^ 7» Sonntag den ss. Juni 1879 XVlIl. Jahrgang Vit ^Marburger Zeitung ins lig" erscheint jeden Sonntag, Mittwoch und Freitag. Preise — filr Marburg ganzjährig L fl., halbjährig 8 fl. Hau» monatlich 10 kr. — mit Postversendnng: ganzjährig S fl., halbjährig 4 fl., vierteljährig 2 fl. Insertion' vierteljährig 1 fi. 50 kr.; für Zustellung JnsertiouSgebilhr S k?. pr. Zeile. Amittclliart Thcilnahmc drs Volltcs a» der Gtskhgcbuog. Mttrburg, 21. Juni. Zum Wesen der verfassungsmäßig beschränkten Monarchie gehört auch die Theil-nahme des Volkes an der Gesetzgebung. Diese Theilnahme wird sonderbar noch immer nur als eine mittelbare gedacht und be-thätigt durch die Wahl der Vertreter. Nach der Lehre vom strengwissenschastlichen Denken gebührt dem engeren Begriffe der Vorzug vor dem weiteren und ist unter jenem hier die unmittel« bare Theilnahme zu verstehen. Nehmen wir die Politik nicht blos rein grundsätzlich, sondern auch als Sache der Erfahrung, so werden wir durch diese gleichfalls zu der Forderung genöthigt, zu der wir uns aus dem Wege der wisienschaftlichen Untersuchung emporgerungen. Die Erfahrung, tvelche wir in achtzehn Jahren unseres Verfassungs-lebenS gemacht, ist sehr bitter. Die Ergebnisse unserer mittelbaren Theilnahme an der Gesetzgebung genltgen uns nicht — im Gegentheil. Durch eigenen Schaden find wir klüger geworden — so klug, daß wir aus unser bestes Recht nicht länger verzichten wollen, nicht verzichten dürfen, s^oll ander« noch der Staat gesichert, das Loos der Einzelnen gebessert werden. Die Ausübung dieses Rechtes durch Andere in allen wichtigen Fällen wäre künftig eine Veräußerung desselben, die sich politisch, wirthschafllich und sittlich noch weniger verantworten liehe, als bisher. Wir begehren die unmittelbare Theilnahme des Volkes an der Gefetzgebung durch Abstimmung der Wähler Über Beschlüsse ves Abgeordnetenhauses. Um jedoch Mühe und Preis in ein befriedigendes Verhällnib zu bringen, wollen wir nur über ivichtige Beschlüsse abstimmen. Für solche Fälle geben wir den Abgeordneten durch die Wahl nur ein» bedingte Vollmacht, und knüpfen die Giltigkeit des Beschlusses an unsere ausdrückliche Genehmigung. Die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses, welche für uns jetzt die größte Bedeutung haben, betrkffen die Belastung des Volkes und die Verwendung der Steuern. Mit der Abstimmung über belastende Gesetze und Staatsverträge, über Einsljhrung neuer Steuern, über die Erhöhung bestehender Steuern, über die Ausgaben des Staates soll die unmittelbare Theilnahme an der Gesetzgebung beginnen. Stimmt die Mehrheit mit ^Nein", so liegt eben kein giltiger Beschluß des Abgeordnetenhauses vor und die Sache bleibt in Betreff der Steuern wie sie früher war, bezüglich der übrigen Belastutlgen und der Staatsausgaben ist dann aber die Genehmigung versagt worden. Die Männerhand, welche die Staatskasse füllen und das Vaterland schützen muß, leitet aus dieser höchsten Pflicht das entsprecheitde Recht ab, sich in offener Versannnlung der Stitnmfähigen zu erheben für „Ja!" oder „Nein!" Neben wir unser bestes Recht selbst aus, dann müssen wir es nicht mehr wie bisher trostlos blklageit, daß von unseren Vertretern entschieden wird — über uns, gegen uns. Des Menschen Wille ist sein Hitnmelreich. Der Wille des Staatsbürgers, welcher sich durch die beantragte Abstimmung bekundet, wird ein Oester-reich schaffen, wie es sein soll und sein kann — ein „Oesterreich über Alles". Franz Wiesthaler. Zur Geschichte des Tage». Die Strömung in den maßgebenden Kreisen ist dem sreiheitlichen Ausbau der Verfassung, der wirthschaftlichen Reform „in Haupt und Gliedern" nicht günstig. Die Wahlvewegung muß eine kräftige Gegenströmung b,lc»en. oder wir gehen noch tiefer, noch schneller abwärts. Die Zollnoth leljrt jetzt beten. Die Wirthschaftspläne Bismarcks zwingen, der ver-gessenen Arlberg-Bahn zu gedenken, die schon im Jahre 1864 vom Tiroler Landtag als noth-wendig bezeichnet worden und sür welche unsere großen Politiker itnd kleinen VolkSwirthe weder Sinn noch Verständniß besessen. Wie wohl thäte unserem Handel jetzt die unmittelbare Schienenverbindung mit der Schweiz und durch diese mit Frankreich! Die Alban ier befinden sich in gehobenster Kriegsstimmung. Die Pforte sendet zwar Niich immer Truppen ins Land; diese aber sind meistens Albanier und ist wohl kaum anzu« nehmen, daß sie aus ihre Stammgenossen seuern werden und dürsten sie eher schaarenweise zu den Aufständischen übergehen. Mit wie viel Kompagnien österreichisch-ungarischer Truppen sollen nöthigensalls die Straße nach Salonichi freigemacht und frei erhallen werden? Der Abgang im türkifchen Staatshaushalt beträgt 13'/» Mill. Pfund - ungefähr 1S0 Mill. Gulven ö. W. in Gold. Und dabei ist aus den Dienst der Staatsschuld, auf die schwebende Schuld und auf die Gehaltsrückstände noch keine Rücksicht genommen. Wie diese Millionen, so sind auch die Tage dieses Staates gezählt — nur schade, daß der Zusammenbruch der Türkei einen Zusammenstoß in Europa zur Folge haben wird. Mriuischte ZIachrichteil. (Schwärme von Schmetterlinge»^.) In verschiedenen Gegenden Deutschlands und der Schweiz haben sich ungeheure Schwärme von Schmetterlingen gezeigt. Diese Schmetterlinge sind die nicht seltenen schönen Diestelfalter. von welcher auch Oken erzählt, daß sie in manchen Jahren in außerordentlicher Menge erscheinen. Dle Furcht dcr Land-wlrlhe. vaß die Schmetterlinge va, wo sie sich niederlassen, durch Erzeugung erner kolossalen K e u i t l e t o u. Mchrl. Von Johannes Scherr. ltzortsetzung.) . Ich machte eine Berechnung, wie hoch sich beiläufig die Auslösungssmmne belaufen wtirde, kam aber zu einem niebörfchlagenden Resultat. Denn wenn ich auch mein Erworbenes zu-fammenroffte, wenn ich den Werlhbetrag vom Lindachhof, welchen mir meine Verlobte zur Verfügung stellte, dazu that, wenn ich sogar das bescheidene Vermögen meiner Schwester Hildegard, welches mrr die Gute zu detn in Frage stehenden Zweck überließ, hinzurechnete, — so erreichten diese Mittel doch lange nicht die Höhe der Schuldenmasse. Ich konnte den Gläubigern detnnach nicht genug bieten und so beschloß eine Versainmlung derselben die öffentliche Versteigerung des Gutes. Ich gab aber meinen Entschluß, Nothenflüh sür Isolde zu retten, deßhalb noch nicht auf. Wußte ich doch, wie das Herz der Geliebten an den Räutnen hing, wo ihr Bater gclel)t, ihre Mutter gestorben und ihre WieP gestanden. Und als mein Vorsatz, zugleich mit der Neuigkeit tneiner Verlobung init Isolde, in der Gegend bekannt wurde, erfuhr ich, daß mein Vater, wie der meiner Braut auch für ihre Kinder Freunde geworben. Denn von Kapitalisten und Gutsbesitzern, ja selbst von schlichten Bauern, kamen mir verläßliche Anerbieten von Geld und Bürgschaftsstellung zu. Ich schriet» an Herrn Bürger und setzte ib»n die Sachlage und die mich bedrängenden Schwierigkeiten auseinander, erhielt aber zu »neinem nicht geringen Leidwisen nur die wunderliche Antwort, es werde sich schon machen, ich sollte nur die Ohren recht s^eif halten. Wir waren schon »nitten itn Winter, als ich eines Tages von Rothenslüh zur Stadt hinunterging, wo die Versteigerung stattfinden sollte. Als ich das städtische Rathhauö betrat, fand ich bereits daselbst eine ziemlich große Anzahl von Kauflustigen vor, aber was mich nicht wenig Überraschte, war die Anwesenheit Bürgers. Er erwiderte aber meine Begrüßungen und Fragen kurzangebundener als je und sagte zu Allem nur: „Nachher, mein Bester, nachher. Haben jetzt zuvor das Geschäft da abzumachen . . . 's ist kla—ar." — Und doch sah der Mann so frisch aus und, wie mir vorkain, viel jünger, als ich ihn je gesehen. Im Augenblick, bevor die Autlion begann wanote er sich an den die Verhandlung leitenden B»?omten mit der Fra^ie, wie doch ltch die gesatnnlte auf dem Gut hostende Schnldenmasse belaufe, uiid als er die verlangte Auskunft erhalten, brunlmte er vor sich hin; „Gerade recht, ganz vortrejflich, rechne ich." Während der Versteigerung saß Bürger neben mir und nach einer Welle waren wir Beiden die einzigen Bieter. Aber immer überbot mich der Freund mit einem wahrhaft türkischen Gleichtnuth. Der s. VI. (670 Warnung. 099 Ich ersuche jeden Handels- und Geschäftsmann, Niemandem sei es Geld oder GeldeSwerth auf meinen Namcn zu borgen, da ich nich Zahler bin. Franz Seid!, Marburg._Maschinführer. Ztl siatlnend billigeu preisen, auch gegen Rate» per Woche fl. 1 SV Ir. vrix. 8j»Kei', kvM und Wllevlvi' ü! VVikvn, sowie alle die beste« Gattungen HavÄ-^iillmazelnnen in der 412 Iiei Alatkta» k. k. PrivilegiumS-Inhaber, Kerrengasse Ar. 2S in Auch werden alle Nähmaschinen in neiner mechanischen Werkftätte schnell und gut Ein möblirlts Zimlncr st in der Burggaffe Nr. 2 zu vermiethen. (706 kr»» l,or«i»oill empfiehlt sich für (712 Kolli-, 8ilbvi'- unl! lu^^vIon-Linkaus. Herrengosse, im Hause des Herrn Quandest, oder Hauptplap Nr. 6, zweiten Stock, bei Frau Gabriele Bünte._ Ein viersltziger halllgedeckter Freiachs-Wagen in gutem Stand ist bei dem Gefertigten zu verkaufen. (715 Auch empfiehlt sich derselbe zu allen Lattlvi'- kivmvr- u. lapeiivi'vr-Afbviton auf das Beste. Achtungsvoll Nostgasse. Als einziges und bestes Mittel gegen empfiehlt der Gefertigte seine vorzüt^lichen Galvanifir-Apparate zum Selbstgalvani-siren. Complet. Preis fl. 6 50 kr. (709 Physik. Institut Graz. «. jaquvt. Aampf», Aouche- ^ Wannenöad täglich von 7 Uhr Früh bis 7 Abends geöffnet. Um zahlreichen Besuch bittet (3!) Z.L UNO! e 7" ^ ?^iesiel'bei'g 8oliI'8 Kartensalon empfiehlt seine photoiiraphischen Ärkeiten. Lerstorbeiie in Marblir^. 14. Juni: Schäfflin Josefa, Handschuhmachers-tochter, 3. Jahre, Schnnederergasse, Fraisen; 13.: Er-hart Franz, MagazinarbeiterSsol/n, II., Tegetthoffstraße, Fraisen'. Egg er Maximilian, SchuhmacherSsohn, 2. I., Gartengasse, Verbrennung; 1v.: Pougraz Maria, Pri-vateuStochter, ü I., Förbergasse, Zehrfieber i Sigl Johann, Hausbesitzer, 53 3., Tegetthosfstr.. Speiseröhrevereugerung; 20.: Stern itschu ig Jakob, Wirth, 54 I., Mellinger-strahe, Lungentuberkulose. Im össeutl.Krauke'ihause: Iti.: Podkrischnig Georg, Inwohner, 60 I.. Lungenemphy-sem', 17.: Germ Rosa, Magd, 25 I., MenlugitiSz 13.: Schlögl Georg, Braner, 48I., Luugentuberkulose; IS.: SchimaittSkt) Ferdinand, Schlosser, 37 I., Luugen-tuberklilose. Marburg, 21. Juni. (Wochenmarkt« bericht.) Weizen fl. 6.40, Korn fl. 4.30, Gerste fl. 4.20. Hafer fl. 2.oe. Kulnrutz fl.4.20, Hirse fl. 4.20, Heiden fl. 4.70, Erdäpfel fl. 2.30 pr. Hkil. Fisolen 14, Linsen 23, Erbsen 21 kr. pr.Ägr. Hirsebrei« 10 kr. pr. Ltr. Weizengrie« 24 kr. Mttndmehl 20, Semmelmehl 18, Polentamehl 14, Rindschmalz fl. 1.20, Schweinschmalz 70, Speck frisch 50, geräuchert 70 kr., Butter fl. 1.05 pr. Klgr. Gier 1 St. 2 kr. Rindfleisch 56, Kalbfleisch 55, Schweinfleisch jung 54 kr. pr. Älgr. Milch sr. 12 kr., abger. 10 kr. pr. Liter. Holz hart geschwemmt fl. 2.80, ungeschwemmt fl. 3.—, weich geschwemmt fl. 2.10, nngeschwemmt fl. 2.30 pr. Kbmt. Holzkohleu hart fl. 0.70, weich 50 kr. pr. Hltltr. Heu 1.S0. Stroh. Lager fl. 1.70, Streu 1.— pr. 100 Kgr. Meteorologische Beobachtniigea in Pickern bei iviarburg. Aom 14. bis 21. Juni 1379. Tempe- Lustdr. SZ ratnr in Mittel Witterung Celsius « K S 15-3 75-3 größtenth. bewölkt NW S 16-9 75'1 fast heiter NW Ät 23-9 74-8 W D 21-5 74-6 gröptenth. bewölkt OS 16 7 74-9 „ n. Regen NW D 16-9 75-5 bewölkt NW F 21-7 75-3 fast heiter SW Meteorologische Beobachtniigea in Pickern bei iviarburg. Aom 14. bis 21. Juni 1379. Barometer gröhtenth. gefallen. Niederschläge zu erwarte«. Lerantvortltche «eoaktion, Druck und Verlag von ltduard Sanschitz in Marburg. Barometer gröhtenth. gefallen. Niederschläge zu erwarte«. ü«et«