kaibacher W o ch e n b l a t t z u m Nuhen und Vergnügen. ^^' 39. Freytag den 29. September. 13^5. Der Sonntagsmarkt in Moskau. ^3)er Conntagsmarkt zu Moskau gewährt dem Pemden ein eben so neues als interessantes Schauspiel. Von fünf Uhr früh bis Abends um acht Uhr ist der weite, nahe am Krcmlin gelegene Platz Gallitzin mit unzähligen Menschen aus der Landschaft und aus allen Volksclassen beseht, die herkommen, um zu kaufen und zu verkaufen. Die Gegenstände, um die es sich handelt, sind weiße Pfauen, Tauben von allerley seltsamen Arten mit Fächerschweifen u. s w., von allen Gattungen Hunde, Jagd - und Haushunde u. s. f., Singvögel, Gcfiügel, Pistolen, Flinten, mit einem Worte, alleH was durch das Ungefähr oder durch Gewohnheit ein Gegenstand des Handelsverkehrs werden kann. — Für den Verkauf der Singvogel ist ein eigener sehr großer Marktplatz vorhanden; die übrigen Krämer haben keine Buden, sondern sie legen ihre Waaren entweder auf Gerüsten zur Schau, oder biethen dieselben von der Hand zum Verkaufe aus. Unter den Artikeln, welche feil gebothen werden, sind Vögel und Hunde die bedeutendsten. Mitten unter der Menge sind die, welche Tauben auffüttern, an langen weißen Gerten kennbar, die sie mit sich führen, um jene Vögel in ihrem Fluge zu leiten. Die vornehmen Moskowiten haben für die Tauben eine besondere Vorliebe, und ein Favoritpaar gilt auf dem Markte zuweilen fünf bis sechs Rubel. Mit Verwunderung sieht man die Taubenhändler ihre Vögel, um sie gehörig vorzuweisen, davon stiegen lassen, und dann nach Belieben wieder einfangen.Das Haupttalent dieser Tauben besteht darin, daß sie in kreisförmiger Bewegung sich zu einer beträchtlichen Höhe zu erheben wissen; alle siic-gen auf gleiche Weise und jede folgende der Vorhergehenden nach. Ist eine müde und nicht mehr im Stande, die von ihren.Vorgängerinncn bezeichnete Beugungslinie zu halten, so pfeift der Verkäufer und schwenkt seine Gerts, worauf dann der Vogel seinem Fluge meist eine andere Richtung gibt. Während dieses Manövres verspielen die Russen ihr Geld mit Wetten, und zanken sich über die von einer Taube zu erreichende Höhe, oder über die Zahl der Kmse, die sie, um jsns Höhe zu erstiegen, beschreiben wirb. Unter den Jagdhunden bemerkt man eine besonders schöne Art, mit langen Schwänzen, ähnlich den Hunden von New-Foundland, aber erstaunlich groß und dick gewachsen. Jene kleinen Hunde von teutscher Rnce, die in England zu so hohen Preisen verkauft werden, geiten'hier gar nichts. Ein sehr schöner ward dem Verfasser zu einem englischen Schilling seil gebothen. Englische Windspiele sieht man ebenfalls, auch Hunde, die zur Fuchsjagd gebraucht werden; die Lisd-lingsrace der Moskowiter ist der englische Dachshund, den man aber ir. Nußland selten findet, dieser gilt achtzehn Rubel, und je nach der Laune des Kau-sers und Verkäufers auch damber. Auch der Katzenfreund findet anf dem' Somi? tagsmarkte für seine Liebhabsrey B^fnedi-? gung. Persische Katzen von bläulich.grüner Schieferfarbe werden ganz vorzüglich bewundert. Der Verfasser'bemerkte mehrere Breter, die ihm mit Getreide bedeckt schienen; als er aber näher hinzu trat, um dessen Qualität zu prüfen, erstaunte er nicht wenig, zu sehen, daß das, was er für Korn gehalten hatte, nichts anders war, als zum Verkauf aufeinander geschüttete Haufen von Ameisoneyern. Nahe bey diesen Bretern fanden sich ganze Kufen voll Amnsen, die sich Haufen-' . weift auf die Eyer und Eyerverkäufer setzten. Die Ameisen sowohl als ihre Eyer werden als Speise für die Nachtigallen nach Moskau gebracht. Diese Licblings-vögel der Russen, die man sehr häufig halt, singen in dem Käsig gerade so gut, als in den Gebüschen, und an der Nachtigall , die in der Bude der Vogelhändler ihren Gesang ^anstimmt, bewundert man eben diej Fülle und Mannigfaltigkeit des Tones, wie an derjenigen, welche den Hain bewohnt. Dieser Vogel kostet, wenn er schön singt, etwa fünfzehn Ru- bel. Den Tag über können ihn die Russen , dadurch, daß sie Körner auf einer Tafel hin - und herrühren, nach Belieben singen machen, und die Nacht über wieder,hallen die Straßen der Stadt von den melodischen Weisen der Haine. Die Eide. Glauben Sie den Eiden, liebe Freun? dinn? , Ja und nein! Wie verstehen Sie das? Als ich si.benzcyn Jahrs alt war, hatte ich emeu artigen Vetter, der nach Beendigung seiner Uuiversitätsstudien uns besuchte und einige Zeit bey meinem Va-te^ zubrachte. Meine artige Gestalt und meine Anmuth, wie er es nannte, fioß-? ten ihm bald eine Empfindung ein, die etwas zärtlicher war als Freundschaft. Als wir uns eines Abends allein befanden, schwur er mir, mich stets zu lieben und mich nie zu verlassen. Ich glaubte ihm dieß gern; die Eide kamen mir in diesem Alter so heilig vor . . . . Den anderu Tag erhielt er ein Amt in der fernen Residenz ; er reiste bald ab und ich habe ihn nie wieder gesehen. Sein? Schwester, die beynahe in mei-nen Jahren war, ersetzte bald seine Stelle in unserm Hause. Sie war reicher und schöner angezogen als ich; ich aber sah artiger aus, war nicht so stolz und gefiel mehr. Bey einer wichtigen Gelegenheit erwies man mir auf eine merkliche Art Vorzüge, die ihre Eigenliebe tief beleidigten ; sie schwur mir einen ewigen Haß. Es sind nun über zwanzig Jahre verflossen , und sie hält ihren Eid noch. Bey dem Tode meiner Aeltern hielt einer meiner Nachbarn um meine Hand an; er war ein reicher Mann, von einer gu- ten Geburt, sber er war hart, eifersüchtig und geitzig. Ich wich auf eine schickliche Art seinen Anträgen aus; drei Tage darauf, nachdem icl> ihn zu meinen Füssen mir seine Hand und sein Vermögen anbiethen gesehen hatte, schickte er mir eine Klage wegen einer streitigen Wiess zu. — Er schwur, entweder mich als Frau nach Hause zu führen, oder mich zu Grunde zurichten. Ich bitt ihm entwischt, aber ach! fast ment ganzes. Vermögen ist in seinen Händen geblieben.. Aufgebracht über die Männer, über die ich W viele Ucsache mich zu beklagen hatte, schwur ich, sie auf immer zu fiie? hen, und besonders, mich in keine ernsthafte Verbindung mit einem derselben einzulassen. Was war der Erfolg? So lange ich jung war, ging es an; allein als ich in die Jahre kam, wo die Rolle einer alten Jungfer eben so traurig als demüchigend ist , gestand ich einigen sichern Freunden meine unglückliche Lage; sie nahmen Antheil daran. Kurz, man verschaffte nur einen Mann und ich brach im fünf und vierzigsten Jahre meinen Eid. Und gegen wen? Gegen den artigen Ritter, den ich "gesehen habe. —' Gegen den Officier mit dem großen Barte? Ach , nein ! ^Gegen seinen Vater. — Was kann ich also von den Eiden sagen? Der junge Krieger. Horch! es donnern die Geschütze ' Furchtbar wild Durch's Gefild, Rothe Flammen sprühen Blitze, Pfeilschnell fliegt der blasse Tod, Morgen starr und heute roth! Sonnig zogen meine Stunden, Blumenreich G'inen gleich, Und der Scherzi hiclt sie umwunden^ Hoffnungen im Lenzgewand Bothen'zactlich sich dk Hand. Doch die ernste Pflicht gebiethet! Mem Geschick M^ßt ihr Blicks . . Und wie schwer der Kampf auch wuthst, Hat ihr Schi^o m ch überdeckt, Stten und Donnerton nicht schreckt l Fall' ich unter blut'gen Leichen, Grabt mich ein Dort am Stein, Neben jenen heil'geu Eichen, Daß ihr Rauschen künde an: Hier, hier ruht ein teutscher Mann l Carl Grumbach. Anekdote. Ein Geitzigcr scknupfte bloß auf Anderer Kosten. Er kam auf Rousseau zn, im Augenblicke wo dieser seine Dose öffnete. „Sie nehmen ja Tabak? fragte R." - „O freylich." — Je nun! ich kauf ihn — und er both ihm den Rücken. Ein junger Schöngeist las ein Trauerspiel vor. In der ersten Scene traten schon dreyßig Personen auf. Er-fragte Voltairen: Was denken Sie von meinem Plane? — „Mein Herr," sagte der große Dichter, „nur ein Generallieutenant kann all dieses Volk an'v Ziel führend M Als Vonaparte nach der Schlacht von Watsrloo, im Pallast Elysee - Vourbon angekommen war, so begab sich die Madame Hortense (vormalige Königin von Holland) eiligst dahin, und wie sie ihn ganz niedergeschlagen sah, warf sie sich zu seinen Füssen, beschwur ihn, den Muth nicht zu verlieren, indem sie hinzusetzte, man mußte die Truppen wieder versammeln; Frankreich hätte Hülfsquellen genug, und daß noch nicht Alles verloren wäre u. s. w. Bonaparte, nachdem er sie einen Augenblick in dieser Stellung betrachtet hatte, antwortete ihr kalt: Ich Habs Sie sehr klein in diesem Pallast gekannt, damahls waren Sie sehr hübsch." Sie stand wüthend auf, verließ den Pallast, und kam nie wieder dahin» Geschicklichkeit eines Spions. Der berüchtigte Spion Schulmeister, der nun zu Wesel fest sitzt, verstand sein Handwerk aus dem Grunde. Hier eine Anekdote als Beweis: Wie Bonaparte feinen eifrigsten Anhängern nicht traute, so war dieß auch der Fall mit diesen: Schulmeister. Im Jahre ,808 wollte er sich seiner entledigen und ließ ihn nach Paris kommen. Er sagte ihm viel Schmeichelhaftes über seine geleisteten Dienste «nd um ihn recht treuherzig zu machen, bat er ihn, ihm eines seiner besten Kunststücke zum Besten zu geben. S. versetzte: Mein Bestes ist das , daß ich weiß, Ew. Maj. tragen den Verhaftsbefehl gegen mich in der Tasche. V. konnte sich für Verwunderung kaum fassen und ließ ihn laufen: denn er hatts die Wahrheit gesprochen. Dcr gewissenhafte Gelehrte. > Der unlängst zu Paris verstorbene» Gelehrte Dnthnl de la Porte, ein in je^» der Hinsicht tnustcvbafter Mann, hatte auch den Petronius übersetzt; jedoch als seine Ucbersetzung schon gedruckt war, siel ihm erst ein, wie wenig es einem gesetzten Manne zukomme, ein so unsauberes Werk herauszugeben. Nun kaufte er dem Buchhändler für den Ladenpreis die gan-ze Auflage ab, und ließ sie vernichten. Die schone Schläfenn. Ein junges Mädchen, die schöne Schla-ferin genannt, 22 Jahre alt, war bis zum 28. Iuny niemals von einer besonderen Schlafsucht befallen. An diesem Tage fiel sie in einen schweren Schlaf, welcher 63 Stunden währte, dann erwachte sie für wenige Augenblicke, schlief den 1. Iuly wieder ein, und blieb bis zum 7. dem Anschein nach, aller Bewegung beraubt, wcdey ihre Kinnbacken so fest verschlossen waren, daß man nur mit äußerster 'Muhe ihr ew wenig Wasser und Wein einstoßen konnte. Vom 7. Iuly bis 8> August blieb sie in einer tiefen Schläfrig-keit und völlig unbeweglich, doch konnte sie den Mund öffnen und von Zeit zu Zeit etwas Nahrung zu sich nehmen. Endlich nach 40 Tagen , gab sie einige schwache Lebenszeichen, und ihre Augen, deren Decken man sanft gehoben hatte, blieben geöffnet. Als sie erwachte, sagte sie, daß ihr die Nacht sehr lange vorges kommen sey und daß sie einen schmerzlichen Schlaf gehabt habe.