EINUNDV1ERZIG8TER JAHRESBERICHT DES K. K. STAATSCYMKASIÜIS IN GÖRZ Veröffentlicht ain Schlüsse des Schuljahres 1891. INHALT: 1. Erzherzog Ferdinand II. von Tirol als Sohauspitldichtcr — von dem k. k. suppl. Gymnasiallehrer I1ANS KLUIBENSCHEDL. 2. Schulnachiichton — vom DIRECTOR. GÖRZ 1801. Selbstverlag des k. k. Staatsgymnasiums. Druck vou E. Seitz. ERZHERZOG FERDINAND II. von TIROL als Schauspieldichter. Dass Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, der Gemahl der Augsburger Patriciertochter Philippinc Welser, sich als Schauspieldichter versucht hat, dürfte kaum in weiteren Kreisen bekannt sein. Aber das 1889 zu Halle im Neudruck erschienene Drama Speculum vitae humanaß (herausgegeben von Jacob Minor) stammt von seiner Hand und verdient nicht allein deswegen Beachtung, weils cs keinen Geringeren zum Verfasser hat als den Sohn Kaiser Ferdinands I. und Urenkel Maximilians I., des letzten Ritters, sondern auch seines Inhaltes, seiner Form und sprachlichen Eigentümlichkeiten wegen und weil cs als das erste aus dem 1<>. Jahrhundert stammende Schauspiel in deutscher Prosa zu gelten hat, solange nicht ein älteres gefunden ist. Vgl. Einl. z. Sp. v. Ii. XLV. Auch die an Literaturangaben reichsten Literaturgeschichten verzeichnen das Speculum vitae humanae nicht; nur ein Anonymus in den Grenzboten (18(51 Nr. I>, S. 218 ft), Hirn in seiner Monographie Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, Julius Jung in einer Festschrift zu Ehren der 21). Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Innsbruck im Jahre 1874: Zur Geschichte der Gegenreformation in Tirol und endlich Holte im 32. Bande der Zeitschrift für deutsches Alterthum (S. 12 ff) hatten dieses Drama besprochen, bevor es Jacob Minor neu lie-rausgab. Einl. z. Sp. r. h. XXXV. In der vorliegenden Arbeit will ich es versuchen, Erzherzog Ferdinand 11. von Tirol als Schauspieldichter zu zeichnen und zunächst — im Wesentlichen auf Grund der Darlegungen J. Minors in der Einleitung zum Speculum vitae humanae, die unser Drama nach jeder Seite hin erschöpfend beleuchten — einen Begriff vom Inhalt und von der Form seines Poems, namentlich aber von dessen Zu- sammenhang mit den Zeitverhältnissen u. s. w. zu gehen ; der zweite Thcil des Aufsatzes wird die sprachlichen Eigentümlichkeiten des Spe-culum vitae liumanae behandeln. Bevor ich jedoch dazu Übergehe, scheint cs mir geboten, einen Blick auf den Zustand und die Entwicklung des deutschen Dramas im l(i. Jahrhundert zu werfen. Das deutsche Schauspiel ist am Beginne des Reformationszeitalters noch kaum Uber die ersten Anfiinge seiner Entwicklung hinaus. Im allgemeinen begegnen da Schuldramcn (biblischen, allegorischen und ändern Inhaltes) und volksthümlicho (geistliche und weltliche) Spiele. Die volkstümlichen geistlichen Spiele waren aus den geistlichen Spielen (Mysterien) des Mittelalters hervorgegangen. Ihr Inhalt ist der Bibel, Erlösungsgeschichte und Legende entnommen; ihr Charakter war und blieb episch, denn eine Fortentwicklung fand nicht innerlich, in künstlerischem Sinne, sondern rein äusserlich, nach der Seite des Umfanges hin, statt. Auch die weltlichen Spiele dos IG. Jahrhunderts, vor allen die Fastnachtspiele, haben im allgemeinen noch ganz das Gepräge des mittelalterlichen weltlichen Spieles, dessen Form die eines Zwiegespräches oder der Gerichtsscenen ist oder, was ziemlich häuiig, an die Priamel oder das Räthsel gemahnt und dessen Inhalt Gödcke (Grundriss zur Geschichte (Irr deutschen Dichtung, 1. Bd. 95) mit den Worten charakterisiert: Jeder Sprechende ein Schwein, jeder Spruch eine Hoheit, jeder Witz eine JInfläthcrci. Noch im 15. Jahrhundert entstand unter der Einwirkung neuer, alle Verhältnisse durchdringender, befruchtender Ideen ein Drama der Gelehrten, das rasch weiteste Verbreitung fand. Seitdem es die Gandersheimer Klosterfrau Rosvitha mit unleugbarer Begabung, aber ohne Nutzen für das deutsche Schauspiel versucht, die römische Comödie in lateinischer Sprache nachzubilden, verstrich ein halbes Jahrtausend, bis man sich neuerdings mit dom classischen Drama befasste. Die Anregung kam von classischer Erde, ln Italien, wohin nach dem Untergänge des byzantinischen Kaiserreichs griechische Gelehrte und Bücher kamen, stand es seit Petrarca mit der Pflege der Wissenschaften ungleich besser als in Deutschland. Dahin wallten nun im 15. Jahrhundert Studien halber Künstler und Gelehrte aus aller Herren Länder und brachten die Schütze der Kunst und des Wissens in ihre Heimat zurück. So kam es allenthalben zur Wiederbelebung der Wissenschaften und wurde Italien eine Pflanzschule fllr ganz Europa, die Wiege des Humanismus, der das Zeitalter der Reformation vorbereiten und durchführen half. Bestrebt, alle Schätze des classischen Alterthums zu heben und der Gegenwart nutzbar zu machen, lernte man nun auch die 1 )ramen der Alten besser kennen und übersetzte gegen Ende de« fünfzehnten und am Beginne des sechzehnten Jahrhunderts namentlich Tcrenz und Plantus ins Deutsche. Doch blieb zuerst die wahrscheinlich angestrebte günstige Einwirkung auf das deutsche Drama aus, weil ohne jedes Verständnis und Geschick übersetzt wurde. Grössern Einfluss übten die Aufführungen lateinischer ComÖdien, welche im 15. Jahrhundert an den Universitäten und mittleren Schulen üblich wurden. Der grosse Beifall, den sie überall fanden, ermuthigte, auch Dramen in deutscher Sprache zu verfassen, deren Gebrauch nothwendig wurde, als die Aufführungen nicht mehr auf die Schulen beschränkt blieben, was auch zur Folge hatte, dass die antiken Stoffe immer mehr von solchen, die ein allgemeineres Interesse erweckten, verdrängt wurden. Die Fortdauer der traurigen kirchlichen Verhältnisse nach dem unbefriedigenden Ausgange des Concils zu Basel einerseits und die Wiederbelebung der Wissenschaften anderseits bewirkten aber, dass bald jedermann mit leidenschaftlichem Eifer kirchliche Verhältnisse und religiöse Fragen erörterte; die Schuldramatikor trugen dem Rechnung, und so kam das Drama in den Dienst der neuen Ideen und dann der Reformation. Das Schauspiel des Reformationszcitalters hat vorwiegend protestantischen Charakter. Im Schuldrama traten an die Stelle der antiken biblische Stoffe und Legende, da die Gelehrten ihren — obwohl in erster Linie für die Schule bestimmten — Stücken ein grösseres Publicum sichern wollten. Die ganze Geistesrichtung des 1(5. Jahrhunderts und die unendliche Bedeutung und Wichtigkeit, welche man der Bibel bei-mass, lassen dies begreiflich erscheinen. Luther selbst, der ein grösser Freund zu pädagogisch-didaktischen Zwecken veranstalteter Oomödien-aufführungen an den Schulen war, empfahl die Wahl biblischer Stoffe. Auch wünschte er Schauspiele in deutscher Sprache, was gleichfalls dazu beitrug, dass die protestantischen Schuldramatikor immer mehr der deutschen Sprache sich bedienten. Doch blühte auch die lateinische Comödie, später von den Jesuiten aufgegriffen, fort und fand gerade in der Zeit, als das protestantische Schuldrama schon im Schwinden begriffen war, noch die allereifrigste Pflege. Die didaktisch-pädagogischen und reformatorischen Tendenzen treten jedoch in den Schuldramen des Reformationszeitalters nicht immer sofort erkennbar hervor, und dort, wo die schärfste und leidenschaftlichste Polemik zu rinden ist, haben wir es schon mehr mit dem volksthümlichon Spiel, das von den Schulmännern wie von den Bürgern und Handwerkern gepflegt ward, zu thun. Von den gelehrten Dramatikern ist in erster Linie Paul Rebhuhn aus Berlin zu nennen, der Anregungen zur besseren Entwicklung der Handlung- gab und den Dialog ungezwungener führte ; er ist auch einer der ersten, die ihre Stücke — freilich aus den naivsten Gründen — in Acte und Scenen theilten. Doch blieben seine Dramen ohne Einfluss. Gegen die Mitte des 1(1. .Jahrhunderts gewinnt eine Art allegorisch-moralischer Schauspiele grosse Bedeutung. Ihre Reihe beginnt mit den Spielen Homulus und Hccastus, denen die bekannte ursprünglich buddhistische Parabel von den drei Freunden in der Noth zugrunde liegt. Das Motiv erscheint zuerst 1529 in London in der Moralität (Moral play) Evcryman dramatisiert und fand dann in den Niederlanden Eingang, wo aus der englischen Moralität die Spiele Homulus und Herastus hervorgiengen, welche bald darauf auch in Deutschland bekannt wurden und hier zu zahlreichen Bearbeitungen und Nachahmungen Veranlassung gaben. Katholische und protestantische Dichter behandelten dieses allegorische Motiv vom Menschen, der beim Tode von allen seinen Freunden und Angehörigen, von allen seinen Schätzen und Reichthümern verlassen und nur von seinen guten Werken vor den Richterstuhl Gottes geleitet wird, mit grösser Vorliebe. Doch ist die Zahl der katholischen Dichter verschwindend im Vergleiche zur Zahl der protestantischen. Bei ersteren entspricht die Moral natürlich der katholischen Lehre, welche auf gute Werke bei der Busse das Hauptgewicht legt, während sie bei den lutherischen Theologen eine Wandlung erfährt im Sinne des Satzes der Augsburger Confession : dass unsere Werh nicht miigen mit Gott rer-siihnen, sondern solches geschieht allein durch den Glauben, dass uns um Christus Willen die Sünden verlieben werden. Bevor übrigens das Evcry-man-Drama in Deutschland wirksam werden konnte, hatte bereits der Baseler Lehrmeister Johann Kolross 1532 mit seinem Spiel Von fünffer-ley lietrachtnussen die Reihe der Schweizer allegorischen Dramen eröffnet. Die protestantischen Dramen verfolgten im allgemeinen mehr didaktisch-pädagogische Zwecke denn polemische Tendenzen ; sie suchen hauptsächlich zu belehren, zu bessern und im Glauben zu stärken. Es entstanden aber auch zahlreiche Stücke, die vor allem die Bekämpfung des Papstthums und der katholischen Lehre zum Zwecke haben und oft eine Sprache führen, die an Schärfe, Heftigkeit, Leidenschaftlichkeit und Hass kaum ihresgleichen hat. Ilieher gehören z. B. Dramen von Nas-georg (eigentlich Thomas Kirchmeyer, Kirclibauer oder Neubauer aus Straubing in Baicra, gestorben 1.503 als evangelischer Pfarrer zu Wios-loch in der Pfalz), wie Pammachius oder Vom Papstthum und Mercator. Beide Stücke richten eine scharfe polemische Spitze gegen das Papstthum und papistische Werhheiligk-p.it. Besonders kräftig wird von der Schweiz aus gekämpft, und einige Stücke von Gengenbach, einem Bür- gcr und Buchdrucker in Basel, der 1500—1522 dichtete und druckte, zuerst ein Freund, dann ein Feind Österreichs und des Papstthums war, mit dessen X Altern dyser Welt die Geschichte des neueren Dramas begonnen wird, und Spiele des Berners Niclas Manuel gehören zu den hervorragendsten polemischen Dramen der Zeit. Vgl. Holstein, Dir. Reformation im Spiegelbilde der dramatischen Lete rat ur des 16. Jahrhunderts. Die eigentlichen polemischen Dramen sind schon vielfach zu den voiksthümliehen Spielen zu zählen. In reichster Fülle tritt uns das Sehuldrama in Sachsen entgegen, doch fand es wie in ganz Mitteldeutschland, so auch im Norden (hier in niederdeutscher Mundart) und im Süden (Baiern, Schwaben und Eisass) Pflege, ln der Schweiz sind die Schuldramatiker spärlicher vertreten ; das Drama ist hier von allem Anfang raelir volkstümlich. Doch will ich Johannes Aal, Probst zu Solothurn, nicht unerwähnt lassen, einerseits, weil er einer der wenigen katholischen Dramatiker des Rcfor-mationszeitalters ist, anderseits, weil sich sein Spiel St. Johannes der Täufer öfters durch treffliche Behandlung des Stoffes, richtige Charakterzeichnung und durch eine Sprache auszeichnet, die kraftvoll und edel zugleich ist. Das Schuldrama und das volkstümliche Spiel gehen im ganzen Zeitraum nebeneinander hör, ohne sich gegenseitig wesentlich zu beeinflussen. Wie die gelehrten Dramatiker das antiko Drama nur in Aus* serliohkeiten nachzuahmen verstanden, so kamen auch die volkstümlichen Dichter durch die Gelehrten nur zur Nachahmung der Einteilung in Acte und Scenen, wobei man die Stücke in der willkürlichsten Weise und ohne jede innere Begründung oft in fünfzehn und mehr Acte zerlegte, während der Versuch, die Personon zu charakterisieren, eine wirkliche Handlung durchzuführen und auch den Dialog natürlicher und frischer zu gestalten, nur geringe Fortschritte erzielt. Das geistliche Spiel, welches schon längst voiksthümliehen Charakter angenommen hat, und das weltliche Volksspiel bleiben auch im 10. Jahrhundert in Blüte Jenes ist besonders in der dramatischen Literatur der Schweiz reich vertreten, liier dichteten der Züricher Wundarzt und Steinschneider Jacob Rueff (Job 1535, Adam und Eva 1550, La-äarus, dessen Geschichte auch den Sehuldrainatikcrn einen der beliebtesten Stoffe darbot, und Geburt Christi 1552), Hermann Haberer u. a. ln den weltlichen Spielen wurden neue Stoffe verarbeitet. Das eigentliche Fastnachtspiel verschwindet in der Schweiz allmählich und erhält sich nur in Nürnberg, wo es von jeher geblüht, noch in reicherer Fülle, Dio Schweizer Fastnachtspiele entsprechen dem ernsten Oha- rakter der Schweizer und stehen namentlich in einer Hinsicht in wohl-thuendem Gegensatz zu den Fastnachtspielen der deutschen Städte: sic verhöhnen nicht wie diese in der rohesten Weise den Bauernstand, konnten und durften dies auch nicht, denn der Schweizer war frei, der deutsche Bauer aber nicht viel mehr denn ein Sclave. Schon begann sich in dieser Zeit in der Schweiz ein nationales Drama zu entwickeln. llueff dichtete seinen Wilhelm Teil, die Erweiterung eines älteren in Uri aufgeführton Spieles, und in anderen Stücken werden die politischen Verhältnisse der Eidgenossenschaft behandelt, das Glück ihrer Landleute im Gegensätze zu der elenden Lage der deutschen Bauern veranschaulicht und vor den Bündnissen mit den Fürsten, aus denen nur Unheil entstehen könne, gewarnt. Aber im Eisass blühte das eigentliche Fastnachtspiel, zu dem namentlich Boccaccio und andere italienische Quellen die oft recht unsauberen Stoffe lieferten, denen gegenüber sich des Osnabrückers Rudolph von Bellinghausen Donatus mit der Personification der 5 lateinischen Declinationen und der (1 Casus sowie die Personification der Kartenblätter von Thomas Birker sonderbar genug ausnehmen. Auch romantische und ebenfalls in der Hegel italienischen Quellen entnommene Stoffe wurden bearbeitet. Don mächtigsten Anstoss zur Weiterentwicklung erhielt die Volkscomödie durch Hans Sachs, den fruchtbarsten und talentvollsten Dramatiker des l(i. Jahrhunderts, der alles, was die classische und germanische Mythologie und Heldensage, Fabel, Legende und Geschichte, endlich das Leben der Gegenwart darbot, dramatisierte und zwar am glücklichsten das, was er aus eigener Anschauung kannte, da seine Bildung und Weltkenntnis nicht ausreichte, ihn das innere Wesen vergangener Zeiten und ferner Lebe»skreise erkennen zu lassen. Seine Spiele sind zwar in Anlage und Form durchaus unvollendet und meist kaum etwas anderes als dialogisierte Erzählungen, die Fastnachtspiele nur Skizzen, aber trotzdem haben sie grosse Vorzüge: lebhaften, natürlich geführten Dialog, fortschreitende und motivierte Handlung, dramatische Entwicklung der Charaktere; ja Hans Sachs versucht selbst schon zu exponieren und keine Hauptperson ohne vorhergehende Andeutung auf der Bühne erscheinen zu lassen. Dass seine biblischen Spiele auch nicht entfernt den Umfang der Mysterien und der späteren gelehrten und volksmässigen biblischen Spiele haben, ist gleichfalls ein Vorzug dieses Dichters, den schon die ungeheure Menge und Mannigfaltigkeit der Stoffe, zu deren Bearbeitung es ihn drängte, zu keiner anderen als skizzenartigen Ausführung kommen liess. Die Spiele des Hans Sachs enthalten so trotz aller grossen Mängel die Keime des kunstmässigen deutschen Dramas, die wir in den Schauspielen des Nürnbergers Jacob Ayrer und des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig unter dem Einflüsse der sogenannten englischen Comödianten bereits in Aufgehen begriffen sehen. Die englischen Comödianten tauchen in Deutschland um 15(30 zum erstenmal auf und zwar von den Niederlanden her. »Sie waren wohl seltener echte Engländer als Niederländer oder Deutsche, die, in die Niederlande gekommen, hier englische Schauspiele kennen gelernt hatten und nun in Truppen herumzogen, um dieselben im Original oder in Übersetzungen gewerbsmässig aufzuftihren. Trotz des scheusslichen Schmutzes, von dem sie starrten, und trotz der grässlichen, blutrünstigen Roheit, die sich darin mit Behagen breit machte, fanden die englischen Comüdicn den allergrössten Beifall, weil sie ganz anders waren als das, was man bisher gesehen: da war nichts mehr von der gewohnten Steifheit und ermüdenden Eintönigkeit zu finden, sondern echtes dramatisches Leben, die Handlung breiter angelegt, bewegter, in rascherem Tempo sich bewegend und schon mehr von innen heraus entwickelt, die Zeichnung der Charaktere und Leidenschaften dramatisch; auch die Darsteller waren nun keine ungelenken Declamatoren mehr, sondern bestrebt, dem Zuschauer das wirkliche Leben vorzutäuschen. Das gelehrte Drama verhielt sich gegen die siegreiche neue Richtung ablehnend und konnte daher keine lange Dauer mehr haben. Dagegen brauchte das Volksschauspiel bei seiner inneren Verwandtschaft mit der englischen Comödie dieser nicht zu weichen, sondern konnte sich leicht deren bewunderte Eigcnthümlichkeitcn aneignen und so wie die englische Comödie rasch zu glänzender Entwicklung gelangen. Die Dramen Jacob Ayrers und des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig, der als der erste deutsche Fürst eine stehende Schauspielertruppe hielt, weisen bereits Fortschritte in dieser Richtung auf; aber der dreissigjährige Krieg zerstörte die fruchtverheissenden Keime. So ist es also eigentlich nur das volksthümliche Spiel, welches gegen das Ende des 10. Jahrhunderts namentlich unter dem Einflüsse der englischen Comödianten Fortschritte machte und nur deshalb nicht wenigstens annähernd auf die Höhe des englischen oder spanischen Dramas gelangte, weil ein bedeutendes Talent fehlte. Das gelehrte Drama konnte es, weil es sieh gegen das Neue verschloss, nicht recht vorwärts bringen. Ein Fortschritt desselben zum Bessern ist höchstens hinsichtlich der Form zu verzeichnen. Man blieb im allgemeinen ohne jedes auch nur halbwegs tiefere Verständnis für das Wesen der dramatischen Compo-sition, ja man wurde sich nicht einmal über die gröbsten Unterschiede des Tragischen und Komischen recht klar. Nur Ausserlichkeiten wurden den classisehen Dramen abgesehen, wie die Eintheilung in Acte und Scenen, die man ohne Erkenntnis der Nothwendigkeit einer inneren Begründung naehaluute. Zu einer dramatischen Entwicklung der Charaktere wird noch kaum hie und da ein Anlauf gemacht. Dagegen ist nun meist schon wirkliche Handlung und eine bessere Führung des Dialogs zu finden, während früher die dramatische Darstellung in der Kegel auf eine blosse Unterredung hinauslief und auch diese nur in einer Aneinanderreihung der Reden der einzelnen Personen, die ihr Pensum auf einmal heruntersagten, bestand. Die allgemeine typische Form dieser Schauspiele war: Eröffnung des Stückes durch einen Prolog; durch blosse Äusserlichkeiten, durch das Kommen und Gehen der Schauspieler bedingte Kintheilung in Acte und Scenen; Argumenta vor dem ganzen Stück oder den einzelnen Acten mit einer kurzen Andeutung der zu erwartenden Handlung. Beschluss durch einen Epilog; vierhobige Verse, auch bei den Übersetzungen aus Terenz und Plantus. Die theatralischen Aufführungen der Sclml-dramen fanden zuerst in den Schulen, später, als sie deutsch geschrieben wurden, zu grösserem Umfange gediehen und mehr Mitwirkende erforderten, auch in anderen, grösseren Localitäten und auf freien Plätzen statt; die volksmässigen geistlichen Spiele wurden nicht mehr, wie früher die mittelalterlichen Mysterien, in Kirchen, sondern in grossen Gebäuden oder auf öffentlichen Plätzen mit eigens dazu errichteten Gerüsten auf-geführt, die Fastnachtspiele aber in der Regel noch immer wie früher in W irtshäusern oder Privathäusern ohne besondere theatralische Behelfe. 1550 wurde von der Meistersängerzunft in Nürnberg das erste Schauspielhaus errichtet. Die Schauspieler waren, seitdem sieh das Drama von der Kirche getrennt und nicht mehr Geistliche und Mönche die Aufführungen geistlicher Spiele veranstalteten und leiteten, Bürger (bei den biblischen Stücken), Schüler und Studenten (bei den Schulcomö-dien); eigentliche Schauspielortruppen gab es erst soit dem Auftreten der englischen Coinödianten. In Österreich tritt uns das Schauspiel des 1<>. Jahrhunderts nicht in so reicher Fülle entgegen, da hier die Reformation nicht so tief und allgemein Wurzel schlug und die bald beginnende Gegenreformation rasches Werk machte. Dennoch sind alle Richtungen des Dramas dieser Zeit vertreten und manche Stücke vom Geist der Reformation durchdrungen. Dies gilt auch von Tirol. Der glänzende Ilof Ferdinands II. gieng mit der Pflege dos Schauspiels voran. Es wird uns von zahlreichen Aufführungen lateinischer und deutscher Schulcomödien und volkstümlicher geistlicher Spiele berichtet; auch Josuitenaufftihrungen in italienischer Sprache sind bezeugt, und 1589 gastierte eine Compagnia recUanti in commedia aus Mantua, von Erzherzog Ferdinand gerufen, fünf Wochen lang in Tirol, wie denn auch das italienische Drama nicht ohne Einfluss auf das Drama in Tirol blieb. Die Trabanten Benedict Edelpükh und Georg Lutz widmeten dem Erzherzog ihre Sttlcko und die Jesuiten dichteten zahlreiche lateinische Comödien und Tragödien, deren Aufführungen wegen der dabei entfalteten Pracht grossen Eindruck auf das Volk machten. Endlich wurde Ferdinand selbst Comödiendichter, und 1584 erschien sein Drama bei Johann Pawer in Innsbruck im Drucke, nachdem es wahrscheinlich schon einige Jahre früher entstanden. Jacob Minor scheint auch geneigt, ein 1583 beim selben Verleger erschienenes und den Kaub der Proser-pina behandelndes Stück dem Erzherzog Ferdinand zuzuschreiben, während es Gödeke in seinem Grundriss (1. Bd. 236) zu den Jesuitenco-mödien rechnet. Es betitelt sich Gespräch. So bey irer fürstlichen Dun ldeuchtigl'cit Erzherzog Ferdinanden zu Oesterreich etc. Sonnwcnd-Fewer gehalten ist worden, ist wie Spcculum vitae humanae in Prosa geschrieben und besteht aus fünf Acten ohne besondere Scenoneinthei-lung. Einl. z. Sp. v. h. XLV ff. liier nun zunächst der Inhalt des Speculum vitae humanae von Erzherzog Ferdinand. In einem Vorwort zue dem Leser wird mitgetheilt, dass clise Co-moedi so jhr Fürst. Drt. seihst erdacht rund gemacht, auf eine andere Manier, als man sy sonst zemachcn pflegt, gerichtet. Als Grund wird angegeben, dass der bisherige Gebrauch, die Comödien inn vil Prologns, Actus vnd Seenas ausszetheilen, die Geduld und das Gcdilchtnis der Zuhörer zu sehr in Anspruch nehme. Der erste Act beginnt mit einem lateinischen Lobgesang, so durch die Fngel vnnd Musiclcen gesungen vnd gehalten wird. Dann wird das Gespräch eines reichen Jünglings mit seinem Hofgesinde angekündigt. Der Jüngling führt sich ein als gesund und stark, von gnetem stammen geboren vnnd nit eines geringen herkomniens. Geld und Gut besitzt er in Hülle und Fülle. Da ihm aber Eltern und Geschwister bereits gestorben, so will er nun zuerst seinen Hofmeister fragen, wie er es an-greifen solle, seine Jugend mit Ehren zu verbringen. Der Hofmeister ist begreiflicherweise als erfahrener und feiner Weltmann für das Hof-leben eingenommen und räth daher dem Jüngling, dass er sich auf ain sextlang an einen fürstlichen Hof, am besten an den des eigenen Lan- deshorru begebe; aber er solle sieb vor schlechter Gesellschaft buten lind nur in ehrbarer verkehren. Dem Jüngling missfällt zwar die Meinung des Hofmeisters nicht, aber er will auch rath und guetbeduncken seiner anderen getreuen Diener hören und wendet sieh an den Stallmeister. Dieser ist durch und durch Kriegsmann und schlägt dem Jüngling vor, Kriegsdienste zu nehmen; denn ein Kriegsmann könne seinem Vaterlande viel nützen und führe überdies das lustigste Leben von der Welt. Der Seeretari hingegen hat eine unüberwindliche Abneigung gegen den Krieg; er kann das Pulver nit schmecken ; es ist ihm schon unerträglich, wenn man daheim zue der Ta/rtschon scheust, um wie viel mehr erst im Kriege, wo man mit grossen Stucken vmbgehet. »So gibt er denn den Rath, ein oder zwei Jahre frembde Land zu durchraisen und derselben art vnd »Uten kennen zu lernen. Dass er am Secrctari einen so fraidigen Diener hat, macht den Jüngling lachen. Nun ists am Hausmeister, mit seinem Käthe hcrauszurüeken. Er bemerkt in bescheidener \\ reise, sein Herr bliebe am besten daheim, Hesse Umschau halten unter den Töchtern des Landes und verheirathetc sich. Auch daheim könne man etwas lernen, denn es seien Leute genug vorhanden, die sonst nichts zu schaffen haben als Büeclwr schreiben, darinnen man allerlay Land vnnd Völcker, art unnd »Uten bcschriben fiindt, auch die Landsz-ordnungen. 80 gehen also die Anschauungen weit auseinander. Indessen kommt ein Ainsidel, begrüsst den Jüngling und sagt, dass er gekommen, weil er ausz Himmlischer Eingebung wisse, dass sein fürnemen guet und auffrecht und er (der Jüngling) sich nicht entscheiden könne, was er für einen Lebensweg cinschlagen solle. Dann berichtet der Jüngling, was ihm von seinen Dienern gerathen worden. Der Ainsidel aber übt nun in charakteristischer und interessanter Weise Kritik. Der Reihenfolge entsprechend, in der die einzelnen Vorschläge gemacht worden, zuerst am Hoflcben. Vieles spreche zwar für dieses, aber Reichsein setze vielen Anfechtungen aus. Am Hofe gebe es viele böse Leute, Spieler und Verführer. Wer nicht mitthue und nicht einen immer offenen Geldbeutel habe, heisse gleich ein Stümper, Sparhafcn u. dgl. m. Es gebe am Hofe Zechbr Heiler, die tag vnd nacht im Lueder liegen (»liederlich sind), die Zeit nur mit Pancketieren, fressen vnd sau ffen hinbringen. Auch die Sittenlosigkeit mancher jungen Hofleute geisselt der Ainsidel und meint, dass man vor sollichcn leichtfertigen Hof junekern vnd Gasscntrettcrn nicht eher Ruhe haben könnte, bis sie einen in jr (rcscllscha/ft vnd in die kluppen (— Vereinloser Vögel) brächten. Kurz, er ist auf das Hofgesinde sehr schlecht zu sprechen, wenngleich er zugibt, dass nicht alles Hofgesindt also und dass daneben auch viel Gottesfurcht, Tugend und Treue zu fin- den sei. Nach einer Zwischenbemerkung des Jünglings kommt das Kriegshandwerk an die Reihe. Auch zu diesem kann der Ainsidel nicht rathen. Die Kriegszucht ist nach seiner Meinung ganz in Verfall gerathen, und er tadelt in der schärfsten Weise das Maulheldenthum der Prahllnlnse, die Protectionswirtschaft, die Eisscnhcisscr oder Federhansen, die jedermann fressen wollen und doch nur junge Knechte seien und des Harnisches nicht gewohnt. Der Jüngling ist erstaunt über diese genaue Kenntnis des Kriegswesens und erfährt, dass der Ainsidel selbst auch ein Kriegsmann gewosen, dass ihn aber das Ainsidlisch laben viel leichter als das Kriegen ankomme. Der Kriegsdienst sei auch sehr beschwerlich. Der Kriegsmann wird durch den Zwang der Verhältnisse hart und grausam. Denkt er menschlich und will er auch so handeln, nicht brandschatzen und den armen Bauern alles wegnehmen, so muss er Hunger und Durst leiden und auch sonst noch alles erdenkliche Ungemach ausstehen, während ain Gaistlicher Ainsirlel dennoch seine stund zum essen, zum schlaffen, zum helfen und seine drucJme gedeckte Hüttn hat und Gott dem Alltneehtigen vnd seiner Seelen snligkait mit guetcr rhue vnd gewissen dienet. Das sieht denn auch der Jüngling ein und denkt wieder heiter daran, wie sein fraidiger Secrctari den Krieg aussgefiiert hat. Auch auf das Reiseleben ist der Ainsidel nicht gut zu sprechen. Er kann sich zwar nichts Schöneres denken als eine Wallfahrt nach den heiligen »Stätten, wo unser Heiland gewandelt und für uns gestorben, aber es ist ihm zu viel Gefahr dabei: selten komme eine Gesellschaft von einer so grossen Reise vollzählig wieder heim. Endlich bittet der Jüngling den Ainsidel noch, ihm auch über den Rath des Hausmeisters seine Meinung zu sagen. Der Ehestand erscheint dem Ainsidel vor allem als von Gott eingesetzt, als eines der sieben Sacramente. Er weiss, dass die sieben Werke der Barmherzigkeit ein Schlüssel zur Eröffnung des Himmels sind: weder beim Hof noch beim Kriegsdienst oder auf Reisen könne man besser als im Ehestände die Hungrigen speisen, die Durstigen tränken, die Pilger beherbergen, die Nackten kleiden, die. Kranken heimsuchen, die Gefangenen befreien und die Todten begraben. Aber er muss zugleich vor den sieben Todsünden warnen, die er nun in den abschreckendsten Farben und in drastischer Weise schildert. Schliesslich empfiehlt der Ainsidel unter den fürgeschlagcncn wegen den Ehestand. Nachdem der Jüngling für die ihm gewordene heilsame lehr vnd vnderiveisung gerührt gedankt, tritt eine Pause in dem Gespräche ein ; diese wird von einem sieben Acte umfassenden Zwischenspiel ausge-füllt, in welchem zur Illustration des vom Ainsidel, Gepredigten in einer Reihe von theilweise fastnachtspielartigen, aus dem wirklichen Leben gegriffenen Scenen die sieben Werke der Barmherzigkeit und die sieben Todsünden veranschaulicht werden. Die Gegenüberstellung der Werke der Barmherzigkeit und der Todsünden ist eine rein zufällige, die einzelnen Scenen werden oft nur durch die vorangeschickten Inhaltsangaben klar, sind ohne Zusammenhang und werden immer kürzer und tableauartiger. Die Todslinden erscheinen bezeichnenderweise in den Frauen, die Werke der Barmherzigkeit in den Männern verkörpert. Im 2. Act wird das erste Werk der Barmherzigkeit, d. i.: die Hungrigen speisen, mit der ersten Todsünde, der Superbia oder Hoffart, contrastiert. Eine hoffärtige Frau wird von ihrem Manne zurechtgewie-sen und eine hoff'ertige stinkende Närrin gescholten, als alles nichts fruchtet; der Mann ist mildthätig und gibt Auftrag, armen Leuten Speise und Trank zu verabfolgen. Die 2. Scene dieses Actes zeigt die hoffärtige Frau in der Todesnoth. Ein Priester spendet der aufrichtig Bereuenden die Tröstungen der Religion und Engel stimmen einen Lohgesang an. Dann stirbt die Kranke, und die folgende Scene zeigt ihre Seele im Fegfeuer büssend, aber von einem Engel getröstet. Der 3. Act bringt eine Parallele zwischen dem 2. Werk der Barmherzigkeit, d. i. den Durstigen zu trinken geben, und der 2. und 3 Todsünde: /ra et Ai'aritia, Zorn und Geits. Ein Herr gibt durstigen, bresthaften Leuten, die sich selbst nicht helfen können zu trinken; dann lässt er einen reichen Kaufmann in einen Brunnen hinab, damit derselbe wieder zu seinem Geldfass komme, das er während eines Brandes im Brunnen versteckt. Der Geizhals kann aber seine Portugalescr, doppelte Ducaten, Iiiibler, doppelte Cronen, Sonnencroncn nmd andere aussge-Idaubte guldinc Müntzen nicht mehr finden und verschreibt sich in der Verzweiflung darüber dom Teufel, der seine Seele nun nicht mehr loslässt. Der 4. Act handelt vom ;5. Werk der Barmherzigkeit: als die Pilgramb l/ehcrberigcn, mit der inerten Todsiind •' Gttla, der .Gefressig-Icait. Pilger treten auf, singen ein Lied und erhalten dann vom Ilausz-vatter Herberge und Verpflegung. Lin Knecht führt sie ins Haus, setzt sicli dann vor diesem nieder und erzählt nun, gleichsam als menseh-gewordene Gefrässigkeit, was er an dem Tage alles gegessen. Der f>. Act stellt das 4. Werk der Barmherzigkeit: als die Nackenden Haiden, der ;"). Todsünde, dem Neide, gegenüber. Ein Bettler soll vom barmherzigen Herrn einen Rock erhalten; ein Knecht aber möchte diesen selbst haben und dem Bettler soinen schon abgetragenen geben, was ihm vom Herrn unter Hinweis auf den hl. Martin als hässlicher Neid vorgeworfen wird. Im l). Act wird das n. Werk der Barmherzigkeit: als die Kränchen liaimbsueclien vorgefllhrt und vom Ende des seligsterbenden Men-sclien erzählt. Der 7. Act handelt vom G. Werk der Barmherzigkeit: die Gefangenen erledigen und von den 2 Todsünden Luxuria vnd Accidia. Der mildthätige Herr löst einen Gefangenen aus, der unverdient in Noth und dann in Schuldhaft gekommen. Auch ein liederliches Frauenzimmer möchte frei werden, wird aber vom Herrn zuriiekgewiesen. Dann zanken sich zwei Knechte um dieses Weib und einer von ihnen wird todtgestochen. Dies gibt Gelegenheit, das 7. Werk der Barmherzigkeit: Sepelire mortuos, die Todten begraben vorzuführen. Richter und Balbierer besichtigen den Todten, faule Knechte suchen ihn fortzuschaffen, finden ihn aber in ihrer Faulheit zu schwer und versprechen den Sani (== Hanswurste) Brod, wenn diese sie selbst sammt dem Todten aus der Stadt schaffen würden, und der am Sani erwidert: Si, si, ja, ja, date Ja, il pan. Nun folgt der 8. Act. Die Christenheit ruft die Gottesmutter um Fürbitte bei der hl. Dreifaltigkeit an. Die Antwort dieser verheisst Erhürung auf Grund des Erlösungswerkes, und der Sohn Gottes stellt im Namen der hl. Dreifaltigkeit der Christenheit die Belohnung der aus Nächstenliebe geübten Werke der Barmherzigkeit und die Bestrafung jener in Aussicht, so in siinden verharren vnnd sterben. Ein Lobgesang der Engel zu Ehren der Gottesmutter beschliesst den Act. Jetzt erst, im !). Act, wird das Gespräch des Jünglings mit seinem Hofgesinde wieder aufgenommen. Der Jüngling hat sich mittlerweile entschlossen zu heirathen. Vier Heirathscandidatinnen sind ihm bereits namhaft gemacht worden: 1. eine Gräfin von Mötsch — die Namen sind unter Benutzung von Tiroler Ortsnamen fingiert (Einl. z. Sp. r. h. XL1YT) — reich, aber mit einem Mangel an einem Fusse und au ff der amen seyten Bugglet; 2. eine Witwe, Freifrau von Eben, zinthlkh llcith nid nit scheutelieh; 3. ein Fräulein von Schiitters, innigMich schön, aber bös vnd hoffartig; 4. endlich ein Fräulein von Rothenburg, nit sonders schön, doch auch nit gar scheutzlich, gottcsfürchtig und züchtig, arm, aber von gutem Geschlecht. Nim äussert wieder jeder der Diener der Reihe nach seine Meinung über die Genannten. Der Hofmeister ist für die Gräfin von Mötsch; ihm erscheint einereiche und vornehme Heirath am wünschenswertesten. Der Hausmeister aber entscheidet durch die etwas unzarte Bemerkung: je Ttrümpcr je tümper vund kain Vuggel .so klain, das nichts darhinder stockte zu Ungunsten der Gräfin. Für die Witwe ist keiner eingenommen; nur der Stallmeister erklärt, dass sie ihm wohl taugte, wenn sie recht viel Geld hätte. Von dem Fräulein von Schlit-ters rttth der Hofmeister dringend ab, während Stallmeister und Sccrc-tari dafür Partei ergreifen. Der Hausmeister, der das Fräulein von Schiitters kennt und nichts Gutes davon zu berichten weiss, tritt warm für das Fräulein von Rothenburg ein, dessen Tugenden ihm als die rechte Morgengab rnd Reichtum!) erscheinen. Die anderen haben dagegen nichts einzuwenden; nur dor Sccrntari meint, dass er es mit dem schönen, jungen Fräulein von Schlittere hielte, kommt aber beim Jüngling übel an damit, denn dieser fertigt ihn mit den Worten ab : Du farst mit deinen Jlathschlegen hinein wie. ein Saw in Trog, vnd wirst machen das ich je lenger je. weniger von dir halten wirdt und entschliesšt sich, bei dem Fräulein von Rothenburg zu bleiben. Noch einmal ertönt nun ein Lobgesang der Engel, derselbe, mit dem die Comödie eröffnet worden, und dann ist das Stück zu Ende. Eine kurze Danksagung an Gott und die Bitte, dass er seine göttliche Gnade verleihen möge, kann als Kpilog polten. Dass dieses Schauspiel von einem eigentlichen Drama ganz und gar nichts an sich hat, braucht wohl nicht erst hervorgehoben zu werden. Der erste und letzte Act entbehren jeder Handlung; sie sind blosse Gespräche, nur dass sie den Jüngling zum Entschlüsse führen zu heirathen mul zwar eine weder besonders schöne noch besonders reiche, aber tugendhafte Dame aus gutem Geschlecht. Alle Personen bis auf den Einsiedler erscheinen gleichzeitig auf der Bühne. Die Führung des Gespräches ist einförmig, schematisch, namentlich im l.Act. Erst nachdem der Jüngling jedesmal seine Untergebenen der Reihe nach und unter Berücksichtigung ihrer Rangordnung (wobei der Hofmeister als der höchste, der Hausmeister als der niedrigste der Hausbeamten erscheint) abgefragt und jeder seine Antwort wie ein auswendig gelerntes Pensum aufgesagt, wird das Gespräch etwas lebhafter. Im 1. Act wendet sich der Jüngling, nachdem er alle der Reihe nach abgefragt und deren Antworten entgegengenonnnen, sofort wioder an den Hofmeister, um dann das Gespräch mit dem Ainsidel allein fortzusetzen. Im letzten Act hingegen ist das Gesprächsschema nicht so strenge festgehalten. Der Dialog hat hier eine natürlichere und lebhaftere Färbung, und die Diener warten nicht immer erst die Fragen des Hern» ab, der selbst auch aus seiner Reserve heraustritt und sich in seinen Fragon und Zwischenbemerkungen angeregter zeigt. Die einzelnem Acte des Zwischenspiels haben wohl jeder für sich etwas dramatisches Leben, aber cs fehlt ihnen jeder Zusammenhang und ihre Aufeinanderfolge ist ebenso rein zufällig wie die Contrastierung der 7 Werke der Barmherzigkeit mit den 7 Todsünden. (Vgl. Einl. z. Sp. v. h. XLI.) Die einzelnen Personen sind dui'ehaus typische Gestalten und kehren in den verschiedenartigsten Stücken wieder. Der Jüngling, welcher sich für irgend einen Beruf entscheiden soll, ist immer unerfahren und naiv, vornehm und reich oder zum mindesten ein wohlhabender und unabhängiger bäurischer juvenis. Bald bleibt er rechtschaffen, bald wirft er sich den Freuden und Genüssen dieser Welt in die Arme, wie in einem Fastnacht-spiclc von Hans Sachs: Ein Spil mit dreyen Personen und heyst der Eürwitz (Halle’sche Neudrucke), wo ein Jüngling gern erfahren möchte, was er anfangen, wie er sein Leben verbringen solle, damit er vor der Welt mit Ehren bestünde, worauf ihm der Fürwitz böse Lehren gibt, denen der trew Eclcart entgegentritt, ohne etwas ausrichten zu können. Sehr oft bildet die Figur des Einsiedels oder Waldbruders den Mittelpunkt und immer in der Holle des würdigen, erfahrenen, weisen und frommen Berathers, der sich der Welt, entsehlecht vnnd in den Wildnus-sen wohnt, in seiner Zell oder Hütlein mit einem (jebett Gott dem Äll-mechtigen Tag vnnd Nacht dienet, denen auch durch die Himmlischen Influentzcn vil verborgne sachen geoff'enbart werden, wie ihn der Hofmeister im 1. Acte des Speculum vitae humanaß schildert, ob er nun, wie hier, das gewichtigste Wort bei der Wahl des Lebensberufes und der Lebensgefährtin zu sprechen hat oder in Gengenbachs X Alter dyscr Welt die Vorrede spricht und das Gespräch mit den zehn Altern führt oder als Nollhart im gleichnamigen Spiele desselben Schweizer Dichters mit dem Bischof Methodius und der Sibylle Cumea •abwechselnd prophezeit oder im Homulus als Klausner oder Waldbruder den leichtfertigen Homulus warnt. Ebenso verhält es sich mit den anderen Gestalten unseres Dramas. Wio J. Minor in seiner Einleitung zu Erzherzog Ferdinands Drama nachweist, beruht dieses vielfach auf literarischer Tradition und gehört zur grossen Gruppe jener Dramen, welche das menschliche Leben im allgemeinen oder irgend eine Seite desselben, die einzelnen Lebensalter des Menschen, die verschiedenen Berufsarten oder die Vor- und Nachtheile des ehelichen Lebens abspiegeln. Die Ehefrage wurde vor und nach dem IG. Jahrhundert in Italien, Spanien, Frankreich, England und Deutschland in zahlreichen Abhandlungen und Büchern erörtert. Selbstverständlich ward dieses Motiv bei den Dramatikern sehr beliebt und erscheint vom 15. Jahrhundert ab zuerst in den kirchlichen, dann in den volkstümlichen Stücken häufig (Einl. z. Sp. r. h. XXXVI ff). Und sicher sind manche von diesen Schriften und Dramen dom Erzherzog Ferdinand bekannt gewesen. Die Comödie in der Comödie erinnert an dio mittelalterlichen Mysterien, an die allegorisch-moralischen Schauspiele (Moralitäten), Todtentänzc und Fastnachtspiele. Der 8. Act hat ganz den Charakter der Mysterien. Die Gegenüberstellung von Tugenden und Lastern ist uralt. So ist Klein (Gesch. d. span. Dramas I. 118 ff) geneigt, die Keimspitzen des spanischen Dramas in einer Dichtung des 380 zu Saragossa geborenen Aurelius Prudentius Clemens: Psy-chotnachia• (Seolenkampf), welche sechs Zweikämpfe zwischen personi-ficicrten Tugenden und Lastern und den Sieg der ersteren besingt, zu erblicken. Und eine aus dem 7. Jahrhunderte stammende Erbauungsschrift — wahrscheinlich des hl. Isidoras von Sevilla — enthält paarweise gruppierte Zwiegespräche, Streitreden zwischen je einer Tugend und einem Laster; sie betitelt sich: De Conflictu Vitiorum et Virtutum Liber (Klein, Gesch. d.span. Dramas 1. 138 ff). Mit jener Scene im 2. Act, wo das Sterben einer lasterhaften, aber angesichts des Todes aufrichtig bereuenden Frau und deren Pein im Fegfeuer dargestellt wird, steht unser Drama dem Münchener Spiel Vom aygen gericht vnd sterbenden Menschen aus dem Jahre 1510 am nächsten, ln diesem zeigt ein Doctor dem Kaufmann eine Anzahl figur vnd cbcnhild, d. h. dramatische Scc-nen, in welchen der sterbende Mensch, der Tod, Satan, ein Engel, eine arme Seele und ein Beichtvater auftreten, wobei der Doctor und der Kaufmann, wie in unserem Stücke der Jüngling mit seinem Hofgesinde und dem Einsiedler, die Zuschauer abgeben. (Vgl. Einl. z. Sp. v. h. XLI und A. Hartmann, Vollcsschauspiele 1880 S. 410 ff.) 1 lieber gehört «auch, was der fromme und fleissige Kaufmann im (5. Act unseres Speculum vitae kumanae vom gottseligen Endo seines Nachbars berichtet. Das Sterben des Menschen hatte schon früh Anregung zu Darstellungen gegeben, wie zu den mittelalterlichen Todtentänzcn, denen der durch das grosse Sterben im Jahre 1348 hervorgerufene Gedanke zugrundelag, dass der Tod mit jedermann tanze, d. h. niemanden verschone. Dass die Comödie in der Comödie in unserem Schauspiele theilweise fastnachtspielartigen Charakter hat, habe ich bereits in der Inhaltsangabe hervorgehoben. Dem Fastnachtspiele verwandt ist namentlich dio 1. Scene im 2. Acte, welche uns ein auf offenem Markte herumstreitendes Ehepaar vorführt; ebenso im 3. Acte die Scene mit dem geizigen Kaufmann. Denken wir dann noch an den entsetzlich gofrässigen Knecht im 4. Act, an die Sani und an die tölpelhaften und faulen Knechte des ß. und 7. Actos, so haben wir eine reiche Auswahl von Motiven, Gestalten und Scenen, wie sie dem Fastnachtspiel überhaupt eigen waren. Auch das Fastnachtspiel entnahm ja seino Stoffe bald dem ehelichen Leben, dem Hause, bald der Gasse oder dem Markte und stellte gleichfalls gerne auf der Gasse sich abspielende Zänkereien zwischen Eheleuteu dar. Und der 7. Act mit dem traurig endenden Streite um das Weib mag an jene Fastnachtspiele gemahnen, in welchen in ähnlicher Weise um eine Dirne Streit entsteht oder eine solche ihren Liebhaber wegen nicht gehaltenen Eheversprechens klagt. Engel und Teufel, ja selbst die hl. Dreifaltigkeit, Gott Vater, Gott Sohn und Marie, die Gottesmutter, sind durch die Mysterien schon auf der Bühne heimisch geworden. (Einl. z. Sp. v. li. XLI ff.) Die Form unseres Dramas hat sich im 15. und Ui. Jahrhundert bei oberrheinischen Dramatikern aus der Satire auf alle Stände hcrausgebil-det, ist in Tirol z. 13. in den sogenannten Sterzinger Fastnachtspielen zu Hnden und kehrt bis in das 17. Jahrhundert hinein noch häufig wieder, namentlich in den Jesuitenspielen (Einl. z. Sp. v. h. XXXIX.) Von den Sterzinger Fastnachtspielen steht dem Speculum vitae lmnianae ein Ju-ristis betiteltes Spiel des Vigil Raber vom Jahre 1511 (Wiener Neudrucke Heft 1) Nr. V S. 05 ff) am nächsten Dieses hat die Form einer Gorichtsscene. Ein Jüngling frägt einen Richter, wann er heirathen solle. Der Richter holt die Meinung von 7 Juristen ein, an die er sich der Reihe nach wendet. Der siebente Jurist hält dafür, dass der Jüngling noch ein Jahr lang warte, und der Richter füllt in diesem Sinne sein Urtheil. Ein Precursor kündigt das Spiel an und beschliesst es auch. (Einl. z. Sp. v. h. XXXIX.) Die Einführung italienischer Narrentypen, der Sani, lässt den Einfluss der italienischen Bühne erkennen (Einl. z. Sp.v.h. XLVIII). Die Form des Zwischenspiels ist alt. Um das Interesse des Volkes an den geistlichen Spielen zu vermehren, wurden schon in den Mysterien komische Episoden, selbst grössere Stücke eingesclio-ben, die mit dem eigentlichen geistlichen Spiele nichts zu tliun hatten, ja mit demselben oft im Widerspruche standen. Hiezu gaben die mannigfachen komischen Vorstellungen der Gaukler und Possenreisser auf don Jahrmärkten zur Zeit der grossen Kirchenfeste den Anlass. Und gerade die Einführung des Zwischenspieles trug dann neben der Heranziehung der Laien zu den Aufführungen wesentlich zur Loslösung des Dramas von der Kirche bei. Auch das englische Moral play des Mittelalters trat häufig in der Form des Zwischenspieles auf (Interludes); die Italiener aber hatten ihre Intermezzi, die Spanier die Entremesca, und schliesslich können wir da bis auf die AtcUana und den Mimus der Römer, auf das Satyrspiel der Griechen und die Pra/veQaka dos Hindu-Dramas zurUckgehe.n. Aber wenn auch Spcculmi vitae hnmanae in poetischer Hinsicht nur für die Entwicklungsgeschichte des Dramas Bedeutung hat, die Andeutung ftir den Leser, dass das »Stück auf eine andere Manier eingerichtet, lediglich auf eine vorgenommene Kürzung hinweist und Überhaupt von einem eigentlichen poetischen Werte desselben abgesehen werden muss, so erweckt Erzherzog Ferdinands Schauspiel doch in anderer Hinsicht viel Interesse, wenn wir seinen Inhalt in Zusammenhang mit den Zeit- und Tiroler Landesverhältnissen, mit der Persönlichkeit, Lebensstellung und den Schicksalen des erlauchten Verfassers bringen. Zweierlei wohl bestimmte Erzherzog Ferdinand, sich auch als Schriftsteller zu versuchen. Zunächst die vom Urgrossvater ererbte Liebe zur Kunst und Poesie. Erzherzog Ferdinand scheute keine Kosten, um sie zu befriedigen; ihr verdankte das damalige Kunstlcbcn Tirols mannigfache Anregungen und viel des Wertvollen. Der Prinz, wie sein Vater ein Freund heileren, wenn auch nie maaslosen Lebensgenusses, theilte die Vorliebe für theatralische Aufführungen mit seiner Zeit. So recht in seinem Elemente war der Erzherzog, sagt Hirn (1 35), wenn irgend eine besondere Feier bevorstand, m welcher die verschiedensten Gattungen von Festspielen, Anfängen, Jiegrüssungen, allegorischen Darstellungen u. s. w. vorbereitet, werden mussten. Es geschah nichts ohne seine specielle Weisung; auf Wochen im Vorhinein war damit seine Aufmerksamkeit gefesselt, da wurde proponiert, gezeichnet, eorrigiert, und so manche zerstreute Blätter, dir, einem in den Papieren seiner Kanzlei mitunter begegnen, theils von seiner, theils von der Hand seines Secre-tärs beschriehen oder mit Zeichnungen ausgefullt, beweisen, wie rege er sich solchen Dingen hingah. Dieses angeborne Interesse für prunkvolle Festlichkeiten und dramatische Aufführungen hatte schon in seiner Jugend Nahrung gefunden. Als die Söhne Ferdinands I. in den Jahren 1535—1543 in Innsbruck erzogen wurden, fanden hier öfters theatralische Aufführungen statt, denen auch der Hof, die Königin Anna mit ihren Kindern, beiwohnte. Als ltegont Böhmens und später Tirols konnte Erzherzog Ferdinand seinen Liebhabereien freien Spielraum gönnen, und die fremden und einheimischen Poeten, welche ihm — namentlich bei feierlichen Anlässen — ihre Gedichte widmeten, konnten freundlicher Aufnahme und einer Belohnung sicher soin. Namentlich brachte Erzherzog Ferdinand den ihm schon in Böhmen bekannt gewordenen Comödien der Jesuiten, grosses Interesse entgegen. Dieselben wurden bei besonderen Anlässen von Zöglingen der Jesuitenconvicte aufgeführt; auch vor dem Hofe und zwar hier ausser in der lateinischen wohl auch in den vulgären Sprachen. Oft fanden Aufführungen auf des Erzherzogs Kosten statt, und von der Aufführung des Spieles von der hl. Oatherina (157(5 zu Innsbruck) war Ferdinand einmal so befriedigt, dass er die Darsteller der Hauptrollen mit Stipendien bedachte (Einl. z. Sp. v. h. XLV ff). Halten wir dies alles mit der Berufung des Johannes Luchis aus Trient und dann jener Oompaijnia rccitanti in cotnmedia aus Mantua, wovon ich schon oben (S. 11) Erwähnung gethan, und mit des Erzherzogs eigener schrittstellerischer Bethiltigung zusammen, so erscheint der Vorwurf, dass die dramatische Kunst vonseiten dieses Habsburgers keine Förderung erfahren haben könne, wohl mehr als hinfällig. Aber keine blosse Liebhaberei, sondern eine ernstere und tiefere Absicht, die, das Leben und seine Erscheinungen nach den eigonen Erfahrungen der Wahrheit gemäss zu zeichnen, und das lebhafte Verlangen, darauf einzuwirken, drückte dem Erzherzog Ferdinand die Feder in die Hand. Um Spcculum vitae humanae vollkommen würdigen zu können, müssen wir uns zunächst die religiösen und socialen Verhitltnisse Tirols und deren Entwicklung im Ui. Jahrhundert vergegenwärtigen. Tirol blieb von den Stürmen des Reformationszeitalters nicht verschont. Es bot vielmehr einen ungemein fruchtbaren Boden dar für eine religiös-sociale Schwärmerei, die in dem rauhen Alpcnlande rasch zu einer in ihren Zielen auffallend bestimmt und radical auftretenden Bewegung führte. Der Aufruhr der Geister spiegelt sich auch in der Tiroler Volkspoesic jener Zeit ab, und eines der besten Fastnachtspiele des 10. Jahrhunderts aus der Feder des schon einmal genannten Vigil Raber zu Sterzing, Die zwen Stendt, vom Jahre 1535 (Wiener Neudrucke Heft 11 Nr. XXV), welches einen vor die Wahl zwischen dem geistlichen und weltlichen Staude gestellten Jüngling sich für letzteren entscheiden lässt, ist ganz von den religiös-socialen Ideen des Reforma-tionszcitaltcrs erfüllt und von Hass und Verachtung gegen die Kirche und ihre Priester durchdrungen. Als Erzherzog Ferdinand II. 1564 nach Tirol kam und das Erbe der von seinem Vater eben erst begonnenen reformatorischen Tliätiglceit (Hirn 1 72) antrat, stand fast das ganze Volk noch im Zauborkrcise der neuen Lehren und schien cs noch kaum denkbar, dass Tirol wieder völlig katholisch werden könnte. Der religiöse Geist war vielfach ganz abhanden gekommen. In religiösen Dingen herrschte im Volke die allergrösste Ignoranz. Den Empfang der Saeramentc verweigerte man häutig unter allerlei Vorwänden, oder man verlangte das Abendmahl unter beiden Gestalten. Die Verhöhnung von Mönchen und Geistlichen gehörte durch Jahrzehnte zu den alltäglichen Vorkommnissen (Ilirn 1 74 ff). Wo noch religiöser Geist vorhanden war; da war es der Geist der Reformation, der selbst in den abgelegensten Tliitlorn Eingang und Verbreitung gefunden hatte. Wie sehr die Reformation im Lande Wurzel gefasst, zeigt am deutlichsten der Umstand, dass Erzherzog Ferdinand, obwohl selbst rechtgläubig, der zahlreichen Protestanten an seinem Hofe nicht entrathen zn können glaubte und sich zur Versicherung genüthigt sah, er müsste fast seinen ganzen Hofstaat neu zusammensetzen und gerade die brauchbarsten Leute entlassen, wenn er alle Hofdiener entlassen wollte, welche die Communion nur unter beiden Gestalten zu empfangen bereit seien (Hirn I. 134). Betrachten wir Specultim vitac humanae unter dem Gesichtspunkte dieser Verhältnisse und halten wir uns vor Augen, dass Erzherzog Ferdinand während der dreissig Jahre seiner Regentschaft in Tirol unentwegt gegen dieselben ankämpfte, so erkennen wir sofort, dass unser Drama zur Hebung der Religiosität beitragen will und sich in seiner Tendenz gegen die akatholischen Lehrmeinungen kehrt. Nicht umsonst legt der Verfasser besonderen Nachdruck auf den Empfang der hl. Sacramente. Die Enthaltung vom Empfange derselben war oft das erste Zeichen des Abfalles von der römischen Kirche, und mit dem denkbar grössten Eifer, durch zahllose Verordnungen, durch Einführung von Beichtzetteln und Beichtregistern u. s. w. suchten die weltlichen Behörden die Ehrfurcht vor den hl. Saeramenten zu erhöhen und das Volk wieder an deren Empfang zu gewöhnen. Indem Erzherzog Ferdinand die sieben Bilder der Zwischenspiels an die sieben Werke der Barmherzigkeit anknüpft, den reuigen Sünder und den Gerechten im 2. und 3. Acte von den hl. Saeramenten in das Jenseits geleiten lässt, stellt er sich auf den streng katholischen Standpunkt gegenüber der akatholischen Lehnneinung von der alleinseligmachenden Kraft des Glaubens, wie sie z. B. in Naogeorgs Mercator und in den Dramen der 2?terym«n-G ruppe zum Ausdrucke gelangt; ebenso, wenn er im 2. Acte die Seele der verstorbenen Frau im Fegfeuer von einem Engel trösten und diesen sagen lässt, dass sie das Messopfer und das Gebet der ganzen Christenheit endlich erlösen werde, oder, wenn er im 8. Act die Gottesmutter als Fürbitterin einführt. (Vgl. Einl. z. Sp. r. h. XLIV ff.) An seine Bemühungen, das Ansehen der Kirche und ihrer Diener zu liebon, erinnert eine Stelle im 1. Acte (S. 42(i—29), wo unter Bezugnahme auf das folgende Gespräch des reichen Jünglings mit seinem Hofgesinde und die Unterweisung des Einsiedlers der Grundsatz ausgesprochen wird, das ain jeder, zuuorams ain Junger Mensch, nichts für sich selbst, sondern mit rath vnnd euvorderst der Gaistliehcn, als denen von Gott vil ge-hainmwsen vor anderen geoffenbaret worden, h an dien vnd schliessen solle, Aber Religion und Kirche lagen Erzherzog Ferdinand nicht allein am Herzen, sondern auch die Erhebung des Volkes aus tiefem sittlichen Verfalle. Er hatte gewichtige Gründe, den Ainsidel Hoffart, Unsittlichkeit, Neid, Geiz, Wucher, die Bestechlichkeit der Beamten, Faulheit, Gefrilssigkeit u. s. w. geissein zu lassen. Denn Hand in Hand mit dem Schwinden der Religiosität und dem Eindringen reformatorischer, sozialistischer und communistischer Ideen war ein grenzenloser Verfall der Sitten gegangen, der sich in der Nichtbeachtung des Eides, in übertriebenem Luxus, Arbeitsscheu und in einer ungeheuerlichen Zech- und Fresslust kundgab. An dieser namentlich krankte damals alle Welt, und die Noth der sechziger und siebenziger Jahre des 16. Jahrhunderts hatte in Tirol nicht zum mindesten auch in ihr und nicht in den schlechten Ernten allein ihren Grund (Hirn T 48(5). Daran müssen wir denken, wenn der Ainsidel den Sccrctari und Schreibern Faulheit und übermässige Neigung zum Wohlleben vorwirft, und wenn wir vom gefrässigen Knecht im 4. Act unseres Dramas von den vielen Speisen hören, die er während des Tages verzehrt. Das köstliche Bild, welches der Ainsidel von der Hoffart entwirft, trifft gleichfalls eine ganz allgemein gewordene Unsitte: cs muesz alias doppelt Seiden au ff Seiden, das geringer vber das Costlicher als Seiden eher Guldenstuck vnd dermassen zerstochen vnd zerschnitten sein, damit man nur genueg verschwenden vrul hernach die Claider, wann sg schon nit abgetragen, nichts mehr nutz sein lcünden. Die Ketten lcünden nit grosz vnd schwer, die Cragen oder Kresz (= Krause) nit lang genueg sein, da man wol ausz ainem ain gantz Hemmat machen künde, da thuet mun allerlag scltza/me Klaidung, llüef, Pareth, Bück vnnd Schuech erfinden, die Part vnd Haar müessen auff mani-cherlag weisz gemacht, gepifft (v. püffen — kräuseln, frisieren. Grimm VII 2210) vnd gczigelt (= gebrannt) werden, da sicht ainer ainem Affen, der ander ainer (Jaisz, der drit ainer Laruen vnd dardurch mehr ainem götzen als ainem menschen gleich, darunder dann die Frawen vnd Junckfrawen, die mit diesem Laster der Hoffart mehr als die Männer befleckt seirul, auch begriffen (Sp. v. h. ID). Auch gegen diesen allgemein herrschenden, masslosen Luxus, sei cs im Essen und Trinken oder in der Kleidung, wurden Verordnungen erlassen (Hirn I 480). Und wie viel Ärger verursachte dem Erzherzog die Bestechlichkeit der Beamten und Diener! Sein ganzer Groll kommt in den Worten zum Ausdruck, mit denen der Ainsidel dem Treiben dieser Leute zuleibe geht: wenn einer in seines Herrn Gnaden sich befinde, seien gleich ihrer zwanzig da, die alles aufböten, um ihn daraus zu verdrängen, und die sich um den Nutzen dos Herrn nicht kümmerten, darause dann eruolgt, das sy jrcr Aid vnd P/licht vergessen vnnd darnach ohn alle scheuch Schanchungen Einncmen, sich Schmieren lassen, gleich wie der Fuermann das Rad tvellicher dann besser Schmirbt, der kompt bälder fort, und wenn die Secretari vnnd Schreiber zu Morgens in die Cantzley gehen vnd jre Prachssen (=± Brachsen, eine Art säbelähnlichcr Hippe; verächtlich: Säbel, Schwert. Schmeller, Bair. Wörterbuch I 344) herumb-schwingen, -wüssten sic nicht, wie sic stolz genug auftreten könnten, silhen sie aber au ff' dem Marckt vor jhnen die gueten Schnappissen (aus mhd. snaben — unserem schnappen, schnabulieren, und mhd. biz = unserem Bissen) hangen, darnach jhnen das Maid wässert, so hätten sio keine Ruhe, bis sie dieselbe in jr Kuchen gebracht, und reiche die Besoldung nicht aus, so seyen die Partheyen, so solches merclien, vor der Cantzley verbanden, warten fleissig auf, wollen geren vor den Armen befördert werden, alszdann geht es an ein schicken in jre heuser, wann anderst etwas gucts auff dem Marckt verbanden, dardurch dann die Armen gehindert vnd die Reichen vor jhnen befördert mnessen werden, vnange-sehen das dieselbigen das warten besser als die Armen vermöchten (Sp. v. h. 22 ff). (Vgl. Hirn i 472). Das Volk Tirols der alten Kirche zu erhalten und es aus seinem tiefen sittlichen Verfalle wieder emporzuheben, betrachtete Erzherzog Ferdinand während seiner dreissigjährigen Regeutcnlaufbahn als seine vornehmste Aufgabe. Aber politische Gründe leiteten ihn nicht allein, wenn er, um auch durch sein Beispiel zu wirken, in allem, was äussere Bethätigung kirchlichen Sinnes, genaue Erfüllung und Beobachtung geistlicher Formen betrifft, vorangieng und veranlasste, dass keine religiöse Ceremonie vorübergieng, die man bei Hofe nicht mit einer dem Volke imponierenden Würde und fesselndem Glanze gefeiert hätte, oder seinen kirchlichen Sinn auch durch grosse Verehrung der heiligen Orte, Wallfahrten u. s. w. bethiitigte (Hirn I 2(i4 ff) und sieh durch den Mund des Einsiedlers begeistert über einen Besuch des heiligen Grabes ausspricht (Sp. v. h. 17). Vielmehr wurzelte Erzherzog Ferdinands religiöse Überzeugung fest im Boden des alten Glaubens; er war auch im Herzen ein grandissimo cattolico, wie ihn der venetianisehe Gesandte einmal nannte (Hirn I 1G2). Der Inhalt des Speculum vitae humanae bekräftigt nur, was der Erzherzog 1580 zum Abgesandten des Bischofs von Brixen sagte : du solls wissen, dass ich ein katholischer Fürst bin und mit got-teshilfe bleiben will, cs könnte mich auch gott höher nit strafen, als dass er von dem katholischen glauben mich Hess abfallen, deshalb magst du den Herren von Brixen anzeigen: wo sic zur Erhaltung der katholischen Religion meiner hilf bedürftig, dass sie mich nit sparen; dann ich, so stark ich bin, die Kirche eu defendiren gesonnen und sollt es auch mein blut kosten (Hirn I 162). Auch mit der Betonung der sieben Werke der Barmherzigkeit ist es Ferdinand heiliger Ernst; denn es konnte ihm, der nicht nur gegen seine Freunde keine Grenze in der Freigio-giebigkeit kannte, sondern auch für wahrhaft Dürftige eine allzeit offene Hand hatte, nicht entgangen sein, dass es in seiner Zeit auch mit der Bethätigung des Wohlthätigkeitssinnes sehr übel aussah (Hirn I 75). Überhaupt treten im Spcculum ritne humanae die Neigungen, Anschauungen und Bestrebungen, kurz die ganze Individualität des erlauchten Verfassers so kräftig hervor, dass sich das Drama wie eine grosse Confession liest. So gewinnt die Hervorhebung der Thatsache, dass sich gerade jene jungen Leute, denen von Gott und dem Glücke am meisten geistige und materielle Gaben verliehen, nicht um die Wohlfahrt des Vaterlandes kümmerten (Sp. v. h. 5), und des Hofmeisters trefflicher Grundsatz : dann ain fein ding ist, wann ain Herr seine vn-derthanen vnd die Vnderthanen jren Herrn erkennen lernen, dadurch baider lieb vnnd vertrawen gegenainder wachsen erst volle Bedeutung, wenn wir des Verhältnisses zwischen dem erzherzoglichen Hof und dem Tiroler Adel gedenken. Ferdinand wünschte nicht nur, diesen an sich heranzuziehen, um dadurch den Glanz seines Hofes zu vermehren, sondern er hätte auch gerne die obersten Beamtenstellen mit den Tüchtigsten aus dem Adel des Landes besetzt. Aber man suchte sich vom Hofe fernzuhalten, weil das Leben an demselben mit zu grossen Kosten verbunden war; und dies war wohl geeignet, den Regenten umsomehr zu verstimmen, als er selbst die grösste Fürsorge für den Adel an den Tag legte. Auch unkriegerisch war damals der grösste Theil der Tiroler Edelleute, während der Erzherzog von sich selbst sagen konnte, dass er kriegerisches Thun allzeit für seine rechte profession gehalten (Hirn II 3 ff u. 505). Dies lässt auch begreiflich erscheinen, dass der Ainsidel so lange bei der Schilderung des Kriegswesens verweilt und nicht nur sachgcmässc Kritik übt, sondern auch die positive Forderung aufstellt: ein Kriegsmann solle alle Chargen durclimachon und erst — ganz abgesehen von den andoren Kriesämbtern als Schulthaise, Wacht-ntaistcr, Quartiermaistcr, Prof ose, Prouiantmaister vnd dergleichen — ainen Hackenschützen, Doppelfolder, Furier, Waibcl, Veldwaibel, Lente-nambt, Fendrich, Haubtmann und Obersten Leutenambt abgeben, bisz er gar eu ainem Obersten tverde. Zeitgenössische Beobachter heben einstimmig Ferdinands soldatisches Wesen hervor. Dem Gesandten Michiel erschien er gane Soldat, ganz deutsch, freimiithig, kein Freund von Förmlichkeiten (Hirn II 153 ff). Dennoch war er friedliebend und berührt in seinem Schauspiele mit derselben Aufrichtigkeit die Leiden, welche eine wilde Soldateska Uber ein Land lieraufbeschwürcn kann — Tirol und die Vorlande hatten während seiner Regentschaft wiederholt unter den Durchzügen spanischer und anderer Truppen, die wie in Feindesland hausten, zu leiden (Hirn I 657 fl') —, wie er über die Schattenseiten des Hoflebens die ungeschminkte Wahrheit sagt, trotzdem es ihm darum zu thun war, den Tiroler Adel zum häufigeren Besuche des Hofes anzuregen. Das Lob des ßeiselebens als eines besonderen Standes klingt uns zwar für das 16. Jahrhundert etwas befremdlich, doch Erzherzog Ferdinand machte selbst gerne weitere Reisen (Hirn H 518). Ganz selbstverständlich aber wird im Speculum vitae humanac der Ehestand jedem anderen vorgezogen. Ferdinand war ja selbst, solange Philippine Welser lebte, der glücklichste und zugleich musterhafteste Gatte und liebte es auch, heirathslustigen Edelleuten reiche Bräute zu verschaffen (Hirn II 3). Nach dem Tode der Welsorin giong er wieder auf die Brautschau und zwar aus demselben Grunde, den der Hausmeister im 1. Acto dem Jüngling gegenüber für den Ehestand geltend macht: zur Erhallumj seines Namens und Stammes, damit ihn nicht einer beerbe, der weder danclc dir Gott noch Gnad dir Gott sage, sondern sich vielmehr auf seinen Tod freue, darmit Er nur zu den schönen Güetern vnnd lieichtmnb kommen möchte (Sp. v. Ii. 8 fl'). Denn der Umstand, dass ihm nicht seine Söhne aus der Ehe mit der Welserin folgen konnten und seine Neffen vielleicht auf seinen Tod lauerten, schmerzte ihn tief (Hirn II 50(J). So ist Speculum citae humanac in mehr als einer Hinsicht ein Spiegel dos menschlichen Lebens. In der Tendenz zu belehren, zu bessern und im Glauben zu stärken, führt uns der Verfasser nicht nur die verschiedensten Erscheinungen, welche das Leben seiner Zeit darbot, vor Augen, sondern gestattet uns auch einen Blick in seine Eigenart, in sein Denken, Fühlen und Streben, und dies in einem Masse, dass nach der Meinung Jacob Minors (Einl. z. Sp. v. h. XLIII) in keinem anderen Drama des l(i. Jahrhunderts neben den typischen so auffallend scharfe individuelle Züge hervortreten, wobei freilich mit dem Umstande gerechnet werden müsse, dass uns von den Persönlichkeiten und den Verhältnissen der Dramatiker des 16. Jahrhunderts wenig so genau bekannt seien wie die unseres Dichters. Niemand konnte berufener sein, das Hof- und Kriegsleben jener Zeit, das Treiben der Beamten u. s. w. zu schildern als der Regent Tirols in den Jahren 1564—1594. Denn Erzherzog Ferdinand hatte bereits ein bewegtes und an Erfahrungen aller Art reiches Leben hinter sich, als er sein Drama schrieb. Und um so mannigfaltiger und umfassender waren jene Erfahrungen, da er nicht ein Mann war, der sich vom Leben fernhielt, jeder Berührung mit dem Volke aus dem Woge gieng und die Regierungssorgen anderen überliess, sondern im Gegentheil als eine durch und durch gesunde, mit einem offenen Blick und dem regsten Interesse für alles und jedes ausgestattete Natur selbst überall nach dem Rechten sah, gern unter dem Volke weilte und sich an seinen Gebräuchen ergötzte, ja selbst öfters Bauern zu Spielpartnern hatte (Hirn II. 511). Überall begegnen wir daher im Speculum vitae humanae — neben dem wahrhaft frommen, gläubigen Sinn des Verfassers — gesunden Lebensansichten, grösser Welt- und Menschenkenntnis sowie einer überraschenden Selbständigkeit und Objectivität des Urtheils, die es Erzherzog Ferdinand ermöglichte, selbst dort, wo seine Neigungen und Vorurtheile mitsprachen, neben den Lichtseiten auch die Schattenseiten zu sehen. Die Sprache im Speculum viiac humanae ergänzt das Bild unseres Dichters. Sic entspricht im ersten und letzten Acte der ganz hilflosen Form unseres Dramas. Der Jüngling beginnt seine an die Diener gerichteten Fragen und Zwischenbemerkungen meist gleichförmig mit Lieber Hofmeister, Stallmeister u. s. w., während er den Ainsidcl mit Lieber Vatter, Mein lieber alter Vattcr oder auch wohl mit Lieber alter anredet während die Diener ihren Herrn Gcnediger Herr titulieren und der Ainsidel diesem gegenüber das vertrauliche Lieber Sohn gebraucht. Selten wird direct auf die Sache eingegangen; bei den längeren Reden werden gewöhnlich erst einige Vorbemerkungen gemacht, auf früher Gesagtes Bezug genommen u. s. w. Auch sonst macht die Sprache vielfach den Eindruck der Breite und Schwerfälligkeit. Die zahllosen Tautologien und Pleonasmen bekunden zwar eine gewisse Sprachfreudigkeit, aber sie sind häufig doch recht absonderlich und ermüden zuletzt. Eine kleine Blutenlese wird genügen. 1) Eingliedrige Formeln: erlaubt vnnd ver-qundt 8ß. rath nid guetbeditncken 05. genueg vnd vberflüssig 083. vnterthenig vnd (/(horsamUch 8ö. flueclien vnd Gotteslesterung 11*25. verthuen vnd verschwenden 125 Haubt vnd Veldschlachten 147. mit gueter rhite vnd gewissen 1027. geziert vnd geehrt 1825. leut vnd vnterthanen 2121. geschunden vnd geplagt werden 2122. herausbringen vnd pressen 2228. llöslcin vnd Blüemlein 2421. Vieh vnd geuögcl 205. vbertriff't vndhinwigt 2915. verschlunget vnd ertrencJcet 2918. die anlauff vnd stürm des bösen Feinds 304. weder glück noch hail 305. bchertzt vnd männlich 454. bisz an sein End vnd letzten Athen) 4520. wolfart vnnd gesandt 4021. so der laidige Sathan — anricht vnd stifft 5129. Sünden vnd missethaten 5224. Uuetdurst vnd Tyran- ney 5322. zum ewigen Leben geraichen vnd kommen 5438. ewig vnd ohne vnderlasz 541\. stat vnd rauinb 54iö. doch toöllen wir euch aufferlegt vnd befohlen haben 55l2. allen bueszfertigen vnd bekörten Sündern 5516. Geschlecht vnd herlcommen 5619. lassen vnd meiden 5935. 2) Drei- und mehrgliedrige Formeln: gemartert, gepeinigt vnd gestorben 1730. ain Fuchs3sr.hwant.rer, ohrenblaser vnd fürtrager 2217. grossen mangel, auch liunger vnd not an täglicher Narung leiden 277. tieffe vnermeseliche rnd grundtlose demuet 2917. glück vnd hail vnd die ewig Scligkait 415. das eilende, erbärmliche rnd siindliche wesen 5125. das gelobt, hochgeehrt vnd gepreiset werde 524. seuffzen, bitten vnd flehen 538. gnad, verzeyhung, hülff, trost vnd rettung finden vnd erhalten 537. hoch, lieb, werth vnnd angenemb 5414. Viele solcher Formeln sind auch heute noch Gemeingut : ains vnd anders 732. leiben vnd leben 1617. Bew vnd Laid 1934. lüst vnd renck 21 io. sterben vnd verderben 2120. mühe vnd ar-bait 29io. schand vnd spott 2911. loben vnd preisen 32il. angst vnnd not 3514. schütz vnd schirm 5430- Erzherzog Ferdinands Stil unterscheidet sich auch hier nicht von dem der übrigen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts, z. 15. Luthers (vgl. Lehmann, Die Sprache Luthers, ferner Rückerts Geschichte der nhd. Schriftsprache II 130 fl'). Dazu kommen noch die der Sprache dos 16. Jahrhunderts allgemein anhaftenden Schwächen des Satzbaues, Anakoluthien u. s. w., die auch unser Drama stellen-weiseganz ungeniessbar machen. Dafür entschädigt ein gewisser, Erzherzog Ferdinand auch im Leben eignender, sarkastischer Humor und ein treffender Mutterwitz, namentlich in den Reden des Einsiedlers, wie in dem über die neidischen Diener und über die faulen, stets begehrlichen und bestechlichen Schreiber Gesagten oder in jenem Bilde, welches der Einsiedler von der Hoffart entwirft. Fein ist die Sprache unseres Dramas allerdings nicht, vielmehr lässt sie an kräftiger, derber und ungeschminkter Ausdrucksweisc nichts zu wünschen übrig. Bezeichnend ist, dass keine der auftretenden Personen den anderen darin etwas naeh-gibt. Wenn der Jüngling den Secretari mit den Worten abfertigt: Du farst mit deinen Itathschlegen hinein, wie ein Saw in Trog, so klingt dies kaum zarter, als wenn der gefrlissige Knecht am Schlüsse des 4. Actes die von seinem Herrn bewirteten Sani mehr erschreckend denn aufmuntornd anfährt: Ey, so fresst, das Euehs hertz abstosz, jr losen Schelmben! Die Sprache des Einsiedlers ist nicht anders geartet und gemahnt ganz an den drastischen, farbenreichen Ton des Volkspredigers, wie in den Schilderungen des Hoflcbcns und der Hoffart oder in der originellen Parallele zwischen einem geizigen Kaufmann und einem geizigen Hunde: kommt der Geizige in Gefahr, als durch Krieg oder Brunst (— Feuersbrunst), so nimbt er sowil er Jean ertragen seines gelts zue sieh, schlepts mit jhm hin vnnd wider, wie ain geitziger Hund, so ain stück fleisch in dem Maul tragt, rnd darf es nit niderlegen ausz foreht, das jme ain anderer das nemen möchte (Sp. v. h. 21). Dieser gerade nicht immer anmuthende Stil ist natürlich nichts weniger als individuell. Es ist der völlig dem allgemeinen Charakter seiner Zeit entsprechende Stil des 10. Jahrhunderts. Man denke nur an die ganz urwüchsige, vor keinem Ausdrucke zurückschreckende, ungebändigte Kraftsprache Luthers in seinen Streitschriften oder an Fischarts unvergleichliche Wortfülle. Die zahlreich eingestreuten Sprichwörter vermehren den volksthümlich lehrhaften Charakter der Sprache Ferdinands : der so Rath hegert, dcmselbigen sey zerathen, vnnd der sich aines gneten Jlathes heit, demselhigen es wol rnd glücklichen von statten geht 58; vil sollten rathen, aber nur ainer sehliessen 6g. ain jeder Vogel singt sein Gesang <»11. den spott zum schaden haben 1222. die lieb "kamen gesellen leyden will 2125. wellieher dann besser sehmirbt, der koiupt bälder fort 2124. so am lieichisten sein, stellen sieh am Er-misten 3f)6. es sey guet hinder dem Zaun zehandlen 49l3. Wittib guet fmdt selten ain Mann nach jrem mußt 592. Die gewonheit — die ander Natur <>023. Du farst mit deinen liathschlcgen hinein wie ein Saw in Trog 632) (s.o.). Desgleichen die vorkommenden fabelartigen Elemente: so jene Parallele zwischen dem geizigen Kaufmann und einem geizigen Hunde, ferner eine Stelle im 2. Acte (S. 27), wo die ItraneJc Weibsperson dem sie besuchenden Priester dafür dankt, dass er als ein trewer Hirt das irrende, verfüerte rnd vom Wolff schon halb zerbiszne vnnd zerriszne Schüft ein besuche. Mit der Sprache des Volkes hat Speeulum vitae hu-manae ferner die Vorliebe für Deminutivbildungen und das Wörtchen fein gemein. An Bildlichem erwähne ich : als die gantze Welt vbertrifft vnd hinwigt ain läaincs Sonnenstäublein 2916. so beduncJct mich, es seye mein hertz ganz vnnd gar anznndt 1713. lase — die liebliche Sonne deiner JiarmhertzigJcait herrlichen scheinen 53.3. u. Ä. Die eingelegten, im einfachsten volkstümlichen Tone gehaltenen Lieder, den Gesang der Pilger am Beginne des 4. Actes und den lateinischen Lobgesang der Engel am Eingang und am Ende des ganzen Stückes, dem jedesmal die deutsche Übersetzung boigefügt ist, hat Speeulum vitae humanae mit jenem oben erwähnten Gespräch. So bey irer fürstlichen Dureh-leuehtigkeit Ertzhcrtzg Ferdinanden — gehalten ist worden gemein (Einl. z. Sp. v. h. XLVIH) Aus allem leuchtet hervor, wie vertraut der Vorgänger des Herzogs Heinrich .Julius von Braunschweig mit der Sprache dos Volkes war. Fassen wir nun noch die lautliche Form, die Flexion u. s. w. der Sprache Ferdinands ins Auge. Unser Denkmal gehört der von Scherer als das Frühneuhochdeutsche (Renaissance) bezeiehneten und durch das allgemeine Überwuchern der Dialecte charakterisierten Übergangsperiode vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen an, die um 1350 etwa beginnt und gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts zum Abschlüsse gelangt. Als Speculum vitae humanae entstand, war die von Luther geschaffene Schriftsprache von Mitteldeutschland (Sachsen) aus bereits auch nach dem Norden-und Süden vorgedrungen. Doch verhielt man sich in den katholischen Ländern begreiflicherweise anfänglich ablehnend gegen dieselbe, bis die Jesuiten das Werk der Gegenreformation in Deutschland in die Hand nahmen und es vortheilhaft fanden, sich auch der Sprache Luthers als Waffe zu bedienen, wobei sie dieselbe allerdings nicht sofort völlig annahmen, sondern zwischen der Sprache Luthers und der neben ihr noch unabhängig bestehenden Gemeinsprache zu vermitteln suchten. Am Anfänge des 17. Jahrhunderts ist die Bewegung noch in vollem Gange ; erst während des dreissigjährigen Krieges dringt das neue Schriftdeutsch vollständig durch. Erzherzog Ferdinand II. von Tirol ist also zu jenem Schriftstellerkreise zu rechnen, in welchen die Sprache Luthers nur langsam Eingang fand. Daher sind im Speculum vitae humanae Elemente des bairisch-österreichischen, beziehungsweise tirolischen Dialectes noch vorherrschend. Doch ist vielfach schon durchaus die neue schrifthochdeutsche Form anzutreffen, während bei manchen Wörtern das Alte mit dem Neuen ringt und bald die ältere, mundartliche, bald die neuere, schrifthochdeutsche Form erscheint. Im Folgenden habe ich unter steter Berücksichtigung der älteren, beziehungsweise mittelhochdeutschen Sprachformen das gegenwärtige Schriftdeutsch zur Grundlage genommen und mich dabei wegen der chaotischen Schreibung auf jene Fälle beschränkt, aus denen sich eine unzweifelhafte lautliche Verschiedenheit ergibt. Yocalismus. In der Übergangszeit hatte an der weiteren Gestaltung der Sprache dio Vernachlässigung der Kürze und Länge der Vocale einen wesentlichen Antheil. Der in der mittelhochdeutschen Periode bei der Aussprache der Stammsilben beobachtete Unterschied machte einer gleiehmässigen Verlängerung der Stammvocalc Platz. Diese gieng Iland in Iland mit der fortschreitenden Abschwächung und Abschleifung der Vocale der Endsilben, die auch jetzt noch nicht zum Stillstände gekommen ist. Die alten Kürzen verschwanden daher his auf wenige Falle, andererseits trat zur Stütze des Tones Verdoppelung des nachfolgenden Consonanten ein. Diese Erscheinungen treten uns auch im Speculum vitne humnnae entgegen. Wie überhaupt im Neuhochdeutschen ist auch hier die Länge des Yoeales meist gar nicht bezeichnet, in den seltensten Fällen durch Verdoppelung, öfter durch Dehnungs — h. Bis in das 17. Jahrhundert hinein ist die Verdoppelung von c verhältnis-milssig besonders häufig. Der Besonderheit wegen erwähne ich hier vorangestelltcs Dehnungs — h: denjhenigen 142, demjhenigen 2334, jhener 235(i 32ö, Jhcsus 2520 u. Jesus 2523, rhuc 415 4328, jhe 439 <>2:24. Über zur Stütze des Tones eingetretene Verdoppelung des nachfolgenden Consonanten vgl. (Konsonantismus. aa: Faal 5221 (der bairischen Mundart heute noch geläufig für Fehler wie falcn für unser fehlen; Schindler I. 702). a für früheres n, ä, cc,e, später «: Manliche <>32, männlich 454, Ohrenbläser 2217, fürtrager 2218, hangen 2237, spat 2312, gef rassig 394; gcfahrligkai-ten 1510 u. geführtigkeit 177, ungefährlich; hoffartig 50lö u. hoffertiger 00*14. a für e: Schanckungen 2223 (mhd. auch schanckung). a für früheres ä, später (syncopiertes) c: samattins 2(531 (mhd. samätin). a für o: dar ab 1023. e für früheres e, später i: Fettichen 418 (mhd. vetache, veteche, vi- teche = Fittich). e für früheres e, a, später a: senfftmüetigkait 55lö, senffter 3431. e für a : Nachher 342-2 3(>8 4327 Nachherschaft 3532. Das zweite e in geren 82 234 (mhd. gerne, gern) ist ein svarab-haktischer Vocal. S. 4524: gern. e für ei : Eimer 34f> (mhd. Einher, cimber, nhd. Eimer); vmh das menig kämmen 377. i für früheres /, später e: guldine 372. i für früheres t, später ei: grine sg 0031 (= greine, schelte sie). i, später u : hewisst 2818 (nach dem mhd. gewinnen, später gewisset, 2. Part, von wizxcn). o für früheres o, später u: Gottesforcht 1231, forcht 1721, Gotts- forehtig 5621. Aus älterem u gebrochenes o für den mhd. und nhd. Umlaut von u: Günstiger Herr 4<‘>12 (mhd. günstec, nhd. günstig). o für früheres n, später ö: vergönnen 2127. Audi Opitz hat noch vergönnen (Kehrein I. 47). o für früheres o, ö, später ö: offenlicli 2115, Gastlicher 1919, köstlich 5328. o für früheres o, ne, später ü: Persönlichen 18:23. Das o in zuvorderst 427 entspricht früherem o und späterem ö. getrost 2881 32a mit <"> für früheres n>, ist 2. Particip des mhh. treusten, unser getrost mit o für altes o 2. Particip von trösten. o für früheres e, e, e später e: verhörten 3l‘J (mhd. heran), 'hören 129, behörten 55i7, verhört (5022, erwohren 2432, bewögen 25, 32ic, bewögt 4m 5, bewögung 5331, erschröchlichen 2135, 2813, auserwölte 322, erwölet 5214. ö für früheres ü, Umlaut von u, später ü: bedörfftig 313 u. bedürftig 13ß, 4125. u für früheres u, später ö (im Dialect auch u): vergunnen 50lö und vergönnen 2127 (vgl. o.). u für früheres w, später o (im Dialect auch u): druchne .1625, Sun 17-1 2920 3034 3131 52i3 547 u. Sohn 112 13n 189 242 526. u für früheres u, später ü (auch hei den schlesischen Dichtern des IG. u. 17. Jh. häufig. Kehrein I. 56): Günstiger 50lö (s. o.); bekümmern 436 3612, hummer dich nichts 332 u. hümbernusz 62ll; be-duncht 1718, duncht 1735 3431 507, guetbedunchen 65, nützlich 5i7, Kuchen 2239, die euehunfftige nacht 362; Stade 39io. Die Schreibung für den u — Laut ist it, v. Das Schriftzeichen 0 begegnet immer im Anlaute. Ich fand obel 1036 247 342 415 49io 5912, vbelthäter 5327; ferner vber in allen seinen Ableitungen und Zusammen-mensetzungen. Auch Weinhold (Dialecte 54 u. 55) belegt u für ü in: ober, vbrig und vtbei. Noch der jetzige Dialect bestätigt, dass u gegen den Umlaut besonders durch Liquidac und Gutturale geschützt wird. In dem zu den XIII eommuni gehörigen Ghiazza wird jedes ü vermieden und selbst Mul, Tur, ubel gesprochen; das italienische wirht liier ein (Wcinhold, Bairische Grammatik 43 u. 44). ü für früheres ü, später ö (im Dialect auch ü): Künige 418, be-fürdern 1321, befürdert 23 t; Vcrmügen 17, 3(511, vermügens halben 474, vermiiglich 207 568 572, müglichen 262, müglich 3526, vermüg 2723. Dieses ü ist in den gebrachten Belegen im 15.—17. Jahrhunderte ganz allgemein (Kehrein I 57 ft'). ü für früheres w, ü, später 0 : ahgesündert 1015. trüchnet 2937 (v. mhd. trüehenen, truchenen). Unechten Umlauf zeigt zethün 48]3. ü für früheres uo, üe: anrüffet 5121. Im Zillcrthal und Stubai ist üe für früheres uo, später u herrsclind (Weinhold, liair. Gr. 108). ü für früheres i und ü, später i: fündt 95 (S. 2111: fmdt), würcJcen 44-27. Endlich sei noch das ü in Gegenwürtigkait 1823 (mhd. gegenwurt = Gegenwart) erwähnt. ai, ay; ei, cy. ai ist schon im Gothischen häufig, wird aber bereits in der althochdeutschen Periode stark von ei verdrängt. Im 13. Jahrhundert entstand ein neuer Diphthong, die bairische Gunierung des i, die in der Regel mit ei bezeichnet wurde, während man für den alten Diphthong zur Schreibung ai zurückkchrte. So erscheint ai namentlich in den bairischcn und österreichischen Quellen seit dem 13. Jahrhundert wieder sehr häufig. Auch in unserem Denkmal steht ai in der lvegel für mhd. ei, ei für mhd. i. Die Grammatiker Henricus Schöpsius und Johann Bödiker hielten dafür, dass ai und ei im bair.-österreichi-schcn Dialect verschieden ausgesprochen werden (Kehrein I 68). ai für früheres ci, später a: zwaintzig 2214. ai für früheres ölt, später eu: fraidig 735 lb32. cy für früheres ?, später ie: Varadcysz 5221. au, aw, für früheres ou, später äu: verlaugnet 219, ain Christglau-biger Mensch 4424, das gläubige — Gebelt 53ö, die vnglaubigcn 5322, di-ser gläubigen — Schaar 5429. eu, civ, für früheres iu, später au, mundartlich auch eu: Burch-leuchtigist (mhd. durhliuhtcc) 32, heivcn liOü (mhd. Jciuwen = hauen), ferner vertraulich 1031. ie als doppellautliche Dehnung des i ist im Oberdeutschen mundartlich vor h und r häufig und kommt in alem. und bair. Quellen sehr früh vor (Weinhold Bair. Gr. 1)2 ff) Unser Denkmal hat: llauszwiert-schaft 822, Wiertheusern 1423. ie (für mhd. üe, später schrifthochdeutsch ü, aber mundartlich gleichfalls üe) in geiebte Werde 55(3 ist aus der Schreibung i für ü zu erklären (s. u.). ue, der Übergang vom mhd. uo zum nhd. u, ist in bair.-österr. Schriftstücken bis in das 18. Jahrhundert hinein nachweisbar und in den oberdeutschen Mundarten heute noch allgemein. Ich belege: genueg 436, genuegsam 11«; Mueter 52 385; muet 526, vbermuet 28s, de-muet 2917, zuuermueten 44io; rhuem 5i«, guet 104, fluechen 1125, fluech 5327; Bruederschaft 1130, B nieder 3810; im Lueder ligen 1138; Hudler 5830; darzue 1314, zuesprechcn 1439, zucstellen 43l4; rhue 1026 4115, Schuech 1927 2(>S; Buesz 1939 2920, buessfertig 2935 u. s. w.; Almucsen 2020 403 4124, Wuecher 2024; fiter 25iö, schuc/f 25io; Farfuesz 2Ü9, Fuesz 50io; gluet 283, Bueten 38c, Muesz (ahd. müs, mhd. muos, eine breiartige Speise) 398, grncsz 4213; bluetdurst 5322, Bluet o328* Daher auch überall üe fiir früheres üe und späteres ü: Güetern 436, benücgcn 523, Mieten 534, »messen 027, Büechcr 94, Grücsz dich 920, füetern 1028, eingepüest 123, Bxüedcr 1320, betrücben 144, rhiiemben 1817, füeren 1829, gernüct 2020, Blücmlein 2422, Filessen 2936, verfliegen 3824, berüeren 4322, Tcüclen 47g, trüegen 5112, grüeblein 0123. üe für früheres uo, später u (im Dialect auch üe): rhüebiger 1828. üc für früheres uo, später ü : liücberey 3831 (mhd. buoberie). üe für ü: gcflüegel 418, ausäspücren 2120, darücber 13i. üe für früheres üc, später ü (im Dialect üc, ic): vngeücbte 1322, geliebt 1431 und geübt 1331. üc für ic: verdrüessen 0020 und verdricsscn 26ö. üe für früheres ü, später ö: vermüegens 127. Consonantismus. 1) Lippenconsonanten. b, p. Nach langem Kampfe gewinnt im 15. 10. Jahrhunderte p gegenüber b im Anlaute die Oberhand. Im 17. Jahrhundert aber wird p im Anlaute wieder dauernd vom gemeindeutschen b verdrängt. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts herrscht Schwanken. mb, mp früher mb, mp, später m, mm: vmb llsi, auch in allen Zusammensetzungen; ferner lerumb 713 und lerump 3231 3321 3427, lamb 713 3281 3322 3426, etwas hrumps 3724, je lcrümper je tümper 582; Ampt 821 (mhd. ambahte, Nebenformen: ambchtc, ambet, anibit, ammet u. s. w.). mb, mp, früher und später m, mm (mundartlich mb): nemben 1235 und nemen 187, auch in den Ableitungen und Zusammensetzungen; komb 712, Jcombt 931 und kommen 9i 13s 2312; frembdc 727; Ilcichtumb S)i 118, Ilcichtum-ben 1318; zimblich 99 34ö ÖO13; sambt und sampt 10l8 2315 4118 5112; hochbcrücnibt 13if>, rhüemben 1S17 ; angenembs 1827, angenemb 5414 0027 und angenemes 54-17 ; vnverschänibten 272. schämb dich 273; hiniblische 32s 414; samblen 3432 351; Pilgramb und Iiilgramb (mhd. pilgenm, pilgerm) 3731 381 394 und Pitgram 3821; haimb 429 0324, daheimb 4225 und daheimen 4221; vcrdamblichen 52l; raumb 54i8; fromb 5532 504; armb 6120. mb für n: Lcutenambt 1320 1432. b für früheres w: schneiben IO7 (mlul. snnven, nhd. schneien); rhüebiger 1828 (mhd. ruotcec, ruowic; dialectiseho Formen: ruewig, rilewig). f, v, u. f und v wechseln aus — und inlautend miteinander. Der im 8. 9. Jahrhundert aüfgekommene Brauch, /' im Anlaute durch v vertreten zu lassen, ist schon seit dem 12. 13. Jahrhundert allgemein geworden und lebt auch im Neuhochdeutschen, wenngleich sich vermindernd, fort (Weinhold, liair, Gr. 135). In unsorm Drama begegnet anlautend öfter v als /'. Auch u steht für früheres v und späteres /'•' beuolhnen 821, bcuolhcn 2712, beudheu 425, Auffallend ist v für b in Varmhcrtziglcait 33 m, während dieses Wort sonst nur b zeigt: Barmherteigkait 490 5920. Dieses« hat darin seinen Grund, dass bei flüchtiger Aussprache zwischen tz und ts kein Unterschied wahrzunehmen ist. Daher auch ts für früheres z und späteres tz: der letstc 53, letstlichen 14t, zuletst 3510, au ff die letst 4433, letstlich 0833. Dagegen entspricht tz in scheutelich 5013 noch dem alten Affricatdiphthong z. r, rr. Assimilation von rn: souerr 29io und so ferr 2921. Schon mhd. wurde rn in verne von den Oberdeutschen gern assimiliert (Weinhohl, Mhd. Gr. 177). n. Hier sei Jungcnt 432 (mhd. jungent) und Jugcnt 6]3 hervorgehoben. Ausfall von inlautendem n infolge starker Näselung zeigt leimcat 01 ig. *) sz stellt iu diesem Aufsätze für f? im Speculum vitae humanae, da die entsprechenden Typen fehlten und diese Schreibung doch nicht unberücksichtigt, bleiben durfte. 3) Kehl- und Gaumenlaute. g für ch: gcführliglcait 177 und gefährlichkait 1784, herrligkaiten 34-28, negsten 3228 und den nochstcn (== demnächst) 58*20. g, gg, früher und später ck: Bugglet 56ll, Puggcl 583 g und ck für Je: Pangctcn 60, Pancketieren 126. Die Bildungen auf — iglich (vgl. Wortbildung) haben durchaus glc für ff. ffh für früheres c, später ; endlich bei mhd. stark und schwach gebrauchten Femininen: die-Stangen 5030, der Erden 5124, auff der Erden 420 (542, sein Hütten (Acc. Sing.), ein — Pfannen (Acc. Sing.) 31)8, der Sonnen (Gen. Sing.) 5331. Schwache Plurale: vil gehaimnussen 428 10i7, gleich missen 2222 (Acc. Plur.). c) Neutra: auss — mitleyden 27a(', ein — mitleyden 2727. Declination der Adjectiva, Pronomina und Zahlwörter. Diese ist gleichfalls durch Syncope des suffixalen e und durch gänzlichen Wegfall der Endung charakterisiert. 1) Adjectiva. In bey den wolriechen 1 löslein 2421 fehlt auch das d der Participal-Endung. Auffallend ist der Nominativ bluetigen Schivaisz 2912, ferner der Genetiv so hocher herleom-inens 1914. Selten entspricht die Declination des attr. Adjectivs der gegenwärtigen Regel wie in: von guetem ehrlichen Geschlecht 5619, von ainem alten ansehnlichen Hause 5631. Da ich wegen Mangels an Kaum auf den Satzbau nicht näher eingehen werde, so erwähne ich an dieser Stelle auch noch die jetzt nur mehr in der Mundart übliche, ahd. und mhd. aber häufige Hectierte Form des präd. Adjectivs: ungefragter solle keiner sich — einmischcn 5ö. 2) Pronomina: vor mein 8ia (für: mir), hinder dein 4919 und vor dein 59 (für: dir). Die Formen jltme 216, jhne 21 iü und deme 3617 zeigen uncchtes Suflix — e. 3) Zahlwörter. Dativ: zwayen 2529 5917, dreyen 3532. Comparation. 1) Adjectiva. Für den Superlativ begegnet uns noch in der Pegel das alte ist mit durch st geschütztem i, welches die bair.-üstorr. Mundarten noch heute bewahren (vgl. Weinhold, II. Gr. 247): unser genedigister Herr 34, das wenigiste 1)537, du allergüetigister Gott 3134 u. s. w. Doch findet sich auch das schon mhd. übliche est (st) für den Superlativ. 2) Adverbia. Comparativ: ehender 2Ü2G — eine noch jetzt in der Mundart übliche Form, bälder 2225. Conjugation. Vorbemerkungen. In den Flexionen herrscht im Sp. v. li. natürlich wieder die dem 16. Jahrhundert eigene Unregelmässigkeit. Stets werden wir auch an die gegenwärtigen Volksmundarten gemahnt. Suffixales, d. h. auslautendes e oder das c der Eudung et ist in der Kegel beseitigt. Doch begegnet suffixales c häufig, wo es Im heutigen Sehrifthoehdeutsch fehlt, so in der 3. Hing. u. 2. Plur. Pr. Ind. und in der 2. Plur. Imp. starker und schwacher und im 2. Partieip schwacher Verba, welche nicht auf d oder t enden; gehet 5n 9l9 u. s. w., welliches Gott — ansihet 289, sichet da 61 in- u. s. w.; genennet 317, geoffenbaret 4-28, gemehrct 4427, erhöhet 64lo u. s. w.; ferner mit Syneope dos Vocals der Ableitung : verwandlet 1825, auszgewechszlet 35i2 Wo aber der Stamm auf d endet, stellt meist dt: finclt 95 (S. 12.il: findet); auch im 2. Par-ticip: geredt 63, gemehlt 9)3 u. gemelt 55.14, anzündt 1731, beklaidt 559. Bei den Verben auf t scheint et gänzlich weggcfallen zu sein: was bedeut das 443, anricht und slifft 5129, verantwort 5912; ebenso im 2. Par-ticip : ausgerieht 142 », verschmacht 5332 u. s. w. Das e der Infinitiv — Endung en ist in der Regel syncopiert; dagegen haben auffallender Weise volle Form erinneren 39 3531, zu besseren 326 2930 und mit Syncope des e der Ableitungssilbe el: sich — Spieglen 324, handlen 428 1333, verzweiflen 2819, verwandten 329, sam-htm 35l. — Die Endung dos 1. Particips hat einmal unechtes Suffix — e : herlcommende 828. Das 2 Partieip der starken Verba ist in der Regel ohne Augment: gangen 2425, fanden 343(5 u. gefunden 3720, auffgessen 3912, vbcrblibcn 3916, antroffen 5415 u. s. w. Anlehnung des Pronomens da: rathstu 5(523, mainstu bl, desPr.es.: machts 637, Habens 1>\, thuens 12i, tvöllets — geben 43i3. Das Flexions — Suffix cts für die 2. Pl. Pr J.: wartets 392, lasets 4197 Was treibts 4922, gehts nur her 4923. Diese Endung ist in den Gebieten des bair -üsterr. Dialects allgemein üblich. Weinhold (B. Gr. 291) hält sie mit Sclimeller für das suffigierte Pronomen der 2. Plur. esz, ös (=ihr). Sp. v. h. hat auch: es werd—haben 4923, es miiest 4924. Starke Verba. Hier hebe ich zunächst Widerstand gegen den Umlaut in der 2. u 3. S Pr. J. hervor: lassest 35ll; erfart 730, gerath 1938, fart 2131; tragt 2837; lasst 3020. 1. Conjugation. 3 S. Pr. J : es verderbt 24i9. 3. PI. (Jonj. Impf, hulffen 519. Das 2. Partieip gebrunnen 3533 stammt noch vom mhd. brinnen; im 17. Jh. gewinnen die Formen dos factitiven brennen die Oberhand.— 2. Conjugation 1. S. Pr. J.: sihe 25ll u. s.w., versihe 3035 4728, so ergib ich mich.. Imperativ: sihe an 3130. 3. S. Impf.: als — hüte 403 (= bat). — 6. Conjugation. 2. u. 3. S. Pr. J.: leugst 492, zeucht 1737 1912 6114, erbeutst 3530, hcrfleust 5437. Imperativ: zeuch 3626, verzeuch 403L auch können, welches seit dem 16. Jh. in der Schrift nachweisbar ist. — Dürfen. 2. Pl. Pr. I. und 3. S. Conj. Impf.: dörfft 25s 4221. — Sollen. 2. S. Pr. I.: du solt IO14. 1. u. 3. S. Impf.: solt 716 1032 4222. — Mögen. Umlaut des älteren u wechselt darin noch mit dem von 0: nlögen 4630, »rügen 475 0415, wie mügt jr 25i>. — Wissen. 3. S. Pr. I.: ivaiszt 199 217 434 mit unechten t. 1. S. Impf. Conj.: ich wist 4017.— Wollen. 1. S. Pr. I.: Ich wille 40u und teil 4219. 2. S. Pr. I.: was wilt du 2628. S. 383 des Reimes wegen für 3. S. Pr. I : wöll (wöll: schnell). 2. Pl. I. Pr.: was wölt jr 4232. 2. Particip: wollen 4429 5320. Das ö steht infolge geschlossener mundartlicher Aussprache für mhd. e. 1. S. Impf. Conj.: wolt 724 82 u. s. w. (= möchte). 3. S. Impf. Conj.: wir — wollen (— möchten) 3321 3823. Bemerkenswertes in Wortbildung und Wortbedeutung, verloren gegangene oder nur mehr in der Mundart lebende Ausdrücke, Redensarten u. s. w. Ableitungen. 1) Labiale Suffixe, a) Substantiva: witib 5Gll 5811 (mhd. witiive, witib). b) Adjectiva: rosenfarbes 5328, roscnfarben 6122. c) Verba: Schmirbt 2224 (mhd. smirwen, smirn, smern) u. Schmieren 2223. 2) Linguale Suffixe, geth (eumuliertes ig — ulja. Weinh. B. Gr. 205): Geschwistergeth 52 — n (en, in). a) Substantiva: Stammen 6230 hat ein en, welches von 1616 ab eine Zcitlang regelmässig erscheint (Schinel-ler B. Wb. 11. 755). Seiden 1919. b) Adjectiva: samatins 2631 (mhd. samätm), guldine 372 u. güldene 1355 2(532. Silierens 2633. c) Verba: nachnen 4433, aber regen (= regnen) 167. — t {et, at): hemmat 1925 Die Nacketen 1830 (ahd. nackot, mhd. naclcet), Pugglet 5635. — r: zäher 62il. — s. Unsere Substantiva auf nis enden im Sp. v. h. auf nus. Ausser denselben künibernusz 62ll. 3) Gutturale Suffixe, g (ig). a) Substantiva: au ff den — Predigen lHlO- b) Adjectiva: ainig 53 824 (= einzig, allein; mhd. einec), anhenig (= anhaftend) 2038, beystendig 347, gebreu-chig (== gebräuchlich) 456, irrig 5622. c) Verba: beherbigen 1838, behcrbc-rigen 3732, beherbrigt 558; S. 3826 auch beherbergen. — ng. Substantiva auf ung: miszrathung 2426, beschwcrung 2833, empfahung 3028, widerhal-tung (—Wiedererlangung) 4428, vberschattung 5319, Gottsvergessung 462. Zusammensetzungen. 1) Substantiv mit Substantiv: hertzenlaid 3134 2) Adjectiv mit Substantiv: Schweinen fleisch 3913 (Schweinen — mhd. swt-■mn). 3) Substantiva auf Jceit: gegenwürtigJcait 1823, Faulkait 23ll, Oberlcait 4631, scnfftmüetigkait 5515. 4) Die Adjectiva auf lieh sind in der älteren Sprache viel zahlreicher wie heute: wunderbar lieh 2116, sündlich 5125, ver-damblich 521, fruchtbarlich 62.9 u. s. w. 5) Adjectiva auf haft: angsthafte 2833. 6) Partikelzusammensctzungcn. a) Nomina, be alles bcnüegen 523. Ohne be: hülflich 1338, sondere (= besondere) stercJc 347. — für: fürsats 2927. — ge. genaden 52.36 u. gnaden 5316, GeschmucJc 6212; getrostreiches 2939, deines geleichen 1915 u. gleichen 3214. Ohne ge: vnsifers 39il. — in: ingedenck 4730. — ohn für an: ohnendtlich 2818. — ttr: vrbittig 2723 (= erbötig). b) Verba, ab. absterben 2426, abgestorbnen 4326 (— verstorbenen). — aus, später hinaus: ausztragen 51)5. — be: beschehen 516 (= geschehen), aber auch geschehe 2220; befindet 2835 (== empfindet). — Für unser vor steht in der Kegel für. — dar: dargeben 4921. — ge: gedenken 4123 609 (== denken, ausdenken), gehab dich ivol 4820, genade jm Gott 5818, gedulden OOlo (= erdulden, ertragen). Ohne ge: messen 2325 (= gemessen). — hin: hinwigt 2115. — ver: verhalten ( = vorentlialten) 132. Pronomina. Hier sind zu erwähnen: selbs 2017 3329, sclbster 2010, ferner die noch in der Mundart lebenden Formen selber 2832, selbert 3019, dersclbig 1027, dieselbig 37, dasselbig 8415, dicselbigen 563» (S. 1Ü7 auch: dieselben), maniches 1227, manicherlay 1928; endlich sollicher (>23, wellicJuyr 1425 u. s. w. neben Formen ohne i. Zahlwort, liier bringe ich noch die Formen sween 3;>37 u. zehen 4026. Adverbialbildungen. Die auf lieh haben häufig unechtes en, die Bildungen mit um (vm, vmb) erscheinen bald mit, bald ohne en und die mit dar haben das r dieser Partikel meist bewahrt. 1) Adj. Adv.: anderst 10l7 mit unorg. t, schier, 1735, gleich 4418- 2) Subst. Adv. a) Gengleichsfalls 122!) u. offtcrmals 32c, jctztmals 424. b) Dat. Adv.: daheimen ln, dahai-ment 5)2; abcrmalcn Kill) (S. 2.3h: abermals); allwegcn 2118 u. s. w. c) Acc. Adv.: Ich habe mein tag gehört 3313. 3) Pron. Adv.: etwan 1030. 4) Einige besondere, Kaum- u Zeitverhaltnisse ausdrückende Bildungen, a) darinnen 324 u.darein 37 24, hierinnen {innen vom mhd. innän), daussen 50l8; nahent 3414 (mhd. nähmt, nahet)-, hinumb 333. b) Zusammensetzungen mit je, nie: jetzo 1314 1817, jetz 4214 (mhd. ietz), jetzunder 50«; inderst 217 u. niendert 3824 (beide — nirgends, mundartlich noch jetzt Hinderst). 5) fürüber 3928, hinfüran 5513, her für 5818 (= dafür). 0) Prllp. Adv.: anjetzo 5|6, anheut 1Ö26, vnderwegen 107, insonderliait 25iij, auff dieletst 4433, von stund an 58l8. 7) Verb. Adv.: geschweigen 2815, unangesehen 238, volgent 1431 ( = in der Folge). Präpositionen, an m. Acc., jetzt von m. Dat.: S. 107. an, jetzt auf: g 1522. auf, jetzt zu: S. 10l2- auf, jetzt für: S. 176. — bei, jetzt in 13l2. für, jetzt vor: 2015. — gegen m. Dat.: S. 2535. — mit, jetzt an: S. 476. mit, jetzt in: 4328. mit, jetzt unter: 5330. mit, jetzt zu: 22i9 54i5. um (vmb), jetzt bis auf: 2022. — während wird noch attributiv gebraucht: in teerendem Vandt der Ee 2114. — Für zu (mhd. ze, zuo) stehen die Formen zue (selten zu: S. 409 ) und beim präp. Infinitiv in der Regel ze. Conjunctioncn. 1) als, jetzt so: S. 00i7. — Zwischen denn und dann wird kein Unterschied gemacht, daher auch nicht zwischen dennoch und dannoch, die auch mit unorg. t erscheinen: dennocht 1024, dannocht 2q7 einttveders 3724 erwähne ich der Form wegen. 2) alsbald, jetzt sobald: 4727- — da, jetzt wo: 7i9. da, jetzt wenn: 107. da, jetzt als: 2525. 0l yteht noch oft als cond. Conjunction, die es mhd. war. — Für unser wobei, wodurch, womit, woraus begegnen als Rclativconjunctionen stets die Bildungen mit dar.—was massen 4118 — weil, häufiger dieweil 4119. Interjectionen: ach 3118, cya 2624, ey 332, o wee 3033, mein 4421. Negationen: mt 2513 4829, mit nickten 1428, 37. Diminutiva: 1) auf l (el): Thorstübcl 5013, Thorwärtl 50ll, Viissel. 3620 ; 2) auf lein: Kächelein 2633 (mhd. Kachele — Kachl, ein Geschirr), Sonnenstäublein 29ifi u. a. — Verkürzte Eigennamen: Hünsl4025. Liendl 4212 (aus IAenhard = Leonhard), Valtin 465 (— Valentin). — Von Fremdwörtern erwähne ich die Formen Comedi 35, Materi 322, Fratel (vom ital fratello) 5115; ordinari Gebrauch 3ll. Zum Schlüsse noch einige seltene Formen, Ausdrücke und Redensarten, die entweder ganz verloren gegangen sind oder nur in der Mundart fortleben. 1) der mcosten 912 (heute nur im Plural gebraucht), Stimpler (mhd. stümbeler = Stümper) 1121, Spa/rhafen II22, karger filtz 1133, Freyung 4915 (= Freistätte), Kränzelmal 1139 ( = unsaubere Zusammenkunft), grosz vnd Iclein Hansen 1322 (verächtliches oder scherzhaftes Appellativ für Mannsperson überhaupt. Schmoller 1 1133), Leger I61 ( = Weideplatz, Lagerplatz; Schmeller I 1459), Eissenbeisser oder Federhansen ( = Eisenfresser, Maulhelden), Knoblachs Junclcer 14 (Schmarotzer? wie Knoblauchsgast bei Grimm V. 1451), Kratschmar ( = Wirtshaus. Schmeller I. 1388), Ew. Vest 26a 1 (= Ew. Wohlgeboren. Schmeller I. 774), Merend 3913 (mundartlich auch Marend, vom lat. merenda — Jause), Nudldoctor 4212 (vielleicht Knauser oder auf die Nüd — Durchfall zurückzuführen ; vgl. Einl. z. Sp. v. h.), der kram 4228 (= Krampf; Schmeller I. 1368), der gesandt 4721, Freyung 49i5 (= Freistätte, Asyl), Keichen 4924 (—Kerker), Balbirer 4927 (=■ Barbier), deren Schön 5928. 2) die Hausaarmen leid 2(518, hinderstellig 305 ( = rückständig, zurückgeblieben; Schmeller I. 1137). 3) Verblasen 1028 ( — ausschnaufen), klccken 1212 ( = hinreichen), piff'en 1928 (s. 0. S. 23), zigeln 1928 ( = zügeln, in Ordnung halten, frisieren), erhaben- 3Gb ( = für sich behalten), flehen 5323 (= flüchten, mhd. vlcchenen). 4) bey einem gleichen 8ig ( = ungefähr; Schmeller II. 1422). im Lueder ligen ( = ein ausgelassenes Leben führen. Schmeller I. 1447). in die kluppen bringen 1225 (kluppen — Zwangholz, Verein loser Vögel, liederlicher Gesellen. Schindler I. 1336). nit ein Meidt 4829 (= nicht eine Minute, gar nicht. Schmeller I. 1690). za Schiair ( = Schleier) schlagen 5820. der Gunckcl ausz-warten 6031 (Gunckcl — Spinnrocken, also: sieh mit dem Spinnrocken abgeben, spinnen; Schmeller I. 923). ain guets müetlein haben 4820 (= sich gütlich tliun. Schmeller I. 1695). nötlich sein mit den Leuten 3920 (= freigebig sein. Vgl. Lexer II. 111). einem ein kläniperlein an-hengen 62lG (= etwas Uebles von ihm reden. Schmeller I 1330). Schulnachrichten. ---------------- I, Porsoaalstand und Lehrfächemrtheiluag. a) Bewegung im Lehrkörper. Der Supplent Herr Gustav Novak wurde mit li. E. des k. k. Unterrichtsministeriums von 1. Juli 1890 Z. 3834 zum wirklichen k. k. Gymnasiallehrer ernannt. itsAw Professor Johann Jenko verschied nach längerem Siechthum am 17. Mai 1891 im Hospitale der Barmherzigen Brüder in Görz und wurde am 19. Mai von den trauernden Collegen und Schülern zur letzten Ruhestätte geleitet. Prof. Jenko hatte seit Oc-tober 1878 mit Eifer und Erfolg an dem Görzer Gymnasium gewirkt. R. I. P- —— ' 1 "r ........... h) Erkrankungen und Beurlaubungen. Durch Krankheit waren an der Ausübung ihres Berufes verhindert: Prof. Dr. Kimmerle vom 1(>. October bis 7. November 1890, Prof. Wenzel am 9. Januar, Prof. Jenko am 21. Januar, am 23. und 24. Februar und seit 0. Milrz (für den Rest des Schuljahres beurlaubt), Prof. Dr. Baar vom 6. bis 10. Februar, Rcligionsprofesšor Mons. Marušič vom 10. bis 23. Februar und vom 21. bis 24. März, Prof. Culot am 9. März. Infolge von lnfectionskrankheiten in ihren Familien mussten den Unterricht unterbrechen: Prof. Šantel vom 25. October bis 9. November, Prof. Dr. Baar vom (5. December bis 1. Januar, Prof. Simzig vom 22. December bis 1. Januar, Prof. Maionica vom 5. bis 11. Januar, Prof. Krainz vom 5. bis 9. März. Beurlaubt waren: Herr Fiegl vom 8. bis 11. Februar, Herr Stef-fani am 18. April, Herr Maionica am 6. December, am 2. Mai und, am 6. Juni, Herr Dr. Kimmerle vom 1. Juli an. 44 l - > . — Kerner v. Marilaun, Pflanzenleben. 2. Bd. Heft 7—11. — Lukes : Militärischer Maria Theresionorden. — Franges: Haus Habsburg-Lothringen. — Kocin: Schriftsprache und Dialekte im Deutschen. — Schräder: Der Bilderschmuck der deutschen Sprache. — Hinterwaldner : Wegweiser für Naturaliensammler. — Tommaseo: Mente e cuore. — Paul: Grundriss der germanischen Philologie. 2 Bände. — Fränkcl: Grundriss der Bakterienkunde. — Casini: Manuale di lette-ratura italiana. 2. Bd. Durch Schenkung: Vom h. Unterrichtsministerium: Botanische Zeitschrift- 41. Jahrgg. — Vom Verleger: Klaar, Grillparzer als Dramatiker. — Benko: Das Datum auf den Philippinen. Die Lehrerbibliothek zählt 2462 Bände und 494 Hefte. B. Schülerbibliothek. Custos: Prof. Wenzel. Durch Ankauf: Alte und neue Welt. 1891. — Die katholischen Missionen. 1891. — Groner: Österreicher in Mexiko. — Rolfus: Der kleine Radetzky.— Humboldt: Ansichten der Natur, 2 Bde. — Prosch-ko: Geschichtsbilder aus Österreich-Ungarn. — Marshall: Spaziergänge eines Naturforschers. — Grillparzer : Sämmtliche Werke. — Scheffel: Ekkehard. — Scheffel: Der Trompeter von Säkkingen. — Masi-Ihne: Roma antica. — Romizi: Letteratura greca. — Rutar: Zgodovina Tolminskega. — Cigler: Sreča v nesreči. — Aškerc: Balade in romance. — Jesenko: Prižigalec. 2 Bde. — Hubad: Pripovedke za mladino. 3 Hefte. Durch Schenkung : Von Monsignore Prof. Androas Marušič: Lavrenčič : Andrej baron Winkler. — Vom Verleger: Klaar, Grillparzer als Dramatiker. Die Schülerbibliothek zählt 1030 Bände und 144 Hefte, C. Bibliothek des Unterstützungsfondes. Verwalter: Prof. Wenzel. Dieselbe zählt 1276 Bände. Der heurige Zuwachs betrug 68 Bände, davon 41 durch Ankauf, 27 durch Schenkung. D. Geographisches Cabinet. Custos : Prof. J. Krainz. Durch Ankauf: Haardts Schul Wandkarte von Asien, Sydows Wandkarte von Europa. — Holzels geogr. Charakterbilder, 5 Stück. — Lehmanns geogr, und kulturhist. Charakterbilder, 16 Stück. Stand : 208 Wandkarten, 23 Atlanten, 8 Reliefkarten, 2 Globen, 1 Armillarsphaere, lü Tafeln, 76 Charakterbilder, 53 Brochuren. E. Antiken- und Münzkabinet. Verwalter: Prof. H. Maionica. Stand im Schuljahre 1891: a) 7 praeliistorische, 4 aegyptische, 9 rüm. Alterthümcr, 2 Imitationen, 10 sonstige Gegenstände, zusammen 32 Inventarnummern, b) 257 Silber-, 1874 BroncemUnzcn, zusammen 2131. Stück. F. Physikalisches Cabinet. Custos: Prof. A. Santcl. Durch Ankauf: 1.) Collection von 26 Glasphotogrammen, zoologisch-botanische Lelirobjecte darstellend, als Zugehör zum vorhandenen Projeetionsapparat „Scioptieum“. 2.) Machs Apparat für Demonstration der Reflexion und Brechung des Lichtes. 3.) Pascäls Apparat zur Demonstration des hydrostatischen Bodendruck-Gesetzes. 4.) Zwei metallene Hohlspiegel, 1 von 8 cm, 1 von 30 cm Durchmesser, zur Demonstration der sphärischen Abweichung. Durch Schenkung: Vom Octavaner Karl Vulliemiu: Apparat zur Hebung von Wasser durch Centrifugalkraft. Stand der Sammlung: 732 Inventarnummern. G. Naturhistorisches Cabinet. Custos: Prof. Dr. Kimmerle. Durch Ankauf: Herpestcs Ichneumon, Macropus giganteus, Labrax lupus, Rhombus maximus, Cyprians carpio (ausgestopft). Sepia officinalis, Loligo vulgaris, Argonauta argo (Schalo), Octopus vulgaris, Cypraea pyrum, Pholas daetylus, Ostraea cclulis, Sphaerechinus granularis, Ästro-pecten aurantiacus, Cotylorhiza tuberculata, Physophora hydrostatica, Corallium rubrum, Euspongia officinalis (Spirituspracparate). Lcukart u. Nitsche: Zoologische Wandtafeln (auf Leinwand gespannt) u. zwar Tafel LXXI, LXXXI u. LXXXXI. 4 Wandtafeln von A. Brass (Pichlers Verlag) u. zwar 2, 7, 11 u. 12. Durch Schenkung: 1 Wandtafel (Entwickelung der Mose), 1 Wandtafel (Entwickelung von Claviceps purpurea), gezeichnet vom Schüler Lasciac V. CI., 1 Wandtafel (Entwickelung von Puccinia graminis) gezeichnet vom Schüler Verzegnassi V. CI. Frische Pflanzen für den Unterricht brachten verschiedene Schüler insbesondere Boeckmann II. A, Svara und Slokar II. B. und Fabris V. Vom Custos wurden 2 Käfersammlungen für den Schulgebrauch zusammengestellt u. einige Spiritus-pracparatc angefertigt. Gegenwärtiger Stand : A. Zoologische Sammlung : 1485 Nummern. Botanische Sammlung: ein altes Herbar u. 23 Pflanzen-Modelle. Mine, ralogisch-geologische Sammlung: 1780 Nummern. Naturw. Abbildungen: 133. H. Sammlung stereometrischer Modelle. Custos: Gymn. - Lehrer G. Novak. Durch Ankauf: 7 neue Modelle. Stand: 43 Stück. I. Musikaliensammlung. Custos: Lehrer J. Mercina. Durch Ankauf: Eine Normal-Stimmgabel. Schuberts Messe op. 2, G-dur, Clavierauszug, Partitur, 18 Gesangs-, 10 Instrumentalstimmen. Stand: 1 Harmonium, 1 Stimmgabel, 12 Musikalien-Inventarnum-mern in 241 Stücken. K. Zeichenvorlagen. Custos: Lehrer 0. Schaffenhauer. Durcb Ankauf: 108 Blätter, stand: 385 Vorlageblätter. V. Kassa*Gebaru»g im Verwaltungsjahre 1800, I. Regie. Pauschale für 8 Stamm- und 3 Parallelclassen........fl. 540:— Zweidrittel-Rückersatz für Turnauslagen von der k. k. Realschule und von der k. k. Lehrerinnenbildungsanstalt „ 25:70 Gesammteinnahme. . fl. 565:70 Gesammtausgabe . . fl. 565:70 Sohin ergab sich ein Gleichgewicht der Ausgaben und der Einnahmen, II Herstellung des 40. Jahresberichtes 1890. Die Ausgaben für den Jahresbericht betrugen..................fl. 151:50 Die Deckung erfolgte a) durch Verkauf von 175 Programmen „ 35:— b ) durch Verkauf von 64 Schulnachrichten „ 6:40 c) aus ärarischen Mitteln...............„ 110:10 zusammen . fl. 151:50 III Lehrmittelfond 1890. Einnahmen: Kassarest vom Jahre 1889 .........................fl. 674:47 Aufnahmstaxen von 111 Schülern zu fl. 2:10 . „ 233:10 Lehrmittclbciträge von 422 Schülern zu fl. 1 „ 422:— 4 Semestralzeugnisduplicate zu fl. 1 . . . . „ 4:— zusammen . fl. 1333:57 Dotation des phys. Kabinetes..................fl. 160:— „ „ naturhist. „ ...............„ 60:— Musikalien......................................„ 18:88 Bibliothek und Geographie.......................„ 237:39 Büchereinbände..................................„ 42:15 zusammen . fl. 518:42 Einnahmen................fl. 1333:57 Ausgaben.................„ 518:42 Überschuss...............fl. 815:15, welcher in die Rechnung für 1891 als Einnahme übertragen wurde. IV. Graf Gyulai-Unterstützungsfond für 1890/91. Der Graf Gyulai-Fond besass am Ende des Schuljahres 1890 nach dem vorjährigen Ausweise 3900 fl. Papierrente, 300 fl. Silberrente (Kitter Schneid von Treuenfeldischc Stiftung), ein 1860er Los zu 100 fl., ein Spareassabuch mit eine Einlage von 175 fl. und einen baren Kassenrest von 34 fl. 06 kr. Einnahmen: 1. Kassenrest vom Jahre 1889,90...................fl. 34:06 2. Zinsen der Wertpapiere (einschl. August) . „ 180:40 3. Spenden: von einigen Mitgliedern des Lehrkörpers 13:82 fl., von einem Ungenannten 10 fl., „ 23:82 4. Aufzahlungen einiger Schüler zum Ankaufe von Kleidungsstücken.........................() 20:80 5. Ergebnis einer Sammlung in den eilf Selml- classen................................., . . „ 58:20 zusammen . fl. 317:28 Ausgaben: Bücher und Drucksorten................................11. 65:48 Kleidungsstücke....................................„ 111:— Unterstützungen in barem........................„ 10:— zusammen . fl, 186:48 Ausgaben: Bilanz: Bilanz: Gesammteinnahmen . . fl. 317:28 Gesammtausgaben . . „ 186:48 Somit erttbrigt ein Überschuss von fl. 130:80, wovon 75 fl. Endo Mai in der hiesigen Sparkassa fruchtbringend angelegt wurden. Für die Geldspenden und für alle sonstigen Wohlthaten (Freitische u. s. w.) von seiten einzelner Personen wie von seiten der Seminarien und Klöster sagt die Direction den edlen Wohlthätern den wärmsten Dank; zugleich spricht sie die Bitte aus, dass dieselben reicher fliessen mögen zur Linderung der bittern Armut der studierenden Jugend und zum Wohle des engeren und des weiteren Vaterlandes. VI, Themen su den schriftlichen Aufgaben in den Oberclassen, Deutsche Aufsätze. FÜNFTE CLASSE. 1. Früh übt sich, was ein Meister werden will. — 2. Aus welchen Motiven handeln die Hauptpersonen in Schillers „Taucher“ ? — 3. Der Grundgedanke in Uhlands Gedicht: „Das Glück von Edenhall.“ 4. Schwert und Pflug. — 5. Gedankengang in Schillers (Jedicht: „Klage der Ceres.“ — (>. Der Tod des Tiberius. Nach Geibels Gedicht. — 7. Gliederung des 1. Gesanges von Goethes „Reineke Fuchs“. — 8. Ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.— 9. Der 1. Gesang des „Messias.“ — 10. Cita mors ruit. Nach Geibels Gedicht. J. Wenzel. SECHSTE CLASSE. 1. Wie entstand nach der nordischen Gestaltung der Nibelungensago der am Nibelungenhorte haftende Fluch, und wie wirkte er fort ? — 2. Der Anblick der Natur ist demüthigend für den Menschen, aber auch erhebend. — 3. Weiche Umstünde führten den Sturz der republikanischen Staatsform im alten Rom herbei? — 4. Unglück selber taugt nicht viel; doch es hat drei gute Kinder: Kraft, Erfahrung, Mitgefühl. — 5. Theodorich der Grosse. — (5. Des Menschen grausamster Feind ist der Mensch. — 7. Nur Beharrung führt zum Ziele. — 8. „Messias“, 4. Ges., V. 1—551.—9. Welche Bedeutung haben die Flüsse für die menschliche Cultur. — 10. Gang der Handlung in Lessings „Emilia Galotti.“ H. Kluibensdiedl. SIEBENTE CLASSE. 1. Der Mensch ein Kind der Sorge. •— 2. Die Bedeutung der Musik für den Menschen. •— 3. Dass wir Menschen nur sind, der Gedanke beuge das Haupt dir; doch dass Menschen wir sind, richte dich freudig empor. — 4. Begeisterung macht auch den Schwachen stark. — 5. Götz von Bcrlichingen, I. Act (Gang der Handlung). — 6. Ein unnütz Leben ist ein früher Tod. — 7. Theuer ist mir der Freund; doch auch den Feind kann ich nützen. Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll. — 8. Nicht der ist auf der Welt verwaist, dem Vater und Mutter gestorben, sondern der für Herz und Geist keine Lieb’ und kein Wissen erworben. — 9. Oranien (ein Charakterbild). — 10. Die Zeit Kaiser Leopolds I. das Heroenzeitalter Österreichs. H, Kluibenschedl. ACHTE CLASSE. Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen Und das Erhab’ne in den Staub zu zichn. Schiller. — 2. Der 2. Gesang von Goethes „Hermann und Dorothea“. — 3. Die Bestimmung der Glocke. Nach Schillers „Lied von der Glocke“. — 4. Der mächtigste von allen Herrschern ist der Augenblick. Schiller. — 5. Charakteristik des Pfarrers in Goethes „Hermann und Dorothea“. — 6. Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen. Goethe, Faust I. — 7. Der Unterschied in den Hauptgesetzen der antiken und der modernen bildenden Kunst. Nach Lessings „Laokoon“. — 8. Fugit irreparabile tempus. Vergil. — 9. Maturitätsarbeit. J. Wenzel. Italienische Aufsätze. FÜNFTE CLASSE. I. Al ritorno. — II. II ratto dellc Sabine (Tito Livio). — III. „Tu proverai si come sa di sale, Lo pane altrui e com’ e duro calle, Lo scendere, il salir per 1’ altrui scale. (Dante, Paradiso XVII. 57). — IV. „Incontanento intesi c certo fui, Che qucst’era la setta dei cattivi, A Dio spiacenti ed ai nemici sui. (Dante, Inferno III. 61 ss.) V. La ritirata dei dieci mila. (Senofonte.) VI. L’ inverno (delizie c pene). VII. Falsi e veri amici. VlH. L’ uomo che vuol vivere contento deve essere in pace con Dio, con se stesso c col suo prossimo. — IX. La bugia ha le gambe corte (novella di propria invenzione). — X. Gorizia e contorni (tema d' addio).— Maionica. SECHSTE CLASSE. 1. I/ uomo paragonato al viandante. — 2. Dellc impressioni che fece Gorizia sugli scolari al ritorno dalle vacanze estive. — 3. L’ epi-sodio di Cloridano c Medoro nell’ Orlando Furioso. — 4. II bosco nel-1’ autunno; descrizione. •— 5. Una visita al Panoviz nelle vacanze del S. Natale. — 6. Attila invadc 1’ Italia; esposizione storico-descrittiva. — 7. Non qui diu, sed qui utiliter vixit, is bcnc vixisse dicendus est. (Scneca). — 8. Analisi doll’ Ode del Testi: contro le delizie del secolo. — 9. Annibale: suo carattore, intendimenti politici e ßnc. — 10. Dei pregi della lingua italiana, secondo il Buommattoi, Culot, SIEBENTE CLASSE. 1. Ciö che Giannetto non apprese, non impara nemmen Giovanni. — 2. Caratterc di Attilio Regolo nel melodramma del Metastasio. — 3. La scoporta doll’ America fu un bene od un male per gli Europei? — 4. Clii fu Vittorio Alfieri e ehe posto occupa egli nclla letteratura ita-liana ? — 5. Le conseguenze delle crociate per la formazione degli Stati e per la coltura europea. — 0. Invito ad un amico di visitare la cittk di Gorizia. — 7. Come avviene che i grandi uomini appena dopo niorti hanno giusta ricompensa? — 8. Quali furono in antico e quali sono ora i mezzi di comunicazione tra i popoli? — 9. I pregi del clima del Goriziano. — 10. Analisi del sermone del Gozzi: „II gusto odierno in poesia“. Culot. ACHTE CLASSE. 1. Piaceri e noie del viaggiarc. — 2. Deila potenza della favella. — 3. Sono le ricchezze un bene od un male pel possessore? — 4. . . II perder tempo a chi piü sa piü spiace. (Dante). — 5. Pectus est, quod facit disertum (Cicerone). — 6. Una serata nel circo equestre. — 7. II mare e la vita nel medesimo. — 8. Alla gioventii il mondo e aperto. — 9. Analisi deli’ ode del Monti: A Montgolfier. — 10. A che servono le pictro sepolcrali? (Saggio di maturitk). Culot. Slovenische Aufsätze. FÜNFTE CLASSE. 1. Znanje ima grenko lupino, a sladek sad. — 2. Ako premišljujemo naravo, čutimo se velike in majhne. — 3. Od Krumperka do Ljubljane. (Po narodnej pesmi.) — 4. Koliko je resničen izrek: Vsak je svoje sreče kovač. — 5. Sonet in sonetni venec. — 0. Potnik-mla-denič. (Po Preširnovem sonetu.) — 7. Živenje naše ni praznik, pa ytudi večen delavnik ni. — 8. Ubežni kralj. (Slika po Levstiku.) — 9. Črtomir osrčuje svoje vojake. — 10. Opis mojega rojstnega kraja. Janko — Kragelj. SECHSTE CLASSE. 1. Najlepši dan zadnjih počitnic. — 2. Vseh mrtvih dan. „Pulvis et umbra sumus“. Horacij. — 3. Katere misli razvija Salustij v uvodu k jugurtinskej vojni? — 4. „Popolno, neskaljene sreče Pod solncem ne včaka zemljan.“ S. Gregorčič. — 5. Poljedelstvo - začetek omike. — 6. Predelska železnica. (Pogovor mej ljudskim učiteljem in kmetom.) — 7. Lakomnik. (Označenje.) — 8. Vodilna misel Stritarjeve alegorije: „Sreča, Poezija in Preširen“. — 9. Koliko je opravičen izrek: Ubi bene, ibi patria. (Ž ozirom na pogovor mej Rudencem in Berto v Schillerja Viljemu Tellu.) — 10. Kako hočem uporabiti prihodnje počitnice v na-dalnje svoje izobraženje, Kragulj, .SIEBENTE CLASSE. 1. Letni časi se vračajo, a ne vračajo se naši dnevi. — 2. Konstantin in Metodij pri Korzarjih. — 3. Zakaj težko pravično sodimo druge, še teže sebe? — 4. Staroslovenska vaja. — 5. Up in spomin spremljata nas skozi živenje. — 6. Umirajoči Ciril opomina brata, naj nadaljuje mej Slovani pričeto delo. — 7. Kako nam slika Jurčič Krjavlja? — 8. „Popolne, neskaljene sreče, Pod solneem ne včaka zemljan“. S. Gregorčič. — 9. Domovinska ljubezen v Preširnovili poezijah. — 10. Kateri čuti navdajajo dijaka koncem šolskega leta? JenJco — Kragelj. ACHTE CLASSE. 1. „Terret labor, aspice praemium“. — 2. „Kultura je meč, ki sam reže“. Levstik. — ;3. Kak upliv ima beda na človeka moralni in duševni razvoj?— 4. Uboštvo je grob poezije. — 5. Kateri slovenski pesnik mi je najljubši in zakaj? — G. Crkarska pravda. — 7. „Nil mor-talibus ardui est“. Horacij. —- 8. Kranjska Čebelica in njeni pisatelji. — 9. Slovo od gimnazije. „Ne združenja, ločitve zdaj so časi, Vsak sam naj šel bo skoz življenja zmede“. Preširen. — 10. Kaj si jemlji abiturijent iz starih klasikov s& soboj v živenje. (Zrelostna preskušnja.) Kragelj. VII. Maturitätsprüfung a) am Schlüsse des Schuljahres 188!)'00 und am Anfänge des Schuljahres 1890191. Die mündliche Maturitätsprüfung im Julitermine fand unter dem Vorsitze des Herrn Landesschulinspectors Victor Leschanofsky am 14., Ib., 16., 17. und 18. Juli, jene im Herbsttermine am 24. September 1890 gleichfalls unter dem Vorsitze des Herrn Landesschulinspectors Victor Leschanofsky statt. Von den 31 Candidaten traten2 vor der Prüfung zurück; 1 wurde auf Grund der schriftlichen Arbeiten zurückgewiesen, 1 erhielt ein Zeugnis der Reife mit Auszeichnung, 19 ein Zeugnis der Reife, davon 4 erst nach wiederholter Prüfung, 8 wurden auf 1 Jahr re probiert. Die näheren Daten über die für reif erklärten Abiturienten enthält folgende Tabelle: . Zahl NAME Geburtsort Dauor der Gymn- Prüfungs- Gewählter und Jahr nasial- ergebnis Beruf i-3 studieu 1. Cigoj Josef Malovše Kstl. 8 Jahre reif Theologie 1870 2. üebcuz Raimund Montona Istr. 8 » » Medicin 1872 3. Dietz Anton St. Georg Krain 1868 8 n Militär 4. Dominiko Nikolaus Peuma Kstl. 1869 8 » n 5. Gurrescli Richard Görz 1871 8 n Jus 6. Kaiser Franz Arnfels Steierm. 1869 10 n n Bahndienst 7. Koršič Johann Salcano 1870 8 n >5 Theologie 8. Kovačič Franz Görz 1870 9 n Jus 9. Kren Johann Triest 1871 9 n Theologie 10. Munih Michael Idria di Bača 8 r> Philosophie 1868 11. Pacher Johann Flitsch 1869 8 r> Jus 12. R. v. Pajer Bcn-venuto Görz 1871 9 n Philosophie 13. Pettarin Alois S. Lorenzo Kstl. 8 17 Jus 1871 14. Premrou Friedrich Görz 1871 9 » n Jus 15/ Ritossa Ausmstin Visinada Istr. 10 n Jus 1869 16. v. Ritter-Zähony Görz 1872 8 r> Militärakademie in Edgar Wiener-Neustadt 17. Staudinger Gustav Mitterburg 1872 8 n reif mit Ausz Jus 18. Stella Josef Gradišča 1872 8 reif Technik 19. Winkler August Loqua Kstl. 8 n Bahndienst 1869 20 Parisi Rudolf Triest 1871 Externist. Jus Schuljahr 1890/91. Zur Maturitätsprüfung im Haupttermine meldeten sich 17 öffentliche Schiller der VIII. (Jlasse, 3 im Vorjahre reprobierte Candidaten und ein Externist. Die schriftlichen Prüfungen fanden vom 1. bis 6. Juni statt. Die zur Bearbeitung vorgelegten Themen waren folgende: 1. Übersetzung aus der deutschen in die lateinische Sprache: Aus Sintenis’ Hilfsbuch zu lat. Stilübungen: „Warum verdienen die Griechen den Vorzug vor den Römern?“ — 2. Übersetzung aus der lateinischen in die deutsche Sprache: C. Sal-lustii Crispi epist. On. Pompei ad senatum. 3. Übersetzung aus der griechischen in die deutsche Sprache: Xcno-phons Hellenika IV. cap. 1. §. 20—35. 4. Deutscher Aufsatz: Gebirge und Meer in ihrem Einflüsse auf die Culturentwicklung des Menschen. 5. Italienischer Aufsatz: A che servono le pietre sepolcrali? 6. Slovenischer Aufsatz: Kaj si jemlji abiturijent iz starih klasikov se seboj v življenje? x -j- 1 4x — 3 7. Aufgaben aus der Mathematik: a) 625 x 2 : 15625 fix — 4 — 0 04. b) ln einem kegelförmigen (Jefttsse mit abwitrtsgerichteter Spitze und vertiealer Axe steht das Wasser 37 cm hoch und hat eine 0-bcrfläche von 44cm Durchmesser; nach dem Hineinfallen einer steinernen Kugel steigt das Wasser um 4 cm; wie gross ist der Durchmesser der Kugel?— c) In einer Ellipse, deren Axen 16cm und Bern sind, wird durch einen Scheitel der grossen Axe eine Sehne unter einem Winkel von 45° gegen die grosso Axe gezogen; es soll die Länge dieser Sehne berechnet werden. Über den Ausfall der mündlichen Prüfungen, welche am 13. Juli unter Vorsitz des Herrn k. k. Landesschulinspcctors Victor Lescha-nofsky beginnen sollen, wird im nächsten Programme berichtet werden. VIII. Verfügungen und Erlässe der Vorgesetzten Behörden (bis 20, Juni). 1. Kundmachung des h. k. k. L.- S.- P. f. Görz vom 4. Juni 1890 Z. 476, betreffend die Hintanhaltung der Verbreitung ansteckender Krankheiten in den Schulen der gefürsteten Grafschaft Görz und Gradišča. 2. AI.- E. vom 20. Juni 1890 Z. 5040, mittels dessen verfügt wird, dass dem Unterrichte in der ital. und der slov. Sprache vom Schuljahre 1890/91 an zunächst in der 5. u. der 6. Classe je 3 Stunden wöchentlich zugewiesen und diese Vermehrung in den folgenden Schuljahren auf die 7. u. die 8. Classe ausgedehnt werde. M.- E. vom 15. Sept. 1890 Z. 19097, in welchem zur Förderung der Gesundheitspflege der Schuljugend Winke gegeben und wün-schenswerte Massnahmen empfohlen werden. 4. M.- E. vom 9. October 1890 Z. 20493, welcher anordnet, dass, im Falle sich ein Examinand bei den schriftlichen Maturitätsprüfungen eines Unterschleifes schuldig macht, dies sein gesetzwidriges Benehmen auf dem Zeugnisse folgendermassen zu bemerken sei: „Musste nach §. 81 P. 9. des 0,- E. f. Gymn. die schriftliche Maturitätsprüfung wiederholen“. 5. M.- E. vom 5. Nov. 1890 Z. 2130, enthaltend die Durchführungsbestimmungen zur Uniformierungsvorschritt vom 15. Oct. 1889 für das Staatslehrpersonale an den Mittelschulen u. s. w. 6. M.- E. vom 11. Dec. 1890 Z. 3237, welcher die Abhaltung einer sehulmässigen Gedächtnisfeier für Grillparzer an den Mittelschu len mit deutscher Unterrichtssprache gestattet. 7. M.- E. vom 16. Dec. 1890 Z. 22543, welcher die Directionen beauftragt, die Abiturienten ganz allgemein anzuweisen, sich mit den