Abhandlungen über Msigilm und ZArche Von irr. Jakob Step ischn egg, k. b. Bllliailtrr Lmurapitniar. Mit h. Ordinariats - Approbation. Der Reinertrag ist dem Rnakenseminar der Diärese Lavant gewidmet. Gra), 1857. Gedruckt bei Jos. A. Kienreich. 4^4^» Vorwort. Ucber das vorliegende Werk bemerke ich vor Allem, daß ich Einige der wichtigsten religiös-kirchlichen Zcitfragen in nicht gar zu ausgedehnten Abhandlungen besprechen wollte. Dem aufmerksamen Leser wird der Zusammenhang derselben unter ein¬ ander nicht entgehen. Das Ganze zerfällt in vier Theile; in deren Erstem der göttliche Ursprung des Christenthumes und der katho¬ lischen Kirche nachgcwiescn wird; im Zweiten einige biblischen Thatsachen gegen die dawider gerichteten, zumal aus der Natur¬ wissenschaft hergeholteu Einwendungen verthcidiget werden; weß- halb vorläufig das Verhältniß jener Wissenschaft zum Offenba¬ rungsglauben zur Sprache kommt. — Der dritte Theil handelt von den Hauptdogmen der christlichen Religion überhaupt; der vierte von einigen Lehren, Institutionen u. dgl., welche der katholischen Kirche speciell angehörcn. Meine Absicht bei der Abfassung dieser Abhandlungen war zunächst: zur Befestigung religiöser Ucbcrzeugung und warmer Anhänglichkeit au die heilige katholische Kirche auch nach Kräften etwas beizutragen, — in einer Zeit, wo Religion und Kirche viel¬ fach mißkaunt, mit Gleichgültigkeit behandelt; ja nicht selten feind- IV selig bekämpft werden. Dadurch wurde das Werk zu einem, der Hauptsache nach, apologetischen. Bei der Abwehr von An¬ griffen, und Widerlegung von Jrrthümcrn lag mir jede Art von Persönlichkeiten ferne. Sollte ich meine gute Absicht erreicht haben, dann halte ich mich für die verwendete Mühe vollkommen belohnt. Möchte die¬ selbe den Mängeln des Werkes nachsichtige Beurtheilnng ver¬ dienen! — O FI L» « St. Andrä, im December 1856. Der Verfasser. 8SI. . . »s s iftk.rlititlrMk rii? .VI/. -.-j;»--, Ä4 '>iL .VX Reihenfolge der Abhandlungen. Grster The«. Seite. I. Religion. 1 II. Sogenannte Bernunftreligivn, oder Offenbarung?. 5 III. Die heilige Schrift. 16 IV. Das Christenthum. 39 V. Gottheit Christi. 52 VI. Die Kirche Christi . . . ,. 61 VII. Jndiffercntismus. 78 Zweiter Th eil. VIII. Natur, Naturwissenschaft. 83 IX. Die mosaische Schöpfungsgeschichte. 98 X. Alter des Menschengeschlechtes und Lebensdauer in der Urzeit . 118 VI Seite. Xk. Die Sündfluth ..134 XII. Wunder und Weissagungen .... ...... 143 Dritter Theil. XIII. Religionsgeheimnisse überhaupt .158 XIV. Die allerheiligste Dreieinigkeit. 164 XV. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes.172 XVI. Erbsünde und Erlösung..181 XVII. Unsterblichkeit und Auferstehung .. 197 XVIII. Ewigkeit der Höllenstrafen. 22? Vierter Th eil. XIX. Alleinseligmachende Kirche ..229 XX. Gnade. Freiheit. Gute Werke.236 XXI. Die sieben heiligen Sacramente. Taufe. Firmung . . . 251 XXII. Die sieben heiligen Sacramente. Fortsetzung. Eucharistie 262 XXIII. Die sieben heiligen Sacramente. Fortsetzung. Buße. Letzte Oelung. Priesterweihe. Ehe.. 289 XXIV. Die Beichte.300 XXV. Der Ablaß.313 XXVI. Die Verehrung und Anrufung der Heiligen; Verehrung ihrer Bilder und Reliquien; — Gebet. Liturgische Sprache. Ceremonien. Wallfahrten.324 XXVII- Fürbitte und Opfer für die Verstorbenen.333 XXVIII. Das Dogma der unbefleckten Empfängniß Mariä .... 346 XXIX. Das Papstthum ..356 VII Seite XXX. Das Mönchthum .............. 376 XXXI. Humanität ... 387 XXXII. Die Inquisition . . 405 XXXIII. Aberglaube, Aufklärung (Wissenschaft und Kunst), Fortschritt 416 Alphabetisches Inhalts-Register von Namen und Sachen . 439 Erster Theil. i. Religion. 2ö8ir beginnen mit der Abhandlung über die Re ligi on überhaupt. Was darunter zu verstehen sey, deutet schon der Name an. Nach der Auslegung des christlichen Schriftstellers Lactantius, am An¬ fänge des vierten Jahrhunderts, bezeichnet dies Wort die Verbin¬ dung, in welcher der Mensch mit Gott steht. Das We¬ sen der Religion besteht also in unserem Verhältnisse zu Gott; — in wie ferne der Mensch dieses Verhältniß erkennt, demselben gemäß Gott liebt und verehrt, hat er Religion. Die Verschiedenheit der Auffassung obigen Verhältnisses begründet die in der Geschichte der Menschheit hervortretende Mehr¬ heit und Verschiedenheit der Religionen; da es an sich doch nur Eine Religion geben solle, weil es nur Einen Gott, und nur Ein Menschengeschlecht, folglich auch nur Ein Band gibt, welches sie umfaßt. Von Religion könnte für den Menschen nur dort keine Rede seyn, wo Gott nicht vorhanden ist; das ist — nirgends! Sie ist überall und für Jeden unentbehrlich. Wer die Existenz eines persönlichen Gottes läugnet, der ist für sich freilich ohne Reli¬ gion, in so ferne, als er kein Verhältniß zn seinem Gott und Herrn anerkennt. Aber besteht dasselbe deßhalb etwa nicht? Kann der Mensch in seinem Stolze das Band zerreißen, welches ihn an Gott bindet? Wenn man im gewöhnlichen Leben von dem Verächter der Religion sagt: „er kabe'keinen Gott", bedeutet dies etwa so viel, als: für ihn sey Gott gar nicht vorhanden? Nein! Wer Gott nicht in freier Liebe erkennen will, wird einst zu seinem Schrecken gewahr werden, daß Er ist. — Die Begriffe: Gott und Religion können von einander nicht getrennt werden. r r Wir wollen hier nicht erst das Daseyn Gottes weitläufig beweisen; sondern setzen den Glauben daran bei unsern Lesern gerne voraus. Es würde uns als ein großes, ihrer Vernunft und ihrem Herzen angethanes Unrecht Vorkommen, diesen zu bezweifeln, und schreiten nun zur Beantwortung der Frage: wie alt die Religion sey? Das ist: wann bat der Mensch angefangen, eine Vorstellung seines Verhältnisses zu Gott, dem höchsten, außerwelt- lichen Wesen zu besitzen? Wir fragen hier nicht darnach, wann diese oder jene Volks-Religion, z. B. veralten Aegypter, Phönizier, Griechen u. A. entstanden sey, wie sie sich gebildet habe, durch Wen sie gestiftet worden war; sondern um das Alter der allen, wie immer gestalteten Religionsformen zu Grunde lie¬ genden Vorstellung von einem höchsten Wesen. Es kann kein Zeitpunkt in der Geschichte bezeichnet werden, in welchem noch keine Spur irgend einer Religion vorhanden war; denn, wie schon Cicero (lib. 1 cle 1eK.) bemerkt: „es gab kein noch so unbändiges und rohes Volk, welches, wenn es auch nicht wußte, was für einen Gott es sich gezieme zu haben, doch nicht ir¬ gend einen; nicht seine Götter, seine Tempel und Priester gehabt hätte". „Man kann, sckreibt Plutarch, wohl Wohnsitze finden, die keine Mauern, Häuser und Schulen haben, und wo man keine Wissenschaften, keine.Gesetze, kein Geld kennt; aber ein Volk ohne einen Gott, ohne Gebete und religiöse Feierlichkeiten, ohne Opfer, hat man nie gesehen." „Kein Volk ist ohne Gott, sagt der Traum¬ deuter Artemidor (2. saeo.), ohne einen obersten Regenten. Einige aber verehren so. Andere anders die Götter." — Auch in der Ge¬ genwart hat selbst das wildeste Volk doch wenigstens eine dunkle Ahnung von einer höheren Macht, die über seinen Geschicken waltet. Der Ursprung der Religion kann also nicht jünger seyn, als der des Menschengeschlechtes selbst; sie ist nicht etwas von diesem erst Erdachtes, Erfundenes; sondern ihm von Gott Gege¬ benes. Sie ist etwas dem Menschen durchaus Nothwendiges. Denn er hat ja vom ersten Augenblicke an, in welchem er zum Selbstbewußtseyn kommt, auch das Gefühl seiner Endlichkeit und allseitigen Abhängigkeit von einem Wesen, welches den Grund des Seyns in sich selbst trägt — von Gott. Es drängt ihn, dieses höchste Wesen immer besser kennen zu lernen. — Alle Versuche, den Ursprung der Religion anderswoher, von irgend einer zufälli¬ gen Quelle abzuleiten, müssen fehlschlagen, weil sic eben so sehr der menschlichen Natur, als der Menschengeschichte widersprechen. Darin liegt ebender herrliche Vorzug des menschlichen Geistes vor der vernunftlosen Thierseele, daß Jener, nicht aber auch Diese, von Gott die Anlage und das Bcdürfniß empfangen hat. Ihn zu erkennen und zu lieben. „Omnibus iunatum est et in animo gussi inseulptum, sagt Cicero, esse 130). — Siche darüber C. N. Wiseman's Zusammenhang der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung mit der geoffenbarten Religion S. 418. — Wäre der Pentateuch verfälscht worden, so hätte die gleiche Ver¬ fälschung der betreffenden Stellen in allen nachfolgenden Büchern auch vorgenommen werden müssen, sonst wäre der Betrug aufgekommen. Dies war unthunlich. Darüber wachten die Propheten. Nach der Theilung des Reiches machte die gegenseitige Eifersucht der Juden und Israeliten im Reiche der 10 "Stämme — dann der Samari¬ taner eine Verfälschung des ihnen gemeinsamen Pentateuch's un¬ möglich. — Die Juden nahmen ihre heiligen Bücher ins Eril mit; es wurden viele Abschriften davon und (Übersetzungen gemacht, die alle mit dem Hauptterte übereinstimmen; im Falle einer Ver¬ fälschung hätte diese in allen weithin zerstreuten Exemplaren Statt haben müssen, sonst wäre sie entdeckt worden. Etwas gar nicht Denkbares! Als die heiligen Bücher schon auch in den Händen der Christen waren, wäre eine Verfälschung noch unausführbarer gewesen; denn hätten eine solche die Christen versucht, so würden die Juden, und umgekehrt die Christen alsogleich Einsprache erho¬ ben haben. Christus und die Apostel rügten wohl hie und da die 31 unrichtigen Auslegungen der Juden; warfen ihnen aber niemals eine Verfälschung des Teures vor. Doch setzen wir den unmöglichen Fall einer Verfälschung, so würden die Juden doch wohl jene Stellen verstümmelt haben, welche die so auffallend in Jesus erfüllten Weissagungen oder die Erzählung ihrer eigenen bösen Thaten, ihres oftmaligen Abfalles von Gott u. dgl. enthal¬ ten. — Der gelehrteste Kirchenvater als Bibelforscher, der heilige Hieronymus, spricht die Juden davon vollkommen frei. — Daß sich bei so alten, viel verbreiteten Büchern hie und da eine kleine Verschiedenheit in der Leseart eingeschlichen habe, geben wir gerne zu, und ist sehr begreiflich. Dasselbe hat ja auch bei den heidni¬ schen Klassikern Statt. Aber eine wesentliche und gar vor¬ sätzliche, etwa aus sogenannten frommen Betrüge vorgenom¬ mene Veränderung des Urtextes stellen wir entschieden in Abrede. Enthält die Bibel des alten Bundes durchaus Glaubwür¬ diges? Ja, im vollsten Maße! Wir haben hier zunächst die Geschichte im Auge, welche darin erzählt wird. Nach welchen Criterien wird die Glaubwürdigkeit eines profanen Geschicht¬ schreibers beurthcilt? Es wird doch wohl für die heiligen der nämliche Maßstab gelten! Man sagt: er verdiene Glauben, wenn er die Wahrheit wissen konnte, und redlich genug war, die Sache ganz so zu berichten, wie sie sich zugetragcn. Noch besser, wenn er gleichsam moralisch genöthiget war, die lautere Wahrheit zu hinterbringen, d. i. wenn er lügen und trügen gar nicht durfte und konnte. Im Buche darf nichts vorkommen, was offenbar — nicht bloß in eingebildeter Weise — gegen die Ver¬ nunft und gegen völlig erwiesenen Thatsachen der Ge¬ schichte streitet. Alle diese Erfordernisse treffen in unseren heiligen Büchern im Vorzüglichen Grade zusammen: Moses war von dem, was er in seinen vier letzten Büchern erzählt, Augen- und Ohrenzeuge; ja zum größten Theile selbst handelnde Person; er mußte also, wenn er gesunde Sinne hatte, doch wohl wissen, was er sah, hörte und that. Im ersten Buche berichtet er freilich Dinge, die sich lange Zeit vor ihm zugetragcn hatten — sogar die Schöpfung und Einrichtung der Erde. Alles dieses bat er aber tbcils aus unmittelbarer göttlicher Offenbarung — als eben die Geschichte der Schöpfung, — theils aus sonst zuverlässigsten Quellen geschöpft. Zu diesen gehörten ältere Dokumente, historische Lieder, schriftliche Aufsätze u. dgl., insbesondere aber die mündliche Ueberlieferunez. Bei der hohen Lebensdauer der Menschen in der Urzeit mußte die Sage nicht durch den Mund einer Menge Menschen gehen; die Gefahr ihrer Verunstaltung war also nicht so groß. Lamech, der Vater Noah's lebte noch 56 Jahre mit Adam; Noah selbst noch lld Jahre mit Enosch, dem Enkel Adams, und starb erst im 58. Jahre Abrahams; Sem gar erst im 108. Jahre Isaaks (Jahn's Einleitung, S. 244). Von Adam bis auf Jakob ging die lieber- 32 lieferung bloß durch drei Mittelglieder: Lamech, Sem, Isaak. Jakob starb 1689 v. Ehr., schon 1571 kam Moses zur Welt. „lm lon^ueucäe Io vis äes patlisrebes— schreibt Pascal in seinen pensees tom. 2 pgA. 88 — su lieu äs lsirs gus Iss In'stoires psssess so peräissent, servait, su eovtrsire, ä les eonservsr. Oar cs gui lmit, gue I' on n' est pas guelguekois ssser instruit äs ns 1' Iiistoire äs 8S8 sneetres, e's8t gu' on n' s fsmsis Eueres vvcu svec eux, et gu' ils sont morts souvent svgut gus I' on eüt sttoint 1' ÜM äe raison. Ns>8 lorsgne les Hommes vivsieut si lonA-temps, les enssns vivaient lon^- temps svee leurs peres, et sinsi ils les entretensient lonA-temps. Or äe guoi les eussent-ils entretenus, sinon äs l' iiistoire äs leur anee- tres, puisgus toute l' Iiistoire etsit reäuite s celle-Iä; et gu' ils n' avaient, ui les Sciences, ni les srts gui occupent uns Ai-snäs Partie äes äiseours äs la vis? Nissi l' o» voit, gu' sn es temps-la les peuples avaiout un soin psrtieulisr äs eonssrver Isur Aeneslogses." -— Die mosaische Schöpfungsgeschichte als ein Philosophen:, d. i. als das Produkt des Nachsinnens über den Ursprung der Welt, gekleidet in historische Form; oder als einen Mythus darstellen wollen — ä la llottelc, ist eine durch Nichts gerechtfertigte Will- kühr. Moses erging sich nicht in derlei philosophischen Träumereien. Wohl sind die Kosmogonieen anderer alter Völker, z. B. der In¬ der, mit Mythen durchwebt; aber sie erweisen sich als solche so¬ gleich durch ihren phantastischen Inhalt und Sprache. Wie ganz anders lauten die ersten Eapitel der Genesis! Moses wollte nicht täuschen, nicht lügen. Bürge dafür ist uns sein Charakter überhaupt, seine Offenheit, Standhaftigkeit, seine Strenge. Niemals schmeichelt er seinem Volke, sondern rügt dessen Fehler ohne Schonung. Eigennutz, Selbstsucht kennt er nicht; keine unedle Absicht konnte ihn zur Erdichtung verleiten. Wie ge¬ zwungen, wie weit hcrgcholt, wie ehrenkränkend für einen so gro¬ ßen Mann ist also z. B. die Behauptung: Moses habe den bren¬ nenden Dornbusch erfunden, um sein Volk glauben zu machen, Gott habe ihn zu seiner Rettung und Führung wunderbarer Weise berufen! So einfach, so unbefangen wie Moses schreibt kein Betrüger. Aber er konnte auch nicht täuschen, selbst wenn er gewollt hätte. Er erzählt ja offenkundige Tkatsachen, wie: die ägyptischen Plagen, die Wunder in der Wüste u. dgl. Durfte er hoffen, das Volk, ob es auch noch so roh war, zu überreden, dieß sey vor seinen Augen geschehen, wenn es sich nicht wirklich zutrug? Und welches Volk wird sich von einem Betrüger das Joch so lästiger Gesetze, als sie Moses verkündete, gutwillig aufladen lassen? „No'i'se etsit Iisbils Homme: cela est elsir. Done s' ii eüt eu äes- sein äe tromper, il eüt kalt en sorte , gu' on n' eüt pu Is convaincre äe tromperie. II s kalt tont Is contcaice; esc, s' il eüt äebits äes ksbles, il n' v eüt point eu äe jml giti n' en eüt pu reeonnüitre I? imposturs." (?sscal. pensees tom. 2. paA. 87.) Daß heidnische Schriftsteller von den Wundern und sonstigen Thaten Mosis ganz schweigen, ist nicht richtig. Artabanus redet 33 davon (siehe Olomolis ^loxsnsir. Strom. I.); auch der ägyptische Hi¬ storiker Mancthon erwähnt, daß Moses seinem Volke Gesetze gab und dessen Polizei ordnete. — Herodot wird der Vater der Geschichte genannt, dem mehr beglaubigten Moses aber sollte man nicht trauen? Warum denn nicht? Wäre er ein Profanhistoriker, so würde man kein Bedenken tragen, ihn über Alle zu erheben! — Die heut zu Tage aus der Naturlehre und Alterthumskunde hergeholten Einwendungen gegen die Wahrheit der mosaischen Geschichte finden unten ihre nähere Würdigung. *) Auch die Verfasser der übrigen heiligen Bücher waren entweder Zeitgenossen dessen, was sie berichten, oder wenigstens nicht ferne davon; in welchem Falle sie, wie z. B. die Autoren der Bücher der Könige und der Chronik öffentliche Staatsurkunden benützten; eine Täuschung wäre demnach alsbald entdeckt worden. Der Hei¬ land selbst und die Apostel berufen sich auf Fakten aus denselben. — Die aufs Genaueste in Erfüllung gegangenen Prophetien können unmöglich aus bloßer Combination herstammen, weil zu solcher oft *) Das schon hier Angeführte möge genügen, um die Haltlosigkeit solcher Hypothesen und sogenannten natürlichen Erklärungen darzuthun, wie sie z. B. in Dr. M. I. Schleiden's Studien S. 119 zu lesen sind: „Nicht ohne Bedeutung ist es. daß eine der am längsten bekannten Erschei¬ nungen der genannten Orte (er spricht früher von dem Naturphänomen gewisser unerklärter, zumal in Hochasien in der Luft vernehmbarer Töne) sich gerade dort findet, wo nach dem Zusammenstimmen aller Forschungen die Wiege des Menschengeschlechtes stand, und wo in einfach großartiger, nicht zerstreuender Umgebung die ältesten Menschenstämme ihre ersten Ein¬ drücke empfingen. Was Moses in der Genesis von dem unmittelbaren Verkehre Gottes mit unseren Stammeltern berichtet, soll also nichts, als aus obigem Phänomene herrührende Täuschung gewesen und daraus die Sage über vernommene Gottesstimme entstanden sehn! Wie sinnreich com- binirt.) Nicht minder bedeutsam ist es, daß jene selbst noch vor Kurzem unerklärlich wunderbaren Töne auch dort erklingen, wo die phantasiereichen semitischen Völker sich zur ältesten Menschenbildung entwickelten. An den felsigen Vorgebirgen des Hindu-Kusch und der El-Nakuhs, nicht weit vom Sinai, vernimmt man diese seltsamen Laute, welche wohl geeignet sind, auf das kindlich sich hingebende Ohr den Eindruck des Geheimnißvollen und Ueberirdischen zu machen. — An beiden Orten sind es unter einem Winkel von 450 geneigte Klippenabhänge, aus welchen der Wind den Wüstensand angehäuft. Der Tritt des Wanderers, das Niedcrsetzen eines Vogels, oder ein in ungewöhnlicher Richtung treffender Windstoß bringt die leichten Sandkörner ins Gleiten; das leise Rauschen der zuerst be¬ wegten wird, indem mehr und mehr Sandmrssen an dieser Bewegung theilnehmen, nach und nach zum lauten, hellklingenden Tone". Die Donner am Sinai, unter welchen die Israeliten von Gott den Decalog erhielten, wiedcrhallen nicht nur in der Geschichte des hebräischen Volkes; sondern in der ganzen Weltgeschichte; und sie sollen auf das Rasseln von Sandkörnern zurückzuführen sehn, die ein Windstoß in Be¬ wegung setzt?! Ja wohl stellt sich leider denen, die an Gottes Walten in der Geschichte der Menschheit glauben, „eine Partei entgegen, die dem Unerklärlichen, weil Göttlickcn, — gar keinen Raum mehr vergönnen will." (S. 120.) 3 34 noch nicht die mindesten Prämissen vorhanden waren; noch weni¬ ger waren sie ein Werk schlauen Betruges, weil Gott denselben gewiß nicht unterstützen kann; sie müssen also auf göttlicher Ein¬ gebung beruhen. Welch ein Unterschied zwischen ihnen und den heid¬ nischen Orakelsprüchen!-- Die didaktischen Bücher endlich haben nur solches zum Inhalte, was Gottes und der Vernunft vollkom¬ men würdig ist. Kurz die Bibel des alten Bundes ist über sede Einsprache erhaben. Es braucht wohl nicht eigens hervorgehoben zu werden, daß, was von verwerflichen Tbaten einzelner Personen erzählt wird, zum warnenden und abschreckenden Beispiele dienen solle. *) Fortsetzung. Prüfen wir nun nach den nämlichen Grundsätzen auch die heil. Schrift des neuen Bundes. Für die Echtheit ihrer Bestand- theile sprechen schon innere Gründe. Denn sowohl im Inhalte, als in der Form, Schreibart u. dgl. ist nichts zu entdecken, was der Geschichte, der geographischen Beschaffenheit des Landes, der Chronologie u. s. w. "entgegen wäre; vielmehr entspricht Alles ganz der Zeit, Denk- und Handlungsweise der apostolischen. Verfasser. Der Unbefangene urtheilt: so und nicht anders müssen jene Män¬ ner geschrieben haben, welchen die Evangelien und Briefe rc. bei¬ gelegt werden. Dazu kommen die äußeren Gründe; nämlich ausdrückliche Zeugnisse und zwar die fortwährende Tradition in der Kirche, die Citate der heiligen Väter, wenn auch nicht immer unter Bei¬ fügung des Namens des heiligen Verfassers; sa sogar das Zeug- niß mancher Häretiker, welche wohl einzelne Stellen der heiligen Schrift verdrehten, aber ihre Echtheit nicht läugneten. Selbst heid¬ nische Feinde des Christenthumes erkannten dieselbe an, — so der schon genannte Porphyrins und Kaiser Julian u. A. Die Evan¬ gelien und übrigen Schriften der Apostel hätten niemals unter¬ schoben werden können. Nicht so lange die Apostel lebten — Jo¬ hannes starb erst im Anfänge des zweiten Jahrhundertes — denn dieselben hätten gewiß erklärt, daß dieß nicht ihre Schriften seyen; nicht alsbald nach dem Tode der Apostel, denn da lebten deren Schüler, die wissen mußten, o b und was ihre Lehrer geschrieben haben. Am Ende des zweiten Jahrhundertes waren aber die apo¬ stolischen Schriften schon allenthalben verbreitet. Daß die ersten Christen dießfalls nichts weniger als leichtgläubig waren, geht daraus hervor, weil sie viele, den Aposteln in der That fälschlich unterlegte Bücher als apokryphische, d. i. als unechte zurückwiesen, z. B. das Evangelium unter dem Namen Jakobs und Johannes; *) Durch die in jüngster Zeit vorgenommenen Ausgrabungen in Ninive und Babylon haben die Nachrichten der Bibel eine eclatante Bestätigung er¬ halten. Mit Recht kann man die Bilder im Louvre zu Paris und im Museum zu London Illustrationen zum Text der heiligen Schrift, ins¬ besondere ter Propheten nennen. 35 das Evangelium des Nikodemus; das Evangelium der Kindheit Jesu u. A. Ein Beweis, daß man sehr sorgfältig zu prüfen wußte und wirklich prüfte. Eben fo wenig ist eine Verfälschung der heiligen Schrift des neuen Bundes denkbar. Denn zur Lebzeit der Apostel bätte unter ihren Augen Niemand dieselbe gewagt. Ihre Handschriften wurden ohne Zweifel sorgfältigst aufbcwahrt; es wurden bald Abschriften genommen und Ucbcrsetzungen in die verschiedensten Sprachen gemacht. Wie hätte in allen, überall hin zerstreuten Exemplaren die Verfälschung durchgeführt werden können? Weder die rechtgläubigen Christen, noch die Häretiker, Juden und Heiden hätten dieselbe vollbringen können, ohne daß sie von den lauernden Gegnern wäre aufgcdcckt worden. Die Glaubwürdigkeit der heiligen Schriftsteller des neuen Bundes kann keinem Bedenken unterliegen; denn sowohl ihre Sach¬ kenntnis als Wahrheitsliebe darf nicht bezweifelt werden. Hinsicht¬ lich der Ersteren waren sie ja entweder beständige Begleiter Jesu, oder sie hörten — wie Markus, Lukas und Paulus — von den Aposteln, was Jesus that und lehrte. Die Begebenheiten, welche sie berichten, forderten nichts als gesunde Sinne und einen un¬ getrübten Menschenverstand; keine tiefgehende Spekulation, Selbst¬ täuschung war da nicht möglich. Denn, um z. B. zu wissen, ob Lazarus schon den Verwesungsgeruch von sich gab, und demun- geachtet lebendig aus dem Grabe hervorging, braucht es keine gelehrte Bildung, sondern nur Nase und Augen. — Daß die Apostel nicht leichtgläubig waren, ersehen wir an Nathanael, an Thomas und daraus, daß der Herr selbst ein paar Mal ihre Hartgläubigkcit rügte. Von dem Verdachte eines absichtlichen Betruges spricht sie ihr Charakter, wie er sich aus ihren Schriften und Handlungen entnehmen läßt, vollkommen frei. Keine Spur von religiöser Schwärmerei und finsterem Fanatismus! Sie lehren und üben Geduld, Demuth und Gehorsam. Was hätte sic denn zur Unauf¬ richtigkeit verleitet? Zeitliches Interesse gewiß nicht, denn sie hat¬ ten ja um Jesu willen Alles verlassen, und wußten, daß sie sich nur Schmach und Verfolgungen zuziehen. Endlich opfern sie zur Bestätigung ihrer Aussagen sogar ihr Leben mit Freuden hin! Welcher vernünftige Mensch gibt sich allem Ungemach und selbst dem Martertode preis — für die Lüge? Die einfache Schreib¬ art trägt das Gepräge der ungeschminkten Wabrhcit an sich; ja die scheinbaren Verschiedenheiten der vier Evangelisten in den Details einiger Begebnisse sind ein Beweis mehr ihrer Wahrheits¬ treue, da man daraus ersieht, daß sie sich nicht zum gemeinsamen Zwecke der Täuschung verabredet und vereiniget hatten. Jeder faßt die Sache von seinem besonderen Standpunkte auf. — War es ihnen möglich, zu täuschen? Nein! Sie erzählen von Jesu össentlich vor wenigen Jahren erst vollbrachte Thaten oft mit den kleinsten Umständen. Welch eine 3 * 36 unbegreifliche Vermessenheit wäre es demnach gewesen, einem gan¬ zen Volke und dessen Führern ins Angesicht zu lügen! Alles erzählen sie mit der größten Unbefangenheit und Sicher¬ heit; ohne die geringste Furcht zu verrathen, man könne sie einer Unwahrheit zeihen! Sie berichten von sich selbst Manches, was ihnen nicht zum Lobe gereicht, als: ihre Anwandlungen von Ehr¬ sucht, wie schwer sie den Herrn verstanden, die Verläugnung Petri u. dgl. Wer lügt zu seiner eigenen Beschämung? Man höre einige Einwürfe gegen die Wahrheit der evangeli¬ schen Geschichte: Warum melden die heidnischen Schriftsteller, heißt es, nichts von dem Wunderleben Jesu; ja die Juden selbst, außer den Aposteln, schweigen davon? Wir erwidern: Viele Schrif¬ ten der Ersteren mögen verloren gegangen seyn; daß aber in den noch vorhandenen gär nichts von Jesus "vorkomme, ist nicht richtig. Schon Tacitus und Suetonius erwähnen des Heilandes — mehr über ihn zu schreiben hatten sie nicht Veranlassung. Macrobius im 4. Jahrbunderte (Saturn. 2. B. Cap. 4.) spricht vom bethlehe- mitischen Kindermorde. Einer der heftigsten Feinde des Cbristen- thums, Chalcidcs, aus dem 3. Jahrhunderte macht (Erklär, des Timäus) von dem Sterne der morgenländischen Weisen; Phlegvn, ein Freigelassener des Kaisers Hadrian, von der Finsterniß bei dem Tode des Erlösers Meldung. (Siehe Nonnotte phil. Lerikon Bd. I-, S. 202.) Ueberaus merkwürdig ist das unwiderlegbare echte Zeugniß des Juden Josephus Flavins. „Zu derselben Zeit, — schreibt er im l8. Buche seiner Alter- thümer, Cap. 4. — ist Jesus erschienen, ein weiser Mensch, wenn man ibn einen Menschen heißen darf, denn er war mächtig durch Wunderthaten und zugleich der Lehrmeister derjenigen, welche die Tugend und Wahrheit suchen. Er hatte unter den Juden und Heiden viele Schüler. Er war der Gesalbte (Messias). Ob ihn auch Pilatus auf das Verlangen der Vornehmsten aus unserem Volke zur Strafe des Kreuzes verurtheilt hatte, blieben ihm Jene, die ibn geliebt hatten, dennoch zugethan. Denn er erschien ihnen drei Tage nach seinem Tode wieder lebendig, wie es die göttlichen Propheten vorhergcsagt, welche von ihm noch unendlich viele an¬ dere Wunder gewcissagt hatten. Seine Anhänger, denen man den Namen „Christen" gab, sind noch heut zu Tage vorhanden." — Es sollen Widersprüche in den Erzählungen der Evangelisten Vorkommen? — Nur scheinbare, zunächst daraus hcrvorgehcnde, weil Ein Evangelist die Sache umständlicher berichtet, als der Andere. Mit der Profangeschichte, insoferne sie vollkommen gewiß ist, stehen die Angaben jener nirgends im Conflicte. — Durch alle Jahrhunderte wurde die evangelische Geschichte von einzelnen Ungläubigen angefochten; aber erst der neuesten Zeit war es Vorbehalten, sic sogar in das Gebiet der bloßen Mythe herab¬ zuziehen. (Das Leben Jesu von Dr. David Strauß.) Welche Gründe werden wohl für eine so abentheucrliche Behauptung angeführt? 37 Wunder sind unmöglich; also kann die evangelische Geschichte, welche deren so viele meldet, nicht buchstäblich wahr seyn! Daß aber Wunder nichts weniger als unmöglich seyen, tbun wir später dar — mithin sind wir mit obiger Schlußfolgerung durchaus nicht einverstanden. Ferner: Eine jede Religion hat Mythen; also muß auch die christliche solche haben. — Welch ein Schluß! Weil alle übrigen Religionen falsch sind, muß es auch die christliche seyn? Es heißt doch wahrlich urtheilssähigen Lesern zu viel zumuthen, daß sie in den Evangelien nichts als Mytben, beiläufig wie in den Dichtungen Homers und Hesiods oder in Ovids Metamorphosen seben sollen! Der unchristliche Mytholog geht schon von einer falschen Vor¬ aussetzung aus, nämlich, daß'die Evangelien unecht seyen. Man erwäge überdicß, daß Mythen, wie es in ihrer Natur liegt, nur sehr langsam, oft erst in Jahrhunderten entstehen; wie hätte also die evangelische Mythe während der kurzen Zeit von nicht hundert Jahren vom Tode Jesu an gerechnet — denn aus dem zweiten Jahrhunderte haben wir bestimmte Zeugnisse vom Daseyn der Evan¬ gelien — vollkommen ausgebildet werden können? Nein! Eine solche Mythe würde selbst zu den unerklärlichsten Dingen — zu den Wun¬ dern gehören. „Es fehlt uns nicht an Erzählungen von Wundern, die der fromme Betrug ersonnen, die Wundersucht ausgeboren und die Sage ausgeschmückt hat; allein wie ganz anders sind diese Er¬ zählungen, als jene, die in den heiligen Evangelien stehen! Sie verrathen sich auf den ersten Anblick als Dichtung und Sage. Die erzählten Werke sind da ihrem Inhalte nach albern, sinn- und zwecklos, ohne allen höheren Zusammenhang und göttlichen Cha¬ rakter; ganz angemessen dem schwächlichen und ideenleeren Men- schengciste, der sie ersonnen oder ausgeschmückt hat." — „Welch ein Geist der Geister ist es, der diese Persönlichkeit — Jcsu nämlich — mit diesem Zwecke, mit diesen Mitteln und die¬ sen Erfolgen in der Phantasie zu dichten vermochte! Und da bei Sagen immer Mehrere und Viele tbätig sind, welch ein Wunder ist es, daß alle, welche sich mit der Ausschmückung der Jesus-Sage betheiligtcn, so rein in ihrer Rolle bleiben, daß auch nicht Ein Pünktlcin Unpassendes, Fremdartiges, Abgeschmacktes in ihre Zu¬ sätze und Ausmalungen kam!" (Dr. Hirschers Erörter. I- S. 60—62.) „Einen solchen Charakter durch alle Lebensvcrhältnisse durch- zusetzen und zu bebaupten, ist nicht eine dramatische Aufgabe für die Dichtungsfähigkeit gemeiner und bildungsloscr Juden. — Tie Inden batten keinen ^enophon und Acschines (welche den Cha¬ rakter des Sokrates idealisirten): sie konnten ihrem Bilde nichts an Vollkommenheit leihen, ihrem Gegenstände wenig vom Adel mittheilen, sie konnten höchstens in einer schmucklosen Einfalt ge¬ ben, was sie empfingen. Er (Jesus) mußte so gewesen seyn; er muß so gehandelt und gesprochen haben, sonst hätten die Evan¬ gelisten es nicht so schreiben können." (Dr. Hug's Einleitung I-, 38 S. 103.) Sogar Rousseau, das Vorbild der Rationalisten, fühlt sich genöthigt, zu bekennen: „Sollen wir sagen, die Geschichte des Evangeliums sey nur für die Langeweile ausgedacht wordens Nein! also denkt man nicht aus! Tie Begebenheiten des Sokra¬ tes, an denen Niemand zweifelt, sind weniger bewiesen, als die Geschichte Jesu Christi. Das Evangelium hat so vollkommen un¬ nachahmliche Kennzeichen der Wahrheit an sich, daß der Erfin¬ der davon bewunderungswürdiger wäre, als der Held, den es vorstellt". *) Ist die heilige Schrift die Urkunde der Offenbarung, so ha¬ ben ihre Verfasser gewiß unter einem solchen Beistände Gottes geschrieben, welcher sie von jedem Jrrthume in Bezug auf Reli¬ gion, und was damit in Verbindung ist, sicher stellte. Darin be¬ steht die Inspiration der heiligen Schriftsteller, welche ihnen sowohl im alten Bunde von den Juden, als auch im neuen von der christlichen Kirche stets zuerkannt wurde. Die Vernunft fin¬ det daran nichts zu beanständen. Denn wenn sich Gott gcoffen- bart hat, kann und will er gewiß auch die Organe, durch welche uns seine Offenbarung vermittelt wird, — gleichviel, ob sie dieß mündlich oder schriftlich thun, — nicht der Gefahr ausgesetzt lassen, selbst zu irren, und dadurch auch Andere in Jrrlhum zu führen. Christus erklärte die Schriften Mosis und der Propheten als göttliche; kein Pünktlein dürfe daran geändert werden, sagte er, (Matth. Cap. 5, V. 18) bis Alles erfüllt sey. Der heilige Paulus nennt die Schrift des alten Bundes ausdrücklich eine göttlich inspirirte, (II. Tim. Cap. Z, V. 16.); der heilige Pe¬ trus stellt (II. Brief, Cap. 3, V. 15. 16.) die Briefe des Wclt- apostels der übrigen heiligen Schrift gleich. Was von den Eigenschaften der Bibel, insbesondere ihrer Inspiration gesagt wurde, erhält durch den beständigen Glauben der Kirche das Siegel der vollkommensten Gewißheit. Wie später eigens dargelegt wird, kann die heilige Schrift von der Kirche nicht getrennt werden. Aber schon nach rein menschlichen, wissenschaftlichen Kriterien steht ihr Ansehen fester, als das irgend m'ncs profanen Buches; mögen gleichwohl die Werke der alten Classiker in Bezug auf Eleganz der Sprache, oder Prunk der Gelehrsamkeit Manches voraus haben. In der Bibel ist ewige, irrthumslose, hier nur menschliche, und darum nicht unfehlbare Weisheit; dort spricht der Geist Gottes, hier nur Menschengeist! Wenn wir unsere Bibel mit den alten und neuen au- ßerchristllchen Rcligionsbüchern vergleichen, welch ein Unter¬ schied ! Welche Thorheiten und Abgeschmacktheiten, welche Ueber- trcibungen, welche kindischen Märchen, welche phantastischen, ja *) Man vergleiche mit dem Gesagten die höchst interessanten 7. 8. 9. 10. u, e Ablesungen des nunmehrigen Cardinals vr. Nikolaus Wiseman Uinem obencitirten Werke: Zusammenhang der Ergebnisse u. s. w.. wo vi-» wie die Urgeschichte, Archäologie und orientalischen Stu- °ien die Glaubwürdigkeit der Bibel in das hellste Licht setzen. 39 unsittlichen Lehren sind neben einzelnen wenigen Wabrheiten in ilmen enthalten! Als z. B. in den Büchern der Chinesen , deren ältestes das Buch Icking, d. i. der Verwandlungen, ist; im ver- kältnißmäßig besseren Zend-Avcsta der Perser; in den Vedas, den Puranas und Schasters der Inder (siehe I)r. Dreys Apologetik Bd. 2.). Wenn wir den Koran der Mohamcdaner durchblättern, wie erbärmlich sind darin Thatsachen aus der Bibel entstellt, — z. B. die Geschichte des ägyptischen Joseph, — wie grob-sinnlicher Art sind die darin geschilderten Freuden und Genüsse, die im Pa¬ radiese des Gläubigen harren! Freilich! wie konnte ein Mann andere, edlere versprechen, dem selbst Sinnengcnuß als des Lebens Höchstes galt? Neben dem kleinlichen Verbote des Weines wird die Polygamie gestattet; wilder Haß gegen Andersgläubige bis zur Vernichtung derselben als das Verdienstlichste eingeschärft. Treffend bemerkt Pascal: „To pentgtouguo — e'est !o plus anoion livrs clu moneie, ot le plus mNüentigue; et an lieu gno Alaliomot, pour ksiis subsister Io slon, a siekensiu sto le liro, No'iso, pour kairo sub- slster le sieu, a orclouuö ä tout Io moncle sie Io lire, fkensees tom 2. pg^. 84. ) Was sollen wir von dem eben so abscheulichen als närrischen „goldenen Buche" der Mormonen in unseren Tagen sagen ? Wahr¬ lich , solche Ausgeburten des Wahnwitzes müssen uns die Bibel, dieß geschriebene Wort Gottes, um so ehrwürdiger und heiliger machen! IV. Das Christer; thum. In der von uns so eben besprochenen beiligen Schrift lesen wir, daß Gott schon den ersten Menschen eine Offenbarung ge¬ geben, und daß sich dieselbe im Laufe der Zeit stufenweise immer mehr entwickelt habe. Die Urvffenbarung beschränkte sich dar¬ auf, das Gottesbewußtseyn im Menschen zu wecken, ihn zur kla¬ ren Erkenntniß der Wahrheiten der sogenannten natürlichen Religion zu bringen, überdieß hatte sie nach dem Sündenfalle den Zweck, ihn durch die Aussicht auf einen Erlöser zu trösten, und aufzurichten. Bis zur Sündfluth war die wahre Religion zunächst eine Familieureligion, weil sie sich von Familie zu Familie unter Seths Nachkommen vererbte, während sich die Ab¬ kömmlinge Kains, des Brudermörders, immer weiter von ibr ent¬ fernten, auch die Guten verführten, und dadurch Gottes strafende Gerechtigkeit herausforderten. In der Sündfluth (2348 v. Chr.) vertilgte Gott die von ihm Abgefallenen; nur der gerechte Noab mit den Seinen wurde gerettet, um das Geschlecht und die rich¬ tige Erkenntniß Gottes fortzupflanzen. Mit der Völkerscheidung, 40 welche aus Anlaß der Sprachenverwirrung beim babylonischen Thurmbaue (2247 v. Chr.) erfolgte, trat ein wichtiger Wende¬ punkt in der Geschichte der göttlichen Offenbarungen ein; denn die Religion war jetzt einer um so größeren Gefahr der Entstel¬ lung ausgesetzt, weil sich die Menschen sehr schnell vermehrten und nach den verschiedensten Gegenden der Erde hin zerstreuten. Wohl nahmen sie die Ueberlieserung der geoffenbarten Wahrheit mit; aber je weiter sie von der Wiege derselben auf ihren Wan¬ derungen kamen und je mehr sie sich ihren bösen Neigungen über¬ ließen, desto schwächer mußte ihre Erinnerung an jene werden. Sollte Gott nun die Menschen Alle ihre Wege gehen lassen, so daß seine uranfänglkche Offenbarung allmälig bis aus die letzte Spur unter ihnen verschwinde? Oder sollte er jedem einzelnen Volke je nach dessen Individualität und Bedürfnisse in Hinkunft sich offenbaren? Das Erstere wäre ein Aufgeben des von Ewig¬ keit an gefaßten Planes zur Erziehung und Erlösung des Menschen¬ geschlechtes von Seite Gottes gewesen, was allen seinen Eigen¬ schaften, zumal seiner höchsten Weisheit, seiner erbarmungsvollen Liebe, seiner Unveränderlichkeit widersprochen hätte. Das Zweite war insbesondere deßhalb unthunlich, weil es gcscheint hätte, daß Gott sür jedes einzelne Volk, dem er sich anbequcmt haben würde, ein Anderer sey; und so wäre eben dadurch der Glaube an seine Einheit und an die Einzigkeit der wahren Offenbarung untergraben worden. Dem zu begegnen schlug Gott, um menschlich zu reden, einen Mittelweg ein; er beschränkte seine offenbarende Thätigkeit fernerhin nur auf Ein Volk, das er sich in Abra¬ ham, welchen er zum Stammvater desselben bestimmte (1921 v. Ehr.), auöerwählt hatte. Dieses, das hebräische oder jüdische Volk machte Gott zum Träger seiner Offenbarungen und trostvollen Verheißungen; er nahm es ganz besonders unter seine Leitung, um es in den Stand zu setzen, seiner Aufgabe zu entsprechen, nämlich: den Segen, der einst durch den aus dessen Mitte hcrvorgcbenden Erlöser über alle Nationen der Erde sich ergießen soll, vorzubereiten. Deßhalb wurde die Offenbarung Gottes — so zu sagen — eine partikularistische. — --Nachdem die Abkömmlinge der Patriar¬ chen in Aegypten zu einem zahlreichen Volke herangewachsen und der Zeitpunkt angekommen war, daß sie von dem Lande Chanaan Besitz ergreifen sollen, gab ihnen Gott durch Moses ein geschrie¬ benes Gesetz (1491 v. Chr.) an der Stelle des früheren, nur natürlichen. Die übrigen Völker der Erde erfreuten sich zwar seit der Be¬ rufung Abrahams keiner unmittelbaren göttlichen Offenbarung, ohne daß sie jedoch Gott, weil etwa zum ausschließlichen Nationalgott der Juden geworden, ganz und auf immer ver¬ stoßen hätte. Sie blieben auf die Ueberlieserung der Uroffcnbarung, auf ihre Vernunft und ihr Gewissen angewiesen. Diesen Leitsternen hätten sie folgen sollen, sie thaten es aber nicht, weßhalb sich eine 41 falsche Religion unter ihnen ausbildete, nämlich das Heiden- t h u m. Die Grundidee des mosaischen Gesetzes, welches in allen sei¬ nen Beziehungen sehr weise für ein noch rohes, am wirksamsten durch zeitliche, schnell eintretende Belohnungen und Strafen zu leitendes Volk berechnet war, ist die Lehre von Einem einzigen Gott — der Monotheismus — so wie die Verfassung der Juden eine theokratische war. Denn Gott hatte sich unmittel¬ bar zu ihrem obersten Herrn und Könige erklärt; selbst ihre nach¬ maligen irdischen Könige waren nur seine Stellvertreter. Dem Pricsterthume war die Auslegung des Gesetzes und die Ver¬ richtung der gottesdienstlichen Handlungen übertragen, wozu noch das Propbctenthum kam, zunächst mit der Bestimmung, die Hoff¬ nung auf den Messias immer wieder aufzufrischcn, und aus der Zukunft, insoweit sie dem Seberblickc von Gott aufgeschlossen wurde, sein Bild in immer deutlicheren Zügen zu entwerfen. Auch sonst sagten die Propheten Manches voraus und waren die un¬ erschrockensten Vertheidiger des Gesetzes, als in den Königreichen Juda und Israel Unglaube, Götzendienst und Sittenlosigkeit im¬ mer weiter um sich griffen. Endlich war der versprochene Messias in der Person Jesu Christi auf Erden erschienen. Die Bestimmung des Judcnthums war nun zu Ende, seine vorbereitende Aufgabe erfüllt. Es mußte abtreten und den Platz dem Christenthume, als der vollkom¬ menen — der Weltreligion überlassen. Sowohl die heiligen Schriften, als die Tradition der Juden bezeugen, daß sie einen Messias erwarteten. — Dies hebräische Wort, so viel als das griechische X^/505, bedeutet einen „Gesalbten," d. i. Einen durch die Salbung, welche im alten Bunde bei den Priestern und Königen angewendet wurde. Geweihten. Vorzugs¬ weise wird cs aber von dem verheißenen Erlöser der Menschheit gebraucht, welcher in seiner Person die Würde und das Amt eines Königes, Hohenpriesters und Propheten vereiniget. Der erste Anhaltspunkt jener Erwartung war das von Gott schon dem ersten Menschenpaare gemachte Versprechen, daß ein Sprößling Eva's der verführenden Schlange den Kopf zertreten werde (Genes. Cap. Z, V. 15.) Mehr¬ mal wurde dasselbe den drei großen Patriarchen: Abraham, Isaak und Jakob erneuert. „Ich will dich zum großen Volke macken, — sprach Gott zu Abraham, als er ihn aus Chaldäa nach Cha- naan berief, — und will dich segnen. Ich will deinen Namen groß machen, und du sollst gesegnet seyn. Ich will segnen, die dich ssgnen, und verfluchen, die dich verfluchen, und in dir (als dem Stammvater des Messias) sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde." (Genes. Cap. 12, V. Z.) Zu Moses und durch ihn zum israelitischen Volke sprach Gott: „Einen Propheten (den Messias) will ich ihnen erwecken aus der Mitte ihrer Brüder, der dir ähnlich ist, und ich will 42 meine Worte in seinen Mund legen, und er wird alles zu ihnen reden, was ich ihm gebieten werde. Wer seine Worte, die er in meinem Namen reden wird, nicht hören will, an dem will ich es rächen". (Deuter. Cap. 18, V. 18.19.) König David, der Mann nach dem Herzen Gottes, erhielt von ihm die Versicherung, daß aus seinem Hause der Messias abstammen werde, dessen Thron in Ewigkeit festfteben, und dessen Reich kein Ende nehmen solle. (2. Buch der Könige, Cap. 7.) Gerade in der Zeit, als Jesus geboren wurde, war die Er¬ wartung des Messias unter den Inden eine allgemeine. „Bist du der Prophet" (den Moses aukündete)? fragten sie Johannes den Täufer (Joh. Cap. 1, V. 21.) „Das Volk", heißt es bei Lucas (Cap. 3, V. 15.) „stand in dem Wahne, und alle dachten in ihrem Herzen von Johannes, ob er nicht etwa Christus wäre." Als Jesus im Tempel in der Halle Salomons wandelte, umga¬ ben ihn die in banger Ungewißheit schwebenden Juden, und sag¬ ten : „Wie lange hältst du uns hin? Wenn du Christus bist, so sag' es uns frei heraus!" (Joh. Cap. 10, V. 23. 24.) „Ich weiß", sprach die Samaritin am Jakobsbrunnen zu Jesus, „daß der Messias kommt. Wenn derselbe nun kommen wird, so wird er uns Alles verkünden." (Job. Cap. 4, V. 25.) — (Obgleich die Samaritaner nur die fünf Bücher Mosis batten, stimmten sie doch in obiger Hoffnung mit den Juden überein.) Aber auch die Heiden, unter denen sich, eben auch auf Grund der göttlichen Verheißung im Paradiese (Genes. Cap. 3, V. 15.) die Hoffnung auf einen Retter stets erhalten hatte, (siebe H. Lüken: Traditionen u. s. w. S. 300 — 368, wo die vielen Messiassagen aufgefübrt sind), sahen damals einer aus dem Ju¬ denlande*) hervorgehenden Aenderung der Zustände entgegen, ob¬ schon ihnen die echte Messias-Idee mangelte. C. Suetonius schreibt in Vespasianus l V.: ,.?ororobnerat Oriente toto votus et «umstand opivio esse in katis, nt eu tempore llntlaea prokeeti rernm poti rentni". Diese Meinung war also keine neue, erst jüngst aufgetauchte. — Das Nämliche mit den fast ganz gleichen Worten ausgedrückt, lesen wir in Daeitns nistnr. lib. V. 13. Nachdem er der wunderba¬ ren Erscheinungen erwähnt, welche sich vor der Einnahme Jeru¬ salems durch Titus im Tempel alldort zutrugen, fährt er fort" „Onse — prostima — panoi in mstinn trabebant; plnribus porsuasi» inerat antiguis skieerüotmn literis oonlinei i. eo ipso tempore Cors, ut valeseeret Oriens, prokeetigue -luclaea rerum potirentur" Unter den alten Schriften der Priester sind hier zweifelsohne die heiligen Bücher zu verstehen, welche die jüdischen Priester auf- bcwahrten, denn es ist ja von den Juden die Rede. Es kann nicht befremden, daß der Römer die Prophezeiung auf seine Herrscher bezieht, indem cs weiter heißt: In Betreff des Orientes liegt ein Beweis dafür auch in der Ankunft dtt Weisen zu Bethlehem. (Matth. Cap. 2.) 43 „Huse smI)gA68 Ve«pa8i'amim so Ditum praeclixerat. 8ed vuIZii» sfiidsicum) more luimsnso eupiclini8 8ibi tsntsm katorum ma^nitudi- neoi interpietsti, ne säver8i8 guidem s d vera mutabsntur". Virgil singt in seiner vierten Ecloge, wo die Vorhersagnng der Sibylle von Cumae in Italien angeführt ist, — welche be¬ kanntlich dem römischen Könige Tarquinius Priscus (578 vor Ehr.) ihre Bücher zum Kaufe anbot — von der Wiederkehr des goldenen Zeitalters: Ist tima tstimaei venit gam earmini8 aetas, 5IsANii8 ab inte^ro 8aeclorum ns8eitur orsio. st »m redit et Vir^o (Xslraea) redeunt 8aturni'a regna; stam nova prvAenie8 coelo demittitur sito. (Vcrgl. Horst, csrm. I. od. 2.) Auch die Heidenwelt lebte also der Hoffnung, cs werde Je¬ mand mit Macht erscheinen, und eine neue Ordnung der Dinge cinführen; unter seiner Herrschaft werde das verlorne Paradies wieder gewonnen! *) Wenn wir die religiösen Zustande um die Zeit der Geburt Jesu in Erwägung ziehen, so überzeugen wir uns leicht, daß eben damals das Bedürfuiß einer außerordentlichen Hilfe Gottes auf das Höchste gestiegen, aber auch alle Vorbereitung dafür in der politischen Lage der Welt vorhanden war. Das Ju d ent hum war in sich selbst zerfallen, in mehrere sich gegenseitig befeindende Seelen auseinander gegangen. Der Geist des Gesetzes war ' verschwunden, der tobte Buchstabe allein übrig geblieben; die bloß äußerliche Beobachtung desselben galt Alles. "Mit unbegrenzter i Sehnsucht schauten darum die wenigen wahrhaft Frommen, als: - ein Simeon, der auf den Trost Israels harrte, (Luc. Cap. 2^ V. 25.) zum Himmel empor, ob schon Licht in die Finsterniß kommen werde. Von der schauderhaften religiösen und moralischen Verkommenheit der Heiden geben uns ihre eigenen Schriftsteller; rin Salustius, Tacitus, Suctonius, die abschreckendste Schilde¬ rung. Die Besseren unter ihnen sahen ein, daß es so nicht fort- dauern könne; daß aber das Heilmittel dagegen nicht auf der Erde zu finden sey, sondern von Oben kommen müsse. Mensch- ' liche Weisheit hatte sich ja bisher als unzureichend bewiesen, die Nebel der Jrrthümer zu zerstreuen; im beidnischcn Aberglauben, ' mit all seinen Opfern und Sühnungen lag keine Kraft, von der Menschheit das sie niedcrdrückende Gefühl der Schuldhaftigkeit hinwcgzunehmen. „Gestehen nicht die besten und ernstesten Pbi- *> Die größten Eroberungen und Umwälzungen in der heidnischen Geschichte lind unter dem Einflüsse des allgemeinen Glaubens an den verheißenen Wiederhersteller der Urzeit erfolgt. Alexander z. B. ließ sich durch das Orakel des Zeus Ammon als den verheißenen von der Jungfrau gebor- nen Sohn des Zeus erklären, und machte als solcher seinen Zug nach >l Indien. Ebenso machte sich Kaiser Augustus die Erwartung seiner Zeit zu Nutzen, indem er sich für den ersehnten Friedgnskönig und den Sohn des Apollo ausgab. 44 losopheu ein", fragt Cicero (guaest. ttiscsl. lid. 3.), „daß sie Vie¬ les nickt wissen, Vieles erst lernen müssen, — und daß all ibre Weisheit durchaus ohne Wirksamkeit auf die Menge des Volkes sey?" Anderswo (clo le». Iil>. 2.) ruft er trostlos aus: „^nimi Indes nee cliiitlirnltate evrmeseeee. nee manilms ullls elui polest So traurig stand cs um die Menschheit! Nebstbei aber sehen wir fast die ganze damals bekannte Erde tbeils unmittelbar der römischen Herrschaft unterworfen, theils sonst von ihr abhängig; die lateinische und mehr noch die griechi¬ sche Sprache bildeten das Band der Verständigung zwischen den verschiedensten Völkern; der Tempel des Janus war vom Kaiser Augustus geschloffen worden, — Friede waltete ringsum. Wie geeignet war dicß Alles zur Einführung und Verbreitung der vollendeten Offenbarung, wenn sie Gott nur setzt ertheilcn wollte! Er that es wirklich; hatte sa Er deßhalb Alles so ein- gelcitct! Darum ist die Antwort auf die Frage nicht schwer zu geben: warum denn das Christenthum nicht schon früher verkün¬ det worden war? Es kam eben zur rechten Zeit! Ohnedem er¬ hellt aus dem Gesagten, daß die Menschheit auch vorher nicht ohne Offenbarung war; nur für die Vollendung derselben war sie noch nicht reif gewesen. ff o r t f e tz u n g. Das Cbristcnthum, — die Religion Jesu Christi, — ist wirklich göttliche, und zwar die vollkommenste Offenba¬ rung. Es ist nicht etwa nur der Inbegriff natürlicher Reli- gionswabrhciten und Sittenvorschriften nach Art der Philosophie effies Sokrates, Plato u. A., welche der „Weise aus Naza¬ reth" sich zum Vorbilde genommen hätte. Eine so niedrige Auf¬ fassung des Cbristenthumcs wird schon durch die Bibel auf jedem Blatte widerlegt. Diesfalls kommt es vorerst wohl darauf au: wie sich denn sein Stifter selbst darüber geäußert habe? Jesus nun erklärt, daß Er und seine Lehre nicht von dieser Erde scyen. Es wäre schon hier am Platze, jene Aussprüche des Herrn anzu¬ führen, worin er sich die innigste Gemeinschaft; ja, nicht bloße Aehnlichkcit, sondern die vollkommenste Gleichheit und We¬ sens einheit mit Gott, dessen Sohn er sich nennt, beilegt; weil wir aber die Gottheit Jesu in einer eigenen nächsten Abhandlung besprechen, so genüge es einstweilen, darauf bloß hinzudeuten. Die gleiche himmlische Abkunft, wie seiner Person, schreibt Jesus mithin auch seiner Lehre zu. Er will seine Religion für etwas Höheres angesehen wissen, als nur für eine Frucht irdischer Lebensweisheit. „Meine Lehre", sprach er, „ist nickt mein, (nicht von mir als Mensch erdacht, durch Studium erworben) sondern dessen, — Gottes — der mich gesandt hat. (Joh. Cap. 7, V. 16.) Derselbe ist wahrhaft, und was ich von ihm gehört habe, das rede ich in der Welt." (Joh. Cap. 8, V. 26.) Und wieder: 45 „Ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, wel¬ cher mich gesandt hat, der hat mir das Gebot gegeben, was ich reden und was ich lehren soll. — Darum was ich rede, rede ick so, wie es mir der Vater gesagt hat." lJoh. Cap. 12, V. 49.50.) Jesus nennt seine Religion die Fortsetzung, ja die Vollendung der alttestamentarischen Offenbarung, indem er sagte: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz und die Propheten anszuheben, son¬ dern zu erfüllen". (Matth. Cap. 5, V. 17.) Für diese seine vom Himmel gebrachte Lehre verlangt er Glauben, und beruft sich auf seine Werke, als auf die Beweise ibrer Wahr¬ heit. (Joh. Cap. 14, V. 12.) Noch ein anderes Mittel gibt er an, sich davon zu überzeugen; nämlich die praktische Aus¬ übung derselben, dann werde man inne, ob sie von Gott sei oder nicht. (Job. Cap. 7, V. 17.) Darauf stützte sich denn auch wirk¬ lich die gläubige Ucberzeugung der Schüler Jesu. „Meister!" sprach Nikodemus zu ihm, „wir wissen, daß du ein Lehrer bist, der vom Himmel gekommen ist; denn Niemand kann diese Wun¬ der wirken, welche Du wirkest, wenn nicht Gott mit ihm ist." (Job. Cap. 3, V. 2.) Wenn der Herr eine bloß natürliche Religion hätte verkün¬ den wollen, würde er wohl Wahrheiten vorgetragen haben, welche die menschliche Vernunft in so ferne nicht zu erfassen im Stande ist, als sie über dieselbe erhaben sind, was er doch uuläugbar that? Man sage nicht: seine Mysterien seyen nur Einkleidungen reiner Vernunftwahrheitcn gewesen; oder er habe sich dem Volks¬ glauben, der nun einmal Geheimnisse haben will, anbequemt! Wer hüllt denn das an sich leichter Faßliche in nicht zu begreifendes Dunkel? Und in welchem Lichte muß ein Religions¬ lehrer erscheinen, welcher, anstatt Jrrthümer zu beseitigen, Vor¬ urteile aufzuklären, dieselben, ob auch nur iudirecte, be¬ kräftiget? Hie und da hatte der Herr seinen Aposteln den Sinn einer Parabel, eines Rathcs u. dgl., welche er früher der versammel¬ ten Menge vorgetragen, abseits, in vertrauter Unterredung, näher auseinander gelegt (z. B. Matth. Cap. 19; Luc. Cap. 8), aber nirgends lesen wir, daß Etwas mir für das „unwissende Volk" ein Gehei mniß des Glaubens seyn solle, was für die Apo¬ stel hingegen, als die „Eingewei h t en", nichts, als eine reine Vernunftwahrheit wäre. In solcher Weise mochte man verfahren ftyn bei der Feier der Eleusinischen Geheimnisse, oder in den Prie- sterschnlen der alten Aegypter. — Wie machen es die Freimau- rer?— Jxsns aber hatte nicht zweierlei Lehre, — Eine etwa nur für die Ungebildeten, die Andere für die „Aufgeklärten". Man lese als Beleg das sechste Hauptstück des Evangeli¬ ums Johannis. Der Herr hatte von der Einsetzung des aller- beiligsten Altarssacramcntes geredet. „Wahrlich, wahrlich, sage euch", sprach er zu den Juden, „wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen, und sein Blut nicht trinken werdet, 46 so werdet ihr das Leben nicht in euch haben. — Denn mein Fleisch ist wahrhaftig eine Speise, und mein Blut ist wahrhaftig ein Trank." (V. 54. 56.) Viele seiner Jünger entgegneten: „Diese Rede ist hart, wer kann sie hören?" (V. 61.) Jesus nahm kei¬ nes seiner Worte zurück, noch gab er ihnen eine solche Deutung, daß sie nur bildlich, nicht im eigentlichen Sinne zu verstehen seycn; er bestätigte sie vielmehr, worauf dieselben Jünger ibn verließen und nicht mehr mit ikm wandelten. — Sie können uns die stolzen Vernunftgläubigen vorstellen. — Der Herr hätte sie leicht zurückhaltcn können; er zog es aber vor, sie gehen zu lassen, weil er sah, daß sie ihre Vernunft nicht seinem Worte unterzuorduen geneigt waren. Hierauf wandte er sich zu den Aposteln mit der Frage: „Wollet auch i h r Weggehen?" (V. 68.) Sogar sie war er bereit, scheiden zu sehen, wenn sie sich, wie Jene, an seiner Rede geärgert hätten! (V. 62.) Aber die Apostel dachten klüger — uns zum Muster! Im Namen Aller erwiderte Simon Petrus: „Herr! zu Wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens! (wenn sie uns auch unbegreiflich sind.) Wir haben geglaubt und erkannt (jetzt wieder an der unmittelbar vorheraegangcn wunderbaren Sättigung der Fünftausend), daß du bist Christus, der Sohn Gottes". (V. 68. 69.) Als bei einer anderen Gelegenheit Petrus ein gleiches Be- kenutniß der Gottheit Jcsn abgelegt hatte, sprach der Herr zu ihm: „Selig bist du Simon des Jonas Sohn, denn Fleisch und Blut — d. i. die natürliche Vernunft-Einsicht — bat dir das nicht gcoffcnbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist". (Matth. Cap. 16, V. 17.) Wie faßten die Apostel das Christenthum auf? In seinem ersten Briefe (Cap. 1.) schreibt Petrus von der Religion Jesu: »Ihr seyd wicdcrgcboren durch dasWort des lebendigen Gottes. — Das Wort des Herrn bleibt in Ewig¬ keit (es vergeht nicht, wie die Lehrsysteme der Weisen, Eines das Andere verdrängen). Das Wort aber ist das, welches im Evangelium verkündet worden ist". (V. 23—25.) Und wie sehr ereifert sich der Weltapostel Paulus gegen die mögliche Ver- muthung, das Christenthum sei nur menschliche Weisheit! Nein, im Gcgcnthcile! „Weil die Welt, schreibt er, (l. Cor. Cap. 1.) in ihrer (vermeintlichen) Weisheit Gott in seiner (wahren, höch¬ sten) Weisheit nicht erkannt hat, so gefiel es Gott, durch eine (der Welt so dünkende) thörichte Predigt diejenigen selig zu ma¬ chen, welche glauben. Die Juden fordern Zeichen (Wunder) und die Heiden (insbesondere die Griechen und Römer, die Ge¬ bildetsten unter ihnen) suchen Weisheit. Wir hingegen predi¬ gen Christum den Gekreuzigte», der den Juden zwar ein Aerger- niß, und den Heiden eine Thorhcit ist; den (durch Gottes Gnade) Berufenen aber aus den Juden sowohl, als den Heiden predige» wir Christum als Gottes Kraft und Gottes Weisheit." (V. 21—24). Von welch' heiligem Feuer würde Paulus wohl ! i I ) I ! ! ! I 1 s s s ? 1 ! 47 heut zu Tage Jenen gegenüber entbrennen, welchen Christus aber¬ mals zur Thorheit geworden ist, und die Ihn nicht als Gottes Kraft und Weisheit, sondern nur mehr kaum als den Weisesten seiner Zeit gelten lassen wollen! „Ich bin das Licht der Welt", sagte Jesus zu den Juden, (Joh. Cap. 8, V. 12.)-Da entgegneten ihm die Pharisäer (V. 13.): „Du gibst Zeugniß von dir selbst; dein Zeugniß ist nicht wahr." So könnte etwa auch jetzt Jemand einstreuen: Die Stifter anderer Religionen, z. B. des Islam, haben gleichfalls behauptet, ihre Lehre" sey vom Himmel! — Aber die Aussprüche Jesu über sich selbst, daß er der Sohn Gottes und Gott selbst sey — und über seine Lehre, daß er sie unmittelbar vom Himmel gebracht babe, sind so ganz außerordentlich, daß sie mit Jenen anderer Religionsstister nicht auf Eine Linie gestellt werden kön¬ nen. Eine solche Würde, wie Jesus, legt sich Keiner bei. Was ist davon zu halten? Entweder ist die Selbstversicherung Jesu Wahrheit, oder, er war, — was die Zunge auszusprechen und die Feder niederzuschreiben sich sträubt — so sehr von Selbstüber¬ schätzung eingenommen wie noch kein Zweiter je auf Erden. Großer Gott! wie ließe sich dies mit seinen Eigenschaften vereinbaren? Jesus, ein Hochmüthigcr? Er, der nirgends seine eigene, sondern überall nur die Ehre Gottes wollte und suchte! (Joh. Cap. 5, V. 41. — Cap. 8, V. 50.) der sich der Huldi¬ gung des Volkes durch die Flucht entzog! (Joh. Cap. 6, V. 15.) der von sich, ohne Besorgniß einer Einrede, sagen durste: „Ler¬ net von mir, denn ich bin sanftmüthig und dcmüthig vom Her¬ zen! (Matth. Cap. 11, V. 29.) der die Armen im Geiste selig pries (Matth. Cap. 5, V. 3.) und an seinen Aposteln die lei¬ seste Regung des Ehrgeizes mit unnachsichtlicher Strenge rügte! (Matth. Cap. 20. — Mare. Cap. 9, V. 34.) der nur Jene MM Eingänge in das Himmelreich tauglich erklärte, die da werden, wie die Kinder! (Matth. Cap. 18, V. 31.) der warnend geru- sen: „Wer sich selbst erhöbt, wird erniedrigt werden?" (Matth. Eap. 23, V. 12.) Oder war Jesus, wenn er auch nicht absicht¬ lich täuschen wollte, etwa von der Idee, daß Er der im alten Bunde verheißene Messias sey, so ganz befangen, daß er sich in vollster Selbstüberzeugnng als denselben ankündete, und die¬ ser seiner Einbildung Alles, sogar sein Leben zu opfern bereit war? Wie verstieße eine so lästerliche Behauptung gegen alle Ver¬ nunft und Geschichte! Ist wohl ein Fanatiker eines solchen in¬ neren Friedens, eines solchen Gleichmnthes, eines solchen Ab- Icheues vor jeder Ostentation, endlich einer solchen Ruhe im Tode sähig, wie wir dieß Alles an Jesus sehen? Hat es schon jemals, W lange die Welt steht, einen Schwärmer dieser Art gegeben? Nein! nein! unmöglich! Das Selbstzeugniß Jesu müßte uns ge¬ nügen, wenn uns für die Wahrheit desselben auch nichts sonst Bürge wäre, als sein göttlich erhabener Charakter. Hat er ja 48 nicht nur zur Heiligkeit aufgefordert; sondern selbst, in seinem Leben, dieselbe iu ihrer Vollendung dargestcllt! Es ist unmöglich, alle einzelnen Tugenden des Herrn aufzu¬ zählen; das schönste Ebenmaß bestand unter ihnen; denn er übte keine mit Hintansetzung der andern; sondern alle in gleicher Voll¬ kommenheit. Die Evangelisten berichten uns so edle Züge von ihm, wie ste noch an keinem Sterblichen je wabrgenommen wnrden. Welch ein Eifer für die Ehre Gottes! welch bereitwilliger Gehor¬ sam gegen die Obrigkeit! wie schützte er sogar das Ansehen der Vorsteher der Synagoge, obwohl er vor der Nachahmung ihrer Thatcn warnen mußte! Welche Geduld und Ergebung in Leiden! welche Sauftmuth gegenüber den schmerzlichsten Verdächtigungen! welche Weisheit in Beantwortung verfänglicher Fragen! welche Nachsicht mit reuevollen Sündern! welch eine heilige Entrüstung gegenüber der Heuchelei, welche die Religion zum Mittel mi߬ braucht für selbstsüchtige Zwecke! welche Selbstentäußerung, welche Aufopferung für die Menschheit trotz aller Verkennung, alles Un¬ dankes! Und endlich welch ein Sterben unter den grausamsten Qualen, unter dem herzlosesten Gespötte seiner Feinde, für die er noch in den letzten Augenblicken entschuldigend bittet: Vater! ver¬ gib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun! (Luc. Cap. 23, V. 34.) Das Entscheidende aber ist die völlige Sündlosig- keit Jesu. Auch nicht ein Schatten einer unrechten Gesinnung oder Handlung fällt auf ihn. - Wer von Euch kann mich einer Sünde beschuldigen?" (Job. Cap. 8, V. 46.) — so durfte er ohne Scheu seinen erbittertsten Gegnern zurufen! „Er ist in allen Stücken ähnlich, wie wir versucht worden", schreibt der Apostel (Hebr. Cap. 4, V. 15.) „doch er war ohne Sünde". Wenn Sokrates (bei Plato Dialog. 2, sio rop.) das Ideal der reinsten, uneigennützigsten Tugend ausmalt, so entwirft er ein schwaches Bild des irdischen Lebens Jesu Christi. Hätte er den Heiland gesehen, wahrlich, er hätte in ihm gewiß nicht seines Gleichen, sondern mehr als einen menschlichen Lehrer verehrt. „Scheint es nicht", bemerkt hiezu Bossuet (cliseours mir I'bistmrs imivorsello, 2. part. PSA. 23.) „daß Gott diese wunderbare Idee der Tugend deßhalb dem Geiste eines Philosophen mittheilte, um sie in der Person seines Sobnes zu verwirklichen, und um es zu veranschaulichen, daß der Gerechte einen anderen Rnhm, eine andere Ruhe, ein anderes Glück habe, als Jenes, welches mau auf dieser Erde erlangen kann?" Sogar Rousseau kann sich nicht enthalten, in seinem Oinlle sllv, III) über den Stifter des Christen- thums auszurufen: ,,8opont-il, gno eolm, clont I'OvanAilo kalt l'lü- stoiro, ne svit gn' nn Inuumo In, inomo? Ost co-Iä le ton el im ontllonsissto on cl'nn smbüion seotmro? (simile douoonr, guello pn- rete «ans ses inoonrs, gnollo -zräeo tonobmNe clrms ses instriiotions, gnolle eleviNlon (laus sos mnxinios, guollo prokonelo s-igesse (Ians ses tliseonrs, gnsllo presenee ll vspeit. gnvllo (messe et gnollo Mustico lisns 868 reponses —! On e.st I'Iiommo, oü ost Io ssZo, gui sait aKi'r, 49 soullrir, et monrir sans kaiblesse, et sans ostentatinn?-On cke- 8U8 avsit-il pris cette moral elevve et pore, clont Im' seu! a stonaS les leeovs et I'exemple? -Oni, sl la vis et la morte ste 8oerste svat cl'llll ss^e; la vie et la morte ste ckesus 6l>rlst sont ll'un Oieu." Ja! dem Leben Jesu ist das Siegel der Göttlichkeit aufge¬ drückt, kann cs wohl seiner Lehre fehlen? Inhalt und Form zeigen, daß sie nicht menschliche Erfindung scy. Wie erhaben und durchaus vernunftgemäß sind die Glaubenswakrheiten, welche er vortrug! Wie ganz würdig des höchst vollkommenen Wesens ist, was er von Gott, seinen Eigenschaften, und der Art, ihn zu verehren, sagte! (Joh. Cap. 4, V. 24 ) Ueber Alles, was der Mensch von sich selbst, von seiner Bestimmung, zu wissen nötbig hat; was den Gegenstand seiner heißesten Wünsche, seiner Hoffnung und Furcht, nicht nur für dieses Daseyn, sondern ganz vorzüglich für ein zukünftiges Leben ausmacht, hat sich der Herr bestimmt, unzweideutig ausgesprochen. Wie einfach, und doch alle Pflichten umfassend, ist die Sit- tenlekre Jesu! Liebe Gott über Alles und den Nächsten wie dich selbst! — so lautet der oberste Grundsatz derselben! Enthält er etwas Unmögliches? Ist er nicht allgemein verständlich? Gott über Alles! Ihm darf nichts gleich gesetzt, noch weniger vor¬ gezogen werden! Selbstachtung, auf Erkenntniß der eigenen bohen'Menschenwürde und Bestimmung beruhend, soll mit echter Demuth vereinigt seyn. Von der Nächstenliebe darf Niemand, welcher Abstammung, weß Glaubens er seyn mag, ausgeschlossen bleiben; — nicht einmal der Feind! Ja, Barmherzigkeit wird zur Bedingung erklärt, um selbst einst Barmherzigkeit und Verzeihung von Gott zu erlangen! Nicht in die bloß äußerliche Beobachtung der Gebote, sondern in die innere Heiligung wird das Wesen der Tugend gesetzt. Sogar eine nicht unterdrückte unlautere Begierde, ein unreiner Blick nur macht vor dem Allwissenden schon zum Ehebrecher; die feindselige, rachsüchtige Gesinnung schon zum Mörder! (Matth. Cap. 5, V. 22. 28.) Jesus gibt in seiner Religion auch die wirksamsten Beweg¬ gründe an zum unausgesetzten Tugendstreben, und unterstützt die menschliche Schwäche durch übernatürliche Gnadenmittel. Welche Philosophie konnte und kann dieß thun? Wie verschieden ist auch die Form der Lehre Jesu von mensch¬ licher Weisheit und ihrem Eigendünkel! Er stellt kein künstli¬ ches System auf mit großem Aufwande von Gelehrsamkeit, aus¬ geschmückt mit schönen, dabei doch nur wenig sagenden Phrasen. Gegentheile. Wie milde läßt er sich zur ungeübten Fassungs¬ kraft des gemeinen Volkes herab! Welche Geduld hat er mit demselben, welche nie ermattende Beharrlichkeit, ob es ihn auch "och so schwer und langsam versteht! Wie anschaulich macht er seine Vorträge durch wundcrliebliche, so ganz aus der Umgebung, Pls dem alltäglichen Leben, aus der Natur genommene Gleich- ">ffe und Parabeln! wie ist er Allen, und überall zugänglich; denn 4 50 er.lehrt tn keiner Akademie, sondern wo es eben gelegen ist, — nn Tempel, in der Synagoge, am Fuße eines Berges, auf offenem Felde, oder vom Schifflein aus am See. Niemanden weist er mit Härte zurück, der bei ihm Unterricht oder Trost sucht. Ist sich zu wundern, daß ihm überall Schaaren Heils- und lernbe¬ gierigen Volkes nachziehen? Daß sie lautlos an seinem Munde hangen, sobald er ihn öffnet, und daß sie sich dann voll Bewun¬ derung äußern : Er lehre nicht so wie die Schriftgelehrten, (fügen wir bei: nicht so, wie alle Weisen der Welt zusammen genom¬ men) sondern wie Einer, der da Macht hat, und übermenschliches Ansehen? (Matth. Cap. 7, V. 28. 29.) Läßt sich eine solche Lehre und Lehrw eis he it natürlich erklären? nachdem gewiß ist, daß Jesus nie eine gelehrte Bildung genoffen, sondern bis zum öffentlichen Auftreten seine Tage in tiefster Zurückgezogenheit, im ärmlichen Dunkel des verachteten Nazareth zugebracht! Manche Feinde des Christenthumes haben sich nicht entblödet, der Geschichte zum Hohne zu behaupten, Je¬ sus habe von den jüdischen Essenern, — eine Art Asceten — oder gar in den Geheimschulcn der ägyptischen, indischen oder persischen Priester — von deren Besuch nirgends eine Spur—seine Weis¬ heit empfangen! Aber seine Religion steht damit durchaus nicht in innerem Zusammenhänge. Zu welchen ganz grundlosen Annah¬ men man doch seine Zuflucht nimmt, nur um der Wahrheit zu widerstreben! Erstaunt fragten die Bewohner von Nazareth, als sie Jesuni m der Synagoge hörten: Woher kommt Diesem solche Weisheit und Wunderkraft? (Matth. Cap. 13, V. 54.) Wir wissen wo¬ her! Vom Himmel kam sie ihm - aus keiner irdischen Schule. Wenn dies nicht so wäre, hätten wir eine Wirkung vor uns, welche unendlich größer ist, als ikre Ursache! Im Tempel zu Jerusalem verwunderten sich die Juden ebenfalls über den Herrn, und sprachen: Wie versteht Dieser die Schrift, da er sie nicht ge¬ lernt hat? Und gerade darauf entgegnete er ihnen mit den schon oben citirten Worten: „Meine Lehre ist nicht mein, sondern Dessen, der mich gesandt hat". (Joh. Cap. 7, V. 15. 16.) Sieh' also die Quelle davon! Die Religion Jesu ist als göttliche Offenbarung fer¬ ner durch die in seiner Person eingetroffene Erfüllung der alttc- stamentlichen Weissagungen bewährt. Wir erwähnen hier nur der vorzüglichsten aus ihnen. Die Zeit, wann der Messias er¬ scheinen werde, sagte schon der Patriarch Jakob (Genes. Cap.49.); dann die Propheten Aggaeus (Cap. 2.); Malachias (Cap. 3.), besonders aber Daniel (Cap. 9.) vorher. Der Ort seiner Ge¬ burt, und daß er von einer Jungfrau werde zur Welt gebracht werden, sogar die kleinsten Umstände seines Lebens, Leidens und Sterbens; seine Auferstehung und Himmelfahrt wurden von: Jeremias Cap. 23.; Klagelieder 3.; Jsaias Cap. 7, V. 14., Cap. 11, V. 35, Cap. 35; Michäas Cap. 5; Zacharias Cap. 9, 51 11, 12 und 13; Malachias Cap. 3, vorzüglich auch in den s.g. mes¬ sianischen Psalmen 21, 25, 40, 68 u. A. voraus verkündet. Je¬ sus selbst berief sich auf die an Ihm erfüllten Prophezeiungen. So z. B. (Luc. Cap. 4, V. 16—21), als er in der Synagoge zu Nazareth das 61. Hauptstück des Jsaias von sich erklärte. „Siebe, wir ziehen hinauf nach Jerusalem, sprach er zu seinen Aposteln (Luc. Cap. 18, V. 31.) und es wird Alles in Erfüllung gehen, was durch die Propheten über den Menschensohn geschrie¬ ben worden ist." Einen anderen Beweis bieten die eigenen Weissagungen Jesu; von denen die Meisten bisher schon auf das Pünktlichste in Erfüllung gingen, und dadurch Bürgschaft sind, daß sein Wort auch in Betreff der übrigen, z. B. über seine zweite Wiederkunft am jüngsten Tage (Matth. Cap. 24), aus dem Munde des All¬ wissenden komme. Wir übergehen hier, daß er die geheimsten Gedanken der Menschen durchblickte. — Er kündete seine eigenen Schicksale tMatth. Cap. 16, V. 21,, Cap. 20, V. 18. — Marc. Cap. 10, V. 32—35. — Luc. Cap. V, V. 44. - Joh., Cap. 10, V. 17—18.) — die Schicksale seiner Apostel (Matth. Cap. 10, V. 17; Cap. 24, V. 9. — Marc. Cap. 13, V. 9. — Luc. Cap. 21, V. 12.) — die gänzliche Zerstörung Jerusalems (Matth. Cap. 24, V. 2. — Marc. Cap. 13, V. 2. — Luc. Cap. 19, V. 41—44.) — die dauernde Zerstreuung der Juden unter alle Völker (Luc. Cap. 21, V. 24.) — die Ausbreitung seines Evangeliums auf der ganzen Erde (Matth. Cap. 24, V. 14.); die Unbesiegbarkeit seiner Kirche (Matth. Cap. 16, V. 18.) u. A. vorher an. Wie die Weissagungen, beweisen auch die Wunder Jesu seine und seiner Lehre Göttlichkeit. Daß er Wunder wirkte, be¬ richten die Evangelien beinahe auf jeder Seite. Wäre Jesus nicht Der, für Wen er sich ausgab, würde er wohl mit der Wunder¬ kraft ausgestattct worden scyn? Deßhalb legt er selbst das größte Gewicht auf seine übernatürlichen Thaten. Die an ihn mit der Frage, ob Er der Messias sey, abgeschickten Schüler des Johan¬ nes weist er einfach auf dieselben hin. (Matth. Cap. 11; Luc. Eap. 7.) „Die Werke, sprach er, die ich thue, geben Zcugniß von mir, daß mich der Vater gesandt hat." (Job. Cap. 5, V. 36.) Und: „Glaubet ihr (meiner Versicherung) nicht, daß ich im Vater bin, und der Vater in mir ist, so glaubet mir doch um der Werke willen". (Joh. Cap. 14, V. 11. 12.) Vorzüglich nennt Jesus seine Auferstehung ein Zeichen seiner Beglaubigung. (Matth. Cap. 12, V. 39.) Mit vollstem Rechte dürfen wir endlich auf die in der Ge¬ schichte des Christenthumes hervortrctenden Wunder hin- dcuten; als da sind: die erste Einführung desselben in die Welt ch>rch anscheinend so ungeeignete Organe, wie es die ungelehrten «PostA waren; durch nach menschlicher Ansicht so unzureichende Mittel, und trotz des hcftiastcn Widerstandes von allen Seiten; 4 * 52 ferner die unerhört schnelle Ausbreitung der Religion Jesu, un¬ geachtet der grausamsten, drcihundertsährigcn Verfolgungen der römischen Staatsgewalt, ungeachtet der giftigsten Anfeindungen der heidnischen Philosophen. Ja, das Blut der unzähligen Mär¬ tyrer wurde zum Samen immer neuer Christen, schreibt Tertul- lian; — und mehr als Ein bekehrter Wcltweise wurde zum be¬ redten Apologeten der früher von ihm verkannten Lehre. — Dazu gehört ferner die in so kurzer Zeit durch das Christcnthum be¬ wirkte Umwandlung der Menschheit zum Besseren, die religiöse, und sittliche Neugestaltung der Welt; — die Erkal¬ tung des Christcnthumes bis zur Stunde, mitten unter den Stür¬ men,'von welchen es bedroht war, und noch ist. Dies Alles muß doch wohl zur Ueberzeugung führen, daß es durch eine höhere, denn bloß menschliche Kraft gestützt werde! Auch die Religion Mahomeds hat sich zwar schnell ausge¬ breitet, und zählt ihre Bekenner jetzt nach Millionen. Aber wo¬ durch geschah dies? Der Islam bahnte sich seinen Weg mittels Feuer und Schwert; Jesus aber sandte seine Apostel aus, wie wehrlose Schafe mitten unter Wölfe, und verbot ihnen, weder Gold noch Silber in ihren Gürteln zu tragen, auch keine Tasche, noch zwei Röcke, noch Schuhe, noch Stab! (Matth. Cap. 10.) Jener wandte sich mit den lockendsten Zugeständnissen und Ver¬ heißungen an die Weichlichkeit der Orientalen; Jesus fordert Selbstverleugnung und Entsagung. Und doch besiegte sein Kreuz die Welt! Schön und wahr schreibt Pascal (pensees tom. 2. pgA. 127.) ,Msi>oiust s'ost stabil en türmt, ste8ii8 Christ en kulant tuer 1k8 8I8N8; IVIsbomel en siekenclsnt clolirs, cko8ii8 Lbrlst en nrclon- nant 8 eelie eie perir luimsine - went. kt au lieu eie eonelure, gus pul8guo Nabnmet ä ren8sl, ^o8U8 6brl8t ä bien pu reu88ir; il kaut clire, guo pul8guo Dlabomet ä reu88i', le ehri8tisni'8me clevalt perir, 8'il n' eüt etö 8outenu pure une koree touts cllvlne". Gewiß! das Christenthum hat die Probe bisher bestanden, und wird sie auch künftighin bestehen, welche Gamaliel (Apostclg. Cap. 5, V. 38, 39.) im hohen Rathe zu Jerusalem angab, als er zu den Verfolgern der Apostel sagte: „Stehet ab von diesen Menschen und lasset sie! Denn wenn dieses Werk von Men¬ schen ist, so wird es zerfallen; wenn es aber von Gott ist, so könnt ihr es nicht zerstören. Ihr möchtet sonst gar als Wider¬ sacher Gottes erfunden werden!" V. Gottheit Christi. Wer auf den Namen eines Christen Anspruch haben will, muß glauben, daß Jesus Christus wahrer Mensch, aber auch 53 wahrer Gott sey. Es darf nicht als überflüssig erscheinen, daß wir nach dem bereits oben vom Stifter des Christcnthumes Gesagten den Artikel von der Gottheit Jesu nochmals berübren, und ihn etwas ausführlicher bebandcln; wird ja dieselbe von nicht wenigen Ungläubigen unserer Tage geläugnet, und wollen sie, wie bemerkt, Jesum zum bloßen Weisen aus Nazareth herabwürdi¬ gen! Im Folgenden haben wir uns zur Aufgabe gemacht, nach¬ zuweisen : 1. Daß sich Jesus selbst geradezu Gott in der Wesenheit ganz gleich stelle, und sich göttliche Eigenschaften beilege. 2. Daß ihn seine Apostel für den im Fleische erschienenen Gott hielten. 3. Daß seine Gottheit schon in den ersten drei Jahrhunder¬ ten geglaubt worden war. Vorsätzlich beschränken wir uns auf die genannte Periode, weil cs eben so von Entscheidung als ho¬ ben, Interesse ist, die Ansicht der ersten Christen hierüber zu kennen. Wenn wir in den heiligen Büchern des alten Bundes, ins¬ besondere in den prophetischen, nachforschen, so überzeugen wir uns, daß schon in denselben von dem erwarteten Erlöser solche Ausdrücke gebraucht werden, die ihn über alle Menschen erheben. Im zweiten Psalme wird Gott redend angcfübrt, wie er den Messias seinen Sohn nennt. Beim Propheten Michäas heißt es von ihm (Cap. 5, V. 2.): „Sein Ausgang (d. i. seine Zeu¬ gung aus dem Vater) ist von Anbeginn, von Ewigkeit her". Ja, Jsaias nennt ihn „Gott". „Ein Kind ist uns geboren, schreibt er, (Cap. 9, V. 6. — was erst geschehen wird, sahen die Propheten oft als gegenwärtig, oder schon vor sich gegangen) ein Sohn ist uns geschenkt, auf dessen Schultern Herrschaft ru- bet; und man nennt seinen Namen: Wunderbar, Ratkgebcr, Gott, starker Held, Vater der Zukunft, Friedensfürst." Darum erwar¬ teten die Juden im Messias einen mehr als g e w ö h n lich en Pro¬ pheten. „Wir haben aus dem Gesche gehört, sagte das Volk zu Jesus, daß der Messias — sein Reich nämlich — ewig bleiben werde." (Joh. Cap. 12, V. 34.) Sehr zahlreich sind die Stellen in den Evangelien, in wel¬ chen Jesus Gott seinen Vater, und sich selbst dessen Sohn nennt; und zwar deßhalb, weil er von Gott ans seinem Wesen von Ewigkeit gezeugt ward, in der Zeit aber als Mensch aus Erden erschienen ist, weßhalb er auch der Menschcnsohn beißt. — Man denke nicht, die Bezeichnung „Sohn Gottes" sey von Jesus nicht im eigentlichen, sondern nur im bildlichen Sinne M verstehen, insoferne ein jeder fromme, Gott wohlgefällige Mensch sein Kind, überhaupt Gott der Vater aller Men¬ schen ist. Denn schon daraus, daß sich Jesus den „Sohn Got¬ tes" — ein anderes Mal aber den „Menschcnsohn" nennt, läßt sich entnehmen, daß diese Ausdrücke nicht gleichbedeutend scyen. Ist er bloßer Mensch, warum gebraucht er nicht ausschließlich den 54 Zweiten? Jeder Zweifel über den Sinn, in welchem sich Jesus als „Sohn Gottes" erklärt, und geglaubt seyn will, muß schwin¬ den , wenn man das 16. Hauptsinck (V. 13—19.) des Evange¬ liums Matthäi aufmerksam liest. Als nämlich Jesus einst in die Gegend der Stadt Eäsarea Philippi in Galiläa kam, fragte er seine Jünger: Wofür halten die Leute kmich) den Menschensohn? (d. i. halten sie mich für einen bloßen Menschen, für nichts mehr?) Sie sprachen: „Einige halten Dich für Johannes den Täufer, Einige für den (vom Tode auferstandenen) Elias, Andere für Je¬ remias, oder Einen aus den Propheten". Jesus fragte sie wei¬ ter: für Wen haltet denn Ihr mich? Da antwortete Simon Petrus: „Du bist Christus (der Messias) der Sohn des le¬ bendigen Gottes!" Der Herr widersprach nicht nur nickt, sondern pries vielmehr den Petrus ob seines Bekenntnisses, und verhieß ihm zum Lohne dafür den Primat in seiner Kirche, mit den Worten: „Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas, denn Fleisch nnd Blut hat dir das nicht geoffenbart, sondern mein Va¬ ter, der im Himmel ist", d. i. Ebenderselbe, als dessen wesen¬ haften Sohn du mich jetzt bekannt hast. Ein anderes Mal (siehe Matth. Cap. 22, V. 41-45. — Luc. Cap. 20.) fragte Je¬ sus die Pharisäer: Was glaubet ibr von Christus? Wessen Sohn ist er? Sie antworteten: Davids, d. i. er ist aus der Nach¬ kommenschaft Davids. Da entgegnete er: Wie nennt ihr aber David im Geiste (aus göttlicher Eingebung) einen (seinen) Herrn? da er spricht (im 109. Psalme) : „Der Herr (Gott) hat gesagt zu meinem Herrn (zum Messias): Setze dich zu meiner Rechten Ž bis ich deine Feinde zum Schemmel deiner Füße gelegt habe".— Wenn nun David ihn seinen Herrn nannte: wie ist er denn (bloß) sein Sohn? — Jesus wollte sagen: Ich, der Messias, wenn ich auch als Mensch aus dem Geschlechte Davids abstamme, bin doch, laut der Vorhersagung desselben, zugleich mehr, als sein Sohn; ich bin sein Herr, ich muß also eines Höheren Sohn, als eines irdischen Königs — mithin keines Menschen natür¬ licher Sohn seyn. Mit dieser Stelle ist das zehnte Capitel des Evangeliums Johannis zu vergleichen. In der Halle Salomons, am äußersten Vorhofe des Tempels zu Jerusalem, rief Jesus, nachdem er von seinen Schafen gesprochen, die ibm sein himmlischer Vater zur Lei¬ tung anvertraut: „Ich und der Vater sind Eins". (V. 30.) Da hoben die Juden Steine auf, um ibn zu steinigen. Jesus entgeg¬ nete ihnen: „Ich habe euch viele gute Werke von meinem Vater gezeigt, um welches dieser Werke willen steiniget ihr mich?" Die Juden antworteten: Wir steinigen dich nicht eines guten Werkes wegen, sondern um der Gotteslästerung willen, weil du dich selbst zu Gott machst, da du ein Mensch bist. (V. 32, 33.) Die Juden nahmen mitbin die Worte Jesu im buch¬ stäblichen Sinne. Hat er ihnen darauf vielleicht bemerkt, daß sie ihn nicht recht verstanden, daß Gott nur in figürlicher 55 Bedeutung sein Vater, und das „Einsseyu" Beider nicht von der Wcsensgleichheit, sondern nur von der Couformität des Willens auszulegen sey? Nein! seine Antwort war folgende: „Steht nicht in eurem Gesetze geschrieben? Ich habe gesagt, ihr seyd Götter! (nämlich im 81. Psalme, wo Gott zu deu Richtern und Königen, als seinen Stellvertretern spricht: Ich habe gesagt: ihr seyd Götter und Söhne des Höchsten Alle!) Wenn es — fährt Jesus fort—Diejenigen Götter nannte, an welche die Rede Got¬ tes ergangen ist, und die Schrift nicht aufgebobcn werden kann nvahr ist) ; wie sagt ihr zu Dem — d. i. zu Mir — welche« der Vater gchciliget, und in die Welt gesandt bat: Du lästerst Gott! weil ich gesagt habe: Ich bin der Sobn Gottes?" (V. 34—36.) Jesus gibt zu, daß in der Schrift von „Söhnen Gottes", sogar von „Göttern" im übertragenenmetaphorischen— Sinne die Rede sep; aber Er selbst sey eigentlich Gottes Sohn, also mache er sich keiner Lästerung schuldig, wenn er sich Gott gleich stelle. — Gerade hier werden die buchstäbliche und bildliche Bedeutung strenge auseinander gehalten. Alsdann bekräftigte Jesus nochmals seine vorige Behaup¬ tung, unter Berufung auf seine übernatürlichen Tbaten. „Tku' ich, sagt er, die Werke meines Vaters nicht, so möget ihr mir nicht glauben; thu' ich sie aber, so glaubet den Werken, wenn ihr mir nicht glauben wollet, damit ihr erkennet und glaubet, daß der Vater in mir ist und ich in dem Vater", d. i. daß wir wirklich in der Wesenbeit Eines seyen. Da suchten ihn die Ju¬ den,— welche ihn sehr wohl verstanden, daß er sich nämlich wie¬ derholt zum Gott mache, — zu ergreifen; er aber entging ihren Händen. (V. 37—39.) Wohl zu erwägen ist, daß Jesus in der heiligen Schrift der »eingeborue" Sohn Gottes heißt; denn nur Er allein, und Niemand Anderer, ist aus dem Wesen des ewigen Vaters gezeugt. Er selbst sagte von sich zu Nikodemus: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn dahin gab, damit Alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Le¬ ben haben". (Joh. Cap. 3, V. 16.) — Die häufigsten Stellen über die Gottbeit Jesu kommen im Evangelium Johannis vor. Denn dieser Apostel hat dasselbe zunächst zur Widerlegung jener Häretiker verfaßt, welche schon damals den besprochenen Glau¬ bensartikel angriffen. Daß sich Jesus auch solche Eigenschaften beilege, welche nur Gott zukommen, läßt sich nicht in Abrede stellen, den» er behauptet: u) Seine bimm lischt Abkunft. „Niemand steigt in den Him- »jel binauf, sagte er, als Der vom Himmel herabgcstiegen ist, näm- lich der Mcnschensohn, der im Himmel ist." (Job. Cap. 3, V. 13.) »Ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht damit ich meinen Willen — als Mensch — tbue, sondern den Witten Dessen, der mich gesandt bat." (Joh. Cap.6, V. 38.) „Ihr (die Juden) seyd von unten, ich bin von oben. Ihr seyd von dieser Welt, ich bin 56 nicht von dieser Welt." (Job. Cap. 8, V. 23.) Und wieder: „Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich ver¬ lasse die Welt wieder, und gehe zum Vater". (Job. Cap. 16, V. 28.) „Niemand hat den Vater gesehen, nur Der, welcher von Gott ist; Der hat den Vater gesehen." (Joh. Cap. 6, V. 46.) b) Sein Daseyn von Ewigkeit her, so daß er kein Geschöpf sey. „Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, ehe denn Abraham (der beinahe 2000 Jahre vor Jesus gestorben) war, bin ich." (Joh. Cap. 8, V. 58.) — „Vater! — betete er unmittelbar vor seiner Gefangennehmung — verherrliche mich bei Dir selbst mit jener Herrlichkeit, die ich bei Dir hatte, ehe die Welt war." (Joh. Caps 17, V. 5.) o) Seine Allmacht; denn er ist wie sein Vater im Him¬ mel, Herr des Lebens, auch seines eigenen; und ist gleich ibm Schöpfer, Erhalter und Regierer der Welt. „Gleichwie der Va¬ ter das Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohne gege¬ ben, das Leben in sich selbst zu haben." (Joh. Cap. 3, V. 26.) „Gleichwie der Vater die Tobten erweckt, und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will." (Joh. Cap. 3, V. 21.) — Durch seine Todtcncrwcckungen hat er dies that- sächlich bewiesen. Auch am jüngsten Tage wird die Auferstehung der Todten durch ihn geschehen. „Es kommt die Stunde, in der Alle, welche in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören werden. Und cs werden hervorgeben, die Gutes gcthan haben, zur Auferstehung des Lebens; die aber Böses gcthan haben, zur Auferstehung des Gerichtes" (der Verwerfung). (Joh. Cap. 5, V. 28, 29. — „Niemand nimmt das Leben von mir, sondern ich gebe es von mir selbst hin; ich babe Macbt, es hinzugcben, und ich habe Macht, es wieder zu ncbmen." (Joh. Cap. 10, V. 18.) „Löset diesen Tempel (meines Leibes; d. i. tödtet mich), so will ich ihn in drei Tagen wieder aufrichten" (mich wieder lebendig machen). (Joh. Cap. 2, V. 19.) — „Mein Vater wirket bis jetzt, und ich wirke auch; denn Alles, was Dieser thut, das thut auf gleiche Weise auch der Sobn." (Job. Cap 5, V. 17. 19.) — „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden." (Mattb. Cap. 28, V. 18.) st) Seine Gewalt, Sünden nachzulassen, und die ewige Se¬ ligkeit zu verleihen, — was doch gewiß nur Gott zusteht. „Sey getrost, mein Sohn! sagte er zu dem Gichtbrüchigen, deine Sün¬ den sind dir vergeben." Einige von den Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst: Dieser lästert Gott (weil er sich eine Macht anmaßt, die nur Gott hat). Da Jesus ihre Gedanken sah, (als der All¬ wissende) sprach er: Warum denket ihr Böses in eurem Herzen? Was ist leichter, zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben; oder zu sagen: Steh' aus und wandle? Damit ihr aber wisset, daß des Menschen Sohn Macht habe, die Sünden zu vergeben auf Erden — da sprach er zu dem Gichtbrüchigen: „Steh' auf, 57 nimm dein Bett und geh' in dein Haus", (Matth. Cap. 9, V. 2—6.) — „Ich gebe meinen Schafen das ewige Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verloren gehen, und Niemand wird sie aus meiner Hand reißen." (Joh. Cap. 10, V. 28.) s) Jesus verlangt eben solchen Glauben, solche Hoffnung, Liebe und göttliche Verehrung, wie sie dem Vater gebühren; — auch zu Ihm sollen wir beten. „Ihr glaubet an Gott; glaubet auch an Mich." (Joh. Cap. 14, V. 1.) „Wer an Ihn (an Mich, den Messias) glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er an den Namen des ein- gebornen Sohnes Gottes nicht glaubt." (Joh. Cap. 3, V. 18.) — Von der auf Ihn zu setzenden Hoffnung gilt: „Ich gehe hin, für euch einen Ort zu bereiten". (Joh. Cap. 14, V. 2.) — „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt." (Matth. Cap. 28, V. 20.) — Wer Mich liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden." (Joh. Cap. 14, V. 21.) „Alle sollen den Sohu ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehret, der ehret auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat." (Job. Cap. 5, V. 23.) „Um was ihr immer den Vater in meinem Namen bitten werdet, das will Ich thun, — wenn ihr Mich um Etwas bittet in meinem Namen, das will Ich thun." (Joh. Cap. 14, V. 13, 14.) Denn: „Alles, was der Vater hat, ist mein!" (Joh. Cap. 16, V. 15.) k) Zu obigem Ausspruche über die Wesensgleich!) eit des Sohnes mit dem Vater (Joh. Cap. 10, V. 30.) halte man noch die Worte Jesu an Philippus: „Wer Mich siebt, der sieht auch den Vater". (Joh. Cap. 14, V. 9.) Daraus solgt, daß jene Stellen, in welchen er seine Unterordnung unter den Vater an¬ deutet, offenbar von seiner menschlichen, nicht von der göttli¬ chen Natur auszulegen seyen. So insbesondere, wenn er (Joh. Cap. 14, V. 28.) sagt: „Der Vater ist größer als Ich". Denn unmittelbar vorher sprach er zu den Jüngern von seinem Hin¬ gange zum Vater: „Ich gehe hin, und komme wieder zu euch; wenn ihr mich liebtet, so würdet ihr euch ja freuen, daß ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als Ich». In so ferne Jesus Cins ist mit dem Vater, war er auch nach seiner Menschwerdung nicht vom Vater getrennt; nur als Mensch allein betrachtet, und als solcher konnte er den Vater obne Widerspruch größer nen¬ nen als sich selbst. Ganz so, wie der Herr über sich selbst, äußern sich die Apo¬ stel über Ihn, und über seine, eben erörterten göttlichen Eigen¬ schaften. Wir führen sie wieder in obiger Reihenfolge an. a) „Als die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn, gebildet aus einem Weibe." (Gal. Cap. 4, V. 4.) „Jesus ist der Abglanz seiner — (des Vaters) Herrlichkeit, und das Ebenbild sei¬ nes Wesens — der um soviel besser, als die Engel geworden, le vorzüglicher der Name ist, den er vor ihnen ererbt hat. Denn - 58 zu welchem der Engel sprach Gott je: Du bist mein Sohn? (Hebr. Cap. 1, V. 3—5.) b) „Im Anfänge, d. i. vor allen erschaffenen Dingen, von Ewigkeit an, war das Wort", — so nennt der heil. Johannes Je- sum. (Joh. Cap. 1, V. 1.) „Er ist vor Allen." (Coloff. Cap. 1, V. 17.) cs „In Ihm war das Leben." (Joh. Cap. 1, V. 4.) „Durch Ihn ist Alles erschaffen, was im Himmel und was auf Erden ist; das Sichtbare und das Unsichtbare." (Col. Cap. 1, V. 16.) — „Alles besteht in Ihm" (Ebenda V. 17.) „Durch Ihn hat Gott die Welt gemacht" — „Durch das Wort seiner Kraft trägt er (Jesus) Alles." (Hebr. Cap. 1, V. 2, 3.) Auch allwissend ist er, nickt minder als allmächtig. „Herr! Du weißt Alles!" sagte Petrus zu Jesus. (Joh. Cap. 21, V. 17.) 0) „In Ihm haben wir die Vergebung der Sünden nach dem Reichthnme seiner Gnade." (Ephes. Cap. 1, V. 7.) „Mir ist die Krone der Gerechtigkeit hinterlegt, welche mir au jenem Tage ge¬ ben wird der Herr, der gerechte Richter (Jesus Christus); nicht allein aber mir, sondern auch Allen, die seine Ankunft lieb haben." (II. Timoth. Cap. 4, V. 8.) e) „Das ist Gottes Gebot, daß wir glauben an den Na¬ men seines Sohnes Jesu Christi." (I. Joh. Cap. 3, V. 23.) „Durch Jesum rühmen wir uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit der Kinder Gottes." lRöm. Cap. 5, V. 2.) „Dies ist das Vertrauen, das wir zu Ihm (zu Jesus) haben, daß er uns in Allem, was wir nach seinem Willen begehren werden, erhöret." (I. Joh. Cap. 5, V. 14.) „Wenn Jemand nickst lieb hat unseren Herrn Jesum Christum, der scy ausgeschlossen (aus der Kirchengemeinde). (l. Cor. Cap. 16, V. 22.) „Im Namen Jesu, — d. i. vor Ihm — sollen sich alle Kniec beugen Derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind." (Philipp. Cap. 2, V. 10.) Häufig beteten die Apostel zu Jesus — so Apostelg. Cap. 1/ V. 24. — k) „In Jesus wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaf¬ tig", d. i. wesenhaft. (Col. Cap. 2, V. 9.) „Er hielt es für kei¬ nen Raub, Gott gleich zu seyn (als das Ebenbild seines Wesens, siche oben Hebr. Cap. 1.); entäußerte sich aber selbst und nahm Knechtsgcstalt an." (Philipp. Cap. 2, V. 6, 7.) Die Apostel nennen Jesum ausdrücklich „Gott". „Gott war das Wort" (Job. Cap. 1, V. 1.) „Mein Herr! und mein Gott!" sagte Thomas zu ihm. (Joh. Cap. 20, V. 28.) „Habt Acht auf euch und auf die ganze Heerde, — ermahnte der heil. Paulus die Aeltesten aus Ephesus, — in welcher euch der heilige Geist zu Bischöfen gesetzt hat, die Kirche Gottes zu regie¬ ren, die er (nämlich Gott, Jesus- mit seinem Blute sich erwor¬ ben." (Apostelg. Cap. 20, V. 28.) — „Von den Israeliten stammt 59 - dem Fleische nach Christus, der da ist über Alles, Gott, hochge¬ lobt in Ewigkeit." (Röm. Cap. 9, V. 5.) „Die Gnade Gottes, unseres Heilandes, ist allen Menschen erschienen. — Wir erwarten die Ankunft der Herrlichkeit des großen Gottes, und (nämlich) unseres Heilandes Jesu Christi." (Tit. Cap. 2, V. II, 13.) »Wir wissen, daß der Sohn Gottes gekommen ist; — dieser ist der wahre Gott, und das ewige Leben." (I. Joh. Cap. 5, V. 20.) Aus den Zeugnissen der Kirchenväter der ersten drei Jahrhun¬ derte, und aus anderen alten Dokumenten entnehmen wir, wie allge¬ mein und fest schon damals die Christen die Gottheit Jesu glaubten. Der heil. Papst Clemens, im ersten Jahrhunderte, ein Apostel¬ schüler, schreibt im (I.) Briefe an die Corinther Cap. 2.: „Ihr wäret zufrieden mit der Gabe Gottes, mit Sorgfalt merktet ihr aus sein Wort; eure Herzen waren weit, und seine Leiden vor euren Augen". — Er nennt die Leiden Jesu Gottes Leiden. Der heil. Apostel Barnabas (mit diesem Titel wird Derselbe, ein Schüler und treuer Begleiter des heil. Paulus, in der Kirche aus¬ gezeichnet, obwohl er nicht Einer der Zwölfe war) stellte sich in seinem noch vorbandenen Briefe ganz besonders die Aufgabe, die Gottheit Christi darzuthun. Er nennt ihn „den im Fleische erschie¬ nenen Sohn Gottes, den Herrn des Erdkreises, in Dem, für Den, und nm Deffentwillen Alles gegründet worden". — Der Apostel- schülcr Hermas sagt in seinem Buche „der Hirte": Christus set- älter als alle Crcatur; er sey schon bei der Schöpfung tbätig ge¬ wesen, aber in der Fülle der Zeiten selbst unter den Menschen er¬ schienen. (Gleichniß 9.) Der heil. Ignatius, Bischof zu Antiochia, und Schüler d'cs Apostels Johannes, schreibt (an die Ephes. Cap. 18.): „Unser Gott Jesus Christus wurde Mensch im Schoße Mariä--. — „Thun wir also alles so, als wenn Er (Christus) in uns wohnete, auf daß wir seine Tempel sepen, und Er in uns sey, unser Gott. tEbendas. Cap. 15.) In diesem Sinne sind ihm die Worte Christus-Träger und Gottes-Träger gleichbedeu¬ tend. (Ebend. Cap. 9.) — „Ich preise Jesum Christum, den Gott, der uns gclehret hat." (Br. an die Smyrnaer Cap. I.) „Ich wün¬ sche, daß ihr euch wohl befindet, in unserem Gotte Jesus Chri- stus." (Br.an die Römer.) „UnserGott Christus, der im Va¬ ter ist." (Ebend.) Der heil. Polycarp, Bischof zu Smyrna, und gleichfalls Schü¬ ler des Apostels Johannes, schreibt an die Philipper (Cap. 11.): „Gott, der Vater unseres Herrn Jesu Christi, und Er selbst, der ewige Hohepriester, der Sohn Gottes, Jesus Christus, er- dgue euch im Glanben, und in der Wahrheit". Unmittelbar vor seinem Tode am Scheiterhaufen, unter Mark Aurel, bekannte er 'm Gebete noch seinen Glauben an die Gottheit Jesu. In dem schreiben, welches die Gläubigen zu Smyrna an Jene in Pontus über den Martertod dieses ihres heiligen Oberhirten richteten, heißt 60 es: von den Christen werde nur Christus angebetet, weil er der Sohn Gottes ist, nicht aber auch die Märtyrer. Der — sonst unbekannte — Verfasser des schönen uralten Brie¬ fes an Diognetus sagt (Cap. 7.1: „Gott, als König, sandte den königlichen Sohn, und zwar als Gott sandte er ibn, den Menschen zum Retter". (Cap. 8.) „Dieser ist selbst Bildner und Schöpfer des Weltalls; selbst König, Gott, und künftiger Weltrichter." Der heil. Iustinus, mit dem Beinamen „der Philosoph", auch unter dem Kaiser Mark Aurel Martyr, sagt, „daß Christus darum Gott ist, weil er der Erstgeborne Gottes Vor aller Creatur ist". (Dialog oum Dr) ybone, Oao. 125.) Er nennt ihn noch sonst öfters Gott; als: im nämlichen Dialoge (Cap. 128), und in der ersten Apologie (Cap. 63.), u. a. O. Athenagoras widerlegt in seiner dem Mark Aurel und dessen Sohne Lucius Aurelius Commodus übergebenen Schutzschrift für die Christen den Anwurf, dieselben seyen Atheisten, damit, daß sie ja Gott den Vater, Gott den Sohn und den heiligen Geist bekennen (Cap. 10). Er behauptet (ebendas.), der Vater und der Sohn seyen Eines — Dieser die erste Zeugung seines Vaters, aber nickt, als wäre er geworden (wie ein Geschöpf), sondern Gott hatte von Anbeginn, — von Ewigkeit — das ewige Wort, den in sich. Theophilus, Bischof zu Antiochia (beiläufig v. I. 176—186), erklärt sich in seinen drei Büchern an Autolycus sehr weitläufig über die Gottheit des „Wortes", d. i. Jesu Christi, „das immer, schon von Ewigkeit, mit Gott war." (II. 10.) Der heilige Irenäus, Schüler des heiligen Polykarp und Bi¬ schof zu Lyon: „Vor Jesus Christus, unserem Herrn und Gott, und Erlöser und König, beuge sich nach dem Willen des unsicht¬ baren Vaters jegliches Knie im Himmel, aus der Erde und unter der Erde", (aclv. Imer. I. 10.) Aus dem dritten Jahrhunderte führen wir an: Clemens von Alexandria: „Jesus Christus ist die schöpferische Weisheit des Vaters, der anfangslose Gott". (Strom. IV.) — „Gott (der Vater), und der l-ngos (das Wort), sind Eines, nämlich Gott", (stseüsg. I. 8.) Origenes (geboren zu Alexandria um 185, -s 254 zu Tyrus): „Der Sohn ist so unendlich, als der Vater, und seine Gott¬ heit so unaussprechlich, wie die des Letzteren" (eoiNrn Ool«. V.). Der heilige Martyr Hippolytns, des heiligen Irenäus Schüler und nach Einigen Bischof zu Portos stonumus — Porto bei Rom *): „Das Wort (der Xo/s-ch trat hervor in die Welt und offenbarte sich sichtbar Gott im menschlichen Leibe" (eontra Uoötvm Cap. 17). In den Philosopbumena nennt er Christum „Gott über Alles". - Tertullian (geboren um 160 zu Carthago), spricht — sü- rei'sus Nurcionem I. 3. — vom gekreuzigten Gott. *) Was aber von Dr. Ignaz Döllinger in der Schrift: Hippolytns und Kallistus bestritten wird. — 61 Der heilige Cyprian (geboren zu Carthago und Bischof alldort, s als Martyr 258) nennt Christum „den Gott des Frie¬ dens" (ß ohne diese gar nicht denkbar. Denn wo anders, als nur in der Kirche, soll Das zu suchen seyn, was von jeher, was überall und von Allen als Lehre Christi geglaubt worden ist? Eben dies aber der Gegenstand der christlichen U eb er liefern ng. Durch die Kirche erfüllt das Cbristenthum seine Bestim¬ mung; denn in ihr wird das Wort Gottes verkündet, in ihr werden die Verdienste des Erlösungstodes Jesu der Menschheit zugewendet, und so dieselbe des ewigen Lebens thcilhaft. Damit aber diese Behauptungen nicht etwa ohne Grund hinge« UM erscheinen, erhärten wir sie durch die Nachweisung: 1) daß Jesus wirklich eine Kirche gestiftet habe; 2) mit welchen Eigenschaften? welcher der sich christlich nennenden Religionsgesellschaften diese Aßenschaften zukommen, d. i., welche aus ihnen die wahre Kirche Christi sey? l. Daß Christus die Absicht hatte, eine sichtbare Reli- gwnsgesellschaft zu gründen, ergibt sich schon daraus, weil er ouien Kreis von Jüngern um sich versammelte, insbesondere die zwölf Apostel auserwählte, zu dem Ende, um seine Lehre der s 66 ganzen Welt zu verkünden, und die Menschen zur Annahme der¬ selben cinzuladen. Mit besonderer Sorgfalt bildere er die Apostel zu diesem ihren schwierigen Berufe heran, und ertheilte ihnen alle hiezu erforderliche Vollmacht (siche Matth. Cap. 16, 18; Marc. Cap. 16; Luc. Cap. 6.). Unverhohlen spricht der Herr von seiner Kirche — -'xxXi/a.'«. — So sagte er zu Petrus: „Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen" (Matth. Cap. 16, V. 18.). Die hier angekündigte Kirche erscheint (Matth. Cap. 18, V. 17.) schon als errichtet, wo der Herr für den Fall, daß die brüder¬ liche Zurechtweisung des Fehlenden, zuerst unter vier Augen, dann vor zwei oder drei Zeugen vorgenommen, fruchtlos wäre, beifügt: „Hört er auch diese (die Zeugen) nicht, so sag' cs der Kirche, d. i. den kirchlichen Vorstehern; wenn er aber die Kirche auch nicht hört, so scy er Dir wie ein Heide und wie ein öffentlicher Sünder". Manchmal stellt Jesus seine Kirche unter einem Bilde oder Gleichnisse dar; so: (Joh. Cap. 10, V. 16.) unter dem eines Schafstalles; — eines Ackers, auf welchem unter dem Weizen auch Unkraut wächst; — eines Netzes, das allerhand Fische aus dem Wasser zieht (Matth. Cap. 13.); — eines Weinberges (Matth. C. 20.); — eines königlichen Gastmahles (Matth. C. 22.) u. dgl. Alles, was zum Begriffe einer Kirche gehört, hat Jesus an¬ geordnet, nämlich einen gemeinsamen Glauben. „Wer nicht glaubt, wird verdammt werden" (Marc. Cap. 16, V. 16.); eine bestimmte Art der Gottesverehrung und eigene äußere Religionsbandlungen, insbesondere die heiligen Sakramente. Er gab endlich dem Vereine seiner Gläubigen auch eine eigenthümliche Verfassung. Die Apostel, welche den Herrn wohl verstellen mußten, spre¬ chen häufig von der Kirche, als seiner Stiftung. „Mit seinem Blute habe sich Jesus dieselbe erworben", sagt der heilige Paulus (Apostelg. Cap. 20, V. 28; ähnlich Tit. Cap. 2, V. 14; Ephes- Cap. 5, V. 25—27). Er nennt Christum das Haupt der Kirche, welche sein mystischer Leib ist (Ephes. Cap. 1, V. 22,23.; Cap. 4, V. 12; Cap. 5, V. 23 u. a. O.) — Sie begnügten sich nicht nnl dem bloßen Predigen und mit der Annahme ihrer Lehre von Seite einzelner Individuen; sondern stifteten überall christliche Gemeinden; so anfänglich Petrus in Palästina; Paulus in Asien und Europa; Johannes inKleinasien — dieUebrigen anderwärts. Aus der Apostelgeschichte ersehen wir, daß sich die Bekenner Jesu alsbald nach der Sendung des heiligen Geistes zu einer von der jüdischen Synagoge abgesonderten Religionsgesellschaft ver¬ einigten. Bis zur Zerstörung des Tempels pflegten die Gläubige» zu Jerusalem zwar noch denselben zu besuchen) um dort — dock nicht in Gemeinschaft mit den Juden —zu beten. Aber in ihren Häm fern versammelten sie sich zu dem ihnen ei genthümlichen Got¬ tesdienste — vorzüglich zur Feier des heiligen Abendmahles- 67 Sie wurden von den Juden nichts weniger, als noch zu den Ihri¬ gen gerechnet; hatten ja Jene (laut Joh. Cap. 9, V. 22.) schon bei Lebzeiten Jesu beschlossen, Jeden, der ihn für den Christus (Messias) bekennen würde, aus der Gemeinschaft auszuschließen. Deßhalb verfolgten sie die Gläubigen mit so grimmigem Hasse als vermeintliche Apostaten; — die Steinigung des ersten Märty¬ rers Stephanus gab das Signal zur allgemeinen Hetze wider sie. Der heilige Paulus lehnt entschieden jede weitere Gemeinschaft mit der Synagoge ab, und legt eben darum einen so großen Werth auf die Befreiung vom alttcstamentlichen Gesetze, weil cs in Christus schon erfüllt worden sey. Die Nichtvcrbindlichkeit dessel¬ ben — sogar der Beschneidung, — wurde auf dem Apostelconcile zu Jerusalem (Apostelg. Cap. 15. — im Jahr 51) feierlich aus¬ gesprochen. — Daraus, daß der Name „Christen" den Bekennern Jesu erst später bcigclegt wurde, — siehe Apostelg. Cap. 11, — und daß die Römer aus Unkenntniß des Sachverhaltes dieselben anfänglich für eine jüdische Secte gehalten haben, kann nicht ge¬ folgert werden, daß die Kirche Christi mit der Synagoge Eins war. Wohl mochte es einigen bekehrten Juden nicht leicht gewe¬ sen seyn, allsogleich den Gebräuchen ihres vorigen Glaubens vol¬ lends zu entsagen. -- Die apostolischen und nachfolgenden Kirchen¬ väter der ersten drei Jahrhunderte finden oft nicht genug erhabene Worte, um die Kirche, als die Stiftung Christi, zu preisen. Der heil. Papst Clemens schreibt (1. Br. an die Corinther Cap. 42, 44.): „Die Apostel haben von Christus uns das Evangelium verkündet, Christus von Gott. Denn Christus wurde von Gott gesendet, die Apostel von Christus. — Sie predigten auf dem Lande und in den Städten, und stellten die Erstlinge (der Bekehrten), welche sie durch den Geist kräftig erfunden, zu Bischöfen und Dia¬ konen der künftigen Gläubigen auf. Und dieß war nichts Neues; so war es lange schon vorhergesagt". Der heil. Barnabas spricht in seinem Briese viel von der Abschaffung des alten Bundes durch den neuen. Der heil. Ignatius sagt in seinem Briefe an die Smyr- näcr: „Alle Heiligen und Gläubigen, (bekehrte) Juden und Heiden, sind ohne Unterschied in dem Einen Leibe der Kirche Christi". — Der heilige Justinus sucht im Dialoge mit dem Juden Tryphon diesen zu überzeugen, daß das Judenthum aufgehört habe, und nun die Kirche Christi das Reich Gottes auf Erden sey. 2. Jesus wollte, daß seine Kirche mit gewissen charakteristischen Eigenschaften versehen sey, eben, damit sie als Seine Religions- gcscllschaft dastehc, und von allen übrigen unterschieden werden könne. Welche sind cs? Er stiftete eine sichtbare Kirche. Es ist gewiß auffallend, daß dies jemals in Zweifel gezogen wurde. Wollte der Herr eine Religions-Gesellschaft ans Menschen und fürMenschen, so konnte er keinen unsichtbaren Verein im Sinne haben, der allenfalls nur für reine Geister, was die Menschen nicht sind, getaugt haben würde. Er selbst ist sichtbar auf Erden erschic- s * 68 nen; die Versammlung der Apostel um Ihn, und der ersten Gläu¬ bigen um Diese war auch keine unsichtbare. Die beiligen Gebrauche, welche Christus in seiner Kirche anordnete; die Verfassung, welche er ihr gab, setzen die Sichtbarkeit derselben voraus. Man beachte ferner die oben erwähnten Bilder, welche er von der Kirche braucht. Er nennt sie überdies eine Stadt am Berge erbaut, die nicht ver¬ borgen bleiben kann. (Matth. Cap. 5.) Aehnlich heißt sie der heil. Paulus das „Haus Gottes". (I. Tim. Cap. 3.) Ein unsichtbares Haus läßt sich so wenig denken, als ein unsichtbarer Leib mit sei¬ nen mannigfachen Gliedern, als welcher die Kirche Christi darge¬ stellt wird. Wer das Christenthum zu einer bloß natürlichen Religion ver¬ flachen möchte, der weiß freilich mit einer sichtbaren Kirche nichts Rechtes anzufangen. In einem gewissen, aber vom rationalistischen durchaus ver¬ schiedenen Sinne, darf sicher von einer unsichtbaren Seite der Kirche die Rede seyn; in so ferne nämlich der Glaube, die Hoffnung und die Liebe, welche im Herzen des echten Christen wurzeln, etwas Unsichtbares sind. Aber als solche allein genügen sie noch nicht; sie müssen auch äußerlich im Leben ausgeprägt seyn. Hatte ja der Herr ein äußeres Bekennt» iß des Glaubens an ihn so strenge gefordert, daß er versicherte: Wer sich seiner vor den Menschen schäme, dessen werde auch er sich einst vor seinem himmlischen Vater schämen. (Matth. Cap. 10, V. 32, 33. — Luc. Cap. 9, V. 26.) — Was die Katholiken die leidende, und tri¬ umphier nde Kirche nennen, ist die jenseitige, uns hienicden freilich nicht wahrnehmbare Fortsetzung und Vollendung der noch auf Erden streitenden, sichtbaren Kirche. Die Kirche Christi ist ferner nur Eine, d. i. er hat nicht meh¬ rere gestiftet, sondern nur eine Einzige. Er wollte, daß seine Gläubigen in dem gleich en Bekenntnisse seiner Lehre, in dcrThcil- nahme an den nämlichen Gnaden- und Heilmitteln sich vereini¬ gen, und durch das Band Einer Liebe zusammcugehalten wür¬ den. Wie anders? Ist er ja selbst der Eine Christus, überall der Nämliche; er brachte nur Eine Religion vom Himmel — wie hätte er ihre Verkündigung mehreren Kirchen anvertraut? Er 1 spricht stets nur von Ein er Kirche, deren unsichtbares Haupt > er selbst bleiben will in Ewigkeit; zu deren sichtbaren obersten Vorsteher er aber den Apostel Petrus und dessen Nachfolger bc- 1 stellte; — nur von Einem Reiche Gottes auf Erden, nur von < Einem Schafstalle, in den alle Schafe versammelt werden sollen. ! Und wie angelegentlich betete er vor seinem Hingange in den Tod, ! daß Alle, die an ihn glauben werden. Eins seyen, wie der Vater z in ihm, und er in dem Vater ist! (Joh. Cap. 17.) Nur Einmal starb Christus für die Erlösung der Menschheit, — wenn nun die Kirche die fortwährende Vermittlerin seines Erlösungswerkes ist, kann es ihrer Mehrere geben? Sie ist der Leib Christi, das Haus i Gottes, dessen Eckstein, Christus, aus Juden und Heiden Ein l 69 Bolk gemacht hat (Ephes. Cap. 2.) — Ausdrücke, die keine Viel¬ heit erlauben. „Ist Christus getheilt?" fragt der heil. Paulus die Cvrinther (l. Cap. 1, V. 13.). „Ihr seyd, ruft er den Ephesern zu, (Cap. 4.) Ein Leib und Ein Geist, berufen zu Einer Hoffnung (verewigen Seligkeit). Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott"und Vater Aller." Die ältesten Väter kennen nur Eine Stiftung Christi. Da¬ ber, nach dem Vorgänge der Apostel, ihr Abscheu vor Spaltun¬ gen und Irrlehren, als eben so vielen Sünden wider die Eine Kirche, nnd gottlosen Attentaten wider den Einen Leib des Herrn, und unverantwortlichen Versuchen, sein un genährtes Kleid zu zerreißen. So z. B. Clemens von Alcrandria (Pädagog. 1, 6.); der heil. Cyprian (Cap. 40.) u. A. Christi Kirche ist heilig. Er selbst, ihr Stifter und Haupt ist ja der Heiligste; die Bestimmung der Kirche ist es, der Menschheit die durch Jesus vollbrachte Entsündigung zuzuwenden, — sie so zu heiligen, wozu er alle nothwendigen Gnadenmittel anordnete; seine Religion, welche die Kirche unverfälscht bewahrt und verkündet, ist in allen ihren Lehren und Anstalten heilig, darum hat es in der Kirche bis heute nicht an Heiligen gefehlt. Die Namen, welche die Apostel der Kirche Christi geben, sprechen deren Heiligkeit aus. Kann der „Leib Christi", das „Haus Gottes" etwas Unheiliges seyn? Unver¬ gleichlich schön beschreibt sie der heil. Paulus im Briefe an die Epheser (Cap. 2, V. 19—21.): „Ihr seyd nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, erbaut auf die Grundvcste der Äpostel und Propheten, während Christus Jesus selbst der Haupteckstcin ist, durch welchen das ganze Gebäude zusammengefügt ist, und he ran wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn". Und (Cap. 5, V. 25—27.) „Christus hat die Kirche geliebt und sich selbst für sie hingegeben, um sie zu heiligen und zu reinigen in der Wasser¬ taufe durch das Wort des Lebens, um selbst herrlich die Kirche sich darzustellen, ohne Makel, ohne Runzel, oder et¬ was dergleichen, sondern daß sie heilig rind unbe¬ fleckt sey". So siebt die Kirche aus von ihrer göttlichen Seite be¬ trachtet. Sie bat aber auch eine menschliche, in so ferne sie eben Menschen zu ihren Gliedern hat, welche ihrer hohen Be- lstminung zur Heiligkeit leider nicht immer entsprechen. Hört deshalb die Kirche, als Stiftung Christi, auf, eine heilige su seyn? Keineswegs! Die Willensfreiheit des Menschen wird la durch den Eintritt in sie nicht aufgehoben, also auch der Mi߬ brauch derselben nicht unmöglich gemacht. Der Unheilige kann l'ier auf Erden zwar noch ein Glied der Kirche beißen; aber er 'fl ein abgestorbenes und todtes, — ein dürrer Zweig am Lebcns- baume. Es liegt schon im Begriffe einer sichtbaren Kirche, 70 daß sie auch derlei Mitglieder zählen könne. Der Herr selbst spricht vom Un kraute, das unter dem guten Weizen ans dem Acker seiner Kirche wuchert; vou den schlechten Fischen, die mit den guten im Netze gefangen werden; von den Böcken, welche sich mit den Schafen in seiner Heerde befinden. Die Aus¬ scheidung wird einst am großen Gerichtstage geschehen. (Matth. Cap. 13, V. 24— 30.) Der Apostel Paulus nennt in seinen Sendschreiben die Christen „Heilige", weil wohl Alle zur Hei¬ ligkeit Berufene und die Meisten aus ihnen auch in der That Heilige waren — dies Letztere aber doch nickt Alle ohne Ausnahme, denn hie und da findet er an ihnen etwas zu rügen. An die Heiligen in Christo Jesu, die zu Philippi sind, (V. 1.) schreibt er sogar: „Viele wandeln als Feinde des Kreuzes Christi". (Cap. 3, N. 18.) Und an Timotheus (H. Cap. 2, V. 20.): „In einem großen Hause — wie es die Kirche ist — sind nicht blos goldene und silberne Gefäße; sondern auch hölzerne und irdene, und zwar Einige (Jene) zur Ehre, Andere (Diese) zur Schande". Ein anderes Merkmal der Kirche Christi ist ihre Allge¬ meinheit; — sie ist die und zwar sowohl in Bezug auf seine Lehre, weil sie die ganze, nicht ein Stück¬ werk nur derselben aufbewahrt und predigt, als auch auf Raum und Zeit, weil sie sich über die ganze Erde ausbreiten, und bis ans Ende der Welt dauern soll. So wie die Religion Jesu „Weltreligion" ist, soll auch seine Kirche die „Weltkirche" werden; und gewiß mangelt ihr keine der hiezu nothwendigen Bedingungen. Sie kann im eisigen Norden so gut gedeihen, als unter dem Aequator; unter den Wilden Afrikas so gut, als un¬ ter den gebildetsten Völkern Europas. Ueber diese Allgemeinheit seiner Stiftung in den obigen drei Beziehungen sprach sich der Herr deutlich aus, indem er zu den Aposteln sagte: „Gehet hin, und lehret alle Völker, und tau¬ fet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes, und lehret sie Alles halten, was ich euch befohlen habe; und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!" (Matth. Cap. 28, V. 19, 20.) Was wollte er Anderes andeuten mit dem Gleichnisse vom weltumschattcndcn Baume, welcher aus dem kleinen Senfkorne erwächst; vom wenigen Sauer¬ teige, der die ganze Masse Mehlcs durchsäuert? (Matth. Cap. 13.) u. A. Die Apostel verstanden ihn sehr wohl, deßhalb zogen sie aus über die engen Grenzen ihres Hcimathlandes in die weite Welt, „nichts vorenthaltend, was heilsam ist, so daß sie es nicht verkündet und nicht öffentlich und in den Häusern es gelehrt hätten", (Worte Pauli, Apostelg. Cap. 20, V. 20.); freu¬ dig sterbend für ein Werk, dessen Fortbestand ihnen die Versiche¬ rung ihres Meisters verbürgte. — Eben so wenig, als die Reli¬ gion Christi wird auch seine Kirche je einer Vollkommeneren den Platz räumen müssen, bis zur Vollendung der Zeiten! 71 Christus hat sich die Apostel auserkohren, daß sie die Ersten an dem Aufbaue seiner Kirche, zu welcher Er den Grund gelegt, ja deren Grundstein Er selbst ist, arbeiteten. Der Typus der Kirche, wie sie war in den Tagen der Apostel, darf also durch alle Folgezeit nie mehr verloren gehen, nie verwischt werden; sie muß die apostolische bleiben für und für. Darum ist jene sich christlich nennende Religionsgesellschaft gewiß nicht die wahre Stif¬ tung Cbristi, welcher diese wesentliche Eigenschaft fehlt, — die ihren Ursprung nicht bis auf die Apostel zurückzuführen vermag. Sie ist nicht das Gebäude, welches der heilige Paulus im obigen Citate (Ephes. Cav. 2, V. 19—21.) schildert. Weil es nicht er¬ baut ist auf die Grundveste der Apostel, ist auch Christus Jesus selbst nicht sein Haupteckstein; früh oder spät wird es ein¬ stürzen. — In dieser Weise äußert sich schon der heil. Irenäus (aävers Imor. I. 4, 83.) Weil Christus seiner Kirche eine fortwährende Dauer zu¬ sicherte, hat er sie gewiß auch mit der Unfehlbarkeit ausge¬ rüstet; d. i. sie vor jedem Jrrthume in Betreff seiner Offenbarung auf immer bewahrt. Denn wenn die Kirche diesfalls je irren könnte, so würde sie in demselben Augenblicke aufhören, die wahre Kirche Christi zu seyn. Er, der die Wahrheit selbst ist, wäre nicht mehr bei ihr, und doch hat er bei ihr zu bleiben versprochen bis zum Ende der Welt (Matth. Cap. 28, V. 20.); die Pforten der Hölle hätten sie überwältigt — sein Wort (Matth. Cap. 16, V. 18.) wäre zu Schanden gemacht. — Einstimmig wurde diese Eigen¬ schaft der Kirche von den alten Vätern anerkannt; nennt sie ja auch schon der heilige Paulus die Säule und Grundveste der Wahrheit. (I. Tim. Cap. 3, V. 15.) Christus hat seine Kirche ferner so organisirt, daß sie für alle Zeit ihre Bestimmung an der Menschheit zu erfüllen im Stande ist; denn er hat in ihr ein bleibendes Lehr- und Priester-Amt; und ein Regiment d.i. eine Regierungsgewalt eingesetzt. „Gehet hin in die ganze Welt und prediget das Evangelium allen Geschöpfen", (Marc. Cap. 16, V. 18.) sprach er zu seinen Aposteln. „Lehret alle Völker." (Matth. Cap. 28.) „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." (Job. Cap. 20, V. 21.) Die Apostel gingen und lehrten, kein menschliches Verbot konnte sie davon abhalten. (Apostelg. Cap. 5.) Diese ihre Lehrvollmacht war aber keine persönliche; sie war den Aposteln nm der Kirche willen gegeben; weßhalb dieselben sie wieder anderen tauglichen Männern übertrugen, — und so solle es weiterhin geschehen. „Ich beschwöre dich vor Gott und Jesu Christo, der die Lebendigen und die Tobten richten wird, predige das Wort (das Evangelium); halte an damit, es sey gelegen oder ungelegen", ermahnt Paulus seinen Timotheus. (II. Cap. 4, V. 1, 2.) „Was du gehört hast von mir mittelst vieler Zeugen, das vertraue treuen Menschen, welche tauglich seyn werden, auch An¬ dere zu lehren." (Ebendas. Cap. 2, V- 2.) Siehe den Brief an 72 Titus, Cap. 1, V. 5.: „Wahrheit ist das Wort Gottes — und ich will, daß du sie (die Gläubigen) darin befestigest". (Ebendas. Cap. Z, V. 8.) — Also nicht Jeder, der etwa die Lust zum kirch¬ lichen Lehramte in sich verspürte, durfte sich dasselbe aumaßen; sondern nur Wer die Sendung dazu erhalten hakte, konnte leh¬ ren. Die Unterscheidung in die lehrende und lernende, oder hörende Kirche stammt von Christus und den Aposteln her. Das Priesteramt besteht in der Gewalt, die von Jesus angeordneten Gnadenmittel — Sakramente— zu verwalten, und überhaupt die gottesdienstlichen Handlungen vorzunehmcn, den „Cultus" zu besorgen. Der Herr bekleidete damit die Apostel. Diese, seinem Auftrage folgend, wieder Andere. Sie bekamen z. B. die Vollmacht zu taufen (Matth. Cap. 28.); die Sünden nachzulaffen (Joh. Cap. 20, V, 22, 23.); das heilige Abendmahl zu feiern. „Thut dies zu meinem Andenken", sagte Jesus nach der Einsetzung des allerheil. Altarssakramentes zu den Aposteln. (Luc. Cap. 22, V. 19.) Diese machten von der ihnen ertheilten Gewalt Gebrauch; weßhalb der heil. Paulus schreibt: (I. Cor. Cap. 4, V. 1.) „Es halte uns Jedermann für Diener Christi, und Ausspender der Geheimnisse Gottes". Auch das Priesteramt durste nicht mit dem Hingange der Apostel erlöschen; darum wurde es von ihnen durch das Sakra¬ ment der Weihe — Händeauflegung — fortgepflanzt. (I. Tim. Cap. 4, V. 15.) — Christus hat kein allgemeines Priester- thum, im eigentlichen Sinne, an welchem alle Gläubigen ohne Unterschied Theil hätten, eingesetzt. „Niemand nimmt sich selbst die Würde — des Priesterthumes — sondern der von Gott berufen wird, wie Aaron." (Hebr. Cap. 5, V. 4.) Nur in so ferne kann feder Christ ein Priester genannt werden, als er sich selbst im Geiste der Buße Gott als Opfer dar bringt. (I. Petr. Cap. 2, V. 9.) Daß Christus ein Kirch en reg im ent bestellte, folgt daraus, weil er die drei dazu gehörigen Gewalten anordnete, nämlich die gesetzgebende, richterliche und vollziehende. Zu Petrus sprach er: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was immer du binden wirst auf Erden, das soll auch im Himmel gebunden seyn; und was immer du lösen wirst auf Erden, das soll auch im Himmel gelöst seyn". (Matth. Cap. 16, V. 19.) Nach dem hebräischen Sprachgebranchc bedeutet die Schlüsselgewalt und die Binde- und Lösegewalt überhaupt die Regierungsgewalt; insbe¬ sondere die Befugmß, durch Gesetze etwas als erlaubt oder un¬ erlaubt zu erklären. Diese Binde- und Lösegewalt verlieh Jesus (Matth. Cap. 18. V. 18.) auch den übrigen Aposteln. — „Wer euch höret, sagte er ein anderes Mal zu ihnen, der höret mich, und wer euch verach¬ tet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet Den, der mich gesandt hat." (Luc. Cap. 10, V. 16.) Unzählige Stellen aus der Apostelgeschichte — insbesondere Cap. 15. — und 73 aus den Briefen der Apostel zeigen, daß sie ihre gesetzgebende Gewalt in Anwendung brachten. Nach Matth. Cap. 18, V. 17, 18. darf die Kirche zurecht- weiscn, und zwar mit solcher Autorität, daß wenn der Fehlende sie nicht hören will, er als ein Heide und öffentlicher Sünder zu halten sey. Die Apostel theilten Lob oder Rüge aus, je nachdem es Noth that; z. B. I. Cor. Cap. 5, Cap. 11, V. 22. Dem Ti¬ motheus gibt Paulus Winke, wie er dieses Reckt ausüben solle. Die Ertheilung der vollziehenden Gewalt, d. i. der Macht, Lohn oder Strafe, je nach Verdienst zu dekretiren, an die Apostel durch Christus ergibt sich aus Obigem. Jene verhängten in der That Strafen, wenn gelindere Mittel nichts fruchteten. Paulus fragt die Corinther I. Cap. 4, V. 21.: „Soll ich mit der Ruthe zu euch kommen, oder mit Liebe, und im Geiste der Sanft- muth?" Ueber den Blutschänder unter ihnen schwang er wirklich die Ruthe. (Cap. 5.) In der Kirche gibt es also zufolge Anordnung ihres Stifters selbst Regierende nnd Gehorchende. Eine jede sichtbare Gesellschaft hat eine bestimmte Verfas¬ sung, — auch die Kirche hat eine solche von Jesus Christus er¬ kalten; denn ohne sie könnte dieselbe keine» Bestand haben. Die Frage, welche Grundverfassung der Herr seiner Kirche gegeben, ist gleichbedeutend mit jener: Wem er die Gewalt, seine Kirche zu regieren, übertragen habe? Weder der Gcsammtheit der Glaubt gen, noch der Staats-Gewalt; sondern, wie aus dem Gesagten einleuchtet, den Aposteln und ihren Nach¬ folgern. (Im Concordate vom 18. August 1855 zwischen Sr. Heiligkeit Pius IX. und Sr. k. k. apost. Majestät Franz Joseph I. wird dies seierlichst anerkannt.) Es läßt sich durchaus nicht er¬ weisen, daß die ursprüngliche Verfassung der Kirche eine demo¬ kratische war. (Etwa nach der grundfalschen Ansicht, wie sie Ritter von Bunsen in seinen „Zeichen der Zeit" entwickelt!) Auch der weltlichen Macht hat der Herr seine Kirche, als seine Heilsanstalt, nicht unterworfen; da hätte ja das Chri- stenthum, welchem anfänglich die Staatsgewalt allenthalben, be¬ sonders im römischen Reiche, feindlich gegenüber stand, gar nicht >n die Welt eingeführt und ausgebreitet werden dürfen! Die Apostel betrachteten und benahmen sich als die v o m Herrn bestellten Hirten und Vorsteher seiner Kirche, welche hie wsd da wohl die Aeltesten der Gemeinde beizogcn, —- z- B. bei der 4rahl des Mathias (Apostelg. Cap. 1.), ohne ihnen jedoch eine entsch eidende Stimme einzuräumen. , Zur Erhaltung der Einheit der Kirche hatte Christus dem Hostel Petrus den Primat crtheilt; d. b. er hat ihn zu seinem Stellvertreter auf Erden, zum sichtbaren Oberhaupte des Aposto¬ lates und der gesummten Kirche ausgestellt. — (Darüber wird eine Ipatere Abhandlung „das P apstth u m" Ausführlicheres bringen.) 74 Außer den Aposteln erwählte sich Christus auch noch andere — 72 — Jünger, die er als Verkündiger seines Evangeliums aus¬ sandte (Luc. öap. 10.) — sie waren den Aposteln untergeordnet. Diese selbst bestellten, laut der Apostelgeschichte Cap. 6. gewiß nicht ohne Antrieb des heiligen Geistes, also mit göttlicher Voll¬ macht, Diakonen (F/«xono/), anfänglich zum Dienste der Ar¬ men, doch wurden sie auch zum Predigtamte verwendet. (Apo- stelg. Cap. 8.) Dies war die Grundverfassung der Kirche in den Tagen der Apostel. Die kirchliche Hierarchie (?§?« ai^-/> hei¬ lige Regierung) ist also nicht menschlichen Ursprunges. Christus selbst, Niemand Anderer, hat den Unterschied zwischen Clerus das Loos; die sich den Herrn zum Loose, Erbe, erwählt haben) und den Laien Volk; die nicht — Geistlichen) begründet. Die Grundverfassung der Kirche ist eine unveränderliche, weil sie der göttliche Stifter für alle Zeiten festgesetzt hatte; sie konnte wohl nach und nach mehr entwickelt, aber niemals und nirgends darf sie ganz umgestoßen werden; sonst würde die Kirche aufhören die Kirche Christi und der Apostel zu seyn. Weil Christus seiner Kirche eine Dauer bis zum Ende der Welt versprochen, wollte er ganz gewiß, daß auch die hierarchische Gewalt fortwähren solle. Dies geschah wirklich. Wir finden in den ersten Jahrhunderten die nämliche Grundverfaffnng »»verrückt vor, welche wir oben geschildert haben. Die Apostel hatten zu ih¬ ren Nachfolgern die „Bischöfe" (das gesammte Apostolat den Episcopat), der heilige Petrus als Primas der Kirche den Bi¬ schof zu Rom als Papst (der Primat das Papstthum), — an die Stelle der 72 Jünger traten die „Priester" als GehülfeN der Bischöfe; an jene der 7 Diakonen aber die den gleichen Namen führenden Kirchendiener minderen Grades?) Von den Bischöfen, als Leitern der Kirche, und von den ihnen untergebenen Priestern geschieht schon in der heil. Schrift Meldung. Wenn gleich darin — insbesondere in den Briefen des heil. Pau¬ lus — die Bezeichnung für sie noch nicht firirt ist (was aber nicht lange hernach geschah), indem die Bischöfe bald snemana/ d. i. die Aufsicht Pflegenden, bald d. i. die Aelteren fsowohl be¬ züglich des physischen Alters, was sie meist waren, als des Anse¬ hens) genannt werden,*) **) so ist doch der reelle Unterschied zwischen den Bischöfen und den Priestern zweiten Ranges nicht hinwegzu- *) Daß der Bischof von Rom deßhalb, weil Petrus alldort sei» Leben mit dem Martertodc beschloß, als dessen Nachfolger im Primate, also als das sichtbare Oberhaupt der ganzen Kirche, schon in der ältesten Zeit angesehen wurde, ist durch Tbatsachen und Zeugnisse unwiderlegbar dargethan, — wie aus der Abhandlung: „das Papstthum" erhellen wird. **) Vergl. Dr. Döllinger: Hippolhtus und Kallistus. S. 340. 75 läugneu. Paulus spricht im erste» Briefe au Timotheus, Bischof zu Ephesus, von dessen Rechte, Priester, die gut vorstehen, zu b e- lohnen, (Cap. 5, V. 17, 18.) — über sie abzuurth eilen. „Gegen einen Priester nimm keine Klage an, außer bei zwei oder drei Zeugen." (Cap. 5, V. 19.) — Von ihnen und den Diakonen reden schon die ältesten Kirchenvater; als: der heil. Clemens (I. Corinth. Cap. 40.) „Dem Oberpriester (dem Bischöfe) ist sein Amt zugetheilt; den Priestern ist ein eigener Platz rin der Kirche) angewiesen; den Leviten (Diakonen) liegen ibre Äeniter ob. Der Laie ist durch Laien-Gesetze verpflichtet." Der heil. Ignatius (Br. an die Smyrner Cap. 8.) „Ohne den Bischof nebme Niemand et¬ was vor, was auf die Kirche Bezug hat." Er sagt: die Priester stehen in einem ähnlichen Verhältnisse zum Bischöfe, wie die Apo¬ stel zu Christus ; auch die dem Bischöfe und dem Collegium der Prie¬ ster zugleich unterstehenden Diakonen sollen geebrt werden. < Br. an die Smyrner Cap. 8. an die Trallenser Cap. 23.) — Tertnllian, im 3. Jahrhunderte, schreibt: (von der Taufe) „Das Recht zu taufen hat der Oberpriester, welcher der Bischof ist; darnach die Priester und Diakonen, doch nicht ohne Genehmigung des Bi- schofes". In jeder größeren Christengemeinde gab es mir Einen Bi¬ schof, aber m ehrere Priester; die Namen der Bischöfe, nicht so auch der Priester, wurden in den Kirchenbüchern ausgezeichnet, und daraus oft die Ueberlieferung einer Wahrheit von der Zeit der Apostel her gegen die Jrrlehrer dargethan— so vom heil. Irenäus, Bischof zu Lyon im 2. Jahrhunderte, und von Tertnllian. Die lehrende Kirche bildeten also die Apostel mit Petrus — nach ihrem Abtreten aber die Bischöfe mit dem Papste an der Spitze. Zwischen den Aposteln und den Bischöfen besteht nur der Unterschied, daß sich die Wirksamkeit Jener über die ganze Erde, wohin sie immer kommen mochten, erstreckte; die der Bischöfe aber örtlich, nach bestimmten Diözesen beschränkt ist; und, daß Jeder der Apostel einzeln mit der Jrrthumlosigkcit in Bezug auf Religion ausgestattet war; nun aber dieselbe dem gesummten Epis¬ kopate, mit seinem Obcrbaupte, dem Papste, zukommc. Mit diesem bleibt Christus bis ans Ende der Welt, (Matth. Cap. 28, V. 20.) und der Geist der Wahrheit in Ewigkeit. (Joh. Cap. 14, V. 16. > In so ferne die lernende oder hörend c Kirche treu an den Entscheidungen der lehrenden hält, nimmt auch sie mittel¬ bar an der Unfehlbarkeit Theil. Forts 6 tzil irst. 3. Es gibt mehrere, von einander abweichende, sich christlich "ennende Religionsgescllschaften. Nicht eine Jede derselben, son- ocrn nur Eine einzige kann die wahre Kirche Christi seyn. ine aus denselben aber mnß cs noch seyn; denn cs istunmög- "ch, daß die wahre Kirche irgendwann bis auf den heutigen Tag 76 sollte untergegangen seyn, weil ihr göttlicher Stifter versprochen hat, daß die Pforten der Hölle sie nie zu überwältigen vermö¬ gen sollen. Wer unparteiische Umschau hält, und sorgfältige Prüfung anstellt, wird zur Ueberzeugung gelangen, daß einzig jene Kirche, welche sich die römisch-katholische nennt, noch jetzt die we¬ sentlichen Merkmale der Kirche Christi, die von Ihm stammende Organisation und Verfassung besitze. Sie ist sichtbar, was keines weiteren Beweises bedarf, denn es ist geradezu unmöglich, sie mit den zweihundert Millio¬ nen ihrer Bekenner zu übersehen. Sie ist die Eine Kirche; denn alle ihre Mitglieder, wenn sie nicht bloß den Namen Katholiken führen, bekennen sich zu Einer und derselben Lehre; gebrauchen die nämlichen Gnadenmit¬ tel; ihr äußerer Gottesdienst ist dem Wesen nach der gleiche überall. Alle bilden nur Einen mystischen Leib, dessen unsichtbares Haupt Christus; das sichtbare aber der Papst ist. Durch ihre Priester — Pfarrer — stehen die einzelnen Gemeinden einer Diözese mit ihrem Bischöfe; Diese wieder mir dem Papste in lebendiger Verbindung. Eben um diese Einheit auszudrücken, nennt sich die Kirche die römisch-katholische, welche Bezeichnung nichts Anderes besagen will, als daß ihr sichtbares Oberhaupt zu Rom seinen Sitz habe. Es kann mithin keine separate französisch-katholische Kirche geben, wie sie 1830 Abbe Chatel gründen wollte; keine deutsch-katholische, wie sie Johannes Rouge beabsichtete. Was Cardinal N. Wiscman im zweiten Bande seiner Abhand¬ lungen S. 282 u. ff. gegen die Bezeichnung anglo-katholisch sagt, hat auch von jener „deutsch-katholisch" volle Geltung; nämlich: „Die zwei Glieder dieses Wortes sind contradictorisch- Das Eine Wort bedeutet Vereinzelung, das Andere Allge¬ meinheit; das Eine begrenzt, das Andere durchbricht alle Schranken; das Eine spricht von verweigerter Gemein¬ schaft, das Andere davon, daß sie von anderen (überseeischen) Kirchen zugegeben wird; das Eine macht die Kirche na tio n a l, das Andere hebt alle Unterschiede auf, kennt keine Schranken, als das Kreuz und nimmt als sein Territorium Alles in Anspruch, was durch dieses erlöst wurde — die ganze Welt". Daraus ergibt sich, in wie ferne der Christ von National¬ kirchen reden dürfe; nämlich nur so, daß er darunter die Gläu¬ bigen und ihre mit dem Papste in Gemeinschaft stehenden Hirten versteht, welche in diesem oder jenem Lande, z. B. in Oesterreich wohnen, und zu einer bestimmten Nation gehören. Die Eine, untheilbare Kirche ist in Deutschland, in Frankreich u. s w., aber sie ist keine ausschließlich deutsche, französische. „Den Ausdruck „Nationalkirche" verschmähen wir, wenn er ans die Einsetzung Christi angcwendet wird, der zwischen Griechen und Barbaren keinen Unterschied weiß. — Die katholische Kirche ist 77 unsere Mutter, diePartikularkirche ist unsere Amme." (Card. N. Wiseman u. a. O. S. 272.) Die römisch-katholische Kirche ist heilig. Denn ist sie die wahre Kirche, was aus allen ihren Eigenschaften zusammenge¬ nommen erhellt, so bat sie, wie schon bemerkt, den Heiligsten zu ihrem Stifter, ihre Lehre, ihr Cultus ist heilig, und bezweckt Hei¬ ligung. In der That zählt sie viele Heilige unter ihren Mitglie¬ dern. Daß dies nicht Alle sind, ja gar Manche das Gegentheil von Heiligen verstellen, kann aus den oben angegebenen Gründen nicht ihr, als der göttlichen Erlösungs- und Heiligungs-Anstalt, zur Last gelegt werden. Was sich im Verlaufe der Zeit an der Außenseite des altehrwürdigen Gebäudes der katholischen Kirche vom Erdenstaube angelegt, — denn ihr inneres Heilig thum blieb nnentweiht — war und ist dieselbe aus sich selbst, mit dem Beistände des Herrn zu entfernen bestrebt; d. h. die Kirche selbst nimmt die wahre, heilsame Reformation an sich vor, wann und wo selbe nöthig; das unbefugte und zerstörende Eingreifen aber Solcher, die keinen Beruf dazu erhalten haben, muß sie desto entschiedener zurückwcisen, wenn sich dieselben sogar anmaßen, den Glauben zu reformircn, welcher der Kirche niemals hatte abhan¬ den kommen, oder in ihr verfälscht werden können. Sie ist ferner die all g e m cin e Kirche, weil sie die ganze Offenbarung Christi bewahrt und vorträgt, die sie nicht nur aus der heil. Schrift, sondern auch aus der Tradition schöpft. — Daß sie ihren Gläubigen nicht das ganze Wort Gottes zukommcn lassen wolle, weil sie ihnen das Lesen der Bibel verwehre, ist eine bis zum Uebermaße oft vorgcbrachte, aber eben so oft widerlegte Ver- läumdung. Wahr ist's , aus den triftigsten Gründen kann die Kirche das Lesen der hie und da sehr schwer zu verstehenden, und deßhalb sehr leicht zu mißverstehenden, und wirklich mißverstande- lstu heil. Schrift ohne Anleitung und Erklärung nicht billigen; — heißt aber das die Schrift verschließen? Gewiß nicht! Sie sorgt ja für gediegene Uebersetzungen in die Landes¬ sprache, und für richtige Auslegungen. Das gelehrte Bibel- irudium wird in der katholischen Kirche gewiß so gründlich betrie¬ ben, als irgendwo außer ihr. Sie besteht — wie wir sahen — unverkennbar seit den ersten Tagen des Cbristentbumcs, und wird nicht aufhören zu seyn bis Vollendung der Zeiten. Ist sie ja bisher aus allen Stürmen, bst über sic hereinbrachen, unversehrt, — sogar stets neu gekräf- und um so schöner hervorgcgangen ! Auch in Bezug auf ^aum ist sie die allgemeine; denn über alle Weltthcile ist sic ausgcbreitet, und fortwährend läßt sie cs sich durch die Aussen- dung ihrer Missionäre aus allen Kräften angelegen seyn, die Ver¬ heißung des Herrn der Erfüllung immer näher zu bringen: „Es ^>rd Ein Hirt und Eine Heerde seyn". (Joh. Cap. 10, V. 16.) allen diesen Beziehungen führt sie allein mit Recht den Namen °er „katholischen" Kirche, welche Bezeichnung schon der Apo- 78 stelschüler Ignatius gebraucht, indem er schreibt: (an die Smyrn. Cap. 8.) „Wo Christus ist, dort ist die katholische Kirche". Sie allein ist die apostolische Kirche, weil ste aus der Zeit der Apostel hcrstammt, ihre Lehre von ihnen überkommen hat, und weil die geistliche Gewalt der Apostel durch deren recht¬ mäßige Nachfolger sich in ihr ununterbrochen bis in die Gegen¬ wart vererbte. Stets hat sie sich auch als die unfehlbare Lehrerin des Wortes Gottes, zumal als die irrthumslose Auslegerin der heil. Schrift, gefühlt; deßhalb bat sie für ihre, meist in den allgemei¬ nen Concilien gefällten Glaubensentscheidungcn unbedingte Aner¬ kennung gefordert. Die römisch-katholische Kirche hat allein von jeher die von Christus entworfene Organisation und Verfassung unverändert aufrecht erhalten. — Ihre Kämpfe nm ihre Freiheit und unver¬ äußerliche Selbstständigkeit zeigen, daß sie sich ihrer Unabhängig¬ keit nach Außen immer bewußt war; eben so entschieden hat sie aber auch im Innern jeden Versuch abgeschlagen, sogenannte kon¬ stitutionelle oder gar demokratische Elemente in ihre Regierungs¬ form zu verpflanzen. Ihre Hierarchie blieb immer und überall die¬ selbe — ob in der absoluten Monarchie, oder in der Republik Wohl ist die Verfassung nach und nach mehr ausgebildet worden; z. B. durch die sehr frühzeitige Aufstellung der Erzbischöfe, Me¬ tropoliten und Patriarchen ; durch die Einführung der vier unter¬ sten Klerikatsstufen und dergleichen. Aber das ist strine Aendc- rung, sondern vielmehr ein Beweis, welch' eine unerschöpfliche Lebenskraft der wahren Kirche Christi inwohne. Vll. Jrrdifferentismus. Ein Hauptgebrechcn unserer Zeit ist der Religions-Jn- differentismus, welcher zwar auch in früheren Jahrhunderten, aber kaum jemals in dem Grade und in der Ausdehnung vor¬ kam, als in der Gegenwart. Wir verstehen darunter die Gleich¬ gültigkeit gegen die Religion, das Sichnichtinteressiren daran, ob cs eine wahre, von Gott den Menschen geoffenbarte Religion gebe; und, wenn dies der Fall, wo dieselbe zu finden sey. Der Grundsatz manches Indifferentsten lautet: „Alle Religionen, die es auf der Welt gibt, sind gleich viel werth"; und glaubt et noch an ein jenseitiges Leben, so meint er, daß sic Alle "in glei¬ cher Weise zu demselben führen. Dies ist freilich die frostigste Gleichgültigkeit, welche die christliche Religion sogar nicht höher stellt, als jene der Inder, Chinesen, Juden und Mohamedaner u. s. w. Eine andere huldiget der Ansicht, daß alle christliche» 79 Confessionen gleich viel gelten; und es ist leider ein trauriger Beweis der in unseren Tagen gewaltig fortgeschrittenen Gleich¬ macherei in Rcligionssachen, daß, während früher nur jene Be¬ kenntnisse zu den christlichen gerechnet wurden, welche wenig¬ stens noch am Dogma von der Gottheit Jesu Christi, und unse¬ rer Erlösung durch seinen Kreuzestod scsthiclten, man jetzt auch solche darunter zu begreifen nicht Anstand nimmt, welche diese Grundwahrheiten des Christenthumcs schon aufgegeben haben, und nur mehr auf einem rein humanistischen, neu-heidnischen Stand¬ punkte stehen. Wir erinnern nur an die sogenannten Deutsch- Katholiken, und an die in England (1854) ausgesprochene Be¬ hauptung, daß sogar die Mormonen den — ohnehin schon genug zahlreichen — protestantischen Dissenters angereiht werden könnten. Wir lassen hier die besonderen Ursachen des Jndifferen- tismus bei einzelnen Menschen unbesprochen; die allge¬ meine liegt unstreitig in der materialistischen Tendenz unseres Zeitgeistes, und in dem Einflüsse einer dem Offenbarungsglauben vielfach feindlichen Literatur; in einer vom Pantheismus durch¬ drungenen Philosophie u. dgl. (stehe Dr. Hirschers Borrede zu seinen Erörterungen über die großen religiösen Fragen der Gegen¬ wart). — Was läßt sich der Gedankenlosigkeit oder dem vornehm thuenden Dünkel des Jndifferentismus entgegnen? Was Anderes, als daß es eine unabweisliche Forderung unserer Vernunft sey, es müsse in allen Dingen eine Wahrheit geben; und von mehre¬ ren sich widerstreitenden Sätzen können unmöglich Alle, sondern nur Einer der wahre sepn. Soll dies etwa nur in Betreff der vielen, auf Erden herrschenden, einander in den wichtigsten Punk¬ ten widersprechenden Religionen nicht der Fall sepn? Nein! Auch da kann es nur Eine Wahrheit, d. i. nur Eine wahre Religion geben. Daß, und warum sie noch vorhanden und zu finden, d. i. zu erkennen sepn müsse, wurde fchon oben dargetban. Es kann doch z. B. unmöglich Beides gleich göttliche Offenbarung und Wahrheit sepn, was im Koran der Mohamedaner und was in de» Evangelien der Christen, so wie in ihrer übrigen heil. Schrift enthalten ist! Läßt sich gegen einen solchen Schluß etwas ein- wenden? Ganz dasselbe Bewandtniß hat es mit den verschiedenen christlichen Confessionen, von denen Niemand bei nur eini¬ ger Sachkenntniß sagen wird, daß sie bloß im Unwesentlichen von einander abwcichen. Eine Jede von ihnen behauptet , einzig nn Besitze der wahren Lehre Jesu zu sepn, und seine Kirche zu bilden. Können sie Alle Recht haben? Unmöglich! Oder ha- bcn sie Alle Unrecht? Auch nicht; weil sonst die Religion 'trsu schon von der Erde verschwunden wäre, was mit seiner Verheißung nicht vereinbarlich ist. Also nur Eine hat Recht! — Wenn Jesus Christus die wahre Offenbarung vom Himmel gebracht hat, so kann sie gewiß nicht einmal so, das andere Mal 80 wieder anders gelautet haben. Er, der Wahrhafteste, kann gewiß nicht z. B. einmal gelehrt baben, daß er zwei, — das andere Mal, daß er sieben heil. Sacramente einsetze; — einmal, daß zur Seligkeit der bloße Glaube allein genüge; ein anderes Mal aber, daß zur Erlangung derselben ein in Liebe, in guten Wer¬ ken thakiger Glaube erforderlich sey. Es kann unmöglich Bei¬ des zugleich Wahrheit seyn: daß der römische Papst der Statt¬ halter Christi für die ganze Kirche, und daß der nämliche Papst der Antichrist sey, wie ihn Luther nannte. Darum, welche aus den sich christlich nennenden Kirchen die wahre sey, soll sich der Mensch gar nicht kümmern? Heißt das nicht, der Vernunft, welche nach Wahrheit verlangt, Gewalt an- thun? In unserer Zeit ringt man mehr, als jemals, nach immer größerer Einsicht, nach Aufklärung. Die bisher geheimsten Kräfte der Natur werden belauscht, wie sie wirken. Der Mensch macht sie sich dienstbar. Man denke an den Dampf, der uns beinahe mit Windesschnelle ganze Meere und Provinzen zu durchreisen in den Stand setzt; an die Elektricität, die uns in wenigen Mi¬ nuten Nachrichten aus fremden Reichen bringen kann. Um dies und Aehnliches interessirt man sich wohl — und ganz billig. Nur in göttlichen Dingen soll man gleichgültig und theilnahmlos bleiben? Da soll es dem Menschen Eins seyn, ob ein persönlicher, überweltlicher Gott eristire oder nicht? ob Gott durch seinen cingebornen Sohn Jesus Christus zu uns geredet habe oder nicht? ob Christus eine Kirche gestiftet habe oder nicht? ob die katholische Kirche die allein wahre sey oder nicht? Der in der That von seiner Vernunft Gebrauch macht, prüft und untersucht auch hierin, um zur klaren, lebensvollen Überzeu¬ gung zu gelangen, wie der oftgenannte große Denker Blas Pascal tch 1662), der da schreibt: (pensoss tom. 2, 41; 68) „Ich sehe an verschiedenen Orten der Erde, und zu allen Zeiten eine Menge Religionen. Aber sie haben weder eine Moral, welche mir zusagen kann, noch Beweisgründe, die mich zu überzeugen im Stande wären. Und so würde ich gleicher Maßen die Reli¬ gion des Mohamed, und jene von China; die der alten Römer, und jene der Aegypter verworfen haben, — einzig deßhalb, weil, da keine derselben mehr Merkmale der Wahrheit an sich trägt, als die anderen, und keine Etwas hat, was entscheidet, die Ver¬ nunft sich nicht zu einer mehr hinneigen kann, als zur andern. — Ich sehe aber auch die christliche Religion, in welcher ich die er¬ füllten Weissagungen und eine Unzahl so sehr beglaubigter Wun¬ der finde, daß man vernünftiger Weise nicht daran zweifeln kann. Das ist's gerade, was ich in den anderen Religionen nicht an¬ treffe". — Man erwäge ferner: Wenn sich Gott geoffenbart hat, so hat er es ja unsertwegen, um unserer Selig¬ keit willen gethan. Welche Thorheit also, sich um diese nicht kümmern! 81 Gott wollte es nicht vergebens gethan haben, sondern er will Gehorsam in der Aufahme seines Wortes, für das Er Bürge ist. Welche Vermessenheit also, Ihm denselben verweigern! Der Heide Pilatus fragte doch wenigstens den Herrn: „Was ist Wahrheit?" (Joh. Cap. 18, V. 38.) Der Christ aber soll eine solche Frage nie ernstlich stellen? Nichts ist gefährlicher, als Gleichgültigkeit gegen Reli¬ gion. Es steht viel, unendlich viel dabei am Spiele. „Soll es nicht der Mühe werth seyu, zu untersuchen, welche Religion die wahre sey? Nur Ein Licht, außer ihm nur Finstcrniß. Nur Eine Wahrheit, außer ihr Lüge. Nur Em Leben, außer ihm Tod. Nur Ein Heil, außer ihm Untergang, und ewiges Verderben." (Ur. Schlör. Warum bin ich Katholik? S. 20.) „vo 86 tron»- per, sagt Pascal, s?e»8. tom. 2, pgK. 196 ) en erovant vrsie la reli°)on cbreüenne, il »H ü pn8 Arancio clinsc ü perclre. IVlais gnel malhenr ele 86 tromper en la erovsnt ksii886!" Um nur Eines beispielsweise anzufübren: Der Jndiffcrentist sagt: „Es genügt, daß ich ein ehrlicher Mann bin, der seine Stand'espflichtcn redlich erfüllt, — ans das, was ich glaube, kommt es nicht an!" Wie aber, wenn Christus nicht vergebens versichert hätte: „Wer nicht glaubt, der wird verdammt werden?" (Marc. Cap. 16, V. 16.) Kann der gegen Religion Gleichgültige eines echten, dauern¬ den innern Friedens genießen? Nein! Es fehlt ihm, was ihm sein Glück versüßen, im Unglücke aber trösten kann. „Ulen ne ülu't clonuer Io repns. gne la reeberebe sincere cie la verite; et rlen »e peut clonner 1'a88uranee, gne la vorltö." (Unreal, ken8. tnm 2, !>az. 184.) Wenn wir den Jndiffcrentisten endlich einen für das wahre Wohl der Menschheit Gleichgültigen nennen, thun wir ihm so wenig Unrecht, als gewiß die Religion die erste und festeste Stütze der allgemeinen Äohlfabrt ist. Gott der Herr selbst hat die Sorglosigkeit für das Wichtigste und Heiligste ausdrücklich verdammt. „Ich bin gekommen, ein Ffuer auf die Erde zu senden, hat der Heiland gerufen, und was will ich anders, als daß es brenne?" (Luc. Cap. 12, V. 49.) Ja, brennen soll dies Feuer des Glaubens und der Liebe auf dem Altäre unseres Herzens, und Einer soll an des Andern heiliger Gluth erwärmen; nicht aber Einer an des Anderen Frost "och mehr erkalten, und erstarren! „Wärest du doch kalt oder warm; nur nicht lau!" spricht der Herr in der geheimen Offen¬ barung." (Cap. 3, V. 15.) Haß kann sich leichter in Liebe um- wandeln; aber Gleichgültigkeit ist Apathie, und da ist sehr schwer helfen! Jene schwachen Katholiken, welche über einzelne Lehren und Zurichtungen ihrer Kirche mit Geringschätzung, oder wenigstens ""t Gleichgültigkeit denken und absprcchen; welche an ihr bald b", bald dort Etwas zu beanständen finden, mögen wohl erwä¬ hn, daß sie sich wider den offenbarenden Gott selbst auflehnen, "er es gewiß nicht unserem Belieben überlassen wollte, an seiner s 82 Offenbarung zu modeln; und daß sie ihre Weisheit über die der Kirche stellen, — dieser Säule und Grundveste der Wabrbeit. (I. Tim. Cap. 3, V. 15.) *) *) Man soll es doch nicht auffallend finden, daß die katholische Kirche, von der Ueberzeugung geleitet, nur sie seh die wahre Kirche Christi, konse¬ quent dem Jndifferentismus möglichst entgegenarbeite. Deßhalb schon — abgesehen hier von anderweitigen Gründen —muß sie die sogenannten gemischten Ehen mißbilligen, weil sie in ihnen die nächste Gefahr für den katholischen Ehetheil erblickt, wenn nicht dem Glauben ganz untreu zu werden, so doch die Begeisterung für denselben einzubüßen, und der Gleichgültigkeit zu verfallen. Der katholische Theil soll aufmerksam werden darauf, um sich desto sorgfältiger davor zu bewahren. Die Kirche verlangt alle anzuhoffenden Kinder einer solchen Ehe für sich; werden sie ihr nicht zugesichert, so gibt sie dem Ehebündniß ihren Segen nicht. Von einem ähnlichen Gesichtspunkte aus muß auch die so gehässig ausgebeutete neueste Begräbnißnorm in Betreff der Akatholiken in Oester¬ reich beurtheilt werden. Nicht aus Intoleranz verwehrt ihnen die Kirche die Ruhestätte inmitten ihrer eigenen Gläubigen; sondern sie will nicht, daß auch die Todten — um uns so auszudrücken — predigen — wie es die Lebenden nur zu häufig thun — „es seh Eins, ob man Katholik, oder sonst weß Glaubens immer seh". — Auch die Protestanten erklä¬ ren sich ja gegen Neligionsmengerei, wo immer das confessionelle Be- wußtsehn unter ihnen erwacht. Beweis dessen z. B. in Preußen das Rütteln an der sogenannten „Union", — dieser Lieblingsidee Königs Friedrich Wilhelm III. Zweiter Theil. Unter die Wissenschaften, aus welchen gerne Einwürfe gegen die Offenbarung, zumal gegen die Bibel, bergeholt werden, gehört heut zu Tage vornehmlich Jene, deren Gegenstand die Natur ausmacht; — weßhalb wir dieselbe hier an die Spitze setzen. VILI. Natur, Naturwissenschaft. Unter Natur verstehen wir hier die materielle Welt mit den Erscheinungen in ihr. Die dieselben hervorbringenden uns dem Eesen nach noch ganz unbekannten Ursachen heißen: Natur¬ kräfte. Zwei Eigenschaften dürfen vor allen anderen an der Natur nicht übersehen werden; nämlich: daß sie ein Werk des allmäch- ügen Gottes, also von Gott erschaffen worden, und noch fort¬ während von Ihm abhängig sey; und: daß sie qualitativ vom Geiste verschieden; daß mithin dieser nicht die Vollendung des Naturlebens, oder sonst was dergleichen sey. Die Natur ist nicht ewig; sie hat ihr Seyn nicht aus sich selbst; nicht durch sie lebt der Geist; sondern der ewige Eeist, welcher sie hervorgerufen hat, lebt auch außer ihr; er m über der Natur —als der persönliche, überweltliche Eott. *) — Der gleichfalls von Gott erschaffene Menschcn- Eeist ist kein Naturprodukt. So lehrt uns die Offenbarung die Natur anschauen; — schon in der heiligen Schrift des alten Bundes, insbesondere in > Damit wollen wir sagen, daß Gott nicht Eine sch mit der Welt; nicht aber, daß er sich um sie weiter gar nickt kümmere, nicht in ihr wirke. Er ist ja allgegenwärtig, und: „In Ihm leben wir, und bewe¬ gen uns, und sind wir", lehrt der heil. Paulus (Apostelgesch. Cap. 17. B. 28.). » * 84 den Psalmen, welche das Lob Gottes, als des Herrn der Natur, verkünden. Eben so sprach sich der Heiland darüber aus, und die Kirche bat zu keiner Zeit einer andern Ansicht ge¬ duldiger. Darum müssen wir die entgegengesetzte Anschauung als eine unchristliche, ja wesentlich heidnische bezeichnen; ob sie auch in einer mehr verfeinerten Form, als früher, oder mit philosophi¬ schen Redensarten umhüllt, auftntt. Tie alten Aegypter dachten sich die Gottheit in gewissen Thieren anwesend, denen sie daher göttliche Verehrung erwiesen; der Fetisch-Anbeter wirft sich vor einem Klotze oder Steine, als seinem Gotte nieder. — Das ist Naturdicnst, ist Pantheismus auf der untersten Stufe. Jst's dem Wesen nach etwas Anderes, wenn man vom Wel¬ tengeiste; vom Geiste der Natur; von ewigen N atur ge¬ ti an k en, welche zugleich Gottesgedanken scyen; von einer un¬ endlichen Naturmacht; von der Vernunft in der Natur, welche erst im Menschen zum Selbstbcwußtseyn komme, u. dgl. spricht? Täuschen wir uns nicht! — Es ist die nämliche Naturvergöttcrung, wie ehedem, welcher damit Weihrauch gestreut wird. Die Schale mag neu aussehen; der Kern ist alt, — die Frucht desselben Baumes, welcher den ersten Abfall vom persönlichen Gotte veranlaßte, als von ihm (dem Baumes herab der verführende Geist in Schlangengestalt der Eva zurief: „Ihr werdet seyn, wie die Götter!" (Gencs. Eap. 3, V. 5.) Ist cs ja ein Merkmal des alten Heidenthums gewesen, daß es sich sogar in seinen gepriesenstcn Weisen nicht zur Idee eines überweltlichen, freien, höchsten Wesens zu erheben vermochte! Daß durch die Naturvergötterung christliches Denken, Hof¬ fen und Handeln untergraben werde, braucht nicht erst bewiesen zu werden. Vom pantheistischen Standpunkte aus kann vomEhri- stenthume, als einer positiven, g e offenbarten Reli¬ gion, keine Rede seyn. Welche Wichtigkeit der Natur in der göttlichen Heilsanstalt beigelegt werde, erhellt, wie schon (im Artikel II.) angedeutet wurde, ans dem Aussprüche des Weltapostels: (Br. an die Römer Eap. 1, V. 20.) „Das Unsichtbare an Gott ist seit Erschaffung der Welt in den erschaffenen Dingen erkennbar und sicht¬ bar; nämlich seine ewige Kraft und Gottheit". Ist dieser Ekren- platz, diese der Natur angewiesene Bestimmung: „auch ein Mittel zu seyn, durch welches uns Gott seine Herrlichkeit, seine Allmacht und Unbeschränktheit offenbart", etwa zu niedrig für dieselbe; so daß man sie zur Theilnehmerin an der Gottheit selbst ma¬ chen müßte? Bekanntlich liebte es Christus, seine schönsten Bilder, durch welche er seine himmlische Lehre dem Verstände und Herzen seiner Zuhörer nahe legte, aus der sie umgebenden Natur zu nehmen; auf dieselbe hieß er sie ihre Blicke richten, um Gottes Vorsehung 85 keimen zu lernen, und Vertrauen zu ihr zu fassen. (Matth. Cap. 6, V. 26-30. Wer könnte demnach behaupten, das Ehristcntbum räume der Natur zu wenig ein? — Die Schönheit der Schöpfung, — wie wollte sie von irgend Jemanden geläugnet werden? Die in der Natur allenthalben obwaltende Ordnung und Harmonie verdient Bewunderung. Dieselbe weist auf „Gesetze" hin, nach welchen Alles vor sich geht. Aber anders erscheinen die Naturgesetze im Lickte des Ehristenthumes, als beim trügerischen Scheine des Pantheismus. Sie sind der Natur von Gott, dem höchst Weisen, vorgezeichnet; nicht sie selbst hat sich solche gegeben. Sie sind nicht Eins mit dem sittlichen Gesetze, wel¬ ches dem freien Willen zur Richtschnur dienen soll; sondern sie sind Gesetze der Noth Wendigkeit, — (vergl, Dr. Schlei¬ dens Studien S. 137 n. ff.) — freilich einer durch Gottes Vor¬ sehung vorher bestimmten. Deßkalb können die Naturgesetze nur in so ferne ewige genannt werden, als sie auch schon vor Er¬ schaffung der Welt in der Idee des ewigen Schöpfers la¬ gen; sie sind nicht absolut, d. h. etwa auch Gott gegenüber, sondern nur relativ unabänderlich, d. h. die Natur kann zwar nicht eigenmächtig davon abgchen, denn sic hat keine Frei¬ heit; wohlaber kann Gott, der Herr der Naturgesetze, eine, von Ewigkeit schon vorausgeschene, Ausnahme in ihrer Wirksam¬ keit eintreten lassen, wenn er dieselbe höherer sittlicher Zwecke wegen für nothwendig oder ersprießlich findet. — Hierauf beruht die physische und moralische Möglichkeit der Wunder, von de¬ nen später mehr. Wir können demnach mit Phrasen nicht einverstanden seyn, als da sind: Die Naturgesetze seyen eben so ewige Gedanken (der Natur) wie die Gedanken in uns selbst; sie seyen ewige Vernunftgesetze (in dem von uns oben angegebenen Sinne aller¬ dings); sie kennen, heiße die (Natur-) Vernunft kennen, welche das ganze Daseyn durchdringt; etwas im Laufe der Dinge über¬ natürlich nennen, sey eben so viel, als es gegen die Vernunft und den Willen Gottes streitend nennen. Eine Ausnahme von dein natürlichen Gange der Dinge annehmen, heiße eine Unver¬ nunft in der allvollkommenen Vernunft vorauösetzen u. dgl. (Oer- sied, der Geist in der Natur, S. 87.) Das ist eine für den Menschen trostlose, Gottes aber gewiß nicht würdige Lehre! Denn wenn Gott den Naturkräf- ken nicht zu gebieten vermag, dann ist freilich unsere Hoffnung, daß er Naturübel von uns ferne halten könne, eitel, und unser ^ebet um die Abwendung derselben ist sinnlos. Nicht Er schickt Landplagen, als: verheerende Seuchen, Mißwachs, Elementar¬ unfälle, zur Strafe unserer Sünden, — sie sind unabhän¬ gig von seinem Willen; sie kommen und vergehen nach Gesetzen, uuf welche Er keinen Einfluß ausüben kann. Wozu also z. B. das Gebet: „Vor Pest und Hunger bewahre uns o Herr!" oder 86 „Unser tägliches Brod gib uns!" — wie uns doch der Herr selbst beten gelehrt hat? Wozu sich Mühe geben, durch Buße den be¬ leidigten Gott zu versöhnen? Er ist ja nicht im Stande, uns durch die Natur zu strafen. — Diese geht ihren eigenen Weg und läßt sich nicht von Gott zum Werkzeuge seiner Absichten gebrau¬ chen! Wenn Gott im alten Bunde seinem auserwählten Volke zum Lohne der treuen Besolgung seiner Gebote, mit anderem zeit¬ lichen Segen, auch Fruchtbarkeit des Bodens in Aussicht stellte; für den Fall des Ungehorsames aber androbte, daß er den Him¬ mel wie ehern machen und verschließen werde, so, daß weder Re¬ gen noch Thau die dürre Erde befeuchten solle, — (5. Buch Mo- sis Cap. 11.) —so hat er Etwas versprochen und angedroht, was zu geben oder zu verweigern nicht in seiner Macht lag! Ver¬ suche, wer es da kann, mit solchen Begriffen noch irgendwie die Heiligkeit, die Wahrhaftigkeit der Bibel und unseres Erlösers; die Existenz eines allmächtigen, Höchstpreisen und gerechten Gottes zu vereinbaren! Daß Gott Regen oder Dürre, Unwetter oder Stille anordnen könne, ist kein Aberglaube, welcher mit jedem Fort¬ schritte, den wir in der Kenntniß der Luftereignisse machen, mehr und mehr verschwinden müsse. Noch immer blieb Gott der Herr der Elemente, auch nachdem die Wissenschaft diese genauer er¬ forscht hat. Wir halten zwar nicht dafür, daß Gott die Naturwirkungen so willkürlich eintreten lasse, wie etwa der Mensch hie und da mit seinen Untergebenen nach den Eingebungen seiner Laune verfügt, — nein! Er läßt die Naturkräfte nach den ihnen gegebenen Gesetzen thätig seyn! Aber das glauben wir auf das Wort unseres Hei¬ landes, daß ohne Vorwissen und Zulassung Gottes nicht einmal ein Haar von unserem Haupte falle, (Matth. Cap. 10, V. 30.); und daß die Natur, die Unfreie, sich seiner Anordnung weder im Großen noch im Kleinen zu widersetzen im Stande sey. (Vergl. Oersted a. a. O. S. 116, u. ff.) *) Die Naturwissenschaft ist unläugbar ein eben so interessantes, als, wenn sie in rechter Weise gepflegt wird, höchst nützliches Studium. Große Fortschritte sind in allen Zweigen derselben bis¬ her schon gemacht worden, — aber doch nicht s o große, daß nicht noch unendlich viel zu lernen übrig wäre. Zwischen den Wahr¬ heiten der geoffenbarten Religion und jenen der Naturwissenschaft — nicht bloßen Hypothesen — kann kein Widerspruch, sondern es muß die innigste Uebereinstimmung herrschen; weil ja Gott, der sich uns sowohl in der Natur, als auch in übernatürlicher Weise geoffenbart hat, mit sich selbst nicht in Conflikt treten kann. Je *) Es ist kein Vorurthetl. daß am Ende Alles auf göttliche Anordnung hinauslaufe; Mr. Schleiden, Studien S,203)—vom christlichen Standpunkte aus ist die Behauptung eine Lästerung, daß der Begriff der Vorsehung einen Aberglauben, ob auch den reinsten und edelsten ein- schlteße. Mr. Schleiden, S. 20S.) 87 tiefer der Naturforscher in die Natur eindringt, desto mehr soll sich auch seine religiöse Ueberzcugung befestigen; insbesondere soll ihm der Unterschied zwischen Gott und der Natur, so wie zwi¬ schen dieser und seinem eigenen denkenden Geiste immer klarer werden. Am Könige Salomo rühmt die heilige Schrift, (III. Buch der Könige, Cap. 4, V. 33.) daß er sehr naturkundig war; denn „er redete über die Bäume von der Ceder, so auf dem Libanon ist, bis zum Hysop, der aus der Wand wächst. Er redete über das Vieh, und über die Vögel, und über das Gewürme, und über die Fische". Als er an der Natur seine Freude hatte, war er noch ein frommer Mann. — Alles soll zur Verherrlichung Gottes beitragen, auch die sogenannten profanen Wissenschaf¬ ten; unter welchen dießfalls obenan die Naturwissenschaft — ins¬ besondere als ein Zweig derselben die Astronomie steht. Welch einen gewaltigen Eindruck macht der Anblick des mit zahllosen Sternen besäeten Himmels auf ein für Außerirdisches etwas em¬ pfängliches Gemüth! Ja, darin ist der Ursprung des Sternen- dicnstes — der Astrolatrie — zu suchen; dieser Art von Abgötte¬ rei, welche wir beinahe bei allen alten Völkern des Orientes an¬ treffen. War einmal der Mensch von der Uroffenbarung abge¬ fallen, und hatte er sich vom Schöpfer zu den Geschöpfen gewendet, so war's das Erste, daß er in den über seinem Haupte schwebenden Himmelskörpern Gottheiten zu verehren begann. Es war noch immer ein verbältnißmäßig edleres Gefühl, was ihn dazu verleitete, nämlich zunächst jenes der Dankbarkeit.*) Die Sonne mit ihrer allbelebenden Licht- und Wärmekraft, die Urheberin des Tages, der Jahreszeiten und der Fruchtbarkeit, erschien ihm als die wohlthätigste Gottheit. Wir finden sie als Baal der Babylonier, als Siva der Inder, als Osiris der Aegyp- ter, vergöttert. Die verschönernde Phantasie der Griechen ließ den Sonnengott den leuchtenden Feucrwagen des Tages über den Himmel führen, und Nachts im Schooße des kühlenden Meeres ausruhen. *) Was Dr. Z. M. Schleiden (Studien S. 225 u. ff.) in dieser Beziehung sagt, ist nicht ganz unrichtig; nur darin müssen wir ihm widersprechen, als wenn die Urreligion der Menschen im Stcrnendienst bestanden hätte. Die Genesis belehrt uns eines Anderen. Freilich wohl. Der kann mit uns nicht übereinstimmen, „für Den sogenannte älteste Urkun¬ den des Menschengeschlechtes hierin gar keinen Werth haben; der sie für nichts weiter ansieht, als für die Versuche einzelner bedeutender Men¬ schen. sich ein Bild von dem frühesten Zustande der Menschheit zu ent¬ werfen, — ein Versuch, der um so weniger gelingen mußte, je weniger das unerläßliche geologische, physiologische, psychologische und ethnogra¬ phische Material verarbeitet und zur Hand war; so daß ihm jene so¬ genannten Urkunden in dieser Beziehung gerade um so weniger Werth haben, je älter sie sind!" In der That ein naives Bekenntnis, wie viel dem modernen Ra¬ tionalismus das erste Buch Mosis gelte! 88 Der Mond wurde zum Theile unter dem vielumfassenden Namen Astarte oder Baaltis (Mylitta) von den Völkern am Eu¬ phrat und Tigris; unter jenem: Parwali in Indien, als Isis in Aegypten, als Diana von den Griechen und Römern verehrt. Wer weiß nicht, welche Rolle im persischen Götzendienste der Mythras-Cult einnahm? Auch die Sterne, welche mit ihrem milden Schimmer dem Wanderer oder dem Seefahrer in sonst fin¬ sterer Nacht die Bahn erdellcn, konnten nicht unbeachtet bleiben. Sogar der Wilde in Afrikas Innerem, an dem man sonst kaum eine Ahnung des Göttlichen wahrnimmt, erhebt seinen Blick zeit¬ weise zum Himmelsgewölbe, und sucht durch Geschrei und Lärm die Sonne aus dem Rachen des Drachen zu befreien, der sie bei einer Finsterniß, seiner Meinung nach, zu verschlingen droht. Was soll erst der Gelehrte, der Astronom denken und fühlen, Er, der die Bahnen der Himmelskörper berechnet, und sie auf ihren Wanderungen durch den großen Weltenraum mit seinem Geiste begleitet! Ja, Er gerade muß die unendliche Größe des Schöpfers auf das lebhafteste anerkennen, und mit Begeiste¬ rung in den Ausruf des Psalmistcn einstimmen: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und das Firmament verkündet die Werke seiner Hände". (Ps. 18.) Unter allen profanen Wissenschaften kommt — wenn man so sagen darf — keine dem Throne des Allerhöchsten so nahe, als die Astronomie. Und sie sollte etwa dem Glauben an Ihn das Himmelsd ach nehmen, *) indeß die Geologie,— ein an¬ derer Zweig der Naturkunde — demselben den Boden entzöge? Nein! Beide haben im Gegentbeile die schöne Aufgabe, den Glau¬ ben zu unterstützen und zu kräftigen. Wenn es etwa hie und da Jemanden gar so ängstlichen Ge- müthes gäbe, daß er eine Besorgniß wegen der Fortschritte der wissenschaftlichen Studien hätte, als ob sie die Wahrheiten des Christenthumes untergraben müßten; und Dem insbesondere die Entdeckungen der Astronomie gefährlich sch-ienen, so bemitleiden wir ihn auf das Herzlichste. Seine Furcht ist eine grundlose. Die beiden, sonst großen, französischen Astronomen: Lalande sch 1807) und Laplace sch 1827) waren — Atheisten. Vielleicht wären sie es aber nicht gewesen, wenn sie nicht eben in der Periode der sogenannten „Phi¬ losophen" — eines Voltaire, d'Alembert, Diderot und Genossen, gelebt hätten. „Ich habe den Himmel überall durchsucht, sagte Lalande, und nir¬ gends die Spur Gottes gefunden". Wie er etwa gesucht haben mochte, daß er, trotz seinen Fernrohren, am ganzen Firmamente keine Spur von Dem aufzusinden vermochte, dessen Dasehn den schlichten Gläubigen jeder Stern prediget! — Als Napoleon I. an Laplace die Frage richtete, wa¬ rum in seiner „msenniqus eelests-- nirgends von Gott die Rede seh? antwortete derselbe: „8ire! js n'svsis p»s kesoin cis eetts li^potkese!" Wohl eine stolze Antwort! Ob aber auch eine vernünftige? eines sol¬ chen Astronomen würdige? Gewiß nicht! — 89 Die Worte eines Gelehrten (Oersted a. a. O. S. 63.) finden sicherlich nicht auf alle glaubcnstreucn Katholiken Anwendung: „Sie wünschen diesen Feind — die Naturwissenschaften — zurück¬ getrieben zu sehen; sie fassen bin und wieder eine schwache Hoff¬ nung ; aber ein stärkeres Gefühl von Wahrheit stört sie jedesmal aufs Neue, so daß sic in der Wirklichkeit sich nicht ans die Wahr¬ heit desjenigen Dascyns verlassen können, in welches sie sich ein¬ gelebt haben. Ihr bester Trost ist deßhalb, den gefährlichen Feind, so viel sie können, zu vergessen". — Wir baden einen noch bes¬ seren Trost, nämlich: den „gefährlichen Feind" bei unbefangener Prüfung in einen Freund umgewandelt zu sehen. — Wenn es im viel gepriesenen „Kosmos" heißt: „Die dogmatischen Ansichten der vorigen Jahrhunderte leben nur fort in den Vornrkheilen des Volkes und. in gewissen Disciplincn, (in den theologischen?) die in dem Bewußtseyn ihrer Schwäche sich gern in Dunkel hüllen", so entgegnen wir kurz: Es bandelt sich darum, ob die unbezwei¬ felbar richtigen Resultate der Naturwissenschaft in ihrer ncuestcn Entwicklung — nicht aber, wie schon bemerkt, bloße Hypothesen — mit dem ewig gleichen Dogma der katholischen Kirche sich vertragen oder nicht. Daß das Letztere der Fall, ist noch Niemandem nachzuweisen gelungen.*) Wir sehen durchaus nicht ein, was den Naturknndigen ir¬ gendwie hindern solle, ein gläubiger Christ zu seyn. Der große Newton, der Reformator der Theorie des Lichtes und der Farben lgeb. 1642, -j- 1727), und der berühmte Entdecker der Gesetze des Planetensystems, Kepler (geb. 157l, f 1630) standen, obwohl Protestanten, nicht auf außerchristlichem Boden. Jener hatte sogar eine Erklärung der gebeimcnO>ffcnbarung Johannis versucht! Dieser —Kepler — schrieb, nachdem er sein Werk von der Har¬ monie der Welten vollendet, am Ende des Buches: „Ich danke Dir, mein Schöpfer und mein Herr, daß Du mir diese Freu¬ den an Deiner Schöpfung, dies Entzücken über die Werke Deiner Hände geschenkt hast. Ich habe die Herrlichkeit Deiner Werke den Menschen kundgethan, so weit mein endlicher Geist Deine Unendlichkeit zu fassen vermochte. Wo ich etwas gesagt, das Deiner unwürdig ist, oder nachgetrachtet haben sollte der eige- "kn Ehre, Das vergib mir gnädiglich!" — An einem anderen Drte: „Der Tag ist nah, wo man die reine Wahrheit im Buche °kr Natur, wie in der heil. Schrift erkennen, und über die Harmonie beider Offenbarungen sich freuen wird". Wenn alle unsere heutigen Naturforscher auch so wie Kepler denken und beten würden, wäre dieser Tag der Freude wohl k>cht schon p« — auch für sie! - Die gläubig-dcmuthsvolle Ge- >,E§ wird stets die Naturwissenschaft von der Tkevlogie angefeindet", klagt Dr. M. I. Schleiden (Studien S. 163). Umgekehrt würde die Klage jetzt wohl gerechtfertigter seyn! 90 sinnung Keplers ist ferner noch in der von ihm selbst verfaßten Grabschrift ausgedrückt: „stlen8i,8 eram coelo8, nuno terrae metior umbrs8; lVlen8 ooelo8ti8 erat, oorporm nmbra saeehsi Nikolaus Copernicus der unsterbliche Darsteller des Planeten¬ systems (geb. 1473, f 1843) war Kanonikus am Dome zu Frauen¬ burg, in der Diözese Ermeland. Auch er setzte sich ein christlich schönes Epitaphium: ,,Xon parom kauti Aratiam reguiro, Veniam ketri negue p»80o, 8eci guam In eruei'8 li^no äeüora8 latrvni, 8e(lulu8 oro". Der ausgezeichnete Chemiker SirHumphry Davy (geb. 1778, 4 1829) äußert sich in „den letzten Tagen eines Naturforschers — tbe 1a8t cla)-8 ok a plu'lo8oplier —": „Der Einstuß der Religion überlebt alle irdischen Freuden; er nimmt zu an Kraft, während die Organe altern, und der Körper seiner Auflösung entgegengeht ; sie — die Religion — gleicht dem Hellen Abendsterne am Hori¬ zonte des Lebens, der, wie wir sicher sind, in einer anderen Zeit Morgenstern wird, seine Strahlen durch die Schatten und das Dunkel des Todes sendet". (S. 240.) Als dem berühmten Physiker Audrö Ampere (geb. 1775, 4 1836), wie sein College Arago erzählt, auf seinem Sterbebette ein Freund eine Stelle aus der „Nachfolge Christi" von Thomas v. Kcmpis vorlesen wollte, sagte Jener: er wisse das Buch aus¬ wendig. — Dies waren seine letzten Worte! Der 1854 gestorbene große Mathematiker und Naturforscher zu Göttingen Dr. Karl Friedrich Gauß, war ein entschiedener Gottesgläubiger, und sprach vom Christentum nicht anders, als mit tiefer Ehrfurcht. — Der am 5. Mai 1856 zu München ge¬ storbene rühmlich bekannte Chemiker und Mineralog Dr. Johan» v. Fuchs übte als Katholik gewissenhaft die Pflichten seiner Reli¬ gion aus. Ist denn etwa der Gott der Bibel — der Gott der Christen zu klein für den Naturforscher?*) Oder soll es seiner unwür- *) Dies spricht Dr. I. M. Schleiden ganz unverhohlen aus (Studien S. 107). „Ueberall, in dem Rauschen der Wälder, in dem Rollen des Donners, im Knistern deS brennenden Scheites, im Knarren der sich abkühlenden Ofenthür vernehmen wir (rationalistische Naturforscher) die Stimme der Natur; und wahrlich, der muß mit blödem Ohr hineinlauschen in den Tempel der Schöpfung, der nicht überall die Klänge vernimmt, welche sich zum großartigsten Gloria vereinigen." (Auch wir, die Offenbarungsgläubigen, sind nicht taub gegen diese Klänge; nur fassen wir sie anders aus, als die Naturalisten; nicht im Tempel der Natur allein, sondern sogar in der Kirche — vereinigen sich uns dieselben zum wahrlich großartigsten Gloria.) ' „Aber — fährt er fort — unser Gott, Dem dieses Gloria er¬ tönt, ist nicht jener kümmerliche Maschinenmeister der Natur, der das I I > ! < l I I ( l t c i e S r s k t l si d ( n 91 big seyn, daran zu glauben, daß der Gott, dem alle Welten ihr Daseyn verdanken, Mensch geworden und am Kreuze gestorben sey? Nichts von dem! Aber, heißt es manchmal, die Bibel enthält Einiges, was die Astronomie auf ihrem dermaligen Standpunkte als unrichtig verwerfen muß! Wenn damit fene Stellen der Bibel gemeint seyn sollen, welche von einer Bewegung der Sonne um die Erde; von der Unbeweglichkeit dieser im Mittelpunkte des Weltalls; vom Firmamente als von einem Gewölbe, einer Veste; von der Sonne, dem Monde und den Sternen als kleinen Körpern, welche ein¬ stens beim Untergange der Welt auf die Erde herabfallen werden, u. dgl. sprechen; so ist doch wohl einleuchtend, daß der heilige Schriftsteller sich, wenn er verstanden werden wollte, in keiner anderen Weise, als gemäß der damals allgemein gangbaren Mei¬ nung über die Bewegung, Lage und Größe der Himmelskörper, ansdrücken konnte. Der Heiland selbst wollte, wenn er die letzte Katastrophe vor dem allgemeinen Weltgerichte schildert, sich der bezeichnendsten und ergreifendsten Bilder bedienen. Thun wir es nicht eben so, wenn wir vom Auf- und Niedergange der Sonne, von ihrem Nahen zur Zeit des Frnhlingcs, von ih¬ rer Entfernung zur Herbstzeit reden? Die heilige Schrift berichtet aber auch solche Ereignisse, — wendet man ferner ein — welche gegen die astronomi¬ schen Gesetze verstoßen; als z. B. daß die Sonne auf das Ge- deiß des Josua — richtiger, auf Gottes Befehl, zu dem er be¬ tete, — einen Tag lang , d. i. 24 Stunden über dem Horizonte stille stand — (daß die Erde ihre Arendrehung so lange entstellte) — bis die Amorrhiter von den Hebräern im Thale Asalon vollends geschlagen worden waren. (Josua Cap. 10.) Der Prophet Jsaias kündete dem Könige von Juda, Ezechias, die Errettung aus seiner Krankheit an, und daß er noch fünfzehn '"ihre leben werde. Zum Beweise, daß er Wahrheit spreche, führte Gott den Schatten an der Sonnenuhr um zehn Grade zurück, was durch eine rückgängige Bewegung der Erde geschehen mußte. (4. Buch der Könige Cap. 20, V. 11.) — Die Verfin- Brennen eines dürren Traganthbusches, oder das Zusammenschlagen zweier durch den Blitz getrennten Regenwolken braucht, um wie ein Gespenst hineinzuschauen in seine Werkstatt, damit er die etwas laut gewordenen Lehrsungen erschrecke. (Welch kümmerliche, ja niedrige Ansicht vom Gotte der Hebräer, wie ihn uns Moses darstellt.) — Unser Gott geht uns nicht verloren, wenn wir die Natur naturwissenschaftlich erklären und verstehen lernen." — (Vergl. S. 202.) (Dasi dem Offenbarungsgläubigen, dem Katholiken, sein Gott, wie er ihn durch und in der Kirche kennen lernt, verloren gehen müsse, wenn er die Natur wissenschaftlich studiert, und daß er denselben noth- wendig mit dem Gott der Rationalisten, oder gar der Pantheisten und dem „Stoffe" der Materialisten vertauschen müsse, ist eitle Ein¬ bildung. 92 sterung, welche (Matth. Cap. 27, V. 45.) vor dem Tede des Heilandes, von der sechsten bis zur neunten Stunde, d. i. von 12 Ukr bis 3 Uhr Nachmittag, die Erde bedeckte, konnte keim natürliche Souueusinsterniß gewesen seyn, weil dies zur Zeit des Vollmondes geschah, in welcher das jüdische Osterfest ge¬ feiert werden mußte. — — Was ist davon zu halten? Wir ge¬ stehen es gerne offen, daß diese Erscheinungen aus natürlichem Wege nicht erklärt werden können, daß sie Wunder im eigentlich¬ sten Sinne des Wortes seyen. Uebrigens sehen wir nicht ein, warum durch die ersten zwei Tkatsachen eine Störung im ganzen Planetensysteme hätte erfolgen sollen; denn die jährliche Bewe¬ gung der Erde um die Sonne blieb dieselbe; nur die tägliche um ihre eigene Are wurde unmittelbar von Gott einstweilen sistirt. Mit Jenem, der Wunder durchaus nicht zugeben will, weil er die Naturgesetze höher stellt, als den höchst weisen Willen des allmächtigen Gottes, reckten wir weiter nicht. Nur fragen wir ihn, ob er denn nicht Gott der Natur unterordne? Die katholische Kirche wird hie und da als der Naturwissen¬ schaft nicht hold verdächtiget; gleich als ob sie fürchtete, daß ihr Einfluß auf die Gläubigen geschmälert würde, und die religiöse Uebcrzeugung derselben Schiffbruch litte, wenn sich bessere Natur- kcnntnisse unter ihnen verbreiteten. Mit Unrecht! Die Kirche weiß recht gut, daß nicht die Wissenschaft an sich, sondern entweder die falsche Richtung, welche ihr gegeben wird, oder der Mißbrauch und das Uebermaß in ihrer Behandlung zum Materialismus, und zum Unglauben führen.*) Dage¬ gen ihre warnende Stimme zu erheben, hält sie für ihre Pflicht. Sie darf nicht gleichgültig zuschen, wenn etwa eine so schöne Wissenschaft, statt den Menschen von der allseitigen Bedingtheit der Natur immer mehr zu überzeugen, und ihn zur Idee eines persönlichen Gottes zu erheben, dazu herabgewürdiget wird, über den Geschöpfen den Schöpfer, über der Natur den Herrn derselben vergessen zu macken. Sie darf nickt schweigen, wenn sie sieht, daß eine so edle Wissenschaft, die das Herz des Men¬ schen für Gott entflammen soll, etwa nur das materielle Streben befördert; den Sinn für das, was des Geistes ist, aber mehr und mehr ertödtet!**) Die Kirche legt Niemandem etwas in den Weg/ um ein großer Naturforscher zu werden; wie der Katholik ein *) Selche literarische Erzeugnisse, alS: C. Vogt's „Köhlerglaube und Wis¬ senschaft"; und L. Büchner's „Stoff und Kraft" u. a. m. liefern de« traurigen Beweis davon in unseren Tagen. **) Weil einseitiges Studium der Natur gar so letckü zum Naturalismus u. dgl. verleitet, so fühlten große Naturforscher häufig das Bedürfnis ihren Geist auch in anderen Richtungen zu beschäftigen. Cuvier z- las täglich die allen Classiker, und der Geologe Weiner verlegte sich in späteren Jahren auf vergleichende Sprachkunde. 93 eben so tüchtiger Philolog, Historiker u. dgl. seyn kann, als irgend Jemand außer der Kirche. Rom insbesondere darf nicht den physikalischen Wissenschaf¬ ten feindlich genannt werden. Die Gcfchichte der Päpste thut das Gegentheil in mehr als Einem Beispiele dar. Schon in dem viclgeschmähtcn Mittelalter suchte der gelehrte Papst Sylvester II. (Gerbert, f 1003) in die Geheimnisse der Natur cinzudringen. Albertus, seiner ausgebreiteten Kenntnisse wegen „Magnus der Große" genannt, aus dem Orden der Dominikaner (ch 1280 zu Köln) zog die naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles ans Licht, und verfaßte selbst mehrere naturhistorische Werke. Papst Alexander IV. schätzte ihn sehr und ernannte ihn sogar 1260 zum Bischöfe von Regensburg. Noch vielseitigere Kenntnisse in der Naturwissenschaft besaß der in England 1214 geborene Franzis¬ kaner Roger Bacon, welcher freilich wohl seiner Zeit zu weit vor- angceilt war, um von ihr begriffen zu werden, was ihm arge An¬ schuldigungen von Seite einzelner Befangener, sogar Einkerkerung zuzog; aber Papst Nikolaus IV. (1288—1292) gab ihm die Frei- beit wieder. Roger Bacon ist wahrscheinlich der Erfinder der Vergrößerungs- und Ferngläser; so wie der Brennspiegel. Auch halte er schon die Mängel des alten Julianischen Kalenders er¬ kannt, und Vorschläge gemacht, denselben abzuhelfen.*) — Doch die Verurtheilung und Behandlung Galileis — ist sie nicht ein Flecken in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche und des Päpstlichen Stuhles? Ehe wir in diesen Gegenstand uns näher einlassen, meinen wir Folgendes bemerken zu müssen: Nie hat es die Kirche für ihre Aufgabe gehalten, über naturwissenschaftliche Fragen als solche zu entscheiden; nur in so ferne dieselben die -aeligion berührten, nahm sie vorkommenden Falles davon Kennt¬ est Es würde wohl wenig Tact verrathcn, wenn Jemand die mangelhaften, hie und da geradezu unrichtigen physikalischen Kennt- esse einiger Kirchenväter.belächeln,**) oder z. B. daraus, daß der 0 „Die Theorien der großen Naturforscher des 13. Jahrhunderts: Roger Bacus und Alberts von Bollstadt. — sagt Dr. Liebig (chemische Briefe XXIV) — können an Ideenreichtum und umfassender Naturanschauung imr mit denen der neueren naturphilosophischen Schulen verglichen werden." Daß die Kirchenväter wohl auch Sinn für naturwissenschaftliche Fragen und Gegenstände hatten, anerkennt selbst Alexander von Humboldt, der (Kosmos II. psA. 28.) zu einigen Stellen des heil. Basilius und Gregor don Nazianz die Bemerkung macht: „in dieser einfachen Schilderung der Landschaft und des Waldlebens sprechen sich Gefühle aus, welche sich mit denen der modernen Zeit inniger verschmelzen als Alles, was uns aus dem griechischen und römischen Alterthume überkommen ist". — Das er¬ gibt sich aus der Erklärung, welche Manche aus ihnen über die Kosmo¬ gonie des Moses versuchten, (siehe den nachfolgenden Artikel); als: der heil. Ambrosius sisxssmeron lib. 6. zumal der heil. Augustin, wel¬ cher über die wörtliche Erklärung der Genesis 12 Bücher geschrieben. 2m Cap. 19, Iw. I. äs ASli. sä lit. findet er eS gar sehr schmählich und 94 heil. Bonifacius, der Apostel der Deutschen, sich gegen die Exi¬ stenz der Antipoden erklärte, der Kirche einen Anwurf machen würde.*) Für die Wissenschaftlichkeit ihrer Glieder, wer sie schon scyn mögen, ist die Kirche nicht Bürge. Wenn es auch wahr wäre, daß ein Papst (welcher? ist nicht gesagt) aus Ver¬ anlassung des Erscheinens eines Kometen im fünfzehnten Jahr¬ hunderte in allen Kirchen zu läuten befahl (Oersted a. a. O.), so würde daraus noch gar nichts für die Kirche Nachtheiliges folgen. — Nun zur Sache! Weil Galileo Galilei (geb. am lä.Febr. 1564 zu Pisa) das Copernicanische Planetensystem gegen das Ptolemäische in einem 1632 verfaßten Dialoge vertheidigte, wurde er — heißt es in vielen der katholischen Kirche nicht günstigen Geschichtswerken — sehr unwürdig, ja grausam behandelt. Denn auf Anordnung des Papstes Urban VIII. wurde eine Congregation von Cardinälcii, Mönchen und Mathematikern, sämmtlich Galileis Feinde, nieder¬ gesetzt, um sein Werk zu prüfen. Diese erklärte es für höcbst ge¬ fährlich, und forderte Galilei aus Florenz vor das Jnquisitions- tribunal nach Rom. Ungeachtet seines Alters, seiner schwächlichen Gesundheit, und der rauhen Jahreszeit mußte er im Winter 1633 nach Rom reisen, und nachdem er hier einige Monate in banger Erwartung und zum Theile im Gefängnisse geschmachtet hatte, wurde er von der Inquisition verdammt, die großen Wahrheiten, die er behauptet hatte, auf den Knieen liegend, und die Hand auf das Evangelium gelegt, am 23. Juni folgenden Jahres abzuschwören. Im Aufstehen stampfte er mit dem Fuße, und brummte in den Bart: pur 8i muovo!-- d. i. Und doch bewegt sic sich; — näm¬ lich die Erde um die Sonne! — Hierauf wurde ihm sein von sieben Cardinälen unterzeichnetes Urtheil vorgelesen, durch wel¬ ches er auf eine unbestimmte Zeit zum Kerker der Inquisition, und drei Jahre hindurch wöchentlich einmal die sieben Bußpsalmen Davids zu beten verurtheilt; sein Buch verboten und sein System als der Bibel zuwider verdammt wurde. Es ist wahrschein¬ lich, daß man den unglücklichen Greis auch gefoltert hat. — So die Erzählung — welche, je nach der subjektiven Stimmung des Autors, meist mit mehr oder weniger bitteren Be¬ merkungen über die Intoleranz Roms ausgeschmückt wird. Zuverlässigeren Berichten zufolge stellt sich aber die Sache anders dar. Das Copernicanische System hatte alsbald nach unverzeihlich, daß der erste beste Ungläubige einen Christen — über die Natur und ihre Phänomene— so thöricht sprechen höre; und zwar, als rede er im Sinne der heil. Schrift, — daß er ihn in so ungeheure« Jrrthume erblickend, kaum des Lachens sich enthalten kann. Wie werde» die Heiden, fragt er, wenn sie einen Christen im Namen der heil. Schrift seine irrige Meinung vertheidigen hören, dieser glauben wollen? Das ist Las Schlimmste an der Sache. — *) Man meinte damals, der Begriff von Antipoden seh mit der von dU Bibel behaupteten Einheit des Menschengeschlechtes unverträglich. 95 seiner Aufstellung, wie sonst, auch in Italien, außer einigen An¬ hängern heftige Gegner gefunden, insbesondere unter Denjenigen, die es, wegen einseitiger Auslegung einiger, zumal der von uns oben angeführten Bibelstellen, der heil. Schrift widersprechend sanden. In diesem Sinne hatte die römische Inquisition — nicht die unfehlbare kirchliche Lehrautorität — bereits 1616 den Satz von dem Stillstände der Sonne und von der Bewegung der Erde sogar als dogmatisch irrig zu lehren verboten. Galilei kehrte sich an dies Verbot nur bis zum Jahre 1632, wo er desto heftiger in dem erwähnten Dialoge das Ptolcmäische System der Verachtung Preis zu geben sich bemühte, und dabei für das ge¬ genseitige völlige dogmatische Jrrthumslosigkeit beanspruchte; über¬ dies sogar Satyren wider den heiligen Vater sich erlaubte. Ein so ordnungswidriges Verfahren und sein Ungehorsam, nicht aber so eigentlich seine abweichende Ansicht, wenn er sie sonst nur mit Ruhe und Mäßigung vorgetragen hätte, brachte Galilei neuer¬ dings in Conflict nut der Inquisition, vor welcher er wohl den Widerruf leistete; sein weiteres tragisches Loos gehört jedoch theils der Erdichtung, tbeils der Uebcrtrcibung an. Er lag nicht Mo¬ nate lang im Gefängnisse, sondern wohnte Anfangs, während des Prozesses, im Hause des toscanischen Gesandten, Fran¬ cesco Nicolini, dann in jenem des Fiscals des heil. Officiums, woraus er mit Erlaubniß des Papstes den schön und gesund ge¬ legenen, dem Großherzoge von Toscana gehörigen Palast und Tarten clslla Drinita äoi Nonti bezog. Der Papst behandelte ihn, nach Galileis eigenem Berichte mit Achtung, worauf ihm die Rückkehr nach Toskana unter dem einzigen Verbote des Abhaltens Uößerer Versammlungen gestattet wurde. Gefoltert wurde Galilei ganz gewiß nie und nirgens. Er wohnte sodann za Siena im Palaste des Erzbischofes Piccolomini, der ihm als Freund den Aufenthalt möglichst angenehm machte. Ungestört setzte Galilei seine physikalischen Entdeckungen fort. Nach bci- läufia fünf Monaten ging er mit Genehmigung des Papstes auf das Land, in die Villa Bellosguardo, und dann nach Arcetri, in der Nähe von Florenz. Gegen das Ende des Jahres 1637 er¬ blindete er vollends und starb am 8. Jänner 1641. Seine Ueber- rcste wurden zu Florenz in der Kirche des heiligen Kreuzes bei- Zesetzt. (Die vorstehenden Daten sind entnommen der 8toria clella literatura Itali'ana clel Kiuseppo Nallei. Nilano 1834. — Volum III. 23. skA.) Galilei wurde dem Glauben seiner Kirche nie un- lreu, und die Annahme ist sicher nicht ungcgründct, er habe das «eue, von ihm mit zu großer Rücksichtslosigkeit vertheidigte Sy- "cm, als demselben nicht widersprechend angesehen, was es auch in der That nicht ist. Gesetzt aber auch, obiges Märchen wäre Wahrheit, so würde daraus doch nur so viel folgen, daß eine eigenthümliche, neue Ansicht, nicht aber eine Wissenschaft als solche in Rom gerügt und verpönt worden war. 96 Galileis Lieblingschüler, Castelli, und Toricelli, der Erfinder des Barometers, genossen in Rom Schutz und Begünstigung; der ältere Cassini wurde vom Papste ausgezeichnet. — Jacquier war Professor der heiligen Schrift am Collegium der Propaganda in Rom, und verfaßte mit Lescur den besten Commentar über die Werke Newtons. Niemand belästigte und beargwöhnte ibn dieser- wegen, als wenn er dabei seinen Glauben an die Wahrheit der Bibel hätte einbüßen müssen. Vielmehr erhielt er vom Papste Benedict XIV. und dessen Nachfolgern Beweise besonderer Ge¬ wogenheit. In Florenz hatte Leopold, Bruder des Großherzogs Ferdi¬ nand II. von Toscana, nachmaliger Cardinal, 1657 die Akademie clel 6imentr> (Experiment) gegründet, zu dem Zwecke, um die Natur¬ wissenschaften iu größeren Flor zu bringen. Unwahr ist die Be¬ schuldigung, diese Academie sep wegen des unversöhnlichen Haffes des römischen Hofes gegen das Andenken und die Schüler Gali- lei's aufgehoben worden; die Inquisition habe viele Originalschrif¬ ten Galilei's und seiner Schüler verbrannt; sa sogar die Instru¬ mente der Academie seyen zerstört worden. An "der nach neun Jahren erfolgten Auflösung der Academie, welche aus anderen Ursachen, insbesondere weil ihre tbätigsten Mitglieder ausschieden, eintrat, war der römische Stuhl schuldlos. Papst Alexander VII-, unter dem die Academie ins Leben kam, und welcher als ein Mann von milden Sitten, als ein Freund der Wissenschaften, insbeson¬ dere als ein großer Liebhaber der Mechanik und Experimental- Philosophie geschildert wird, war eben so wenig gegen Galilei's Andenken und Schüler eingenommen, als Papst Clemens IX., unter dem die Akademie einging, — ein Toscaner, und inniger Freund der Mediceer, welcher Umstand obigen Vorwurf schon an sich unwahrscheinlich macht. Galilei's Schriften wurden nie ab¬ sichtlich verbrannt; wohl hatte im Jahre 1737 ein Diener des Abbate Panzanini, in dessen Besitz sie gekommen waren, nach dessen Tode Einige derselben aus Unverstand zum niedrigen Ge¬ brauche hintangegebeu, — ein Schicksal, welches nicht selten auch andere werthvolle Manuskripte und Bücher erleiden mußten. Von den physikalischen Apparaten der Academie blieben manche in Florenz aufbewahrt; ein Theil kam unter Kaiser Franz I- nach Wien. Die gleiche Bestimmung mit der zuvor genannten hatte die t)egclemia cloi lancei in Rom; gestiftet 1603 von Federico Cesi, Sohne des Herzoges von Aqua Sparta. Galilei selbst war ihr Mitglied, und demungeachtet wurde sie vom Papste begünstiget- Vom Papst Urban VIII-, unter dessen Regierung Galilei's Prozeß Statt hatte, ist ein, 1627 datirter Brief zum Lobe der Academie vorhanden. Ihm hatte Cesi seine mikroskopischen Beobachtungen der Biene gewidmet, — was derselbe wohl unterlassen haben würde, wenn der heilige Vater das Studium der Natur mit Eifer¬ sucht und Abneigung angesehen hätte. Ließ sich ja sogar des 97 Papstes Neffe, Cardinal Barberim, unter die Mitglieder der Academie aufnehmen! Am Anfänge unseres Jahrhundertes wurde die be¬ nannte Academie erneuert; Papst Leo XII. unterstützte sie reichlichst. (Siehe Cardinal N.Wiseman's Abhandlungen, III. Band, S. 477— 499; und Zusammenhang der Ergebnisse u. s. w. S. 517 u.ff.)*) *) Der von uns öfters genannte, für die katholische Kirche gewiß nicht par¬ teiisch eingenommene Dr. I. M. Schleiden schreibt: „Das Wenige, was Kepler in seinem Leben erlangt hat, verdankt er eigentlich den Jesuiten; sein Unglück begründeten seine Glaubensgenossen, die protestantischen Tbeologen in Tübingen, die, zwar Verehrer der Astrologie, doch ausge¬ sprochener Maßen Kepler besonders auch deshalb haßten, weil er seinem Glauben an das Copernicanische System nicht entsagen mochte. — Unter den astrologischen Schriften des 16. und 17. Jahrhundertes ist eine auf¬ fallend große Zahl, welche — protestantische — Pfarrer oder Professo¬ ren der Theologie zu Verfassern haben, und gewöhnlich sind dieselben auch Gegner des CopernicuS, und somit Gegner der mehr und mehr der Astrologie feindlich cntgegentretenden Astronomie. — Noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts hat der ?sstor primarius an der Domkirche zu Ratzeburg, Gottfried Kohlreiff, in seinem wunderlichen Buche: „Die Himmelsschauder Babylonier", alles Ernstes die Copernicanische Lehre und die Ansicht, daß Sonne, Mond und Sterne große Weltkörper seyen, für eine gotteslästerliche Eingebung des Teufels erklärt". (Studien. S. 243, 244.) Das Nämliche gilt von der 1854 erschienenen Schrift des Prote¬ stanten Dr. Karl Schöpffer: „Die Bewegungen der Himmelskörper. Neue und unwiderlegliche (?) Beweist, daß unsere Erde im Mittelpunkte der Welt steht, und Sonne, Mond und Sterne sich um dieselbe bewegen". Unter dem Titel: „Das Copernicanische Sonnensystem und die Kirche" sagt Dr. Schleiden (S. 272): „Es läßt sich kaum in Abrede stellen, daß wenigstens in der ersten Zeit (laut des Obigen, auch später¬ hin) die Katholiken dem Copernicanischen Systeme gegenüber bei weitem mehr Geist gezeigt haben, als die protestantischen Theologen, die mit wenigen Ausnahmen sich entschieden gegen dasselbe erklärten. Die Päpste nahmen das Copernicanische System anfänglich sogar günstig auf, und verboten es später nur aus Politik. (Wann, und Wer?) Sie scheinen aber nur selten den Astronomen selbst hinderlich in den Weg getreten zu seyn. Erklärte doch sogar in dem sonst so finsteren Spanien der Augu- stinermönch DidacuS Stunica in seinem Commentar zum Hiob 1584 das Copernicanische Sonnensystem für das allein richtige, ohne daß ihm dies die geringste Verfolgung zugezogen hätte, während noch im Jahre 1728 (Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen, Beitrag l. Nr. 13) sich Protestantische Theologen gegen den CopernicuS erklärten. Zwei Äußerungen, die ungefähr in dieselbe Zeit treffen, characterisiren am heften die Geistlosigkeit auf der einen, den Geist auf der anderen Seite. Johann Jakob Hainlin, Tübinger Theolog, erklärte noch in der Mitte des 17. Jahrhundertes, daß ihn nichts von der Wahrheit des Copernica- nilchen Sonnensystems habe überzeugen können, als daß dasselbe vom Papst, dem Antichrist, verdammt sey. (Vergl. Systems muncli Coperniesnum von Peter Megerlin, Amsterdam 1628). Wenig später erklärte der Je¬ suit Michael DechaleS: „Die Erklärung der Sternbewegungen des Co- Vernicus ist so schön und einfach, daß man sie eine göttliche nennen möchte, wenn sie nicht leider der heiligen Schrift widerspräche". (Vergl. ooripturs Laers Lopernirans von I. F. Zimmermann, Hamburg 1706). 98 Wir fragen zum Schluffe: Wer hat denn die Verbesserung des Kalenders und deren Annahme angeordnet? Wars nicht Papst Gregor XIII. (1572—1585)? Wie lange haben sich die Protestanten hie und da vor derselben gesträubt? Mit welchen Beinamen wurde der neue Kalender von den Prädikanten belegt? als Wessen Werk geschmäht?-Tie schismatischen Griechen verabscheuen denselben noch bis setzt, bloß, weil er von Rom ausging! Sie folgen lieber einer offenbar astronomisch unrichti¬ gen Zeitrechnung, die sie mit der ganzen übrigen civilisirten Welt in Disharmonie bringt! — Wem kann cs unbekannt seyn, wie viel die Jesuiten einst in der Naturwissenschaft geleistet haben? Möchte sich diese nie von der Religion emancipiren wollen, damit die Naturvergötterung nicht über die christliche, allein ver¬ nünftige Weltanschauung, wenn auch zeitweilig nur, den Sieg davon trage! IX. Die mosaische Schöpfungsgeschichte. Die in der Bibel erzählte Schöpfung des Universums durch Gottes allmächtiges Wort; die darauf sich fußende Lehre der Kirche, daß Gott Himmel und Erde, und Alles was ist, aus Nichts hervorgebracht; d. i. erschaffen habe, wird nicht sel¬ ten angefochten. Selbstverständlich könnten wir von diesem Acte der Allmacht Gottes nichts Näheres und Umständlicheres wissen, wenn uns Gott nicht selbst darüber Aufschluß ertbeilt hätte. Hat er dies gethan? Ja. Moses, der berühmte Führer der Hebräer aus der ägyptischen Sklaverei hat uns in dem ersten seiner fünf Bücher, in der Genesis, eine Beschreibung der Art und Weift hinterlassen, in welcher die Schöpfung, insbesondere die Gestal¬ tung des Erdplaneten, allmälig erfolgt war. Wir verehren in Moses den vom heiligen Geiste geleiteten, d. i. inspirirten Schrift¬ steller, welcher uns also vollkommen Wahres berichtet. Er ver¬ dient, wie schon dargetban wurde — (siehe den Artikel: die heil. Schrift) — die vollste Glaubwürdigkeit; nicht nur in dem, was er uns als Augenzeuge, sondern auch in dem, was er uns über eine viel ältere Zeit, ja sogar über den Beginn des Men¬ schengeschlechtes — eben in seinem ersten Buche — meldet. Seine Geburt fällt in das Jahr 1571 vor Christus (Ko88uet ümeours psK. 16); unbestreitbar ist er der älteste Geschichtsschreiber aller Volker, deren Werke auf uns gekommen sind. Die Einwürfe, welche gegen die historische Wahrheit der mosaischen Schöpfungsgeschichte erhoben werden, sind meist aus der Naturwissenschaft, zumal aus ihrem erst ganz junge» 99 Zweige, der Geologie, die man die Alterthumskunde der Natur nennen kann, hergeholt. Seit Buffon (f 1788) in seinen „Epochen der Natur", er¬ schienen im Jahre 1774, die schon früher von ihm bekannt ge¬ machte Theorie der Erde wiederholte und weiter ausführte, wurde in Frankreich und anderwärts manche mit der mosaischen Erzäh¬ lung nicht übereinstimmende Ansicht über die Entstehung der Welt vorgebracht. Aber auch für den biblischen Bericht haben sich mehrere berühmte Naturforscher ausgesprochen, — ihre Namen kommen mitunter später vor. — In den nachfolgenden Erörterun¬ gen wird zu erweisen gesucht, wie die Naturwissenschaft und die unparteiische Geschichte der Bibel Zeugniß geben. Je mehr Jene, insbesondere die Erdkunde, fortschreitet, desto klarer stellt es sich heraus, daß die Schöpfung auf unserer Erde in der von Moses angegebenen Ordnung — in keiner andern — vor sich gegangen seyn mußte; indeß die unbefangene Geschichtsforschung, in Ver¬ bindung mit den Entdeckungen vorurtheilsloser Reisenden, als z. B. Champollion des Jüngeren (f 1832) in Aegypten, zum gleichen Resultate, daß die Bibel nur Wahres berichte, gelangt. Freilich, wer sich darin gefällt, Geschichte zu machen; Hypothesen, ob sie auch geistreich scheinen, aufzustellen, und seinem Lieblings¬ systeme die Wahrheit, wenn sie zu demselben nicht stimmen will, aufzuopfern, wird immer Etwas einzuwenden finden. — Die katholische Kirche stellt als Glaubensartikel nur einfach den Satz auf, daß Gott der Schöpfer des Weltalls sey; in die physikalische Erklärung, wie dies geschehen, läßt sie sich nicht em, weßhalb der wissenschaftlichen Begründung der mosai¬ schen Erzählung ein genug weites Feld offen steht. — Aus dieser geht deutlich hervor, daß die Schöpfung, insbesondere die Ein¬ richtung des Erdplaneten nicht auf einmal geschah. Vermochte dies etwa der Allmächtige nicht zu thun? Das wird kein Ver¬ nünftiger behaupten. Es sollte uns daraus einleuchten, daß die Welt ihr Daseyn nicht einem blinden Ungefähr, einer fatalistischen Noth wen¬ dig leit, sondern dem höchst weisen Rathschlusse Gottes zu ver¬ danken habe. (Lnssuet üisoonrs II. part. p»K. 167.) — Nachdem Gott vorerst das früher Nichtvorhandene durch sein Wort hcrvorgerufen, d. i. die Materie aus Nichts erschaffen batte, (dies war die sogenannte erste Schöpfung) überließ er die weitere allmälige Formbildung dieser Materie auch, aber wcht, allein, der Wirksamkeit der von Ihm durch den Schöpfungsact hervorgebrachten Naturkräfte; die "sso nicht anders als nur nach seinem allmächtigen Willen thätig waren. Und eben diese Formbildung, (die sogenannte zweite Schöpfung) zunächst in Hinsicht unseres Erdplaneten, geschah während den sechs, von Moses beschriebenen Schöpfnngstagen; Welche wir nun, mit Zugrundelegung der deutschen Bibelübersetzung von Dr. I. F. Allioli in Kürze überblicken. 7 * 100 Unter diesen Schöpfungstagen sind nicht unsere gegenwärtig in der Dauer von 24 Stunden berechneten Tage, sondern län¬ gere Epochen, von nicht bestimmbarer Dauer, zu verstehen; welcher Begriff in der That in dem hebräischen, von Moses ge¬ brauchten Worte: stom mitliegt. Daß das Erstere nicht der Fall seyn könne, ergibt sich unter Anderem daraus, daß die jetzige Dauer des Tages von der Drehung der Erde um ihre Are ge¬ genüber der Sonne abhänge, welche erst am vierten Tage die ihr zugewiesene Bestimmung zu erfüllen begann. (Vergl. Marcell de Serres Kosmogonie S. 15—28, und I. B. Pianciani, Pro¬ fessor der Physik und Chemie am römischen Collegium: „Erläute¬ rungen zur mosaischen Schöpfungsgeschichte". S. 18—60). *) Das erste Lapitef der ßeaests. B. 1. „Im Anfänge (so beginnt die heilige Urkunde — d. i. in einer, nicht näher angegebenen, aber dem ersten Schöpfungs¬ tage noch vorangehenden Periode) schuf (d. i. brachte aus Nichts hervor; dies bedeutet im eigentlichsten Sinne das hebräi¬ sche Wort „bsra") Gott (im Hebräischen steht die vielfache Zahl des Hauptwortes „klobim^ — weil es die einfache Zahl des Zeitwortes nach sich hat, bedeutet es offenbar nur Einen Gott, nicht mehrere Götter) Himmel und Erde", (d. i. die Materie, welcher Art sie schon seyn mochte, ob ursprünglich in Gas- oder anderer Form eristirend, welche die Substanz der Himmelskörper und des Erdplaneten bildete); — die Welt, das Universum über Haupt. Einige nehmen, allegorisirend, den Himmel als die gei¬ stige Welt, wornach unter der Erde die materielle gemeint sey. — Also die Materie ist nicht ewig. Die Welt hat einen Anfang gehabt, und zwar hat sie ihn durch Gottes all¬ mächtigen Willen erhalten. Das Universum ist nicht unendlich, der Zeit nach, aber eben so wenig auch dem Raume nach, d. h seine Ausdehnung ist nicht unbegrenzt. Der göttlichen Offen¬ barung zufolge ist es unwahr, daß die „grenzenlose Aus¬ dehnung ein unendliches Ganzes bilde". (Oersted: der Geist in der Natur, S. 37—73). Eben Jenen, welche die Son¬ nensysteme und den mit Weltkugeln erfüllten Raum bis ins Un¬ endliche erweitern, gilt des berühmten Alexander v. Humboldt *) Schon ftüher hatte der berühmte englische Geologe Buckland diese Er¬ klärung als zulässig befunden; auch der vor Kurzem gestorbene Professor der Geologie zu Löwen, Waterkhn, hat die nämliche Ansicht vertreten. Die neuesten geologischen Resultate nöthigen geradezu zur Annahme längerer Perioden, welche unbeschadet der Offenbarung und Les Glau¬ bens zugegeben werden können. In den Kosmogonien der alten Völker kommen Andeutungen vor an die sechs Schöpfungstage; auch im Zendavesta. Eine Sage der Etrusker berichtet, die Schöpfung habe sechs Jahr¬ tausende gedauert. (Siehe H. Luken: Die Traditionen des Menschen¬ geschlechtes. S. 45—49.) 101 Bemerkung (Kosmos Bd. III. S. 40): „Die alle unsere Fas¬ sungskraft überschreitenden Resultate der Messung werden gerne von denen zusammcngcstellt, welche eine kindische Freude an großen Zahlen haben; ja wohl gar wähnen, durch Staunen und Schrecken erregende Bilder physischer Größe den Eindruck der Erhabenheit astronomischer Studien vorzugsweise zu erhö¬ hen". — Man sollte denken, daß diese, unserer Vernunft sich so zu sagen von selbst aufdringende Wahrheit, daß die Welt einen Anfang gehabt, nie von irgend Wem in Abrede gestellt worden sey. Hat wohl ohne Grund die heil. Schrift schon in ihrem er¬ sten Verse dieselbe so ausdrücklich hervorgehoben? „Aus Nichts wird Nichts", lautet ein gemeiner Spruch, der wohl in Bezug auf Menschen Geltung hat, aber nicht auch auf Gott Anwen¬ dung findet. Oder sollte Gott einer von ihm unabhängig, schon von Ewigkeit an eristirenden Materie nur die Form gegeben haben? Da hätte er ja nichts mehr geleistet, als ein gewöhnlicher menschlicher Handwerker oder Künstler! Und wenn die Materie ewig, durch sich selbst bestehend ist, hatte sie wohl einer fremden, sie blos modelnden Hand nöthig? (stossuet, Asemu-s II. part puK. 157.) Es leuchtet ein, daß neben einer ewigen Materie ein seines Namens würdiger Gott (selbst Ovid sagt gleichsam mit Geringschätzung: „tznisguis knit ille veorum. Uet. I. 1, V. 32 ") — der christliche in keinem Falle — nicht eristiren könne, weßhalb die pantheistischen Verfechter derselben keinen persönlichen, außer- und überweltlichen Gott anerkennen; dessen Stelle ihnen die beseelte Materie ersetzt! *) *) „Die Materie, schreibt C. Vogt, (Physiol. Briefe S. 635) ist das einzig Unvergängliche, das wir kennen. Aus ihr entstanden, rein nur durch chemische und physikalische Kräfte, Pflanzen, Thiere und Menschen." — (wousguv tsncksm! Im schon angezogenen grob materialistischen Werke: „Stoff und Kraft" wird ganz trocken ausgesprochen: „Außer der ewigen Materie gebe es lediglich nichts. — Eines Gottes, als Schöpfers, Erhalters und Regierers dieser materillen Well brauche es gar nicht. Ja seine Vor¬ aussetzung sey eben so unlogisch als unnatürlich. — Die Materie be¬ dürfe keines äußeren Regenten, sie regiere sich selbst"! Welch eine heillose Lehre! Wohin muß sie führen? Woher wissen denn die genannten Herren srmmt Anhang, daß die Materie ewig sey? Ihrer Behauptung zufolge reicht ja die Erkenntniß nur so weit, als die Erfahrung sich erstreckt. Sie müssen also wohl von Ewigkeit her seyn, um Obiges aus Erfahrung zu wissen! Oder sollen wir ihnen aufs Wort glauben? Der „Sensualist" Heinrich Czolbe ist schon weiter fortgeschritten. Er weiß sogar, daß auch die Erde in ihrer dermaligen Gestalt und Beschaffenheit ewig sey; wodurch er den Vortheil für sich hat, daß er nicht erst die Entstehung der Organismen, Pflanzen, Thiere, und ins¬ besondere des Menschen — der auch von Ewigkeit schon da ist — mit¬ tels physikalischer und chemischer Kräfte zu erklären braucht. Man sieht, wie die Apostel der „neuen Weltanschauung" in ihrem Trunddogma nichts weniger als einig seyen! 102 Auch eine andere große Wahrheit ist schon im ersten, noch mehr aber im zweiten Verse angedeutet; nämlich: daß Materie und Geist nicht Eines seyen ihrem Wesen nach. Es kann nicht angegeben werden, wie lange es von der im Anfänge der Zeit geschehenen Erschaffung der Materie — früher gab es keine Zeit, wenigstens machte sie sich durch nichts Sinn¬ liches wahrnehmbar — bis znm ersten Schöpfungstage gewährt habe. Ob wohl Millionen Jabrc? (Serres Kosmog. S. 30.) Wer kann dies verbürgen? Diese Periode machte, nachdem es dem Allmächtigen so gefiel, der Zurichtung unseres Erdplane¬ ten Platz. — „Die Erde — fährt V. 2. die mosaische Urkunde fort — war wüste und leer, (d. i. sie war noch eine ungestaltete Materie, und alles Lebens bar, nackt, ein Ehaos, von dem zwar auch Hesiod und Ovid siVlet. I. V. 5—20) singen; aber als von Etwas Ungeschaffenem) Finstcrniß war über dem Abgrund, und der Geist Gottes (der aus den Grundstoffen Alles bildete, und sie ordnete) schwebte über den Wassern." (Diese hatten noch nicht die tropfbare Gestalt). Einige verstehen unter dem Worte „rnael,^ Wind; und zwar nach der hebräischen Weise den Su¬ perlativ eines Begriffes durch das beigesetzte „Gottes" auszu¬ drücken, einen sehr heftigen Win d ; Pianciani hingegen (a. a. O. S. 102) einen ganz feinen Aether, welcher alles Körper¬ liche umhüllte, über der unendlichen Masse von Atomen sich be¬ wegte und sie durchdrang; der über den Elementen der Körper erwärmend und befruchtend ruhte. V. 3. „Und Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht." V. 4. „Und Gott sah das Liebt, daß es gut (seinem Zwecke entsprechend) war, und schied das Licht von der Finsterniß." V. 5. „Und nannte das Licht Tag und die Finsterniß Nacht; und es ward Abend und Morgen, ein (der erste) Tag." Man hat einen Beweis der physischen Unkenntniß Mvsis, dessen Bericht mithin nicht Wahrheit seyn könne, darin finden wollen, daß er das Licht vor der Sonne wirksam seyn läßt — also eine Wirkung vor ihrer Ursache aufstellt. Aber welcher Gebildete weiß heut zu Tage nicht, daß sehr bedeutende Physiker der wohlbegründeten Ansicht seyen, das Licht sei keine Ausstrah¬ lung (Emanation) des leuchtenden Körpers, — also auch der Sonne nicht — sondern die Empfindung des Sehens werde in uns dadurch hervorgebracht, daß sich die Bewegung (Vibration) des leuchtenden Körpers durch ein materielles Mittel — durch den den Weltenraum erfüllenden Aether — bis zu unseren Seh¬ organen fortpflanzt; wie die schallenden Körper in ähnlicher Weise auf unser Gehörwerkzeug einwirken. Nach dieser Theorie, welche die optischen Phänomene am vollständigsten erklärt, ist das Licht nichts Anderes, als eine Erschütterung, oder eine Art Vi¬ bration der ätbe risch en Materie. (Vergl. Dr. Andr. Baum- gartner's Naturlehre, 2. Theil.) Es ist an und für sich von der Sonne unabhängig; und kann also ohne Widerspruch 103 vor dieser dagewesen gedacht werden. Die Sonne ist nur, in Bezug auf unsere Erde, und wohl auch hinsichtlich der übrigen, zu unserem Sonnensysteme gehörenden Planeten, die thätigste und mächtigste Ursache, eine solche Vibration, und durch dieselbe das Leuchten hervorzubringen. Wenn der Lichtstoff — diese feine ätherische Materie - an sich von der Sonne un¬ abhängig ist, so konnten gar wohl schon vor der Thätigkeit der¬ selben Vegetabilien auf der Erde vorhanden gewesen seyn, — wo¬ von der dritte Schöpfungstag meldet. Pianciani meint, es könne vielleicht schon damals einiges schwache Licht auch von der bereits dagcwesenen, nicht erst am vierten Tage erschaffenen Sonne auf die Erde gekommen seyn; aber sichtbar war die Sonne vor dem vierten Tage noch nicht, wegen der zu dichten Dünste. So dachten sich die Sache auch die Kirchenväter: Origenes, Basilius, Cäsarius. Der Erdkörper hat noch jetzt, behaupten manche Physiker, seine eigene, an der Oberfläche freilich nicht mehr merkbare, aber gegen die Tiefe immer zunehmende Wärme, welche in der Urzeit äußerst beträchtlich seyn mußte, und das Wachsthum der Pflanzen möglich machte. Hat damals — vor dem vierten Tage — diese große Hitze zum größten Theile das Leuchten be¬ wirkt, oder wurde die Lichtmaterie noch durch eine andere Kraft m Oscillation gebracht? Pianciani erklärt sich (S. 113 u. ff.) dieses Urlicht meist aus der chemischen Verbindung der Elemen- tar-Atome. Die erste Epoche — der erste Welt-Tag — war zu Ende. Er hatte mit der Finsterniß begonnen, was wohl der Grund seyn mag, daß die Hebräer ihren bürgerlichen Tag, nicht wie wir mit der Mitternacht, sondern mit dem Abende zu zählen anflngen, und ihn bis zum nächsten Abende berechneten; worauf Moses in stiner Ausdrucksweise (V. 5) reflectirt. — Nach Pianciani wäre A 5. auch so zu deuten: „Es war Dunkelheit, welche weder Tag, noch ein Theil des Tages war, sondern dem Tage vorher- ging; und es war Morgen, d. i. es fing an zu leuchten; und dann wurde der erste Tag." (S. 122.) . V. 6. „Und Gott sprach: — heißt es weiter — Es werde ssue Veste in der Mitte der Wasser, und sondere Wasser von Wassern." V. 7. „Und Gott machte die Veste, und sonderte die Wasser, welche unter der Veste waren von denen, so ober der Veste wa- ^u- Und also geschah es." V. 8. „Und Gott nannte die Veste Himmel, und es ward Übend (als das Urlicht schwächer wurde) und Morgen (als es Mieder zunahm), der zweite Tag." Was ging dem heiligen 'Schriftsteller zufolge am zweiten E?chöpfnngstage vor sich? — Nachdem die erste Verdichtung der bisher in Gasform bestandenen Erde erfolgt war — durch theil- weises Ausströmen der in ihr gebundenen Hitze — trennte die 104 Atmosphäre, (diese stellen wir uns hier unter dem hebräischen Worte „rakia" vor), das noch in gasförmigem Zustande ober¬ halb befindliche Wasser von Jenem, was auf der Erde bereits eine flüssige oder concrete Gestalt angenommen hatte. Daß im V. 8. der materielle Himmel, wie er sich unfern Augen in seiner Bläue darstcllt, zu verstehen sey, ergibt sich von selbst. Nennen sa auch wir das Firmament, unter dem sich Niemand mehr etwas Hartes und Festes nach Art der Krystall-Himmel des ägyptischen Astronomen Ptolemäus (geb. um 70 n. Ehr.) denken wird, Himmel. Der mit Wasser ringsum eingehüllte Erdkörper war, so lange dasselbe ibn ganz bedeckte natürlich keine geeignete Wohnstätte für organische Wesen; es mußte vor Allem das eintreten, was Moses als das Werk Gottes am dritten Schöpfungstage bezeich¬ net, wenn er also fortfährt: V. 9. „Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser, so unter dem Himmel ist, an einen Ort, und es erscheine das Trockene. Und also geschah es." V. 10. „Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlungen der Wasser nannte er Meere. Und Gott sah, daß es gut war." Daß durch die Bildung des Oceans das Erscheinen der Con- tinente bewirkt wurde, ist eben so sehr in der Natur der Sache begründet, als durch geologische Untersuchungen bestätiget. Die Continente erschienen als Inseln, cmporgehoben (durch unterir¬ disches Feuer?) über das Niveau der unermeßlichen Gewässer, indem diese den Erdsenkungen vermöge des Gesetzes der Schwere folgten, und so allmälig Land — freilich zuerst die höchsten Ge¬ birgskämme — frei wurde. V. 11. „Und er (Gott) sprach: Es lasse die Erde Gras sprossen, das grünet und Samen macht, und Fruchtbäume, die da Früchte tragen nach ihrer Art, in denen selbst ihr Same sey auf Erden (damit sie sich fortpflanzcn konnten). Und also geschah es." V. 12. „Und die Erde ließ sprossen Gras, das grünet, und Samen macht nach seiner Art, und Fruchtbäume, die Alle ihren Samen haben nach ihrer Art. Und Gott sah, daß es gut war." V. 13. »Und es ward Abend und Morgen, der dritte Tag." Das Leben auf der Erde hatte demnach mit den Vegetabilien, und zwar zuerst wohl mit den krautartigen Pflanzen begonnen. Nach der mosaischen Erzählung erfolgte die Erscheinung der orga¬ nischen Wesen auf der Erde stufenweise, und zwar so, daß immer die einfacheren den complicirteren vorangingen. Deßbalb erschienen früher die Pflanzen, als die Thiere; auch in Betreff der einzelne» Gattungen beider Naturreiche waltete das Gesetz der stufenweise» Aufeinanderfolge ob. Diese Thatsachc, welche unserer Vernunft schon von selbst so naturgemäß vorkommt, wird durch Ausgrabungen bewahrheitet. Denn die frühesten Vegetabilien, welche man in den Eingeweide« der Erde entdeckt — > Eine Centralhitze des Erdkörpers wird freilich von den sogenannten Neptunisten, gegenüber den Plutonisten, in Abrede gestellt, ) Die verschiedenen Naturorganismen wurden nicht in allmäliger Entwick¬ lung von der Natur hervorgebracht, um in ihnen zu immer größerer Bollkommenbeit, oder gar zunÜSelbstbewusitsevn zu kommen, indem etwa die unvollkommenen fortstrebten zu vollkommeneren, und allmälig in sie auch übergingen. (Siebe Dr. I. Frobschammer: ,,Menschenseele und Physiologie" S. 106.) 105 in Steinkohlen und Eisenerz verwandelt — haben unläugbar die wenigst complicirte Organisation. Es ist schon hier am Platze, auf zwei Punkte aufmerksam zu machen: 1) In jener Urzeit war die Temperatur auf der ganzen Erde eine mehr gleichförmige als jetzt; und zwar auch noch un¬ mittelbar, nachdem die Sonne schon zum Vorschein gekommen; weil die große Erdhitze eine gleichmäßig vertheiltc war, *) und dieselbe auch die Sonncnwärme Anfangs noch überwältigte. Da¬ her kommt es, daß sich z. B. in den Polargegcnden Fossilien von eben solchen Pflanzen- und Thiergattungcn ans der Zeit vor der Sündfluth vorfinden, als in der dermaligen tropischen Zone. 2) Die »kältesten Pflanzen-, und so auch Thiergattungen gin¬ gen unter, und machten wieder anderen Platz; in dem Verhält¬ nisse, als die Bedingungen ihrer Existenz in den einzelnen Schöpfungs- epochcn sich veränderten; insbesondere die Erdwärmc durch Aus- strahlcn sich minderte. Diese Verschiedenheiten der organischen Wesen in den einzelnen Epochen waren aber nicht bloße U m¬ bildungen einer Gattung in die andere; sondern Acte einer direkten, und mehrmals wiederholten Schöpfung. Das heißt: Glicht von Gott unabhängige Naturkräfte, nach pantheisti¬ scher Anschauung, waren da tbätig; sondern Gott schuf und ord¬ nete durch sie die Welt. (Siehe Serres Kosmog. S. 103.) **) Ganz richtig sagt Bossuet: (fliseours sur (hiswire universelle, fl. pari. pax. 158,)' „Jene Völker und Philosophen waren gar sehr im Jrrthume, welche da meinten, daß die Erde mit Wasser vermengt, und allenfalls durch die Sonnenwärmc unterstützt, aus sieh selbst, durch ihre eigene Fruchtbarkeit die Pflanzen und die unere hervorgebracht habe. Die heil. Schrift lehrt uns, daß die Zemente unfruchtbar scyen, wenn ihnen nicht das Wort Gottes ssein allmächtiger Wille) die Fruchtbarkeit verleiht. Weder die Erde, »och das Wasser, noch die Luft hätten jemals jene Pflan¬ zen und Thiere hervorgebracht, welche wir sehen (auch die längst untergegangenen nicht); wenn nicht Gott, der die Materie erschuf und vorbereitete, dieselben durch seinen allmächtigen Willen ge- büdet und jedem Wesen den eigenen Samen crtheilt hätte, um uch in allen Jahrhunderten zu vervielfältigen". Diodor berichtet, daß die alten Acgypter sich vorgcstellt hat- ^u, aus dem von der Sonne erwärmten Schlamme seyen alle ^vtcn von Geschöpfen hervorgegangcn. Möckre doch nicht eine 106 von der göttlichen Offenbarung abgewandte Naturanschauung alles Lebende — sogar den Menschen — wieder zu einer solchen Schlamm- Brut erniedrige»! (Siebe Stolberg's Gesch. d. N. I. Bd. 1. S. 359.) Wohl konnten schon die riesigen Pflanzen, aber noch nicht Thiere auf der Erde bestehen, weil die Atmosphäre ihnen zum Einatbmen noch nicht taugte, und weil auch der Wechsel von Licht und Finsterniß noch nicht regelmäßig war. Dem ersten Hinder¬ nisse halfen die Pflanzen ab dadurch, daß sie den Ueberfluß an Koblensäure verzehrten (siehe Serres Kosmogonie S. 171—174)! dem anderen aber der vierte Schöpfungstag, von welchem es heißt: V. 14. „Und Gott sprach: Es sollen Lichter werden an der Veste des Himmels, zu scheiden Tag und Nacht, und sie scyen zn Zeichen, und zu Zeiten, und zu Tagen, und zu Jahren", (d. i. sie sollen die Dauer dieser Zeitabschnitte bestimmen). V. 15. „Damit sie scheinen an der Veste des Himmels, und erleuchten die Erde. Und also geschah cs." V. 16. „Und Gott machte die zwei großen Lichter; ein größe¬ res Licht, zu beherrschen den Tag; ein kleineres Licht, zu beherr¬ schen die Nacht; dazu auch die Sterne." V. 17. „Und er setzte sie an die Veste des Himmels, daß sie über die Erde herleuchten." V. 18. „Und beherrschen den Tag und die Nacht, und schei¬ den das Licht von der Finsterniß. Und Gott sab, daß es gut war." V. 19. „Und es ward Abend und Morgen, der vierte Tag." Also jetzt erst, — nach wie viel tausend dermaligen Jahre», Wer weiß es? — kommt die Sonne zum Vorschein! Es wurde schon oben dargethan, daß dieses späte Erscheinen derselben keine physische Unmöglichkeit scy. Unser Erdplanet hatte vor der vier¬ ten Epoche andere Quellen des Lichtes und der Wärme, als jene der Himmelskörper. Ja noch gegenwärtig weist manche Erschei¬ nung auf das Vorhandcnseyn eines nicht durch die Sonne be¬ dingten Lichtes — auch der Wärme — hin. Darf man sich zum Beweise dessen nicht auf die Funken, welche im Kiessteine schlum¬ mern; auf die phosphorischen Phänomene in allen Naturkörperni auf die Lichtproduction der Electricität u. dgl. berufen? Nichts zwingt uns zu der Annahme, daß die Sonne und die anderen Himmelskörper erst jetzt erschaffen worden seyeni vielmehr liegt im ersten Verse die Andeutung, daß dies schon im Anfänge der Zeit geschehen war. Doch auf unseren Erdplaneten hatte die Sonne bisher noch keine sonderliche Wirkung, — diese war auch nicht nöthig gewesen.—Das Wort „asab", welches Moses V. 16 gebraucht, bedeutet nicht so eigentlich aus Nichts Etwas erschaffen — wie „bara" im V. 1, — als vielmehr das scho" früher Erschaffene zu einem besonderen Zwecke Herrichten. 107 Was geschah also am vierten Schöpfungstage? Welche Be¬ stimmung erhielten damals die Sonne und thcilweise auch die übrigen Himmelskörper? — Die bisher etwa nach Art eines Ko¬ meten im Weltenraume dabinrollende Erde, wurde in Bezug auf die Sonne und die übrigen Himmelskörper so gestellt, daß sie das Licht mittelst derselben auf eine constante und gleichförmige Weise aufnehmen konnte. Die Sonne regelte fortan durch ihre Erregung der Lichtschwingungen die Ordnung der Jahre, der Jah¬ reszeiten und Tage auf unserem Erdplanctcn unabänderlich. Aehn- liches gilt vom Monde hinsichtlich des durch ibn reflcctirten Lich¬ tes, und der durch seine Bewegung um die Erde bewirkten Ab¬ wechslung seiner Phasen. Diese Erklärung läßt sich aus V. 16, 17, 18 ganz unge¬ zwungen rechtfertigen. — Seit damals steht die Sonne dem Tage, der Mond der Nacht vor; und das Licht ist von der Finsterniß regelmäßig geschieden, was früher noch nicht der Fall gewe¬ sen. — Von da an kann also auch erst von unseren Tagen in der Länge von 24 Stunden die Rede seyn; mit welchen sedoch die noch kommenden Schöpfungs-Tage nicht Eins waren. (Bergt. Serres Kosm. S. 80 u. ff.) Wenn Moses V. 16 anch den Mond ein großes Licht nennt, so darf das nicht auffallen. Denn offenbar spricht er nicht von der absoluten Größe der Himmelskörper und von ihrer Wichtigkeit im ganzen Universum; sondern wie sie sich von der Erde aus besehen darstellen, und was sie für diese sind. Ter Sterne thut er überdies vielleicht auch deßhalb nur so vbenkin Erwähnung, um seine Hebräer auf die Nichtigkeit des Mrnenkultns der sie umgebenden heidnischen Nationen aufmerk- >ani zu machen. Die Zeit der lebenden Wesen war gekommen. V. 20. „Und Gott sprach: Es bringe bervor das Wasser kriechendes Thier mit lebendiger Seele, und Geflügel (das hebräi- Iche Wort „opli" bedeutet Alles, was fliegen kann; nicht bloß eigentlichen Vögel) über der Erde unter der Veste des Himmels." V. 21. „Und Gott schuf die großen Wasserungeheuer (nicht aus dem Geschlechte der Cetaceen, z. B. die Wallfische, welche als Säugethiere später erschienen), und jedes Wesen, das und webt , das die Wasser hervorbrachtcn nach seiner Art; ^fch alles Geflügel nach seiner Art. Und Gott sah, daß es M war." V. 22. „Und er segnete sie und sprach: Wachset und metz¬ el und erfüllet die Wasser des Meeres, und die Vögel sollen mehren auf Erden." V- 23. „Und es ward Abend und Morgen, der fünfte Tag." An diesem fünften Schöpfungstage ries Gott die Wasser- ^Ptilken, so wie überhaupt die Thiere, welche in den Gewässern ^n, und die fliegenden Wesen ins Daseyn. Es ist nicht zu 108 bezweifeln, daß auch von den Thicren, wie dies bei den Pflan¬ zen der Fall war, immer die einfacher gebauten zuvor auf den Schauplatz der Welt traten. Den Anfang werden die wirbel¬ losen Thiere, als: die Zoopbytcn, Mollusken u. s. w. gemacht haben; ihnen die Fische und Wasser-Reptilien, und endlich die leichten Bewohner der Lüfte gefolgt scyn. — Die riesigen Waffer- thiere dieser Epoche, wovon noch hie und da Ueberreste gefunden werden, cristiren nicht mehr; z. B. die Jchthyosauren, Älegalv- sauren u. A. Nun war auch das Festland schon geeignet zum Wohii- platze für lebende Wesen, weßhalb Gott am sechsten Tage die Landthiere erschuf, bei denen, wie sie im Allgemeinen cm complicirtere Organisation haben, als die Wasscrthiere, ebenfalls eine Stufenfolge in der Erscheinung Statt fand. V. 24. „Und Gott sprach: — fährt die heilige Schrift fort — Es bringe die Erde hervor (wie gesagt, nicht aus sift> selbst) lebende Wesen nach ihrer Art; zahmes Vieh und Gewürm (nämlich die Land-Reptilien) und die (wilden) Thiere der Erdr nach ihrer Art. Und also geschah es." V. 25. „Und Gott machte (also Er war der Schöpfer) die Thiere der Erde nach ibrcr Art, und das zahme Vieh, und alles Gewürm der Erde nach seiner Art. Und Gott sah, daß cs gut war." Ja Alles war gut, was Gott bisher geschaffen hatte! De"« Alles war am rechten Platze und im schönsten Zusammenhangs unter einander. Jede Schöpfungsepoche war die Vorbereitung zur nächst folgenden, und Gottes allmächtiges Wort war der erst' und letzte Grund alles Seyenden. Doch ein Schlußstein selili noch zum harmonischen Bau der Schöpfung; nämlich ein West« auf der Erde, welches seinen und der ganzen Natur Schöpfer er¬ kennen, lieben, anbeten, verherrlichen solle. Auch ein solches We¬ sen ward noch am sechsten Tage hervorgebracht; als laut dcr heiligen Urkunde V. 26. „Gott sprach: Lasset uns den Menschen machen nafti unserem Bild und Glcichniß, der da herrsche über die Fische des Meeres , und das Geflügel des Himmels, und die Thiere, und über die ganze Erde, und alles Gewürm, das sich reget aul Erden." V. 27. „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde) nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, Mann und Weib schul er sie." V. 28. „Und Gott segnete sie und sprach: Wachset und mehret euch, und erfüllet die Erde, und machet sie euch untcrthaN/ und herrschet über die Fische des Meeres, und über die Geflüg^ des Himmels, und über alle Thiere, die sich regen auf dcr Erde.' V. 29. „Und Gott sprach: Siehe, ich hab' euch gegcbe» alles Kraut, das sich besamet auf Erden, und alle Bäume, dft 109 in sich selbst Samen haben nach ihrer Art, daß sie euch zur Speise seyen." V. 30. „Und allen Thieren der Erde, und allem Geflügel des Himmels, und Allem, das sich reget auf Erden, und in wel¬ chem eine lebende Seele ist, damit sie haben zu essen. Und also geschah cs." V. 31. „Und Gott sah Alles, was er gemacht hatte, und es war sehr gut. Und es ward Abend und Morgen, der sechste Tag." Als Ergänzung schildert Moses im zweiten Eapitel der Ge¬ nesis, V. 7, die Art und Weise, in welcher die Erschaffung des Menschen vor sich ging. Es heißt daselbst: „Gott der Herr bildete den Menschen (d. i. den Körper desselben) aus Erdenstaub, und hauchte in sein Angesicht den Odem des Lebens, und also ward der Mensch zum lebenden Wesen." So kam der Mensch ins Dasepn, — die Vollendung und Krone der Schöpfung auf der Erde! Gott selbst hatte au ihm, als an seinem Meisterwerke, sein Wohlgefallen, denn während er die Hervorbringungen der vorigen Tage gut fand, heißt es vom Schluffe des sechsten Tages, daß Alles sehr gut war. Es stimmt ganz zur vorbergcgangenen Schöpfung, daß der Mensch, welcher durch seine Organisation über alle anderen irdi¬ schen Wesen emporragt, und die Vollmacht erbiclt, alles zu seinem Gebrauche zu benützen, zuletzt den Schauplatz der Erde betritt; es mußte ja Alles zu seinem Empfange schon vorbereitet seyn! — (Verql. Ovid Metam. 1, 76 sgg.) . In den Kosmogonie» der alten Völker finden sich auch hier¬ über ähnliche Vorstellungen, wie in der Bibel, freilich mehr oder weniger verunstaltet. Man kann sic nur ans der Urüberlieferung ableiten, welche in der Genesis unversehrt nicdergelegt ist. Sie wissen von der Schöpfung des Menschen aus Erde; von der Erschaffung des Weibes aus des Mannes Rippe. ^ie Griechen hatten das Sprichwort: uXEsi- rr i. Weiber sind Rippen; und die alten Germanen nannten das Eib: „Landriffü" d. i. Erdrippe. (Siebe H. Luken: die Einheit °es Menschengeschlechtes; und: die Traditionen u. s. w. S. 52— v2, und S. 479.) Der Genesis zufolge ist das Menschengeschlecht im Vergleich Ü>m Alter des Erdplaneten noch neu und jung, (siehe den näch- Artikel) was durch geologische Thatsachen bestätigt wird. -i-enn Spuren von menschlichen Ueberresten begegnet man überall "ur in dxn obersten Erdschichten, in den Lagen der neuesten geo- Mschen Periode. Es mögen viele Generationen von Thieren "osf die Erde dahingegangen seyn, ehe der Mensch aus derselben schien. Wie spät aber gerade nach der Erschaffung der Mate- w, insbesondere wie spät in der sechsten Weltepoche Derselbe ins ^"seyn kam, läßt sich auch nur annäherungsweise nicht fcststellen. bliche Serres Kosmog. S. 117 u. ff. — S. 171 u. ff.) 110 Die Art und Weise der Erschaffung des Menschen, zu welch erhebenden Betrachtungen gibt sie Veranlassung! Die Grundwahrheiten des Christenthumes in Betreff Gottes und unser selbst sind darin wie im Keime enthalten. „Alles, schreibt Boffuet (clisconrs sur I In'stm're univers. II. part. 159 u. ff.), was nus die heil. Schrift über die Erschaffung des Universums berichtet, ist nichts im Vergleiche zu dem, was sic über fene des Menschen sagt. Früher hatte Gott Alles befehlend vollbracht. So, in- dem er sprach: Es werde Licht! u. s. w. Als es sich aber um die Hervorbringung des Menschen handelt, da läßt ihn MoseS eine ganz andere Sprache führen. „Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichniß!" — Gott hält Rath mit sich selbst. Er fordert sich selbst auf, gleichsam um uns anzu- deuten, daß das Werk, welches er jetzt zu vollbringen im Begriffe ist, alle bisher vollbrachten weit übertreffe. „Lasset uns den Men¬ schen machen!" Gott spricht zu sich selbst; er spricht zu Jeman¬ den, der da erschafft wie Er; zu Jemanden, deffen Geschöpf und Bildniß der Mensch ist; er spricht zu einem anderen „Ich"; zn Jenem, durch den alle Dinge gemacht sind (Evang. Joh. Cap. l, V. 3); der in seinem Evangelium (Joh. Cap. 5, V. 19.) sagü „Alles, was der Vater thut, das thut auf gleiche Weise auch der Sohn". Indem nun Gott der Vater zu seinem Sohne spricht, redet er zur selben Zeit auch zu dem heiligen Geiste, welcher mit ihnen Beiden gleich und ewig ist. — So beginnt die allerheiligffe Dreieinigkeit sich zu offenbaren bei der Erschaffung des Menschen, dieses vernünftigen Wesens, dessen geistige Tbätigkeiten ein, wenn auch unvollkommenes Bild der ewigen Wirksamkeit Gottes sind. Nirgends sonst in der Geschichte der Genesis sehen wir Got¬ tes Hand mit einer vergänglichen Materie beschäftiget. Aber um den Leib des Menschen zu bilden, nimmt er vom Erdcnstaube, welcher unter einer solchen Hand die schönste Gestalt erhält, dik noch bisher zum Vorschein gekommen. Doch noch viel wundervoller ist die Art, wie Gott die Seele (den vernünftigen Geist) erschafft. Er bildet sie nicht aus der Materie; er theilt sie dem Menschen von Oben mit; sic ist der Lebensodem, der von Ihm selbst kommt. Diese Seele, dere» Leben eine Nachahmung des Lebens Gottes, die mit ihm verei¬ niget seyn soll, indem sie ihn betrachtet und liebt, und welche eben deßhalb nach seinem Bilde erschaffen ist, konnte nicht aus der Materie hergenommen worden seyn. Gott konnte aus der Materie wohl einen schönen Körper bilden, nimmermehr aber würde es darin sein Bild und Gleichniß gefunden haben! Die Seele nnff durch eine neue Schöpfung hervorgebracht werden; sie inuf von Oben kommen, — dies bedeutet der Odem aus Gottes Munde. Es darf nicht übersehen werden, daß Moses mittelst sinnliche* Gleichnisse höhere (abstracte) und übersinnlicke Wahrheiten dar lege. Man halte also nicht dafür, daß Gott nach Art der Tlnel* athme, und daß unsere Seele ein feiner Hauch, ein losgemachtc* 111 Dampf sey. (Diese Bemerkung gilt auch von allen übrigen Stellen der Genesis, wo Gott Eigenschaften oder Handlungen nach Men- schen-Art bcigelegt werden. (Vergl. heil. Augustin cle Zenos. aä liter, lih. VII. esp. I, 17. — lib. I. cap. 9. — lik. VI. esp. I2H Der Odem, den Gott einhaucht, ist nichts von dem. Man meine nicht, daß unsere Seele ein Th eil der göttlichen Na¬ tur sey; wie dies einige Philosophen (zumal unter den alt-heid¬ nischen Griechen, und die neu-heidnischen Pantheisten unserer Tage) träumten. Gott ist nicht ein solches Ganze, das sich theilt. Die Seele des Menschen ist erschaffen, und zwar so erschaffen, daß sie nichts Von der göttlichen Natur ist, sondern sie ist nur nach dem Ebenbilde, nach dem Gleichnisse dieser göttlichen Natur gemacht." So Bossuet. — In der That! Die Genesis enthält im ersten Capitel schon die vollkommenste Widerlegung aller unchristlichen, pantheistischen und materialistischen Ansichten über Gott und un¬ sere Seele. Die heiligen Kirchenväter, als: Justin der Märtyrer, Ba¬ silius, Chrysostomus, Augustin und Andere, sehen in der Stelle: Lasset uns den Menschen machen u. s. w. gleichfalls schon eine Andeutung der a. h. Dreieinigkeit. Dem hebräischen Sprachge¬ brauche ganz zuwider wäre die Behauptung, daß hier Gott von sich selbst im sogenannten plurnlm msgestatieu« spreche; irgend eine andere Erklärung, als die obangeführte, läßt sich eben so wenig rechtfertigen. Ueberdies können die Spuren, die sich von diesem hochheiligen Geheimnisse — nämlich dreier Personen in Einer Gottheit — nicht nur unter den alttestamentlichen Juden, sondern auch unter den ältesten heidnischen Völkern, insbeson¬ dere unter den Indern, vorfinden, einzig nur ans der Ueberliefc- rung über die Erschaffung des Menschen genügend erklärt wer¬ den. Erst unlängst hat der französische Missionär Chouvct, der sich von 1843 bis 1846 in Neu-Seeland aushielt, in seinem Werke über die Religion der dortigen Eingebornen berichtet, daß sie die Erschaffung ihrer Inseln dreien Brüdern unter ihren Gottheiten sirschrciben ; nämlich: Mawi, Mawipotiki und Taki. Namentlich von dem Letzteren leiten sie die Schöpsnng des ersten Menschen brr, den er aus Erde formte. Auch meinen sie, daß das Fest- A'd später, als das Meer entstanden sey. (Vergl. Gr. Stolberg Eiesch. der R. I. Chr. 1. Bd. S. 3l2, und fünfte Beilage.) Fassen wir einige Hauptpunkte aus der mosaischen Schöpfungs- gsschichte, insowcit'sie den Menschen betrifft, nochmals ins Auge: .Der Mensch ging unmittelbar aus der Schöpferhand eines bsrsönlichcn, vor- und überweltlichen Gottes hervor. Welche Alürde für ihn! Er ist mithin nicht ein bloßes Naturwesen, nach A" der übrigen. Er gehört einer doppelten Welt an: der Kör- Herwelt mit seinem aus Erdenstaube genommenen vergängli- wen Leibe; der Geisterwelt mit seinem von Gott stammen- unsterblichen Geiste. Im Menschen sind Materie und 112 Geist, übrigens von einander wesentlich verschieden, in der Einbcit seiner Persönlichkeit verbunden. Der Geist des Menschen ist — wie scbon gesagt — nicht die Blüthe des Natur- lebens, das etwa in ihm erst zum Sclbstbewußtscyn gekommen; er hat laut der heiligen Urkunde mit der Tkierseele, welche wohl der Natur angehört, weder den Anfang, noch das Ende gemein. Das Bild und Gleichniß, nach welchem Gott den Mensclien erschaf¬ fen, liegt nicht im Körper, sondern im Geiste des Menschen; in dessen Gott ähnlich en, nicht vollkommen gleichen Eigenschaften; in seiner Bestimmung zur Unsterblichkeit. — Vermöge seines Gei¬ ste s ist der Mensch das einzige vernünftige Geschöpf auf Erden. — Die Wes en s v ersch ic d e n h ei t zwischen Gott und der Welt hört nie und für Niemanden auf, weil sie in der Unendlichkeit Gottes des Schöpfers, und in der Endlichkeit der Welt begründet ist. (Vergl. dagegen Oersted a. a. O. S. 172.) „Es ist nicht lange her, sagt A. Fr. Gfrörer in seiner Urge¬ schichte des menschlichen Geschlechtes (Schaffhausen 1855), daß die Naturforscher von einer sogenannten Miieratio aeguic-oea, oder von einer zufälligen, aus blindem Triebe schöpferischen Naturkraft ab¬ geleiteten Zeugung niederer Organismen redeten; aber die fortge¬ schrittene Handhabung des Mikroskopes hat diese Meinung als einen Jrrtbum zerstreut. Es ist ebenfalls nicht lange her, daß ein bekann¬ ter Naturforscher (Oken) die Meinung aussprach, der erste Mensch sey gleich anderen Geschöpfen aus blinden Naturkräftcn zusammcn- geronnen, und fertig aus dem Urschlamme herausgckrochen. (Keine neue, originelle Ansicht — schon die alten Aegypter hatten sie; siebe oben.) Muß nickt jeder Vorurtheilsfreie über solche Einfälle lachen, denen man cs beim ersten Blicke ansieht, daß sie lauter Angst vor dem Uebernatürlichen ihre Entstehung verdanken.*) Ge¬ wiß gibt es nur Eine Erklärung für den Ursprung des Menschen, die vor dem gesunden Menschenverstände Stich hält; nämlich die, daß höhere Intelligenzen, daß Bürger der oberen Welt, oder Gott selbst bei Erschaffung des Menschen eingegriffen haben. Die große, kosmische Erkenntnißquelle, oder die Erdkunde, fuhrt uns also auf denselben übernatürlichen Akt, wie das erste Buch Mosis, und die Urgeschichte unseres Geschlechtes beginnt nothwendig mit der Anerkennung einer supranaturalen Thatsache, mag der Nihilismus neuerer Philosophie noch so stark dagegen protestiren." Hiezu be¬ merkt das Literaturblatt von Wolfgang Menzel (Nr. 44, v.J. 1855): „Die philosophische Hoffart, die den Menschen allein durch sich selbst Alles werden läßt, stolpert nothwendig immer an der Er¬ klärung, wie denn überhaupt der erste Mensch entstanden ist? Immer wird er auf einen Schöpfer hingewiesen, der eher da war, *) Sogar der Materialist C. Vogt nennt die Annahme eines solchen Ur- schlammeS einen chemischen Unsinn. (Bilder aus dem Thierleben, S. 354) — setzt aber an dessen Stelle ein anderes nicht geringeres, physikalisches, und chemisches Unding. Siehe oben Seite 101.) 113 als das Geschöpf, und auf eine ursprüngliche Weisheit, vor welcher sich alles Wissen des Geschöpfes demüthigen muß." *) Die Genesis leitet das ganze Menschengeschlecht von einem einzigen Paare — Adam und Eva — ab. Das Nämliche lehrte der Weltapostel im Areopag zu Athen, indem er sagte: „Gott hat aus einem Menschen das ganze menschliche Geschlecht gemacht, daß es wohne auf der ganzen Oberfläche der Erde". (Apostelgesch. Cap. 17, V. 26.) Diese Wahrheit wird, wie ebe- vor von Voltaire, Tesmoulins (ch 1794) u. A., so in neuester Zeit wieder (von Karl Vogt u. A.) bestritten. Ihr Hauptargu¬ ment dagegen besteht in der Verschiedenheit der Menschen-Rassen, welche nach ihrer Behauptung eben so viele Ur-Menschen¬ paare voraussetzen. **) Bekanntlich werden setzt mit dem deut¬ schen Naturforscher Jos. Friedr. Blumenbach (Professor in Göt¬ tingen, geb. 1752, f 1840) gewöhnlich fünf Hauptrassen ange¬ nommen: die kaukasische, die mongolische, die äthiopische, die ame¬ rikanische und die malayische. — Wir stellen entschieden in Ab¬ rede, „daß sich die Mehrheit der Rassen mit der Annahme eines cnizigen ursprünglichen Menschcnpaares durchaus nicht vereinbaren lasse." Der Körperbau des Menschen wird wohl in der Urzeit für äußere Einwirkungen, besonders des Klimas, weit empfänglicher gewesen sepn als jetzt. Diese Einvrücke erhielten sich beharrlich, nachdem die große Empfänglichkeit des Menschen, gleichsam die Weichheit seines Stoffes, abgenommen hatte, und sie pflanzten In dem marktschreierisch angepriesencn Werke: „Wunder der Urwelt" kommt gleich Anfangs im Prospekrus folgender Unsinn vor: „Wir sehen — wie der Erdball in seinen frühesten Perioden ein ödes Chaos war ebne alle Vegetation; wie dann aus dem Steine die Pflanze, aus der Pflanze das Thier entstanden ist; wie den ersten von der Pflanze kaum zu unterscheidenden Thieren erst ist späterer Zeit, in allmäliger Reihenfolge und unmerklich auseinander hervorgehend, die Muscheln, die Fische, die Reptilien, noch später die Säugethiere folgten, und wie die Natur erst dann mit Erschaffung des Menschen den jüngsten Schlu߬ stein ihrer Schöpfkraft setzte". Nichts besser nachstehender Passus aus: „Die Urwelt in ihren ver¬ schiedenen UebergangSperioden". „Lange übten sich die bildenden Kräfte >n Hervorbringung von Pflanzen- und Thiergestalten, vom Einfachen zum Zusammengesetzten, vom massenhaft Rohen zum ausdrucksvoll Edleren fortschreitend. Tausend und tausend Gestalten sind vorübergegangen, wie ungenügende Versuche, stets Vollkommeneres aus ihrem Schoße hervor¬ rufend. Endlich gelang ihnen der große Wurf, und der Mensch stand da, ein Gebilde der Meisterschaft, ein Spiegel aller DchöpfungSacte, der endlich erschlossene Gedanke des WeltaLS." Solche Ergießungen pantheistischer Begeisterung sind — eitler Dunst, , hohle Phrasen. — > Von der Verschiedenheit der Sprachen, auf die sich auch berufen wird, in der nächstfolgenden Abhandlung. Hier seh nur bemerkt, daß die Rassenbildung nicht mit der Bildung der verschiedenen Sprachfamilien zusammenfalle, sondern daß diese von Jener unabhängig sey. S 114 sich auf die folgenden Generationen fort". So erklären sich Einige die Entstellung und die dann fortdauernde Körperbildung der Ras¬ sen wenigstens zum Theile. Ueberdies lehrt die Erfahrung, daß die Merkmale der einzelnen Rassen keine durchaus unverän¬ derlichen seycn, sobald die klimatischen Verhältnisse und derglei¬ chen andere werden. Mohren z. B., welche in unsere Länder kom¬ men, und sich da sortpflanzcn, verlieren, freilich erst in Genera¬ tionen, Manches von ihrer Eigenthümlichkeit. Insofern sich alle Rassen mit einander vermischen können, stellen sie nur Eine, nicht mehrere Menschen-Arten dar. (Vergl. C. N. Wiseman Zusammenhang u. s. w. S. 111—161; und Serres Kosmog. S. 252 u. ff.) *) Und eben dies muß für die Naturforscher Grund genug seyn, wenigstens die Möglichkeit der gemeinsamen Abstammung von Einem Paare zuzugeben; wie denn die Berühmtesten aus ih¬ nen dieselbe in der That nicht in Abrede stellen, als: Haller, Linne, Buffon, Blumenbach, Euvier, Prichard, Weber u. A. Alexander von Humboldt schreibt (Kosmos Bd. I. S. 379.): „So lange man nur bei den Extremen in der Variation der Farbe und der Gestaltung verweilte, und sich der Lebendigkeit der ersten sinnli- cden Eindrücke kingab, konnte man allerdings geneigt werden, die Rassen nicht als bloße Abarten, sondern als ursprünglich ver¬ schiedene Menschenstämme zu betrachten. Die Festigkeit ge¬ wisser Typen mitten unter der feindlichsten Einwirkung äußerer, besonders klimatischer Potenzen schien eine solche Annahme zu begünstigen, so kurz auch die Zeiträume sind, aus denen historische Kunde zu uns gelangt ist." „Kräftiger aber sprechen, auch meiner Ansicht nach, für die Einheit des Menschengeschlechtes die vielen Mittelstufen der Hautfarbe und des Schädelbaues, welche die raschen Fort¬ schritte der Länderkenntniß uns in neueren Zeiten dargeboten ha¬ ben, die Analogie der Abartung in anderen wilden und zahmen Thierklassen, die sicheren Erfahrungen, welche über die Grenze fruchtbarer Bastard-Erzeugungen haben gesammelt werden könne»." Die Tbatsache, daß die Verschiedenheiten der einzelnen Ras¬ sen nirgends nach außen vollständig abgeschlossen, ja nicht einmal in ihrem cigenthümlichen Bezirke vollkommen durchgeführt und herrschend anzutreffen seyen; — (so z. B. sind die Wurstlip¬ pen, hervorstehenden Kiefer, das wollige Haar, wohl in der Re¬ gel den Mohren eigen, aber es finden sich auch Ausnahmen unter ihnen, — der sogenannten Albinos, d. i. Menschen mit blendend weißer Haut, Hellen, fast farblosen Haaren und rothen Augca nicht zu erwähnen) — daß die eine Raffe durch Mittelraffen all- mälig in die andere übergeht, ja daß in jeder einzelnen Rach Formen vorkommen, welche denen anderer Raffen, ohne daß »>>' *) Sogar H. Burmeister erkennt nur eine einheitliche Menschen¬ art an. 115 diesen je eine Vermischung Statt hatte, ähneln, laßt auf eine allmälige Degeneration einer Urform in die nun bestehenden Rasscnformen schließen. „Sämmtliche Rassen der Menschen, sagt der Naturforscher Rudolph Wagner (stehe dessen anthropologischen Vortrag, geb. zu Göttingen 1854; dessen „Naturgeschichte des Menschengeschlecktes" 2 Bände; ferner Andreas Wagner's „Urwelt"), so wie die Rassen vieler Hausthiere, lassen sich auf keine wirklich eristirende, sondern nur auf eine ideale Urform, welcher beim Menschen die indo¬ europäische am nächsten steht, zurückführen. Die Art und Weise, wie die Raffen sich gebildet haben, ist völlig unbekannt. Sie fällt in eine unvordenkliche, der Forschung völlig unzugängliche Zeit. Ob alle Menschen von Einem Paare abstammen, läßt sich vom Standpunkte exakter Naturforschung eben so wenig erweisen, als das Gegenthcil, und man kann von dieser Seite von der Ge¬ schichtsforschung und wissenschaftlichen Theologie durchaus nicht auf die Naturforschung recurriren. Die Möglichkeit der Ab¬ stammung von Einem Paare läßt sich aber nach streng philoso¬ phischen Grundsätzen durchaus nicht bestreiten. Wir sehen unter unseren Augen in einzelnen colonisirten Ländern physiogno- ' mische Eigenthümlichkeiten bei Menschen und Tbieren entstehen, und beharrlich werden, welche, wenn auch nur entfernt, an die Raffenbildung erinnern. Die jüngsten Resultate der Naturfor- , schung lassen den Glaubenssatz von der Einen Abstammung des l Menschengeschlechtes ganz unangetastet." i Zum Beweise dieses Glaubenssatzes berufen wir uns mit Recht auch darauf, daß sich in den heidnischen Religionen, so vcr- l schieden sie sonst scyn mögen, doch noch Spuren der Uroffenba- l rung nachweisen lassen. Warum die Feinde der geoffenbarten Re- - ligion sich solche Mühe geben, die Einheit des Menschengeschlech¬ ts zu bekämpfen, ist nicht schwer einzusehen. Nickt rein wiffen- i schaftliches Interesse nur spornet sie dazu an. Denn mit dem e Satze, daß unser Geschlecht nur von Einem Urpaare abstamme; " daß es nicht verschiedene getrennte Schöpfungen des Menschen gegeben habe; daß sich die mosaische Schöpfungsgeschichte nicht t etwa lediglich auf die weiße Rasse allein beziehe, steht oder fällt t das christliche Dogma der Erbsünde, und das damit in Ver- mudung stehende hochheilige Geheimniß der Erlösung aller - Menschen durch den eingebornen Sohn Gottes — also das r gesammtx Gebäude des Christeutbumes. d Von Seite der modernen Materialisten ist's übrigens gar » mcherliche Inkonsequenz, wenn sie die Möglichkeit des Uebcrgan- / gss eknxit Rasse in die andere abstreiten — sie, die doch das c Meuschen-Geschlecht aus dem Affen-Geschlechte herlei- >t ten wollen! Wenn es sich um den Ort fragt, wo das erste Menscken- paar lebte, so weist Alles auf Mittel-Asien, als auf die Wiege unseres Geschlechtes hin. Die Urauswandcrung des Menschenge- 8 * 116 schlechtes von dort ans wird durch mehr als Einen Grund bestä¬ tiget. Carl Vogt's Einwendung, daß eine solche Ausbreitung nach verschiedenen Seiten der Erde geographisch unmöglich sey, hat Professor A. Wagner in „Naturwissenschaft und Bibel, 1855" durch Anfübrung von Thatsachen triftig widerlegt. — In Asien beginnt die Geschichte, dort entstanden die ersten Reiche und Staaten, dort treffen wir die Anfänge der Cultur an. Je mehr von dem oben angegebenen Centralpunktc entfernt, in desto roherem Zustande erscheinen die Völker noch in der Gegen¬ wart. — Die Traditionen, welche sich hierüber unter den verschie¬ denen Stämmen, insbesondere auch unter den Bewohnern Afri¬ kas und Amerikas erhalten hatten, bekräftigen unsere Behauptung. Die Gallas-Neger z. B. haben die Sage, daß sie ursprünglich über ein Meer nach Afrika eingewandert, und, anfänglich weiß, erst später schwarz geworden seyen. — Die amerikanische Bevölkerung nennt C. Vogt „das Kreuz der Ein-Paarler des Menschengeschlechtes". Alljährlich wandern einmal die Tschukschen Nordasiens über die Beringsstraße nach Amerika hinüber, um Handel zu treiben, und kehren dann wieder zurück. Warum soll denn also eine solche Ueberfahrt in alter Zeit zu den Unmöglichkeiten gehört haben? — Die neuesten Na¬ turforscher in Amerika: John Bachmann und Pickering haben die Aebnlichkeit der amerikanischen Raffe mit der mongolischen höchst auffallend gefunden; — schon Blumenbach bemerkte, daß diese Aehnlichkcit der Meinung: die Amerikaner seyen aus dem nörd¬ lichen Asien eingewandert, ein besonderes Gewicht verleihe, (ste var. Aon. bum.) — Die Völker in Nucatan sagen: ihr Stamm¬ vater Votan sey von da gekommen, wo das große Haus gebaut wurde, bei dem jedes Volk seine Sprache erhielt. Der Kaiser von Merico, Montezuma, sprach zum spanischen Eroberer Ferdi¬ nand Cortez: „Wir wissen aus unseren Büchern, daß ich und Alle, die dieses Land bewohnen, nicht hier unseren Ursprung ha¬ ben, sondern als Fremde sehr weit hergekommen seyen". — In Nordamerika sind diese Einwanderungssagen der Indianer beson¬ ders deutlich; und zwar geschah, laut denselben, die Einwanderung aus dem fernen Westen. Eine nähere Beschreibung des Wohnortes unserer Stamm¬ eltern, zumal der Lage des Paradieses (Genes. Cap. 2, V. 8. u. ff.) wird wohl für immer unthunlich bleiben. (Ueber die Sa¬ gen der alten Völker vom Paradiese siehe H. Lüken: Traditionen n. s. w. S. 64-74). Das zweite AaMes dec Heaesis Oegmat: V. 1. „Also ward vollendet Himmel und Erde, und all' ihre Zier." V. 2. „Und Gott vollendete am siebenten Tage (Welt- Tage) sein Werk, das er gemacht, und ruhte am siebenten Tage von allem Werke, das er gemacht." 117 V. 3. „Und er segnete den siebenten Tag, und beisigte ibn, weil er am selben ruhte von allem seinem Werke, das Gott schuf, um es zu machen" (herzurichten). Bedurfte Gott der Ruhe, weil er etwa durch die Erschaf¬ fung ermüdet war? Eine so kindische Frage muthen wir Nie¬ mandem zu. Der Sinn obiger Verse ist: Die Schöpfung war vollendet, und es trat nun in Bezug auf unseren vollständig eingerichteten Erdplaneten die Epoche der Stabilität in der Natur und ihren Phänomenen ein. Nur einmal noch, näm¬ lich durch die Sündfluth, wurde dieselbe unterbrochen. Derlei Epochen, wie sie vorübergegangen waren, mit ihren immer neuen Hervorbringungen und Zerstörungen kommen für uns nicht wie¬ der. Mit der Erscheinung des Menschen waren sie abgeschlossen. Darin bestand die Ruhe Gottes nach dem sechsten Tage. Daß Gott noch fernerhin als Schöpfer — im großen Universum — als Erhalter und Regierer der Welt thätig sey, hat uns sein ein- geborner Sohn Jesus Christus versichert. (Joh. Cap. 5, V. 17.) So ist also in der mosaischen Schöpfungsgeschichte Alles höchst vernunftgemäß. Alles mit der Wissenschaft im Einklänge. Nur der nie befriedigte Geist der Skepsis kann in der heiligen Erzählung Unmöglichkeiten oder Ungereimtheiten erblicken. So lange die Geologre noch in der Wiege lag, war sie im Vereine mit einer falschen Philosophie bemüht, die historische Wahrheit der mosaischen Urkunde zu bestreiten, (man denke an die Encyclo- Pädisten des vorigen Jahrhunderts); nun soll sie ihre Vcrthei- digcrin werden, — und sie wird es hoffentlich stets mehr, fe grö¬ ßere Fortschritte sie macht. Auch hierin geht die echte Wissen¬ schaft Hand in Hand mit der Religion. Und kann es anders seyn? Der Gott der Natur ist ja auch der Gott der Bibel, — Jene sein ungeschriebenes, diese sein geschriebenes Buch. „Das erste Blatt der mosaischen Urkunde hat mehr Gewicht, sagt Jean Paul, als alle Folianten der Naturforscher und Phi¬ losophen." Und eben so wahr als schön drückt sich der be¬ rühmte Naturforscher Cuvier (George Leopold, j- 1832) aus: »In aller Wissenschaft der Aegypter unterrichtet, aber über sei- «er Zeit stehend, hat uns Moses eine Kosmogonie hinterlassen, deren Richtigkeit sich täglich wunderbar bestätigt. Die neueren geologischen Beobachtungen stimmen mit der Genesis über die Ordnung, in welcher alle organischen Wesen allmälig erschaffen Wurden, aufs Vollkommenste überein", (viscours sur les revolu- llons llii Alnbe.) „Wir können, sagt Demerson (la Keoloofs ensetznee en 2L leeons^ cm Instolre naturelle clu Alobe terrestrs 1829) nicht genug aufmerksam machen auf diese bewunderungswürdige Ordnung, Melche die Grundlage der positiven Geologie bildet. Welche Hul- °Mng sind wir nicht dem von Gott inspirirten Geschichtschreiber (Moses) schuldig!" 118 „Hier, ruft Bouböe aus (^eoloxio elementsiro — 1833), sind wir bei einer Betrachtung angekommcn, die uns nothwcndig auf¬ fallen muß. Wenn ein Buch, das zu einer Zeit geschrieben wurde, wo die Naturwissenschaften noch so wenig Fortschritte gemacht hatten, deßungeachtct in wenigen Zeilen den Inbegriff der merk¬ würdigsten Folgesätze enthält, zu denen man unmöglich anders als durch den unendlichen Fortschritt, den man im l8. und 19. Jahrbunderte machte, gelangen konnte, wenn diese Folgesätze mit Thatsachen in Verbindung stehen, die man damals, za bis auf unsere Tage weder wußte, noch selbst ahnte, und welche die Phi¬ losophen immer auf widersprechende Weise und unter irrigen Ge¬ sichtspunkten betrachtet hatten, wenn endlich dieses Buch über sein Zeitalter so erhaben ist in der Sittenlehre und Naturphilosophie, so sind wir genöthiget, zuzugcben, daß in diesem Buche Etwas ist, was über den Menschen erhaben ist; Etwas, was er nicht siebt, was er nicht begreift, was aber unwiderstehlich auf ihn eindringt". „Auch für den Geologen ist die Bibel das Buch der Bücher." („Sonst und Jetzt". Populäre Vorträge über Geologie, von Dr. F. A. Quenstedt.) *) X. Alter des Menschengeschlechtes und Lebens¬ dauer in der Urzeit. Die Gegner der geoffenbarten Religion wissen sehr wohl, daß sie derselben keinen empfindlicheren Stoß versetzen können, als dadurch, daß sie ihre erste geschichtliche Grundlage angreifen; so wie ein Gebäude einstürzen muß, ist einmal sein Fundament untergraben. In dieser Absicht, und um das Ansehen der heil. Urkunde zu vernichten, geben sie der Welt einen anderen, ob auch *) Nicht unbekannt ist es dem Verfasser, daß neuerlichst die Ansicht ausgesprochen wurde: Moses habe zwar wohl in der Erzählung von dem Sechstagewerke dem wesentlichen Gehalte nach die Darlegung der sichtbaren Schöpfung in ihren Hauptmomenten gegeben; an eine Parallele aber zwischen den Epochen geologischer Entwicklung und den mosaischen sechs Tagen seh gar nicht zu denken. — Offen gestanden, die dafür angeführten Gründe sind dem Verfasser nicht so überzeugend vorgekommen, um ihnen die bisher gewöhnliche Auffas¬ sung zum Opfer zu bringen. Der neueste Stand der Geologie scheint dieses noch nicht zu fordern. — Man mache Moses nickt Nnteciprunio zum „Professor der Physik"; aber eben so sehr verhüte man ande- rerieits, daß er nicht zum Naturphilosophen, und seine Schöpfungs- Geschichte nicht zum Natur-Philosophem gemacht werde. 119 noch so unwahrscheinlichen Ursprung, als die mosaische Schöpfungs¬ geschichte; eben deshalb suchen sie auch das Alter des Menschen¬ geschlechtes viel höher hinaufzuschrauben, als es der Bibel zufolge angenommen werden muß. Auf welche Beweisgründe stützen sie sich? Etwa auf unwiderlegbare Thatsachen? Nein! Son¬ dern auf bloße Vermuthungen; auf dunkle Sagen; bis ins Un¬ kenntliche entstellte Ucberlieferungen; auf unverstandene Hierogly¬ phen au alten Monumenten; auf offenbar lächerliche Uebertrei- bungen in der Chronologie einiger Völker u. dg. Alles ist ihnen willkommen, wenn es nur dazu dient, die Glaubwürdigkeit der Bibel zu verdächtigen. „Wahrhaftig, ich glaube, — sagt Cardinal N. Wiseman im: Zusammenhang der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung mit der gcoffenbarten Religion, S. 291 — wenn die Bücher Mosis nicht von der Christenheit wären aufbewahrt, son¬ dern erst unter den Juden Chinas, oder von Dr. Buchanan bei denen von Malabar — (wo man wirklich Abschriften des Pen¬ tateuchs fand) — gefunden worden. Diejenigen, die sie unter den dcrmaligen Umständen herabgesetzt und geschmäht haben, hätten sie als eitlen Schatz geschichtlicher und philosophischer Erkenntnisse ausgenommen." Die Frage, welche uns hier beschäftiget, ist: wie lange Zeit besteht das Menschengeschlecht? wann hat es begonnen? Wir glauben mit der Kirche: Nicht länger besteht es, als sich dies aus der Genesis Cap. 1 und anderen Bibelstellen ergibt. Daß man über das Jahr der Erschaffung des Menschen nicht ganz einig sey, kann nicht befremden, und läßt sich daraus hin¬ länglich erkären, daß im Alterthume verschiedene Aeren, — nicht nur die von dem Beginne des Menschengeschlechtes an gerechnet, — im Gebrauche waren und daß die Morgenländer einst, wie noch in der Gegenwart, meist nach den kürzeren Mondes- statt nach Sonnen-Jahren zählten. Die Berechnungen der Jahre, welche seit der Erschaffung des Menschen bis zur Geburt Jesu Christi verflossen, variiren zwischen 6984, als dem unwahrscheinlichen Marimum, und 3484, als dem Minimum. Bossuet, welcher der hebräischen Zeitrechnung folgt, nimmt 4004 Jahre an; worin ihm die bewährtesten Geschichtsforscher beistimmen. Davon weicht die griechische, d. i. die von den 70 griechischen Bibclübersetzern zu Alerandria, im 3. Jahrhunderte vor Christus, gebrauchte Zahl der Jahre der Welt als die etwas größere; und die etwas klei¬ nere der Samaritaner nicht viel ab. (Siehe Gr. Stolbergs Ge¬ schichte der Religion Jesu Christi Bd. 1, S. 350; und M. Ser¬ res Kosmogonie des Moses, S. 191.) Auf den Unterschied einiger Jahre kommt es nicht an. Besehen wir uns die Einwürfe näher, wie sie aus der Ar¬ chäologie, Geologie u. dgl. gegen das biblische Alter unseres Ge¬ schlechtes vorgebracht werden. Man beruft sich vorzüglich auf die Inder, Aegypter, Chaldäer und Chinesen, deren Dascyn bis auf ungeheuer viele Jahrtausende vor der angenommenen Erschaf- 120 fung des Mensckcn hinausreichen soll. Was hat es damit für eine Bewandtniß? Derlei Angaben sind, ganz einfach gesagt, Unrichtigkeiten und Uebcrtreibungen. Den astronomischen Entdeckungen der Inder hat unter den nambaftcren Gelebrten zuerst Jean Sylvian Bailly, der auch von dem uralten, längst untergegangenen Eulturvolke der Insel Atlan¬ tis träumte, (geb. 1736 zu Paris, guillotinirt am 12. November 1793) ein enormes Alter zugesprochen. Selbst Voltaire erklärte sich dagegen, eben so Dclambre (geb. 1749, f als Professor der Astronomie 1822), der in seiner Geschichte der alten Astronomie die Grundlosigkeit und Willkürlichkeiten nachweist, welche sich Je¬ ner zu Schulden kommen ließ. — Dem astronomischen Werke! 8urjosiststbaiM tkeilen die Brahminen ein Alter von nicht weniger als etlichen Millionen Jahren zu. Der gelehrte Engländer Bent¬ ley bat aber in den plenic kesesrckos, und im Historierst viev ok tlie Hinstoo ^stronom^ dargethan, daß es einer durchaus nicht außer den Grenzen der Wahrscheinlichkeit liegenden Zeit entstamme; durch seine Berechnungen würde es gar erst auf das 10. oder 11. Jahrhundert n. Ehr. zu setzen seyn. — Die ältesten astronomi¬ schen Beobachtungen der Hindu fallen — behauptet er —nicht frü¬ her, als in das Jahr 1425, und 1181 vor unserer christlichen Zeit¬ rechnung (Card.Wiseman's Zusammenhang», s. w. S. 293 u. ff.)*) Das Heldengedicht Uamsjema gibt eine genaue Beschreibung des Himmels bei der Geburt Rama's und bei seinem Eintritte in das einundzwanzigste Jahr, woraus sich, nach Bentley ergibt, daß eine solche Constellation nur etwa 961 Jahre vor Christus habe stattfinden können. Für einen ungleich jüngeren Ursprung der indischen astrono¬ mischen Beobachtungen und Werke entschied sich unter Anderem auch der berühmte Laplace (geb. 1749; f 1827). „Der Ursprung der Astronomie in Persien und Indien, schreibt er (Exposition st» Systems stu iVlonsto), verliert sich, wie bei allen andern Völkern, in das Dunkel ihrer Urgeschichte. Die indischen Tafeln setzen einen sehr vorgerückten Zustand der Astronomie voraus; aber wir haben allen Grund zu glauben, daß sie kein sehr hohes Alterthum in Anspruch nehmen kann." Klaproth I. H. (geb. 1783, f 1835) schreibt: „Die astronomischen Tafeln der Hindu, denen man ein abentheuerliches Alterthum beigemcssen hat, wurden im siebenten Jahrhunderte der gemeinen Zeitrechnung verfertigt, später aber durch Berechnungen auf eine frühere Epoche zurück datirt". Nach der Ansicht des M. de Serres (a. a. O.) würden diese Tabellen theilweise gar erst aus dem dreizehnten Jahrhunderte nach Chri¬ stus herrühren. — (Vergleiche damit Dr. I. Schleiden, Studien S. 252 u. ff.) Aehnliches, was von der astronomischen, gilt auch von der philosophi sch-religiösen Literatur der Inder. Ihren, un- Marcel de Serres läßt obiges Werk 760 Jahre vor Christus verfaßt sehn. (Kosmogonie S. 23S—241.) 121 ter dem Namen Vedas bekannten heiligen Büchern wurde von den Encyclopädisten und anderen Freidenkern ein so abentheucr- lichcs Alter zuerkanut, daß die mosaischen Schriften im Vergleich damit moderne Bücher gewesen wären. Und doch hat es eine etwas genauere Forschung herausgestellt, daß sie jünger seyen, als die Genesis. Colebrooke (geb. 1765, -h 1837 als Präsident der asiatischen Gesellschaft), Einer der gründlichsten Kenner des Sanscrit, schließt aus den in den Vedas enthaltenen astronomi¬ schen und anderen Daten, daß sie nicht früher als 1400 Jahre vor Christus verfaßt seyn konnten. (In den ^siatio kesearelies vol. VII. psA. 284.) Windischmann der Aeltere spricht („die Philosophie im Fort¬ gänge der Weltgeschichte", Bd. II. S. 690) denselben zwar ein hohes Alter nicht ab, eben so sein Sohn, Dr. Friedrich Windisch¬ mann, - ohne daß sie jedoch deßhalb der mosaischen Urkunde im Geringsten Eintrag machen könnten; im Gegentbeile bestätigen sie deren Richtigkeit. Nach Ritter, Professor zu Berlin, dürfte der Anfang der eigentlichen indischen Philosophie nicht einmal weit über hundert Jahre vor Christus zurückgesetzt werden. (Ge¬ schichte der Philosophie I. Thl. S. 60. 1829.) (Vcrgl. Card. N. Wisemans Zusammenhang S. 480—486.) Die in der That phantastische Chronologie der Inder ist ganz unverläßlich. Sie spielt mit Millionen Jahren, als wenn's Jahrzehende wären. „Wenn morgenländische Nationen einmal darauf ausgehen, ihrem Ursprünge und ihrer Urgeschichte eine mythologische Epoche zu geben, so stutzen sie nicht bei Kleinig¬ keiten, und lassen sich nicht durch die europäische Regel, Möglich¬ keiten zu berücksichtigen, aufhalten." (C. Wifeman a. a. O. S.311). „Bei aller ihrer frühe schon merkwürdigen und cigenthüm- lichen Cultur haben die Inder — heißt es in der Weltgeschichte Karl Friedrich Beckers, Bd. I. S. 25 — von ihrer älteren Zeit gut als gar keine Geschichte, in dem Sinne, in welchem w i r das Wort fassen. An der Stelle von Ueberlieferungen aus der Barzeit des Volkes finden wir Sagen, mit einer so phantastischen, abentheuerlichen Mythologie durchwebt, daß man entweder gar keine Spuren wahrer Begebenheiten darin entdecken kann, oder doch nur einige ganz allgemeine und unbestimmte, von aller Chro- nvlogie entblößte." Die von den Panditas, d. i. den indischen Gelehrten, ent¬ worfenen Listen von Königen enthalten höchst absurde Einzelhei- ssn, und stimmen miteinander nicht überein. Bei all dem reichen sw doch nicht über 4300 Jahre hinauf. (Serres Kosmogenie (S. 239-241.) 2 . Die Brahminen theilen das Weltalter in vier ungeheuere Jkitläufe ein. (Dafür setzen die Inder 12,000 Götter-Jahre Hfh von denen Eines 360 Tage von der Dauer je eines mensch- 1>chen Jahres in sich begreift; also im Ganzen4.320,000 Jahre.) der vierten Wcltperiode — der jetzigen, (Lsii-^nAs, d. i. 122 Alter der Sünde genannt) — welche 400,000 Jahre dauern soll, scyen bereits 5000 Jabre verflossen. (Sie lassen dieselbe 3101 vor Cbr. beginnen.) Darin werden die Menschen höchstens hun¬ dert Jahre alt. In dem vorbergegangenen dritten Zeiträume er¬ reichten sie ein Alter von tausend Jahren. — Da die Brahminen unsere jetzige Weltepoche mit der großen Ueberschwemmung der Sündflutb, anfangen, so ist ibre diesfällige Berechnung der 5000 Jabre, sammt der Lebensdauer vor und nach der Sündflutb, mit der mosaischen Urkunde ziemlich in Uebcreiustimmung. Die früheren Weltepocheu sind nichts, denn ein Spiel der Phantasie. (Siebe Gr. Stolbergs Gesch. d. R. J. Bd. s. S. 367. Vergl. H. Lücken: Trad. d. Menschengeschlechtes S. 82 u. ff.) Der Engländer W. Jones (f 1794 zu Ealcutta), welcher die vom Pandita Ratbakanta aus den Purana's ausgezogeneii Königslisten zur Grundlage seiner Forschungen nahm, gelangte, indem er den Königen die nur immer möglich langen Zeiträume anwics, doch nur zu dem Resultate, daß die Gründung einer Re¬ gierung in Indien nicht eher als 2000 Jahre vor Christus, alfe beiläufig um die Zeit Abrahams, angenommen werden könne. (On tbe ObronoloKv eck tbe bkinstoos.) Aehnlich James Tod in seinen „Annalen und Alterthümcrn von Radschastan". — Arnold Hermann Ludwig Heeren, Professor der Geschichte zu Göttingen (41842) äußert sich in seinem claffischen Werke: „Ideen über Politik, den Handel und den Verkehr der vornehmsten Völ¬ ker der alten Welt". (S. 242.) „Diese Verzeichnisse nehmen in der indischen Mythologie denselben Rang ein, wie die des Apollo- dorus (der nm 150 v. Chr. in seinem Werke „Bibliothek" eine aller Kritik ermangelnde Zusammenstellung der Mythen lieferte) in der griechischen. Wir dürfen darin keine kritische oder chrono¬ logische Geschichte zu finde» erwarten; es ist eine von Dichtern behandelte und durch Dichter erhaltene; also in diesem Sinne eine Dichter-Geschichte; ohne daß sie deßhalb eine gänzlich erdichtete Geschichte zu seyn braucht." Und S. 272 : „Aus allen bisheri¬ gen (von ihm angestellten) Betrachtungen ergibt sich, daß die Ge¬ gend des Ganges viele Jahrhunderte (aber nicht Jahrtausende oder gar Millionen Jahre), wahrscheinlich gegen 2000 Jahre vor Chri¬ stus, der Sitz beträchtlicher Königreiche und blühender Städte gewesen sey". (S. Card. Wiseman a. a. O. S. 311 u. ff) Nach Lassen (vergl. Jnd. Alterthumsk. Bd. I. S. 749) ist das Weiteste, bis wohin man nach einigermaßen glaubwürdigen Gründen die indische Geschichte zurückführen kann, das 14. Jahr¬ hundert v. Chr. Wir wenden uns zu einem andern uralten Volke — zu de» Aegyptern. Es sind bei den griechischen Schriftstellern, Herodot, welchen um die Mitte des fünften Jahrhundertes vor Chr., und Diodok von Sicilien, der erst im Zeitalter des Augustus lebte; ferner in 123 Auszügen, (Bruchstücken), welche aus dem Werke des ägyptischen Oberpnesters Manctho, der unter König Ptolemäus II. Plsila- delphus (284—246 v. Chr.) auf dessen Befehl schrieb, besonders bei Eusebius, und dem byzantinischen Geschichtschreiber Georgius Syncellus (am Ende des 8. Jakrhundertes) bestehen, lange Rei¬ hen ägyptischer Königsnamen zu lesen, aus welchen sich eine mit der Bibel unvereinbarliche Chronologie ergäbe. Die Gegner der Offenbarung bedienten stch ihrer als Waffe; wie insbesondere Volney (keeberelies vol, II.) die Bildung der Priesterhöfe in Aegypten nicht weniger als 14,000 Jahre vor Christus ansetzt! Diese unter einander wenig im Einklänge stehenden Angaben sind ohne Zweifel aus sehr unzuverlässigen Sagen geschöpft und es gilt von ihnen das Nämliche, was oben von den indischen Kö- nigslisten gesagt wurde. — Die Chronologie des Eratosthencs, welcher unter Ptolemäus Hk. Evcrgetes (246—221 v. Chr.) Auf¬ seher der Bibliothek zu Alerandria war, stimmt mit der heiligen Schrift besser überein. — Mit Mühe läßt sich aus dem Dunkel, welches über der Vorzeit Aegyptens liegt, so viel mit einiger Wahrscheinlichkeit seststellen, daß der erste bekannte König all- dort, Menes, nicht früher, als etwas über 2500 Jahre vor Chri¬ stus lebte.*) Erst mit der Vertreibung der aus der Fremde ein- gedrungenen Hirtenkönige — der Hykso's — unter deren Einem Joseph, des Patriarchen Jakob Sohn, nach Unterägypten mit der Hauptstadt Tanis gekommen war (um 1717 v. Ehr., laut der Zeitrechnung des Bossnet; nach Anderen früher), und mit der nicht lange darauf erfolgten Vereinigung der einzelnen ägyptischen Landesthcile zu Einem Reiche mit der Hauptstadt Theben, schon bon Homer als die Hnudertthorige gepriesen, kommt Licht in die Geschichte dieses merkwürdigen Landes und Volkes. (Siehe K. Fr. Beckers Weltgesch. Bd. 1.) Die Sucht, sich ein sehr hohes Alter zu vindiciren, hat die Aegypter zur Erdichtung von mehr als 30,000 Jahren für die Dauer der ersten Zeiten, und beinahe eben so vieler für die Herrschaft der Götter verleitet. Für die Herrschaft der Menschen aber bis zum fünfzehnten Jahre vor ber Eroberung «leranders, d. i. bis zum Jahre 347 vor Christus, erübrigen so- dann nur etwas über 2000 Jahre. — Daß nur diese letztere Pc- nvde der geschichtlichen Wahrheit näher komme, die anderen aber Duz der Mythe angehören, ist unverkennbar. (Siehe Serres Kos- Mogenie. S. 233.) i vielleicht ist er aber, meinen Einige (als: H. Lücken in: Traditionen des Menschengeschlechtes S. 213.) gleich dem indischen Manu Eine Person mit dem Sündfluthpatriarchen Noe: Manctbo und Diodor setzen ihn freilich um 5000 vor Chr.; Eratosthenes aber richtiger um 2600 vor Ehr.; womit eine alte, von Syncellus aufbewahrte ägyptische Chronik übereinstimmt. 124 Schon Di'odor bemerkt, daß nach Behauptung Einiger die Jabre in den Büchern der ägyptischen Priester nicht Sonnenjahre, sondern nur Monate seyen, was, wenn es sich richtig so verhielte, die zu zahllosen Jahrhunderten angeschwollene ägytische Zeitrech¬ nung gewaltig der historischen Nüchternheit nahe bringen würde. (S. Gr. Stolberg, Gesch. d. R. I. Bd. 1, S. Z62.) Aus den riesenhaften Bauwerken und sonstigen Denkmälern der Aegypter, insbesondere den Pyramiden, hat man auf ein un¬ geheures Alter der ägyptischen Kunst und Cultur den Schluß ge¬ zogen. Bekanntlich sind diese Denkmäler mit Hieroglyphen - der heiligen Bilderschrift — bedeckt. Kein Schlüssel zu ihrer Ent- räthslung hat sich aus dem Alterthume erhalten. Was sich in dem Werke „Stromata" des Clemens von Älerandria — eines berühmten Kirchenlehrers aus dem dritten Jahrhunderte — hier¬ über angedeutet findet, konnte ebenfalls keinen genügenden Auf¬ schluß geben. Desto mehr ward aber die Wißbegierde der Alter- thumsforscher gereizt und ein desto größeres Feld stand bloßen Vermutkungen offen, was denn auch wirklich zum Nacht heile der Bibel ausgcbeutet werden wollte. In neuerer Zeit haben stch um die Entzifferung der Hieroglyphen höchst dankenswerthe Verdienste erworben: der Engländer Uoung; ganz besonders der jüngere Champollion Jean Francois (geb. 1790, -H1832) — Bru¬ der des älteren Champollkon-Figeac (geb. 1779), welcher die Ex¬ pedition Napoleons nach Aegypten begleitet hatte; — dann Syl¬ vester de Sacy (geb. 1758, f 1837): Bank aus England; der Schwede Akerblad Joh. Dav.; Rosellmi zu Pisa; jüngst Lepsius u. A. Ein zu Rosette — im Delta — 1799 aufgefundener Stein, auf dem sich neben dem hieroglyphischen Terte dessen griechische (Übersetzung befand, und zum Theile auch ein von der Nil-Insel Philae in Oberägypten nach England gebrachter Obelisk ermög¬ lichten die Zusammenstellung eines hieroglyphischen Alphabetes. Weit entfernt, daß die gewonnenen Resultate die biblischen An¬ gaben, wie sonst in irgend einer, so auch in Hinsicht des Alters unseres Geschlechtes, umstoßen, bekräftigen sie dieselben vielmehr in glänzendster Weise. Champollion drückt sich darüber in eine»! Briefe dto. Paris 23. Mai 1807 unter Anderem wie folgt, aus: „Ich werde zeigen, daß kein ägyptisches Monument wirklich älter, als 2200 Jahre vor unserer Zeitrechnung ist. Es ist dies gewiß ein sehr hohes Alter, aber es bietet nichts dar, was den heilige« (Überlieferungen entgegen ist, und ich wage zu sagen, daß es selbe sogar in allen Punkten bestätigt. Wirklich stimmt, wenn man die durch die ägyptischen Monumente gegebene Chronologie und Rei¬ henfolge der Könige annimmt, die ägyptische Geschichte mit de« heiligen Büchern bewundernswerth überein. — (Dies wird da«« zum Theile speziell nachgewiesen.) — Ich wäre neugierig zu wisse«- was Die zu antworten haben werden, die böswillig behauptet l)aß die Lgytischen Studien darauf zielen, den Glauben dre historischen, in den Büchern Mosts gelieferten Urkunden 125 beeinträchtigen." (Siehe Cardinal N. Wiseman a. a. O. S. 327 -356.) Die noch jetzt angestaunten Pyramiden sind um Vieles jünger, als die ältesten anderen Monumente, z. B. die Königs¬ schilder auf dem Wandgemälde des Königspalastes zu Karnak, die Tafel von Abydos, und der sogenannte Königspapyrus von Turin. Nach Diodor und Herodot würde die Erbauung der Py¬ ramiden nach der Zeit des trojanischen Krieges fallen. — Was die astronomischen Kenntnisse der alten Aegypter betrifft, so waren dieselben gewiß nicht so ausgebildet, als man hie und da glauben machen möchte; eben so wenig erübrigen uns Denk¬ mäler davon aus erstaunlich früher Zeit. Die Thierkreise zu Dendera sTentyris) und zu Esneh (Latopolis) — in Oberägyp- tm — welche während des Feldzuges unter Napoleon aufgefun¬ den worden waren, und denen Anfangs ein Daseyn von vielen Jahrtausenden vor unserer Zeitrechnung zuerkannt werden wollte,*) stammen, wie es die gelehrtesten Archäologen Champollion, Vis¬ conti, Letronne u. A. unwiderlegbar bewiesen, erst ans der Zeit der römischen Herrschaft über Aegypten. Denn der Eine wurde unter Kaiser Tiberius, der Andere unter Kaiser Antoninus errich¬ tet. — Weit entfernt also, daß sich daraus ergäbe, die Aegypter styen schon vor der Zeit, welche unser Glaube der Schöpfung des Menschen beilegt, ein kenntnisreiches und wissenschaftlich ge¬ bildetes Volk gewesen, thun auch diese Denkmäler kaum mehr, E die Anfänge der Astronomie als Wissenschaft unter denselben dar. Auch bei den Aegyptern gehören überdies solche Darstellungen mehr nur der Astrologie an, die unter ihnen ohr gepflegt wurde. **) (C. N. Wiseman a. a. O. S. 356—366.) Ueber das alte Babylonien wissen wir nur das mit Bestimmt- M, was uns die Bibel berichtet; nämlich, daß der kühne Jäger Nimrod dieses Reich nicht lange nach der Sündfluth (2348 v. Ehr.) Ran meinte. Jener seh vor 15,000; Dieser vor 20,000 Jahren errich¬ tet worden. ") Bunsen verwendet fruchtlose Muhe, wenn er im 5. Buche seines Werkes: „über Aegyptens Stellung in der Weltgeschichte" glauben machen möchte, daß hinter Menes, dem Anfänge der ägyptischen Reichsverfassung >— ge¬ gen 8700 (?) vor Chr. eine mindestens 3000jährige Zeit geschichtlicher Entwicklung der staatlichen Anfänge liege, und hinter dieser erst die Periode der ältesten Neligions- und Sprachbildung gesetzt werden könne; woraus sich nothwendig eine neue Construction des Rahmens der Welt¬ geschichte ergibt, für welche er etwa zwanzig Jahrtausende (!!) in An¬ spruch nimmt. Ein neuer Rahmen für zwanzig Jahrtausende würde eine neue Weltgeschichte erfordern. — Diese aber läßt sich bekanntlich nicht erst construiren! (Vergl. Dr. Gust. Seyffahrt: „Berichtigungen der rö¬ mischen, griechischen, persischen, ägyptischen, hebräischen Geschichte und Zeitrechnung, Mythologie und alten Religionsgeschichte, auf Grund neuer historischer und astronomischer Hilfsmittel." 18SS.) — 126 gegründet habe. — Die von griechischen Geschichtschreibern erzählte Erbauung der großen Stadt Ninive durch König Ninus, Sohn des Bel, den Stifter der ersten assyrischen Monarchie fällt nach Diodor nnd Anderen ungefäbr um dieselbe Zeit; nach Herodot aber beiläufig in das Jahr 1250 v. Ehr. Was sonst von Ninus, und insbesondere von seiner heldenmüthigen Gattin Semiranns vorkommt, trägt unverkennbar das Gepräge der Mythe an sich. Durch sie wird Semiramis zur Tochter einer Göttin gemacht; wie auch des Ninus Vater den gleichen Namen mit dem Haupt¬ gotte der Babylonier führt. (S. C. F. Beckers Weltgesch. 1. Bd.) Aus dem Norden Astens stiegen später die Chaldäer, ein Bergvolk, herunter, und ließen sich in Babylonien nieder, von wo sie unter ihrem Fürsten Nabopolasar (des Nabuchodonosor Vater) in Verbindung mit den Medern um 620 vor Chr. durch die Ein¬ nahme und Zerstörung von Ninive, wo damals Ehinaladan herrschte, dem zweiten assyrischen Reiche, welches nach dem Untergange des Ersten unter dem weichlichen Könige Sardanapal (748 v. Chr.) Tbeglath-Phalasar fdcs Salmanasar Vater) gegründet hatte, (siehe Bosiuct ciiseours sur l'histoire universelle) ein Ende machten.*) Den astronomischen Beobachtungen der Babylonier wollte man gleichfalls ein enormes Alter zutheilen. Voltaire behauptete, daß dieselben mehr als fünf und zwanzig Jahrhunderte vor Chri¬ stus bereits eine ganze Reihe solcher Beobachtungen hatten. Allein die Sache reducirt sich auf das Wenige, daß die Babylo¬ nier unter ihrem beinahe immer unverdeckten und wolkenlosen Him¬ mel wohl schon frühe einige Einsicht in die Erscheinungen und Be¬ wegungen der leuchtenden Weltkörper erlangten; daß diese aber nur eine noch sehr unvollkommene Kcnntniß gewesen sey. Damit stand, wie bemerkt, der im Oriente sehr verbreitete Gestirndienst, und die abergläubische Sterndeuterei in engster Verbindung. Das Alter der in Rede stehenden, wie gesagt, durchaus nicht wissenschaftlichen Beobachtungen wurde von den Gegnern der Offenbarung sehr übertrieben. Denn Kallisthcnes, des Aristoteles Schüler, hatte diesem auf Geheiß des Königs Alcrander des Gro¬ ßen alle astronomischen Aufzeichnungen ans Babylon überschickt. Und was er darin auffinden konnte, ging nach der Versicherung des dem Cbristenthume feindlichen heidnischen Philosophen Por¬ phyrins aus dem 3. Jahrhunderte nicht weiter als neunzehn Jahr¬ hunderte zurück — d. i. bis beiläufig zweitausend, zweihundert und 28 Jahre vor Christus. Die nur irgend brauchbaren Angaben von Eklipsen, welche dem Ptolemäus von den Chaldäern dargcboten wurden, reichte» nicht vor 721 vor Chr.; also nur bis etwas über 2550 Jahre vor unserer jetzigen Zeitperiode zurück. (Alerander v. Humboldt *) Die griechischen Profan-Historiker ignoriren die zweite assyrische Mo¬ narchie, und lassen fälschlich auf das assyrische meist das modische Welt¬ reich folgen. Die Chronologie der Bibel erweist sich als die richtige. 127 Kosmos 2. S. 196.) „Die Millionen Jahre der Chaldäer — sagt M. de Serres, Kosmogonie 237 u. ff. — sind also eben so fabelhaft, als die der Aegypter. — Jene haben es nie ver¬ standen, die Sonnen-Eklipsen weder zu erklären, noch vorherzusa- acn. Alles führt zu dem Glauben, daß ihr großer Ruf in der Astronomie erst in neueren Zeiten erworben wurde, weil ihre Nach¬ folger im ganzen römischen Reiche Horoscope und Prophezeiungen verkauften." Wenn der babylonische (Geschichtschreiber) Priester Bervsus, der unter oder bald nach Alerander dem Großen schrieb, gegen 470,000 Jahre vom Beginne der Welt an zählt, so gilt davon, was Cicero sagt: (Os chvinkUione) „lünnclsmnemns bos fObal- üaeos) mit stultitlae, aut vgnitatis, aut impuclentiao, cgu dlUXX Willig gnnorum, ut ip8i cllciiiit, moinnnenti's eomprocliensa ooiNinent". Sogar die Chinesen, mit ihrer sonst so gerne bespöttelten, schon seit Jahrhunderten stagnirenden Cultur hat man als Zeugen gegen die Wahrheit der mosaischen Urkunde aufgerufen. Ihre Einbildung, daß sie die Urnation der Erde seyen, hat sie zu der Lächerlichkeit verleitet, eiu Alter von nicht weniger als drei Mil¬ lionen 276,000 Jahren vor Christus in Anspruch zu nehmen. Ihre Jahrbücher führen die Geschichte des „himmlischen Reiches" bis auf eine Sonnenfinsterniß zurück, welche sie 2155 Jahre vor Chri¬ stus beobachtet haben sollen. Welchen Grad von Bildung, meint man, müssen demnach die Chinesen damals schon besessen ha¬ ben, auf den sie sich wohl erst nach Jahrtausenden!? erschwungen haben konnten! Schon mehrere Jahrhunderte vor dieser Son- uenstnsterniß, — 2557, oder wenigstens 2385 Jahre vor Ckri- stus, — geschieht eines berühmten Kaisers, Jao (Hiao) Er¬ mahnung. — Doch wie steht es mit diesen Jahrbüchern der Chinesen? Sind sm glaubwürdig? Eristircn sie noch?-Der älteste Geschicht¬ schreiber in China ist der berühmte Philosoph und Religionslehrer ^onfuciuö (OonZ-lu-tso), welcher nicht früher als höchstens im sechsten Jahrhunderte vor Christus lebte. Er soll in dem Buche Obou-lrinA die Geschichte seines Volkes und Landes Von Jao an bis auf seine Zeit, nach Bruchstücken älterer Werke — also auch obiger Jahrbücher, wenn sie je vorhanden waren — niederge¬ schrieben haben. Es liegen demnach bei 2000 Jahre zwischen -sao und Confucius. Von welchem Werthe die Geschichtsqucllen Maren, welche Confucius, seiner Behauptung zufolge, benützt baftc, ergibt sich mitunter daraus, daß sie die handgreiflichsten Märchen enthielten. So z. B. daß unter der Regierung des Jao Sonne zehn Tage nacheinander über dem Horizonte stehen blieb, weßhalb man schon eine allgemeine Entzündung befürchtete! Möchten die Gegner der Bibel dies Wunder nicht noch eher Mgehen lassen, als jenes, das im Buche Josue (Cap. 10) erzählt mich?— Ueberdies wird die Glaubwürdigkeit des tRou-KinA durch einen andern Umstand gar sehr erschüttert. Etwa "^0 Jahre vor Christus — also um 300 Jahre nach Confucius, 123 hatte der Kaiser ObiHoanA-Di im ganzen chinesischen Reiche alle Bibliotheken mit ihren Büchern, einzig jene ausgenommen, die über Arzneikunde, Rechtsgelehrtheit und Baukunst handelten, ver¬ brennen lassen. Erst vierhundert Jahre nach dieser Büchervertil¬ gung, unter der folgenden Dynastie Han, wurde ein Theil des mehrerwäknten Buches LKou-Iciiiz von einem alten Gelehrten, der es auswendig wußte, wieder hergestellt, indem er es aus dem Gedächtnisse! dictirte. Ein anderer Theil wurde in einem Grabe aufgefunden; beinahe die Hälfte blieb aber auf immer ver¬ loren. (Siehe E. N. Wiseman a. a. O. S. 323 u. ff-, — Non- notte's philos. Lexikon I.Bd. Artikel: Chinesen, — Serre's Kos¬ mogonie S. 241 u. ff. Wenn wir auch die Existenz des obgenannten Kaisers Jao zugeben; so müssen wir doch seine Vorgänger durch so viele Jahr¬ tausende in das Gebiet der Mythe verweisen. Die Geschichte weiß nichts von ihnen. — Nach Klaproth beginnt die historische Zeit China's erst 782 vor Christus. — Die älteste der astronomischen Beobachtungen der Chinesen, welche ein Merkmal der Richtigkeit an sich hat, sagt Serres, ist die des astronomischen Zeigers, dessen Daseyn bis beiläufig zum Jahre 2950 vor jetzt zurückrcicht. Diese Beobachtung, wenn rich¬ tig, um 1100 vor Chr. gemacht, wäre die älteste haltbare Beobachtung. (Vcrgl. Mädlers populäre Astronomie. 4. Auch S. 580.) Was die Monumente China's betrifft, so sind die äl¬ testen um mehr als tausend Jahre jünger, als der Kaiser Jao. Man kennt keine chinesische Vase, welche älter wäre, als 1766 Jahre. Mit Einem Worte: Die astronomischen Beobachtungen, die Geschichte, die historischen Monumente, Alle verlassen uns, sobald wir das Datum überschreiten, welches wir laut der Genesis für das Erscheinen des Menschen auf der Erde annehmen müssen. Zur Erklärung der gerne über Gebühr gepriesenen (Zivilisation der ältesten Völker, deren Reiche höchstens vor fünftausend Jah¬ ren gegründet worden waren, reicht das aus der Bibel sich her¬ ausstellende Alter unseres Geschlechtes vollkommen hin; um so mehr, weil nicht die Barbarei der Urzustand des Menschen war, wie Rousseau und seine Anhänger meinen. (Siehe Friedrich v. Schlegels Philosophie der Geschichte. 1. Bd. S. 46, 47.) D o ut oomenee— schreibt Boffuet: äiseours sur 1'Iüstoirs univ. I. park, pg^. 12. — II n ) L point ä'ln'stoiors ansisnns, ou il ns paraisss non ssulsment stans ess prsmiers temps. wais lon^-temps apres, clo- vesti^es nnnnbestes eie la nouveaute äu moncls. On vois les lois s'e- tsblir, Iss moeurs se poli'r, et Iss enipiees se kormer. De ^enr« bumein sort pen a peu cis I'iznorgnee; I'expsrienes I'instruit, et Io- orts sont inventes ou perkeetionnes." — Wir können diejenigen Nationen übergehen, denen kein solches Alter, wie den eben besprochenen, zugemeffcn wird. Nur noch von den Phöniziern bemerken wir, daß ihr Geschichtschreiber 129 Sanchuniathon ganz gewiß später schrieb als Moses, und daß ihre ältesten Denkmäler der Bibel nicht im Mindesten im Wege stehen. Fortsetzung. Untersuchen wir noch, ob einige anderen Einwendungen gegen das biblische Alter des Menschengeschlechtes etwa stichhältiger seyen. Die mosaische Urkunde leitet, wie das Daseyn des Menschen, so auch die Sprache desselben von Gott, seinem Schöpfer und Erzieher her. „Gott sübrte, heißt es in der Genests (Cap. 2, V. 19.) alle Thiere des Feldes und alles Geflügel des Himmels vor Adam — im Paradiese — daß er sehe, wie dieser sie nenne; denn wie Adam jedes lebende Wesen nennete, so solle sein Name styn." Das heißt: Von Seite der Weckung ist die Menschen¬ sprache unmittelbares; von Seite der Organisation und Wirklichkeit mittelbares Werk Gottes. Adam war durck Gottes S ch öpfnngs that sprach fähig, und durch Gottes schroffen barung sprachthätig, gemäß den seiner Wesen¬ heit innewohnenden Gesetzen. — Uranfänglich redeten die Men¬ schen nur Eine Sprache; stammten sie ja Alle nur von Einer Familie ab. Aus Veranlassung des babylonischen Thnrmbaues wurde ihre Sprache verwirrt, und ging in die Mannigfaltigkeit vieler Mundarten auseinander. — Siehe das 11. Capitcl der Genesis. — Die (Überlieferung davon Kat sich unter den verschie¬ densten Völkern erhalten.*) (Siehe H. Lüken: Traditionen u. s. w. S. 278-299 u. ff.) Diese Thatsachen wurden und werden noch von allen Jenen singefochten, welche das Menschengeschlecht von mehr als einem einzigen Paare abstammen, und es sich durch eigene Kraft aus dem Zustande völliger Wildheit herausarbeiten lassen, wozu nach ihrer Ansicht eine unermeßliche Reihe von Jahrhunderten erforderlich seyn mochte. So meint z. B. Oersted (2. B. S. 253): "Die Laute, welche man von den Tkicren und anderen lautgeben¬ den Gegenständen hörte, wurden zufolge derselben Anlage (näm- "ch des Vermögens, die Sinneneindrücke, welche der Mensch von i Unbefangene Sprachforschung thut dar, daß die Bildung der bauptsäch- lichsten verschiedenen Sprachfamilien der Bildung der verschiedenen Raßen vorhergegangen seyn müsse, da sonst jene sich nach den Grenzen der verschiedenen Rassen hätten richten müssen, was nicht der Fall ist. Ganz der Bibel gemäß, die uns damals das Menschengeschlecht noch so ZU sagen als Eine Familie ausmachend darstcllt. Die Mannigfaltigkeit der Sprachen hatte aber nach dem Plane der göttlichen Vorsehung nicht nur den Zweck, das Menschengeschlecht räum- Uch zu zerstreuen, sondern noch mehr die Gcistesmächtc unter die Menschen zu verthetlen. — S 130 außen bekommt, zu bewabren und geistig zu entwickeln) zu Be¬ zeichnungen benützt". — (Daran, wenn der Mensch die Sprache von den Thieren, statt von Gott lernte, ist freilich gar nichts Uebernatürliches!) —Weiter: „Alles dieses geschah zuerst m kleinen Genossenschaften, und breitete sich später zu größeren aus. Im Anfänge geht die ganze, hier abgehandelte Entwicklung sehr langsam, und Jahrtausende (!) sind sicher verstrichen, ehe man zu der Sprachentwicklung gelangte, welche man in den äl¬ testen uns übrig gebliebenen Sprachdenkmalen erblickt". (VerA Dr. M. I. Schleidens Studien S. 40 und 111.) Wir entgegnen: durch bloße Vermuthungen, wenn sie auch mit noch so großer Sicherheit vorgebracht werden, wird ein Factum noch nicht umgestoßen. Der Bibel zufolge war schon der erste Mensch im Besitze der Sprache. Das Vermögen dazu theilt er mit keinem Thiere, eben weil dieses keinen vernünftigen Geist hat. Wie hätte sich also wohl dasselbe an diesem oder an einem anderen lautgebenden Gegenstände entwickeln können? Von dem Löwen z. B. hätte der Mensch nur brüllen, von dem Hunde nur bellen, von der Katze nur miauen gelernt; nimmer aber den Inhalt seiner Sprache von ihnen entlehnt, nimmer von ihnen seine inneren Empfindungen durch eigens dazu bestimmte Worte ausdrücken; am wenigsten abstrakte Begriffe in dieselben ein- kleiden gelernt! Schon Friedrich v. Schlegel hat sich in seinem Werke „über die Sprache und Weisheit der Inder" mit aller Entschiedenheit gegen die Behauptung erklärt, daß die Sprache vom Menschen in einem wilden Zustande erfunden, und naeb und nach durch die Bemühigungen und Erfahrungen der folgen¬ den Geschlechter vervollkommnet worden war. Wäre dem so, dann müßten ja die sogenannten Wilde» noch jetzt sich nicht in arti- culirte n Lauten, sondern eben nur in einer den Naturlauten der Tbiere ähnlichen Weise äußern können. Nirgends aber gibt cs eine solche Sprache. Ob auch arm an Wörtern für abstracte Begriffe, reden doch die wildesten Stämme eine Sprache, weil sie aus Menschen bestehen. Das Thier, weil des Geistes ermangelnd, wird in Ewigkeit nicht einer Sprache fähig seyn. Die gelehrtesten Sprachenforscher haben cs zugegeben, daß die Sprache ursprünglich nur Eine gewesen scy. Sie haben die verschiedenen, nun noch bestehenden, oder schon tobten Sprachen in gewisse Familien — Claffen — zusammengefaßt, deren Eins z. B. der indo-germanische Sprachenstamm bildet. Aber auch zwi¬ schen diesen noch haben sie Ähnlichkeiten genug gefunden , die auf eine einzige Ursprache schließen lassen. Sogar in Betreff der amerikanischen Sprachen sowohl unter einander, als im Ver¬ hältnisse zu den asiatischen ist dies nachweisbar; was der gelebrtc Alerandcr v. Humboldt mit der Versicherung bestätigt, daß man diese Analogie in dem Maße immer mehr einsehen werde, als die philosophische Völkergeschichte und das Sprachstudium vervoll- > ! I I > ! ! 1 c t s s ! ( s z l s e t s f § c t s ( ü z « t 131 kommnet wird. *) Eben so spricht sich Herder, den Niemand der Parteilichkeit sür die rein bistorische Auffassung der Genesis zeihen wird, dahin aus, daß die Sprachen ein zusammenhängendes Gan¬ zes bilden, und von einem gemeinsamen Ursprünge abhängen; daß also höchst wahrscheinlich das Menschengeschlecht und mit ihm seine Sprache auf einen gemeinsamen Stamm, auf einen ersten Menschen, und nicht auf mehrere in verschiedenen Theilen der Welt zerstreute zurückgehe. Ja er behauptet, aus der Prüfung der Sprachen gebe hervor, daß die Menschen ihre Sprache nicht freiwillig änderten, sondern daß sie gewaltsam von einander getrennt worden scyen. „Da muß was Positives vorgefallen seyn, das diese Köpfe auseinander warf." (Geist der hebr. Poesie.) (Siehe C. N. Wiseman a. a. O. S. 6—111, — H. Lüken, über die Einheit des Menschengeschlechtes.) Also auch iu der Sprachenentwicklung des menschlichen Ge¬ schlechtes liegt kein Grund, der uns nöthigen würde, diesem eine schon übermäßig lange Eristenz einzuräumen. Aber die Geologie — widerspricht sie nicht mit ihren Ent¬ deckungen der Bibel? Nein! Der Verfasser der Schrift „Köhlerglaube und Wissenschaft" (Karl Vogt) behauptet, „es sep erwiesen, (?) daß einzelne Men¬ schenrassen ganz gewiß (?) schon zur Zeit der Diluvialbildungen, jur Zeit des Höhlenbären und des Mammuths eristirten, d. h. ui einer Epoche, die sich jedenfalls nur nach Hunderttauscnden (!) von Jahren berechnen lasse. Dieses gehe aus den Untersuchun¬ gen m den belgischen Höklen bervor, wo die damals iu Belgien eristirende primitive Menschenrasse aufgcfunden worden sey, welche den Negern und überhaupt dem ganzen niederen Typus der Men¬ schenbildung ähnlicher sey, als dem höheren. Denn die aufge- inndenen Köpfe wären kleiner gewesen, mit stark zurückweichender Stirne, abgeplatteten Schläfen und schief gestellten Zähnen". Wer sieht nicht das Willkürliche einer solchen Beweisführung ein? — Igas hindert die Annahme, daß die oberwäbntcn Reste wirklich einer vorsündfluthlichen, oder einer solchen Affenart Agekören, welche schon vor der Erschaffung des Menschen zu Grunde gegangen seyn mochte? Freilich, wenn man sie aus Affen - zu M enschen-Ueberbleibseln macht, was läßt sich nicht nlles daraus folgern! Nämlich: daß das Menschengeschlecht wcht erst beiläufig 6600 Jahre, sondern schon Hundcrttausende Jahren bestehe; ferner, daß es mehrere ursprüngliche 6 Was Dr. I. M. Schleiden (Studien, S. 42) von der Besitznahme Ame¬ rikas jn einer Zeit, die weit hinter dem Anfangspunkt der ältesten Sagen¬ kreise der alten Welt zurückliegt, vorbringt, entbehrt aller tieferen Be¬ gründung. Die Urbewohner Amerikas — die Indianer — waren eben so wenig Autochthonen, als jene Afrikas oder Europas; alle Weltthcile erhielten ihre Bevölkerung aus Asien, als aus der ersten Quelle. iSiehe oben Seite 116.) v * 132 Rassen desselben gegeben habe; oder endlich, daß, wenn man die Abstammung von Einem einzigen Paare annimmt, Adam ein Schiefzäbner, d. i. ein dem Affentypus näher stehender Mensch war. (So obiger Verfasser.) Es liegt den Urhebern von derlei Hypothesen Alles daran — bemerkt hiezu W. Menzels Literaturblatt Nr. 44 v. I. 1855 — die Weihung des Geschöpfes durch den Schöpfer zu läugnen, und dem menschlichen Geiste allein die Fähigkeit zu vindiciren, daß er sich aus der Bestie heraus rein durch sich selbst veredelt habe.*) Wahrlich, es ist eine bittere Ironie darin, daß man sich lieber die Abstammung von einem Affengeschlechte gefallen lassen will, nur um die heilige Urkunde zu bekämpfen, und Gott nicht als den Schöpfer und ersten Erzieher des Menschen gelten zu lassen! Man hat von gewissen Natur-Bildungen und Erscheinungen auf ein ungemein hohes Alter des Zustandes geschloffen, in wel¬ chem sich unser Erdplanct fetzt befindet. Gesetzt auch, cs habe damit seine Richtigkeit, — so folgt daraus «och nicht, daß auch das Menschengeschlecht schon so lange Zeit auf der Erde bestehe. Aber die bewährtesten Physiker und Geologen haben nach- gewiesen, wie unsicher die aus senen Prämissen gezogenen Schlüsse seyen. M. de Serres zeigt (Kosmogonie S. 196 u. ff.) z. B. daß der Anfang jener Anschwemmungen, durch welche von de» einmündenden Flüssen dem Meere allmälig Land abgewonnen wird, und worin sich schon Ucbcrreste von Menschen vor¬ finden, höchstens vor 5 oder 6000 Jahren angcsetzt werden könne; und daß im Beginne ihrer Bildung die Wirksamkeit der¬ selben noch größer seyn mußte, als in der Gegenwart, Ucbcr- dies ist die Zcitberechnuug aus derlei Anschwemmungen — z. des Nils — sehr trügerisch. Dies Letztere gilt von dem Falle des Wassers aus der Ober¬ fläche unserer Erde, als Zeitmaß betrachtet, — z. B. vom Fasst des Niagara, wodurch das obere Plateau fortwährend eine Veränderung erleidet; ferner von der Wirkung der Meere und Seen auf ihre User und Umgebungen; von der Bildung der Dü¬ nen; von der Bewegung der Gletscher; von der Bildung und dein Vorrückcn des Torfes, wenigstens des Süßwasser-Torfes, welcher ganz neueren Datums zu sein scheint; von der Bildung derDamM- crde; von der Verwitterung und Zersetzung der Felsen, welche von mancherlei klimatischen Einflüssen abhängt, und öfters in kur¬ zer Zeit geschieht; von der Ueberdeckung der Lavaschichten mss Erde und Vegetation. Von zwei Laven des Aetna z. B. ist die Eine, vom Jahre 1536, noch schwarz und trocken, während die spätere, vom Jahre 1636, schon mit Fruchtbäumcn und Weingärten *) Namentlich gegen Vogtes Einstreuungen Vertheidigt unter Anderen auch Fr. Pfaff in der Schrift: „Schöpfungsgeschichte mit besonderer Berücksich¬ tigung des biblischen SchöxfungSberichtes" I85S, die Abstammung astet Menschen Von Einem Paare. 133 überwachsen ist. (C. N. Wiseman, a. a. O. S. 225.) — Be¬ züglich der sogenannten Findlinge, der erratischen Blöcke, sagt zwar der öfters citirte Dr. M. I. Schleiden, Professor der Bo¬ tanik in Jena, in seinen „Studien" (S. 17): „Vielleicht mö¬ gen Hunderttausende (also doch nur vielleicht so viele) von Jahren dazu gehört haben, bis diese Massen von Blöcken nach einander aus ihrer nördlichen Heimath — aus den schwedischen und norwegischen Gebirgen — auf ihre neuen Lagerstätten (z. B. mitten in die Ebenen Norddeutschlands) verpflanzt worden sind". Diese Granitklötze sind aber höchst wahrscheinlich erst mit der Sündfluth in Verbindung zu bringen; — davon ist später wieder die Rede. Keines der schon ausgelassenen und verschütteten Bergwerke ist etwa gar so enorm alt. U. dgl. „Wir verwerfen demnach — Ichließt Serres S. 251 — ohne Bedenken und ohne Bedauern die Millionen von Jahrhunderten der Dauer unseres Geschlechtes. Wir verwerfen sie um so mehr, als die Natur in Bezug aus die Neuheit des Menschen auf dieser Erde überall die nämliche, mit der mosaischen Urkunde im schönsten Einklänge stehende Sprache führt, wie die historischen Monumente und Traditionen." Forts e hüllst. Auch über die lange Lebensdauer der Menschen in der Urzeit, unmittelbar nach ihrer Erschaffung bis zur Sündfluth, schüttelt Mancher ungläubig den Kopf. Adam lebte 930, Methusala 969, Nvö 950 Jahre. Zwar sagt die heilige Schrift nicht ausdrücklich, was für Jahre gemeint seyen; dennoch läßt sich nicht mit Grund bezweifeln, daß es gewöhnliche Sonnen- oder wenigstens Mond¬ fähre waren. Warum soll denn dies lange Leben befremden? Die noch »»geschwächte Kraft, die einfache Lebensweise, die unverkünstelte, »ur aus dem Pflanzenreiche hergeholte Kost machen dasselbe an stch nicht unwahrscheinlich. Der Einrede, daß der Mensch zu- wlge seiner organischen Bildung, seines Gliederbaues, seiner Eß- s>erkzeuge u. dgl. nicht zu einer so hohen Lebensdauer bestimmt »p, läßt sich entgegnen, daß dies allenfalls mit Bezug aus seine bermalige Constitution gelte, daß aber in der vorsündfluthlichen oeit nicht bloß die Thiere, wie die Ueberreste schon untergegan- bcher Riesen - Eremplare beweisen, sondern auch der Mensch ge- stärker gebaut war, als jetzt. — Daher die Sagen der alten Volker von einst da gewesenen Riesen, Giganten. — Die in der Bibel angeführte Lebensdauer in der Urzeit war süßer den Hebräern auch andern Völkern bekannt. Die Ueber- »eferung hatte unter ihnen das Andenken daran erhalten. Wir ^ben schon angedeutet, daß die vermeintlichen heil. Bücher der Arahminen hierin mit der Genesis übereinstimmen, indem sie den Menschen vor der großen Ueberschwemmung ein tausendjähriges 134 Leben geben. Die allgemeine Sage fast aller Völker weiß von einem goldenem Zeitalter, während dessen die Menschen ein un¬ schuldiges Leben führten, und sehr lange aus Erden verweilten. 8omati grins trnelee neeessiws l.oti corriguit grscliim, stngt Horaz. (Oeie HI.) Noch während des silbernen Zeitalters läßt Hesiod den unmündigen Knaben hundert Jahre bei der Mutter blei¬ ben. (Siehe Gr. Stolberg, Geschichte d. R. Jesu. 1. Bd. S. 326.) — H. Lüken, Traditionen S. 164 u. ff.) Und sicher kann man eine solche Lebensdauer noth wendig nennen zur schnelleren Vermehrung und sodannigeu Ausbreitung des Menschengeschlechtes, welche Letztere kaum hundert Jahre nach der Sündfluth nach allen Seiten erfolgte. Vom religiösen Standpunkte aus erscheint überdies das lange Leben in der Urzeit — wie auch schon bemerkt wurde - als eine besondere Woklthat Gottes. Denn abgesehen davon, daß dadurch die Vervollkommnung und Verbreitung der unent¬ behrlichsten Kenntnisse und Fertigkeiten befördert wurde, war es zugleich das beste Mittel, die göttliche Uroffenbarung durch un¬ verfälschte Ueberliefcrnng von Mund zu Mund fortzupflanzen, weil nur wenige Zwischenorganc dazu hinreichtcn. Fließt sa auch das Wasser desto reiner, je näher es der Quelle, und durch st weniger Röhren und Canäle es geleitet ist. Xl. Die Sündfluth. Unsere Erde war schon geraume Zeit der Wohnplatz der Men¬ schen, als laut der Erzählung Mosis jene furchtbare Katastrophe über sie kam, welche wir treffend mit dem Namen „Sündfluth" bezeichnen, weil diese Ueberschwemmung die von Gott verhängte Strafe des allgemein eingerissenen Sündenlebens war. Wir setzen den Hergang derselben als bekannt voraus. Moses beschreibt ihn uns im 7. und 8. Capitel der Genesis. Vierzig Tage, und eben so viele Nächte, heißt es dort, regnete es unun¬ terbrochen; fünfzehn Ellen war das Wasser höher als die Berge, die es bedeckte. (Cap. 7, V. 20.) Da wurden vertilgt alle leben¬ den Wesen auf der Erde; die Thiere sammt den Menschen; nur Noö, des Lantech Sohn, Seth's Nachkomme, ein gerechter, unta¬ deliger Manu, blieb übrig, und was mit ihm in der Arche war; ummlich sein Weib, seine drei Söhne und deren Weiber, — ust Ganzen acht Personen; und von den Thieren Jene, welche er auf Befehl Gottes zu sich in die Arche genommen. Hundert und füssst zig Tage stand das Wasser auf der Erde, bis es sich allmälig 135 Am 17. Tage des zweiten Monates — (des bürgerlichen he¬ bräischen Jahres, zum Theile unserem November entsprechend; — im Jahre der Welt 1656; siehe Bossuet ciilsoours 1. psit. pgA. 9.) im sechshundertsten Jahre des Lebens Noö (Gen. Cap. 7, V. 11. » hatte die Fluth begonnen; im zweiten Monate am 27. Tage des folgenden Jahres war die Erde wieder völlig trocken geworden. iGenes. Cap. 8, V. 14.) Bereits im siebenten Monate, am 17. Tage hatte sich die Arche auf dem Gebirge Ararat in Armenien niedergelassen. (Gnies. Cap. 8, V. 4.) Noö wurde nun der zweite Stammvater des durch ihn erneuerten Menschengeschlechtes. Es wäre zu verwundern, wenn sich der Geist des Wider- spruches und des Unglaubens nicht auch gegen dieses Factum aufgelehnt hätte, um die Bibel zu verdächtigen. Aber als ge¬ schichtliche Thatsache könnte die Wahrheit der Sündfluth nur durch historische Beweise zunächst umgestvßen werden, — nicht durch bloße Raisonncments über ihre Unmöglichkeit aus dieser oder sener Physischen Ursache, welche man sich vorstellt. Wenn überdies durch geologische Entdeckungen ganz bestimmt dargethau würde, daß sie niemals Statt gehabt haben konnte,— nur dann hätten die Gegner der ältesten Offenbarungs-Urkunde Ursache, sich ihres Sieges über sie zu freuen. Doch dies nach- Meisen ist ihnen noch nicht im Entferntesten gelungen. Wenn man die Einwendungen der sogenannten Freigeister aus dem vorigen Jahrhunderte liest, so kann man sich wahrlich des Lächelns über die Kleinlichkeit, mit welcher sie sich z. B. so¬ gar an dem figürlichen Ausdrucke «Genes. Cap. 7, B. 11.) „die Schleuß en des Himmels tkaten sich auf", stießen, nicht crweh- rsn. — Im Gcgenthcile: Die Sündfluth wird durch die Tradi¬ tionell der ältesten und neueren Völker in den verschiedensten Tkeilen der Erde, durch ausdrückliche Zeugnisse, Monumente, und durch unläugbare Resultate geologischer Untersuchungen außer allen Zweifel gestellt. Was die alten Ueberlieferungen betrifft, so weisen dieselben, wenn sic ihrer mythischen Hülle entkleidet werden, nicht nur die nämliche Zeit nach, in welche wir die Sündfluth setzen; sondern we und da sogar noch die einzelnen Umstände, unter welchen sic laut des mosaischen Berichtes eintraf. In diesen alten, ob auch Wkr entstellten Sagen, ist die Hauptsache unmöglich zu verkennen; nämlich der Untergang des Menschengeschlechtes in einer Alles vernichtenden, zur Strafe seines Ungehorsames gegen die Gottheit verhängten Ueberschwemmung, und seine Wieder¬ herstellung durch weniqe gerettete Individuen. — Wir beginnen U"t den Indern. In Einer ihrer Purana wird erzählt, daß Vischnu (nach der 'udischen Götterlehre waren durch Emanation dem ewigen Ur- gotte Parabrahma drei vorzüglichste Gottheiten entsprossen; näm- l'ch: Brahma, der Schöpfer; Vischnu, der Erhalter; und Siva, d°r Zerstörer und svdannige Erneuerer) dem frommen Könige 136 Satyavrata ein großes Fahrzeug zugesendet habe, mit dem Auf¬ trage, alle Heilkräuter und alle Arten von Samen mit sich zu nehmen, und begleitet von sieben Heiligen, umgeben von Paa¬ ren aller Thicre, in den geräumigen Kasten zu geben, um darin sicher zu bleiben vor der Fluth ans unendlichem Ocean- „Denn der Herr der Welt wollte ihn retten vom Meere der Zer¬ störung, das dnrch die Verderbtheit des Zeitalters kerangeführt worden." Diesem Könige hatte Narayan, der Geist Gottes, das Amt eines Menu gegeben, — was, wenn, wie Einige erklären, Me*dcr indische Artikel, Nn aber Noä ist, sogar eine Namensgleichheit des indischen, der Gottheit wohl¬ gefälligen, und dcßhalb geretteten Mannes mit Jenem der Bibel darstellen wurde. *) Es gibt noch andere indische Sagen über die Sündfluth, und die auf sie unmittelbar gefolgten Ereignisse. Als besonders merk¬ würdig heben wir nachstehende hervor: Der obgenannte Satyav¬ rata (d. i. Noä) hatte drei Söhne: Sherma (Sem der heiligen Schrift), Eharma (Cham) nnd Jyapeti (Japhet). Charina habe seines von Meth berauschten Vaters gespottet; und scy darum von ihm verflucht worden. — Solche Uebcreinstimmung mit der bibli¬ schen Erzählung ist doch wohl auffallend genug! So übertrieben auch die Jakrcnanzahl in der Zeitrechnung der indischen Mythologie scyn mag, so liegt doch wenigstens in den zehn Metamorphosen ihrer Gottheit von der Schöpfung bis zur Fluth eine Analogie mit den zehn Generationen der Bibel von Adam bis auf Noä. (Gen. Cap. 5.) Dazu kommt: Nach indischer Sage stammen von Brahma die Pitri's ab, — das sind Alle zusammen die zehn Erzväter vor der Sündfluth. — Bei den Persern heißen dieselben die küselistäälb. d. i. Menschen vom alten Gesetze — auch ihrer Zehn; welchen ähnliche Erfindungen, wie in der Bibel, zugeschrieben werden. Nicht minder kannte die phönizische Mythologie die zehn Urväter. Die Aegyptcr glaubten, daß zur Zeit des Osiris — unter welchem Namen sie auch die Sonne verehrten — eine große Ueber- schwemmung die Erde überfluthete, der er in einem Kasten Schiffe —; laut anderen Abbildungen auf einem Blatte der Lo¬ tospflanze entronnen sey. Der chaldäische Geschichtschreiber Berosus (um 300 v. Ehr.) redet von der großen Ueberschwemmung unter Anführung von Umständen, welche mit der mosaischen Erzählung übcreinstimmcn. Xisutrus, — so heißt es bei ihm, — der zehnte König, — der neunte nach Alorus, **) d. i. nach Adam, — wurde vom Gotte *) Laut anderer Erklärung ilt aber Menu, oder Manus — Mann oder Mensch; woher eben Las deutsche Wort stamme. (Vergl. Lassen, Jnd> Altcrthumskunde.) ") Diese zehn Könige regierten während 120 Sares, — ein Saras ward zu 3600 Jahren gerechnet,— welche freilich übertriebene Zeit gleichfalls an jene der zehn Generationen von Adam bis Noä erinnert. 137 Kronos (Saturn) im Traume von der bevorstehenden Vertilgung des Menschengeschlechtes durch eine große Überschwemmung ver¬ ständiget, und beauftragt, ein Schiff zu bauen, um darin sich sammt den Seinigen und den Thieren zu retten. So am Leben erhalten, babe er nach dem Abnehmer? der Fluth Vögel ausgelassen, und auf der Erde den Göttern geopfert. Die Sage der Chinesen läßt den Kaiser Mo, um dieselbe Zeit, als Noö lebte, damit beschäftiget scyn, die Wasser, welche den größten Theil der Erde bedeckt hatten, ablaufen zu machen. Auch die Chinesen zählen zehn Generationen (Ki) zwischen Ho- angti (Puanku) — ibremAdam — und Chun, der ein Zeitgenosse KaisersPao, und gleich diesem bemübt war, die Schäden der Ucberslutbung wieder ausznbessern. (Vergl. Serres Kosmogonie 2. 142 n. 15.4; und Gr. L. Stolbergs Gesch. der R. I. Chr. S. 395, wo Kaiser Fohi mit Noe zusammengcstellt wird; — H. Lücken: Trad.d. Menscheng. S. 133 u. ff. ; ferner S. 174—260.) Die Darstellung von Gottheiten mit einem menschlichen Ober¬ leibe, »ach unten aber in Fischgestalt, — z. B. des Dagon der Philister, — darf man vielleicht auch auf die Süudfluth und M's Rettung beziehen. Der Heide Lucian, im zweiten Jabrbunderte nach Cbr. le¬ bend, erzäklt («le Den 8vea, Cap. 12, 13.) daß laut der Ueber- kcferung unter seinen syrischen Landsleuten das erste Menschen¬ geschlecht wegen seiner Frevel in einer Ueberschwcmmung unter¬ gegangen, und nur Deukalion, der Scythe «verschieden von Je¬ nem der Griechen) in einem großen Kasten mit Weib, Kindern, und allen Arten der Thiere gerettet worden sey; worauf er zu ^ierapolis (in Syrien) der Juno einen Tempel erbaut babe. Wer kennt nicht die bedeutungsvolle griechische Mythe von Deukalion und Pyrrha, seiner Gattin? Nachdem sich ans der geöffneten Buchse der Pandora das Unglück über die Menschen verbreitet hatte, schickte Jupiter eine so gewaltige Flutb, daß sie das Menschengeschlecht vollends vertilgte. Nnr ein einziges Paar: Deukalion und Pyrrha, blieb übrig; indem sich ibr Nachen am <'erge Paruassus niederließ, wo sie ein Orakel der Tbemis wegen °kr Zukunft um Rath befragten.') Dasselbe tbat den Aussprmb: ue sollen, um die einsame Erde wieder zu bevölkern, die Gc- bcine ihrer Mutter binter sich werfen. Sic deuteten die ge- bmnnißvollen Worte ans die Steine, als die harten, festen Theile °" Mutter — Erde; thaten mit ihnen, wie befohlen, und cm "eues Geschlecht von Menschen war den Steinen entsprossen. — Auch in die Tage des Ogyges, welcher nach Einigen m At- !^u, nach Anderen in Böotien herrschte, und den der römstche ^tertlmmsforschcr Varro (geb. 116 v. Ehr.) um d. I. 1600 vor °er ersten Olympiade, d. i. 776 v. Chr., also 2376 Jahre vor '———.__ ') Plutarch ( sein Weib, Kinder, viele Thicre, und einige Gattungen von Kot» Als die Wasser abnabmen, ließ Tezpi einen Geier los, welche aber nicht mehr zurückkam, weil er an den Aasen genug Nahrung hatte. Endlich kehrte ein losgelasseucr Baum-Vogel doch wieder, und brachte einen grünen Zweig in seinem kleinen Schnabel. Dü 139 nach der Fluth gezeugten stummen Menschen habe eine Taube vom Wipfel eines Baumes herab die verschiedenen Sprachen ge¬ lehrt. (Card. N. Wiseman, Zusammenhang u. s. w. S. 103.) Aebnliches gilt von den Pernvianern, welche, gleich den In¬ dern, wußten, daß acht Personen gerettet wurden; — den Bra¬ silianern, den Eingebornen ans Euba, deren Erzählung mit der mosaischen beinahe in den kleinsten Details übereinstimmte; von Jene» in Florida; den Irokesen; den Wilden Nordamerikas; den Südseeinsulanern n. A. Dr. I. G. Müller schreibt in seiner Geschichte der amerika¬ nischen Urreligivn (1853): „In den Schöpfungs- und Sündfluths- Mythcn zeigt sich viel Aebnlichkeit mit europäischen Vorstellungen. Tie Siour lassen die ersten Menschen als Bäume wachsen, wie die alten Perser und Skandinavier; die Oneidas lassen sic ans Steinen wachsen, — wie die Griechen aus den von Dcukalivn und Pvrrba geworfenen Steinen. — Ein Karaibenstamm am Ore- nokv, die Tainanaken, erzählt, daß sich ein Mann und eine Frau bei der Fluth auf den Gipfel des hohen Berges Tamanaku geret¬ tet hatten". „Die Tradition der Süudfluth meldet Friedrich Baraga m seiner Geschichte der nordamcrikanischen Indianer, 1837, S. 121, — hat sich allgemein unter den Indiern erhalten; allein unter so verschiedenen und entstellten Formen, daß man sie kaum »kennen kann. Einige Stämme glauben, daß nach drei Genera¬ tionen der ersten Familie eine allgemeine Ucberschwcmmung über die Erde kam, die sie Alle vernichtete, und daß nach der Fluth einige Thiere (die wahrscheinlich im Wasser lebten) in Menschen dsrwandelt wurden, um die Erde wieder zu bevölkern. Andere Stämme hatten die Tradition, daß ein ausgezeichneter Indier von dem großen Geiste im Schlafe gewarnt wurde, daß eine große Überschwemmung über die Erde kommen wird. Dieser Mann, der sehr klug und vorsichtig war, machte sich sogleich ein Floß "us Baumstämmen, und nahm allerlei Thiere mit sich auf das Mß, als die Ueberschwemmung über Hand zu nehmen ansing." Woraus ließe sich wohl diese Uebcreinstimmung so verschiede¬ ne Völker, welche mitunter in gar keinem gegenseitigen Verkehre sianden, über das Wesentliche einer und derselben Tbcttsache cr- tären, wenn sie sich nicht wirklich zugetragen hätte? Dich¬ tungen von Völkern, die durch ganze Welttbeile von einander ^trennt sind, treffen ohne Wunder gewiß nicht, sogar in ein- selnen Umständen, so zusammen, als es hier der Fall ist. — Welches Urtheil fällt denn aber die Geologie über die Mosaische Erzählung von der Süudfluth? Vorerst muß sie zugeben, daß eine überaus gewaltige Ueber- twcminung in der That einst die Erde bedeckt batte, und daß Ns keine lange andauernde, sondern eine vorübergehende, tcmpo- torc Fluth gewesen sey, — ganz so, wie sie die heil. Schrift be¬ treibt, Dies beweisen: die sogenannten Ent blö ßungsth äler. 140 d. i. Thaler zwischen Hügeln, deren Schichten sich genau entspre¬ chen, so daß das Thal offenbar aus ihrer Substanz ausgegraben ist. An den Wänden dieser Tbäler sind oft Kiesanhäufungcn zu sehen, die unverkennbar vom Wasser an den Abhängen der Hügel und am Boden waren abgesetzt worden. Durch viele solcher Thä¬ ler rinnt seht kein Bach mehr, und in dem abgelagerten Geschiebe finden sich Ücberrcste von Thiercn, so wie sie dermalen nur durch eine plötzliche Fluth wären zu Grunde gegangen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die sogenannten Find¬ linge, Jrrfelsen, erratischen Blöcke, Rollfelsen, von denen schon Erwähnung geschah. Es sind dies oft ungeheuere Fels-Stücke, meist aus Granit, welche hie und da mitten in Ebe¬ nen und Flächen gefunden werden, und mit der dortigen Stew¬ art nichts gemein haben. In England, Norddeutschland, — so¬ gar ans höhen Gebirgen, als dem Jura, sind sie zu treffen. - Wie kamen sie dahin? Ohne Zweifel hat sie keine gewöhn¬ liche Fluth hiiiübergespült, sondern eine äußerst starke Waffer- strömung, auf welche seither keine gleiche gefolgt war, mußte dies gethan haben. Genaue Untersuchungen haben dargclegtz daß diese zerstreuten Blöcke von Norden (N.-Ö.) nach Süden (S.-W.) geschwemmt worden seven. Die noahische Sündsluth war gewiß mächtig genug, dieselben fortzutrcibcn, und sie dann bei ihrer Abnahme an den verschiedenen Orten abzusetzeu. Diese Steinmassen haben oft in noch so harten Felsen, über welche sie dahin rollten, surchenartige Risse zurückgclasscn, welche die oben bemerkte Richtung zeigen. Mit vollem "Rechte berufen wir uns ferner darauf, daß man auf Bergen Meermuscheln, Seekränter, versteinerte Fische u. dgl. vorfindct, »nd zwar in den offenbar neueren Erdlagen; nicht nur in jenen alten Erdschichten, deren Bildung schon zur Zeit der an¬ fänglichen Sammlung der Meere in ihren Becken vor sich ging. Wie konnten diese Gegenstände, deren Element das Wasser ist, auf so Hobe Gebirgsspitzen hinaufgetrieben worden sepn, wenn nicht durch eine große Ucberschwemmung, welche bis zu ihnen reichte und sie bedeckte? Daß das Land in Folge dieser letzten Überschwemmung nur eine beschränkte Zeit unter Wasser wat, ergibt sich ans dem Mangel solcher Ablagerungen, welche eine Auflösung voraussetzen. — Auch dieser Umstand spricht zu Gunsten der mosaischen Erzählung. Die Frage, ob schon vor der noahischen Fluth (und zwar vor der Erschaffung des Menschen) ähnliche, vielleicht noch gewaltigere Katastrophen über unseren Erdplaneten gekommen waren, berührt uns hier zwar nicht — wir meinen sie aber unbeschadet der Heil- Schrift bejahen zu dürfen. *) ") Der nicht ungläubige Buckland gelangte aus später gemachten Beobach¬ tungen zum Resultate, daß das sogenannte Diluvium der Geolo¬ gen in eine Periode vor dem Daseyn des Menschengeschlechtes falle. 141 Daß die Sündfluth, von welcher Moses berichtet, eine all¬ gemeine war, kann nicht bestritten werden. Denn auf dem ganzen Erdbälle lassen stch Spuren derselben nachweisen. Z. B. Nicht nur in Europa kann man die Jrrfelsin in der Richtung gegen Norden, von wo sie hcrkamcn, verfolgen, auch in Amerika ist dies der Fall. Es muß also überall eine und dieselbe Ursache thätig gewesen seyn. — Ist diese letzte große Ueberschwemmung wohl nicht älter, als in welche Zeit wir die noabische Fluth setzen? - Wie schon angcdeutet wurde, trifft man Ueberreste von Menschen au in diesen säug sten diluviauischcnErdablagcrungen — ein Beweis, daß die Alles vernichtende Fluth neueren Datums sty, als das Erscheinen des Menschengeschlechtes. Warum aber menschliche Reste in sehr geringer Menge, — im Vergleiche zu ocncn von Thiercn, — Vorkommen, erklärt sich hinlänglich dar¬ aus, weil sich laut der Genesis, zur Zeit der Formation obiger Depots die Menschen noch nicht überall hin zerstreut hatten; und weil diejenigen Orte, welche sie vor der Sündfluth hauptsächlich bewohnten, noch nicht geologisch erforscht wurden. In den unge¬ heuren Ebenen Mittelasiens wären wohl zumeist die Ueberreste unseres, in der noahischen Fluth untcrgegangencn Geschlechtes zu suchen. Aus den zum Thcile schon angeführten geologischen That- sachen (sichc den Artikel: Alter des Menschengeschlechtes), als: aus dem Zuwächse desjenigen Landes, welches an der Mündung der Flüsse durch allmäliges Absitzen des Schlammes und der Erde, bw sie im Laufe mit sich forttragcn, dem Meere abgewonuen wird; aus der Bildung der Dünen, d. i. Haufen Sandes, welche sich Zuerst am Ufer anhäufen, und dann voni Winde auf das bebaute land fortgctrieben werden; der Torfmoore u. dgl. haben die ru- wgstm Beobachter geschloffen, daß die letzte Ueberschwemmung, durch welche der gegenwärtige Zustand unserer Eontincnte zu¬ meist bestimmt wurde, vor nicht allzulanger Zeit Statt gehabt dabc. Wir führen hier die Acußerungcn einiger der berühmtesten Geologen und Naturforscher an. Omalius d'Hallvy sagt: „Wir machen (aus vorher angegebenen Beobachtungen) den Schluß, daß we Revolutionen, welche unseren Gebirgen ihre jetzige Form, und ^u Flüssen ihren jetzigen Lauf gegeben haben, in keine außcror- "'utlich lang verflossene Epoche znrückfallen; so, daß der Abstand ^u 4000 Jahren von der wirklichen Welt (von der Gegenwart) wn die Genesis der Sündfluth gibt, sich mit den aus dem Stu- wum der natürlichen Chronometer gezogenen Folgerungen wohl ertragen mag." Beudant (Mineralog und Physiker, geb. 1787) schreibt in seinem minersIoKlgue et AeoloKiguo en HonZrie: "alles führt dahin, die letzte Katastrophe — welcher unsere Erde "usgesitzt war — als diejenige zu betrachten, wovon uns die Ge¬ ists sowohl die Ursache, als die näheren Umstände angegeben 'asi und deren Tradition man unter verschiedenen Formen bei allen Völkern wiederftndet". Cuvier, der gewiß nicht im Voraus »ir die Bibel eingenommen war, lehrt (stmcourk — deutsch von 142 Nöggeratb, S. 106): „Wenn man genau untersucht, was auf der Oberfläche der Erde vorgegangen ist, seit ste zum letzten Male trocknete, und die Eontinentc ibre dermalige Gestalt erhielten, so siebt man deutlich, daß diese letzte Revolution und folglich auch die Bildung deS fetzigen menschlichen Geschlechtes, nicht sebr ast seyn können. Ein Resultat der vernünftigen Geognosic, wel¬ ches zugleich am besten bewiesen ist, und am wenigsten erwartet wurde." Und S. 107: „Wenn irgend ein Gegenstand der Geo¬ logie fest stebt, so ist es der, daß die Oberfläche unserer Erde eine große und plötzliche Revolution erlitten hat, deren Epoche nicht viel über fünf- bis sechstausend Jahre binausreichen kann; — — daß seit dieser Revolution die kleine Zahl Individuen, welche die¬ ser Katastrophe entgangen sind, auf der neuen, aufs Trockene gekommenen Erdoberfläche sich verbreitete und vermehrte, und daß folglich seit jener Epoche die menschlichen Gesellschaften sich wie¬ der gebildet haben. In gleichem Sinne sprechen sich ans: Saussure (vovsAe llans les ulpes); Dolomieu (llonriml sie I'Iivsigus; — 1' 1801)! Deine (Tl'güö vlomontgee Oe tleolo-zio; — 1' 1817); Buckland (geb' 1784, Professor der Geologie zu Orford, f 14. August 1856);*) Andre de Gy; Brongniart (geb. 1770); Biot (geb. 1774); Elie de Beaumont (geb. 1798); — unter den Deutschen jüngst Ru¬ dolph Wagner (in seiner Naturgeschichte des Menschengeschlech¬ tes), und Andere. Läßt sich demnach an einer so sehr verbürgten Thatsache bil¬ liger Weise zweifeln? Dock, war sie eine außerordentliche? Nach dem, was uns die bcil. Schrift davon berichtet, kann mau kaum ein Bedenken tragen, die Sündfluth als eine solche, d. i> als ein nicht im gewöhnlichen Laufe der Dinge liegendes Ercig- uiß anzusehcn. Haben gleichwohl natürliche Ursachen mitgc- wirkt — (wir stellen uns z. B. die von Nord-Ost nach Süd-West gegangene Strömung durch eine vulkanische Erhebung der Nord¬ pols-Gegenden bervorgebracht vor) — so geschah dies doch nissst anders, als auf Gottes allmächtigen Willen, welcher über ciu entartetes, unverbesserliches Geschlecht die verdiente Strafe bet- einbrcchen ließ. Uns, und allen noch späteren Generationen aber soll diese Katastropbc ein warnender Beweis seyn, daß die Sündf und der Abfall von Gott nicht ungeahndet bleibe. Auch die Wahrheit soll sie uns nie vergessen machen, daß, wie die West ein Werk Gottes ist, cs auch nicht mehr als eines Winkes voU Ihm bedürfe, um sie wieder aufzulöscn. (Siebe Serres Kos¬ mogonie S. 1,87—167; nnd Eard. N. Wiscman: Zusammenhang S. 250-286». ) Siehe die vorige Anmerkung. 143 M. Wunder nnd Weissagungen. Der Glaube an das Christenthum, die einzig wahre Religion, hat den Glauben an Wunder zur Voraussetzung; was schon angcdcutet wurde. (Siehe Abh. IV.) Denn das Ehristcnthum beruht als positive göttliche Offenbarung, in seiner Entstehung, Fortpflanzung, Erhaltung und ganzen Geschichte aus Wundern; so, daß es obne diese gar nicht begriffen werden kann. Daraus leuchtet die Wichtigkeit einer etwas genaueren Erör¬ terung dieses Gegenstandes ein, und zwar um so mehr, weil ge¬ gen die Wunder so Manches eingewendct zu werden pflegt. Vor Allem ist es nothwendig, sich über den echten Äegrifs eines Wunders zu verständigen, weil eben ein gewöhnlicher Kunst- gnff Jener, welche keine Wunder zugcbcu wollen, darin besteht, ms einer unrichtigen Vorstellung davon solche Folgerungen abzuleiten, mit welchen freilich auch wir nicht einverstanden seyn können. So z. B. wenn sie das Wunder eine Ausnahme von ber überall in der Natur bemerkbaren Vernunft-Ordnung, — also cine Unvernunft; oder ein Ercigniß gegen die Naturgesetze dgl. nennen. Was ist ein Wunder? Es ist eine solche Erscheinung in der Innenwelt, welche durchaus nicht durch bloße Naturkräfte allein hervorgebracht werden konnte; sondern dem unmittelbaren Umgreifen Gottes, des Schöpfers und Herrn der Natur, als der sle bewirkenden Ursache, zugeschrieben werden muß. . Die Wunder sind entweder Wundcr-Thaten, in so ferne be Handlungen sind, und zwar Dessen, dem die Macht Wun- .cr zu wirken entweder an und für sich eigen ist, — als jene un- ^"s Heilandes waren, so lange er noch als Gott-Mensch auf ^cden wandelte, — oder der dieselbe von Gott erhalten hat, Z- B. bei den Propheten, Aposteln, Heiligen der Fall war; Oder sic sind Wunder-Begebenheiten: d. i. solche durch Got- w Allmacht bewirkte Aendernngen an Gegenständen der Siuncn- . m welche außer dem Bereiche der bloßen Naturkräftc liegen; '' V. die Sonncnfinstcrniß beim Tode Jesu. , .Daß diese Unterscheidung nicht das Wesen des Wunders 'wuhre, bedarf keiner ausdrücklichen Bemerkung. llnter einem Wunder im eigentlichen Sinne verstehen wir nicht etwas bloß Außerordentliches, Außcrgewöhn- ?.ches, was dcßhalb Staunen erregt, weil cs nicht zu den all- ^Zlichen Erscheinungen gehört. Es würde ein Wunder blei- wenn cs auch so oftmals vor unseren Augen Statt fände, es »ns gar nicht mehr auffiele. Zwei Fragen mögen nun unsere Aufmerksamkeit in Anspruch "chnicn: Sind Wunder im Allgemeinen möglich? Und sind in 144 der That schon Wunder, insbesondere Jene, von denen die heil. Schrift crzäblt, gewirkt worden? Können wir dessen gewiß seyn? Eine von der Idee eines persönlichen, überweltlichen Gottes abgekehrte pantheistische Naturauffassung muß, wenn sie nur ir¬ gend conscquent seyn will, die Möglichkeit der Wunder in Ab¬ rede stellen; sa sogar eine unrichtige Vorstellung von Gott, von seinen Eigenschaften und seiner Wirksamkeit fuhrt am Ende zu dem nämlichen Resultate. So Manchen hört man sagen: Die Naturkräfte wirken nach be¬ stimmten, für alle Ewigkeit geltenden, unabänderlichen Ge¬ setzen, welche unser Denkvermögen als solche anerkennen muß. Dcßhalb muß Alles das in der Natur auf das Genaueste ciii- treffcn, was der berechnende Verstand mit mathematischer Gewi߬ heit lehrt; z. B. die Sonnen- und Mondfinsternisse. „Was der Gedanke verspricht, das hält die Natur." (Oersted a. a. O. S. 79.) Das Wunder aber würde die Naturgesetze auf- - heb en, was schlechterdings nicht seyn kann. Es wäre eine Stö¬ rung in der Harmonie der Natur; ein Mißton in dem Einklänge ihrer Kräfte nnd Wirksamkeit. „Darum ist es nur Jenem, wel¬ cher einen so beschränkten Begriff von der Natur hat, daß er die Einheit der Vcruuuftgcsetzgebung, die das Ganze umfaßt, nicht sicht, möglich, sich einen übernatürlichen Eingriff in dieselbe zu denken, ohne selbst die Vcrnunftwidrigkeit dieses Gedankens gewahr zu werden." (Oersted a. a. O. S. 88.) Schöne Worte! die aber lauge nicht das beweisen, was sie wollen. Die Naturgesetze sind ewig und unabänderlich, heißt es, und die Wunder heben sie auf! Es wurde schon dargethan, (siehe die Artikel „Natur" und „mosaische Schöpfungsgeschichte") daß von einer Ewigkeit iznd Unabänderlichkeit der Naturgesetze Gott gegenüber keine Rede seyn könne. Mit der Erschaf¬ fung der Natur hat auch erst die Wirksamkeit ihrer Gesetze, welche ihr Gott vorschrieb, begonnen — mit dem Ende des Wclt- uuivcrsums wird dieselbe wieder aufhören. Und was hat es nut der so nachdrücklich hcrvorgehobencn Unverändcrlichkeit der Natur¬ gesetze eigentlich für ein Äcwandtniß? Ist es wahr, daß das Wunder eine Aufhebung dieser Gesetze; eine Störung dck Wcltordnung; eine Unvernunft sey? Nein! Unveränderlich in feder Beziehung kann die Ordnung und der Lauf der Natur schon dcßhalb nicht genannt werden, weil dieser von ft manchen äußeren Einflüssen bedingt ist, und sich z. B. nach der Verschiedenheit des Klimas u. dgl. richtet. Kann ja sogar der Mensch durch sein Eingreifen eine Modifikation im Gange der Natur hcrbeiführen, ohne daß man deßhalb sagen darf, er habe die Ordnung der Natur im Ganzen verkehrt, nnd ihre Gesetze altt- rirt! Er kann z. B. durch Lichtung von Wäldern, durch Austrvcknunf von Sümpfen das Klima einer Gegend gesünder. Diese Elementar»^ fällen weniger ausgesetzt machen. Mas dem Menschen, sreiluu nur in höchst beschränkter Beziehung möglich ist, — denn allck 145 Vergleich zwischen ihm und dem Unendlichen bleibt ein einseiti¬ ger — soll das Gott, dem Allmächtigen unmöglich seyn? Doch das Entscheidende nicht nur für die Möglichkeit, son¬ dern auch höchste Vernunftmäßigkeit der Wunder liegt in der Erwägung, daß sie nicht gegen die Naturgesetze geschehen, daß sie dieselben nicht einmal im Geringsten verletzen, viel we¬ niger aufheben. Denn was geschieht bei einem Wunder? An die Stelle der sonst gewöhnlichen, bloß natürlichen Ursache tritt die unmittelbare Einwirkung Gottes, welche das zu Stande bringt, was die Naturkräfte allein zu bewirken nie vermocht haben würden. Uebrigens bleiben dieselben und ihre Gesetze dem Wesen nach, was sie sind. Der Lauf der Natur wird kein ande¬ rer; er wird gar nicht unterbrochen. Die Wunder gehören so gut, als die gewöhnlichen Erscheinungen in der Natur zum Gan¬ zen der Weltordnung; — sa sie sind die höhere Seite dersel¬ ben. Gott hat sie schon von Ewigkeit in seinen Weltplan — den Physischen sowohl, als auch den moralischen — ausgenommen, und zwar als integrirenden Theil desselben. Wie kann man also die Wunder eine Störung dieses göttlichen Planes, wel¬ cher freilich kein Stückwerk ist, oder der durch die Wunder nach¬ träglich verbessert würde, — wie kann man sie einen Miß ton >n der Naturharmouie nennen? Sie zeugen vielmebr auf das lauteste, wie von der Allmacht, so auch von der böchsten Ver¬ nunft des übcrweltlichen Herrn der Natur; freilich unbe¬ greiflich für Den, der an die Stelle Gottes eine Allvernunft ber Natur setzt, über die kein höheres Wesen zu gebieten habe. Wie mit der Natur-Vergötterung, so ist die Möglichkeit der Wunder auch mit jener falschen Ansicht über die schöpferische Aätigkeit Gottes nicht vereinbar, welche diese mit der am sechsten ^age vollendete» Erschaffung auf unserer Erde für immer abgeschlossen erklärt. Dieser Anschauung zufolge habe Gott die West zwar höchst weise eingerichtet; Er habe der Natur ihre Rtaste gegeben und die Gesetze ihrer Wirksamkeit vorgezeichnet; Alles geschehe zwar in der Natur so, wie Gott cs vorhergefehen a«d gewollt, — aber nicht Gott sey jetzt mehr thätig in ihr, londcrn die Natur selbst. Würde Gott nun nach der Schöpfung "°ch Wunder wirken, so käme er aus seiner Ruhe, und würde ach selbst das Zeugniß ausstellen, daß er die Natur nicht so gut i'abe erschaffen können oder wollen, als es von seiner All¬ macht und Weisheit zu erwarten war, weil er daran nachmals Aendcrungen und gar Verbesserungen vornimmt.*) "Wir können Gell entbehren in der Natur, — ruft Dr. I. M. Schlei¬ den (Studien S. 107) voll Selbstgefühles, aber gewiß nicht christlichen, aus — die so vollkommen aus seiner schöpferischen Hand hervorging, daß er nicht mehr dem schlechten Uhrmacher gleich dastehen muß, um jeden Augenblick die in Unordnung gerathenen Zeiger und Räder wieder zurecht M rücken. Gerade, daß wir ihn unmittelbar in der Natur ni e- 10 146 Die Haltlosigkeit solcher Einsprache ist aus dem oben Gesag¬ ten klar. Wir wiederholen, daß Wunder keine Aend erringen, noch weniger Verbesserungen des göttliches Weltplanes seyen, weil sic in denselben schon von Ewigkeit ausgenommen wurden; und zwar nicht als etwas Fremdartiges, nicht recht hinein Pas¬ sendes, sondern als etwas ihm ganz eigenthümlich Angehörendes. Ob in einem bestimmten Falle ein Wunder nothwen- big sey, können wir kurzsichtige Menschen nicht jedes Mal beur- theilen; aber daran zweifeln, wenn die Wirklichkeit des Wun¬ ders erwiesen ist, ist zum Mindesten gesagt, Unbescheidenheit, die es sich herausnimmt, die Absichten Gottes zu durchschauen. Unter allen Völkern, sowohl den gebildetsten, als den rohe¬ sten, begegnen wir dem Glauben an Wunder, obgleich oft in den absurdesten Wundergeschichten und mythologischen Fabeln ausge¬ prägt. Genug ! dieser Glaube läßt sich nicht wegläugnen. - Woraus ist die so allgemeine Uebereinstimmung in demselben zu erklären? Man sage nicht, aus der geistigen Unmündigkeit der Völker; aus ihrer Sucht nach Außergewöhnlichem; aus ihrer Uu- keuiitniß der Natur, deren Kräfte und Gesetze. Eben so wenig aus Priester-Trug. Derlei Meinungen sind zu oberflächlich, als daß sie der Sache auf den Grund gingen. Ein so allgemeiner Glaube muß eine tiefere Wurzel haben; er kann nicht erst künst¬ lich von außen erzeugt worden seyn. Sonst hätte sich nicht bloß hie und da ein einzelner sogenannter Philosoph, — unter den alten Griechen schon, und jetzt "noch, — oder hie und da nur ein Naturforscher dagegen ausgesprochen. Daß es noch nirgends eine Religion ohne Wunderglauben gegeben habe, auf den sie sich stützt/ beweist eben zu Genüge, daß derselbe in der dem Menschen ein- gepflanzten lleberzeugung von dem Walten einer allmächtigen Gottheit über den Kräften der Natur, von dem Aufgehen der physischen Ordnung in einer höheren, moralischen Welt-Ord¬ nung begründet sey. Der Polytheismus hat in seinen traurigsten Verirrungen doch noch irgend eine Spur dieser aus der Uroffen¬ barung übrig gebliebenen lleberzeugung bewahrt; der moderns Pantheismus und Naturalismus aber möchte sic vollends verwi¬ schen, indem er die Natur-Kräfte und Gesetze als das Höchsts- Ewige, Unabänderliche hinstellt. — In der Geschichte der göttlichen Offenbarung, welche in den heiligen Büchern des alten und neuen Bundes erzählt wird, kow- mcn übernatürl iche Thaten und Ereignisse vor, welche wü für eigentliche Wunder halten. Worauf stützt sich diese sere lleberzeugung? Auf Gründe, die nicht umgestoßen werde" können. Wir fassen die wunderbaren Begebenheiten der Bibel aus mals finden, macht uns ihn unverlierbar und groß." — Es liegt durchaus kein vernünftiger Grund vor, dem keil. Johannes, der ein Apostel des Herrn, sein steter Begleiter, und gewiß auch Augenzeuge dieser Begebenheit war, den Glauben an die Wabrhaftigkeit sei¬ ner Erzählung zu verweigern. Von seiner Seite war nichts wei¬ ter, als gewöhnliche Aufmerksamkeit nothwendig, um die That- jache, so wie sie vor sich ging, zu kennen. Daß er sie in seinem Berichte nicht verunstalten wollte, dafür bürgt uns sein Charakter, und seine einfache Erzählungs- Weise, welche nicht nach Dichtcrart ausmalt, sondern das Fac¬ tum offenbar so gibt, wie es sich zutrug. — Ueber diese Heilung, welche Jesus an einem Sabbate vorgenommen hatte, wurde, wie weiter V. 8—34 erzählt wird, ein förmliches Verhör vor der geistlichen Obrigkeit sowohl mit dem Geheilten selbst, als auch mit seinen Eltern angestellt, wodurch es sich als unbezweifelbar erwies, daß Jener wirklich blind schon auf die Welt kam, und das Augenlicht in der oben beschriebenen Weise erlangt habe. Das Factum ist hiemit constatirt. Ist es ein Wunder, oder etwas ganz Natürliches? Jedenfalls das Erstere! Denn die »om Herrn angewendeten äußeren Mittel hatten gewiß von der Natur die Kraft nicht, einem Blindgebornen das Gesicht zu geben; sie standen zu dem Erfolge in gar keiner inneren noth- wendigen Verbindung; derselbe mußte also durch den allmäch- tlgen Willen des Heilandes allein hervorgebracht worden seyn. iDie Mittel, deren sich der Herr hier, und bei anderen ähnlichen Veranlassungen bediente, waren als äußere Zeichen der erwiese- nen Wohlthat nichts als Sinnbilder der die Gnade mitthei- ünden heil. Sacramente — dieser Reinigungs- und Heiligungs- Duellen für die Seele.) — Sogar die Feinde Jesu ließen es sich nicht beifallen, der Be- gebenheit den Charakter der Ueberuatürlichkeit abzuläugnen; obwohl sie, vom Hasse geblendet, Vie sich daraus von selbst auf- drmgende Folgerung: Jesus müsse ein Gesandter Gottes, der Messias, sepn, nicht zugeben wollten. Die ganz vernünftige Bc- workung des Geheilten (V. 32.): „So lange die Welt steht, ist wcht gehört worden, daß Jemand die Augen eines Blindgebornen ssiuf natürlichem Wege) geöffnet hat", wäre nocb immer die trif- ^gsie Entgegnung, wenn etwa die Einsprache erhoben würde, daß °er Herr durch Anwendung irgend einer nur ihm allein bekann- A Äaturkraft die Heilung vollbracht habe. Der gesunde Menschenverstand, gestützt auf die Erfahrung seit der Schöpfung der Welt, — die gewiß bis zum Ende derselben durch eine gegen- 150 theilige nicht wird umgestoßen werden, — hat dem Geheilten obige Worte eingegeben. Daß der Herr dies Wunder zumeist zu seiner Beglaubi¬ gung wirkte, erhellt aus der Frage, welche er au Jenen stellte: „Glaubst Du an den Sohn Gottes?" Wer ist es, Herr? ant¬ wortete der Gebeilte, damit ich an ihn glaube. Jesus erwiderte: „Du hast ihn gesehen; Der mit Dir redet. Der ist's." Herr! ich glaube, war die Antwort des wieder Sehenden. Er fiel nie¬ der und betete Jesum an. (V. 35—38.) Das Gesagte läßt sich auf alle Wunderthaten des Herrn der Hauptsache nach beziehen. Es hat eine Zeit gegeben — noch ist es nicht gar lange seit¬ her, in welcher rationalistische Bibelgelehrte die Wunder Jesu und seiner Apostel — um so mehr jene des alten Bundes — natür¬ lich erklären wollten. Aber zu welchen willkürlichen Verdrehun¬ gen des Textes; zu welchen Absurditäten mußten sie da ihre Zu¬ flucht nehmen! Sie forderten kaum einen geringeren Glauben an ihre Auslegung, als die Wunder, welche ihnen zum Anstoße wa¬ ren. Gewiß! es bleibt nichts übrig, als diese entweder als das, was sie sind, nämlich als übernatürliche Thatsachen gelten zu lassen, oder sie schlechthin, aller historischen Gewißheit zum Trotze, hinwegzuläugnen! *) Daß die Wundergabe in der katholischen Kirche bis in die Gegenwart nicht aufgehvrt habe, obwohl sie zunächst zu ihrer Be¬ gründung und ersten Ausbreitung nothwendig gewesen, be¬ weist ihre Geschichte. Insbesondere wird derselben in den Lehens¬ beschreibungen der Heiligen vielfach Erwähnung gethan. Was ist von diesen Wundern zu halten? Wir geben unbedenklich zu, daß die Wunder, von denen die Legenden, wenn sie auch echte sind, erzählen, nicht den nämlichen Glauben in Anspruch nehmen können, als die der heil. Schrift; und unterscheiden überdies zwi¬ schen jenen Wundern, die von der Kirche als solche erklärt *) Keines der biblischen Wunder, in strengster Bedeutung, gehört in die Gruppe jener Erscheinungen, deren naturwissenschaftliche Erklärung vollkommen ge¬ lungen ist, — so, daß sie etwa zu bloß durch die Naturkräfte hervorgebrach¬ ten Phänomenen herabsinken. Wenn der Naturforscher da recht eigentlich seine ihn beglückende Heimath findet, und bei ihnen am liebsten und läng¬ sten verweilt (Dr. Schleiden, Studien S. 123), so möge er, um es in der That zu zeigen, daß „sich der echte Naturforscher durch die größte, ihrer selbst wohlbewußtc Unwissenheit charakterifire, und stets der bescheidenste Mensch von der Welt sey" (Worte Dr. Schleidens a. a. O. S. 126), nur auch nicht sich einbilden, daß sich Alles, ob früher oder später, natürlich erklären lassen müsse, und möge Die nicht Schwärmer oder gar Heuchler schelten, welche der entgegengesetzten Ueberzeugung sind; weil sonst trotz aller Versicherung uns sein e B e sche id en he it mit Recht )v unglaublich vorkommt, als ihm die Wunder. Was Dr. Schleiden a. a. O. S. 204 u. ff. noch sonst gegen die Wun¬ der einwendet, ist aus dem bisher Gesagten unschwer zu berichtigen. — 151 worden sind, und denen, welche diese Bestätigung nicht für sich haben. Die Ersteren verwerfen, ist zum Mindesten vermesseut- lich, und beleidigend für die Kirche, weil sie darüber bei dem Prozesse der Heiligsprechung die genauesten Erhebungen und Prü¬ fungen an stellt. Wie sonst in allen Dingen, sind auch in Betreff des Wun¬ derglaubens Verirrungen nach beiden Ertremcn zu vermeiden. Wunderscheue, welche sich »nt den triftigsten Beweisen nicht zufrieden stellen will, weil sie auf falschen Ansichten und vorge¬ faßten Meinungen beruht, ist eben deßhalb Vorurt heil und Befangenheit; aber Wund ersucht, die überall, und sey es auch ohne Zweck, übernatürliches Eingreifen Gottes sieht und ver¬ langt, ist ebenso durchaus nicht zu billigen! Der Katholik ver¬ traut auch diesfalls auf das weise Urthetl seiner Kirche mit aller Beruhigung. Fortsetzung. Unter den Hauptbeweiscn für die Wahrheit des Cbristenthu- mes (siehe diesen Artikel) haben wir auch die iu der Person sei¬ nes göttlichen Stifters erfüllten alttestamcntlichen, und die von Diesem selbst gemachten, größtentheils gleichfalls schon in Erfüllung gegangenen Weissagungen angeführt. Man hat dieselben hie und da, nicht ohne Grund, unter den Begriff von Wundern ge¬ bracht; nämlich als Wunder der Allwissenheit Gottes, wäh¬ rend die so eben besprochenen übernatürlichen Thaten und Begebenheiten Wunder der Allmacht Gottes genannt werden können. Beide, als die zwei Formen der Offen barnngs- thätigkeit Gottes, stehen in der innigsten Verbindung mit einander. Denn so wie die Schöpfung aus zwei Theilen besteht, aus der körperlich-materiellen, und aus der geistig-vernünftigen Welt, so ist auch die unmittelbare Einwirkung Gottes, der sich uns in positiver Weise geoffenbart hat, in derselben eine zweifache. In der sichtbaren Natur äußert sie sich durch die Wunder, — (im engeren Sinne genommen), — auf den Geist des Menschen aber wirkt Gott unm ittelbar ein durch die Jn- lviration, wodurch derselbe so über sich selbst und die seinen vermögen verliehenen Kräfte erhoben wird, daß daraus Wir¬ kungen hervorgehen, welche sich im Verhältnisse zu den natür« "chen (Geistes)-Vermögen als göttlichen Ursprunges erkennen kaffen. (Dr. v. Drey's Apologetik I. Bd. S. 229.) Je nach den ffuzelnen Vermögen im Menschen, oder nach den besonderen Zwecken der Inspiration lassen sich mehrere Arten derselben un¬ bescheiden. Jnsoferne Gott durch sie dem Menschen Etwas aus ber Zukunft eröffnet, um es zu verkünden, was Dieser vermöge 'kluer natürlichen Voraussicht nicht vorherzuwisscn un Stande ge¬ ilen wäre, macht er ihn zum Propheten (der Wortbedeutung "achch d, i. zu Einem, der weissagt. 152 Die Weissagung ist demnach: „die sichere Vorherverkündi¬ gung eines zukünftigen, wirklich eintreffenden Ereignisses, welches aus natürlichen Ursachen unmöglich vvrausgesehen werden konnte"; — oder: „Sie ist die Vorausnahme und Vor- herverkündigung der Zukunft, in so weit diese in der bekannten Gegenwart weder gegeben, noch sichtbar vorbereitet ist; darum, wenn sie in der Erfüllung zur erscheinenden Wirklichkeit wird, dem Menschen nicht anders zur Veranschauung kommen konnte, als durch göttliche Erhebung über die Schranken menschlichen Er¬ kennens. (So Dr. v. Drey a. a. O. S. 240.) Daß die wahre Weissagung einzig nur von Gott, als ihrem letzten Grunde, kommen könne, ist aus dem Gesagten einleuchtend; so wie sich aus obiger Definitiv» auch ihre wesentlichen Merkmale und Erfordernisse von selbst ergeben. Die echte Weissagung ist nie so zweideutig, daß, was sich schon immer ereignen möge, dar¬ unter verstanden werden darf; es ist aber nicht nothwendig, daß sie vollkommen klar und bestimmt gegeben werde; denn der Mensch, dessen sich der Allwissende bedient, um den Schleier, der die Zukunft deckt, soviel es ihm gefällt, zu lüften, ist ja in seiner Erkenntniß und Sprache beschränkt, seine Darstellung des ihm von Gott Geoffenbarten ist nicht immer leicht faßlich; der Prophet sieht nur Bruchstücke aus der Geschichte der Zu¬ kunft, ihr Zusammenhang und das Ganze dieser Geschichte ist ihm selbst meist unbekannt. Zudem erhält die Weissagung ihrer Natur nach erst durch ihre Erfüllung, welche die Endprobe ihrer Wahrhaftigkeit ist, volles Licht und Verständniß. Früher ist sie mehr oder weniger dunkel, und kann auch noch nicht auf absoluten Glauben Anspruch machen; es sey denn, daß sich der Prophet durch Wunderthaten, oder durch seine anderen, bereits auf das Genaueste erfüllten Vorhersagungen als von Gott inspi- rirt ausgewiesen habe. Die Weissagung ist nicht zu verwechseln mit der rein mensch¬ lichen Vermuthung zukünftiger Dinge, welche sich zufällig er- wahren kann oder nicht. Niemand wird dem menschlichen Geiste das Vermögen abstreiten wollen, durch Eombiuation aus gewisse» in der Vergangenheit und Gegenwart liegenden Prämissen auf die Zukunft zu schließen; aber Wer gesteht es nicht, daß so ein Schluß immer mehr oder weniger unsicher und schwankend ist, zumal dann, wenn das zukünftige Ereigniß nicht von der Na tu r- nothwendigkeit allein, sondern auch, vielleicht zum größte» Theile, von der menschlichen Freiheit abhängt? Ist dies Letz¬ tere ausschließlich der Fall, so ist es ganz gewiß ein Gegen¬ stand, welcher außer der Sphäre unserer Vorausberechnung liegt- Diese wird überdies durch so Manches äußerst beengt und un¬ gewiß. Die Kenntniß des Menschen von der Gegenwart und Vergangenheit, welche die Keime der Zukunft in sich schließt, ist meist gar mangelhaft; die Verkettung von Ursachen und Wirkun¬ gen oft sehr verwickelt; — Leidenschaften trüben nur zu häufig 153 seinen Blick in die Ferne; darum täuscht er sich so oft und bitter m seinen Plänen schon für seine nächste Zukunft. Wer möchte also, zumal die in der heil. Schrift enthaltenen Weissagungen, nur auf Rechnung menschlicher Combination setzen? Eben so wenig haben sie mit bloßen Ahnungen, oder mit dergleichen natürlichen Thätigkeiten der Seele, als es z. B. das Hellsehen somnambuler oder ekstatischer Personen ist, etwas gemein. Der von Gott unmittelbar inspirirte Propbet stellt mit Ei¬ nem Worte — als solcher auf übernatürlichem Boden, er ist das Organ des Unendlichen, welcher, wie über Raum, so auch über Zeit erhaben, und vor bessern Blicke Alles aufgeschlossen ist. Darum sind Weissagungen ein so wichtiges Moment in der Geschichte der göttlichen Offenbarung. Einige der ältesten Kir¬ chenväter stellen sie bezüglich ihrer Beweiskraft für die Göttlich¬ keit des Christenthumes und seines Stifters sogar über die Wunder. . Die Möglichkeit der Weissagung, oder — was das Nämliche M, — die Möglichkeit einer solchen unmittelbaren Einwirkung Gottes auf den Geist des Menschen, daß dieser dadurch zur Vor- Mssebung der ihm sonst verschlossen gebliebenen Zukunft gelangt, kann nur Derjenige bestreiten, der entweder die Empfänglichkeit menschlichen Geistes dafür — etwa deßwcgen, weil er in dem Menschen nur Materie, und nichts Vom Geiste anerkennt — oder du Macht und den Willen Gottes zur Eröffnung der Zukunft — Melleicht, weil er an keinen persönlichen Gott glaubt — läugnet. ^vin christlichen Standpunkte aus beantwortet sich diese Frage don selbst. Wenn der Mensch schon vermöge seiner natürlichen ^erstandesthätigkeit Einiges aus der Zukunft vorauswissen kann, warum soll er, durch Gottes Einwirkung über sich selbst erhoben und belehrt, nicht noch Mehreres, seine natürliche Vor- aussicht Ueber steig end es, erschauen können? Gott, der (wissende, ist gewiß im Stande, ihm eine solche Mit- weilung zu machen; und eben so gewiß will er es thun, wenn zur Beförderung seiner heiligen Absichten dient. Der allge- neine Glaube daran, daß die Gottheit gewissen besonders begün- VUl a Personen, an bestimmten heiligen Orten, die Zukunft er- Vvß, welchen wir schon im grauesten Alterthume antreffen, be¬ llst, daß an der Möglichkeit der Weissagung nie gezweifelt wor- eu sey. „Veterem esse opinlonem, sagt Cicero fli'br. cle clivinat.) ueroieis stuotam temporibus, eam et populi romani, et Mnium gentium eonssnsu kirmstam, versari guamclam see ligiwiies seientism rerum kuturarum, eamgue non ab in^e- /.o bums.no, gest s Oiis profioisei." Auch diesen Glauben wir zuletzt aus keiner andern Quelle her, als aus der über- ^ss"en Kenntniß, daß Gott schon uranfänglich — nach dem unidenfalle — den Retter verheißend sich geoffenbart habe. urauf bezogen finden wir Cicero's Bemerkung (ste natura "wr. Is, Z) nicht unrichtig: „praeäiotinnes vera et prassensione» 154 rornm kuturaruni qui.I alinä steelsrant. nisi lwmimkiis eg. quae kulurg sunt ostenili, munslrari, porteueli. praeckiei "t ex gun illg nstenta. mo»- 8ti-g, sigi tenta. pigäiPg elieuntur." Der Zeit »ack sind die wahren Weissagungen entweder vvr- christliche oder christliche. Die Ersteren wurden vorzüglich durcl' die Propheten des alten Bundes gemacht, von denen wir Einiges, sowohl was ihre Ausgabe, und ihren eigenen Cha¬ rakter im Allgemeinen, als auch die Beschaffenheit ihrer Prophe¬ zeiungen betrifft, im Nachstehenden andeuten. Der Name „Prophet" ist griechisch (n^aa^ri/;) und bedeutet Jemanden, der Zukünftiges vorhersagt. Im Hebräischen hei¬ ßen sie x,ch)i. NahUm, d. i. (von Gott) „Begeisterte, Jnspirirte", (in dem oben angegebenen Sinne), was einen ausgedehnteren Begriff gibt, als bloß den des „Vorhersagens"; — ferner: „Sehende, Schauende", zunächst deßhalb, weil sie an Einsicht und Erkenntniß, die ihnen von Gott gegeben ward, sich vor den Uebrigen auszeichneten; aber wohl auch, weil sie in die Zu¬ kunft schauten; — seltener werden sie „Späher (Beobachter), Wächter, Hirten" des Volkes genannt. Auch die Ausdrücke: „Mann Gottes, Knechte Jehovas, Boten Jehovas" kommen von ihnen vor. — Welcher ist der Ursprung des alttestamentliche» Prophetismus? Gott selbst ist der erste Gründer desselben! weiter entwickelt hat er sich aber aus dem Theokratismus des he¬ bräischen Volkes. Dies darf man nicht aus den Augen verlieren, um auch die Bestimmung und Wirksamkeit der Propheten gehörig zu würdigen. Schon Abraham wird (Genes. Cap. 20, V. 7.) ein ,Mbi" genannt, und der sterbende Patriarch Jakob rief seine Söhne und sprach zu ihnen: „Versammelt euch, daß >ck> verkünde, was euch begegnen wird in der Zukunft der Tage" (Gen. Cap. 49, V. 1.). Am Sinai hatten die Hebräer eine theo- kratische Verfassung erhalten, als sich Gott zu ihrem unsichtbaren König und Herrn erklärte. Aber es war auch eine sichtbar/ menschliche Vertretung Jehovas bei seinem noch so ungess- gigcn, so leicht auf Abwege zu bringenden Volke nothwcndiif Zu dieser wurden eben die Propheten berufen, und deßhalb ig dem Geiste Gottes erfüllt. Sie waren also Mittelpersonen zwi¬ schen Gott und seinem Volke, Organe Gottes, von ihm in sei»' Geheimnisse eingeweiht. Wenn gleich das Vorhcrverkündcn der ihnen von Gott erschlossenen Zukunft — das Weissagen — nickst ihre ausschließliche Bestimmung war, so gehörte es doch we¬ sentlich zur selben, welche darin bestand, daß sie in dem hebräi¬ schen Volke die Gott wohlgefällige Gesinnung und Handlung- weise förderten, und es so für die Absichten, die Gott mit ib^ kalte, tauglich machten. Im Einzelnen drangen sie auf cckstr Gottes-Erkenntniß und Verehrung, indeß der Priester stand nächst nur den äußeren Cultus zu besorgen hatte; sie beam- sichteten und leiteten das Volk in moralischer Beziehung, uN wirkten sogar in politischer Hinsicht segensvoll, indem sie auch "" ISS dcn Regierenden mit Freimutbe rügten, was den theokratischen Gesetzen zuwider war. Die Berufung zu diesem ihrem höchst wichtige» Amte empfin¬ gen die Propheten nicht von Menschen, sondern von Gott — meist mir innerlich; hie und da aber auch m äußerlich wabrnehmbarcr, symbolischer Weise, so z. B. wenn tlH. Köu. Cap. 9, V. 16.» Elias von Gott beauftragt wird, deu Elisäus zum Propbeten zu salben. In den sogenannten Propheten - Scbnle» , als deren Stifter Samuel angesehen wird, die aber bald nach Elisäus tvic- der aufgehört haben mochten, wurde wohl im beil. Gesetze und zweifelsohne auch in anderen Gegenständen, als im Gesänge, in der Musik, in der Natur- und Arzneikundc Unterricht ertheilt; aber die übernatürliche Gabe der Weissagung konnte dort nicht mitgetheilt werden. Diese kam mit dem Berufe von Gott, llud während die Leviten nur aus dem Stamme Levi, die Priester nur aus der Familie Aaron hergenommen werden dursten, beruft sehova den Propheten woher er will. Durch ihre persönlichen Eigenschaften erscheinen alle wahren Propheten als höchst ehrwürdig. Sie zeichneten sieb aus durch die feurigste Begeisterung für das Wahre und Gute; durch d'e unbeugsamste Entschiedenheit für das Recht, und gegen das unrecht; durch Uneigennützigkeit und Unbestechlichkeit; durch Hu¬ manität gegen Andere, bei großer Strenge gegen sich lelbst, die lich auch äußerlich in ihrer Tracht, einem weiten härenen Ge¬ wände, mit einem ledernen Gürtel um den Leib befestiget, aus¬ prägte. Die aufrichtigste Liebe zu ihrem Volke und Lande beseelte Deßhalb standen sie bei allen Gutgesinnten im verdienten dohen Ansehen, obwohl sie auch oft vielen Leiden, und den hef- bgsten Verfolgungen der Bösen, insbesondere von Seite einiger abgöttischen Könige ausgesetzt waren. Die Bücher der Könige und der Chronik liefern manche Beweise davon. Elias, Jzaias, Brennas u. m. A. haben es erfahren. Was die Prophezeiungen selbst betrifft, welche m der öwel des alten Bundes ausgezeichnet sind, so haben sie alle Kenn¬ ten göttlicher Eingebung. Ihr Gegenstand ist durchaus Lottes höchst würdig; denn ihr Hauptinhalt ist kein anderer, der Messias und sein Reich; was sie sonst noch vorbringen, ,at darauf näheren oder entfernteren Bezug. Gerade die;e mes- ^.anischen Weissagungen sind in der Person Jezu Christi be- elts vollkommen in Erfüllung gegangen, wodurch auch den ubn- ac» noch nicht erfüllten das Siegel der Wahrhaftigkeit aufgcdruckt wurde. Was sie von den einzelnen Umständen des Lebens ,""d Todes Jesu, — der Schicksale ihres - des hebräischen — ""° fremder Völker u. dgl. vorherverkündeten, konnten sie unmog- auf natürlichem Wege und zufällig erratben haben. In der , wie ihnen die Zukunft enthüllt wurde, - ob durch unnut- 7"are göttliche Erscheinung und Mittheilung, ob in Gesichten, ° 'n durch nichts Aeußcrliches vermittelter Erhebung ihres Gei- 156 stes über sich selbst u. dgl., liegt durchaus nichts irgend einer Eigenschaft Gottes Widersprechendes. In ihrer Darstellung herrscht bei aller Mannigfaltigkeit von der erhabensten poötischen und rhetorischen Einkleidung bis zum einfach erzählenden Tone herab, — fe nach den persönlichen, Zeit- und Orts-Verhältniffen des Propheten, — durchweg das Gesetz der Zweckmäßigkeit und des Anstandes. Wenn auch hie und da ihre Weissagungen etwas dunkel sind (es wurde schon bemerkt, daß dies ihrer Wahrhaf¬ tigkeit nicht schade), so fehlt es ihnen doch wieder nicht an Um¬ ständlichkeit, die sich erst in der Erfüllung am bewundernswerthe- sten heransstellt Wie ins Detail beschreibt z. B. Jsaias die Macht, die Eroberungen und den Untergang des chaldäischen Rei¬ ches, und der Stadt Babylon, — Letzteres zu einer Zeit, wo dasselbe noch am Gipfelpunkte seiner Blüthe stand! (Cap. 13, 14, 21, 41, n. a. O.) Die messianische« Weissagungen werden immer klarer, je näher sie der Zeit ihrer Erfüllung kommen; war ja die Vorbereitung und Entwicklung unseres Heiles in Christ» Jesu auch eine stufenweise. Nach dem Gesagten hat die Berichtigung einiger falsche» Ansichten über das alttestameutliche Prophetentbum keine Schwie¬ rigkeiten. Die Propheten waren nicht bloße Sittenprediger, welche den halsstarrigen Juden auf Geradewohl Verheißungen und Drohungen machten: nicht bloße Weise, die weiter blick¬ ten, als der gemeine Haufe; sondern in der That gottbegei¬ sterte Männer. Man darf sie nicht für finstere, unduldsame, liebeleere Fanatiker halten; denn sie wollen nicht herrsche» im Volke, sondern es wohlmeinend leiten; — in die öffentli¬ chen Angelegenheiten mengen sie sich nicht ein, wenn nicht beson¬ dere Umstände es momentan verlangen; sie sind nichts weniger als unruhige Demagogen, welche etwa auf die Untergrabung des Ansehens und der Gewalt der Regierung hinarbeiten; i>" Gegentheile bewähren sie sich als die eigentlich Conservativcn >»> Staate, indem sie die ursprüngliche theokratische Verfassung ver¬ treten; niemals schmeicheln sie den schlechten Leidenschaften des Volkes, oder buhlen sie um dessen Gunst, sondern ohne Rück¬ sicht auf Person, verkünden sie Großen und Niedern, was ihnen Jehova zu reden befohlen. — Weil alle Völker des Alterthums Seher und Weissager hat¬ ten, so stellte man hie und da die Propheten auf Eine Linie «m denselben; insbesondere mit den Orakeln der Griechen. Astens mit Unrecht. Es besteht ein wesentlicher Unterschied M scheu ihnen. Der Prophetismus der Hebräer ist eine so durch¬ aus eigenthümliche Erscheinung, wie das Volk, unter welches wir ihn antreffen. Die falschen Orakel der Heiden waren Na"' ahmungen der wahrhaft göttlichen Weissagungen, so wie der al - heidnische Götzendienst Abfall von der ursprünglichen echten G», tesvcrehrung gewesen ist. Aus der Neugierde einerseits, und a» den Betrügereien andererseits lassen sie sich ganz leicht erklären-"" 157 Die ältesten Kirchenväter halten dafür, daß öfters auch die Dä¬ monen dabei im Spiele waren. Die Heiden hatten keine Weis¬ sager im Sinne unserer gottbegcisterten Propheten, welche das Zukünftige vorherverkündeten, "ohne zufällige Mittel dabei anzuwenden; während die heidnischen Wahrsager die Zukunft an allerlei zufälligen Dingen erkannt haben wollten, z. B. am Fluge der Vögel, in den Eingeweide» der Opfertbiere, (die su- »pices, linruspiees u. A.); an den Zügen der Hand (wie noch heut zu Tage manchmal damit Aberglaube getrieben wird) u. dgl. Solche Wahrsager betrieben ihr Geschäft als eine Kunst, als ein Gewerbe, — die Propheten hingegen lagen meist den Geschäften des gewöhnlichen bürgerlichen Gebens ob; sie suchten nie zeitlichen Vortheil. Wahrsagerei und überhaupt falsches Pro- phctentlmm wurde nach dem mosaischen Gesetze sogar mit dem Tode bestraft. (3. B. Mosis Eap. 20, V. 27; — 5. B. Mosis ^ap. 18, V. 20.) Nie befriedigten die Propheten gleich den heid¬ nischen Wahrsagern nur die müßige Neugierde, sondern hatten Rohere moralische Zwecke vor Augen. Näber scheinen sie zwar den sogenannten Tbeomanten der Griechen zu stehen, aber auch mit diesen haben sie im Wesen nichts gemeinschaftlich. — Die Begeisterung der Propheten ist eine heilige und wahrhafte; die Äner aber beruhte, wenn nicht immer auf Betrug, so doch — wie schon bemerkt — auf Selbsttäuschung und toller Schwärme¬ rs Noch viel weniger dürfen die Propheten mit gewissen Kasten oder Geschlechtern, z. B. mit den Eumolpiden, welche die eleu- Anschen Mysterien verwalteten, oder mit den Druiden der alten Gallier und Briten (der Eelten), welche einen abgeschlossenen Or- dcn bildeten; oder etwa gar mit dem Orden der Freimaurer ver¬ wichen werden. Sie waren die gottgesandten Vorboten und Verkünder des christlichen, die ganze Menschheit umfassenden Got- rs-Reiches. Von den Weissagungen nach dem Hingange Jesu, und dem Jahre vorausberechnen kann; die Art und Weise, wie ßj herbeigeführt werden, ist ihm zwar ein Geheimniß, — und doa! mißtraut er dem Kalender nicht, in dem sie verzeichnet stehe'': Niemand verargt ihm dies. — Wodurch eigentlich der WeE von Tag und Nacht und der Jahreszeiten bewirkt werde, ist dc>" schlichten Ackersmanne meist unbekannt; dennoch fällt es ihm lE bei, zu zweifeln, ob wohl auf die Nacht wieder ein Morgen, ">' den Winter wieder ein Frühling kommen werde. Er verläßt W mit aller Zuversicht darauf, besorgt, und richtet darnach seines schäfte ein. — Wie der Hagel entstehe, ist ihm ein Geheimüff' 161 aber das weiß er, daß derselbe seine Saaten vernichte, und sucht sich gegen solches Unglück, so gut es seyn kann, zu sichern, — allenfalls durch Theilnahme an der Assecuranz. Daran thut er ganz Recht. — Diese Beispiele sollen nur zeigen, daß der Kluge nicht schon deßhalb Etwas verwirft, daraus gar nicht achtet, weil er es sich nicht erklären kann; sondern er macht demungeachtet zn seinem Vortbeile Gebranch davon. Warum soll dies hinsicht- lich der Religion nicht gelten? Soll sich der Christ z.B. vom Tische des Herrn zum unermeßlichen Schaden seiner Seele deß- balb ferne halten, weil er nicht begreift, wie unter der Gestalt des Brodcs und des Weines der Leib und das Blut des Herrn wirklich gegenwärtig sey? — Nicht nur für den sogenannten Ungebildeten, sondern auch für den Gelehrtesten, gibt, und wird es immerfort, schon in na¬ türlichen Dingen, Gebeimniffe geben. Erkläre denn Einer aus den Physikern, was die Electricität, der Magnetismus an und für sich, nicht nur nach ihren in die Sinne fallenden Wirkun¬ gen betrachtet seyen! Sage es uns einmal ein Psycholog, ein Physiolog, wie der Geist des Menschen mit seinem Leibe ver¬ bunden sey; wie er auf ein Glied des Körpers, auf die Hand, den Fuß u. s. w. dergestalt freithätig einwirke, daß dasselbe in Bewegung komme; wie er seine Gedanken durch die Sprache ausdrücken könne? u. s. w. So lange die Vernunft auf solche sind tausend ähnliche Fragen nichts zu antworten vermag, darf iw sich um so weniger gegen Geheimnisse sträuben, deren Gegen¬ wand das Ucberirdischc ist. Geheimnisse fordern Glauben. Wahr ist's! — Man er¬ wäge: Mit dem Glauben, nicht mit dem Wissen beginnt alle unsere geistige Entwicklung und Bildung. Des Glau¬ bens kann der Mensch auch in seinem geistigen Fortschreiten sind im täglichen Leben nie ganz entbehren. Unsere eigene Er¬ fahrung liefert die Beweise hiezu. Wir benützen oft fremde Entdeckungen und Erfindungen (dies E auch von dem gelehrtesten Naturforscher) im guten Glau¬ ben an die Geschicklichkeit Derer, die sie machten; ohne deßkalb unserer eigenen Vernunft zn nahe zn treten. Eine höhere Ei tr¬ acht ist uns Bürgschaft dafür, daß wir nicht irre gehen. Das A°lk, das wissenschaftlich nicht zu erkennen vermag, daß die Sonne acht, und die Erde sich um sie bewegt, durch den Augenschein Welmehr täglich das Gegen theil wahrzunehmen meint, glaubt bsn Astronomen, weil diese als sachkundige und glaubwürdige Autorität sich ihm bewährt haben; dadurch nämlich, daß sie zeig- °su, z. B. durch Vorausberechnung der Sonnen- und Mondes- uusternisse, die pünktlich cintreffen, daß sie in der That von den Bewegungen der Himmelskörper etwas verstehen. — „Das ist ein Menschenwürdiger, auf v e rn ünftige s U rt heil gegrün¬ ter Glaube." (Dr. Frobschammer: Menschensecle und Phy- uulogie. S. 196.) Nun! was haben wir denn für die Geheim- 162 Nisse des Christenthumes für eine Gewähr? Die höchste, die ge¬ denkbar ist; nämlich die Autorität des sich offenbarenden Got¬ tes selbst. Dieser glauben heißt also nicht: auf die Vernunft ver¬ zichten, — im Gegenthcile ihr folgen, und ihre Forderung erfüllen. Wer in zeitlichen Dingen Etwas auf die bestverbürgte Aus¬ sage eines Dritten glaubt, kann es möglicher Weise auch zum Wissen bringen, wenn er sich nämlich selbst davon vollkommen überzeugt, — sey es durch seine äußeren Sinne, oder durch seine Verstandesthätigkeit. In praktischer Beziehung kann Aehnliches auch hinsichtlich jener Religionswahrheiten, die uns nur durch die Offenbarung bekannt sind, behauptet werden. Wenn der Christ seiner Religion gemäß lebt, so wird ihm der innere Zusammenhang aller ihrer Wahrheiten — auch der Mysterien — immer klarer; über das Ganze der Offenbarung ergießt sich für sein gei¬ stiges Auge ein immer helleres Licht; so daß er sich im thätigen Bekenntnisse seines Glaubens immer befestigter, immer beruhigter und seliger fühlt. Hat ja der Herr versichert: (Joh. Cap. 7/ V. 17.) „Wer den Willen meines himmlischen Vaters voll¬ zieht, der wird inne werden, ob meine Lehre von Gott sey oder nicht". Niemals aber wird der Glaube hienieden so in das Wis¬ sen aufgehen, daß er durch dieses ersetzt, verdrängt, über¬ flüssig gemacht würde. So lange wir bleiben, was "wir sind, — beschränkte sterbliche Wesen, — sind wir auf den Glauben angewiesen, als auf den cüizig sicheren, nicht schwankenden Grund einer richtigen Gottes-Erkenntniß. Erst jenseits wird sich der Glaube verklären zum Schauen, wie der Weltapostel so schön versichert: „Stückwerk ist unser Erkennen, und Stückwerk unser Wissen. Jetzt sehen wir durch einen Spiegel räthselhaft; als¬ dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ick (Gott) stückweise (d. i. unvollkommen ); dann aber werde ich (Ihn) erkennen, so, wie auch ich (von Ihm) erkannt bin." (I. Cor- Cap. 13, V. 9 u. 12.) Wie alle übrigen Wahrheiten des Christenthumes, befriedigen auch die heil. Mysterien desselben die geistigen Bedürfnisse des Menschen im vollkommensten Maße. Sie üben auf sein Leben den wohlthätigsten Einfluß aus; sind also nichts weniger als un¬ fruchtbare Dogmen. Der Glaube an dieselben hat von der echten Philosophie durchaus nichts zu fürchten- Der Ausspruch eines Gelehrten (Baco von Verulam, -h 1626) bleibt für alle Zeiten wahr, daß die Philosophie gründlich be¬ trieben zu Gott und seiner Offenbarung führe; oberflächlich verkostet aber von Gott ablenke. Nur von der falschen Wissenschaft gilt das Wort des Apostels, daß sie aufbläbe; die w a h^e hat stets die demüthige Erkcnntniß der Vernunftbeschränkthcit 163 Man Kat die christlichen Religionsgeheimnisse mit den heid¬ nischen Mysterien verglichen. Aber welch ein Unterschied! In dem Sinne, in welchem die christliche Religion Geheimnisse hat, gab es unter den Griechen und Römern nicht einmal welche. Die berühmtesten waren die Elcusinischen Mysterien, deren Ur¬ sprung von der Mythe auf die Göttin Ceres — auch auf Or¬ pheus — zurückgeführt wird; vielleicht wurden sie aus der ägyp¬ tischen Stadt Eleusis in die gleichbenannte in Attica verpflanzt, "ach Aegypten aber aus Indien gebracht. (Gr. L. Stolberg, Geschichte d. R. J. I. Bd. S. 461.) Die Alten sprechen mit Ehrfurcht von ihnen. Worin sie eigentlich bestanden, was in ik- nen gelehrt wurde, — ob unter Anderem die Einheit Gottes und die Unsterblichkeit der Seele — ob die in sie Eingeweihten eine Art Freimaurerorden, dem Volksglauben gegenüber, bildeten, läßt fch nicht mit Bestimmtheit angeben. So viel scheint gewiß, daß fe manche Vorstellungen der Volksreligion natürlich deuteten, i> B. daß unter der Göttin Ceres die Zeugungskraft der Erde zu verstehen sey. Anfänglich wenigstens war die Zahl der Einge¬ weihten nur klein. — Die christlichen Mysterien hingegen lassen seine natürliche Deutung zu; niemals wurde ihnen eine stlche von der Kirche gegeben. Sie bleiben Geheimnisse für jeden Gläubigen ohne Ausnahme, für den Gebildetsten nicht min¬ der, als für den Ungebildeten. Die sogenannte Gcheim-Disciplin sMeipiiijg Si-Ckmi) in der alten Kirche hat eben so wenig mit dem delbuischen Geheimwesen etwas gemein. Denn der Grund, warum fahrend der blutigen Verfolgungen in den ersten drei Jahrhun- dcrten einige Wahrheiten des Christenthumcs, insbesondere jene von der wirklichen Gegenwart Jesu im allerheil. Altarssacramente, """ den schon förmlich in die Kirche Aufgenommenen erklärt, vor Ven Heiden aber und sogar vor den Catechumcnen, d. i. den sich kkst zur Aufnahme stufenweise Vorbereitenden, verborgen gehalten ^vden, war einzig die durch den Auftrag Christi selbst fMatth. 7'p- 7, V. 6) motivirte, und durch die Erfahrung gerechtfertigte Awrgniß: das Heiligste würde sonst der Profanation und dem ^brauche Preis gegeben. Uebrigens stellen wir nicht in Ab- , , daß sich von einigen christlichen Religionsgekeimnissen in der "en Mythologie, zumal in jener der Inder, dunkle Spuren vor- ^"den; von der Dreieinigkeit; Menschwerdung ; von einer .Aung durch den Uebergang eines Gottes in Fleisch u. A. — werden darauf im Einzelnen zurückkommen.) — Aber kein b, .langener wird sich durch solche Aehnlichkeitcn in seinem Glau- wre machen, oder gar zu dem Wahne verleiten lassen, daß ,-"chsterien unserer heiligen Religion den heidnischen nachge- 7, 'd" worden seyen. Es darf daraus nicht mehr geschlossen «,'dsn, als daß sich unter verschiedenen Nationen Ueberlieferun- " über geoffenbarte Wahrheiten erhalten haben. Die Feinde kehristenthums möchten sie aber als Waffen gegen dessen gött- u>en Ursprung gebrauchen. Kamen sie ja — z. B. Volney — 11 * 164 sogar auf den Einfall, den Namen: Christus, der offenbar nichts Anderes, als das ins Griechische — übersetzte hebräische (Masolüsb, Messias) d. i. der Gesalbte ist, von dem indischen lii'isobna oder krisolui, womit der in menschlicher Gestalt auf Erden erschienene Viselum bezeichnet wurde, herzulciten! Aus den Traditionen der Orientalen mochten griechische Weise, zumal Plato, welchem, wie bereits gemeldet wurde, auch die heil. Schrif¬ ten der Hebräer nicht unbekannt waren, einige Kenntniß solcher Lehren erlangt haben. (Vergl. die vierte und fünfte Beilage zum 1. Bande der Ge¬ schichte d. R. I. von Gr. L. Stolberg; dann 1. Bd. S. 493.- Card. N. Wiseman's Abhandlungen I. Bd. S. 428, und dessel¬ ben: Zusammenhang der Ergebnisse u. s. w. S. 475 u. ff.) XIV. Die allerheiligste Dreieinigkeit. Unter den christlichen Religionsgeheimnissen steht obenan jenes: der a. h. Dreieinigkeit. Wir werden bezüglich desselben, und der nachfolgenden My¬ sterien darthun: daß sie wirklich von Gott geoffenbart, und in der katholischen Kirche stets geglaubt worden seyen; dann, daß die menschliche Vernunft dagegen nichts probehältiges einwenden könne, sich vielmehr durch dieselben in Bezug auf die wichtigste" Fragen ganz befriedigt erklären müsse. „Es gibt nur Einen Gott, aber in drei Personen, Einer Na¬ tur und Wesenheit, nämlich: Vater, Sohn und heiliger Geist", so lautet das Dogma der allerh. Dreieinigkeit. Wir nennen es das Grunddogma unserer heil. Religion, weil mit demselbe" Alles Uebrigc fallen müßte, was dem Christenthume, als der positiven Offenbarung Gottes eigenthümlich ist. Es könust von keiner Erlösung durch den Sohn Gottes, von keiner He>^ gung durch den heil. Geist in den heil. Sakramenten u. s. w. Rede seyn. Deßhalb zählen wir Denjenigen, welcher den Glauben a" die allerh. Dreieinigkeit abgeworfen hat, eben so wenig mehr j" den „Christen", als, Der niemals die Taufe auf den Nanü" des dreipersönlichen Gottes empfangen. Schon in der heil. Schrift des alten Bundes, wo doch d"' Monotheismus gegenüber der Vielgötterei der Heiden so streng festgehalten wird) ist diese Wahrheit, wenn gleich noch nicht g ff'" deutlich und bestimmt geleh rt, so doch an gebeut et. wird darin von Gott die Pluralform des Hauptwortes: bim; aber mit der Singular form des Zeitwortes gebraucht« als: Genes. Cap. 1, V. 27. „Llollim schuf (nicht: schuf"'" 165 den Menschen nach seinem (nicht: nach ihrem) Bilde." Den Plural beziehen wir auf die Mehrheit der göttlichen Personen; den Singular aber auf die Einheit ihrer Natur und Wesenheit. — Gott selbst wird von sich, oder zu sich in der Pluralform redend angeführt, — was, wie schon bemerkt wurde, (siehe den Artikel: Mosaische Schöpfungsgeschichte) als den sogenannten plm-alis mage- Mieus zu deuten, der hebräische Sprachgebrauch nicht zuläßt; — so: Gen. Cap. 1, V. 26. „Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichniß". Ebenso: Cap. 3, V. 22. »Sieh, Adam ist wie unser Einer geworden", was dock un¬ möglich diesen Sinn habe» kann: Adam ist wie Einer aus mir — nämlich Gott — geworden; denn darin läge gar kein Sinn. lVergl. Gen. Cap. 11, V. 7.) Auch „tLcknnai" (Herr), wie die Juden Gott gewöhnlich nennen, ist die Pluralform. — Die dm Männer, deren Erscheinung (Genes. Cap. 18.) Abraham im Thale Ulnmln-e gewürdigct wurde, sie aber als nur Einen Herrn verehrte," sind den Kirchenvätern Ambrosius und Augusti¬ nus die drei göttlichen Personen. Aus den übrigen hicher gebörigen Bibelstcllen des alten Bun¬ des sichren wir nur noch an: Psalm 32, V. 6. „Durch des Herrn Wort sind die Himmel gefestiget; und durch den Geist leines Mundes all ihre Zierde", was die heil. Väter so auslegen, daß unter dem Herrn Gott der Vater; nnter seinem Worte der Sohn; unter dem Geiste die dritte göttliche Person — der öeil. Geist z» verstehen sey. Nicht minder sehen sic in dem dreimaligen „Heilig", das bei Jsaias Cap. 6. Gott dem Herrn der Heerschaaren beiqelegt wird, eine Lobpreisung des drei¬ einigen Gottes. Die Arche wendet es noch jetzt in diesem Sinne an. Es wird hie und da im alten Bunde die Erscheinung des Engels des Herrn, d. i. des Gesandten des Herrn, erzählt, !- B. im brennenden Dornbüsche (2. Buch Mosis Cap. 3, V. 2), Welcher dann „Gott" genannt wird, weßhalb die Kirchenväter darunter den Sohn Gottes, die zweite göttliche Person, ver¬ lieben. — „Gott der Herr, und sein Geist haben mich gesandt", lesen wir bei Jsaias Cap. 48, V. 16-, womit der Prophet offen den heilige» Geist als Person bezeichnet. Diesem nach ist sich nicht zu wundern, daß sogar die alten Aabbiner der Juden öfters von der Dreieinigkeit reden. (Siche Gr. Stolberg, Gesch. d. R. J. I. Bd., fünfte Beilage, S. 485.) Ganz unzweideutig aber ist diese Wahrheit in der heil. Schrift °es neuen Bundes entbalten. Christus crtheilt den Aposteln den Atthl (Matth. Cap. 28, V. 19.): „Gehet hin und lehret alle -«olker, und taufet sic im Namen des Vaters, und des Lohnes, und des heiligen Geistes". Auch anderwärts Werden die drei Personen in der Gottkeit ausdrücklich Unterschie¬ ds! so im ersten Briefe des heiligen Johannes Cap. 5, V. 7. "2rei sind, die Zeugniß geben im Himmel: der Vater, das 166 Wort (Xo^o§, d. r. der Sohn Gottes) und der heilige Geist, und diese Drei sind Eins". (Die Echtheit dieses vielfach angestrittenen Verses haben die berühmtesten katholischen Eregeten, neuerlich auch C. N. Wiseman im ersten Bande seiner Abhandlungen siegreich vertheidiget.) In den Briefen des heil. Paulus werden die drei göttlichen Personen nebeneinander genannt; so: II. Cor. Cap. 13, V. 16- „Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes (des Vaters), und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sey mit euch Asien". — Bei der Taufe Christi (Matth. Cap. 13, V. 16, 17.) offenbarte sich die allerheil. Dreieinigkeit in äußerlich wahr¬ nehmbarer Weise. Zwischen den einzelnen Personen in der Gottheit hat durch¬ aus keine Abstufung in ihrer Natur und Wesenheit Statt; sondern sie werden einzig dadurch von einander unterschieden, daß der Vater von Niemandem gezeugt ist; der Sohn ist vom Va¬ ter, d. i. aus dem Wesen des Vaters von Ewigkeit gezeugt; der heil. Geist geht, gleichfalls von Ewigkeit, vom Vater und vom Sohne aus. Ueber die Gottheit des Vaters sich weitläufiger auszulaffen, wäre überflüssig. Von der Gottheit des Sohnes Ž der schon von Ewigkeit beim Vater war, in der Zeit aber in Christo Jesu als Gottmensch sichtbar auf Erden erschien, wurde schon gehandelt (siehe den Artikel: Gottheit Christi). Eben seine Zeugung durch den Vater von Ewigkeit ist der Grund seiner Sohnschaft — wenn man sich so ausdrücken darf. Daß der heilige Geist in der Schrift des neuen Bundes als Person — nicht als eine bloß abstracte Eigenschaft Got¬ tes — dargestellt werde, erhellt daraus, daß ihm Handlungen zugeschrieben werden; als: Er lehrt. „Er wird euch Alles leh¬ ren, sagte Jesus zu den Aposteln (Joh. Cap. 14, V. 26.), und euch an Alles erinnern, was immer ich euch gesagt habe." — Er gibt Zeugniß. (Joh. Cap. 15, .V. 26.) — Er verleiht den inneren, aber auch den äußeren Beruf zum Dienste der Kirche, zur Verkündigung des Evangeliums. Zu den in Antiochia versammelten Propheten und Lehrern sprach der heil. Geist: „Sondert mir ab den Saulus und Barnabas zu dem Werke, wozu ich sie ausgenommen habe". (Apostelgesch. Cap. 13, V. 2.) „Diese nun, heißt es V. 4, ausgesandt vom heil. Geiste, zogen nach Seleucia, und von da schifften sie nach Cypcrn". (Vergl. Apostelgesch. Cap. 16, V. 6, 7; — Cap. 20, V. 26.) Er ist der G nadenspender, der einem Jeden austkcilt, wie er will (I. Cor. Cap. 12, V. 11.) — Läßt sich dies Alles von einer bloßen Eigenschaft sagen?— Die Erscheinungen des l^eil. Geistes, als: bei der Taufe Jesu unter der Gestalt einer Taube; am Pfingstfeste unter jener feuriger Zungen (Apostelg- Cap. 2.), schließen vollends jeden Zweifel aus. Durch die Mit¬ wirkung des heiligen Geistes trat ja der Sohn Gottes in die 167 Menschheit ein. Nur als Person, nicht als Eigenschaft, kann sie ihm zugeschrieben werden. Aus dem Gesagten ergibt sich zugleich die Gottheit des heil. Geistes. Es werden ihm in der Schrift übermenschliche At¬ tribute beigelegt. So z. B. die Allwissenheit. „Der Geist erforscht Alles, auch die Tiefen der Gottheit." (I. Cor. Cap. 2, V. 10.) Als der Allwissende hat er den Propheten des alten Bundes die Zukunft aufgeschlossen; überhaupt die heil. Schrift¬ steller inspirirt. (Apostelg. Cap. 1, V. 16; — 2. Br. Petri Cap. 1, V. 21.) Ja, er wird ausdrücklich Gott genannt. Zu Anamas sagte Petrus: „Warum hat der Satan dein Herz einge¬ nommen, daß du lögest dem heiligen Geiste?— Nicht Men¬ schen last du gelogen, sondern Gott". (Apostelgesch. Cap. 5, V. 3, 4.) Vergl. 'Marc. Cap. 3, V. 28, 29. Sein Ausgang vom Vater und vom Sohne wird an meh¬ reren Stellen gelehrt, wo entweder geradezu das Wort „ausge¬ hen" vorkommt, oder — was der Sache nach das Nämliche ist — gesagt wird, daß der heil. Geist vom Vater und vom Sohne ge¬ sandt werde. „Wenn der Tröster kommen wird, sprach Jesus zu den Aposteln (Joh. Cap. 15, V. 26.), den Ich euch vom Va- wr senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, derselbe wird von mir Zeugniß geben." (Siehe Joh. Cap. 14, V. 16; — Cap. 16, V. 7, 8.) Diese hier in gedrängter Kürze nachgewiesenen Wahrheiten treffen wir in der Kirche Christi schon seit ihrem Beginne, uud dann ununterbrochen an. Wie manches andere Dogma wurde auch das in Rede stehende nach und nach mehr entwickelt, und 'n bestimmte Ausdrücke gefaßt, wozu insbesondere die Ver¬ suche der Häretiker, es zu verunstalten, Veranlassung gaben. Dies darf aber ebenso wenig eine Aenderung des Dogma genannt werden, als das Stämmchen deßhalb etwas Anderes wird, weil ss zum Baume herangewachsen und erstarkt ist. Darin besteht la eben der Fortschritt, der sogar hinsichtlich jener Glaubens¬ wahrheiten für uns Statt haben kann, welche über die mensch- hche Vernunft erhaben sind, daß sie nämlich — wenn es erlaubt 'st, bildlich so zu reden — aus dem unergründlichen Schachte d" göttlichen Offenbarung von der unfehlbaren Kirche immer vollständiger zu Tage gefördert, und den Gläubigen immer allsei- bger dargestellt werden. — Der würde wahrlich Mitleid verdw- "su, welcher daraus, daß die Worte: M'iniras (Trinität) "m-Kons sM05«at ausstellen, die Sache, und den Begriff von dem Aus¬ drucke, in den sie gekleidet sind, zu unterscheiden. Schon in dem apostolischen Glaubensbekenntnisse !st von Gott dem Vater, dem Sohne, und dem heil. Geiste die mede. — Immer wurde nur jene Taufe als gültig anerkannt. 168 welche auf den Namen des dreipersönlichen Gottes ertheilt worden war. (Siehe Justinus M. Apolog. I. 79.) — Es läßt sich kein Zeitpunkt angeben, in welchem dieses Dogma in die Kirche eingeführt worden wäre — ein Beweis, daß cs i m m er vorban¬ den war — wohl aber ist aus der Geschichte derselben ersichtlich, daß sie schon in den ersten Jahrhnnderten die Irrlehren jener Hä¬ retiker, welche sich dagegen erhoben, insbesondere der sogenannten Antitrinitarier, feierlichst verdammte. Auf dem ersten allge¬ meinen (ökumenischen) Concil zu Nicäa in Bithynien (32S) wurde über die Ketzerei des Arius, eines abtrünnigen Priesters aus Alerandria, welcher die Gottheit Ckristi; auf dem zweiten zu Eonstantinopel (381) über jene des Macedonius, Patriarchen alldort, welcher die Gottheit und Wesensgleichheit des heil. Gei¬ stes mit dem Vater angegriffen hatte, das Anathema gesprochen, und der uralte Glaube an die allerheiligste Dreieinigkeit in dem sogenannten Nicäno-Constantinopolitanischen Symbolum vor aller Welt bezeugt. Diesem Sybolum wurde später, mit allem Rechte, zur nähe¬ ren Bestimmung des Verhältnisses des heil. Geistes zum Sohne, zwischen den Worten: gni ex patre, nnd proceclit das kiliogue in der abendländischen Kirche eingeschaltet, und zwar zuerst in Spanien im Jahre 589, was die schismatischen Griechen mitunter zum Vorwande ihrer nie zu rechtfertigenden Trennung von der¬ selben nahmen. Aus den vielen Zeugnissen der ältesten Kirchenväter über den Glauben ihrer Zeit mögen beispielsweise folgende genügen, und zwar aus dem ersten Jahrhunderte. Der heil. Clemens von Rom schreibt im Briefe an die Corinther: „Haben wir nicht Einen Gott (den Vater) und Einen Christus, und Einen Geist der Gnade, ausgegossen über uns?" — »Alles, was ihr thut, möge euch wohl von Statten gehen — im Sohne, Vater und im heil. Geiste." (So der heil. Ignaz im Briefe an die Magnesicr Cap. 13.) Aus dem zweiten Jahrhunderte. Der heil. Polykar- pus, Bischof zu Smyrna—(der wohl auch schon im ersten Jahr¬ hunderte wirkte, aber im zweiten, um das Jahr 167, starb) betete auf dem Scheiterhaufen: 0 dilecti et beneclicti kilii, Domini uostri llesu Obristi kater . . . de omnibus te l-uiclo. te benestieo, te ^loriüeo per sempitei num llontiüeem besinn Obrisnim, ciileetum l'iliuw tuum, per guem tibi oum ipso in 8piritu saneto Alori» nune et in kiitnra saeeula sseeiiloriim. ^men. — Der heil. Justinus gibt — in seiner größeren Apologie eben als Kennzeichen, woran sich die Christen von den Heiden un¬ terscheiden, an, daß sie den Vater, den Sohn und den heil. Geist verehren. — Athenagoras schreibt: „Wer soll sich nicht wundern, wenn er Die— von den Heiden — Atheisten nennen hört, welch? C)ott den Vater, und Gott den Sohn, und den heil. Geist beken¬ nen, und deren Macht in der Einheit, und deren Un- 169 tcrschiedenheit in der Ordnung aufzeigen?" (leAatto pro Olnistisnis. 1 — Theophilus, Bischof zu Antiochia in Syrien, gebraucht das Wort entsprechend dem lateinischen: trinitas, welches im dritten Jahrhunderte zuerst bei Tertullian verkommt. — ,,3u Niemand Anderem, schreibt Jener (acl ^ntnlienm II. 18.) hat Gott: laßt uns den Menschen erschaffen, gesprochen, als zu sei¬ nem Worte (zum Xo^o5, d. i. zu seinem Sohne), und zu seiner Weisheit (d. i. zum heil. Geiste)".— Von der heil. Dreieinig¬ keit redet auch der heil. Irenäus im ersten Buche wider die Hä¬ retiker; wo uns (10, 5. 1.) sein ausführliches Glaubensbekcnntniß darüber begegnet. Aus dem dritten Jahrhunderte. Clemens von Alexan¬ drien: „Einer ist der Vater aller Dinge; aber auch nur Einer der )choxo8" aller Dinge, und Einer der heil. Geist, und Ein und Derselbe überall." (kaeäsK. I. 6.) Eben so pacllax. III. 12. Auch er bedient sich der Bezeichnung: (8err ist mit Dir, Du bist gebenedeit unter °on Weibern!" Da sie dies hörte, erschrack sie über seine Rede, "vd dachte nach, was das für ein Gruß sey. Und der Engel 174 sprach zu ihr: „Fürchte Dich nicht, Maria, denn Du hast Gnade gefunden bei Gott! Sieh! Du wirst empfangen in Deinem Leibe, und einen Sohn gebären, und Du sollst seinen Namen Jesus heißen (hebräisch: Heiland, Erlöser). Dieser wird groß seyn, und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden (weil er es in der That ist). Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird herrschen im Hause Jacobs ewiglich. (Das irdische Reich Davids war ein Vorbild des geistigen Mes¬ sias-Reiches, welches, wie jenes über das israelitische Volk, sich über die ganze Menschheit erstrecken solle.) Und seines Reiches wird kein Ende seyn." Maria aber sprach zu dem Engel: „Wie wird dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?" Der Engel antwortete und sprach zu ihr: „Der heilige Geist wird über Dich kommen und die Kraft des Höchsten wird Dich über¬ schatten (Dich zur Mutter machen, unbeschadet Deiner Jung¬ fräulichkeit) ; darum (seiner übernatürlichen Empfängniß we¬ gen) wird auch das Heilige, welches aus Dir geboren werden soll, Sohn Gottes (im eigentlichsten Sinne) genannt werden. Sieh, Elisabeth, Deine Verwandte, auch diese hat einen Sohn in ihrem Alter empfangen, und sie, die unfruchtbar beißt, geht nun schon im sechsten Monate. Denn bei Gott ist kein Ding unmög¬ lich". Maria aber sprach: „Sieh, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Worte". Und der Engel schied von ihr. — Von diesem Augenblicke an war Maria Mutter des Gott¬ menschen, der in ihrem Schooße Fleisch angenommen; — mit seinem Leibe und dessen vernünftiger Seele hatte sich seine Gott¬ heit verbunden. In der Ueberzeugung, daß über das hochheilige Geheimnis, welches ihr verkündet worden war, — (die Kirche feiert das Fest „Mariä Verkündigung" am 25. März) — auch ihrem verlobten Bräutigame von Gott werde die Offenbarung zu Theil werden, wollte Maria derselben nicht vergreisen. Der heilige Matthäus schreibt (Cap. 1, V. 18—24.): Mit der Geburt Christi ging es also zu: „Als seine Mutter Maria mit Joseph vermählt (im Grie¬ chischen: verlobt, war, fand sichs, ehe sie zu¬ sammen kamen, daß sie empfangen hatte vom heiligen Geiste. Jo¬ seph aber, ihr Mann, weil er gerecht (rechtschaffen) war, und sie nicht in üblen Ruf bringen wollte (als hätte sie gar mit einem Anderen Umgang gepflogen), gedachte sie heimlich zu, entlassen. Als er mit diesem Gedanken umging, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Schlafe (Traume) und sprach: „Joseph, Sohn (Nachkomme) Davids, fürchte Dich nicht, Maria, Dein Weib, zu Dir zu nehmen; denn was in ihr erzeugt worden, das ist vom heiligen Geiste. Und sie wird einen Sohn gebären; Dem sollst Du den Namen „Jesus" geben, denn er wird fein Volk er- lostn von dessen Sünden". Dies alles aber ist geschehen, auf daß erfüllet würde, was von dem Herrn gesagt worden durch den 175 Propheten, der da spricht: „Siehe, die Jungfrau wird empfan¬ gen, und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Emmanuel geben, welches gedolmetscht heißt: Gott mit uns". (Also schon der Evangelist hat die obangeführte Prophezeiung des Jjaias auf Maria und auf den von ihr als Jungfrau em¬ pfangenen und als solch er g ebo rnen Sohn Gottes an- gewendct.) Als nun Joseph vom Schlafe anfstand, that er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm sein Weib zu sich." Die Glaubwürdigkeit der Evangelisten, wenn sie die That- >ache der Menschwerdung des Sohnes Gottes erzählen, läßt sich eben so wenig in Zweifel ziehen, als hinsichtlich ihrer anderweiti¬ gen Berichte über das Leben Jesu. Sie schöpften auch diesfalls Ms vollkommen verläßlicher Quelle. Maria, die Hochbegnadigte Kutter des Herrn, war zuerst berufen, darüber Auskunft zu ge¬ ben; sic wird dieselbe gewiß ertheilt; — und wird nicht auch der Herr selbst ihre Aussage bestätigt haben? (Vergl. C. N. Wise- nmn's Abhandlungen, 1. Bd. 495—506 über Maria, als die erste Zeugin in der Oekonomie des Glaubens.) Unter welchen Umständen die Geburt Jesu erfolgte, meldet lucas (Cap. 2. V. 1—7.): „Es geschah, daß vom Kaiser Augu¬ stus ein Befehl ausging, das ganze Land zu beschreiben. Dies war die erste Beschreibung, welche geschah durch Cyrinus, den Statthalter von Syrien. Und alle gingen hin, sich (und ihren ^ermögensstand) anzugeben, ein Jeder in seine Stadt (woher seine Mnilie stammte). Und es ging auch Joseph von Galiläa, von °rr Smdt Nazareth, hinauf nach Judäa, in die Stadt Davids, Welche Bethlehem heißt, weil er aus dem Hause und dem Ge¬ flechte Davids war, (dessen Geburtsort Betblehcm gewesen) um ft Maria, seinem verlobten Weibe, die schwanger war, sich an- stlgeben. Es begab sich aber, als sie daselbst waren, kam die A't, daß sie gebären sollte. Und sie gebar ihren erstgeborncn ^vhn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil der Herberge kein Platz für sie war." — Mit der Geburt des Sohnes Gottes war der wichtigste Wen- Mmkt in der Geschichte des Menschengeschlechtes hcrangckommen. -He alte Zeit war zu Ende, die Zeit der Erwartung und Vorbe- MUng; eine neue hatte begonnen: die Zeit der Gnade und der Mhrheit. (Joh. Cap. 1, V. 14.) Die Menschheit war — wie u dem folgenden Artikel weitläufiger erörtert wird — schon lange em Untergange verfallen; ja allsogleich nach dem Sündenfalle e» ersten Paares hätte sie mit diesem schon wieder zu scyn äus¬ seren sollen. Nur im Hinblicke auf den einst in dieselbe eintre- ellden, und sie erneuernden Sohn Gottes, durch welchen am An- fge Alles gemacht worden war (Joh. Eap. 1, V. 3.), ward die Fortdauer gestattet. Deßhalb kann man Jcsum Christum ""d allem Rechte den Mittelpunkt der M cnsch engeschichte 176 nennen, ohne den sie ewig unverstanden bleiben muß — weil es ja ohne Ihn gar keine gegeben hätte. Welche seligen Gefühle müssen wohl in der Brust des gläu¬ bigen Katboliken wach werden, wenn er die Geburtsstätte des Hei¬ landes entweder in der Wirklichkeit — als Pilger — besucht, oder sich auch nur im Geiste nach Bethlehem versetzt! Dort, an der niedrigen Krippe des Herrn, hatte der gelehrteste abendländische Kirchenvater, der heil. Hieronymus, den Rest seines Lebens, vom Jahre 386 bis 420 zugebracht, und sich glücklich gepriesen in der Betrachtung der göttlichen Erbarmung, die allen Menschen erschie¬ nen war. (Tit. Cap. 2, V. 11.) Der Stellen in der heil. Schrift des neuen Bundes, in wel¬ chen von der Menschwerdung des Sohnes Gottes die Rede ist/ sind so viele, daß wir sie hier unmöglich Alle anführcn können. Kann es anders seyu? Dies Mysterium bildet ja die Grundlage, auf welcher die ganze christliche Heilsanstalt aufgebaut ist! Wir lassen nur Einige derselben folgen. Sie besagen, daß der näm¬ liche Christus, welcher wahrer Gott ist von Ewigkeit, auch eben so wahrer Mensch sey. „Im Anfänge war das Wort (der der Sohn Gottes) — so beginnt das Evangelium des heil. Joban- nes — und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort (V. 1.) Und das Wort ist Fleisch (d. i. Mensch) gewor¬ den, und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit, als des Eingebornen vom Vater, voll der Gnade und Wahr¬ heit." (V. 14.) In seinem ersten Briefe schreibt der nämlich Apostel (Cap. 1, V. 1—3.) „Was vom Anfänge (von Ewigkeit war, was wir gehört, was wir mit unsere» Augen gesehen, was wir beschaut und unsere Hände betastet haben, von dem Worte des Lebens — denn das Leben hat sich geoffcnbart, und wir haben ss gesehen, und geben Zeugniß davon, und verkündigen euch das ewig/ Leben, welches bei dem Vater war und uns erschienen ist, — was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch." — Uad wieder: (Cap. 4, V. 2.) „Jeder Geist, der bekennet, daß Jesa° Christus im Fleische gekommen sey, ist aus Gott". Der heilig/ Paulus lehrt: (Phil. Cap. 2, V. 6—8.) „Jesus Christus, wel¬ cher, da er iu Gottes Gestalt war, es für keinen Raub (l>ü keine Anmaßung einer ihm nicht zustehendcn Würde) hielt, Go" gleich zu seyn, (d. i. er war in der Wirklichkeit Got' gleich) entäußerte-sich selbst, und ward den Menschen gleich- und im Aeußcren wie ein Mensch erfunden".— Und (Gal. Cap- V. 4.) „Als die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen S oha- gebildet aus einem Weibe, unterthänig dem Gesetze". Dcw selben Christus, welchen der Weltapostel ausdrücklich Gott nenw- heißt er auch einen Menschen: „Ein Gott ist, und Ein Mittl// zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus"' (I. Timoth. Cap. 2, V. 5.) 177 Wie hätten sie denn wohl anders lehren sollen, die Apostel, nachdem Jesus selbst, wie Gott seinen Vater, so sich sehr oft dcnMenschen-Sohn genannt hat? Er ging sa sichtbar mit ihnen um, aß und trank mit ihnen, weil es auch ihn hun¬ gerte und dürstete; er wurde müde (Joh. Eap. 4, V. 6.); sogar noch nach seiner Auferstehung, mit verklärtem Leibe, sagte er zu ihnen: (Luc. Cap. 24, V. 39.) „Sehet meine Hände und meine Füße, ich bin es selbst; tastet und sehet, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, daß ich habe". Alles dies ist etwas Menschliches. Als Mensch hat Jesus leiden und ster- b e n können, was er als u n s ich t b a r e r G o tt a ll e i n eben so wenig auf sich zu nehmen, wie er als bloßer Mensch für die gesummte Menschheit nicht Genugthuung zu leisten vermocht hätte. Also Christus ist wirklich der Gott mensch in Einer Person; und eben deßhalb wird Maria, die ihn geboren, mit Recht die „Mutter Gottes", die „Gottesgebärerin" genannt. . Zwischen seiner menschlichen Natur, mit ihrem menschlichen Willen, und seiner göttlichen Natur mit deren Willen waltete, selbstverständlich, die vollkommenste Harmonie ob, die durch keine Regung einer widerstrebenden Sinnlichkeit je im Geringsten ge¬ stört wurde. Nur was im reinsten Sinne menschlich ist, hat der Heiligste angenommen. Seine Seele ward z. B. betrübt (Marc. Cap. 14; Matth. Cap. 26.); — aber auch nicht einmal der Schatten der Sünde — etwa der Ungeduld — fiel auf Kn. „Er ward uns in Allem gleich, diese (die Sünde) aus¬ genommen", schreibt der heil. Paulus. (Hebr. Cap. 4, V. 15.) Wohl betete er in der Todesangst, daß der Vater den Kelch des reibens, wenn möglich, an ihm vorüber gehen machen möchte; "fügte aber allsbald voll Ergebung bei: „doch nicht wie Ich sondern wie Du willst". (Matth. Cap. 26, B. 39.) Sogar unrer den alten Heiden finden sich Spuren einer Er¬ wartung und des Glaubens, es werde einmal Gott selbst auf «rdcn sichtbar erscheinen; welche wir gleichfalls von der Uroffen¬ barung — insbesondere aus Genesis Cap. 3, V. 15, herleiten. den heil. Büchern der Inder wird dies als schon geschehen Mestellt; denn sie erzählen von mehreren Jncarnationen des Wschnu, der schon öfters die menschliche Gestalt angenommen habe. Ersten der heil. Bücher der alten Aegypter steht: „Ich bin ucht, der Sohn des Lichtes". Im persischen Mythus von Mi¬ ksas schimmert unverkennbar eine wenn auch dunkle Ahnung der -Menschwerdung durch. Waren die Magier (Matth. Cap. 3.) M vielleicht aus Persien gekommen, um den menschgewordenen ^att anzn beten? — Zoroaster, wahrscheinlich im fünften, oder zn Ende des sechsten ^ahrhunderteö vor Christus, (nach Einigen unter dem Vater des Lanigs Darius I., Hystaspes, lebend) und sein nur etwas älte- "rZeitgenosse Confucius, haben vom Erscheinen des „Heiligen" 12 178 gesprochen. Zendavesta sagt: „Der Sohn der reinen Jungsrau werde einst Gericht halten". (Vcrgl. Gr. L. Stolberg, 5. Beilage zur Geschichte der Rel. J. Ehr. I. Bd. Dr. Gustav Seyffarth, Theol. Schriften der alten Aegypter.) Fragen wir nach der Tradition in der christlichen Kirche, so bezeugt dieselbe einstimmig mit der heil. Schrift das Mysterium der Menschwerdung. Dies entnehmen wir schon aus dem aposto¬ lischen Glaubensbekenntnisse. „Ich glaube, heißt es darin, an Jesum Christum, seinen (Gottes, des Vaters) eingebornen Sohn, der empfangen ist von dem heiligen Geiste, geboren aus Maria, der Jungfrau." Und das schon citirte Symbolum des heil. Atha¬ nasius besagt das Nämliche, nur ausführlicher: „Dies ist der rechte Glaube, daß wir für wahr halten und bekennen, daß nu¬ fer Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, Gott und Mensch ist. Gott ist er aus der Substanz des Vaters, vor aller Zeit ge¬ zeugt; Mensch ist er, aus der Substanz der Mutter in der Zeil geboren. Vollkommener Gott und vollkommener Mensch, bestehend aus einer vernünftigen Seele und menschlichem Fleische. Der Gottheit nach dem Vater gleich; der Menschheit nach geringer als der Vater. Und obwohl er Gott und Mensch ist, so sind doch nicht Zwei; sondern es ist nur Ein Christus. Einer aber, nicht durch die Verwandlung der Gottheit in das Fleisch fd. i. durch das Aufgehen der Gottheit in der Menschheit); sondern durch die Annahme der Menschheit zu Gott (zur Gottheit) Also Einer, nicht durch die Vermischung der Substanz (d. i. der beiden Na¬ turen, der göttlichen und menschlichen in Eins); sondern durch die Einheit der Person. Denn wie die vernünftige Seele und das Fleisch Ein Mensch ist, so ist Gott und Mensch Ci" CH ristus". So oft sich eine Veranlassung, oder gar von den Häretikern herbeigeführte Notwendigkeit ergab, hat die auf den allgemeine» Concilien rcpräsentirte unfehlbare Kirche das Dogma derMensäst Werbung des Sohnes Gottes feierlichst ausgesprochen, und st nach Bedürfniß, den Gläubigen auseinander gelegt. Jm Nicäno- Constantinopolitanischcn Symbolum heißt cs: „Ich glaube an Eine» Herrn Jesum Christum, den eingeborneu Sohn Gottes, den a»o dem Vater vor aller Ewigkeit Gezeugten; der Gott vom Gotte gezeugt (im obigen Sinne), nicht gemacht (nicht erschaffe»/ wie eine Crcatur), dem Vater wesensgleich, und durch De» Alles gemacht ist. Der wegen uns Menschen und wegen unscss. Heiles vom Himmel hernieder stieg, und durch den heiligen Geist aus der Jungfrau Maria Fleisch angenommen hat, und Mens»! geworden ist." Als im fünften Jahrhunderte Nestorius, Patriarch zu stantinopel, die irrthümliche Behauptung aufstellte, Maria dürst nicht „Gottes-Mutter",sondern nur „Christusgebäreri» genannt werden, wodurch er die Eine Person des Gottmensche» Zwei theilte — in eine menschliche, welche aus Maria geboren 179 worden, und in eine göttliche, — wurde diese seine Häresie auf dem allgemeinen Concil zu Ephesus (431) verdammt. Nicht lange hernach bestritt Eutyches, Archimandrit sKlostervorsteher) zu Con- stantinopel, daß in Christus, nach der Menschwerdung, die beiden Naturen: die göttliche und die menschliche, un vermengt verei¬ niget seyen, indem er aus ihnen nur eine Einzige bildete. Auf der vcumenischen Kirchenversammlung zu Chalcedo in Bithynien (451) wurde über diese Häresie der Monophy siten (von cwry chua-L, eine einzige Natur) das Anathema gesprochen. Ein gleiches Ver¬ werft,ngsurthcil traf auf der allgemeinen Synode zu Constantino- pel Gort die III, in der Reihe Aller die VI. 681) die Ketzerei der Monotheleten, welche dem Gottmenschen nicht zwei, sondern nur Einen Willen sporov AkX-/g«) beilegten; — was eine Folge des monophysitischen Jrrthumes war. Man meine nicht, daß auf diesen Versammlungen, und in den durch obige Häresien hervorgerufeneu Streitschriften nur um leere Formeln gestritten wurde; es handelte sich um den tiesinner- llen Kern des Christcnthumes, weil um das Dogma der In¬ karnation. Der Kirche stand bei ihren Entscheidungen der uralte Glaube M den Tagen der Apostel zur Seite, auf den sie sich berufen durfte. Die Schriften der Väter und Lehrer in ununterbrochener Reihenfolge geben Zeugniß davon. Man kann in der Thal sagen, keinem Gegenstände reden sic lieber, öfter, und mit einer hci- ugeren Begeisterung, als von der Menschwerdung des Sohnes Lottes. Papst Clemens, der Apvstelschüler, sagt von Ihm im Briefe an die Corinthcr, „daß er von Jakob dem Fleische nach Wamme, in Dcmuth unter uns erschienen scy, und sich für uns Opfert habe". Der heil. Apostel Barnabas schreibt in seinem Griefe (Cap. 5.): „Wie hätten wir gerettet werden mögen, wenn der Sohn Gottes, obwohl Herr des Erdkreises, nicht im Mische erschienen wäre?-- Aehnlich der heil. Ignatius (im Briefe an die Epheser, Cap. 7.): „Es ist ein Arzt, in Fleisch und Geist; geworden und nicht geworden; Gott im Fleische; im Tode wahr- Migcs Leben; sowohl aus Maria, als auch aus Gott; erst lei- dsnd, und dann leidensunfähig, Jesus Christus, unser Herr". Ebenderselbe (an Polycarp, Cap. 3): »Den erwarte — nämlich -)esui,i Christum, — der über der Zeit ist, den Zeitlosen, den Un¬ klaren, unsertwegen aber Sichtbaren, den Unbefühlbarett und ^idcnslosen, unsertwegen aber Leidensfähigen". — „Jeder, wel- nicht bekennt, daß Jesus Christus im Fleische gekommen sey, Antichrist", — schreibt der heil. Polycarp an die Philipper vap. 7. Der heil. Justinus lehrt (in seiner zweiten — kleine- -- Apologie, 10.): „Er — Christus — der Erstgeborne, das lliortGottes/nnd selbst Gott, ist aus einer Jungfrau Mensch geworden, nach dem Willen des Vaters. - In ihm ist also Gott- eit, Seele und Leib". Sv auch in der ersten Apologie 66. — heil. Irenäus (im 3. Buche wider die Ketzer): „Christus 12 * 18« Jesus, der Unsichtbare, ist sichtbar; der Unerfaßbare erfaßbar; der Leidenslose leidensfähig, das Wort ist Mensch geworden". Und (ebendaselbst): „Die Sünde zu ertödten, und den Menschen wieder frei zu machen, mußte der Sohn Gottes Mensch werden. - Er vollzog die Veranstaltung unseres Heiles, indem er, der das Wort Gottes ist, vom Vater hernicderstieg, Fleisch annahm, und bis in den Tod ging". Clemens von Alexandrien äußert sich: „Er, der L.oKos, er¬ schien unter den Menschen; Er allein. Beides zugleich, Gott sowohl als auch Mensch, ist der Urquell alles Guten uns geworden", (ovbort. cap. 1.) Ebendaselbst lehrt er: „Das Wort Gottes selbst spricht zu Dir — ja, sage ich, das Wort Gottes, das Mensch geworden ist, damit Du von einem Menschen lernest, wie der Mensch wohl Gott — ähnlich- werden könne". Er nennt ferner Christum den lebendigen Gott, der gelitten hat. (o. 10.) Origenes (widerCelsus VI.): „Der l.oKos, der im Anfänge bei Gott war, ist Fleisch geworden, danut er von denen begriffen würde, die Ihn nicht sehen konnten, >" wie ferne er Do^os, bei Gott, und Gott war". Ganz so lehren Tertullian, der heil. Cyprian und die Uebrigen. Daß die menschliche Vernunft keine Ursache habe, sich gegen dies uns geoffenbarte Mysterium aufzulehnen, versteht sich von selbst. Was wollte sie auch dagegen vorbringen? Ist nicht du gewöhnliche, natürliche Erzeugung des Menschen im Mut- terleibe etwas noch Unerklärtes? Sollte es Gott unmöglich seyn, ohne Mitwirkung eines Mannes, also unmittelbar durch seine Allmacht, einem Menschen-Daseyn den Anfang zu geben, wie er es ja schon mit Adam getban? Daß wir auch von die¬ sem Geheimnisse in uns selbst ein Analogum finden, ja daß w>r selbst es seyen, hat, wie oben bemerkt, schon der VerfaM des Athanasianischen Symbolums ausgesprochen. „Unsere vermine tige Seele, ihrer Natur nach geistig und unvergänglich, schreibt Bossuet: üiseours sur l'üi^toiro univ. II. part. pa^. 14., ist mit einem vergänglichen Leibe vereiniget; und aus dieser Vereinigung entstein ein Ganzes, nämlich der Mensch, zugleich Geist und Körper, ver¬ gänglich und unvergänglich, verständig und unverständig. vereiniget sich das Wort Gottes, dessen Kraft Alles erhält, eigenthümlichcr Weise mit—oder vielmehr cs wird selbst dM eine vollkommene Einigung Jesus Christus, der Sohn Mariä; v^' durch es geschieht, daß er Gott und Mensch zugleich ist; geM" von Ewigkeit, und geboren in der Zeit; immer lebend im SclM des Vaters, und gestorben am Kreuze, um uns zu erlösen- Freilich ist der Vergleich Gottes mit dem Menschen ein unvo^ kommener. Denn unsere Seele besteht nicht vor dem Leibe, »" von ihm getrennt mangelt ihr Etwas; sie ist in ihren AffectioA in mancher Beziehung von ihm abhängig. Aber das Wort G". tes, vollkommen in sich selbst von Ewigkeit, gewann nichts dus seine Vereinigung mit unserer Natur, cs ehrte sic nur. 181 Mensch wurde erhoben, ohne daß jedoch das Wort dadurch verlor. Unveränderlich wie cs ist, beherrscht es Alles. Daher kommt es, daß Jesus Christus auch als Mensch nur göttliche Ge¬ danken und Gefühle hatte. Alles was er denkt, will und spricht, ist des Wortes Gottes, d. i. der höchsten Vernunft, Weisheit und Wahrheit würdig." — Welcher Philosoph hat noch jemals die Ei¬ nigung zweier so verschiedenen Wesen, als cs der Geist und der W sind, zu Einem Menschen ergründet? Gibt ihm aber die Un¬ begreiflichkeit derselben ein Recht, sie zu läugnen? Ebenso we¬ nig darf dies also bezüglich des Geheimnisses der Jncarnation der Fall seyn. Daß Gott zum Heile der Menschen ans Erden erschienen, welch eine überaus trostvolle Lehre ist dies! Hätte wohl sonst Jemand unsere Zweifel gründlicher lösen, dem Sittengesctze mehr -lnsehen geben, unser Ahnen nnd Sehnen eines Lebens auch nach dem Tode des Körpers »och zur volleren Gewißheit erheben, und, was das Wichtigste ist. Wer anders hätte uns mit Gott versöh¬ nen können, als sein cingeborner Sohn? Wodurch konnte sich des dreieinigen Gottes Liebe und Erbarmung zu uus glänzender bewähren?'— Eine heidnische Weltweisheit lügt in unseren Ta¬ gen wieder, wie ehemals, dem Menschen vor, daß er selbst Gott WY, und in seinem Vernunftstolze glaubt er es nur zu gerne. In dem Geheimnisse vom in Knechtsgcstalt unsertwegen erschienenen ^"tte liegt eine andere, ewig wahre Lehre und Aufforderung. Der beil. Papst Leo I., der Große, — wer kennt ihn nicht, den Be¬ uger Attila's, der Geißel Gottes? — spricht sic aus in einer wmer Reden (sie nativitnte Domini): „Erkenne, o Christ! Deine Würde, und weil Du dadurch, daß der Sohn Gottes Deine mensch- "che Natur angenommen, der göttlichen Natur theilhaft wurdest, sinke nicht wieder durch ein entartetes Benehmen in die vorige Niedrigkeit zurück!" XVI. Grbsünde und Grlösung. , Eine etwas aufmerksame Umschau in der Welt, und die täg- lche Erfahrung belehren uns, daß es in derselben physische Ucbel — aber auch ein moralisches, die Sünde, als die frci- wmige Uebertretung des göttlichen Gesetzes. Sobald der Mensch Gebrauche seiner Vernunft kommt, und diese dazu anwendet, M selbst genau zu beobachten, wird er gewahr, daß er sich mehr W sittlich Bösen als Guten hinneige. Schon die Heiden haben w>e bittere Wahrheit nicht verkannt. In Euripides Medea heißt »Ich kenne wohl das Böse, was ich üben will, doch bewäl- 182 tigkt meine Leidenschaft die Willenskraft". Plato äußert sich ?rot8A): „Der Mensch übt oft das Böse, auch wenn er es kennt, und es ihm freisteht, dasselbe zu unterlassen, weil er von der Lust überwältigt und verwirrt ist; das Gute aber, obgleich er es kennt, übt er nicht aus". Der römische Dichter drückt sich klagend also aus: „Vickeo meliora, poobogue; cketerioru seguor". sOvicl. Mknm. 1.7.) Und: „Mimnr in votitum «empor, cupimnsgns nehata". Ebenso Horaz: „Mm vitÜ8 nemo 8IN6 nasoitiir; 0ptimu8 lllo K8t, gni mininns ni-Ao!nr-'. (8atira III.) Nach Seneca scio irn 3) sind wir Alic „unbesonnen, unvorsichtig, und mit Einem Worte böse". Daher die düstere Lebensansicht der Heiden; daher der Zug von Schwermuth, der sogar im alten Hellenenthume trotz seiner äußeren Herrlichkeit und Freude überall ausgeprägt ist. Die AegYP- ter und Inder hielten das gegenwärtige Leben für eine Züchtigungs- oder Büßungszeit; ja sie meinten, die menschlichen Seelen seye" gefallene, zur Büßung in menschliche Leiber eingeschloffene höhere Geister; daher der Inder strenge Bußübungen und oft grausame Kasteiungen. Eine ähnliche Ansicht entwickelt Plato (e. 10 - met. (Vergl. Hesiod Op. et clios. v. 157—161.) Ein griechisches Sprichwort lautete: „Wen die Götter lieb haben, der stirbt schon als Jüngling". Cicero sagt (M- III. eis i-epiibl.): „Homo non nt s mstro, sock ut a novoreu nstui-u e —160.) Homer erzählt von einer übelwollenden, aus dem Himwe> versagten Gottheit, Ate, welche fortan nur Böses auf Erden flu¬ tete. Der Philosoph Pherekydes (geb. um 595 vor Ehr.) neniN dcu Feind des menschlichen Geschlechtes O phi ogenes, d. i. den Sohn der Schlange. Bei den Aegyptern hieß der böse Geist TtN phon — Drache. Ueberhaupt hatten die Orientalen vor dein Drachen oder der Schlange ein besonderes Grauen, (vergl. H- kcn: Traditionen n. s. w. S. 472 — 476.) — auf den Himmel versetzt als Gestirn stellte derselbe das böse Princip vor. Wer denkt dabei, oder unter den den Himmel stürmenden Titanen nicht an den Sturz der durch Hoffart gefallene» Engel, und an die verführende Schlange im Paradiese, von welcher alles Unhm kam? Wenn Hercules auf einigen mythologischen Abbildungen den Drachen aufs Haupt schlägt, oder ihm mit dem Fuße mN den Kopf treten will; — oder wenn der indische Gott VisclM als Krischna auf Erden erscheinend, bald von einer Schlange um¬ wunden ist, die ihn in die Ferse sticht; bald diese mit beiden Hän¬ den festhält, und ihr mit dem Fuße den Kopf zertritt, oder wciM die ägyptische Isis als Bekämpferin des Typhon, in der eine» Hand Denselben, in der andern einen Speer hält, so dürfte ch diesen Vorstellungen die Ueberlieferung der von Gott über du Schlange und ihren Ueberwinder ausgesprochenen Weissagung kaum zsr verkennen seyn; nämlich: „Ich will Feindschaft setzen zwischen Dir und dem Weibe, und zwischen Deinem Samen um ihrem Samen; sie (oder des Weibes Sprößling, der Erlöst^ wird Deinen Kopf zertreten, und Du wirst ihrer Ferse nachstelleu^- (Genes. Cap. 3, V. 15.) Die Mythe des Prometheus, der vom Himmel die ätherisch'' Flamme entwendete, aber dafür schwer büßen mußte, und stM von der verhängnißvollen Büchse der Pandora, aus welcher ßm alles Unheil über die ganze Erde verbreitete, deuten wohl aum 187 auf die erste Sünde des Ungehorsams, als auf die Quelle aller Uebcl, hin. (Vergl. Gr. L. Stolberg, Gesch. der Rel. I. Chr. l. Bd. S. 320—434; — Ernst v. Lasaulr: Studium des classi- schen Alterthums. Academische Abhandlungen. — Nounotte's phil, kericon; — H. Luken: Traditionen u. s. w. S. 79-128, wo überdies die Sagew der Neger in Afrika, und der verschiedenen Böller Amerikas aufgeführt sind.1 *) Die Sünde der ersten Menschen, welche für dieselben eine persönliche war, hatte nicht nur für sie, sondern auch für alle ihre Nachkommen die traurigsten Folgen, — weil die Schuld und Strafe jener Sünde auf diese übcrgegangen ist. Für alle Nachkommen Adams ist sie eine durch die leibliche Abstammung von ihm ererbte Sünde.— Hiemit haben wir denn den kirch¬ lich-katholischen Begriff der Erbsünde gewonnen. Das letzte allgemeine Concil zu Trient hat in der fünften Sitzung — im üecrelum de peeeato c>ri»inali — dieses Dogma also ausgesprochen: »Wenn Jemand behauptet, daß die Übertretung Adams ihm al¬ lein, nicht auch seiner Nachkommenschaft, geschadet habe, und daß er die von Gott erhaltene Heiligkeit und Gerech¬ tigkeit, die er verloren, sich allein, und nicht auch uns verlö¬ ten habe; oder daß er, durch die Sünde des Ungehorsams bema¬ kelt, nur den Tod, und die Strafen des Körpers auf das ge¬ lammte Menschengeschlecht übertragen habe, nicht aber auch die ^üude, welche der Tod der Seele ist, so scy er im Banne; tveil er dem Apostel widerspricht, der da sagt: durch Einen Men- lchon ist die Sünde in die Welt gekommen, und durch die Sünde dor Tod, und so ist der Tod auf alle Menschen übergegangen, weil Alle in ihm gesündigt haben". — Auch erklärt das Concil ausdrücklich, daß die Erbsünde durch die leibliche Fortpflan¬ zung, nicht durch Nachahmung allen Menschen anklcbe; — uts wenn sie von Natur aus gut, erst durch böse Beispiele allein verderbt würden. , . lieber die Art und Weise, wie sich die Erbsünde im Men- lchengeschlechte fortpflanze, hat das h. Concil keine näheren Auf- > »Der Gedanke, — heißt es in Dr. M. I. Schleiden's Studien, S. 97, — vaß der Mensch aus der Hand des Schöpfers hcrvorgegangcn , rein und sollkommen, auch die Natur verstanden habe, so daß ibm ihre Erscheinungen >n deutlicher Sprache entgegengerretcn sehen, und daß er diese seine höhere itrkenntniß durch eigene Schuld verloren, jetzt mühsam und allmäiig wreder- gewinnen müsse, ist ein Gedanke, der so sehr in religiösen und philoiophi- Ichen Systemen verbreitet ist, daß es selbst dem Aufgeklärten s! -dies ist, wie es sich von selbst versteht, nur der Nationalist!?) schwer wird, sich von allen, auch den fernsten Conscguenzen desselben frei zu machen/' Gewöhnlich lassen cS sich die „Aufgeklärten" nicht sehr schwer fallen, Üch vom positiven Glauben, und seinen Conscguenzen frei zu machen. Sie fühlen sich dabei nicht sonderlich genirt, ob die ihnen anstößige Wahrheit auch noch so sehr die allgemeine Anerkennung für sich bat, und in der Ge¬ schichte begründet ist. — 188 schlüsse crtheilt. Es genügt zu wissen, daß jeder Mensch von dem Augenblicke an, als in Folge des Zeugungsactes die vernünftige, von Gott erschaffene Seele mit dem Leibe in Verbindung tritt, Gott mißfällig, und dem ewigen Untergange verfallen sey, wovon ihn nur der Sohn Gottes erlösen konnte, welcher eben zu diesem Zwecke Mensch geworden war. INneni-nntion, sagt Pascal (?en- 8608 II. 59.), montro ö I bnmms la Kruinlour cio 8a nufere, por In Krrmcieur clli remecle, gii' il a kalin/- Des Menschen moralische Verderbtheit ist also seine eigene, nicht Gottes Schuld; — seine Sünde ist die Quelle aller Uebel. Durch dieselbe bat er Gottes Ebenbild, welches ihm in der Schöpfung war aufgedrückt worden, zwar nicht ganz vertilgt, aber entstellt. Für diese Wahrheit, welche man im vorhinein für keine er¬ dachte, sondern von Gott geoffeubarte halten solle, weil sie eine für unseren Stolz so demüthigende ist, fehlt es eben so wenig in der heiligen Schrift, als in den Zeugnissen des christlichen Alter- tkumcs an Beweisen. Schon im Buche Job heißt es: (Cap. 14/ V. 4.) „Wer kann rein machen Den, der vom unreinen Samen empfangen? Bist's nicht Du— o Gott! — allein?" (Die grie¬ chische Ücbersetzung hat: „Wer soll rein seyn vom Unreinen? Ge¬ wiß Niemand, auch wenn sein Leben nur Einen Tag dauerte auf Erden".) — „Sich, — klagt David im Psalme 50, V. 7. — in Ungerechtigkeit bin ich empfangen, in Sünden hat mich em¬ pfangen meine Mutter."— „Wir waren von Natur (also schon, ehe wir noch persönliche Sünden begehen konnten) Kinder des — göttlichen — Zornes", schreibt der heil« Paulus au die Epheser (Cap. 2, V. 3.). Als die Ursache davon gibt er die Sünde Adams an, die unser Aller Sünde geworden; so in der schlagendsten Stelle, welche das heil. Concil zu Trient selbst citirt (siehe oben): „Gleichwie durch Einen Menschen (nämlich durch Adam) die Sünde in diese Welt gekommen ist, und durch die Sünde der Tod, so ist der Tod auf alle Menschen übergeaan- gen, weil Alle in ihm (in Adam) gesündigt haben". (Brief an die Römer Cap. 5, V. 12.) — Und V. 18: „Durch des Einen Sünde kam auf alle Menschen Verdammung". (V. 19.): „Durch den Ungehorsam des Einen Menschen sind Viele (d. i. laut des Obi¬ gen: Alle) zu Sündern geworden". — Im ersten Briefe an die Corinther Cap. 15, V. 21, 22: „Durch einen Menschen ist dec Tod, und durch einen Menschen ist die Auferstehung der Tobten. Und gleichwie in Adam Alle sterben, so werden auch in Christ» Alle lebendig gemacht werden". Daß der Glaube an die Erbsünde bereits in den ersten Jahr¬ hunderten vorhanden war, ergibt sich aus der schon damals ge¬ pflogenen Praris, auch kaum gebornen Kindern die heilige Taust zu ertbeilcn. Wozu dies? wenn man sie nicht für sündig, uu» deßhalb in der Gewalt des bösen Geistes befindlich gehalten hattO woraus sie durch jenes heil. Sacrament, mit dessen Ausspendung 189 schon von Alters her der Erorcismus, d. i. die Beschwörung des Teu¬ fels verbunden war, befreit werden sollten. Aus den Kirchenvätern mögen im Namen Aller folgende hier aufgeführt seyn: Der heil. Justinus sagt (clial. eum 'Crvplioiie, c. 88.) »Christus ließ sich im Jordan taufen, nicht als wenn Er der Rei¬ nigung bedurft hätte, sondern für das Menschengeschlecht, welches durch Adam dem Tode und dem Betrüge der Schlange verfallen war." — Der heil. Irenäus: „Wir haben Gott im ersten Adam beleidiget, und wurden im zweiten Adam — in Jesus Christus — wieder mit ihm versöhnt. — Durch das Holz (des Baumes mit der verbotenen Frucht) sind wir Schuldner Gottes geworden; durch das Holz (des Kreuzes Christi) haben wir aber Nachlassung unserer Sünden erhalten". „Christus, der immer beim Vater gewesen, ist Mensch gewor¬ den, damit wir in Ihm das wieder gewännen, was wir in Adam verloren hatten." (Im 5. Buch wider die Häretiker). — Origenes (in der VIII. Homilie n. 3 i» IHt): „Jede Seele, welche im Fleische geboren wird, ist mit Ungerechtigkeit und Sünde be¬ fleckt"; — und zwar dcßhalb: „weil die Schlange, welche Eva verführte, ihre ganze Nachkommenschaft mit dem Makel der Ueber- trelung an steckte", (eum. in Oaiit. I. III.) Tertullianus: „Um des Kostens von einem einzigen Bäum¬ chen wird der Mensch verurthcilt; von da gehen die Vergehen sainmt ihren Strafen aus; und nun gehen Alle zu Grunde, die nie einen Rasen vom Paradiese erblickt haben", (sclv. Alsre. 1.22.) --- Und: „Eine jede Seele wird — von Gott — so lange nach Adam bcurtheilt, bis sic nicht in Christo wieder geschätzt ist; so lange ist sie unrein, bis sie nicht hcrgestellt ist", (sie sm'ma o. 40. ) — Der heil. Cyprianus (op. 59): „Das Kind darf von der Taufe nicht ferne gehalten werden, welches, erst geboren, in nichts sün¬ digte, als daß es von Adam fleischlich ab stammens die Ansteckung des alten Todes sich zuzog; daher cs zur Nachlassung der Sün¬ den um so leichter hinzutritt, weil ihm keine persönliche, son¬ dern eine fremde — ererbte — Sünde nachgelassen wird". Als zu Anfang des fünften Jahrhunderts Pelagius das Dogma der Erbsünde angriff, wurde seine Irrlehre auf mehreren Syno¬ den in Nordafrika, Palästina und Rom verdammt. An dem heil. Augustin, Bischof zu Hippo (im heutigen Algerien), erhielt sie den gewandtesten Gegner, der mit allem Rechte erklärte: „Nicht >ch habe die Erbsünde erfunden, die von Alters her geglaubt wurde; wohl aber bist Du, der sie läugnet, rin neuer Häretiker", "e inipt. et eoiicnpise. ll. 12.) Die Feinde einer so bitteren Wahrheit möchten sic gerne in Widerspruch bringen mit den Eigenschaften Gottes, insbesondere wü seiner Güte und Gerechtigkeit. — Hatte Gott, fragen sie, nicht d>e Sünde der ersten Menfchen verhindern können, da er doch die Folge» derselben vorausgcfehen? — Das Nämliche könnte bezüg- "ch der persönlichen Sünden eines jeden Menschen noch immer 190 vorgebracht werden. Warum läßt Gott dieselben zu? — Wir haben schon bemerkt, warum Gott den Stammeltern ein Gebot gegeben babe. Und gewiß war es Gottes würdig, daß er nicht bloße Naturwesen, welche dem Gesetze der physischen Noth- w en big ke i t unterliegen; sondern auch mit Freiheit begabte Wesen, die Engel, nämlich, und die Menschen, erschaffen habe. Wenn nun diese, obwohl mit ganz besonderen Gnaden unterstützt, und nachdrücklichst gewarnt, von ihrem freien Willen nicht den rechten Gebrauch machten, war's nicht ganz ihre eigene Schuld? Sie batten Gottes überreiche Güte nicht beachtet — nun mu߬ ten sie seine Gerechtigkeit erfahren. Schon Tertullian macht gegen Marcion (II. e. 6.) geltend, daß dem Werthe des Geschen¬ kes der Freiheit so wenig, als der Güte des Gebers dadurch et¬ was entzogen werde, wenn es zum Schlimmen mißbraucht wird. — Gottes Absicht war gut; der Gebrauch mußte des Menschen freier Wahl anbeimgegeben werden. Gott konnte, ohne sich selbst zu widersprechen, die freie Anwendung nicht hindern. Ob des Einen, hört man anderswo, soll das ganze Menschengeschlecht büßen? — Daß aus dem sündigen, Gott mißfällig gewordenen Meuschenpaare, in welchem so zu sagen das ganze nachfolgende Geschlecht eingeschlosscn war, nicht eine Gott wohlgefällige Nachkommenschaft entstamme, — darin liegt nichts für die Vernunft mit Recht Anstößiges. Wenn Gott dcmungeach- tct das Menschengeschlecht fortbestehen läßt, und dessen Rettung zu bewerkstelligen beschließt, ist das nicht Liebe und Er dar¬ in ung? Und wenn er aus dem ersten Ucbel doch auch wieder Gutes hervorgchcn macht — j a das größte, den Segen der Erlösung — ist das nicht höchste Weisheit? Auch darüber, daß der leibliche Tod des Menschen eine Strafe und Folge der ersten Sünde scy, schütteln Manche den Kopf „Die Natur selbst, sagen sic, bezeugt es, daß sich die buchstäbliche Auffassung der Bibel in einem Mißverständnisse befinde; indein sie — die' Natur — uns Untergang, Tod und unzweideutige Spu- reu von Schmerzen zeigt, ehe das Menschengeschlecht auf der Erde entstand; und dabei zeigen alle Untersuchungen über den mensch¬ lichen Körper, daß dessen Grundciurichtung die Sterblichkeit mir sich führt." (Siebe Oersted: der Geist in der Natur, S. 178A Uns scheint diese.Ein w c n d u n g, welche auch, doch nicht so bescheiden, Carl Bogt erhebt (Bilder aus dem Thicrlebcm S. 322; — siehe dagegen Dr. Frohschammer: Mcnschenseelc und Physiologie, S. 188 u. ff.) auf einem Mißverständnisse z» Keruben. Denn vorerst ist nur der Tod dcsMenschen eine Sün- dcnstrafe; derselbe konnte aber gewiß nicht früher Statt habesi/ ehe das Menschengeschlecht auf Erden entstand. Daß Generatio¬ nen von Pflanzen und Thieren bereits vor der ErschaffwA des Menschen untergegangen seycn, haben wir ohne Bedenklickssrü zugegeben. Ferner läutet die katholische Lehre dahin, daß dcM ersten Menschen vom Schöpfer die körperliche Leidenslosigkckt 191 und Unsterblichkeit nicht kraft der Natur selbst, sondern durch besondere göttliche Gnade verliehen worden sey. Es heißt im Oatecbismiis ex clecrcto Ooneilii Dcülentlnl sei kacoodos (so ceestions ^NAolorum, munül vi'sibilis, et ipsliis Iiominis): „ex Ium terrae bominem sie corpore cllectum, et constitutum elllnxlt Deus, ut non guiekem naturae ipsius v i, soff ei i vin o ben eki eio immortalis esset, et impsssibilis." Wozu also die Hinweisung auf die physiologischen und ana¬ tomischen Untersuchungen des menschlichen Körpers? Sollte der persönliche Gott, der Erschaffer des Menschen, diese außerordent¬ liche Wohlthat demselben nicht habe erweisen können? Nicht der Glaube an die Erbsünde, wohl aber der Unglaube daran verwickelt sich in unauflösliche Widersprüche, sowohl mit der Na¬ tur des Menschen, als auch mit den Eigenschaften Gottes. Wir können uns nicht enthalten, einige der tiefen Gedanken Pascal's hier zu wiederholen: „Sonderbar! daß gerade das un¬ serer Einsicht verborgenste Geheimniß, von der Verpflanzung der Erbsünde, eine Lehre ist, ohne welche wir keine Kenntniß un¬ ser selbst haben können. — Ohne dieses Geheimniß, das unbe- Wiflichste aus Allen, sind wir uns selbst ganz unbegreiflich. So zwar, daß der Mensch ohne dies Mysterium viel unbegreif¬ licher ist, als das Mysterium für deu Menschen. — Für was soll man ohne dasselbe den Menschen halten? — Sein gan¬ zer Zustand hängt von diesem Punkte ab. — Und wie sollte er vsohl durch seine Vernunft darüber belehrt werden, indem dies em Gegenstand ist, der über der Fassungskraft derselben hinaus- liegtz und indem die Vernunft, weit entfernt, aus sich eine solche "hre zu erfinden, vielmehr davor zurückweicht, wenn sie ihr vorgelegt wird?" (II. part. pgA. 55.) Von dem Dogma der unbefleckten Empfängniß der seligsten Jungfrau Maria ist im vierten Theile die Rede. ff v rt s e tz u ll fl. War das Menschengeschlecht Gott mißfällig geworden, wie Mute es mit ihm versöhnt, wie dem Verderben wieder entrissen Werden? Durch sich selbst gewiß nicht — es mußte durch ^mand erlöst werden. Wie die heilige Urkunde erzählt (Genes. Cap. 3, V. 15) — Mte Gott in der That alsbald nach begangener Sünde einen fetter zu senden versprochen. Die immer deutlichere und bestimm¬ te Entwicklung dieser trostreichen Verheißung machte (was schon ^rgethan wurde) das Wesen der alttestamcntlichen Offcn- ^vung aus. — Aber nicht nur bei dem auscrwählten Volke, son- °tn auch bei den Heiden treffen wir die Erkenntniß der Erlösungs- Durstigkeit an, mit der Sehnsucht, daß dieselbe bald befriedigt urde. (Siehe das Frühere und Abhandlung IV.) Beweis da- °u sind unter Anderem auch die Opfer, und die verschiedenen 192 Arten von Sühnungen, — Lustrationen — in den alten Religio¬ nen. Einige der heidnischen Opfer hatten keine andere Bestim¬ mung, als die zürnenden Götter zu besänftigen, und die Mensche» von der ihnen anklcbcnden Makel zu reinigen. Sogar Menschen¬ opfer wurden in dieser Absicht dargebracht. Lag etwa dem heid¬ nischen Opferculte, abgesehen von seiner grauenhaften Entartung, gar keine wahre Idee zu Grunde? Gewiß, und zwar die oben angedeutete. Daß schon vor dem geschriebenen Gesetze, welches die Ju¬ den unter Moses erhielten, unter den Verehrern des wahren Got¬ tes Opfer gebräuchlich waren, ist aus der Genesis ersichtlich, (Cap. 4, und dann öfters); insbesondere vom Sühnopfer lesen wir im Buche Job (Cap. 1, V. 5.): „Job machte sich des Mor¬ gens früh auf, und opferte Brandopfcr für einen Jeglichen (st>- ner Söhne); denn er sprach: Es möchten vielleicht meine Söhne gesündiget, und Gott gelästert haben in ihrem Herzen". Wen» gleich die heil. Schrift den Ursprung solcher Opfer nicht aus¬ drücklich auf Gottes Anordnung zurückführt, so läßt sich daran doch kaum zweifeln. Sprach ja der Herr (Job Cap. 42, V. 8) zu Eliphaz, dem Thcmaniter: „Mein Zorn ist ergrimmt wider Dich und Deine zwei Freunde (Baldad und Sophar); denn str habt nicht recht von mir geredet. — Darum nehmt euch sieben Stiere und sieben Widder, und gehet zu meinem Knechte Job, u»d opfert ein Brandopfcr für euch". Wir leiten Alles, was im Heidenthume Wahres enthalten ist, — sey es in der Lehre, oder im Cultus, — wenn wir » anderswoher genügend zu erklären nicht im Stande sind, aus der Uroffcnbarung ab. So auch die Idee des Sühnopfers, mit dein ihr zur Basis dienenden Bewußtseyn der Sündhaftigkeit. Denn wie hätten die Menschen aus sich selbst aus den Einfall gerasten können, durch das Blut von Thieren die Gottheit zu besänftigst- und sich von der Sündenschuld zu reinigen? Die Vernunft allein findet ja keinen inneren Zusammenhang zwischen solchem OM und Versöhnung. Ganz anders aber stellt sich die Sache dar, wenn Gott^ war, der die Hoffnung des Menschengeschlechtes auf den verspr^ chenen Erlöser, welcher sich für dasselbe einst opfe^ werde, schon in der Zeit des natürlichen Gesetzes und auch da^ später durch vorbildliche Opfer immer rege erhalten wollte. HaR" ja deßhalb sogar die Heiden dieselbe wirklich nicht ganz verlor^ Aus diesem Gesichtspunkte der Vorbildlichkeit müssen blutigen Opfer der Juden betrachtet werden, über welche da mosaische Gesetz so ausführliche und dctaillirte Bestimmungen hält. Insbesondere gilt dies von den sogenannten Sünd- liu Schuld opfern. Bei demselben legte Derjenige, für dessen ch>-, söhnung mit Gott cs dargcbracht wurde, dem Thicre die Hä^s auf, womit sogar ein Bekenntniß der Sünden Verbunds war; worauf das Thier von ihm selbst geschlachtet wurde. 193 Händeauflegung hatte die symbolische Bedeutung, daß die Sünde des Darbringcnden ans das Opfcrthier übertragen werde, und die¬ ses an seiner Statt den verdienten Tod erleide. — Merkwür¬ dig war die Ceremonie am allgemeinen großen Vcrsöhnungstage, d. i. am 10. des Herbstmonates Tischri. Eines der zwciBöcklein wurde vom Hohenpriester geschlachtet, und mit dem Blute dessel¬ ben das Allerhciligste mehrmal nach oben und unten besprengt; das Andere aber wurde, nachdem ihm der Hohepriester unter einem allgemein lautenden Sündenbckenntnisse im Namen des ganzen Volkes die Hände aufgelegt, in die Wüste geführt, und über einen Felsen todt geworfen. (Levit. Cap. 16, V. 1—34.) Auch das Osterlamm war ein Vorzeichen, und wies auf ein anderes Lamm hin, dessen Opferblut einst in der Wirklichkeit die Kraft haben werde, den Engel des Verderbens zu verscheuchen, — auf jenes Lamm, auf welches Jobanncs der Täufer zeigte, mit den Worten: „Siehe das Lamm Gottes, steh! daö da hinweg nimmt die Sünden der Welt!" (Joh. Cap. 1, V. 29.) Die Bil¬ der wurden zur vollen Wahrheit, als Jesus Christus, der eben nur unsertwegen Mensch gewordene Sohn Gottes, den Versöh- mmgstod am Kreuze starb. Dadurch ist er im eigentlichsten Sinne der Erlöser der Menschheit, der Welthciland gewor- ^'n. Zwar hat er uns auch aus der Nacht des Irrt hum es »löst, als der Größte der Propheten, als Lehrer der Wahrheit, regte er sich ja selbst den Titel eines Lebrers — in eminente¬ ster Bedeutung — bei (Matty. Cap. 23, V. 10.); und nannte er A' das Licht der Welt! (Joh. Cap. 8, N. 12.) Aber nicht als Solcher hatte er die ganze Bestimmung seiner Ankunft auf Erden erfüllt. Vollendet war stein der Entsündigung des Menschengeschlechtes, für welches er sein Blut vergoß. Deß- balb hatte Jesus unmittelbar bevor er seinen Geist aufgab, aus- Msscn: „Es ist vollbracht!" (Joh. Cap. 19, V. 30.) Als Er- loser von der Sündcnschuld wurde er von den Propheten des alten Bundes — insbesondere von Jssaias sCap. 53.) angekündet: Wahrlich, er trägt unsere Krankheiten, und ladet auf sich unsere schmerzen! — Er ist verwundet nm unserer Miffcthatcn willen, ^schlagen um unserer Sünden willen; unseres Friedens (Heiles) ^gcn liegt die Züchtigung auf ihm, und durch seine Wunden werden wir geheilt. — Unser Aller Miffctbaten hat der Herr auf M gelegt. Er wird geopfert, weiter selbst wollte." (V.4, u. ff.) Die Gaben und Opfer des mosaischen Gesetzes konnten keine ^stsündigung bewirken; denn cs ist unmöglich, schreibt der ys>l. Paulus an die Hebräer, (Cap. 10, V. 4.) daß durch das 'Olm von Stieren und Böcken Sünden getilgt werden. „Christus a>lc,n ist _ ewiger Hoherpricstcr nach der Ordnung Mclchi- Wdechs (Cap. g, zz. 20.) — durch ein höheres und vollkommeneres das nicht von Menschenhänden gemacht, nämlich nicht von °tescr Welt ist; auch nicht durch das Blut von Böcken und Stte- 'kw, sondern mit seinem eigenen Blute ein für alle Mal 13 194 ins Heitigthum eingegangen, und hat eine ewige Erlösung erfun¬ den." (Cap. 9, V. 11, 12.) — „Darum ist er des neuen Bundes Mittler, damit durch seinen Tod, welcher zur Erlösung von den Uebertretuugen unter dem ersten Bunde erfolgte. Diejenigen, so be¬ rufen sind, das verheißene Erbe erhielten." (V. 15.1 Wir haben oben gesagt, daß die in Adam sündige und Gott mißfällige Menschheit sich selbst zu erlösen nie im Stande gewe¬ sen wäre. Denn es lag nicht in ihrer Macht, der beleidigten gött¬ lichen Majestät ausreichende Genugthuung zu bieten, und das Nebel, welches die Sünde in der Welt hervorgerufen, wieder gut zu machen. Neberdics mußte die verdiente Strafe abgebüßt wer¬ den. Von wem? Vom Menschengeschlechte allein nicht. Demi hätte Gott die Strafe allsogleich eintreten lassen, so gäbe cs ja kein Menschengeschlecht, — weil die ersten Menschen schon das Leben verwirkt hatten. Es mußte also Jemand an der Stelle der Menschheit sich zur Abbüßung bereit erklären; diese stell¬ vertretende Genugthuung mußte von Gott angenommen wordeu seyn, worauf er nur im Hinblicke auf dieselbe dem MenscheE schlechte das Fortbestehen gewährte. Dies aber konnte einzig nur ein Gottmensch leisten. Der Erlöser mußte Gott seyn; denn die Erlösung ist eine neue geistige Schöpfung des Menschen, weil die Umwandlung desselben aus einem Kinde des ewigen des zum Kinde Gottes. Dies vermag außer Gott Niemand zu thun. Aber eben, weil die Menschheit zu erlösen war, mußte der Erlöser auch Mensch seyn. Er mußte als zweiter Adam m das Menschengeschlecht eintreten, um, was der Ungehorsam dck Ersten verdorben, durch den vollkommensten, bis zur SclbstE opferung im Tode betätigten Gehorsam wieder gut zu machen- Er durfte aber nicht auf dem gewöhnlichen Wege der natürliche Zeugung aus dem Menschengeschlechte hervorgehcn, weil ja gera^ auf diesem Wege die Sünde vererbt wird; sondern er musst sündenlos von Oben herniederkommen, und so die Sünde mn sich nehmen, nm sie an Statt der Menschheit zu tilgen. (VE- I. Cor. Cap. 15, V. 22.) Hieraus ist ersichtlich, in welcher non" wendigen Verbindung die Menschwerdung der zweiten göttlich^ Person mit dem Erlösungswcrke stehe. Schrift und Ueberliest^ rung trennen darum Beides nicht von einander. — Das ist Fleisch geworden, um uns zu erlösen. Christus erklärt unsere Erlösung als den Hauptzweck Sendung, die er aus Liehe zu uns freiwillig übernommen. „Gleim wie Moses die (eberne) Schlange in der Wüste erhöht (Num. Cap. 21, V. 9.) — sprach er zu Nikodemus — so muß Menscheusohn erhöhet werden (am Kreuze), damit Alle, die " ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben den." (Joh. Cap. Z, V. 14, 15.) — „Des Menschen Sohn w nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen, fiu sein Leben zur Erlösung (zum Lösegelde) für Viele (für Alle) d", zugeben." (Matth. Cap. 20, V. 28.) Deßhalb nennt sich jaJeM 195 dcn „guten Hirten", der sein Leben für seine Schafe gibt. (Job. Cap. 10, V. 11) — Als er bei der Einsetzung des allerheil. Al- tarssacramentcs den Aposteln den Kelch darrcichte, sagte er: „Trinket Alle daraus; denn dies ist mein Blut des neuen Testa¬ mentes, das für Viele (für Alle) vergossen werden wird, zur Ver¬ gebung der Sünden". (Matth. Cap. 26, V. 28.) — Einige Male machte er seine Apostel, die so schwer von der Erwartung eines irdischen Messiasreiches abließen, auf die Nothwendigkeit seines Leidens und Todes aufmerksam, — als: Matth. Cap. 20, V. 18, >9, 22. Aus übelverstandcner Anhänglichkeit versuchte Petrus einst ihn abzuhaltcn, einem solchen Loose sich auszusctzen; worauf er sehr strenge vom Herrn mit den Worten zurechtgewiesen wurde: »Du hast keinen Sinn für das was Gottes ist — (d. i. für die von Gott beschlossene Erlösung des Menschengeschlechtes durch meinen Tod) — sondern nur für das, was des Menschen ist". Marc. Cap. 8, V. 33.) Die Aussprüche des heil. Paulus hierüber haben wir zum Theilc schon vernommen. Der Hauptinhalt seines Briefes an die Hebräer ist der Versöhnungstod unseres ewigen Hohenprie- sters Jesus Christus. — „Alle haben gesündigrt, und erman¬ geln der Herrlichkeit Gottes, schreibt er an die Römer (Cap. 3, -1. 23, 24.) — und werden gerechtfcrtiget ohne Verdienst, durch üme Gnade, durch die Erlösung, die in Jesu Christo ist." Im ^P. 5, V. 14. nennt er den ersten Adam ein Vorbild des Zu¬ künftigen — in dem oben erörterten Sinne. Denn: „Gleichwie bnrch des Einen Sünde auf alle Menschen Vcrderbniß kam, so wnunt auch durch des Einen Gerechtigkeit auf alle Menschen Recht- tkttigung des Lebens, lind gleichwie durch den Ungehorsam des 'unen Menschen die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden "uch durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gereckten ge¬ macht". (Cap. 5, V. 18, 19.) Zu vergleichen ist damit Philipp. ^P. 2, V. 8., wo cs heißt, daß der Sohn Gottes gehorsam ^rd bis zum Tode; ja bis zum Tode am Kreuze. — „Christus für unsere Sünden gestorben, (1. Cor. Cap. 10, V. 3.) und !^r starb er für Alle." (II. Cor. Cap.5, V. 15.) „Gott hat der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde (d. i. !!!"' Sünd-Opfer) gemacht, damit wir Gerechte würden vor ^ett." (D. 21.) — „Durch Christus ist Alles mit Gott versöhnt morden, indem er Frieden machte durch das Blut seines Kreu- " (Col. Cap. 1, V. 20.) „Er hat die Handschrift des Urthei- die uns entgegen war, ansgelöscht, sie weggenommen und Kreuz geheftet." (Cap. 2, V 14.) — „Christus bat uns gc- "vt, „„p sich sich „„s als Gabe und Opfer hingegeben." Mes. Cap.5, V. 2; vergl. Cap. 2, V. 13, 14.) „Chnstus Jesus sich selbst zum LöseaAd für Alle hingcgcbcn." (I. Timotb. ^p- 2, V. 6.) u. a. O. „ Das Nämliche lehren die übrigen Apostel: „Christus trug un- Sünden selbst an seinem Leibe auf dem Holze (des Kreuzes), 13 * 196 damit wir, abgestorben den Sünden, der Gerechtigkeit lebeten, durch dessen Wunden wir geheilt worden sind", (l. Petr. Cap. 2, V. 24.) — Der Apostel bezieht sich hier auf die Weissagung des Propheten Jsaias. (Cap. 53.) — Siehe oben.— „Jesus Christus ist die Versöhnung für unsere Sünden; doch nicht allein für die unsrigen, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt." (l. Joh. Cap. 2, V. 2.) — „Gott hat uns zuvor geliebt, und hat seinen Sohn gesandt zur Versöhnung für unsere Sünden." (Ebend. Cap. 4, V. 10.) „Jesus Christus hat uns geliebt, und uns gewaschen von unseren Sünden mit seinem Blute." (Geheim. Offenb. Cap. 1, V. 5. n. a. O.) Dem ganzen christlichen Alterthume galt Jesus als der Erlö¬ ser vom ewigen Verderben. Als Solchen bekannten ihn die Mär¬ tyrer, welche freudig für diesen Glauben starben; als Sol¬ chen bezeugen ihn die Gebete in der ältesten Liturgie; auch sym¬ bolische Abbildungen, unter denen er vorgestellt worden war. Z. B. Jene eines Hirten, mit einem Schafe auf den Schultern - dem verlorenen, aber wieder geretteten.— Die Anfangs¬ buchstaben des griechischen Satzes: lr/a», X^/525 G^o, Lcori/^ d. i. Jesus Christus, Gott, unser Erlöser, gebe» zusammengestellt das Wort lX9TL, d. i. Fisch, welche Bezeich¬ nung de ß halb allegorisch auf Jesum, als den uns erlösende» Gottmenschen hie und da angewendet erscheint. Von den ältesten Kirchenvätern führen wir an: Den m'«» Clemens von Rom: „Wegen der Liebe, die Christus gegen »ne hatte, gab er sein Blut für uns". (Corinth. Cap. 49.) — H. Ba> nabas: „Deßhalb ließ cs der Herr sich gefallen, seinen Leib z>» Zerstörung im Tode preiszugeben, damit wir durch die Nachlaße der Sünden gcheiliget werden, nämlich durch die Besprengung »st. seinem Blute". (Br. Cap. 5.) — H. Ignatius: „Christus » für uns ans Kreuz geschlagen worden". (Br. an die Smyrnm Cap. 1.) — „Wie kann ich meinen König, Jesum Christum, stern, der mich erlöst hat?" sagte der heil. Polycarp zum consul, welcher ihm befahl, den Göttern zu opfern. — Der bst Jnstinns lehrt (I. Xpol. 80, und dis!. v. 94, 95.), daß stus durch sein Leiden und Sterben die " auf uns Allen lastc'w Sündcnschuld getilgt, und den Fluch von uns genommen habe.' H. Irenäus: „Christus hob den im Anfänge an dem Baume s gangcnen Ungehorsam des Menschen auf, indem er den am ' begangenen Ungehorsam durch den Gehorsam am Holze nR f ' gut machte". (ich. V. adv. Iiaeret) — Clemens von Alerandc'U . „Wundervolles Geheimniß! Der Herr ist unterlegen (im Leu und Kreuzcstode); der Mensch aber hat sich aufgerichtet; der aus dem Besitze des Paradieses geworfen war, erhielt nun böheren Preis des Gehorsams den Himmel", (oollort. o. N ) . "rtullian: „Des Menschen wegen hat sich der Sohn Gottes der Erniedrigung bis zum Tode, bis zum Kreuzestode, unter« , s s e 197 fen; — sicher hat er Den geliebt, den er um so hohen Preis er¬ kaufte". (de esriie Obrlsti e. 4—5.) So die Uebrigen. Grübeln wir über die Frage nicht unnütz nach: Konnte, oder wollte Gott die Sünde'andcrs nicht nachlassen, als nur wenn sie durch den Opfertod seines eingcbornen Sohnes getilgt würde? — Er ist zwar höchst gütig und barmherzig; aber nicht auf Kosten seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit. Freuen wir uns vielmehr aus dankbarstem Herzen unserer Versöhnung mit Gott, die der Unschuldigste für uns Schuldbeladene vollbracht hatte! Was muß cs in den Augen Gottes Entsetzliches scyn um die Sünde, weil wir eines solchen Lösegeldes bedurften zur Be¬ freiung aus ihrer Knechtschaft und dem ewigen Tode! „Denn wir sind nicht mit vergänglichem Golde und Silber erlöst worden, schreibt der heil. Petrus"(I. Eap. l, V. 18.), sondern mit dem kostbaren Blute Christi, als eines unbefleckten und tadellosen Lam- wes." Sieh! da ist Liebe und übergroße Erbarmung! „Sosehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn hin- gab." (Joh. Cap. 3, V. 16.) Und: „Eine größere Liebe, als diese, sagt der Sohn Gottes von sich selbst, «.Joh. Cap. 15, V. 13.) dat Niemand; daß er nämlich sein Leben für seine Freunde hingibt". Von den heiligen Sakramenten, durch die uns die Verdienste des Opfertodes Jesu zugemittelt werden, wird im vierten Theile gehandelt, und zwar deßhalb, weil die diesbezügliche Lehre ganz vorzüglich zu den sogenannten Unterscheidungslehren der 'acholischen Kirche gegenüber den «katholischen Confessioncn gehört. XM. Unsterblichkeit und Auferstehung. Wozu würde der Mensch eine Religion nöthig haben, wenn " mit ihm vollends zu Ende wäre, sobald er den letzten Athem- M gethaii, und sein Leib im Tode erkaltet ist? — wenn vch sein eigentliches, wahrstes Leben nicht noch über die kurze seines irdischen Daseyns hinaus erstreckt? In diesem 'falle könnte seine Aufgabe freilich keine andere scyn, als sich sei- ven Aufenthalt auf dcr Erde so augenchm als nur immer möglich a machen, - unbekümmert um den sittlichen Werth oder ""Werth der Mittel, welche dazu beitragen. Ganz anders aber ""hält sich die Sache, wenn im Tode des Leibes nicht dcr ?"nze Mensch, ja nicht einmal dcr bessere, edlere Theil ""selben stirbt; sondern wenn Dieser fortdauert, ohne jemals der ""nichtung anheimzufallcn, d. i. wenn der Geist des Men- unsterblich ist. Dann ist seine Bestimmung eine ungleich 198 höhere, als jene des Thieres; dann ist das irdische Leben nur eine Zeit der Vorbereitung für das ewige; dann darf cs für den Menschen keine ernstlichere Sorge geben, als die, das erhabene Ziel, welches ihm jenseits des Grabes vorgesteckt ist glücklich zu erreichen. Es ist also gewiß etwas höchst Wichtiges um die Frage, ob wir unsterblich seyen, oder nicht; — und zwar schon unser zeitliches Wohl ist dabei betheiliget. Denn, welche Folgen müßten eintreten, wenn der Glaube an die Unsterblichkeit von den Menschen allgemein aufgegeben würde? Der Unglückliche könnte sich nicht mehr mit der Aussicht auf ein besseres Jenseits trösten — er müßte ob der Hoffnungslosigkeit seiner Lage ver¬ zweifeln. Der Ungerechte, der Ehrgeizige, der Wüstling würde seinen verderblichen Leidenschaften zum empfindlichsten Schaden seiner Mitmenschen um so ungestörter sich hingeben; der Bösewiclü jeder Art würde einzig mir dem strafenden Arme menschlicher Gerechtigkeit zu entgehen bedacht seyn; eine göttliche jenseits nicht zu fürchten branchen. Der herzloseste Egoismus würde die bürgerliche Gesellschaft uuterwühlen, und ihren Fortbestand in der Länge geradezu unmöglich machen. Vom Gehorsame gegen die Staatsgewalt uiu Gottes willen, und aus Gewissenspflicht wäre keine Rede; eben so wenig von Aufopferung für das Vater¬ land. Niemand würde in edler Opserwikigkeit sich begeistert fühle» für Wissenschaft und Künste, und was immer sonst auf späte Ge¬ nerationen noch fortwirken soll, falls er nicht selbst alsbald fte Früchte seiner Arbeit ernten kann. Das heilige Band der Fan»- lienliebe würde zerreißen, welches zunächst durch die Hoffnung zusammeugchalten wird, mit den thcueru Abgeschiedenen einstens wieder vereinigt zu werden. — Darum, welch ein Schrecken lügt für ein denkendes und fühlendes Wesen in der Vorstellung voll¬ kommener Vernichtung mit dem Tode; welche Erhebung hiugcge» in jener einer ewigen Fortdauer! „Nicht Jedermann, sagt Pas¬ cal , hpensöe« Nun. II. XkX.s mag das System des Copernic er¬ gründen; aber für Jeden liegt Alles daran, zu wissen, ob sst»^ Seele sterblich sey oder unsterblich." — Wir werden diesen Ge¬ genstand in Folgendem vom Standpunkte der Vernunft und Offen¬ barung, so viel es in Kürze geschehen kann, beleuchten. Von Entscheidung ist, wHe man den Menschen auffaßt. Er besteht aus einem Leibedessen eigenthümlichem Lebeiü- priucipe (nenne man cs die Psyche — — oder sonst wü^ welches im Tode erlischt; und aus noch einem andern tKs- sen, welches denkt, mit Vernunft und Freiheit begal» ist. Dieses Wesen, verschieden von der Materie an Urspru»ü und Beschaffenheit, wekches hier auf Erden nur dem Menschs allein eigen ist, — nicht auch irgend einem Thiere, — <ü»- nen wir G eist OrLu.u«), im gewöhnlichen Sprachgebrauche wH auch Seele. Der Mensch ist demnach ein Doppelwesen; »'! seinem Leibe gehört er nicht minder der Natur an, als d» übrigen organischen Geschöpfe, mit denen er das Loos der einstig" 199 Auflösung theilt, — mit seinem Geiste aber ist er über die Na¬ turerhaben; Dieser ist an und für sich der Vernichtung nicht unterworfen; er ist unsterblich, d. i. er hört auch mit dem Tode des Leibes nicht auf, ein persönlich selbstbewußtes Wesen zu seyn. Im Menschen treffen Natur und Geist zu¬ sammen; er ist die Synthese von Beiden. — Nur diese Auf¬ fassung vom Menschen erweist sich als die wahre, durch die un¬ befangene Beobachtung unser selbst, welche uns den Streit zweier Mächte in uns deutlich erkennen läßt; sie wird aber auch durch die Offenbarung bestätigt. Schon in der heiligen Schrift des alten Bundes werden Kör¬ per und Geist als von einander wesentlich verschieden dargc- stellt, — so: m der Schöpfungsgeschichte des Menschen, im Buche Ecclesiasticus Cap. 12, V. 7. u. a. O. — In feuer des neuen Testamentes werden „Fleisch" und „Geist" als zwei in sich ge¬ sonderte, im Menschen aber vereinte Principe aufgeführt. „Der Geist ist willig, sprach der Heiland, aber das Fleisch ist schwach." lMatth. Cap. 26, V. 41.) Der heil. Paulus schreibt (Gal. Cap. 5, V. 17.): „Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch, denn diese sind einander ent¬ gegen". Und (I. Thess. Cap. 5, V. 23.): „Der Gott des Frie¬ dens heilige euch vollkommen, damit euer ganzer Geist und Seele (was wir oben Psyche nannten) und Leib tadellos aufbcwahrt werde für die Ankunft unseres Herrn Jesu Christi". — (Es wird bier der Psyche so wenig die Unsterblichkeit, gleich dem Geiste, zuerkannt, als dem Leibe, dem feue angchört, und welcher zur Unkunft des Herrn am allgemeinen Gerichtstage ^v o m Tode wieder auferstehen wird.^.H^ Daher die wchmnthige' Klage des nämlichen Asiostels über den Zwiespalt in seinem Inneren, zwischen dem Gesetze in seinen Gliedern, und jenem des Geistes (Röm. Cap. 7.); daher seine a>t wiederholte Ermahnung an die Gläubigen, nicht nach dem «fleische, sondern nach dem Geiste zu wandeln; „denn die flcisch- lfch sind, trachten nach Dem, was des Fleisches ist; die aber gci- jilg sind, streben nach Dem, was des Geistes ist". (Röm. Cap. 8, V. 5.) In der so eben erörterten Auffassung des Menschen besteht dss wahre christliche Dualismus; welcher so, wie er die ^esensverschiedenheit des persönlichen Gottes von der durch Ihn erschaffenen W e lt; nicht minder die qualitative Verschiedenheit von creatürlichen Geist und Natur lehrt. Tlas alte Heidentbum ging mitunter von einem falschen Dua¬ lismus aus, wenn einige Pbilosophen desselben eine ewige Ma¬ irie und eine sie blos ordnende Vernunft (>-85, den pla¬ tonischen Weltordner) annabmen. Gewiß eben so weit hat sich m neuer und neuester Zeit eine dem Glauben feindselige Weltweis- deit von der Wahrheit entfernt, durch die Behauptung: zwsichen -Mtur und Geist bestehe gar keine wesentliche Verschieden- 20V heit; was wir Geist nennen, sey nichts als die Blüthe des Naturlebens. Es liegt offen da, daß der Materialist die Unsterblichkeit des menschlichen Geistes nicht begreifen könne, und daß sich dieselbe nnr vom obigen, christlichen Standpunkte aus unwiderlegbar ver- thcidigcn lasse. Für den offenbarungsgläubigcn Christen ist die Unsterblichkeit eine religiöse N oth w en d igk ei t. Nur die christliche Philosophie mit ihrer streugeu Unterscheidung des seiner u n bewußten N a t n rl e b e n s, welches im Tode c r- lischt, von dem selbstbewußten Geistesleben kann sich der Geist nicht anders, als n n v e rgä n gl i ch denken. *) Welcher entsetzlichen Fortschritte der Materialismus fä¬ hig sey, haben Werke, wie die schon gerügten: C Vogt's Pam¬ phlet, „Köhlerglaube und Wissenschaft", nud Louis Büchuer's: „Kraft und Stoff»; ferner des Ersteren bereits früher erschienene „Physiologische Briefe", Jac. Moleschott's „Kreislauf des Lebens"; Heinrich Ezolbe's „Nene Darstellung des Sensualismus" u. s. w., dargcthan. — Alle jene Fähigkeiten, die wir unter dem Namen Seelenthätigkciten begreifen, sagt E. Vogt, seyen weiter nichts als Functionen der Gehirnsubstanz, so, daß die Gedanken etwa in demselben Verhältnisse zu dem Gehirne stehen, wie die Galle zu der Leber, oder der Urin zu den Nieren! Diesenigen, die nicht zu gleichen Schlüssen kommen, seyen, fügt er in liebenswürdiger Bescheidenheit bei, blödsinnige, vernagelte Menschen! (Physiel. Briefe, S. 325.) Kann es eine die Würde des Menschen tiefer herabsetzende Bchauptuiu;.Lebe.n? ..So weit mußte es kommen, daß sogar noch der Glaube"an'di'e"Eristsi^"des"Gebstes im Menschen als Köh¬ lerglaube verrufen, die Vernunft als bloße Gehirnaffectiou hm- gestellt, und die Annahme einer besseren Seele, als jene eines je¬ den Thieres ist, als barer Unsinn verlacht wird! — Was wird denn wohl als Beweis dafür vorgebracht? Die geistigen Thätigkeiten, heißt es, seyen eben so wie die körperlichen durchaus bedingt durch die leiblichen Organe und ihre Functionen; sic seyen nur da möglich, wo die entsprechenden leiblichen Organe nnbeschädiget und 'thätig sind; sie entwickeln sich in genauester Uebcreiustimmnng mit der Entwicklung des Gc- hirnorgancs im Kinde und im Jünglinge. Die Sinne und alle geistigen Functionen stumpfen sich ab im genauen Verhältnisse n»t der allgemeinen Verödung des Organs im Greise. Täglich ent¬ stehen Veränderungen einzelner geistiger Functionen und Eigcn- fchaften durch bestimmte locale Krankheiten einzelner Hirnthcilc; -7" Thatsachen, welche mit der Eristenz eines individuellen nnstcrb- ft Weil Julius Schalter in seinem Buche, „Leib und Seele, zur Aufklä¬ rung über Köhlerglauben und Wissenschaft» (Weimar, I85l>) den christli¬ chen Dualismus nicht gelten läßt, ist sein Kampf gegen den Materials' mus nachgerade ein fruchtloser. 201 lichen Geistes unvereinbar seyen. — In diesen Trugschlüssen wird, was bei etwas aufmerksamerem Eingehen in die Sache auffällt, die Kraft mit dem Organe, durch welches sie wirkt, geistlos genug, verwechselt. Daraus, daß die geistigen Tätigkeiten als Functionen des Gehirnes erscheinen, folgt noch nicht mit Noth- wendigkeit, daß es keinen Geist gebe, sondern nur geistige Functionen; daß die Existenz eines unsterblichen Menschen¬ geistes schlechterdings unmöglich sey; daß es völlig undenkbar sey, der Geist bestelle als Etwas für sich Daseyendes, und äußere, manifestire, sich demungeachtet nur mittelst des leib¬ lichen Organs, mittelst des Gehirnes. Wenn das Organ noch schwach und unentwickelt ist, — was in dem Kinde der Fall, — so können freilich auch die Aeuße- ru ngen der geistigen Krast keine anderen, als noch unvollkom¬ mene seyn; wenn die Organe erstarken, tritt, ordentlicher Weise, auch die geistige Kraft stärker hervor, und wird oft — mcht uothwendig immer — in ihren Aenßerungen behindert, wenn jene irgendwie eine Störung erleiden. Folgt aber daraus, baß der Geist an sich, dem Wesen nach, nicht immer der gleich ganze sey im Menschen als Kind, wie als Mann, und M Greis? daß er im Kranken etwas Anderes sey, als im Gesunden? daß er auch altersschwach werde, und endlich gar mich im Tode erlösche? kurz, daß er nichts weiter sey, als der lebensproceß einzelner Gehirntheile? Mit Nichten! Eben so we- wg, als daraus, daß das schärfste Auge durch das unreine Glas mies Fernrohres nichts wahrnimmt, sich ergibt, es sey erstorben; aber daß der Violinspieler Eins und Dasselbe sey mit seiner Mline, weil er ollne sie schlechterdings nicht spielen, und sich als 'Mtuose manifestiren kann, und daß Derselbe Eins sey mit seinem Spiele, so, daß mit der Violine auch der Spieler zu Grunde gcht, oder mit dem Aufhören des Spieles auch der Spieler nicht, ?ber nichts mehr ist. (Siehe Dr. I. Frohschammer: Menschen- ^le und Physiologie. Eine Streitschrift gegen Professor Carl ^gtinGcnf. S? 13.) Der Geist als solcher, wie er selbstständig im Menschen abt, bleibt unberührt in seinem Wesen von den wechselnden ^ständen seiner leiblichen Organe. Die Natur schafft freilich, M zerstört wieder; aber der Mensch gehört ihr nur mit seinem s^rper an; Diesen entwickelt sie, nicht aber auch seinen Geist, welcher sich nur an verwandten Geistern bildet; weßhalb er, ww Thatsachen zeigen, in jenem Menschen unentwickelt bleibt, der f'' seiner früllesten Kindheit außer dem Verkehre mit seines Glei- "wn aufwächst. Ein Beweis, daß der Geist über der Na- '"r stehe. Es ist ein Wahn, daß die Naturwissenschaft und Physiologie, M wehr sie sortschreiten, desto nothwcndiger zum Zweifel an die Menz eines individuellen Geistes im Menschen führen. 202 „Ich babe nie begreifen können, sagt der Naturforscher Ru¬ dolph Wagner, wie anatomische Untersuchungen irgend einen Werth oder Unwerth für die Entscheidung dieser Frage (nämlich, ob es einen individuellen Geist (Lecle) gebe, oder nicht) haben sollen. — Wir wollen uns nicht mit Denen Herumstreiten, die nun einmal als Hirn-Automaten einer eigenen Seele durchaus los und ledig sein wollen. Ich wiederhole: Nicht die Physiologie nöthiget mich zur Annahme einer Seele, sondern die mir immanente, und von mir unzertrennliche Vorstellung einer moralischen Weltord- nuug. Aber ich finde kein einziges Factum in der Physiologie, welches mich nöthigtc, diese moralische Weltordnung, und die Eri- stenz einer Seele aus physischen Gründen aufzugeben. Im Ge¬ genteile finde ich im physischen Bau viele Gründe für eine See¬ lensubstanz, nur keine entscheidenden." (Siehe Dessen Brochüre: Ueber Glauben und Wissen, mit besonderer Beziehung zur Zukunft der Seele; — sowie anthropolog. Vortrag in der Sitzung der 31. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Göttin¬ gen, 1854.) *) ") Die Naturwissenschaft, insbesondere die Physiologie, macht sich einer gro¬ ben Anmaßung und Ausschreitung in fremde wissenschaftliche Gebiet« schuldig, wenn sie es sich herausnimmt, über die Frage, ob es einen in¬ dividuellen, unsterblichen Geist im Menschen gebe, oder nicht, allein entscheiden. Denn die Physiologie hat es zunächst nur mit der Erfor¬ schung der physischen Natur des Menschen, ihren Bestandtheilen, Or¬ ganen und Functionen zu thun; also kann sie nicht über die ganz« Mensch en natur, über das ganze geistige, religiöse, sittliche und nss senschaftliche Leben der Menschheit absprechen. Die exacten Wissenschaften, zu welchen die materialistisch«" Naturforscher Vogt und Consorten xsst — ja ausschließlich die ihre zäblen, erkennen — so behaupten diese — nur sinnlich nach' weisbare Thatsachen an, und gehen nur von diesen, als einer Mr" Grundlage aus; deshalb können sie keine individuelle, unsterbliche Ä«js schenseele zugeben, weil sich diese eben nicht sinnlich wahrnebmen läst. Welche Sophisterei! Diesemnach müßte also Alles als falsch, als nicht existirend verworfen werden, was sich nicht mit Händen fühlen, Horen, riechen und schmecken läßt! Die Materialisten treiben mit d«" Schlagwörtern: „Thatsachen" und „Exaktheit", ohne über ihre Bed«"' tung selbst im Geringsten einig zu seyn, sehr argen Mißbrauch, um die sich kein selbstständiges Urtheil bilden, zu täuschen. Auch wir, °' wir eine individuelle, unsterbliche Menschenseele Vertheidigen, „construi^" nicht unbekannte und unnachweisbare Punkte" (Voglls Worte), sond«« gehen gleichfalls von unumstößlichen Thalsachen aus; denn wir ßen von den geistigen Thätigkeiten und Wirkungen, wozu ° , Denken und Wollen gehört, auf eine entsprechende Ursache, als et» THLtiges, und wirklich Existirendes, wenn auch nicht unmittelbar d>u - die äußeren Sinne Wahrnehmbares. Und zwar ist nach unserer Ueo« zeugung die Seele im Menschen nur Eine, ein Ganzes, wie a"- der Mensch ein Ganzes ist, in Dem Natur und Geist zusammentrefl«"' nicht aber, wie sich ihn die materialistischen Physiologen vorstellen, " ein Aggregat von, wodurch schon immer, zusammengewürfelten Organs ' Stvffthcilen , in welchen einzig physikalische und chemische Kräfte w> 203 Wenn es seyn könnte, noch unwürdigere Ansichten als E. Vogt enthüllt L. Büchner in „Kraft und Stoff". Der Verfasser bestreitet geradezu die Möglichkeit einer Kraft ohne materiellen Stoff, woraus er dann folgert, daß es außer der Materie, wie keinen Gott, so auch keine unsterbliche Seele, getrennt vom irdi¬ schen Leibe, geben könne. Ihm ist cs eine bis znm Ueberdrusse gehörte und wiederholte Redensart, vom sterblichen Leib und unsterblichen Geist. Er siebt das, was wir Geist nennen, mit dem Aufhören der individuellen stofflichen Zusammensetzung schwinden, gleich als habe dieses cigenthümliche Zusammenwirken Meter kraftbegabter Stofftbeilchen einen Effect erzeugt, der mit seiner Ursache aufhört. Der Mensch scp also eigentlich nur ein Thier. Ja dem Verfasser zufolge müssen einst Verhältnisse bestan¬ den haben, unter denen es ganz wohl möglich war, daß ein Affe, oder sonst ein beliebiges anderes Thier einen Menschen gebar. Er findet das bestätiget, in so ferne die ältesten Menschenschädel, die man kenne, noch sehr affenartig aussähen. Die höhere sogenannte geistige Bildung selbst hält jener Ver¬ fasser einzig für ein Ergebniß chemischer Prozesse im Stoffe. Was der Jnstinct der Thiere sep, das sey auch noch der vollkommenste sanr scven. — Woraus sind denn die Organe entstanden? Wer hat sie gebildet? Weber werden sie in Tbätigkeit versetzt? — Das Richtige ist, dasi jene Kräfte unter dem Einstusse einer höheren, belebenden, das Ganze zusammenhaltenden Kraft stehen, und den ihr be¬ herrscht werden. Der Materialist, welcher dies läugnct, darf, wenn er nur etwas consequent ist, von Leben und Tod, und von einem Un- tmchicde zwischen Beiden gar nicht reden. - Weil sein System, — wenn seine Behauptungen diesen Namen verdienen, — ein durchaus haltloses ist, so verwickelt er sich alle Augenblicke in Widersprüche. Ilm nur etwas anzuführen: Ihm zufolge sind die geistigen Thätigkeitcn, also auch der religiöse Glaube, nichts als Functionen des Gehirn«, durch Reizungen oerursacht. Aber da ist ja folgerecht die Physiologie des Materialisten auch nothwendig nur eine Function des Gehirnes. Welche von diesen beiden Gehirnfunctionen ist nun die richtige? Der Materialist, mit dem Hausen Gleichgesinnter, sagt! Die meine. Wie so? Jffs nicht eine un- derzeihliche Anmaßung seiner Seite, dies zu behaupten? Seine Gehirn¬ function bildet ja nur mehr eine Ausnahme, gegenüber einer so allge¬ meinen Thatsache, als es der unter den verschiedenen Völkern, seit der ältesten Zeit, vorfindige Glaube an eine Menschenseele ist; das heißt, gegenüber von Functionen unzähliger Millionen mensch- iicher Gehirne! Darum müssen es uns die Materialisten von ihrem eigenen Standpunkte aus erlauben, daß wir, statt ihnen blindlings zu Wlgen, auch fernerhin den sichereren Weg gehen, und uns der unendlich überwiegenden Mehrzahl Menschen anschließen, die gewiß jo gut ein Ge- , hsin hatten und haben, als sie selbst. i Eine solche Zumutbung an den Menschen, sich zum Affen zu machen, haben wir schon früher mit Entrüstung zurückgewiesen. Kein Vernünf¬ tiger wird uni einen solchen Stammbaum streiten. Von unserem Stammvater Adam heißt es in der Bibel (Luc. Eap. 8, V. 38.) daß er Gottes — Geschöpf — war. 204 Verstand im Menschen, — einzig mechanisches Prodnct ans gege¬ benen, im Stoffe wirksamen Kräften. Der Gedanke sey Product einer Gehirnthätigkeit, weiter gar nichts. „Ohne Phosphor kein Gedanke", hat schon Moleschott gesagt. (Gewesener Docent zu Heidelberg, sängst nach Zürich berufen, dessen craffen Materialis¬ mus obiger Verfasser theilt, welchem, eben seines höchst verderb¬ lichen Buches wegen, die Lehrbefugniß an der Universität zu Tü¬ bingen abgcnommen wurde.) - Ein Sittliches gebe cs so we¬ nig als ein Geistiges, weil der freie Wille des Menschen bloße Einbildung sey; deshalb gehören die Verbrechen eigentlich nicht vor den Richter, oder vor ein sittliches Forum, sondern ausschlie߬ lich in die Naturgeschichte. (!) — Die Nutzanwendung von Dem ist: kümmere Dich nicht um Religion, nicht um Gottes Gebote, noch um Moral, sondern thm, was Dir gefällt! Recht gut bemerkt hiezu W. Menzels Litcraturblatt Nr. 73 vom Jahre 1855: „Nur wenige Franzosen in der zweiten Hälfte des vorigen Jakrhundertes sind in einen ähnlichen Ton verfallen; selbst die blasirtesten Freidenker schrieben doch in der Regel dem Mensche», seiner Vernunft, seinem freien Willen eine hohe Würde, und eine um so höhere zu, als sie auf Ihn übertrugen, was sic an Gott läugueten. Wie freventlich es auch war, nicht mehr an den Schöpfer zu glauben, und dagegen das Geschöpf zu ver¬ göttern, so ließen sie doch wenigstens noch am Geschöpf etwas Hohes, Achtbares, einen sittlichen Werth, oder eine geistige Frei¬ heit. Aber dieser Autor sieht in Gott nichts; im Menschen nur einen Affeusohn, und nicht einmal mehr ein natürliches Tbier, sondern nur eine zur Bestialität abgerichtete Maschine, ein Vieh- Automat. Wenn man vom Standpunkte der gemeinsten Empirie auS sich auch berechtigt glauben mag, das Wunderbare zu läugnen, und das, was man nur nicht zu erklären vermag, als nicht vor¬ handen zu betrachten, so reicht doch begreiflicher Weise eine so be¬ schränkte Betrachtungsweise nicht hin, um darnach, was in den geistigen Höhen der Menschheit vergeht, zu beurtheilen. Von jenem engen empirischen Standpunkte aus läßt sich eine Na¬ turgeschichte der Schnecken schreiben, aber nicht eine Weltgeschichte ! denn diese letztere bewegt sich im Geist, und die in ihr wirk¬ samen und kämpfenden Kräfte, die durch sie hindurchgreifenden Schicksale, die über ihr waltende Vorsehung sind etwas Anderes- als Mechanik und chemischer Proceß. — Die Naturwis¬ senschaft darf sich nie anmaßen, alles andere Wissen ersetzen oder ausschließen zu wollen." *) *) Ueber den Materialismus eines Vogt, Moleschott, Büchner und Consor- ten hat auch der berühmte Chemiker Justus, Freiherr von Liebig, ter sich schon in seinen „chemischen Briefen" gegen derlei Ansichten aus¬ gesprochen, in dem am 18. Jänner I8S6 zu München gehaltenen Vor- 205 Der christliche Leser verzeiht, daß wir uns bei obigen mate¬ rialistischen Produkten — des Geistes kann man nicht sagen, trage über anorganische Natur und organisches Leben, ein verwerfendes Urtheil abgegeben, auf welches wir ein um so grösseres Gewicht legen, weil sich jene Herren vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus für unangreifbar zu halten scheinen. Wir können hier nur einzelne Stellen hcrvorheben: „Die Läugner der Lebenskraft sind Fremdlinge in den Gebieten, welche die Erforschung chemischer und physikalischer Kräfte zur Aufgabe haben. Kein compeienter Physiker oder Chemiker; Keiner der großen Physiologen stimmt ihnen bei. — Nie wird es der Chemie gelingen, eine Zelle, eine Muskelfaser, einen Nerv — mit Einem Worte, einen der wirklich organischen, mit vitalen Eigenschaften begabten Theile des Organismus, oder gar diesen selbst in ihrem Laboratorium dar¬ zustellen. Die unorganischen Kräfte schaffen immerdar nur unorgani¬ sches; durch eine in dem lebendigen Leibe wirkende höhere Kraft, deren Diener die unorganischen Kräfte sind, entsteht der organische, eigcnthüm- lich geformte, vom Krystall verschiedene und mit vitalen Eigenschaften be¬ gabte Stoff.— Dieselben Dilettanten in der Naturwissenschaft, dieselben Kinder in der Erkenntnis! der Naturgesetze, behaupten, und wollen das unwissende und leichtgläubige Publikum glauben machen, dass sie Aufschlüsse zu geben vermöchten über die Entstehung der Gedanken, über die Natur und das Wesen des menschlichen Geistes. Der geistige Mensch, so sagen sie, sey das Product seiner Sinne; das Gehirn erzeuge die Gedanken durch einen Stoffwechsel, und verhalte sich zu ihnen, wie die Leber zur Galle. So wie die Galle untergehe mit der Leber, so gehe der Geist unter mit dem Gehirn. — Die Schlüsse dieser Leute, entkleidet von dem geborgten Flitter und Tand, sind in der Wirklichkeit in den Augen der Forscher und Denker nur beleuchteter Nebel. — Die weiche Masse, die man Gehirn nennt, denkt nicht; sondern sie ist das Werkzeug der Ursache, welche die Gedanken erzeugt. — Das Auge sieht nicht das Licht, oder die Körper; das Ohr hört nicht die Musik; sondern sie sind nur die Werkzeuge zur Wahrnehmung der Licht- und Schallwellen. Die „Dilettanten" behaupten, die Gedanken sehen Produkte des Stoffwechsels des Gehirnes; so wie die Galle ein Product des Stoffwech¬ sels der Leber. Aber die exacte Physiologie weiss bis jetzt nichts von den Beziehungen, in welchen die Galle, das Secret, zu dem Stoffwechsel der Leber, des Secretions-Organs, steht; und was die Chemie darüber erforscht hat, beweist, dass die Elemente der Galle in keiner Beziehung zu jener der Leber stehen. Der geistige Mensch ist nicht das Product seiner Sinne; sondern die Leistungen der Sinne sind Producte des in¬ telligenten Willens im Menschen. -— Die Kraft im Organismus wird nicht erzeugt, wie in der Dampfmaschine; sie ist nicht erklärbar aus den bekannten elektrischen Gesetzen. — Von einem Stoffwechsel im Gehirn, welcher Gedanken erzeuge, weiss die Naturforschung abft'lut nichts. Alles, was wir wissen, reducirt sich auf die triviale Wahrheit, dass ein Kopf ohne Gehirn weder denkt, noch empfindet!" — Der abgeschmackten Behauptung Moleschotfts: „Ohne Phosphor kein Gedanke", entgegnet Liebig, dass die Knochen vielhundertmal reicher an Phosphor sehen, als das Gehirn; also um wieviel mehr Denkkraft müssten sie besitzen, als das Gehirn! (Siehe allg. Ztg. Nr. 22, 24 u. 25 b-I. 1856.) Lves, quomoäo svcmuerunt in evKiluliombus suis! (kom. e. I, v. 21.) 206 denn Diejenigen, von denen sie stammen, erkennen einen solchen nicht an, — vielleicht zu lange aufhielten. Ist eine Zeit gewiß nicht glücklich zu preisen, in welcher so abentheuerliche und verderbliche Ansichten zur Geltung gebracht werden wollen, so dürfen wir andererseits wohl in dem Gedan¬ ken einigen Trost suchen, daß, wenn die Verirrung einen gar so hohen Grad erreicht hat, die Besinnung etwa doch allmälig wie¬ der zurückkchrcn werde. Es ist etwas Betäubendes in der Natur- vergötterung! Da heißt es eine Weile: „Im Menschen kommt die Natur zum Selbstbewußtseyn", — Einen Schritt weiter, und der Mensch bringt der Natur seinen Geist vollständig zum Opfer, und bleibt nicht einmal mehr der Thiere Erstes und Vornehmstes. O Christenthum! Wenn, wer von dir sich abwcndct, solchem Wahne anheimfällt, soll man nicht daraus entnehmen, daß nur du Wahrbeit bist? — Die modernen Materialisten mögen übrigens ja keinen An¬ spruch auf Originalität machen; denn cs hat schon früher auch Einzelne gegeben, die sich bemühten, zu beweisen, daß sie um nichts besser daran seyen, als das Thier. Unter den Griechen waren ihre Vorläufer ein Demokrit (geb. 460 v. Ckr.), Dicäarst (geb. um 360 V. Ehr.), Epicur, mit den plebesi plülosoplii, wie sie Cicero nennt, (guuvst. Duscul. I. 1.) Unter den Römern läuß- netc der Naturforscher Plinius der Aeltere (f 79) die Eriste»! und Unsterblichkeit der Seele. Im berüchtigten „System der Na¬ tur" (dem Mirabeau zugeschrieben) und in andern Schriften der Encyclopädistcn des verflossenen Jahrhunderts, wurde Aehnliclüs vorgctragen; — von jenen geistlosen Aufklärern, die, wie Dr. Schleiden (Studien, S. 280) sich ausdrückt. Alles, was sie pst' chologisch zu begreifen zu dumm und zu roh waren, mit Phrase» von „willkührlichem Unsinn, Aberwitz, Betrug und Gaukelei" ab¬ fertigten. — 'Ohne uns noch weitläufiger mit der Widerlegung zu befasse», berufen wir uns einfach auf das Selbstbewußtscyn eines Je¬ den aus uns, daß in ihm Etwas lebe, wodurch er sich als Ist¬ aks Person, gegenüber und verschieden von der Natur und Auße»' welt weiß — als immer dasselbe Ich, was schon auch mit de» Organen seines Körpers für Veränderungen vorgehen mögen, denkendes Wesen, dessen Gedanken einen Inhalt baden, »st sich eben nicht beengen lassen durch Zeit und Raum. Die Enids» des Selbstbewußtscyns im Wechsel der Vorstellungen nnd Empfist düngen; die Einheit und Stetigkeit des Charakters sind Tdast sachen. Noch hat kein Materialist erklärt, wie cs möglich st- sie aus der Vielheit der Atome, und deren beständigem Westst hervorgehen zu lassen. *) Treffend schreibt Dr. M, I. Schleiden (Studien. S. 138 u. ff.): "Ast haben Atbeisten oder Materialisten genug, welche das Dasehn des Ku¬ stes,— als eines freien, den Naturgesetzen nicht unterworfenen Wesens,"" 207 Welches Organ des Leibes bestimmt denn der Materialist M Sitze der Erkenn tu iß des Guten und Bösen? oder des »ach der immer gleichen Norm des moralischen Werthes oder Unwerthes entweder mit Beifall lohnenden, oder mit Vorwürfen strafenden Gewissens? Durch welche Bewegung, durch wel- läugnen. Das mögen sie mit sich selbst ausmachen; aber lächerliche In¬ konsequenz ist es, wenn sie dann noch überhaupt von Sittlichkeit, mora¬ lischem llrtheil, Zurechnungsfähigkeit u. dgl. reden. — So viel für die Wichtigkeit dieser Frage! Und nun die Antwort? Die gibt Dir Nie¬ mand als Du selbst. Schon daß Du von Selbstbewußtsehn redest, spricht Deine Ucberzeugung aus. Sind sich etwa Dein großes oder kleines Ge¬ hirn, Deine Vierhügel, oder Deine Zirbeldrüse ihrer selbst bewußt? So weit entfernt, daß Du vielleicht, wie die meisten Menschen, nicht einmal weißt, daß solche Dinge in Deinem Kopfe vorhanden sind, und daß un¬ sere Physiologie an ihre Thätigkeil, an ihren Stoffwechsel, die Erschei¬ nungen unseres geistigen Lebens anknüpft. Du bist Dir Deiner selbst bewußt, als eines Wesens, welches von all den Knochen, Bändern, Fa¬ sern , Rohren Deines Körpers himmelweit verschieden ist." — Dazu be¬ merken wir: „Wenn die Materialisten von Moralität, Zurechnungsfähig¬ keit u. dgl. reden, so gebrauchen sie diese Worte in ganz anderer, als in der gewöhnlichen christlichen Bedeutung. Ihnen ist Moralität nichts als eine Art Jnstinctmäßigkeit, mit der sich dann freilich gar Vieles als „sittlich" ver¬ trägt, was man sonst als unsittlich bezeichnet. Im christlichen Sinne wird von ihney dieselbe trocken geläugnct, weil sie ja die Willens¬ freiheit aufheben. So Büchner — wie aus dem schon Gesagten er¬ hellt. Auch nach Vogt sind die Handlungen des Menschen nichts Ande¬ res , als „Nesultanden, hcrvorgegangcn aus der physischen Grundlage und aus der jeweiligen Ernährung und Umsetzung der Hirnsubstanz". iPhysiol. Br. S. 326.) „Der freie Wille epistirt nicht, und mit ihm nicht eine Verantwort¬ lichkeit und eine Zurechnungsfähigkeit, wie sie die Moral und die Straf¬ rechtspflege und Gott weiß wer noch uns auferlegen wollen." (Bilder aus dem Thierleben, S. 445.) Ganz so Molcschott im „Kreislauf des Lebens". Wen schaudert nicht vor den Conscquenzen einer solchen Lehre, wenn sie — etwa von den Communisten — im Leben durchgesührt werden würde! wenn die „neue Weltanschauung" irgendwo zur allgemeinen Gel¬ tung käme! Da würden freilich Sccnen nicht lange auSbleibcn, denen gegenüber die scheußlichsten Gräuel, von welchen die Mcnschengcschichte er¬ zählt, bloße Idyllen waren! (Vergl. Dr. Frobsckammcr a. a. O. S. 144 ». ff,; 165 u. ff.) Auch Julius Schalter deckt in seinem oben ciiirtcn Buche: „Leib und Seele" die Conscquenzen des Materialismus auf, — S. 63 u. ff., — aber wir bedauern, daß, wie schon gesagt, von seinem Standpunkte aus der Kampf ein verunglückter seyn muß. Die Conscquenzen (einer An¬ sicht, daß die Seele keine vom Leibe verschiedene Wesenheit, sondern nichts, his der Organismus selbst sey, in so weit er sich zur Einheit zu- jammenschließt, — einer Ansicht, die wir, gegenüber dem christlichen Dualismus, nicht mit Unrecht als pantheistischen Monismus bezeichnen — führen am Ende nirgends anders hin, als eben zum — Materialismus. 208 chen Umlauf in der Körpermaschine wird der Drang nach Er¬ weiterung unserer Kenntnisse hervorgebracht-*) u. s.w. Wie ungleich edler dachten schon die Weisen des Altertbumcs von dem menschlichen Geiste! Plato äußert sich (in Phädon): „Alles, was körperlich fühlbar, ist der Veränderung unterworfen. Aber die Seele ist ein einfaches, untheilbares, unveränderliches Wesen. Die Sinne können für sie eine Gelegenheit des Jrrthumes seyn, aber sie kann sich in sich selbst kehren, und zur Erkomtt- niß von Dem wenden, was rein, ewig, unsterblich ist". Aristote¬ les, Plato's Schüler, sagt: „Der Gedanke kann von keiner jener Grundursachen Herkommen, woraus alle körperlichen und fühlbare» Dinge entspringen. Man muß eine Substanz annehmcn, die i» und aus sich selbst die Kraft hat, jene Verrichtungen hervor¬ zubringen, wozu die materiellen Ursachen nicht hinreichen". Cicero («Mest. Dusoul. l. 1.): „Es gibt hier ans Erden nichts, was ma» für die Grundursache und den Ursprung der Seele halten könnte, in ihr ist nichts Zusammengesetztes, mchts aus der Materie ge¬ staltet. Nichts dergleichen kann das Gedächtniß, den Verstand, den Gedanken erzeugen; nichts das Vergangene zurückrufcn, die Zukunft vorhersehen, über das Gegenwärtige urtheilen. Die Seele kann nur von Gott kommen Sie ist ganz besonderer Natur, weil von jenen Dingen ganz verschieden, die wir sehen und gebrau¬ chen. Die göttliche Natur können wir uns nicht anders verstellen, denn als ein einfaches Wesen, das von aller verweslichen Ver¬ mischung Vollkommen frei ist; von der Seele des Menschen können wir uns auch keinen anderen Begriff machen". Also schon Heiden huldigten dem „Köhlerglauben'* (!?) an die Geistigkeit und Uuvcrtilgbarkcit ihrer Seele.'**) *) Diesfalls müssen sogar die Materialisten, welche doch sonst Alles g»n> einfach zu erklären wissen, ihre volle Unkenntnis, eingestehen. „Wir ge¬ stehen gerne zu, schreibt C. Vogt (Köhlerglaube und Wissenschaft, S. l0> —108), daß die Physiologie die speziellere Gliederung der Functionen in dem Gehirne noch nicht kennt; das; sic noch nicht mit BestunmlleN weiß, an welchen Thcil die einzelnen Functionen gebunden sind, daß sie noch nicht mit Gewißheit sagen kann, wenn sic diese oder je».' Seelenfunctioncn verändert sieht, welcher Theil des Gehirnes krankhaU ergriffen, oder mangelhaft ausgebildet seh." — Sich tröstend fügt aber bei: „Wenn cs heut zu Tage noch unmöglich ist, die Bahnen i" verfolgen, auf welchen die von einer Primitivfaser gefaßten Eindrü"- bis zu dem Bcwußtsehn fortgclcitct werden, so ist daniit noch gar niä gesagt, daß eine solche Erkenntnis; auch fernerhin unmöglich sev". ., Durch welcbes Erocrimcnt wird diese ermöglicht? Vielleicht lästi g Jemand der „exakten Wissenschaft" zu Liebe in dem Augenblicke in st'" Gehirn schauen, als er einen Eindruck empfängt und derselbe bis z»"' Bcwußtsehn fortgepflanzt wird? — — Das wäre jedenfalls der kürze»- Weg, um hinter diese interessante „Thatsache" zu kommen! — **) Aristoteles machte sich bekanntlich auch als Natur kund iger eine' Namen. 269 Der christliche Philosoph Pascal.,„schreibt: „Alle Körper, das Firmament, die Sterne, die Erde,' mit allen Königreichen, wiegen nicht den Geist auf, denn derselbe erkennt alle diese Dinge, und sich selbst; der Körper aber — die Materie— Nichts.— Aus allen Körpern zusammengcnommen könnte man nicht den min¬ desten Gedanken hcrausbringen; dies ist unmöglich, weil einer ganz andern Ordnung angehörig", (pensees tom. II. pgg-. 105.) Und über den Unterschied der menschlichen Vernunft von dem Jn- stinctc der Thiere äußert er sich: „Ist es nicht unwürdig. Beide auf Eine Linie zu stellen; indem man so den Hauptunterschied auf¬ hebt, welcher darin besteht, daß die Fortschritte der Vernunft un« äusserlich wachsen, während der Jnstinct immer auf der gleichen Stufe bleibt? Die Zellen der Bienen waren schon vor tausend Jahren so gut abgemessen, wie heute; eine Jede aus ihnen bildete so genau ihr Sechseck, das erste wie das letzte Mal. Es ist ganz das Gleiche überall, was die Thiere durch ihren uns unbekannten Trieb zu Stande bringen. Die Natur unterrichtet sie, se nach der Noth, die sie drängt; aber diese ihre vergängliche Kenntniß verliert sich mit den Bedürfnissen, die sie davon haben; so wie fe dieselbe ohne Studium erlangen, haben sie auch nicht das Glück, sie zu bewahren; jedesmal, so oft sie ihnen gegeben wird, ist sie ihnen neu.— Nicht so verhält es sich mit dem Men¬ schen, welcher für die Unendlichkeit erschaffen ist. Unwissend ist er im ersten Lebensalter, aber unaufhörlich bildet er sich aus, denn er zieht nicht nur aus der eigenen Erfahrung, sondern auch aus jener seiner Vorgänger Vortheil, indem er die einmal erworbenen Kenntnisse im Gedächtnisse behält, jene seiner Vorgän¬ ger aber in den von ibnen hinterlassenen Büchern immer gegen¬ wärtig sind. Und wie der Mensch seine Kenntnisse bewahrt, kann sv sie auch leicht vermehren. Daher kommt es, daß durch eine besondere Bevorzugung nicht allein jederMensch täglich in den Menschaften fortschreitct, sondern auch alle Menschen zu- lonimen genommen, in dem Verhältnisse , als die Welt an ?lltcr zunimmt; denn das Nämliche hat Statt in der Aufcinandcr- folgc der Menschen — ganzer Generationen — was in den ver¬ schiedenen Altersstufen jedes Einzelnen", (peus. tom. I. paA. 42.) "Der Mensch ist das schwächste Rohr in der Natnr, aber er ist o>n denkendes Rohr. Es ist nicht nothwendig, daß das ganze Universum sich bewaffne, um ihn zu zermalmen. Ein bischen Dunst, ein Waffertropfen reicht hin, um ihn zu tödten. Uber wenn ihn auch das Weltall erdrücken würde, der Meisich wäre °°ch um Vieles erhabener, als Das, was ihn tödtct, denn er weiß, daß er stirbt. Das Universum aber weiß nichts »>n die Ucberleqenheit, die es über ihn hat." (pensöes tom. I. kvß.103.) 14 21V Fortsetzung. Dies allein richtige Verhältniß des vernünftigen, freien Gei¬ stes zur vernunftlosen, unfreien Natur verkennt nicht nur der crasse Materialismus, der von nichts Anderem weiß, als einzig nur vom Stoffe, sondern auch der Pantheismus. Der Allvergötterer spricht zwar wohl vom Geiste in der Natur, aber er hat nicht den höchsten, persönlichen, von der Natur verschiedenen, über sie erhabenen Geist im Sinne, von dem der erschaffene Menschengeist keine Emanation, sondern ihm nur ähnlich ist. — Was ist ihm Gott? Nichts, als der in der Natur zur Erschei¬ nung kommende Geist; im Menschen, der nichts weiter, als ein Naturprodukt ist, gelangt derselbe zum Selbstbewußtste- Materie und Geist sind ihm also nicht zwei wesentlich ver¬ schiedene Substanzen. „Das Grundwirksame — der Stoff — und das Ordnende im Daseyn — der Geist — sind nicht zwei getrennte Dinge, sondern ein lebendes, unaufhörlich schaffendes, wie ordnendes Vernunft-Ganzes, eine unendlich lebende Vernunft, Gott." (Vergl. Oersted: Geist in der Natur, S. 127.) Als ob mit dem Glauben an einen persönlichen, überweltlicks" Gott die Vernunftgemäßheit der Schöpfung unverträg¬ lich wäre! Wie könnte der Naturvergötterer die Fortdauer eines persön¬ lichen, individuellen Menschen-Geist es nach dem Tode des Körpers zugeben, da ihm selbst Gott kein solcher ist? Er redet nur vom Wiederaufgehen desselben in den allgemeinen Naturgeist/ welchem er entströmt war. Wie ungleich vernünftiger ist doch, was die heil. Schrift"' den ganz einfachen Worten ausdrückt: „Der Staub kommt miedet zur Erde, wovon er war; der Geist aber kehrt wieder zu Gou zurück, der ihn gegeben hat!" (Lcolesiastes cap. 12, v. 7.) Die oben gerügte Ansicht ist eine heidnische. Sie bildete schon die Grundlage der alt-indischen Religion mit ihrem ewige" Urgrunde, und den Emanationen aus demselben; mit dem währenden Wechsel von Entstehungen aus, und der Auflösung in das All; — nicht minder der chinesischen, in welcher das b- sen aller Dinge Eines und Dasselbe ist, und sich diese nur "" Zufälligen von einander unterscheiden. Einige der sogenannte" Weltweisen unter den Griechen waren ihr zugethan; z. B. Anari- mander aus Milet (617—547 v. Ehr.), Tenophanes (um 500 Ehr.), Anaragoras; insbesondere die Stoiker, deren Hauptstift" Zeno aus Citium auf Cypern war; — unter den Römern, keine selbstständige Philosophie hatten, Seneca, (ep. 41 — kstio naturali guasst. all Imoi'Unm ) Bei all dem dachte der LshO genannte vom Menschen nicht so unedel, als die Materialist^ von heute. „In liomine Optimum guill est? schreibt er ep. 76 g' Inieilli. — Kat io. llac anteeellit ammalia, Oeos seguiUm. Uu"" 211 erxa perkeets proprium hominis komim ost: esotera illi eum animali- bus satisque eomuniu sunt. Valot? bst leones. kormosus est? kt MWnes. Velox est? kt eqni. Xo» clieo, in Ins omnibus vinoi'tur. lVon quaero, quill in so msximum Iiabeat, soll quill suum. Oor- pus bltbet? 1't arboros. Habet impotum, ot motum voliintarium? l!i bostiae, et vermes. Hübet vocem? 8e a tio!" So der Heide! — Die Unsterblichkeit des menschlichen Geistes ist eine Wahrheit, welche einzusehen es für die unbefangene Vernunft keine Schwie¬ rigkeit bat. Denn derselbe, eine unmittelbare Schöpfung Got- ies (kein Naturgcbilde), ist nicht, wie der Leib, ein Thcil der Gattung, in die er wieder aufgeht, sondern er hat sein selbst¬ ändiges Seyn. Er muß also nicht das Loos des Leibes im Tode tbcilen; sondern ist sein eigenes Leben, auch nach jenem "och, fortzusetzcn im Stande. — Der Tod ist Auflösung, welcher nur etwas aus Th ei len Zusammengesetztes unter- "kgeii kann; also nicht auch der Geist, der seinem Wesen nach einfach, nicht zersetzbar, reine Einheit ist. , Dazu kommen die religiös-moralischen Gründe, wie sie uns Beobachtung unser selbst, und der Glaube an eine höhere Postordnung darbictet. Unläugbar ist der Drang des Menschen "nch fortwährender Erweiterung seiner Kenntnisse, insbesondere "ach immer vollkommenerer Wissenschaft des Ewigen. Denselben befriedigen reicht aber selbst das höchste Alter hieniedcn nicht folglich muß ihm die Möglichkeit dazu in einem künftigen "den geboten seyn, — sonst wäre ihm ja das Verlangen dar¬ nach nur zur Qual cingepflanzt worden. Das Nämliche gilt von ,os Menschen unvertilgbarer, und doch bienicden nie ganz zu stil- stnder Sehnsucht nach wahrem, unvergänglichem Glücke. Soll 'r es auch nach dem Tode nicht erreichen können? Dann ist er >a übler daran, als jedes Thier, welches die Natur mit Dem Mkommen zufrieden stellt, was sie ihm hier darreicht, und sie ^are also barmherziger als Gott! Wozu wäre ferner demMen- Hcn die Erkenntniß des Unterschiedes von Gutem und Bösem, ^ozii das Gewissen von Gott gegeben worden? — wozu die im- wor miederkehrendc Mahnung in unserem Innern: nicht die Ge- "Uc^dioses Lebens für das Höchste zu halten, sondern sie Sittengesetze zu unterordnen, wenn unsere Bestimmung nur auf !°le Zeitlichkeit beschränkt wäre? Das Sittengcsctz, als ein gött- "ches, muß eine göttliche, also eine unfehlbar cintre- fide Sanction haben. Weil aber, wie die Erfahrung zeigt, p Tugend nicht immer schon in diesem Leben den verdienten das Laster seine Strafe empfängt, so muß eine solche Aus- schchung nach dem Tode Statt haben. So will es die Gerech- gkeit Gottes! — Und wäre er wohl unser Vater, wenn er "d zur Vernichtung bestimmt hätte? Man darf sich demnach 14 * 212 nicht wundern darüber, daß der Glaube an eine Fortdauer nach dem Tode des Leibes, wenigstens eine Ahnung derselben, schon bei den ältesten Völkern anzutreffen sey. „Ist Deos esse luNuea opmamur, sagt Cicero (gnaest. Dose. 1, 16.) sie permenere animos srbitrsmlir e o n s e n s n n a ti o n u m o m oiu in.'' Aristoteles bereits nannte den Glauben an die Unsterblichkeit einen solchen, der sich von unendlicher Zeit her fortwährend er¬ halten hat. (ds sm'ma — bei Plutarch.) — Seneca schreibt (ep. 102, ad knie.): „dnvsbal de aeternilsto animarum guaei-ers, iino mebereule c r e d sre. 0 rede h a in enim me kaoile o pini onibiis msKnornin virornm, rem xes- tissimam promittentinm ma^is, gnam prodsntiiim. Dobam me spei tanine". Und (ep. 198.) ,, (finim de animarum seternitaie disserinms, non levo momentum apud nos badet eonsensus dominum, timentium inksros, aut eolentium aetdera." In der That! Die größten Männer Griechenlands und Roms haben den Glauben an die Unsterblichkeit nicht als Köh¬ lerglauben und leeren Wahn behandelt; obwohl sie es hierin nicht bis zur vollkommen berubigenden Ueberzeugung brachten, weil ihre Vorstellung von Gott keine ganz richtige war. Darin lag der Grund, warum sie die Seele meist nur in so ferne für unsterblich hielten, als sie dieselbe für einen Theil der Gott¬ heit, ja für diese selbst ansahen; für ein Wesen, eben so uncf- schaffen, als unvergänglich, welches, wie keinen Anfang, st auch kein Ende habe. (Vergl. Bossuet disoours snr I'distoire «mir¬ il. pgK. 18.) — Sogar Socrates wußte nicht ganz gewiß, ob str ner nach dem Tode, zu welchem er verurthcilt wurde, eine lauft Nacht, oder eine entzückende Vereinigung mit den größten Heroen der Vorwclt warte. Die Religionsgeschichte der alten Völker zeigt, wie sehr ß"' die Menschen von jeher vor dem Gedanken an eine völlige Ver¬ nichtung im Tode entsetzten. Der Glaube au die Seelenwande¬ rung, welchem insbesondere die Inder, zum Theile auch die As- gypter, und einige Griechen huldigten, setzt selbstverständlich dH Meinung voraus, daß die Seele nicht mit dem Leibe sterbe. Aegypter achteten — nach Diodor — die Zeit dieses Lebens st«^ gering, aber die nach dem Tode, wo sich ihre Tugend im Anden¬ ken erhalte» soll, sehr hoch. Daher nannten sie die Wohnungen der Lebenden Herbergen, weil wir nur eine kurze Zeit in den¬ selben weile»; die Gräber der Verstorbenen aber nannten ewige Häuser, weil die Tobten in der Unterwelt eine g""- zenlose Zeit zubringen. Daher verwendeten sie auf die Erbauung der Häuser nur geringe Mühe; die Gräber aber wurden aus nn- ßerordentliche Weise ausgestattet. Deßhalb richteten sie so gro^u Fleiß auf die Einbalsamirung der Leichen, daß viele derselben un¬ ter dem Namen „Mumien" sich bekanntlich bis auf den heu^ gen Tag erhalten haben, und aller Verwesung trotzen. UebrigOH jcheinen im Unsterblichkeitsglauben der alten Aegypter drei Stadst« d d j« d ß T w r I so H A Z ei V de n, de bi r ih he vl de so de D ai de >u di so «, II! 1 st Ul' di L13 der Fortbildung angenommen werden zu müssen; nämlich: zuerst das Mumisiren; dann die Idee der Seelcnwanderung; endlich - jene der Unterwelt, wo die Seelen nach vollbrachter Wan¬ derung ihre bleibende Ruhe finden. Denn zugleich würden sich diese Vorstellungen nicht miteinander vertragen haben. (Vergl. Dr. v. Drey's Apologetik, II. Bd. S. 126—129.) Von den Chinesen wurde die Unsterblichkeit allgemein geglaubt, wenn sie gleich in Beziehung auf Ort und Zustände nach dem Tode unter einander nicht einig waren. (Ebend. II. Bd. S. 99.) Are Kaiser, wenn sie von den Vorfahren redeten, auf deren Schutz sie rechneten, pflegten binzuzufngen: „Sie, deren Seelen nun im Himmel sind". (Gr. Stolberg, Gesch. d. R. J. I. Bd. S. 471.) Auch an die Hölle glaubten sie. — Nach dem Religionssysteme Zvroasters, welches im Zend-Avesta, d. i. das lebendige Wort, einer Sammlung von Schriften, enthalten ist, und zu dem sich die Meder und Perser bekannten, werden die Seelen Jcncr, die treu dem Ormuzd dienten, im Tode von den Genien desselben ausge¬ nommen, und in die Wohnungen der Seligen geführt; die Seelen der Diener Ahriman's hingegen werden von den Dews — dessen bösen Geistern — ergriffen, und in die Hölle gestürzt. (Dr. v. Drey's Apol. II. Bd7 S. 104.) Noch jetzt zählt Zoroaster einige, wenn auch nicht zahlreiche Bekenner in Persien. Ist Einer aus Enen dem Tode nahe, so betet der Priester, daß ihm der barm- berzige Gott seine Beleidigungen, Miffethaten und Unterlassungen verzeihen, und ihn zu sich nehmen wolle. Durch drei Tage nach dem Tode werden die Gebete für seine umher wandernde Seele fortgesetzt; am vierten halten sie ibr Schicksal schon für eutschic- dm. (Gr. L. Stolberg, Gesch. d. R. J. I. Bd. S. 433, 434.) - Daß unsere heidnischen Voreltern, — die Germanen und Slaven vu eine Fortdauer nach dem Tode glaubten, erhellt unter Anderem daraus, weil nach Othins Lehre die Edlen und Helden sich in der Walhalla versammeln; die Feigen aber in die Halja (Hölle) kom- wch. In der slavischen Mythologie galt das andere Leben als 's Fortsetzung des gegenwärtigen. Lucanus (t 65) bemerkt (Phar- l), daß der Glaube der Kelten an die Unsterblichkeit der ^kele der Grund war, warum sie im Kriege so tapfer stritten, and den Tod so wenig fürchteten. Die Mythologie der Griten "ad Römer weist bekanntlich auf eine Fortdauer nach dem Tode an. Berühmte Männer wurden von ihnen unter die Götter ver- M; sie hatten ein Elysium, und den Hades, Tartarus. Die Monier hielten die Seelen der Abgeschiedenen — iVlsnes ent- E'/der fsir wohlthätige Geister: l.-a-es; oder für böse: ^arvae, ,'om'gtz. durch Todtenopfer: mkerias, psrentalia, meinten sie dic- wlben versöhnen zu können. . „So alte Verirrungen, schreibt Bossuet (rliscours sur I bistoirs "v". II. lassen uns einsehen, wie alt der Glaube an °" Unsterblichkeit der Seele sey, und zeigen uns, daß derselbe «ater die ersten Traditionen des Menschengeschlechtes gesetzt wer- 214 den muffe. Aber der Mensch, der Alles verdarb, machte davon argen Mißbrauch, so, daß er sogar den Tobten opferte. Ja! Man trieb es so weit, daß man ihnen sogar lebende Men¬ schen opferte, man tödtete ihre Sklaven, sogar ihre Weiber, um ihnen in der anderen Welt zu dienen. Dies thaten die Gallier, (4. Osssur ste bello Agil. VI.) mit vielen andern Völkern. Die Inder, von den heidnischen Schriftstellern als die ersten Vertei¬ diger der Unsterblichkeit der Seele bezeichnet, führten eben so auch die Ersten unter dem Vorwande der Religion jene abscheulichen Menschenopfer ein. Die nämlichen Inder tödtetcn sich selbst, um eher zur Seligkeit des künftigen Lebens zu gelangen." — Gottes Offenbarung hat auch diese große Wahr¬ heit über allen Zweifel erhoben, und in ihrer Rein¬ heit dargestellt. Man hat hie und da behaupten wollen, daß im alten Bunde über die Unsterblichkeit nichts vorkomme. Ganz unrichtig! Schon Moses erzählt ja in der Schöpfungsgeschichte (Gen- Cap. 2, V.7) daß die Seele des Menschen unmittelbar von Gott stamme, daß sie nicht Eins mit dem Körper, daß ihr Gottes Ebenbild aufgcdrückt sey; worin doch unverkcnbar die Andeutung liegt, daß sie nicht mit dem Körper sterbe. Es ist öfters vom Aufenthalts¬ orte— Scheol — der Verstorbenen die Rede. Das Verbot Mohs (5. B. Cap. 18, V. II.): es solle Keiner unter seinem Volke ge¬ funden werden, der die Wahrheit von den Tobten erfragt, (kein Necromant), setzt den Glauben an eine Fortdauer nach dem Tode voraus. Das Gleiche gilt von dem Berichte im ersten Buche der Könige (Cap. 28.) über die Geisterbeschwörerin zu Endor. An vielen Stellen der heil. Schrift des alten Bundes heißt es, daß die Seelen der Verstorbenen zu ihrem Volke, oder Z" den Vätern versammelt werden. Aus dem Buche: „der Pre¬ diger", haben wir den schlagenden Tert (Cap. 12, V. 7.) sctM oben citirt. Eben so ist im Buche der Weisheit zu lesen (Cap- 2- V. 23.): „Gott hat den Menschen unsterblich erschaffen", (Cap. 3.) „Die Seelen der Gerechten sind in der Hand Gottes, und die O.ual des Todes berührt sie nicht. In den Augen bcr Unweisen scheinen sie zu sterben — ihr Abschied von uns wird f»r Untergang gehalten, sie aber sind im Frieden — ihre Hoffnung Unsterblichkeit voll". — Der Greis Eleazar sprach, als er W weigerte, sogar zum Scheine nur, Schweinefleisch zu essen: „Wen« ich auch jetzt der Marter der Menschen entgehe, so kann ich doch der Hand des Allmächtigen weder lebendig noch t o dt entfliehe"'/ (II. B. d. Macch. Cap. 6, V. 26.) Mit der Hoffnung auf d" Unsterblichkeit trösteten sich die sieben macchabäischcn Brüder E ihre Mutter. (Ebend. Cap. 7.) — Die Todtenerwcckungcn (z- I. B. d. Köu. Cap. 17; II. B. Cap. 4, V. 13.) wurden geglaubt und nicht etwa aus dem Grunde bezweifelt, als wenn die Seen mit dem Tode des Körpers vernichtet würde, und in densi'lbe" n ,! l- N v e h il i i > 215 daher nicht wieder zurückkehren könnte. (Siehe Dr. I. F. Allioli'S biblische Alterthumskunde — religiöse Alterth. S. 70—77.) Doch stellen wir nicht in Abrede, daß die Unsterblichkeit im alten Bunde noch nicht allgemein und vollkommen klar erkannt wurde — daß sie noch nicht ein eigentliches Dogma war. Moses batte zunächst die Aufgabe, das sinnlich rohe Volk der He¬ bräer erst geistig aufzu wecken; noch war es für höhere Beweg¬ gründe, als die dem irdischen Leben entnommenen es sind, zu we¬ nig empfänglich, Deßhalb gibt das mosaische Gesetz, um uns so auszudrücken, nur erst den Fingerzeig, daß des Menschen Geist ewig bauere; in der Folge wurde diese Wahrheit wohl immer deut¬ licher entwickelt; aber erst dem Vollender der Offenbarung, Jesus Wstus, war es Vorbehalten, uns zur vollsten (Überzeugung von der Würde und Unsterblichkeit unserer Seele zu führen. Der Glaube an ein künftiges, nie endendes Leben ist der Grundstein stiuer heiligen Religion. Unzählig sind die Stellen in den Evan¬ gelien, wo der Herr von diesem ewigen Leben spricht; mit der ieuseitigen Vergeltung tröstet er seine Apostel und alle Ge¬ treuen, die seinetwillen hier Verfolgung und Ungemach leiden. »Fürchtet euch nicht, sagte er, vor Denen, welche den Leib tödten, aber die Seele nicht tödten könn en." (Matth. Cap. 10, 28.) Dem reuigen Verbrecher verspricht er noch heute (mit¬ hin sogleich, als derselbe gestorbenseyn wird — seiner Seele—) das Paradies. (Luc. Cap. 23, V. 43.) — Eigentlich bewiesen wird die Unsterblichkeit weder von Jesus, noch den Aposteln; aber, wie bemerkt, dem Ckristenthum so zu Grunde gelegt, daß dstses mit seinen Geboten, Verbeißungen und Drohungen okne dieselbe völlig sinnlos und unverständlich wäre. Denn wozu wäre Wohl der Sohn Gottes vom Himmel gekommen, wozu hätte er gelitten, wozu wäre er für uns am Kreuze gestorben, wenn wir "ach dem Tode, in der andern Welt, nichts zu hoffen, nichts zu 'urchten hätten? Einen so trostvollcn, durch die Vernunft und Offenbarung ge- rechtfertigtcn Glauben werden wir gewiß nicht durch irgend einen Materialisten uns nehmen lassen, der nach seinen Begriffen die ^»Wirkung eines individuellen Geistes im Menschen auf seine Lei- °rs-Organe sich nicht besser vorstellen kann, denn: „als ein Spiel Ast dem Gehirn-Claviere"; und spottend fragt: was denn die Eionen und abermals Billionen Seelen jenseits im Schooße Adsahams bis zur Aiiferstehung vor Langeweile tbun^? (E Vogts .Grist und Körper wird uns wohl immer ein Gcheimniß blei- 7"- Aber worin soll denn die Unmöglichkeit einer solchen "rßehen? Und hat der Geist, eben weil er Geist ist, sein eige- urs, individuelles, vom Körper unabhängiges Leben, soll wichtigste, das seiner Würdigste mit frivolem, gemeinem Witze ""gestrtiget! 216 er es denn, allein für sich, nicht fortsetzen können? Wie lebt denn Gott, der unendliche Geist? Freilich, das ist's eben. Der Materialist kennt keine Kraft ohne handgreiflichen Stoff — darum «uch keinen körperlosen Geist, — keinen Gott! Fortsetzung. Das Christenthum lehrt aber nicht nur die Unsterblichkeit des menschlichen Geistes. Es geht noch weiter, indem es lehrt, daß auch der Körper nicht für immer sterbe, sondern einstens — am jüngsten Tage — wieder lebend aufstehen werde. Diese Wahrheit — von der Auferstehung des Fleisches — ist ein Grunddogma der christlichen Religion, und steht im innigsten wesentlichstenZusam- menhange mit unserer Erlösung durch Christus. Denn ist, wie der Weltapostel im Briefe an die Römer sagt (Cap. 8, V. 12.): durch die Sünde des ersten Menschen der Tod in die Welt gekommc» (vergl. das Buch der Weisheit Cap. 2, V. 24.), und hat Christas die Sünde mit ihrer Schuld und Strafe getilgt, so mußte er auch den Tod besiegt haben. Zwar hat er uns nicht von der Noth- Wendigkeit, sterben zu müssen, befreit, aber doch den Tod dadurch überwunden, daß derselbe seine Beute einst wieder herausgebcn muß. Diesen Gedanken entwickelt so berrlich der heil. Paulus, wenn er im ersten Briefe an die Corintber (Cap. 15.) schreibt' „Durch einen Menschen (Adam) — den ersten, ans Erde, darum irdischen, (V. 47.) ist der Tod, und durch einen Menschen (Jesus Christus) — den zweiten, vom Himmel, darum himmlischsib (V. 47.) — ist die Auferstehung von den Todten. Gleichwie in Adam Alle sterben, so werden auch in Christo Alle lebendig ge¬ macht werden. (V. 21, 22.) — Der letzte Feind, der — von Christus — vernichtet wird, ist der Tod". (V. 26.) Jubelnd rüst dann der Apostel aus: „Wenn nun dieses Sterbliche ungezogen hat die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, dn^ geschrieben steht (Jsaias Cap. 25, V. 8.): Verschlungen ist der Tod im Siege. Tod! wo ist dein Sieg? Tod! wo ist dein Sta¬ chel?" (V. 54, 55.) (Vergl. Oseas Cap. 13, V. 14.) Also un¬ sere Erlösung durch Christus ist auch in dieser Hinsicht eine voll¬ kommene, weil auf den ganzen Menschen sich erstreckende. Die Lehre von der Auferstehung des Fleisches gehört eigcn- thümlich der Offenbarung an, weßhalb in den heidnischen Re¬ ligionen nur selten, aber doch bie und da eine Spur davon finden. Im Zend-Avesta z. B. heißt es, daß am Ende eine Um¬ wandlung der ganzen Schöpfung vor sich gehen, die Tobte" auferstehen, das Feuer alle Elemente ergreifen, und alle Ver¬ dammten, sogar Ahriman, durch Buße rein gebrannt werdem (Siehe Dr. v. Drey's Apologetik, Bd. II. S. 104: §5. LükcU>' Traditionen u. s. w. S. 404-407.) Daß die Auferstehung wirklich eine geoffen barte Wahrhell sey, ergibt sich sowohl aus der heil. Schrift, als auch daraus 217 M ste von jeher, seit der apostolischen Zeit, in der Kirche als solche geglaubt wurde. Schon die Todtenerweckungen, die bereits alten Bunde durch die Propheten, insbesondere durch Elias und Elisäus, geschahen, konnten aus die Idee einer einstigen a l l- gomeinen Wiederhelcbung der menschlichen Leiber führen; denn was an einigen Wenigen möglich, kann auch an Allen nicht un¬ möglich seyn. Aber auch an Ausspruch en darüber fehlt es mcht. Job tröstete sich in seinen Leiden: „Ich weiß, daß mein l-rloser lebt, und ich werde am jüngsten Tage von der Erde anf- erstehen; und ich werde wieder umgeben werden mit meinerHaut, und werde in meinem Fleische meinen Gott schauen. Ich selbst werde ihn sehen, und meine Augen werden ihn anschauen und rem Anderer. Diese meine Hoffnung ruht in meinem Busen". Mp. 19, V. 25 — 27.1 — Beim Propheten Daniel lesen wir: »Lre Menge derer, die im Staube der Erde schlafen, werden auf¬ wachen; Einige zum ewigen Leben, und Einige zur Schmach, um ue ewig zu schauen". (Cap. 12, V. 2.) — Die macchabäischcn «rnder ermuthigten sich mit der Aussicht auf ihre Auferstehung, ^rr zweite aus ihnen sprach zum syrischen Könige Antiochus Epi- pdanes: „Du nimmst nns zwar das gegenwärtige Leben, aber der «onig der Welt wird uns, die wir für seine Gesetze sterben, bei Auferstehung zum ewigen Leben erwecken", (U. B. d. Macch. A 7, V. 9.) Unmöglich läßt sich ohne Gewaltthat diesen stellen ein anderer, als der wörtliche Sinn unterlegen. Vergl. chaias Cap. 26, V. 19; Cap. 66, N. 14; vorzüglich Ezechiel K°p.^7, V. 1-14.) ' ' .. Im neuen Bunde hatte Jesus die Auferstehung auf das Be- 'muneste gegen die Saddncäer vertheidiget, welche dieselbe läug- und dawider Scheingründe vorbrachtcn. (Matth. Cap. 22, >' 23—32.) Eben so offen lehrte er sie sLuc. Cap. 14, V. 14; Cap. g, M 25—29.): „Es kommt die Stunde, in der Alle, ^?che in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes Mn werden. Und es werden hervorgchen, die Gutes gethan .^kn, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses gethan ba- A Zur Auferstehung des Gerichtes". — (Cap. 6, B. 38—55.): !^as ist der Wille meines Vaters, der mich gesandt hat, daß welcher den Sohn sieht, und au ihn glaubt, das ewige ,^n habe, und ich werde ihn aufcrwecken am jüngsten Tage". — V. 23—25.): „Jesus sprach zur Martha: Dein Bru- . - ^d auferstehen. Martha erwiderte: Ich weiß, daß er auf- Juchcn wird bei der (allgemeinen) Auferstehung am jüngsten Tage. 'Ms sprach: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an glaubt, der wird leben, wenn er auch gestorben ist". — Diese ^llen sind so deutlich, daß auch nicht der geringste Zweifel ob- ß .ten kann, Jesus habe von der Wieder erste hung des . °^Vers, nicht bloß von der Unsterblichkeit der S eele . et. Kein Unbefangener wird sagen, daß sich der Herr an "«'gen Vorstellungen der Juden accomodirt habe, welche sich 216 etwa den Geist allein als unsterblich nicht zu denken vermochten. Da wäre ja die Hülle noch unbegreiflicher, als die unter ihr verborgene Wahrheit; abgesehen davon, daß sich eine solche An¬ bequemung mit dem Charakter des Gottmenschen, der sich das Licht der Welt; den Weg, die Wahrheit und das Leben nannte, durchaus nicht vereinbaren ließe. Nicht durch Worte allein, sondern auch durch seine eigene Auferstehung hat der Herr die einst erfolgende aller Menschen verkündet. Alle Versuche der Gegner des Christenthumes, diese Thatsache, deren Wahrheit die "Apostel mit ihrem Blute bestä¬ tigten, für welche die Christen seit den ersten Tagen der Kirche mit unerschütterlichem Glauben einstanden, hinwegzuläugnen, na¬ türlich, oder gar mythisch zu erklären — (wie Dr. David Strauß es getkan) — mußten, und werden stets kläglich scheitern. Mit der Auferstehung Jesu bringen aus der obigen Ursache die Apostel, insbesondere Paulus, gerne unsere einstige Wieder¬ erweckung in Verbindung, als welche durch jene außer allen Zwei¬ fel gestellt ist. Siehe Apostelgesch. Cap. 17; — Röm. Cap- 8/ V. 11; — I. Cor. Cap. 6, V. 14: „Gott hat den Herrn auf- crweckt; er wird auch uns auferwecken durch seine Macht"; (Cap. 15, V. 12.): „Wenn Christus geprediget wird als Der, so von den Tobten auferstanden ist, wie sagen Einige unter euch, es sei keine Auferstehung der Tobten?" (II. Cor. Cap. 4, V. 14R „Wir wissen, daß Derselbe, der Jesum auserweckt hat, auch nn» mit Jesu auferwecken wird". — (I. Thessal. Cap. 4, V. 13-)' „Wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird auch Gott Die, welche in Jesu entschlafen sind, nut ihm herzuführen". — Au noch mehreren anderen Stellen erörtert der Weltapostel das Dogma der Auferstehung; vorzüglich aber ist aus dem schon angezogenen 15. Hauptstücke seines ersten Corin- therbrkefes ersichtlich, welches Gewicht er auf dasselbe lege. „Wenn keine Auferstehung der Tobten ist, — sagt er V. 13, 14. — n ist auch Christus nicht auferstauden. Ist aber Christus nicht ausi erstanden, so folgt, daß unsere Predigt vergeblich ist; vergeblich auch euer Glaube." Dort und anderwärts beantwortet der nämliche Apostel einigt, auf die Auferstehung Bezug habenden speziellen Fragen; als: daß alle Menschen auferstehen werden (I. Cor. Cap. 15, V. 22.)! und zwar Jeder in seinem eigenen, hier auf Erden gehabten Leibe (ebend. V. 53.), der aber künftighin unsterblich (V. 44.; — vergl. die geheime Offenbarung Cap. 21, V. 4.), an den Seligen überdies verherrlicht seyn wird (V. 43.), je nach be>u Grade ihrer Verdienstlichkeit und Heiligkeit. (V., 41.) Bekanntlich enthält schon das apostolische Glaubensbekenntnis den Artikel: „Ich glaube an die Auferstehung des Fleische» - Ein Beweis, daß sich die Christen von jeher schon dazu bekann¬ ten. — Die Kirchenväter reden davon oft, und nicht nur wie Vorbeigehen, sondern auch sehr umständlich; sogar unter Anfn^ 219 rung von Erklärungsgründen, die aus der Philosophie und Natur hergcholt sind. Der heil. Clemens siebt (im Briefe an die Corinther Cap. 24, B. 20.) im Wechsel von Tag und Nacht; in den Früchten, die ms dem Samenkorne entstehen; in dem — übrigens fabelhaften — Bogel Phönir, der, wie man einst meinte, sich selbst verbrennt, und aus seiner Asche erneuert bervorkommt, Bilder unserer künf¬ tigen Auferstehung. Der heil. Ignatius deutet einige Male dar¬ auf hin; insbesondere, wenn er (im Br. an die Epheser Cap. 20.) das allerheiligstc Altarssacrament die Arznei der Unsterb¬ lichkeit, das Gegenmittel gegen den Tod nennt, welche Vorstellung auch bei anderen Vätern wicdcrkehrt. Sic finden cs nämlich, und gewiß mit Recht, nicht zulässig, daß der Körper, welcher mit dem Fleische und Blute Jesu Christi genährt wird, für immer dem Tode anheimfallen solle. — Atbcnagoras — im Jahrhunderte — hat eine eigene Schrift: „über die Auferste¬ hung der Tobten" verfaßt, worin er diese Wahrheit allseitig be¬ leuchtet; ihre Möglichkeit, nach Widerlegung der dagegen erhobe¬ nen Einwendungen, sowohl theologisch als auch philosophisch be¬ gründet. Er leitet ihre Noth Wendigkeit aus dem bevorste¬ henden jüngsten Gerichte her, weil der ganze Mensch vor das¬ selbe gestellt werden müsse. — Theophilns, Bischof zu Antiochien, sagt: „Gewaltsam wird der Mensch, wie ein Gefäß, durch den T°d zerbrochen, damit er in der Auferstehung gesund erscheine, — i. untadelig, gerecht — und unsterblich", (all ^Molionm II. M. 2g.) — Der heil. Irenäus lehrt — in oben angedeuteter Esse: „Christus nähre, indem er durch die Eucharistie unsere "iber mit seinem Leibe mehrt und unser Blut mit seinem Blute huscht, jene dadurch von der Verweslichkeit zur Unverweslichkeit, deiner Zeit werden sie auferstehen, was ihnen das Wort Gottes ^rlcihen wird", (alle. Imor. l. V. 2. §. 3.) Origeneö bekennt, daß h Leib, als das Gesäß einer vernünftigen Seele, seiner Zeit furch gx einem vergeistigten Zustande entgcgcngche. (contra Oelsum s- IV. 26; VIII. 50.) — Tertullian schrieb gleichfalls ein eigenes 6hch über die Auferstehung des Fleisches, worin er diejenigen Häretiker bekämpft, welche da behaupteten, daß die ans die Auf¬ hebung sich beziehenden Stellen der heil. Schrift im bildlichen hwe, nämlich von der Auferstehung der Seele aus dem Grabe her Ssinden, von der Bekehrung des Menschen, zu verstehen shen. Aehnliche Jrrthümcr waren schon in den Tagen der Apo- h aufgetancht, von diesen aber auf das Entschiedenste zurnckge- ""ssen worden. „Unheilige und leere Schwatzereien meide, er¬ ahnt der heil. Paulus "seinen Schüler Timotheus (II. Cap. 2, "'16-18.); - zu diesen (ihren Urhebern) gehören Hymenaeus ""d Philetus, welche von der Wahrheit abgefallcn sind, indem sagen, die Auferstehung sey schon geschehen", (in der Taufe, °"rch die Nachlassung der Sünden, — die Leiber werden aber ""ht auferstehen). - 22V Stellen aus späteren Kirchenvätern anzuführen, halten wir für überflüssig, und bemerken nur noch, daß hauptsächlich gerade in dem Glauben an die Auferstehung die große Ehrfurcht wurzelte, welche bereits die ersten Christen vor den Reliquien der Märtyrer hatten, und derselbe der Grund war, warum sie ihre Begräbnißstätten, „Schlafstättess stormitoria — griechisch ooemeteria" — nannten. Zu den Gegnern der Wahrheit der Auferstehung gehörten theils diejenigen, welchen die Befriedigung der körperlichen Lüste und Bedürfnisse, kurz dieses irdische Leben über Alles galt, und die sich nicht erst auf ein künftiges vertrösten lassen woll¬ ten, — wie schon im alten Bunde die jüdischen Lebemenschen, die Sadducäer; theils Jene, welche gleich den Effäern, Verfinstern Ansicht waren, daß der Leib des Menschen nichts als ein Kerker seines Geistes scy, welcher nur erst nach der Zerstörung dessel¬ ben zur Freiheit gelange, dcßhalb also nicht wieder in die alten Fesseln geschlagen werden dürfe. Aus dieser Ursache fand die Predigt des Weltapostels zu Athen bei den von den benannten Jrrthümern befangenen epicuräischen und stoischen Philosophen st wenig Anklang. (Apostelg. Cap. 17.) Die Gnostiker und Manichäer verwarfen die Auferstehung, weil sie die Materie für absolut böse hielten. — In der Gegen¬ wart nehmen daran zumeist die sogenannten Vernunftglaubigen l *) Die Art und Weise, in welcher Dr. M. I. Schleiden (Studien S. 146, Note 4 S. 175.) das Dogma der Auferstehung behandelt, ist eben ein Be¬ weis der Unkenntnis des Zusammenhanges, in welchem diese Wahrheit ms dem Wesen des Christenthumes— freilich nicht nach seichter rationalsim scher Auffassung desselben, als einer bloßen Humanitäts-Religion >—stss^' und der Bibel selbst. Wie könnte er sonst dieses Dogma „die AuffassE einer Fortdauer in roh sinnlicher Gestaltung des abendländischen Christes- thums nennen, welches sich von den Freuden des körperlichen Daseyns n« seinen Lüsten und Befriedigungen nicht trennen kann — die roheste sinnlichste Form des Unsterblichkeitsglaubens?" Wie könnte er es sonst Abrede stellen, daß die Auferstehung auf das Deutlichste in der Bibel getragen werde? Wie könnte er sonst behaupten: „in der ersten christliche Kirche hatte die Sache doch noch eine Art von Sinn, weil sie sich E eigentlich auf die Unsterblichkeitslehre; sondern auf die nahe bevorstehc'ss wirkliche Erscheinung eines Gottesreiches auf Erden bezog? Erst in der geistigen Rohheit und Unwissenheit der Kirchenlehrer des Mittelalt" sieben diese Ansichten mit den Lehren der Liebe und Frömmigkeit unseres M ligionsstifters verknüpft worden. " Die katholische Kirche hat keinen Augenblick vergessen, daß der indem er die Auferstehung der Tobten lehrte, versicherte: „Sie — die MI erstandenen — werden weder heirathen, noch verheiratet werden; sie werden wie die Engel im Himmel sehn". (Matth. Cap. 22, V. 30-),, Daß in den ersten Jahrhunderten die Auferstehung nur von den CH' liasten gelehrt wurde, ist vollkommen unwahr. Die Kirchenlehrer roh unwissend schelten; etwa, weil ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse mangelhaft waren, ist, zum Mindesten gesagt, — nichts weniger, al§ '' scheiden. 221 lind auch überhaupt Alle Anstoß, welche zur pantheistischen und materialistischen Anschauung hinneigcn. Und doch sollte man m ei¬ nen, daß eben die Letzteren dagegen am wenigsten Einsprache er¬ heben werden. Sagen sic ja, daß die Materie ewig fortdauere, daß sie nur die Form ändere in dem ewigen Kreisläufe von Wer¬ den und Verschwinden, in welchem sich die allschaffende Natur bewegt. Möchten sie ja die Redensart: „vom sterblichen Leibe mid unsterblichen Geiste" um kehren, weil der Leib wohl in sei¬ ner individuellen Gestalt, nicht aber in seinen Bestandthcilen sterb¬ lich sey. Nicht bloß im Tode verwandle er sich, sondern auch im Leben unaufhörlich; in einem höbcren Sinne sey gerade er un¬ sterblich, da nicht das kleinste Theilchen von ihm vernichtet wer¬ den könne. (So L. Büchner.) Da würde ja erst die vergötterte Natur (!) ihren Triumph feiern, wenn sie aus den in sie zurück- gekehrten Elementen des todten Körpers diesen wieder hcrvor- brächte! — Ein Anderer wendet ein. er könne cs sich durchaus mcht erklären, wie in den einmal gestorbenen Körper wieder Leben komme; wie die oft so sehr zerstreuten, und schon in an¬ dere Substanzen übergegangencnBestaudthcile desselben wieder sich jnsanimcnftnden sollen? Wir entgegnen ihm: Wenn Du es zu erklären im Stande wärest, wie dies geschehen werde, so hätte die Auferstehung freilich aufgehört, für Dich ein Gchcimniß zu feyn. Ein solches aber wird sie stets bleiben für Alle, immer, auch wenn dem Mcnschengcschlechte noch durch Jahrtausende Zeit gegönnt würde, seine Naturkcnntniffe zu erweitern. Denn nicht durch irgend welche Natu rkräfte wird die Auferstehung bewirkt werden, sondern unmittelbar durch Gottes allmächti¬ gen Willen. Im christlichen Unterrichte werden zur Veranschaulichung dieses Dogma gerne Bilder aus der Natur angewendet, nach dem Hergänge des Weltapostels, der da schreibt: „Du Thor — (der 2u die Auferstehung unmöglich findest). Was Du säest, lebt "lcht auf, wenn es nicht zuvor stirbt. Und was Du auch säest, w säest Tu nicht den Körper, der werden soll, sondern bloßes A°rn, nämlich etwa des Weizens, oder Eines der übrigen Früchte, o'ott aber gibt ihm einen Körper, wie er will, und einer jeden ^anienart ihren besonderen Körper". (I. Eor. Cap. 15, 36—38.) Der Apostel will sagen: So wenig ein Vcrnünf- Ucr dcßhalb die Entstehung einer neuen Frucht aus dem in der '"de verwesten Samenkorne in Abrede stellt, weil er sie nicht be¬ gafft; eben so wenig soll er die Auferstehung läugnen. Soll die Auferweckung unserer Leiber etwa von Seite Got- 'es eine Unmöglichkeit feyn? Wer wird dies meinen, wenn er einen allmächtigen Gott glaubt? „Ich sehe nicht ein, chreibt Pascal (konsees t. II. paA. 184.), warum es schwieriger '7" soll, an die Auferstehung, als an die Schöpfung zu glauben? Soll es denn schwerer sepn, den Menschen wieder erwecken, als ihn zu erschaffen?" 222 Außer diesen Erwägungen können wir noch positivere Gründe für unsere christliche Wahrheit anführen. Des aus dem Erlö¬ sungswerke Christi hergeholten haben wir schon oben gedacht. — Die Trennung vom Körper im Tode ist für den Geist des Men¬ schen, eben weil er Dessen ist, etwas seiner Natur Widerstre¬ bendes. Soll diese g ew altsam e Trennung ewig dauern? Nein! Schon Athenagoras hat darauf, wie nicht minder auf die Ge¬ rechtigkeit Gottes hingewiesen, vermöge welcher er, weil manche Laster, z. B. Unzucht, Raub, der Seele allein nicht mög¬ lich sepen, nicht diese allein, sondern auch den mitwirkenden Körper strafen müsse; die Seele aber auch nicht ohne den¬ selben belohnen könne, weil der Körper mit der tugend¬ haften Seele kämpfe und arbeite. Er müsse also zur Thcil- nahme an der künftigen Seligkeit oder Verwerfung wieder ins Leben gerufen werden. Der heil. Paulus selbst sagt: „Wir Alle müssen erscheinen vor dem Richterstnhle Christi, damit ein Jeder, je nachdem er in seinem Leibe Gutes oder Böses gethan hat, darnach empfange." (II. Cor. Cap. 5, V. 10.) In welcher Lehre liegt wohl mehr Trost: in jener, daß der Geist des Menschen allein ewig fortdauern, der Leib aber für im¬ mer vernichtet seyn; oder in der, daß auch dieser einst an der Un¬ sterblichkeit Theil nehmen werde? Wer über die Antwort nicht im Klaren ist, besuche am sogenannten Armen-Seelentage (2. No¬ vember) einen katholischen Friedhof (wir nennen ihn so bezeich¬ nend Gottes-Acker, weil in demselben die Körper gleichsam als Gottes Saat, für den Tag des Wicdcrerwachens heran¬ reifen). Viele Beter wird er da auf den Gräbern ihrer Ange¬ hörigen sehen. Da weint etwa, in Trauer aufgelöst, auch eine arme Waise am Grabeshügel der ihr zu früh entrissenen Eltern. Es däucht ihr, sie vernehme vom Kreuze herab die Worte des Heilandes: „Deine Eltern werden auferstehen, — denn Wer an mich glaubt, wird leben, wenn er auch gestorben ist. (Joh. Cap. 1U) Du wirst sie Wiedersehen!" Wird ihr nicht leichter um das Herz« Wer diese Hoffnung nicht hat, ist nach der Versicherung des Welt- apostcls (I. Cor. Cap. 15, V. 19.) elender als alle Menschen. MM. Ewigkeit der Höllenstrafen. Das Christenthum ist die Religion nicht nur der Gegenwart, sondern auch^. und zwar ganz besonders, der Zukunft. Es em- bält die trostreichsten Verheißungen ewigen Lohnes für den Hut auf Erden gut gekämpften Kampf gegen die Sünde; aber nicht minder die furchtbarste Androhung nie endender Strafe wt Den, der nicht in der Gnade Gottes aus dieser Welt scheidet« 223 Himmel und Hölle stellt es uns in Ausstcht — nach der Auf¬ erstehung und dem allgemeinen Weltgerichte — nach dem vollen¬ deten Abschlüsse der Menschengeschichte. Denn wie die katholische Kirche aus Schrift und Tradition, und daher auch ganz vernunft¬ gemäß, lehrt, wird bis dahin schon auch die Läuterung der ent¬ weder mit laß li ch e n, oder mit noch nicht vollkommen ab¬ gebüßten schweren Sünden belasteten Seelen im Fegefeuer vollbracht seyn, und werden dieselben zum Vollgenuffe himmlischer Seligkeit gelangen; so, daß cs dann keinen Mittelzustand mehr, sondern nur ewiges Wohl und ewiges Wehe geben wird. Wider den Himmel, und die ewige Dauer seiner Freuden werden nicht leicht von Jemandem Bedenken erhoben, wenn er anders die Unsterblichkeit nicht läugnet. Freilich darin irren gar Manche, daß sie sich den Eingang in denselben viel zu leicht vor- stcllcn, gegen die ausdrückliche Versicherung des Herrn, der, ob¬ wohl gekommen, zu suchen, und selig zu machen, was verloren Wangen (Luc. Cap. 9, V. 56.), doch warnend gerufen hat: »Wie enge ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Le¬ ben fühlt, und Wenige sind, die ihn finden!" (Matth. Cap. 7, H 14.) Daß es aber auch eine Hölle gebe, und gar, daß die Grafen in derselben ewig dauern — nie mehr cin Ende neh¬ men, will Vielen nicht glaublich Vorkommen, und doch ist Dem s°! Sie suchen mit einer gewissen Acngstlichkeit nach Scheingrün- ben, um ihren Unglauben daran zu rechtfertigen. Vergeblich! 5>e Hölle besteht darum nicht minder. — EineffStrafort jenseits Überhaupt in Abrede stellen, heißt nichts anderes, als Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit läugnen, und ihm nur etwa eine so schwache Gutmüthigkeit übrig lassen, daß sie durch keine noch so Men Unbilden und bösen Streiche der ungeratheuen Menschen- Aider zu besiegen ist. So stellten sich sogar die Heiden nicht die Gottheit vor. Sie glaubten außer dem Elysium auch an den Tartarus mit den mannigfachsten Peincn für die Bösen. Plato spricht — im Phädon und im Gorgias — seine Ucberzcugung da- aus, daß der Verächter der göttlichen Gesetze nach dem Tode ungestraft bleiben werde. . Schon im alten Bunde hatte Gottes Offenbarung das Vor- "Meustyu eines jenseitigen Strafortes gelehrt. „Der Gottlose M Alles büßen, was er gethan, heißt cs unter Anderem im ^che Job (Cap. 20, V. 18, 26.), und wird gleichwohl nicht MIgt — ei,, Feuer frißt ihn, das nicht angezündet wird (darum auch nicht erlischt)." (Siehe Jsaias Cap. 66, V. 24.) Im Mn har Jesus so häufig und so deutlich von der jenseitigen ^erwerfung und den Qualen der Lasterhaften gesprochen, daß es '"e mehr als kecke Behauptung ist von Seite Jener, die da sa- M das Christenthum, weil die Religion der Gnade und Er- rsMung, habe mit der Hölle nichts zu schaffen; diese scy bloße chudung, und ein Schreckmittel der Priester. — Das Nämliche von der Ewigkeit der Höllenstrafen. Nicht irgend ein? 2S4 krankhafte Einbildungskraft hat sie erdichtet, sondern sie ist eben so gut ein Glaubenssatz, wie ein anderes christliches Dogma. Wir beschäftigen uns hier nicht mit der Beschreibung und Dctaillirung der Qualen, welche die Verworfenen in der Hölle dulden muffen; nur so viel bemerken wir diesfalls, daß man in der auf Schrift und Ueberlieftrung gegründeten Darstellung der¬ selben , wie sie im Religionsunterrichte nicht unterbleiben darf, nicht dcßhalb schon Uebertrcibung finden solle, weil sie das In¬ nerste des Menschen erschüttert, und mit beilsamcn Schrecken er¬ füllt. Der Eindruck kann und soll kein anderer scyn. — Un¬ sere Aufgabe beschrankt sich darauf, die Ewigkeit der Höllen¬ strafen aus der Offenbarung im neuen Bunde nachzuwciscn, und die dawider gewöbnlich vorgebrachtcn Einwendungen in ihrer Un- Haltbarkeit darzulcgcn. Als Jesus von dem Unhcile redete, welches durch Aerger- niffe gestiftet wird, sagte er: „Wenn Deine Hand, oder Dein Fuß Dich ärgert, so haue sie ab und wirf sie von Dir; es ist Dir besser, daß Du verstümmelt, oder hinkend in das Leben ein- gcbest, als daß Dn zwei Hände oder zwei Füße habest, und in das ewige Feuer geworfen werdest". (Matth. Cap. 18, V. 8.) Bei Marcus heißt cs (Cap. 9, V. 42, 43.): „Es ist Dir besser, verstümmelt in das ewige Leben einzugehcn, als zwei Hände zu babcn, und in die Hölle zu kommen, in das unauslöschliche Feuer, wo ihr — der Verdammten — Wurm nicht stirbt, und das Feuer nicht erlischt", (so auch V. 44 und 45). Vergleiche hiezu Matth. Cap. 16, V. 26.: „Was kann der Mensch wohl geben, um seine Seele wieder cinzutauschcn?" — wenn er sie verloren; also einmal verloren, ist sie un w i ederb ring b ar ver¬ loren; mit Nichts wieder einzulösen. — Von Christus sagte 3") Hannes der Täufer (Luc. Cap. 3, V. 17.): „Er hat seine Wurfi schaufel in der Hand, und wird — am allgemeinen Gerichtstage seine Tenne reinigen; den Weizen wird er in seine Scheune ft"'' meln, die Spreu (d. i. die Bösen) aber mit un auslö schliche"' Feuer verbrennen". Die gleiche Wahrheit ist in der Parab" des Herrn vom armen Lazarus und reichen Prasser enthalten- (Luc. Cap. 16, V. 26; vergl. Matth. Cap. 8, V. 12.; Cap. V. 42.; Cap. 22, V. 13.) Vor allen schlagend aber ist die Stelle Matth. Cap. 25, wo die Scheidung des Menschengeschlechtes ft" alle Ewigkeit geschildert wird: „Zu denen auf der Linken wird der Meuschensohn als Richter sprechen: „Weichet von mir, ihr fluchten! in das ewige Feuer, welches dem Teufel und sein"" Engeln bereitet worden ist. (V. 41.) Und diese werden in °' ewige Pein gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben- (V. 46.) Der Contert der Rede läßt es durchaus nicht zu, in den geführten Stellen das Wort „ewig" etwa nur von einer ft"" langen, aber nicht endlosen Zeit auszulegen.— Nicht anders, im buchstäblichen Sinne wurden die Aussprüche des H""* 225 i > e i von den Aposteln verstanden. Ter heilige Paulus schreibt: sll.Theffal. Cap. 1, V. 7—9.) „Ter Herr Jesus wird sich offen¬ baren vom Himmel mit den Engeln seiner Macht in Feuer-Flam- mn, da er Rache nimmt an Denen, die Gott nicht kennen, und die nicht gehorchen dem Evangelium unseres Herrn Jesu Christi; welche mit dem ewigen Untergange gestraft werden, durch das Angesicht des Herrn, und die Herrlichkeit seiner Kraft". In der geheimen Offenbarung lesen wir von der Pein der Verwor¬ fenen (Cap. l4, V. 11.): „Der Ranch ihrer Qual wird aufstei¬ gen in alle Ewigkeit, und sic werden keine Ruhe haben Tag und Nacht". Eben so (Cap. 20, V. 10.). Der heilige Petrus lcdrt (II. Cap. 2, V. 17.): „Ihnen ist das Dunkel der ewigen Finstern iß aufbchalten". Von jeher hat die unfehlbare Kirche die Ansicht, daß die Hüllenstrafen nicht endlos währen, verworfen. Origencs meinte, im Widerspruche mit den anderen alten Lehrern und Vätern, z. B. mit dem heil. Irenäus (näv. bner. IV. 28.), die Verdammten, ia sogar die Teufel, werden, wenn sic im Feuer vollkommen ge¬ einigt sind, aus ihrer Qual befreit (aiaox«r«-7r«a/5 rmr 7r«vrwr); dieser Jrrthum wurde von dem fünften allgemeinen Concil zu Konstantinopel (daselbst das zweite) im Jahre 553 feierlich als solcher erklärt. Im Athanasianischen Svmbolum lautet es: „Die Gutes gethan haben, werden cingehen in das ewige Leben; die ober Böses, in das ewige Feuer." — Aber ist dies nicht eine harte Lehre? Wer kann sie ertra¬ ge»? Wir erwidern: Ist einmal die Offenbarung darüber nicht !>veifelhast, so darf es sich der Mensch nicht anmaßen, daran zu 'iügeln. Doch prüfen wir näher, was dagegen bemerkt wird. Mes conccntrirt sich in der Behauptung, daß die Ewigkeit der Eenstrafen sowohl mit der Güte als auch Gerechtigkeit Gottes nicht vcreinbarlich scy. „Gott ist die unendliche Güte und Erbarmung, heißt cs, er E, daß alle Menschen glücklich werden, ob früher oder später. Me wäre er daher im Stande, Einige derselben auf ewig un- glücklich zu machen? ohne daß ihnen eine Hoffnung bliebe, auch hustens, etwa nach Tausenden oder Millionen Jahren, zur Sc- "gkoit zu gelangen!" — Man erwäge, daß keine Eigenschaft Gottes außer ihrer Ver- °suhm,g den anderen aufgefaßt werden dürfe ; also auch seine ^ute und Erbarmung nicht ohne seine höchste Heiligkeit und ^crechtigkeit. Als der höchst Heilige muß Gott die Sünde "^fen, so lange, bis sie nicht durch aufrichtige Buße und Umkehr E"'lgt ist! Das will aber der bis ans En de unbußfcrtige Sün- eben nicht leisten. Wie kann ihn also Gott je wieder zu Gna- anfnehmen? Als der höchst Gerechte muß Gott die Sünde fasen an Dem, der mit ihr belastet ist, und so lange derselbe '° >st- also immer, wenn sie ihm immer anklebt, was eben 15 226 der Fall ist, weil sich der bis aus Ende Unbußfertigc ihrer nie mebr entlediget. Wie groß die Liebe und Erbarmung Gottes zu den Menschen sey, so lange diese am Leben, zeigt uns am deutlichsten die Offen¬ barung, das Christcnthum. Hat ja Gott seinen eingeborncn Sob» sür uns dabingegebcn, daß Keiner verloren gehe, sondern Alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. (Job. Cap. 3, V. 16.) Und straft Gott den Sünder, wie er es könnte, etwa allsogleich, nachdem sich derselbe wider sein ewiges Gesetz empört . bat? Ladet er ihn nicht vielmehr in verschiedenster Weise zur Aussöhnung, immer bereit, ibm zu verzeihen, mag seine Miffethal auch noch so groß seyn, und seine Buße auch noch so spät erfol¬ gen, wenn sie nur eine ausrichtige und ernstliche ist? „Verachtest Du, o Mensch! den Reichthum der Güte, Geduld und Langmutb Gottes? fragt der heil. Paulus. (Röm. Cap. 2, V.4, 5.) Weißt Du nicht, daß die Güte Gottes zur Buße Dich leitet? Aber durch Deine Verstocktheit und Dein unbußsertig es Herz häufst Du Dir Zorn für den Tag desselben, und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes." Sieh da, wie der Apostel Gottes liebevolles Zuwarten mit seiner strafenden Gerechtigkeit in Verbindung bringt! — Wenn Gott dem Menschen vorherverkün¬ det: „Ich bin stets geneigt. Dir zu verzeihen, so lange Du lebst! darum habe ich meiner Kirche die von mir selbst einst auf Erde" ausgeübte Macht, Sünden nachzulassen, ertheilt — wende Dich an sie! Verschmähst Du aber meinen Gnadenruf hartnäckig, und stirbst Du in der L-ünde, so ist jenseits ewige Verwerfung Dein Loos"; — darf sich der Sünder daun wohl über den Mangel an Erbarmung Gottes beklage», weil das Angedrohte wirklich ein¬ trifft? — Vernünftiger und klüger, als in der Barmherzigkeit Got¬ tes ein Ruhekissen zum fortgesetzten Sündenschlummer, einen Frei¬ brief der immerwährenden Straflosigkeit erblicken, ist's, die Er¬ mahnung des Apostelfürstcn beherzigen: „Der Herr hält seine Ver¬ heißung, — auch seine Drohung — nicht zurück, wie Einige I»c>- neu. Er hat Geduld mit uns, und will nicht, daß Jemand ver¬ loren gehe, sondern, daß sich Alle zur Buße wenden. — Dann» haltet die Langmnth unseres Herrn für Heil". (11. Br. Cap. 3, V. 9. 15.) Eine andere Einwendung lautet: „Die Sünde des Menscft" ist nur eine endliche That, oft in einem Augenblicke be¬ gangen; folglich kann auch die Strafe derselben mir eine end¬ liche, also keine ewig dauernde ftp», sonst wäre sie in kei¬ nem Verhältnisse zur Sünde, und Gott, der sie verhängte, wäre ungerecht". — Man übersehe nicht, daß nicht die böse Th<9 als solche allein, die gar nicht jedes Mal wirklich voll¬ bracht zu seyn braucht, die ewige Verdammung nach sich-zioft- lvndern die von Gott abgewcndete unbußfertige Gesinnung Diese aber schließt sich nicht, wie die böse That) welche nur ibck Frucht ist, in einem Momente, oder überhaupt in kürzerer Zov 227 ab; sonder» ist, eben als die un bußfertige, eine bleibende, von dem Sünder in die Ewigkeit mitgenommene, also auch eine ewige. Wcßhalb auch die Strafe dafür keine zeitweilige sein kann. — Da bestebt also kein Mißverhältniß zwi¬ schen Schuld und Strafe. Denn in Betreff der Zeit ist die Erste nicht minder eine unendliche, als die Zweite. — „Aber die Große und Schwere der Sünde, ist sie auch eine unendliche?" Um beweisen zu können, daß in dieser Beziehung eine ewige Strafe das Maß der Gerechtigkeit überschreite, müßte man die ganze innere Bosheit der Sünde zu durchschauen im Stande seyn, was wir, die wir überhaupt nur mehr dem Acußeren nach urthei- lm, nicht vermögen; also können wir auch darüber gar nicht ab¬ sprechen. Wohl aber ist uns begreiflich, daß die Tod-Sünde eine Beleidigung der nn endlichen Majestät Gottes, und speciell »m christlichen Standpunkte aus betrachtet, eine über allen Be¬ griff undankbare Vereitlung des Erlösnngswcrkes Christi scy. Trßhalb liegt in ihr abermals ein unendlich schwer nach unten ziehendes Gewicht. „Aber Gott straft ja doch nicht, bloß nm zu strafen, sondern damit durch seine Züchtigung der Sünder zur Besinnung komme, v»d sich bessere! Sobald diese Absicht erreicht ist, muß auch die Strafe aufhöreu." Dieser Einwand hätte etwas für sich, wenn das andere Leben auch noch, wie das irdische hieniedcn, eine Zeit bor Prüfung und Vorbereitung wäre. Aber durch die Of- svabarnng sind wir belebet, daß jenseits überhaupt keine Zeit wehr, eben weil unbegrenzte Ewigkeit scy» werde; daß Prüfung schon vorüber, die Entscheidung für oder gegen Gott schon geschehe» sey; daß dort keine Aussaat mehr; son¬ dern nur die Ernte des bicr im Leben Ausgesäeten Statt haben werde. Dort läßt sich nichts mehr verbessern. Wohin der Baum »efallcn ist, als ibn die Art des Todes traf, dort wird er liegen bleiben für und für; ob gegen Mittag oder Mitternacht! Darum Ermahnung an »ns : zu wirke»', so lauge cs »och Tag ist, denn ist einmal die Nacht hcreingebroche», dann läßt sich nichts wehr Gutes thun. (Joh. Cap. 9, V. 4., Cap. 12, V. 35.) Der ^erdammte bat seine Freiheit für immer an die Sünde, und wren ersten Urheber dahin gegeben. Bekehrung ist also für ihn Mmehr möglich. Wollte er sic etwa, selbst wenn er könnte? mn! Sein Haß gegen Gott wandelt sich nicht mehr in Liebe "w; denn Gottes Gnade und Heimsuchung bat er hier von sich ^wiesen, dort wird sic ihm nicht wieder angeboten. Auch folgendes ist z» berücksichtigen: Die Freuden der Seli- l>d>> im Himmel, die ihnen freilich nicht von Rechtswegen gebüh- de.tt, müssen ewig seyn; denn Gott kann dieselben doch nicht ver¬ achten; oder, nachdem sie den Entscheidungskampf auf der Erde schmal glücklich durchgckämpft, und die Probe bestanden hatten, !" abermals einer solchen unterwerfen wollen! Soll er etwa Verdammten vernichten? Aber ihre Seelen sind nicht 15 " 228 minder unsterblich erschaffen worden, als jene der Gerechten! Wozu eine neue Prüfung, in welcher sie sich mit ihrer verhär¬ teten lasterhaften Gesinnung noch weniger bewähren würden, als in der ersten? „Doch Gott wußte ja wohl, daß Dieser oder Jener ein ver¬ stockter Sünder seyn werde; warum hat er ihn denn erschaffen?" Wohl wußte Gott dies schon von Ewigkeit; allein seine Allwis¬ senheit ist kein Hinderniß für die Freiheit des menschlichen Willens, noch weniger wird diese durch jene aufgehoben. Oder hätte Gott den Menschen so erschaffen sollen, daß derselbe gar nicht hätte sündigen können — also unfrei, wie das Tbier? Er hat es zu seiner Verherrlichung zweckmäßiger gefunden, Wesen hervorzurufen, welche sich durch sreithätige Anstrengung — frei¬ lich durch seine Gnade unterstützt; die er aber auch den Ver¬ worfenen nicht versagt hatte — den Himmel verdienen, als solche, welchen er ohne Kampf und Sieg nothwendig z" Theil geworden wäre. Ein verdienter ewiger Himmel dal eine verschuldete ewige Hölle zum Gegensätze. — „Das himmlische Jerusalem den Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt, welches der andere Tod ist." (Geheime Offenbarung Cap. 21.) *) *) Da die Hölle ohne Teufel nicht denkbar ist. so gaben und geben sich ne>" die meisten Derjenigen, welche an eine Hölle nicht glauben wollen, er¬ staunliche Mühe, auch den Teufel aus der Wirklichkeit in das Reich einer düsteren Einbildung zu verweisen. Weil aber die Bibel unläugbar vorn Satan und seinem Reiche spricht, so sind natürlich die diesbezügliche» Stellen allen möglichen Experimenten und Auslegungen im obigen Sinne ausgesetzt. Doch umsonstl Alles, was gegen die Existenz des Sata»- sowohl aus sogenannten Vernunftgründen, als aus der Bibel selbst ror- gebracht zu werden pflegt, ist nicht stichhältig. Man hat gefragt: kann der allmächtige, höchst gütige, liebevolle, heilige Gott neben »° auch den Satan herrschen, und sein Reich der Lüge und Bosheit an- breiten lassen? — Laut der Lehre der Offenbarung existirt der Sasi" nicht von Ewigkeit, als böses, von Gott unabhängiges Urprj" cip; — eben so wenig hatte ihn Gott als solchen ersckaffen; stsi dern Mißbrauch des freien Willens, Abfall von Gott, hatte die EE des Lichtes zu Engeln der Finsterniß gemacht. Nur in so weit es si Gottes höchst weiser Zulassung liegt, kann der Satan seine Macht aw üben, und schaden. — Es war eine Lächerlichkeit, zu behaupten, die Juden hätten vor si» Exil von einem Teufel keine Kenntnis! gehabt. Die Lehre von der bw stenz des Teufels ist nicht dem Zendavesta entlehnt; sondern umgekehfsi die persische Sage weist auf die Uroffenbarung und auf die Bibel lu, Die alten Perser nannten die Unterwelt Duzakh. In diesen finsteren'-^ gründ wurde im Anfänge der Zeiten der böse Feind, die teufl'G. T chl an ge, Ahriman, verstoßen, als er sich gegen Gott auflehn, und in seinem Stolze sich vor den Thron des Lichtes stellte. — (Vergl. H. Luken: Traditionen u. s. w. S. 470 u. ff.) . Ahriman, ursprünglich gut erschaffen, und erst später si Gott abgefallen, ward die Quelle alles Bösen bei den Menschen, in" vierter Lheil. Mr besprechen null einige dec katholischen Kirche speziell ange¬ hörige Dogmen und Institutionen. XIX. Alleinseligmachende Kirche. Der katholischen Kirche wird kaum etwas Anderes von ihren Gegnern so sehr verübelt, sey es absichtlich, oder aus Unverstand, W daß sie sich die alleinseligmachende nennt. Aus diesem rrhrsatze werden nicht selten sehr gehässige Folgerungen gezogen, welche freilich nicht in ihm liegen. Nun, wie ist derselbe denn Mntlich zu verstehen? Kurz anscinandergelegt so: „Die katho- Gchc Kirche behauptet: daß sie die Eine, und einzige von -wsus Christus zur Beseliguug der Menschen gestiftete Heilsanstalt durch ihn schon Meschia und Meschiana (d. i. Mann und Männin) berückt, und zur Sünde verleitet wurden. Schon die Genesis, das Buch Job, und fast alle andern vor dem Exil verfaßten Bücher strafen obige Behauvtung Lügen. Der Sohn Gottes bat der alten Schlange den Kopf zertreten, d. i. die Macht des Satans gebrochen. Dieser ist nur mebr einem Kettenhunde ver¬ gleichbar, der bloß den ihm leichtsinnig oder tollkühn zu nahe Tretenden zu beißen vermag. In den Austreibungen der Teufel durch den Herrn, von denen die Evangelien erzählen, konnten es die Juden sehen, daß das Reich des Satans zu Ende, und De r angekommcn seh, vor Dem sich alle Kniee beugen sollen, im Himmel, auf Erden und unter der Erde. In den sogenannten Energumcnen des neuen Bundes nichts, als na¬ türlich Kranke, etwa Mond-, Fallsüchtige u. dgl., erblicken, ist eine nicht zu rechtfertigende Willkühr. Gewiß bat sich der Herr auch hierin nicht dem Bolksaberglauben nur accomodirt. Er redete ja die Teufel bie und da geradezu an; befahl ihnen mit lauter Stimme, aus den llnglücklichen auszufahren. Hieße dies nicht den Wahn geradezu bestär¬ ken, wenn die für Besessene Gehaltenen es nicht wirklich in der That gewesen wären? 230 sey. Wer sich in ihr befindet, könne zur ewigen Seligkeit gelangen; wenn er nämlich seinen wahren Glauben durch gute Werke be- thätiget; überhaupt, wenn er den ihm von der Kirche im Namen Jesu bekannt gemachten Bedingungen entspricht. Wer aber ge¬ flissentlich in sie nicht eingehen will, oder sie treulos wie¬ der verläßt, gebe verloren, und sey an seinem Verderbe» selbst Schuld". — Was ist daran vernünftiger Weise zn rügen? Zwei Fragen, unbefangen beantwortet, reichen hin, die Grundlosigkeit der da¬ wider gerichteten Einwendungen darzuthun; nämlich: 1. Ist es eine Anmaßung von Seite der katholischen Kirche, daß sie sich die alleinseligmachende nennt? 2. Ist diese Lehre wirklich hart, Gottes nicht würdig und men¬ schenfeindlich? 1. Es ist nicht schwer einzusehen, daß sich die katholische Kirche selbst anfgeben würde, wenn sie anders lebrete und etwa gar den faden Grundsatz der Jndifferentistcn gut hieße, daß man in jeder Religion Gott wohlgefällig soyn, und einst zu ihm gelangen könne.*) Nein! Nach ihrer tiefinnersten Ueberzeugung hat Chri¬ stus der Herr sie und keine andere Kirche gegründet; darum leh¬ ret sie: sie sey durchaus n otbw e n d ig; sie habe der Herr sim durch sein Blut erkauft (Apostclg. Cap.' 20, V. 28.); ihr allem habe er alle Schätze seiner Liebe, die unendlichen Verdienste seines Erlösungstodes anvertraut, damit sie dieselben verwalte und de» Gläubigen zuwende. Ja, die katholische Kirche trägt nicht das geringste Bedenken, sich vor aller Welt als unentbehrlich, durch nichts ersetzbar, anzupreisen, lind dies mit allem Rechte! „S« fühlt sich als den unter den Menschen in menschlicher Form fort¬ während erscheinenden, stets sich erneuernden, ewig sich verjün¬ genden Sohn Gottes; als die andauernde Fleischwerdung dessel¬ ben, — als den Leib des Herrn, als seine sichtbare Gestalt, als seine ewige Offenbarung; mit Einem Worte, als diejenige Stif¬ tung des Herrn, in welche seine Heilslchre und das Verständlich derselben durch den unmittelbaren Unterricht der Apostel, und die Kraft des göttlichen Geistes übergegangen ist." (Dr. A. Mäklers Symbolik, S. 337, 36l, 393.) So wahr nun, laut der Ver¬ sicherung des keil. Petrus vor dem hohen Rathe zu Jerusalem (Apostelgesch. Cap. 4, V. l2.): „in keinem Anderen Heil ist, als in Christo Jesu; denn es ist kein anderer Name unter dem Him- *) Eine solche Ansicht ließ Gotthold Ephraim Lessin.; (-H 1781), der Herauf- der der berüchtigten „Wolfenbüttler Fragmente", seinen „Natban den Wei¬ sen" aussprechen; wozu die oberflächliche Parabel von den drei Ringen die¬ nen soll. Unzählige haben ihm dies seither nachgesprochen; ohne zu beden¬ ken, wie sehr gegen die einfachen Grundsätze des gesunden MenschenvcrstH- des eine solche Behauptung verstoße: „Alle positiven Religionen sehen gleich wahr, und gleich falsch--. (Siehe die Abhandlung: Jndifferentismus.) 231 mel den Menschen gegeben, wodurch wir selig werden sollen", eben so wahr muß auch die katholische Kirche, als der fortlebendc Christus, von sich behaupten dürfen: „Kein Heil, außer in mir, und durch mich!" Nicht Unduldsamkeit gibt ihr diese Sprache em. Daß dieselbe nicht Allen gefallen will, ist nicht die Schuld der Kirche, — sie bleibt demnngeachtet Wahrheit. — Wenn die Angehörigen anderer christlicher Confcssionen dieser- wegen unserer Kirche grollen, so sind sie sehr im Unrechte; denn sie vergessen, daß sie selbst mehr als Einmal das Heil ausschlie߬ lich von ihrem Bekenntnisse abhängig gemacht, mW die katholi- Iche Kirche hie und da sogar des Zarismus beschuldigt haben, mir dem sic den Eingang zur Seligkeit allzusehr erleichtere. (So selbst Uibnitz — siehe Liebermann IiistiNit. t»m. II. paA. 205.) Ja sogar die Ungläubigen und Jndifferentisten handeln, frei¬ lich im Widerspruche mit ihren zur Schau getragenen Ansichten, m ähnlicher Weise. Der Goltesläugner, der Materialist — sucht cr nicht Andere zu überreden, bei ihm allein sey Wahrheit? — Ser Rcligionsverächter, dem es Eins seyn soll, was ein Ande¬ rer glaubt, bemüht er sich nicht durch Wort und Schrift, durch Spott und Hohn seine Glaubenslosigkeit immer weiter zu ver- Dadurch zeigen siethatsächlich, daß jene Unduldsamkeit ge¬ genüber abweichender Meinung, welche sie dem Alleinseligkeits- Dogma der katholischen Kirche mit Unrecht vorwerfen, sie selbst erfülle. Auch bezüglich dieses Lehrsatzes darf sich die Kirche auf die Aussprüche des Herrn, seiner Apostel und des christlichen Alter- tdumcs berufen. Bei Matthäus Cap. 22. vergleicht Christus seine Kirche mit einem Hochzeitmahle, welches ein König seinem Sohne ^reitete. Die Geladenen wollten nicht erscheinen; da ward ^rr König zornig, erklärte die Widerspänstigen und Undank- baren seines Mahles unwerth und bestrafte sie strenge. Nicht sene ließ er seinen Unwillen fühlen, welche von dem Hochzeit- luable gar keine Kenntniß hatten, sondern die der ebenso ehrenvollen, als freundlichen Einladung nicht folgen woll¬ ten. — Die Anwendung dieses Gleichnisses auf sich kann der mtholischen Kirche vernünftiger Weise nicht verargt werden, weil Ue nur sich allein unter dem evangelischen Hochzeitmahle ver- üebt. — „Wer glaubt und getauft ist, wird selig werden, spricht °br Herr (Marc. Cap. 16, V. 16.); wer aber nicht glaubt, wird gedämmt werden." Der wahre Glaube, die ordnungsmäßige Laufe — die Vollzahl der Sacramcnte, der wahre Gottesdienst — lllles dies ist nach der Uebcrzeugung der katholischen Kirche cin- nur in ihr, weil der wahren Kirche Christi, anzutreffen. ,In Dej eedesia, nec^ue extra eain usyusm verus euitlls. verumPie ^cnsieiuiu roporitnr. guoci Deo plaeore ullo mocio possil-b heißt es "" eateel,. roman. Es ist demnach Dasselbe, als wenn der Hei- 232 land gesagt hätte: „Wer durch seine Schuld außer meiner Einen Kirche sich befindet, wird nicht selig". In gleichem Sinne sind die Worte Christi aufzufassen: „Wahr¬ lich, wahrlich, wenn Jemand nicht wieder geboren wird aus dem Wasser und heiligen Geiste, so kann er in das Reich Gottes nicht eingehen". (Joh. Cap. 3, V. 5.) (Durch die gültige Taufe, welche nur Eine ist, — also nicht so vielfach, als die verschie¬ denen christlichen Confessionen, — und durch welche der Eingang in das Himmelreich bedingt ist, wird der Mensch der einzigen wahren Kirche einverleibt; also liegt wieder in diesem Aus¬ spruche des Herrn die Andeutung, daß außer ibr kein Heil sey. Vergl. V. 18.) — Das Nämliche will der bcil. Paulus sagen, wenn er an die Hebräer (Cap. 11, V. 6.) schreibt: „Ohne Glauben (den wah¬ ren nämlich) ist es unmöglich, Gott zu gefallen". Die schla¬ gende Stelle aus der Rede des beil. Petrus (Apostelg. Cap. 4, V. 12.) haben wir schon angeführt. Warum hätte denn wohl Christus, der Sohn Gottes, sich die Kirche so theuer mit seinem Blute erkauft, wenn es zum Heist gleichgültig ist, ob man sich in derselben befinde, oder nicht? — Hätten wohl die Märtyrer ihr Leben so freudig für den Glauben der katholischen Kirche hingcopfert, wenn sie nicht der Ueberzen- gung gewesen wären, daß sie nur in ihr zum Heile gelangen können, und daß ihr untreu werden soviel sey, als den Herrn selbst verlängnen? Warum würden wohl die Apostel Alles, was sie ihr eigen nannten, verlassen, und sich in die weite Welt nach allen Seiten zerstreut; so vielen Gefahren, ia dem gewissen Tedc sich Preis gegeben haben, wenn sie die Mitgliedschaft an der Einen Kirche Christi, die sic auszubreiten such¬ ten, nicht für eine notb wendige Bedingung des Hei¬ les gehalten hätten? So aber haben sie, wie der heil. Paulus von sich versicherte (Apostelgesch. Cap. 20, V. 24) „nicht Baute und Trübsale gefürchtet, noch achteten sie ihr Leben höher, ast sich, wenn sie nur ihren Lauf vollendeten, und den Dienst bcs Wortes, den sie empfangen von dem Herr» Jesu, zu bezeugen da» Evangelium der Gnade Gottes". Aus dem Bewußtseyn, >b^ sonst verlornen Mitmenschen zn retten, schöpften »uk schöpfen noch die katholischen Missionäre die Begeisterung und dcu Muth, allen Bequemlichkeiten des Lebens zn entsagen, um rot" und wilde Völker in die Kirche eingehen zu machen. — (Mas denke an Jene in Central-Afrika.) — Warum schicken denn au» die Protestanten ihre Boten aus? Nicht in der ähnlichen Absicbv Die ältesten Väter schon haben, wie in der Abhandlung Kirche, bemerkt wurde, vor der Spaltung und vor dem Abfall von der Kirche ans das Nachdrücklichste gewarnt, weil dadurch bas Heil so Vieler vereitelt wird. Der heil. Clemens von Rom scheel an die Corinther: „Eure Spaltung hat Viele verkehrt. Viele w Zweifel und Alle in Trauer gestürzt". (Cap. 46.) — Der Apost^- 233 schiller Hermas sagt in seinem Buche „770^1/r", d. i. „Pastor, der Hirt" (8imil. IX. o. 2.) von der Kirche, dem großen, auf einem Felsen erbauten Thurme, daß dazu nur Ein Thor die Gläubigen führe; wer selig werden wolle, müsse durch dieses Thor ein gehen. — Der heil. Ignatius schreibt an die Phila- delpher (Cap. 3.): „Lasset euch nicht bctbörcn, Brüder! Wenn Jemand Einem anhängt, der die Kirche spaltet, der wird das Reich Gottes nicht erben". — Der heil. Irenäus: »Sie, die katholische Kirche, allein ist der Eingang zum Leben", (adv. I>,-»er. I. III.) — „Wo die Kirche, da ist auch der Geist Got¬ tes. Welche au ibr nicht Theil nehmen, werden nicht von den Brüsten dieser Mutter zum (ewigen) Leben ernährt." (asiv. haer. !. III.) — „Gott wird alle Jene richten, die außer der Kirche stad." (astv. Imsr. I. IV.) — Clemens von Alcrandrien (Strom. VII. 17): „Die alte katholische Kirche (Er nennt sie bereits die alte, obwohl er im dritten Jahrhunderte lebte) vereiniget die — zum ewigen Leben — Ausgezeichneten". — Origeues lehrt, daß nur in der katholischen Kirche Vergebung der Sünden — ahne welche keine Seligkeit — zu erlangen sey. Ja, er sagt un¬ verhohlen (In ^«8. Xativ. Homil. III.): „Niemand täusche sich selbst; außer diesem Hause, das ist außerhalb der Kirche, wird Niemand gerettet". — Tertullian entwickelt in seiner geistreichsten Schrift: praeset-iptione gdverslis eben den Gedanken, daß «die katholische Kirche nach dem Rechte der Verjährung im vollen Besitze der christlichen Wahrheit, und darum auch die cin- sig sichere Führerin zur Seligkeit sey. — Der heil. Cyprian, dieser außerordentlich beredte Lobpreiser der katholischen Einheit, schreibt: "^hristi Braut kann nicht durch einen Ehebruch (als solchen faßten d" heiligen Väter den Abfall von Christus und seiner Wahrheit aas) entehrt werden; sic ist unberührt und keusch. Nur Ein Haus stunt sie, die Heiligkeit Eines Gemaches bewahrt sie nut keuscher Schani. Diese rettet uns für Gott; diese eignet die 5'nder, welche sie (durch die Taufe) geboren hat, >">>em Reiche zu. Wer immer von der Kirche sich son- °vvt, „nd einer Ehebrecherin au hängt, schließt sich aus von den Verheißungen derKirche; und Der wird "fcht zu den Belohnungen Christi gelangen, welcher °'e Kirche Christi verläßt. Er ist ein Fremder, ein Unhei- ein Feind. Es kann Der Gott nicht zum Vater ba- bii, der die Kirche nicht zur Mutter hat. Konnte Ci- 'vr entrinnen, der außerhalb Noö's Arche war, ,o a g auch ein Solcher entrinnen (dem ewigen Unter¬ lage) der außerhalb der Kirche ist". (0, V. 13-15.) Was aber Diejenigen betrifft, die in der Lage sind, sich von der Wahrheit der katholischen Kirche zu überzeugen, es aber nicht wollen — aus welcher Ursache immer — die ihr wissentlich und vorsätzlich widerstreben, oder sie verlassen, — Diese kann die Kirche doch wohl nicht selig preisen! Sie bemitleidet sic, trauert 'wer sie, und betet für sie. (So am Charfrcitage.) Nicht die Kirche richtet sie, wohl aber sie sich selbst (Job. Cap. 3, 18.), und weil sie die Kirche nicht hören, stellen sie sich selbst die Reihe der Heiden. (Matth. Cap. 18, V. 17.) Zur Bekräftigung des oben Gesagten berufen wir uns zum Schluffe auf die Worte Seiner Heiligkeit, gesprochen im geheimen Konsistorium zu Rom am 9. Dezember 1854 au die Cardinäle "ni> die aus allen Gegenden versammelten Bischöfe: „Unserem V°stolischen Amte gemäß wünschen wir, daß 2br eure bischöfliche Sorgfalt und Wachsamkeit verdoppelt, und Euch nach Kräften sswiihet, jene eben so gottlose als verderbliche Meinung aus dem ,7flste der Menschen zu verdrängen, als könnte man in jeder Rc- Den den Weg zum ewigen Heile finden. Mit dem Eifer und "r Gelehrsamkeit, die Euch auszeichnct, thuet den Eurer Obbut vertrauten Völkern dar, daß die katholischen Glaubenssätze nir¬ gends der göttlichen Erbarmnng und Gerechtigkeit widerstreiten, ^enn als Glaubenssatz muß festgehalten werden, daß außer ^r apostolischen römischen Kirche Niemand selig werden kann; sie die einzige Arche des Heiles; daß Jeder, der sich nicht in Melde geflüchtet, in der Flutb untergeben werde; — jedoch muß gleichfalls für gewiß halten, daß Jene, die an Unkenntniß die wahre Religion leiden, falls solche unüberwindlich ist, 236 vor den Augen des Herrn .in dieser Hinsicht mit keiner Schuld behaftet sind. . , ,, Wer aber möchte sich anmaßen, die Grenzen einer solchen Unwissenheit nach der Beschaffenbeit und Vcr;chiedenllelt der Mel¬ ker, Länder, Geister und so vieler anderer Umstände bezeichnen zu wollen! Wenn wir einmal, von diesen körperlichen Banden frei, Gott schauen werden, wie Er ist, werden wir begreifen, >n wie engem und schönem Verbände die göttliche Erbarmung und Gerechtigkeit stellen; so lange wir indeß auf Erden wandeln, nn diesem sterblichen Leibe belastet, der die Seele abstumpft, ballen wir fest an der katllolischen Lcllre, daß cs Einen Gott gibt, Einen Glauben, Eine Taufe; in weitere Forschungen sich zu verlieren, ist unerlaubt. Ucbrigens laßt uns, wie die Liebe gebietet, unablässige G bete verrichten, daß allerwärts alle Völker sich zu Christus bE ren; denn die Hand des Herrn ist nicht abgekürzt, und die Ge¬ schenke der llimmlischen Gnade werden keineswegs Jenen erinan^ geln, die aufrichtigen Herzens wünschen, mit ihrem Lichte erqum zu werden." XX Gnade. Freiheit. Gute Werke. Die sechste der sogenannten Grundwahrheiten, wie sie des katholische Katechismus aufführt, lautet: »Tie Gnade Gottes n zur Erlangung der Seligkeit nothwendig; und ohne die GnKc Gottes vermag der Mensch nichts Verdienstliches für das ewig Leben zu wirken". Dieser Glaubenssatz besteht aus drei TlleutN, welchen wir die nachstehende Erörterung widmen. Es ist nänm darin die Rede: ») von der Gnade Gottes, ihrer NotlMs digkeit; I>) von der freithätigen Mitwirkung des Me"' scheu; und o) von dem Verdienste der guten Wert Hinsichtlich jedes dieser drei Stücke weichen die Protestanten sentlich von der katllolischen Wallrlleit ab, welche durchweg ebf' so sehr in der Offenbarung, als in der Vernunft begründet Wir können dieselbe hier nicht anders, als nur nach ihren H^' punkten darlegen, und müssen cs dem Leser überlassen, genaue Belehrung über diesen llöcllst reichhaltigen Gegenstand aus läufigeren dogmatischen Büchern zu schöpfe«. - Unter der göttlichen Gnade im Allgemeinen kann alle von unserer Seite durchaus unverdienten Erweise der und Liebe Gottes zu uns verstehen; wir haben aber hier nnr der übernatürlichen Ordnung angehörenden Wohlthatcn u- zwar die Erlösungsgnade im Sinne. Diese wird meist < 237 id 'N h n n n d t i definirt, daß sie sey: die übernatürliche Gabe Gottes, welche dem Menschen umsonst (gratis), nur wegen der Verdienste Christi, zur Erreichung eines übernatür¬ lichen Zweckes zu Th eil wird. Die Schule unterscheidet mehrere Arten der Gnade, obwohl cs dem Wesen nach eigentlich nur Eine gibt, welche sich in verschiedener Weise äußert. Wird sie dem Menschen in vor¬ übergehender Weise, insbesondere zur Fassung eines guten Vorsatzes, und zur Ausführung desselben crtheilt, "so heißt'man se die aktuelle Gnade (tzeMia aetuslis), welche wieder in die »zuvorkommende" spraevem'ens) — mit der die ogeraiis und «eltonz so viel als Eins ist; in die „begleitende" (coneomilans, empeeans, güguvans)— und in die „nachfolgende" (snbsegnons) zerfällt; je nach dem Zeitver hältnissc, in welchem der gött¬ liche Beistand zu dem guten Werke, nämlich vor, während und nach dem Geschehen desselben, stebt. — Eine andere, der geologischen Schule gewöhnliche Eintheilung der aktuellen Gnade iß die in die Aratia sulsloiens und in die »rutin ellieux. In beiden Wen wird zwar von Gott der übernatürliche Beistand nicht versagt; hat aber die Gnade wegen des Mangels an ge¬ höriger Mitwirkung von Seite des Menschen keinen Erfolg, so liegt die Schuld eben nur darin, nicht an der Gnade, denn diese war eine an sich hinreichende .,8uMcien8^; — die richtig im Menschen eintrctende Wirkung macht die Gnade zur elkicgx. Ist die Gnade und die Wirkung derselben eine bleibende; ruie solche, welche den Menschen ans einem Sünder zum Gerech¬ ten, zum Freunde Gottes umschafft, so wird sie die „rcchtferti- üendc", „heiligmachcnde" Gnade sAratiu ImbiNmlis, justilicans, ^netiliezi.8) genannt. Wir sprechen zuerst von der aktuellen Gnade. Diesfalls >st cs von jeher Lehre der katholischen Kirche gewesen, daß der Mensch zum Guten des übernatürlichen Beistandes Gottes unum¬ bänglich bedürfe; daß er ohne denselben nicht zum lebendigen Dauben, nicht einmal zum Anfänge des Glaubens gelangen; Mn so wenig die schwereren Versuchungen überwinden; auch nicht dns natürliche Sittengesetz vollkommen erfüllen, und sich von allen Sünden rein erhalten könne. „Wenn Jemand sagt, die bvkthche Gnade werde durch Christum Jesum dem Menschen nur ju dem Ende verliehen, daß er leichter gerecht leben, und das ?>vige Leben sich verdienen könne; gleich" als ob er durch seinen trenn WMn allein, ohne die Gnade, Beides, wenn auch All Mühe und schwer, vermöchte, so sep er im Banne." ((tone. riü. 8K88. 6. can. 2 üo jii8iiüo. Vergl. e" Europa (als : vom zweiten zu Orange, Arausio, in Frankreich,"" 529) verdammt. Der Wcltapostel betont cs nachdrücklich, daß die Gnade ei" völlig freiwilliges Geschenk der göttlichen Barmherzigkeit stp? 239 Mf welches wir durchaus kein Recht haben. In wie ferne doch mit Beziehung auf sie von einem Verdienen unsererseits die Rede seyn könne, wird später gesagt werden. In Betreff der Nothwendigkeit der aktuellen Gnade kommen die Protestanten, in so weit sie noch ihre symbolischen Bücher als Glaubcnsnorm anerkennen, und nicht etwa schon bloße sogenannte Rationalisten sind, dekrin mit uns überein, daß sie dieselbe nicht läugncn, — ja sie treten sogar, wie wir unten darthun werden, der Freiheit des menschlichen Willens zu nahe. Eine größere Differenz herrscht zwischen ihnen und uns hinsichtlich der rechtfertigenden, h ei ligm a chen d en Gnade, von der die sogenannten Reformatoren schon einen der Wahrheit zuwiderlau- stnden Begriff aufstellten. Das heil. Concil zu Trient hat über den Verlauf der Recht- hrkigimg — .justiücmlo — Folgendes ausgesprochen: 8os8. 6. ^urch sie Sünde Adams sind alle Menschen in die Gewalt des Satans und des Todes gekommen, dergestalt, daß nicht nur die Heiden durch die natürliche Kraft; sondern auch die Juden durch das mosaische Gesetz nicht sich daraus zu befreien vermochten, ob¬ wohl der freie Wille in ihnen nicht völlig vertilgt worden war. l^ap. 1.) Um unseres Heiles willen sandte Gott seinen Sohn öcsus Christus auf die Erde. (Cap. 2.) Obgleich aber Christus Ü" Alle gestorben, werden doch nicht Alle der Wohlthat seines Ledes theilhafrig; sondern nur Diejenigen, welchen das Verdienst stlnes Leidens zugewendct wird. (Cap. 3.) Die Rechtfertigung dks Sünders ist die Erhebung aus jenem Zustande, in welchem Mensch als das Kind des ersten Adams geboren wird, in den Stand der Gnade (des Wohlgefallens) und der Kiudschaft Got- es durch den zweiten Adam, Jesus Christus, unseren Erlöser. 4.) Der Anfang der Rechtfertigung geschieht bei dem Erwachsenen Sünder (die n n m ü n d i g e n Kinder werden in der Laufe nur von derErbsündc, nichtvon persönlichen Sün- M>, die sie noch nicht begehen konnten, gcrcchtfcrtigetj — durch "u an ihn ganz unverdient ergehenden Gnadenrnf Gottes, wcl- N durch die Erleuchtung des heiligen Geistes sein Herz berührt. N Mensch kann denselben auch verschmähen, aber nicht Ne die Gnade (die zuvorkommende), durch seinen freien Nullen allein, sich zur Gerechtigkeit vor Gott anrcgen — mo- (Cap. 5.) Hört der Sünder auf den Ruf Gottes, so ist as Erste, daß er durch die Gnade aufgeweckt und unterstützt, für wahr hält, was Gott gcoffcnbart und versprochen hat, ^besondere, daß ihm in Christo Jesu Vergebung und Errettung ^geboten sey; und indem er sich als Sünder erkennt, geht er der heilsamen Furcht vor der göttlichen Gerecht ig- zur Betrachtung der Barmherzigkeit Gottes über, und Met sich zur Hoffnung auf, daß ihm Gott um Christi willen Aadig styn werde. Er fängt an, Gott, die Quelle aller Gercch- Ü'eit, zu lieben, und mit Haß und Abscheu gegen die Sünde 240 erfüllt zu werden, — er thut Buße. (Cap. 6.) — Auf diese Vorbereitung folgt nun, — wenn der Mensch dem begonnenen heiligen Werke treu bleibt, — die Rechtfertigung selbst, welche da ist: (nicht nur etwas Negatives) „nicht die bloße Nachlassung der Sünden; sondern auch (positiv) die Heiligung und Erneuerung des inneren Men¬ schen durch die freiwillige Aufnahme der göttlichen Gnade und Geschenke; wodurch der Mensch aus einem Ungerechten ein Gerechter, aus einem Feinde Gottes sein Freund wird, auf daß er scy ein Erbe nach der Hoffnung des ewige» Lebens." (Tit. Cap->), V. 7.) — In Folge des Verdienstes des heiligsten Leidens Jesu Christi, wird durch den heiligen Geist die Liebe Gottes in den Herzen Jener ausgcgosscn, welche gerechtfertigt werden, und bleibt in ihnen; weßhalb der Mensch in der Rechtfertigung mit der Nachlassung der Sünden den Glauben, die Hoffunng und die Liebe empfängt; denn der Glaube allein, wenn nicht zu ibm die Hoffnung und die Liebe sich gesellen, vereiniget weder vollkommen mit Christus, noch macht er zu einem lebendige» Glicdc sei¬ nes Körpers. (Cap. 7.) — Wenn der Apostel — Paulus — sagt (Röm. Cap. 4.): Daß der Mensch durch den Glauben unb umsonst — pMtls — gcrcchtfcrtiget werde, sv stud diese Worte in dem von der katholischen Kirche stets festgchaltenen Sinne ff nehmen, in so ferne der Glaube der Anfang des Heiles, der Grund und die Wurzel aller Rechtfertigung ist. Umsonn aber werden wir gerechlfertiget, weil nichts von Dem, was bcr Rechtfertigung vorangeht, weder der Glaube, noch die Werke, die G na d c der Recht fertig» n g sclbst verdient. (Cap. 84 In der katholischen Kirche wird also die Rechtfertigung am- gefaßt: als Heiligung und Sündenvergebung, als Düst in Jener, und Jene in Dieser; als Einpflanzung der Liebe Cstt tes in unsere Herzen durch den heiligen Geist; und der innett Zustand des Gerechtfertigten als heilige Gesinnung, als die ge¬ heiligte Willcnsrichtung, als habituelle Lust und Freude am gött¬ lichen Gesetze, als entschiedene und thätige Geneigtheit, dasselbe in allen Vorkommenheiten des Lebens zu vollziehen; kurzt/H eine Sinncsweise, die in sich Gott angenehm und wohlgefällig ist; indem Gott den Menschen für gerecht, für ib?' wohlgefällig erklärt, ist cs der Mensch auch. (Dr.->> A. Möhler, Symbolik, S. 1Z0.) Wie ganz verschieden davon lautet die Lehre, welche die ff- genannten Reformatoren des sechzehnten Jahrhunderts aufzustemf beliebten, und welche man nicht mit Unrecht in gewisser Hinhss' den Grund irrt hum ihres Rcligionssystcms nennen kann! Rechtfertigung im protestantischen Sinne ist ein richterlicher Ac Gottes, wodurch der gläubige Sünder von den Strafen Sünde, aber nicht von dieser selbst, befreit wird; währen wir Katholiken einerseits die Vergebung der Sünde, Schuld u» 241 Strafe, anderseits die positive Heiligung in gleicher Weise durch die rechtfertigende Tbat Gottes erfolgen lassen. Der große Ge¬ gensatz der Bekenntnisse besteht demnach darin, daß nach der ka¬ tholischen Lehre die Gerechtigkeit Christi im Acte der Rechtferti¬ gung unmittelbar von den Gläubigen ausgenommen, und hiemit zugleich eine innere wird, das gesummte sittliche Leben des Gläubigen umwandelnd; während die Gerechtigkeit nach den pro¬ testantischen Grundsätzen in Christo bleibt, auf die Gläubigen nicht innerlich übergeht, und zu denselben zunächst nur in eine äußerliche Beziehung, in ein äußerliches Vcrhält- niß tritt; sie bedeckt nämlich die Ungerechtigkeit derselben, und zwar nicht bloß die vergangene, sondern die bleibende, indem durch die Rechtfertigung der Wille nicht geheilt wird. (Dr. I. A. Möhlers Symbolik. S. 138.) Wenn die Reformatoren von der Heiligung reden, so ist ihnen diese etwas Anderes, als uns Katholiken; nämlich nicht Eins mit der Rechtfertigung, son¬ dern etwas derselben, welche sie nur in die Erklärung des SündenNachlasses, nicht in die Entsündignng selbst setzen, Nachfolgendes. Jene ist die Hauptsache. Wodurch wird der Mensch vor Gott gerechtfertigt? Was Incrüber die katholische Kirche behauptet, haben wir oben um¬ ständlicher angegeben. Die Protestanten hingegen sagen: „durch den Glauben allein". Was ist aber der rechtfertigende Glaube im protestantischen Sinne? „Der Mensch glaubt, wenn er vertraut, daß er von Gott zu Gnaden ausgenommen sttz- und um Christi willen, der durch seinen Tod für unsere Sün¬ den Gcnugthuung geleistet bat, Vergeben derselben erhalte." Ist der protestantische Begriff von der Rechtfertigung cm falscher, — ein, wie wir nachher beweisen, mit der heil. Schrift durchaus nicht vcreinbarlichcr, so gilt dies nicht minder von dem Grunde der Rechtfertigung. Wir Katholiken unterscheiden, ge¬ stützt auf die heil. Schrift, einen todten und einen leben¬ digen Glauben. Wenn selbst berühmte mittelalterliche Lebrcr, h B. der heil. Thomas von Aquin, dem Glauben die rcchtfcr- ügende Kraft beilegen, so baden sic immer nur den in Li e b c tätigen, lebendigen Glauben, nicht aber ein u n frucht- "ares Vertrauen im Sinne. „Der Glaube, sagt der genannte Eilige, durch welchen wir von der Sünde gereinigct werden, >ü wcht der unlebendige Glaube, welcher mit der Sünde vor- danden seyn kann, sondern der durch die Liebe lebendige." mumm» p. Hl.) Welchen wichtigen Platz das Concil zu Trient dr>n fcstcnFürwahrhalten der von Gott geoffenbarten Wahr- dtüeu, und dem dcmutb vollen Vertrauen auf die Barm- , tzigkest Gottes um der Verdienste Christi willen m dem ->cr- aufe der Rechtfertigung des Sünders anweije, ist aus dem oben ^rtcn Cap. 8. ersichtlich. Den rechtfertigenden Glauben ""ch protestantischer Ansicht konnte cs freilich nicht billi- sondern mußte ihn als Jrrthum verwerfen. Ganz gegen 16 242 die Aussprüche der heil. Schrift ließen die sogenannten Reforma¬ toren den Unterschied zwischen dem tobten und lebendigen Glau¬ ben gar nicht gelten. Luther stellte die Existenz des tobten Glau¬ bens in Abrede, weil nach ihm der Glaube ausschließlich das Ergebniß der Thätigkeit Gottes im Menschen sey; noch heftiger ereiferte er sich gegen den in Liebe th ätig en Glauben, wel¬ chen er in der Auslegung des Briefes Pauli an die Galater eine» eitlen erdichteten Schein, und falsche trügliche Täuscherei des Evaugelii nannte! (Siehe Omic. Triel. sess. 6. can. 28.) Wir fassen nun die katholische Lehre von der rechtfertigenden Gnade in kurzen Sätzen, nach der Anleitung des Concils zu Trient, zusammen, unter Hindeutung auf ikre Beweisgründe. Die Rechtfertigung besteht nicht in der bloß äußeren Zu¬ rechnung der Gerechtigkeit Christi; sondern in der eigentlich k eilig machenden Gnade, welche ein der Seele innerlich zu- kommendes, bleibendes Geschenk Gottes ist. (6one. Telil, sess. 6. con. I I. sie gustlsi) — „Gleichwie durch den Ungehorsam des Ei¬ nen Menschen die Vielen (Alle) zu Sündern geworden sind, st werden durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechte» gemacht." (Röm. Eap. 5, V. 19.) Der Apostel stellt Adam u»b Christum einander gegenüber. Nach dem katholischen Lehrbegnjsi sind wir durch Adam wirklich innerlich Sünder geworden vor Gott. Durch Christi Gehorsam werden wir inncrliül wieder cntsündigt. Auch die sogenannten Reformatoren stell¬ ten das Erbübel nicht in Abrede, — ja Luther sagte sogar, Sünde sey die Wesenheit des Menschen nach dem Falle. Calvin schwankt in seiner Ansicht, und weiß nicht, ob das Ebenbild Got¬ tes im Menschen durch die Sünde Adams ganz vernichtet — wie Luther annahm — oder doch nur verstümmelt worden sipl der überhaupt mehr oberflächliche Zwingli allein hielt die Erb¬ sünde bloß für eine Naturanlagc, also an sich weder für Sünd9 noch für Schuld. Wenn aber nach Luther und Calvin die Ver¬ wüstungen der Erbsünde in uns so furchtbar sind, daß sie selbst im Willen des Wicdergcborncn bleiben; die Krankheit, an der wir durch sie darniederliegen, so verheerend, daß wir selbst durm Christi Gnade nicht vom Grunde aus wieder genesen könne»/ setzen sie sich nicht mit obigem Ausspruche des Wcltapostels >» Conflict, und haben sie nicht eine sehr dürftige Vorstellung vo» der erneuernden Kraft des Christcnthumcs? Und wenn sie sago»- daß Gott die Sünden der Gläubigen vor seinem Auge verberg 9 oder Diese als gerecht anschaucs obwohl sic cs nicht sind/ beben sic dadurch nicht cntwedcr die Heiligkeit und Gercchtigkr» Gottes, oder das Wesen der Sünde auf, so, daß, was von der» Menschen als Sünde betrachtet werde, vor Gott wirklich kenn icy, sondern nur eine Folge der Endlichkeit des Menschen? Ga») gewiß! (Siehe Dr. Möhlers Symbolik. S. 146 ». ff.) Nur mit der katkoliscbcn Auffassung der Rechtfertigt"^ lst auch folgende Stelle aus Ephes. Cap. 4/V. 23, 24. im Ei»' 24g klänge: „Erneuert euch i'm Geiste eures Gemüthes, und ziehet den neuen Menschen an, der nach G ott gesch affen ist, in Gerechtigkeit und wahrhafter Heiligkeit". (Vergl. csn. 3. «ess. 3. klone. Hl.) Im Canon 12. 8e8s. 6. Oone. Mül. wird die protestantische Ansicht von der Beschaffenheit des rechtfertigenden Glaubens als falsch vernrthcilt. Die Bibel spricht wohl auch vom, wenn man so sagen darf, „theoretischen" Glauben, der die Rechtfertigung einlcitct, für sie disponirt; aber nirgends vom lutherischen rechtfertigenden Vertrauen. Siehe Joh. Cap. 20, V.31; Röm. Cap. 10, V. 9; Hebr. Cap. 11, V. 6.— Im Widerspruche liegen die Natur des Menschen trennen die Reformatoren das Vertrauen — (welches allein rechtfertigen soll) — von der riebe, da doch das Vertrauen selbst nur ein Moment der Geschichte der Liebe ist. (Dr. Möhler a. a. O. S. 166—175.) „Wenn Jemand sagt, durch den Glauben allein werde der Sünder gerechtfertiget, so daß nichts Anderes erfordert werde, was zur Erlangung der rechtfertigenden Gnade mitwirken müsse; >wd daß durchaus nicht nothwcndig sey, daß sich der Sünder durch die Bewegung seines eigenen Willens dafür vorbereite und disponire, — so sep er im Banne." (8088. 6. cnn. N.) Vergl. 13.14 oap. !). „Nicht die H örer des Gesetzes sind gerecht dciGott, sondern die Befolg er des (evangelischen) Gesetzes worden gcrechtfertiget werden." (Röm. Cap. 2, V. 13.) „Was Mtzt cs, meine Brüder, wenn Jemand sagt, er habe den Glan- don, aber die Werke nicht hat? Kann etwa der Glaube ihn machen?" 1. Petri Cap. 2, V. 21. u. A. Die sogenannten Reformatoren läugneten Beides. Denn da »ach ihrer Ansicht die Rechtfertigung nur in dem Bedecken der Sünde besteht, wozu das noch mehr zudeckcn, was Gott ohnehin nicht sehen will? Und wenn die Gerechtigkeit Christi vom Menschen stch nur äußerlich ungeeignet wird, so ist sie in Al¬ len gleich, Keiner kann vor dem Andern als mehr Gerechtfcr- stgter einen Vorzug haben. Und wie sollen Sünden der recht¬ fertigenden Gnade 'verlustig machen können, wenn nur der Glaube allein dieselbe bewirkt, und bcwabrt? Von seinem Standpunkte aus konnte Luther nicht anders reden, als: „Nun sichst Dn, wie reich der Christ, oder der Getaufte ist; denn auch wenn er Mill, kann er sein Heil nicht verlieren, so groß auch seine Sün¬ den styn mögen, cs sey denn, er wolle nicht glauben. Keine Sünde kann ibn verdammen, als der Unglaube aUein". (äs capt. 8sb)I.) Ist das wohl biblisch, evangelisch? (Siehe Oone. Drlä. «ess. 6. csn. 27.) Im Zusammenhänge mit diesen Verirrungen steht die Behaup¬ tung der Reformatoren, daß der Gläubige von seiner Rechtferti¬ gung vor Gott und von seiner künftigen Seligkeit vollkom¬ men überzeugt seyn könne, ja müsse. Unsere Kirche hingegen lehrt (Oouo. Driä. sess. 6. cap. 9 u. 12. und can. 13.), daß cine ttukrügliche Gewißheit hierüber Niemand — ohne spcciclle Offen¬ barung Gottes, — babcn könne. „Der Mensch weiß nicht, ob os der Liebe oder des Haffes würdig sey." (kcelesisstes Cap. 9, U) „Ich bin mir zwar nichts (Bösen) bewußt, aber da- sum noch nicht gere ck tfc r tig et; der mich richtet, ist der Herr." ,1. (§or. Cap. 4, V. 4.) Sogar der Wcltapostcl hielt sich lewes Heiles nicht ganz versichert, der wahrlich nicht bloß glaubte, sondern auch in Liebe wirkte; jemand Anderer aber soll, ob auch etwa gar schuldbewußt, am Heile nicht Geiseln dürfen, wenn er nur glaubt? Ost,ne falsche Sl- fderheit, aber doch trostvoll, ruhig und mit völliger.Eingebung ui Gottes Barmherzigkeit harrt der katholische Christ dem ^age ^utgegen, an welchem Gott entscheiden wird. (Siebe Dr. )Aob- mr a. a. O. S. 193 u. ff.) Nur Wer bis zum Ende ausharrt, w'rd selig. Das Concil zu Trient nennt diese Beharrlichkeit eine große Gnad en gäbe. (sess. 6. cun. 16. — Vergl. csn. 22. vap. 13,) 246 -fortsetzunsi. Der Katholik erkennt mit Recht darin einen Beweis der gött¬ lichen Führung, deren sich seine Kirche erfreut, daß sie in ihren Glaubensentscheidungcn zu jeder Zeit den einzig richtigen Weg zwischen den Ertremen einhielt, an welche sich der Jrrthum an¬ klammert. So auch iu der Lehre von der Gnade. Sie verthei- diget die Nothwendigkeit der übernatürlichen Gnade Gottes gegen Jene, die der Willenskraft des Menschen Alles oder zu viel ein¬ räumen; aber nicht minder nimmt sie sich des freien menschlichen Willens an Denen gegenüber, welche ibn allzusehr herabsetzen. Sie lehrt: daß durch die Erbsünde die Freiheit des menschlichen Willens zwar sehr geschwächt, aber doch nicht ganz vernichtet wer¬ den; und daß nicht alles religiös sittliche Thun des Menschen noth- wendig Sünde, wenn gleichwohl auch nie aus sich und durch sich gottgefällig und irgend vollkommen sey. < Siehe Onno. Drill. 8es8. 6. esu. 7.) Auch der gefallene Mensch sey noch Träger des in ihm nicht völlig verwischten Bildes Gottes. „Wenn Jemand sagt, daß der freie Wille des Menschen nach der Sünde Adams verloren und vernichtet worden, oder daß er Etwas mit bloßem Titel, ja ein Titel ohne Wesen sein leerer Name), eine Erdichtung, vom Satan in die Kirche eingesührt sey; so sey er im Banne." (Ovne. Drill. 8688. 6. van. 3. vergl. crm. 6.) Diese, sowohl in der bcil. Schrift und Tradition, als auch in dem S clb stb ewußtse yn eines Jeden aus uns, vermöge welches er sich innerlich frei weiß, wohlbegründete Wahr¬ heit haben die Reformatoren schwer verletzt. Nach der lutherischeu Auffassung der Erbsünde besitzt der gefallene Mensch nicht einmal mehr das bloß natürliche Vermögen, Gott und seinen heilige" Willen zu kennen, nud dem Erkannten gemäß zu wollen. Das Erkenntniß- und W i llcn s verm ö g en wird ihm völlig abgespr^ chen, in so ferne sich dasselbe aus die göttlichen Dinge bezieh" Calvin ging nicht fo weit; wenn er von einer Vertilgung des Willens spricht, so will er nur das wirkliche gute Wollen, ni"si das Willensvermögen verstanden haben. Zwingli's ratio""' Wischer Ansicht von der Erbsünde habe» wir schon erwähnt. Eben weil die katholische Kirche die Freiheit des menschliche Willens anerkennt, lehrt sie auch, daß derselbe mit der Gnad" Gottes Mitwirken könne und solle; daß er aber der Gnade auch zu widerstehen vermöge. Siehe den caw kess. 6. Oone. Driii. — Sie setzt das Wese» der xrntis nicht in die, wenn gleich etwa nur innerliche Nöthignffg- welche dem menschlichen Willen angethau würde, und hat ein" solche Ansicht, wenn sie auftauchte, alsbald verworfen. So z- A als Michael Bajus, ein belgischer Theologe aus Löwen, im Jahrhunderte unter Anderem den Satz aufstrllte: „Was freiwichg fvvlimtsriv) geschieht, geschieht frei, wenn es auch nothwerrdlsi 247 also geschieht". Papst Pius V. verurtheilte ihn als irrig. — In der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts brachte Cornelius Jaiisenius, Professor zu Löwen, gestorben 1638 als Bischof zu Npcrn in West-Flandern — dessen Anhänger, die Jansenistcn, der Kirche viel zu schaffen machten — ähnliche Behauptungen vor. Unter den fünf, aus seinem hinterlassenen Werke „Augustinus" ausgezogenen, und vom apostolischen Stuhle zu Nom verdamm¬ ten Sätzen, lautet der Zweite: „Der inneren Gnade Gottes kann im Stande der gefallenen Natur (d. i. in Folge der Erbsünde) nie widerstanden werden". — Lehre der Kirche — Dogma im eigentlichen Sinne ist nur: daß die Gnade (^ratia essieax) die Freiheit des menschlichen Wil¬ lens nicht bebindcre, oder gar aufhebc; und daß der Mensch der Gnade zu widerstehen, d. i. ihrem Zuge, ihrem Rufe nicht,zu folgen, vermöge f^rstia suüwens). lieber das Wie des Verhält- msscs der wirksamen Gnade zum freien menschlichen Willen hat die Kirche nichts entschieden. Die theologischen Schulen haben sich über der Beantwortung dieser Frage viel abgcmüht; wir übergehen ihre verschiedenen Meinungen, da es uns hier zunächst nur um die unwandelbare Glaubenslehre, nicht um Hy¬ pothesen zu thun ist. Nur so viel bemerken wir, daß wohl nur einzelne mißverstandene Stellen aus den Werken des heil. Augustinus, Diejenigen — wie z. B. den obgenannten Janse- mus — welche die Unwiderstehlichkeit der göttlichen Gnade auf Kosten der menschlichen Willensfreiheit behaupteten, veranlassen konnten, sich auf ibn zu berufen. Unzählige Male spricht der heilige Lehrer von dieser Freiheit. Um nur Eines anzuführen: "W steht dem eigenen Willen frei, dem göttlichen Rufe beizu- üuunien, oder sich ihm zu widersetzen". (Ob- clo 8piritn et lit. cap. 34.) ' Schon im alten Bunde heißt cs von Gott (der göttlichen Esheit): „Ich rief und ihr wolltet nicht". (Sprichw. Cap. 1, 2-l.) „Ihr widerstrebet dein heiligen Geiste, — rief Stephan °ru Juden zu, — wie eure Väter, so auch ihr!" (Apostelgesch. ^p- 7, V. 51.) Was insbesondere die Rechtfertigung betrifft, so treffen in selben nach katholischer Auffassung — siehe Ooncil Vrist.sess. 6. 5 und 6; csnon 4. — zwei Thätigkciten zusammen: die Ältliche und die menschliche, und durchdringen sich, wenn °as Werf gelingt; so, daß cs Ein goktmcnschlichcs Werk ist. «Siehe Dr. 'I. Ä. Möbler's Symbol. S. 107 u. ff. Ohne die Gnade ist schon keine Disposition zurRechtfertigung da (can.Z.); aber der Mensch muß sich durch sic auregeu, disponircn lassen, "ad ihr auch daun weiter mit Freiheit folgen. . Daß nach dem lutherischen Systeme deßhalb von einer Mit- "arkung des Menschen mit der Gnade keine Rede scyn könne, ">eil dasselbe die Erbsünde in die Vernichtung des Gottebcn- b'ldlichen im Menschen setzt, ist klar. Verglich ja Luther (in Gen. 246 Cap. 19.) den gefallenen Menschen mit einem Klotze und Steine! Die Gnade allein wirke Alles; der Mensch verhalte sich zu ihr ganz passiv. — Die Reformirtcn und zwar die Calviner, — lassen wohl eine Mitwirkung des Menschen zu; aber sie weichen doch anderseits von der katholischen Wahrheit dadurch ab, daß sie zu¬ gleich die Gnade, von welcher die nicht zur Seligkeit Prädesrimr- ten gar nicht berührt würden, für eine schlechthin unüberwind¬ liche halten. Also die sog. Zrnü'a sullioiens läugnen sie. Die eben erwähnten Jrrthümer verdammte das Louci'I Iml. SL88. 6. esu. 4, 17. u. A- Wie viel Tröstliches die katholische Kirche ihren Gläubigen biete, bezeugt auch ihre, mit der bisher dargestellten Theorie von der Rechtfertigung im schönsten Einklänge stehende Lehre, daß Gott Niemandem die nothwcndige Gnade verweigere, wie ja Christus für alle Menschen gestorben sey, — daß von Gott Niemand durch eiu sogenanntes absolutes Decret von Ewigkeit an zur Verdammung bestimmt sey, welcher er also unmöglich ent¬ gehen könne. Freilich weiß Gott von Ewigkeit schon, Wer se¬ lig und Wer verworfen seyn werde; er sieht das Verdienst Jenes und das freie Verschulden Dieses voraus, aber darin liegt keine fatalistische Nothigung für den Menschen. „Die katholische Kirche verwirft eben sowohl eine vom Menschen aus¬ gehende Bestimmung Gottes, die heiligende und beseligende Gnade zu verleihen, als eine von Gott ausgehende Bestimmung des Men¬ schen, gerade Dies oder Jenes werden zu müssen; viel¬ mehr lehrt sie in der ersten Beziehung, daß seine Gnade unver¬ dient sey; in letzterer, daß sie allen Menschen angebotcn werde, die Verdammung derselben also von der freien Ver¬ werfung der erlösenden Gnade abhange." (Dr. Möhler a. a. D> S. 121.) Calvin behauptete die absolute Vorherbestimmung Jener, die nicht selig werden, zur ewigen Verdammung. Dies allein würde genügen, ihm nicht nur den Vorwurf der Irrlehre, sondern geradezu der Gotteslästerung zuzuziehen. — In hei¬ liger Entrüstung belegt das Concil zn Trient diese Behauptung/ und alle aus ihr fließenden Folgerungen mit dein AnatheM- — Siehe se88. 6, oanon 6, 17, enx>. 12. u. A. chort s e k; u n fl. Mit der Gnade stehen, wie schon im Eingänge bemerkt wurde/ die guten Werke und ihr Verdienst in Verbindung. Unter gute" Werken verstehen wir hier im Allgemeinen die sittlich guten Hand¬ lungen; — vorzüglich aber die Früchte der geheiligten Gesinnung/ der gläubigen Liebe. Man kann sie diesemnach in natürliche und übernatürliche gute Werke unterscheiden; Jene sind solche, die von dem noch nicht gerechtfertigten Menschen— zumal n»r dem natürlichen Sittengesetze gemäß, verrichtet wer- 249 den; Diese sind die obbemeldeten Früchte der gläubigen Liebe. Jene begründen höchstens ein nur zeitliches; Diese aber cin cwigesVerdienst vor Gott. In Betreff der n a- türlich guten Werke lehrt die katholische Kirche, daß sie nicht unmöglich sehen, weil, wie schon gesagt, durch die Erbsünde we¬ der die Erkenntuiß des Sittengcsctzes, noch die Freiheit des Willens ganz vernichtet wurde. Der 25. Satz des Bajus: »Alle Werke der Ungläubigen sind Sünden, und die Tugenden der Philosophen sind Laster", ward vom römischen Stahle verwor- len. Mit Recht! Denn der heil. Paulus sagt ja nicht, daß die Heiden, wenn sie das natürliche Gesetz erfüllen, sündigen (Röm. Eap. 2, V. 14, 15.); und in der Apostelgeschichte ft ist, schon zu empfindlich vorkommt? Nicht die Fleischspeise wird Dich verurtheilen, sondern das Wort des Herrn, das sich in Deinem Ungehorsame erfüllt: „Wer die Kirche uia't hört, ist ein Heide und öffentlicher Sünder". (Matth. Eap. l8, 251 XXl Die sieben heiligen Saeramente. Tankt, Firinung. Jesus Cbristus bat die Erlösung des Menschengeschlechtes bin für alle Mal vollbracht (Hebr. Eap. 9, V. 12.); aber düs sein Werk besteht i» Ewigkeit fort, mit allen seinen Früch¬ ten und Verdiensten. Alle Menschen — Keiner ausgenommen, bis jnni Ende der Zeiten — sollen an denselben Tbeil nehmen. Die Zuwendung und Vermittlung der unendlichen Verdienste des Erlvsuugstodes Jesu geschieht in der von ihm gegründeten Heilsanstalt; nämlich in seiner Kirche, und zwar durch das von ihm verordnete Priester tbum «I. Eor. Cap. 4, V. l.); zumal wenn es die heil. Sacra mente ausspendet. Von denselben werden wir im Folgenden die Hauptpunkte in Kürze darlegen; da cs über den Zweck dieses Buches binansge- dcn würde, stch zu weit in Einzclnbeitcn einzulassen. Nur in Be¬ treff des allerheil. Altarssacramentes wird unsere Erörterung ct- tvas weitläufiger seyn. Das Sacramcut ist ein sichtbares, vvu Jesus Cbristus ei'uge- ühtes Zeichen, welches die Heiligkeit und Gerechtigkeit (die bci- ügmachende Gnade) nicht nur anzuzeigen, sondern auch in "er Tbat zu bewirken die Kraft bat. sOuteelu'si». roman. Schon ans dieser Begriffsbestimmung erbellt, daß 9e Sacramente nicht bloße Sinnbilder, oder nichts als Zei- u'cn seyen, nm die sittliche Umwandlung, welche im Ju- "Mi des Menschen vorgeht, zu veranschaulichen; oder bloße r i uu e ru n g s m itte l au gewisse geschiebtliche Vorfälle aus dem "öen Jesu. 'So z. B. vergegenwärtiget die Taufe nicht nur die Listige Reinigung durch das Abwaschen des Körpers; — h>ts Altarssacrament ist nicht einzig eine Gcdächtnißfeier des s'ei- "ns und Sterbens Jesu. ) Der von uns öfters citirte „Osteoliismus Ilvuuiuuz" wurde über Auftrag des Concils von Trient verfaßt; weshalb er den Beisatz führte „vx cleoreto Onneilii lUdentiui". Dies gibt ibm das Hobe Anseben, welches ihm in der katholischen Kirche zukommt. Vier ausgezeichnete Tbcologen : Mutius Ea- linius, Erzbischof von Zara; Leonardo Marino, Erzbischof von Lanciano ; bgidio Foscarari, Bischofvon Modena; und Francesco Fureiro, ein portu¬ giesischer Dominikaner, wurden vom heil. Vater Pius IV., der ihnen drei Cardinale, und unter anderen den berühmten Philologen Paulus Manu- tius — Diesen der sprachlichen Vervollkommnung wegen — beigab, mit der wichtigen Arbeit betraut. — Unter Papst PiuS V., im Jahre 1566, war er erschienen. Zunächst soll er als Leitfaden dienen für prctische Seelsorger beim Re¬ ligionsunterrichte. 252 Eme so oberflächliche Ansicht von den heil. Sacramenten ha¬ ben die modernen Rationalisten; — ganz begreiflich! Denn wenn ihnen das gesammte Ebristenthnm nichts Ucbernatürlichcs; Chri¬ stus selbst nur ein bloßer Mensch ist, wie könnten sie in den Sa¬ cramenten außer Dem, was in die Sinne fällt, noch etwas Hö¬ heres anerkennen? Aber auch schon der Begriff, welchen sich Ulrich Zwingli, der Schweizer Reformator, von den Sacramenten bildete, war kein minder schlechter und armseliger. Ihm galten dieselben nur als äußere Ceremonien, durch welche sich der Mensch als Mitglied der Kirche und Anhänger Christi darstellt; nur als Zeichen, au welchen sich die Christusgläubigen einander als solche erkennen.— Luther war auch hierin, wie in anderen Stücken, unstät. Anfänglich wenigstens räumte er den Lacramenten zwar eine etwas bessere, aber doch auch keine andere Bestimmung ein, als dem gläubigen Empfänger als Unterpfand zu dienen, und ihm die beruhigende Gewißheit zu verschaffen, daß ihm seine Sünde »schuld nachgelassen, d. i, daß ihm die Rechtferti¬ gung im protestantischen Sinne, nicht aber auch die Hei¬ ligung zu Theil werde. — Calvins Ansicht war im Grunde du nämliche; nur daß bei ihm das Subjektive noch greller her¬ vortritt, indem er es rein nur vom Glauben und von der Aus¬ erwählung des Empfängers zum ewigen Leben abhängig machte, ob derselbe eine heiligende'Kraft oder ein ganz unfruchtbares Ele¬ ment und sonst gar nichts erhalte. — Aus den Bemerkungen bei den Sacramenten der Taufe und des Abendmahles wird das Ge¬ sagte klarer werden. So uneins waren in dem Wichtigsten jene Männer, welche sich zu Reformatoren der katholischen Kirche berufen meinten Der nichts weniger als auferbauliche „Sacramcntsstreit", welcher unter ihnen entbrannte; die oft maßlos heftige Polemik Luthers gegen die sogenannten „Sacramcntirer" gehörten unter die näch¬ sten Früchte' ihres Abfalles von der uralten katholischen Wahr¬ heit. Diese sprach, ihren Jrrthümern gegenüber, das heil. Con- cil zu Trient feierlich aus: (sess. 7, ean. 6. cle 8a rameutw in 8^ nere) ,.8l guis elixerit 8aeramenta novav le^ls mm oontinoro gr-i- tiam, gusm --a'ogntieant: aut ^ratiam lpsam non poncntibus obieew »o» eonkerro; guasi euAna tsntum externa sint acosptas per kiüew Aratiae, et notao guaeüani ebrlstlsnae prolessionis, gulbus aputl bo- mineš clkcermmtur lüleles ab inliclelibns, anatbema sisisi (Wenn mand behauptet, die Sacramente des neuen Bundes enthalten nicht die Gnade, die sie anzeigen; oder sie verleiben die Gnad Denen nicht, welche ihr kein Hinderniß entgegensetzen; gleich w wären sie nur äußere Zeichen der durch den Glauben erlangt^ Gnade der Rechtfertigung, und nichts als gewisse Merkmale H christlichen Bekenntnisses, wodurch sich bei den Menschen die Gw"' bigen von den Ungläubigen unterscheiden, so sey er im Banne.) "s Die Sacramente dürfen demnach durchaus nicht mit gewissen sp"' bolischcn Handlungen in den heidnischen Religionen 253 z. B. die Taufe mit den dortigen Lustrationen — auf Eine Linie Mellt werden. Dieselben waren freilich nichts, als leere, kraft¬ lose Zeichen. 2a nicht einmal mit Jenen des mosaischen Ge¬ setzes fallen sie in Eins zusammen. Denn diese konnten die Gnade, z. B. der Aussöhnung mit Gott, nicht an und für sich bewerkstelligen; sondern sie nur andeutcn, in so ferne sie Vorbilder der neute stame ntlichen Sacramente waren. So war z. B. die Beschneidung ein Symbol der Taufe. Die Bedingung der Rechtfertigung im alte» Bunde war die Hoffnung auf den verheißenen Erlöser; da hingegen die von Diesem angeordneten Sacramente die heiligmachende Gnade nicht mir vorstellen, sondern, wie das Eoncil lehrt, enthalten und verleihen. „8i gin's clixerit — erklärt es gerade hierüber¬ es ipsa iwvas leZss 8aeramenta s 8acra montis aiNigna« Ic-Zjs nou Meere, nisi gni'a eercmmnas sunt alias, et aln eitus extern!: ana- lbem» sit." (sess. 7. can. 2. tolz demütlsigen, indem sie uns zu Gemüthc sichren, daß wir uns nun der Sinucnwclt, — von welcher die äußeren Zeichen hergenommen sind — unterwerfen müssen, um Gott zu gehorchen, von dem wir früher frevelhaft abgefallcn waren, um der Welt zu dienen. ,.8i guis dixcelt. 8seramontii novao le^is non esso ml salutem necesssrig, «est supcrllua; et sine eis, aut eoriun voto, per solam llclem liomines a Deo Aratiam justilleatlonis aclipiscl; licet oninia m'n- Mills necessaria non slnt, anatlieina sit." Oone. Drill. soss. 7. oan. 4. »le 8acr. in ^en. — (Wenn Jemand sagt, die Sacramente des neuen Bundes seyen zum Heile nicht nothwendig; sondern über¬ flüssig, und die Mensche» erlangen ohne sie, oder ohne den Wunsch/ sie zu empfangen, < falls dies in der That unmöglich ist), durch den bloßen Glauben, von Gott die Gnade der Rechtfertigung/ obwohl nicht Alle den Einzelnen nothwendig sind, so sey er im Banne.') Zu den Erfordernissen eines SacramcnteS, ohne welche es kein solches geben kann, gehört vorerst seine göttliche Ein¬ setzung. Denn das Sacrament wirkt auf die unsterbliche Seele, indem cs dieselbe Gott wohlgefällig macht; oder sie mehr und mehr heiliget, — was gewiß nur Gott, der Herr der Seele und der Gnade zu thun vermag. Nur Jesus Christus, in dessen Erlösuugstvde die Kraft der Sacramente wurzelt, ist ihr Urheber. ,.8i gnis «lixeril, 8acraine»ta novao IkM8 non kuisso omnia ^esu Obristo Domino «ostro instituta — anatbema sit." Oone. 'l enk so««. 7. ean. k. cle 8acr. in ^ou. — (Wenn Jemand sagt, die Sa¬ cramente des neuen Bundes seyen nicht Alle von unserem Herrn Jesus Christus eingesetzt worden, — so sey er im Banne.) Jedes Sacrament besteht aus einer Materie und Form. Die Materie ist irgend etwas Stoffliches; als: in der Tauft das Wasser; in der Firmung das Chrisma; in der letzten Oelung das Del; — oder sic ist eine Handlung; so: in der Priester¬ weihe die Händeanflcgnng des Bischofes. Die Form aber sind die Worte, welcsie mit der Materie dcßhalb in Verbindung gebracht werden, weil es obue dieselben nicht immer erkennbar wäre, was die Materie eigentlich zu bedeuten habe. So hat Z- das Wasser die Kraft sowohl zu erfrischen, als auch abzn- waschen, zu reinigen. Durch die bei der Begießung mit dem¬ selben in der heil? Taufe ausgesprochenen Worte wird cs klar/ 255 daß es laut seiner Eigenschaft, zu reinigen, die Materie dieses Sacramentes bilde. Zwischen der Materie und der Wirkung des Sacramen¬ tes findet eine Analogie Statt; so versinnlichen z. B. Brod und Wein, als die gewöhnlichsten Stärkungsmittel des Leibes vor¬ trefflich die himmlische Stärkung, welche im allerhcil. Altars- sacramente der Seele gereicht wird. Materie und Form machen zusammen das äußere Zeichen aus, von dem oben in der Begriffs-Aufstellung die Rede war. Eben in diesem Begriffe liegt es schon, daß alle Sacramente, wenn sie anders gültig, d. i. mit Beobachtung alles wesent¬ lich dazu Erforderlichen ausgespendet werden, und der Empfän¬ ger selbst ihrer Wirksamkeit kein Hinderniß in den Weg legt, die rechtfertigende oder heiligmachende Gnade entweder erst krtheilen, — sey es, daß sic früher noch gar nicht empfan¬ gen, oder wieder verloren worden sey; — oder die schon vor- ltMdene vermehren. Dies begründet die Unterscheidung in die Sacramente der Todt en, und jene der Lebendigen. Zu den Weren gehören die Taufe und die Buße, durch welche der ehe- an seiner Seele geistig Todte zum neuen Leben der Gnade er¬ weckt wird; — zu den Letzteren die sünf klebrigen. Wer Diese empfängt, muß das Leben seiner Seele schon haben, d. i. er muß ßch schon im Stande der heiligmachcnden Gnade befinden, weil »e sonst nicht vermehrt werden könnte. Ein jedes Sacrament verleiht eine besondere Gnade, de- Mi der Empfänger eben vorzüglich bedarf; als z. B. der neu- gcweihte Priester, die neu Getrauten, zur Erfüllung ihrer schwc- Standespflichten; — was so zu verstehen seyn dürste, daß Eine heiligmachende Gnade überhaupt in jedem Sacramente »ach einer bestimmten Richtung wirke, und dem Menschen Anspruch auf den besonderen Beistand Gottes verleihe, damit Zweck des Sacramentes an ihm erreicht werde. Drei aus den Sacramente», nämlich: die Taufe, die Fir- Auig und die Priesterweihe, drücken der Seele ein unauslöschliches Merkmal auf, weßhalb sie nur Einmal empfangen werden dür-- und, nach dem Zeugnisse der Geschichte, nie wiederholt wor- sind. Darüber hat sich das Concil zu Trient in der 7. Sitzung k»Ns>n 9, gg 8ner. in Aon. ausgesprochen: ,.8> guis ch'xerlt. in tri- 8zeoomentis, Ikgptisinc» seilioet, Oonlirinatione et Oillino, non wftimi elmraetorsin in aninin, Iioe ost, si^mnn gnallcbnn spiritual« V iuöelebils, mulo VS iterari »cm possnnt, anatlivma sich. (Wenn Winand sagt, daß in den drei Sacramenten: der Taufe, der Fir- und der Priesterweihe, der Seele nicht ein Charakter — Merkmal — cingcprägt werde; das ist ein geistiges, unauslösch- Hes Zeichen; weßhalb sie nicht wiederholt werden können, so y er im Banne.) Als Ursache davon kann angegeben werden, in der Taufe der Mensch Ein für alle Mal wiedergebo- Zum Kinde Gottes aufgenommen werde, daß ein neues blei- 256 bend höheres Daseyn für ihn beginnen solle; daß er in der Fir¬ mung eben so als Streiter Christi gegen die beginnenden und bis zum Tode nicht endenden Versuchungen gesalbt; in der Priester¬ weihe aber für immer aus der Menge der Gläubigen zum ausschließlichen Dienste des Herrn ausgeschicden werde. In Betreff der Nothwcndigkeit steht die Taufe oben an, als das einzige Mittel — den Fall der absoluten Unmöglich¬ keit ausgenommen — von der allgemeinen Erbschnld gerciniget zu werden. Dann folgt die Buße, als das alleinige Rettungs¬ boot für Alle, welche nach der Taufe durch persönliche Sün¬ den die Gnade Gottes verloren haben; hierauf die Priester¬ weihe, weil sie, wenn auch nicht dem Einzelnen, so doch der Gesammtkirche unentbehrlich ist. Wird aber in den Sacra- mcnten die Würde berücksichtiget, so gebührt sowohl wegen der Heiligkeit des dort gegenwärtigen Gottmenschen, Jesus Christus, als auch wegen der Menge und Größe der zusammcntreffcuden Geheimnisse weitaus dem allcrh. Altarssacrameute der Vorrang vor den übrigen. (Siebe Oone. Trist, soss. 7. ean. 3. ste 8aer. m Mn., und Oateeb. rom. sto genest, et stiller. 8aei'sm.) „8i guis stixerit. baee seplem 8aeramoMs im esse inter so pari«, ut nulla latione rstmü sit slin stiMi'us, snstbema sit." ean. 3. (Wenn Jemand sagt, daß die sieben Sacramente unter einander so gleich scpen, daß in gar keiner Beziehung dem Einen eine größere Würde znkommc, als dem Andern, so sey er im Banne.) Wir haben schon bervorgchoben, daß die Sacramente du heiligmachende Gnade nicht nur anzeigen, sondern auch bewirke»' Ueber die Art dieser Wirksamkeit lehrt das Concil zu Trient' „8i guis stixerit, per ipsa novae leKis 8aeraments ex opero opH rate non eonlorri Mstiam: sest snlsm kulem stivinae promissiow' ast <-eatiou! eonsoguonstain sullioero, snatbems sit.-' 8oss. 7. ean. ste 8acr. in Mn. (Wenn Jemand behauptet, durch die Sacraim'ttlc des neuen Bundes werde die Gnade nicht ,,ex opere operatck' tbeilt; sondern es genüge zur Erlangung der Gnade der bloße Glaube an die göttliche Verheißung, so sey er im Banne.) Wie bemerkt, hatten die sogenannten Reformatoren im offsff baren Widerspruche mit der Bibel, auf die sie sich doch als allei¬ nige Glaubens-Norm beriefen, und mit der alten katholische« Lehre, den Satz ausgestellt, daß der Mensch durch den Glaub''" allein vor Gott gerechtfertigt werde. Deßkalb konnten ff"'" die Sacramente höchstens nur Erweckungs- und Nähruugsmstff des Glanbens seyn. Dieser Neuerung gegenüber sprach das G"" cil es aus, daß die Kraft des Sacramentcs nicht von dem pfänger abhänge — als wäre dieses nur als opus operans"' seil, susoipientis wirksam; sondern, daß sie von Gott in das cram ent selbst gelegt sey; so, daß dasselbe durch sich ff'", wirke — cin opus opvisium sey; mithin nicht die durch etwP Anderes, insbesondere durch den Glauben, schon übcrkonin«"' rechtfertigende Gnade bloß belebe, oder gar nur versinnb"'" 257 Dabei darf man sich aber den Vorgang nach katholischer Lehre nicht so vorstellen, als ob sich der Empfänger ganz passiv zu verhalten habe, und als ob die Sacramente etwa gar gegen seinen Willen eine gleichsam magische Wirksamkeit mechanisch auf ihn ausübeten. Die menschliche Thätigkeit und Vorbereitung wird nichts weniger, als ganz ausgeschlossen. Zwar ist, wo Diese fehlt — z. B. im unwürdigen Genüsse des Abendmahles, das Sacrament doch vorhanden; (nur bei der Buße ist die gehörige Disposition des Empfängers zur Gültigkeit unerläßlich — warum? wird später erklärt), aber für den unwürdigen Perzi¬ pienten geht die heilbringende Wirkung desselben verloren; ja sie wandelt sich für ihn zum Verderbe« um. — Mag auch der von der scholastischen Theologie im dreizehnten Jahrhunderte cin- gefiihrtc Ausdruck „opus oporatum" den grammatikalischen Regeln, in so ferne das Zeitwort operor hier in der leidenden Form ge¬ nommen ist, nicht ganz entsprechen, so würde es doch von Klein¬ lichkeit zeigen, wenn sich Jemand daran stieße. Das Concil hat >hn beibchaltcn, weil er den immer dagcwesenen Begriff, um den cs sich handelte, am bündigsten darstcllt. Aus der so eben entwickelten Lehre über die Sacramente er¬ geben sich nachstehende, zumeist deren Gültigkeit oder Ungültigkeit betreffende Sätze: Zur Gültigkeit eines Sacramentes ist die Beobachtung der wesentlichen Materie und Form ohne Ausnahme noth- wendig. Nicht so auch die dabei vorgeschriebcnen Ecrcmonicn; doch dürfen diese — bei schwerer Sünde — nicht mißachtet, nach Belieben weggelassen, oder von jedem einzelnen Kirchenvorsteher wit anderen vertauscht werden. (Ovne. Triel. «ess. 7. ean. 13. clo ^eram. in Asnere.) — Der sonst hiezu befugte Ausspeuder muß dabsi wenigstens die Absicht haben, D a s zu thun, was die Kirche Christi thut; widrigens ist das Sacrament ungültig. (Oono. Triel. ^8. 7. ean. 11. tuin, enstbenm sit". — sess. 7. ca». l. äs 8uersm. in 8^' (Wenn Jemand sagt, der Sakramente des neuen Bundes siy"' mehrere oder weniger als sieben; nämlich: die Taufe, Firmung/ das Altarssacrament, die Buße, letzte Oelung, Priesterweihe u>w Ehe; oder Eines dieser Sieben scy kein wahres und eigentlich^ Sacramcnt, so sey er im Banne.) Nicht, daß die Zahl „Sieben" schon unter den Heiden uu Juden unter die heiligen Zahlen gehörte, bestimmte die Kirche si" Annahme von sieben Sacramenten; sondern die Einsetzung der¬ selben durch den Herrn selbst, wovon die heil. Schrift und d> fortwährende Ueberlieferung Zengniß geben. Deßhalb stimmen e> 259 schismatisch-oricntalischen Christen hierin mit der römisch-katholi¬ schen Kirche überein — znm offenbaren Beweise, daß die Sieben- zaiil nicht etwa erst von den Scholastikern im Mittelalter erson¬ nen worden war. Warum aber der Herr gerade sieben einsetzte, sucht der 6a- lechism. roman, selo mimero 8acramontorum) aus der Vergleichung des geistigen Lebens mit dem leiblichen zu erklären: „Dem Menschen sind nämlich zum Leben, und zur Erhaltung desselben; s° wie, daß er cs zu seinem eigenen und znm allgemeinen Wohle sichre, folgende sieben Stücke notbwcndig: daß er geboren werde; Wichse, sich kräftige; Nahrung habe; wenn er in eine Krankheit Ut, geheilt; und seine Kräfte wieder hergestellt werden; dann, was das Gemeinwesen betrifft, daß es immer eine Obrigkeit gebe, die ihn leite; und endlich, daß durch gesetzmäßige Fortpflanzung das Menschengeschlecht erbalten werde. — Weil dies Alles jenem "den, welches die Seele in Gott lebt, entspricht, so ergibt sich "vn selbst die Zahl der Sacramente. Das Erste ist die Taufe, gleichsam das Thor zu den Uebrigen, weil wir durch sie Christo wiedergeborcn werden; dann die Firmung, durch welche wir in der Gnade Gottes wachsen und erstarken; hierauf das Altarssa- vrenncnt, in welchem unsere Seele mit der wahrhaft göttlichen Speise genährt wird; durch die Buße wird die verlorene Gesund¬ heit der durch die Sünden verletzten Seele wieder hergcstellt; sadiich werden durch die letzte Oelung die Reste der Sünde ge¬ legt, und die Scelcnkräftc wieder auftgcfrischt. In der Priester¬ weihe wird die Gewalt ertheilt zur fortwährenden Auöspendung "vr heil. Sacramente in der Kirche, und zur Verrichtung der got- 'vsdicnstlichcn Handlungen. Ans der Ehe aber sollen Kinder für dw Kirche — zum Dienste Gottes — und — für den Staat — !»r Erhaltung des menschlichen Geschlechtes hervorgchen". Auf dieser Analogie beruht auch die Re ih eufolae, in wcl- awr die heil. Sacramente auf,gezählt sind. In dem Folgenden wird vorzüglich auf die gö t t l i ch e E in- fttzung Jedes der heil. Sacramente, und auf die Tradition hicr- "°vr Bedacht genommen. ff a r t f e tz u n g. Vie Laufe. . Sic ist das Sacrament der Wiedergeburt des Menschen durch Wasser in dem Worte — des Lebens. (6alocl»8m. roman, lwg. 141.) — Eingesetzt wurde dies Sacrament von Jesus ^n»ls, als er selbst im Jordan von Johannes getauft ward; Auftrag zur Ausspeudung desselben aber gab der den Aposteln, als er nach seiner Auferstehung zu ihnen „Gehet hin, lehret alle Völker, und taufet sie im Namen 17 * 260 des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes". (Matth. Cap. 28, B. 19.) — (so der 6ateol>. rom. pag. 147, 148.) Die wesentliche Materie der Taufe ist das natürliche Was¬ ser; die Form aber bilden die Worte: „Ich taufe Dich im Na¬ men des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes", welche zugleich mit der Begießung ausgesprochen werden müssen. Im Noth falle kann, außer dem Bischöfe, den Priestern und Diakonen, jeder Mensch, scy er auch, wie schon bemerkt, ein Ketzer, Jude, oder Heide, gültig taufen. (Done. Dricl. sess. 7. ean. 4. cle bapt.) Der Grund' hievon liegt in der Nothwendigkeit der Tanfe für alle Menschen; denn: „Wenn Jemand nickt wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem heil. Geiste, so kann er nicht eingehen in das Reich Gottes", versicherte der Heiland (Joh. Cap. Z, V. 5.) — weßbalb sich Christus, der Gnaden¬ spender, sogar solcher außerordentlichen Organe hiezu bedient, um Jemanden in seine Kirche aufzunehmen. (Siehe schon Tertullian, lib. cle bapt. eap. 17.) Daß auch unmündige Kinder die Taufe empfangen können, obwohl sic den Act des Glaubens noch nicht zu erwecken in< Staude sind, ist Lehre des Concils zu Trient (8688. 7. can. 13. ö« bapt.), die sich auf die heil. Schrift — eben vor Allem auf den obigen Ausspruch des Herrn (Joh. Cap. Z, V. 5.), wo er keinen Unterschied macht zwischen Groß und Klein — und auf den nr- alten Gebrauch in der Kirche fußt. (Siche: Irenäus lib. H. baor. eap. 39; — Justinus IVI. ^pol. I. 18;— selbst Tertullian, der die Kiudertaufe nicht zu billigen scheint, bestätiget, daß sic m Hebung war; — Cyprianus, epkt. all Dänin.). — Ter Jrrthnin der Wiedertäufer wurde daher mit Recht verdammt. Die Wirkung der Taufe besteht in der völligen Vertilgung — nicht, wie die Protestanten lehren, nur in der Vergebung, der Erb- und aller persönlichen, von Erwachsenen schon vor der Taufe begangenen Sünden, und deren Strafen; — in dcr Ertbeilung der bciligmachenden Gnade, wodurch der Mensch o"' Glied des Leibes Christi, ein Kind Gottes, und ein Erbe dcs göttlichen Reiches wird. Nicht durch den schon vor der Taufe 77 bei Erwachsenen — empfangenen Glauben wird der MeW gercchtfertiget, welcher Glaube dann durch die Taufe nur bcstt- gelt würde. Das Concil zu Trient verwarf auf das Bestimmtes" die Behauptung der Protestanten, daß die Sünden in der Taull zwar vergeben, aber nicht gänzlich getilgt, sondern nur gleictss^ abgewischt werden, so daß die Äurzcln derselben in der See" übrig bleiben. (8088. 5. can. 5.) In den Wiedergcborcnen dct Gott gar nichts Hassenswerthes mehr. (Oatecb. rom. l Die in den Getauften zurückbleibende Begierlichkeit ist nicht S ü" , an sich; und kann, weil nur zum Kampfe zurückgelassen, muthig mit der Gnade Christi Streitenden nicht schaden; vielmem. Der wird gekrönt, der untadelhaft gestritten. — das Concil, 8688. 3. stecrotum sie peceato originali. — Daß m 261 Taufe überdies der Seele ei» unauslöschliches Merkmal einpräge, wurde schon gesagt. — Den Gebrauch der Wasser-Taufe in der ältesten Kirche weit¬ läufig zu beweisen, wäre wobl überflüssig. Schon die Apostelge¬ schichte (Cap. 2: „Ein Jeder von Euch lasse sich taufen, — pre¬ digte Petrus am Pfingstfeste — im Namen Jesu Christi, zur Ver¬ gebung der Sünden". (V. 38.); Cap. 8, u. s. w.) und die ersten Kirchenväter geben Zengniß davon. Der Apostelschüler Her¬ ms nennt die Taufe „das Siegel", durch welches der Mensch vom Tode befreiet, und dem Leben wiedcrgegeben wird. „In das Wasser steigen, schreibt er, die Menschen noch dem Tode ver¬ fallen; aus demselben aber schon zum Leben bezeichnet". Acbnlich Ästinus (-^pol. I.), Irenäus (I. I. mlv. llaer. cap. 18.: l. III. cap. 19.), Clemens Von Aleraudrien (l'aeclao;. I. 1. eap. 6.), Ter- kullian (sie dsptismo eap. 1.) u> A. Die Firmung. Sie ist das Sacrament, in welchem der Getaufte den heil. Geist empsängt, damit er im Glauben befestiget, denselben stand- daft vor aller Welt bekenne, und darnach lebe. Sie ist keine dlvße Ccremonie, oder nur eine Art Catechcse der beranrcifcnden äugend; wie bei den Protestanten der sogenannte Confirmandcn- unlerricht. (Oone. leid. sess. 7. c«n. 1. cle lüonllriu.) Die Einsetzung dieses Sacramentes durch Jcsum Christum »hellt aus der Apostelgeschichte Cap. 8, wo erzäblt wird, daß m Apostel Petrus und Johannes den durch den Diakon Pkilip- Pus Getauften in Samaria unter Gebet die Hände auflegtcn, wodurch dieselben den heiligen Geist erhielten. „Denn er war noch siber Keinen von ihnen gekommen; sondern sie waren mir getauft im Namen des Herrn Jesu." (V. 16.) — Das Gleiche Hat Paulus zu Ephesus (Cap. 19.) Die Apostel konnten sich die Vollmacht zur Vornahme dieser, die Gnade des heiligen Geistes spendenden Handlung nicht selbst gegeben, sondern wußten sie vom Herrn empfangen haben. Er hatte ja versprochen, daß Diejenigen, welche an Ihn glauben^ den heil. Geist empfangen werden. (Joh. Cap. 7, V. 37—39.) Schon vom Propheten Joöl war die Ausgießung des heiligen Geistes in der Messianischen Zeit vorhergesagt. (Cap. 2, V. 28.) — Von der Firmung, als einer von der Taufe verschiedenen Handlung, redet deutlich genug Tertullian: „Sind wir alsdann Taufbade herausgegangen, so werden wir mit geweihtem vele gesalbt. — Auch an uns fließt zwar (wie im alten Bunde an Aaron) leiblich die Salbung, aber ihre Wirkung ist geistig. Dann erfolgt die Handauflcgung, kraft welcher der heilige Geist herabgerufen und eingeladen wird". (gno te 8IZN0 cruci's, st eontirinots ebrlsmsts sulutls, in nomine ka- tris, et l'ilis st 8piritli8 8ancti". (Siehe 6stecli. rom. 776 U. ff) Die ordentlichen Ausspender der Firmung sind die Bi¬ schöfe, als Nachfolger der Apostel. (Dono. Drill, sss«. 7. csn. 3, cis Oonürm.) Im Nothfalle erthcilt der Papst auch einfachen Prie¬ stern, z. B. den Missionären unter den Heiden, die Gewalt zu firmen. — Der Firmling soll schon das Alter erreicht haben, um den Zweck und den Werth dieses Sakramentes, welches zwar zu»' Heile nicht unbedingt nothwendig ist, aber doch ohne schwere Sünde aus Nachlässigkeit oder Geringschätzung nicht versäumt werden darf, cinsehen zu können. Weil er es im Stande der Gnade empfange» soll, so muß er, falls er Sünden begangen, sich früher durch das Sacrament der Buße davon reinigen. (0^ teoli. rom. pgK. 179 U. ff.) Aus dem oben ausgestellten Begriffe der Firmung ist deren Gnaden-Wirkung zu entnehmen; wozu noch das unauslöschliche Merkmal kommt, welches sie der Seele eindrückt. XXII. Die sieben heil. Sacramente. Fortsetzung» Eucharistie. Das Heiligste, was die christliche Kirche aufzuweisen hat, ist das Lacrament des Altares und das Meßopfer; weil der Gott¬ mensch Jesus Christus selbst in demselben gegenwärtig ist. Beit diesem hochheiligen Geheimnisse reden wir im Folgenden, rind 263 legen die katholische Lehre darüber, zunächst nach der Anleitung des Concils zu Trient und des römischen Katechismus dar. Die Einsetzung des allerbest. Altarssacramentes erzählt uns die heil. Schrift; nämlich: Mattb. Eap. 26, V. 26—28; Mare. Cap. 14, V. 22—24; Luc. Eap. 22, V. 19—21, und Paulus im ersten Briefe an die Corinther Cap. 11, V. 23 u. ff. Dieser Letztere wurde zwar erst nach der Himmelfahrt des Heilandes aus einem Verfolger in seinen Apostel umgewandelt; aber unmittel¬ bare göttliche Offenbarung belehrte ihn über die Veran¬ staltung des Herrn (V. 23.), welche er in der gleichen Weise, wie die Evangelisten, berichtet. Nachdem Jesus das Osterlamm mit den Aposteln gegessen, "ahm er das Brod, dankte Gott, brach es, und gab es den Apo¬ steln, indem er sagte: „Nehmet hin und esset, Dieses ist mein Leib, der für euch hingegcben wird. — Desgleichen nahm er auch den Kelch „geh dem Mahle, dankte, gab ihnen denselben und stkach: Trinket Alle daraus! Denn Dies ist mein Blut des neuen Testamentes, das für Viele vergossen wird zur Vergebung der Kunden". Bei Lucas heißt cs Cap. 22, V. 19, nach: „Dieses ist wein Leib, der für euch hingegeben wird: Dieses thut zu meinem Andenken". Ganz so bei Paulus I. Cor. Cap. 11, V. 24. Dem infolge Jesus auch, nachdem er gesprochen (V. 25.): „Dieser Kelch der neue Bund in meinem Blute", hinzusetzte: „Thut dies, so ch ihr trinket, zu meinem Andenken". Die ganze kicher gehörige Stelle Pauli lautet: (L. 23.) "dch habe vom Herrn empfangen, was ich euch auch überlie¬ ft habe, daß der Herr Jesus in der Nacht, in welcher er vcr- rathcn wurde, das Brod nahm, (V. 24.) und dankte, cs brach, ""d sprach: „Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für E"ch hingegeben wird; Dieses thut zu meinem Andenken". lV. 25.) Deßglcichen — nahm er — nach dem Nachtmahle ""ch den Kelch, und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in Meinem Blute; thut dies, so ost ihr trinket, zu meinem Anden- (V. 26.) Denn so oft ihr dieses Brod esset und diesen Kelch ""stet, sollet ihr den Tod des Herrn verkündigen, bis er kommt" Gerichte). . Was Christus mit obigen Worten anordnetc, wird mit ver¬ gebenen Namen bezeichnet; als: kuckm-mtia, k'u^s-c^/s-, d. i. Gnaden gäbe, weil in diesem Sacramcnte der Herr der Gna- E" selbst, der Urquell alles Guten, zugegen ist; oder Danksa- o"."g, weil wir in der Feier dieser heiligen Handlung Gott den bestmöglichen Dank abstatten. Es heißt ferner die Communwn D emwnumu — weil sich im Genüsse dieses Sakramentes die ^Meiuschaft der Gläubigen am schönsten ausdrückt; weßhalb e auch das Sacrament des Friedens und der Liebe ge- "annt wird; — die Wegzehrung, theils, weil es die geistige Speise ist, durch welche während der irdischen Pilgerfahrt das "den unserer Seele erhalten wird; theils, weil cs uns für 264 den Weg in die Ewigkeit stärkt. Von der Gelegenheit und Zeit, wann es von Christus eingesetzt worden, führt es den Namen „letztes Abendmahl" und weil es am Altäre vollbracht wird — am Tische des Herrn (I. Cor. Cap. 10, V. 21.) — „das Al¬ ta rssacr am ent". Die katholische Kirche faßt die Eucharistie auf als Sakra¬ ment und als Opfer. Daß sie das Erstere scy, braucht nicht mit Vielem bewiesen zu werden; denn in ihr trifft Alles im vorzüglichen Grade zusammen, was zu einem Sacramentc we¬ sentlich erforderlich ist; nämlich: die Einsetzung durch Chri¬ stus, von der wir so eben gesprochen; die Materie: Weizen- brod und Wein; die Form: die vom Heilande über Beides beim letzten Abendmahle gesprochenen Worte; die Gnade: wie schon gesagt, der Herr der Gnade selbst ist gegenwärtig. Drei Dinge, heißt es im Dateeb. roman. (S. 188.), werden uns durch die Eucharistie angedeutet: das schon vergangene Leiden und Sterben des Herrn, an das sie uns erinnern soll; die göttliche Gnade, die uns in der Gegenwart darin zu Theil wird; und die zukünftige himmlische Freude und Glorie, welche uns Gott verheißen hat. — In diesem Sacramente bat uns der Herr den größten, immerwährenden Beweis seiner Liebe hinter¬ lassen. — Die übrigen Sacramente haben die Kraft zu heiligen erst dann, wenn sie Jemand empfängt. Die Taufe z. B. >st ein Sacrament, wenn der Mensch in der That mit dem Wasser - aus dem heiligen Geiste — gereim'qet wird; zur Eucharistie aber genügt die bloße Consccration der Materie; in ihr ist der Urheber der Heiligkeit schon vor dem Gebrauche zugegen; denn noch lm^ ten beim letzten Abendmahle die Apostel die Eucharistie nicht aus der Hand des Herrn empfangen, als er schon versicherte, es stb sein Leib, den er ihnen darreiche. (Siehe Oonc. Drill. 8688. " cap. 3., und Osteel,, roman. S. 187.) Der ean. 1. 8688. 13. Oone. Drill. lautet: „8i cgüs neMneOl. in Lanetissimas lknebsristiae 8aeramentn contineri vere, realiter, et 8iil)8tantikcliter eorpus et 8sn^iiinem uns enm anima et llie^ nitate Domini no8tri llo8u 0I>ri8ti, so proinlle totnm Obrmtmn; clixerit, tantumnioclo e8se in eo, nt in 8iAno, vel ti^ura, aut virtate- snatlwma 8w-. (Wenn Jemand läugnet, daß im Sacramente btt allerheiligsten Eucharistie wahrhaft, wirklich und wesenhai' der Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi mit seiner SesO und Gottheit; also der ganze Christus enthalten (gegenwärtig^ sey; sondern sagt, daß Er darin nur wie in einem Zeichen ob« in einer Figur (d. i. bildlich) oder virtuell sey, so sey er »n Banne.) Wie aber diese Gegenwart Christi aufzufaffen sey, klärt noch näher der osn. 2.: „Wenn Jemand sagt: im allerhe"' Sacramente der Eucharistie bleibe die Substanz (das WcM des Brodes und Weines zugleich mit dem Leibe und Blute uns¬ res Herrn Jesu Christi; und wenn er läugnet jene wunderbare, und ganz eigcnthümliche Verwandlung der' ganzen Substanz 265 Bredeš m den Leib , und der ganzen Substanz des Weines in das Blut (Christi); so, daß nur die Gestalten des Brodes und Weines übrig bleiben, — welche Verwandlung die katholische Kirche sehr zweckmäßig die „Transsubstantiation" nennt, so so sey er im Banne." (Zu vergleichen cap. 1 und 4.) Das Concil hat die uralte katholische Lehre*) deßhalb so formulirt, um dieJrrthümcr und Neuerungen der sogenann¬ ten Reformatoren des sechzehnten Jahrhunderts, welche dieselbe, unter einander nichts weniger als übereinstimmend, in verschiede¬ ner Weise angegriffen batten, abznweisen. Luther hielt zwar an der wirklich en Gegenwart Cbristi im Rltarssacramcnte fest; Möthiget, wie er im Briefe an die Straßburger gesteht, durch die unumstößlichen Gründe, welche dafür sprechen, obwohl es ihm nicht am guten Willen fehlte, den „Papisten" auch hierin einen Puff zu versetzen; aber die Trans snb staut iation verwarf er. Dazu war er wohl auch durch seine Rechtfertigungs-Theorie ver¬ anlaßt. „Luther konnte im Ilbendmable nicht Christus allein fin¬ den, schreibt Dr. Möhler (Symbolik S. 321.); Brod und Wein drängten fich ihm immer wieder entgegen, da er auch in dem Wille» des in Christo Wiedergebvrnen einen fortdauernden Dua¬ lismus annahm, ein stetes Nebencinanderbestehen eines geistlichen nnd fleischlichen Wollens, so daß das letztere, das Böse im Men- ühcn, gar nie in das erstere sollte umgcwandelt werden können." — )n dcr sogenannten Coucordienformel, welche im Jahre 1577 von ,en Tbeologen im Kloster Bergen, in der Nähe Magde¬ burgs, entworfen wurde, ward festgesetzt, daß der Leib und das olut Christi in, mit und unter dem Brode und Weine gegeben ^rrde. (Impanatio - Oonsubstantiatio), d. i. diese Elemente hören durch die Consccration nicht auf zu sryn, was sie frübcr waren, "amlich Brod und Wein. Um dem Einwurfe der Calviner zu be- Wnen: daß Christus, der von seiner Himmelfabrt an zur Rechten Lottes sitze, nicht zugleich auf Erden leiblich zugegen seyn könne, stellte Luther die paradore Behauptung auf, daß Christus auch seiner Menschheit nach allgegenwärtig sey (nbigiiitas corporis rlm'sti), welche insbesondere 'an Johann Brenz, dem sogenannten sU'svrmator Würtembergs (ff 1570) einen hartnäckigen Verfechter datte. Hierüber erklärt das Concil: „biegue e»ii» baec intra ss k^nsnt, nt ipse 8alvator noster semper all clexteram ?atris in eoe- «ssicleat gnxta motlum exsistencli naturalem, et ut mnltis ni- dlloininns alüs in locis sacra mentali ter praesens sna substantia »oliiz agtzit, ea exsistensti rations, guam etsi rerbis expriniere vix k^sumus, possibilem tamen esse Deo, oogslatione, per üliem illu- ^uts, assequi possnmus, et eonstantissime creclere eiebemiis." 13. cap. 1) lis enim mesores »ostri oinnes, quolgiiot in vers Cbristi ecclesis kue- wnt, gnj de ssnctissimo boc 8«crsmento llisserusrunt, opertissime pro- >e«kj sunt. (csp. 1.) 266 Em anderer Jrrthnm der Lutherischen, den ihr Meister an¬ fänglich nicht hegte, bestand darin, daß sie Christi Fleisch und Blut nur im Momente des Genusses gegenwärtig glaubten; wo¬ für doch wobl kein irgend baltbarer Grund vorgcbracht werden kann. Die Gegenwart Christi ist ja von der Kraft seiner Einsetzungs Worte, die bei der Consccration gesprochen wer¬ den, abhängig; nirgends hatte dieselbe der Herr erst durch den Empfang des Sakramentes bedingt erklärt. „Dieses ist, sprach er, mein Leib, mein Blut" — und im selben Augenblicke ward es also. Gewiß beteten damals im Saale zu Jerusalem die Apostel ihren nicht nur leiblich sicht¬ bar, sondern auch saeramentalisch gegenwärtigen Herrn und Gott an, noch ebe jeder Einzelne aus ibnen das Dargercichte nahm, aß und trank. Dagegen sprechen auch alle Stellen aus den Schriften der ältesten Kirchenväter über das Aufbcwabren, Versenden u. dgl. des Leibes und Blutes Christi. Andreas Karlstadt (Bodenstcin) Martin Luthers Collega in Wittenberg, zog aus den Ansichten Luthers und Melanchthons über das Wesen der Sacramente folgerichtige Schlüsse gegen die wirkliche Gegenwart Christi in der Eucharistie; die dann durch Ulrich Zwingli und dessen Gefährten Job. Oecolampadius weiter entwickelt wurden. Diese fanden im heiligen Abendmahle nichts als eine bloße Erinnerung an Christus, an seine Leiden und stu neu Tod; wenigstens trat das Tiefere, was sie in demselben sehr» mochten, in so schwachen Spnren hervor, daß cs selten Jemand gewahrte. Die Rationalisten unserer Tage dürfen sie hierin sicher als ihre Patrone verehren. Gleichsam einen Mittelweg cinschlagend zwischen Luthers und Zwingli's Ansicht, lehrte Johann Calvin: daß der Leib Christi zwar wirklich im Abcndmahle gegenwärtig sep, und daß ihn dcr Gläubige genieße; d. i. nach Calvins Ansicht empfange nur der durch den Glauben Gerechtfertigte — der zur Seligkeit Pra^ destinirte — den Leib des Herrn; während der Ungläubige niclsiv als bloß Brod und Wein erhalte. (Laut der Concordienformel der Lutherischen hingegen empfange zwar wohl auch der Unwürdige, der Ungläubige, den Leib und das Blut Christi, obschon zu seines Verderben.) Calvin meinte es aber näher bezeichnet so: daß gleichzeitig mit dem mündlichen Genüsse der sinnlichen Elemente, die in jeder Beziehung blieben, was sie sepen, und lediglich den Leib und das Blut Christi bedeutete», eine aus dem Leibe Christi, der nun nur im Himmel sey, ausflicßendc Kraft dem Geiste dargeboten werde. *) (Siehe Dr. Möhler a. a. O. S. 328 ' *) Dies scheint unter dem Ausdrucke: „in virtuto" des obcitirten csn- ' zu verstehen zu seyn; wahrend die Worte: -,in siKno vel liFurs^ zunaast gegen die Zwinglianer gerichtet waren. 267 Luther, der Widerspruch nicht zu ertragen vermochte, und Niemand Anderem, als nur sich, den Beruf zu rcformircn zucr- kemicn wollte, fuhr gegen die „Sacramentirer" — so nannte er die Anhänger Karlstadt's, Zwingli's u. s. w. — sehr heftig los. Schon Melanchthon, der Verfasser der Augsburger (Konfession, hatte sich in Bezug auf die Abendmahlslehre der Ansicht Calvins Mneigt; es entspann sich eine hitzige Polemik zwischen den „Lu¬ theranern" und „Philippisten" als „Crppto-Calvinen,". — In Sachsen wurden Viele der Letzteren eingekerkert und hart be¬ handelt. — Die anglikanische Kirche betreffend, genüge die Bemerkung, daß in den secbs Artikeln Heinrichs V M., der bekanntlich vor leinen, Bruche mit Rom in einer Schrift die sieben heiligen Sa¬ kramente wider Luther vertheidigte, und dafür vom Papste Cle¬ mens VII. mit dem Titel: clekensnr lulol ausgezeichnet wurde, — Elchen Ehren-Beiuamen die Könige von England, obwohl den Papsi nicht mehr anerkennend, doch, sonderbar genug, noch heu¬ len Tages führen, — die Transsubstantiation mit der Messe "och nicht verworfen ward, wie daun in den 39 Artikeln, in solche zur Zeit der Königin Elisabeth die unter Eduard VI. ent¬ worfenen 42 zusammcngeschmolzen, und die noch jetzt als Glau- densnonn gelten. Eine Bill führte < 1672) sogar den sogenannten »Testeid" ein; aste Angestellten mußten nicht nur den Treu- und ^iprematscid leisten, und das Abendmahl nach anglikanischem Mus empfangen; sondern auch die Transsubstantiation ausdrücklich in einer schriftlichen Betheuerung läugncn! Der Rationalismus hat die Meisten der Protestanten — zu- msi ihrer theologischen Professoren und Prediger — bereits seit P zweiten Hälfte des vorigen Jahrhundertes der ursprünglichen ^hre der sogenannten Reformatoren entfremdet, und die symbo- "ichcn Bücher um ihr dogmatisches Ansehen gebracht. Als Beweis für die Wahrheit des katholischen Dogma von .^wirklichen, wesenhaften Gegenwart Christi in der Eucharistie, unter den bloßen Gestalten des Brodcs undWci- "e/, sehen wir mit Recht die Einsetzungsworte Christi selbst an. Mehmet hin und esset. Das ist mein Leib." Und: „Trinket daraus; denn Dies ist mein Blut des neuen Testa- "'Mtes". (Matth. Cap. 26.) Im Griechischen: ö- X«/Zcop 's I-/r7L> rov xsu tvXo/i/-7«e, exX«<7L, rc«.' . eoo eä/ie. G«^er<5 rauro k?-' ra uan. X«-8cor rs ü«-' eva-xer X^^co,/. H/LrL «fron rsuro e?/ ra ?'äLuan, ro r-/5 ra irrh, noX- v o ? a L ci P L § / ? «zc« r? eo . . Keine Stelle der heiligen Schrift widerlegt so sehr die Be- Mptung der Protestanten/daß die Bibel für sich selbst verständ- "ch genug sey, und nicht der Auslegung einer irrthumslosen Lehr- °"°rität bedürfe, als die eben angeführte. Denn alle früher er- 268 wähnten Parteien meinten den Sinn derselben allein richtig auf¬ gefaßt zu haben; und sie kommen doch in der Auslegung weder untereinander überein; noch waren die einzelnen Lehrer sich selbst immer konsequent; indem sie morgen Das aufgaben, was sie beute noch vertheidigten, oder es gar am Ende dem Belieben überließen, einer Ansicht zu seyn, welcher man wolle. (Zusorlt et invem't ibi guisquo suum. — Wie ganz anders in der katholischen Kirche! Da siebt über dem unsicheren subfectiveu Urtheile des Einzelnen der Geist des göttlichen Stifters der Kirche; da gilt als Glaubensnorm: „Was immer, was überall, was von Allen geglaubt worden ist". (Vin¬ cent. IHnens. soso. 5. Ovmmonltoinim.) Wer die Einsetzungsworte Christi unbefangen liest und erwägt, hat keinen Grund, zu vermuthen, dieselben seyen anders, als im buchstäblichen Sinne zu verstehen, welcher Sinn nur Der seyn kann: Der Heiland reichte den Aposteln Etwas dar, was wohl die Gestalt des Brodes und Weines hatte; aber in dem¬ selben Augenblicke, als er die obigen Worte sprach, schon nicht mehr Brod und Wein; sondern sein Leib und sein Blut war- Sonst hätte er ja nicht sagen können, wenn er anders seine Zu¬ hörer nicht irre führen wollte, — was ohne Gotteslästerung mast zu denken —: Das ist; sondern: Das bedeutet, oder ver- sinnbildet meinen Leib und mein Blut. — Nur nach kathob- scher Auffassung enthalten die Worte Jesu beim letzten Abcnd- mable die Erfüllung der von ibm — laut Joh. Cap. 6- früher zu Capharnaum gemachten Verheißung: „Das Brod, das ich geben werde, ist mein Fleisch, (welches ich) für das Leben der Welt" (hingeben werde). (V. 52.) Da stritten die F- den unter einander und sprachen: Wie kann uns Dieser ch» Fleisch zu essen geben? (V. 53.) Was erwidert ihnen Herr? Etwa: Stoßt euch nicht daran! ich rede fa nur im Bilde Nein! im Gegentheile er wiederholt und verstärkt seinen Ausspruch '»Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, wenn ihr das Fleisch ° Mcnschensohnes nicht essen, und sein Blut nicbt trinken werdet, > werdet ihr das Leben nicht in euch haben. Wer mein Fleisch 'k - und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich wtt°' ihn am jüngsten Tage auferwecken. Denn mein Fleisch'' wahrhaftig eineSpeise, und mein Blut ist wabr-ft^ tig ein Trank". (V. 54-56.) Eben, damit sein Fleisch Blut den Gläubigen zum Genüsse dienen könne — denn so riell, wie das Fleisch, welches auf dem Markte verkauft könnte es doch wohl nicht genossen werden — wollte der Hou« ihnen Beides unter den Gestalten der gewöhnlichsten rungs- und Stärkungsmittel zugänglich machen. So standen sind seine Worte Geist und Leben. (V. 64.) Masi aus den Capharnaiten und Jüngern nahmen sie aber im obcsi. crasien Sinne; da waren sie ihnen freilich zum Aergernisft / schien ihnen Jesu Rede zu hart. Einer solchen materiell - 269 nicht aber der katholisch buchstäblichen Auffassung gilt, was der Herr sagte: „Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützt nichts". (V. 64.) Meine sa nicht Jemand, in einer Auslegung obiger Worte Zesu von dem Glauben an Ihn wäre Geist, d. h. sie wäre eine geistreiche! Mit Nichten; sondern nur Gewalt würde dem Ausspruche Jesu angethan. Damals glaubten sa schon Viele an Ihn; wie hätte er demnach von der geistigen Speise seiner "ehre als von einer erst zukünftigen sprechen können? Wenn m 6. Cap,'tel des Evangelisten Johannes nicht von der Eucharistie die Rede ist, so macht dieser Apostel, der die Einsetzung der- lesbcn nicht erzählt, davon gar keine Meldung, — was durchaus mcht angenommen werden kann. Gewiß war es der Weisheit des Herrn angemessen, ein so großes Geheimniß vorher an zu kün¬ den, ehe er es in der That einsetzte, und so darauf vorzube- ^eiten. Die Kirchenväter berufen sich öfters auf diesen Vortrag ^su ju Eapharnaum, gegen die Häretiker, welche die Gegenwart Wnsti läugneten; ein Beweis, daß sic denselben so wie wir faßten. — Von der Eucharistie legen ihn aus: Eyrillus von -Jerusalem, Basilius, Ambrosius, Augustinus, Cyrillus von Aleran- 'Uen, Theodoretus, Papst Leo I. u. A. Ja schon früher Orige- "es und Cyprianus. Jener insbesondere in: I>om. 7. in ölum. Um auf die Einsetzungsworte zurückznkommen, wozu hätte M'-s wohl ein bloßes Ged ächt nißma hl gestiftet? Um das Andenken an Ihn fortan rege zu erhalten? Doch er hat ja für dle Menschheit so überaus Großes geleistet, daß er auch ohne ein Elches Mahl aus der Erinnerung derselben nie verloren gehen wnnte; daß er wahrlich nicht nöthig hatte, zu einem so außerge- wohnlichen Mittel zu greifen, um sich vor der Vergessenheit zu dswahren. Nein! Selbst wenn er nichts weiter als ein Weiser Ware, dürfte ihm so etwas nicht zugemuthct werden! Als Gott- wensch aber, als der Erlöser der Menschheit, mußte er etwas "»endlich Höheres mit dem Abendmahle beabsichtct haben. Was m dies? Bis zum Ende der Welt wollte er unter Denjenigen, er sich so theuer erkaufte mit seinem Blute, gegenwärtig blei¬ en; wohnen unter ihnen, mit allem Reichthume seiner Gnaden, wnier Liebe, seines Trostes und Friedens! Ja noch mehr! Zur Speise wollte er sich den Seinen hingeben, ans daß sie so ganz 'w Ihm Eins werden, wie er sa gesprochen: „Wer mein Fleisch und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich in ihm". "°h. Cap. 6, V. 57.) . Nicht anders, als buchstäblich, von der wirklichen Ge- ^nwart Christi, nach geschehener Verwandlung der Substanz des Kotzes und Weines in sein Fleisch und Blut, wurden die Ein- Mngsworte von den Aposteln, insbesondere vom heil. Paulus ^standen, welcher, wie oben gesagt, durch unmittelbare Offen- °arung vom Herrn darüber belehrt worden war. (Ein bloßes edächtnißmahl wäre einer solchen Offenbarung wohl nicht 270 S werth gewesen.) „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, — schreibt er I. Cor. Cap. 10, V. 16. — ist er nicht die Gemein¬ schaft des Blutes Christi? Und das Brod, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Herrn?" Im eilften Capitel des nämlichen Briefes fügt er der Erzählung über die Anordnung der Eucharistie die ernste Ermahnuicg und Warnung bei: „Der Mensch prüfe sich selbst, und so esse er von diesem Brode, und trinke von diesem Kelche; denn wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht (zur Verdammung), in¬ dem er den Leib des Herrn nicht unterscheidet" (von einer ge¬ wöhnlichen profanen Speise). (V. 28, 29.) „Wer unwürdig die¬ ses Brod ißt, oder den Kelch des Herrn trinkt, der ist schuldig des Leibes und Blutes des Herrn." (V. 27.) Wenn die Eu¬ charistie nichts Anderes wäre, als nur ein Andenken und Sinn¬ bild des Leidens Christi, was brauchte es einer so nachdrücklichen Aufforderung zur Selbstprüfung — sogar unter Hinweisung auf das Gericht Gottes? Wie könnte sich der Unwürdige an dem Leibe und Blute des Herrn versündigen, wenn er nicht wirk¬ lich Solches, sondern nur Brod und Wein empfinge? Wie könnte er sich die Verwerfung hinein essen? Wie konnte der Apostel Krankheiten und Tod als Strafen des frivolen, leichtfertigen Genusses bezeichnen? (V. 30.) In welchem Zusam¬ menhänge stände dies Alles? Nur im katholischen Dogma finden diese Fragen ihre Antwort. Nur wenn Christi Fleisch und Blut wirklich gegenwärtig ist, so ist der unwürdige Genuß eine Ver¬ sündigung an denselben — ist Gottesraub. Und nur wenn der Herr nicht bildlich gesprochen: „Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen, und sein Blut nicht trinken werdet, so werdet ihr das Leben nicht in euch haben" b. IV. „Wie können sie glauben — die Häretiker — daß das Brod, , er welches man Dank gesagt hat, der Leib ihres Herrn und daß es der Kelch seines Blutes scy, wenn sie "»cht bekennen, daß er der Sohn des Weltschöpfers ist? U»d können sie sagen, daß das Fleisch für immer der Verwesung Meimfalle, und nie das Leben empfange, welches doch mit dem - >be und Blute des Herrn genährt wird? Entweder sollen »e also ihre Ansicht ändern, oder sich vom Darbnnaen — Opfern — Malten". — Wenn der heil.Irenäus nicht die Transsubstan- '"ion im katholischen Sinne gelehrt hätte, so wäre seme Be- ^"ptung, daß durch den Genuß der Eucharistie die verwesliche Substanz des menschlichen Leibes in eine unverwesliche vcrwan- 272 delt werde, nicht probehältig gewesen. Die Häretiker hätten ihm nämlich entgegnen können: Wie das Brod in der Eucharistie auch nach der Consecration noch Brod bleibt, nicht in den Leib des Herrn übergeht, so werden auch unsere Leiber, obgleich sie mit¬ tels des Brodes den Leib Christi empfangen, doch durch die Vereinigung mit demselben nicht verwandelt — bleiben also ver¬ weslich. Zu vergleichen Ilb. V. 2, 2 und 3. Daselbst lehrt er: „daß Brod und Wein, sobald sie das Wort Gottes empfan¬ gen, d. i. sobald die Consecrationsworte Christi darüber ausge¬ sprochen sind, die Eucharistie werden, welche der Leib und das Blut Christi ist". Der nämliche Vater erzählt, (üb. b eop. 13.) daß ein gewisser Ketzer Marcus, ein Valentinianer, durch irgend einen Kunstgriff weißen Wein roth färbte (bei der Feier seiner Eucharistie), um glauben zu machen, es habe sich in Folge der von ibm ausgesprochenen Consecrationsworte der Wein sicht¬ bar in Blut verwandelt. Daraus schließen wir: wenn der Glaube an die Verwandlung des Brodes und Weines in den Leib und m das Blut Christi im heil. Abcndmahle unter den Christen damals nicht allgemein war, so läßt es sich nicht erklären, wie der ge¬ nannte Betrüger auf seinen Einfall kommen, und auf irgend Je¬ mandes Bewunderung rechnen konnte. Die rationalistischen Gegner des katholischen Dogma von des Eucharistie, zumal der Transsubstantiation, schmeicheln sich h'f und da, daß ihnen die Lehrer an der alexandrinischen Catecheteu- schule, welche von Pantänus, am Ausgange des zweiten Jahr- hundertcs, wenn nicht ins Leben gerufen, so doch fester begründet und eingerichtet wurde, günstig scyen. Sie thun ihnen aber ge¬ waltig Unrecht. So viel ist wahr, daß die Alcrandriner lieber und häufiger, als die übrigen alten Lehrer der Kirche allcgorisir- ten, daher reden sie auch manchmal von einem geistigen Ge¬ nüsse des eucharistischen Leibes und Blutes Jesu, oder sie neunes die Gestalten des Brodes und Weines ein Symbol des dar¬ unter enthaltenen Leibes n n d Blut e su. dgl., ohne aberd tt wirkliche Gegenwart Christi auszuschließen. Der dies¬ falls ziemlich dunkle Clemens von Alexandrien, des Pantänne Schüler sagt: daß wir den Heiland in unserer Brust ver¬ schließen sollen, um die Unvollkommenheiten unseres Fleischs auszugleichen, (kaeä. Ilb. I, oap. 6.) In den Ausgaben seu" Werke kommt eine merkwürdige Stelle eines gewissen Theodos vor, daß das Brod, welches in Kraft des Wortes gehciliget wn^ nicht Das sey, was es äußerlich — seiner Gestalt nach seyn scheine, (ö c^ro>, sL «--to-^r«: r>? r« 00 rot «o'r« x«r« ra Origenes, des Vorigen Schüler, sagt zu den Christen 13. in Lxoll ): „Ihr sorgt beim Empfange des Leibes de Herrn mit aller Vorsicht und Ehrfurcht dafür, daß nichts davo auf den Boden falle; denn ihr glaubet, und zwar mit Rem - daß ihr euch versündiget, wenn etwas aus Nachlässigkeit heruntc 273 fallt." Warum cine so ängstliche Vorsicht, (vergl. Tertnllian 6o caroiia cap. 3.), wenn in der Eucharistie bloß Brod und Wein wäre? Der Nämliche redet (bom. 2 in psalm. 37.) zum unwür¬ dig Communicircnven: „Du fürchtest nicht, den Leib Christi zu empfangen, indem Du zur Eucharistie hinzutrctest? — Meinst Du, Du werdest dem Gerichte Gottes entfliehen?" Ebenso in lwm. 13 in I.ovit. Und Hom. 7 in lib. V. Nosiš : „Damals — im alten Bunde — war das Mauna eine vorbildliche Speise, nun aber ist das Fleisch des Wortes Gottes eine wahrhafte Speise, wie Jesus selbst sagt". (Joh. Cap. 6, V. 56.) Siehe auch Hom. 3 in Diversa. Tertulllan: „Das Fleisch genießt den Leib und das Blut ^>nsti, auf daß die Seele von Gott genährt werde", («lo resnr. cap. 8.) Wenn derselbe (lib. 4, cap. 40 contra DIarc.) schreibt: .^eceptum panom ot elistribntum cliscipnlis corpns sunm freit, hoc «Ä corpus msum clieomlo, i«I ost, figura corporis m e i-J so ist >bm das Wort ll^nru hier offenbar, wie es die ganze Stelle Mst, nicht gleichbedeutend mit Zeichen, oder Symbol, sondern mir die Erscheinungsweise, das ^coillens, unter welchem nch das wahrhaft Reale, nämlich der Leib des Herrn darstcllt. ^>chc lib. do jllol. cap. 7; wo Tertulllan sich gegen jene Christen fmsi-rt, welche Götzenbilder verfertigten, und mit den nämlichen Händen dann die Eucharistie empfingen. „Welch ein Verbrechen! M er aus. Die Juden haben nur einmal an Christus sich ver¬ bissen; Jene aber mißhandeln täglich seinen Leib!" Also äl dem Tertulllan der eucharistische Leib Christi Derselbe mit dem dou den Juden getödteteu. (lib. eie orat. cap. 6 und 14? — lib. big ansiebt, nur irgend wahrscheinlich finden, daß ein einfa- ?,er Mönch einendem menschlichen Verstände allerdings sehr 'chwierig, ja unbegreiflich scheinende Lehre ersonnen, und deren Annahme — auch in der griechischen Kirche, die eben damals durch en Patriarchen zu Constantinopcl, Photius (ch 891) vom Ceutrum er Einheit — von Rom — losgcrissen wurde — durchgesetzt Me? Nimmermehr! — Nur an der bis damals ungewöbnlichen Erstellung des katholischen Dogma durch Paschas,us Radbcr- nicht am Dogma selbst,*) stießen sich Rabanus Maurus "nd Ratramnus. Die Ansicht des Johannes Scotus war aber Mfelsohne eine unkirchliche. Ihm galt das Abendmahl kaum ^br, als nachher dem Zwingli. Aus ihm schöpfte zum Tbene 7Men Jahrhunderte Berengar von Tours seine Irrlehre, welche ns mehreren Synoden verdammt, und endlich von ihrem Urheber verworfen wurde, der 1088 im Frieden nnt der Kirche starb. >-lehnlich, wie Paschasius Radbertus drückten sich auch schon früher Einige aus, so: Der heil. Johannes von Damascus im 8. Jahrhundert: "In der Eucharistie ist der Leib wahrhaft mit der Gottheit vereiniget, der Leib aus der heiligen Jungfrau". ( genügt ohnehin lein Beweis. Es wendet etwa hie und da Jemand ein: Ich kann mir niast vorstellen, wie die äußeren Merkmale einer Sache allein, ok"s diese, fvrtbcstebcn sollen? — Wir sehen hierin eben so nw"'-! einen logijchcn Widerspruch, als in irgend einem Wunder über¬ haupt. So wie dieses nicht eine Wirkung ohne Ursache ist, sos dcrn dabei an die Stelle der natürlichen die unmittelbar gött¬ liche Causalität tritt, so wird hier an die Stelle der mit de« Merkmalen und Eigenschaften sonst gewöhnlich verbunden^ Substanz durch Gottes Allmacht eine andere gesetzt. Daß aber Gott dies zu bewirken im Stande sey, wird Niemand läugnen, der an Ihn, als einen persönlichen, übcrweltlichen Go Ü>aubt. — Der Gottmensch, Jesus Christus, hat zu Eana " Galilaa durch seinen allmächtigen Willen Wasser in Wein ver- 277 wandelt, soll er denn keinen Glauben verdienen, daß er den Wein in sein Blut verwandeln könne? sOvriii. sterosolvm. cotecb. 22.) Auch hierin ist uns sein Wort Bürgschaft genug; und wir singen mit aller Zuversicht im schonen Hymnus des beit. Thomas von Aquin: ,,?0NA0 linAuo": Verbum coro, ponem verum Verbo esrnem etkicit; I'itgue sonMiis Obristi merum, lsitsi Sensus steüeit-, Vst ürmonstum vor sincerum 8olo üstes sutkicit. Die weiteren Aussprüche des Concils zu Trient: ses«. 18. c,m. Z—11 stxhxn IM notbwcndigen Zusammenhänge mit der bis¬ her entwickelten Lehre. — Unter jeder der beiden Gestalten und h" jedem der einzelnen Tbeile derselben ist der ganze Chri- mit Fleisch und Blut, Seele und Gottbeit, enthalten. ck»n. 3.) Siehe soss. 21. con. 1 3, welche wie folgt lauten: »Wenn Jemand behauptet: alle Christgläubigen müssen ^ut göttlicher Anordnung, oder bei Verlust der Seligkeit, beide Gestalten des allerheil. Sacramentes der Eucharistie empfangen; sey er im Banne." (con. 1.) , »Wenn Jemand behauptet: die heil, katholische Kirche sey weht durch gerechte — hinreichende — Ursachen und Gründe be- sinnmt worden, den Laien, und auch den nicht celcbrireudcn Prie- !lern die Kommunion nur unter der Gestalt des BrodeS zu rei- Mn, oder sie habe hierin geirrt; so sey er im Banne." (con. 2.) »Wenn Jemand läugnet, daß der ganze ungethcilte Christus, Quelle und der Urheber aller Gnaden, unter der einzigen Ge- At des Brodes empfangen werde, weil er, wie Einige fälschlich Aren, nicht gemäß der Anordnung Christi selbst, unter beiden Gestalten empfangen wird; so sey er im Banne." feon. 3.) Die dogmatische Begründung dieser Entscheidungen ist im "I>-3. «ess. 13. enthalten. Denn der Leib Christi, welcher nach Hiner Auferstehung nicht mehr stirbt j Röm. Cap. 6, V. 9.), bc- i'bht nicht ohne sein Blut, und umgekehrt. „8emper boeo üstes in ecelesio 1)oi knit, stotim post coosecrotio- »eni verum Domini nostri corpus^ vernmgue ejus son^uinem. 8ub ksnis et vini specie, uno cum ipsius animo et stivinitote existere; sest '"tgus guistem sub specie pouis, et sonAuinem sub vini specie, ex vi ^rborum; ipsum gutem corpus sub specie vini, et ssuguinsm sul> ^peeie ponis, onimomgue sub utroglie. vi notnrolis iilius connexionis, enneomitoiitioe, guo Portes Obrisli Domini, gui jon> ex mnrtnis re- ^^erexit, non ampbns moriturus, inter se copulantur; stivinitotem porro kenpter o,Immobilem i'IIoin ejus cum corpore et om'mo Iivpostoticam livnem." Durch die Vorenthaltung des Kelches, welche allgemein ""d gesetzlich im IS. Jahrhunderte - und zwar auf Geheiß 278 des Concils zu Constanz 1415 — üblich wurde, wird also von der Kirche den Laien nichts Wesentliches entzogen. Es ist dies ein zur Di sei p lin, nickt zum Dogma gehöriger Gegen¬ stand. Auch die außer der heil. Messe communicirenden Priester empfangen die Eucharistie nur unter Einer Gestalt; das Opfer der Messe aber müssen sie, dem Vorgänge Christi folgend, stets unter beiden Gestalten darbringen. In besonders rücksichtswürdigen Fällen kann die Kirche zu Gunsten einzelner Gläubigen und Nationen eine Ausnahme ein- trcten lassen, und ihnen den Kelch bewilligen, was sie hie und da gethan hat, — z. B. das Concil zu Basel den Calixtinern (1433), einem mit der Kirche versöhnten Zweige der Hussiten. — Die wichtigen Gründe, welche die Kirche zur Anordnung der Communion unter Einer Gestalt, und zwar des Brodes vermoch¬ ten, waren zumeist: damit die Gefahr des Verschüttens des heil. Blutes vermieden werde, und weil Viele den Geruch und Geschmack des Weines nicht vertragen. In manchen Provinzen wäre die Herbeischaffung des Communicanten-Weines für Viele mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Die heil. Schrift ist der Communion unter Einer Gestalt nicht entgegen. Schon der Heiland selbst, der gesagt: „Wer mein Flehm ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben", sprich^ „Wer dieses Brod ißt, wird ewig leben" (Joh. Cap. ff V. 55, 59.), worauf sich das Concil zu Trient sess. 21. csp. > bezieht, zum Beweise, daß der Herr die nämliche Wirkung der Communion unter Einer Gestalt zuerkenne, wie der unter beiden. Und Paulus versichert, daß, wer unwürdig entweder das Brod ißt, oder den Kelch des Herrn trinkt (also, wenn amu nur Eines von Beiden genießt), des Leibes und Blutes des Hoss» schuldig sep. (1. Cor/Cap. 11, V. 27.) Wahrscheinlich theilte Jesus den beiden Jüngern zu Emans (Luc. Cap. 24.) das Abend¬ mahl aus, indem er ihnen das Brod brach. So ist auch ss der Apostelgeschichte (Cap. 2, V. 1, 2.) unter dem Brechen deö Brodes allein, der Empfang des Leibes und Blutes Ehss" zu verstehen. In den ersten Jahrhunderten, während der Verfol¬ gungen, haben die Christen manchmal die Eucharistie nur unter Brod- gestalt mitgenommen, um sich bei eintretender Gefahr damit)» stärken. Es entstand die Sitte, — schreibt Dr. Döllinger m- Hippolptus und Kallistus, S. 350, — das eucharistische Brod aus der Kirche nach Hause zu nehmen, und successive zu genieße»' Tcrtullian gedenkt dieser Sitte öfters, z. B. in jener Stelle t»s orat oap. 14.), wo er den Rath gibt: „an den Fasten-Stationen M den Leib des Herrn reichen zu lassen, ihn aber aufzubewabrs» und so an dem Opfer Theil zu nehmen". „Es wird Dc<» heidnischer Ehemann nicht wissen, schreibt er (lib. II. aä uxoiss» oap. 6.), was Du im Verborgenen, vor jeder anderen Spctsi- zu Dir nehmest." Er meint die Eucharistie unter Brodgestau/ welche die christliche Gattin, an einen zweiten heidnischen Ma»» 279 verehelicht, geheim zu Hause genießen wurde. — Wie der heil. Minus bezeugt (^pal. I.), wurde damals die Eucharistie von de» Diakonen zu den Abwesenden getragen; Bischöfe schickten sich dieselbe — auch nur unter Brodgestalt — gegenseitig zu, zum Zeichen ihrer kirchlichen Gemeinschaft. Eben so wurde sie zu den Kranken gebracht, wovon der Kirchcnhistoriker Eusebius ein Bei¬ spiel erzählt. (Uh. 6. eap. 44.) Einsiedler pflegten das himmlische Brod mit sich in die Einöde; gefahrvolle, lange Reisen Unter¬ nehmende mit auf den Weg zu nehmen. — Kindern wurde ehe¬ mals die Eucharistie unter der Gestalt des Weines gereicht, was noch jetzt unter den Griechen gebräuchlich ist. Zum noch genaueren Verständnisse des Gesagten mögen die nachstehenden historischen Daten dienen: Der Gebrauch, das Abend¬ mahl nur unter Einer Gestalt zu empfangen, wurde nicht durch rin kirchliches Gesetz erst, als etwas früher ganz Unbekanntes ge¬ gründet; sondern umgekehrt war ein solches Gesetz durch den schon da gewesenen allgemeinen Gebrauch, denselben billigend, veran¬ laßt. Die Sache gab sich, wie man zu sagen pflegt, von selbst. 9- Jahrhunderte fing man an, von der Furcht angeregt, das Heiligste durch Vergießen zu profansten, sich eines Röhrchens beim Tcnuffe des Blutes Ehristi zu bedienen. Am Ausgange des l l.Jahr- huudertes kam die Uebnng auf, die heil. Hostie in das heil. Blut getaucht, meist auf einem Löffelchen den Gläubigen darzureichen; was, wie Einer bemerkt, insbesondere der Großbärtigen wegen geschah, damit sie nicht ihre Haare eher mit dem Blute des Herrn Quetzen, als dasselbe an den Mund bringen. Das Concil zu Vermont unter Papst Urban H. (1095) und Papst Paschal II. Mtcn sich aber mißbilligend darüber ausgesprochen; Jede der Ge¬ halten solle abgesondert empfangen werden, außer im Nothfalle, und da mit aller Vorsicht. Zur Zeit der Kreuzzüge scheint im Oriente der Kelch deßhalb nach und nach außer Gebrauch gekoin- nwn zu seyn, weil cs hie und da au der hinlänglichen Menge Weines gebrach, und derselbe auf den Schiffen einer um so größe¬ ren Gefahr des Verderbens und Verschüttens ausgesetzt war. Zu dem gesellte sich die Besorgmß der kirchlichen Lehrer: die minder Unterrichteten würden in dem Jrrthumc bestärkt, daß nicht unter jeder Gestalt der ganze Christus gegenwärtig sey. Aus einer stelle des berühmten Scholastikers und Franciscaners, Alerander "on Halcs (aus England, -f zu Paris 1245) — 8oM. I,b. 4. gnaest. 83. membr. 1. — ist zu ersehen, daß damals die Laien jchon sust durchgehends nur unter Einer Gestalt bris Abendmahl em- ßsingen. Der heil. Bonaventura, und der heil. Thomas Aquinas geben dafür zum Theile dieselbe dogmatische Begründung an, als später das Concil zu Constauz und Trient. Ihren großen Lehrern svlgend führten der Franciscaner- und Domimcauer-Orden die Kommunion unter der alleinigen Gestalt des Brodcs in ihren Klo- ßern allgemein ein, worin ihnen dann auch die Cistercienser und Denedictiner, z. B. in den weltberühmten Klöstern: Clugny, St. 280 Denis und Monte-Cassino beistimmten. Die überall auch außer den Klöstern überbandnebmeudc Praxis wurde endlich, wie oben bemerkt, vom Concil zu Constauz — svss. 13. — förmlich sauc- tionirt. Unmittelbar nach der Consecration schon, und so lange die äußeren Merkmale des Brodes und Weines, als: der Gerucb, Geschmack, unversehrt sind, ist Christus gegenwärtig; nicht bloß im Momente des Genusses, (soss. 13. cmn. 4.) Siehe Seite 264. Es kann also das allerh. Sacrameut im Tabernakel aufbewabrt, und von da als Wegzehrung den Kranken gebracht werden, (can. 7.> Dem in der heil. Hostie anwesenden Sohne Gottes gebührt die eigentliche Anbetung (oultus lalrlno), welche uralt ist, und nickt etwa erst im Mittelalter auskam. l steh Dr. I. A. Möhlers Sym¬ bolik. S. 323.); daher kann das allerh. Sacrameut dem Volke zur Anbetung ausgesetzt, und auch feierlich herumgetrageu werden; wie dies insbesondere in der Frobnleichnams*)-Prozession geschieht, welche um 1246 zuerst in der Diöcesc Lüttich eingesührt, vom Concil zu Vienne (1311) aber auf die ganze Christenheit ausgedehnt wurde, (oan. 6.) Der etwaige Anwurf: wir Katholiken seyen Brod-Anbeter, also Götzendiener, wäre gar zu läppisch, als daß wir ihn einer Widerlegung würdigen sollten. Wenn schon der heil. Augustinus schreibt in psalm 98: „Niemand empfängt jenes Fleisch knickt Brod) ohne vorher — den verborgenen Gott und Heiland — au- gebetet zu haben", so kann dies wohl nur Derjenige beanständen, der vom katholischen Dogma keinen Begriff hat, oder die Gott¬ heit Christi läugnet. Siebe Oono. Toni. sess. 13. eap. 5. Kein aufrichtiger Katholik schämt fiel,, seine Kniee vor dem Allerhciligsten zu beugen. Er beugt sie ja vor dem allmächtigen Gott, vor dessen Majestät die Engel im Himmel erschauern; er beugt sie um so lieber und tiefer aus Dankbarkeit, weil der Unendliche aus Liebe zu uns Menschen, obgleich schon zur Rest!' ten seines Vaters sitzend, unter der ärmlichen Hülle des Brodes bei uns scyn will; wie er aus Liebe zu uns einst als schwaches Kind in der Krippe zu Bethlehem lag, wo ibn die Weisen aus dem Morgenlande kniefällig anbcteteu. Wie schon bemerkt, besteht die wesentliche Materie des allerh- Altarssacramcntes im Weizenbrode und Weine. Die lateinische Kirche bedient sich des ungesäuerten Brodes, weil nach dcM Zeugnisse der drei ersten Evangelisten (Matth. Cap. 26, V. 17-! Marc. Cap. 14, V. 12.; Luc. Cap. 22, V. 7.), welchem aber auch Johannes (Cap. 13, V. 1.) nickt widerspricht, Jesus am ersten Tage der ungesäuerten Brode, wo die Juden schon kein ge¬ säuertes mehr im Hause haben durften, das Sacrameut einsetztr- Doch ist auch die Eucharistie der griechischen Kirche deßhalb nickt ungültig, weil sie dieselbe im gesäuerten Brode feiert. (Oalecb. Homan, cie llucliar. 8sor.) *) Frohn - Herr; Leichnam -- Leib. 281 Dem zu consecrirenden Weine wird ein wenig Wasser beige- mischt, weil dies, wie die Concilien und der heil/Cyprian bezeu¬ gen, schon der Herr selbst getban; ferner, um daran zu erinnern, daß aus der durchbohrten Seite Cbristi am Kreuze Wasser und alnt gestossen; endlich, weil durch diese Beimischung des Wassers, welches in der geheimen Offenbarung (Cap. 17, V. 15.) das gläu¬ bige Volk bedeutet, dessen Vereinigung mit Christus versinnbildet Wird. (Oone. Drill. 8688. 22, cap. 7. «an. 9; und Cateob. Koman.) Rur in der Priesterweihe wird die Gewalt crtheilt, das orod und den Wein in das Fleisch und das Blut Christi zu um- waudeln; weil der Herr nur zu den Aposteln und ihren Nachfol¬ gen, nicht zu allen Gläubigen obne Unterschied, gesprochen: „Thut bwses zu meinem Andenken!" Das ganze christliche Alterthum 'halte diese Ueberzeugung. . Die ersten Christen kannten kein größeres Gluck, als recht vst zum Tische des Herrn hintreten zu dürfen. Von diesem aus¬ geschlossen scyn, war ibncn Eins mit: von der Gemeinschaft mit ^mstus ausgeschieden seyn. Die allgemach cingerissene Laubeit machte später (1215, viertes allgcm. Concil im Lateran, can. 21.) bas ausdrückliche Gebot der Kirche nöthig: jeder katbolische Christ muffe das allerheil. Altarssacrament wenigstens alljährlich in der elterlichen Zeit, in welcher cs eingesetzt worden, empfangen. Wenn » dies unterläßt, ist er der kirchlichen Gemeinschaft verlustig. (Omeeh. Koman. S. 216.) Welche Feder vermag die segensvollen Früchte einer würdi¬ gen Cominunion erschöpfend zu beschreiben? Wenn der Herr brr Gnade selbst in die ibm bereitete Wohnung einzieht, kann sie "vch eines größeren Segens sich erfreuen? Wie rein aber muß ^scytt, um den allerhöchsten Gast nach Gebühr aufzunehmen! würdig Communicirende tritt in die innigste Gemeinschaft mit Heilande, so daß er voll himmlischer Freude ausrufen kann: W Herr ist nun in mir und ich in Ibm! (Joh. Cap. 6, V. 57.) sk darf sich der göttlichen Gnade getrösten, durch welche, wie der vsb durch vergängliche Speise, so die Seele in dem ihr eigen¬ tümlichen höheren Leben genährt und gestärkt wird. Die Eucha- Ac ist ihn, ferner das Bewahrungsmittel vor Rückfällen in die blinde, — freilich muß er es an eigener Anstrengung, sich davor ff! hüten, nicht fehlen lassen. Sie reiniget ihn von den täglichen glichen Sünden, und den kleineren Flecken, wie sie aus mensch- Schwachheit ihm anklcben, und dient ibm endlich als llntcr- mnd der ihm, wenn er standhaft ausharrt in der Treue zu sci- m Herrn und Meister, jenseits bereiteten Auferstehung zum cwi- M Leben und nie endenden Glorie. (Siehe Oone. Drill. sess. 13. ^-2. und ean. 5; Oateob. Koman, llo milltipliei s-t a bar hatte davon der Prophet Malachias geweissagt Cap. 1, V. 10,1^ »Ich habe kein Gefallen an euch, spricht der Herr der Hccrfm" / ren, und nebme kein Opfer ans euren Händen. Denn vom gange der Sonne bis zum Untergänge wird mein Name Unter Lpfer im Allgemeinen versteht man eine Gelt, in Anerkenn , unserer Abhängigkeit von Ihm, dargetrachte Gabe, welche in einer ziehung auf Ihn (umgeändert) zerstört wird. 283 werden unter den Völkern, und an allen Orten wird meinem Na¬ men geopfert, und ein reines Opfer dargebracht werden; denn groß wird mein Name werden unter den Völkern, spricht der Herr der Heerschaaren". — Ohne Gewaltthat nnd Verdrehung läßt sich diese Stelle durchaus nicht von einem bloß innerlichen Opfer heiliger, gottgefälliger Gesinnung deuten. Es wird eine äußere Opferkandlung von unendlichem, nicht von der Würdigkeit des Opfernden abhängigem Werthe, den Opfern der Juden gegen¬ über gestellt. Am Kreuze bat sich Christus als das blutige Versöhnungs¬ opfer ein für alle Mal seinem Vater dargebracht; unbluti¬ ger Weise wollte er, der ewige Hohepriester, dasselbe in seiner Kirche fort und fort erhalten und erneuert wissen. Er sprach ja beim letzten Abendmahle, wo er einen neuen Bund einsehte, und in seinem Blute einwcihte, gleichwie Moses den alten Bund mit Opferblut besiegelte (Erod. Cap. 24; Hebr. Lap. S.).- „Dies ist mein Leib, der für euch hingegcben (geopfert wird); rbut Dies zu meinem Andenken". Christus hat am Kreuze das Opfer für unsere Sünden dar¬ gebracht. Da nun aber der menschgewordenc Gottessohn, der für ans gelitten hat, gestorben und auferstauden ist, seiner eigenen Be¬ lehrung zufolge in der Eucharistie gegenwärtig ist, so substituirte die Kirche auf sein Geheiß (Luc. Cap. 22, V. 20. u. ff.) vom An¬ sange an den geheimnißvoll anwesenden, nur dem gläubigen Gei- siesauge sichtbaren Christus dem geschichtlichen, dem leiblichen ^iime nun unzugänglichen. Jener wird für Diesen genommen, sveil eben Dieser auch Jener ist; Beide werden als Ein und Der- wlbe betrachtet, und darum auch der eucharistische Heiland als das Opfer für die Sünden der Welt. (Dr. Mvbler's Symbo¬ lik. S. 309.) Christus lebt in seiner Kirche mit seiner ganzen erlösenden und heiligenden Thätigkeit fort bis zum Ende der Zeiten; also "mgt er sich in derselben auch fortwährend dem Vater als Opfer dar für die Sünden der Welt. „Obwohl er sich nur Ein Mal aw Altäre seines Kreuzes seinem himmlischen Vater im Tode auf- swferte, und da die ewige Erlösung wirkte, so hat er doch, weil win Priesterthum mit seinem Tode nicht aufhören durfte, nnd da- Ak er seiner Kirche ein sichtbares Opfer, wie es die Natur der huschen erfordert, hinterließ, durch welches das blutige Kreuzcs- dvfer vergegenwärtiget, und sein Andenken bis zum Ende der Mteii erhalten, sowie auch die heilsame Kraft desselben zur Til- D'g unserer täglich begangenen Sünden uns zugcwendet wurde, '»dem er sich selbst als Priester nach der Ordnung Melchiscdech s Ewigkeit erklärte, sein Fleisch und sein Blut unter den Gestal- m des Brodes und Weines Gott dem Vater aufgeopfert, und dat Beides den Aposteln, welche er damals zu Priestern des neuen Fundes bestellte, dargereicht, auf daß sie es nehmen; und hat Men und ihren Nachfolgern im Priesterthume geboten zu opfern. 284 mit den Worten: Thut Dies zu meinem Andenken". (Oone. Iris. 8688. 22. 63p. I.) So wird denn, dem Willen Christi gemäß, sein blutiges, am Kreuze vollbrachtes Opfer, welches — wenn man sich also aus¬ drücken darf, das objective, allgemeine Opfer war, in der Messe für jeden Einzelnen zum subjektiven Opfer. Die Apostel hielten die Eucharistie für ein wirkliches Opfer, und brachten cs selbst dar in der Feier der heil. Messe. Paulus schreibt an die Coriuther, um sie von der Theilnahme an den Götzenopfermahlzeiten abzuhalten: I. Cap. 10, V. 21. „Ihr könnt nicht Antheil haben am Tische des Herrn und am Tische der Teufel". Es ist hier vom Opfer-Tische, d. i. vom Altäre der Christen die Rede, auf welchem das unblutige eucharistische Opfer dargebracht wird, weil ja der Apostel unmittelbar früher von den Opfern der Heiden (V. 20.) und (V. 18.) von den Opfern der Juden redet. Ihr Christen — das ist der Sinn — habt ja euer eigenes makelloses Opfer und genießet da¬ von; warum nehmt ihr Theil an dem Opfermahle der Götzen, der Dämonen? „Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken, und den Kelch der Teufel." Also Opfer dort, wie hier. Paulus spricht ausdrücklich vom Opferaltare der Christen" „e'Avz/Lv (Hebr. Cap. 13, V. 10.) Das Nämliche lehren und bezeugen die ältesten Kirchenväter. Sie erklären einstimmig: das Opfer Melchiscdcch's scy ein Vor¬ bild der Eucharistie gewesen, und die Weissagung des Propheten Malachias scy durch die Einsetzung des Abendmahles erfüllt wor¬ den. Sie bedienen sich, wenn sie von der Eucharistie reden, stb cher Ausdrücke, welche nur auf ein Opfer in eigentlicher Bedeu¬ tung Hinweisen; als: ncorchac«, nblatio: mirmun mo- vali«; 8acrisicsro, 8acordo8; Kea/«, «ari/twr, vietima, immnlare, altaro u. dgl. (Zum Begr>M des Priesters und des Altar es gehört unzertrennlich der des Opfers.) Uebrigens hatten die ersten Christen, zur Zeit ds Verfolgung, freilich noch keine eigens erbauten Altäre, wie d> Heiden; sondern sie brachten das heil. Opfer im Verborgeueu auf einem hölzernen Tische dar; weßhalb es nicht befremden darf, wie ihnen die Heiden den Vorwurf machen konnten, daß sic der Tempel noch Altäre hätten. Schon der heil. Papst Clewem redet (ep. 1. ml Oor. cap. 40 und 44) nicht undeutlich vom estwa ristischen Opfer. — Der heil. Ignatius spricht in seinen Bruch öfters vom Altäre der Christen; als: ep. all Kplie8. csp. 5- kkiladolpb. eap. 4; ad iVIa^nes. cap. 7. „Strömet Alle zusawiN wie zu Einem Tempel Gottes, und zu Einem Altäre." , Ter heil. Jnstinns erklärt sich mit der thunlichsten Ossem' im Gespräche mit dem Juden Tryphon über das Opfer der " charistic (Cap. 4l, 111.) Ja er gibt in seiner Apologie (l- die Haupttbeile der Messe an — die nämlichen, wie jetzt. " dem der zu Taufende das Glaubensbekenntniß abgelegt, und 285 Taufe empfangen hat, so führen wir ihn zu den Brüdern, wo diese versammelt sind, um in aller Andacht gemeinschaftliche Ge¬ bete zu verrichten; sowohl für sich, als für den Ncugctauften. — Nach geendigtem Gebete begrüßen wir uns einander mit dem Kusse. Dann wird dem Vorsteher der Brüder Brod gebracht, und ein Kelch Weins, gemischt mit Wasser. Dieser nimmt es, sendet Lob und Preis empor zum Vater aller Dinge, durch den Namen des Sohnes und heil. Geistes, und bringt ausführliche Danksagung dar, daß er uns dieser Gabe gewürdiget hat. Hat er Gebet und Danksagung vollendet, so sagt das ganze gegenwärtige Volk: llmen. Wenn nun der Vorsteher diese Danksagung vollbracht, und das ganze Volk eingestimmt hat, so reichen Diejenigen, welche dur bei uns Diakonen nennen. Jedem der Gegenwärtigen von jeseni Brode, und von diesem Weine mit Wasser, welches die Segnung (Consecration) empfangen hat, und bringen davon den Abwesenden. Diese von den Diakonen gereichte Nahrung beißt bei uns Eucharistie. Daran Theil zu nehmen ist Keinem erlaubt, außer Dem, der Das für wahr annimmt, was von uns gelehrt wird, und der zur Nachlassung der Sünden und zur Ncu- geburt das Taufbad empfangen hat, und nach Christi Vorschrift lebt. Denn nicht als gemeines Brod u. s. w. (folgt die Stelle, welche schon Seite 271 angeführt wurde). Schon hier ist des Offerwriums, der Wandlung und Communion, als der wesentlichen Theile der Messe, Erwähnung gethan; — wiederholt und ausführlicher im Nachstehenden: (Cap. 67) „Am Sonntage versammeln sich Alle, von der Stadt und vom Lande, au einem gemeinsamen Orte; da werden die Evangelien der Apostel, oder die Schriften der Propheten vorgelcscn, so lange die Zeit es ge¬ battet. Hat der Vorleser aufgehört, so hält der Vorsteher einen Er- bauungs- und Ermahnungsvortrag, diesen trefflichen Vorschriften "achzuleben. Dann stehen wir Alle mit einander auf und beten. Und Ui unser Gebet geendet, so wird Brod gebracht und Wein mit Mffer, und der Vorsteher richtet nun ans all seiner Kraft Ge¬ bete und Danksagung zu Gott, und das Volk stimmt ein durch: ^luien. Von dem, was cousecrirt worden ist, wird dann einem -Kdcn ausgetheilt, und Theil genommen; den Abwesenheit aber urch die Diakonen übersendet." So reicht denn selbst die Form heil. Messe bis ins graueste christliche Alterthum hinauf. — .. Der heil. Irenaus lehrt (adv, Imer. lib 4 enp. 17, 18.): daß w katholische Kirche ein eigeutbümlicheö neues Opfer habe, wel- Christus der Herr als das vollkommene an die Stelle der ^namentlichen Opfer setzte; welches die Kirche von den Apo¬ llo empfangen habe, und in der ganzen Welt Gott darbringc. ."r Prophet Malachias habe davon geweissagt. Ter Gegenstand °cs Opfers scy Brod und Wein, welcl.e Gaben aber durch die ^nstcration (en-xX k r a f t d c r E i -N e tz u n g s w o r t e C h r i st i lcui„ verbuui Doi) in sein Fleisch und Blut UM- ^wandclt werden. 286 Die Ueberzeugung des Clemens von Alexandrien geht eben daraus hervor, daß er, gleich den übrigen Värern, Melchisedech's Opfer ein Vorbild der Eucharistie nennt. (8trom. lib. 4. eap. 25.) Der heil. Hpppolytus bemerkt zu (kovv. eap. 9, v. 1. u. ff.)' „Täglich wird Christi kostbarer und unbefleckter Leib und sein Blut auf dem gehcimnißvollen und göttlichen Tische dargcbracht, indem sie geopfert werden sLmrLXärrau zum Andenken an jenen ewig denkwürdigen und ersten Tisch des gehcimnißvollen göttlichen Mahles." (ÜrgKin. ap. OaUancl. Dom. 2. puA. 488. — Siche Dr. I. Döllinger: Hippolytus und Kallistus. S. 343.) Auch Tertullian sah ganz bestimmt die Eucharistie als Opfer an; denn er spricht (llo orat. esp. 44.) von den oratlones saerl- tieiorum; vom Stehen am Altäre Gottes; von der Theil- nahme am Opfer. (Vergl. cle enltn kem. II. 41; aci uxor. II. 8; all 8cspulsm eap. 2; exbort. oast. eap. 44 ; äo virK. vel. cop. 9.) Selbst bei Origencs ist die Lehre vom eucharistischen Opfer nicht zu verkennen. Denn auch er redet von christlichen Prie¬ stern und Altären (Iinm. 40.), und betrachtet das Opfer der alttcstamentlichen Schaubrode als ein Vorbild der Eucharistie. (IHt. 24, 5.) — Vergl. aclv. Ools. 8, 33. Am bestimmtesten und deutlichsten lauten aber die Ausspruche des heil. Cyprianus; zumal in seinem Briefe (62) an Cäcilius in der klassischen Stelle: „Wenn Jesus Christus, unser Herr und Gott, selbst der Hohepriester Gottes des Vaters ist, und dem Va¬ ter sich selbst zuerst als Opfer dargebracht und befohlen hat, dieses zu seinem Andenken zu thun; so verwaltet offenbar jener Priester sein Amt wahrhaft an Christi Statt, der das, was Chri¬ stus gethan hat, nachthut; und bringt das wahre und volle Opfer dann in der Kirche Gott dem Vater dar, wenn er die Darbringung gerade so an geht, wie er sieht, daß es Christnsselbstdargebracht habe". (Vergl- äo um't. ocelos ; clo laps.; ep. 34, 66 U. a.) Die schon erwähnten Liturgien bezeugen auch verständlich ge¬ nug den allgemeinen Glauben der alten Kirche an die EuchariM als Opfer. Daraus ist ja eben ihr Ursprung abzuleiten. Es ist wahrlich unbegreiflich, wie die sogenannten Reforma- matoren — wenigstens Luther, der noch die wirkliche Gegen¬ wart Christi in der Eucharistie zuließ, — dieser den Charakter eines Opfers abstreiten und die Messe in so ungebührlicher Wesse schmähen konnten! Nur aus ihrer starren Opposition gegen die katholische Kirche läßt es sich zum Theile erklären, daß sie EtnM verwarfen, was eben so sehr in der Bibel, als im christlichen M tcrthume, ja auch in der Natur des Menschen seine Begründung hat. „Das Christenthum, schreibt Dr. Jgn. Döllinger in: Eucharistie in den ersten drei Jahrhunderten, S. 97. — dessen sämmtliche Dogmen und Institute ihre Wurzeln in den Defcn der menschlichen Natur, und folglich in irgend einer allgemeinen Meinung haben, hat auch den Opfercultus, der ohne Zweifel l 297 altist, als das Menschengeschlecht selbst, in sich ausgenommen, ilm veredelt, ihn jedes Unreinen, jeder fremden Beimischung ent¬ lediget und ihm das Gepräge der Göttlichkeit aufgedrückt." Ohne die Gegenwart Christi in der Eucharistie könnte freilich die Abendmahlsfeicr nur eine bloße Erinnerung an den sich für »ns am Kreuze aufopfernden Christus seyn, — aber sie selbst kein Opfer. Nur nach katholischer Lehre von der Transsubstantiation ist sie Tics in Wahrheit. In der katbolischeu Kirche ist Alles zum Begriffe des Opfers Nothwendige vorhanden: der Altar; die Opfergabe, nämlich Christus selbst unter den Gestalten des Brodes und Weines; Er zugleich der sich seinem himmlischen Vater Opfern de durch seinen stellvertretenden Priester; die Opfergaben — Brod und Wein — werden durch die Consccration umgewandelt in Christi Fleisch und Blut; und dadurch, daß die Gestalten gesondert bleiben, wird der blutige Krcuzeötod Christi, der sein Blut für uns vergoß, vorgestellt — deßhalb sind zum Opfer der Eucharistie beide Gestalten unumgänglich nothwen- dig, während zum Sacramentc Eine allein genügt. Der Vorwurf: das Meßopfer setze den Werth des Krcuzes- °Pfers Jesu Christi herab, kann nur aus llnkcnntuiß der katholi¬ schen Lehre hervorgehen. Denn cs ist ja, dieser zufolge, kein wc- lkiitlicher Unterschied zwischen den beiden Opfer-Arten. Oer nämliche Christus opfert sich hier am Altäre in unblutiger, wie dort einst am Kalvarienberge in blutiger Weise. Nicht als wenn das blutige Opfer unzureichend gewesen wäre zur Erlösung der gesammten Menschheit. Es genügt in Ewigkeit; es genügt Ein für alle Mal. (Hebr. Cap. 9, V. 12.) Das unblutige Opfer der Messe ist, wie schon gejagt, nur dessen fort¬ währende tägliche Erneuerung. Beide sind Ein Opfer; nur s» der Art ihrer Darbringung verschieden. (Siehe ^«»e. Drill. kess. 22. can. 4.) Die Messe ist ein Lob-, Preis- und Dank-Opfer; aber nicht dws allein; sondern sie ist auch ein Bitt- und Versöhnung s- Opfer, und zwar sowohl für die Lebenden, als für die schon Ocrßorbencn. (6one. Drill. ss88. 22. ean. 3. und oap. 2.) Das j>nd Sätze, die sich aus dem katholischen Dogma als nothwendige ^gerungen ergeben. Wenn jedes Opfer seinem Begriffe nach dw Anerkennung der unendlichen Größe und Majestät Gottes >u, wie viel mehr muß dies bei dem eucharistischen Opfer der 'M scyu, wo wir Gottes Eigenschaften, als: seine Gerechtigkeit, Heiligkeit, Allmacht u. s. w. ganz besonders zu lobpreisen uns gedrungen fühlen? Und wo anders werden wir so nachdrücklich dara,, erinnert, was wir Gott, unser Aller Vater, nicht nur m schlichen Dingen, sondern ganz vorzüglich unseres ewigen Heiles ^egcn zu verdanken haben, als eben bei der bell. Messe, wo uns als hörten wir die Worte Jesu, des sich für uns Opfernden: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen ciugebornen 288 Sohn dahin gab"? (Joh. Cap. 3, V. 16.) Könnten wir da kalt und unerkenntlich bleiben? „Bittet, sagte der Herr, und es wird euch gegeben werden." (Luc. Cap. 1l, V.9.) Sollen diese tröstlichen Worte nicht ganz vor¬ züglich von den Bitten Geltung haben, welche wir bei der heil. Messe zum Geber alles Guten empor senden? Gewiß! weil ja nicht wir allein bitten; sondern der sich aufopfernde Sohn Gottes, m Dessen Namen wir bitten, bittet mit uns und für uns. Darum schließt die Kirche ihre Meßgebete mit der Clausel: „ker Dominum nostrum llesum Lliristum tilinm Nuno--. — In den ersten Jahrhun¬ derten schon wurde das Meßopfer zur Erlangung des Friedens und anderer Wohlthaten dargebracht. So wahr Christus zur Tilgung unserer Sünden am Kreuze gestorben ist, so wahr ist auch die Messe ein Sühnopfer im eigentlichsten Sinne; was in Betreff unser so zu verstehen (Oonc. Drill. 8888. 22. 6k>g. 2.), daß, wenn wir mit lebendigem Glauben und wahrhaft reumüthiger Gesinnung vor Gott hintreten, er uns um seines sich aufopfernden Sohnes willen, der ja für unsere, und der ganzen Welt Sünden genug gethau, Gnade und Barm¬ herzigkeit zu Thcil werde» läßt. Das Meßopfer wird für die Lebenden Gott dargcbrallft, wovon wir schon in der alten Kirche mehr als Einen Beleg fim den. Man opferte ;. B. nach dem Zeugnisse Tertullians (all 8esp eap. 2.) für den Kaiser. Aber auch für die Verstorbenen kauu es verrichtet werden, auf daß Gott ihre etwa noch nicht ganz geläuterten Seelen bald in das Reick des ewigen Friedens An¬ ziehen lassen wolle. (Davon unten mehr in der Abhandlung XXV M Die Heiligen bedürfen zwar unserer Fürbitte nicht uielst- wohl aber wir der ihrigen, weßhalb wir die Gemeinschaft mit ihnen, wo wir können, — insbesondere bei dem Opfer bcr Messe, erneuern. Die Messe darf, und wird darum auch z" reu der Heiligen; aber nicht ihnen, sondern nur Go" allein aufgeopfert, wie das Oono. Drill. ausdrücklich lehrt s^ess. 22. cap. 3. — siehe auch esu. 5.) Wir preisen Gottes Erba" mung und Gnade, und die unendlichen Verdienste des Opfertodes Jesu in den Heiligen, welche ja durch dieselbe" und nicht durch sich allein wurden, was sic sind. In der ersten Zeit empfingen wohl meist alle anwesenden Gläubigen während der heil. Messe die Commuuion (siehe dK obige Zeugniß des heil. Justinus); leider ist dies schon lange mehr der Fall! Das Concil zu Trient erklärt Jene in den Ban», welche sagen: solche Messen, bei denen nur der cclebrirende ster allein das heil. Abendmahl empfängt, seycn unerlaubt n" , abzuschaffen. (8888. 22. eap. 6. und ean. 8 ); ermahnt aber am das Eindringlichste die Gläubigen, sich dem Genüsse des aller!'" Sacramentcs von Seite des Priesters wenigstens geistige Weise anzuschließen, und so die Gemeinschaft mit Christus zugehcn. (8888. 13. eax. 8.) 289 Dadurch ist der große Nutze» bedingt, den das Anwobnen der Messe den Gläubigen bringen kann und soll; indem nämlich an diesem Opfer in ihnen die gottgefälligen Gesinnungen: des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, Demuth, Reue, des Gehor¬ sams , der Hingebung an Christus erregt, gefördert und gepflegt werden. Daß eine bloß mechanische Gegenwart bei der Feier der heil. Messe fruchtlos sey, versteht sich von selbst. Zum Schluffe nur noch ein Wort über die sogenannten Meß- slipcndicn. Sie sind nicht die Bezahlung für die heil. Messe, deren Werth und Würde unschätzbar; sondern nichts als ein Almosen zur leichteren Subsistenz des Priesters, der dafür das Meßopfer auf eine bestimmte fromme — freilich durchweg zu bil- hgende — Meinung des Gebers darbringt. Sie sind ein Ersatz sär die einst von de» Gläubigen bei der Feier der heil. Messe dar- gereichteu Naturalgaben. Diese Letzteren hörten mit veränderten Zntverhältniffen auf; wie auch die sogenannten ^apen (Liebes¬ wahle, von Liebe), welche in der apostolischen Zeit schon mit der Feier der heil. Messe in Verbindung gebracht wurden, als üa schönes Zeichen des christlichen Liebesbundes. Als sie aber Wen Mißbräuchen verfielen, hob sie die Kirche, die überall das Heilige heilig behandelt sehen will, auf. XXIII. Die sieben heil. Saeramente. Fortsetzung. Rutze. Letzte üelunfl. Mesierweihe. Ehe. Die Süsse. , Wenn der Mensch so unglücklich war, die in der Taufe er¬ haltene heiligmachende Gnade durch persönliche Sünden zu verlie- ^a, so kann er dieselbe nur im heil. Saeramente der Buße, — a>mn es ihm anders möglich ist, dieses zu empfangen, — wieder "raünnen. In demselben werden nämlich dem Gefallenen, indem " ßch der Schlüsselgewalt, d. i. der Binde- nnd Lösegcwalt, welche " Herr den Aposteln und ihren Nachfolgern ertbcilt bat, unter- , rft, die Verdienste des Erlösungstodcs Icsn Christi zugewendet, ad er wird wieder ein Kind Gottes. . Daß die Buße ein wahres Sacrament — der Wiederversoh- ang mit Gott — sey, hat das Concil zu Trient in der 14 Sitzung ^gen die Reformatoren, welche diesen in der Kirche stets für wahr ehaltenen Glaubenssatz verwarfen, feierlich ausgesprochen. Cap. ' 2; Can. 1, 2, wo zugleich der Unterschied zwischen diesem Sa- "ainente und jenem der Tanfe hervorgehoben, zugleich aber gc- M wird, daß es den nach der Taufe Gefallenen nicht minder ig 290 nothwendig sey, als den noch nicht Wiedergeborenen die Taufe selbst. Christus der Herr — Er, der wahrend seines irdischen Wan¬ dels so manchen reuevollen Sünder wieder zu Gnaden aufnahm; Er, der von sich versicherte, daß er gekommen, nicht die Gerech¬ ten — die sich für Solche Haltenden — zu berufen, sondern die Sünder, weil sa nicht die Gesunden, sondern die Kranken des Arztes bedürfen (Matth. Cap. 9.); Er, der gesprochen, daß im Himmel mehr Freude sey über Einen Sünder, der Buße thut, als über neunundncunzig Gerechte, welche der Buße nicht bedürfen (Luc. Cap. 15, V. 7.), hat zu unserem Troste dies Sacrament eingesetzt, als er nach seiner Auferstehung zu den Aposteln, sie an¬ hauchend, sagte: „Empfanget den heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden Nachlassen werdet. Denen sind sie nachgelassen, und wel¬ chen ihr sie behalten werdet. Denen sind sie behalten. (Joh. Cap. 20, V. 22, 23.) — Cone. Deni. sess. 14, esn. 3. Bezüglich der Materie unterscheidet sich das Sacrament der Buße von den übrigen darin, daß sene sonst in einem natür¬ lichen, oder durch die Kunst hcrvorgebrachten Gegenstandes- ; steht; hier aber sind die Materie (quasi materin, sagt das Concü zu Trient: sess. 14, eap. 3; —Oatecll. Homan. S. 232, wo es beißt: „non qm'a verae materiae ralionem non llabeavt; seči qm'a ejus Aensris materia non sint, quao extri n 8 e eus acllnbeatur, nt aqua liapti'8ino, et «llrisma in Conürmatione".) die Acte des Büßers selbst; nämlich die Rene — in welcher die vorhergehende Ee- wissenserforschung, und der ernstliche Besserungsvorsatz eingcschloß sen sind —; die Beichte und die Genugthuung. Einige nennen die Sünden des Büßers in so ferne du entferntere Materie (die früher bezeichnete die nähere), ms sie durch die Buße getilgt werden; wie man das Holz die Ma¬ terie des Feuers, in welchem es verzehrt wird, nennen kann- (8es8. 14. cap. 3, ca». 4.) .. In Betreff der Reue — Contritio — lehrt das heil. Consi zn Trient, oap. 4: „Sie ist der Schmerz und der Abscheu über du ri begangene Sünde, mit dem Vorsatze, künftig nicht mehr zu digen. Sie war immer zur Vergebung der Sünden nothwendig, nnd bereitet den nach der Taufe Gefallenen darauf vor, wett» mit dem Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit und mit dem Willen verbunden ist, das klebrige zn leisten, was zum ordnuugs/ mäßigen Empfange des Sacrameutcs noch erforderlich ist. Reue enthält nicht nur das Aufhören vom Sündigen, u" den Entschluß, ein neues Leben zn beginnen, in sich; soudcr^ auch de» Haß des alten Sündculebens".— „Ucberdics, heißt H s weiter, obwohl diese Reue manchmal durch die Liebe zur vo kommen en wird, und den Menschen mit Gott aussöhnt, das Sacrament in der That empfangen wird, so dui doch die Aussöhnung selbst der Rene ohne den Wunsch, Sacrament zu empfangen, welcher Wunsch in ihr cE' 291 schlossen seyn muß, n ich t zugeschricben werden. Jene unvoll¬ kommene Reue aber, welche die ^ttritio heißt, und die entweder aus der Erwägung der Schändlichkeit der Sünde, oder gemeinig¬ lich aus der Furcht vor der Hölle, und den Strafen hervorgeht, macht, wenn sie den Willen zu sündigen ausschlicßt, und mit der Hoffnung auf Verzeihung verbnndcn ist, den Menschen nicht nur nicht zum Heuchler und zum noch größeren Sünder, sondern sie iß vielmehr ein Geschenk Gottes, und eine Anregung des heiligen Geistes, welcher dem Menschen zwar noch nicht innewolmt, son¬ dern ihn nur erst bewegt, mit dessen Hilfe der Büßer sich den Weg — zur Rechtfertigung — bereitet. Und obgleich sie — diese unvollkommene Reue — aus sich allein, ohne das Sacrament der Buße (d. i. ohne den wirklichen Empfang des Saramcntcs) den Münder nicht zur Rechtfertigung zu führen im Stande ist, so dis- pouirt sic ihn doch, um Gottes Gnade im Sacramente der Buße zu erlangen." — Siehe 8es8. 14. esu. 5. Die aus bloß natürlichen Motiven, z. B. ob zeitlichen Schadens, ob des Verlustes der Ehre vor der Welt, des Vermö- Ssns u. dgl. entspringende Reue, kommt, als zur Vergebung der vundenschuld ganz unzureichend, hier gar nicht in Betracht. Von der Beichte, als dem zweiten Erfordernisse znm heil, sacramente der Buße wird in dem nächst folgenden Artikel eigens Schandelt. Der dritte wesentliche Theil des heil. Bußsacramcntcs fft die Genngth uung (Satisksetü.), welche der Büßer für seine Zünden Gott zu leisten bemüht ist. „Doch ist diese unsere Ge- Munng nicht der Art, daß sic nicht durch Jesum Christum ge- Mhe; denn wie wir aus uns selbst nichts vermögen, so vcrmö- M wir Alles durch Ihn, der uns stärkt. — In Ihm leben wir, "'Ihn, verdienen wir, in Ihm leisten wir Genugthuuug, indem w'r würdige Früchte der Buße bringen, welche aus Jbm ihre "aft haben, von Ihm dem Vater dargebotcn und durch Ihn Vater wohlgefällig aufgenommen werden. — Kein — nntcr- "chteter — Katholik war jemals der Ansicht, daß durch unsere ^nugthliung die Kraft des Verdienstes und der Genngthuung ""sercs Herrn Jesu Christi verdunkelt, oder irgendwie geschmälert ^rdc. - So groß ist die göttliche Barmherzigkeit, daß wir nicht durch jene Strafen, welche zur Ahndung der Sünde entwe- von uns freiwillig übernommen, oder nach der Schwere dcr^ ssdcu vom Priester uns aufcrlegt werden; sondern aucb durch zeitlichen Geißeln s Strafübel), welche Gott über uns vcr- und die wir geduldig tragen, bei Gott dem Harter dnrch ^liiin Christum genugthun können." (So das Cone. lrm. sess. eap. 8—9; siehe auch «mi. 12—15.) . w Die Form des heil. Sacramentes der Buße liegt in den ?°ttcn des Priesters, mit welchen er die Absolution cr hel t: 'S« w absolvo ete. — Die Griechen bedienen sich einer AbsolU' 19 * 292 tionsforinel in Gebets-Weise (in forma stopreestoi is); ihre Lossprechung wird aber dcßbalb nicht als ungültig angesehen. Die Ausspendcr sind die Bischöfe, als die Nachfolger der Apostel im Besitze der Schlüsselgewalt; aber auch die veil ihnen bestellten Priester. Ohne die vom Bischöfe erhaltene Voll¬ macht, Jurisdiction, kann der Priester nicht gültigen Ge¬ brauch machen von seiner zwar schon in der Weihe von Gott überkommenen Gewalt, Sünden nachzulassen Denn die Natur, wie jedes Gerichtes, so auch des Bußgerichtes, fordert cs, daß der Urthcilsspruch nur über Untergebene gefällt werde; solche müssen dem Priester also vorläufig zugewiesen werden von seinem Bischöfe, d. i. der Bischof weist dem Priester die Gemeinde an, in welcher Dieser das Bußgericht verwalten darf. Eben deshalb, weil die Jurisdiction vom Bischöfe ausgcht, hat Dieser das Recht, die Lossprechung von gewissen schweren Sünden sich, oder de» von ihm hiezu eigens Bevollmächtigten vorzubchalten, damit die Größe solcher Vergehen den Gläubigen desto mehr auffalle, und sic davor desto mehr zurückschrecken. Den an der Schwelle des Todes befindlichen Sünder darf, wenn derselbe sonst disponirt ist, jeder Priester auch von den rescrvirten (Fällen) Sünden gül¬ tig absolviren, weil Gefahr am Verzüge haftet, und die Kirche den Eingang in das ewige Leben Niemandem verschließen will. (Siehe 6ono. Deist, «ess. 14. eay. 6, 7; ean. 11.) Daß schon in der ältesten Kirche das Sacrament der Buße vorhanden gewesen, ist eine unläugbare Thatsache. Denn die Bußdisciplin, welche in der stufenweise» Vorbereitung der Sün¬ der zur Lossprechung und svdannigen Wiederzulassung zur Eucha¬ ristie bestand, war schon frühzeitig vollkommen bis in die Dekans geregelt. Schon der Apostelschüler Hermas spricht von der Buße für einzelne Sünden, und von der dadurch begründeten Hoffnung auf Verzeihung flib. 3, simil. 6, 7, 8.). — Clemens von Alera"- drien thut die Nothwendigkeit der Buße weitläufiger dar. (8trcufi — Origenes redet von dem harten und mühseligen B uš¬ iv ege; und rechnet zum Wesen der Buße den Rencschnierz, H hlxomoloMsis (das Sündenbekenntuiß) und die Genugtbunng- worauf die absolutio erfolgt. — In der epistola esnomea des hew Gregorius Thaumaturgus (Wundcrthäter), Bischofs zn Neucässtt' in Pontus (f nm 270), sind bereits Buß-Canonen enthalten, d Vorschriften über die Behandlung der Büßer. — Tertulliau e klärt (stv poeniteMia): Nachdem die Thüre der Taufnnschnld ve. schloffen, erübriget nur die Buße. — Der heil. Cyprian ermah fst« lapsis) die Gefallenen (zunächst Die, die in der Deciauischen folgung den Glauben verläugnet hatten) zu wahrem und thätch Bußeifer, insbesondere zum rcumüthigcn Bekenntnisse ihrer Si den, und stellt ihnen seiner Zeit Lossprechung, Aussöhnung ' Gott und der Kirche in Aussicht. — Der heil. Hieronymus nc> die Buße das zweite Rettungsboot nach dem Schiffbruche; ob¬ erste ist die Taufe. 293 Gegen die katholische Lehre vom Bußsacramcnte erhoben sich m christlichen Alterthnmc die Montanisten — so geheißen von dem Schwärmer Montanus, aus Phrygien, im zweiten Jahrhun¬ derte, und im dritten Novatianns (dessen Anhänger Novatkancr genannt wurden), ein intriganter römischer Priester, der um 250 ein Schisma hervorrief, indem er sich gegenüber dem rechtmäßigen Oberhaupke der Kirche, dem heil. Cornelius, zum Papst aufwarf. Diese Sectirer wollten der Kirche die Lösegewalt, wenigstens in Betreff gewisser schwerer Sünden, als: der Apostasie, des Ehe¬ bruches u. s. w. ganz abstrcitcn. Als Sacrament verwarfen die Buße auch die Reformatoren des (6. Jahrhunderts. Luther schwankte zwar anfänglich, ob er die Buße auch zu den Sacramenten, als welche er die Taufe und das Abendmahl gelten ließ, zählen solle oder nicht; ließ sie aber dann bestimmt fallen. In Folge seiner irrigen Rechtfcrtigungs- theeric konnte bei ihm von einem Bußsacramcnte im echten katho¬ lischen Sinne unmöglich eine Rede mehr seyn. Denn wenn sogar in der Taufe nicht eine eigentliche S ü n d en t ilg ung bewirkt, ländern nur die Versicherung crtheilt wird, daß die Sünde nicht ^gerechnet werde; was soll in dem Bußsacramcnte geschehen? Eine neue Wicderanknüpfuug an Gott scheint nicht mehr noth- wendig, wenn, wie die Reformatoren meinten, die Gnade der Dause durch eine schwere Sünde nicht verloren gehe, weil eine wirkliche innere Erneuerung und Heiligung des Menschen ohnehin auch in per Taufe nicht Statt hatte! Wenn die Taufe als ein d°n Gott besiegelter Ablaßbrief für das ganze Leben aufgefaßt wird, und der Gefallene bei feder Sünde nur der Vcrgcgcnwär- ligung der in der Taufe empfangenen Verheißungen braucht; dann >Ech, wozu würde der sündige Mensch noch einer in der Kirche dem Herrn hinterlegten Macht, Sünden nachzulaffeu; wozu noch rineš vermittelnden Priester-Amtes bedürfen? — Nach der katho- lischcn Lehre muß die sacramentalische Buße durch die oben ange- lührten drei Acte des Menschen: Reue, Bekenntnis; und Genug¬ tuung sich bewähren; Luther kannte bloß die Gc wissens- lchrecken, die in der Furcht vor den göttlichen Strafgerichten Wehen, und den Glauben, daß nämlich die Sünden um gristi willen wirklich nachgelassen seyen. Hicmit sey der ganze Bußact abgeschlossen. Calvin hält die sogenannte mortiücatm, d. i. °as Ausziehen des alten sündigen Menschen, und die vlvilieatio, °as Anziehen des neuen Menschen, für hinreichend. Siehe dage- W: Oone, Delci, sess. 14. eine 2, 4. Die letzte Oelung. Die Einsetzung dieses heil. Sacramentcs, wovon das Concil lu Trient gleichfalls in der 14. Sitzung eap. 1-3 und can. 1—4 Rubelt, muß, wie die der übrigen, auf Jesus Christus selbst zu- ruckgeleitet werden. Dafür bürgt uns der heil. Apostel Jacob der 294 Jüngere, der in seinem Briefe (Cap. 5, V. 14—15.) also schreibt: „Ist Jemand krank unter Euch, so ruse er die Priester der Kirche zu stch, und sie sollen über ihn beten, und ihn mit Del salben im Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken zum Heile seyn, und der Herr wird ihn aufrichtcn, und wenn er Sünden au sich hat, so werden sie ihm vergeben werden." Daß dieses Sacrament schon unter den alten Christen im Gebrauche war, entnehmen wir unter Anderen aus Irenäus, Ori- genes sham. 2 in lstovitieiim), und häufiger noch ans den nachfol¬ genden Kirchenvätern. Sogar von den Gnostikern — Ketzern — war die letzte Oclung beibehalten worden.*) Die Materie besteht im — von dem Bischöfe am Grün¬ donnerstage geweihten — Oele aus Oliven; die Form aber in den Worten, welche während der Salbung mit dem heil. Oele gesprochen werden. Ertheilt wird das Sacrament von den Priestern den gefähr¬ lich Kranken, und zwar während der Dauer einer und der¬ selben Krankheit nur Einmal. Die Wirkungen desselben sind schon in dem obencitirte» Ausspruche des heil. Jakob enthalten; worüber sich das Concil zu Trient (cap. 2.) näher also erklärt: „Es ist eine Gnade des heil. Geistes, dessen Salbung die Vergehen, wenn noch welche zu sühnen übrig sind, und die Ücberbleibsel der Sünde tilgt; und die Seele des Kranken aufrichtet und stärkt, indem sie in ihm ein großes Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit erregt, wodurch der Kranke gestützt wird, und dann die Beschwerden und Mül¬ sale der Krankheit leichter erträgt, den Versuchungen des nach- stcllcuden bösen Feindes leichter Widerstand leistet; und manchmal auch die Gesundheit des Körpers wieder erlangt, wenn diese sch ncr Seele zum Heile gereicht". — Dadurch wird zugleich das, lei¬ der nicht so selten unzutreffende Vorurtheil genugsam widerlegt/ als ob der Kranke nach dem Empfange der letzten Oelnng unrett¬ bar dem Tode verfallen sey. .Wm-,uu der Tod hie und da bald darnach wirklich cintrete, erklärt sich ans dem Unverstände, welchem der Empfang des Saeramentes oft bis in die An.PM blicke der Agonie hinausgeschoben wird. Mc Priesterweihe. Als Sacrament datirt dieselbe von dem Zeitpunkte, als der Heiland bei dem letzten Abendmahle zn den Aposteln sprach- „Thut dies zu meinem Andenken!" und so, wie Er damals das Opfer des neuen Bundes einsetzte, dieselben zu Opferpri^ stern weihte. Gewiß hat er sich dabei eines sichtbaren Zeichn^ Es ist cine Absurdität, wenn von irgend Jemand behauptet wird. 'M'ü ^nnoccnz I. (402—417) habe die letzte Oelung eingefübrt! 295 bedient; welches, dürfen wir daraus entnehmen, weil die Apo« stel ihre Stellvertreter und Nachfolger im Priestertbnme unter Händcauflegung zum heil. Dienste auöschiedcn. (Siehe Apo- stelgesch. Cap. 6, V. 13, 14 u. a.) Dieser Aet war kein leerer Ritus, oder deutete nicht nur die lieber tragung des Predigt- aintcs an; sondern durch denselben wurde auch die Gnade mitgetbeilt, welche nur von Gott kommen kann. „Vernach¬ lässige nicht die Gnadengabe, ermahnt der heil. Paulus den Timotheus (I. Cap. 4, V. 14.), welche Dir gegeben worden durch die Prophezeiung (d. i. durch die bei Deiner Weihe ausgesproche¬ nen heil. Worte) und Händeanflegung." Und sll. Cap. 1,V. 6.) »Erwecke die Gnadengabe Gottes wieder, welche in Dir ist, durch die Auflegung meiner Hände." Vom Pricsterthume in der Kirche reden die Apostclschiilcr; als: Clemens von Nom und Ignatius. Clemens von Aleran- dricn schreibt: „DerPriester wird nicht von Menschen geweiht (d. i. nicht von ihnen erlangt er die Gnade), wenn ibm die Hände aufgelegt werden; sondern von Gott." (8lrmn. llb. 6.) Der heil. Ambrosius, mit Dem Hieronymus und Augustiniw übereinstim- men, sagt (siv (lignit, «acord.): „Der Mens ch legt die Hände auf; Gott gibt die Gnade. — Der Bischof verleiht die Weihe; Gott die Würde". Zum Wesen der Materie gehört die Händcauflegung; zur Form aber die dabei vom Bischöfe gesprochenen Worte. — Daß nur die Bischöfe gültig dies Sacrament ausspenden können, er¬ gibt sich daraus, weil, laut der beil. Schrift, nur die Apostel, deren Nachfolger Jene sind, dasselbe ertheiltcn. Obne Ansnabme hat die Kirche stets die etwa von einem einfachen Priester vorgc- nvinmene Ordination als null und nichtig angesehen. Bezüglich der Eigenschaften Jener, die sich dem Pricsterstande widmen wollen, hat die Kirche die weisesten Vorschriften erlassen. — Daß auch dieses Sacrament ein unMwlißchliches Merkmal der Seele aufdrücke, wurde bereits gesagt. (Siehe Onno. lei«!. 8vss. 23, NUd Oatecb. Homan, do Ordinis 8ncraniento.) Die Ehe Der Heiland hatte die Ehe nicht nur auf die uriprüiiglichc Ginrichtung, daß sic die Verbindung Eines Mannes nut nur Einem Weibe scy (Mmngamio), znrückgefübrt, und für miaust Mich er¬ klärt, sondern auch sogar zur Wurde eines Sacramentco n boben. In Betreff dieser beiden Punkte, nämlich der lacramcntalcn Eigenschaft und Unauflöslichkeit der Ebe, stimmen die s iotcstaii- stn mit uns Katholiken nicht überein, indem sie zwar me natür¬ liche Heiligkeit und göttliche Einsetzung des Ehestandes ancrten- ncn, die Ehe aber nicht als Sacrament gelten laßen wollen; über- dies halten sie die Trennung des einmal gültig gclnüplten Ebc- bundes gewisser Ursachen wegen für thunlich, und erlauben in 296 diesem Falle noch bei Lebzeiten des Einen Ehetheiles das Eingehen einer anderen Ehe. Es muß aber der Wahrheit zum Zeugniß als ein erfreulicher Fortschritt bezeichnet werden, daß sich unter den Protestanten immer mehrere und gewichtigere Stimmen gegen die Leichtigkeit aussprcchen, mit welcher früher die Eben unter ihnen getrennt werden konnten, und daß sie sich der katholischen Anschauung immer mehr zuwenden. — Die gricchisch-scbismatische Kirche läßt die Auflösung der Ebe in dem einzigen Falle des Ehe¬ bruches zu; sonst kommt sic mit der katbolischcn Kirche überein. — Wir beben bier die Grundsätze der Letzteren in Kürze hervor: Das Concil zu Trient erklärt (sess. 24. can. 1.): ,,8i gum üixcrit, Klsti-imviüum non esse vero et proprio nnum ex soptem iexi» b'vaiiZelieae 8aerameMi8 a ObrijUo Domino institutom, soll ab liomini- b>i8 in kceiesia inventmn; nocpie »ratiam conkerre, anatboma sil." (Wenn Jemand behauptet, die Ebe sey nicht wahrhaft und eigent¬ lich Eines der sieben Sacrameute des evangelischen Gesetzes (des neuen Bundes) von Christo dem Herrn eingesetzt; sondern sie — dies Sacrament — sey eine menschliche Erfindung in der Kirche, lind ertheile keine Gnade; so sey er im Banne.) Zum Beweise dieses Dogma berufen wir uns auf die bei). Schrift selbst. Laut Matth. Cap. 19, V. 4—6 sprach der Hei¬ land zu den Pharisäern: „Habt ibr nicht gelesen (Gen. Cap. 1, V. 27.), daß Der, welcher im Anfänge den Menschen schuf, als Mann und Weib sie geschaffen, und gesagt hat: Um Deßwillcii wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe auhangen, und sie werden Zwei in Einem Fleische scynL (Gencs. Cap. 2, V. 24.) So sind sie also nicht mehr Zwei; sondern Ein Fleisch. Was nun Gott verbunden hat, das soll der Menscb nicht trennen". Unverkennbar spricht hier der Sohn Gottes von der Ehe in solchen Ausdrücken, welche die ganz cigeuthümliche Würde dieser Institution deutlich genug hinstellen. Die klassische Stelle unter den Aussprüchen der Apostel kommt im Briefe Pauli au die Epbc- ser vor. (Cap. 5, V. 32.) Indem er vorber die nämlichen Worte, wie Christus der Herr, aus Gen. Cap. 2, V. 24. anführt, fügt er bei: „Dieses Geheimniß ist groß; ich sage aber: in Christo und in der Kirche". (Die Uebersetzung der VnIZata lautet: 8 ae ra¬ men tum boo (ro räaro hat der griechische Tert) maK- num ost, e»<> anteni llieo in Obristo et in keelosis. *) Der Apostrl nennt die Ehe ein großes Geheimniß in Cbristo und in der Kirche, weil sie ein Bild ist der innigen, lebensvollen Ver- Unter der VulKsls versteht man die alte lateinische Uebersetzung der bell- Schrift, welche größtentheils dem heil. Hieronymus herrührt. Das Cen- cil zu Trient erklärte dieselbe in der 4. Sitzung für authentisch in dem Sinne, daß aus ihr für die christlichen Glaubens- und Sittenlehrc« gültige Beweise geführt werden können; cs wellte aber nicht sagen, dag die Uebersetzung in sprachlicher Hinsicht ganz fehlerfrei sey" 297 bi'ndmig des Herrn mit seiner Braut, der Kirche. Also mußte er wolil auch die Ehe als eine Gnadenquelle — d. i. als ein Sa¬ krament — sür die in dieselbe Eintrctendeu angesehen baden, wie für die Kirche deren Verbindung mit Christus eine gnadenbrin¬ gende ist. Tas Nämliche bestätigt die Tradition. Der heil. Ignatius redet (ep. all ?,llycai-pnm) mit solcher Hochachtung von der Ehe, daß man steht, er babe sie sür etwas Höheres gehalten, denn als eine bloß natürliche, geschlechtliche Verbindung. Aehnlich Cle¬ mens von Alerandrien (lib. 3. paella^.) nnd Tertullian (Ilb. 1. üe Mima eap. 11.) Eben derselbe schreibt (!lb. 2. all nxmem.): T'mle 8nfficlanni8 ml enarranllam kelieitateni eflis inntrimonii, quoll iicclekn'a eonolliasi et conürinat vblatla, et obm'Knat benelllelta, angeli remmtmnt, kater ratum habet 'G — Die nachfolgenden Mehrer nennen mitunter die Ehe ausdrücklich ein Sacrament in der eigentlichen Bedeutung des Wortes. — Welches Gewicht in der Uebereinstim- mnng der griechischen Kirche mit uns bezüglich der Anerkennung des sacramentalen Charakters der Ehe liege, ist einleuchtend. Sic muß dieser Uebcrzeugung immer — gewiß schon vor ihrer Tren- >umg von der abendländischen gewesen seyn. Die alten gricchi- fchcn Väter sind uns Bürgen dafür. lieber den Ausspendcr, die Materie und Form dieses ^acramentes hat sich die Kirche nicht definitiv ausgesprochen; weshalb es hierüber zwei Ansichten gibt. Jene, welche die C o n- ^ahe u t en selbst für die Ausspender halten, setzen meist die Ma¬ irie h, dch wechselseitige persönliche Uebergabe derselben, und die Mm in die gegenseitige Annahme. Die aber den trauenden Priester als den Ausspcnder anschen, behaupten, daß der gül- flge Ehevcrtrag die Materie, und die Form die kirchlich vorge¬ gebenen Benedictions-Worte seyen. Wir führen hier die Worte eines anerkannt tüchtigen Kirchen- rrchtslebrers (Ferdinand Walter, Lehrbuch des Kirchenrechtes aller ^Glichen Confessionen, 11. Auflage, S. 529 u. ff.) an: „Der ^tvff dxs Sacramentcs der Ebe ist der eheliche Stand als fol¬ ger; die Ferm beruht in der Art, wie zwei Personen in den christliche,, Ehestand eintreten, was »ach der Disciplin der Zeiten Achseln kann und wirklich gewechselt bat; endlich die Ehegatten sind es, welche dadurch, daß sie auf die rechtmäßige ,,rt h, diesen Stand eintreten, das Sacrament vollbringen. Diese Fassung gebt aus dem inneren Wesen dieser Verhältnisse bcr- °r, und ist in der Wissenschaft die vorherrschende. Einige be¬ sten zwar, daß durch die Ehegatten untereinander nur der ärgerliche Ebevertrag abgeschlossen, nnd daß dieser erst durch !° priesterliche Einsegnung zum Sacrament erhoben werde. Allem °^se Meinung hat, 'ohngeaebtet einiger Scheingründe, die dafür geführt werden (unter welchen wohl der wichtigste die Analo- M der übrigen heil. Sacramentc ist, bei dene» der Ausspender Priester ist) zn Vieles gegen sich, als daß sie bestehen könnte. 298 Geht man also von dem ersten Standpunkte, als dem allein rich¬ tigen aus, so sällt der Unterschied zwischen dem Contract und dem Sacrameut weg, und eine Verbindung ist im Sinne der Kirche entweder gar keine Ehe, also etwas Unerlaub¬ tes, oder sie ist zugleich ein Sacrameut.*) Selbst die Ehen der Protestanten sind aus diesem Gesichtspunkte an sich noch als Sakramente zu betrachten. **) Wenn aber auch nach dieser Ansicht die priesterliche Einsegnung nicht zum Sacrameut wesentlich ist, so darf doch deren Nachsnchnng nicht ohne Roth unterlassen werden, nnd wenn dieses ans Ungehorsam gegen die Kirche geschieht, so ist zwar die Ehe an sich immer noch ein Sa¬ krament, aber sie ist für die Ehegatten wie ein mißbrauchtes Sa¬ krament, ohne die sakramentale Gnade, und eine Sünde." Nach der Lehre des Trienter Concils (sess. 24. voetrina üe 8aeramento Nstrimonii) besteht die Wirkung des Sakramentes der Ehe in der göttlichen Gnade: „wodurch die natürliche Liebe ver¬ vollkommnet, die unzertrennliche Vereinigung befestiget, und die Ehegatten geheiliget werden", damit sie die Pflichten ihres Stan¬ des treu und gewissenhaft erfüllen. Eben weil die Ehe unter Christen ein Sakrament ist, gehö¬ ren die sie als solches betreffenden Angelegenheiten vor das geistliche Forum. Oonc. Drill. sess. 24. osn. 12.) Stellte fa scheu der heil. Ignatius, im 1. Jahrhunderte, die Forderung: „daß Braut und Bräutigam mit Wissen und Guthcißen des Bischoste ihre Vereinigung schließen, damit die Ehe vollzogen werde nagi dem Sinne Gottes", (ep. ml lstllvc. cap. Z.) — „8i gnis clixerN, koelesiam non potnisso ennstitnere impellimenta nistrimoninni lliriweiw tia; vel in ns eonstüiionllis ooeasso, snntbenin ru't." (Wenn Jemand sagt, die Kirche hatte nicht das Recht, Hindernisse der Gültigste der Ehe anfzustellen; oder sie habe in ihrer Aufstellung geirrt, st sey er im Banne.) Oouc. Drill, 8688. 24. can. 4. — Durch da° *) „Aus dem Gesichtspunkte de? Staates, sagt Walter, ist zwar eine chlcU Unterscheidung möglich. So sind z. B. die nach den Vorschriften des fran¬ zösischen Rechtes vor der Ortsobrigkeit geschlossenen Verbindungen bü>E liche Ehen (Eivil ehe«; in ihrer heutigen Form, wie sie in den vornMf französischen, und in den zum einstmaligen Königreiche Westphalen gcheU' gen Gebieten Deutschlands bestehen, und jüngst in Piemont eingeführt Hst' den wollen, verdanken sie ihr Dasehn der französischen Revolution am EjU des vorigen Jahrhunderts); allein die Kirche kann sie nicht als Ehen gelte lassen, bis sie vor dem Pfarrer erklärt sind; dann aber sind sie auch Saeramente." . **) Um so mehr gilt dies von den gemischten Ehen zwischen Katholiken u> Protestanten, auch für den Fall, wenn die katholisüe Erziehung all anzuhoffenden Kinder nicht zugcsichert wird, und deshalb der katholg . Pfarrer sich jeder Mitwirkung bei der Abschlicßung einer solchen Ehe halten muß, und nur die sogenannte passive Assistent leisten darf. sile ' die gemischten Ehen, und die Gründe, warum die katholische Kirche he billigen kann, siehe die kurze, aber sehr gediegene Erörterung bei Dm a. a. O. E. 574—580.) 299 österreichische Concordat erhielt dies von der Kirche nie aufgcge- benc Recht in unserem Vaterlande die feierliche Anerkennung, und allen Katkederstreitigkeiten dafür und dawider ist ein Ende gemacht. (Siehe Artikel X des Eoncordates.) In der Anweisung für die Mstlichen Gerichte des Kaiserthums Oesterreich in Betreff der Ehesachen lautet der K. 95: „Die Ehesachen gehören vor den kirch- uchen Richter, welchem allein es zusteht, über die Gültigkeit der (.ne und die ans derselben entspringenden Pflichten das Urthcil zu fällen. Ucber die bloß bürgerlichen Wirkungen der Ebe ent- bheidet die Staatsgewalt". — In conscquentcster Weise ist dieser Grundsatz in dem neuen, mittels allerhöchsten Patentes vom 8. Ok¬ tober 1856 kundgemachteii Ehegesetze durchgeführt. H * ... 3« der katholischen Kirche wird die gültig geschlossene Ehe lur unauflöslich gehalten, so daß so lange, als nicht Einer der ocwen Ehegatten stirbt, wohl eine Scheidung von Tisch und Bett unter ihnen Statt haben kann (käme. Drill, 24. ran. 8.); aber mn Theil eine andere Ehe eingehen darf. Auch dieser Glanbens- hfli ist, wie cs sich von selbst verstellt, in dem neuen österreichi- ichen Ellegesetze auf das Strengste scstgebalte». Nur in Betreff ocs mnkrimoninm ratnm non rnn>innmnlinn erklärt die Kirche Heu». 6. "o- Sitz.) daß diese Ehe durch das feierliche Gelübde derKcnsch- M und den Eintritt des Einen Theileö in einen vom lleil. Stuhle "pprvbirten Orden aufgelöst werden könne. Der Grund ist, weil "ue solche Ebe, die zwar geschlossen, aber noch nicht vollzogen wwolll im Sinne der Natur, als der mvsteriösen christlichen -"Gissung noch keine ganz vollständige Ehe ist. «Siebe Walter o. a. O. S. 567; vergl. die oben citirte Anweisung M'. 201—203.) . Für die Unauflöslichkeit der Elle sprechen mehrere Stellen heil. Sebrist, so wie die fortwährende Ueberliefernng schon hus den ältesten Zeiten her. Den Pharisäern, welche den Herr» Mi, darum befragten, ob und warum der Manu seinem Weibe Scheidebricf geben dürfe, entgegnete er «Matth. Eap. 19, H 0.) ohne irgend eine Ausnahme zu machen: „Was Gott ver¬ luden bat, soll der Mensch nickt trennen". — Eben so allgemein D ""bringt lautet sein Ausspruch Marc. Cap. lO, V. I I, 12.: »wer immer sein Weib entläßt und eine andere nimmt, der be- -Icht g» ,'hx ^lucu Ehebruch. Und wenn ein Weib ihren Mann ""aßt, »ud einen Anderen hcirathet, so brickt sie die Ehe". Und sprach Jesus diese Worte zu seinen Jüngern zu Hause, amu sie sa gewiß wüßten, wie er cs in «einer Kirche mit Ehe gehalten haben wolle. Zu vergleichen Luc. Cap. 16, 18.: „Ein Jeder, der sein Weib von sch entläßt, und eine "Udere heirathct, der bricht die Ehe, und wer eine vom Manne Geschiedene heiratbet (so lange ihr Mann noch lebt), der bricht M Ehe". Dawider sind die beiden Stellen bei Matth. Cap. 5, ^'82. und Cap. 19, V. 9. nur scheinbar für die Lösung 300 des Ehcbandcs im Falle des Ehebruches; sie handeln nur von der Scheidung (von Tisch und Bett), wozu der Ehebruch den schuldlosen Tbeil berechtigen kann; eine solche Entlassung des ehe¬ brecherischen Weibes ist erlaubt; ibrc Vercbelichung aber an einen anderen Mann bei Lebzeiten des Vorigen wird nnbcdingt als Ehe¬ bruch erklärt. — Diese — katholische — Auslegung erhält durch den heil. Paulus Licht und Bestätigung, wenn er im ersten Briese an die Eorinther Eap. 7, V. 10, kl. schreibt: „Denen, welche durch die Ehe verbunden sind, gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß das Weib sich nicht vom Manne scheide. Wenn sie aber geschieden ist «sey es auch wegen Ehebruch), so bleibe sic chelos, oder versöhne sich mit ihrem Manne. Auch der Mann entlasse sein Weib nicht (so, daß er statt ihr eine Andere bewa¬ chet). Vergl. V. 39; Röm. Eap. 7, V. 2, 3. Die Praris der ältesten Kirche hierüber entnehmen wir ans dem Buche Pastor des Ap o ste l sch üle rs Hcrmas; wo es lib. 2. m. 4. heißt: Wenn das Weib die Ehe bricht, so entlasse sie der Mann; aber er bleibe für sich. Wenn er eine Andere heirathet, bricht er selbst die Ehe. — Wenn das Weib Buße gethan und zum Manne zurückkebrcn will, so sündiget Derselbe, wenn er sie nicht zurücknimmt. (Zu vergl. 4ust lUarl. II. rLpol. — rLtbena^ — Oleinen« Hexancl. 8lr II. — 0eigenem in DIattli. e. 19. — Deelnll. de pat. e, 22; aclv. )Igre. IV. 34; eie nnmnA. c. 9.— 4oan. Obra¬ bnin. 17. in e. 5. lVlattb.— 8»sil. boni 7. in bexuein. — ^Lnibr. c. in I.ne. — Hieron. in e. 19. lVI-ittb. — /Ln!. j anr- setzte - heißt es: „Die Beichte nnd Absolution dürfen in der Kirche keineswegs abgeschafft werden; zumal wegen der zarten und furchtsamen Gewissen, und wegen der ungczahmtcu und muth- willigen Jugend nicht, auf daß sie gehört, geprüft , u>id ,n der christlichen Lehre unterrichtet werde". Die von Philipp Mclanch- thvn (1530) verfaßte conkessio ^ustana — die Hauptbekeiintniß- 302 schrift der Protestanten — besagt, daß die Beichte zur Ermah¬ nung und Belehrung der Menschen gut sei), aber die Aufzählung der einzelnen Sünden scy nicht vermöge göttlichen Gebotes noth- wendig. — Selbst Calvin, der das Bcichtinstitut so sehr verun¬ glimpft, sieht sich gezwungen, einzugestehen, daß dasselbe sehr alt scy, und daß belastete Gewissen daraus großen Nutzen schöpfen können, (lib. 3. Inst. cap. 3.) In unseren Tagen haben wir mehrfache Klagen einsichtsvoller Protestanten vernommen, daß die specicllc Beichte zum großen Schaden ihrer Gemeinden nicht mehr bestehe. Also nur die Nützlichkeit, nicht aber auch die göttliche Einsetzung der Ohrenbeichte ist cs, welche sie manchen, nicht allen, Protestanten empfehlcnswerth macht. Die Absolution, welche die schmalkaldischen Artikel bei- behalten wissen möchten, ist den Protestanten weiter nichts, als die bloße Erklärung, daß die Sünden dem durch „Gewissens¬ schrecken" Erschütterten, und sich dann zum Glauben Erheben¬ den nachgelassen seyen. Ganz anders lautet die katholische Lehre, wie sic den Neue¬ rern gegenüber zuletzt das heil. Eoncil zu Trient ausgesprochen. „Wenn Jemand sagt — beißt es am Schlüsse des ean. 4. elo poe- m't. (sess. 14.) — cd gebe nur zwei Theile der Buße; nämlich-' die Gewisse ns sch recken nach erkannter Sünde, und den aus dem Evangelium, oder der Absolution empfangenen Glaube», vermöge welches Jemand glaubt, daß ihm die Sünden durch Christus nachgelassen seyen, so scy er im Banne." Und ean. 6. hr auf Erden auflösen werdet, das wird auch im Himmel aufge¬ löst seyn". Hiemit übergab er ihnen die Sch lüssc lg ew a i t, d> h überhaupt die Macht, alles zum Heile der Gläubigen Erfor¬ derliche in seiner Kirche anzuordncn. Als den ungleich wichtigsten Dheil dieser Gewalt verlieh er ihnen aber sogar ausdrücklich noch lene, Sünden nachzulassen. Denn, wie der heil. Johannes berichtet (Cap. 20.) erschien Jesus am Abende des nämlichen Ta- 8es, an welchem er vom Tode auferstanden war, d. i. am Sonntage, den versammelten Aposteln bei verschlossener Thüre und sagte zu 'Mn: „Friede sey mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch". Da er dies gesagt hatte, hauchte er sic an, und l^tach zu ihnen: „Empfanget den heiligen Geist! Wel¬ len ihr die Sünden Nachlassen werdet, Denen sind ue nachgelassen, und welchen ihr sie behalten wer¬ det, Denen sind sie behalten". (V. 21—23.) . In welchem Sinne sind diese Worte zu nehmen? Warum ">cht im buchstäblichen? Es ist ja doch kein Grund vorhanden, ste anders, figürlich, zu deuten! Der Herr konnte Das geben, dsas sie besagen; die Apostel konnten cs empfangen. Dü¬ mmliche Gewalt, welche der Heiland selbst bisher sichtbar ans ^den ausgeübt hatte, so oft er zu einem reuevollen Sünder ge- Proche,,: „Gehe hin in Frieden, Deine Sünden sind e"ie vcrge- kii!" vertraut er, ehe er zum Vater zurückkehrt, seinen Aposteln Die in ihrer Art größte Vollmacht, welche ans das Jnncruc Menschen, auf sein Gewissen, dessen Befreiung von, oder "°ch weitere Belastung mit der quälenden Snndcnschnld Bezug d", übergibt er den Aposteln; aber nicht ihnen allein, sondern ?"ch ihren Nachfolgern; da er sie ja überhaupt nicht nm ihrer '"bst, sondern um der Kirche willen, welche bis an das Uide der Zeiten sortbcstchen soll, sendet, gleichwie ihn der Vater gesandt hat. 304 „Wenn Jemand sagt, daß jene Worte des Erlösers: Em¬ pfanget den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden Nachlassen werdet. Denen sind sie nachgelassen, nnd welchen ihr sie behalten werdet. Denen sind sic behalten, nicht von der Gewalt, Sünden im Sacramente der Buße nachzulassen und vorzubehalten zu ver¬ stehen scyen, wie sie die katholische Kirche vom Anfänge an immer verstanden hat; dieselben vielmehr, im Widerspruche mit der Ein¬ setzung dieses Sacramentcs, von der Vollmacht, das Evangelium zu predigen, anslegend verdreht, so sey er im Banne." (6onc. leit!, «ess. 14. osn. 3. cle pnen.) Also zu Richtern sogar über die Gewissen bestellte der Herr an seiner Statt die Apostel und ihre Nachfolger! - Aber Er, der Allwissende, konnte freilich wohl sagen: Deine Sünden sind Dir verziehen; gehe bin im Frieden! Denn er durch¬ blickte das Herz Dessen, der sich an ihn wandte. Er sah, ob es der Sünde richtig erstorben, und zn entsagen entschlossen sey, noch ehe das äußere Leben darüber Zcugniß gab. Er setzte sich nicht der Gefahr aus, einem Unwürdigen die Ver¬ sicherung zu crtheilen, daß seine Schuld bei Gott getilgt sey, — was doch nicht der Fall — und ihn des Friedens zu getrosten, welcher ihn doch, eben ob seiner Unwürdigkeit, auch fernerhin ge¬ flohen haben würde. (Siche Luc. Eap. 5, und Cap. 7.) Du Apostel und ihre Nachfolger hingegen waren und sind nicht all¬ wissend. Wenn demnach der Herr mit obigen Worten cs nicht der Willkühr derselben überlassen wollte, mit den Sündern zu verfahren, wie ihnen gefällig, etwa gar nach Gunst oder Ungunst! so mußte Er entweder die Absicht gehabt haben, in jedem einzel¬ nen Falle durch unmittelbare" göttliche Offenbarung die Würdigkeit oder Unwürdigkeit des Sünders zur Lossprechung aufzudeckeu; oder Er wollte, daß der Sünder selbst seine» Gewiffenszustand durch unverhohlene Selbstanklagc dem Priester, als Stellvertreter Christi offenbare; d. i. beichte. Das Erstere zu behaupten, ist noch Niemandem beigefallcni also bleibt nur das Zweite übrig, nämlich, die Annahme, daß du geheime Beichte auf dem Willen Christi beruhe, von ihm einge¬ setzt sey. ii So argnmcntirt das heil. Concil zu Trient selbst (soss- eap. 5. clo eonko88ione.): „Es ist einleuchtend, daß die Priester dU- scs Urtheil — ob nämlicb die Sünder der Lossprechung würdig seyen, oder nicht — ohne Kcnntniß des Zustandes nicht fällen, """! auch die Billigkeit im Verhängen der Strafen beobachten könnten, wenn Jene nur im Allgemeinen, und nicht vielmehr im Del»" und einzeln ikre Sünden selbst bekcnnetcn". Eben so der 6atccn. Uamaii. S. 247. Das Nämliche, — heißt es im 6ateeli. Homan. — schic» Herr anzuzeigen, wenn er den Aposteln den Auftrag gab, de» wieder zum Leben erweckten Lazarus von den Banden zu befreie»/ mit denen er gebunden war. (Joh. Cap. 11.) Der heil. August"' 305 »klärt diese Stelle also: Der Herr übergibt den Lazarus, wel¬ chen Er erweckte, den Schülern, nm ibn aufzulosen, dadurch zei¬ gend, daß die Löscgewalt den Priestern erthcilt sey. — Dahin gehört auch, daß er Jenen, die er am Wege vom Aussätze heilte, (Luc. Cap. 17, V. 14.) befahl, sich den Priestern zu zeigen. — Ä, wenn wir die Vorbilder des alten Bundes betrachten, so scheinen ohne Zweifel jene verschiedenen Gattungen von Opfern, welche zur Sühne der mannigfachen Sünden von den Priestern dargebracht wurden sznmal am großen Versöhnungstage) auf das sacramcntale Bekenntniß Bezug zu haben. Doch Dies und noch Anderes ist von minderem Gewichte im Vergleiche zum vollkommen genügenden Aussprüche Christi bei Äh. Cap. 20. Luther war also ganz im Unrechte, wenn er sagte, daß sich die Beichte aus der heil. Schrift nicht erweisen lasse. Ist sic gleichwohl nicht mit dürren Worten darin zn lesen, so ist sie doch darin enthalten, und wird in ihr ans dem Wege der natürli¬ chen Schlußfolgerung gefunden. Noch manches andere Dogma hätte Luther aufgeben müssen, wenn er conscquent bei allen das, ""'uns so auszudrückcn, handgreifliche Zcugniß der Bibel gefordert hätte. Warum ließ er die Taufe als Sacrament gcl- 'e», da sie doch nirgends in der heil. Schrift offen so ge¬ kannt wird? , Ist die Beichte in der Anordnung Christi begründet, so ist sie wcht minder, wie Alles, was der Herr zn unserer Heiligung ver¬ anstaltet hatte, unserer Natur und unseren geistigen Bedürfnissen wunderbar angemessen. „Alles, was wahrhaft innerlich ist, — schreibt Dr. I. Möhler, Symbolik S. 288, - muß sich nach der . ,en Lehre im Aeußeren darstellc»; desgleichen verhält es sch mit der Reue und dem Sündenbekenntnisse vor Gott, einem "diglich inneren Acte. Ist er tief, kräftig und stark, so dringt er "ach Außen, und wird zum kirchlichen Bekenntniß vor dem lriester; und was wir Diesem thun, haben wir abermals Aristo gethan; denn er vertritt seine Stelle. Origcncs vergleicht die Ostude sehr gut mit dem Genüsse einer unverdaulichen Speise, die so lange ein Ucbelbefinden verursache, bis sic durch die Bewegungen "krEingeweide wieder herausgcworfcn scy (ttom.2. m psalm, l-! ); llwn so werde der Sünder so lange von einem inneren schmerze gchuält, und gelange erst zur Ruhe und völligen Gesundlwit, wenn "den inneren bösen Stoff durch das Bekenntniß gleichsam von -ch abgelöst habe. — Das wahre Bekenntniß vor Gott kann ""rigens kein unbestimmtes seyn; denn wir sündigen nicht blop im ^gemeinen, sondern wir machen uns bestimmter einzelner ^er- Zchk" schuldig, und so ist denn auch das wahre L.chuldbekcnntniß Gott stets ein solches, das in Einzelnheiten sich anstost; solg- auch das Bekenntniß vor dein Priester. Wer die Sunde Wahrhaft innerlich haßt, bekennt sie mit einem unwillkuhrlich freu- °lgen Schmerze; mit Schmerzen, weil sie die seinige ist; 20 306 aber mit einem freudigen, weil sie nun eben aufhört, ihm anzugehörcn und die seinige zu seyn." Ueber die höchst heilsamen Früchte der Beichte kann freilich wohl nur die katholische Kirche ein ganz gerechtes Urtheil, weil aus Erfahrung geschöpft, abgeben. Aber selbst die nicht zu unserer Kirche Gehörigen sind, wie bemerkt, nicht im Stande, dieselben durchaus in Abrede zu stellen.*) Wird ja doch der Sünder eindringlicher, als es durch irgend eine Predigt gesche¬ hen kann, dadurch zur Sclbstprüfung, dem Anfänge aller Besserung, angeregt, daß er sich selbst an klag en, und seinen Seelenzustand nach bestem Wissen entdecken soll. — Soll das Chn- stenthum mit seinem ganzen Erlösungssegen und seiner ganzen Gnadenfülle den einzelnen Menschen durchdringen, den ein¬ zelnen Sünder umwandeln, so genügt es nicht, daß seine Wahr¬ heiten nur im Allgemeinen verkündet, sondern es thut auch Roth, daß sie, wie viel immer möglich, dem Einzelnen, se nach sei¬ nen individuellen Bedürfnissen, an das Herz gelegt und auf ihn angewendet werden. Dies nun kann nirgends erfolgrei¬ cher geschehen, als gelegenheitlich in der Beichte. Nirgends sonst kann der Sünde in dem Grade entgegengearbeitet werden. der Beichte wird der Sünder oft erst durch den tiefblickendcii, er¬ fahrenen Seelenarzt auf seinen höchst bedenklichen Zustand auf¬ merksam gemacht, über den ihn bisher die Selbstliebe, oder na¬ türlicher Leichtsinn so arg täuschten. Da erst fällt es ihm ost wst Schuppen von den Augen, — er sieht, was ihm ehevor verbor¬ gen war, und lernt erst in wahrer Demuth sich selbst kennen, v" der Beichte wird der Laue aufgerüttelt, mit heilsamen Schrecks erfüllt; der Verstockte erweicht; der an sich selbst schon bcinaoc verzweifelnde Gewohnheitssünder wird zum Vertrauen aufgoE tet und belehrt, welche Mittel gerade für ihn die uuerläßuast Bedingung seyen, um die langjährigen Ketten brechen, und z» sittlichen Freiheit sich wieder emporarbeiten zu können; in Mg der Beichte werden unerlaubte Verbindungen getrennt, FeindsaM ten ausgesöhnt, ungerechtes Gut zurückerstattet u. s. w. "" *) Mit Freuden lasen wir. daß die Conserenz mehrerer evangelisch-lustas scher Kirchenregimente in Dresden vom 19.—28. Mai 1856 — die lichstc Wiedereinführung der Priv at-Betchte und Absolution verao dete; — ob dieselbe aber wohl gelingen wird, ohne den Glauben > die göttliche Einsetzung der Beichte? Wir zweifeln. Welche Aufregung hat doch der Erlaß des protestantischen . Consistoriums in Baiern (2. Juli 1856) bezüglich der Privatbeichte der Absolution der Einzelnen unter Händeauflegung. sogar außer Grenzen dieses Landes hervorgcrufen! Wie viel Proteste sind dann erhoben; wie laut ist über Wiederauflegung eines unerträglichen geklagt worden! Gerade dies würde schon früher auch geschehen ! ' wenn die Katholiken aller Jahrhunderte und überall nicht die Üeb , gung gehabt hätten: die Pflicht zu Leichten sey in göttlicher um nung begründet. 307 nicht nur gehoben, ausgerottet werden Sünden; es wird ih¬ nen sogar v o r g c b c ugt. Da werden z. B. Jünglinge und Mäd¬ chen auf die Gefahr und Gelegenheit zum Falle erst aufmerksam, nnd noch frühzeitig genug erinnert, sie zu fliehen; da wird der Zunder des Bösen erstickt, noch ehe er zur Flamme auflodcrt; da wird mancher schlechte Vorsatz vereitelt; ja oft schon ist uner¬ meßliches, öffentliches Unheil verhindert worden. — Da wird der den heftigsten Versuchungen Ausgesetzte belehrt, wie er ße am leichtesten überwinden könne; der Zweifelnde erlangt Licht und Rath, der Geängstigte fühlt sich erleichtert, der Trauernde Mostet, der unter der Bürde seiner schweren Standespflichtcn Seufzende ermuthiget zur standhaften Ausdauer. Im offenen, rücksichtslosen Bckcnntuiffe zu den Füßen des Stellvertreters Gottes erlangt der Büßer erst den Frieden seines Herzens wieder, den er früher nicht halte (Jsaias Cap. 48, V. 22.); ^en er fruchtlos überall sonst gesucht, — sey cs im Taumel der Zerstreuungen und Lustbarkeiten, im Gewühl anstrengender Arbei¬ ten, im Wirbel zeitlicher Sorgen, etwa gar im Streben, sich lelbst zu überreden, Tugend scy nichts als ein lecker Name, ein Eurthcil; die Sünde scy Nothwciidigkeit oder Schwäche, das gewissen— Täuschung! (Siehe darüber: 6stoel> Ilmnnn. .) Aehnlicyes Mgeguct der heil. Ambrosius (lib- llo poeiüt.) den Novatiancrn. Wenn etwa Jemand unserer Berufung auf die Bibel cntgc- Mellcn würde, daß in den Schriften der Apostel von der Beichte¬ te Meldung geschehe, so erwidern wir, daß dies nicht richtig indem wohl einige Stellen darauf bezogen werden können; i'B. Apostelqesch. Cap. 19, V. 18; Br. d. heil. Jacob Cap. .>, l6; I. Br. d. h. Johannes Cap. 1, V. 9. - Warum spricht aber der heil. Paulus, z. B- sacke des ersten Corintherbricfes, wo er doch Veraulasiunst a,u tte, nicht von der Beichte, als der notsiwendlgcn Vorbereitung sinn Empfange der Eucharistie? Er thut cs za, wenngleich nm sidirect. Denn er schreibt ja V. 28: ,-^er Menich prüfe sich ^bst und so esse er von diesem Brode, und tunke aus tuest cm tlche«. ^ie Corinther wußten, daß Selbstprufung und Selby- tklage als Vorhergehendes und Nachfolgendes, zusammen gc- 20 * 308 hören; sie verstanden den Apostel darum gewiß ganz gut. Uebri- gens haben sogenannte negative Argumente nicht die Kraft, die positiven, über allen Zweifel erhabenen, umzustoßen. Fortsetzung. Die Geschichte der ältesten christlichen Kirche weist unzwei¬ deutig das specielle Sündenbekenntuiß nach. Die Art und Weise der Aussöhnung Eines, der schwer gesündiget, war folgende: Er mußte dem Verwalter der kirchlichen Schlüsselgewalt (nämlich anfänglich überall dem Bischöfe; als aber dieser, nach der Dc- zianischen Verfolgung, in der Mitte des dritten Jahrhundertes, seinem Amte allein nicht genügen konnte, dem vom Bischöfe — insbesondere im Oriente — aufgestellten Bußpriester (preslyter pokmteMisritts), seine Sünden bekennen, und zwar im Geheimen, d. i. beichten. Der Bischof, oder der Bußpriester, machte im Falle, daß die Vergehungen des Beichtenden ohnehin schon be¬ kannt, und mit einem Acrgerniffe der Gemeinde verbunden waren, Demselben als Buße auch ein öffentliches Bekenntniß, respeotivo eine Abbitte vor der geärgerten Gemeinde — überdies die öffentliche Erstehung sehr schwerer Strafen und Uebungen zur Pflicht, d. i. er unterwarf den Sünder der öffentlichen Buße. Durch dieselbe sollte, abgesehen von der inneren Besserung des Sünders, von ihm eine doppelte Genugthuung geleistet werden: der Kirche, die er geärgert, und deren Rechte, als einer äußeren Gesellschaft, er verletzt; aber auch Gott, den er belei¬ digt hatte. Stufenweise mußte er sich der Wiederaufnahme in die kirchliche Gemeinschaft würdig machen — nicht auf Ein¬ mal wurde sie ihm gewährt. Schon der heil. Gregor der Wu»- derthäter (Thaumaturgus), Bischof zu Neocäsarea in Pontus, nn 3. Jahrhundert, erwähnt — (mag übrigens der 11. eanon seiner epistols cgnoniou unecht seyn) — im csnon 3. der vier Büßgelde, nämlich: lletus; sullitio; r-7w7rrw» Theile erlassen wurden, erfolgte die Zulassung des Pociritcnten zur vollen Gemeinschaft an den Gnadenmitteln der Kirche; d- '' die Reconciliation. . Wenn aber die Sünde eine zwar schwere, doch nur im Heimen, ganz im Verborgenen begangene war, z. B. ein noch n>m notorischer Ehebruch, so wurde die'ö ffen tlich e Buße vom schofe oder dem Bußpriester nur dann verhängt, wenn entwed der Sünder selbst aus innerem Bußdrange solches wünschte , "" es räthlich schien, ihm zu willfahren; öder, wenn zu befürcht stand, daß die bis dahin zwar unbekannt gebliebene Sünde m der Zeit ruchbar werden könnte. — Für nicht äußerlich, so»°'. . nur in Gedanken und Begierden vollbrachte Sünden wurde :;o9 öffentliche Buße nie gefordert, sondern es wurden den Beichten¬ den andere Bußwerke anferlegt. Es muß in Betreff der alten Kirche sehr wohl unterschieden werden zwischen dem öffentlichen Sündenbekenntnisse und dem geheimen, vor dem Priester allein, d. i. der Ohrenbcicbte; Jenes war nicht immer notwendig, wohl aber Dieses; es Wg Jenem voran. Das öffentliche Bekenntniß und die öffent¬ liche Buße überhaupt gekörten zur Kirchen-Disciplin, und konnten bei veränderten Zeitverkältnissen von der Kirche wieder aufgegeben werden, was in der That geschak. Im Abendlande ging, ins¬ besondere seit den Kreuzzügen, die öffentliche Buße mekr und wehr ein. Das öffentliche Bekenntniß hatte schon der Papst «o I. der Große (440—461) ep. 80 nicht mekr gebilliget. Im Oriente ward aus Veranlassung eines ärgerlichen Vorfalles — nämlich des bekannt gewordenen unlauteren Verhältnisses eines Diaconus mit einer vornehmen Frau — vom Patriarchen zu Con- stautinopel, Nectarius (390) das Amt eines eigenen Buß- Priesters, der, wie oben bemerkt, mit der Leitung der öffent¬ lichen Buße betraut war, aber nicht die Deichte, abge¬ schafft; — denn des Nectarius Nachfolger, der heil. Johannes Ehrysostomus, schärft ja diese Letztere schon im Sterbejahre des Nectarius ein (Kom. 9. in ep. Hehr.) und dann noch öfters. Einen schlagenden Beweis für die Richtigkeit unserer Ansicht vor der, dem öffentlichen Bekenntnisse vorhergehenden gehei¬ men Beichte liefert Origenes (Kam. 2, m psalm. 37.): „Prüfe Mer genau den (Seelen-) Arzt, — ermahnt er, — dem Du Deine (Seelen-) Krankheit offenbaren sollst; wähle Dir einen sol¬ chen, (in dem Orte des Origenes wenigstens — zu Alcrandria — wußten damals, d. i. noch vor der Verfolgung unter Kaiser De- !>us, mehrere Priester zur Aufnahme des Beichtbekcnntniffes Mftragt gewesen seyn), Der mit dem Schwachen schwach zu werden, mit dem Weinenden zu weinen vermag; Der da zu cnt- lcheidcn weiß, ob Deine Krankheit (Sünde) der Art sey, daß sie w der Versammlung der ganzen Kirche (Gemeinde) auseinander- Wegt, und so geheilt werden solle; wodurch allenfalls auch die Übrigen erbaut, und Du selbst leicht gesund werden könnest. Dies muß nach vieler Ucbcrlcgung und nach dem Rathe eines Mänglich erfahrenen Arztes veranstaltet werden." Das heil. Concil zu Trient spricht über Jene den Bann aus, welche behaupten, daß das Bekenntniß der Sünden einst nur Wegen der aufzulegenden kanonischen Genugthuung (der öff¬ entlichen Buße) im Gebrauche war, — d. h. als wenn cs >°nst, z. B. für Gedanken-Sündcn, nicht als nothwendig er¬ btet worden wäre. (8ess. 14. esn. 7. cie poem't. gegen das Ende.) „ „Wenn wir die heil. Väter aufmerksam lesen, heißt cs im Meh. Koman. S. 248, so begegnen uns die offenbarsten Zeuy- Ue, welche cs bestätigen, daß dieses Sacrament — nämlich die Mc sammt der Beichte — von Christus dem Herrn eingesetzt 310 wurde; und daß das Gebot der sacramcntalen Beichte, welche Jene mit dem griechischen Worte LxomoloAesis (f^ozwXo^a^ — manchmal bedeutet dieses auch die gesammte Buße, zunächst die öffentliche, z. B. bei dem heil. Irenäus lib. I. aclv. bsee. e. 8.) und löxgKoroiisls nennen, als ein evangelisches an- zusehen sey." — Wie wohl begründet dieser Ausspruch scy, mö¬ gen folgende Vaterstellen aus den ersten Jahrhunderten darthun. Alle auszuführen ist hier unthunlich. Der heil. Clemens sagt im (1.) Briefe an die Corintkcr: cs sey den Menschen besser, die Vergehen zu bekennen, als ihre Herzen zu verhärten; - Gott verlange das Bekenntniß sC. 51 u. 52.). Im zweiten, auch den Namen des heil. Clemens tragenden Briefe an die Co- rinther, dessen Echtheit zwar nicht unbestritten, der aber jedenfalls alt ist, steht: „So lange wir in dieser Welt sind, sollen wir uns aus ganzem Herzen bekehren. Denn wenn wir einmal aus der Welt geschieden seyn werden, können wir dort nicht mehr beich¬ ten, oder Buße wirken". (C. 8.) — Der heil. Irenäus erzäblt einige Beispiele der Beichte, z. B. lib. I. sclv. lmerot. eng. 9. lib. Hb — Den Origencs haben wir schon genannt. Anderswo (Hom. 3. in Dovit.) schreibt er: „Hat Jemand sich versündiget, so sage er die Sünde heraus, die er begangen. Denn welcher Art es sey, es muß hcrausgesagt, und Alles, was wir gethan haben mögen, es muß offen eingestanden werden. Sey es nun, daß wir etwas imGeheiinen getrieben; sey es,daß wir etwas auch im Worte uur, oder innerhalb unseres Gedan- keuverschlusscs begangen haben,— Alles muß (dem Prie¬ ster) bekannt gemacht, Alles vorgcbracht werden. — Das Bckennt- niß der Sünde verdient Nachlassung". Ferner in der 17. 0"w. in Duo.: „Haben wir unsere Sünden entdeckt, nicht bloß vor Gott, sondern auch vor Denen, welche unsere Wunden und Sünden heilen können, so werden unsere Sünden getilgt werden". Auch Origencs beruft sich (ste orat. oap. 28.) auf Job. Cap. 20/ V. 23., zum Beweise, daß die Priester Sünden nachlassen kön¬ nen. — Vcrgl. Kom. 2. in I.evN. — Tertullian redet ganz deut¬ lich von der Belebte „zu den Füßen des Priesters" (eie poenN. cap. 9.). Er weist Jene zurecbt (oag. 10.), welche die Beichte von Tag zu Tag verscbiebcn, indem sie mehr Rücksicht haben am ihre Scham, als auf ihr Heil. — Und ebenda ruft er Denen, welche aus Scham ihre Sünden verhehlen, zu: „Wenn wir etwas der menschlichen Kenntniß entziehen, werden wir es auch vor Gott verbergen können? ... Ist es besser, als Verdammter verborgen seyn, als öffentlich losgesprochen werden?"—OE nennt er die Beichte einen äußeren Act, der nicht nur innerhuff des Gewissens abgethan wird. — Daselbst vergleicht er Jene, nicht beichten wollen, mit Solchen, welche ihre körperlichen Wun¬ den dem Arzte nicht entdecken, und darob zu Grunde gehr". (Vcrgl. eap. 4.) 311 Der heil. Cyprian schreibt (de lapsis cap. 28.): „Ich bitte mch, jeder Einzelne bekenne seine Sünde, so lange er noch lebt; so lange seine Genugthnung, und die ihm durch den Priester er- theilte Nachlassung bei dem Herrn genehm ist". — Und unmittel¬ bar vorher bezeugt er, daß man sogar die sündhaften Gedanken md Anschläge des Herzens beichtete: „Obwohl sie —die Büßer — sch nicht des Verbrechens schnldig machten, den Göttern wirklich geopfert, oder sich mit einem Scheine (l>bellii8) darüber (als ob se es gethan, obwohl es nicht geschah) von der Verfolgung los- Miift zu haben fdie Ersteren hießen die Laeriüeati, Tburilleati; die Anderen die InbeUatiei; dies waren die zwei Elasten der I>ap8i, Gefallenen), so bekennen sie doch mit Schmerzen den Priestern Gottes, weil sie so etwas wenigstens imSinnehatt en". Die Zeugnisse werden, je später, desto häufiger. So im und 5. Jahrhunderte: z. B. des heil. Athanasius (in 8erm. ,che in oa8toUnm"); des heiligen Basilius sind. guao8t. 288.); des heil. Gregor von Nyssa, des Basilius Bruder: „Kühn zeige dem Priester, schreibt er, das Verborgene; enthülle ihm die Geheimnisse der Seele, wie Du dem Arzte die Wunden auf¬ deckest, er wird, wie für Deine Ehre, so für Deine Gesundheit Sorge tragen"; des heil. Johannes Chrysostomus in seiner schönen Abhandlung: de 8aeerd. lib. 3. csp. 2; des heil. Ambro- sus: de poenit. lib. 2. eap. 4, cap. )O. Er hörte selbst Beicht, und ward dabei zu Thränen gerührt, (kmdimm in vite ^mbr); des HE. Augustin (Oanv. 2, in p8g.Im. 101); des heil. Hie¬ ronymus (in Locle8i'a8tio. cap. 10.); des heil. Leo I., welcher im ooen angedeuteten Briefe 80 an die Bischöfe in Eampanien sagt, es genüge jenes Bekcnntniß, welches zuerst Gott — im Herzen — und dann auch dem Priester gemacht wird (das öffentliche sey nicht nothwendig) u. A. — Auch der heil. Papst Gregor I., der Große, im 6. Jahrbundert, legt > l>om. 26. in kvanti.) die Er¬ weckung des Lazarus allegorisch von der Auferstehung aus dem Sündengrabe aus: „Geh beraus, Sünder! mittels der Beichte! 7- Es komme hervor der Tobte, d. i. der Sünder bekenne seine Schuld; und den Hcrausgckommenen sollen die Schüler des Herrn losen." Zu dem bisher Gesagten kommt, daß sich kein Zeitpunkt, i duch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit angebcn lasse, wann die Mvor etwa nicht gebräuchliche Ohrenbcichte eingeführt worden ^are. Würde man sich nicht von allen Seiten gegen eine, für don menschlichen Stolz so demütlsigende, für die Sinnlichkeit so verletzende, so barte Anstalt, als gegen ein unerträgliches Joch, vufgelehnt haben, wenn man sie nicht als vom Herrn selbst an- seordnet, als immer dagewesen geglaubt hätte? Ganz gewiß! Nichts dergleichen ist in der alten Zeit geschehen. Und Wer hätte denn wohl die Beichte anbefohlen? Etwa ätzend ein einzelner Bischof, eine Particularsynode? Dies doch '"keinem Falle! Also nur etwa der Papst, oder ein allge- 312 meines Coneil. Aber, Wer kann es im Ernste glaublich fin¬ den, daß einem Papste so etwas gelungen wäre, ohne daß er die ganze Christenbcit gegen sich in Aufruhr gebracht hätte? Man erinnere sich, daß vor nicht gar langer Zeit in England, bei dem bloßen Gerüchte, man wolle die Obrenbeichte in die Staatskirchc einschmuggcln. Alles, sogar die Weiber in Windsor, sich dawider erhob, und seinem Aergcr in den flammendsten Protestationen und Proklamationen Luft machte! — Wir finden, laut obiger Zeug¬ nisse, denen wir unzählige beifügen könnten, die Beichte eben Io gut in der alten griechischen, als in der lateinischen Kirche. Noch in der Gegenwart ist sie nicht minder unter den schismatischen Orientalen, Griechen und Russen u. A. im Gebrauche. Würden wohl eben z. B. die Griechen, deren Patriarchen zu Constantino- pel schon früher mit steter Eifersucht auf den Papst blickten, ehe noch im 9. Jabrhunderte das förmliche Schisma durch Photius begonnen; im 11. durch Michael Cerularius vollendet wor¬ den, eine solche Neuerung stillschweigend hingenommen, und sich dem päpstlichen Machtspruche gefügt haben? Was vom Papste gesagt wurde, gilt auch vom allgemeinen Concile. Nie wäre ihm die Einführung der Ohrenbcichte, als einer bloß menschlichen Satzung gelungen. Es ist sich gewiß zu verwundern, wie Einige — unter ihnen schon Calvin (Antili. done, Trieb, freilich im Widerspruche mit sich selbst, da er die Beichtanstalt anderswo eine sehr alte nennt) bei etwas genauerer Kenntniß des christlichen Alterthumes sich zu be¬ haupten getrauen, die Beichte sey vom Papste Jnnocenz HI- chUl dem IV. Latcranensischen Concile (1215) als etwas Neues anb^ fohlen worden. Der 21. Canon dieses Concils, auf welchen si"> das gegenwärtige 4. Kirchcngcbot stützt, lautet: „Omnis utriusg"« 86XU8 stclelis, postguam all annos elisorotionis pervenerit, omni» peccats semel in imno Kiloliter conllteatur proprio sacereloti, et m- junotgin sibi poenitentiam stuelent pro viribus mlimplero^. Was wird darin angeordnet? Daß die Gläubigen beichte" sollen, was sie früher nicht wußten; oder, wann, wie oftniat sie der ihnen wohlbekannten Pflicht Nachkommen sollen. Offenbar nicht das Erstere, sondern das Zweite. „Dieser Ca¬ non, — sagt Dr. I. A. Möhler (Symbolik S. 290.) ganz rich¬ tig, — ist lediglich in die Reihe der Disciplinarvcrordnungen Z" setzen; denn die Z c it b e st i m m u n g, wann Jemand beichten si'", gehört begreiflich nicht znm Wesen des Sacramentes." Das Cott- eil zu Trient erklärt (sess. 14. esp. S, elo poenitentiu): „Es ist ci"e leere Verläumdung, daß die Beichte dem göttlichen Gebote fremd, eine menschliche Erfindung sey, und von den auf dem Lateraucn- fischen Concil versammelten Vätern datirc. Denn durch dieses Con- cil hat die Kirche nicht festgesetzt, daß die Gläubigen beichte" sollen, — dies erkannte sie aus göttlichem Rechte für nothwew big und ungeordnet — sondern, daß das Gebot, zu beichten, nigstens Einmal im Jahre, von Allen, sobald sie die Unter- 313 schcidungs-Jahre crrcichcn, erfüllt werde". — In der alten Zeit machte der Bußcifcr der Christen keine Zeitbestimmung uöthig; ste beichteten, wenn sie sich in Sünden wußten. Als aber eine be¬ dauerliche Lauheit im Gebrauche dieses Heilmittels immer mebr um sich griff, sah sich die Kirche bcmüßiget, als Minimum das wenigstens Einmalige Bekcnntniß im Jabrc fcstzustellcn. Warum — wird hie und da gefragt, kommt denn in der al¬ ten Kirchengeschichte, oder in den Lebensbeschreibungen damaliger Heiligen, so selten eine Meldung davon vor, daß man vor dem Empfange des allerbest. Altarssacramentes, oder in einer gefähr¬ lichen Krankheit u. dgl. beichtete? Wir antworten: Es wird nirgends gesagt, daß man nicht beichtete. Der heil. Cyprian ta¬ delt Jene, welche, obwohl sich schuldbewußt, ohne vorherige klxomolo^esis die Eucharistie empfangen, (lib. id. 8088. 25. und Oatoob. rnm. paA. 53.*) Das Concil zu Trient erklärt: 8088. 14, csn. 12. de poem't. „Wenn Jemand sagt, daß mit der Schuld immer auch zugleich die ganze Strafe "von Gott nachgelassen werde — so sey er im Banne." Und: ean. 15. „Wenn Jemand sagt — es sey eine Er¬ dichtung, daß, nachdem durch die Schlüsselgewalt die ewige Strafe erlassen worden, meistens (plenimgue) die zeitliche Strafe noch abzubüßen übrifi bleibe, so sey er im Banne." Denn es finden fich, heißt es im cap. 8. der nämlichen Sitzung, in der heiligen Schrift deutliche und ausgezeichnete Beispiele, durch welche, ab¬ gesehen von der Tradition, der gegentheilige Jrrtbum auf das Be¬ stimmteste widerlegt wird. Als solche fübrt der 6stecl>. Uomrmus 260. die im cap. 3 der 6eno8i'8; Dxod. oap. 32, v. 11.; Hamer, eap. 12 und 20 verkommenden; vorzüglich aber jenes mit David an, zu welchem der Prophet Nathan im Auftrage Gottes sprach: „Der Herr bat Deine Sünde (des Ebebruches mit Bethsabce und der Blutschuld an ihrem Manne Urias) von Dir genommen". (2. Kön. Cap. 12, V. 13.)— Denn David hatte in aufrichtigem Reueschmcrz Gottes Barmherzigkeit angerufen (p8alm 50, v. 4.) -7 Demohngcachtet strafte ihn, auch nach schon gewährter Verzei¬ hung, der Herr mit dem Tode des im Ehebrüche gezeugten Soh¬ nes; mit dem Abfalle Absalons, und mit manchen anderen un¬ glücklichen Vorfällen. (Vergl. 8«88. 6. «an. 30. do jii8tii'.) Ueber den Grund, warum in dem heil. Sakramente der Buße nicht ebenso, wie in jenem der Taufe die ganze Strafe nachgesehen werde, drückt sich das Concil — im obcitirtcn eag- 0. 8088. 14.— dahin aus: „Die Gerechtigkeit Gottes scheint es zu erheischen, daß anders Diejenigen von Ihm zu Gnaden aus¬ genommen werden, die vor der Taufe durch Unwissenheit sündigten; anders wieder Jene, welche einmal aus der Sclaverc> der Sünde und des Teufels befreit, und nachdem sie die Gavc *) Das Dogma vom Fegefeuer ist im wesentlichen Zusammenhänge mit te Lehre von der Rechtfertigung; denn eben als die innere Reinigung. "7 Läuterung von Sünden, nicht als bloße Zudeckung derselben, diese durch die j ün L e nti l gend e Kraft Christi im jenseitigen Leben vollendet werden, wenn sie in dem irdischen noch nicht ganz voN- bracht war. (Vergl. Dr. I. A. Möhlers Symbolik. S. 216—223-) 315 des heil. Geistes empfangen, dennoch wissentlich den Tempel Nettes zu entheiligen, nnd den heil. Geist zu betrübe» sich nicht scheuten, lind der göttlichen Milde ist cs angemessen, daß uns nicht die Sünden so ohne alle Genugthuung — (unsererseits) — nachgelassen werden; auf daß wir nicht, bei sich ergebender Gele¬ genheit, die Sünden für gering achtend, gleichsam ungerecht und frevelnd wider den heil. Geist, in noch schwerere Sünden fallen, uns den Zorn (Gottes) für den Tag des Gerichtes aushäufcnd. Denn ohne Zweifel halten diese g enug thn enden —zeitlichen — Strafen sehr von der Sünde zurück, und sind gleichsam ein Zaum ; sie machen die Büßer in Hinkunft behutsamer und wachsamer." Also die znrückbleibendcn zeitlichen Strafen sind nicht bloße rr ecti o nsmi t tel, sondern eigentliche Strafen. „Wenn es für die Gerechten keine zeitlichen Strafen gibt, — schreibt Dr. I. U. Möhler, Symbolik S. S98. — so gibt es für die Un¬ gerechten auch keine ewigen; umgekehrt, gibt es für Diese ewige, so muß es auch für Jene, wenn sie nach der Taufe wieder fallen, zeitliche geben. — Sind sie ihrem Wesen nach iediglich Heilmittel, so können sie nicbt in dem einen Falle nur M Heilung, im andern nnr zur Bestrafung im eigentlichen Sinne bestimmt seyn; und umgekehrt, sind sie ihrem Wesen nach wir vindicativ, so müssen sie diese Eigenschaft allenthalben an sich itagen. Beide aussch ließenden Ansichten sind indeß irrig; vielmehr, wie in Gott Güte und Gerechtigkeit Eins sind, so liefert auch eiue jede dieser Eigenschaften ihren Beitrag für die Bestimmung des Zweckes der Strafen; und nur dann, wenn sich der Mensch freiwillig für Gottes verzeihende und zurückführcnde Güte verfchließt, empfindet er einzig seine Gerechtigkeit. Es war darum auch inconseguent von den Reformatoren, wenn sie die Lehre der heil. Schrift von den Höllenstrafen unangetastet lie¬ ßen, sonst aber die Strafen nur als Besseruugsmittel an- schauten." Aber auch die Kirche Christi hat das Recht, den Sünder, der sich ihrer Schlüsselgewalt unterwirft, mit Strafen zu belegen, welche nicht nur vor ihrem Forum Geltung Haben, sondern auch von Gott im Himmel genehmigt werden. Dies ergibt sich daraus, weil sie nicht nnr die Löse-, sondern auch die Bindc- Newalt vom Herrn empfangen hat. Und zwar sollen diese von der Kirche auferlegtcn Strafen, gleich den von Gott selbst ver¬ engten, eben sowohl vindicativc, als corrcetive seyn. t-wr- ßleichc, was von der Genugthuung gesagt wurde; t^> Nicäa ea». 12. (dem ersten öcumeuischen, 325); zu Laodicäa w Phrygien cs». L. (zwischen 360 — 370); dem IV. zu Carthago ean. 73. Manchmal ließ die Kirche einen Theil der Strafzeit nacly wenn die durch einen Sünder früher geärgerte, aber dann durm dessen Rcueschmerz befriedigte und erbaute Gemeinde für den Vn- ßer Fürbitte einlegte — was schon hinsichtlich des blutschänderi¬ schen Corinthers der Fall gewesen zu seyn scheint. Eben so, wen" sich ein Märtyrer für einen Gefallenen verwendete. Tertullla" schreibt (lib. ml mart)i-. e. 1.): „Weil sie — die Sünder — Frieden (die Gemeinschaft) in der Kirche nicht haben, so fle^" sie darum die Märtyrer in den Kerkern an" — nämlich, u>» de" ren Fürsprache. Auch der heil. Cyprianus ist Zeuge dafür. (Z- "' ep. II. all (lonlessores; III). llo lapsis.) Von diesem Kirchenvatc entnehmen wir, daß. Die auf diese Weise die Nachlassung der noch abzubüßcn gewesenen kirchlichenStrafen erlangten, der liebel 319 zeugung waren, sie seyen auch von Gott wieder vollkom¬ men begnadiget, (ep. 14.) Kann die Kirche die zeitlichen Strafen Nachlassen, so kann sie dieselben ohne Zweifel auch in gewisse gute Werke umwän¬ de ln, — se nach den Zeitumständen — und kann die Gewin¬ nung des Ablasses davon, als einer Bedingung, abhängig ma¬ chen; was sie zumal seit dem Aufhöreu der öffentlichen Buße gc- than, und noch in der Gegenwart thnt. Am Ende des eilften Iahrkundertes wurde z. B. die Theilnahme an den Kreuzzügen, zur Befreiung des heil. Grabes und Landes aus der Herrschaft der Sarazenen; unter Papst Leo X. am Anfänge des sechzehnten Iahrhundertes, die Beisteuer zum Ausbaue der Peterskirche in Rom als eine solche Bedingung der Ablaßgewinnung erklärt. Daran war nichts zu rügen; wenn sich nur nicht so Vieler der Jrrthum bemächtiget bätte, daß cs mit derlei guten Werken ab- gethan, und daß durch sie der echte Bußgcist entbehrlich ge¬ macht scy. — Ist aber die Kirche Schuld daran? Mit Nichten! Nie wollte und will sie dies mit ihren Strafumwandlungen (was schon aus dem Concil zu Clermont 1095 erhellt), indem sie — Mie in jeder Ablaßvcrkündigung zu leseu ist, — allezeit den w ü r- dig en Empfang der heil. Sacramente der Buße und des Altars fordert, und die guten Werke als Bcthätigungen der bußfertigen Gesinnung ansieht. Es werden mehrere Arten des Ablasses unterschieden. Je nachdem sich die Nachlassung auf alle, oder nur auf einen DH eil der Strafen erstreckt , ist er entweder ein vollkomme¬ ner oder ein unvollkommener. Einige Ablässe können immer, andere nur zu bestimmten Zeiten gewonnen werden; einige werden nur gewissen Personen, oder an gewissen Orten, als: Kirchen, Atheist; ja sogar in Verbindung mit Gegenständen gebracht; d. h. den Besitzern derselben, als: Rosenkränze u. dgl. gewährt — freilich nicht anders, als unter der Bedingung, daß sie durch wahre Buße des Ablasses würdig seyen. Wir geben zu, daß der Aberglaube manchmal dem Gegenstände an sich irgend eine ascht nur strafen- sondern sogar sündentilgende Kraft zu¬ schreibe; dies wäre aber nicht möglich, wenn der Besitzer es sich uets gegenwärtig hielte, daß nach der Lehre der Kirche die zeit- liche Strafe nicht nachgelassen werden könne, wenn nicht zuvor »n S a c r a m e n te der Buße die Sü n d e nschuld und die ewige Strafe getilgt worden. Die berühmteste Art des allgemeinen Ablasses ist das soge¬ nannte „Jubiläum", welche Bezeichnung ans dem alten Testa¬ mente stammt, wo das mosaische Gesetz jedes fünfzigste Jahr zu k'nem „Jubeljahre" bestimmte. Wir reden hier nicht von dem außerordentlichen, sondern von dem ordentlichen Jubiläum, wel¬ ches für die gelammte katholische Christenheit ausgeschrieben wird. Papst Bonifacius VIII. setzte dasselbe (1300) ans jedes hundertste, aber schon Clemens VI. (1343) aus das fünfzigste Jahr; Urban VI. 320 (1389) auf alle 33; endlich Paul II. (1470) auf alle 25 Jahre fest; was noch fetzt gilt. Des nicht selten anzutreffeuden Mißverständnisses wegen he¬ ben wir eigens hervor, daß z. B. ein Ablaß von Einem Jahre, wie ihn die Bischöfe am Tage der Einweihung einer Kirche; von vierzig Tagen, welchen sie am Jahresfcst der Einweihung (laut des IV. Lateran. Concils, 1215) bewilligen; oder irgend ein anderer unvollkommener Ablaß von mehreren Jahren, oder von mehreren Quadragenen (ein Zeitraum von 40 Tagen» nichts an¬ deres sey, als eine Nachlassung jener zeitlichen Strafen, welche in Folge der alten Bußdisciplin durch eine eben so lange Zeit hätten abgebüßt werden müssen. — Bis zum 11. Jahrhunderte, d. i. bis zum Beginne der Kreuzzüge, wurden vollkommene Ablässe nur den am Ende des Lebens Befindlichen gewährt. Mit dem Glauben an die Wirksamkeit des Ablasses steht die schon in den ersten Jahrhunderten vorfindige, später aber — z. B. vom Papste Clemens VI. (l342—1352) — klarer ausgesprochene und entwickelte Lehre in Verbindung, daß in der Kirche ein Gua- denschatz hinterlegt sey, bestehend aus den unendlichen Verdien¬ sten des Erlösers, und den überfließenden der Heiligen, ganz besonders der seligsten Jungfrau; — aus welchem die Kirche die Ablässe ausspende. Das heißt: die Kirche erläßt im Namen Got¬ tes, der in Rücksicht auf die gleichsam fürbittenden Verdienste der Heiligen desto geneigter ist zur Milde, die zeitlichen Strafen; ui¬ dem sie, was dem reumüthigen Büßer ob seiner Schwäche und Unvollkommenheit noch mangelt, aus den überschwenglichen Leistungen der Heiligen ergänzt. — Hierin kann Dem nichts znm Anßoße sepn, welcher den Sinn dieser Lehre gehörig aus- faßt. Denn es will nicht gesagt sepn, daß die Heiligen mehl verdienten, als was ihnen im Himmel zu Theil ward; W"- der», daß sie oft mehr freiwillig abbüßten, als zur Fü¬ gung ihrer zeitlichen Strafen hingercickt hätte, und eben so nig, daß der Gnadenschatz an den Verdiensten Jesu — die ja unendlich nennen — noch zu wenig habe, und durch du Verdienste der Heiligen bereichert werden müsse. Möchte was sichs doch tief einprägen, daß nach katholischer Auffassung du Heiligen durch Christus geworden seycn, was sie sind; n» daß ihre Verdienste im Erlösungstode Jesu wurzeln! Uebrigcu- ist leicht einzusehen, wie innig die Lehre vom Gnadenschatzc nu dem Dogma „von der Gemeinschaft der Heiligen" sammenhänge. , Zu dieser Gemeinschaft in weiterer Bedeutung gehören au noch die Leidenden im Fegefeuer. Tragen die Heiligen u Himmel zur Wirksamkeit der Ablässe bei, deren sie selbst nu mehr bedürfen, so können diese, außer uns Lebenden, auch dc Seelen der Abgeschiedenen im Reinigungsorte zu Gute kommcs > und zwar fürbittweise — -'per moüum sukkraZU", Pw es in den päpstlichen Ablaßschreiben. — Wer wollte zweifeln. 321 daß Gott geneigt sey, dem Leidenden im Fegefeuer die Strafzeit abzukürzen, wenn nicht nur einzelne Gläubige darum flehen, und ihre guten Werke in Liebe für die Verstorbenen aufopfern; sondern wenn die Kirche selbst, obwohl dieselben ihrer Schlüs¬ selgewalt nicht mehr unterworfen sind, für sie bittet? /o r l s e tz u n g. Ob die Ablässe heilsam oder schädlich seycn, beantwortet sich Sohl schon aus dem bisher Gesagten. Wer wird das an sich unnütz oder positiv schädlich heißen, was den Menschen von harten, empfindlichen Strafen befreit, und ihm den früheren, oder ganz ungesäumten Eingang in die Freu¬ den des Himmels erleichtert? Aber es gibt noch andere prac- tische Momente, welche die Bestimmung des heil. Eoncils zu Trient über die Heilsamkeit der Ablässe vollkommen rechtfertigen. Denn sie sind — vorausgesetzt, daß die Gläubigen über ihre Be¬ deutung gut unterrichtet sind, und auch von der alten Bußdis- ciplin wenigstens einige Kenntniß haben — eine ernste Mahnung M sie, sich vor jenen Sünden sorgfältig zu hüten, wegen welcher sic einst jahrelange Buße hätten üben müssen. Dieselben mögen also die Größe ihrer Schuld, über welche sie die Eigenliebe, oder das verkehrte Urtheil der Welt gar so leicht täuscht, an dem Ma߬ gabe der einst in Geltung gewesenen Bußcanonen bemessen, und erwägen: die Bußdisciplin habe zwar facti sch aufgehört, nicht, als ob die einst durch sie gestraften Sünden in den Äugen Gottes nicht mehr so groß erscheinen, als ehemals, sondern hauptsächlich »b der Schwäche der Gläubigen, der die Kirche nachsichtig durch die Ablässe zu §>ülfe komme; dafür scyen aber eben die Ablässe als wenigstens rechtliche Fortführung der strengen alten Zucht zu betrachten, und damit so viel möglich noch der alte «uß-Geist zu verbinden. — Die Ablässe erinnern an die Heiligkeit des Taufgelubdcs, dessen Bruch im christlichen Alterthume so schwer geahndet wurde. Ferner daran, wie sich die Gefallenen in den ersten Jahrhundcr- ien außer der kirchlichen Gemeinschaft so unglücklich, weil von dem Anrechte auf das ewige Leben ausgeschlossen, fühlten, und '"clsts sehnlicher wünschten, als in dieselbe wieder ausgenommen ju werden. Also möge man auch jetzt noch, trotz dem, daß die Klrche so milde verfährt, das Heil nirgends anders, als m Cbn- sius und in ihr suchen! — Auch der christliche Gemeingeig wird Zweckt, durch den Gedanken, wie einst, als die Gläubigen noch ^iii Herz und Eine Seele waren, Alle an der äugend des Einen sich erfreuten, an dem Falle des Einen sich betrübten, und für ihn beteten; und wenn er wieder ausgesöhnt war nut Gott und der Kirche, in sorgsamer Liebe über ibn wachten. Dies ist gewiß »°n großem Nutzen, zumal in einer Zeit, wo so Viele selbstsüch- d'S nur ihre eigenen Wege gehen, unbekümmert um den Nächsten, 322 oder gar noch schadenfroh ob seines Falles. Alles das wirken die Ablässe als Erinnerung an die faktisch untergegangcne alte Bußdisciplin! Weiters sind sie auch Tröstungen DcrMigen, welche sonst aus Furcht vor den ihrer, insbesondere jenseits, warten¬ den zeitlichen Strafen, in Muthlosigkeit versinken würden; und indem sie aus dem Gnadensch atz e in der Kirche erholt werden, demüthigen sie einerseits den Stolz des Menschen, indem sie ihm nahe legen, daß er sich selbst nicht zu rechtfertigen vermöge; an¬ dererseits aber spornen sie ihn an, den Heiligen nachzufolgen, an deren Verdiensten er Theil nimmt. Doch hören wir, was gegen die Ablässe schon unzählige Male vorgebracht, eben so oftmal auf das Schlagendste wider¬ legt wurde, und dennoch immer wieder eingewcndet zu wer¬ den pflegt. Durch dieselben, sagen Einige, wird die Lauheit befördert, und der Sünder in eine falsche Sicherheit eingewiegt. Will aber die Kirche dies? Nein. Nur die Schwäche des Büßers will sie unterstützen, nicht seine Sorglosigkeit. Tie Kirchs beabsichtet nicht im Entferntesten Das aufzuheben, was durch die von ihr nachgelassenen Strafen mitunter hätte bewirkt werden sollen, nämlich die innere Besserung und Umwandlung des Sünders. Die Forderung au ihn bleibt unverrückt dieselbe: die bösen Neigungen anszurotten, die gegebenen Aergcrniffe gut zu machen, den zugefügten Schaden zu ersetzen, u. dgl. Dave« will die Kirche nicht lossprechen; sie rechnet vielmekr darauf, daß der Büßer mit um so freudigerem freiem Eifer an seiner Heiligung arbeiten werde, weil ihn nicht mehr die nieder- schlagende Furcht vor göttlichen Strafen gefangen hält. — Weü entfernt, eine falsche Sicherheit zu nähren, bewahren die Ab¬ lässe viel mehr vor derselben, indem sie den Jrrthum zerstören, als käme es bei der Rechtfertigung einzig nur, oder haupt¬ sächlich auf Werke äußerer Äbtödtung, und nicht vielmehr aut den Geist der Buße an. (Man denke an die Verirrungen der so¬ genannten Flagellanten im 14. Jahrhunderte.) Wird auch das Eiuhergehen in Sack und Asche von Gott und der Kirche nicht mehr gefordert, so soll dafür die innere V e rd emü th ig nng eine nicht minder aufrichtige, der Reueschmerz ein nicht minder ernstlicher seyn, als einst in den Tagen der öffentlichen Buße. Wo ist also bei solcher Auffassung des Ablasses noch irgcnv ein Raum für bloße sogenannte Werkheiligkeit? Geradeso Gegentheil! Auch von einer Schmälerung der Verdienste Joch kann um so weniger eine Rede seyn, da eben jede Spendung vo" Ablässen der öffentlich ausgesprochene Kirchenglaube an diese Ver¬ dienste ist, und alle Gläubigen darin auf Den hingewiesen wer¬ den, welcher unser Erlöser und Mittler für alle Bedürfnisse u» Bedrängnisse ist. (Siehe Dr. v. Hirscher's citirte Schrift, zweite Abschnitt. S. 22—56.) 323 Alle Feinde der katholischen Kirche lieben es, auf die Mi߬ bräuche hinzudeuten, ja sie recht grell zu schildern, welche schon mit Ablässen getrieben worden seyen. Hatten solche wirklich Statt? Wir scheuen uns nicht zu antworten: Ja, leider nur zu häufig. Aber was folgt daraus ? Nichts weiter, als was ohnehin Jeder¬ mann bekannt ist, daß nämlich Alles, auch das Heilsamste und Heiligste, unter der Hand boshafter und unverständiger Menschen mißbraucht und entweiht werden könne. Welcher Besonnene wird es aber deßhalb verwerfen, und nicht vielmehr den Wunsch begen, daß das Heilige auch heilig behandelt werde? Einen solchen Wunsch hatten in der That bezüglich der Ablässe die ge- l lehrtesten und frömmsten Männer unter den Katholiken aller Zei¬ len; sie sprachen ihn ganz freimüthig aus. Ja die Kirche selbst bat auf allgemeinen Concilien ihre rügende Stimme gegen derlei Mißbräuche erhoben. — Der heil. Cyprianus tadelt sehr jene Priester, welche die — in die Abgötterei —Gefallenen zu leicht >lnd schnell wieder in die Kirchcngcmeinschaft aufnehmen. „Sie Nlterccdiren, sagt er, daß Gott nicht durch Gebet und Genug¬ tuung ersieht werde; man gibt sich Mühe, daß die Sünden nicht durch Bußübungen und gebührende Klagen getilgt werden." (ep. N ast Oornel.) „Ein solcher Friede, bemerkt er (traet. ste lap^m) Ä ein vor Gott ungültiger und falscher; gefährlich den Verlei¬ ben, und den Empfängern zu nichts nütze." — Der heil. Bona¬ ventura, der heil. Thomas von Aquin (im 1Z. Jahrh.), Cardinal Fobert Bellarmin (-H 1620) äußerten sich im ähnlichen Sinne, "suf dem vierten Lateranenstschen Concil unter Papst Jnnocen- lsus III. (1215); auf dem ersten zu Lyon unter Papst Jnnocen- bus IV. (l245); und auf dem zu Vienne unter Papst Clemens V. sböll) wurden strenge Dccrete, unter Anderem gegen die zu häu- Mn Ablässe gerichtet, „wodurch die Schlüsselgewalt der Kirche l", Mißachtung komme, und die büßende Genugtbuung Schaden leibe." (xnn. Dat. IV.) Das Concil zu Trient will: „daß in der 2lusspendunq von Ablässen mit Mäßigkeit vorgegangcn werde, uach der alten und bewährten Gewohnheit der Kirche, damit durch allzu große Leichtigkeit (die Ablässe zu gewinnen) die mrchcndisciplin entkräftet werde. Indem es ferner die Mißbräuche, welche sich diesfalls eingeschlichcn haben, und wegen welcher diese "^gezeichnete Institution der Ablässe von den Häretikern gelästert W>rd, abgestellt und verbessert wünscht, verordnet es, daß aller ^Müßiger (Gewinn) Handel bei Erwerbung von Ablässen, wel¬ cher die Haupkursache der Mißbräuche unter dem christlichen Volke war, vollends beseitiget werde. (In bis — instnlgentik — «amen eoneesteastls mosteratinnem, juxta veterein et prostatam in b.oolecsta eonsnetustmom, aststisteri enpit; ne iiimla kaeililate eoelosiastiea stis- Aplina snervetnr. Vstusus vero, gni in bis irrepsernnt, et gnorum "eoasione insigne lioo instulgentiarum nomvn ab staerelicis stlascpliema- wr, emenstatos et eorreetos cnpiens, praesenti stecreto generaliter ^Muit, pravos guaestus omnes pro bis eonseguenstis, unste plurima 21 * 324 m 0bri8tisno popili o abusmim vmisa llnxi't, omoliio sbrogsntlos S886." — „Ut itL 8gnetarum bulolpontlonuu MNUU8 pis, Zgnete, et inoorrupte omnibus tntetibus äispensetur." (8e8s. 25. eleoret. t!e IniluI^entUs.) Konnte sich die Kirche energischer gegen die Unfüge der Ab¬ laßkrämer u. dgl. aussprechcn, als sie es hiemit gethan? Wessen sich der, übrigens wie die unparteiische Geschichtsforschung nachweist, gewöhnlich zu arg geschilderte Dominikaner Johann Tetzel m Deutschland und der Franziskaner Bernhard Samson in der Schweiz wirklich schuldig gemacht, — und was auch wir nichts weniger als zu beschönigen, oder gar zu Vertheidigen gewillt sind, — darf nicht der Kirche zur Last gelegt werden, und konnte kein hinrei¬ chender Grund gewesen seyn, gegen ihre unfehlbare Lehr- Auktorität loszustürmen. Luther selbst rügte anfänglich nur die ärgerlichen Unzukömmlichkeiten; denn in der 75. seiner 95 Thesen, welche er am Vorabende des Allerheiligenfestes (15l7) an die Kirchthüre zu Wittenberg heftete, sagte er: „Wer wider die Wahrheit des päpstlichen Ablasses redet, der sey ein Fluch und vermaledeit". Erst später läugnete er, uneingedenk des hier über sich selbst verhängten Anathems, die Wirksamkeit des Ab¬ lasses; die er freilich wohl nicht mehr zugeben konnte, nachdem er überhaupt die Binde- und Lösegewalt der Kirche verworfen hatte. XXVI. Die Verehrung und Anrufung der Heiligen; Verehrung ihrer Bilder und Reliquien; Gebet, Liturgische Sprache, Ceremonien, Wallfahrten. Was an der katholischen Kirche Manchem auch nicht gefa^" will, ist, daß sie die Heiligen verehrt, und dieselben um ihre F"^ bitte anruft; daß sie sogar deren Bilder und Reliquien in Ehren hält. Dieserwegen wird sie hie und da gar des Götzendienste^ beschuldiget, — gewiß ein sehr schwerer Anwurf! — Es heißt, das die Katholiken, ähnlich den alten Heiden, Gott, dem Einzigen- dem Unendlichen, gleichsam eine Menge Untergötter an die Seite stellen, und ihn nach Art irdischer Könige mit einem Hofstaat um¬ geben, — was Alles des reinsten Geistes nicht würdig sey; das sie Gott wie einen gestrengen weltlichen Herrn betrachten, dem man sich nicht unmittelbar zu nahen wagen dürfe, und daher du Vermittlung seiner Freunde in Anspruch nehme; — wodurch de»u die Vater liebe Gottes, wie sie Jesus so schön lehrte, verdun¬ kelt werde, und dem Mittler-Amte Jesu Abbruch geschehe. 325 Ob diese und ähnliche Anschuldigungen irgendwie begründet scyen, möge ans nachstehenden Bemerkungen ersehen werden: D a ß es Heilige gibt, ist für uns eben so wenig zweifelhaft, als daß ein Himmel ist, den wir uns aber nicht etwa, wie die Mobamcdaner ihr Paradies, voll sinnlicher Freuden und Genüsse ausmalen, oder sogestaltig vorstclle», wie die alten Griechen und Römer ibr Elysium, die alten Deutschen ibre Walhalla. — Der Sobn Gottes bat uns dessen versichert nnzäblige Male. Darüber uns weiter ausznlasscn, halten wir bier für überflüssig. Nach ka- klwlischcn Begriffen sind die Heiligen wohl verklärte Diener und Freunde Gottes, aber nicht im Entferntesten werden sie von uns vergöttert; — wenn wir bildlich vom Hofstaate Got¬ tes reden, zn welchem die zahllosen Schaaren der seligsten Gei¬ sler — Engel — und die Heiligen gehören, so schließen wir auf das Sorgfältigste Alles davon aus, was mit der unendlichen Ma¬ jestät Gottes, mit seiner Heiligkeit, seiner Seligkeit in sich selbst, die durch nichts vermehrt werden kann, wie schon immer, nicht »creinbarlich wäre. Durch die Verehrung der Heiligen entziehen wir Gott nichts von Dem, was wir Ihm allein schuldig sind; denn die Ekre der Heiligen geht sa zuletzt auf Gott zurück, ohne dessen Gnade sie nicht Heilige geworden wären. Das Eoncil zu Trient hat im «lecrotum ele mvoeatlone, vene- eulnme et relignii's 8gnotorum et soeris imgAiin'lms — 8ess. 25. die diessälligc Lebre der katholischen Kirche deutlich und bündig ans- stesprocbcn. Man lese cs aufmerksam, und sage alsdann, ob darin trgend Etwas vorkomme, was Gottes nicht vollkommen würdig wäre, was die ihm allein schuldige Anbetung etwa auch dr» Heiligen zucrkennen, was die unendlichen Verdienste Jesu Kristi, der darin unser einziger Erlöser und Seligma- chcr genannt wird, nur im Geringsten schmälern würde. Das Eoncil erklärt: daß die Heiligen , welche mit Christus Himmel herrschen, ihre Fürbitten für die Menschen Gott Vor¬ dringen; daß es dabcr gut nnd nützlich sey, sie anzuruscn; daß d'e tzciber der heil. Märtyrer, und der Anderen, die nun mit Kristus leben, zu verehren seyen, weil sie lebendige Glieder Christi, "nd Tempel des heiligen Geistes waren, welche einst zum ewigen "ben aufcrwcckt und verherrlichet werden. Von den Bildern Christi, der seligsten Jungfrau, und der äderen Heiligen bestimmt es, daß dieselben zumal in den Tcm- dckn ausgestellt, und ihnen die gebührende Verehrung erwiesen wer¬ de» solle. Nicht als wenn man glaubte, daß ihnen irgend eine Gottheit oder Kraft innwohne, wegen welcher sie zu verehren ^hen, oder als ob man von ihnen etwas erflehen solle, oder als "d in die Bilder ein Vertrauen zn setzen wäre, wie dies einst von °k» Heiden geschab, welche auf die Götzen ibre Hoffnung bauten; wndern weil die Ebre, welche man den Bildern erweist, auf die Urbilder (yi-ototvp-i), welche durch sic dargcstellt sind, bezogen wird; so, daß wir durch die Bilder, welche wir küssen, vor denen 326 wir das Haupt entblößen, und uns niederwcrfcn, Christum an¬ beten und die Heiligen, deren Bild sie sind, verehren. Eben so der 6alech. romimus: w- mel sind." So lautet die Lehre der Kirche! Dieselbe sollen Jc»r, die über Götzendienst in der katholischen Kirche sich ereifern, b" achten; nicht aber hie und da vorkommende Ucbertrcibungcn cm- zelner schwach unterrichteter Katholiken einseitig bcrvorzichen- Das Concil zn Trient legt cs den Hirten eindringlich genug an das Herz, darüber zu wachen, daß etwaige Mißstände ohne Ver¬ zug beseitiget werden. (Im citirten Decrete 8e?s. 25.) Die Welt bat auch ihre Heiligen, und oft gar sonberbarc Heiligen, mit welchen sie, sey es, während sic noch leben, oder nach ihrem Tode, in der That Abgötterei treibt. Man denke an das Pantheon zu Paris, mit seiner Aufschrift: „aux Kram? lmmmos", welches in unseren Tagen erst wieder dem christlichen Cultus zurückgcstcllt wurde. Darin ist ncben der wahrhaft großer Männer auch eines Voltaire's Asche aufbcwahrt! Wir haben wahrlich nichts dagegen, daß die Welt solast Männer preist, ihr Andenken ehrt, welche ihr einen besonderen Dienst erwiesen, sich in ihr ausgezeichnet, sich um sie verdient ge¬ macht haben — in dieser oder jener Weise; scy cs als weist Herrscher und Gesetzgeber, als Gelehrte oder Künstler, als Cnt> decker, durch gemeinnützige Erfindungen u. s. w. Ihnen werd" stolze Monumente aus Crz und Stein aufgerichtet; ihre Marmor¬ büsten oder Porträte, in prachtvolle Goldrahmen gefaßt, werden aufgestellt. Man kauft, was von ihren Ueberblcibseln zu bekoiw men ist, ost um einen unglaublich hohen Preis — sey es au > etwas noch so Unbedeutendes, etwa ein Paar Zeilen aus ihrr 327 Hand, eine Schreibfeder, eine Brille, ein abgetragenes Kleidungs¬ stück, eine — Tabakdose u. dgl. Mit welchem Rechte will man es denn der Kirche verargen, daß sie ihre, im Leben durch die reinsten, uneigennützigsten Tugenden ausgezeichneten, nun schon verklärten Mitglieder, welche nicht durch sich selbst nur, sondern zumeist durch die Gnade Gottes geworden sind, was sie sind, hoch in Ehren hält; daß sie dieselben ihren Gläubigen als Muster zur Nachahmung aufstellt, und diese daran erinnert, daß sie sich vertrauensvoll an die Heiligen wenden können, welche sa noch immer mit uns in Gemeinschaft stehen, und ihre Liebe zu uns mit in den Himmel genommen haben? Sollen wir als Christen nicht die Blutzeugen verehren dürfen, da doch der Herr selbst alle Jene selig preist, welche um seines Namens willen Schmach, Verfolgung und den Tod erleiden? Sollen wir nicht die jung¬ fräulichen Bekenne rin neu preisen, da doch der Herr selbst Jene selig nennt, die eines reinen Herzens sind, weil sie Gott anschauen? Sollen wir nicht die aufrichtigen, strengen Büßer hvchachten, da doch der Herr selbst versichert, daß im Himmel mehr Freude herrsche über Einen, der wahrhaft Buße thut, als über neun und neunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen? Sollen wir nicht das Gedächtniß aller gottgetrcuen Diener und Dienerinnen in frommer Freude begeben, da doch der Heiland sagte: „Selig, Wen der Herr, wenn er kommt, bewährt findet; denn über alle seine Güter wird er ihn setzen?" (Matth. Eap. 24, V. 46, 47.) Die Heiligen haben schon ausgckämpft den Kampf, den wir »och durchzukämpfen haben; sie haben schon erlangt die Krone, nach welcher wir erst ringen. Sollen wir uns nicht freuen dür¬ fen ibres Triumphes? Wo wäre sonst unsere Liebe zu ihnen? Aus den Tugendbeispielen der Heiligen, an die wir insbeson¬ dere auch durch ihre Bilder und Reliquien gemahnt werden, schöpfen wir Katholiken den Muth, und erneuern denselben, um gleich ihnen den steilen Weg zum Himmel unverdrossen zu wan¬ deln , und, so wie sie, durch die enge Pforte cinzugehen in das ewige Leben. Das Leben der Heiligen ist das in Tbaten dar¬ gestellte Evangelium Jesu Christi, und zeigt uns recht anschaulich, was der feste Wille im Bunde mit der Gnade Gottes vermöge. Wir denken uns: die Heiligen waren einst auch schwache Sterb¬ liche, gleich uns; sie waren auch Versuchungen ausgesetzt, haben aber dieselben überwunden. Wenn es also Der, und Die vermochten, warum denn nicht auch wir? Wirrufcn die Heiligen an um ihreFürbitte; nickt, weil wir den oben uns fälschlich zugcmuthcten unwürdigen Begriff von Gott haben, oder meinen, daß sie uns aus eigener Kraft zu dessen vermögen; sondern weil wir uns im Bewußtscyn unserer Unwürdigkeit und Schuld oft wirklich kaum getrauen, unmittelbar vor Gott, den heiligen Geber alles Guten hinzntrcten; da nehmen wir denn unsere Zuflucht zu den Heiligen, daß sie uns von Ihm 328 erflehen wollen, was uns Noth thut. Daran kann nichts Ge¬ fehltes seyn! Im Gegenthcil, diese Dcmuth muß Gott gefallen; ein solches Vertrauen zu seinen Heiligen ist Ihm angenehm; denn Er will sa gewiß, daß wir Die nicht unbeachtet lassen, welche Er selbst in seinem Hause, so zu sagen, zu Verwaltern seiner Schatze bestellt, und über Alles gesetzt hat. Aber wissen die Heiligen wohl um unser Anliegen? hören sie unsere Bitten, die wir an sie richten? Ja, wir zweifeln nicht, daß sie von Gott in den Stand gesetzt werden, zu wissen, wie es um uns steht, und daß ihnen unser Vertrauen zu ihnen nicht unbekannt sey. Dies fordert schon der Begriff der Gemeinschaft der triumphirendcn Kirche mit der noch streitenden; dies fordert die Liebe der Heiligen zu uns, welcher der Herr gewiß die Mög¬ lichkeit nicht versagt, sich, eben durch die Fürbitten für uns, thä- tig zu erweisen. Höher als alle übrigen Heiligen, ja als alle Engel, steht in der Verehrung der katholischen Kirche die seligste Jungfrau. Kann es anders seyn? Kann daran Der Anstoß nehmen, welcher glaubt, daß Maria aus Millionen ihres Geschlechtes von dem Allerhöchsten zur Mutter seines eingcborncn Sohnes erwählt wor¬ den war? Gewiß nicht! Sie, die schon im Leben so überaus begnadiget war, steht sicherlich auch jetzt zunächst dem Throne Gottes — unsere Frau, unsere Mutter, unsere Fürsprecherin. -7" Die Verehrung Mariä ist für Jeden, ganz besonders aber für jugendliche Herzen, das beste Präservativ gegen die Verführungen und sündige Liebe der Welt. (Siehe darüber C. N. Wiftman's Abhandl. 2. Bd. S. 362-368.) Unbestreitbar läßt sich die Heiligen- und Reliquien-Verehrung schon im frühesten christlichen Ältertbume nachweisen. Vom heil. Stephan, dem ersten Blutzeugen, heißt es in der Apostelgeschickte (Cap. 8, V. 2.): „Es bestatteten ihn gottesfürchtige Männer und hielten große Klage über ibn". — Die Gläubigen legten die Schweißtücher und Gürtel des heil. Paulus auf die Äranken, und die Krankheiten wichen von ihnen. (Apostel. Cap. 19, V. 12.) Es macht keinen Unterschied, daß dies Gegenstände des noch ge¬ benden waren. Ueber den Gräbern der Märtyrer feierten die ersten Christen ihren Gottesdienst, und wurden die ersten Kirchen erbaut. -- Nachdem der heil. Ignatius, Bischof zu Antiochia in Syrien, auf Befehl Kaisers Trajan (107) im Amphitheater zu Rom von Lö¬ wen zerrissen worden war, sammelten seine Begleiter die übrig gebliebenen Gebeine sorgfältigste und brachten sie nach Antiochia- Und als sein etwas jüngerer Zeitgenosse, der heil. Polycarp, Bi¬ schof zu Smyrna, unter Kaiser Mark Aurel, alldort (um 168) den Feuertod starb, schrieb die Gemeinde von Smyrna au Jene in Pontus unter Anderem Folgendes: „Die Thörichten!— uäni- sich die Juden, welche dem Proconsul gerathcn hatten, er möge den Leichnam des Polycarpus wegschaffen lassen, weil sonst die 329 Wristcn Diesen statt Jesnm anbeten werden — wußten nickt, daß von den Christen nur Christus angebetct werde, weil er der Sohn Gottes ist; daß wir hingegen die Märtyrer als (seine) Schüler nnd Nachfolger wegen ihrer Fröm¬ migkeit, die sie gegen ihren König bezeugten, innig st lieben. — Wir kommen, wenn es möglich ist, an dem Orte, wo wir seine (Polycarps) Gebeine, nnd die Gebeine der Märty¬ rer, welche uns theurcr sind, als die kostbarsten Edcl- steine, sammeln, zusammen, um ihren Geburtstag (nämlich zum ewigen Leben) und (das ist) den Tag ihres Marterthumcs zu feiern, sowohl zum Andenken Derer, die im rühmli¬ chen Kampfe gekämpft haben, als auch, um die Nach¬ kommen durch ein solches Beispiel zu unterrichten, und zu befestigen." Klingt dies nickt ganz katholisch? Wahr ist's, daß in den ersten Jahrhunderten die heil. Bilder selten waren. Es konnte aber nicht anders seyn. Tenn die Gläu¬ bigen waren arm und verfolgt; zudem mußte schonende Rücksicht genommen werden auf die Schwachheit, sowokl der aus dem Hci- denthume Bekehrten, daß sie nicht zum eben erst verlassenen Bil¬ der-Dienste zurückkehrtcn; als auch der aus dem Judenthumc üebergetrctcncn, welche ihre Abneigung wider die Bilder aus der Synagoge mitbrachtcn. Dcmungcachtet frblte cs nicht ganz an Bildern, was wir aus Tertullian entnehmen, welcher berichtet selo puck'eit c. 7.), daß auf den Kelchen der Heiland als guter Hirt, mit einem Schafe auf den Schultern, vorgcstellt war. In den Taufcapellen sah man dcn heil. Geist unter dem Bilde einer Taube. *) Fortsetzung. Daß die katholische Kirche auf das Gebet sehr großen Werth lM, ist Jedermann bekannt. Dies aber kann ihr nur von einem Gmcslängncr, oder von Dem verübelt werden, der in Folge 'enger Begriffe von Gottes unabänderlichem Willen, von seiner Vorsehung u. dgl. das Gebet für unnütz hält; — nicht aber "on Demjenigen, der da weiß, daß der Herr selbst während sci- Card. N. Wiseman liefert im ersten Bande seiner Abhandlungen whr interessante Daten, daß, wie manche sogenannte außerwesentlicke Be- standtheile lind Requisiten des katholischen Gottesdienstes schon in der alten Kirche gebräuchlich waren, so auch die damaligen Katboliken bereits ganz derselben lleberzeugung waren, wie in der Gegenwart, in Betreu der Heiligen-Verehrung, der durch Heilige gewirkten Wunder u. dgl. m christlichen Leben so frühe schon gewurzelt haben müsse. 330 res irdischen Wandels gebetet und auch die Semen beten ge- lehrt habe. Aber das Formelwesen, heißt es, wozu soll dasselbe gut scyn? Ist es ja dcch dem Beter im Geiste und in der Wahr¬ heit zuwider! (Joh. Cap. 4, V. 24.) — Daß die Kirche ir¬ gendwie bloßes Lipp en gebet anempfchle und befördere, ist un¬ wahr; bei feder Gelegenheit schärft sie vielmehr den Gläubigen ein, daß das Gott wohlgefällige Gebet aus dem Herzen kom¬ men müsse. Dies beiße, laut der Ermahnung des Herrn, im Geiste und in der Wahrheit beten; keineswegs aber erklärte Er damit das äußerliche Gebet überhaupt für unnütz. Uebrigcns weiß man fa, daß gerade Diejenigen, die sich selbst gar so geistreich Vorkommen, nm durchaus keiner Gebetssormcl, auch der von der Kirche approbieren nicht, zu bedürfen, auch in Gedanken nicht viel beten. — In der That abergläubische Gebetsformcln werden, wenn sie stch irgendwo unter dem Volke einschleichen, von den katholischen Oberhirten ohne Verzug be¬ seitiget. Sehr schön bemerkt Card. N. Wiseman über das von man¬ chem „Aufgeklärten" so arg bespöttelte Rosenkranzgebet (Abhandl. Bd. 1. S. 428.): „Es ist die Andacht der Armen unter den Ka¬ tholiken. Wir wünschen, daß unsere Gebete mit den ihrigen, und nicht mit denen der Pharisäer beurtheilt werden mögen. Wir fürchten den Gedanken, eines Tages in Betreff derselben gefragt zu werden, als Männer von Erziehung, als Männer von Bil¬ dung , als Männer der Bücher, die auf den armen Pilgrim an der Kirchthüre, der bloß sein Vater unser und Ave Maria wie¬ derholen kann, berabblicktcn. Wir fürchten gefragt zu werden, was wir aus unseren silberbeschlagenen, in Sammt gebundenen Gebetbüchern herausgenommen haben, das nicht der einfache alte Bauer auf dem Boden der Kirche aus seinem Rosenkränze, den wir verachteten, gezogen hätte? Woher wir ernster, inbrünstiger/ demüthiger, andächtiger geworden seyen? Wir wollen gerne un¬ ter die Armen gerechnet werden, und bitten, dafür angesehen Z" werden, als hätten wir mit ihnen gebetet". , Das Gesagte gilt überhaupt vom äußerlichen, gemeinschaft¬ lichen Gottesdienste. Daß dabei hie und da Mechanismus uno Gedankenlosigkeit mit unterlaufe, will nicht geläugnet werden aber die Kirche veranlaßt sie nicht und mag sie nicht. -t- * Wie bekannt, finden es Manche nicht zu billigen, daß stsb die katholische Kirche bei der Feier gewisser gottesdienstlicher Hand¬ lungen, insbesondere bei der heil. Messe, statt der Landessprawe, der lateinischen Sprache bedient. Dadurch wird, sagen sie, P gemeinschaftlichen Andacht und Erbauung Abbruch gethan; jadnfs selbe hie und da geradezu unmöglich gemacht, und bloß mechan^ sche Theilnahme der Gläubigen erzielt. Ja mau beruft sich ssst^ auf den Wcltapostel, als wenn er im 14. Capitel des ersten Briefe 331 an die Corinthcr einer ähnlichen Ansicht Ware. — Näher beseden, stclit sich uns die Sache anders dar. Tie wider die lateinische Sprache, als eine sogenannte tobte, diessalls vorgcbrachten Ein¬ streuungen sind einseitig oder unrichtig. Denn die wahrhaft innige Theilnahne der Gläubigen an dem Opfer der heil. Messe kann sehr wobl Statt haben, 'wenn dieselben über den Inhalt und Sinn der dabei vorkommenden lateinischen Gebete gut unterrichtet, und ihnen Meßgebctbücher in der Landessprache dargcboten werden, aus denen sie im Stillen den opfernden Priester begleiten können. Und wenn sie dies thun, ist ihre Andacht gewiß eine gemein¬ schaftliche, und sie sind nichts weniger, als gedankenlose Zuschauer eines ihnen unverständlichen Cultus. — Das Concil von Trient, welches der ungestümen Reformsucht gegenüber Diejenigen mit dem Banne belegt, die da behaupten: die Messe müsse in der Landessprache gefeiert werden (sess. 22. csn. 9.), macht es den Seelsorgern zur Pflicht: „ut frequenter inten missarum celebratio- nem vel per se, vel per alios, ex iis, gnae in miss» leKuntur, sligniä expongnt", (cap. 8.). Nicht minder sollen dem christlichen Volke auch die heil. Sakramente in der Volkssprache oft fleißig und gründlich erklärt werden. (8ess. 24. e. 7. «le reform.) — In dem obcitirten Cavitel verbietet der Apostel Paulus nur, etwas Unver¬ ständliches, in fremder Sprache, zu beten, das nicht gedoll- metscht würde. Nun dies Letztere verlangt ja eben die Kirche. Als positive Gründe für die lateinische Sprache pflegen mit Recht vorzüglich nachstehende angefübrt zu werden: die sich auch hierin ausprägende Einbeit der katholischen Kirche; das Gcheimnißvolle einer fremden Sprache ist geeignet, bei Vielen die Ehrfurcht vor dem beil. Mysterium selbst zu erhöhen; es wird auch möglichen Uebelständen dadurch vorgebeugt, z. B. dem An¬ stöße am fremdartigen Dialecte, oder an der nicht eben zusagen¬ den Aussprache des Priesters, der übrigens außer seinem Geburts¬ lande oft gar nicht die heilige Messe lesen könnte n. dgl. Es versteht sich von selbst, daß dieser Punkt etwas Außer- wesentliches betreffe. Die Kirche könnte aus ihr genug wichtig erscheinenden Gründen zu Gunsten der Landessprache Ausnahmen zugcstehen; wie dies schon z. B. hinsichtlich der vom Slave,lapo- stel Methodius, im 9. Jahrhunderte, in der Liturgie eingcführtcn slavischcn Sprache der Fall gewesen. -forls etzunfl. Doch wozu dies Alles? fragt der sich weise Dünkende. Wozu das Besuchen von Kirchen? 'Wozu Ecremomen? Ist ja die stanze Natur ein Tempel des Allerhöchsten, wo es sich so recht 'm Geiste beten läßt! — Wir fragen: Betet, wer so spricht, wokl zum Gotte der Christen, oder nicht etwa zum Gotte der sogenannten Rationalisten — vielleicht gar zum Gotte der Natur- vergöttercr, der Pantheisten, d. i. zum nebelhaften, unklaren 332 Wcltgeiste? — Auch wir Katholiken beten in der Natur Gott an, als ihren Herrn — uns ist Er überall gegenwärtig — aber freilich, vor der Natur selbst heugcn wir unsere Kuiee nicht! Maßgebend nnd von Entscheidung für uns ist's, daß der Hei¬ land uns auch die öffentliche, gemeinschaftliche Gottes- verebrung zur Pflicht gemacht hat. Er bat in der Abendmabls- fcier, in dem bcil. Meßopfer die Centralsonne uns gegeben, nm die sich alle Bcstandthcile unseres erbabcnen Cultus drehen; von dort strömt uns Licht und Wärme in geistiger Hinsicht zu. Er selbst hat in den heil. Sakramenten die unabänderlichen, wesent¬ lichsten Stücke und heiligen Handlungen zum Gottesdienste angc- ordnet. Behufs ihrer Verwaltung und Ausspendung hat er ein eigenes Pricstcrthum eingesetzt. — Was die Apostel und die Kirche kraft der vom Herrn erhaltenen Vollmacht noch weiterhin diesfalls vorkebrtcn, z. B. bezüglich der Ceremonicn bei der heil- Messe, und bei der Ausspendung der heil. Sacramcnte — ist durchwegs sowohl Gottes würdig, als auch dem Zwecke, die Andacht der Gläubigen zu erhöhen, vollkommen entsprechend. Und zwar nicht nur für den sogenannten Ungebildeten ist die Liturgie der katho¬ lischen Kirche mit ihren erhabenen heiligen Gebräuchen berechnet; auch der Gebildetste findet — freilich, wenn er will— darin ge>- stige Nahrung und Erhebung. — Was uns den gemeinschaft¬ lichen Gottesdienst überdies nicht vernachlässigen läßt, ist die gegenseitige Erbauung, die dadurch befördert wird. Durch die sogeuanuten außerwescntlichcn heiligen Gebräuche, als: Segnungen, Weihungen von Orten, Personen und Sachen, wodurch dieselben vom Gemeinen abgesondert werden, bekennt die Kirche, daß Alles von Gott abhange, Alles zu seiner Verherr¬ lichung dienen solle, daß alles Gute von Gott komme u. s> w-l nicht aber legt sie denselben irgend eine ungehörige Kraft bei- Bei aller ihr eigcnthümlichen Prachtcntwicklung im äußere« Gottesdienste legt sie es den Gläubigen immer wieder nabe, daß nicht im augenfälligen Pompe das Wesen liege; sondern daß die innere, andächtige, reine Gesinnung die Hauptsache sey. Um Diese zu wecken und zu nähren, nimmt sie auch Mitwirkung der Künste, als: der Baukunst, der Malerei, der Musik in Anspruch. Aber alles Un heilige daran ist ihr zuwi¬ der, sie sucht es ferne zu halten. (Siehe Oone. Drill, sess. 2^. lleoret. lle obs. et evlt in colebr. lVIlssae.) Bezüglich der Wallfahrten nnr so viel: Es kann Jemand ein guter Katholik seyn, ohne solche zu machen. Aber warum soll cs dem aus wahrhaft guter Absicht Wallfahrtenden verargt werden, wenn er an einem weiter entlegenen, durch Ge¬ gebenheiten aus der heiligen Geschichte (im gelobten Lande), oder durch besondere Gnadcnerwcise Gottes berühmten Orte*) fe"" *) Z. B. Maria.Zell. Dieser im österreichischen Kaiserstaatc wohl be¬ suchteste Wallfahrtsort fing) schon im 12. Jahrhunderten bekannt z< 333 Andacht inbrünstiger zn verrichten; den Grund zu seiner Le¬ bensbesserung mit größerem Ernste zu legen vermeint, als zu Hause? — Die Reichen haben ibre Erholungsreisen in die Bäder u. dgl., warnm cs dem Armen als Müssiggang oder Aberglau¬ ben deuten, wenn er auf ein Paar Tage sich seinen häuslichen Sorgen und Kümmernissen durch eine beschwerliche Fußreise nach einem Wallfahrtsorte entzieht? — Allem Mißbrauche soll freilich auch hierin möglichst vorgebaut, und cutgegcngearbeitct werden. — Sogenannte Kirchtage mit darauf folgender Tanzmusik verdienen durchaus kein Fürwort. xxvu. Fürbitte und Dpfer für die Verstorbenen. „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen" — so lautet ein Artikel im apostolischen Glaubensbekenntnisse, welcher wahrlich nirgends sonst, als nur in der katholischen Kirche in seinem vollen Umfange und Inhalte aufgefaßt wird. Denn sie lehrt, daß das heilige Band, welches die Bekenner Jesu umschlingt, als Angehö¬ rige des von ihm gestifteten Gottcsreiches, sogar mit dem Tode, mit dem Hintritte aus der Zeitlichkeit, nicht zerreiße; sondern in das jenseitige Leben fortwähre. Auch Diejenigen, die in der Liebe und Gnade Gottes bereits aus unserer Mitte abge¬ schieden sind; ja sogar die höheren, reinen Geister stehen in Ver¬ bindung mit uns, weil einem und demselben Haupte, Jesus Chri¬ stus, wie wir untergeordnet. — Noch immer sind die Heiligen Glieder der nämlichen Einen wahren Kirche mit uns, von wel¬ cher sie nur eine andere, besondere Abt Heilung bilden. Gehö¬ ren wir, die wir noch auf der Erde pilgern, und den schweren, entscheidenden Kampf wider die fortwährende» Anreizungen und Versuchungen zur Sünde noch nicht bis zum Ende durchgeführt haben, eben deßhalb zur streitenden Kirche, so sind die Hei¬ ligen und Verklärten im Himmel Glieder der triumpb irc n d e n. Jene aber, welche zwar vor ihrem Tode Verzeihung ihrer schwe- ten Sünden erhalten, aber entweder für dieselben noch nicht voll¬ werden. Seinen Namen erhielt er vielleicht daher, weil ein Benedietincr deö Stiftes St. Lambrecht dort von seiner Zelle aus die Secsiorge versah. Etwa 50 Jahre später soll der Markgraf »vn Mahren, Ladis¬ laus tauch Heinrich genannt). Bruder des Königs Przemisl I. von Böh¬ men, mit seiner Gemahlin die steinerne Kapelle baben erbauen lagen, in welcher die Marienstatue aufgestellt wurde. An der vielte des alten Tempels zu Maria-Zell ließ l363 Ludwig der Große, König von Un¬ garn, nach dem über den türkischen Sultan Murad I. erfochtenen Siege die jetzige größere Kirche erbauen. 334 kommene Buße gethau haben, oder mit läßlichen Sünden behaftet waren, als sie aus der Welt schieden, sind Glieder der leiden¬ den Kirche im Fegefeuer, oder Reinigungsorte. Zwar sind sie der einstigen Anschauung Gottes gewiß; aber, gleich dem Golde im Glühofen, müssen sie noch im Feuer großer Leiden von den Schlacken der Unvollkommenheit geläutert werden, um dorthin zu gelangen, wohin nichts Unreines eingehen kann. Hinsichtlich Jeder dieser Abteilungen der Einen Kirche stim¬ men die ^katholischen Confessionen mit uns nicht überein; was wir in Betreff der Heiligen-Vcrekrung so eben sahen. — Wir be¬ rücksichtigen sie hier nach ihren Bekenntnißschriften. Die sogenannten Rationalisten, oder die Anhänger eines blo¬ ßen sogenannten Humanitäts-Cultus können wir, wenn es sich um das Dascyn eines jenseitigen, zeitweiligen Läuterungsortes handelt, eigentlich gar nicht zu unseren Gegnern haben. Denn so entschieden sie die Hölle und ihre ewigen Strafen läugncn, sind sie doch gewöhnlich nicht abgeneigt, einen stufenweisen Ver- vollkommnungs - Proceß nach dem Tode gelten zu lassen; sey cs auch etwa in ähnlicher Weise, wie die alten Inder und andere Völker, welche an die Seelenwandernng glaubten, oder indem sie sich denselben als eine romantische Spazierfahrt von einem Sterne nach dem anderen vorstellen. — Wir betrachten den Gegenstand als Christen. Von uns, den Gliedern der streitenden Kirche, reden wir hier weiter nicht, weil wir die wesentlichsten Punkte schon bespro¬ chen baben, welche uns Katholiken, insbesondere in der Lehre von den Sacramenten, in deren Allen gleichen Anerkennung und Ge¬ brauche sich die kirchliche Gemeinschaft am deutlichsten ausprägt, von den anderen christlichen Confessionen scheiden. — Das Vcr- hälrniß, in welchen wir zu den Heiligen, und sie zu und stehen, wurde in der vorigen Abhandlung erörtert. Selbstverständlich hängt die Frage nach unserer Beziehung zu den Gliedern der leidenden Kirche von Jener ab, ob es cin Fegefeuer gebe oder nicht? Die bejahende Antwort daraus liegt Vor im cloorstum Onno, gleich «Is kue^atneio, soss. 23., wo M" scharfer Bestimmung zwei Wabrhciten als Glaubenslek re vor¬ gelegt sind, mit sorgfältiger Ausscheidung alles nicht strenge zue Sache Gehörigen; nämlich: daß es ein Fegefeuer gebe; und daß den darin befindlichen Seelen durch die Fürbitten der Gläubige», ganz vorzüglich aber durch das heil. Meßopfer geholfen werde» könne. ,,Oinn Oatboliou keelosis, heißt es, 8pieitu 8anoto eäoets, vx «aoels liteeis ot antignu pulenm teuclitione, in sseris Oonoilüs, e novissimo in bao ooonmsniea 8^nnclo cloeusrit, kurAstorinm esse, mu^gne ibi ckstentuZ llclslium snllra^iis, potissimmn vero soeeptabm ultaris saoeilieia juvaei; prueeipit Kaneta 8/nncins blpiseopis eter' Aehnlich lautete die vom Concil zu Florenz 1439, auf welche»* 335 die Wiedervereinigung der griechischen mit der lateinischen Kirche verhandelt wurde, aufgestellte Formel. Durch seine Rechtfertigungs-Theorie sah sich Luther geuötbi- get, das Fegefeuer und die Wirksamkeit der Fürbitten für die Verstorbenen zu läugnen; während, wie wir schon angedcutet ha¬ ben, (stehe Abhandl. XXV. Anmerkung) die diesfälligc katholische kehre eben mit dem wahren Dogma von der Rechtfertigung nn innigsten und nothwendigen Zusammenhänge steht. Ungleich heftiger noch erklärte sich Calvin dagegen, als ob eine Verküm¬ merung der Verdienste des Opfertodes Christi in der Annahme läge, daß die abgeschiedene Seele nicht unmittelbar in den Himmel eingehe, sondern zuvor noch ihre Schuld bis zum letzten Heller abtragen müsse, wie doch der Herr selbst sagte. (Lucas Cap. 12, V. 59.) Indem wir auf das bereits in der Abhandlung XXV, über die Wirklichkeit eines jenseitigen Mittclzustandcs zwischen ewiger Verwerfung und dem allsogleichcn Vvllgenusse der himmlischen Seligkeit Gesagte Hinweisen/führen wir hier in weiterer Ausfüh¬ rung des dort nur mehr Angcdenteten noch Folgendes an: Die Existenz eines solchen Zustandes stellt sich als eine unabweis¬ bare Forderung der Vernunft dar, will man anders nicht so¬ wohl mit der Gerechtigkeit, als auch mit der H eilig kcit Gottes in Widerspruch treten. Man übersehe nicht, daß diese beiden, wie überhaupt alle Eigenschaften Gottes, nicht von ein- auder getrennt; nicht die Eine einzeln einseitig betrachtet, und auf kosten der übrigen hervorgchoben werden dürfe. Sie Alle gebo¬ ren im gleichen Maße zum Wesen der Gottheit; und nur weil ^>r dieses nicht erfassen können, sondern und zerlegen wir in un¬ srer schwachen Vorstellung, was in sich Eins ist- (Vergl. d'- Abhandlung XVIII. Ewigkeit der Höllenstrafcn.) Wohl kviin- ben wir es mit der Idee des höchst gerechten Gottes nicht zu¬ sammen reimen, wenn er die zwar in der Aussöhnung und Freund- 'chaft mit ihm Gestorbenen, aber doch noch nicht ganz rein Be- fuiidencn ebenso behandeln würde wie Den, der ohne seme Gnade wo aber wäre eben die Gerechtigkeit, wo die Helligkeit Gottes, wenn er zwischen Jenen, und Denen, die von allen decken der Sünde vollkommen befreit, das Erdcnleben verlaßen, gar keinen Unterschied macken würde? Lag es ja eben w gut °»ch in der Freiheit der Ersteren, in innigster Vereinigung nut .ott ihre Lebenstage zu beschließen, und kann es Gott nicht gleich- Etig seyn, ob seinem unverbrüchlichen Gesetze ganz, oder in "'tnderem Grade Genüge geschehe! Weil diejc Wahrheit so zu sagen, von selbst aufdringt, finden wir sie sogar u, bkinahe allen alten und neueren heidnischen Religioneu vor. der Philosophie der Pvthagoräer und Platoniker nahm sie >n wichtigen Platz ein - freilich war ihre Quelle schon ge- rübt, denn sie stand zunächst mit ihrem Glauben an die Pracri- ^nz der Seelen im Zusammenhänge. 336 In der Bibel ist zwar das Fegefeuer nicht ausdrücklich, mit dürren Worten, genannt und gelehrt; es kommen aber Stellen darin vor, aus welchen die Eristenz desselben mit logischer Nothwendigkeit gefolgert werden muß; so daß diese Wahr¬ heit auf eben so sicherem biblischen Grunde ruht, als irgend eine andere, zu deren Bekräftigung sich die Protestanten auf die heil Schrift berufen. Wenn der Herr sagt (Matth. Cap. 12, V. 32.): „Wer ein Wort — der Lästerung wider des Menschen Sohn redet. Dem wird vergeben werden; wer aber wider den heiligen Geist redet. Dem wird weder in dieser, noch in der künftigen Welt vergeben werden", hat er damit nicht die Wahrheit aus¬ gesprochen , daß es nach dem Tode doch noch einen solchen Zu¬ stand — Ort — für die Seele des Menschen gebe, in welchem ihr durch Abbüßung kleinere Sünden — oder auch schwerere, aber noch nicht im Leben völlig gebüßte — nachgelassen werden? So ein Ort kann der Himmel nicht seyn; denn in demselben gibt es durchaus nichts mehr abzubüßen; da ist kein Schatten einer Sünde, und eben so wenig eine Spur einer Strafe; — auch die Hölle ist dieser Ort nicht; denn wer in dieselbe kommt, hat — eben auch nach dem vorerwähnten Terte — Vergebung nimmer zu erwarten. Also bleibt nur ein Drittes übrig. — An diese Hauptstelle reihen sich andere an, wenn sie auch nicht so schla¬ gend sind, und nach ihrem nächsten Sinne hie und da verschieden¬ artig ausgelegt werden. Als: I. Cor. Cap. 3, V. 13—15. „Eines Jeden Werk wird offenbar werden; denn der Tag des Herrn wirb es ans Licht bringen, (im besonderen und daun im allgemei¬ nen Gerichte, welche übereinstimmend lauten werden), weil es im Feuer wird offenbar werden; und wie das Werk eines Jeden seh, wird das Feuer erproben. Wenn Jemandes Werk, welches er darauf gebaut hat, besteht, so wird er Lohn empfangen lim Him¬ mel). Brennt aber Jemandes Werk, (weil es nicht ganz rein befunden), so wird er Schaden leiden (dafür büßen >m Reinigungsfeuer); er selbst aber wird (dereinst zwar wohl) selig werden, jedoch (erst nach vollendeter Läuterung) so wie durch Feuer". Das Feuer, von dem hier der Weltapostel spricht, ist weder jenes der irdischen Trübsale; denn er bringt es ja erst m" dem „Tage des Herrn" in Verbindung; noch jenes der Hölle, weil dieses nie erlischt, und die darin Schaden leiden, "im¬ mer zur Seligkeit gelangen. — Als Reinngungs-Feuer wirb es vom Concil zu Florenz genommen. An einer anderen Stelle (I. Cor. Cap. 15, V. 29.) sagt der Apostel: „Was thäten so"" Die, welche um der Tobten willen sich taufen lassen, wenn es gewiß ist, daß die Tobten nicht auferstehen? Warum lassen w sich für dieselben taufen?" Mag man diese Worte buchstäblich von der Wasser- taufe, oder bildlich von der Uebernahme genugthuender Lei- 537 den und Werke an Statt der Verstorbenen deuten, immerhin sind sie ein Beweis des Glaubens, bereits im apostolischen Zeitalter, an die Möglichkeit, den abgeschiedenen, sich in einem Mittclzn- siande zwischen Seligkeit und Verwerfung befindenden Seelen, zu Hülfe zu kommen. tVergl. den schon citirten Ausspruch Christi Luc. Cap. 12, V. 59; Matth. Cap. 5, V. 26.) Läßt sich das D asey n des Feg efen ers, als ursprüng¬ liches Dogma des Christentbumes, ohne Gcwalttbat nicht läug- ncn, so muß auch der zweite Theil der diesbezüglichen Lehre des Eoncils von Trient zugegeben werden. Wer könnte es wohl mit dcm innersten Wesen des Christenthumes, als der Religion der Liebe, verträglich finden, daß es uns keine Mittel darböte, den uns bereits im Tode vorangegangenen Mitmenschen, zumal Jenen, die uns im Leben recht nabe standen, und vorzugsweise cheuee waren, nun aber vielleicht schwer leiden, unsere tbätige Teilnahme zu beweisen - ihnen fürbittend zu helfen? Ja, daß aus sogar geboten wäre, uns um sic weiter nicht zu kümmern, sind daß uns feder Wunsch und Versuch, ihr Loos zu erleichtern, ihre Strafzeit abzukürzen, als Versündigung am Erlösungstode Christi angerechnet würde? Dawider sträubt sich ja doch wohl schon das natürliche Gefühl, das uns die Dakingeschiedenen nicht vergessen läßt; — sollte dasselbe in der Religion und Kirche Christi nicht auch seine volle Berechtigung haben? sollte ein so reines, echt humanes Herzensbedürfnis! nicht seine Befriedigung finden? Im Gegentheile! das Christenthum trägt demselben in üanz anderer, unendlich wirksamerer Art Rechnung, als efwa die rationalistische Philanthropie, oder die glaubcnsleerc Ge- snhlsschwärmerei. Es gehört zum Geiste desselben und der «rche, daß der Abgestorbenen in Liebe gedacht, und ihnen Hülfe gleistet werde. Wodurch? Dies lehrt eben die Kirche: durch Gebet, fromme Werke, insbesondere durch Darbringung des heil. Meßopfers. — Wenn der Apostel I. Cor. Cap. 12. schreibt: »Gleichwie der Leib Einer ist, und viele Glieder hat; alle Glie¬ der des Leibes aber, obschon ihrer Viele sind, doch Ein Leib sind; also auch Christus (V. 12.) — Ihr aber seyd der Leib Christi, und Glieder von Einem Gliede" (V. 27.) —; und wenn er dar¬ aus die praktische Folgerung zieht: „Wenn Ein Glied etwas leidet, so leiden alleGlieder mit; deßgleichcn, wenn Cin Glied verherrlichet wird, so freuen sich alle Glie¬ der mit", so hat dies nicht nur von den noch lebenden Christen, sondern auch von den schon abgestorbenen Geltung. Die Heill- üen, bereits im Vollgenusse der Seligkeit, und nichts weniger als selbstsüchtig, legen für ihre noch pilgernden Glaubensbrudcr ihre Mächtige Fürsprache bei Gott ein; Diese die lebenden !>»ben die Pflicht, sich gegenseitig zu unterstützen; aber auch, wie 'finen von den Verklärten geschieht, so wieder den Ab gesto r- °enen zu thun. So weht der nämliche Geist wahrer Liebe durch alle Regionen der Kirche Christi — wo immer die 22 338 Km'ee sich beugen in seinem Namen - im Himmel, auf Erden, und im Orte der Läuterung! ") Doch die Protestanten verlangen etwa noch speciellere, posi¬ tivere Gründe für unser katholisches Dogma, das ihre Stifter zu verwerfen für gut fanden. Die Bibel selbst und das christ¬ liche Alterthum mögen sie ihnen liefern. Im zweiten Buche der Macchabäer wird Cap. 12. erzählt: daß man unter den Unterkleidern der in dem glücklichen Treffen gegen Gorgias, den Statthalter von Jdumäa, gebliebenen Juden etwas von den Opfergescheuken der Götzen zu Jamm'a fand. (Wahrscheinlich wurden dieselben beim Ueberfalle dieser, etwa sechs Meilen von Jerusalem entfernten Hafenstadt geraubt.) Es ward uun Allen deutlich, daß sie dieser Ursache wegen gefallen seyen. Alle priesen das gerechte Gericht des Herrn, der das Verborgene offen gemacht hatte. Hierauf wandten sie sich zum Ge¬ bete, und baten, daß die begangene Sünde — (von Gott) — vergessen werden möchte. — Dann brachte Ju¬ das eine Sammlung zu Stande, und sandte (zwölftausend heißt es nach der (Übersetzung der Vulgata; im griechischen Original aber steht:) zweitausend Drachmen Silbers nach Jerusalem, da¬ mit ein Sühnopfer für die V ersto rben en dargebracht würde, indem er gut und fromm in Betreff der Auferstehung gesinnt war (d. i. indem er glaubte. Denselben dadurch zur seli¬ gen Unsterblichkeit verhelfen zu können). — „Es ist also ein heiliger und heilsamer Gedanke, für die Verstorbe¬ nen zu beten, daß sie von ihren Sünden erlöst wer¬ den." (V. 39—46.) Die katholische Kirche hat die beiden Bücher der Macchabäer für kanonische erklärt; — obschon ihnen diese Eigenschaft von den Reformatoren abgesprochen wurde, so viel müssen doch auch die Protestanten einräumen, daß aus der angeführten Stelle der Glaube d er jüdisch en Synagoge an die Wirksamkeit und Nützlichkeit der für die Abgestorbenen Gott dem Herrn dargebrach¬ ten Gebete und Opfer erhelle. Weder Christus noch die Apostel haben denselben je getadelt, sondern ihn vielmehr bekräftiget, wes¬ sen uns die ununterbrochene Tradition in der christlichen Kirchs versichert, denn mehr als Einer der ältesten Kirchenväter füh" die in der Kirche üblichen Fürbitten, und die Aufopferung der heil. Messe für die Verstorbenen ausdrücklich eben auf die Anord¬ nung des Herrn und seiner Apostel zurück. Um diese innige Gemeinschaft zu veranschaulichen, wurde die Gedächt- nißfeier aller im Verbände mit der Kirche Verstorbenen auf den 2> "ff'' vembcr — unmittelbar nach dem Allerheiligen-Tage — festtUU-' Der heil. Odilo, Abt des weltberühmten alten Benedictinerklosters Clug" in Frankreich, hatte es 998 für die Klöster seiner Congegration angff ordnet; bald wurde es in der Kirche allgemein eingeführt. — 8'strwa > ein schönes Fest! doppelt schön und trostreich für Den, der es in ec, katholischer Auffassung anschaut und begeht! — ZA Den Glauben des christlichen Alterthumes weisen nns dies¬ falls auf das Unzweifelhafteste nach: die Aussprüche der Väter und Lehrer der ersten Jahrhunderte; die Bestimmungen der Con- cilien; — die Liturgien, Denkmäler u. dgl. als sprechende Zeugen des kirchlichen Lebens. Daß die ältesten Väter bezüglich des Fegefeuers und der Für¬ bitten für die darin befindlichen Seelen im ganz katholischen Sinne sprechen, konnten sogar die Reformatoren nicht in Abrede stellen; — freilich suchten sie durch allerlei Wendungen die Macht dieses Bc- weises zu entkräften. „8oi'mii8, — heißt es in der apoloZM cnn- iSWioms ^ugustange 33. — veteros eis sullraAÜs pro mortui8 loou- tos S886, II s g II6 illucl p r v b i b 6 m II8." Wie kalt ist der Zusatz! aber doch noch ungleich annehmbarer, als der Wuthausbruch Cal¬ vins: „Olsmanttum non motto voeis, 8ett st Aiittiiris et lstsrum con- kntione, purAutorium oxitials 6886 Sstanse commsiitum!-- tln8ti't. Hb. 3. csp. 28.) — Clemens von Alerandrieu sagt deutlich genug, daß die »ach der Taufe begangenen Sünden im Feuer werden abgebüßt, and so die Reinigung vollbracht werden müssen. Dieses Feuer aennt er aber d. i. ein immaterielles. Sogar der Name Läuterung, kommt bei ihm vor. (Strom. Vl.) rühmt es als ein Zeichen echt christlicher Gesinnung, sich De- fir in Mitleid zu erbarmen, welche auch nach dem Tode noch Strafe leiden müssen. , Weitläufiger läßt sich Origenes aus. Auch er erkennt ein dingendes Feuer au slib. 5. contra Oekiim.) und unterscheidet fbom. 28. in Mim.) zwischen den Boshcits- mit Vorsatz began¬ genen Sünden, welche den Menschen vor Gott zum Mörder "rachen; und anderen — Schwachheit^- oder läßlichen Sünde», -i^er sich solcher schuldig macht, für Den ist ein Ort bereitet, wo zur Abbüßung durch eine gewisse Zeit wird weilen müs- — Anderswo lehrt er, daß die Seelen, welche die Tanfgnadc "rcht bewahrt, und ihre, wenn auch geringere Schuld nicht schon Während des Erdenlebens durch Werke der Liebe und freiwilligen ^btödtung getilgt haben, bei ihrem Eintritte in das-Jenseits die Feuertaufe erhalten; in dem Sinne, daß sie von den ihnen "°ch anklebenden Schlacken gereiniget werden — von Stroh und Stoppeln (I. Cor. Cap. 3, V. 12.) — ehe sie in die Gemein¬ schaft der Seligen ausgenommen werden, (bom. 25. in ttersm. — b»m. 2. — bom. 24.) Wir ersehen daraus, wie Origenes die an- gezogene paulinische Stelle auffaßtc. .. ., Tertullian bemerkt, daß die Gläubigen das eucharistische Opfer far ihre Abgestorbenen entrichten ließen: ,,O bl a tio n e8 pro tto- "uetis, pro natalitÜ8, annua ttie tacimu8.^ (tts co- cap. 3.) „Harum ttisoiplinsrum, erklärt er, 8i ledeni expo8tula8 ^^ipturarum, nullam invenio. Tratt itio ti bi pras tonttitur "aetrix, oonsuotutto conlirmatrix, kitts8 obser vatrix.^ -sttgl. tto exbort. oastitatis cap. II, wo er von der zweiten Ehe 22 * 340 abmahnend sagt: „Aleguo emo> prkiinLm fuxorem) poieri'8 txbkke. cui etism reltziosiorem reservss alkeetmuem, nt gaw recepise spuö venm, pro cu)u« špiritu postiilas, pro gua oblationes SNNUL8 rockllis^— siehe sie monoASmia cap. IO: ^-kro anims e)u8 fclokuneti mariti) oret, et relri^ermm interim sclpostulet ei, et in prima re8urreetione eon8ortium, et okteret annui8 clie- bu8 äormitioni8". Der heil. Cyprian lehrt, daß sich die Buße für nicht hin¬ länglich gebüßte Sünden in das jenseitige Leben hinüber erstrecke: ..aliiiü est, heißt es unter Anderem ep. 52, pro peecatis lon^o üo- lore erueiatum emunckari et pm-Aari ckiu i^ne, aliuck peeeata omni» pa88i'one purAg88k". (Vergl. cle Iap8. pa^. 378.) Ein gewißer Victor hatte gegen das kirchliche Verbot den Priester Faustinus zu seinem Testamentsvollstrecker bestellt. Deßhalb schrieb Cyprian sep. 66.): „lüp i8copi, antevk88oro8 no8tri, ooii8usveruut, 8i yui8 boe keei88et, non olkeretur pro eo, nee 8aeriLcinm pro ckornü- tioos e)u8 celellraretnr--. Also damals schon war diese Anordnung nichts Neues. Siehe ep. 37. Selbstverständlich werden die Zeugnisse in den folgenden Jahr¬ hunderten, in der orientalischen und abendländischen Kirche, wie hinsichtlich der anderen Dogmen, so auch dieses, immer zahl¬ reicher. Es genüge, die meisten derselben nur zu citiren; denn höchstens wechseln nur die Worte; der Gedanke ist bei Allen der gleiche. Im 4. Jahrhundert: Eusebius, Bischof von Cäsarea, l'n: vita 0on8tantini M. lib. 4. Der heil. Athanasius in: gua«8t. 34. asi 4.ntiocb., wo er versichert, daß den Seelen der Abgestorbenen die Gebete der Le¬ benden sehr nützlich seyen. Ebenso der heil. Cyrillus, Bischof von Jerusalem, "N 0ateebs8i8 m^8ta°;ogsea 5. Der heil. Epipbauius zählt die Aörianer — so geheißen von Aörius, einem Mönche in Armenien — mitunter eben des¬ halb zu den Häretikern fliaer. 75.), weil sie läugneten, daß den Verstorbenen die Gebete und guten Werke der Lebenden nütze»! und wirft ihnen vor, daß sie der Ueberlieferung und dein Glauben der Gesammtkirche widersprechen. Der heil. Ephrem, der Syrer, bittet seine Brüder, daß st^ wenn er gestorben, für ihn beten mögen. „Und am dreißigstes Tage*) gedenket meiner; denn die Tobten werden dural die Bitten, und dargebrachten Opfer frommer Gläu¬ bigen unterstützt." Der heil. Basilius der Große, Bischof zu Cäsarea in Cap- padocien, in: onarrat. in Io8. o. 4. u. v. 9. u. a. *) Nach den apostolischen Canonen wurde auch am dritten und neunten Tage für die Verstorbenen das eucharistische Opfer dargebracht. 341 Der heil. Gregor, Bischof zu Nyssa in Cappadocien, des Vorigen Jüngerer Bruder, in: orst. de I,spt. u. a. Der heil. Gregor von Nazianz, Bischof zu Constan- tmopel, in: orat. 41. do lande Kilian. nest. 39. u. 10. Der heil. Johannes Chrysostomus sagt: Das Gedächt- »iß der Abgeschiedenen bei dem heiligen Opfer sey schon von den Aposteln festgesetzt worden. Siehe kiom. 21 in aet.; 32 in Dlattli.; 84 in ,lnl>.: 69 sd pop.; 41 in I. One. u. a. Zwar sind die Schriften, welche den Namen des heil. Dio¬ nysius Areopagita — (siehe Apostclg. Cap. 17, V. 34.) — tragen, nicht echt, d. i. nicht von ihm verfaßt; doch nicht jünge¬ ren Ursprunges, als aus dem vierten, spätestens fünften Jahr¬ hunderte. Ein für unser Dogma sprechendes Zeugniß kommt im c. 7. do liierareli. eeoles. vor. Aus den lateinischen Vätern und Kirchenschriftstellern des 4. Jahrhunderts berufen wir uns auf: Arnobius, aus Afrika, in: lib. 4. advorsus Kontos. Lactantius, in: lib. 7. Institutionum divinarum. Den heil. Hilarius, Bischof zu Poitiers, in psalmum 118. Den heil. Ambrosius, an vielen Stellen; so: indem er von Gebeten und vom Opfer für seine verstorbene Schwester re¬ det, (sd kaustinum) u. a. O. Den heil. Hieronymus ad pammaclunm; lili. I. contra kelsK, u. a. O. Den heil. Augustinus an so zahlreichen Orten, daß man nicht Aller Erwähnung tbun kann. In üb. 9. conkess. eap. 12. spricht er vom Opfer, welches für seine gestorbene Mutter Mo¬ nica dargebracht wurde. Diese selbst, als sie zu Ostia, im Vc- M'ffe sich nach Afrika einzuschiffen, in ein Fieber fiel, und das Nahen des Todes ahnte, bat noch: „konito Ino matrcm vostram; lantnm vos rnKO, ut sd altare Oomini momineritis mei". Die commsmoratio pro dekunotis nennt Augnstin eine bekannte kirchliche Uebung. Vergl. lib. 21. do civitato I)ei cap. 14, wo der deil. Lehrer aus dem Aussprüche Christi Matth. Cap. 12, V. 32. dm nämlichen Schluß ziebt, als wir. Siehe eap. 24. — 8erm. 32. «io veri,, ^post. sagt er: „ttoe a?alribu8 traditum Universa okservat occlosia, ut pro eis, gui in corporis et sanKiiinis eom- Muniono dekuncti sunt, cum ad ipsum sacriücium loco suo comme- niorsntur, oretur, sc pro illis guoguo offerri commomoretur". Den heil. Paulinus, Bischof zu Nola, in mehreren seiner Briefe. Aus dem fünften Jahrhunderte stehen uns gleichlau¬ tende Zeugnisse in der griechischen Kirche sowohl, als auch in der kateinischen zu Gebote; als: Des Theod oretus, Bischofs zuCyrus in Syrien: ad I. Cor. Eap. 3, V. IS. Cyrillus, Patriarchen zu Alerandnen. Des heil. Papstes Leo I. des Großen, u. A. 342 Doch genug hievon. — Mit der Lehre der einzelnen Väter stimmt die der Concilicn der alten Kirche überein; je nach Veranlassung wurden darüber nähere Bestimmungen erlassen, und erhielt ein oder der andere Punkt genauere Erörterung. So in dem dritten und vierten Eoncil zu Carthago, welches verordnete, daß das Gedächtnis! je¬ ner Gläubigen, die bülflos auf der Reise oder am Meere sterben, in Gebeten und Opfer begangen werden solle. Später sprach die IV. allgemeine Lateranensische Synode (1215) die stets da gewesene Lehre über das Fegefeuer wieder aus. In den Hauptpunkten herrschte diesfalls zwischen der grie¬ chischen und lateinischen Kirche, auch nach dem unseligen Schisma kein Zwiespalt; was aus der Glaubensformel zu ersehen, welche 1267 Papst Clemens IV. dem Kaiser Michael Palaeologus zu¬ schickte, und ans Jener, welche dieser Letztere hinwiederum dem unter Papst Gregor X. 1274 gefeierten (II.) öcumenischen Con- cil zu Lyon vorlegte. Den Gegenstand gegenseitiger Vereinbarung bildeten nur mehr Neben frag en, welche endlich auf dem Con- cil zu Florenz 1439 (einer Fortsetzung des zu Ferrara 1438 er¬ öffneten) unter Papst Eugen IV. glücklich zu Stande kam, und in dem von den Griechen gefertigten .checretnin imionis" besiegelt wurde. — Die Jrrthümer ffcr Reformatoren des 16. Jahrhunderts gaben der katholischen Kirche die traurige Veranlassung, ihr postum litlei. wie sonst, auch nach dieser Seite hin, neuerlich zu Trient darzulegen und zu vertbcidigen. Der Glaube an das Wesen des eucharistischen Opfers war bei allen Zwcigkirchen der Einen unth eil baren katholische« Kirche im früheste» Alterthume schon der nämliche; die Art und Weise der Feier desselben gestaltete sich zwar wohl unter einzelnen Völkern, oder in verschiedenen Ländern verschieden; aber eben darin liegt auch ein Hauptbcwcis der Ursprünglichkeit unse¬ res Dogma, daß sowohl die morgen- als abendländischen ältesten Meß-Liturgien Fürbitten für die Abgestorbenen enthalten. Es wurde schon bemerkt, (siehe die Abhandlung XXII-)' woher dieselben ihre Namen sichren. — Wenn sie auch nicht durch¬ weg den Apostel oder den Oberhirten zum Urbeber haben, auf den sie lauten, so entscheidet dies gegen uns nichts; jedenfalls waren sie schon in den ersten Jahrbunderten im Gebrauche. Als: die Liturgie des heil. Apostels Jacob, des Jüngeren, in der Kirche zu Jerusalem, deren erster Bischof er gewesen; — die Li¬ turgie von Antiochien, wo außer der griechischen des heiligen Jacob auch eine in syrischer Sprache gleiches Namens üblich war; — die Liturgie des heil. Marcus, in der Kirche von Alexandrien, welche der Evangelist gründete. — Die Kopten, d. l- monopbysitischc Häretiker in Aegypten, haben eigene Liturgien, deren Eine, nach dem heil. Basilius benannt, zum Gottesdienste für die Verstorbenen bestimmt ist. Hierin wurde» sie der alten Lehre nicht abtrünnig. — Wir nennen ferner: Die in der Kirche 343 von Constantinopel üblich gewesenen und noch beliebenden Litur¬ gien des heil. Basilius und des heil. Johannes Chrysosto- mus. Ins Slavische wurde dieselbe im 9. Jahrhunderte durch die heil. Brüder Cyrillus und Methodius übertragen; sie ist auch in Rußland noch im Gebrauche. — Die Liturgie der Arme¬ nier, ähnlich der byzantinischen; — drei Liturgien der Nestoria¬ ner. — Im Abendlande behauptet den ersten Platz die römische Liturgie, ihrem Grundcharakter nach zweifelsohne apostoli¬ schen Ursprunges. — Die ambrosianische Liturgie, voll¬ endet vom heil. Ambrosius, ist noch immer in der Kirche von Mailand in Geltung. Ihr Unterschied von der vorigen betrifft selbstverständlich nur Außerwesentlichcs. — Die gethische — oder wie sie später, nach der Eroberung Spaniens durch die Ara¬ ber, hieß, die mozarabische Liturgie, datirt ihren Beginn aus derZeit vor der Ankunft der Westgothen in Spanien (5. Jahrh.). Um ihre theilweise Erhaltung machte sich am Anfänge des 16 Jabr- hunderts der große Cardinal Franz Rimenes, Erzbischof zu To¬ ledo, und Primas von Spanien verdient. Nicht minder ehrwürdig ob ihres Alters sind einige galli¬ schen Liturgien und Meßformularien. *) (Vergl. Fr. Jos. Monc's, Archivsdirector zu Karlruhe: „Lateinische und griechische Messen ans dem zweiten bis sechsten Jahrhunderte"). Allüberall betete und opferte die Kirche Christi für ihre schon ans der Zeitlichkeit geschiedenen Mitglieder; **) und zwar auch im Allgemeinen, d. i. auch für Solche, die ihr persön¬ lich nicht eigens anempfohlen, deren Namen ihr sogar unbekannt waren; die vielleicht Niemanden im Leben zurückließen, der sich ihrer noch erinnerte. Die Kirche vertrat an ihnen die Stelle der Verwandten und Freunde. (Vergl. ^uxust. eurn pro morwis °->p. 4. n. 6.) Ist das nicht echte Muttersorgfalt auch für Ver¬ lassene ? Freilich übte sie, wie billig, die Pflicht der Dankbarkeit, wenn sie die Seelen ihrer Gutthätcr, Beschützer u. dgl. besonders der Barmherzigkeit des höchst gerechten Richters ancmpfahl. Deren Namen wurden ausgezeichnet, — in den sogenannten Diptychen — und während der Feier der heil. Messe vorgelesen. Ein Ueber- bleibsel dieser uralten Sitte bat sich in dem stillen Memento des nicffelesendcn Priesters pro stekunetis, nach der Wandlung, und in der hie und da, außer dem heil. Meßopfer, von der Kanzel herab geschehenden Commemorirung der namhaft aufgcführten Ver¬ storbenen erhalten. 1 Wie bekannt, haben in jüngster Zeit beinahe all- Diversen Frankreichs statt der gallicanischen die römische Liturgie angenommen. **) Für die außer der Gemeinschaft der katholischen Kirche Verstorbenen wird das heil. Meßopfer, an dessen göttliche Eiiftehung und Kraft sie ohnehin nicht glaubten, nicht verrichtet. Schon der heil. Augustin spricht nur von Jenen, gui in oorporis st svnAuinjs commnnionc ileluneti sunt (siehe S. 341). 344 Wie tief der Glaube an die Nützlichkeit des Opfers und der Fürbitten für die Verstorbenen allenthalben in's Leben cinge- drungcn war, zeigen uns auch die ältesten christlichen Denkmäler, insbesondere die Grabmonumeute, als stumme, und doch beredte Zeugen einer schönen Vergangenheit. Die Ausgrabungen — vorzüglich der Katakomben in Rom — haben, in mehr als einer Beziehung, die mit der dermaligen ganz gleiche Lehre der alten katholischen Kirche zu Tage gefördert. Auf dem Begräbnißplatze zu Autun in Frankreich s^uAusta- ciiimim) wurde im Juni 1839 ein christliches Monument mit grie¬ chischer Inschrift — ganz gewiß aus der Zeit vor Julian dem Apostaten, sa aus feuer, wo noch die stlseiplma arcaoi obwaltete,— aufgefundcn. In ihr ist ausgeprägt: der Glaube an die Gott¬ heit Christi; an die Taufe als Wiedergeburt; an die Gegenwart des Fleisches und Blutes Christi in der Eucharistie, und an die Gemeinschaft der Lebenden mit den Verstorbenen, wie sie sich durch Fürbitten, gute Werke an ihrer Statt u. dgl. darstellt. (Siehe Card. Nik. Wiseman's Abhandlungen Z. Band. S. 241 u. ff.; — Ebendesselben Fabiola S. l74, 190, 191.) Daß unsere Fürbitten sür die Verstorbenen diesen wirklich zu Nutzen kommen, kann nach dem Gesagten keinem Zweifel unterliegen. Freilich würden wir uns umsonst bemühen. Denje¬ nigen davon zu überzeugen, der die Wirksamkeit des Gebetes über¬ haupt läugnct, und, etwa nach Art der Materialisten, weder an einen persönlichen Gott, noch an eine Fortdauer der vom Leibe getrennten menschlichen Seele glaubt. — Ist uns gleichwohl die Weise, wie unsere Fürbitten wirken, ein Geheimniß, so darf uns dies durchaus nicht beirren; und zwar um so weniger, weil unser Glaube diesfalls nicht nur keiner Eigenschaft Gottes wider¬ streitet, sondern in jeder Hinstcht als Gottes, und unserer Vernunft ganz würdig dasteht. Der Weltapostel, insbesondere auch der heil. Apostel Jacob, er¬ mahnen die Gläubigen zu Fürbitten für einander. „Betet für einan¬ der, schreibt der Letztere (Cap. 5, V. 16.), damit ihr das Heil erlanget; und fügt bei: denn viel verni ag das beharrliche Gebet des Gerechten". Warum sollte denn das Gebet für die Verstorbenen weniger bei dem auch ihnen noch gnädigen und barmherzigen Gott vermögen, als für die noch Lebenden^ Und wird die Bitte überhaupt nicht deßhalb von Gott abgewiesen, als wenn ihre Gewährung eine Störung seines ewi¬ gen Weltplanes, und mit seiner Unveränderlichkeit unvereinbar wäre, warum sollte denn die Fürbitte nicht Erhörung finden können? Hat Gott ja auch Diese von Ewigkeit an vorhergestheN/ und in seiner Weltregierung ihr einen Platz angewiesen! Im Anfangs angeführten cleerotum cis pni-Katario hat das Concil von Trient ausgesprochen, daß außer den Fürbitten (suk-- kraKia) der Lebenden, für die Verstorbenen auch Almosen, und 345 andere fromme Werke verrichtet werden können, was selbst¬ verständlich die Nützlichkeit solcher, an Statt der Verstorbenen unternommenen Leistungen für dieselben voraussetzt. Diese Lehre ist eben in der Gemeinschaft begründet, welche noch zwi¬ schen den Lebenden und Verstorbenen fortbestekt. Im Reiche Got¬ tes, in der moralischen Weltordnung, hat nämlich eine Art von Solidarität unter den, jenem Reiche — der Kirche — ange¬ hörigen Mitgliedern Geltung. Deßhalb können an den Verdien¬ sten des Einen auch die klebrigen Antheil haben. Diese echt christliche Idee — denn eben das Christenthum ist jeder Art selbstsüchtigen Strebens entschieden abhold — hat zumal im Mittelalter z. B. die mancherlei Sodalitäten ins Leben gerufen, als deren größte Wohlthat gerade die gegenseitige Thcilnahme an den guten Werken angesehen wurde. Warum sollen denn also diese nicht auch den Verstorbenen, die ja, wie gesagt, dem großen christlichen Liebesbunde noch immer angehören, zum Frommen ge¬ reichen? Wenn z. B. der Lebende an der Stelle des Verstorbe¬ nen eine Rückerstattung leistet, welche dieser nicht mehr hatte lei¬ sten können; oder wenn er zur Sühne für denselben ein Lie- deswerk oder eine That der Verdemüthigung u. dgl., wozu er selbst eigentlich nicht verpflichtet war, der Gerechtigkeit Gottes darbringt, und Gott dieses Anerbieten wohlgefällig aufnimmt, und in Folge davon der büßenden Seele den Rest der Strafzeit ganz oder zum Theile nachläßt — was ist daran Unglaubliches? Gilt dies schon von den Fürbitten und guten Werken, so brauchen wir wohl nicht die Nützlichkeit des für die Verstorbe¬ nen dargebrachten heiligen Meßopfers ausfübrlicher darzn- ldun. Es ist ja dem Wesen nach das nämliche Opfer, welches Christus Ein für alle Male blutig er Weise am Kreuze dar¬ gebracht hatte, — Er, der da ist: „die Versöhnung für unsere Sünden; doch nicht allein für die unsrigen, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt". (I. Joh. Cap. 2, V. 2.) Sein Er¬ lösungsblut ist die Quelle aller Gnaden; warum soll es dies nicht auch für die Verstorbenen scyn? warum nicht die Kraft haben, >hren Seelen die baldigere Aufnahme in die Wohnungen der Se¬ ligen zn erwirken? —' ,Mon solum pra inlelium vivo rum pec- eatis, poem's, satislaotiom'bus, et aliis necessitatibus, seci et pro ilekunetis in CUi risto, nonstum sel plenum pur^stis, rite, ^uxia ^postolo r um traclition em, ollörtur 8. mis^se sacrilicium.- sOvno. Hill. 8688. 22. cap. 2.) — Zum Schlüsse bemerken wir nur noch Folgendes : lieber die Beschaffenheit der Strafen im Fegefeuer liegt keine Entschei¬ dung der Kirche vor. Das Feuer, mit seiner Eigenschaft zu verzehren und zu reinigen, ist gewiß ein trefteudcs ^ild der jenseitigen Reinigung — ob mehr als Vild. hat, wie gesagt, die lehrende Kirche nicht ausgesprochen. In Päpstlichen Ablaßbullen heißt es immer, daß die Abla, se !war wohl auch den Verstorbenen, aber nur per moüum sulkrsKn, 346 d. i. fürbittweise, zugewendet werden können. Denn die Tobten sind, weil schon von Gott gerichtet, der Schlüssel¬ gewalt der Kirche nicht mehr unterworfen. Zur Beseitigung und Fernbaltung möglicher Jrrthümcr und Mißbräuche hat das Concil von Trient im mehr genannten steci-e- lniu tio pm-Katono sehr weise das Erforderliche angeordnet. XXVIII. Das Dogma der unbefleckten Gmpfängniß Mariä. Es würde uns unverzeihlich dünken, wenn wir unter den Dogmen der katholischen Kirche nicht auch das jüngst promulgirte, und überall von den Gläubigen mit so herzlichem Jubel aufge- nommcne, bezüglich der unbefleckten Empfängniß der allerseligstcn Jungfrau Maria, etwas umständlicher besprächen. Ist es ja auch hierin nvthwcndig, unrichtige Ansichten zu beseitigen, Vorur- theile aufzuklären, Einwürfe zu widerlegen. Wir stellen demnach vorerst den Begriff dieses Glaubenssatzes auf, und erzählen, wie er zu Stande gekommen; worauf wir die Beweise dafür Vorbrin¬ gen; einige der gewöbnlichsten Einwendungen abfertigcn; endlich die Frage beantworten, warum die Entscheidung über das Dogma erst jetzt erfolgte, und die sogenannte praktische Seite desselben Hcrvorheben. Vor Allen legen wir dieser Abhandlung das apostolische Schreiben des heiligen Vaters, Papst Pius IX., („InellsbiD Dens". VI. Illus Oocembr. 1854.) zu Grunde; und berufen uns nebstbei auf die bischöflichen Hirtenbriefe, in welchen die Lehre von der unbefleckten Empfängniß den Gläubigen verkündet und allseitig beleuchtet worden ist. 1. „Wir erklären, sprechen aus, und beschließen — heißt es nahe am Schluffe des obbelobten apostolischen Schreibens vom 8. December 1854 — die Lehre, welche festhält, daß die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblicke ihrer Empfängniß — (d- h von dem Momente au, wo Gott ihre Seele erschaffen, und niü ihrem Leibe im Schooße der heil. Anna vereiniget hatte) — ver¬ möge einer besonderen Gnade und Bevorzugung von Seite des allmächtigen Gottes, im Hinblicke auf die Verdienste Jesu, des Erlösers der Meuschbeit, von jeglicher Makel der Erbschuld frei bewahrt worden, scy von Gott geoffenbart, und eben deßbalb vou allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben." Hiemit wurde vom Nachfolger des heiligen Petrus, was bis¬ her nur als allgemeine fromme Meinung in der Kirche gan. 347 als feierliches Dogma festgestellt, so, daß wer dasselbe nicht anerkennt, im Glauben Schiffbruch gelitten, und von der Einheit der katholischen Kirche abtrünnig geworden ist. „Kaum waren Wir, sagt der heil. Vater, ans den Stuhl Petri erhoben, und mit der Leitung der ganzen Kirche betraut worden, so ging Unsere erste Sorge dahin, in freudigem Hinblick auf die steten Wünsche der christlichen Welt, und gemäß der in¬ nigen Andacht und Liebe zur heiligsten Gottesmutter Maria, die llns von frühester Jugend an beseelte, die letzten Wünsche der Kirche zu erfüllen, daß die Ehre der seligsten Jungfra» erhöht würde, und ibre Vorzüge in reicherem Lichte erglänzten." Er unterzog den Gegenstand einer neiicn sorgfältigen Prü¬ fung. Zwanzig der gelehrtesten Theologen aus dem Weltpriestcr- uud Ordensstande wurden beauftragt, alles auf die unbefleckte Empfänguiß der seligsten Jungfrau Bezug Habende gründlich zu erörtern. Den gleichen Auftrag ertheilte der heilige Vater einer besonderen Congregativn von Cardinälen. — Durch die Revolu¬ tion im November 1848 aus Rom verdrängt, ließ er doch diese Angelegenheit nicht außer Acbt. Von Gaeta aus richtete er am 2. Februar 1849 ein Rundschreiben an alle Bischöfe der ganzen katholischen Welt, mit der Aufforderung, sie sollen nach Anrufung bes göttlichen Beistandes ihm schriftlich anzeigen, wie die Andacht >brcr Gläubigen zur unbefleckten Empfänguiß der Gottesmutter beschaffen wäre; und was besonders sie, die Kirchenvorstchcr Wlbst, von einer solchen Entscheidung hielten, und ob sie ihnen ^wünscht wäre, damit er dann aus möglichst feierliche Weise das letzte Urtheil ausspräche. Die früher erwähnten Theologen erstatteten ihren Bericht bakin, daß die unbefleckte Empfänguiß als eine geoffenbarte Lcbre Eärt werden könne. Sie begründeten ihre Ansicht aus der belk. Schrift, aus den Zeugnissen der Väter, den Ueberliefcrungen der Kirche, dem Verfahren der Päpste, den ältesten Liturgien u. s. w. Gleich nach seiner Rückkehr nach Rom bildete der heil. Vater, !"n mit der größten Vorsicht zu Werke zu geben, eine neue be¬ pudere Commission von Theologen unter dem Vorsitze des Cardl- Uals Foruari, mit dem Auftrage, alle Zeugnisse über die unbe¬ fleckte Empfängniß aus den angeführten Quellen noch einmal nut Zller Sorgfalt zu prüfen. Die Commission unterzog sich dieser Arbeit mit dem größten Flciße in den Jabren 1852 und 18.>.i, ""d sprach sich endlich einstimmig in demselben Sinne aus. Diese Arbeit wurde dann abermals jenen zwanzig Lbcologcn lur Prüfung vorqelegt, die dazu ihre volle Beistimmung auswia- chen, —. MH der Rath der Cardinale, der ans einundzwanzig Mitgliedern bestand, gab ein gleichlautendes Gutachten "b- Nun trafen auch nach und nach die Antworten der iselwsc 'n Rom ein. In 620 Schreiben legten eben so viele Oberbirten °.us allen Theilen der Welt ihr Zeugniß über den Glauben und Ueberlieferungen ihrer Diöcesen in Bezug auf die mehrerwahnte 348 Lehre dem heiligen Vater vor. Alle 620 Erzbischöfe und Bischöfe sprachen für sich und ihre Diöcestn cinmülhig die feste Ucbcrzcu- gung aus, daß die Mutter Gottes ohne Erbsünde empfangen scy. Nur vier Bischöfe in dieser großen Zahl waren der Meinung, daß eine dogmatische Erklärung über diese, ohnedies allgemein geglaubte Lehre nicht erfolgen könne. (Drei änderten fcdoch ibrc Meinung.) Zweiundfünfzig andere hielten die Erklärung für gut und notbwcndig, wünschten aber einen anderen Zeitpunkt. Sämmt- liche übrigen Bischöfe, — also über fünfhundert und sechzig, ba¬ ten dringend nm die sofortige Erklärung dieser Lehre. Gegen Ende des Jahres 1854 berief der heilige Vater eine große Anzahl von Erzbischöfen und Bischöfen nach Rom. Da wurden ihnen sämmtlichc Antworten der Bischöfe nebst vielen Ab¬ bandlungen der Theologen, in vierzehn Bänden zusammcngcdruckt, übergeben, um sie von'dcr ganzen Sacklage in Kennlniß zu setzen. Es fanden dann mehrere allgemeine Versammlungen fämmtlicher Bischöfe statt, in denen der heilige Vater nun auch den münd¬ lichen Rath derselben über einzelne Punkte hörte. Am 8. De¬ zember 1854 erfolgte endlich die obangesührte feierliche Entschei¬ dung des Stellvertreters Christi in der St. Pctcrskircbe, Gegenwart von 54 Cardinälcn, 42 Erzbischöfen, 100 Bischöfen, mehreren tausend anderen Prälaten und Priestern, und 50,000 Gläubigen aus allen Ländern und Reichen der Erde, welche wahr¬ lich die ganze katholische Christenheit repräsentirten. So viel von den Umständen, unter welchen das Dogma der unbefleckten Empfängniß verkündet worden war. (Siehe den Hir¬ tenbrief des hochwürdigstcn Bischofcs von Mainz ddo. 1. Novem¬ ber 1855.) 2. Daß der heilige Vater nach eingeholtcm cansensus ecclesise dispersem — also die unfehlbare kirchliche Lehr-Auktorität — Nicht eine völlig neue, früher ganz unbekannte Lehre als Glaubenssatz aufstellcn, d. i. nicht ein neues Dogma erst schaffen wollte, grm schon aus dem Wortlaute der päpstlichen Promulgation hervor; denn der Papst erklärt fa nur, daß die Lehre von dcr unbefleckten Empfängniß eine von Gott geoffenbarte Wahrheit still Jeder wohlunterrichtete Katholik weiß, daß die Kirche nicht das Recht besitze, daß sie sich dasselbe auch nie angemaßt baba, Glaubensartikel zu machen; sie bat es immer nur als ir¬ res Amtes erachtet, das von Gott Geoffenbarte uns vorzn- stelle n. Wir führen wieder aus dem obcitirten Hirtenbriefe dsis hierüber so bündig Gesagte an: „Dem Inhalte nach gibt cs keine neuen Dogmen, keine neuen Glaubenswabrbeitcn in der voi Christus gestifteten Kirche, weil cs keine neuen Offenbarnnge> Gottes mehr gibt. Nur dcr Form nach kann etwas Neues ein- treten. — Die Unvcränderlichkeit der Glaubenswahrheitcn dar nämlich nicht so unvernünftig und mechanisch gedeutet werde!, i > i l r i ! r c t d t li e s! d s. § u S ß >, ir 349 als wenn alle diese Wahrheiten immer, und zu allen Zeiten auch schon in derselben, bis ins Einzelnste bestimmten Form und Aus¬ drucksweise vorgetragen worden wären. Es kann und muß viel¬ mehr die Kirche ihren alten Glauben in scharfen und bestimmten Formeln klar und bestimmt aussprechen, wenn Zweifel und Strei¬ tigkeiten entweder über den wahren Ln'nn einer geoffenbartcn Wahrheit, oder darüber entstehen, ob eine Lehre, die sich in dem reichen Schatze ihrer Ueberlieferungen nnd ihres Lebens vorfindet, bloß eine fromme Meinung der Väter, oder eine von den Aposteln überkommene geoffenbarte Wahrheit scy. In die¬ sen Fällen legt die Kirche, die von Christus bestellte Zengin der Offenbarung, ihr Zeugniß ab über den wahren Sinn der Lebre, oder darüber, ob sie wirklich eine geoffenbarte Wahrheit sey. Die Veränderung ist aber dann keine Abänderung des Inhaltes, sondern lediglich eine Erklärung desselben. Wir müssen überhaupt von ' der Wahrheit, daß die Lehre gristi und die Kirche immer dieselbe bleibt, jeden tobten oder Mechanischen Begriff ferne halten. Die Lehre Christi ist nicht ein Buch. Sie ist auch kein fertiges Lehrsystem im menschlichen Sinne des Wortes. Die Kirche Christi ist keine Maschine. Sie ist auch nicht der Papst, oder die Bischöfe, oder die Priester, oder das christliche Volk. Sie alle gehören zur Kirche, sind aber nicht die Kirche. Die Kirche ist ein lebendiger, fortlebender Körper, dessen Seele und Leben Christus selbst, bas ewige Leben; dessen Herz und Wille der heilige Geist ist; dessen sichtbare Glieder alle getauften Christen unter dem Einen sichtbaren Oberhaupte sind, sn diesem Körper sind die geoffenbartcn Wahrheiten nicht in kodten Formen, sondern in ihrem Wesen nnd Leben niedergclegt, — Und die von Christus au diesem Körper bestellte Lchraultoritat erklärt eben zu jeder Zeir nach ihren Bedürfnissen und den Gei- ^srichtungen und Jrrthümern, welche auftauchen, die in ihr nic- dergelegte und fortlebende, geoffenbarte lebendige Wahrheit." , Die Geschichte der Kirche zeigt, daß dies zu allen Zeiten, - schon in den ersten Jahrhunderten der Fall war. Dat ia der Herr seine Kirche nicht nur bezüglich des äußeren Wachsthnmes, und der räumlichen Ausbreitung, sondern auch der inneren Entwicklung einem Scnfkörnlein verglichen, welches zum gro¬ ßen Baume wird, der gewiß deßhalb kein anderer Baum gc- Morden, weil er in seiner Lebenskraft immer frgche Aejce un Zweige aus sich hervorbringt. — Jn> apostolischen Glau nn - Bekenntnisse schon ist z. B. die Lehre von der Gottheit Christi, wie 'M Keime, enthalten. Als sie von Amis angefochten wurde, sprach die Kirche den Glauben au die W e sc n s g leich h e >t des Lohnes mit dem Vater auf dem ersten allgemeinen ^uc zu (325) in einem Symbolum fererllchst anv, nnd b^luite Ah des hiezn passendsten Wortes: War das eine Neuerung am Glauben? Keineswegs, son- der,i nur eine Erklärung desselben. Im 5. Jahrhunderte that 350 sie auf dem (dritten) allgemeinen Concil zu Ephesus (431) das Gleiche in Betreff des geoffenbarten Dogma von der Einen Person des Gottmenschen Jesus Christus, wider Nestorius, und setzte fest, daß eben deßhalb die seligste Jungfrau mit allem Rechte die Gottes-Gebärerin (6> Der heil. Lehrer entgegnete: (sckv ckul.) „klon trsnscridimus ckinba Nsrism eonckitione nsscencki; — »eck ick so, ni fünften Jahrhunderte gefeiert wurde, und bald auch im Abend¬ runde (in Spanien bereits im 7. Jahrhunderte; in England wurde ss durch den heil. Anselm, Erzbischof von Canterbury, im eilfteu Angeführt) zu treffen ist. Würde mau wohl auf diesen Gedanken gekommen sey», würde das Fest so allgemeinen Anklang gefunden i'uben, wenn man den Anfang des Daseyns Mariä nicht für einen wißerordentlichen gehalten hätte? Und gerade, daß cs zuerst im Oriente cingeführt war, verdient unsere ganze Aufmerksamkeit, ^ort hatte ja der heil. Johannes zu Ephesus bis in das zweite Jahrhundert gelebt und gewirkt; Er, der die Gottesmutter zu be¬ herbergen so glücklich war, deren Verehrung er gewiß in ganz besonderer Weise befördert haben wird. Das Fest der Aufnahme ^ariä in den Himmel läßt sich bis zum Beginne des vierten ^ahrhundcrtcs hinauf verfolgen. Es lag ihm die allgemeine ilrbcr- ieugung zu Grunde, daß durch Gottes besondere Gnade ihr r eib, Nachdem er gestorben, nicht der Verwesung anheim gegeben, fon- ^vn daß Maria verklärt in den Himmel ausgenommen wordin Was war dies anders, als man glaubte: Maria sey von wurde durch die zuvorkommende Gnade Gottes vor der allgemeinen Erbschuld bewahrt. — Gerade der Anwurf JulianS lhut dar. daß M seiner Zeit der Glaube an die makellose Empfängniß Mariä vorhan¬ den war; denn wie wäre er sonst auf seine Einwendung verfallen? — 23 354 der empfindlichsten zeitlichen Folge der Erbsünde, — also auch von der Sünde selbst — verschont geblieben? Der nämliche Glaube hat sich frühzeitig in der heiligen Li¬ turgie und in mancherlei Andachten ausgeprägt. Einzelne Städte, Provinzen und ganze Reiche erwählten die seligste Jungfrau un¬ ter dem Titel der unbefleckten Empfängniß zur Beschützerin; cs wurden Sodalitätcn, Congrcgationcn u. dgl. zu Ehren derselben errichtet; ja man verpflichtete sich — zumal an den Universitä¬ ten — sogar durch Eidschwur, die unbefleckte Empfängniß Mariä unerschrocken zu vertheidigen. Monumente wurden ihr errichtet, von denen manches in unseren Tagen wieder restaurirt wird, nach¬ dem es dem Verfalle nabe gebracht war. — Schon in den ver¬ flossenen Jahrhunderten haben Vorsteher der Kirche, Geistliche, reguläre Orden, ja Kaiser und Könige den apostolischen Stuhl gebeten, er möge die unbefleckte Empfängniß zum katholische» Glaubenssatze erheben. — Die kirchliche Lehrauktorität, zumal der apostolische Stuhl in Rom, hatte fortwährend die Ansicht, daß Maria ohne Makel der Erbsünde empfangen worden, begünstiget. Papst Sixtus IV. verlieh (1476) Denen Ablässe, die das von ihm approbirte Olfieinm üo Immaculata beten und das Fest nut Andacht begehen. Im Jahre 1483 gab er eine zweite, darauf Bezug habende Constitution heraus. Pius V., Paul V. waren ihr ebenfalls nicht entgegen; Gregor XV. verbot (1622) das Ge- gentbeil zu lehren; noch entschiedener sprach sich dafür Alexan¬ der VII. aus (1661); dann Clemens IX. (1667—1669); Je¬ mens XI. (1708), und der unmittelbare Vorgänger Sr. Heilig¬ keit, Gregor XVI. (Siche das päpstliche Rundschreiben.) — Has heil. Concil zu Trient erklärte (sess. 5.), daß es durchaus nicht im Sinne habe, in die Bestimmung bezüglich der Erbsünde, auch die selige, unbefleckte Jungfrau und Gottesmutter Maria ciiizu- begreifcn. 3. In dem bisher Gesagten ist zugleich schon die Widerlegung des Anwurfes enthalten, daß das Dogma der unbefleckten E>n- pfängniß ein völlig neues, in der heiligen Schrift durchaus nicht begründetes scy. Wenn darauf hingewiesen wird, daß einzelne, sonst fromme, gelehrte Männer in der Kirche sich dawider ausgesprochen haben, so genüge die Bemerkung, daß, so lange die Kirche durch das unfehlbare Lehramt über eine Meinung noch nicht entschieden Hat- cs gar wohl geschehen könne, daß ein einzelnes Glied, wenn cs auch durch Tugend und Wissenschaft noch so sehr hcrvorragt, Jrrtbnm ist. Um ein Beispiel aufznführen: Dcr heilige Justin»'-, dieser große Kirchenvater, hing dcr Meinung vom tausendjährlgcu Reiche Christi und der Gerechten auf Erden, vor der allgemeiuc> Auferstehung der Menschen, an (Chiliasmus); — freilich im lau¬ tersten Sinne. Er irrte, war aber keiner Häresie schul- 355 dig, weil noch keine Entscheidung der Kirche vorlag. — So hier. Was insbesondere den heil. Bernhard betrifft, diesen begeisterten kobrcdner und Verehrer Mariä, so scheint er nur mit der Lehre, daß die seligste Jungfrau schon im ersten Augenblicke frei gewesen von der Erbsünde, nicht einverstanden gewesen zu scyn; daß sic vor ihrer Geburt davon gcreinigct wurde, stellte er »ie in Abrede. Die Kanoniker zn Lyon tadelte er (lI3I) meist deßhalb, daß sie das Fest der unbefleckten Empfängniß ohne Genehmigung des römischen Stuhles einführten. Wäre die Entscheidung des Stellvertreters Christi zn seiner Zeit erfolgt, gewiß, er hätte sie allsogleich ohne Vorbehalt als eine endgültige ausgenommen. Das Nämliche gilt vom heil. Thomas von Aquin. Wenn er diesbezüglich hie und da dunkel ist, so fehlt es doch nicht ganz au einem genug deutlichen Ausspruche: „Mills knit pnoitas Kegtao VirZMs, giiao a peccato nrixinali et aotuali immnm's knit". (Oom- > uisnt. m Ich). 1. 8ent. Dist. 44. §. 3. art. 3.) Ist das promulgirte Dogma nicht im Widerspruche mit den deidcn Grundlehren des Christenthumes: von der Allgemcin- heit der Erbsünde, und der Erlösung Aller durch Christus? Nichts weniger als dies! vielmehr steht cs damit im vollsten Ein¬ klänge; denn die unbefleckte Empsängniß kommt ja der seligsten KMgfrau nur als ein besonderes Vorrecht, als Ausnahme von der allgemeinen Regel, zn, welche dadurch nicht aufgehoben wird; und dasselbe verdankt sie nicht etwa ihrem eigenen Verdienste, ländern der Gnade Gottes nur, und d e n V e r d i c n sten Christi, ihres Sohnes, dessen Erlösung auch sie nicht entbehren konnte, die ihr aber nnr in anderer Weise, als uns, nämlich wcht erst nach der Geburt, sondern schon vom ersten Augenblicke brr Erschaffung ihrer Seele an, zugewcndet worden war. Konnte ttwa der Opfertod Jesu, der freilich erst später eintrat, diese er¬ lösende Kraft an der Gnadcnvollen nicht schon im Voraus be¬ währen? Vor Gott ist ja Alles Gegenwart, und wurde za schon das erste Menschenpaar nach dem Falle, und nut ihm das ganze nachkommcnde Geschlecht, auch nur um des Verdienstes des erst verheißenen Erlösers willen am Leben belassen, da es doch dem Tode, der ihm angedroht ward, verfallen! — Um jo herrlicher glänzt das Verdienst Christi, da auch seine Mutter nur durch dasselbe ward, was sie ist — die unbefleckt Empfangene, ^nen Widerspruch mit der Vernunft kann in der 'uehrerwabn- l"> Lehre nur Der finden, wem die Erbsünde und Erlösung, wem das ganze Christenthum zur Thorhcit geworden. Uebrigenö gt sffen am Tage, daß die Kirche der seligste., Jungfrau mcht cmcn übernatürlichen Eintritt in das Dascyn zuerkcnne; sie teilte mit uns Allen wohl die leibliche Abstammung von Albani, aber nicht die dieser anklebendc Sünde. 23 * 356 4. Warum kam die dogmatische Entscheidung so spät; und ist sie wohl jetzt an der Zeit gewesen? Der heilige Geist, der die Kirche Christi leitet, hat, deß sind wir Katholiken fest überzeugt, hiezu gewiß den geeignetsten Zeitpunkt gewählt. Die Verkündi¬ gung des Dogma von der unbefleckten Empfängniß steht wahrlich in einer höchst wichtigen Beziehung zn unserer Zeit und ihren Verirrungen. Denn diese haben ihre Wurzel in der Verkennung des großen und tiefen Schadens, den das Menschengeschlecht durch die Sünde seiner Stamm-Eltern genommen. Daher der Ner- nunftstolz, daher der Durst nach zügelloser Ungebundenbeit, daher das »»gebändigte Jagen nach immer neuem lLinnengenussc. Das Dogma mahnt, indem cs uns an das Erbübel und an die Erlö¬ sung erinnert, zur Dcmnth, zum Ringen nach der wahren Frei¬ heit von der Knechtschaft der Sünde, zur Reinigkeit des Her¬ zens. — Wer soll eine Lehre nicht zeitgemäß nennen, welche die gerade in unseren Tagen so häufig arg verkannte Würde der Gottesmutter, und dadurch auch jene ihres göttlichen Sohnes, vor aller Welt verherrlichet, und wahrt? welche die von materiellen Sorgen und Plänen Eingenommenen aufmerksam macht, daß cs noch andere, unendlich höhere Gegenstände gebe, die ihrer Theil- uahme wcrth sepcn, und daß der Fels der "Wahrheit noch immer so »»verrückt fest steht, als vor bald neunzehn Jahrhunderten, wo der Herr daraus seine Kirche gebaut hat? Einer solchen Lehre eine praktische Seite abläugnen, fie unfrnchtbar nennen, verricthe wohl mehr als gewöhnliche Kurz¬ sichtigkeit. Glücklich die Gläubigen, wenn es ihr i m Leben d nrch geführter Wahlspruch ist: „Alles zur größeren Ehre Gottes und zum Ruhme der unbefleckten Gottesmutter!" Gewiß ihr Glaube ist kein kodier! XXZX. Das GapstthNm. Eine der großartigsten Erscheinungen in der Geschichte ist jene Institution der katholischen Kirche, welche „das PapstthuM' genannt wird. Wir verstehen hier darunter die oberste kirch¬ liche Gewalt, wie sic in den Händen des Bischofes von Rom liegt. Der Name ist von dem lateinischen Worte „knpa" Vater — in geistigem Sinne — herznleitcn, welcher Titel in de» ersten christlichen Jahrhunderten zwar auch anderen Bischöfen bei- gelegt wurde, — wie cs ja nicht auf den Namen, sondern am das Wesen einer Sache ankommt, — seit dem Anfänge des scch^ 357 sicn Jahrhunderts aber allmälig vorzugsweise, dann aus¬ schließlich von dem Bischöfe zu Rom in Gebrauch kam. Wenn wir ferner sagen: dem Bischöfe zu Rom, dem Papste, komme der Primat über die gesammte Kirche Christi zu, so behaupten wir damit, daß er die Fülle des hohen P ricstcrth n m ö, des »bersten Lehramtes, und der höchsten Regicruugsgc- walt in der Kirche besitze, und dieselbe, Niemandem als nur Gott verantwortlich, auszuübcu befugt sey. Der Hauptpunkt, auf den cs in der vorliegenden Erörterung ankommt, ist die mchrtheilige Frage: Wer gab dem Papstthume seine Eristenz? ist es von Christo dem Herrn selbst in seiner Kirche ungeord¬ net worden, oder spätere menschliche Satzung? ist es etwa das Ergcbniß herrschsüchtigcr Pläne, verwirklicht unter dem Schutze günstiger Zeitverhältnisse? ist cs das Resultat menschlicher Klug- beit, wie manches große weltliche Reich dem überlegenen Genie eines Eroberers, oder klug berechnenden Staatsmannes sein Daseyn zu verdanken hatte? In der Beantwortung dieser Fragen stimmen bekanntlich wir Katholiken mit den Schismatikern und Protestanten nicht überein. Sehr betrübend ist die Wahrnehmung, daß sogar bei so manchem Katholiken unklare Begriffe über das Papstthum, über seine Ein¬ setzung, Machtstellung und Geschichte anzutrcffen seyeu; freilich sich nicht zu wundern, wenn er sich dieselben ans dem Ge¬ schichtswerke eines Rottcck u. dgl. geholt hat. Ernstere, unpar¬ teiische Forschung hat schon mehr als Einen Protestanten zu einem würdigeren Urthcile darüber, und mit der Gnade Gottes schließ- üch selbst znr Anerkennung der göttlichen Einsetzung des Primates geführt. — Meint denn nicht hie und da Einer, der Üch zu den Unseren zählt, er könne gar wohl noch recht gut ka¬ tholisch seyn, wenn er auch vom Papste und Papstthume übel dcnkt und spricht? Das ist arge Selbsttäuschung ! Um ihr zu begegnen, soll hier Nachstehendes mit möglichster Genauigkeit be¬ sprochen werden: l- Welcher war der Anfang des Papstthnmcs? 2. Woraus erhellt sein Bestand und seine Anerkennung in den ersten Jahrhunderten der Kirche? 3. Man spricht so viel von der großen Macht des Papstthnmcs in den folgenden Jahrhunderten; und nicht ohne Grund. Was begünstigte dieselbe? 4. Welchen Einfluß übte das Papsttbum, insbesondere so lange es auf dem Gipfelpunkte seiner Macht stand , aut cie t c- schicke der Menschheit, zunächst der europäischen, nn Allge¬ meinen aus? 5. Die Feinde der katholischen Kirche weisen mtt Schadenneudc auf einige Päpste bin, die ihrer erhabenen Stellung Uncbre machten — was folgt daraus? 6. Ein Blick auf das Papstthum in neuester Zeit wird unsere Abhandlung schließen. 358 1. Es ist ein Glaubenssatz der katholischen Kirche, daß der Primat nicht menschlichen Ursprunges, sondern göttlicher Anordnung scy. Christus der Herr hatte eine sichtbare Kirche gestiftet; und eben als einer solchen wollte er ihr für die Folge, wenn er selbst nicht mehr auf Erden wandeln, sondern schon zu seinem himmlischen Vater zurückgekehrt seyn würde, ein sichtba¬ res Oberhaupt geben; eine» Stellvertreter seiner selbst, der Er das unsichtbare Haupt der heiligen Kirche zu bleiben nicht auf¬ hört bis zur Vollendung der Zeiten. War etwas anderes von der göttlichen Weisheit des Erlösers zu erwarten? Gewiß nicht! Wer hat noch je eine andere Gesellschaft gegründet, als eine solche, die er nicht mit seinem Tode wieder zerfallen wissen wollte, und hat sie nicht eben deßbalb einer höchsten leitenden Macht welche sie Zusammenhalten solle, untergeordnet? So that cs auch der Heiland mit seiner Kirche. In der heil. Schrift selbst lesen wir es deutlich genug, daß, und bei welcher Gelegenheit der Heiland in der Person des Apostels Petrus den ersten Papst aufgestellt habe. Als nämlich Petrus (Matth. Eap. 16.) einst in der Nähe der Stadt Cäsarea Philippi auf die Frage Jesu, für Wen Ihn die Apostel, gegenüber der in die verschieden¬ sten Meinungen getheiltcn Volksmenge halten, im Namen Aller antwortete: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!" da entgegnete ihm der Herr: „Selig bist Du, Simon, des Jonas Sohn! denn Fleisch und Blut (menschliche Einsicht) hat Dir das nicht geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist. ich sage Dir sV. 18, 19.), Du bist Petrus (d. i. Felseumann), und aus diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pfor¬ ten (d. i. die Macht) der Hölle werden sic nicht überwältigen. Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was immer Du binden wirst auf Erden, das soll auch im Himmel gebunden seyn; und was immer Du lösen wirst auf Erden, das soll anm im Himmel gelöst seyn". Hiemit war dem heil. Petrus zunächst das oberste Priesterthum übertragen worden. Das oberste Lehramt übergab ihm der Herr, als Er (Luc. Cap. 22, V. 329 zu ihm sagte: „Ich habe für Dich gebeten, Simon! daß Dein Glaube nicht gebreche; und wenn Du dereinst bekehrt bist («ach Deiner Vcrlängnnng), so stärke Deine Brüder" (die übrigen Hir¬ ten der Kirche). Die höchste Regierungsgewalt in der Kircbe ertbeilte Jesus nach seiner Auferstehung Petro, als Er (Job- Cap. 21, V. 15 -17.) Diesem auf die dreimalige Betheucrung seiner Liebe zweimal entgegnete: „Weide meine Lämmer!" si"b das dritte Mal: „Weide meine Schafe!" d. i. leite alle meine Gläubigen, sammt ihren Hirten, ohne Unterschied. Es ist wom zu beachten, daß der Herr in Gegenwart der übrigen Aposts' Petrum fragte: „Liebst Lu mich mehr als Diese?" Einer grö¬ ßeren Liebe entspricht nicht eine gleiche, sondern eine größere 359 Anerkennung; und eben eine solche lag in der Antwort Christi.— Auch sonst, bei mancher Veranlassung, zeichnete der Herr Petrum vor den übrigen Aposteln aus. So schon Joh. Cass. I, V. 42. Für sich und für Petrus entrichtet er die Tcmpelsteuer (Matth. Cap. 17, V. 26.). Das Schiff Petri bevorzugt er gerne (siehe bic schöne daran geknüpfte Betrachtung in Card. N. Wisemaii's Abhandlungen, 1. Bd. S. 515—531.); ihm wäscht er zuerst die Füße (Joh. Cap. 13.); ihm besonders erscheint der Herr nach seiner Auferstehung (Luc. Cap. 24, V. 34; l. Cor. Cap. 15, V. 5.). Die obeu bezeichnete dreifache Gewalt, des Priestertbumes, Lehramtes und der Regierung wurde zwar allen Aposteln vom Herrn zu Theil (Matth. Cap. 18, V. 18.); aber weil sich der Heiland so ganz besonders an den Petrus, den Fclscnmanu, wandte, was konnte Anderes in seiner Absicht liegen, als daß die übrigen Apostel von ihrer geistigen Macht nur in gewisser Un¬ terordnung unter dem Petrus Gebrauch machen sollen? Dies er¬ kannten sic wohl auch, und verehrten in Petro das Haupt ihres heiligen Collegiums— was aus vielen Stellen der Evangelien, S- B. Matth. Cap. 10, V. 2., wo Petrus immer der Erste auf- gefnhrt ist, während die Ordnung der Uebrigen wechselt, sa ibrc Namen gar nicht genannt werden, und ans Thal fachen der Apostelgeschichte, insbesondere Cap. 1, und 15, nnlängbar her- vorgeht. Als cs sich nm die Wahl eines Apostels an der Stelle des treulosen Judas Jschariot handelte, da stand Petrus auf in der Mitte der Brüder^ und brachte diese wichtige Ange¬ legenheit zur Sprache (Cap. 1, V. 15-22.) — Ebenso erhob Pe¬ trus auf dem Apostelconcil zu Jerusalem (Cap. 15, V. 7—1 l.) der Erste seine Stimme für das Aufhvren der Verbindlichkeit des Mosaischen Ccrcmonialgcsetzes. — Nicht gar lange nach seiner Be¬ kehrung ging Paulus nach Jerusalem „um Petrus zu seben" (Gal. Cap. 1, V. 18.). Ganz gewiß hatte ihn nicht bloße Neu¬ gierde dahin geführt, sondern er erachtete cs für seine Pflicht, dem Apostelfürsten seine Verehrung zu bezeugen. Wer wird in allem Dem einen bloßen Znfall erblicken; Zumal wenn er erwägt, daß Petrus nicht der Erste - der rM nach — z„m Apostclamte berufen wurde (Joh. Cap. 1); daß nicht er, sondern Johannes der Lieblings-Jünger Jein war / .uir 'n dem von den Aposteln deutlich erkannten, und treu geachteten Willen des Herrn ist der Erklärungsgrund zu inchen. Der Zweck dieser vom Herrn selbst in gst'eiie- ncn Einrichtung war kein anderer, als die Erhaltung dei Ein- hn't, im Glauben und in der Liebe, um die er ia ,o rublend noch kurz vor seinem Hinscheiden seiueuVatcr un^0i,niuegcb, tcn hatte. (Joh. Cap. 17, V. 21.) Freilich konnte du,cEinbc.t, so lange die Apostel lebten, deren Jedem per;onlich die ( a e tur Unfehlbarkeit zukam, unter ihnen nicht gestört werden; — wo?l aber war dies nach ihrem Tode inöglich. ^a war so ein -csstcl- Punkt der Einheit um so nothwcndiger. Christus batte ihn die,er- 360 wegen im Primate gegründet; und zwar muß der Primat schon im Sinne Christi nicht ein bloßer Eh re »-Vorrang, son¬ dern ein Vorzug der Jurisdiction seyn; sonst wäre er zur Erfüllung seines Zweckes nicht geeignet — weil zu schwach, und ein bloßer Titel ohne Mittel!*) Ganz so äußern sich hierüber die ältesten Kirchenväter; und zwar sowohl die griechischen als die lateinischen; z. B. Origcncs, der i>om. 2. cko ciivor«. Petrum den Obersten der Apostel nennt. Aehnlich: in kom. I. Z, Ith — 8. Oyprianus (eg. 70.) „Dcelesis ima, a Cbrlsto Domino snpru Deteum orizz l ns u n ituti 8 et rstioiw kuncluta." Siehe eie Iiiii'l. eeoles. — 8. Kn8ilitt8 IN «erm. «le jlltiieiv Del: — 8. 6br)808tonni8 in liom. 3. t!o poem'tontia; — 8. Optstus, Bischof zu Mileve in Numidien im 4. Jahrhundert, (aclv. Dsemen. VII. 3.) : „Dono u n itnli 8 bestu8 I'etrns — et prnekeri i ^pnsto- li8 omnibu8 meruit, et elave8 re^ni ooelorom oommnnieani'8innti8 tollntnr oeea.8iv". „Welche unbeholfene, formlose, zu keiner Gesammtaction zu vereinigende Masse müßte nicht die über alle Reiche der Erde, über alle Weltthcile verbreitete katholische Kirche seyn, wenn sic kein Haupt hätte, keinen obersten Bischof, verehrt von allen! — Hätte nicht die Gesammtkirche ein Haupt, eingesetzt von Christus, und hätte nicht dieses Haupt einen in anerkannten Rechten und Verpflichtungen sich offenbarenden Einfluß auf jeden ihrer Theile, so würden diese, sich selbst überlassen, bald einen einander entgegengesetzten, lediglich von örtlichen Verhältnissen be¬ dingten Gang der Entwicklung nehmen, welcher eben deßhalb der Weg zur Auflösung des Ganzen selbst wäre." (Dr. I. A. Möhlcr's Symbolik S. 397.) Daß der Heiland dem Petrus nicht einen bloß auf Diesen sich beschränkenden persönlichen Vorzug einräumen wollte, ist aus dem Gesagten einleuchtend; denn wozu wäre ihm derselbe einzig den Mit-Aposteln gegenüber gewesen, die ja Alle mit den *) Luther, schwankend zwischen einer unsichtbaren und sichtbaren Kirche, war auch über den Primat anfangs nicht einig mit sich selbst. Im Schreiben an den Papst Leo X. vom 3. März 1519 versichert er noch: er habe nie die Autorität des römischen Stuhles antasten wollen, die mit Aus¬ nahme Christi über Alles, im Himmel und auf Erden, gehe; aber kurze Zeit später nahm er an der Leipziger Disputation zwischen Dr. Joh. E'k und Andr. Karlstadt (Bodenstein) (27. Juni bis 16. Juli ISIS) scheu als Bestreiter des Primates Theil. Dann äußerte er sich fortwährend in den schmählichsten Ausdrücken über das Papstthum und den Papst' den er selten anders, als den „Antichrist" und die Katholiken verächtlich „Papisten" u. dgl. nannte. In seiner beispiellosen Wuth wider das Oberhaupt der katholischen Kirche hatte er die übrigen Reformatoren zu würdigen Genossen. 361 Gaben des heittqen Geistes ausgerüstet waren, so gut wie Pe¬ trus? Was Jesus in seiner Kirche, wie hinsichtlich der Lebre und der Sacramente, so auch der Verfassung auordnctc, sollte für alle Zukunft Geltung und Bestand haben. Nicht des Petrus, sondern der Kirche wegen, wurde der Primat von ilmi eingesetzt; der erste Papst mußte also als solcher seine Nachfolger haben, und zwar so lauge, als der Zweck, um dcffcutwillcn das Papstthum vom Herrn gestiftet worden war, die kirchliche Einheit nämlich, fortdauern würde, d. i. immer, bis znm Ende der Welt. Wo aber sind die Nachfolger des Apostelfürsten zu suchen? Wo anders, als dort, wo Petrus als Papst in seinem heiligen obersten Hirtenamtc seine Wirksamkeit mit dem Tode beschlossen hatte? Nun aber ist es durch das einstimmige Zeuguiß des gan¬ zen christlichen Alterthumcs verbürgt, daß Petrus die Gemeinde zu Rom in so ferne gegründet, als er deren erster Bischof gewor¬ den, und nach fünfundzwanzigjährigcm, wenn gleich nicht unun¬ terbrochenem Episcopate daselbst 9) abgcfaßtcn B u e die Corintber zur Eintracht. Damals lebte noch der beil.^o u i - «es zu EpbesuS. Daß die Corinther d.c Angelegenheit nicht dem Zäheren Apostel, sonderndem entfernteren Apo steli chn- ler vortrugen, ist nur aus ihrer llcberzeugung von dem Primate 364 des heil. Clemens, als Nachfolgers des heil. Petrus auf dem päpstlichen Stuhle erklärbar. Die orientalischen Katholiken wichen hinsichtlich des Tages der Osterfeier von den Abendländern ab. Dies, in Verbindung mit anderen kirchlichen Angelegenheiten, führte den heil. Polycarp, Bischof z» Smyrna in Kleinasien, einen Schüler des heil. Apo¬ stels Johannes, nach Rom, nm sich mit dem Papste Anicetus (157—168) darüber zu besprechen. Der Papst genehmigte den Morgenländern die Beibehaltung ihrer Praris. Wäre wohl an seiner Ansicht und Bcistimmung, als eines gewöhnlichen Bischofes, den Orientalen so viel gelegen gewesen, daß der ehrwürdige Greis eine so weite Reise nicht gescheut hätte? Mit allem Nachdrucke bestand der heil. Papst Stephan I. ich 257) gegenüber der abweichenden Ansicht einiger morgenländi¬ schen Bischöfe, insbesondere auch des heil. Cyprianus, Bischofes zu Carthago, an der überlieferten Lehre der römischen Kirche, daß die von den Ketzern im Namen der heiligsten Dreieinigkeit crtheiltc Taufe nicht mehr zu wiederholen sey. Im Bewußtseyn seiner Würde und Pflicht als Oberhaupt der Kirche meinte er so energisch auftretcn zu können. Der große Bischof zu Alcrandricn, Dionysius (f 264) hatte zur Widerlegung des Ketzers Sabellius einige Briefe geschrieben, aus welchen einige Stellen aus Mißverständniß falsch ausgclegt wurden. Auf die Anzeige hievon versammelte der Papst Diony¬ sius (f 269) zu Rom eiu Concilium, (um 260), und lud den, dem Ansehen nach den zweiten Rang in der Kirche behauptenden Bischof ein, sich zu rechtfertigen. Ohne Widerrede gehorchend that dies mit dem glänzendsten Erfolge Bischof Dionysius. Einen schlagenden Beweis, daß sogar den heidnischen Rö¬ mern der Primat des römischen Bischofes nicht unbekannt war, liefert folgender Fall: Paulus von Samosata in Syrien, Bischof zu Antiochia, hatte sich weltlichen Treibens und sogar einer Ketzerei schuldig gemacht, wcßhalb er von einem Concil seiner Würde entsetzt wurde. Ge¬ stützt ans die Gunst der Königin Zcnobia von Palmyra wollte er sich dem Urtheilssprucke nicht fügen. Nachdem der römische Kai¬ ser Anrelianns (272) die genannte Fürstin besiegt hatte, that er den Ausspruch: „Jener solle Bischof von Antiochia seyn, welchen der römische Bischof als solchen erkennen würde". Nun erst wich Paulus von seinem Platze. Fragen wir nach den Aeußerungen berühmter Kirchenleh¬ rer über den Primat, so stehen uns deren sehr viele zu Gebote- Der schon oft genannte heil. Ignatius , Schüler des hcu- Apostels Johannes, und Bischof zu Antiochia, lehrt, daß „de. Fels, der das Gebäude der Einen katholischen Kirche trägt, »no den Schlußstein zum ganzen geistigen Tempel bildet, der Bi schot der römischen Kirche sey". Deßhalb preist er (im Briefe 365 an die Römer) die römische Kirche als „die Vorsteherin des Liebesbundes der Christenheit." Der heil. Irenäus, Schüler des heil. Polycarpus, und Bi¬ schof zu Lyon ff 205), beruft sich im dritten seiner fünf Bücher wider die Häretiker darauf, daß sie erst von gestern, die katho¬ lische Lehre aber alt und apostolischen Ursprunges scy. „Denn cs lasse sich die Reihenfolge der die gleiche katholische Lehre vortra¬ genden Bischöfe an den einzelnen katholischen Kirchen bis auf die Apostel zurückführen; da aber dies zu weitläufig wäre, so genüge cs, die fortdauernde Ueberlieferung der größten, äl¬ testen, Allen bekannten, von den glorwürdig ste n Aposteln Petrus und Paulus gegründeten römischen Kirche nachzuweiscn. Denn mit dieser Kirche müssen, i h r e s au 6 g e z e ich n e t c n Vorranges wegen, alle übri¬ gen Kirchen, d. i. alle Gläubigen, übereinstimmcn sim Glauben), weil in ihr immer die von den Aposteln stammende Ueberlieferung (die mündlich überlieferte Lehre unverfälscht) erhalten wurde." Alsdann führt er, als Träger und Fortpflanzcr dieser Ueberlieferung, die seitherigen Päpste, zwölf an der Zahl, auf. Der fruchtbare Kirchenschriftstellcr Tcrtullian, ruft (üe proo- 801-ipt. oap. 35.) von der römischen Kirche aus — eben weil er sie des Primates ihres Bischofes wegen für die Lehrerin aller übrigen hält: „Wie glücklich diese Kirche, in welcher die Apostel ihre gesammte Lehre mit ihrem Blute hingegossen haben! .... Laßt uns sehen, was sie gelernt, was sic gelehrt, was sie auch mit den afrikanischen Kirchen abgemacht habe". Der heil. Cyprian, Bischof zu Cartbago, den gewiß Niemand der Schwäche in Wahrung seiner bischöflichen Rechte zeihen darf, kann nicht oft und nachdrücklich genug die Einheit der katholi¬ schen Kirche, als ihre wesentliche Grundform, hervorhcben. Wo¬ durch aber diese Einheit aufrecht erhalten werde, — nämlich durch den Primat Petri und seines Nachfolgers, des Bischofes zu Rom, — erklärt er an mehreren Stellen, insbesondere seiner klassischen Schrift: clo imitato oceloslae. Er beruft sich in der Beweisführung auf die Worte Christi zu Petrus: Ich sage Dir: Du bist Petrus u. s. w., und: Weide meine Schafe u. s. w. und fährt dann sort: „Es waren allerdings auch die übrigen Apostel das, was Petrus war, mit dem gleichen Anthcil der Ehre nnd^ollmawt bekleidet, aber der Anfang geht aus von der Einheit, und der Primat wird dem Petrus gegeben, damit cs sich zeige, daß Eine Kirche und Ein Lehrstuhl sey. Wer dtx Cathedra Petri, über die die Kirche g e g > u n- det ist, verläßt, traut Der sich noch zu, in der Kirche ru seyn?" Daß der heilige Kirchenvater gerade den Bischof zu Rom, und keinen Anderen, als den Erben des Primates Petri - der Cathedra Petri — anerkannte und verehrte, spricht er offen aus, wenn er sagt: „Petrus habe seinen Vorrang auf die 366 römische Kirche übertragen; daher der bischöfliche Stuhl der¬ selben der Stuhl Petri, die Kirche von Rom die Erste und Vor¬ nehmste sey, und mit ihrem Bischöfe alle übrigen in Verbindung stehen müssen." (elo uiu't. eoelcs.; — stehe ep. 27. 45., wo er die römische Kircüc die raüix und inalri'x ecele8iso catliolicao nennt; 70, 73.1 Von den Schismatikern, welche steh von Carthago ans nach Rom wandten, um sich daselbst Anerkennung zu erschleichen, in welchem Falle sie sich ihres Sieges gewiß gehalten haben wür¬ den, sagt er (ep. 55.) „Sie haben sogar noch die Keckheit, zu der Cathedra Petri und zur Hauptkirche hinüber zu schiffen, von wo die bischöfliche Einheit ausgegangcn ist". Vom Papste Cornelius schreibt er (op. 52): er sey Bischof geworden, als der Stuhl Petri nach dem Tode des Fabianus erledigt war. — Und über den Papst Stephan, mit dem er die Frage hinsichtlich der Gültigkeit der Ketzcrtanfe nicht ohne alle persön¬ liche Gereiztheit verhandelte, äußerte er sich dcmungeachtet, „daß derselbe dieNachfolgc Petri besitze, über welchen der Grund der Kirche gelegt worden sey". Dies sind in der That so deutliche Zeugnisse, daß sie keine Widerrede zulasseu. Deren spätere, insbesondere aus dem Abend- laude, anzuführen, halten wir für überflüssig. Die zwei größten Kirchenlehrer hier, der heil. Hieronymus und der heil. Augustinus, äußern sich im ganz gleichen Sinne. Jener: süv. llovin. 1^. I.: „Mit dem Stuhle Petri unterhalte ich Gemeinschaft, denn ich weiß, daß auf demselben Fels die Kirche gebaut ist. Wer mit der römischen Kirche nicht verbunden ist, befindet sich außer der Kirche". Dieser: „Noms Urtheil hin einer Glaubenssache) ist das Urtheil der gejammten Kirche. — Rom hat gesprochen; folglich ist die Streitsache beendiget". Hätte der Glanz des weltlichen Rom die Ansprüche des römischen Bischofes auf die kirchliche Suprematie hervorgeru- fe n, so würde das Papstthum in dem Verhältnisse wieder hcrab- gckommcu und verdunkelt worden scyn, als Roms Herrlichkeit zu sinken begann; und zwar schon, als Kaiser Constantin der Große das alte Byzanz — verschönert und erweitert und nach ihm Con- stantinopel genannt — (nach 325) zur neuen Hauptstadt seines Reiches zu machen beschloß; noch mehr dann, als nach der Tbei- lung des römischen Staates durch Kaiser Theodosius den Große» unter seine Söhne Honorins und Arcadius (395) nicht mehr Rom, sondern meist Mailand oder Ravenna die Residenz der occidenta- lischcn Kaiser wurde; ganz besonders aber nach dem völligen Un¬ tergänge des weströmischen Reiches (476). Wir finden aber auch dann noch den Bischof zu Rom im unbestrittenen Besitze seiner Primatialrcchte über die gejammte, auch über die orientali¬ sche Kirche, deren rechtgläubige Mitglieder ibn eben so wie früher als das allg meine Oberhaupt anerkannten. Taucht dort — nämlich im Oriente — eine Häresie auf, so traf alsbald der Papst Anstalten, daß sic untersucht und verdammt wurde; 367 welches ihm zustehende Recht Niemand in Abrede stellte. Bereits in den ersten ökumenischen, sämmtlich im Oriente gefeierten Concilien, führten entweder die Abgesandten des römi¬ schen Bischofes den Vorsitz — so schon zu Nicäa <325) der Bi¬ schof Osius von Cordova, mit den beiden Priestern Vitus und Viceutius —; oder die Acten des Concils wurden wenigstens nach¬ träglich vom Papste bestätigt, wodurch sie erst volle Gültigkeit er¬ hielten. *) Die Kirchenvcrsamnilung zu Sardika in Mosten (in der heutigen europäischen Türkei» (347) anerkennt in dem Briefe an deit Papst Julius diesen ausdrücklich als das Oberhaupt der Kirche, und erklärt es für ihre Pflicht, ihm, als dem Inhaber des Stuhles Petri, Bericht zu erstatten. Ebendieselbe be¬ stimmte («an. 3.), daß ein verurtheilter Bischof an den Papst ap- pelliren dürfe, und die Bischöfe, welche über Jenen gesprochen, sollen, aus Ehrfurcht vor dem Stuhle Petri, über die Sache au den Papst berichten. (Katerkamp, Kirchcugeschichte. Bd. II. S. 180.) Des Papstes Spruch geschah alsdann in Rom, oder durch von ihm beauftragte Bischöfe; dcßhalb verordnete I csn. 4., daß Vor Entscheidung des Papstes kein neuer Bischof au die Stelle des abgesctzten ordinirt werden solle. Der heil. Athanasius, Bischof zu Alerandria, der muthvollstc Vertheidiger der katholischen Wahrheit von der Gottbeit Jesu Christi gegen die Arianer, wurde von diesen auf das heftigste ver¬ folgt. Auf der von ihnen zu Tyrus (335) abgehaltcncn Synode verurtheilten sie ihn auf Grund unwahrer und niederträchtiger An¬ klagen. Um ihn desto sicherer zu verderben, hatten sic sogar die Kühnheit, den Papst Julius schriftlich aufzufordern, er möge das von ihnen ausgesprochene Urtheil der Absetzung des heil. Athana¬ sius bestätigen. Ihr Anschlag wurde aber zu Schanden; denn der Heilige hatte sich vor dem zu Rom (341» zusammcnbcrufenen Concil vollkommen gerechtfertigt. — So gibt denn selbst dieser Recurs der Ketzer nach RomZeuguiß für das anerkannte höchste Ansehen des römischen Bischofes, und für seine Macht, einem Conciliar-Spruchc die volle Rechtskraft zu crtbeilcu. Der heil. Johannes Chrysostomus, Patriarch zu Constantiuo- Pel, hatte unter Anderen an dem Patriarchen zn Aleranbrien, Theophilus, einen unversöhnlichen Feind, auf besten Anstisten er in der, gegenüber von Constantinopel, au dem asiatstchcn Usir des Bosporus (403) abgchaltencn Aftersynode, genannt „zur Cache", gegen alles Recht als abgcsetzt erklärt und dann sogar verbannt worden war. Gegen solche Unbilden wandte er sich nm ttblnsic an den römischen Bischof Junocenz I-, »veil er in densielben stt- So erstattete das Concil zu Ephesus (431) dem Papste Cölestin I. Be- richt über seine Verhandlungen; ingleichen das Concil zu (>halcedo (451) an Papst Leo I. und bat in den ehrfurchtsvollsten Ausdrücken um dessen Confirmatlon. Auch diesem Concil hatten die päpstlichen Legaten präsidirt. 368 nen Richter in letzter Instanz sah. — (Siehe Walter's Kirchen- recht 8. 19. — Katcrkamp a. a. O. 2. Bd.; und Drey's Apolo¬ getik 3. Bd. S. 247 u. ff.) Dies genüge, nm die Anerkennung des Primates des römi¬ schen Bischofes Seitens aller Rechtgläubigen, — auch der mor¬ gen ländisch en Kirche, was wir vorzüglich betonen,— außer allem Zweifel zu stellen. Uebrigens darf nicht unbemerkt bleiben, daß sich nicht lange nach der Erhebung Constantinopels zur Re¬ sidenzstadt schon Spuren eines bedenklichen Strebens der dortigen Bischöfe zeigen, ihr Ansehen immer mehr zn erhöhen, und daß sie, die Hirten von Neu-Rom, mit immer größerer Eifersucht auf den erhabenen Vorrang blickten, welchen die Bischöfe des alten Rom von jeher besessen hatten. Sie, die früher einfache, dem Metropoliten zu Heraklea in Thracien, und in höherer In¬ stanz dem Patriarchen zu Alexandria untergebene Bischöfe waren, wußten es schon im 4. Jahrhunderte dahin zu bringen, daß ihnen der Rang unmittelbar «ach dem Papste zugesprochen wurde;*) bald wollten sie diesem sogar gleich stehen.**)— Der Patriarch Johannes, mit dem Beinamen : der Faster, siosinmtor, hatte (588) sich den hochtrabenden Titel eines öcumcnischcn (allgemeinen) Bi¬ schofes beigelegt. Um eine solche Anmaßung zn beschämen, nahm Papst Gregor der Große den dcinuthsvollen Titel an: „Servus sorvorum Del", (Knecht der Knechte Gottes), welchen Titel die Päpste in ihren feierlichen Erlässen bis auf den heutigen Tag füh¬ ren. — Der Schimmer Neu-Roms blendete die Patriarchen so sehr, daß sie die von Gott gesetzte Ordnung zu übersehen began¬ nen. Nach wenigen Jahrhunderten zerrissen sie endlich völlig das vom Herrn selbst geknüpfte Band, welches früher auch den christlichen Orient und seine Hirten mit dem Stellvertreter Christi vereinigte. 3. Der Geschichtskundige weiß wohl, daß das Ansehen und die Macht des römischen Papstes im Abendlande in den folgenden Jahrhunderten sehr gestiegen ist. Aber nicht Jeder ist unparteiisch genug, die Gründe dieser Thatsache zu würdigen. Die Gegner des Papstthumes führen als solche die Herrschsucht der römi¬ schen Bischöfe; die von ihnen klug benützten politischen Unruhen; den häufigen Wechsel der Regenten über Italien u. dgl- an; wo¬ durch die Päpste endlich sogar zur weltlichen Unabhängig¬ keit gelangten. Auch die sogenannten falschen Dekre talen werden als ein Mittel hiezu bezeichnet. — Nachdem wir die gött¬ liche, und als solche schon in der Urzeit des Christcnthumes an¬ erkannte Einsetzung des kirchlichen Primates weitläufiger erörtert P Das Oonc. Loiist. 381 sagte can. 3: „Oonslsiitinopolitsnse civitatis epis^ copus Iiabeat oportet primatus Iiovorem post komuuum opiscopum, prop" teies, cpioä sit nova lioms. s*) Siehe den ean. 28. Lonv. Obsleelloii. ! I < ! k ! l t l i e l i l t § 369 haben, können wir uns bezüglich der noch übrigen Punkte kür¬ zer fassen. Wie Alles im Organismus der katbolischen Kirche Leben hat, und einer fortschreitenden Entwicklung fähig ist, so gilt dies auch vom Primate des römischen Papstes. Die in ihm, so zu sagen, schon ursprünglich in der Idee inbegriffenen Rechte mußten sich im Verlaufe der Zeiten, je nach Umständen und Bedürfnissen, bald nach dieser, bald nach jener Seite hin nachdrücklicher äußern, und in Wirksamkeit treten. — „Der Primat war der kirchlichen Verfassung nicht wie ein fertiges System vorgczeichnet, sondern er wurde in sie wie ein befruchtender Kenn nicdcrgelcgt, der sich im Leben der Kirche entwickelte. Mit dem Wachsthum des ge¬ jammten Körpers trat daher auch der Primat in schärferen For¬ men hervor." Walter a. a. O. 8- 19. Zu derlei Veranlassungen dürfen wir mit Fug rechnen: die an den heiligen Stuhl gelangten Bitten Verfolgter um Schutz ge¬ gen die Gewaltthatigkeiten ihrer Bedränger, welche ein kräftiges Einschreiten der Papste nothwcndig machten; ferner die Glau- bcnstrcue der Päpste, oft inmitten allgemeinen Schwankens.*) Unter den späteren Karolingern, insbesondere in Frankreich und Italien, mußten die Päpste einige Mal als Beschützer der grob verletzten Sittlichkeit, oder als Vertheidiger mißachteter Rechte auftreten, was ihr Ansehen natürlich in der öffentlichen Meinung noch mehr hob und heiligte. Wie zu den übrigen Völkern, so brachten insbesondere auch zu den Deutschen die Missionäre das Licht des Evangeliums, als gesandt von den Päpsten, und mit ihrem Segen, mit ihrer Vollmacht ausgerüstet, — Man denke nur au den heil. Bonifazius in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts — was in den Augen der Bekehrten eben die Päpste als Vorsteher der gesammten Christenheit, und als ihre eigenen größten Wohlthäter erscheinen machte. Zwei oben bereits angedeutcte Momente in der Geschichte des sich zu immer höherer Macht emporschwingendcn Papstthumcs bedürfen, weil sie so häufig entstellt werden, noch einiger Beleuch- t»ng. — Im 9. Jahrhunderte kam eine neue kirchliche Gesetzsamm- mug zum Vorschein, welcher die vom heil. Isidor, Erzbischof zu Sevilla in Spanien (f 636) veranstaltete zu Grunde lag, die aber unter andern Gegenständen einige falschen Dckrctalen alter Päpste, schon von Clemens 1. bis Melchiades (s 3l3); dann wie¬ der von Sylvester), (f335) bis Gregorll. (73l), d. i. solche Er¬ lässe, welche nicht von denselben hcrstainmcn, sondern ihnen un¬ terschoben wurden, enthält. Der unbekannte Verfasser, K>cr ci- geutlich Znsamincnstcller, nennt sich, nach dem spanischen Bischöfe Schon TheodoretuS schreibt (im 5. Jahlhandrri) ep. 1IU.: .,IlüI>ot ssnetis- simrr jllg 86668 6eel68t«ium^ quu6 in lo!o sillit 0506, M'ilieisrgtum Mlilti8 nonünibus, nte/ne lioo »nie mnnirn gnoä nb linerctics Inlis iminunis mnn- sisi nee ullus knlei contrsri« senilen« in lila «eckt, secl ngosiollesi» xrs- tism intexinm servsvit". 24 370 „Isidor", — mit dem Beinamen wercstor, — nach Einigen peeeator, (so würde er sich demuthsvoll selbst bezeichnen); wcß- balb die erwähnte Sammlung jene des „Pseudo-Isidor" heißt. Weil in derselben der päpstlichen Machtvollkommenheit das Wort geredet wird, so hat man hie und da behaupten wollen, diese Dekretalen seven im römischen Interesse, etwa gar von einem Papste (Hadrian I. 772 — 795) zu Rom selbst erdichtet worden. Gründliche Forschung, selbst protestantischer Gelehrten, hat aber das Resultat geliefert, daß sie nicht das Werk eines vorsätzlichen Betruges, sondern der gutgemeinten, freilich nicht zu rechtfertigen¬ den, Absicht eines sonst frommen redlichen Mannes seyen, kirch¬ lichen Einrichtungen seinerZeit dadurch ein größeres Gewicht zu verschaffen, daß er sie schon von den ältesten Päpsten förmlich an¬ geordnet feyn läßt; daß sie ferner nicht in Rom, sondern höchst wahrscheinlich in Westfranken um das Jahr 840 ans Tageslicht gekommen; daß ihr Hauptzweck darin bestehe, die Bischöfe vor den Verationen der Fürsten und Metropoliten sicher zu stellen; daß durch sie nichts weniger als die Kirchenverfassung ganz neu umgcstaltet worden; darin eigentlich nichts Neues, Unerhörtes ent¬ halten; insbesondere die päpstliche Machtvollkommenheit, an der damals Niemand zweifelte, nur so dargestellt worden sey, als wäre sie schon immer so vollendet da gewesen. Wenn Pseudo- Isidor in Betreff des Primates und seiner Rechte etwas bisher ganz Fremdartiges gelehrt hätte, würde er wohl in so kurzer Zeit eine so allgemeine Aufnahme ohne Widerrede gefunden habe». (Siehe insbesondere Möhlers vermischte Schriften, S. 283, Freiburger Kirchenlericon, — Ruttenstok Institut, bist, eeeles. II. Bd S. 526, — Walter a. a. O. k. 95 u. ff.) Einige Feinde des Papstthumes wollen ferner an der Art und Weise Etwas zu tadeln finden, wie dasselbe die weltliche Unabhängigkeit erlangt habe. Bei unparteiischer Prüfung hingegen stellt sich die Sache ganz ordnungsmäßig dar. Nicht durch Verrath an ihrem Kaiser wurden die Päpste souverän; sE dern durch besondere Fügung Gottes, der hiedurch dem Obcrhaupte der Kirche eine desto größere Freiheit in der Leitung derselben verscha^ fen wollte; *) — durch vollberechtigte Schenkung, die sie selbst nicht beabsichtiget, ja um die sie sich gar nicht beworben hatten. — Eine schon vom Kaiser Constantin dem Großen, w>e ehemals Einige meinten, dem Papste Sylvester gemachte Schen¬ kung mit Rom hat zwar die Kritik als unrichtig erwiesen; nicht» *) Eben weil der Papst der allgemeine Vater der Gläubigen ist. »>u!- er in der Leitung der über alle Reiche und Länder sich erstrecke"' den Kirche vollkommen ungehemmt sehn, was er aber als Unterthan n- gend Jemandes nicht in dem Grade seyn könnte. Dies ist gewiß,""' schwer einzusehen. Daß seine Macht als Landessürsten nicht ubc die Grenzen seines verhältnißmäßig kleinen Staates hinausreiche, versteh sich von selbst. 371 destoweniger war schon sehr frühe das Ansehen des Papstes auch »i weltlichen Angelegenheiten ein großes. Dasselbe kam aber bei der Schwäche der Negierung sowohl der Stadt Nom, als ganz Italien mehr als Einmal sehr gut zu Statten. So hielt, wie bekannt, der große Leo I. den Hunenkönig Attila, die Geißel Got¬ tes, (452) durch die Hoheit seiner Erscheinung von Rom ab; und konnte er auch die Plünderung der Stadt durch Genserich, den Vandalenkönig, nicht bindern t455), so erlangte er doch wenigstens das Versprechen von ihm, daß dieselbe mit Brand, und die Wehr¬ losen nut Mord verschont bleiben sollen. Nach dem Untergänge des weströmischen Reiches waren zwar die byzantinischen Kaiser — zumal nach der Besiegung der Ostgothen — die nominellen Ober-Herrn Roms und Italiens, das sie durch einen zu Ravenna residirenden Statthalter (Erarchen) verwalteten; aber gegen die siegreichen Fortschritte der Longobardcn wußten die meist in Sinn¬ lichkeit erschlafften, oder mit theologischen Streitfragen vollauf beschäftigten Imperatoren keine Hülfe zu schaffen Fruchtlos war all das Bitten der Päpste darum; Rom und Italien waren vom byzantinischen Hofe so gut wie aufgegcben. Ganz besonders lit¬ ten die Besitzungen der römischen Kirche furchtbar durch feindliche Einfälle. Was konnten, was sollten die Päpste in solcher Bedrängniß tkmn? Schon Gregor III, wandte sich um Hilfe an die Franken (74l). Mit Mühe beschwichtigte sein Nachfolger, Zacharias, un¬ ter dessen Pontifikate der bisherige Masor- Domus, Pipin der Kleine, Karl Martclls Sobn, König der Franken wurde, und die schwache Dynastie der Mcrovinger mit Ehildcrich kll. zu re¬ gieren aufhörte, den kongobarden König Luitvrand. Ueber Auf¬ trag des griechischen Kaisers Eonstantin V. (§oprouymus unter¬ nahm Papst Stephan II (III.) zum Könige Aistulph nach Pavia eine, persönlich nicht gcfabrlose, Reise, um ihn zur Herausgabe der Eroberungen an die Griechen zu bewegen; da sie aber frucht¬ los war, begab er sich zu König Pipin nach Frankreich (753). von welchemÄistulph in zweimaligem Feldzüge bezwungen wurde. Das eroberte Erarchat schenkte König Pipin dem beil. Petrus und der römischen Kirche. Den Gesandten des Kaisers Eonstantin, welche von ihm verlangten , er solle die verlornen Städte für Jenen erobern, erwiderte Pipin: „Nichts werde ihn bewegen, dem heil. Petrus wieder zu entzicbm, was er einmal geschenkt habe". Für sich behielt er nur den Litcl eines römischen Patriziers. Dcmungeachtct erkannten die ffapstc voch immer die Oberherrschaft des griechischen Kaisers über ->om w», obwohl hier die Macht desselben fa ktl sch schon völlig auf¬ gehört hatte. - Während Karl der Große den Longobardcn-Ko- nig Desiderius bekriegte, und ihn schon ^via cingeschloffen hatte, verfügte er sich zur Osterfcicr (7-4) nach Rom, wo er die Schenkunq seines Vaters Pipin an die römische Kirche nicht nur bestätigte, sondern auch erweiterte, — (was er spater auch noch 372 gethan haben soll) — worauf er nach Pavia zurückkehrte, und durch die Gefangeuuehmuug des Desiderius dem Longobardenreiche ein Ende machte. Bei Gelegenheit seiner Krönung zum Kaiser durch Papst Leo HI. (800) schwur Karl der römischen Kirche die Pflicht der Vertheidigung. — Dies war derBeginn der Souveränität der Päpste. Daß nach dem Rechte der Er- vberung die Frankcukönige befugt waren, dem Papste die bemel- dete Schenkung zu machen, wird wohl nicht leicht in Abrede ge¬ stellt werden können; folglich ist auch der Titel der weltlichen Un¬ abhängigkeit des apostolischen Stuhles gewiß ein so vollgültiger, rechtmäßiger, als der irgend eines andern Monarchen. 4. Aus der Geschichte ist bekannt, daß das Papstthum durch Gregor VII. (Hildebrand, 1073—1085) auf den Höhepunkt seiner Macht und seines Ansehens gebracht wurde, auf dem es sich bei¬ läufig bis auf Bouifazius VIII. (1294—1303) erhielt, daun aber schnell heruntcrsauk, und in Folge der Uebcrsiedlung nach Avignon unter Clemens V. (1305—1314) sogar in vcrhängnißvolle Abhän¬ gigkeit von den Königen Frankreichs gerieth. Kurz vor Gregor VII. war das unselige Schisma zwischen der orientalischen und abend¬ ländischen Kirche, — angefangen durch den ehrgeizigen Patriar¬ chen Photius in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhundertes, —durch dessen, nicht unmittelbaren, gleichgesinnten Nachfolger Michael Cärularius (um 1054) vollendet worden. Wohl hat sich ein Thcil der Griechen — die Unirten — auf dem allgemeinen Con- cil zu Ferrara-Florenz (1438—1439) mit der römischen Kirche vereiniget; aber der größere — die Nichtunirten — verharrt bis in die Gegenwart in seinem Ungehorsam gegen den Stellvertreter Christi. Was der Papst dadurch im Oriente an Einfluß verlor, gewann er reichlich im Abendlande. Männer, welche die Ge¬ schichte in allen Zeiten „groß" nennen wird, saßen auf dem apo¬ stolischen Stuhle; als: der obgenannte Gregor VII., Alcran- der III., Jnnocenz III., Gregor IX. Daß sic häufig verkannt werden in ihrem Wollen und Wirken, darf uns nicht befremden, dies ist sa mehr oder weniger das Loos aller hervorragenden Männer. Man wirft ihnen, zumal Gregor VII. und Jnnocenz IH (1198—1216) maßloses Streben vor, die Staatsgewalt der kirch¬ lichen uutcrzuordnen, und will sie allein für alle liebel verantwort¬ lich machen, welche aus den Conflicten zwischen Kirche und Staat für Beide hervorgegangen. Mit Unrecht! Gregor VII. und die nachfolgenden Päpste, welche in seinem Geiste gewirkt haben, müssen nach dem Maßstabc ihrer Zeit, und nach reu Absichten bcurtheilt werden. Wie aber stellte sich das Mittelalter das Verhältniß zwischen Kirche und Staat vor. Das christliche Gemeinwesen, glaubte man, habe zwei Oberhäup¬ ter, ein kirchliches, den Papst mit den untergeordneten Bi¬ schöfen; und ein weltliches, den Kaiser, milden übrige" 373 Königen und Fürsten. Aber der Papst stehe, als unmittelbarer Stellvertreter Gottes, über dem Kaiser; beide Gewalten, die kirchliche und weltliche, verhalten sich beiläufig zu einander, wie die Sonne, als der Licht und Wärme spendende Himmelskörper, zum Monde. So dachte der vielgcschmähte Gregor, dem es, wie seinen Nachfolgern, in dem großen Kampfe mit einzelnen Regen¬ ten darum zu thun war, die Kirche aus den Fesseln unwürdiger Knechtschaft zu befreien; daun aber auch im Innern sie von den Makeln zu reinigen, welche ihr insbesondere die Simonie und ilnenthaltsamkeit vieler Geistlichen angeworfen haben. Diese wohl¬ verdiente Gerechtigkeit lassen selbst unparteiische protestantische Ge¬ schichtsschreiber den großen Päpsten des Mittelalters widerfahren. »Papst Gregor wollte zunächst nicht Gewalt über den Staat, sondern nur Freiheit von demselben — heißt cs in C. F. Beckers Weltgeschichte IV. Theil, Seite 277. — Jene Zeit sah in dem Papste den rechtmäßigen Stellvertreter Christi auf Erden, durch göttliche Institution mit der höchsten Gewalt beklei¬ det, das Regiment zum Besten Aller zu führen; und der Papst ! war von dieser Idee nicht minder ergriffen, als Diejenigen^ die mit vertrauungsvoller Ehrfurcht auf ihn blickten, und die Sorge für ihr Heil von ihm erwarteten." — V. Theil, Seite 3. werden Alerander III., Jnnoccnz III. und Gregor IX. „große Gestal¬ ten genannt, welche das tiefste Bewußtsepn von der allgemeinen Herrschaft des Christenthumes durch die von ihnen vertretene Kirche lebendig im Busen trugen". Das waren sie in der Tbat! — Von unserem gegenwärtigen Standpunkte aus, auf welchem wir Kirche und Staat als zwei von einander unabhängige, aber zur gegenseitigen Unterstützung an einander angewiesene An¬ stalten, berufen, jede in ibrer Sphäre, das Heil der Mensickbcit zu befördern, anschen, können wir freilich wohl nickt alle An¬ sprüche und Maßregeln der Päpste, gegenüber den welflicken. ee- genten, rechtfertigen ; demungeachtet müssen wir den Einflnp der¬ selben, während ihrer Glanzperiode auf die curopäisihe Mensck- j heit im Ganzen als einen wohlthätkgen bezeichnen. Sie waren gar oft die Mittler zwischen gedrückten Untcrtbanen und dervn Fürsten, welche Letztere sie auf ihre einstige große Verantwort!,ck- keit vor Gott aufmerksam machten. — Sie übten em ^olkei- gericht, worin sie nationale Streitigkeiten schlicktet«,, «cho oa- durch nicht selten blutige Kriege verhüteten. Ware es wobt zum Schaden Europas und der Welt, wenn so e>n Ger-ckt wf e zu Tage anerkannt werden wollte? — Auf ihre^c batten die großartigsten Unternehmungen Statt, Z. 7-- , . Züge. - Sie waren der Hort des Glaubens, nnd dadurch einer , edleren Gesittung in einer sonst roben , wilden Zeit. lene Tage einer viel gelästerten Pnestcrbenlchaft waren, . f die Staaten nicht die traurigsten, und gewiß befanden pe m , besser dabei, als in der Folge und Gegenwart ,ene Lander , - Welchen die kirchliche Auktorität mißachtet wurde und wird. 374 Cesare Cantü äußert sich in seiner allgemeinen Geschichte des Mit¬ telalters, S. 330, über die damaligen Päpste also: „Ungleich an Charakter, an Leidenschaften und Neigungen, an geistigen Fähig¬ keiten, wollten sie alle den nämlichen Zweck; mir in den Mitteln wichen sie von einander ab. Sie übertrugen einander einen un¬ wandelbaren Willen in den höheren Angelegenheiten, während sie in den rein irdischen Dingen eine Politik befolgten, schwankend, wie die Menschen selbst; daher sie in jenen eine unwiderstehliche Macht entfalteten, in diesen aber oft kaum wider den schwächsten Feind sich vertheidigen können. Große, die als Dynasten den Päpsten gleich stehen, aufrührerische Völker, oder eroberungssüch¬ tige Könige beraubten den Papst seiner Länder, und bemächtigten sich seiner Person, darum aber dringt seine Stimme nicht minder furchtbar und Ehrfurcht gebietend in die entferntesten Gegenden, und die Völker erheben sich an dem Bewußtscyn, daß über den Großen dieser Welt eine Macht besteht, die ihnen Einhalt gebietet auf der Bahn des Verbrechens, und die den Despotismus ver¬ hütet, dem die Fürsten sich nur dann überlassen, wenn sie wissen, daß über ihnen keine Autorität mehr ist." 5. Es gewährt den Gegnern der katholischen Kirche Freude, uns einige unwürdigen Päpste vorzurücken. Was sie damit wohl be¬ zwecken mögen? Gegen die Kirche und das Papstthum ist da¬ durch in den Augen eines Unbefangenen Nichts, gar Nichts er¬ reicht. Denn es ist doch wahrlich kein logischer Schluß, daß dcß- halb, weil hie und da ein persönlich unwürdiger Papst auf dein Stuhle Petri saß, der Primat nicht göttlicher Einsetzung scy! Was dergleichen geschichtlich wahr und erwiesen ist, das können und brauchen wir Katholiken, wenn cs im Mangel an christlicher Liebe schadenfroh hervorgezogen wird, nicht zu läugnen, — offen¬ bar Falsches aber, wie es z. B. die Fabel von einer Päpstin Jo¬ hanna (angeblich um 855) ist, müssen wir freilich mit Entschieden¬ heit und Verachtung abweisen. Das Papstthum hat — wie die Kirche selbst als eine sicht¬ bare, nicht bloß ans Gerechten bestehende Gesellschaft betrachtet — außer seiner göttlichen, auch eine menschliche Seite, welche eben darin besteht, daß seine Träger nicht unsündige Mensche« sind, und daher möglicher Weise der überaus hohen Idee, die sich in ihnen ausprägen soll, mehr oder weniger widersprechen könne«. Auch Folgendes kommt in Betracht zu ziehen: Gerade da¬ durch hat sich unter Ander'em das Papstthum als göttliche Insti¬ tution bewährt, daß es ungeachtet und trotz des Aergcrnisseö, welches von seinem Sitze ausging, zu bestehen nicht aufhörte. Die unsichtbare Hand seines göttlichen Stifters hat es aufrecht erhalten, zum Beweise, daß seine Existenz nicht von dem persön¬ lichen Wcrthe eines Menschen abhängig sey. Ferner, sind es 1« nur kaum ein Paar Solcher gewesen, die den apostolischen Stuhl 375 durch ihr Betragen schändeten; und wann? auf welche Art sind sie auf denselben gelangt? Sie wurden der römischen Kirche im Zustande ihrer tiefsten Unfreiheit, und in einer Zeit der heillosesten politischen Anarchie von elenden Factionen aufgedrungen; so: nach dem Ausstcrben des karolingischen Hauses in Italien ein Sergius III. (904—911), ein Johann XI. (931—936), Johann XII. (956—964). Die bc- weinenswerthen Wirren des großen päpstlichen Schisma brachten einen Johann XXIII. (1410—1417); Wahlintrigucn einen Jnno- ccnz VIII. (1484—1492) und einen Alexander VI. (1492—1503), unglücklichen Andenkens, auf den päpstlichen Thron. Was konnte die in Trauer ob solcher Schmach gehüllte Kirche dafür? Sie mußte geschehen lassen, was sie zu bin¬ dern nicht im Stande war. — Und warum übersehen denn end¬ lich Jene, welche die von wenigen schlechten Päpsten ausgcgan- gencn Aergernisse so höhnisch a'ufdecken, anderseits so gerne die übergroße Zahl heiliger, weiser Statthalter Christi, — von den ersten Nachfolgern Petri an bis in die Gegenwart? Wie die katholische Kirche selbst die „heilige" heißt und ist, obwohl nicht alle Glieder derselben sich der Heiligkeit befleißen, so verehren wir das Papstthum als eine ob seiner Stiftung durch den Sohn Gottes, aber auch ob der Menge seiner heiligen Trä¬ ger „heilige" Institution. Die kleine Zahl der Unwürdigen ist nicht vermögend, seinen Glanz zu verdunkeln. Wenn sie durch ärgerliches Streben und Leben den glimmenden Docht, welchen sie hätten anfachen sollen, sogar noch löschten, so sind sic dafür dem verdienten Gerichte Gottes anheimgefallen; (siehe Möhlers Symbolik, S. 358.), — die Kirche mit ihrem Mittelpunkte der Einheit, dem Primate Petri, ist rein und makellos geblieben. 6. Die mehr als achtzehnhundertjährige Geschichte des Papst- thumes ist überreich an Beweisen, daß es unter dem besonderen Schutze des Herrn stehe, der seine Stiftung nicht zu Grunde ge¬ hen läßt, so groß auch die Gefahren und Bedrängnisse seyn mö¬ gen. Wir erinnern hier beispielsweise nur aus der neuesten Zeit an die Schicksale und Erlebnisse Pius VI., Pius VII., und Sr. jetzt regierenden Heiligkeit Pius IX. — Pius VI.') war als Ge- fangencr der französischen Republik am 29. August 1799, 81 Jahr alt zu Valence in Südfrankrcich gestorben. Die Feinde der ka¬ tholischen Kirche jubelten, und meinten: mit dem verhaßten Papst¬ thum sey es nun doch einmal zu Ende! Aber sieh! schon am 14. März 1800 erhielt die Kirche an dem zu Venedig unter oster- Um den Kaiser Joseph II zur Einstellung der in Betreff der Kirche er¬ griffenen Maßregeln zu vermögen, reiste er 1782 nach Wien, wo er vom 22. März bis 22. April genannten Jahres verweilte, und am 13. Juni wieder in Rom ankam. 376 reichischem Schutze gewählten Pius VII. ein neues Oberhaupt. Der despotische Erbe der französischen Revolution, Kaiser Napo¬ leon I. nahm ihm (1809) das Patrimonium S. Petri, und ließ ihn gefangen nach Frankreich fortschleppcn; aber am 24. Mai 1814 zog der heilige Vater abermals in sein Rom ein, wo er 1823 starb, — zwei Jahre später, als sein einst allgewaltiger Dränger auf der einsamen Insel St. Helena, als dorthin verbannter Störe- fried der menschlichen Gesellschaft, sein vielbewegtes Leben be¬ schloß (5. Mai 1821). — Der setzt glorreich regierende Pius IX. mußte vor den Umsturzmännern und seinen eigenen von ihnen ver¬ führten Unterthanen aus Rom verkleidet fliehen (in der Nacht vom 24. auf den 25. Nov. 1848). Ein gräuelvolles Regiment bemächtigte sich sodann der Hauptstadt der Christenheit; ein glau¬ bensloser Demagoge (J. Mazzini) setzte sich in der Peterskirche auf den Stuhl des zu Ga'eta im Exil weilenden Statthalters Christi. Doch sieh wiederum! Der Neffe und Thronerbe Napo¬ leons I., Desselben, der Rom einst dem Papste nahm, befreit es (2. Juli 1849) aus der Tyrannei der Blutrothen, und stellt es dem am 12. April 1850 zurückkehrenden heiligen Vater wieder zu- Wer erkennt hierin nicht die Fügungen Dessen, der gesprochen: „Auf dem Felsen — Petri — will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen"? XXL. Das Mönchthnm. In der katholischen Kirche nimmt, wie allgemein bekannt, das Mönchthnm, das Klosterwcsen, keinen unwichiigen Platz ein. Die neuere Zeit mir ihren Klosterstürmen und Aufhebungen, z. B. in der Schweiz, in Piemont, hat diesen Gegenstand in den Vorder¬ grund gestellt , und eben dadurch bewirkt, daß er die allgemeine Aufmerksamkeit in einem höheren Grade auf sich zog. Wie ab¬ weichend von einander die Urtheile darüber lauten, weiß Jeder, der nur einen flüchtigen Blick in die Tagesblätter wirft; auch in Werken von wissenschaftlicherem Werthe ist dies der Fall. Der Protestantismus hat überall, wo er die herrschende Confcssion wurde, alsbald die Klöster abgeschafft; doch fehlt es unter seinen Bekennern nicht ganz an Solchen, welche über das Mönchthum, über die Leistungen desselben im Allgemeinen, wie einzelner Or¬ den, oft ein billigeres und unbefangeneres Urtheil fällen, als manche Katholiken, welche aus kirchenfeindlichen, oberflächlichen Schriften, etwa gar aus Romanen, ähnlich jenen eines Eugen Sue, Belehrung schöpfen. Es scheint uns demnach keine nutzlose Arbeit zu seyn, zur Erzielung richtigerer Ansichten über das 377 Mönchthum hier durch einige Bemerkungen etwas bcizutragen. Wir können keine Geschichte desselben und der besonder» Orden liefern, wie sie bei aller Verschiedenheit ihrer nächsten Aufgabe, ihrer Einwirkung auf das Allgemeine, ihrer Beschäftigung, ihres Alters und Namens doch auf dem gemeinsamen Boden der Welt¬ en t sagu ng entstanden sind; sondern mässen uns, um nicht zu weitläufig zu werden, auf nachstehende Punkte beschränken: Wel¬ cher ist der Ursprung des Mönchthums? Welche Idee liegt ihm zu Grunde? In welcher Verbindung steht es zum Ehristenthumc? Ist es etwas diesem ursprünglich Fremdartiges, oder so recht schon vom Anfänge an Eigenthümliches? Diese Fragen greifen Eine in die Andere, weßhalb auch die Antworten darauf nicht auf das strengste gesondert werden können. Man hat hie und da behauptet, das Mönchwescn sey eine Nachahmung des Heidenthumes, aus demselben in die christliche Kirche von Schwärmern übertragen, und von gleichgesinnten Welt- und Menschenhaffern nach und nach weiter ausgebildet worden; wie sich auch unter den Juden die Essener oder Essäer, die neben den Pharisäern und Sadducäern an Zahl schwächste Secte, Zu ähnlichen, aus der alerandrinischeu Philosophie überkommenen Grundsätzen, bekannten. — Es ist zwar wahr, daß wir schon unter den gebildeten heidnischen Völkern des Altcrtbums eine dem christlichen Mönchthume analoge Erscheinung antreffen; wir finden nämlich Männer, welche sich von dem Gewählt der Menschen ausschieden, auf die Schätze und Freuden der Welt verzichte¬ ten, und sich in die Einsamkeit flüchteten, um, wie sie meinten, mit der Gottheit ungestörter verkehren zu können. Andere, wie noch fetzt die büßenden Brahminen, unterzogen sich allen erdenk¬ lichen Qualen, um ihre Selbstreinigung zu bewerkstelligen. Unter den Tibetanern, die sich zur Religion des Dalai-Lama bekennen, (so heißt der souveräne Oberpricster des Schamanentbnmesl gibt es klösterliche Anstalten; — auch der Islam bat leine Mönche, die Derwische (Fakire). Was folgt nun daraus? Nichts weiter, als daß die äußeren Erscheinungsformen einander ähnlich seyen; nicht aber, daß das christliche Mönchwescn mit Jenem (wenn mau es so nennen darf) anderer Religionen oder philoso¬ phischer Schulen der Sache nach Eins sey. Der Brabnune Peinigt sich selbst auf die grausamste unnatürlichste Weise, in dem Wahne, daß ehemals ein allgemeiner Verfall der Geister 7- auch des seinigen — Statt gehabt habe, aus dem er nur durch bei lei Kasteiungen sich selbst zu erlösen und zu heiligen, d. i. geh der Herrschaft der Materie und des Leibes zu entziehen vermöge, lin¬ ker den alten Philosophen lehrten die Pythagoraer, und noch mehr die Platoniker: der Leib müsse durch die Verzichtung aus alle sinn- hchen Genüsse, insbesondere auf die Ehe, darnledergebalten, und dadurch der Geist mit der Gottheit auf das Innigste verbunden werden. Aber welcher war der Grund dieser ihrer Lehre? ^t.ie Pythagoräer enthielten sich von dem Genüsse des Fleisches und 378 belebter Wesen zu Folge ihres Glaubens an die See len Wan¬ derung; die Platoniker trugen eine solche Strenge zur Schau, aus Haß gegen die böse Materie, und wohl auch aus Eitelkeit, nm von Andern bewundert zu werden. Hierin folgten ihnen die Gnostiker, und ähnliche Häretiker schon in den Tagen der Apostel und in den folgenden Jahrhunderten, die da behaup¬ teten, die Ehe sey an und für sich verwerflich, weil durch sie die Materie fortgepflanzt werde. (Vergl. I. Tim. Cap. 4, V. 3.) Ganz anders verhält cs sich mit dem Mönchthume in der christlichen Kirche. Da war es das Streben nach größerer als gewöhnlicher Vollkommenheit; das Streben, Christo dem Herrn in seinem irdischen Wandel, so wie jenem der Apostel, möglichst ähnlich zu werden, unbeirrt von irdischen Banden Gott allein zu dienen und ihm zu gefallen, was zur Entsagung auf die Güter und Freuden dieser Welt anspornte; und zwar um so mehr, als der Heiland und die Apostel, insbesondere Paulus, auf die besonders große Verdienstlichkeit solcher ungetheilten Hingabe an Gott hinwicsen. In gewissem Sinne, (freilich nicht in dem jener Feinde des Christenthums, welche den göttlichen Heiland zu einem Schüler der Essäer machen möchten), kann gesagt werden, daß schon Jesus und seine Jünger in ihrem Leben jene Grundsätze ausprägten, welche dem Mönchthume nachmals zur Basis dienten. Der Sobn Gottes batte ja nicht so viel eigen, wohin er sein Haupt hätte legen können; er gründete keine Familie und kannte keine Angehörigen dem Fleische nach; Mutter, Brüder und Schwe¬ stern waren ihm Jene, die den Willen seines himmlischen Vaters vollzogen. (Matth. Cap. 12, V. 50.) Diesem unterwarf er sich in Allem voll Ergebung, und entäußerte sich seiner selbst, indem er ihm gehorsam ward bis zum Tode am Kreuze. (Philipp. Cap. 2, V. 8.) Siehe die drei Hauptpfciler, über welchen das Gebäude des ganzen Mönchthums errichtet ist! — Aehnlich die Apostel. Welche von ihnen zur Zeit ihrer Berufung in ehelichem Verhältnisse standen, verzichteten fortan auf dasselbe; welche dm mals unverehelicht waren, blieben es auch dann. Ob sie auch nicht viel besessen, so verließen sie um Jesu und seines Reiches willen doch Alles, wenn sie sich von ihren Fischernetzen trenn¬ ten , oder wie Matthäus, ein anderweitiges Geschäft aufgaben, das sie nährte. Sie Alle lebten in Hinkunft nicht sich selbst, mast ihrer Eigenliebe; diese hatten sie im Gehorsam gegen den an M ergangenen Ruf vollkommen überwunden. Wie Paulus konnten sie Alle sagen: „Nicht ich lebe mehr, sondern Christus lebt m mir", und wurden „Allen Alles, um Alle Christo zu gewinnen - In den ersten drei Jahrhunderten, während der blutigen Ver¬ folgungen im römischen Reiche, bietet das Leben aller Ehr ¬ sten manche Aehnlichkciten dar mit dem der Einsiedler. Der -Ver¬ fasser des Briefes an Diognetus, ein Apostelschüler, beschreibt unnachahmbar schön. „Sie bewohnen, sagt er unter / das eigene Vaterland; sind aber darin wie Fremdlinge. 379 Allem nehmen sie zwar Thcil als Bürger; dulden aber Alles, wie Auswärtige. Sie befinden sich auf der Erde; aber ihr Leben ist im Himmel." Doch nicht nur im Leben Jesu und seiner Jünger finden wir gewissermaßen die Grundzüge des Mönchthums, als eines Standes der Weltentsagung und Entäußerung; sondern seine Lehre erwähnt ihrer ausdrücklich; denn aus der heiligen Schrift entnehmen wir, daß der Herr gewisse Tugendmittcl, zwar nicht allen seinen Gläubigen ohne Unterschied als absolut nothwendig vorgeschrieben, wohl aber Jenen, welche nach hö¬ herer Vollkommenheit ringen, und den Beruf zu ihrem Gebrauche in sich fühlen, als ganz vorzüglich wirksam an empfohlen habe. Sie sind unter dem Namen der evangelischen Räthe bekannt, und die schon angedeutetcn, nämlich: die freiwillige Enthaltsamkeit (Keuschheit), Armuth, und der Ge¬ horsam gegen einen eigenen Oberen. Wer sich zur Be¬ obachtung derselben durch ein feierliches Gelübde vor Gott, im Angesichte seiner Kirche, verpflichtet, wird heut zu Tage ein Mönch — eine Nonne — genannt. Wir lesen im 19. Hauptstücke bei Matthäus, daß der Herr einst, nachdem er die Unauflöslichkeit der Ehe gelehrt, und die Jünger darauf geantwortet hatten: „Wenn es sich so verhält; so ist es nicht gut heirathcu", ihnen entgegnete: „Nicht Alle fassen dieses Wort, sondern nur Die, denen es gegeben ist", d. i. welche von Gott die Gabe der Enthaltsamkeit erlangt habe». — „Denn es gibt Eunuchen, die vom Mutterlcibe als solche geboren sind; und es gibt Eunuchen, die von Menschen dazu gemacht wurden (die also unfreiwillig sich der Ehe enthalten); und es gibt Eunuchen, die sich um des Himmelreiches willen selbst (gleichsam) Verschnitten haben (indem sie aus freiem Entschlüsse auf die Ehe verzichteten). Wer es fassen kann, der fasse es!" (der handle darnach; doch gezwungen ist Niemand dazu) V. lO—12. — Die beste Auslegung dieses Ausspruches Jesu gibt der heilige Paulus im 7. Hauptstücke seines ersten Eorintherbriefcs, wo er ausführlich von der freiwilligen Ehelosigkeit um Gottes und des Himmelrei¬ ches willen handelt und die Virginität höher stellt als die Ebe; ohne jedoch der Würde dieser nur im Geringsten zu nahe zu tre¬ ten. Spricht er ja anderswo deutlich von ihrem sakramen¬ talen Charakter, und nennt sie (Ephes. Cap. 5, V. 32.) „ein großes Geheimniß in Christo und in der Kirche". — „Was die Jungfrauen — die Virginität — betrifft, schreibt er im obigen Briefe, habe ich kein Gebot vom Herrn — (wie darüber, daß die Ehe unauflöslich sey, V. 10.) — einen Rath aber gebe ich : Bist du an ein Weib gebunden, so suche nicht los zu werden; bist du aber frei von einem Weibe, so suche kein Weib. Wenn du aber heirathcst, so sündigest du n icht; und wenn die Jungfrau heirathet, so sündiget sie nicht; doch Solche werden Drangsale des Fleisches - manche Beschwerden des Ehestandes — haben. — 380 Ich wünsche, daß ihr ohne (derlei) Sorgen wäret (und ungestört euch dem Ewigen widmen möget); denn wer kein Weib hat, sorgt nur für das, was des Herrn ist, wie er Gott gefallen möge; wer aber ein Weib hat, sorgt für das, was der Welt ist, wie er dem Weibe gefallen möge, und er ist getheilt (zwischen Gott und der Welt). — Eben so verhält cs sich mit der Jungfrau und dem verheiratheten Weibe.-Wer seine (Tochter) "Jungfrau verhcirathet, thut wohl; wer sie aber nicht verheiralhet (versteht sich, wenn sie selbst einwilliget, ehelos zu bleiben), thut besser. Seliger ist sie, wenn sie so bleibt, nach meinem Rathe. Ich meine, daß auch ich den Geist Gottes habe" (also nichts demsel¬ ben, dem Geiste des Christenthumes, Widerstreitendes rathe). Der Standpunkt des Weltapostels, von welchem aus er, eingedrungen in den Geist Christi, das Verbältniß der freiwilligen Ehelosigkeit zur Ehe erörtert, ist also ein himmelweit verschiedener von jenem der obgenannten heidnischen Welt-Weisen und ihrer häretischen Nachtreter. Nicht anders faßten dies Verhältniß jene Christen der ersten Jahrhunderte auf, welche sich der Ehe enthielten. „Diese christ¬ lichen Lebensentwicklungen, schreibt Dr. I. A-Möhler (Geschichte des Mönchthums in der Zeit seiner Entstehung und ersten Aus¬ bildung — in seinen gesammelten Schriften und Aufsätzen) wer¬ den uns immer ein Geheimniß bleiben, und erscheinen uns als eine Verirrung, wenn wir nicht die Voraussetzungen unbefangen beurtheilen, die denselben zu Grunde liegen. Diese Voraussetzun¬ gen sind nichts Anderes, als die von Adam über alle Menschen ausgebreiteten traurigen Folgen seines Falles. — Die durch den Süudenfall eingetretene ungeordnete Liebe des Geschöpfes gegen die Geschöpfe erreicht in den geschlechtlichen Neigungen eine Stufe, wo sie nicht nur mit der Liebe zum Schöpfer um den Rang strei¬ tet, sondern dieselbe vielfach ganz in den Hintergrund drängt. — Ist nun anderseits gleichwohl durch Gottes liebevolle Leitung des Segensreichen, des rein und wahrhaft Beglückenden recht viel in der Ebe zurückgeblieben, hat er dieselbe sogar zur Würde des Sacramcntes erhoben und dadurch gebeiligct; so wird doch ZU Folge seinem Worte das jungfräuliche Leben als sittlich vollkom¬ mener betrachtet, denn das eheliche." (Bd. H. S. 168 u. ff.) Ein anderes Mal, — erzählt der heilige Matthäus Cap. Id, V. 16. u. ff. — trat ein Jüngling zu Jesu hin, und sprach „Guter Meister! was muß ich Gutes thun, daß ich das ewige Leben erlange?" „Willst du zum Leben eingehcn, erwiderte der Herr, so halte die Gebote (dies ist absolut noth wendig für Alle). Du sollst: (um einige der Hauptgebote anzuführen) nicht tödten; nicht ehebrechen; nicht stehlen; kein falsches Zeugniß geben. Ehre deinen Vater und deine Mutter und liebe deinen Nächsten wie dich selbst." Der Jüngling sprach: „Dies Alles habe ich von meiner Jugend an beobachtet; was fehlt mir noch?" Jesus ant¬ wortete ihm: „Willst du vollkommen seyn, (d. i. willst du 3M eine höhere Stufe der Vollkommenheit erreichen, als die Uebre¬ gen, so beachte das Folgende, was ich dir nicht als so strenge Pflicht, wie die obigen Gebote auflege, sondern nur als Rath anempfehle; nämlich:) so gehe hin, verkaufe Alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel ha¬ ben (statt dessen, den du auf Erden verlaßest); und komm, und folge mir nach". — Als der Jüngling dieses Wort gehört hatte, heißt es weiter, ging er traurig davon; denn er besaß viele Gü¬ ter (und seine Anhänglichkeit an sie war zu groß). Darauf sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Wahrlich, ich sage euch, es ist schwer, (wie Jesus dann näher erklärt, sehr schwer, aber mit der Gnade Gottes doch nicht unmöglich), daß ein Reicher ins Him¬ melreich eingehe". Zur Erlangung der Seligkeit ist also nicht die Entäußerung alles und jedes Besitzes, die wirkliche Armuth, unerläßliche Be¬ dingung, absolute Pflicht; der Herr preist auch den Reichen selig, wenn er arm im Geiste ist (Mattb. Cap. 5, V. Z.); nur Wer die Gabe erhalten hat und die Kraft in sich fühlt, auf den Besitz irdischen Gutes zu verzichten, um des himmlischen desto sicherer zu werden, mag es thun. Und thnt er es aus dieser reinen Absicht, so wird er eben dadurch vollkomme¬ ner, als Derjenige, der sich des Zeitlichen nicht ganz entäußert, wenn er übrigens sein Herz auch nicht eben daran hängt. Tenn Wer nur einzig und ganz nach Irdischem trachtet, und darüber das Eine Nothwendige aus den Augen verliert, ist für das Him¬ melreich ohnehin gar nicht geeignet. (Luc. Cap. 10, V. 42.) „Eine verwandte Betrachtungsweise, sagt Möhler (a. a. O. S. 169.) — wie mit der Ehe — herrscht in Betreff des Eigen¬ thumes. Dieses ist ohne Eigenheit der Menschen, ohne Selbst¬ sucht nicht denkbar. Die durch die Sünde aufgehobene Einheit der Menschen hatte eine äußere Trennung; der Zwiespalt der Gemüt her die Theilung der Güter der Erde zur Folge. Aus dem Unfrieden geboren, erzeugt das Eigenthum auch beständig großen und kleinen Krieg, und verläugnct seine Abkunft nicht. Und wie bezeichnend ist nicht der Ausdruck „das Seinige"; der Mensch ist geneigt, was sein eigen ist, wie einen Theil von sich zu betrachten, und je mehr er b esitzt, desto mehr glaubt er auch zu seyn. — Daher hören manche Menschen auf zu scyn, wenn ihr Eigenthum geraubt wird, oder sie sind nicht mehr bei sich selbst; denn gewiß hat man sie ihren selbst eiitrisscn. Die Worte des Herrn: „wo dein Herz, ist auch dein Schatz", sind nur dcßhalb so wahr, weil das Herz auch Das ist, was sein Schatz ist. In freilich sehr verschiedenen Abstufungen ist das Ge¬ sagte in der Regel bei jedem Besitz und Eigenthum der Fall; weßhalb die ersten Christen diejenigen Seelen vor Allen selig Priesen, deren Bräutigam Christus, und deren einziges Eigenthum Gott ist. — Gott — der den gefallenen Menschen wieder zu sich empor heben wollte — heiligte das Besitz- und Eigenthum, wie 382 des Stammes, der sich zu einem Volke ausbreitete, so der In¬ dividuen desselben. Im Dekaloge heiligen zwei Gebote das Eigcnthum. Dies anerkannte die Kirche, obgleich sie die frei ge¬ wählte Armuth in Verbindung mit der Jungfräulichkeit als das vollkommenere Leben darstellte; und das Höhere wie das Niedrigere ins Auge fassend, genügte sie allen Forderungen." Durch die Erbsünde wurde die sittliche Freiheit des menschlichen Willens zwar nicht aufgehoben, aber, gleich den an¬ deren höheren Geisteskräften geschwächt. Wer weiß es nicht, wie leicht der Eigenwille den Menschen zu unüberlegtem, ja sünd¬ haftem Thun hinreißt, weil ihn die Eigenliebe, das zu große Vertrauen auf eigene Einsicht, bcthört? Um davor mehr gesichert zu seyn, überläßt sich der nach höherer Vollkommenheit Strebende der Leitung eines Anderen; und indem er auf seinen Willen verzichtend, denselben in allen auf das vorgcsteckte Ziel nur irgend wie Bezug habenden Dingen seinem Vorgesetzten unterordnet, bringt er Gott selbst in freiem Gehorsam sich zum Opfer dar, so wie cs der Herr seinem himmlischen Vater gegenüber gethan. Darin liegt keine Sclaverci, keine Entwürdigung seiner selbst; son¬ dern eben eine so hohe Freiheit, daß nicht Jeder derselben fähig, sie aber darum auch nicht Jedem als Pflicht geboten ist. Gewiß ist der freiwillige Gehorsam in diesem Sinne als evangelischer Rath nicht minder in der Religion Jesu begründet — was wir schon angedeutet haben — als die freiwillige Ent¬ haltsamkeit und Armuth. Aus dem Gesagten ergibt sich, wie enge diese drei Stücke mit dem Christenthume Zusammenhängen. „Wenn cs anders wäre, hätte eine ganz ans Entsagung beruhende Lebensart wohl schon so früh und so allgemein Wurzeln fassen können, als es in der That geschah? So aber bestand in der Kirche, dem viel geglie¬ derten Leibe des Herrn, von ihrem Ursprünge an ein Glied, das als lebendige Erinnerung an den verlassenen höheren Zustand des gesummten "Geschlechtes zu betrachten ist, und als verkörper¬ ter Seufzer, als tiesathmendc Sehnsucht der Gläubigen nach der Rückkehr zu demselben zugleich. In diesem Gliede stellt sich uns am reinsten dar, wohin Alle mit schmerzenrcichcr Wehmuth zu- rückblickcn, und wobin Alle mit heißem Verlangen, als dem end¬ lichen Ziele vorwärts schauen. Wo dieses Glied nicht erstirbt, das ist wohl klar, wo es vielmehr frische Wurzeln hat, und grünt und Blüthen treibt, und edle Früchte trägt, da ist christliches Leben ; denn es ist aus den wesentlichsten Lehren des Christenthumcs hervorgctricben, und bringt dieselben stets zur frischesten An¬ schauung." (Möhler a. a. O. S. 170.) Das ist die katholische Auffassung des Mönchthums! „Die mit den Ordensgelübdcn — sagt Dr. Hirscher im H Bande seiner christlichen Moral "S. 317. — jenen Männern und Frauen, welche um des Reiches Gottes willen, Vater und Mutter, und Weib und Kind, und Häuser und Güter verlassen haben, un- 383 getheilt z. B. der Verkündigung des Evangeliums, oder dem Krankendienste wartend, bewiesene öffentliche, d. i. kirchliche Achtung ist das große Bekenntniß inmitten der Gemeinde fort¬ während ausgesprochen, daß Weib und Kind, und Macht und Gut nicht des Menschen Einziges, nicht des Menschen Höchstes, nicht des Menschen Unentbehrliches scyen; daß es vielmehr noch etwas Anderes gebe, was dessen Herz erfreuen, und ganz und gar ausfüllcn und beseligen könne. — Die solchen Männern und Frauen, welche den eigenen Willen aufgegeben, und alle ihre In¬ teressen und Wünsche einem Obern, einem religiös-sittlichen Ge¬ sellschaftszwecke, unterworfen haben, bewiesene öffentliche, d. i. kirchliche Achtung ist das große, in Mitte der Gemeinde fortwäh¬ rend ausgesprochene Bekenntniß, daß es des Christen Aufgabe sey, nicht selbstsüchtig für sich, sondern für den großen Gemein¬ zweck der Menschen zu arbeiten, und seine Einzelkraft der Idee des Ganzen zu unterwerfen." Man hat gegen die evangelischen Räthe, als den vorzüg¬ lichsten Gegenstand eines Gelübdes, vom Standpunkte der soge¬ nannten reinen Vernunftsmoral einzuwenden versucht, daß es keine solchen guten Handlungen gebe, die nicht strenge geboten sind. Alles was sittlich gut, sey eben darum auch Pflicht. — Dies würde freilich den Begriff eines Gelübdes anfheben; denn durch ein solches kann man sich nicht erst freiwillig zu etwas, was ohne Sünde ohnedem nicht unterlassen werden darf, vor Gott verbindlich machen! Aber, wird diese Behaup¬ tung nicht durch die Vernunft selbst, die da z. B. freiwillige Entsagung auf Hab und Gut, und dessen Vertheilung unter die Armen, mit dem Gebote: „Du sollst nicht stehlen" gewiß nicht auf Eine Linie setzt; wird sie nicht durch das innerste mora¬ lische Gefühl, so wie durch die Geschichte aller Zeiten, welche uns Gelübde auch unter den heidnischen Völkern, als: Aegyptcrn, Grie¬ chen, Römern u. A. in Menge nachweist, als falsch verur- theilt? Gewiß! Wie schon bemerkt wurde, und wie es die Gegenwart zeigt, waren und sind die Erscheinungsformen des Mönchthums verschie¬ den. Ihre Ausbildung war zunächst von besonderen Zeit- und Ortsverhältnissen bedingt. Zuerst begegnen uns in der ältesten Kirche die „Asceten", die „Entsagenden" (vom griechischen «axe/»-, «axyroil, — die sich in der Entsagung liebenden).. Es waren dies jene hervorragenden Christen, welche, ohne sich örtlich von ihren Glaubensgenossen zu sondern, vielmehr in der Mitte dersel¬ ben lebend, all ihr Eigenthum in milden Gaben für wohlthätige Zwecke verwendeten, chelos blieben und die nöthigen Bedürfnisse des Lebens durch den Ertrag irgend eines Gewerbes bestritten. Manches davon sogar noch zum Besten der Nothleidenden erübrig¬ ten. (Möhler a. a. O. S. 167.) So that es ja schon der Welt¬ apostel, als Zeltmacher. — Hippolytus, in der ersten Hälfte des dritten Jahrhundertes, erwähnt ausdrücklich der Asceten. — 384 Hiezu bemerkt Dr. Döllinger (im Hippolytus und Kallistus, S. 353 u. ff.): „Daß schon damals die Zahl Deren sehr groß gewesen scy, die sich, den Beschäftigungen und Zerstreuungen des Weltlebens entsagend, einem streng religiösen Leben, eheloser Ent¬ haltsamkeit, anhaltender Contemplation, oder häufiger Gebetsübung widmeten, darf nicht bezweifelt werden. Diese asketische Lebens¬ weise hatte keine genau geregelte Form; cs gab noch keine Schule dafür, kein Zusammenleben Vieler fand Statt. Virginität war das, was am Allgemeinsten beobachtet wurde. Einzelne fügten dazu noch die Enthaltung von Wein und Fleisch. Nickt bloß Laien, auch Bischöfe und Kleriker, gehörten öfters zu diesen As¬ keten, und es geschah häufig, daß Gatten durch freie Uebercin- kunft dem asketischen Leben sich widmend, fortan nur als Brüder und Schwestern, entweder mit Aufhebung der gemeinschaftlichen Wohnung oder auch mit Beibehaltung derselben lebten. Schott Justinus rühmt, er könne in allen Ständen Personen aufweisen, die bis in ihr hohes Alter in freiwillig gewählter, unbefleckter Ent¬ haltsamkeit gelebt hätten, (spol. I. e. 13.) Athauagoras (Ie°M. e. 28.) gedenkt feuer zahlreichen Christen von beiden Geschlechtern, die, um zu innigerer Verbindung und näherem Verkehre mit Gott zu gelangen, im Cölibat alterten; es sind fene Aus erwählten unter den Erwählten, die, wie Clemens von Alexandrien sagt, sich aus den Stürmen der Welt in den sichern Hafen zurück¬ gezogen haben; fene Asketen , auf die sich Origenes dem Celsus "gegenüber beruft, (contra Ools. p. 615.) deren Lebensweise, wie er sagt, beim Gebrauche gleicher Mittel, doch dem Zwecke nach sehr verschieden von der der Pythagoräer war. — Daß Einzelne auch freiwillige Armuth erwählten, zeigt das Beispiel des Presbyters Pierius Von Alexandrien (Hieronymus äe seiipt. eccle- sisstieis e. 7fl.)." Leider hatte sich gegen die Mitte des dritten Jahrhundertcs, als sich unter Begünstigung eines länger andauernden Friedens die Kirche mehr und mehr ausbrcitete, viel Wcltsinn, religiöse und sittliche Erschlaffung unter die Christen eingcschlichen; die frü¬ here Begeisterung war vielfach erstorben. Da hielten sich die As¬ keten desto mehr von dem städtischen Leben ferne, und zogen sich um so lieber in eine einsame Gegend am Lande zurück, wo sie fick in der Stille der Natur mächtiger und ungestörter zu Gott lsin- aufgezvgcn, aber auch vor den, unter Kaiser Dezius (250—252) wieder ausgebrochenen Verfolgungen der Heiden sicherer fühlten- Dort lebten sie in einer kleinen Hütte, entweder einzeln für sich, oder zu Zweien, Dreien, nach einer selbst gewählten Regel. Sic hießen darum Anachorctcn, d. i. die Zurückgezogenen, von — sich entfernen (vom Gewühle der Menschen); oder Eremiten, d. i. Einsiedler, von einsame Gegend. (Siehe Katerkamps Kirchcngeschichte, Bd. II. S. 96.) Viele hatten die Einsamkeit so lieb gewonnen, daß sic dicsclbe auch nach dcm Aus- Hören der Verfolgung nicht wieder mit dem Leben in der Wclt 385 vertauschen wollten. Das jedem Menschen innewohnende Bedürfniß nach Mittheilung und Geselligkeit, verbunden mit der Ueberzeugung, daß das fortwährende Beschränktscyn auf sich allein auch seine Gefahren habe, bewog sie bald, sich Geistesverwandten anzuschlie- ßcn; dadurch war der Uebergang aus dem früheren Ascetenleben in das der Gemeinschaft eingelcitet; so entstanden Klöster, (von dem lateinischen elausti-um, ein abgeschlossener Ort) voe- nobia (von XS/V05, gemeinschaftlich, und Leben), mit Mön¬ ch en (von /uoi/o-NsL', ein einzeln Lebender), bald auch mit Non¬ nen (ein ägyptisches Wort, — Jungfrau). Die Wiege des Mönchthumcs war Aegypten; aber nicht ein¬ zig deßhalb, weil das Klima und die Naturbcschaffenheit dieses Landes von jeher einen gewissen düsteren Sinn erzeugt haben, obwohl diese Umstände nicht ohne Einwirkung waren. — Dort batten sich, insbesondere in den Wüsten, die sich an der linken Seite des Nils, vom See Möris an, bis nach Aethiopien hin erstrecken, eine Menge Eremiten niedergelassen. Namentlich be¬ kannt erscheint zuerst der heil. Paulus, aus Theben, ungefähr um das Jahr 250. Kurz vor seinem Tode (um 310) kam mit ihm der berühmte heil. Antonius, aus Obcrägypten, zusam¬ men, der Stammvater der eigentlichen, in Gemeinschaft le¬ benden Mönche. Dieser starb, hundert und fünf Jahre alt, im Jahre 356. Ammon, ein reicher Aegypter aus sehr vornehmer Familie, des heil. Antonius jüngerer Freund, sammelte die Ein¬ siedler auf dem nitrischcn Gebirge — südwestlich vom See Mö¬ ris. — Am Ende des vierten Jahrhundertes zählte seine Genos¬ senschaft sogar 5000 Brüder. — Als der erste Gesetzgeber der Mönche trat Pachomius auf, auch ei» Aegypter ans Ober- Thebais, f 348. Er war von dem ehrwürdigen Greise Palemon in das asketische Leben eingeweiht worden, und errichtete außer dem Haupt-Eönobium auf der Nilinsel Tabena noch einige andere, deren Bewohnern er eine übereinstimmende Lebensweise ver¬ schrieb. Die Schwestern des Antonius und Pachomius, und die Gemahlin des Ammon — mit welcher er aber in völliger Enthalt¬ samkeit lebte, hatten dieAscetinncn zum gemeinsamen Leben ver¬ sammelt, für welche Pachomius gleichfalls eine bestimmte Regel entwarf. — Hilarion, geboren 291 unweitGaza (4 371) führte das asketische Leben in Palästina ein, von wo es sich rasch wei¬ ter gegen Osten verbreitete. An dem großen heil. Basilius, Erzbischof zu Cäsarea in Cappadocien (geb. 329), dessen Regel noch gegenwärtig die Grundlage der Klöster in der griechischen Kirche bildet, hatte das Mönchthum im Oriente den eifrigsten Beförderer. Durch den heil. Athanasius, Erzbischof zu Alerandrien, wurde es in das Abendland verpflanzt, wo der heil. Martrnus, Bischof zu Tours im vierten Jahrhunderte, die ersten, nach festen Normen eingerichteten Klöster erbaute, und wo der heil. Ambrosius, Hieronymus und Augustinus (am Ausgange des nämlichen 25 386 Jahrhunderts) sich dem Klosterwesen gleichfalls sehr geneigt be¬ wiesen. Berühmt wurde der um 410 vom heil. Hon orat, (ge¬ storben 428 als Erzbischof von Arles) auf der Insel Lerina (Le- rins) im Süden Frankreichs gegründete Mönchsverein; bald dar¬ auf (415) errichtete Johannes Cassianus zwei Klöster, Eins für Männer, das Andere für Frauen, zu Marseille; — so daß sich in unbegreiflich kurzer Zeit das Mönchthum allüberall ver¬ breitete. Der erste eigentliche Ordensstifter im Abendlande war aber der heil. Benedict, geboren zu Nursia, dem heutigen Nor- cia, in Umbrien (480, f 543). In seine Fußstapfen traten im Verlaufe der Jahrhunderte viele andere gottbcgeisterte Männer und Frauen. Wir bemerken nur noch, daß anfänglich die Mönche der Mehrzabl nach Laien waren, »nd jedes Kloster nur Einen, oder zwei Priester zur Besorgung des Gottesdienstes unter seinen Mit¬ gliedern zählte. Daß sich gegen die Idee, auf welcher das Mönchthum be¬ ruht, vom christlichen Standpunkte aus nichts Stichhältiges Vorbringen lasse, dürfte aus dem Gesagten hinlänglich cinleuchten- Ob die einzelnen Orden ihrer, ursprünglich gewiß edlen Be¬ stimmung immer treu geblieben seyen, oder nicht, ist eine Frage der Geschichte, und muß daher ans dieser beantwortet werden. Die Kirche, — aber nur sie — hat das Recht, solche Orden, die einer Auffrischung bedürfen, zu resor miren, d. i. den Geist ihrer Stifter in ihnen wieder zu erwecken; Orden sogar aufzu¬ heben, wenn sie ihre Bestimmung gar nicht mehr zu erfüllen im Stande wären. Nicht der wandelbare Zeitgeist kann dar¬ über entscheiden! Gegen Orden und Klöster im Allgemeinen losziehen, verräth Befangenheit des Urtheiles und Parteilichkeit. Denn unläugbarer Verdienste darf sich das Mönchthum, zumal im Abendlande rühmen. Aus den Klöstern gingen die Missionäre aus, welche das Licht des Evangeliums auch in unsere Länder brachten — man gedenke eines heil. Severinus, Bonifacins, der heil. Bruder Cyrillus und Methodius u. A.; — in den Klöstern wurde in der Zeit der so gerne geschmähten mittelalterlichen Bar¬ barei nicht nur die kirchliche, sondern auch die profane Wisss"- schäft gepflegt; sogar Ackerbau und Gewerbe verdanken ihnen ihr Emporkommen. Denn, wo sich Mönche nicderlicßen, machten sie die Wildniß urbar, und bald gewann die Gegend um ihr Kloster ein freundlicheres Aussehen. An die Stelle der Rohheit und Ar- muth trat Gesittung und Wohlstand. — Man höre darum doch auf, die Klöster sammt und sonders nur als Pflanzschulen der Verfinsterung und des krassesten Aberglaubens darzustellen! ^7 Wer hat ferner für die le id ene M en schheit Großartigeres und Dauernderes geleistet, als jene Mönche und Nonnen, welche sich um Christi willen, nich t um irdischen Lohn, ihrem Dienste ausschließlich gewidmet haben, und noch widmen? Ma« 387 übersehe endlich nicht, daß sich die heiligsten und größten Männer der Kirche für die möglichste Verbindung des beschaulichen Lebens mit dem thätigen in den Klöstern ausgesprochen habe». Doch dürfen auch jene Orden, bei welchen das erste — das be¬ schauliche Leben und Gebet vorwiegt, deßhalb nicht des from¬ men Müßigganges beschuldiget, und dem allgemeinen Wohle unnütz genannt werden. „Ein materielles Zeitalter, schreibt Möh¬ ler a. a. O. S. 208, hat von den übersinnlichen höchsten Thätig- keiten des menschlichen Geistes, und dem von diesen über das Gc- sammtlcben sich verbreitenden Segen nicht einmal eine Ahnung. Es hält demnach die in der letztgenannten Thätigkeit Begriffenen für unthätig, und ihr ganzes Daseyn für nichtig in sich selbst. Einst aber dachte man sich die wahren Mönche gleichsam als Sammelpunkte göttlicher Kräfte, als eine viel vermögende, Got¬ tes Gnade durch ihr Gebet herabziehende Macht, deren unsicht¬ barem, ans Alle sich erstreckendem, erhaltendem, schützendem, för¬ derndem Einflüsse Alle zu Dank verpflichtet sind.» Was der Kirche fromme, weiß wohl sie am besten zu be- urtheilen! XXXI. Humanität. Jede Zeitperiode, auch die unsere, hat gewisse Schlagwörter, mit welchen gerne Mißbrauch getrieben wird; was um so leichter geschehen kann, aber auch um so gefährlicher ist, weil dieselben, außer der unwahren, meist eine ganz gute Bedeutung znlasscn. So ist dies unter Anderem der Fall mit der „Toleranz, d. i. re¬ ligiösen Duldung". Versteht man darunter die auch dem Anders¬ gläubigen schuldige Nächstenliebe, wie sie der Heiland in der Parabel vom barmherzigen Samaritan (Luc. Eap. 10.) eingeschärft hatte, — so wird kein Katholik, der den Geist seiner heiligen Kirche kennt, dagegen etwas zu bemerken finden, indem er wohl weiß, daß cs diese bei keiner Gelegenheit unterläßt, den Ihrigen die Pflichten der Gerechtigkeit und Liebe gegen Jedermann ohne Unterschied des Bekenntnisses an das Herz zu legen. Wird aber obiges Wort als synonym genommen mit Gleichgültigkeit gegen alle und lede positive Religion, so muß die katholische Kirche ihre Mitglieder auf das Entschiedenste vor einer fälschlich so ge¬ nannten Duldung warnen, und dieselbe verwerfen. Warum sie es thue, und daß sie dabei vollkommen in ihrem Rechte scy, leuch¬ tet aus der Abhandlung über den Religions-^ndiffcrentismns ein. Ein gleiches Bcwandtniß hat cs mit dem Worte „Humanität", welches gar häufig im Munde geführt, und hie und da zur katho¬ lischen Kirche in eine solche Beziehung gebracht wird, als ließen 25 * 386 sich Beide nicht recht mit einander vereinbaren. Meint man eine Humanität im Gegensätze zur, oder wenigstens ohne die christ¬ liche Charitas — dann freilich kann die Kirche damit eben so wenig einverstanden seyn, als sie eine sogenannte bloße Vernunft- Religion durchaus nicht als genügend anerkennen kann. Beide Jrrthümer, nämlich: daß es eine richtige Er kenn tniß Got¬ tes und unseres Verhältnisses zu ihm ohne übernatürliche Offenbarung; und eine echte Humanität ohne christ¬ liche Liebe geben könne, stehen im innigsten Zusammenhänge. Man hört sogar vom Cultus einer „reinen Humanität", von einer „Religion" derselben als jener der Zuknnst reden, welche etwa das Christenthum entbehrlich machen, und weiß Gott! wel¬ ches Glück auf Erden schaffen solle. So etwas verweisen wir, damit wir es kurz sagen, in das Reich der Träume und unreifen Theorien. Dem menschlichen Elende auf die Dauer abzuhelfcn, insoweit dies nur immer thunlich ist, vermag am besten das Cbri- stcnthum und seine Trägerin — die Kirche. In ihr ist Geduld, Nachsicht, Opferwilligkeit, Friede und Eintracht. — Stellt ja die christliche Religion die Nächstenliebe ohne Unterschied des Standes, der Religion, der Nation, und sonstiger äußerlichen Verhältnisse, als das zweitgrößte Gebot auf, so, daß Wer dieselbe nicht übt, am Reiche Gottes keinen Antheil haben werde. (Matth. Cap. 22, V. 37—40.) Sogar die Fcindesliebe, von welcher das Heidcn- thum gar keinen Begriff hatte, und der selbst im Judenthume das Wicdcrvcrgeltnngsrecht im Wege stand, wurde vom Herrn zur strengen Pflicht gemacht, indem er lehrte: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Äug' um Äug', Zahn um Zahn (3. Mosis Cap. 24, V. 20.). Ich aber sage euch: Ihr sollt dem Uebcl nicht widerstehen; sondern wenn dich Jemand auf deinen rechten Backen schlägt, so reiche ihm auch den anderen dar. — Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist, du sollst deinen Nächsten lieben, und dei¬ nen Feind Haffen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, th»t Gutes Denen, die euch hassen, und betet sür Die, welche euch verfolgen und vcrläumden; auf daß ihr Kinder scyd eures Vaters, der im Himmel ist, der seine Sonne über die Guten und Bösen aufgehen, und über die Gerechten und Ungerechten regnen läßt. Ihr sollet (eben durch solche Liebe) vollkommen seyn, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist". (Matth. Cap. 5, V. 38—48). Deßhalb heißt das Christenthum vorzugsweise die „Religion der Liebe", welchen Namen die anderen Religionen nicht verdienen, zumal der Islam nicht, der unversöhnlichen Haß gegen Anders¬ gläubige einflößt und nährt. Es wird doch Niemand im Ernste dem Christenthume den Vorwurf machen wollen, daß es das Leben nur von einer düste¬ ren Seite auffaffen lehre, weil es den Menschen so oft an seine Hinfälligkeit und Sündhaftigkeit erinnert; weil cs die sündigen Freuden und Genüsse verpönt, und auch in Betreff der erlaubten Mäßigkeit anempfieht, laut der Ermahnung des Weltapostels: 389 „Die, welche sich freuen, sehen, als freuete» sie sich nicht; — und Die, welche diese Welt brauchen, als brauchten sie selbe nicht, denn die Gestalt dieser Welt vergeht!" (I. Cor. Cap. 7, V. 30, 3l.) War der heil. Paulus dieserwegeu, oder weil er an die Colosier schreibt: „Suchet, was droben ist, wo Christus ist, der zur Rechten Gottes sitzt. Was droben ist, habet im Sinne, nicht was auf Erden " (Cap. Z, V. 1.) etwa inhuman? Er sagt im nämlichen Schreiben ladia- tor verkauft, (so hieße» die Sclavcu, welche im Amphitkcatcr zur Belustigung der gewiß nicht humanen Zuschauer mit wilden Tkie- ren oder auch mit Fechtern auf Leben und Tod kämpfen mußten) 392 erregte. Erst durch M. Licinius Craffus und Cu. Pompejus wurde ihm ein Ende gemacht. — Daß auch unter den alten heidnischen Deutschen der Sclave kaum mehr als das Thier galt, kann nm so weniger befremden. — Wie Erinnerungen an einen einstmaligen besseren Zustand, in wel¬ chem noch keine Sklaverei war, kommen uns einige heidnischen Feste und Institutionen vor, — wie freundliche Sonnenblicke in die Nacht des tiefsten Sklaven-Elendes. So die Saturnalien, um die Zeit unserer Weihnachten, an welchem Feste die Sclaven mit den Freien speisten, und sogar von ihnen bedient wurden; ein ähnliches Fest zu Cydonia auf der Insel Creta, und in Attika schon zur Zeit Cecrops (um 1582 v. Chr.). Auch gab es hie und da Asyle, wohin sich bedrängte Sklaven flüchten konnten; als: der Tempel des Hercules zu Canobus in Aegypten; in Rom die Vestalinnen, die Tempel, Statuen, und Altäre der Götter und Kaiser. — Doch dies waren, so zu sagen, nur augenblick¬ liche Unterbrechungen der Sclavcnleiden; die Wurzel des Uebels, die in der grundfalschen heidnischen Anschauung vom Men¬ schen bestand, blieb dadurch unangetastet. Was sagten denn aber die Philosophen dazu; was thaten sie zur Aenderung eines die Menschheit so tief verletzenden Ver¬ hältnisses? Plato's eigene Ansicht hierüber läßt sich mit voller Bestimmtheit nicht angeben; nämlich ob er wohl die Sklaverei als eine natürliche Einrichtung ansah, welche ans der dem Skla¬ ven ursprünglich innewohnenden niedrigeren Seele herstamme? Es kommen in seinen Schriften, als: im Staatsmanne, und vor¬ züglich: in den Gesetzen, allerdings Stellen vor, die einer milde¬ ren Behandlung der Sklaven das Wort reden; aber über die N a- tur derselben läßt sich Plato nicht aus, sondern hat mehr die praktische Seite der Frage im Auge. Das Gleiche gilt von eini¬ gen Stellen aus Cicero's Werken; namentlich von „den Pflichten"; aus den arrianischen Abhandlungen Epictet's (aus Hierapolis in Phrygien, selbst einst Sclave eines Hausbeamten des Kaisers Nero, dann Freigelassener); aus Plutarch (aus Chäronea in Böo¬ tien, s 120 n. Chr.), aus den Satnrnalien des Macrobius. Hingegen erklärt Aristoteles die Sklaverei ohne Bedenken für durchaus naturgemäß. Er spricht dem Sklaven zwar die Ver¬ nunft nicht ganz ab, während das Thier nur vom Instinkte ge¬ leitet sey; aber derselbe fühle mehr die Vernunft (dasVermögen dazu), als er sie wirklich habe, (äo repnklioa lib. I. e. 1—7.) Dieser schroffsten Betrachtungsweise gegenüber macht die unter den Griechen und Römern unstreitig mildeste des Seneca einen um so wohlthuenderen Eindruck. „Nicht die Natur schon, sagt er, hat Jemanden zum Sklaven bestimmt. Mancher Sclave ist vielleicht seiner Gesinnung nach freier, als der Freigeborene. — Keine Dienstbarkeit ist schändlicher, als die freiwillige, — unter der Herrschaft der Sünde. — Sklaven sollen freundlich behandelt werden; damit auch sie den Herrn mehr hochschätzen, als 393 fürchten. Nicht darauf ist zu sehen, wieviel man den Sklaven ungestraft leiden lassen dürfe, sondern was billig und gutsey."*) So human aber auch diese Sprache seyn mochte, sie war doch, weil die eines Einzelnen, viel zu schwach, um irgend eine» Ein¬ fluß auf die allgemeine Verbesserung des Sclavenzustandcs auszuüben. Um hierin eine völlige Reformation durcbzusetzcu, war eine höhere, als bloß menschliche Auctorität erforderlich. „Da uns bekannt ist, — sagt Dr. A. Möbler in seiner Schrift: Bruch¬ stücke aus der Geschichte der Aufhebung der Sclaverei, eben über Seneca — wie der Mensch auch obne Christus das Gute kennt, und billigt, aber nur nicht recht ausübt, so werden wir auch hier nur Veranlassung finden, das Loos des gefallenen Menschen zu beklagen, der zwar über viele Verbältnisse des Lebens trefflich denken und sprechen, aber obne Verbindung mit Cbristus dem Ge¬ danken keine wahre, Leben umbildende Kraft zu geben weiß." (Gesammelte Schriften und Aussätze. II. Bd. S. 78. > Aber, kann cingewendct werden, bestand denn nicht auch un¬ ter den Juden im alten Bunde die Sclaverei? — Darauf ant¬ worten wir, was der Herr, als er die Unauflöslichkeit der Ehe im neuen Bunde lehrte, den Pharisäern entgegnete, die da spra¬ chen: „Warum hat denn Moses beso bl en, einen Scbcidcbricf zu geben, und (das Weib) zu entlassen?" Er sagte: „Moses bat dies euch eurer Herzenshärtigkeit wegen erlaubt (also nicht befoh¬ len); im Anfänge aber (d. i. vor dem Sündenfalle) war cs nicht so." (Matth. Cap. 19, V. 7, 8.) Auch das Sclavenbalten war den Hebräern nur aus dem Grunde gestattet, weil ste durch die Offenbarung zu humaueren Gesinnungen erst allmälig heran¬ gebildet werden mußten, und weil die plötzliche Abstellung einer unter allen alten Völkern so tief eingewurzelten Einrichtung nicht thunlich gewesen. Indessen war die Lage der hebräischen Sclaven eine ohne Vergleich günstigere, als derer unter den Heide». Das mosaische Gesetz selbst hatte für sie gesorgt; ihr besseres Loos hing nicht allein von der Gutmüthigkeit eines oder des andern Herrn ab. Sie konnten Eigcnthum erwerben, und sich durch das Er« *) „Luici ost egues llomsnus, out libertinus, out servus? Domino ex om- ditione, out ex injuris noto." (ep. 31.) — „8ervus est? secl tonlose libee onimo. 8ervus est? bno illi nocebit? Oslemie, gnis non sit. ^llus libiclini servit, slius »vsritise, »lius omkitioni, omnes lnnori. — Dulls servilus lurpior est, qusm voluntorio." (ep. 47.) — „8ecv> sunt, immo eontubernsles. 8ervi sunt? immo Iiumiles onuci. 8ervi sunt immo conservi, si eoxitsveris tontunclem in utrosgue lieerv torlnnoe. — kroverbium soctoturi loticiem esse bestes, guot servns. Don tistiemus illos bostes, seli koeimus. — Vive enm servo clemenier. romilee guoguv et in sermonem oclmitle, et in eonsilinm et in convictum. Lolont te polins (servi) nuom timeont." (ep. 47.) — „servis inipe- rore moclerste. lous est; et in moncipio coxUouclum est, non guontnm iilucl impune poti possit, seči guontum tibi permiltot oegui bmunne n.i- tiirs, guse porcere etiom coplivis et pretio poroti? gilbet." (ne clenien- lis lib. I. cop. 18.) 394 worbene loskaufcn. (3. B. Mos. Cap. 25, V. 49.) Der Sklave konnte zwar von seinem Herrn körperlich gezüchtiget werden; aber dieser war rücksichtlich der Folgen nicht außer Verantwortung. (Siebe 2. B. Mos. Cap. 20, V. 21; Cap. 2l, V. 20.) Wurde der Sklave durch die Züchtigung, wenn auch nicht auf das Aergste, verstümmelt, so ward er dadurch frei. (2. B. Mos. Cap. 21, V- 26.) An allen Sabbat- und Festtagen sollten sie Ruhe ge¬ nießen (ebenda Cap. 20, V. 10.). Später wurden diese Begün¬ stigungen auch auf jene Sklaven ausgedehnt, welche nicht von israelitischen Eltern geboren waren. Von den Eingeborenen heißt es überdies (2. B. Mosts Cap. 21, V. 2.): „Wenn du einen hebräischen Knecht kaufest, so diene er dir sechs Jahre; im sieben¬ ten (dem Sabbat-) Jabre soll er frei werden unentgeltlich". Im Jubeljahre — welches nach sieben Jahreswochen cinfiel, also das je fünfzigste war, gelangten, wie überhaupt alle armen Israeliten zu ihrem Besitze, so auch Alle, die sich aus Armuth zu Sklaven verkauften, wieder zu ihrer Freiheit. Und: „Welchem du die Freiheit schenkest, — lautet eine Bestimmung (5. B. Mos. Cap. 15, V. 13—15.) — Den sollst du nicht leer gehen lassen; sondern ihm Wegzehrung geben. — Gedenk, daß auch du gedient im Laude Aegypten, und daß der Herr dein Gott dich erlöset hat; und darum gebiete ich dir nun also". — War dies nicht menschenfreundlich? — (Siehe Dr. Jos. Fr. Allioli's Handbuch der biblischen Alterthumskunde; politische Altcrthümer S. 72.) Ungleich Höheres aber hat das Christen thum und die Kirche geleistet. Dieser erst war cs Vorbehalten, die Ketten zu lösen, in welche ein Mensch den Anderen geschlagen hatte. Daß ein so schwieriges Werk nicht auf einmal durch¬ geführt werden konnte, versteht sich übrigens von selbst. Mit der großen Wahrheit, welche die Kirche vortrug, daß nämlich feder Mensch nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen, zur Unsterblich¬ keit bestimmt, durch das Blut Christi nicht etwa nur von einem zeitlichen, sondern von einem ewigen Elende erlöst worden; daß Gott der Vater Aller, ohne Ausnahme, sey; daß, wie derWclt- apostel lehrt (Coloss. Cap. 3, V. 11.) „kein Unterschied mehr be¬ stehe zwischen Heiden und Juden, Beschneidung und Vorhaut, Barbaren und Skythen, Knechten und Freien; sondern Alles und in Allem Christus sey" — mit dieser Wahrheit, wenn und wo sie sich Anerkennung verschaffte, war die Sklaverei in der Länge der Zeit durchaus nicht zu vereinbaren. In seinem Fundamente war das aller Humanität Hohn sprechende Institut schon erschüttert, und unhaltbar geworden, wenn auch die äußeren Verhält¬ nisse der Sklaven nicht sogleich eine augenfällige Veränderung erfuhren. „Uebcrwindung der Sklaverei, — sagt Dr. Döllinger in H>p- polytus und Kallistus, S. 177, — wie sie im römische» Reime bestand, war eine der großen Aufgaben, deren Lösung der christ¬ lichen Kirche von der göttlichen Vorsehung gestellt war, — en" A95 Aufgabe, welche nicht sowohl durch bewußtes und absichtliches Streben der einzelnen Christen, oder der Bischöfe, als vielmebr durch die stille natürliche Wirkung der in die heidnische Gesell¬ schaft eingedruugenen christlichen Grundsätze erreicht werden sollte. Wohl mochte den einzelnen Kirchenlehrern und Bischöfen die Trag¬ weite dieser Grundsätze bezüglich der Sklaverei nicht immer klär seyn; sie gaben sich wohl nicht Rechenschaft darüber, ob über¬ haupt ein völliges Aufbören der Knechtschaft, welche so tief mit allen bestehenden Einrichtungen verwachsen schien, möglich sey, und in welcher Weise die socialen Verhältnisse nach der Auflösung dieses allgemein sür unentbehrlich gebaltenen Institutes sich ge¬ stalten sollten; das aber war doch Allen klar, daß cs so nicht bleiben dürfe, und daß die christliche Kirche berufen sey, diese Millionen allmälig aus der Versunkenheit, in die sie das römische Heidenthum hinabgedrückt hatte, zu erheben." Nach der ergreifenden Schilderung des rcchtslosen Zustandes der Sklaven unter den Heiden, fährt derselbe Autor fort (S. 180): „Da trat eine Gesellschaft im römischen Reiche auf, in deren Schooße Freie und Sklaven gleich seyn sollten — die Kirche. Diese Gleichheit der religiösen und kirchlichen Rechte konnte die Kirche sogleich geben, und sie tbat es; das Uebrige mußte das Werk der Zeit seyn. Mit der sittlich religiösen Erziehung der Sklaven mußte sie den Anfang ihrer Erbebung machen. Sie lehrte, wie Origenes (aävors. Oelsnm lib. UI. 54.) sagt, die Knechte durch den Glauben sich eine freie Gesinnung anzneignen, und so zur Freiheit zu gelangen. Hier wurden auch Sklaven kirchliche Aemter übertragen; hier gab es eine Klasse von Personen, deren asketische Lebensweise es mit sich brachte, daß sie auf die Dienste von Sklaven verzichteten. Bis ins dritte Jahrhundert hatte die Kirche durch die ihr innewohnenden Kräfte so viel erreicht, daß ein christlicher Sklave sicher durchschnittlich ein edleres, besseres, zur Erfüllung der höheren Ehestandspflichten tüchtigeres Wesen war, als ein römischer Senator oder Patrizier, wie sie uns die Geschichte fencr Zeit zeigt." Wie wahr dies sey, beweist die heil. Schrift selbst, und die Geschichte der Kirche unmittelbar nach den Tagen der Apostel. Zunächst nur die Umgestaltung des inneren Menschen be¬ zweckend, ließen diese die äußeren Verhältnisse an sich, wie sie waren. Ohne Unterschied wandten sie sich mit der frohen Bot¬ schaft vom Reiche Gottes an Freie und Sklaven. Den christlichen Sklaven schärfen sie Gehorsam ein gegen ihre Herren, und zwar sowohl die harten, als die milden. (Ephes. Cap. 6, V. 5; Coloff. Cap. 3, V. 22—25; I. Petri Cap. 2, V. 18.) Der als Sklave zum Heile Berufene solle mit seinem Loose nicht unzufrieden seyn, und bleiben, was er ist; denn wer im Herrn berufen ward als Knecht, ist ein Freigelassener des Herrn (von der Sünde frei ge¬ macht durch den Erlöser); wenn er aber auch bürgerlich frei werden kann, (auf gesetzlichem Wege), so mache er sich dies um 396 so mehr zu Nutzen. (I. Cor. Cap. 7, V. 21, 22.) — Aber nicht minder wird den Freien zu erwägen gegeben (ebendaselbst), daß sie Knechte des Herrn seyen, wie ihr Sclave. „Lasset ab, ermahnt sie der Weltapostcl (Ephes. Cap. 6, V. 9.), von Drohungen (ge¬ gen eure Sclaven; d. i. behandelt sie liebevoll), denn ihr wisset, daß ihr Herr auch der eurige ist im Himmel und daß bei ihm kein Ansehen der Person ist." (Vergl. sä kln'Iom. v. 16.) Das heißt die Art an die Wurzel des bösen Baumes legen. Aus dem Werke des Origencs wider Celsus, der im zweiten Jahrhunderte lebte, ist zu ersehen, daß damals schon das Chri- stentdum unter den Sclaven segensreich wirkte. Es kann nicht auffallen, daß sich diese ihm gerne zuwandtcn, — wenn sie anders nicht bereits allzu roh und entmenscht waren, — sie konnten ja nirgends besseren Trost finden, als in der Lehre Jesu. Die Kirche nahm sich ihrer wahrhaft mütterlich an; sie bereitete sie all- mälig vor für die äußere Freiheit, welche ihnen gleich Anfangs gewiß nicht ohne den größten eigenen und ihrer Umgebung Schaden hätte zu Theil werden können. Sie mußten erst fähig werden, davon heilsamen Gebrauch zu machen. — Die Acten der Märtyrer erzählen, wie viele Sclaven eben so muthvoll für den Glauben starben, als irgend ein Freier. Unter die Bemühungen der Kirche, die Sclaven sittlich zu heben, gehört auch die"Verfügung des Papstes Kallistus in der ersten Hälfte des dritten Jahrhundertes, welcher, einst selbst ein Unfreier, zuerst vornehmen und reichen christlichen Frauen gestat¬ tete, sich mit Einem ihrer Sclaven — in kora ooelesiso — gültig zu vermählen. (Siehe Dr. I. Döllinger's Hippolytus und Kalli¬ stus. S. 183.) Wie milde im Anfänge des vierten Jahrhundertes die Skla¬ ven in den christlichen Familien behandelt wurden, entnehmen wir aus Lactantius, der (äiv. lastit, lib. V. e. 16.) schreibt: „Wir ha¬ ben keine — eigentlichen — Sclaven; sondern sic gelten uns als Brüder im geistlichen Sinne, und wir nennen sie auch Brüder; in Beziehung auf Christus aber Mitknechte". Mehrere Kirchen¬ väter beförderten durch ihre Predigten und Schriften anders konnten sie nicht einschreitcn — allmälig die allgemeine Ueberzeu- gung bei den Besseren der Gläubigen, daß die Sklaverei unstatt¬ haft und unverantwortlich sey. So im Oriente vor Allen der heil. Johannes Chrysostomus, Erzbischof zu Constantinopel (f 407), der die Wurzel der Knechtschaft in der Allen gemeinsamen Sünde erkannte, und weil Christus Allen gleich Erlösung gebracht, dar¬ aus folgerte, daß es in der christlichen Kirche keine Sclaverei nn alten Sinne des Wortes mehr gebe; sondern nur mehr dem Na¬ men nach, die Sache habe aufgehört. „Wer ist ein Knecht, fragt er, außer wer Sünde thnt? Die wahre Freiheit besteht "r der Gerechtigkeit". — Im Abendlande machten sich diesbezüglich insbesondere der heil. Ambrosius, Erzbischof zu Mailand (ff 397), der heil. Augustinus, Bischof zu Hippo in Numidien (s 429), 397 und der heil. Petrus Chrysologus, Bischof zu Ravenna (1- 458), verdient. Schon sehr frühe, — bereits unter Kaiser Trajan — kom¬ men Beispiele von Christen vor, die aus religiösen Beweg¬ gründen ihren Sklaven die Freiheit schenkten. — Die Kirche verwendete großen Theiles, ja erschöpfte oft ganz ihre Ein¬ künfte, und gab nicht selten die heiligen goldene» und silbernen Gesäße her zur Loskaufung der Gefangenen. „Man solle die Gefangenen zählen, wenn möglich, die sie losgekauft", — schreibt schon der heil. Ambrosius (opist. 18. all Valentin.). Auch unter den Germanen nahm durch die Bemühungen der Kirche die Scla- verei anfänglich wenigstens eine humanere Form an, bis sie gänzlich aufhörte, was gerade in dem meist so schwarz geschilder¬ ten Mittelalter noch der Fall war. Besonders einflußreich wirk¬ ten auf die Aufhebung der Sclaverci die Klöster, indem sie, mit wenigen Ausnahmen, die ihnen zugleich mit den überkommenen Gütern, oder von den ins Kloster eintretendcn Reichen geschenk¬ ten Sklaven frei ließen; auch der Umstand trug nicht wenig dazu bei, daß Unfreie — freilich mußten sie ehevor cmancipirt seyn — in den Priesterstand ausgenommen wurden. Concilien und Päpste sprachen sich bei verkommender Veran¬ lassung energisch aus sowohl gegen das Halten von Sklaven, als auch gegen den Handel mit ihnen, und ihren Verkauf an die Juden, Mohamedaner und heidnischen Ungläubigen. Papst Gre¬ gor III. trug in einem Schreiben an den heil. Bonifacius v. I. 72l. Diesem auf, möglichst Sorge zu tragen, daß Niemand mehr einen Sklaven an die Heiden verkaufe, die ihn dann opfern. Wer dies thue, müsse der für Mörder bestimmten Kirchcnbuße unter¬ worfen werden. Unter den einzelnen Bischöfen zeichnete sich dies¬ falls vorzüglich aus der heil. Agobard, Erzbischof zu Lyon unter Kaiser Ludwig dem Frommen. — Der katholischen Kirche ist es zu verdanken, daß gegen das Ende des zehnten Jahrhundertcs im ganzen ehemaligen fränkischen Reiche, selbst im nördlichen Deutsch¬ land , welches am spätesten bekehrt wurde, gar keine Sklaven mehr verkauft wurden. Unter dem Einflüsse der Kirche war auch die bürgerliche Gesetzgebung überall den Sklaven günstiger ge¬ stimmt worden. Der der Kirche von jeher innewohnende Geist wahrer Hu¬ manität hat im zwölften Jahrhunderte sogar einen eigenen Or¬ den ins Leben gerufen, welcher sich der Loskaufung, zumal in die Gewalt der Sarazenen gefallener Christensclavcn widmete. Jo¬ hann von Mata, geboren 1160 in der Provence, im Vereine mit dem Eremiten Felir von Valois, einem Prinzen aus französisch- königlichem Geschlechte, war der Stifter desselben. Papst Jnno- cenz HI. genehmigte ihn; die Mitglieder erhielten den Namen „Trinitarier", weil alle ihre Kirchen der allcrhcil. Dreieinigkeit geweiht seyn sollten; auch: Mathuriner, von dem, dem heil. Ma- thurius gewidmeten Gotteshause, welches ihnen zu Paris geschenkt 398 worden war. Am weißen Kleide trugen sie ein roth-blaues Kreuz. Vierzig Jahre nach ihrer Stiftung besaßen sie bereits 600 Häuser in beinahe allen europäischen Staaten. Der dritte Thcil ihrer Einkünfte mußte statutenmäßig zum Loskaufe verwendet werden. — Petrus Nolascus, ein vornehmer Laie, gleichfalls aus Frankreich, gründete in Verbindung mit Raimund von Pennaforte, und dem Könige Jacob I. von Ärragonien 1218 einen Ritterorden mit der nämlichen Bestimmung, der sich unter den Schutz der seligsten Jungfrau stellte — daher sein Name: vrsto k. l>lnri'no cis meeeosts restomtloiii's cnptlvonim. Papst Gregor IX. bestätigte ihn. Außer den drei gewöhnlichen Ordensgclübden legten die Mitglieder noch ein viertes ab, welches sie verpflichtete, wenn nöthig, sogar ihre persönliche Freiheit als Lösegeld für die Gefangenen hinzugeben. — Das „philosopbische Jahrhundert", und auch noch das neunzehnte, baben in den Besitzungen dieser Orden, zumal in Frankreich und Spanien, aufgeräumt; — wahrscheinlich aus „philanthropischen" und „Humanitätsrücksichten". (!?) Wie warm hat sich die Kirche der armen Indianer im ne» entdeckten Amerika angenommen! In der That höchst empörende Mißhandlungen mußten dieselben von den Spaniern erdulden. Da fanden sie Verthcidiger an den Geistlichen, zumal an den Do¬ minicanern, welche nach der neuen Welt gekommen waren, um dort das Evangelium zu verkündigen. Sie predigten mit Eifer, wenn auch oft vergebens, gegen die sogenannten Rcpartimcntos, wodurch die Eingcbornen als Sklaven, wie Arbeitsthiere, zum härtesten Frohndkenst in den Bergwerken an die Eroberer vcrtheilt wurden. Unauslöschlich glänzt in den Annalen der Menschlichkeit der Name: Bartholomäus de Las Casas. Geboren zu Sevilla 1474, zuerst Weltpricster, dann Dominikanermönch, machte er sich die Befreiung der unglücklichen Indianer aus ihrer unerträglichen Lage zur Lebensaufgabe. Zwölfmal war er aus Amerika nach Spanien gereist, um von der Regierung die Freigebung seiner mit der Ausrottung bedrohten Schützlinge zu erbitten; nichts konnte ihn entmuthigen; und noch als Bischof von Chiapa in Merico glühte er für die Ausführung der schönen Idee, welche ihn ganz beseelte. In einer eigenen Ächrift forderte er die Beicht¬ väter auf, keinem Spanier die Absolution zu ertheilen, welcher feinen amerikanischen Sklaven die Freiheit vorenthalte. Sämmt- liche Bischöfe der neuen Welt billigten auf einer zu Merico ge¬ haltenen Versammlung diese Verfügung. Nur getrieben von der ängstlichen Besorgniß, die cingeborncn schwachen Indianer würden in Kürze vollkommen vertilgt werden, ging de Las Casas in den schon vor ihm von Anderen gemachten, und theilweise ins Werk gesetzten Vorschlag ein, dieselben bei den überharten Arbeiten in den Minen und Pflanzungen durch die viel stärkeren, aus Afrika eingeführten Neger zu ersetzen. Ganz ungegründet aber ist die Meinung: de Las Casas sey der Urheber des Handels nut Negern nach Amerika. Die Gräuel dieses Menschenhandels konnte 399 der edle Man» nicht vorherahnen, er darf dafür also anch in keiner Weise verantwortlich gemacht werden. Seine Absicht war die beste, nur vielleicht zu wenig überdacht. — Nachdem er seine bischöfliche Würde 1551 niedergelegt, und meist zu Valladolid gelebt batte, starb er im Jabre 1566 zu Madrid. — Die Päpste Paul III. (1537), Urban VIII. (1639), Benedict XIV. (1741), und neuer- lichst Gregor XVI. (1839) erhoben ihre apostolische Stimme ge¬ gen den die Menschheit entehrenden Handel mit Negern. Wir verkennen und unterschätzen durchaus nicht die Bemü¬ hungen Englands, welches in neuester Zeit nicht nur in seinen eigenen Colonien die Sclaverei aufhob; sondern zur Unterdrückung des Handels mit Sclaven auch Verträge mit fremden Staaten abschloß; viele mit Sclaven befrachtete Schiffe aufbringt und die Unglücklichen in Freiheit setzt. Was sich auf diesem Wege er¬ reichen läßt, kann erzielt werden. Der katholischen Kirche stehen keine physischen Gewaltmittel zu Gebote. Aber auch in der Ge¬ genwart sucht sie das Uebcl mit denselben geistigen Waffen, wie einst vor Jahrhunderten, zu bekämpfen und mit der Wur¬ zel auszurotteu. Und mit dem Beistände des Herrn wird sie gewiß nicht fruchtlos arbeiten. Sie hat ihre Missionäre nach Centralafrika, der Wiege des Sklavenhandels, entsendet, und das höchst schwierige Werk der Christianisirung der Neger unter dem Schutze der Gottesmutter begonnen. Die „8teIIa mstutina" (so heißt das Schiff, welches den apostolischen Pro-Vikar, Dr. Ignaz Knoblecher, mit seinen bisherigen, beinahe ausschließlich dem öster¬ reichischen Kaiserstaate angehörigen Gefährten, dorthin brachte) kündet den von Natur gutmütigen Schwarzen die Morgenröthe ihrer geistigen und leiblichen Freiheit an. Haben sie sich einmal im Lichte des wahren Glaubens kennen und lieben gelernt, dann werden sie nicht mehr selbst ihre gefangenen Feinde, ja ihre eige¬ nen Kinder, auf die Sclavenmärkte treiben. Möchten sie nur auch vor den Hetz-Jagden fremder Barbaren auf sie, durch die starke Hand humaner Regierungen gedeckt werden! Es ist bekannt, wie in unseren Tagen ein einfacher katholi¬ scher Priester— Nic. Olivieri aus Genua — schon viele (über500) Negerkinder auf den Sclavenmärkten Afrika's aufgekauft, und sie zur christlichen Erziehung meist in Klöstern — auch in Oester¬ reich — untergebracht habe. Einst in ihre Heimat zurückgekehrt, sollen sie dort als eben so viele Missionäre wirken! — So erstirbt in der Kirche jener Geist nicht, trotz der Ungunst der Zcitverhalt- nisse, welcher ehedem die schon geschilderten Orden und andere ähnliche Vereine geschaffen hatte. Der Herr liebt cs, '«seiner Kirche aus kleinen, scheinbar unbedeutenden Anfängen Großes hervorzubrinqen; gewiß, er kann auch hierin das Gleiche thun. Im „freien" Nordamerika besteht in einigen der vereinigten Staaten, zumal den südlichen, die Sclaverei noch bis zetzt. Wurde ja in jüngster Zeit in Kansas die sogenannte Frelbodcn- 400 Partei von den Sclavenzüchtern sogar bekriegt! Wir hoffen, daß sie — die Sclaverei — mit dem Vordringen der katholischen Wahrheit mehr und mehr schwinden werde.") Fortsetzung. Zu allen Zeiten hat die Kirche den Armen eine ausneh¬ mende Sorgfalt angedcihen lassen, und die Unterstützung dersel¬ ben den Gläubigen als eines der verdienstlichsten Werke anem¬ pfohlen. Welch ein Geist der hierin thätigen Liebe schon in der ersten Gemeinde zu Jerusalem waltete, erzählt die Apostelgeschichte: „Es waren alle Gläubigen beisammen, und hatten Alles gemein¬ schaftlich", Cap. 2, V. 44., was Cap. 4, V. 32, 34, 35. näher dahin erklärt wird: „Die Menge der Gläubigen aber war Ein Herz und Eine Seele; auch sagte nicht Einer, daß Etwas von Dem, was er besaß, sein sey; sondern sic hatten Alles mit ein¬ ander gemein. — Es war kein Dürftiger unter ihnen. So viel ihrer nämlich Aecker oder Häuser besaßen, verkauften selbe, brach¬ ten den Werth dessen, was sie verkauft hatten, und legten ihn zu den Füßen der Apostel. Es wurde aber Jedem zugetheilt, je nachdem er bedurfte". Daß diese Gemeinschaftlichkeit des Besitzes nicht von den Aposteln unbedingt geboten war, als wenn sie das Eigenthums- recht des Einzelnen aufgehoben wissen wollten, geht aus den Worten Petri an Anamas hervor: „Warum hat der Satan dein Herz versucht, daß du lögest dem heiligen Geiste, und zurückbc- hieltcst von dem Werthe des Ackers? Blieb er nicht als un¬ verkauft dein eigen? und als verkauft, war derVcr- kaufswcrth nicht in deiner Macht?" (Apostelg. Cap. 5, V. 3, 4.) So begegnet uns denn hier eine Art „Comniunismus"; aber wie unendlich verschieden von Dem, welchen die Propaganda des Umsturzes in unseren Tagen prediget! Jener war ein Werk der freien Liebe; Dieser will durch Gewalt sich Geltung ver¬ schaffen; — Jener dachte nicht daran. Jemandes Rechte zu ver¬ letzen; Dieser geht von dem Grundsätze aus, daß Eigcnthum Diebstahl sey! Was in dem noch engen Kreise der Gläubigen zu Jerusalem wohl möglich war, ließ sich später, als die Kwche an Ausdeh¬ nung gewann, freilich in dieser Form nicht mehr allgemein aus¬ führen. ') Das weibliche Geschlecht hat auch erst dem Christenthume und der Kirch« seine Befreiung aus dem entwürdigenden Verhältnisse zu verdanken, in welchem cs sich früher unter den Heiden befand, und wvhl noch seht in nicht christlichen Ländern z. B. unter den Mohamedanern, seufzt. Früher Sclavin des Mannes ist das Weib durch Christus und seine Kirche zur Gefährtin des Mannes erhoben — emancipirt worden. 401 Es ist bekannt, daß die Apostel eben zunächst der Armenpflege wegen die sieben Diakonen, unter ihnen den heil. Stephan, be¬ stellten; aber sie selbst entledigten sich derselben demnngeachtet nicht ganz. Der heil. Paulus schreibt an die Corinther l. Cap. 16, V. 2—4.: „Am ersten Tage der Woche (d. i. am Sonntage) lege ein Jeder von euch bei sich zurück, und thu' in den Schatz, was ibm gut dünkt. Wenn ich gegenwärtig seyn werde, so will ich Diejenigen, welche ihr schriftlich für tauglich findet, nach Jerusa¬ lem senden, daß euere Gabe — den dortigen Armen — überbracht werde. Wenn cs Werth ist, daß auch ich reise, so sollen sie mit mir reisen". Vergl. II. Cor. Cap. 8 und 9. Durch die gemessensten Verordnungen machte die Kirche be¬ sonders den geistlichen Pfründnern, Bischöfen und Priestern, die Unterstützung der Dürftigen zur strengen Pflicht, und rief ihnen immer wieder in das Gedächtniß zurück, daß das Pfründen-Ein- kommen, insoweit es die Bestreitung des anständigen Lebensunter¬ haltes übersteigt, Armengut sey. Die größten, heiligsten Hir¬ ten gingen mit ihrem Beispiele hierin voran. Sie schrankten ibre Bedürfnisse auf das Maß des Nothwendigstcu ein, um desto reich¬ licher austheileu zu können. Der heil. Carl Borromäus, Cardinal und Erzbischof zu Mailand, (4 1584) verschenkte an Einem Tage an die Armen den Erlös eines verkauften Fürstcnthumes, mit 40,000 Ducaten; ein anderes Mal 20,000, welche ihm wa¬ ren legirt worden. Nur der kleinste Theil seines bedeutenden Ein¬ kommens war für den Haushalt bestimmt. Während der Hun- gersnoth 1569—70 zeigte er sich so recht als guten Hirten seiner überdies von einer pestartigen Krankheit schwer bcimgesuchten Ge¬ meinde. Als sein Vermögen erschöpft war, bat er in eigener Person die Reicheren um Almosen für die Dürftigen. Zur Zeit der Pest im Jahre 1576 gab er seine Kleidung, Decken u. dgl. für die Armen und Kranken her. Eines Abends in seine Woh¬ nung zurückgekehrt, fand er darin kein Brod mehr, noch auch Geld, um solches zu kaufen. Ebe» so wenig fehlte cs je bis heute unter den katholischen Laien am opferfreudigen Wohlthätigkeits-Strebcn, aus rein re¬ ligiösen Motiven; — viele Laien-Vereine sind auch in unse¬ ren Tagen wieder, in fast allen bedeutenderen Städten zur Unter¬ stützung zumal verschämter Hausarmen gegründet worden.*) Eine überaus ehrwürdige Bruderschaft ist die „Misericordia" zu Flo¬ renz. Während der Cholera (im Juli und August I855> batten di« Mitglieder derselben vollauf Beschäftigung, dfe von der Seuche Befallenen im dritten und vierten Stocke der Häuser auf ihre Arme zu nebmen, und in Sänften geleqr auf ihren Schultern in das Hospital zu tragen. --- Unter der schwarzen Bekleidung, das Gesicht bis au; die.lugen verhüllt, befanden sich zarte Jünglinge aus edlen Faml.en geistliche Würdenträ¬ ger, geachtete Kaufleute und Männer aus der niederen «lasse des Vol¬ kes. Als die Cholera nachließ, trennten sich d,e Bruder der Mi,er,cor- dia in der Stille; von keinem Einzelnen erfuhr man die Verdienste, 2S 402 Nicht zu läugnen ist, daß stch der Pauperismus insbesondere in den Städten mehrt, und die Noth Vieler Abhilfe nothwendig macht. Wer soll diese leisten? Der Staat reicht mit seinen Mitteln nicht überall aus; die Privatwohlthätigkeit wird noch eher erschöpft. Die Kirche vermag da unstreitig das Meiste, denn sie weckt und nährt den christlichen Gem eilig ei st, und, was noch höher anzuschlagen, sie arbeitet auch auf die sittliche Hebung und Beruhigung der Armen hin. Sie stellt sich als Mitt¬ lerin zwischen Diese und die Reichen. Was sagt sie zu den Ar¬ men? Daß unverschuldete Armuth keine Schande sey; daß der Sohn Gottes selbst unsertwegen so arm geworden, daß er nicht so viel sein Eigen nennen konnte, um sein Haupt darauf zu le¬ gen; daß er die geduldigen Armen selig preise; daß die ungleiche Vertheilung der irdischen Güter nicht ohne Gottes Wissen und Willen Statt habe, und daß das Eigenthums-Rech t sich auf seine Anordnung stütze, also an sich unantastbar, und der Cominunis- mus im Sinne der Radikalen völlig un christlich, vor Gott ein Gräuel sey. Aber auch den Reichen gibt sie zu bedenken, daß sie nicht unverantwortliche Herren, sondern vor Gott nichts als Nutznießer und Verwalter der zeitlichen Güter scyen; daß Wohlthun nicht ihrem Belieben anheimgestellt, son¬ dern Pflicht, und für sie Bedingung des ewigen Heiles sey; daß es zudem in ihrem eigenen Interesse liege, der ihrem Besitze sonst drohenden Gefahr zuvorzukommcn u. dgl. Gewiß die Kirche verstellt es am besten, die Thränen der Armuth zu trocknen, indem sie Diese zur Ergebung aufmuntert, und ihr als überschwenglichen Ersatz für Vergängliches Ewiges in Aussicht stellt. Und schon auch hienieden bietet sie, als Bürg¬ schaft dereinstiger Ausgleichung, den Armen die nämlichen gei¬ stigen Güter an, wie den Reichen; sie theilt ihnen dieselbe» Gnadenmittel mit, vereiniget sie, ohne Unterschied, am nämlichen Tische des Herrn. Alles dies ist unendlich mehr Werth, als, was der der christlichen Charitas ermangelnde Humanismus allein auszurichten im Stande wäre. — Tanzbälle und Theaterspiele zu Gunsten der Hungernden genügen noch nicht. — Das Gesagte hat beziehungsweise auch auf die Kranken Anwendung. In der Sicbenzahl der heil. Sacramente, welche die katholische Kirche ausspendct, befindet sich Eines, ausschlie߬ lich für schwer Erkrankte — die letzte Oelung; eine Tröstung, deren sich die Angehörigen anderer Confessionrn nicht erfreuen. Krankenbesuch ist Eine der Hauptpflichtcn des katbolischen Seel¬ sorgers ; keine Unbequemlichkeit, keine noch so augenscheinliche Ge¬ fahr der Ansteckung, ja selbst der gewisse Tod nicht darf ihn von ihrer Erfüllung abhalten. — Doch auch zur Linderung der leib- noch veröffentlichte man die Namen. — Einer bat sie wohl ausgezeich¬ net ; der versprochen, dasi keine christliche LiebeStbat, ob auch im Verbor¬ genen vollbracht, ihres Lohnes im Himmel verlustig gehen werde. 403 lichen Noth der Kranken thut die Kirche, was in ihren Kräften liegt. Sie ermahnt alle ihre Mitglieder, die Worte des Kierrn zu beherzigen, der zu den Gerechten am Gerichtstage sprechen wird: »Ich war — in den Leidenden — krank, und ihr habt mich be¬ sucht" (Matth. Cap. 25, V. 36.) ; „darum kommet, ihr Gesegne¬ te« meines Vaters!" Und zu jeder Zeit haben wirklich diese Worte Beherzigung gefunden. Wer zählt die Spitäler und Krankenhäu¬ ser, welche die Kirche und fromme Privaten, zumal im Mittel¬ alter, erbauten? Wie höchst verdienstlich wirkten einzelne Gläu¬ bige und Vereine in dieser Richtung! Das Beispiel der heiligen Elisabeth, Laudgräfin von Thüringen und Hessen (f 1231), welche in dem von ihr zu Marburg errichteten Hospitale in den Kran¬ ken Christo diente, steht nicht als Seltenheit in der katholischen Kirche da. Orden mit der Hauptbestimmung der Krankenpflege wurden mehrere gestiftet. Wir deuten nur auf jene» der barm¬ herzigen Brüder (vom heil. Johann von Gott, f 1550) und der barmherzigen Schwestern, (vom heil. Vincenz de Paula, 's 1660), dieser sichtbaren Engel der leidenden Menschheit hin. Eben weil sie sich durch Gelübde zum Krankendlenste verpflichten, geben sie sich demselben desto nngethcilter hin. Auch die Gegenwart beweist dies zu Genüge; die blutgetränkten Schlachtfelder der Krim, und die Militärlazarethc im Oriente wissen davon zu er¬ zählen; sogar die Mohamedaner konnten den sich aufopfernden christlichen Schwestern ihre Bewunderung nicht versagen.*) Ob also wohl die katholische Kirche, in welcher solche Er¬ scheinungen anzutreffen, wisse, und übe, was des Namens »Humanität" werth ist?- Wir können uns nicht cntbalten, zum Schlüsse folgende schöne Stelle aus Card. N. Wiscman's Abhandlungen, 1. Bd. S. 135, hier folgen zu lassen. »Wo wird die practische Lehre der Parabel Jesu vom barmherzigen Samaritan verstanden und befolgt? Ge¬ schieht dies durch Armengesetzc oderWohlthätigkeits-Verciue, oder Bcttlervercinigungen? sicherlich nickt! Geh hin in die Caridad in Sevilla, und betrachte jenes Gemälde von Murillo, das einen Mann vorstellt, der, nicht prangend in idealer Schönheit, aber einfach, ernst, mit seiner Arbeit beschäftiget ist; der nämlich einen obnmächtigen, hülfloscn Menschen ins Spital trägt, mit einem Engel an seiner Seite, der sich geehrt zu fühlen jchciut, ihn un¬ terstützen zu dürfen. Dies ist ein katholischer Samaritan — der hcil. Johann von Gott. Oder sieh in Granada, wo er im er- *) Bei den Protestanten haben die Diakonissen eine ähnliche Bestimmung wie die katholischen barmherzigen Schwestern crbalicn. Wahrend des orientalischen Krieges bemächtigte sich auch der Engländer ^r Wunsch nach einer solchen Pstege. Daher die Mission del -!ls; Nightingale. Sogar di- Russen sahen sich nach barmherzigen Schwestern um. Am 0. , Fortschritt. Wer weiß cs nicht, daß der katholischen Kirche in so man¬ chem ihr feindlichen Buche, Tagcsblattc u. dgl., versteckt oder offen, nichts Geringeres angedichtet werde, als: in ihr werde Aberglaube gepflegt; sic scy der Aufklärung hinderlich; in ihr gebe cs keinen Fortschritt, denn sie halte an Veraltetem unwandelbar fest? — Derlei Vcrlänmdungen znrückzuweisen, ist durchaus nicht schwer. Aberglaube ist im Allgemeinen das Fürwahrhalten von irgend Etwas, wofür kein objektiver Grund spricht; ja für dessen Gcgcntheil, oder Nichtvorhandenseyn überwiegende vernünftige Gründe angeführt werden können. Mit dem Aberglauben ist bei¬ nahe immer auch ein eitles Vertrauen auf den eingebildeten Gegenstand, oder auf eine Kraft verbunden, die nicht eristirt. — Die Quelle desselben ist nicht bei allen darin Befangene» eine und dieselbe. Bei Einigen mag sie überhaupt Beschränktheit der Urtheilskraft, bei Anderen vernachlässigte Erziehung, blöde Furcht vor einer drohenden Gefahr, und das Bestreben, dieselbe durch verkehrte Mittel abzuwcnden; ein durch das Bcwußtscyn noch nngcsühnter Schuld geängstigtes Gewissen u. dgl. seyn. Eben so verschieden sind die Arten des Aberglaubens, je nach der Sache, auf welche er Bezug hat. Es kann einen land- wirthschaftlichen, physischen, medicinischen u. s. w. Aberglauben geben, und zwar ist er entweder ein schädlicher oder unschädlicher. Ist das Object des Aberglaubens etwas in den Bereich der Re¬ ligion Gehöriges, so nennt man ihn einen „religiösen" — übri- Seine geistlichen Schauspiele sind ausgezeichnet; als: der göttliche Or¬ pheus; die eherne Schlange; u. s. w. 417 gens eine unpassende Bezeichnung. Einen solchen haben wir hier im Sinne.*) Wir wollen nicht sagen, daß es unter den Katholiken gar keine abergläubischen Menschen gebe; aber so zahlreich sind sie nicht, als etwa hie und da ein oberflächlicher Tourist, der katho¬ lische Länder schon mit vorgefaßten Meinungen, und wie im Fluge durchreist, dann in die Wett hinausschreibt; — gewiß sind ihrer verhältnißmäßig nicht Mehrere, als unter Nichtkatholikcn. Auch nicht deßha lb sind sie es, weil si e sich in der kath olischeu Kirche befinden; sie wären es nicht minder außer ihr. Die katholische Kirche lehrt keinen Aberglauben, und ver¬ langt von Niemandem ihrer Mitglieder einen solchen; sa nicht *) Es ist leicht einzusehen, daß die Definition des Aberglaubens je nach dem Standpunkte des Urtheilcnden verschieden seyn müsse. Der Katho¬ lik nennt nur Das Aberglaube, was in der durch die Kirche vermittel¬ ten, d. i. in ihr aufbewahrten und gelehrten Offenbarung Gottes gar keinen Grund hat. — Der Materialist fertiget Alles als Aberglauben ab, was irgend wie mit dem Glauben an einen, vom Stoffe verschiede¬ nen, unabhängigen, freien Geist in Verbindung steht. Die sogenannten Philosophen des vorigen Jahrhundertes verhöhnten als Aberglauben Alles, was sie mit ihrer Vernunft nicht erfaßten; in ihren Fußstapfen wandeln noch immer die Rationalisten. In Dr. Schleiden's Studien S. 200 steht: „Alles Positive in der Religion ist so gut Aberglaube, als die Astrologie; beides hat nur Eine und eine nothwendige Quelle in derselben Eigentümlichkeit menschlich beschränkter Vernünftigkeit, die Las Uebersinnliche sich nicht ohne sinnliche Einkleidung zu vergegenwär¬ tigen vermag, und bei der Betrachtung der sinnlich gegebenen Natur das dahinter stehende Uebersinnliche ahnt, und demgemäß die Natur zu deu¬ ten sucht, Suchen wir daher den allgemeinsten Ausdruck für das, was das Wort Aberglaube in seinen mannigfachen Anwendungen bezeichnet, so kann er nur dieses seyn: der Versuch, die übersinnliche Bedeutung der Sinnenwelt anders, als in ästhetischen Urtheilen auszusprechen, und durch solche Aussprüche sein Thun und Lassen zu bestimmen". Eine einseitige Auffassung! Um also vom Aberglauben völlig srci zu seyn, würde nichts erübrigen, als nur bei der Natur stehen zu blei¬ ben, und das dahinter (wir sagen: besser über derselben) stehende Uebersinnliche nicht einmal zu ahnen! Weiter heißt es: „Wir können nicht den Glauben vom Aberglauben trennen; denn der Glaube als abstracte philosophische Ueberzeugung ist leer und todt; der lebendig werdende Glaube im religiösen Gefühl ist selbst aber nur dem Grade, nicht dem Wesen nach von Dem ver¬ schieden, was jeder Gebildete als verderblichen Aberglauben verwirft, und wir haben keine Scala, an welcher wir die Grenze vom erlaubten Grad zum unerlaubten ablesen konnten". (S. 201.) Nur durch das Aufgeben des Glaubens wäre es möglich, die Fesseln des Aberglaubens zu sprengen? Ist nicht mit diesen Wor¬ ten die innere Haltlosigkeit des Nationalismus eingestanden? Troß sei¬ nes Brüstens mit der Vernunft verzweifelt er doch daran, den Glauben vom Aberglauben trennen zu können; weil — er keine Scala hat, nach welcher er sich richten solle. Wir Katholiken haben wohl eine solche Scala, auf welche wir mit aller Beruhigung Hinblicken; es ist die un¬ fehlbare Lehrauktorität der Kirche! 27 418 einmal einen blinden, sogenannten Köhlerglauben. Sie läßt sich ja eben deßhalb den religiösen Unterricht der Ihrigen so sehr an¬ gelegen seyn, und hat über die zweckmäßige Erthcilung dessel¬ ben die weisesten Vorschriften erlassen. Sic trachtet dabin, daß auch der gemeine Manu, welcher zum Studium weder Zeit noch Gelegenheit hat, wenigstens an Sonn- und Festtagen über die Wahrheiten der Religion belehrt werde, auf daß er wisse, nicht nur was, sondern auch warum er glaube. Es soll ihm näm¬ lich klar werden, daß sich Gott, zuletzt in seinem eingebornen Sohne, geoffenbart habe, und daß diese Offenbarung in der von Christus gestifteten irrthumslosen Kirche fort und fort aufbcwabrt werde; — daß sein Pfarrer oder Kaplan aus dieser Quelle ihre Lehre schöpfen, die sie von der Kanzel verkünden, daß dieselbe also nicht ibrc Erfindung, nicht eitel Mcnschcnwort scy. Und wenn der schlichte Landmann deßhalb die Lebre seines Priesters gläubig aufnimmt, ist er ein Abergläubischer? und sein Glaube etwa ein blinder? Durchaus nicht! Die Kirche sagt auch zu dem gemeinen Manne nicht: Glaube, den» ich will cs so; frage nicht warum! sondern sie leitet auch ihn — gerade in den mehr popu¬ lär gehaltenen, und in's Detail eingehenden katcchetischeu Vorträ¬ gen und nachmittägigen Christenlehren — mit herablassender Rück¬ sicht auf seine schwächere Fassungskraft dorthin, bis er mit dem Weltapostcl ausrufcn kann sil. Eim. Cap. 1, V. 12.): „Ich weiß, Wem ich glaube", — nämlich Gott selbst, der nicht lügen und trügen kann. *) An den Gebildeten stellt die Kirche um so weniger die For¬ derung eines blinden Glaubens, oder daß er in Sachen der Re¬ ligion auf den Gebrauch seiner Vernunft ganz verzichten, sic als nichts sonst, dcnn nur als ein Irrlicht mischen solle. Welches Recht hierin der Vernunft des Menschen znstehc, haben wir schon in der Abhandlung: Vernunft-Religion oder Offenbarung? erör¬ tert. Hier nur noch Weniges: Wohl wurde der menschlichen Ver¬ nunft manchmal von Einzelnen zu nabe getreten, und ihr, so zu sagen, sede Einmengung in religiöse Fragen verboten, weil cs dabei nur auf den Glauben allein ankomme — so von Luther und einigen unklaren Mystikern auch unter Katholiken; ft Wie wellen im Gegentheile die Ungläubigen, die Materialisten, ihre Dogmen dem Volke bcibringen? Man höre! C. Vogt, der sich so ge¬ waltig gegen den „Köhlerglauben" ereifert, schreibt: „Es ist unerläßlich, auf allen Dächern, aus allen Büchern, aus feder Zeile heraus dies (näm¬ lich, daß die Materie ewig seh, und nur die Fermen wechseln) im¬ mer und immer wieder den Leuten in die Ohren zu schreien (siel), bis es ihnen damit geht, wie mit der Bewegung der Senne". Diese Stelle paßt wahrlich derthin, wo sie verkommt; nämlich: Bilder aus dem Thi erleb en S. 355; dcnn so werden nur Thiere abgerich¬ tet, nicht Menschen gebildet. (Siche Dr. Frohschammer: Menschen¬ seele und Physiologie, S. 195.) 419 aber da war es gerade die katholische Kirche, d. i. ihre unfehl¬ bare Lehrauktorität, welche sich der Vernunft annahm. Zu jeder Zeit hat sie die einzig richtige Mitte gehalten, d. i. der Vernunft nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig ein¬ geräumt. Auch das jetzige Oberhaupt der Kirche, Pius IX., sprach in beiden Beziehungen höchst beherzigenswerthe Worte. So in der Allocution im geheimen Konsistorium zu Rom, am 9. December 1854: „Denen, welche die Kräfte der menschlichen Vernunft über¬ schätzen, muß klar gemacht werden, wie solches gänzlich dem durchaus wahren Ausspruche des Völkerlehrcrs zuwiderlaufe: „Wenn Jemand glaubt, er scy etwas, da er nichts ist, so betrügt er sich selbst". Dargethan muß ihnen werden, wie anmaßend es sey, die Geheimnisse, welche der gütige Gott uns zu offenbaren sich herabließ, durchforschen, ergründen, und mit dem schwachen und beschränkten Verstände erreichen, und erfassen zu wollen, der nach dem Ausspruche desselben Apostels, in die Dienstbarkeit des Glaubens gebracht werden muß. Solche Vertreter, oder vielmehr solche Anbeter der mensch¬ lichen Vernunft, welche sich dieselbe zur sichern Lehrmeisterin auf- stellcn, und unter ihrer Leitung sich Alles versprechen, haben ge¬ wiß vergessen, welche harte und schmerzliche Wunde der mensch¬ lichen Vernunft die Schuld des ersten Menschen geschlagen hat, wie der Verstand mit Finsterniß umhüllt, der Wille geneigt zum Bösen gemacht wurde. Deßhalb haben auch die berühmtesten Philosophen des Alterthnms, obwohl sie manches Treff¬ liche schrieben, ihre Lehren dennoch mit den größten Irrtü¬ mern befleckt. — Darum auch sagte einst der Herr, zu seinem Va¬ ter gewandt: „Die verborgensten Tiefen der Wahrheiten ständen nicht aufgeschlossen den Klugen und Weisen dieser Welt, die auf ihre Gcistesgaben und Gelehrsamkeit pochen, und dem Glauben sich nicht unterwerfen; sondern den Dcmüthigen und Einfachen, die auf den Ausspruch des göttlichen Glaubens sich mit Zuver¬ sicht stützen." In der Encyclica an die Eardinäle, Erzbischöfe und Bi¬ schöfe Frankreichs, vom 21. März 1853, ermahnt er Diese un¬ ter Anderem, dafür Sorge zu tragen, daß die jungen Kle¬ riker auch wissenschaftlich gut ausgebildet werden, damit sie, wie „geschmückt mit allen Tugenden, so auch gestärkt durch den Beistand heilsamer Wissenschaft, den Widersprechenden zu entgegnen, und die Gläubigen in der heiligen Religion zu befestigen im Stande seyen". — Dies wäre nicht uothwendig, wenn der katholische Religionslehrcr nur einfach blinden Glauben zu fordern, und nicht die heil. Wahrheiten auch zu begründen, wider Zweifel und Ein würfe sicher zu stellen hätte. Der beil. Vater begehrt eindringlichst, „daß jenen Männern alles Woblwollen, und alle Gunst erzeugt werde, welche vom katholischen Geiste be< 27 * 420 seelt, in Wissenschaft und Disciplin gebildet, sich Mühe geben, Bücher und Flugschriften zu schreiben und in Druck zu legen, durch welche die katholische Lehre verfochten wird". Daß von der katholischen Kirche das Recht der Vernunft nichts weniger als verkannt, sondern, wo es verletzt wird, in ihr entschieden gewahrt werde von der obersten Lehrauktoritat, beweist neucrlichst die Verwerfung des in Frankreich von Einigen verthei- digten sogenannten Traditionalismus; d. i. jener Lehre, welche behauptet, daß jede Erkenntniß dem Menschen nur vo n außen, im Wege des Unterrichtes mitgetheilt — nur durch den Glauben von ihm ausgenommen werde, so, daß der mensch¬ liche Geist (gleichsam eine tabula rasa) keine Wahrheit selbst¬ ständig erfassen, und finden könne; er scy z. B. gänzlich unfä¬ hig, aus sich das Daseyn Gottes, die Unsterblichkeit u. dgl. auch nur einigermaßen zu beweisen. Es liegt offen da, daß diese Behauptung mit dem Jrrthume: . das Licht der menschlichen Vernunft sey in Folge der Erbsünde aus gelöscht, fast in Eins zusammenfalle. Beinahe ähnlichen Ansichten huldigte einst der unglückliche Abbe de Lamennais (f 1854), der amEnde dem christlichen Offenbarungsglauben völlig entsagt hatte, — ein warnendes Beispiel, wie leicht (wenn man sich so ausdrückcn darf) die Vernunft die ihr durch Abläugnung der¬ selben angethane Unbill durch den Abfall zu dem entgegengesetzten Extreme, nämlich des dürresten Rationalismus, räche! Auch Lu¬ ther trat der Vernunft zu nahe — wie Viele unter den Protestan¬ ten theilen wohl etwa noch seine Verachtung der Vernunft? Vier, gegen den Traditionalismus gerichtete Thesen wurden auf Geheiß des heil. Vaters am 15. Juni 1855 dem Rcdacteur der banales ste la pbilosopkio ebretienne zu Paris, Bonnetty, zur Un¬ terschrift vorgelcgt, welcher dieselbe am 2. Juli g. I. anstandslos leistete. Die Thesen waren folgende: 1. Ltsi üstos sit supra rationem, nulla Minen vera stissonsio, nul- lum stissistium inter ipsas inveniri nnguam polest, cnm ambae ab mio eostemguo immutabili veritatis konto, Deo 0. 51. orian- tnr, atguo ita sibi nnituam opem korant. *) 2. katiocinatio Dei existentiam, animao Spiritualitäten!, bnmim's liber- tatem, oiim certitustino pro bare potest. Mistes poste¬ rior ost Uovelatione, proinstegue ast probanstani Dei existentiam eontra atbenm, ast probanilam animao ralionalis Spiritualitäten! ae libertatein contra naturalisini et katalismi sootatorem al lenari convonienter neguit. 3. kationis usus kistom praoeostit, et ast oani Iionn'neni ope kevela- tionis et Oratiae constucit. Diese These findet sich schon fast wörtlich in der Enchclhca Sr. Heilig« keit, vom g. November 1846. 421 4. Alotbostus, gua usi sunt I). Tliomas, I). Bonaventura, et alii post Ipsos Soliolastiei, non -ul rationali'smum stuoit, negue causa fuit, cur apmi seliolas Iioäiernas pliilosopliia in naturalismum et pantbeismum impinKeret. kroinäe non licet in crimen doctoribus et mgKi'stris illis vertere, guod metliociuni lianc, prsserti'm appro- bante, vei so item lseente Ecclesia, usurpoverint. Weit entfernt, den Aberglauben je zu befördern, hat die Kirche denselben vielmehr stets bekämpft und zu beseitigen ge¬ sucht; — und thut dies noch. Aber freilich, sie verfährt dabei schonend und weise, zumal, wenn der Aberglaube nicht geradezu schädlich ist; — wohl wissend, daß der zu ungestüme Eifer oft mehr verderbe, als nütze, und daß mit dem Unkraute leicht auch der gute Weizen ausgerissen werde. Mit solcher Schlangen¬ klugheit, welche ihr im Vereine mit der Taubeneinfalt der Herr selbst anempfahl (Matth. Cap. 10, V. 16.), handelte die Kirche bei ihrer ersten Ausbreitung schon, und zwar auch unter den ger¬ manischen Völkern. Ohne Rücksicht stürzte sie die Opfer-Altäre der heidnischen Götter um, fällte die ibneir heiligen Bäume; z. B. der heil. Bonifaz die Eiche zu Hof-Geismar. Dadurch bewährte sic sich als die unversöhnliche Gegnerin des heidnischen Aber¬ glaubens gleich im Anfänge. Wenn aber doch Uebcrbleibsel desselben noch iu das christliche Leben hineinwuchcrtcn, und cs der Kirche unmöglich war, sie auf Einmal zu vertilgen, war sie bedacht auf deren allmälige Beseitigung. So z. B. weil sie die sogenannten Gottesgerichte, Ordalien, im Mittelalter nicht plötzlich abzuschaffen vermochte, nahm sie ihnen wenigstens das heidnische Gepräge, und stellte sie mit Ausnahme des von ihr stets verpönt gewesenen Zweikampfes, unter ihre unmittel¬ bare Aufsicht. Man rücke uns Katholiken nicht die Herenprocesse vor! Ge¬ wiß beklagen wir so tief, als Jemand, die Thorbeiten und Un¬ menschlichkeiten derselben; aber der Geschichtskundige soll wissen, daß diese Processe nicht, wie Einige sagen, (1484) durch Papst Jnnocenz VIII. eingeführt, sondern daß sie damals nur iu eine geregelte Form gebracht worden seycn, eben um der Willkühr in der Verurthcilung möglichst Schranken zu setzen. Und gewiß sind in protestantischen Ländern nicht weniger vermeintliche Heren gefoltert und verbrannt worden, als in katholischen. Schon Theodor Beza, Calvin's Freund, machte den französischen Parla¬ menten den Vorwurf, daß sie in Verfolgung der Heren zu lässig seycn. (Siche Dr. Hefele's Cardinal Vmcnes, S. 293 n. ff.) Man sehe nach, wie viele Urthcilc wider Heren der Rcchtsgelehrte Benedict Carpzov (ff 1666 zu Leipzig) gefällt habe. In der er¬ sten Hälfte des 17. Jahrhunderts — sieben zig Jahre frü¬ her, als der Protestant Christian Thomasius (4 1728) — haben die Jesuiten Friedrich Spce von Langenfeld (ff 1635) nnd Adam Tanner (ff 1632), ja schon vor ihnen der Priester Cornel. Loos (f zu Mainz 1593), unerschrocken ihre Stimme im Interesse der 422 Vernunft und Menschlichkeit gegen die Herenverbrennungen erho¬ ben. Im Canton Glarus wurde dcmungeachtet noch im Jahre 1781 von einem reformirtcn Gerichte eine Here zum Scheiterhau¬ fen verurtheilt. (Dr. Hefelc a. a. O.)*) Es ist eine Wahrnehmung eigener Art, und durch die Ge¬ schichte und Erfahrung auch in der Gegenwart bestätiget, daß sich häufig der krasseste Unglaube mit dem lächerlichsten Aberglauben in Einer Person vereiniget vorfinde. Wenn der Mensch der höch¬ sten Vernunft Trotz bietet, verfällt er der Täuschung. So mancher zungenfertige Reltgionsspötter getraut sich aus Gespen¬ ster-Furcht in finsterer Nacht kaum vor die Thüre seines Zim¬ mers zu treten. Und sonderbar! in unseren Tagen, wo der Ma¬ terialismus die Eristeuz und Unsterblichkeit des Geistes läugnet, und den Propheten des alten Bundes die Vorhersagung der Zu¬ kunft aus göttlicher Eingebung abgestritten werden will, nimmt man zur Nekromantie, Psychographie, und zu den Orakeln des Tischklopfens die Zuflucht, um seine Neugierde zu befriedigen! *) Bezüglich der Stellung, welche die katholische Kirche der im alten Hci- denthumc so tief wurzelnden Astrologie gegenüber einnahm, gibt auch Dr. Schleiden zu, daß Kirchenväter und mehrere Päpste sie mit dem Banne belegten. (Studien, S. 243.) -— Daß sie nach dem Tode Papst Gregors XV. 1623 der Cardinal Barberini sehr schlau benützte, indem er während des Zuges ins Conclave eifrig die Sterne beobachtete, und plötzlich mit großer Bestürzung seinen Collegcn verkündete, daß der setzt zu wählende Papst nach der Konstellation nicht sechs Wochen leben werde; weßhalb sich Alle vor der gefährlichen Würde scheuten, und nun einstimmig Barberini wählten, der dann ruhig als Urban VIII. zwanzig Jahre den päpstlichen Stuhl einnahm, hat der genannte Herr Autor ge¬ schichtlich zu erhärten nicht für nothwendig gehalten; sondern bringt für die Wahrheit solcher Anecdoten keine bessere Bürgschaft vor, als: Adami's „biblische Ergvtzlichkeitcn". Von Melanchthon sagt er (S. 271, Note 22.) „daß er als Astrolog eben keine besondere Nolle spielte. Bekannt ist, daß er sich heftig gegen das Copernicanische System erklärte, während er bei jeder Gelegenheit den astrologischen Albernheiten das Wort redete, oft in einer Weise, die von der Schärfe seines Verstandes eben keine große Meinung erweckt. In einer Vorrede zur Sphäre des Sacro Busto, hcrausgegeben von Nhäticus 1531, eine Vorrede, die überhaupt ein Muster von Unklarheit ist, beseitiget er die Einwürfe gegen die Bedeutung der Finsternisse mit der Ucberetnsttmmung so vieler Jahrhunderte, und es zieme sich doch nicht, sagt er, für einen wohl unterrichteten Menschen, von dieser Uebcr- einstimmung abzuweichen!" „Das sagt ein Mann, — bemerkt hiezu treffend Dr. Schleiden — der eben erst geholfen, eine wirkliche tausendjährige Uebereinstimmung über den Haufen zu werfen; ein Mann, der als elassisch Gelehrter wis¬ sen konnte und wissen mußte, daß die Astrologie von den gescheidtesten Köpfen aller Zeiten und aller Völker verworfen; Das sagt ein Theo- log, der ganz besonders wissen mußte, daß fast alle Kirchenväter, und namentlich der heil. Augustinus, (siehe auch 8. Kreg-or U- Iiom. kl), in LvsiiAeli« die gelesen wird, 2. clis inkrs Ootsv. Issnpium.) die Astrologie auf das Entschiedenste verdammen. 423 Wem sollen da nicht die Worte des Weltapostels beifallen: „Es wird eine Zeit kommen, da ste die gesunde Lehre nicht ertra¬ gen, sondern nach ihren Gelüsten sich Lehrer über Lehrer nehmen werden. — Und von der Wahrheit werden sie das Gehör ab- wendcn, zu den Fabeln aber hinwcnden". (U. Timoth. Eap. 4, V. 3, 4.)*) ch o r t s 6 tz u II g. Mit kaum einem anderen Worte wird von dem Zeitgciste ein so arges Spiel getrieben, als mit dem: „Aufklärung". Es gibt eine wahre und eine falsche Aufklärung; — wirklich, aber auch nur iu der Einbildung Aufgeklärte. Die wahre Aufklärung besteht nicht in der Viel-, noch weniger in der Halb¬ wisserei; nicht in der Fertigkeit und Keckheit, über Alles, selbst bei der mangelhaftesten Kennt,liß des Gegenstandes, nm den es sich handelt, vorlaut abzusprechen; insbesondere nicht in dem N e g i r e n d e r R e li g i o n n n d O ff c n b a r n n g; nicht darin, daß man von religiösen Vorurtheilcn und Aberglau¬ ben frei zu seyn erklärt, was so viel heißen soll, als daß mau auf Religion nichts hält, und mit seinem Unglauben sogar groß thut; daß man sich dadurch über das „ungebildete" — gläu¬ bige — Volk erhaben wähnt n. dgl., sondern Der ist in der That ein Aufgeklärter, dessen Kenntnisse möglichst gründlich, nicht oberflächlich, und harmonisch, nicht einseitig sind. Ihn ziert Bescheidenheit; so wie Arroganz der hervorragende Eharak- terzug des sich aufgeklärt Dünkeudcn ist. Der echten Aufklärung - auch in Bezug auf rein menschliches, profanes Wissen — war die katholische Kirche nie hinderlich; sie ist ihr auch in der Gegenwart nicht feind; im Gcgentheile, sic achtet und fördert die Wissenschaft, so viel au ihr gelegen. Sic verkennt es nicht, daß ernstes Studium, unbe¬ fangene Forschung ihr viele der begabtesten Geister zngeführt habe, von den großen christlichen Apologeten der ersten Jahrhunderte angefangen bis in die Gegenwart. Nur an deut en können wir in Kürze die großen Verdienste, welche sich die Kirche um die Wissenschaften, insbesondere um de¬ ren Wiederaufblühcn erworben hatte: In den Stürmen der Völ¬ kerwanderung wäre alle Eultur von den Barbaren mcdcrgctreten worden, wenn sich nicht die Kirche der verscheuchten Musen ange¬ nommen, und ihnen, zumal in den Klöstern, ein Asyl gewabrt hätte. Was Europa, insbesondere Deutschland, in dieser Bczie- ») Wie energisch haben sich viele katholische Obcrhirkn gegen solche Arten des Aberglaubens ausgesprochen! Bekannt ist, das; längst erst der apo- stolische Stubl die Cieistcrsclntften der Maria Kohlhammer und der Cres¬ centia Wolf in München verdammt habe. Daß Leien derselben gehört sogar unter die dem Papste selbst reservtrten Beichtfällc. 424 hung den Missionären z» verdanken habe, wurde schon bemerkt. Unparteiische Geschichtsforscher, nicht nnr unter den Katholiken, sondern auch Protestanten, z. B. Wolfgang Menzel, Heinrich Leo u. A. haben dargethan, wie ungerecht cs sey, das Mittelalter als die Zeit mehr als ägyptischer Finsterniß zu schmähen; wie viel auch wahrend desselben in den Wissenschaften geleistet wurde — wenn auch in einigen Zweigen, z. B. in der Naturkunde, weni¬ ger, als in anderen. Und was geleistet wurde, ging von der katholischen Kirche aus. Aus den Dom- und Klosterschulcn zunächst, wie sie vorzüglich unter Kaiser Karl dem Großen über Anregung des gelehrten Mönches Alcuin, (geb. bei Aork in England 732, f 804) errichtet worden waren, erwuchsen vom zwölften Jahrhunderte angefangen die Universitäten, als kirchliche Anstalten, in Frankreich, England, Italien, Spa¬ nien, Portugal und Deutschland. Sie standen unter dem unmit¬ telbaren Schutze des Papstes, der an den vor dem sechzehnten Jahrhunderte errichteten Universitäten einen Kanzler bestellte, welches Amt z. B. noch setzt an jener zu Wien der jeweilige Domprobst des Metropolitankapitcls versiebt. Nicht weniger als 66 Universitäten zählte Europa vor dem Jabre 1517, von wel¬ chen 17 Deutschland angehörten. Wir führen die letzteren mit den anderen in den österreichischen Ländern Alle; von den übri¬ gen Einige der berühmtesten hier an: (Manche bestehen nicht mehr.) Jene zu Bologna (1200), Paris (1206), und Salerno (1150) waren die drei ältesten. - In Italien: Vicenza (1204), Padua (1222), Neapel (1224), Treviso (1260), Ferrara (1264), Rom (1303), Pisa (1344), Pavia (136l), Cremona (1413) u. A. — In Frankreich: Toulouse (1228>, Avignon (1340) u. A. — In England: Orford und Cambridge (daselbst ward der Grund schon im zwölften Jahrhunderte gelegt; dann aber wurde die Hochschule der Pariser nachgebildet) u. A — In Spa¬ nien: Salamanca (1240), Alcala (1500). — In Belgien: Löwen (1425). — In Polen: Krakau (1400).— In Dänemark: Ko¬ penhagen (1479). — In Schweden: Upsala (1477). — In Un¬ garn: Fünfkirchen (1367), Ofen (1465), Preßburg (1467). In Deutschland: Prag (1348, gegründet von Kaiser Karl IV., zum beständigen Kanzler wurde der jeweilige Erzbischof alldort bestimmt), Wien (1365, gegründet vom Erzberzog Rudolph IV. von Oesterreich; vom Papste Urban V. bestätigt), Heidelberg (1368), Cöln (1388), Erfurt (1392), Würzburg 1402), Leipzig (1409), Rostock (1419), Trier (1455), Greifswalde (1456), Frei¬ burg im Breisgau (1456, gestiftet von Albrecht VI., Erzherzog von Oesterreich, Herrn im Breisgau), Basel (1460), Ingolstadt (1472), Mainz (1477), Tübingen (1482), Wittenberg (1502), Frankfurt an der Oder (1506). — Schon das Mittelalter batte tüchtige Geschichtschreiber; z. B. die Italiener Villani, Gio¬ vanni und Matteo im 14. Jahrhunderte. Wer kennt nicht die aller Anerkennung werthen Chronikenschreiber in Deutschland? 425 als: einen Regino, Abt des Klosters Prüm in der Diöcese Trier, 1- 915; Hcrmannus Contractus, Mönch des Klosters Reichenau, auf einer Insel des Bodensees, 4 1054; Otto, Bischof von Frci- singcn, Sohn des Markgrafen von Oesterreich, Leopold IV. des Heiligen, 4 1148 u. A. — Nicht minder hatte cs ausgezeichnete Dichter. Man denke an die altdeutschen epischen Dichter; an Dante (4 1341) und Petrarca (4 1374) in Italien.*) Nicht die Reformation hat erst die Liebe zu den klassischen Studien geweckt; denn schon vor derselben haben sich darin Männer hervorgethan, wie die drei Cardinale: Bembo (geb. 1470), Contariui (geb. 1483) und Sadolet (geb. 1478) in Ita¬ lien ; der bereits genannte Aclius Antonius von Lebrifa oder Ne- brissa (geb. 1442) in Spanien; Erasmus von Rotterdam (geb. 1407, 4 1536) u. A. Die Literaturgeschichte zählt noch viele ka¬ tholische Gelehrte ans, die bier nicht angeführt werden können. Undankbar genug wandten sich die sogenannten Humanisten vom 16. Jahrbundcrte an gegen die Kirebe, okne deren Sorg¬ falt sie nicht einmal die classischcn Werke der heidnischen Vorzeit in die Hände bekommen batten. Es hat gegeben, und mag noch geben allzu ängstliche, übri¬ gens wohlmeinende Katboliken, welche dafür hielten, daß Wissen¬ schaft und Gelehrsamkeit mit festem Glauben nicht wobl verträg¬ lich seyen. Eine übertriebene Besorgniß, welche die Kirche in Betreff des mit Demuth verbundenen wissenschaftlichen Strebens nicht begt. Schon die alten Kirchenväter dachten anders. Cle¬ mens von Alerandrien sagt (Strömst, o. 9.): „Einige Menschen wollen sich nicht der Philosophie oder Dialectik widmen, oder der Naturphilosophie, sondern begehren den Glauben allein und un¬ geschmückt zu besitzen. Aber wie bei dem Ackerbaue und der Arz- neiwiffenschaft Jener als der Gebildetste gilt, der sich auf die mannigfaltigste Anzahl von Kenntnissen, die znm Bauen oder znm Heilen nützlich sind, verlegt hat, so müssen wir Den für den Bcst- *) Bereits kor Dante blühte die religiöse Dichtkunst in Italien, wo Um¬ brien ibre Wiege und der heil. Franz von Assisi (geb. 1182, 4 1226) ihr geistiger Vater war. Das „Svnncnlicd" (italienisch) hat unstreitig ihn zum Versager. Bald darauf gab ein Franciscancr aus Verona, Fra Giaeomino, in kcnctianischcr Mundart zwei kleine Otcdichte aus: Die Holle und das Paradies — als Vorläufer Dantc's vivins comesiw. Bruder Pacifico, ein Franciscancr und Zeitgenosse des heil. KranciscuS, war gleichfalls ein religiöser Sänger; nicht minder der Heu. '^onaken- tura, und Giacimo di Verona, der Verfasser eines geistlichen Ritter- Thomas von Celano, eines der ersten Mitglieder des neu errichteten Franciscaner-Ordens, wird nun allgemein für den Versager des Hym¬ nus „Vies irse" gehalten; sowie das „LIsbst mswr<- dem Mönche des gleichen Ordens, Jacoponi da Todi, (4 1306) zuge,chrieben wird. (Vergl. „Italiens Franciscaner - Dichter im 13. Jahrhunderte" von A. F. Ozanam, Professor der Literatur in Paris.) 426 gebildeten halten, der alle Dinge mit der Wahrheit in Verbindung setzt; der aus den Wissenschaften Alles sammelt, was zur Vcr- thcidigung des Glaubens dient". Als ein warmer Verthcidigcr der profanen Wissenschaft trat der heil. Basilius der Große, Bischof zu Casarea in Cappadocicn (im 4. Jahrhundert) auf; ernstlich empfiehlt er das Studium der schönen Literatur; zugleich aber will er Alles ferne gehalten wis¬ sen, was die Unschuld des Herzens verderben könnte. Sein Freund, der heil. Gregor von Nazianz, spricht sich ganz offen also aus: „Ich glaube, daß alle Männer von gesundem Verstände darin übereinstimmen müssen, daß die Wissenschaft für das höchste der irdischen Güter zu halten scy. Ich rede nicht bloß von der edlen Wissenschaft, welche die unsere ist, und welche, alle äußerliche Aumuth verschmäbend, sich ausschließlich auf das Werk der Erlö¬ sung und die Schönheit der geistigen Ideen wendet; sondern auch von feuer Gelehrsamkeit, die von außen ist, und die einige n n v e rstä n d ig e C h ri st e n als falsch u n d g csährlich, und die Seele von Gott abkchrcnd verwerfen", (I'imobris oratio in landein kasilü )l.) Der heil. Hieronymus spricht nicht ohne Bitterkeit von Jenen, welche, wie er sagt, Unwissenheit für Helligkeit halten (op. 18. sä lVIsrcellam). Der heil. Augustin schreibt (de dootrina elu-ist.): „Wenn Jene, die sich Philosophen nennen, irgend etwas Wahres, und unserem Glauben Angemesse¬ nes gcfagt haben, so müssen wir es nicht nur nicht fürchten, son¬ dern es "von ihnen sogar als unrechtmäßigen Besitzern zu unse¬ rem Gebrauche nehmen."— Gerade aus dem Mittelalter be¬ rufen wir uns auf den heil. Bernhard: „Ich möchte vielleicht, sagt er (8orm. 36. super Oantica), die Wissenschaft zu sehr herab¬ zusetzen , die Gelehrten zu tadeln und das Studium der Wissen¬ schaft zu verbieten scheinen. Das sey ferne! Mir ist nicht unbe¬ kannt, wie viele gelehrte Männer der Kirche genützt haben und nützen, entweder durch Widerlegung ihrer Gegner, oder durch Belehrung der Unwissenden. Und ich habe auch gelesen: Weil du die Erkcnntniß verwirfst, verwarf ich dich auch, daß du nicht mehr mein Priester seyest". (Oseas Cap. 4, V. 6.) Viele Päpste beschützten und begünstigten auch profane Wis¬ senschaften und weltliche Gelehrte in großmüthigster Weise, siehe Abhandlung VIU. — In der schon citirten Encyclica Sr. Heiligkeit Pius IX. an die Cardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe Frankreichs vom 21. März 1853 heißt es: „Fahret fort, wie ihr cs bis fetzt gethan, nichts zu unterlassen, damit die jungen Kle¬ riker in euren Seminaricn gründlich unterrichtet werden in den schönen Wissenschaften, und auch in den ernsteren, nament¬ lich in den heiligen, von der Gefahr jeglichen Jrrthnmes fernen Lehren; so, daß sie nicht nur die wahrhafte Eleganz im Schrei¬ ben und Sprechen, und die Bcredtsamkcit sowohl aus den weise¬ sten Werken der heiligen Kirchenväter, als auch aus den ausge- 427 zeichnctsten heidnischen, von jede e Makel ,qc reinig¬ ten Schriftstellern erlernen, sondern auch vollkommen genaiic Wissenschaft der theologischen Dvctrinen zn erlangen vermögen". *) 4- -i- Weil mit den Wissenschaften gewöhnlich die Künste in Ver¬ bindung gebracht werden, insofcrnc sie, ob auch nicht immer, de¬ ren Blüthe oder Verfall thcilen, und bei der Bcnrthcilnng des Bildungsgrades irgend eines Volkes oder einer Zcitpcriode auch in Anschlag gebracht werden, so können auch wir von denselben hier nicht Umgang nehmen. Der müßte wahrlich ein Fremdling scyn in der Knnstlitera- tur, der da nicht wüßte, wieviel die Künste, insbesondere die Bau- und Malcrknnst gerade der katholischen Kirche zn verdan¬ ken haben.**) Sie war nach den Stürmen der Völkerwande¬ rung dieWiedcrberstellcrin, wie der Literatur, so auch der Kunst. Die Baukunst, Bildnerei und Malerei fanden in ihr die sorgsamste Pflege; und an religiös-kirchlichen Gegenständen die würdigsten Objecte für ihre Schöpfungen. Was die Baukunst betrifft, so waren cs zunächst die christ¬ lichen Gotteshäuser, au deren Errichtung sie sich übte und ausbildete. Diesbezüglich unterscheidet man den altchristlich en Basiliken-Styl; den byzantinischen; romanische»; germanischen oder g ethischen; und den sogenannten Ne¬ ri a i s s a n c e st y l. ***) *) Sehr wahr beisit es in „Wolfgang Menzels Literaturblatt" (Nr. 81 v. I. l855): „Die Ki rchcn sch r i ft sie l le r, weiche das Hcidentbum, wie eS noch zu ihrer Zeit war, treu nach dem Leben geschildert haben, sind die nvthwendigc Ergänzung zu den klassischen Autoren unter dcn^vcidcn selbst. Es ist gewiß ein Fehler, wenn unserer Jugend in den Schulen immer nur die Homerisch - Pindarischc Lichtseite der von den Olympiern regierten Welt gezeigt wird, und nicht auch die Nachtseite in jener sitt¬ lichen Versumpfung, aus der die Menschheit nur durch das Ehristenthum erlöst werden konnte". (Vergl. die ausgezeichnete Schrift: „Die Kirchenväter" als notb- wcndige und zeitgemäße Lectürc in den Gymnasien, vom wissenschaftli¬ chen und ästhetischen Standpunkte aus dargcstcllt von I. Auer, Priester aus dem Orden der frommen Schulen, Professor der griechischen Cpracbc und prov. Direktor am k. k. akad. Gymnasium in Wien.) lieber klassisches Studium unbedingt den Stab drecken , wuiee Einseitigkeit und Befangenheit vcrrathcn. Große, heilige Männer ui der Kirche, in allen Jahrhunderten, haben der Welt, wie durch Heilig¬ keit des Wandels, so nicht selten auch durch ungewöhnliche klastische — überhaupt wissenschaftliche Bildung imponirt. ") Auch die Musik erhielt ihre Hauptoflcgc in der Kir.be. Sie begann zunächst mit dem Choral. Der Bcncdictinermönch Guido von Arezzo im ll. Jahrhunderte, erfand die Notenschlüssel. ***) Dieser verschiedenen Baustylc wird hier unter Anführung einiger ihrer Hauptmerkmale Erwähnung gctban, weil in der Gegenwart davon öfters gesprochen wird, und der Gegenstand an sich von großem In¬ teresse ist. 428 So lange das Christenthum im römischen Reiche verfolgt wurde, hatten seine Bekenner freilich noch keine eigentlichen Kir¬ chen; sondern sie feierten ihren Gottesdienst zumeist in den Ka¬ takomben, d. i. in den unterirdischen Grabstätten, deren ausge¬ dehntesten und wichtigsten sich in Rom vorfiuden. Diesseits und senseits der Tiber gelegen, bilden sie einen ziemlich fest geschlosse¬ nen Ring um die ewige Stadt. Gewöhnlich von geringer Weite, sind sie doch nicht selten von größeren Räumen, sogenannten Grab- capellcn oder Oratorien unterbrochen, in welchen Manche die Grundform der altchristlichcn Kirchen vermachen. Als im 4. Jahrhunderte der christliche Cultus öffentliche An¬ erkennung erlangte, erhoben sich auch alsbald öffentliche ausge¬ dehnte Gebäude zur Abhaltung des Gottesdienstes; —die Basi¬ liken soll. o.-'xo5, königliche Wohnung). So hießen schon in vorchristlicher Zeit, insbesondere bei den Römern, nach außen abgeschlossene Hallen, bestimmt zu Verhandlungen der Ge¬ schäftsleute, später auch als Gerichtshallen verwendet, und mit einem erhöhten Tribunale für die Richter versehen. Sie bildeten ein längliches Viereck mit zwei Haupträumen, nämlich der Tri¬ bunalnische, worin sich der Richterstuhl befand; und dem Langhause, welches gewöhnlich außer dem Mittelschiffe noch aus mehreren kleineren und niederen Seitenschiffen bestand. Dem entsprechend war die Bauform der ältesten christlichen Basili¬ ken. Das sogenannte Schiff der Kirche war mit der Säulenhalle der römischen Basilika architektonisch gleich gebildet; verschieden dagegen erscheint die Anlage des Chores und der Abschluß an dem einen Schmälende durch eine gewölbte Nische (apsis) in so ferne, als sie hier in unmittelbare Verbindung mit dem Lang¬ hause tritt, während sie in der römischen Basilika durch einen portieus von ihm getrennt war. — Den Richterstukl ersetzte die Cathedra des Bischofs, au welche sich die Priesterschaft anreihte; im Querschiffe wurde der Altar angebracht; im Langhause nah¬ men die Laien Platz; in der Thorhalle und in den Vorhöfen be¬ fanden sich die Catechumeue» und Büßer. Zu den ältesten römischen Basiliken gehören obenan die va¬ tikanische, und die Paulskirchc an der Via Ostia, aus der Zeit Constantins des Großen. Die erstere wurde bei dem Neubaue der Peterskirche im 15.-17. Jahrhunderte niedergerissen; die an¬ dere ging 1823 durch Feuer zu Grunde, wurde aber schöner als früher wieder aufgebaut, und von Sr. Heiligkeit Pius IX. am 10. December 1854 feierlichst cingeweiht. Als den zweiten altchristlichen Bautypus sehen Einige den sogenannten Ccntralbau an, indcß Andere denselben schon un¬ ter dem byzantinischen Baustyl inbegriffen wissen wollen. Der langgestreckte Bau der Basiliken wird zum Quadrat, Polygon, oder Kreis; der bedeutendste Bautheil wird die Mitte, über wel¬ cher die Kuppel sich erhebt. Wenn bereits der Centralban zur öpZchitiu,scheu Kunst herübergezogen wird, so kann man als Mit- 429 telpunkte derselben Constant, no p el, Ravenna und Vene¬ dig bezeichnen. Als Muster gelten: die Sophicnkirche (nun Moschee) in Constantinopel, deren Neubau nach dem Brande des älteren Constantiuischcn Baues 532 unter Kaiser Justinian, durch die Baumeister Jstdor von Milet, und Anthcmius von Trallcs zu Stande kam. — In Ravenna: die Kirche San Vitale, deren Bau im Jahre 526 begann, bis 547. Venedig, dessen Handel nach der Levante die Bekanntschaft mit orientalischen Bauformcn hcrbeiführte, besitzt an der Marcuskirche ein herrliches Denk¬ mal byzantinischer Kunst. Ihr Bau wurde um 986 begonnen; vollendet 107l. (Nach Dr. A. H. Springer 976—1085 ) — Auch in Sicilien und Limousin, überhaupt Aquitanien in Frankreich, fand der byzantinische Styl Eingang; doch machte sich in Süd- Italien hie und da der arabische Einfluß noch mehr geltend; zumal in Bezug auf Ornamentik. — Wie bemerkt, ist das Charakteristische der byzantinischen Bauschule das Kuppelge¬ wölbe, freilich mit manchen Modifikationen. Der byzantinische, oder wenn man so will, der antik römi¬ sche Einfluß („denn das Zeitalter Karls des Großen versuchte die Wiedergeburt der Künste durch den Rückgang auf römische For¬ men, welche, wie das römische Imperium überhaupt, keineswegs als etwas Fremdartiges betrachtet wurden". Dr. A. H. Sprin¬ gers Handbuch der Kunstgeschichte, S. 154.) auf den Norden Europas beschränkte sich auf die Bauten Karls des Großen, als dessen wichtigstes Werk das Aachener Münster (von 796 —804 gebaut) anzufehen ist. Jeder Schritt nach ihm ist ein Schritt abseits der antiken Traditionen, ein Schritt vorwärts in eine neue Kunstära. Diese neue Zeit repräsentier in der Architektur der romanische Styl (siche Mitthciluugen der k. k. Central- Commission zur Erforschung und Erhaltung der Bandenkmale. I. Jahrgang. Heft Nr. 5). Derselbe, auch der Ru n d b o g e nstyl genannt, war vom 10. bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts vorherrschend, und erhielt vorzüglich in Deutschland seine Ausbil¬ dung. Die altchristliche Basilika blieb die Grundlage des roma¬ nischen Styles; das Langhaus gliedert sich in ein erhöhtes Mit¬ telschiff und die niedrigen Seitenschiffe; im Westen wird dasselbe von der Vorhalle, östlich von dem balbkreisförmigeu Altarraumc begrenzt. Freilich gab es auch diesfalls Modificationeu. Tic Mehrzahl der romanischen Kirchen erscheint gegenwärtig überwölbt. Der Ausdruck „romanisch" hat bei Bauformeu eine andere Bedeutung, als bei Sprachfvrmcn. Denn nicht romanische Völker vorzugsweise haben diesen Banstyl augcweudct; sondern vielmehr germanische, oder vielmehr mit germanischen Clcmcntcn stark vermischte romanische Völker , bei denen spater der gothischc Styl in der Älüthc stand. (Mitthcilungcn u. s. w. Hcst^ul, 18o(>.) Aus dem romanischen Gcwölbcbaue ging eben der gethische oder germanische Styl (d c r S P itz b o g c n sty l) bervor. Die roma¬ nische Bauform darf von der gothischcn nicht durch eine weite Kluft 4Z0 getrennt werden. Sie gingen leise in einander über. Der soge¬ nannte Uebergangsstyl, der romanische mit Anwendung von Spitzbogen, war zu Anfang des 13. Jahrhunderts herrschend. Das Grundprincip des gothischen Styles ist: die constructiven Functionen von der Masse auf einzelne Glieder zu über¬ tragen, und in isolirtcn, selbstständigen Organen auszudrücken. Die Tragkraft der Wölbung conccntrirt sich in Pfeilern, die sich in einen Pfeilerbündel auflösen — daher die Leichtigkeit des schlanken Baues. Den inneren Pfeilern entsprechen an der Außenseite die Strebepfeiler. Mehr oder weniger zeichnen sich alle gothischen Kirchen durch reiches Füllwerk aus; insbeson¬ dere durch das sogenannte Maaß werk, d. i. durchbrochene Stcinarbeit. Der spätgothische Styl im 15. und 16. Jahrhun¬ derte leidet schon an Ueberladung und schrankenloser Willkühr in derlei Verzierungen; ihm gehört z. B. auch die sogenannte Fisch¬ blase an, eine willkürlich ersonnene Form. An der Spitze der deutsch-gothischen Bauten, ja der germa¬ nischen Architektur überhaupt, steht der K ölner Dom. Erzbi¬ schof Konrad von Hochstadcu legte 1248 den Grundstein zum Chorbaue. Als erster Werkmeister wird noch immer Gerhard von Nile angesehen. Bekanntlich sieht dieser berühmte Dom erst sei¬ ner allmäligen Vollendung entgegen. — Im inneren und östlichen Deutschland entwickelte die gothische Baukunst erst im 14. Jahr¬ hunderte ihren vollen Glanz; z. B. an dem St. Stephans-Dome in Wien (in den Hauptthcilen gebaut von 1359, als Erzherzog Rudolph IV. „der Stifter" zu den beiden Thürmcn den Grund legte, bis 1519); an dem Prager Domchor zu St. Veit (1343 — 1385). Die dekorative Architektur war in der Periode der Gothik nicht allein ans den Hauptbau beschränkt, sondern auch im Innern der Kirche im reichsten Maße angcwcndct; als: an den Ciboricn, Baldachinen über den Altären, an den Sacraments- häuschen, Ambonen, Kanzeln, Orgelbautcn n. s. w. Zunächst in Italien, dann anch anderwärts, wurde die go¬ thische Bauform durch den sogenannten Renaissance styl ver¬ drängt. Darunter versteht man die Rückkehr zum antiken Styl. Der ältere Renaissanccstyl gehört dem 15. Jahrhunderte an. :.! 1'»L n n-, n »r n«r)ch«?t»') s? -d yü L. isG d)v ' 7«n mnüiiMnW Lvci chi'?7ln ,tfr ni »E,M L--1,nkK s;4 -!NÄr'j 7ud')s! -,-^i^sx.L77U - 7-7 :!:n »ni? .rrnttn'iMiÄ - 'j-ld»stz rEnj M ist-nr 7,4-', m sir , H unc.«« ^mnvämA 2 sum -nDm- Mstu!? s!Ü -Kusi iMu .n?Ä»-7l»s, (< '! nsnAr O «'»kttnEnM 5 KsfiriLnsirE murs^'.'!« usittrkLSsk:^^ i):r r,«rkr — s-ottsqhMk-'.'isüsll sn:, N' n o - ? N'- nn u 7 7 > ' . ° 1?. K s - : -j! ' !-.. 7:'^ srk» ^?>L .r^L .A .! .chirI - »7^r,'D i?s s.mi.r^s'- S-.?! sjrikHni^iD „S «)- rmsL'., .k»k1iirr uz:>»> -7^> -/:y« ,,-.>7ssMss sin 7'.--', ;,i,(.r! .N m4;- : . 7?^- -'-5. ' ZliHllbetiHes IchM-Mgickr von Namen und Sachen. (Die Ziffer bedeutet die Seitenzahl.) Abdias 23. Aberglaube 416—422. Ablaß — Begriff desselben 313— 316. — Die Kirche hat das Recht, Ablässe zu ertheilen 316 u. ff. Ar¬ ten derselben 319. 320. Nützlich¬ keit des Ablasses 321-324. Academie 6el Oimenlo 96. —