, Airastasius Grün und seine Heimath. M Hstschrift zum 7t)jäljrigen Jubiläum des Dichters (II. April 1876) von P. v. Nadirs. Stuttgart. Verlag der I. 61. Cotta'schen Buchhandlung. 1876. <1 Buchdrücken, der I. G. Kotlu'ichc» Vuchhaiidliiiin ln Stuttnari. Zu deutsche Oichenfarstr, Auf grünen Zllprnhnng, An frischen An'n der Komm Ang mich des Heimmeh Nrang. Lasst hoch die Heimnth lebe», Nehmt Alt' rin Glas zur Hund! Nicht Zeder hat rin Liebchen, Noch Zeder ein Vaterland! Änajlaslns Grün. "Vo r m o r 1. Als Anton Alexander Graf Auersperg im Jahre 1831 seine „Spaziergänge eines Wiener Poeten" Ludwig Uh land zueignete mit den Worten: Wem der Sieg durch Waffen glückte, Nicht allein sei Held genannt, Jüngst an deinem Herde drückte Mir wohl auch ein Held die Hand Jeder ficht mit eigner Wehre, Priester kämpft mit dem Brevier, Krieger mit dem Schwert und Speere, Mit Gesang und Reimen wir da mochte es der vorkämpfende junge Held — der dieseil Gang mit geschlossenem Visier unternahm — erst nur sehnend wünschen, daß die besten Söhne seines Volkes „treu und bieder" seiner Fahne folgen möchten, der Fahne der Freiheit! Freilich wohl ahnte er damals schon den „Sieg der Freiheit" auch in Oesterreich. „Freiheit ist die große Losung, deren Klang durchjauchzt die Welt," setzte er als Devise und frohlockend schloß er: Hei der Winter ist geschlagen! und mit seinem Fesselbandc, Seinem Froste, seinen Nächten flicht er fort nun aus dem Lande! Frei und fröhlich zieht statt seiner rasch der junge Sieger ein, Mit Gesang und grünen Kränzen, Blütheuscherz und Sonnenschein. Auf daß sich aber diese Vorahnung erfüllen konnte, nicht vergebens hatte er dein Vaterlande zugerufen: „Oesterreich, Land des Ostens, auch in dir nun werd' es Tag." Dieser Aufruf des Dichters, er zündete in den Herzen der Jugend und von Oesterreichs hohen Schulen trugen ihn die Hüter des Rechtes und der Menschlichkeit heiin zu den Hütten der Väter und als heiliger Geist der Befreiung redete er bald in allen Zungen zu allen Völkern des mächtigen Reiches!' Die „heiligen Märzen" kamen und als Heerführer-hoch die allen gemeinsame Fahne der Freiheit schwingend, die Fahne Oesterreichs schwingend stand umjubelt von Millionen mit geöffnetem Visier der „Wiener-Spaziergänger," der Dichter des „Schutt." Aber auch später immer, da nach erlangter, — verlorener — und wieder erlangter Freiheit die Völker Oesterreichs das weiße Fahnenbaüd mit dem goldig winkenden Spruche: Gleichheit und Brüderlichkeit losbanden von der Fahne Oesterreichs, daß es nicht mehr im Windeshauche der Freiheit um Austria's mauergekröntes Hanpt kosend sich schmiegen konnte und scharfscheidend die Trikolore an dessen Stelle setzten, ja mehr noch, als einzelne aus ihnen, die Reichsfahne mit Füßen tretend, ein fremd Panier sich wählten oder zu wählen suchten, imnwr, zu allen Zeiten, selbst wenn die Wogen im Streite der Parteien am höchsten gingen, immer doch galt der Herold der Freiheit — Anastasius Grün — allen Völkern Oesterreichs auch als der Meister im Turneh um die Freiheit! Und heute, da dieser „Meister," der allen voran ein echter und rechter Ritter der Erste in die Schranken trat zum Gange mit dem Geiste der Finsterniß, trotz der vielen „Gänge," die er seither mit demselben immer wieder aus seinem Schattenreiche zurückkehrenden Gcspenste gethan, aufrecht und ungebrochen, wie vor Decennien, auf demselben Kampfplatze steht, ein Held an Siegen und an Ehren reich, heute an dem hohen Feiertage des Sängers der Freiheit, heute stillen sich die Tribünen der allen Völkern Oesterreichs in gereifter Erkenntniß gleich theuren gemeinsamen Arena und in festlichem Gepränge nehmen die Schaaren der Abgesandten von Nord und Süd, von Ost und West ihre Plätze ein und haben Theil an dem hohen Feste der Huldigung! In der Hand des Gefeierten siehst du aber heute, wie ehedem die Fahne mit dem Bilde der Austria und dem weißen Fahnenbande der Freiheit mit dem goldgestickten Spruche: Gleichheit und Brüderlichkeit! Indem wir im überreichen Gabentempel, der sich heute dem ewig jungen Liebling der Völker erschließt, gleichfalls eine kleine Liebesgabe niederlegen,- haben wir versucht, aus des Dichters Werken in einem Bilde aufzuweisen, wie er die Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten der einzelnen Länder Oesterreichs, die Vorzüge und Tugenden ihrer Bewohner im innersten Wesen ergründete und in vollendetstem Lichtbilde darstellte, dabei jedoch all' das Verschiedene in ein Ganzes fassend, als Lob und Preis des einen großen Oesterreich und seines „ehrlichen und offenen Volkes," als dessen Dolmetsch er das Eine nur „ganz artig" flehte: „Dürft' ich wohl so frei sein, frei zu sein?" Und so mögen eben heute aus unserem Buche die Sohne Oesterreichs, die aus dem Wiegen land des Dichters an der Save hellen Fluthen, die von den Alpenhängen Steiermarks und Kärnthens, Tirols und Salzburgs, Ungarns Volk, die im klangvollen Böhmer land, jenes Volksfragment am Weichselstrand, vor Allem aberjed' echtes „Wiener Kind" rückschauend auf ein gottbegnadetes deutsches Dichterleben, es preisend erkennen, wie Anastasius Grün sie alle mit gleicher Liebe, mit gleichen: Hochgefühl umfaßt als Ziehsöhne der gemeinsamen Hausmutter, der sie von: Gott des Lichtes zu gemeinsamer Bildung anvertraut worden, um gemeinsam als Apostel des Lichtes offenen Auges, den wenn gleich blendenden Strahlen des Sonnenaufgangs entgegen, kühn und muthig die Fahne der Freiheit aufzupflanzen in den Neichen des Ostens! Währing bei Wien, 12. Februar 1876. Der Urrsilffer. » InhnH. Seite Vorwort..................................................... V-VIII Die Wacht an der Save...................................... 1 Anastasius Grün und seine Wiege ... .... 16 Alpcnlüfte der grünen Steiermark.................................13 Kärnthens altes Recht und alter Brauch . r . . . . 61 Vom kaisertreuen Land Tirol................................11 Ins Salzkammcrgut..........................................82 Zum Sankt Stephans Reich...................................88 „Klangvoll Böhmerland".....................................95 kinis kolonise.............................................100 Wien.......................................................112 Für Oesterreich und seine Freiheit..............................128 Von Geschlechten zu Geschlechten Schlinge sich der heil'ge Bund. Anastasius Grii». Deutscher Geist und deutsche Kraft haben die „Ostmark" das heutige Oesterreich geschaffen und diesem Reiche ab und zu durch der Zeiten Lauf stets neues Leben, neue Bewegung zugeführt, ihm geistige und materielle Hilfe gebracht zur Erfüllung seiner hohen culturellen Mission: die Civilisation nach dem Orient zu tragen! Deutsche Kraft war es namentlich, die der Ostmark in jenen schweren Tagen unter die Arme griff, als der „Erbfeind der Christenheit" der Türke in stets erneuten Vorstößen bis gegen das „alte Wien" vordrang, um auf diesem Wege sein endliches Ziel, Deutschland, zu erreichen oder was dem schlauen Muselmanne als dasselbe galt: die Cultur an ihrer Keimstätte zu fasseil und zu vernichten. Daß es hierzu nicht kommen konnte, das dankt Europa vornehmlich jener deutschen „Wacht an der Radi cs, Anastasius Grün. 1 Save," die seit dm Karolingern treu und redlich aushält auf ihren« Posten in jenem Landstriche, der x«? das „Grenzland" heißt, in dem Lande Krain. Die Unterwerfung der Krainer Slaven unter fränkische Herrschaft war in der zweiten Hälfte des 8. Jahr- ^ Hunderts erfolgt, das Land alsbald dem großen christlichen Weltreiche einverleibt und sofort nach dein alle Theile desselben gleich umfassende«! Regierungsplane verwaltet. Deutsche Kolonisten und als Führer derselben deutsche Adelsfamilien, die Schürffenberge, Auersperge u. A. kamen im 9. und 10. Jahrhundert ins Land und brachten deutsche Sitten, deutsche Gebräuche, vor Allem aber die deutsche Arbeit mit herein. Neben den Ritterspielen und Ritterkämpfen brachten das 12. und 13. Jahrhundert auch die anderen Resultate der Kreuzzüge in die Burgen und >— zu dein Volke von Krain. Vor allen adeligen Familien Krains war es aber das Auersperg'sche Haus, das fast in jedem Zuge nach dem H. Lande seinen Vertreter sah und deßhalb als der Hanptvermittler der Cultur jener Zeit für die Heimath gelten muß. Auch auf den Schlössern unserer Adeligen wurden jetzt von fahrenden Sängern die ermunternden Heldengesänge von Alexander und Roland, wie dieß alte im Lande gefertigte Handschriften beweisen, ja wol gar von den Nibelungen, wie die häufig vorkommenden Taufnamen Hel che, Rüdiger bei den adeligen Familien darthnn — sogar der Name Chriemhilt kommt als der Eigenname eines Mannes vor — oder aber von der Minne gesungen, wie sie zu lohnen weiß, „mit Liebe und mit Leid." Während jedoch im Hofraume der Ritterburg die Speere gebrochen, im glanzerfüllten Saale die Lieder gesungen wurden, da lehrten von dem deutschen Adel ins Land gebrachte „weiße Mönche" von Citeanx die Kinder des Volkes und deutsche „Pfleger" walteten in Meierhöfen auf Feld und Flur und umzogen des Unterlandes sonnige Hügel mit Nebgeländen! Und dem deutschen Adel und seinem Dienertrosse nach zog der deutsche Bürger in dieses zugleich an der Schwelle des reizvollen Italien gelegene Land und alsbald erblühte hier ein Städtewesen, neue und für alle Zeiten unüberwindliche Burgen deutscher Arbeit und deutscher Gesittung darstellend. ^ Durch das Aufstreben dieses neuen Elementes ergaben sich aber auch hier harte Fehden zwischen Adel und Bürgerthum, die erst dann allmälig sich lösten, als es galt, gemeinsam dem gemeinsamen Feinde zu begegnen, der einerseits unter dem Zeichen des Halbmondes Dörfer, Burgen und Städte in gleich wildem Antoben bedrohte, und der anderseits nach der Losung > Siche über die Cnlturentwickelung Krams in den einzelnen Perioden der Geschichte in der trefflichen Behandlung bei A. Dimitz, Geschichte Krains von der ältesten Zeit bis ans das Jahr 1815. Laibach 1871—1876. Kleimnayr und Bamberg sin den betreffenden Abschnitten). vom Tiberstrande des Wittenberger Ex-Mönches auch hier rasch in Fleisch und Blut übergangene „evangelische Lehre" auszutilgen bemüht war. Die Bürgerwehreu' der kraiuischen Städte sie folgten dem „Aufgebote" der kraiuischen Landschaft ebenso willig, wie die ständischen „Gültpserde" und wie der „gemeine Mann," wenn es galt, die „Windischen Grenzen" zu hüten vor den „türkischen Visiten;" die „ehrsamen Räthe" sie secundirten durch ihre Abgeordneten in den General- und Provinziallandtagen gar wacker den Stimmführern der evangelischen „Herrn und Landleut," wenn diese gegen die Ordonnanzen der Papisten Protest um Protest erhoben, sie secundirten ihnen mit Wort und That, wenn es sich darum handelte, für die Bewilligung einer „Türkenhilfe" an den Landesfürsten eine Begünstigung „in rolitziosi.^ für sich einzutauschen. Und in der Landstube zu Laibach und im Generalate an den Grenzen waren in'dieser für Krain und die Ostmark, für Deutschland und Europa gleich hochwichtigen Epoche die maßgebenden Faktoren zumeist Repräsentanten des Hauses Auersperg! Die „Grenz-Helden" Hanns und Herbard von Auerspergs von denen Ersterer vor Wien (15ä9), > Vergl. meine Schrift: Die Laibacher Schiitzengesellschast. Festschrift zum drcihundertjährigcn Gedüchtnißtage der Gründung. Laibach 1862. Kleinmahr und Bamberg (Einleitung). ^ Vergl. über ihn meine Monographie: Hcrbard Vlll., Freiherr zu Auersperg (1528—157',). Ein krainischer Held und Staatsmann-Wien 1862- W. Branmiiller. XX und 894 Seiten. 8. Letzterer vor einem „Grenzneste" (1575) ihr Leben ließen, Weikh ard, dem Oesterreichs ganze Kriegsmacht unterordnet war und Andreas, der Sieger in der Schlacht vonSissek, i nach welch gräulicher Niederlage (1593) der Türke seinen Fuß nicht wieder über die Save zu setzen wagte — sie preist die Kriegsgeschichte auf ihren goldigsten Blättern; die Söhne und Brüder, wenn gleich nicht zu denselben hohen Thaten berufen und erkoren, sie halfen im Kriegshandwerke jener Sturm- und Drangperiode, wo alle Hände vollauf zu thun hatten, redlich mit zur Ehre des Hauses, der Heimath, des Vaterlandes! Sie schaarten sich um die leuchtenden Vorbilder ihrer Familie ans den blutgedüngten Wahlstätten an der Save Ufern unter der sieggewohnten blaugelben Fahne der krainischen Landschaft mit jener opferfreudigen Hingebung, mit der sie ihrem Beispiele folgten in der conkossio tilloi und in der „Ausbreitung der heiligen evangelischen Lehre." Denn auch in Krain gleich wie in: Erzherzogthum Oesterreich war es der Adel und da in erster Linie die Auersperge, welche zuerst und am längsten der Lehre Luthers anhingen, wiederholt die freie Predigt des Evangeliums und die freie Neligionsübung forderten, die evangelischen Prediger auf ihren Schlössern aufnahmen und mit ihren „Leibern schützten," als > Siehe meine Gcdcnkschrist: Die Schlacht bei Sissek. Laibach 1861. I. Blasnik. sie auf landcsfürstlichen Befehl „abgeschafft" werden sollten. Ein auerspergischer „Unterthans der Domherr Primus Trüber (geb. 1508 zu Nasica bei Stammschloß Auersperg), ward Krains Reformator und der Begründer der slovenischen Literatur, indem er mit Hilfe der Fürsten von Württemberg und Preußen, vieler deutscher Städte — Straßburg, Nürnberg, Ulm, Frankfurt, Reutlingen, Regensburg, Rothenburg a. d. T., Memmingen, Kempten, Lindau, Kaufbeuren n. s. w. — der Landschaften von Steher, Kärnthen und Krain die H. Schriften in das „Windische und Crobatische" übertragen hat. „So geringfügig auch — sagt treffend Primus Trnbers Biograph Sillem — diese ersten gedruckten Windischen Bücher zu sein scheinen, so wird man doch zugeben müssen, daß wie er durch deren Herausgabe den Grund zu einer nationalen Literatur gelegt hatte, der Inhalt derselben dazu angethan war, deutsche Cultur unter den Slovenen zu verbreiten. Wahrlich der eingeschlagene Weg scheint uns auf eine glückliche Weise die scheinbar auseinander gehenden Interessen slavischer nationaler Entwickelung und Ausbreitung deutscher Wissenschaft und Cultur vereinigt zu haben."' > Primus Trüber, der Reformator Krains. Kill Beitrag zur Reformationsgcschichte Oesterreichs von Ne. H. k. With. Sillem. Erlangen, G. Bläsung I86l, S. 34. Der große Styl, in dem Trüber arbeitete, seine weitaus sehenden Pläne für die Verbreitung der deutschen kirchlich-reformatorischcn Bewegung nach dem Süd-osten — trug er sich ja doch mit der Absicht, die Bibel Luthers in das Türkische übertragen zu laßen — waren es wohl, die die Heftigkeit, womit eben seine Person trotz aller Religionszugeständnisse von Regierungswegen in Oesterreich wieder und immer wieder verfolgt wurde, so daß er endlich gar nicht mehr in die Heimath wiederkehren durfte und sein Leben im Exil als Pfarrherr in Derendingen bei Tübingen beschließen mußte. Trubers entschiedenste Parteigänger und Vertheidiger unter Krains Adel waren seine „Herrn", die Auersperge. Er anerkennt es in seiner Vorrede zum letzten Theil des N. Testamentes, datirt Derendingen 1577 und gerichtet an Christoph Freiherrn v. Auersperg, daß die Familie „ihm und den Seinen viel Gutes erwiesen habe und ihm mit Rath und Hilfe in seinen drei Verfolgungen treulich beigestanden." So befand sich in der vom Laibacher ständischen Ausschusse an Erzherzog Earl und an Kaiser Maximilian II. (1565) wegen Verbleibens des Primus . Trüber in Krain gewählten Gesandtschaft als einer der vornehmsten Herren Dietrich Freiherr v. Auerspergs > Die Superintendenten der evangelischen Kirche in Krain. Von Theodor Elze. Wien, Gerold 186-!. S. 24. Diese Intervention der Landschaft hatte, wie eine frühere, nichts gefruchtet, Trüber mußte Krain wieder verlassen und ging nach Württemberg zurück. Zwei Jahre später (1567) begab sich neuerdings eine Gesandtschaft der krainischen Stände, den Landeshauptmann Herbard VIII. von Auersperg an der Spitze, nach Wien an den Hof des Erzherzogs, um Trubers Wiederzulassung in Krain zu erwirken/ aber auch dießmal war es vergebens. Trüber mußte fern der Heimath seine letzten Lebenstage zubringen, in denen er jedoch bis zum letzten Hauche für den Glauben und für dessen Ausbreitung unter den Brüdern daheim thätig war. Er unterhielt nicht nur stets einen regen schriftlichen Verkehr mit seinen Landsleuten, sondern hatte deren auch in seiner unmittelbaren Nähe, so die Herren Christoph und Andreas von Auersperg und andere „gnädige Herrn und Jungherrn," die in Tübingen studierten und ihn öfters in seiner Herberg „nicht wie einen Landsmann, sondern wie einen Vater besuchten/" Die Auersperge waren es, die unter den Ersten in ihren Schlössern lutherische Kapellen eingerichtet — noch sieht man eine solche auf Stammschloß Auersperg — und lutherische Lehrer zu ihren Kindern als Erzieher nahmen, sie waren es, die für die Deutschen 1 Elze a. a. O. S. 26. 2 Mein Herbard a. a. O. S. l68. im Grenzheere und für die evangelisch gewordenen landschaftlichen Truppen evangelische Feldprediger bestellten, sie waren es, die kraft ihres Rechtes als Patronatsherrn auf einer ihrer Pfarren der sog. Gegenreformation heftigen thatsächlichen Widerstand leisteten. ^ Hatte der evangelische Adel von Krain in der Reformationszeit seine Söhne an die protestantischen Universitäten und an die protestantischen Höfe — so die Auerspergs zwei der Ihren, die Herrn Herbard und Weikhard, an den Hof des Herzogs Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg2 — gesendet, so war in der darauf gefolgten Periode der Gegenreformation, nachdem die ständische Macht in den Erblanden mit Gewalt der Waffen gebrochen und der Protestantismus „ausgerottet" war, der Zug nach den katholischen Hochschulen des südlichen Deutschlands und Italiens gerichtet. Der größte Theil der höchsten jungen Aristokratie Deutschlands schaarte sich in dieser Zeit um den prachtliebenden Churfürsten Maximilian I. von Bayern, den „Sieger vom weißen Berge," der in seiner als „achtes Weltwunder" gepriesenen Residenz in München mit beispiellosem Luxus Hof hielt. Die „große Cour" dieses Hofes machten denn auch zwei jungen Grafen Auersperg Weikhard und Her- > Mein Herbard a. a. O. S. 172 f. - Freundliche Mittheilung des Nr. W. Harleß in Düsseldorf aus Gabriel Mattenclots Dcnlwiirdigkeiten. bard mit, die Söhne des 1630 in den Reichsgrafenstand erhobenen Dietrich von Auersperg, während ein dritter Bruder Herr Wolf Engelbert Graf Auersperg seine Bildung am kaiserlichen Hofe selbst in Negensburg und Wien genoß. Von diesen Bildungsstätten gleich wie von den Reisen in Deutschland und Italien brachte dann Herr Wolf Engelbert eine reiche Fülle von humanistischem Wissen und insbesondere ein äußerst reges Interesse für die eben im höheren Aufschwünge befindliche dramatische Kunst und für all den Pomp scenischen Apparates mit heim, der in den Jesuiten-Eomödien und in den italienischen Opern zur Anwendung gebracht wurde. Sein Palast in der Herrngasse zu Laibach — nach der Erhebung des Binders Weikhard in den Neichs-sürstenstand der „Fürstenhof" geheißen — war von den Tagen der Heimkehr Wolf Engelberts an auf lange Zeit hin im vollsten Sinne Krains „Musenhvf". Wahrhaft fürstlicher Prunk wurde in den weitläufigen Räumen des im italienischen Style gehaltenen Prachtbaues entwickelt, was das damalige Italien und Frankreich in Ausschmückung von fürstlichen Hallen, in Anlage von Gärten und Gartenbauten, Wasserkünsten u. s. w. Neues brachten, im „Fürstenhofe" in Laibach fand es seine wahrhaft künstlerische Verwerthung. Da gab es im Palaste selbst mit herrlichen Fresken geschmückte Prachtsäle und luxuriös ausgestattete Wohn-gemächer, weite Bibliothekssäle und ein stabiles mit der complicirtesten den Ausstattungsfeerien unserer modernen Schaustücke analogen Scenerie ausgerüstetes Haustheater, in den Gärten, die an der Rückseite des Palastes weithin sich dehnten, waren Kioske, Fontaine», Grotten, Menagerien, Schießstätten, Ballhäuser, Sommertheater n. s. .w. in anmuthiger Abwechslung vertheilt, und noch heute, wo der fürstliche Zweig der Familie lange nicht mehr im Lande wohnt, wo der Palast, als solcher aufgegeben, praktischen Zwecken gewidmet ist, umgibt ihn ein nnvertilgbares Lustre, das dem kolossalen Steinbau mit seinem ehrfurchtgebietenden altersgrauen Aussehen anhaftet, und fast glaubt man, an dem Riesenthore des „Fürstenhofes" stehend, jetzt und jetzt müsse der „Achtspänner" den vor dem Palaste liegenden „neuen Markt" herauffahren und dem goldig verzierten Glaswagen etwa Kaiser Leopold I,, der große Gönner der Musen, der gekrönte Componist entsteigen, der in den Septembertagen des Jahres 1600 bei Gelegenheit der Erbhuldigung in Krain wiederholt die glänzenden Feste des Landeshauptmanns Wolf Engelbert Grafen von Auersperg besucht hat. Die Bibliothek' und das Hanstheater ^ > Ueber diese äutzerst interessante Sammlung vergl. meinen Aussatz: Lesterreichische Wochenschrift (Beilage der kais. Wiener Zeitung) 186:!. Nr. 46. ? Siche darüber in der Einleitung zu meinem: „Der verirrte Wolf Engelberts bildeten die Brennpunkte des gelammten geistigen Lebens der Heimath auf lange hin. Die Büchersammlung, noch heute erhalten (und nur um wenig Werke nach dessen Tode vermehrt), sie zeigt uns einen auserlesenen Schatz der vorzüglichsten Werke aller Fächer und aller gebildeten Völker; namentlich stark vertreten sind darin die tüchtigsten deutschen Werke des 16. und 17. Jahrhunderts in den Disciplinen der Jurisprudenz, Politik und Geschichte. Zahlreich sind auch die Mannscripte, darunter ein Schwabenspiegel, altdeutsche Predigten (in deren einer der Mongoleneinfall in Oesterreich 1241 als eben geschehen erwähnt wird), eine metrische Bearbeitung des Belial von einem Krainer, Herrn Otto dem Rasp, die Bibel in deutschen Neimen u. s. w. Vollkommen erhalten sind in einer eigenen Abtheilung dieser Bibliothek die Textbücher oder Programme jener „Comödien," die im „Fürstenhofe" zur Aufführung kamen. Wir ersehen daraus die Pflege der deutschen Comödie eifrig betrieben neben den lateinischen theatralischen Uebungen der Jesuitenzöglinge und den italienischen Opern. Die deutsche Comödie ward meist von den sog. Jnnsbruckeri-schen Komödianten „exhibirt," aber auch einheimische (krainerische) Comödianten spielen deutsche Soldat." Ein deutsches Drama des 17. Jahrhunderts. Aus einer Handschrift der k. k. Studienbibliothek in Laibach herausgegeben von P. v. Radies. Agram 1865. Fr. Suppan. Comöd ie, ja verfassen gar eine solche und „dediciren" sie dem Herrn Landeshauptmanne. Unter den Dichtern der hier aufbewahrten Comödien begegnen wir n. A. einem Jesuitenpater Andreas aus der in der deutschen Theatergeschichte so berühmt gewordenen Familie An schütz. Das Interesse des Landeshauptmannes für scenische Darstellungen war zugleich das Interesse der Landschaft und diese unterstützte demnach die Comödien der Je-suitenzvglinge und die ab und zu in der Hauptstadt einkehrenden hochdeutschen und italienischen Comö-dianten und Sänger mit reichlichen Subventionen aus der Landschaftskasse — das Protokoll vom Jänner 1671 zeigt für eine Comödie allein die Post von 1000 fl. — und forderte sonst noch die geistigen und humanitären Strebungen, die in Wolf Engelbert Grafen Auersperg ihren mächtigen Mäcen gefunden. Das ausklingende 17. Jahrhundert sah in der Hauptstadt Krains eine Akademie der Künste und Wissenschaften nach Vorbild der italienischen Akademien unter dein Namen: -Lcaüemia Oporosoruin entstehen, aus der sich bis heute noch einer ihrer Zweige, die musikalische Section in der auch über die Grenzen Oesterreichs bekannten „philharmonischen Gesellschaft" ' erhalten hat. > Die philharmonische Gesellschaft in Laibach. Eine geschichtliche Skizze von vr. Fr. Ke csbach er. Laibach 1862. Kleinmayr und Bamberg. Wie diese ^lmckomin Operosorum, der die ersten Cavaliere des Landes als Mitglieder angehört hatten, gar bald der Wucht der Vorurtheile und der Gegnerschaft der die Zügel immer strammer ziehenden Partei des Rückschrittes erlegen war, blieb auch jede anderweitige Aeußerung geistigen Lebens im Keime erstickt durch den Bann, der über Allem lag, bis die Tage der Kaiser-Königin Maria Theresia und ihres Sohnes Joseph II. neue geistige Anregung wie überall hin, also auch in das äußerste Grenzland an die Gestade der Adria brachten. Ein Auersperg führte als Landeshauptmann von Krain Maria Theresia's Schulordnung in diesem Lande durch, ein anderer Sprosse der Familie berief, auf demselben Posten stehend, die Mitglieder der auf Befehl der Kaiserin gegründeten Gesellschaft des Ackerbaus und der nützlichen Künste (der heutigen Landwirthschaftsgesellschaft) zur ersten Session. Ein Graf Auersperg, Josef Franz Anton aus der fürstlichen Linie, erließ als Bischof von Gurk 1782 einen Hirtenbrief über Glaubensduldung, der von Joseph II. als „mit seinen höchsten Absichten übereinstimmend" bezeichnet wurde. Diese Aeußerung des Kaisers über die Pastorale Thätigkeit des Gurker Bischofs blieb nicht ohne Einfluß auf die Haltung der benachbarten Kirchensürsten, zunächst des Laibacher Bischofs! Doch daheim im Krainlande selbst fehlte es gleich- falls nicht an einem Vorkämpfer für Josephs Ideale nnter den Auerspergen. Es war dieß Graf Alois von Auersperg, der Freund und Beschützer des von der krainischen Geistlichkeit arg verlästerten und als „Ketzer" verfolgten Naturhistorikers Belsazar Hacquet. Als Kaiser Joseph II. am 20. März 1784 Laibach besuchte, erschien er nach mehrstündigem Aufenthalte in Hacqnets Naturalienkabinet Abends in der „Gesellschaft" beim Grafen Auersp erg,' diese beiden Männer allein also seiner besondern Gunstbezeugung würdigend! Daß die Auerspergs der nachgefolgten Zeiten der Tradition der Altvordern sowol im engern Bezirke der Mark Krain wie weit darüber hinaus in ihrem Wirken für das große Oesterreich stets und namentlich in den politischen Kämpfen der letzten Jahre unverbrüchlich treu blieben, und wie insbesondere der gefeierte Jubilar als Dichter und Politiker die Fahne der Freiheit mit der Devise: „Für die Heimath" im dichtesten Kampfgewühle immer unentwegt in reckenhaft emporgehaltener Hand hochgetragen hat und zur Stunde hoch hält, das zeigen uns die goldglänzendsten Blätter der jüngsten Geschichte Oesterreichs! ' Ludwig Kermonik in den Mittheilungen des historischen Vereins für Krain 1857. S. 116. Ilmstiisllls Grün lllid skillk Wrgr. Sei mir gegrüßt Land meiner schönsten Triininc, Land, das mir Lebe» Lied und Liebe gab, Anastasius Grün, Das „weiße Laibach," die dölll IgudlMill, wie das krainische Volkslied die heutige Hauptstadt Krains uenut, ist die Wiege des deutschen Dichters Anastasius Grün, Anton Alexander Grafen Auersperg, der hier am 11. April 1806 geboren wurde. Die erste Jugendzeit brachte unser gefeierte Dichter in der Heimath unter der Obhut trefflicher Eltern ans dem reizenden Schlosse Thurn-am-Hart' in Unter-krain in nächster Nähe den „hellfließenden" Save zu. Schon als Knabe lernte Anastasius Grün die > Das schöne Schloss in prachtvoller Lage ist von einem im englischen Style gehaltenen weiten Parke umgeben. Zur Geschichte desselben erzählt Valvasor in seiner „Ehre des Hcrzogthums Crain", Nürnberg 1689 <111, S, 575 f.), daß es 1515 von den aufrührerischen Bauern mit Gewalt eingenommen wurde, daß hier 1646 die Pest „ihre Giftpfeile abfliegen ließ", daß es im 16. Jahrhundert der Familie Valvasor, dann von 1581 ab den Gebrüdern Moscen gehörte und von diesen an die Auersperge kam. hohen Schönheiten des von Mutter Natur mit außerordentlichen Reizen ausgestatteten merkwürdigen Länd-chens kennen und lieben, das in seinem oberen Theile die großartigsten Gebirgsformationen, die herrlichsten Seen und Matten birgt, die kühn jeden Vergleich mit denen der Schweiz und des Salzkammergutes aushalten können, das im „Innern" die weltberühmte Adelsberger Grotte' sein eigen nennt, knapp daneben das Quecksilberwerk Idria ' zur einen und jenen verschwindenden See von Zirknitz, den schon Torquato Tasso besang, zur anderen Seite, auf dem man nicht selten in einem und demselben Jahre fischen und jagen und ernten kann; des Ländchens, das seinen Fuß in die Fluthen der Adria taucht und dem in seinem blüthenreichen Garten — dem Wippacher Boden — alle Früchte der Hesperiden winken. Diese Vorzüge der Heimath, sie ergriffen mächtig des Jünglings Herz und die Eindrücke, die sie auf das empfängliche Dichtergemüth geübt, Anastasius Grün gab sie wieder in einem der schönsten Gedichte seiner ersten Periode. Das Poem, das 1827 in Hormayrs Archiv^ mit dem vollen Namen des damals 21 jährigen jungen > Siehe meine Schrift: Adelsberg und seine Grotten. Triest 1861. Literarisch-artistische Anstalt des österreichischen Lloyd. 2 Das Quecksilberbergwerl Jdria von Peter Hi hing er. Laibach 1860. Kleinmaycr und Bamberg. u Achter Jahrgang. S. 83. Nadirs, AnastasiuS Grün. 2 Cavaliers Anton Alexander Grafen von Auersperg und unter dem Titel JllyrietG erschien, ist eben für den Vorwurf unserer Schrift zu charakteristisch — zudem so gut wie gar nicht bekannt — daß wir den Freunden der Muse Anastasius Grüns gewiß nur eine Freude bereiten, indem wir es nachstehend vollinhaltlich reproduciren. Jllyrien. Wie hehr und schön die Fluren all zu schauen! Sei mir gepriesen herrlich Friedensland! Seid mir willkommen längstbekannte Anen! Sei mir gegrüßt mein süßes Vaterland! Du heil'ger Boden voll Geschmeid und Segen, Ans dem das Kind zum erstenmal gekniet Und dem aus fremden fernem Land entgegen Des Jünglings Lied und tiefste Sehnsucht glüht. Wie schön bist du! hier sanft und milde glänzend Wie eine Braut, die rings auf Blumen ruht, Das Haupt mit Perl' und Rose sich bekränzend Und spiegelnd sich in reiner Quellenfluth. Wie groß bist du! Dort strahlst du furchtbar prächtig Ein ries'ger Recke nach ersiegter Schlacht, Gewaltig erzumpanzert, grimm und mächtig Voll Schauern und voll Ernst und doch voll Pracht. > Jllyricn war zur Zeit der gouvcrnementale Name für die Länder Krain, Kärnthen und Triest, die unter der Verwaltung eines Statthalters oder Gouverneurs eine Provinz Oesterreichs bildeten. Und siehst du dort geschmückt mit blanker Krone Im Pnrpurmantel all die Kön'ge stehen? Sieh' deine Berg' im Morgenroth der Sonne Und deine Burgen schimmernd auf den Höh'n! Dort seh' ich nah'n der Vorzeit hohe Wesen, Der Fittig ihres Geists umweht mich lind Und führt mich hin, in Bild und Form zu lesen: Was sie einst waren und was wir nun sind. Was woget dort? Jst's See, ist's Land zu nennen? Jetzt segeln Schwäne durch die blaue Fluth; Doch bald tönt drin das Hüfthorn, Rüden rennen, Wo erst die Welle wogt nun Aehrenfluth. In jener Grotte unter'm Bergesschilde Dort waltet der Natur geheime Kraft, Sie bildet nach die eigenen Gebilde Und bildet nach was Menschenkunst erschafft. Es stampft gewalt'gcr Hämmer dumpf Getümmel Und durch die Bergschlucht wiederhallt es fern Aufsprühen Funk und Asche gegen Himmel — Und über alles weht der Geist des Herrn. Die Rebe blickt von jenen Sonnenhügeln Ans Wiesensammt und Segensfelder hin, Und mild in hundert Silberguellen spiegeln Orangenhaine sich mit dunklem Grün. Dort rauschet Adria in grünen Wogen Und schäumt und braust zum Blüthenstrand hinan Und Schätze bringend, fordernd, kommt gezogen Manch bunte Flagg' auf reger Wellenbahn, Und Menschen stehn am blüh'nden Strand und schauen Und ahnen, fassen dich: Unendlichkeit! Und sehn nun ebne Fluth, nun Wettergrauen, Und sehn das Leben und versteifn die Zeit. Von dort, wo Alp an Alp im Wcllenbande Mit eisgem Haupt aufragt zum Himmelsdom Bis zu des Meeres - schaumbespültem Strande Und bis zu deiner Marken blauen Strom, O schönes Land, allüberall blüht Leben, Allüberall blüht Segen, Kraft und Recht: Da lebt, Gott und den Fürsten treu ergeben, In alter Sitt' ein kräftiges Geschlecht. Sei mir gegrüßt Land meiner schönsten Träume, Land das mir Leben, Lied und Liebe gab, Das liebend nährte meines Lenzes Keime, Wie meine Wiege, sei du auch mein Grab. O decke mich dereinst mit deinem Schilde Wenn mir gefallen alles ird'schc Loos, Denn sieh! es schläft so sanft und ruht so milde Das todte Kind in seiner Mutter Schooß. In der ersten Strophe ist es angedeutet, daß der Dichter bei Abfassung dieses Gedichtes in „fremden fernen Lande" weilte. Anastasius Grün befand sich nämlich in den zwanziger Jahren zur Erziehung in Wien, wo er 1823, 1824 im v. Klinkowström'schen Institute studirte und hier u. a. den Landsmann und slovenischen Dichter Franz Presern zum Lehrer hatte. Wir werden später darauf zurückkommen, welchen Einfluß Presern auf den hochbegabten jungen Cavalier nach mehr als einer Richtung hin geübt und mit welch' edler Pietät Anastasius Grün das Andenken des um seine (Preserns) Nation und um die gemeinsame Heimath gleich hochverdienten Dichtersreundes und Meisters geehrt und verewigt hat! Aus dem Jahre 1829 datiren „Erinnerungen an Adria"' und begegnen wir am Eingänge zu diesem Cyklus meisterhafter Stimmungsbilder vom Aufenthalte in Triest und Venedig einer dithyrambischen „Begrüßung des Meeres." Der Begeisterung für die Heimath und der überwältigenden Wirkung des Wiedersehens des „alten heiligen, ewigen Meeres" ist in unübertrefflicher Weise Ausdruck gegeben, wenn der Sänger sein Lied ausklingen läßt in die huldigenden Worte: Zu dem Herrn empor mit Thränen War mein Aug' im Dom gewandt, Und mit Thränen grüßt' ich wieder Jüngst mein schönes Vaterland. Weinend öffnet' ich die Arme Als ich der Geliebten nah; Weinend kniet' ich auf den Höhen, Wo ich dich zuerst ersah. > Gedichte, 14. Auslage, S. 55 fs. Der altberühmte Anblick des adriatischen Meeres von der Höhe des 124T hohen Optschinaberges ist es, den hier Anastasius Grün besingt und der auch heute noch von allen Touristen dein neu eröffneten von der Eisenbahn aus vorgezogen wird. Die Ueberraschung des Erblickens der Adria ist von Optschina aus eine außerordentliche. Die Straße zieht sich nämlich in mäßiger Steigung immer zwischen phantastischen Felsgebilden des Karst hinan, man erreicht endlich das Plateau, man erblickt das Dach eines einsam stehenden Wirthshauses und den „Obelisken," der zur Erinnerung an einen Fürstenbesuch hierher gestellt worden. Wir eilen darauf zu und — wie auf den Schlag eines Zanberstabes liegt tief unten zu unsern Füßen der schimmernde und wogende Meeresspiegel, die Stadt Triest mit dem bunten Kranze ihrer villengeschmückten Hügel und im Hafen ein Mastenwald ankernder Schiffe! Ein wunderherrlich Bild unvergeßlich für Jeden, der es einmal geschaut! Dem Aufenthalte unseres intuitiven Dichters an den Gestaden der Adria danken wir ferner auch die wahrhaft classische Schilderung eines jener altersgrauen Thürme, die mitten im farbensatten Bilde der südlich prangenden meerumspülten Landschaft als Ruinen, traurig sprechende Zeugen brutaler Faustrechtsübungen des Löwen von San Marco, im Contraste mit der lebensprießenden Umgebung doppelt charakteristisch dastehen — warnende „Martersäulen" der Geschichte! „Der Thurm am Strande," so betitelt sich die erste Abtheilung des „Schutt" und Anastasius Grün beginnt den Gesang wie folgt: Ich lag im weichen Gras, gelehnt auf Trümmer, An Istriens vom Lenz nmblühtcn Strande; Der Himmel quoll in abendros'gem Schimmer, Das Meer erglomm im purpurrothen Brande. Sie wollen flammend beid' in Eines fließen, Nicht sieht das Aug' wo Meer und Luft sich trennen, Wie sich zwei Lippen an einander schließen, In einem ew'gen Liebeskuß zu brennen. Von Liebe wollen Flur und Hain erzählen, Das ist rings ein Erröthen, Flüstern, Kosen! Die Wellen Hüpfen ans Gestad' und stehlen Sich flüchtig Küsse von des Strandes Rosen. Sie legen Nachts gar heimlich und behende Ans Land der Muscheln farbenreich Geschmeide, Daß Morgens an der Liebe zarter Spende Der Rosen Aug sich beim Erwachen weide. Doch du dort alter Thurm, öd' und zerfallen, Willst du nicht auch von Lieb' ein Wörtlein sagen? Mich dünkt es, deine morschen Quadern lallen Ein böses Lied, aus alten bösen Tagen! Dein Antlitz blickt so ernst, als ob es zürne, Und finstres Moos ist dämmernd drauf zu schau'n, Wie auf des Denkers tiefgefurchter Stirne Die dunklen und gedankenschweren Brau'n. Wohl dümmert's in dir von Einnerungen Wie Schuldbewußtsein in des Sünders Herzen Du finsterer Geselle, rings umschlungen Von ros'gen Schlickern und verliebten Scherzen! Ob deinem Thor ein Wappen, moosumwoben! Ein Löwe ist's, das Evangelium haltend! Venedig ha! dein Leu! Wol muß ich loben Des Sinnbilds Wahl dein ganzes Sein entfaltend! Der Mähne Königsmantel schüttelnd, Lene, Doch nicht verleugnend das Geschlecht der Katze, Das heil'ge Buch des Glaubens und der Treue Erhoben hoch — doch in bekrallter Tatze! Großmüthig, wenn gesättigt schon vom Morde, Und sanft, wenn du gebändigt mußt erliegen Dein Thron die Kluft, drin nie es Tag geworden Und doch voll Glanz und Ruhm und Kraft und Siegen! Sprich und was wolltest du am Thurme dorten? Ich ahn's, ein Kerker war's! Als Kerkermeister . Hat sich der Leu gelegt vor seine Pforten, Denn gern in Haft hielt Leiber er und Geister! Sieh hin jetzt: du zertreten, er zerschlagen! Sieh selbst dein Werkzeug: Ketten, Eisenstangcn Im Purpurschmuck des Rosts, am Sicgeswagcn Der Freiheit, als entthronte Zwingherrn prangen! Selbst in die Quadern, die den Thurm dir trugen. Ist einst der Freiheit frischer Hauch gefahren, Daß sic in wilder Lust aus ihren Fugen Sich selbst entknechtend taumelten in Schaaren. Des Löwen von San Marco gierige brutale Tatzengriffe nach unserer Heimath blühenden Gefilden, der es nicht verschmähte, in den Stunden der größten Be-drängniß Krains durch die türkischen Barbarenhorden sich mit diesen zu alliiren, um vereint mit ihnen unser Land zu zerfleischen, in ihrer vollen Bestialität allen kommenden Geschlechtern zu überliefern, war wohl Niemand geeigneter, als ein Auersperg, dessen Ahnen in den Kriegsheeren des „letzten Ritters" und seines Oberfeldherrn, des bekannten Erich von Braunschweig, jahrelang im Wippacher Boden und im Görzischen im Felde lagen, als Vorposten gegen den „Len von Venedig," dem es aber doch, wie schon angedeutet, ab und zu durch alle Künste der List und des Verraths gelang, in Momenten, wo der Landschaft und des Kaiserheeres ganze Hilfe gegen das Anbrausen des Osmanensturmes auf der „Wacht an der Save" von Nöthen war, Stücke von Jnnerkrain an sich zu reißen und insbesondere in den Besitz dessen zu gelangen, was er im forstreichen Krain am meisten suchte, der Schiffs-Hölzer für seine Flotten, sowie jenes kaum erst entdeckten und viel begehrten kostbaren Erzes der Quecksilbergruben von Jdria, dessen Monopol ihm hocherwünscht erscheinen mußte. Das Archiv auf Stammschloß Auersperg bewahrt die Auszeichnungen jenes Helden Hanns von Auersperg, der empört über die Käuflichkeit kaiserlicher Pfleger und Schloßhauptleute im Friaulischen und Görzischeil, über die Saumseligkeit, mit der man aus den kaiserlichen Arsenalen des Kaisers Kriegsheer mit Waffen zu versehen beliebte, über Verrath an allen Ecken und Enden eine fulminante Beschwerdeschrift direct an den Kaiser richtete, nachdem die meisten Schlösser in Friaul und Istrien (1508) bereits in Venedigs Hände gefallen waren! Stammschloß Auersperg trotz „Erdpidem" und wiederholter „Türkenvisiten" noch heute wie vor dreihundert Jahren eine „feste Burg," mit dem riesigen goldglänzenden Hauswappen der Auersperge auf dein mächtigen gegen Südost gekehrten Nundthurme, welch' imposantes Bild bietest du dem Beschauer, ein Bild deutscher Kraft, die dich hier inmitten slavischer Ur-waldswildniß gegründet, deutscher Ausdauer, deutschen Fleißes, wodurch die Auersperge von hier aus die eigene Hausmacht in meilenweitem Umkreise mehr und mehr ausgedehnt, die von hier aus Land und Volk regiert! Mächtiger, ehrfurchtsgebietender Bau mit deinen tausend und tausend Erinnerungen an Ruhm und Sieg, an Glanz und Ehre, in Rüstkammer und in Ahnensaal, im Turnierhof und in der Kapelle, wo das „reine Evangelium" gepredigt wurde, mit deinem uralten Lindenbaum vor dem Schloßthore, wie mußte dein Anblick erhebend und beseligend wirken auf den edelsten der Sprossen des altberühmten Geschlechtes, das dir den Namen gab! Und wie offenbart sich in dem poetischen Weihe-gruße, den Anastasius Grün der Burg der Väter widmete, der wahre echte Dichter, dessen Bescheidenheit es verschmähte, dem Gedichte eine directe Prägung zu geben und die es ihm nur andeuten ließ, an welche Adresse sein „Wandergruß"" — so nennt er es — gerichtet ist. Nur der „Blüthenbaum," den die „Ahnfrau an ihrem Hochzeitsfeste gesetzt," und dessen Blü-thenregen dem Dichter wie „Ahnensegen dünkte aus-alter ferner Zeit," wie das Kelchglas, das „den Urahn und seine Gäste schon geletzt," lassen uns errathen, welches „Bergschloß" der wandernde Dichter 'grüßend meint. Deutlicher aber wird für uns der Dichter noch, wenn er sagt: Und wie ich, vom Born zu nippen, Mit dem Glas berührt den Mund, Jst's als ob des Ahnherrn Lippen Böten mir den Gruß zum Bund. Und weiter: Von Geschlechten zu Geschlechten Schlinge sich der heil'ge Bund, Fort und fort sein Band zu flechte» Weiht o Glas dich Herz und Mund! > Dieß wunderschöne Gedicht empfiehlt ein gewiegter Schulmann „zunächst" für den Schulgebrauch. Siehe: Ueber die Berwerthnng der Gedichte des Anastasius Grün für die Schullektüre. Von Viktor Cilecka. Programm der vereinigten evangelischen Schulen in Wien. 187l-1872. S. 17. Hier auf Stammschloß Auersperg, umgeben von der Fülle der Gesichter, die laut redend zu ihm sprachen von den „heldenhaften" und „wohlweisen" Thaten der Ahnen, hier überkam den Dichter unwillkürlich der Gedanke: „es würde eine Geschichte des Schlosses und Geschlechtes Auersperg so ziemlich die Geschichte des Landes Krain, mit dem die Geschicke dieser Familie so innig zusammenhängen, namentlich im Mittelalter und in der Reformationszeit, gleichzeitig in sich fassen."' Anastasius Grün trug sich dann mit der Ausführung'dieser Idee, doch die politischen Ereignisse der späteren Zeiten und seine großen dichterischeil Produktionen mit dem ganzen riesigen Apparate der gewissenhaftesten historischen Vorstudien und Vorarbeiten ließen den Dichter nicht dazu kommen, seinen Vorfahren ein Pantheon zu errichten, wie es künstlerisch vollendeter wohl kaum je ein Werkmeister der Geschichte zu Stande bringeil konnte. Mußte aber die eigene Familie durch das Zusammenwirken der Umstände einer Verherrlichung und Verewigung der ruhmvollen Thaten der Vorfahreil von Seite des hiezu vorweg Berufenen entrathen lind stellte die Bescheidenheit des edlen Grafen, als i Schreiben Anastasius Grüns an den Bersasscr, dat. Graz, :!0. October 1861», als er huldvoll die Widmung meines „Herbard VI il. von Auersperg" aunahm. die Wahl ihm hiezu blieb, dieß eine Arbeitsprojekt zuerst zurück iu das verborgenste Fach seines au Vorwürfen reichen Pultes, so war das sloveuische Volk von Krain, dessen Lieder den deutschen Dichter von Kindesbeinen auf gar mächtig anzogen, glücklicher. Anastasius Grün hatte sich es einmal vorgesetzt: „die bereits allmälig verklingende poetische Stimme dieses merkwürdigen Volksstammes" dem deutschen Volke zu vermitteln und er brachte diese Vornahme zur Ausführung trotz alledem und alledem. Der blutigrothe Niedergang der Freiheitssonne, die in den „heiligen Märzen" so vielverheißend und goldiggrüßend aufgegangen war, ließ den Dichter sich in sein wolumschlossenes Heim auf Schloß Thurn-am-Hart, wo eine reiche ausgewählte Büchersammlung und der prächtigste Park geist- und körper-erfrischend seiner harrten, flüchten vor dem rauhen Kriegeslärmen. Es war im Spätherbste 1849, daß Anastasius Grün in diesem Tusculum die lleber-setznng der Volkslieder aus Krain vollendete, die sodann 1850 bei Weidmann in Leipzig (166 S. 8".) erschienen sind. In dem Vorworte — einem Kabinetsstücke kulturgeschichtlicher Studien — legte der nachdichtende Ueber-setzer der Lieder, „deren Verlorengehen man bedauern müßte", seinen Standpunkt der Arbeit gegenüber prä-cisirend, nachstehendes heute mehr als zur Zeit des Erscheinens interessante Geständniß ab. „Noch hat das Germanenthum, seines scheinbaren llebergewichtes lauf deni Heimathboden unserer Lieder) ungeachtet, einen vollständigen, dauernden Sieg nicht errungen, -noch hat sich das Slaventhum nicht als besiegt bekannt, ja neuerdings führte es nach langer Kainpfscheue jugendlichere und kräftigere Truppen ins Treffen. Auf welche Seite die Wünsche eines deutschen Dichters sich neigen, darüber kann wol kein Zweifel walten; doch ist er nicht engherzig genug, das Maß der Berechtigung, die Macht der Begeisterung und heroischen Thatkraft auch in dem andern Lager zu verkennen und über dem einseitig starren Festhalten des nationalen Parteipostens die höheren weltbeherrschenden Losungsrufe der Menschheit zu überhören, vor denen das Feldgeschrei der Nationalitäten verstummen muß, wie das Wort des Individuums vor der Stimme der Nation. Daß die großen Fragen, welche die Menschen bewegen, nicht ohne Mitwirkung der mächtigen Slavenfamilie nachhaltig zu lösen sind, hat in neuester Zeit das mächtige Rauschen der alten und vielästigen Slavenlinde deutlich genug angekündigt. Ein Zweiglein dieses Baumes aber rührte sich schon vorlängst in den Liedern unserer Sammlung."' Es würde uns zu weit führen in das Detail des Buches hier näher einzugehen und daraus auch nur Proben einzelner der darin vertretenen Gattungen der slovenischen Volkspoesie anzuführen. > Volkslieder aus Krain. Vorwort S. XXI f. Wir beschränken uns darauf zu betonen, daß den Hanpttheil das historische Volkslied bildet, wie es aus dem „Glanzpunkte der Landesgeschichte" aus den erbitterten Kämpfen mit den Türken als poetische Erinnerung sich erhalten hat. Anastasius Grün charakterisirt dieses historische Volkslied und die Bedingungen, aus denen es hervorgegangen, in dem bereits citirten Vorwort mit einer Präcision und erschöpfenden Drastik, die ihres gleichen sucht. „Durch seine geographische Lage — schreibt er — die trotz aller Friedensschlüsse fast jährlich wiederholten Einfällen der Grenzpascha's bloßgegeben, war das ganze Land Krain durch Jahrhunderte ein großes Feldlager, eine von Geschützen und Rüstungen starrende Burg; die ganze waffenfähige Bevölkerung, wie die Mannschaft einer großen Vorpostenwacht in jedem Augenblicke marsch- und kampffertig und der Signale (Kreuth- oder Gereuthfeuer) gewärtig, die von allen Höhen aufflammend binnen wenigen Stunden das ganze Land zu den Waffen rufen' konnten. Da war jedes Haus eine Schanze, Schlösser und selbst Kirchen waren befestigte Anßenwerke mit Thürmen, Ringmauern und Gräben (Tabors), vornehmlich zur Aufnahme der Wehrlosen und der geflüchteten Habseligkeiten bestimmt." > „Das belebende Element der dem 16. und 17. Jahr- > A. a. O. S. IX. hundert angehörenden romauzenhaften Lieder (in denen Krulj Nutjas, König Mathias, der, wie Barbarossa, noch nicht Gestorbene, eine große Rolle spielt) ist ein unersättlicher oft in blutdürstige Grausamkeit ausartender Türkenhaß; bezeichnend und für die echt volksthümliche Abkunft der Lieder zeugend ist das Uebertragen der eigenen Anschauungsweise, Geschäfte und Hanthirungen des Volkes auf seine Helden, der eigenen Sitten und Gebräuche auf fremde Völker, der gegen die nächsten Nachbarn sich kundgebende Pro-vincialhaß und Spott u. dgl. m.' „Obschon Krains Volkslied sein nahes Verhältniß zur Poesie der übrigen slavischen Völker nicht verleugnet, steht eS doch mit der serbischen Volkspoesie in allernächster Verwandtschaft. Wenn jedoch das serbische Volkslied im Einklänge mit der Geschichte Serbiens als wohlgegliedertes Epos zur Feier vaterländischer Helden als stolzer Triumph- und Siegesgesang nach glanzvoll beendigten Kriegen breit und feierlich dahinrauscht, so klingt eben auch im Einklänge mit der Laudesgeschichte, Krains Volkslied rasch und abgerissen als kurze Romanze, als frisches Waffenlied, wie es Nachts am Norpostenfeuer von wachenden Kriegern gesungen zu werden pflegt, die sich munter erhalten, die Nacht kürzen, vor allem aber den Faden, der jeden Augenblick durch Allszug oder Ueberfall ' A. a. O. S. XII. durchschneiden kann, nicht über Gebühr ausspinnen wollen." * Neben dein historischeil Liede dieser Sammlung laufen die häuslichen (lyrisch - idyllischen) Gesänge, das Liebeslied, das Näthscllied und die der benachbarten deutschen Alpenwelt nachgeahmten „Weisen" (Vierzeiligen oder „Schnadahüpfeln"). War die Anregung zu dieser Uebertragung der slovenischen Volkslieder wol zunächst von dem Erscheinen einer Sammlung solcher Lieder in der Ursprache 2 ausgegangen, so geht man doch anderseits nicht fehl mit der Annahme, daß Anastasius Grün die nähere Bekanntschaft mit dem slovenischen Volksund Sprachgeiste seinem viel früheren Verkehre mit dem bereits erwähnten Landsmanne und Lehrer Franz Presern zu danken hat. Daß Presern im Allgemeinen wesentlich ans das Gemüth des deutschen Dichters wirkte, daß er es war, der die dichterischen Anlagen seines edlen jungen Landsmannes besonders förderte und der Entwicklung entgegenführte, dieß gesteht Anastasius Grün in seinem herrlichen Gedichte: „Nachruf an Presern" selbst ein. Dieser Nachruf von Auersperg sofort nach des theuern Lehrers und Freundes erfolgten Ableben — > A. a. O. S. XIII. 2 Die 1839—1844 in Laibach unter dem Titel: 81ovo»slio pösmi Xriünsliixa Iiaroäa (Slovenische Lieder der krainischcn Nation) erschienen. Radies, Anastasius Grün. Z im Februar 1849 — gedichtet, ist nur Wenigen bekannt geworden' und ist in so vielfacher Beziehung, persönlich literargeschichtlich und nationalpolitisch hochinteressant, daß wir es uns nicht versagen können, denselben hier vollinhaltlich folgen zu lassen. Er lautet: Nachruf an Presern. Wer kan» Erhellen die Nacht, die Le» Geist umspann. Wer jag' De» Geier vom Herze», dast er nicht »ag Vom Morgen zum Abend, vom Abend zum Tag. In würz'ger Luft, auf blumeubuntem Grunde Ragt eine Linde neben einer Eiche, Die Zweige dicht verschränkt zum grünen Bunde, Als ob ein Freund dem Freund die Hände reiche, Ob hier das Blatt gezackt sei, dort sich's runde, Des Laubs und Schattens Farbe bleibt die gleiche! Uns Nachbarkinder, spielend auf den Matten Umwölkt des grünen Doms vereinter Schatten. Da ward kredenzt Glutwein vom letzten Jahre, Der Keltersegen schwüler Sonnenbrände, Und als ob Feuer durch die Adern fahre, In Kampflust flogen an das Schwert die Hände; Den Reigen löst das Volk, auf daß sich's schaare Zur Linde hier, zur Eiche dort sich wende; „Hie Slave," — „hie Germane!" scholl es grimmig Und Zornesworte brausten tausendstimmig. ' Er erschien im Vodnick-Album von vr. E. H. Eosta. Laibach l85i). Kleinmayr und Bamberg, S. !)6 f. Noch schwoll der Zwist, da strich ein flüsternd Klagen Dahin durch's Säuseln der Slovenenlinde, Ein Zittern gieng, als möcht' ein Herz ihr schlagen Vom Stamm zum Wipfel ihr, vom Mark zur Rinde; Von Männern ward ein Leichnam hergctragen, Sie lehnten an den Stamm sein Haupt gelinde, Ein Dichterhaupt! Dem Volke starb sein Seher, Erschüttert trat ich von der Eiche näher. Er war mein Lehrer einst! Aus dumpfen Hallen Entführt er mich zu Tiburs Musenfeste, Zum Wunderstrand, wo Maro's Helden wallen, Zur Laube, wo der Tejer Trauben preßte, Zum Cap Sigeums, dran die Wogen prallen Wie Waffenlosen, bis zu Priams Veste; Sein Geisterschiff trug keine Flagg' am Ständer, Nicht blau-roth-weiß, nicht schwarz-roth-goldne Bänder. Wir sah'n der Griechenfreiheit Todesbettc, Wir sah'n im Blachfeld Rom und Hellas ringen, Den Sieger dann sich schmückend mit der Kette Um des Besiegten Haupt den Lorbeer schlingen, Ten Kriegspfeil sinkend vor des Marmors Glätte, Vom Hauch der mildern Sitte morsch die Klingen! Im Glanz zerbroch'ner Rvmcrschwerter gleiten Mir Spiegelbilder spät'rer Kämpferzeitcn. Ans dieses Todten Herz, das nie gewittert, Geleuchtet nur — leg ich die Hände gerne — Die Weltenscele quillt, vom Markt zersplittert Ins Dichterherz zu ruhigem klaren Kerne Das Licht, das rings verirrt in Funken zittert, Im Dichterhcrzen sammelt sich's zum Sterne; Wenn Haß das Volk hinaus zum Streit getrieben, Vergräbt's, wie Gold, ins Dichterherz sein Lieben. Den bleichen Mund umschließt ein heit'rer Friede, Als woll' er mild zu seinem Volke sprechen: „Die Zunge löst' ich dir mit meinem Liede Zu vollern Klängen gleich krystallnen Bächen; Ich war ein Schmied, der dir die Pflugschaar schmiede, Der Sprache langverödet Feld zu brechen; Und willst du froh an's Erntefest schon denken, Noch manches Korn mußt du zur Furche senken. „Der-goldne Eimer geht im Völkerringe Von Hand zu Hand aus deutscher dir zu thauen; Du zückst das Schwert, daß deinen Dank es bringe Die Hand, doch nicht die Wohlthat kann's zerhauen! Der Geist der Zeiten fährt in Faust und Klinge, Wenn Haupt und Herz den Eingang ihm verbauen, O thöricht eitles Müh'n, des Geistes Blitze Ablenken wollen in die Degcnspitze!" Das Weltgestirn steigt aus atlant'schcr Welle Glanzvoll, unhemmbar deinem Widerstreben; Der West wird Ost! Liebst du die Morgenhelle, Gen West zum Aufgang mußt dein Haupt du heben, Willst du den reinen Born, schöpf' an der Quelle, Der Nheingott keltert nicht bloß ird'sche Reben; Verschmähst du kunstgeformtc goldne Schalen, So trink aus holzgeschnitzten Feldpokalen. Es geht vom Hunnenkampf ein altes Sagen So rast der Grimm, daß, die im Feld gefallen, Als Schatten noch fortkämpfen, luftgetragen Die Gcisterfaust noch in den Wolken ballen! Ein mild'rcs Kampfrccht gilt in mild'ren Tagen, Das Licht vereint die Streiter und es wallen Versöhnte Geister durch die Feuerwolke, Im Stern des Ruhmes vorleuchtend allem Volke. Der größte Genius der Slovenen deren erster Kunstdichter/ den man kühn neben Petrarca nennen kann, er ging von den Seinen vielfach angefeindet, voll den Fremdelt nngekannt und ungewürdigt durch das Leben, war er doch ein echter Sohn seiner Nation, „kalt und verschlossen, mißtrauisch und unzugänglich." „Krains Volk und Land" — sagt Anastasius Grü n 2 wahr und treffend — haben dieses gemein, daß sie ihre guten Eigenschaften und unbestreitbaren Vorzüge nicht zur Schau zu tragen wissen, wie denn das Land gerade seinen unschönsten und unfruchtbarsten Theil an der großen Heerstraße ausgebreitet hat." Krains märchenhaft schöne Gebirgswelt blieb der staunenden Welt lange ein Buch mit siebeil Siegeln. Erst der jüngsten Zeit war es vorbehalten, den alten Handelsweg aus dem Süden von Venedig her durch > Zu den schönste» Gedichten Prescrns gehört seine Ballade: Rosamunde von Auersperg, die Germonik deutsch nachdichtete. «Laibach 1865 I. Blaönik.) r Volkslieder aus Krain. Vorwort S. V, das krainische Oberland nach Kärnthen und in das Salzbnrgische wieder zu eröffnen. Der Schienenweg der Kronprinz-Rudolphbahn hat diese uralt wichtige Verbindung wieder hergestellt und zugleich den Freunden der Natur die herrlichsten Alpengegenden Oesterreichs um den Mangart und Triglav, um den Dachstein und Traunstein, die Tauernkette und was an Vorbergen drum und dran hängt, die vielen verschiedenfarbigen hellschimmernden und tief dunkeln Alpenseen, die wunderbarsten Gebirgsthäler und „Grüben" zu einladendstem Besuche erschlossen. Am jungfräulichsten prüsentirte sich bei dieser Brautschau der Natur die Alpenwelt Oberkrains, die bis dahin nur höchst selten das Augenmerk der Menschen auf sich gezogen, da der Weg zu ihr mit fast unüber-steiglichen Schwierigkeiten verbunden gewesen. Das wild romantische Oberkrain mit dem „dreiköpfigen Bergwardein" Triglav, mit dem tosenden „W asserfallederSavica,"* mit den die Sonnenstrahlen lustig wieder spiegelnden, Wiesengelände und Auen umschlingenden Save armen, mit den blauen Seen in der Wochein bei Weißenfels und Veldes, mit seinen dichten uralten Forsten und den festen wie ans den Felsen heraus gewachsenen Bergschlössern, es > „Die Taufe an der Savica" betitelt sich das meisterhafte slovenijche Epos Preserns, das die Taufe des letzten slovenifchen Heiden und Heerführers Eertomir durch die Franken behandelt und das Heinrich Penn in wohlgelungencr Ncbersetzung (Laibach >866. -Otto Wagner) dem deutschen Bolkc vermittelt hat. ist ein kostbar Juwelenkästchen, das so lange unentdeckt im Verborgenen ruhte. Der Mittelpunkt aber, um deu sich all' die Pracht uud Herrlichkeit dieses nun vollends gehobenen Schatzes grnppirt und von dem strahlenförmig die Wege aus-laufen, die zu all' den einzelnen „Perlen" dieses Ge-birgsstriches führen, ist das schon in ältesten Zeiten in der Heimath bekannt gewesene Bad Veldes, an dem reizenden gleichnamigen See, mit der Votivkapelle auf der Insel mitten innen, mit dem alterthümlichen Schlosse zur Seite, das aus jäh abfallendem Berghang hingebaut, die überraschendste Fernsicht gewährt, dann rings am Ufer eingefaßt von einem Kranze zahlreicher Villen und Landhäuser, die Mode uud Spekulation mit Hast schon auch hier herein gebaut. Schüchterner und scheuer noch, als sonst schon Landessitte, treten vor diesen „Neubauten" die urwüchsigen Bauernhütten und ländlichen Wirthshäuser zurück, die vordem die einzigen Wohnstätten ringsum den See vorgestellt. Unser Dichter aber, Anastasius Grün, erläßt bei jedeni neuen Besuche von Veldes seinen Kahn noch immer gerade aus über den See steuern nach denr alten Gasthause „zum Petran," wo man unter der Bäume schützendem Dache in idyllischer Ruhe weilen kann. Wiederholt hat Auersperg die Schönheiten des krainischen Hochgebirges, die Reize der Gegenden um Veldes sich beschaut und wie in allgemeinen Zügen in dem Eingangs mitgetheilten Gedichte „Jllyrien" so im Besonderen in einem nach Form und Inhalt gleich meisterhaften eigenen Poem künstlerisch reproducirt. Die „Dioskuren" — ein vom österreichischen Beamtenvereine herausgegebenes vom Hofrathe R. v. Falke des äußeren Amtes trefflich redigirtes Jahrbuch — haben in ihrem dritten Jahrgange 1874 das stimmungsvolle Gedicht: In Veldes von Anastasius Grün einem weiten Leserkreise vermittelt. Wir heben daraus "die malerische Schilderung der Scenerie hervor, da wohl kaum je'das Lob der herrlichen Gegend mit schöneren Worten gepriesen, mit froheren Farben gemalt werden dürfte. „Unter des Landmannes ärmlichem Strohdach in die Landschaft hinausblickend," singt Anastasius Grün: „Du grünendes Thal, du kristallener See, Du liebliches Eiland mit blinkendem Kirchlein, Ihr trotzigen Felsen, ihr lauschigen Forste, Die ihr mir Aug' und Sinne umstrickt, O löst mir das Räthsel und nennt mir das Wunder, Womit ihr das Herz auch in Wonnen berauscht, Den Geist auch in fesselnden Zauber mir bannt? Dort ragt er empor hoch über den Seinen Triglav, der uralte, das heilige Dreihaupt Mit weithin leuchtender Zackenkrone, Der Erste, der Morgens den Purpur trägt, Ter Letzte, der Abends ihn fallen läßt; Der Urahn eines Geschlechts von Giganten, Vom Silberbart die athletische Brust, Von eisigen Locken die Schultern umwallt, Die Stirne getaucht in sonnige Glorie; Doch auch umflort von ziehenden Wolken, Wie von den Schatten tiefernster Gedanken. Und wie zu festlichem Rathe versammelt Umstehn den Altvater die Hünengestalten Von Söhnen und Enkeln und Enkelkindern, Die Berge und Hügel in faltigen Mänteln Der Wälder mit blumengesticktem Saum; Darunter schon Greise mit Schnee auf den Häuptern, Doch Knochen von Marmor und Mark von Erz. Am Seestrand wacht ein Jüng'rer der Sippe, Der Fels mit der Burg, ein Krieger in Waffen Zum Hüter bestellt dem geheiligten Becken; In glattem Panzer, in steinerner Rüstung, Das Haupt mit dem Rittcrschloß behelmt, So ragt er steil und starr und senkrecht, Und um die Brust ihm flüstern und schauern Die Todeslüfte des schwindelnden Abgrunds. Das Eiland doch mit dem schimmernden Kirchlein Inmitten des blinkenden flimmernden See's, Das jüngste wol ist's der Enkelkinder. Es breiten die Wellen sich ihm zum Teppich Wie blinkendes Linnen, wie flimmernde Seide, Drauf kniet das Kindlein, die Hände gefaltet Zu stillem Gebet in gläubiger Andacht; Dann wieder erhebt es sein Singen und Klingen Mit reiner silberner Glockenstimme. Zerstreut wie sein fallen gelassenes Spielzeug Am Ufer liegen die Stätten der Menschen, Wie farbiger Tand nürnberg'schen Schlußworts Von Häusern und Hütten und zierlichen Villen. O Thal der Zauber, voll Größe, voll Anmuth Erhaben, wie in den Wolken der Donn'rer, Liebreizend, wie die erblühende Jungfrau; Das Menschenherz hat wiedergefunden In dir sich selbst, sein Streben, sein Lieben, Denn weil es zu Kleinerm sich niedergebeugt Und weil es zu Höherm empor sich schwingt, Belebt es das All mit dem eigenen Sein. Nach dieser beschreibenden Einleitung bringt der Dichter die Sage vorn „Wunschglöcklein" in der Wallfahrtskirche im See. Was er der Freiheitssänger beim Läuten dieser Glocke für das Land wünscht, das ihm „Leben, Lied und Liebe gab," davon wollen wir ganz am Schluffe sprechen! IljlknWtc drr grünen Itkiennnrlv. O Gier, o Lust, Z» schlürfe» reiner Berglust Hauch, In Ihre» freien Wellen auch Z» baden die befreite Brust. A » astafius G r ii n. „Das sind die zwei Hauptmomente der Natur, die mich gebildet haben — schreibt Lenau an Schurz' — dieß atlantische Meer und die österreichischen Alpen; doch möchte ich mich vorzugsweise einen Zögling der letzteren nennen." Ein Gleiches gilt von dem Einflüsse, den diese Alpen auf den Dichterfreund Lenan's — auf Anastasius Grün genommen. Wir haben schon in dem vorigen Abschnitte den Dichter Auersperg im treu innigem Verkehre mit den Alpen der engeren Heimath Krain belauscht, noch trauter > Lenau's Leben. Großcntheils aus des Dichters eigenen Briese». Von seinem Schwestcrmannc Anton L. Schurz. Stuttgart und Augsburg. I. G. kotta'scher Verlag. 1855. I. Band. S. 196. und inniger, weil viel häufiger und zu allen Zeiten verkehrte Anastasius Grüu mit dem Alpenleben der „schönen grünen Steiermark," in welchem Lande er seit seiner Verheirathung mit Maria geb. Gräfin von Attems (Tochter weil, des Grafen Ignaz Attems, Landeshauptmanns von Steiermark), 10. Juli 1839 seinen bleibenden Wohnsitz aufgeschlagen hat. Die vielfachen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Adelsfamilien der Steiermark, in denen sein im Nachbarlande Krain zu so hoher Macht und zu so hohem Ansehen gelangtes Geschlecht, die Jahrhunderte her gestanden und in die Auersperg durch diese seine Vermählung mit der Sprossin aus dem ersten Adelshause des Steirerlandes neuerdings eingetreten war, sie ließen ihn gar oft den Fuß setzen in die jagdreichen „Graben" von Obersteier, wo sich ihm gleichzeitig im Genusse der Waidmannslust öffnete das — „Geheimniß der Alpenhallen." Dieses „Geheimniß," er hat es in seinen tiefsten Tiefen ergründet, er hat es mit heiligstem Gefühl in sich aufgenommen, keusch und rein im Dichtergemüth bewahrt und rein und klar und unverwischt in seinen dem Gebirgsbache an ungetrübter Helle und Klarheit gleichen Dichterergüssen wieder gespiegelt! Wie gesinnt man zu den Alpen wandern, wie gestimmt man von ihnen heimkehren mag, er sagt es uns in dem wunderbar empfundenen und drastisch ausgestalteten Gedichte: Zwei He im ge kehrte. Zwei Wanderer zogen hinaus zum Thor Zur herrlichen Alpenwelt empor. Der Eine gieng, weil's Mode just, Den Andern trieb der Drang in der Brust. Und als daheim nun wieder die Zwei, Da rückt die ganze Sippe herbei, Da wirbelt's von Fragen ohne Zahl: „Was habt ihr gesehn? erzählt einmal!" Der Eine drauf mit Gähnen spricht: „Was wir gesehn? Viel Rares nicht, Ach Bäume, Wiesen, Bach und Hain, Und blauen Himmel und Sonnenschein! Der Andre lächelnd dasselbe spricht, Doch leuchtenden Blickes mit verklärtem Gesicht: „Ei Bäume, Wiesen, Bach und Hain Und blauen Himmel und Sonnenschein." Bäume, Wiesen, Bach und Hain und blauer Himmel und Sonnenschein, das sind aber nur der erste Grad des Geheimnisses der Alpenwelt; ein „höherer Grad," nur besonders Erwählten zugänglich, weil selten sichtbar, ist das Alpenglühen! Anastasius Grün hat es geschaut mit sinnigem Auge und glühendem Herzen des Poeten. Er ruft es begeistert aus: — sieh vom Flammenkranz umschlungen Das Haupt der Alpen, gluthumrollt, Als ob zu sparen ihr gelungen Ein Theil von ihrem Tagesgold. Als ob tagüber sie gefangen Zum Kranz die Rosen all im Thal; Als ob beim Tag dir von den Wangen Du Volk des Thals das Roth sie stahl. Einen weiteren Grad der Erkenntniß des hohen Geheimnisses bildet ein Sturm auf dem See. Mit dem Pinsel des vollendeten Landschafters malt uns Auersperg solch' einen Sturm. Es beschaut in Wellenkläre Sich der Fels, ein schöner Greis, Durch den See zieht meine Fähre Leise ihr kristallen Gleis. Vorn im Schiff, das Nndcr rührend, Scherzt die schlanke Schifferin! Hinten fest das Steuer führend Starrt ihr Vater ernst dahin. Vorn am Schisse scheint zu glimmen In der Fluth ein rother Schein; Sind es Rosen, die da schimmern? Mädchen, sind's die Wangen dein? Hinten an dem Steuer blinken Rings die Wellen silberweiß; Spiegeln sich der Gletscher Zinken? Jst's dein Lockcnschnee, o Greis? Doch urplötzlich werden die Wellen rege, „Rose" und „Schnee" verschwinden, als zöge sie eine Geisterhand nieder in den tiefen See. Ungcthümc sind die Wellen, Bäumend hoch den Leib empor Ihre Zottenmühnen schwellen Und ihr Nachen heult im Chor. Ungestüm im tollen Satze Springen schnaubend sie heran, Hau'n die grimme weiße Tatze In den morschen, schwanken Kahn. Aber peitschend ihre Flanken Wild der Greis sein Ruder schwingt, Bis die Bestienhord' im.Schwanken Knirschend, heulend, ihm entspringt. Leis die krausen Schädel streichelnd Rührt die Maid ihr Ruder nun, Bis, wie Hündchen, wedelnd schmeichelnd Alle ihr zu Füßen ruhn. Wieder schimmern Ros' und Schnee! War ein Kämpfen das und Kosen Abzuringen von dem See, Mädchen, du die Handvoll Rosen, Alter, du die Handvoll Schnee! Der höchste Grad des Geheimnisses, das nur dem Gottbegnadeten sich ganz und voll erschließt, ist aber unstreitig die Erkenntniß der Bewohner der Alpenwelt. „Alpensöhne frei und bieder," ruft Anastasius Grün. „Wenn in unsre Städt' ihr wallt, Jauchzt ihr auch das Lied hernieder, Das ans euren Bergen hallt; Wollt auch unsern Augen bieten Was auf euren Alpen blüht: Rosen auf den grünen Hüten Und wol Rosen im Gemüth." Doch er brauchte nicht erst darauf zu harren, er hat ihrer „Berge Hochgebiet" erklommen und sie in ihrem Wesen tief erfaßt; ihm hat sich dieses „höchste Geheimniß" leicht und vollends eröffnet! Die bescheidene Frage des bescheidenen Sängers: „Bring auch ich euch würd'ge Gabe, Kranz für Kranz und Lied für Lied?" er hat sie glänzend gelöst in jener „Gebirgsreise" im „Pfaffen vom Kahlenberg," in der er die „Urmenschen" der Alpen jedem Genremaler zum Trotze mit sorgfältigster Treue und in lebensvollster Wahrheit abkonterfeite. „Wenn dir Alpcnsöhne" — befiehlt Herzog Otto dem voranziehenden Nithart — „In ächter Urkraft, schlichter Schöne, Begegnen in den Alpenstegen, Noch unberührt vom Städtehauch -Und von der Niedrung Lastern auch, Dann zeichne mir den Ort, das Haus Mit einem Alpenrosenstrauß. Der Herzog mit dem Pfaffen Wigand ziehen hinterher. Sie sehn die ersten Hütten steigen Da jauchzt der Pfaff: Ha Nilharts Zeichen, Es schwankt sein Mpenrosenstrauh Als Zeiger dort am BrctterhanS. Sie nähern sich der Hütte An offner Thür sie lauschen leis, Da sitzt ein silberlockiger Greis, Sein Töchterlein in Leibesschöne, Ein Hirt, ein Jäger, seine Söhne, So edle hohe Kerngestalten, Als hätten magische Gewalten Vier Götterbilder aus Griechenhallen Entführt auf nordischen Alpenboden, I» Marmor hauchend Lebcnswallep Und sie gehüllt in Steirerloden. Der Alte rührt die tönende Zittcr, Wie rieselnder Wellen keusch frohlocken, Wie Windesschmeichcln in Wälderlocken, Wie rasche Schläge der Hochgewitter Von Mund zu Munde wechselnd zieht In kurzen Strophen das Alpenlied; Vierversig jetzt, als wie getragen Zum kecken Satz auf Gemsenbeinen, Die stampfend das Gerölle schlagen Radics, AnaftafiuS Grün. 4 Gutmnth'gen Spotts aus scharfen Steinen; Zweiversig jetzt, als wie gehoben, Auf Lerchenflügeln zu Sonnenaucn Die Schwingen goldct der Jubel Proben, Doch netzt sie auch der Wehmuth Thauen. Wenn Poesie dies; Haus besucht Trägt sie den Steruenmantel nicht Mit reicher wallender Fallenwucht, Mit krausen Zicrraths funkelndem Lichte, Den Kunst aus feuchtem Stoff ihr wirkte Und mit Symbolen und Chiffcrn umzirktc; Prunklos betritt sie diese Schwelle Und bringt nur bunte Kinderbälle. Jetzt singt der Hirt, der greise Mann, Die Dirne drauf, der Jäger dann, O seht, wie hier im Kreise sprangen, Nun fortgeschnellt, nun aufgefangen Der Alpcnkinder Liederbälle, So leichte, farbenbunte Helle, Wie luftgctragne Seifenblasen! Doch spiegelt sich im Schanmkristall Die Alpenwelt mit Wasserfall, Mit dunklem Wald, mit lichtem Rasen, Den Himmel selbst in Sturm und Ruh, Manch gut Stück Menschenherz dazu, Pis Ball und Bild in Schaum zerrannen. Pfaff Wigand unterbricht das Lauschen: „Das sind der Berge Menschentannen, Das ist der Alpenwasser Rauschen." Der Dichter läßt Fürst und Pfaffen weiter wandern, bis sie wieder sehen Nitharts Zeichen, den Alpenstrauß winken am nächsten Haus, und läßt sie NUN uns schauen das Gegenbild von der „Berge Menschentannen." Sie lauschen an dem Fenster schon, Da sitzen Vater, Tochter, Sohn, All nngestalt des Blödsinns Beute So mißgestalte Krüppelleute, Als hätt' ein unfreiwilliger Spötter Geschnitzt mit Stümperhand in Eile Aus Kieferknorren mit stumpfem Beile Zerrbilder jener Marmorgötter; Ein Kobold noch zum Zeitvertreib Ten Ort für Bein und Arm vermischt, Der lange Arm den Boden wischt. Das kurze Bein knickt unterm Leib, Drauf Zauberspuk die Puppennascn — Nußknacker und Alraun vermengt — Ein Greisenleben eingeblasen, Und Felsen an den Hals gehängt, Daß selbst ihr Lachen knurrt wie Grollen, Sterbröcheln scheint ihr Athemrollen, Ihr Sprechen fernes Wehruflallen, Des Trunknen in den Brunn gefallen. Den engen Stirnenpfad beschritt Noch kein Gedanke sieg es licht, Des Munds verfallnem Schacht entglitt Des Worts stoffreichcs Erz noch nicht; Im Antlitz nie das Lächeln spielt Dieß Elfenkind aus Rosengärten, Nur aus den trägen Augen schielt Ein Wehmuthtraum all des Entbehrten; Unfolgsam sind der Willenskraft Die Glieder ohne Wahl gerafft Vom Leib der Riesen und der Zwerge. — Wigand neigt sich an Otto's Ohr: „Das Menschenkrummholz ist's der Berge, Der Unkenruf im Alpenmoor." Nacht ist's um uns, die tiefsten Schatten des Berglandseins umgeben uns, doch nur auf eines Augenblickes Weile, denn der versöhnende Dichter läßt alsogleich neues Lichtleben durch die Scheiben brechen. Da tritt ein Bergmann in die Stube Und schüttet vor die Blöden frisch Manch klingend Münzstück auf den Tisch, Ein Theil des Wochenlohns der Grube: „Zu füllen meinen Arm mit Kraft, Hat euren Arm der Herr erschlafft, Drum mit dem Sold gesunder Glieder Erstatt ich euer Erbtheil wieder." Da zollt die schöne Sennerin Manch Wecklein Butter in Blättern rein: „Sucht mich das Aug des Liebsten mein, Euch dank ich's mit gerührtem Sinn, Die ihr auf euch zu meinem Frommen Des Leibes jeden Fehl genommen." Ein Jäger kam; vom Rücken glitt Des feisten Bockes Keulcnstück: „Den scharfen Blick, den sichern Tritt, Die feste Hand, das Schützenglück Euch dank, euch zahl ich's gern zurück." Da bringt ein junges Bauernweib Des weiften Brods manch rundes Laib: Ihr die von uns mild abgelenkt, Was Weiber lähmt und Seelen kränkt, Nehmt jede Makel, jede Klage Vom Kindlein, das im Schooß ich trage." Ein Kenner des Alpenlebens, wie kaum ein Besserer und mehr Gründlicher gedacht werden kann, hat Anastasius Grün es versucht, das sog. „Jodeln" sJauchzen) der Bergbewohner in ein Wortbild zu fassen und es ist ihm überaus glücklich gelungen. In derselben „Gebirgsreise," im Pfaffen vom Kahlenberg, hat er es niedergelegt. Er „hört" es so: Die Sennin aus dem Hüttenraum Tritt an der Felswand steilsten Saum, Nun jauchzt ein Schrei, dort jauchzt er wieder, Drauf hier und dort, bergan, thalnieder Fraunstimmen, Münnerrufe gemengt, Ein Flöten süß vom Jubeln versprengt, Als ob durch girrende Taubenschaaren Ein brausender Schwarm von Sperbern gefahren. In Lüften wogen, branden, verschwimmen, Klangflutcn rings in tönendem Streiten Ein wirrer Knäul verschlungener Stimmen! Doch Liebe faßt aus all den Fäden Den rechten, ihre Bahn zu leiten, Und lieblich löst und knüpft sie jeden. Horch, wie die Stimmen sich entwirren, Je zwei und zwei in seligem Reigen Sich dicht umkreisen, sich näher schwirren, In Eins nun klingen und nun schweigen! Ein Stimmcnpaar erstarb nicht ferne, Dann süße Stille, schweigende Sterne; Der Adler schwebt zum Felsenneste, Wildtaube flattert in die Acste. Diese Lust auf den Bergen, in den lichten Höhen nimmt ihr Ende, sobald die Sennin sich zum Abzug rüstet. „Der Sennerin Heimkehr," ein reizend Gedicht mit unendlich zarter Pointe, ist ein „Gauermann" in Versen. Horch, was erklingt vom Berge Wie voller Glockenklang? Was tönt zum Thale nieder Wie süßer Brantgcsang? Das ist mit ihrer Heerde Die junge Sennerin, Die von den Alpen nieder Zur Hcimath wallt dahin. Die schönste ihrer Kühe Mit Hellem Glockenlaut, Geschmückt mit frischem Kranze Wallt vorn, wie eine Braut. Rings um sie hüpft so fröhlich Die ganze Heerde drein, Wie treue Jugendgenosseu, Die sich des Festtags freu'n. Der schwarze Stier bedächtlich, Wie's solchem Herrn gebührt, Folgt wackelnd als dicker Abbas, Der stolz den Brautzug führt. Und vor dem ersten Hause Jauchzt dreimal hell die Maid, Daß laut es gellt durchs Dörflein, Durch Thal und Alpen weit. Die Smniil grüßt alle bekannten Weiblein herzlich nach allen Seiten und klagt, daß sie den ganzen Sommer über auf der Alpe allein gewesen; sie grüßt alle Bursche, nur den schönsten nicht, doch den scheint's nicht zu grünten, er läßt es lächelnd geschehen. Er hat wol auch die Schöne So lange nicht gesehn? Er trägt ein grünes Hütlcin Und Alpenrosen drauf. — Ei, solche Alpenröslein Blüh'n sonst im Thal nicht auf. Die Doppelliebe zur Alpe und zur Sennin, sie fesselt des „Gebirges schlanken Sohn" so gewaltig an das Heimathsdors, daß er, zu den Soldaten genommen, das Heimweh nicht bezwingen kamt und gar oft die Fahnenflucht und was als Strafe darauf steht, den Tod dem Siechthum hinter dem Kalbfell vorzuziehen pflegt. Aus dem besten Burschen wird ein— Deserteur! Auch diese Eigenthümlichkeit des Alpenvolkes hat Anastasius Grün in unnachahmlicher Charakteristik wiedergegeben. Der Deserteur, geschlossen sitzt er ans der Hauptwache, der morgen früh erschossen wird, da er dreimal der Fahne entflohen; er nimmt Abschied von der Mutter. Bei den Soldaten habe man Treu und Eid von ihm abgenommen Die ich doch und nicht erst heute Meiner lieben Sennin gab. Hoch von langen Stangen wallten Fetzen Tuchs, drauf sie recht fein Ein geflügelt Raubthier malten Und da sollt ich hinterdrein. Dem Gevögel Adlern, Geiern, War ich doch mein Lebtag gram; Schoß manch einen, der zu euren Und der Liebsten Heerden kam. In zweifarbig Tuch geschlagen Knebelten mich Spang' und Knopf; Einen Höcker sollt' ich tragen Und als Hut solch schwarzen Topf. Bester läßt, das sieht doch Jeder, Mir der grüne Schützenrock, Auf dem Hut die Schildhahufeder, Stutzen auch und Alpenstock. Morgen, wenn die Schüsse schüttern, Mutter denkt, daß fern von euch Im Gebirg bei Hochgewittern Mich erschlug ein Wetterstreich! Und die Sennin, sie hat dieß Ende des Liebsten vielleicht nicht lange überlebt nnd ruht vielleicht bald darnach auf dem Friedhof im Gebirge. Dieser „Friedhof derAlpen," dessen Hügel so „friedensgrün am Tannenwald schwellen," er regt den Dichter zu metaphysischen Betrachtungen an. Er apostrophirt ihn: Nicht hast dem Friedhof gleich der Stadt umzogen Mit blanken Mauern du den Wellenschwall! Die sanften Hügel, als empörte Wogen Durchbrächen überfluthend bald den Wall. Auf ihnen wogen nicht im fahlen Schimmer Steinkreuze, Säulen, Katafalke fort, Und Urnen, Pyramiden, gleichwie Trümmer Vom Wrack des Lebensschifss, gestrandet dort. Nein sie verspülen sanft und frei! — Entstiegen Ist draus ein Kreuz allein, kunstlos und schlicht Als Leuchthurm wol, der, wenn die Sterne schwiegen Auf diese dunkle See ausgießt sein Licht. Der Vollmond quillt durch dunkle Tannenreiser Und mündet seinen Lichtquell wellenwärts, Die Waldeswipfel flüstern immer leiser Und stiller Meeresfahrt gedenkt das Herz. Du träumst dein Haupt verhüllt iu Silberschlciern lind ahnst , o Tannenbaum, wie du als Kahn, Einst wirst hinaus ein Kind des Friedens steuern In diesen stillen, grünen Ocean! Zwei Stätten in der schönen grünen Steiermark sind es, denen Anastasius Grün in seinen Werken speziell mit Nennung ihrer Namen und mit Schilderung des Lokals unvergängliche Denkmäler gesetzt. Die Eine ist Neuberg im Mürzthale, die ehemalige Cisterze, die Herzog Otto der Fröhliche, der „Fürst" des Pfaffen vom Kahlenberg, ins Leben gerufen; die Andere das Wallfahrtskirchlein Maria Grün nächst Graz. In Neuberg: Da springt die Mürz, Mühlräder jagend, Vorbei an Wiesen, Ackerstreifen, Ein spielend Kind, die rollenden Reifen Vor sich zu Sprung und Tanze schlagend; Längst hat sich Werkflcis; angesiedelt, Maschinen rauschen, es sprühen die Essen. Einförmig stampft ununterbrochen Durch Nacht und Tag, durch Lust und Leid, In gleichem Mas; des Hammers Pochen Nachhallend in der Runde weit. lind stockt einst dieses PulsschlagS Pochen, Des Thales Leben ist gebrochen. Wie des Klosters Quadexmassen zerbröckelnd sielen, als „der Mönche Zeit war um," „das Werk vollbracht," „vorüber ihre Waffenwacht," der Mönche Dom, die Klosterhallen, die „Geisteresse" sind verlassen, und nur im Kreuzgang sieht man noch in Bildern wohlerhalten Die Reihen der harten Schmiedcmeister, Die Bändiger der Feuergeister, Der Ilebtc düstere Gestalten, Den Blick gesenkt, die Stirn in Falten! Mitten int dichtesten Waldesgrün, in unmittelbarer Nähe, ja fast vor den Thoren der reizenden Murstadt, liegt einer der beliebtesten Ausflugsorte der Grazer, und ab und zu im Jahre ein, von weit und breit herkommenden Wallfahrern, gern besuchter Gnadenort: Maria Grün, wo die gewöhnliche Waldesstille abwechselnd durch die dicht vor dem kleinen Kirchlein gelagerten Massen der Spaziergänger und Beter singend und lärmend, tanzend und johlend unterbrochen wird. Auf dem Platze, wo einst ein Eremitenkirchlein gestanden, der Sitz des Vorstehers aller Brüder des Eremitenordens in der Steiermark, da erbaute 1665 der Wirth „zum Hasen" aus Graz, Herr Fritz, zufolge eines Gelübdes für die glückliche Entbindung seiner Gattin, die Marienkirche, und zwar, wie die Sage geht, gerade an der Stelle, wo der Stein entsank dem Kinde, der erste, den es heben gekonnt. Die Sage der Gründung von Maria Grün hat Auersperg in der naiven Sprache, wie sie dem Gegenstände entspricht und mit dem derben Humor der Zeit, in der dieselbe fällt, zur Darstellung gebracht. Das mit andern dem Orte gewidmeten Poesien an einem Obelisk daselbst prangende Gedicht schließt mit den Versen: Wohl sieht man zur Stelle ein Kirchlein stehn, Man nennt cs Maria Grün, Noch sieht man das Thal so wunderschön, So grünend und duftend blühn. Das hat zu Mariens und Gottes Ehr Vor Jahren ein Wirth gethan; Die Enkel doch bauten — dem Wirth wol zur Ehr? — Vorlängst eine Schenke daran! So mische sich Jauchzen und Becherklang Mit Psalmen und Glockengeläut! So tanze der schwarze Meßner entlang Mit rosiger Kellnerin heut! Anrnthkns rlltrs H.klht und ulter Armirh. So lang der Fürstenstein in Ehren, Steht auch „rächt und »»geschwächt Das alte freie stolze Recht, Anastasius Grün. Nach dem 1414 zuletzt geübten alten Brauche wurde jeder Herzog von Kärnthen bei seiner Thronbesteigung durch einen Bauersmann mit dem Lande belehnt und versprach zugleich die Rechte und Freiheiten der Unterthanen zu schützen. Diese eigenthümliche Belehnung, die auf freiem Felde vor sich ging, und auf die sich der Kärnther nicht wenig zu Gute that, weil sie dem stolzen Selbstgefühle des eigengearteten, „wie seine Berge harten Volkes" so prächtig entsprach, hat Anastasius Grün im „Pfaffen vom Kahlenberg" treu und warm geschildert. „Traumgeister ziehn durch's Kärnthnerland" Der Dichter führt uns zur Hütte Edlings des Bauers, „des Mannes, der Kärnthens Herzoge macht," wie er in sternenloser Nacht mit seinem blondeil Sohne eine Zwiesprache hält über altes Recht und alten Brauch. Weib und Gesind ist längst zur Ruh, Der Alte klappt sein Kelchglas zu und mustert flüchtigen Blicks die Festgewänder, langt dann vom Wandbrett ein staubig, spinnumwundenes Kerbholz und ein altes, in braune Haut gebundenes Buch. Dann er zum Jungen also spricht: Zum Wächter seinem alten Recht Betraut das Land mein alt Geschlecht; Der Pflug schrieb in die Feldmark tief Uns ährengolden den Ahnenbrief. Durch meinen Mund, durch meine Hand Ergibt dem Fürsten sich das Land, Und will zu Thron sein Herzog schreiten, Muß einer unsres Stamms ihn leiten Zum Fürstenstein, dem unbequemen, Von ihm den alten Eidschwur nehmen Und Landesbrauch mit ihm vertragen; So gilt's zu Recht seit alten Tagen. Dieß Kerbholz ist mit seinen Schnitten Hauschronik und Fürstenbuch; So oft ein Ahn nach Vätersitten Empfieng des Fürsten Eidesspruch, Ward in dieß Holz ein Strich geschnitten; So schneid ich morgen wieder einen. So bündig faßt kein Schreiber sich, Hier ist ein Fürst nichts als ein Strich. Vielleicht die Alten mochtcns meinen, Dem Schenkwirt!) gleich, der seinem Zecher Ankerbt die ungezählten Becher, Mit jedem Strich an eine Schuld Erinnernd ach und — an Geduld. Der Knabe erwidert: Die alten Possen, Schnurren, Schnacken Mögt ihr zum rostigen Zeuge packen. der Herzog Otto sei so froh, so gut, der werde, was dem Lande frommt, freiwillig thun, was brauche es da der bindenden Eide?! Mit diesen Einwürfen des Sohnes ist der Stoff zur Abwehr und unter Einem zur Anpreisung und zur Verherrlichung der alten Volksbräuche gegeben, die nach den Worten, die der Dichter dem alten Edling in den Mund legt, der Landessitte sind, „was Epheus Klammern alten Mauern." Mit dem ganzen Feuereifer einer für das Gute und Edle, wo es immer begegen mag, erfüllten Dichterseele vertheidigt unser Freiheitssänger hier das historische Recht Kärnthens, das sich durch seinen Bauersmann seinen Herzog selbst gemacht.' Er läßt den Greis seinem neuerungssüchtigen, das alte Recht so leicht preisgebenden Sohne strenge zurufen: Ich spür es wohl, mein Sohn, mein lieber, Der Hofwind, der hereingepfiffen Ins Kärnthcn, hat auch dich ergriffen, Im Lande schleicht das Wedelficbcr, Traumgeister ziehn durch»' Kürnthnerland. > Den „wegen der Bedeutsamkeit seines Inhaltes" ganz besonders siir die Schule sich eignenden Abschnitt: „Herzogsstuhl und Fürstenstein" hat einer der heute hervorragendsten und um ihre Heimath mcistvcrdienten Söhne Kärnthens, mein trefflicher Lehrer Professor Alois Egger v. MöllWald in seinem „Lesebuche" für den Schulgebrauch eingerichtet. In klassischer Einfachheit schildert der Dichter am Schluffe dieses Zwiegesprächs zwischen Kärnthens alter und neuer Zeit, wie der Kärnthner-Freiheit Lichtfluth: Ihr Leuchten jetzt zurückgezogen In jenes einen Lichtleins Strahl das der zur Huldigung herantrabende Herzog Otto, auf dessen Nus nach Wien zum Vasallenschwur die Kärnthner keine Gesandten geschickt, von ferne aus des Edlings Bauerngut flimmern sah, und der das Licht erkennend, halb laut, halb leise sprach: „Und dieses auch erlischt einmal?' Es erlosch! Und mit ihm verfiel der „Herzogsstuhl," von wo aus der Fürst einst gab diesen Gauen Die Lehn, nachdem er selbst das Land Zn Lehn erst nahm aus Bauershand. Ein uralt Block lag lange lange dann dieses „Freiheitsmal" an des Zollfelds Straßenraine, wo man sah die Rinderheerden im Rasen Getränkt aus Römersarkophagen Und Lämmer an Marmortafeln grasen. Als ob sie die Schrift zu lösen wagen Und Kinder spielen mit rostesedlen Schaumünzen der Cäsarenzeit. „Jahrhunderte entnervter Zeit" umspannten aber auch den Stein, der dem Lande hätte immer als heilig Denkmal gelten sollen, „mit Schleiern der Vergessenheit ," Den Stein, der dumpf im Moose ruht, Dran wilde Keuler die Flanken reiben, Drauf Zunftgesellen die Namen schreiben, Kein Laut, kein Kranz, kein Liedermund Gibt dieses Steins Bedeutung kund. Kein Zeichen will zu sprechen wagen Und Süud' ist's hier nach Freiheit fragen: So sprachverwirrend war die Zeit, Daß ihrer Weisen Gilde im Streit, Ob die verwitterte Schrift am Stein Mag Römisch oder Wendisch sein? i Erst in neuerer Zeit war man bestrebt, das „interessante Denkmal" der Nachwelt zu erhalten und umgab es mit einem Lanzengitter und schrieb darauf, es sei dieß „Kärnthens Herzogstuhl." Dem Dichter aber entpreßt solch' nachgeborene Erinnerung die Worte: Das ist wohl schön, doch spät zu spät, Manch ein Jahrhundert hat's verweht. O hätten sie damals gefegt, entrückt, Unkraut, das GotteS Saat erdrückt! > Es wurde zwischen den deutschen und slovcnischen Gelehrten Steiermarks und Kärnthens seiner Zeit ein erbitterter Kampf über den Charakter einer aus dem Steine lesbaren Inschrift geführt, der mit der Entscheidung schloß, daß dieselbe slavisch sei, wie denn auch die Herzoge von Kärnthcn im Mittelaltcr und bis auf Friedrich III. die Pflicht und das Recht hatten, als Vertreter der „Windischen Völker" selbst vor dem kaiserlichen Richterstnhle und in Reichsver-sammlungcn ihre Vorträge in slavischer Sprache zu halten. Radies, Anastasius Grün. 5 O hätte» sie damals treu gesäek Zu kräftigem Wurzeln, mildem Blühn Den echten Kern, der saatengrün Und freiheitstolz in Herzen ersteht! Damals gezogen um dieses Mal Die Lanzenwand von bestem Stahl! Ihr Männer selbst sollt sein die Lanzen, Gereiht um diesen Stein der Ehren Dem Angriff und Verfall zu wehren. Dahin, dahin! Nur einen Frei'» Seh ich vor mir: ein Vögelein! Das nimmt vom Herzogsstuhl Besch Als sei's der Aar des Zeus mit dem Blitz. Auf Karnburgs Höhen da ragt ein zweiter Stein, ein anderes heiliges Mal dem Land — der „Für stenst ein." Dieser war es, auf dem der Bauer dem Herzoge den Eid abnahm. Der Edling sitzt ans dem Fürstenstein Aufrecht und fest und späht thalein: Sein Haupt beschirmt ein grauer Hut, Den eine rothe Schnur umfließt, Sein Fuß im groben Bundschuh ruht, Den eine rothe Schleife schließt; Ein rother Gurt den Leib umwallt, Der knapp im grauen Wamse steckt, Vom grauen Mantel überdeckt; Den Feldsack hat er umgeschnallt Mit Käs und Brot, der Gottesgabc, Sein Arni stützt sich am Hirtenstabe. Wie um dm Fels das laute Meer Braust Slimmgewoge ringsumher; Hier wendischer Laut, dort deutsche Klänge So fern im Thal liegt keine Tenne, So steil am Joch ragt keine Senne, Die Boten nicht gesandt zur Menge; So tief im Erzberg liegt kein Schacht Der nicht entsandt die Knappenwacht; Der Edlen Zug theilt das Gedränge. Der Herold wallk dem Zug voran In Landesfarben angethan, Auf seiner Brust das Wappenbild: Drei schwarze Leu'n im goldnen Schild, Und Oestreichs rothes Feld dabei Vom weißen Gurt getheilt in Zwei. Kreuzträgern nach Prälaten schritten, Laurenz der Bischof Gurks inmitten, Dann wallt der Landesedlen Kern Der Graf von Görz, Pfalzgraf des Lands, Graf Pfannberg, Kärnthcns Heller Stern, Herr Lichtenstein, ein Name wie Glanz, Mit ihm der gewaltige Auffenstein Freiherr Sonneck aus felsigem Krain, Die Fähnlein rühren die Flügel im Winde, Von Golde klirrt das Hofgesinde. Da tritt der Herzog selbst zum „Fnrstenstein." Am Haupt den schweren Herzogshut. um seine Schultern wallen Purpursammt und Hermelin. nicht soviel Sammt verschneidet Der Herr, wenn er die Lilien kleidet. Da fragt Edling wer das sei, der im Prunke hof-färtigen Gewandes nahe, und auf des Herolds Antwort: es sei der Fürst auf dem Pfade nach dem Fürstenstein, ruft der Bauer: Ich will nur weichen Wenn er geworden Meinesgleichen. Der Fürst kehrt um, die „Prunklast" abzulegen und kehrt zurück in Bauerstracht, der Edlings gleichend auf ein Haar. Ein Page rechts führt an der Leine Ein abgemagert schwarzes Rind: Ein Page links lenkt durch die Steine Sorgsam ein Pflugros; lahm und blind. Nun folgen die Ceremonien der Eidabnahme, die Fraget!, ob der Fürst dem Lande ein gerechter Richter, dem freien Bauernstande ein Schirmer, den Wittwen und Waisen ein Hort, dem Christenglauben ein Verbreiter, mit einem Wort, ob er ein „Landesvater" sein werde, ein wahrer; es folgen die Anbote des Psalzgrafen — die Geschenke an Kleidung, Vieh und Geld, Zinsfreiheit für den Edling bietend, der verwundert ruft: Ist solch ein Tausch nicht fein? Für dieses Gottcsland — ein Rind Das lahm, und einen Gaul, der blind! Für Tonnen Golds, die wir messen Sei nicht sein Pfennigmaß vergessen! Ihr Andern merkt's! Nun kennt ihr auch Was Fürstenrecht und Fürstenbrauch! Da springt der Herold ein mit einer Mahnung, die beim Bauer ihre Wirkung nicht verfehlt, er erinnert ihn an der — „Landesedlen Brauch." Herr Gradeneck wetzt schon die Schneide Das Gras zu mähen ans fremder Weide; Herr Portendorf hält angebrannt Den Span, durchs Land zu ziehn als Brenner; Herr Räuber zäumt und schirrt den Renner Zum Raubzug, löst auch nicht ein Pfand. Das Recht herrnloser Zeiten sieh! Die stärkre Faust nur bändigt die. Das verfängt! Der Bauer rasch den Stein verläßt und geleitet den Fürsten an seinen Sitz. Mundschenk kredenze den Willkomm Zum Ehrentrunk dem Fürsten werth, Marschalk sink in die Knie fromm Und halt ihm vor das Landesschwert, Das; er drauf schwöre vor allem Volke. Der Mundschenk schöpft des Quells „frische Flnth" in einen spitzigen Banernhnt; der Herzog spricht: Wie ich nun fasse Den schlichtesten Kelch mit schlichtestem Raffe Und trink auf mein Heil und euer Heil Und dann zum Grund der Erd' ihn gieße, Daß froher davon manch Blümlein sprieße. So auch zu meinem, eurem Heil, In Lebenswahrheit, wie im Bilde Gelob' ich Mäßigkeit und Milde. Und wie ich nun des Schwertes Klinge Nach aller Himmelsgegend schwinge Und zieh' im Geist den weiten Bogen Um dieses Landes fernste Zonen; So bleib es Allen, die drin wohnen Zu Schuß und Schirm und Recht gezogen. Und wie ich auf das Kreuz am Degen Die Finger lege schwurbereit, Däucht mir's beschwörend heiligen Eid In Christi Wunden sie zu legen, Ich schwöre ! Vom slmsrrtrnlrn Annd Uirol. Willkommen, Tirolcrherzen, die ihr so bieder schlagt. Willkommen, Tirolergletscher, die ihr den Himmel tragt. Anastasius Grün. Auch ein Alpenland! Darum dein alpenfrohen Dichterherzen nicht minder theuer als der Kärnthner Land, als die grüne Steiermark ist unserem Anastasius Grün Tirol mit seinen „Wohnungen der Treue," mit seinen „Thälern voller Duft," mit seinen Quellen und Triften, mit seinen frischen, freien Bergeslüsten! Der Mann „in starrem Erz," dessen „Vorüberschreiten" vielleicht noch heute „in unsern weichen seidnen Zeiten," „rührt manch deutsches Herz" Theuerdank Maximilian, den unsere Dichter in seinem „Jugendlied" gepriesen, nicht weil's ein Ritter war, „nur darum, weil er der Letzte jener Schaar." Dieser, sein Held, führt ihn auf mannigfachen Schlacht- und Wanderzügen wiederholt auch in die Berge von Tirol! Er führt ihn auf die „Martinswand" zu schauen das grause Abenteuer, er führt ihn vor Kufsteins Mauern zu sehen des Nachbar - Bayern Trotz, er führt ihn durch Innsbrucks Thore vor die räthselhafte Eichen-truh, die todesahnend sich zimmern ließ der „düstere Kaisergreis." Max auf der Martinswand! Schon 1656 hat man im Auersperg'schen „Fürsten-hos" in Laibach ein Drama gegeben, lateinisch: Naxi-milianus ^U8triaeu8 8ou rokugium acl ordom Luclm-ristieum — die wunderbare Rettung Maximilians auf der Martinswand behandelnd.' Und welche Fluth von Dichtungen aller Art über denselben Vorwurf zählt uns nicht die Bibliographie der nachgefolgten Zeiten auf! Aus allen ragt aber wie ein Gebirgsrecke die Schilderung von Maxens Noth und Rettung bei Anastasius Grün. Der Dichter singt: Willkommen Tirolerherzen, die ihr so bieder schlagt, Willkommen Tirolergletschcr, die ihr den Himmel tragt, Ihr Wohnungen der Treue, ihr Thäler voller Duft, Willkommen Quellen und Triften, Freiheit und Bergesluft. Wer ist der kecke Schütze in grünem Jagdgewand, Den Gemsbart auf dem Hütlein, die Armbrust in der Hand, Deß Aug so flammend glühet wie hoher Königsblick, Deß Herz so still sich freuet an kühnem Jägerglück? > Siehe mein: Der verirrte Soldat a. a. O. S. 105. Das ist der Max von Habsburg auf lust'ger Geinsenjagd, Seht ihn auf Felsen schweben, wo's kaum die Gemse wagt! Der schwingt sich auf und klettert in pfeilbeschwingtem Lauf, Hei wie das geht so lustig durch Kluft und Wand hinauf. Jetzt über Steingerölle, jetzt über tiefe Gruft, Jetzt kriechend hart am Boden, jetzt fliegend durch die Luft! Und jetzt? — Halt ein, nicht weiter! jetzt ist er festgebannt, Kluft vor ihm, Kluft zur Seite und oben jähe Wand. Wollt einer von hier zum Thale hinab ein Stieglein baun, Müßt', traun, ganz Tyrol und Steier die Steine dazu behaun. Wohl habe die Amme Maxen einst von der Martinswand erzählt, daß schon in leisen Gedanken das Auge in Nebeln schwand, jetzt kann er's sehen, meint der Dichter, ob sie dem Bilde treue Farben geborgt? Die Aussicht von da droben sei so schön und weit zu sehen, daß Maxen vor lauter Schauer die Sinne fast vergehen. Tief unten ein grüner Teppich, das schöne Thal des Inn, Wie Fäden durchs Gewebe, ziehn Straß und Strom dahin, Die Bergkolosse liegen rings eingeschrumpft zu Haus Und schauen wie Friedhofhügel zu Maxen mahnend auf. Der Kaisersprosse stößt mit Macht ins Horn, ein schwaches Echo; ein Teufelchen, das kichert im nahen Felsenspalt: Es dringt ja nicht zu Thale, des Hilferufs Gewalt. Ins Horn nun stoßt er wieder, daß es fast platzend bricht, Ho, ho, nicht so gelärinet! Da hilft das Schreien nicht, Denn liebte ihn sein Volk nicht, was er auch bieten mag, Herr Max er bliebe sitzen bis an den jüngsten Tag. Was das Ohr nicht vernommen, das Auge hat es erschaut und das fromme Volk sendet seine Gebete zum Himmelsdom, „von Kirche zu Kirche wallfahrt der bange Menschenstrom." Und ein kühner Bergmann findet sich, und unterm Segen der Priester klettert er zum betenden Max hinauf Der faßt ihn fest beim Arme und winkt ihm fürder zu gehn Mit Leitern, Stahl und Seilen wird kühn ein Pfad gebahnt, Wo Maxens Fußtritt strauchelt, stützt ihn des Retters Hand, Der lüd't ihn auf den Rücken, wo Klüfte schwindeln drohn, Wohl sind der Treue Schultern des Fürsten schönster Thron; Rasch geht's zu Thal, wo jauchzend Tirol empfängt die Zwei, Kein Spötter kann belächeln die seltne Reiterei. Ein Kreuz auf hohen Felsen blickt nieder in das Land Und zeigt den Ort, wo bebend einst Habsburgs Sprosse stand; Noch lebt die edle Kunde und jubelt himmelwärts Aus manchen Sängers Munde, durch aller Tiroler Herz. Max vor Kuffstein! „Ein httpsch Lied von dem Bcntzenower im Beyerland, wie es jnl zu Kopffstein ergangen ist,"' erzählt > M. Körner, Historische Volkslieder. Stuttgart, 1840. S. 116 bis 122. Einundzwanzig achtzcilige Strophen. Siehe dasselbe in im Volkston die Geschichte der Eroberung der von dem bayerischen Commandanten von Pinzenau vertheidigten Veste Kuffstein durch Kaiser Max I. im Jahre 1504. Diese Belagerung und endliche Bezwingung der schier uneinnehmbaren Grenzfestung bildet für sich den Gegenstand einer der Unterabtheilungen jenes Hauptabschnittes im Leben des letzten Ritters, den Anastasius Grün die Ereignisse der Jahre 1503—1505 zusammenfassend: „Der Streit am Grabe" benamset. Es blickte Pinzenauer von Kuffsteins Riesenwall, Mit Hohn und sicherm Trotze auf Maxens Hceresschwall, Wie'n Alpengeier sorglos auf den Verfolger blickt, Der fern im tiefen Thale auf ihn die Büchse zückt. Es blickte Max gen Kusssteins hochtrotzende Felsenwand Voll Zuversicht und Ruhe, so kühn und wuthcntbrannt, Gleichwie zum Horst des Geiers der Schütze blickt empor: Erreicht ihn auch sein Fuß nicht, erreicht ihn doch sein Rohr. Alle aus den Mörsern entsandten Kugeln prallten an den Martern Kuffsteins ab und zürn Hohn ließ der Pinzenauer die Mauern, wo sie angeschlagen, mit Besen kehren; die Pechkränze, hinaus geflogen, blieben unschädlich liegen, da wollte Max die Veste aushungern, doch der Hunger kehrte früher in seinem Lager ein und der Pinzenauer schickt ihm Hirt' und Heerden zu Aretins Beitrügen zur Geschichte und Literatur. IX, IL86, und dann in Hormayrs Taschenbuch, 1829, jedesmal mitgetheilt von Docen. Da wurde König Maxen die Zeit wohl etwas lang, Daß pochend schon sein Herzschlag bis durch den Panzer klang; Da sandt er gegen Innsbruck hinauf ins Waffenhaus: Schickt doch einmal den Weckauf mir und den Purle- Paus. In Innsbrucks Waffenhause waren Maximilians Lieblingskarthannen — diese beiden und viele andere, die alle Namen trugen und die er wie andere die Pferde mit Liebe in sein Herz geschlossen — untergebracht. In drei prachtvollen auf Pergament mit reicher Vergoldung gemalten und geschriebenen Bänden, die mit der sog. Ambraser Sammlung nach Wien kamen, ließ Maximilian die Abbildungen und Beschreibungen seines kaiserlichen Geschützes sammeln und sind darin nuil alle Namen sowie die dazu gehörenden anspielenden Reime verzeichnet. Der „Weckauf" und der „Pnrlepaus," vom Köllig selbst, der statt des Scepters den Luntenbrand erfaßt, mit sicherer Meisterhand behandelt, sie brachten das trotzige Kuffstein zum Fall. Der Pinzenaner und zehn Gefährten, sie endeten durch Henkers Beil, denn der Fürst, er hatte es geschworen. Da erhebt gegen weiteres Wüthen Erich voil Braullschweig der kühne Feldherr feierlich Protest und spricht zum König: Wenn Tapferkeit und Kühnheit ihr so zu lohnen glaubt Mein Fürst, dann beugt zuvörderst dem Block eur eignes Haupt. Drauf der Fürst: Gepriesen sei, mein Erich, dein edles biedres Wort, Ihr andern aber ziehet in Ruh und Frieden fort. Nächst Kuffstcin steht ein Kirchlein, Ainlcsfen heißt's noch heut, Weil's den gerichteten Eilsen zum Grabmal Max geweiht. Einst als in Tirol er wieder, erzählt ein Bauernknab, Er habe jüngst den König gesehn dort knien am Grab. Die letzte Schlacht, die Sporenschlacht bei Quinegate (1513) war siegreich geschlagen und Maxens „grauen Locken nickt still der grüne Kranz" der „Congreß von Wien" (1515) und der letzte Reichstag Maximilians zu Augsburg (1518) waren vorüber und Dürers Meisterhand hatte das Bildniß des großen Kaisers daselbst „nach der Natur gemalt," da überkam den letzten Ritter allgemach ein Todesahnen und Hoch über Innsbrucks Thalgrund auf einem Felsenstück Saß Kaiser Max ganz einsam, mit stillgesenktem Blick, Die Armbrust an der Seite, im grünen Jagdgewand Und auf dem leichten Hütlcin Gemsbart und grünes Band. Wie regungslos und ruhig der greise Jäger sitzt! Die grauumlockte Stirne sanft auf die Hand gestützt, Das Auge bald hinunter starr auf die Stadt gebannt Bald wieder fernhin schweifend durchs weite Tirolerland. Mißmuth faßt den Kaiser an; nicht ferne von Innsbrucks Hofburg hat er befohlen zu bauen ein prächtig neues Haus, da wallt er nun nm dasselbe es ringsum prüfend und ruft dann scheltend aus: Ihr Männer, ei was baut ihr da für ein Schneckenhaus, Die Säulenschaar wie winzig! wie enge Hall und Saal Und dunkel wie ein Kerker beraubt vom Tagesstrahl. Der Meister zog das Käppchen: „Erhabner Herr verzeiht, Kein schöner Haus, Gott straf mich, steht in der Christenheit, Die Säulen hoch wie Cedern, der Saal hell wie der Tag, Die Wölbung fest wie Felsen und leicht wie Laubendach." Max aber läßt von einem Schreiner sich zimmern einen Sarg, den stellt er zum Bette — wenn Schlaf sein Aug beschlich Und mußt er auf die Reise, den Sarg nahm er mit sich. Abfahrt von Innsbruck! Am Jnnstrand harrt ein Schifflein beim ersten Frührothschein, Da stieg verhüllt im Mantel der kranke Kaiser ein, Die treue Eichentruhe lehnt düster neben ihm, Fort schießt im raschen Stronie das Schiff mit Ungestüm. Am Strande murmelt fragend nun Innsbrucks Volk im Kreis: Wohin so schnell und eilig, du düstrer Kaisergreis? — Da schien von Maxens Lippen das Wort zurückzuwehn Lebt wohl, lebt wohl! nach Oestreich will ich nun sterben gehn. Es lehnt am Eichensarge sein Haupt von Sorgen schwer, Zum Himmel blickt er düster und düster rings umher: „Du schönes Land, dich liebt' ich so treu und inniglich, O wüßt' ich nur, ob glücklich mein Volk auch sei durch mich." Die Fluth umrauscht das Schifflein und schnell vor Maxens Blick Fliehn Thäler, Berg und Flächen, Gehöft und Stadt zurück; Wohin er blickt, sprießt Leben und Segen, Kraft und Fleiß, Wohin er horcht klingt Freude und Jubelsang und Preis. Auf Wiesen klirrt die Sense, in Wäldern knallt das Rohr, Gewalt'ge Hämmer stampfen durchs Thal im Donnerchor Und aus dem Schlund der Schlote qualmt's riesig dicht undgrau, Da schien auf schwarzen Säulen zu ruhn des Himmels Blau. lind weiterhin dann Felder, die dicht voll Saaten stehn Und Heerden, die fröhlich blöckend auf grünen Alpen gehn, Und Mühlen klappernd im Thale, von Fluchen rasch getrieben Die sprühend an den Rädern als Sternenregen zerstieben. Auf allen Straßen herrscht „lebendiges heiteres Drängen," es „knarrt des Fuhrmanns Achse von Fracht des Segens schwer" und „mit lustigem Ruderschlage mit flatternden Wimpeln ziehn im Strom viel rüstige Schiffe kreuzend her und hin," vor einem Gehöfte, in frischer Trift, spricht heiteren Blickes just ein Landmann über sein Kind den Segen Und lehrts in Drang und Nöthen sein Herz zu Gott zu wenden Und beten für gute Fürsten mit aufgehobnen Händen. Kaiser Max war zu Wels in der Hofburg gestorben (1519). Gar bald nachher ging man, seinem letzten Willen folgend, an die Erbauung der Hofkirche (Fran-ziskanerkirche zum H. Kreuz) in Innsbruck, in deren Mitte dann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter Kaiser Ferdinand I. sein Grabmal von den Brüdern Bernhard und Arnold Abel begonnen und nach deren Tode von Alexander Colin aus Mecheln würdig fortgesetzt und herrlich vollendet wurde, „eines der großartigsten Denkmale der deutschen Kunst."' Der „Epilog" zum „letzten Ritter" — 1829 gedichtet — er zeichnet uns in schärfstem Lichtbilde dieß Monument aus Stein und Erz! Das Max-Denkmal in Innsbruck es steht vor uns! Die Kunst, die mit Begeistrung und Liebe Max geschirmt, Sie hat zu sejnem Denkmal die Sänlenschaar gcthürmt, Mit Bildern seiner Thaten den Sarkophag umgeben Und so den Tod vermählend gepaart mit ew'gem Leben. Aus reichen Marmorbrüchen Carrara's sind geschlagen Die Steine, die als Stufen den Katafalk hier tragen, Voll Ernst und heil'ger Milde kniet Maxens Bildnis; oben Und für sein Volk noch betend hält er die Händ' erhoben. Und Helden aller Zeiten und Kön'ge mancher Länder Umstehn im Kreis das Grabmal, gehüllt in Erzgewänder, Noch jetzt voll Kraft und Wohlklang, wie einst ihr Arm und Herz Erstarrt ist unverwelklich ihr Lorbeer selbst zu Erz. Ihr Helden ernster Miene, was hat euch hcrberufen, Zur feierlichen Runde an dieses Denkmals Stufen? Wollt ihr die ew'gen Zeugen von Maxens Ruhme sein? O dann entweicht! — er selber ist sich genug allein! > Anastasius Grün: „Der letzte Ritter." Siebente Auflage. Anmerkung!!2. Wollt ihr sein Grabmal schirmen als treue Wächterhut? In seines Volkes Mitte schläft solch ein König gut! Ihr ehrnen Hochgestalten, Stamm der Vergangenheit, Wollt ihr Gericht wohl halten ob unsrer neuen Zeit? Soll ich euch Rede stehen? Soll ich hier Kläger sein? fragt der Dichter, und antwortet sich rasch: nein, o nein! In „Innsbrucks blanken Mauern" umgibt ihn ja zu laut redend auf Schritt und Tritt die Erinnerung an die herrlichsten Tage der neuen Zeit, an die blutigen Stunden der Franzosenkriege, da die „aus Grabesbanden" „aufgeraffte" „alte Freiheit" „als Geist erstanden," „focht mit Geisteskraft." Sie kämpft'n hier auch herrlich in den Tirolergann Da ward zum Schwert die Pflugschar, um Fesseln zu zcrhaun, Das Lodenwamms zum Panzer, zur Burg die Weidenhnrde Der Hirt empfing am Schlachtfeld des Ritterschlages Würde. Lebendiger und viel sagender als in dieser wahrhaft antiken Lapidarschrift sind wohl noch nirgends die heißen schweren Kümpfe der „Tiroler Helden" gegen des Franzmanns frechen Nebermuth verewigt worden! RadicS, Anastasius Grri». 6 Ins IchsrmilMLrHilt. Nur wer der Geister Liebling, den umweht Entschleiernd sich, des Bcrggcists Majestät, Anastasius Griin. Zweimal in seinen Jünglingsjahren nnd das in rascher Aufeinanderfolge besuchte Graf Auersperg das viel besungene Salzkammergut. Einer im Besitze meiner Schwiegermutter Therese Kaltenbrunner befindlichen Correspondenz ihres Vaters des von Anastasius Grün als „gemüth- und charaktervoller Dichterpatriarch" > verewigten Mathias Schleifer (— des seligen Großvaters meiner Frau Hedwig geb. Kaltenbrunner, Tochter des oberösterreichischen Dialectdichters K. A. Kaltenbrunner —) entnehme ich und zwar einem Briefwechsel Schleifers mit Schurz dem Schwager Lenau's, daß Anastasius Grün 1830 auf einer Reise nach Stuttgart zu Uhland und Schwab und zwar Freitag den 2 3. Juli Abends nach > Nicolaus Lenau's sämmtliche Werke, Von Anastasius Griin, Stuttgart und Augsburg, I, G, Cotta'schcr Verlag. 1855. I. S, XXIX. Gmunden kam. Dieß notificirt Schleifer an Schurz, der ihn dato Wien 19. Juli von Auerspergs Reise avisirt hatte, unterm 26. Juli. Schleifer schreibt: „Graf Auersperg ist schon Freitag den 23. d. M. Abends hier angekommen und hat seitdem von Gmunden aus, wo er sich einquartierte, Excursionen gemacht; leider hat ihn die Witterung nicht begünstigt." Ein zweites Mal kam Anastasius Grün nach Gmunden beziehungsweise nach Schloß Ort — dem Heim Schleifers — im Jahre 1833.' Auf den Fahrten ins Salzkammergut lernte Graf Auersperg auch die Perle dieses Landstriches Gastein kennen. Wie viele Dichter vor ihm und nach ihm haben nicht dieses Gastein mit seinem Tobel besungen, welcher wohl bilderreicher als Anastasius Grün? Wir wüßten keinen! Es ist ein Cyklus von fünf Liedern, in denen der gottbegnadete Sänger dieses Gebirgseden feiert. Nur wer der Geister Liebling, den umweht Entschleiernd sich, des Berggeists Majestät. Lied eins: Erste Nacht, schildert den ersten Eindruck im Wildbade. Es wäre Schlafenszeit; — doch das ist schlimm, Nicht schlafen läßt mich hier der Ache Grimm, ' Schreiben Schleifers an Schurz, dat.Ort, 22. Februar 1833. Grad' unterm Fenster schlägt ihr Katarakt Auf Felsenpulte dröhnend seinen Takt! Musik zur Unzeit! Was zu thun da sei? Zu horchen wach der Räthselmelodei! — Einförmig tost's und doch so wechselvoll, Wie Harfen jetzt und jetzl wie Donuergroll! Jst's Wagenrasseln, das die Stadt durchrollt? Jst's Mühlgcstampf, das täglich Brod dir zollt! Sind's Eisenhämmer, schmiedend Waffenerz, Jst's Orgelton jetzt, der dir schmilzt das Herz, Nun Posthornklang, der dich zur Ferne reißt! Nun Waldesrauschen, das dich bleiben heißt! Nun Glockcnschall, der fromm die Gläub'gen ruft, Nun Trauermarsch geleitend in die Gruft! — Dem Leben gleich! Und alles Staub und Schaum! Doch sang's dich unbewußt in Schlaf und Traum. Im zweiten Lied: Der Heilqnell im Wasserfall führt der Dichter in zartsinniger Weise den Vergleich durch, daß wie unterm Fluthgebraus des Katarakts unvermischt im ehernen Rohr ein Heilquell warm und mild dahin schleicht uns sichtbar kaum, der Schmerz und Leiden stillt, so auch im Wortgesprudelstrom auf der Wahlstatt des Salons, wohin Großmacht Langeweile ihr Heer gebracht, auch manch' ein Heilborn fromm dahin fließt, „manch' Wort, das welke Herzen wieder jungt, manch' Wort, das müde Seelen frei beschwingt, manch' Wort heilkräft'gen Geists liebvoller Huld." Deßhalb ruft er: o lehre finden mich's, Geist der Geduld! Der ganze tiefe Schmerz einer sensitiven Menschen- natur, die von der Bergkolosse ätherumgossener duftiger Schönheit täuschend an sich gezogen, plötzlich im Aufstieg sich der rauhen Materie preisgegeben sieht und mehr und mehr von ihrem schroffen Realismus zu leiden hat, ist in dem dritten Liede: Fernsicht unnachahmlich zum Ausdruck gebracht. Glücklich wem sich, wie dem Dichter, das Gleichgewicht wieder herstellt zwischen Ideal und Wirklichkeit! Er singt: Tritt ruhmbekrönten Größen nicht zu nah! Sie sind den Alpen gleich, die vor uns stehn, Am schönsten größten, wenn von fern gesehn, Im Klanen Duft, in ihrem fernen Ruhme! Der Formen Schönheit, die dich fern entzückt, Löst sich in rauhe Massen, wie zerstückt, Wenn forschend du genaht dem Heiligthume, Der Duftschmelz wird Gestein, das wund dich ritzt, Und wird Gedörn, das Rock und Ferse schlitzt. — Das Auge des Geweihten nur erspäht In dunkler Kluft die schöne Alpenblume, Nur wer der Geister Liebling, den umweht, Entschleiernd sich, des Berggeists Majestät. Eine großartig schöne philosophische Betrachtung bringt das vierte Lied: Ungleicher Kampf, wo das Ringen eines Giganten mit einem Zwerge als Schmach für den Großen, als Ruhm für den Schwächling bezeichnet und in der Allegorie dazu folgende Ge-birgsscene demonstrirt wird: Zur Sonne flog der Königsadler einer, Ein blockend Hammelthier in seinen Krallen. O Aar, dir läßt's nicht gut am Schmutzvlies! zerren Und Schmachtrophä'n sind dir des Hammels Flocken, Doch er, gewöhnt auf niedrer Trift zu plärren, Scheint selbst in deinen Krallen zu frohlocken, Das; er durch dich nun lernt den Flug nach oben, Daß er mit dir zur Wolkenhöh erhoben. Das letzte (fünfte) Lied ist: Einem Gesunden gewidmet. Im Posthornschall, „lang wiederholt von Fels und Wasserfall," klingt dem Scheidenden nach des alten Berggeists Sang, ein Lebewohl dir — du mein liebster Gast Der, was ich bieten kann, du selbst schon hast. Auf den Sänger selbst zurückanwendend wollen wir beziehen, was er den Berggeist, das Bild vom strotzenden Naturwohlsein weiter ausführend, sagen läßt: Erhaben sind wie meiner Felsen Firn Die Lichtgedanken einer Manncsstirn; Wie Blumenpracht im Alpenthal mir blüht, So wogt und glüht Gefühl dir im Gemüth, Und wie mein Busen birgt manch gülden Erz, So hegt manch Goldkorn tief und still dein Herz, Wie sich mein Katarakt durch Felsen schlägt, Wallt frei dein Manneswort, trifft und bewegt; Und wie mein Heilquell welke Blumen hebt, Hat deine Huld manch trauernd Herz belebt. Der so gesund an Seel' und Körper ist, Nichts kann ich bieten dir; bleib wie du bist, Aufrecht und grad, wie meiner Tannen Schaft, Behend wie meiner Gemsen Federkraft! Das Schneehaupt selbst, wie meiner Gletscher Eis, Ist dir nicht Last, nein Schmuck und Ehrenpreis, Ein ganzer Mann, dem meine Alpenwelt Den Spiegel eigner Größ' entgegenhält. Leicht wird mit frischn, Wandcrschaarr» Dc» Strom hinab, »»aufgehalten, Ei» neuer Barbarossa fahren. An asia sinS Grün, Die hohe kulturelle Mission der Ostmark, die Civilisation nach dem Orient zu tragen, deren Erfüllung einerseits die „Wacht an der Save" auf sich genommen, sie fällt anderseits seit Jahrhunderten und in der Gegenwart mehr denn je den vielsprachigen Bewohnern des Reiches der Krone des heil. Stephan zu, das im brüderlichen Vereine mit den Ländern der österreichischen Monarchie diesseits der Leitha diese seine ebenso schwierige als reich lohnende Aufgabe gewiß zum Besten lösen wird. In brüderlichem Verein das freie Ungarn mit dem freien Oesterreich! Der Staatsmann Anton Alexander Graf Auersperg war es, der im sogenannten verstärkten Reichsrathe des Jahres 1860 mit allem Freimuthe für die alten Rechte Ungarns, für die Freiheit Ungarns eintrat. Derselbe Staatsmann, Graf Auersperg, war es aber auch, der in dem Augenblicke, als die Ungarn 1861 ihre Reaktion gegen das deutsche Wesen, gegen die deutsche Bildung und Kultur inscenirten, seinen warnenden Ruf in der parlamentarischen Arena des Laibacher Landtages erschallen ließ, der diesen Ruf erschallen ließ in dem Momente, als die Ungarn „zum tiefen Schmerze und zur Entrüstung aller Länder der Monarchie das Symbol der Zusammengehörigkeit Aller, das Reichssymbol, den kaiserlichen Adler, zerstörten und herunter rissen." Tiefes, lautloses Schweigen, wie wenn der Seher spricht, herrschte — noch heute zittert der Eindruck in uns nach — in der Landtagsstube, als den Politiker der Poet ans Augenblicke ablöste und im Bilde sprach. „Es wurde in Ofen — begann Auersperg zu erzählen — ein schon vor vielen Jahren angebrachter, aus dem vorigen Jahrhundert herrührender steinerner Adler entfernt; er mußte mit Hammer und Meißel zertrümmert werden. In dem Momente, als dieser steinerne Kaiseraar fiel, welcher das Herz schild Ungarns an der Brust trug, in diesem Momente — fuhr Anastasius Grün mit erhobener Stimme fort — wurde mit dem kaiserlichen Adler auch zugleich das ungarische Wappen zertrümmert. Ich möchte darin nicht ein Symbol und ein Omen sehen. ein Zeichen, daß in dem Momente, wo Oesterreich fallt, auch Ungarn fällt, und zwar durch denselben Schlag! Auersperg schloß seine von den Landboten mit jubelnder Begeisterung aufgenommene Rede mit dem christlichen und staatsmännischen Spruche: In nooWsariis unitas, in äudiis libortas, in onmidus diaritas! ^ Und es währte wenig Jahre und die oliarita.8, die libortas und die unitas kamen in dem Verhältnisse Oesterreichs zu Ungarn zu ihrer naturnothwendigen Geltung. Der Ausgleich kam, die „Krönung" folgte. Sanct Stephans Eid ward geleistet von dem „König jung und blühend," wie Anastasius Grün den St. Stephan geschaut im Geiste, da er die hochbedeutsame Ceremonie in den „Spaziergängen eines Wiener Poeten" geschildert hat. Wie die Glocken hell des Morgens heut zu Weißcnburg getönt! Jetzt ist's wieder still geworden und der König ist gekrönt! — Sieh nun tritt er aus dem Dome, purpurstrahlend, glanz- verklürt, Auf dem Haupt die neue Krone, in der Hand das blanke Schwert. Englein schmiedeten die Krone, wie die fromme Sage spricht, Ans Demanten sonnenhelle, aus Rubinen morgenlicht! > Bericht über die Verhandlungen des krainischen Landtags zu Laibach im Monate April 1861. Nach den stenographischen Auszeichnungen. Laibach 1861. Kleinmahr und Bamberg. S. 11 fs. Doch ein derber Schmied zu Dobschan ließ erglühn am Flammenherd, Schlug mit Hämmern auf dem Amboß das gewalt'ge, scharfe Schwert. Vor dem Stadtthor ragt ein Hügel, dessen Pfade Teppich schmückt, Drin des Landes helle Farben roth und weiß und grün gestickt: Unten harrt der greise Kanzler, hält empor mit stolzem Muth Hoch das sammtne Purpurkissen, drauf des Landes Satzung ruht. Rings geschaart in weitem Kreise Ungarns edle Vvlkerkraft, Hohe bärtige Magnaten mit dem Kern der Ritterschaft. Aebt' und Bischof' mit den Jnfulu, mit dem Krummstab und Brevier, Und des Reiches Bannerträger mit dem flatternden Panier! Auf den Hügel sprengt der König jung und blühend hoch zu Pferd, Nord- und südwärts, west- und ostwärts, schwingt er flink sein blankes Schwert, Dann, gleichwie ein goldnes Standbild, steht er ruhig fest-» gebannt, Und empor zum blauen Himmel hebt er feierlich die Hand: Es folgt der Eidschwur! Der Fürst schwört, daß er freien Willens, freien Herzens die Freiheit gebe und das Recht; er schwort: nicht zn herrschen blind nach Willkür, nein, nach Recht und Satzung stets, aufrechthalten wolle er das Gesetz, heilig, fest und treu, „nie nach eigenem Hirn es deuteln, nach Gelüst es modeln neu;" er schwört: zu bewahren glänzend des Landes Ruhm, „blank wie Krieger ihren Panzer, sorgsam wie ein Heiligthum"; er schwört: zu treuem Rathe gern Ohr und Herz zu leihen, „nie das freie Wort zu fesseln, sei er noch so schwach und klein;" er schwört: „mit dem Gute hauszuhalten karg und weis', dran der Wittwe Thränen kleben und des armen Landmanns Schweiß;" er schwört: ein Vater zu sein seinem Volke immerdar — es wahrt die Burg zu Ofen Stephans Mantel, Krön' und Schwert, Wächter blank in Waffen schirmen jener Schätze theuren Werth; Wenn sie einen König krönen, wird er damit angethan. Sieht das Volk dann Stephans Mantel, wünscht es auch sein Herz hinein, Sieht sein Schwert es wieder schwingen — möcht' es doch sein Arm auch sein. Deßhalb der stürmische Triumphgesang des Volkes, als es den König Franz Joseph im oenkwürdigen Jahre 1867 den Krönungshügel hinansprengen, das Schwert des heil. Stephan schwingen und den Eidschwur leisten sah, deßhalb der stürmische Triumphgesang des Volkes, als es zu Ofen sich niedersenken sah die Krone auf das Haupt des Königs, aber auch auf das Haupt der Königin Elisabeth! Auf der „schönen blauen Donau" Wellen kam die „Rose aus dem Vayerland" in die uralte Kaiserburg zu Wien, der Donau Wellen trugen die „Anmuth auf dem Throne" — wie Anastasius Grün die hohe Frau preisend nennt — nach der Königsburg von Buda-Pest! „Donau, des Ostens schöne Braut," an der „Pforte deutscher Lande," — da du Ungarns Boden betreten willst — hier werben dein „die Abgesandten des mächt'gen Osts, des liebentbrannten, die Südenlüfte, die Sonnenstrahlen und bieten dir in goldner Schale Korn, Wein und Rosen als Brautgeschenke" Daß sich dein Pfad in Sehnsucht lenke Zum Lande, wo so reich gedeiht Fruchtfüll' und Lcbensfrcudigkeit. Mir aber — ruft der Dichter — rauscht in deinen Wellen Das Brausen einer neuen Zeit, Als Strom der Zukunft voll und breit Beschreitest du des Fremdlands Schwellen. Wie auf dem magischen Krystalle Gestalten aus der Todtenhalle, Geister noch »ngeborner Zeiten, Und übergoldet wallt dein Bronnen Vom Glanz der hellsten Zukunftssonnen. Einst schiffte mit bekreuztem Trosse Den Strom hinab der Barbarosse; Stromketten, die ein Zöllner zog, Durchhieb sein Schwert, das; Feuer flog! Dann steuert er zum fernen Sunde llnaufg ehalten seine Bahnen, Auf allen Schiffen Kreuzesfahnen, Des Glaubens Lied auf jedem Munde. Einst wird mit frischen Wanderschaaren Den Strom hinab unaufgehalten Ein neuer Barbarossa fahren, Ein neuer Held im Kettenspalten: Der jungen Freiheit Banner schweben Von allen Schiffen dann in Lüften, Er steuert nicht zu heiligen Grüften, Nein, frisch ins volle heilige Leben! Ta zittert ihm die große Stunde Durch's Herz in aller Herrlichkeit, Als Lied erwacht auf seinem Munde Die Poesie der neuen Zeit! Vorher aber werden noch wacker zu thun bekommen die Gränzsoldaten' all „am Pestcordon," denn Die Schlachten unsrer Väter sind Noch auszukämpfen dort; Ein gutes Christcnschwert gewinnt Noch Arbeit fort und fort! 2 > Der Kränzsoldat. Anastasius Krün. Gedichte Wicrtc Auslage). Berlin, Wcinmann, I86S. S. 858 fs. 2 „Der Gränzsoldat" a. a. O. S. 860. „Mmgvail Köhmkrlmtd." Finden überall osscnc Ohre» und Hände Und schäumende Becher und BeifallSspcndc. Anastasius Grün. Das mächtige Böhmen mit seinen silber- und kohlenreichen Schachten, mit seinen jagdreichen Forsten, mit seinen gewerbfleißigen Jndustriebezirken, namentlich aber mit seiner Fülle von talentvollen Köpfen, die in allen Zweigen des Wissens nnd der Kunst gleich hervorragende Leistungen aufzuweisen haben, das mächtige Böhmen mit den eisenfesten Leibern seiner Söhne, Anastasius Grün hat es in einem seiner herrlichsten Gedichte, das dem Andenken eines der größten Söhne Böhmens, dem Vater „Radetzky" gewidmet ist, die „Heldenmutter" genannt.' Was Böhmens Kinder auf den Schlachtgefilden des Doppelaars die Jahrhunderte über gleistet, das zu überschauen, das in seinem vollen Werthe zu erfassen, war wol einem Auersperg am nächsten gelegen, bilden doch die Repräsentanten dieses Geschlechtes in < Nebcr dieses herrliche Gedicht siehe letzten Abschnitt. der k. k. Armee die Zeiten her zusammengenommen für sich ein kleines Corps, ein Gardecorps, zusammengesetzt aus Heerführern und Commandanten, deren wol jeder einzelne auf seinem Posten da und dort in blutiger Feldschlacht erproben konnte: Heldenmuth und Todesverachtung der Söhne der Heldenmutter Bohemia! Sie konnten erproben, was Anastasius Grün* so wahr sagt: „Wo Böhmen je noch kämpften, fehlts anch an Hieben nicht. Klangvoll Böhmerland! — im Geklirre der Waffen, im Tosen der Schlacht, aber auch „klangvoll Böhmerland" bei Lustgelag und Saitenspiel. „Ihr böhmischen Musikanten wohlan, spielt auf zum Tanz, i die böhmische Musik, sie ist bekannt über den ganzen Erdkreis: Die Spiellent grüßen manch fernes Land, Sind üb'rail willkommen und wohlbekannt, Finden üb'rall offene Ohren und Hände, Und schäumende Becher und Beifallsspcnde. 2 Anastasius Grün hebt in diesen Versen die weite Verbreitung und die große Beliebtheit der böhmischen Musik hervor, indem er vorausgehend das Leben und > Der letzte Ritter S. 156. 2 Der letzte Ritter S. 155. Treiben eines böhmischen Musikant end orses in vollster Anschaulichkeit geschildert hat. Wir wollen das schöne Gedicht hier vollinhaltlich folgen lasten. Das Mulikailtrndorf. Es blinkt ein Dörflein in Böhcims Land, Drin was da lebendig, ein Musikant; Verkehrte Schwalben, im Lenz entflogen, Sind jetzt im Herbste sie heimgezogen. Du meinst, die Nachtigallen der Welt In Einem Busch hier alle gesellt, Du meinst, es müssen hier tausend Quellen Zu Einem melodischen Strome schwellen. Horch lieblich spielt hier im Erdgeschoß Ein Stück zur Geige der Virtuos; Aufs Jahr durchklingt's der Länder Weite, Glückseliger dich entzückt's schon heute! Doch furchtbar jetzt aus dcni Nebenhaus Braust polterndes Paukengcwirbel heraus, Dein Ohr cs glich dem Knappen im Schachte, Auf den ein Bergsturz zusammenkrachte! Horch drüben flötet's so süß und rein Und wiegt in gaukelnde Träume dich ein, Doch hier der Trompeten Schmettern und Krachen Sorgt für dein zeitiges Wiedererwachen. RadicS, Anastasius Grün. 7 Horch Mädchenstimmen so lieblich und hehr! Dein Ohr durchschifft des Wohllauts Meer! Am Brummbaß hat der Nachbar Behagen: Vom Sturm ach wird dein Schifflein verschlagen. Horch Waldhornklang! Wie herrlich er schallt! Dir säuselt der duftige grüne Wald; Doch dort des Dudelsacks Surren und Summen Dich mahnt's, daß in Wäldern auch Bären brummen! Hier flüstert der Guitarren Erguß Von Nosenlauben und heimlichem Kuß; Dort braust aus dem Haus der Klang der Fagotte, Wie von Betrunkenen eine Rotte. Der übt auf dem Klarinett sich ein, Der will ein Meister am Hackbrett sein; Dort stürzt vom Fenster Posaunenschall nieder, Wie eines Verzweiflers zerschmetterte Glieder. Jed' einzelner Ton klingt gut ukid rein, Doch will kein Einklang Aller gedeihn, Wie die zerhauenen Glieder der Schlangen Sich winden und nie zusammengelangen. So heult's durcheinander und wimmert und dröhnt, Und ächzt und schnurrt und pfeift und stöhnt, Als säßen im Chor des MißlautS Geister, Als wäre Satan Kapellenmeister! Du fliehst und suchst vor dem Tho« Ruh, Und fühlst, es dachten die Vögel wie du Die Schwalben und Störche, die auch entflogen, Weil heim die Musikanten zogen. Doch wenn der Schnee zu schmelzen begann, Dann wallt aus dem Dörfleiu Weib und Mann, Die wollen ostwärts, die westwärts wandern, Nach Süden die Einen, gen Norden die Andern. Vereint, was getrennt zu Hause war! Dort drei, hier' ein Pärlein, dort eine Schaar, Wie des Wohllauts Geist sic zu Kränzen reihte Und, Blumen gleich, durch die Lande streute! Das kommt dem Dörflein auch eben recht, Drin musicirt der Lerchen Geschlecht, Frau Schwalbe kommt herbeigeflogen, Herr Storch ist auch wieder eingezogen. Die Spielleut' grüßen manch fernes Land, Sind üb'rall willkommen und wohlbekannt, Finden üb'rall offene Ohren und Hände, Und schäumende Becher und Beifallsspende. Da hat jeder Busch seine Nachtigall Und jeder Fels seinen Wasserfall, In allen Wäldern die Vögel singen, Durch alle Thäler die Quellen springdn. „Klangvoll Bvhmerland!" k'iuls kolouiue. Dtli Glocken eurer Andacht, selbst drei Hallen! O Bild des Heimathlands, dreifach zerfallen! Drei Fürsten theilten diesj! Ihr thut »och schlimmer, Ihr theilt und schlagt den eignen Gott in Trümmer, Anastasius Grün. Der Polen verhängnißvolles Schicksal, es mußte, wie es durch Jahrzehente aller Völker Mitgefühl mächtig aufgeregt, zuvörderst wol den „Freiheits-Sänger" mit tiefen: Schmerz erfüllen. Er gab diesem Schmerze in einem größeren Poem beredten Ausdruck, doch verfehlte er nicht, auf den Quell des Unglücks, die eigene Uneinigkeit, hinzuweisen und seine „Nänie" ward zum — didaktischen Gedicht! Es war im Jahre 1844, daß in Paris zur Verherrlichung des Polenhelden Koscziusko und der polnischen Sache eine Jahresfeier gehalten wurde. In Graz lebte internirt der gewesene „Neichstags-marschall des Königreichs Polen," Graf Ostrowski, eine hochragende, breitschultrige, würdige Greisengestalt mit langherabwallendem weißen Lockenhaar, ein Mann der liebenswürdigsten Umgangsformen, ein hoher Geist, ein edler Charakter, von Allen, die ihn kannten, die ihn nur sahen — ganz Graz kannte ihn — geliebt und geachtet. Mit diesem trefflichen Manne stand Anastasius Grün in vielfachem geistigem Verkehr und aus Ostrowski's Hand empfing ein polnischer Landsmann des „Marschalls," der gegenwärtige Reichsrathsabgeordnete vr. Chelmecki' das Gedicht, das Auersperg anläßlich der erwähnten Jahresfeier gedichtet und dem Grafen Ostrowski im Manuscripte übergeben hatte. Ich lasse hier das vielfach interessante Gedicht in seinem Wortlaute folgen; es heißt: Eine Jahresfeier. 29. November 1811. Durchbohrt von Russenspecren, Prenßcnblei Fiel einst KosczinSko mit dem Schmerzensschrei Aus bleichem Mund: „bänio ?nlv»ine!^ Sein hofsend Volk doch rief im herbsten Weh: Nein, noch kann Polen nicht verloren sein! Nein, rief der heut'ge Tag vor vierzehn Jahren, Nein, jauchzten Polens junge Heldenschaaren, Aus tausend Feuerrohren sang es: Nein! > Der freundlichen Mittheilung des vr. khelmcckc verdanke ich die Kenntniß des herrlichen Gedichtes. — Auch in der „Paulskirchc" hat Auersperg, dem daselbst der Pole Trcntowski, Docent der Philosophie an der Freiburger Universität, zur Seite war, hcrzhast und warm für die Polen gesprochen. Aufs Neu iu Warschau riefs der Zwietracht Hyder, Ukas uud Russenmörser hallten's wieder Im Domierchor: k'ivis koloniae! Nein! knirschten die zersprengten Polenschaarcn, Nein! zürnten wir vertraut mit ihrem Weh, Als unser Land sie sah ins Elend fahren. Paris du Märchenwelt im Alltagsschimmer, Du Tempeldach, in dessen Hort Geflüchtet Schätze ruhn aus Süd und Nord, Zerrissne Freiheitsfahnen, Kroncntrümmer! Du Arche, Retterin in Sturmcsfluthen, In deren Raum vertrauend treten Gestürzte Zwingherrn, neuer Zeit Propheten, Wie dort einst Lamm und Leu beisammen ruhten! Du Lasterpfuhl, der duldsam höflich Raum Der Tugend läßt für ihren kühnsten Traum! Du nahmst die flüchtigen Wandrer auf, laß sehn, Wie sic das Fest des heutigen Tags begehn? Horch! von Saint Noch» kenn' ich die Glockcntönc: Ein Todtenamt! In Trauerklcidern Prangen Der Priester und verbannte Polensöhne. Altar und Wand mit schwarzem Tuch behängen. O schöne Feier! Geisterhände legen Auf der Lebendigen Häupter ihren Segen; Ein Brudergruß, ein Bundeskuß entboten Von den Gefallenen in Polens Schlachten Und von den Geistern der lebendig Todten, Die am Ural und in Sibirien schmachten! Doch nicht vollzählig dünkt mir die Gemeine, Der ragenden Gestalten fehlt manch Eine? „Wer nicht mit uns, deß können wir entrathen, Wir sind des Volkes Herz: die Moderaten." Und horch! Den Seine Strom herübergleitet Noch Glockenklang! Ein Zug von Polen schreitet Dem Rufe nach den Flor nm Hut und Herzen, Bei Saint Gcrmain glühn seine Trauerkerzcn, Will Glaubenszwist euch in zwei Kirchen spalten, ' Daß ihr nicht mögt zu euren Brüdern halten? „Was Jene säen, das sind nicht unsre Saaten, Wir sind des Volkes Fuß: die Demokraten." Und wieder horch! Es ruft die Kathedrale Ihr Glockenwort! Carrossen mit Lakaien Und Wappen stolz am gothischen Portale; Drin feine Herrn und Damen schön wie Feyen. Auch Polen hier in dieses Domes Hallen? Fand bei den Brüdern sich nicht Raum für Alle: „Wir beten nicht zum Gott der Demokraten! Wir sind des Volkes Haupt: Aristokraten!" Weh, so ihr meint: cs zeuge Leben wieder Dieß Zucken der zerhau'ncn Schlangenglieder! Weh, daß nicht kann die Gluth von Schmerz und Nöthen Solch herrliches Metall in Eines löthen! Drei Glocken eurer Andacht, selbst drei Hallen! O Bild des Heimathlands, dreifach zerfallen! Drei Fürsten theilten dieß! Ihr thut noch schlimmer, Ihr theilt und schlagt den eignen Gott in Trümmer. Am Dom vorbei wallt' nngesehn voni Trosse Ein Reitersmann auf seinem Geisterrosse; Ein Polenaug' säh's ihn, hätt' ihn erkannt! Streng seine Züg', altfränkisch sein Gewand, An seinem Leib den Waffenstaat der Krieger: Ein brauner Bauernmantel fremd beschattet Der Heimatherde Bild, die manchen Sieger Zum Kampf erwärmt, ihn schirmt und nicht bestattet: Sein Blick voll Trauer, grau sein Lockeuhaar, Koscziusko ist's! Auf seiner Faust im Harme Gesenkten Haupts sitzt Polens weißer Aar, Wie Königsfalken auf dem Jägerarme. Jetzt schwingt die Hand er, läßt den Vogel steigen: - „Was diese Frei'n geübt', nicht kann's erbau'n, Laß uns nach Rettern, die in Ketten schau'n! Zieh über Warschau's Thürmen deinen Reigen. Frag' in der Krone Polen alten Ländern Die Eingesperrten, in Kosakenwällen All' die Gebundnen in Ukasenschlingen, Frag die Gefangenen in seidnen Bändern, In goldnen Ketten an der Weichsel Wellen! Senk' auf das Schreckenland von Eis die Schwingen. Laß ob Wüsten von Jrkutzk deine Flügel wehn, In Gruben von Nertschinsk dein Auge spähn! Und schmiedet dort auch einer Fessel Erz Nur Polenhände, nicht das Polenherz: Dann fahre wohl, dann ruf' ich herbstes Weh Zum letztenmal: „bmis koloms«!" Welch' andres Bild! Als Held und einheitlicher Mittelpunkt seines Volkes, König Jagello, der unerschrockene Bekämpser der Feinde Polens, der Gründer der Universität von Krakau. Dem seiner Nation unvergeßlichen König, der 1434 sein Leben beschloß im Wald und Rohr Noch in seinem Ohr Nachtigallenton hat Anastasius Grün ein leiergeschmücktes Denkmal gesetzt, tönend wie eine Memnonsäule, über die der Hauch der Erinnerung seines Volkes streift. Das schöne Gedicht, nur wenig bekannt/ möge hier seinen Platz finden: I a g e l l o. Nachtigallenmacht Füllt den Eichenwald, Weithin wiederhallt Jauchzende Liederschlacht. Polens Heeresmacht Lagert am Waldessaum, Fürst Jagello im Traum Ruht, vom Zelt umdacht. Plötzlich ihn erweckt Lang entbehrter Klang, — Ha, der Sprosser Sang Hat ihn aufgeschreckt. Durch Verhau und Wacht Dringt's ins Königszelt Und ihn überfallt Nachtigallenmacht. > Oesterreichisches Friihlingsalbum, 1854, herausgegeben von Heliodor Trust«, mitredigirt von K. N. Kaltenbruner. Wien, S. 489 ff. Von dem Schilde dort Als ein Echo prallt's In dem Helm rund wallt's Tönend fort und fort; Süsier Klang umspinnt Ihm das Schwert zugleich, Wie mit Watte weich, Wie mit Seide lind. „Klang der Seligkeit Längstvergessncr Laut, ' Wie erweckst du traut, Längst vergcss'ne Zeit! „Meine Kinderzeit, Als ich dir gelauscht, Nachtigallberauscht Tief in Einsamkeit; „Mich im Forst verlor, Bis mich Mütterlein Fand in Todespein Unter Busch und Nohr. „Dort ein munt'rer Knab', Hier ein müder Greis, Dort das frische Reis, Hier der morsche Stab. „Was dazwischen liegt, Traurig sicht's mich an: Dornenvolle Bahn, Die ein Fürst durchfliegt! „Gib mir dein Geleit Wonniger Waldchoral, Tauche mich noch einmal In die ferne Zeit." Und er stürzt zum Wald Nachtigallbcrauscht, Horcht und wallt und lauscht, Wo's am schönsten schallt. Doch die Klänge scheu Vor dem Lauscher fliehn, Locken ihn und ziehn Mit sich fort aufs Neu; Hier der rollende Fall, Dort das flötende Flehn; Holdes Jrrcgehn! Wohlklang überall!------------- Weißer Ncbclflor Hängt am Binsenstrauch, Und mit qualmendem Hauch Athmet schwer das Moor. Kalt und scharf der Thau Von den Blättern fällt, Und der Irrwisch hält Dort die Leuchte blau. Durch das knisternde Rohr Schleicht das Fieber sacht, Auf den Lüften der Nacht Schuellt's den Pfeil hervor, Trifft ins Königsherz! Greises Heldenbein, Ist nicht Stahl und Stein, Nieder wirft ihn Schmerz. An der Eiche Saum Sinkt er todesmatt. Lohte Liegerstatt Beut der alte Baum. So im Kriegeszug. Polens König starb, Den kein Feind verdarb, Den kein Schwert erschlug. Starb nicht auf dem Thron, Starb in Wald und Nohr, Noch in seinem Ohr Nachtigallenton. In Gesang gewiegt, Eingesargt in Sang! So verschönt der Klang, Was dazwischen liegt. Und auch die unvergängliche in Wort und Bild viel gefeierte Rettung Wiens von den Türken durch Sobieski's Polenheer im Jahre 1683 hat in Anastasius Grüns Dichtungen ihr sonnig-helles von des Humors duftigem Rosenkranz umrahmtes Spiegelbild gefunden. Der Dichter greift aus Sobieski's Heldenschaar einen lustigenReiterLubomirski, des uralt berühmten Fürsten- und Heldengeschlechtes heraus, der wieder einziehend in das „befreite Wien," auf deren hoher Schule die Bildung — die deutsche Bildung — er genossen, gar arg die vorher hier gewohnte Lustigkeit vermißt und aufgepflanzt sehen will auf den Trümmermauern das „Panier der Lust." Schweigend durch der Straßen Leere Zog Fürst Sobicski ein; Der zerstäubt der Türken Heere, Treues Wien, dich zu befrei'n. Schweigend Polens Edle zogen Hoch zu Roß, um ihren Herrn, Wie ein farb'ger Regenbogen Um den hellen Abcndstcrn. . Trüber Sieg, voll Bruderleichen! Perle, deren Taucher sank. Erntefest nach Hagelstreichen, Ohne Lied und Tanz und Schwank! Schweigend reiten die Genossen; Nur den Winkeln eines Munds Will schon Lust und Scherz entsprossen, Frühe Blumen üpp'gen Grunds! Lubomirski war der Reiter, Dessen Auge nie geweint, Immer wolkenlos und heiter, Wie die Sonn' im Süden scheint. Er begrüßt die wohlbekannten Straßen rings, die Hochschul' dort, Der ihn einst die Eltern sandten, Als der Weisheit sich'rcm Port. Aber jetzt rings Trümmermassen Schutt und Asche blutbenetzt. Blickend über Plätz' und Straßen Spricht der Polenjüngling jetzt: Schönes Wien, wie arg zerschossen! Fast zu kennen bist du nicht, Wie wenn Pockengift durchsprossen Eines Bräutchens hold Gesicht. Die Schenken sind leer — „Frohsinns Tempel schön'rer Zeit" — statt „des feurig goldnen Nasses" quillt „aus dem Versteck des Fasses jetzt der Wirth mit Weib und Kind," Fiedler, Pfeifer, Lautenträger, Zitherspieler, Hackbrettschläger, wo sind sie? Hohe Schule, deine Hallen Sind gesperrt, verrammelt gar, Thatest nie mir den Gefallen Sonst, als eben recht mir's war. Musensöhnc, statt zu plagen Euch da drinnen mit Latein, Habt ihr euch gut deutsch geschlagen Draußen auf dem Wall im Frei'»! Wo ist das Liebchen? das Fenster im vierten Stockwerk, wo „lieblich das Röslein nickte," ist leer. War der Sturm, der diese Straßen Durchgefcgt, ihr nicht zu rauh? Schönes Wien, leg' ab die Trauer, Nicht zum Weinen taugt dein Blick — Trag auf deine Trümmcrmaner Das Panier der Lust zurück! Also sprachst du, hcit'rcr Pole; Längst vermodert ist dein Herz, Längst schon hob aus Schutt und Kohle Wien das Antlitz sternenwärts. Sieh', voll Rosen auf und nieder, Jeglich Stockwerk jetzt und Haus! Denn die Rosen und die Lieder Heißt es, gehn in Wien nie aus. Straßen blinkend voll Paläste, Keller voll von süßein Wein, Schenken voll Musik und Gäste Darfst um uns besorgt nicht sein. Doch zur Ferne sieh nach deinem Armen, schönen Vaterland, Und du lernst im Grab das Weinen, Das du lebend nie gekannt. Sieh voll Rosen auf und nieder, Je^lich Stockwerk jetzt und HauS! Denn die Rosen und die Lieder, Heißt es, gehn in Wien nie aus. Straßen blinkend voll Palläste! Keller voll von süßem Wein, Schenken voll Musik und Gäste, Darfst um uns besorgt nicht sein. Anastasius Grün. Schon am sangeSfreudigen Hofe der Babenberger-Herzoge nahmen die Auersperge, die bereits im 12. Jahrhunderte in verwandtschaftlichen Beziehungen zum deutschen und byzantinischen Kaiser, zum Herzog von Cleve, zum schlesischen Fürsten Boleslaw und zu den ersten Familien des „Reiches" standen, einen bevorzugten Rang ein und Herr Hanns von Auersperg (geb. 1192) war als einer der ersten Turnierkämpen bekannt, wie er denn vom Minnesänger Ulrich von Liechtenstein beim Turnier zu Friesach (in Kärnthen) genannt wird, „als clor von Ovorsporoli, clor ritoi-8 tut clä. tot."' > Ulrich von Lichtenstein, herausgegeben von Lachmann, mit Anmerkungen von Th, v. Karajan. S. 66. V, 6 s. Die großen Hoffeste der Babenberger in Wien, auf dein Leopoldsberg und in Mödling, sie sghen oft auch Repräsentanten des edlen Geschlechtes der Herrn von 0>v6r8porelr. Noch mehr stieg der Einfluß der Familie, welcher, wie wir oben bemerkt haben, an der Südostgrenze Oesterreichs eine so hochwichtige Cultnrmission oblag, in den Tagen der ersten Habsburger, und er mehrte sich von Jahrzehent zu Jahrzehent. Schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts sehen wir eines der wichtigsten Staatsämter, die Verwaltung des Salzgefälls (die praokocturn salis) in Wien dem Herrn Georg IV. von Auersperg anheimgegeben. Dieser Herr von Auersperg baute 1436 die im 0. Jahrhundert erbaute St. Nuprechtskirche (die älteste Kirche von Wien), die vor Alter schier zusammengebrochen war, wieder auf. Als der „Weiskunig," der Vater des „letzten Ritters," Kaiser Friedrich III. in der Hofburg zu Wien von den Bürgern Wiens belagert wurde (1462), da eilten mit der „Blume der krainischen Ritterschaft" die Gebrüder Hans, Jörg und Wilhelm von Auersperg dem bedrängten „Landesvater" zu Hilfe und waren neben den Böhmen unter Podiebrad die ersten beim Entsätze der Kaiserburg. Für diese „Befreiung der kaiserlichen Majestät" erhielt das Land Krain eine Verbesserung seines Wappens, den Auerspergen ward die eigens für sie RadicS, Anastasius Grün. 9 in' der Heimath aufgerichtete Erblandmarschallswürde verliehen. Der Vater des Helden Herbard VIII. von Auersperg, Herr Trojan I. bekleidete um 1535 das Amt eines Statthalters der niederösterreichischen Lande und besaß in der Stadt Wien, wo er seinen Amtssitz hatte, ein Haus in der „Schauflugkhen" (Schauflcrgasse), das auf den Sohn überging. Die Brüder Weikhard und Dietrich von Auersperg waren nacheinander Hofkriegsräthe beim Kaiser und an den Grenzen. Als Staats- und Conferenzminister Kaiser Ferdinand III. und vorher als Erzieher König Ferdinand IV. war der erste Fürst von Auersperg Herr Johann Weikhard lange Jahre in Wien, bis er 1669 gestürzt wurde und nach Laibach in die Verbannung mußtet Leopold Graf Auersperg, geb. 1663, war kaiserlicher Neichshofrath und später Gesandter in England, Spanien und Italien. ^ Der Hofstaat Maria Th eresia's weist uns den Fürsten Heinrich Johann Joseph als Oberststallmeister und als Oberstkümmerer und mehrere schöne ' Drei diplomatische Relationen aus der Zeit Kaiser Leopold I., mit einer Einleitung von Adam Wolf. Archiv für Kunde österreichischer Hilfsquellen. Herausgegeben von der k. k. Akademie der Wissenschaften. XX. Band. S. 289 ff. r Von ihm bewahrt die kais. Hosbibliothek in Wien ein Manuskript: Xogoeiatious üiglomatiquos 1695-1609 (Xr. 725-1 vt 7255). Siehe über ihn auch das bekannte vortreffliche Werk von Alfred Arneth: Prinz Eugen. I. 216. und edle Damen des Hauses Auersperg als Palastdamen der unvergeßlichen Kaiserin-Königin. Unter Kaiser Joseph II. war Maria Joseph Graf v. Auersperg Hofvicekanzler. Als solcher präsidirte er 1781 der vom Kaiser anbefohlenen Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen politischen Codex für die böhmischen und österreichischen Erb-länder, in welcher Commission der „Befreier von der Tortur" Sonnenfels das Referat führte. Joseph Maria v. Auersperg bewohnte während seiner Kanzlerschaft ein ihm vom Kaiser zur Disposition gestelltes sog. „Hofqnartier," auf dem Stock-im-Eisenplatze, das er so lange inne hatte, bis er als Gouverneur nach Siebenbürgen ging. In neuester Zeit wirkte weil. Fürst Vincenz Auersperg ein hoher Kunstmäcen als Oberstkämmerer und Intendant der kaiserlichen Hoftheater in der verdienstvollsten Weise und war zugleich als patriotischpolitischer Schriftsteller („Lustino ot abstino" „zwischen Stamm und Rinde" u. s. w.) — jedoch ohne Nennung des Namens — thätig; seine erlauchte Wittwe die Frau Fürstin Wilhelm ine Auersperg, geb. Fürstin Colloredo-Mannsfeld, ist als eoour ä'nngv im wahrsten Sinne des Wortes auch über Oesterreichs Gaue hinaus bekannt. Die Minister-Präsidentschaft in der neuen constitutionellen Aera Oesterreichs führte von Auerspergen zuerst (1870) Carlos Fürst Auersperg — gegenwärtig Präsident des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes — und seit 1872 dessen Bruder Fürst Adolph Auersperg! ritz tz Anastasius Grün, „in den zwanziger und dreißiger Jahren" in Wien weilend, schloß sich hier dem Kreise Gleichgesinnter und Gleichstrebender an, der seinen Sammelpunkt in dem oft genannten „silbernen Kaffeehaus" (beim Neuuer) hatte, „dessen Lage in der Plankengasse fast im Mittelpunkte der innern Stadt es zu dem geeignetsten Vereinigungsorte der in dem großen Wien und dessen Vorstädten zerstreut und entfernt wohnenden Freunde gemacht hatte." Zu diesem Kreise zählten nebst Auersperg u. A. die Dichter Grillparzer, Lenau, Seidl, Bauerufeid, Feuchtersleben, Zedlitz, L. A. Fraukl, C. G. v. Lettner, Braunthal, Badenseld, Castelli, Raimund, I. N. Vogel, Levitschnigg, Hermannsthal, Deinhardstein, Stelzhammer, der Pole Boloz v. Antoniewicz u. s. w., die Gelehrten Ferdinand Wolf, Kaltenbäck, Karajan, Enk u. v. a. Künstler, Musiker, Maler und Schauspieler. „Einerseits — schreibt Auersperg' — die entschiedene Abneigung des damaligen Negierungsshstems gegen die lebendigere Regsamkeit aufstrebender Geister > Nicolaus Lenau's sämmtliche Werke, Herausgegeben von Anastasius Grün. Stuttgart und Augsburg. I. G. Cotta'scher Verlag. 1855. I. S. XXV s. und gegen jede Art von Vereinswesen, insbesondere wo es literarischen oder politischen Tendenzen gelten "konnte; anderseits das unabweisbare Bedürfniß des Ideen- und Meinungsaustausches unter strebsamen jugendlichen Gemüthern, welche die gleiche Geistesrichtung vereinigte, hatten zu dem unverfänglichen Auskunftsmittel geführt, den freien Besuch und die geselligen Freuden eines öffentlichen Vergnügnngsortes zum Anknüpfungs- und Vermittlungspunkte für einen lebendigen geistigen Verkehr zu wählen, welcher Allen, ursprünglich wünschenswerth, allmählig überaus lieb, ja ganz unentbehrlich wurde. An die kleine Freundeschaar schloß sich durch die einem solchen Kreise inwohnende Anziehungspunkte allgemach, theils bleibend, theils vorübergehend, fast Alles an, was die Kaiserstadt an einheimischen Berühmtheiten und jüngeren Kräften in Literatur und Kunst aufzuweisen oder die Fremde an ausgezeichneten Söhnen eben nach Wien gesendet hatte. — Nebst Karten-, Schach- oder Billard-partien, nebst Kaffee und langer Pfeife bot ein Besuch des silbernen Kaffeehauses die Gewißheit des Zusammentreffens mit alten Bekannten oder mit hervorragenden Persönlichkeiten aus der Nähe uud Ferne und die nie getäuschte Aussicht auf heiteres Scherzgespräch oder ernstere interessante Erörterungen." — „Auf solche Weise" — manches Kunstwerk fand hier seine Anregung, seine Entstehung — „knüpfte sich für die Geschichte der Literatur in Oesterreich an den unschein- baren Rahmen eines Kaffeehauses manche anziehende Erinnerung und schwebt um dessen profane Räume gewissermaßen der Nimbus einer akademischen Glorie." Am innigsten schloß sich Auersperg von allen den genannten „Rittern vom Geiste" an Lenau an, mit dem er am häufigsten verkehrte und den er auf näheren und weiteren Ausflügen in die Umgebung der Residenz begleitete. Diesem „seinem geliebten Freunde" widmete er denn auch seinen „Pfaffen vom Kahlenberg," in welchem so viele Landschaftsbilder, die sie im Vereine geschaut, in prächtigen entzückend schönen Wortgemälden wieder gegeben sind. Den ersten Eindruck, den Wien auf uusern vom Süden kommenden Dichter gemacht, er hat ihn im „letzten Ritter" verewigt. Auf eines Hügels Fläche, genannt der Wienerberg, Steht eine graue Säule mit krausem Schnörkelwerk; Die Spinnerin am Kreuze heißt sie seit alten Tagen, Die heut noch sie umrauschen in alten dumpfen Sagen. Noch heut zu Tage fühlst du, o Wandrer, der hier steht Bon süßen, heil'gen Schauern dich zaubervoll umweht Und wie ein goldner Adler mit klingendem Gefieder Senkt sich vom hohen Aether Bcgeistrung auf dich nieder. Denn herrlich, unermeßlich in Pracht und Größe lag Die alte Stadt der Kaiser mit einem Zauberschlag; Rings grüne Höhn und Wälder, Strom, Auen, Saatcngold Wie Gottes Segensbulle vor dir nun aufgerollt. Rund um das Meer von Steinen hier sanft durchs Thal gedehnt Auf Bergen, grünen Flächen, an Hügel dort gelehnt, Kapellen, Dörfer, Schlösser, zerstreut im grünen Rasen Wie weiße Lämmer, die seitwärts der großen Heerde grasen. Und reges, frohes Murmeln dumpf raffelnder Karren Klang Und Glocken von hundert Thürmen Gejauchz und Jubelsang, In tausendfält'gem Echo klingt's Plötzlich auf zu dir, Als rief ein einz'ger Hymnus: ein glücklich Volk lebt hier! Dieß Bild einmal geschaut, wer vergißt es je, selbst wenn er, heimisch geworden in der Stadt an der „schönen blauen Donau," zu hundert Malen die andere Ansicht von den Höhen des Kahlenberg genossen, selbst wenn er sie mit dem geistigen Auge Anastasius Grüns genossen. Liegt auf dem Kahlenberg ein Schloß Der Blick ins Land so weit, so groß; übersieht man doch Die grünen Au'n am schönen Strom Die Saatgefilde, Nebgelände, Der Gränzgebirge blaue Wände, Die blanke Stadt mit ihrem Dom, Die Schiffer in den Silberwogen, Die Wandrer, die des Weges zogen. Die Aussicht auf dieß schöne Land Von duftigen Bergen blau umspannt, Vom mächtigen Silberstrom verschönt, Von Städten und Burgen blank bekrönt, Befragt das Land, das feiernd schweigt: Brauchst du zur Fürsprach meinen Mund. Was Wunder, daß Anastasius auf diesen Höhen vor den Thoren der Stadt die edelsten höchsten Anregungen gewann, wie er es denn selbst ausdrücklich unter den „Frühlings ged anken" in den „Spaziergängen" bemerkt hat, daß er sie „ans dem Cobenzlberge geschrieben." Er schildert uns begeistert, wie er dasaß ans dem Hügel unterm grünen Baum, der ihm wie ein Frühlingstraum säuselnd um die Schläfen spielte, „wie er frei die Blicke schweifen ließ über Felder, Höh'n und Wald, bis die fernen blauen Berge ihnen höhnend riefen Halt!" Ebnes Land liegt mir zn Füßen wie ein stilles grünes Meer, Weithinaus, wie Möven, kreisen meine Blicke drüber her; Gleichwie schmale lichte Furchen, die durchs Meer die Schiffe zichn, Schlängeln Donaustrom und Straßen sich als Silberstreifen hin. Rings empor als inselreicher, stolzer Archipelagus Nagen Dörfer, Schlösser, Städte blinkend wie aus Silberguß, Doch vor allen groß und mächtig ragt ein Eiland aus dem Meer, Dem als Tannenwald die Stirne krönt gewalt'ger Thürme Heer. Du bists Wien, Stadt der Cäsaren! Prangend über jedem Stadtthor stehn die Wappen unsres Lands, Flinke Lerchen, stolze Adler, in Metall und Marmorglanz. Am stolzesten prangt aber der Aar am Münster hoch oben, am Dome zu Stephan der da weist — — ein schweigender Prophet Mit straff emporgereckter Hand Hinauf ins dunkle Sternenland. Und des Stephansdomes Musterbau er läßt den Dichter erklärend der Gothik Wundergestalten an unserm Aug' vorüber führen. Den Himmel stürmt in tapfrer Hast Der deutsche Christ, der beide Theile Des spitzen Bogens zusammenfaßt Und aufwärts schießt gleich einem Pfeile Das Münster mit dem steilen Dach, Dringt in den Himmel allgemach Gleich eingetriebnem mächtigem Keile; Und wie er auch den Ernst des Ganzen Mit Ast und Blumenschmuck umrändert, Die Giebel sind erhobne Lanzen Wenn auch bekränzt und reich bebändert. Doch deutsche Kunst ist's, die» vollbringt, Daß Anmuth der Gewalt nicht fehle; Der Thurm von Stein scheint eine Seele, Die christlich fromm nach aufwärts ringt. Mühvoll aus rauhen Erdenmassen Hebt sich die gottgeweihte Quader; Jetzt strömt ihr Leben in die Ader Beginnt in Formen sich zu fassen. In rohen Stämmen klimmt's zum Licht, In Stufen nur mit steiler Wendung Bis zwischendurch ein Strahl jetzt bricht, Das Leuchten künftiger Vollendung: Und freier, kühner wird das Klettern Und schießt in Zweigen, quillt in Blättern; Durchbrochnes Laub mit zarten Rippen Will Morgenthau im Aether nippe», In Fluthen strömt der Tag darein Verklärt vergeistigt wie der Stein Und trübt so luftig leichte Ranken: Dir bangt, das; sic im Winde schwanken. Jetzt faßt zusammen sich's zum Kerne Zur Rose wird der Gicbclstcin Und mündet all sein irdisch Sein Verduftend in die ewigen Sterne. Kannst du den Blick vom Ganzen lenken Und in die Einzeltheile senken Hart an der Seele Himmelspfaden Läßt sich der Künstlerschalk belauschen; Du siehst empor am Baum der Gnaden Manch irdisch Ungeziefer rauschen. In Steingezweigen versteintc Schlangen, Eidechsen gar und Kröten hangen, Als mahn' es, wie noch Irdisches klebe An Allem, was da aufwärts strebe. Da scheint in Stämmen und in Mauern Unthicr und Mißgestalt zu lauern, Am Säulcnschaft sich Drachen ringeln Ums Kapitäl Basilisken züngeln Dort liest ein Asse im Breviere, Hier trägt ein Wehrwolf Bischofszeichen, In Nonncnschleiern Kützlein schleichen Mit Krön und Scepter reißende Thiere; Satan als Wirth die Kannen füllend Ein lüstern Meerweib reizcnthüllend, So klimmen zwischen Himmelsranken Gar weltlich sündige Gedanken, Die Künstlerlaunc, in Stein geschmiegt Und scharfgemeißelt, festgemauert Steinmctzeuwip, der Centner wiegt Und das Jahrtausend überdauert. Willst du ums Beiwerk naschend schwirren Wirst dich im Labyrinth verirren; Doch kann dein Blick das Ganze fassen, Dann stört dich selbst das Zerrbild nie, Denn, schmelzend, in die Harmonie Verschwindet's der granitnen Masse» Und unabwendbar mußt du lauschen Des Gvttesbaumes seligem Lauschen. Vom „Niesenthor" des alten Doms geleitete den „Wiener Spaziergänger" die Nothenthurmstraße zu dem nun auch gefallenen gleichbenamseten Stadtthore hinaus in die ehemals so geheißene „Jägerzeile" (heute Praterstraße genannt); einbiegend in dieselbe ruft der Dichter: Hebt empor euch auf deu Zehen! Konnt ihr jene Eichen sehn, Die wie Reih'n von Grenadieren jenseits an der Donau stehn? Herr das hießen sie den Prater! Gegen jeden Schmerz und Hort Wuchs dem guten heitern Völklein als Arznei ein Kräutlein dort. Gegen bittrer Sorgen Wermuth: dort des süßen Weins genug! Gegen Kapuzinerpredigt: des Hanswursts viel wcis'rer Spruch! Gegen Finsterniß von oben: dort von oben Sonnenschein! Gegen düstre Gaunereien: fröhlich heitre Gaukeleien. Des süßen Weins genug! Viel goldnc Rcbgelande breiten Den weiten Kranz ums Donaubctte Als ob hier Fluß und Weingott streiten Sich überbietend in die Wette, Die Weinfluth scheint zu überschtvellcn Im Katarakt von Hügelwellen Auf denen Winzerhauser ragen Wie Kähne von den Wogen getragen. Hoch her gings seit alten Zeiten nnd geht es heute noch bei den Winzerfesten am Donaustrande! Mit voller Farbenpracht und in breiter Behaglichkeit hat Auersperg solch' eine Weinlese im „Pfaffen vom Kahlenberg" geschildert. Am Winzerhaus Bänder und Fähnlein vom Giebel walle», Guirlanden aus allen Fenstern fallen Und muntre Dirnen schäckernd klauben Im Rebengarten die reifen Trauben ; Die Kelter stöhnt, die Winzer schütten In Kufen die Fülle ihrer Bütten. Im Weinland gedeiht der Scherz, gedeiht der Witz; der „Wiener Witz" ist weltbekannt! Anastasius Grün hat diese köstliche Naturgabe des Wiener Volkes damit wohl am schärfsten und treffendsten charakterisirt, daß er am „Fnrstenstein" im Kärnthnerland einen Wiener dem Herzogstroß scherzend die Zeit vertreiben läßt Indeß des Eides Strömung breit Noch von der Herzogslippe floß. Aber während der Witzbold nach neuem Witzgebild läßt steigeil seilte Augen „fröhliche Geier" Sieh da bezwingt ihn selbst der Feier Gewaltiger Ernst, erhabenes Schweigen Da wird nachdenklich anch der Wiener Denn tiefern Ernst birgt er im Herzen Gediegen Gold bei leichteren Erzen. Und damit ist der Charakter des Wieners erschöpfend dargestellt: „Leicht im Wort und wuchtig in der That," wie's die Chronik der Stadt Wien auf jedem Blatte weiset in golden-schwerer Schrift umrankt von zierlich und kühn geschwungenen Arabesken aus Weinlanb und Rosengewinden! Hür Grstrrrrtth und scins Hrrrhrit. Riesin Austria, wie herrlich glänzest Lu vor ineinen Blicken! Eine blanke Mauerkrone sah ich stolz Las Haupt dir schmücken, Weicher Locken iipp'gc Fülle reich aus deine Schultern fallen, Blonden Golds, wie deine Saaten, die iin Winde fröhlich wallen. Festlich prangt dein Leib, der wonn'gc, in dem grünen Sannni- gewandc. Dran als Silbergurt die Donau und die Rebe als Guirlande; Leuchtend flammt sein Schild, der blanke, welchem Lcrch und Aar entsteige», Aller Welt von deinem Biindniß init dem Tag und Licht zu zeigen I Anastasius Grün. Seine Liebe und Begeisterung für das theure Vaterland Oesterreich bewies Auersperg am klarsten und schönsten dadurch, daß er zu seinen großen poetischen Schöpfungen meist patriotische Stoffe aus der Geschichte Oesterreichs wählte und selbst in jenen Liedern, die mit herbem Spotte die Zustände des Vormärz geißelten, die hehren Gestalten einer Maria Theresia, eines Joseph, eines Erzherzog Karl mitten aus der umgebenden Nacht in voller Beleuchtung hervortreten ließ. Herzvg Ott» der Fröhliche. Sein ländliches Gedicht: der „Pfaff vom Kahlenberg" führt uns den Herzog Otto den Fröhlichen vor, den Anastasius Grün also feiert: „Dein Bild i» Habsburgs Ahnenhallen Macht hold manch spätes Herz dir wallen: Einförmig lange Bildnißreihen Mit Kronen all und Hcrzogshüten! Der Maler schlang nur dir allein Ums Haupt den Reif von Rosenblüthen: Das letzte nicht ist's von den Loosen, Zieh hin und kränze dich mit Rosen." Und so geschah's, daß Rosenglut Einst stand bei Oestreichs Herzogshut. Wie in allen Vorstudien zu seinen Werken außerordentlich gewissenhaft, war es Auersperg auch und ganz besonders in der Sammlung von Materialien zum historischen Bau des „Pfaffen." Da mußte ihm auch Lenau auf einer Fußreise in die steierischen Berge (1835) aus Neuberg, der Klosterstiftung Herzog Otto's, an Daten senden, soviel er konnte. Lenau schreibt über die Resultate seiner Forschungen an Anastasius Grün clo dato Neuberg, 10. Juli 1835: „Alles, was ich hier über Herzog Otto auftreiben konnte, besteht in einer Abschrift der Privilegien, welche dieser Fürst dem von ihm gestifteten Cistercienser Convente ertheilt hat. Llonusteriuiu gloriosao VirZinis Marino in Xovo inouto." In der Gruft des Stiftes Neuberg liegen die vermoderten Gebeine von Herzog Otto, von seiner ersten Gemahlin Elisabeth, seiner zweiten Anna, und seiner beiden Sohne Leopold und Friedrich, in schlichten Särgen von Sandstein. Lange war, wie man mir erzählte, die Begräbnisstätte vergessen und verborgen geblieben und hatte die Kapelle über der Gruft zum Holzgewölbe gedient; erst vor ungefähr 16 Jahren ward die Gruft entdeckt und vom vorigen Kaiser (Franz) eine Gedächtnißmesse gestiftet, und in der Kapelle ein Marmorgrabstein mit folgenden Inschriften veranlaßt: Otto Dux. Vust. 8t. Oar. oto. Vld. liom. Imp. Nil. Nov. lVlont. Nord. od. 26. Nedr. 1339. Nrima Oonj. Nlisadotda One. Dav. ink. Nil. od. 25. Uart. 1330. 8oouncka Oonj. ^nna Nil. Itog. Dod. 8oror. Oarol. IV. Imp. od. 8. I)oc. 1338. Niickorieus Nil. ox soronissima Domina Nlisadotda od. 16. Deo. 1344 I,60polclu8 61. ex serenis. Domina ^nna od. 17. 1344. Was die Pfaffen verleiten mochte, die Gruft zu verheimlichen (es wurde jedem ein Eid abgenommen, das Geheimniß zu bewahren), war, wie man vermuthet, verbrecherische Ausplünderung der Leichen, denn diese wurden ohne allen Schmuck in ihren Särgen gefunden. Herzog Otto war nach der Länge seiner Gebeine ein sehr langer Mann von wenigstens (N6", nach den beiden vorhandenen Bildnissen war er ein schöner Mann. Langes schwarzes Haar, schwarze Angen voll Contemplation, edel feingekrümmte Nase, um den Mund ein Zug eleganten Spottes und des Bewußtseins auch geistiger Ueberlegenheit. Auf beiden Bildern erscheint sein Haupt mit Rosen bekränzt; doch ist der Ausdruck seines Gesichts nicht der einer durchgängigen Fröhlichkeit, vielmehr bezeugten Aug und Stirne, daß der Mann, wenn er allein war, sehr ernste Stunden haben mochte."' Es sei hier ergänzend bemerkt, daß vor wenigen Jahren Se. Majestät der jetzt regierende Kaiser Franz Joseph I., der hohe Beschützer und Förderer von Kunst und Wissen, der pietätvolle Bewahrer der historischen Stätten seines Hauses und der Traditionen seiner Familie auch die irdischen Ueberreste Herzog Otto des Fröhlichen und der Seinen nach vorher angeordneter kunstgerechter Zusammensetzung der Gebeine in prachtvollen neuen Särgen auf würdigste Weise in der Kirche von Neuberg wieder Leisetzen ließ! „Der letzte Ritter." In diesem „Romanzenkranz" besingt Anastasius Grün die Heldenthaten Theuerdank - Maximilians! „Oesterreichs Max den nenntjeder deutsche Mund," was Wunder, daß das Poem mit der hinreißenden Gewalt seiner Bilder, in denen die mundgerechten Abenteuer des populärsten deutschen Kaisers > Lcnau's Leben von Schurz. I. S. 308 s. Radier, Anastasius Grün. g und Fürsten Oesterreichs in echt deutscher Einfachheit und Schönheit — wie Holzschnitte Dürers — wiedergegeben waren, auf das deutsche und österreichische Volk zündende Wirkung übten und den Dichter selbst mit Einem zum erkorenen Liebling des Volkes machten. Man stimmte begeistert ein in die Schlußakkorde der Romanze, die von des Sängers Leier also klingen: Das Ziel doch bleibt stets Eines: Recht, Seligkeit und Licht. Und würdig tränn ist Deutschland des seligsten Geschicks, Und werth bist du vor allen, o Oestreich solchen Glücks! Mein Oestreich, besten Boden ich hochbegeistert küsse, Und das ich, freud'gen Stolzes, mein Vaterland begrüße! Dein Fürstenhaus ist edel und mild wie keines mehr, Voll Treue, Kraft und Hochsinn ist deiner Völker Heer, Gesegnet, reich vor Allen, ist deiner Gaue Verein, Sollst du nicht glücklich werden, wer sollte sonst es sein? Dieses Fürstenhauses unvergänglichen Größen Maria Theresia undJoseph II., in den „Spaziergängen" begegnen wir ihnen in erhabener Lichtgestalt. Maria Theresia. Mit welcher ausgesuchten Zartheit läßt der Dichter die große Kaiserin-Königin, festlich zum Kirchgänge sich schmückend, zu ihrem Mädchen sagen: „Drücke meiner Ahnen Krone gut mir in das weiche Haar! Ach, nicht fest auf jenem Haupte ruht ihr goldner Reif, für- wahr, Wo die weiche seidne Locke um den Rang mit ihr noch kriegt Und vielleicht in solchem Kampfe wunderbar der Krön' obsiegt ! „Hefte fest den Purpurmantel! Wie ertrügt das schwache Weib Seine Last, die Heldenmännern niederbog den kräft'gen Leib? — steh, die Kraft der Männer beugt vor ihr den stolzen Leib!, O, wie hoch für solche Schwäche der Begeistrung Banner braust, Doppelt scharf die Schwerter blitzen, doppelt kräftig jede Faust! Joseph. Wahrhaft monumental und mit dem ehernen Standbild uni die Palme der Aeonendauer ringend ist: „Sein Bild," das Bild des „Schätzers der Menschheit," wie es Anastasius Grün für ewige Zeiten gemalt. Ja, du bist es weiser Joseph! — Voll von Kraft und Mark und Klang, So im Bilde von Metalle, wie dein Leben all entlang! All dein Ringen nach dem Lichte, all dein Thun in ernster Zeit, Glich's nicht einer Hand von Eisen, die uns eine Rose beut? Erzherzog Carl. Und auf einem andern „Spaziergange" geleitet uns der Dichter „Auf das Schlachtfeld von Aspern." Wie dort am Vesuv die Lava einst manch heitre Stadt verschlang, So begrub sie viel der Edlen hier die weite Flur entlang; Hundert Städte zu beleben, gnügte, wahrlich ihre Zahl, Und nicht minder schön glomm ihnen noch des Lebens sonn'ger Strahl. Gleich an frommer Kraft und Weisheit jenem edlen Plinius, Der dort rettend seine Mutter trug durch Nacht und Lavaguß; Also Carl, du hoher Sieger, trugst du kühn und glorreich da Aus den Flammen und den Schrecken deine Mutter Austria. Auch der Dichterfreund Lenau hatte — ohne Untreue gegen sein Gelöbniß: kein Fürstenlied zu singen — den Erzherzog Carl, den Sieger von Aspern, besungen/ als dieser das 50. Jahr seiner Kriegerlanfbahn abgeschlossen hatte, da, wie Anastasius Grün schreibt, er (Lenau) sich längst zu der ehrwürdigen Heldengestalt, in welcher die hohe Stellung der Geburt sich mit dem größten Verdienste und der einfachsten Schlichtheit und Bürgertugend vereinigte, in Achtung und Neigung hingezogen fühltet ' Zum Jubelfeste des Erzherzogs Carl (Prolog, gesprochen zu Wien am 17. April 1848). Nicolaus Lcnau's dichterischer Nachlaß. Herausgegeben von Anastasius Grün. Stuttgart und Augsburg. I. G. Cotta'scher Berlag. 1851. S. 188. r Nicolaus Lenau's sämmtliche Werke. Herausgegeben von Anastasius Grün. Stuttgart und Augsburg. I. G. Cotta'scher Verlag. 1855. I. S. VXII f. Und noch ein zweiter Held, ein sieggekrönter Führer von Oesterreichs Heeren, ward vom Barden Auersperg gefeiert mit einem Loblied, wie selten wohl einem Krieger von einem Zeitgenossen es gesungen ward. Marschall Radetzky. „Bei Radetzky's Bestattung" — nennt sich die Epopoe, in der Anastasius Grün im Liede die Verdienste des Mannes der Nachwelt erzählt, der „Oesterreich gerettet" und dessen Sarg ehrt „gesenkt ein Kaiserschwert." „Die Räthe ohne Rath, von Greisenart die Jungen, Sie sahn mit stumpfem Sinn die Würfel schon geschwungen Zum Spiel um dein Gewand, zerrissneS Kaiserreich! Da hat den Glauben Er an Oestreich festgehalten, Der sprühte in sein Schwert, der machte jung den Alten, Da war sein leuchtend Herz der Stern von Oesterreich. Durch Güte ward er groß, durch Menschlichkeit und Milde! Zwar wars ein festes Herz, kein biegsam Wachsgebilde; Der Feldherr wie der Fürst bedarf ein Herz von Erz, Das manchen Schlag und Brand ertrag' in starrem Gusse, Der rechten Hochgluth brauchts, dann rollt in goldnem Flusse, Wie herrliches Metall, solch schmelzend Eisenherz. Du Mailand kennst dieß Herz! Du sahst, den du verrathen, Im Wetterleuchten nahn, im Sturmschritt seiner Thaten, Da auf dein zitternd Haupt legt er Verzcihn und Huld. Am Kaiser Rothbart so verbrachen deine Ahnen; O möge dieser Sarg an jene Zeit dich mahnen, An ungleich Strafgericht, an gleiche schwere Schuld. In deinem Schutte stampft des Siegers wilder Nenner, Da knien, das Henkerschwert im Nacken, deine Männer, Den Strick am Hals, das Haupt gefurcht von Noth und Gram, Sühnkerzen in der Hand, am Leib das Büßerhemde, Das Leben zu erflehn, das bittre Brod der Fremde; Das war die Rache, die der Hohenstaufe nahm. Daß rings die Fluren blühn, die deine Seide spinnen, Dir Kunst und Werkfleiß krönt die ungebrochnen Zinnen, Daß jetzt im Prunkpalast, in Scalas Logen dann Auf euren Zauberscen, in seinen Marmorvillen Ihr Enkel jenem Bild nachsinnen kann im Stillen, Das ist die Rache, die der Todte hier ersann. — Volk und Krieger weint, des „Vaters" nun beraubt Traun solche Lieb und Macht im Volk kann nur gewinnen, Wer mit dem Herzen im Volke mitten innen, Doch aus der Schaar emporragt mit dem ganzen Haupt. Der Feldherr tritt den „Rückzug" an! Ein Rückzug war's so schön wie wenig Siegesfeiern, Als er aus Mailands Thor mit schwarzen Schleiern, Mit Siegesfahnen zog und Helden seines Kampfs Und vom Tessin bis fern an die Karpathenhänge Hinrollte Donnergruß und zogen Glockenklänge Und überm Zuge hoch die Säule weißen Dampfs. So schwebte feierlich die dunkle BundeÄade Durch das Lombardenfeld, die alten Siegespfade, Dann durch den blauen Golf, das schöne Dogenlehn. Sie sahen im Sonnenduft mit blanken Gletscherzinken Tirol das Land der Treu von fern bedeutsam winken Und fühlten Geistcrgrus; aus Heldengräbern wehn. Durch Ärain und Steier dann. Aus den metallnen Gleisen Und aus den Bergen klingt der Tapfern Lust das Eisen, Im Ost war Ungarns Haupt ihm huld'gend zugekehrt. Das alte Wien umhängt mit Flor die Mauerkrone, Den Trauerschleier trügt die Anmuth auf dem Throne, Den Sarg des Dieners ehrt gesenkt ein Kaiserschwerl. Doch nordwärts zieht der Held; er grüßte noch von ferne Sein klangvoll Böhmerland, die Heldenmutter, gerne, Die Väterburg, wo einst sein Wiegenlied geschallt, Jetzt stehn am Ziel gereiht Colonnen und Standarten Dort winkt das Mahl des Ruhms, der Heldenberg, der Garten, Des Feldherrn Ruf gebeut zum letztenmale: Halt! So wand der Trauerzug durch Oestreichs blühnde Lande Den dunkeln Faden, gleich dem schwarzen Seidenbandc Das sinnvoll ernst sich schlingt um einen Blumenstrauß : Als ob der Todte selbst sorgsam zum Kranze winde Die Länderblumen all' und fester noch sie binde Mit seinem Todtenflor und spräch' cs segnend aus: „Seid einig, daß sich keins in Hochmuth überhebe! Der Stärkste ist zu schwach, daß er vereinsamt lebe! Schlicht ordne sich und treu ins Ganze jeder Theil: So blüht aus Demuth selbst dem Kleinsten stolze Größe, Wenn Kraft die Schwäche schirmt und Ucberfluß die Blöße: Die Buntheit wird zum Schmuck, die Vielheit euch zum Heil. Seid Eins in dem Beruf, dem unvergänglich schönen, Die Freiheit mit dem Recht der Sitte zu versöhnen, Der Zukunft Korn zu streu'n in kaum gepflügte Bahn; Von Sternen seid ein Bund — das ganze Reich umspann er Vielfarb'gen Lichts ein Kern, ein einig Sternenbanner, Kein schön'res glänzte dann selbst überm Ocean." Die Anmuth auf dem Throne! Als ob ein Phidias ein Götterbild geschaffen, hat mit diesem einen Satze Anastasius Grün die Schönste der Fürstinnen, die je auf Oesterreichs Thron gesessen, unsere gegenwärtig regierende Kaiserin-Königin Elisabeth, im Glockenguß der Rede verewigt! Im freien Vaterland! Bis sie zur vollen Wahrheit geworden die Freiheit in unserem lieben Oesterreich — wie lange währte es! Die „Spaziergänge eines Wiener Poeten" und der „Schutt," sie waren lange hinausgeklungen in die Lande und hatten das millionenfache Echo geweckt, doch kaum laut geworden war der Wiederhall und die Verfolger fahndeten nach dem Unfaßbaren. Die Schalmei aber, die den freien fremden Ton hinausgetragen, die ward saisirt und confiscirt, doch der Schmuggel brachte auch sie immer wieder zu den Menschen, denen sie so lieb geworden, trotz „Mauth-cordon" und „Censoren." Wie z. B. die „Spaziergänge" einem Dichter, der zugleich k. k. Beamter war, von einem Dichterfreunde zukamen, lesen wir in der schon citirten Korrespondenz Schleifers mit Schurz. Unterm 16. December 1831 schreibt Schleifer, k. k. Pfleger in Schloß Ort, an Schurz in Wien: „Von dem, was auf die Herzgrube gelegt werden soll („die Spaziergänge eines Wiener Poeten"), habe ich bereits Gebrauch gemacht mit unerwartet herrlichem Erfolge. So ist's recht! O du herrlicher Schurz! Nenne mir um's Himmels Willen den Namen des Doktors! Der soll mir Uoetor iua§uiüeu8, muAuiti-66nti88imu8 werden, mein ganzes Herz frohlockt." Endlich leuchtete die Sonne der heiligen Märzen. In Wogen gieng die Saat des Guten, Ein läuternd Feuer umquoll die Welt, O kurzer Tag, der unentstellt, singt der Freiheitssänger, fügt aber rasch, ebenso rasch wie die Ereignisse sich folgten, hinzu: Ein Tag wohl kaum, ach kaum Minuten! Ins Gotteswerk griff Gottes Affe, stahl der Freiheit Panier und Feldgeschrei, die Thorheit rief: „Auch ich bin frei, die Unthat prunkt' in heil'ger Waffe;" sie „tanzten um ein Bild, das sie die Freiheit nannten, in neuer Larve war's uralte Tyrannei." ' Die Freiheit > Diese Stelle ist dem erwähnten Gedichte: „Bei Radetzky's Bestattung" entnommen. Sic aber wandte ihre Sohle» Mit Grausen von des Gräuels Flur — O, glückte es — rief im November 1849 Anastasius Grün dem Dichterfreunde Lenau zu — die verwehte Spur in En kelz eiten einzuholen. Die „Zeiten" kamen früher, als der Dichter sie erhofft, und wie sie ihn als den bewährten treuen Kämpfer für die Freiheit fanden, so ward nun von dem Thron herab durch die Weisheit des Monarchen sein Rath im obersten Rathe vernommen und erhört. Anton Alexander Graf Auerspergs Stimme, die für Oesterreichs, für Deutschlands Recht und Freiheit einst hell und voll in Wiens und Frankfurts Parlamente erklungen war, sie tönte wieder in der alten Kaiserstadt an der Donau vor den versammelten Pairs und Herrn des Reiches, vor den Landboten der Steiermark und im Krainerlande. Und wenn es gilt, die vom Throne herab gesprochenen Worte des Kaisers in Treue und Ergebenheit, mit Freimuth und Offenheit zu erwiedern, da wählt der Kreis der Ersten und der Besten des Reiches den Grafen Anton Auersperg, den Dichter Anastasius Grün zu seinem Sprecher, zu seinem Dolmetsch, damit in Worten so mächtig und so schön, in Bildern so wahr und so treu, wie sich's gebührt, dem Kaiser die Antwort werde seines Volkes! Doch wenn gleich der Dom unserer Freiheit, dessen Fundamente in ereignißreichen Tagen mit dem Blute von tausend und tausend Landeskindern gekittet wurden, sich über der Verfassung wölbte, und auch die innere Ausschmückung, Dank den „Bildnern" aus dem Volke, rasch chnd rüstig vorwärts schreitet, so fehlt immer noch gar manch' Geräth, das beizuschaffen ist; und anderseits das jäh im Vorhofe des Tempels wieder aufschießende Unkraut, man darf es nicht aufkommen lassen, sonst umschlingt es die Fundamente und stürzt den Bau. Der „Wunsch" aber, den Anastasius Grün, „des Glöckleins Strang auf der Jnselkirche im Veldeser See in Bewegung zu setzen," für sein Krainerland im Herzen hegt: Wach auf, wach auf! Vom Lcibc raffe Die Lappen finstrer Dienstbarkeit, Für hohe Ziele kämpft die Zeit, Umgürt' auch dich mit ihrer Waffe; er gelte für das ganze weite Reich/ insofern wieder wollte die „Finsterniß beginnen ihr Fest," und „Geistesnacht reifen ihre Saaten." Zwischen durch die Zeiten der politischen, der parlamentarischen Schlachten gewann aber der Dichter immer Muße zu künstlerischem Schaffen. So unmittelbar nach dem ersteil Frühlingsmorgen von Oesterreichs Freiheit, wo er die „Volkslieder aus Krain" in „sein geliebtes Deutsch" übertrug, so als der Helle Tag der Freiheit sich über die Gaue des Vaterlandes ausgebreitet hatte und er Nobin Hood dichtete, einen Balladenkranz nach altenglischen Volksliedern. Auch die Neuzeit — schreibt er in der Einleitung zu diesen Dichtungen ^ — kennt inmitten ihrer kämpfenden Gegensätze noch immer jenes unwiderstehliche Verlangen, jene tiefe Sehnsucht des Menschenherzens, welche aus der Atmosphäre gährender Neugestaltungen, aus den Wahlstättcn ringender Ideen und Parteien, aus dem verwirrenden Durcheinander ihrer Feldrufe, aus dem Unbestand der Tagesmeinungen, unbefriedigt hinausdrängt nach einem Momente der Selbstsammlung und Erfrischung, nach einem wenn auch nur augenblicklichen Ruhepunkt und Halt, welchen ihm das nach ewig unveränderlichen Gesetzen sich bewegende Leben der Natur in seiner Ruhe, Klarheit und Stätigkeit zu bieten vermag. So oft den „Dichter" die Nergeleien kleinlicher politischer Geister, die sich in der Arena unseres politischen Lebens ab und zu das große Wort arrogirten, anwiderten, so oft der Fortschritt in unserem Verfassungsleben durch einen Rückschritt aufgehalten worden, — da flüchtete sich Anastasius Grün zurück in die geliebte „grüne Steiermark" oder ans sein Tnskulnm Thurn-am-Hart, in den „lustigen, grünen Wald," wo die „Lieder der Freiheit" frei und froh erschallen dürfen i Robin Hood. Ein Aalladcnkranz nach altenglischen Volksliedern. Von Anastasius Grün. Stuttgart, Verlag der I. G. Cotta-schen Buchhandlung. 1864. 53. und ihr Echo wiedertönt aus den Kehlen der „flinken Lerchen" und wo gar oft der Dichter der „Spaziergänge" seinen alten Spruch, als noch immer nicht ganz erfüllt, im Geiste zur Richtschnur empfehlen mochte Denen, für die er gilt: O ihr mächt'gen weisen Männer, fiel es euch doch endlich ein, Lerch' und Adler auch zu pflanzen in die Herzen tief hinein! 66889868889 cosiss » NU rZGZ tW S! > LM HR M >W?"" - ;WW 8 ) E ÄjAW'bÄ ) EM- sM jtzWrr M >.D /JA ' - 5'^ ^