 22 Meilen entfernten Stadt gekommen seyn, wenn man mich nicht vor der schlechten Brücke über die Desna gewarnt hätte. Wirklich war auch der Uebergang am andern Tage sehr gefährlich, und ohne den Beistand gutmüthiger Bauern würde ich in große Verlegenheit gerathen seyn. Tschernigoff ist eine acht russische Stadt mit kleinen schwärzlichen und hölzernen Häusern und schönen Kirchen, hat aber ein reges Leben innerhalb seiner weniger weitlausigen Straßen. Nur kurze Zeit hielt ich mich daselbst auf und fuhr dann wiederum dem eisigen Norden zu. Von dieser Stadt beginnen einige sogenannte freie Posten, d. h. solche, die von dem Kaiser keinerlei Vergütung erhalten und deßhalb nur befugt sind Beamte mit Kronspässen zu befördern. Andere Leute sind deßhalb hier Ueber-theurungen ausgesetzt, ohne Klagen führen zu dürfen. Mir kam wiederum die Meinung, daß ich dem Kaiser über die Pest zu berichten habe, zu gute. Denselben Tag betrat ich noch Weißrußland und übernachtete hart an der Gränz? auf der 13'/i Meilen eutftritteu Station Pe-sotschnaja Vuda. Auch Weißrußland ähnelt Kleinrußlaud und ist wie dieses überall bebaut. Nur schien es mir, als wenn die Waldungen sich mehrten. Es machte die Abwechslung von Wäl-dem «nd Feldern einen freundlichen Eindruck auf mich, trotzdem 555 der weiße Ueberzug mir das Liebliche derselben verschloß. Die Straßen waren von Alleen umgeben, leider fand ich aber oft nicht unbedeutende Strecken von den Birken, dem Nationalbaume der Russen, entblößt, und man hatte nicht Sorge getragen sie nachzupflanzen. In Weißrußland kam ich zunächst nach dem Städtchen Beliza an der Soska und sah jenseits des Flusses den Iugendaufenthalt des Fürsten Paskewitsch, Homet. Nach 9^,, Meilen gelangte ich nach Tschetschersk, dem Majoratssitze der gräflich Tschernitschcff'-schen Familie, und fand in ihm ein freundliches Städtchen, das in der Mitte die Residenz enthielt. Dem rechten (westlichen) Ufer der Sosna entlang kam ich noch an demselben Tag (19 März) bis nach der Station Rabowitscha und hatte demnach einen Weg von nicht weniger als 24'/., Meilen zurückgelegt. Den 20 März gegen Mittag befand ich mich in Mohiless, einer Gouvernementsstadr am rechten Ufer des Dliepr, und erhielt hier durch die freundliche Fürsorge eines Obersten zum erstenmal seit Kiess ein gutes Mittagessen. Die Stadt liegt von Rabowitscha 8 Meilen entfernt. Dem rechten Ufer des Dnepr entlang fuhr ich rasch noch 10 Meilen bis zu dem Städtchen Orscha und übernachtete noch 3 Meilen weiter in Orecha. Ich hatte es nur meinem leichten Postwagen zu danken, daß ich glücklich den schlechten Weg zwischen Mohileff und Witebsk, eine Entfernung von 24^, Meilen, zurücklegte. Der Schnee hatte sich hier mehrere Ellen hoch aufgcthürmt und war auf seiner Oberfläche mehrmals am Tage gethaut, des Nachts hingegen gefroren. Der Wind mochte auch einen Theil beigetragen haben, um den Weg uneben zu machen. Ans der einen Seite ging dieser steil hinauf, auf der andern hingegen glaubte mau in einen Abgrund zu gerathen. Locher von oft nicht unbedeutender Tieft traten hie und da entgegen, und wo diese fehlten machten Eisschollen den Weg unsicher. Am Mittag den 21 März kam ich glücklich in Witebsk an und fand durchaus nicht die russische Weitläufigkeit, wie ich sie sonst zu sehen gewohnt war. Die Straßen des Einganges waren sogar eng, und hie und da begegnete ich alten ehrwürdigen Thürmen und Kirchen. Die ganze Stadt schien nur von Juden bewohnt zu seyn, denn wo ich hinblickte, sah ich jüdische Gesichter. Reisen und Ländcrbcschrcibungsn. XXV. ^7 (Neise nach Kankasien.) Z58 Sie ist der Sitz eines Gouvernements, das nach ihr den Namen führt. Denselben Tag reiste ich noch bis zu dem Dorfe Uswjät, IIV2 Meilen von Vitebsk entfernt, und fand daselbst bei einem Juden ein passables Nachtlager. Die Posihauser fangen an immer besser und sogar bisweilen elegant zu werden. Für die Fremden sind schon? große Zimmer mit Sophas und den andern Möbels vorhanden, ohne daß man dafür etwas zahlt. Stets findet man sie geheizt, und gegen etwas hohe Preise erhält man auch eine gute nahrhafte Speise. Leider hatten in genanntem Dorfe die Kinder des Juden das Sopha eingenommen, räumten mir es aber augenblicklich. Nachdem ich am 22 März einen Weg von 12 Meilen gemacht hatte, betrat ich wiederum Großrußland und zwar zunächst das Gouvernement Groß-Luki (Welikij Luki) und fand mit einem-male den Charakter der Landschaft verändert. Die schönen Eichen-, Buchen- und Birkenwälder waren verschwunden und nur die letztem erschienen noch hie und da, aber kleiner, mit niedrigeren, sparri-geren Bäumen. Buschwerk tritt mit Nadelholz, das auch meist verkrüppelt erscheint, an ihre Stelle. Auch die Alleen waren verschwunden, und damit man bei den großen Entfernungen nicht den Weg verfehlte, waren alle 50 Schritte auf beiden Seiten Kiefernzweige in die Erde gesteckt. Eine große Wohlthat ist, daß die Juden nicht sich auch hier eingenistet haben. Mir der unbedeutenden Gouvernementsstadt Groß-Luki, welche sich durch ihre fünf auf Anhöhen gelegenen Kirchen auszeichnet, verschwand allmählich der Schnee und meine Fahrt auf dem Schlitten wurde mit jeder Station beschwerlicher. Und doch legte ich an demselben Tag, wo ich übrigens sehr früh ausgefahren war, einen Weg von 28 Meilen zurück. Das Dorf Aschewa wurde mein Nachtquartier. Den 23 März kam ich nach 11 Meilen zuerst in die Gouvernementsstadt Porchoff und fand in ihr eine freundliche Stadt mit einigen hübschen Straßen. In der Nähe liegt die alte Reichsstadt Pskoff, die einst mit Nowgorod zu wetteifern wagte, aber schon vor dieser ihre großen Freiheiten verlor. Gleich hinter der nächsten Station Borowitschi beginnt Inger-manland, und mit ihm wjrd die Gegend noch öder und wilder. 559 Verkrüppelte Fichten und Kiefern nehmen oft ungeheure Strecken ein und werden hie und da durch buschige Birken vertreten. Nur selten sah ich einen stattlichen Baum. In Gorodetz, fast 16 Meilen von Porchoff entfernt, übernachtete ich in einem stattlichen PostHause, das mehrere Zimmer für die Fremden geheizt enthielt. Am 24 März fuhr ich endlich dem 2272 Meilen entfernten Petersburg zu und kam zuerst nach drei Meilen in das kleine Stadtchen Luga. Bei Nowoselja, Z'/Z Meilen weiter, gelangte ich auf die prächtige Warschau-Petersburger Chaussee und fuhr rasch auf ihr nach dem 10 Meilen entfernten Lustorte Gatschina, um über dem kaiserlichen Lustschlosse (Zarskoje Selo) dem ö Meilen entfernten Petersburg zuzueilen. Vier volle Stunden des Nachts und mit erstarrten Gliedern war ich gezwungen in Petersburg nach einem Logis zu suchen. Das Erwarten eines Theiles meiner Sammlungen und das oberflächliche Ordnen derselben zwangen mich nebst einigen andern Umständen fünf Wochen in Petersburg zu verweilen. Am 2 Mai verließ ich die mir theuer gewordene nordische Residenz und eilte durch die schönen Ostseeprovinzen, die in der neuesten Zeit erst uns wieder etwas näher gerückt sind. Dort fand ich zuerst wieder deutsche Sitten und Gebrauche, und die treue Anhänglichkeit der Deutschen an ihr ursprüngliches Vaterland that mir, der die fernen Brüder mehr entfremdet wähnte, unendlich wohl. Leider wurde mir nur kurze Zeit vergönnt, um das gelehrte Dorpat, die große Handelsstadt Riga, die würdige Tochter der Hansa und das freundliche Mitau zu beschauen. Tilsit war die erste deutsche Stadt, welche ich begrüßte, und in dem geistig - regen Königsberg gab ich mich zuerst der Freude mit ganzer Seele hin unter Deutschen zu seyn. Am 16 Mai endlich langte ich in Jena glücklich wiederum an und gönnte mir kaum einige Tage Ruhe, um die Pflichten meines Berufes von neuem zu erfüllen. «3te — Mexieanische Zustände aus den Bahren R83tt ^ bis R83V. Vom Verfasser der „Briefe in dt' M Heimath :c." Zweiter Band. Preis 2 fl. 24 kr. ^ oder 1 Rthlr. 12 gr. AHte — ^tstsria oder Geschichte einer Handelsezpe-D dition jenseits der RokyMountainS. Aus M dem Englischen des Washington Irving. Preis 2 fl. 42 kr. oder 1 Rthlr. 16 gr. Riite — Reise durch Abyssinien in» Jahr 183«. Von A. v. Katte. 2 fi. 24 kr. oder 1 Rthlr. 12 gr. KOte — Skizzen ans Irland oder Bilder aus Irlands Vergangenheit und Gegenwart von einem Wanderer. Preis 18 gr. oder 1 fi. 12 kr. 17te u. 18te Lfg. Der Geist des Orients, erläutert in einem Tagebuch über Reisen durch Rumili während einer er-etgnißreichen Zeit von Nr. Urquhart. A. d. Engt. überseht von Dr. F. G. Buck. 2 Bde. 5 fi. oder 3 Rthlr. 8 gr. l!»te Lfg. Rußland und die Tscherkessen. Von K. F. Neu mann. Preis 1 fi. 30 kr. ober 21 gr. 2ttste — Reisen auf den griechischen Inseln des ägäi-schen Meeres.' Von I)i. Ludwig Roß. Erster Band. Preis 2 ss. 55 kr. oder 1 Nthlr. 8 gr. 2tste — Gin Besuch auf Montenegro. Von Heinrich Stieg litz. Preis 2 fi. 45 kr. oder 1 Rthlr. 8 gr. 22ste — Acht Wochen in Syrien. Ein Beitrag zur M Geschichte des Feldzuges 1840. Mit einer Karte vom ^ Kriegschauplah. Preis 2 fi. oder 1 Nthlr. 4 gr. 23ste ^. Reise durch Rußland nach dem kaukasischen Isthmus in den Jahren 1836, 1837 und 1838 von Karl Ko ch. Vrösch. Preis 4 fl. od. 2 Rthlr. 8 Gr. ^«ste — Beschreibung von Kordofan und einigen angränzenden Ländern, nebst einem Ueberblick über den dasigen Handel, die Sitten und Gebränche der Einwohner und die unter der Regierung Mehi« med Ali's stattgefundenen Sklavenjagden. Von Ig-naz Pallme während dessen Anwesenheit in den Jahren 1838 bis 1839 verfaßt. Gr. 8. drosch. Preis c>l> 2 fi. 15 kr. oder 1 Rthlr. 8 gr. ^lste ^ Reisen auf den griechischen Inseln des ägäischen Meeres. Von vr. Ludwig Roß. Zweiter Band. Mit einem Kupfer, einer Karte und mehreren Holzschnitten, gr. 8. Velinp. brosch. Preis 2 fi. 30 kr. oder 1 Rthlr. 12 gr. Stuttgart und Tübingen. I. G. Cotta'lche OuchhandlunZ. Stuttgart und Tübingen. Verlag der I. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1843. 5'^.