DAS LOKALE SYSTEM DER MITHRAISCHEN PERSONIFIKATIONEN IM GEBIET VON POETOVIO ISTVÄN TÓTH Magyar Tudomdnyos Akadémia, Budapest Die auffallendste Besonderheit des m ithraischen Denkm alm aterials der Do­ nauprovinzen im 2. Jahrhundert1 ist eine gut abgrenzbare, in Raum und Zeit genau tren n b are Dedikationsgruppe, die dem M ithraskult des Donaugebiets ein ganz individuelles Profil verleiht. Diese Dedikationen sind folgende: die auf die G eburt des M ithras verweisenden Natura dei, Petrae genetrici oder einfach Genetrici bzw. genitura d e i; die Dedikationen von unsicherer Be­ deutung Fonti perenni bzw. Fonti dei, und die bis heute keine akzeptierbare Interp retatio n aufweisenden Begriffe Transitus bzw. Transitus dei.2 Diese Begriffsgottheiten versuchte die Forschung — auf den Spuren von Cum ont — bis zum heutigen Tag von mythologischen Gesichtspunkt aus zu erklären ,3 d. h. sie versuchte in jedem Fall im H intergrund dieser Begriffe ir­ gendeine angenomm ene Tat des M ithras zu entdecken. In Bezug auf die Formeln, die die G eburt des Gottes verewigen, stieß dieses V erfahren auf keine unüber­ w indlichen Schwierigkeiten, denn hier stehen die Ausdrücke vollkommen im Einklang m it der Vielzahl der den Mithras petrogenitus darstellenden Skulp­ turen und Reliefs.4 — Der m it der Gestalt des M ithras taurophorus identifi­ zierbare Begriff Transitus dei fügt sich jedoch überhaupt nicht m ehr logisch in die Ereignisreihe des angenomm enen m ythologischen »Mithras-Lebens« ein. Denn es w ar vollkommen unverständlich: der Gott h atte sich schon ein­ m al des Stiers bem ächtigt und ihn in ohnm ächtigem Zustand auf die Schulter gehoben — wie konnte dieser dann später im stande sein, sich zu befreien, zu K räften zu kom m en und sogar M ithras m it sich zu reißen, um dann wieder fast ohne Übergang zum Opfer von M ithras zu w erden .5 — Im Falle des Fons perennis aber hing die Figur des m it dieser Dedikation in Beziehung gebrach­ ten Mithras sagittarius6 überhaupt nicht m it den übrigen Ereignissen des »Mithras-Lebens« zusammen. Der größte Mangel der Interpretationsversuche jedoch bestand darin, daß es den Anschein hat, daß die Forschung bis zum heutigen Tag jene Tatsache nicht zur Kenntnis nehm en will, daß diese Dedikationen im M aterial des Im perium s überhaupt nicht allgemein verbreitet sind, sondern daß sie eindeutig charakteristisch sind für die Donauprovinzen, noch genauer form uliert für die Umgebung von Poetovio. Trägt m an die Fundorte der bezüglichen Denk­ m äler auf eine Landkarte auf, besteht kein Zweifel daran, daß der Kult dieser Personifikationen von Poetovio ausstrahlte auf das Gebiet Pannoniens, Dalmatiens, Norditaliens und eventuell der beiden m ösischen Provinzen. Von dieser Landkarte kann auch m it einem einzigen Blick abgelesen werden, daß diese Personifikationen zusam m en nur in Poetovio zu finden sind. Nehmen w ir hierzu noch dazu, daß w ir dem frühesten, gemeinsamen Vorkommen dieser Begriffe im sogenannten I. M ithräum in Poetovio, gegründet von den Angestellten des Zolls von Illyricum , begegnen, und daß das Verbreitungs­ gebiet der Denkmäler ziemlich genau m it dem Funktionsgebiet des portorium publicum Illyrici zusamm enfällt, dann kann kaum ein Zweifel daran bestehen, daß die Rolle der Zollsklaven in der frühen Geschichte des M ithraizismus in Europa w irklich entscheidend, w ar ,7 nicht nur was die Verbreitung des Kults, sondern auch was bis zu einem gewissen Grad seine Gestaltung (oder W eiter­ gestaltung) anbelangt. Um aber diese angenommene kultgestaltende Tätigkeit richtig deuten zu können, ist es notwendig, die mögliche Bedeutung der erwähnten Personi­ fikationen zu untersuchen. Hierzu muß gleich einleitend festgestellt werden, daß die bisherigen Versuche zur R ekonstruierung des sogenannten m ytholo­ gischen »Mithras-Lebens«, zur mythologischen Deutung der Darstellungen und der jetzt untersuchten Dedikationen bisher keine befriedigenden Ergebnisse gebracht haben. Im Gegenteil, die neuesten U ntersuchungen weisen entschie­ den in die Richtung, daß die Suche nach derartigen Lösungen auch gar nicht m it dem W esen des M ithraizismus in Einklang gebracht werden kann. So können w ir aufgrund der von S. Insler stam m enden Deutung der zentralen Szene der M ithras-Ikonographie, der Stiertötung , 8 sicher sein, daß auch die übrigen Darstellungen des Kults (die oft zusamm en m it der Szene der Stier­ tötung auf treten ) — und so auch die m it ihnen zusam m enhängenden Dedika- tionstypen — eine ähnliche Deutung verlangen. Auf dieser Grundlage kann m eines E rachtens den jetzt untersuchten Dedikationen ein überraschend ein­ facher un d vollständig konkreter Gehalt gegeben werden. Die einfachste Erklärung bietet sich im Falle der Dedikationstypen, die m it der G eburt des Gottes Zusammenhängen (Natura dei, Petra genetrix). Diese m üssen sich näm lich — entsprechend dem C harakter des M ithras als Sonnengott — sinngemäß auf die Zeit der W intersonnenwende, den Beginn des Zunehmens der Tage beziehen. Daß dieser Zeitpunkt ein bedeutendes Fest des M ithras-Kults w ar, w urde bereits von Cumont geklärt.9 Ebenfalls er beleuchtete den kosmogonischen H intergrund persischen Ursprungs der Vor­ stellung des »einen Gott gebärenden Felsens« . 10 Diese Vorstellung kann den üblichen ikonographischen Typ der Darstellung des Mithras petrogenitus erklären : der Felsen, aus dem sich M ithras m it dem halben K örper erhebt, w ird von einer Schlange umgeben. Diese Schlage kann auch hier nichts anderes sein als auf den Reliefs der Stiertötung, d. h. das Sternbild Hydra, das die Halbkugel des W interhim m els um faßt. 11 Das bedeutet, wenn der M ithras gebärende Fels nichts anderes als die Darstellung der persischen Vor­ stellung vom Firm am ent ist, dann konnte das Vorhandensein der Hydra am Him m el genau zur Bezeichnung der Zeitangabe der W intersonnenwende ge­ dient haben. Eine ähnliche kosmogonische Bedeutung kann auch dem enigm atisch scheinenden Begriff des Transitus dei beigemessen werden. Hier enthält die ursprüngliche Bedeutung des W ortes ,das H inübergehen’, ,der Übergang’, ,der Durchgang’ einen eindeutigen Hinweis. In Bezug auf M ithras, dem zur Zeit der W intersonnenwende geborenen Sonnengott, kann dieser Übergang n u r eine einzige Tatsache angeben: das Ü berschreiten des Äquators des Himmels, d. h. den Zeitpunkt irgendeiner Tagundnachtgleiche. Und da von S. Insler eindeutig nachgewiesen w urde , 12 daß m it dem Zeitpunkt der Tagundnacht­ gleiche des F rühjahrs die Darstellung der Stiertötung in Bezug gebracht w er­ den kann, scheint auf der Hand zu liegen, daß in diesem Fall der Zeitpunkt des Transitus auf die Tagundnachtgleiche im H erbst gelegt werden kann. Die R ichtigkeit dieser In terpretation w ird auch von einer Versinschrift des M ithräum s Sta Prisca der S tadt Rom u n terstü tzt, 13 in einer Zeile bekom m en w ir die eindeutige Erklärung fü r ein wesentliches M om ent der Szene: hier steht näm lich geschrieben: (M ithras) qui portavit um eris iuvencum. Die Bedeutung dieser Zeile kann ohne weiteres m it den Darstellungen des Mithras taurophorus in Beziehung gebracht werden, d. h. m it der ikonographischen Entsprechung der Transhus-Dedikationen des Gebiets von Poetovio .14 Nun zeugt dieser Vers aber eindeutig davon, daß der Stier, den M ithras auf der Schulter trägt, ein junger Stier ist, und nicht das in der Szene der Stiertötung zu sehende ausgewachsene Tier. Dementsprechend ist es sicher, daß es keine Nachlässigkeit des Steinmetzen, sondern eine bew ußte ikonographische Be­ strebung ist auf jenen Steinm etzarbeiten, wo auf der Schulter des Gottes ein ganz kleines, höchstens als Kalb und nicht als Stier zu bezeichnendes Tier zu sehen is t ! 15 — Und dies steht in vollem Einklang mit der Tatsache, daß das Sternbild des Stiers, das am W interhim m el zu sehen ist, zur Zeit der Tagund­ nachtgleiche im H erbst im Osten am Firm am ent auftaucht, und — noch jung — seine halbjährige sichtbare Bahn a n tritt . 16 Auf dem einen der beiden Transitus-Altäre17 des I. M ithräum s von Poeto­ vio ist eine Darstellung zu finden, die diese Auffassung frappant zu beweisen scheint.18 Auf der rechten Seite des Altars näm lich sind neben den Attributen des M ithras — dem Dolch, dem Bogen und der phrygischen Mütze — ein Rabe und ein Stern zu sehen. Der Stern kann in diesem Fall darauf verweisen, daß wir es hier m it einer astronom ischen Darstellung zu tun haben, während der Rabe als Darstellung des Sternbildes Corvus aufgefaßt werden kann. Cor­ vus ist jedoch nichts anderes als das charakteristische Sternbild des Zeit­ punktes der Tagundnachtgleiche im Herbst, das sich ein wenig südlich des Bogens der Ekliptik befindet u nd den Zenit zur Zeit der Tagundnachtgleiche im Herbst erreicht. Suchen w ir nun die Antwort auf die Frage, weshalb der Transitus dar­ gestellt w urde, indem M ithras den jungen Stier auf der Schulter trägt, ist die einfachste Antwort wahrscheinlich die akzeptabelste: zum Zeitpunkt der Tagundnachtgleiche geht Taurus auf, wenn die Sonne untergeht. D. h., die Sonne ( = M ithras) zieht sozusagen den jungen Taurus, den Stier, nach sich. Mit Hilfe dieser Erklärung w ird auch verständlich, weshalb die Gestalt des Mithras taurophorus im allgem einen chronologisch gesehen vor allen an­ deren B ildern steht, auf denen M ithras und der Stier in anderen Stellungen zu sehen sind . 19 Hier haben w ir es näm lich nicht m it der Darstellung einer zusamm enhängenden, eine logische K ette bildenden Reihe von Ereignissen zu tun, sondern m it den verschiedenen Stationen der Bahn des Taurus am Fir­ m am ent, — von denen zweifelsohne der Darstellung der Tagundnachtgleiche im H erbst der erste Platz gebührt. Aufgrund des Gesagten konnte also festgestellt w erden, daß die in der Umgebung von Poetovio nachw eisbare Gruppe der m ithraischen Dedikationen m it den w ichtigeren Stationen der Him m elsbahn der Sonne in Beziehung gebracht w erden kann. Die Dedikationen Petrae genetrici bzw. Naturae dei können m it der W intersonnenwende, die Dedikation Transitu dei m it der Tagundnachtgleiche im H erbst in Zusammenhang gebracht werden, während wir nach S. Insler den Zusam m enhang zwischen der Szene der Stiertötung und der Tagundnachtgleiche im F rü h jah r akzeptiert haben . 20 Daraus folgt allein schon auf logischer Grundlage, daß die Dedikation Fonti perenni auf die übrige, die w ierte Sonnenwende, auf den Zeitpunk der längsten Tage in der M itte des Som m ers bezogen w erden muß. Doch stehen uns zu dieser Deutung nicht nur logische Möglichkeiten zur Verfügung, sondern diese Erklärung w ird auch von den Darstellungen unterstützt. Der Begriff Fons perennis wurde bereits von Cumont m it der G estalt des m it einem Pfeil aus einem Felsen W asser hervorsprudeln lassenden M ithras in Beziehung gebracht,21 diese Deutung w urde auch von den neueren Forschungen in jed er Beziehung be­ stätigt. W ird aber diese Darstellung in ihren natürlichen astronom ischen Zu­ sam m enhang gesetzt, wozu die Vielzahl der m ithraischen Darstellung eine M öglichkeit bietet, ist zu sehen, daß die Gestalt des Sagittarius genau das im Zenit der Somm ersonenwende stehende Sternbild ist. Mit Hilfe dieser E nt­ sprechung fügen sich also die in der Umgebung von Poetovio zu findenden Dedikationen zu einem vollständigen Ganzen zusammen. Aufgrund des oben Gesagten können w ir zu der Feststellung gelangen, daß die individuellen Dedikationen, die die auffallendste B esonderheit des Mithrai- zismus in Pannonien und in den Donauprovinzen der frühen Epoche bilden, zusam m en m it der Szene der Stiertötung, m it dem astronom ischen H inter­ grund des M ithraizismus, genauer gesagt m it den vier w ichtigsten Stationen der Bahn der Sonne am Himmel, in eine Beziehung gebracht werden können. In vollem Einklang m it dieser Vorstellung steht auch die Anordnung der erw ähnten Dedikationen in den Heiligtüm ern in Pannonien und in den Donau­ provinzen. Wie ich näm lich darauf bereits in einer früheren Arbeit verwiesen habe , 22 kan n im Falle der heute bekannten M ithräen Pannoniens und der Do­ nauprovinzen — zum Teil abweichend von den übrigen Teilen des Im perium s — ein streng gebundenes System gerade in bezug auf die Anordnung dieser D edikationstypen innerhalb des Heiligtum s festgestellt w erden .23 Diese Anord­ nung konnte aufgrund der territorialen und zeitlichen V erbreitung kein W erk des Zufalls sein, sondern sie w ar das Ergebnis einer bew ußten Handlung, die außerhalb dieses Gebietes nicht zur Geltung kom m en konnte ,24 und die auch innerhalb Pannoniens bzw. der Donauprovinzen nur bis zur zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts Geltung h a tte .25 Nach diesem Zeitpunkt können diese Dedikationstypen, obwohl die Darstellungen nicht verschwunden sind, nicht m ehr nachgewiesen werden. Diese Anordnung sieht aufgrund des Gesagten m odifiziert bzw. erw eitert folgenderm aßen aus : — in d er M itte des Heiligtums, links — Transitus dei — H erbst — am Ende des Heiligtums, links — Petra genetrix — W inter — am Ende des Heiligtums, in der M itte — Stiertötung — Frühjahr — in d er M itte des Heiligtums, rechts — Fons perennis — Sommer. Diese Anordnung zeigt deutlich, daß das spelaeum w irklich nichts anderes als das Symbol des Kosmos ist .26 Der Gläubige konnte durch Berührung der vier Punkte des Heiligtums den K reislauf des Jahres, den Wechsel der Jahres­ zeiten, die V eränderung der Sternbilder des Firm am ents fühlen, und zw ar nicht durch abstrakte astronom ische Begriffe, sondern m it Hilfe von gut determ inierten, benennbaren Personifikationen »römischen Charakters«. Und da für diese Art der E inrichtung von Heiligtüm ern Beispiele in den M ithräen von Carnuntum , von Poetovio, von Aquincum und von Särkeszi in situ zu finden sind, scheint es eindeutig festzustehen, daß dieses System in allen M ithräen zur Geltung kom m t, in denen die erw ähnten Dedikations­ typen au ftreten .27 Das bedeutet anders form uliert, daß das Vorhandensein dieser Dedikationstypen die Folge eines spezifischen System s ist, das unseren heutigen K enntnissen nach ausschließlich in den Donauprovinzen — und in­ nerhalb dieser vor allem in Pannonien — im M ithraizism us zu finden ist. Das bedeutet, daß die Dedikationen innerhalb des Heiligtumes dem Kreis­ lauf des Jahres entsprechend in einem imaginären Kreis angeordnet waren, und zwar wie folgt : FRÜHJAHR Vom V orhandensein dieses inneren Systems sowie von seiner Anwendung von der M itte des 2. Jahrhunderts bis zur M itte des 3. Jahrhunderts zeugt in Pannonien ein reiches Denkmalmaterial. Aufgrund des Gesagten kann auch kein Zweifel daran bestehen, daß das Wesen dieses System s in strenger An­ wendung der astronom ischen Lehren des M ithraizism us in Umformen in konkrete Dedikationsform eln bestand. Aufgrund der uns zur Verfügung ste­ henden Quellen ist auch Folgendes sicher: w ährend die Darstellung einzelner Elem ente dieses Systems in glyptischen Form en im gesam ten Im perium ver­ breitet w ar, d. h. zu den allgemeinen ikonographischen Ausdrucksform en des M ithraizism us gehörte, kom m en die epigraphischen Form ulierungen derselben Elem ente n u r in der engeren Umgebung von Poetovio vor. Die Besonderheit Pannoniens bzw. der Donauprovinzen besteht darin, daß hier die Dedikationen der Altäre Begriffe beim Nam en nennen, die anderswo als nicht benannte, nicht zu selbständigen Begriffen gewordene ikonographische Erscheinungen auftreten. So kann m an in bezug auf die Dedikationen zu zwei, sehr wesent­ lich scheinenden Schlußfolgerungen gelangen : a) Die zu diesen Dedikationen gehörenden religiösen Begriffe gehörten zum ursprünglichen — allgemeinen — Gedankensystem des M ithraizismus, ihre Entstehung muß in die Zeit vor dem Auftreten des Kultes in Pannonien (d. h. vor das 1. Jahrhundert u. Z.) gesetzt werden, — denn sonst hätten sie nicht in den allgemeinen Bilderschatz der universellen Ikonographie des Kults eingehen können. b ) Die in diesen Dedikationen festgehaltenen Begriffe haben ihren kon­ kreten w örtlichen (epigraphischen) Ausdruck, ihre Formulierung als Dedika- tionsform eln in Pannonien erhalten, und zwar aller W ahrscheinlichkeit nach in der frühesten Phase der europäischen Geschichte des Kults, in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts u. Z., in Poetovio. Es b esteh t kaum ein Zweifel daran, daß diese Form ulierung — d. h. die begriffliche H erausbildung des erw ähnten Systems — in Poetovio entstanden ist, und zw ar in der Gemeinschaft der Gläubigen des von den Sklaven der Pächter des portorium publicum Illyrici in der Zeit des Antonius Pius er­ richteten, sogenannten I. M ithräum s, in dem w ir das früheste und bis heute zugleich vollständigste Auftreten dieses Systems erblicken können. Das Schem a hat näm lich — infolge der zeitlichen P rio rität — zweifelsohne Poetovio geliefert, in erster Linie fü r die M ithräen der Severus-Zeit in Aquin- cum und Särkeszi, die das vollständige System aufw eisen .28 Doch steht die das vollständige System von Poetovio bildende Dedikationsgruppe zeitlich vor den n u r fragm entarisch bekannten Funden in C arnuntum , Brigetio bzw. Višnja Gora und Trebnje, sowie vor den Funden in Dalm atien und N ord­ italien, die alle Glieder dieses System s sind .29 Nun konnte aber die H erausbildung eines derartigen, ausgesprochen spe­ kulativ eingestellten astronom isch-religiösen Systems wohl kaum das Ergebnis einer spontanen Entwicklung gewesen sein. Auf keinen Fall aber in einer so kurzen Periode — sie um faßte kaum ein halbes Jahrhundert —, wie sie zwischen dem frühesten Auftreten des M ithraizismus in Pannonien und der E rrichtung des ersten M ithräum s in Poetovio verstrichen war. Es ist also überhaupt nicht unbegründet, w enn w ir hinter der H erausbildung der hier beobachteten und beschriebenen Erscheinungen einen schöpferischen Geist, einen bisher nicht gewürdigten »Propheten« des Kults erkennen wollen .30 1 Über die hier erörterten Fragen ausführlicher: I. Tóth, »Über die spezi­ fischen Züge des Mithraskultes in den Donauprovinzen« (in Vorbereitung). 2 Die inschriftlichen Belege sind wie folgt: Natura dei: CIMRM II 1493 (Poe­ tovio), CIL III 14354 (Praetorium Lato- bicoram), vgl. noch CIMRM II 1531 (Poetovio). — Petra genetrix: CIMRM II 1490 (Poetovio), 1652, 1674 (Carnuntum), 1743 (Aquincum), 1874 (Salonae), 1224 (Mogontiacum), 733 (Tridentum). — Fons perennis: CIMRM II 1465 (Višnja Gora), 1533 (Poetovio), 1753 (Aquincum), 1810 (Särkeszi), 1913 (Raetinum), 2277? (Ulme- tum). — Transitus dei: CIMRM II 1495, 1497 (Poetovio), 1722 (Carnuntum), 1737 (Brigetio), 1754? (Aquincum), 1811 (Sär­ keszi), 1900 (Skelani). 3 F. Cumont, Die Mysterien des Mi­ thra3 (Leipzig-Berlin 1923) 95 ff.; M. J. Vermaseren, Mithras the Secret God (London 1963) 75 ff.; L. A. Campbell, Mi- thraic Iconography and Ideology (Lei­ den 1968, EPRO 11) 291 ff. 4 Vgl. CIMRM I-II. passim, s. v. Mi­ thras’ rockbirth. 5 Cumont, a. a. O.; Vermaseren, a. a. O. 6 Cumont, a. O. 123 f.; Vermaseren, a. O. 92.; cf. CIMRM I-II. passim, s. v. Mithras’ watermiracle. 7 Cumont, a. O. 65.; E. Will, Les fi- dèles de Mithra à Poetovio, in: Adriati­ ca Praehistorica et Antiqua (Zagreb 1970) 633 ff. 8 St. Insler, A new Interpretation of the Bull-Slaying Motif, 10 p. — Vortrag, gehalten am 5. September 1975 in Tehe­ ran auf dem »II. International Congress of Mithraic Studies«. Erscheint in den Acta Iranica. 8 Cumont, a. O. 154. 10 Cumont, a. 0. 118 f. 11 Insler, a. a. O. 12 Insler, a. a. O. 13 Vermaseren, a. a. O. I ll f. 14 Vgl. CIMRM II 1494—95. fig. 380., wo es eindeutig klar ist, daß die Dedi- kation Transitu dei sich auf die Dar­ stellung des Mithras taurophoros bezie­ hen soll. 1 5 So z. B. CIMRM 77. fig. 28. (Sidon), 1083. fig. 274. (Nida), 1168. fig. 308. (Stockstad), 1247. fig. 323. (Dieburg), 1472. fig. 375. (Siscia), 1475. fig. 377 (Si- scia), 1494. fig. 380. (Poetovio), 1972. fig. 513. (Apulum), 2226. fig. 615. (Ratiaria), 2245. fig. 621. (Kral-Marko), etc. 16 Insler, a. a. O. 17 CIMRM II 1497. fig. 381. 18 Eine andere Erklärung: Campbell, a. a. O. 284. 18 Vgl. oben: Anm. 3. 28 Insler, a. a. O. 21 Cumont, a. a. O. 123.; Vermaseren, a. O. 85 ff. 22 I. Tóth, Zur Geschichte des Mi- thras-Kultes in Pannonien, Bibliotheca Class. Orient. 13 (Berlin, 1968) 308 ff.; vgl. auch den ungarischen Text: Antik Tanulmdnyok 12 (1965) 8 6 ff. 23 Die besten Beispiele liefern die pannonischen Mithräen: Poetovio, I, IL; Carnuntum, IL; Aquincum, IL; und Sär- keszi. Vgl. Tóth, a. a. O. 24 Vgl. Vermaseren, a. O. 40: »The dedications were distributed over the sanctuary without any set rule.« 25 Tóth, a. a. O. — Die Denkmäler des sog. III. Mithräums von Poetovio zeigen dieses System bereits nicht mehr. 26 Cumont, a. O. 159. 27 Tóth, a. a. O. 28 Aquincum: CIMRM II 1750—1754.; Särkeszi: CIMRM II 1809—1812. 29 Vgl. oben: Anm. 2. 30 Es gibt einige Anhaltspunkte da­ für, daß wir diesen »Propheten« aus Poetovio auch benennen dürfen, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach war diese Person jener Hyacinthus, dessen Name auf den beiden Basen des I. Mi­ thräums in Poetovio aufgeschrieben ist: CIMRM II 1500—1503. LOKALNI SISTEM MITRAICNIH PERSONIFIKACIJ V POETOVIONSKEM OBMOČJU Povzetek Avtor obravnava posebno skupino mitričnih posvetil, ki so značilna za Podo­ navske rimske province, namreč Natura dei, Petra genetrix, Fons perennis in Tran­ situs dei. Vse kaže, da se je ta skupina posvetil širila iz Poetovione, in sicer kmalu potem, ko se je kult tam pojavil, to je v prvi polovici 2. stoletja. Rezultati: 1. Omenjena posvetila so povezana s kozmološkim ozadjem mitraizma in pona­ zarjajo menjavo letnih časov. 2. Z gotovostjo je mogoče trditi, da so se najprej pojavila v Poetovioni. 3. Možno je, da je začetnik teh dedikacij kak lokalni »prerok« v Poetovioni.