für Vaterlands Künste Wtjsenschast und geselliges Leben. 3i^ ROI. »»N8t»3 ÄSN I». iVQO^lnvor. R848. Gin Schiffsbrand. «^?eithin wogt das prächtige majestätische Meer. Der fernste Rand desselben ist mit einem langen dunklen Streifen eingefaßt, dessen Oberfläche rosenfarben erglänzt; das ist die im letzten Schimmer der Abendröthe aufglühende Küste von Biscaja. Auf den Wellen dehnt sich der stolze Rumpf einer Fregatte. Von dem Topp ihres großen Mastes weht der königl. Wimpel, von ihrer Gaffel die blutrothe Däne-brogsflagge mit dem weißen Kreuz. Von dem Verdeck bis zu der höchsten Spitze der Ober-bramstangen ist das Schiff mit seinen Segeln bedeckt, aber eine schwache Brise hält sie kaum gefüllt, und nur langsam bewegt sich das Schiff der fernhin winkenden Küste entgegen. Die Seitenborde sind mir einem glänzenden schwarzen Lack überzogen ; dazwischen laufen zwei weiße Linien in zierlichen Wölbung von der Back zur Schanze; es sind die Einfassungen der Kanonenpforten, die geöffnet sind und fünfzig Feuerschlünde zeigen, die hell aufglänzen im scheidenden Abendlicht. „Atalantc" heißt die Fregatte und das Galion zeigt die Gestalt dieser kühnen, leichtgeschürzten Jungfrau, die noch schneller als das Schiff über die Wellen des Meeres dahinfliegen möchte. Der Spiegel leuchtet von Vergoldung und Schnitzwerk; aus den erleuchteten Fenstern tönt fröhliches Geschwätz; es schallt von der Tafel des Capitäns her, der seine Officiere zu einem fröhlichen Bankett um sich versammelt hat. Jetzt ertönt die silberne Pfeife des Hochbootsmannes und gleich darauf wird es lebendig auf dem Verdeck. Aus den Masten, aus den Schanzen, von der Back und vom Kabelgat kommen sie herbei und sammeln sich am Backbord bes Mitteldecks; die Toppgastcn gehen voran, die übrigen folgen, doch hält sich Back und Back zusammen, stets acht Schusselmaaren für eine Schüssel, und der Vordere von ihnen tragt das Gefäß. Der Zng beginnt und geht um die Cam-^ büse; jede Backsgenossenschaft erhält ihren Theil. Sie entfernt sich mit demselben nach ihrem angewiesenen Platz, und die Abendmahlzeit wird in aller Ruhe gehalten; kaum daß die Maaten einer Back es wagen, der zunächst liegenden irgend eine Bemerkung oder einen Einfall mitzutheilen. Eine halbe Stunde vergeht; abermals ertönt der Schall der silbernen Pfeife von einem Schiffsende zum andern. Die Eßgeräthschafcen sind längst entfernt; langsam und schweigend begeben sich die Matrosen nach dem Mitteldeck. An dem großen Mast haben sich die Marine -Soldaten aufgestellt; sie schultern das Gewehr und schauen gleichgültig darein. Der letzre Schimmer des Abendrothes ist langst verglommen ; der Mond geht auf und wirft sein feenhaftes Licht auf diese eigenthümliche Scene. Die Officiere kommen aus der Cazüte und begeben sich nach dem Backbord des Quarterdecks, der Marine-Officier tritt zu seinen Soldaten; die Cadetten lehnen am Gangspill. Der Capitän betritt das Verdeck. Auf ein Zeichen des Marine-Officiers wirbeln die Trommeln und die Soldaten präsentiren das Gewehr. Der Capitän lüftet den Hut und dankt schweigend. Die Glocke läutet zum Gebet. Feierlich sammelt sich jetzt Alles um den Schiffspredi-ger, der mit eintöniger Stimme die üblichen Gebete spricht: er empfiehlt das Schiff und seine Besatzung dem Schutze dessen, der die Winde fesselt und den verschlingenden Wellen zuruft: »Bis hierher und nicht weiter!" Er erhebt dieHände zum Segen und die wettergebräunten Seeleute beugen un-uuwillkürlich das Haupt. Da stürzt athemlos, bleich, mit gesträubtem Haar ein Halbmatrose von dem Lazarcth herauf, durchdringt den Kreis der Beter, schreit mit herzzerschneidendem Tone: „Feuer!" und stürzt ohnmächtig zusammen. Feuer! — Ein Schrei des Entsetzens ertönt; der Prediger verstummt, und die Matrosen stäuben nach allen Richtungen hin auseinander. Auch die Soldaten schwanken, ihre Knie schlottern, die Gewehre senken sich, aber das eiserue Commandowort fesselt sie, und hochaufgerichtet stehen sie in geschlossener Reihe. Die Officiere umringen ihren Chef, während die C.idetten den Halbmatrosen aufrichten und ihn zu ermuntern suchen. Er schlägt die Augen auf und stammelt: »Ich !^and r>or der Hängematte des alten Ralph, um ihm den Trank einzugeben, wie der Doctor befohlen hat. Da verbreitet sich plötzlich ein heller Schein. Ralph lag im Fieber und sagte, das sey das Schiffsgespenst. Erschreckt schloß ich die Augen, aber ich konnte nicht anders, ich mußte sie wieder öffnen und sah deutlich, wie eine Flamme an der 406 - Scheerwand hinaufleckte. Da konnte ich nicht ausdauern, ick) mußte es ausrufen." »Geschwind, meine Herren, gehe Einer von Ihnen und sehe, was Wahres an der Sache ist, und die Übrigen halten sich bereit, sogleich die wirksamsten Vorkehrungen zu treffen." Der Capitän sprach's, und die Mannschaften machten den Officieren Platz. Es bedürfte des Einziehens der Erkundigungen nicht, denn als der dienstthuende Officier an den Eingang des Lazareths kam, drang ihm ein erstickender Rauch entgegen; das Gestöhn der Kranken war herzzerschneidend. »Mir nach! Mir nach!" ruft der muthvolle Officier und drang in die Raume des Unglücks ein. Einzelne beherzte Matrosen folgten ihm und entrissen ihre unglücklichen Cameraden dem entsetzlichen Feuertode. Die Kranken auf dem Rücken, erschienen sie oberhalb der Luken und legten ihre Last schweigend auf dem Backbord des Quarterdecks nieder. Unterdessen hatten die Officiere mit großer Umsicht Anstalten zum Löschen getroffen; die äußeren Schissspumpen waren im vollen Gange und ein dichter Wasserstrahl schoß in die Räume des Lazareths hinab. Andere zogen in Eimern und andern Behaltern Wasser herauf und netzten unaufhörlich das Verdeck von einem Ende zum andern. Zwei unerschrockene Cadetten wurden zur Pulverkammer beordert, um genau nachzusehen, ob jede Vorsichtsmaßregel getroffen sey, diese zu schützen. Zwei andere begleiteten den Proviantmeister hinab zu den Vorräthen, mit dem Auftrage, sobald es nöthig sey, alle feuerfangenden Gegenstände zu entfernen und, wenn es seyn müsse, sie über Bord zu werfen. Sie drangen in die finsteren Raume ein; um irgend sehen zu können, mußten sie die Thür auflassen, der Feuerschein gewährte ihnen hinlängliches Licht. Aber an dem entgegengesetzten Ende der Kammer waren die Luftklappen geöffnet; der Wind gewann einen freien Durchzug und flog zu dem Feuer herüber : wild prasselte die Flamme auf und leckte die Bal-ken des Verdecks. »Über Bord mit dem Nyum und dem Spriet!" schrie der Proviantmeister außer sich und rollte ein Faß vor sich her , ohne zu wissen, wie es auf das Verdeck zu bringen sey, um es dort über Bord zu rollen. Aber kräftige Hilfe war zur Hand ; es wurde eine Takel herabgelassen und das Faß gehißt, die Takel war schwach, sie konnte die angehängte Last nicht tragen und riß. Das Faß stürzte hinab und platzte ausein-ander, glühende Funken fielen in das nach allen Seiten hinströmende Feuerwasser, und brennende Wellen brachen sich an den Seicenborden des Zwischendecks. Die Kunde des neuen Unglücks gelangte auf das Verdeck. Die Officiere wandten die erbleichenden Gesichter ab und eilten dann zur weitern Hilfe fort, die mit jeder Secunde ohnmächtiger ward. Der Capitän war allgegenwärtig und munterte mit kräftigen, entschlossenen Worten die Leute zu neuen Anstrengungen auf. Längst waren die Segel festgemacht und das Schiff den Wellen überlassen; überdieß hatte der schwächste Windhauch aufgehört, und die Atmosphäre war unbeweglich. Der Mond schien klar und hell, und einzelne Sterne blitzten freundlich auf die Unglücksstelle herab. Aber fern im Westen änderte sich die Scene und eine Wolkenmasse stieg aus der Tiefe des Meeres herauf; hätten die Leute noch auf irgend eiwas Anderes achten können, als auf die Flammen , die in dem Innern ihres Schiffes wütheten, sie würden gesehen haben, daß sich ein zweites Element zu ihrem Untergange geschäftig rüstete. (Schluß folgt.) Maria Milanollo. Über den am 21. October in Paris erfolgten Hintritt der Maria Milanollo ist bereits in diesen Blättern berichtet worden. Die »(3n«6ll6 musieals," welche in der französischen Hauptstadt erscheint, weiht der abgeschiedenen seltenen Seele einen Nachruf. Zwei Monate war das sechzehnjährige Mädchen gefährlich krank. Es wurde nichts versäumt, um die drohende Gefahr zu brechen; die berühmtesten Ärzte der Hauptstadt waren consultirt worden und hatten kein Mittel der Kunst unversucht gelassen. Alles war umsonst; Gott allein hätte das junge Mädchen retten können, aber er hat es zu sich gerufen. Noch wenige Augenblicke vorihrcmSterben hatte Maria Kraft und Muth genug, ihre traurige Familie mit den Worten zu trösten, daß sie noch nicht sterben weide. Am 24. October fanden die Obsequien für die Dahingeschiedene in der Kirche des heiligen Rochus unter Theilnahme vieler Freunde und Notabilitäten der Kunstwelt Statt. Der Leichenzug verfügte sich von hier aus' nach dem Kirchhof ?«l-6 - ^.»-ollM86, wo ihr demnächst ein angemessenes Denkmal errichtet wird, an der Stelle, wo bereits so viele berühmte, ihr vorausgegangene Kunstgenossen in Fiieden bestattet liegen. Von Augenzeugen wird der Abschied, den Maria von ihrer alteren SchwesterT here se genommen, als ungemein ergreifend geschil-dert; jene dankte dieser in rührender Herzinnigkeit für alle Liebe und Treue, die sie ihr stecs gewidmet, und für das Beispiel des Fleißes und des edlen Strebens, womit sie ihr immer vorangegangen. Die Verehrer des Schonen und Guten haben gerechte Ursache, den frühzeitige» Tod einer so genialen Priesterin der Kunst aufrichtig zu betrauern! Ludwig Nellstab widmet dem Andenken der liebenswürdigen Künstlerin theilnehmende Worte: »Die Geschwister Milanollo sind getrennt. Der Tod hat die jüngste der beiden liebliche» Blüthen geknickt. Wer möchte der reinsten, holdesten und staunenswerthcsten Erscheinung , welche die ausführende Kunst in der Musik uns gebracht, nicht wehmuthsvoll gedenken ! — Vieles weissagte bei dem lichten, silberklaren Aufgehen dieses Schwestergestirns, daß es nur in flüchtiger Erscheinung an dem Morgenhimmel der Kunst hinschweben werde! Der süßeste Reiz, der eben in den Knospen lag, mußce so früh entschwinden durch die vollere Entfaltung der Blüthen selbst ! Und der ätherische Hauch, der sie umduftete, deutete an, daß die himmlische Gabe kaum anders, als durch allzu schnelle irdilche Vergänglichkeit erkauft werden konnte! Und dennoch — so früh! Wir wollen keine Klage aussprechen! Der arme Dank nur an das unbegreiflich Schöne, das an uns wie ein Wunder des Jenseits vorüberschwebte, möge sich in schmerzlicher Erinnerung erneuern. Wer aber mag den bang fragenden Gedanken abweisen: Von den zwei goldenen 407 — Saiten, die ihre Klänge zu reinster Harmonie mischten, ist die eine zerrissen —wird die andere süßer nachklingen, oder wird sie auch traurig verstummen?" Gin curioscs Ghehinderniß. Novelle nach dem Ausfischen. (Schluß.) Rasch fuhr er nach der Casse des Opernhauses — sie war geschlossen, alle Billets waren natürlich schon lange verkauft. Vergebens bot er Geld über Geld, vergebens versuchte er an dem dienstthuenden Beamten alle Künste der Ueberre-dung — Alles umsonst!—Man stelle sich die Verzweiflung Alexanders vor; wüthend eilte er fort. In der Vorhalle begegnete er einem Manne im grauen Mantel und mit einer Wachscuchmütze. »Wünschen Sie eine Loge zum Ballet?" redete jener mit halblauter Stimme den Hoffnungslosen an. »In welchem Range?" »Im ersten." . Ein Freuden schauer durchbebte N adeshd a's Verlobten. »Was verlangen Sie für Ihr Billet?" »Hundert Rubel Silber." »Das ist ein übertriebener Preis." »Mein Her» hat selber 100 Rubel dafür bezahlt, Krankheit hindert ihn davon Gebrauch zu machen." Alexander dachte einen Augenblick nach, bis; sich die Lippen, drehte das Billet in seiner Hand hin und her, und endigte damit, die l00 Rubel zu zahlen. »Viel Geld, aber was war zu machen?" sagte er zu sich, indem er sich auf den Weg «nachte. Mit triumvhirender Miene hielt er seiner Geliebten das Billet entgegen. Ein anmuthiges Lächeln und ein freundlicher Dank war die Antwort. Von diesen: Augenblick an aber wurde sein Stern unsichtbar, und erschien erst zur Theater-zeit, strahlend von Diamanten, in der elegantesten Toilette, welcher sie die ganze Zwischenzeit gewidmet hatte. »Es ist die höchste Zeit," sagte Alexander, als er den Damen in den Wagen half. Nach Verlauf einiger Minuten hielr der Wagen vor dem Operntheater. Das Gedränge war ungemein. Eine große Anzahl Personen, die keine Billets bekommen hatten, waren schon zufrieden, die Theaterluft einzuathmen, und die An--kommenden, wolunter alle Glieder des Kaiserhauses, betrachten zu können: Nadeshda ging stolz durch die Menge. »Erlauben Sie — erlauben Sie," bat höflichst Aleeander, jedoch mit einer gewissen Proteccionsmiene, und man machte ihm Platz, indem man ihn mit neidischen Blicken verfolgte. Sie gelangten bis zum Logenschließer. »Welche Num-Mer?" fragte dieser. »Nummer !3," antwortete A le.xander, während die Damen die Pelze ablegten. Die Loge ward geöffnet. Nadeshda trat mit ihren Verwandten ein, und nahm Besitz von den Plätzen. Das Haus war prächtig erleuchtet. In den Logen glänzten die Damen, geschmückt mir Diamanten, Federn und Blumen. Im Parterre ^bewegten sich unruhig die Männer und ein erwartungsvolles Gemurmel durchlief den weiten Raum. Eine Menge Lorgnetten richteten sich auf Nadeshda. Nichts fehlte zu ihrem Glücke. Während dieser Zeit legte Alexander auf dem Cor-ridor seinen Mantel ab, nahm aus seiner Brieftasche die Karte und reichte sie dem Logeuschließer. Er wollte nun auch in die Loge treten, als Jener ihn zurückhielt. »Erlauben Sie, mein Herr, ich kann Sie auf.dieses Billet nicht hineinlassen." »Wie? Warum?" rief Alexander erstaunt. »Wo haben Sie das Billet her? Es ist nicht gilcig." >Ich habe es von einem Unbekannten gekauft." »Dann haben Sie sehr unvorsichtig gehandelt," erwiederte der Logenschließer, »Sie hätten diesen Mann in das Verkaufsbureau mitnehmen sollen. — Er hat Sie betröge n." Unbeweglich, wie versteinert, blieb Alexander stehen. Eine Gesellschaft von Herren nnd Damen, welche sich der Thür der Loge näherten, riß ihn uus seiner Betäubung. »Nummero 13!" rief Einer von ihnen. Der eisige Schauer, der Alexander durchbebte, wich einer glühenden Hitze! Den andern Morgen schickte man ihn, seinen Verlobungsring zurück und Nadeshda wird binnen 6 Wochen einen jungen Mann heirathen, der ihr zur zweiten Vor-stellung von Fanny Elßler eine Loge im ersten Rang verschafft hat. Ob Alexander durch die Trennung von seiner Braut verloren oder gewonnen, wird die Zuknnft lehren. Wenn aber Nadeshda durch ihren kiinttigen Gatten unglücklich wird, oder wenn sie diesen unglücklich macht — Fanny Elßler trägt die Schuld! (All. Theater Chr.) Feuilleton. Der Großsprecher. — Der berühmte Philolog, Professor W., machte einst in der Postkutsche eine Reise von Leipzig nach Berlin. Unter den Passagieren befand sich auch ein junger vorlauter Student, welcher das erste Jahr sei-ner Uni'versitäcszeit in Leipzig verbrachte und sich jetzt nach Berlin begab, um dort seine Studien fortzusetzen. Während der Professor in der Ecke des Wagens einnickte, oder sich vielleicht anch nur seinen Gedanken hingab, gefiel sich der junge Musensohn darin, bei einigen, sich ebenfalls im Wagen' befindlichen Damen, den Gelehrten zu spielen; bei welcher Gelegenheit er, um den Wohlklang der griechischen Sprache vor der deutschen darzuthun, mehrere griechische Verse mit großem Pathos ziemlich falsch declamirte, die er eine Stelle aus dem Sophokles nannre. Die griechischen Klänge erweckten den alttn Philologen: »Sie sprachen, mein Herr," begann er zu dem jungen Vielredner, »so eben einige griechische Verse, welche Sie dem Sophokles zuschreiben, ich entsinne mich aber nicht, sie in seinen Werken gefunden zu haben." »Ei, da haben Sie nicht recht zugeschaut," lächelte vornehm der junge Mann, »die Stelle steht dort Wort für Wort, vermuthlich haben Sie den Sophokles vergessen, da es schon lange her seyn muß, seit Sie das Collegium besuch- te„.» __ Der Professor steckte die Hand in die Seitentasche seines weiten Neisemantels, zog ein Buch im Taschenformat > hervor und reichte es dem Musenkinde hin, indem er sprach: >Hicr ist ein Sophokles, haben Sie doch die Gefälligkeit, 408 mir die Stelle aufzuschlagen." — Der schon etwas verblüffce Student nahm das Buch, blätterte hin und her darin, und gab es dann zurück, indem er mit einiger Verlegenheit bemerkte: »Ich habe mich geirrt, die Verse stehen im Euri.-pides."—»Dann bitte ich Sie, mir sie hier nachzuweisen," versetzte der ergraute Schulmann, indem er wieder in die Tasche langte und ein zweites Buchlein hervorzog. — »Hier ist der Euripides." — Der junge Großsprecher blätterte wieder verlegen in dem Buche: »Wo hatte ich denn den Kopf?" ent-gegnete er endlich, »jetzt fällt mir's ein, richtig, die Stelle ist aus dem Äschilos." — Der Professor schob neuerdings die Hand in die verhängnisvolle Tasche, um auch den dritten seiner Lieblingsclassiker hervorzuziehen. Der Musen söhn aber, der einer dritten 'Beschämung vorbeugen wollte, rief schnell, indem' er seine Hand hielt: »Nicht doch! die Verse befinden sich in den Nachbildungen alter Classiker von dem berühmten Professor W." — »Vou dem sind sie auch nicht," encgegnete mit dem ihm eigenthümlichen trockenen Humor der Philolog, »ich muß das wissen, denn der Professor W. bin ich selbst." — Die Damen konnten nicht umhin, jetzt in ein lautes Gelächter auszubrechen ; der beschämte Student aber dankte dem Himmel, das; gerade nach einigen Augenblicken der Postwagen vor der Station anhielt, wo er unter dem Vorgeben, daß er in dem Städtchen Geschäfte habe, eilig die Gelegenheit ergriff, sich von seiner Reisegesellschaft zu trennen. Der Vildhaner in Verlegenheit. — Der bekannte und überall geschätzte Künstler und Bauchredner Ale ra nd e r erfreute sich des besondern Wohlwollens Walter Scott's, der ihn persönlich liebte und sich an der Beweglichkeit der Ge-sichtszüge desselben, die nach Belieben jede Form annahmen, erfreute. Besonders gelang dem Künstler die Nachahmung des Gesichtes, der Stimme und des Benehmens eines bekannten schottischen Geistlichen. Bei einer Festlichkeit in Abbots-ford ersuchte WalterScott den Alexander auch, jenen , Geistlichen nachzuahmen. Ein Bildhauer, der nichts von dieser Verstellung wußte, ließ sich völlig tauschen und bar den angeblichen Geistlichen, ihm zu sitzen, um seine Büste arbeiten zu können. __ Alexander hatte die Geduld, dem Bildhauer fünf Mal hinter einander zu sitzen ; nach dieser Zeit war der Kopf modellirt und der mit Necht berühmte Bildhauer meinte selbst, das Werk sey ihm vollkommen gelungen und die Ähnlichkeit unbestreitbar.— »Wie," entgegnete Alexander mit der falschen Stimme, »ich habe Ihnen nun fünf Mal gegessen und Sie haben eine so unvollkommene Büste geliefert, die mir auch nicht im mindesten gleicht." — Der Bidhauer blieb dabei, daß die Ähnlichkeit unbestreitbar sey.—»Nun," antwortete Alexan der, »so betrachten Sie nur eine Minute Ihre Büste und wenden Sie nach dieser kurzen Zeit die Augen wieder auf mich, und wenn Sie dann nicht selbst gestehen, daß Sie sich völlig geirrt haben, so will ich gern mein Unrecht eingestehen " — Der Bildhauer willigte ein. — Eine halbe Minute reichte für Alexander hin, die Perrücke und Tracht des Geistlichen abzuwerfen und sein eigenes Gesicht anzunehmen. Als der Bildhauer den so plötzlich und völlig veränderten Mann vor sich sah, stieß er einen Schrei des Entsetzens aus, entfloh und behauptete, der Teufel in Person habe ihm gesessen.— Man erklärte ihm seinen Irrthum leicht und er wünschte nun die wahre Büste Alexa n der's zu machen, die ihm auch über alle Hoffnung gelang. —Walter Scott war entzückt. Die beiden Büsten wurden durch eine Kupferplatte mit einander vereinigt, auf welche man die Geschichte der Entstehung eingraben ließ. Papierkorb des Amüsanten. Beim Durchmarsch des Gratzer Freischützen-Corps äußerte sich ein Italiener: — »Seht, wie die leichten Vogel südwärts ziehen!" — »Um das Land vom Ungeziefer zu rei-nigen," erwiederte phlegmatisch ein Freischütz, der die Worte zufällig gehört, — aus der Fronte. Ein Ungar brüstete sich mit den Worten: — »O! es wird noch eine Zeit anftauchen, wo in allen Ländern der Welt ungarisch gesprochen wird." — »Ganz gewiß," —erwiederte sarkastisch ein nebenbei sitzender Illyrier, — »aber nur in Ungarn nicht mehr." — Als unlängst Kossuth von einem seiner vertrauten Freunde gefragt wurde, was er anfangen werde, wenn sich seine Pläne nicht realisiren, — erwiederte er selbstgefällig: »Dann werde ichSchnellläufer, und besuche Mettern ich." Eorrespondenz. Marburg am »6, December 18^8. Die^Geleaenheit, daß unsere Nalionalgarde ihren Entschluß bethätige, bei jeder feindlichen Berührung des steirischen Bodens ln voller Kraft auftreten zu wollen, ließ kaum wenig? Tage auf sich warten. Dinstag den >3 D>'c. Vormittag rief die Trommel die Compagnien auf die Allarmplatze. „Die Ungarn sollen in Steiermark eingebrochen seyn!" Vei diesem Gerüchte, das sich später als irrig erwies, versahen sich die meisten ausrückenden Garden sogleich, außer oer Armatur, auch mit der nöthige» pecuniären Munition, um vom Aufstellungsplatze ohne wci» teren Abschied von Haus un» Herd gegen die Magyaren zu operiren. Dafür erfolgte von Seite des Platzcommando's die Aufforderung, daß zur Fahndung auf 40 Deserteurs der Wiener Garnison, denen noch 60 Andere gefolgt seyen, die treulos die Neihen ihrer Cameraden verließen, eine große Streifung durch 40 Mann und 2 Officiere der Reserve von Kinsky Inft. angeordnet, und eine gleiche Anzahl Marburger Garden dazu ersucht wurden. Im Nu waren aus jeder Compagnie doppelt so viele Freiwillig« herausgetreten, deren eine Halste unter 2 Garde Osficieren sogleich oas Militär - Piket nach abgefaßten scharfen Patronen begleitete. Indeß wur« den von Seite des Kreisamtes die Bezirke in Kenntniß gesetzt, daß jene Ausreißer im Schilde führen, in voller Armatur durch die untere Steicrmark nach Eroation zu entkommen. Alle Überfuhren und Plätten an der Dräu wurden auf das rechte Ufer geborgen, die Brücken in Mar« bürg durch unsere Nationalgarde besetzt, und von derselben. Nacht fur Nacht durch zahlreiche Patrouillen jedem Unfälle vorgebeugt. Die mobile Co« lonne von 40 Varvisien und eben so viel Mann von K i n s k y Inft. theilte sich in 4 Wtreifparthien > welche die Wcge vo» Marburg über lia»« genlhal zum Platsch, jene nach Spielfeld. Iahrina., Gutenhaag bis St. Leonhard. also »inen Theil des Landes zwischen der Dräu und Mur sorgfältigst durchstreiften. Indessen hatte sich der größte Theil der Ausreißer durch den deutschen Boden »ach Eibiswald gewendet, um von da aus über den 3i a d I nach Mahrenberg zur Dr a «überfuhr in Wu -cher», von dort auf Gebirgswegen hinler dem Pachern und durch den Cillierkreis nach Lroatien zu entkomme». Den Gerichtsdienernvon Eibiswald gelang es. ,9 Mann unter dem VorwanLe der Einquartierung zu isoliren, mittelst der Marktbürger zu entwaffnen und nach Marburg abzuführen. Sie wurden am 15. Dec. unter guter Bedeckung von hier nach Wien eingeliefert. Eine andere Abtheilung der Ausreißer zerstreute sich auf den Waldhöhen des3tadlbera.es, durch das Sturmläuten und Greuth« schießen in Mahrenberg vom Übergange über die Brau zurückgeschreckt. Der Jubel, der Eifer, mit welchen sich unlere Narde freiwillig jedem Dienste unterzieht, wäre in der That einer besseren Anerkennung würdig, als des rohen erbärmlichen Tadels, mit dem freilich nur einige bornirte Müßiggänger jede Llistung derselben zu b e-geifern, nie aber unleren loyalen Eifer zu hindern vermögen. Ein Artikel der «Gratzer Zeitung- vom >5. Dec, von unsrem biederen Nachbar Z'", sprach den Wunsch aus. daß unsre Garde bald durch mobilen Dienst den Wetteifer der Cameraden der Nachbarschaft erweckte; es freut uns, in diesen Zeilen die Erfüllung des Wunsches mittheilen zu können ___________________________________ P"' . Verleger: Ign. Al. Kleinmayr. — Verantwortlicher Iledacteur: Leopold Kordesch.