Otto Holzapfel Anmerkungen zu den hochdeutsch überlieferten Volksballaden in der Sammlung aus der Gottschee Avtor v prispevku ugotavlja, daje pri kočevskih ljudskih baladah presenetljivo veliko primerov, ki so hili izročeni razen v narečjih tudi v knjižni nemščini. Nekateri zapisi oa kažejo mešanje narečja in knjižnega jezika. Hkrati dodaja, da niso vsa kočevska baladna besedila, ki so v narečju, tako -stara", kot se dozdeva, in niso vsa besedila v knjižnem jeziku tako -nova-, kot se domneva. The author has ascertained that numerous folk ballads from Kočevsko are sung not only in dialects, but also in literary German. Some notes also reveal a mixture of the dialect and the literary language. Further analysis leads to the conclusion that all ballads from this area which are sung in dialects are not as “old" as they seem and that, likewise, all the texts in the literary language are not as “new" as they may seem. Mil der Gottschee (Kočevje) als ehemalige deutsche Sprachinsel in Slowenien hat sich auch die volkskundliche Forschung intensiv beschäftigt; das gilt besonders für die archaisch anmutende Volksballadenüberlieferung. Aufgrund vor allem der Sammlungen um und vor 1900 von Wilhelm Tschinkel (später Hans Tschinkel) hat das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg i. Br. (DVA) nach jahrelangen Vorbereitungen (mit u. a. Übertragung der schwierigen Dialekttexte) 1969 eine »Gesamtausgabe« begonnen.1 Sie ist bisher leider ohne Register- bzw. Kommentarband geblieben. Das ist umso bedauerlicher, da auch Frau Dr. Kumer dazu bereits erhebliche Vorarbeiten geleistet hat. Zmaga Kumer steht als Mitherausgeberin des Gesamtwerkes, welches somit aber noch viele Fragen offen lässt. Einer scheinbar nebensächlichen Detailfrage wollen wir hier nachgehen. Bei aller Isolierung der Sprachinsel2 belegen die Texte nämlich 1 Gottscheer Volkslieder, Bände 1-3, hrsg. von Rolf W. ürednich und Wolfgang Suppan, Mainz: Schott, 1969-84. Zum Beispiel betont von Adolf Hauffen, Die deutsche Sprachinsel Gottschee, Graz 1895, und darauf stützten sich die Anhänger der klassischen Sprachinselforschung. vielfältige interethnische Beziehungen zum slawischen Umfeld.3 Es war notwendig, dieses im Kontrast zu bestehenden Vorurteilen überdeutlich vor Augen zu führen. »Die Stoffe ihrer [der Gottscheer] Erzähllieder sind grösstenteils der slawischen Umwelt entlehnt«, so formulierte (vielleicht etwas voreilig, aber damals gezielt kritisch gegen die ältere, einseitige Ansicht) Erich Seemann aus dem DVA/ Die ältere Forschung zum Dialekt der Gottschee verharrte z. T. in der isolierenden Sprachinsel-Ideologie, die sich teilweise auch noch in Wilhelm Tschinkels Wörterbuch der Gottscheer Mundart (1973-76) niederschlägt.5 Eine notwendig kritische Distanz ist sicherlich für manche Veröffentlichungen geboten, und z. B. das Festbuch »650 Jahre Gottschee“ (Klagenfurt 1980) musste sich in dieser Hinsicht herbe Kritik gefallen lassen.6 Zweifellos gehört aber die Erstellung einer Phonologie der Sprachinselmundart zu den wichtigen Ergebnissen bisherigen Forschungen.7 All das soll uns hier nicht beschäftigen und kann auch nicht näher vertieft werden. Wenn man heute Kočevje und die Umgebung besucht,8 so drängen sich zudem ganz andere Fragen politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art auf, die eine Beschäftigung allein mit der Liedüberlieferung als ’Rückzug in den Elfenbeinturm’ erscheinen lassen. Trotzdem kann man, auch als Nichtfachmann in Sachen Gottschee, mit einigen Anmerkungen auf Probleme aufmerksam machen, die über die Liedtradierung hinaus beachtenswert erscheinen. Davon soll hier nur ein einziger Aspekt aufgegriffen werden, indem ich (notgedrungen kurz) einen Blick auf die vorwiegend hochdeutsch bzw. standard-oder Schriftdeutsch (hier gleichbedeutend veiwendet) überlieferten Volksballadentexte werfe (die Melodien dazu kann ich nicht beurteilen). Im 19. Jahrhundert stand das Auffällige des Gottescheer Dialekts zur Diskussion, nicht die mögliche Sprachmischung (die ja auch der These von der Isolierung vom slawischen Umland widersprochen hätte). J. M. Firmenich (1854) z. B. lobte Frommanns Arbeiten, und er zitierte Klun dafür, dass »die Gottscheer ihre alte Mundart ziemlich unverfälscht beibehalten haben mögen“. Sprache und Sitte unterschieden sie ’seit undenklichen Zeiten’ vom slowenischen Nachbarn.9 Theodor Elze (1861) ist zwar gegenüber G. Karl Frommann kritisch (so habe er nach Richter neuere Lieder abgedruckt, die in den Gottscheer Dialekt übersetzt worden seien), aber er selbst schreibt zu drei Liedern, die er (hochdeutsch) abdruckt, nämlich »Die Rosen, die blühen im Garten... ', »Der Wein sagt zum Wasser...» und »Wer eine faule Gretel hat...», diese hätte er «in der Schnelligkeit leider nicht im Gottschewer Dialecte selbst nachschreiben, noch im Dialect geschrieben erhalten“.10 Bei Karl Julius Schröer (1868 bzw. 1869/70) habe ich keinen Hinweis zu dieser Frage gefunden. Adolf Hauffen (1895) nennt als Zeichen der ’ So im Ansatz bereits Kurt Huber, 1935; France Marolt, 1939; Erich Seemann, seit 1941, und Zmaga Kumer, seit 1961, jeweils an mehreren Stellen. * In: Handbuch des Volksliedes, hrsg. von Rolf W. Brednich, Lutz Röhrich und Wolfgang Suppan, Band 1, München 1973, S. 41; es muss hier eine offene Frage bleiben, ob das angeschnittene Problem ebenso die Melodien betrifft. 5 Wilhelm Tschinkel, Wörterbuch der Gottscheer Mundart, Bande 1-2, Wien 1973-76. Man vergleiche die entsprechende Rezension, in: Jahrbuch für Volksliedforschung 24,1979, S. 193 f. 6 Man vergleiche allgemein dazu Martin Ruch, »Die Gottschee als Volksliedlandschalt“, in: Jahrbuch für Volksliedforschung 27/28, 1982/83, S. 175-185. 7 Vgl. dazu Günter Lipoid, Gottschee in Jugoslawien, Tübingen 1984. 8 Vgl. dazu Otto Holzapfel und Ernst Schusser, Auf den Spuren von Karl und Grete Horak...[Exkursionsband] München: Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern, 1996. Vgl. Johannes M. Firmenich, Germaniens Völkerstimmen, Band 3, Berlin 1854, S. 416. 10 Theodor Elze, Gotschee und die Gotschewer, Laibach 1861, S. 34; vgl. S. 34-36, hier S. 38. ’neueren Lieder’, dass sie zum Teil ’Schriftdeutsch’ sind," und die wenigen Beispiele, die er aufführt, sind »Wer eine faule Gretel hat...« (Nr. 138), bei der die ’Zusätze und Änderungen’ [Varianten] ebenfalls hochdeutsch verbleiben, »Der Wein sagt zum Wasser...« (Nr. 137), wo er einige abschliessende Zeilen aus einer Aufzeichnung in Mundart anfügt, und »Wir sind drei Herren mit unserem Stern...« (Nr. 42), ein Dreikönigslied, das ebenfalls hochdeutsch ist. Richard Wolfram (1980)12 benennt einige Liedanfänge religiöser Lieder hochdeutsch (z. B. eine ’schöne alte Fassung’ von »Christ ist erstanden«; S. 88); auch einen Nachwächterruf notiert er in der Schriftsprache (S. 93). Dieses Schriftdeutsch war ja Unterrichtssprache in der Schule,13 und in dieser Form lebten sicherlich alltäglich verschiedene Sprachnormen auch in der Gottschee nebeneinander. Die Fragestellung, ob in Mundart oder hochdeutsch, musste man sich für die Liedüberlieferung nicht stellen, wenn man sich vorwiegend um die ’ältere’ Überlieferung kümmerte, die damit per Definition’ im Dialekt vorlag. Umgekehrt wurden damit alle Mundarttexte ’uralt’, und u. a. Schröer konnte die Ballade von der »Meererin« wie selbstverständlich als ’Nachklang der Kudrun’ feiern (1868, S. 443). Das Besondere der Gottscheer Liedüberlieferung muss sozusagen hier nicht neu betont werden; das ist uns geläufig und schliesst beherrschende metrische Formen (vielfach Zeilenzählung epischer Überlieferung ähnlich die der südslawischen Völker statt vorwiegend vierzeilige Strophen aus binnendeutscher Tradition) und Stileigentümlichkeiten ein (z. B. die dominierende Anfangsformel »Wie früh ist auf...«). Das Spektakuläre verstellt einem aber manchmal den Blick auf das ’Alltägliche’, und da stellt man bereits bei einem ersten Blick in die drei vorliegenden Bände der Liedüberlieferung erstaunt fest, wie oft hier auch Texte in der deutschen Standardsprache auftauchen (Liedtexte mit Anklängen an Kärnten bleiben hier unberücksichtigt), ln der (annähernd) phonetischen Umschrift der vielen Übertragungen stellt sich der Kontrast in der Edition der »Gottscheer Volkslieder« vielleicht sogar deutlicher dar, als er in Wirklichkeit war. Der Übergang zwischen hochdeutscher und Gottscheer dialektaler Lautung scheint an manchen Stellen fliessend, und dieser erste, vorläufige Befund macht Überlegungen dazu durchaus nicht einfacher. Wir können also nicht feststellen, dass bestimmte Lieder ’nur in Mundart’, andere ’nur hochdeutsch’ vorgetragen wurden, und zwar gilt das sowohl für die historische Schichtung als auch für die gattungsmässige Zuordnung (und ich gehe davon aus, dass der tatsächlige Liedvortrag auch der vorliegenden Dokumentation entspricht; für Zweifel daran habe ich bisher keinen Anlass). Die erste Frage der Überlieferung in ihrer Entwicklungsgeschichte ist allerdings schwierig zu beantworten, da uns weitgehend ältere Quellen fehlen-(eine Ausnahme bilden etwa die Aufzeichnungen durch Rudesh von 1823). Die zweite Frage nach der genremässigen Zuordnung schliesst möglicherweise z. B. Kirchenlieder mit ein, die auch in anderen Mundartlandschaften schwerpunktmässig hochdeutsch verbleiben. Kichensprache ist ■n aller Regel ’gehobene’ Sprache. Das Bändchen »Gottscheer Volkslieder«, das 1930 vom DVA erschien,1,1 enthält von den dort aufgenommenen 36 Liedern nur eines in der " Vgl. wie Anmerkung 2, S. 162. 12 Richard Wolfram, Brauchtum und Volksglaube in der Gottschee, Wien 1980. 11 Vgl. z. ü. Hans Tschinkel, Grammatik der Gottscheer Mundart, Halle a. S. 1908, S. VII; wahrscheinlich doch auch mit manchen Liedern. M Gottscheer Volkslieder, hrsg. vom Deutschen Volksliedarchiv, Berlin 1930 (Landschaftliche Volkslieder mit ihren Weisen, 24). Schriftsprache, ein Weihnachtslied, nämlich »Viertausend Jahr verflossen sind...« (Nr. 1), ein »schon seit 1850 bekanntes, und auch in der Familie gern gesungenes Kirchenlied« (so Wilhelm Tschinkel zu seiner Aufzeichnung von 1908). Schriftdeutsche Kirchenlieder waren selbstverständlicher, grenzüberschreitender ’Import’; die Sprachinselgrenze war auch im Bereich ’mündlicher’ Überlieferung mehrfach durchlässig. Ebenfalls kann man nicht sagen, dass die Hauptmenge der erzählenden Lieder vorwiegend eigentümlich nur für die Gottschee ist (und demnach wohl z. T. unter slawischem Einfluss formuliert wurde, wie Erich Seemann hervorhob; siehe oben), sondern auch hier gibt es manche Balladentypen, die beides, hochdeutsche und mundartliche Textgestaltung, zeigen. Dabei wurde es zum gängigen Vorurteil der früheren Forschung, dass ’jene Lieder, die in jüngerer Zeit übernommen wurden, zumeist nicht in Mundart sind’.15 Demgegenüber ist die vorherrschende Überlieferung der Volksballade im binnendeutschen Raum auf Hochdeutsch, Dialekt ist hier die Ausnahme.16 Die Volksballade ist ebenfalls eine Gattung, die sich der literarischen, ’gehobenen’ Sprache bedient; sie ist keine blosse ’Unterhaltung’, sondern dient der ’moralischen Belehmng’ und ist in dieser Hinsicht Spiegelbild und meinungsbildend für Mentalitäten.17 Davon bleibt allerdings unberührt, dass in der Gesamtüberlieferung der deutschsprachigen Volksballaden die in der Gottschee überlieferten, hier typischerweise mundartgeprägten Liedtexttypen in einer überraschend grossen Vielfalt ausgebildet sind, die nur zum Teil ihre Entsprechung in binnendeutscher Überlieferung haben. Solches erkennt man bereits nach einem kurzen Blick in den deutschen Balladenindex.lrt Dort taucht immer wieder der Hinweis auf: ’Gottschee, Einzelbeleg’. Dabei könnte von Slawisten z. B. der klassische slowenische Index von Zmaga Kumer19 sicherlich noch ausführlicher als Nachweis für Parallelstellen herangezogen werden. Auch darauf muss ich leider notgedrungen und aus Unkenntnis verzichten, aber das ist sozusagen ebenfalls ein Teil der ’besonderen Situation’ der Gottschee, der wir hier einige Beobachtungen zur ’Lied-Alltäglichkeit’ gegenüberstellen wollen. Dazu einige Beispiele. Nr. 34, Der Mäclchenmöräer, ein deutsch und international häufig verbreiteter Volksballadentyp, singt Frau Maria Krall 1908 nach Hans Tschinkels Sammlung (Nr. 34 c; Band I, S. 116 f.)2(l hochdeutsch beginnend mit: »Es reitet ein Ritter-FIerr wohl über den Rhein und ihm begegnet ein Jungfräulein...« Ab Zeile 9 beginnt mit der Antwort des Ritters auf die hochdeutsche Frage des Mädchens, »Oi Ritter-Herr, was bedeutet dieser Brunnen, wo Blut und Wasser« herausrinnen, die Mundartschreibung: »Dar Prunne pedeutet lai asho, dein Lab’n pleibet im Bolde«. Das ist auf der A-Numiner des DVA, der massgeblichen Abschrift nach Tschinkel, jeweils mit einem Punkt über dem u und dem o geschrieben [in der ersten Zeile], Die in der Edition gebrauchte Umschrift 15 Vgl. z. B. Karl Horak, in: Das deutsche Volkslied 35, 1933, S. 45. 16 Sogar in der Schweiz; zum Problem der ’Schweizer Mundartballaden’ vgl. z. B. Otto Holzapfel, zu DVldr Nr. 166 = Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen, hrsg. vom Deutschen Volksliedarchiv, Band 10, Bern 1996, S. 69 f. Abgekürzt -DVldr-, 17 Vgl. Otto Holzapfel, -Erzählhaltung und Ideologie der Volksballade-, in: Hören Sagen Lesen Lernen. FS Rudolf Schenda, hrsg. von U. Brunold-Bigler und H. Bausinger, Bern 1995, S. 319-339. Vgl. Otto Holzapfel, Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen, Band 10 (wie Anmerkung 16), S. 171 ff. n Zmaga Kumer, Vsebinski tipi slovenskih pripovednih pesmi: Typenindex slowenischer Erzähllieder, Ljubljana 1974; bzw. entsprechend die neueren Editionen ebenfalls von Frau Kumer und aus dem Institut (Glasbenonarodopisni inštitut) in Ljubljana. 211 Vgl. Anmerkung 1. verwendet zusätzliche phonetische Zeichen wie das auf den Kopf gestellte e; diese Handhabung erschwert manche unserer Fragestellungen. Problematisch (zumindest für unsere Frage) ist es aber auch, dass die Edition für »pedeutet» in der Vorlage hier "Pedaitet” (jeweils mit einem kopfgestellten e) schreibt und damit auch den Vokalwert von ’eu’ zu ’ai’ korrigiert. Die normierende Mundartschreibung in der Edition nimmt u. a. Rücksicht auf die Verwendbarkeit der Sammlung als Gebrauchsliederbuch. Das ist verständlich, aber an solchen Kleinigkeiten könnten dann unsere Möglichkeiten für weitere Überlegungen scheitern. Inhaltlich scheint dieser Wechsel vom Standarddeutschen zur Mundart in einem Text nicht motiviert, und der Kommentar müsste klären, wie weit wir uns hier auf die Aufzeichnung bzw. deren ’korrigierten’ Abdruck verlassen können (zur Normalisierung der Dialektformen steht einiges im Vorwort zu Band I). Die hochdeutsche-dialektale Sprachmischung innerhalb von Texten ist jedoch kein Einzelfall, und das (fehlende) Register könnte helfen, wie weit dazu doch ein ’Muster’ erkennbar ist, z. B. bei Aufzeichnungen nach der gleichen Sänger/Innengruppe. - Ohne Sängerangabe ist die Aufzeichnung Nr. 34 g des gleichen Typs (Band I, S. 121 f.), aber hier sind hochdeutsche und mundartliche Lautungen durchgehend ineinander verwoben und wechseln unsystematisch. Die anderen Aufzeichnungen dieses Balladentyps, nämlich Nr. 34 a, f>, c, e und f, sind durchgehend im Dialekt transkribiert. Ähnliche Probleme zu dem Nebeneinander und Ineinander von hochdeutschen und mundartlichen Formen innerhalb derselben Aufzeichnung bieten z. B. die Nr. 38 b, 75 f, vgl. 80, 88, 127, 133 a, 158 a, 217 b, 219, 239, 254 d, 333 a, 340 usw. Das Phänomen betrifft also Lieder aus allen drei Bänden.21 Die damit aufgeworfenen Fragen vermag ich für die Gottschee nicht zu beantworten. Nun wissen wir von anderen Beispielen, dass die Dialektschreibung aus ideologischen Gründen verschärft wurde, wo der (an sich zuverlässige) Aufzeichner hochdeutsche Formen notierte, weil es früher zum gewollten Bild regionaler Liedüberlieferung gehörte, hass diese in angeblich ’echter’ Mundart daherkam. Solches erkennen wir z. B. aus den Aufzeichnungen von Albert Brosch aus der Zeit um 1905 und 1906 in Böhmen im Kontrast zu den (ebenfalls in sich widersprüchlichen) Abdrucken jeweils von Gustav Jungbauer (1930 und 1937) und Gustav Jungbauer und Herbert Horntrich.22 Das scheint hier jedoch nicht der Fall zu sein. Diese Zeugnisse aus der Gottschee haben auch nicht den Charakter bewusst zweisprachiger Mischung wie z. B. das deutsch-slowenische Lied Nr. 293. Und es ist auch nicht die mit den entsprechenden Liedern übernommene mundartliche Färbung’ aus Binnendeutschland wie z. B. in Nr. 330, die ebenfalls hochdeutsch’ transkribiert bleibt (kloan, dahoam, aussi usw.). Der Abstand zwischen hochdeutscher Lautung (einschliesslich übernommener fremder Mundart) und Gottscheer Dialekt könnte an sich die Grenzlinie zwischen übernommenem ’Import’ und damit literarischer’ Überliefeaing auf der einen Seite markieren, auf der anderen Seite totale Aneignung und integrierende Aufnahme in die Alltagssprache (was an sich für die deutsche Volksballade ungewöhnlich ist). Eine solche naheliegende Annahme müsste für die Gottschee jedoch erst verifiziert werden. 21 Wie Anmerkung 1. Erzählende Lieder in Bd. 1, Bd. II mit geistlichen und Bd. III mit weltlichen Liedern. Gustav Jungbauer, Volkslieder aus dem Böhmerwalde, Bände 1-2, Prag 1930-1937; Gustav Jungbauer und Herbert Horntrich, Die Volkslieder der Sudetendeutschen, Kassel o.J. [ca. 1943], Vgl. dazu Otto Holzapfel, *,Drunten im Hulsteiner Wald..., Ein Lied aus der Prager Sammlung im Deutschen Volksliedarchiv-, in: Volksmusik; Wandel und Deutung, Festschrift für Walter Deutsch [...], Wien [im Druck], Wie ist es nun mit den rein hochdeutschen Texten? Auch hier sind die entsprechenden Fragen ohne weitere Kenntnis des Materials für den geplanten Kommentarteil nicht eindeutig zu beantworten. Der Band I enthält die klassischen Volksballaden mit 125 Liedtypen und jeweils zumeist mehreren Varianten (und Nachträge dazu im Band III). Einige auch international verbreitete und in den binnendeutschen Liedlandschaften praktisch ausschliesslich in Hochdeutsch dokumentierte Balladentypen sind in der Gottschee ausschliesslich in Mundart überliefert: Nr. 1 (der Vorwirt), 2 (Der tote Freier; Lenore), 26 (Die Rabenmutter), 27 (Die Kindsmörderin), 64 (Die Liebesprobe), 68 (Graf Friedrich) und so weiter. Der Import - falls ein solcher aus Binnendeutschland erfolgt ist - wird also in die eigene Alltagssprache umgelautet, und zwar auch bei Liedtypen, die in Binnendeutschland ein beträchtliches Alter aufweisen, also relativ früh übernommen sein könnten (damit hat man ja früher immer generell argumentiert und die aussergewöhnliche Situation der Sprachinsel begründet). Warum gibt es dann zu anderen Balladentypen, deren Varianten ebenfalls in Gottscheer Mundart stehen, einzelne Aufzeichnungen, die durchgehend hochdeutsche Texte sind? Es sind diese Texte, die uns hier besonders interessieren. Nr. 35, Die verkaufte Müllerin, liegt in Aufzeichnungen von 1908 und bei Hauffen 1895 und 1891 vor, »Bie vrie ischt auf der Millar junk...« (im Dialekt und mit fortlaufenden Zeilen; Nr. 35 a-c; Band I, S. 122 ff.). Die Aufzeichnung Nr. 35 d ist von 1907 mit acht Strophen (vierzeilig, jeweils mit einer wiederholten Zeile; allerdings ohne ausgeprägte Endreime) und auf Hochdeutsch (hier nach DVA = A 109 750): 1. Ein Müller ging in den Wald hinein. Und als er in dem Walde ankam, Begegneten ihm drei Räuber, Drei Räuber und drei Mörder. 2. Der erste zog seinen Beutel heraus; Dreitausend Taler zahlt er aus Dem Müller für sein Weibchen, Dem Müller für sein Weibchen. 3. Der Müller denkt bei seinem Sinn [...] Auch die epische Struktur ist eine völlig andere und orientiert sich an der Erzählweise, wie wir sie von der binnendeutschen Tradierung her und bei dieser Ballade seit dem 16. Jahrhundert als Zeitungslied vielfach überliefert kennen (DVldr Nr. 86). Der Kommentar im Balladenwerk geht zwar von den Motiven her kurz auf die Gottschee ein,23 erwähnt aber nicht, dass eine dieser Aufzeichnungen hochdeutsch ist (in der Überlieferungsliste die Nr. 153). Noch komplizierter wird die Fragestellung mit dem Hinweis im Melodiekommentar dort, dass sich eine der einzeiligen Gottscheer Melodien in ihrer Substanz durchaus von der binnendeutschen »alten Melodiegestalt« (S. 341) ableiten lässt (die hochdeutsche Fassung in der Gottschee ist leider ohne Melodie überliefert), während für die andere Melodie eine Übernahme aus der südslawischen Umwelt vermutet wird (S. 342). Die Entwicklungsgeschichte der Textüberlieferung kann also nicht unmittelbar mit jener der Melodieüberlieferung parallel gesetzt werden (aber eine mündliche Texttradierung ohne Melodie erscheint undenkbar). u Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen (wie Anmerkung 16), Band 4, 1959, S. 333. Wenn man sich die sehr umfangreiche Dokumentation im DVA zu DVldr Nr. 86 ansieht, dann fällt auf, dass die Gottscheer hochdeutsche Fassung viele unmittelbare Parallelen in der binnendeutschen Überlieferung hat, z. B. zu einer Aufzeichnung aus Hessen-Darmstadt von 1858 durch Plönnies (DVA = E 11 362): [1.] Es wollt ein Müller spazieren gehn spazieren in den Wald [2.] Und als der Müller in den Wald hinein kam Drei Mörder auf dem Wege stand Drei Mörder und drei Räuber [3.] Der erste griff ihn bei der Hand [...] Dieser Beleg ist übrigens wie charakteristisch für diesen Balladentyp ebenfalls wie in der Gottschee ’dreizeilig’ und kann problemlos durch Zeilenwiederholung zur Vierzeiligkeit anwachsen. - Hans Tschinkel notierte dazu in seinem Manuskript »Das deutsche Volkslied in der Sprachinsel Gottschee« von 1913 eine ausführliche Anmerkung mit Parallelstellen und inhaltlichen Erklärungen. Und er schreibt (DVA = A 109 750): »Von unseren Liedern ist die Fassung c [in der Edition Nr. 35 d], die starke Lücken zeigt, erst in jüngster Zeit in die Sprachinsel eingedrungen Dagegen meint Tschinkel von den Mundartfassungen a und b aus der Sicht der verwendeten, parallelen Motive (Ein Ritter verkauft sein Weib an den Teufel...), hiermit lägen Fassungen vor, »die zu dem ältesten Bestände der Gottscheer Lieder gehören dürften». Die ’Lückenhaftigkeit’ (die allerdings nur zutrifft im Vergleich mit sehr ausführlichen Fassungen, nicht aber auf die an sich logische Geschlossenheit der Gottscheer hochdeutschen Aufzeichnung; darauf würde es mir allein ankommen) wird sonst oft als Ergebnis langer Tradierung, Um,singeerscheinungen und damit als Kennzeichen hohen Alters gewertet. Aber die Irennungslinie verläuft hier offensichtlich doch auf der damals allgemein akzeptierten Basis ’Gottscheer Mundart ist alt’ und ’hochdeutscher Import ist jung’. Damit bekommt die Kommentierung der Gottscheer Liedüberlieferung von vornherein eine ideologische Prägung, die stärker auf deren hypothetischer Altüberlieferung fusst als auf die aktuelle Situation zur Zeit der Aufzeichnung. Das könnte aber, da wir eben keine Belege aus der Zeit vor ca. 1823 haben, der Ausgangspunkt für einen Zirkelschluss sein. Zudem vernachlässigt diese Sicht meines Erachtens ungebührlich die konkrete Singsituation um 1907, die eben offenbar neben dem Gottscheer Dialekt auch Lieder in Hochdeutsch kannte und schätzte. ’Gottscheer’ Lied ist das, was man zur Zeit der Dokumentation sang und liebte, nicht, was in einer hypothetischen Vor- und Urzeit geläufig gewesen sein könnte. Insofern ist es richtig, dass die Edition der Gottscheer Lieder ebenfalls auch auf jüngste Feldforschungs-ergebnisse der 1960er zurückgreift, also aus der Zeit nach dem Bestehen der Sprachinsel. ' Ein häufiger Liedanfang der binnendeutschen Ballade ist übrigens etwa »Es wollt ein Müller früh aufstehn...«, ohne dass dieser Liedanfang für die hochdeutsche Fassung in der Gottschee Pate stand (was ja wegen der Nähe zur Gottscheer Liedanfangsformel vielleicht zu eiwarten gewesen wäre). Wenn das die Lösung ist, Gottscheer Dialekt ’alt’, hochdeutscher Import ’jung’ (obwohl Hans Tschinkel bei diesem Lied von den verwendeten Motiven her argumentiert), dann muss man sich noch einmal die oben angefangene Liste der hochdeutsch-dialektalen Mischtexte ansehen: Nr. 34 g hat vierzeilige Strophen, Nr. 38 b dreizeilige Strophen mit Wiederholungen, Nr. 75 f ist in fortlaufenden epischen Zeilen geschrieben (jedoch mit der Anmerkung: »die Gliederung in Strophen war nicht mehr wiederherzustellen.“, Band I, S. 298), Nr. 80 hat vierzeilige Strophen, Nr. 88 hat zweizeilige ’Strophen’, Nr. 127 hat vierzeilige Strophen, Nr. 133 hat wohl doch auch fortlaufende Zeilen, die durch Wiederholungen nach 12 Zeilen in ’Strophen’ gegliedert sind, Nr. 158 a hat zweizeilige Strophen, Nr. 217 b ebenfalls (mit Wiederholungen) und so weiter. Die hochdeutsch-dialektalen Mischtexte bedienen sich also (bis auf die vierzeilige Strophe) durchaus der gleichen metrischen Systeme, die auch die reine Gottscheer Mundartüberlieferung kennt. Von der Form her lässt sich also ’alte Gottscheer Überlieferung’ und ’hochdeutscher Import’ kaum trennen, und beide Teile - wenn sie für die Jahre um 1907 überhaupt derart getrennt gesehen werden dürfen - bilden zur Zeit der ersten umfangreichen Aufzeichnungen eine Einheit. Damit könnte aber die angebliche ’Altartigkeit’ der Gottscheer Überlieferung eben nur auf den Teil zutreffen, den man damals als ’alt’ postulieren wollte. Der Befund ergab sich aus der Ideologie, nicht aus den vorliegenden Quellen. Zumindest kann man diesen Verdacht haben, der eventuell im Kommentar entkräftet (oder bestätigt) werden müsste. - Als Nr. 46, Die versoffenen Kleider, ist in der Edition der Gottscheer Volkslieder eine Ballade abgedruckt (aufgezeichnet von Hans Tschinkel 1906), die im binnendeutschen Sprachraum vielfältig überliefert ist. Mit dem Textkommentar dazu hatte ich selbst zu tun (DVldr Nr. 160). In der binnendeutschen Überlieferung beherrschen verschiedene Liedanfänge die Tradition: »Ich stand auf hohen Bergen...“ als ein von »Graf und Nonne« (DVldr Nr. 155) geläufiger Anfang ist mit 152 Belegen führend. Dann folgt eine Gruppe mit Liedanfängen wie »Es ging ein Knab spazieren...« mit jeweils 25 bzw. 33 Belegen. An dritter Stelle kommt dann die Gruppe mit 29 Belegen (Stand von 1992; vgl. DVldr, Band 9, 1992, S. 128), der vom Liedanfang her auch die Gottscheer Fassung zuzurechnen ist: »Auf Erden, auf Erden, auf Erden jederzeit...« Es ist aber gerade diese Gruppe, der auch mit die ältesten Belege zuzurechnen sind: 1760,^ 1784, 1794/97, 1838, 1842, 1879 usw. (und allerdings auch in jüngeren Aufzeichnungen der 20. Jahrhunderts). In Hans Tschinkels Manuskript steht bei diesem Lied ebenfalls eine längere Anmerkung (DVA = A 109 648) mit dem Hinweis: »Neuere Fassung eines alten, im 16. Jahrhundert durch ganz Deutschland und die Schweiz verbreiteten Schlemmerliedes »Nun schürz’ dich, Gretlein!«25 und »Das Lied ist in der Gottschee noch nicht sehr lange bekannt«. Mit »Nun schürz’ dich, Gretlein!« ist jedoch ein anderer Balladentyp genannt (DVldr Nr. 159), der mit vorliegendem Lied zwar Verbindungen aufweist, aber davon klar getrennt werden kann. »Auf Erden, auf Erden...« ist bisher, soweit dokumentiert, zwar nicht ’älter’ als 1760, aber die Gottscheer Aufzeichnung muss im Vergleich damit durchaus keine 'neuere Fassung’ sein. Es wäre vielleicht lohnenswert, die Anmerkungen von Hans Tschinkel systematisch daraufhin durchzusehen, ob sich aus ihnen auch ein Interpretationsmuster für die Unterscheidung zwischen ’alt’ und ’neu’ ergibt, welches wohl nicht ganz ideologiefrei ist. - Ähnlich könnte man sich bei den folgenden Gottscheer Liednummern fragen: Nr. 37, 44, 47 a-b, 66, 67 a-b, 70 a-b, 82 a-b, 83 und so weiter. Das sind lauter ’klassische’ Volksballaden, die in der Gottschee nur hochdeutsch überliefert sind. Die Aufzeichnung von 1760 ist bisher der Erstbeleg dieser Ballade; vgl. Gertrud Grosskopf und Otto Holzapfel, -Die versoffenen Kleider: eine Fassung vom Otzberg-, in: Jahrbuch für Volksliedforschung 30, 1985, S. 37-42. “ Hier übernimmt Tschinkel den Hinweis nach: Ludwig Erk und Franz M. Böhme, Deutscher Liederhort, Band 1, Leipzig 1893, S. 413. Die angedeutete, mögliche Kritik muss sich aber sehr schnell auf Gegenbeispiele einstellen, und auch hier müssen Fragen offenbleiben bzw. müssen Positionen revidiert werden. Unter Nr. 88, Des Krainers Liebesnacht (Band 1, S. 328), ist eine Ballade in einer einzigen Aufzeichnung (1906) notiert, die Hochdeutsch mit erheblichen Dialektteilen mischt (sie ist oben mit aufgeführt). Man kann nicht erkennen, warum dieser wiederholte Wechsel stattfindet. Der Text ’könnte auch’ durchgehend in Gottscheer Mundart sein, hat aber darin grobe Brüche, wie etwa in (der zweizeiligen) Str. 9: »Shei schpil’nt shi’ mit anond’r in cl’r Kuch’l, Unterdessen do ruft die Mutter:«26 Hans Tschinkel schreibt dazu in der Anmerkung (DVA = 109 650): »Altes Lied, das sich he reits im Ambraser Liederbuch von 1582 Nr. 112 findet.« Hier müssten die hochdeutschen Einsprengsel dann sekundär und ’jung’ sein, falls sich damit nicht ein neues Vorurteil einstellt. Tschinkel hat es sicherlich nicht so einseitig gesehen, und "Des Krainers Liebesnacht« ist tatsächlich dem zu Ende des 16. Jahrhunderts belegten Balladentyp zuzurechnen: DVldr Nr. 153, »Verlorene Schlafdecke«.27 Dagegen muss an dieser Stelle der Balladenindex leider korrigiert werden: »D 17« ist demnach kein Gottscheer Einzelbeleg und ist als solcher zu streichen, sondern er gehört zu »H 19«.2H Ist dann die Umfärbung in die Mundart gar ihrerseits sekundär? Die Gefahr besteht, dass man sich selbst einen argumentativen Teufelskreis aufbaut. Auf zwei Volksballadentexte soll noch kurz eingegangen werden. Nr. 75, Der treue Knabe{Band I, S. 292 ff.), ist in sieben Aufzeichnungen sowohl hochdeutsch zweizeilig, *n Mundart zweizeilig und in epischer Zeilenfolge, und gemischt in Hochdeutsch und Mundart überliefert. Der Balladentyp »B 22« wurde mit seiner sehr umfangreichen Dokumentation in neuerer Zeit bisher nicht untersucht, liegt aber deutschsprachig ausschliesslich in Belegen aus dem 19. und 20. Jahrhundert vor. Eine Sprossform dazu, der treue Husar, ist als Karnevalsschlager lebendig geblieben. Natürlich kann man mit französischen und skandinavischen Parallelen argumentieren, dass hier eine ’viel ältere’ Ballade vorliegt (ich selbst halte die Ballade gerade im Vergleich mit den skandinavischen Barallelen eher für einen ’jüngeren Nachklang’; vgl. O. Holzapfel, Folkevise und Volksballade, München 1976, S. 62 und 117). Die Gottscheer Belege in Mundart könnten dann hier weniger als Beleg für die 'Altartigkeit’ als für eine intensive Aneignung stehen (die ja auch sonst im binnendeutschen Raum Umsingeerscheinungen fördert; vgl- z. B. die Vielfalt der ungarndeutschen Belege zu »Graf und Nonne«, DVldr Nr. 155).w Hans Tschinkel, der die Gottscheer Texte in seiner Sammlung mit vier Belegen ebenfalls in der oben genannten sprachlichen Vielfalt vorliegen hatte, führt gerade zu diesem Typ leider keinerlei Anmerkungen an. Nr. 49, Graf und Nonne (Band I, S. 163 ff), liegt in der Gottschee ebenfalls in relativer Fülle vor: 9 Varianten, die gleichfalls alle sprachlichen Mittel zwischen Hochdeutsch und Mundart mit Mischformen zeigen. Hier war es schwierig, einem Vorurteil zu entgehen, weil die herkömmliche Meinung gerade bei diesem Lied, DVldr Nr. 155, von einem ’mittelalterlichen’ Balladentyp sprach, während ich aus der Fülle der über zweitausend deutschsprachigen Varianten Argumente dafür herauslesen wollte, Oie Edition ist geringfügig abweichend; sie korrigiert z. li. -do- zu ’da’ und schreibt diese Zeile damit durchgehend hochdeutsch. Dort ist auch der Gottscheer beleg richtig erwähnt, »hochdeutsch«, und zitiert; vgl. Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen (wie Anmerkung 16), Band 7, 1982, S. 225. *H Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen (wie Anmerkung 16), Band 10,1996, S. 188 bzw. S. 207. ’ Otto Holzapfel, Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen (wie Anmerkung 16), Band 8,1988, S. 193. dass diese Ballade ihrer ideologischen Aktualität nach nicht viel älter sein muss als ihre erste Dokumentation in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Für die Gottscheer Belege machte ich zudem darauf aufmerksam, dass ihre scheinbare Altertümlichkeit dadurch unterstrichen wurde, dass z. B. John Meier für seine Anthologie 1935 die an sich vierzeilige Melodiestruktur in die Zweizeiligkeit eines damit ’altertümlich’ wirkenden Textes umschrieb.30 Dagegen war für mich gerade dieser Balladentyp ein Beleg dafür, dass die Gottscheer Sprachinselkontakte jünger und vielfältiger waren, als man bisher angenommen hatte.11 Hans Tschinkel hat zu diesem Typ eine ausführliche Anmerkung (DVA = 109 684): »Das Lied vom Grafen und der Nonne wird seit dem 15. Jahrhundert in Deutschland gesungen (...). Es ist auch in Gottschee sehr verbreitet und, wie die mundartliche Fassung e [Gottscheer Volkslieder Nr. 49 d] zeigt, schon seit langer Zeit bekannt. Doch zeigen nicht alle sechs Fassungen die gleiche Überlieferung. Die Unterschiede sind zwar nicht gross, aber dennoch muss angenommen werden, dass das gleiche Lied zu verschiedenen Malen von verschiedener Seite her nach Gottschee gelangte.« Hier wird dann doch ein Urteil hinsichtlich der 'Altartigkeit’ der Gottscheer mundartlichen Fassungen formuliert, das überprüft und vielleicht revidiert werden sollte. Die anderen angeschnittenen Fragen bleiben für mich weiterhin offen. Sprachliche Interferenzerscheinungen sind, worauf Günter Lipoid (1984)32 hinweist, Ergebnisse eines ’Spannungszustandes’ bzw. Augenblicksformen in einem Prozess von Wandlung und Beharrung, bei dem verschiedene Faktoren mitspielen. In dieser Hinsicht kann wohl auch das Verhältnis von Dialekt und Standardsprache in der Balladenüberlieferung der Gottschee nicht einfach mit dem Gegensatzpaar von ’alt’ und ’neu’ bezeichnet werden. Nicht alle Gottscheer Balladentexte in Mundart sind so ’alt’, wie sie scheinen; nicht alle schriftsprachlichen Texte sind so ’neu’, wie man vermuten könnte. Povzetek Opombe k ljudskim baladam, ki so v kočevsko izročilo prišle v knjižni nemščini S Kočevjem, nekdanjim nemškim jezikovnim otokom, se je narodopisje intenzivno ukvarjalo; to še posebno velja za raziskave tistega baladnega izročila, ki se zdi arhaično. Prav novejša raziskovanja ljudskih pesmi pa kažejo, da so na Kočevskem kljub izoliranosti (kar so poudarjali starejši raziskovalci narečja) obstajale mnogovrstne povezave s slovensko okolico. O pesemskem izročilu se je mislilo, da so besedila v narečju »prastara«, ljudske pemi v narečju pa »novejši uvoz«. Pri kočevskih ljudskih baladah, od katerih so v nemškem izročilu le redke (in jih je mogoče primerjati s slovenskimi), je presenetljivo veliko primerov, ki so izročeni razen v narečjih tudi v knjižni nemščini. Nekateri zapisi pa kažejo mešanje narečja in knjižnega jezika. Tukaj je čas, da popravimo obstoječi predsodek. Klasična balada »Grof in nuna«, ki glede na osrednjenemške zapise velja za »mlado« (18. stol.), ne more biti v kočevski narečnih variantah »srednjeveška«. Niso vsa kočevska baladna besedila, ki so v narečju, tako »stara«, kot se dozdeva, in niso vsa besedila v knjižnem jeziku tako »nova«, kot se domneva. •w In der Gottscheer Edition (wie Anmerkung 1) mit vierzeiliger Melodie und der Anmerkung Tschinkels, -Jede Strophe wird wiederholt«; Band I, S. 166 f. zu Nr. 49 c. 11 Otto Holzapfel, Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen (wie Anmerkung 16), Band 8, 1988, S. 196. il Wie Anmerkung 7, S. 35.