e?/^^M/ ^//^ Reise durch Rumelien und nach Brussa in, Jahre R83» von A. Grisebach, Dr. med., außerordentl. Professor an dcr K. Universität zu Göttingen, dcr Negensburger botanischen Gesellschaft, des Göttingischen Vereins für Natur- und Heilkunde und des naturwissenschaftlichen Vereins des Harzes Mitglied. Zweiter Band. Göttinnen, bei V a n d « n h o e ck und Ruprecht. z 8 4 « Ht«t 4^«,. .^'»,„, ,,„ Reise in Numelien. Zehntes Gaftitel. Neise durch Chalcidice. Pyrgudhia. Canal des Xerxes. Chalcidice. Madhcmochona. Ehemaliger Metallrcichthum des Landes. Vegetation des Plateaus. Lar' ^v X«).o/,,),'7-«. **) Seine Höhe beträgt nach Copeland 3894^. Hierbei ist jedoch eine Bemerkung über die Höhcnmessungen des britischen Surucyors in «Zhalcidice erforderlich. Offenbar liegt seiner Bestimmung dcs Cholomon, dessen Höhe, er zu 3420^ angielit, eine Verwechselung zu Grunde. Die geographische Position (40« 29^ I.. li. und 23" 10' 3U" 1^. «r. «reenw.), die er seinem Kholomon zuschreibt, beweist, daß er nicht den Cholomon, sondern die südöstliche Spitze des zweigipfcligen Cortasch gemessen habe, die unmittelbar über dem Thale von Basilica an dessen Nordseite sich erhebt. Copeland's Position des Cortasch selbst (10" 34' und 23"8^) wird dem nordwestlichen Haupt-aipfel, den man vom Vardar sieht, entsprechen. Außer diesen beiden Höhen maß Coveland noch zwei Berge von Chalcidice, einen Gipfel vo» 2675^, der gleichfalls zur Gruppe dcs Cortasch zu gehören scheint (4»" 38' und 23" 5^), also wahrscheinlich zwischen dem See von Langasa und Salonichi in der Verbindungskette zwischen den Vorbergen der Nhodope und dem System von Chalcidice gelben. Der letzte der gemessenen Puncte aber gehört dem Südwestrande des Plateaus an. Nur die Lage deö Berges ist durch W. Smith 8 Zehntes Capitel. über dem Küstenstreifen von Salonichi dasteht und weithin nach Westen durch das Tiefland der Vardarmündung hinaus sichtbar bleibt. Mit dem Cholomonda durch Höhenzüge vereinigt, grenzt er hingegen nach Süden an einen tiefen Thalgrund, der vom Golfe her fast in das Centrum des Plateaus bis Galahista ein-schneidct. Und so vollendet sich hiermit der Character von Chal-cidice, daß seiner Hochflache von Nordwestcn bis Süden das Nandgebirgc fehlt und dieselbe sich hier strahlenförmig vom an den Cholomon alk Gebirgslnoten deö ganzen Landes darstellen. Chalcidice. 9 groß machte und von der noch jetzt ein Theil, als wichtige Cul-turcbcne unter dem Namen der schonen Provinz, Calameria, berühmt ist. Stellen wir uns endlich noch vor, daß an der Süd-ostscite des Plateaus die Nandgcbirge mehr kettenförmig verlaufen, so wird es begreiflich, auf welche Weise sie sich von da in die einfache Kammschneide jcdcr der drei Halbinseln fortsetzen, freilich von Montcsanto durch die Spalte des Prövlacas geschieden, was aber dem Verhältnisse im Großen gegenüber eine örtliche und unwesentliche Erscheinung genannt werden kann. Werfen wir nun auch noch einen Blick auf den innern Bau dieses kleinen Hochlandes, so überrascht uns dessen Einförmigkeit. Es ist ein großer Felsblock aus Glimmerschiefer, der an einigen Orten in Thonschiefer übergeht. Wir haben zwar schon vorhin darauf Wezug genommen, daß dieses Gebirge zu dem großen Systeme der Rhodopc gehöre, indessen müssen wir diese Ansicht jetzt nahcr bestimmen oder vielmehr einschränken. Das Schiefer-Plateau von Chalcidice hat die Eigenthümlichkeit, daß cS durchaus keine beständige Schichtungsvcrhaltnisse darbietet. Auf dem Wege von Nisvoro nach Larcgovi war das Streichen des anstehenden Glimmerschiefers vorherrschend von Norden nach Süden, also rcchtwinklich gegen die Hauptrichtung im heiligen Walde; die Schichten sielen gegen Westen. Am Cholomonda veränderte sich diese Schichtenstcllung; im Westen von Larcgovi habe ich die verschiedensten Verhältnisse in dieser Beziehung beobachtet und weder Regelmäßigkeit, noch Vorwalten irgend einer Richtung wahrgenommen. Vielleicht werden die Nandgebirge, namentlich der Cortasch, hierüber einen Aufschluß gewahren. Für jetzt kann die Methode, Chalcidice mit dcr Strcichungslinie der Nachbargcbirge zu vergleichen, nicht angewendet werden. Auch widerspricht die Platcau-bildung dem Character der Halbinseln und.wenigstens der Küstcnkette von Thracier». Ob Hochflächen im Innern der Nhodopc vorkommen, ist nicht genauer bekannt, aber deren Existenz in größcrn Verhältnissen nicht wahrscheinlich. Die Verschiedenheit des Bcrgcharac-ters würde die Ansicht begünstigen, Chalcidice als ein für sich bcstehendes, von der Nhodove geologisch unabhängiges Ganzes zu betrachten. Dir Herrcscanal erhielte hierdurch eine erhöhte Wich- ltt Zchntcö Capitel. tigkeit. Dagegen bestimmt uns die Identität der Geblrgsart mit dem heiligen Walde, so wie der Gebirgszusammenhang mit den Küstenhöhen von Salonichi, die auch aus Glimmerschiefer bestehen und mit der Rhodvpe zusammenfließen, jener Ansicht bei der so unvollständigen Kenntniß des Landes leinen Naum zu geben, und, um so wenig als möglich vorzeitig scheidend einen im Großen gerechtfertigten Gesammtüberblick zu gewinnen, ziehen wir es vor, das ganze Gebngsland der macedonisch-thracischcn Küsten von Salonichi bis zur Mündung der Maritza als ein einziges System zu bezeichnen, von dem uns jedoch nur die Anschauung des Südrandes gewährt ward. Als ich vom Xerxescanale die Hügelabhange von Icrissos hinaufstieg, schien es mir Anfangs, als beginne hier eine ganz verschiedene, dem heiligen Walde schroff entgegengesetzte Vegetation. Denn an den wenigen Stellen, die nicht bebaut sind, beginnt der erste Kalkhügel wiederum die ärmlichen, einförmigen Kräuter der thracischen Küste vorzuführen, wie wir sie z. B. bei Hcraclea am Marmormeere kennen lernten. Diese Erscheinung, so verschieden von der Gestrauchfülle des heiligen Waldes, ist jedoch wahrscheinlich nur eine Folge der Cultur des Bodens, oder vielleicht, wie in Thracicn, von der spät gebildeten, angeschwemmten Gcbirgsformation nicht ganz unabhängig. Denn sobald man wieder das alte Schiefcrgebirge erreicht hat, stellt sich auch von Neuem die Vegetation der Halbinsel ein, und zwar in denselben charakteristischen Formen *), die auf dem letzten Theile des Weges uns bemerkenswerth erschienen. So kann man den Pri 30 Häusern angegeben. ♦*♦■) Journal of the Geogr. Soc. 7. p. 73. 12 ' Zehntes Capitel. geblieben ist, sondern sich auch eincr gewissen politischen Unabhängigkeit von den Türken seit langer Zeit erfreute. Sorgfältiger, als bei Constantinopcl, bebaute Getraidefluren, größtcnthcils mit Roggen bestellt, versammelten, da dieser gerade gereist war, die ländliche Bevölkerung zur Erndte. So wie nun beide Geschlechter trotz der ungewöhnlichen Wärme angestrengt arbeiteten und sich leicht und fröhlich bewegten, so gewährte auch ihre eigenthümliche Tracht einen ansprechenden Eindruck: denn in dieser Gegend bedienen sich die Landleute eines reinlich weißen Zeuges zu ihrem Anzüge, der bei Männern und Frauen aus einer weiten Jacke und uom Gürtel herabhängendem Fustanell besteht, wobei gegen die weiße Farbe des Ganzen nur die rothe Kopfbedeckung absticht. Wie aber diese sorgfältige Kleidung, so deutete auch die Menge und das gute Aussehen des Viehs, besonders der Pferde, die auf den Weiden grasten, auf einen höhern Grad von Wohlhabenheir und Betriebsamkeit in diesen Bezirken hin. Die Ursachen einer solchen von andern Theilen Numeliens abweichenden Erscheinung sind von andern Reisenden dargestellt worden: es genüge, sie nach diesen Quellen mit wenigen Worten zu bezeichnen. Chalcidice außerhalb der Halbinseln besteht aus zwei großen Municipalitäten, welche, wie der H/>jion-Oros, in einem Tributucrhältnisse zur Pforte stehen und sich übrigens selbstständig aristocratisch regieren ^). Der östliche District, bis auf die neuern Zeiten durch Silber- und Gold-Bergwerke berühmt, heißt Madhcmochoria, oder nach dcn nun verlassenen ErZstätten Sidheroc-lpsica. Er besieht aus 12 Ortschaften, die freie genannt werden (^s^a. ^c.;^«)) von denen der Regierungssitz des griechischen Proi'stos und des türkischen Residenten sich zu Nisvoro befindet. Sie zahlten nach Urquhart 4W00 Piaster Tribut und, seit ihre natürlichen Silberquellen versiegten, nach denen die Höhe des Tributs bestimmt war, zeigten sie sich, um ihre verhältnißmäßige Freiheit zu wahren, willig, dennoch der Pforte jährlich die gleiche Summe *) 1>3ke IVo,-!l,«ln «,-eec«? 3. p. ll!N. für das Statistische zu Anfang des Jahrhunderts und UKzuliiir«, (!»« 8z»i,>l, c>f Nie N»3t. deutsche Ue-brrs. Bd. 2. S. 4ll u. 93, für die neueste Geschichte des Landes. Chalcidice. 13 zu entrichten, und verheimlichten aus jenem Grunde die Verminderung ihrer eignen Einkünfte. Der westliche District von Chat-cidice, Chüsica oder Chassis genannt, enthalt 15 Elevtherochmia und steht gleichfalls unter einem sclbstgewählten Congresse von Naja's, der in Polijyro seinen Sitz hat. Zu diesem Municipium gehört auch die Calamiria oder die Küstenebene von Basilica zwischen Galatzista und Salonichi, während die Halbinsel Cassandra, die zur Zeit der griechischen Revolution gemeinschaftlich mit der Madhemochmia und demHäjion-Oros revoltirte, von einem türkischen Voiuoden verwaltet wird. Trotz der größern Unabhängigkeit von den Türken, deren sich Chalcidice erfreut, giebt es wenige Provinzen in Rumelien, die wegen ihrer Klephtenbanden eben so verrufen wären. Um 5" verließ ich Ierissos und folgte bis 8" 30' dcm Gestade des Golfs von Sttllaria. Den südwestlichen Hintergrund der Landschaft bildet die Randkctte dcs Plateaus, die, dem heiligen Walde an Bergformen vergleichbar, sich vom Cholomonda nach Südosten erstreckt, bis sie in die Halbinsel Longos übergeht. Rechts fällt der Blick auf die beiden steilen Vorgebirge Platy und Levtheridha, die den Golf weit enger als im Halbzirkcl einpferchen und zwischen sich über dem schmalen Horizonte des Meers die hohe Küste von Philippi und den Gipfel des Pangcus hervortreten lassen. So wie aber das Cap Platy mit dem heiligen Walde in Verbindung steht, so geht das Cap Lcvtheridha rückwärts in den Kamm der Nandgebirge über, und hierdurch wird der Küstenpfad, auf dcm wir uns bewegen, nördlich durch steiles Gebirge geschlossen. Wo man den Fuß dieses Qucrjochs erreicht (8^ 30'), kommt seitwärts ein starker Bach in der Richtung von Nisvoro durch ein Querthal vom Plateau herab. Diesem Thale folgt der Weg und beginnt nun gegen Westen das Gebirge entschieden hinanziistcigen. Nach einiger Zeit verläßt man den Thalweg, wendet sich mchr nach Norden und erreicht in steilem Zickzackpfade dicht vor Nisvoro die Höhe dcs Plateaus. In diesem Städtchen von 400 Häusern langte ich um I!'- an und rastete daselbst bis 2^ Nachmittags unter einer schattenreichen Castanie. Auf jenem Gcbirgspfade kam ich an scchs bis acht umsangs- 14 Zehntes Capitel. reichen Schlackenhalden, den Trümmern des ehemaligen Bergbaus, vorüber. Der größte Theil des Bergs besteht aus Glimmerschiefer, einzelne Strecken sind aus lothgefärbtem Thonschiefer gebildet, und diesem letztern scheinen die Erzgänge anzugehören. Die reichsten Minen lagen jedoch nordwärts von Nisvoro, etwa wo der Disirictsname Sidhcrokapsi auf den meisten Charten als Stadt gleiches Namens verzeichnet ist. Ueber diese Bergwerke besitzen wir aus dem sechszchnten Jahrhundert die wichtigen Nachrichten Belon's *). Damals betrug die reine Revenue des Staats an Gold und Silber im Durchschnitte monatlich 18000 Ducaten und stieg zuweilen auf 30000: hierzu kam noch der Gewinn der Eigenthümer, der sich monatlich auf 9 — 10000 Ducaten belief. 5—600 Oefen waren damals in beständiger Thätigkeit. Bci ei-ner so bedeutenden Ausbeute aus Erzlagern, die schon zur Zeit der altmacedonischen Herrschaft genutzt wurden^ leidet es natürlich keinen Zweifel, daß die Wiederaufnahme durch europäische Bergleute zu den bedeutendsten Ergebnissen führen müßte. Daß die Arbeiten im Laufe dieses Jahrhunderts wegen zu geringen Ertrages eingestellt wurden, hat Urquhart dargestellt. Dieselben Nachrichten empfing ich zu Laregovi, doch wurden zum Theil abweichende Gründe angegeben. Was die edlen Metalle betrifft, so bezeugte man zwar gleichfalls, daß die Ausbeute die Arbeit nicht mehr gelohnt habe, aber man redete zugleich von Eisenmi-nen, wovon Keiner der Reisenden etwas erfahren hat. Die Erzählung, die hieran geknüpft wurde, klingt jedoch ziemlich unwahrscheinlich. Der Ertrag an Eisen nämlich sci sehr beträchtlich geblieben, als das Silber zu Ende ging: nachdem aber der Aufstand während des griechischen Kriegs in Madhemochiesen stub om l;ätiftgffen t>et^cmi[cl)t: Spiraea filipendula L. Ceraslium manticutn L. Medicago lupulina L. Ranunculus bul-bosus L. Armeria sp. Orchis laxillora Lam.; fettncr: Valeriana of-ficinalis L. Orchis coriophora L. Gladiolus communis L. Bartsia Trixago L. — Sie sumpfigen ©teilen Vücrben bticcf) Scirpns palustris L., Juncus bottnicus Wahlenb. unb Gratiola oflicinalis L. bebecEt. Chalcidice. 17 Um 6" Abends langte ich in Laregovi an, einer kleinen Stadt von 400 Häusern, am Fuße des Cholomonda gelegen. Sie gehört, wie ich glaube, noch zu dem Districts Madhemochuria. Griechen bewohnen sie. Einige kamen mir zuvorkommend, ohne Ansprüche entgegen und führten mich in das Haus einer Wittwe, indem sie der Verarmten den kleinen Gewinn, mich zu beherbergen, gutmüthig zuweisen wollten. Da ich nun bis hierher im Vertrauen auf die Aussagen des Kaufmanns, der mir bei Chili-andari begegnete, unbesorgt gereist war, so erkundigte ich mich jetzt von Neuem nach der fernern Sicherheit der Straße, die von hieraus gefährdet sein sollte. Im Ganzen wurden die fnlhern Nachrichten bestätigt. Nur die Zahl der Räuber schien übertrieben worden zu sein, aber eine Truppe von 200 Soldaten des Pascha von Salonichi manoeuvrirte allerdings eben jetzt gegen dieselben in der Richtung des Cortasch. Ohne Bedeckung dürfe ich nicht wagen, den Paß über den Cholomonda zu übersteigen, aber jenseit Galatzista sei dann weiter keine Gefahr mehr. Uc-berdem nahe die Zeit, in der die albanesischen Schäfer nach der Schur in ihre Heimath zurückkehrten, und diese stehen in dem Rufe, zuvor gern durcb einen Straßenraub ihre erworbene Warschaft zu vermehren. Ein Bischof sei gestern über den Cholomonda gegangen und habe eine Escorte von vier Mann mit sich genommen. Als ich nun unter diesen Umständen mir vom ProöstoZ eine Sicherheitsgarde ausbitten ließ, glaubte ich die größere Unabhängigkeit dieser Provinz, die geringere Achtung vor osmanischcn Befehlen erkennen zu müssen. Denn der Grieche, welcher während einer Reise des Proöstos dessen Geschäfte versah, weigerte sich Anfangs, meinem Ansinnen Folge zu leisten, und behauptete freilich mit Recht, daß er die Gunst, womit er einen hohen Geistlichen seiner Kirche ehrte, einem unbekannten Fremdling zu erweisen nicht verbunden sei. Hierbei konnte ich mich jedoch nicht beruhigen, ließ durch Dimitri meinen Fcrman dem Vorsteher wörtlich übersetzen und ihm die Nachtheile, die ihn treffen würden, darstellen, falls mir ein Unglück begegnen sollte. Zuletzt entschloß er sich, vier Soldaten aufzutragen, mich bis Galatzista II. 2 18 Zchnteö Capitel. zu begleiten, und da cin junger Türke, Namens Mustapha, in dcr Nacht eintraf und nebst seinem Diener sich meinem Zuge anschloß, so machten wir eine nicht ganz verächtliche Streitmacht aus, die aus sieben bewaffneten und drei unbcwaffneten Männern bestand. Das Benehmen des griechischen Vicars bei dieser Gelegenheit war ganz ungewöhnlich. In der Regel sind die Behörden in Numelien höchst bereitwillig, des wohlcmpfohlencn Fremden Neise durch Escorten sicher zu stellen. So viel Mannschaft auch nöthig erscheint, sie wird unentgeltlich dem Reisenden zugewiesen, dcr dann nur für ihre Beköstigung Sorge tragt und sie durch ein freiwilliges Trinkgeld belohnt. Dicse Belohnung wird aber mit ziemlich bedeutenden Ansprüchen vorausgesetzt, und nach dem Titel oder dem beglaubigten Character des Reisenden richtet sich die Bereitwilligkeit, eine Bedeckung zu verfügen, und deren Stärke. So ist das Escortircn ein gesuchter Erwrrbszweig für regelmäßige und unregelmäßige Milizen; keine Gefahr ist damit verbunden, weil man kaum cin Beispiel hat, daß eine Bedeckung von griechischen Räubern wäre angegriffen worden. Wer heute Klcphte ist, gehörte vielleicht gestern noch zu den Milizen und sehnte sich nur, eine Weile das freie Leben des Waldes zu führen. Ist er dessen müde, oder wird er verfolgt, so kehrt er vielleicht morgen unbescholten in seine älteren Verhältnisse zurück. Und hat sich der Reisende erst an solche Zustände gewöhnt, so erscheint ihm bald das Raubcrwescn in den griechischen Provinzen weniger wie eine Quelle der Besorgniß, als es ein Zoll ist, den er den escortirenden Klephtenbrüdern entrichtet, um, wenn ihn die Sparsamkeit zurückhielte, nicht Gut und Leben an ihre heimlichen Bundesgenossen zu verlieren. So habe ich denn von La-regovi aus den übrigen Theil meiner Reise fast beständig in der Begleitung von Milizen zurückgelegt und die Gefahren verachten gelernt, die nur in Albanien so reel sind, daß man dort in der That sein Wohl dem Zufalle Preis zu geben nicht selten sich gezwungen sieht. 15. Juni us. Der sechsstündige Weg von Larcgovi bis Neggcvtär ist ein einfacher Paßubergang über den Cholomonda. Chalcldice. w Beide Orte liegen auf der Plateaucbene, unmittelbar am Fuße des Bergs, jener am nordöstlichen, dieser am westlichen *). Der Cholomonda ist eine breite, dem Plateau aufgesetzte, bewaldete Ketteninsel, deren Kamm von West nach Ost gerichtet ist, so daß, wenn man ihn von Larcgovi aus in einer halben Stunde erstic^ gen hat, die Straße dann wellenförmig auf der allmählig sich senkenden Bergschncide 5'/^ Stunden nach Westen fortgeht, bis sie bei NcgZevlär wieder die Hochebene selbst erreicht. Die Höhe dieses Kamms habe ich auf halbem Wcge durch den Siedcpunct") zu 2105 par. Fuß bestimmt: ich habe jedoch kein Mittel, anzugeben, wie viel mehr sich die höchsten Thei,le des Gcbirgs erhc« ben, glaube indessen nicht, daß sie irgendwo eine Hohe von 3000' erreichen. Der Markt in Larcgovi war von Griechen der Stadt und umliegenden Gegend angefüllt, als wir um 7" 15' aufbrachen. Meine Bedeckung bestand nicht aus eigentlichen Milizen, sondern aus Einwohnern des Orts, die vom Proöstos bei solcher Gelegen« heit gebraucht wurden. Sie gingen zu Fuße und trugen sechsfüßige, albanesische Flinten, deren Schwerpunct so weit nach vorn liegt, daß man sie ohne besondere Uebung nur gebrauchen kann. indcm man sie auf cine Unterlage stützt. Mustapha war ein wohlhabender Türke von der liebenswürdigsten Art und er suchte seinen gescllschafll'chcn Standpunct durch kostbare Waffen und dutch die prachtige Kleidung seines Dieners auszudrücken. Diesem, einem jungen Manne von seltener Schönheit, stand das *) Irrthümlich und im Widerspruch mit seiner eigenen Chartenzeichnung sind die Worte Lousinery's l.Vo)'«8«> clan» la IVIgc^olne V. 2. P. 438 1, in denen cr die Richtung des Wegs von »Nebgcsalar» nach Lar«govt bezeichn net: »noli« roul« noug por«»it, llil«clem«nt »u mi^il u. s. w. Die Richtung dichr Straße ist ziemlich genau östlich. ") Der Siedepunct betrug 2W",25 5'. bei einer Luftwärme von 2N N, die mit einer in Salomchi beobachteten Luftwärme von 24" !i. bei der Berechnung zu Grunde geleat ist. — Eine Bnmnemvärme von 49" l?., auf halbem Wege vom Ruheplatze nach Neggeolkr beobachtet, ist offenbar zu niedrig, um climatische Schlüsse zu erlauben, und wird daher nur als Bel^ sür eine früher mitgetheilte Erörterung angeführt. 2 * 20 Zehntes Capitel. purpurrothe Wamms und das faltige, weiße Unterzeug vortrefflich: eine Flinte, quer über dm Sattel gelegt, hielt er in der Rechten, vier kleinere Schießwaffen standen ihm außerdem zur Verfügung. Sein Herr hingegen begnügte sich mit einem krummen Säbel und zwei geringen, aber mit Silber und Edelsteinen ausgelegten Pistolen. Wie fremdartig und musclmännisch aber mußte dem Abendländer das persönliche Verhältniß zwischen Herr und Diener erscheinen! Wenn sie vertraulich mit eknander verkehrten , zusammen aus derselben Schüssel aßen und in offenbarer Oleichachtung und Gleichheit auf derselben Matte sich zum Schlafe ausstreckten: wcr möchte es verkennen, daß hier, zwischen dem gckauften Sclaven aus Circassi'cn und dem frcigebornen, vornehmen Osmanen, keine Spur jener hergebrachten und unvermeidlichen Schranken vorhanden ist, die bei uns den gebildeten Dienstherrn von scinem ungebildeten Untergebenen trennen. Freilich giebt es unter den Muhamcdanern eine noch strengere Rangeti-quctte, als bei uns: aber sie pflegt im persönlichen, engern Umgänge völlig abgestreift zu werden, weil sie auf keiner natürlichen Verschiedenheit beruht, weil die Demuth des Untergebenen, wenn er knieend die dargebotene Linke des Pascha's küßt, nicht von der innerlichen Achtung vor einer höhern Gcistesstufe herrührt, sondern von der Unterwürfigkeit unter die gegebene, oft wieder genommene, und selbst dem Niedrigsten erreichbare Macht. Schwerlich würde man, wo der Ideenkreis des Vornehmen und Geringen derselbe ist, irgend eine Analogie für jenes aristocratische Verhältniß aufzufinden vermögen, das die Erziehung verleiht, und das so naturgemäß als der Unterschied der Geistcsentwickelung selbst ist, das keiner äußern Formen bedarf, aber jede innige Befreundung zwischen dem Gebildeten und Ungebildeten ausschließt. Wenn man nun diese Vorzüge der Erziehung auch gern auf andern Gebieten als Fortschritte zur Humanität gelten läßt, so wird man dagegen durch die Beobachtung der muselmannischen Weise unwillkührlich aufgefordert, diesem Verhältniß weiter nachzudenken. Für die Erkenntniß der orientalischen Civilisationsstufe ist die Frage eine der wichtigsten, ob die gemüthlichen Keime Chalcidice. 2l des Menschen im Verhältniß zur Erweiterung seines Gesichtskreises und zur Vertiefung seiner Einsichten sich gleichmaßig entfalten, und ob an die unwissende Beschränktheit auch eine gewisse Nohheit des Gemüths unabweislich geknüpft sei. Darin scheint nach unserer Ueberzeugung Herr Urquhart als Menschenkenner geurtheilt zu haben, daß die türkische Denkungsart in nicht geringerm, oft in höherm Grade zu achten sei, als in der abgeschliffenen Sitte des Westens, und daß die dortigen Zustande viel mehr kindlich, als barbansch erscheinen, weil selbst der Fremde, der sie wenig kennt, so oft eine Tugend, eine zarte Güte des Herzens zu ehren hat. Diese Bemerkung aber möge hier eine Scene einleiten, die mich mit solchen Anschauungen erfüllte und die, so kleinlich die Umstände sein mögen, doch gewiß überliefert zu werden verdient. Als wir auf der Höhe des Cholomonda Siesta hielten und, durch ausgestellte Vorposten gesichert, auf einer quellichten Waldwiese uns der Ruhe überlassen durften, beschäftigte ich mich, wahrend die Uebrigen schliefen, die Waldfiora zu untersuchen. Eine große Schildkröte kroch aus dem Gebüsche hervor und näherte sich der Quelle. Ich wünschte, was mir immer zweifelhaft gewesen, durch eigne Beobachtung zu erfahren, ob diese Thiere, auf den Rücken gelegt, im Stande find, sich wieder aufzurichten, oder ob sie, wenn ein Zufall sie umwendet, ohne Widerstand sterben müssen. Nachdem ich die Schildkröte umgedreht und mein Geschäft beendet hatte, legte ich mich, um wie die Uebrigen auszuruhen, nieder. Nach einer Weile erhob sich Mustapha, schlich zur Quelle und spähte in meiner Nachbarschaft umher, um sich zu überzeugen, ob ich schliefe. Ich schloß meine Augen, weil ich seine Intention zu erfahren begierig war. Da er mich schlafend glaubte, ging er ganz heimlich zu dem Baume, unter dem die Schildkröte lag, bückte sich hastig und gab dem gequälten Thiere die natürliche Stellung wieder, indem er zugleich scheu nach mir herüberblickte und unbemerkt zu bleiben wünschte. Dann ging er eben so leise nach seiner Matte zurück und legte sich nieder zur Ruhe, nachdem er sein Mitleid mit dem unschuldigen Geschöpfe befriedigt und zugleich seinem Zartsinn, mich durch 22 Zehntes Capitel. seine Handlung nicht verletzen zu wollen, edel und still Genüge gethan hatte. Wer damals in seiner Seele las, mochte vielleicht den Stolz gerechtfertigt finden, in dem er sich wohl für ctwas Besseres zu halten befugt war, als einen Christen, in dessen Handlungsweise er von seinem Etandpuncte aus nur einen naturwidrigen, bösartigen Muthwillen erblicken konnte. Vielleicht erinnerte er sich auch der Sage von Muhamcd, von dem man erzählt, daß er einst seinen Rockzipfel abgeschnitten habe, um eine Katze, die darauf lag, nicht im Schlafe zu stören, als er selbst zum Gebete sich erheben mußte. Und aus derselben bohcn Achtung vor der Berechtigung des Lebendigen entsprang auch vor Kurzem in Constantinopel der Vorschlag, als die Sanitatscom-mission die zahllosen Hunde, die in den Straßen liegen, schädlicher Einflüsse auf die Gesundheit der Staot anklagte, sie zusammenzubringen, auf eine der unbewohnten Prinzeninseln zu verbannen und sie dort auf Kosten des Staats zu ernähren. Nach-dem Mustapha eine Zeit lang geruht hatte, erhob er sich zur vorgeschriebenen Stunde von Neuem, verrichtete in der Quelle seine Waschungen, warf sich auf der grünen Wiese inbrünstig gegen Mekka gewendet an den Boden und verrichtete, unbemerkt, in der Stille des Mittags, alle Gebete und Ceremonien, die sein Glauben, der für seine Sinnesart so fruchtbar sich zeigte, ihm vorschrieb. Diese Züge, unserm Wesen fremd, unter den Muselmännern täglich wiederkehrend, hier unter besondern Umstanden mit Anerkennung aufgezeichnet, möchte ich nicht als eine Skizze des einzelnen Mannes betrachten, sondern ich wünschte sie wie Lichtpuncte jenen widrigen Eindrücken gegenüberzustellen, die gewöhnlich von der täglichen Berührung mit den Türken in dem Sinne des christlichen Beobachters und auch in dem meinigm zurückblicbm. Wenn man von Larigovi auf ziemlich steilem Pfade in west-südwestlickcr Richtung den Cholomotida dinansteigt, so gewinnt man auf der Hohe sogleich eine höchst überraschende Fernsicht nach Norden und Nordostrn. Mit dem bedeutendsten Gegenstande, ei- ClMdice. 23 ner großen, alpinen, tics »nit Schnee bedeckten Gebirgskette, will ich beginnen und den Beweis zu führen versuchen, dasi sie dem Orbclus der altcn Griechen entspreche. Es kommt zunächst darauf an, die Lage jener Berge, so weit es möglich ist, zu bestimmen. Meine unmittelbare Anschauung suchte ich durch folgende Worte festzuhalten. Etwas rechts vom Ostcnde des Sees Befchik bis zu dem im Vordergründe vorspringenden Berge von Nisvoro, hinter dem sie sich verliert und wahrscheinlich fortsetzt, also etwa 2U Grade vom wahren Nordpuncte aus bis gegen Nordnordost, erstreckt sich am fernen Horizonte, in anscheinend »vestöstlichcr Richtung verlaufend, eine schneebedeckte Alpenkette mit zahlreichen Spitzen und Pyra^ »uidcn, deren Schnee in dieser Iahrszcit tiefer in's Thal herab-rcicht, als an dem thessalischcn Olymp. Denn nicht bloß die Gipfel erglänzten rein wcist m der Morgensonne, sondern auch ein breiter Saum des zwischen ihnen wagerccht verlaufenden Kamms, und nicht etwa stellenweise, sondern in einer zusammenhängenden, nach unten ebenmäßig begrenzten Decke, wie man an einer wahren Schneegrenze zu sehen gewohnt ist. AIs ich diese Verhältnisse bald nachher mit den einzelnen, unterbrochenen Schnecfeldern des Olymp zu vergleichen Gelegenheit hatte, glaubte ich die Erhebung jener Nordkctte um ein Bedeutendes größer annehmen zu dürfen: seitdem ich jedoch die Messungen des Olymp zu 9757" und des Rilodagh, der mit jener Nordkette zu demselben Systeme gehört, zu 77 l?^ *) kennen gelernt habe, halte ich die Ansicht, daß die größte GebirgZmasse von Rumelien — und diese ist es, die wir jetzt betrachten, — auch zugleich die höchste sei, *) Nach der Handschrift des Herrn v Friebrichsthal, der an der ersten Volx-'schcn Reise Theil nahm und dessen HölMniessungen vermittelst des Barometers mir giitigst durch Hern, Fenzl mitgetheilt wurden. Da ich mich noch öfter darauf werde zu beziehen haben, so bemerke ich, daß ich nicht die Materialien, sondern nur dir Nerechnungsrcsultate ohne die Angabe, was für Fuße gemeint feien, vor mir habe. Verglichen scheinen diese Messungen mit der barometrischen Höhmbestimmuna, des Donauspiegels von Belgrad zu sein, der approximativ zu 335' bestimmt wurde. Gin Fehler in dieser Bestimmung müßte auf »manche andere« sich übertragen. 24 Zehntes Capitel. nicht länger für wahrscheinlich. Der größere Umfang des Cchnee-gebicts erklärt sich genügend aus der Lage und Größe des Ge-birgsstocks. Dcr Schnee mag immerhin in dcn folgenden Monaten noch geschmolzen sein; bei den climatischen Verhältnissen dieses Ichrs würde die Höhe des Nilodagh unter dem 42sten Brei-tegrade schon genügen, eine große Verbreitung des Schnees in der Mitte des Iunius zu bedingen: allein wenn jene Gebirge auch die Schneegrenze nicht erreichen, so können ihre Spitzen doch auch durchaus nicht niedriger als 80U0' sein. Da die Wcrgzeichnungcn auf den rumelischen Charten uns keinen Anhaltspunct gewähren, um die Lage dieser wichtigen Gebirgskette zu bestimmen, so versuchte ich zuerst, eine glaubwürdige Nachricht über ihre Entfernung von Laregovi und über die Ortschaften, die ihr zunächst liegen, zu erhalten. Die Angaben, welche Mustapha und die Griechen aus Laregovi mir übereinstimmend mittheilten, glaube ich indessen als falsch nachweisen zu können. Sie sagten, es sei der Berg Mcnikion, 6 Stunden jenseit Scres, 2 Stunden von Demirhissar entfernt; über den Berg führe der Weg von Seres nach Mclenik; er sei steil und beschwerlich, aber auf dem höchsten Puncte liege ein Han. Es ist klar, daß hierunter der Derbendhan der Charten verstanden wurde, der gerade an dem Puncte liegt, wo der Strymon eine Verg-spalte des Mcnikion durchströmt. Allein einmal liegt dieser Han einige Compaßgrade (nach der Chartenzeichnung etwa ?s5" W) westlicher, als wo unsere Alpcnkette plötzlich nach Osten aus dem Hügel- und Ticflande ansteigt, und zweitens besitzen wir über den Menikion die Nachrichten Cousinery's, der diesen Berg von Seres aus besuchte, und, indem er anführt, daß er bis zum Gipfel bewaldet sei, keinen Zweifel über die weit geringere Höhe deffelben übrig läßt *). Auch zeichnete ich an Ort und Stelle einige Gründe auf, die es mir wahrscheinlich machten, daß das Gebirge weiter als *) Cousim'>ry Voyage dans la Macudoine V. 1. p. 181. »une crele courunnee de sap ins;« unb p, 213. »une foiet qui s'eteml jusqu'&u fümtiiüt de la montči^ne^ Chalcidice. 25 der It g. Meilen entfernte Memkion von meinem Standpuncte abstehe. Die fast unmittelbar zu vergleichende Ansicht des Olymp, der vom Cholomonda 15 g. Meilen entlegen ist, schien mir zu beweisen, daß die nördliche Kette noch weiter, oder, wenn ich die Beleuchtung in Anschlag brachte, mindestens eben so weit entfernt sein müsse. Die Erinnerung an einen schönen Morgenanblick der Tyroler Alpen vom Baicrschen Plateau aus, womit unser macedonisches Gebirge auch in den Bergformcn große Aehn-lichkeit darbietet, ließ mich gleichfalls auf einen Horizontalabstand von wenigstens einem Breitegrade schließen, indem ich auch die Kammhöhe beider Gebirge für ziemlich gleich erhaben erachtete. Diese Umstände machten es wahrscheinlich, daß die Städte Mele-nik und Nevrocop noch südwärts von dieser Gebirgskette liegen müßten. Auf den Charten finden sich nun allerdings zwei Ge-birgszüge, Zweige der Rhodope, in dieser Richtung, die ungefähr von Westen nach Osten verlaufen und deren westliche Abhänge der Strymon, nach Süden strömend, bespült: 1) die östliche Fortsetzung des Perindagh zur Nhodope, an deren südlichem Fuße die beiden gedachten Städte liegen und über deren Kamm der Paß *) von Nevrocop nach Nasluk führt; 2) der Nilodagh selbst oder die nordwestlichste Kette der Nhodope, zwischen Dgiumaa und Philivpopolis. Daß diese Ketten es waren, deren südlichen Kamm ich sah, daß sie zusammen ein gemeinschaftliches Alpensystem, den größttn Gebirgsstock Numelicns, ausmachen, geht aus der Darstellung Boue's in seinem ersten Berichte klar hervor, während sie ohne die geographischen Entdeckungen dieses Gelehrten durchaus problematisch hätten bleiben müssen. »Der Perindagh«, sagt er in seiner allgemeinen Uebersicht der rumelischen Gebirge ^), »liegt zwischen Dgiumaa, Melenik und Nevrocop« (also genau in der eben erwähnten Position), »und ist ein höherer Theil des Despoto- *) 'Eine ungeheure Spalte im Urschiefer mit cincr hochgelegenen Straße und Festung in Ruinen« (Bou« in v. Leonard's Jahrbuch 1838. S. 45.). ") I^inbul^l, new liI eä. 8it>ben!iä3. 7. exc. 3. Hier werden, worauf wir an ewem andern Orte zurückkommen, als Hauptgebirge Rumeliens genannt: Bertiscus, Scardus, Orbelus, Rhobope und Haemus. ) ^nu^)slli? ?lo^«/aö Unterfjolj ist sparsam. Sä b«f!ef)t auö: Caipinus orientalis Lana., Cornus sanguinea L., Crataegus Oxycantlyi L., Cr. Azarolus L., Acer monspessulanum L.; fe^jr fetten fommt audE> Salix aurita L. tot. Unter t>m ©efeattenpfsanjen ftnb bte tjäufißftfn: Poa nemoralis L. Agrosiis canina L. Veronica olsicinalis L. V. austriaca L. Geum urbanum L. Nasturtium lippizense Br. 3ev:ffteut fajnen üor: Brachy-podium sylvaticum R. S. Listera ovata Br. Limodorum abortivum Sw. Knaulia sylvatica Dub. Centaurea montana L. Lapsana com-munis L. st'Jyoäotis sylvalica Hossm. Sympliytum Orientale L. Ajuga Laxmanni lienth. Aj. genevensi.s L. Phlomis lunarifolia Sm. — Sa-nicula europaea L. Euphorbia dulcis L. Geranium slriatum L. 2Cn qudlijjen SÖalbpeUen würfen: Equisetum TelmaU'ja Ehrh. Carex remota L. Glyceria fluitans M. K. Arum raaculatum L. Ilumex JVemolapatham Ehrh. Veronica Anagallis L. 2(uf ten mtt Pteriä aquilina bcroad)[eiun SÖolbblopctt: Poa trivialis L, Salvia Sclarea L. Veronica lalifolia L. lleliatnhemum eriocaulon Dun. Geranium san-guineum L. unb £?csonbevß fläufifl eine Achiüea. Chalcidice. 33 einen Theil der Escorte zurück. Indessen waren wir ganz unangefochten über das Gebirge gekommen, und die Ziegcnhirten, die wir trafen, wollten überhaupt nichts Verdächtiges bemerkt haben. Ein Hnndegcbell im tiefsten Dickicht des Waldes mochte jedoch, da kein Vieh in der Nähe war, als Spur der Klcphtcn gelten können. Ein großer Schieferblock seitwärts vom Wege führte den Namen »Näubertafel«: denn es ward erzählt, daß er von diesen Gesellen hergerichtet sei ünd bei ihren Mahlzeiten benutzt würde. Mustüpha wußte überhaupt manche Scenen der letztver-siossenen Zeit in diesen Bergen an Ort und Stelle durch ausdrucksvolle Darstellung zu vergegenwärtigen. Als wir in einem Hohlwege an einer Fclsbrüstung vomberkamen, machte er mir, da ich vorausging, begreiflich, ich möchte den Felsen die schmale Seite meines Körpers zuwenden. Daß hier nämlich vor Kurzem ein Reisender aus dem Hinterhalte erschossen sei, erzählte er mir auf folgende Weise, sich seiner Zeichensprache bedicmnd. Dem Felsuersteck kehrte er die Brust zu und schüttelte mit dem Haupte, um anzudeuten, daß der Wanderer ganz sorglos sich umhergeschaut und dem Verräther zum sichern Schuß Anlaß gegeben habe. Zugleich sprach er die Worte: »bir adam« (cin Mann), daß der Erschlagene allein und ein einzelner Mann gewesen sei. Hierauf kehrte sich Mustapha um, veränderte seine Gesichtszüge, machte die Bewegung, als lege er eine Flinte an, und sich von Neuem in die Lage des Getroffenen zurückversetzend, neigte er das Haupt wie zum Schlafe und beschloß sein Gemälde mit einer traurigen Gebärde. Es war nicht einmal die einzige Kunde von vergossenem Blute, das in den jüngsten Tagen diese Berge besteckt hatte. Eine breite Platane, in verschlungenen Zweigen ein Bild des lebendigsten Wachsthums, wurde von den Türken und Griechen mit peinlich bewegten Augen betrachtet, weil man auch hier ganz kürzlich einen wohlbekannten Kaufmann ermordet und den verstümmelten Leichnam am Baume hangend zurückgelassen hatte. Ein türkischer Reiter, der sich hier zu uns gesellte und in Galatzisia gegen die Ränke seiner Obern Schutz suchte, erzählte uns die Umstände. Von Ncggevlär ritten wir noch zwei Stunden (5" —7") II. I 34 ' Zehntes Capitel. über das Plateau, einen Hügclrand und zuletzt, dicht über Galatzista, einen ziemlich steilen Schlangenpfad abwärts in das weite Thal von Vasilica, das aus der reichen Vorlandsebene Calame-ria, sich vom Meere her allmählig verengend, bis Galatzista in das Platcauland eingreift, ohne an Tiefe des Niveaus und wagerechter, fruchtbarer Oberfläche zu verlieren. Schon bei seinem Ursprünge, gerade da, wo Galatzista liegt, hat dieses Thal die Breite einer halben Stunde, die so schnell zunimmt, daß sie bei Basilica bereits das Dreifache beträgt. Ganz unerwartet licgt es dem Wanderer, der über das Plateau geht, zu den Füßen: eine ebene, in die Ferne verfließende Thalsohle, in der jeder Fußbreit Landes bebaut, oder doch zur Viehzucht genutzt ist, und im Vordergründe, genau am Fuße des Abhangs, das freundliche Städtchen , gegen 5UN Häuser zählend. Gegen Norden wird das Thal durch dm zum Cortasch sich erhebenden Plateaurano, gegen Sü. den durch eine Hügelreibe begrenzt, die gleichfalls vom Plateau entspringt, sich aber davon absondert, nach Westen fortsetzt und unweit Sedes in dem niedrigen Vorgebirge endet, welches den innern Golf von dem Meerbusen von Salonichi scheidet. Zwischen diesen beiden Höhenzügen erblickt man am Horizonte den Spiegel des Meers und die bergige Küste von Pierien, zwischen dem Olymp und der Mündung des Inge-Carasu, wahrend über die südliche Hügelkette selbst die majestätische Schneemasse des Olymp Hervottritt. Dieser Anblick, von dem Plateaurande über Galahista zur Zeit der am Cortasch herabsinkenden Sonne gewonnen, überrascht um so mehr, als der Weg von Ncggevlur über einförmige Weiden und durch niedriges Eichengebüsch fühlte und nirgends eine Aussicht in die Ferne darbot. Ein noch größeres Interesse aber gewähren an diesem Puncte die Vcgetationsgrcnzen, die sich selten so scharf als hier ausprägen und, so weit das Auge reicht, eine sehr charakteristische, wagerechte Linie am obersten Theile desPlateaurandcs bilden. Diese Linie ist um so merkwürdiger, als man sie in drei Richtungen, an den breiten Hohen, die das Thal schließen, und an den beiden Rändern, die es seitlich begrenzen, wiederfindet. Was die geognostischen Verhältnisse betrifft, so beginnt das alluviale Con- CHMdice. 35 glomerat, woraus das Thal von Basilica besieht, erst am Fuße des Plateaurandcs, bti Galatzista selbst. Bis dahin reicht der Glimmerschiefer, der uns von Icrissos aus begleitet hat. Die gerundeten Formen der südlichen Hügelreihe gehören, nach der abweichenden Berggestalt zu schließen, wahrscheinlich einer vom Chalcidiceplateau verschiedenen Formation an. Abcl die Vegetationsgrenze richtet sich nach diesen Gegensätzen nicht, sondern sireng nach der Höhe. Am Wege wird sie durch den Plateaurand selbst gebildet: einerseits Eichen-Waldung und Gebüsch, das im Winter sein Laub vcrliert, ncbst Wiesen '.on mitteleuropäischem Character; andererseits immergrünes Gesträuch von Coccus-Eichen *) und mit griechischen und italienischen ") Kräutern geschmückte Abhänge. Indem sich nun gegen Westnordwest der Plateaurand allmahlig in der lilichtung dcs Cortasch erhebt, so '*) Quercus pedunculata Ehih. — Q. cocci (era L. **) SDie fütUd)c «öegetation »on fyiet big ©Qlontcfji rcirb buict) folgenbe ttrtcn djaractevifirt: Aegilops ovaia L. unb Phleum tenuc Schr. juweis len uort)«nfd;cnb. Cynodou Dactylon Rich. Asteriscus aqualicus Mch-bet ©ebež. Scabiosa ucranica L. Plantago Lagopus L. jurocilcn »OV* fyettföenb. Phlomis samia L. JVepeta mula L. Verhascum sinuatum L. Erythraea tenuiflora Lk. Bupleqrum nodiüorum Sibtli. Sm. Astragalus virgams Pall. Onobrychia caputgalliDC. Peganum Har-mala L. jix>isd)en (Scbeö unb Sotontdji \d)i ^auft^, uon @alonid)i buvd) baö Sorbautfeat hü UeöEtieb oevOrcitet. Linura ausciiacum L. L. nodiüorum 1j. Diamlius pi outer L. Hypericum crispum L. Berteroa nmtabi-iis DC. Nigella hispanica L. Delphinium tenuissimum Siblh. SJlatl erkennt leicht die Verschiedenheit dieser Vegetation von der des Athoö: denn hier beginnt unter dem Einflüsse eines trocknen, warmen Sommers und cincr steinigen, humusärmern Erdkrume, die mcicedonische Küstensiora. Sodann bemerke ich, daß sich hier eine frühere Vcmerkung über die vorherrschenden-Gräser der füdeuropäischen Wiesen ausgezeichnet bestätigte. Niewohl die Weiden von Calameria meist aus Kräutcrn bestehen, so giebt es doch auch Stellen, wo Gräser: ^i!al>3 uvllla I.. und l>!i!euin »eim« 8cnra<1., praedominiren: aber Gräser, deren Nuchs von nordischen Wiesengrci'crn ganz verschieden ist, deren Wurzel weder kriecht, noch ausoaucrt, noch sich rasen-Urmig verbreitet, sondern, zu zarten Fasern gelöst, nur einzelne, schlank« Halme zu tragen vermag. 3* 36 Zchntcs Capitel. bleibt jene Linie, leicht aus der Ferne an dem abweichenden Tone der grünen Farbe erkennbar, hinter jener Erhebung zurück und zieht sich in gleicher Höhe mit dem Wege am AbHange fort: über ihr steigen dann endlich die waldbekränztcn Höhen des Cor-tasch auf, die, wie man mir berichtet, abwärts Castanicn, oben Nadelholz tragen, so daß die Castanie hicr die Buchen und Eichen des Cholomonda vertreten würde. In gleicher Höhe nun erblickt man auch im Süden die scharfe Negionmgrcnzc von Mittel- und Süd-Europa gerade da, wo die Hügelkette sich von dem höhern Plateaurande ablöst. Die Hügel aber, weil sie diesem an Höhe nachstehen, sind, wie man aus der Ferne deutlich zu erkennen vermag, überall von immergrünen Gebüschen bekleidet. Ehe wir in Galatzista einrückten, wurde im Triumph, die Neise über den Cholomonda glücklich beendigt zu haben, sämmtliches Feuergcwehr wiederholt abgefeuert, worauf der Schall von allen umliegenden Höhen vernehmlich wicderhallle. Die Stadt ist reinlich und von reichlich fließenden Wasserleitungen und Brunnen, den Abflüssen des Cortasch, bewässert. Sie wird von Griechen bewohnt, die mir verständig und gutmüthig begegneten. Auf der Gallerie eines Han's bioouakitte ich. Die laue Abendluft wurde von unzahligen Lampyriden durchschwämmt. Singend zogen Kinder durch die Straße und von fern und nah klangen griechische Lieder in mein Ohr. 16. Juni us. Von Galatzista bis Salonichi werden noch 8 Wegstunden gerechnet. T)a wir erst um 5^ 2l)" aufbrachen, so hatten wir im höchsten Grade von der drückenden Hitze zu leiden, um so mehr, als wir stets auf schattenlosem Grunde uns bewegten. Das Thal ist 6 Stunden lang, 3 bis Vasilica, eben so viel bis Sedes: auch dieser Weg ist auf der Charte von Weiß in richtigen Terrainvcrhaltnissen dargestellt. Der Thalweg ift so eben, die Atmosphäre so durchsichtig, daß man in Galatzista das Meer, dessen Spiegel aus einer Entfernung von 7 Stunden her-überscheint, um mehr als die Hälfte naher glaubt. Das Thal steht durchaus in Cultur oder Weide, und ohne Wechsel des Characters lauft es bei Sedes in die Seeniederung aus, die sich Chalcidice. 37 dann von da 2 starke Stunden nach Norden bis Salonichi fort: setzt, Anfangs vom Cortasch, später von geringern Schiefcrhügcln begrenzt. Zuerst traf ich auf den Weiden noch einiges Gebüsch, Coc-cuseichen und Paliums. Dieser letztere Strauch stand jetzt in Blüthen und, so unscheinbar diese sind, verdient er doch eine nähere Betrachtung: denn die gclblichgnmen, kurzen Blüthcn-trauben sind zwischen den saftgrünen, rein ovalen, glattrandigen, zarten, kleinen Blattern und den zu drei gestellten, braunrothcn, scharfen Dornen an ihrem Grunde von einer sehr guten Wirkung, die freilich wegen der Kleinheit der Formen auf einem Landschafts-gcmälde nicht nachgeahmt werden könnte. Bäume giebt es hier nur bei den Ortschaften, in einzelnen Stämmen, von hohem Alter, Ulmen lxi Basilica, Platanen bei Scdcs, hier und da etwa auch cinc Maulbccvpssanznng, von denen man eben beschäftigt war, die unreifen Früchte abzulesen, um dem Wachsthume des Laubes nachzuhelfen. Die Ulmen aber wimmelten von Geflügel, von Störchen und Meisen *). Um 8^'30' gelangte ich nach Basilica, einem ansehnlichen Dorfc, um ii/. zu- „ach Scdes, einer kleinen Stadt, in der ich seit meiner Abreise von Enos wieder das erste türkische Minaret erblickte. Von den Moscheen aber scheinen die schlanken Cp-pressen unzertrennlich, und so fühlte ich mich hier sogleich wieder dem osmanischen Halbmonde Unterthan, nachdem ich seit einigen Wochen nur mit christlichen Priestern und freieren Griechen aelcbt hatte. Auf freiem Felde zwischen Basilica und Sedes liegen zwei Badchauser, Thermen genannt, von denen vielleicht der alte Name von Salonichi herrührt. Ohne bewohnt zu sein, besteh« sie nur aus einem schmutzigen, von Amphibien gefüllten Bassin, das von einem steinernen Gewölbe überdacht ist. Ob die Bassins, die geringen Abfluß haben, wirklich durch warme Quellen genährt werden, ist mir zweifelhaft. Das schlammige Wasser hatte eme Wärme von 88°!'., kaum von der Luftwärme vcr- *) Vergl. Bd, 1. S. 1U4. 38 Zehntes Capitel. schieden, während die Gewölbe, den Sonnenstrahlen frei ausgesetzt, sich bedeutend erhitzt habcn mußten *). Bis Sedes behalt der Weg feine westliche Richtung, von da wendet er sich mehr nach Norden, der Krümmung des Golfs folgend. So umkreist er den Fuß des Cortasch, an dessen südlichem AbHange bei Basilica ein dem Athanasios geweihtes Kloster sich erhebt und hoch über dem Thale sichtbar ist. Je mehr man sich in der Folge dem Gestade des Meers nähert, desto bedeutender tritt ein würdiger Hintergrund der Landschaft, vom Olymp und den westmacedonischen Gebirgen gebildet, hervor. Die letztern , vom Olymp ausgehend und im Halbkreise die Mündungen des Haliacmon und Arius umgebend, trugen, wie am Olymp, so noch einmal im Nordwcsien an den entlegenen Höhen drs Nidge bei Vudena schneebedeckte Gefilde. Zwischen diesen beiden äußersten Puncten aber senken sie sich oft so tief, daß sie kaum aus dem Meere hervortauchcn: und eben so wenig wie ihre Höhe, läßt sich von hieraus ihre Entfernung beurtheilen, ob sie längs der Küste verlaufen, oder durch ein Tieflandsbecken davon getrennt sind. Dies werden wir bald näher zu beurtheilen vermögen. In der Nähe von Scdcs hielt ich unter Platanen Siesta (11^40^—1"). Eine Quelle von warmem, ungenießbarem Wasser vermochte unsern Durst nicht zu stillen. Ein Gebirgsbach *) Diese Bäder sind es ohne Zweifel, von denen Hadschi Chalfa (S. 79.) berichtet: »das warme Bad von Lanksed« befindet sich im Distrikte von Salo-nik. Das Wasser ist gemäßigt warm. Gleich daneben sprudelt auch kaltes hervor. Es ist mit einer Kuppel bedeckt, unter welller sich ein Becken befindet, das mehr als 2l» Ellen im Umfange hat. Außerhalb des Gebäudes befindet sich eine Strecke schwarzen Kothes und Schlammes. Die Kranken ziehen sich nackt aus und stecken sich bis an den Hals in diese Pfütze. Die Einwohner Salonik's begeben sich im Sommer Hieher und bringen die Zeit ihres Aufenthalts unter Zelten zu.« Derselbe Schriftsteller (S. 83.) erwähnt auch einer heißen Schwefelquelle in Chalcioice am Ufer deö Sees Veschik: »eine steinerne Kuppel ist darüber gebaut; das Wasser ist siedend heiß und t ocht Eier; der Geruch ist schwefelig.« Die Untersuchung dieser Quelle verspricht ein denkwürdiges Ergebniß. Chalcidice. ' 39 vom Cortasch, der vorüberfloß, war dcm Versiegen nahe. Das Vorland, das nun noch zwischen der Niederung von Sedcs und dcr macedonischm Hauptstadt lag, entzog uns, wellenförmig gebaut, noch lange den ersehnten Anblick. Als er sich endlich eröffnete, erschien mir die Stadt viel weniger bedeutend, als ich erwartet, an Umfang dem asiatischen Brussa bei Weitem nachstehend. Eine ungefähre Vorstellung gewahrt das Wild bei Cousinen). Qliadratsörmig, von einer Mauer umschlossen, erscheint Salonichi in einer stachen Terrasse an einem Küstenhügel hinaus-gelehnt. Bei vorwaltend jüdischer und griechischer Bevölkerung zählt sie nur einige zwanzig Moscheen. Auf dcm Kamme des Hügels steht das Fort Heptapyrgion, ' von der Stadt noch durch einen Zwischenraum geschieden. Innerhalb der Mauern fehlt es, so dicht übrigens die Hauser stchen, dennoch nicht an unbebauten oder vielleicht niedergebrannten Stellen. Die Bevölkerung wird vcrschicden von 40—7UU00 Seelen angegeben: der letztern Zahl versicherten mich mehre fränkische Kaufleute, indem die Hauser äußerst dicht von Menschen gefüllt seien. Die meisten Nachrichten neuerer Reisenden, dcr Umfang des Ganzen, der Verkehr im Innern lassen jedoch eine Ueberschatzung vermuthen. Die Nhede war fast verlassen von größcrn Fahrzeugen. Freundlich winkten die Fahnen der occidentalischcn Consulate zu dcm europäischen Wanderer herüber. Um I" erreichte ich, von der Wärme erschlafft und hinfällig, das östliche Thor der Stadt. Einige Türken, die an dicscm Orte Wache hielten, verlang-ten meine Papiere zu sehcn und mein Gepäck zu untersuchen. Viele Menschen drängten sich neugierig zusammen; Bettler erho-dcn die Hände, eine Gabe zu empfangen, wie es in türkischen Städten ft selten zu geschehen pflegt. Als nun auf übliche Weise die Bahn geebnet und die Ansprüche erledigt waren, ritten wir m jene berühmte Hauptstraße ein, die, durch alterthümliche Denkmale geziert, von Ost nach West, vom Thore Calameria, wo nur eintraten, bis zu dem des Vardar, das den Weg nach Albanien öffnet, die Stadt durchschneidet und die dem Hafen benachbarten Viertel von den nördlich und höher gelegenen trennt. Ungefähr auf halbem Wege breitet sich in dcr Straße und deren 40 Zehntes Capitel. Umgebungen der Bazar aus. Dieser sowohl, als die Häuser, an denen der Weg vorüberführt, erscheinen in einem vortheilhaftcren Lichte, als die Hauptstraßen von Constantinopel selbst: dagegen smd andere Theile der Stadt um so enger gebaut, des Schmutzes und der Nohheit widrige Schauplätze. Jenseit des Bazars liegt das fränkische Stadtviertel, mein ersehntes Ziel, das jedoch weit über meine Erwartung mir einen befriedigenden, gleichsam heimischen Aufenthalt gewähren sollte. Während ich Dimitri mit Briefen in das österreichische Consulat sendete, stieg ich in einem Caffcchause ab, wo ich aber kaum am Sorbeto mich erfrischt hatte, als schon Herr von Dobrotschitsch, der kaiserliche Proconsul, und mein Banquier, Herr Pascalin, mich zu bewillkommnen, eintraten. Da sie sahen, wie sehr ich von der letzten Reise angegriffen war, so sendeten sie mich alsbald in ein türkisches Bad und bereiteten mir indessen eine annehmliche Wohnung bei einer griechischen Wittwe, einer bejahrten , sorgsamen Frau, bei der ich wohl aufgehoben war und mich täglich der Freundschaft von zahlreichen, mir auf das Gütigste begegnenden Franken erfreute. «Vlstes Gapitel. Aufenthalt in S a'l o n i ch i. Lebensweise der Franken. Localeindrücke. Heptapyrgion. Vorbereitung zur Abreise. Na die Merkwürdigkeiten der Stadt Salonichi von mehr als einem Kenner beschrieben sind, so beschranke ich meine Mittheilungen auf die Skizze der während eines achttägigen Aufenthalts empfangenen Eindrücke, in sofern diese die dortigen Zustande zu erläutern geeignet erscheinen mögen. Hier herrscht noch der ächte Typus der Levante in dem warmen Clima, das eine genaue Zeitbenutzung, eine völlige Hingebung an den Erwerb verhindert, in der gewinnreichen, aber ungesicherten Weise des Handels und in der Macht der Consulate, die den Fremdling zu schützen, aber ihn nicht in der Achtung des Eingebornen zu heben vermögen: Verhältnisse, welche die ganze Ordnung des fränkischen Lebens bedingen und sich zugleich in jener tiefen Spaltung und Absonderung zwischen dem Europäer lind Asiaten erkennen lassen. Salonichi ist die am fernsten in den Westen hinausgerückte Stadt des Morgenlands, adcr von Italiens und Deutschlands Bildungsstätten getrennt durch cincn 42 Elftes Capitel. langwierigen Seeweg, durch einen breiten Continent, in welchen nur das osmanische Schwert, und weder des Orients, noch des Occidents Sitte jemals eindrang, blieb Maccdonicns reiche Küste durchaus von jenen Einflüssen unberührt, die auf Ionien und Griechenland gewirkt haben, und der Türke, wie der Jude und Grieche, die dort heimifch wurden, verharrten in jenem eigenthümlichen Idcenkreise, der vom Indus bis nach Numelicn die Menschen beherrscht. Nicht, als ob man in Salonichi keine europäisch gebildete Griechen träfe, aber sie waren im Auslande, sie sind fremd, sie halten sich zu den Franken, sie scheinen die Ersten, die diesen Weg einschlugen. Die Lage der Stadt bietet ungemeine Vortheile für einen Aufschwung des Handels, über dessen Verfall die fränkischen Kaufleute große Klage führten. Wo die Hauptströme Wcstmace-doniens, der Ingö-Carasu und Vardar, aus den Gebirgen hervortreten und durch benachbarte Mündungen in den Meerbusen von Salonichi sich ergießen, bewässern sie zuletzt eine breite und fruchtbare Küstcnebene, die in reichlicher Fülle die Producte des Landes, Getraide, Reis und Baumwolle *), erzugt und zur Seidenzucht höchst günstig gelegen ist. Auf der andern Seite der Hauptstadt breitet sich die Culturftäche von Calameria aus. Endlich bestehen genaue Handelsverbindungen und erleichterter Verkehr mit der reichsten Landschaft des innern Landes, die nur zwei Tagereisen entfernt ist, mit dem Thalbecken des Strymon, der Ebene von Seres, die man als Wittelpunct der Waumwollener-zeugung in Numelien betrachtet, deren Seide gleichfalls berühmt ist und deren Manufacturwaaren, Zeuge aus diesen Stoffen, lnan in allen Bazaren der Levante antrifft. Die Seeplätze von Orfano und Cavala, die zwar näher bei Seres liegen, als Salonichi, können sich durchaus nicht mit den Handclselementen dieser letztern Stadt messen. Eine gesicherte Nhede, eine starke und dem Handel ergebene Bevölkerung, der Reichthum jüdischer Familien, der Zusammenfluß von Europäern, der unmittelbare Vcr- *) Mein Weg hat mich jedoch nirgends in Macedomen an Baumwollen-pflanzungcn vorübergeführt. Salonichi. ^^ kehr mit Triest und Marseille bezcichnen deren Vorzüge; der Mangel an Häfen und Handelsplätzen auf der ganzen acgaeischen Küstenlinie von Rumelien beweist, daß sie keine Nebenbuhler zu fürchten hätte. Daß ihr Handel während der letzten Jahre nichtsdestoweniger im entschiedensten Sinken begriffen war, erklärt sich nur aus drn politischen Einflüssen, so wie aus der steigenden Blüthe von dem consiantiliopolitanischen Stadtviertel Galata, wodurch gerade während meiner Anwesenheit einer der angesehensten Kaufleute bestimmt wurde, von Salonichi dahin überzusiedeln. Unter solchen Umständen wird die Feuersbrunst, welche im Spatsommer desselben Jahrs auch das fränkische Viertel verwüstet hat, um so verderblicher auf die Abnahme des Verkehrs eingewirkt haben. Man bemerkt in dem Schicksale der Europäer, die als Kaufleute in der Leoante sich niederlassen, eine gewisse Uebereinstimmung, woraus sich die Eigenthümlichkeit ihrer Lebensverhaltnisse am deutlichsten wahrnehmen läßt. Wer in den gebildeten Landern geboren und erzogen, sich an die Annehmlichkeiten gewöhnt hat und sich der Hülftquellen bewußt ist, welche das Vaterland gewährt: wird dasselbe nicht leicht zu verlassen geneigt scin, wenn er die Mittel, seine Zukunft zu sichern, in seinen Händen weiß. Junge Männer, die ohne Vermögen den Sicherstand des bemittelten Kaufmanns sich durch persönliche Aufopferung zu erwerben wünschen, sind es daher, aus welchen die fränkische Bevölkerung der Levante, gleich wie der Handelsstand in den Colonieen, sich ergänzt. Vieles geben sie auf, von ihren Familien trennen sie sich, ihren gewohnten Genüssen entsagen sie, schwierige Sprachen müssen sie erlernen, in einer fremden Welt wagen sie aufzutreten: allcin in kurzer Zeit hoffen sie ihr Geschäft zu beenden und w dlc Heimath zurückzukehren. Gesetzt, diese Pläne wären nach emlgen Jahren glücklich ausgeführt worden, so pflegt nun ein we-MMcher "'"erschied zwischen der fernern Laufbahn des Lcvanti-,iers und des überseeischen Kaufmanns einzutreten. Der Letztere, w es, daß en, tropisches Mma s^e Gesundheit stärker bedroht, W es, daß er noch weniger in die Fremde sich eingewöhnt, tr.tt gern m seme alttrn Verhältnisse zurück, der Levantiner 44 Elftes Capitel. hingegen sucht sie selten wieder auf. Welcher Neiz, möchte man fragen, hält ihn gefesselt, unter Umgebungen, die so wenig Anlockendes zu enthalten scheinen? Nahe liegt es zu denken und dem reisenden Beobachter wird es zur täglichen Ueberzeugung, daß dieselben Gründe ihn zurückhalten, die cs bewirken, daß der begüterte Grieche fast niemals in unsere Lander auswandert und seine gefährdeten Reichthümer dahin rettet, wo Niemand scin Eigenthum anzutasten vermag. Im Sinne dcs gedrückten und des gewinnsüchtigen Griechen müssen Vorstellungen Icbcn von Vorzügen des Morgenlandes, die ihm wichtiger selbst erscheinen, als jene Sicherstellung der Person, die wir als das erste Gut des Würgers schätzen. Der größcrn Leichtigkeit des Gewinns steht dort die stete Gefahr des Verlustes gegenüber. Der frankische Kaufmann in Anatolien und Numelien bleibt immer in engern Beziehungen zu seinem Vaterlandc, und der Kreis seiner Interessen führt ihn nicht selten auf Reisen dahin zurück: er ist gewohnt, dessen Zustande mit seiner gegenwärtigen Lage zu vergleichen. Hierüber urtheilt er gern, scin Urtheil wird dem Reisenden geläufig und erscheint ihm für die unbefangene Würdigung der Levante bemerkenswert!). Wahrend er über das Abgeschlossene seiner Stellung, über den Mangel an Lecture, über den engen Gesichtskreis derer sich beschwert, auf die sein Umgang beschränkt ist, gedenkt er zugleich nicht ohne Bitterkeit der unerfreulichen Bcgcgnisse, die er auf seinen Reisen nach Europa zu erdulden hatte. Wenn er zu Hause dem Fremden stets eine wohlwollende Aufnahme gewährte, wenn er ihn überall von zahlreichen und uneigennützigen Freunden zu umgeben wußte: so fand er in Wien oder Lyon keinerlei Erwiederung, er hatte cin in die Schranken fremdester Höflichkeit zurückweisendes Betragen selbst bei solchen Handelsherrn zu rügen, mit denen sein Haus in langjähriger, gewinnreicher Handelsverbindung stand. Wmde man ihn darauf aufmerksam machen, wie viel gedrängter bei uns die Menschen wohnen und verhältnißmaßig unter einander verkehren, und wie bei so zahlreichen Ansprüchen, die von allen Seiten an die Freundschaft jedes bedeutenden Mannes erhoben werden, eine gewisse vornehme Abschließung auch bei dem Wohlwollendsten un- Salonichi. 45 ausblcibllch eintreten muß: so könnten solche Vorstellungen ihn doch nicht für seine getäuschten Erwartungen entschädigen, und die gemüthlosen Stunden, die ihm den Aufenthalt verleideten, in einem erfreulichern Lichte erscheinen lassen. Durch Jahre und Entfernung sind die Bande locker geworden, die ihn mit seiner Familie verknüpften; erinnert er sich an Europa, so hat er die Sehnsucht jüngerer Tage längst abgelegt, und denkt sich, wenn er dort lebte, beschrankt auf die Börse, auf Cassee- und Schauspiel-Haus und entfremdet jenen traulichen Verhältnissen, die in der Levante so viel leichter sich bilden und befestigen. Denn an Zahl gering, duich Interesse den Bewohnern des Landes gegenüber verbunden, in häufigen Verwickelungen auf gegenseitige Dienslbeflissenhei't hingewiesen, leben sie ungeachtet der Intriguen und kleinen Leidenschaften, die hier zu Hause sind, doch von Anfang an in einer engern Gemeinschaft und in höflichern Formen, als bei einem großstädtischen Handelsbetriebe der Fall zu sein pflegt. Während mit den Einheimischen gar kein geselliges Verhältniß besteht, so ist es neben dcr Schönheil des Clima's gerade der Umgang mit, wenn auch wenigen, doch verlaßlichen, freundschaftlich gesinnten Menschen, mit natürlichen, offnen Characte-ren, was hier Jeden fesseln kann und auch fast Jeden auf die Dauer fesselt. Der Levantiner ist hieran so gewohnt, daß es dadurch hinreichend erklärlich wird, weshalb, wie oben bemerkt ward, auch derjenige, der europäisch gesinnt blieb und die Ansprüche seiner Jugend nicht vergessen hat, doch gewöhnlich die Leuante wieder aufsucht, wenn er sich durch die starre, sociale Nmde der großen europäischen Städte abgestoßen und verletzt fand. Nirgends aber sollen solche, allerdings anziehende Verhältnisse in höherm Grade bestehen, als in Smyrna, und zu keiner Zeit mehr, als im Anfange des vorigen Iahrzehends, da settdem auch die. Blüthe dieser Stadt sinkt. Melch am Tage nach meiner Ankunft in Salonichi ward m.r die Gelegenheit, diese Seite dcs dortigen Lebens aus eigner Anschauung kennen zu lernen. Herr Pascalin, der schwedische Consul, hatte eine Gesellschaft von 25 Personen zu einer besondern Festlichkeit in seinem Hause vereinigt. Als wir nun dort 46 Elftes Capitel. ganz nach heimischer Sitte zusammen verkehrten, erschien mir der Ort wie eine gastliche Oase occidentalischen Genusses, um so belebter und anziehender für mich, als mir Alle mit Vertrauen und unerwarteter Herzlichkeit begegneten. Bei einer gebildeten, lehrreichen Unterhaltung bemerkte man zugleich jenes natürliche, ungezwungene Vclragen, wodurch Jeder je nach seinen Einsichten und Talenten zur Geltung gelangt. Wir saßen in einer gegen den Garten des Consulats geöffneten Halle, welche durch weiße, mit den Nationalfarbcn der Anwesenden verzierte Segeltücher gegen die Sonne geschützt ward. Dessenungeachtet siel uns die Hitze des ungewöhnlich schwülen Tags sehr beschwerlich, störte jedoch den Frohsinn der Gesellschaft keineswegs und, wie die Etiquette Niemanden in der Wahl seines Anzugs beschrankte, so schienen die leichten Gewänder, in denen man auftrat, mit der leichten Beweglichkeit im Einklang zu stehen, womit die handelnden Personen sich unter einander vermischten. Als man nun aber allmählig im Gespräche sich erwärmte und jetzt um so mehr von der Hitze zu leiden hatte, da stieg plötzlich nach der Mittagsstunde ein schweres Gewitter auf, Donner und Blitze folgten sich unaufhörlich, in kürzester Zeit strömten von den großen Regentropfen angesammelte Fluthen um uns her und drohten die Straßen der Stadt zu überschwemmen. Dieses Naturschauspicl verursachte nur ein kurzes Intermezzo; keine Stunde verging und es war fast spurlos wieder verschwunden, der Himmel so heiter, wie zuvor, selbst die Wärme nur wenig gemäßigt. Dcr Nordwind aus dem Vardarthale bringt in den Sommermonaten diese große Hitze, tägliche Gewitter, die sich oft, über der Stadt, am Ufer des Meeres entladen und nicht selten wahrend einer einzigen Stunde sich bilden und wieder zerstören, vermögen die Gluth der unbewölkten Atmosphäre nicht zu brechen. Auf unsern Zirkel wirkte damals diese Scene als ein neuer Neiz zur Geselligkeit, zu jener lebhaften Erregung der Gemüther, wozu die italienische Sprache, die man meistentheils redete, sich so leicht darleiht. Fröhlichkeit und Laune beherrschte diese Männcr, die gerade in denselben Tagen durch einen gefährlichern Sturm, als der eben an ihren Hausern vorüberzog, nicht weniger unerwartet in Salonichi. 47 ihrer ganzen Existenz sich bedroht sahen: denn dies war der Zeitpunct, als die Nachricht von dem Ausbruche des Kriegs zwischen der Pforte und ihrem ägyptischen Lehnsträger in Salonichi anlangte. Mancher Toast wurde ausgebracht, und ich glaube, dcr Stimmung des Orts und der Gesellschaft wäre es nicht zuwider gcwescn, wenn man abwechselnd auf das Glück beider Waffen die Glaser zu leeren hätte in Vorschlag bringen mögen. Denn wie sich Vieles vom Geiste des Orients auch in der Denkweise des emgewanderten Christen abspiegelt, so dürfte man diese Einflüsse nicht weniger in dem Gleichmuthe gegen das Unbestimmte und Unbekannte erkennen, als in dem regen Antheile an dem unmittelbar Gegenwärtigen, den ich meinen Gastfrcunden auch dieses Mal nachzurühmen nicht verfehle. So konnte ich auch einem mir gewidmeten Spruche aus vollem Herzen erwiedern, dies sei ein Augenblick, in dem ich die gerühmte Hospitalität der Levante in ihrem ganzen Werthe zu empfinden wüßte. Und wäre solch' eine Anerkennung nur die Regung des Augenblicks gewesen, so würde ich sie unerwähnt lassen: allein in der Folge erwiesen mir nicht bloß die, um deren Rath und Beistand mir zu thun war, fast unaufgefordert ihre Aufmerksamkeiten, sondern ein Jeder bot seine Dienste an und führte aus, was ich wünschte. Erinnere ich mich andererseits, wie wenig auch in den folgenden Tagen unter diesen Herren von Politik die Nede war, wie sie sich ganz dem gewöhnlichen Wechsel von Arbeit und Vergnügen überließen und in den Elholungsstunden des Abends an leichten Gesprächen und den Genüssen des schönen Climas sich ergötzten: so scheint mir jener Contrast gegm unsere eigne Bestrebung, in größern Ereignissen mitzuleben, auch hierin lebhaft ausgesprochen zu sein. Als das Dampfschiff die Nachricht von dem Umschwünge der Verhältnisse überbrachte, begnügte man sich, einander zuzurufen: »die große Neuigkeit ist da; der Krieg ist ausgcbrochen! « und ohne Sorge und Entmuthigung mochte man dann zu den gleichgültigsten Dingen übergehen. Der Eine schilderte den Vice-könig in gänzlicher Ohnmacht, oder wußte, daß alle Mächte für die Pforte den Degen ziehen würden, ein Anderer spottete über die Truppen des Sultans und kannte die großen Summen, die 48 Elftes Capitel. kürzlich in Aegyvten aus dem Verkaufe der Baumwolle gewonnen wären. Aber daß ihr eignes Interesse in diesen Fragen auf das Ernstlichste milbegrissen sei, hätte aus solchen Redcn Niemand errathen können. Ich glaube, ich war der Einzige, der sich Sorgen darüber machte, ob nicht das Schicksal des Staats auch die einzelne Person berühren möchte. > Den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das die fränkischen Kaufleute in den türkischen Hauptstädten führen, stehen na-türlich auch tiefe Schattenseiten gegenüber. Was unmittelbar aus ihrer abgesonderten Stellung hervorgeht und aus ihrer Entfremdung von civilisirtcn Zustanden sich folgern laßt, ist einleuchtend genug, als daß ich es näher zu berühren brauchte. Ich will nur eincn Punct hervorhcbcn, der mir in Salonichi mehrmals vor Augen trat. Gewöhnlich gehen die Europäer in die Levante, wenn ihre Erziehung erst kürzlich vollendet ist. Wollen sie sich in der Folge vcrheirathen, so wird ihnen srltcn das Glück zu Theil,, ein Weib aus der Heimath heimzuführen. Es ereignet sich daher in der Negel, daß sie sich-mit einer Lcvantinerin oder Griechin vermählen, welche oft weit hinter ihrcr eignen Bildungsstufe zurückstehen. Welchen nachtheiligen Einfluß ein solcher Schritt auf ihr ganzes häusliches Leben äußern müsse, ist leicht zu erkennen. So führen die Frauen den Haushalt, und sind ihren Gatten, ihren Kindern weiter nichts mehr. Es versteht sich, daß ich hiermit nur eine Klage andeuten will, die nicht selten gegen mich geführt wurde, und daß ich weit entfernt bin, über solch' einen Gegenstand aus eignen Beobachtungen zu urtheilen. Ich lernte jedoch einen inngen Mann kennen, der aus diesem Grunde zu einem auffallenden Plane sich entschlossen hatte. Seine Geschichte ist außerdem für die dortigen Zustande charactcristisch genug, um sie mitzutheilen. Franzose von Geburt, war B. etwa in seinem siebzehnten Jahre nach Aegypten gegangen, um als Zögling des Consülats diese Carriere im Dienste seiner Regierung zu beginnen. Während der acht Jahre, die verflossen waren, als ich ihn in Salonichi kennen lernte, hatte er auf verschiedenen Stationen, namentlich in Syrien, sich die zu jenem Zwecke erforderlichen Kenntnisse so voll- Salonichi. 49 kommen angeeignet, daß er Griechisch, Türkisch und Arabisch nicht bloß geläufig redete, sondern auch schrieb, und daß man seine Talente bereits zu nicht unwichtigen Geschäften benutzte. Auf eine sorgfältige Erzielmng sich stützend und ungeachtet der isolirten Lage, die ihm beschieden war, durch Einsichten entwickelte Urtheilskraft kundgebend, verband er mit diesen Eigenschaften den Vorzug einer Einfachheit und Bescheidenheit, die seine Erscheinung sehr liebenswürdig machten. Dazu gesellte sich zugleich ein Sinn für die Natur, der in seinen Verhältnissen so natürlich entstehen mußte, den er auf einer Neise am Libanon und durch Palastina in schönen Erinnerungen ausgebildet hatte und der ihn näher mit mir verband. Mit seiner Lage war er nicht ganz zufrieden und hatte die Eindrücke seiner Kindheit sich bewahrt, ohne jedoch irgend welchen Grübeleien Namn zu geben oder seine heitre Lebcnsanschauung aufzuopfern. Er wünschte sich zu vcrheirathen, und sprach mit Abscheu von der Idee, zu seiner Gemahlin eine Dame des Landes wählen zu müssen, indem er die Erwartung ausdrückte, daß er, mit einer gebildeten Frau verbunden, sich leichter über die Widerwärtigkeiten einer vereinsamten Stellung würde erheben können. Nun sei es ihm aber ganz unmöglich, fuhr er fort, selbst auf Brautschau in Frankreich auszugehen, weil er einen langern Urlaub zu erhalten niemals hoffen dürfe. Deshalb habe er verstandige Personen in Paris damit beauftragt, seine Stelle zu vertreten; ein armes Mädchen, aber gebildet und seinen Ideen entsprechend, sei gefunden und erkläre sich, bewogen durch seine äußern Verhältnisse und durch ein übersandtes Miniaturbild, nicht abgeneigt, dem Unbekannten in sein fernes Asyl zu folgen. Mit Ueberzeugung malte er sich die Vortheile einer solchen Verbindung aus und wollte im nächsten Jahre die kurze Frist, die ihm zu einer Neise in die Heimath gewährt war, zur Beendigung dieser Angelegenheit verwenden. Während er nun, durch diese Aussichten befriedigt , sich den schönsten Hoffnungen für seine Zukunft überließ, widmete er zugleich seine Mußestunden einer zwiefachen politischen Correspondenz für zwei bekannte, in ihren Farben entgegengesetzte Zeitungen, und hatte seine Freude an den polemischen Artikeln, II. 4 50 Elftes Capitel. die er wrchsclswcise gegen sich selbst richtete, ohne daß die Her-ausgcbcr jener Blätter um sein Geheimniß wußten. Diesem frohgesinnten und sich offen mittheilenden, jungen Manne gegenüber erschien ein ältlicher, sich in steifen Förmlichkeiten abschließender Consul in seltsamem Contraste, und so wie dieser am Ziele der Laufbahn angelangt war, die jenem bevorstand, so mag ein Zug seines Characters diese Skizze dortiger Zustände beschließen. Durch Empfehlungsbriefe bei ihm eingeführt, ward ich mit den Ceremonien des vornehmsten Standes empfangen und durch ein stolzes Übergewicht in schuldiger Entfernung gehalten. Ohne mich durch Fragen zu ermuthigen, beschränkte er seirze Unterhaltung auf die Ankündigung cincs Werks über Syrien, das cr geschrieben und worauf er einen hohen Werth zu legen schien. Dorthin sei er nach der Schlacht von Navarino geflohen und habe durch einen jahrelangen Aufenthalt in einem Kloster des Libanon Gelegenheit gefunden, über dortige Alterthümer wichtige Aufschlüsse zu erhalten. Nach diesen Mittheilungen entließ cr mich und bis zum Tage vor meiner Abreise hörte ich nichts mchr von ihm. Inzwischen hatte er, ein enthusiastischer Freund von Reliquien und dergleichen Merkwürdigkeiten, sich erzählen lassen, daß ich von Montesanto ein Crucifix von besonderer Arbeit mitgebracht hatte. In der That war ich im Besitze eines klcinen höl-zrrnen Kreuzes, wie es die Calojcren in kunstreichem Cchnitzwerk ausführen. Es war jrdoch bereits eingepackt, als der Secretair des Consuls bei mir eintrat und mich ersuchte, es ihm zu schicken oder zu überlassen, wie es nun gemeint war. Ich bedauerte, seinen Wunsch nicht früher erfahren zu haben, und empfing die Meldung, daß der Consul scldst mich durch seinen Besuch zu ehren beabsichtige. Während nun sonst so wcnig äußerliche Etiquette, in der Levante beobachtet wird, so erschien mein Gönner vielmehr mit türkischer und fränkischer Dienerschaft, im Staats-kleide und mit Orden geziert, und wiederholte scine Bitte, die zu erfüllen ich leider nicht im Stande war. Dicscs Mal erzählte er von einer großen Stadt, wo man bcim Graben eines artesischen Brunnens auf eine leere Höhlung gestoßen sei, in welcher kein Senkblei den Grund erreiche und die man nun mit dem Salonichi. 3l besten Erfolge benulze, um allen Unrath aus den Straßen hineinzuleiten. Sollte dieser Mmn da, wo er sein Leben zu führen bestimmt war, nicht auch Einiges von den türkischen Elementen in sich aufgenommen haben? Mit Griechen bin ich in Salonichi nur wenig in Berührung gekommen. Einige Kaufleute, die ich kennen lernte, gehörten, da sie in Wien erzogen waren, mehr der fränkischen Bevölkerung an, als ihren Landsleuttn. Dagegen machte ich die Bekanntschaft eines der ersten jüdischen Banquiers, die freilich in ihrer Lebensart den entschiedenen Morgenlandern viel näher stehen, als ihren europäischen Glaubensgenossen. Zugleich scheinen sie, so verächtlich *) auch Hadschi Chalfa sich über sie ausspricht, doch durchaus von ihren Oberhcrren nicht schlechter behandelt oder minder geachtet zu werden, als die übrigen Naja's. Da die Griechen und Armenier in Constantinopel zu den Türken sich ganz ebenso verhalten, wie die Juden, so liegt es schon in der ganzen Stellung dieser Letztern, so wie in der Menschcnzahl der Naja's überhaupt, daß hier ihre Verhaltnisse ganz verschieden von denen der Juden in Europa sein müssen. Auch pflegen Ncligionsver-folgungm nicht von dem duldsamen und fatalistischen Muselmanne, sondern, wenn sie einmal stattfinden, von den Christen auszugehen. Diese äußerliche Gleichstellung der Nichtmuhameda-ner, von der nur die Franken als Fremde und vom türkischen Sceptrr Unabhängige sich emancipiren, könnte man, wenn man die Populationsverhaltnisse Rumelims in Anschlag bringt, ungefähr auf die Weise sich anschaulich machen, daß man die Naja's Mit Plebejern den Qsmancn, als dem Patricierstande, gegenüber *) »Die meisten Häuser (in Salonichi) sind jüdische. Die aus der Christenheit heimlich entflohenen Juden retteten sich meistens hierher und mietheten die Hane und Wohnungen auf lange Termine. Wiewohl nun die Stadt durch das Unglück, so mit Juden überhäuft zu fein, gebrandmarkt ist: so n»rd diese Schande doch durch den weltlichm Nutzen dieser Bewohner wieder ausgelöscht. Sie verfertigen nämlich die weltberühmten, vielfarbigen Fußtepplche, die sonst nirgends so gut gemacht werden; ferner gute Tücher. Die reichen Juden verwenden vieles Geld auf Wohlthaten und fromme Stiftungen.« Hadschi Chalfa Rumeli und Nosna S. ?g. 4. 52 Elftes Capitel. vergleicht. Befinden sich aber die Aemter und alle Gewalten in den Händen der Letztern, so fehlen doch auch Jenen ihre VolkZ-tribnnen nicht, z. B. die Primaten oder Hodgia-Waschi's bei 'den Griechen, die Beschwerde führenden Organe der Unterdrückten. So sehr nun aber auch die Verhältnisse sämmtlicher Naja's zu den Türken im Wesentlichen übereinstimmen, so wenig haben sich Jene doch unter einander verschmolzen: bei gleichen Interessen bleiben die Nationen dennoch durch ihre Sitten und Neigungen, durch ihren Haß geschieden. Man redet daher von dem verschlossenen und einsichtigen Armenier, von dem höflich falschen und verschmitzten Griechen, von dem rohen, die Städte fliehenden Bulgaren und von dem Albanier, der ohne Treue und Tugend sich unabhängig zu erhalten weiß, aber doch nur die ungesittete Freiheit der Berge kennt. Wcnn solche Urtheile, die im Munde der Franken leben, einer genauern Zeichnung des Einzelnen bedürften, so wollen wir sie für jetzt gelten lassen, um ihnen gegenüber einen vornehmen Juden von Salonichi in seiner äußern Erscheinung kennen zu lernen. Da ich einen Creditbn'ef auf BitMa zu erhalten wünschte, so führte mich Herr Pascalin in das jüdische Stadtviertel, dessen Kaufleute die einzigen sind, die mit den Handelsplätzen auf der Straße nach Scutari in unmittelbarem Verkehre stehen. Mein Freund bevorwortcte, daß, wiewohl dies das einzige Mittel sei, meinen Zweck zu erreichen, ich dennoch nicht mit Sicherheit darauf rechnen könne, die Summe in der Folge wirklich zu erhal« ten, es komme darauf an, ob die Juden mir persönliches Vertrauen schenkten, und auf andere Umstände. Einige Straßen in dem schmutzigen, wenig belebten Viertel hatten wir durchschritten, als wir ein niedriges, unscheinbares Häuschen erreichten, vor dem ein bejahrter Mann auf der Erde mit verschränkten Schenkeln ruhte. Dieser Greis wurde als derjenige bezeichnet, den wir suchten und mit dem Herr P. persönlich befreundet war. Ohne sich zu erheben, empfing er uns, sein Haupt verneigend, und, als ich ihm vorgestellt wurde, bemerkte er, daß ein Freund seines Freundes ihm willkommen sei. In seinem Gürtel trug er nach Art der Türken in einem länglichen Messingkästchen sein Calonichi. 23 Schreibzeug und, als er durch wenige Worte mit meinem Anliegen bekannt gemacht war, holte er sogleich aus seiner Busentasche einen darin aufbewahrten Papierstreifen und begann ohne weitere Umstände auf seinen Knieen mit arabischen Lettern in spanischer Sprache die Anweisung zu schreiben, die er mir nacl) wenigen Minuten, ohne für sich selbst meinen Namen oder sonst das Mindeste über dieses Geschäft aufzuzeichnen, übergab und glückliche Ncise wünschte. So einfach betrieb er, dem Gedächtniß vertrauend, sein Tagewerk, so leicht gab er einen Credit, für welchen keine Handschrift des Bürgen ihm Garantie bot: und dennoch hat man kaum ein Beispiel eines Betrugs oder einer Unregelmäßigkeit bei einem Verkehre, wo Alles vom persönlichen Vertrauen abhängt. Aber dieses vertrauen wird auch nicht leichtfertig geschenkt; ist es einmal vorhanden, so wird es ohne Bedenken stets ungcthcilt gewahrt. Es herrscht unter diesen Juden die strenge Rechtlichkeit des natürlichen Menschen, und sie vertragt sich leicht mit einer mißtrauischen Vorsicht, welche die Personen und Verhältnisse im kaufmännischen Sinne zu beurtheilen weiß. Verwundert über das Betragen eines Mannes, der, ohne Mlch ,'n sein Haus einzufügen und sogar ohne sich mit mir zu unterreden, meinen Wünschen entgegenkam, ließ ich mir den Inhalt seines offnen Briefs erklären. Er enthielt in lakonischer Kürze nicht bloß die Weisung an den Handelsherrn Abraham Ben Namias zu Biblia, mir eine nickt unbeträchtliche Summe auszuzahlen, sondern auch eine besondere Empfehlung, mich als Freund des Hauses zu betrachten und mir erforderlichen Falls sonstige Dienste zu leisten. Damals hielt ich diese Worte für die gewöhnliche Formel, mit welcher die Banquiers ihre Crcdit-bricfe auszustellen pflegen, allein später verdankte ich dem einfachen Zettel die rücksichtsvollste Aufnahme bei einem der reichsten Juden von BitcUia. An der Seite eines liebenswürdigen jungen Mannes, des Herrn von Nourville, mit dem Herr Pascalin mich befreundet hatte, besuchte ich die Merkwürdigkeiten der Stadt und ihre Umgebungen. Wenige Minulen vom südwestlichen Thore steht am Gc-siade des Meers eine herrliche Baumgruppe, in dcrcn Schatten 54 Elftes Capitel. ein Casseewirth scine Bude aufgeschlagen hat. Dort pflegten sich mit der sinkenden Sonne zahlreich die Franken einzusinden und, durch die Kühle des Orts wohlthätig angeregt, in geselligen Kreisen sich zu unterhalten. Man kann diese Annehmlichkeiten noch vermehren, wenn man sich zuvor in die Wai hinausrudcrn laßt und nach einem Secbade die erquickliche Ruhe im Wäldchen aufsucht. Ist man durch die schmutzigen, aber belebten Gassen des Hafenviertels auf den Quai gelangt, so trifft man überall die zu solchen Zwecken bereit liegenden Kiaiks, die nicht so zierlich gebaut sind, wie m Constantinopel, und weniger gewandt ihrem Führer gehorchen, aber auch viel sicherer in den breiten Wogen des Meers das Gleichgewicht bewahren. Auf einer solchen Fahrt vertrauten wir uns den nervigen Armen eines braunen Arabers, der, vor wenigen Tagen angelangt, sich durch die Flucht dem Matrosendienste in Alerandricn entzogen hatte und mit geheimem Grauen von der drohenden Majestät seines Vice-kömgs redete. Als wir sodann an dem gedachten Orte wieder landen wollten, fanden wir die Ufergegcnd zu seicht für unser Boot, aber der halbnackte Seemann sprang sogleich in's Wasser und trug uns nickt etwa auf dem Rücken, sondern in feinen kräftigen Armen hundert Schritte weit hinüber: ein Mann von eisernem Körper und in der Blüthe seines Alters, der vor dem übermächtigen Geiste seines Herrn sich furchtsam versteckte und das Elend des Facchino dem Schrecken von Muhamed Ali's Namen vorzog. So heiter jenes Caffeehaus als taglicher Vereinigungspunct der Franken zum Verweilen einladet, so muß die Gesellschaft doch stets, ehe die schönste Stunde des Abends anbricht, wieder auseinandergehen: denn in dem Augenblicke, wo die Sonne hinter den westlichen Hügeln verschwindet, werden die Thore der Stadt geschlossen. Um nun nicht die Nacht im Freien zubringen zu müssen, schwebt man immer in der Spannung, daß man sich nicht verspäten möge. Da aber die türkische- Zeitrechnung den Tag zwar wie wir in zweimal zwölf Stunden theilt, aber diese mit dem Sonnenuntergange zu zählen anfängt, so erfolgt, wenn nach der Zeit gefragt wird, vielleicht die Antwort, cs sei erst elf Salomchi. 55 Uhr und man könne daher noch eine Stunde lang bleiben. Diese letzten Minuten der zugemessenen Unterhaltung sind aber gerade die belohnenden: denn die Beleuchtung wirkt alsdann am vor-theilhaftestcn auf das farbenreiche Gemälde der Landschaft, in deren nächstem Vordergründe sich die Stadt weithin am gerundeten Meerbusen ausbreitet. Man hat oft von dem Zauber gesprochen, welchen die türkischen Städte mit ihren weißen Häusern, ihren schlanken Minarets und den Halbkugelkuppeln der Badehäuser und Moscheen von Außen gesehen, auf das Gemüth des Reisenden ausüben: wenn man aber ferner diesen bedeutenden Eindrücken und den dadurch gesteigerten Erwartungen das Widrige des Innern und den völligen Mangel an großartigen Straßen, Plätzen und Gebäuden mit Recht gegenüberstellt, so würde man doch in dm gleichfalls engen Gassen des Frankenvicrtcls von Salonichi hier und da Gelegenheit finden, an einer zweckmäßigern und geschmackvollern Anlage der Bauten sich zu erfreuen, als selbst in Pera, mit Ausnahme der Internuntiatur und des Museums, irgendwo zu finden ist., Freilich wird jetzt der größte Theil jener freundlichen Wohnungen, wozu ich z. B. das französische Consulat rechne, durch dm Brand zerstört worden sein, allein die Vortheile, wodurch sie entstanden, werden jetzt um so leichter zur Verschönerung dieses Stadtviertels dienen können. Theils hatte es nicht an Naum gefehlt, die Baulichkeiten nach individuellem Gutdünken auszuführen, theils erlaubte ein vortrefflicher Baumwuchs in den Gärten, von denen solche Hauser eingeschlossen wurden, dem Ganzen den Anstrich einer landlichen Villa zu verleihen. So verlebte ich zwei genußreiche Abende im Hause des Herrn Loir, wo die offne Gallerie, nach Süden gelegen und durch die hohen Laubkronen der gegenüberstehenden Ulmen geschützt, eine Aussiclt auf das Meer und den Hafen darbot. Der weite Küstensaum und der Olymp, der am Horizonte aus dcn Fluthen hervortaucht, umgrenzen diese Scene, deren Neiz am Abend noch erhöht wurde, nachdem der Mond aufgestiegen war und, im Meere gespiegelt, über der schwarzen Fläche die nackten Schiffsmasten beleuchtete, während die glänzende Scheibe selbst durch die spielend bewegten 56 Elftes Capitel. Blätter herabfunkelte. Noch lieblicher erschien mir im Schweigen der Nacht dieselbe Landschaft von einem freiern Standftuncte auf dem platten Giebeldache des französischen Consulats, wohin Herr von Bourville, mir diese Ueberraschung zu bereiten, mich am späten Abend hinaufführte. Das Haus liegt unter Maulbecr-baumen versteckt, ader jene Platte beherrscht die ganze Stadt und den Horizont des Meerbusens. Damals war der Golf in Bewegung und die Strahlen des Monds warfen einen breiten, ' in'o Unabfehliche reichenden Lichtsireifen darauf, den die gchobe-ncn Wellen mit ihren Tbalschattcn stets in glitzernder Bewegung erhielten. Den schonen Contrast zu diesem Gemälde bewirkte der heitre Nachthimmel und das ruhig leuchtende Gestirn, dessen Schein die Häuser, die Moscheen und die Baumgartcn der Stadt klar erhellte, wodurch denn die einfachen Lichtconturcn der Ferne mit dem mannigfaltigsten, jedoch bewegungslos ruhenden Vordergrunde zusammentraten. Die Garten der Franken, die ich kennen lernte, so sehr sie durch jene Baumgruppen sich auszeichneten, nehmen doch einen zu geringen Naum ein und sind im Detail zu sehr vernachlässigt, als daß sie eine weitere Aufmerksamkeit verdienten. Indessen hatte ich Gelegenheit, den Blumengarten eines reichen Türken zu schen, der wegen seiner Vorliebe für die Gärtnerei in der Stadt bekannt war. Man würde sich täuschen, wenn man glauben wollte, der alte Ruf des Orients, durch diese Kunst sich auszuzeichnen, bewähre sich in Rumelien noch heute, wo dieselbe vielmehr auf einer geringen Stufe der Ausbildung steht und nicht einmal bemerkcnswerthe Eigenthümlichkeiten weder im Geschmack der Anlagen, noch in der Wahl der Ziergcwachse bemerken läßt. Kleine, zu künstlichen Figuren geformte Beete nehmen gewöhnlich den ganzen Naum ein und haben hausig einen Springbrunnen in ihrem Mittelpunct, um den sie regelmäßig gruppnt sind. Sie werden von Burbaum eingefaßt und pflegen ein dichtes Feld von Tulpen, Tagetes und dergleichen zu enthalten, wobei man jede Mannigfaltigkeit in den Formen vermißt. Nach dem, was ich in dieser Rücksicht am Bosporus gesehen, war mein Türke in Salonichi ein Gärtner ersten Ranges. Hier fand man Salonichi. . 57 offne, graziöse Pavillons in leichter Bauart, von Rosen liancn-förmig umschlungen, deren Fußboden ein Bassin mit kleinen Wasserkünsten einnahm. Uebcrall sprudelten Brunnen und Quellen dem Umherspazierendcn entgegen. Der beschränkte Naum dcs Ganzen war dadurch verdeckt worden, daß man die Mauern mit rankenden Gewachsen bekleidet und deren Umgebung mit Gebüsch, mit Rosen und Oleander, bepflanzt hatte. Auf das Reinlichste waren die Wege erhalten und wurden mit Wasser besprengt. Ucbrigcns dieselbe Armuth an Gewachsen und dieselbe Tendenz zu geschmacklosen Spielereien. Der Eigenthümer ging selbst reich gekleidet umher und freute sich seines Werks, aber er würdigte uns nicht seiner Unterhaltung und setzte nach der Begrüßung die begonnenen Wanderungen fort. Ein Derwisch, der gleichfalls anwesend war, schien jedoch von ihm beauftragt zu sein, uns die Honneurs zu machen. Dieser führte uns umher und pries die Schönheit der Pflanzung und den Reichthum seines Gönners. Das Gegenstück zu diesem mit Sorgfalt gepflegten Garten bildete ein anderer, der zum Kloster der tanzenden Derwische gehörte und völlig vernachlässigt war. Hier konnte man daher bemerken, mit welchen Psianzcnartcn eine solche Anlage, wird sie dem eignen Triebe der Natur überlassen, in diesem Clima sich zu überwuchern pflegt, und zwar nicht mit Unkräutern und Nasen, sondern mit immergrünem Gesträuch. So fand sich hier unter den einzelnen Granat- und andern Obst-Bäumen eine dichte Oleandervegetation *), die gewiß ursprünglich angepflanzt war, aber sich rasch vermehrt und das Uebrige verdrängt hatte, als läge in den natürlichen Verhältnissen des Orts eine Bedingung, jene immergrüne Pflanzendecke, die einst ohne Zweifel wie den heiligen Wald, auch diese Küste, ehe sie bebaut ward, bekleidete, von Neuem hervorzubringen, wenn man die natürliche Production in ihrem freien Walten nicht stört. Was aber hier auf dem G'mndbesitz träger Derwische, wie wir deren in den Hallen und am Springbrunnen dcs Gebäudes unbeschäftigt umherliegen sahen, sich ereignete, war übrigens in *)' Nei'ium Oleander h- 58 Elftcs Capitel. der nächsten Umgebung der großm gcwcrbfleißigen Stadt nicht wahrzunehmen. Denn die Strecken, dic dort unbebaut liegen, eignen sich überhaupt nicht zu einer kräftigen Vegetation. Es sind steinige und dürre Hügelabhänge, die sich im Norden von Ealonichi aus geringer Höhe zum Meerbusen hcrabsenken. Auf dem nächsten dieser Hügel, der das Fort Heptapyrgion tragt, habe ich deren vegetabilische Erzeugnisse genauer siudirt, so weit dies die zur Trockniß vorgerückte Iahrszeit und die Hitze der letzten Tage, wodurch Vieles verbrannt war, gestatteten. Dcr geneigte Boden besteht nur aus einer dünnen Erdkrume, die aus der Zersetzung des Glimmerschiefers entstanden ist, und dieses Gestein tritt an vielen Orten in ansehnlichen Felsplatten daraus hervor. Abgesehen von einzelnen Bäumen, untcr denen ich hier besonders kräftige Zürgcln *) bemerkte, lrägt diese Formation hier gar keine Holzgcwachse, sondern bringt größtentheils nur jene dürftigen, in dcr Wärme des Sommers verstaubenden Krauterformen hervor, die mit dem festen Gcwebe ihrer Wurzelstöcke in das Gerölle eindringen und wegen ihrer großcn Mannigfaltigkeit sowohl in den Arten, als Familien den bedeutendsten Nestandtheil der mittelländischen Flora ausmachen. Gerade die Beschränkung der meisten hicrher gehörigen Pflanzen auf ein engbcgrenztcs Vaterland ist die Ursache, daß man an solchen Localitaten unter den weit verbreiteten Formen, die überall wiederkehren, gewöhnlich auch Seltenheiten antrifft, die für die besondcre Landschaft cha-racteristisch sind. Diese Erscheinung wird jcdem Botaniker aufgefallen sein, der das adriatische Litorale besuchte, und z. B. am Monte spaccato bei Trieft jenen Reichthum an gesellig ver-ein.en Pflanzenarten kennen lernte, der nördlich von den Alpen nirgends in Europa wiederum anzutreffen ist. Eine ähnliche Vegetation schmückt die Echieferhügel von Salonichi. Aber so wie die Iahrszcit für die Entwickelung derselben von einem größern Einflüsse ist, als für irgend eine andere Pfianzenformation, so kann auch eine einmalige Beobachtung nur ein höchst unvollständiges Bild des Ganzen gewähren. In der Mitte des Iunius *) Celtis ausiralis L. Salonichi. 5!) sind schon die zahlreichen, jährigen Krauter verschwunden, die im Verein mit den Monocotyledonen zur Zeit des Frühlings eine flüchtige Blumcnpracht über dem Erdboden ausbreiten. Und der größere Gegensatz tritt erst spater ein, wenn auch der eigentliche Kern dieser Flora, die dicotylrdonischcn Stauden, den jährlichen Kreislauf vollendet haben, wenn über den lebendigen Wurzeln die verwesenden Schößlinge ihr Grün verlieren und scheinbar eine unfruchtbare Steinwüste an die Stelle des blühenden Gartens getreten ist. Um daher meine Angaben über die vorwaltenden Gewächse des Heptapyrgion nicht ungehörig zu verallgemeinern, muß ich bemerken, daß jctzt die mittlere oder, wenn man will, die letzte Periode des Psianzenlebcns schon begonnen hatte, welche ich früher die Iabrszeit der Composi'tcn *) genannt habe, indem unter zwei der größten, europäischen Familien diese im Gegensatze zu den jährigen Leguminosen des Frühlings sowohl an ausdauernden, als an phvsiognomisch characterisirenden Arten reich ist. An den Hügeln von Salonichi kann man nach dem Wachsthum zwei Gruppen von Gewachsen unterscheiden, von denen die erste die niedrigen, zum Theil an die Erde gedrückten, zerstreut untereinander vermischten und mit sparrigcn Zweigen sich verschlingenden, die andere hingegen einige höher wachsende, gleichfalls ästige, aber durch individuelle Geselligkeit in einzelnen Haufen von einander gesonderte Formen enthalt. Zu der er-stern ^) gehören besonders Cynarcen, Sileneen und Umbellate«, aber an häufiger Verbreitung übertrifft diese das in ganz Südcu-ropa so weit verbreitete Polium, dessen Proteusgestalt hier in einer schmalblättrigen Spielart überall am Boden umherkriecht. Dieses Gewächs ist zugleich dasjenige, welches durch seine wollige Behaarung einen andern charakteristischen Zug in der Vegetation jener südlichen Hügel ausprägt, wo die Sonne, aus hei- *) Th. i. S. 45. **) Teucrium polium L. Scabiosa ucranica L. Centanrea pani-cnlata L. var. Carduu« nmans L. var. »anus. IJauciiB involncratns Sibth. Unpleiiriini ^lnmartMim Sm. Gypsophila crelica L. Dianlliud «üssiiäus Sim. M^ella arvensia L. 60 Elftes Capitel. term Himmel Monate lang hcrabstrahlcnd, die unbedeckte Oberhaut der Pflanzen durch eine die Feuchtigkeit des Bodens übertreffende Verdunstung zerstören würde, wenn sie sich nicht selbst, wie man glauben darf, durch ihre Bekleidung zu schützen vermöchte. Bei den höhern, geftlligcn Stauden der zweiten Art *), die einem solchen Einflüsse noch mehr unterworfen sind, weil sie des mächtigen Wurzelstocks, der den Umlrieb dcs Saftes mäßigt, entbehren, finden sich ahnliche Waffen der organischen Thätigkeit wieder. Wahrend ein vielästigcs Marrubium gleichfalls in ein dichtes Haargewebe sich einhüllt, widersteht das markig trockne Eryngium der übermäßigen Verdunstung durch seine festwandige Epidermis. Das an vielen Orten aber vorherrschende Pcganum nähert sich durch Verwandtschaft und wahrscheinlich durch einen innern Mechanismus, der die Feuchtigkeit des Bodens und der Atmosphäre im Zellgewebe anhäuft, jenen fleischigen Gewächsen, welche die Gluth und Dürre der afrikanischen Wüste zu ertragen fähig sind. Auf der Spitze einer der Anhöhen, welche die ganze Stadt und den Golf beherrscht, befmdet sich ein Brunnen und eine Gruppe von Bäumen, in deren Schatten wir uns niederließen. Von hier aus kann man die Verbindung dcr Huhenzüge überse? hen und den Einfluß beurtheilen, den diese im Falle eines Angriffs auf die nicht unbedeutenden Beftstigungswerke äußern würde. Wir wissen bereits, daß das Hügelsystcm von Salonichi einen Zusammenhang zwischen dem Cortasch, als dem nordwestlichen Ausläufer des Plateaus von Chalcidice, und den Vorbcrgen des Perindagh bewitkt, die sich im Norden der Seen von Beschik und Langasa gegen den Mcnikion von Seres ausbreiten. Der niedrigste Punct dirscr Vereinigungsglicder zwischen zwei Gebirgs-inafsen wird durch die Straße von Salonichi nach Seres bezeichnet. Allmahlig senken sie sich, zu einzelnen Hügclkuppcn angeordnet, gegen das Fort Heptapyrgion. Wir finden demnach hier auf dieselbe Weise, wie am H-ijion-Oros, den Glimmerschiefer *) Marrubium peregriniim L. Erytigium campestre L. var. Fe-ganum Harmala L, Ealonichk. 6l bis zur Küste ausgedehnt', ohne durch ein Vorland von jungem Gebirgsartcn umschlossen zu werden. Am wichtigsten aber er« scheint der Umstand, daß die Anhöhe, an welcher die Stadt Sa-lonichi sich hinauslehnt, zugleich der einzige Punct ist, wo das Gebirge unmittelbar an den Meerbusen stößt. Denn so wie vom Südcn her das aufgeschwemmte Thal von Calameria sich längs des Ufers bis über Sedcs hinaus erstreckt, fo reicht das im Westen gelegen? Marschland der Vardarmündung bis an das Stadtthor, das den Namen dieses Flusses führt. Somit liegt Salo-nichi an einem spitzen Gebirgsausläufer, der zwischen zwei Küstenebenen in sanfter Neigung das Gestade des Golfs erreicht. Wenn daher nach Südosten und Westen die Stadt durch ihre starke Mauer wirksam geschützt erscheint und, was südwärts da« zwischen liegt, vom Golfe bespült wird, so liegt die schwache Seite eben da, wo das Hügelland allmahlig sich erhebt. Hier ist daher auf der ersten Höhe das Fort Heptapyrgion angelegt. Allein diese Höhe ist eben die niedrigste und wird von der folgenden, die ganz nahe liegt, beherrscht, diese wieder von der dritten, und so steigt das Land nach Nordosten terrassenförmig an, wahrend das Terrain keine Schwierigkeit dcnlietet, die Stadt von dieser Seite anzugreifen. Bei solchen Verhältnissen würde man sich wundern, eine so bedeutende Arbeit auf die Befestigung von Salonichi verwendet zu sehen, wenn die Werke nicht aus frühern Jahrhunderten herrührten. Die Aussicht über die Stadt, in der ich gegen dreißig Minarets zählte, über den Meerbusen und auf den über einer Erdzunge von Chalcidice hervorragenden Olymp war freilich malerisch genug, aber diese Gegenstände hatten schon den Neiz der Neuheit verloren und der ebene Vordergrund zu beiden Seiten entbehrte jeder Mannigfaltigkeit. Bis auf eine kleine Niederung am Westcnde der Stadt, wo die Obst- und Gemüse-Garten liegen, und in deren Nahe sich auch das oben erwähnte Wäldchen befindet, ist die ganze Gegend nackt und durchaus baumlos. Kein Olivenhain ist von hieraus sichtbar, nicht einmal Neben bemerkt man, deren Cultur dem Clima und dem abhängigen Woden so angemessen sein würde. So weit das Auge bis zu 62 Elftes Capitel. dem Kranze der maccdom'schm Gebirge nach Westen hinübertragt, begegnet es nur einem einförmigen Wechscl von Weiden und Kornfeldern, denen sich sodann die unbebauten Hügel anschließen. Hier ist eine Gegend, wo der Freund schöner Landschaften dieselben am Ufer des Meers und in der Ebene des Landes aufsuchen muß, die ihm überall einen Kreis von mannigfachen Gcbirgscon-turen darbietet, ohne sein Auge, wie auf den Höhen, durch die Einförmigkeit eines waldentblößten Culturlandes zu ermüden. Während der letzten Tage meines Aufenthalts in Salonichi wurde ich vielfach durch die Vorbereitungen zur Neise in das Innere des Landes beschäftigt und dadurch verhindert, Ausflüge in die Umgegend zu machen. Meinen Wunsch, von hieraus den Olymp zu besteigen, mußte ich leider gleichfalls aus überwiegenden Gründen aufgeben. Da ich nun die Absicht hatte, gestützt auf den, wie ich bald erkannte, höchst wirkungsreichen Ferman, den der Freiherr von Stürmer mir nachgesendet, von hieraus über Bitulia nach dem nördlichen Albanien zu reisen und dort einen paffenden Centralpunct für meine Wanderungen auszuwählen: so mußte ich im Voraus darauf Wedacht nehmen, daß ich in der Folge nicht durch Mangel an Geldmitteln in Verlegenheit geriethe. Auf der andern Seite wünschte ich aus begreiflichen Ursachen keine größere Summe mit mir zu führen, als ich nothwendig bedürfte. Nach den bisherigen Erfahrungen war ich freilich im Stande, die wöchentlichen Kosten meiner Reise *) zu bestimmen. Gelang meine Absicht, bis zum Ende der guten Iahrö- ") Meine Neise hat im Ganzen bis zu meiner Rückkehr nach Hannover am lOten October, also während eines Zeitraums von beinahe 7 Monaten, etwas mehr als 1AM Nthl. gekostet. Da jedoch diese Ausgaben sich ungleichförmig vertheilen und die Reisen in Rumelien nach meinen Erfc.»rungen viel kostspieliger sind, als in andern Landern vcn Europa, so würde ich einem Jeden, der die Türkei bereisen wollte, rathen, sich mindestens auf ein monatliches Budget von 8UU Francs einzurichten, um so mehr, als ich lveder durch Unglücksfälle das Geringste verloren habe, noch irgendwo ungewöhnlich über-vortheilt zu sein glaube. Freilich sind die meisten Ausladen, da sie in Geschenken bestehen, willkührlich, aber bei einer so gastfreundlichen Behandlung um so weniger einzuschränken. Salonichi. 63 zest in Albanien bleiben zu können, so gedachte ich von da nach Dalmatien zu gehen. Der Ausbruch des Kriegs aber, die von Vielen gehegte Erwartung, daß Unruhen in Numelien ausbrechen wülden, wenn die Aegypter siegten, machten es schon damals unwahrscheinlich, daß die Umstände mich durchaus begünstigen würden. Falls mir Schwierigkeiten von Gewicht in den Weg träten, wollte ich mich nach Bosnien oder Serbien wenden: aber alsdann änderte sich mein Budget bedeutend. Denn während ich hoffte, Dimitri, für dessen Rückreise ich zu sorgen hatte, aus einem Hafen des abriatischen Meers für einen geringen Preis nach Constantinopel zurücksenden zu können, so hätte ich ihn im letztern Falle zu Lande reisen lassen müssen und konnte gar nicht veranschlagen, wie viel er dann gebrauchen oder verlangen würde. Auch war in Salonichi Niemand, der mir über die verschiedenen dalmatischen und ungarischen Quarantine-Stationen und über die Dauer der Contumaz hätte genaue Nachrichten mittheilen können. Da ich nun aber erst auf österreichischem Gebiete mit Sicherheit auf Credite rechnen konnte, so wurde ich durch solche Umstände genöthigt, fast die ganze Summe, über die ich verfügen konnte, in baarem Gelde mit mir zu führen. Zwar bin ich wenigstens in dieser Beziehung vom Glücke begünstigt worden, allein ich finde mich spätere Reisende zu warnen veranlaßt, Verhältnisse und Schwierigkeiten dieser Art nicht leicht anzuschlagen. Eben damals wendete sich ein Constantinopolitaner an die Mildthätigkeit des Dampfschifffahrts-Agenten, ihm eine freie Ueber-fahlt nach Hause zu gestatten, weil er auf der Reise von Scutari nach Salonichi des Seinigen beraubt war. Glücklichtr, als in meinem Bestreben, mir statt des Geldes Creditbriefe zu verschaffen, war ich in der Erlangung von Empfehlungen. Herr von Dobrotschitsch war unermüdlich, in dieser Rücksicht für mich zu wirken. Vom griechischen Erzbischofe wurde ich an mehre Klöster empfohlen, vom Pascha von Salonichi *) *) Einige Mittheilungen «ber die administrativen Verhältnisse von Ma-codomcn, d.e .ch dem Herrn v. Dobrotschitsch verdanke und später zu erweitern Gelegenheit hatte, vergl. m der ersten Note am Schlüsse des Bandes. 64 Elftes Capitel. sowohl mit einem Vujuruldi für seine Provinz, als auch mit Schreiben an die Pascha's von Morwstlr und Scütari versehen. So wie nun alle meine Gönner und Freunde mir uneigennützig zu dienen sich bestrebten, so fetzte mich doch bei dieser Gelegenheit ein jüdischer Commissionair in einige Verlegenheit, der sich besonders thätig erwies und den ich seiner untergeordnetern Stellung wegen durch ein Geldgeschenk zu belohnen wünschte. Um dies auf cine discrete Weise einzuleiten, fragte ich ihn, wie viel ich wohl an den Schreiber des Pascha's für dessen Bemühung zu entrichten hätte, und bat ihn, diefe Sache zu besorgen. Er erwiederte: 20 Piaster, und als ich nun in der Absicht, ihn selbst zu verbinden, ihm die dreifache Summe einhändigte, weigerte er sich durchaus, sie anzunehmen, und machte mir Vorwürfe, warum ich mein Geld auf solche Art wegwerfen wollte. Meine bezüglichen Worte, daß vielleicht sonst noch Jemand für mich gesorgt habe, lehnte er kurz ab und entfernte sich. Wenn, wie meine Frau Wirthin mcinte, dieses Benehmen nur bewirken sollte, noch mehr zu erhalten, so muß mein dienstfertiger Freund mich entschuldigt halten, daß ich noch nicht besser in die Künste des griechischen Geschäftslebens eingeweiht war. Zwölftes Gapitel. Reise von Salonichi nach 35"dena. Sprachgrenzm in Rumelicn. Das Delta des Vardar und der Vistritza. Te-keli. Ienidg«. Situation von Vödnia. Der Bischof dieses Orts. Nuffbildung dcr Felsen. Wasserfälle der Voba. 24. Juni us. Morgens 6 Uhr verließ ich Salonichi und schlug mit vier Postpferden die Straße nach V«>dena ein. Der Himmel war heiter und die Wärme schon in dieser frühen Stunde drückend. Vor dem Vardarthore begegneten uns zahlreiche Züge von Landleuten in bulgarischer Tracht, welche LcbenZmittel in die Stadt zum Verkauf führten. Westlich von Salonichi Hort man die griechische Sprache nicht mehr und Bulgaren wohnen von hier bis zum albanischen Grenzgcbirge. Nach den von mir eingezogenen Nachrichten sind die Grenzen der in Numelicn vorherrschenden Volkssprachen etwa folgende. Die griechische Sprache gehört ungefähr denselben Landschaften an, in denen zu dcn Zeiten des Alterthums Hellenisch gesprochen ward, nämlich der Halbinsel bis nach Epirus und Macedonien, dem Archipel und dessen asiatischen und europäischen Küsten. Sie wird heutiges TagZ in Albanien südlich von I/»nina allgemein geredet; von da geht ihre II. 5 66 Zwölftes Capitel. Nordgrenze über die Gebirgskette *) zwischen Thessalien und Ma-cedonien bis zum Olymp, beschreibt einen schmalen Küstensaum bis Salonichi, wendet sich weiter nach Seres und fällt sodann bis zum Meridian von Adrianopel mit dem südlichen Hauptzuge der Rhodope zusammen; endlich ist alles südlich und südöstlich von jener Stadt gelegene Land bis zur Marmora und den Meerengen vorherrschend griechisch. Diese Linie, welche nur bei Salonichi das aegaeische Meer selbst berührt, ist zugleich, mit Ausnahme von Albanien, die Südgrenze der slavischen Sprachen, welche von da bis zur Donau allgemein sind. Das Bulgarische umfaßt den südlichen und östlichen, das Serbische den nördlichen und westlichen Theil dieses Gebiets, aber die Grenzscheide dieser beiden Töchter des slavischen Stamms konnte nicht genau angegeben werden, vielmehr wurde behauptet, daß sie durch allmäh-lige Vermischung der Wörter gleichsam in einer Ucbergangszone mit einander verschmölzen. Wäre man nicht gewohnt, bei uns sogar in der Ebene verwandte Dialrcte scharf von einander abgetrennt erhalten zu sehen, so könnte man eine Stütze für diese Meinung in dem Umstände erblicken, daß Serbien durch keine natürliche Südgrcnze von bulgarischen Landschaften abgesondert wird. Genauer wußte man indessen den Bezirk der dritten Hauptsprache Rumeliens, der albanischen, anzugeben. Sie reicht von Iiml'na ") bis zum weißen Drin, oder etwas über den 42sten Breitegrad hinaus. An und für sich aber arm, entlehnt sie hier eben so viel Formen aus dem Serbischen und aus *) Etwas weiter nach Norden fcmd hier Pouqucville die griechische Sprache längs des Pindus verbreitet. Er bemerkt (Vn^n^o en 6röce 2. p. 343.), in Anaselitzas werde noch Griechisch, bei p. 222.). 7U Zwölftes Capitel. gebildetem Griechen ist Kenntniß des Italienischen noch am meisten verbreitet; in Bit6lia fand ich einige griechische Kaufleute, welche mit Wien in Handelsverbindung standen und des Deutschen ziemlich mächtig waren; Französisch wird äußerst selten, Englisch von Niemandem an den von mir besuchten Orten im Innern verstanden. Außer den Franken, den Griechen und den Albanesen von Scütari habe ich keinen Menschen, weder unter den Türken, noch unter den Bulgaren, angetroffen, der eine der genannten Sprachen geredet hätte. Nach diesen Bemerkungen, die schicklich an einen Ort gehören, wo, wie schon Strabo *) erzählt, eine uralte Völkerscheide lag, und wo auch jetzt die beiden wichtigsten Sprachen Rume-liens auf das Schroffste durch die Stadt Salonichi getrennt werden, kehre ich zur Beschreibung des heutigen Wegs zurück. Eine Viertelstunde weit vom westlichen Thore erstrecken sich Gärten. Durch diese führt die breite Landstraße, die für Wagen, ich weiß nicht wie weit, fahrbar ist. Jenseit der Gärten beginnt die nackte Ebene des Vardarbeckens, die fast im Niveau des Meerbusens liegt. Bis zu den sie in weitem Bogen umkreisenden Gebirgszügen sieht man außer einigen unbedeutenden und isolir-ten Waumgruppen keinen Gegenstand von dem völlig horizontalen Boden sich erheben. Es ist das aufgeschwemmte Land an den Mündungen aller westmacedonischen Gewässer, nachdem sich dieselben größtentheils zu den Hauptströmen des Vardar und der Vistritza **) gesammelt haben. Man kann dasselbe um so mehr als ein wahres Slromdelta, wiewohl durch verschiedene Flüsse gebildet, betrachten, als es sich innerhalb der historischen Zeiten, wie durch Leake nachgewiesen ist, wesentlich verändert hat. Er bemerkt "*), daß der Lydias, der Ausfluß des Sees von Je-nidge, zu Herodot's Zeit in den Haliacmon mündete, jetzt hinge- -) Vergl. Strado 7, 7, 4. ") Der Vardar oder Vardari ist der alte Vxlus, die Nistritza der Bulgaren entspricht dem Ing6-Carasu der Türken und dem Haliacmon der Alten. •**") Northern Greece 3. p. 433. Maccdonim. 71 gen in den Vardar, und er vermuthet, daß die Mündung des erstern nach Osten vorrücke und sich dereinst mit der des Vardar vereinigen möge, wodurch alsdann ein ähnliches Verhältniß, wie das der Maaß und des Rheins, herbeigeführt werden würde. Die größte Länge des Delta's beträgt von Salonichi bis Wödena 15 türkische Stunden, die Breite ist nach den Biegungen des Gebirgssaums verschieden und beträgt, wo sie am größten ist, in der Gegend von Ienidge wenigstens 6 Stunden. Bei Salonichi fängt das Becken spitz an, hat sich aber bis zur Vardarbrücke, V'er Stunden westlich von jener Stadt, schon allmählig bis zu einem Durchmesser von etwa 5 Stunden erweitert. Im Durchschnitte bleibt ihm diese Breite in dem vom Vardar westlich gelegenen Theile, aber es wird durch mehrere einmündende Thäler noch vergrößert. Am Nordrande bildet der Vardar selbst zuerst einen weithin sichtbaren Einschnitt in's Gebirge; vicr thalförmige Ausbicgungen des Beckens liegen in der Nähe von V.'.dena. Die Berge selbst, welche am Nordwestsaume schroff und ohne Vorberge daraus hervorsteigen, gehören verschiedenen Systemen an. Oestlich vom Vardar ist cs das uns bekannte Hügelland von Salonichi, und der Cortasch bildet dort den Hintergrund der Landschaft. Auf der andern Eeite gehören zwar alle Gebirge zu den secundären Ver« zwelgungen des Pinbus, aber diese haben einen verschiedenen Ursprung. Was nördlich von der Vistritza licgt *), steht mit der Centralkette des Pindus zwischen Bitulia und Castoria, also nordwärts vom Devoleinschnitte, in Kammverbindung. Die östlich und südlich von dem Thale, aus dem die Vistritza in das Wecken eintritt, gelegenen Gebirge sind hingegen Fortsetzungen dcrOlym- ) Ich werde diesen Gebirgszuq, die östliche Parallelkette des Pindus zachen den Austrittsthälern der Nistritza und der Czerna (Kutschuk-Carasu der gurten Er.gon der Alten), nach dem Vorgange Leake's mit dem Namen der Bernuschen Kette bezeichnen, so wie °us Strabo (VII. excerp«. II.) hervorgeht, daß der N. üermiu« eine der Spitzen dieses Zuges oberhalb Verria war. 72 Zwölftes Capitel. pos-Kette, ober der Cambumscben Berge *), deren Kammverbindung mit dem Pindus einen Brcitegrad südlicher bei Mez-zovo sich findet. Indessen sind die Schluchten, aus denen die Vistn'tza hervorströmt, so eng, daß mir von meinem Wege aus die alpine Gebirgsterrasse zwischen dcm Olymp und Nidge bei Vodcna nicht unterbrochen erschien. Freilich liegt vor der Kette dcs Olymp eine Reihe von niedrigen Vorbergen, die eine klare Uebersicht des Zuges jener Berge nicht gestatten. Verfolgen wir jene Gebirgsterrasse, welche den Saum des Weckens umgicbt, in ihren einzelnen Formen, so bemerken wir im Süden einen unbeträchtlichen, von West nach Ost gebreiteten Höhenzug, der jedoch nedcn dcm Golfe eine nordsüdliche Richtung erhält und sich auf solche Weise an den Olymp anschließt. Aber den Hintergrund der Landschaft bildet der breit herüberra-gcnde Olymp selbst und dessen westliche Hauplfortsetzung, die indessen durch einen eingesatteltcn Paß von ihm geschieden ist. Hierauf folgt in der Terrasse der scheinbare Uebcrgang in die nördlich von der Vistritza gelegene, gleichfalls noch in dieser Iahrszeit Schnee tragende, von Süden nach Norden streifende Kette, unter deren Spitzen als die bedeutendsten der Turla südwestlich und der Nidgc nordwestlich von V<»dena hervorragen. Bei Niägosta löst sich von jener Kette ein niedriger Hü.qelkamm ab, dcr ihr sodann parallel lauft und mit seinem Nordende an den östlich fließenden N^dcnabach stößt. Dadurch wird ein kleines fruchtbares Becken südlich von Vüdena gebildet, das durch das unlere V<»denathal selbst mit dcm Hauptdccken in Verbindung steht. Die Verberge des Nidge füllen den Winkel zwischen dem Vüdenabache und dem Flusse von Moglen», dcr Caradgi/», aus. Dieser biegt sich bei seinem Austritte aus dcm Gebirge noch einmal durcli einen kreisförmigen Bogen in dasselbe zurück, wodurch die beiden andern Ausweitungen des Beckens östlich von Vädcna entstehen. Die tiefste derselben, die von Moglenä selbst, gestattet einen Blick auf die Neigungsflache dcs Nidge gegen die *) Nach I_.e»ke Kor. 333. Diese Bezeichnung stützt sich auf I^lviu-i 42, c. 52. Macedonien. 73 Stromengen des Vardar. Es erscheint hier nämlich eine hohe Spitze, die reich an Echneefeldern war, weit von dem Gipfel dcs Nidge in nordöstlicher Richtung entlegen. Sie dürfte *) an dem östlichen Ufer des Vardar in der Nähe von Gradiska liegen. In Hinsicht auf den Schnecreichthum ist übrigens die Bemerkung, die mir in Vudena gemacht wurde, nicht zu übersehen, daß na-mentlich der Turla in andern Jahren schon im Mai den Schnee verliere. Wahrend meiner Reise in Macedonien fand ich bis Mitte Juli auf allen Bergen, welche die Baumgrenze an Höhe übertrafen, einzelne Schneefelder bis zu derselben herabreichend **). Hierdurch wurde ich in den Stand gesetzt, von sehr entfernten Bergen zu bestimmen, ob sie eine alpine Höhe erreichen oder nicht. Dieser Unterschied zeigte sich auch hier, indem der Paik, der zwischen den Thälern der Caradgiu und des Var« dar, schroff und breit über Ienidge emporsteigend, den Gebirgs-saum des Beckens bildet, seine geringere Höhe nicht durch Gestalt oder Gesichtswinkel, wohl aber durch Schneelosigkeit verräth. Nach Westen und Osten fallt derselbe mit Vorbergen gegen seine Thäler ab, im Norden scheint er mit Zweigen des Nidge sich zu verbinden und bildet auf diese Weise von dem ganzen Gebirgs-systeme des nördlichen Pindus das östlichste Vorgebirge. Ich schätze die Höhe desselben auf 4000'. Nicht bloß durch die Verschiedenheit des Niveaus erhält das Vardarbecken seine natürliche Begrenzung, sondern vorzüglich durch den Mangel des festen Gesteins, das bei Salonichi bis an's Meer reicht, jener großen, wagerechten Ebene aber durchaus fehlt. Hier bilden den Boden Schichten von sieinlosem Thon oder Lehm, die ich unweit der Vardarbrücke kochsalzhaltig fand, wiewohl in einer mehrstündigen Entfernung vom Meere. Dieser eigenthümliche Gehalt des Bodens, den ich in keinem andern***) *> Leake sah sie gleichfalls (N«nllo,n «rece 3. p. 27N.). Man sagte »hm, sie liege bei Istib. Läge der Berg so weit nördlich« so müßte ich ihn vom Schardagh aus wieder «esehm haben. I„ der Linie vom Schardagh ftach Gradiska tritt dagegen das hohe Badunagebirge vor. ") Vergl. Bd. ä S. 128. "4) Loll«, der diese Erscheinung bereits erwähnt hat, redet auch von 74 Zwölftes Capitel. Theile Numelicns bemerkt habe, beschrankte sich indessen wenigstens an der Straße auf eine nicht bedeutende Strecke. Salicor-nien und andere Chenopodeen, die noch nicht in Blüthe waren, verriethen die Mischung des Bodens mit Salztheilen und bezeichneten zugleich deren Grenze. Die Krautvegetation, welche diese weite Ebene bedeckt, ist nicht gleichartig. Im Allgemeinen herrscht im östlichen Theile der Typus unbegrenzt ausgedehnter Weidcflächen vor, auf denen kein Hügel, kein Minaret und nur selten ein ärmliches Dorf zu erblicken ist; im Westen dagegen tritt man allmählig in eine immer reichere Getraidecultur ein, die einzelnen Baumgruppen, Platanen, griechische Pappeln oder Ulmen *), werden häufiger, Ortschaften zeigen sich längs des Gebirgs. Das Getraide, welches ich sah, war Weizen und Roggen, aber man sagte mir, auch Reis werde gebaut. Von Baumwolle hörte ich nichts. Oestlich vom Vardar nehmen hingegen jene Weiden beinahe den Character der Steppe an. Bald herrschen niedrige Tamarix-Gesträuche, gleichsam die nordische Erica ersetzend, bald hochwüchsige Disteln **) auf engere Räume beschränkt, bald Gräser, in deren Wachsthum eine früher "*) bemerkte Eigenthümlichkeit sich wiederholt. Es fehlt ihnen nämlich ein wesentlicher Character der nordeuropaischen Wiesen, jenes dichte Gestecht von Wurzel-siöcken, durch welches eine Art die andere stützt und im Wachsthum begünstigt. Da sie jedoch zugleich nicht unter einander vermischt wachsen, sondern jede Art gesellig für sich zu bestehen-j-) pflegt, so unterscheidet sich diese Vegetation auch von derjenigen, salzhaltigen Mergeln in der wallachisch-bulgarischen Ebene (Berghaus Almanach Bd. 2. S. 3l und 43.). *) Platanus orientals L. Populus graeca Ait. Ulmus campe-etris L. *♦) Tamarix gallica L. Onopordon illyricum L, "*) Bd. I. S.169. 5) So sind Strecken von ?KIeum lenue 8cnr.» an den salzhaltigen Orten von Kl^eri» llisluns >v. ohne Untermischung mit andern Arten bewachsen. Macedonien. 75 die wir bei Enos kennen lernten. Diese ödem Theile lls Beckens sind, weil sie dem Gebirgseinfchnilte des Vardarthals gegenüberliegen, daher auch vorzugsweise jenem warmen Nordwinde ausgesetzt, dcr den Bewohnern von Salonichi ihre heißesten Sommertage zuführt. Es scheint, als ob dieser Wind da5 Wachsthum einer Wiese nicht duldete. Denn sobald man sich Icnidge nähert und durch den Paik gegen den Vardarwind geschützt wird, treten zum ersten Male ächte Wiesen auf, weiterhin aber, südlich von Ienidge, sogar reiche, hochgrasige Marschen, die den See von Pella im Sommer entweder auf einen kleinen, von der Straße nicht sichtbaren Wasserspiegel zurückdrängen, oder ihn vielleicht, wie die Leake'sche Charte vermuthen läßt, ganz in einen Sumpf verwandeln. Um 7^ 30' durchritt ich den kleinen Fluß Gallic», und um 8" erreichte ich Tekeli, ein kleines, ärmliches, bulgarisches Dorf, dessen Entfernung zu 2 Stunden von Salonichi berechnet wird. Hier ist eine Poststation, indem eine andere Casä mit diesem Orte anfangt. Ich stieg in der offnen Halle des PostHauses (Menzil-Han) ab. Niemand empfing uns. Als wir uns näher in dem einzeln stehenden Gebäude umsahen, bemerkten wir, daß weder Pferde in den Ställen standen, noch der PostHalter (Chia-i»), oder einer der Postillons (Sürügi) zugegen waren. Ich forderte den meinigen auf, die Leute herbeizuschaffen. Er ritt fort, kam nach einer Viertelstunde wieder und berichtete, der PostHalter sei für den Augenblick behindert, werde aber alsbald erscheinen; da jedoch dessen Pferde noch in der Arbeit wären, so müßten wir uns zwei Stunden gedulden. Zugleich bat mein Postillon, die Pferde abladen zu dürfen und daß ich ihn entlassen möge. weil ihm zeitig wieder in Salonichi einzutreffen befohlen sei. Dimitri, der wohl einsah, daß dies nur ein Vorwand war, uns im Stiche zu lassen, und daß der Postillon die angebliche Bestellung vom PostHalter zu diesem Zwecke erfunden hatte, entgegnele, daß meine Reise keinen Aufschub dulde, und daß ich entschlossen sei, ihn selbst weiter mitzunehmen, wenn er nicht andere Pferde anzuschaffen wisse. Hieraus entstand ein heftiger Streit, dcr von beiden Seiten mit großcr Lebhaftigkeit geführt 76 Zwölftes Capitel. ward. Nährend Dimitri den Türken geringschätzend und drohend behandelte, erwiederte dieser, er habe nicht Lust, um meinetwillen von dem Leben zu scheiden, man werde ihm aber unstreitig den Kopf abschlagen, wenn er so gröblich dem Befehl seiner Obern entgegenhandle. So übertriebene Aeußerungen sollten wahrscheinlich dazu dienen, das Geldgebot, womit dergleichen Streitigkeiten beendigt zu werden pflegen, höher zu steigern. Vorläufig ward jedoch dem heftig redenden Manne nur mit Festigkeit angekündigt, ich würde ihn nicht eher entlassen, als bis der PostHalter mit neuen Pferden erschienen sei. Hierauf ging der Postillon von Neuem fort, angeblich, um diesen noch einmal aufzusuchen. Statt dessen verfügte er sich aber in einen benachbarten Han, wo er sich mit anscheinendem Gleichmuthe niederließ und die Bewohner des Dorfs klagend um sich versammelte. Da er sich nun untcr dem Schutze derselben alsbald anschickte, uns die Pferde mit Gewalt zu nehmen, so wendete sich Dimitri an den Dorfalte^n, entfaltete zuerst den Bujuruldi des Pascha von Salonichi, dann den Ferman selbst, sprach von der Gunst, in der ich, der Mu-saphir *), bei dem Pascha stände, berief sich auf den Befehl, daß jede Obrigkeit für die Eile und Sicherheit, meiner Reise sorgen müsse, und deutete auf die Nachtheile hin, die aus meiner Klage der Ortschaft erwachsen könnten, wenn man so nahc bei der Stadt schon Ungehorsam gegen die erhaltenen Befehle an den Tag lege. Denn hier tonne ich nicht bleiben und müsse nach Salonichi zurückkehren, wenn man mir keinen Beistand leisten wolle. Der bulgarische Primat, der inzwischen sehr demüthig geworden war, räumte ein, der Posthaltcr habe sich schon seit gestern mit sämmtlichen Pferden entfernt, und man wisse gar nicht, wo er geblieben sei. Wahrscheinlich sei das Gerücht von Truppenmärschcn daran Schuld, wodurch er von seinem Eigenthum zu verlieren fürchte. Es bliebe mir nichts übrig, als Miethpferde aus dem Orte zu nehmen; da jedoch alle Thiere auf der Weide sich befänden, so müsse ich mich bequemen, zu warten, *) Ein der Gastfreundschaft des Pascha's genießender Fremder wirb von den Türkm so genannt. Macedonian. 77 bis sie Abends von den Eigenthümern zurückgeholt würden. Nachdem die Unterhandlung so weit gediehen war, ließ ich dem Postillon Gcldvorschläge machen; das eifrige Zureden des Dorfältesten und die Macht des schimmernden Goldes machten ihn nachgiebig; so behielt ick denn die trefflichsten Pferde und nach einstündigem Aufenthalte setzten wir die Neise fort. Auch blieb der Postillon guter Laune und verlangte nur in Ienidge, als er uns verließ, der Strafe wegen, die ihn erwarte, ein höheres Trink« geld. Vor den Stockschlagcn wird ihn hoffentlich eine glückliche Erfindung gerettet haben. ' Die Strecke von Tekeli bis Ienidge wird zu 7 t. Stunden gerechnet. Gerade so lange war ich unterwegs. Zwei und eine halbe Stunde gebrauchte ich bis zur Vardar-Brücke. Diese kündigt sich aus weiter Ferne durch ein Wäldchen von Weidenbau-men *) an. Die hölzerne Brücke hat zwar die Lange der Schiffbrücke von Mainz **), aber nur dcr dritte Theil derselben ent-spricht in dieser Iahrszeit der Breite des Stroms. Dieser führt ein gelbes, reißendes Gewässer, aber wahrscheinlich ist es seicht, da ziemlich entfernt vom Ufer sich einige Büffel darin gelagert hatten. In dem trocknen Theile des Strombetts stehen jene Weidenbäume, auch ein Pferdcstall ist dort erbaut, so daß es vermuthlich nie völlig überschwemmt wird. Am westlichen Ufer findet sich ein großer Han, wo mehre Gruppen von Bulgaren nebst einem Tataren Siesta hielten. Ich blieb hier eine halbe Stunde (II^ZO^i^) und trank einen sehr übelschmeckenden Wein, der im Becken selbst erzeugt wird. Die geringe Güte der gewöhnlichen Weine in Numelien ist offenbar nur eine Folge der Behandlung. Denn eine der edelsten und wohlschmeckendsten Sorten ist gleichfalls ein Product des Vardarbeckens, der weit-berühmte Niügosta-Wein, den ich zuerst beim Bischof von Vo-dena kennen lernte. Der Ostabhang des Turla erzeugt ihn. *) 8»1ix »1k» I.., ziemlich hochstämmig. Ich habe diesen Baum im Vardarbecken nicht weiter bemerkt- **> Gegen MM. Der Rhein ist nach Hoffmann (Deutschland Th. t. S. 296.) am obern Ende der Stadt Mainz I8UU', am untern 25W< breit. 76 Zwölftes Capitel. Von dem Brückenhan bis Ienidge gebrauchte ich 4'/, Stunden (12^ — 4" 30^). Rechts an den gegen die Ebene vorspringenden Hügeln liegen Sarilea und Aläklili. Einige am Wcge zerstreute Marmorblöcke erinnern den Reisenden an Pella, das vormals an diesem Orte stand und keine weitem Ruinen zurückgelassen hat. Links vom Wege erblickte ich daselbst eine einsame Säule, die von allem Gemäuer allein in aufrechter Stellung geblieben war und sich wie ein Minaret ohne Spitze ausnahm. Angebaute Felder erlaubten nicht, sie in der Nähe zu betrachten. Die Quelle unterhalb AlMsi, welche noch heute von dcn Bulgaren Pel genannt wird, fließt in reichlichem Wasserstrom. Durch einen Seitenarm derselben wird eine kleine Cascade gebildet. Eine Gruppe von hochgewachsenen Platanen und Pappeln *) gewahrte dort einen Augenblick Schatten und Ruhe gegen die Qualen der zunehmenden Hitze. Leider ließ ich mich verleiten, zu viel von dem reinen, frischen Waffer zu trinken. Anfangs empfand ich nur die volle Erquickung und Belebung dcs Nervensystems. Aber am Abend traten die Übeln Folgen ein: ich fühlte mich matt und über die Maßen erschlafft; unauslöschlicher Durst verzehrte mich, und je hausiger ich demselben nachgab, desto mehr wuchs meine Abspannung; erkältende Schweiße obne Aufhören verscheuchten den Schlaf, der mir erst zuletzt in tiefer Nacht zu Theil ward, nachdem ich zwei große Tassen schwarzen Thees zu mir genommen. Am Morgen fand ich mich ein wenig gestärkt, aber erst die Bergluft des Nidge gab mir meine Spannkraft wieder. In Ienidge erbielt ich das erste Zeugniß von der Dignität meines neuen Ferman. Dcr Posthan war ohne abgetheilte Zimmer und äußerst schmutzig. Ohnedies diente er bereits verdächtigen Reisenden zur Herberge. Ich ließ daher nicht abladen, sondern ritt zum Bej. Dieser bewohnte ein ansehnliches Gebäude: ') ?1»l»nu8 orientaiis L. und ^opuws Zs»«?l-» ^it. Ich erwähne dies ausdrücklich, da bei Bou«, der diesen Platz beschreibt, von Palmen die Rede ist (a. a. O. S. L0.). Ich habe in Macedonien und 2hraci«n weder die Dattel-, noch Zwerg-Palme angetroffen. Macedonien. 79 ein viereckiger Hof, auf den man durch ein steinernes Thor eintritt, an drei Seiten von Stallmigcn und Nebengebäuden umgeben, links das Palais mit zwei breiten Treppen, die auswärts zum ersten und einzigen Stockwerk hinaufführen, dessen Gallerte die Fronte des Hauses bis auf zwei fiügelartig vorspringende Köschk's einnimmt. Alles dies muß man sich in weißen Farben denken, welche das Gesetz den Rechtgläubigen vorschreibt und den Ungläubigen untersagt. In dem nach der Straße gerichteten Flügel des Gebäudes sah ich den Bej am offnen Fenster auf dem Divan ruhend in Gesellschaft einiger anderer Türken. Ich wartete unten. Dimitri ging hinauf und kehrte nach wenig Minuten mit einem Cav»s des Bej's zurück, der den Befehl hatte, uns in ein unbewohntes Haus zu führen, das dcm Bej gehörte und theils zu Amtshandlungen, theils seiner schönen Lage wegen zu geselligen Zusammenkünften von seinen Dienern und den angesehenen Türken der Etadt benutzt wurde. Eine solche Gesellschaft, die hier den Abend zubringen wollte, empfing mich und begrüßte mich höflich. Ein besonderes Zimmer wurde von den Dienern des Vej's für mich gereinigt, aber der Divan, das einzige Möbel desselben, das drei Sciten des Zimmers einnahm, wimmelte so sehr ron Wanzen, daß ich nach dem Kleiderwechsel zu den Türken auf die Gallerte zurückkehrte und beschloß, die milde, klare Nacht trotz meines Übeln Befindens im Freien zu schlafen. Kurz nach meiner Ankunft sendete der Bej einen zweiten Cavüs, sich nach meinem Wohlsein zu erkundigen, seine freundlichen Dienste anzubieten und zu erfahren, wann ich die PostPferde zu haben wünsche, falls ich nicht seine Bitte, einige Tage bei ihm zu bleiben, erfüllen könne. Zugleich ließ er sich entschuldigen, daß dringende Geschäfte ihn leider verhinderten, m,r einen Besuch zu machen, daß er aber hoffe, ich werde ihm am andern Murgen eine Stunde schenken. Nachdem ich diesen Artigkeiten auf entsprechende Weise geantwortet, wurde das Abendessen aufgetragen, welches gleichfalls die Leute des Bej beleitet hatten. Die Unterhaltung der Türken, die ab und zu gingen, bis sie sich gegen 1U" zu Hause begaben, wahrte inzwischen fort und bildete einen eignen Gegensatz gegen die Botschaften des 80 Zwölftes Capitel. Wej's und die unterwürfige Haltung seiner Abgesandten. Eines alten Mannes erinnere ich mich zwar, der mit langsamer Ruhe und phlegmatischer Würde über das Ereigniß des Tags, den beginnenden Kampf des Sultans gegen Muhcftned Ali, redete und, vhne Leidenschaft seine Meinung vortragend, die Vortheile der ägyptischen Artillerie gewissen Mängeln der türkischen Kriegszucht gegenüber abwog: die Nebligen aber schrieen in lärmender und scheltender Sprache durch einander, Jeder gegen Alle, obwohl ungleichen Standes und Alters, und ohne auf mich, den von ihrem Herrn so ehrerbietig Empfangenen, nach der ersten Begrüßung noch eine weitere Rücksicht zu nehmen. Vielmehr tobten sie auf derselben Matte, auf welcher ich schrieb, so gewaltig, daß ich befürchtete, sie möchten handgemein werden. Dann aber ergriff wieder Einer die Rede und die Andern hörten ruhig zu, bis der Streit nach langen Pausen wieder begann, und es schien, als ob auch sie nicht Leidenschaft, sondern nur Gewohnheit beherrsche. Eine so freche Art des persönlichen Umgangs, die im Occident nur als ein mühsam zu tilgendes Zeichen an dem Ungebildeten zu haften pflegt, reicht bei den Türken bis in die höhern Sphären der Gesellschaft und weckt, wo man sie antrifft, so leicht die Ueberzeugung, daß hier kein Unterschied zwischen gebildeter Mäßigung und jener rohem Denkungsart bestehe, die das Geistige und Persönliche des Andern nicht zu achten und gel« ten zu lassen versteht. Darum ziehe ich die Griechen vor, die doch wenigstens einen genteclen Stolz besitzen und, wenn sie in Europa waren, leicht den Bcweis liefern, daß sie mit uns im Grunde desselben Geistes sind und derselben Sitte angehören. Vor Betrug und Boshcit kann man sich hüten, Unwissenheit kann kindlich und liebenswürdig erscheinen, aber selbst eine iso-lirte und durch die Verdolmetschung abgesonderte Stellung kann peinliche Stimmungen hervorrufen, wenn sie mit so rohen Elementen in unabweisbarer Berührung bleibt. Und schon die türkische Sprache, wie man sie überall laut und schreiend reden hört, tragt diesen Stempel. Solchen Einflüssen aber ist der Reisende am meisten hingegeben und sie machen leicht die Verachtung erklärlich, in denen dic Türken ungeachtet ihrer Gutmü- Maccdonicn. 8l thigkeit und Rechtlichkeit bei allen europäischen Eingewandertcn und besonders bei den fränkischen Kaufleuten stehen. Fragt maii Jemand, weshalb kein Europäer mit den Türken verkehre, so hört man die Antwort: das sei unmöglich, sie seien Menschen von niedriger Gesinnung, und haben vor Niemand Respect, als vor dem, der sie schlagen darf. 25. Iuniu s. Die Pferde, welche der Bej mir besorgen ließ, waren vortrefflich. Der Weg durch die allmählig sich verengende Ebene ist reich an malerischen Effecten und gewahrt wechselnde Bilder, bald milde, bald großartige Eindrücke zurücklassend. Es würde ein Tag des Genießens gewesen sein, aber die Empfänglichkeit des Körpers war nicht hergestellt und die Schwüle des windstillen Himmels dauerte fort. Selbst am Abend, als ich um Sonnenuntergang auf der frei gelegenen Platte von V6dena endlich eine kühle, frische Luft zu athmen meinte, sah ich am Thermometer noch 87"!?. Die Entfernung von Ienidge bis V^dena beträgt 6 t. Stun, den. Um 6" Morgens brach ich auf, ohne die Einladung dcs Bej's anzunehmen. Die Stadt hat nichts Ausgezeichnetes. Sie wird fast nur von Türken bcwohnt und zählt mehre Moscheen. Romantisch ist ihre Lage durch den jäh über ihr anstrebenden Berg, dcssc:, felsiger AblMig nur von einsamem Grün belebt, aber am Gipfel durch eine Waldung bekränzt wird. Um 6" Ztt' durchritt ich rinen Bach, der nach Süden fließt, um 7'30' einen kleinen Fluß *), der etwa 30' breit war und dessen Wasser nur bis übrr die Steigbügel reichte. In der Richtung des Sees schlangelt er sich fort. Nach einer halben Stunde (8') gelangte lch von da zu einem bulgarischen Dorfe, welches S. Georg hci^t. aber noch mehre Namen führt "). Ich blieb in dem Han bis 8" 30' und labte mich an überreifen Kirschen. Nach anderthalb Stunden (!0") erreichte ich die hochgewolbte Brücke über die Caradg.u^em reißendes Gewässer *"), hier gegen 40' breit. *) Der Postillon nannte ihn Balajün. ") Unter diesen hörte ich indessen weder Vistritza (Cousinly), noch Vu-tz'tra der Cotta'schen Charte. "*) Das Hydrographische von diesem Theile des äwdarbeckens ist auj II. s. 82 Zwölftes Capitel. Dasselbe stießt von der Brücke aus nach Südosten. Hier werden zuerst die Cascade« von Vüdena sichtbar, wie feine weiße Streifen unter der Stadt, deren Minarets schon lange vor den blauen Conturen des Nidgegebirgs sich abzeichneten. Mit der Lage von Mdena bat es folgende Bewandtniß. Die Vermische Kette enthält zwischen den beiden mehrerwähntcn Gipfeln Turla und Nidge an ihrem Ostabhange ein Querthal, welches vom Nodenabache bewässert wird. Dieses Thal ist indessen von der Tiefebene aus nicht sichtbar, da es sich nicht allmäh-lig herabsenkt, sondern gerade an dem Puncte, wo jene beginnt, durch einen von Berg zu Bcrg reichenden Damm geschlossen wird. Die Gipfclplatte desselben verstießt rückwärts mit der Thalsohle. Auf deren äußerstem Nande liegt V6dena. Ueber den beinahe senkrecht steilen, gegen 30tt' hohen Abhang stürzt der Vüdenabach in großartigen Wasserfallen zur Tiefebene hinab. Diese selbst aber hat sich, wie oben erläutert wurde, hier an ihrem westlichsten Ausgangspuncte zu mehren Seitenthälern oder kleinen Becken verzweigt. Eins derselben, welches den zur Ca-radgi» fließenden B^denabach aufnimmt, betrat ich, die weite Fläche des Beckens verlassend, um 10^ 30'. Dasselbe hat etwa die Lange einer halben Stunde, enthält nur die Thalsohle des Bachs und reicht bis an den Fuß der Felsen, auf denen die Stadt liegt. Anfangs hatte ich den Vüdenabach, noch schaumerfüllt und tosend nach seinem tiefen Sturze, zu meiner Linken, dann überschatt ich ihn. Er bildet auch hier noch in dem allmahlig ansteigenden Thalgrunde zahlreiche Wirbel und kleinere Cascaden. Dasselbe begegnet jenen schmalen Wasscrgüssen, die ihm von der Seite zuströmen, oder sich oben auf der Höhe von ihm trennten und sich nun wieder mit ihm vereinigen. Der Vudcnabach, der keinen andern Namen hat, als das einfache bulgarische Wort Voda (Wasser), steht der Caradgiä kaum an Bedeutung nach. Auch führt er ein reines, kühl s, crystallhelles Wasser, worauf der Orientale, durch einfachen Na- den Charten besonders unrichtig, am unrichtigsten aber auf der von Cou-sinery. Macedonicn. ' 83 turgenuß befriedigt, einen ft hohen Werth legt. Der Bischof von Vodena, ein Grieche, erzählte mir, er habe früher in Con-stantinopel und Vrussa gelebt, alle Ehren und Freuden des Lebens wären ihm in Slambul zu Theil geworden, aber er habe Brussa den Vorzug gegeben, wo das Wasser gut und die Nahrung gesund und mannigfach sei. Als ihn nun scin Schicksal nach Vudena führte, war er Anfangs unzufrieden, ein so glückliches Leben mit ungewissen und durch die verschiedene Sprache schwierigen Zustanden in entlegener Fremde vertauschen zu müssen. Aber wie bald fühlte er sich enttäuscht. Nie wolle er wieder Vie Ärauttjegetsttion ift ovm. Vorherrschend waren8»lnbucu5 I^buluü I., und<ü^n»nclmm mon>p«llÄc>lm 1^. Die Felsftora des Trauertino bestand vorzüglich aus: 8ziecull»!-i» 5pe<.'»l>'m ^.. 1)0. v»!-. kirla und 8«lium «exiin^u^le I^. Ferner bemerkte ich an diesen Felsen: ^,ncl»u8» »m^lexicmNls 3m. It^Iiulloplum ruiopacum 1^. 8g>via sclarea 1^. Verlxl-cum l^ialnni^l'z ^>. v»r. auztrule 8l,l»r2ll.; einige verblühte Lruciferen und zwci Arten von ^llium: ^. ll^cenll^nZ 1^. und e>- Macedonien. 85 »liter diesen ist die cine *) nicht einmal characteristisch für den Süden. Die Lage der Felswand ist gegen Osten. Am südlichen Ende hat sie eine schrägere Abdachung, wo der Weg bequem zwischen Kalkfelsen neben einem Bache hinaufführt. Hier ist auch der Eingang und offne Aussicht in das kleine, südlich gelegene Becken, das im Niveau des untern Thals liegt und dessen Wach den Vüdenavach verstärkt. Ich überschritt denselben um N', ritt durch das dichte Gesträuch am Fuße der Felswand, erreichte die Höhe des Plateaus und betrat die Stadt um li" 3U' "). Sie ist bei Weitem nicht so grosi, als Cousinen) *'*) angiebt. Nach der Aussage des Bischofs hat sie nur 500 Häuser, was auf eine Bevölkerung von 2500 Seelen schln-ßcn laßt. vielleicht ist sie unter A!i's Herrschaft verfallen, da Lcake von 20U« Häusern redet. Indessen wird sie wie damals durch 0 Minarets geziert und nimmt eine ziemlich bedeutende Flache ein. Ich wurde vom Noivvden im schönsten Gebäude der Stadt, dem Hause des Bischofs zur Kirche Panajia, einquartiert und dieser empfing mich mit möglichster Gutmüthigkeit. Lage des Gebäudes und Aussicht über die Ebene sind wundervoll. Das Haus liegt ganz frei, unmittelbar über dem Abgrunde, nur durch eine Mauer und schmalen Hufraum davon geschieden. Die geräumige Gallerie ist natürlich nack derselben Seite offen, aber auch nach Süden. Am Nordende befindet sich das Zimmer des Bischofs, aus dessen Fenstern man gegen den Nidge sieht. Die übrigen Gemächer liegen gegen Westen und eins derselben ward mir zur Verfügung gestellt. An derselben Seite gegen die Stadt schließt die Kirche an das Wohnhaus, wird aber durch einen besondern Eingang getrennt. Wahrend nun alle jene Räumlichkeiten nebst der Gallerie das erste Stockwerk ausmachen, so besteht das Erdgeschoß aus den Zimmern, die zur Haushaltung gehören: ") Aus diesen Entfernungen er^bt sich, daß auf den Charten das Ahal lmtrchalb des Abhang viel zu lang zeichnet ist. ***) Voyage dans la Macedoine 1. p. 76. 8(l Zwölftes Capitel. doch bleibt dcr Naum unterhalb der Gallerie, in dem auch die Treppe angebracht ist, ganz offen. Dies ist ein des Schattens wegen beliebter Aufenthalt, worin die Kühle noch durch einen kleinen Springbrunnen vermehrt wird. Nachdem ich mich häuslich eingerichtet und mit dem Wischof auf dessen freundliche Einladung gespeist hatte, auch der Hitze und Erschlaffung wenigstens einigermaßen Herr geworden war, trat ich auf die Gallcrie, um mich dem Genuffe dcr wunderbaren Aussicht hinzugeben. Also im Vordergrunde die grün bewachsene Felswand, unten die Garten aus der Vogelperspective, jenseits eingehegte Felder das breite Thal entlang. Diese setzen sich nach Süden durch das Thor des erwähnten Thalbeckcns fort und erfüllen dasselbe durchaus. Es mag zwei Stunden tief und eine Stunde breit sein. Sanftwellige, bewaldete Hügclreihen umgeben es, hinter denen zu beiden Seiten des magnetischen Meridi-ans dcr ferne Olymp (S. 6° O.) *) und dcr nahe Turla (S. 4N° W,) mit ihren Schneegipfeln hervorragen, jener breit und massenhaft, dieser kühn und spitz aufgetrieben. Die östlichen Hügel jenes Beckens enden breit vor dem Vodenabache und bil-bcn dadurch die Eüdgrenze seines Thals. Die westlichen Hügel hingegen, welche hoher, aber gleichfalls größtcntheils bewaldet und am Fuße cullivirt sind, setzen sich weiter nach Norden fort, schließen, die Platte von Wüdena in einem Kranze umziehend, den westlichen Horizont in großer Nähe, lassen an ihrer Höhe zwei große bulgarische Dürfer hcrübcrblicken, in westlicher Richtung aber (W. 26" N.) sich selbst von der reinen Schncecontur der Nidgespitze überragen, und gestatten, indem sie sich verschränkeil, keinen Blick in das enge Quertkal, aus dem die Voda bei der Stadt hervortritt. Won dieser Kette nun und zwar aus ihrer nördlich von Vüdena gelegenen Fortsetzung verflacht sich all-mählig über Osten nach Süden ein nackter Hügclabhang mit schwacher Nuschvcgctation, dessen Fuß die Nordgrenze des untern Vodathals bildet. Ueber ihn aber ragt der hohe Paik von Ie-nidge mit seinen westlichen Vorbergen bedeutend hervor. Dann *) Al,ö sii'.er Elilfenumg von beiläufig ll sscogr. Meilen. Macedonia. 87 folgt endlich in Ostsüdost der reiche Durchblick i>, die Ebene, so weit ihn die Breite des Thals (eine halbe Stunde ist's weit und lang) verstattet. Aber dieser Blick hat den Character des Unermeßlichen. Fünfzehn türkische Stunden weit bei dieser durchsichtigen Atmosphäre! Zu Zeiten soll man die Minarets von Salo-nichi wahrnehmen können. Ich habe deutlich, wenn gleich in schwachen Umrissen, die östlichen Grenzberge, namentlich den Cortasch, mit unbcwassnctem Auge erblickt. Da die Luft nicht einmal ganz so klar war, wie sie in diesen Gegenden gewöhnlich ist, so bezweifle ich nicht, daß man auch den Athos wird sehen können, der in gleicher Richtung liegt und jene Berge so bedeutend an Höhe übertrifft. Die gerade Entfernung von Salonichi aber beträgt etwa II, die des Cortasch 13, des Cholomonda 18 und des Athos 28 g. Meilen. Abends beschäftigte ich mich mit einigen Vorbereitungen zur Besteigung dcs Nidge und verbrachte die übrige Zeit in Unterredungen mit dem Bischöfe. Plötzlich bemerkten wir, daß es sehr laut auf der Gallerie wurde. Viele Menschen sprachen durch einander. Dann traten zwei Bulgaren bei uns ein, warfen sich vor dem Bischöfe nieder und küßten seine Hand. Sie waren ungemein reinlich gekleidet: die dunkelfarbige Jaquette mit Pelz verbrämt, ein neues Hemd, wtitbauschigcs Beinkleid, niedriger Fez und entblößte Füße. Einer von den beiden war der Primat der Christen. Der Bischof, in seinem braunen, scidnen Mantel auf dem Divan ausgestreckt, erwies ihm keine Höflichkeit, sondern fragte mürrisch, was ihn und seine Genossen noch in so später Stunde herführe. Zu seinem Erstaunen mußte er hören, daß der türkische Voivode, der eben einen seiner Söhne verheiratet habe, heute Abend den Bulgaren in dem eignen Hause des Bischofs ein großes Gastmahl geben werde. Nicht weniger als hundert Familienhäuptcr der Stadt waren eingeladen und versammelten sich allmählig auf der Gallerie. Sclaven des Voivoden-bedienten sie, breiteten lange Tücher auf dem Boden aus, bezeichneten jedes Gedcck durch einen Krug mit Wein und einen hölzernen Löffel und trugen dann ungeheure Schüsseln Pillav und Hammelfleisch herbei. Die Bulgaren setzten sich in langen Rei- 88 Zwölftes Capitel. hen im Umkreis der Tücher nieder, verschlangen in kurzer Zeit die größten Vorräthe und überließen sich bald einer wilden, lärmenden Fröhlichkeit. Daß dieses Gastmahl, wie mir der Bischof sagte, nur darauf berechnet war, am andern Morgm eine außerordentliche Steuer unter dem Titel cincs Hochzeitgcschenks ohne Widerstand erheben zn können, kümmerte sie nicht. Sie waren unbcwaffnet. Das Fleisch rissen sie mit den Händen von den Knochen ab, den Ncis verzehrten sie je sechs mit den Löffeln aus dem hölzernen Gerath, worin er gebracht war. Im Trinken schienen sie mäßig zu sein, aber ihr heulender Gesang erfüllte die halbcrlcuchtete Gallerie mit unheimlichen Accorden. Die Herrlichkeit hat bis zwei Uhr gedauert, als ich schon lange in meinem eingeriegelten Zimmer mich auf den Divan gelagert hatte und unberührt durch ihre Freuden und Leiden schlief. 26. Iunius. Der Bischof war ein sehr gemüthlicher, freundlicher Mann. Ich frühstückte und speiste mit ihm und war fast den ganzen Tag in seiner Gesellschaft. Trotz Gicht und Cor-pulcnz führte er mich selbst zur größten der Cascaden, zeigte mir Antiquitäten, setzte mir vortrefflichen süßen Wein vor und pflegte mich überall, so sehr er vermochte. Er war zwar beständig in Seide gekleidet, aber ohne alle persönliche Würde. Neugierig durchstöberte er meine Sachen und ergötzte sich sehr an dem Gebrauche der Stahlfedern, wodurch ich Gelegenheit fand, mich ihm verbindlich zu erweisen. Mit großcm Behagen holte er dann auch seine Schatze herbei, ein elendes Fernrohr und eine alte englische Repctiruhr, die in einem saubern Kästchen sorgfaltig aufbewahrt ward. Beim Frühstück wurden einige Bulgaren angemeldet, die den Rath des Bischofs wegen einer häuslichen Angelegenheit in Anspruch nehmen wollten. Ihr schmutziger, zerrissener Anzug verrieth ihren mittellosen Stand. Mit unterwürfiger Gcderde traten sie ein, verbeugten sich mit dem Kopfe den Fußboden berührend, küßten des Bischofs Hand und verneigten sich noch einmal. Nach die^r Ceremonie indessen setzten sie sich zutraulich zu ihm und sprachen mit ihm wie mit ihres Gleicbcn, wobei das Wort Piaster (/^. 79. Macedomen. 93 sich die Tuff-erfüllten Grotten, ihr Tropfenfall gab der Moos-vegetation ihre Nahrung, ihre geringe Wassermenge mußte um fo leichter Kalkniederschlage begünstigen. Deshalb wendete ich vorzugsweise meine Aufmerksamkeit auf diese kleinern Strömungen . um Aufschlüsse über die Entstehung des Tuffs zu erhalten. Allerdings kam diese Bildung auch in ihren Wasserbetten, wie an dcr ganzen Oberfläche des Felsens vor, aber dort war sie auffallend zerstört. Das Wasser hatte sich überall eine tieft, glatte Rinne darin ausgehöhlt und es zeigte sich keine Spur ei« nes frischen, porösen Absatzes. Alle zartern Bildungen des Tuffs in der Nähe waren offenbar durch die Gewalt des Elements fortgerissen : denn je weiter man sich von der Strömung entfernte, desto häufiger und zierlicher wurden die Formen. Auch die tiefer ausgehöhlten Steinbecken unter der Cascade selbst enthielten nur einen dichten Sinter von geringer Mächtigkeit. In ihrer Nähe war der Tuff völlig vernichtet worden. Das Moos selbst zeigte sich nur wenig incrustirt und keineswegs ausgezeichneter, als man es an jeder beliebigen Quelle im Kalkgebirge sieht. Als ich diese zerstörenden Wirkungen der Gegenwart betrachtete, ward ich unmittelbar überzeugt, daß Wasser von einem solchen Bewegungs^ moment jenen zarten Tuff nimmer hervorzubringen vermöge. Die Natur der Tuffgrotten selbst bestätigte gleichfalls dieses negative Resultat. Denn sie waren völlig trocken. Nirgends dienten sie einer Quelle zum Austrittspunct, nirgends zeigten sie den Tropfenfall Tropfstein bildender Höhlen. Und wenn man einwenden wollte, daß tropfendes Wasser auch in diesen nur bei feuchtem Wetter durchsickert, so findet man doch Wandung und Boden beständig schlüpferig und von Feuchtigkeit imprägnirt. Hier dagegen war die Wand an vielen Stellen so trocken, daß n'cht einmal Moose an dem Licht zuganglichen Puncten darauf vorkamen. So wie aber die vegetabilische Dccke hier nicht vorhanden war, alls deren Berindung neuer Tuff hätte gebildet werden können, ebenso zeigte sich in dem Tuff selbst durchaus kein Gegensatz von früher oder später gebildeten, oder noch unvollendeten Schichten. Dies hätte sich durch Solidität oder Färbung verrathen können, aber das Ganze ist homogen und tragt deN 94 Zwölftes Capitel. Stempel des Fertigen, der sich dadurch ausdrückt, daß die äußerste Oberfläche einige Spuren von Verwitterung zeigt, welche man an der innern Oberfläche geschlossener Poren nicht wahrnimmt. Ferner bemerkte ich in einer dieser Grotten, daß sie nicht blind endigte, sondern daß sie sich in eine Spalte fortsetzte, als wäre hier der Eingang zu einer Höhle. Ganz entschieden aber wird die Thatfache, daß diese reichen vegetabilischen Reste, obwohl sie von Pflanzen der Ietztwelt und des dortigen Clima's abstammen, zu der Zeit meiner Untersuchung nicht mehr im Wachsthum begriffen waren, durch eine spatere Beobachtung im obcrn Thale eine Viertelstunde über der Stadt. Der Reitweg nach Ostrovo führt hier am Fuße des südlichen Thalabhangs durch einen Hohlweg. Die Wände desselben bestehen aus nacktem Kalkfcls. Oben ist das Gestein zu beiden Seiten dieses gegen 12' tiefen Canals von Humusdecke überlagert und bewaldet. Die ganze Gestaltung deutet auf ein ehemaliges Flußbett. Die Voda aber fließt zwar fast parallel mit demselben, ist aber durch Buschwaldung und Wiesen davon getrennt. Sie schlangelt sich in der Mitte der Thalsohlr und ihr Bett ist hier gegen tausend Fuß vom Wege entfernt. Die Wandung des Hohlwegs nun ist gleichfalls an mehren Stellen von demselben Tuff überkleidet, der die Felsen von Nodena auszeichnet. Dieselben Formen, dieselben grottenartigen Ausweitungen kehren wieder, nur von minderer Mächtigkeit und Masse. Aber gerade dieser Umstand dient dazu, hier ihr Verhältniß zum Muttergestein deutlicher erkennen zu lassen. Denn wahrend die ausgehauene Serpentine am Vüdenafelsen nichts weiter lehrt, als daß untcr dem Tuff ein poröser und stängclig abgesonderter Travertino sich befindet, das dichte weiße Kalkgebirge aber, welches die obern Thalwände bildet, nicht aufschließt, bildet hier der Tuff nur eine dünne Lage, die sogar vielfach unterbrochen ist, und unmittelbar darunter und daneben steht der dichte, versteinerungslecre Kalk-flötz zu TaZe. Dadurch wird klar, daß die poröse Masse nur eine krustenförmige Ablagerung auf der Oberfläche jener für den Pindus bedeutenden Formation darstellt. Da nun aber jener Hohlweg gleichfalls ganz wasserleer ist, Macedonien. 95 da sich seine Basis über dem Niveau der Voda befindet, so ist klar. daß wenigstens bei dem gewöhnlichen Wasserstande hier kein Tuff mehr gebildet werden könne. Ebenso wenig aber habe ich diese Bildung in dem Bette der Voda selbst wahrgenommen, die vermöge eines höher gelegenen Wasserfalls schon hier ein reißendes Gewässer ist. Wenn man jedoch die Endpuncte des Hohlwegs in's Auge faßt, indem er, abgesehen von Unterbrechungen, sich eine Viertelstunde weit, an der Berglehne allmahlig zu der Terrasse des obern Wasserfalls hinaufführend, verfolgen läßt, so findet die Annahme, daß er einst das Vodabett selbst gewesen sei und noch zu Zeiten bei hohem Wasserstande einen Arm dieses Flusses aufnehmen könne, in der Configuration d«s Thalbetts unter dem obern Wasserfalle eine Bestätigung. Denn der Hohlweg öffnet sich frei in der Richtung zu demselben und sein Niveau entspricht hier dem unter jener Cascade befindlichen Wasserspiegel. Es fragt sich daher zunächst, ob die Tussbildung vielleicht nur bei einem höhern Wasserstande vor sich gehe. Dagegen ist zuerst zu bemerken, daß, wie wir später sehen werden, die Voda nur der Abfluß eines kleinen nahe gelegenen See's ist, auf dessen Wasserreichthum wahrscheinlich nur wenige Bäche aus dem nächsten Gebirge einzuwirken vermögen. Ferner würde, wenn die Wasserhöhe der Voda nach den IahrZzeiten großen Schwankungen unterworfen wäre, die Stadt den zerstörendsten Ueberschwem-mungen ausgesetzt sein, da so zahlreiche Arme des Flusses dieselbe durchströmen, und da die leicht gebauten hölzernen Häuser einem reißenden Gebirgswasser ohne besondere Schutzmittel keinen irgend bedeutenden Widerstand entgegensetzen könnten. Dämme oder Schleusen habe ich indessen nicht gesehen und man hätte auch vermuthlich von solchen Gefahren geredet, wenn sie vorhanden wären. Sodann würde eine Vermehrung der Wasscrmenge nur um so vernichtender auf den Tuff der Felsenwand wirken müssen, weit entfernt seine Bildung zu begünstigen. Endlich fiel meine Beobachtung gerade in die Iahrszeit, in welcher ein großer Theil des Schnees im Gebirge schon geschmolzen war, so daß man annehmen muß, baß die Pindusbäche schon damals die 9« Zwölftes Capitel. größte Wasserhrhe erreicht hatten. Daß aber gerade der Fluß durch Schmelzen des Schnee's ernährt werde, bewies die Erscheinung, daß die Cascaden Abends mächtiger als Morgcns strömten. Es dürfte indessen nicht unerörtert bleiben, ob vielleicht gerade der entgegengesetzte Fall, ein niedriger Wasserstand der Voda, in einer gewissen Iahrszeit wenigstens die Fortdauer der Tuffbildung veranlassen könne. Wenigstens siele dabei das zerstörende Agens weg. Aber es wülde dadurch weder der Tuffreichthum der Grotten, die selbst im Sommer trocken blieben, noch am wenigsten die Structur des Hohlwegs, der nur bei höchstem Wasscr-stande bewässert werden könnte, zu erklären sein. Aus diesen Gründen glaubte ich vollkommen zu dem Schlüsse berechtigt zu sein, daß unter den gegenwärtigen Umständen die Bildung des Travertine und Tuff nicht mehr vor sich gehe. Die Aufgabe aber, der Entstehungsweise einer so modernen und ausgezeichneten Formation nachzuforschen, schien mir wichtig genug, um weiter nachzudenken, welcher Veränderung der gcognostischen Verhältnisse es wohl mit einigem Grunde zugeschrieben werden könne, daß ein Proceß, der doch der jchigen Erdperiode angehört, da keine Reste ausgestorbener Geschlechter unter seinen Pw-ducten gefunden werden, demungeachtet nicht mehr in der Gegenwart fortdauere. Anfänglich dachte ich an eine Hypothese, durch welche man größere Wirkungen des Wassers, als die Gegenwart sie bietet, einfach erklären könnte. Nimmt man an, es habe ehemals in einem Lande ein weit stärkerer Gegensatz der Sommer- und Winter-Wärme geherrscht, als jetzt: so würde man daraus eine bedeutendere Verdunstung des Meers, einen größein Wasserreichthum der Flüsse ableiten können. Von dem Wasservorrathe des Meers circulirt ja ohnehin nur ein ganz geringer Theil durch die Atmosphäre und man könnte die durch die Sommerhitze bewirkte Steigerung dieser Wassercirculation und deren Einwirkung auf die Felsmassm mit dem Neichthume der Nationen vergleichen, der auch mehr von dem Umtriebe, als von dcr Masse des Capitals abhängt. Von einer so allgemeinen und nicht Müccdonicn. ^ weiter begründeten Ansicht wende ich mich zu den örtlichen Verhaltnissen. Die erste Bedingung jedes Quellenabsatzes von kohlensaurem Kalk, dcsscn Lösung in Kohlensaure enthaltenden Quellen, besteht noch jctzt. Denn der Kalkgchalt des Wassers kann nicht als vermindert angesehen werden. Aber dem andern zu einer Tuffbildung nothwendigen Processe, einer reichlichen Entbindung der Kohlensäure aus dem kalkhaltigen Wasser, tritt theils die Vereinigung desselben zu starken Wachen entgegen, wodurch nur eine verhältnißmäßig geringe Oberfläche der ganzen Masse mit der Atmosphäre in Berührung tritt, theils die starke Strömung des Wassers, welche verhindert, daß der Niederschlag des kohlensauren Kalks vorzugsweise an einzelnen Localitäten erfolge, und ihn vielmehr auf die ganze Länge des Flußthals vertheilt. Diese rasche Bewegung des Fluidums aber macht insbesondere zartere Incru-stationen unmöglich, bei denen eine ruhige und allmählige Einwirkung unverkennbar ist. Diese Betrachtung führte mich auf den Gedanken, daß in der Bildungsepoüe des Tuffs die Wasserfalle von Vüdcna vielleicht noch nicht vorhanden waren. Sollte, war meine Vermuthung, einst der Hohlweg das einzige Flußbett gewesen sein? Aber in der Richtung gcgcn die Statt hörte er plötzlich auf. Dürfte man sich vorstellen, daß die Wand, welche jctzt von den Cascaden zertrümmert wird, einstmals ein feuchter, quellenreichcr Fels war, dessen Klüfte das Wasser in stiller Bewegung durchsickerte und aus dem es dann langsam hervorrieselte, damals ein plastisches, jetzt ein zerstörendes Element? Weist nicht die Spalte, in welche eine der tuffreichsten Grotten übergeht, auf den Austrittspunct einer Quelle? Sind nicht im Kalkgebirge wegen der Auflösbarkeit des Gesteins Veränderungen in der unterirdischen Quellenverzweigung am häufigsten und natürlichsten? Diese Fragen würden sich im Labyrinthe geologischer Hypo-thesen verlieren, wenn nicht eine unvermuthete Thatsache den Uebergang zu einer bestimmter, und eigenthümlichen Theorie erleichterte. Die historische Ueberlieferung gewahrt über die TufMma-tion von Vüdena einen glücklichen Aufschluß. Es sinM sich II. 7 98 Zwölftes Capitel. nämlich sowohl bei Glycas, als bei Cedrcnus *) eine merkwürdige Stelle über die Lage dieser Stadt. Durch den Felsen des Castells von Vodena, heißt es dort, fließt das Wasser eineS See's unsichtbar unter der Erde und kommt auf der andern Seite wieder zum Vorschein. Durch diese genaue Angabe wird festgestellt, daß noch im Anfange des zwölften Jahrhunderts die Wasserfälle nicht cMirten, sondern daß sich die Voda oberhalb der Stadt in einer Gebirgsspalte verlor und unterhalb derselben, man weiß nicht auf welche Weise, wieder erschien. Denn daß die Voda ein Abfluß des See's von Ostrovo genannt wird, ist zwar heutiges Tags eine topographische Unrichtigkeit, vermindert aber keineswegs die Zuverlässigkeit des so klar beschriebenen Phänomens. Auf die geringe Bedeutung jenes Irrthums, dem sogar noch die heutige Volksmeinung zu Grunde liegt, habe ich außerdem spatcr Gelegenheit zurückzukommen. Gestützt nun auf die Kenntniß des frühern Zustandes und auf dessen Vergleichung mit dcr Gegenwart, wage ich eine Meinung auszusprechen, welche die frühere Bildung dcs Tuffs und die spatere Entstehung der Wasserfalle in eine natürliche Verbindung bringt. Man denke sich bei der ursprünglichen Hebung des Gebirgs das Querthal entstanden und an seiner Mündung durch den Felsen, auf dem jetzt Vodena steht, verschlossen. Dieser Felsen war, nach Art der an den westlichen Küsten Rumeliens verbreiteten Karstformation, reich an Spalten und Durchlüftungen. Die Voda floß hinein und verzweigte sich in seinem Innern z« unzähligen feinen, hoch und niedrig geleiteten Strömungen. So konnte sie an verschiedenen Höhen des steilen Ostabhangs in der Fmm zahlreicher, mehr oder minder wassermächtiger Quellen *) Nisl. L)2. «6. Venet. 102 Zwölftes Capitel. liegt doch die Ortsbestimmung altgriechischer Städte häusig so großen Schwierigkeiten, daß man sich beständig den größten Irrungen ausgesetzt findet und selbst in der Identität des jetzigen und ehemaligen Namens keinen durchaus sichern Anhaltspunct besitzt. Die Geschichte des Vodathals aber sieht und fällt mit der Thatsache, daß das alte Edessa der Griechen oder Vüdena der Triballier an demselben Orte lag, wie die heutige Stadt. Obgleich nun Mannert, von den bedeutendsten Irrthümern über das Flußgebiet des Erigon befangen, die Meinung geäußert hat *), das Vüdena des Mittelaltcrs entspreche der altmacedonischen Hauptstadt Pella und das heutige Mdena sei von dem alten Edefsa verschieden, so läßt doch das historische und geographische Material eine sirenge Beweisführung über das wahre Sachverhaltniß zu" und zeigt die völlige Verwirrung der Thatsachen in den Bedenken jenes achtungswcrthen Schriftstellers. Sowohl Pclla als Edcfsa lagen unter der Herrschaft der Nö-» mer an der Egnatifchen Straße, welche von der Küste des adria« tischen Meers und zwar von Dyrrhachium und Apollonia nach Thessalonika führte. Pella war von der letztem Stadt 27 Mil-lien *5), Edessa, die zweite Station, von Pella 28, oder nach einer andern Quelle 30 Millien *") entfernt. Diese Entfernungen entsprechen denen von Salonichi, Aläklisi und Vodena -j-). Die Richtung der Straße aber von Salonichi aus wird durch die Ortsbestimmung von Pclla durchaus festgestellt. Die Beschreibung der Oertlichkeit durch Livius ^) entfernt jeden Zweifel, daß Pella zwischen Stadt und See von Ienidge an dem Hügelabhange der Quelle von Aläklisi lag. Diese Thatsache ist *) Geogr. der Griechen und Römer Bd. 7. p. 479 und 481. **) Illn. ^nt. P. 319. *") Itin. lIiei-05. p.eN6. -Z-) Die römische Millie zu 1325 Meter gerechnet, erhalten wir ftlr ftbe der beiden Stationen zwischen 5 und 6 g. Meilen. Die heutige Entfernung von Salonichi und Vüdena beträgt gleichfalls 11 g. Meilen. -j-5) I.iv. 44, c. 45. Macedonien. il)3 bereits von Leak« ^) mit erschöpfender Gründlichkeit und Klarheit dargethan. Von Pella aus mußte die Straße in westlicher Richtung die Vermische Pinduskette schneiden. Der bequemste und gangbarste Paß über dieselbe ist der von Vudena. Weiter nach Norden ist kein ciner Hauptstraße entsprechender Ucbcrgang bis zu den weit entlegenen Schluchten der Czerna nördlich vom Nidge, wohin man durch das Thal des Vardar und nicht über Pclla gelangt. Im Süden finden sich Ucbergangspuncte über die Kelte bei Niägosta und bei Verria. Sie sind steiler, höher und beschwerlicher, als die Straße von V6oena, und sie führen in das Becken von Castoria und Greveno, nicht aber in die Ebene von Bitulia (Pelagonia), durch welche man auf geradem Wege nach Ochridha gelangt. Der See von Ochrioha aber, an dem l»s alte Lychnidus lag, ist ein anderer fest bestimmter Punct an der Egnatischen Straße. Wenn nun hierdurch die Lage des alten Edessa schon sehr wahrscheinlich gemacht wird, so finden wir eine vollständige Elle, digung dieser Frage in der nachweisbaren Identität der Namen Edessa und Büdena. Diese stützt sich auf zwei Thatsachen. Einmal heißt noch heutiges Tags der Bischofssitz Aodena bei den Griechen Edessa "), und zweitens gebraucht Cantacuzaenos in einem andern Theile seines Werks beide Namen ohne Unterscheidung für dieselbe Stadt *"). Daraus geht zunächst hervor, daß die angeführte topographische Skizze dieses Schriftstellers sich auf denselben Ort, als die des Glycas beziehe. Es liegt aber darin zugleich ein wichtiges Moment für die angenommene Richtung der Egnatischen Straße. Denn da ausdrücklich von einem See bei Vodena die Rede ist, so müßten selbst diejenigen, denen die Annahme einer dauernden Ueberschwemmung des obern Thals hypothetisch erschiene, demungeachtet zugeben, daß die Stadt Edessa des Mittelalters nur in dem Vodathale gesucht werdm *) Northern Greece 3. p. 2G4. **) Leake 1. c. 3. p. 373. *FMaay<; $ BoStvm. *♦*) Caniacuz. ed. Vene», p. 135. J36. 104 Zwölftes Capitel. könne, und zwar eine Stunde oberhalb der jetzigen Stadt. Denn hier befindet sich der See von Tiavo, und dies ist der einzige See, der gegen 6 g. Meilen in westlicher Richtung von Pclla entfernt liegt. Indessen ist dort kein Precipice in der unmittelbaren Nachbarschaft des Sees und tie Lage in einem umschlossenen und ebenen Thalc widerspricht überhaupt der geschilderten Localitat. Auch habe ich an jenem See keine hellenische Ruinen und verfallene Gemäuer gesehen, woran V^dena reich ist. Und mit dieser historischen Erörterung, die den Schlußstein zu der Geschichte der Wasserfälle von Vodena bildet, schließe ich diese Untersuchung und nehme dcn Faden meines Tagebuchs wieder auf. Als ich einen beträchtlichen Theil der Felswand seitwärts vom Hauplwege auf engen und dicht überwachsenen Fußpfaden unfreist hatte und zuletzt die untere Thalstäche erreichte, redeten mich einige Knaben an und versprachen, mich für einige Piaster zu gewissen Alterthümern zu führen, die im Labyrinth der Gär-tcn versteckt und sehr merkwürdig wären. Dcnn ein Milordos habe sie vor etlichen Jahren hervorgraben lassen, um sie mit sich zu nehmen, und dem Voivoden fei eine beträchtliche Summe für die Erlaubniß geboten worden. Dieser aber, durch den Bischof von dem wahren Werthe dieser Steine unterrichtet, habe die Erlaubniß verweigert. Wir mußten über mehre Hccken klettern, waren jedoch bald an Ort und Stelle, nachdem wir die dazwischen liegenden Garten, in denen Gemüse und Mais gebaut wurde und einzelne Maulbeerbäume wuchsen, durchwandert hatten. Von den gerühmten Antiquitäten war jedoch wenig zu schcn, da sie größttnthcils in der Erde steckten. Es waren einige bedeutend hohe Marmorsäulen, die aber horizontal da lagen und zur Befriedigung zwischen zwei Gärten dienten. Sie konnten nicht weiter untersucht werden, da auch die Capitaler verschüttet waren. Fcrner lag hier ein Block mit einer langen griechischen Inschrift. Es halte indessen Iridcr wenigstens des Tagewerks von zwei Menschen bedurft, um sie in so weit zu reinigen und Hervorzugraben, daß man im Stande gewesen wäre, die Worte zu entziffern und eine Copie davon zu nehmen. Ich konnte nur das einzige Wort 6^'<^/ lesen und es erregte in mir eine besondere Macedonien. 105 Stimmung, wie diese wenigen Zeichen durch ihre Pluralform unmittelbar den Ursprung der Arbeit aus vorchristlichen Zeiten beglaubigten. .., 6r. 3. p. 275). Vou« glebt 7U-8U' an. 106 Zwölftes Capitel. auf die schwanken Zweige zu stützen, als die warnende Stimme des Bischofs, der die Scene von seinem schattigen Lager übersehen konnte, mich zu rechter Zeit zurückhielt. Die Strömung des Wassers über den Fällen ist natürlich sehr bedc-utend, aber man hat sie nur an einem einzigen Puncte benutzt, um eine Mühle zu treiben. Dann traf ich auch einen industriösen Säbelschleifer, der für den eignen Bedarf einen schmalen Wasserarm abgeleitet hatte. Auf einem über der Felswand hergerichteten Sitze ließ er feinen Schleifstein durch das überstürzende Wasser treiben, das darunter sogleich zu feinen Tropfen zerstäubte. Man sagte mir, die Gewalt der Strömung sei so stark, daß man oberhalb der Cascade sich auf mehr als hundert Schritte weit im Wasser nicht aufrecht halten könne, obwohl es dort nicht über 3' tief ist. Da ich-mich sehr erschöpft fühlte, beschloß ich, diese Angaben auf der Stelle zu erproben. Es fällt durchaus nicht auf, sich an der Straße zu entkleiden, da die Frauen sich auswärts selten blicken lassen und da das Baden in Flüssen und Quellwasser, zumal bei den Albanesen, zur taglichen Erfrischung dient. Ich suchte indessen eine seitwärts gelegene Wiese auf, wo ich auch im Nothfall an dem Weidengebüsch des Ufers einen Stützpunct fand. So schwer es jedoch hielt, in der Strömung auszudauem, die mir kaum bis an die Mitte des Körpers reichte, so konnte ich doch in geneigter Lage mich schräg dem pfeilschnell stürzenden Wasser entgegendrängen, ohne den Boden zu verlieren. So wohlthätig auch der augenblickliche Einfluß des kühlen Gebirgswassers auf meine Nerven wirkte, so hatte ich doch Abends wieder an entkräftenden Schweißen zu leiden, zu dcncn sich, wie gestern, ein fieberhafter Zustand gesellte. 27. Iunius. Ich hatte dem Voivoden sagen lassen, daß meine Absicht sei, den gewöhnlichen Weg zu verlassen, um den Nidge zu besteigen und dann über den westlichen Abhang desselben in die Ebene der Czerna zu gelangen und durch dieselbe nach Bit<»lia zu gehen. Die Poststraße nach Bitülia (Monastir) geht nämlich zuerst nach Osirovo (5 t. Stunden), schneidet hier einen Paß, der zwischen dem Nidge und Vidgi in der Fortsetzung der Vermischen zu der Eentralkette des Pindus liegt, erreicht bei Macedonian. !07 Florina (6 t. Stunden?) die Czernafiäche und biegt sich zuletzt gegen Bitolia ^6 t. Stunden) nach Nordwest *). Der Voivode erklärte seine Bereitwilligkeit, für die Ausführung meines Plans Sorge zu tragm. Er sendete mir einen Soldaten, der der Gegend kundig zu sein behauptete, und mich als Führer und auch zum Schutz begleiten sollte, weil in den letzten Tagen am Nidge Räubereien vorgefallen waren. Man wußte indessen, daß die Wände, obgleich sie einen kühnen Handstreich verübt hatte, nur aus drei Männern bestand, und wir waren ihr daher auf diese Weise völlig gewachsen. Der Soldat berichtete, daß man den Nidge von äi<)bena aus nicht besteigen könne, sondern den Umweg über Ostrovo machen müsse. Wenn wir diesen Ort noch heute erreichten, könnten wir am folgenden Morgen die Höhe des Nidge in vier Stunden ersteigen und die zweite Nacht in einem Dorfe an dessen westlichem Fuße zubringen. Von da gelange nian in 6 Stunden nach Biblia, so daß der Umweg gar nicht beträchtlich erschien. Auch seien die Wege so gut, daß man mit Ausnahme einer halben Stunde am Gipfel des Bergs nirgends vom Pferde zu steigen nöthig habe. Ich beschloß, baldmöglichst abzureisen, und miethete vier Pferde von einem Vodenioten. da die Postillons in der Ncgcl angewiesen sind, die Poststraße nicht zu verlassen. Der Voivode selbst setzte den Preis der Pferde auf 4U Piaster für den Tag fest. Den Soldaten hingegen, der zu seiner kleinen Leibgarde gebölte, hatte ich nur zu beköstigen und ihn nach meiner Ankunft in WitV.lia zu beschenken. Er ritt' das eine der Pferde und war mit Flinte und Pistolen bewaffnet. Dem Bulgaren, der mir die Pferde vermiethct hatte, gebührte nur ein Sitz auf dem Lastpferde und so ging er denn gleich mir hausig zu Fuße. Indessen verzögerte sich die Abreise bis zum Nachmittage. Dleser Verzug verschaffte mir die Bekanntschaft eines reisenden *) Hiervon weicht scheinbar die Nachricht Leake's sonder« «reece 3. p. 317.) ab, der den Weg von Bitölia nach Vödena von dem über Flörina unterscheidet. Allein er beschreibt eben die von mir verfolgte Seitenstraße «ber den Nldgepaß. W9 Zwölftes Capitel. Türken, der eben von Bitolia ankam und gleichfalls bei dem Bischöfe einquartiert wurde. Er ging nach Salom'chi und war, wie es schien, ein Bote des Rümeli Walessi an den Pascha von Iänina. Als er hörte, daß ich im Begriff sei, nach Bit{>ä rjj vov/*ivr\ ivQ-tlw y^afi/ifj til ^"* BfQriaxov opovc; xal £y.d(>dov y.ul '()(>ßtj}.oi> xctl 'Podoniji; xai slifiov' tä ya^ a^rj tavta, «Q-yöfiivoi a.no xov 'jiSqIov, dttjxti y.atct tv&tlav y^a/*/*ryv twq rov Ev~ ttivov. *♦) 3« ben na$ ben» Seyte beg 5)tolemaeuö entworfenen dorten befi Scardus und Pindus. N1 Balkan in der geographischen Kunde eine weite Lücke geblieben, und die wenigen *) Reisenden, die von Bosnien und Serbien Gerardus Mercator sind die rumelischen Gebirge zum 2heil richtiger angegeben, als man sie heutzutage gezeichnet findet. Mun vergleiche z. B. die neunte europäische Charte. Hier findet sich der Bertiscuö, das Quellenge-birge des weißen Drin und der Drina, von dem Scardus weit getrennt, an welchem der schwarze Drin und der Vardar entspringen (s. u.). Ferner liegt Scopia nördlich von der Centralkctte und der Orbelus südöstlich von dieser Stadt. Freilich bilden Aemus, Orbelus und Scardus eine zusammenhängende Kette, die aus der Gegend von Dyrrhachium ostnordosilich bis zum schwarzen Meere verläuft, und der nördliche Pindus fchlt ganz: allein diese Phantasiern beruhen nicht auf des Ptolemaeus Gradbestimmungen. *) Die Benutzung der Reise von Edward Brown in der letzten Hälfte des 1?ten Jahrhunderts hätte schon auf den größten Irrthum der Eharten-zeichnung aufmerksam machen müssen. Auf dem Ncge von Ungarn nach Thessalien berührte er Kruschewaz in Serbien und Comanova in Macedonien. Zwischen Kruschewaz und Vrana beschreibt er das Kopaunikgrbirge, das nach v. Friebrichsthal's Messung sich biö auf etwa ä7lM" erhebt. Non Vrana hingegen nach Comanoua wciterreiscnd, wobei er nach den Charten die höchste Centralkette Rumelicns hätte übersteigen müssen, bedient er sich des einfachen 2suebruc?ö: from Vrania we passed to Comonava (-Brief Account of travels p. 31.). SRod) mef)r: ec bcmecft jiiuor: the hills between Servia and Macedonia are a part of Mount Haemus, which, iint'er several names, is thought to extend from the Adriatic to the Euxine Sea, admitting of several passages; unb er ettuätjut außbciknid), taf iencS Kopaunikgcbirge, das er Clissura nennt, ein solcher Auöläufer dcs Haemus sei. Also hielt er nicht die Hügel zwischen Vrana und Conianova, die er gar nicht erwähnt, sondern das Kopaunikgebirge für die Centralkette, im Widersprüche mit aller Chartenzeichnung. — Ebenso finden sich in dem Iti-nerar von Pouqueville's Bruder, der aus Bosnien nach Macedonicn reiste, die hohen Gebirge gerade da nicht erwähnt, wo er sie nach den Charten hätte übersteigen müssen. Wo er wirtlich dergleichen zur Seite hate, verfehlt er nicht, sie in starken Ausdrücken zu bezeichnen. Bei Priepol, nordöstlich von Montenegro, sagt rr: cle« montanes ^pauvanlables couver-tea lie ive,l8 öe sorsls. e Gliederung der verschiedenartigsten Systeme nachzuweisen vermögen, und wenn wir die albanischen Alpen bis zur Spalte des Drin, den Echardagh und Pmouv bis zu dcr des Aardar, und seiner ersten Reise . Ccavdusund Pindus. ll5 fcrner den Perindagh, die Rhcdope und den Aemus als die Hauptsysteme in dieser Linie bezeichnctcn: so wild cs uns auffallen, nne schon dercn Zahl und Reihenfolge mit jener Stelle desCtrabo übereinstimmt, der sie in gleichcr Ordnung als Haupt-gebirgszug ganz Numelien vom adriatischcn Meere bis zum Pontus durchsetzen licß. Da wir schon früher erörtert haben, aus welchen Gründen wir seinen Ordelus für den Perindagh hielten, s» bleibt uns, da über Nhodope und Aemus kcin Zweifel obwalten kann, gegenwärtig nur noch die Aufgabe zu losen, ob der Bertiscus und Scordus des Etrabo unsern albanischen Alpen und unserm Schardagh entsprechen. Was den Bemscus *) betrifft, den ich sonst nicht erwähnt finde, so scheint der Umstand, daß dieses Gebirge nach jcncr Stelle dem adriatischcn Meere zunächst lag, zu genügen, um die albanischen Alpen, die heutzutage kcinen gemeinsamen Namen*") führen, mit jener alten Benennung zu bezeichnen. Ungewöhnliche Schwicrigfeitrn aber dielet die Untersuchung übcr die Üage drs alten Scorous oder Ecardus dar, so einfach sie sich auch auf den e,stcn Blick theils durch die Stellung bei Strabo zwisckcn Bertiöms und Hrbelus, wo eben nur das albanisch-macedonische Glrnzgcbirge liegt, theils durch die Etymologie des Namens zu erledigen scheint, indem man in dem heutigen *) Der macedonische Bertiscus des Ptolemaeus (ktol. l. 3. e. l3.) ist von dem des Gtrabo offenbar ganz verschieden. Ptolemacus kannte jene al-b^nscl^n Npm sehr ^t, beschreibt dcren Lage genau (s. u.), legt denselben über keinen Namen bei. ") B°u« (a. a. O. Bb2, S. 25.) sagt hierüber: .Die fast unbekannte Berggruppe, welche einen großen und sehr wilden Landstrich zwischen Iptt', Schert-olcs, Tri^uschna, Trebigne, Zenitza, Blelopol, Plaua, Element! und ^l"na,n einnimmt, ^"' wie die Rhodope, keinen aUgemeincn Namen. " <°cherkoles heißt sie Kuiilo - Planina, hinter I^k Peklen erhätt sie den n ^°lalia-Planina« und an andern Orten hezßt sie »Mokra-Planina,« Pouquev.lle (V«)'.ß<. ^„ ^^^ 2. u. 4l2.) nennt diese Alpcnlandschc.fr «««ml« obec Ätnaout!« im fnflern Ginnt: les Sanies de Pris.end et Ukanderen sont scares de Bosni« par |e Lacoulac ou Arnaoullik, pys sauvage, dont Jes habi«ans Har]eni IVsclavon et descendc-nt dasi* «* pUines de Cossovo iJCr.ifcIfflb), pour auaquer 1«6 caiavun^. s* 116 Dreizehntes Capitel. Schar oder Schardagh so leicht den alten Scardus wiedererkennt. Daß aber Ueberlieferungen anderer Schriftsteller dieser Meinung entgegenstehen werden, oder sie zweifelhaft machen, läßt sich schon daraus entnehmen, daß Leake auf seiner Charte von Macedonien das Grünsteingebirge der Ducajinen und Mirditen mit dem Namen des Scordus bezeichnet. Im Texte seines Werks ^) drückt cr hingegen die Vermuthung aus, daß nicht bloß jenes Gebirge, sondern auch die albanischen Alpen zum Scordus zu rechnen seien. Bcidc Ansichten stehen in völligem Widersprüche mit den Nachrichten des Ptolemaeus. Ich werde im Folgenden versuchen, sie im Einzelnen zu widerlegen und nachzuweisen, daß der Scordus wirklich kein anderes Gebirge als der Schardagh in seiner ganzen Lauge vom Amselfeldc bis zur Breite von Monastir sein konnte. Zunächst liegt der Anwendung der einen Stelle des Livius^), wonach ein den See von Scntari durchströmender Fluß im Scordus entspränge, was freilich die albanischen Alpen mit dem Li-vianischen Scordus identisiciren würde, ein Irrthum zu Grunde, wie die Worte selbst ergeben, in denen die Barbana, die durch den See fließt und in der man den Namen Nojana wiedererkennen möchte, von dem aus dcm Scordus kommenden Flusse unterschieden wird. Wenn hiermit die «ine Hälfte der Ansicht Lea- *) Northern Greece 3. p.477. »Ihe solhtuies of Scordus, which mountain beeing described incidentally by Livy as lying in the way from Stymbara to Scodra, and again as giving rise to the Oriuns which flowed through tiie lake Labeatis to Scodra, seems clearly to have comprehended the groat summits on either side of the Drilon» where its course is i'toni east to west. **) Liv. 1. 41. c. 31. Scodra — est — difficilis aditu. Duo cingunt earn ilumina, Clausala latere urbis, quod in orientem pate'» praefluens, Barbana ab tc-irme occidenlis, ox Labeatide palude criens. hi duo amnes contiucntes incidunt Oriundi flumini; quod ortum ex monte Scodro, muliis el aliis auctum aquis, mari Hadria-' tico inferlur. Moris Scodrus, longe altissimus refiionis fjus, ab ori-ente Dardaniam subjeciam habet, a meridie Macedoniam, ab occaš« Illyricum. Ecardus und Pindus. l l? ke's schon beseitigt erscheint, so enthalt jene Stelle doch noch viel Mehr geographisches Detail, welches fiir unsern Zweck wichtig ftin würde. Die Lage von Scütari wird hier so genau beschrieben, nach den beiden sich dort zur Vojana vereinigenden Flüssen, von de-Nen der eine aus dem See Labeatis hervortritt, daß hieraus mit Sicherheit hervorgeht, die heutige Stadt stehe genau an der Stelle der alten Scodra, welcher Name noch jetzt bei den Türken gebräuchlich ist. Die beiden Flüsse Clausala (Drinassi) und Narbana (Bojana) aber sollen sich nach ihrer Vereinigung in einen dritten Strom ergießen, der von jenen ganz verschieden ist, im Scodrus entspringt, noch viele andere Nebenflüsse ausnimmt und zuletzt in das adriatische Meer fällt. Dlese Darstellung ist sachlich falsch, da die Bojana bekanntlich unmitteldar in das Meer mündet, da sie nur aus den beiden gedachten Flüssen gebildet wird und also nicht im Gegensatze zu diesen noch besondere Quellen haben kann. Auch macht schon der Name jenes Hauptflusses, nämlich Oriundeü oder Orinndis, es wahrscheinlich, daß diese Stelle ganz lückenhaft oder verdorben sei: denn dieser Name kommt sonst nirgends vor und verdächtigt sich selbst durch seine Form. Inzwischen könnte das Olln.nll auch ziemlich einfach aus dem Worte Drluiu, wie der Drilo schon bei den Alten gleichfalls genannt wird, durch Verschrcibung entstanden fein, in welchem Falle der sachliche Irrthum des Schriftstellers darin bestände, daß er die Flüsse Bojana und Drin, die sich bri Scodra auf zwei Stunden Weges einander nähern, vor ihrcr getrennten Mündung sich zusammen vereinigen läßt. Denn unzulässig ist die Annahme, daß vielleicht ehemals ein solcher Zusammenhang bestanden habe. Wenn auch die Gebirgsverhältmsse im Becken von Scntan einer Verbindung beider Flüsse mcht im Wege ständen, so würde es doch an sich fast undenkbar sein, daß zwei Ströme von dieser Größe eben da, wo sie, der eine aus Gebirgsschluchten hervortretend, der andere unter örtlichen Bodenverhält, wssen, mlt einer großen Geschwindigkeit ihre Gewässer treiben, M einstmals sollten vereinigt und später durchaus wieder getrennt haben. Freilich könnten in einer Gegend, die mli der nicht scl- !!8 Dreizehntes Capitel. ten durch Erdbeben erschütterten acroceraum'schen Küste geogno-stisch verbunden ist, und die an eine der größten Hebungsmassen von Europa grenzt, dennoch große Veränderungen der Oberfläche vorgegangen sein, von denen wir nichts wissen, weil hier niemals ein Volk lebte, das uns seine Geschichte überliefert hat. Allein wir besitzen ein anderes Zeugniß des Alterthums, welches dir en Zweifel beseitigt, indem Vioius Sequester *) uns meldet, daß die vereinigte Bojana auch bei den Alten den Namen Nar-bana oder einen ähnlich lautenden geführt habe, und daß sie schon damals sich in das illyrische Meer ergoß. Unter den beiden Hypothesen, entweder jene Stelle des Li-vius für ganz verstümmelt zu erklann, oder durch eine einfache Emendation zwar einen brauchbaren Sinn zu erhalten, aber dcm Schriftsteller einen geographischen Fchlcr aufzubürden, würoe die Wahl doch zu ungewiß bleiben, als daß man weitere Schlüsse mit einiger Sicherheit daran kliüpfcn könnte, wenn nicht die linchfolgclide Beschreibung des erwähnten Qucllengcbirgs Scodrus größere Aufschlüsse verspräche. Sehen wir also ganz ab von der Lage Scodra's, so erfahren wir doch so viel, daß der Fluß Drin, oder, wenn man jene Emendation nicht gelten lassen will, der Oriundes am Ecüdrus entspringe, und wir finden weiter, falls der folgende Satz nicht eingcschoben ist, daß dieser Berg der höchste des Landes sei und daß er nach Osten Dardanien, nach Westen Illyrien und nach Südcn Maccdonien beherrsche. Die Erklärung einer solchen Situation ist indessen leider noch schwieriger, als die vorige, und zeigt, wenn die Stelle acht ist, die ungenaue Kenntniß, welche Livius oder dessen Original über die Geographie dieser Länder besaß. Allein würde er alsdann eine solche, immerhin unnöthige Erklärung hinzugefügt haben? Da die Dardamer ein illyrischcs Volk waren, so ist es schon deshalb auffallend, daß Dardanien hier dem Illyricum entgegengestellt lvird. Da ferner die Dardanier das Stromgebiet des weißen Drin, das nördlichste Albanien bewohnten, Illyricum aber alle nordwestlich von Macedonicn gelegenen Landschaften begreift, so *) Vibiue Sequester tie llnaiinibu* s. voc« IJaibana. Scardus und Pindu5. l U) kann man sich kein Gebirge denken, welchen die von Livius b^ baupttte Lage mit einiger Genauigkeit zuzuschreiben wäre. Leake scheint auf seiner Charte dieses Problem dadurch lösen zu wollen, daß seinem Scordus allerdings Dardanien östlich liegt, andcre illyrische Völkerschaften hingegen westlich gegen das adriatische Meer wohnen. Allein mit dieser Annahme verträgt es sich noch weniger, daß das Gebirge gegen Norden über Macedonien sich erhebe, wovon das Ducajin sowohl, als der Wcrtiscus weit entlegen und durch den hohen Schardagh getrennt sind. Geht man hingegen von dem Gesichtspuncte aus, daß die Sitze der Dardanier sich bis Scopm erstreckten *), also die beiden Nccken von Calcnchcle und Ucsklicb mitbcgnffen, so würde jener Scodrus noch eher mit dem nördlichen Schardagh selbst zusammenstimmen, von dessen Gipfeln man wegen seiner nordöstlichen Richtung in der 2hat gegen Süden nach Macedonien hinübcrblickt, so wie nach Qstcn in jene dardanische Thäler und nach Westen in das weite iUyü-sche Gcbirgsland. Zu dieser Ansicht paßt ftrner nicht bloß die Höhe des Livianischen Scodrus, sondern auch das angegebene Verhältniß zum Oriundes, wenn man hierunter den Drin versteht. Denn wiewohl keiner der beiden Flüsse, die sich verein:, gend diesen Strom bilden, im Schardagh selbst entspringt, viel« mehr der w^iße Drin im Vcrtiscus seine Qucllrn hat, dcr schwarze aber ein Abfluß des Sees von Ochridha ist, so gehört der größte Theil ihrcs gesonderten Laufs doch dem Systeme dcs Schardagh an, von ihm empfangen sie zahlreiche Zuflüsse, und ihr Vereinigungspunct, wo also der eigentliche Drin erst entsteht, liegt m einem Thale am Fuße dieses Gebirgs. Es konnte dahcr Livius, ohne einen Irrthum zu begehen, die Quelle des Drin selbst in den Schardagh versetzen, um so mehr, als auch bei andern alten Schriftstellern, wie Ptolemacus ") i^hrt, der Scordus theilwcise als Qucllengebirge des Drin galt. ♦) Ptolom. ]. HI. c. 9# JayJlwla,. „tx^ _ Smtxot. Xucf) no* Cease: Northern Greece 3. p. 472. **) P'olemaeus I. 2. c. 17. („r Ai 6 J^lUy ntnapha anb it rou 2k*q9qv Sffovt xat «nö to? Jt^ov o^, ntpimv na^u pLatp rtjv arm !20 Dreizehntes Capitel. Wem diese Erklärung der dunkeln Stelle des Livius indessen nicht genügt, tonnte noch einen Werth darauf legen, daß das Gebirge, in welchem der Oriundes entspringen soll, hier nicht Scordus oder Cccndus, sondern Scodrus genannt wird, und man nicht wissen kann, ob dies eine zufällige Buchstabenversetzung sei, und ob der Schriftsteller hierunter wirklich dasselbe Gebirge verstanden habe, das er schon im vorhergehenden Wuchc erwähnt. Denn die Neschnibung des Scodrus kann sowohl auf den Schar-dagh, als auf den gegenüberliegenden gleich hohen Bcrtiscus bezogen werden, in sofern man von der immer nur gezwungenen Erklärung des Nichtungsverhältnisscs, in dem es zu den Nachbarlandern gestanden haben soll, absieht. Vielmehr paßt der Bertiscus besser als Merioiansckcide zwischen Dardanien und II-lyricum, hingegen nicht auf Macedonian, der Schardagh besser auf das letztere, weniger auf das erstere Verhältniß. So viel geht jedoch aus dieser Darstellung mit Entschieden-hrit hcwor, daß diese Stelle des Livius z«r Bestimmung der 3age des Scardus nicht mit Sicherheit benutzt werden kann. Die Gründe, daß der heutige Schardagh dem alten Scardus entspreche, sind indessen auch ohne diese Hülfe entscheidend genug. Sie beruhen: I) auf der offenbaren Identität des Worts; 2) auf der Reihenfolge der Gebirge bei Strabo; 3) auf jener entscheidenden Stelle bei Ptolemaeus und auf einer andern, die sogleich wird angeführt werden; so wie 4) auf einer Angabc des Polydius, die Livius ^) übersetzt hat und auf welche Lcake den andern Theil seiner Annahme stützt. Die letztere Stelle bleibt uns nun noch zu erläutern übrig. Stubcra oder Styrnbara lag nach Lcake's Untersuchung in der t<5 ?m' ^'«av 7ra^«/i«!'. So gmau beschreibt Ptolemacus de» Vcrtiscus als Quellengcbn^e des weißen Drin und der bosnischen Drma und unterscheidet ihn vom Scarbuö, in welchen er drn Ursprung des schwarzen Drin versetzt. •') Liv. I. 43. i:.'2O. Hi {ox Min <>doniafiov oiior<;. Scardus und Pindus. l2> biegt, wodurch im Westen die Alpenlands^aft deß Dauphins im i^sten die von Bosnien fast unter enl sprechenden Brcitegradcn entsteht. Wie das System endlich dort in den Ecealven ftinen Schlußpunct findet, ebenso hier in den Abhängen von Montcne-gro und gegen den Drin am Bertiscus. Hierauf folgt das 3lho-nethal, welches man mit jener Vertiefung Numeliens vergleichen kann, in welcher die Morava nach Norden und der Varoar nach Süden fiießt. Dem Rhone gegenüber erhebt sich die Auvergne, im Osten jenes (Zanals der Scomius nnt seinem »gewaltigen Augitporphyr - Plateau zwischen Radomir, Bresnik und Sophia *).« Dem von Nordwest nach Südost gerichteten Orbelus entspricht wenigstens in dieser Beziehung der Zug der Ccvennm, die von Nordost nach Südwcst sich erstrecken und mit den Pyrenäen sich durch Höhenzüge verbinden. Am auffallendsten stimmen in Richtung und Umfang die Pyrenäen mit d^r Ähodope über-cin. So wie jene aus Nordosten die iberische Halbinsel beherrschen, so liegt diese nordwestlich von der kleinasiatischen, deren Bau mit Spanien sowohl im Hauptumriß der Küste, als in der Gliederung der Gebirgszüge entschiedene Achnlichkciten darbietet, so wie man z. B. durch die in Cilicien beginnende Küstcnkttte an die Sierra Ncvada erinnert wird und so wie beide Länder von westöstlichcn Höhenzügen und entsprechenden Hochebenen erfüllt sind. Nördlich von dcr Rhodope könnm wir die Flußgebiete dcs Adour und der Garonne in dem der Maritza wiedererkennen und das Mittelgebirge des Balkan mit der südlichen Wasserscheide der Loire vergleichen. So wie der Jura bei Genf in nordöstlichem Zuge sich erhebt, so die bulgarisch-waUachischen Carpaten bci Sophia gegen Nordwesten. So umkreisen beide Gebirgsketten das südliche Deutschland und Ungarn, bis sie sich zuletzt berühren und dadurch das Stromgebiet dcr Donau im Norden abgrenzen. Endlich bleibt noch der Scardus und Pindus übrig und hier wäre die Symmetrie zu Ende, wenn wir sie nicht in der Meridianlinie durch die Inseln Corsica und Sardinien erkennen möchten. Solche Ideen wären leicht weiter zu entwickeln; immer ') Tcu«; a. a. O- Bd. I. S 49. 12 l Dreizehntes Capitel. wird ihnen hier und da dcr Vorwurf dcs Willkührlichen ankleben, einer erzwungenen Vereinigung disparater Naturformen: aber dennoch erleichtern sie den Ueberblick des Ganzen. Wir wenden uns jetzt zu der bedeutendsten Eigenthümlichkeit im Gebirgscharacter dcs Scardus und Pindus. Denn wie Orbclus und Nhodope, so bilden auch jcne beiden Gebirge des Alterthums nur ein einziges, zusammenhängendes System, das vom geographischen Standpuncte aus in Eins gefaßt werden muß. Es besteht aus einer Centralkette und deren Verzweigungen. Da jedoch etwa in der Mitte jener weithin von Norden nach Süden verlaufenden Kctte eine ausgezeichnete Querspalto dieselbe durchschneidet, die ungefähr mit der alten Grenze dcs Scardus und Pindus zusammenfällt, so erscheint es naturgemäß, hierdurch auch jetzt das Gebirge in eine nördliche Hälfte, dcn Scardus, und in eine südlich gelegene, den Pindus, abzutheilen. Jene Spalte, welche von Leakr bereist ist, wird durch den De-volfluß gebildet und befindet sich nordwestlich von Castoria, südwestlich von Monastlr. Daß sie eine wahre Querspalte sei und eine vollkommene Lücke der Centralkette bewirke, beweist der Lauf jenes Flusses. Dcnn er entspringt an der Qstseite der Kette, durchschneidet sie und vereinigt ^) sich späterhin mit dem Wera-tinü von Berat, dcr in das adriatische Meer sich ergießt. Ucbcr diese merkwürdige Gebirgsspalte bemerkt Leake **) Folgendes. »Der Paß von Tschangün, den man»< nach dem griechischen Ausdrucke für solche Gebirgsverhältnisse »Clissura von Dcvol nennen könnte, ist ein natürliches Verbindungsthor von dem Tieflande des Haliacmon i» andere ausgedehnte Ebenen, und er ist außerdem die einzige Unterbrechung der großen Centralkette des Pindus, von dessen südlichem Ansteigen in den Bergen Aetoliens bis zu dessen Nordcnde, wo er« nach der bisherigen, falschen Idee »mit dcn Gipfeln des Haenius und der Nhodope zusammenhängt. *) Der bemer?enswerthe Fehler der Charten, daß der Deuol durch das c-andaoische Gebirge nach Elbassün fließe und mit dein Scumbi ideuusch sei, ist auf Leake's Charte von Maa'dümen berichtigt. **) Northern Greece 1. p. 335. Scardus und Pindus. 125 Der Paß ist nicht so stark, als er eng ist, da die unmiltclbar ihn begrenzenden Berge nicht sehr steil sind. Allein bald steigen sie iah zu großen Höhen empor und der nördlich gelegene erhabene Felsgipfel Curudagh, oder im Griechischen Xerovuni, ist ein deutliches Verbindungsglied zu jenrv« südwärts zum Pindus gehörenden »Kette, welche durch die hohen Spitzen des Grammos, Russotan und Enwllca gebildet wild.« Demnach erkennen wir also den Ljubatrin als nördlichstes, den Xerovuni als südlichstes Glied der Kette des Scardus, und wir können nach den vorliegenden Messungen und Schätzungen deren Gipfeln eine Höhe von 6 — 8000' zuschreiben. Die Centralkette des PinduZ ist wahrscheinlich fast eben so hoch: auf welche Weise sich diese aber an, Südendc auflöst, können wir deutlicher darstellen, wenn wir zuvor die Seitenglieder des ganzen Gebirgszuges verfolgt haben. An dem östlichen Fuße der Centralkette des Scardus und Pindus liegen vier große Ebenen, die ich ihrer ganz eigenthümlichen Structur wegen mit dem Namen Ningbecken bezeichnen werde. Jedes derselben wird rings von hohen Gebirgsketten eingeschlossen. Sie sind keine Langblhäler: denn ihr Grundriß nähert sich der Kreisgestalt. Kaum sind sie von Gebirg umgürtete Plateaus zu nennen: dmn ihr Niveau ist vcrhaltnißmäßig tief gelegen. Ihre Eigenthümlichkeit besteht darin, daß die sie ring, förmig umkreisenden, einfachen Gebirgsketten nach allen Seiten *) ') So entspricht z. V. im Becken von Monasiir die über 60N0" bettagende Höhe des Nidg<'>, dcr dem äußern Ringe angehört, dem 7237' ho^'n Penstcri, der gegenüber sich dcr Centralkotte anschließt. Ganz besonders wird sich dieses Verhältniß bestätigen, wenn wir erst zahlreichere Höhenmessungen über die Gebirge besitzen, welche das große Becken von Thessalien umgürten. Wir kennen bereits die Höhe des Olymp (975''), welcher dem Seitenringe dcs Pindus angehört, Ebenso ist auf Leate'6 Lharte der Othrys zu 6IUU', der Mion zu 53UU- nahrscheiulich nur nach Schätzungen angegeben. Aon dem diesen AußsM'tten gegenüberliegenden HauMocke dcs Pindus ist mir hingegen leine Höhenbesiimmung bttannt: doch lehrt die Besteigung des Cacar-dhista im südlichen Pindus, daß dieser Berg den Gipfeln des Scardus an Höhe nicht nachstehe, wenn er sic nicht übertrifft. Leake bemerkt nämlich, daß die Spche nicmals uon Schnee ganz befreit sei (Nonnen, 6lr«ece I. !>. 28 i.). 426 Dreizehntes Capitel. eine alpine Höhe erreichen und größtentheils aus primitiven *) Felsarlen, aus Schiefern oder körnigem Kalke, bestehen. Diese metamurphische oder plutonische GebirgZmauer pflegt nach Innen unmittelbar, ohne Vorberge oder jüngere Formationen, an die wagerechte Ebene zu stoßen, aus welchcr sie sich großartig erhebt uno die, in der Negel jeder Hügelbildung und selbst des festen Gesteins entbehrend, ein weites, fruchtbares Alluvium darstellt, oder doch nur tertiäre Gebirgsartcn enthalt. Jede dieser Ebenen wird von einem Strome bewässert, der in der Centralkette entspringt und zuletzt einen einzigen Ausgangbpunct aus der Ebene in einer engen Querfpalte der äußern Umgürtung findet. Diese aber steigt von Außen ebenso isolirt hervor, als von Innen. Dhne Vorberge grenzt sie an das Meer oder an ticfe Thäler und Ebenen, wahrend die Eentralkette selbst an der albanischen Westseite sich ganz verschieden verhält. Jene vier Ringbccken nun, die deren Ostabhang vollständig vom Amselfelde bis zur griechischen Grenze in einer Ausdehnung von etwa 50 g. Meilen begleiten und dadurch das ganze westliche Macedomen und Thessalien erfüllen, sino nach ihrer örtlichen Begrenzung folgende: 1) Das Teliovo oder das Ningbecken von Calcändele mit den Vardarquellen. Im Norden durch den aus der Centtalkette östlich vorspringenden Ljubattin geschlossen, erstreckt es sich von Nordost nach Südwest bis zu der ersten Ceitenkette des Scardu5, die nach Südosten zum Babunagcbirge zwischen Köprili und Per-lepe verlaust und durch eine nordöstliche Scilenkette, die zwischen *) So bestehen in den äußern Ningketttn der Nidgö aus Marmor und Glimmerschiefer, der Babuna aus Talk- und Glimmer-Schiefer, serner nach Bou« (a. a. O. Vd. 2. G. 3l.) die Ketten zwischen Monastic und Castoria nebst dem thessaUschen Olymp aus krystallinischen Schicfergesteinen. Ebenso der dem Nibg6 gegenüberliegende Peristeri aus Glimmerschiefer und Granit; die Ko-belitza im nördlichen Schardagh theils aus Glimmerschiefer, theils aus cinem bläulich we,ßen Kalkgestein, das Bou6 für Ueliergangskalk erklärt, das auch den Ljubatrin bildet und das in der gegenüberliegenden Seitenkette zwischen Calcändcle und Uesküeb wiederkehrt. Auch rechnet ü ou^ ganz allgemein d?n Schardagh und Pindus zu dem Gebiete der crys.allinischen Schiefergesteine. Scardus und Pindus. l27 Uesküeb und Calc«ndele sich dem Ljubatrin nähert, das Becken von derDstseitc schließt. Es ist das kleinste von allen und länglichter als die übrigen gestaltet. Der obere Vardar durchströmt es der Länge nach von Südwest nach Nordost und stießt durch die Gebirgsspalte an der Südostseite des Ljubatrin, also am nordöstlichen Ende des Beckens, nach den liefer *) gelegenen Umgebungen von Uesküeb ab. 2) Das Ringbeckcn von Monastir mit seinen nördlichen Verzweigungen, von der Czerna bewassert. Es ist bei weitem größer als das vorige und scin Niveau liegt höher **) übcr dem Meeresspiegel. Die Babunakelten, die sich südwestlich von Cal-cändele vom Scardus ablösen, scheiden dasselbe vom Tettovo und erstrecken sich mit ihrem gegen Südost gebogenen Kamme bis an die Stromengen der Czerna. Diese liegen fast in der Mitte des äußern Ringes unter dem 41sten Breitegrade und werden auf der entgegengesetzten Südseite durch den Nidge gebildet, den äußersten Gipfel der das Becken südlich von Florina begrenzenden Kette, die sich unweit Monastir vom Scardus ablöst und deren westlichen Theil wir als Quellcngebirge der Vistritza die Canalvische ***) Kette nennen können, so wie wir ihre eigenthümlich gegliederte östliche Fortsetzung bereits die Vermische genannt haben. Nämlich diese zweite Hauptseitenkette des Scor-dus hat zwar bei ihrem Ursprünge eine südöstliche Richtung und entwickelt hier den eingeschlossenen Kessel des Sees von Castoria, *) Die Höhe des Beckens von Calcundele beträgt bei dieser Stadt gegen 850', die von Ucöküeb 56U'. ") Die Stadt Monastir liegt nach meiner Messung 11N0' über dem Meere. Herr v. Fncdrichsthal bestimmte deren Höhe zu !5?V, die von Perlep« z« 4597,. Ncnn die Differel.z von 1?i' eine Folge dcr verschiedenen ^asls sein foule, worauf diese Messungen sich beziehen, so würde die germge NweaudWrenz zwischen Monastir und Perlepe, zweier Städte, die an de>. entgegengesetzte. Settm des ^ckens liegen, um so mehr für d.e wa-M-echte Oberflache desselben entscheiden. "*) plolem. l. 3. r. 13. 128 Dreizchntcs Capitel. bald jedoch spaltet sie sich völlig in eine südöstliche und nordöstliche Kctte, von denen jene das Ningbecken der Vistritza nach Außen begrenzt und sich bis zu deren Stromengcn ausdehnt, diese aber zum Nivgc bei Ostrovo sich erhebt und bis zu dcn Engpässen der lszerna und des mittlern Vardar ausbreitet. Die Endpunctc dieser beiden Glieder sind aber wiederum durch eine dritte Kette verbunden, welche die Deltaebene des Vardar im Westen schließt und welche wir bei V. l. .,. 39g), 130 Dreizehntes Capitel, von andern Reisenden gemachte Bemerkung, daß die südöstliche Halbinsel von Europa besonders reichlich mit abgeschlossenen Flußbecken und fruchtbaren Alluvialmulden ausgestattet sei, und es laßt sich hierin die bedeutungsvolle Beziehung nicht verkennen, worin ein solches Verhältniß der Oberfläche des Landes mit dem frühen Aufschwünge des Volks in mannigfaltigen, von einander abgesonderten Richtungen stehen mußte: denn in einem höhern Grade wird eine eigenthümliche Cultur sich da entwickeln, wo die Bevölkerung, zwar durch Gebirge abgeschieden, aber in einer weiten, fruchtbaren Ebene zusammengehalten und durch die Gaben der Natur begünstigt wird, als in jenen alpinen Thälern, wo auch die Volksstämme sich leichter von einander lostrennen, aber wo der culturfähige Boden, in einem so großen Mißverhaltnisse gegen die ihn einengenden Wildnisse, das Aufblühen zahlreicher Bewohner nicht gestattet. So tresslich sich dieses geographische Grundphänomcn auf das eigentliche Griechenland anwenden läßt, so glaube ich doch nachweisen zu können, daß zwar Mulden und für sich bestehende Niederungen in Numclien ganz gewöhnlich sind, daß jedoch die übrigen in orographischcr Hinsicht nicht alle Charactere der vorhin geschilderten vereinigen. Bekannt sind jene griechischen Kesselthälcr, die nur durch unterirdische Abflüsse ihre Gewässer entladen, und Lcake bemerkt ausdrücklich, sie wären, dem von Iiinina^) ähnlich, in den griechischen Kalkformationcn hausig anzutreffen. Man pflegt sie wegen ihrer wagcrechten Oberfläche und ihrrs Alluvialbodcns als ehemalige-Seebeckcn zu betrachten, um so mehr, als noch jetzt eine nicht unbedeutende Anzahl derselben Ansammlungen von sü< ßem Wasser enthält. Allgemeiner ist dieser Gegenstand in dem er-« stcn Berichte von Boue^) behandelt worden, der inderBcckenbildung «einen hervorstechenden Characterzug der türkischen Orographie erblickt.« Allein ich glaube, daß cs dazu dient, die Eigenthümlichkeiten der einzelnen rumrlischcn Gcbirgssysteme in ihr gegenseitiges Verhältniß zu stellen, wenn man die hierher gehörigen Er- *) ^»otllikln 6r a. a. O. Vd, 2, S. 29. Scardus und Pindus. l3l fchcinungcu genauer characterisirt und von einander gesondert darstellt. Theils durch das Architektonische ihres Baus, durch das Nivcauverhältniß zu den sie umgebenden Ketten weichen die vier dargestellten Rmgbccken von ähnlichen Thalbildungen Numcliens ab, theils besonders durch den Umstand, daß ein identisches Gebirge sie von allen Seiten einschließt. Eine vergleichende Uebersicht dieser für die natürlichen Hülfsquellcn des Landes so wichtigen Naturformen verfolgt zugleich den Zweck, den allmählig vorbereiteten Hauvtumnß Rumeliens ncch dessen Niveauverhältnissen zu vervollständigen. Gehen wir von dem Stromgebiete der Donau aus, so treffen wir hier zunächst drei Hauptgliedcrungen des Landes: Bosnien, Serbien, Bulgarien, südlich begrenzt durch den Bertiscus, durch den Hügelrücken, der den weißen Drin und den Barbar von den Zuflüssen der Morava trennt, und durch den Scomius und Aemus. Bosnien und die Herzegowina gehören zu den am wenigsten bekannten Landschaften der Türkei: allein die kurze Nachricht, wclche Voue *) vorlausig darüber mitgetheilt hat, gewährt eine einfache Naturanschauung des Ganzen und stellt dessen Eigenthümlichkeit in charakteristischen Zügen auf folgende Weise dar. »Bosnien ist ein ungeheueres Uebcrgangs-Plateau, das, gegen Albanien eine Kalksteinmauer von 6—?U«0' Höhe bildet und gegen Norden schief geneigt ist. Vier bis fünf Stunden muß man steigen, bis man auf jenen hohen, ausgedehnten Ebenen anlangt. Auch gegen die Herzegowina stehen hochmächtige Gebirge und gegen Osten, wo das Plateau gleichfalls sehr hoch bleibt, verbindet es sich nur mit den bis 50U0' hohen Gebirgs-zkgen des südlichen Serbien. Die bosnischen Gebirge laufen ungefähr von Nordwesten nach Südosten und das gegen die Sau geneigte Plateau wird außerdem durch Spalten von Süden nach Norden durchfurcht, welche die Betten der Haufttfiüsse sind. Nur mtttelst zwei hoher Gebirgspässe oberhalb Novibazar und Ipck sicht das bosnische Plateau mit der Türkei in Verbindung, so wie noch höhere und gefährlichere Passe nach Su.tari führen. *) Bou<1> a. a, O. Vd. 3. S, 53. 9 * 132 Dreizehntes Capitel. Tannen^ Fichten und Birken bedecken die Gebirgsrücken dieser türkischen Schweiz, wo der Mais und Weinstock erst an den Abhängen des Sauthals wiederkehrt.« An dieses alpine Hochland schließt sich im Osten das waldige Serbien mit seinen Mittelgebirgen und weiten, langgestreckten Alluvialthalern. Von dem Sturaz, dem höchsten Puncte in dem HauptgebirgZknoten des innern Landes, erblickt man*) nach Westen die bosnischen Hochgebirge, nach Osten die serbischen Carpaten, die dieses Land von der bulgarisch-wallachischen Ebene trennen, man sieht im Norden die Hügclreihe von Syrmicn und nach Süden, wie es scheint, bis zum Vcrtiscus vcn Novibazar. Die Erhebung des Sturaz beträgt ^) nur 3000'. Hieraus er-gicbt sich, daß der größte Theil von Serbien dem Flach- und Hügellande angehört, und die Wcrge bestehen auch meistenthcils aus tertiären Formationen "*). Man kann die tief einschneidenden Flußthäler als Fortsetzungen der großen ungarischen Tiefebene betrachten. So liegt eins der größten, die am Vereini-gungspuncte der beiden Morava's ausgebreitete Ebene von Kru-schewacz, nur etwa 360' über dem Meere -f). Indessen wissen wir, daß die Gebirgszüge, welche die Grenze des Fürsienthums gegen das türkisch gebliebene Serbien bilden und, eingeschlosl sen von den Zuflüssen der Morava, sich zum Kopaunik erheben, cinc alpine Höhe erreichen. So wie sie jedoch durch diese Fluß-thälcr von den übrigen rumelischcn Hochgebirgen getrennt werden, so können auch die Niederungen und Mulden, die sie umgeben, nicht mit den Ringbeckcn des Pindus verglichen werden. Ich habe einen Theil derselben vom Ljubatrin aus in weite Fernen mit dem Auge verfolgen können. Eine der größten von diesen Mulden ist d«s Amselfeld, »die ovale Ebene von Pristina, die 3 Stunden breit und 6—10 Stunden lang ist« j-j). Sie wird ^) Nach v, Pivch'n Berichte (s. dessm Reise in Serbien). "^) Nach v. Fncdrichschal's Messung: »ungefähr 3U18'.« *") N«ül> a. a. O. Vd. 2. G. 44. -!') Nach v. Fnedrichsthal's approximativer Bestimmung. -55) Bolw a. a. O. Bd. 2. S. 3N. Scardus und Pindus. l33 ^N sehr verschiedenartigen Wergzügm eingeschlossen, nördlich von jenen serbischen Gebirgen, südlich vom Ljubatrin und den Hügcl-leihen von Priödren und Ueskucb. Aehnliche Beziehungen finden in den übrigen serbischen Flußbecken statt. Die dritte Hauptgliederung des Donauabhangs von Rume-lien ist die bulgarische Ebene, die wir auf dem Wege nach Con-stantinopel durchschifften. Sie wird gegen Serbien durch jene Fortsetzung der banatischen Carpaten geschlossen, welche die Donau in ihren Engpässen schneidet. Diese reichen in ihrer Richtung nach Süden und Südostcn bis zum Necken von Sophia, aber die Kette scheint südlich von der Donau nirgends zu einer alpinen Höhe anzusteigen, da sie »nördlich von Nissa dicht mit Eichen bewaldet ist« *) Die bulgarisch-wallachische Ebene, im Norden von den Carpaten, im Süden vom Balkan begrenzt, ist tertiär und wird gegen das schwarze Meer gleichfalls durch tertiäre HölMzügc ") begrenzt. Eher könnten die beckmförmigcn Verzweigungen dieses großen Tieflandes gegen Süden mit unsern Nmglxcken verglichen werden, in sofern sie dem Systeme des Balkan angehören. Allein der Character dieses Gebirges ist von dem dcs Pindus und Scardus höchst verschieden. Es besteht aus mehren parallclm, von Wrst »ach Ost gerichteten Bergreihen, die sich von 2UW' bis zu 4000' erheben und, durch Querspalten unterbrochen, Längsthäler einschließen "*). Erst am Westende des Balkans liegt das eigenthümliche Beckcn von Sophia, dessen Höhe Boue zu 1348' bestimmte, das jedoch auch nur von Mittelgebirgen eingeschlossen zu werden scheint, nämlich von jenen serbisch-bulgarischen Earpaten, vom Scomius und dessen Verzweigungen zum Aemus. Das südöstliche Numelien, zu dem wir uns jctzt wenden, begreift zwei große Naturverhaltnisse: das Stromgebiet der Ma-Ntza und das Gebirgsland von Ostmacedonien. Wir haben schon früher gesehen, wie das »große tertiäre Becken von Adriane *) Daselbst Bd. 2. S. 29. ") Daselbst Nd. 3. S. 5l. *") Daselbst Bd. 3. S. 3U. lZ4 Dreizehntes Capitel. pel« *) nicht durch Gebirgsspalten, fondern am Ostfuße dcr Nho-dope die Maritza zum aegacischcn Meere entläßt. Gegen den Pontus und die Marmora wird es durch Hügelland geschloffen; auch gehört es nicht einem einzigen Bergsysteme an, sondern ist zwischen Acmus und Rhodope eingekeilt. Der Ollxlus hingegen mit den östlichen Zuflüssen des Var-dar und den Flußgebieten des Strymon und Mestus enthält sowohl in seinem äußern Umkreise, als in seinem Innern eine größere Reihe von Mulden und Thalweilungen. Allein die erster«, z. B. die von Kostcndil, Dubnitscha und Nadomir, die Ebene von Mustapha und bei Uesküeb, die Deltasiächen des Vardar und des Mestus, stellen theils tief gelegene Lücken zwischen dem Systeme des Ordelus und andern Gebirgen dar, theils trennen sie dasselbe vom Meere. Die übrigen sind zu wenig bekannt, um sie mit den Ringbccken dcs Pindus vergleichen zu können. Doch haben die ThUweitungen dcs Strymon innerhalb des Orbelus, z. B. die von Mclenik und Scrcs, schon das Eigenthümliche, daß sie nicht, wie jene, Quellengebicte, sondern Durchgangspuncte des Flusses sind. Es bleibt uns nun noch übrig, die westliche und südliche Abdachung Rumeliens, d. h. die übrigen Gliederungen des Pindus und Scardus, mit dessen östlichen Ningbeckcn zu vergleichen. Daß die beiden Abhänge der ccntralen Pinduskclte cincn verschie« denen Naturtypus darstellen, läßt sich schon aus einer Bemerkung Le^tVZ folgern, indem er im Allgem linen ausspricht "), daß das östlich vom Pindus gelegene Land wegen »seiner tiefen reichen Dammerde« weniger Negen bedürfe, als der »leichte, steinige, kalkige Boden dcs größten Theils von Albanien,« so wie auch Pouqucville das ganze westliche Epirus als eine einzige, ungeheure Kalkmasse darstellt ^"), wahrend in Macedonien und Thessalien die Schiefergebirge vorwalten. *) Dasclbst Nd. 2. N. 51, **) JSortheru Greece 4. jj. 223. imb I. p. 307. *♦*) Voyage en dice 2. Uebersicht »on 2Clfanicn : »tonic !* l>8i*(ie occidentale de l'Epire pom ^tre consideree conimo une masse Cfllcaire.« Scardus und Pindus. ^^ Ganz Albanien stellt sich Pouqueville als aus Mm Haupt-feitenthälern des Pindus gebildet vor: allein diese Ansicht scheint sich mehr auf die Wasserscheiden zu gründen, als sie die Eigenthümlichkeit des merkwürdigen Landes mit einiger Genauigkeit darstellte. Wir kennen bereits die Alpenmasse des nördlichsten Gebiets und jene dichten Anhäufungen von Mittelgebirgen, welche, von den Alten Candavia genannt, nördlich von Elbassän und Ochridha den Naum zwischen dem Bcrtiscus und Scardus ausfüllen und von jenem durch den vereinigten Drin, von diesem durch die Dibren oder das Thal des schwarzen Drin getrennt werden. Aus der tiefen Lage *) des letztern, aus seinem langgestreckten Laufe am Fuße tes Ecardus geht es schon hervor, daß dieses Gebirge hier nach Westen keine alpine Neoenketten besitzt, daß daher diese Seite mit ihren kurzen, in dm schwarzen und weißen Drin mündenden Querthalern ganz verschieden von der macedonischen gebaut sei. Allein auch in diesen Landschaften giebt es am äußern Saume des Mittclgcbirgs einige ausgezeichnete Becken und Tieflandsbildungen. Das wichtigste ist die weite Ebene des weißen Drin zwischen Ipek und Prisdrc'n, die von den östlichen Ringbccken sich dadurch unterscheidet, daß sie, vom Bcrtiscus, Ducajin, Scardns und von der Hügclrcihe zwischen Ipck und Pristina eingeschlossen, nicht einem einzelnen Ge-birgssysteme angehört. Aus dieser Ebene ergießt sich der weiße Drin in ein enges Thal, das, zwischen dem Scardus und Du-cajm gelegen, als eine Fortsetzung des Dibrelhals gelten kann, mtt dem es an dem Vcreinigmigspuncte beider Ströme zusammenfließt. Der vereinigte Drin findet sodann einen Weg zuerst durch Gcbirgsspaltm des Ducajm's, dann zwischen diesem und dem Bertiöcus, und erreicht zuletzt cins jener Vorlandsbcckcu"), *) Nach Barletius ist der Lantcn der Dibrcn flach, erfüllt von aus^e-Mchneten Weiden, und hat Überfluß an Mrden. an Nich, Getobe und Fruchten allcr Art. Diese Angabe fmde ich bei PouqueMe c,r.^ül,ri. *') UrqulMt, der diese Gegenden längs der Küste von Vcrat bis Scü-tan berede, sagt: «die Ew,m nördlich von Berat bilde;. Necken, die vo« luedngm ^onbiMl.' begrenzt ^erdcn.« Auch rnttrschcidct cr die dichö !36 Dreizehntes Capitel. die längs der adriatischcn Küste im Süden von Sci'ttari in das candavische Gcbirgsland eingreifen und der Reihe nach die Mündungsgebiete der Nojana, des Drin, des Matis, des Scumbi und anderer Küstenfiüsse bis zum Veratimi begreifen. Der größte Theil von Oberalbanien zwischen Drin und Beratin«» aber wird von dem Mittelgebirge des Ducajin und von dem »Urgtbirge des Elbassän« *) ausgefüllt und, sollte sich das letztere auch zu alpinen Gipfeln erheben, so würde es doch wegen des Dibrethals von dem Systeme des Scardus wahrscheinlich getrennt werden müssen. Südlich vom Elbassän ist das Thal des Devol und Bera-tinü als eigentliche Naturgrcnze zu betrachten. So wie der Lauf des obern Dcvol den Scardus vom Pindus trennt, so scheidet er, ehe er in den Beratin«! mündet, das obcralbanische Gebirge vom Tomoros. Wald aber tritt auch die Verschiedenheit zwischen der Centralkette des Scardns und Pindus hervor, daß nämlich jener ohne westliche Nebenketten sich kühn aus dem Dibrrthale erhebt, dieser hingegen mit seinen westlichen Verzweigungen über Mitteb und Süd-Albanien sich ausdehnt. Wenn die Höhe, zu der die Spitzen des ElbaMn ansteigen, bis jetzt ungewiß bleibt, so wissen wir dagegen vom Tomoros mit Bestimmtheit, daß er ein alpines Gebirge ist. Vom südlichen Scardus habe ich zu seinen kühnen Gipfeln hinübergeblickt. Pouqueville spricht **) yoii schneebedeckten Kämmen und Eismassen im Gegensatze zu den bewaldeten Abhängen: aber viel genauer sind die Nachrichten Leake's "*). Der Tomoros ist ein kreisförmig gestaltetes Massengebirge, nur etwa 5 g. Meilen lang und breit, aber mit erhabenen Gipfeln, an denen vom Iunius bis zum September Sennwirthschaft getrieben wird. Dieses Gebirge wird genau von den beiden Flüssen Dcvol und Uzumi umkreist, Land durchstreifenden Kalksteilikettcn vcm dcr »Mitttlreihe des Pindus» <1'l>o Li'ilil ut lke ku-i«, 2. p. 217.). ■*) S3oue a. a. £). SSb. 3. id)tige öteue lautet: The plain of Korytea i» about 20 miles long and from b to 10 w.de, terminated at either end by hills of no great «•eight, oi which those »o the northward furnish an easy passage ;iil° the «real wIlpy «f Akridha, which ig occupied in great part by the lake anciently named Lychnidus etc 138 - Dreizehntes Capitel. schen Kette gegenüber bei Mezzovo ab und durchläuft Albanien als mittelhohe Kette in nordwestlicher Richtung, indem sie das obere und mittlere Thal der Viosa südlich begrenzt. Dieser Fluß nämlich entspringt bei Mczzovo im Grunde eines Längschals des Pindus, welches theils durch die hier nach Südost gebogene Ccn-tralkette, theils durch ieneNebenkctte gebildet wird. Die Schluchten am Ausgange dieses Thals unterhalb Conidscha *) scheiden den obern Lauf der Viosa von dem mittlern, der bis Clissura reicht, wo dcr Fluß noch einmal durch Engpasse **) sich hindurchwinden muß. Die Thalsohle der mittlern Viosa wird durch Bcrgzüge begrenzt, denen der alpine Character fremd ist. Jene Seitenkette des Pindus, die unmittelbar und steil vom südlichen Ufer des Flusses sich erhebt, führt hier den Namen Ncmertschica und wird von Leake nur auf 2—3000' geschätzt "*). Bei Clis-sura wird sie selbst von der Viosa durchschnitten und verflacht sich darauf am rechten Ufer dieses Flusses gegen das adriatische Meer. Dcr untere Lauf desselben, den man auch von der Thalsohle des südlichen Nebenflusses Dryno rechnen kann, wird schon von den acroceraunischen Bergen berührt, bis er die Vorlandsebene am Meere erreicht. Diese ist die größte Ebenes) von Albanien, die sich längs der Küste von der Mündung des Scumbi bis Avlona erstreckt und sowohl durch den Beratinu, als durch die Viosa bewässert wird. Wahrscheinlich umsäumt sie auch da, wo sie gegen den Tomoros am tiefsten in das Land cinschncidct, jene merkwürdige Karstkreideformation, die ich von der Mündung des Drin bis Dalmatien verfolgt habe, die sich abcr nach neuern Nachrichten von der adriatischcn und Mischen Küste über das ganze südliche Albanien, den Pindus selbst und durch den größten Theil *) Diese Schluchten liegen, ohne daß dics auf Leake's Charte ausgedrückt wäre, nach dem Zeugnisse Pouqueville's bei Avoritschiani. Hier wcrde das Niosathal so «ng, daß her Fluß dasselbe ganz ausfülle (Vo^axe ^" 6s«ce 1. p. 2U0.). ") Daftlbst p. 222. ***) Northern Greece 1. y>. 394. f) «Des plaines »pacieiises et smiles« (tmtef&atb 33evat). T^-qucville Voyage en simcc 1. p, 311. Scardus und Pmdus. l39 von Griechenland mit den bekannten gleichartigen Bodenverhältnissen verbreitet. Hierzu gehurt nun auch das große, wilde, acroceraunische Küstengcbirge, welches südlich von Avlvna das ganze südwestliche Albanien ausfüllt und die ungastlichen Gestade des Landes von dieser Seite abschließt. Die zerrissenen Kalkmassen dieser weit-läuftigen Berglandschaften mit ihren tief eingeschnittenen Thälern und Schluchten tragen auf ihren höchsten Gipfeln Conifcrenwäldcr und erheben sich nach einer Schätzung Pouqueville's bis zu 4200' ^). Die verwickelten Höhenvcrhältnisse dieses Theils von Albanien sind übrigens zu wenig studirt, um eine klare Einsicht in die Ausbreitung der acroceraunischen Gebirgsformen gegen das Innere des Landes zu gewäbren. Am einfachsten laßt sich der Raum, der hier einer spätern Forschung bedürftig ist, übersehen, wenn man annimmt, daß dieses System durch den Dryno, das Wecken von Iünina und das Thal der Arta gegen den Verzweigungen des Piudus begrenzt werde. Mit dieser Hypothese steht es in Uebereinstimmung, daß die von dieser Linie umschlossenen Küstenflüsse, im Gegensatze zu dem Flußgebiete dcr Viosa und zu der südwärts strömenden Atta, eine analoge, südwestliche Richtung, in rechtwinklig auf die acroceraunische Gcbirgsaxe gestellten Querthalern ausgedrückt, behaupten. Auch ist wenigstens so viel gewiß, daß alle außerhalb dieser Linie gelegenen Bergzüge dem Pindus angehören. Wir wenden uns nun zu diesen, mdcm wir auf den Punct zurückkehren, wo die Nemcrtschica sich von der Centralkette ablöste. *) Vc^gß« «n 6i^ce I. p. 48. Bei dcr bekannte,, Unzuverlassigkeit Peuqueoille's und bei scinem Mangel an eindringlicher Erlcnntinß physischer «erhaltnissc bemerke ich übrigens, daß ich nur einige seiner speciellen Beob-aH ungcn, nicht aber seine allgemeinere Darstellung habe benutzen können. u ) dle hier angeführte Höhenschätzung der acroceraumschen Gebirge paßt wahrschewl.ch m.r auf den südlichen Theil derselben. Höher scheme« sie in der Nachbarschaft des Niosathals anzusteigen. Denn hier liegt zwischen Te-pellenl und Avlona der graue Berg, Grioa im Albanischen, der nach ?eal'c ttnm Namen davon hat, daß er fast das ganze Jahr mit Schnee bedcctt ist lNoxl.ei-n Ki-Oßso I, ,». 32,). Il0 Dreizehntes Capitel. Hier, wo die Hochgebirgslandschaft von Zagori liegt, befindet sich einer der wichtigsten Gebirgsknoten des Landes. Denn so wie daselbst an der Ostseite des Pindus die Salamvria und ein Nebenfluß der Vistritza ihre Quellen haben und dazwischen die Cambunische Kette beginnt, so entspringen an dem Wcstab-hange außer der Viosa auch noch die Arta und der Aspropotamo in derselben Gegend: dem südrumelischcn Gotthard, der sein Gewässer in fünf Stromgebiete abscheidet. Da zwei in entgegengesetzter Richtung zur Viosa und Arta abfließende Bäche M einem Thale sich fast berühren, welches, südlich von der obern Viosa, von der ersten Hauptseitcnkette und von dem aus dem See von I«nina fast senkrecht und 2500' hoch über das Thal emporsteigenden Mitschikeli gebildet wird, so wird dieser letztere Berg dadurch von der Centralkette ganz abgesondert. Der Mitschikeli bildet daher eine einzelne Gcbirgsgruppe zwischen den Gebieten der Viosa und Arta und zwischen dem Becken von Iinina, das andererseits von den Vorbcrgen desAcroccraunischen Systems eingeschlossen wird. Dieses ebene Becken, 8 Stunden lang und im Durchschnitt 2 Stunden breit *), gehört zu denjenigen, die, rings von Höhen umschlossen, ihr Wasser nur durch Latavothren abfließen lassen, oder es durch Verdunstung verlieren: seine Structur stimmt daher im Wesentlichen mit den Seebassins von Qstrovo und Castoria im Canalvischen Gebirge, nicht aber mit den größern Ringbccken übercin. Zwischen den Thälern der Arta und des Aspropotamo verläuft die zweite Hauptscitenkette des Pindus, die gleich der ersten in der Nähe von Mczzovo sich an den Gebirgsknoten anschließt. Ihre Richtung ist aber von allen bisher betrachteten verschieden, indem sie in weiter Erstreckung der Centralkctte parallel verläuft und dadurch den Stromlauf des Aspropotamo in einem gegen 20 g. Meilen langen Langsthale bedingt. Stellen wir dieses mit der großen Thalbildung am Wl'sifuße des Ccardus zusammen, so erhalten wir eine allgemeine Idee über den Gegensatz *) I^eake IVonli^s,, (^reece 4. p. l3l. Daselbst auch die angefühlte Schätzung der Höhe des Mitschikeli über Iiniina. Scardus und PinduS. l4l beider Abhänge der Centralkette, so daß dieselbe gegcn Macedo« nien und Thessalien weite Becken und ringförmige Nebenketten besitzt, gegen Albanien hingegen mit ihrem Fuße ausgedehnte Längsthäler berührt. Es bleibt uns noch übrig, Einiges über die südliche Gliede« rung des Pindus zu bemerken, wo derselbe gleichfalls zur Bildung verschiedener Kesscl und Mulden Anlaß giebt. Indem sich die Hauptkctte hier zu einer Neihe von strahlenförmig geordneten Nebenketten auflöst, werden dadurch Thäler und Wecken gebildet, in denen die alte griechische Cultur sich nach ihren Stammen und Dialccten von einander sonderte. Unter diesen um den Klytzos, die Südspitze der Centralkette, geordneten Gebirgen ist von Osten nach Westen die erste Hauptkette die schon erwähnte Südscheide des thejsalischen Beckens, die sich gegen Osten zum Othrys erstreckt. Dieser läuft eine zweite ziemlich parallel über den Oeta zum Cnemis und begrenzt dadurch das Thal des Elladha und den Golf von Zeitun. Hierzu gehört das Litoral der Thermopylen und der abgesonderte Theil des Gebiets von Locris. Mit der Othryskette sehen wir demnach die Reihe der Ringbccken geschlossen. Die dritte östliche Kette Livadicns verbindet den Pindus mit dem Parnaß und verfolgt sodann über den Heiicon und Kithaeron die Richtung gegen Attica. Sie intcrcssirt uns am meisten, weil hier eine Kesseldildung wiederkehrt. Zunächst bildet sie mit der vorigen das Thal des Kephissos, die Landschaften Doris und Phocis. Dieses Thal aber wird östlich durch Engpasse, durch die Schluchten von Chaeronea, geschlossm *), die der Kephissos durchströmt, um in den See Copais zu gelangen. Hierauf folgen die beiden Kessel von Boeotien. Der nordwestliche mit dem See Copais und der einstigen Stadt Orchomenos wird durch die an der Küste sich wiederum vereinenden Glieder der Cnemis-und Parnaß-Kette ganz bis auf Catavothren geschlossen und wiederholt daher den Typus von I^nina. Aehnlich verhält sich der südöstliche Kessel unweit Theben, der den geringen See Likans einschließt. *) Leake Northern Greece 2. p, 158. 142 .Dreizehntes Capitel. Südwärts folgen die Thalebencn von Plataea, deren Flußbetten die Glieder der Parnaßkette zu beiden Seiten gegen dm Golf von Corinth und gegen den Canal von Euboea durchschneiden *). Der südliche Schlußstein dieser Thäler ist der Kithaeron, der als Hauptfortsetzung des Parnaß mit dem Parnes die Scheidewand gegen Attica bildet. Attica endlich und Megan's stellen eine bergige Landschaft mit einzelnen Tiefflächen am Meere dar, die größtentheils mit immergrünen Sträuchern bewachsen ist ^). Die westlichen Aufiösungsglieder des Pindus bestimmen endlich durch das Flußgebiet des Phivaro und den untern Stromlauf des Aspropotamo die Landschaften Actolien und Acarnanien und sondern das Küstenland von Locris ab. Hier finden wir regelmäßigere Ketten- und Thal-Bildung, oder Hügelland und Seeebenen, aber keine Andeutung von Ringbecken in dem engern Sinne, den wir damit verbunden haben. Nachdem wir nunmehr in ganz Numelien uns vergeblich nach einer Wiederholung dieses eigenthümlichen Naturtypus umgeblickt haben, so überlassen wir Andern die Beantwortung der Frage, ob dieses Verhältniß sich an allgemeinere geologische Ursachen anschließen möge. Wir wiederholen noch einmal das Charakteristische solcher Ningbecken in dem einfachsten Ausdrucke, daß eine kreisförmige Urgebirgskette die eingeschlossene wagerechte Alluvial-Ebene um das Vier- bis Sechsfache nach allen Seilen an Höhe übertreffe, und wir gestehen, daß wir uns vergebens bemüht haben , solche Thalbildungen in andern Gebirgen wiederzufinden. Denn wo ist das Plateau, das ein solches Niveauverhaltniß zu seinen Randgebirgen darböte? Die Hochebene von Südbaiern (über 1500') müßte von einer 9000' hohen Gebirgskette eingeschloffen sein: um von den so viel höher gelegenen Plateaus Asien's und America's nicht zu reden, deren Randketten das eingeschlossene Niveau selten um mehr als das Dreifache übersteigen. Niedrigere Hochebenen" aber, wie die von Böhmen, die dem an- ') Daselbst p. 228. ") Daselbst P. 3»?. Scardus und Pindus. 143 Mcbenen Niveauverhältnisse näher kommen, entbehren größten-theils des alpinen Characters, indem ihre Gebirge selten über die Baumgrenze sich erbeben, wie dies, abgesehen von einzelnen Senkungen und Einschnitten , durchaus im Scardus und Pindus der Fall ist. Unwillkühllich erinnert die Gestalt dieser ringförmigen Hochgebirgsketten an die Structur der Mondberge, und bekanntlich hat man schon einige Versuche gemacht, ahnliche Bildungen auf unserm Planeten nachzuweisen. Vierzehntes Gaftitel. Besteigung des Nidg«'. Oberes Thal der Voda. Paß zum Kessel von Ostrouo. Das Carijöl und dessen See. Ostrovo. Eichenregion des Nidczä. Geognostisches Profil. Buchenregion. Alpine Vegetation des Nidg6. Aussicht von einem der Gipfel. Uebergang über den Nidgepaß in das Ningbeckcn von Bitolia. Cruscherat. Ankunft in Bitülia. 3lach einem sehr herzlichen Abschiede von dem Bischöfe, der wir versicherte, er werde mich den ganzen folgenden Tag mit seinem Fernrohre auf dcm Gipfel des Nidge aufsuchen, ritt ich um 2" Nachmittags aus 356dena fort, in der Hoffnung, das Städtchen Ostrovo vor einbrechender Dunkelheit zu erreichen. Ein niedriger Paß der Vermischen Kette muß auf diesem 5 t. Stunden langen Wege überstiegen werden, um aus dem Delta dcs Vardar in den eingeschlossenen Kessel von Ostrovo zu gelangen. Das obere Querlhal der Voda steht beinahe rechtwinklig auf der Gebirgsare und führt daher zunächst in westlicher Richtung dcm Passe entgegen. Ueber den Grat, der das Thal schließt, ragt der Gipfel des Nidge frei empor und bleibt von 35-idena aus eine Zeit lang beständig sichtbar: denn mag der Thalweg auch schlangelnd sich bewegen, so kehrt er doch immcr in die gegen den Nidge gewendete Richtung wieder zurück. Rechts und links lvird derselbe von Macedonia. l45 ben Gebüsch tragenden oder bewaldeten, niedrigen Nebenkctten eng eingeschlossen. Cobald ich in dem ehemaligen Flußbette zu der Höhe der zweiten Thalstufe hinaufgestiegen war, erblickte ich den obern Wafscrfall der Voda dicht vor mir. Er ist gegen 5U' hoch, aber wasserreicher, als die so zahlreich gespaltenen Cascadcn von V»>-dena. Ich hatte die obere Felswand zu untersuchen keine Gelegenheit, allein Bouc, der die Tussbildung dieses Thals bereits beschrieben hat *), bemerkt, daß der Travertino, womit dasselbe incrustirt sei, sich von Audena bis nach Tiavo erstrecke. Hierdurch wird es wahrscheinlich, daß die obere Thalstufc, welche den See von Tiavo einschließt, die früher als die zweite Epoche der Geschichte des Thals bezeichnete Gestaltung in gewisser Beziehung noch gegenwärtig darstellt. Wir nahmen an, daß der See von Vudena sich durch die untern Wasserfalle einen Abfluß eröffnete. Hier finden wir noch jetzt einen bereits großentheils mit Röhricht ") überwachsenen See und weiter abwärts im Thale die Wasserfalle. Wird jener See einstmals ganz ausgefüllt sein, so wiederholt die obere Thalstuse genau die Verhaltnisse der untern, und nur der Travertino bleibt als Denkmal dieser physischen Vorgange übrig. Wie sehr die Kalkformationen dcs Pindus solche historische Aenderungen der Oberflache in den Thalwegen begünstigen, dafür gewährt besonders der See von Iänina ein denkwürdiges Zeugniß, der von den alten Schriftstellern niemals erwähnt wird und jetzt, bei einer Tiefe von wenigstens 3, — Tiäcl)ft bissen am fcaufiflften: Ostrya carpinii'olia Scop. Comus sangui-lu-aL. Buxus sempervirens L. ©tcttennxife flcfeUig: Acer monspessula-num L. Corylus Colurna L. Cercia siliquastrum L. 3et(lveut: Fra-xinus Ornus L. Paliurus aculeatus Lam. Ei« tianen stnbi Clematis M.immula L. Vilia vinil'era h. Periploca ^iaeta L. Sic blfl(;entm 10* 118 Vierzehntes Capitel. Strauch-Art in zwei Gruppen getdeilt, von denen jene wahrscheinlich ursprünglich angepflanzt, aber häufig verbreitet ist: der Wallnußbaum, der sich allein aus der dichten, üppig wuchernden Gesträuchdecke erhebt. Die andere, durch ihr geselliges Wachsthum characterisncnde Art ist jene Eiche mit behaartem, im Winter abfallendem Laube (Bd. 1. S. 172.), die in einem gro-. ßen Theile des östlichen Rumelien eine kleine Mittelregion zwischen der Küstenflora und den Gebirgswaldungen bildet, namentlich in Thracien und den beiden nördlichen Ningbecken des Scar-dus verbreitet. Die übrigen außer den genannten mit dieser Eiche im Thale der Voda vorkommenden Gestrauche sind Hopfenbuchen, Christdorn, Colurnanüsse und Corneelkirschen. Sie wer« den überall von Lianen durchrankt, unter denen die seltne, merkwürdige Periploca auszuzeichnen ist, deren saftgrüne Springen-blätter ganz eigen gegen die gelbgrünen Blüthen abstechen, von denen jedes Blumenblatt innen mit zwei schwarzbraunen Bändern gezeichnet ist. Einige eigenthümliche Krauter wachsen an den Kalkfelsen, eine gemeine Salveiart bedeckt die Raine längs der Thalsohle. Eine solche Vegetation verbreitet sich an den Thalgrhangcn zwei Stunden Wegs von Vodena. Hier beginnt der Wald, die zweite und letzte Region auf dem Wege nach Ostrovo: denn derselbe erstreckt sich, von Wiesen und Feldern unterbrochen, bis zur Höhe des Passes, die ich, auf die Messung von Dstrovo mich stützend, ungefähr auf 1700^ schätze. Hiernach würde ferner die Grenze beider Regionen mit einer beilausigen Erhebung von 1300^ zusammenfallen. In dem Hochwalde der Vermischen Kette wachsen hier Haupt-sächlich zwei Laubholzarten, die sich zu einem schmalen, untern, und einem obern Gürtel von einander absondern. Der untere besteht aus Silberlinden *), einem vortrefflichen, hochstämmigen, .Kräuter: Haplophyllum patavinum Juss. Erysimum cuspidatum DC Saponaria glutinosa MB. Salvia verticiljata L. 5) 1'ilia ar^entea vezf. Bisher ist dieser Baum in einigen südlich vom Plattensee gelegenen Conntatcn, in Slavonien und Croatien, sodann im Macedonien. !49 durch die Fülle der Aeste und das großblättrige Laub ausgezeichneten Walddaume, dessen Verbreitung so eigenthümlich auf eine enge Zone vom Plattenfee in Ungarn bis hierher eingeschränkt ist und der selbst in dcn griechischen Gebirgen nicht gefunden wurde. Diese Linde gleicht im Wüchse und in der Blattform den gewöhnlichen Arten, von denen sie durch die weiße Silbcrfarbe der untern Blattfiäche leicht zu unterscheiden ist. Sie erscheint besonders charakteristisch für die Flora des westlichen Maccdonien, weil sie nur in einer sehr bestimmten und schmalen Gebirgsregion vorkommt und daselbst unvermischte Waldungen bildet. Sie nimmt nämlich stets den Raum zwischen dcn strauchartigen Eichen mit abfallendem Laube und dem Hochwaldgürtel ein, der wiederum zunächst andere Eichcnarten enthält. So bildet sie an den etwa 12—1500^ hoch zu schätzenden Abhängen der Vermischen, wie der Vabuna-Kette, das unterste Glied der mitteleuropäischen, der Laubwald-Region, welche abwärts die so eben characterisirte thracisch - macedonische Uebcrgangsregion berührt. Auch der prächtige Eichenwald, der auf die Linden folgt, macht uns mit neuen, bisher nicht angetroffenen Formen der macedonischcn Flora bekannt. Er besteht fast durchaus aus Ccr-ris-Eichen *), die zwar ein weicheres Holz liefern, aber in ihrem Wuchs den nordischen Eichen nicht nachstehen. Auch das Laub, das sie im Winter verlieren, gleicht dem der letztem, von denen sie leicht durch die rückwärts gekrümmten Schuppen, die den kleinen Becher am Grunde der Eichel bedecken, unterschieden werden können. Eine noch schönere, ganz eigenthümliche Blattgestalt gehört einer andern Eiche an, die in diesem Walde einzeln unter den erstem vorkommt. Dies ist die berühmte griechi-lche Velani-Eiche "), deren Früchte die aller andern Arten an Banat und in Siebenbürgen gefunden. Eine Abart in der Sammlung des Herrn v. Friedrichsthal rührt vom Berge Avala in Serbien her. Wahrscheinlich ist die Hauptverbrcitung dieser Linde in Rumelien, wiewohl ich sie weder ostwärts °°m Vardar. noch westlich von der Centralkettc angetroffen habe. *) Quercus Cerris L. (Clus. hist. 1. p. 20. fig. 1). **) Qu. Aegilops L. (Oliv. Yoy. 1. t. 13). 15l) Vierzehntes Capitel. Größe weit übertreffen und bekanntlich wegen ihrer Anwendung in dcr Färberei einen nicht unbedeutenden Handelsartikel ausmachen. Von denen, die die Früchte diesör seltenen, auf die östliche Halbinsel und Klein-Asien eingeschränkten Eiche nicht gesehen haben, wird sie oft mit den vielsormigen Abarten der vorigen verwechselt, allein auch die Gestalt dcr Blätter ist ganz verschieden und hat eine größere Achnlichkcit mit der ächten Castanie, als mit jener. Zusammenhangende Wälder bildet sie in Maccdo-nien und Nordalbanien, so viel ich beobachtet habe, nicht. Außer diesen beiden Eichen kommen in dem Hochwalde auch Ulmen *) vor und eigenthümliche Schattenpflanzen gedeihen unter dem hohen Laubdache. Je großer der Raum wird, den die Thalsohle und deren Verzweigungen einnehmen, desto mehr dehnen die Wiesen und Felder zwischen den bewaldeten Bcrgabhangen sich aus. Die Felder waren hier mit Hafer ") bestellt, aber die Niesencultur waltet bedeutend vor. Man war eben mit dcr Heucrndte beschäftigt, also gerade in derselben Iahrszcit, wie in Nurddeulsch-land, was auch den climatischen Character dieser Bergngion be-zeichntt. So blieben die Gewächse dieser Wiesen nur unbekannt und nur einige Labiaten, die, von der Sense verschont, längs des Weges blühten, geben eine Vorstellung davon *"). In der Nahe dcs Wachtpostens scheint es, als ob cin niedriger Bergrücken von Süden quer in das Thal eingeschoben sei, hinter dem dieses sich nordwärts den Blicken entzieht. In der Folge aber zeigt es sich, daß diese Höhe das Gcdirgsjoch selbst ist, das sich hier so tief zwischen den beiden alpinen Gipfeln des Turla und Nidge einsenkt. Man läßt das Thal zur Rechten und reitet die Höhe sehr allmählig (5^ ^6^) hinan. Die Beziehung derselben zur Hauptkette des Gebirgs verräth sich durch die gco- •) Utuiufe cumpestris L. — Sal via nuians h. Liuum decolora-tura nov. s|j. + *) Avei>a saliva L. *♦♦) Salvia 8clarea L. s, veitidilata L. Marrubiun pereg»-nujii J.i, Maccdonien. 151 gnostischc Formation: denn vom Wachtposten bis zur Ebene von Dstrovo reicht Talk- und Glimmer-Schiefer. Auf der westlichen Seite des Passes führt, ein Defile rasch («" — 6" 30') zum Ufer des See's von Qstrovo hinab. Die Höhe dieses Bergrückens ist breit und eben genug, um einen Ueberblick über die orographischcn Verhältnisse der benachbarten Gegenden zu gestatten: denn die beiden erwähnten so viel höhern Gebirgsstöcke liegen von dem Passe in einer solchen Entfernung, daß man fie als den Hintergrund einer weitläuftigen Landschaft betrachten kann. Ich will indessen, um dieselbe kürzer characterifiren zu können, gleich hinzufügen, was ich erst spater theils von höhern Standpuncten, theils durch Erkundigung zu ermitteln vermocht habe: denn es handelt sich hier um nicht unbeträchtliche Fehler auf den bisherigen Charten. Gehen wir von dem schon Bekannten aus, so lernten wir die Vvda als Abfluß des See's von Tiavo kennen: nach allen Charten durchstießt sie denselben nur, kommt schon durch den See von Dstrovo und hat ihre Quellen im südwestlichen Theile des Kessels noch jenseit Ca-liari. Diese Angabe beruht auf einem Irrthume: der Paß, den wir eben überschreiten und der den Turla und Nidge verbindet, ist auch die Wasserscheide zwischen dem Flußgebiete des Vardar und dem Kessel von Dstrovo. In den See von Tiavo fließt durch das Thal neben dem Wachtposten vorüber nur ein kleiner Bach, der Caracaja (d. h. schwarzer Fels) genannt wird. Die< ser entspringt an dem östlichen AbHange des Passes, an der westlichen Seite hat ein anderer Bach seine Quellen, der nach Südwest in den See von Ostrovo fließt. Erinnern wir uns nun, daß der Kessel von Ostrovo und Caliari, den die Türken das Sarijöl (d. b. den gelben Landsee) nennen, westlich von der Canalvischen, östlich von der Vermischen Kette begrenzt wird, so ist zur weitern Drientirung hinzuzufügen , daß diese langlichte, von Bergen umschlossene Ebene etwa 6 Stunden lang und im Durchschnitt 2 Stunden breit sich wie ein Langßthal der Centralkette des Pindus parallel, wiewohl durch das obere Grevenü davon getrennt, von Norden nach Süden erstreckt. Den Schlußpuntt im Norden bildet der Nidge !52 Vierzehntes Capitel. selbst, im Süden die Höhenzüge zwischen Caliari und Cclzani, die gleichfalls dic Canaloische und Vermische Kette verbinden. Diese Verhältnisse sind auf Leake's Charte von Maccdonim mit Ausnahme jener irrigen Flußverbindung bereits ziemlich anschaulich dargestellt, allein noch bleibt ein großer Irrthum zu berichtigen übrig. Ich war sehr erstaunt, als ich von dem Paffe in das Thal von Ostrovo hinabblickte, hier einen großen Landsce vor mir zu sehen, den ich gar nicht erwartete. Denn da auf der Cotta'schcn Charte die Schrossirung desselben vergessen ist, so hatte ich ihn ganz übersehen, und außerdem ist sein Umfang so viel bedeutender, als irgend eine Charte ihn darstellt, daß ich diesen Gebirgssee nicht ohne Grund als eine geographische Entdeckung begrüßen mochte. Der See von Osirovo, der auf Leake's Charte nur etwa eine Stunde lang und halb so breit gezeichnet ist, gehört zu der Ncihe der bedeutendsten Landseeen von Numelien. Er erstreckt sich von Ostrovo bis Caliari, drei Stunden von Norden nach Süden ausgedehnt. Die Verbindungsstraße beider Ortschaften folgt dem östlichen Gestade des See's und deren Lange betragt wegen der Krümmungen des Ufers vier t. Stunden. Er bedeckt daher einen großen Theil des Kessels von Sarijöl, der alten Landschaft Eordaea. An seinem nördlichen Ende ist der See eine Stunde breit und er scheint sich nach Süden nur wenig zu verschmälern. Nahe bei Ostrovo erhebt sich ein kleines Eiland aus der Wasserfläche, worauf eine Moschee erbaut ist. Durch ein temporäres Wachsthum dieses See's, dcr demzufolge ungefähr eben so groß ist, alZ der von Iänina, kann sein Umfang nicht erklärt werden, weil seine Tiefe bedeutend ist und nach den von mir eingezogenen Nachrichten an einigen Orten nicht weniger als 24 Klafter betragen soll. So wie der Bach von Ostrovo von Norden in dcn See mündet, so der Fluß von Caliari an dessen südlichem Endpuncte. Durch eine Stelle des Livius und, wie es scheint, durch die in benachbarten (Hegenden ihm gewordene Nachricht, daß bei Caliari ein See vorhanden sei, ist Leakc zu der Vorstellung gekommen, daß in diesem Kessel zwei verschiedet, e kleine Seecn eristirten, einer bei Ostrovo und ein anderer bei Caliari, und daß der letztere der Maccdonien. 153 Lacus Begorrites der Men fci. Ich habc kcine Gründe, es in Zweifel zu ziehen, daß noch ein kleiner See sich südlich von Ca-liari befinde, wiewohl ich vom Nidge nur den einzigen gesehen habe, der fast den ganzen Kessel erfüllt: allein durch diese Ausdehnung des letztern wird es klar, daß die Landschaft Sarijöl diesem ihren Namen verdanke, und es stcht nichts der Meinung im Wege, daß dieser See der Begonttes selbst sei. Dessen 3<^e geht nämlich aus dem Marsche des Perseus *) hervor, der mit seinem Heere in zwei Tagen von Niügosta (Citium) in das Wc-cken von Grevenu an den Haliacmon gelangte. Dieser Weg führte ihn daher durch den südlichen Theil des Sarijöl, und hicr berührte er auf halbem Wege drn großen Landsee Begoriitcs. Aus dieser Quelle nun können wir gleichfalls eine neue Stütze für die Geschichte der Voda entnchwm. Denn ungeachtet der bedeutenden Tiefe, die dem See von Ostrovo zugeschrieben wird, wäre doch ein Zweifel darüber möglich, ob derselbe in dcn alt-macedonischen Zeiten schon vorhanden gewesen sei, und, wenn man dies annehmen wollte und wrnn man ferner für wahrscheinlich hält, daß ehemals die auf den Charten dargestellte Wasserverbindung zwischen den Seeen von Ostrovo und Tiavo willlich bestanden habe, so würde daraus auch eine viel größere Bedeutung der alten Voda hervorgehen und aus der so sehr geschwundenen Wafscrmafse dieses Flusses auch ein ganz verschiedener Gc-sichtspunct für die oben entwickelte Theorie der Entstehung des Aodenatuffs sich ableiten lassen. Jene Stelle aber zcigt wenigstens, daß bei Caliari stets ein See vorhanden war. Uebrigens zog ich auch an Ort und Stelle von verschiedenen Seiten Erkundigungen ein, ob nicht die Sage des Volks einige Aufschlüsse über etwaige geologische Aenderungen enthalten möchte. Daß die Größe des Sees sich seit Menschengedenken verändert habe, wurde, entschieden verneint, und indem man ausdrücklich versicherte, daß der See niemals einen Abfluß gehabt habe, so glaubte man doch *) Liv.us 1.42. c.53. Profectus inde (Ciii0) tolo exerchu, Eordae-am pelei.8, ad Begorrhem, q«em vocant, Jacum posilis castns, po_ »tero die in Elimeam ad Haliacmona fluvium processit. 154 Vierzehntes Capitel. vielleicht aus ähnlichen Verhältnissen die Nothwendigkeit einer Verbindung aller Gewässer mit dem Meere folgernd, daß ein unterirdischer Zusammenhang mit dem See von Tiavo, hier Nissia genannt, vorhanden fei. Dieser Meinung, die sich auf keine unmittelbare Beobachtung gründet, kann man indessen die geogno-stische Beschaffenheit des Terrains entgegenstellen. Denn da es sich hier nicht um Kalkgebirge handelt, da vielmehr der Höhenzug, der den Turla mit dem Nidge verbindet und die Thäler von Tiavo und Ostrovo scheidet, aus Talk- und Glimmer-Schiefer besteht, so ist das Vorhandensein von Catavothren sehr unwahrscheinlich. Dieser Umstand entscheidet die Frage, ob in den alten Zeiten die Voda dieses Thal durchströmte, mit Bestimmtheit. Da jener Höhenzug sich überall wenigstens 500^ über den See von Ostrovo erhebt, so ergiebt sich, daß die Trennung beider Thäler so primitiv sei, wie die Gebirgsarten selbst, die sie bewirken. Wir haben nun noch rinen Blick auf die Grenzbcrge des SariM zu werfen, so weit man dieselben von der Hohe des Passes übersieht. Gegen Südost erblickt man von hieraus nur einen einzigen alpinen Gipfel, den Turla bei Niägosta. Dieser übertrifft nur mit seiner äußersten Spitze die Baumgrenze und wird daher beilausig 5000' hoch sein. Das Verhältniß des Turla zu seiner Gebirgskette, das vom Vardar aus zu erkennen war, kann von dem jetzigen Standpuncte nicht übersehen werden. Denn eine niedrigere Kette löst sich gegen Südwesten von ihm ab und begrenzt dadurch den südlichen Theil des Sarijöl. Auch der Schieferrücken selbst, auf dem wir uns befinden, liegt nicht in der Gebirgsare des Bermius, sondern ist eine Seitenkette des Turla, die nur dadurch eine größere Bedeutung erhalt, daß sie die einzige Verbindung zwischen jenem und dem Nidge vermittelt. Die Hauptare der Vermischen Kette fallt in eine Linie, die vom Olymp gegen den mittlern Theil des obern Vo-dathals, etwas westlich von Tiavo, gezogen wird. Auf dieser Linie ist der Turla ungefähr in der Mitte zwischen den Engpässen der Vistritza und dem Vodathal dcr dominirende Punct. Der Thalweg dcr Voda ist daher eine Epalte dieser Gebirgsarc: denn Macedonien. 155 auf der andern Seite liegen in gleicher Richtung wieder andcrc Gipfel, die zur Nidgekette gehören. Wir erblicken daher von dem Passe, östlich vom Sarijöl, nur die Thalkettcn dcr Voda und andere Vorberge des Turla. Gegenüber aber, unmittelbar über Ostrovo, erhebt sich der Nidge selbst, oder vielmehr nur ein Hauptgipfel desselben, der mit andern, gleichfalls sichtbaren Spitzen eine Kette aus Süden nach Nordosten bildet und sich dadurch an den nördlich von der Voda gelegenen Theil der Beimischen Kette anschließt. Dieser zunächst liegende Nidgcgipftl erhebt sich westnordwestlich über Ostrovo. Es ist der südlichste der Nidge-kette; von da senkt sich der Kamm tief herab, indem er in die Canalvische Kette übergeht, und bedingt durch diese Senkung, die sich unmittelbar westwärts vom See befindet, einen leichten Paßübergang vom Ostrovokessel in das Nmgbrcken von Monastir: die alte Via Egnatia und die heutige Hauptstraße von Salonichi nach Monastir. Jene Südspitze des Nidge ist es, die ich bestiegen habe: höher erhebt sich über diese der zweite Gipfel, der mit der Position des Nidge auf Leake's Charte besser übereinkommt. Das bulgarische Dorf Qstrovo, das am nordöstlichen Ufer dcs Sees liegt, erreichte ich um 6" 30' und fand vor dem Orte einige Hauscigenthümer versammelt, mit denen ein Gespräch angeknüpft wurde. Auf die Frage, wer wir wären, erlaubte sich Dtmltti sogleich, von einem vornehmen, fremden Bej zu reden und seine Ansprüche auf die beste Wohnung in dem elenden Orte zu erheben. Ich hatte ausdrücklich angeordnet, daß mein Dolmetscher stets offen sich benehmen, meinen ärztlichen Character hervorheben und einen Jeden, der mir nichts in den Wcg legte, auf das Höflichste behandeln solle: und so war dies der eiste Fall «"er offenbaren Widersetzlichkeit gegen meine Befchlc. Dimitti gmg dabel von den gewöhnlichen Tendenzen des türkischen Dragoman aus, einmal, das Ansehen seines Herrn zu vermehren und an dessen Glanz und Ehre Theil zu nehmen, und zweitens, möglichst zu vermindern: denn da er früher m der Gesellschaft herumziehender Aerzte gereist war, so wußte er sehr gut, w.e die Anwesenheit eincs Mannes, der die Vedürf- !56 Vierzehntes Capitel. tigen mit Nath und italienisch geschriebenen Recepten versieht, namentlich auf dcm platten Lande in kurzer Zeit viele Krank und Gebrechliche versammelt, die den Reisenden um Hülfe angehen und dercn weitläuftige Berichte dann der Dolmetscher zu übertragen hat. Auch für mich drohte dies des Zeitverlustes wegen ein bedeutender Uebelstand zu werden: indessen versprach ich mir andere Vortheile davon und wurde dadurch wahrend der meinen Sammlungen gewidmeten, mechanischen Beschäftigungen nicht gestört. Ich ergriff daher gleich diese erste Gelegenheit, das Benehmen Dimitri's sehr ernsthaft zu rügen, und gönnte ihm die Ruhe nicht eher, als bis die Patienten, die am Abend sich zahlreich einfanden, wenigstens zum Theil befriedigt worden walen. So mürrisch er auch gehorchte, so nahm ich doch nach einer strengen Erörterung gleich wieder einen höflichen Ton an und befestigte dadurch ein Ansehen, das mir unter den gegebenen Umstanden so nothwendig zu sein schien. Die Bulgaren von Ostrovo zeigten cinc große Gutmüthig-keit, lebttn aber im äußersten Schmutze. Ich fand nur ein abscheuliches Bivouac, das ich in dem Hofe einer elenden Narake mit dcm Vieh des Eigenthümers theilen mußte: aber dafür entschädigten mich die vortrefflichen Fische aus dem See, die man mir zur Abendmahlzeit schmackhaft bereitete. Die Frauen des Hauses waren unverschleiert, also Christen: ihre slavische Gesichtsbildung ließ sich nicht verkennen. Alle sprachen Bulgarisch, doch war Vielen auch das Griechische geläufig. Der Ort zieht sich längs des Sees hin und zahlt 100 Hauser, aus denen eine Moschee sich erhebt. Von diesen hundert Familien bekennen sich achtzig zum Islamismus, nur zwanzig sind Christen geblieben: aber sie stehen auf gleichem Niveau mit den Uebrigen, denen os-manisches Selbstgefühl fremd ist. Nur die Art der Besteuerung, die Verhüllung der Frauen und der Glaube trennen diese Gemeinden *), und selbst gemischte Ehen kommen an solchen Orten *) Der Grund des verschiedenen Characters der muhamedanischen Bulgaren und Osmanen liegt außer dcr Nationalität gewiß auch darin, baß die Apostasie noch so nm ist und sich zum Theil erst aus diesem Jahrhundert Macedonia. !57 vor, ohne daß die Christin ihre Religion wechselt oder als Sclavin betrachtet wird. 28. Iunins. Noch ehe die Sonne das Thal beleuchtete, brach ich auf (4" 30'), um den nahen Nidgc zu besteigen. Kein Frühnebel hatte sich erzeugt, und fo konnte ich vom Ufer des Sees den im Lichte des Morgens erglänzenden Kamm aller Höhenzüge überblicken, die den Kessel umschließen und aus der Tiefe des Thals ganz verschieden von dem gestrigen Anblicke sich darstellen. Machtige Vorberge verdecken den Nidge und verbinden sich mit jener Kette, die sich. am westlichen Ufer des Sees nach Süden ausdehnt. So tragen auch die übrigen Höhen, von hieraus betrachtet, den Character des waldigen Mittelgebirgs und nur in der Ferne ragen zwei ausgezeichnete Gipfel aus diesen sanft gerundeten Formen hervor, in südöstlicher Richtung der Turla und im Süden ein hoher Berg von sargförmiger Gestalt, den ich nach seiner Lage, im Grunde des Sees über Caliari hinaus, für den Bürino bei Siütista, d. h. für das südlichste Glied der Canalvischcn Kette halte, welche das Hügelland im Süden von Caliari mit dem Turla verbindet. Das Niveau des Sees von Ostrovo liegt in einer Meereshöhe von 1245' *). Demnach entspricht die Erhebung dieses ebenen Kessels genau der klimatischen Grenze, auf welcher wir bisher die immergrüne Region von der Waldregion sich abscheiden sahen. Wiewohl nun die Niederung am Nordende des Sees mit Getraide bebaut ist, so sieht doch der Umstand, daß der Eichenwald des Nidge sich genau bis an den Rand dieser Ebene herab «streckt, in scharfer Uebereinstimmung mit jenem Gesetze. Das- Wschreibt. Ueber ähnliche Verhältnisse im Tomoros bemerkt Leake (N. Nr. Hies 347>): U 1S a melanclloly reflection that all the Mahometans of »ese mountains, and W|1O now iorm the majority of the population, nave become apostates from Christianity since the reign of Maho-me 11 m wh.ch they have been imitated by many of Vlakhioie or ■Bulgarian race. ') Der Siedepumt betrug 209«,?5 ?. bei einer Luftwärme «on I6°N., d'e m.t der m Sal°mchi beobachteten Luftwärme von 24" II. bei der Berech-nmig zu Grunde gelegt ist. !58 Vierzehntes Capitel. selbe läßt sich bei einer Vergleichung mit dem Athos von den höhern Regionen des Nidge nachweisen, deren Niveauverhaltnisse ich deshalb hier sogleich zusammenstelle. Bis Zejjen, einem Dorfe an der obern Grrnze des Eichenwalds, gebrauchte ich vom Fuße des Bergs an 60'; durch die Wachholdenegion stieg ich in 15', durch den Buchenwald bis zu den Alpenwiesen in 60'. Hieraus ergaben sich folgende Schätzungen: 1) Grenze der immergrünen und Wald-Region im Kessel von Osirovo. 1245'. 2) Waldregion. 1245'—4400'. a) Eichenwald. 1245'—2650'. l>) Wachholdergesträuch. 2650'—3000'. e) Buchenwald. 3000'—4400'. 3) Alpine Region. 4400'—5544' *). Durch die fruchtbare Alluvialniederung, die, zwischen dem Nidge und den kahlen Schiefcrhöhen des Bermischen Passes eingekeilt, wie in einem Halbkreise sich am nördlichen Ufer des Sees ausbreitet, ritt ich in anderthalb Stunden (4" 30'—6"), bis zum Fuße des Nidge, einer westlichen Richtung folgend. Dicht bei Qstrovo mündet in den See ein breites, in jetziger Iahrszeit trocknes Flußbett. Späterhin (5") führt der Weg durch einen Gcbirgsbach, der vom Nidge kommt, ziemlich viel Wasser ent« hielt und gleichfalls in den See sich ergießt, woraus sich denn eben ergiebt, daß die Niederung ihr Gefalle gegen den See hat, also kcincn Abfluß nach der Voda gestattet. 1245'—2650'. Vom Fuße des Nidge führt ein steiler Pfad eine Stunde weit aufwärts bis zum Dorfe Zejjen (6"—7^)> Dieser Abhang ist durchaus mit Cerriseichcn ") bewaldet, so daß der Berg keine Region von strauchförmigen Eichen besitzt. *) Die Höhe von 55tä< oder des höchsten von mir erreichten Punctes beruht wiederum auf einer Messung und gewährt daher cinen befriedigenden Anhaltspunct für die zwischen beiden Messl-ngen gelegenen Höhen. Der Sie-deplinct auf der von mir erstiegenen Spitze des Nidg^ betrug 2<12",0 1?. bei einer Luftwärme von 14" It. Macedonien. !39 Zejjon liegt bereits auf der Gipfelplatte des Vorbcrgs, übcr der sich unmittelbar die Alpenspitze selbst erhebt, von der man noch durch den breiten Gürtel des Buchenwalds getrennt ist. Aus dem westlichen Winkel des Kessels vonOstrovo ersteigt man, nach Südwest gewendet, die Höhe von Zcjjen und dreht sich daselbst nach Nordwest: denn hier ist der Nidge schon fast bis zu seinem südlichen Fuße umgangen. Man kann sich den Ostabhang des Bergs aus zwei Terrassen zusammengesetzt vorstellen, wovon die untere mit Eichen, die obere mit Buchen bewaldet ist und wobei jenes bulgarische Dorf auf dem Schritel der erstem zu denken wäre. Sobald man die Niederung des Cees verlaßt und bergan zu sieigen beginnt, berührt man auch wieder den Glimmerschiefer des Vermischen Passes. Dieses Gestein reicht jedoch nur bis zur halben Höhe der Eichenterrasse, also etwa 6—700' von der Ebene an aufwärts, wo ihm ein ungeschichtctcr, körniger Kalk folgt, der in seinen Characteren genau mit dem Marmor des Athos übereinstimmt und einen großen Theil des Nidge zusammensetzt. Auf der Grenze beider Formationen findet sich da, wo der Weg nach Zejjen sie schneidet, ein Marmorconglomerat, das auf eine schmale Zone beschrankt ist und Gelegenheit giebt, eine Vermuthung über die älteste Geschichte des Sees von Ostrovo zu unterstützen. Schon die örtliche Verbreitung der Schieferformation ist für die hier zu erörternden Ansichten von erheblicher Wichtigkeit. Gerade an dem Puncte, wo sich Marmor und Glimmerschiefer berühren, befindet man sich in gleichem Niveau mit dem gegenüberliegenden Kamme des Vermischen Passes, der sich, wie wir sahen, ostwärts 5—tifttt' über den Spiegel des Sees erhebt und aus Schieferformationen besteht. Bei der Hebung des Gebirgs ward demzufolge an beiden Seiten der Niederung von Dstrovo der Glimmerschiefer zu einer entsprechenden Höhe von 17—1900' aufgerichtet , wahrend die höher gelegenen Theile des Nidge wenigstens auf dem dem Eee zugewendeten AbHange aus Marmor bestehen. Das Conglomerat am Fuße der Marmorformation enthält größere oder kleinere Murmorstücke, die durch eine lockere, san« 560 Vierzehntes Capitel. dige oder sanvstcinattige Quarz- und Thon-Masse eingehüllt und verbunden werden, ohne daß ich auf meinem Wege in diesem Gebirge irgendwo eine Sandsteinformation angetroffen hätte. Wir können uns die Bildung dieses Conglomerats jcdoch einigermaßen erklären, wenn wir uns einer allgemeinern Hypothese zu diesem Zwecke bedienen wollen. Wenn man die Größe der Alluvialbccken Rumelien's mit den geringen Süßwaffersammlungen vergleicht, die man in diesen Gebirgen antrifft, so erscheint es in hohem Grade wahrscheinlich, daß dort in vorhistorischen Zeiträumen eine ungleich bedeutendere Wassermasse vorhanden war. Schwerlich werden sich begründete Einwürfe der Vorstellung entgegenstellen lassen, daß die vier großen Ningbecken einstmals von Seen erfüllt waren, welche durch eine gerundete Küstenkette von dem Meere geschieden wurden. In der That würde noch jetzt ein Gcbirgsblock von einigen hundert Fuß Höhe, in die Ausgangsspalten der Flüsse eingesenkt, dieselbe Erscheinung wieder hervorrufen und die fruchtbarsten Niederungen Rumelien's ihrer Bevölkerung rauben und vernichten. Denkt man sich nun aus dem angeführten Grunde diese weiten Landschaften durch die Außtrocknung von Seeen oder Meerbusen entstanden, so bliebe die nähere Ursache eines solchen Processes zu erforschen übrig: allein für jctzt sehe ich in den mir bekannt gewordenen *) Thatsachen keinen Anhaltspunct, um in diesen Ansichten weiterzugehen, und lasse es daher unentschieden, ob das Land durch Abnahme oder Zurücktreten des Fluidums, oder durch mechanisch den Stromlauf ändernde Vorgänge trocken gelegt worden sei. Stellt man auf diesem allgemeinern Standpuncte die Hypo- *) Vermuthlich hat Bou« bestimmtere Gründe, die Bildung des Ringbeckens von Bit6lia aus einem verschwundenen S ii ßwassersee zu erklären. Denn er sagt ganz bestimmt (a. a. O. Bd. 2. S. 49.): »das schöne Becken von Perlepe und BitoUa hat längs des Fußes der Verge, die es begrenzen, Ablagerungen von Molaffe und Mergel mit einem reichen vegetabilischen Boden, der seine Entstehung einem Süßwassersee verdankt« Organische Reste, di« diese Frage entscheiden, fand ich nicht. Macedomen. 161 tbese auf, daß der See dcs Sarijöl, als er das Alluvium der Getraideniederungen von Ostrovo ablagerte, 5—700' höher stand, als jetzt, so würde man aus einem solchen Niveauunterschiede die Bildung dcs Marmorconglomerats erklären können. Dann überströmte der See dcn Paß von Vüdena und sendete den Ueberfluß seines Vorraths in das Meer von Salonichi. Wegen der übereinstimmenden Höhe beider Scbicfermasscn mußte sein nordwestliches Ufer sich damals in einem Niveau erhalten, welches der heutigen Grcnzscheide dcs Marmor und Glimmerschiefer am Nidge entspricht. Er bespülte daher die Basis dcs Marmors und konnte hier dessen Nollstücke in ein Conglomeiat umwandeln, deffen bindende Masse mit dem Alluvium der Tiefe zu vergleichen ist. Daß der Schiefer nicht gleichfalls der Breccienbildung sich darlieh, erklart sich aus einer plattenförmigen Einstufung der Gebirgswand, auf welcher eben jenes Marmorconglomerat sich findet, während die Echieferfragmente tief unter dem Alluvium des Thals liegen mögen. Gegen diese Hypothese könnte man auch einwenden, daß die Schieferabhänge nicht mit Alluvium bedeckt sind, aber dasselbe wüßte langst vom geneigten Boden wieder abgewaschen sein. Auf diese Weise läßt sich wenigstens die Entstehung des (Zonglo-merats erklären, ohne daß die Niveauverhaltnisse dieser alten Ge-birgsarten als geändert angenommen werden. Um das Zusammengehörige nicht zu trennen, schalte ich hier sogleich den noch übrigen Theil des Gcbirgsprosils über den Nidge bis zur Alluvialebene von Biblia ein, dessen Verhältnisse gleichfalls sehr einfach sind. Wir erhalten dadurch wenigstens die Vorstellung Eines Durchschnitts der äußern Kette des Scardus, und Mr können aus diesen und spatern Beobachtungen dcn Schluß z»chen, daß dem Flöhgebirge im Allgemeinen in Westrumelicn nur «me geringe Verbreitung zukommt: ein Umstand, der vielleicht schon an sich für die spate Entstehung der Halbinsel sprechen durfte. Gehört die Kalkformation von Vüdena zu der Gruppe der Kmde, so würde die Hebung erst nach der Bildung derselben erfolgt sein. ^ ' Auf der innern Seite des Nidgc gfgM das Ringbecken von ^'tolla kehrt der Glimmerschiefer ungefähr in demselben Niveau 1l 162 Vierzehntes Capitel. wieder, wie am östlichen AbHange, und erstreckt sich auf gleiche Weise bis an die Alluvialebene, so daß die Kalkformation von W^dena der Innenseite fehlt. Das zwischen beiden Schicfcrfor-mationen aufgerichtete Hauptgcbirge besteht zwar größtcntheils aus Marmor: indessen kchrt an einem der beiden Gipfel, die ich bestieg, der Glimmerschiefer wieder. Wahrscheinlich würden die Verhältnisse der Fallens der Schichten wegen der eigenthümlichen Beziehung zu den eingeschlossenen Ebenen von erheblichem Inter, esse sein: allein meine Beobachtungen erhielten nicht den Grad von Deutlichkeit und Einstimmigkeit, daß ich sie mitzutheilen mir getraute. Die Richtung der Linien in dem nachfolgenden Holzschnitt hat daher nur den Zweck, die Grenzpuncte der Formatio-mn zu bezeichnen. Gebirgsprosil durch das Vodathal und den Nidg<^ vom Var-dardelta bei N6dcna bis zum Ringbecken von Biblia. Bedeutung der Lettern. « -- Kalkformation von Vüdena, zum Theil mit Travertine incrustirt. ^ — Talk- und Glimmer-Schiefer des Vermischen Passes. /^ — Glimmerschiefer des Nidge. 7 — Marmoiconglomerat. ö ^ Marmor des Nidge. e-,/ ^ Alluvium des Vardardclta, des Kessels von Dstrovo und des Ningbeckens von Nitölia. a -- Wödena. tl ^ Zcjjcn. i» — Vuoenapaß. e — Nidge'paß. l/ — Turla. <.' ^ Höchstrr Gipfel des Nidge. v --- Ostrovo. f ^ Cruschcrat. Macedonien. 163 2650'—3000'. Nachdem ich im Han zu Zejjen gefrühstückt (7" — 7" 30') und hier seit langer Zeit zum ersten Male frische Kuhmilch, als ein Zeichen, daß nun schon die Wiesen- und Senn-Wirthschaft nicht mchr fern sei, gefunden hatte, setzte ich meine Wanderung fort. Hier wiederholte sich die Beobachtung (Th. 1. S. 308.), daß das Grenzgebiet zweier Gcbirgsregionen besonders Pflanzenreich sei, auf die merkwürdigste Weise. Ein kleiner Abhang O 30'— ?/> 45') oberhalb des Dorfs hat mir in der kürzesten Zeit unter einer reichlichen Ausixute an Kräutern nicht weniger als 6 neue Pftanzcnformen geliefert. Bei einem so glücklichen Resultate habe ich kaum zu bedauern Grund, daß mir nur im Fluge die Blumen zu brechen vergönnt war. Schon der diese schmale, den Eichen- vom Buchen-Walde trennende Region charactcrisnende Strauch, auf die Höhe von 2650'—^000' eingeschränkt, aber hier das vorherrschende Gewächs, ist eine pstanzengeographische Merkwürdigkeit. Wir haben dieses Gestrauch, die Art des Wachholders, die man Orycedrus nennt, schon oft zu erwähnen Gelegenheit glhabt: allein, wiewohl durch Thracien bis in die Region der Elchenwaldung verbreitet, gilt sie doch für ein ächtes Glied der mittelländischen Flora und findet sich nur unter solchen Umgebungen am Hnjion-Dros. Von da habe ich sie nicht weiter gesehen, bis sie mir wieder am Nidge m elncr so beträchtlichen Höhe und noch weiter verbreitet am Peri-steri vonBitölia begegnete. Auch hat die Untersuchung keine Verschiedenheit der Form ergeben, und ich würde in dieser geographischen Verbreitung eine isolirte Thatsache erblicken, wenn sie sich nicht in Italien wiederholte. Dort ist gleichfalls der Olycedrus M den Gebirgsgegenden der Abruzzen einheimisch, wahrend er in Dalmatien die wärmsten Gegenden der Küste aufsucht. Em anderer, ganz niedrig auf dem Erdboden kriechender Strauch, eine geruchlose Daphne mit weißlichen Blülhcn, beginnt hler erst einzeln aufzutreten, und hat ihre Hauptvcrbreitung in der Buchen- und Alpen-Region. Alle übrigen Gewächse sind krautartig, und, indem sie eines sonnigen Standorts bedürfen, fand ich sie größtcnthcils auf diesen einzigen, von Hochwald entblößten Abhang eingeschränkt und habe mehre derselben niemals l64 Vierzehntes Capitel. wiedergesehen. Dazu kommt, daß sie mit Ausnahme des Grases, das den Boden begrünt, sämmtlich nur zerstreut auftreten, oder in einzelne Rasen vereinigt werden, wodurch ihre Mannigfaltigkeit noch mehr in die Sinne fallt. Die Krauter gehören den verschiedensten Familien an: am interessantesten sind zwei neue Asperifo-lien, weil sie durch ihre Verwandtschaft einigen caucasischen Arten nahe stehen, deren Neihe im übrigen Europa kaum vertreten zu werden scheint. Durch ihre schöne und eigenthümliche Form zeichnen sich ein Astragalus und eine Nelke aus, jener durch seidenartige Behaarung, dieser durch schwarzrothe und so schmale Blumenblätter, daß sie kaum in Nagel und Platte geschieden sind*). 3000' —44U0'. Durch die Buchcnregion (7" 45'—8" 45') führt eine steile Serpentine bis zu dem Puncte, der an dieser Seite des Nidge mit der höchsten Buche auch die Baumgrenze bildet, auf welche sogleich mit Alpenvegetation geschmückte Triften folgen. Die Buchen sind groß und stehen ungeachtet der Neigung des Abhangs dicht genug, um mit ihren schönen Laubkronen den Boden fast durchaus zu beschatten. Hier wachst außer der schon erwähnten Daphne kein Gesträuch oder Unterholz. Eine neue Art von Klee gedeiht nebst zwei Umbelliftren unter der Grasnarbe. Wo der Schatten von Sonnenblicken unterbrochen wird, wächst eine eigenthümliche Achillea. Aber am meisten erfreuten mich im obern Theile der Region aus dem Walde hervortretende Marmorfelscn, deren feuchte und doch sonnige Stufen, auf das Schönste mit Saxifragen, aus der nahen Alpenflora herab verbreiteten Sprößlingen, bekleidet, das Auge ergötzten. Eine derselben trafen wir schon auf dem Gipfel des Athos, auf den sie *) Jnniperus Oxycednis L. Daphne giandulosa Bert. — Poa cenisia All. — Untcc ben Kräutern woven truppweise gesellig: Aisine verna Bartl. Linum tenuifolitim L. Astragalus sericophyllus nov. sp. Galium purpureum L. Globularia cordifolia L, ß. tridentala Ave Lall. CenlaiMca pindicola nov. sp. Serfh'eut ober cinjetn fanben ft'd): Alyssum i'ulvesccns Sm. Hciianthemum oelandicum Wahlbg. y. (o-menlosum Koch, llypericum adscendens nov. sp. Dianthns steviope-talus Jiov. ?)). Anthyllis Vulncraria L. var. rosea. Potentilla hiria L. fl, peda). Die rupestre, durch niedrige, aber zerstreut wachsende Gesträuche charactensirte Formation ist im Allgemeinen auf dem Glimmerschiefer mehr entwickelt, als auf dcm Marmor. Unter den Krautern, die namentlich auf dem Gipfel des Bergs selbst den Naum zwischen dem Schicfergerölle ganz einnehmen, finden sich einige in der Ebene des mittlern Europa wcit verbreitete Gewächse. Unter allen zeichnet sich nur cine Art Geranium, die der Alpenflora des Pindus eigenthümlich zu sein scheint, durch große, purpurfarbene Blüthen vom reinsten Farbcntone aus. Uc-brigens bis zur höchsten, von mir erstiegenen Spitze des Nidge, *) ßcsellüie Soimen bicfcr 2C(pcntriftfn: Geum tnacedonicum nov. sp. Saponariu Asterias nov. sp. Cardamine laiifolia Vahl. ^čiuftg üer&reitet: Silene JNentvickii Friw. Polemillaaurea L. Campanula sp»ihulaia Sibth. var. Ilieracium auraniiacum L. (>. gabinum Koch. Pulygotium alpinum All. Ort-hi.s latifolia L. Ü. sambucina L, Vo-latium album L. var. ©parfam üor&icitet; Viscaria atropiirpiiu-a nov. «p. Ceraslinm campiinulatum Yiv. Eiy^imum laiiceülainm R. IJr. /;. pallcus Ivucli, Ccntiaiia vcina Tj. var. an^iilosa MB. Cirsium ap-pvndiculiiluni nov. sjj. liiimpasses bildet. Wegen der Entfernung meines Standorts könnte ienc Annahme zweifelhaft erscheinen: doch ist der einzige Baum, der außer der Buche am Nida> bis an die alpine Region reicht, die Hakensichte, die mit der Buche gleiche Regionen bewohnt ,mo auf die sich daher daö früher Dargestellte eben so gut anwenden läßt. Macedonien. l69 der Spitze des Schieferbergs, von dem ich hmübcrblickte. Die wahre Baumgrenze dcs Nidge liegt daher ungefähr 3N0' höher, a!s am Athos. Da aber die Bäume des Nidgepasses nur bis zu einer Höhe von 4400' hinaufsteigen, so schwankt die Baumgrenze des Nidge etwa um 115U' an demselben Gebirgsabhange, und die untere Grenze der alpinen Flora, die sich ausbreitet, so weit nicht der Schatten von Waldbaumcn ihre Vegetation hindert, ist eben so großen Schwankungen unterworfen. Der Grund einer solchen Erscheinung, die in den Alpen gar nicht ungewöhnlich ist, blieb mir in diesem Falle unbekannt, und kann weder auf der Anhäufung des Schnee's, der eben da am längsten zu dauern scheint, wo die Baumgrenze höher liegt, noch auf der Neigung des Paffes beruhen, da dieselbe die des Buchen- und Fichten-Waldes nicht übertrifft. Von der Hauptkuppe des Nidge lösen sich zu beiden Seiten des Kamms zum Theil über die Baumgrenze ragende Ncbenket-tcn ab. Die östliche enthält nur wenig Schnee und ist dicht unter der Spitze von dunkeln Wäldern umgürtet. Sie ist es, die unmittelbar am Nordende der Niederung von Ostrovo sich erhebt, mit ihrem Fuße in die niedrige Schieferhöhe des Vermischen Passes übergeht und dadurch mit dem Turla von Ni:,gosta verbunden wird. Die westliche Kette erhebt sich an ihrem Ursprünge zu einem Kegel, der etwas niedriger ist, als die Spitzen am Nidge-Paß. Von da setzt sie sich südwärts fort, indem sie nach kurzem Verlauft in die Ebene von Bitülia abfallt, wodurch ein kurzes, von einem Gebirgsbach bewässertes Längsthal zwischen dem Nio-ge'paß und dieser Nebenkctte gebildet wird, in welchem der Weg nach der westlichen Ebene hinabführt. Dieser Darstellung der nächsten Gebirgsumgcbung lasse ich die Uebersicht der entferntem Gegenden folgen, welche von den beiden Gipfeln am Nidgcpasse beherrscht werden. Meine Compaß-Messungen vom Schieferberge zu Grunde legend, theile ich sie in vier Quadranten, indem die westliche Abweichung der Magnetnadel zu 15" angenommen wird. I) Nordöstlicher Quadrant. Hier wird die Aussicht durch die östliche Nebenkctte dcö Nidgc verdeckt. Nur eine einzige ferne l70 Vkrzchntcs Capitcl. Gebirgsspitze (N 81« O) ragt darüber hervor, die vermuthlich Zwischen dem Tliale von Moglet und dem Vardar liegt. Ueber den V«',denapaß sieht man in dic tiefe Spalte des Vodathals ^) (O 13° S), die von Ost nach West die Vermische Kette durchschneidet. 2) Südöstlicher Quadrant. Im Vordergrunde liegt die Niederung von Ostrovo und der See ist weithin sichtbar. Die Moschee von Ostrovo selbst erscheint O 32« S. Jenseits erstreckt sich die Vermische Kette, aus welcher der Turla (O 50" S.) am höchsten sich erhcbt und wahrscheinlich den Olymp verdeckt. Jenseit des Kamms, der nördlich vom Turla sich tiefer herabsenkt, erblickt man die Thäler von Nmgosta, die, dem der Voda parallel, in den östlichen Abhang des Bermius einschneidcn. Westwärts vom Turla folgt die Linie des Horizonts dem Hügellande von Caliari'Und schließt genau im Süden mit dem sargförmigen Burino (S 15" W), den wir bereits von Ostrovo aus erblickten und der über das südliche Ende des See's sich erhebt. 3) Südwestlicher Quadrant. Hier verdeckte jetzt noch der nahe Marmorkegcl die Aussicht. 4) Nordwestlicher Quadrant. Ueber die nahe Nebcnkette sieht man auf die wcite Horizontalcbene der Czerna bis nach Bitülia und zu der jenseitigen Alpenkette. Der Einschnitt derselben, der zu dem Passe von Ochridha führt, ist in westlicher Richtung deutlich zu erkennen. Schneetragende Gipfel des Scardus erheben sich fern über dem grünen Gctraidelande, welches diesseits wiederum der Nidge selbst nicht minder großartig umspannt. Dessen Hauptspitze liegt N 3° O. Dies ist das äußerliche Netz von einem Panorama, das er-babene Gcbirgsformen, zu den Füßen ausgebreitete Alpentriften, dunkle Fichten- und frische Buchen-Wälder, mit dem lieblicben Eindrucke fruchtbarer Ebenen und Sceufer zu einem mannigfaltigen Bilde vereinigt. Wenden wir uns jetzt zu den westlichen *) Aus dieser Messung geht hervor, daß der zu V^dcna unter W26"N sichtbare Nidg6gipfel cin anderer ist, als den ich bestieg. Wahrscheinlich war cä die Hauptspitze. Macedom'en. 171 Abhängen des Passes, um, dem nack Süden gerichteten Thalwege fegend, in die Ebene der Czerna hinabzusteigen. Bald nach dem Ucbergange übcr den Paß stehen wir wieder auf Marmorboden, und hier erscheint, nachdem wir die Baumgrenze dcs westlichen Abhangs erreicht haben, der veränderte Typus der Waldung zunächst bemcrkenswctth. So wie dieselbe hier einige hundert Fuße höher hinaufsteigt, so besteht sie weit und breit ausschließlich aus Nadelholz, aus einer Fichtenart, dcr wir hier zum erstrn Male begegnen: allein diese erstreckt sich wenigstens um 1000' tiefer in's Thal, als an dcr Dstscite die Wuche emporsteigt. Dcr obere Raum dieses sonst pflanzcnarmcn Fichtenwalds ernährt eine eigenthümliche Vegetation von Kräutern, die im Gegensatze zu den bunten Alpcnblumen meist gelbe Blüthen tragen, mitteleuropäischen Formen angehören und aus einer reichlichen Grasnarbe überall massenweise hervortreten *). Kaum waren wir eine Viertelstunde in diesem Walde fortgewandert, um in das Thal hinabzusteigen, als wir den Neitpfad verloren und uns bald über einem Abstürze befanden, dcr, für die Pferde unzugänglich, am Fuße des Marmorbergs in dieTbal-sohle jäh abfiel. Wir versuchten am Saume dcsselbcn gegen Süden durch den dichten Wald fortzukommen, sahen uns aber bald genöthigt, eine falsche Richtung einzuschlagen, die uns an den südlichen Fuß des Marmorlegels führte. Jetzt ließ ich die Pferde zurück und beschloß, die Hohe dieses Bergs zu ersteigen, um mich übcr die Wahl dcs einzuschlagenden Wegs zu orientiren. Ich verdankte dicsrm Umstände einen Blick in die südwestlich vom Nidge gelegenen Landschaften. Hier breitete sich das Südendc dcs Ningbeckens von Bitülia in der Gegend von Flurina aus. Dahinter erhob sich in unregelmäßigen Ketten der Kamm des Canalvischcn Gebirgs, der eben dort sich senkt, wo er sich ostwärts dern See von Ostrovo zuwendet. Hier müssen bequeme Pässe von der Czcrna zur Vistritza führen. Denn von meinem *) Finns nncinaia DC, — Fesiuca lieteropliylla Mk. Knplior-la sylvatica L. Verbiistuni montanum Schrad. lijeiacium Wt'stleii '"■ viir. Seitecio riipcstris Kit. 172 Vierzehntes Capitel. Standpunkte vermochte ich über jene Scheidewand hinüberzubli-cken und sah jenseits in südwestlicher Richtung einen zweiten See-spiegcl, der kein anderer als der von Castoria sein konnte. Glücklich genug fanden wir einen kleinen Gebirgsbach, der vom Marmorkegel durch eine Querschlucht in das Langsthal, das wir nicht hatten erreichen können, hinabströmt. Diesem Bache beschlossen wir durch die dichte Waldung zu folgen, indem kein Fußpfad zu entdecken war. Hier traf ich weit unterhalb der Baumgrenze noch einmal eins der Alpengcwächse wieder, das an dem feuchten Standorte in üppigstem Wachsthume prangte *). Die dunkel purpurfarbenen Blumen dieser Silenee waren mir um so auffallender, als drei neue Arten dieser Familie, die mir der Nidgc spendete, wiewohl verschiedenen Gattungen angehörend, genau dasselbe tiefe Colorit zeigten, das sich bei einigen bekannten Nelken wiederholt und als eine besondere Eigenthümlichkeit dieser Gebirgsfiora bemerkt zu werden verdient. Zuweilen boten sich uns Waldpfade dar, die jedoch immer längs des Kamms verliefen, ohne in's Thal zu führen, und so konnten wir nur mit großer Anstrengung uns einen Weg durch das Dickicht bahnen. Unter solchen Umständen war es noch unerfreulicher, daß plötzlich ein schweres Gewitter über der Czerna-ebene aufstieg und uns balo jede Aussicht in das Thal entzog. Wir sahen, wie schwer sich dort unten die Wolken entluden, als wir eine freie Brüstung des Abhangs von Neuem erstiegen hatten , und die Heftigkeit der unaufhörlich rollenden Donnerschlage ließ uns befürchten, daß der Negen uns bald erreichen und die steile Schlucht, worin die Pferde kaum mit Gewalt fortzubringen waren, in kurzer Zeit ganz unzugänglich machen würde, während bei der vorrückenden Tageszeit umzukehren nicht mehr rathlich war. Indessen blieben wir glücklicher Weise von solchem Uebel verschont, und nach vierstündigem Irren (1^' — 3") fanden wir uns endlich im Thale am Fuße dts Bergs, wo das nun besänftigte Gewitter inzwischen die Bäche geschwellt und den *) Visearia atrnptirpiirpa no*, sp. Macedonien. !73 Erdboden so sehr durchweicht hatte, daß wir die letzte Stunde bis zum Dorfe Cruschcrat ebenfalls Mühe hatten fortzukommen. Die Pflanzenregionen an der Westseite dcs Nidgcpasses sind scharf abgegrenzt, aber ihre Höhen zu schätzen, fehlen mir die Mittel. An die kahle Alpcnhdhe des Marmorbergs schließt sich der breite Fichtengürtcl, der im obern Theile des Längsthals bis in die Tiefe der Thalsohle hinabrcicht. Indem ich jedoch weiter südwärts hinabstieg, traf ich hier noch oberhalb des Thals eine schmale Buchcnregion. Hierauf folgt Eichcnhochwald und diese Eichen reichen bis an den Fuß des Bergs, gerade wie beiOstrovo. Dieselbe Symmetrie zeigt die geognostische Beschaffenheit der Felsen: denn rrst am Ausgangspuncte des Thals berührt der Glimmerschiefer das gestcinlose Alluvium dcs Ringbeckcns der Czerna. Gerade da, wo wir die Thalsohle erreichten, die bis dahin von Nord nach Süd gerichtet ist, bicgt sich dieselbe nach Westen und wird dadurch zu eincm stundenlangen Qucrthale, indem sich in dieser Richtung zu bciden Seiten niedrige Hügellücken, die letzten Verzweigungen des Niogc gegen die Edene. fortsetzen. Sobald man in dieses kurze, wiesenreiche Thal eintritt, empfängt das Auge den Eindruck eines fruchtbaren, dicht bevölkerten Landes. Kein Bewohner der Berge war uns auf den einsamen Höhen dcs Nidge von Zejjcn bis hierher begegnet. Hier aber treffen wir auf der einzigen Wegstunde (3^ — 4^) sogleich vier bedeutende bulgarische Dörfer, von denen das erste Czrtina, das dritte Crusche-rat heißt. Die Vegetation dieses Thals, dessen Niveau im Verhältniß zur nahen Czernacbene auf 130 tretenden Spitze über den dunkeln Felsen schwebenden Schneege-silde mit den Fittichen einer weißen Taube vergleicht. Es ist das nordwestlichste Verbindungsglied zwischen der Canalvischen Kette *) Dcr Siedepunct im Garten des Abdi Pascha betrug 209",5 l?. bei einer Luftwärme von 2N" It., wozu eine Luftwärme von 24" lt. am Mee-rosufcr vorausgesetzt ist. Mattdonicn. 18! und dem macrdonisch - albanischen Grcnzgcbirge. Nach Norden liegt ihm ein System von Hügeln gegenüber, das sich zwischen dem Letzteren und der Ebene von Bitnlia ausbreitet und vom Peristeri durch das enge Qucrthal des Dragor getrennt wird. Durch dieses Thal, das bei der Stadt in die Ebene übergeht, führt der Weg zu den Secen von Presba und Ochridha, dem wir gleichfalls eine Stunde weit folgten. Um 5" 1U^ ritten wir fort, aber schon eine Viertelstunde spater wurde nach der Sitte des Landes bei einem Caffccwn'the abgestiegen, am Boden eine Matte ausgebreitet und, um keinen Genuß zu versäumen, ein Tschibuk geraucht (5" 25^ — 5^ 36'). Dieser Ort lag schon einsam am Ufer des GebiraMusses, von Weidenbäumen beschattet. Von hier führt der Weg längs des Dragor bis zu einem kleinen Seitcnthale (6" 30'), das vom Pe-risteri hcrabkommt und worin zwei große Ortschaften, Türnavo und Margürovo, liegen. Jene enthalt 20N, diese 300 Häuser. In dem Dragorthale wechseln Wiesen und Getraidefelder, aus denen sich hier und da lombardische Pappeln und Weidenbäume ^) erheben. Links steigt der Pcristeri unmittelbar, bis zur Baumgrenze sichtbar, empor, grün von Farnkraut und Buschvcgetation. Die erste Fichtenwaldung bemerkt man an diesem AbHange erst in dcr Nähe von Margnrovo. Eine halbe Stunde von der Stadt stehen am Ufer des Dra-gor zwei einfache Grabsteine, die Trophaeen eines fürchterlichen Blutbads, dem der jchige Nümcli Walessi Ahmed seine Erhebung zur Muschürwürde verdankt. Der Bericht über dieses Er-eigniß vom Augenzeugen Scarlatos weicht in einigen Puncten von den damaligen Zeitungscorrespondcnzen ab und ist ohnehin für die Zustände dcs Landes charactcnslisch zu nennen. Als im I» I8^> der große albanische Aufstand, durch die Häuptlinge dieses Landes vorbereitet, unter d?r Leitung des Mustapha Pascha "on Ccütari ausbrach, befand sich der Pascha von Nnülia in dor bedrangtestm Laqe. Wenn man bedenkt, daß die wildesten und kriegerischsten Stamme Albaniens die Gebirge, zwischen Berat und *) PoptiliiB dilauta Ait. P. nigraL. Snlix frngilis L. S. alba T,. i82 Fünfzehntes Capitel. Prisdren dcwohnen und durch dcn Paß von Ochrldha so leicht in die makedonischen Ebenen einzubrechen vermögen, so ist es einleuchtend, daß in einem albanischen Kriege von allen rumelischen Städten Bitolia die wichtigste militairische Position bildet, weil sie, am Ausgangspuncte jenes Passes gelegen, dem, der sie besitzt, die VcrbindungZstraße beider Länder öffnet und sie dem Feinde verschließt. Noch ehe der Großvezier Neschid Muhamed, der mit einem Hccre von 10000 Mann regelmäßiger Truppen die Albanesen zu bekriegen auszog, die Stadt Nit<^ entblößt, wahrend der Hauptgipfel über 25W< tief aus dieser Felsart besteht. Macedomen. !87 Bungen ungemein. Ich gehe nun zu den einzelnen Beobachtungen über und bemerke nur noch, daß die große Verschiedenheit der Floren des Nidgc und Peristeri zwar ein reichhaltiges Ver-zcichniß von macedonischen Kalk- und Granit-Pflanzen darbieten würde: allein da diese Verschiedenheit unstreitig von der Waldlo-sigkeit des letztern Bergs herrührt, so würde es ganz unzulässig erscheinen, hierin eine Beziehung zwischen dergcognostischen Beschaffenheit des Gebirgs und der Ausbreitung der Vegetation zu erblicken. Die Hölienbestimmungen für die Flora des Peristeri gründen sich auf 4 Messungen, von denen die von Bitülia und Margä-rovo bereits mitgetheilt sind. Eine dritte bezieht sick auf unsern Ruheplatz im untern Gebiete der alpinen Region, an der obern Grenze der strauchartigen Zirbelnußsicbten. Sie ergiebt *) 542t^ und entspricht einem Ansteigen von 2^ 15' über Margurovo. Die Messung endlich auf dem höchsten Gipfel des Peristeri giebt ihm eine Erhebung von ") 7237' über dem Meere und stimmt in sofern mit der Zeit des Ansteigens überein, daß diese zu einer Schätzung von 7300' führt, indem von 4" >5' wirklich entflossener Zeit 45" auf die Horizontalität des Wegs abgerechnet werden und 3^ 30^ einer Erhebung von 4900' über den gemessenen Punct Margärovo entsprechen. Die Grenze der alpinen Flora, von der ich in 10' den Ruheplatz erreichte, habe ich demzufolge auf 520U' geschätzt. 1) Mitteleuropaeiscbe Region des Pcristcri von Witülia bis zur untern Grenze des Zwergwachholdeis. 1400'—5200'. 2) Alpine Region. 5200'—7237'. Das cultivirle Land der Czernaebene reicht bis zur Höhe von Margärovo, bildet daher einen Gürtel von 1000' Breite am Fuße des Peristeri (1400'—2400'). Hicr beginnen jene dichtver-^'achscnen Farnkrautgcstrüppe, die eine zweite Region von 2200' breite großentheils bedecken (240^-^4600'). Hier ist der Adler- *) S,ed!>pllnct auf dem Ruheplätze — 2N2",25 r. bei einer Luftwärme v°>l 16" Ii.: im Behältniß zu 24" It. drü Stcmdpuncts am Meere berechnet. ") Siedepunct auf dcm Gipfel des Peristcn — 1W"^. bei einer 3uft-^"rme von 13« It. 188 Fünfzehntes Capitel. farn, in gedrängten Wedeln, oft unabsehbar weit das einzige Gewächs. Er wird gewöhnlich nur 2 — 3' hoch und verdrängt, so weit ihm umherzuwuchern gestattet ist, alle andere Vegetation: ein lachender, grüner Anblick aus der Ferne, abcr eine traurige, den trefflichen Boden unnütz vergeudende Wüstenei, wenn man sie erreicht hat. Der Pflanzen, die eine solche Gemeinschaft zu ertragen vermögen, sind wenige, und kümmerlich verbergen sie sich in dem schattigen Dickicht und verbreiten sich nur an den lichten Stellen in geselligem Wachsthum: Euphorbien, Erdbeeren, Thy-mus und Galium, durchaus in Mitteleuropa weit verbreitete Gewächse «). Zwischen dem Ptetisgestrüpp treten, auf dieselbe Region beschränkt, einzelne Wiesen auf, die gewöhnlich nur als Viehweiden genutzt werden und deren vortrefflicher Graöwuchs beweist, mit welchem Erfolge die wuchernde Pteris entfernt werden könnte, indem der ganze Abhang gut bewässert und mit Erdkrume bedeckt ist, die Vorzüge des Wiesenbodens abcr unstreitig von der Grasvegetation selbst herrühren. Diese Wiesen bestehen aus **) mitteleuropacischen Gramineen und weißem Klee, dessen Ausläufer sich zwischen dem kurzen Grase verzweigen. Nur in einer einzigen schmalen Region bei 4000^ wird eine Unterbrechung des Farngestrüpps durch prächtige, gedrängt wachsende Asphodelosrasen ^") bewirkt, deren weiße Lilienblumen unter so viel alltäglichen Pstanzenformen um so mehr in Verwunderung fetzen, als sie dem Berge übrigens fremd sind, und mich zwar an eine analoge Erscheinung am Alhos erinnerten, aber mir doch auf meinen Wanderungen nicht wieder begegnet sind. In Gesellschaft mit diesen Asphodclen wachsen übrigens auch *) Pteris aquilina L. — Euphorbia Cyparissias L. Fragaria vesca L. Thymus Serpyllum L. (auf biefem Orobanche annuiata nov. «p.)- Galium verum L. *♦) Poa pretends L. P. alpina L. Anthoxanlhum odoralnm L. Feslnca ovina L. Avena flavesc«*ns L. I'Jili-um ambiguum Ten. — Trifolium repens L. -— Lotus major Scop. ***) Asphodel«» albiis Mill. Macedonian. 189 viele der Kräuter, die der folgenden, so viel reichern Formation angehören. Diese, characterisirt durch den Oxycedrus - Wachholder des Nidge, beginnt zwar am Wege erst bei 3500', indem dieser Strauch von da bis 4600' ansteigt: allein eine gleichfalls strauch-förmige Abart der Zirbelnußfichte, die Anfangs nur einzeln unter jenen angetroffen wird, verbreitet sich seitwärts bis zur untern Pterisgrenze. Ihr Wuchs und die Farbe der Nadeln machen sie schon aus der Ferne kenntlich. Diese Formation bewohnt daher gleiche Höhen mit dem Farnkraut, wiewohl sie allerdings erst weiter oben größere Räume einzunehmen scheint. Die Zirbel-straucher wachsen oft nahe zusammen, aber die Orycedruöbüfche stehen, wie am Nidge, so weitläuftig, daß eine reiche Vegetation von Krautern in den Zwischenraumen ihr Gedeihen findet. Diese besteht vorzüglich aus Vcrbascum, Scdum, Achilleen und kleinen Alsineen und sie geht an einigen Orten in die Formation der Bergwiesen über. Auf der Granitkuppe über dem Dragorthale ist sie besonders-reich entwickelt. An ihrer obern Grenze (4600') ist eine schmale Region der kleinblumigen Nelke des Nidge bemerkenswerth. Außer den btiden Coniferensträuchern kommen auch höchst einzeln Buchenbüsche vor *). Wo der Olycedrus und das Farnkraut aufhören und mit ihnen die erwähnten Kräuter nach und nach ihre Höhengrenze sin-den, zeigen die Gebüsche des Zirbelstrauchs keine Veränderung. *) Juniperns Oxycedrus L, Pinus Cembra L. var. fruticosa. — Verbascum macroslachyon nov. sp. Sedum saxatile Sm. Achillea odorata L. Alsine verna Bartl. Cerastium semiderandrum L. Dian-thus stenopetalus m. — Fagus sylvatica L. var. iruticosa. — jOie übrigen ^flanjcn biefrc formation ffnb: Dianihus atropurpureus nov. sp. Hypericum barbatum Jacq. Sedum hiäpanicum L. var. Saxifraga ro-Inndifolia L. var. geoides in. Trifolium alpestro. L. PotenlillaTom-masii Ten. Aremonia agrimonioides Neck. Jietonica Alopecuros L. Ü« scardica nov. sp. Stachys sericca Benth. Achillea pubescens ^V- Lithospermnm arvense L. La^iagrostig Calamagrostis Lk. 2suf *fc ©tanitfuppe fanb id): Genista sagittaliä L. Arenaria serpylliioiia I" Phyteuma liroonifolium Sibth, 190 Fünfzehntes Capitel. Es beginnt hier ein 600^ breiter Gürtel, der mit verschiedenen Gesträuchen dichter bewachsen ist und wenige Krauter mehr er« nährt. Hier herrschen Zirbelsträucher und gemeiner Wachholder; Heidclbecrengestrüpp wuchert am Boden. Hier kommen auch einzelne Weißtannen bei 4900'Höhe verkrüppelt fort *). Diese Formation reicht bis zur Alpenflora (4600^ — 5200'). Ehe wir diese selbst characterisiren, müssen wir bemerken, daß, wie in andern alpinen Gebirgen, so auch hier die Samen gewisser Pflanzen, die den Kies der Gebirgsbäche bewohnen, von hohen Standorten zuweilen in die Tiefe herabgeschwemmt werden und sich dort entwickelnd, die Gesetze der Pstanzenverbrcitung für den Beobachter verwirren würden, wenn dieser nicht einem allgemeinern Maßstabe bei seinen Wahrnehmungen folgte. Dcnn man darf es als einen Grundsatz aller pstanzengeographischen Un-suchungen ansehen, daß, je enger ein Phänomen örtlich begrenzt ist, es desto gewisser von Einflüssen des Bodens herrührt, und je mehr es im Großen sich wiederholt, desto sicherer climatische Bedingungen desselben erwartet werden dürfen. So haben denn auch die wenigen Alpenpflanzen ^*), die am Peristeri, in dem Wett eines steil herabströmenden Gebirgsbachs, auf den Nollstü-cken des Granits, umgeben von Farnkraut und Asvhodelosstaudcn, sckon in einer Höhe von 4UN0" gefunden werden, ihre Hauptvcr-breitung an den Quellen jenes Thalwegs in der alpinen Region, und cine derselben, das orangenfarbene Geum des Nidge, an dem untern Standorte auf das Ufer des Baches eingeschränkt und von den benachbarten Vergwiesen ausgeschlossen, verbreitet lsich als eins der häufigsten Gewächse über die feuchten, diesen Wiesen in Rücksicht des Bodens ganz ähnlichen Alpentriften, die aber durch einen Höhenunterschied von 1200" von jenen getrennt sind. *) Pinus Cembra L. var. iruficosa. Junipems communis L. Vacciniura Myrtiilus L. Pinus Picea L. 3Cu gestörten mit leitetet: Geranium maaorrhizon L. **) Geum macedonicum m. Saxifraga stellaris L. S. rolundifo-lia L. var. glandulosa. Carduus cailinaelolius Ten. nee Lam. £)ie nidit alpine Ufewecictaticn btefcö aSacfyz befielt auö l^umex domestitus Harm», unb Slellaria uliginosa Murr. Macedonian. 19 l. Bei 520N' bezeichnet vor Allem der Zwergwachholder den Eintritt in das Gebiet der alpinen Region, und so finden wir drei verschiedene Arten dieser Gattung am Peristeri der Reihe nach über einander verbreitet und als Characterpflanzen von drei Vegetationsgürteln stufenweise abgesondert. Mit der obern Grenze des gemeinen Wachholders und der Weißtanne, mit dem Aufhören aller Krauter und Gräser der mitteleuropaeischen Region und mit dem ersten Auftreten des Zwergwachholders beginnt hier plötzlich eine neue Flora von perennirenden, in schönen Nlumenfarbcn prangenden Kräutern, unter denen zunächst das grünliche Veratrum, eine gelbe Ranunkel und die lebhaft rothen Blüthen des Pindusgeranium und einer rassnförmig wuchernden Nelke *) am hausigsten sich zeigen. Hier hört die Dichtigkeit des Gesträuchs auf und eine freiere Entwickelung der Pstanzenformen wird möglich. Von allen Gewächsen scheinen nur die Heidelbeere und der Zirbelstrauch diese Vegetationsgrenze zu überschreiten, die um so mehr unsere Aufmerksamkeit verdient, als sie, nicht durch den Boden oder durch den Einfluß vorherrschender Pflanzen bedingt, eine reine Wirkung des Clima's darstellt. Der climatische Unterschied aber wird zugleich durch die ersten Schneefelder angedeutet, die eben bis Hieher in geschützten Thalgründen noch zu dieser Iahrszeit herabreichten. So merkwürdig dee Zirbelstrauch ") schon durch die Ausdehnung seiner verticalen Verbreitung von 24W^—5400^ erscheint, so überrascht es doch noch weit mehr, daß, während er, in dieser Region vom Boden aus verzweigt, selten über 4' hoch wird und doch dabei reichliche Zapfen tragt, an deren oberer Grenze zuerst ausgewachsene Bäume"*) derselben Fichtenart auftreten und darüber eine Art Waldgürtel bilden. Sollte das Gehölz oberhalb Margürovo gleichfalls Zirbelbaume enthalten, so würde es zwar *) Juniperus nana W. — Veratrum album L. var. Ranunculus Villarsii Dc. Geranium gubcauleäcens 1' Her, Dianthus myrlinervius nov, sp. *♦) Pinus Cembra L. var. frulicosa. **♦) Pinus Cembra L. aiborea. 192 Fünfzehntes Capitel. nur wie ein zufalliger Umstand erscheinen, daß längs deZ Wegs bis in das untere Gebiet der Alpenregion kein Baum an dem weiten, grünen AbHange zu erblicken ist und eben hier, wo man in Nachbargebirgen sich schon vor der Baumgrenze befinden würde, hohe Stamme sich zu zeigen anfangen: aber daß dasselbe Gewächs, obgleich nur sparsam über Europa verbreitet, doch in so verschiedenen Climaten ausharrt und freudig vegctirt, bleibt immer eine bemcrkcnswerthe Erscheinung und empfiehlt die Cultur einer Naumart, die bisher in den Forsten nur wenig berücksichtigt ward. Die Zirbelbäume bilden indessen in der Alpenrcgion keinen geschlossenen Wald, sondern erheben sich einzeln in Abständen von 30—40 Fußen. In dieser Weise verbreiten sie sich von 5400^ — 5800". Nach einer örtlichen Wahrnehmung darf man zwar, wie bereits früher mitgetheilt wurde (Vd. 1. S. 356.), die absolute Baumgrenze zu 6100' setzen: aber nur bis 5800' reicht die eigentliche Holzung. Und bevor sie diese Höhe erreicht, wird bereits eine Abnahme im Wachsthume des Stammes bemerklich. Er bleibt, wiewohl er mcht wilder strauchartig wird, doch nach und nach an Höhe? zurück und oft krümmt er sich nieder, dem geneigten Boden parallel nach der Art des Krummholzes ausgebreitet. Manche Stämme wurden auch vom Sturme des Hoch. gebirgs geknickt und liegen nun faulend und mit Moos *) überwachsen auf der feuchten Erde. Der übrigen Holzgewachse in derAlpenrcgion sind nur drei"), niedrige, selten mehr als Fuß hohe Sträucher. Von diesen vcr-schwindet die Heidelbeere bei 5tt00', und nur der Zwcrgwachhol-der steigt bjs zum Gipfel dcs Bergs. Weiter oben, wo die feuchten Triften aufhören, die Gründe mit Schnee bedeckt und die Abhänge und Joche von Felsen und Granitblöcken starren, wird sein Gebüsch, das die humusreichen Klüfte des Gesteins aufsucht, um so häufiger. Der dritte Strauch ist eine feinnadelige *) Dicraniim slrichim Schwägr. *♦) Vaccinium IVIyi lillus L. Juniperus nana XV. Bruckenthalia »piculislüja Hclib* Macedonian. 193 Erica, die Bruckenthalie Eieoenbürgcn's, welche Sibthorp auf dcm Gipfel des bithynifchen Olymps antraf und die durch die nmsicii alpinen Gebirge Numelicn's verbreitet zu sein scheint. Hier ist sie auf die Höhen von 520<1'—580U" eingeschränkt, und überall, wo ich sie später gefunden, vermochte sie nur in einer schmalen Region zu gedeihe, wiewohl ihr Wachsthum gesellig ist, wie bei andern Hridcn. Wie am Nid.qc, kann man auch hier die Krautvegctation der alpinen Region in die Formation der wohl bewässerten Triften und der trocknen, steinigen AbHange eintheilen. Hierzu kommt noch eine dritte, aus einigen kleinen, geselligen Kräutern ^) gebildet, die aus dem schmelzenden Schnee eine reiche Nahrung empfangen und, wie die Gletschcrsiora dcr Alpen, die Ränder und Erdinseln der erst im Spätsommer verschwindenden, weißen Gefilde mit hellgrünen Blättern und gedrängten Blüthen verzieren. Meine Sammlung von Alpenpflanzen des Peristeri zahlt gegen 60 Arten, die zu 31 verschiedenen Familien gehören, unter denen die meisten für die arctischc Flora charakteristischen Gattungen sich wiederfinden. Bei Weitem die Mehrzahl dieser Gewächse ist über jene feuchten Triften ausgebreitet, die hier mit dem Ncichthume an Krautern auch eine üppige Grasnarbe vereinigen "). Die rupestre Formation ist hingegen sehr arm an *) Ranunculus crenatns Kit. Gnaphalium supinum L. Planlago gentianoides Sm. Agatnopbytum bonus Henricus Moq. var. rube-scens. Trichoslomum pililcrum Sra. **) ©urd) 3aljt in ^nbimbum überwiegen folflenbe 2srtcn: Ranunculus Villarsii DC. Thlaspi a]j)i»UBi Jacq. var. Yiola calcarata L. Silene Nt'iHvickii Friw. Dianthus myrtinervius m. Linum capitamm Kit. Geranium gnbcauJescena l'Her. Geum macedonicura m. Pedi-cularis orihantha nov. sp. Veronica bellidioides L. Rumex alpinus L. R. Acetosella L. Veratrum album L. var. Juncus trisidus L. Phleum alpinum L. Alopecurus Gerardi Vill. Festuca ovina L. var. I*oa violacea Bell. P. caesia Sm. Weissia crispula Hedw. — 3«? jh-eut uorfommenbe S3«{tanbtJ;eilc fcicscr govmation: Arenaria billora L, II. M 194 Fünfzehntes Capitel. Wanzenarten *). An den höchsten Gipfeln nimmt sie den Raum völlig ein, und man kann ungefähr rechnen, daß die meisten Formen der crstern bis zu 6500', d. h. bis zur Quelle des Wachs von Margäravo, ansteigen, die letztern aber bis zur Spitze des Bergs sich wenig verandern, bis dann zuletzt nur noch der Zwergwachholder, eine Luzula und der gemeine Scle-ranthus übrig bleiben. So weit die Beobachtungen über das Physiognomifche der Vegetation des Peristeri, deren Eindruck dem Kundigen durch die mitgetheilten Psianzenverzeichnifse zu bc-siimmtern Zügen sich gestalten wird. Wenden wir uns jetzt zu der Topographie des Peristeri und der bedeutenden Land- und Grbirgs-Strecken, welche die Aussicht von seinem Gipfel umspannt. Wir sahen, wie das Dra-gorthal am nördlichen Fuße des Bergs von West nach Ost sich erstreckt und in die Ebene mündet: aber dennoch ist es keinQuer-lhal, sondern schräg gegen die Hauptaxe der Gebirgskette gerichtet. Denn diese läuft aus der Gegend von Flürina und Castoria von Südost nach Nordwcst, bis sie mit den drei Gipfeln des Peristeri vor dem See von Presba endigt und durch diesen von der gleichfalls alpinen Centralkette des Scardus geschieden wird. Das Thal von Prcsba steht mit dem dcs Dragor in Verbindung, und Spergula saginoides L. Cerastium grandiflomm Kit. Polygala vul-garis L. Sieversia moulaiia W. Sedum tivulare Uoiss. Hieracium gabinum Koch. Taraxacum officinale Wigg. Cirsiurn appendiculatura m. Centaurea rnontana L. var. stricia Kit. Doronicum scorpioides W. Anthemis monlana L. Adenostyles Petasitos Ef. Campanula gpaihnlata Sibili. Phyteuma orbiculare L. Symphytum tuberosum L-Gfntiana punciaia L. Pinguicula grandiflora Lam. Pedicularis co-mosa L. Thesium ramosum Ilayn. var. Crocus vernus W. Carcx caespitosa L. C. leporina L> Pohlia inclinala Sw. *) Scleranthns perenniä L. Vaccinium Myrlillus L, Aspernla longiilora Kit. Juniperus nana W. Luzula spicala DC. Macedonia. !95 so wird der Peristeri, als das äußerste Verbindungsglied zwischen dem Canalvischcn Gebirge und dem Scardus, an drei Seiten von tief gelegenen Thälern umgeben und nach Norden hängt er nur dlirch das jenseit des Dragorthals massenhaft ausgebreitete Hügelland mit dein Scardus zusammen,' Die Kette des Peristen besteht aus dem hohen Kamme und rechtwinklig daraus hervortretenden, aber kurz abgebrochenen Seitenbrüstungcn, welche, nach Nordost gerichtet, die Querthaler und Schluchten einschließen, aus denen die Zuflüsse der Czerna und des Dragor hervor« strömen. Die Gipfel, verhältnißmäßig wenig aus dem Kamme hervortretend, erheben sich theils aus dem Mittelpunct, theils aus diesen Seitentheilen der Kette. So bildet die höchste Spitze, welche ich erstieg, den äußersten Vorsprung einer solchen Seitcn-brüstung, von beiden Seiten in Querthaler des Dragor tief abstürzend und rückwärts nach Südwest mit dem Hauptkamme verbunden. Das Thal von Marg»rovo oder das westliche dieser beiden den Peristeri einschließenden Querthälcr geht hoch hinauf bis zum Hauptkamme und in der Sohle desselben stiegen wir bergan. Nach anderthalbstündigem Wege wurde ein Nuhcpunct gemacht und während dieser Zeit erstieg ich die Gmmtmppe, dic zwischen dem Thale und der Tiefe des Dragor sich erhebt. Auf deren Gipfel finden sich Spuren von altem Maucrwerk und cs soll hier ehemals ein Fort gestanden haben. Von hier sieht inan zu den Füßen das ganze Dragorthal von seiner offnen Wendung gegen Resna und Presba bis nach Bitülia. Gegenüber breitet das Hügclsystem sich aus und der Thalweg ist nirgends eine Stunde breit. Es ist indessen so stark bevölkert, daß auf einer Linie von etwa 3 Stunden Länge nicht wenig/r als 11 Dörfer sichtbar sind *). Gegen Westen entzieht sich der Eingangspunct des ^) Diese Dörfer lie^n nicht m dcr Thulsohle, sondern an beiden Abhängen desGebirgs oder in den Seitenthälern des Dragor: und zwar längs der Nardseile von Bitülic, c,l,6: Pradintol 1'/,, St. von Biblia, Snpi'i IV., Namma 2, Lera 2'/,, Bolintza 2'/^/ Carat 2'^tz sn der Südseite Hüinauo 13* 196 Fünfzehntes Capitel. Thals dcm Blicke, aber jenseits erscheinen die hohen Gebirge von Bchlidha, deren Kamm weit und breit mit Schneefeldern bedeckt war und übcr deren Einschnitt der oft erwähnte Hauptgc-birgspaß nach Albanien führt. Ich erkundigte mich nach dcm Namen dieser Kette, die den Scardus selbst ausmacht, erfuhr aber nur, es scien die Berge von Ochridha und sie erstreckten sich nach den Dibren und hießen dann weiter im Norden Schar. Alle Nachrichten in Bitulia stimmten übrigens darin übercin, daß der Schar ein Werg zwischen Calcändele und Prisdrcn sci. Um 9^ 15' ^) waren wir bereits im Gebiete der Alpenflora angelangt und auf einer blumenreichen Matte überließen wir uns hier der Nuhe und körperlichen Erfrischung, wozu Nicolaki die reichhaltigsten Anstalten getroffen hatte. Hier an dem sprudelnden Gcbirgsbache, in der frischen reinen Morgenluft, behagte es den Gefährten so gut, daß sie größtentheils zurückblieben und meine Rückkehr vom Gipfel abwarteten, den ich von hieraus in anderthalb Stunden (10^ 30'—12") erstieg. Die Schneefelder reichen bis zum Ruheplatze herab und weiter obcn entspringt aus ihnen der wasserreichste Zufluß des Bachs. Zu beiden Seiten breiten Wiesen und Alpentriftcn sich aus. Dann folgt eine Region von großen, durch einander geworfenen Granitblöcken, über die man bis zum Gipfel selbst mühsam emporklimmen muß. Hier verweilte ich länger als eine Stunde (l2"—1" 15') und erfreute mich der prachtvollen, durch keine Wolke getrübten Aussicht. 1) Südwestlicher Quadrant. Der Horizont ist hier größten-thcils durch die nahen Gipfel dcs Hauptramms eingeschränkt, von denen die beiden nächsten S 47° W und S 57" W liegen. Ein ferner Durchblick in Süden aber gestattet einige Hauptspi? tzen des Pindus (S 15° —20° W) zu erkennen. Diese alpinen Gipfel liegen dem Anscheine nach naher als der Olymp, und es und Margilrovo IV4 St., Ricotin 2, Zappar 2V^ , Cascn 2'^. Wo das Thal in der Wendung gegen Ncsna verschwindet, liegt die große Ortschaft Maloritza, die aber von diesem Puncte aus nicht sichtbar ist. *) 6" — 76 30' Margürovo bis zum ersten Ruhepuncte. S" —9" 15' von da bis zum Ruheplätze. "Maccdonicn. ll)7 erleidet keinen Zweifel, daß sie südwärts vom Devoleinschmtte sich erheben müssen. Sie werden vermuthlich den früher erwähnten *) Wcrgcn Grammos und Smolica, den nördlichsten Vorgebirgen des Pindus, entsprechen. — Südwestlich blickt man über den sich senkenden Kamm in das Thal von Prcsba zwischen dem Scardus und Peristcri hinab. Hier erscheint in der Tiefe das nördliche Ende eines Scespiegels (S 57° W — etwa S 70" W), dcssen Lage jedoch mit der Chartenzeichnung des See's von Prcsba durchaus nicht übereinstimmt. Es scheint, als ob der Dragor ein nordwärts strömender Ausfluß dieses See's wäre, der dann durch scine Wiegung nach Osten in das Gebirge eintritt und den Peristeri umkreist. Nördlich vom See erhebt sich aus dem tiefen Thale von Prcsba ein freier Hügelrückcn. — Am westli« chcn Ufer jencs See's steigt unmittelbar die hohe Kette des Scardus an (S 57° W — S 89" W.). Sie ist unten bewaldet und bildet eine Kette mit ebenem Kamm, der viele Schnecfelder enthält und sich anscheinend etwa 1000^ über die Baumgrenze erhebt. Auf welche Art diese nahe Gebirgskette nach Süden gegen den Deool abfalle, ist nicht zu sehen: bis S 57» W senkt sie sich nicht. — Ueber diesen Theil des Scardus ragen in weiterer Entfernung viel höhere Schnceberge (S 75° W), und diese sind es, von denen ich vermuthe, daß sie zu dem Systeme des To-moros gehören **). — Bei S 89° W senkt sich die Scardus-kette zu einem niedrigen Gebirgsjoch und hier muß sich ein bequemer Uebergang von dem Prcsbathale nach dem See von Ochridha finden, wahrscheinlich die Hauptstraße selbst, die hiernach jedoch bedeutend südlicher liegen würde, als die Charten sie darstellen. Von diesem Passe aus erhebt sich die Kette nordwärts wieder zur frühern Höhe, allein in diesem Quadranten noch nicht bis znr Baumgrenze. 2) Nordwestlicher Quadrant. Die Linie des Horizonts wird hier überall durch den Scardus gebildet, der weithin nach 4) Vergl. S. 122. ") Vergl. S. 136. 198 Fünfzehntes Capitel. Norden sich fortzieht und zuletzt nach Nordoslcn umbiegt. Dem Anscheine nach — denn man könnte durch Seitenkctten getäuscht werden — behält er die Meridianrichtung, die ihm auch im vorigen Quadranten cigcn war, bis W 58" N. Auf diesem Gebiete trägt er von W 20° N — W 30" N zusammenhängende Schneefelder. Von da bis W 58° N wird wenigstens der Kamm von Neuem sich senken: denn nur einige der Kuppen sind hier mit Schnee bedeckt. Diesen Character behalt die Kette bei ihrer nordöstlichen Wiegung bis W 85« N, und so empfängt man den Eindruck einer zusammenhängenden, alpinen Kette von S 57° W bis W 85° N., deren gerade Entfernung im Westen auf 3—4, in Nordwesten bis auf 8 Stunden geschätzt werden mag. Von W 85« N bis N 20" O liegen nun gleichfalls noch kettenförmige Berge am Horizont, die sich häusig über die Baumgrenze erheben und einen etwas niedrigern Kamm in den Zwischenräumen zwischen den Gipfeln tragen, der sich auck zuweilen noch mit Schnee bedeckt zeigte. Dieser Horizont ist ohne Ausnahme naher als der Olymp, aber ihn mit den spätem Absichten vom Babuna und Schardagh zu vergleichen wage ick nicht, wiewohl nimi bei näherer Bekanntschaft der Landes diese Gelegenheit, so entfernte Puncte zu verbinden, sehr gut wird benutzen können. Eins jener fernen Schncefelder lag N 5° O und zulrtzt wird die Horizontallinic im folgenden Quadranten unter N 20° O mit einer großen Schnee-anhäufung geschloffen, indem sie von hier aus in niedrigere Höhenzüge übergeht. — Innerhalb dieses weiten Umkreises breitet sich durch den ganzen Quadranten das mehrerwahnte Hügelland aus: ein ungeordnetes Gemisch von Höhen und Thälern, eingeschlossen vom Scardus, vom Ningbecken und vom Dragorthale. Ich schätze dessen Höhe nirgends über 2500^, oft nur auf 12— ,1500' über der Czerna und die Spitzen sind häufig bewaldet. Ungefähr im Meridian (N 15° O) verlauft der Rand gegen das Ringbecken der Czerna von Süden nach Norden. 3) Nordöstlicher Quadrant. Im Vordergründe liegt das große Ringbecken. Die hier der Lage nach bestimmten Puncte sind: Perleve N 47°Q, M'irliva an der Czerna (M^rgarovo der Charten) N 70° ,O, höchstes Minaret von Bitülia N 89° O, Macedonian. !99 Eingang der Czcrna in das Nidgegebirge O 14° S. Pctlepe liegt hart am Fuße der die Ebene nordöstlich begrenzenden Ho-henzüge. Die erste Erhebung erscheint als Hügelkette, auf 18U,V —300U' zu schätzen, die von N 20" O bis zu den Czernaengcn nach Südost und Süd ausläuft. Hinter dieser liegen zwei ahnliche Ketten, eine immer höher als die andere, doch nicht bis zur Baumgrenze. Der letzten derselben folgt die Linie des Horizonts, die jedoch zwischen N 83" O und O 5° S viel weiter zurücktritt, indem hier eine höhere Kette, die etwas Schnee tragt, von jenseits herüberragt. Sie ist anscheinend so weit entfernt, daß man sie in die Nähe des Vardar versetzen darf. — Endlich erhebt sich von O 5« S bis O 14« S dicht hinter den ersten Hügeln ein höheres Gebirge, das dcm Nidgc nicht bedeutend an Höhe nachsteht und nebst dirscm die Stromcngen der Czerna einschließt. 4) Südöstlicher Quadrant. Die höchste Spitze des Nidgc liegt O 16° S. Man sieht deutlich, wie das Canalvische Gebirge sich von diesem Berge aus zwischen dem Ringbecken und See von Ostrovo tief herabscnkt und dann unter O 73" S. in die hohe Kette des Peristeri sclbst übergeht. Die letztere verfolgt bis zu diesem Puncte eine Hauptrichtung von O 75" S., und so sehen wir den südlichen Theil des Ningbeckens in deutlichster Uebersicht von den Canalvischen Ketten umschlossen. Ihre Senkung aber gegen Ostrovo läHt noch viel entferntere Puntte über ^ diesen nahen Horizont herüberscheinen: zunächst Gipfel des Vermischen Gebirgs: erste Spitze O23« S (Turla?), zweite O4U° S, breiter Kuppenbcrg O 02" S —O 67° S (Burino?). Vor diesen Spitzen des Bcrmius erscheint sogar ein großer Theil des Kessels von Qstrovo, nur der Spiegel des See's ist verborgen. Endlich enthalt wieder der Wermius eine Einsattelung zwischen O ltt« S und O 62" S., und hicr werden sehr entfernte Berge sichtbar, unter diesen dcr Olymp O 5l" S. Manches ist in diesen Ansichten aus Mangel an topographischer Kunde dunkel geblieben, allein ich habe mich bemüht, das Ungewisse auszuscheiden und nur den Weg anzudeuten für nothwendig gehalten, auf dem ich zu den allgemeinern Naturansichten 200 Fünfzehntes Capitel. des Landes gelangt bin. — Nach einem beschwerlichen Rückwege langte ich um 2^ 45^ auf dem Ruheplätze an und um 6 " Abends waren wir wieder in Margärovo. 3. Julius. Wir kehrten ncich dem Frühstück (9") von Margärovo zurück und langten in Biblia zur" "^ ,l^lge des Scardus, zwischen Crtt-schovo und Perlepe die des Babuna in das Becken hereintreten. Das Thal von Perlepc selbst, das zu unsern Füßen liegt, ist 2 Stunden breit von Norden nach Süden, von dem niedrigen Hügel und dem hohen Babuna eingeschlossen, und scine Länge bis Maccdonien. 217 zum Eintritt in die eigentliche Ebene betragt 3 Stunden. Die Stadt Perlepc liegt gcnau am Fuße des Babuna im nordöstlichen Winkel des Thals. Ostwärts steigt das Gebirge von der Thalsohle mit steilen, grauen Felswänden zu einem Kamme von etwa 250U' empor, edcnso nach Norden, wo der Babuna noch höher wird und sich zu großartigen Kegeln und Wergkuppen absondert, die steil gegen die Stadt abfallen. Unter diesen zeichnet sich besonders ein spitzer Kcgelberg aus, der nordwestlich ganz nahe bci Perlepe liegt und bereits vom Kloster Vücovo bemerkt wurde, äion hieraus verändert der Babuna seine Richtung nach Nordwest, wo dann das Becken zulctzt durch hohe Schncekuppcn geschloffen wird, die im Hintergrunde der Landschaft einen entschiedenen Gegensatz gegen die sanften Formen des westlichen Hügellandes, wie gegen die reiche Culturebene, ausdrücken. Ich durchritt das Thal von Perlepe in anderthalb Stunden und langte um 8^ am Ziele der heutigen Neise an. Die Stadt zahlt 1500 Hauser, ist lebhaft und enthält einen großen Bazar. Der Fluß, der in der Nähe am Babuna entspringt, durchströmt sie von Osten nach Westen. Der türkische Gouverneur quartierte mich in einem Kloster ein, sendete mir einen Ofsicier, mich zu begrüßen, bewirthete mich selbst und gab mir trotz meiner Weigerung am folgenden Tage zwei Soldaten zur Begleitung, die sich ohne mein Zuthun beritten einfandcn. Dies waren die Wirkungen des Bujuruldi vom Nümeli Walessi. 9. Julius. Nordöstlich von Perlepc befindet sich eine Einsattelung im Kamm des Babuna, über welche die Straße imch Köprili führt. Ein Qucrthal des Gebirgs nimmt sie zu beiden Seiten des Paffes auf. Die Entfernung beider Städte betragt 12 t. Stunden, wovon 3 auf den südwestlichen, !) auf den nordöstlichen Abhang zu rechnen sind. Die Höhe des Passes schätzte ich auf 2500', oder auf 1l0U" übcr dem Niveau von Perlcpc: von benachbarten Gipfeln wird sie vielleicht um das Doppelte übertreffen. Der höchste derselben liegt nordwärts ungefähr auf der Linie zwischen Uesküeb und Cncschovo und ist an vielen Orten des tiefern Landes sichtbar. So erblickt man ihn als den nnzigM SchlMbcra, vom Thale der Uabuna und vom Aardar 2l8 Sechzehntes Capitel. zwischen Han Capetän und Uesküeb, wo er in südwestlicher Richtung erscheint. Die ersten beiden Stunden (5"—7") steigt man wenig an und folgt dem Thalwege des Waches von Perlepc bis zum «rsten Han der belebten Handelsstraße. An der Westseite des Thals liegen bedeutende Bcrgkegel, die dicht am Wege felsig und steil sich erheben und große Unterschiede zwischen der Höhe der Gipfel und Seitenpässe wahrnehmen lassen. Das anstehende Gestein am Wege ist Gneis und die benachbarten Berge bestehen aus derselben Felsart. Nur auf einer einzigen Stelle der gegenüberliegenden Thalwand bemerkte ich eine bedeutende Kalkmasse, an welcher der Gneis mit aufwärts gerichteten Schichten sich anlegte. Die Farbe und Gestalt der Felsen erinnerte in der That an den Dolomit, den Boue in derselben Gegend angiebt. Wo die AbHange weniger steil sind, sind sie von Nuschwerk oder von Achil-leen, Lentaureen und ähnlichen Kräutern *) bewachsen, die an einem trocknen und steinigen Standorte zu gedeihen pflegen. Vom Han aus führt aldann eine Serpentine in nördlicher Richtung auf die Höhe des Passes, wo wiederum einige Häuser sich befinden, die wir nach einer Stunde (8") erreichten. Die Windungen der beiden Querthäler beschränken die Aussicht ungemein: aber dennoch erfreut man sich des Anblicks, weil man hier zuerst wieder einem Hochwalde begegnet, der das östliche Thal des Ba-buna größtentheils bedeckt und der an der Innenseite des Ning-lieckcns vermißt wird. Die Baumarten folgen einander von dem Passe abwärts bis zum Vardar in derselben Reihenfolge, wie von Vüdena bis zur Höhe des Nidge, nur, daß die Nadelwaldung wegen der geringern Erhebung am Babuna fehlt. Aus der Region der Buche tritt man in einen Wald von hochstammigen Eichen, dann kommt ein schmaler Gürtel von Silberlinden, endlich die weiter verbreiteten Eichengebüsche ^). *) 4>5up3: Achillea compacta W. A. odorata L. Centaurea alba L. Plantago tarinata Schrad. Dianthus collinus Kit. einjelnJ Eupliorbia IJascliciri Ten. Echium italicum L. ♦*) Fagus sylvaiica L Quercus Cenis L. Tilia ar^entea Dcsf. Macedonien. 2l9 Die wichtigste Thltts.'chc, welche die Reise von Pcrlepc nack Köprili crgiebt, ist die lilfe Einsenkung des Vardarthals, das sich im Gegensatze gegen das Scardusbcckcn nur wenig über die Meercsfläche erhebt, obgleich die Stromengen des Flusses erst unterhalb der letztern Stadt sich befinden. Der beträchtliche Höhenunterschied der beiden Thalpuncte des Passes giebt sich dem Wanderer leicht aus der langern Dauer und größern Steilheit des Wegs beim Hinabsteigen kund und wird durch die Aenderung des Sicdepunctes bewiesen *). Diese tiefe Furche, wclche das gebirgige Macedonien in südöstlicher Richtung durchschneidet, äu-ßktt zugleich einen bcmerkenswerrhen Emfluß auf die Verbreitung der Gewächse. Wiewohl die immergrünen Straucher der Küste längs des äiardar nicht wieder zum Vorschein kommen, so treten doch andere Pflanzen auf, die in den westlichen Ebenen nicht gedeihen und, auch wenn die Niveauvcrhältuisse unbekannt geblieben wären, darauf hinweisen würden, daß das Clima des Var-darthals wärmer sei, als das von Ostrovo und Bitölia. Zu diesen Gewächsen rechne ich den Acanthus und die Colutea, die auf die Sohle des Thals beschrankt zu sein schienen. Andere steigen in dem Qucrthale des Passes, das von dem Flusse Ba-buna bewässert wird, mit dem Eichcngcbüsche weiter aufwärts. So beginnt eine Stunde Wegs oberhalb Köprili das Peganum, das von hieraus den Boden oft auf großen Strecken gesellig überzieht und ebenso noch auf denGrabstatten, welche die Stadt Uesküeb umgeben, die vorherrschende Pflanze ist. Ganz auf dieselbe Weise verbreitet sich der Paliurus durch das Vardarthal von der Küste bis in die Gegend von Ueskneb und das gesel- Huercu8 RsruwZ I^. Im Buchenwalde: Osckis mgceöonica nnv. 8p. 0. macula!» 1^. An den Felsramen deö Paffes: ^iiiaiia en wohnte, fühlte er, obgleich lange Zeit mit seinem Lehrer zufallen, eine Sehnsucht, sich wieder mit ihm zu vereinigen. Und auch Plato wünschte, seinen Schüler im Alter noch einmal Wiederzusehen. Da aber Alexander den Aristoteles nicht nach Athen ziehen lassen wollte und Plato gleichfalls zu reisen behindert war, kamen sie überein, sich wenigstens ihre Bildnisse zu senden. Als nun Aristoteles das Wild des Plato betrachtete und "ach den Regeln der Philosophie in dessen Antlitz alle seine Neigungen und Leidenschaften aufzusuchen bemüht war, erblickte er barin die Liebe zum Geschlechte, deren Ausdruck er in frühern Jahren bei seinem Lehrer nicht gekannt hatte, und gab diesem sein Erstaunen darüber za verstehen. Plato aber erwiederte: fürwahr, dline Philosophie ist größer, als die meinige, daß du ein solches Geheimniß in den todten Farben zu lcscn im Stande 236 Siebzehntes Capitel. bist. Als ich nämlich jung war und du mich kanntest, hatte ich diese Neigung, aber, weil ich ihr nachgab, drückte sie sich nicht in meinen Gesichtszügen aus: nun ich aber alt geworden bin und dieselbe Sehnsucht empfinde, ohne sie befriedigen zu können, spiegelt sie sich in meinem Antlitze Der macedonische Arzt, den der Pascha feinen Plato von C6stcndil zu nennen pflegte, kniecte während dieser Erzählung anscheinend thcilnahmlos auf dem Fußboden des Saals; als er aber zuletzt eine etwas ernste Miene annahm, wendete sich Avsi zu ihm und sagte lächelnd: »ich sehe, daß du dich stolz aufblähest, als habe ich von dir, Ei> ochotate ^), so lange geredet, aber nicht du hast diese weisen Worte gesprochen, sondern jener Athener, von dem du abstammst:« worüber denn die Gegenwattigen in ein allgemeines Gelächter ausbrachen. Bei den arztlichen Berathungen über einige körperliche Beschwerden, von denen der Pascha sich befreit zu sehen wünschte, erzählte er einen Vorgang, der seinen Gesichtskreis von einer andern Seite bezeichnet. Vor einigen Jahren hatte er an chronischen Uebeln bedeutend zu leiden. Die Arzneien seines Arztes blieben ohne Wirkung; darauf kam ein anderer Rathgcbcr in die Gegend, wurde gerufen und wußte gleichfalls nichts auszurichten. Jetzt stritten sich beide Aerzte über den Fall und suchten sich wechselseitig zu verdrängen. Jeder stellte den Andern bri dem Pascha als Charlatan dar, der ihn unter die Erde bringen würde, und empfahl die eigne Kunst. Ausi ließ sie ruhig gewähren und sich von Beiden Recepte verschreiben. Diese Arzncicn, so entgegengesetzt sie sein mochten, gebrauchte er gleichzeitig und wurde dadurch, wie er sagte, binnen Kurzem völlig hergestellt. Als die Aerzte dies erfuhren, reisten sie verdrießlich ab. Solch eine Erfahrung minderte indcssm des Pascha's hohe Achtung vor der ärztlichen Kunst keineswegs und nur darüber, daß die erprobten Männer ihre so wirksamen Arzneien mit sich genommen halten, drückte er sein Bedauern aus, wobei ihm gewiß jede Ironie fremd war. Im Gegentheil bekundeten seine Worte eine *) Die griechische Anrede der Aerzte und Priester in Macebonicn. Macedonien. 239 Sinnesart, die man vom Aberglauben nicht freisprechen kann und die sich besonders in dem Vertrauen zu erkennen gab, womit Avsi gewisse unter den Albanesen verbreitete Augurien sich aneignete. Da diese durch den Glauben des Volks, dem sie angehören, einige Wichtigkeit erhalten und sich wahrscheinlich aus hohem Alterthume herschreiben, so will ich von dem, was ich darüber umständlich erfahren habe, wenigstens Einiges im Auszüge mittheilen. Die Älbancscn begründen ihre Prophezcihungen auf Beobachtungen an ftisch geschlachteten Thieren, wie die alten Römer. Das Haruspicium gilt für den Besitzer des Thiers. Die durchscheinenden und dunkeln Stellen am Schulterblatt des Hammels deuten das Schicksal, eine kleine Furche am äußern Nande der Außenseite verkündigt den Tod des Herrn. Diese Furche wurde vor 14 Tagen zuerst vom Pascha bemerkt und versetzte ihn in traurige Gemüthsstimmung: denn er sah darin ein Zeichen seines bevorstehenden Todes. Als nun aber die Nachricht vom Ableben Mahmud's eintraf, beruhigte er sich: denn der Hammel gehörte wohl dem Pascha, aber der Pascha dem Großherrn, und man verfehlte nicht sich zu erinnern, daß jene Furche gerade am Todestage des Sultan's zuerst bemerkt worden sei. Uebrigens bedeuten die durchsichtigen Flecken Glück, die dunkeln Unglück, und der ganze Knochen ist systematisch eingetheilt, wie der Himmel des Astrologen. Wenn albanische Räuber im Gc'? birge sich ihr Mahl bereitet haben, so verwaltet Zuerst der Haru^-spex sein Amt, und wenn er findet, daß Truppen in dcr Nähe sind, die einen Ueberfall im Schilde führen, so bricht die ganze Rotte eilends auf, ohne selbst die Speise vorher zu verzehren. Und auf dieselbe Weise entdecken sie die Nahe Begüterter, deren Beraubung ihnen Gewinn bringen könnte. Solche abergläubische Vorstellungen sind unter den Emgebornen aller Religionen verbreitet. Als die letzte Audienz bei Avsi Pascha zu Ende war, befahl kr dem Arzte Mathüs, mich nicht nur nach Calcändele, sondern ^Uch auf den Schardagh zu begleiten, theils, um mich durch seine Gegenwart zu ehren, theils um die Arzneipflanzen, die ich bort antreffen würde, kennen zu lcrnen, und zuletzt entließ mich 240 Siebzehntes Capitel. ber seltene Mann mit der gnädigen Bemerkung: »ble Berge, wo du deine heilsamen Kräuter suchst, können nicht zu einander kommen, und man muß zu ihnen reisen, um sie zu sehen: aber die Menschen, die sich einmal begegnet und befreundet haben, dürfen hoffen, sich im spätern Alter noch einmal wiederzufinden, und dies ist mein Wunsch.« Ueber die Art, mit türkischen Pascha's zu verkehren, bemerke ich bei dieser Gelegenheit, daß, wenn eine Mittheilung zum gesunden Verstände spricht, sie stets wohl aufgenommen wird. Sie wollen weniger auffallende Thatsachen erfahren, als klare Verhältnisse überblicken: dabei ist es jedoch erforderlich, möglichst von ihrem Standpuncte auszugehen, was ihre Gewohnheit, allgemeine Urtheile auszusprcchen, sehr erleichtert. Ueberhaupt ist der Ideenkreis der höchsten türkischen Gesellschaft mit Ausnahme einer jeden Gedanken stimmenden, fatalistischen Beimischung dem unsrigen viel weniger entlegen, als man gewöhnlich glaubt, abgesehen davon, daß solche Pascha's außerhalb ihrer eignen Sphäre nur sehr selten auf Gleichgesinnte und Gleichentwickelte stoßen und eben deshalb um so mehr die Unterhaltung mit den Europaern schätzen. Denn die Ideen, die bei uns bis in die untern Stufen der Halbgebildeten weit und breit lebendig sind, finden sich hier nur bei den Vornehmsten, unstreitig durch den persönlichen Einfluß von Sultan Mahmud erst hervorgerufen, der in diesen Kreisen seine größten Lobvedner hat. Diese Bemerkungen beziehen sich z. B. auf die Vorstellungen von der Wichtigkeit eines industriellen Aufschwungs, eines festgeregelten Staatsorganismus, wissenschaftlicher Thätigkeit, Freiheit der Religion und von ähnlichen Bildungselementen, die man bei dem griechischen Priester sucht und selten findet, die man hingegen bei dem türkischen Großen in geringerm Grade erwartet und bei dem Pascha von Ucskücb antrifft. Gesellschaftlicher Ton ist hiermit indessen nicht gemeint: diesen besitzen unter den Einge-bornen fast nur die griechischen Kaufleute und Aerzte, die Ue« brigen zeichnen sich statt dessen durch manche ansprechende Sitten aus. 13. Julius. Die Hügel, welche die Getraideebene von Uesküeb begrenzen, boten in dieser Iahrszcit nur noch eine ver- Macedonien. 241 dorrte Vegetation dar und ich beeilte mich daher, sobald der Gesundheitszustand meines Dolmetschers es erlaubte, meine Reise nach dem Scardus fortzusetzen. Der Pascha hatte die Güte, mir 6 Pferde zur Verfügung zu stellen, und so verließ ich nebst Ma-thos und einem wallachischcn Diener um 10" Morgens die Stadt. Die Thalcbene des Vardar wird 2 Stunden westwärts von Ues-kücb dadurch geschlossen, daß von der Babunakette ein Ausläufer nach Norden sich bis zum Caradagh in der Richtung des PajseS von Cntschanik fortsetzt. Dieser Ausläufer bildet den Außenring des Beckens von Calcändele und scheidet dasselbe von der Ueskäeb-Ebene. Auf der Linie zwischen beiden Städten wird derselbe durch ein 4 Stunden langes, enges Querthal geschnitten, welches nach beiden Seiten ohne bemerkbare Paßcrhcbung abfällt Und zu der Straße benutzt ist. Ein zweites Thal für das Flußbett des Vardar liegt am nördlichen Rande des Gebirgs zwischen diesem und dem niedrigen Hügellande, welches den Raum zwischen der Ljubatrin und demCaradagh ausfüllt und jene leichte Verbindung zwischen Uesküeb und dem Amselfelde im Passe von Cittfchanik bewirkt. Der westliche Theil der Thalcbene von Uesküeb ist dem öst» lichen ganz ähnlich. Mehre Dörfer liegen an der Straße, die zuerst dem nördlichen Ufer des Vardar folgt, bis sie eine Stunde von der Stadt einen Nebenfluß desselben, der aus Norden vom Caradagh herabkommt, und sodann jenen selbst überschreitet. Hier erblickt man rechts von der Straße ein großes Tschiftlik des Pascha, welches eben jetzt dessen Harem beherbergte. Es ist eine große, halb in Bäumen versteckte Villa, aus welcher zahlreiche, blcigedeckte Zinnen minaretartig hervorragen. Hier pflegte Avsi damals bis zum Mittage zu verweilen und in der Gesell« schaft von 4 Frauen und mehr als 30 Sclavinnen von seinen Regicrungsgeschäften sich zu erholen. Die Lage dieses Orts, in einer gesegneten, von grünen Gebirgen umkränzten Ebene, gewahrt alle Vorzüge elnes ländlichen Aufenthalts, insofern die schattigen Pflanzungen und die Nachbarschaft des Flusses gegen bie heiße, mit Fiebermiasmen geschwängerte Atmosphäre zu schuhen vermögen. Uns begegnete hierein prächtiger Zug von Of< 212 Siebzehntes Capitel. sicieren und berittenen Garden, mehr als 30 Pferde, zum prui^ kenden Geleit von 2 Staatskutschen bestimmt, die des Fürsten Mutter nach Calcimdele geführt hatten. Die Waizmerndte war damals schon beendet, der Mais stand noch grün auf dem Halm, den Reis sah ich hier zum ersten Male im Großen angebaut, so daß der Character der Landschaft in mancher Beziehung an die Lombardei erinnert. Die Cultur des Neis dauert in diesem Theile von Macedonicn von Anfang Mai bis zur Erndte im October. Jetzt waren die Pflanzen noch ganz klein und die Felder glichen jenen überschwemmten Wiesen, aus dercn Wasserspiegel im Frühlinge die neuen Blattspihen durch die Feuchtigkeit begünstigt hervortreibcn. Bei diesem Anblick muß man dem Bischof Heber beistimmen, der das Grün der jungen Neispflanze so besonders zart und frisch findet und bei dem schönen Emdrucke verweilt, den solche Felder, von Gebirgen umgrben und durch den Gegensatz des Großartigen gehoben, dem Reisenden darbieten. Die Vorberge des Babuna, die hier zunächst liegen und das südliche Wardarufer begleiten, sind zwar nur von mittlerer Höhe und größtcntheils undcwaldet, allein sie erscheinen überall rasengrün und erheben sich westwärts über dem Becken von Calcündele allmählig beinahe bis zur Baumgrenze. Sie werden durch enge Querthalcr unterbrochen, die zuweilen durch romantische Felsmassen sich auszeichnen. Das bedeutendste, das Thal der Trcsca, mündet im westlichen Winkel der Ebene aus einer schmalen Fclscnspalte des Babuna, deren röthliche Wände sich zu beiden Seiten unmittelbar üder dem schäumenden Flußbette mehre hundert Fuße senkrecht erheben. Die Nachrichten, welche Mathos mir über diesen Fluß mittheilte, enthüllen einen bedeutenden Fehler der Charten *). Die Tresca nämlich ist der Fluß von Cntschovo und bildet ein eignes Thal« ") Die Ortschaft Tettovo der Charten eristirt nicht: dies ist der Name des Ningbeckens von Calc^ndele. Die Tresca entspricht beiläufig drm Flusse Tetowo der Cottaschen Charte, wenn man sich denselben bis Gritschovo verlängert denkt. Ks licgt daher eine Wasserscheide zwischen Critschovo und Perlepl'. Macedonia. 243 system im Babuna zwischen den Ningbccken des Vardar und der Czerna. Critschovo selbst liege zwar in einer Ebene, bemerkte Mathos, allein man könne dieselbe nicht wie die von Calc:'«ndcle und Bitulia mit dem Namen eines Cambos *) bezeichnen, weil sie nur 2 Stunden lang und weniger als eine Stunde breit sei. Von da fließe die Trcsca dann in einem engen Gebirgsthal? bis zu ihrer Mündung in den Varbar und sie durchschneidet auf diesö Weise den ganzen Babuna. Da, wo die Straße nach Calcändele aus der Ebene in das ersterwähnte Thal übergeht, liegt ein Han (12"). Links steigt die südliche Thalwand zu betrachtlicher Höhe an und trägt an iht rrn obern Abhängen einige Dörfer, die durch ihre hohe Lage sich auszeichnen. Sie haben eine albanesische Bevölkerung und hier ist dcr östlichste Wohnsitz dieser Nation, oder es sind vielmehr ltt den Wabuna herübergesicdelte Colonien, die von ihren LandsleU^ ten im Ccardus durch das von Bulgaren bewohnte Tcttovo gft trennt werden. Die nördliche Thalwand besteht zum Theil alts steilen Kalkfelsen ^) von weißer Farbe, festem Gefüge und ohne Pttrefacten, mit eingesprengtem Marmor. Die Vegetation dies scr Felsen, mit der von ähnlichen Standorten bei Salonichi veti glichen, deutet bereits auf eine Aenderung des Llima's hin ***). In dieser Gegend fand ich jedoch die Gelegenheit, eine gute, schon früher (Bd. 1. S. 292.) erwähnte Quellentempcratur zu "halten, aus welcher sich ergiedt, daß hier in der Breite voll *) X«/l?in5. So bezeichnete M. die eigenthümliche Natutfovm des Nitigz beckcns von Calc^ndele mit dem Namni: ««/i?^ ?'l^o/?c»5, und vielleicht ist b>cs ei« lmttr den Griechen gebräuchlicher Ausdruck. ") Dolomit nach Aoi, zen, Linsen und Hanf; außer diesen erwähnte man in Calcän-dele Gerste, Briza, Erbsen, Kichererbsen und Bohnen *), so wie man auch versicherte, jede Art von Cultur werde hier betrieben, nur die Baumwolle und der Neis ertrügen das Clima nicht. Den Ackerbau betreiben die Bulgaren, welche die Ebene bewohnen, wahrend die Albanesen in den Gcbirgsdörfern sich Vorzugs« weise mit Viehzucht beschäftigen und in den Sommermonaten ihre hoch im Scardus gelegenen Sennhütten beziehen, die hier, wie in der ganzen Türkei, Mandra's genannt werden. *)■ Zca Mais L. Triticum vulgäre Vill. Ervum Lens L. Can-fiahis sativa L. — Untcs ben übrigen rcetben tüatufdjeinttd) fotgenbc ®t* taäd)se uetftanben: Hordeum vulgäre L.; Triticum monococcon L.: we* 'ligftenö bejeid)iict ßqlfa aud) Ui SUeten 2Cutoren t\ek ^flanjei Pisum sa-t'vum L, • Cicer arietinum L. (poix pointtis)^ Phaseolns vulgaris L. 346 ' Siebzehntes Capitel. Eine große Anzahl von kleinen Bächen strömen einzeln vom Gebirge zum Vardar hinab und bewässern die Ebene auf das reichlichste. Der Vardar selbst, bei Calcändele erst ein schmales Wßchcn, fließt bis zu seiner östlichen Biegung im nördlichen Winkel des Beckens der Kette dcs Scardus parallel, von dessen höchsten und ganz nahe gelegenen Gipfeln das Niveau der Thalsohle um mehr als 6ttl)l/ übertrossm wird: denn die Mcereshöhe von Calcimdclc habe ich zu 848^ *), die Erhebung der Kobclitza zu 7U76' bestimmt. So wird die Ebene, gleich der von Bitü-lia, durch einen hochalpinen Gebirgszug westlich begrenzt, der unmittelbar aus dem wagerechten Boden zu den höchsten Gipfeln fich erhebt. Diese gewähren denselben imposanten Anblick, wie dj? Kette des Peristeri bei Bitnlia, allein sie übertreffen ihn noch durch die größere Ausdehnung des ganzen Hochgebirgs und dadurch, daß die Spitzen, mehr kegelförmig gestaltet, bedeutender jiber der Brüstung des Abhangs emporragen. Unter diesen Alpenhörnern zeichnet sich die Ljubatrin durch ihre Höhe und isolitte Lage vorzüglich aus: außerdem sind im Mittclpuncte der Ebene vor Calcändcle noch 3 solche Kegel in westlicher Richtung sichtbar. Im Süden wird das Becken gleichfalls durch eine in jetziger Iahrszcit noch Schnee tragende Gcbirgsmasse geschlossen, dje den Namen Muzdatsch führt und durch welche der Babuna sick mit dem Scardus in der Nahe von Cntschovo vereinigt. Dies jst vielleicht derselbe Berg, der von den Hügeln bei Perlepe im feinen Nordwestcn sichtbar war. Von da senken sich die Verzweigungen der Babuna allmählig nach Nordosten und bilden die das Becken östlich begrenzenden Ketten, bis diese der Ljubatrin gc» genübcr vor der Ausgangsspalte dcs Vardar aufhören. Calcundelc ist eine Stadt von I5lw Hausern, hart am Fuße des Scardus unter dem Eingänge in cin enges, abschüssiges Querlhal zwischen hohen Ulmen, Pappeln und Obstbäumen **) *) Siedepunct bei drm Palais in Calcimdcle ^ 2!l)",5 I', bei einer Luftwärme von 25" 1!., im Verhältniß zu 24° N. berechnet. **) Ulmus campestrig L. Populus alba L. Prunus rtainestical. Primus Ceiasus L: Jutland regia L. Moms alba L,. Macedonien. 247 fast verborgen. Ein starker Bach aus jenem Thale des Scardus durchströmt rauschend den Ort, der gut gebaut ist und zugleich eine ländliche Physiognomie hat, weil er sich weitlauftig ausdehnt und die Häuserreihen überall von Garten und Pflanzungen un» terbrochcn werden. Zwei schön gelegene Tschiftlik'sAbdurrhaman's zieren die Landschaft, von dencn das eine rückwärts am Abhang des Babuna, das andere auf der Spitze eines dicht über der Stadt sich erhebenden Vorbergs die Aussicht über die Ebene bc< herrscht. Die Häuser, welche die regierende Familie in der Stadt bewohnt, sind gleichfalls leicht gebaut, aber geräumig und von neuem, prunkendem Ansehen. Zuweilen sind bunte Malereien an den Wänden auf dem weißen Grunde angebracht. Der Wohnung Abdurrha-man's gegenüber liegt ein großes Gehöft mit Nebengebäuden, wo gegen 40 edle Pferde, der Marstall des Pascha's, in einem offnen Verschlage an der Krippe standen. In einem der Häuser war bereits Alles für die gastliche Aufnahme des Musaphir vorbereitet: hier fanden wir jede türkische Bequemlichkeit und wurden aus der fürstlichen Küche gespeist. Achtzehntes Gapitel. Besteigung der Ljubatrin, Abdurrhaman Pascha. Tehaartfcha. Die Ljubatrln. Stares«!. Eine bulgarische Mandra. Vegetation des Tettovo und der Ljubatrin. Aussicht von deren Gipfel. Strinitz«. Kloster St. Athanasio. Aufenthalt in Calwndele. , 14. Julius. War die Erscheinung Abdurrhaman Paschas weniger bedeutend und eigenthümlich, als die seines Bruders, so zeigte sich doch auch bei ihm eine Neigung zu gelehrten Beschäfs tigungen. Durch hypochondrische Anlage zu einer beständigen Aufmerksamkeit auf seine Gesundheit angeregt, hatte er die türkischen Schriften über Arzneikunde gelesen und behandelte die ges ringen Körperbeschwerden, die ihm den Genuß so großer Glücksgüter verbitterten, nach eignem Gutdünken größtentheils mit einheimischen Kräutern. So gebrauchte er Erdrauch und Löwenzahn, trank in geeigneter Iahrszeit Molken von Kuhmilch und hatte vor Kurzem eine Badereise nach Caratova unternommen, dessen Schwefelquellen ihm wahrscheinlich noch nützlicher gewesen wären, wenn er sie nicht nach türkischer Art nur als Schwitzbad angewendet hätte. Als er sich über den geringen Erfolg dieser Cur beklagte, beschrieb ich ihm die Einrichtung unserer Schwefelbader und rieth ihm einen anhaltendem Gebrauch. Da ihm " Scardus. 249 jedoch ein längerer Ausenthalt in Caratova nicht convenirte, so schlug ich vor, solche Bader in Calcändele künstlich bereiten zu lassen, worauf Abdurrhaman eine Idee äußerte, die von den Hülfsmitteln dieser Herren einen Begriff giebt. Indom er nämlich den natürlichen Heilquellen seines Vaterlands wie billig den Vorzug gab, fragte er, ob diese, erkaltet und in der Folge künstlich erwärmt, nicht an Kraft verlören. Ich machte ihn auf die hierbei stattfindenden Schwierigkeiten aufmerksam, aber dcmun-geachtet entschloß er sich doch sogleich, diese nicht zu achten. Wähl rend eines Monats wollte er eine regelmäßige Caravane zwischen Calcändele und Caratova, das etwa 20 Stunden entfernt ist, unterhalten, so daß täglich 100 Ocha's Schwefelwasser, in irdenen Kriigen hermetisch verschlossen, bei ihm anlangten, und, da ich ihm vorstellte, daß bei aller Vorsicht doch eine Verminderung deS Schwcfclgehalts kaum zu vermeiden sein würde, so erklärte er, indem er dadurch das richtige Verständniß der Sache bekundete, diesen Verlust durch aufgelöste Schwefellcber ersetzen zu wollen. Nach diesen und andern arztlichen Berathungen begann Abdurrhaman von den Zwecken meiner Reise zu reden. Er lobte meine Absicht, den Schardagh untersuchen zu wollen, der gewiß noch viele in der Gegend unbekannte, heilsame Krauter besitze, so wie denn auch schon eine große Anzahl daher im Gebrauche sei. Er weinte, die höchste Spitze des ganzen Schar sei der den Dibren benachbarte Cornb *), der indessen seiner Felsen wegen nicht er-stiegen werden könne, auch wäre die Reise gefährlich und erfor- *) Redschil» Aga sagte, daß ber Coräb eine einzige schroffe, unersteig-Uche Felsmaffe bilde, allein er hielt die Ljubatrin für höher. Ich selbst sah von der Ljxbatrin und Kobelitza die -kegelförmige Spitze des Coräb ziemlich fern aus Südwesten und Süden hervorragen und sie erschien wir als der cul? winirende Punct des ganzen Scardus. Der Cor^b liegt nach eingezogenen Nachrichten in der Richtung von Critschovo gegen Dibre, und, wenn man vom erstern Orte die H3he des Gebirgs erstiegen hat, erreicht man in 6—3 Stunde«, den schwarzen Drin bei Nieder-Dibre. Crttschovo selbst liegt nur ^ t. Stunden von Calcändele, wovon etwa 2/, auf den Weg durch den sublimen Theil des Nettovo und '/, auf den Uebergang über den Babuna zu rech» "en sind. 250 Achtzehntes Capitel. dere hin und zurück tt Tage durch unwegsames Gcbirgsland. Uc-brigcns betrachte er die Ausführung meines Plans als seine eigne Sache, er werde alle Anordnungen treffen und mich durch seine Leute auf die interessantesten Puncte führen lassen. Auch würde er, wenn seine Gesundheit es nicht verbiete, mich selbst begleiten. 15. Julius. Diese Anordnungen zu einer viertägigen Neise, deren Ziel der Gipfel der Ljubatrin sein sollte, gaben einen Beweis von dem ernstlichen Wohlwollen Abdunhaman's. Wir bildeten einen Zug von 9 Personen, von denen 7 beritten waren, und wurden überall auf Rechnung des Pascha's bewirthet. An der Spitze stand Redschio Aga, ein Hauptmann der Leibwache, aber zugleich Sclave Abdurrhaman's, ein junger Muha-mcdaner von lustigem Temperament und leicht sich befreundend, reich gekleidet in rother Uniform, doch der Bequemlichkeit wegen mit bloßen Füßen. Dann folgte ein Lieutenant Missim Aga, ein finsterer Aldancse, und endlich dienten zur Bedeckung noch zwei Soldaten, des Letztern Landsleute, die mit ihren schlankge-fvrmten, aber gewichtigen Flinten, deren Schaft aus Eisen besteht und deren Schwerpunct nach vorn gerückt die Waffe beim Auflegen so sicher macht, munter zu Fuße einherschritten. Auf meine Verwunderung über die Zahl der Begleiter erwiederte Red-schid Aga, auf die Ljubatrin könne der Fremde nur durch eine seltne Gunst gelangen, weil böses Volk im Gebirge wohne. Dem Worte Ljubatrin, das in der bulgarischen Sprache Frau Dorn bedeuten soll, liegt demnach dieselbe Vorstellung zu Grunde, die in Savvyen die Alpcnhörner mit Nadelspitzen vergleicht, und, wenn man den Namen Jungfrau von dem unbefleckten Schneegewande dieses Bergs herleitet, so mag auch eine ähnliche Ideenverbindung den weißen Kalkselsen, die von jenem Gipfel des Scardus in die grünen Regionen herabhangen, die weibliche Bezeichnung erworben haben. So nun springt die Ljubatrin etwa 5 Stunden nordöstlich von Calamdele aus der Kette des Scardus hervor und bildet dadurch den nordlichen Schluß-punct des Tettovo, dem wir uns daher am Fuße des Gebirgs durch die Ebene reitend allmählig näherten. Der Scardus selbst/ Scardus. 25t den man hier in einem einzigen Tagemarsche übersäireiten kann, besteht aus dem nackten, huchalpinen Kamm mit aufgesetzten Gi-Pfelkcgeln und einer einfachen Brüstung von bewaldeten Vorber-gcn, zwischen denen die Querthalcr nach Südosten in dasTettovo hinablaufen. Wcnn man daher unmittelbar unter der Naldre-gion am Nande der Ebene sich befindet, so wird die hohe Kette ungeachtet ihrer Nähe durch jene Neihc von Vorbcrgen verborgen, die sich einfach zu 12—I5llU' aus der Tiefe emponvölbcn und rückwärts an das odcre Gebirge anlehnen. Durch die Qucrthäler dagegen, die steil zwischen ihnen ansteigen, scheinen nicht selten die erhabenen Alpenhörner hervor und setzen durch ihre starke Bö-lcdlmg in Erstaunen. Die Castanienwaldung, die vielleicht *) erst dem Menschen ihr Vorkommen in dicsen Gegenden verdankt und wenigstens jetzt durch sorgsame Wege erhalten wird, erstreckt slch ungefähr bis zur halben Höhe der Vorbcrge und verbreitet sich auch durch die Thäler. In dieser Waldung liegt Dorf an Dorf versteckt und Redschio Aga zahlte deren sechs auf dem zweistündigen Wege von Calcändele bis Tchaarlscha, einem Dorfe am Fuße des Gebirgs, dem heutigen Ziele unserer Reise. Zuweilen finden sich zwischen der Ebene und dem Castamenwalde noch niedrige Vorhügcl, die zum Weinbau benutzt wcrren. Die Reben werden sorgfältiger, als in andern Gegenden, behandelt und liefern einen guten Wein, der süßlich schmeckt, aber viel weniger erhitzt, als der griechische. Die Ebene selbst ist tin großer Garten, wo keine Scholle des Landes sich selbst überlassen bleibt. Und wie reichlich die natürliche Bewässerung und die Fruchtbarkeit des Bodens den Fleiß der Bewohner vergelten, zeigt sich sclbst in dem üppigen Wachsthum wuchernder Schlingpflanzen, wovon die Geväge längs der Straße durchrankt werden. Betritt man aber erst die Dörfer, so prägt sich dieser Segen natürlicher Hülftquellcn auch in einem *) Ich schließe dies auch daraus, daß die Kastanie b'er crst jcht blühte, Während ich sie in ihrer eigentlichen Heimath, der Küstcnregion, z. V. bei Miga^ara jn Thracicn, schon vor 2 Monaten in Blüthe traf. 252 Achtzehntes Capitel. verhaltuißmäßigen Wohlstande der Landleute aus, die gut gebaute Häuser und außer ihren Feldern auch wohlgefüllte Obstgarten besitzen. Da das Clima keine besondern Rücksichten erheischt, so wird ein solches Baucrnhaus nur aus dünnem Gebälk aufgeführt, woran man die Zwischenräume mit Flechtwerk ausfüllt und dieses durch Lehm befestigt. Das Gebäude besteht nur aus dem Erdgeschoß, welches oben einige Kammern und die offne Gallerie, oft auch noch ein Köschk trägt und von einem Ziegeldache überdeckt wird. Auswärts führt eine Treppe auf die Gallerte, wo die Familie sich mit ihren hauslichen Arbeiten beschäftigt. Unten ist die Stallung und das Ganze wird von einem eingchägten Hofe umgeben. Solcher Wohnungen enthalt Tehaartscha 2U0 und dieser Ort zeichnet sich vor andern Dörfern des Tettovo durch gemischte Bevölkerung aus: denn hier leben 150 albanische Familien, die sich zum Islam bekennen, und nur 50 bulgarische Christen. Wir übernachteten bei einem der Letztern, der bereits auf unsern zahlreichen Besuch vorbereitet worden war. Auf der Gallerie, wo auch die Kleidungsstücke sämmtlicher Hausbewohner aufgehängt waren, wurden mitgenommene Teppiche ausgebreitet und die Frauen des Hauses trugen Hammelfleisch zur Abendmahlzeit auf. Die Bulgaren zeigten sich zwar neugierig, aber zugleich bescheiden und anspruchslos. Die Höflichkeit des Wirlhs war so groß, daß er, während wir aßcn, mit einem brennenden Holzspane sich neben uns stellte und, ohne zu ermüden, unsere Tafel so lange beleuchtete, als dieses nothig schien. Eine Vorrichtung, die Kienfackel zu befestigen, schienen diese Leute nicht zu kennen, und wie selten mögen sie sich auch solch' einer Be-quemlichkeit bedienen, da das Feuer am Heerde für ihr Bedürfniß Licht genug verbreitet. 16. Julius. Von Tehaartscha bis zu einem Han unmittelbar am Fuße der Ljubatrin sind 2Vz Stunden. An der Straße liegen 2 Dörfer, das erste 3, das zweite 3V> Stunden von C"l-tändele. In dem letztern, das Strinitza hcißt, begegnete uns eine Schaar bulgarischer Jungfrauen, die zu einer ländlichen Arbeit in Gesellschaft auszogen und sehr verschämt zögerten, sich dem Blicke der Fremden ohne Schleier zu zeigen: es waren sla< Ccardus. ^ 2F3 vifche Gesichter ohne Schönheit, bei einigen jedoch nicht ohne weiche, weibliche Züge. Bis zu dem erwähnten Han steigt man schon, ohne es zu bemerken, bergan: denn derselbe liegt bereits gegen I0W' über Calc-Wdele. Dies ergiebt sich aus der Höhenmessung von Staresel, einem Dorfe, das nach meiner Bestimmung 25lil1^ über dem Meere und gegen 700' über dem Han liegt. Hieraus wird es erklärlich, daß der nördliche Theil des Tettovo eine sanfte Nei« gung nach Südostcn besitzt, wo der Vardar die gegenüberlicgm-den Berge umkreisend zuletzt seinen AusgangZpunct gegcn Ues? küeb findet. Neben dem Han kommt ein starker Bach vom Scar-dus, durchströmt die Hügel, die zwischen der Ljubatrin und jenen Bergen das Tettovo vollends schließen, und bestimmt bei seiner Mündung in den Uardar diesen Fluß zu seiner Wendung nach Osten durch ein engcs Thal gegen Uesk'icb. Wo beide Gewässer sich vereinigen, liegen die Ruinen eines alten Schlosses, Oras genannt. Wenn nun hier bereits der Character der Landschaft sich ändert und hügeliges Terrain an die Ebene sich anschließt, so verschwindet ein so aUmahliger Uebcrgang doch dem großartigen Anblicke gegenüber, den die Ljubatrin selbst an diesem Puncte gewahrt. Wer den Watzmann aus dem Thale von Berchtesga-den gesehen hat, kann sich eine der Gestalt und Höhe des Bergs entsprechende Vorstellung davon entwerfen. Nach allen Seiten senken sich vom Gipfel, der mehr als 6000' über das Niveau des Thals sich erhebt, ziemlich schroffe, jedoch größtentheils rasengrüne AbHange tief hinab, nur nach Osten zieht ein minder steiler Grat, der an der Baumgrenze in einen von Gebüsch und Wald bedeckten Vorbcrg übergeht. Dieser bildet den Vordergrund des Gemäldes und, indem er verhältnißmäßig sanft geneigt ist, beschreibt seine Basis einen weiten Umfang bis zu den Hügeln am Vardar. Seine Erhebung beträgt gegen 4000', oder die Hälfte des ganzen Wergs, jedoch nur ein starkes Drittel von dessen Höhe über dem Thale. So wie nun der Han genau am Fuße des Gebirgs liegt, so findet sich auch erst hier die Grenze des Alluviums, woraus das Tettovo, wie das Becken der tzzerna, besteht. Am Wege 25! Achtzehntes Capitel. von Calcändele bemerkte ich auf der Ackerkrume nicht selten Gerölle von gneißartigem Gestein, die durch die Scardusbache vom hohen Gebirge hcrabgespült waren. Wird nun zwar hierdurch die Uebereinstimmung der geognosiischen' Zusammensetzung desselben mit den früher besuchten Ketten schon einigermaßen wahrscheinlich, so ist dagegen die Gebirgsart der Ljubatrin eine ganz verschiedene. Dieser Berg besteht durchaus aus einem dichten, festen, vcrsteincrungsleeren Kalkstein, der mit dem der Kobclitza übereinstimmt und dessen Stellung von Boue *) bezeichnet wor-den ist. Seine rein weiße Farbe geht zuweilen in's Graue über, seine Schichtung ist nicht ausgezeichnet. Höhlen oder Porositäten, wie am Karst, habe ich nicht darin bemerkt. Auch fehlen fremde Beimischungen, mit Ausnahme von hier und da eingesprengtem Kalkspath und Uebergangen in Marmor. Dieser Kalkstein ist durch die Rauhigkeit seiner verwitternden Oberfläche sehr ausgezeichnet, und wir werden sehen, daß er mit dem Glimmerschiefer des Scardus wechsellagert. Die unterste Region der Ljubatrin ist von Eichensträuchcm bedeckt und in dem obern Gebiete derselben liegt das bulgarische Dorf Staresel, das wir vom Han in 3U" stark bergan steigend erreichten. Von hier gelangten wir in 1' 30' bis zu einer Man« dra, die genau an der Baumgrenze auf der Höhe des Vorbergs angelegt war. Dieser Weg führte uns Anfangs noch 15' durch Eichengebüsch, sodann 30' durch niedriges Nuchengestrüpp, zuletzt über kräuterreiche Bergwiesen, die eben gemäht wurden. An der andern Seite der Mandra aber, in der wir übernachteten, findet sich in gleicher Höhe mit diesen Wiesen hochstammiger Buchenwald, der auch an dem nächstfolgenden Bcrge des Scardus bis zu demselben Niveau heraufreicht und die Baumgrenze bildet. Hier lag nun die mächtige Höhe frei bis zum Gipfel vor uns, wahrend ostwärts das tiefe Land sich bis Uesküeb öffnete und die Hügel des Vardar schon ganz klein zu den Füßen lagen. Die Ljubatrin, deren Gipfel noch gegen 3500' über diesen Standpunct sich erhebt, erscheint hier wie ein ungeheuerer *) Bd. 2. S. 37. ScarduS. 255 Nasenabhang, oben mit weißen, aber der freiern Lage wegen fast schneefreien Felsen umgürtet. Zahlreiche Hcerdcn von Schafen und Kühcn weideten an diesen nackten Höhen, von denen einige sehr hoch am Berge sichtbar waren, wo sie auch des Nachts verweilen. Kaum waren wir bei der Mandra angelangt, als dcrcn Besitzer — hier warcn's Bulgaren — von einer benachbarten Höhe, wo sie ihr Vieh weiden ließen, eilends herabkamen und ein Schaf, das zu unserer Mahlzeit bestimmt war, mit sich führten. Aus einiger Entfernung begrüßten sie uns mit Flintenschüssen, die meine Gesellschaft mit sämmtlichen Waffen erwiederte: denn das 'st für alle Kinder des Landes die größte Freude, bei jeder Gelegenheit ihre Gewehre abzufeuern und sich an Schall und Echo ZU erfreuen. Solch' eine bulgarische Mandra ist ein windoffncr Schober, der aus wenigen, durch lockeres Geflecht verbundenen Baumsiäm-wen leicht aufgerichtet werden kann. Der innere Naum bildet "n Quadrat, 12' lang und breit und 1U' hoch; das Dach bc-steht gleichfalls aus Holz und Flechtwcrk. Zum Theil ist die Hütte von hölzernen Trögen und großen irdncn Krugen angefüllt, dle zur Milchwirthschaft gehören. Die Bulgaren wissen aus der Kuhmilch mehre bei uns unbekannte, theils gute, theils unsernl Gaumen widerstrebende Speisen zu bereiten, namentlich einen frtsch zu essenden, halbfiüfsigcn, süßlich sauern, weißen Käse, der wit Zucker bestreut sehr angenehm schmeckt. In der Mitte der Mandra steht ein galgenähnliches Gerüst mit einem langen, eisernen Haken, an welchen ein Kessel gehängt wird. Unter diesem lodert das Feuer auf dem Erdboden, so daß die Hütte dicht "it Rauch crfüllt ist. Da der Brand Tag und Nacht unterhaltn wird, so ist cs schr beschwerlich, in einem solchen Naume zu Mafen. Wir lagerten uns daher draußen im hohen Nasen, alxr es war kalt und ein scharfer Wind wehte. Ein Jeder suchte sich daher demnächst seine Schlafstelle im Freien möglichst zu verwahrn, und, um den Luftzug aufzufangen, waren die Körper dcr Pferde und Kühe fast nützlicher, als die losen Wände d^ "Sandra. 256 Vchtzchnies Capitel. Die Bewohner dieser Sennhütte, zwei Familien aus Mann, Frau und Kindern bestehend,-erwiesen sich sehr gastfreundlich und suchten uns nach Kräften zu bewirthen. Zuerst ward das Schaf geschlachtet und schleunigst nach Klephthenart, wie an dcr Küste von Marogna, zubereitet. Dann aber folgten noch einige unsaubere, abscheuliche Bulgarenspeisen, unter Anderm ein mit Fett getränkter Kleister, dcr wie graues Fließpapier aussah. Ebenso wenig genießbar kam das Brod mir vor, das unmittelbar zum Gebrauche in einer heißen Pfanne höchst einfach gebacken ward. Alle Speisen wurden mit den Handen zerlegt und gemeinschaftlich aus demselben Gcrathe gegessen. 17. Iulius. Da nach der Versicherung Aller die schmale Spitze der Ljubatrin theils wegen des den Tag über beständig dort herrschenden und aus Bosnien wehenden Windes, wogegen sich Niemand über den Abgründen aufrecht zu erhalten vermöge, theils, um gefahrliche Nebel zu vermeiden, nur zur Zeit des Sonnenaufgangs besucht werden kann, so schliefen wir nur kurze Zeit und waren eine Stunde nach Mitternacht schon wieder, von dem sternenklarsten Himmel begünstigt, zum Aufbruche bereit. Bevor ich jedoch die Topographie der Gegenden, die von dem Gipfel beherrscht werden, darzustellen versuche, scheint es zweckmäßig, die Niveaubestimmungen mitzutheilen und die Beobachtungen über die Vegetation dieses Bergs daran zu knüpfen. Die Bestimmung der Pflanzcnregionen an der Ljubatrin beruhte auf 3 Messungen. Aus diesen ergiebt sich für das Niveau von Staresel *) eine Meereshöhe von 2501", für die Mandra an der Baumgrenze **) 4360^ und für einen Ruhe- *) Siedepunct in Staresel — 2U?°,5 i?., bei einer Lusttemperatur von 20°, im Verhältniß zu 24° N. berechnet. **) Siebepunct bei der Mandra an der Baumgrenze — 204",25 I?, bei einer Lufttemperatur von 19° It. Scardus. 257 Punct *), von welchem man den höchsten Gipfel des Vcrgs in 25^ ersteigen kann, die bedeutende Erhebung von 7312". Dem» zufolge betragt die Höhe der Ljudatrin etwa 7900' über dem Spiegel des aegaeischen Meeres, und dies ist der höchsigelegene Punct, den ich in Numelicn erstiegen habe, um so geeigneter zugleich, einen weiten Ueberblick über die Structur des Landes zu vermitteln, als er nach 3 Seiten unmittelbar mit seinem Fuße Thäler und große Ebenen berührt, die um das Achtfache tiefer gelegen sind. Vergleicht man diesen hohen Standpunct mit den übrigen bisher bestimmten Höhen der rumelischen Gebirge, so scheint er unter diesen den dritten Platz einzunehmen, indem er nur dem thessalischen Olymp **) und dem Komm, der höchsten Spitze des Wertiscus, nachsteht, die von Kovalevski über 80U0" geschäht wurde *>"). Wenn man nun hierbei noch berücksichtigt, daß der Coräb wahrscheinlich die Ljubatrin noch um einige hundert Fuße an Höhe überlrifft, so stellt sich zugleich die bemer-kcnswerthc Thatsache heraus, daß die meisten Hauptgebirgsstöcke von Rumelien in dieser Beziehung beinahe übereinkommen, und zwar mit ihren höchsten Gipfeln ein Niveau von 700U' überschreiten, aber auch nicht bedeutend höher sich erheben. Und um die hierher gehörigen Daten zusammenzustellen, so sind außer den erwähnten folgende Bestimmungen vorhanden, die diesen Satz begründen: für den Bertiscus der Dormiior und Procletia zu 7600' geschätzt ->-); für den Ecardus außer der Ljudatrin die Ko-belitza — 7l)76'; für das canalvische Gebirge der Peristeri — *) Siedepunct unter dem Gipfel der Ljubatrin — lW",75 li. bei einer Lufttemperatur von 9° Ii. ") Ich bemerke hier nachträglich, daß die (Bd.!. S. 293.) angeführte Messung des Olymp durch Copeland um mehre talisend Fuße von einer AnLabe abweicht, die ich bei Fiedler sinde, und nach welcher dieser Verg nur b?38^ hoch sein würde. ***) Bulletin de la soc. geolog. de France. 1839. p. 113. -Z-) Koualcüski a. a. O. U. 17 258 Achtzehntes Capitel. 7237'; für den Pindus *) der Parnaß --- 7671' und der Kly« tzos ^ 7135'; für den Orbelus ") der Rilodagh - 7717'. Da der Wcg auf die Ljubatrin fast ununterbrochen ansteigend in gerader Linie von der Basis bis zum Gipfel führt, so zeigen sich die Schätzungen aus der verflossenen Zeit hier in besonders befriedigender Uebereinstimmung mit den angeführten Messungen. Wcrdcn von den 90' für den Weg von Staresel bis zur Mandra 10' auf den horizontalen Theil desselben abgerechnet, so würden wir einen Höhenunterschied von 1870' erhalten, der mit dem gemessenen Werthe von 1859' gut übereinstimmt. Von der Mandra bis zum obersten Ruhcpuncte gebrauchte ich 2" 5' ununterbrochenen Ansteigens: dies entspricht einer Erhebung von 2916', während dcr gemessene Höhenunterschied beider Puncte 2952' beträgt. Hieraus ergeben sich folgende Anhaltspuncte für die Aenderungen, die mit der Höhe in der Vegetation eintreten: l) 15^ von Staresel bis zur obern Grenze dcr Eichenrcgion, die demnach in einem Niveau von 2850' aufhört; 2) die Region der Buche reicht daher von 2850'—4360'; 3) die alpine Region von 4360'—7900'. In dem ausgedehnten Gebiete der letztern können drei Stufen unterschieden werden, von denen jede einige eigenthümliche Alpenpflanzen besitzt, während andere sich fast durch die ganze Region verbreiten: ») den untern Gürtel nenne ich nach einer der häusigsten und auf denselben beschränkten Arten den der Paronychien; er ist am breitesten und ich gebrauchte 80' ihn zu überschreiten: die obere Grenze hat daher etwa ein Niveau von 6200'; 1/) dcr mittlere Gürtel ist größtentheils von der geselligen Dryas bekleidet; er reicht bis zum Ruhepuncte also von 6200'—7300'; «) der oberste Gürtel oder der der Saxifra-gen nimmt daher den Raum von 7300'—7900' ein. Diesen drei Gürteln der Alpenregion entsprechen Aenderungen in der Neigung des Bergs, gleichsam als wären drei Kegel von verschiedner Böschung oberhalb der Baumgrenze übereinandergestapelt: durch die-- ') Angaben in der Nxp^. Ciisium appendiculalum ra. ***) Fagiis sylvalica L. srtiticosa. — Agrostemma coronaria L. '^tachys scaidica m. (ialiuin aristatutn L. Campanula 6pltaeiotluix >iov, sp. 264 Achtzehntes Capitel. deren Wurzelgeflecht die geselligen Alpenkrauter vereinigt sind. Auch haben die meisten Gewächse eine sehr ausgedehnte verticale Verbreitung, sie verlieren sich all mählig in drm mittlern Gürtel, der von der Dryas ausschließlich bewohnt wild, und erst der oberste Kegel enthält fast nur noch Felspflanzen, Sarifragen, Cruciferen, Acbilleen und Veilchen, bis dann endlich auf der höchsten Gipfelplatte der Scleranthus nebst den alpinen Gramineen fast allein übrig bleibt. Einige speciellere Angaben verweise ich auf die Note, die das Vcrzeichniß der gesammelten Arten enthalt *). Bei der Vcrglcichung dieser Vegetationsregionen mit denen der früher besuchten Berge kann man die Frage aufwerfen, ob der Unterschied von 2 Breitegraden zwischen dem Athos und der ♦) 3n bet SRe^ion bee $>aroni;4ien (4360'—6200') rcadrfm au§fd)lie(i* lid>: Paronychia capitata Lam. Hediaeanihus Khaibdii DC; nut tm untersten Q&tbiett fcevfetben: Silene qnadrisida L. Bruckenthalia spiculi-flora Rchb. Senecio rupeslris Kit. Ciasium appendiculatum m«. Ve-ratrum album L. var. 3n bet DroaßreQion (6200'—7300'): Dryas oclo-pfiala L. 3n bet ©ajciftagenrcgion (73(10'—7900'): Thlaspi stylosum m. Drabu aizoides L. var. Stleianihus perennis L. Aniliyllis Viilnera-ria L. Viola cenisia L. var. Saxisraga media G. S. scardica in. Ö. controversa Sternb. S. exarata Vill. Achillea Jacea m. 2)urd) ?a^t bet 3nbiutbuen übetwieqenbe, befonberö in bec Region bec ^aronJ}d;icn »cibreitetP 2Crten: Ranunculus Villarsii DC. var. Dianthus integer Vis. Alsine verna Bartl. Heliantlicmtim vulgäre Pers. var. H. oe-laiiclicum Wahl. Alchemilla p ibescen* W. Veronica serpyllilolia L. V. Chamaedrys L. Calaminiha alpina Lam. Tliymus acicularis Kit* Myosotis alpesnis S. Galium pusillum L. var. Poa alpina L. P. cai'sia Sm. Festuca Halleri All. V. ovina L. Sessleria tennifolia Schrad. Carex sempervirens Vill. ©cltnerc SSfftanbttjfile bee 2(lpcn-floxa, bie mitttece ^>öl;rn bewohnen: Arabis alpina L. var. Thlaspi al-pinum 3&c<\. Alyssum Wulienianuni Uernh. Dianthus nitidus Kit. var. Cerastium gtandiflornm Kit. C. hirsutum Ten. Sieversia mon-tana W, Onobrychis sativa Lam. var montana DC. Sedum atraium L. S. dasyphyllum L. Trinia vulgaris DC var. Dalechampii DC. Pedicnlaris comosa L. Genunna verna L. var. bracltyphylla Vil. u. var. an^ulcsa MB. Primula Columnar Ten. Globularia cordiioliaL. var. Centaurea monlana L. var. Antennaria dioeca Gartn. var. Scardus. 265 Ljubatrin cine solche Aenderung des Gima's bewirke, daß gleiche Wanzenarten auf beiden Bergen verschiedene Höhen bewohnen, oder vielmehr ob dieser Einfluß sich aus den mitgetheilten Beobachtungen nachweisen läßt. Die merkwürdige Erscheinung, auf die bereits aufmerksam gemacht wurde, daß den Ebenen von Ueskücb und Calcündele die immergrünen Sträucher fehlen, obwohl deren Niveau eine solche Vegetation zu gestatten scheint, macht bedeutende klimatische Gegensätze zwischen der Küste und dem Innern sehr wahrscheinlich, so wie der Umstand, daß die Korkeiche unter gleicher Breite in Albanien vom adriatischen Meere über 1200' in das Gebirge ansteigt, ohne daß eine beträchtliche Senkung der Isotherme nach dem Innern der rumcli-schen Halbinsel stattzufinden scheint, auf die Vermuthung leitete, daß nur der Winter des nördlichen Macedonien für die Vegetation der Myrte und des Qclbaums zu rauh sei. Wäre diese Ansicht begründet, so würde es immerhin denkbar sein, daß solch' ein vorübergehender klimatischer Einfluß sich auf die verticale Verbreitung derjenigen Gewächse nicht miterstreckte, die, durch ihren Winterschlaf geschützt, der mitteleuropäischen Flora angehören. Allein, wenn man versucht, dieses Problem aus den vorliegenden Beobachtungen zu beantworten, so erheben sich Schwierigkeiten, die bis jetzt noch nicht ganz zu beseitigen sind. Da es sich darum handelt, ob die Niveaugrenzen der Vegetation an einem gegebenen Puncte von örtlichen oder climatischen Bedingungen abhängen, so müßte die Zahl der Erfahrungen sehr bcdcutcno vervlelfaltigt werden, um mittlere Werthe zu erlangen, und wenn es darauf ankommt, gleiche Arten, z. B. am Athos und Scardus, in ihrem Vorkommen zu verfolgen, so trifft es sich fast zufällig, daß jeder Berg, den ich bestiegen habe, cine sehr eigenthümliche Flora besitzt, während nur wenige, zu solchen Untersuchungen taugliche Gewächse zur Vergleichung übrig bleiben. Inzwischen werden einige, wenn auch vereinzelte Bemerkungen doch unserm Zwecke, für die botanische Charakteristik dieser Gegenden Beiträge zu liefern, förderlich sein. Je mehr man bei der Vrrglcichung der Pfianzcngrcnzen verschiedener Berge besorgen muß, daß die Gewächse nach örtlichen 266 Achtzehntes Capitel. Einflüssen auf ein engeres Areal eingeschränkt sind, als ihre cli-matische Sphäre gestatten würde, desto passender erscheint es, von solchen Arten auszugchen, die nur sehr schmale Regionen im Gebirge bewohnen. Aus der macedonischen Flora wird diese Bedingung am besten durch die Silberlinde und durch die Bru-ckenthalie erfüllt, allein beide Gewächse fehlen dem Athos. Die Silberlinde bewohnt (S. 149.) am Bermius und Scardus gleiche Höhen, und es würde sehr voreilig sein, auf die Verschiedenheiten im Vorkommen der Bruckenthalie *) weitere Schlüsse bauen zu wollen, ehe diese Pflanze auf einer größern Reihe von Gebirgen verfolgt ist. Da die vorherrschenden, die Pflanzengürtel bestimmenden Gewächse des Athos überhaupt entweder dem Scardus fehlen, oder auf engere Grenzen eingeschränkt sind, so könnte man sich vielleicht von einer indirecten Schlußfolge ein bestimmteres Ergebniß versprechen. Früher (Bd. 1. S. 3U9.) habe ich bemerkt, daß die Athospflanzen im Allgemeinen ungefähr 70l/ höher ansteigen, als am Südabhang der Alpen, und daß sie hinter dem Aetna um 70U' zurückbleiben. Nun sind zwei ausgezeichnete Formationen dem Canalvischen Gebirge und Sicilien gemeinsam, die der Cerriseiche und der Pteris, aber deren Vergleichung ist bedeutenden Einwürfen ausgesetzt. Die Cerriseiche verschwindet am Nidge schon in einer Höhe vun 2650', in der sicilianischen Madonia") erstreckt sich ihre Region bis 4U«U', am Aetna "*) sogar bis 4600': allein es ist zweifelhaft, ob beide Eichen zu derselben Art gehören: und wäre dieser Zweifel auch unbegründet, so dürfte man doch aus dem Umstände, daß die Cerriseiche in Neapel nicht einmal bis zu einer Höhe von 30U0' ihr Gedeihen *) Region dec Bruckenthalie am Peristeri (S. 193.): 52W"—58W"; an der Ljlil^trin: 43«U'-5U0U"z an der Kobelitza: 42U0'-480U'j am Scarduspasse zwischen Calc^ndele und Prisdr^n: 420N'-44UN". ") Hoffmann's geogr. Beobachtungen in Ital. S. 126. "") Philipp, in der Lmnaea Bd. 7. S. 744. Scardus. 267 findet *), folgern, baß sie auch in Macedonien ihre wahre Höhengrenze nicht erreicht, indem es nur durch diese Annahme begreiflich wird, daß die Buchengrenze des Apennin nur 500^ tiefer liegt, als am Aetna, die der Ceniseiche aber 1600". Was die Pterisformation betrifft, die für die rumelische Flora eben so charakteristisch ist, als für den Aetna und für den Pic von Teneriffa, so sahen wir, daß sie am Peristeri sich bis 4600" verbreitet, während ihre obere Grenze am Aetna von Herrn Philippi zu 5600" bestimmt wurde. Diese Differenz entfernt sich von der für den Athos angenommenen um 300^, allein es würde gewagt erscheinen, aus dieser Thatsache auf eine entsprechende Senkung der Regionen zwischen dem 4ttsten und 41sten Breitegradc schließen'zu wollen: denn der Adlerfarn vegetirt auf dem unbeschatte-ten Boden des Peristeri unter Verhältnissen, die ganz verschieden von seinem Vorkommen unter den Waldbäumen des Aetna sind. Wie sehr einflußreich aber solche Unterschiede sein mögen, ergicbt sich, wenn man die Verbreitung der Pteris weiter nach Norden verfolgt: so wächst sie an den Carpaten^) noch in den subalpinen Wäldern, bis zu einer Höhe von 4600V wie am Peristeri, wahrend die Nuchenregion sich vom 41sten bis zum 49sten Grade wahrscheinlich um mehr als 1000' senkt. Allein wie verschieden sind die physischen Bedingungen, von denen jener Farn in beiden Gebirgen abhängig ist! Finden wir uns daher nicht berechtigt, aus der vetticalen *) Nach Tenore (Oenno sulla ^eo^r. Ksic» 6el regno 6i IVapnU) gedeiht 6u. c^iriZ von 9l10"-24Nl»". Wenn man jedoch die Angaben dieses Schriftstellers, z. B. über die Verbreitung der Buche, mit den Messungen von Philipp» und Hoffmann vergleicht, erkennt man, daß seine Höhenangaben zu gering sind. Ueber die Cerriseiche bemerkt Tenore inzwischen ausdrücklich, daß sie, wie in Macedonien, bis zu der Region der Buche sich verbreite. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich auch in der Madonia. Nun hat Philippi die untere Buchengrenze auf dem Monte S, Angelo bei Neapel zu 233N^ bestimmt und hierliach können wir annehmen, daß tl. Oerris bls zu diesem Niveau ansteige. *+) Wahlenberg Flora Carpatorum p. 331. 268 Achtzehntes Capitel. Verbreitung jener beiden Gewächse Schlüsse auf das Clima von Macedonicn zu bauen, so bliebe noch die Frage übrig, ob die mitteleuropäische Region des Scardus im Ganzen betrachtet gleiche Höhen wie am Athos bewohne. Man kann dabei von der Erfahrung ausgehen, daß die obere Grenze der Weißtanne und Buche in den Alpen dieselbe ist und einem Niveau von 4600' entspricht. Die Verbreitung dieser beiden Bäume umfaßt überhaupt ziemlich genau das Gebiet der mitteleuropäischen Flora und in den meisten Gebirgen unseres Erdthcils treten die alpinen Gewächse da zuerst auf, wo jene aufhören. Nun sahen wir am Athos die Weißtanne (Bd. 1. S. 251.) zuerst bei 17UU' und deren obere Grenze bei 5250". Die Buche zeigte sich in Chalci-dice (Bd. 2. S. 16.) schon in einem Niveau von 12U0'. Hieraus leiteten wir den Begriff der mitteleuropäischen Flora für Südmacedonien oder für den 4ttsten Nreitegrad ab. Im nordwestlichen Macedonien fehlt die Weißtanne und die Buche bewohnt engere Bezirke. Aber die untere Grenze der Alpenflora ist am Peristeri s520l)') der des Athos beinahe gleich. Auf dem Nidgc beginnt dieselbe schon bei 44UU': ebenso im nördlichen Scardus, und zwar an der Ljubatrin bei 4360', an der Kobe-litza bei 4200'. Da nun der Nidge und Peristeri unter gleicher Breite so nahe zusammenliegen, daß eine climatische Differenz unter ihnen nicht angenommen werden kann, so sind diese Schwankungen nur auf örtliche Einflüsse des Bodens, der Bewässerung und Bewaldung zu beziehen. Hierin liegt der Beweis, daß der Unterschied von 1050', dcn wir zwischen dem Athos und der Kobelitza in Hinsicht auf die vcrticale Verbreitung der mitteleuropäischen Flora bemerken, auf dem jetzigen Standpuncte der Erfahrung noch keineswegs erlaubt, eme solche Aenderung des Cli-ma's vom 40sten zum 42sten Grade anzunehmen, daß dadurch die Gebiete der beiden obern Regionen verschoben würden. Dasselbe Ergebniß folgt aus der Vergleichung der obern Grenze des Oxycedrus, der an der Ljubatrin bei 4360', am Peristeri bei 4600' zugleich mit der Buche aufhört. Diese negativen Resultate lassen sich aus den vorliegenden Beobachtungen ableiten, allein, da die ganze Untersuchung darauf beruht, daß die climati- Scardus. 269 schen Einflüsse vou den örtlichen abgesondert werden, so ist es immerhin möglich, daß die Vervielfältigung der Messungen Mo-disicationen in den auf einen sparsam zugemessenen Stoff begründeten Ansichten bewirken wird. Werfen wir endlich noch einen Blick auf den verschiedenen Typus der maccdonischen Gebirgsfiora, der jedem der untersuchten Berge ein so eigenthümliches Gepräge verleiht, so wird es uns dadurch möglich, eine Reihe von Gewächsen gleichen Cli-ma's zu erhalten, die man isohypsil nennen könnte und deren Zusammenstellung einen Ueberblick über den ganzen Kreis der mitgetheilten Beobachtungen gewährt. I. Küsten reg ion. Am Athos 0'—1200'. Immmcrgrünc Ettaucher an der Küste des aegacischcn Meers. 0'—1200'. (Bd. I. S. 3U0.). Hu«reu8 Nsenil,81.. am Bermius, Babuna und im Tettovo. 850'—1300'. (S. 148.). II. Waldregion. Am Athos 1200'—325«'. t^swnea vesea k. am Athos und Scardus. 1200'— 3000'. (Bd. 1. S. 300). I'M» »i^euto» Desk- am Bermius, Babuna und Scardus. 1200—1500'. (S. 149.). Huoreu» z»«<1ui,«l,iuta Llllli. und npennin»I^»m. am ^ Athos, in Chalcidice und am Scardus. 1200'—4670'. H. s!ol-ri5 I.. am Bermius, Nidge und Babuna. , 1250'—2650'. (S. 158.). I^lli, 8^lvuU«Ä ^ in sämmtlichen Gebirgen. 1200' 5540'. (z. B. S. 15 u. 168). rinn» piee» I.. am Athos und Peristeri. 1700'— 5250'. (Bd. 1. S. 300.). I>iu. I.llrloi«» pair, am Athos. 3500' —4500'. (ebenda). I>ln. uumnatH I^ÜM. am Nidge. 3400'—5540'(?) (S. 171). pi», cieinlira I.. am Peristeri. 2400'—6100'. (S. 192.). 270 Achtzehntes Capitel. ^llnl^erug Ox^eellrus I^. in der Küstenregion, am Nidge, Peristeri und Scardus. 0'—4600'. (S. 189.)..' ^„nlp. eommunl» I.. am Nidge und Peristeri. 4400^ —55ltt'. (S. 165 u. 190.). «erkor!» eretlcn l.. am Athos. 43N0 —5250'. (Bd. I. S. 310). ?toil8 ÄlMllna 1^. am Hlijion-Oros, Pcristcri u. s. w. «'—4600'. III. Alpine Region, deren untere Grenze zwischen 4200^ und 5250^ schwankt, Unterschiede, die an den beiden End« Puncten des Gebiets ihr Maximum erreichen. Es war eine lichte, sternenklare Nacht, als wir (2" 5") die Mandra verließen, um den Gipfel zu ersteigen. Nur am Horizont lag ein trüber Dunst, der die Gestirne verschleierte. Bis zur Dryasregion konnten wir unsere Pferde gebrauchen, dann wurde der Abhang zu steil. Meine Führer wußten sich auf einem ^rat zu halten, der bis zum Ruheplätze am Fuße des obersten Kegels nur geringe Beschwerden darbot. Weder Felsen sind zu erklimmen, noch Abgründe zu umgehen: es ist eine ebenmäßig geneigte Flache, jedoch zu den Seiten jenes Grats wäre der Abhang doch zum Klettern auf glattem Rasen fast zu steil gewesen. Als wir die Felsen erreichten (4^ 15'), die den obersten Kegel umgürten, kam uns die Sonne zuvor und ging blutroth über dem Scomius auf. Es war der prachtvollste Anblick und um so überraschender, als fast gar keine Dämmerung vorausging: denn unmittelbar vorher war es nicht heller, als in einer hellen Nacht. Keine Wolke, keine Ncbelbank beschrankte die plötzliche Erleuchtung des Landes, da auch der Horizont durch die auftauchende Sonne schnell gereinigt ward. Nun sahen wir, wie zu unserer Linken die Ljubatrin nach Südwest mit ungeheuern Felsen schauerlich bis zu dem Passe abstürzt, der sie mit dem Scardus vereinigt und der jetzt tief unter unsern Füßen lag. Zu dem höch- Ecardus. 27 l sten Gipfel, dessen Erhebung über diesen Ruheplatz ich auf 6UN' schätzte, bot ein ganz schmaler, immer noch stark geneigter Grat, eine Felsenmasse über unermeßlichen Abgründen, den schwierigen Zugang dar, wo der Fuß nicht gleiten und das Auge nicht schwindeln darf. Nur Redschid Aga, der Wallache Glegori und zwei Albanesen begleiteten mich. So langten wir um 4" 40^ auf dem höchsten Puncte an. Die klare Luft, der wolkenlose Himmel begünstigten mich vollkommen, doch schon auf dem Grat begann es windig zu werden und oben wehte es so stark, daß ich bald davon abstehen mußte, Winkel mit der Boussole aufzunehmen. Indessen habe ich das unvergleichliche Panorama durch Zeichnung möglichst festzuhalten gesucht. Der Gipfel dcr Ljubatrin besteht aus einer kleinen Platte von 1<^ Länge und 5' Breite, die mit Gras und Scleranthus bewachsen ist. Hier befinden sich zwei Graber, wie man sagt von Verunglückten: es wäre ein würdiger Ruheort für Scander-beg, von dessen Thaten man den Schauplatz hier überblickt und dessen Nuhm noch im Munde des Volks lebt. Mit Ausnahme des Grats, über den wir hinaufgclangten, ist der Abhang nach allen Seiten zum Klettern zu schroff, doch nirgends an's Senkrechte: er besteht aus einem feinen Gerölle von weißem Kalkstein. Versucht man, sich in der Aussicht von dcr Ljubatrin zu orientiren, so läßt die Chartenzeichnung so völlig im Stich, daß man sich bald genöthigt sieht, statt einer Berichtigung des Fehlerhaften nur eine einfache Beschreibung der überblickten Natur« formen wiederzugeben. Die Hauptanhaltspuncte liegen in der Richtung des Scardus, in der Lage des Bertiscus und in dem Umfang der großen Ebenen, die den Fuß dcr Ljubatrin unmittelbar belühren. Die Hauptkette des Scardus verlauft von hier bis zum Corüb nach Südsüdwest, wobei sie sich gegen Calcändele m einem schwach gewölbten Bogen noch etwas weiter westlich ausbiegt. Diese Angabe beruht auf der Richtung des Muzdatfch (E. 42° W.), der das Tettovo südlich schließt, und über welcher der Cornb selbst in gleicher Richtung hervorragt. Wegen jener Biegung der Kette sieht man die ganze Reihe von 6—8 Gipfeln 272 Achtzehntes Capitel. auf einander folgen. Sie bilden einen einfachen Kamm, dessen Spitzen sehr hoch über die Pässe hervorsteigen und noch jetzt viel Schnee enthielten, mit der einzigen Ausnahme der Ljubatrin selbst, die ihn bis auf einige Schluchten verloren hatte. Weiter als bis zum Corüb kann man die Fortsetzung des Scardus in der Richtung nach Ochridha nicht verfolgen. Den Bertiscus oder das alpine Gebirge zwischen Montenegro und dem weißen Drin, das vom Scardus durch die Ebene von Ivek getrennt wird, sieht man in einer Entfernung von 1t) —15 g. Meilen von Westen bis W 35° N ausgedehnt (W15"N — W 50" N am Compaß). Die großen Schneemassen dieser Alpenlandschaft, die durch die Morgcnsonne hell erleuchtet herüber-glänzten, ließen auf eine Erhebung schließen, die den Scardus übertrifft. Wahrscheinlich entspricht eine der zahlreichen Spitzen, die dort zusammengehäuft sind, dem hohen Komm. Kühn steigen sie, zumal am südlichen Ende, aus der Ebene des weißen Drin empor und verflachen sich anscheinend gegen die bosnische Stadt Ienibazär. Hierauf folgen mit unbegrenztem Horizont die weiten Ebenen Serbiens bis zum Scomius (Curbctsca-Planina N 50" O.). Nach Osten und Süden endlich überblickte ich die Landschaften, die ich zum Thcil durchreist hatte, und wir können nun diesem Hauptumriß das weitere Detail anknüpfen. 1) Südwestlicher Quadrant. Hier liegt zunächst das ganze Tettovo nebst dem Scardus ausgebreitet und man kann den Thalweg des Vardar der ganzen Länge nach bis Ueskneb verfolgen. Man erkennt zugleich, wie vom Muzdatsch der Babuna sich al^ löst, und erblickt in dieser Richtung und in den Umgebungen des Corub noch mehre schneetragende Gipfel am Horizont. Westwärts vom Scardus erstreckt sich, den Fuß der Ljubatrin umkreisend, ein tiefes Thal, durch welches der Weg von Prisdren nach Pristina führt und das demnach ohne Höhenscheide das Gebiet des Drin mit dem Amselfelde oder den Zuflüssen der M»-rava in Verbindung setzt. Gerade im Westen oder da, wo aw Horizont der Berliscus ansteigt, ist in diesem Thalwege das große Dorf Sermitz sichtbar. Das Thal selbst ist eng und wird theils durch den Scardus, der ohne Vorberge dchin abstürzt, Scardus. 273 theils durch eine ausgedehnte Parallelkette gebildet, die indessen die Baumgrenze nicht erreicht. Nach Norden weitet es sich aus und geht auf solche Weise in das Amsclfeld über. An der Westseite jener Parallelkctte liegt die weite Ebene von Ipek, die im folgenden Quad^nten mit dem Amsclfelde verfließt, von dem sie entweder gar n oder nur durch Hügel getrennt wird. Zwischen dem Scardus und Bertiscus sieht man nur einzelne Berge, die zu den Mittelgebirgen der nordalbanischen Landschaft Ducajm gehören. Von diesen erhebt sich der vorderste, der Bastrik, m der Nähe von Prisdren, über die Baumgrenze und enthielt sogar an einigen Orten Schnee. Dessen Lage ist südwestlich und zwischen ihm und dem Scardus befindet sich eine tiefe Schlucht, wor« in nach Nedschld Aga's Versicherung die Stadt Prisdren liegen soll. Auf der andern Seite senkt sich am Fuße des Bertiscus die Linie des Horizonts in einen fernen Einschnitt, den Thalweg des Drin, in der Richtung der Küste von Scütari. 2) Nordwestlicher Quadrant. In derselben Linie, wo der BcrtiZcus nach Norden aufhört, liegt auch das Nordende der nahen Parallelkette. Das Längsthal diesseit und die Ebene von Ipck jenseit derselben erscheinen in gleichem Niveau, ebenso die übrigen Thäler und Ebenen, mit Ausnahme des sichtlich tiefer gelegenen Beckens von Ucsküeb. In diesen Quadranten fallen ferner die dem Blick unermeßlichen Ebenen des Ibar und der Morava, die nur durch einen niedrigen Höhenzug getrennt und übrigens bis zum fernen Horizont nur durch einzelne Hügelreihen gegliedert werden: denn die höhern Gebirge Serbiens sind entweder zu entfernt, oder waren nicht hinlänglich beleuchtet, um erkannt zu werden. Freilich war über diesen Flächen eln schwacher Dunst ausgebreitet und im Amselfelde, das unmittelbar zu den Füßen liegt, nur die Stadt Pristina deutlich zu erkennen. Rcdschid Aga sagte, auf diese Ebenen hinweisend: das ist Bosna und Sirb, und er bemerkte, daß Bosnien bei Mitrovitza beginne. Er rechnete Pristina selbst noch zu Albanien, allein Mctthos behauptete, es gehöre zu türkisch Serbien, wiewohl daselbst noch vlel Albanesisch gesprochen werde. Da das bosnische Plateau durch den Bertiscus verdeckt wird, so ist der Gegensatz des wcitcn ll. 18 274 Achtzehntes Capitel. Flachlandes gegen die hohen Gebirge um so auffallender. Auch ist dieses die entscheidende Ansicht für jene breite Lücke zwischen dem nördlichen Scardus und den Gebirgen von Bosnien und Montenegro, die durch tief gelegene Landschaften bewirkt wird. 3) Nordöstlicher Quadrant. Die waldigen Hügel des tza-radagh erstrecken sich in ansehnlicher Breite nach Nordosten zwischen den serbischen Ebenen und dem Becken von Uesküeb, dessen Nordrand ziemlich genau in östlicher Richtung liegt. Jeder dieser Hügel, von denen man die vier nächsten völlig überblickt, bildet einen schmalen Nucken, der rechtwinklig auf der Linie des ganzen Hohenzugs steht, und wird von feinem Nachbar durch einen tiefen Paß getrennt. Der nächste Paß unmittelbar am Fuße der Ljubatrin dient zur Verbindungsstraße zwischen Uesküeb und Prlstina: Cätschanik, das in diesem Thale liegt, ist jedoch durch die Brüstung des Bergs versteckt. Der vierte Hügel des Cara-dagh ist höher, als die vordern, und liegt daher hier schon im nahen Horizont. Zur Linken erblickt man hingegen jenseit der breiten Moravaebene ein fernes Gebirge, über dem die Sonne aufging und das ich nach seiner Lage für den Scomius zwischen Radomir und Scharköi halte *). Es ist dem Anscheine nach weit niedriger als der Bertiscus und eben so weit entfernt. Hieraus ergiebt sich die östliche Lücke der vermeintlichen Centralkctte. 4) Südöstlicher Quadrant. Der größte Theil desselben wird durch die Verzweigungen des Babuna ausgefüllt. Man unterscheidet darin drei parallele Thäler, die vom Tettovo und Scardus ausgehen und in das Becken von Ueskueb münden. Das nächste ist das des Vardar, das zweite ist dasjenige, durch welches ich in's Tcttouo gereist war, das dritte schließt die Tresca ein, aber die Flache von Critschovo selbst ist verdeckt. Die Bergzüge zwischen diesen Thälern treten der Reihe nach übereinander hervor und erst jenseit des Trescathals liegt der Hauptkamm des Wabuna, der Schneelager enthält, im Horizont. Rechnen wir hierzu noch das Tettovo selbst und das Becken von Ucsküeb nebst den Mustaphahügeln zu den beiden Seiten jenes Systems, ft ') Vergl. S. 28. Scardus. 275 wirb dadurch der Naum des Quadranten größtenthcils ausgefüllt, es bleiben indessen noch einige Berge am Horizont übrig, deren Deutung zweifelhaft erscheinen kann. Eine sehr entfernte, hohe Gebirgsmasse zeigt sich gerade in Osten und begrenzt den Horizont zwischen der Stadt Uesküeb und dem Caradagh: ihre Lage würde dem Rilodagh entsprechen, der freilich an 3l) g. Meilen entfernt ist, aber sie schien für die Berge von Caratova zu hoch zu sein. Ferner erblickt man links vom Babuna, etwa in der Richtung von Kövrili, einen Berg, der kaum mit unbewaffnetem Auge zu erkennen war: er gehört wahrscheinlich zum Systeme des Orbelus. Endlich ragt über eine Senkung des Babuna im magnetischen Meridian ein hoher Gipfel hervor, dessen Gestalt mich sogleich an den Peristeri erinnerte; auch versicherten sämmtliche Begleiter, daß es der Peristeri sei: allein, wenn die Charten von Maccdonien nicht im Großen ebenso verzerrt sind, als s>e im Detail von der Wahrheit sich entfernen, so würde jener Berg nach seiner Lage der Nidge sein. Nachdem ich bis 6" auf m Gipfel verweilt hatte, stieg ich zum Ruheplatz der übrigen Gefährten wieder herab, wo der Caf-fre indessen bcreitet war. Auf der Gipfelplatte war wegen des Windes kein Feuer zu machen, weshalb ich nur die Hohe dieses geschützten Ortcs habe bestimmen können. Die Türken und Al-banesen kletterten, ohne die Gefahr zu achten, an den steilen Abhängen umher, feuerten beständig ihre Flinten und Pistolen ab und ergötzten sich, Steine hinabzurollen, die, was die Steilheit des Bergs beweist, stets ohne aufgehalten zu werden über das Gerolle zu den Felsen und über diese bis zum Scarduspaffe lief abwärts hinabgclangten. Das Echo, das durch die Schüsse hervorgebracht wurde, war eins der merkwürdigsten, das ich je gehört habe. Nach dem Knall blieb es 1U Secunden still, dann '"lgte cin starker Wiederhall, wiederum trat eine Stille von 2 18* 276 Achtzehntes Capitel. Secunden ein, hierauf ein zweites Echo, endlich nach einer Pause« von andern 2 Secunden ein langer Donner, worin man wohl 8—9 einzelne, aber untereinander verbundene, schwache Stöße unterscheiden konnte, und der 6—8 Secunden anhielt. Mir blieb nun noch übrig, die Flora des Bergs zu untersuchen und so stieg ich langsam botanisirend wieder hinab. Wir schlugen zuletzt eine andere Richtung nach Süden ein und erreichten vor Mittag eine Mandra, die am folgenden Scardusberge im hohen Buchenwalde dicbt unter der Baumgrenze versteckt lag. Da ich einen Augenblick allein war, griffen einige Hunde mich wüthend an, und wenigstens dieser Thiere wegen dürfte man sich nicht ohnc Begleitung in dicse Gebirge wagen, grgen deren Vc-wohncr meine militairische Bedeckung mir damals nicht erforderlich schien. Die Sennwirthe halten nämlich, wie sie sagen der zahlreichen Wölfe wegen, große und gefährliche Hunde, und da diese sehr geschätzt werden und hoch im Preise stehen, so würde man sich bedeutenden Unannehmlichkeiten aussetzen, wenn man deren Angriffe durch Gewalt und Waffen zurückweisen wollte. Von dieser Mandra schlugen wir (3") wieder den Weg nach Staresel ein, das wir um 5^ erreichten. Längs des Baches, der vom Passe herabfiicßt, stiegen wir 70' im Buchenwalde hinab, dann über steile Wiesen bis zur Eichenregion. Unterwegs begegneten uns mehre angesehene, junge Türken aus Calcündele, die sich einige Tage auf der Alpe in den Sennhütten an den Na-rurgenüffen, die diese darbieten, vergnügen wollten. Selbst die Pascha's begeben sich zu Zeiten auf das Hochgebirge, haben aber zu diesem Zwecke eine Mandra zum Privatgebrauch über Calcän-dcle einrichten lassen. Bei solchen Unterhaltungen spielt auch der slavische Gesang seine Rolle, wovon ich heute gleichfalls einige Proben hörte. Zwei Bulgaren begleiteten ihre Lieder auf einer höchst kunstlosen Rohrfiöte, worauf sie jedoch nicht ein pfeifendes, sondern nur ein summendes Geräusch hervorbrachten, das sich sehr gut zu ihrer Weise eignete, worin wohllautende, aber klagende Molllöne mit einem langgehaltenen Intervall wechselten. Leider waren die Stimmen meiner Sänger nur mäßig, aber doch wohlthuend harmonisch nach su vicl türkischem Gekreisch, wo- Scardus. 277 mit die Postillons nicht selten des Reisenden Ohr zu zerrcisscu Pflegen. Von Staresel legten wir noch eine Stunde auf dem frühern Wege zurück bis zum bulgarischen Dorfe Strinitza, wo wir übcr-nachten wollten. Wahrend das Abendessen bereitet wurde, erhob sich plötzlich ein starker Wind und hierauf folgte rin in kürzcstcr Zeit an dem wolkenlosen Himmel gebildetes, aber furchtbares Gewitter mit unaufhörlichem Blitzen, das anderthalb Stunden anhielt. Der Sturm wehte so heftig durch die Baume, daß man bis auf einen sehr heftigen Schlag in der Nahe kaum vom Donner etwas hörte. Auch der Regen ergoß sich in Strömen, aber nach zwei Stunden verschwand Alles eben so rasch wicdcr, als es erschien: es war ein unvermittelter Uedergang von dcr Bewegung zur Ruhe und dieser Aufruhr dcr Atmosphäre blicb anscheinend ohne Nachwirkung auf deren Zustande. Denn die Luft ward wieder ebenso ruhig und mild, der Himmel sternenklar, die Landschaft heiter vom Mondschein beleuchtet. Dcr Mond stand damals im ersten Viertel und dies bot mir den Anlaß, eine eigne Kunstfertigkeit, die unter den Albanesen herkömmlich ist. kennen zu lernen, eine Art von Zeitbestimmung nach der Breite des wachsenden Halbmonds. Sie betrachten denselben in einem Spiegel oder durch ein feingewcbtcs, weißes Tuch, das sie über das Gesicht werfen, und aus der Zahl der Bilder, die hierbei durch die Beugung des Lichts entstehen, wissen sie zu bestimmen, wie viel Tage seit dem Neumonde verflossen sind. Sie behaupten, bis zum zehnten Tage sei ihre Methode anzuwenden. Aus diesen Mittheilungen entwickelten sich Fragen über Sternkunde und polemische Gespräche über Islam und Christenthum/ wobci Rcdfchid Aga eine Toleranz zeigte, die zwar in der europäischen Türkei unter feinen gebildeten Glaubensgenossen allgemein verbreitet ist, aber sich doch schwer mit ihrem religiösen Stolze psychologisch vereinigen läßt. Ich glaube, daß die lange Gewohnheit, untcr Christen zu leben, die Türken für die Meinungen Andersdenkender gleichgültig gemacht hat, ohne ihre eigne Ueber-zellgung abzustumpfen, und daß daher cm Toleranzcdict vom Eultan viel weniger Eindruck machen muß, als eine, wenn 278 Achtzehntes Capitel. auch nur geringe, Milderung der muhamedanischen Gebräuche selbst. Als wir uns endlich auf der Gallerte unseres bulgarischen Wirthes zur Ruhe legten, erschien eine so große Menge von Wanzen, daß wir nach einer Jagd beim brennenden Holzspan, der uns erst die Glöße der feindlichen Armee kennen lehrte, be« schlössen, das Feld zu räumen. Dem nassen Grase trotzend, breiteten wir die Teppiche im Obstgarten aus und schliefen hier so vortrefflich, wie man nur immer nach einer Alpcnwanderung schlafen kann. 18. Julius. Zum Rückwege nach Calcändele schlugen wir die Straße durch die Dörfer ein, die etwas höher am Fuße des Scardus liegen. Um 7" brachen wir auf und nach einer anmuthigen Reise durch Obstbaumpfianzungen und Castanienwälder er« reichten wir um 11" das bulgarische Kloster St. Athanasio, welches dicht neben dem Dorfe Lesba liegt. Die Bauart der kleinen Kirche beweist, daß diese fromme Niederlassung schon aus byzantinischen Zeiten herstammt. Das Klostergebaude selbst ist indessen den gewöhnlichen Bauernhausern ganz ahnlich und unterscheidet sich davon nur dadurch, daß es ein paar Gemächer mehr enthalt, in deren einem ein Tisch mit einem Crucifir und einige Heiligenbilder den zur häuslichen Andacht bestimmten Raum bezeichnen. Aus der Gallerie war ein kleines Köschk herausgebaut, das jedoch auf so morschen Stangen ruhte, daß ich beim Versuche, mich darauf niederzulegen, gleich einige Ziegel vom Dache zu Falle brachte. An den Wänden stehen hier und da fromme Sprüche, theils in bulgarischer, theils in griechischer Sprache. Der Bewohner waren wenige, Calojeren, die außer dem schwarzen Priestergewande weiter keine Kleidung zu tragen schienen und fast noch schmutziger, als die Bauern, aussahen. Auch an Bildung standen sie noch tiefer, als die Hajioritcn. Diese bulgarischen Klöster sind dem Patriarchen von Constantinopcl untergeben, im Kcgensatz zu denen in Albanien, die man lateinische nennt und dic, zur katholischen Kirche gehörig, den Bischof von Scodra als ihren geistlichen Obcrhcrrn anerkennen. Doch giebt eä auch in Oberalbanien cinige bulgarische Klöster, namentlich Scardus. 279 soll cin großes sich in den Dibren bcsindcn, wie auch die Charten angeben. Der Vorberg des Scardus, der sich unmittelbar über dcm Kloster erhebt, besteht aus einem weißen, dem Glimmerschiefer angelagerten Kalkstein, der die vordere Brüstung des Gebirgs an mehren Orten zu bilden scheint und ohne Zweifel zu einer jün-gern Formation gehört, als das Gestein der Ljubatrin. Die breit kuppenförmige Gestalt des Vorbergs ist ganz von der Al-penform des Hauptkamms verschieden. Wo der Glimmerschiefer und Kalkstein von S. Athanasio sich berühren, fand ich Schiefer-fragmente von dem letztem eingeschlossen. Indessen war ich auch hier nicht im Stande, Versteinerungen zu entdecken, obwohl in einem benachbarten Steinbruche der Kalkstein gehauen wurde. Ist nun aber beobachtenden Naturmenschen, wie die Bulgaren sind, welche die meisten ofsicinellcn Pflanzen ihres Vaterlands kennen, die Vorstellung von Petrefacten ganz unbekannt, wie dies bei den Arbeitern im Steinbruche der Fall war, so darf man wohl schließen, daß keine ausgezeichnete vorkommen. Diese Kalkformation nimmt, wie am Bermius, den Raum zwischen dem Glimmerschiefer und Alluvium ein. An ihrer untern Grenze entspringt ein Sauerbrunnen, der durch den Reichthum seiner Quellen merkwürdig ist. Neben der Kirche, die von dem Kloster durch einen Garten getrennt wird, ist ein Quadrat von ungefähr 18' Seitenlange von einer Mauer umschlossen, ohne von oben bedeckt zu sein. In diesem Raume befindet sich ein viereckiges Nassin von 144Ü?, das 3—5' tief und bis an den Rand mit Wasser gefüllt war. Diese Wassermasse von ockergelber Farbe hat so starke Quellen und diese enthalten so viel Gas, daß an drei oder vier Stellen, deren jede einen Durchmesser von mehren Fußen hat, das Wasser scheinbar siedend aufwallt und gewaltige Blasen entbindet. Kleinere Gasblasen perlen überall hervor und die verhaltnißmäßige Menge, die aufgelöst bleibt, verrath sich leicht durch den stechcndcn Geschmack. Das Gas scheint reine Kohlensäure zu sein und die Lichtftamme erlosch sogleich darin, als ich davon auffing. Außer einem geringen Eisengehalte scheinen diese Quellen wenig mineralische Bestandtheile zu besitzen. 280 Achtzehntes Capitel. Das Bassin zeigte eine Wärme von 85°!?., ungefähr der Lufttemperatur entsprechend: allein da eine außengelegene Quelle, die gleichfalls Kohlensäure entwickelte, nur 75°^. warm war, so ist wohl auf eine unterirdische Ursache jener Wärme zu schließen. An mehren Orten in der Nähe kam auch Kohlensaure aus dem Erdboden, was man, da derselbe feucht und quellig war, an der Blasenbildung leicht zu erkennen im Stande war. Unter den Steinen, woraus die Gartenmauer erbaut war, bemerkte ich ei-nige, die von dem Absätze dicser Quellen herzustammen schienen und die aus porösem Kalktuff bestanden. Auf dem Wege nach Calcänocle, das anderthalb Stunden vom Kloster S. Athanasio entfernt ist, berührten wir noch einige bulgarische Dörfer, die immer an dcn Ausgangspuncten der Querthäler liegen, vielleicht, weil von da die bequemern Pfade zu den Bcrgwicsen des Gebirgs führen, die dem Neichthume an fruchtbarem Ackerlande noch einen der Viehzucht förderlichen 33e? sitz hinzufügen. Bei so zahlreichen Quellen des Wohlstandes, der durch eine gleichmaßige und arbeitsame Lebensweise erworben und mit einfacher Genügsamkeit genossen wird, kann man, zumal in einem so gesunden Clima, erwarten, daß die Bewohner, von Krankheiten verschont, hausig ein hohes Alter erreichen. In der That durchwandert man kaum ein Dorf, ohne einem Greise von seltener Rüstigkeit zu begegnen. Sctwn früher traf ich einen Hundertjährigen mit dichtem, braunem Haar, von dem man jedoch, da er keinen Bart trug, versicherte, daß er verschnitten ' kehr verschlossen ist. Ein Beispiel von dem traurigen Ende eines Arztes, das freilich zu den ungewöhnlichen gehören mag, erzählte wir Abdurrhaman. Vor einigen Jahren lebte in Prisdicn ein Arzt in Diensten des dortigen Pascha's. Er war mit ciner schönen Frau verheirathrt, die jedoch den Huldigungen eines türkischen Ofsicicrs ein geneigtes Ohr lieh. Dieser stellte sich krank UNd während er den Arzt unter verschiedenen Vorwänden in sei-Uer Wohnung antichambriren ließ, machte er seine Besuche bei dessen Frau. Als der Hintergangene zuletzt die Sache erfuhr, N. 19 290 Achtzehntes Capitel. wendete er sich an den Pascha, trennte sich von seiner Gattin, verließ die Stadt und fand eine Anstellung als Mililairarzt in Adrianopel. Da nun aber jener Muselmann, wie Abdurrhaman bemerkte, durch seinen Umgang mit einer verheiratheien Christin die Vorschriften seiner Religion übermäßig verletzt hatte, so ward er vom Pascha seines Dienstes entlassen und mußte, von Jedermann verachtet, fliehen. Unglücklicher Weise kam er gleichfalls nach Adrianopel und wurde hier von dem Statthalter als Ofsi-cier wiederum angestellt. Da nun alsbald der Schimpf seines Vergehens ihm auch hier von Ncuem durch das Gerücht entgegentrat und ihn der Achtung seiner Freunde beraubte, so wußte er sich der Schande und seines beharrlichen Widersachers nicht anders zu entledigen, als daß cr diesen durch seine Soldaten heimlich ermorden ließ. Neunzehutes Gavitel. Besteigung der Kobelitza. westliches Querthal des Scardus. Weltza. Verkehr mit den Albanesen. Albanische Mandra an der Kobelitza. Westcigung des Gipfels. Vegetation dieses Bergs. Ucbergang über den Scarduspaß. Westliches Querthal des Scardus. Ankunft in Prisdren. 21. Iuliu s. Um k" ^5^ verließ ich, begleitet von einem Capitain und zwei Soldaten, zum letzten Male Calcändcle, um d'e Kodelitza zu besteigen und von da über den Scarduspaß nach Prisdrcn, der ersten albanischen Stadt, die Reise fortzusetzen, äwei Querlhäler, die aus dem gegen 3NttU^ Hoden Passe entspringen, vermitteln die Verbindung beider am Fuße des Ge-b'lgs gelegenen Städte, deren Entfernung zu 8 Wegstunden Zeichnet wird. Der Grat des Scaidus, der die Zuflüsse des Var-""r von denen dcs Drin scheidet, besteht aus einer einfachen Reihe von hohen Alpenkegeln und dazwischen eingesenkten Passen. Die-sem Rücken sind hier an der Ostseite, deren Fuß das Tettovo berührt, die Nebenkamme rechtwinklig angesetzt: diese steigen in schrvffer Neigung aus den Querthälern hervor und erreichen gleich-lalls in einzelnen Gipfeln nicht selten eine alpine Höhe. An ei-"" solchen Thalwand schlangelte der Saumpfad sich hinauf, der ""s zum Dorfe Wc'itza und von da auf einen der höchsten Gipfel l9* 292 Neunzehntes Capitel. der Hauptkette führen sollte. Wald strömte der Bach lief unter uns zur Linken in der Sohle dcs Thals. Im Hintergründe der großartigen Gebirgslandschaft lag der schöne Kegel der Kobelitza, über 7U0l/ hoch, von einer Gabelung des Thals umspannt, dessen südlicher Zweig vom Passe hcrabkommt, während Wc'^tza im Grunde des nördlichen dem Blicke noch verborgen bleibt. Indeft sen erscheinen hier und da albanische Dörfer an den mächtigen Wandungen des Thals einsam angeklebt. Im Allgemeinen trägt Alles den Character dcs Nackten und Starren, nirgends erblickt man dichte, erfreuliche Waldung, nur in den obern Regionen ein reines Nascngn'm, wie dasselbe für alle westrumelischen Hochgebirge so höchst characteristisch ist. Am Wege liegen große Schieferplatten und hier erstreckt sich der Glimmerschiefer durch das ganze Thal von der Kodelitza bis Calcändcle, ohne durch die Kalkformation der Vorberge bei S. Athanasio vom Alluvium getrennt zu, werden. Das erste Dorf am Wege, Zelka (9^45'), wird schon von Albanesen bewohnt, und von hieraus habe ich bis zum adriatischen Meere keine Bulgaren wieder angetroffen. Im äußern Ansehen hatte diese Ortschaft nichts Besonderes, nur daß die Dächer zum Theil mit Stroh gcdeckt waren, während die benachbarten Slaven sich zu diesem Zwcckc gebrannter Ziegel oder im Gebirge be-hauener Schicfcrplattcn bedienen. Was aber die Bewohner betrifft, so würde das kecke und barsche Benehmen der Albanesen auch demjenigen sogleich auffallen, dem der Unterschied der Sprache entgehen möchte. Zelka liegt bereits so hoch, daß bis We'itza, wo wir im Grunde des Thals dessen Sohle wieder erreichten, nur noch w^ nig zu steigen ist. Wir bewcgtcn uns auf bequemem Saumpf^ längs des Abhangs durch Gebüsch und kleine Eichenwaldungen, bis wir in der letztgenannten Ortschaft nach zweistündigem MarM (II" 45') anlangten. Das Niveau derselben bestimmte ich ^ 28U8' *), sie liegt daher noch nicht 20U0' über Calcändele. Auch *) Siedepunct in Weltza — 20?°,0 l?. bei einer Lufttemperatur »o» 20° N. Scardus. 293 traf ich hler noch einige Kornfelder, deren Gctraide der Sichel eben damals entgegenrcifte, übrigens steile Bergwiescn längs des Thalbetts, welche die Bewohner des Dorfs abzumähen beschäftigt waren. Wc'itza liegt in einer engen, wohlbewässcrten Schlucht Und ist von einem alpinen Amphitheater nach allen Seiten um, geben. Hohe Kalkfelsen oberhalb rer Baumgrenze liegen in der nördlichen Scitcnkette; westwärts erhebt sich unmittelbar die Ko-belitza und andere zum Hauptjoche des Ccardus gehörige Gebirgs-höhcn; durch die Spitzen der südlichen Thalwand wird endlich bie Aussicht gegen das Tcttovo dem Blick entzogen. Die Kobe-litza selbst trägt an ihrem Fuße einen Gürtel von Eichenwald, der bei Wr'itza beginnt und an dessen oberer Grenze eine Mandra sichtbar ist, von welcher wir den Berg zu ersteigen beabsichtigten. Da uns bis zu dieser Mandra, wo wir übernachten wollten, Nur eine Stunde Wegs noch übrig blieb, so verweilten wir während der heißen Tageszeit bei dem albanischen Vorsieher von Wc'itza. Anfangs wurden einige heftige Gespräche, die zwischen diesem und meinem türkischen Capitain vorfielen, wenig von mir beachtet, zumal da sich die Redenden einer Sprache bedienten, die auch Dimitri nicht verstand. Inzwischen versammelten sich allmählig die Albanesen in größerer Zahl, bartige Manner, von rohem, unbändigem Aussehen, Alle mit Flinten bewaffnet, von denen auch einige sechsfüßige in dem Haufe des Primaten an der Wand hingen. Gegen mich bezeigte man sich höflich, bereitete Mittagsbrod und breitete zu meiner Bequemlichkeit Schaffelle am Boden aus. Die Frauen blieben ganz unsichtbar, indem die Albanesen dieser Gegend sich zum Islamismus bekennen und dessen Satzungen sogar treuer nachkommen sollen, als die Türken selbst. Als wir aufbrechen wollten, kam es zu einem förmlichen Streite zwischen meinen Begleitern und den Albanesen. Ich er-suhr jetzt, daß man uns nicht gestatten wolle, die Mandra zu besuchen, weil sie von Weibern aus dem .Orte bewohnt ward. Hätten wir hierin nachgegeben, so ware die Besteigung der Ko-belitza vereitelt worden. Mein Capitain berief sich auf den Befehl des Pascha und fuhr die Widersetzlichen barsch an, ob sie es wagten, sich gegen ihren Herrn aufzulehnen. Die kecke Antwort 294 Neunzehntes Capitel. blieb nicht aus, allein bei den Worten hatte es sein Bewenden, und so drohend ihre Zahl, ihre bewaffnete Stellung und ihr Character erscheinen mochten, so bequemten sie sich doch endlich nach langem Zaudern, unserm Ansinnen nachzugeben und die Frauen in eine andere Mandra überzuführen Jetzt aber trat eine neue Schwierigkeit ein, durch das roh türkische und zugleich unter den obwaltenden Umständen höchst unvorsichtige Benehmen meines Capitains herbeigeführt. Namens dcs Pascha forderte dieser Fou-ragc für unsere Pferde, und zwar nicht bloß zum augenblicklichen Gebrauch, sondern er ging so weit, auch für den Bedarf des folgenden Tags das erforderliche Heu zu verlangen und überdies zum Transporte desselben Pferde aus dem Dorfe in Anspruch zu nehmen. Offenbar hatte ihn der frühere Widerstand gereizt, nun noch kräftiger aufzutreten: denn es war augenscheinlich, daß unsere Pferde bci den Mandrcn hinlängliches Futter finden würden. Die Albanefen, wohl wissend, daß der Capitain sie nimmermehr bezahlen würde, weigerten sich natürlich, seiner Erpressung sich zu fügen, und schützten vor, daß sie ihre Pferde bei der Erndtc nicht entbehren könnten. Der Strcit wurde jetzt noch heftiger als zuvor und ich verstand zu wenig von dem ganzen Handel, um vermitttlnd einzuschreiten, wodurch ich in diesem Falle die bedenkliche Unannehmlichkeit leicht hatte beendigen können. Zuletzt ritt der <5apitain, bereits im höchsten Maße leidenschaftlich aufgeregt und von dcm Wunsche beseelt, seine Macht und Würde zu zeigen, auf den nächsten Wortführer zu, riß seinen Säbel aus der Scheide und drohte mit Gewalt zu erzwingen, was man zu verweigern kein Reckt h.ibe. Diese Demonstration , wodurch ein Türke asiatischer Abkunft gegen albanische Glaubensgenossen zu Gunsten eines Christen handelte und zugleich mir ein Beispiel von dem Drucke, der auf jenen Ländern lastet, vor die Augen führte, war, anstatt wie ich fürchtete zu einem Handgemenge zu führen, von der erwarteten Wirkung begleitet: mürrisch und dem Anscheine nach Böses im Schilde führend gehorchte man dem eigenmächtig Steuern erhebenden Diener des Pascha und der Frieden ward erst wiederhergestellt, als ich, nunmehr von der Ursache des Streits unterrichtet, Heu und Pferde zu Scardus. 295 vergüten iin Stillen erklären ließ. So traten wir unter dem Geleite des Dorfältesten und einiger andern Albanesen den Wcg nach der Mandra an, während unsere Soldaten zurückblieben, um für die Ausführung der getroffenen Anordnungen Sorge zu tragen. Ich überließ dem Primaten mein Pferd, um ihn mir persönlich zu verpflichten: denn ich begriff leicht, daß die Chancen zu Unangenehmen Begebnissen noch nicht vollständig beseitigt waren und daß ein neuer Streit zwischen den türkischen Soldaten und den Albanesen um so eher zu besorgen stand, als der Dorfalteste der Einzige gewesen, d«r zur Nuhe und zum Frieden gerathen hatte. Wir stiegen von We'itza (3^ 30') am Saume des Eichenwalds und über Wiesen, auf denen einige Sennhütten zerstreut lagen, steil bergan. Die Mandra, in welcher wir Aufnahme finden sollten, ist eine der am höchsten gelegenen: ich bestimmte das Niveau *) derselben zu 4178'. Als wir uns auf eine kurze Strecke genähert hatten (4^30'), gingen die Albanescn voraus, um die Frauen zu entfernen. Inwischcn mußten wir eine geraume Weile hinter einem Rascnhügcl, der die Aussicht nach der Hütte versperrte, zurückbleiben, damit uns der Anblick dieser albanischen Schönheiten auch nicht einen Augenblick in Versuchung führen Möchte. Die Mandra war noch armlicher, als die bulgarischen auf der Ljubatrin, zwar von gleicher Größe und mit ähnlichem Geräth versehen, aber unter Strohdach und ohne Thüren, so daß Man nur kriechend durch zwei mit Lappen verhängte Oeffnungcn hineinkommen konnte. Wahrend nun ein Lamm zum Abendessen geschlachtet wurde, benutzte ich die noch übrigen Abendstunden zur Untersuchung einer Wand von Kalkfclsen, die sich etwa 500" über der Mandra befinden. Nur ein kleiner Aldanescrbube begleitete mich und trug willig Hammer und Geräthschaft. Bis zur Mandra fehlte den Bergwicfen noch der Schmuck der alpinen Blumen, die von hieraus allmahlig in derselben Höhe, wie auf der Ljubatrni, aus *j Viedeplmct m bcr Mandra an der Kobelitza --- 2N4°,ä l^. bei einer ^UfttempenUlil,- von 15" ii. 296 Neunzehntes Capitel. dem Nasen hervorzusprossen beginnen, zuerst eine weiße Nelke und das rothe Pindusgeranium *). Bei jenen Kalkfelscn aber sah ich mich bereits von zahlreichen alpinen Gewächsen umgeben, hier lag der erste Schnee in beschatteten Senkungen des Gesteins und hier ist auch erst das Niveau, in welchem ich seitwärts an mehren Puncten die Baumgrenze wahrnahm. Denn die Kobclitza ist in diesen Hvhrn einigermaßen mit Laubholz bewaldet, wahrend die Wiesen gegen Wc'itza von diesen Wäldern eine keilförmige Fläche ausscheiden. Von meinem Standpuncte, der ungefähr in halber Höhe zwischen dem Gipfel und dem Thal von We'itza einsam hervcrragt, konnte ich einen beträchtlichen Theil des Bergs sowohl aufwärts als abwärts überblicken, die ganze östliche Seitenfläche des Kegels, die einen Abhang von mehr als 4U0U'Tiefe ausmacht. Alles ist ohne Furchen und Thaler in voller Breite ebenmäßig, jedoch steil geneigt und überhaupt arm an Felsen oder Schluchten. So wird die schiefe Ebene vollständig' von grünen Nasen und Alpentriften bedeckt und weder Gesträuch noch Farnkraut schmälern den Erwerb des Hirten, der hier während des Sommers einer freigebig ihre Gaben spendenden Natur sich zu erfreuen hat. Ringsum und hoch oben bis an den Scheitel des Bergs sah ich die zahlreichen Rindvieh- und Schaf-Hcerdcn auf dem weiten Wiesenteppich theils gelagert, theils zu dm Sennhütten hinabziehend. Eine derselben weidete gerade über meinem Haupte. Die Knaben, die sie hüteten, bemühten sich, Steine auf uns zum Scherz herabrollen zu lassen, die ungeachtet der beträchtlichen Entfernung dennoch neben uns vorüoer durch die Luft sausten: denn auf dem ganzen AbHange wurden sie durch nichts aufgehalten und gelangten bis zu dem Absätze, auf dem unsere Mandra stand. Die Sonne ging unter, noch ehe ich zurück war. Die Heer- *) INantlws integer Vis. 6ei-»nmm subl^niescenZ 1'ller. Ebenso an feuchten Orten tleum mace^anicum in. und ^irslum nppenllicuw» ,um m. — Velülrum n!t>„m I,. verbreitet sich an der Kobelitza ausnahmsweise bis tief in die Waldregion, indem es, wahrscheinlich in Bächen herab-gespült, sich auf den Wiesen bei Wc.tza angesiedelt hat. Scardus. 297 den, die zu der Mandra gehörten, waren indessen daselbst angelangt, wo sie, der Wölfe wegen durch Hürden und durch eine große Zahl von Hunden geschützt, die Nacht im Freien zubringen sollten. Da ich die Soldaten mit dem Heu nicht hatte ankommen sehen, wiewol der ganze Weg von We'itza stets in meinem Gesichtskreise lag, so näherte ich mich der Mandra, in deren Umgebung ich Niemand von den Unjngen erblickte, mit einiger Be-sorgniß vor erneuten Widerwärtigkeiten. Als ich noch einige hundert Schritte davon entfernt war, traten zwei bewaffnete Albanesen aus der Hütte hervor und schritten hastig auf mich ein. Ich wurde jedoch bald von meiner Furcht befreit, da sie mir nur entgegenkamen, um mich gegen die Hunde zu beschützen. Alle Ucbrigen waren in der Mandra um das Feuer gelagert, auch die Soldaten mit dem Heu, gleich nachdem ich fortgegangen, ohne Fahrlichkeit eingetroffen. Indessen konnten die ruhigen Gespräche, womit sich jetzt die Türken und Albanesen die Zeit verkürzten, zumal da im Albanischen auch das gewöhnliche Gespräch durch die scharfe Betonung der Wörter wie Streit klingt, das Mißtrauen nicht ganz beseitigen, das mir die Eindrücke des Tags einmal eingeflößt hatten. Namentlich erregte die boshafte Physiognomie eines Albanesen meine Aufmerksamkeit, der seine Augen beständig spähend umherwarf und, als ich mich eben allein mit ihm in der Mandra befand, wahrend die Uebrigen sich draußen im Mondschein gelagert hatten, die Waffen der Türken, die in einem Winkel zusammen aufgestellt waren, einzeln einer sorgfaltigen Prüfung unterzog. Da ich nun die Betrachtung anstellte, daß neun wohlbewaffnete und von meinen Begleitern übermüthig behandelte Albanesen gegenwartig waren, die sich aus We'itza nach und nach eingefunden hatten, und daß von uns fünf Männern , indem auf den Postillon nicht zu rechnen war, nur zwei mit Flinten versehen, die Andern aber leichte Waffen trugen, so wagte ich so wenig als Dimitri, dem Schlafe mich hinzugeben, und obgleich die Nacht ruhig vorüberging, fo wurden durch solche Vorsichtsmaßregeln doch die Beschwerden der Reise sehr erhöht. 22. Julius. Mit aufgehender Sonne befanden wir uns schon auf dem Marsche zum Gipfel der Kobelitza, den man von 298 Neunzehntes Capitel. der Mandra aus binnen zwei Stunden mühsam zu ersteigen vermag. Unsere Pferde und das Gepäck wurden mit dem Postillon bis zu einer andern Mandra, die an der Straße von Calcnndele nach Prisomi liegt, jedoch ohne Bedeckung vorausgeschickt. Uns Andere begleitete Einer der Albanesen als Führer bis zur Spitze. Bald wurden die Sohlen meiner Schuhe auf dem schiefen, glatten Boden, dessen kurzer Rasen den Abhang bis zur Spitze bekleidet, so schlüpfrig, daß ich, um nicht in die Tiefe hinabzugleiten, auf die in bloßen Füßen sicher schreitenden Begleiter mich zu stützen genöthigt ward. Den Neigungswinkel des Kegels schätzte ich auf 35", und so ging's von der Mandra bis zum höchsten Gipfel in gerader Linie ununterbrochen steil bergan. Der letztere liegt ') 7076' über dcm Meere, daher etwa 2!)0l^ höher als die Mandra, ein Abstand, den ich in der That in 12li^ zurücklegte. Einige Stunden verweilte ich auf dem höchsten Puncte, vom wolkenfreien Himmel begünstigt. Der Gipfel der Kobelitza besteht aus einer Rasenbank, die kaum 5' breit ist, aber sich wohl 100' weit der Länge nach mit schwacher Wölbung ausdehnt. Die Richtung dieses Grats steht senkrecht aus der Axe des Gebirgs, in Uebereinstimmung mit den großen Thalern, die einerseits nach Calcündele, andererseits nach Prisdren von dem benachbarten Passe des Scardus hinablaufen. Am nordwestlichen Ende des Grats liegen Kalksteinwände, die sich weiter abwärts gegen das Querthal von Priödrcn zu ungeheuern Felsabgründen ausbilden. Auch nach Südwcst, wo der Hauptgebirgspaß sich besindt, trennen senkrechte Wände den Gipfel der Kobclitza von dem nächsten Uebergangspuncte über das Gebirgsjoch. Von Nordost bis Südost aber reichen die Rasen-abhänge, über die wir heraufgestiegen waren. Drei Pässe der *) Siedepunct auf dem Gipfel der Kobelitza um 9^ M. — I99",25 1?. bei einer Lufttemperatur von 12« It. — Die Höhe dieses Puncts wurde auch durch Herrn von Friedrichsthal barometrisch bestimmt. In seinen hanb-schriftllchei! Angaben sinde ich den Werth zu ?2li>" berechnet. Ueber diese Differenz zwischen beldcn Messungen vcrgl. die zweite Note zu S. !2?. Scardus. 299 Hauvtkettc, die man vom Gipfel übersieht, erreichen eine übereinstimmende Höhe, die ich auf 5M)(j^ schätze: sie werden von den dazwischcngclegenen Spitzen um 1—2000^ übertreffen. Von diesen überblickt man indessen nur wenige, weil die nahen Sei« tenkctten sehr bedeutend hervorragen. Abgesehen von den minder bedeutenden, die von der Kobelitza selbst ausgehen, sind es besonders die beiden das Thal gegen Calcändele einschließenden Ketten, die den weitern Umblick auf eine enge, aber großartige Alpcn-landschaft einschränken. In der nördlichen Kette, die jenseit We'itza liegt, erheben sich drei Gipfel aus dem von Kalksteinfelsen wcißglanzcnden Kamme. Um die südliche Gliederung darzustellen, müssen wir nochmals den Hauptpaß, dem die Straße folgt, erwähnen. Dieser liegt zwischen einem Vorbcrge der Kobelitza und einem andern Gipfel des Scardus, der Wabasanitza hcißt und minder bedeutend ist. Von diesem aber löst sich der das Thal gegen Calcändele südlich begrenzende Seitenkamm ab, der mit dem hochalvincn, Schnee tragenden Gipfel Zari-Baschina gerade über dem Tcttovo endigt. Ueber diesen Seitenkamm ragen noch zwei Alpenmafsen hervor, von denen die nächste sehr ausgedehnt, wild zerrissen und schncercich von den Bulgaren Crivosia, von den Türken Egribo-jur genannt wird. Zwischen Crivosia und Babasanitza erblickt man endlich in weiter Ferne den Coräb (S 40« W am Compaß), als rine zusammenhangende, aufge-thürmte Schnecmaffe. Ucbrigens gewahrt die Kobclitza vermöge ihrer centralen Stellung im Scardus nur wenig Aufschlüsse über die Etructur der benachbarten Landschaften und die Aussicht beschränkt sich säst ganz auf die beiden Thaldurchdlicke nach Maccdonien und Albanien. Am Ausgange des albanischen Querthals zeigte der Compaß die Festung von Prisdrcn unter W55" N und den schon von der Ljubatrin gesehenen Berg Bastrik unter W 35° N. In Macedomcn sah ich die höchste Erhebung des Babuna, wahrscheinlich dieMc Spitze, die ich zwischen Pcrlepc und Uestüeb beständig in den Augen hatte, unter O 40° S, die Stadt Calttmdele unter O 45° S, das Südende des Tcttovo unter S 15" W. Hier zeigten sich auch noch zwei Bergspihen, die ich nur zweifcl- 3U0 Neunzehntes Capitel. hast auf meine Ansichten *) von der Ljubatrin beziehen kann, nämlich der Muzdatsch(?) im magnetischen Meridian und der Pe-ristcri(?) unter S ia«O. Um die Vegetation der Kobelitza zu characterisiren, habe ich nur wenige allgemeinere Bemerkungen den mitzutheilenden Pflan-zenvcrzcichm'sscn beizufügen: denn, wie es vorauszusehen ist, er-giebt sich eine wesentliche Uebereinstimmung mit den an der Lju« batrin beobachteten Verhältnissen. Dagegen war meine Ausbeute an Gewächsen der alpinen Region auf der Kobelitza beinahe dop-delt so groß und überhaupt, da sie mehr als 9U Arten zahlt, reichhaltiger als auf irgend einem der früher besuchten Berge. Ferner ist die Analogie, die zwischen der Ljubatrin und Kobelitza in der Ausdehnung der Regionen, in dem Mangel der Alpen-strauchcr, in der Vertheilung der Kräuter und Gräser, in der Wiescnbeklcidung des Bodens, kurz in dem Character des Ganzen stattfindet, doch in den minder hervorstechenden Einzelnheiten so wenig ausgeprägt, daß z. 33. von jenen 90 Alten nur ein Drittheil auf beiden Bergen zugleich von mir beobachtet wurde. Berücksichtigt man nun hierbei die physischen Verhältnisse, von denen die Verbreitung der Pflanzen abhangt, so findet man in diesen eine solche Uebereinstimmung zwischen beiden Bergen, daß man sich vergebens bemühen würde, einen Zusammenhang unter den Bedingungen des Pflanzenlebens und den Formen, in welchen die Vegetation auftritt, nachweisen zu wollen. Die einzige Verschiedenheit liegt in der geognostischen Formation. Jenes eigenthümliche Kalkgcstein, welches die Ljubatrin zusammensctzt und an feinen rauhen Verwitterungsflächen ") leicht wieder erkannt wird, bildet zwar auch den Gipfel der Kobelitza, wechselt aber hier an den der Mandra zunächst gelegenen Abhängen mit den Schiefcr- *) Vergl. S, 272 u. 275. ") Vcrgl. S. 25!. ScarduZ. 301 massen ab, die sich von da bis nach Calc/mdele erstrecken. Bereits Boue *) bemerkte, und seine Beobachtung hatte ich zu wiederholen Gelegenheit, daß dieser Kalkstein nestcrförmig von dein Schiefer umschlossen werde. Da nun zwischen der Mandra und dem Gipfel die Formation auf diese Weise mehrfach wechselt, so würde die Kobelitza zu Beobachtungen über den Einfluß des Kalk- und Schiefer-Gesteins auf die Vegetation besonders geeignet erscheinen. In der That tritt eine bemcrkenswerthe Aenderung in der Zusammensetzung der Alpenwiesen ein, sobald man den Schicferboden zwischen der Mandra und den oben erwähnten Felsen verlaßt und auf den kalkhaltigen Boden übertritt. Allein ähnliche Verschiedenheiten lassen sich nicht in den hohern Regionen des Kegels nachweisen. Ich habe zwar einige Felspsianzen Niemals auf Schieferunterlage gefunden, aber die Gräser, die dort den Nafcn bilden, und die sie begleitenden Krauter schienen durchaus nicht dem Wechsel der Formalion gemäß sich zu andcrn, wiewohl mit der Höhe darin auffallende Gegensätze eintraten ^). Ferner sind von 20 Gewächsen, die ich an der Kobclitza auf Schieferboden in der Nähe der Mandra sammelte, 9 Arten auch auf der Ljubatrin einheimisch, also verhältnißmäßig cbcn so viele beiden Gedirgsartcn, als beiden Bergen überhaupt grnnin-schaftlich. Endlich führt die denkwürdige Thatsache, daß zwei der häusigsten Pflanzen der Ljubatrin, nach denen ich zwei Vegc-tationsgebicte von deffen Alpenflora charactcrisirt habe, die Paro-nychia und Dryas, auch auf dem Kalkboden der Kobelitza gar nicht gefunden wurden, noch bestimmter zu der Ansicht, daß diese örtlichen Unterschiede nicht auf die chemische Beschaffenheit des Bodens bezogen werden können und daß sie vielmehr auf dem gegenwärtigen Standpuncte der Pfianzcngeographie ganz unerklärt bleiben müssen. So bietet auch in den Alpen fast jeder Berg seine botanischen Eigenheiten dar, ohne daß der Grund, *) Bd. 2. S. 37. ") So ist die I?eZtuca üdros» nnv. zp. auf einen Gürtel von etwa 53Nl^—650«^ eingeschränkt, wo sie den Rasen allein zusammensetzt. Dies ist eine hochwüchsige Art aus der Gruppe von I?. nigricu«» ^.. 302 Neunzchntes Capitel. weshalb so viele Arten der Gebirgsflora nur sparsam verbreitet sind, irgend zu cnträthseln wäre. Indem wir die angeführten Messungen von Calc«ndele — 848', von We'itza --- 2808', von der Mandra — 4178' und vom Gipfel der Kobelitza ^ 7076' zu Grunde legen, erhalten wir für die Pfianzenregionen dieses Bergs folgende Werthe: 1) Mitteleuropäische Region. 850'—4670'. a) Gürtel der Eichenstraucher nebst nackten Thalgehangen. 850'—2800'. I>) Bergwiesen nebst hochstämmigem Eichenwald. 2800' —4670'. 2) Alpine Region. 4670'—707(/. 850'—2800'. Diese Region liegt ganz in demselben Niveau, wie an der Ljubatrin, und wird vorzüglich durch die dort bemerkten Eichensträucher characterise, mit denen im Thal der Kobelitza zuweilen Ahorn- und Weiden-Gebüsch in Gemeinschaft wachst *). Steilere Abhänge sind nackt oder mit einzelnen Felspflanzen ^) bewachsen. Die obere Grenze dieses Gürtels bezeichnet das Niveau, m welchem an den Kornbau die Wiescncultur sich anschließt. 2800^—4670'. Die Bergwiesen, deren Zusammensetzung ich hier genauer studirt habe, stimmen in ihren Bestandtheilen *") beinahe bis in das geringste Detail mit denen des mitteleuropäi- *) Quercus Esculus L. Quere, apennina Lam. — Acer obtusa-turn Kit. Salix grandifolia Ser. **) Scabiosa hybrida Coult. Cirsium afnim DC. Galium Cni-ciata Scop. — 2Cn SKegvänbetn: Pastinaca opaca Bernh. 2sn quetlici)* ten Crten; Orchis macedonica m. ***) Festuca ovina L. F. elalior L. Briza media L. Avena lla-vescens Lt Agroshs canina L» Antlioxanthum odoralum L. Nardiiä gtricta L. — Thymus Serpyllum L. Veronica Chamaedrys L. Le-ontodon hastilis L. Pimpinella Saxitiaga L. Seseli polyphyllum Ten. Bupleurum Sibthorpianum Sm. Potentilla astracanica ,!acq. Trifolium pratense L. Tr. alpestre L. Helianthemum vuJgarc Peis. Dianlhus deltoides L. Corastium vulcatuni L. Scardus. 303 schen Flachlandes übcrein. Erst in dem obern Gebiete von 4200" -^4670^ treten einzelne Repräsentanten der alpinen Flora unter diesen Gräsern *) auf, während zugleich die Bruckenthalie und der Zwergwachbolder sich zum ersten Male zeigen. Die Eiche, welche den Hochwald bildet, kommt mit einer italienischen Varietät der nordischen Eiche ^) überein. Nach deren oberer Grenze bestimme ich das Gebiet dieses Gürtels, wobei indessen zu bemerken wäre, daß die Bergwiesen hier in geringerm Grade, als an der Ljubatrin, von den eigentlichen Alpentriften getrennt werden. 4670^—7076^. Aus dem vorhergehenden Verzeichnisse ergiebt sich, welche Formen der alpinen Region sich einige hundert Fuße abwärts unterhalb der Baumgrenze verbreiten. Dann aber verschwinden die Wiesengräser der Waldregion größtenlheils, zahlreiche neue Arten treten auf und fo bildet sich die alpine Flora allmählig rein hervor. Das erste Nerzeichniß enthalt meine Ausbeute *") von den Kalkfelsen an der untern Grenze dieser Re- *) ^olgcnfae ©ewäd&se finben fid) erst o&erfjalö 4200' linb jtsjar auf vaticum Kit. gernet verbreiten fid) länßö t>er ffiödje auö ber alpinen ^ßion abiuärtö bii 4200': Juncus lamprocarpus Ehrh. Eriophorura hgustisolium Itth. Cirsium appendiculalum m. Geum macedonicum 1 Stellaria glauca Wilh. Cardamine latilolia V&hl. ©obann gehört '•tfw Stegton baß Veratrum album L. (f. o.) unb ben fcftme^cntifn ©djtudjs etlld)nee umgcöen Plantago monlana W. unb Agathophytum bonus Hen- 'cus Moq. var. rubescens. **) Quercus pedunculata Ehrh. var. brutia Ten. % *) Asplenium fissum Kit. Ptarmica Aizoon m. Scutellaria al- 'a L. Scrofularia caesia Sm. Saxiira^a media C. S. scardica m. c««m ahissimum Poir. Silene saxiiiaga Kit, Arabis aluinaL. var. 304 Neunzehntes Capitel. gion, das zweite ') «He übrigen Pflanzen, die auf den Triften von da bis zum Gipfel des Bergs mir nach und nach vorkamen. Holzgewächse fehlen durchaus. Auf dem Rückwege von dem Gipfel der Kobelitza wanderten wir am östlichen AbHange des Gebirgsjoches in südlicher Richtung, um die Mandra, die an der Straße nach Prisdre'n licgt, zu erreichen. Auf der Höhe eines Seitenkamms angelangt, sahen wir diese Hütte tief unter uns im Thal, geriethen aber in einige Besorgniß, als wir von unsern Pferden keine Spur entdecken konnten. Inzwischen siel hier eine Scene vor, die mir von — Auf Schutthalden wächst sociell: Lenecio rupeslris Kit., jedoch tiefer am Berge. +) Poa alpina L. Festuca fibrosa nov, sp. F. ovina L. Sess-Icria marginals nov. sp. Phleiun alpinum L. Aira flexuosa L. var> Lilium pyrenaicum Baumg. Luzula nigricans Desv. Rutnex Aceto* sella L. Polygonum viviparum L. Plantago monlana W. var. Thy-mus acicularis Kit. Myosotig alpestris S. Alkanna noneilormis ni. A. pulmonarioides m. Pedicularis verticillata L.: nod) auf bent ©i* pfel. Ped. leucodon. nov. sp. Veronica bellidioides L. V. Chamae* drys L. Gen(iana vcrna L. Jasione orbiculata nov. sp. Phyteum» orbiculare L. Campanula spathulata Sibth. Hedraeanthus Kilaibclii DC. Aster alpinus L. Aniennaria dioeca Gärtn. Gnaphalium supi-num L. Senecio abrotanitolius L. Ptarmica Aizoon m. Pi. scardica nov. sp. Acliillea Jacea m. Galium iticuiviim Sm. Aspemla long'"-flora Kit. Saxii'raga controversa Stentb. S. Aizoon Jacq. 'Trini* vulgaris }'. Dalechampii DC. Neogaya simplex Meissn. Sedum atra^ turn L. S. annuum L. S. rt-pens Schl. Polentilla aurea L. An-thyllis VulnerariaL. Lotus corniculatus L. Tiiloliurn noricum Wul"» Tr. pallescenä Schieb. Scleranihus perennis L. Alsine verna Baiil« Dianthus nilidus Kit. var. Viäcaria atropurpurea m. Linum slavun1 L. var. capitatnm Kit. L. catharticum L. Mclianthemum otlandicum Wahlb. Viola tricolor L. var. Draba aizoideä L. var Arabis con-ätricta nov. sp. Thlaspj alpinum Jacq. Koniga scardica nov. sp» Ranunculus ViUarsii DC Scardus. 305 Neuem ein vorsichtiges Verhalten anzuempfehlen geeignet war. Ich fand mich allein mit den türkischen Soldaten, als zwei Al-bancftn auf einem benachbarten Hügelkamme erschienen und, indem sie Zeichen gaben, als wären sie nur die Vordersten von einer größeren hinter der Höhe verborgenen Mannschaft, in größter Eile uns entgegenliefen. Plötzlich, als sie uns nahe gekommen warcn, legten sie ihre Flinten auf uns an, was meins Türken auf der Stelle erwiederten. Statt aber zu schießen, setzten die Albanern ihren Lauf fort, erhoben ein Geschrei und kamen lachend bei uns an, indem sie uns nur hatten schrecken oder scherzhaft begrüßen wollen. Wäre dieser Scherz von den Soldaten eben so sehr mißverstanden, als von mir, so würden die Al-banesen wahrscheinlich auch dem Ernste nicht abhold gewesen sein: wenigstens zeichnete der Eine von ihnen sich durch eine wirklich grauenhafte Gesichtsbildung aus, der alle bösen Leidenschaften ihren Stempel aufgedrückt zu haben schienen. Die Sonne hatte ihn schwärzlich gefärbt, als wäre Mohrenblut in ihm gewesen, aber die mißtrauisch stechenden Augen bezeichneten den Sohn des Landes: denn Mißtrauen im Blick ist ein charakteristischer Zug bei allen Gtbirgsalbanescn dieser Gegend, und niemals wird dcr Reisende einen Bulgaren oder Türken mit ihnen verwechseln. Zuletzt feuerten die Beiden ihre Flinten in die Luft und, indem meine Begleiter den Gruß auf dieselbe Art erwiederten, so schallte nn lebhaft wiederholtes Echo aus allen Thälern zurück. Dann warfen die Albanesen sich auf den Rasen, wir lagerten uns gleichfalls, einige Worte wurden gewechselt, wobei die Türken sich nichts weniger als unterwürfig behandelt sahen, dann zogen die wilden Gesellen weiter. Von unsern Pferden wußten sie keine Auskunst zu geben oder wollten dies nicht thun. Da unserm Postillon streng befohlen war, in der erwähnten Mandra uns zu erwarten, so befanden wir uns durch sein Ausbleiben in großer Verlegenheit und wußten nicht, wohin wir, um ihn wiederzufinden, in dem weitläuftigen Gebirge uns wcnd«n sollten, wobei es noch unangenehmer war, daß wir unsern alba-"rsischen Führer schon früher zurückgesendet hatten. Der Capital« vermuthete die Pferde bei einer andern Mandra, die in einem !l. 20 306 Neunzehntes Capitel. Seltcnthale der Kobelitza versteckt lag. Auf einem beschwerlichen Pfade erreichten wir dieselbe nach geraumer Zeit, abcr auch dieser Weg war vergeblich. Niemand wollte unsere Pferde gefehen haben. Wir kehrten daher nach der Straße zurück, wo unterhalb des Passcs nur die einzige Mandra sich befindet. Es blieb nichts Anderes mehr übrig , als anzunehmen > daß der Postillon weiter auf dem Wege nach Prisdren fortgeritten sei, vorausgesetzt, daß ihm kein Unglück begegnet wäre. Einen der Soldaten sendeten wir auf Kundschaft nach der Mandra und schlugen selbst den Weg nach dem Passe ein, der noch 2 Stunden von da ent« fernt lag. Der Abgesandte fand die Hütte verschlossen, abcr nach langem Pochen antwortete man ihm von Innen, ohne zu öffnen. Man erklärte, es sei ein Postillon vor einigen Stunden ohne anzuhalten aufwärts nach dem Paffe zu vorübergeritten. Diese Nachricht mußte uns in der That noch mehr über dcsscn Schicksal beunruhigen: denn die Straße bleibt von hieraus mehre Stunden in völliger Einsamkeit, und eben diese Strecke ist wegen räuberischer Albanesen verrufen. Sodann erfuhren wir, was unsere Besorgniß vermehrte, daß der Postillon, von Geburt ein Zigeuner, eine Gesellschaft seiner herumstreifenden Landsleute angetroffen und diesen gestattet habe, sich der Pferde während unserer Abwesenheit zu bedienen. Mittag war lange vorüber und immer noch Niemand auf dem Wege zu erblicken, den wir jetzt fast bis zur Höhe des Passes übersehen konnten. Zu diesem Mißgeschick gesellte sich noch ein anderes: denn des bejahrten Capitain's und Dimitli's Kräfte waren so durchaus erschöpft, daß sie erklärten, den Paß nicht mehr ersteigen zu können, und in dem Thale, so lange die heißen Stunden dauerten, sich auszuruhen anschickten. Ich warf dem Capitain vor, daß er die Schuld alles Widrigen trüge, das uns theils begegnet sei, theils noch widerfahren könne, weil er, meiner Anordnung entgegen, das Gepäck ohne Schutz seinem Schicksal überlassen habe, und erwiederte übrigens, daß ich ihn nicht hindern könne, zurückzubleiben, daß ich selbst aber weiterzugeben entschlossen sei und zur Begleitung einen der Soldaten in Anspruch nehme. Der andere Tücke war schon früher vorausgeschickt worden, um die Pferde auszusuchen. Und so Scardus. 307 trennten wir uns Alle, .jedoch ohne den Reitpfad zu verlassen. Ich wanderte dem Passe zu, wo die macedonischen und albanischen Gewässer sich scheiden. Links lag das Thal, durch welches die Straße nach Calcändele heraufführt und in dessen Tiefe ein albanisches Dorf sichtbar war, über dem die Schieferfelsen jäh emporstiegen. Einige Virhhecrden weideten an den Abhängen der Kobelitza, deren südlichen Vorberg ich bereits, im Niveau des Passes mich befindend, umging. Endlich kam der ausgeschickte Soldat mir entgegen: er hatte den Postillon glücklich aufgefunden. Als dieser bei der Mandra angekommen war, wo er uns erwarten sollte, hatte man, um jeder Brandschatzung zu entgehen, dieselbe nicht öffnen wollen, dagegen dem Postillon erklart, wir müßten von der Kobelitza zunächst nach dem Passe herabsteigen, u„d er werde uns einen bedeutenden Umweg ersparen und gutes Futter für seine Pferde finden, wenn er sich dorthin begeben wolle. Ich schickte nun die Pferde eilends zurück, die Gefährten abzuholen, bald galopirten sie hcrbei, und so hielten wir auf dem Passe, vergnügt, so viel befürchteten Fährlich keilen glücklich entgangen zu sein, unsere verspätete Mittagsmahlzeit. Den Capilain aber stellten die Entschuldigungen dcs Postillons keineswegs zufrieden. Er warf ihm seinen Ungehorsam, seine eigenmächtige Handlungsweise vor, er wisse selbst, daß er sich der augenscheinlichen Gefahr, Pferde und Gepäck zu verlieren, ausgesetzt habe, wenn er, entfernt von jeder Hülfe, mehre Stunden vden auf dem Passe sich aufgehalten. Der Gescholtene suchte sich zu verantworten, mußte indessen schweigen, als er erfuhr, daß wir auch von seiner Gemeinschaft mit den Zigeunern unterrichtet waren. Seine Bitten, ihm Verzeihung zu gewähren, fruchteten nicht: der Capitain riß ihn zornig vom Pferde, ließ ihn von den beiden Soldaten halten und sing an ihn auszupeitschen. Vergebens versuchte ich, mein Ansehcn geltend zu machen, und mußte "tr Augenzeuge einer grausamen Behandlung sein, der nicht eher kln Ziel gesetzt wmde, als bis die Leidenschaft des Türken ganz befriedigt war. Mit solchen Eindrücken überschritt ich die Grenze von Albanien. Die Höhe dcs Passes, auf dem ich mich jetzt befand, konnte 20* 308 Neunzehntes Capitel. ich aus Mangel an Wasser nicht bestimmen: meine Schätzung, daß sie gegen 5000' betrage, beruht darauf, daß sic die Baumgrenze um einige hundert Fuße übertrifft. Man rechnet von diesem Puncte noch 4 t. Stunden bis Prisdren, aber die Entfernung ist beträchtlicher geworden, seitdem die Straße höher an die Thalwand gelegt worden ist. Der Paß bildet eine enge Mulde zwischen der Babasanitza und Kobelitza. Eine Stunde abwärts ist im albanischen Thale ein türkisches Blockhaus sichtbar. Die Aussicht ist übrigens auf einzelne Strecken beider Thäler eingeschränkt. Auch l^g üb-cr den entferntem Gegenden ein eigner bläulicher Dunst, der während der heißen Tageszeit in den hiesigen Landschaften sich zu bilden pflegt: die Zeitpuncte dcs Sonnenauf- und Untergangs scheinen hier klare Fernsichtcn am meisten zu begünstigen. Das Thal, durch welches wir jetzt an der albanischen Seite dcs Scardus wieder hinabsteigen mußten, gehört zu einer weit-lauftlgern Gliederung dieses Gcbirgsstockes. Die Ncsna *), ein nicht unbedeutender Nebenfluß des weißen Drin, verläßt den Scardus, in welchem sie entspringt, bei Prisdren, in nordwestlicher, also rechtwinklig auf der Geblrgsare stehender Richtung in die Ebene eintretend, dann aber sogleich nach Südwest sich umwendend. Dies ist der gemeinschaftliche Ausgangspunct für eine ganze Ncihc v?n innerhalb des Gebirgs zusammenstoßenden Thalern. Den Hauptzuftuß empfangt die Resna aus einem Längs-thale des Ecardus, das aus Nordost zwischen der Hauptketie und einem steilen, fclsreichen Kalkuorgcbirge verlauft, durch dessen Querspalte der Fluß eben seinen weitern Weg fortsetzt. Dcr Kamm dieses Vorgebirgs erstreckt sich demnach der Axe des Scardus parallel, reicht aber nicht bis zur Ljubatrin, sondern wird von dem dort erwähnten'") Längsthale durch einen Scitcnpaß getrennt. In der Richtung dieser engen Thalwege zeigt sich uns *) Dieser Name findet sich nicht auf den Charten: statt dessen ist ein Bach mit der Bezeichnung Bistritza, jedoch ganz ungenau, eingetragen. *') Vergl. S. 273. Albanien. 300 daher gleich bem, Eintritt in Albanien jene Verschiedenheit ^) in der Structur beider Gebirgsabhange, die Bildung der albanischen Langsthaler im Gegensatze zu den makedonisch-thefsalischen Ningbeckrn. Die übrigen Zuflüsse der Resna kommen aus 3 oder 4 Querthalern des Seardus, die etwa 2 Stunden oberhalb Pris-dren sternförmig zusammenstoßen und sich mit jenem Hauptarme vereinigen. Das südlichste derselben ist dasjenige, durch welches die Straße von Calc/mdele uns führte: die übrigen werden durch geringe Ausläufer der Kobclitza und anderer Ecardusspitzen getrennt, und man kann das ganze System vom Wege aus übersehen. Das nächste Querlhal, das sodann südwärts vom Passe folgt, steht schon in unmittelbarer Verbindung mit dem weißen Drin. Eine niedrige, von der Badafanitza ausgehende Seilenkette begrenzt daher das Gebiet der Nesna gegen Süden. Da die Straße in bedeutender Höhe über der Thalsoble und nicht selten auf dem Kamme dieser Scitmkctte selbst augelegt ist, so eröffnen sich von hieraus an vielen Orten übersichtliche Ansichten von der westlichen Gliederung des Scardus und von dessen Mit, telkamm. Den Bordergrund bilden stets die ungeheuern Felswände der Kobelitza, die nebst andern benachbarten Gipfeln im Verhältniß zum ganzen Joche eine abgesonderte Gruppe darstellt. Dasselbe ist mit andern Erhebungen des Scardus der Fall, und so erscheint von der Ljubatrin an gerechnet von hier die Kobelitza als die vierte Gruppe von Alpenhörncrn, die theils zu dcm Hauptkamm, theils zu den Seitenkettcn gehören: nur die Ljuba-trin selbst macht als isolirter Kegel von dieser Anordnung eine Ausnahme und ragt zuweilen über den Einsattelungen wie der Schlußstein des Ganzen hervor. Von der Mandra am Fuße der Kobelitza reicht über den Paß das Schiefergestein wiederum ununterbrochen längs der Straße bis zu den Kalkvorgcbirgen von Prisdrcn. Diese albanischen Abhänge sind gleichfalls meistentheils waldentblößt, aber die untern Stufen häufig von Gebüsch bekleidet, jedoch nicht mehr von den maccdonischen Eichenstrauchern, sondern von Hasel- *) Nn-gl. S. 14l. 310 Neunzehntes Capitel. nüssen *). Auf den Höhen sind schöne Bergwiesen verbreitet, in der Tiefe des Thals liegen zahlreiche Dörfer. Hat man die letzte Erhebung, den Kamm des Kalkgebirgs, eine halbe Stunde von Prisdml erreicht, so stcht man einem reichen Panorama überrascht gegenüber. Rechts über dem Thalwege der Resna liegen die Ruinen des Schlosses Demanitje, dann erscheint das türkische Fort von Prison, an dessen Fuße die Stadt, jenseits der Bastrik, daneben die weite Ebene des weißen Drin und am fernen Horizonte die mächtige Alpenlinie des Vcr-tiscus, dessen Schncefelder in den Strahlen der sinkenden Sonne glühten und sich glänzend am dunkeln Himmel abzeichneten. Malerisch erstreckt sich die Stadt Prisdren eine halbe Stunde weit wie ein schmales Band hart am Rande des Gebirgs. Sie zählt gegen 30 Minarets und nimmt sich, von hieraus gesehen, so großartig aus, daß man glauben konnte, sie wäre bedeutender, als Salonicyi. Allein sie enthält nur 20000 Einwohner und diese leben in den armlichsten Umstanden. Man rechnet nämlich auf 4000 Häuser 500 griechische und 3500 albanische Familien, von denen die große Mehrzahl der letzlern sich zum Islamismus bekennt. Allgemein wird Albanisch gesprochen, jedoch auch ziemlich viel Türtisch und wenig Griechisch. Was den Namen der Stadt betrifft, so hört man insgemein Prisdren, aber auch eine ganze Reihe von Modification?« dieses Worts: nämlich: Plisdra, Pisdra, Pisdren, Pisren, Pisra, Pisrend, Pisorend, Prisdrend, Prisrcnd. Diese verschiedene Sprechweise, eine natürliche Folge des verschiedenen Genius der Landessprachen, so wie des Umstandes, daß die meisten Eingcbornen nicht lesen und schreiben können, schien mir merkwürdig, in sofern sie ein Licht auf die mannigfaltige Schreibart der Städte des Orients wirft, und aus diesem Grunde habe ich den Umfang jener Abänderung *) lüor^us ^vell»»» I<. Wahrscheinlich ist der Kamm des Scardus überhaupt für manche characteristische Arten eine Pfianzenscheibc. So trat gleich unterhalb des Passes ein geselliges N^pericum auf, das mir an den macedonischen Abhängen niemals vorgekommen war: N. Nieneri Vill., bekanntlich eine auch in Croatien einheimische Pflanze. Albanien. 311 vollständig und möglichst getreu mit dem Ohre aufzufassen versucht. Um den aus diesem Verhältnisse entspringenden Irrthümern und Mißverständnissen zu entgehen, müßten die Geographen jedesmal den Lauten der Landessprache gemäß oder etymologisch die richtigste Form zu erforschen suchen und sodann an diese übereinstimmend sich binden. Die Dämmerung war schon angebrochen, als wir in das griechische Quartier hineinritten. Lange vorher war der tZapitam mir vorausgeeilt, um meine Ankunft dem Pascha von Prisdren zu melden und eine Wohnung für mich zu besorgen. Ich bemerke hierbei, daß der Reisende gar nicht wohl daran thut, sich eines türkischen Begleiters zu solchem Zwecke zu bedienen, sondern da^ er, weil alles Fremde achtungsvoller behandelt wird, einer weit günstigern Aufnahme sich erfreut, wenn er durch den eignen fränkischen Diener angemeldet wird. So ging es auch hier, und wiewohl der (^apitain nebst einem (^aoüs meiner be-rcits harrten, um mich nach dem vom Pascha bestimmten Quar-lier zu führen, so war doch das Haus des Griechen, das ich bewohnen sollte, so über alle Maßen elend und widerwärtig, daß, so viel ich auch früher schon in dieser Hinsicht erfahren, ich doch jetzt, von Abscheu erfüllt, mich verleiten ließ, noch eine zweite Botschaft an den Pascha zu senden. Hierauf erhielt ich zwar am folgenden Tage eine andere Wohnung, allein der Arzt drs Pascha erzählte mir gleich zum Empfange die Geschichte eines Ningrn Deutschen, der, weil er sich unehrerbietig gegen den Ca-Pndan Pascha benommen, ohne Weiteres aus der Türkei verbannt worden sei, wobei er mit Beziehung hinzufügte, wer fremd sei und die Sprache nicht kenne, solle nur sehen, mit guter Manier in der Türkei durchzukommen, ohne Ansprüche zu erheben. Frei-Ilch war IZmed Pascha von Prisdren ein Türke ganz anderer Art, als meine Gönner zu Ucskueb und Calcimdele, und wie sich das Naturell des Herrn den Dienern mittheilt, hatte ick Lleich bei meiner Ankunft zu erkennen Gelegenheit. Als der Ca-V5s mit meiner Gesellschaft das griechische Viertel betrat, kannte er das Haus nicht, wohin er mich führen sollte. Statt nun zu fragen, riß er den ersten Griechen, den er auf sriner Thür- 3l2 Neunzehntes Capitel. schwelle sitzend fand, mit Gewalt auf die Straße, befahl ihm, unser Führer zu sein, und da dieser sich der rohen Behandlung zu entziehen suchte, trieb er ihn gleich mit Faustschlögen fluchend vor sich her. Viele Leute liefen auf das Geschrei zusammen, aber Niemand wagte, für den schmählich behandelten Landsmann Partei zu ergreifen. Zwanzigstes Gaftitel. Reise durch Nordalbanien von Prisdrön nach Scütari. Aufenthalt in Prisdr«n. Ismed Pascha. Thal der Resna. Abreis« nach dem Ducajin. Die Albaneftn dieses Bezirks. Vegetation des Ducajin. Vereinigungspunct des schwarzen und weißen Drin. Nordalbanisches Grünsteingebirge. Engpässe des Drin am Südranbe des Bertiscuö. Ansicht des Scardus und Bertiscus. Eintritt in das Beckm von Scutari. Aufenthalt in Scutari. Reise zur Quarantaine von Lastua. 23. Julius. Von der Familie eines dienstfertigen, wenngleich in Dürftigkeit lebenden Griechen aufgenommen, verlebte ich 3 Tage in Prisdren. Mcine Wohnung lag frei auf der Höhe und beherrschte die ganze Stadt und umliegende Ebene. Einige Straßen lehnen sich nämlich an einen felsigen Hügclrücken, die erste Erhebung des Ccardus, die auf ihrem Gipfel das Fort trägt und nordöstlich mit steilen Kalkwänden in das Resnathal abfallt. Hierdurch wird die Aussicht auf das nahe Hochgebirge von der Stadt aus versperrt und die Landschaft gewinnt den sanften Character einer fruchtbaren, von Hügeln umkränzten Ebene. Am nördlichen Ende von Prisdren tritt die Rcsm, auS dem Gebirge, wendet sich hier in rechtem Winkel nach Südwcst, 314 Zwanzigstes Capitel. um sich anderthalb Stunden abwärts mit dem weißen Drin zu vereinigen, und durchstießt auf diese Weise die Stadt fast der ganzen Länge nach. Es ist ein wildes Gebirgswasscr, das mit starkem Gefalle unter meiner Wohnung vorüberströmte: doch konnte man in damaliger Iahrszcit an einigen Stellen von Stein zu Stein springend trocknen Fußes hinlibergelangen. Innerhalb der Stadt bildet der Fluß einen kleinen Wafserfall, der die dade-lustige albanesische Jugend schaarenweise versammelte: hier sprangen die nackten Knaben den ganzen Tag umher und kümmerten sich nicht um die Wäscherinnen. die an demselben Orte ihr Geschäft betrieben. Weiter abwärts erstreckt sich der Bazar längs des Flußufers und, erscheinen die übrigen Straßen öde und menschenleer, so herrscht hier wenigstens ein lebendiger Vcrkchr. Die große Ebene des weißen Drin, die ich aus meinem Hause überblicken konnte, erstreckt sich von Prisdrcn bis Ipck, d. h. vom Fuße des Scardus bis zum Bertiscus ungefähr 8 g. Meilen nach Nordwesten und wahrscheinlich eben so weit in die Breite. An dem Horizonte dieser bebauten Fläche lag die Alpenkette des Berliscus, bogenförmig von Westen nach Norden ausgedehnt (W 20« N —N 10" O am Comvaß): allein, was wir bereits von der Ljubatrin erkannten, gegen Norden wird dieselbe niedriger und verflacht sich zu jenen Hügelkammcn, dic das Flußgebiet des Ibar von dem des Drin scheiden. Diesseits ist die ganze Ebene dem Blicke geöffnet, jedoch mit Ausnahme ihrer südlichen Gliederung am Fuße des Bertiscus: denn hier erhebt sich anderthalb Stunden von Prisdren der isolirte Bastrik *), über dessen Vorberge der Bertiscus eine Strecke weit hervorragt, wahrend der westwärts von Prisdren gelegene Gipfel selbst sich bis über die Baumgrenze erhebt. Seine Basis umstießt der weiße Drin, und so wird für dessen Thalsohle an der Ostfeite des Bastrik ein tiefer Gebirgseinschnitt zwischen dem lctztern und dem Scardus gebildet, durch welchen die Straße nach Scütari «) Nördlicher Fuß des Bastrik gegen die Ebene bei W 4N° N; des-scn Gipfel erhebt sich über den Bertiscus unter W 2U° N am Compaß. Albamcn. 315 führt (etwa S 52« W am Compaß) ^). Ein mächtiger Seiten« kcimm des Scardlls, dcr bis zu diesem engen Thale herabreicht, erscheint dem Wasirik gegenüber und steht demselben an Höhe nicht nach. Die ersten Erkundigungen, welche ich in Prisdrcn einzog, hatten den Zweck, eine Reise nach dem Bcrtisms vorzubereiten. Dort soll unweit Ipek am Fuße des Gcbirgs ein neu erbautes, reiches Kloster liegen, dessen Größe und gastliche Einrichtung von den Christen in Prisdren sehr gerühmt ward und das für die Untersuchung des Bertiscus mir einen geeigneten Ausgangspunct gewährt hätte. Meine Absicht wurde indessen ganz vereitelt. In, Bezirke von Ipek und in den der Drinebene zunächst gelegenen Gebirgsgegenden waren die Albanesen seit drei Jahren die Steuern schuldig geblieben und hatten eben so wenig dem Pascha von Prisdrcn die geforderten Soldaten gestellt. Nach langen, vergeblichen Unterhandlungen rückte Ismcd vor einem Monate mit Truppen in jene Berge und besetzte sogleich die wichtigsten Positionen, indem die Albanesen so wenig auf diesen Angriff vorbereitet, als unter einem Führer vereinigt waren. Einige Tage lang wurden Schüsse aus dem Hinterhalt gewechselt, doch ohne irgend ein entscheidendes Nesultat. Da aber die Albanesen für ihre Ernd-tcn und Heerdcn fürchteten, so kündigten sie ihre Unterwerfung an, sie wollten Soldaten stellen, aber Geld hätten sie nicht. Gut! erwiederte der Pascha, aber ihr habt Vieh, das ihr verlaufen könnt. Weil sich dies nun so schnell nicht ausführen ließ, so wurden einige Häuptlinge bis zur Zahlung der Steuern als Geißeln ausgeliefert und auf diese Weise der Feldzug beendet, dcr Friede wiederhergestellt. Dr. Rebotto, ein Piemontescr und Arzt des Pascha, der als Augenzeuge mir diese Details mittheilte, knüpfte hieran folgende Betrachtungen. Entweder kommt *) Auf der Cotta'schen Charte ist dieses Verhältniß ziemlich genau dar-Kesicllt. Die Lage des Bastrik entspricht etwa dem Namen Pesestnta. Die ltrthümliche Kettenvcrbindung dicscö Punctes mit dcm Nertiscus von Rosalia ^ die Ursache, weshalb den Charten icde Andeutung der großen Drincbcnc schlt. 316 Zwanzigstes Capitel. das Geld nun an, oder die Geißeln wandern nack Stambul, um als Sclaven verkauft zu werden. Was auch geschehe, ist gleichgültig, aber gewiß beginnt das gleiche Zerwürfniß stets wieder auf's Neue: die Steuern bleiben rückständig, bis nach einigen Jahren dieselben Zwangsmittel wiederum angewendet werden. Solch' ein unblutiger Feldzug und die ihn begleitenden Umstände characterisiren das Verhältniß der Gebirgsalbanesen zu den Pa-schalik's vollständig, mögen jene nun zum Islam, oder zum Chri-fienthume sich bekennen, ein Unterschied, der auf ihre Sitte und Lebensart nur wenig, auf ihre Verhältnisse nach Außen aber nicht im mindesten einwirkt. In gewöhnlichen Zeiten, fuhr Ne-botto fort, könne man unter gehöriger Bedeckung das Gebirge von Ipek eben so gut, als den Echardagh bereisen: sei es aber eben erst zu offner Fehde gekommen, so wären Nachgier und andere Leidenschaften zu sehr erregt worden, als daß es nicht mehr als bedenklich erschiene, wenn Einzelne, die sich buch von Türken begleiten lassen müßten, alsdann in solche Gegenden einzudringen versuchten. Bei diesen Versicherungen beruhigte ich mich nicht, sondern wendete mich an den (Zhiaja Vej, dem ich von seinem die gleiche Würde in Bitulia bekleidenden Bruder dringend empfohlen war, mit der Bitte, mir die Erlaubniß zur Reise nach Ipek und die erforderliche Escorte auszuwirken. Ich erhielt indessen, wie Rebotto vorausgesagt, zur Antwort, daß er für meine Sicherheit verantwortlich wäre und mir deshalb diesen Wunsch nicht erfüllen könne. Mochte man nun hierbei aufrichtig gegen mich handeln, oder nicht, so blieb mir nach einer so entschiedenen Weigerung der türkischen Behörde nichts weiter mehr übrig, als nach Scütari zu reisen. Es gehen nämlich vierStra: ßen von Prisdre'n aus. Unter diesen war die südliche, welche nach Qchridha und Elbafsun führt, durch die Zustände der Dibrei! versperrt; über Ipek nach Bosnien zu reisen, ward mir nicht gestattet; statt von Pristina aus entweder nach Serbien, oder nach Ienidazur zu gehen, schien es mir zweckmäßiger, nach Scütari zu reisen, theils, weil ich auf diese Weise wenigstens einen fast unbekannten und von Gebirg erfüllten Landstrich Albaniens berührte, theils, weil ich hoffte, von Scutari demnächst Albanien. 3l7 cine Wanderung in den Bertiscus bewerkstelligen zu können. Außerdem war die Iahrszeit so weit vorgerückt, daß nur noch die höhcrn Gebirge mir eine botanische Ausbeute von Belang gewährten, und schon deshalb konnte ich mir von den serbischen Ebenen und Waldungen wenig versprechen, während es zugleich zweifelhaft erschien, ob ich ohne Pässe und Empfehlungen für Bosnien in dessen Hochland würde eindringen können. Wiewohl die Umstände mir in Scutari noch ungünstiger sich erwiesen ha-hen, als in Prisdrin, so fand ich doch um so weniger Ursache, die Wahl, für die ich mich jetzt entschied, zu bereuen, als cbcn damals die serbische Empörung den Fürsten Milosch entfernte, ein Ereigniß, das mir, obgleich ich dem Schauplatze so nahe war, doch in Macedonien und Albanien völlig unbckannt blicb, woraus sich ermessen läßt, wie gering der Verkehr und politische Zusammenhang unter den dortigen Landschaften ist. Eben so we^ "ig hörte ich das Geringste von den Zustanden in Constantinopel und Asien. Man sagte nur, Alles sei ruhig und mit dem Pascha von Egypten Fikde. 24. Julius. Nachmittags wurde ich durch Dr. Rebotto dem Pascha von Prisdren vorgestellt, nachdem vorher über die zu beobachtende Etiquette Einiges war festgestellt worden. Man wachte mich nämlich darauf aufmerksam, daß ich mit entblößten Füßen in das Audienzzimmer eintreten müsse, worauf ich erwiederte, daß ich in diesem Falle auf die Ehre verzichte und daß selbst der Muschür von Bitülia mich der Sitte nuines Landes 8c»näß empfangen habe, weil er den mit dem Ferman des Sultans begnadigten Franken wohl von dem Naja zu unterscheiden ^lsse. Ich sei der Gast des Pascha, war die Antwort, und genösse dessen Wohlthaten, es gezieme mir wohl, ihm meine Dank: l'ai'kcit zu bezeugen und ich würde ihn erzürnen, wenn ich sciin'm Wunsche, mich zu sehen, nicht nachkäme. Aus Rücksicht für Nrbotto, der sich mir sehr freundlich erwies, gab ich nach, bat >l)n indessen, dem Pascha selbst vorzustellen, daß der Europäer sich ungern zu einer Förmlichkeit entschließt, die freilich unter drn Türken nur ein gewöhnliches Zeichen der Höflichkeit ist. In Rolge dessen forderte Ismed, als ich die Schuhe an der Thür 3l8 Zwanzigstes Capitel. zurückließ, mich auf, mich wieder damit zu bekleiden: allein schon vorher war ich durch seinen Arzt in Kenntniß gesetzt, daß er mir diese Höflichkeit erweisen wolle, jedoch erwarte, ich würde keinen Gebrauch davon machen. So schr nun übrigens Nebotto den Pascha lobte, seine Kunde der französischen Sprache, seine Vorliebe für die Europäer hervorhob, so wenig entsprach dessen persönliche Erscheinung der erregten Erwartung. Freilich kannte er einige französische Phrasen, mit denen er mich anredete, aber augenscheinlich verstand er keine meiner Antworten, und der Arzt wiederholte, um dies zu verbergen, jedesmal rasch einfallend, was ich gesagt, in türkischer Sprache: dabei beobachtete er, wiewohl man ihn den Günstling Ismed's nannte, ein unterwürfiges Betragen, das mich in seiner Seele peinigte. Der Pascha war ein kräftig gebauter Mann von etwa vierzig Jahren. Nach seinem Aeußern schien er zu jenen türkischen Großen zu gehören, denen man eine grausame Gemüthsart beilegt. Sein abgewandtes Wesen, sein Blick waren von der Art, daß auch dem Fremden in seiner Nähe nicht wohl zu Muthe sein konnte. Auch war er in Prisdren nicht beliebt, vielmehr so sehr gefürchtet, daß die Griechen der Stadt seinen Namen gar nicht erwähnten, wahrend sie freilich nicht unterließen, von seinem Vorgänger gut zu sprechen. Meine erste Audienz war ganz kurz, aber am folgenden Tage traf ich beim Chiaja Vcj wieder mit dem Pascha zufällig zusammen. Die Gunst, die er für die Europäer zur Schau trug, sprach sich darin aus, daß er erklärte, bei gelegener Zeit eine Neise durch Italien und Frankreich machen zu wollen. Ferner hatte er sich eine französische Bibliothek kommen lassen, die indessen größtentheils noch eingepackt in Stambul sich befinden sollte. Der Pascha war Sclave von Sultan Mahmud gewesen und Bruder des damaligen türkischen Gesandten in Wien, an welchen einen Empfehlungsbrief schreiben zu lassen er mir die Höflichkeit erwies. Man sagte, der Sultan habe Ismed zu einet großen Zukunft bestimmt: in wiefern eine Empörung der Alba-nesen diese Laufbahn bald nach meiner Anwesenheit unterbrach, ward in den öffentlichen Blattern berichtet. Aus seiner Residenz Albanien. 319 vertrieben, scheint er von der Krone nicht wieder in seine Würde eingesetzt worden zu scin. Das Palais, welches Ismcd Pascha bewohnte, war von Soldaten angefüllt und im Innern höchst unreinlich gehalten. Nur der Chiaja Nej hatte das kühle, offne Zimmer, worin er Audienz gab, im orientalischen Geschmacke ansprechend ausgeschmückt: vorn sprudelte ein Springbrunnen, im Hintergrunde lagen weiche Divan's, von denen man der Aussicht über die Stadt und Festung bis zu den Hügeln gegen Pristina genoß. Der Chiaja Nej sprach Griechisch, und da er in Dalmatien gewesen war, so fanden mancherlei Anknüpfungspuncie zwischen uns statt. Er war ein milder, wohlwollender Mann, der sich ernsthaft für meine Reise nach Scutari interessirte. 25. Julius. Heute machte ich in Begleitung meines griechischen Hauswirlhs eine Excursion nach den eine Stunde von der Sladt im Nesnathale gelegenen Ruinen des Schlosses Dema-nitje. Ein alter Grieche wußte die Sage davon mitzutheilen. Die Schlacht auf dem Amselfelde, Scandcrbeg und König Stephan kamen in seiner Erzählung vor. Der Letztere habe zur Zeit der Christen, wie der Grieche sich ausdrückte, für seinen Sohn das feste Schloß gebaut und dieser in der Folge daselbst residirt. Die Bauart ist sehr roh und massenhaft, in dicken Quadern sind die noch erhaltenen Wände aufgeführt. Die Lage der weißen Ruine in dem engen Thale, über dem rauschenden Gewässer, auf einem st«.len Kalkfclscn, rings von Klippen und höhern Bergen umgeben, tragt den wildesten Gebirgscharactcr. Denn sobald man unterhalb der Festung in den Felsenweg der Nesna eintritt, ist die Scene plötzlich verwandelt: statt der weiten, lachenden Kornebene ein schmaler Thalweg, dessen Wände, ''eich an senkrechten, wcißgefarbten Abstürzen, oder doch zu steil sür die Cultur des Bodens, sich mchre hundert Fuße erheben. Em enger Fußpfad führt an diesen Felsen vorüber durch das ^hal, dessen stete Windungen nicht minder zu der tiefen Einsamkeit beitragen. Das Wasser der Resna wird hier zu einigen Mühlen genutzt, und so reichlich strömt es und mit so starkem Gefalle, daß man es bequem gefunden, Wasserrinnen in verschie- 320 Zwanzigstes Capitel. dener Höhe zu den einzelnen, neben einander liegenden Gebäuden zu führen, statt denselben Strom mehrmals zu gebrauchen. So fließt die Resna an der Thalmündung in 7 Canälen, von denen auf jcder Seite des Betts 3 übereinander liegen und sich in der Stadt dann wieder vereinigen. In einer Weitung des Thals fand ich Mais gebaut, und eben so lehrt die Vegetation, daß wir uns hier bereits wieder in warmen Regionen am Fuße des Gebirgs befinden. Hierbei ist es sehr bemerkenswerth und bestätigt eine oben angeführte Wahrnehmung, daß die Felc-pflanzen des Nesnathals *) sämmtlich von denen des Babunathals zwischen Uesküeb und Calcändele verschie« den waren, obgleich beide Standorte in ieder Rücksicht übereinstimmen. Hier ist dieselbe Unterlage von Kalkstein, derselbe Character der felsigen Abhänge, gleiche Lage nach Süden, gleichförmige Bewässerung, geringe Verschiedenheit der Polhvhe (etwa um 15"): nur der Scardus trennt beide Orte, die doch climatisch sich gleichstehen werden, weil sie nur 10—11 Stunden von ein« ander entfernt sind und in gleicher Höhe über dem Meere liegen. Das Niveau meiner Wohnung in Prisdren, die etwa 6U^ über dem Ncsnaspicgcl im obern Stadtthcile lag, habe ich nämlich zu 707^ bestimmt "). Vergleichen wir hiermit eine schon früher ^^) mitgetheilte Höhenmcjsung der Drinebene, so ergiebt sich, daß deren Fläche nach Südost nicht unbeträchtlich geneigt ..... ^ *) Auf den Kalkfelsen des Reönathals sammelte ich: ^IImm 5pk»es0» cfphalum L. Convolvulus Canlabrica L. Marrubium peregrinum b. Micromeria albanica nov. sp. Earkliausia rhoeadisolia MB. Phoe-nixopus vimineus Rchb. Scabiosa crenata Cyr. Orlaya platycarpos K. Tordylium maximum L. Torilis helvetica Gmel. BupleuruW aristadim Baril. 3(n queUicfjten Ovten : Ceterach ofsicinanim W. Li-num catharticum L. Epilobium parvislorum Schreb. 5ßcrg(. ()icrrtii' das Verzeichniß auf S. 243. **) Siedepunct unter dem Fort von Prisdren — 2lN",?g 1^. bei einer Luftwärme von 26" It., im Verhältniß zu 24" It. berechnet. *") S. Il2: wo der den Sinn entstellende Druckfehler »geneigt« statt »gemeint« in Z. 3. v. u. zu ueckssern ist. Albanien. 32 l fei, und hierin ist eine wesentliche Verschiedenheit in derStructur beider Abhänge des Ccardus zu bemerken. In Obcralbanien liegt das tiefste Land in einem Niveau von etwa 65tt^ unmittelbar am Fuße des Scardus, in jenem großen Thalwege, in welchem die Drinarme sich vereinigen. Von hier erhebt sich die Fläche, die dem Auge wie eine wirkliche Horizontalebcne erscheint, allmählig um etwa ^Ul)" bis zum Fuße des Bertiscus. In Ma-cedonien hingegen finden wir die höhere Ebene von Calcündele dem Scarduö zunächst und sie ist tcrrassenartig von dem tiefern Becken von Ucskl>eb geschieden. Der Stromlauf des Vardar und der des weißen Drin, in entsprechender Höhe zu beiden Seiten des Scardus eine im Verhältniß zu dessen Axe entgegengesetzte Richtung verfolgend, lasscn diese Verschiedenheit gleichfalls erkennen. Auf meiner Wanderung im Ncsnathale begegneten mir nicht selten albanesische Bauern, die nach dcr Stadt zogen und mich Verwundert und zweideutig anblickten. Denn in Prisdrc'n ist die europaische Kleidung noch sehr wenig bekannt, während zugleich die dortigen Albanesen höchst roh und zu Insulten geneigt sind. Ich war in dem Falle, die Stadt mehrmals allein der Länge Nach zu Fuße durchwandern zu müssen, und jedesmal hatte ich kleine Widerwärtigkeiten zu bestehen. Auch Rcbolto ermähnte mich, auf meiner Hut zu sein, und tadelte es als eine Unvorsichtigkeit, daß ich bei meiner Ankunft die Escorte von mir gelassen und fast allein den Weg vom Scarduspasse zurückgelegt hätte, indem er bemerkte: ich kenne die Eingebonicn dieses Lan-bes noch nicht und er wünsche, daß ich sie nicht zu meinem Schabn kennen lernen möge. Die Schuld aber trug mein Capitain, besscn Schutz und Versicherungen sich überhaupt nicht zum Besten bewahrt hatten. Als ein Zeichen, wie unter diesen Albanesen dem Menschenleben ein verhaltnißmaßig geringerer Werth beige-'Uessen wird, kann auch die Unvorsichtigkeit angeführt werden, 'uit dcr sie ihre Schießgewehre behandeln. Mitten in der Stadt ^ucrn sie aus Muthwillen oder bci dem geringsten Anlasse ihre Flinten und Pistolen ab, und mehr als einmal wurde ich Abends, ^enn ich von dcr Gallcrie meines Hauses in die Mondscheinland-N. 2l 322 . Zwanzigstes Capitel. schaft hinausblickte, durch einen Schuß in meiner Nähe, dessen Kugel ich zischen hörte, aufgeschreckt. So wenig ich mich überhaupt mit der muhamedanischen Bevölkerung von Prisoren bcftcunden konnte, so sehr mußte ich mit der Aufnahme von Seiten der Christen, sowohl der Griechen, als Albanesen, zufrieden sein. Jene bekennen sich zur griechischen, diese zur katholischen Kirche. Der Letztcrn sind jedoch, wie schon erwähnt wurde, nur wenige: allein ich lernte eine größere Anzahl von ihnen kennen, die mich fleißig besuchten und zwar, wie ich bald erfuhr, aus religiöser Sympathie. Denn als mich Einer von ihnen Nachts aus dem Schlafe störte, um mich zu einer Frühmesse abzuholen, und er bei dieser Gelegenheit erfuhr, daß ich Protestant sei, ließ sich Keiner wieder bei mir sehen. Als ein Zeichen ihres religiösen Eifers erwähne ich auch, daß in der Wohnung einer dieser Familien, obgleich sie in der äußersten Dürftigkeit lebte, doch eine brennende Lampe sich befand, die Nacht und Tag mit Ocl gespeist wurde, um ein schmutziges Marienbild zu schmücken. In einer pünktlichen Rcligionsübung suchen und finden sowohl die griechischen, als die albanesischen Christen von Pnsdrcn Trost und Versöhnung mit einem traurigen Zustande, dem die Stadtcbewohner nicht, wie ihre Brüder im Gebirge, sich haben entziehen können. Denn auf ihnen lastet das türkische Joch um so härter, als die Herrscher des Landes sich hier überall von Nebelten umgeben wußten und bei den Wergbewohnern stets einer unbesiegbaren Festigkeit begegneten. Eine der größten Bedrückungen besteht gerade in solchen Einquartierungen, wie meine eigne war. Ich freilich bezahlte meinen Wirth, aber er erwartete dies nicht einmal, weil die Ofsiciere und alle Fremde, die beim Pascha Geschäfte haben, beständig auf Kosten der Hausbesitzer beherbergt und auf's Beste bewirthet werden müssen: und diese Last, wofür es keine Entschädigung giebt, dauert oft Monate lang und richtet nicht selten den Eigenthümer zu Grunde, dem nur ärmliche Erwerbsquellen osscn stehen. 26. Julius. In vier Tagen durchreiste ich von Prisdm' Albanien. 323 bis Scütari das notdalbam'schc Mittelgebirge *), das von den Ducajinen, Mirditen und andern albanesischen Stämmen bewohnt wird. Die Entfernung beider Orte beträgt 33 Wegstunden, allein die für den Verkehr auf Saumthicrcn bestehende Straße ist so angelegt worden, daß sie keine einzige Ortschaft berührt. Dagegen liegen 17 Herbergen am Wege, die auch im Albanischen Chan's (/«?) genannt werden. Der Eigenthümer eines solchen Chan aber, der Chantschi, gewahrt dem Reisenden nichts, als eine Stelle zum Schlafen. Weder Futter für die Pferde findet sich vor, noch auf irgend ein Nahrungsmittel ist zu rechnen. Jeder führt seine Bedürfnisse mit sich, als führe er über das Meer. Diese Thatsache charatterisirt sogleich die Zustande des Landes. Dem Fremden gegenüber beobachtet der (Zhantschi den Schein, als besäße er nichts: er will vielmehr nichts geben, weil alsdann auch Niemand unbezahlt etwas nehmen kann. Sich zu isoliren, dem Auge des Türken sich verborgen zu erhalten, darauf ist das Bestreben der dortigen Albancsen gerichtet. Deshalb führt die Straße auf den rauhsten, beschwerlichsten Pfaden, wo der Fußganger rascher, als der Reuter, fortkommt, so einsam durch das Waldgebirge, und um die Schwierigkeiten des Terrains absichtlich zu steigern, meidet sie, dem Lauf der Gewässer zu folgrn, und windet sich bergauf und bergab, wie wenn Jemand in gerader Linie ein von Thälern durchfurchtes Gebirge überschreiten wollte. Da wäre kein Geschütz zu bewegen, jedcr Fußbreit Landes könnte vertheidigt werden. Mehr als einmal ist vom Wege "us zu beurtheilen, mit wie viel Vortheil eine gewundene Thal« sohle für die Straße benutzt werden konnte: aber solche Verbcsserungen würden nur zum Nachtheil der albanischen Freiheit aus-schlagm und die Türken vernachlässigen die erste Bedingung zur Befestigung ihrer Herrschaft in Albanien, indem sie militairische Straßen zu bauen unterlassen. Freilich ist hierbei zu erinnern, daß die Structur des Landes hie freien Albanesen in einem noch diel höhern Grade begünstigt, als die Montenegriner. Das ganze Gebiet der Du^cajinen besteht aus felsigen oder bewaldeten schma- *) Vergl. S. 113 u. 136. 21* I24 Zwanzigstes Capitel. len Kämmen und engen Thälern, ohne irgend eine grösicre Flachenoase. Die Höhe dcr Berge ist nicht beträchtlich, aber dies wird durch ihre mannigfaltige Gliederung aufgewogen. Die Bildung der Thäler und Ketten auf dem mehr als zwaiizigsiündigcn Wege von der Vereinigung der Drinarme aus erinnert nicht selten an die Bcrgreihen am Nande des Untcrharzes, wo es auch mir Bäche und keine Flußthalcr giebt. Die einzige natürliche Verbindungslinie zwischen der Ebene von Prisdrcn und dem Becken von Scutari würde der Thalweg des Drin sein, wenn dieser Strom sich nicht in einer unzugänglichen Felfenstraße verlöre. Die wilden Gebirge von Albanien und Bosnien sind von jeher die Bollwerke des Orients gegen die Sitte des Occidents gewesen, und selbst die römische Herrschaft hat hier in den candavifchcn Einöden, wiewohl die damalige Weltstraße hindurchfühlte, keine Culturstatte gegründet, keine Ruinen zurückgelassen. Ungeachtet des schlechten Zustandes der einzigen Vcrbindungs-siraße zwischen Prisdrcn und der Küste des adriatischcn Meers besteht hier ein lebhafter Transitobandel. Mir begegneten auf meinem Wege durch das Gebirge nach und nach gegen 300 bela-dene Pferde, die größtentheils westeuropäische Waaren von Scutari nach Prisdren und Numelien führten. Kaufleute versicherten, dcr Verkehr sei hier eben so bedeutend, als auf der Straße von Belgrad über Alexinitze nach Ueskneb und Bit'Uia. Das Merk« würdigste hierbei ist nun der Umstand, daß dcr Reisende, so sehr er von allen Seiten vor den Albancsen gewarnt wird, doch auf dem Wege von Prisdren nach Scütari einer verhaltnißmäßigcn Sicherheit sich erfreut. Man sagte mir, es könne dort Jemand >'mit verkehrter Mütze,« d. h. im auffallendsten Aufzuge, reisen und doch werde ihm nichts zu Leide geschehen, nur müsse er sich wohl hüten, die Straße zu verlassen, denn seitwärts flögen die Kugeln umher. Seit einiger Zeit ist kein Fall bekannt geworden, daß jene Waarcnzüge beraubt wären. Einmal sah ich mcl)5 als 40 mit Gütern bcladene Pferde zusammen, die doch nur von wenigen Türken begleitet wurden. Sechs Albanesen hatten die ganze Schaar mit Leichtigkeit überwältigen können: weshalb dies nicht geschieht, hat folgenden Zusammenhang. Einmal haben die Albanien. 325 Güter, die besonders in Manufacturwaarcn bestehen, für dcn Gebirgsbewohner in der That keinen Werth, und zweitens ist dieser nordalbanische HandelZweg ein viel zu wesentliches mcrcan-tilisckes Bedürfniß für die Türkei, als daß er nicht um jedcn Preis offen erhalten werden müßte. Zögen die Waaren daher nicht sicher ihre Straße, so würde man gezwungen sein, größere Caravanen zu bilden und diese von Truppen escortiren zu lassen. Dies wissen die Albanesen, und ziehen es deshalb vor, sclbst für die Sicherheit solcher Waarentran5porte zu sorgen, statt beständig eine Menge von türkischen Soldaten unter sich zu sehen, von denen sie jede Unbilde zu fürchten hatten. Die Ducajinen, durch deren Gebiet*) unser Weg uns führt, *) Die übcr die Sitze dieser Albanesenstämme gegebenen Nachrichten beruhen auf den Mittheilungen von Dlicajinen in den Chan's. Diese nllmtten sich selbst und ihr Land »Ducajin« und wiesen, als ich von den Mirditen sprach, nach Südwesten. Man muß jedoch die Stämme der Ducajinen, die in dem angegebenen Bezirke wohnen, durchaus von dem türkischen Sandschat Ducajin unterscheiden, deffen Gebiet weit größer zu sein scheint und verschiedene, mehr oder weniger unabhängige Stämme begreift, unter denen selbst Slaven aufgeführt werden. Nach Hadschi Chalsa umfaßt eä den größten Theil von Obera'.banicn von Montenegro bis ElbcMn: denn dieser Schriftsteller rechnet (S. 145.) dazu die Ortschaften Podmila und Pulao im Bertiscus, ferner Ipek und Iinova in der Ebcne des weißcn Drin, endlich Alessio und Saderima im Becken der Drinmündung. Die dazwischen gelegenen Berglcmdschaflen werden, vielleicht weil sie keine Städte enthalten, über? gangen. Aus der weitein Analyse des Textes bei Hadschi Chalfa geht hervor, daß dessen DucaM von den Sandschak's Prlstina, Prisdr^n, Ochridha (mit dem Flußgebiet des Mat), Scutari (mit Montenegro) und Nosna um? grenzt wird. Da diese erweiterte Bedeutung des Worts »Ducajin« unter den Albanesen selbst nicht bekannt zu sein scheint, so habe ich dasselbe nur in drin bcschvankteren Sinne gebraucht, der im Texte erläutert ist. So viel wenigstens steht fest, daß die Ducajinen sich von den Bewohnern des Bcrtiscus und von den Albancsen von Sadenma an der Mündung des Drin für ebenso stanimverschieden halten, als von den Mirditen. Was über diesen Gegenstand alif Charten eingetragen odcr in geographischen Quellen niedergelegt ward, lst größtentheils unbestimmt oder ungenau. Die Ergebnisse meiner Ell'u^di-ÜUngen können nur als aphoristische Daten gettcn. 326 Zwanzigstes Capitel. bewohnen den nördlichen Theil jener Nerglandschaft, die mit dem Namen des nordaldanischen Grünsteingebirgs bezeichnet worden ist, die sich von dem 35ereinigungspunclc der beiden Drin-arme 22 Stunden weit bis zur Fähre von Scala unweit Scutari erstreckt und nach Süden an das Elbassün grenzt, wie sie nach Norden von dem vereinigten Drin umkreist wird. Die südliche Wasserscheide dieses Stroms ist die Grenze zwischen den Ducajinen und Mirditen, welche das Flußgebiet des MatiZ oder Mat inne haben. Oestlich von den Mirditen liegen demnach die Sitze der Dibrcstämmc, die nach Nordwcstcn gleichfalls bis an das Gebiet der Ducajinen sich verbreiten. Auf der andern Seite des vereinigten Drin wohnen an den Abhängen des Beniscus die Lateiner: ein Name, der den katholischen Albanesen auch in Prisdren beigelegt wird. Indessen bekennen sich allch die Mildi-ten zur römischen Kirche, während die Ducajinen, gleich den Albanesen *) des Scardus, Muhamedaner geworden sind. Das Ducajin zerfällt in einzelne Districte, die von ringe« dornen Häuptlingen beherrscht werden. Diese stehen mit ihren Unterthanen auf gleich niedriger Wildungsstufe. Ich lernte einen derselben kennen, der zugleich Chanbesitzer war und mit seinen Albanesen etwa auf demselben Fuße lebte, wie bei uns ein Bau-ermeister mit seinen Bauern. Uebrigens hat er dem Pascha die Abgaben zu entrichten, und auf dieses Verhältniß beschränkt sich *) Um Mißverständnissen vorzubeugen, bemerke ich ausdrücklich, daß ich unter Albanesen nur wirkliche Schkypetaren, die der albanesischen Sprache sich bedienen, verstehe, nicht aber die Bewohner Albaniens überhaupt. Zwar giebt es große, von Slauen bewohnte Landstriche, deren politische und sociale Lage der der Gebirgsalbanesen ganz ähnlich ist, wouon die Montenegriner das bekannteste Beispiel darbieten:,allein in den Gegenden, wo ich gereist bin, war die Unsitte und Freiheit des Volks stets mit dein Gedwuch der albanesischen Sprache verbunden. Nördlich vom Drin, wo dieselbe im Bertiscus ihre Grenze findet, giebt es unstreitig auch außer'dcn Montenegrinern noch slavisch redende Stämme, welche in verhältnißmasngcr Freiheit vom türkischen Joche leben. Südwärts uom Drin wohnen schwerlich slavische Gebirgiwolker, vielleicht mit Ausnahme des bulgarischen Antheils der Dibrcn. Vergl. S. Albanien. 32? im besten Falle der türkische Regi'erungscinfluß im Lande selbst, während die Krone andercrscits freilich einen großen Gewinn davon hat, daß aus diesen stark bevölkerten Provinzen die Cchaaren wenigstens energischer Mannschaft freiwillig ausziehen, um Kriegsdienste zu nehmen. Das politische Verhältniß der Ge-birgsstämme Nordalbaniens zu den Paschalik's ist am deutlichsten aus dem oben erzählten Feldzuge Ismed's gegen die Lateiner zu beurtheilen. Im Ducajin selbst wurde mir versichert, daß die dortigen Albanescn an den Pascha von Prisdren Zahlungen leisteten, daß die Mirditen aber ganz frei wären, wie die Montenegriner. Jedenfalls scheint ein vcrschiedemr Grad der Unabhängigkeit unter den einzelnen Stämmen stattzufinden. In Hinsicht auf die Verfassung der Stamme selbst, worüber ich keine verläßliche Nachrichten erhielt, ist wenigstens ein wesentlicher Unterschied von den Zuständen der Montenegriner nachzuweisen. Während diese im Wladika ihren einzigen Oberherrn besitzen, steht unter den Albanesen jeder Stamm, deren z. B. im Ducajin 7 sein sollen, unter seinem eignen, unabhängigen Haupt-lü'g. Ob dieser gewählt werde, wie weit seine Macht sich erstrecke, welchen Einfluß die Gastlichkeit übe, weiß ich nicht: allein ich glaube annehmen zu dürfen, daß der Einzelne nur sehr wenig von außen bcdmgt sei und daß der Capitano nicht viel Wehr bedeute, als ein angesehener Mann, unter dem sich in Feh? breiten der Stamm vereinigt. Was wäre hier auch viel zu re-3>eren, wo Jeder bewaffnet sein Eigenthum vertheidigt und persönliche Freiheit am höchsten hält? Die Ducajinen haben keine Städte; sie treiben keinen Han-bel: sind sie mit Schießbedarf versehen, so haben sie kaum noch ein weiteres Bedürfniß, Geld zu besitzen. Sie lcben von Vieh-iucht, und wo die engen Thäler nur ein wenig Flache darbieten, vdcr die Höhen der Kämme sich gelegentlich zu kleinen Plateaus ausdehnen, bauen sie Mais. An solchen Stellen sieht man seitwärts von der Straße auch einige Dörfer, häufiger bemerkt man kmzelne Häuser im Gebirge. Die Bauart der Chan's ist ganz '-'lnfach und den bulgarischen Bauernhaufern ahnlich: mitunter ^'s auch nur ein einstöckiger Stall nebst überdachtem, offnem 328 Zwanzigstes Capitel. Raume zum Schlafen im Freien an ebener Erde. An dargrbot-nen Lebensmitteln habe ich nichts gesehen, als eine sehr schlechte Art Brod, einen verdorbenen Wein und noch am meisten ein Getränk aus Molken, worin Käseflocken schwimmen: in der Neqcl war überhaupt gar nichts vorhanden. Nur Wasser ist überall, das herrlichste. Einmal sah ich die Bereitung eines gewiß sehr unverdaulichen Kuchens aus Mais mit saurer Milch, eine Avt Polenta. Fast alle Speisen derDucajincn sollen mit saurer Milch vermischt genossen werden. Kein Ducajine trägt ein Hemd, aber Jeder seine Flinte. Ihrc Tracht ist ganz verschieden von der malerischen Kleidung der Bewohner des mittlern und südlichen Albanien. Eine ursprünglich weiße Jacke, oder ein kurzer Rock aus grobem Wollzeng, ein rother Gürtel mit zwei Pistolen, die über einander schräg nach derselben Seite hervorragen, ein Beinkleid, das bis an die Kniee reicht, Strümpfe, Bander, womit der Fuß statt der Sandalen umwickelt wild, ein rother Fez und die Muskete: das ist Allcs, was der Ducajine an sich tragt. Kräftig zeigt sich die nackte Brust und der braune Leib schimmert oft zwischen Gürtel und Beinkleid hervor. Die Gesichtszüge sind roh und häßlich, die Hautfarbe tief gelb m's Schwärzliche. Da die Kleidungsstücke niemals gewechselt werden, bis sie abfallen, so sind die Meisten sehr zerrissen und dettelhaft anzulegen, hingegen die Waffen immer im besten Stande, die Pistolen oft mit Silber ausgelegt und von unförmlicher Größe. Frauen sah ich nur auf der Landstraße: zu Hause werden sie eingeschlossen oder doch von dem Anblick der Fremden fern gehalten. Ohne Waffen und statt des Fez durch cine eckige Mütze ausgezeichnet, waren sie übrigens fast ganz wie die Männer gekleidet: nur trugen sie untcr der Jacke ein Brusttuch, den Busen zu verhüllen, und einen mit Fransen besetzten, dunkelrothcn Schurz über dem Beinkleid. Kinder bis zu 14 Jahren habe ich auf offnem Felde nackt gesehen und von diesen wurde ich zuweilen angebettelt, niemals von einem Erwachsenen. Alle benahmen sich vielmehr durchaus stolz, abgewandt, mißtrauisch, und selbst die türkischen Soldaten, die mich begleiteten, zeigten diesen Du< cajinen gegenüber nicht ihren gewöhnlichen, despotischen Ueber- Albanien. 329 nntth, weil sie sie fürchteten. Denn es sei eine bckanntc Sache, wurde behauptet, daß diese wilden Söhne des Gcbirgs sehr leicht in Affect gerathen und dann sogleich unbedingt ihre Pistolen wie gegen Fremde, so gegen einander abfeuern. Dimitri sagte einmal einem (^hantschi, der nichts weiter zu grben hatte, als Was-sl'r: »aber ihr Icbt ja erbärmlich, ihr habt gar nichts.« Der AI-bancse erwiederte: »die Reisenden führen Alles mit sich.« Als nun der Dolmetscher von Armuth und elendem Leben zu sprechen fortfuhr, ricf ihm plötzlich unser sonst indolenter Postillon in einer den Ducajinen unverständlichen Sprache zu, er möge ja nicht in solchem Tone reden, er setze sich großer Gefahr aus. Ich klbst habe weder Neugier, noch Unzufriedenheit, noch Geldgier, nuch Unterwürfigkeit bei einem Einzigen derselben bemerkt. Aber daß das Gcld sie nicht reizt, zu dienen, ist das Auffallendste. Ich bot einem Burschen einen Piaster, aus einer Schlucht auf ^10 Schritt Entfernung mir einen Trunk Wassers zu holen: er that es nicht; hierauf gab ihm einer der Türken zu demselben Zwrcke Schießpulver, cr zauderte, aber zuletzt behielt er die Patrone, licf davon und holte doch kein Waffer. Das Gerücht macht sie Alle zu Räubern und Mördern. »Wehe dem Fremden,« sagen die Türken, »der ihnen einzeln im Gebirge begegnet. Sie schießen auf ihn, ohne ein Wort zu reden.« Solche Sitten, sollte man denkcn, wo die Leidenschaften weder durch die Sinnesart, noch durch den Staat beschrankt werden, würden ein Volk aufreiben muffen, wenn es sich nicht durch starkes Ehrgefühl und durch Blutrache aufrecht erhielte. Niemand kümmert sich darum, wer etwa im Gebirge erschlagen wird: abcr jcdcs Haus ist ein Asyl, wo der Gast, oder wer nur aus Zufall sich darin befindet, unter dem unverletzlichen Schutze des Besitzers steht. Würde z. B. in einem (Zhan ein Mord begangen, so Müßte der Chantschl sogleich das Haus verlassen und dürfte nicht eher in dasselbe zurückkehren, als bis er den Mörder wiederum erschlagen hatte. Findet er ihn nicht, so verurthcilt ihn die Sitte des Landes, Zeitlebens zu wandern, bis cr ihn anträfe, und scin Eigenthum fällt den Erben zu. Solch' ein Gesetz oder Herkommen verschafft dem Reisenden unter diesen Stammen wenig- 330 Zwanzigstes Capitel. siens des Nachts vollkommne Sicherheit. Eben so könnte man wahrscheinlich das ganze Gebirge bereisen, wenn man sich unter den persönlichen Schutz eines Albanescn stellte, was sich durch Empfehlungen von Seiten der im römischen Icsuitcrcollrgium gebildeten Geistlichen von Scütari vielleicht, und wenn man die albanische Sprache erlernte, ohne Zweifel mit Erfolg bewerkstelligen ließe. Wäre aber ein Albancse erst auf die eine oder andere Art gewonnen, so glaube ich, er würde alsdann nicht von der Seite des Fremden weichen und mit Ehre und Leben für ihn stehen. Die Gesellschaft, in der ich die Reise von Prisdren durch das Ducajin antrat, bestand außer Dimitri und dem Postillon aus einer mir von Ismed Pascha bewilligten Escorte von 3 türkischen Soldaten. Außer den eignen Pferden wurde ein fünftes mit Fourage und Lebensrnitteln beladen mitgeführt. Zu diesem Zwecke ließ ich kalte Fleischspeisen in Prisdrcn bereiten, die in Blechbüchsen eingeschlossen wurden. Ich reiste um 8" 3(^ ab und erreichte am ersten Tage den zweiten Chan, der am Eingänge in's Ducajin 8 t. Stunden von jener Stadt entfernt liegt. 8^30'—11^30'. Prisdrcn — I. Chan. Auf dem linken Ufer der Ncsna führt der Weg in südwestlicher Richtung bis zur Mündung dieses Flusses in den weißen Drin am Fuße des Scar-dus und am Rande dcr weiten Eulturebene, die vom Thalwege aus mit Weiden- und Erlen-Hainen *), mit Wiesen und Maisfeldern anhebt. Die Norhügel des Scardus sind dicht mit Buschwaldung bekleidet: Nüsse uno Hopfenbuchen bilden deren Vegetation, in der Folge auch Eichen nebst einzelnen Apfclweiden und Ornuscschen **), bis hierher verbreiteten und an den macedoni- ♦) Salix alba L. S. liagilis L. Alnus glutinosa G. **) Coiylus Avellana L. Ostrya carpiuii'oiia Scop.— Quercus apeunina Lam. — Pyrus salicifolia L. Fiaxinus Ornus L, Rhus Cotinus L. Gfiiijetn !ommcn aurf) Quercus Aogilops L. unb 0. Ccrris L. üüc. — (St)cicQctei'iftifcl)c JVvaittec in in obevalbanifdjcn öJeflräti^fotnia* tion finb: Delphinium rigidum DU. Althaea rosea Cav. Euphorbia Cyparissias L. >Die metCwiirbiflfre 3snbeutung mittdtänbifcljec SBeäftatio« Albanien. 33! schcn Abhängen des Scardus nicht vorhandenen Gliedcrn einer südlichen Flora, von deren Erzeugnissen freilich so tief im Innern von Albanien nur einzelne Repracsentanten angetroffen werden: denn die immergrünen Gewächse beginnen erst in der Nähe des Beckens von Scütari den Character der Vegetation zu bestimmen, was um so auffallender ist, als sie dort bis zu einem Niveau ansteigen, welches das von Prisdren um ein Beträchtliches übertrifft *). Nachdem sich dir Nesna und der weiße Drin vereinigt haben, tritt der Fluß in jenes enge Thal, das vom Bastrik und von den Seitcnkettcn des Scardus gebildet wird. Wir standen jetzt am Fuße des Bastrik, der sich am jenseitigen Ufer mit dem vierten Theil seiner Höhe über die Baumgrenze kegelförmig erhebt, nach unten dicht bewaldet ist und in den kahlen Regionen aus deutlich geschichtetem Kalkstein besteht. Das gegenüberliegende Hauptjoch des Scardus wird dem Blicke durch die gleichfalls waldreichen Berge und Vorhügel entzogen, die sich in das Thal hinabsenken und die wir daher einzeln überschreiten mußten. Längs der Straße wechseln Glimmerschiefer und Kalkfcls, die Gesteine des Scardus. Ein offner Durchblick durch diesen waldigen Vordergrund bleibt im Sinne des Stromlaufs übrig, wo nur in mehrstündiger Entfernung ein blaues Alpenhorn hervorragt, die Spitze eines südwärts vom Querthale der Luma aus dem Scardus sich ablösenden Seitenkamms, der Ialitza **). Die Räume des Chan's hatte ein Tatar in Besitz genom-Wen. So hielt ich meine Siesta auf der von Gebüsch umgebenen Wiesc im Thal. Mehre Bäche schäumen hier zusammen, abcr erst weiirr abwärts wird der weiße Drin, ein breiter, wasserreicher Walostrom, zum ersten Male hart am Wege sichtbar. l>^t in dem Vorkommen von ^canllms mnlüs I.,., einer Pflanze, die zwar 'u>r selten bemerkt ward, aber sich doch uon der Küste durch das ganze Du-^i>n Kis Msdr«n verbreitet. *) illergl. S. 265. "1 Galitzka der Cchcn-lci'.. 3^2 Zwanzigstes Capitel. Hier herrscht eine tiefe Gebirgscinsamkeit in dcm engen Thale, wo nur der Fluß Platz findet. 1" — 6". 1 — 2. Chan. Das Gebüsch, welches die Vorhügel des Scardus bekleidete, hört nun bald ganz auf, Mittel-und Hochwald tritt an dessen Stelle, und so wird das Thal bis zum Stromufer gleich den Gebirgsabhängen von dichter Holzung erfüllt. Denn hier beginnen die weillauftigen Eichenwälder, welche den größten Theil des Ducajin bedecken und uns von nun an übcr 20 Stunden wcit begleiten werden. Der größte Theil dieser Waldungen *) wird von einer Abart der gemeinen Stieleiche gebildet: mit ihr wächst die Ccrriseiche vermischt, so wie auch einzeln die ächte ä5elani-Eiche in mächtigen Stämmen auftritt. Mitunter kommen, namentlich hier im Bielo-Drin-Thale, auch andere Limbholzbäume unter den Eichen vor: zwei Arten von Ahorn, Eschen, Silberpappeln, baumartige Hopfcnbuchen und Apfelweiden. Buxbaum oder Paliurus bilden an einigen Orten ein niedriges, eng verwachsenes, von Clematis verhangenes Unterholz. Oder die Baume stehen dicht und frei im Hochwalde zusammen und lassen nur wenige Schattenpsianzen aufkommen-Weiterhin im Ducajm werden diese Waldungen auf dem felsigen Boden immer einförmiger und bestehen dort in der Regel nur aus Eichen, ohne irgend ein anderes Holzgewächs m ihrem Bereiche zu dulden. Wie verschieden ist der Character dieser düstern Wälder von den lichten Gesträuchformationcn Maccdonicns! Durch sie ist der Uegetationscharacter dcs obcralbanischen Grünsteinge-birgs gegeben, und als ein merkwürdiges Phänomen in der Flora der südöstlichen Halbinsel dürfen wir die auffallende Uebereinstimmung desselben mit den Eichenwäldern Serbiens betrachten. Aehn- *) Qnercus pedunciilaia Ehrh. var. brulia Ten. Qu. Ct-rris i" Qu. Aegilopa L. — Acer lataricum L. A, obtusaiiirn Kit. rraxin"3 excelsioi L. Populus alba L. Ostrya carpinifolia Scop. var. 8s" borea. Pyius salicilolia L. — Buxus seiii|)erviroii.s L. Paliu'"llS aculeatus Lam. — Clematis Ftamnmla L. — ©djattcnpffanjcn beö &if djenroalbö: Delphinium rigid um DC. Alyssum nun ale Kit. LyS'ma" cliia atropurput'ea L. Veronica scardica iiov. sp. Tc-ucrium sc-ortli" oidts Stluel). Veratruin nigrum L. Albanien. 333 lsche Niveauverhaltnisse, durch die große Verbreitung mannigfaltig gegliederter Mittelgebirge bedingt, bewirken in Serbien und Dberalbanicn eine analoge Vegetation und stellen ihre Flora der macedonischen eben so characteristic gegenüber, als die verschiedene Structtir des Landes dies erwarten läßt. Um diese Vergleichungen in einem vollständigem Zusammenhange darzustellen, müssen wir an diesem Orte anführen, was uns über die Erhebung des Grünstemgcbirgs bekannt geworden ist. Aus dem Niveau von Prisdren *) können wir schließen, daß, wo der weiße und schwarze Drin sich vereinigen, die Thalsohle höchstens 600' über dem adriatischen Meere liegen kann. Die benachbarten Seitenkämme des Ecardus und der Gipfel des Ba-strik erheben sich zwar beträchtlich über die Baumgrenze, dies ist aber nicht mit den Spitzen des Grünstemgcbirgs selbst der Fall. Eine der höchsten Erhebungen der ganzen Landschaft, über deren Schneide die Straße zwischen dem zehnten und elften Chan führt, ist dis zur Spitze an der Qstseitc von Eichen, an der Westseite von Buchen bewaldet. Nach der verflossenen Zcit schätzte ich diese Hohe auf 3000', und hiermit stehen die Messungen Wouc's^) in Einklang, der die höchste Erhebung des Ducajm zu 330«' bestimmt hat. Jener Kamm nun, der dem Berge Puscha der Charten wenigstens in Hinsicht auf seine Meridianrichtung entspricht, kann etwa IU00" Höher geschätzt werden, als die mittlere Höhe der übrigen Ketten des Gn'mstcingebirgs. Eine Messung im vierzehnten Chan giebt demselben eine Höhe von 1819' *?*) über dem Meere. Ich wählte diesen Punct aus, weil dessen Niveau der mittlern Erhebung der ganzen Berglandscliaft zu entsprechen schien. Schroff erhebt sich das Land aus dem tiefen Driuthale zu bewaldeten Bcrgkammen nach Süden und behält sodann uicle Stunden weit ein gleichartiges Niveau von etwa 2, 20" It. im Verhältniß zu 24° It. berechnet. 334 Zwanzigstes Capitel. so daß nur Kamme und Thalsohlen, aber keine Plateaus sich absondern. Das ist der Character des obcralbanischen Elchenlandes. Um 4" 15' öffnete sich der Wald und wir standen vor der Brücke über einen reißenden Alpenbach, die Luma, die hier aus einem malerischen Qucrthale des Ecardus hervortritt und in den weißen Drin mündet, dessen Fluthen schon lange uns zur Rechten, durch die düstere Waldung heraufblinkcnd, eilend im engen, gewundenen Thale vorüberströmten. Von der Lumabrücke genossen wir zum ersten Male des vollen Anblickes der Scarduskette, die gar nicht fern in östlicher Richtung zu hohen Spitzen sich auf-thürmt. Durch zwei felsenreiche, alpine Seitenkämme derselben wird das Thal der Luma eingeschlossen, wclches zuletzt in rechtem Winkel auf den weißen Drin stößt. Die nordliche Wand dieses Querthals bildet der Coridnik, der dem Vastrik gegenüber liegt: drfsen Hügelauslaufer waren bisher von Prisdren aus zu überschreiten oder zu umgehen gewesen. Südwärts erhebt sich die Ia-litza, die jetzt breit vor uns lag und mit ihrer andern Seite bereits an das Thal des schwarzen Drin reicht. Dieser Berg legt sich sichtbar an das Mitteljoch des Scardus gegen den Ursprung der Luma. Er ist steil und felsenreich, trägt einen Gürtel von Coniferen, wie ich in keinem andern Theile des Scardus bemerkte, erhebt sich aber weit über die Baumgrenze. Die Brücke üder die Luma ist von eigenthümlicher, türkischer Bauart. Zahlreiche, gemauerte Bögen von ungleichem Durchmesser sind unregelmäßig an einander gefügt, einige so spitz, wie gothische Portale. Die höchsten liegen in der Mitte und bis dahin muß man in mehren Absätzen steil hinauf, an der andern Seite auf dieselbe Art wieder hinabsteigen. So schroff ist zum Theil deren Neigung, daß die Pferde auf dem unförmlichen Pflaster sich nicht zu halten wissen, und daß es fast unmöglich wäre, einen Wagen hinüberzuschaffen. Auf eine Seitenbefriedi-gung ist keine Rücksicht genommen und selbst dem Fußgänger wird die unsichere Stellung hoch übcr dem schäumenden Gebirgs-wasser leicht schwindelhaft vorkommen. Ganz eben so sind die beiden größern Brücken über den Drin gebaut und die letzte zahlt nicht weniger als 18 Bögen. Ulbanien/ 335 Von der Lumabrücke erreicht man nach einer Viertelstunde (4^30') die Brücke über den weißen Drin, wodurch die Straße auf das westliche Ufer übergeht und eine Biegung des Flusses vermeidet, in welcher dieser sich mit dem aus dem Dibrtthale hervortretenden schwarzen Drin vereinigt. Schon nach einer halben Stunde (5 ") erblickt man diesen merkwürdigen Punct und eine Stunde spater (6") erreicht man die große und einzige Brücke über den vereinigten Drin, nrbcn welcher der zweite tZhcm liegt. Wo der weiße und schwarze Drin zusammenstießen, erweitert das Thal sich zu einer dreieckigen Flache, die etwa eine halbe Stunde im Durchmesser hat. Hier erblickt man aus der tiesen Waldung hervortretend Wiesen und Maisfelder, sogar am Eingänge in's Dibrethal ein kleines aldanesisches Dorf. Oestlich erhebt sich der hochmächtige Kamm der felsigen Ialitza, nordwärts liegen die waldbedeckten Ausläufer des Bastvik, nach Westen und Südwcsten steigt das Ducajin zu 600—1000^ hohen Hügeln an. Zwischen diesen und der Ialitza sieht man in das Dibrethal und erkennt darin eine deutliche Fortsetzung des Bielo-Drin-Thals. So gehen die drei Spitzen der dreiseitigen Flache in drei enge Gebirgsthäler zwischen dem Scardus, Bastrik und Ducajin über. Der zweite Chan liegt am linken Ufer des Drin und so bleibt uns von nun an der Fluß bis zur Scala bei Scutari im Norden. Viele Albanesen fanden wir hier versammelt, die gleichfalls auf der Ncise begriffen waren. Einige ritten am folgenden Morgen über die Brücke nach Norden in den Wald: man sagte, sie gingen nach Incova, das 9 t. Stunden vom Brückenchan entfernt sei. Am Abend zündeten sie ein Feuer an am Ufer dls Drin und bivouakirten um den Aschenhaufen gelagert. Dumpf ballte damals ein Gewitter in diesen einsamen, finstern Thalern, l"o der dichte Wald unmittelbar zu den Seiten des Flusses beginnt, wo die sich verschränkenden Berge selbst den gewundenen Stvomlauf dem Blicke in die Ferne verschließen und wo nur die »lalitza im Grunde des Thalwegs zu imposanten Formen sich erhebt. Wenn man aber hoch oben auf der Brücke steht, fo kann bas Auge sich nicht trennen von den gelben, schäumenden Fluthen 336 Zwanzigstes Capitel. des Drin, der fast unheimlich in der tiefen Waldung verloren reißend dahinströmt und damals das Bild des Vollmonds, der um 8^ über der Ialitza hervortrat, unsicher zurückgab. Dort hat der Drin zwar die Breite der vbcrn Weser noch nicht, aber. er war selbst in jener Iahrszcit sehr wasserreich und hat ein Felsenbett von massigem Gestein zu überwinden. 27. Julius. Daß wir nun wirklich an diesem Orte ein vom Scardus ganz verschiedenes, selbstständig gegliedertes Gebirge betreten haben, geht außer den theils bereits angedeuteten, theils im Einzelnen noch zu erwähnenden Eigenthümlichkeiten der Berg- und Thalbilbung ganz besonders aus der höchst merkwürdigen geognostischen Etructur des Landes hervor, worüber ich meine Beobachtungen jetzt zusammenzustellen beabsichtige. Die auffallendste und allgemeinste Thatsache ist die, daß das ganze Gebirge des Ducajin, so weit die Straße dasselbe schneidet, nur aus ungeschichtctcn Felsarten besteht. Vom Fuße des Nastrik bis zum Becken der Drinmündung giebt es weder Kalkgestein, noch krystallinischen Schiefer: es fehlen also hicr die Ge-birgsarten sowohl des Scardus, als der Küsten des adriatischen Meers. Mit der Grenze dcr Formationen verändert sich hier auf das Schärfste der ganze Gcbilgscharacter. Die Hauptmasse des Ducajingedirgs besteht aus einem dichten, rothen Gestein, das im äußern Ansehen dem Ilfelder Thon-' Porphyr ähnlich ist. Allein wiewohl von betrachtlichem Thongehalt, ist seine Härte für eine Feldsteinmasse zu groß: denn dasselbe wird von Quarz nicht geritzt. Auch enthält es keine fremdartige Krystalle, sondern bildet bis auf feine, häufig eingesprengte Glimmerschüpftchen eine ganz homogene Masse von muscheligem Bruch, mattem Wachsglanz, und gleichförmig braunrother, bald dunklerer, bald lebhafterer Färbung. Machtig widersteht es dcr Verwitterung, doch giebt sich der Thongehalt oft schon beim Anhauchen zu erkennen. Ich halte diese Fclsart für einen Glimmer fühlenden, ungefieckten Jaspis, ein Mineral, von dem man, l» viel mir bekannt, bisher noch nicht beobachtet hat, daß es einem großen Massengcbirge, ohne sich abzuändern, das vorherrschende Material liefert. Von der höchsten Erhebung dcr Straße zwischen Albanien. 33? dem zehnten und elften Chan erstreckt sich dieses Gestein nach Westen fast ununterbrochen bis zum Necken der Drinmündung und ist oft mit großen Trümmerhaldcn bedeckt. Auch ostwärts von jenem Paffe bildet es den vorherrschenden Bestandtheil der mittlern Gcbirgshöhen bis zum zweiten Chan. Verschiedene Gründe sprechen dafür, dasi dieser Jaspis ein durch Hitze veränderter Thonschiefer sei und erst in einem Schmelzungsproccsse seine Schichtung verloren habe. Außer dcm Glimmer- und star-kern Thon-Gehalt kann hierfür die Beobachtung angeführt werden, daß das Gestein an einigen Orten Spuren von Schichtung und schieferiger Absonderung zeigt, die man als einen wirklichen Uebergang in Thonschiefer ansehen kann. Wenn man in dcm so genannten Porcellanjaspis einen örtlich verglasten Schieferthon erkennt, so scheint hier ein allgemeinerer Schmclzungsproccß, der durch die andern Felsarten des Ducajin's gleichfalls angedeutet wird, ein ganzes Thonschiefergedirge in cine Plutonische Masse verwandelt zu haben. Der Schlüssel zu diesen denkwürdigen Vorgängen findet sich nämlich in der Zusammensetzung der höchsten Kuppen des Ge-birgs. Diese bestehen aus Dioriten, welche aus der großen Jas-pismasse hervorgetlieben zu sein scheinen. Namentlich beobachtete 'ch ein solches Verhältniß zwischen dem zehnten und elften Chan, wo auf der Wasserscheide des Drin und Mat das hohe Gcbirgs-ioch nebst den Abhängen des Bergs aus Diorit gebildet wird. Am Fuße lagert auf beiden Seiten sich der Jaspis daran: hier würden die Berührungsflächen beider Gesteine näher zu untersuchen sein. Noch an andern Orten bestehen die Kamme des Ge-birgs aus Diorit. Von dieser Felsart bemerkte ich zwei Abänderungen: die eine ist fein gemengt, von schwärzlicher Farbe und "Ut größtentheils gefärbter Feldsteinmasse, die andere krystallinisch ^lnig, aus schwarzgrünen Hornblendccrystallen und weißem Fclo->lkin gleichmäßig gemengt, dem Syenit schr ähnlich. Außer dem Diorit kommen in noch großern Massen im Du- ^i'n andere Gebirgsarten vor, die zu der Familie der Grünsteine gehören: Gabbro und Serpentin, die hier in einander übergehen Und durH ihr gemeinsames Vorkommen unter dem Diorit cnlge- U. 22 338 Zwanzigstes Capitel. gengesetzten Verhältnissen sich auszeichnen. Durch ihre schwarze Färbung sind die Felsen, welche aus diesen Gebirgsarten bestehen, schon aus der Ferne kenntlich. Sie verbreiten sich besonders in den tiefer gelegenen Thalern und übertreffen hier nicht selten den Jaspis an Mächtigkeit, wenigstens in dem nordöstlichen Theile des Ducajin. Dem vierten Chan gegenüber wird das Ufer des Drin ungefähr zehn Minuten weit von einer seltsamen, wild zerrissenen, tief schwarzen Felsenmaucr gebildet, die aus Serpentin besteht. Dort wechselt diese Felsart mit dem Jaspis ab, aus dem sie vielleicht wie der Diorit hervorgetrieben wurde und eine Spalte übrig licß, durch welche der Strom sich jetzt hindurch« windet. Aus diesen drei Formationen besteht das ganze Ducajln, so weit die Straße darüber Auskunft giebt. Indessen dehnen sich solche abnorme Felsmassen nach ZLoue's Beobachtungen *) vom Drin aus 15 Stunden weit nach Süden aus, und so weit mochten etwa die Gipfel des Elbassän entfernt liegen, die ich von einigen Puncten erblicken konnte und bis zu deren Fuß der Character des Landes sich nicht zu verändern scheint. Fragen wir nun, wie diese große Masse von ungeschichtcten Gebirgsarten sich an ihren äußern Grenzen verhalte, so sind darüber einige, wenn auch nur aphoristische Bemerkungen mitzutheilen. Es wurde erwähnt, daß der Bastrik, der zwischen dcm weißen und vereinigten Drin liegt, aus geschichtetem Kalkstein bestehe. Die Schichten desselben scheinen im Sinne des Scardus aufgerichtet zu sein und die gegenüberliegende Ialitza aus demselben Gestein zu bestehen. Schon bei Prisdrcn fanden wir die Vorbergc des Scardus aus einer unbestimmten Kalkformation zusammengesetzt. Große Kalkgebirge liegen daher an der albanischen Seite dcs Scardus, und diese sind es, die am Fuße des Bastrik nahe bei der Drinvereinigung den Jaspis des Ducajln berühren. Zwischen den Brücken über den weißen und vereinigten Drin kann man dieses Lagcrungsverhältniß beobachten. Zuerst erscheinen einzelne Iaspismassen im Bereiche der Kalkfolmalion, dann *) A. a. O. Albanien. 339 verschwindet die letztere und schon die Thalsohle bcim zwcitcn Chan besteht nur aus Jaspis, der in dieser Gegend hausig mit Gabbro und Serpentin abwechselt. Man müßte hier umfassendere Untersuchungen anstellen, um jene Einlagerungen richtig beurtheilen zu können. Wahrscheinlich verhalt sich das Kalkgestcin des Ba-strik cben so zu den Formationen des Ducajm, wie die Kreide des Küstenbeckens, die dem Jaspis am Nande des Gebirgs deutlich aufgelagert ist. Ehe man in die Ebcne von Scala eintritt, hat man zuletzt einen Hügelkamm zu überschreiten, der schon aus weiter Ferne durch seine helle Farbe unter den rothen Felsmassen sich auszeichnet. In einem Engpässe ruht hier das Kalkgestcin wie ein schräger Keil auf dem Jaspis und scheint daselbst gleichfalls durch Hitze umgewandelt zu sein. Es besteht aus dichten, undeutlich geschichteten Massen von hellgrauer Farbe, die sehr reich an eingesprengtem, weißem Kalkspath sind. Wo sie mit dem Jaspis in Berührung stehen, scheinen beide Felsartcn auf einander eingewirkt zu haben: Adern von Kalkfpath finden sich hier auch im Jaspis, der bis zu dieser Localität von beigemengtem Kalk keine Spur enthielt. Von hier verbreitet sich die Kalkformation durch das Wecken der Drinmündung nach dem See von Scutari und Montenegro. Sie steht in mächtigen Felswänden an den Ufern des Drin, wo dieser aus dem Gebirge in die Ebene eintritt. Sie bildet die Hügelreihe, welche zwischen dieser Flache und der Stadt Scütari sich erstreckt. Sie erfüllt sodann längs der adriatischen Küste die Landstrecke von Scutari über Antivari bis zur österreichischen Grenze und stimmt in jeder Rücksicht, in petrographischen Merkmalen, wie in der eigenthümlichen Gestalt rauher, trockner, von unterirdischen Canalcn durchsetzter Felsgebirge, mit der großen Kreideformation Dalmatien's überein, mit der sie in ununterbrochener Verbindung steht. In der Ebene der Drinmündung selbst jedoch liegen gegen Eadcrima ei-"'ge isolirte Berge von betrachtlicher Höhe, deren schroffes Emporsteigen aus söhliger Fläche, deren bizarre, zackige Spitzen und weiße Felswände die Gegenwart des Dolomit's entschieden ermatten lassen. Erlitt bci der Veränderung des Thonschicferge-birgs auch die demselben benachbarte Kreide den Einfluß vulcani- 22* 310 ' Zwanzigstes Capitel. scher Kräfte, so würde eine Bestätigung solcher Annahmen auch in diesem Umstände zu erblicken sein, wenn derselbe erst an Ort und Stelle geprüft wäre. Schon jctzt erscheint es indessen nach den angeführten Thatsachen wahrscheinlich, daß jene Veränderung geschichteter Gebirgsmassen, die wir auf den Durchbruch der Grünsteine beziehen mochten, zu einer Zeit erfolgte, als die Kreide bereits auf dem oberalbanischen Thonschiefer abgesetzt war. In welcher Beziehung aber diese Umwälzungen zu der Hebung der benachbarten Hochgebirge des Ecardus und Bertiscus grstan-den haben mögen, dies ist ein wichtiges Problem für künftige Gebirgss'orschcr, die hier ohne Zweifel ein reiches Feld der Beobachtung, vielleicht ein anderes Fafsathal finden werden. In dieser Rücksicht erheischt das Verhältniß des Duc«,jm's zum Bertisms eine besondere Erwägung. Wir haben gesehen, wie der weiße Drin zuerst ein Langsthal zwischen dem Scardus und Bastrit durchströmt und sodann als vereinigter Strom in das Grünstcingebirge eintritt. Von hier aus liegt sein Bett mehre Stunden weit theils im Jaspis, theils im Serpentin und Gabbro. Wenn man jedoch von den Kämmen des Ducajln's nach Norden den Blick wendet, so erkennt man aus der Gcstalt der Berge, daß das Grünstringebirge am rechten Drinufcr nur einen schmalen Höhenzug bildet. Hierauf folgt ein niedriges Hügel-Terrain mit einzelnen Bergkegcln, die wahrscheinlich aus Kalk bestehen und als nordwestliche Ausläufer dcs Baslrik angeschen werden können. So wie also das Ducajm durch diesen Berg von der Ebene des weißen Drin getrennt wird, so scheint ein Saum von Kalksteinhügel'7, die auf den Charten irrig als mächtige Kette eingetragen sind, jene große Fläche von dew Grünsteingcbirge abzuscheiden. Diese Höhenzüge am rechten Drin« ufer reichen bis an den Fuß des Bertiscus, etwa bis zu dem Puncte, wo auf den Charten das Kloster S. Maria sich findet. Hier, wo der Drin gegen die Felswände des hohen Alpengebirgs anprallt und eine südwestliche Richtung annimmt, vrrläßt sei« Strombett das Thal am Nordrande des Grünstcingcbirgs und ergießt sich in eine enge Spalte, die zwischen dem Vertiscus und Ducajin übrig bleibt, und bildet fortan die Grenze beider Ge- Albanien. 3l! birge und der so verschiedenen Formationen, die dieselben zusammensetzen. Denn dcr Bertiscus crhcbt sich aus dieser Spalte mit einer ungeheuern Brüstung von Kalkgestcin zu den Bcrgformcn des Alpenkalks, wahrend das linke Ufer aus den mit Felstrümmern bedeckten Abstürzen des Ducajm von Jaspis gebildet wird. Diese Structur des Drinthals, worauf wir später zurückkommen, scheint sich auf einer weiten Strecke gleich zu bleiben, bis zuletzt der Drin in die Krcidrformationen dcr Küste eintritt. Nimmt man nun an, daß die Grünstcine, welche den Thonschiefer des Ducajl'n in Jaspis verwandelten, auch zugleich die Ursache dcr Hebung des Bertiscus gewcsen sind, so kann man für eine solche Theorie insbesondere anführen, einmal, daß dieselben, wie in an-dcrn Gebirgen der Augitporfthyr, gerade am Fuße des hohen Alpenstocks an das Tageslicht durchgebrochen find, ferner, daß sie hlcr die vorhandenen Gebirgsarten umänderten, aber sie vcrhalt-nißmäßig wenig erhoben, während sie dort die grschichlcttn Massen dreimal höher aufrichteten und deshalb auf deren Structur weniger einzuwirken vermochten, endlich, daß da, wo diese zwiefache Richtung vulcanischer Erfolge sich scheidet, eine tief bis zum Niveau des Meers reichende Spalte übrig blieb, welche dic Linie der größten, zwei Formationen auscinanderspaltcnden Spannung andeutet. Eine besondere Berücksichtigung dürfte auch das Verhältniß verdienen, in welchem das Grünsteingcbirge zu dem ganzen Zuge der Alpen steht. In dem östlichen Gebiete derselben findet sich nicht jene Unregelmäßigkeit in der Haupttichtung ihres Zuges und in dcsscn Verzweigungen wieder, welche in den westlichen Alpen bemerkt wird. Von den Grenzen Tyrols bis zum Dringebiet in Qberalbanicn erstreckt sich das Hauptjoch der carnischen, juli-schen, dinarischen und türkischen Alpen aus Nordwest nach Südost ber östlichen Küste des adriatifchcn Meers parallel. Die geogno-slischen Verhältnisse dieses Systems scheinen in einer gegen 100 N- Meilen betragenden Lange sich wenig zu ander» und in mancher Beziehung von denen der übrigen Alpen abzuweichen. Wenn wir dasselbe aus einer einzigen, ziemlich geradlinigen Längsspalte gleichzeitig hervorgetreten uns vorstellen, so muß cs sehr bemer- 342 Zwanzigstes Capitel. kenswcrlh erscheinen, daß gerade an dessen Endpuncten sich große vulcanische Massen angehäuft finden, die an den Seitenabhangcn des Systems nicht zum Vorschein kommen, oder doch nicht beobachtet worden sind. In diesem Sinne müßte eine Vcrglcichung des Porphyrgebirgs im italienischen Tyrol mit dem Grünstcingc-birge des Dmaim ein besonderes Interesse erregen. So wie dort viele Stunden weit der Fcldstcmporphyr und Dolomit die südlichen Kalkalpen von dem krystallinischen Schiefcrgebirge abscheidet und zwischen jenen die Metaphyre sich hervordrängen, so finden wir am Fuße des Bertiscus oder an der Südspitze des nämlichen Systems einen gleich mächtigen Hecrd vulcanischcr Thätigkeit, eine über 80 Quadratmcilcn verbreitete Anhäufung von durch Hitze umgeänderten Gesteinen und zwischen ihnen hcrvorge-triebenen Dioriten, wobei wahrscheinlich auch benachbarte Kalkformationen zum Theil in Dolomit umgewandelt wurden. Bedeutung der Lettern in dem Holzschnitt der gegenüberstehenden Seite. « — Alluvium dcs Tcttovo. » — Calcändcle. /3 — Kalkformation von S. I» ^ Ljubatrin. Athanasio. « — Kodclitza. L — Kalkformation desNesna- «l ^. Ialitza. lbals. « — Prisdr^n. 7 — Kalkformation der Ljuba- l' ^ Bastrik. trin und Kobelitza. ^ ^ Zusammenfluß des weißen F -^ Glimmerschiefer der Kobe- und schwarzen Dun. Iltza. K ^ Niveau d. Ebene von Ipck. e — Kalkformation des Vastrik. i — Wasserscheide des Drin u. ^ — ^ ^ Formationen des Du- Mat zwischen dem zehnten cajin. und elften Chan. 5 — Serpentin und Gabbro. Ii --- Eintritt in's Wecken der '/ -^ Jaspis. Drinmündung. ^ ^ Diorit. I ^ Scala. « ^- Krcioe. ,n ^ Ecntari. « — Tertiäres Becken von Scii- n ^ Küstenkettc v.Montmegro. tari. u ^ Spiegel d. adriat. Mccrs. Albanien. 343 Durchschnitt durch Nordalbanien von Calc»ndele am Scardus bis zur Küste dos adriatischen Meers bei Sc«tari. 344 Zwanzigstes Capitel. 55—8". 2 — 3. Chan. Mehre Stunden weit folgt die Straße dem Thale des Drin an dessen linkem Ufer. Bald wird die Sohle fast ganz vom Flusse ausgefüllt, bald erscheinen am Ufer kleine Wiesen und Maisfelder. Die dicht mit niedrigen Eichbaumen ^) bewaldeten Bergadhange erreichen zu beiden Sei: ten unmittelbar eine Höhe von etwa lilM' über dem Wasserspiegel. Wegen der häufigen Windungen des Thals blieb die Hauptrichtung der Straße zweifelhaft: zwischen West und Nord schien dieselbe zu schwanken. Beim dritten Chan mündet ein Bach in den Drin, der durch ein kurzes Nebenthal von Süden herkommt. 8^—N". 3—4. Chan. Der vierte Chan, der letzte am Ufer des Drin, ist größer als die vorigen. Auch ist hier ein türkischer Wachtposten aufgestellt und über den Fluß besteht eine Art von Fähre. Ein äußerst roh gebauter, fioßähnlicher Kahn wurde am entgegengesetzten User eine Strecke stromaufwärts gezogen und hierauf dem Strome überlassen, der, durch ein Steuerruder gelenkt, ihn in schräger Richtung dem Chan zutrieb. Ge-gcnübcr bespült der Drin jene schwarze, zerrissene Fclsmauer von Serpentin, auf deren Kamm eine verfallene Nuine von der Bauart des Schlosses Demanitje in Trümmern liegt. 33is auf jene Fclsen sind die Ufer und Thalwände durchaus von Eichenwald bedeckt. Von hieraus zwängt sich nun der Drin in ein ganz enges Felsenbett und bald hört jeder Weg an dessen Ufern auf. Von der Höhe der Thalwand über dem Chan sah ich den Strom tief unter den Füßen zum letzten Male, wie er nach Nordwest brausend dahineilte und zwischen hohen Felsabstürzcn sich verlor. Ueber diese ragte alpines Gebirge im Grunde des Thals hervor. Nach den Mittheilungen der Albanesen behält der Drin die nordwestliche Richtung im engen, unzugänglichen Felsenthale, bis er nach einigen Stunden gerade gegen den NcrtiZcus stößt, der hier Caradagh ") genannt wurde. Dann wendet er sich nach Süd- *) OuercuZ peduneulata Hlnll. vur. brulill 1'en. Darunter einzeln Hu. Olli- 1^. '*) Caradagh ist hkr eine appellative Vczeichnung ftir alpines Gebirgr. Albanien. 3l5 Westen und Westen und stießt von da in einem ungeheuer tiefen, nie betretenen Canale zwischen unersteiglichcn Felswänden, indem er in die Gebirgsspalte zwischen Nertiscus und Ducajln eintritt. Kein Weg fuhrt durch diese Wildniß, kein Nachen hat sie durchfahren. Niemand wriß zu sagen, ob es dort Wasserfälle oder Stromsclmcllen giebt. EZ mag hier Puncte geben, wo die südliche Thalwand 2000",. die nördliche 5000' unmittelbar aus dem Flusse sich erheben. Wie wichtig, aber auch wie kühn wäre die Fahrt eines Gebirgsforschers durch diese Tiefen um den südlichsten Saum der Alpen. Und dies ist nicht etwa ein Felsenthor, das der Strom leicht überwindet, sondern der Canal hat vielleicht eine Lange, die 20 Stunden beträgt: denn wo der Drin bei der Fähre von Scala das Gebirge beruhigt verläßt, sagte man mir, daß auch hier kein Weg in das Thal führe, weil die Felsen überall bis an den Fluß reichten. Auch war der Strom dort den Befragten nur eine halbe Stunde weit bekannt, bis wohin man fein enges Bett von den Höhen aus überblicken kann. Wo ich auch über das innere Flußthal mich erkundigen ließ, immer War die Antwort: das sei unbewohnt, Alles Fels, kein Weg. Die Ortschaften, die hier auf den Charten verzeichnet sind, scheinen auf der Höhe des Ducajm oder in dessen zahlreichen Seitenthälern zu liegen. Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß das Detail dieser Nachrichten vielleicht zu sehr den Character des Dol-wetschen's an sich trug. Deshalb führe ich an, was ich spater Persönlich von der Structur des Drincanals gesehen habe: 1) vom fünften Chan die Biegung des Thals nach Südwesten, worauf dasselbe so eng wird, daß das. Ducajin sich unmittelbar an den Bcrtiscus anzulegen scheint; 2) in mehren Ansichten vom 28. Julius tonnte ich wahrnehmen, bald, daß der Thalweg Auch dcr Cor-'ch wurde im fünften Chane so genannt. So häufig jenes Wort w der Orographic der Tücken vorkommt, so ist's in Albaoicn doch wohl richtiger auf daü lmablicmgige Montenegro einzuschränken, ,vouon ^aradagh bekanntlich die türkische Uebcisetzung ist. Von dem GeblrgMnde der Montenegriner scheinen die albanischen Tülken das Wort dcmn auf die übrigen Hochgebirge dcä Landes übertragen zu haben. 346 Zwanzigstes Capitel. beide Gebirge trennte, bald, daß die Iaspisftlsen auf der einen, die hohen Kalkwände auf der andern Seite sich fast berührten; 3) bei der Scala lassen die Kalkfelsen beider Ufer oberhalb der Fähre nur das Strombett zwischen sich übrig, wie beim vierten Chan. Stellt man sich diese Verhaltnisse im Zusammenhange vor,bedenkt man die Höhe der Brüstung des Bertiscus, die sichtbare Enge des Thals und das schon bei Prisdren so tiefe Niueau des Drin, so muß die Imagination die furchtbarsten Abgründe in jener Spalte erblicken, wahrscheinlich eins der großartigsten Schauspiele der Natur in unserm Erdthcil. 9^ —10" 3U'. 4 — 5. Chan. Wir erstiegen jetzt einen Kamm des Ducajingebirgs zwischen den Thälern des Drin und Iost, eines kleinen Flusses, der neben dem vierten Chan in den erstem mündet. Die Straße folgt dem Iostthale in südlicher Richtung ansteigend, wendet sich dann nach Südwcst und West und erhebt sich in imunterbrochener Neigung eine Stunde lang bis zur Höhe des westöstlich gestreckten Kamms, auf dem der fünfte Chan liegt. Dessen Höhe schätze ich IZlill' über dem Niveau des Drin. Der Abhang ist dicht von Eichen bewaldet, allein oben eröffnen sich freie, klare, verständliche Ansichten nach den meisten Himmelsgegenden. Indessen fah ich trotz der weiten Fernsicht doch nur ein einziges Dorf in östlicher Richtung auf einer am Kamme ausgesonderten Platte: übrigens bis zu den höhcrn Gebirgen, die den Horizont umgürten, so weit man blicken kann, alle Ketten von Eichenwald bedeckt. Oben beim Chan baute man Mais, Tabak und Korn, aber nur für den Hausbedarf. Hier beschäftigte ich mich mit der genauern Auffassung der Structur des Landes, welches nur indessen von Westen bis Süden durch die Erhebung des Gebirgs verschlossen blieb. Das Ducajln selbst erscheint als ein massiges Mittelgebirge, das aus unregelmäßigen Ketten mit mamelonartigen Kuppen und aus regellos verflochtenen Thälern gebildet wird. Eine Hauptrichtung der Kämme konnte ich nicht wahrnehmen: manche Thäler erstrecken sich zwar nach Ostcn und Westen, die höchste Wasserscheide liegt in einer Men- Albanien. 347 dianlinie *), aber die Spalte des Drin und dessen Nebenthäler weichen von diesen Verhältnissen ab. So sah ich vom fünften Chan gegen Südost 3 von Nordost nach Cübwest gerichtete Parallelketten, weit im Süden aber einen bedeutenden Kamm aus West gegen Ost "). Aus diesem letzten erhoben sich höhere nicht bewaldete Kuppen, die aus dem grünen Gebirge wie felsige Inseln hervorstiegen, eine derselben von sargförmiger Gestalt. Auf das Deutlichste ist übrigens das ganze Grünstcingebirge durch die Thäler des weißen und schwarzen Drin vom Scardus getrennt, z. B. von der allerdings aus dem letztcrn heraustretenden Ialitza, eben so wie die Trennungslinie gegen den Bertiscus ohne alle Willkühr nach Formation, Bergform, Thalbildung, Höhe und Richtung aus's Leichteste gezogen werden kann. Die Hügelkette, welche, das Ducajmgebirge nördlich begrenzend , sich zwischen dem Drin und der dadurch verdeckten Ebene von Ipek.vom Bastrik zum Bertiscus erstreckt""), ließ sich größtentheils übersehen. In ihrer bogenförmigen Richtung entspricht sie dem Thalwege des Drin. Sie senkt sich allmählig vom Wastrik aus und enthalt in der Nähe desselben noch einige kegelförmige Berge, welche die Baumgrenze übertreffen. Solche Kegel, jedoch von minderer Bedeutung, ragen auch im westlichen Theile der Kette hier und da hervor und wiederholen die Berg-gcstalt des Basirik in kleinern Verhaltnissen. Hierauf folgt der Bertiscus selbst, der den großartigsten Hintergrund bildet. Ohne *) Auf den Charten wird diese Wasserscheide Puscha genannt. Da es dieselbe ist, wrlche ich zwischen dem zehnten und elften Chan erstieg, so ergiebt sich, daß sie weiter westlich liegt, als die Charten sie darstellen. ") Die höchsten Kuppen des südlichen Ducajln lagen O 6N° S — S am Compaß. *") An den Bertiscuö scheinbar angeschlossen unter W?0°N, erstreckte sie sich halbmondförmig bis O 12" S, wo der Zusammenfluß der beiden Drinarme lieqen mochte. Rm Horizont ragte der Bertiscus darüber hervor Von W 7ll" N bis N. Schwarze Serpentinfelsen am Drinufer zeigten sich diesseits von N 65° O bis O 12" S. Dem Bastrik analog gebildete Kegel 'n der Kette lagen Ni 70" N, W 75" N, N IU" O, N 18« O, N 2U« O am C. 348 Zwanzigstes Capitel. alle Vorberge steigen hier 3—4 weiße Alpcnmassen, dic in den obern Schluchten häufigen Schnee trugen, unmittelbar aus dem Drin hervor. Am höchsten und unter einem mächtigen, den von Calci'mdele gesehenen Scardus weit übertreffenden Gesichtswinkel erschien die nächste fast westlich *) gelegene Gruppe von Alpengipfeln , deren Entfernung ^*) nur auf wenige Meilen zu schätzen war; dann folgt ein Einschnitt, wahrscheinlich in Folge einer bedeutenden Thalbildung, endlich ein zweiter, jedoch niedrigerer Alpenstock, der sich, mehrfach abgesondert, gegen Ipek zu erstrecken scheint. Auch vom Scardus erblickte ich einige wichtige Puncte, als ich mich im fünften Chan befand. Der nördliche Theil dieses Gcbirgs wird durch den Coridnik verdeckt, der über die Thal-wände des Drin hervorragt. Sodann folgt der Einschnitt dcs Lumathals, und hier ragt das Mittcljoch dcs Scardus eine Strecke writ hervor, bis es wieder von der Ialitza verdeckt wird. Am südlichen Ende des Ictztern Bergs liegt eine enge Schlucht, die ihn von einem niedrigern Nucken scheidet, der sich dann weiter südwärts bis zu einem hohen Gipfel ausdehnt. Diesen letztern hielt ich für den schon mehrfach erwähnten Culminationspunct dcs Scardus, für den Coräb /"*). 1" — 3" 30'. 5 —10. Chan. Auf diesem Wege, wo man in jeder halben Stunde einen Chan trifft, beginnen die größern Beschwerden der Straße. Diese führt, theils auf der Höhe der *) Die ganze Linie, die der Vertiscus am Horizonte einnahm, erstreckte sich bei einer scheinbaren nordöstlichen Richtung vc» W 25" N—N; der höchste und nächste Alpenstock etwa W 25« N -35" N j Thalsenkung W 4«" Nj allmählige Senkung wegen zunehmender Entfernung W 4«" N — N am C. ") Sie scheint ungefähr dem Berge Karma auf der Cotta'schen Charte zu entsprechen. "*) Coridnik O 5" S; Lumaeinschnitt O 10" S; Mitteljoch des Scardus sichibar von O 8° S — O 15" S; Ialitza O 10" S — O 3l»" S-deren Gipscl — O 22" S; Kette zwischen Ialitza und 6orilb O 30" S --O 5U° S; Corilb O 5«" G am Compaß. Albanien. 31!) wesiöstlichen Kette, theils an deren südlichem Abhang bis zur Tiefe des Thals sich senkend und wieder zum Kamm sich erhebend, in westlicher Richtung fort. Es ist dasselbe Thal, an dessen Mündung wir das Gebirge betraten, das Thal des Iost. Der Iost entspringt von der mehrerwahnten Wasserscheide, deren Diorltkuppe 9 Stunden westlich vom Brückenchan sich aus Süd nach Nord erstreckt; er verfolgt dann, von einem engen Thale aufgenommen, 5 Stunden weit eine östliche Richtung, biegt sich hier nach Norden und vereinigt sich, die Uferwand des Drin durchschneidend, neben dem vierten Chan mit diesem Strom. Dies giebt einen Begriff von der Thalbildung des Ducajin, wobei zu erinnern, daß zu beiden Seiten der schmalen, tiefen Thalsohle die steilen Iasviskamme 12—150lV über dessen Niveau ansteigen. Gegen den Ursprung des Iost, wo die höchste Erhebung der Straße nicht mehr fern ist, giebt es auf einigen Höhen über dem Eichenwalde eine Region von Conifcren *), so wie außerdem durch eine häufig verbreitete Nhamnusart, die kleine Busch-Waldungen zusammensetzt, das höhere Niveau gleichfalls angedeutet wird. Der neunte Chan war unbewohnt. In dem zehnten, der dem oben erwähnten Capitaiw gehörte, übernachteten wir. Das Gebiet, worin dieser Albaurse herrscht, scheint besonders das Thalgebiet des Iost zu begreifen: der District sei IN Stunden lang, 1 Stunde breit und heiße Bala, woraus vielleicht das Wort Ibalea der Charten entstanden ist. Der Häuptling unterschied sich nur dadurch von den übrigen Albanesen, daß er sich etwas zuvorkommender gegen uns benahm und redseliger mit den Türken verkehrte. So unabhängig von den Türken er in seinen Thälern schaltet, so sehr mögen ihn die Sitte feines Volks und die Nache des Einzelnen beschränken. 28. Julius. 5'—8''. ia—II. Chan. An den Quellen des Iost vorüber erstiegen wir in einer Stunde (6") den steilen, von Süd nach Nord gerichteten Kamm, wo der höchste Punct der Straße sich befindet und die Gewässer des Drin und *) Pinus brutia Ten. — Rhamnus alpina L. 330 Zwanzigstes Capitel. Mat sich scheiden *). Auf der Westseite beginnt ein anderes, dem dcs Iost entgegengesetztes Thal, in welches wir vom Kamm unmittelbar durch den Buchenwald hinabstiegen. Diese Waldung, die einzige solcher Art, die ich im Elchenlande antraf, ist nur von geringer Ausdehnung, und überhaupt wird von jetzt an das Gebirge kahler, die rothen Iaspiswande treten häufiger nackt hervor. Dabei behalten die Thäler denselben engen, unfruchtbaren Character, den wir bisher bemerkt haben. 8^—9^. 11 — 12. Chan. Im Men Chan trafen wir eine der Sicherheit der Straße wegen bestehende Wache, die von einer Anhöhe das Thal mehre Stunden weit im Auge hat. Wir folgten zwar noch immer in westlicher Richtung dem Wache dcs Matgebiets, allein mehrmals hatten wir Hügel zu ersteigen und kehrten dann wieder in die Thalsohle zurück. 9" — 11^. 12 — 13. Chan. Nach einer Stunde verließen wir das Thal und erstiegen gegen Norden uns wendend den von Ost nach West gerichteten Kamm, der hier die Wasserscheide zwischen Mat und Drin bildet. Der Bach, der uns bis hierher begleitete, stießt nun südwärts durch die Landschaft der Mirditcn, zu deren Gebiet auch der elfte und zwölfte Chan zu gehören scheinen. — Einer zweiten Stunde bedurften wir, um die Thalwand auf steilem Schlangcnpfade zu ersteigen. Oben erreichten wir den dreizehnten Chan, der unbewohnt war. 11" — 2^ 30'. 13 — 15. Chan. Dies ist der grandioseste Theil des Wegs. Gleich hinter dem dreizehnten Chan werden zur Rechten der westwärts führenden Straße die Eichen eine kurze Strecke licht und als «ine erste Andeutung großer Natur- *) Auf den Charten bleibt die Straße im Dringebiet. Daß dies irrig sei, ergiebt sich aus folgender Wahrnehmung. Von jener Wasserscheide lost sich ein langer Nebenkamm nach Westen ab, der die nördliche Wandung des Thals bildet, welchem die Straße folgt. Nach 4 Stunden verläßt diese das Thal, erliebt sich rechts auf die Höhe des Kamms und gelangt jenseits wieder in die Nähe des Drin. Wenn nun der Bach, dessen Thal sie verließ, in den Drin mündete, so müßte man ihn auf dem Wege nach Scala schneiden, was nicht der Fall ist. Albanien. 33 l scencn schimmern ganz nahe einige Nadeln des Ncrtisms durch die Waldblöße. Eine halbe Stunde später traten wir aus dem grünen Forste an eine ungeheure, mit Iaspisgerölle bedeckte, nackte Thalwand, an welcher die Straße in schwindelnder Höhe horizontal fortläuft. In kolossalem Halbkreise umfaßt dieser schräge Trümmerabhang ein großes, kahles, felscrfülltes Seitenthal des Drin. Im Grunde stießt kaum ein Bach, aber die schiefe Flache ist weit und breit mit Iaspisfclsen der mannigfaltigsten Form und Größe übersäet. Diese Einöde, worin man keinen Baum, keine den Boden begrünende Pflanze, keine menschliche Wohnung erblickt, reicht bis zum Drin hinab, wo sie untcr mächtigen Felsen, die dessen Thalsohle verdecken, sich verliert. Bis dahin schätzte ich die Entfernung auf 3 Stunden, wahrend von Wald zu Wald die Felsregion eine Stunde breit ist. Die Localitat entspricht beiläufig dem Namen Mascenari der Charten. Gegenüber, aus dem nördlichen Ufer des Dnncanals, im erhabensten Gegensatze grgen diese wüsten Steingesilde, steigt unmittelbar in prachtvoller Nähe die ganze Neihe des südlichen Bertis-cus zu hohen, steilen Alpenhörnern gewaltig empor. Einen großartigern Eindruck wird man nicht leicht im Centrum der Alpen empfangen. In einer Linie, die von ONO nach WSW sich zu erstrecken scheint, die offenbar von dem im fünstcn Chan bemerkten Thalcinschnitte ausgeht und in Nordwcst eben so plötzlich aufhört, sind diese zahlreichen Gipfel, ohne durch Vorbcrge mit der Tiefe des Drincanals vermittelt zu werden, aneinandergereiht. Wie in den Dolomitalpen Tyrols sich die Schneide der Kämme zu wunderbar gestalteten Felszacken gliedert, so werden auch hier ähnliche Bildungen in häufiger Wiederholung bemerkt. Gegen 20 solcher nadelförmiger Spitzen zahlte ich in dem höchsten, nach Dsten gelegenen Bcrtiscus. Diese Nadeln erscheinen wegen der Helligkeit des Gegenstandes und weil die Entfernung wirklich so gering ist, dem Auge in so deutlichem Umrisse, als ob man jede Felsbank, jede Kleinigkeit an ihnen wahrnehmen tonnte. Allein bie großen Schneemassen, die zwischen ihnen ruhen und sich la-llerförmig abwärts verbreiten, belehren über die Höhe ihres Niveaus. An einem Puncte reichten die Eisgesilde so tief in eine 352 Zwanzigstes Capitel. thalförmige Schlucht hinab, daß ich kaum daran zweifelte, einen wirklichen Gletscher vor mir zu sehen. Eine so bedeutende Anhäufung von Schnee in der heißesten Iahrszcit, in der Breite von Rom und in der Nachbarschaft des adriatischcn Meers, scheint zum mindesten eine Erhcbung von 8000' anzudeuten: um so mehr, als der Scardus hierin dem Bertiscus in unzweideutiger Weise nachstand. Dies sind die äußern Charactere der höhern Alpenspitzen: ganz verschieden von diesen verhält sich der westliche Gebirgstheil, der jenen wie ein machtiges Vorgebirge seitwärts angelagert ist. Er besteht aus einer Kette von 6—8 Bergen, die zwar gleichfalls alpin und viel höher als das diesseitige Grünsteingebirge in weißen Felsmassen weit über die Baumgrenze emporragen, aber doch beträchtlich niedriger sind, als der östliche Bertiscus, der durch die Felszacken seiner Gipfel besonders ch,l,sr 1.. Außer dieser erscheint hier zum ersten Male die ächte <)». pukescenz W., während . ^erli« I^. dcm Ducajin und der Küste gemeinschaftlich ist. ♦♦) Planlago carinata Schrad. Centaurea alba L. sinlinm rn-pestre Vis. üypsophila spergulifolia nov. sp. Alyssum murale Kil. Albanien. 355 und beschwerliche Thalwände hinübergeführt, anstatt dem engen Bett in der Tiefe zu folgen. Das Iaspisgerölle, welches diese schmalen Saumpfade bedeckt, macht die Reise noch ermüdender. So brach die Nacht an, ehe wir unser Ziel erreichten. In dem Chan, der wieder tief unten im Thale liegt und der letzte vor der Ueberfahrt über den Drin ist, wurden die ersten Feigen uns geboten. Denn hier waren Lebensmittel für Geld zu erhalten, woher der Chan den Namen Dücan, Boutique, führt. Doch so nahe die Küste mit ihren Südfrüchten und ihrer italienisch redenden Bevölkerung jetzt vor mir lag, so wurde ich doch hier noch zuletzt daran erinnert, daß ich im albanischen Gebirge mich befände. Auf einem eingezäunten Platze neben dem Chan bereiteten wir unter dem Laubdach in der herrlich lauen Nacht unser Lager. Der Chantschi schlief in seiner Wohnung, ein kranker Türke war der Einzige, der in unserer Gesellschaft blieb. Als wir uns eben zur Ruhe legen wollten, stellten zwei Albanesen sich ein, setzten ihre Flinten zur Seite und ließen sich ohne zu reden neben unsern Pferden auf dem Nasen nieder, augenscheinlich, um die Nacht daselbst zuzubringen. Diese Männer kamen meinen türkischen Soldaten verdachtig vor, sie fchiencn einen Diebstahl zu beabsichtigen. Die Türken näherten sich ihnen Anfangs sehr höflich und bemühten sich sie zu überreden, anderswo ihr Obdach zu suchen. Sie sprachen von der schönen Nacht und erklärten, wie angenehm es sei, auf einer mühseligen Fußreife von den Abendstunden Gebrauch zu machen. Die Albanesen, wiewohl in ihrer Muttersprache angeredet, antworteten kaum, blieben ruhig gelagert und gaben, als Jene dringender wurden, ihren Entschluß zu erkennen, daß sie die Nacht hier zubringen würden. Jetzt versuchten die Türken, die durch eine drohende Stellung sich so gern ein Uebergewicht zu verschaffen suchen, eine andere, dieser Tendenz entsprechende Maßregel. Einer der Soldaten stellte sich, als setze er voraus, daß dk' Albanesen kein Türkisch verständen, und wendete sich an Dimitti mit den in seiner Landessprache gesprochenen Worten: "wcnn die Schurken nicht bald von selbst gehen, wollen wir sie unt Gcwalt vertreiben.« Einige Augenblicke blicbcn die Gegmr 356 Zwanzigstes Capitel. ruhig, als hätten sie nichts gehört, dann aber standen sie plötzlich auf, nahmen ihre Flinten und zogen, ohne ein einziges Wort zu sagen, von bannen. Wir hörten ihre Tritte im Thale verhallen und bald war Alles still, wie die Nacht. Nur der Hund des Chantschi, der jene Albanesen frühzeitig angemeldet, blieb auch jetzt nach ihrem Abzüge unruhig. Alsbald war die ganze Gesellschaft in tiefen Schlummer versunken, ich allein konnte nicht einschlafen. Nach einer langen Weile hörte ich, als der Hund wieder von Neuem anschlug, ein Geräusch in der Nahe. Ein Albanese mit zwei Flinten auf dem Arm, wie mir bauchte einer der beiden Vertriebenen, trat leise aus dem nächsten Gebüsche und näherte sich unserm Lagerplatz. Ich war im Begriffe aufzuspringen, als auch der Chantschl durch den Lärm des Hundes geweckt wurde, aus der Hütte kam und dem Albanesen entgegenging. Es entspann sich ein heftiger, mir under-standlicher Wortwechsel, meine Begleiter verhielten sich still, zuletzt wußte der Fremde den Wirth zu besänftigen, er entledigte sich seiner Waffen und legte sich schlafen. So ging die Nacht ohne Ruhe, aber auch ohne Mißgeschick vorüber. 29. Julius. 4^30'—6^30'. 16—17. Chan. Vom Dü-can aus wird das Nebenthal des Drin weit und kahl, die Berge sinken zu Hügeln herab. Anderthalb Stunden folgt die Straße dem Lause der Thalsohle in westlicher Richtung. Dann wendet sich der Bach nach Norden und verschwindet unter Felsen gegen den Drin. Das Thal besteht aus nacktem Iaspisboden bis zu dem äußern, westlichen Hügelsaume, wo der Kalkstein des Be« ckens der Drinmündung beginnt. Die Ufer des Bachs waren weit und breit dicht mit Lygariagebüsch *) bedeckt. Drei Spiel« arten dieses schönen Gewächses wuchsen hier untereinander vermischt, überall ihre röthlichen, violetten oder weißen, duftenden Nlüthensiräuße entfaltend. Hier begegneten uns einige wie Du-cajinen gekleidete Albanesen, die sich als Christen zu erkennen gaben und wahrscheinlich den Stämmen von Saderima angehörten. ♦) Vitex agnus castus L. föerß!. SBb. I. ®. 171. Albanien. 357 Von jenem eingesattelten Passe des felsigen Hügelkamms, wo wir das Thal verließen, erblickten wir die weite Ebene derDrin-mündung mit ihren isolirten Felsbergen. Rechts wurde die Aus« sicht durch die hohen Ufer des Drin verdeckt, Hier verließen wir das Grünsteingebirge und langten eine halbe Stunde spater am breiten Drinstrome an, wo neben der Fähre der letzte, der siebzehnte Chan liegt und senkrechte Kalkfelsen zu beiden Seiten die Uferwand des Flusses bilden, der dann von hieraus in das ebene Land eintritt. Im Chan der Scala hatten sich Schaaren von albanesischen Bauern versammelt, die aus dem Innern nach der Stadt zogen und allmählig auf der Fahre über den Strom befördert wurden. 8^ — 1U". Scala — Scütari. Sobald wir die Felsen am nördlichen Ufer des Drin überschritten hatten, betraten wir wieder die gut bebaute, dicht bevölkerte Ebene, die nach Norden und Westen durch die Reihe der Kreidehügel von Scütan von dem großen Landsce getrennt wird. Auf einem dieser Hügel ist das feste Schloß erbaut, wo der Pascha von Scütari residirt. Die Stadt liegt größtentheils am nördlichen AbHange desselben und wird nicht früher sichtbar, als bis man über die Drinasss-Brücke am Fuße des Schloßberges in dieselbe eintritt. Vollständiger übersieht man sie von den Zinnen des Schlosses, die größte Stadt Albaniens, der man eine Bevölkerung von 6N00U Bewohnern zuschreibt. Eine Hauptstraße durchschneidet die ganze Stadt vom Dri-nafsi bis zur Bojana. Neben dem Schloßberge führt sie über einen Paß der Hügelreihe, sodann in gerader Richtung durch den Bazar, der über eine bedeutende Fläche bis zur Bojanabrücke sich ausdehnt. Dies ist der lebhafteste Theil der Stadt, wo die Häuser dicht zusammengedrängt sind, wie in den andern Städten der Türkei: im weitern Umkreise hingegen, besonders da, wo der See am Ausfluß der Bojana das tiefe Land bis zu den Hügeln stets zu überschwemmen droht, stehen die Gebäude weit-läusig, oder auf den höher gelegenen Puncten haufenweise' beisammen, durch unbebaute Flächen getrennt und durch hochgepfla-stctte Stcinwcge verbunden. Aus diese Weise breitet sich Scütari 358 Zwanzigstes Capitel. zwischen den unterhalb sich vereinigenden Flüssen, südlich vom Landsce und zu den Seiten der Hügel über ein großes und unregelmäßig gestaltetes Areal aus, so daß ich spater einer vollen Stunde bedürfte, um den Weg von meiner Wohnung bis zum Schlosse zu Pferde zurückzulegen. Während ich dem Pascha durch Dimitri meine Empfehlungsbriefe überbringen ließ, erwartete ich dessen Rückkunft im Bazar. Ein dem Anscheine nach angesehener Albanese gesellte sich zu mir und begann mich in italienischer Sprache auszufragen. Er sagte, daß es in Scütari ein fränkisches Wirthshaus gäbe, und erbot sich, mich dahinzuführen. Durch meine ausweichenden Antworten ließ er sich nicht abweisen. Auf meine Erklärung, daß ich, dem Pascha empfohlen, von diesem eine Wohnung zu erhalten erwarte, erwiederte er nicht ohne Bitterkeit: ich käme aus der Türkei und dort sei dies die Art zu reisen, allein jetzt wäre ich in »Arnautlik,« wo andere Sitten gelten, ein Albanese sei nicht wie ein griechischer Raja, der der türkischen Bedrückung sich füge, auf den Befehl des Pascha werde Niemand mich aufnehmen, freiwillig gern, aber da die Stadt eine Locanda besitze, so schicke es sich besser für den Fremden, diese aufzusuchen, anstatt Andern beschwerlich zu fallen. Schon war ich im Begriff, dem Unbe-bekannten zu folgen, als Dimitri in Begleitung eines Cavüs zurückkehrte. Mißmuthig, seinen Zweck nicht erreicht zu sehen, entfernte sich der Albanese. Ich erfuhr spater, daß ich des Zufalls, jene Locanda vermieden zu haben, froh sein könne. Mit der Empfehlung des Pascha wendete ich mich jetzt an den katholischen Bischofssitz, wo ich auf das Freundlichste aufgenommen wurde. Da die erste geistliche Stelle in Scutari damals erledigt war, so fand ich hier nur zwei junge Vicare, die, zwar gcborne Albanesen, doch erst unlängst in Nom ihre Bildung vollendet hatten: treffliche Manner, die mir zum ersten Male wieder den Genuß wissenschaftlicher Unterredung auf heimischen Standpunctcn gewährten. 30. Julius. Wiewohl die Stadt Scütari nur durch ein wenige Stunden breites Vorland vom adriatischen Meere getrennt wird, so ist ihrc Lage doch durchaus nicht mit der der da'.mati- Albanien. 359 fchcn Küstcnstäbte zu vergleichen: vielmehr sind die Naturansichten hier, um so zu sagen, in großem Sinne continental und man erwartet nicht sobald das Meer zu erblicken, wenn man fast in jeder Richtung durch nahe oder ferne Gebirgszüge den weiten Gesichtskreis beschränkt findet. Das Panorama vom Schlosse in Scntari gegen Norden ist eben so großartig als eigenthümlich, nach Süden fehlt der alpine Hintergrund, wodurch dort der 33er-tiscus nebst dem Montcnegrinergebirge einen mächtigen Contrast gegen den vier g. Meilen langen Landsee und die noch größere Ebene hervorbringt. Der eigne Character, den der steinige Kalkboden allen Litorallandschaften von Triest bis nach Griechenland verleiht, läßt sich auch hier nirgends verkennen, allein eine endlose Fläche ist zwischen den Kreidehügeln und den höhern Gebirgs-stöcken ausgebreitet. Eine Uebersicht des Ganzen läßt sich nur vermitteln, wenn wir von der Structur des Flußgebiets der Bo-jana ausgehen, die freilich nur in allgemeinen Zügen uns bekannt geworden ist. Die Centralkette der dinarischcn Alpcn schneidet in ihrem Zuge aus Nordwcst nach Südosten Bosnien von der Herzegowina, ihre Verzweigungen und deren Hochflächen erfüllen zu beiden Seiten diese Landschaften. Unter den Gliedern des großen Gebirgssystems ist für die Trennung der Völker am wichtigsten und durch Höhe und selbststandige Entwickelung am bedeutendsten die westliche Parallelkette, die in Croatien entspringt, der adriatischen Küste folgt oder vielmehr deren Gestaltung bestimmt, das dalmatische Küstenland vom türkischen Gebiete abscheidet, überall die Triestinec Karstformation wiederholend vom 45sten bis 42sten Breitegrade sich wenig verändert, noch bei Cattaro unmittelbar aus der Bocca mehre tausend Fuße sich erhebt und zuletzt bei Scutari endigt. Hier besteht sie zwischen der Küste und dem See aus einigen parallelen Höhenzügen, die durch steinige Thaler getrennt werden. Sie verflachen sich gegen den Thalweg der Bojana und stehen zugleich mit der Hü-gclrcihe in Verbindung, welche die Stadt Scütari durchschneidet und das Becken der Drmmündung von dem des See's trennt. Weiter im Norden erfüllen die östlichen Verzweigungen der Kü« stenkctte das Gebirgsland Montenegro bis zum Thalwege der 360 Zwanzigstes Capitel. Moratscha. Wenn man auf den Hügeln von Scütari steht, erscheinen diese Bergzüge bis zum fernen Horizonte wie ein vielfach gegliedertes System von nackten Höhen und scharf gezeichneten Kämmen, die zwischen dem großen, mit Inseln geschmückten See und dem in engster Umgrenzung gleichfalls sichtbaren Meeresspiegel sich fernhin nach Nordwestcn in das Land der Montenegriner verbreiten. Rechts von diesen Bergen, im Norden und Osten des See's, dehnt die weite Ebene- sich aus. Auf einem höhern Standpuncte würde man auch hier die fernen Gebirge wahrnehmen, die sich ostwärts von der Moratscha erheben. Dies ist die Centralkette selbst, unser Bertiscus, der hier Albanien von Bosnien scheidet, hierauf die Ebene des See's von der Ebene von Ipek, bis er am Drin endigt. Erst von seinem südlichen Theile erscheinen wiederum die Voralpen am nordöstlichen und östlichen Horizont, wo sie nebst der Hügelrcihe selbst das Grünsteingebirge verdecken. Die Gebirge von Montenegro auf der einen, der Bertiscus auf der andern Seite, beide durch den Thalweg der Moratscha geschieden, enthalten jene das Stromgebiet der Bojana von Bosnien und von der Herzegowina trennenden Wasserscheiden, von denen die Gewässer, wie von dem Umfange eines gewaltigen Halbkreises, sternförmig gegen den See herabströmen, der sich dann wieder durch den breiten Bojanastrom selbst nach dem Meere zu entleert. Von Scütari aus den Bertiscus zu besuchen, wurde durch folgende Umstände vereitelt. Anfangs waren die Aussichten günstig: denn ick) traf einen albancsischen Geistlichen vom Plavasee, der feine bevorstehende Heimreise in meiner Gesellschaft anzutreten geneigt war und viel günstiger als Türken und Franken über die gastfreundlichen Gesinnungen seiner Landsleute urtheilte. Der Ausführung eines solchen Vorhabens, wobei ich von der türkischen Behörde unabhängig blieb, schien nichts im Wege zu stehen, als ich auf indirecte Weise durch das österreichische Consu-lat daran verhindert wurde. Bei meiner Ankunft in Scütari traf ich den Consul, der eincs großen und durch persönliche Achtung noch gehobenen Ansehens genoß, schwer erkrankt: cr starb während meiner Anwesenheit. Sein Sohn besorgte die Geschäfte. Albanien. 361 Da ich vom Plavasee wieder zurückzukehren und sodann nach Dal-matien zu reisen gebachte, so erbat ich mir die erforderlichen Nachrichten über den Ort und die Zeit der Quarantaine. Als hierbei die Rede auf Dimitri kam, den ich von Triest nach Con-stantinopel heimzusenden beabsichtigte, so erfuhr ich zu meiner Bestürzung, daß es diesem Griechen nicht gestattet werden könne, die österreichische Grenze von Albanien aus zu überschreiten. Mein Paß trage das Visa von Wien, deshalb könne ich ungehindert in die Quarantame eintreten, mein Dolmetscher, der einen Paß nach Scütari vom griechischen Gesandten in Constanti-nopel besaß, entbehre hingegen der Beglaubigung einer kaiserlichen Behörde. Ich erwiederte, ob nicht meine eigne Legitimation so wie die empfehlenden Briefe, die ich von Seiten der Gesandtschaft dem Consul zu überreichen die Ehre gehabt, mich berechtigten, einen Diener mit mir zu führen, und jede erforderliche Garantie für denselben darböten. Die bestehenden Vorschriften, war die Antwort, ließen sich nicht umgehen, die einzigen Worte «<»n servo meinem Paffe beizufügen, dürfe er sich nicht erlauben, inzwischen könne ich mich mit meinem Begehren an die obere Stelle in Cattaro wenden, ein anderer deutscher Reisender habe einst dasselbe gethan, sei aber dann, ehe die Antwort eingetroffen, des Wartens überdrüssig, wieder in die Türkei zurückgereist. Durch diese Verweigerung des zur Aufnahme in die österreichische Quarantine erforderlichen Visa's sah ich mich genöthigt, meinen Dolmetscher zu Lande von Scutari nach Constan-tinopel mit PostPferden zurückzusenden und erlitt dadurch einen unerwarteten und erheblichen Verlust an baarem Gelde, den ich hier zu Lande zu ersetzen nicht im Stande war: denn der stellvertretende junge Consul hatte nicht die Gefälligkeit, kaufmännische Verbindungen, wie er deren mit Ragufa oder Triest, wo ich ac-creditirt war, ohne Zweifel besaß, zu meiner Verfügung zu stellen, oder wenigstens vermied er, den Wünschen, die ich in dieser Beziehung andeutete, entgegenzukommen. So ward ich gezwungen, statt der Reise zum Plavasee, die meine bisherigen Beobachtungen über die Vegetation der türkischen Hochgebirge wesentlich ergänzt haben würde, nach Dalmatien mich zu bege- 362 Zwanzigstes Capitel. ben, wo ich einen Theil des noch übrigen Sommermonats in der Quarantine von Lastua zubrachte. Einige Untersuchungen im Küstenlande und in den österreichischen Alpen, mit denen ich sodann meine botanischen Wanderungen beschloß, konnten mich nur in geringem Grade für die Reise zum Gertiscus entschädigen. 31. Julius. Wiewohl die Contumazanstalt zu Lastua an der Südspitze Dalmatien's nur 12 Stunden von Scütari entfernt liegt, so konnte zu damaliger Zeit die Reise dahin doch nicht ohne einige Vorsichtsmaßregeln zurückgelegt werden. Nach dem unglücklichen Feldzuge, den Hassan Pascha von Scütari im Laufe dieses Sommers gegen die Montenegriner unternommen (S. 201.), war der Friede mit dem Wladika keineswegs wiederhergestellt worden. Zwar hatte seitdem kein neues Treffen mehr stattgefunden, allein ein Guerillaskrieg wurde an den Grenzen ununterbrochen fortgeführt. Auf jeden Montenegrinerkopf hatte der Pascha damals einen Preis von 50 Piastern gesetzt, und ohne eigentlich militai-rische Organisation pflegten abenteuernde Albanescn und Türken sich in das Gebirge einzuschleichen und aus dem Hinterhalt die Vcrfchmten anzugreifen, um mit Gefahr ihres Lebens jene geringfügige Summe zu verdienen. Gerade wahrend meiner Anwesenheit in Scutari wurde auf dem Schlosse in Folge dieser Kriegsweise eine Execution vollzogen, wobei der unerschrockene Character jener Bergbewohner schon im Sinne eines dem Tode sich freiwillig weihenden Knaben mit einer seltnen Energie hervortrat. Dieser junge Montenegriner, kaum 15 Jahre alt, hatte, wahrscheinlich durch Rache für ermordete Verwandte getrieben, sich Nachts heimlich in die Stadt begeben, aus einem Verstecke den türkischen Soldaten aufgelauert und, als der Erste am Morgen vorüberging, diesen auf offner Straße mit seiner Pistole er-schössen. Natürlich siel er nach dieser That, wie er vorhersehcn mußte, seinen Feinden in die Hände und wurde wenige Stunden später öffentlich hingerichtet. Ein Augenzeuge berichtete, daß der Knabe nach seiner Vcrurthcilung gelassen und theilnahmlos inmitten der türkischen Besatzung gesessen und bis zum Augenblicke seines Toocs eine Pfeife geraucht habe. Während die Umstehenden Albanien. 363 den mulhigen Jüngling bedauernd betrachteten, blieb sein Herz fest und den Blick auf die Heimath gerichtet, verschied er, dcn Tod verachtend und ohne eine Klage um sein Loos. Während nun damals in den Umgebungen des See's manchen Montenegriner sein Schicksal ereilte, so blieben die Türken längs der Küste in beständigem Nachtheil. Ein schmaler Land-strcifcn am Meere wird zwischen Antiuari und der österreichischen Grenze von türkischen Waffen behauptet. Das Bestreben der Montenegriner war stets darauf gerichtet, sich eines Küstenpuncts zu bemächtigen, um ihre Kriegsbedürfnisse sich leichter verschaffen zu können. Dies ist ihnen bisher niemals auf die Dauer gelungen, allein stets fahren sie fort, Naubzüge in jenes Gebiet zu unternehmen, vielleicht um die Grundbesitzer aus ihrem ungesicherten Eigenthum zu verscheuchen, oder sie endlich zu zwingen, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen und die Türken ganz aus jenem äußersten Winkel des albanischen Küstenlandes zu verjagen. In den letzten Tagen hatten sie wiederum eine große Vichheerde von Dberspi'zz geraubt und in ihre Gebirge fortgetrieben. Ueber dieses streitige Gebiet nun, wo die Montenegriner damals täglich im Hinterhalte lagen, führt die Straße nach Lastua längs der Küste hin. Hassan Pascha, von dem ich, als die Hoffnung, noch einige Wochen in der Türkei zu bleiben, bereits aufgegeben war, zur Audienz geladen wurde, crbot sich, mich zu Schiffe nach Lastua bringen zu lassen, um jeder Collision mit den Montenegrinern aus dem Wege zu gehen. Da er sich jedoch zugleich bereit finden ließ, durch eine hinlängliche Escorte für die Sicherheit des Landweges zu sorgen, so zog ich den letztern vor. Ein der italienischen Sprache kundiger Albanese führte unfern Zug an und diente mir als Dolmetscher. Sechs Soldaten schlössen sich auf den Befehl des Pascha's uns an und geleiteten uns bis Antivari, wo wir der Sorgfalt des Bej's empfohlen wurden. Früh Morgens ritten wir über die breite, hölzerne Brücke, welche am Wcstende von Scütari über die Bojana führt. Eine kurze Strecke folgten wir dem Ufer dieses mächtigen Stroms, der große Schisse bis zur Stadt zu tragen vermöchte, und ritten 364 Zwanzigste Capitel. dann 6 Stunden weit über steiniges, mit immergrünem Gesträuch und verstäubten Kalkpflanzen *) bedecktes Hügelterrain. Endlich erreichten wir den höchsten Kamm unter den niedrigen Ausläufern des Montenegrinergcbirgs, dessen steile Hauptkctte uns zur Rechten lag, und hier erblickten wir den Spiegel des Meers zu unsern Füßen. An den nackten oder von freiwillig sprossenden Gewächsen bekleideten Küstenabhängen bemerkt man nur wenige Spuren thätig wirkender Menschenhand. Ein einsames Dorf, Mercovitsch, liegt in dieser Wildniß. Hier führte der Albanese uns zu einem ihm befreundeten Eigenthümer, der uns Eier und Früchte nebst einem feurigen Weine darbot und in kühlen Gemächern zur Siesta einlud. Von hieraus verliert man das Meer nur selten aus dem Gesichtskreise. Der Saumpfad hält sich an dem AbHange des Kalk« gebirgs, das rechts zu scharfen Kämmen unmittelbar ansteigt und das Gebiet von Montenegro verdeckt. Nach 2 Stunden erreicht man eine muldenförmige Vertiefung, die gegen eine Meeresbucht sich öffnet. In ihrem Grunde liegt das Stäbchen Antivari, auf der Höhe das türkische Castell. Der Bcj quartierte uns in einem Wachtzimmer ein, wo wir mit einigen türkischen Dfficieren zu Abend speisten und uns dann auf den Divan's zur Ruhe legten. I. .August. Am andern Morgen bekamen wir frische Pferde und vier Soldaten zum Geleit. Diese Zahl genüge, bemerkte der Bej, weil bei Dbcrspizz eine Kette von Wachtposten errichtet sei, die von unserer Ankunft würden unterrichtet werden. Als wir den ersten derselben erreichten, machte dieser in dcr That sogleich Allarm und eine Reihenfolge von längs des ganzen Kü-siensaums allmählig in der Ferne verhallenden Flintenschüssen beantwortete das Signal und kündigte uns an, daß alle Posten auf ihrer Hut standen und daß die Gegend im jetzigen Augenblick von Montenegrinern frei wäre. Man rechnet noch 4 Stun-» *) Die in d?n Thälern vorherrschende Pflanze war rdlomlg iluli. cc»ga 1^. An der Kliste von Antivari ist M^rtus comluuni« I,. häufig verbreitet. Albamen. 365 den von Antivan b>3 zur Grenze. D>> Straße folgt dcn Windungen der Küste und überschreitet alle Hügelkämme, führt hinab in alle Thäler, die vom höhern Gebirge aus den schmalen türkischen Landsireifen zwischen Montenegro und dem adriatischen Meere ausfüllen. Der Character des Landes stimmt vollkommen mit dem des südlichen Dalmalien übcrcin *). Das Gebirge erhebt sich seitwärts zu einem gegen 2000' hohen Kamme, der zu« weilen bewaldet ist. Die Grenze der Montenegriner verlauft am AbHange dieser Kette, in jenen Waldern pflegen ihre Raubschaa-ren sich zu verbergen. Man trifft auf diesem Wege einige Dörfer, nicht selten auch einsame Häuser und Landgüter. In den Thalgründen herrscht Cultur des Bodens, der reiche Viehstand der Bewohner von Oberspizz wird gerühmt. Endlich lag der letzte Seitenkamm der Küstenkette vor uns. Oben auf dem Passe desselben scheidet sich die Herrschaft des Sultans von dcr des Kaisers. Dort hatten die Montenegriner, als sie auf ihren Naubzügcn bedroht wurden, sich noch kürzlich auf das dalmatische Gebiet geworfen. Hart an der Grenze waren damals die Scharmützel mehrmals ausgcfochten. Hier fanden wir die Wachtposten, d'.lrch die Signale von unserm Zuge benachrichtigt, vun 5 zu 5 Minuten unter Gewehr. Eine größere Anzahl von Soldaten schloß sich als Escorte von Oberspizz her uns an. Wir ritten und gingen »vie in Reih' und Glied und hielten uns nahe zusammen. Ohne irgend ein Begegniß erreichten wir die Höhe des Passes, erblickten den kaiserlichen Grenzposten und ließen die türkische Mannschaft zurück. Die Thalmulde an dcr Bucht von Lastua lag zu unsern Füßen, auf einem mcerum^ spülten Felsen erhob sich die Quarantaine, die von den türkischen Schlacken mich reinigen sollte. Nachdem meine Pässe geprüft waren, geleiteten österreichische Soldaten mich zur Contumaz. Als sie sahen, daß ich Pistolen in meinem Gürtel trug', ersuchten sie wich, dieselben abzufeuern, weil es nicht erlaubt sei, in kaiserlichen Staaten geladenes Schießgewehr zu führen. So nahe lk- *) Unter den sparsam jetzt noch blühenden Krautern bemerkte ich: 15,-. nodea monuna W. Thymus capitatus LK. Origanum hirtum Koch. 366 Zwanzigstes Capitel. gen hier örtlich die größten politischen Gegensahe an einander, so plötzlich ist der Uebergang aus den ungastlichen Gebieten der Al-banesen und Montenegriner in ein gesichertes, geordnetes, europäisches Neich. Wann, möchten wir zum Abschiede von jenen dem Geiste des Orients verfallenen Landern ausrufen, wann wird die christliche Sitte diese gewaltthatig ihr gesetzte Schranke überwinden? und erlebten wir selbst einen Umschwung, der in den blühenden Ebenen Macedoniens, den Wäldern und wiesenrcichcn Matten der albanischen Gebirge Sicherung des Lebens und Eigenthums herstellte, mit wie viel fruchtbarerem Ergebniß würde der Naturforscher jene Halbinsel durchwandern und der wissenschaftliche Sinn unserer Zeit sich der Hülfsquellen des großen, reichen Landes bemächtigen. Noten. Grste Note (zu S. «3.). Notiz über die administrative Giutheilung des westlichen Numelien. So fragmentarisch diese Notiz auch ist, so möchte deren Mittheilung mit der Dürftigkeit der über diesen Gegenstand vorhandenen Quellen doch entschuldigt erscheinen. Es ist bekannt, daß die ganze europäische Türkei aus den beiden Gjalet's Rumclien und Bosnien besteht '). Jedes Ejalet zerfällt in eine Anzahl vvn Sand-schak's, jedes Sandschak in Gerichtsbarkeiten, die Case's heißen "). Ganz Rumelien bestand zur Zeit von Hadschi Chalfa aus 28 Sanbschak's. Von diesen sind 5 verloren gegangen: Egribos, Morea, Ainabachti und Karli III an Griechenland, Semendra an Serbien. Militairisch waren die rumelischen Statthalter, welche unter verschiedenem Titel die Sandschak's verwalten, dem Rumeli Walessi oder dem Bejlerbej von Ilumelien untergeordnet "^), der in Sophia 5) oder Bitölia 51-) residirte. Als nach der Vernichtung der Ianitscharen die Militairverfassung, auf welcher jene Eintheilung Rumeliens beruht«, neu organisirt ward, blieben zwar die Sandschak's bestehen, aber das Verhältniß der Statthalter zum Rumeli Walessi, das vielleicht immer nur nominell gewesen war, hörte auf. Gin ähnliches Institut sollte an dessen Stelle treten, das Reich in 8, nach Andern in 10 Militairpräfecturen *) v. Hammer Staatsverfassung des osmanischen Reichs. Bd. 2. S. 2ä8. ") Onsson «lnt ) Vergl, S. 235. Noten. 369 Macedonien Witülia, Ueskücb, Costendil; in türkisch Serbien Pristina. Demnach würden Macedomcn und Albanien in der Umgrenzung, die unsere Charten diesen Ländern grben, ungefähr mit zwei der neu gebildeten Präfecturen zusammen übereintreffen, aber mit einer der bisherigen entgegengesetzten Theilungslinie von Westen nach Osten. Zweite Note (zu S. »47.) Angaben iiber die Verbreitung der mittelländischen Flora in Südrumelien. Im Verlaufe unserer Reise durch Thracien und Südmacedomen haben wir mehrmals zu bemerken Gelegenheit gehabt, daß dort selbst unter dem vierzigsten Brcitc-grade schon eine geringe Mcercshöhe, etwa von 1200^, hinreicht, um die charakteristischen Formen der südeuropäischen Vegetation aus der rumelischen Flora auszuscheiden. Dies ist ein so allgemeines Phänomen, daß dadurch bei Weitem die größte Fläche des Landes einen mitteleuropäischen Negeta-tionscharacter erhält und die mittelländische Flora mcisteittheils nur einen schmalen Küstensaum beschreibt, oder nur in ticfgelegenen Thälern gegen das Innere eingreift. Ich habe es für eine Hauptaufgabe meiner Neise gehalten, die Grenzlinie beider Floren mit einiger Genauigkeit zu bestimmen, indem damit die Verbreitung der wichtigsten Landcsproducte, der Südfrüchte, oder die Möglichkeit, sie zu cultiviren, in Verbindung steht. Nachdem ich die Resultate meiner eignen Nachforschung in den bisherigen Mittheilungen einzeln dargelegt habe, so beabsichtige ich jetzt, sie mit denen in Verbindung zu sehen, die ich mir durch das Studium der freilich sehr lückenhaften Angaben bei andern Reisenden zu verschaffen suchte. Es bedarf jedoch zuvor einer Erläuterung iiber den Weg, den ich bei dieser Bestimmung einschlug. Dem Ausdrucke einer mittelländischen Flora liegt keineswegs ein so bestimmter und allgemein anerkannter, wissenschaftlicher Begriff zu Grunde, daß man die Kennzeichen desselben mit einer gewissen Schärfe auf die Grenz? Bestimmung des Gebiets anwenden könnte. Nun giebt es aber einige ausgezeichnete und durch ihre Physiognomie hervorragende Glieder der mittelländischen Flora, daß man, so weit diese gedeihen, ohne Widerspruch behaupten kann, es herrsche noch der Typus von Südeuropa. Unter diesen wähle ich zu meinem Zwecke die immergrünen Sträucher, insbesondere die Eichen, aus, um so mehr, als gewisse dem Süden eigenthümliche Culturgewächse mit die« sen durch dieselbe ilimatische Grenze eingeschlossen werden. Auf der von De Candolle herausgegebenen pflanzengeographischen Charte von Frankreich findet sich z. V. die Nordgrenze der Oliuencultur durch dieselbe Linie bezeichnet, wodurch er die mittelländische Flora überhaupt absondert. Wir finden in einigen Gegenden Numcliens Nachrichten über die Verbreitung des Oelbaums, wo die attgemeinern Angaben über den Vcgetationscharacter fehlen. Andere südliche Culturgewä'chse, wie der Reis und sogar, wie es scheint, auch die Baumwolle, werden noch in gewissen Gegenden gebaut, wo man keine im« 370 Noten. mergrüne Gesträuche mehr antrifft. Die selbst im Norden der Alpen gedeihenden Maulbeerbäume können so wenig als der Mais zu einen» solchen Zwecke benutzt werden, weil deren climatische Sphäre die der mittelländischen Flora bei Weitem übertrifft. Eigentliche Südfrüchte findet man in Rumelien selten. Wir beschränken uns daher, die Linie annähernd zu bestimmen, welche die Cultur des Oelbaums und die Vegetation der immergrünen Eichen begrenzt. Die Nachrichten sind indessen viel zu unvollständig, um diese Linie in alle die Küstengcbirge durchfurchende Thäler verfolgen zu können. Man kann im Allgemeinen die Isotherme von 12" 6. *) als die äußerste Nordgrenze der Cultur des Oelbaums ansehen. Zu beiden Seiten Rumeliens finden wir ihn noch in der Nähe des 45sten Breitegrads am nordlichen Lito-rale des adriatischen Meers und in der südlichen Krim. Zwischen diesen beiden Endpuncten scheint die östliche Senkung der Isotherme nur gering zu sein. Im südlichen Frankreich, in Italien und Istrien entspricht die Nordgrenze der immergrünen Eichen dieser Linie, welche die Verbreitung des Oelbaums bezeichnet "). Da die Westküste von Numelien, die nur wenig über den 42sien Vreite-grad hinausgeht, diese Grenze bei Weitem nicht erreicht, so finden wir hier unmittelbar in der von immergrünen Sträuchern bewachsenen Küste von An-tivari den Anfangspunct unserer Untersuchung. Als den Endpunct haben wir schon früher, wiewohl aus andern Gründen l.Bd. I. S. 23 u. 28.), die Südseite der Balkanausläufer an der Ostküste in der Nähe des 43sten Breitegrades bezeichnet. Von diesen beiden Puncten zieht sich ein Gürtel südeuropäischer Vegetation um die ganze Küste von Rumelien und greift je nach den Niveauverhältmssen mehr oder weniger tief in das Innere des Landes ') So reicht in Sübfrankreich dieser Culturzweig beinahe 'bis zum 45stcn Breitegrabe; in Italien bis in die südlichen Alpcnthäler; und am südlichen Litorale der Krim gedeiht der Oelbaum nach MarschaU von Bieber-stein. Diesen Grenzen entspricht die mittlere Wärme von Marseille —12",3; von Mailand ^ I2«,8; und von Sewastopol — Il",6. Auf einem Irrthume beruhen daher die Angaben Mcyen's, der eine mittlere Wärme von !4",5 0. für erforderlich hält und den 44sten Breitegrad als Nordgrenze der Olivencultur bestimmt (Psianzengcogr. S. 384.). Nach Hegetschweiler lFiora der Schweiz S. ?.) wird der Oelbaum am See von Lugano, also bis zum 4lsten Breitegrade, gebaut. *') Ouercus coccisera I.. in Istrien, bei Venedig, Nizza, Marseille. N. llex 1^. bei Trieft, im Friaul, am Gardasee und im südlichen Rhonethal. Hingegen scheint die Vegetation immergrüner Eichen der Krim zu fehlen, und als eine denkwürdige Wirkung der 'Westküstenerhebun.g der Isotherme so wie anderer bekannter Ursachen muß es betrachtet werden, daß die immergrünen Eichen im Westen an der Küste des atlantischen Meers noch einmal auf der Insel Noirmoutier unter dem 47sten Grade wiederkehren. Hier wird die mittlere Wärme ungefähr l" 0. geringer sein, als wir oben für die Nordgrenze des Oelbaums feststellten, da sie etwa II g. Meilen sudlicher zu La Ilochelle N°,7 0. beträgt. Noten. 371 ein. Eine Linie durch die sogenannte westöstliche Centralkette zwischen dem 42sten und ä3sten Breitegrade scheidet auch in tiefgelegenen Ebenen die südliche Cultur lind Wegetation von der mitteleuropäischen. So viel südlicher liegt hier diese Grenze, als in Frankreich und Italien, weil die Isochimcne sich wahrschemlich bedeutend gegen das schwarze Meer senkt. Das Becken von Scütari enthielt die gedachten Formen der südeuropäischen Flora i wo sie aufhören, wie sie auffallender Weise im tief gelegenen Thale des weißen Drin bei Prisdr^n nicht wiederkehren, wurde nach eignen Beobachtungen erörtert. Von der Mündung des Drin bis zu der des Scumbi fehlen die Nachrichten. Die weiten Küstenebenen von hier bis Avlona bilden nächst dem Becken von Scütari ein zweites Hauptgebiet südlicher Vegetation. Ueber den Thalweg der Flüsse, die dasselbe bewässern, besitzen wir eine Angabe von Pou-queuille *). Dieser Schriftsteller erwähnt die Olive unter den Producten des »reichen Thals von Elbassim«, also am Scumbi, gegen 5 g. Meilen von der Küste. Auch das Thal des Devol zwischen den Gebirgen des Elbassiln und dem Tomoros muß einen tiefen Einschnitt bewirken, indem derselbe Reisende bemerkt, daß im Becken von Corydgia, am Fuße der Centralkette, eine Cultur von Reis und Baumwolle bestehe "). Allein diese Producte dürfen, wie die macedonische Flora gleichfalls lehrt, nicht als Characterpsianzm der immergrünen Region betrachtet werden. Denn in der Ebene von Corydgia gedeiht *") keine Feige mehr, eine Südfrucht, deren Verbreitung mit dem Oelbaume übereinstimmt. Hierdurch erhalten wir einen genauen Aufschluß übcr die Verbreitung der immergrünen Wegetation im Viosathale. Wir erfahren nämlich aus derselben Quelle, daß die Feige noch bei Premcdi im Thalwege des mittlern Stromlaufg der Viosa reif werde. Da nun aber im obern Thale dieses Flusses bei Conidscha keine Oliven mehr gebaut werden können-j-), so wird es sehr wahrscheinlich, daß hier die entschiedene Vegetationsgrenze in den Engpässen von Avoritschiani, die den oberen von dem mittlern Stromlaufe trennen, gesucht werben müsse. Diese Ansicht erhält eine auffallende Bestätigung durch die Angabe Leake's 55), daß das die mittlere Viosa südlich begrenzende Nemertschicagebirge mit immergrünen Sträuchern, insbesondere mit Hrbulus tlne6o L. und sogar ^. ^n^raclnie I^. bewachsen ist. Jene Pässe aber liegen etwa 18 g, Meilen in gerader Linie von der Mündung der Viosa entfernt, und wir finden demnach hier zum ersten Male eine Verbreitung südlicher Cultur bis in die Nähe des Pindus: um so auffallender, *) Voyage en Grece 1. p. 321. •♦) SDafelblt 2. p. 392. **♦) Leake Northern Greece 1. p. 341. f) Pouqueville Voyage en Grece 1. p. 182. ff) Northern Greece 1. p, 394. 372 Notcn. als an der Ostseite der Ccntralkette das innere Land noch cincn Brcitegrad südlicher den mitteleuropäischen Character trägt. Südlich vom Viosathale beginnt das große acroceraunische Gcbirgsland, wodurch insbesondere die Küstcngegend, die ihm angehört, ci„ uicl höheres Niveau erhalten hat. Indessen breitet sich an den Abhängen dieses Gebirgs überall eine immergrüne Region aus: z. B. längs der Küste ist die nackte Steinflächc zwischen Lucovo und Delvino stellenweise nnt Pciliurusgcsträuch und Coccuseichen bewachsen ^) und dieselben Formen kehren am Passe von Palasa ") wieder. Ferner wissen wir, daß in der Nähe der Quellen des Calanui, eines der Kü'stenfiüsse des acroceraunischen Systems, da, wo dessen Gebirgszüge mit dem Nemertschica zusammenstoßen, auf dem Passe von Del-vinati nach Xervnn<1 «< pisnurl» (,. Iwx ker« c»!!'!»>m Ol^linl!«'»' I. mir selbst nicht wildwachsend vorgekommen, wächst aber häufig in Griechenland. 1'isiacill l.QM!s«rc'i>cens s?,. Den erstern traf ,ch auch lm Vardanhule bei Köprili, woraus hervorgeht, daß diese Pflanze eine wettere climatische Sphäre habe, als die immergrünen Eichen. So wie ferner die <^t)lu'leb als Florcngrenze bezeichnet und daß daher jene mittelländischen Formen, die sich in einzelnen Arten bis zum obern Nardar erstrecken und auch in dcn makedonischen Ringbecken gefunden werden, auf dem Amsclfclde nicht weiter vorkommen. Verbesser uu go n. S. 3. Z. ?. ». u. sich: fällt weg. — Sss. Z. «. v. u. statt Grenze lies Sprache. — !I2. Z.24. ». u. lies von der. -------Z. 8. v. u. statt geneigt lies gemeint. -------l. Z. lies zu der, — 113- Z. 1. v. o. lies die Ljubatrin. — 121. Z. 1k. v. u. lies der. —132- Z. 4. v. u. ließ von der. — 155. Z. 2. v. o. lies Kranke. — Ni9. Z.12. v. o. statt scheint und liegt lies sck,im und lag. — 173. Z. 5. v. u. Daß die Platane von hieraus vermißt iverbe, bezieht sich nur auf die nördlichen Ringbecken. Daß sie hingegen im Vardarthale bis Köprili sich verbreite, ist S. 227, bemerkt. — 22U. Z. 2. v; u. <:,>i»l!.'il url.u/^'c«», i^. kommt auch noch ganz einzeln im Tittovo vor. Gedruckt bei Ernst August Huth.