141 Vida Jesenšek * UDK [81'373.7:81'374]:81'33 Universität Maribor DOI: 10.4312/linguistica.59.1.141-153 PHRASEOLOGIE UND PRAGMATIK Sprache als Tätigkeit des Geistes und als sein Ausdruck in der Rede ist Sprache in der Kommunikation. (Siegfried Heusinger) 1 EINLEITUNG Die kommunikativ-pragmatische Wende in der Sprachwissenschaft stellte seit etwa 1970 eine funktionale Orientierung in der linguistischen Forschung in den Vorder- grund; im Unterschied zu sprachhistorischen und/oder systemlinguistischen Herange- hensweisen rückt in den Mittelpunkt der Betrachtung die Sprachverwendung samt ihrer Wirkung in unterschiedlichen kommunikativ-situativen Kontexten. Gleichermaßen gilt das Gesagte für die Erforschung der phraseologischen Ausdrucksweise: untersuchte man zu Anfängen der Phraseologie als selbstständige linguistische Disziplin System- aspekte des vielfältigen phraseologischen Inventars einzelner Sprachen, so interessiert man sich aus funktional-pragmatischer Perspektive für Phraseme 1 im Hinblick auf ihren (kon)textuellen Gebrauch, ihre Funktionen in typischen situativen und/oder tex- tuellen Zusammenhängen, ihre potentiellen kommunikativen Leistungen, kurzum: man hinterfragt ihr semantisch-pragmatisches Potenzial. 2 In der Tat lässt erst eine genaue Betrachtung kon- und kotextueller Umstände der Verwendung zuverlässige Aussagen über die in der Regel komplexe Semantik und Pragmatik von Phrasemen zu. Detail- kenntnisse zum Bedeutungsspektrum und funktional-pragmatischen Potenzial einzel- ner phraseologischer Ausdrücke stellen zugleich eine erforderliche Basis für adäquate * vida.jesensek@um.si 1 In Anlehnung an Burger (2015: 30ff.) wird in diesem Beitrag das breite Verständnis der Phraseologie vertreten; unter Phrasem werden polylexikale, relativ stabile, satzglied- und/oder satzwertige Wortschatzeinhheiten mit graduell ausgeprägter Idiomatizität verstanden (den Ton angeben, blinder Passagier, klipp und klar, Übung macht den Meister). Sog. pragmatische Phraseme (Hyvärinnen 2011) bzw. Routineformeln (Stein 1995, Burger 2015) (guten Tag, mit freundlichen Grüßen, meines Erachtens) als phraseologische Sonderklasse werden dagegen nicht berücksichtigt. 2 Bekanntlich erweist sich eine klare Trennung zwischen Semantik und Pragmatik als äußerst schwierig, denn beide befassen sich mit Bedeutung. Gerade metaphorisch-metonymische (und somit phraseologische) Ausdrucksweisen stellen eine der Schnittstellen dar; es lässt sich nicht eindeutig festlegen, welche Bedeutungsaspekte eines (phraseologischen) Ausdrucks dem Bereich der Semantik und welche dem Bereich der Pragmatik zuzuordnen sind (Gutzmann/Schumacher 2018). Aus diesem Grund deckt der Ausdruck Pragmatik in diesem Beitrag immer auch Aspekte der Phrasem-Semantik. Linguistica_2019_FINAL.indd 141 9.10.2019 8:58:48 142 lexikographische Erfassung in allgemeinen und speziellen Wörterbüchern dar. Nicht minder wichtig sind sie aber auch in sprachdidaktischer und übersetzerischer Hinsicht: eine angemessene, sinnvolle und effiziente Vermittlung von Phraseologie im Spra- chenlernen sowie eine adäquate Übersetzung sind ohne umfassende sprachkontrastive Kenntnisse über semantischen Gehalt und pragmatisches Potenzial eines jeden phra- seologischen Ausdrucks nicht denkbar. Der Beitrag 3 wendet sich somit der Frage zu, wie man die komplexe Semantik und Pragmatik der Phraseologie lexikographisch erfasst, damit sowohl phraseologie- theoretische als auch praktisch-lexikographische und wörterbuchbenutzerorientierte Ansprüche gedeckt werden. Somit wird das Ziel verfolgt, systematische, sprach- kontrastive und empirisch gesicherte Detailuntersuchungen zur Semantik-Pragmatik der Phraseologie anzuregen. Die Thematik knüpft an die Forschungs- und Publika- tionstätigkeit des Jubilars, dem dieser Band gewidmet ist. Mein geehrter Doktorvater Herr Prof. Dr. Siegfried Heusinger widmete sich lange Zeit und intensiv den Fragen lexikaler Pragmatik. Durch seine akribisch-systematischen Einsichten in (kon)tex- tuelle Zusammenhänge der sprachlichen Kommunikation hat er entscheidend auch zu meinen eigenen Forschungsinteressen beigetragen. Ich denke gern daran, wie er auf eine sanfte, jedoch entschlossene Art und Weise die Anfertigung meiner Doktor- arbeit betreute und meine spätere akademische Laufbahn an der Universität Maribor stets mit regem Interesse verfolgte und unterstützend förderte. Dafür danke ich ihm von ganzem Herzen. 2 PRAGMATISCHES IN DER PHRASEOLOGIE Bekannterweise sind Phraseme sowohl formal-strukturell als auch semantisch-prag- matisch komplexe Spracheinheiten. In der Regel ist ihre Semantik vielschichtig und mehrdimensional (Burger 2015: 61ff.), was u. a. mit dem sekundären semiotischen Charakter der Phraseologie einhergeht (ebenda: 78f.). Phraseme sind demnach Zeichen 2. Stufe; sie sind aus Zeichen zusammengesetzt, die selbst Zeichen 1. Stufe mit regu- lärer (extraphraseologischer) Bedeutung sind, während phraseologische Bedeutung die Bedeutung des ganzen Phrasems darstellt, die hauptsächlich im Grad der Idiomatizität 4 einzelner Komponenten begründet ist. Dazu enthalten Phraseme in der Regel kommunikativ-pragmatisches Potenzial. Es stellt sich die Frage, was man mit dem Phrasem tut, wenn man es in einem Text einsetzt und welche Wirkung damit beim Rezipienten evoziert wird/werden kann; aus diesem Blickwinkel seien sie „pragmatisch besonders geladen“ (Kühn 1994: 82). Demnach sind viele phraseologische Ausdrücke als Sprachmittel zur Realisierung spezifischer 3 Der Beitrag entstand im Rahmen der von der Slowenischen Forschungsagentur (ARRS) finanzi- erten Untersuchungen zur slowenischen Identität und Kultur in Sprachkontakträumen (P6-0372), Leiter der Forschungsgruppe M. Klemenčič. 4 Unter Idiomatizität versteht man in der Phraseologieforschung Verbindung der Bedeutung eines Phrasems mit der Bedeutung einzelner Komponenten, die allerdings sehr schwer (oder gar nicht) nachvollziehbar ist. In dieser Hinsicht wird oft der Begriff der semantischen Motivation/ Motiviertheit thematisiert. Linguistica_2019_FINAL.indd 142 9.10.2019 8:58:48 143 kommunikativer Aufgaben interpretierbar (Stein 1995), unter pragmatischen Aspek- ten lassen sich Phrasemen textuell-kommunikative Funktionen zuordnen. Es gilt, dass einzelnes Phrasem verschiedenartige Funktionen (gesondert oder gleichzeitig) erfüllen kann, die jedoch vom jeweiligen situativen Kontext abhängig sind und nur vor dessen Hintergrund erkannt und interpretiert werden können. Über den pragmatischen Mehrwert von Phrasemen (Benennung nach Burger) dis- kutierte man bisher oft aus stilistischer Perspektive, meist im Hinblick auf die traditio- nell angenommene, jedoch vage und schwer bestimmbare Eigenschaft der Expressivi- tät als Stilmerkmal (Burger 2015: 77ff.). Versteht man die Expressivität als eine latente Eigenschaft sprachlicher (auch phraseologischer) Ausdrücke, die unter bestimmten Bedingungen und in bestimmten Kontexten aktiviert wird, so spielen pragmatische As- pekte dabei eine Rolle, „die die konkrete Verwendung des Ausdrucks im Kontext be- stimmen und seinen pragmatischen Mehrwert gegenüber quasi-synonymen nicht-phra- seologischen Formulierungen ausmachen“ (ebenda: 77). 5 Auch wurden in der bisherigen Erforschung pragmatischer Aspekte der Phraseo- logie bewertende/qualifizierende Handlungen betont, die mit Phrasemen vollzogen werden (können); vgl. hierzu exemplarisch negative, abwertende bzw. positive, auf- wertende Konnotationen der Ausdrücke ins Gras beißen, den Löffel abgeben bzw. sein Leben aushauchen, ins ewige Leben eingehen, aus dem Leben abberufen werden für ‚sterben‘. Bei Sprichwörtern spricht man von einer prinzipiellen polyfunktionalen und polysituativen Verwendung (u. a. Grzybek 1984, Lüger 1999, Mellado Blanco 2007, Burger 2015). Es werden hauptsächlich zwei funktional-pragmatische Handlungsas- pekte festgelegt: Sprichwörter in sozialer Funktion gelten als Formulierungen von so- zial anerkannten Überzeugungen, Werten und Normen (Grzybek 1984), Sprichwörter in kontextueller (pragmatischer) Funktion gelten in konkreten kommunikativen Situ- ationen zugleich als Ausdruck von Sprachhandlungen wie Warnung, Überredung, Ar- gument, Bestätigung, Trost, Besänftigung, Überzeugung, Mahnung, Zurechtweisung, Feststellung, Charakterisierung, Erklärung, Beschreibung, Rechtfertigung, Zusammen- fassung (u. a. Röhrich/Mieder 1977, Kindt 2002, Jesenšek 2014a). Beide sind in einem wechselseitigen Verhältnis zu verstehen, denn »dass ein Sprichwort z. B. als Stütze in einer Argumentation verwendet werden kann (= kontextuelle Funktion), ist nur mög- lich, wenn es vom Sprecher und vom Hörer als Formulierung einer generellen Regel (= soziale Funktion) aufgefasst wird« (Burger 2015: 108). Zur Veranschaulichung: wäh- rend Sprichwörter in (1) und (2) als expliziter Ausdruck soziokulturell konventionali- sierter Werte und Normen gelten, ist das Sprichwort in (3) als Versprachlichung eines Ratschlags interpretierbar: (1) Ich bin schon lange alleinerziehend und frage mich, ob ich vielleicht in manchen Dingen zu streng war. Erst die Arbeit und dann das Vergnügen, so bin ich erzogen worden. (SprichWort) 6 5 Zu semantischen Relationen zwischen Phraseologie und Einwortlexik vgl. u. a. Proost (2007). 6 Typographische Hervorhebungen in zitierten Belegen stammen von der Autorin des Beitrags. Linguistica_2019_FINAL.indd 143 9.10.2019 8:58:48 144 (2) Lügen haben kurze Beine... so haben es die meisten schon in der Kindheit gelernt. Es lohnt sich nicht zu lügen, mit Lügen schadet man sich und an- dern. (SprichWort) (3) „Sie sollten nicht mit zu viel Ehrgeiz an die Sache herangehen“, riet Jung den etwa 100 Zuhörern zu Beginn. Eile mit Weile sei vielmehr das Motto. Bevor der Anfänger oder Wiedereinsteiger überhaupt mit dem Sport begin- ne, sei erst einmal ein Gesundheitscheck fällig. (SprichWort) Angesichts der Tatsache, dass Strukturen vieler Phraseme im Komponentenbestand variabel sind und folglich das definitorische Merkmal der strukturellen Stabilität nur eine relative Geltung hat, zeigt sich in vielen Fällen, dass sogar phraseologische Mus- ter/Modelle, nach denen sich Strukturen vieler Phraseme richten, pragmatisch konven- tionalisiert sind. Vgl. hierzu das Muster eines sog. idiomatischen Satzes (Finkbeiner 2008, zit. nach Burger 2015: 58) Das ist (ja/doch) zum KONV (Konversion), wo textuelle Realisierungen die Pragmatik des Musters, nämlich AUSDRUCK EINER EMOTION, deutlich hervorbringen: Das ist (ja/doch) zum Verrücktwerden/In-die- Luft-Gehen/Aus-der-Haut-Fahren! Da Sprichwörter weitgehend Realisierungen syn- taktischer Modellstrukturen und inhaltlicher Benennungsmodelle darstellen (Röhrich/ Mieder, 1977: 61f.), drängt die Modellhaftigkeit nahezu zur Bildung von Varianten und Modifikationen. Die Möglichkeit des variablen Umgangs mit Sprichwörtern wird bei den Sprechern oft wahrgenommen; insbesondere gilt das für textuelle Kontexte bzw. Textsorten, in denen das parömiologische Variabilitätspotenzial zu den jeweils aktuellen textuellen Funktionen und Sprecherintentionen gewinnbringend beiträgt, so z. B. in Werbetexten, Schlagzeilen und Titeln (Jesenšek 2014); vgl. die Modifikation des Sprichworts Ein Unglück kommt selten allein in der Betitelung in (4): (4) »Ein Zwilling kommt selten allein«. Die romantische Familienkomödie mit Witz und Tempo! Eine Neuverfilmung von Erich Kästners Kinderbuchklas- siker »Das doppelte Lottchen«. (SprichWort) In solchen Zusammenhängen ist nicht zu übersehen, dass durch kreative Ausnut- zung der möglichen Variabilität traditionell kollektivistische sprichwörtliche Aussa- gen zu individualistischen Ausdrucksweisen werden, im Einklang mit gegenwärtig aktuellen Individualisierungstendenzen ein Mittel zur Selbstdarstellung darstellen und somit das funktional-pragmatische Sprichwortpotenzial bereichern. Es leuchtet ein, dass Sprichwörter einen formalstrukturellen und funktional-pragmatischen Wandel er- fahren. Fungierten sie einst als Instrument moralisch-erzieherischer Aufklärung, als rhetorisch-stilistisches Mittel und Indiz einer kultivierten Konversation, so zeigt sich ihre aktuelle Pragmatik vor allem in innovativ-kreativen, spielerischen textuellen Vor- kommen, was in der Regel beabsichtigte stilistisch-pragmatische Auswirkungen mit sich bringt (u. a. Mieder 1999, Jesenšek 2014a, Burger 2015). Relativ oft wird auch das textuelle Potenzial phraseologischer Ausdrücke erforscht (u. a. Lüger 1999, Umurova 2005, Richter-Vaapatalo 2007, Lewandowska 2008, Linguistica_2019_FINAL.indd 144 9.10.2019 8:58:48 145 Mellado Blanco 2008, Ptashnyk 2009, Hoffmann 2012, Valenčič Arh 2014, Pociask 2015). Untersuchungen zur Phraseologie in den Medien (Presse, Fernsehen, Internet), in der Werbung, in literarischen Texten (vor allem in der Kinder- und Jugendliteratur bzw. im literarischen Werk einzelner Autoren) betreffen in der Regel auch ihre textuel- le Funktionalität. Textfunktionen, die durch den intendierten Einsatz der Phraseologie realisiert werden (können), werden bereits bei Koller (1977) festgelegt (Wertungs-, Anschaulichkeits-, Anbiederungs-, Vereinfachungs-, Argumentationsfunktion) und als typologisches Merkmal der Phraseologie interpretiert. Allerdings wurde schnell deut- lich, dass nachvollziehbare Aussagen zum textuell-funktionalen Potenzial der Phraseo- logie erst durch eine systematische Berücksichtigung ko- und kontextueller Faktoren möglich ist; Verortung der Phraseme im Text, Phrasem-Modifikationen als intendierte formal-semantische Abwandlungen mit stilistisch-semantischen Effekten, Textsorte sind u. a. bedeutsame Untersuchungsaspekte, die in der bisherigen textuellen Erfor- schung der Phraseologie zu wichtigen Ergebnissen geführt haben. Nach wie vor vermisst man allerdings ganzheitliche und betont pragmatische For- schungsansätze, die auf eine integrative Art und Weise die Ermittlung der in der Regel komplexen Semantik-Pragmatik phraseologischer Ausdrücke ermöglichen würden; der Feststellung Schafroths (Schafroth 2013: 188), dass es nie einen ganzheitlichen prag- malinguistischen Ansatz, Phraseologie zu untersuchen, gegeben hat, ist somit weitge- hend zuzustimmen. Über Forschungsdesiderata in der Erfassung der phraseologischen Pragmatik berichtet ausführlich bereits Filatkina (2007: 152), wobei sie besonders „eine bessere empirische Basis und stärkere theoretische Aufbereitung“, textsorten- vergleichende Studien zum Phraseologie-Gebrauch und praktische Umsetzung der Forschungsergebnisse vermisst. Dazu betont Schafroth (2013) bisher wenig bekann- te kommunikative Effekte, die durch den Gebrauch von Phrasemen ausgelöst werden (können) und ihr Potenzial zur Selbstdarstellung des Sprechers. So ist auch die Be- obachtung nicht besonders überraschend, dass die semantisch-pragmatische Darlegung von Phraseologie in allgemeinen und speziellen Wörterbüchern noch immer viel zu wünschen übrig lässt. 3 PRAGMATIK DER PHRASEOLOGIE IN WÖRTERBÜCHERN Betrachtet man die Behandlung semantisch-pragmatischer Dimensionen phraseolo- gischer Ausdrücke in gängigen ein- und mehrsprachigen allgemeinen und speziel- len Wörterbüchern (mit Deutsch), so sind Ergebnisse nicht zufriedenstellend. Mehr noch: nach wie vor bleibt die lexikographische Erfassung der phraseologischen Se- mantik-Pragmatik das zentrale Problem der praktischen Lexikographie (u. a. Grzy- bek 1984, Kispál 2000 und 2007, Mieder 2003, Korhonen 2011, Jesenšek 2014 und 2018). Bereits kurze Einblicke in die gängige Praxis der sonst bedeutsamen Wörter- bücher mit Deutsch (DWDS, Duden online, Duden 11) lassen erkennen, dass spezi- fische Aspekte der phraseologischen Semantik-Pragmatik wie etwa Idiomatizitäts- grad (Bildlichkeit), Expressivität, Kontextgebundenheit, Sprachhandlungspotenzial, Sprechereinstellungen, Textsorten- und Medienspezifik nicht systematisch betrachtet und erfasst werden. Linguistica_2019_FINAL.indd 145 9.10.2019 8:58:48 146 Beispiele zum Aspekt Idiomatizität: (5) ins Gras beißen DWDS: salopp, derb er musste ins Gras beißen (= sterben) Duden online: ins Gras beißen (salopp: sterben; vermutlich nach der antiken Vorstellung, dass der Kämpfer beim Todeskampf in Erde oder Gras beißt) Duden 11: ins Gras beißen (ugs.): (eines gewaltigen Todes) sterben Das geplante Unternehmen war ihm viel zu gefährlich; er hatte keine Lust, ins Gras zu beißen. Der Soldat H. hatte hingegen einer Einheit angehört, bei der es nicht üblich war, ins Gras zu beißen. (6) den Löffel angeben DWDS: salopp den Löffel abgeben (= sterben) Duden online: den Löffel sinken lassen/fallen lassen/hinlegen/wegwerfen/ wegschmeißen/abgeben (salopp: sterben) Duden 11: den Löffel abgeben/hinlegen/fallen lassen/wegschmeißen (sa- lopp verhüll.: sterben) Der Soldat stirbt auch nicht, er fällt, oder er hat den Löffel weggeschmießen. …ich hätte nie im Leben freiwillig den Löffel abgegeben. Der Löffel steht in dieser Wendung für die lebensnotwendige Tätigkeit des Essens Man beobachtet vereinfachte (reduzierte) Erfassung der Bedeutung (Wiedergabe mit dem Einwortlexem), teilweise uneinheitliche Stilschichtmarkierung, kulturhistori- sche Remotivation ist nur im speziellen phraseologischen Wörterbuch vorhanden, Bei- spiele fehlen oder sie sind für Zwecke der Bedeutungserschließung weniger hilfreich, Synonymierelationen werden nicht erfasst. Zum Bedeutungsaspekt Expressivität: (7) etw. an den Mann bringen DWDS: umgangssprachlich ⟨etw. an den Mann bringen ⟩ etw. loswerden Beispiele: eine Ware an den Mann bringen; sie suchte eine Gelegenheit, ihre Weisheit, die Neuigkeit an den Mann zu bringen Duden online: etwas an den Mann bringen (umgangssprachlich: 1. etwas verkaufen. 2. im Gespräch o. Ä. etwas mitteilen, äußern, erzählen) Duden 11: etwas an den Mann bringen (ugs.): etw. verkaufen: Noch schwe- rer als die Wohnungen sind offenbar die gewerblichen Räume an den Mann zu bringen Bedeutungsdifferenzierung und -paraphrasen sind uneinheitlich (loswerden, ver- kaufen), erst durch Belege/Beispiele ist die Ausdrucksstärke (im Sinne der Expressivi- tät, i. e. einer positiven Bewertung des Agens durch den Sprecher) gegenüber verkau- fen/mitteilen nachvollziehbar. Linguistica_2019_FINAL.indd 146 9.10.2019 8:58:48 147 Zum Bedeutungsaspekt Kontextgebundenheit: (8) neue Besen kehren gut DWDS: sprichwörtlich neue Besen kehren gut (= wer eine Stelle antritt, zeigt sich anfangs besonders eifrig) Duden online: neue Besen kehren gut (wenn jemand etwas Neues in An- griff nimmt, macht er es anfangs mit besonderem Eifer) Duden 11: neue Besen kehren gut: wenn jmd. eine neue Aufgabe o. Ä. übernimmt, zeigt er anfänglich besonderen Eifer: Neue Besen aber kehren gut, und Konvertiten übertreffen die Altgläubigen zumeist an Eifer Bedeutungsparaphrasen weisen auf den inhaltlichen Kontext hin (Kontext der Ar- beit, Anfang von etw. Neuem), allerdings unvollständig (neue Ideen, (positive) Verän- derungen, Wechsel in der Führungsposition, auch Zweifel an Neuem). Zum Bedeutungsaspekt Sprachhandlungspotenzial: (9) junge/jüngere Beine haben DWDS: du kannst stehen, du hast noch junge Beine (= bist noch jung) Duden online: jüngere Beine haben (umgangssprachlich: besser als eine ältere Person laufen können) Duden 11: jüngere Beine haben (ugs.): besser als ein Älterer laufen können Kannst du das nicht erledigen? Du hast doch jüngere Beine (10) vor seiner eigenen Tür kehren DWDS: jeder kehre vor seiner Tür (= jeder kümmere sich um seine eigenen Schwächen) Duden online: vor seiner eigenen Tür kehren (umgangssprachlich: sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern) Duden 11: vor seiner eigenen Tür kehren/fegen: die eigenen Fehler able- gen, bevor man andere kritisiert Europa muss auch vor der eigenen Tür kehren. Es muss seine Verantwor- tung für die Geschichte und Gegenwart der europäisch-afrikanischen Be- ziehungen annehmen Man sieht bei (9) eine Verallgemeinerung/Reduktion der Bedeutung (‚jung sein‘), Remotivation (laufen können), die illokutive Komponente AUFFORDERUNG bzw. VORSCHLAG ZUR HILFE wird nur durch Beispiel impliziert. Bei (10) überraschen uneinheitliche Bedeutungsparaphrasen (Schwäche, Angelegenheit, Fehler), die illoku- tive Komponente AUFFORDERUNG bzw. RAT wird durch die grammatischen For- men (Konj., Modalverb) angedeutet. Zu Aspekten Sprechereinstellungen und Handlungspotential: Linguistica_2019_FINAL.indd 147 9.10.2019 8:58:49 148 (11) sich etw. aus dem Kopf schlagen Duden online: sich etwas aus dem Kopf schlagen (einen Plan o. Ä. aufgeben) Duden 11: sich etw. aus dem Kopf schlagen (ugs.): ein Vorhaben aufgeben Sie müssen sich das aus dem Kopf schlagen. Sie ist kein Mädchen, das mit einem Freund gehen könnte Die stark vereinfachte Erfassung der Bedeutung betrifft vor allem fehlende explizite Angaben zu negativen Sprechereinstellungen (ablehnend, etw. wird als unrealisierbar, unpassend, unangebracht, unrealistisch verstanden); das Handlungspotential (AUF- FORDERUNG) ist teils durch Beleg/Beispiel erkennbar (müssen). Kurzum: die lexikographische Behandlung der komplexen phraseologischen Se- mantik-Pragmatik ist uneinheitlich, unvollständig, vereinfachend; Bedeutungspara- phrasen sind, falls vorhanden, auf Denotatives bezogen, nichtdenotative, also pragma- tische Bedeutungskomponenten werden in der Regel nicht expliziert, eventuell sind sie an den Belegen/Beispielen nachvollziehbar. 4 SCHLUSSFOLGERUNG Aus den obigen Ausführungen ergeben sich mehrere Schlussfolgerungen: • Pragmatischer Mehrwert von Phraseologie kann in einem Wörterbuch nur durch das sog. gebrauchspragmatische Konzept der lexikographischen Bedeutungs- erfassung sichtbar werden (Kühn 2004: 147). Damit ist ein holistischer, ganz- heitlicher Zugang zur Bedeutung gemeint, indem »die Bedeutung eines Sprach- zeichens als Formulierungen seiner Verwendungsregeln verstanden wird.« Be- deutung ist demnach Formulierung von Gebrauchsregeln, Gebrauchsregeln sind Referenz- und/oder Prädikationsregeln, pragmatisch-situative Verwendungsre- geln oder eine Kombination davon. Im Fall der Phraseologie wird somit die Gebrauchsspezifik samt gesamtem pragmatischen, textuellen und assoziativen Potenzial von Phrasemen berücksichtigt. • Der Angabenbereich zur Semantik-Pragmatik der Phraseologie ist in einem konkreten Wörterbuch typologisch und funktional determiniert und durch Viel- falt gekennzeichnet. Angaben betreffen denotative und nicht-denotative Bedeu- tungsaspekte, darunter illokutives und textbildendes Potenzial, präferierte und/ oder restringierte Verwendung in bestimmten Situationen und Kontexten, kom- munikativen Domänen, Textsorten, eventuelle themengebundene Verwendung u. a. m. • Das gebrauchspragmatische Konzept der lexikographischen Bedeutungserfas- sung hat methodisch-methodologische Folgen, denn eine derartige mehrdimen- sionale Erschließung und Erfassung der Bedeutung ist nur anhand der Beobach- tung von tatsächlicher Sprachverwendung möglich. Systematische Auswertung von Sprachkorpora ist unerlässlich. • Durch die korpusbasierte und mehrdimensionale lexikographische Erfassung der phraseologischen Bedeutung soll für den Wörterbuchbenutzer Folgendes Linguistica_2019_FINAL.indd 148 9.10.2019 8:58:49 149 erschließbar sein: Wissen über das denotative Bedeutungspotenzial einzel- ner Phraseme, Wissen über das textuelle Verhalten (inkl. phrasemspezifi- sche Aspekte der Pragmatik), Wissen über die semantischen Relationen ein- zelner Phraseme zu anderen (phraseologischen und nichtphraseologischen) Wortschatzeinheiten. • Schließlich soll die komplexe Semantik-Pragmatik der Phraseologie lexikogra- phisch so dargestellt werden, dass die Kluft zwischen dem Geschriebenem und dem Verstandenem/ Interpretiertem von Seiten des Benutzers kleinstmöglich ist (Bielińska 2018). Eine gebrauchspragmatisch konzipierte lexikographische Erfassung der phraseo- logischen Semantik-Pragmatik ist in (12) dargestellt. Durch die Angabenstruktur wird verstehens- und verwendungsrelevantes phraseologisches Wissen vermittelt, es werden neue Anforderungen an die Sprachdidaktik gestellt (Förderung der aktiven phraseologischen Kompetenz) und es sollen Übersetzer bei der Suche nach adäqua- ten Übersetzungen unterstützt werden. Das Beschreibungsmodell wurde in einem EU-Forschungsprojekt entwickelt und in der Form einer mehrsprachigen phraseo- logischen Datenbank umgesetzt. 7 Methoden und Angabenstrukturen sind übertragbar und anpassungsfähig und es ist zu wünschen, dass sie zu vertieften sprachkontras- tiven Untersuchungen der Phraseologie und folglich zu besseren lexikographischen Praktiken anregen werden. (12) In der Ruhe liegt die Kraft Sagt man dafür, dass man mit Gelassenheit und bedachtem Vorgehen oft mehr erreichen kann als mit überstürtztem Handeln oder hektischer Betriebsamkeit. Das Sprichwort ist in der Grundaussage, dass ausreichend Zeit wichtig für den Erfolg einer Sache ist, ein Synonym zu Eile mit Weile, Gut Ding braucht Weile, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, Geduld bringt Rosen. In den Korpusbelegen wird mit dem Sprichwort häufig • der Rat erteilt, bei Problemen gelassen bzw. geduldig zu bleiben, u. a. in Horoskopen, • die Wichtigkeit einer gelassenen Lebenshaltung und der Schaffung ruhiger Momente in der modernen Gesellschaft, die von Druck und Hektik geprägt ist, betont, • auf meditative Situationen, die der Entspannung dienen, Bezug genommen, • ein Lebensmotto von Menschen bezeichnet, • auf Gelassenheit als Grund für Erfolge im Sport verwiesen. (SprichWort) 7 SprichWort-Plattform. 2008–2010. Projektleiterin Vida Jesenšek. http://www.sprichwort- plattform.org/. Linguistica_2019_FINAL.indd 149 9.10.2019 8:58:49 150 Literatur BIELIŃSKA, Monika (2018) „Einige Überlegungen zu lexikographischen Kohärenz- strukturen.“ In: V. Jesenšek/M. 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Phraseologie und Über- setzung: Am Beispiel der Kinder- und Jugendliteratur von Christine Nöstlinger im Deutschen und Slowenischen. Balltmannsweiler: Schneider Hohengehren. Zusammenfassung PHRASEOLOGIE UND PRAGMATIK Der Beitrag geht von der Beobachtung aus, dass die semantisch-pragmatische Darlegung von Phraseologie in allgemeinen und speziellen Wörterbüchern noch im- mer viel zu wünschen übrig lässt. Er wendet sich der Frage zu, wie man die kom plexe phraseologische Semantik und Pragmatik lexikographisch erfasst, damit sowohl phraseologietheoretische als auch praktisch-lexikographische und wörterbuchbenut- zerorientierte Ansprüche gedeckt werden. Speziell geht er auf ausgewählte Aspekte der Pragmatik phraseologischer Ausdrücke ein (Bildlichkeit, Expressivität, Kontext- gebundenheit, Sprachhandlungspotenzial, Sprechereinstellungen, Textsorten- und Medienspezifik), um exemplarisch zu zeigen, welche Anforderungen sich daraus für die (kontrastive) Phraseologie, praktische Lexikographie, Sprachdidaktik und über- setzerische Praxis ergeben. Vor allem wird dadurch das Ziel verfolgt, systematische, korpusempirische, analytische und sprachkontrastive Detailuntersuchungen zur Pragmatik der Phraseologie anzuregen und intensivieren. Zugleich werden Probleme angesprochen, die das in der Regel reiche pragmatische Potenzial der Phraseologie sowohl für die theoretische Phraseologieforschung als auch für praktische Anwen- dung deren Ergebnisse darstellt. Schlüsselwörter: Phraseologie, Pragmatik, Lexikographie, Sprachdidaktik, Übersetzung Linguistica_2019_FINAL.indd 152 9.10.2019 8:58:49 153 Abstract PHRASEOLOGY AND PRAGMATICS The article has as its starting point the observation that the semantic-pragmatic pres- entation of phraseology in general and specialized dictionaries still tends to be inad- equate. It tackles the question of how the complex semantics and pragmatics of phra- seological units should be lexicographically represented, so that both the theoretical and practical lexicographical aspects as well as the user-oriented needs are appropri- ately considered. In particular, it addresses selected aspects of the pragmatics of phra- seological units (figurativity, expressivity, contextuality, speech act potential, speaker attitude, text-type and media specificity) to exemplify which are the requirements for (contrastive) phraseology, applied lexicography, language didactics and translational practice. The article’s primary goal is to encourage and facilitate detailed systematic, corpus-empirical, analytical and contrastive explorations of the pragmatic aspects of phraseology. At the same time, it touches upon the problems that the rich pragmatic potential of phraseology poses for both theoretical phraseology and the practical ap- plication of its findings. Key words: phraseology, pragmatics, lexicography, language didactics, translation Povzetek FRAZEOLOGIJA IN PRAGMATIKA Prispevek izhaja iz ugotovitve, da je leksikografska obravnava kompleksnih se- mantičnih in pragmatičnih lastnosti tipološko raznolikega frazeološkega izrazja v splošnih in specialnih slovarjih (še vedno) pomanjkljiva. Ukvarja se z vprašanjem, kako v slovarjih celovito zajeti pomenske in pragmatične razsežnosti frazeologije in hkrati zadostiti pričakovanjem, potrebam in zahtevam teoretične frazeološke in leksikografske vede, praktične leksikografije in predvidenih slovarskih uporabnikov. Obravnavani so nekateri pragmatični vidiki, ki pogosto določajo in vidno zaznamu- jejo besedilno rabo frazeološkega izrazja (slikovitost, ekspresivnost, vpetost v širši sporočanjski kontekst, zmožnost izražanja govornih dejanj in govorčevih stališč, be- sedilnovrstne in prenosniške posebnosti), eksemplarično je opozorjeno na potrebo po njihovi podrobni obravnavi v okvirih teoretske (kontrastivne) frazeologije, praktične leksikografije, jezikovne didaktike in prevajalske prakse, poudarjena je potreba po metodološko jasnih, natančnih, korpusno empiričnih, sistematičnih, analitičnih in kontrastivnih raziskavah pragmatike frazeološkega izrazja. Ob tem so v prispevku izpostavljene nekatere težave, ki jih le-ta povzroča pri teoretičnem raziskovanju fra- zeologije in praktično leksikografski uporabi njenih izsledkov. Ključne besede: frazeologija, pragmatika, leksikografija, jezikovna didaktika, prevajanje Linguistica_2019_FINAL.indd 153 9.10.2019 8:58:49