//4^ ^^ O. I. WinHmn. Neisen in Peru. Leipzig Verlul, »li n G senses Duchhiln l»ln ng. 1865. Zwei Reisen in Peru. Von chlementn H. Markkam. Leipzig, Verlag von V. scns's Ou chHandlung. 1865. V l' r w o r t. 3)er deutsche Bearbeiter hat in diesem Werke die beiden Reisen vereinigt, die Clements R. Markham in Peru gemacht hat. Bei seinem ersten Besuche kam es dem geistvollen und unterrichteten Engländer besonders darauf an, die großartige Natnr des Landes, die Gesellschaft seiner Hauptstädte, seine Geschichte unter den Incas, unter den Spaniern und in der jetzigen Zeit der Republik, die Zustände der Indianer und die fast gänzlich unbekannte Literatur der Quichua-Sprache zu studiren. Durch das Werk, das er über dicse Reise schrieb, hatte er sich als einen so genauen Kenner der peruanischen Verhältnisse bewährt, daß die englische Regierung, als sie den Plan einer Eingewöhnung der die kostbare Chinarinde liefernden Bäume in Ostindien faßte, ihn mit der Ausführung beauftragte. Er ging also zum zweiten Male nach Peru und bereiste die Gegend im Osten der Cordillerc, wo die Chinchona-Bänme wachsen, und die er früher nicht betreten hatte. Deshalb haben wir das zweite Werk Markham's, welches diese neueste Neise erzählt, dem ersten in einer sehr abkürzenden Bearbeitung cmgcfügt, um einen Gcsammtübcrblick aller peruanischen Zustände bieten zu können. IV Vorwort. Für die (Grundsätze, nach denen wir dübci verfahren sind, hoffen wir die Zustimmung unserer Leser zu erlangen. Unser Huch ist nicht für Fachgelehrte, wcdcr für NVüurforschcr noch für Altcrthümler, bestimmt, sondern für Jedermann, dcr an den großartigen Naturerscheinungen in den Anden und an drin früherm und heutigen Leben dcr Peruaner Antheil nimmt. Unsere Veser werden cinc ausführliche Zergliederung und ganzc Stellen des merkwürdigen Quichua-Drama's Apu-Ollantay uud Proben dcr Indianer-Poesie, Episoden aus dcr Inca-Oeschichte und des Unabhängigleitstaiupfcs neben Schilderungen dcr Hauptstädte, Erörterungen über die Handelsverhält-uissc und Landschaftsbildcrn vom Titicaca-Scc und von dcn Zuflüssen dcS ungeheuren Amazonas finden. Wir entnahmen dcn bcidcn Werten Markham's alle die geschichtlichen und modernen, von den Menschen oder von dcr Natur geschaffenen Züge, dic das peruanische Leben charakterisircn. Es ist ein Ganzes, aus hundert bunten Thcilchm bestehend, das sich auf diesen wenigen Druckbogen farbig und wechselnd entfaltet. Die cigentliümlichcn Bedingungen, die in Peru auf Volt und Staat einwirken, werden mit besonderer Klarheit hervortreten. Dcr Geschichte des Sammclus und Nebcrführcnö dcr Chiuchona^ Artcn haben wir die Beachtung gewidmet, die das jetzige allgemeine Interesse an dcn Naturwisscnschaften forderte. I n h a l t. Grjto Keift. Einlcituug................. l» Erstes Kapitel. Die Küste. — Die M'ene von ssauete mit ihre» ^uckervftauznugeu. — Die Nuinen von Hervan. —Pisco nnd die ^naiio-Inseln. — 9)ca, Sanwavier und ?l'asca mit seinen Bewässernngsanlagen. — Allgemeiner ssharatter dor Kiisto, — Die Sklaverei in Peru . N Zweites Kapitel. Daö Kel'irssc. — Der Kamin und Pas» der Anden. — Eine Nacht in der Scimecression; gefahrvolle Passagen. — Die Orte Nyaencho, 51)quttl,a, Nndahuavle« und Al'amay. — Ein lirchlichcc! Fest in einem Indianerdorfche»............l> Drittes Kapitel. Knzeo, die Stadt der Incas. — Die Schlucht des Apnrimac nnd das Städtchen ^ima-taml'0. — Kin Gewitter. — Die Inea-stadt ^nzeo: ihre ^aqe, Mesthichte und jej,nge Beschaffenheit. — Hertunft, Schicksale, Thaten nnd Bauwerke der Ineas. — Vira-cocha, der Schöpfer der ssestnngowerfe von Kuzeo ..... ^li Viertes Kapitel. Pachalntec, der kaiserli che Reformator, »nd sciucNach-fo lger. — Religion. Sitten und (Yebränchc nnter den Incas. — Das hcntigc Cuzco.............. 64 VI Inhalt. Seite Fünftes Kapitel. Q u i cl> il a (K o ch u a) - S p r a ch c und Literatur dcrIncas. — Die amerikauischcu Dialekte. — Allgemeiner Charakter der Qinchna-sprache. — Chroniken, Ballade, Dramen. — Inhalt und Proben des Drama's „Apu-Ollantay". — Andere Proben peruanischer Poesie. — Gemischte Poesie. — Verfall der Quichuasprachc . 85 Sechstes Kapitel. Die Inca-Indianer. — Eigenttliaftcn, Sitten, Gesetze der Peruaner, — Langer Druck nnd allgemeine Ausstände. — Ende der spanischen Herrschaft. — Die jetzigen Zustände in Pein ... 110 Siebentes Kapitel. Die peruanische Montana. — Das Gebiet des Amazouenstro» mcs nnd die Reisen zn seiner (irforschnng. — Die Gegenden des Punis und des Tonostnsses. — Bevölkerung, Product« und Handel 119 Achtes Kapitel. Lima. Die Zeit der Vieckönigc. — Uauaoca, die höchste Stadt der Grdc. — Arequipa nnd seine Umgebnugeu. — Lima; die Spanier, Creole» nnd Indianer. — Die heillose Wirthschaft der Vicekönigc nud der Beamten. — Stnrz der spanischen Herrschaft . 133 Neuntes Kapitel. Lima unter der Republik Peru. — Fortgang der Insurrection. — Wegnahme der „Esmcralda" durch Lord Cochrane. — Proclamation der Republik; San Martin und Bolivar. — Entstehung der Republiken Bolivia nnd Ecuador. — Peru unter der Herrschaft militärischer Abenteurer und Parteigänger; dreißigjährige Bürgerkriege...............145 Zehntes Kapitel. Lima. Literatur uud Gcsellschaft. — Bildnngöanstattcn. — Literarischcs nud geselliges Lehen. — Die neuere Literatur: Es-pinosa. Vigil, Nivero nnd Andere. — Pern's gegenwärtiger Aufschwung und seine Zukunft............169 Inhalt. VlI Seite Zweite Keift. Erstes Kapitel. Entdeckung der Perurinde. — Die Grasin von Chinchon. — Einführung des Gebrauchs der Chinarinde in Europa. — La Con-damiue's erste Beschreibung eines Chinckona-Bauines. — I. dc Iussieu. — Die Chinchona-Rogion. — Die verschiedenen werth-vollen Species. — Entdeckung des Chinins ....... 185 Zweites Kapitel. Die wcrthvollcreu Arte» der Chinchona-Bäume; ihre Geschichte, ibre Entdecker und ihre Wälder............198 Drittes Kapitel. Schnelle Vernichtung der sshinchona-Bäume in Sndamertta. — Wichtigfeit der Einsührnug derselben in andere Länder. — Ch iuchoull-Pflauzuugcu in Iaua, — Einsühruug der sshiuchona in Indien..................2U9 Viertes Kapitel. Reise von Islay nach Arequipa inid über die Cordilleren nach Puno....................22U Fünftes Kapitel. Reise von Pmw nach Crucero, der Hauptstadt von Caravaya . . 234 Sechstes Kapitel. Die Provinz Caravaya in historischer und geographischer Hinsicht . 2,^8 Siebentes Kapitel. Caravaya. — Das Thal von Sandia. — Die Coca-Cultur . . 2^9 Achtes Kapitel. Caravaya. — Allgemeine Bemerkungen über die Chinchona-Wälder 2L2 VIII Inhalt. Seite Neuntes Kapitel. Neisc von den Wäldern von Tambovata nach dem Hafcn von Iölal) 27li Zehntes Kapitel. Pern's gegenwärtige Verhältnisse und Anösichteu si,r die Zukunft. — Verolkevnng. - Bürgerkriege. — Regierung. — Constitntiou. — (General b'astilla und stinc Minister. — l)i-. Vi^il. — Mariano Paz Soldan. Klisteitthliler. — Vcniniwl'lle, Wolle nnd <^cld. — Der Ainazoucnstrom. — Guano. — Finanzen. — ^iteratnr. 287 Elftes Kapitel. Transport der Pflanzen- und Samcusammlung von Siidainerika nach Indien.— (nfolg der Pftanzcnsammlnlig in cmdcicu Theilen Tüdaincrika's. — Oetrocknetc Pflanzen. — Das Nil^erri-Gebirge in Indien. ^ Ankunft dcr Pflanzen 8oo daraus, einen Spiritus, der von allen Klassen der Bevölkerung in großer Menge verbraucht, uud von welchem anch viel erportirt wird. 2. Die Sierra, die Andenkette der Cordillercn, ein weites Ge-birgsland, mit mächtigen Bergkolosscn uud unvergleichlich prachtvoller Natur, voll weithin gedehnter Hochebenen und Wcide-ländercicn und warmer, fruchtbarer Schluchten und Thäler. Die Sierra ist das Heimathsland der Kartoffel, der Wolmplatz des Vieunna uud Alpaca und das Grubenfcld, in dessen Spalten und Gründen die berühmten unerschöpflichen Schätze Peru's verborgen liegen. In der Mitte dieses Gcbirgslaudcs und zugleich im Mittelpunkte des Staates Peru liegt Cuzeo, die alte Stadt der Incas, deren Vergangenheit und Gegenwart einen gleich großen Zauber auf das Gemüth ausübt. Lage der Hauptstadt Lima. 11 3. Die Montan na, dic tropischen Wälder, die an die östlichen Abhänge der Alpen grenzn, sich über zwei Dritthcilc von Peru erstecken und ucrhältnißmäßig noch fast ganz unbekannt sind. Sie erzeugen in reicher Ueberfüllc eine Menge wichtiger Handelsartikel und werden künftighin eine Hauptquclle für Peru's Wohlstand bilden. Lima, die Hauptstadt dieses von Natur so hoch begünstigten Landes, wurde von Pizarro ain hohen Ncujahrstagc 1535 unter dem Namen 6l Omäaä äo los Ii<^o8 gegründet und liegt an den Ufern des Nimae, l'/2 Meile*) vom Meere entfernt, in einem breiten und fruchtbaren Thale am Fuße der Küstcncordillcre. Eine sehr schöne Aussicht auf Lima tiat man in der Bai von Eallao. Links und rechts vom Hafen ist die grüne Alluvialebene bis nach Aneon im Norden und dem steilen Felsen von Morro Solar, an dessen Fuß der kleine Badeort Chorillos liegt, im Süden, mit weißen Landgütern und Vaumgruppen übersäet: landeinwärts erheben sich, wenige Meilen von der Küste entfernt, die prachtvollen Anden schroff von der Ebene empor, ihre schneebedeckten Gipfel, einen über den andern in den blauen Himmel hineinthürmcnd, und am Fnße derselben liegt Lima mit seinen schimmernden Thürmen, eingebettet in die Orangen- und Chirimoyasgärtcn "), welche die Stadt von allen Seiten umgeben. Lima ist mit (Hallao durch eine Eisenbahn verbunden und hat, um hinter diesem Fortschrittszcichcn nicht zurückzubleiben, in den letzten Jahren einen belebteren Anblick gewonnen; neue Häuser steigen nach allen Richtungen in die Höhe, englische Broughams und Gigs rasseln durch die Straßen, und überall stößt man aus Haufen deutscher und chinesischer Auswanderer. Doch mehr von der neuen Hauptstadt, wenn wir von unserer Wanderung nach Cuzeo zurückkommen; vor Antritt der letzteren *) Bcl Mcileu sind überall geographische zu vcrstcheu. **) Der Chirimoya. Flaschelibaum odcr Rahiuapselbaum. trägt eine apfelartige Frucht, die mail als die Königin der Früchte bezeichnet. Mau ißt das Iimcre. das im Geschmacke eiucm Eierrahme vom fciusteu Aroma gleicht, mit dem Löffel. 12 Trümmer alter A,iKigeu. haben wir noch einen Blick auf die Nninen zuwerfen, die das Thai des Rimac und die Umgegend weithin bedecken. An allen Gcbirgssäumen die Thalschlucht aufwärts finden sich zahlreiche Ucbcrrcste alter Indianerdörferz sie sind aus Adobes (an der Sonne getrockneten Lehln^iegeln) gebaut und liegen nicht im Tbale, sondern an den Verghängeu, woraus sich ans dic vormalige dichte Vevölt'er»ng uild die ängstliche Sorgfalt, mit der man jeden fußbreit tragbaren Grund und Voden für die Cultur vorbehielt, schließen läßt. Jetzt erbebt allwärts der Cactus sein unschönes borstiges Haupt ans den verlassenen Wohnungen. In einer der Schluchten des Nimac liegen die Trümmer der Adobcsstadt Cara-marquilla, die ein beinahe ebenso großes Areal einnehmen, als Lima, die spätere Nebenbuhlerin der untergegangenen Stadt. Hie und da finden sich eine Art künstlich aus Adobes aus« geballter Hügel. Man l)ält sie für Gräber, »veil man eine Menge Schädel und Knochen darunter liervorgegraben hat. Einer ist bci-nalie sicbcn;ig Fuß lioch und bedeckt eine Grundfläche von zwei Ackern. Man kann diese Vauten zu dem angegebenen Behufe bc-nntzt Kadenz walnscheinlich dienten sie aber zn weit ausgedehnterem Geüranchc, namentlich zu festen Plätzen, in die sich die Fcudal-licrren des Thals mit ihren Schutzbefoblnen in Zeiten der Gefahr znrückgczogcn haben mögen; denn gewölmlich liegen zn ibrcm F»ßc die Nliincn eines Dorfs und angrenzend daran ein mit hoben Mauern eingefriedigter Hof, der den (5balpons, den Skkwcnhofen auf den Zuckcrplmttagcn, gleicht. Die berühmtesten und interessantesten nnter allen Nninex in der Umgegend uon Lima sind die der Stadt nnd des Tempels von Pachaeamac. Der Weg führt uom Nimacthalc ans über das steile Vorgebirge uon Morro Solar oberhalb Chorillos, wendet sich dann scharf herum in einen Alazieuwald nnd lentt oon diescül i>l eine breite schöne Allee von Neidcnbänmcn ein, durch welche man zu der Zuckerpssanzung Villa gelangt. Obstgärten. Mais-, Znckerrolir« und Kleefelder breiten sich zn beiden Seiten aus, lind die Pflanzung sclbst'bildet mit ihren herrschaftlichen und Wirtschaftsgebäuden, i iren Hütten für fünfhundert Sklaven und del Kirche eine ansehnliche Häuscrgruppe. Villa war lange durch den widerspenstigen Geist seiner Sklaven berüchtigt. Wenige Iabre zliuor hatten sic den Aufseher erschlagen und in den Ofcn geworfen, und noch inimcr gilt diese Straße für die gefäbrlichstc in der Nähe von Lima. Jenseits Villa delmt sich eine weite Küstenebenc mit mehreren Seen, auf denen sich uiele Wasscrvögcl aufhalten, bis an die über eine Meile breite Sandwüste mm San Juan aus, die man dnrchrciten muß, ehe man, auf einer unmerklich ansteigenden Höhe angelangt, zum ersten Male einen Blick auf das Mecr und auf die Ruinen des einst prächtigen Pachacamac gewinnt. Ich ritt schnell den ziemlich steilen Sandmeg hinab, berührte die t'lcine Hacienda Mama-Conas uud bcsand micb bald in der Stadt der Todten. Mit einem Gefühle schmerzlicher Niedergeschlagenheit durchwandert man die nun öden und "erlassenen Straßen der einst so wohlhabenden und volkreichen Stadt, deren Alter über die Zeiten der Incas hinausgeht. Die Häuser sind vou kleinen Ziegeln erbaut, die Dächer verschwunden und die innern Näumc mit Sand gefüllt. Nach dem Meere zu erhebt sich ein einzelner Berg über der Stadt. Auf seinem Gipfel befand sich der berühmte Tempel, Die Nninen bestehen aus drei breiten Terrassen mit zwanzig Fnß hohen Mauern, an denen man stellenweise »och die Scharlachfarbc erblickt, die einst das Ganze übcrtleidcte. Trotz der Einwirkung von mcbr als drei Jahrhunderten hat die trockene Luft dieses rcgcnwsen Landes sie erhalten. Der Tempel, der die abgeplattete Oberfläche des Berges einnahm, war ein Hciligthum des Pachacamac, des Schöpfers der Erde (oon Mcka, Erde, und c^mac.-, Particip von ^lnn^ni, ich schaffe), des höchsten Gottes der Indianer von Peru, dessen Eultns sich über das ganze Incarcich ausdehnte, und an dessen Altären die frommen Pilgrimc von den fernen Ebenen while's bis zu den sonnigen Wäldern des Aequawr zusammenströmten. Der Tempel wurde durch Fernando Pizarro zerstört und geplündert; nach dcn Chronisten jener Zeit waren die Thore mit Gold plattirt und mit Edelsteinen besetzt, wornach sich die ungeheuren Schätze, die das Innere bergen mochte, bcmessm lassen. Am Fnße des Tcmpelo befinden sich die Tn'immcr emcs Tambl) 14 Abenteuer in Pachacamac. oder Pilgerhospizcs; auch haben Altcrthumsforscher die Spuren eines Palastes, eines Sonnentempcls und eines IunaMucnklostcrs entdeckt. In ihrem gegenwärtigen Znstandc unterscheiden sie sich wenig vou den andern Ruinen, ft prächtig sie auch zu den glück» lichen Zeiten der Incas gewesen sein mögen. Die Aussicht von der Höhe ist entzückend. Die große lautlose Stadt Pachacamac, von keiner lebenden Seele mehr bewohnt, dehnt sich unmittelbar unter dem Berge aus, von dem fruchtbaren Thale Lurin durch den Fluß gleichen Namens geschieden; im Norden dieses kleinen Stromes ist das Uferland zwischen dem Ocean und den Anden eine Sandwüstc; im Süden bildet der lachende Anblick des schön bewaldeten und wohl cnltiuirtcn Thals von Lurin den schlagendsten Gegensatz. Der Abend war stark hereingebrochen, als ich die berühmten Ruinen verließ. Ich ritt auf der fruchtbaren Seite des Stromes nach einem Hüttchen zu und bat um Nachtquartier: aber statt des freundlichen Indianers, den ich erwartet hatte, kam eine Mord-baudc von Negern heraus, deren drohende Haltung das Schlimmste befürchten ließ. Herausfordernde Worte folgten und endeten damit, daß Eillcr von der Bande mit einem langen Messer auf mich losstürzte. Somit blieb keine Wahl mcs,r übrig; ich feuerte, nur ein paar Zoll von ihm entfernt, meinen Revolver ab, gab dem Pferde die Sporen, sandte einem Zweiten von der Vande einen Abschicds-schuß zu und jagte durch die Todtenstadt nach der Sandwüstc zurück, wo ich mein Nachtquartier aufschlug. Die Ruinen bei Lima, sammt denen von ssaramarqnilla und Pachaeamae, sind jedenfalls die Ucbcrbleibsel einer sehr alten Civilisation und stehen, ebenso wie die gigantischen Trümmer von Tiahuanuco am SccTiticaca zu den Bauwerken der späteren Ineas in demselben Verhältnisse, wie die großen Ruinen von Palcnque und Axmul zu den Denkmälern der verhältnißmäßig neueren Azteken. Auf den Nuinm von Palenquc finden sich Hieroglyphen, die vielleicht künftig einmal ein Rawlinson des Westens entziffert und uns damit die wunderbare Geschichte des unbekannten Volks, das Amerlka's Vergangenheit. 15 in grauen Jahrhunderten jene prächtigen Tcinpel und Paläste er« richtete, ausschließt. Spuren anderer Art, die irgendwie auf eine Entdeckung des Ursprungs dieser merkwürdigen Bauten hinlciten könnten, eristiren in Ventralaincrika nicht. Von einer sebr frühen Bevölkerung der peruanischen Küste hingegen, die über das Ans» treten der Incas hinausrcicht, haben wir einige Andeutungen. Daß die ersten Ansiedler dieser Theile Amerika's über den großen Ocean gekommen seien, können wir nicht für nnwahrschein» lich erachten, wenn wir die auf diesem Meere vorherrschenden Winde und die Myriaden von Inseln, mit denen es bedeckt ist, in Berücksichtigung ziehen. Auch zu unserer Zeit haben chinesische und iapanestsche Iunken, von ihren Hcimathsküsten' «erschlagen, die Sandwichsinseln, ja selbst (5alifornicn erreicht. Ebenso erstreckt sich uon Indien oder uon Malacea aus eine stete Reihenfolge von Ruheplätzen durch den indischen Archipelagus bis nach Tahiti, von wo die Fahrt möglicher Weise wciter zu der Osterinsel und nach Ariea an der peruanischen Küste fortgeschtwerden konnte. Hier laudcte vielleicht in grauen Jahrhunderten der erste Ansiedler ans einem andern C.ontincnte, Durch ganz Peru ging zur ZeU der Eroberung die weitverbreitete Sage, daß viele Jahrhunderte vor dem Erscheinen der Incas ein Niesengcschlccht in großen Fahrzeugen aus dem fernen Westen gekommen und am Vorgebirge St. Helena bei der Guayaqnilmündung gelandet sei. Die Sage berichtet dann weiter, daß Gott sie um ihrer Sünden willen vernichtet habe; und noch jetzt werden die großen fossilen Knochen der Mastodons uud Mammuths, die sich häusig in barten Thonschichtcn vorfinden, in verschiedenen Gegenden Peru's jenen mythischen Wesen zugeschrieben. Achnlichc bezeichnende Sagen kommen auf den Südsccinseln vor; was aber wichtiger ist, das sind die Werkstücke und gigantischen Statuen, die sich aufderOsteriuselgcfundenhabcn, und die den Ein-«eborncn „nicht als Götzenbilder galten", rücksichtlich deren dieselben uielmehr erklärten, daß ilmcn ihr Ursprung unbekannt sei. Cook beschreibt dieselben, und was er sagt, klingt gerade so, als ob er den Tempel von Pachacamac oder die Nuincn von Tiahnanuco 16 Vorbtteitmlgeil und Abreise. habe schildern wollen; die Aehnlichkeit könnte nicht sprechender sein. Immerhin fehlt es aber an Unterlagen zu uöllig sicheren Ver< mnthnngen über den Ursprung dieser merkwürdigen Vauwcrke, die wir jcht verlassen, nin unsere Aufmerksamkeit der schönen perua« nischcn Natur und der verhältnißmäßig erreichbareren interessanten Geschichte derIncas, sowie der Residenz der lehteren, der Kaiserstadt Cuzco, znznivendcn. In der Negcl werden zu einer Neise in das innere Peru sehr umfassende Vorbereitungen getroffen. Die eingeborncn Cavallcros führen wenigstens drei Packinaulthierc nnt sich, von denen das eine einen ungeheuren rindsledernen Koffer, der mit Matraßen, Kopfkissen und Betttüchern augefüllt ist, die bcidcn andern das übrige Ncisegcrätbc tragen. Denn außer in großen Städten giebt es keine Gastbäuser; Neigen sind im Innern gan; unbekannt. Will man aber wirklich angenehm reisen, so muß man alles überflüssige Gepäck zurücklassen, sich auf eiu paar lederne Sattel» taschcn und auf einige warme Ponchos, die als Actt dienen, beschränken und sich beim Antritt der Neise mit jeder Sorge und Aengstlichkcit ein für alle Mal abfinden. So trat ich, von einem schwarzen berittenen Soldaten, der mir aber nichts nichte, begleitet, meine Pilgcrschaft nach Cuzco an nnd hielt das erste Nachtquartier, nach mur Tagereise an der Küste hin, im Dörfchen Lurin. Das Thal des San Antonio. 17 Erstes Kapitel. Die Küste. Die Ebene von Cauete mit ihren Zuckervftanzungeu. — Die Ruinen von Hervay. — Pisco und die Guano-Inselu. — 3)m, San Xauier und Nasca mit seinen Bewässerungsanlagen. — Allgemeiner Charakier der Küste. — Die Sklaverei in Peru. Der nächste Ort südlich von Lurin ist Chilca, ein Häuflein kleiner Häuser mit schöner Kirche mitten in einer jener Sandwüsten, die im Wechsel mit fruchtbaren Thälern die Küste charaktcrisiren. Es ist von Indianern bewohnt, die sich in ilirer Oase uiel unabhängigen Frciheitssinn bewahrt haben und eine rege Betriebsamkeit entwickeln. Die Männer sind theils Maulthicrtreiber, theils verrichten sie Feldarbeiten im benachbarten Mala«Thale, theils beschäftigen sie sich mit der Fischerei. Die Frauen verfertigen Cigarrenetuis aus Strohgeflecht. Das wellenförmige sandige Land der Oase erzeugt Palmen, Feigen und Grnnatbäumc, an einigen fcuchtcrn Stellen zieht man Nohr zur Bedachung der Häuser, und au den dürftig berasten Abhängen weiden Maulthiere und Esel; die Nahrungsmittel werden aber alle aus Mala bezogen. Iu dieses liebliche Thal gelangten wir nach einem Nitt von drittchalb Meilen. Gs wird vom San Antonio-Flusse durchströmt, der damals stark angeschwollen war, und bildet mit seinen Orangen-Hainen, Weingärten, Aanancnvflanzuugcn, Maisfeldcrn und zirr-lichen Wcidenalleen einen schlagenden Contrast zu der traurigen Nildniß, die man eben verlassen hat. Der südliche Theil des Thals besteht aus einer einzigen großen Besitzung, von deren zahlreichen Heerden Lima seinen Bedarf an Kainpfstieren entnimmt. Zwei Meilen weiter an der Küste hin liegt das Dörfchen Asia, ueun bis zehn Hütten aus Nohr und Lclnu, die von ein paar ver- Pcru. 2 18 Die Ebene von Caucte. krüppeltcn Büschen und Kürbispflanzungen umgeben sind. In die-sein armseligen Oertchcn fand ich einen Indianer, der die Geschichte der Incas von Garcilasso de la Vega besaß und von ihren Thaten sehr gut zu sprechen wußte. Von Asia windet sich die Straße um ein steiles Vorgebirge knapp am Meere hin und führt weiter über fünf Meilen durch wüste Berge und Schluchten, ohne Vegetation, bis endlich das Auge mit dem Anblick der breiten und fruchtbaren Ebene von Canetc, die zu den reichsten Zuckerrohr-Districten Peru's gebort, erfrischt wird. Sie ist gegen drei Meilen lang, füllt die ganze Breite zwischen der Cordillere und dem Meere und ist fast durchgehende mit wehenden Zuckerrohrfeldern bedeckt, die nur durch lange zierliche Wcidcnallcen von einander getrennt sind. Der ganze District zerfällt in acht Pflanzungen, die von zweitausend Negersklaven und einigen hundert neuerdings eingeführten Chinesen bearbeitet werden. Das Rohr wird nur einmal in achtzehn Monaten geschnitten; auch bedürfen die Pflanzen, da das Klima Verhältniß« mäßig kühler ist und es nie regnet, schon der Bewässerung wegen vieler Pflege. Trotz des langsamen Wachsthums giebt aber das Rohr einen mehr als gewöhnlichen Ertrag, weil es von dichterem Gewebe ist und reichlicheren Saft enthält als das in den milderen Gegenden. Zum Pressen des Rohrs bedient man sich theils der Wasser- theils der Dampfkraft; auch giebt es noch Göpelwerkc, die von Maulthicrcn und Rindern in Bewegung gesetzt werden. Der Taft gelangt durch Rinnen in große Gefäße, wo er gesotten wird. Man raffinirt hie und da einen Theil des Ertrags oder macht Meliszuckcr daraus, auch viele cl,gncll«l8, Syropkuchcn, die den Sklaven zur Speise dienen; der größte Theil aber wird crportirt. Die Gebäude der Pflanzung sind schön und geräumig. Den einen Theil des Hofs fassen die Zuckermühle, das Sicdchaus und die Naffmir- und Lagerräume ein; den übrigen das Wohnhaus, das in der Regel eine Menge großer, luftiger und schön ausgestatteter Zimmer besitzt. Neben dem Wohnhaus befindet sich stets eine Kapelle, an welcher ein Priester angestellt ist. Das Leben auf den Pflanzungen ist angenehm und behaglich. Ziicktt'vflanzungcn. Lebensweise. 19 Die Eigenthümer und ihre Beamten stehen früh auf, reiten aufs Feld oder gehen ihren sonstigen Beschäftigungen nach und finden stch um zehn Uhr bei einem sehr substantiellen warmen Frühstück zusammen. Dasselbe besteht aus Snppe, weich gesottenen Giern, die mit gerösteten Vanancnschnitten garnirt stnd, und verschiedenen Fleischgerichten; den Beschluß macht eine Tasse schäumende Choco-lade und ein Glas Wasser. Das Mittagsmahl wird um vier Uhr eingenommen. Der Gutsherr präsidirt, und die Gesellschaft besteht aus seiner Familie, dem Verwalter, dem Kaplan, dem Raffinirer, den übrigen Beamten und den Gästen, die stets gern gesehen sind. Das Mahl beginnt mit einem Olmpö, dem peruanischen Nationalgericht, wozu Kartoffeln, Eier und junge Hühnchen gehören. Dann folgt frischer Fisch mit Weinessig und Ahi (peruanischem Pfeffer), und den Beschluß machen vortrefflich eingemachte Früchte und andere Süßigkeiten, die mit einem Glas Wasser hinuntcrgespült werden. Aus denselben Elementen, wie hier die Tischgesellschaft, besteht auch wieder dicStadtgesellschast. Durch gegenseitige Besuche und Gastmähler wird ein fortdauernder freundlicher Verkehr zwischen den verschiedenen Familien unterhalten. Jedes Haus hat einen herrlichen Blumen- und Fruchtgartcn, durch den ein kleines fließendes Wasser geleitet ist: da findet man in Gruppen die mächtigen Ckirimoyabäumc, die große und schlanke Palta- oder Alligatorbirnc, Apfelsinen, Limonen- und Citronen« bäume und die köstliche Granadilla, die Frucht der Passionsblume, die üppig und verschwenderisch über die Bäume herabhängt, kurz. Alles, was nur den Besucher durch köstlichen Duft und Wohlgeschmack zu bestechen vermag. In der Nähe des Gartens liegt gewöhnlich der Galpon, der Aufenthaltsort der Sklaven, eine Art Dorf, das aus Hütten besteht, einen kleinen Hof in der Mitte hat und von einer hohen Mauer umgeben ist. Die Neger von Cancte scheinen sich wobl zu befinden und zufrieden zu sein. Jeden Morgen und Abend, vor und nach gethaner Arbeit, versammeln sie sich in der Kapelle, und überaus lieblich klingt der Gesang, den hier die jungen Mädchen und Frauen zum Lobe Gottes anstimmen. Nachdem ich die gastfreundlichen Haciendas von Canctc vcr- 2' 20 Die Ruinen von Hervay. lassen und dm reißenden und lwchangeschwolleiun Strom gleichen Namens überschritten hatte, gelangte ich auf einem das Meer beherrschenden Küstenpunkte an cincn Haufen Ruinen, der gegenwärtig den Namen der Festung Heroali trägt. Sie liegen auf einer steilen Anhöhe und zerfallen in zwei Ab^ tl,eilungcn. Ich trat in die vom Meere entferntere durch eine Lücke der nördlicken Mauer und verfolgte einen Wall, der breit genug für zwei Mann nebeneinander und uon außen mit einer Brustwebr von fünf Fuß Höbe, uon innen mit einer sechzehn Fuß hohen Auf-maucrung verleben war. Die Brustwehr erhebt sich am Rande eines steilen Felsens etwa dreißig Fuß über die Ebene und ist theil-weisc mit Lcbmziegcln bedeckt. Etwa zwanzig Schritte abwärts wendet sich der Watt rechtwinklig nach dem Innern zu und führt durch cin zehn Fuß bohcs Tlwr in eine geräumige mit Nischen umgebene Hatte, von welchen aus Gänge in zahlreiche kleinere Räume sich eröffnen. Die Mauern sind sechzehn Fnß hoch, von Lehmzicgeln errichtet und teilweise mit Mörtel berappt, Von dieser interessanten Ruine gelangt man auf einem mit Trümmern übersäeten Pfade zu der anderen, 220 Schritte nach dem Meere zu davon entfernt liegenden Abtheilung, einer großen, vollkommen viereckigen Halle, von deren Seiten eine jede 39 Schritte mißt. Die Ostseite enthält funf^cbn Nischen: an der Südseite besindcn sich zwei Thüren, die in zahlreiche kleinere Raume führen. Die Nnincn von Hervay weisen nach itirer dem Vaustyle von Cuzeo und Limatembo gleichenden Architektur offenbar aufdieIncas als Erbauer bin. Dic Tbäler uon Yea uud Pisco bis zu dem Gebiete des großen Cbimu, in der Gegend des jetzigen Trurillo, wurden unter Pachaentec, dessen Sokn, der berühmte Prinz Yupanqui, die Yunka-Indiancr wiederholt schlug, uon den Incas erobert, Jedenfalls wurde damals die Vnrg sammt dem Palast zu Hervay gegründet, und man kann sie als eine der ersten Anlagen betrachten, mit denen dic Incas an der Küste des Stillen Meeres sich festsetzten. In den Huacas lBcgräbnißvlätzen) in der Ebene uon Cancte bat man neuerdings viele interessante Reliquien aus jener Periode aus- Das trauernde Incamädchcn. 21 gegraben, worunter sich namentlich Tbonwaarcn, steinerne Canopas (Hausgötter), goldene Ohrringe und verschiedener Silberschmuck befinden. Die Sandwüste zwischen den Tliälcrn von Canetc und Chincha ist übcr ackt Meilen lang. Volle sechs Meilen waren wir bald über öde Sandhügel, bald über kahle Fejsenhöhen, deren Wände schroff zum Mccre abfielen, geritten, als uns endlich ein gewundener Pfad zum Ufer herabführtc, an dem sich eine heftige Brandung brach. Um eine vorspringende Klippe biegend, gelangten wir an das Bett eines ausgetrockneten Bcrgstroms, der sich einst durch eine jäh abfallende Schlucht seinen Weg zum Meere gebahnt hatte. Jetzt war alles still und öde. Am Fuße der felsigen Abliänge der Schluckt staudcn ein paar verkümmerte Büsche, und das trockne Strombett war mit großen runden Steinen besetzt. Die Sonne sank eben hinter dem Meere hinab und warf noch einen hellen Schein auf die eine Seite der Schlucht, während die andere unter der langen Ncihe düstrer Felsen in tiefem Schatten lag. Das eintönige Brausen der Brandung war der einzige Laut, der sich vernehmen ließ. Doch war ich nicht allein. Etwas weiter auswärts in der Schlucht erblickte ich an einem niedrigen Ufer hin< ßtstrcckt eine weibliche Gestalt. Sie trug die wohlbekannte Tracht eines Inca-Indiancrmädchcns, wie sie in den Thälern von Tarma und H'auxa getragen wird, den blaucn Kattunrock und die schwarze Traucrschürzc, und hatte ihr Gesicht in den Sand vergraben. Ich ging zu ihr und faßte ihre Hand, worauf sie mich mit dem Ausdrucke dcs tiefsten Seclenschmerzcs ansah. Gs war ein schönes Gcsicht; das arme Mädchen schien höchstens sechszclm Jahre alt zu sein. Sie zeigte nach einem kleinen Gebüsch ein paar Schritte weiter hinauf, und ich fand einen todten Säugling. Ich legte eine Gabe neben die kleine Leiche und ritt weiter. Das schöne Mädchen erschien mir in ihrem Schmerze wie die Schutzgöttin der Incas. die über das Unglück weint, dem ihre Kinder verfielen, als ibr leuchtender Sonnengott im Meere versank und sie dem bittern Joche der fremden Eroberer preisgab. 22 Pisco und seine Umgebungen. Die Straße zieht sich von diesem einsamen Platze weg wieder am felsigen Abhang binam und brachte uns nach mehrstündigem Ritt dnrch die Wüste in das herrliche Thal von Ebincha, wo wir. als die Nacht schon eingebrochen war. die gastfreundliche Zucker» Pflanzung Laran erreichten. Sie ist eine der schönsten Haziendas an der Küste von Peru. Die große gerade Straße, die von hier aus bis zum Fuße der Cor-dillere läuft, liegt mit dem Sonnentemvel zn Cuzco genau, in einer Breite; sie soll die Grenze zwischen Neu Castilicn und Neu Toledo, den Ländergebicten, die nach der Eroberung an Pizarro und Almagro überwiesen wurden, gebildet haben. Zahlreiche alte Aegräbnißplätzc zeugen von der starken Bevölkerung dieses Thals zur Zeit der Incas. Zwischen den Thälern von Chincha und Pisco erstreckt sich abermals eine Sandwüste. Nachdem man eine neue Hängebrücke über den Fluß Pisco uassirt hat, eröffnet sich eine freundliche, mit Dattelpalmen, Weiden und Wicsenland bedeckte Ebene, in welcher die Stadt Piseo liegt, die als Musterbild für die kleinen Küstenstädte Peru's dienen kann. Auf dem Marktplatze befinden sich mehrere stattliche Häuser, darunter das des Don Domingo Elias, des größten Landcigenthümers und unternehmendsten Mannes in Peru; ingleichen eine schöne Kirche, im Baustyle von Lima, welche die eine Seite des Platzes ciunimmt. Die kleinern Wohnungen der ä'rmcrn Klassen, namentlich der Neger und der gemischten Farbigen, sind von einfacher Bauart. Es sind weiß übertünchte, zehn Fuß hohe Häuser von Fachwerk aus Rohr mit Lelimschlag: sie stehen reihenweise, und sebcn mit inren getäfelten Tln'ircn und gläsernen Lampen darüber reckt nett und anständig aus. Außer der großen Kirche, einer bekannten Landmarke für die Küstcnschifffahrcr, besitzt Pisco noch die alte Icsuitcnkapelle mit schönem vergoldeten Schnitzwerk und ein verfallenes Franziskanerkloster, das vor zwanzig Jahren von der Regierung eingezogen wurde. Früher war Pisco ungesund; die Einwohner hatten viel an Die Guano-Inseln. 23 Fiebern zu leiden; durch eine vor achtzehn Jahren eingerichtete gründliche Austrocknung aber bat man den Platz zu eincm ganz besonders gesunden umgeschaffen. Die Umgebungen von Pisco sind mit weit ausgedehnten Weingärten bedeckt, uon denen die meisten Don Elias besitzt, der ausgezeichnete Trauben erbaut. Er läßt große Quantitäten keltern und aus einem Theile den berühmten Pisco oder Italia bereiten, «inen Liqueur, der nach allen Küstcnvlätzen und auch in das innere Peru versandt wird. Seine Niederlage zu Pisco enthält mehr als liundert Fässer Wein, jedes zu 280 bis 300 Gallonen (1350 bis 1450 Kannen), die in drei Sorten zerfallen: die beste, ein ausgezeichneter Nein, dem Madeira ähnlich, dann ein etwas geringerer weißer Wein und ein dritter, der dem Vucellas gleicht. Der Pisco ist in großen Niederlagen am Strande aufgespeichert, von wo er nach den Häfen von Peru und Chile verladen wird. Eine ausgezeichnete Sorte des Pisco wird aus der großen weißen Traube unter Zusatz der duftenden Chirimoya-Frucht bereitet. In der Bai von Pisco, etwa dritthalb Meilen uon der Küste entfernt, liegen die Chincha-oder Guano-Inseln. An einem Iauuar-tage schiffte ich mich in eincm kleinen mit Chinesen bemannten Langbootc ein, um sie zu besuchen. Wir landeten zunächst an der nördlichsten, deren Felsenwände so schroff abfallen, daß man die Insel mittelst einer hohen, steilen Leiter erklimmt, die zu einer an der Seite des Felsens angebrachten hölzernen Plattform führt. Die Insel ist gegen 1400 varaä (2389 Ellen) lang und 600 (1024 Ellen) breit. Sie ist ihrer ganzen Ausdehnung nach mit dicken Guanoschichten bedeckt; der Haufttstich, etwa hundert Schritte vom Nandc des Felsens entfernt, zeigt bereits eine Höhe von scchszig Fuß. Zweihundert Verbrecher sind damit beschäftigt, den Guano herabzuschaufeln, und eine kleine Dampfmaschine dient dazu, ihn zu heben und in die Karren zu laden. Von der Maschine geht nämlich ein Krähn aus, vermittelst dessen ein großer eiserner Trog, der acht Centner schwer ist, aufundnieder bewegt wird. Der Trog füllt sich selbst und entschüttet sich in die Karren, die ihn auf Schienen bis an den Rand des Felsens führen, uon wo er durch einen 24 Die Gncmo-Inseln. Schlauch von Segeltuch in den Naum des ladenden Schiffs gelangt. Hierwird er von starkncruigcn Ncgcrn sofort, wie cr herabfällt, gebreitet und geordnet. Sie crbaltcn dreizelm Dollars für tmndcrt Tonnen zu breiten und tragen eiserne Masken, da der Guano durchdringender ist als Kohlenstaub und Eiscnfeilspäbnc, und stärker als flüchtige Salze. Die Verbrecher wobncn in einem Haufen schmutziger Hütten, neben denen sich ein paar eiserne Gebäude befinden, die dcn peruanischen Beamten, einigen englischen Zimmcrleutcu und einem irländischen Doctor zum Wolmsche dienen. Man hat berechnet, daß im I. 1853 auf der nördlichen Insel noch 3,7^8,25,0 englische Tonneu') Guano vorhanden waren, auf der mittleren 2, 000,000, auf der südlichen 5,680,000. Die letztere ist noch gar nicht angegriffen. Die mittlere wird fast nur von Chinesen bearbeitet, dic aber theils wegen der schlechten Behandlung und der fürchterlichen Beschaffenheit dcr Arbeit, theils aus Heimweh sehr häufig Selbstmorde begehen. Es lagen fünfundzwanzig Kauffahrteischiffe, meistens englische, vor den Inseln, in der Regel befinden sich mehr dort, bisweilen steigt ihre Anzahl bis zu bundcrt. Die weniger betretenen Stellen werden noch jetzt von vielen tanscndcn Guanovögcln") besucht. Sie legen ilnc Eier in kleine Höhlen im Guano und einzelne Anhöhen sind mit ihren Nestern völlig bedeckt. Sie gehören zur Familie dcr Viecrschwalben, haben rothe Schnäbel und Füße und sind ctwa zehn Zoll lang. Oben am Kopfe, an den Spitzen der Flügel und am Schwänze sind sie schwarz, am unteren Theile des Kopfes weiß, übrigens von dunkler Schicfcr-farbe; an beiden Seiten unter dem Ohre tragen sie einen langen geringelten Fcderbart. Schon die Incas von Peru legten hohen Werth auf den kost« baren Düngungsstoss; cr wurde im ganzen Neiche viel gebraucht. ') 1 Tonne--2'» Ctnr., c:!ft zusammen cbngc'ähr 230 Millionen Ccutner. **) Guano ist das rcvdorbcne Quichna-Wott Huano und bedeutet Dünger. Die Stadt Mca. 25 und jede Störung der Vögel während der Brutzeit soll mit Todesstrafe bedroht gewesen sein. Außer den Mecrschwalben nisten große Schaaren von Tauchern, Pelikanen und Möven'auf den Inseln, Der nächste bedeutende Platz südlich von Pisco ist Ma, die Hauptstadt der Provinz, in einem lieblichen Thale, das nach der über acht Meilen langen Sandwüste zwischen Yca und Pisco hin durch einen Wald uon Iohannisbrodbäumen begrenzt wird, während im Thalc selbst die Straße durch Weingärten und Banm-wollenvflanznngen führt, die mit Hecken von Feigen, Jasmin und Rosen eingefaßt sind. Der Iohannisbrodbaum wird hier sehr groß, bis zum Umfang einer starken Eiche; sein Holz ist uon ungewöhnlicher Härte, so daß sich der Stamm unter der Last beugt und herumdreht, während sich dic Acstc in Knoten verschlingen, wodurch die ganze Gestalt ein wildphantastischcs Ansehen erhält. Die Fruchthülscn liefern ein sehr geschätztes Futter für Pferde und Maulthicre. Ica ist eine hübsche Stadt von 10,000 Einwohnern; die Häuser haben platte Dächer, sind im Limacr Vaustylc aufgeführt und thcilweisc im Innern schön eingerichtet, Das Erdbeben bat hier furchtbar gewütbet. Im Jahre 1745 wurde die alte Stadt völlig zerstört; ihre Nnincn liegen zwei Stunden südlich von der neuen. Der Fluß, der an der Stadt vorbcifticßt, ist den größten Theil des Jahres trocken. Eine Zeitlang stürzt er sich schäumend durch das fruchtbare Thal, bald darauf aber ist sein Bett eine staubige Straße. Ich traf ihn in seiner Glanzperiode, wo eine Brücke aus Seilen und Weidcnzwcigcn über ilm hinweg gespannt war. Hierher lassen die Damen uon Uca ihre Sessel tragen, um in der Abendkühlc mit einander zu plaudern. Eiuc Allee von Weiden und Fruchtbäumen dient gewöhnlich der vornehmen Welt zur Promenade nach den Beschwerden des heißen Tages, und die Echnce-gipfcl der Anden, die den Gesichtskreis begrenzen, verleihen dem reizenden Platze ein erquickendes Gcfübl von Frische. Von Yca aus führt die Straße durch Weingärten und einen zweiten großen Wald von Iohannisbrodbäumen in d-c gleichfalls 26 Die Besitzung San Lavier. über acht Meilen lange Sandwüste von Guayuri. in der kein Hälm-chen von Vegetation zn erblicken ist. Die versengenden Sonnenstrahlen werfen von der Sandflächt eine drückende Glnt zurlick. Plötzlich tritt dcr Reisende aus der Wüste in die lachenden Weingärten von Chimbo, Gnaynri nnd Santa Cruz, an welche sich das wohlmltivirte Thal von Rio Grande anschließt. Das letztere zerfällt in eine Menge kleiner Parccllen, die der Eigenthümer des Ganzen, Don Domingo Elias, Einzelnen in Pacht gegeben hat. Von hier ans gelangt man über eine Reihe öder Berge in das Thal von Palpa, das neben einer starien Wein- und Baumwollen-Production den zur Ernährung der Bevölkerung von etwa 4000 Seelen erforderlichen Weizen erzeugt und zwei Wassermühlen besitzt. Es zieht sich bis an den Fuß der Anden hinan und wird durch eine Bergkette, in der sich eine warme Quelle und eine reiche Kupfer« mine befindet, in die malerischen und fruchtbaren Gründe von Sara-marca und Mollaque geschieden. Dnrch eine dritthatt' Meilen lange bergige Wüste gelangt man in die fruchtbare Ebene von San Xavier, die ausschließlich Don Domingo Elias zugehört und aus Weingärten, Baumwollen-psianzungen und zahlreichen kleinen Gütern besteht, die sich nake am Fuß dcr Cordillere hinziehen. Die Besitzung San Xauier ist eine der schönsten an der Küste von Peru. Das Haus ist geräumig und schön eingerichtet; dcnHofumgiebt ein steinerner Corridor, deffen Bogen von massiven Säulen getragen werden. Auf dcr einen Seite befinden sich die Niederlagen und große Ncinpressen; auf einer zweiten die schöne Kirche, die von den Jesuiten, den frühern Eigenthümern dieser Besitzung, erbaut wurde. Das Holzschnitzwerk an der Kanzel und den Altären ist sehr schön, und die Bilder dcr Ordensgeneräle in glänzenden goldenen Rahmen geben der alten Kirche ein stattliches Ansehen. Zur Zeit der Jesuiten wurden Negersklaven eingeführt, und das Thal warf einen sehr bedeutenden Ertrag ab. Die Weingärten producirtcn jährlich 70,000 Arrobas *) Spirituosen, *) Vier Arrubas machen einen Centner. Das Thal von Nasca. 27 und man verkaufte die Arroba zu 5 bis 7 Dollars (Pesos ä I THlr. 13 Ngr. 5 Pf.), während gegenwärtig der Preis nur 2 Dollars beträgt. Im I. 1767 wurden die Gi'iter der Jesuiten eingezogen und kamen seitdem im Werthe immer mehr und mehr herab, bis sie Don Domingo Elias von der republikanischen Regierung erkaufte. Die Baumwollcnpflanznngen von Lacra und San Jose sind mit Wassermühlen versehen, welche zngleich Maschinen zur Auskörnung und Pressen zum Packen der Baumwolle in Bewegung setzen. Don Domingo hat sich zu seinem Erport ciucn eigenen Hafen, Lomas, 15 Meilen von San Xavier entfernt, angelegt, und verschifft jährlich 40,000 Centner Baumwolle, darunter 12000 eigenen Ertrag, die theils auf Maulthieren, deren jedes 175 Pfnnd trägt, theils auf Flößen zu dem Hafen gebracht werden. Von letzterem einige Meilen landeinwärts liegt der geheimnißvolle <üerro cle Illz LruxÄ8 oder Hexenberg. Der einzige Bewohner desselben ist ein alter Mann, Namens Mannel, der ein paar Mordthaten anf seinem Gewissen hat und oft, von eingebildeten Kobolden gejagt, in der Nacht herauskommt und schreiend anf den Felsen umherläuft. Südlich von San lavier, durch eine weite Fclswüstc geschieden, liegt das Thal von Nasca, das durch seine Bcwässcrungs-werke zn den interessantesten Strichen der Küste gehört. Das Thal, eine vollständige Oase, hat neun Meilen Wüste im Norden und über zwanzig im Süden, senkt sich sieben Meilen weit vom Gebirge in sanfter und allmählich sich erweiternder Abdachung nach dem Meere zu und ist von den riesigen Gipfeln der Cordillerc eingesäumt. Die einzige natürliche Bewässerung besteht in einem kleinen Bache, der elf Monate im Jahre trocken ist: die großartige Wasserbaukunst der Incas aber wußte die Hindernisse, die in der natürlichen Beschaffenheit des dürren Landes lagen, auf eine bewunderungswürdige Weise zu bekämpfen und schuf die Wildniß zu einem lachenden Paradiese um. Das Thal ist seiner ganzen Länge nach bis hoch in das Gebirge hinauf mit Gräben durchzogen, von denen die Hauptleitungen, 28 Die Bewässelnugswcrkc von Nasca. die Puquios, vier Fuß Ticfe baben und mit Steinen ausgemauert und überwölbt sind. Je tiefer sie in das Thal hcrabsteigcn, desto mehr verzweigen sie sich nach allen Richtungen bin in kleinere Leitungen, die jede Pflanzung mit dem köstlichsten Nasser versorgen und alle die verschiedenen Gräben füllen, die zur Fruchtbarmachung des Bodens dienen. Die größten Pnquios befinden sich unter der Erde und haben in Zwischcnräumcn von zweihundert Schritt Ojos oder kleine Ocffnungcn, durch welche die Werklcutc in das Gewölbe eindringen und die Leituug reinigen können. Auf diese Weise werden im Nasca-Thale fünfzehn Nein- und Baumwollcnpftanznngcn bewässert, und außer den genannten Hauvt-productcn bringen diese fruchtbaren Haciendas noch reiche Ernten von Nripfcsscr, Mais, Melonen. Kartoffeln, Mken'), Limonen, Citronen, Chirimoyas und andere Vcgctabilien und Früchte aller Arten von der vortrefflichsten Beschaffenheit hervor. Auf einem der Berge, die sich hinter Nasca, einem kleinen und ruhigen Städtchen, erheben, befindet sich die verlassene Goldgrube von Ccrro Blanco. Gs ist ein wilder, öder Platz; das ticfe Schweigen, das hier herrscht, wird durch keinen Laut unterbrochen, aber die Aussicht ist höchst charakteristisch. Das Thal tief unten gleicht einem breiten Strome, der sich durch eine sandige Wüste seinen Weg zum Ocean bannt, und die enormen Pcrgmasscn, von denen nach allen Richtungen hin eine über die andere emporsteigt, geben einen kleinen Vorgcschmack von der majestätischen Größe der Anden. Das Erdbeben bat auch hier gcwüthct. Das jetzige Nasca ist an cincm andern Platze neu aufgeführt worden. Von hier ans gelangt man aus einer von Feigen- und Orangenbäumen be» schatteten Straße zn den Dunen der alten Stadt, die am Bergabbange liegen und der Inca-Zcit angeboren. Die Häuser cntbaltcn große Räume mit Nischen wie die Ruinen ;n Hcrvay bei Canetc. Auf einem isolirtcn Berge mittcn in der alten Stadt befindet sich eine Festung mit einem im Halbkreise sich ausdcbucndcn Frontlrall ") Kjuca. cinc Pflanze, dic znr Familie der Aloe gehört. Allgemeiner Charakter der Küste von Peru. 29 und cincm entsprechenden Außenwcrtc am Fuße des Verges, Die Mauern der Häuser und der Festung sind von Bruchsteinen aufgeführt. Südlich von Nasea erstreckt sich eine ungeheure Wüste von nahe zwanzig Meilen Ausdehnung bis zu dem zuckerproducircndcn Thale von Ncari. Weiterhin folgen die Thäler von Uauces, Atequiba, das olivcnrciche Chala und die fruchtbaren Ebenen von Atico, Cbapata, Ocona und Camaua, alle ohne Ausnahmen durch Sand-wüsten, die sich von der Cordillere bis zum Stillen Meere herabziehen, von einander getrennt. Dies sind die allgemeinen Züge der Küstendistricte von Peru. Nasca war der entfernteste Punkt, bis zu welchem ich vorging, cbe ich quer über die Nndcnkcttc nach Cuzco, der Inca-Stadt, aufbrach. Die Wüsten sind wilde, traurige, schattenlose Einöden, ohne Mittel zur Existenz; wo man aber einen Tropfen Wasser bat, entfaltet sich eine Ucbcrsülle von Fruchtbarkeit, und die wehenden Zuckergefilde, die Wälder von Weiden- und Fruchtbäumen, die an-muthigcn Neingärten bilden einen schlagenden Gegensatz zu den sie umgebenden Wüsteneien. An den Südküsten, in der Nachbarschaft von Ehapata und Atico, soll es noch ein paar einsame, tief in Sandwüstcn eingebettete Oasen geben, die kein europäischer Fuß betreten, und die man noch von glücklichen ununterjochten Indianern für bewohnt hält. Die größte Küstcnwüste ist die von Sechura iu der Nähe von Payta. Dort soll der müde Wanderer während der wolkenlosen Nächte durch Klänge einer lieblichen Musik, die gcheimnißuoll über den Sand hinüber wehen, entzückt werden. Mit Ausnahme der unmittelbaren Nachbarschaft von Lima schien in jenen fruchtbaren Thälern die gesammtc Bevölkerung Neger, Indianer und die andern zahlreichen Abschattiruugcn, ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Das Klima ist herrlich, an allen Lebensbedürfnissen ist Ueber-siuß, und die Arbeit wird durch die zahlreichen kirchlichen Festtage, 30 Die Sklaverei in Peru. an denen sich auch die armen Sklaven erholen und vergnügen können, und wo man den jüngeren weiblichen Theil derselben ohne Ausnahme in weißen Atlasschuhen und anderem stattlichen Putze erblickt, häufig unterbrochen. Die Behandlung der Sklaven ist, soweit ich es zu beobachten Gelegenheit hatte, durchgängig eine freundliche gewesen, Auf der Hacienda des Don Juan dc Dios zu Chavalina erhalten alle ucrhcirathcten Sklaven ein Stück Land zur Bebauung für sich und zur Schweine- und Hühnerzucht; die Kinder führen die Ernten auf. Eseln zur Stadt, und man sieht sie lnntcr großen Haufen von Früchten und Vcgctabilien auf dem Markte zu Uca scheu. Auch andere Erwerbszweige werden nachgelassen; ein alter Sklave machte Bankicrgeschäfte und hatte manches Hundert Dollars auf Zinsen außen stehen. Schreiben konnte cr nicht, seine Rechnung führte cr vermittelst eines Kerbholzes. Schon seit der Unabhängigkcitserklärung hat die republikanische Regierung die allmähliche Abschaffung der Sklaverei ins Auge gefaßt. Im Jahre 1821 wurde ein Gesetz erlassen, wornach zwar die damals lebenden Sklaven für ihre Person Sklaven bleiben, ihre Kinder aber mit dem fünfzigsten Jahre und ihre Enkel sofort von der Geburt an frei sein sollten. Man wollte auf diese Weise die Sklaven an die Freiheit gewöhnen und den Herren Zeit lassen, ihre Einrichtungen zu treffen. Man gedachte Chinesen einzuführen und durch deren billige Arbeit etwaigen zu hohen Forderungen Seitens der freien Neger die Wage zuhalten, glaubte aber, daß nur wenige der letzteren ihre Herren verlassen würden, da sie mit denselben durch eine beinahe väterliche Behandlung und alle ihre Erinnerungen bis zur frühesten Kindheit zurück eng verknüpft sind. Die Kosten für Unterhaltung und Bekleidung eines Sklaven berechnete man zu 40 Dollars jährlich. Im Jahre 1854 erfolgte endlich die gesetzliche Abschaffung der Sklaverei durch den Präsidenten Castilla. Die großen Grundbesitzer an der Küste Peru's zeichnen sich durch eine gute Bewirthschaftung ihrer Ländcreien und durch das Wohlwollen, mit welchem sie ihren Untergebenen sowie Fremden begegnen, uortheilhaft aus. Die unbegrenzte Gastfreundschaft, Reise ins Gebirge. 31 mit dcr ich, der unbekannte und alleinstehende Reisende, oft, ohne einen Empfehlungsbrief zu besitzen, in ihren Häusern aufgenommen, und die Art, wie dieselbe an den Tag gelegt wurde, übersteigt Alles, was ich vorher in dieser Beziehung erfahren oder gehört hatte. Aber auch bei den Indianern in Lurin und Chilca, wie bei dem vortrefflichen alten Priester Don Martin Fernandez zu Mala fand ich gleich herzliche Aufnahme; kurz, die ausgedehnteste Gastfreundschaft laßt es den Reisenden vergessen, daß er sich in einem Lande befindet, wo es keine Gasthöfc giebt. Zweitrs Kapitel. Das Gebirge. Dcr Kamm und Paß der Anden. — Eine Nacht in der Schuecregion;, gefahrvolle Paffagen. — Die Orte Ayacucho, Uqnicha, Andahuaylcs und Abancay. — Ein kirchliches Fest in einem Indianerdörfchen. Die Reise über die Anden wird gewöhnlich in dcr trockenen Jahreszeit unternommen. Mein Aufbruch erfolgte im Februar und fiel demnach in die vom December bis März dauernde Regen-Periode, wo die Schleusen des Himmels geöffnet sind und die Flüsse zu tiefen, oft nicht zu passircndcn reißenden Strömen anschwellen. Von meinen freundlichen Wirthen zu Dca und Chavalina mit allem nöthigen Lcbcnsbedarf an Wein, Chocolade, Mandeln, Rosinen, Süßigkeiten, Zwieback und Spirituoscn zum Einheizen reichlich versorgt und von einem wackern Führer, Augustin Carpio, begleitet, trat ich meinen Weg ins Gebirge an. Derselbe führt von Huamcmi aus, das wir am frühesten Morgen verließen, durch Weidegründc, wo wir zahlreiche Rinder, Pferde und Maulthier-heerdcn antrafen, und windet sich dann durch eine unbewohnte, zu beiden Seiten von hohen, fast senkrecht emporsteigenden Bergen 32 , Erste Tagereise in den Anden. begrenzte Schlucht, welche der Ica rauschend durchströmt. An den Uscin desselben fanden wir Neidcnbäume, Chikas, eine Art Lorbeer mit gelben Blüthen, und Molles, Bäume, die große Trauben von wohlriechenden rotben Vccren tragen. Die Schlucht war weithin mit steinernen Terrassen, den Andcncrien oder bangenden Gärten der alten Peruaner, besetzt, die manchmal acht bis zehn Fuß Tiefe hatten und, je höher sic am Verge hinauf stiegen, schmäler wurden. Jetzt zu Minen verfallen, legten sie Zeugniß dafür ab, daß diese Wildniß vor der Anknnft der Spanier ein fruchtbarer uud bevölkerter Landstrich war. Die Vergabhänge sind mit Lupinen, Heliotrop, Vcrbcncn und der Scharlach-Saluia besetzt, und auf der Straße fanden wir eine Menge kleiner Insectcn, die wie der ägyptische Scarabäus aus Lehm zusammengeballte Kügclchcn rollten. Auf der Höhe angelangt bemerkten wir erst, wie stark die Steigung war, denn wir hatten bis in große Ferne hin eine Menge Berggipfel zu unsern Füßen. Wir zogen über den Kamm des Berges und gelangten in eine reich mit Kartoffeln und Kleefeldern angebaute Schlucht, in deren Mitte die kleine Gcbirgsstadt Tambillo liegt. Auch hier waren die Abhänge ziemlich gut terrassirt. Hinter Tambillo begann der Wafscrnicderschlag; das heißt, eine dicke, schwer mit Nasser beladcnc Wolke senkte sich nieder. Gewöhnlich dauert dies von Nachmittags bis zum andern Morgen früh. Mitten durch dieses kalte Dampfbad ritten wir einen Berg um den andern hinanf; »ncistcntheils senkrechten Abgründen entlang, neben denen der schmale Maulthierpfad ganz knapp vorübcrführtc, und deren drohender Schlnnd durch das Donnern ungesehener Vergströmc in der Tiefe noch abschreckender gemacht wurde. So hatten wir von Huamani aus acht Meilen zurückgelegt, als wir endlich das kleine Dorf Ayavi anf dem Gipfel eines schönen, mit prachtvollem Grün bedeckten Berges erreichten. Am andern Morgen brachen wir sehr zeitig anf, um vor Nacht die Höhe des Cordillcren-Passes zu erreichen, wo wir, wie man uns sagte, eine kleine Höhle finden würden, in dcr wir die Der Kamm der Anden. 33 Nacht zubringen könnten. Die Straße führt über breite, grasige, sich stnfenwcise über einander erhebende Hochebenen; dazwischen liegen tiefe Schluchten, in die sich die Bergströme von allen Seiten ergießen. Auf den Hochebenen weiden heerdenwcise die Vicnnnas, schöne Thiere von lichter Nehfarbe, mit langem, schlankem Nacken und kleinen kameelartigen Köpfen, die von fern gesehen dem Edelwild gleichen und auf den wilden Höhen in fröhlicher, unbeschränkter Freiheit hcrumschweifen. Sie haben ein seidenartiges Wollen-Haar und anstatt der Hufen zwei staike Haken oder Klanen, vermittelst deren sie an den unzugänglichsten Abgründen nut wunderbarer Behendigkeit herumklettern. Außerdem werden diese hochgelegenen Wildnisse von einer Art großer Kaninchen mit kurzen Vorderfüßen und buschigem Schwänze, di3LÄLli«, und einer Art Rebhuhn, ^ulÄ genannt, sowie von einem Regcnvogel mit lauter, schreiender Stimme bewohnt. Ein Ritt von acht Meilen brachte uns in die Schneeregion, in der es stark schneite. Hier aus einer breiten felsigen Hochebene theilt sich die Straße; der eine Weg führt nach Ayacucho, der andere nach Huancavelica und Castro Vircyna. Die Gegend ist reich an Quecksilber- und Silberbergwcrken. Das berühmteste ist das bei dem letztgenannten Orte, wo man während der Anwesenheit des Vicckönigs Don Lope Garcia de Castro (1564—69) den Wc^ von dem Hanse, in dem er wohnte, bis zum Schachte der Hauptgrubc mit Silberbarren belegt haben soll. Der Hochpaß, auf dem wir uns jetzt befanden, bildet die Wasserscheide zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ocean; er ist von hohen Bergen umringt, nnd größere und kleinere Strömc und Sturzbäche nehmen brausend und tobend ihren Weg nach dieser oder jener Richtung hin. von tausend Quellen und Wasserfallen genährt, dic bei jedem Schritte über den Pfad strömen. Der Himmel war dicht verschleiert, der Schnee kam in Massen herab, und das Rauschen der von allen Seiten sich ergießenden Gewässer machte einen betäubenden Lärm. Kaninchen in großerAn-zahl kauerten auf ikren Hinterfüßen zwischen dem Fclsengeröttc, und hie und da hatte eine Hccrde Vicunnas ihr Bett auf dem Peru. " A4 Eine Nacht in dcr Tchnceregion. Schnee aufgeschlagen. Es war eine wilde, schauerliche Secnc. und das hochangeschwollenc Wasser dcr schäumenden, mit fürchterlicher Gewalt herabstürzenden Gießbäche reichte uns manchmal bis an den Sattel und machte den Uebergang sehr beschwerlich. Mit einbrechender Nacht erreichten wir den höchsten Punkt des Passes in einem engen, rings von drohenden Gipfeln umgebenen Hohlwege. Die schwarz emporstarrcnden Felsen stachen seltsam gegen die Schnecmassen ab, mit denen ihre Kuftpcn bedeckt waren. Hier lag die Höhle, wo wir die Nacht zubringen sollten. Sie wurde durch einen über eine senkrechte Wand hcreinhängendcn Felsen gebildet, stand aber zu unserm Entsetzen voll Wasser, das fort und fort in Strömen vom Dache herabschoß. Der Boden umher war mit langen Grasbüschcln bedeckt, auf denen aber dcrSchncc so dicht lag, daß man sich nicht darauf betten konnte; die Nacht war stockfinster, es schneite heftig fort, und dcr Spiritus wollte wegen der großen Höhe, in der wir uns befanden, nicht brennen. Unter diesen niederschlagenden Umständen, die selbst meinem Augustin Carpio das Herz sinken machten, mnßtc nach einem kalten Abendbrod von Mandeln, Rosinen und Zwieback die Nacht stehend verbracht werden; ich legte meinen Kopf auf dcn Rücken dcs Manlthiers, und es ging so leidlich, Schlafen konnte man aber bei dem Aufruhr rings umher nicht. Um zehn Uhr fing es an zu donnern, über, neben uud unter uns, während zackige Blitze die ganze Sccnc bis zu dcn zerklüfteten Cordillcrcngipfeln in ihrem blendenden Lichte aufflackern und plötzlich wieder in das vorige Dunkel versinken ließen. Mit dämmerndem Morgen nahm die Natur cin freundlicheres Anssehen an. Es hörte auf zu schneien, die schweren Nebel snmmcltcn sich nnd rollten langsam in die Schlnchten hinein; um fünf Uhr setzten wir unsere Neise fort. Die nun abwärts führende Straße zog sich zwei Meilen lang an schlüpfrigen, steilen Felsenhängen hin, über die häufige Wasserfalle hinabstürzten. An manchen Stellen mußten die Maulthicre vier Fuß tief hinuntcrsvringcn, an andern hörte der Pfad ganz auf, und es galt von einem Rande Gefahrvolle Neise zu Thal. 35 zum andern zu setzen, wobei ein falscher Tritt uns in den gähnenden Abgrund ucrscnkt haben würde. Endlich waren wir glücklich hcrabgekommen und gelangten in das breite Thal von Palmito Chico, das von dem gleichnamigen Flusse durchströmt wird und herrliches Weideland enthält. Hier sahen wir grasende Nmderhcerden, aber keine Wohnung. Der hoch-angeschwollene Fluß nöthigte uns zn einem Umwege von zwei Meilen bis zu einem Platze, Numi-chaca genannt, wo eine natürliche Granitbrücke den Uebergang möglich machte; dann zog sich der Weg wieder eine Meile lang an Abgründen hin und brachte uns zu ciuer Schäferhüttc, dem ersten menschlichen Aufenthalte jenseits der Cordillere. Sie stand in der Mitte weiter grasiger Abhänge, auf denen Schafe und Lamas weideten, war krcisruud uon Steinen aufgebaut und hatte ein kegelförmiges, mitUchu-Gras gedecktes Dach. Wir fanden in der mit Kindern und Hunden reich gesegneten Hirtcnfamilie einen freundlichen und behaglichen Gegensatz zu den Scenen der vorigen Nacht, und da die gewöhnliche Furt über den Palmito grandc nicht zu passircn war, führte uns ein hübsches barfüßiges Indiancrmädchcn zu einer Brücke, die von den Hirten provisorisch über den Strom geschlagen worden war. Von hier wurde der Weg gefährlicher, als er je gewesen. Die Scitcnwändc sielen jetzt senkrecht ab, und der schmale Pfad wurde von tausend kleinen Wasscrrinncn, die sich über ihn hinweg fünfhundert Fuß tief in den brausenden Strom hinabstürzten, spiegelglatt gemacht. Oft streiften die Thiere mit dem einen Fuße an den Felsen rechts, während sie mit dem andern links über dem Abgrund zu schweben schienen. Stellenweise hatte das Wasser den Pfad halb hinweggcspült, und an einem Punkte mußte eiu beinahe senkrechter acht Fuß hoher Felsen erstiegen werden, wo nichts als kleine Vorsprüngc, auf die das verständige Maulthier die Spitze seiner Hnfcn stützte, einen Anhalt darboten. Endlich näherte sich der vorspringende Fels der andern Seite des Abgrunds, und hier hatte man ein paar Pfähle hinübergclcgt, die als Brücke dienen Mten. Tief unten tosctc der Strom in wilden Sprüngen über ungeheure Felsenblöckc, und kleine, harte, dornige Bäume, uon 3' 36 Das Thal des Hatim-pampa. einem matten, traurigen Grün, dic ihre Wurzeln in die Felsenriffe hineingetrieben hatten, hingen über dem siedenden Gischt. Ueber uns stieg die Felswand auf der einen Seite kerzengerade zum mmdesten 2000 Fuß hoch empor, und prachtvolle Cascadcn stürzten nach allen Richtungen herab; die andere Seite war niedriger und weniger schroff; die ganze Scene gewährte einen unbeschreiblich großartigen Anblick. Es waren ein paar bange Sekunden, als wir über die dünuen Pfähle ritten, die sich bei jedem Schritte herumdrehten und das Fnßen so unsicher als nur irgend möglich machten. Nachdem wir in der Sandsteinhöhle von San Luis übernachtet hatten, gelangten wir in das Tbal des Flusses Hatun-pampa, an dessen steilem, etwa dreißig Fnß hohen« rechten Ufer die Straße sich hinzieht. Die Gegend ist hier entzückend schön. Das Thal wird auf beiden Seiten von majestätischen Bergen begrenzt, deren obere Hälften sich senkrecht erheben und unter der Einwirtuug zahlreicher Wasserfalle eine säulenförmige Gestalt angenommen haben; die steilen untern Abhänge sind mit dichtem Grün übcikleidet. Große Heerden von verschiedenen Gattungen Vieh weideten darauf, und hie und da sah man ein Hirtenhäuschen stehen. Zu Mittag erreichten wir das Dörfchen Hatun-sallu (der große Waffcrfall), das seinen Namen von dem Cataract, der hier in den Strom donnernd hinabstürzt, erhalten bat, und von hier an nahm die Vegetation zu; schöne wilde Blumen begrenzten den Pfad, und hie und da zeigte ein grünes Kartoffelfeld, das sich an die Bergwand anlehnte, daß wir uns bewohnten Statten näherten. Gegen Abend kamen wir aus der Schlucht heraus in die breite Hatnnvamva-Gbene und fanden in der gastfreundlichen Farm von La Florida ein Nachtquartier. Der frühe Morgen in dieser Gebirgslandschaft von vergleichsweise gemäßigtem Klima ist bezaubernd schön. Ucberall um uns her war ein geschäftiges ländliches Treiben; hübsche Indiancr-mädchen zogen Arm in Arm mit den .heerden zur Weide, die Kübe warteten bei den Farmhäusern der Melkerinnen, der reißende Strom bildete den Mittelpunkt der lebendigen Scene, und die Die Stadt Ayacucho. 37 prachtvollen Hochgebirge, die von allen Ecitcn sich emvorthürmtcn, blickten mit stiller Majestät auf die freundlichen Gruppen nieder. Dic weidenden Hccrden bestanden aus Lamas und Alpacas, letztere eine kleinere Gattung der ersteren und in Europa durch das ftidcnartigc Gefügt ihrer Wolle wohl bekannt. Schon die Incas benutzten diese zu herrlichen Geweben; der erste Engländer aber, der Alpacawolle verarbeitete, war ein Hutmachcr zu Lima; er lieferte im Iakre 1737 Alpacahütc zu 4 bis 5 Dollars, während die Parifer Hute zu damaliger Zeit 12 bis 16 Dollars kosteten. Sechs bis sieben Meilen von Hatun-pamva, am Fuße eines Gebirgstafcllandcs. liegt Ayacucho, sonst Guamanga, die Hauptstadt der Provinz. Sie empfing den neuen Namen im Jahre 1824 von der Schlacht, durch welche die Unabhängigkeit Peru's entschieden wurde. Von der Hochebene aus betrachtet, präscntirt sie sich wie ein großer Ziegelbaufcn unter Fruchtbäumcn; die letzteren bilden cincn vollständigen Wald und zicbcn sich bis in die Gebirgs-abhängc hinauf. Jenseits ist die Aussicht durch die Höhen von Con-dorknnka begrenzt, an deren Fuße jene berühmte Schlacht stattfand. Ayacucho ist auf drei Seiten von hohen Bergen eingeschlossen; wo ts aber nur irgend möglich, ist man mit Maisfcldcrn und, näher an ter Stadt, mit Obstgärten und Dickichten von Stachel-birncn bis weit in die Bergabhänge hinauf vorgedrungen. Die Straßen sind rechtwinklig angelegt, mit allmählicher Senkung von Norden nach Süden. Im Mittelpunkte ist der Hauptmarkt (Plaza mayor), an dessen südlicher Seite die schöne aus Kalkstein gebaute Kathedrale mit zwei Ttmrmcn und breiter Froute, sowie das Gc-richtsgebäudc uud die Universität sich befinden. Die drei andern Seiten bestehen aus Privathäuscrn mit schönen steinernen Arcaden. deren Bogen von Säulen getragen werden. Die Erdgeschosse dienen als Vcrkaufsläden. Ueber den Arcadcn sind breite bedeckte Balkons, die mit den Familimzimmcm in Verbindung stehen. Hinter den Häusern, die von den ersten Familien der Stadt bewohnt werden, befinden sich große Hofräume. Frühmorgens gewinnt der Markt ein höchst belebtes und malerisches Aussehen. Er ist mit großen in der Erde befestigten Ig Die Stadt Nyamcho. Sonnenschirmen ans Matten bedeckt, unter denen die Indianermädchen Früchte, Vcgetabilien, Kleider, Schnhe nnd andere Waaren feilhalten, und wird von Männern und Frauen, die sich in dem Labyrinthe der gigantischen Schirme hin nnd her bewegen, stark besucht. Der Anzng der Francn ist zierlich und von glänzenden Farben. Unmittelbar auf dem Leibe tragen sie einen baumwollenen Unterrock, darüber ein Hemde von scharlachfarbcncm, himmelblauem oder purpurnem Wollenstuff. und um die Schultern einen Mantel, der mit bunten Bändern ausgeputzt ist und über der Brust von einer großen silbernen Nadel zusammengehalten wird. Das Haar wird in zwei lange Zöpfe geflochten, und zur Kopfbedeckung dient die Chacupa, ein Stück Ieug, das übereck in der Art, wie man es bei den römischen Bäuerinnen sieht, zusammengeschlagen wird. Die Männer kleiden sich gewöhnlich in grobe blaue Jacken, schwarzwollene Hosen und Sandalen von un-gcgerbten Lamafellen, die an den Seiten herausgeschlagen und mit Lcderstreifcn fest gebunden werden. Viele Marktlcute kommen aus großen Entfernungen zu Fuße herbei, die Frauen selbst mit ibren Säuglingen, die sie in Körben anf dem Nucken tragen, während die jungen Männer zum bessern Fortkommen in den schwierigen Stellen der Gebirgsschluchten große Stöcke bei sich führen. Der südliche Tbcil der Stadt ist von einer tiefen Schlucht durchschnitten, über welche mehrere wohlgebaute steinerne Brückenbögen geschlagen sind, nm die Vcrbinduug herzustellen. An der Westseite befindet sich die Promenade, eine doppelte Allee von Weidenbäumen, an welche auf der einen Seite der reißende Berg-strom Lambras-Huayacu, auf der andern Obstgärten angrenzen. Die Stadt hat ein Visthum, über zwanzig steinerne Kirchen, sieben säcularisirte Mönchs- und zwei Nonnenklöster. In den Kirchen der erstern wird von einem pensionirten Kaplan noch Gottesdienst gcbalten. In den Kirchen von Santa Clara und San Francisco de Assisi wird wöchentlich zweimal für die Indianerin der Quichua-Sprache gepredigt. Die Ducllistin im Kloster. 39 Das Nonnenkloster Santa Clara war einst die Zufluchtsstätte -eines seltsamen Besuchs. Ein junger spanischer Fähndrich hatte im Jahre 1617 im Duell seinen Gegner erschlagen und suchte im bischöflichen Palaste ein Asyl. Er nannte sich Don Alonso Diaz Ramirez de Guzman, und bekannte, daß er sich bereits mehrfacher fashionabler Morde dieser Art schuldig gemacht habe. Aus verschiedenen Umständen schöpfte indeß der Bischof Verdacht in Bezug auf die Persönlichkeit seines Schützlings, und bei weiterer Nachforschung wies sich der jugendliche Dnellist als zum schönen Geschlecht gehörig aus. Die Dame, Dona Catalina de Erauso, war Nonne des Klosters San Sebastian in Guipuzcoa, hatte von dort ans die Flucht ergriffen und hatte sich als Mann verkleidet nach der Nencn Welt eingeschifft. In Payta gelandet, trat sie in die Armee ein, brachte es bis zum Fähndrich und machte sich als den größten Duellisten Peru's berüchtigt. Der Bischof versetzte sie in das Nonnenkloster Santa Clara, von wo sie später in ein Kloster zu Lima und zuletzt nach Spanien zurückgebracht wurde. Doch soll sie späterhin vom Papst die Erlaubniß, ihre männliche Nolle fort-zuspielcn, erhalten und als Ofsicier in der Garde des Vicekönigs von Mexico gedient haben. In Nyaeucho ist ein oberster Gerichtshof und eine Statt« halterei. Ich fand im Hause des Statthalters Don Manuel Tello, der mit seinen liebenswürdigen Schwestern den Mittelpunkt der schönen und geistreichen Welt von Ayacucho bildet, die gastfreundlichste Aufuahme und hatte fo das Glück, die durch ihre Schönheit, Intelligenz und Herzensgüte berühmten Damen dieser Gcbirgsstadt kennen zu lernen, die jedem Reisenden, der sich ihrer Gesellschaft erfreuen durste, unvergeßlich bleiben werden. Etwas über vier Meilen nördlich von Ayacucho liegt die hübsche kleine Stadt Guanta mitten unter Obstgärten. Der Landstrich zwischen beiden Städten, obwohl durch tiefe Schluchten zerrissen, ist zum größten Theile gut angebaut und bevölkert. Unter den Fruchtbäulncn trifft man auch hier wieder die Stachelbirnc, den Feigenbaum und daneben die Palta oder Alligatorbirnc, sowie die Paccay, eine Hülscnfrncht, die auf einem großen Baume wächst. 40 Die Indianer von Ayacncho. und dcrcn lange Hülsen mit schwarzen Samcnkerncn, in einer süßen, saftigen und baumwollcnartigcn Frnchihülle eingebettet, von ausgezeichnetem Wohlgeschmack sind. Die Indianerhäuser in der Umgegend von Ayacucho sind von unbehauenen Steinen, die mit nasser (5rde verbunden werden, ausgemauert, und das aus Magucy-Pfäblcn be. stehende Tach ist mit rotbcn Ziegeln gedeckt. Die Magney-Pslanze, die einen reizenden Anblick gewährt, kommt hier in großer Menge vor. Sie wird bis zu funfzclm Fnß boch und licsert im Stamme ein nützliches Zinuncrungsmatcrial für mancherlei Zwecke, während die scharsgcspitztcn, scln starren Blätter cinc Faser enthalten, aus welcher alle Arten von Seilen gemacht werden. Die Haliptnatn'lingsmiitel der Indianer bestehen in Giern, Kartoffeln und ZMa, ^„er lcmgcn pastinakartigcn Wurzel (^lro-I»?lli niilnil^n), was alles zusammen in einem Topfe gekocht wird. Auch Weizen wird hier sehr viel gebaut, und neben demselben Mais, den man zu mancherlei Kuchen verbäckt, wovon ein süßer, Inimiiila, und einGeschwindplidding, mazamura, zu den Licblingsspciscn gehören. Die Indianer haben mich Kenntniß von der Heilkraft einiger Kräuter und wenden namentlich den Thee von der Scharlach-Salvia gegen den Husten an. Die Gebirgsstraßen sind, abgesehen von der Großartigkeit der umgebenden Landschaft, schon an sich lwchst malerisch. Einen hervorstechenden Zug auf denselben bilden die Lamas mit ihren langen, ftiu gebogenen Nacken und ausdiuckevollen Gesichtern, die heerden-wcisc nach Ayacucho getrieben werden. Man sieht sie langsam vor ibrcn indianischen Herren herziehen. Sie sind im Stande große Beschwerden zu erdulden und lange Zeit ohne Futter auszuhalten; für gewöhnlich aber legen sie nur etwas über drei Meilen täglich zurück und tragen dabei cinc Last von fünfzig Pfund. Auch die reizenden Indianerinnen, die mit ihren Säuglingen auf dem Nucken straff mcherwandern und dabei mit den zierlichen Fingern emsig Baumwolle spinnen, tragen viel zur Belebung des Gemäldes bei. Uebrigens sind die Indianer in der Umgegend von Ayacucho geschickte Bildner; sie liefern hübsche Figuren aus einem schönen Die Noyalisten von Yquicha. 41 weißen Alabaster und fertigen durchbrochene Silbcrarbcitcn, die in großem Nufc stehen. Die Tagelöhner erhalten ein Wochenlohn von durchschnittlich 3 Thlr. Früher mußten sie davon beinahe 4 Pro-ccnt Kopfsteuer abgeben, bis General Castillo diese Steuer 1855 aufhob. Oestlich von Gucmta liegt das Hochgebirge von Uquicha; die bebauten Abhänge desselben erstrecken sich bis znr Stadt, die Gipfel aber sind mit ewigem Schnee bedeckt. Jenseits derselben ist das Gebiet der Iquichanos, ein Landstrich, der aus schneebedeckten Bergen, tiefen Schluchten und unzugänglichen Felfcnburgm besteht und sich vortrefflich zn einem Vertheidigungskriege eignet. Die Uauichanos traten zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges als eifrige Noyalistcn auf nnd haben sich bis zum heutigen Tage der Republik noch nicht unterworfen. Sie stehen unter selbstgewählten Alcalden, lassen keinen Steuereinnehmer in ihr Gebieth zahlen aber den Zehnten an die Geistlichkeit und besuchcu auch manchmal den Markt zu Guanta. Sie sind Männer von stolzer Haltung und freien, schönen Gesichtszügcn. Einzelne Fremde werden in ibrem Gebiet mit zuvorkommender Gastsrcundlichkcit aufgenommen. Die Straße von Ayacucho nach Cuzco führt durch tiefe Schluchten mit einer herrlichen Flora von Lupiuen, Fuchsien, Calccolarien, Ealvien, Heliotropen und andern hier wild wachsenden Blumen. Hier uud da gelangt man an eine Wassermühle oder ein Landgut, das von Weizen- und Gcrstcnfcldern umgeben ist. Dieser ganze Landstrich ist des Anbaues fähig und könnte das Zehnfache seiner gegenwärtigen Bevölkerung ernähren. Hinter Matara, einem Posthause, das Reisende aufnimmt, gelangten wir in ein kleines Atazicngebüsch und begannen dann auf einem sehr gefährlichen Pfade die Ersteigung dcr Condorkunka-kettc. Auf dcr Höhe angelangt, ritten wir über den felsigen und schneebedeckten Kamm und von da hinab in das kleine von pcrpcn-dicularen Bergwänden eingeschlossene Dorf Ocros. Am folgenden Morgen ging es immer weiter hinab in das tiefe Thal Pumacancha, das der Pampas, ein Nebenfluß des Yucayali, durchströmt. Die ^2 yine gefährlicke Vrücke. gemäßigten Gebirgsregioncn nahmen nun allmählich ein Ende, und wir gelangten in cine heiße, tropische Niedcrnng, eine Wild-niß von dichtem Unterlwlz, aus welchem große, stattliche Aloes und einzelne riesige Waldbäume hervorragten. Schaaren grüner Papageien kreischten schrill über unsern Kopsen und glänzende kleine Kolibris saugten den Honigseim aus der Scharlach-Saluia und andern prächtigen Blumen, In einer etwa zwan;ig Schritte breiten Schlucht fübrtc eiuc Brücke von Sogas über den Strom. Die Sogas sind Taue, die man aus den zusammengeflochtenen Zweigen des Maguey fertigt; sechs davon, jedes zu einem Fuß im Durchmesser, mit Winden angezogen, dienten zur Unterlage, qnerüdcr waren kleinere Taue gc-Icgt, nnd aus diesen befanden sich Matten, das einzige Material, welches dcn Boden der leichten Brücke bildete. In der Mitte war sie aber beträchtlich tiefer als an den beiden Enden, und als wir hinüber ritten, wurden die Sogas in eine hin mW her schwingende Bewegung verseht, die nichts weniger als angenehm war. Die Brücke muß jährlich mehrere Male rcparirt werden, und viele Arbeiter sterben an den Fiebern, die in dieser feuchten Tropen» gegend herrschen. Unter der spanischen Verwaltung waren die Indianer mehrerer Dorsschaften blos zu diesen Brückenreparaturen bestimmt und von allen andern Dienstleistungen befreit. Der Punkt ist bei den häufigen innern Kriegen Peru's von strategischer Wichtigkeit, da er die Hauptstraße nach Cuzco beherrscht, Bon hier aus führt der Weg in die durch Bergrücken und Hochebenen von einander getrennten Tbälcr von Chincheros, Uripe und Moyopampa. Auf den Höhen wiederholte sich die frühere Flora; oft auch war die Straße von Mollcbäumen (peruanischer Mistix oder Pscfferkornstrauch) und Ziersträuchern eingesäumt, während große Fnchsiabänmc mit ibren zierlichen Karmoisinblüthcn über das niedrige Vnschwcrk emporragten! in dcn Mälern aber Kat die Natur all ihre Neize verschwenderisch ausgeschüttet, die lieblichsten Blumen bedecken die Wiesen, licrrliche Baumgruppen beschatten die Hütten der Indianer, und klare Rieselbächc strömen durch die grünenden Gefilde. Das schöne Thal von AndalMylcs. 43 Nach eincr langen und beschwerlichen Tagereise fanden wir im PostHause zn Moyopampa zwar nur die leeren vier Wände; aber in der Mitte des Naums brannte ein lnstiges Fener, eine köstliche Abendmahlzeit uon Milch, Kartoffeln, Giern nnd Chocolade ließ die Müdigkeit vergessen, und mitten unter einem Haufen von Männern, Weibern nnd Kindern bettete ich mich auf meine Maul-thierdccken nnd schlief vortrefflich, Am andern Morgen batten wir drei Meilen durch eine enge Schlncht zu reiten, in welcher noch tief unter uns ein Bcrgstrom über sein zerrissenes Bett hinbrauste; dann lag, bei plötzlicher Biegung des Wegs um eine Felscnwand, das liebliche Thal von Andahnayles, eins der schönsten in den Anden, mit den drei Städten Talavera, Andahnayles und San Geronimo, vor uns. Das Thal ist in seiner ganzen Ausdehnung gut angebaut, reiche Weizenfelder bedecken die niedern Abhänge und die umgebenden Berge, ein kleiner Flnß, uon Pappeln und Neiden eingesäumt, durchströmt es. und große Fruchtgärten ziehen sich hier und da bis an die User desselben herab. Andahnaylcs ist 22 Meilen von Ayacucho entfernt, bat einen Markt mit schöner steinerner Kirche und einem Brunnen, uud mehrere vom Markte auslaufendc Straßen. Hier befand sich gerade der berühmte chilianische Prediger Dr. Don Francisco de Paula Taforo, uud da derselbe ebenfalls nach Cuzco zu gehen beabsichtigte, so glich die Neise nnnmchr einer Art Trinmvhzuge. Es wurden Voten ansgcsandt, um seine Ankunft zu verkündigen, und die Leute verließen die Dörfer und begrüßten ihn an der Straße. Jenseits der Tkäler uon Argama und Pincos wird die Gebirgslandschaft immer prachtvoller und großartiger; dort liegt auch die alte Festung Curamba und etwas südwestlich von derselben eine ausgedehnte indianische Trümmerstadt, mit Gras und Gestränch überwachsen; sie stammt aus der Zeit vor der Herrschaft der Incas. Von da gelangt man in das DorfHuancarama meinem fruchtbaren und bevölkerten, rings von Andcnausläufcrn eingcschlosseum Thale, mit einer Kirche, die weder ein Dach noch einen gepflasterten, Fnßboden, aber einen schönen mit kunstvoll gearbeiteten Silberplat- 44 Gastliche Aufnahme in Abaucay. ten belegten Hochaltar hat. HinterHucmcarama batten sich zu beiden Seiten der Straße junge hübsche Indianerinnen aufgestellt, die uns Nosen streuten. Jenseits eines hohen Bergrückens, den wir zu übersteigen hatten, öffnete sich das weite Thal von Abancay, das seiner ganzen Ausdehnung nach mit Zuckcrfeldcru bedeckt und zu beiden Seiten von hohen Bergen eingeschlossen ist. Im Hintergründe, in weiter Ferne, in tiefes Grün eingebettet, lag die Stadt Abancay. Eine steile, steinige Straße führte uns aus dem gemäßigten in das tropische Klima, und hier konnte man den ganzen Reichthum der Sierra von Peru, dieser glücklichen Gegend, die sich selbst mit allen Producten der verschiedensten Erdstriche versorgt, mit einem Blicke übersehen. Nahe den obersten Berggipfeln weideten Alpacahecrdcn das lange Ichu-Gras ab; gerade unter ihnen bedeckten Rinder und Schafe die Abhänge. Noch tiefer unten waren große Strecken mit Weizen, Gerste und Kartoffeln bebaut i dann folgten breite Maisfelder, Apfel« und Pfirsichbä'umc und Stachclbirncn; am Fuße des Gebirgs endlich schloffen sich die Zucker- und Neisvflanzungen, Nein und Orangen, Bananen, Cacao und Palmen an. Auf einem Berge nördlich uon Abancay liegt, uon Schlingpflanzen und Stränchcrn beinahe ganz überwuchert, die alte Burg Huaccac-pata (Klageberg); sie war in früherer Zeit der Schauplatz einer blutigen Schlacht, und es ist das vielleicht der Platz, wo Alvarado, Pizarro's General, am12.Iuli 153? durch dieSchaaren Almagro's geschlagen wurde. Abancay ist eine hübsche kleine Stadt; sie liegt mitten unter reichen Fruchtgärtcn, uud manche stattliche Ceder erhebt zwischen denselben ihr ehrwürdiges Haupt. Wir sandcn im Hause des Untcrstatt-haltcrs Don Paulino Mcndoza, eines Neffen des Bischofs vonCuzco, die gastfreundlichste Aufnahme und lernten einen Gesellschaftskreis kennen, dem die liebenswürdige iuuge Damenwelt einen ganz besondern Glanz verlieh. Bei unserer Abreise, am Morgen des 17.März, wurden wir von unserm Wirth und einer Cavalcade von dreißig Herren, die sich sämmtlich in den Fcststaat geworfen hatten, über eine Meile weit begleitet. Kirchliches Fest ill einem Iudiancrdorfe. 45 Der Weg führte uns über einen breiten Bergrücken in das reiche Thal von Curahuasi, wo sich mitten nntcr großen Zuckcr-ustanzungcn ein Indianerdörfchen befindet. Nachdem wir in einer gastfreundlichen Hacienda das Mittagsmahl eingenommen hatten, wobei die Tafel unter der Last der Gerichte') und der köstlichsten Früchte fast erlegen wäre, gingen wir in die Dorfkirche, die nicht ohne architektonische Schönheit, aber ihres Dachs beraubt und nur mit einem Verschlage über dem Hochaltar versehen ist, um den Dr. Taforo predigen zu hören. Es wurde das Fest unserer lieben Frau de los Dolores gefeiert; der Altar war mit mehr als hundert Kerzen erhellt, und die häßliche Pnppc, welche die Jungfrau Maria darstellte, hatte außen am Gewände ein karmoisinrotbcs mit sechs blccherncn Schwertern durchstochenes Herz. Trotz der stocksinstcrn Nacht und eines starken Ncgcns war die Kirche mit Indianern von jedem Alter und Geschlecht dicht gefüllt und bot einen fremdartigen, interessanten Anblick dar. Das glänzende Licht und die dichten Gruppen aufmerksamer und bewundernder Gesichter rings um den Altar licrum bildeten den stärksten Contrast gegen die tiefe Dunkelbeit, die im Schiffe der Kirche herrschte; oben zogen schwarze Wolken schwerfällig über den bleichen, ohnmächtigen Mond hinweg, und der dachlose Giebel der westlichen Seite zeichnete sich schroff gegen den drohenden Himmel ab. Am Altare stand die hohe Gestalt des chilianischcn Predigers in einem eng anschließenden atlassenen Priesterrocke: er wirkte anf sein Auditorium mehr durch den ernsten Ausdruck seines schönen bleichen Gesichts und durch seine anmuthige theatralische Declamation als durch den Inhalt der Predigt, weil nur wenige Indianer eine andere als ihre Muttersprache, das Quichua, verstanden. Nach der Predigt drängten sie sich heran, um ihm die Hand zu küssen. Diese, wie alle andern Indianer, die ich seit Ica ge- *) Eins von den peruanischen Mustcrgcrichten ist der puekcro, eine riesige, runde Fleischpastcte, deren Inneres eine Menge verschiedener Gemüse und anderer Füllen beherbergt. Eine noch schmackhaftere Speise ist der oKuM, der dem irländischen «l^v (Tchmorgcricht) gleicht, mit Eiern nnd Käse. 46 Das alte Incareich. troffen, waren einfache, gutmüthige Leutei und ob unter dem Dach des Vcamtcn oder des gebildeten Gutsbesitzers oder in der Hütte des ärmsten Indianers in den wilden Andenschluchten, überall fand der einfame, unbekannte Reisende die gleiche herzliche Aufnahme und eine überschwengliche Gastfreundschaft. Nachdem wir Curahuasi im Rücken hatten, näherten wir uns den Ufern des großen Flusses Apurimac, und somit der Grenze des reizenden, bergumgürtetcn Tafellandes, in dessen Mittelpunkte Cuzco liegt, die alte Stadt der Incas. Drittes Kapitel. C u z c o, d i e S t a d t d c r I n c a s. Die Schlucht des Apurimac und das Städtchen Lima-tambo. — Ein Gewitter. — Die Iucastadt Cuzcv; ihre Lage, Geschichte und jetzige Beschaffenheit. — Herkuuft, Schlcksalc, Thaten und Bauwerke der Incas.— Viracocha, der Schöpfer der Festungswerke von Cuzco. Am 18. März 1853 überschritten wir den Apurimac und betraten das ehemalige Reich des Manco Capac, des ersten Inca von Peru. Zn Ende des 11. Jahrhunderts erschien der große Gesetzgeber mit seiner erhabenen Gemahlin an den Ufern des Titicaca-sccs und störte die bis dahin sich selbst überlassenen Indianer der Anden aus ihrem langen Schlafe der Unwissenheit und Barbarei auf. Mit einem zahlreichen Gefolge dem Laufe des Vilcamayu nordwärts nachgehend, gelangte er zufällig auf die Hochebene, wo nunmehr die Stadt Cuzco steht, und machte diese zum Mittelpunkte eines compacten kleinen Reichs von 3^0 lH Meilen, das seine Nachfolger bis zu einem Ländcrgcbicte von 23,900 lü Meilen erweitcr» ten. Das ursprüngliche Reich erstreckte sich 20 Meilen breit vom Apurimac im Westen bis zum Paucar-tambo im Osten, während seine Ausdehnung von Norden nach Süden nur 17 Vicilcn betrug. Es ist beinahe 70 Meilen vom Meere entfernt, von hohen Ge- Uebtlgang über den Avmimac. 47 birgsketten durchzogen und mit allen bereits erwähnten Productcn, eines tropischen Gcbirgslandcs ausgestattet. Außer Cuzco im Mittelpunkte errichtete Manco Capac nach den vier Himmelsgegenden hin vier Grenzfestuugen nnd bei jeder einen Palast; im Norden Ollantay-tambo, im Süden Paccari-tambo. im Osten Paucar-tambo und im Westen, nahe am Apurimac, Lima-tambo. Da wo wir den Nand des steilen westlichen Apurimac-Ufers erreichten, senkt sich die Felsenwand senkrecht mehrere 100 Fuß tief bis zu den mächtigen Fluten hinab, die bier dem Amazonenstromc zurollen. Der Pfad bis zu der über den Abgruud gespannten Scil-brücke war schmal und gefährlich, und es kostete Zeit und Vorsicht, um ihn zurückzulegen. Uneben, schlüpfrig und an manchen Stellen so wenig Raum zum Fußen darbietend, daß, während das eine Bein gegen den Felsen gequetscht wurde, das andere ins Leere hinaushing, drohte cr bei jedem falschen Schritte Maulthier und Reiter der gähnenden Tiefe zu übergeben, Zuletzt wurde die Neigung so senkrecht, daß man genö'tmgt gewesen war, einen vierzig Fuß langen Tunnel durch dm massiven Fels zu lwhlcn, und der Ausgang des Tunnels bildete den Eingang zur Brücke. Die letztere glich der über den Pampas; sie legte sich in einer zierlichen Curve über den Abgrund, in welchem A00 Fuß uutcr der Brücke derApurimac, trotz seiner Tiefe laut schäumend und tosend, sich durch die ihn beengenden Felsen Bahn brach. Der Fluß hat vou dem Lärm, den cr macht, seinen Namen: Apnrimac „der große Sprecher"! die Indianer glaubten, daß in dem Nauschcn und Toben der Fluten einOrakcl von tief gchcimnißuollcm Sinn sich offenbare. Nachdem wir glücklich über die Brücke gekommen, kletterte ich bis zum Niveau des Stroms hinab, indem ich einem kleinen Bache folgte, der sich in einer Schlucht den Weg in die Ticfc gebahnt hatte. Zu beiden Seiten thürmtcn sich die Bergwände bis zn einer Höhe von 3000 Fuß senkrecht empor, unten von den wirbelnden Fluten gewaschen, und durchweg so glatt, daß kein Grashälmchcn irgendwo eine Stelle gefunden, wo es hätte Wurzel schlagen können. Zwischen den Felswänden und zwar, im Vcr- 48 Das Städtchen Lima-tambo. hältniß zur Gesammtböbe, in den niedersten Regionen derselben, vom Strombette aus aber nur wie ein Fädchen anzuschauen, bing die gebrechliche Sogabrücke 300 Fuß über dem Abgrunde, in ihrer Kleinheit und Schwäche ein schlagender Gegensatz zu den gewaltigen Werken der Natur, die sie umgaben. Nachdem wir mehrere Meilen aus steilen Pfaden aufwärts gestiegen warcu, erreichten wir das Dors Mollcpata uud Tags darauf die Stadt Lima-tambo. Diese ebemalige Grcnzpfalz der Incas ist gegenwärtig eine kleine Stadt, die sich in einem langen, engen Thale hinzieht und zu beiden Seiten von hohen Gebirgen eingeschlossen ist. Maisfeldcr und Obstgärten bedecken die Ebene, und an den Abhängen ziehen sich steinerne Terrassen hin, eine über der andern, die noch aus der Inca-Zcit herstammcn und mit Kartoffeln und Micas bebaut werden. Das reizende Städtchen Lima-tambo bat einen schönen Markt, in dessen Mitte ein großer Platancnbaum steht. Die Südseite wird von der Kirche eingenommen, und ihr gegenüber zieht sich eine Allee uou mächtigen Weidenbäumcn hin. Die wenigen Straßen, die uom Markte ausgehen, führen zu Gärten, in denen die Obstbäume vou Früchten strotzten. Das Städtchen ist meist uon Indianern bewohnt und gewährt einen netten, freundlichen Anblick. Der vortreffliche, gutmütln'ge alte Pfarrer uon Lima-tambo, Esquibias, ein Franziskancrmönch, empfing uns mit der wärmsten Gastfreundlichkcit und ließ das Mittagsmahl in dem steinernen Corridor uor seinem Hause auftragen, uon wo wir den Garten übersahen, der mit schönen Blnmen und köstlichen Früchteu reich ucrsorgt war. Es war eine Lust, die Pfarrkinder uon den Gutthaten des alten Pater Esquibias erzäblen zu hören, wie er beinahe sein ganzes kleines Vermögen auf Wiederherstellung der Kirche verwendet, sich der Armen, Kranken und Leidenden liebreich angenommen und seine Pflichten mit Hingebung erfüllt habe. Etwa dreiviertel Stunden uon Lima-tambo liegen die Ruinen des alten Inca-Palastes, uon wo man eine entzückende Anssicht auf das Thal genießt. Es sind nur noch einige Terrassenübcrreste und ein paar Mauern erhalten, die uon Kalksteinen in Stücken Ein Ocwitler vor Cuzco. 49 von verschiedener Größe und Gestalt, ohne Mörtel, aber so kunstgerecht aufgeführt sind, daß sie noch heute winkelrccht und wie neu dastehen. Das ganze Innere des Palastes ist jetzt ein großer Obstgarten. Zwischen hier und Cuzco, auf der Hochebene von Surite (auch Uahuarpampa oder Xaquixaguana oder Nnta genannt) überfiel uns ein starkes Gewitter. Dunkle Massen schwerer Regenwolken kamen übcr die südöstlichen Verge herangezogen; die anmuthigen weißen Reiher, die in den Sümpfcn rechts und links der gepflasterten Straße auf Beute ausgegangen waren, erhoben fich mit schrillem Gekreische und bcschriebcu wunderliche Bögen, indem sie die Ebene durchkreisten; die auf dem reicheu Neidclandc weitlun verstreuten Schafe liefen hcerdenweise zu einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte und steckten die Köpfe zusammen, und dic Rinder vergaßen die Neide, senkten das gewichtige Haupt und harrten des kommenden Wetters. Endlich leuchteten die Blitze auf, die Wolken ergossen sich unter dem rollenden Donner und der Regen stürzte in großen, schweren Tropfen herab, während die ganze Zeit über die Sonne im Westen hellglänzend am Himmel stand. Die Lichter und Schatten, die in den Dörfern und an den Vergabhängcn hin entstanden, waren von schlagender Wirkung, Nach einer'halben Stunde hatte sich das Gewitter verzogen, und der Himmel war heiter und freundlich wie ;uvor. Noch drei fruchtbare Ebenen, durch niedrige Bergrücken getrennt, waren zu überschreiten. Mit Sonnenuntergang gelangte ich an den Fuß eines felsigen Höbenzugs. Der Himmel war tiefblau, kein Wölkchen zu sehen. Der Mond zog silbern herauf; und als ich den Gipfel erreicht hatte, warf er seinen bleichen, traurigen Schimmer auf Cuzco, das in der Ebene unten ausgebreitet vor mir dalag. Cuzco, Stadt der Incas! mit deiuen weifen, patriarchalischen Fürsten und deiner bohcn Cultur; deiner Macht, die ein Rcich umfaßte, größer als das Karls des Großen und an Größc gleich dem des Hadrian; deinen Wunderwerken, die noch heute das Staunen des Wanderers erregen; deinen Tempeln, die an Pracht 50 Lage und Geschichte , allen Glanz der Feenpalästc in Tausend und EmcrNacht überboten; deinen auf den Schlachtfeldern vom Acquator bis zu den gemäßigteren Ebenen Chile's gewonnenen Trophäen; deinen zum Preise Inti's, der geheiligten Gottheit Peru's, und seiner silbernen Gemahlin, wie zum Preise der Scgeusthatcn der Iucas angestimmten ^ Triumphgesängen; — Cuzco! du Schauplatz solcher Größe und Herrlichkeit, wie bist du gesunkcu! Wieviel Leiden, Elend und Entwürdigung war deinen armen Kindern seit jenen Tagen des Glückes aufbehalten! Wo sind deine Schätze, deine Macht und deine Herrlichkeit? Dcr grausame Eroberer war zu stark. Deine Schätze, unermeßlich und ungezählt, ruhen, vor seinem gierigen Blicke verborgen, zum zweiten Mal unter der Erde. Deine Söhne aber versanken in Sklaverei, Traurig, mit gebeugtem Nacken und gcscuktcm Auge wandeln sie durch die Straßen, die einst von den stolzen Schritten ihrer cdeln Ahnen wicdcrhalltcn. Die Inca-Stadt, deren Geschichte durch die einfache Erzählung des Garcilafso de la Vcga, des Geschichtschreibers seiner gefallenen Herrscher, sowie durch die eleganten Schilderungen Robertsons und das herzzerreißende Epos Prcscotts classisch geworden ist, nimmt das höchste Interesse des Geschichtsforschers in Anspruch, weil hier der einzige Platz in dcr Welt ist, wo die patriarchalische Ncgicrungsweise, mit Civilisation verbunden, zu einem hohen Grade von Vollkommenheit gebracht worden war. Manco Capac, dcr Cuzco um das Jahr 1050 n. Chr. grün» dctc, war der Stammhcrr eines erleuchteten Fürstcngcschlcchts von siegreichen Kriegshelden und Gönnern dcr Architektur und Dichtkunst. Unter ihnen glänzt Inca Rocca, dcr Stifter von Schulen, dessen cuclopischcr Palast von vergangener Größe zeugt; Airacocha, der blühende und blondgelockte, dessen massive Burg noch jetzt vom Sacsahuaman-Vcrgc hcrabdroht; Pachacutcc, dcr Salomo der Ncucn Welt, dessen Sprüche Garcilasso aufbewahrt hat; Mpanqui, dessen Marsch über die Anden Chile's die Züge Hannibals und Napoleons verdunkeln könnte; Huayna Capac, dcr ritterlichste und mächtigste Iuca, dcr scinc Herrschaft vom Acqnator bis zur Südgrcnze Chile's und vom Stillen Mccrc bis zu den Ufern des der Inca-Ttadt Cuzco. 51 Paraguay erstreckte; endlich der braue junge Mcmco, cm würdiger Namensvetter seines großen Ahnherrn, der gegen die spanischen Eindringlinge einen langen, ungleichen Kampf bestand, und dessen Talent und Tapferkeit fclbst die Soldaten eines Gonsalvo de Cor-doua anstaunten. Aber er unterlag; die Glückssonnc Peru's, die noch am Horizonte gezögert hatte, sank in ein Meer von Blut lnuab, und die unglücklichen Indianer fielen unter das zermalmende Joch der erbarmungslosen Gothen^). Cuzco liegt unter 1"." 31' südlicher Breite und 55« 23' westlicher Länge (o. Fcrro) auf einer Höhe uon 11,380 F. über dem Meere, und genießt, obfchon nur 200 Meilen vom Acquator entfernt, ein gemäßigtes Klima, so daß im Winter seine Straßen oft mit Schnee bedeckt sind. Das Thal von Cuzco ist zwei Meilen lang, durchschnittlich eine halbe Meile breit, von hohen Bergen begrenzt uud wohl angebaut, indem es außer vielen Landgütern uoch zwei kleinere Städte, San Sebastian und Sau Geronimo enthält, während Cuzeo selbst etwa eine drittel Meile lang und etwas über eine viertel Meile breit jst. Die Felder der Umgegend fand ich meist mit Gerste und Luzerne bebaut. Im Norden der Stadt steigt der berühmte Berg Sacsahuaman empor, von andern Bergen links und rechts durch zwei tiefe Schluchten, in denen die kleinen Flüsse Huatanay und Nodadcro herabkommen, getrennt. Der Huatanay, ein tosender kleiner Vcrgstrom, fließt, nachdem er die bemoosten Grundmauern des alten Klosters Santa Teresa bespült *) Taftl der Incas nach Ganilasso do la Vcga: 1"21. I. Manco Cavac. 1400. X. Inca Mpauqui. 10ü2. ll. Smchi Nomi. 1439. XI. Tupac Inca Nupaucnn. 1"91. III. Lloquc Mipanqui. 1475. XII. Huayna ssapac. NW. IV. Mayta Capac. 152U. XIII. Huascar. "5U. v. Capac Yupanqui. 1532. XIV. Inca Manco. 1l97. vi. Iuca Nocca. 1553. XV. Eavri Tupac. 1249. vil. Hchuar-Hucucac. 1560. XV>. Cusi Titu Yupanqui. 1289. Vlll. Viracocha. 1562. XVlI. Tupac Amasu 1-1571. ""- lX. Pachacatcc. Atahualpa. der Verräthcr, wurde von den Peruanern niemals untcr dcn Incas mit gezählt. - 4" 52 Die Stadt Cuzco. bat, längs der westlichen Seite des großen Marktplatzes hin, nimmt dann zwischen gemauerten Ufern seinen Lanf mitten durch eine breite Straße, nw dic Verbindung durch zahlreicht steinerne Brücken hergestellt ist, und vereinigt sich endlich mit dem Nodadcro, der die im Süden der Sonucngärten gelegene Vorstadt San Blas von der innern Stadt trennt. Die letztere liegt fast ganz zwischen den beiden Flüssen und hat außer dein schon erwähnten noch zwei schöne freie Plätze westlich vom Huatanay. Die Häuser sind steinern; der untere Stock besteht meistens noch ans dem alten massiven Inca-Mancrwcrk, während die oberen Stockwerke und die rothen Ziegeldächer neueren Ursprungs sind. Die Straßen lanfen rechtwinklig und bieten in ihren langen Zeilen massiver Bauwerke einen dnrch die Altcrthümlichkcit interessanten Anblick dar; hie nnd da erheben sich schöne Kirchtbürme, nnd dcil Hintergrund füllen zunächst die steilen Straßen, die sich an den niedrigen Abhängen des Sacsahuaman hinausziehen, und weiterhin die alte graue, deu Gipfel des Verges krönende Burg der Incas. Nachdem wir nun den Leser anf einen Schauplatz geführt haben, der zu den interessantesten Punkten der Neuen Welt gehört, besuchen wir mit ihm diejenigen Denkmäler der Ineas, welche die Ueberlieferung als die ältesten bezeichnet, und vergegenwärtigen uns dabei die mit denselben verknüpften historischen Erinnerungen. Die Straße, die auf die Höhe des Saesahuaman führt, ist so wenig geneigt, daß sie in Form einer Treppe angelegt wurde. Auf einem schmalen ebenen Vorsprung, mit der Aussicht auf die Stadt, und unmittelbar unter dem abschüssigen Felsen, der die Citadelle trägt, befinden sich die weitlänftigen Ruinen von Colcompata, die dem ersten Inca, dem Manco Capac, zugeschrieben werden. Dic Aussicht von diesem Punkte ist weit und herrlich; zu Füßen liegt die Stadt, wie eine Karte ausgebreitet, mit ihren vielen schönen Kirchen, die sich von den andern Gebäuden abheben, und dem großen belebten Markte, dem die Indianerinnen, die wie ein Bienenschwarm ab- und zugehen, während andere in dichten Gruppen unter ihren Schirmen sitzen und ihre Waarenlager vor sich aus-gethürmt haben, ein originelles Ansehen verleihen. Jenseits liegt Die Nuiuen von ssolcomvata. 53 die lange fruchtbare Ebene mit ibren Weilern und Städten, uud in weiter Ferne erhebt sich über die das Tbal umschließende Bergkette der Schncegipfel des Asungato, dcr glänzend gegen den blauen Himmel absticht. Die Ruinen bestehen aus Maucrübcrrcsten, die in Terrassen übereinander liegen. Die untere Mauer, 84 Schritte laug und 8 Fuß hoch. mit 8 Nischen, ist aus Steinen von allen nur erdenklichen Formen uud Größen, die aber genau in einander paffen, aufgeführt; ciuc in Relief ausgeliaucne Sirene, die sich auf einer viereckigen Steinplatte befindet, bat durch die Zeit stark gelitten, In einer der Nischen führt eine steile Stcintreftpc auf ein Luzerne-fcld, und hier erhebt sich, als zweite Terrasse, eine obere 12 Fuß höbe Mauer, Auf der andern Seite des Feldes befinden sich die Ucberblcibscl eines sehr ausgedehnten Baues oder einer Reibe uon Gebäuden. Die allein noch siebende scbr starke Steinmauer, von sechzehn Schritt Länge und 10'/2 Fuß Höhe, euthält ciu Tbor und ein Fenster und zeichnet sich durch ihr lw eh st vollendetes Maucrwcrk aus. Die Paustciuc sind sämmtlich Parallelogramme von verschiedener Länge, aber gleicher Höhe, und die Kanten sind so scharf und fein gearbeitet, daß sie selbst jetzt noch nur eben erst aus der Hand des Steinmetzen hervorgegangen zu sein scheinen, schließen auch, ohne allen Kitt, so genau, daß mau nicht die feinste Nadel zwischen den einen und den andern Stein einzulassen vermag. Hinter diesen Ruinen erheben sich noch drei Terrassen uon der gröberen Bauart der ersten Mauer, die mit Erlen und Obstbäumen bepflanzt sind. Diefe Ruinen bezeichnet die Ueberlieferung als den ehemaligen Palast des ersten Iuca von Peru, und er soll deshalb diesen Platz zu seiner Residenz erwäblt haben, um von l'icr aus den Vau und das Vachsthum seiner Stadt Cuzeo bequem über-wachcu zu föunen. Sein seltsames und plötzliches Erscheinen, die ncuc und fremdartige Civilisation, die er einführte, das verwickelte Religions-system, das er bcgrüudctc, und feine gut orgauisirte Verwaltung schilderu die meisten Chroniken aus dcr Zeit der spanischen Eroberung beinahe wörtlich gleichlautend. Manche haben Zweifel 54 Die alten Ueberlieferungen gegen die Nahrkcit der Ueberlieferung crboben; darin aber stimmen Alle, die über den Gegenstand geschrieben baben, übcrcin, daß mehrere Iahrhnndcrte vor der Ankunft der Spanier ein überlegener Mann oder ein überlegenes Geschlecht, weit vorgeschritten in der Civilisation eines fernen Landes, ans den Hochebenen der Anden hervorgetreten sei, sich die Herrschaft über Land und Volk angemaßt, sich als von der Sonne abstammend bezeichnet nnd in dieser Eigenschaft Gehorsam und Anbetung von Seiten der Eingeborncn gefordert habe. Einzelne Anzeichen könnten zu der Vermuthung führen, daß die Civilisation der Incas auf selbständiger, einheimischer Entwickelung beruhe- allein bei weitem überwiegende Beweisgründe sprechen für einen fremden Ursprung derselben. Woher kam mm der geheimnißvolle Gesetzgeber Peru's und seine Schwester-Gemahlin? Eine Menge verschiedener Hyvotbcscn sind über diese interessante Frage aufgestellt worden. Nanking, der sie im I. 182? in einem sehr gelebrten Werke behandelt hat, hält es für zweifellos, daß Manco Caftac ein Sohn Knblai-khans, des ersten chinesischen Kaisers von der Ynen-Dynastie, gewesen sei, nnd daß er Peru mit einer Brigade Elephanten erobert habe. Montesinos, ein alter spanischer Chronist, läßt ihn etwa 500Jahre nach der Sündstuth von Armenien kommen; Andere geben ihm einen ägyptischen, einen mcrikanischcn. ja selbst einen englischen Ursprung, denn Inca Manco Capac, so sagte man, sei ein verdorbenes Ingasman Coeapac oder der blühende Engländer. So viel ist ziemlich zweifellos, daß dnrch eine unbekannte Ursache, wahrscheinlich durch den Einfluß, den civilisirte Fremde ausübten, drei südamerikanische Völker, zwar zu Einer Zeit, aber olme Verkehr unter einander, aus eine Stnfe der Civilisation gelangten, welche diejenige aller andern Stämme in beiden Hälften Amerika's bei weitem überragte, sowie daß die Ueberlieferungen von dem Ursprünge dieser Civilisation große Achnlichkeit mit einander haben. Auf dem Tafellande oon Analiuac erschien Quetzaleoatl und lehrte das Volk der Tolteken Kunst nnd Wissenschaft; er wnrde. später von den Merikanern als Gott verehrt, nnd von ihm rühren uber die Herkunft der Incas. 55 Vielleicht die Denkmäler her, die Stephens znArnml nnd Palenquc entdeckt hat. In den Gebirgen von Bogota trat Bochica, ein Sohn der Sonne, in geheimnisvoller Weise unter dem MuMa-Volke auf und lehrte Baukunst und Ackerbau. Er führte ein zusammengesetzteres System der Zeitrechnung ein, verbesserte das Mondjahr, indem er nach je drei Jahren einen Schaltmonat einschob, berechnete anch die Zeit nach Cyklen. Endlich ernannte er, wie in Japan, zwei Fürsten, «inen geistlichen und einen weltlichen, und zog sich vom öffentlichen Leben in das heilige Thal bei Tunja zurück. In Peru aber erschienen zu derselben Zeit Manco Capac und seine Gemahlin Mama Ocllo Huaco. auch Sonnenkindcr, und gründeten cin mächtiges Neich. Manche geben an, daß sie zuerst an den Ufern des Titicaca'Sccs aufgetreten seien, Andere, daß sie aus emer Höhle bei Paccari-tambo hervorgekommen. Alle aber stimmen darin übcrcin, daß die Künste, die verbesserten Verkehrsmittel, die erleuchtete Regierung und die ucrhältnißmäßig reinere Religion -Peru's von ibncn herrührten. Vergleicht man Einrichtungen, Gebräuche, Ceremonien und Religion mit denen verschiedener asiatischer Völker, so erscheint es fast zweifellos, daß die Einwanderer, die unter den Namen Quctzal-coatl, Vochica und Maneo Capac vorkommen, ihren Weg nach Süd - und Ccntralamcrika aus China oder andern ostasiatischen Ländern gefunden haben, und dies ist die gegenwärtig unter den Gelehrten, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, allgemein angenommene Meinung. Schlegel spricht sich dafür ans, ebenso Wiseman und Humboldt, und Nivero. cin^ansgezeichneter peruanischer Altcrthumsforscher, erklärt geradezu, es sei keinem Zweifel unterworfen, daß Bochica und Manco Capac Buddhistcnpricstcr gewesen seien, die durch ihre hervorragende Kenntniß und Civilisation eine Herrschaft über die Seelen der Gingebornen erlangt und sich dadurch zur höchsten Gewalt aufgeschwungen hätten. Die Herrschaft der Incas war, obschon der Form nach despotische Theokratie, in der Ausübung mild und patriarchalisch. Der Inca war der Vater des Volks; er ließ die Arbeiten, die Ver- 56 Trümmer dcs Iiua-Palastcs. gnügungcn und Festtage desselben durch seine Beamten streng überwachen, und sein siolzestcr Titel war Hnaccha-ennac, „der Freund der Armen." Die religiösen Ceremonien waren mit dem Betriebe der gcsammten Regierungstliätigkcit und dem Verlause des alltäglichen Lebens auf das innigste vcrwoben, und es galt als Pflicht der Kinder der Sonne, ihre Institutionen, gleichviel ob dnrck milde oder gewaltsame Maßregeln, über alle angrenzenden Länder zu verbreiten. Dieser Pflicht kamen vier etwas mythische Nachfolger Manco's, nämlich Rocca der Tapfere, Jupanqui der Linkhändige, Mayta der Reiche, und Capac Mipanqui, in großem Maßstabe nach, so daß beim Regierungsantritt eines zweiten Rocea, Inea Roeca, die Herrschaft des Inca-Neichs, welches Ttaiu,a-ntin Suyu, d. h. die vier Provinzen, genannt wurde, sich von Ollantay-tambo bis zu den südlichen Ufern des Titicaca-Secs erstreckte. Was vom Palaste dieses Inca noch übrig ist, liegt im c^iic clol iriunso, in der Nabe des großen Marktes von Cuzeo. Die Mauern desselben bestellen aus mächtigen Baustückcn eines dunkel-schicftrfarbigen Kalksteins von verschiedenen Größen und Formen, so daß z. V. eines von zwölf Seiten mit vorkommt; alle aber passen mit bewunderungswürdiger Genauigkeit in c-nander. Inea Rcicca gründete die Mcha-lmasi, Erziehungsanstalten sür die vornehmen Jünglinge, machte sich als Krieger und Gesetzgeber berühmt und erweiterte die Grenzen dcs Reichs bis zu Huanearama und Andahuayles. Auch für die Kunst soll Inea Nocca viel gethan haben. An den Mancrn der Kirche San Lazaro, die ich für die ehemaligen Vacha-Huasi halte, finden sich eine Menge Schlangen in Relief in den Stein eingchaucn; Bildnisse, die man in ganz gleicher Weise an den steinernen Schwellen dcs Palastes Huayna Capac und an vielen andern Inca-Gebäudcn findet. Anch andere Bild-hauerarbeitcn aus der Inea-Periodc haben sich erhalten. In dem Hause, welches einst Garcilasso de la Vega, der Iuea-Gcschicht-schrcibcr, bcwoknt haben soll, erblickt man vier seltsame steinerne Reliefs, die gegenwärtig die Thürpfosten zu einem leer stehenden Gemach bilden und offenbar von ihrcn ursprünglichen Stand- Bauwerke der Incas. . 57 punkten entfernt worden sind. Die beiden obern, von 3 F. 10 Z. diagonaler Länge, stellen Ungeheuer mit Fraucnköpfcn nnd Vogel-lcibcrn vor, ähnlich den Harpycn Virgils. Sie heben sich kräftig ans dem Stein hcrans, nnd die Federn des Leibes, die Flügel, der Schwanz, sowie das bintcr den Ohren herabfallende Haar sind sorg« fältig nnd künstlerisch ausgeführt. Die beiden untern, von ebenso kunstvoller Arbeit, enthalten beschuppte Ungeheuer, mit langen, hinter ihrem Rücken cmporgcringcltcn Schwänzen. Diese interessanten Bildwerke tragen die Spuren lwhcn Alters an sich, und viele abnliche mögen, wie Garcilasso und andere Chronisten andeuten, dm-ch den mntbwilligcn Vandalismus der Spanier zerstört worden sein. Dic Bauwerke der Incas, deren äußere Mauern wir bereits beschrieben haben, hatten kleine viereckige Fenster, wie man sie noch in den Ruinendes Manco-Capac-Palastes sieht, und waren mit Ichu. dem langen Andengrasc, gedeckt. Das Innere bestand aus verschiedenen geräumigen Hallen, von denen man in kleinere Gemächer gelangte; die Nändc der Hallen und Gemächer waren mit goldenen Thieren und Blumen von feiner, geschmackvoller Arbeit geziert. Spiegel von einem bartcn, glänzend polirtcn Stein, mit eoncavcr und mit couveM Oberfläche, hingen an steinernen Nägeln, und in den zahlreichen Nischen befanden sich Gcräthe und Conopas") von Gold und Silber nach phantastischer Zeichnung. Der Anzug der Incas und ihres Hofstaates war prachtvoll. Man hat zu Cuzco noch Gemälde aus der Zeit der spanischen Eroberung, auf denen die Incas in vollem Costüm dargestellt sind. Sie tragcu überall eine Tunika von feinem Baumwollengcwebe, einen Gürtel von Tuch. der mit Fignrcn gemustert ist, einen goldenen Brustharnisch oder eine goldene Sonne um den Hals, und ein langes, fliegendes Gewand, das von den Schultern bis zum Boden herabfällt. Einige zeichnen sich durch einen Kopfputz von Ncihcrfcdem aus, der regierende Inca aber ist stets mit der kar-moisinrothcn IIau,u (Franse) und den schwarz und weißen Flügel- *) Die Conopas waren Hausgötter in der Gestalt von Lamas, Maiskolben u. dcrgl. 58 Gefahr und Rettung des Inca-Neiches federn des majestätischen Falken Coraquenque dargestellt. DicNustcs, Prinzessinnen, trugen den üielln, einen langen Mantcl, der über der Brust mit einer großen goldenen Nadel befestigt war. Die Zeuge, die zur Zeit der Incas fabricirt wurden, bestehen aus Geweben von Baumwolle oder der seidenartigen Vicunawolle. Die Fäden wurden auf kleinen Handspindeln gesponnen, und man verstand sich gut auf die Kunst, in verschiedenen Farben schön zu färben. Sie fertigten goldene, silberne, irdene und steinerne Gefäße von sinnreicher Gestalt und eleganter Form; viele waren, nicht selten doppelt und vierfach, Vögeln, Fischen, vicrfüßigcn Thieren und menschlichen Figuren nachgebildet. Nach Inca Noeea gelangte sein schwcrmüthiger Sohn Uabuar-lniaccac, der bei seiner Geburt blutige Thränen vergoß, auf den Thron. Unter seiner Regierung trat eine Krisis im Inca-Neiche ein, die zu Steigerung seiner Größe ausschlng. Die benachbarten westlichen Indiancrstämme, bis zn den Küstcncordilleren, traten in ein Bündniß, um die Inca-Herrschaft zu stürzen. Dcr Zeitpunkt war gut gewählt. Denn die Regierung lag in der Hand eines schwachen Fürsten, und der Sohn desselben, der Kronprinz, war irgend einer Verschuldung wegen vom Hofe verbannt und von allen Staatsangelegenheiten fern gebaltcn worden. Dcr Prinz war aber kein Mann von gewöhnlichem Schlage. Anf die Hochebenen von Chita verbannt, wo er dcr zum Sonnendienste bestimmten Lamas warten sollte, verbrachte er seine Zeit in Betrachtungen. Das Tafelland von Chita, in der Nähe Cuzco's, besteht aus wcitgcdebntcn, hie und da mit kleinen Seen bedeckten, grasigen Abdachungen. Ueber die ruhigen Sceflächen streichen zahlreiche Wasservögcl hin, und ein tiefblauer, meist wolkenloser Himmel hängt darüber. Unter diesem lieblichen Gewölbe, am Fuße eines der gigantischen Granitblöckc, welche anf der Hochebene zerstreut umherliegen, streckte sich der junge Prinz auf den Bvdcn und blieb stundenlang in tiefes Nachsinnen versenkt. Da erschien ihm eines Tages, als die Sonne am höchsten stand und die ganze Natur in tiefes Schweigen versenkt war, eine hehre Lichtgestalt mit fliegendem goldenen Haar, offen- durch deu Prinzen Vinicocka. 59 barte ihm den mächtigen Bund, von dcm das Reich bedrobt werde, und befahl ibm, sich aufzumachen und sick an die Spitze des Inc^-Hecres zu stellen. Der Prinz, znr Entfaltnng seiner ganzen Thattraft gespornt, nahm den Namen der Erscheinung, Viracocha, Schaum des Meeres, an, stieg nach Cnzco binab und brackte die Kunde von dcm bevorstehenden Kampfe. Inzwischen näherten sich die mächtigen Hcerschaaren der Aufständischen, verstärkt durch den tapfern Anco-bualluc, den Fürsten der Pocras, durch die Fürsten von Andahuayles und Huancarama sammt ibrcm Gefolge, und durch die Stämme von Huancas und Chancas, nüt reißender Schnelligkeit der Stadt der Incas und drohten ihr den Untergang. Der feigherzige Ucchuar-linaccac sMch« tete sich wehklagend, von einigen alten Räthen gefolgt, nach Muynas: Viracocha aber sammelte die Ritterschaft der Incas, entfaltete das Regenbogen-Vanncr und zog den Feinden seines Hauses entgegen. Das Heer der Incas war in Abtheilungen von Zclm, Hundert, Fünfhundert und Tausend geordnet, und jede Abtheilung batte ibren besondern Oft'icier. Je Fünftausend standen unter einem Hatun-apu, dem General. Die verschiedenen Stämme, ans denen das Heer gebildet war, unterschieden sich durch Turbauc von verschiedener Farbe; Tuniken von grobem Baumwollenzeug und Sandalen crbieltcn sie uon der Regierung. Ibre Waffen bestanden in Keulen oder einer Art Morgensternen, Bogen und Pfeil, Schleudern und kupfernen, dnrck Zinn oder Kieselerde verhärteten Acricn. Die Etreitkräfte der Insurgenten zogen sick anf der großen Ebene bei Lima-tambo znsammen. Dort entbrannte ein beißer Kampf, und die Pocras und Cbancas fochten mit so verzweifelter Tapferkeit, daß die Schlackt lange unentschieden blieb. Aber die treuen Männer uon Chumliuiliccs brachten dem Inea-Fürsten schleunige Hülfe. Von den südlichen Bergen berabkommend, mackten sie zmen stürmischen Angriff auf den rechten Flügel der Feinde -. und diese, nun die Felsen selbst im Vunde gegen sich wähnend, flohen in Verwirrung nach dem Npurimac bin. Tausende blieben todt auf der Wahlstatt, die seitdem Pabuar-pampa, das Blutfeld, 60 Viracocha's Ansehen genannt wurde. Der siegreiche Viracocha übte Großmuth gegen die Besiegten und setzte selbst dcn Heerführer Anco^Hualluc wieder zum Fürsten der Pocras ein, die damals dm Landstrich bewohnten, wo jcht die Stadt Ayacucho steht. Dann wandte sick das Inca-Hccr nach Westen, unterwarf alle zerstreuten Stännnc bis zum Fuße dcr Küstencordillerc und stellte Ordnung und Nul)c her. Diese großen und unerwarteten Erfolge erhoben den jugendlichen Viracocha auf den höchsten Gipfel dcr Volksgunst. Iahuar-lmaccac legte die Krone zu seinen Gunsten nieder, und Viracocha bestieg den wnhlbcfcstigten Thron. Er uermälilte sich mit der Prinzessin Nliatu (Ei), wie sic von ihrcr weißen Gesichtsfarbe genannt wurde, und erbaute zu Ehren der göttlichen Erscheinung, die ihn zu dem siegreichen Kainpfc aufgemuntert hatte, an den Ufern des Vilcamayu, zwanzig Meilen von Cuzco, bei dem jetzigen Cacha, einen Tempel, dessen Ruinen noch gegenwärtig zu sehen sind. In dcr Mittc des Tempels stand das Vild der Gottheit, in langem, fliegendem Gewände, ein seltsames Thier an der Kette führend. Von jener Zeit an wurdc der Name Viracocha vergöttert, und das Wort bcdcntet noch beute in dcr Quichuasvrachc dasselbe, was der Engländer durch den Ausdruck ß-enlloman bezeichnet. Viraeocha erkannte aber die Nothwendigkeit, gegen künftige Angriffe einen starken Schutz zu errichten; und so erbantc er dic große Festung ans dem Berge Saesahnaman, dcrcn kolossale Nuiucn ein dauerndes Denkmal gefallener Größe sind und für den kühnen Unternehmungsgeist, mit dem die Kinder dcr Sonne ausgestattet waren, cin stnmmcs Zeugniß ablegen. Am östlichen Ende des Verges, unmittelbar über dem Paläste des Maneo Eaftac, krönen drei gemauerte Terrassen, eine über der andern, den Gipfel. Sie sind von lichtfarbigcm Stein wie die Terrassen vonColcompata. Die erste Mauer, 14 Fußhoch, umgicbt den Berg in einem Halbkreis von 180 Schritten; zwischen dcr ersten und zweiten von 12 Fuß Höhe ist cin Naum von 8 Fuß; die dritte umgicbt dcu Berg iu einer Ansdclmung von 90 Fuß. Hoher hinauf liegen nrch viele sorgfältig bchaucne Steine; auf einigen davon hat man drei hohe hölzerne Kreuze errichtet. Dies und seine Bcfcstigungswcrkc. 61 war die Citadelle der Festung, welche in ihren glorreichen Tagen nut drei großen dnrch unterirdische Gänge verbundenen Tlnirmen prangte, die jetzt gänzlich zerstört sind. Die Umrisse des einen, des Paucar-marca, waren nahe bei dem nördlichen Ende der dritten Terrasse noch zu erkennen; der runde Thnrm, Moyoc-marca, stand in der Mitte und der dritte, Saclac-marea, am südlichen Ende. Die Hochebene des Sacsahuaman erstreckt sich bis zu ihrem westlichen Ende von der Citadelle aus 53,') Schritte lang, ihre größte Breite mißt 13N Schritte. Von der Südseite ist die natürliche Bc-festigung so stark, daß cs keiner künstlichen bedürfte; der Berg fällt senkrecht in eine steile Schlucht ab, durch welche der kleine Fluß Hnatanay seinen Lauf zur Stadt nimmt. Dasselbe gilt von der Nordscite, wo die steil abfallende Schlncht vom Flusse Nodadcro durchströmt wird. Hier bedürfte es nnr einer einfachen steinernen Brustwehr, welche noch im gntcn Staude erhalten ist. Allein vom Ende der Nord- bis zu dem der Westseite ist der Punkt von Natur ganz unvcrthcidigt, indem sich hier bis zn den Fclsenhöhcn des Rodadcro cinc ganz sanft ablaufende Ebene in einer Ausdehnung von 400 Schritt hinzieht. Von diesem Punkte an errichteten die Incas cinc cyelopische Fortifications-Linic, ein Werk, bei dcm die Kühnheit des Entwurfs ebenso sehr wie die Vortrcsslichkcit der Ausführung das Gemüth mit Bewunderung erfüllt. Es besieht aus drci Manern, von achtzehn, sechzehn und vierzehn Fuß Höhe, durch welche zwei Terrassen von zehn und acht Fuß Breite gebildet werden. Diese Werke sind mit vorgeschobenen und zurückspringenden Winkeln aufgeführt, und zwar so, daß die Winkel der drei Werke mit einander corrcsvondircn, und daß kein Pnntt angegriffen werden kann, ohne von den üdrigcn beherrscht zu werden. Der Zugaug zur Fortification wird durch drei Thore gebildet, die so schmal sind, daß sie nur einem einzigen Manne auf einmal Naum geben. Das cinc ist auf dcr Ost-, das zweite auf der Westseite und das dritte in der Mitte angebracht. Das Merkwürdigste an dieser Fortification sind die mächtigen Fclsblöcke, aus denen sie aufgebaut ist. Einer hat sechzehn und verschiedene andere habcn zwölf und zehn Fuß Höhe; alle abcr 62 Die Bcfcstigungt'wcrkc von Cuzco passen ganz genau in einander und bilden cin Maucrwcrk. das in seiner Solidität, Schönbcit und Eigenthümlichkeit der Construction einzig in der Nelt dasteht. Die ungeheuren Massen von Stonchcnge, der große Vlock im Grabmale des Agamemnon zu Argos uud die Vlöckc in den cyclopischcn Mauern zu Voltcrra und Agrigent sind wundervolle Denkmäler der Ausdauer und Energie des Volks, das sie licrstcllte; aber sie sieben in Schönheit der Ausführung unermeßlich weit hiltter den Festungswerken von Cuzco zurück, wo die ungchcnren Baustückc, ungleich von Gestalt und Umfang, nut so minutiöser Genauigkeit in einander gefügt sind, wie die Mosaiken des alten Rom. Der Riesenbau nakm lange Jahre in Anspruch und erstreckte sich durch die Lebenszeit von vier Baumeistern, Npn Hualpa 3ti-machi (der große sprechende Hahn), Inea Maricancha, Acahuana Inca und Callacunchay; der Begründer aber, der regierende Inca Viracocha, dessen Herrschaft in das 14. Jahrhundert fällt, erlebte die Vollendung. Die mächtigen Festungswerke sind nun mit Cactus, Iris, Calecolaricn, Ginster und andern Blüthcnpflanzen überwachsen, und Lama- und Schafhccrdcn streichen durch die öden Terrassen. Die drei Fortisieationslinicn wurden, eine nach der andern, mit unerschrockener Tapferkeit gegen die wilden spanischen Eroberer unter Juan Pizarro vertheidigt; uud als die braven Patrioten sich auf das zweite und dritte Werk zurückzogen, bezeugten die zu Haufen aufgcthürmtcn Leichen ihrer Kameraden, die bier den Tod fürs Vaterland gefunden hatten, die Ausdauer und dcnMutb. mit welchem diese Stellungen behauptet worden waren. Endlich sah sich die wackere Hcldcnschaar auf die Vertheidigung der Citadelle beschränkt. Hier hielt sie den Spaniern zum letzten Male Stand. Der ehrwürdige Inea-Fürst, der sie befehligte, verrichtete Wunder von Tapfcrkelt mit seiner gewaltigen Streitaxt; und als er sah, daß Alles verloren, und daß Hcrnando Pizarro Meister des Platzes war, verschmähte er es, sich zu ergeben, schlug den Mantel nm seiu Haupt und stürzte sich in den Abgrund. Dic kleine Ebene im Norden der Festung ist von großen Kalk- und ihre heutigen Neste. 63 steinlagcrn umgeben, welche man die Felsen von Nodadcro nennt. Die Schichten des Gesteins haben sich hier im Laufe, der Jahrhunderte zu polirten Rinnen ausgebildet und verdanken ihre völlig glatte Oberfläche den Spielen der Kinder, die sich in denselben herabkugcln. Es ist dies eine Lieblingsbeschäftigung der kleinen Nelt von Cuzco, der Mädchen wie dcr Knaben. Auch die Erwachsenen finden sich häusig zu Lustparticn auf den Felsen von Nodadero zusammen. Sie lagern sich unter die schönen wilden Blumen, trinken Chicha (Vier) aus großen Humpen, singen Quichua-Licdcr und blicken hinab auf die Festung ihrer Ahnen. Auf dem Gipfel des Nodadcro sind eine Neihc Stufen und zwei steinerne Sitze aus dem massiven Felsen herausgehauen. Von hier aus sollen die Incas den Fortschritt ihres riesigen Unternehmens überwacht haben. Dieser nördliche District diente wahrscheinlich zum Steinbruche, aus welchem die Fclsblöcke zum Vau der Festung entnommen wurden; denn uoch liegen Masscn von großen Bruchsteinen herum, die zu Stufen, Sesseln und andern Dingen zugehauen sind, als ob das gigantische Geschlecht nach Vollendung des übermenschlichen Werks das übriggebliebene Material wie Thon zu Spielen benutzt habe, um sciuc Gcschicklichkcit daran zu zeigen. Ein Volk, das Blöcke von so ungcbcurcr Last nicht nur große Strecken weit fortzuschaffen, sondern auch so fein wie Mosaikstückchcn zusammenzusetzen verstand, muß, nach seinen mechanischen Kenntnissen und Kunstfertigkeiten zu schließen, schon cinc hohe Stufc dcr Civilisation eingenommen haben. 64 Die Kirche San Domingo in Cnzco. Mertcs Kapitel. Pachaeutcc, dcr kaiserliche Reformator, und scinc N achsolgcr. Religion, Eitlen und Gebrauche unter dcn Inccis. — Das heutige Cnöco. Pachacutec (was so vicl bedeutet als Reformator), dcr Nachfolger Viracocha's, gilt für denjenigen Inca, dcr cine verbesserte Zeitrechnung, cin vollständigeres religiöses Ccremoniell und eine Umgestaltung dcr uoin Inea Rocca gestifteten Schulen ins Leben rief. Die Incas wußten das Volk für ihrc thcokratisckc Herrschaft durch eine gewandte Politik zu gewinnen. Man idcntisieirtc den Ahnherrn und Wohlthäter der Incas mit der am höchsten verehrten Gottbeit. Untl, der Sonnengott, war die Seele des Uniocrsums, dcr Qncll alles Segens, dessen das Polt sich erfreute, der Ernährer, der seincn Ernten die Reife gab, dcr freundliche Förderer seiner Arbeiten, dcr Schöpfer scmcr schöncn V lumen, dcr Vatcr seiner geliebten Ineas. Nenn man von dem großen Marktplatze in Cu.zco eine langc enge Straße hinabgeht, kommt man anf den einst so bcrümnten Plcch Intip-pampa. Hier erhebt sich anf den Grundmauern des nichcrcn prachtuollcn Sonnentcmpels Cnri-eancha die jetzige Kirche von San Domingo. Das Einzige, wodurch sie sich auszeichnet, ist i!n-schöner Tlmrm mit seincn künstlich aus Stein gckaucnen Säulen, Hinter dcrKirche befindet sich cin Kloster sammt Ncr'cctorium, sowie ein zweites kleineres Kloster; dcr gan;c Platz schwärmt von Dominicanern. Noch haben sich einzelne Vruchstücke aus der Inca-Zeit erhalten; namentlich eine achtzehn Fuß hohe Wand an dcr Westseite dcrKirche, jetzt die Sacristei, und eine ganze Seitc dcö Sonncntcmpcls, 70 Schritte lang und 18 bis 20 Fuß hoch, welche Die Tempclnmleil in Cuzco. 65 mit dem östlichen oberen Stocke des größeren Klosters überbaut ist. Dicse Ucberrcstc gehören zu den vollendetsten Mustern der Inca-Architcktur. Die Steine sind in der schon beschriebenen Weise so Mars und künstlich an einander gepaßt, daß der Zusammenschluß durch nichts weiter als durch eiue höchst feine kaum für das Auge bemerkbare Linie kenntlich gemacht wird; und man muß der Größe des architektonischen Gedankens, der durch die symmetrische Combination des einfachsten Materials so vollendet Schönes hervorbrachte, und der unermüdeten Ausdauer und Geschicklichkeit, die dazu gehörte, die Werkstücke mit so fehlerfreier Genauigkeit zu bearbeiten, daß am ganzen Baue kein Nißchcn entdeckt werden kann, gleich hohe Bewunderung zollen. Außer dem Sonnentcmpcl befanden sich auf dem Untip-pampa noch mehrere Tempel anderer, niederer Gottheiten, deren Räume jeht von Frucht» und Obstläden, Hcnschnppen und Hufschmiede-Werkstätten eingenommen werden. <3s ist ein trauriger öder Platz; die Stille wird uur durch die auf den Ambos niederfallenden Hammerschläge unterbrochen, und die einst glänzenden Mauern schwärzt der Ruß aus den Schmieden. Hier, unter den düster stimmenden Trümmern einstiger Größe konnte ich mir den Wechsel, der über die Tage der Inca-Herrlichkcit gekommen war, recht deutlich anomalen. Hier stand er, der glorreiche Sonncntempcl, mit seinem großen Portale im Mittelpunkte und dem massiven Karnieße von reinem Golde. Und welche Pracht im Innern! Eine große goldene Sonne, mit Smaragden und Türkisen besetzt, bedeckte die Seite dem Portale gegenüber; vor diesem stellvertretenden Bilde der Gottheit brannte die heilige Flamme, und Gefäße von Gold. dem Metall, das die Incas für die Thränen der Sonne hielten, mit den zum Opfer dargebrachten Grstlingsfrüchten gefüllt, standen der Flur des Tempels entlang. Und dann gegenüber und zu beiden Seiten, in ähnlichem Glänze, die andern massiven Bauwerke: der Quilla- oder Mondtcmpel, wo alle Gcräthschaftcn von Silber waren; der Tempel der Coyllur-mna, der himmlischen Hcerschaaren; der Tempel des Chasca, des Abend- und Morgensterns, des „Jünglings mit den goldenen Locken"; der Cuicha- 66 Das Fest dcr Eommcrsonncnwendc oder Regenbogentcmpcl und dcr Yllapa, der Tempel des Donners und Blitzes. Im Mittelpunkte des heiligen Platzes endlich die steinernen Säulen, welche die Tag- und Nachtgleichen, eines der Hauptfeste im Inca-Kalcnder, verkündigten und die Zeitmesser des Neichs waren. Pachacutec theilte das Jahr in zwölf Monate und verbesserte das Mondjahr durch Berücksichtigung dcr Sonnenwenden und Tag-und Nachtglcichen. Das Jahr begann zur Sommersonnenwende, den 22. December, mit dem Monat Raymi, dessen Eintritt durch Tanz, Musik und Gesang gefeiert wurde. Es war das wichtigste Fest im Eonneucultus der Incas. Zu Tausenden strömte das Volk, Vornehm und Gering, Alt und Jung, in die heilige Stadt. Man bereitete sich durch dreitägiges strenges Fasten zu dem Freudentagc vor, und wenn er nun erschien, wogten die glücklichen Sonnenverehrer dichtgedrängt in ihren malerischen Trachten auf dem Untip-Pampa umher; die Männer in ihrer weißen, durch einen Edelstein zusammengehaltenen Tnnica mit Armlöchern ohne Acrmcl, das Haupt mit der nach den Provinzen verschiedenfarbigen Kopfbinde geschmückt! die Frauen in ihren langen buntfarbigen Mänteln, die gleich denen der Männer aus Baumwollengcwcben bestanden, und die leichtfüßigen Mädchen mit Blumen und Guirlanden in den Händen, um die Säulen zu bekränzen, welche die Freudenbotschaft von dcr Rückkehr des Gottes verkündet hatten. Durch dieses muntere und fröblichc Gedränge bewegte sich der Inca-Festzug nach dem Tempel. In der Tiana, der goldenen Sänfte, auf den Schultern feiner Unterthanen getragen, nahte sich der Inca-Kaiser, um dem Schußgotte seines Geschlechts das Opfer darzubringen. Auf dem Haupte trug er den vielfarbigen Turban mit dcr carmoisinrotben Franse und den Coraqlicnauc-Fcdern, den Abzeichen seiner Würde. Seine Tunica bestand aus hellblauem, mit goldenen Fäden durchzogenem Baumwollengewcbe und war durch goldene, mit Smaragden ausgelegte Platten an den Schultern befestigt: Handgelenke und Knöchel waren mit Bändern von ccincm Golde geschmückt, der Leibgürtcl bestand aus demselben edlen Metalle, und als Obcrklcid trug er dcn langen, in den bei den Incas. 67 Strahlen der Mittagssonne blitzenden Goldperlenmantcl. Umringt von cincm großen Gefolge des in prachtvolle Gewänder gekleideten Inca-Adels und unter dem Beistände des Huillac Umu, des Hohenpriesters, opferte er dem Sonnengott; zwei goldene Gefäße mit gcwcihctcm Chicha ergreifend, goß er das eine, das in der rechten Hand, als Libation vor dem Gottc aus, und der Kelch in der linken Hand machte dann vom Kaifer zu seinen Paladinen die Nunde und wurde mit Andacht geleert, Darauf wurde die heilige Flamme, Mosoc nina, vermittelst der in einem Mctallspiegcl aufgefangenen Sonnenstrahlen entzündet und unter die Obhut der Sonnenjungfrancn gestellt, welche sie das ganze Jahr hindurch zu unterhalten hatten. Diese Jungfrauen hattcn ihr Kloster, dessen Ucberrcstc einen Theil des Klosters Santa Catalina bilden, in der Nähe des Intip-pampa; sie waren streng auf den Umkreis des heiligen Platzes beschrankt, dursten sich aber der heiligen Gärten uud Haine erfreuen, die fich, wahrscheinlich in Terrassen, bis zum Flusse Huatanay hinabzogen. Ein Quartier in diesen Gärten war mit künstlichen, bewunderungswürdig schön gearbeiteten Blumen aus Gold besetzt, von denen sich manche erhalten haben. Ich felbst hatte Gelegenheit, beim General Echcniquc unter andern Inca-Alterthümern, namentlich goldenen Brust-Harnischen und Busennadeln mit eingeprägten und cingeschnittcnen Figuren, auch cinigc dieser Blumen in Augenschein zu nehmen. Jetzt sind jene Gärten ganz verwildert. Das Raymi-Fest schloß mit einem allgemeinen Schmause von Zuckcrgebackenem und Chicha, mit Absingung uonIubcllietcrn und mit einem Fignrcntanze, der fast ganz dem schottischen Reigen ähnelte. Der zweite Monat, Huchuy-poccoy, der kleine reifende, batte seinen Namen davon, daß der Mais in diesem Monat kleine Achrcn zu treiben anfängt; der dritte, Hatun-poccoy, der große reifende, davon, daß nun die Körner in den Kolben größer wurden. Am vierten, Paucar-Huaray, d. h. ein blumiger Wicscnteppich, wurde das zweite große Ialiresfest gehalten, Situa. dae Fest der Herbst« no.chtglcichen. Es wurde mit Tanzen, Gnirlandenwindcn und 5,5 68 Die Monate und Feste Krankheitsbcschwörungcn gefeiert. In diesem Monate prangen die Andenabhängc in ihrer größten Blumcupracht. Im fünften Monat, Arihuay, April, wnrde nnter Musik und Chicha «Trinkgelagen die Maisernte begonnen; im sechsten, Aymurray, Mai, wnrde die Ernte in Schcnren gebracht, und die Feldarbeitcr lockerten das Feld mit der Haue. Im siebenten, Cus-quic-Raymi, Juni, fand das dritte große Iahresscst statt, an welchem man die Sonne anflehte, die Saaten vor Frost und Kälte zu schützen. Am achten, Anta Situa, wörtlich „der Kupfertanz", hielt das Inca-Heer seine Nasscntänze und zog mit Triumphgesa'ngcn durch die Straßen. Im neunten, Ccapac Situa, August, dauerten die Festlichkeiten des vorigen Monats noch fort, und die Kartoffel«, Mais« und Qninoa-Saat') ward vollendet. Im zehnten, Umu Naymi, September, wurde das vierte große Iahresfest, Hnaracu, gefeiert. Es war das Fest des Gürtels, durch dessen Belcihuug die jungen Souncnsöbnc in den Inca-Adel aufgenommen wurden, nachdem sie ihre Prüfungen unter Fasten bestanden und verschiedene Waffenthatcn verrichtet hatten. Zur Ceremonie gehörte noch, daß ihnen die Ohren mit einer goldenen Nadel durchstochen wurden, und daß sie Kränze von Bart-uelkcn, Calceolarien und Immergrün, den Sinnbildern von Milde, Frömmigkeit und Güte, auf dem Kopfe trugen. Die Blumen, wie der Inca-Historikcr uns erzählt, sollen bedeuten, daß, wie die Sunnc die Blumen zur Freude der Schöpfung sprießen lasse, auch die jungen Inca-Nittcr die entsprechenden Tugenden zu üben haben, um des Namens Huaccha-cuyac, Wohlthäter der Armen, würdig zu werden. Bemerkenswert!) ist es, daß die Ceremonie der Gürtel-vcrleihung an die Jünglinge anch unter den alten Persern gebräuchlich war und von den Ghcbern bis auf den heutigen Tag beibehalten worden ist. Der Umu Naymi ist auch der Monat, in welchem die jungen Mädchen im ganzen Reiche ucrheirathct wurden, was natürlich zu allgemeinem Jubel Veranlassung gab. An dem bestimmten Tage *) Quinoa, eine Art Neis. der altcn Incas. 69 erschienen die Paare vor den Statthaltern der Provinzen, Diese legten die Hände von Braut und Bräutigam in einander und erklärten damit die Ehen für gültig geschlossen. Bei der Geburt der Kinder wurde das Namcngebcn unter der Ceremonie verrichtet, daß sich die Eltern Haarlocken abschnitten und sie unter die versammelten Verwandten austheilten, welche Gabe diese mit kleinen Geschenken erwiederten. Im elften Monat, dem October, Nya Marca, wurde das Todtcnsest gefeiert, an welchem fromme Kinder die Gräber ilncr Eltern mit neuen Vorräthcn von Nahrung und Kleidern versorgten. Die Gräber bestanden in kleinen ausgemauerten oder in Felsen ausgemeißelten Höhlen, an beinahe ganz unzugänglichen Plätzen, und gerade groß genug, um den Körper in einer zusammen-gedrückten sitzenden Stellung aufzunehmen. Ein Felsen in der Nähe von Urabamba in den östlichen Anden ist von diesen kleinen Gräbern so durchhöhlt, daß er dem Felsen von Gibraltar mit seinen zahlreichen Stückpfortcn gleicht; und ebenso finden sich unzählige Felsengräber in der malerischen Bcrgschlucht bei Calca, welche Huaccan-Huayccu, das Thal der Klagen, genannt wird. In diesem Monat machte das Volk aber auch schon emsige Vorbereitungen auf den folgenden und beschäftigte sich namentlich init dem Brauen der Chicha für die kommenden Festlichkeiten. Diese bestanden im zwölften Monat, dem CcapacNaymi, in der Aufführung von Schauspielen auf dem großen Markte zn Cuzco, bei denen sich auch der Hof einfand, während das Volk schmauste und tanzte. Die Lieblingsvcrgnügungen zu dieser Jahreszeit waren Ballspiel, Nülfelspicl und Räthsel. Die Zeit zwischen dem Ende des Mond- und dem Anfang des Sonnenjahrs galt als feiertägliche. Alle diese Feste hingen mit dem Gottesdienste genau znsam-inen, wurden auf das gewissenhafteste durch das ganze Reich beobachtet und brachten den Indianern viele glückliche und frohe Tage. Obschon dci Inca-Souncncnltus als die ausschließliche Na-tionalreügion der Pcniancr bezeichnet werden muß, so war doch 70 Religiöse Vorstellungen ibr Glaube durch die Idee von einer böchsten Macht vergeistigt. Es geht dies ganz deutlich aus den Denksprüchen verschiedener Incas hervor. So wird erzählt, bei dem großen Raymi-Feste habe der be< rühmte Huayna Capac seine Augen mit unchrerbietigcr Kühnheit auf das große sichtbare Vild des Sonnengottes, die strahlende Sonne, gerichtet. „O, Inca!" sprach der Oberpricster vorwurfsvoll, „was thust Du? Du giebst dem Hofe und dem Volke ein Aergerniß, indem Du den erhabenen Mti ^ solcher Weise anschauest," Huayna Capac wandte sich nach dem Hohenpriester um und fragte: „Ist hier Jemand, der mir befehlen könnte, hinzugehen, wohin es ihm gefiele?" „Wer dürfte so kühn sein?" erwiederte der Oberpriester. „Ist ein Häuptling liier," fragte der Inca weiter, „der meinem Befehle nicht gehorchte, wenn ich ihn bis in die fernsten Provinzen von Chile senden wollte?" „Nein; sie müssen Gehorsam leisten, selbst bis in den Tod," antwortete der Priester. „So erkenne ich," versetzte der erleuchtete Monarch, „daß noch ein höherer, gewaltigerer Herr da sein muß, den unser Vater, der Sonnengott, für größer achtet als sich selbst, auf dessen Befehl er Tag für Tag den himmlischen Vogen umschreitet, ohne je abzuweichen oder nachzulassen." Und unter der Regierung Pachacutccs war es, wo der Platz zu einein Tempel für das höchste Wesen, Pachacamac, den Schöpfer der Welt, auserwählt wurde. Die Ruinen dieses Tempels, an der Küste des Stillen Meeres, haben wir bereits kennen gelernt. Auch an ein böses Princip, Teufel, Supäy, glaubten die Peruaner. Cs wurde ihm jedoch kein Cultus erwiesen, und er stand mehr auf einer Stufe mit dem verachteten bösen Geiste der Parsen, als mit dem gefurchteren Abriman ihrer Vorfahren. Die Incas begruben mit ihren Todten große Schätze und erhielten die Paläste jedes einzelnen Inca-Kaisers in völlig unberührtem Zustande. Dies, sowie das sorgfältige Austrockneu und und Gebräuche der Incas. 71 Einbalsamiren ibrer Leichname, beruhte auf ihrem Glauben an ein künftiges Leben mit Belohnung und Strafen. Unter der großen Volksmaffe erhielten sich uiele abergläubische Gebräuche uon ihrer eigenen Vorzeit lier, und die Sonnenreligion in ihrer vollen Ncinheit war auf die kaiserliche Familie, den Adel und den Gelchrtenstand des Hofes beschränkt. Der Glaube an eine leitende göttliche Vorsehung war aber allgemein. Noch jetzt sieht man große Haufen uon Steinen auf den höchsten Punkten der Andcnpässe neben der Straße liegen, welche Generationen hindurch uon den uorüberfommcnden Wanderern hier aufgehäuft wurden, indem jeder, der die Spitze des Paffes erreicht hatte, einen Stein bei der Straße bmlcgte und ausrief: „Apachicta muchhari," d. h. „Ich danke Gott, daß ich bis Kicher gekommen bin." Die Indianer nahmen auch allgemein an, daß jedes geschaffene Ding sein Mama") oder geistiges Wesen (spiritual l?88en<:o) habe, ein Glaube, der beinahe allen Völkern der Welt gemeinsam gewesen zu sein scheint. Man hatte im alten Peru Huacas, wunderthätige Helden» gräber, und Canopas, Hausgötter. Die letzteren waren zahllos; es gab besondere für jeden District, jedes Dorf, jede Familie. Viele findet man noch heutzutage, von Thon, Stein, Silber, Gold i der Gott der Ernte wird durch eine kleine Figur, die Mais» knlben trägt, dargestellt. Der Glaube an die Hausgötter erhielt sich bis lange nach der spanischen Eroberung und ist aus dem phantastischen Gemüthe des Indianers noch immer nicht uöllig auszurotten gewesen, so daß in manchem uerborgencn Anden-thalc die Canopas fort und fort gehegt uud gepflegt werden. *) Mama heißt in der Quichua-Sprachc Mutter. Der Verf. erinnert hier an die römischen Penaten uud Laren, an die griechischen Naturgötter uud mehrere mythische Wesen der germanischen Sage. Dagegen möchte man eher au Zowasters Ferver denken, jene Urbilder alles Geschaffenen, die der reinste Ausfluß des Gedankens von Ormnzd sind, dem Nachbild völlig gleich, aber reiner, herrlicher und unvergänglich. Dies entspräche, gleich den Platonischen Ideen, dem Begriffe „Mutter" oder „zpii-iwal ezzenoe" des geschaffenen Dinges. 72 Pachacutec, der Salomi.' Peni's, Den Incas war cs gelungen, ibrcm reineren Cultus bei dcn Eingeborncn dadurch großen Eingang zu verschaffen, daß sie mit demselben beständige Ceremonien und Feste in Verbindung sehten, an dencn die Indianer mit Freude Tbeil nahmen. Besonders uiel scheint der Inca Pachacutec für diesen Zweck gethan zu haben. Derselbe verschaffte auch den Schulen cinc einflußreichere Wirksamkeit, unterstützte freigebig Gelehrte nnd Dichter nnd wandte der bürgerlichen Staatsverwaltung große Aufmerksamkeit zu. Daneben war er der erste Inca, der seine Waffen bis zn dcn Küsten des Stillen Meeres trug. Er eroberte die Thäler Nasca, Ica, Cancte, Pachacamac und Nimac, und es gelang ihm, den großen König Cliimu, der dcn Mittelpunkt scincr Herrschaft in der Gegend, wo jetzt TnlMo liegt, aufgeschlagen hatte, zu unterwerfen. Pachacutec war der Salomo Peru's, ebenso berühmt durch seine Weisheit wie durch seine Kriegstbatcn. „Der Neid", sagte er, „ist ein Wurm, der an den Eingeweiden des Neidischen nagt; und wer den Weisen und Guten beneidet, gleicht der Spinne, die aus den lieblichsten Blumen Oist saugt." — „Wer die Sterne zählen will und den Quipus") nicht zählen kann, macht sich lächerlich." — „Zorn nnd Leidenschaft lassen Besserung zu, aber Narrhcit ist unverbesserlich." — „Heftigkeit ist das Anzeichen eines niedrigen Gemüths." — Dieser Fürst soll das hohe Alter von hundert Jahren erreicht haben. Er starb ums Jahr 1400 und hinterließ dcn Thron seinem ältesten Sohne, dem Inca Mpanqui, der sich schon als Krieger berühmt gemacht hatte. Hupauqui brachte unermeßliche Strecken tropischen Waldes östlich von der Hauptstadt unter seine Gewalt und machte erfolg, reiche Versuche zu Colonisation mehrerer von jenen fruchtbaren Tliälcrn, die von Nebenflüssen des Amazoncnstroms bewässert werden. Besonders ist das Paucar-tambo-Thal hichcr zu rechucn. ') Einc Art Rcchcufnecht. vpn dcm weiter unten die Nedc sein wird. und scine Nachfolger. 7,3 Sein Sohn, der berühmte Tupac Inca Yupanqui, führte i. I. 1453 ein Heer über die Sandwüstc von Ntacama, jagte durch ganz Chile bis zu den Ufern des Maule siegreich Alles vor sich her, führte das Heer über die chilenischen Alpen auf einem Passe voll unerhörter Schwierigkeiten und Gefahren und kehrte im Triumphe nach Cuzco zurück. Inzwischen hatte der Thronerbe, der junge Huavna Capac, den Rubin der Inca-Waffen bis zu den Ufern des Amazonenstroms getragen und nach einer Reihe siegreicher Feldzüge im Umkreise des-Chimborazo und Cotopaxi das Königreich Quito erobert. Veim Regierungsantritte Huayna Capacs hatte das Reich der Incas scine größte Ausdehnung gewonnen. Von den heißen Thälern des Amazonenstroms bis zu den gemäßigten Ebenen von Chile, von den Küsten des Stillen Meeres bis zu den sumpfigen Quellen des Paraguay hatte sich ibrc Herrschaft verbreitet. Mit den Waffen machten Ordnung und Civilisation gleiche Fort» schritte, und gute Straßen verbanden die entferntesten Theile des Reichs. Die Stadt Cuzco war beim Regierungsantritt des Inca Huayna Capac im Zcnithc ibrcs Glanzes und Wohlstandes, In der Mitte befand sich der große freie Platz Huacay-pata (Freudenberg), der die drei öffentlichen Plätze des jetzigen Cuzco in sich schloß. An der Ostscite lagen die Paläste des Viracocha, Pacha-cutec und Inca Rocca, sowie die Schulen; im Süden, da, wo jetzt die Iesuitenkirche steht, der Palast des Huayna Capac. Auf den andern Seiten befanden sich die Häuser des Inca-Adels. Auf dem Huacay-pata fanden die dramatischen Vorstellungen statt, und lncr hielt das Volk dcn Neibcntanz, der sich rings um den ganzen Platz herum bewegte, und bei welchem jeder Tänzer ein Glied der ungeheuren goldnen Kette hielt, welche zum Andenken an die Geburt des ältesten Sohnes des Inca Huayna Capac hergestellt wurde, der davon später dcn Namen Huascar, die Kette, erhielt. Eine merkwürdige Abbildung dieses Tanzes findet sich auf einem aus der Zeit kurz nach der spanischen Eroberung hcrstammenden Gemälde in der Kirche Santa Anna zu Cuzco. °74 Innere Zustände des Inca-Neicks. Dieser Platz bildete die eigentliche Inca-Etadt, Rund um dieselbe schlössen sich die von verschiedenen Stämmen bewohnten Porstädte, unter denen eigenthümliche Namen vorkommen, wie Pumav-chupa, Löwcnschweif, Munay-scncca, liebende Nase, Tococachi, Salz-fcnster, Cantut-pata, der Blnmcnbügel, und Pnma-curcu, Löwcn-strahl, wo sich die Menagerien der Incas befanden. In diesen Vorstädten wohnten Indianer aus allen Theilen des Reichs; sie standen unter ihren cingeborncn Kazikcn, zeichneten sich in ihren Trachten durch charakteristische Merkmale aus und stellten so für das gesammte Reich ein Bild im Kleinen dar. welches der schönen Kaiscrstadt und ihren belebten Straßen ein buntes und interessantes Ansehen verliehen haben muß. Cuzco war der Mittelpunkt, von welchem aus ein vollständiges Straßcnsystcm sich durch das ganze Reich verzweigte. Vier Haupt- und Heerstraßen liefcn nach Ost, West, Nord und Süd in die vier Provinzen des Reichs. Die sorgfältig macadamisirtc Nord-straße von Cuzco nach Quito, zu deren Herstellung Flüsse und Schluchten überbrückt, Thäler ausgefüllt und Verge durchstochen werden mußten, ist seit Zarate bis Prescott ein Gegenstand der Bewunderung für Europa gewesen. Die Weststraßc nach dem Stillen Meere und die beiden andern Hauptstraßen nach Ost und Süd waren von derselben Construction. Von Station zu Station in angemessener Entfernung befanden sich Gasthäuser und kaiserliche Vorrathshäuser. Die letztern waren theils Militärmagazine, theils wurden daraus die Ncgierungsbotcn verpflegt, die ilirc Reise mit unglaublicher Schnelligkeit zu Fuße zurücklegten. Man erzählt uon Huayna Capac, daß er in Cuzco frische Seesische gegessen habe, die Tags zuvor in Lurin am stillen Meere gefangen worden. Die Entfernung beträgt 65 Meilen, und der Weg führt über eins der höchsten Gebirge der Welt. In der öffentlichen Verwaltung herrschte die größte Ordnung, Ueber die Provinzen waren Inca-Statthalter gesetzt, und unter diesen standen die Oberaufsehcr der Straßen, der Brücken und so durch alle Departements. Namentlich Huayna Capac war es, der das Ndmimstrations-System zur größten Vollkommenheit brachte Die Iuca-Famili? mid ihr Ende. 75 And das Reich in blühenden Wohlstand versetzte. Das Volk war zufrieden und glücklich; die Inca-Familic war zu mehreren Taufen« den angewachsen und zollte ihrem Oberhaupte hohe Achtung und Verehrung. Die Nachkommenschaft eines jeden auf den Thron gelangten Inca bildete unter dem Namen Ayllu einen besondern Zweig der kaiserlichen Familie; alle aber erklärten Manco Cavac sür ihren gemeinschaftlichen Ahnherrn. Die Söhne oder kaiserlichen Prinzen, Auqui, wurden Statthalter in den Provinzen, führten Colonisten in entfernte Gegenden des Ncichs, beförderten die Künste oder wurden Sonnenpriester; die Prinzessinnen, welche als Mädchen Nustas, als verheirathetc Frauen Pallas hießen, wurden Sonncnjungfrauen oder schmückten, wenn sie nicht einem Gemahle in die Provinzen folgten, den kaiserlichen Hof zn Cuzco. Die Gemahlin des regierenden Inca hieß Coya. Huayna Capac war der ritterlichste aller Fürsten und rühmte sich, keinem Weibe je eine Vittc abgeschlagen zu haben. Wie in frühester Zeit bei den Persern und bei den Normannen, herrschten bei den Incas die Gesetze der Courtoisic gegen das schöne Geschlecht. Leider wurde Huayna Capacs Liebe zu Zulma, der reizen« den Königstochter von Quito, die Hauptursachc zum Untergang des Inca-Ncichs. Seine erste Gemahlin, Rava Ocllo, hatte ihm den Thronerben Hnascar, den Prinzen Manco und noch mehrere Söhne und Töchter geboren. Auf Antrieb Znlma's traf er knrz vor seinem Tode (1525) die Bestimmung, daß das Neich zwischen Huascar und seinem und Zulma's Sohne, Atahnalpa, getheilt werden sollte. Diese verderbliche Maßregel führte znr innern Zerrüttung. " Der rücksichtslose, freche Atahualpa fiel in das Gebiet seines Stiefbruders ein, stieß ihn vom Tbrone und suchte durch fortgesetzte blutige Schlächtereien das, Kmsergcschlccht auszurotten. Vis zum heutigen Tage ist sein Name unter den Indianern verabscheut, und er heißt noch immer allgemein der Aucca, Verräthcr. Schon zogen die Wolken herauf. Fremde Männer, im Besitze gebeimnißuoller Macht, waren an der Küste gelandet. Der tapfere, aber grausame Pizarro drang bis in das Herz des Reichs vor, er- 76 Die letzten Incas. mordete dm Verräther Atahualpa und brachte durch die Ucber-legenheit der Spanier in Waffen nnd Kriegskunst das geschwächte Reich schnell unter seine Gewalt. Golddurst war der Sieger herrschende Leidenschaft, Mord und Naub ihr tägliches Geschäft. Nach Unterjochung der armen Indianer wütheten die Spanier gleich reißenden Wölfen gegen einander selbst. Pizarro schlug und ermordete seinen alten Waffengcfährtcn Almagro und wurde von Almagro's Sohn ermordet. Noch ehe ein Jahr «ergangen, wurde auch dieser enthauptet. Im darauf folgenden Jahr mordete Gonzalo Pizarro den spanischen Vicekönig Nunez de Vela, und Gonzalo's Haupt fiel auf Vcfchl Pedro de Gasca's, eines Priesters, den der König von Spanien gesandt hatte, um iu den neuerworbcnen Colonien die Nuhc herzustellen. Doch wenden wir den Blick ab von diesen elenden und barbarischen Fehden, und verfolgen wir die Ge» schicke der letzten Incas. Nach des unglücklichen Huascar Tode waren die eiteln Gbrcn des geraubten Thrones auf Inca Manco übergegangen. Die Spanier hatten ihn Anfangs als Puppe benutzt, und Pizarro hatte ihn als Vasallen Karls V. gekrönt. Abcr die Mißhandlungen wurden unerträglich. Dcr wilde, grausame Gonzalo Pizarro ließ die schöne junge Gemahlin Manco's entkleiden, von den Soldaten auf das unmenschlichste auspeitschen und sie mit Pfeilen, die auf sie abgeschossen wnrdcn, zu Tode foltern. Da erhob dcr empörte Mauco noch einmal das Panier dcr Incas. Würdig seines großen Namensvetters und Ahnherrn, des Gründers des Reichs, vertheidigte cr die Festung Cuzco mit hcldcnmüthigcr Ausdauer gegen die Spanier belagerte diese in dcr Stadt und lieferte ihnen drei glorreiche Schlachten im Thale von Vilcamayn. Aber endlich mußte er den ungleichen Kampf aufgeben und zog sich mit wenigen Getreuen m die Wälder von Vilca-pampa zurück, wo er seine Unabhängigkeit behauptete. Dcr brave junge Prinz siel im I. 1553 durch die feige Hand eines spanischen Deserteurs, dcr sich uutcr seinen Schutz begeben und seine Gastfreundschaft genossen hatte. Im I. 1555 wurde der Marquis von Cancte, ein Sprosse aus der altadligcn Familie der Mcndoza, Vicckönig von Peru. Sayri Tupacs Thronentsagung. 77 Das zerrüttete Land, das seit Jahren nnter den gegenseitigen erbärmlichen Fehden der wilden Eroberer geblutet hatte, war endlich durch die Niederlage des Rebellen Fernand» Giron im I. 1554 «imgermaßen zur Nuhe gekommen, und der Marquis trat seine Regierung unter günstigeren Aujpicicu al« seine Vorgänger an. Nachdem er zahllose gegen einander streitende Ansprüche auf Grundbesitz und Aemter Seiten der Spanier unter sich erledigt und gegen die Aufrührer strenge Instiz gepflogen hatte, wendete er seine Aufmerksamkeit den Indianern und ihren gefallenen Fürsten zu. weil er noch nicht frei anfatdmen zu können glaubte, so lange der Thronerbe frei in den Wäldern von Nilca-pampa hauste. Der Marquis war im Gegensatze zu den meisten seiner Landsleute ein menschlicher und redlicher Mann. Die Prinzessin Bcatriz Coya, eine ge« taufte Inca, Tochter Huayna <5apacs, hatte den spanischen Ritter Marcio Scrra de Leguisano gehcirathct; an diese Dame wandte cr sich und ersuchte sie, die delicate Mission nach Vilca-pampa zu übernehmen und ihren Neffen, den Inea Sayri Tupac, der als Nachfolger seines Vaters, des Inca Manco, den Kaiscrtitel führte, dahin zn bestimmen, daß cr sich unter den Schuh des Stellvertreters seiner katholischen Majestät begebe. Die Ueberredungskunst der Botschafterin scheiterte Anfangs an der Opposition der alten, vielgeprüften Näthe des Inca; endlich aber ließ sich der mildherzige Sayri Tupac doch erweichen nnd begleitete sie nach Lima. Hier wnrde er vom Vicekönig und dem Erz-bi>chof mit fürstlichem Pomp empfangen und ließ sich bewegen, gegen eine Bclchnung mit Ländcrcicn und eine Pension auf seine Souverä'nitätsrcchtc Verzicht zu leisten. Als der junge Fürst, einer harten Nothwendigkeit sich fügend, die Entsagnngsurkunde unterzeichnete, fiel ihm eine Thräne uom Angc, er ergriff eine Quaste der goldenen Franse, mit der die Tafeldecke besetzt war, und rief aus: „Siehe, die ganze purpurne Sammetdecke gebührt mir als das glorreiche Erbe meiner, Väter, und nun wollen sie mich mit dieser Troddel von der Franse abspeisen!" Später kehrte Sayri Tupac wieder nach Cuzco zurück und lebte im schönen Vilcamayu-Thale in Mcay, dem Lieblingspalaste 78 Hinrichtung Tupac Aniaru's. seines großen Ahnen Viracocha. Aber niedergebeugt dnrch Scham und Schwcrmuth, fand er in den herrlichen Gärten und erfrischenden Bädern von Uucay keine Stärkung für seine gesunkenen Lebensgeister nnd starb nach wenigen Jahren. Sein Bruder, der Inca Cusi Titu Mpauqui, folgte ihm bald in die Gruft nach, nnd der jüngste Sohn des Inca Manco, Tupac Amaru, ward nun der Erbe der ihm angefallenen leeren Titel. Von ganz anderem Charakter als Sayri Tupac, zog er die Freiheit des Urwaldes von Vilca-pampa dem entwürdigenden Golde der Gröberer vor und bewahrte sich seine Unabhängigkeit. Der Marquis uon Canete war I.'itti gestorben, und sein Nachfolger Lope de Castro war 1569 durch Don Francisco de Toledo ersetzt worden. Toledo war der zweite Sohn des Grasen uon Oropcsa uud von Einem Stamme mit Alba. dem Henker der Niederlande. Kalt und grausam, von großem bleichen Angesicht mit massivem Untcrt'innbackcn, Habichtsnase und kleinen schwarzen Augen, heuchelte er tiefe Religiosität und hatte damit Gnade bei Philipp U. gefunden. Toledo begab sich nach Cuzco. Er hatte beschlossen, den unglücklichen jungen Iuca uicht länger die Freiheit genießen zn lassen, und sandte Don Martin Loyola, einen Neffen des Ignatius Loyola und Gemahl der Inca-Prinzessin Veatriz Nusta, einer Nichte des anscrsehcncn Opfers, mit einer Schaar uon 250 Mann ab, um Tupac Amaru gefangen zu nehmen. Tupac siol? den Strom weiter hinab, ward aber von seinen Verfolgern eingeholt, ergab sich an Loyola und wurde gefangen nach Cuzco abgeführt. Toledo vcr-urtheiltc ihn zum Tode. Alles Bitten und Flehen, sowohl von Seiten der spanischen Cavalicre als der Eingcbornen, daß er das Leben des jnngcn Inca, dem keine Schuld zur Last gelegt werden könne, schonen solle, war vergeblich. Das Schaffot wurde ans dem großen Hauvtvlatzc zu Cuzco errichtet. Der Viccköuig Postirte sich vor ein Fenster, welches die volle Aussicht ans die Bühne gewährte. Als Tnpac Amaru, vou vielen Priestern begleitet, auf derselben erschien, erhoben die Indianer, die den Platz und die angrenzenden Straßen in dichtem Gedränge füllten, ein lautes Wehklagen. Der Die Nachkommen der Incas. ?K Inca erhob seine Hand, und es ward stille. Es war der letzte Be« fehl, den er ertheilte, und man gehorchte ih,„. Or sprach mit lauter Stimme i „In alle Welt sei es hinausgerufen, daß ich mir keiner Schuld bewußt bin. Ich sterbe, weil es dem Tyrannen so gefiel." Dann kniete er nieder, faltete seine Hände und rief: „O Gott! siehe, wie meine Feinde mein Blut vergießen!" Nach diesen Worten fiel fcin Haupt, und ein wilder verzweiflungsvoller Schrei hallte durch die weite Versammlung wieder und trug Schmerz und Trauer bis tief hinein in die fernsten Nndenthäler. So siel, im I. 1571, der junge Tupac Amaru, der letzte Repräsentant einer glorreichen Dynastie, die fünfhundert Jahre über Peru geherrscht hatte. Kein Nachcgebct war über die Lippen des Sterbenden gekommen', er hatte keinen Handschuh unter die Menge geworfen! aber nach Jahren noch ging bei seinem Namen ein Schrei durch Peru, der die Spanier erzittern machte. Toledo legte im Jahre 158! die Negierung nieder und begab sich an den spanischen Hof. fand aber bei Philipp II. eine Anfnahme, die ihm zeigte, daß er sich verrechnet hatte. Der Monarch sagte ihm streng, „er sei nicht nach Peru gesandt worden, um Könige zu köpfen," und wandte ihm kalt den Nucken. Toledo soll vor Kummer uud Gewissensbissen wenige Monate darauf gestorben sein. Von dem Schicksal der überlebenden Glieder der großen Inca-Familie bleibt wenig zu sagen übrig. Viele wurden gczwuugcn, ihren Aufenthalt in Lima zu nehmen, und erlagen dort bald dem schädlichen Einflüsse des Klima's. Im Jahre 1602 machten Mehrere noch einmal ibre Ansprüche bei Philipp III. geltend und überreichten einen Stammbaum, der bis zu Manco Capac hinausging, l '/2 Elle lang nnd auf weißen Tassct künstlich gemalt, natürlich olmc etwas zu erreichen. Die einzigen jetzt noch lebenden Incas, die ich mit Bestimmtheit ausfindig zu machen vermochte, sind Don Elemente Tisoczu Geronimo bei Cuzco, und sein Sohn, der erstere ein crfalucncr Botaniker, sowie Don Luis Namos Titu Atauchi, ein Nechtsgelehrter in Cuzco und Neffe des kürzlich verstorbenen Nr. Don Iusto Sahuaraura Inca, der ein genealogisches Werk mit SO Spanische Familien in Cuzco. den Bildnissen der Incas unter dem Titel La IVIon^rquia pcruanH, so viel ich weiß mit Hülfe des General Santa Cruz, verfaßt hat, welches im Jahre 1850 zu Paris erschienen ist. Aber auch unter den alten spanischen Adelsfamilicn giebt es viele, die Inca-Blut in ilnen Adern lmben. In der ersten Zcit nach der Eroberung kamen nur wenige Spanierinnen nach Peru. Die spanischen Kavaliere suchten sich daber ihre Gemahlinnen unter den Inca-Prinzessinnen, deren glorreiche Ahnen sie ehrten, und deren Schönheit sie entzückte. Franzisko Pizarro ging mit seinem Beispiele voran, und die Montemina, Instiniani, Orspesa, Lopayna und Gandia stammen alle von Inca-Ahnfrauen ab. Auch der edle Ritter Garcilasso de la Vcga, der einem der berühmtesten spanischen Granden-Geschlechter angehorte, vermählte sich mit einer schönen Inca, der Nichte des Kaisers Huayna Capac und Enkelin des großen Tupac Inca Jupanqui; der Sohn, den er mit ihr erzeugte, war der später als Geschichtschreiber berühmt gewordene Garcilasso Inca de la Vega. Sobald die Nachrichten von der Eroberung Peru's und von den unerschöpflichen Schätzen des reichen Landes an den spanischen Hof gelangten, strömten tausendc von Abenteurern ill das ferne Eldorado, und unter diesen befanden sich nicht wenige nachgeborne Söhne aus den edelsten Geschlechtern des Königreichs. Diese stolzen Eavalicre setzten sich in den Iiica-Palästen fcst, überbauten sie mit zweiten Stockwerken nnd breiten vergitterten Balconen und ließen ihre Wappen über den steinernen Schwellen der Thore einschneiden. Kloster- und Weltgcistliche folgten in Schwärmen nach, raubgierig und blutdürstig über die armen Indianer herfallend. Zuerst kamen die Dominikaner; sie breiteten das Christenthum mit Fencr und Schwert aus, und einer dieses Ordens, der grausame Valverde, der Mitschuldige an Pizarro's Abscheulichkcitcn, war der erste Bischof von Cuzco. Sie errichteten ihr Kloster auf den Trümmern des Sonnentempcls im Jahre 1534; nnd bald darauf ward der Bau der Kathedrale begonnen, die auf der Ostseite des Hauutplatzes die Stelle einnimmt, wo sich der Palast des Inca Viraeocha befand. Cuzco's jetzige Bedeutung. 81 Sic bat eine schöne Faoade mit zwei massiven steinernen Thürmen und ist noch immer eine der größten Zierden der Stadt. Den Dominicanern folgten die Franziscaner, die Augustiner, 5ie Mercedarier, die sich sämmtlich große Klöster bauten, und zuletzt die Jesuiten. Sie wurden 1565 durch den Vicekö'nig Castro eingeführt, und ihre Kirche, mit ihrem reichen Stcinbildwerk an der Hauptfaaade, ihren hohen Thürmen und ihren weiten Klostergängen ist das schönste Bauwerk dieser Art nicht nur in Cuzco, son, dern in ganz Peru. Ebenso wenig säumte man, Frauenklöster zu errichten, und an die Stelle der Sonnenjungfraucn traten die Nonnen von Santa Clara, Santa Teresa und Santa Catalina. Nach der Hinrichtung Tupac Amaru's war der Muth der Indianer völlig gebrochen, und die Spanier erlangten eine unumschränkte Herrschaft über ihre Opfer. Cuzco wurde die zweite Stadt in Peru, blieb aber von vielen vornehmen Spaniern bewohnt, die ilire Paläste auf das prachtvollste einrichteten. Der fünfte Bischof von Cuzco gründete im I. 1598 eine hohe Schule, die im 1.1692 vom Papst Innocenz XII. zur Universität erhoben wurde und gegenwärtig etwa 90 Graduirte zäblt. Auch die Jesuiten errichteten ein Erzielnmgsinstitut für den jungen indianischen Adel, mit sehr schönen Gebäuden und mehreren Halles, deren Wände mit den Bildnissen der Incas geschmückt sind. Das Institut ist aber schon lange aufgehoben und eine kleine Knabenschule in seine Näume eingezogen. Seit der Unabbängigkeitserklärung ist Cuzco von vielen reichen Familien tli ei ls verlassen worden, theils sind dieselben herab« gekommen, und lnntcr manchem künstlich ausgeschnittenen Steinwappen, wo sonst die Pracht eines spanischen Granden geherrscht batte, wolmt jetzt die Armuth. Doch zählt es noch immer mit seinen Vorstädten 58.300 Einwohner uud ist die Hauptstadt des Departements Cuzco und Sitz des Präfectcn. Ich kam am ersten Osterfeicrtage in Cuzco an. Am Morgen des zweiten fand eine große Procession statt, die Hauptfeicr des Osterfestes, zu der Tausende von nah und fern lierbeigcströmt waren. Ich saß mit der Familie des Präfcctm General Guarda. Peru, ^ 82 Eine Ostcr-Proccssioii. in dessen Hause ich die gastfreundlichste Aufnahme gefunden, und mit mehreren andern Damen auf dem Corridor, und vor uns standen große Körbe, mit Salvia-Blüthen gefüllt, die, wie es die Sitte heischt, auf den vorüberkmnmendcn Festzug herabgestreut werden sollten. Der ganze Hauptplatz und die benachbarten Straßen glichen einem wogenden Meere von Köpfen, alle voll gespannter Erwartung. Endlich näherte sich die Procession. Voran marschirte ein Regiment Soldaten, dann kamen die Mitglieder des Obergerichts, die. Studenten, die Mönchsorden, der Dechant und das Kapitel. Hinter dem letzteren wurde das Bild dessen getragen, zu dessen Ehren das Fest gefeiert wurde: ,Mi«8llo 3eiwr äo Io8 ll-Lmdlurcg" — „der Herr des Erdbebens" — nämlich ein colossales hölzernes buntbemaltes Crucifix, das Karl V. dcr Kathedrale zu Cuzcu zum Geschenk gemacht haben soll. Das Gestell war eine einzige Masse von Scharlach-Saluia-Blütnen. und denselben Anblick gewährten die Köpfe und Schnltcrn der die Procession bildenden Männcr. Auch wir trugen, als der Zug bei uns vorüber kam, das Unsrige dazu bei, diesen Schmuck zu vermehren. Die armen Indianer geben sich dem Anschauen dieses Pompes mit dcr größten Andacht hin und fiuden darin einen Ersatz für ihren Sonnendienst. Es ist die Frage, ob bei dem letzteren mehr Abgötterei getrieben wurde als gegenwärtig. In den höhern Würdenträgern der Kirche zu Cuzco lernte ich Männer von vorzüglicher Bildung kennen. Vom niederen Clerus läßt sich nicht wohl dasselbe behaupten. Die Mönche, namentlich die Dominicaner, sind schmutzige Menschen; uud die Wcltgcistlichcn sind, mit wenigen chrenwerthen Ausnahmen, ohne Bildnng uud häufig auch unsittlich. Abgesehen von den Geistlichen, ist die höhere Gesellschaft zu Cuzco gegenwärtig nicht sehr zahlreich. Dcr Präfect, dcr Polizei-director, die Mitglieder des Gerichtshofs und einige Sachwalter bilden mit ihrcn Familien dic regelmäßigen Bestandtheile derselben. Bei weitem am zahlreichsten abcr ist sie durch die großen Grundbesitzer der Umgegend vertreten, die jedoch den größten Tbeil dcs Jahres auf ihrcn Gütern zubringen. Die Bewohner von Cuzcu. 83 Dic jungen Damen von Euzco sind fast durchgehends schön, von regelmäßigen Gcsichtszügcn, frischer, oliucnbrauncr Farbe, hellen und lang gcwimpcrten intelligenten Augen und füllcrcichem, schwarzem Haar, das sie in zwei Zöpfe geflochten zu tragen pflegen. Sie sind fein gebildet; wie denn auch Cuzco eine von Bolivar gegründete hohe Schule für junge Damen hat, an deren Spitze eine Frau Ncctorin und Professorin der Religion, Moral, Aritbmetik und Stickerei steht >— ihre völlige Abgeschiedenheit aber hat ihnen ein einfaches uud offenes Wesen bewahrt, mit welchem sie sich im geselligen Umgänge bei herzlicher Freundlichkeit höchst liebenswürdig zu machen wissen. Dasselbe günstige Urtheil kann ich von den jungen Männern fällen, die ich als höfliche, anständige und intelligente Leute kennen gelernt habe. Außer der Universität besteht in Cu;co eine hohe Schule für Kunst und Nissenschaft, an welcher Theologie, Jurisprudenz, Mathematik, Philosophie, Lateinisch, Spanisch, Französisch, Geographie und Zeichnen gelehrt wird. Die Studirenden tragen . schwarze Fracks mit Mäntelchcn und auf gekrampte Hüte. > Im I. 1848 wurde in Cuzco ein Museum und eine Bibliothek errichtet; das erstere enthält viele Inca-Alterthümer, die letztere zählt 9000 Bände. Die Häuser der Stadt sind im Erdgeschoß meist zu Läden verwendet. In der ersten Etage wohnt die Familie. Vom Haupt-gemache nach der Straße zu führen Flügelthüren auf den Balkon heraus. Die eigentlichen Wohnzimmer befinden sich nm den Hof herum. Das Zimmcrgcräth ist elegant. Man sieht viele schöne altmodische Stühle, mit Perlmutter ausgelegte Schränke und fast überall cin Pianoforte. Das letztere gehört zu den überseeischen Artikeln und ist wegen des Transports kostbar. Denn da es sür diesen kein Fuhrwerk irgend einer Art giebt, so müssen die Instrumente von der Küste ab auf den Schultern der Indianer in das Innere und über die Nndenpässe geschafft werden. Die mittleren und niederen Klassen der Einwohnerschaft von Cuzco sind kunstreich und betriebsam; besonders große Geschicklich-keit besitzen sie in Tischlerarbeiten und im Holzschnciden. Soplms, <>' H4 Cuzco's Zukunft. Tische und Schränke von den köstlichen Hölzern aus der Montana gefertigt und mit reichem Schnihwerk geziert, können nach Zeichnung und Ausführung mit dem Ameublemcnt der Staatszimmer zu London und Paris wetteifern. Außerdem werden viele grobe Zeuge gewebt, und es wird mit Cacao, Gummi und andern Erzeugnissen der benachbarten Wälder ein lebbaster und ausgebreiteter Handel betrieben. Die Indianer ill ihren malerischen Trachten, wenn sie die großen Lamaheerdcn durch die Straßen treiben oder mit ihren jungen Frauen auf berastcn Vergabbängcn scheu, gewähren einen reizenden Anblick. Ihre wchmüthigcuLieder, die sie mit einer kleinen Guitarre begleiten, und die so traurig durch das stille Gcsild hin-töncn, und die trüben, niedergeschlagenen Blicke, mit welchen sie beim Weiden ihrer Hecrdcn das Auge auf, den Festnngstrümmern ihrer Ahnen ruhen laffen, verleihen diesen schwer verletzten Stämmen ein Interesse, wie man es manchem glücklicheren Volke nicht zuwendet. Cuzco kann aber doch eine Zukunft haben, die ibm die alte Verlorne Herrlichkeit noch einmal zurückbringt! die Hoffnung weist uach Osten hin, auf die unerschöpfliche Fruchtbarkeit seiner riesigen Wälder, auf seine breiten, dem Amazonenstrom zufließenden Wasserstraßen und auf den Unternehmungsgeist des sächsischen Volksstammes — alles vielversprechende Quellen eines künftigen Wohlstandes. Wenn einst die mächtigen Gewässer, deren Cordillcren-zuflüsse Cuzco voll allen Seiten umgeben, gcbörig durchforscht und für die Schifffabrt eröffnet sein werden, welche Aussichten lichten sich dann für die Industrie uud das Aufblühen der alten Inca-Stadt! Das innere Peru ist dann nicht länger mcbr durch die eherne Andcnschranke von der Welt abgeschnitten, es kann seine Producte auf kurzem, geradem und bequemem Wege nach Europa senden, und Cuzco erbebt sich noch einmal zur Hauptstadt von Peru. So sehr sich auch die Einbildungskraft in die großartigen Entwickelungen, die sich hieran knüpfen würden, verlieren mag, so geboren diese Hoffnungen doch keineswegs in das Neich der hohlen Träume. Die südamerikanischen Regierungen und die Vereinigten Das Thal von Vilcamayu. 85 Staaten von Nordamerika haben dcr Frage gleichmäßig ihre Auf. mertsamkeit zugewendet, nnd dcr Tag ist vielleicht nicht allzusern, wo die alte Inca-Stadt sich zu einem Platze ersten Ranges und zu einem Hauptemporium für den innern Handel von Südamerika aufschwingt. Fünftes Kapitel. Quichua (Kochua)-Sprache und Literatur dcr Incas. Die nmcrikanifchcn Dialekte. — Allgemeiner ssharakter dcr Quichna- sprachc. — Chroniken, Balladen, Dramen. — Inhalt und Proben des Drama's „Apn-Ollautay". — Andere Proben pcrnanischor Pocfic. — Gemischte Poesie. — Verfall dcr Qnichnasprachc. Das Thal von Vilcamayu, das Paradies von Peru, der Licb-lingsaufcnthalt dcr Incas, gehört zu den reizendsten Partien in diesem von der Natur hoch begünstigten Lande. DcrrcißcndcStrom, dcr es bildct, entspringt in den Bergen von Vilcanota, bewässert die Provinz Cuzco, fließt etwa vier Mcikn westlich vor dcr Stadt Cuzco vorbei nnd verbindet sich nach einem Laufe von 80—90 Meilen mit dem Npurimac. Das Thal ist sclten über cine Stunde breit, wird östlich von der schneebedeckten Andcnkctte, westlich von einer niedrigeren, a!xr steilen und felsigen Bcrgrcihe begrenzt und erfreut sich innerhalb seiner engen Schranken eines himmlischen Klimas, Malerische Landgüter, mit ihren Maisthürmen, von kleinen Obstwäldcrn umgeben, wechseln mit den an den Ufcrn des reißenden Stromes sich weithin ausbreitenden Dörfern; dunkle Waldungen ziehen sich bis an die stcilcren Wände der aus dem Thale aufsteigenden Berge hinan, und über das Alles wölbt sich ein immer klarer tiefblauer Himmel. Einen der lieblichsten Punkte in diesem herrlichen Thalc bildet die kleine Stadt Urubambo mit ihrer Pavpclallec, ihren Obstgärten und ihren prangenden Nlcscn; und hier, in einem Hause 86 Die cuncnfanischen Dialekte. mit großen luftigen Zimmern und einem steinernen Säulengange, mit dein Garten dahinter, dessen beschnittene Buchsbaumhecken eine Ueberfülle von Nosen, Jasmin und andern Blumen umgaben, und den die glänzenden gelb und schwarzen Finken und die Choccla-poccochis, die peruanischen Nachtigallen, nüt ihrem Gesang erfüllten, sowie mit dem Wachtthürmchen und Sommerhaus auf der Höhe, wo man im Vordergrunde einen weiten Pfirsichen- und Ncctarinenhain und darüber hin die sich aufthürmendcn Anden und ihre in den blatten Himmel hineinragenden Schneegipfel vor Augen hatte, — hierher hatte ich mich zurückgezogen, um im Schooße der herrlichen Natur und eines gastfreundlichen Völkchens, das seine Muttersprache in höchster Reinheit redete, die Literatur der alten Peruaner zu studiren. Die Sprache, die im ganzen Reiche gesprochen und von den Spaniern 1.2, I^n^ua General genannt wurde, war die noch jetzt im Lande gebräuchliche Quichuasprache. Zwar berichtet die Sage aus der Inca-Zcit von einer andern Sprache, die nur am Hofe in Gebrauch gewesen und seitdem verschwunden sei; allein wahrscheinlich war dies nur ein reinerer Dialekt des Quichua, und soviel ist gewiß, daß das letztere seit den ältesten Zeiten von den Dichtern und Gelehrten ausgebildet, von der Negierung allenthalben angewendet und in den eroberten Provinzen eingeführt wurde. Von Darien bis zum Cap Horn soll es an 300 Sprachen geben, die bei starker Wortocrschicdenheit doch in der grammatischen Construction sämmtlich mit einander verwandt sind. Unter diesen sind die beiden ausgebrcitctsten das Guacani, das in Paraguay gesprochen und in mehr oder weniger verschiedenen Dialekten durch ganz Brasilien und an den Ufern des Amazonenstromes gefunden wird, und das Quichua, die Sprache des ehemaligen Inca-Reichs, die noch jetzt von Quito bis Tucuman entweder in völliger Ncinheit oder im Aymara-Dialckt gebräuchlich ist. Der letztere wird an den Ufern des Titicaca-Sees und im nördlichen Bolivien gesprochen; doch giebt es auch noch einige andere Quichua-Dialekte, wie z. B. das Quiteno, das sehr unrein und voll fremder Worte ist; das Junca, Allgemeiner Charakter der Quichuasprache. 87 das Chinchasuyu in der Provinz Iunin; das Cauqui in Uauyos; endlich das Calchaqui in Tueuman. Die Quichua-Sprache besitzt eine große Leichtigkeit des Ausdrucks, eine verwickelte Grammatik und. trotz einer Menge zusammengesetzter Worte, die Mittel zu einem höchst energischen und gedrängten Style. Sie hat mit den agglutinirenden asiatischen Sprachen das gemein, daß sie sich nicht gleich den indogermanischen Sprachen der innern Abwandelung nnd Beugung der Wurzel bedient, sondern zu dieser letzteren gewisse Partikeln hinzufügt und dadurch der Wurzel oder dem Vedeutungslaute seine Beziehung giebt. Außerdem hat sie die Eigenthümlichkeit, daß sie mit der Wurzel selbständige Vedeutungslaute in Verbindung bringt (einverleibende Sprache) und so ganze Sätze in EinWort zusammenfaßt, z. B. ich liebe Sie.' muna^ui, er liebt mich: inunaliu^nmi; noch merkwürdiger aber ist der in ihr vorkommende Zug, daß für einen und denselben Begriff, je nachdem das sprechende Subject ein anderes ist, ein verschiedenes Wort gebraucht wird. So sagt der Bruder, wenn er von seiner Schwester spricht: ?»,na^; die Schwester, wenn sie von ihrer Schwester spricht: llana^; die Schwester nennt ihren Bruder Huan^ue^, der Bruder uenut den Bruder H,oc8llNÄ8iv; der Vater nennt den Sohn (>'nuri^; die Mutter nennt den Sohn (!c»r^ imaiiull^; der Vater nennt die Tochter U8U8>^; die Mutter nennt die Tochter llunlmi liuatiull^; und ähnliche Unterschiede finden statt, je nachdem Onkel oder Tante sprechen, oder je nachdem von Vater oder Mutter gesprochen wird. Die Incas besaßen keine Schriftsprache. Doch scheinen ihnen gewisse Hieroglyphen uicht unbekannt gewesen zu sein. Garcilasso de la Vcga thut derselben Erwähnung, undRivcro und uon Tschudi haben dergleichen, der erstere an Felsen in der Nähe von Arcquipa, sowie in Hllautara in der Prouinz Eastro-Vircyna, der letztere in der Nähe von Huara an der Meeresküste aufgefunden. Doch sind dies nur vereinzelte Erscheinungen. Allgemein gebräuchlich war der bekannte Quipus. ein sinnreiches und originelles Instrument, das ihnen ursprünglich zum Rechnen diente, aber auch zugleich zur ur- 88 Die peruanischen Chroniken. kundlichcn Verzeichnung und Aufbewahrung von Thatsachen gebraucht wurde. Der peruanische Quipus wurde aus Wollengarn geflochten. Das Hauptstück bildete eine dicke Schnur oder ein Seil von verschiedener Länge; man hatte Quipus von einem bis zu zwanzig Fuß. An diese dicke Schnur wurden stärkere und schwächere Fäden befestigt und in die letzteren verschiedenartige Knoten geschlungen. Die Fäden hatten eine Länge von höchstens drei Fuß. Bei Lurin an der Küste fand man einen Quipus von zwölf Pfund Gewicht. Ein einfacher Knoten bedeutete zehn, zwei einfache Knoten zwanzig; ein doppelter hundert, ein dreifacher tausend. Die verschiedenen Farben der Fäden drückten Begriffe aus: roth z. B. bedeutete Soldat oder Krieg; gelb Gold; weiß Silber oder Frieden. Aber nicht bloß die Farbe, sondern auch die Art und Weise, wie die Knoten unter einander verbunden wurden, und die Lage und Stellung, die man dem ganzen Instrumcut gab, dienten zu einer Art von Zeichensprache, und die Eingeweihten waren im Stands geschichtliche Nachrichten, Gesetze und Befehle in den Quipus ein-zuknüpfen, fo daß diese Instrumente die großen Begebenheiten des Reichs auf die Nachwelt übertrugen und die Stelle von Chroniken und Neichsarchiuen vertraten. Auch die Steuerregister, die Armcc-listcn, die Volkszählungen, die Magazin-Inventarien wurden in bewunderungswürdiger Genauigkeit vermittelst der Qnipus geführt, und in jeder bedeutenderen Stadt befand sich ein Beamter, der Quipu-camayoc. dessen Beruf es war, diese Urkunden zu knüpfen und zu lesen. Die Quichua-Litcratur zeigt sich aber iu ihrer Schönheit und Eleganz besser in den überlieferten Balladen uud Dramen der alten Sänger als in den Chroniken der Quipu-camayocs. Die lyrischen und elegischen Dichter hießen Haravccs. Ihre Gesänge zeugen von hohem Alter und behandeln meistens vergessene Liebe oder irgend ein trauriges Ercigniß. Garcilasso dc la Vega hat ein paar sehr alte Fragmente aufbewahrt. Sie bestehen aus viersilbigen Zeilen, mit denen manchmal eine dreisilbige wechselt. Das erste ist an den Mond gerichtet, der bei dcn Incas eine Göttin ist; ihr Bruder, dcr Peruanische Balladen und Dramen. 89 Sonnengott, hat ihr die Urne zerbrochen, und davon kommen Gewitter, Regen und Schnee: Schöne Fürstin! Deine Urne Hat Dein Bruder Dir zerbrochen! Und in diesem Schlage waren Blitz und Donner. Aber, Fürstin, Dn vergießest Negenströmc; Und Du sendest Hagel nieder, Sendest Schnee. ' Erdenschöpscr Viracocha Hat gegeben, Hat vertraut Dir Dieses Amt. Das zweite Fragment enthält nur einige Zeilen aus einem Liebesliede: Beim Gesangt Schläfst Du ein. Und ich komme Mitternachts. Die alten Peruaner waren große Musikfreunde; sie bedienten sich der Castagnetten und Trommeln bei ihren Ceremonien und Festaufzügen und der Flöte, sowie der Tinya, einer Art Guitarre, bei den Haravis oder Licbcslicdern ihrer Dichter. Einen höheren Flug ucchmcn die Epiker und Dramatiker, die Amautas, die am kaiserlichen Hofe in hohen Ehren standen. Glucklicher Weise baben sich einige ihrer Dramen, die man kurz nach der Eroberung nack der mündlichen Recitation der Indianer aufzeichnete, bis auf den heutigen Tag erhalten. Das berühmteste ist das Trauerspiel Ollantay, welches in der Zeit des Inca Yupanqui verfaßt wurde. Ich hatte erfahren, daß sich ein Manuscript davon im Besitze des Priesters von Laris, Don PabloIustiniani befinde. Dasselbe ist von einer merkwürdigen alten Handschrift, die ge- 90 Ritt nach dem Dorfe Laris. genwärtigDon Narciso Cuentas zu Tinta besitzt, durch Don Pablo's Bater copirt worden, uud ich hatte später Gelegenheit, es mit einem andern Manuscripte, dem des Dr. Rosas, und dem Abdrucke, welcher sich in des vr. Tschudi großem Werk über die Quichua-Sprache, (die Kochua-Sprache 2. Bd. Wien 1853) befindet, zu vergleichen. Um dieses Manuscript einzusehen, machte ich mich an einem -schönen Aprilmorgcn nach dem Dörfchen Laris, das wie ein Adlerhorst in die Felsen eingebettet ist, auf den Neg. Ein Zickzackpfad fühlte mich von Urubamba aus ius Gebirge. Er war im Anfang zu beiden Seiten mit blumcntragcndcn Büschen und Bäumen besetzt, und gestattete bei jeder Wendung die herrlichsten Aussichten in das schöne Vilcamayu-Thal; je höher es aber hinanging, desto wcs,r nahmen die Bäume ab, großes Gras trat an ihre Stelle, und einsame Seen, über deren Oberfläche weiße Wasscrvögel hinstreiften, wechselten mit den Wcideflächcn ab. Der Kamm des Gebirgs war mit Schnee bedeckt. Nach einem langen Nittc abwärts kam ich wiederum durch ausgedehnte Wcideländereien; hie und da lag eine Schäferhütte, und in der Nähe derselben weideten kleine Indianermädchen ihre Alvaea-Hcrdcn und sangen cines ihrer traurigen Nationalliedcr dazu. Manche Meile war ich durch diese öden Gegenden geritten, als der Pfad in eine lange, zu beiden Seiten von hohen Bergen umgebene Schlucht einbog, an deren Ende das Dörfchen Laris mit seinem hohen Kirchthurme aus einem Walde uon blühenden Bäumen und Buschwerk herausschaute. Ich ging durch den Hof der alten Pfarre und traf den Priester in einem Nosengärtchen über seinem Brevier; ein Coraquenquc, bei den Incas, von denen der Pater mütterlicher Sejts abstammt, ein heiliger Vogel, saß auf seiner Stange vor ihm, in all dem glänzenden Federschmuck, der einst als Symbol der kaiserlichen Majestät den Turban der Inca-Fürsten zierte. Die erste Begrüßung von Seiten des alten Mannes war nicht sehr freundlich; als er aber den Grund meines Besuchs vernahm, schien er wie umgewandelt und führte mich uüt der größten Herzlichkeit und Gastfreundschaft in das Haus. In seinem Smatszim-mcr waren die Bildnisse der Inca-Kaiser in Lebensgröße aufge- Das Drama Aftu-Ollantay. , 91 hangen, und lange Neihen vl'N ausgestopften Vögeln mit prachtvollem Gefieder kreuzten einander. Don Pablo nahm an Allein, was die Geschichte der Incas berührte, das höchste Interesse und brachte ein dickes Manuscript zum Vorschein, das neben vielen Quichua-Liedern die dcrühmte Tragödie, die ich suchte, enthielt. Mein freundlicher Wirth, ein schöner Greis mit feurigem Auge und ein trefflicher Gesellschafter, ließ mir, da er im Naume sehr beschränkt war, ein Bett im Staats-zimmer aufschlagen; und während ich mich dm Tag über mit der Abschrift jenes werthvollcn Mnsterstücks der Quichua-Literatur beschäftigte, benutzte ich die Abende zu Spazicrgängcn und badete in den etwa eine halbe Stande entfernten warmen Quellen, die durch ihre Heilkraft schon zur Inca-Zeit gleich den übrigen Thermalbädern der Anden großen Ruf erlangt hatten. Don Pablo erzählte mir, daß man uoch lange nach der spanischen Eroberung fortgefahren habe, auf dem großen Markte zu Ouzco dramatische Vorstellungen zu geben. Auch in andern Städten seien dergleichen zur Aufführung gebracht worden, und er selbst habe einer solchen, die uon Indianern in der Stadt Tinta gehalten worden, als kleiner Knabe beigewohnt. Das mehrcrwähnte Drama Apu (Nitter) Ollantay wurde der Sage nach am Hofe des Huayna Capac aufgeführt,' die Ereignisse, die ihm zu Grunde liegen, fallen in die Regierung des Inca Pachacutcc, und der Angelpnnkt, um den sich die Fabel bewegt, ist die verbotne Liebe zwischen dem Häuptling Ollantay, der jung, schön und tapfer, aber nicht vom kaiserlichen Geschlechte war. und der Prinzessin CusiCoyllur (der freudige Stern), einer Tochter dcs Inca. Das Stück beginnt mit einem Gespräche zwischen Ollantay und seinem Diener Piqui Cliaqui (Schnellfnß) in einer Straße von Cuzco. Ollantay, in goldner Tunica, mit der Kriegskeule in der Hand, eröffnet dasselbe. Ollantay. Piqui Chaqui: sahst Du die Prinzessin? Sahst Dn im Palast den Freudenstern? Piqui Chaqui. Das verbietet uuser Sonnengott. Eine Incatochter anzuschauen — Weißt Du nicht? ist wider das Gesch. 92 Aus dem peruanischen Drama: Ollantay. Meine Liebe für die zarte Tanbc, Weißt Du nicht? kann niemand von mir nehmen. Welche Straße wirst Du gehn, mein Herz, Wirst Dn gehn im Suchan nach der Palla*)? Piqui Chaqni. Deinen Sinn verwirrt ein böser Geist, Und Dii gehst in Deinen Nedcn irre. Giebt es nicht noch viele junge Mädchen, Die Dich lieben würden, eh Dn alterst?. Wenn der Inca Deine Liebe wüßte. Würd' er Dich in kleine Stücke hacken. Ollantay. Schweige! Sprich mir nicht von Strafe! Oder meine Kricgcslenle Müßte Deine Schultern treffen! Piqui Chaqui. Fort dann, Piqui! Meide diese Keule! Laß Dich nicht wie einen Hund erschlagen! Alle Tagc, alle Nächte Soll ninsonst er nach mir spähn; Und es soll das Jahr mich nimmer Mehr vor seinem Antlitz sehn. Ollantay. Gehe denn, verlaß mich, Piqni Chaqui! Geh' nnd halte Deine Reigentänze Mit der Berge leichtgeschürzten Mädchen! Aber ich — trotz allen Feinden, Trotz Vcrräthcrn nah nnd fern, — Aber ich will sie umarmen. Meine Cnsi, meinen Stern. Piqui Chaqui. Wenn der Böse neben Dich sich stellte? Ollantay. Würd' ich ihn mit Fühcn von mir stoßen. Piqui Chaqui. Hast Dn jemals seine Nasenspitze Nur gesehn? Und wolltest mit ihm reden? Ollantay. Laß die Thorheit, Piqui, wenn ich rede. Lieber bring' mir diese schöne Blume Vor das Antlitz meiner süßen Coyllnr, Daß im Selbstgespräch sie meiner denke. Piqui Chaqui. Immer noch verwirrt Dich Cusi Coyllnr. Könnt' ich helfen! Tag für Tag bringt sie Dir ticfrcs Leid. Dn vergissest Mti anzubeten Und der Quilla Deinen Dienst zu weihn. *) Prinzessin. Avn-Ollantav. 93 Oll ant ay. Sprich? Dir leuchtete ihr Antlitz? Freudenvoll ist sie und schön. Jüngst noch sah ich Dich ihr folgen. Meinen Stern hast Du gesehn! Piqui Chaqui. Glaube mir, ich sah sie niinmer. A>» Palast ging ich vorüber. Aber nie dnrch seinc Pforten, Ni? vor's Angesicht der Palla. Ollantay. Schwörst Dn mir's? Dn hast sie nie gesehen? Piqni Chaqui. Nur des Himmels lichte, hcil'gc Sterne Sah ich leuchten ails geheimen Tiefen. Ollantay. Geh zu meinem Stern mit dieser Blume, Zu dem lieblichsten von allen Sternen, Den an Schönheit Wti nicht erreicht. Dem der Hiinmclsstcrne keiner gleicht. Piqui Chaqui. Weun man nnr bestechen könnte Eine Greisin oder Greis? Wachen will ich und der Palla Bringen Deiner Liebe Preis. Ja, ich will Dein Bote sein. Bin ich auch nur arm nnd klein. Hier wird das Gespräch abgebrochen, indem Huillac Umu, der Hohepriester der Sonne, eintritt. Er erscheint im schwarzen Mantel, mit einem Opfcrmeffcr in der Hand, und hält folgenden Monolog. Huillac Umu. Hcil'ger Sonnengott, ick sehe Abwärts Dich am Himmel gleiten; Sehe Dich gerüstet, tansend Opfcrlamas zu bereiten. Fließen soll ihr Vlnt zu Deinem Nuhmc! Blühen soll für Dich des Feldes Blume! Sonnengott, voll Herrlichkeit, Preis sei Dir geweiht. Ol lantay. Ich will mit diesem Träumer sprechen. Huillac Umu! mächt'ger Inca-Prinz! Alles Volk ist Deiner Größe voll: O, vernimm anch meiner Ehrfurcht Zoll. Huillac Umn. Held Qllantay! Deine Nede weckt mich Aus des Strahlengottes tiefem Anschau'n. 94 Aus dem peruanischen Drama: OUcmtay eröffnet nun dem Hohenpriester seine innige Liebe zur Prinzessin nnd weist alle guten Nachschlage, die ihm dieser giebt, mit Entschiedenheit zurück. Endlich macht Huillac Umu den Versuch, Ollantay durch ein Wunder von seiner Liebe zu heilen. Huillac Umu. Reiche mir dic welke Blume! Sieb, ihr Leben ist geschwunden; Sieh, ihr Saft ist ganz vertrocknet; Nnd doch soll sie weinen: — Siehe! (Er drückt sie zusammen und es fließt Wasser heraus.) Ollantay. Leichter würde eine Quelle Aus dem harten Felsen springen; Aber auch um dieses Wunder Lass ich meiuc Liebe nicht. Er entschließt sich, bei dem nächsten großen Hoffcste den stolzen Pachacutec um die Hand der Prinzessin zu bitten, und thut es in den beweglichsten Ausdrücken. Aber der finstere Monarch bleibt unbeugsam, macht dem jnngcn General über seine Anmaßung heftige Vorwürfe und läßt ihn, mit dem Hofe uorüber schreitend, auf das Schmerzlichste verletzt und gedemüthigt stehen. Auch die unglückliche Cnsi Coyllur empfängt harte Worte und wird in das Kloster der Sonnenjungfraucn in Gewahrsam gebracht. Dort pflegt sie ihre in Zärtlichkeit sich gleich bleibende Mutter Coya Anavarqui, sucht aber vergeblich sie zu trösten. Die Prinzessin bricht in rührende Klagen aus.' Cusi Cuyllur. Weh! Prinzessin! Wehe! Mntter! Webe! Soll mein Herz nicht klagen. Soll mein Auge weinen nicht. Wenn mein Vater, mciu Beschützer, Nicht mehr freundlich mit mir spricht? Lauge Tage, lange Nächte Wein' ich mir das Ange blind. Und der Vater, der Beschützer, Fragt nicht mehr uach seinem Kind. Wehe! Mutter! Weh! Prinzessin! Weh! mein einziger Geliebter! ' Ach! der Anblick dieser Mauer Hüllte mir den Tag in Trauer! Dunkel schien die Sonn' am Himmel, ApU'Ollantay. 95 Wie in Asche eingehüllt, Meinem Grame glich die Wolke. Die mit Feuer sich gefüllt! Wchetag! der Stern des Abends That sich anf am Himmelszelt; Müde waren Lnft und Erde: Mndc war die ganze Welt. Wehe! Mütter! Weh! Prinzessin! Weh? mein einziger Geliebter! Ollantay, der an dem Plahc, wo eben erst vor allen Edcln des Landes und einer ungelicuren Volksmenge eine der großartige sten Ceremonien des Kaiferbofs begangen worden, einsam zurückgeblieben war, ruft aus: „Ach Prinzessin! ach, CufiCoyllur. meine Taube! Du bist mir für iinmc.r uerloren!" Dann steigen trotzige und feindselige Gesinnungen und der Gedanke der Empörung in, seiner Brust auf, und es folgt der Monolog: Ollantay. Cuzeo, Cnzco, Stadt der Paläste! Jetzt und bis ans Ende der Tage Bist Dn mir mit Feinden gefüllt! Deinen Busen will ich zerreißen; Will den Geiern geben Dein Herz! O, mein Feind! O, Inca, mein Feind! Tanscnd Helden will ich entflammen, Mnstern will ich meine Soldaten Und die Pfeile geb' ich hinaus! Sieh! am S.nsahuaman sammelt Sich wie eine Wolke mein Heer! Eine Flamme lassen sie steigen, Schlafen sollst Dn im Blute dort. Meinem Fuße sollst Dn Dich neigen, Inca, wenn gefallen Dein Hort. Wenn ich meinen Tiefen entstiegen, Wird vor mir Dein Nacken sich biegen, Und unmöglich werden das Wort: „Meine Tochter kann nimmer Dein, Kann nicht Deine Gemahlin sein!" O! wie paßte zu flehenden Armen Evlch ein Wort, und zur Bitt' um Erbarmen? Ollantay begiebt sich zu seinem Heere in Anti-Suyu, schildert die ihm widerfahrene Zurücksetzung mit kräftigen und beredten. 96 Das Drama Apu-Ollantay. Worten und wird, nachdem er die Soldaten gewonnen, vom General Urco-Huarancca znm Kaiser ausgerufen. Die Insurgenten setzen ihn auf einen Thron, bekleiden ilm mit den kaiserlichen Insignicn, der Robe und dem Diadem, und jubeln: Ehre dem Inca Ollantay! Ehre dem Iuca! Ehre dem Inca! Lang lebe der Inca! Er lebe laug! Während in Anti«Suyu, der östlichen Provinz des Reichs, der Aufruhr ansbricht, ereilt die Prinzessin ein trauriges Schicksal. Wenige Monate nach Beginn ihrer Gefangenschaft gebiert sie ein Kind, die Frucht verbotener Liebe mit Ollantay, das den Namen Vma Sumac (Wie schön!) erhält. Der Zorn des alten Inca ke'nnt keine Grenzen. Die Prin, zessin wird in einen unterirdischen Kerker des Sonnenjungfrauen-Klosters geworfen, und alle Vitten ihrer Mutter Anavarqui um eine Milderung der Strafe werden hart zurückgewiesen. Ollantay rückt mit dem aufrührerischen Heere bis in das Thal von Mcamayu Uor und sendet von Urabamba aus drohende Botschaft an seinen Kaiser. Dieselbe bleibt ohne Erfolg, und Ollantay macht darauf, um seinem Unternehmen eine feste Basis zu geben, an einem passenden Punkte Halt. Hier war es, wo er die Ricscnbaue begann, die noch späte Jahrhunderte in Erstaunen sehen und die stets unter dem Namen O llantay-tambo bekannt waren. Nachdem ich das Drama bis hieher studirt hatte, verabschiedete ich mich von dein guten alten Priester Don Pablo Iu-stiniani, überstieg die Anden noch einmal und begab mich in das zwischen 4 und 5 Meilen von Urabamba gelegene Ollantay-tambo wo ich in dem Hause der vortrefflichen Scnora Artajona die gastfreundlichste Aufnahme fand. Das Haus liegt zwischen Obstgärten und Maisfeldcrn unmittelbar unter den großartigen Ruinen; und wenn man sich in seinem schönen Säulengangc befindet, genießt man die reizendste Aussicht. Hier hatte ich Gelegenheit, meine Studien über das Drama in unterrichtender Weise mitten unter den Denkmälern seines Helden fortzusehen. ^llant^'ö 3t>idt und ^^st'üig. 97 Das Thal von Vilcamayu ist an dies« Stelle sehr eng und malerisch. Vom reißenden Strome belebt und zu beiden Seiten mit Malfeldern bedeckt, wird es links nnd rechts von senkrecht aufsteigenden Bergwänden eingeschlossen, die sich zu einer solchen Höhe erheben, daß nnr ein kleiner Theil des azurnen Himmelsgewölbes ans die friedliche Landschaft unten hcrablächclt. Ollantay hatte sich zu einer Stadt und Festung den Pnnlt dcs Thals auserschcn, wo sich die Schlucht Marcavie ein Mar-tcllo-Thürmchcn, von wo aus die znm Tode Vcrurtheilten hinabgestürzt wurden. Ein Vicrlelstündchen weiter lnnaus endlich gelangt man zu einem Werte, welches mein Interesse, wenn nicht meine Bewunderung fast in noch höherem Grade in Nnsvrnch nahm, als Alles, was ich bereits geseben batte. An einein Pnnt'le, wo die Schlucht steiler wird, nnd der Felsen schroff hervortritt, haben die unermüdlichen Werkleute den Felsen selbst zum Thronsaalc umgewandelt und zwei großartige Sessel mit Thronlnmmel, breite Ttnsen, die zu ihnen emporführen. nnd die sie verbindenden Galerien aus dem massiven Gestein herausgehauen. Der eine beißt Nustatiano, Thron der Prinzessin, dcr andere, wegen seiner Achnlichkcit mit einen» modernen Altar, Incamisano. Dies waren die Arbeiten, mit denen sich Ollautay zcbn Jahre lang beschäftigte, während er gleichzeitig ein großes Heer von Anti-und Tampa-Indianern ansammelte. Dcr alte Inca Pachacutec machte wenig Anstrengungen, den Ausstand zu nnterdrücken, denn er bedürfte nach einer länger als funfzigiäbrigeu glorreichen Nc-gicrnng der Ruhe. Sein Sohn Mpanqui war mtt der Blüte dcr Inca-Krieger Hunderte uon Meilen entfernt und erweiterte die Grenzen des Reichs bis zur Meeresküste. Lndlich starb Pachacutec, nachdem er sechzig Jahre (1310—1400) regiert hatte, und Inca Mpanqui, kehrte siegreich nach Cuzco zurück, wo er mit ungewöhnlichem Pomp gekrönt wurde. Das Scepter bcfaud sich nun m dcr starken und eucrgischen Hand eines der grüßten Kriegshelden nnter den Sonnentindern, und der jugendliche Monarch bot seine Veteranen anf, um den Uebermuth eines Empörers zu züchtigen, der es gewagt hatte, zehn Jahre lang innerhalb eines dreitägigen Marsches von dcr Hanptstadt die Fahne dcs Aufstandcs zu cntsaltcn. Dies war die Sitnation beim Vcginn des lchtcn Aktes von unserm Drama. Wir müssen nnn einen ncncn Charakter einfuhren. Rnmi-navi, „das steinerne Auge", der Oberbefehlshaber in Colla-suyn, dcr Südprouinz, war ein Mann von kalter, unversöhnlicher Nnc- dein Dlv.ma Avu-Ollantal'. 101 Gemüthsart und batic lange einen tödlichen Haß gegen Ollantay genährt. Eine der früheren Scenen enthält einen charakteristischen Dialog zwischrn diescin Würdenträger und dem treuen Diener des aufständischen Häuptlings. Piqni Cbaqui batte sich heimlich nach Cuzeo begeben, um Nachrichten cinznsammcln: er wird von Numi-naoi zufällig auf der Straße betroffen und sucht dcn Fragen desscl-'bcn auszuweichen. Numi-navi. Woher kommst Du, Piqui ö'haqui? Sehnst D» Dich nach fnihcm Tode, Kuccht ^llantays, des Vcrnithcrs? Piqni sshaqui. Meine Vaterstadt ist Cuzco. Und ich bin in meiner Heimath: Unbehaglich ist's, m jenen Dumpfcu Schliichtcu z» verweilen. Nnnii-navi. Was beginn: jeht dcr ^llaittav? Piqui Chaqui. Eine» Nocken Wolle spinn' ich. Numi-navi. Nocken, was? Wolle, was? Piqni sshaqui. Fragst Dü mich? (^)ieb mir dies Hemde, Uud ich werde Nedc stehen. Nnmi-navi. Einen Stock will ick Dir geben Und Dich an den Pranger stellen. Piqui Chaqui. O, erschrecke mich nicht so! Numi-navi. Nun, dann rede frisch heraus! Piqui Chaqui. Ach, Du wirst's uicht hbren wollen. Meine Augen werden blind, Meine i7hrcn werden tanb, Mein sNvosiinnttcrchen ist todt. Und allein ist meine Mutter. Numi-navi. Rede jcßt: Wo ist Ollantav? Piqui khaqni. Fern dcr Hcimath ist mein Vater, Und die Paccays") sind nicht reif. Hal'e heut noch weit ;n gehen. Numi-navi. Wenn Dn mich noch länger höhnest. Werd' ich Dir das Hirn zerschlagen. Piqui Chaqui. Was Ollantav macht? Ollantay Tchaffet; bauet eiuc Festung. ___ ___ Einc ew'ge. *) Elne Frucht. 102 Schluß dc>? Drama's Apu-Ollautay. Numi-navi bemüht sich vergebens eine befriedigende Auskunft von Piqui Chaqui zu erhalten; er sinnt nun auf List, um Ollan-tay dem jungen Inca in die Hände zu spielen. Nachdem er sich gleich dem Zopyrus vor Babylon ein Ohr abgeschnitten und das Gesicht verstümmelt hat, sticht er in das Lager der Aufständischen, giebt sich für ein Opfer der Grausamkeit des Inca ans und wird von scincm früheren Feinde hochherzig und vcrtrancnd anfgenom- " men. Er findet auch bald Gelegenheit, seinen Verrath zu vollenden. Bei eincr großen Fcstfcier. die Ollantay mit seinem ganzen Heer begebt, erscheint Plötzlich der dnrch Nnmi-navi hiervon benachrichtigte Inca mit seinen Veteranen, und Ollantay, Hnarancca und die andern aufständischen Häuptlinge werden überrascht und im Triumphe uach Cnzco gefübrt. Die unglückliche junge PrinzessinCusi Coyllur hatte inzwischen die langen zehn Jahre in ihrem unterirdischen Kerker vertrauert. Ihr liebliches Töchtcrcken Uma Snmac war in demselben Kloster erzogen worden, ohne daß sie von ihrer Mnttcr etwas wußte. Eine Klosterjungfrau, Pitu Salla. war zugleich die Kerkermeistcrin der Mutter und die Erzieherin der Tochter. Eines Tages war die kleine Miac Snina der Pitn Salla nachgegangen, als diese ihrer gefangenen Mutter einen Becher Wasser und ein Gefäß mit Speise übcr-bnMe. Die Kerkcrthür öffnet sich, und dnrch einen Zug der Natur erkennen sich Mutter und Tochter nnd stürzen einander in die Arme. Der Inca battc die Edcln des Hofs im Andienzsaale des Palastes um sich versammelt, nnd ist eben im Begriff, einen Akt der Milde zn üben, indem er dem Häuptling Ollantay unter einigen leicht zu erfüllenden Bedingungen Gnade angedeiben läßt, als die kleine V>ua Sumac in den Saal stürzt und mit dcr ganzen Leidenschaft der Liebe nnd des Schmerzes in den rührendsten Ausdrücken den Inca anflebt, ihre Muttcr, seine lange verlorene Schwester, der Freiheit zurückzugeben. Die letzte Scene ist sehr schön. Weder der Inca, noch Ollantay sind ansangs im Stande, in dieser verkommenen, abgehärmten Gestalt die reizende Cnsi Coyllur, den Frcndcnstern, das lieblichste Cm anderes peruanisches Drama. 103 Mädchen am Inca-Hofe, wicdcr zu erkennen. Die crstc Begegnung der Liebenden, die Erkcnnnngsscme, die rührende Aussprache ihrer Liede, und die cdclmüthige Weise, in der der hochherzige Inca rücksichtlich alles geschehenen Unrechts uolle Gnade walten läßt. sind mit echt dichterischem Geist behandelt. Znm Schlüsse spricht Inca Uupanqni: Nun erfreut sie wieder die Sonne, Und das Leben begrüßt sie warm: Deine Liebe hält er im Arm, Und sie ruhen in Glück und Wonne. Die Ucbersetzung vermag die eigenthümlichen Ausdrücke und Wendungen, durch welche sich die Quichua-Sprache charakterisirt, nur dürftig und unvollkommen wicdcr zu geben; abcr das vorliegende Drama, das einzige, welches unverfälscht auf uns gekommen ist, läßt uns von dcr Pstcge der Poesie unter den alten Peruanern eine höbe Meinnng gewinnen. In Ollantay-tambo crfnlir ich, daß sich ein anderes altes Quichua-Drama im Manuseripte in Pancar-tambo, einer etwa 15 Meilen entfernten Stadt, befinden sollte. Ich machte mich nach dieser literarischcn Seltenheit auf den Weg und kam nach zweitägigem scharfen Nitte glücklich am Ziele an, Paucar-tambo ist cine der östlichsten Städte von Peru, nur durch die letzte Anden-kcttc von den Trnpenwäldcrn des Innern getrennt, in dem engen Thale des gleichnamigen reißenden Flnsscs schön und malerisch gelegen, abcr trotz seiner Maisfelder und Fruchtgärten von schwcr-inülhigcm, verfallenem Aussehen. Auf mehrfache Nachforschungen entdkckte ich die gesuchte Tragödie. Sie fübrt den Titel: Uc-ca Paucar oder Cori-Hica, die goldene Vlmne, enthält mehrere schöne Stellen, die offenbar alt sind, ist aber von spanischen Priestern mit verschiedenem, halb christlichem, halb abergläubischem Beiwerk ausgeschmückt und somit ibres ursprünglichen Charakters entkleidet worden. Zu den ältern Stellen gehört folgendes Lied, das dem Usca-Pancar, der sich aus Liebe zur Cori-Hica das Leben nehmen will, in den Mund gelegt ist. 104 Verschiedene Proben Dir, o wundervolle Erde, Dir, der blühenden Schöllen, Dir, der sorgenfreien (5rdc, Soll mein Lied ertönen. Wieviel Quellen, soviel Wiegen Deiner jungen Freude; Werden sie bei Frost nnd Kälte Auch des Winters Beute — Voller Frnhlingslnst, eroberst Du sie alle wieder. Und der öden Tage denkend. Singst dn frische Lieder. Fühlst kein Bangen, ob Gefahr auch An Gefahr sich tettct, Dcun in Gras und Laub nnd Blumen Bist dn weich gebettet. Alle deine Thränen rinnen Mit den Strömen weiter. Diese trieben sie und machen Dir das Antlitz heiter. Meiuc Thränen,.ach! siud Ströme: Kannst dich dran vergnügen: Nimm sie, gleich dem uähreudeu Ncgcu, Hin in vollen Zügen! Meine Seufzer auch ersterben Mit des Herzens Schlagen. Und du siehest ganz gelassen ' ' Meinem Tod cut^cgeu. Mit wic ticfcr innerer Wahrheit ist bier der Gedankcngcmg des Unglücklichen geschildert, der, im Begriffe sein Leben zu enden, uon dein furchtbaren Gegensatze zwischcin dein Frieden der Natur und den leidenschaftlichen Stürmen in seinem Herzen mächtig getroffen wird. Auf einer Wanderung in der Umgegend von Paucar-tambo erlangte ich von einer jungen Indianerin ein anderes Quichua« Liebeslied von minder trauriger Natur. , peruanischer Poesie. 105 Hcimgcrchrt aus fernen Landen, Bin ich endlich wieder hier; Doch mein Herz ist tief in Banden: Komm, mein Täubchcn, komm zu mir! Als ich in der Fremde weilte. War mein Her; nicht mehr in mir. Weil verzagt zn Dir es eilte: Komm, mein Täubchen, komm zn mir! Klaubtest Du, ich sei gestorben, , Und sscficlcu Andre Dir, Sich! ich bin noch nicht verdorben: Komm, mein Täubchcn, komm zu mir! Seit ich in der Fcrne weilte. War mein Herz nicht mehr iu mir. Weil verzagt zu Dir es eilte: Komm, mein Täubchcn, tomm zn mir! Ein anderes Licdchcn, unzweifelhaft oon sehr großem Alter, ist im Drama Ollantay als Chor für junge Mädchen eingelegt und wird noch jeizt von den Indianerinnen gesungen, wenn sie ihre langen Wanderungen übers Gebirge machen oder zur Ernte ausziehen. Es ist an einen kleinen Finken, >u^, gerichtet, der ein glänzendes fchwarz nnd gelbes Gefieder hat und große Verheerungen auf den Kornfeldern anrichtet. Vöglcin, hüte dich, die Achren Der Prinzessin zn verzehren; Sollst ihr nicht den Mais bcfrcsscn. Denn sie braucht ihn selbst zum Essen. O Finke, kleiner Finte! Diese Blattchcn, jung und niedlich, Sind noch zart nnd appetitlich. Und dao Korn ist weiß, mir banget. Daß dir nicht darnach verlanget, O Finke, kleiner Finte! Werde deine Fliigel stutzen. Werde deine Krallen putzen. Werde dich gefangen nehmen, Mußt ;nm Käsig dich bcanemeu, T Finke, kleiner Finke! 106 Die Schicksale der Qnichna-Spvachc. Ja das wird gewiß geschehen, Laß dich nur im Korne sehen? Willst du mir ein Kömlciu raube«, So geschieht's, du kauust es glauben, O Finke, kleiner Finke! Manche Liedchen dieser Art, wie auch Elegien und Heldengedichte sind aus den alten Zeiten des Nuhms und der Freiheit durch die Ueberlieferung erhalten worden und lassen sich von den neuen, ebenfalls weit verbreiteten Dichtungen aus der Periode nach der spanischen Eroberung leicht unterscheiden. Die Spanier fanden die Quichua-Sprachc nicht blos in Cuzco, sondern auch in den entfernteren Provinzen des Neichs tief eingewurzelt; und manche erleuchtete Männer, die in Folge der Eroberung nach Peru kamen, wußten die Schönheit dieser Sprache zu würdigen und suchten sich mit der Literatur derselben vertraut zu machen. Die Dominicaner freilich, mit dem grausamen Valverde an der Spitze, glaubten genug zu thun, wenn sie die christliche Lcbre mit Feuer und Schwert verbreiteten, und vergaßen in Tyrannei und Ucbermuth die Vorschriften dcffcn, den sie ihren Herrn und Meister nannten. Die Franziscaner waren edler und gutmüthig. Die Jesuiten, durch Castro eingeführt, sind rücksichtlich ihrer ernsten und unermüdlichen Leistungen für die Quichua-Sprachc und Literatur über jedes Lob erhaben. Sie verkündigten die Freudenbotschaft von der Erlösuug durch ihr beredtes, überzeugendes Wort; sie übersetzten Katechismen, Glaubensbekenntnisse, Litaneien, Aue Maria's und das Vater Unser ausgezeichnet schön in die Quichua-Sprache und gaben als die Frucht ihrer Studien vortreffliche Grammatiken heraus. Doch muß, um den Dominicanern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, anerkannt werden, daß die erste Grammatik sammt Wörterbuch von einem Mönche diefes Ordens geschrieben wurde. Sie erschien im I. 1560 zu Valladolid. Als die Peruaner unter der spanischen Herrschaft wie Vieh in die Bergwerke und Factorcicn getrieben und von ausschweifenden Priestern tyrannisirt wurdeu, uahm ihr Volkslied einen traurigen und trostlosen Charakter an. Von ihren Unterdrückern zermartert und mit Füßen getreten, weinten sie um die glücklichen Spätcrc lvrische Poesien. 107 Tage der Incas, verwünschten ihr grausames Loos und härmten sich im Voraus um das Schicksal ihrer Kinder, die zu gleichem Elend geboren worden. Daher die wehmüthigen Klagen der neuen Jaravis (Elegien) und Liebcslicdcr, deren Töne, aus einer einsamen Hütte zu den Ohrcn des Wanderers getragen, ihm die Augen unwillkürlich mit Thränen füllen. Hier ein Niegcnliedchcn aus der Gegend von Ayacucho. Unter Negen, untcr Nebel Hat die Mntter mich getragen; Wie dcr Regen sollt' ich weinen. Wie die Wolfe sollt' ich jage». Kiudlcin, Kindlcin, bist geborcn, Kindlein, in des Kummers Wiege: Dieses sagt mir meine Mutter, Wenn an ihrer Vrnst ich liege. Und sie weint, wenn sie mich wickelt. Und der Nebel und der Negen, Klagt sie, sind mit mir gegangen, Anch auf meinen ^icbe5wegcu. Kann, die ganze Welt durchsuchen. Ach, so clcnd, so verloren. Meines Gleichen find' ich Niemand! Weh dem Tag. dcr mich geboren! Wehe jeuer Nacht voll Weh! Weh fi'ir immer, wche, weh! Ein in älmlicher Ncise wenigstens anklingendes Volkslicdchcn wird sehr häusig von den jungen Mädchen gesungen, wenn sie mit der Spindel in dcr Hand und emsig spinnend ibres Weges dabin wandern: Deinem Mädchen bist dn. O Geliebter fern, Deineiu Mädchen theuer Wie ihr Augenstern. Trennende Gebirge, ^effiiet mir den Pfad! Habt Erbarmen, zeigt mir. Wo dcr Liebste naht! 108 Probe der Maccaronischen Diese stallen Felsen, Hcrzgelu'bter mei». Stehen mir im Wege, Lasse» mich nicht ein. Und von Dorf zn Dorfe Rauscht der mächt'^c Fluß, Schwillt von nieinen Thränen, Hindert meinen ssiist. Wie mein Auge trübet Jene Wolte sich; Harr' ich meines liebsten. So umflort sie mich. Falke, gieb mir Schwingen! Nimm mich in die Höh, Daß ich von da oben Meine Frcndc seh'. Daß bei Sturm und Nc-gcn Ich doch schane» kann. Ruhcud unter bäumen. Den geliebten Mann. Der Quichua-Sprache ist ein günstigeres Loos zu Theil geworden als den Sprachen dcr meisten unterjochten Nationen; sie wird noch hcntc so allgemein und mit derselben Reinheit gesprochen wie znr Inca-Zeit, und zwar nicht blos von armen Indianern, sondern auch von Abkömmlingen dcr Spanier aller Klassen in dcr Sierra. Die Ammen sind meist Indianerinnen, und so wird das Quichua die Muttersprache auch dcr spanischen Kinder, während sie das Spanische crst spater lernen und auf den Schulen treiben. In den Kirchen der größeren Städte wird zn sestbcstimmten Zeiten, ill den Dorfkirchcn nichts Anderes als Quichua gepredigt. Auch die indianischen Barden, die sich bei Fcstgclagen und Gastmählern auf den Landgütern hören lasscn, bedienen sich des Quichua, für welches alle Stände und Stämme iu Pcru ciuc große Anhänglichkeit zu haben scheinen. Ein Zeichen dieser Anhänglichkeit ist cs, daß man sehr viel Maecaronische Poesie antrifft, und zwar so, daß je eine Zeile Quichua und eine Zeile Spanisch wechseln. Diese oder gemischten Poesie. 109 Dichtnngswcise, dic der Reinheit dcr Sprache leicht sehr gefährlich werden kann. ist allgemein gebräuchlich. Emcm sehr uolMhümlich gewordenen Liede dieser Gattung liegt folgende romantische Geschichte zu Grunde. In einem Dörfchen der Provinz Aymaraes, nicht weit von Cuzco, hatte ein junger Priester zu einem schönen Mädchen die luftigste Liebe gefaßt, Unfäbig, seiner Leidenschaft zu gebieten, riß er sich gewaltsam von ihr los und begab sich nach Cuzco, um in dcr Ferne seine Liebe zu vergessen. Kurz nach seiner Alireise that das Mädchen au einer steilen Bergwand einen Fehltritt, stürzte in den Abgrund und war augenblicklich todt. Sie wurde iu der kleinen Dorftirche begraben, und kurz daraufkam der liebende Priester, der die Trennung nicht länger zu ertragen vermochte, in das Dörfchen zurück. Als er den traurigen Tod des Mädchens erfuhr, kannte seine Liebe keine Rücksicht mcbr. Er stürzte in die Kirche, riß, das Heiligthum entweihend, die Leiche aus der Gruft, schloß sie mit Inbruust, wie ciue Lebende, in die Arme und brach in jcncs wilde Stegrciflicd aus*). Er schildert die Schönbcit der Geliebten und ihren Verfall mit glühenden Farben und schließt: Unerbittlichem Vcrhängniß Ward dic liebliche zum Ncmb. Kehre wieder! oder mache, Mache mich mit Dir zu Staub! Die liier ausgesprochene Vitte wnrdc ilnn erfüllt. Dcr unglückliche junge Mann hauchte, die geliebte Leiche fest mit den Armen umschlungen haltend, seinen Geist aus. Es ist eine wohlthuende Erscheinung, daß die schöne Quichua-Sprachc selbst in der Mitte der uuterjochenden Nation eifrige Pfleger fand, und daß die mächtigen Inea-Fürsten dieselben Männer, die ihr Reich plünderten und zerstörten, zu Schuhherrcn ihrer Literatur erhielten. Ruf' in deine gier'gcn Höhlen, Ort des Jammers, ruf mich her! Sich, ich stelle mich gefangen. Warum hungert Dich nicht mehric. *) Manchay puytu hampuy nihuay, A tus cavemas voraces. Accoyniqui caypin cani, Paraque sebes tu hambre etc. 119 Verfall der Quichuasprache. Dic Incas hatten die alte peruanische Sprache auf einen Standpunkt gebracht, der den aller übrigen südamcrikcmischen Sprachen und Dialekte weit überragte. Lyrische nnd dramatische Poesie wurde an ihre!» Hofe hoch sseschätzt, literarischcs Verdienst reich belohnt und selbst der Gcsctzgcbungsstyl zn einem ebenso gedrängten wie erbabcncn und würdevollen Ausdruck gebracht. Die peruanische Literatur, die in Mangel einer Schriftsprache leider zum größten Theile verloren gegangen, erhob sich, dem Glückssterne der Incas solgend, zu Trinmpkgescingcn und stolzen Dramen, vermischt mit manchem hellen Aufblitzen der Komik und mit frühlichen Licbcsliedern, die unter der gerechten und freisinnigen patriarchalischen Herrschaft der Incas wie Hochzeitsglöckchcn zur vicrsaitigcn Tinya erklangen; als sich aber die Wolken zusammengezogen und entladen batten, als die Spanier mit ihren Eisenferscn alle Hoffnung aus der Brust der unglücklichen Indianer herausgetreten, als überall die Verzweiflung ihnen cntgegcnstarrte, da blieben der Quichua-Sprachc nur die melancholischen Varauis, deren wehmüthige Töne, durch die tiefen Schluchten und weiten Thäler der Sierra von Peru widerklingend, Herzen von Stein erweichen könnten. Sechstes Kapitel. Die I nca - In dianer. Eigenschaften, Sitten, Gesetze der Peruaner. — Langer Druck und allgemeine Ausstände. — Ende der spanischen Herrschaft. — Die jehigcn Zustände in Peni. Endlose Hypothesen sind über die Herkunft der Amerikaner aufgestellt worden. In den meisten ist vielleicht etwas Wahres; und könnte der Schleier gehoben werden, so würden wir erkennen, daß die amerikanische Urbevölkernng von Asien gekommen ist, aber auf verschiedenen Wegen. Manche mögen über die Inseln des Stillen Meeres gezogen fein; Andere wurden vielleicht von den eanarischen Inseln und den Säulen des Hercules zur amerilanischen Ostküsie Eigenschaften imd Ennichtmlgeu der Iü^-Indiancr. 111 durch die Passatwinde getrieben: noch Andere werden hoch im Norden von Island, Sibirien und Tungusien aus eingewandert sein. Ueber die Abstammung derjenigen Indianer, welche die Haupt-b.cvölkcrung des Iuca-Neichs ausmachten, laffcn sich höchstens Ver» muthuugcn aussprcchcn. Sie haben einige charakteristische Züge von dcu Mongolen, andere von den alten Acgyfttcrn, viele sind ihnen ganz eigenthümlich. Sie sind von schlankem Körperbau, durchschnittlich 5 F. 6 Z. bis 5 F. 10 Z. laug, muskulös und fähig, große Beschwerden zu ertragen. Sie haben straffes schwarzes Haar, Adlernasen, angenehme Gcsichtsbildnng und eine Hautfarbe von frischem Oliuenbraun. Die Frauen sind häusig sehr schön, mit ausdrucksvollen schwarzen Augen; unter den jungen Mädchen trifft man die liebenswürdigsten Sylphidcngcstaltcn. Die Herrschaft der Incas brachte sie zwar in eine Art von sclavischer Abhängigkeit, welche die volle Entwickelung ihrer eigenen Thatkraft hemmte, jedoch so, daß ihr Zustand durchaus nichts Entwürdigendes hatte, und daß sie sich dabei wohl und glücklich fühlten; sie hatten reichlich, was sie brauchten, und lebten behaglich und zufrieden. Sie warm in Abtheilungen von zehn, hundert, fünfhundert und tausend eingetheilt, von denen jede ihren besondern Vorsteher hatte, während das Ganze dem Inca-Statthalter der Provinz untergeordnet war. Für ihre leiblichen Bedürfnisse wurde mit großer Aufmerksamkeit gesorgt. Bei der Vcrhcirathung erhielt jedes junge Paar ein Stück Land zur Wohnung und Garten, und für jedes Kind wurde ein gleich großes Stück hinzugegeben. Allcr Gruud uud Boden im Reiche zerfiel in drei Theile: ein Theil gehörte der Sonne, ein Tbcil dem Inca und ein Tbeil dcm Volk; i>as letztere hatte aber die beiden ersteren sowie die Ländcrcicn der abwesenden Soldaten, der Witwen und der bejahrten Leute mit zu bebauen. Ucberhaupt bestanden alle Lasten in persönlichen Leistungen, namentlich auch in industriellcu Arbeiten, wobei den Pflichtigen jedoch stets soviel Zeit frei blieb, daß sie das eigene Land bebauen und für sich und ihre Familie sorgen konnten, Die Peruaner waren in der Landwirtbschaft ziemlich wcit 112 Beschäftigungen und Gosche der Pn'mnier. vorgeschritten, wendeten verschiedene Arten von Dünger an und gewannen reiche Mais-, Coca«"), Quinoa- und Vaumwollenernten. Auch wurden Lamas, Vicunas und Alpacas mit großer Sorgfalt gepflegt. Der Bergwcrksbctrieb war einfach, förderte aber dcm-olmcrachtct cinc ungeheure Masse edler Metalle zn Tage, Die Silbcrgänge wnrden selten weit verfolgt, die Erze kamen in lange thönerne Oescn, und das Anfrischcn der Feuerherde überließ man cwfach dem Winde. Das Gold wurde aus den Flüssen gewaschen. Rechnet man hierzu das Neben von banmwollcncn und wollenen Stoffen, das Fertigen von Waffen und künstlichen Geräthschaften und die Werke der Arckitcktur, so bat man einen Uebcrblick der Unternehmungen, womit sich die Inca-Indiancr beschäftigten. Ihre einfachen Bedürfnisse waren leicht befriedigt; für manche Behaglichkeit und häusige Vergnügungen sorgte die patriarchalische Regierung; sie selbst kannten tcine eigentliche Sorge, erfrcutcu sich cincs ungestörten häuslichen Glücks und genossen des großen Vorzugs, von einer prachtvollen Natur umgeben zu sein, deren Neize sie, wie ihre Volkslieder beweisen, vollkommen zu schätzen wußteu. Verbrechen kamen selten vor und wurden schnell und streng bestraft. Die Gesetze der Incas waren knrz und bündig abgefaßt. I. /^llm yucllanciuieku: Du sollst nicht müßiggehen. II. ^ma Ikülanyuiclm: Du sollst nicht lügen. III. ^MÄ 8i,lmqm«lm: Du sollst nicht stehlen. IV. ^.ma IiullLlioeoiiucllnciui: Du sollst nicht ehebrechen. V. ^mk kuanu «kmhuieku: Du sollst nicht todten. Jahrhunderte lang hatte sich dieses Volk unter der patriarchalischen Negierung der Incas eines ruhigen Wohlstandes erfreut, als eine jener räthselhasten Heimsuchungen des Menschengeschlechts über dasselbe hereinbrach und ein grausamer Haufe von Eroberern, wilder als die rohcsten Wilden, und schrecklich durch.die mit dieser Barbarei verbundene Macht, es dem Elend und der Verzweiflung *) Der Coca, oder Hunger- und Durstbamn, ist in Peru einheimisch und trägt Fruchte in Trauben, von der Größe der Heidelbeeren, die getrocknet als kleine Miiuze benutzt werde». Unicrdnickunss dor Peruaner. 113 preisgab. Die Unterjochung der Peruaner konnte leicht gelingen, denn sie waren ein ackerbauendes, friedliches Volk, Dic Wilden in der Montana blieben unabhängig. Ebenso die ruhmreichen Arau-carier im südlichen Chile, welche den Spaniern Trotz boten, sie muthig zurückwarfen und durch zwei Jahrhunderte hindurch unbesiegt blieben, bis dcr Friede von Santiago im I. 177^ den langen Kämpfen ein Ende machte und ihnen die Unabhängigkeit sicherte. Einer ihrer Gegner, der Spanier Ercilla, hat in seinem berühmten Epos ihre Heldenthaten und ihre unauslöschliche Frci-hcitsliebc dcr Nachwelt aufbewahrt. Die Peruaner blieben von 1535 bis 1824 einer empörenden Eclavcrei unterworfen. Nominell zwar galten sie nicht als Sclaven. Einzelne edlere Spanier erhoben ihre Stimme gegen die unmenschliche Barbarei ihrer Üandsleutc; die Regierung des Mntterstaatcs erklärte die Indianer ausdrücklich sür frei und erließ strenge Strafgesetze gegen diejenigen, welche sie als Lastthicre gebrauchten. Es gab sogar Nichter, wie der brave Esquivel, die durch Vollzug des Gesetzes zu Märtyrern der guten Sache wurden,' allein die bei weitem überwiegende Mehrzahl dcr localcn Gcwaltbabcr schlugen Gesetz und Menschlichkeit in den Wind und preßten ihre unglücklichen Opfer mit gefühlloser Grausamkeit bis aufs Vlut aus. Die drei Hauptmittel der Erpressung waren: die Zwangsarbeit, Mita; die Kopftaxe; und das Nevartimento- oder Trucksystem. Die Mita erstreckte sich auf Arbeiteu aller Art. Am glücklichsten waren noch die Ackcrbaufröhucr; bei weitem schrecklicher war die Lage der Bergarbeiter, die halb ausgehungert und übermäßig angestrengt, zu Hunderten in den Gruben starbcu; am allerschlimmstcn erging es den Fabrikarbeitern, die schon vor Tagesanbruch bis in die Nacht in den Fabriken eingeschlossen und so entsetzlich schlecht genährt und so furchtbar geschlagen, auch auf andere Neise gemartert wurden, daß sie den Eintritt in die Fabrik nur kurze Zeit überlebten. Die Kopstaxe wurde mit gleicher Härte von jedem Kops zwischen 18 und 55 Jahren eingetrieben. Hänsig forderte man sie auch von jüngeren Kindern, für die dann Eltern und Geschwister einstehen mußten. Das Trucksystem endlich wurde so ausgeübt, daß Pcni. - o 114 Allgemeiner 'Aufstand der Peruaner man den Indianern nicht nur schlechte Waare für theure Preise, sondern auch völlig unbrauchbare Artikel aufzwang. Hungernde Tagelöhner und barfüßige Mädchen mußten sammtenc Stoffe und seidene Strüinp'e kaufen, und zwar für Summen, die sie nie erschwingen konnten; ein Corregidor hatte eine große Sendung Vrillen erkalten; sofort erließ er einen Bcfebl, daß sich Niemand ohne Brille in der Kirche scben lassen dürfe, und die luchsäugigen Audcnbauern trugen Brillen anf den Nasen. Zu diesem dreifachen Drucke kamen noch die Erpressungen der Priester. Für alle Festtage der Heiligen, ja sclbst für die bloßen Sonntage wnrdcn Festspcnden gefordert. Ein einziger Priester trieb auf diesem Wege jährlich 200 Schafe, 0000 Hühner und 50,000 Eier ein. Besonders hoch waren die Bcgräbnißkostcn, Der Verstorbene blieb unbecrdigt, wenn sie nicht zuvor bezahlt waren. Häufig mußte das Letzte, was sich noch von Hab und Gut im Hause befand, dafür preisgegeben werden. Unter diesen systematischen Aufsaugungen konnten Schnldcn nicht ausbleiben und der Schuldner wurde Tclaoe des Gläubigers. Sieben Achttheile der amerikanischen Bevölkerung fanden iliren Untergang iu Folge der Entdeckung, nnd die peruanischen Indianer zählten im I. 17^6 fünf Millionen Seelen weniger als zur Zeit der Incas. Trotz dieser, Jahrhunderte lang fortgesetzten Mißhandlungen, bei deren bloßer Erzählung jedes bessere Gefühl sich empört, wurde der Charakter der Indianer nicht so völlig umgewandelt, daß sie aus einem brauen und gcschlicbendcn .Volke zu gauz entwürdigten Sclaven geworden wären. Die Centralisation der Gewalt in der Hand der Incas hatte sie zu jeder organisirtcn Verbindung unter einander unsähig gemacht und sie den Eroberern leicht in die Hände gegeben. In der Schule des Unglücks aber hatten sie es gelernt, sich im Geheimen zusammmzukaltcn, und in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts brach in allen innern Provinzen Peru's eine gleichzeitige Insurrection aus. An dle Spitze derselben trat ein^ juuger Indiauer, Jose Gabriel Eondorcanqui, der Sage nach ein Abkömmling des im I. I.">71 aus dem Schaffot gestorbenen Inca Tupac Amaru, Er war im Iesuitcncollegio von San Boija zn Cuzco erzogen und hatte sich später in sein Heimathsdorf Tungasaca, unter ssmidorcaiiqui im I. 1780. 115 zwanzig Meilen südlich von Euzco an einem großen Anden-See gelegen, zurückgezogen. Von großer Gestalt und schönem Ansehen, furchtlos und heftig, aber nur mäßig begabt, und ohne Erfalmmg und Welttcuntniß, brütete er über dem Unglück seines Vaterlandes und wurde durch die Behandlung scincr armen Landsleute bis ins Innerste empört. Die schamlosen Gewaltthaten der Corre^idors einiger innern Provinzen waren bis zu einem Grade gestiegen, welcher nicht länger ertragen werden konnte. Selbst die bessern Spanier entsetzten sich über die Erpressungen und Grausamkeiten, deren Zeugen sie sein mußten. Der Bischof von Cuzco, Don Manuel Arroyo, war unter den Eisten, die sich gegen diese Tyrannei ans-sprachen. Don Ventura Santilices, einer der Edleren, wurde nach Spanien gesandt, um sich am Throne für die armen Iudiaucr zu verwenden. Aber er starb nach wenig Monaten; und Don Blas, Condorcanhui's Ontel, der in einem ähnlichen Auftrage nach Madrid ging, wurde vergiftet. Am 10. November 1780 erhob Condorcauqui die Fahne des Aufstandcs, nannte sich Iuca Tupac Amaru und erklärte, daß die tyrannische Regierung des Vicckönigs ein Ende habc. Die Indianer strömten zu Tansenden von allen Seiten unter seine Fahnen, uud bei Asangaro erlitt das erste gegen ilm gesendete spanische Heer eine totale Niederlage. Gleichzeitig erhoben sich zwei Kazikcn in Oberperu und belagerten La Paz. Indeß bot der spanische Hof, der befürchten mußte, eine der schönsten Provinzen zu verlieren, seine ganzen Strcitkräftc auf. Zu den peruanischen Truppen zog man die von Buenos Ayrcs herbei, und der Brigade-General del Valle ging dem Inca mit 17000 Mann wob! disci-vlinirter Truppen entgegen. Das Heer des Inca zäblte nur 10000 Mann. Sie kämpften mit größter Tapferkeit uud Begeisterung, und die Schlacht blieb langc unentschieden, bis endlich die Spanier in der Hitze des Kampfs die Flanke der Patrioten umgingen und durch einen stürmischen Angriff von hinten den Sieg errangen. Tupac Amaru, sein Weib und seine Kinder wurden gefangen und hingerichtet, ersterer auf die grausamste Weise. Kurz darauf 8' Ü16 Uüterdnickimg tcr letzten Aufstände. standen wieder 14,000 Indianer unter den Waffen. An ihre Spitze trat ein Neffe dcs hingerichteten Inca, Andres Tupac Amaru, den sein Onkel Diego auf das kräftigste unterstützte. Dieser belagerte die Stadt Puno, hielt sich hcldcnmüthig in viertägiger Schlacht gegen die Spanier, mußte zwar endlich der Ucbev-macht weichen, befand sich aber auf dem Rückzug stets an dcr Spitze dcr letzten Schwadron, und erwarb sich auf den blutigen Schlachtfeldern uonCondorcuyo und Puquina unsterblichen Nuhm. Die Spanier verstärkten ihre Strcitkräfte mehr und mehr, und dcr junge Andres Tnvac Amaru mußte sich im März 1782 bei Sicuani auf Capitulation ergeben. Die Trümmer dcr Inca-Armce behaupt reten sich noch in dcr Bcrgfcstung Amutara und leisteten dort dcr ganzen gegen sic abgesandten spanischen Armee kräftigen Widerstand. Gin Vcrräthcr, Ana Gnampa, öffnete dem Feinde die Festung, und als die tapfern Vertheidiger jede Hoffnung, sie zu halten, verloren fallen, stürzten sie sich Maun für Mann, das Schwert in dcr Hand, in den Abgrund von Kucumarini. womit dic Inca-Insurrcctiou von 1/80 am 6. Juli l/82 ibrcn Abschluß fand. (5s war vicl Blut geflossen, dic Spanier hatten die Kraft der unterdrückten Nacc kennen lernen, und soviel wenigstens wurde erreicht, daß die eine Volksgcißcl, das Rcpartimcnto-Sysicm, völlig in Vcgfall kam. Im Laufe dcr nächsten Iahr^clntten machtc sich indes; nicht bloß untcr dcn Indianern, sondern anck nntcr dcn eingeborenen Spaniern ein allgcinciucs Mißvergnügen bemerkbar. Alle Staatsämter, sowie die geistlichen Stellen und Ofsiciers-posten wurden mit seltenen Ausnahmen durch gcldbcdürstige Höflinge dcs Mutterlandes besetzt, welche das Gehässige ihrer Bevorzugung noch durch ihren Uebermuth steigerten. Dies empörte die Gemütlier und fübrte zu cincm neuen Aufstand, der am 1. August 1314 ausbrach. An dcr Epilze desselben befand sich zwar ein In-diail'.r-Häuptliug; allein der diesmaligen Erhebung gab dcr Beistand der Creolcn einen Nachdruck, der dcr frühcrn gefehlt hatte. Sie erstreckte sich von Cuzco aus bald über das ganze Tafelland dcr Anden bis nach Guamanga und Guanta. Vci dieser Gelegen- Ende der srainschm Herrschaft in Pcni. 117 hcit bestätigte sich die Sage von verborgenen Schätzen aus der Inca-Zeit. wovon die Indianer Kunde haben nnd die dazu bestimmt scin sollen, iin Interesse des Vaterlandes verwendet zu werden. Bei Pumacagua, dem Führer der Aufständischen, erschien, als er in seinem Hause eine Nathsversammlung hielt, ein bejahrter Indianerhäuptling, nabm ihn mit sich und geleitete ihn mit verbundenen Augen auswärts im Flußbette des Huatanay. Nach einem mehrstündigen Marsche wurde ihm die Binde von den Augen genommen, nnd er befand sich in einer Höhle, welche mit goldenen Figuren von verschiedener Form nnd Größe bedeckt war. Nachdem er, so viel er zu tragen vermochte, an sich genommen, wurde er in derselben Weise, wie er gekommen, wieder nach Hause zurückgelcitct, wo er von Wasser triefend und mit dem Nerv des Kriegs beladen sich vor der erstaunten Nathsversammlung wieder cinsand. So wenigstens erzählte mir eine alte Dame aus der Familie der Astete, deren Vater ein College des Pumaeagua gewesen, und der ihn mit seiner kostbaren Ladung hatte zurückkommen seheu. Auch dieser Aufstand wurde zuletzt unterdrückt, und Pumacagua fand den Tod durch Henkers Hand. Schon wenige Jahre später aber erhob sich das ganze Volk noch einmal; Crcolcn und Indianer, Freie und Sclaven kämpstcn gemeinschaftlich gegen Spanien, und das Jahr 1821 machte seiner Herrschaft über das Königreich beider Indien ein Ende. Der Character der Indianer hat sich, wie nicht zu leugnen ist, durch die lange Unterdrückung verschlechtert. Unredlichkeit uud Trunksucht, die Laster der Eclavcrci, haben sich allmählich unter ihnen ciugeschlichcn. Doch sind sie noch immer vortreffliche Soldaten, ausdauernd, abgehärtet, tapfer und, weun gut geleitet, unerschrocken im Kampfe. Hinsichtlich der gewaltsamen Ansbebnng für die Armee bcharrt jedoch auch die republikanische Regierung bei cincm tyrannischen Systeme. Im Uebrigcu führen sie jetzt ein Verhältniß» mäßig glückliches Lcbcn; am woblsten befinden sich die Hirten auf den Anden und die Ackerleute auf den Mais- uud Waizcn-Laud-gmcrn in den schönen Gebirgsthälern. Ihre Tracht, die sie seit den letzten beiden Jahrhunderten unverändert beibehalten haben. 118 Die jetzigen Zustände in Peru. ist sehr malerisch. Dic Männer tragen Röcke von smaragdgrüner Scrscht mit kurzen Schößen und ohne Kragcu, rothe Ncsten mir großen Taschen und kurze schwarze Hosen, die nur bis eben übers Knie hcrabreichcn, dort aber nicht zugebunden, sondern offen go tragen werden. Das Nein weiter herab uud der Fuß bleibt nackt, nur die Sohlen werden durch Sandalen aus Lamafcll gcfchi'U/t. Als Kopfbedeckung tragen sie breitrandige, nut bunten Bändern und Goldborten aufgeputzte Hüte. Die Frauen tragen ein rothes Leibchen und einen blauen Nock, der ein wenig über das Knie herabreicht! bei den unvcrheirathctcn Mädchen ist er noch kürzer. Fuß-und Kopfbedeckung ist wie bei den Mäuncrn; um die Schultern, tragen sie die Uiclla, ein Mäntelchen, das vorn mit einer silbernen, Nadel zusammengehalten wird. Die Wohnungen, die sic auf den großen Landgütern einneb-men, sind steinerne mit rothen Ziegeln bedeckte Häuschen, an deren Wänden sich Kürbis- und andere Schlingpflanzen hinanfranken, während der hohe Cactus am Thore wie eine stachelige Schild-wache den Eingang hütet. Hier singen zur Ernte die Frauen und Mädchen ihre lieblichen Iuea-Licdcr. womit sie sich beim Auskörnen der Maiskolben die Zeit oertrcibcn. und die Manner und Bursche tragen die Büschel ein und gleichen, wenn man von den Bergen auf sie herabsieht, langen Zügen von Ameisen, die mit Vlättchen beladen über den Waldpfad laufen. Die Indianer sind gewcrbfleißig und zeigen Geschick und Scharfsinn bei ihren Arbeiten. Die Mädchen spinnen und fertigen verschiedenartige Gewebe mit glänzenden Mustern. Ihre Ponchos aus Lamawollc, ihre Mais- und Coca-Taschen und ihre Steinschleudern, womit sie Vögel, Schafe und Alpacas jagen, sind nett und geschmackvoll gearbeitet. Die Männer machen irdene Gefäße, Holzbecher mit Schnitzarbeit und Kürbisflaschen, auf deren Außenflächen sie gleichfalls Bäume und alle Gattungen von Thieren cinschneidcn. Ihr Chicha oder Vier aus Mais ist von etwas säuerlichen,, aber angenehmem und erfrischendem Geschmack, und bildet durch ganz Peru eiu allgemein übliches Getränk. Von gleich umfassendem Dic pcnianiscbe Montana. 119 Gebrauche unter den Indianern sind die Blätter der Cocapflanze, wovon sie sich kleine Kügclchen machen, die sie immerwährend im Munde haben; sie schmecken lieblich wie grüner Thee und wirken narkotisch. Mit etwas Wenigem von diesem Sorgenbrecher und cincm kleinen Vorratb geröstetem Mais in der Reisetasche legen sie ans vier- und fünftägigen Wanderungen in der größten Geschwindigkeit weite Strecken zurück und erdnlden ruhig unglaubliche Beschwerden. Ihre Zustände haben sich seit der Unabhängigkeitscrklärung bedeutend gebessert; in gewissem Umfange steht ihnen der Weg zu Auszeichnungen offen, und die Kopftare, die letzte Spur der spanischen Tyrannei, wnrdc im I. 1851 durch den General Castclla aufgehoben. Siebentes KnpUcl. Die peruanische Montana. Das Gebiet des Amazoiienstn'mcs uud die Reisen zu scmev (5rfolschnug. — Die Gegenden des Purns und dcs Tl,'>wflussc6. >— Bevölkerung, Producte uud H^udel. Ocstlich von den Anden liegt die große peruanische Montana, cin ungeheurer dichter Wald, der sich Hunderte von Meilen ausdehnt, zwei Drittbeilc des Flächeninhalts der Ncpnblik Peru einnimmt und einen Tkcil des Amazonenstromgebietcs bildet. Fast durchgehcnds noch unerforscht, von zerstreuten wilden Indianer-stämmcn dünn bevölkert, von unerschöpflicher Fruchtbarkeit, reich an den inannichfachsten Produelen der Tropen lander und von Thier-und Psianzenlcben strotzend, ist die Montana noch immer für die civilisirte Menschheit cin verschlossener, in der ungestörten Ruhe dcs Urwalds schlummernder Schatz. Die Vegetation wächst hier in verschwenderischer, ungehinderter Füllc empor. Gewaltige Bänme, manche dnrch die Schönheit ihres glänzenden Holzes, andere dnrch die wcrthvollcn Cigcn-schasten ihrer Gummis und Harze, noch andere durch den Umfang und die Stärke ihres Bauholzes ausgezeichnet; Tausende von 120 Das Gel'let des Amazon Schmarotzerpflanzen und eng in einander verflochtenen Schlinggewächsen umketten sie; Vögel uon glänzendem Gefieder hüpfen im Vlättcrlabyrinthe umher, und andere Thiere aller Arten erfreuen sich eines kurzen Daseins, während die Stimme des Menschen nimmer gehört wird. Und doch durchschneiden breite schiffbare Ströme dic Montana in allen Richtungen, und fließen dorthin, wo Geschwellt von tausend Ttröinen, die sich rauschend All von den Anden stürzen, groß herabsteigt Der mä'cht'ge Olellana, Ungeschwä l t In stninmer Winde rollen sie entlang Durch unbekannte Reiche. Blumcinvi'isten Und frnchtbcladnc Oedcn — Einsamfeiten, Wo Sounculächeln, üpp'ge Jahreszeiten Kein Auge sieht, kein Her; frohlockend gnißl.*) Das Stromgebiet des Amazoncnflnsscs erstreckt sich über 126, 150 Quadratmeilen fruchtbaren Bodens und ist von Nasscrucr-billdlnlgen durchschnitten, die zusammen eine Länge von l0,«00M. baden. Dieses nngehcnrc, reich bewässerte Veeken ist bei dem Riescnmaßstabe, nach welchem die Natur hier arbeitet, an sich schon geeignet, die Bewunderung des denkenden Menschen zu erregen;> es bekommt aber dnrch den romantischen Charakter der Abenteuer, die sich darin zugetragen, nnd durch die Nundcr, die man in seine noch unbekannten und unerforschten Tiescn verlegt, ein besonderes Interesse. Nnd ebenso wichtig ist es, vom eommereiellcu und wissenschaftlichen Standpunkte aus betrachtet, wegen seines natürlichen Reichthums, der Cnlturfähigkcit seiner ausgedehnten Ländereien und der Vortheile, die sich von derEröfsnnng seiner Schiff« fahrt, dnrch welche der rnche südamcril'anische Continent eine große Straße nach Europa crballen würde, erwarteil lassen. Das Gerücht von einem (5i Dorado, einer Stadt, die tief im Innern von Amerika liegen sollte, deren Straßen mit Gold gepflastert seien, und deren König jeden Morgen mit Goldstau!) gepndert werde, uatte allcu Abenteurern der Alten und Neuen Nelt die Köpfe uerwirrt. Eine Vrpedition nach der andern machte ') Thomson's Jahreszeiten. und die ältesten Reisen dahin. 121, sich nach der wunderbaren Stadt auf den Weg, und unerhörte Mühen und Beschwerden wurden erduldet, in der Hoffnung, einen so unvergleichlichen Preis endlich doch noch zu erringen. Die Wundcrstadt wurde nicht gefunden; doch hatten die abenteuerlichen Züge wenigstens den Erfolg, daß der Lansdes Amazonenstroms und seiner mächtigsten Zuflüsse noch im 16. Jahrhundert erforscht wnrde. Im 17. Jahrhundert führte der christliche Bckchrnngseiftr zu weiteren Forschungen auf demselben Gebiete. Die Jesuiten, die Vorkämpfer dcr Römischen Kirche in Europa, Asien und Afrika, waren auch die ersten Missions - Pioniere auf dem Amazoncnstrome. Ihre Hauptstation Sau Borja am linken Ufer ohnwcit des Einflusses des Santyago in Nordpcrn wnrdc 1635 begründet, und 163? von dcr Misston bezogen. Gleichzeitig nahm die Bcschiffung des Stroms ihren Fortgang. Im I. 163« erreichten zwei Mönche die Mündung und fanden dort die kleine portugiesische Colonie Pcra*), von der sie freundlich aufgenommen wurden. Im folgenden Jahre schiffte sich dcr unternehmende portugiesische Ossicier Tercira mit 70 Soldaten und l20d Indianern in 47 großen Canoes in Pera ein, fuhr den Strom hinauf bis zur Einmündung des Napo und dann in diesem weiter bis Payamino mQuijos, wo er nach cincr Fahrt von acht Monaten eintraf. Später erreichte er auch noch die Stadt Quito. Der höchst glückliche Erfolg diefes Unternehmens führte zu cincr wissenschaftlichen Expedition, welche Tcrcira im I, 1639 in Begleitung mclnerer Gelehrten unternahm. Sie schifften von Quito ans den Napo und den Nmazoncnstrom hinab und gelangten im December glücklich nach Para. Dcr eine der Gelelirtcn. Don Juan Acuna, hat von dieser Ncise eine lwchst interessante gedruckte Beschreibung veröffentlicht, die crstc, die wir vom König der Ströme besihcn. Die wichtigsten spätern Veschiffnngen erfolgten im I. l?l3 von Condamine, ') Dcr große Strom heißt von seiner Qnellc im See Launcocha bis nach Loreto, an dcr Grenze Peru's. Maranon: vl'i, öoreto bis Barra Solimoos und von Varra bis zur Mündung Para; besser aber ist er fnr die ganze Daner seines Lanfes mit dem allgemein bekannten Namen Amazon ,;n bezeichnen. 122 Das Zvstem des AinazDüenstromec« 1774 von Nibeira, 1827 von Maw. 1835 von Smntb und 1846 von Graf Castelnau, Herndon nnd Gibbon untersuchten im I. 1852 die Ströme Ucayali, Huallaga, Mamorc nnd Madeira; dcn untern Lauf des Amazon und den Ncqro und Brauco haben Edwards, Wallace nnd Schomburgk bereift und beschrieben, Para, eine hübsche, bischende Stadt von 14000 E,, ist der Stapclplah für die gesammtc Schifffahrt auf dem Amazon, die aber vor der Hand nur einen Erftortbandel von nicht über 2.000,000 Dollars jährlich umsaßt. Die Artikel sind Gummi clasticum. Cacao, Zilnmet, Baumwolle, Wachs, Fischbein, Covallack, Taffapar.lle, Nüsse, weißer Sago, Holz, Tigerfelle, (5opaiba-BaIsam nud Zucker. Ueber 200 Meilen stromaufwärts oon Para l'el'ält der Flnß eine Tiefe von 30 Klaftern nnd eine Breite von über eine halbe Meile; weiter aufwärts, oberhalb Aarra an der Mündung des Nio Negro, cincs der größten Nebenflüsse der Nelt, der init dcm Orinoco dnrch den natürlichen Kanal des Cassiquiari in Verbindung stebt, >vech-sclt die Tiefe zwischen 20 und 12 Klaftern. Von Barra bis Lorcto, der ersten peruanischen Stadt am Amazon, beträgt die Gntscr-nung 180 Meilen. Hier mündet der Muari ein, der die Grenze zwischen Brasilien und Peru bildet. Die beiden bedeutendsten Nebenflüsse, oberhalb Loreto, die einen großen Theil der Montana bewässern, sind der Hnallaga und der Incayali. Der erstere ist 130 Meilen schiffbar, für Canoes schon von Tingo Maria an, 70 Meilen nordöstlich von Lima und 18 Meilen nordöstlich von Huaunco entfernt, Hon hier ab 70 Meilen stromabwärts liegt in einer srnchtbarcn, quellen-reichen Ebene Terapoto, der Hafcnplaj; für die Provinzen Caramarca und Moyobamba. Znckcr, Vacao, Körnerfrüchte, Baumwolle und Reis werden liier im Ueberflussc erbaut. Die Baumwolle erntet man sechs Monate nach der Aussaat, den Neis einen Monat früher; Bananen bedürfen feiner andern Culturarbcit, als daß man dann nnd wann die Wurzeln vom Unkraut reinigt. Die Stadt hat 1000 Einwohner; das Klima ist so gesund, daß im I. 1818 bei 235 Geburten nur 10 Todesfälle eintraten. Der Mcayali, ein noch bedeutenderer Strom, dessen »lid scincr Ncbeiiflusse. ^ 123 Zuflüsse dm größten Theil der Sierra bewässern, hat zwar iu seinem Unterlaufe von Sarayacu an eine Tiefe von zwanzig und eine Breite von 2500 Fuß; allein die große Entfernung seiner obern Zuflüsse von den civilisirtcn Gegenden Peru's uud die beinahe unübcrsteiglichcn Schwierigkeiten, welchen eine Fahrt durch seine von wilden und kannibalischen Indiaucrstännncn unsicher gemachten Uferebenen begegnet, geben keine Aussicht, daß die Damftsschissfahrt lücr ilne Kosten decken würde. AuchuomMadeira und seinen Nebenflüssen Äeni. Mamorcund Itcnez, die in ihrem Zusammenflüsse den crstgcdachtcn Strom bilden, lassen sich keine günstigeren Erwartungen hegen, denn sein Fahrwasser wird durch zweiundzwanzig gefährliche Wasserfalle unterbrochen. Nur in der Nähe seiner Müudung in den Amazon befindet sich die kleine Stadt Borba. wo Cacaopflanzungcn unterhalten werden; das Innere ist unbekannt, Alligatoren treiben sich ungestört in den Sümpfen herum, und der Tiger geht auf Beute aus uud verfolgt die Spuren des Tapirs nnd Nothwilds. Allein es giebt noch einen großen Zufluß zum Amazon, der für die Schissfalirt günstigere Aussichten stellt. Dies ist der Purus. Er mündet 150 Meilen oberhalb Para, nicht allzuweit von Barra, cm und erhält seine Wasser in kleineren Strömen zugeführt, die von den schönen östlichen Anden, der Grenze des ursprünglichen Inca-Ncichs, herabkommcn und ein ausgedehntes Waldgebict der Montana, unter den Spaniern das produetiustc und noch jetzt das interessanteste, durchstießen. Von ibrem Vcreinigungspunkte an erhalten diese Ströme bei den Spaniern den Namen Madre de Dios, bei den Indianern Amara-mayu oder Schlangcnfluß; es ist dics aber kein anderer Strom, als der den Europäern nur bei seinen Mündungen bekannte Purus. Die obern, dem Gebiete desselben angchörigen herrlichen Waldcbmen heißen die Thäler uon Pauear-tambo; sie waren vor der spanischen Erobernng durch peruanische Colonicn cultivirt, die Spanier setzten sich auch hier fest, das Land war weithin mit Plantagen bedeckt, und die Waldlichtungen gewährten reiche Ernten uon Coca, Cacao, Zucker und andern Tropcnvroductcn. Die meisten dieser großen Ve- 124 Eine Tour von P.uicar-tanibo sitzungen sind verödet lmd verlassen, nur die Namen haben sich erhalten. Unter der spanischen Herrschaft wnrdcn sie durch ein Regiment Soldaten gegen die Angriffe der wilden Indianer, der (5hunchos, gedeckt nnd gewährten ein Einkommen von jährlich einer Million Dollars. Mit dem Verfall drr spanischen Macht verarmten die in Cuzco residirenden Plantagenbcsitzer. die Einfälle der Ehunchos wurden häufiger, und schon bei Eröffnung des Unabhängigkeitskrieges war die Zahl der Plantagen auf sechs herab-gesunken. Vor etwa 15 Jahren begab sich der unternehmende Don Sinferosa Ampucro selbst auf seine Besitzung Chaupi-mayu im Paucar-tambo-Gcbicte. Es gelang ihm einige der Chunchos zu unterwerfen; er nahm ein Mädchen aus jenem Indianerstammc zu sich, ließ sie tanfen und wollte ihr eine christliche Erziehung geben. Allein ihr angeborncr Charakter uerlängncte sich nicht, sie mordete ihren Wohlthäter, als er sich im Flusse Tono badete, durch Pfeilschüsse und kehrte zu ibrcm früheren wilden Leben zurück. Die Chunchos blieben von da an nur um so erbittertere Feinde aller Fremden, zerstörten drei von den noch verbliebenen Pflanzungen und halten die wenigen Bewohner der andern durch häufige Uebcr-fällc und Mordthaten in steter Angst und Lebensgefahr, Am I. Mai 1853 brach ich von Paucar-tambo anf, nm über "diese Gegenden Näheres zn erfahren uud vielleicht einen Vlick auf den Purus selbst zu gewinnen. Zwischen den Thälern von Paucar-tambo und der Stadt gleichen Namens erhebt sich die letzte Andcn-kette. Hoch auf ihrem Kamme wälzen sich die mit Eistheilchen be-ladencn Wolken beinahe am Boden lun, und Schnee bedeckt das lange Gras; die Absenkung des Gebirgs ist aber so schroff, daß in weniger als einer halben Stunde die Hitze druckend wird, und Tropcnbämue zu beiden Seitcn des Zickzackpfades emporsteigen.» In Zeit von drei Stunden hatte mich mein Maulthier l l,000 Fuß tief in die Niederung herabgetragcn und ich erreichte unter strömendem Regen die Ufer des Chirimayn, wo er neben einer einsamen ,'fliisscs. Kind im Walde verloren, auf ihr ängstliches Nufen so traurig geantwortet lind davon seinen Namen erhalten habe. Eine Stunde weiter nach Osten flachen sich die Hügel mcbr ab und verlaufen sich in eine wüte, waldbcdeckte Ebene, die sich. soweit das Auge sehen kann, fast ununterbrochen ausdehnt. Hier vereinigt sich der Pitama mit dem Tono, und der Pfad schlangelt sich durch dichten, verworrenen Wald immer knapp am rechten Tonoufcr bin. Die Vegetation ist nun ganz die der heißen Zone. Palmen von großer Schönheit und Höhe, Balsam- und Gummi-däume erbeben sich aus dem dichten Untcrwuchse, der von Kricch-und Schlinggewächsen und Bambusdickichten gebildet wird. Das Bambusrohr hatte an den stärksten Stellen sechs Zoll im Durchmesser, lag manchmal in zusammenhängenden Massen gebrochen über den Pfad berübcr und »nachte das Fortkommen beinabc zur Unmöglichkeit, Besonders bindernd sind die starken kleinen Haken, die bei den Knoten des Nobrs bcruorwachsen; sie rissen mir gleich am ersten Tage die Kleider fast buchstäblich in Stücke. Sechs kleine Flüsse, die hier naä) und nach in den Tono einmünden, durch-schneidcn den Pfad und gewähren bei der sie umgebenden Wald' cinfamkcit einen reizenden Anblick; Vögel von allen Größen und Farben, vom wilden Trutbahn, Fasan und Papagei bis zu dem prächtigen kleinen Finken und dein schillernden Kolibri, fliegen lärmend und singend umher; und am Flusse, zur Hälfte im Nasser, steht der große unbclinlfliche Tapir, in tiefes Nachdenken versnnken, Jenseits des sechsten jener Flüsse windet sich der Pfad an einem steilen Felsen, der über den Touo hcreinhängt, empör, und es eröffnet sich eine weite Aussicht, westlich nach den Andenvorbcrgcn, nordöstlich nach einer Hügclrcihc, und nach allen andern Nichtnngcn bin über die weite bis an den Horizont sich erstreckende Waldebene. Der Weg wird hier offener, und nach einer halben Stunde gelangt man an die Haciendas Santa Cruz und Huayna-pata. Die letztere wurde vor einigen Jahren von den Chnnchos überfallen, uud alle Bewohner wurden ermordet; die erstere wurde verlassen, weil ihre Bevölkerung ein gleiches Schicksal befürchtete. Aus dieser standen noch einige Gebäude; auf Huayna-pata war keine Spur mehr zu Die Hacienda von San Miguel. 127 sehen. Große Cocafcldcr und Cacao» und Ananas-Pflanzungen, vom vordringenden Walde schon halb wieder erstickt und überwuchert, boten ein trauriges Schauspiel der uor dem Leben der Wildniß sich zurückziehenden Civilisation. In wenig Jahren wird der Wald wieder das ganze Land bedecken und keine Spnr von diesen einst blühenden Gefilden übrig lassen. Eine Stnnde östlich von dieser traurigen Wüstung liegt die Hacicnda San Miguel, die letzte Ansicdlung in diesem Theile von Peru. Ich erreichte sie am 6, Mai. Die Gebäude sind in ver-l'ältnißmäßig wohnlichcrem Zustande, die Lage ist gesund, nicht weit vom Tono, von den Mosqnitos ziemlich verschont. Orangen und Citronen, Coca- und Maisfelder umgeben den Hof, weiterhin ist alles Wald. Die Einwohner sind Anden-Indianer, an ihrer Spitze stcht Don Pedro Gil, der Administrator. Frauen befinden sich nur wenige hier. Doch hat auch ein Missionar, Peter Nevcllo, der lange in China und Palästina gewesen, seinen Aufenthalt in San Miguel genommen, um seine geistlichen Bemühungen den Chunchos zuzuwenden. Ich fand einen stattlichen Mann in ihm, groß, breitschultrig, von gebietendem Aussehen, mit mächtigem fablen Haupte und schönen Gcsichtszügcn. Er ist Mönch und trug seinOrdcnsklcid. Gleich in der ersten Nacht meines Aufcuthalts zu San Miguel hatte ich von den Hampyrs, kleinen Fledermäusen von sehr durstiger Natur, zu leiden, die meinem Fuße übel mitgespielt hatten; auch der Pater klagte über ihre Angrlffc auf seine Arme und seinen kahlen Kopf. Andere Feinde, die Ameisen, waren ihm über die paar Bücher gerathen, die er besaß, und hatten eine fürchterliche Verwüstung darin angestellt. Die Wohnung Don Pedro's und des Paters war sehr einfach möblirt: ein langer Tisch in der Mitte, rohe Holzbänke, ein paar Bettstellen, wie die Hängematten auf dem Schiffe an der Wand befestigt. Sie lebten in einem ziemlich ursprünglichen Style, näb.'tcn sich, wie die Indianer, fast nur von'Früchten und Clmnus oder cmgelcgtcn Kartoffeln — man weicht sie in Wasfcr ein, preßt sie und läßt sie auf den Anden zu Cis gcfricren — und warcn so genügsam, daß sie sich selbst den Lurus des Lichts versagten i denn 128 Die Niederlassungen ro» Panear-tambo. culßcr ein paar Klumpen Talg, die Peter Nevcllo zum Mcsselescn gebrauchte, fehlte es an jedem VclcuchtunaMittel. Der Voden ist so fruchtbar, daß man die Cocablätter jährlich viermal pflücken kaun; sie werden auf einem großen Hose luntcr den Gebäuden getrocknet und nach Cuzco verkauft. Sau Miguel producirt jährlich gegen 3000 Arrobas*) und crbält die Arroba mit füuf Dollars bezablt. Außerdem erbaut man eine kleine Partie Früchte und Cacao. Der Transport geschieht durch Maulthiere, deren eines mit drei Dollars fi'lr die Reise nach Euzco gemiethet werden kann. Ein anderes Etablissement von geringem Umfang, bei welchem neun Indianer beschäftigt sind, hat ein junger Künstler, der zu Cuzco lebt, hier errichtet. Er läßt Gummi cmsammclu; die Indianer durchstreifen zu diesem Zwecke den Wald und bringen in der Regel wöchentlich zwei Vpas, Gefäße aus Bambnsrohr von drei Fuß Höhe nud vier Zoll Durchmesser, mit Gummier; gefüllt, zurück. Diese ?)pas, die zur Handhabe an einem Ende mit einem ,großen Haken verschen sind, dienen überhaupt als Eimer und Krügc. Eine halbe Stunde von San Miguel, näher an den Ufern des Tono, liegt die Hacienda El,aupi-mayu, die aber schon in einem ganz verfallenen Zustande war uud seitdem wahrscheinlich verlassen oder zerstört ist. Fünf Stunden südlich befindet stch eine dritte, die Hacienda Eosni-pata, die blühendste unter allen. Sie producirt Coca, Cacao und Mais, daneben aber auch noch 3000 Arrobas Neis, der zu drei Dollars die Arroba in Cuzco verkauft wird. Dies sind die drei einzigen noch bestehenden Niederlassungen in den Thälern von Paucar-tambo, und es ist eine Schanle für die Regierung von Peru, daß iu dieser reichen nnd fruchtbarcu Gegcud die Civilisation vor einer Handvoll wilder Indianer entschieden zurückweichen muß. Die Elnmehos führen ein Wanderleben uud sind über weit ausgedehnte Landstriche dünn zerstreut. In der Nähe der Haciendas streifen zwei 'Stämme liermn, die Huachipayris am Cosui-pata und die Tuyuncris am Tono und seinen Zuflüssen. *) Eine An ol'.i nich^ll 32 pn'iiain'chc Pfund -^ 29, ^70 Pfd. Zollgcwicht. Die peruanischen Frauen. 129 Sie sind roh, grausam, häßlich, unzähmbar und Todfeinde jedes Fremden. Sie ziehen durch die dtchten Wälder auf ungangbaren, nur ihnen bekannten Pfaden, gehen völlig nackt und sind mit Bogen und Pfeil bewaffnet. Von den letzteren führen sie zwei Arten. Die eine ist uon dem harten Holze der Chonta-Palmc gemacht und wie eine Säge gezackt, au der andern ist eine Spitze von Bambus angebracht, die sie sehr zierlich mit Bindfaden befestigen; die Federn sind dem Schafte schneckenförmig eingefügt und von Vögeln nüt dem prachtvollsten Gefieder gewählt. Ibre Wohnungen bestehen aus langen, engen, Hausdach-ähnlichen Hütten, worin mehrere Familien zusammen leben. General Miller brachte im I. 1835 eine Nacht in solch einer Hütte zui sie war hundert Fnß lang, vierzig breit und sechs hoch. Um die Hütte her findet sich gewöhnlich eine kleine Anpflanzung von Mandeln und Bananen. Ihre Hauptnahrung besteht aus Affen, Vögeln, Bananen und Fischen ; die letzteren erlegen sie wie die Landtliicrc mit Bogen und Pfeil. Zu Wasserkrügen bcnntzen die Indianer die hohlen Bambusrohre, die von Knoten zu Knoten ein natürliches Gefäß bilden; so lange sic noch grün sind, sieden sie auch ibre Fische darin. Die Frauen werden, wie fast bei allen wilden Stämmen, grausam behandelt und müsscu alle schweren Arbeiten vcrrichteu. Selbst die Nacht müssen sie, wie berichtet wird, reihum wachen, in> dem. während die eine Frau auf einer Art erhöhter Bank bei dem Mann ruht, die andere unterhalb einen Feuerbrand zu schwingen hat, um ihn zu wärmen. Es ist nicht zn verwundern, daß die Frauen bei solcher Behandlung sich zu einem Amazoncnstaatc verbinden konnten, der zwar vielfach bezweifelt worden ist, an dessen Möglichkeit aber Acuna, Condamine, Southcy und Humboldt glauben, und dessen erste Ursprünge die Sage an den Purus und in die Iagdgründe der Chunchos verlegt. Orellana erzählt, daß er im I. 1541 ein Heer von Kricgcrinnen zu bekämpfen gehabt, und Acuna hörte während seiner Fahrt auf dem großen Strome, der ihren Namen trägt, uu» ausgesetzt von ihnen erzählen. Sie befanden sich mit allen In-diancrstämmen im Kriege, außer mit den Guacaras, mit denen sie Peru. H 130 ' Unsicherheit der Gegenden. einmal desIalnes zusammenkamen. Wenn sie sich trennten, nabmcn die Guacaras die Knaben, die im vergangenen Jahre geboren wurden waren, mit, und die Mädchen behielten die Amazonen. Sie sollen vom Purus ans an den Rio Negro nach Guiana gezogen sein. Die Bemühungen des Pater Nevcllo, einen Verkehr mit den Chnnchos anzuknüpfen, sind bis jetzt ganz erfolglos gewesen, und er hat sich begnügen müssen, seine geistliche Wirksamkeit auf die Bevölkerung von San Miguel zu beschränken. Er hat die Umgegend bis in die Nähe des Purus, den er von weitem erblickte, durchforscht, mußte aber wegen Mangel an Proviant wieder um« kehren. Etwa eine Stnnde von San Migncl hatte er eine kleine Pflanzung angelegt, La Coustaucia, wo er Mcas und andere Feld« fruchte baute. Diese war ganz vor Kurzem erst noch der Schauplatz eiucs Mordes, den die Chunchos an einem Amtsbrndcr des Paters, einem jungen Mönche von (5nzeo, verübten. Der Pater war im April l8!)3 eines Abends nach San Miguel vorausgegangen, während sein junger Freund noch kurze Zeit in La Constancia zurückbleiben wollte. Zu seiuer großen Vestürznng verging aber die ganze Nacht, ohne daß der letztere heimkehrte, und am andern Morgen fand er den Leichnam von neun Pfeilen durchbohrt. Solche Mordthaten kommen häufig vor, nnr nm desMordens willen, ohnedaß es anf einen Raub dabei abgesehen wäre. Der unglückliche Reisende oder Maulthiertreiber sinkt plötzlich unter einem Schauer von Pfeilen nieder, noch ehe er seine grausamen und feigen Mörder auch nur gesehen liatte. Nenn die Leute aus dem Felde arbeiten, müssen sie bewaffnete Posten ausstellen, die auf das schärfste Wache halten, Ich erreichte nach einer langen und mühseligen Tagereise durch den dichten Wald einen Hügel, von wo ich einen Blick auf den Purus thun konnte. Ich fand den Punkt unter 12a 45' südlicher Breite und 70« 30' westlicher Länge von Greenwich, und hier ist es, wo der Tono von Südwcst, der Cosnivata von Süden und dcr Pina» Piua von Nordwest ihre Wasser in den Purus ergießen, der eine Breite von etwas über hundert Schritten hat, Dics war der Endpunkt meiner Rcise. Der Punls und scinc Bedeutung. 131 Verschiedene Umstände lassen annehmen, daß die Schifffahrt auf dem Purus mit weniger Hindernissen zn kämpfen haben werde als auf dem Madeira oder den andern Nebenflüssen des Amazon. Hierher gehört besonders seine weite Entfernung von den Anden einerseits und von den brasilianischen Gebirgen andererseits, die Größe seiner Nebenflüsse, und vor Allem die neuerdings festgestellte Thatsache, daß er durch zwei Arme mit dem Madeira verbunden ist, woraus man auf eine nur geringe Erhebung des dazwischen liegenden Landes schließen kann. Sollte einst der Purus schiffbar gemacht werden, so wäre eine Wasserstraße eröffnet, die für die Industrie und den allgemeinen Wohlstand Peru's von unberechenbarem Einfluß sein würde. Die Entfernung nach Europa wäre um die Hälfte vermindert, die gefährlichen Reisen über die Cordilleren und um das Cap Horn wären umgangen, und die mannichfaltigcn Wald- und Bcrgproducte des reichen Inca-Landcs könnten ans geradem und bequemem Wege der Altcu Welt zugeführt werden. Man darf nur an Chinarinde (wovon 14,000 Eentncr zu 80 bis 100 Dollars pro Ctr. in Arica verschifft wcrdcu), an Gummi, Copaibabalsam, Vanille, Indigo, Zimmt, Sassaparille, Ipecacuanha, an das prachtvolle Bauholz und an vegetabilische und animalische Nahrungsmittel aller Art erinnern, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß der Handelsverkehr durch die Montana, abgesehen von den zahlreichen Goldwäschen, ein außerordentlich starker sein würde. Rechnet man dazu noch Tabak, Znckcr, Kaffee, Baumwolle und Cacao, von vorzüglicherer Qualität als der von Venezuela oder Guayaquil, was Alles in den Paucar-tambo-Thälern mit der Aussicht auf die reich« sten Ernten angebaut werden kann, und Silber, Kupfer, Salpeter und Alpaca-Wollc der Sierra, für deren Transport man auch diese Straße der inns Cap Horn vorziehen würde, so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß sich die auf Eröffnung derselben verwendeten Capitalien reichlich verzinsen würden. Schon hat sich der Unternehmungsgeist der Neuen Welt diesem wichtigen Gegenstände zugewendet. Schifffahrtsuerträgc im Hinblick auf das Amazoncnstromgcbict sind zwischen Brasilien und den 9* 132 Die Forscher des Amazoneiistroms. spanischen Nepublikcn abgeschlossen worden; vier brasilianische Dampfer befahren den Strom zwischen Barra und Para und zwei peruanische, in New-York gebaute, sind bis nach Loreto heraufgekommen. Loreto und Nauta sind dem fremden Verkehre, mit der Bestimmung, daß keine anderen als rein locale Abgaben erhoben werden sollen, freigegeben worden, der Präfect zu Loeto ist ermächtigt, Ansiedlern Ländereien von zwei bis zu vierzig Fanegados anzuweisen, und die Einwanderer sind auf zwanzig Jahre von allen Abgaben befreit. Venn Hinblick auf die glänzende Zukunft, die sich diesen Gebieten in Aussicht stellt, ist es aber nicht mehr als billig, mit Lob und Bewunderung der großen Männer zu gedenken, die als die Pioniere der Wissenschaft und des Christenthums in die Wildnisse der Montana eindrangen. Nicht genug rühmen kann man Charaktere, wie einen Pater Samuel Fritz, den Condamine den Apostel des Amazongcbiets nennt, und der im Jahre 1707 die erste, noch immer brauchbare Karte desselben herausgab, und in neuerer Zeit die Priester Manuel Plaza und Revello, von denen der Erstere, nach Graf Castclnau „der Heros der Pampa del Sacramento", fünfzig Jahre in diesen Wildnissen zubrachte, während des Letzteren Laufbahn noch nicht geschlossen ist. Sie warben nicht um die Ehre und den Lohn dieser Welt. Höher stehend als der Soldat, der nach Beute und Nuhm trachtet, als der Mammonsdiencr, der nach den verborgenen Schätzender Erde gräbt, arbeiteten sic mit gleichem Eifer, bestanden sie gleiche Gefahren und größere Beschwerden, erduldeten sie jedes Mißgeschick mit fröhlicher Alisdaucr, ohne durch die Hoffnung auf Gewinn und Bewunderung getragen zu werden. Um so mehr schulden wir ihnen diese, sammt unserem Dank, ob-schon sie nicht darauf rcchncu! aber die Welt wird auch solche Schuld kaum abtragen, denn sie spendet dem Helden auf dem Schlachtfelde größeren Ruhm als dem Forscher in der Nildniß, der die Wissenschaft fördert zum Besten der Menschheit uud zur Ehre Gottes. Yanaoca, die höchste Stadt der Erde. 133 Achtes Kapitel. Lima. Die Zeit der Vice tönige. Janaoca, dic höchste Stadt der Erde. — Arcquipa und seine Umgebungen. — Lima; die Spanier, Creole» und Indianer. — Die heillose Wirthschaft der Viccköuigc und der Beamten. — Sturz der spanischen Herrschast. Von Cuzco nahm ich den Rückweg über Sicuani, das an der Straße nach Puno liegt. Ich suchte das Volk in seinen Hütten ans und lauschte seinen Balladen nnd seinen schwcrmüthigcn Elegien. Bei Sicucmi verläßt die Straße die lieblichen Thäler, und man gelangt auf das öde Tafelland der Anden, eine wilde nnd dünn« bevölkerte Gegend. Nur Kartoffeln und Quinoa-Reis vergelten hier dem Landmann noch die Mühe der Arbeit; aber zahlreiche Lama- und Alpaca-Hecrdcn weiden auf den grasigen Höhen. In der Nähe des großen Sees Tungasaca, an welchem die Straße vorbeiführt, fand die Niederlage Tupac Amaru's durch die Spanier statt; unsere Gesellschaft zog mit schmerzlichen Gefühlen an der Stätte vorüber, wo der letzte der Incas seinen heldenmüthigen Kampf gckämpft hatte. Nachdem wir den See verlassen und das Dorf Pampamarca berührt hatten, gelangten wir in die kleine Stadt Janaoca, die Hauptstadt der Provinz Canas und die höchstgclcgcne Stadt der Erde. Ihre Höhe über dem Meere beträgt 14,250 Fuß, 6077 Fuß höher als der große St. Bernhard. Sie liegt auf einer weit ausgedehnten, mit Lama- und Alpaca-Hccrdcn bedeckten Ebene, ist von hoben, wilden Bergen eingeschlossen und besteht aus einer einzigen langen Straße und einem freien Platze mit zwei kleinen Kirchen. Am Sonntag findet der Hauptwochenmarkt in Uanaoca statt. Die Dorfbewohner kommen hier aus einem Umkreis von vielen Meilen in der Nunde zusammen, und die Scene ist ebenso belebt als interessant. Die jungen Mädchen sitzen in Reihen mit ihren breitrandigen Monteros, buntfarbigen Mänteln, kurzen Röcken und nackten Beinen auf dem Boden und schwatzen und lachen fröhlich 13H Reise i'chcr die Anden. durcheinander. Vor ihnen sind ihre Waaren ausgebreitet, worunter Kartoffeln in drei Formen, nämlich zuerst die gewöbnlichc, dann die Oca, eine lange und dünne Art, die sehr gut schmeckt, und von der die Stadt den Namen führt (^ana-ac-a, schwarze Oca), endlich die Chunns oder die gepreßte, eine Hauptrolle spielen; außerdem Coca, Mcdicinalkräutcr aus der Montana, Mais, Quinoa, Eier, Hühner, wollene und baumwollene Zeuge. Die Männer, in denselben breiten Monteros, drängen sich durch die Haufen, nnd ein ununterbrochenes Getöse von Stimmen schallt aus der ge-schästigcn Menschenmenge bcrans. Jetzt ertönt dasKirchcnglöckchen. Da wird's mit Einem Male todtenstill; der Priester hat die Hostie erhoben, „und Alles kniet und schlägt die Brüste, sich fromm bekreuzend vor dem Christe," Einen Augcudlick später ist der alte Marttlä'rm wieder in sein Nccht eingetreten. In Janaoca kann man die Indianer in ihren, reinsten Zustande sehen; sie sind hier nur wcuig mit den Spaniern in Berührung gekommen und haben ihre Sitten unverändert und ihre Sprache unverfälscht bewahrt. Jenseits dieser kleinen Stadt führt die einsame und verödete Straße über weite Ebenen, mit einer Schäfcrhütte hie und da, bis sie sich hinter Lanqui in steilen Zick-zackwinduugcn auf ein noch höheres Plateau heranfzieht. Drei lange Tagereisen über ein ausgedehntes Weideland, dessen kleine Flüsse so stark gesroren waren, daß sie die Last der Maultdierc trugen, brachten uns zu dem Dörfchen Ocoruro, dem letzten in den Ostcordillcren und im Departement Cuzco, und zugleich dem letzten, wo man die Inca-Indianer in ihrer malerischen Tracht uud die Quichua-Sprache in ihrem reinen Charakter antrifft, Von hier aus führt ciu steiler, schneebedeckter Pfad über einen 17,7-w Fuß hohen Paß, in dessen Nähe sich das PostHaus Numi-Huasi in einer Höhe von über 15,000 Fuß befindet, nach der Station Ayavirine. Die Sonne war untergegangen; es wurde schucidend kalt, ein scharfer Wind wehte über die Hochebene, und vom wolkenlosen Himmel strahlten die Sterne im herrlichsten Glänze. Wir waren viele Stunden geritten, obne durch das geringste Zeichen an ein menschliches Dasein erinnert zu werden, ließen die Thiere stärker Die (Hegend um Nrequipa. 135 auftreten und spähten ängstlich durch die Finsterniß nach einem Nastorte, bis wir endlich, oftmals durch große Felscnblöckc getäuscht, die zwei steinerneu Gebäude von Ayavirinc uor unsern Blicken auftauchen salien. In dem einen schien sich etwas Menschliches zu regen; wir gingen hinein und trafen zwei Indianer, die uns aber hoch nnd theuer versicherten, daß nichts Eßbares vorbanden sei. An dem andern Hause war keine Thür. Endlich entdeckten wir den Eingang hinter einem Haufen Steine, räumten diese weg und wnrdcn für unfcre Mühe bclolmt, indem wir einige Kartoffeln uud etwas Holz fanden. Vald loderte ein lustiges Feuer uor dem Gebäude auf, und der weiße Rauch stieg in gekräuselter Säule zum nächtlichen gestirnten Himmel empor; welch erquickender Anblick für müde Wanderer! Ein helles Feuer unter freiem Himmel und ein darüber kochendes Mahl, in hoher, einsamer Wildniß, fern von den Nohnnn« gen der Menschen, gewährt nach langer ermüdender Reise ein Gefühl von Veliaglichkcit, eine so echte Freude, wie man sie mitten unter dem Ueberfluffe des civilisirtcn Lebens selten empfindet. Am 2l). Mai gelangten wir in die Nabe des Vulkans von Arcqnipa, an dessen Fuße die gleichnamige Stadt noch 7850 F. hoch über dem Meere liegt. Der Vulkan selbst ist 20,320 F. hoch. Vom Kamme eines seiner Vorbcrgc. über welchen die Straße fübrt, hat man eine herrliche Aussicht auf die Stadt, die sich in einer weiten und fruchtbaren Ebene ausbreitet. Die Häuser sind alle blendend weiß, von WeidclN'flanznngen nnd Obsthaincn umgeben, und die großen Mais- und Kleefelder erstrecken sich nach Süden und Osten bis zu den felsigen Bergen, welche die liebliche Oase von der großen Sandwüste trennen, die sich jenseits bis zur Meeresküste erstreckt. Die Bodenbildung ist vulkanisch, und die Stadt hat häufig von Erdbeben zu leiden, durch welche sie fchon längst zerstört worden sein würde, wenn sie weniger fest und zweckmäßig gebaut wäre. Die Häuser sind sämmtlich von einem vulkanischen Gestein aufgeführt, der Grund ist nicht tief gelegt, und die Decken und Dächer sind gewölbt. Bei dieser Bauart sind sie durch ihre An- 136 Die Scmdwiiste von Arcquipa und ISlay. läge geeignet, einer heftigen Erdbewegung nachzugeben, während sic zugleich durch ihre Festigkeit vor dem Falle geschützt werden. Arcquipa ist eine der größten Städte von Peru, Hauptstadt eines Departements und bischöfliche Residenz. Es hat stets bedeutenden politischen Einfluß ausgeübt, da die indianische Bevölkerung ungewöhnlich tapfer, unruhig und zu Aufständen ge» neigt, die Einwohnerschaft der höhcrn Klassen aber reich, stolz und talentvoll ist. Die Ebene wird von dem reißenden Flusse Ehile be« wässert, der auch mitten durch die Stadt fließt, und über den hier eine schöne steinerne Brücke führt. Viele Landhäuser und Haciendas geben der Umgegend Schmuck und Wohlstand; und in einer Entfernung von etwas über vier Meilen liegen in einer engen Schlucht die schwcfel- und eisenhaltigen Gesundbrunnen von Mre, die sich bei verschiedenen Krankheiten von sehr heilsamem Erfolge bewähren. Die Sandwüste zwischen Nrcquipa und Islay ist über zwanzig Meilen breit und in ihrer ganzen Ausdehnung mit weißen Sandhügeln bedeckt, die eine halbmondförmige Gestalt hatten und mit der convercn Seite nach dem Meere zu gerichtet waren. Sie sollen ihre Stellung je nach dem Winde verändern. An der Straße liegen zwei Posthäuscr, Cruz de Cana und Cruz de Guerreros, welche dem verdursteten Reisenden Obdach und Wasser, sonst aber nicht viel mehr darbieten. Von dem letzteren aus führt die Straße Plötzlich eine steile Schlucht hinab, dir zu beiden Seiten von hohen kahlen Felsen eingerahmt ist. Nur selten erhebt sich aus dem unfruchtbaren Boden ein dürftiger, vertrockneter Cactus. Dieser Theil des Küstenstrichs ist in einer Ausdehnung von zehn Meilen mit einem Staub bedeckt, den man für die Asche des Vulkans Arequiva hält, und der sich in so dichten Wolken erhebt, daß die Cavalcade bald einer Gesellschaft von Müllern gleicht. Islay ist ein kleiner, meilenweit von Sandwüsten umgebener Hafcnplatz von 2000 Einwohnern, in welchem ein starker Handelsverkehr zwischen Cuzco, Nrequipa und den überseeischen Plätzen stattfindet. Ich schiffte mich in Islay am 21. Juni ein und erreichte am 24. Lima. Wie Cuzco für die indianischen Traditionen und alle Ve- Die alte spanische Stadt Lima. 137 ziehungen, welche sich an jene alte untergegangene Civilisation knüpfen, den Mittclpnnkt bildet, so rcpräsentirt Lima die nun ebenfalls verschwundene alte spanische Macht und ist zugleich der Sitz der nellcn republikanischen Regierung. Auch jetzt noch erinnert in Lima, wenn man die Pariser Costume ausnimmt, fast Alles mehr an die vicckönigliche Zeit als an den gegenwärtigen Zustand der Dinge. Die Kathedrale auf dem großen Platze, mit ihrer roth und gelb angestrichenen Fa«adc, ihren drei grünen Portalen und ihren übertünchten Ziegclthürmen, wurde unter den Vicekönigen erbaut, Einst seufzten ihre Altäre unter dem Drucke der massiven Silberausstattuug, die ihnen mm schon ftit lange dnrch die Bedürfnisse der Republik abgenommen wurde. Auch der Palast von unscheinbarem Aussehen, der in sciuen untern Räumen zu kleinen Verkaufslädcn benutzt wird, diente einst den Repräsentanten der katholischen Majestät; und dicschöne steinerne Fontäne in der Mitte des Platzes, über der sich eine bronzene Statue der Fama erhebt, wurde vou einem Vicckönig errichtet. Die beiden andern Seiten des Platzes werden durch Privathäuser gebildet, unten mit Arcaden, in denen sich Verkaufst) allm befinden, oben mit Balkönen, die durch Gittcrjalousicn nach maurischer Art abgeschlossen sind. Die langen geraden Straßen, die sich vom Hcmptplatze aus in rechten Winkeln nach verschiedenen Richtnngen hin erstrecken, haben ein altcrthümlichcs, feierliches Aussehen und stehen in starkem Contraste zu den neumodischen Trachten der Vorübergehenden. Die Häuser haben größtentheils keine Fenster nach der Straße zu. Bei den kleinern in den ärmcrn Stadtthcilen sind dieselben durch Thüren ersetzt, über welchen iu ciner Mörtclwand gläserne Laternen aufgehängt sind; bei den größeren sieht man nichts dergleichen. Sie haben nnr große, auf die Straße herausgehende Flügclthore, die in den palic, oder Hofraum führen, dessen Umfassungsmauern häusig mit Frcecogemälden bedeckt sind. Dein Thore gegenüber befindet sich ein 8ui5 genannter Raum, welcher zum Empfangszimmer dient. Die Dränirung der Stadt ist so eingerichtet, daß die Abzugsgräben unbedeckt mitten durch sie hinlaufen; Schaaren von häßlichen Truthahngeiern und schwarzen, kahlköpfigen Aaskräheu 136 Linia und seine Pcwohner belagern ihre Ränder und verrichten anstatt der trägen Einwohner das Amt der Gassenreiniger. Vom großen Platze aus führt cinc Straße an den Fluß Rimak, der mit einer schönen steinernen Vri'icke überbaut ist; und in der Vorstadt San Lazaro befinden sich zwei stattliche Alleen von hochgewachsenen Wcidcnbäumen, deren eine dem Flusse entlang zu dem uom Vicckö'nig Don Manuel Amat im I. l??0 erbauten Nmphitbcatcr fürSticrgcscchte leitet. Auch das zierliche alte Theater mit seinen in eine offene Gallcric ansmündenden Logenthüren ist ein Denkmal ans der uiceköniglichcn Zeit, wie dies überhaupt bei allen öffentlichen Gebäuden, bei den Kirchen, Klöstern und Hospitälern, bei dem vor der Stadt liegenden Pantheon, bei den Gebäuden der mcdicinischcn Akademie und der Stadtmauer der Fall fst, die sämmtlich unter der spanischen Regierung entstanden. Der Staatsrath der republikanischen Regierung hält seine Sitzungen im Inqnisitionshofe, und die Dcpntirtcnkammcr kommt in der Kapelle der spanischen Universität uon St, Marcus zusammen. Nicht einmal der große uom Vicckönig Amat begonnene Van eines künstlichen Sees in der Vorstadt San Lazaro ist uon der Republik fortgesetzt worden, so daß es scheint, als ob der Anhauch demokratischer und anarchischer Unabhängigkeit allen Verbesserungen, mit denen es freilich auch in der uiceköniglichen Zeit langsam genug uon Statten ging, lähmend entgegengetreten sei. Indeß liegt das Uebel tiefer. Die eingebome Bevölkerung wnrde uon alter Zeit her in Unthatigkcit erhalten. Man gestattete ihr niemals Antheil an der Negierung und Verwaltung des Landes, und so vertrieb man sich zu Lima seine Zeit mit Bällen und Sticrgcfcchten, und die schönen Frauen rauchten und ergaben sich einem verderblichen Lurns in Kleidung und Schmuck. Das Klima ist warm und erschlaffend und ucrsührt leicht zn einem gleichgültigen, trägen Leben. Trotzdem, und bei all ihrer Indolenz, waren die Crcolcn von Lima auf die Spanier, die alle öffentlichen Aemter monopolisirten, und von denen sie mit empörendem Stolze behandelt wurden, nm so eifersüchtiger, je mehr das infame spanische Colonialsystcm jedem unter der spanischen Regierung. 139 europäischen armen Schlucker ohne Verdienst und Erziehung die Möglichkeit darbot, zu dm einflußreichsten und einträglichsten Stellen zu gelangen; und es ist erklärlich, daß dies zuletzt in offenen Haß ausartete. Den Indianern und der ganzen gemischten Vc-völkerung erging es noch schlimmer. Der Vicckönig Graf von Moncloa erließ im Jahre 1706 ein Dccrct, daß kein Indianer, kein Neger, kein Mestize (kalb weiß, halb indianisch), kein Mulatte (halb weiß, halb schwär;), kein Zambo (halb Indianer, halb schwarz) Handel treiben, einen Laden halten oder auch nur in den Straßen verkaufen dürfe; nur Ackerbau und Handwerk war ihnen erlaubt, und jeder Uebcrtrcter wnrde in die Strascolonie Valdiuia deportirt. Die Creolen suchte der spanische Hof, indem er sie auf der einen Seite uerlel/te, auf der andern wieder dadurch zu gewiunen, daß er denjenigen Familien, die sich über ihre Abkunft ausweisen konnten, Diplome verlieh. Freilich war dies zugleich ein selir einträgliches Geschäft, denn es mußten ungeheure Summen dafür bezahlt werden. Nlloa berichtet, daß er im I. l?43 in Lima nicht weniger als achtundvierzig Marquis und Grafen angetroffen habe, uud iu den Knstengcgcnden war der hohe Adel unter den großen Grundbesitzern nicht minder zahlreich. Der Plan, einen Colonialadel zu schaffen, war keine nnweife Maßregel. Man gelangte damit, wenigstens für eine ziemlich beträchtliche Zeit, dahin, die reichen Colonisten eng mit dem Mutter-landc, den, Vorn der Ehren, zu verknüpfen. Der Colonialadel hielt es nicht, gleich den Granden von Spanien, unter seiner Würde, sich in kaufmännifche Unternehmungen einzulassen; und in der That hätten die Schätze dieses herrlichen Landes wohl auch den stolzesten europäischen Patrizier hierzu verlocken können. Der Reichthum dcr Silberminen von Peru wurde bald in der ganzen Welt zum Sprichwort, und selbst eine lebhafte Phantasie konnte kaum das Maß ihrer Ausbeute übertreiben. Neben den Minen von Potosi wurden im Jahre 1020 die uon Ccrro Pasco und im I. 166? die in der Provinz Puno entdeckt, zu denen 140 Macht und Verfall der spamfcheu Ncgicrmi^. solche Massen von Abenteurern sich drängten, daß es in der Ebene von Laycocota zu einer regelmäßigen Schlacht kam. Die ungeheuren Einnahmen, die von diesen und den mexikanischen Bergwerken bezogen wurden, gelangten über die Häfen Vera Cruz und Porto Bcllo in den Silbergallionen nach Spanien und füllten die Schatzkammer Philipps U., des mächtigsten Monarchen der Christenheit, dessen wahnwitzige selbstsüchtige und kurzsichtige Politik den Untergang der spanischen Macht beschleunigte. Zu einer Zeit auf den Thron gelangt, wo seine Vorgänger die alten Constitutionen von Castilicn und Arragonicn, die Cortes und die Iustiza Mayor, aufgehoben und jeden freien Gedanken und jede freie Thätigkeit unterdrückt hatten, fand er sich au der Spitze cincr nahezu despotischen Staatsverwaltung. Eine Zeit lang ging Alles glänzend von Statten. Die gesunde Kraft, die Spanien aus seinen alten Verfassungen geschöpft hatte, spornte das Genie und den Unternehmungsgeist seiner Söhne an, und durch solches Ma» tcrial wurde der wurmstichige Despotismus noch auf eine kurze Frist getragen und mit Pracht und Macht umkleidet. Man hatte die neue Welt erobert und dem türkischen Vordringen in den Gewässern von Lepanto eine Schranke gezogen; man wußte der französischen Armee und den Schweizer Mieth-lingcnmitderInfanteric Gonsalvo's, Alba's und Farnese'sdie Spitze zu bieten; Velasquez' und Murillo's Pinsel schmückten die Kirchen und Paläste Spaniens; und die Werke eines Cervantes. Lope de Vcga, Calderon, Quevedo, de Solis und Ercilla, nebst vielen andern, verherrlichten sein goldenes Zeitalter. Aber der Same des Verfalls lag unter dieser schimmernden Parade des Genies und der Eroberung schon reichlich ausgesäet. Die immerwährenden, end-losen Kriege, in welche Philipp II. das Reich verwickelte, die Gnadengehalte, die er auszahlte, und die Subsidien, die er nach Italien schickte, um seine Macht aufrecht zu erhalten, das Alles vereinigte sich, die Hülfsqucllcn der Regierung zu erschöpfen, so daß, obschon er durch seine amerikanischen Bergwerke das reichste Einkommen unter allen Souveränen Europa's besaß, seine Schatzkammer doch stets leer war. Von 35,000,000 Dollars, die er im Jahre 1505 Großartiger Handelsverkehr im 18. Jahrhundert. 141 aus Amerika bezog, war im Jahre 1596 kein Real mehr in Spanien zu finden. Kurz, die Finanzen Philipps waren vollständig zerrüttet, und doch setzte er den Krieg fort; doch versuchte er es, England zu vernichten; doch ließ er sein über allen Glauben thörichtes Handelssystem fortbestehen. Ueberall herrschte Stockung des Verkehrs, Elend unter den arbeitenden Klassen, während Philipp, im Es-curial eingeschlossen, persönlich alle Departements seiner kümmerlichen Regierung leitete, mit einem unerschütterlich kalten Ausdruck auf seinem blassen Gesicht und mit anscheinender Gleichgültigkeit die Berichte von der Vernichtnng seiner Heere und Flotten nnd dem Elend seiner Unterthanen anhörte und Spanien noch immer für das größte Reich der Welt hielt. Darauf folgten die Regierungen seiner unwürdigen Nachfolger und ihrer lasterhaften Minister; schnell und gedankenlos trieben sie das unglückliche Land in die breite Heerstraße der Armuth und des Verderbens hinein. Erst im I. 1714, als die Bourbons auf den spanischen Thron gelangten, zeigte sich in verschiedenen Maßregeln der Regierung eine erleuchtetere Politik; der Handelsverkehr mit den Colonicn, der bisher in den Fesseln des strengsten Monopols geschmachtet hatte, wurde wenigstens in etwas geöffnet. Bis dahin hatte die sogenannte Flota, welche aus drei Kriegsschiffen und ohngefähr fünfzehn Kauffahrteischiffen zu 100 bis 1000 Tonnen bestand, die Ein- und Ausfuhr von Pcrn und Mexiko besorgt. Alle Arten von Manufacturwaarcn wurden anf dieser Flotte verschifft, so daß alle europäischen Handelshäfen bei ihrem Cargo betheiligt waren. Sie segelte von Cadix aus und durfte an keinem Orte unterwegs irgend etwas von der Schiffsladung löschen. Als Rückfracht nalnn sie von Vera Cruz Silber, Cacao, Indigo, Cochenille, Tabak und Zucker; das Rendezvous mit den von Porto Vcllo kommenden Gallionen, welche die Schätze Peru's überbrachten, hielt sie zu Havanna. Die Gallionen waren Fahrzeuge von 500 Tonnen; bei ihrer Ankunft zu Porto Bello begann ein großartiger Markt, bei dem sich die Kaufleute aus allen Theilen von Südamerika zu- 142 Schlechte Verwaltung dcr früheren, sammenfanden. Von Manilla kamm die Acaftulco-Gallionen, mit dcn Gewürzen des Ostens beladen, im December an; und fast zu derselben Zeit kam das reiche Schiff von Lima, mit durchschnittlich 2,000,000 Dollars an Bord. Außer dcn Gallionen ließen die Kaufleute von Cadir, wenn sie glaubten, daß in amerikanischen Häfen größere Nachfrage stattfände, noch die sogenannten Registerschiffe abgehen, für welche aber bedeutende Licenzgeldcr gezahlt werden mußten. Das strenge Monopol konnte indeß zu keiner Zeit vollständig durchgesetzt werden. Namentlich wurden, seit die Engländer den Astento, den Hertrag, der sie ermächtigte, die spanischen Colonien mit Negersklaven zu versorgen, abgeschlossen hatten (l?15), bei Gelegenheit dieses schimpflichen Handels ungeheure Quantitäten europäischer Waaren eingeschmuggelt. Auch konnte es nicht fehlen, daß die fabelhaften Schätze dcr Galliomn Schaarcn von bcntcgicrigcn Abenteurern ans England und Frankreich herbeizogen, und die spanischen Meere wimmelten von Vnceanieru, die sich nicht bloß anf Seeränbcrei beschränkten; das Glockchen der Madrina (des Leitmanlthicrs), welches das Herannahen der silberbcladencn Karawane verkündete, war eine liebliche Musik in ihren Ohren, wenn sie in den Wäldern des Isthmus aus dcr Lauer lagen. Die Seemacht, die den Vicckönigen oon Pern gegen diese häufigen Angrisse zu Gebote stand, war unbedeutend. Das Arsenal zu Callao, zn welchem mehrere große Magazine gehörten, stand unter der Obhut von fünf Beamten, die mit den Vorräthcn einen unglanblichcn Unterschleif trieben und die Schiffe auf die empörendste Weise ausrüsteten. Auf diesen, selbst auf den Kriegsschiffen, wurden Verkaufsläden gehalten, deren Gewinn dem Capitän zufiel. Die gesuchtesten Artikel waren Wein und Würfel. Die Leute durften auf hoher See bis spät in die Nacht hinein bei offenem Lichte spielen. Die Kauffahrteischiffe waren in einen, noch clcudcrm Zustande, erbärmlich gebaut, und noch erbärmlicher vcr« waltet. Die Wache hielten der Patron und der Lootse. Dcr eine schlief unten iu seiner Hängematte, der andere anf dem Deck an bessere Zeit der letzten Vkekömge. 143 derCajütenthürc, allcMatroscn schliefen, und derMann am Steuer stellte häusig das Nad ein und schlief auch mit. Viele Schiffe gingen jährlich unter. Aber die Corruption und die Unterschleife am Arsenal und der Schiffswcrfte zu Callao nahmen ein plötzliches Ende. Das furchtbare Erdbeben vom 28. October 1746 machte ganz Callao zu einem Trümmerhaufen; auch Lima litt außerordentlich, uudmclncrc Schiffe, darunter die Fregatte St. Fermin, wurden aufs Trockne gesetzt. Den Punkt, auf welchem die Fregatte zu stehen kam, bezeichnet ein kleines Denkmal zwischen Callao und Bella Vista. Die Einwohner von Callao wurden, mit Ausnahme eines einzigen, alle von den Flutlien verschlungen. Lima und Callao erholten sich von diesem Schlage nur sehr langsam, obschon der Vieekönig, Marquis von Villa Garcia, große Cncrgie an den Tag legte und zum Aufbau eines neuen Callao an einem besser geeigneten Platze Veranstaltung traf. Die Colonialpolitik wurde von jetzt an eine merklich bessere; namentlich machte die Regierung des Grafen Florida Vlanca, der zwanzig Jahre an der Spitze des spanischen Ministeriums stand, mehrfache Versuche zu Reformen in der Verwaltung. Das übermäßig große Vicckönigthum Pcru wurde getheilt; man ernannte Vicekönige für La Plata und Neu Granada und errichtete eine königliche Audicnca zu Quito. Auch schickte man nicht mehr die hochinüthigen Granden von Spanien nach Peru, sondern ernannte praktische Männer, die sich als Generalcavitäne im Lande die nöthigen Localkcnntnisse verschafft hatten, zu Vicckönigcn. Zu den letzteren gehören Don Manuel Amat (1701), Don Augustin Iaurequi (1780) und Don Ambrosio O'Higgins, Marquis von Osorno (17!)6), dessen Vater, ein armer Irlä'nder, einen kleinen Kramladen am Marktplätze zu Lima hielt. Auf O'Higgins folgten der Marquis von Aviles(1799), Don Jose de Abascal(1806), ein vortrefflicher Regent, und General Pczuela (1810), der letzte Vicc-konig, der sein Amt in Frieden antrat, und dessen Porträt in der Galerlc der Vicekönige von Pizarro an nach einem sonderbaren Zusammentreffen auch gcrade den einzigen noch übrigen Platz einnahm. Trotz der besseren Verwaltung, welche die spätern Vicckönigc 144 Sturz der spanischen Macht. einzuführen suchten, herrschte Corruption und Veruntreuung untcr den Behörden aller Grade. Die Richter an den höchsten Gerichtshöfen, namentlich die zu Lima, waren ganz ohne Scheu verkäuflich. Sie trieben auch meistens Handelsgeschäfte und dabei eine so ausgedehnte Schmuggelei, daß die mit verbotenen Waaren von Payta befrachteten Maulthicre am hellen, lichten Tage nach Lima hcrcin-getricbcn wurden. Die spanische Herrschaft näherte sich ihrem Ende. Vieles war zusammengekommen, um die Gemüther der Creolen auf die Revolution hinzuführen. Die theilweise Frcigebung des Handels durch Florida Bianca; die durch den Verkehr mit unabhängigen Staaten gewonnene klarere Einsicht in ihren eigenen sklavischen Zustand; endlich die Invasion des Mutterlandes durch dicArmccn Napoleons brachte die Volksaufregung in Südamerika zu einer solchen Höhe, daß es nur eines Funkens bedürfte, um den Brandstoff zn entzünden, der die spanische Macht in der Neuen Welt fi'lr immer vernichten sollte. Die verkehrten Maßregeln der spanischen Gouverneure und das anmaßende Verhalten der Regentschaft zu Cadir riefen endlich den offenen Ausbruch der Revolution. die sie verhindern sollten, hervor; von Caracas undBucnos Ayrcs ausgehend, verbreitete sich der Kampf mit dem Mutterlande bald über das gcsammte spanische Amerika und endete mit dessen Unabhängigkeit. Peru, so lange dcrMittelpunkt dcr viccköniglichen Größe, warf das spanische Joch zuletzt ab; seine Unabhängigkeit folgte aber unvermeidlich der der übrigen Provinzen. Im Jahre 1821 zog General San Martin in Lima ein und erklärte, er komme, um die vor dreihundert Jahren von Pizarro geschmiedeten Ketten zu zerbrechen. Bekämpfung der Insurrection. ^45 Neuntes Kapitel. Lima unter der Republik Peru. Fortgang der Insurrection. — Wegnahme der „Esmeralda" dnrch Lord Cvchrane. — Proclamation der Republik; San Martin nnd Bolivar. — Entftchuug der Republiken Bolivia und Ecuador. — Pern unter der Herrschaft militärischer Meuteiircr nnd Parteigänger; dreißigjährige Bürgerkriege. Als der Unabhängigkeitskrieg in Südamerika ausbrach, war Spanien, abgesehen von seinem mit reißender Schnelligkeit überhandnehmenden Versall aus inneren Gründen, in einen so heftigen einheimischen Krieg ucrwickclt und durch den Zwiespalt der Regentschaft so zerrissen, daß man sich wundern muß. wie es ihm möglich war, den Kampf gegen die empörten Colonien so lange fortzusetzen. Während die Insurrection in Columbia und Buenos Ayres erfolgreich zu werden begann, hatte der General Ramirez den Ausstand des Pumacagua zu Cuzco niedergeworfen; Pczucla und Goyenechc hatten entscheidende Siege über die Insurgenten von Ober-Peru davongetragen, nnd von Callao war eine Erpcdition abgesegelt, um die empörte Provinz Chile wieder zn unterwerfen. Cs war natürlich, daß derMittclpunkt der viceköniglichcnMacht in welchem fortwährend ein großes stehendes Heer unterhalten wurde' und wo Schwärme von spanischen Beamten in allen größeren Städten die Oberhand hatten, am längsten behauptet werden konnte: und wenn schon dic.Crcolcn und Indianer ihren Unterdrückern nichts weniger als geneigt waren, so mußten sie sich doch bei der Entfaltung einer so starken Gewalt und der rücksichtslosen Verwen-dnng derselben äußerlich beugen. Allein dieser Znstand der Dinge konnte nicht so fortdauern, als die Verbindung mit dem Muttcrlande schwieriger wurde. Nunmehr näherten sich die Flammen der Revolution auch den Gränzen des Incareichs. P0 Mann verloren, von denen manche den Todcsstrcich empfangen hatten, ehe.sie zn ihren Waffen greifen konnte». Das Kampfgetöse brachte die Festuugsgarnisou schnell in Allarm; sie eilte zu den (beschützen, uud die Spanier feuerten auf ihre cigcue Fregatte. Man machte uns also das Comvlimcnt, daß wir sie genommen. Indeß hätten die Spanier auch für diesen Fall berücksichtigen sollen, daß ihre „eigenen" Leute noch au Bord sein mußten, und es war eine Unbc- Proclamation der Republik iu Lima. 149 den angreifenden Feind vorzurücken, zersiclen sie in innere Spaltung, welcke damit endete. daßPczucla dnrch eine Militärcommission abgesetzt und der General Don Jose la Serna an seiner Statt zum Vicckönig ernannt wurde. Diese inneren Zerwürfnisse gaben uiclcn einflußreichen Männern vom Militär und Civil Gelegenheit, Lima zu verlassen und sich den Patrioten anzuschließen, denen ikre Gegenwart erhöhte Zuversicht einflößte. Durch die feindliche Flotte von der Verbindung mit Spanien abgeschnitten, vom feindlichen Heer und von Montanerosbanden oder berittenen Räubern umringt, sah der Vicckönig La Serna die Unmöglichkeit ein, sich länger in Lima zu behaupten; er verließ daher am 6. Juli 1821 die alte Residenz der Vicetönige, zog sich in das Innere znrück und machte Cuzco zum Hauptquartier für die königlichen Armeen. Am neunten zog das Patriotcnhccr unter General San Martin triumphirend in Lima ein, von dcn eingebornen Peruanern mit Iubclrufcn, von den Spaniern, deren Macht sich uuu einem schnellen Ende zuneigte, mit unterdrückter Wuth empfangen. Am 28. wurde die Unabhängigkeit Peru's proclamirt, nachdem die Geistlichkeit, die Universität und selbst die meisten Mitglic» der des hoben Adels vou Lima ilirc Beitrittserklärung abgegeben hatten. Eine große Procession, an deren Spitze sich San Martin sonuenheit, daß sie feuerten. Es wnrdeu auch wirklich mehrere Spanier durch die Schüsse aus ihrer eigenen Festung gctödtet, darunter der Befehlshaber der Fregatte, Capitän Coig. der, nachdem er schon znm Gefangenen gemacht war, dnrch eine spanische Kugel eine schwere Contusion erlitt. Glücklicherweise wurden jedoch die Festnugsgcschi'che durch ein erfolgreiches Manöver schnell zum Schweigen gebracht. Es befanden sich nämlicb währcud des Kampfes zwei fremde Kriegsschiffe in der Nähe, die Fregatte Macedonia, von dcn Vereinigten Staaten, und die englische Fregatte Hyperion. Diese waren für den Fall eines nächtlichen Angriffs mit dcn spanischen Behörden dahin übereingekommen, daß sic gewisse Lichter als Signale aufhissen wollten, nm dadnrch die Beschießung zn vermeiden. Wir hatten uus auf so etwas gefaßt gemacht, uud sobald das Feuern begann, hißten wir ähnliche Lichter anf. Die Garnison wurde hierdurch irre gemacht und wnßtc nicht mehr. wohin sic feuern sollte. 150 General San Martin als Protector. befand, und dcr sich die Marquis vonMontcmiras und Torre Tagle die Universität, die geistlichen Orden und die Richter und Räthe vom obersten Gerichtshofe angeschlossen hatten, verließ den Palast und begab sich mitten auf den Markt, wo San Martin die neue Nationalflagge entfaltete und ansrief: „Von diesem Augenblicke an ist Peru frei und unabhängig, durch den ausgesprochenen Willen des Volks uud durch seine gerechte Sache. Ihr verleihe Gott seinen Schutz!" Lord Cochranc sal, die Ceremonie von einem Balköne des Palastes, dessen Nordscitc nach dm, Markte heransgcht, mit an. Unmittelbar darauf erklärte sich San Martin zum Protector von Peru und ernannte Don Bernardo Montcagudo, einen Emporkömmling von farbiger Abstammung, und Don Hivolito Unanue. den gelehrten Präsidenten des mcdicinischen Collcgiums zu Lima, zu seinen Staatsministcrn. Sein erster Regicrungsact war die Verbannung des bejahrten Crzbischofs von Lima, Don Vartolomco Maria de las Heras, der einen beredten Protest gegen die Dccrete des Protectors veröffentlicht hatte, woran sich die Nicdcrsetzung eines tyrannischen Tribunals zur Untersuchung des früheren Verhaltens der Spanier anschloß. Im September ergab sich die Festung Callao an San Martin, und Lord Cochrane's Geschwader verließ die Küste von Peru. San Martin fühlte sich bei den glücklichen Erfolgen, die cr errungen hatte, so sicher, daß er, obschon das Innere von Peru sich noch in den Händen der Spanier befand, den Patrioten von'Quito unter General Santa Cruz ein peruanisches Hülfscorps zusendete. Die Entscheidungsschlacht fand im Mai 1822 bei Pichincha statt; der spanische General Ramirez (derselbe, welcher den unglücklichen Pumacagua hatte hängen lassen) erlitt eine vollständige Niederlage, wozu hauptsächlich die Tapferkeit der Engländer unter Mackintosh beitrug, und Quito erklärte sich für unabhängig. Im Juli begab sich San Martin nach Guayaquil, um eine Zusammenkunst mit General Bolivar zu halten. Die Unterredung scheint zu keinem befriedigenden Resultate geführt zu haben. San Martin kehrte nach Lima zurück, bcnefdcn ersten Congrcß von Peru, der seine Sitzungen am 20, September 1822 begann, legte seine Kämpft der Spanier gegen die Nepublif. 151 Gewalt in die Hände des Congresses nieder und zog sich ins Privatleben zurück. San Martin spielte neben Bolivar die hervorragendste Nolle im Unabhängigkeitskriege. Sein politischer Charakter ist verschiedenartig beurtheilt wurden, allein sein freiwilliges Zurücktreten befreit ihn wenigstens von dem Vorwürfe eines sich selbst überschätzenden Ehrgeizes. Nachdem er eine kurze Zeit auf seiner Besitzung zu Mendoza verweilt hatte, schiffte er sich nach Europa ein und starb 1850 zu Boulogne. Bis zum Februar 1823 betraute man mit der Exccutwgcwalt einen Nath von drei Männern, Don Jose dc la Mar, Don Felipe Aluarado und Don Manuel Salazary BaquiMw, Graf von Vista Florida: dann wurde DonIosc de la RivaAguero zum ersten Präsidenten erwählt. Unterdessen hatten die Generale Alvarado undMiller, der letztere ein Engländer, eine Ervedition znr See nach dem südlichen Peru unternommen, waren aber bei Torata und Moqucgua von den spanischen Generalen Cantcrac und Valdez geschlagen worden und mußten unverrichteter Dinge nach Lima zurückkehren. Niua Nguero ernannte seinen Freund Santa Cruz zum Oberbefehlshaber der Armee nnd den Obersten Gamarra zum Chef des Gencralstabs. Da aber die Spanier im Innern eine drohendere Stellung einnahmen, und ein Armcecorps unter Canterac gegen Lima selbst vorrückte, wandte man sich nach Columbia um Hülfe, und der Befreier Bolwar sandte dreitausend Mann, mit denen General Sucre bei Callao landete. General Santa Cruz schiffte sich noch einmal nach dem südlichen Peru ein. Kaum waren die Schiffe aus dem Gesichtskreise entschwunden, als Canterac über die Anden ging und trium-phirend in Lima einbog. Der Präsident Niva Aguero, der Congreß und der General Sucre mit der columbischen Armee flüchteten sich schleunigst unter die Kanonen von Callao. Mangel an Erfolg gilt in den Augen einer Volksversammlung stets als Verbrechen. Der Präsident NivaAgucro wurde abgesetzt und nach Truxillo geschickt; Sucre trat an die Spitze der Patrioten von Callao. Canterac fand seine Stellung in Lima unhaltbar uud ging in das Innere zurück. Darauf wurde die Hauptstadt wieder von den Patrioten eingcnom- 152 Die lctztcn crbittenm Kämpft. men. Santa Cruz verlangte Verstärkung. Sucre eilte ihm zu Hülfe und übergab die Executive in die Hände des Marquis von Torre Taglc. Auch diese zweite Expedition fiel unglücklich aus. Man wandte sich noch einmal an Bolivar, den berühmten Befreier von Columbia, und dieser kam nun selbst, nachdem er vom Congreß zu Bogota Urlaub erlangt hatte, und hielt am 23. September j823 seinen Einzug in Lima. Das erste Ercigniß, das sich nach seiner Ankunft zutrug, konnte als schlimme Vorbedeutung für seine künftigen Erfolge gelten. Unter der Besatzung von Callao brach am 15. Februar 1824 eine Meuterei aus. Die spanischen Gefangenen überredeten die Meuterer, die königliche Fahne aufzustecken, und alsbald nahten die Noyalistcn von Lurin und besetzten die Festung. Die Ofsicierc der patriotischen Armee wurden zu Gefangenen gemacht und unter Bedeckung in das Innere abgeführt. Das dazu bestimmte Detachcment commandirte GcueralMonet, und die Spa« uier ließen sich während des Marsches einen Act der Barbarei zu Schulden kommen, der ihren tödlichen Haß gegen die Insurgenten und die wilde Kricgsführung in jenen Kämpfen charakterisirt. Die beiden gefangenen Obersten Estomba und Luna hatten die Flucht ergriffen und in einer der tiefen Andenschluchten ein sicheres Versteck gefunden. Dies setzte den General Monet in Wuth, Er überhäufte die andern Gefangenen mit Schimpfredcn, schlng sie und beschloß, für die entflohenen Gefangenen an den Zurückgebliebenen Rache zu nehmen. Als man das kleine BergdorfSanMatco erreicht hatte, mnßten sie dem Vachufcr entlang in Ncihc und Glied treten; darauf erschienen die beiden spanischen Officierc, Oberst Garcia Eamba und Oberst Tur, und der Erstere hielt folgende Anrede: „Meine Herren, ich habe Befehl vom General Monct, Sie das Loos ziehen zu lassen. Zwei von Ihnen müssen sterben, weil zwei von Ihnen entflohen sind. Entfliehen noch zehn, so sterben noch zehn; entflieht die eine Hälfte, so wird die andere Hälfte erschossen." Der Rcgimcntsrichtcr der patriotischen Armee, Scnnor Al-dana, trat als Schutzredncr für seine Kameraden auf und begann: „Unter den rohestcn Nationen besinne ich mich nicht, von einem so Dictatur des Generals Bolivar. 153 grausamen und ungerechten Verfahren gehört zn haben. Ich fordere, daß man uns das Necht---------" aber Garcia Eamba schnitt ilim die Rede kurz ab mit den Worten: „Sie können zufrieden sein, daß man Ihnen das Necht bewilligt hat, Ihren Kopf auf den Schultern zn tragen", und verschritt zum Loosen. Die Namen der Officicre wurden auf kleine Papierstreifen geschrieben und in einen Helm gethan. Die beiden ersten, die herausgezogen würden, sollten sterben. Das Loos fiel auf die Eapitänc DonManuclPrudan und Don Domingo Millan. Beim Hören seinesNamcns sagte der Erste: „Ich stehe meincmVaterland zn Diensten!" der Zweite sagte: „Hier" und begab sich uicrSchritt vor die Fronte. Ein paar Minuten später wurden sic znr Execution abgeführt. Sie entblößten die Vrust und sielen uuter den« Rufe: „Unsere Waffengcfälirten werden diesen Mord rächen!" Die anderen Gefangenen mußten über ihre Leichname wegmarschircn und schworen dabei, daß sie diese Schandthat rächen würden. Sie wurden auf der Insel Estcvcs im Titicaca-Scc in Verwahrung gehalten und erlangten erst nach der Schlacht von Ayacucho ihre Freiheit wieder. Zu diescrZcit gingen manche Patrioten zu den Spaniern über, bis zu Anfang des Jahres 1821 der Eongres; so verständig war, sich selbst aufzulösen und dem General Bolivar die Dictatur zu übertragen. Dieser ging im Juli selbst über die Anden, schlug den Gc-ucral Canterac in einem glänzenden Ncitcrgefecht nnd übertrug sodann, nach Lima zurückkehrend, den Oberbefehl über die Truppen dem General Sucre, welcher noch in demselben Jahre, am 8. December, unter Mitwirkung der Generale Cordova und Miller, in der entscheidenden Schlacht von Ayacucho die spanischen Strcitkräftc völlig aufrieb und damit die Unabhängigkeit Peru's sicherte. Noch befand sich aber die Festung Callao in den Händen der Spanier, und der Commandant General Nodil behauptete sie ruhmvoll während einer langen Belagerung. Der Nothstand wurde zuletzt furchtbar, Tausende unglücklicher Royalisten, die sich vonLima in die Festung geflüchtet hatten, darunter viele Frauen und Kinder, starben den Hungertod. Endlich, naclidcm die spanische Flagge sonst 154 Entstehung der Nepnblikeil aUerwärts aus Südamerika verschwunden war, capitulirte der harte und grausame Rodil auf ehrenvolle Bedingungen am 111. Januar 1826. Nach dem Siege von Nyacucho, im Jahre 1825, machte der Dictator Bolivar seinen Triumplizug durch Peru. In demselben Jahre erklärte sich Ober-Peru für unabhängig, sowohl von dcm übrigen Peru als von der Argentinischen Republik, und nannte sich zu Ehren des Befreiers Bolivia. Chuquisaca wurde die Hauptstadt der neuen Republik und Sucre, der Held von Nyacucho, ihr erster Präsident (1826). Bolivar hatte sich inzwischen nach Lima zurückbegeben und schiffte sich, nachdem ihm einige gesetzgeberische Versuche mißglückt waren, am 26. September 1826 nach Guyaquil ein, indem er den General Santa Cruz an der Spitze der Negierung und den General Lara als Befehlshaber der columbischen Hülfstruppen in Peru zurückließ. Am 4. Juni 1827 legte Santa Cruz seine Gewalt in die Hände dcsCongreffes niederund ging als GcsandterPcru's nach Chile, während der Congrcß den früheren spanischen Brigadier Don Jose Lamar, der sich sehr zeitig der Sache der Patrioten angeschlossen hatte, zum Präsidenten erwählte. Peru war nun als unabhängige Republik constituirt uud begann das Werk der Sclbstgesctzgcbung. Man machte sich Hoffnung auf eine glänzende Zukunft, die bitter getäuscht werden sollte. Man hatte geglaubt, daß ein freier Verkehr mit Europa, politische und religiöse Freiheit und die Segnungen der Sclbstrcgierung den wohlthätigsten Einfluß äußern würden. Aber die Folge zeigte dieunheil-schwangcre und verderbliche Einwirkung einer Republik auf ein Volk, das von der Natur zu einem besseren Loose bestimmt zu sein schien. Kaum war die Freiheit errungen, als unter den Peruanern eine krankhafte Eifersucht gegen diejenigen Männer ausbrach, die ihnen die Unabhängigkeit erkämpft hatten. Mit unziemlicher Hast betrieb man die Heimkehr und Wicdcreinschiffung der columbischen Hülfstruppen; und auf die Regierung des benachbarten Bolivia und deren Chef, den General Sucre, der nur eine kleine Schaar seiner Bolivia und Ecuador. 155 columbischcn Landsleute als Leibgarde bei sich behalten hatte, blickte man mit wirklichem oder erheucheltem Argwohn. Man ließ eine Abtheilung des Heeres untcr General Gamarra an die Grenze von Vollvia rücken; und nachdem eine innere Revolte den Präsidenten Sucre genöthigt hatte, abzudanken und sich nach Guayaquil einzuschiffen, wurde zwischen Peru und Bolivia ein Vertrag abgeschlossen, nach welchem jede Intervention, gleichviel ob von Seiten Columbia's oder einer andern fremden Macht, von Bolivia fern gehalten werden sollte. Anstatt Sucre's wählte man Santa Cruz, den Peruanischen Gesandten in Chile, zum Präsidenten von Bolivia. Dieser folgte dem Rufe (1829) und hielt das Staatsruder lange Zeit in fester Hand. In Peru wandte Präsident Lamar seine Waffen gegen Columbia, um Guayaquil der Republik Peru zu annectircn; ein schlechter Dank für den erst vor so kurzer Zeit von Columbia geleisteten Beistand und den bei Ayacucho erfochtenen Sieg. Das Unternehmen schlug fehl, die Peruaner erlitten eine Niederlage bei El Portete de Tarqui zwischen Cuenza und Quito und wurden auf Capitulation nach Hause entlassen. Der siegreiche columbischc General Flores aber überhob sich in seinem Siege und trat als Präsident an die Spitze der aus Columbia ausgeschiedenen neuen Republik Ecuador. General Sucre, der Generalcapitän von Quito geworden war, fiel durch Meuchelmord. Das war das Ende dcs Siegers von Ayacncho. Dir Officicre, die in dieser Schlacht an seiner Seite gefochten, hatten beinahe sämmtlich im Laufe der Jahre ein gleiches oder ähnliches Loos. Cordova starb auch durch Meuchelmord; Lamar, Vivanco, Torico und Miller wurden verbannt; Salaverry, Fernandini und Moran wurden erschossen: Nieto vergiftet. Es stellte sich nur zu bald heraus, daß das zerrissene Land der Incas einer kläglichen Militäldespotie preisgegeben werden sollte. Der begüterte Adel und die gebildeten Klassen wurden von der politischen Macht fast ganz ausgeschlossen, und über ihr Eigenthum verfügte die Willkür der militärischen Abenteurer, die den Staat unterdrückten und in immer neue Bürgerkriege stürzten. Kurz nach der Niederlage bei Cl Portete ließ der peruanische 156 Gamarra'ö nud ^rbcgozu'^ Präsidentschaft. Obcrgcncral Gamarra, einGingeborner vonCuzco, unter dem Vor« wand, daß Peru nicht länger von Fremden regiert werden dürfe, den Präsidenten Lamar in der Nacht aufbeben (6. Juni 1829), auf ein Schiff bringen und nach Costa Nica transportiren, wo er unter verdächtigenden Umständen starb. Gleichzeitig hatte sein Mitver-schworncr, der General La Fuentc, den Vizepräsidenten Vista Florida zu Lima abgesetzt; und auf eincm im August einberufenen Con« grcß ward Gamarra zum Präsidenten von Peru erwählt. Cr behauptete sich die verfassungsmäßigen vier Iadre auf seinem Posten, batte aber wahrend dieser Zeit vierzehn Verschwörungen und Aufstände von größerer und minderer Bedeutung zu unterdrücken. Im Jahre 1833 ließ er einen Congreß Vehufs einer Verfassungsreform zusammentreten und gestattete zugleich die Wahl eines provisorischen Präsidenten, Der Congrcß erwählte Don Luis Jose Orbegozo, einen Mann von geringen Fähigkeiten und großer Vorliebe für geistige Getränke. Gamarra cassirtc die Wahl und löste denCougrvß gewaltsam auf. Eine brave Schildwache, Juan Rios, der die Eingangstbür gegen zwei Compagnien vom Bataillon Pi-qniza ganz allein vertheidigte, siel schwer verwundet von Gamarra's eigener Hand. Anstatt Orbegozo's ernannte Gamarra den durchge-fallencnCandidaten, General Bermudcz, zum Präsidenten, Mehrere Generale und Ncgimcntscommandantcn, daruntcrNieto, Vidal und Gchcnique, erklärten sich indeß für Orbcgozo, und nach heftigen Kämpfen sah sich Gamarra von allen Anhängern verlassen und flüchtete nach Bolivia. Das zerrüttete Land athmete für einen Au-gcul'lick auf. Der Congreß gab eine neue Constitution, die am 19. Juni 1834 feierlich proclamirt wurde, und Orbegozo blieb Präsident, Kaum hatte er jedoch, um eine Grvedition nach Arcquipa zu unternehmen, der Hauptstadt den Nucken gewandt, als der Oberst Salaverry, Festungscommandant von Callao, die Fahne des Auf-standcs erliob, nach Lima marschirtc und sich, mit einem Gebalt von -18,000 Donars, zum Obcrhcrrn des Landes erklärte/) Gleichzeitig *) Sal,i.'.,'rn) war ein großer schöner Mann, von gewinnendem Benehmen und glänzender Un/erhaltungsgabe, aber ehrgeizig, riicksichtslus Salaverni's vornbcrgchcnde Gewaltherrschaft. 157 brach cine Revolution ln Cuzco aus, dicGamarra in seiucm Interesse zu benutzen wußte. Er kam aus seinem bolivianischen (5ril zum Vorschein, erkannte der Form nach Salaucrry's Autorität an und veisprach, die südlichen Departements unter seine Botmäßigfeit zu bringen. Der unglückliche Orbegozo, fast uon allen Truppen verlassen und uon zwei mächtigen Feinden zu Lima und Cuzco bedroht, wandte sich an den Präsidenten uon Bolivia um Hülfe. Santa Cruz, der sich schon lange mit dem Gedanken getragen kattc, Peru und Bolivia unter Ein Haupt zu bringen, erfaßt mit Freuden die Gelegenheit, seine ehrgeizigen Pläne zu fördern, Er fülirt sein Heer zuerst nach Cuzco. Gamarra, von Santa Cruz geschlagen, fliebt zu Sala-verry und wird von diesem verbannt. Der General Vallc Riestra, der eine Hccrabtlieilung Orbcgozo's gegen Lima fülirt, wird von seinen eigenen, meuterischen Truppen anSalaucrrn ausgeliefert und auf dessen Ordre erschossen. Auch General Nicto, der in: Norden gegen Salavcrry auftritt, siebt sich von seinen Truppen verlassen, und dieser wird, Arcquipa ausgenommen, von ganz Peru anerkannt. Doch das Glück wandte sich ebenso schnell wieder von ihm ab. Nährend Ealavcrry nn October l835 auf Nrcquipa marschirte nnd diese Stadt cinnalmi, bemächtigte sich General Vidal dc: Hauptstadt Lima. und kurz darauf, am 2 l. Januar 1836, der Festung Callao; und vou schwankenden Grundsätzen. Ei stand bei dem jünqern Thnle der Armee in großer Gunst und baltc bald eine ledentente Streitmacht in Lima znsaminengebr.nht. Charakteristisch für den Ungestüm sciiico t5l avakters ist eine Mcldotc aus scincr frühesten Jugend. Ale Knabe von zehn oder eis Iahrcn s.iß er eines Tages im San Carlo Collegium an einem Fenstev des obern Ttocks und sah ans der 3tiv,sic unten einen Neger mit Chirimmias vorbeigehen. Er rief ihn an, ließ ein Körbchen hinab nnd verlangte für zwei Nealen Fruchte. Der Neger schien nicht gerade die besten hcransznlesen, da sprang der Knabe mit einem Salze dnrchö Fenster, nm den Neger zu züchtigen, ohne zu bedeuten, dasi er fich im obern Stocke befand. Glüetlicherweisc wurde er nuch am Fuste ergriffen und znrüclgczogcu. Sebon ii" M'lstcn Jahre entflol, er von Lima zur ratriotiselicn Armee, nnter deren Fahnen er sich später bei Macucho glänzend hervorthat. 158 Salllvcrry's Niederlage und Ende. Santa Cruz vereinigte sich mitOrbegozo, rückte gegen Arequipa an und drang am 30. Januar 1836 mit vier Divisionen in die Stadt ein. Salaverry behauptete indeß die Brücke, die über den Chile führte, und Santa Cruz mußte sich durch Barrikaden von Baumwullen-ballen decken. Endlich, am 13. Februar, kam es zur entscheidenden Schlacht. In dieser erlitt Salauerry eine vollständige Niederlage, Vergebens suchte er die versprengten Truppen zu sammeln und tödtete mit eigener Hand sieben von seinen fliehenden Soldaten; die Schlacht war verloren. Er suchte sich in den Hafen von Islay zn retten, wurde aber von General Miller verfolgt und ergab sich diesem gegen dieZusichcrung, daß sein und seiner Anhänger Leben geschont werden solle. Santa Cruz brach aber die Capitulation, stellte ihn und seine vornehmsten Officicrc vor ein Kriegsgericht uud ließ sie zum Tode verurtlieilen. Am 18. Februar 1836 wurden die Ge» nerale Salaverry und Fcrnandini, sammt den Obersten Carrillo, Cardcnes, Solar, Valdivia, Rivas, Picoaga und Mapa auf den Marktplatz non Arequipa zur Execution abgeführt. Jeder grüßte den Chef, als er bei ihm vorüberging. DieHinrichtung erfolgte so, daß aus Alle zugleich eine Salve abgefeuert wurde. Sie stürzten, nur Fernandini nicht. Dieser sprang von seinem Stuhle empor und suckte in derKathcdrale cineFrcistätte zu gewinnen; aber der Pöbel hielt ihn auf, zerschmetterte ihm den Kopf mit Keulcnschlägen und beschimpfte den leblosen Körper/) *) Salavcrry schrieb an seine — nuch lebende — Gemahlin tdie sich einst dringend, aber vergeblich, für den General Valla Niestra bei ihm verwandt hatte) am T,igc der Hinrichtung folgenden Brief: „Meine geliebte Inana, In wenigen Stunden gehe ich znin Tode. Santa Crnz mordet mich, nnd ich wünsche meinen letzten Gedanken Auodrnck zu geben. Ich habe Dich so innig geliebt, als ich's vermochte, und ich scheide ans der Welt mit dem tiefsten Schmerze darüber, daß ich Dich nicht glücklicher gemacht habe. Ich zog das Wohl meines Vaterlandes dem Wohl meiner Familie vor; aber weder das eine noch das andere zu befördern war mir vergönnt. Sei so glücklich, als Du kannst, nnd vergiß nicht Deinen Dich liebenden Gatten Den 18. Februar 18!jö. Salaverry." Santa-Vruz und die Coufoderatiou. 159 Santa Cruz hatte nun Peru vollständig erobert, und sein Lieblingsplan, es mit Bolivia zu vereinigen, gedieh zur Reife. Orbegozo wurde zum bloßen Werkzeug in seinen Händen, Zwei Reichsvcrsammlungcn, zu Huara und Sicuani, riefen Santa Cruz zum Protector der Peru-Bolivianischen Konföderation aus. Sie bestand aus drei Staaten: Lima, im Norden, mit Orbegozo an der Spitze; Cuzco, im Innern, unter Namon Herrcra; und die alte Republik Bolivia. Der Dictator erwählte Lima zu seiner Residenz und Garcia de Nios sowie Casimiro Olancta zu seinen Ministern. Santa Cruz ist klein vou Statur, von dunkler Gesichtsfarbe und indianischer Gesichtsbildung, besitzt einen feinen höfischen Anstand und vornehme Sitten, und ist talentvoll, gebildet, redlich und ehrenhaft— Eigenschaften, von denen die beiden letzten unter den südamerikanischen Staatsmännern selten gefunden werden —; aber er bewies sich grausam und rachsüchtig und machte sich durch seine unnöthige Strenge gegen die Anhänger Salaucrry's und Ga-marra's viele und mächtige Feinde. . Während seiner Herrschaft erfreute sich Peru einer kurzen Ruhe, er that den Untcrschlcifcn und der Corruption in der öffentlichen Verwaltung Einhalt, crmuthigte den Unternehmungsgeist der Fremden und widmete den Handclsvcrhältuisscn des Landes die größte Aufmerksamkeit. Die übrigen südamcrikanischcn Staaten wurden aber bald eifersüchtig auf die wachsende Macht und den zunehmenden Wohlstand der Konföderation; und die Republik Chile erklärte am Ende Santa Cruz den Krieg. Nach einem fchlgcschla« genen Versuch auf Arcquipa segelte eine Expedition von 5400 Mann unter General Vulnes, dem sich Gamarra, La Fucnta, Elcspuru und gegen sechzig andere peruanische Erilirte angeschlossen hatten, von Valparalso ab und landete am 6. August 1838 in dem kleinen Hafen von Ancon, nördlich von Callao. Orbegozo in Lima hatte sich inzwifchen mit den Generalen Nieto und Vidal gegen Santa Cruz erklärt; allein sein Haß gegen Gamarra war so groß, daß er auch der chilenischen Invasion entgegen trat. Dieses letztere jedoch ohne Erfolg; denn er erlitt in der blutigen Schlacht bei La Guia eine vollständige Niederlage und mußte sich mit Nieto in die 160 Eanta Cruz' Sturz; Gcuuan'a Präsident. Festung Callao zurückziehen, während Bulnes und Gamarra die Hauptstadt besetzten. Als Santa Cruz, der sich damals in Cuzco befand, von diesen, Unglückssalle Nachricht crbielt, erließ er eine Proclamation, worin er Orbcgozo als einen Abtrünnigen, welcher Peru verhaßten auswärtigen Feinden preisgegeben, bezeichnete, und rückte gegen Lima vor, nachdem er ein Ncservccorps unter dem bolivianischen General Ballivian in Puno zurückgelassen hatte. Der Feind räumte bei seiner Annäherung Lima, Santa Cruz verfolgte ihn und erreichte iim am 20. Januar 1839 bei Mugay am Flusse Santa. Die Schlacht war entscheidend; der Protector wurde total geschlagen und floh der Küste entlang nach Arcquipa, um sich von dort aus mit dem Ncscrvceorps in Puuo zu verbinden; allein Val-livian machte den Verrätbcr und crtlärte sich gegen seinen früheren Gebieter. Sauta Cruz, von allen Hülfsmitteln entblößt, floh übcrIslay nach Guayaquil, erhielt mittelst eines später abgeschlossenen Vertrags eine Pension und hat seit vielen Jahren seinen Aufenthalt in Paris genommen. Der ehrgeizige Gnmarra war nun noch einmal Meister der Situation und wurde, nachdem die Hülfstruppcn von Cln'le sich znr Hcimkchr eingeschifft hatten, zum provisorischen Präsideuten der Nepublit ausgerufen. Sein erster Negierungsact war, daß er Orbcgozo und alle Geuerale, die unter Santa Cruz gedient hatten"), verbannte; sodann berief er auf den 22. März einen Congrcß nach Huancayo, einer kleinen Stadt in dcn Anden, wo die Versammlung weder vom Volke noch von der Presse, sondern nur vom Heere bcciuflußt werden konnte, und ließ durch ein Dccrct vom 25. September alle Beschlüsse der Congresse zn Sicuani und Huara, sowie alle Acte des Protectors für null und nichtig erklären. Der *) Orbcgozo durfte nach Gamarra's Tode nach TrüMo, scincr Ge-burtostadt, zuri'icttehrcn, wo cr 184« starb, gu den übrigen Vcrbauutcn gchörtm Riva Agucro, der cinc liebenswürdige uud sehr gebildete Belgierin heirathctc »ud jetzt in Lima wohut, Nicto, dcr 1843 in Cuzco vergiftet wurdc, nud Milln-, dcr scit längerer Zeit das Amt eines groß-britaunischeu Gcneralcousulö a»f dcn EandwiclMnscln bekleidet. Die neue peruanische Verfassung. 161 Congrcs; entwarf cine neue Vcrfassnna,, welche am 10. November 183l1 vwclamirt wurde und noch jetzt in Peru in Geltung ist. Sie schuf eine sehr starke Execuliugewalt nnd verminderte die Unab» liängigkcit der Richter. Der Congreß besteht aus einem Senate von 21 Mitgliedern und einer Kammer von Depntirten, die, auf je 30,000 Seelen Einer, durch Wahlmänncr gewählt werden. An der Spitze der Grccutiugcwalt steht der ans sechs Jahre gewählte Präsident mit einem Kabinct von vier Ministern nnd einem Staatsrathe von 15 Bürgern, der seinen eigenen Präsidenten und Vicc-vrüsidenicn hat und vom Congrcssc gewählt wird. Für die Justiz-, angelegcnhcitcn besteht ein oberster Gcrichtshofzu Lima, der in allen Npvellationsfällen die letzte Instanz bildet. Jedes Departement hat für die wichtigeren Civil» und Criminalsachcn einen Ober-geiichtöhof; jede Provinz einen Civil- und Criminalrichter: jeder Ort einen Alcade oder Friedensrichter. Die Republik ist in 12 Departements und 65 Provinzen' ') Die Departements und Provinzen Nnd nach den Nahlc» von 1855 folgende: Departements. Provinzen. I. Amazonas. Chachapoyas. Maynas. II. Ancach. Conchncos. Hnari. Hnaywö. Santa. Cajatambo. III. Ayacucho. Andahuaylas. Hnamanga. Huaiila. Lucanas. Pari- nacochas. IV. ssai'amarca. ssal-amarca. Cajabamba. Khota. Iaen. V. kuzco. Cuzco. ?lba>uai'. Anta. Alimaracs. Calca. Cotabam- bas. Cannas. kanchiz. sshumbn'ilicao. Paular-tambo. Paruro. i^iüspicauchi. Urubamba. VI. Huaucavclica. Huaucavelica. Castro-Vircvna. Angaraes. Tayacaga, VII. Inuin. Pasco. .^aura. Hnanuso. Huamalics. VIII. Libertad. Trnr,illo. Cbiclalw. Pataz. Huamachuco. öambajcqne. Piura. IX. Lima. Lima. Canta. Canete. Lhancay. ^))ca. Sanyos. Callao. ^- Pu»o. Pnuo. Anzangaro. Lampa. Hnancane. sshucmto. Caravalia. XI. Areqnipa. Arcquipa. ssamana. Cailloma. La Union, ssondesuyoö. CastiNa. XII. Moqnegua. Tarapaca. Arica. Moqncgna. Pcr». ^ ^ 162 Neue Ausstände nud Kämpft. getheilt. Die Departements werden durch Präfectcn, die Provinzen durch Uuterpräfecten verwaltet; und die letzteren zerfallen wieder in Bezirke, denen Gouverneurs vorgesetzt sind. Alle diese Beamten erwählt der Präsident, dem dadurch eine große Macht in die Hand gelegt und die Möglichkeit gegeben ist, die Wahlen so zu beeinflussen, daß der Congreß fast nur aus seinen eigenen Geschöpfen zusammengesetzt ist. Am 10. Juli 1840 wurde Gamaira als constitutioneller Präsident und Wicdcrbersteller der Freiheit des Landes proclamirt. Es dauerte aber nicht lauge, als eine neue Ncbellion gegen die bestehende Ordnung der Dinge ausbrach. Schon am l. Januar 1841 erklärte der Oberst Vivanco, ein schöner, ehrgeiziger Mann und ein vortrefflicher Gesellschafter, der „Alcibiades von Peru" genannt, aber nichts weniger als ein ausgezeichneter Feldherr, sich selbst zum Regenerator von Peru. Was Gamarra getban, sei ein Werk der Täuschung und Empörung; der Congreß habe nicht frei berathen, sondern unter dem Einflüsse der Armee gestanden. Gamarra sandte eine kleine Abtheilung des Heeres unter General Don Namon Castilla gegen ihn ab. Der letztere, ein von seinem glänzenden Gegner völlig verschiedener Charakter, begann als Maulthiertreiber, wurde dann spanischer Soldat, brachte es bis zum Sergeanten und erhielt beim Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges eine Ofsicicrsstelle in der patriotischen Armee. Er ist nnn schon bei vorgerückten Jahren und besitzt ein nicht gewöhnliches Vefehlskabertalent und stete Geistesgegenwart mit unerschrockenem kühnen Muthe verbunden. Was ihm an Erziehung abgeht, ersetzt er durch praktischen Verstand; und, immer siegreich, hat er sich doch im Siege stets durch Humanität ausgezeichnet. Er ist klein von Statur, von gerader Haltung, hat durchdringende schwarze Augen, eine Adlernast und rein indianische Gesichtszüge. Dieser Mann, der bestimmt war, seinem Lande späterhin zu Frieden und beginnendem Wohlstand zu verhelfen, zeigte sich dem jungen, flüchtigen Vivanco natürlich bei Weitem überlegen. Der Feldzug war schnell bceudigt und der Regenerator entfloh nach Bolivia. Vivcmco's zweimalige Erhebung. - 163 Santa Cru; batte noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, sich der Herrschaft wieder zu bemächtigen und unterhielt zahlreiche Agenten in Peru. Gamarra fuchte einen Vorwand, Bolivia zu bekriegen, uud erklärte, daß die Partei des Santa Cruz gegen Peru confpirire. Der Präsident von Bolivia, General Velasco, rcsignirte zu Gunsten Balliuians, durch dessen Vcrratli Santa Cruz zum Aufgeben seiner Sache genöthigt worden war. Ballivian gab die Versicherung ab, daß in Bolivia Niemand für Santa Cruz gestimmt sei, und daß Gamarra's Invasion jedes nöthigenden Grundes entbehre. Gamarra erwiederte! Ballivian sei selbst ein Geschöpf des Gr-Protectors, und .schon deshalb werde er mit seiner Armee vorrücken. Nachdem General Ramon in einem unbedeutenden Treffen die Oberhand über die Bolivier erlangt hatte, kam es am ^.November bei Mgcwi unweit 3a Paz zu einer entscheidenden Schlacht, in der die Pcrunner eine völlige Niederlage erlitten. Gamarra selbst siel; eine ganze Schwadron ritt über seinen Lcichuam hinweg. Castilla, der zweite Befehlshaber, wurde mit vielen andern Officicrcn gefangen; San Roman entkam mit knapper Noth nach Peru. Als Castilla vor den Präsidenten von Bolivia gebracht wurde, warf dieser ihm vor, daß er am Kriege schuld sei, gab ihm mit der Faust einen Schlag ins Gesicht, durch den ihm ein paar Zähne ausgcbrochen wurden, und verbannte ihn in die entlegene Stadt Santa Cruz in der Sierra. Vallivian ging mit seiucr siegreichen Armee über die Grenze und besetzte Puno. Er traf aber von Seiten der Generale Ramon, Nieto uud Bcrmudez auf einen kräftigen, wohlorganisirtcu Widerstand, und so kam es nntcrVcrmitt-lnng der Republik Chile am 7. Juni 1842 zum Frieden zwischen Bolivia nnd Pern, nicht aber ;um innern Frieden in Peru. Mit dem Tode des Präsidenten wurde nach der Constitntion der Präsident des Staatsraths, Mcnendez, provisorischer Präsident der Republik. Aber die Generale Vidal, La Fucntc, Torico und andere lehnten sich gegen ihn auf, und es entstanden lange, blntige Zerwürfnisse, iu deren Verlaufe auch Vivanco, der Regenerator, wieder auftauchte nnd nunmehr nnter dem Titel „Oberster Director" 1l' 164 Don Ramon Castillo Präsident. — statt des früheren unglücklichen, den er fallen ließ — seinen trinmphirendcn Einzug in Lima hielt. Er hatte uicl versprochen, hielt aber nichts und verlangte, daß seine Generale jedem von ihm künftig zu erlassenden Gesetze im Voralls Gehorsam schwören sollten. Seine absurden Decrcte und sein stolzes Betragen verletzten viele der einflußreichsten Männer, und endlich landeten die Generale Castilla, Nieto und Iguain mit einem kleinen Heere im Departement Moqucgua und erklärten, unter dem Versprechen, daß sie die Verfassung wieder herstellen wollten, dem Director den Krieg. Sie kämpften mit Erfolg, setzten sich inCuzeo fest, wo Nieto zum Präsidenten einer Junta von Fünf Männern, Castilla zum Oberfeldhcrrn der constitntionellcn Armee erwählt wurde, unterhielten mit Lima dnrch ihre Gemahlinnen, die dort zurückgeblieben waren, Verbindungen'), und verstärkten sich durch liäufige Abfälle der wider sie ausgcsandtcn Truppen, wodurch der unglücklichcOber« director, der in einer lcmgenScharlachrobc mitHermclinmäntelchcn und aufgekrämptcm Hute, auf dem ein ungeheurer Federstutz prangte, umherzuspazieren pflegte, selbst ins Feld zu zieycn genöthigt wurde. Um diese Zeit war Nieto zu Cuzco plötzlich gestorben, unp Castilla wurde Präsident der Junta und Haupt seiner Partei. Bei Carmen Alto, unweit Arequipa, erlitt endlich Vivanco am 17. Juli 1844 eine totale Niederlage und cntfto!) nach Islay. während der edclmüthigc Sieger allen beim Anfstandc Bctheiligten verzieh und den constitutioncllen provisorischen Präsidenten Menen-dez wieder in sein Amt einsetzte. Nachdem Don Namon Castilla somit sein Versprechen erfüllt hatte, wnrde er am 19. April 1845 durch den Congreß zum Präsidenten dcr Nepnblik Peru erwählt. Der Friede war endlich dem unglücklichen Lande wiedergegeben, und die Folgcn eines gesicherten Zustandes und einer ge- *) Die Gemahlin CaMa's gab diesem von Zeit zu Zeit durch erpresse Voten von allen Bewegungen Vivauco'ö Nachricht. Einen dieser Voten sing der Director auf, was die Verhaftung der Dame znr Folge hatte. In der Nacht aber legte sie eine große Puppe in ihr Bett, verkleidete sich als Negerin, täuschte su die Wachsamkeit der Schllowache und entkam. Aufschwung des peruanischen Wohlstandes. 166 ordneten Verwaltung wurden bald sichtbar. Fremde und Einheimische ließen in verschiedenen Theilen dcs Landes neue Unternehmungen ins Leben treten. Es wurden Bergwerke in Van genommen, in Lima eine Vaumwollcnfabrik ctdblirt, und selbst eine Eisenbahn zwischen Lima und Eallao Eröffnet, noch cl,e Castilla's Präsidentschaft abgelaufen war. Auch die kleine Flotte, welcher der Präsident große Aufmerksamkeit schenkte, wurde vcrmebrt, Sie bestand 1843 aus einer Corvette, einer Barke, einer Brigg und einem Schoner mit zusammen 54 Kanonen und 2 Carouadcn, dagegen 1853 aus einem Raddampfer mit zwei 68- und vier 24-Psündern, einem Schraubendampser mit 24 Kanonen, zwei Briggs von je 16 Kanonen, und einem Schoner mit einem 9-Pfünder. Wakrcnd der Präsidentschaft Castilla's eröffnete sich für Peru eine neue und mit reißender Geschwindigkeit sich steigernde Einnahmequelle in dem nach Europa und den Vereinigten Staaten erportirtcn Guano. Auch die Silbcrgruben, deren Ausbeute man im I. 1835 auf 630,000 Pfund Sterling schätzte, haben sich bedeutend aufgebessert, und ebenso sind beträchtliche Quantitäten Salpeter, sowie Alpaca- und Vicunna-Wolle ausgeführt worden. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkcitscrkläruug erhielten die bei dem englischen Darlehn bctheiligtcn Gläubiger ihre Dividenden ausgezahlt; uud ebenso erkannte Castilla im I. 1847 eine bedeutende innere Schuld an und sing an die Interessen davon zu zahlen. Auch andere Zeichen dcs öffentlichen Wohlstandes machten sieh bemerkbar. Die Besitzer der Zucker-, Baumwolleu- uud Weinpflanzungen führten Dampfmaschinen und verbesserte Betriebsmethoden ein, Brücken- und andere öffentliche Baue wurden begonnen, auch die Privatgebäude in Lima mehrten sich; und während man im .Jahre 1844 nichts als die altmodische zweirädrigc. von uncm Maulthicr gezogene Kalesche sah, werden gegenwärtig die Straßen der Hauptstadt von einer Menge englischer Bronghams und Phaetons befahren. Der Anfang der Eastilla'schcn Verwaltuug wurde durch eine Differenz mit den englischen Behörden umwölkt, zu der eine Be- 16ll Echeuique's Präsidentschaft. leidigung dcs englischen Consuls zu Tacna durch den General Iguain Veranlassung gegeben balte; doch wurde das Mißver-ständniß durch Verbannung des Beleidigers gehoben, und cinVesnch, den der Präsident in ungeheuren Stiefeln und derben Lcderhosen bei Sir George Seymour an Bord Ihrer Majestät Schiff Colling« wood machte, stellte die freundlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten wieder her. Nach außen hin wäre es beinahe zu einem Bruche mit Bolivia gekommen, das seine Küstenlinie zu verlängern und namentlich den Hafen von Arica zu gewinnen wünschte. Doch wurde der Sturm durch den Vertrag von Arcquipa im I. I847 beschwichtigt, und eine Revolution, die gleichzeitig in Bolivia ausbrach, entfernte den Präsidenten Ballivian vom Staatsrudcr und brachte Castilla für die Niederlage von Mgavi und die schwere persönliche Beleidigung, die ilun zugefügt wordeu war, eine späte Genugthuung. Im Innern hatte Castilla nnr einen einzigen Ausstand, den GeneralSanNoman/rhob, der aber schnell unterdrückt wurde, zu bekämpfen. Nach Ablauf seiner Amtszeit, im I. 1851, forderte Castilla die Wahlcollegien auf, zur Wahl eines Nachfolgers zu ucrschreiten. Die hervorragendsten Candidatcn waren Don Domingo Elias, General Don Jose Nufino Echcniquc, welcher während Castilla's Verwaltung Präsident des Staatsraths war, und die Generale Vivanco und San Noman. Echcniquc trug den Sicg davon, und Castilla, der erste Präsident, der den vollen vcrfafsuugsmäßigen Termin im Amte geblieben war, zog sich ins Privatleben zurück. Echcnique stammt aus Puno von guter Familie, schloß sich im Unabhängigkeitskriege den Patrioten an und gehörte zu den Gefangenen auf der Titicaca-Insel. Er kämpfte für Orbegozo, Santa Cruz und Vivanco, verließ die Sache dcs letztern bciXauza und wurde, als CaMa au dicSpihe derVerwaltuug trat, iu den Staatsrath gewählt. Echcniquc blieb während der ersten Zeit seiner Amtsführung unangefochten. Im I. 1853 entstand aber eine allgemeine Unzufriedenheit über sein Regiment; und diesmal war es General Castilla, Aufstand unter General Caftilla. 167 der sich verpflichtet fühlte, die Fahne des Aufstands zu erheben. Gr that es zu Arequipa und gewann augcublicklich die Unterstützung der südlichen Departements. Auch Don Domingo Elias, der schon vorher ein paar verunglückte Versuche gemacht hatte, legte für die Sache Eastilla's das Gewicht seines Namens in die Wagschale, uud dieser trat mittelst Proclamation vom 1. Juni 1854 als provisorischer Präsident der Republik und „Liberator" auf, erklärte, daß Echenique sich durch Pflichtverletzungen der ihm anvertraut gewesenen Regierung selbst begeben babe, und versprach die unumgänglich nöthigen Reformen, deren Verweigerung zu der Revolution geführt hätte, durchsetzen zu wollen. Gleichzeitig fügte er dicVcrsicherung hinzn, daß er binnen 30 Tagen, von der Pacification des Landes an gerechnet, den Congreß zusammenbcrufcn, über seine Handlungen Rechenschaft ablegen und die Reorganisation des Landes vollenden wolle. Castilla begann den Fcldzug im I. 1854, indem crvonCnzeo nach Ayacucho und Huancauelica vorrückte; Elias blieb inArcquipa zurück. Echenique befand sich im Vesitze aller der Vortheile, welche der Besitz der Macht und ein treu ergebenes stehendes Heer darbieten; allein seine Talente reichten nicht aus, ihn zum Meister der ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten zu machen. Schon im März war General Torico nach Arequipa gesendet worden, aber, nachdem er es sich von Weitem besehen, unverrich-tcter Dinge wieder heimgekehrt. Im November ging eine zweite Expedition unter General Moran ab. Bei Alto del Conde kam es zum Trcffcn, und Elias wurde von Moran geschlagen. Der letztere verfolgte seinen Sieg, rückte nach Arequipa vor und vereinigte sich mit dem General Vivanco, der von Islay gekommen war, um sich der Sache Echcnique's anzunehmen. Elias hatte sich mit dem Reste seiner Truppen nach Arequipa zurückgezogen. Am 30. November griff Moran die Stadt an, fand aber von Seiten der Einwohner den hartnäckigsten Widerstand. Sie uerbarrikadirten die Straßen und hielten sich tapfer. Der Kampf dancrte die ganze Nacht durch. Am Morgen sah Moran, daß er nicht nur geschlagen, soudern auch 168 Endlicher Friede unter Castilla. abgeschnitten sei; cr mußte sich ergeben. Zwei Stunden spater wurde der unglückliche General vom Volte, das ihn für einen blutdürstigen Fremdling erklärte, auf dem großen Markte zu Arequipa erschossen. Man muß leider fürchten, daß Don Domingo Elias sich bei diesem nutzlosen Morde betheiligt habe. Während so die Revolution in, Süden triumfthirte, war Castilla bis nach Huamavclica vorgerückt, hatte den Präsidenten Gchenique durch geschickte Bewegungen umgangen nnd ihn^ so ermüdet, daß cr sich mit gesunkenem Mutbe- nach Lima zurück» zog. Nun stieg Castilla die Cordilleren herab, schlug die Truppen Gchenique's bei La Palma und zog am 5. Januar 1855 trinmphi-rend in Lima ein. So befand sich der alte Veteran uach langem Feldzugc uoch einmal im Besitze der höchsten Gewalt und setzte die bereits begonnenen Reformen in ausgedehnter Weise fort. Denn schon am 5. Inli 1854 hatte erder schmachvollen Indianer-Kopfsteuer uud im October darauf der Sklaverei im ganzen Gebiete der Republik ein Ende gemacht. Seinem Versprechen gemäß berief er auf den 11. Juli 1855 eine Nationalversammlung nach Lima und legte derselben in ausführlicher Darstellung umfassende Rechenschaft ab. Dies wären, in kurzen Zügen, die Zerrüttungen uud Trübsale, denen das Land derIncas, seitdem es das spanische Joch abgeworfen, ausgesetzt gewesen ist. Völlig unvorbereitet auf die Freiheit, fiel der unglückliche Staat den ehrgeizigen Plänen unbefugter uud uur zu oft auch gewissenloser militärischer Abenteurer zur Beute anheim. Wohlstand und Fortschritt blieben meist eitle Worte im Munde seiner Beherrscher, das Volk wurde durch die endlosen Bürgerkriege ins Unglück gestürzt, und die Revolutionen brachten Kummer und Elend über die Familien des unterliegenden Theils. Dennoch hat Peru während dieser dreißigjährigen Wirren, wenn auch langsame, doch sichere Fortschritte gemacht. Die Gutherzigkeit und vortreffliche Gesinnung, durch welche sich das Volk in seiner Mehrheit auszeichnet, verbundn mit dm Talenten, welche es besitzt, erhielten es im Strome der Anarchie, der seine Gefilde Lima's Bildmigsanstaltcn. 169 mit Blut überflutet hat, aufrecht; und die reißcuden Fortschritte der wenigen Jahre, wo es sich der Nulie und des Friedens erfreute, beweisen, wie fähig seine Söhne und Töchter sind, ihren Platz in der Ncihc der gebildeten und civilisirten Nationen einzunehmen. Peru ist durch die Schule des Uuglücks und durch eine lange und schwere Prüfung gegangen; wir dürfen daher wohl hoffen, daß es, so belehrt, eine fernere militärische Unterdrückung zurückweisen und ciucr lichteren Zukunft cutgcgeu gchcu werde. Zehntes Kapitel. Lima. Literatur und Gesellschaft. Bildimgsanstaltcn. — Lilerarischcs und geselliges Leben. — Die neuere Literatm: Wpiuosa, Vigil, Rivcro und Audcre. — Peru's gegenwärtiger Aufschwung und seine Zut'uuft. Der südamcrikanische Charakter liat durch die Vermischuug mit indianischem Blute, die in Peru fast allgemein ist, zwar viel uon der spanischen Würde und dcm spanischen Gehorsam verloren, dagegen aber eine Lebhaftigkeit des Temperaments und eine Schnelligkeit der Auffaffungskraft gewonnen, die den Verlust in reichem Maße aufwiegcn. Lima besitzt außer dcm Collegium von San Carlos die Universität zu San Marcos, die älteste der Neuen Welt. Sie wurde durch cinDccret Kaiser Karls V. vom 12. Mai 1551 uutcr Ertheilung derselben Privilegien, deren sich Salamanca erfreut, ins Leben gerufen und dnrch eine Bulle Pins'V. vom 25. Juli 1571 bestätigt. Die jungen Männer, die auf diesen Bildungsanstalteu ihre Studien gemacht haben, sind. wenn sie auch viel Zeit in Kaffeehäusern und Billardzimmern, sowie beim Hahnengefcchtc und beim spiele, dem sie sehr ergeben sind, zubringen, doch in der Unterhaltung außerordentlich liebenswürdig und häufig gut belesen. VorMem aber bilden die Frauen von Lima den anziehendsten Theil der Gesellschaft. 170 Dic Fiauemvelt in Lima. Meistens sehr schön, mit feurigen schwarzen Augen, geistreichem und lebhaftem Gcsichtsausdrnck und von unmuthiger Gestaltt, b«-schcn sie zugleich eine große natürliche Gewandtheit, einen glänzenden Witz und ein höchst liebenswürdiges Betragen. Bis vor wenigcn Jahren erschienen sie beim Ausgehen in einer eleganten, sehr wohl kleidenden Tracht, die jetzt nur noch bei Sticrgefcchtm, Processionen und andern großen Gelegenheiten gebräuchlich ist, nämlich in der Saya y manto, einem schwarzseidcncn Mantel, der an den weiten Atlasrock befestigt, über den Kopf gezogen und so gehalten wird, daß nur Ein funkelndes Auge sichtbar ist, nnd die Ausfüllung des vollen bezaubernden Bildes der Phantasie des Beschauers überlassen bleibt. Die Dampfboote und Eisenbahnen haben die französischen Moden mitgebracht, denen das altcNationalcostüm weichen mnßtc; doch haben die Frauen von Lima mit ihrer charakteristischen Tracht ihre alten Vorzüge nicht aufgegeben nnd siud den Männern an Talent nnd Intelligenz weit überlegen geblieben. Bei solchen Elementen der Gesellschaft kann der Aufenthalt in Lima nur angenehm sein; die italienische Oper, Feste mancherlei Art, die gastlichen Mittagstafeln nnd wohl auch ein großer Ball bitten willkommene Gelegenheit zu Beobachtungen dar. Doch gehört ein Ball zu den selteneren Erscheinungen. Der Präsident Echcniqne war in dieser Beziehung äußerst sparsam. Dann und wann findet einer im Hanse des verstorbenen Marquis von Torre Tagle statt, dessen Erbin an einen Nechtsgclchrten vermählt ist. Dieser Palast ist das schönste Privatgebä'nde in Lima, Durch das Eingangsthor, dessen Säulen reich mit Stcinbildwcrk geziert sind, gelangt man in einen breiten Corridor mit gewölbter, von manrischen Bogen getragener nnd künstlich geschnitzter Decke. Der große Saal, ein weiter Raum mit vergitterten, auf die Straße hinausgehenden Balkönen, enthält mehrere schöne mit Perlmutter und Silber ausgelegte Cabinetsstücke nnd giebt einen vortrefflichen Ballsaal ab. Bei solchen Gelegenheiten dauern die Festlichkeiten bis vier Uhr früh nnd schließen dann mit einer warmen Mahlzeit. Alle Gemächer des Hauses, selbst die Schlafzimmer nicht ausgenommen, stehen offen, nnd dienen theils zum Tanze, theils znm Spiele, Geselliges und litcranschcs Leben. 171 theils zu Büffets, theils endlich zur Promenade, indem die Gäste in den Pausen durch die langen Reiben derselben hin- und hcr» wandern. Tanz und Spiel sind Hauptbeschäftigungen der Bevölkerung von Lima, namentlich das letztere, welches leidenschaftlich betrieben Wird, und von dem sich selbst die Geistlichkeit nicht frei hält. Eine gewisse Indolenz und Frivolität, mit der der jüngere Theil der Gesellschaft hier lebt, zeigt sich in einem allgemeinen Mangel au Geistcsanstrengung. der in der Literatur, besonders auch in der periodischen, zu Tage tritt. Während der spauischcn Herrschaft zeichnete sich einer der Vice-könige selbst, der Prinz von Esquilache (i 1653), ein großer Freund der Universität und Beförderer der Wissenschaft, als epischer und lyrischer Dichter aus; und im vorigenIahrhnndcrt behauptete den ersten Naug unter den Gelehrten von Lima Don Pedro de Peralta y Barnueuo, der achtzehn Sprachen verstand, Professor der Mathematik, Ingenieur, Kosmograph uud äußerst fruchtbarer Schriftsteller war, auch mehrere Dichtungen herausgab, unter denen sein „I/iiua ssundaän" in Ticknor's Geschichte der spanischen Literatur Erwähnung gcfuuden hat. Aielc seiner Schriften blieben ungedruckt, denn der zu Herstellung eines Drnckwcrks in Pern erforderliche Kostcnaufwaud ist so bedeutend, daß die Schriftsteller iu die-serVezieyung von jeher mit großen Hindernissen zu kämpfen hatten. Von periodischen Blättern erschien im vorigen Jahrhundert unter dem Titel kiLi-euno poi-uano eine wissenschaftliche Zeitschrift zu Lima, und später, in den neunziger Jahren, einc Art geographisch» statistisches Handbuch, Üum ä«i ?eru, das den gelehrten und verdienten Präsidenten des Medicinal-Collcgiums zu Lima, Dr. Unanul zum Herausgeber hatte. Nach der Unabhängigkcitserklärung entstanden mehrere Zei-tuugen, die sich der größten Zügcllosigkeit uud rohen Mißbrauchen hingaben uud nur zu oft von der am Nudcr befindlichen Verwaltung geleitet und bestochen wurden. Auch jetzt noch sind die Spalten dcrTagcsblätter meistens mit unziemlichenInvectiuen gegen hervorragende und einflußreiche Männer angefüllt, die mit armseligem 172 Die neuere veruanische Literatur. Gezänk über Schauspieler und Sänger nnd schlechten Poesien abwechseln. Auch an politischen Flugschriften voll Beleidigungen und Verleumdungen fehlt es weder in Lima noch in anderen Städten; sie bilden einen nur zu großen Theil der wenigen Werke, welche die Presse Peru's zu Tage fördert. Wenn aber auch die Oberfläche durch derartige Produktionen befleckt ist, so giebt es in Peru immerhin auf der andern Seite politische Schriftsteller von Talent und Gelehrsamkeit, welche die Literatur ihres Vaterlandes vor Verachtung bewahrt haben. Auch finden sich einige wenige Männer, die mit den vorragend charakteristischen Eigenschaften ibrcr Landsleutc erweiterte und uu-befangcnc Ansichten verbinden, die ihre Meinungen weder um Gold noch um Macht gewechselt haben, nnd die den Grund der schlechten Verwaltung nnd der unglücklichen Zustände ihres Vaterlandes mehr in den tiefer liegenden, durch die dreilmndertjährige Herrschaft der Spanier ihm eingeimpften Nebeln als in dem Verrathe des einen oder der Käuflichkeit des andern Generals suchen. Zu diesem Schlage von Männern gehört der Oberst Espinosa, Verfasser verschiedener kleineren politischen Schriften, aber hauptsächlich durch sein Nerk ,,^n, ttcrelicki, ^LMNuI»" berühmt, in welchem er in einer Reihe von Briefen an Isabella II. das Unglück, unter welchem sein Vaterland seufzt, der verderblichen Politik ihrer Vorfahren bcimißt. Es ist mit Takt und Geschick ge-schriebeu, entwickelt die Ursachen, aus denen die Corruption der peruanischen Verwaltung heruorgcgangen ist. in einem meisterhaften Style und schont dieLandslcntc des Verfassers ebenso wenig als die Nachkommen ihrer Unterdrücker. Er wirft den Amerikanern ihre Trägheit, ibren Stolz und ihre Ordens- und Titclsucht vor — alles, wie er behanptet, ein spanisches Erbthcil — und ruft aus: „Nir Amerikaner sind unvcrlicsscrlich, weil wir uns für ein vortreffliches Volk halten, weil wir es nicht anerkennen, wie tief wir nntcr den Europäern stehen. Wir sind die allerschlimmsten Patienten; denn wir wollen nnserc Krankheit nicht zugeben, wir wollen kein Mittel dagegen anwenden, und wir schlagen wie Wahn- Die Schriften des Obersten Eövwosa. 173 sinnige auf die Aerzte ein, die aus Menschlichkeit den Versuch machen, uns in die Cur zu nehmen/' Er fährt dann fort, die Fcbler nnd Thorheiten feiner Zeit aufzudecken, uerfchont keine Klasse der Gesellschaft und läßt selbst die Pricstcrschaft, die vom alten Spanien fast bis zur Abgötterei verehrt wurde, seine Satyrc fühlen. „Ja diese Vibcln", sagt er in bitterer Ironie, „diese fürchterlichen spanischen Bibeln haben uns verführt und darüber aufgeklärt, daß zwischen der Lehre Icsn Christi und der Praxis nnserer Priester ein großer Unterschied ist/' Das war ein kühnes Wort für einen römischen Katholiken; es ist aber nicht blos für den Verfasser, sondern für viele von denjenigen Peruanern, die am meisten lesen und denken, charakteristisch. Das ganze Wert athmet Haß gegen Unterdrückung und schlechte Verwaltuug, während zugleich viele Stellen zeigen, daß ein Zug ächten Wohlwollens nnd warmer Philanthropie durch dasselbe hindurchgebt. Uutcr seinen kleineren Werken ist ein Schriftchen über die Colonisation der Uferländcr des Amazonenstromcs bemerkcnswcrth, worin er das Recht der freien Schissfahrt gegenüber dem Monopol, welchem der Strom uonSeitcn der brasilianischen Regierung unterworfen worden ist, auf das kräftigste vertheidigt. Seine neueste Production ist eine gedruckte Vertheidigungsschrift für den Obersten Mogaburu, der zu Ende des Jahres 1854 unter der Anklage der Rebellion vor einem Kriegsgerichte stand. Interessant ist es, daß er den Hauptuertheidigungsgrund aus der Allgemeinheit des Verbrechens entlehnt. Er erklärt, das Aergerniß, das sein Client gegeben, sei bekanntlich in der Geschichte Peru's schon zu verschiedenen Malen vorgekommen. ,,Es würde schwierig sein", ruft er aus, „unter allen össcntlichcn Charakteren Pern's, gleichviel ob Militärs oder Civilisten, nur zwölf zu bezeichnen, die sich nicht desselben Vergehens schuldig gemacht haben. Warum sollten wir von der Erklärung dieses Untcrpräsectcn gegen die Regierung der Welt Ende befürchten, wenn unzählige Generale, Präfecten und Minister dasselbe thaten? Und verlangt das Gcsetz, daß der, dcr gegen die 174 Allgemeine Richtung dcr peruanisch cn Obrigkeit sich auflehnt, gesteinigt werde, so wird doch keiner den ersten Stein auf meinen Clienten werfen, er müßte sich denn von den Pharisäern beschämen lassen, die alle vor dem Erlöser beschämt zurückwichen, einer nach dem andern, von den Aeltcsten an bis zn den Geringsten." Der Oberst Gspinosa gehört zu den würdigsten Schriftstellern Südamerika's; er hat sein Talent nie verkauft, und sein Beispiel wäre wohl geeignet, einen Wendepunkt für die nothwendige Reform der politischen Schriftstcllerei in Peru abzugeben. Der Grund, den er zu Vertheidigung seines Schutzbefohlnen angeführt hat, mochte vielleicht unter den gegebenen Verhältnissen der zweckmäßigste sein; allein so viel bleibt unbestritten, daß dcr fortwährende militärische Verrath die Wurzel alles Uebels ist, von dem Peru seit dcr Unabhängigkeit heimgesucht wurde. Ein un< brauchbares stehendes Heer mit einer im Verhältnisse zu den Gemeinen enormen Unzahl von Generalen und Obcrofficicren lastet wie ein Alp auf dem Lande, Die gemeinen Soldaten, meistens abgehärtete junge Indianer aus der Sierra, sind vortrefflich, na» mcntlich für ein Gebirgsland; aber ihre an ein müßiges und ausschweifendes Leben in Lima und andern großen Städten gewöhnten Ofsicierc sind zum größeren Theile nicht würdig, solche Männer in den Kampf zu führen. Wir haben gesehen, daß Oberst Gspinosa die Empörung als cin mit Nachsicht zu beurtheilendes Vergehen, wenn nicht al«.eine öffentliche Pflicht, vertheidigte. So gefährlich es stets ist, einer solchen Ansicht Naum zu geben, so allgemein ist dieselbe in Südamerika vorherrschend. Es zeigt sich dies in einer kürzlich in Lima veröffentlichten Biographie des General Salaucrry, jenes jungen, ritterlichen Geistes, der im Bürgerkriege von 1836 seinen, Ehrgeize zum Opfer fiel. Dcr Verfasser der Biographie, Manuel Bilbao, ein noch junger Mann, besitzt offenbar bedeutendes Talent, und die Wärme, mit der sein Werk geschrieben ist, verleiht ihm Interesse. Er vertheidigt mit ciner Gluth, die sich manchmal bis zur Beredsamkeit steigert, die bedenklichsten Handlungen seines Helden und widmet Poesie und Taqcsliteratnr. I75> namentlich seiner persönlichen Erscheinung die umständlichste Darstellung. Das Werk verdient als eins der ersten, welche in diesem Fache in Peru erschienen sind, und jedenfalls als das beste derselben, Erwähnung und ist durchgebends uon einem Geiste der Hingebung und Hochherzigkeit durchweht, der es anziehend macht. Doch hat die peruanische Jugend in der Dichtkunst ebenso gut einen Spielraum für ihre Phantasie gefunden, wie in den Lcbcns-schildcrungcn der vaterländischen Helden. Das schöne Land der Incas, übcrrcick an den erhabensten wie an den reizendsten Werken der Natur, war in vieler Beziehung ganz besonders dazu geschaffen, eine Lieblingsstätte der Poesie zu werden. Und so finden wir denn unter den Ineas und ibrcr ländlichen Nachkommenschaft die schönsten und ergreifendsten Dichtungen in derQuichua-Sprache; allein seit der spanischen Eroberung bat das Dichten in dieser Sprache beinabe aufgehört und offenbart sich nnr noch in den düstern Klageliedern, die man manchmal in den wildesten Schlupfwinkeln der Anden vernimmt. Indeß baben die spanischen Creulen Peru's die dichterische Begeisterung der Eingebornen einigermaßen in sich aufgenommen. Der Prinz von Esquilache war, wie bereits erwähnt worden, ein Dichter, der sich ;u seiner Zeit keines geringen Ruhms erfreute, und der als Vieetönig von Peru den ersten Anstoß zur Pflege der Poesie gab. In seine Fußtapfcn traten während der spanischen Herrschaft Gvia, der bcrnsmttc Barde von Guayaquil; Pedro de Onna uon Chile, der eine Fortsetzung zu Ercilla'sAracauna dichtete; Narnucvo, der Sänger Lima's, und Nivcro vou Arequipa, lauter Dichter, die sowohl in Peru als in ibrem MuttcrlandeBcdcutung erlangt haben. Seit der Unabhängigkeit und der allgemeinen geistigen Eman» cipation der Peruaner hat sich die leichtsinnige, aber phantasicrciche Jugend dieses bezaubernden Landes viel mit Poesie und Musik beschäftigt. Die Gesellschaft Lima's ist aber eine zu unnatürliche und zerstreuungssüchtige, als daß sie für das Wachsthum des poetischen Genies einen günstigen Boden darzubieten vermöchte; ja, so reizend und höchst romantisch die Umgebungen der Stadt sind, es scheint. 176 Die neuere peruanische Poesie. als ob eine allgemeine Gleichgültigkeit gegen die Natur herrsche, und als ob das Landleben eher Widerwillen einflöße als anziehe. Es giebt Punkte in der Nähe von Lima, die in jedem blühenden Staate mit Landhäusern nnd Villen bedeckt sein würden, aber in Peru bleiben sie unbeachtet. So das kleine reizende Dorf Eoca-chacra an der Straße nach Tarma. welches, gleich dem glücklichen Thale im Nasselas mit fast senkrechten Bergen umgeben ist; so eine Menge Stellen an derKüste und an den wcidenbckränztcn Ufern des Nimac, wo Boscan oder Garcilaffo ihre Idyllen hätten dichten können, und wo zahlreiche englische Secofficicrc regelmäßig ihre Tage uerbringcn, spazicrengchmi), fischend oder Kartoffeln bratend; aber kein gebildeter Peruaner läßt sich an diesen abgelegenen Plätzen erblicken. Ausgenommen daß alle Welt am ^3. Juni anf dem Verge uon Amancaes Narzissen pflückt, und daß man am Allerhciligen-Tagc in das Pantheon oder den großeil uor der Stadt gelegenen Kirchhof wallfahrtet, ist es in Lima nicht Mode, seine Promenaden über die Straßen der Stadt hinaus zu erstrecken. Höchstens, daß man noch zur Badezeit das armselige Küstcnstädtchcn Ehorillos aufsucht und seine Zeit mit Baden und leidenschaftlichem Spiele zubringt. Indeß sind trotz dieses mangelhaften Zustandes dcrGescllschaft neuerlich doch einige recht wcrthuolle Dichtnngen aus der peruanischen Presse heruorgegangcn, wohin uilter andern das kuem», moral: 1.a sslus l8 fand, bis zum 10° nördlicher Breite, in einer Ansdehnung uon 1740 englischen Meilen der fast halbkreisförmigen Curve der Anden folgend. Sie gedeihen in einer kühlen gleichmäßigen Temperatur an den Abbängcn und in den Thälern und Schluchten der Gebirge, in einer Höhe von 2500 bis zn !)000 Fuß über dem Meeresspiegel. Innerhalb dieser Grenzen sind Farnbäume, Melastomacecn. baumartige Passionsblumen und verwandte Arten von Cbinchonaceen ihre gewöhnlichen Gcfäbrtcn, Unterbalb der Grenze sind die Wälder reich an Palmen 192 Die (shmchl?!m-Ncgwn. und Bambus, wäln'cnd oberhalb dcr äußersten Grenzlinie nur noch einige niedrige Alpensträuchcr gedeihen. Innerhalb des weiten Gürtels selber aber wachsen verschiedene tbeils mehr theils weniger wcrthvolle Rinde gewährende Chinchona-Arten, jede innerhalb ikrer eignen engeren Höbcnzone. Aber diese verschiedenen Arten sind nicht blos durch ihre Zonen hinsichtlich dcr Erhöhung über dem Meeresspiegel, sondern auch dnrch ihre Lage nach den Breitengraden von einander geschieden. So wächst z. V. in Bolivia und Caravaya die besonders wcrthvollc Odincllalin (ünli^^a, aber man findet sie nie näbcr amAcquator als bis zum 12. südlichen Breitengrade. Zwischen diesem Parallclkreise und dem 10° südl. Vr. enthalten die Wälder größtenthcils nur wcrthlose Chinchona-Arten, während im nördlichen Peru die wichtige „graue Ninde" gefunden wird. In jeder dieser Vrcitenregionen sind die verschiedenen Species wieder durch Höhcngürtcl geschieden. Aber diese Beschränkung auf gewisse durch dle Breitengrade und die Höhe bedingte Grenzen ist keine bestimmte Ncgcl; denn einige weniger zarte und empfindliche Species haben eine weitere Ausdehnung, währcud die zarteren Arten, und diese sind in der Negel die wcrthuollcren, auf die ilmm angewiesenen Zonen beschränkt bleiben und dieselben vereinzelt höchstens auf eine Entfernung von hundert Ellen überschreiten. Die Chinchona-Region beginnt sonach in der bolivianischen Provinz Cochabamba im 1. 3)ci$ Oon Weddell aufgestellte Vcrzcichniß beschränkt sich nach diesen Ausschci- Pciu, ^ Z 194 Die fiws Attcn dcr Chinarinde. düngen auf neunzehn ächte und zwei zweifelhafte (!!ünclwn^; ^h^ selbst die von dieser ausgezeichneten Autorität bewirkte, im Jahre 1849 veröffentlichte Classification erfordert bereits wesentliche Ver» ändernngen; so fehlt ibr z.V. die Species, welche die „rothe Rinde" und in dieser das meiste Alkaloid gewährt und in Folge neuerer Untersuchungen von den Botanikern wahrscheinlich als eine besondere Art, die 0. »uccirudl», aufgenommen werden wird; eben so fehlt eine neue „graue Rinde", die jetzt in Indien als 0. Peruvian» eingeführt ist, uud die 6. paliucliana, eine an sich werthlose Art, welche aber die Holländer auf Java angepflanzt haben. Die für den Handel wcrtlwollcrcn Species (die jetzt sämmtlich in Indien eingeführt sind) beschränken sich auf eine geringe Zahl, die fünf verschiedene mcdicinische Rinden: die rothe Rinde, die Kron-Rinde, dicKarthagcna-Niudc, die graue und die gelbe Ninde gewähren und auf fünf verschiedene Gegenden Südamerika's vertheilt sind. Die Lora-Region liefert in drei Species, nämlich 0. CkalmalFuora, c. crizpa und <ü. Urilnging-a, die Krön »Rinde, die Rothrmden-Negion an den westlichen Abhängen des Chimborasso in der 6. zuce'ii-udlli die Notlirindc, die Ncugranada-Region in der C. lanoil'uüa die Karthagcna-Nindc, dicHuanuco-Regwn im nörd» lichen Peru in drei Species, ^!. mUäa, mici-gnlliH und Peruvian», die graue, und die Calisaya-Ncgion in Bolivia und Süd-Peru, in der 6. ^aliz^k die gelbe Rinde. Es wird zweckmäßig sein, von jeder dieser Gegenden, von ihren Chinchona-Bäumcn und von den Forschungen der Botaniker bis herab auf die Zeit, wo man Anstalten traf, diese unschätzbaren Pflanzen in Java und Indien heimisch zu machen, einen kurzen Bericht zu geben; aber ehe wir dies thun, wollen wir denjenigen Forschungen und Untersuchungen einen flüchtigen Blick zuwenden, die zur Entdeckung des in der Chinarinde enthaltenen siebervcrtreibeuden Stoffes führten. Die Wurzeln, Blumen und die Samenkapseln der Chinchona-Bäumc haben einen bitteren Geschmack mit tonischen Eigenschaften, aber nur die obere Rinde ist derjenige Theil des Baumes, der com-mcrcicllen Werth hat. Die Baumrinde besteht ans drei Schichten, der Epidermis, der Peridermis, der zclligcn nnd der faserigen Organisation nnd Geschichte der Chinarinde. 195 Schicht (!ide>), die aus sechseckigen mit harzigem Stoffe gefüllten Zellen und Holzfasern bestehen. Im Wachsen treibt der Baum die Rinde aus und indem der äuhcrcThcil zu wachsen aufhört, trennt 8pa ist die guina lma äs I^oxa oder die ci68> pilla nLssra der Gingebornen: sie wurde neuerdings für höheren Preis «erkauft als Calisaya-Sftulen. Den Namen „Kronen-Nin-den" führen diese in der Loxa-Region gewonnenen Rinden, weil sie ausschließlich für die königlichen Apotheken in Madrid in Beschlag genommen wurden. Ursprünglich kaufte man in Panama das Pfund dieser Kroncnrinde für fünf bis sechs und in Sevilla für zwölf Dollars; in neuerer Zeit ist sie aber vielfach verfälscht worden, so daß der Preis auf einen Dollar für das Pfund heruntergegangen ist. Man hat d9 der Präsident von Bolivia, Or. Linarcs, das Neckt, m den Wäldern Rinde zu schneiden, für frei erklärte und die Steuer auf 25 Procent vom marktgängigen, zu Anfang jedes Jahres zu bestimmenden Preise herabsetzte. Dies ist das Gesetz, unter welchem icht der Rindcnhandcl von Bolivia betrieben wird. Wir verdanken unsere Kenntniß von der Chinchona-Rcgion von Bolivia und Südpcru und namentlich von der vorzüglichen Chin-chona-Art (^. (^liaa^a dem ausgezeichneten französischen Botaniker Dr. Weddell, der die von Louis Philipp nach Südamerika entsendete wissenschaftliche Expedition des Grafen Castelnau begleitete und, nachdem er das ungeheure Reich Brasilien bereist hatte, durch das Land der Chiauitos im August 1845 nach Bolivia kam. Es war sein Hauptzweck, die Chinchona-Negion dieses Landes zu untersuchen, und er wendete sich zunächst nach Tanja, um die äußerste südliche Grenze der Chinchona°Bäumc zu erforschen, die er im 19. Grad südlicher Breite auffand. Er nannte die hier heimische Species l^. ^U8>i-Äli8. Hierauf begann cr eine gründliche Untersuchung der Chinchona-Nälder von Bolivia, indem cr seinen Weg durch das unwirthlichste Land von Cochabamba, durch Ayopaya, Enquisiui uud das Thal von la Paz nahm, wo sich die Species der Chinchona unter seinen Augen fortwährend vervielfältigten. In Enquisivi fand er zuerst die <ü. ^aliz^a, die er genau untersuchte und beschrieb. Im Iabre 1847 gelangte er in die Provinz Capaulican, ging den Fluß Tipuani hinab, wo cr vom Fieber befallen wurde, und verfolgte den Maviri aufwärts. Vei Apollo-bamba, dem Mittelpunkt des ältesten Rindcnsammlungs-Districte, fand er die Wälder gänzlich von Chinchona-Väumcn entblößt. Im Juni 1847 betrat cr die peruanische Provinz Caravaya, untersuchte die Chiilchona-Wäldcr der Thäler von Sandia (San Juan del Orc>) und Tambopata und beschloß feine Forschungen mit einem Besuche der lieblichen Scklucht von Santa Anna bei Cuzco. 298 Die Nindcusammlcr von Bolivia. Seine Monographie über die Gattung Cbinchvna *) ist das wich-" tigstc Werk, das bis jetzt über diesen Gegenstand erschienen ist. Im Jahre 1851 unternahm Neddcll eine zweite Neisc nach Südamerika und gelangte 1852 über den Svrata in die Chinchona-Region des Tipuani (Bolivia)/ wo er, die östlichen Abhänge der Anden hinabsteigend, eine mit jeder halben Wegstunde wechselnde Vegetation beschreibt. Auf einer Höhe von 7133 Fuß fand er die ersten Wald-Chinchona-Bäume. Er verfolgte den Tipuani abwärts bis Guanay, einer Misston der Lücos-Indianer, und kehrte schließlich, in einem CanoedcnCoroico hinauffahrend, uachLaPaz zurück und berichtete von den Erfolgen seiner zweiten Erforschung dcrChin-chona-Näldcr in cincm neuen interessanten Nciscwerke "), so daß wir diesem tüchtigen Botaniker und uucrschrockcncn Forschungs-reisendeu zum großen Theil den jetzigen Stand unserer Kenntniß von der Gattung Chinchona zu verdanken haben. Die Cascarilleros von Bolivia liabcn allerlei Beschwerden und Gefahren zu überwinden. Sie schätzen nur die 6. Lali^^a; die anderen Arten sind für sie cln-kua-carkull, mit welchen« Namen sie eben alle geringeren Arten bezeichnen. Diejenigen, welche die Ninde auf ibrcm Nucken aus dem Iuncrn der Wälder bringen, erhalten für den Centner fünfzehn Dollars. Sie müssen sich, wenn sie in die Wälder gehen, mit Lcbcnsmittcln und den nöthigen Vedürf« nisscn und Decken für die Nacht ausrüsten, uud wenn diese Vorräthe durch irgend einen Zufall verloren gehen, so ist oft genug der Huugertod die unausbleibliche Folge. vr. Wcddell stieg einst, als er den Coroico hinauffuhr, ans Land, um an einer von Bäumen beschatteten Stelle des Ufers zu übernachten. Hier fand er die Hütte eines Cascarillcro uud nicht weit davon einen auf dem Boden und im letzten Todcskampfc liegende» Mann, der fast ganz nackt und mit Myriaden von Inscctcn bedeckt war, deren Stiche wahrscheinlich sein Ende beschleunigt hatten. Sein Gesicht war *) „Histoire naturelle des Quinquinas" ($ariä 1849). **) Voyage dans le nord de Bolivie et dans les parties voisines de Perou (Sßslriä 1853). Verschwenderisches Verfahren mit den Chinchona.Bäumen. 209 bis znr Unkenntlichkeit aufgeschwollen und seine Glieder waren im gräßlichsten Zustande. Auf den Blättern, die das Dach der Hütte bildeten, lagen die Ueberreste der Kleidung des Unglücklichen, ein Strohhut und einige Lumpen, und ein irdener Topf mit den Ueberbleibscln der letzten Mahlzeit, etwas Mais und einigein Chunus. Das ist das Schicksal, welchem die Nindcnsammler ausgesetzt find — der Tod in den Wäldern, fern uon allen Freunden, ein Tod ohne Hilfe und ohne Trost. Wcddell brachte Samen der 6. lulili^u. nach Paris, und man hat darans 1848 im dortigen botanischen Garten, cbenfo im Garten der Oartcnban^ Gesellschaft zu London Pflanzen gezogen, wovon einige von der holländischen Regierung nach Java geschickt worden sind. Jetzt ist die 6. (^Il8l>>'3, auch in Indien angepflanzt. Die beste Calisaya-Rindc giebt 3,8 Procent Chinin, und cs wurden von den beiden Vcrschiffungspläßcn dieser Rinde, Arica und Islay, im Jahre 185!) im Ganzen 329! Centner, im Werthe von 29,717 Pfund Sterling, und im Jahre 1800 (vom 1. Januar vis 3t). November) 1680 Ctnr. ausgeführt. Drittes Kapitel. Schnelle Vernichtung der Chinchona-Bänmc in Südamerika. — Wichtigkeit dev Einführung derselben in andere Länder. — lMnchona-Pflcmzuiigen >» Java. — Einführung der Chinchona i» Indien. Das Sammeln der Ficberrinde ist in den südamerikanischcn Wäldern, wie schon mchrsach erwähnt, uon Anfang an mit der schonungslosesten Unbesonnenheit betrieben worden. Man dat kaum jemals einen erwähuenswerthen versuch gemacht, die Chin-chona-Bäume zu erhalten oder neu anzupflanzen, und so hat das jedem Speculanten überlassene Recht, die Wälder nach Willtür zu Plündern, wie in Peru, Ecuador und Neugrauada, ebcuso sehr wie die unkluge Einmischung der Negierung von Bolivia gleich verderbliche Folgen gebabt. Der Nindensammler gebt in den Wald und vernichtet die erste beste Gruppe von Chinchona-Bäumen, Per». 1 ^ 210 Maßregeln zur Erhaltung der Chinchmia-Bäume ohne auch nur im geringsten an die fernere Erkaltung des werth-vollen Baumes zu denken. So ist in Apollobamba, das einst dicht von Chinchona-Bänmcn umgeben war, nur noch in einer Entfernung von acht bis zehn Tagereisen ein ausgewachsener Baum dieser Art zu finden. Ja, die Nindcnsammlcr find theilwcisc so gänzlich unvorsichtig, daß sie z. B. in den Wäldern von Cochabamba den Baum schälen, ohne ihn zu fällen, was sein gänzliches Absterben zur Folge hat, oder wenn sie ihn fällen, lassen sie denjenigen Theil der Rinde sitzen, womit der Stamm auf dem Boden liegt, blos weil sie sich nicht die Mühe nehmen wollen, den Stamm zu wenden. Vor einem Jahrhundert erhub Condamine eine warnende Stimme gegen das in den Wäldern von Lora übliche Acrnichtungs-velfahren. Ulloa rieth der Regierung, mit entsprechenden Gesetzen einzuschreiten; bald nachher berichtete Humboldt, daß jährlich 25,000 Chinchona-Bäume vernichtet würdcu, und Nuiz warnte vor dem Brauche, dieBäumr zu fchälen und sie dann der Fäulniß preiszugeben, Aber es wurde von Seiten derNegieruug wie uonSeitcn derPrivat-speculauten, deren Existenz von einer fortdauernden Rindcnzufuhr abhing, nie Etwas für Erhaltung der Chinchona-Bäumc gethan. Weddell sagt, indem er von diesem Vermchtungsucrfcchrcn in Bezug auf die 6.6ali3a^ spricht, „daß die Wälder von Bolivia, so reich sie auch seien, den ununterbrochenen Plünderungen, welchen sie neuerdings ausgesetzt gewesen, nicht lange widerstehen tonnten." Wer in Europa diese uugeheurcn, nie sich vermindernden Massen von Chinarinde ankommen sieht, mag vielleicht glaubcu, daß das so fortgehen werde; wer aber die Ehinchona-Bäume in ihren heimischen Wäldern sieht, muß anderer Meinung werden. Die Gefahr einer wirklichen Ausrottung der Bäume ist jedoch nicht zu fürchten, sobald man nur nicht, wie in den Wäldern von üoxa, den Gebrauch annimmt, die Bänme stehen zu lassen und sie nur zu schälen. Pöppig sagt, daß die Bäume in diesem ssalle in den tropifchen Wäldern außerordentlich schnell von Fäulniß ergriffen würdcu; daß Millionen oonInsccten, um das Werk der Vernichtung zu vollenden, von dem Stamme Besitz nähmen und dann bald auch die gesunde Wurzel verpestet sei. Auf diese Weise ist die werthvolle c. Urilusinsa wirklich fast schon und ihre Emfi'chriiiig in andere Länder. 211 ausgerottet worden. No man aber die Bäume fällt, da hat man, um cincs kräftigen Nachwuchses gewiß zu sein, eben mir die Vor. sicht zu beachten, daß man den Stamm so nalie als möglich an der Wurzel abhaut, worauf man in den milderen Negioncn nach sechs, in den kälteren nach zwanzig Jahren die jungen Bäume wieder fällen kann. Es ist also nicht zu befürchten, daß die Chin-chona-Väume in Südamerika wirklich ausgerottet werden könnten, wohl aber können bei dein immer mcbr zunebmcnden Bedarf längere Zwischcnräume eintreten, wo die Zufulir aufbort, weil man den Wäldern Zeit lassen muß, sich von ihrer Erschöpfung zu erholen. In vielen Districtcn ist dieser Fall bereits eingetreten. Die Rinde von Lora kommt nur uoed in den kleinsten Spulen auf den Markt, uud in den Wäldern von Carauaya sind die Wnrzclschoß. lingc nach mehrjähriger Schonung kaum schon weit genug gediehen, um mehr als Spulenrinde geben zu können. Südamerika tcmn daher den zunehmenden Bedarf an Chinarinde kaum noch decken; die Folge ist ein so hober Preis, daß dieses unschätzbare Heilmittel für Millionen Bewohner von Fiebern heimgesuchter Länder ein unerreichbares Out bleibt. Aus diesem Grunde hat die unberechenbare Wichtigkeit der Einführung der (ihinchona-Pflanze in andere ihrem Gedeihen entsprechende Länder, wodurch die gänzliche Abhängigkeit von den südamerikanischcu Wäldern aufgehoben wird, schon seit langer Zeit die Aufmerksamkeit wissenschaftlicher Männer in Europa beschäftigt. Im Jahre ! 839 empfahl vi-. Noylc in seinem Werke über die Himalaya-Botanik die Einführung der Ehinchona-Pflanzen in Indien, indem er die Nilgirri- und Silhet-Berge als die hierzu geeigneten Stätten bezeichnete. Vorher hatte Fee die Einführung der Pflanze in den französischen Cölonicu empfohlen, und !84ii wurde ein solches Unternehmen auch von Weddell und Delondrc dringend befürwortet. Ersterer erklärte, das; denjenigen, die das Werk vollbringen würden, der Segen der Nachwelt werden müßte. Doch waren die Holländer, die auf der Insel Java eine für die Chinchona-Kultur trefflich geeignete waldbcdeckte Gebirgskette haben, die ersten, welche die Verpflanzung der Ehinchona auf die 14' 212 Haßkarl'ö Fl'rsclumgöreifc östliche Halbkugel werkthätig aufzuführen suchten. Leider ist das Unternehmen in Java nur mit einer sehr geringen Anzahl guter Chinchona-Arten begonnen und in Folge verschiedener, während der ersten Jahre hinsichtlich der Kultur vorgekommener Mißgriffe nur mit sehr beschränktem Erfolge belohnt worden. Schon dreißig Jahre lang hatten holländische Männer der Wissenschaft, unter welchen der Botaniker Blume genannt werden mag, ihre Regierung gedrängt, die Einführung der Chinchona in Java zu unter-, nehmen. Aber erst im Jahre 1552 wurde dcr holländische Colo« nialministcr Pahud ermächtigt, Jemand zu beauftragen, dcr in Peru Pflanzen und Samen guter Chinchona-Arten sammeln und nach Java schassen sollte. Pahnd ertheilte diesen wichtigen Anf-trag dem Botaniker Justus Karl Haßkarl, dcr seit einiger Zeit die Oberaufsicht über die Gärten in Java hatte, aber in Südamerika völlig fremd, weder mit dem Lande noch mit dem Volke nnd seiner Sprache bekannt war, von den Wäldern, wo die Chinchona-Väumc wachsen, keine Kenntniß besaß und diese Bäume noch nie in ihrem natürlichen Zustande gesehen hatte. Er segelte im De» cembcr 1852 nach Peru ab, mit dem Auftrage, sich nicht blos auf die Calisaya-Pflanzc zu beschränken, sondern Pflanzen und Samen dcr verschiedensten Arten zu sammeln. Seinem Auftrage gemäß sollte er von Gnyaquil nach den Chinchona-Wäldern von Loxa vorgehen; er änderte aber seinen Plan, landete in Lima uud ging im Mai 1853 über die Cordilleren. Es würde schwer sein, selbst bei einer anss bloße Ungefähr hin unternommenen Reise von der Küste nach den östlichen Anden ans eine Gegend zu stoßen, wo es keine guten Arten von Chinch ona. Iunghuhn zu übertragen. Die 13!» Pflanzen, die Dr. Iuugduhn selbst mitgebracht liatte, waren bereits auf 63 zusammengeschmolzen; der Samen der <Ü. lanoilalill war durch drei kränkliche Pflanzen vertreten; von der Pstanzensammlung der 6. ('lll>8Ä^a, die Haßkarl ans Pern mitgebracht hatte, waren nur noch ein paar Exemplare übrig geblieben; dazu kamen zwei Pflanzen der C. Oaliza^a, die aus dem von Ncddell hingesendeten Samen gezogen waren; das Ucbrige bestand aus deu werthloscn Arten, die Haßkarl in Uchubamba gesammelt hatte, im Ganzen nicht mehr als nngcfähr 300 Pflanzen. Im Jahre 155U wnrdc ein neues System eingeführt und zur Sicherung des Erfolges der Chinchona-Kultnr namentlich eine reichliche Geldsumme bewilligt. Die Lcitnng des Unternehmens sollte bis zu der Zeit, wo dessen Erfolg als gesichert zu betrachten sein würde, in den Händen wissenschaftlicher Männer bleiben, welchen ziemlich hohe Gehalte ausgesetzt wurden. Da I)r. Iunghnhn die Pflanzung in einem so kläglichen Zustande fand, war er zunächst darauf bedacht, die Pflanzung von Tjibodas auf eine geeignetere Stätte auf dem Ma-lawar-Gebirge zn versetzen, ein Unternehmen, das sehr schwierig und gewagt war, aber glücklich ausgeführt wurde. Im Jahre 185? kamen Pflanzen der 0. 0il!l8a^a und der wcrthloseren Art zur Blüthe und im folgenden Jahre zum Fruchttragen. Iunghuhn auf Java durch Iunghuhn. 215 erkannte, daß jene letztere Art nicht die <^. «viUa sein könnte, wie Haßkarl sic genannt hatte, verfiel aber in einen gleichen Irrthum, indem er sie 6. kicumaelali», nannte, weil sie nach seiner Meinung mit der von Pavon aufgefundenen Species dieses Namens Aehnlichkcit hatte, und es ist zu beklagen, daß die Holländer auf die Pflege und Verbreitung dicser werthloscn Clnnchuna-Art, weil sie weniger empfindlich ist uud weniger Sorgfalt erfordert als die zarte l). (üaliLa^, ungeheure Summen Geldes verwendet und, statt alle Pflege und Geschicklichkcit der (^. (^lika^ und lanoilolia zuzuwenden, dcrcn Werth unzweifelhaft ist, die Wälder Java's mit einer Cbinchona-Art angefüllt haben, die von zweifelhaftem Werthe und im Handel unbekannt ist und dcrcn Kultur, wie zn fürchten steht, nur Verlust und Täuschung bringen wird. Gegenwärtig sind in den Wäldern Java's Tausende von Pfaden gelichtet nnd mit Chinchona-Bäumcn bepflanzt worden, die gut gcdcilicn. Es giebt jetzt neun Pflanzschulen auf Java, Tjibodas auf dem Berge Gedi, Tjiniruan anf dem südwestlichen und Tjiborum auf dem südlichen Abhänge des Malawargebira.es, Gcnting, Ncong Gunung. Kawah, Tjirvidei imKcndcnggcbirgc, eine auf dem Berge Patna, endlich noch zwei andere, und am 31.December 1860 zählte man auf Java im Ganzen 947.205 Ehinchona-Pflanzcn, nämlich 7316 Pflanzender C. c-ili8a^i» (mit 1030 Ablegern), 80 Pflanzen der 6. I^noisolia (mit 23 Ablegern) und 93!).80>) Pflanzen der von Haßkarl einge» führtcu Art, die dieser 6. uvala, Iunghuhn c. l^üumaesulili nannte, und Howard in der siebenten Nummer seines Werkes (IVuova Ouinoloß-ia 6« ?Ävn») als (^. pHlludi:m5l auffübrt. Es ergicbt sich aus diesem Zalilcnvcrhältniß, daß das Unternehmen in Bezug auf die werthvollcrcn Winch on a-Artcn von sehr mäßigem Erfolge begleitet gewesen ist, indem die hollandischen Gärtner nach sechs Jahren die werthuolleren Chinchona-Artcn nur bis auf 7000 Pflanzen vermel,rt hatten. Die größte C. (^Il8Ä^ hatte um dieselbe Zeit eine Höhe von 15 Fuß erreicht: von gleicher Höhe war einer der Väume der 0. laneitolia. während die Bäume der werth-loseren Art zum Theil schon 28 Fnß maßen. Aber troh dicser verhältnißmäßig geringen Erfolge der Chinchona - Cultur auf Java 216 Einführung der Khinchona 815 Pfd. und von 1858 — 59 5087 Pfund. Die Gouvernements-Dro-guisten Indiens verkaufen, wie dasselbe Blatt sagt, die Unze Chinin sür 1 Pfund Sterling; nimmt man aber an, daß die Uuze nur 10 Schillinge kustc, so crgiebt sich nach obigen Zahlen schon ein Aufwand von 54.520 Pfund Sterling fur 1857—58 und 40.09« Pfund Sterling für 1858—59! um Einführung der Chiuchona in Indien. 219 Eifersucht der Bevölkerung der südamcrikanischen Nepnblikcii mit der Zeit in den Weg legen konnte; außerdem war es meine Pflicht, auch ökonomisch zu Werke zu geben, und es war kaum zu bezweifeln, daß die Anstellung mehrerer Beauftragten für einige Monate nicht so viel tosten tonnte, wie die Nbsendung eines einzelnen Reisenden, der um Tausende von Meilen zurückzulegen, leicht drei bis vier Jahre brauchen konnte. Der Staatssccretär für Indien genehmigte alle Einzelheiten meines Planes, nur mit Ausnahme der Expedition nach Neu-Granada und der Abseuduug ciucs Dampf» schiffcs, das die Pflanzen über das stille Meer direet nach Indien bringen sollte"). Es war jedoch nicht so leicht, Männer zu finden, welche der Aufgabe gewachsen waren; sie mußten von den Chinchona-Wäldcrn persönliche Kenntniß haben, innßten das Land. das Volk, die Spraä'e und dle jcder Region eigenthümliche Chin-chona-Art kennen. Für die Chinchona-Wälder von Ecuador war ich so glücklich die Hülfe des Botanikers Spruce zu gewinnen, der seit mehreren Jahren die Wildnisse Südamerika's zum Gegenstand seiner Forschungen gemacht hatte und über dessen Befähigung kein Zweifel obwalten konnte. Die ihm angewiesene Region war die wichtigste, da die hier heimische „Rothrinde" (lü.Lueoiludrcl) reicher an sicbervertreibenden Alkaloiden ist als irgend eine andere Chin-chona-Art, und ich knüpfte gerade an diese Region die Hoffnung auf den günstigsten Erfolg, weil das Land der Nothrindc an den westlichen Abhängen der Anden leichter zugänglich war als irgend ein anderes, und weil schiffbare nach dem stillen Ocean führende Flüsse das schwierige Unternehmen ersparten, die Pflanzen über die schneebedeckten Ginöden der Kordilleren zu schaffen. Ich selber übernahm die Erforschung der Wälder von Caravaya oder Bolivia, um die 6. OlUiLÄ^ und andere wichtige Arten dieser entfernteren Region zn sammeln, während ich für die Wälder dcr peruanischen Provinz Huanuco, für die Sammlung von Pflanzen nnd Samen *) Trotzdem wachsen jetzt in Indien Pflanzen dcr <.'. llnioiluliH, der Gattung, welche in Neu-(ttranada gewonnen worden sein würde. Sie sind zum Theil gegen Austausch anderer Pflanzen aus Java »ach Indien gekommen. 220 Das Städtchen Islay. der dic sogenannte „graue Rinde" spendenden Chinchona-Art, Herrn Pntchett gewann, der einige Jahre in Südamerika gelebt hatte und gerade mit dieser Region genauer bekannt war. Außerdem waren mir sowohl, als auch meinem Gehülfen Spruce erfahrene Gärtner beigesellt. Gegen Ende des Jahres 1859 waren alle Vorbereitungen getroffen, die der Einführung der Chinchona« Pflanze in Indien, nachdem man seit zwanzig Jahren die Wichtigkeit ihres Anbaues erkannt hatte, einen endlichen Erfolg versprachen. Wir segelten am 17, December 1854 von England ab und erreichten Lima, die Hauptstadt von Peru, am 26. Januar 1860. Dreißig zur Aufnahme der Pflanzen bestimmte großc Gefäße waren um das Cap Horn transportirt worden, wovon ich fünfzehn zur Aufnahme von Herrn Spruce's Sammlung nach Guayaquil, fünfzehn für mich selber nach Islay sendete. Nach zweimonatlichem Aufenthalte in Lima benutzten wir die Dampfbootc zur Ncisc nach Süden und landeten am 2. März i860 im Hafen von Islay, der zur Reise nach dem südlichen Peru oder nach Bolivia günstiger gelegen ist als irgend ein anderer Hafen. Viertes Kapitel. Reise von Islay nach Arcquipa und über die Eordillcrcn nach Puno. Der Hafen von Islay ist der commerciclle Ansgang derVezirkc Areauipa, Cuzco und Puno im südlichen Peru uud so ist seit 1830, durch den damaligen Prafccten von Arequipa, General La Fucntc begründet, auf der nackten von einer sandigen Wüste umgebenen und durch ein unfruchtbares Gebirge vom Innern des Landes al> geschnittenen Fclscnküstc eine kleine Stadt entstanden. Ein sehr steiler Pfad führt von der Uferklippe zu einem Mauthbause empor, das die eine Seite des kleinen Frciplatzcs bildet, der beständig mit Schaarcn aus dem Innern kommender Maulthicre angefüllt ist, und eine von diesen, Platze aufwärts führende Straße bildet mit einigen Nebeugäßchcn die ganze StadtIslay, die trotzdem in ihrem seine Lage und Umgebung. 221 Verkehr die Nichtigkeit des Landes bekundet, deren Hafcnplatz sie ist. Die Hauptausfuhrartikel sind Alpaca- und Schafwolle, Vi-cuna-Nolle, Kupfer, Chinarinde, Gold und Silber; dcrGesammt-werth dieser Ausfuhr betrug im Jahre 1859 33l>,842 Pfund Sterling und der Betrag der größtenthcils aus europäischen Waaren bestehenden Einfuhr beläuft sich ziemlich auf dieselbe Summe. Die Umgegend von Islay ist die traurigste Wüstenei, die dein Auge irgendwo begegnen kann, aber vom Juli bis zum October, wo an der Küste die meiste Feuchtigkeit herrscht, schmücken sich die sonst nackten Gebirge, die ungefähr eine Stunde von der Küste entfernt steil aus der Einöde sich erheben, mit einem grünen blumendurchwirkten Teppich, wobei auch die näher um Islay gelegene Ebene zu einigem Pflan;cnwuchs gelangt. Diese ans Mcer grenzende Gebirgskette heißt die „Lomas" und in Folge eines ungewöhnlich reichlichen Regens zu Anfang des Jahres 1860 war auf diesen Lomas im März neues Grün entsprossen und auch in der nächsten Umgegend von Islay blühten vereinzelte (!umpc>8!l:^, wilder Tabak, Nymplia, Oralis, 8lUvia, ein Doldgewächs mit einer großen weißen Vlnmc, Verbencn, Heliotropen, ein rothes Solanum, ein Amaranth nnd andere Blumen. Die Gegend ist von Men Schluchten zerrissen nnd am Fuße des Gebirges enthalten einige derselben Vodenniedcrschlägc, welche während der feuchten Jahreszeit von den kleinen Bächen zugefülirt, einigen kleinen Grnppeu von Fcigen-und Olivcnbäumen genügende Nahrung bieten. Von einer dieser Schluchten aus wird das Nasser in Nöliren nach der Stadt Islay geleitet nnd der Aufseher dieser Wasserleitung, ein Irländcr, der nebenbei das Gewerbe eines Zimmermannes nnd Grobschmieds betrieb, leistete uns in unsren Bemüluingcn, den für unsere Pflan-zcngefäße entsprechenden Boden zu gewinnen, sehr wesentlichen Beistand, Da an den üppigsten Stellen jener Schluchten eine große Menge von allerlei wilden Blumen gedieh, so glaubten wir uns, für den Fall. daß wir keine zweckentsprechendere Bodcnlage fänden, vorläufig mit diesem Boden begnügen zu können. Wir erfreuten uns während unseres Aufenthalts in Islay der Gastfreundschaft des englischen Consuls. Außer ilnn bestebt die 222 Die Neisc nach Aiequipa. Einwohnerschaft aus peruanischen Beamten, aus Agenten der Handelshäuser in Arequipa, einigen Krämern und Handwerkern, aus Maulthiertreibern und anderen Zugvögeln und Ms Packträgcrn und Bootsleuten indianischer und afrikanischer Abkunft. Nachdem unsere Maulthiere und Pferde angelangt waren, brachen wir am Morgen des 6. März nach dem gegen neunzig englische Meilen entfernten Arcquipa auf. Eine düstere Gebirgsschlucht, zu beiden Seiten von nackten Felsen eingeschlossen, an welchen nur hier und da ein riesenhafter dürrer Cactus sich erhebt, überall aber eine dichte Wolke weißen Staubes liegt, führt aus der Ebene von Islay zu der großen oberhalb sich ausbreitenden Wüste und zu einem kleinen aus Rohr erbauten PostHause „Tambu de Guerreros" empor, das am Nusgange der Schlucht ungefähr acht Stunden von Islay liegt. Von einer kleinen Erhöhung jenseit des Tambo oder PostHauses übersieht man die große Wüste von Arequipa, die zur Rechten und Linken vom Horizont und nach vorn von der felsigen Gebirgskette begrenzt wird, welche diese Sandwüstc von der fruchtbaren „Campina" von Arcquipa trcunt und von dem schneebedeckten Vul» can überragt wird. Die Wüste besteht aus hartem Boden ohne jede Spur von Vegetation und ist in kurzen Zwischmräumen mit zwanzig bis dreißig Fuß hohen Wällen des feinsten weißen Sandes bedeckt, die sämmtlich eine halbmondförmige Gestalt haben und mit ihren Hörnern nach Nordwcstcn deutend, den herrschenden Wind anzeigen. Diese Wälle heißen „Medanos"; sie verändern zuweilen ihre Lage und legen sich quer über den Weg, bleiben einander aber immer vollkommen gleich, so daß sie dem Reisenden, der seinen Weg verloren bat oder von der Nacht überrascht wird, nirgend eine Landmark bieten. In der Mitte dieser Wüste liegt das Posthaus oder Tambo von La Ioya, das ein Engländer inne hat. Wasser und Futter für die Thiere müssen aus weiter Entfernung herbeigeschafft werden und sind natürlich uerhältnißmäßig theuer, doch hatten wir, mitten in der Wüste, alle Ursache, mit dem Aufenthalte in dem kleinen Tambo und seinen aus Brettern roh zusammengezimmerten Räumlichkeiten vollkommen zufrieden zu sein. Die Wüste von Areqmpa. 223 Es war um vier Mr Morgens, bei sternenhellem Himmel, als wir wieder aufbrachen. Die lautlose Stille und wilde Großartigkeit der uns umgebenden Wüste waren von imposanter Wirkung, wäbrcnd die kühle Morgenluft köstliche Erfrischung bot. Als endlich die Sonne hinter den mächtigen Cordillcren emporstieg, wurden deren schneebedeckte Gipfel uon blendendem Glänze Übergossen. Unmittelbar vor uns saben wir den Kegel des Vulkans von Areauipa, rechts die prächtigen Gipfel des Charcani und Chuquibamba, links die merkwürdige Gebirgskette Pichupichu. Man findet vielleicht in keinem Theile der Welt eine so großartige Ansicht von Gcbirgs-gipfeln wie von dieser Wüste aus bei Sonnenaufgang. Aber die Erhabenheit des Bildes gleicht dem Sonncnaufgaugc anf dem Meere; sie erfüllt die Seele mit dem Gefühl der Unendlichkeit und Großartigkeit, aber sie entbehrt all der Einzelheiten, die gewöhnlich zum großen Theil den Genuß bilden, welchen der Anblick einer gewöhnlichen Gebirgsgegend gewährt. Die Wüste liegt ungefähr 4 — 5000 Fuß über dem Meere und die Gipfel der Kordilleren haben eine Höhe von bald mehr bald weniger als 20,000 Fuß, so daß wir also innerhalb einer Entfernung von weniger als acht (deutschen) Meilen Gebirge sahen, die sich 16,000 Fnß über die Ebene erhoben, auf welcher wir uns befanden. Die Natur hat in diesem Lande der Ineas nach wahrhaft riesenhaftem Maßstab geschaffen. Die Wüste ist von Guerreros bis zu der Felsenschlucht, welche nach der Ebene von Nreauiva führt, ungefähr vierzig cngl. Meilen breit, während ihre Länge von dem ancrlau senden Thale von Tambo bis zum Thale von Vitor wenigstens sechzig Meilen betragen muß. Unser Weg führte uns für den größeren Tbcil des Tages dnrch dürre Gebirgsschluchten und an felsigen im Zickzack laufenden Pfaden hinab, die hier und da mit Knochen und Gerippen uon Maulthiercn bedeckt waren, während eine kleine blaßrothc Ncmophila, ein kleiner Crucifer und die zauberischen Cactccn den einzigen Pftanzcnwuchs dieser öden Gegend bildeten und einige häßliche Naubvögel, die träge hoch oben in der Luft schwebend mit ihrem scharfsichtigen Auge auf ein unter seiner Bürde zusammen- 224 Die Stadt Areqmpa. sinkendes Maulthier lauerten, die einzigen Vertreter des thierischen Lebens waren. i Endlich wurden unsre Augen durch den Anblick des grünen Thales vonTiauaya in der Campina von Arcqnipa erfreut. Reihen hoher Weidenbänme. saftgrüne Luzerne-Felder und weiße Banern-häuser waren nach dem einförmigen Anblick uon Felsen und Sand eine wahre Grqnickung; trotzdem erreichten wir erst spät in der Nacht unsere gastliche Wohnung in der Stadt Arcquipa, Arequipa, die zweite Stadt von Peru, ist an dem Ufer des reißenden Flusses Chile und am Fuße des großen Vulkans Misti erbaut, der als vollkommener Kegel eine Höhe von 17,934 Fuß hat und auf seiner oberen Hälfte mit Schnee bedeckt ist. Arcquipa selber liegt 7427 Fuß über dem Mccre, so daß sich dieser Berg in ununterbrochener Steigung zu einer Höhe uon 10,500 Fuß erhebt. Die Stadt ist aus weißem Steiu vulkanischen Ursprungs erbaut und die Häuser bestehen meist nnr aus einem einzigen fest und solid gebauten und mit gewölbten Decken versehenen Stockwerke, um den häufigen Erderschütteruugen um so besser widerstehen zu kön» ncn. Näderfuhrwerkc irgend welcher Art sind hier unbekannt; der ganze Verkehr wird mit Pferden, Maulthicren, Eseln und Lamas betrieben. Die Hauptstraßen führen sämmtlich nach dem großen Platze, der am Morgen, zur eigentlichen Marktzcit, ein sehr lebendiges und interessantes Bild gewährt. Er ist dann von buntfarbig gekleideten Indianer-Frauen belcbt, die theils ihre auf den Boden ausgebreiteten Waaren feil halten, tlieils als Käufer in beständiger Bewegung sind und in ihrer aus den prahlcndstcn Farben zusammengesetzten Kleidung und in ihrer geschäftigen Beweglichkeit einen überaus anmuthigcn Anblick bieten. Den Hintergrund dieses Bildes bildet die schöne neue aus dem wcißestcn Steine erbaute Kathedrale, hinter welcher der mächtige Vulkan uud die Gipfel des Charcaui (18,558 Fuß Mcercshöhe) emporrage» und mit dem Glänze ihrer Schneedecke das Nnge blenden. Die Campina von Arequipa, welche die Stadt umgiebt, ist von dem Fnße der Kordilleren bis zu der Bergrcihc, durch welche sie uon der Küstcnwüste getrennt wird, ungefähr fünf englische Die Cholos vou Arequipa. 225 Meilen breit und ungefäbr zwölf Meilen lang und hier zu beiden Seiten mm einer sandigen Einöde begrenzt. Sie wird von dem auf der Westseite des Vulkans entspringenden Flusse Chile und von den kleineren Flüssen Postcrio und Savandia bewässert, welche östlich von dem Vulkan in dem Pichupichn« Gebirge entspringen. Diese Flüsse vereinigen sich bei ihrem Austritt aus der Campina und ergießen sich endlich in den Fluß Quilca. Die Campiiia enthält außer der Stadt Arcquipa eine Anzahl kleiner Dörfer und zahlreiche Farmhäuser und gewährt im März mit ihrem prächtigen Grün, mit ihren Mais- und AlfaIfa°Fcldcrn, mit ihren Reihen hohcr Ncidcn-bäume, ihren Obstgärten, ihren Häusern und Dörfern und der weißen Stadt in der Mitte einen reizenden Anblick. Man schätzt die Vcuöll'erung dcr Cnmpma und der Stadt Arcquipa auf ungefähr 50,000. Die Stätte wnrdc zuerst von dem InkaManta angebaut, dcr eine Anzahl „Mitimacs" oderColonisten aus dem Dorsc Cavanilla bei Pnno hierher versetzte und ihnen befahl hier zu bleiben und sich anzusiedeln, Daher dcr Name,,^i-i guepn^", d. i, „Ja. bleib" oder wahrscheinlicher von ,Aric quepa" d. i. „hinter dem spitzigen Gipfel", Diese Mitimacs waren die Vorfahren der jetzigen Indianer oder „Cholos", wie man sie nennt; sie bauten Dörfer und beschäftigten sich mit Maisbau. Die Stadt aber ist rein spanischen Ursprungs und wurde 1540 von Pizarro gegründet. Die Cholos oder Indianer von Arcqnipa haben sich schon seit langer Zeit durch ihr aufrührischcs Wesen, sowie durch den Eifer hervorgethan, womit sie sich, wahrscheinlich aus bloßer Begierde nach Aufregung, jedem Revolutionsuersuche anschließen. Sie sind dem Genusse des „Chicha", eines aus Mais gebrauten Getränks, in solchem Maße ergeben, daß fast aller in der Campina erbaute Mais zur Bereitung dieses Getränks verwendet wird, unter dessen Einflüsse die Cholos den Nuf von Arcquipa als eigentlichem Mittelpunkt der peruanischen Revolutionen begründet haben. Aber die Gewohnheit übermäßigen Trinkens hat dic Cholos, ob-schon sie im Stande sind, hinter Mauern mit Muth und Verzweiflung zu kämpfeu, als Soldaten für den Fcldzug völlig unbrauchbar gemacht. Sie unterscheiden sich in dieser Beziehung sehr zu ihrem Pen.. ^ 226 Neisc über die <>ordillcie Nachtheil von dm Inka-Indianern des Inneren, die mit ihren mit Vienna «Wolle beladeucn Lamas in den Straßen der Stadt erscheinen. Jene sind ein unruhiger leicht erregbarer Menschenschlag, der hinter Mancrn mit Verzweiflung kämpft, aber nicht im Stande ist, größere Beschwerden zn ertragen; diese dagegen sind geduldige ausdauernde Leute und können als Soldaten Märsche zurücklegen, welche denjenigen, deren Erfahrung sich auf die Bewegungen europäischer Truppen beschränkt, unglaublich erscheinen dursten. Den Cholos von Areauipa ist eine sichtbare Mischung spanischen Blutes eigen, während die Indianer des Innern zum größten Theil reiner Abkunft sind. Der Weg über die Cordilleren nach Cuzco und Puno führt durch die nördliche Vorstadt von Arcquipa nnd erhebt sich dann über einen felsigen Bergrücken zu dem höheren Thale von Chihuata oder Cangallo (9L76 Fnß über dem Meere) anf der Südseite des Vnlkans. Eine elende Steinhütte mit Lchmsußboden ist das einzige Obdach, das sich dem Reisenden auf diesem Wege für die Nacht darbietet. An dem einen Ende der Hütte brannte ein Fener, an welchem eine alte Hexe als Köchin beschäftigt war nnd das den ganzen inneren Naum mit Rauch erfüllte, an dem anderen breitete sich jeder Reisende, wie er ankam, ans Decken und Ponchos sein Nachtlager, trank seine Chocoladc und legte sich nach kurzem Gespräch zur Nachtruhe zurecht, während das Feuer allmälig erlosch und das alte Weib mit einem Hänfen Kinder im entgegengesetzten Winkel zusammenkauerte. Als der Tag graute (23.März), waren wir alle in Bewegung; auch unser Nachtgcfährtc, ein Spanier mit einer großen „Tropa" von Manlthieren, die mit Aguardiente beladen waren, rüstete sich zum Anfbruch. Die Schnccgipfcl des Pichupichn nnd des Vulkans boten, noch uon flockigen Wolken umschwebt, als die Sonne allmälig emporstieg, einen wundervollen Anblick. Der übrige Himmel war blau, bewölkte sich aber, indem der Tag vorrückte, und das Thal mit dem auf einem runden Hügel gelegenen freundlichen Dorfe Eachimarca prangte in üppig grünen Alfalfa-Feldern. Die am Wege blühenden Gewächse waren dieselben wie in der Campina nach Apo. 227 von Areqnipa, nur daß eine kleine gelbe Caleeolarin häufiger vorkam. Es nnnuehte uns eine frische erquickende Morgenluft, als wir unsere Maulthicre bestiegen und uns dem langen Zickzack-Pfade zuwendeten, der zu dem südlichen Gebirgszwcigc des Vulkans, dem ,,^,Ila äe lau Iiu«808" hinaufführt, so genannt nach dcn Gebeinen unzähliger Maulthiere, die auf diesem Pfade umherliegen, der dcn Reisenden aus dem gemäßigten Tbale Cangallo zn dcn rauhen Ebenen der oberen Cordillcrcn hinaufführt. Die Reise ist scbr ermüdend und der Uebcrgang von der angenehmen und erquickenden Lust von Chihnata zu dem eiskalten Winde, der beständig über die oberen Eordillcrcn streicht, war sehr empfindlich. In den späteren Nachmittagsstnndcn trat ein staubregenartiger Nebel ein, der die tranrigc Ocdc der Ebene noch düsterer machte. Dann und wann tauchte auf einen Augenblick eine Hcerdc Üamas aus dem Nebel hervor und als die Nacht eintrat, erreichten wii erschöpft, durchnäßt und von Kälte erstarrt endlich das 14,350 Fliß liocli gelegene Postbans von Apo. Die Regenzeit der Kordilleren beginnt im November und dauert bis Ende März, nnd während dieser Zeit sind die Beschwerden des Reiscns so grosi und die Flüsse so angeschwollen, daß diese Ncise von einem gewöhnlichen Reisenden nur selten unternommen wird. Doch regnet es im März weder anbaltend noch scbr stark. Die Morgenwind gewöhnlich bell, aber Nachmittags tritt immer Nebel. Regen oder Schnee ein, der bis spät in die Nacht anhält. Im April beginnt die trockene Jahreszeit und dauert bis zum October, uud während der Monate Mai, Inni. Juli und Auglist erscheint t'anm ein Wölkchen am Himmel. Die PostHäuser in dein öden Gebirge zwischen Arcqniva und Puno sind sämmtlich von gleicher Beschaffenheit. Vs sind steinerne niedrige, auf drei Seiten einen Hofianm umschließende Gebäude mit fünf bis sechs Gemächern, die mit einem Lehm-Fußboden, einem plumvenTischc und einer aus Stein und Lehm gebildetenErhölmng versehen sind, welche die Stelle eines Bettes zu vertreten hat. Das Dach ist schlecht gedeckt und die Thüren sind so plump gezimmert, daß es unmöglich ist, sie zu schließen. Menschen wie Thiere leiden in Folge der in dieser bedeutenden Höhe herrschenden Luftoerdünnnng 15." 228 Pati, La Compucrta, Vilque. an einer sehr peinlichen Krankheit, von den Peruanern „Sorochi" genannt. Ich war schon in Arequipa von einem sehr ernstlichen Unwohlsein heimgesucht und daher wahrscheinlich für diese Krankheit vorbereitet worden. Schon vor der Anknnft in Afto battc mir ein empfindlicher Schinerz im Kopfe und im Nucken großes Unbehagen verursacht; diese Empfindungen nahmen während der Nacht im PostHause an Heftigkeit zu, und als wir um drei Uhr Morgens wieder aufbrachen, war ich nicht im Stande, ohne Vei' stand mein Maulthier zu besteigen. Ein Nitt von sieben Stunden über grasbcdeckte Ebenen, auf wclchen hier und da Schnee lag und Hügclreihcn mit schönen Felscnmasscn eine Art Stufe der fernen Cordillciengivfel bildeten, brachte uns zu dem PostHause von Pati. Wir hatten auf dieser Strecke mehr als zwölfmal denFluß zu über« schreite», der als Chile an Nrequipa uorbciflicßt. Die einzigen lebendigen Geschöpfe, welchen man hier begegnet, sind die Lccca-leccas, große an den zahlreichen Flüssen lebende Nasseruögel mit rothcn Beinen, weißem Kopfe und grauem Körper, die unaufhörlich ihr gellendes Pfeifen hören lassen, und die anmnthigenVicuna-Hecrden, die in ihrer lieblichen Erscheinnng den Antilopen gleichen und in den ödesten Regionen der Cord illeren ihre Weide suchen. Ein weiterer von Hagel- und Schncewctter begleiteter Nitt brachte uns zu dem „Alto deToledo", dem höchstenP-unkte des Weges, 15,590Fuß über dem Meeresspiegel. Zur Zeit des Sonnenuntergangs schimmerten einige schneebedeckte Gipfel hellglänzend durch die Dunkelheit und erst spät am Abend erreichten wir das PostHans von Euc« villas. Jenseit Cuevillas giebt es zwei große Alpcnscen, von wclchen ans ein Fluß sich hinab in den Titicaca ergießt, und wir pasfirten daher hier die Wasserscheide zwischen dem stillen Meere und jenem großen See. Die Landschaft ist großartig, aber öde, und der Weg führt zwischen zwei Seen hin, deren einzigen Abfluß eine Schlucht bildet, in welcher das PostHaus La Eompuerta liegt, das wir vor Beginn des Nachmittagsrcgcns erreichten. Am anderen Tage, mit dem ersten Morgenlicht wieder aufbrechend, zogen wir durch diese Schlucht nach grünen von weidenden Schafherden belebten Ebenen hinab. Es ist ein Ereigmß, wenn man in diesen Einöden einem Einsame Begegnung. 229 Reisenden begegnet, und das Erscheinen eines solchen veranlaßt gewöhnlich eine Reihe von Fragen und Antworten. Uns begegnete l)ier ein Cavallero, in dessen Kleidnng und allgemeiner Erscheinung, die Tröster abgerechnet, wir unscrc eigene Acnßerlichkeit wieder erkennen konnten. Er trug einen großen fast bis auf seine Füße reichenden Poncho von prahlenden Farben, einen breitrandigen Filzhut, den er mit einem blauen baumwollenen Taschentuch durch einen Knoten unter dem Kinn festgebunden hatte, einen ungeheuren wollenen Tröster, der nm Hals und Gesicht geschlungen fast nur die Angen sehen ließ, ein Paar wollene hellgrüne, schwarzgcstreistc Gamaschen uud mächtige Sporen. Es war ein Beamter auf dem Wege nach Arequipa und er klagte über die Nauhheit des Wetters und die Beschwerden des Wegs. Nach kurzer Unterhaltung zog er, gefolgt von seinen bcladenrnMaulthicren, wieder von danncn und war bald in der Ferne verschwunden. Am Nachmittag sahen wir in der Nähe der großen Schäferei Taya-taya, seitdem wir das Thal von Cangallo verlassen, zum erstenmal wieder Spuren von Cultur — Quinoa», Gersten- und Kartoffelfelder mit dazwischen liegenden Indiancrhütten, und nachdem wir einen felsigen Bergrücken überschritten, übelblickten wir eine ungeheure sumpfige Ebene mit der am Fuße einer schönen felsigen Höhe gelegenen kleinen Stadt Vilque, die wir bei Sonnenuntergang erreichten. Von La Compuerta aus hatte unser Weg fortwährend abwärts geführt; die Vicunas waren verschwunden, da diese Thiere nur die höchsten und wildesten Gegenden der Cor-dilleren beleben, während in der niedrigeren Region zwischen Vilqnc und Puno das Gefühl der Oede und Einsamkeit durch die zahlreichen Vögel , welche die Gegend beleben, und dnrch die zunehmende Mannigfaltigkeit wilder Vlumen zerstreut wird. Ein längerer Ritt über ausgedehnte grasige Ebenen und an dem Dorfe Tiqnillaca vorüber brachte uns endlich au den Fluß Tortorani, der mächtig angeschwollen eine Strecke weiter abwärts sich über einen 250 Fuß hohenAbhang ergießt und einen prächtigen Wasscrfall bildet. Nachdem wir ungefähr eine Meile unterhalb dieses Wasscrfalls eine Brücke gefunden und überschritten hatten, erblickten wir bei Sonnen-- 230 Pun» und scmc Nmqebüug. untergcmg den großen SccTiticaca. Ein steiler im Zickzack laufender Pfad führt zur Stadt Puno hinab, die dicht an dem Ufer des Sees liegt und von einem Kreise silberhaltiger Gebirge umgeben ist. P uno, die Hauptstadt des Departements, verdankt ihren Ursprung und ilne frühere Blüthe dcm Silbcrreichthum dcs umliegenden Landes. Man gelangt von der Nordscitc her durch einen steinernen Thorweg in die Stadt, den der General Deustua, der 1850 Präfect war, hat erbauen lassen. Die Straßen, die reinlich und gut gepflastert sind, neigen sich in sanfter Abdachung nach dcm Scc dinab, der aber durch die Halbinsel Capachica und zwei an der Bai von Pnno gelegene Inseln zum Theil dem Blicke entzogen wird. Die aus kleinen braunen Lchm>icgcln erbauten, mit Stroh oder rothen Ziegeln gedeckten Häuser erheben sich selten über das Erdgeschoß und die Zimmer öffnen sich nach dem Hofranuici Oefen sind bier unbekannt, obgleich in einer Höhe uon 12,874 Fuß über dem Meere die Nächte sehr kalt sind. Auf dem Hauptplatze der Stadt erhebt sich die 1757 ans Stein erbaute Kirche mit einer schön verzierten Vorderseite und zwei Tbürmen; einen anderen Plalz schmückt ein großes Collegium von zwci Stockwerken. Beide Plätze haben unter der Verwaltung des letzten Präsidenten, General Echc-niquc, bronzene Brunnen erhalten. Nahe bei Puno in südlicher Richtung liegen die berühmten silbcrrcichcn Verge Cancharani und Laycaycota, welchen Puno seine Entstehung verdankt, und deren Werke nm die Mitte des 17. Jahrhunderts in einem Jahre eine Ausbeute im Werthe von 1,500.000 Dollars gaben. Von 1775 bis 1821 gaben die Bergwerke bei Puno noch 1,786,000 Mark Silber (die Mark — 7 bis 9 Dollars). Am ergiebigsten war noch das Jahr 1802. das eine Ausbeute uon 52,000 Mark ergab; von 1816 an aber nahm der Ertrag fortwährend ab und sank 1824 nach der Vertreibung der Spanier anf eine sehr geringe Summe. Zwar haben es einzelne Unternehmer seitdem uersncht, die theilweisc aufgegebenen Werke wieder in Betrieb zu bringen oder durch neue zu ersetzen, aber ohne erheblichen Erfolg. Zu den Uebeln, welche aus den seit der Erlangung der Unabhängigkeit entstandenen politischen Verhältnissen Bergwerke und Schissfcchrt auf dem Titicaca-See. 231 Peru's entsprungen sind, gehört ein vollständiger Mangel an gegenseitigem Vertrauen unter den besitzenden Klassen und zugleich ein auffälliger Mangel an Unternehmungsgeist, so daß jede größere Vereinigung zu Vergwerkuutcrnehmungcn oder ähnlichen Zwecken fast unmöglich ist. Peru ist noch ein sehr junges Land und man kann hoffen, daß dieserZustaud der Dinge nicht fortdauern werde: gegenwärtig aber läßt das allgemeine Mißtrauen eben so sehr wie der Mangel an Thatkraft ein gesellschaftliches Unternehmen nicht aufkommen. So liegen die zahlreichen Bergwerke, die einst die Berge Cancharani und Laycaycota bedeckten und thatsächlich die an ihrem Fuße liegende Stadt Puuo ins Dasein riefen, jetzt unbebaut. Gegenwärtig ist nur ein einziges kleines Bergwerk hoch oben auf dem Laycaycuta, Cachi-Vieja genannt, im Betriebe, das nicht weit von dem einst so berühmten „Veta dc la Candalaria" entfernt liegt. Außer diesem in unmittelbarer Nähe von Puno gelegenen Bergwerke gibt es ungefähr vier Meilen südwestlich von der Stadt, bei San Antonio dc Csquilache, noch einige ziemlich ergiebige Silbcrgrubcn, die seit 1847 von Don Manuel Costas, einem der einflußreichsten Bürger von Puno, betrieben werden. Dieser Don Manuel Costas, der während meines Aufenthalts in Puno mein Wirth war, erkannte auch zuerst den großen Vortheil, welcher dem Departement Puno aus einer Dampfschifffahrt auf dem Titicaca-See erwachsen würde. Erkaufte I84l> ein kleines Dampfschiff, das er in einzelnen Stücken fortschaffen ließ und mit der Bedingung an die Negieruug verkaufte, daß diese die Kosten des Transports nach dem See hinauf bcstreite, was jedoch nie geschehen ist. Man ist der Ansicht, daß alle zu diesem Zwecke später herzustellenden Dampfboote ungefähr vierzig Tonnen enthalten und vier und einen halben Fus; im Wasser gehen, mit Schaufel« rädern (nicht mit Schrauben) und mit den nöthigen Bequemlichkeiten für Reisende versehen seiu müßten. Sie würden alle Crzcug-uissc der Wälder von Bolivia, Chinarinde, Bauholz, Cacao, Coca, Früchte undOrlean nach Puuo und europäischeManufacturwaaren, Zucker vun Abaucay und Aguardiente von dcrKüste von Puno nach Bolivia fübrcu. In den Wäldern von Carauaya könnten ungeheure 232 Industrielle Bedeutung von Pun». Quantitäten Bauholz geschlagen und während dcr Regenzeit auf den Flüssen Azangaro und Ramiz herabgcflößt werden und, nachdem Märkte und bequemere Verkchrsgelcgenheitcn entstanden, würden Handel und Gewerbe auf allen Seiten schuell zunehmen. Das Land würde ein völlig verändertes Ansehn gewinnen; das Volk würde neue Bedürfnisse kennen lernen und civilisirtcr werden und Puno, jetzt eine Stadt mit leeren stillen Straßen, in deren Ankerplätze selten mehr als ein halbes Dutzend aus Rohr gebauter Boote liegen, würde sich zu einem blühenden und lebhaften Hascnort erheben. Aber diese glänzenden Aussichten erfordern zu ihrer Verwirklichung Zeit und eine völlige Umgestaltung dcr politischen Verhältnisse Peru's. Eine andere wichtige Frage wäre es, ob in den geschützteren Schluchten dieser hohen baumlosen Regionen nicht Lärchen-, Fichten« und Birkenbäumc heimisch gemacht werden könnten. Es ließen sich große Pflanzungen für den Bedarf an Nutz-und Brennholz anlegen, während die Indianer hinsichtlich d«r Rahmen ihrer Dächer jetzt einzig und allein auf die krummen Stangen des Quciiua-Baumcs (pol^Ier^s wmenlellH) und hinsichtlich ihres Brennmaterials auf Lama-Mist und Tola-Sträucher(Lac«lia. N8) angewiesen sind. Die Hauptproducte des Departements Puno sind Wolle und ° Silber, und der ganze Werth der Ausfuhr beträgt ungefähr l,200.000 Dollars. Die Bevölkerung beläuft sich auf kaum 300,000 Seelen, wovon 9000 auf die Stadt Puno kommen. Es kommen jährlich, theils als Bezahlung für die Wolle, theils als Gehalte für Beamte, ohne dcn Sold für die Truppen, gegen 1,500,000 Dollars in das Departement und man nimmt an, daß mehr als die Hälfte dieser Summe in die Hände der Indianer fließt, die sie vergraben. Wenn man daher von dem Mincral-reichtlnnu Peru's spricht, so muß man auch die ungeheuren Snm-men geprägten Geldes, die Vasen und andercn aus edlen Metallen gefertigten Gegenstände in Betracht ziehen, die von den Indianern bereits verscharrt worden sind, denn dieser Brauch besteht schon seit den Zeiten der Incas. Jetzt, wo das Courantgeld fast auö. schließend aus schlechten Halbdollars von Bolivia besteht, wird Kritisches Verhältniß mit Bolivia. 233 jeder spanische Dollar oder jedes andere gute Geldstück, das in die Hände der Indianer kommt, augenblicklich vergraben. Ich mußte einige Zeit in Puno verweilen, um allerlei Erkundigungen einzuziehen und hinsichtlich des zweckmäßigsten Weges, den ich zur Erledigung meiner Aufgabe cinzuschlagcu haben würde, zu einem Entschlüsse zu gelangen. Der Bedarf an Fnbcrrinde der Olunedomi (^llsl^a wird jetzt ausschließend ans den Wäldern von Muuccas, Apollobamba, Mracares, Larccaja, Inqnisivi, Ayo-ftaya und den Mngns von La Paz in Bolivia bezogen; aber ich fand, daß die Sammlung von Pflanzen und Samen in diesen Districtcn mit großen Schwierigkeiten verbunden sein würde, und diese Schwierigkeiten würden, wie sich später ergab, wirklich unüberwindlich gewesen sein. Da der hauptsächlichste Theil der Einkünfte von Bolivia ans dem ChinarindcN'Handcl gewonnen wird, was in Peru nicht der Fall ist, so bewachen die Bolivier ihr Monopol mit selir eifersüchtigen und argwöhnischen Augen, und der Zweck meiner Sendung würde sehr bald erkannt worden sein. Außerdem drohte ein Krieg zwischen Peru und Bolivia; in drei Provinzen wurden ansehnliche Hecresmasscn gesammelt, in Puno unter General San Roman, in Vilquc unter Beltran und in Lampa unter Frisancho, und sobald die Feindseligkeiten einmal begonnen hatten, würde ce> für ciucn Privatmann geradezu unmöglich gewesen sein, seine Maulthiere gegen Beschlagnahme zu wahren. Der Krieg kam zwar nicht wirklich zum Ausbruch, aber Linares, derPrasident von Bolivia, erließ am 14. Mai eine Verordnung, die allen Verkehr zwischen den beiden Ländern aushob und den Reisenden dcn Ucbcrgang über die Grenzen verbot. Diese Verordnung, die erst im October wieder aufgehoben ward, wurde mit großer Strenge ausgeführt und würde es mir damals unmöglich gemacht haben, für mich und meine Gefährten mit bcladencn Maulthieren ohne lange Verzögerung den Weg von Bolivia nach der Küste zu gewinnen. Eine Hauptursache des drohenden Krieges lag in dem Umstände, daß die Regierung dabei beharrte, schlechte und geringhaltige Halbdollars zu prägen und Peru damit zu überschwemmen. Jedenfalls ein eigenthümlicher Weg, finanzielle Mißverhältnisse auszugleichen! "234 Aenderung des Neiseplans. Während ich auf diese Weise von einem Versuche, in den Wäldern von Bolivia Pflanzen zu sammeln, abgehalten wurde, erkannte ich, daß mir dieses Unternehmen in den Wäldern der peruanischen Provinz Caravaya, an der Grenze von Peru und Bolivia, ohne große Schwierigkeiten gelingen würde. Ich glaubte voraussehen zu können, obgleich ich, wie ich später fand, mich irrte, daß, weil der Nindenbandcl in Peru von keinem wesentlichen Belang sei, der Zweck meiner Sendung keinen Argwohn und leine Eifersucht erwecken würde. Etwaige Feindseligkeiten an der Grenze von Bolivia tonnten den Weg zwischen den Caravaya-Wäldern und der Küste nicht wesentlich beeinträchtigen, und vor allen Dingen war Caravaya, in Rücksicht auf einen passenden Seehafen, näher und zugänglicher als irgend ein Thei! der Ehin-chona-Wäldcr von Bolivia. Das letztere war von überwiegender Wichtigkeit, da aller Erfolg wesentlich von der Schnelligkeit abhing, womit die Pflanzen über die rauhen, kalten Einöden der Cordillcren gebracht werden konnten. Ich wußte durch Dr. Wed-vell, daß zwar dcr ChinarindcN'Handcl in Earavaya jetzt aufgehört und die Rinde dieses Districts in Folge thöriger Verfälschungen ihren Marttwcrth verloren hatte, daß aber in den Wäldern dieser Provinz nördlich bis zum Tliale von Sandia junge Pflanzen und fruchttragende Bäume der Okmcdona (^li8H^a nachweislich vorbanden waren. Ich beschloß daher nach reiflicher Erwägung, von Puno aus meinen Weg unmittelbar nach den Wäldern von Caravaya zu uchmcn. Mnstes Kapitel. Neisc von Puno nach Crucero, der Hauptstadt von Caravaya. Es war am ?. April, als wir unsere Reise nach den Chin« chona-Wäldem von Caravaya antraten. Man kann in Peru auf dreierlei Weise reisen, erstens, indem man die erforderlichen Maulthiere kauft und auf gewisse Zeit die dazu nöthigen Leute in Dle Hochebenen von Azangaro. 235 Dienst n'immt, zweitens, indem man einen Arriero oder Manl-thiertreibcr miethet, der die für die Reise nöthigen Maulthicrc besorgt, oder drittens, indem man sich der elenden Thiere bedient, die in den Postbäusern zu liaben sind und die man auf jeder Station wechseln taun, was aber nur auf den Hauptwcgen möglich ist. Die letztere Reiseart ist zwar die am wenigsten bequeme, aber die billigste, und ich entschied mich daher for dicse, was ich wahrscheinlich nicht gethan haben würde, hätte ich die damit verbundenen Beschwerden voraussehen können. Von Puno nach Pucara folgte ich dem nach Cnzco führenden Hanptwcge, hier aber mußte ich in östlicher Nichtung davon ablenken, um durch die Provinz Azangaro nach der Provinz Cara» vaya zu gelangen. Der Hauptweg geht in nördlicher Nichtung weiter und führt über die Schnecgcbirgc von Vilcanota bei Aya-viri und abwärts in das Thal des Vilcamayu nach Cuzco. In Pucara ließ ich Posthänser nnd Postmaulthicrc hinter mir, da dieselben nur ans den Hauvtwegcn zwischen Areauipa, Puno, Cuzco und Lima zu finden sind, und war von nun an darauf angewiesen, Maulthiere oder Ponys von Privatlcutcu zu miethen. Die Gegend, welche ich zwischen Puno und Azangaro kennen lernte, ist von ziemlich gleichartiger Beschaffenheit — grasige Hochebenen, die von Schaf- und Nindcrheerdcn bevölkert, von zahlreichen, in den Titicaca-Scc fließenden Flüssen bewässert und von verschiedenen Gebirgszwcigen durchschnitten sind, welche ihre Gipfel bald bis zur Schneelimc erbeben, bald zu felsigen, stufen-artig über der Ebene liegenden Plateaux hcrabsinten. Was Einem auf der Ncisc durch diese Gegend am meisten auffällt, das sind die augenscheinlichen Beweise von der ungcbcuren Bevölkerung, die sie zur Zeit der Incas gehabt haben muß, denn überall sieht man an den Abhängen der Berge Ncihc über Neihc die Ucberreste der für die Cultur bestimmt gewesenen Terrassen. Jetzt ist die ganze Gegend vorzugsweise Weideland, und die mit der Beaufsichtigung der großen Hccrden beschäftigten Indianer bauen nur so viel eßbare Wurzeln, als sie für sich selber oder für den Markt der nächsten Stadt brauchen. Die Hirten sind l'änsig sogenannte 236 Azangaro und seine Schätze. „Yanaconas", Indianer, welche bei den Eigenthümern der Heerden, die gewöhnlich von 400 bis 1000 Köpfe zählen, in Dienst stehen und deren Lage ziemlich traurig ist, denn sie haben monatlich nur eine Arroba „Chuiius" (gefrornc Kartoffeln) oder Quinoa und ein Pfund Coca oder vier Dollars monatlich an Geld. Puno, Iuliaca, Lampa, Pucara uud Azangaro liegen sämmtlich zwischen 12,800—13.000 Fuß über dem Meere. Die mittlere Temperatur betrug an diesen Orten vom 28. März bis 18. April 52^/2 "F,, das mittle Minimum bei Nacht 37'/2". Azangaro ist die Hauptstadt der Provinz gleichen Namens und vorzugsweise die Stadt verborgener Schätze. Eine alte Ueberlieferung sagt, daß die Indianer mit dem zum Lösegcld des gefangenen IncaAtalmalva bestimmten Gold und Silber unterwegs gewesen seien, als sie in Sicuani die Nachricht von seiner Tödtuug durch Pizarro und zugleich von dem Inca Manco, der sich in Cuzco befand, den Befehl erhielten, den Schah nach einer „größeren Entfernung" in Sicherheit zu bringen, worauf sie ihn in der Nähe dieser Stadt vergruben. ^8l,n,n heißt „mehr", «8,1-un „entfernt"; daraus soll der Name Azangaro entstanden sein. Es wird allgemein angenommen, daß dieser Schatz, sieben Millionen Dollars an Werth, wie auch die kostbaren Kirchcn-geräthschaftcn, die, fünfzehn Maulthicrladungen betragend, 1781 von Diego Tupac Amaru in die Stadt gebracht wurden, irgendwo verborgen seien und daß einigen Indianern die Stelle bekannt sei, aber von ihnen nicht verrathen würde. Natürlicher Weise sind verschiedene Versuche gemacht worden, diese Schätze zu entdecken, und ein Unterpräfect hat unter dem Fußboden der Kirche mehrfache Nachgrabungen vornehmen lassen, die aber keinen Erfolg gehabt haben. Vor nicht gar langer Zeit war dem Untcrprä'fectcn von einem alten Indianer, der in dem Hause, wo der Inca Diego Tupac Amaru gewohnt hatte, Diener gewesen war, die Mittheilung gemacht worden, daß man bei einer Eingrabung an einer von ihm bezeichneten Stelle ungefähr zwei Fuß tief auf eine Schicht Flußsaud, dann auf ein Schicht Kalk und Mörtel und endlich tiefer unten auf eine Schicht großer Steine stoßen würde, unter welchen der Schatz vergraben liegen sollte. Die Ausgrabung Nnlunft in Crucero. 237 wurde vorgenommen und die Erwartungen waren aufs Höchste gespannt, als man die Schichten genau so vorfand, wie der Indianer sie angegeben hatte i von einem Schatze aber war nichts zu entdecken. Vielleicht hatte der Indianer das Geheimniß nur halb gewußt oder nur halb mitgetheilt; vielleicht waren diese Schichten nur ein Merkmal, von welchem ans in gewisser Richtung uud in gewisser Entfernung die Stelle zu finden war, wo der Schatz verborgen lag. Aber diese Nachforschungen sind doch auch wieder nicht ganz erfolglos gewesen. Man hat unter Azangaro verschiedene unterirdische Gänge und Gewölbe entdeckt. Einer derselben, der erst vor einigen Jahren aufgefunden ward uud offeubar ein Uebcrrest ans dem Alterthum der Indianer ist, führte nach dem Hauptplatze der Stadt und cudcte in einer Vertiefung, wo man verschiedene Mumien mit goldeucn Sonnen und Armspangcn und goldenen, die Ohren bedeckenden Halbkugeln vorfand, die jetzt das Eigenthum meines Wirthes, Don Luis Qninones, waren. Azangaro ist eine Provinz, wo bedeutende Vicbzncht und ein sehr bedeutender Käsehandel mit Arcquipa und anderen Orten betrieben wird. Ich hatte große Mühe. die zur Fortsetzung meiner Neise nach Cruccro nöthigen Thiere zu erlangen, und mußte mich endlich mit vier erbärmlichen tleiuen Ponys begnügen. Erucero liegt auf einer sumpfigen, sehr lwhcn Ebene und besteht aus einer Anzahl unbehaglicher Lehmhütten mit einer kleinen verfallenen Kirche. Es war in Folge heftiger Schncestürme ganz empfindlich »alt, und die Leute saßen, ohne sich an einem Feuer wärmen zu können, in ihre Mäntel eingehüllt und suchteu bald nach Sonuenuutcrgang ihr Vctt, das einzige behagliche Plätzchen ihres Hauses. Ich wurde von dem Untcrpräfecten Don Pablo Pimente!, einem militärischen Veteranen und langjährigen Rcgie-rungsbcamtcn in Caravaya, sehr gastfreundlich aufgenommen. vi. Weddcll hat eine neue Gattung chinchonaartiger Pflanzen zu Ehren des würdigen, alten Untervräfcctcn, der ihm so sehr gefallen hatte, ?imonl«lia genannt. Wir hatten von Puno bis hierher eine Neise von 151 englischen Meilen zurückgelegt, und ich verweilte einige Tage in Crucero, bevor ich nach den Chinchona-Wäl- 236 Der Fnlß Pnrus dern in den Thälern von Sandia und Tambopata aufbrach. Wäb-rend dieser 3tast hatte ich hinreichende Gelegenheit, von Don Pablo Pimcntel und dem Nichter Scnnor Lecfdacl ausführliche Kunde über die Provinz Caravaya zu erlangen. Don Pablo hatte fast jeden Theil derselben bereist, und außerdem hatte ich schon in Arcquipa von einem ehemaligen Untcrvra'fcctcn, Don Augustin Aragon, vielfache Erkundigungen eingezogen, so daß ich auch über diejenigen Tbcile von Carauaya, die ich nicht selbst besucht habe, einige Auskunft zu geben vermag, die den Inhalt des nächsten Abschnittes bilden soll. Caravaya ist eine Gegend, von welcher den europäischen Geographen nicht viel bekannt ist und die meines Wissens noch kaum ein Reisender beschrieben l,at. Sechstes Kapitel. Die Provinz Caravaya ni historischer »nd geographischer Hinsicht. Die peruanische Provinz Caravaya ist von Flüssen bewässert, die einen Theil des Flußgebietes eines der größten und am wenig« stcn bekannten Nebenflüsse des Amazoncnstromcs, des Flusses Purus, bilden. Der Purus ist der einzige große vom Süden her in den Amazoncnstrom sich ergießende Nebenfluß, dessen Lauf noch nie erforscht worden ist. Wir haben genaue Verichte von dem Hullaga durch Maw, Smith, Pöppig und Hcrndon, von dem Ucayali durch Smyth, Hcrndou und Castelnau, und von dem Madeira durch Castelnau und Gibbon; aber von dem Purus, dem größten dieser Nebenflüsse, der wahrscheinlich im Laufe der Zeit der wichtigste wird, wissen wir so viel wie nichts. Nur seine Mim» dung und der Lauf seiner Zuflüsse am Fuße der Anden sind beschrieben wurden, Condaminc und Smyth berichten von der bc« Deutenden Tiefe uud Wassermasse des Purus an seiner Mündung in den Amazoncnstrom; Hcrndon hörte von einem brasilianischen Handelsmann in Bcnra, der den Lauf dieses Flusses eine Strecke weit aufwärts verfolgt hatte, daß derselbe von bedeutender Größe und durch keine Hemmnisse unterbrochen sei, und Hacnke spricht und seine Zuflüsse. 239 auf Grund zuverlässiger geographischer Angaben, dir er von Indianern gesammelt hatte, die Ueberzeugung aus, daß ein großer Fluß, der östlich von Cuzco den Anden entströme, westlich von der Mündung des Madeira den Amazoncnstrom erreiche. Das M die Summe unserer Kenntniß von der Mündung und dem tieferen Laufe des Pnrus. Seine Zuflüsse bewässern die östlichen Abhänge der Anden von der Breite von Cuzco bis an die Grenze von Bolivia, indem diese Grenze die Flüsse, die sich auf der peruanischen Seite in den Purus ergießen, uon denjenigen scheidet, die auf der bolivianischen Seite den Veni speisen. Diese Zuflüsse des Purus theilen sich in drei verschiedene Gebiete; das äußerste nördliche und östliche enthält die Flüsse, welche durch das große Thal von Paucartambo fließen und sich unter dem Namen Madrc de Dios oder Amaru-mayu vereinigen; die Flüsse des mittlern Gebiets bewässern die Schluchten von Marcapata und Ollachea, und das südliche und östliche besteht aus den zahlreichen Flüsscu der Provinz Carauaya bis an die Grenze von Bolivia, welche als Mambari zusammenfließen. Der Madre dc Dios und der Unam-bari bilden vereinigt den Fluß Purus. Das Flußgebiet von Paucartambo ist das einzige, das von neueren Forschern beschrieben worden ist. Zur Zeit der Spanier wurden die dasselbe bildenden Flüsse näher untersucht und an ihren Ufern Cacao- und Coca «Pflanzungen angelegt, und gegen Ende des vorigen Iabrliundcrts wurde cine Expedition zur Erforschung des Laufes des Madre de Dios ausgesendet. Nachdem Peru seine Unabhängigkeit erklärt hatte, sendete General Gamarra, der erste republikanische Präscct von Cuzco, eine Expedition aus, welche den Zweck hatte, die Pflanzungen in dem Thale von Paucartambo gegen die Gewaltthätigkeiten der wilden Chuncho-Indiancr zn schützen und den Lauf des Madrc dc Dios zu erforschen. Der Anführer dieser Expedition, vl. Sevallos, lebt jetzt als sehr alter Mann auf einer Farm in den Wäldern von Caravaya. hat aber unglücklicher Weise sein Tagebuch verloren. General Miller, der 1835 eine Expedition nach derselben Gegend unternahm und weiter vordraug als irgend ein Forscher vor oder nach iln», hat nur einen sehr kurzen 240 Das Marcapata.Thal. Bericht in der Zeitschrift der K. geographischen Gesellschaft ge, liefert, während sein viel reichhaltigeres Tagebuch ungedruckt geblieben ist. Im Jahre 1852 besuchte der amerikanische Lieutenant Gibbon die Thäler von Paucartambo, und im folgenden Jahre verfolgte ich selber einen Theil von dem Laufe ihres Hauptflusses, des Tono. Eine spätere, von einigen peruanischen Abenteurern unternommene Erpedition blieb ohuc Erfolg. Seitdem haben die wilden Clmncho-Indianer ihre Angriffe auf die in diesen Thälern befindlichen Pflanzungen fortgesetzt, und gegenwärtig ist davon nicht eine mehr vorhanden. Folgt man den östlichen Anden-Abhängen nach Süden und Osten, so kommt man zunächst zu den Flüssen, welche die Thäler Marcapata und Ollachea bewässern, von welchen jedoch nicht viel bekannt ist. Diese Thäler liegen in der Provinz Quispicanchi und im Departement Cuzco, und sie sollen in früherer Zeit mit Vor« theil bebaut worden sein und viele Coca-Pflanznngen enthalten haben. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts fand ein Jesuit in einem Berge des Thales Marcapata. Camante genannt, Gold, und eine spanische Gesellschaft, die daselbst eine Goldwäscherci anlegte, beschäftigte in der Folge mehrere hundert Indianer und gewann auf jenem Verge Gold in Klumpen, bis eines Tages, ungefähr 1788, ein ungeheurer Erdsturz alle Arbeiter auf immer verscheuchte. Vierzig Jahre nach diesem Ereignisse gab es in Marcapata weder Coca-Pflanzungcn noch Goldwäschcreicn mebr, bis 1828 der Cura des Dorfes gleichen Namens aufs Neue einen Weg in die Thäler öffnete und mit einigen Genossen wieder mehrere Coca- und Fruchtpflanzungen anlegte. Im Jahre 1836 traten mehrere junge Unternehmer zu einer Gesellschaft zusammen, welche den lange Verlornen Goldberg Camantc wieder aufsuchen wollte, aber keinen praktischen Erfolg erreichte. Dann trat 1851 Oberst Bologncsi an die Spitze einer Erpedition zur Sammlung von Chinarinde in den Wäldern von Marcapata. Sein Gefährte war ein junger Engländer, Namens George Backhouse. Sie drangen in die Wälder ein, bis sie auf verschiedene Haufen der wilden Chuncho-Indianer stießen, die anfänglich durch Geschenke, aus Die Provinz Earavaya. 241 Messern und anderen Kleinigkeiten bestehend, gewonnen nnd sogar veranlaßt wurden, dem jungen Backhouse und seinen Leuten beim Rindensammeln behilflich zu sein, aber weil sie sich der Arbeit nicht annahmen, die in Backhouse's Dienst stehenden Indianer so sehr erbitterten, daß es zu einem Kampfe kam, in welchem der junge Backhouse und all seine Leute ermordet wurdeu. Nologncsi sammelte eine kleine militärische Streitmacht und schlug sich, in die Wälder eindringend, Tag für Tag mit den Chunchos herum, war aber doch so glücklich, tausend Centner Rinde zu gewinnen. Auch Spuren der alten Goldwäschcreicn wurden bei diesem Unlerneb-mcn aufgefunden, aus welchem zugleich zu ersehen ist, daß beschwerliche Wege und Fieber nicht die einzigen Gefahren sind, die mau bei der Aufsuchung uon Chinchona-Pflanzcn zu fürchten hat. Von Marcapata bis zur Grenze von Bolivia erstreckt sich endlich, 180 englische Meilen weit, längs desjenigen Theils der östlichen Anden, der als die Schneekette von Carauaya bekannt ist, daS Gebiet, wo die zahlreichen Flüsse entspringen, die sich schließlich zu dem Unambari vereinigen. Madrc de Dios, Marcapata und Inambari sind demnach die drei großen Quellen des Purus, und die Nebenflüsse des lehtcrn bewässern die Provinz Carauaya. Wir sinden diese Gegend zuerst in den Schriften des alten Inca-Historikcrs Garcilasso dc la Vega erwähnt, welcher sagt: „Die reichsten Goldmincn Peru's sind diejenigen von Colla-huaya, uon den Spaniern Carauaya genannt, wo man viel und sehr gutes Gold von vicrundzwanzig Karat findet." Auch der Jesuit Acosta erwähnt „das berühmte Gold von Caravaya in Peru." Nach der Besiegung des jüngcrn Almagro in der Schlacht uon Chupas 1542 gingen einige seiner Gefährten über die Schneekette und stiegen in die großen tropischen Wälder von Caravaya hinab, wo sie Flüsse entdeckten, deren Sand ungewöhnlich goldreich war. An den Ufcrn dieser Flüsse bauten sie die Städte Sandia, San Gavan und San Juan del Oro. Es wurden große Summen in Gold nach Spanien gesendet und die letztgenannte Ansiedelung erhielt von Karl V. den Titel einer königlichen Stadt. Schließlich aber wurden die Goldwäscher von den wilden Chuncho- >Mu, ^ 242 Frühere Geschichte Indianern des Sirineyri-Stammcs überfallen und überwältigt. Im folgenden Jahrhundert wurden die Goldwäschcrcicn in Cara« vaya von gewissen Mulatten betrieben, welchen der König zur Belohnung für ihre goldbringendcn Vemühunsscn die Gcwälirung jeder Gnade zusagte, welche sie sich ausbittcn würden. Die Mulatten baten um die Erlaubniß sich „Sennores" nennen und in jede Stadt auf weißen, mit rothem Geschirr uud klingenden Glöckchen geschmückten Manlthicrcn einziehen zu dürfen. Auch sic wurden schließlich verjagt, weil sie in der Trunkenheit den Priester von San Juan del Oro während des Messclescns auf den Kopf geschlagen hatten. Es giebt in verschiedenen Theilen von Cara-vaya noch mancherlei Spuren uon den Goldwäschereien dieser Mulatten. Die Spanier fuhren jedoch noch lange Zeit fort. die goldhaltigen Flüsse uon Carauaya auszubeuten, und legten in einigen von vorspringenden Zweigen der Kordilleren gebildeten Schluchten Coca- und Kaffccpflanzungen an. Gold blieb jedoch das Grzcugniß. wodurch Carauaya sich vorzugsweise auszeichnete. Im Jahre 1615 sprach der Vicekönig Marquis von Montcs Claros uon den reichen Ooldwäschereicn von Carauaya und seiu Nachfolger, der Prinz von Esquilache, schrieb darüber 1620 einen langen Bericht. Das reichste Bergwerk von Caravaya scheint damals Apo» ruma qcwesen zu sein, das, wie es scheint, seit fünfzehn Jahren von mehreren vereinigten Unternehmern betrieben worden war, welche bei dem Vicckönig zur vollständigeren Ausbeutung der Werke und damit das königliche Fünfthcil sich vermehre, nm eine „Mita" von Indianern nachsuchten. Der Hicct'önig gewährte ihnen eine solche „Mita" für einen Umkreis von mehreren Meilen, jedoch mußten sie sich verpflichten, jedem der auf diese Weife ihnen dienstpflichtig gewordenen Indianer monatlich drei Dollars und außerdem gesalzenes Fleisch und andere Lebensmittel zu verabreichen. Im Jahre 1078 belief sich das königliche Fünfthcil von den Gold-wäschcreien von Carauaya auf 806 Dollars für drei Monate. Von dieser Zeit bis zum siebzehnten Jahrhundert waren Franciskaner, Missionäre unter den wilden Chnnchos der Wälder von Caravaya thätig. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde Caravaya von der Provinz Caravaya. 243 Peru getrennt und dem Vicekönigthum Vucnos Apres einverleibt, und die aus Weißen und civilisirten Indianern bestehende Bevölkerung belief sich damals auf ungefähr 65,00 Seelen. Kurz zuvor, am 15. December 1767, war die Stadt Sau Oauan mit 4000 Familien und einem bedeutenden Schatze von den Carangas und den Snchimani-Chunchos überfallen und vollständig zerstört worden. Die Stadt San Juan del Oro war einige Zeit zuvor verlassen worden, und jetzt weiß man kaum noch die Stätte anzugeben, wo diese Städte einst standen. Als Peru seine Unabhängigkeit erklärt hatte, wurde Caravaya ein Theil des peruanischen Departements Puno. Im Juli 1849 entdeckten zwei Brüder Namens Poblotc, die Chinchona-Nindc suchten, in dem Sande dcr ssaravalia-Flnssc eine große Menge Goldstaub. Natürlicher Wcise war die Kunde von dieser Entdeckung schnell und weit verbreitet und Caravava wurde das Kalifornien Südamerika's. Bis zum Jahre I85»2 strömten allerlei Abenteurer, namentlich viele Franzosen, herbei, von welchen jedoch dic meisten mit lecren Händen znrnckrchrten; gegenwärtig ist der gan^e Lärm wieder verstummt. Der Chinarindcn-Handcl, der einst so ergiebig war und in welchem vicle Peruaner anßcrordent-liche Thätigkeit und Ausdauer zeigten, hat seit 1847 aufgehört, weil der üble Gebrauch, die Calisaya-Ninde mit geringeren Sorten zu vermischen, die Waare von Caravaya in schlechten!1inf gebracht und schließlich unverkäuflich gemacht hatte. Diese Fälschung geschah entweder in betrügerischer Absicht oder ans Unwissenheit. Im crstern Falle hätte man scl,r kurzsichtig gehandelt'. Don Pablo Pimentcl, der 1846 Unterpräfect von Caravaya wnrde, erklärt jedoch, daß es aus Unwissenheit geschehen sei, indem die Rinden-sammler die „Motosolo" ((!. mieraniliÄ) und „Carhua-Carhua" ((>'!i8^g,nlia (^i-li-i) für Califaya-Nindc gehalten hätten. Was die geographische Beschaffenheit dieser interessanten Provinz anlangt, so besteht dieselbe ans einer schmalen Hochebene, die an die von Azangaro grenzt, aus einem ungefähr 120 englische Meilen langen Theil der Schneekette der östlichen Anden und den ungeheuren tropischen Wäldern, die sich ostwärts nach der Grenze 1«' 244 Geographischer Charakter der Provinz ssaravaya. von Brasilien hin erstrecken. Sie grenzt im Osten und Süden an Bolivia, nordwestlich an die Provinz Quispicanchi im Departement Cuzco, nördlich und nordöstlich an grenzenlose Wälder und westlich an Azangaro. Die Hochebene westlich von dcn Schnee-Anden nimmt die ganze Länge der Provinz, eine Ausdehnung von 120 engl. Meilen ein, ist aber nur von fünf bis zu zehn englischen Meilen breit. Sie liegt l3.000 Fuß über dem Meere und hier wurde ungefähr vor einem Jahrhundert, nach der Zerstörung von San Gavan, die Stadt Cruccro begründet. Diese schmale Ebene, die man als den am meisten geeigneten, gegen die Angriffe der wilden Indianer geschützten Mittelpunkt der Provinz zur Anlegung der Hauptstadt auserwählt hat, ist sehr sumpfig und kalt und mit langen Büscheln des Uchu-Grases bedeckt. Sie dient zum Weideland für ungeheure Heerden von Schafen und jenen eigentliümlichen. zuerst vom Cura Cabrera 1826 aus einer Kreuzung der Alpaca und der Vicuna erzeugten Bastardthieren, den sogenannten „Paco-Vicunas", deren schwarze und weiße lange feine Wolle das schönste seidenartige Gewebe giebt. Aber der größte und einzig wichtige Theil von Caravaya besteht aus dcn waldbedeckten Thälern östlich von den Anden. Anf der östlichen Seite erhebt sich diese Gebirgskette von einem Plateau von 14,000 Fuß Meereshöhc jählings zn schneebedeckten Gipfeln, auf der westlichen Seite aber senkt sie sich plötzlich zu tropischen Thälern hinab. Nordwärts laufen von der Hauptgcbirgskette lange Gebirgszweige aus, die allmälig an Höhe abnehmen, aber zuweilen erst in einer Entfernung uon sechzig oder achtzig englischen Meilen in den endlosen, waldbedcckten Ebenen des Innern Südamerika's ihr Ende erreichen. Die Thäler zwischen diesen Ge-birgszweigen sind von zahlreichen Flüssen bewässert, die dem Inambari zustießen, und in diesen Thälern, am Fuße der Hauptkette der östlichen Anden, liegen die wenigen Dörfer, Coca- und Kaffeepstanznngen Caravaya's. Durch diese langen Gcbirgszweige und tiefen Thäler unterscheidet sich Caravaya in seiner geographischen Eigenthümlichkeit uon dem nördlicher gelegenen Paucar-tambo, wo die Anden viel plötzlicher sich in die Ebene neigen. Don Aragon's Pflanzungen. ' 245 In den warmen Thälern ist der ganze Reichthum und die ganze Bevölkerung uon Caravaya vereinigt. Die Bevölkerung besteht aus 22,000 Seelen, vorzugsweise Indianern, und ihr Reichthum, außer den Schafhccrden auf der westlichen Hochebene, in den Erzeugnissen der Coca-, Kaffee-, Zuckerrohr« und Ajipfeffer-Pftanzungen, den Obstgärten und Goldwäschen. Genaue statistische Berichte sind in Peru unbekannt, aber es mag, so viel ich erfahren konnte, wohl ein jährlicher Ertrag von 20.000 Pfund Kaffee und 360,000 Pfund Coca erzielt werden. Hinsichtlich des Goldertrags konnte ich keine zuverlässigen Angaben erlangen. Das am weitesten nördlich und westlich gelegene Thal Cara-vaya's ist das an Marcapata grenzende Thal Ollachea, wo am Fuße der Anden ein kleines Dorf liegt. Dann kommen die Thäler Ituata und Coraui, das kleine Dorf Auapata an der Quelle des gleichnamigen Flusses, und dreißig engl. Meilen tiefer nach dem Innern die Zuckerrohr-Pflanzung eines unternehmenden Peruaners, Namens Don Augustin Aragon, der durch die Lage seiner Besitzung zwischen der Vereinigung zweier Müsse gegen die Angriffe dcr wilden Chunchos geschützt, uon dem Dorfe Ayapata einen Weg nach seiner Pflanzung angelegt und sich überzeugt hat, daß es weit uortbeilhafter ist, aus Zuckerrohr geistige Getränke zu bereiten als Gold zu graben oder Chinarinde zu suchen. Er ist ein Mann von großer Thätigkeit und reichlichen Mitteln, der jedem Plane zur Entwickelung der Hilfsquellen des Landes seinen Beistand widmen würde und mit Zuversicht des Tages harrt, wo ein Dampfschiff den Purus und Inambari hinaufkommen und, mit den Erzeugnissen von Carauaya beladen, nach dem atlantischen Ocean zurückfahren wird. Man vermuthet, daß die altc spanische Stadt San Gcwan an dem Flusse gleichen Namens, ungefähr zwanzig cugl. Meilen von Aragon's Pflanzung, gelegen habe. Die Stätte ist jetzt mit dich-tcm Walde überwachsen und seit der Zerstörung der Stadt noch nie untersucht worden; doch glanbt man, daß unter den überwachsenen Trümmern ungeheure Schätze verborgen seien, da der Uedcrfall der Chunchos ein plötzlicher und zugleich erfolgreicher 246 Die Flüsse Mnambaii, sshallnma, Sandia war. Die wilden Indianer fragen nichts nach kostbaren Metallen und Gcwan war der Hauptuerwahrort für das in Caravaya gewonnene Gold. In früherer Zeit hatten die Chunchos mit den Spaniern in freundlichem Vcrkclir gestanden und sogar bei ihnen Dienste genommen; schließlich aber verwandelte die Tyrannei der letzteren diesen freundschaftlichen Verkehr in leidenschaftliche Er-bitternng, deren Folge die Zerstörung von San Gcwan war. Seitdem haben die Chunchos, dic übrigens demselben Stamme angehören, wie die früher erwähnten wilden Indianer in den Thälern von Paucartambo, in einzelnen Stämmen in den Wäldern ihr Asyl gehabt, die unversöhnlichen Feinde aller Weißen und Inca-Indiancr. Weiter an den östlichen Abhängen der Anden nach Südosten hin und dem Dorfe Ayapata zunächst liegt in einer andern tiefen Schlucht der Ort Ccoasa; dann folgen Usicayus. Phara und Lim-bani. Bei Phara giebt es mehrere ehemalige Bergwerke der erwähnten Mulatten und nicht weit davon liegt die berühmte Gold-minc Apuruma. AnBH gebt über Phara der Weg nach den von den Brüdern Poblete entdeckten Goldgräbereicn, die von 1849— 1854 so viele unglückliche Abenteurer anlockten. Sie liegen nördlich von Phara, und der allmälig abwärts führende Pfad berührt ein kleines Dorf, La Mina genannt. Von hier gelangt man auf einem sehr gefährlichen, mit ungeheuren Schicferblöcken bedeckten und an furchtbaren Abhängen hinführenden Wege in einigen Stunden an die Ufer des Mambari, der hier Huari.Huan hecht und sicbcnzig Ellen breit ist, und über welchen eine „Oroya", eine aus Seilen gebildete Brücke führt, auf welcher man in einer Art Netz oder Käfig, hoch über der schäumenden Fluth, nach dem andern Ufer gezogen wird. Auf der andern Seite, an der Vereinigung des Huari-Hnari und des Goldflusscs Challuma, liegt ein Ort, den einige französische Unternehmer „Versailles" genannt haben. Von hier bis zu den „Lavaderos" oder Ooldwäschcrcien beträgt die Entfernung noch ungefähr achtel,» englische Meilen; der Weg führt in einer engen, bewaldeten Schluckt empor, und man nniß auf dieser Strecke den Challnma mäit weniger als dvci- und ihre Ufergegenden. 247 undfüm'zig Mal durchwaten, wobei das Wasser bis an die Hüften reicht und jeder Fehltritt unvermeidliches Verderben bringt. Die Zuflüsse des Challuma, Quimzamayu. drei Flüsse genannt, entspringen in Bergen, die gänzlich von den Anden geschieden sind, und ihr Sand ist sehr goldreich. Unmittelbar über den Goldwäschereien erhebt sich ein Vcrg, Capacurco und von den Franzosen Montebcllo genannt, der aus Quarz und anderen Urfelscn bestellt und sclir reiche Goldadern hat. Don Manuel Costas in Puno hatte hier ein Haus erbaut und eine Maschinerie zur Zermalmung des Quarzes errichtet, aber das Unternehmen scheiterte an der Mangclhaftigkcit der Maschinen uud an der Schwierigkeit, durch solche Gegend die nöthigen Materialien fortzuschaffen. In dem Challuma wird jedoch noch immer von einigen Speculantcn Gold gewaschn,. Diese Goldsucher sind ticfcr in die Wälder eingedrungen und dem Hauptstrome des Purus näher gekommen als irgend welche anderen Forscher, und ihre Entdeckung des Challuma und der goldhaltigen Berge an seinen Ufern hat Einiges zu unserer geographischen Kenntniß von diesen^ Lande beigetragen. Die übrigen Dörfer am östlichen AbHange der Anden von Ca-ravaya sind Patambueo. Sandia, Cuyo-cuyo, Quiaca, Sina und die Farm Saqui an der Grenze von Bolivia. Der Fluß Sandia hat eine seiner Quellen in der Nähe des zwanzig englische Meilen nordöstlich von Erucero gelegenen Passes, von wo ans er an Sandia vorbei und mehrere Meilen weit durch eine enge, zu beiden Seiten von großartigen, steil emporsteigenden Felsen eingeschlossene Schlucht fließt. Zwanzig Meilen unterhalb Sandia, in einer Schlucht Ipara genannt, beginnen 5000 Fuß über dem Meere die Coca- und Kaffccpstanzungen, Jenseit Ipara hört die Cultur auf und der Fluß ergießt sich, durch die Vereinigung mit dcm Huari-Huari in seiner Wassermasse verdoppelt, mehrere Meilen weit zwischen Bergen, die bis zu ihrem Gipfel mit dichtem tropischen Wald bedeckt sind. Diese Gegend heißt San Juan del Oro und war einst wegen ihrer Goldwäschcreicn berühmt; hier befand sich die Stadt gleichen Namens. Die Wälder enthalten wcrthuolle Arten von Chinchona-Väumen und waren bis vor ungefähr fünf- 248 Das System des Purus. zchn Jahren von zahlreichen Rindensammlern besucht. Ungefähr sechzig engl. Meilen westlich von Sandia erreicht der Fluß Hatun-yunka oder „Valle Grande", wo die Bewohner von Sandia ausgedehnte Coca- und Kasseepflanzungen haben. Der Bogen, den der Fluß für diese Entfernung macht, ist so bedeutend, daß die Bewohner uon Sandia ihre Pflanzungen in Valle Grande unmittelbar erreichen können, wenn sie die Schlucht über Ipara verlassen und ihren Weg über die grasbcdccktcn Berge nehmen. Von Vallc Grande aus fließt der Fluß an Versailles vorbei, wo er dcnChalluma aufnimmt und, mit den übrigen Flüssen von Caravaya sich vereinigend, schließlich den großen Ynambari bildet, der, mit dem Madre de Dios sich vereinigend, zum mächtigen Purus wird. Der Fluß Huari-Huari, der durch zwei von den Dörfern Sina und Quiaca ausgehende Flüsse gebildet wird, vereinigt sich ungefähr dreißig englische Meilen unter Sandia mit dem Flusse dieses Namens und ihre vereinigten Ströme bilden den Unainbari. Endlich entspringt in der Nähe der genannten Farm Saqui der Fluß Tambopata, gerGde an der Grenze zwischen Peru und Bolivia, am Fuße einer Bergkette der östlichen Cordilleren. Nach einem Lanfe von vierzig engl. Meilen nimmt er den Fluß San Blas auf, an dessen Ufern die Bewohner von Sina ihren Coca bauen, und achtzig Meilen tiefer vereinigt er sich mit den, Flusse Pablobamba, der auf einem Berge, Corpa-Uchu, an der Grenze von Bolivia, entspringt und während seines ganzen Laufes nur durch eine einzige Bergkette uon dem Tambopata getrennt wird. Die Grenze zwischen den beiden Republiken ist nie vermessen worden. Nach ihrer Vereinigung ergießen sich die beiden Flüsse in die ungeheuren waldbcdccktcn Ebenen, in welche sich allmälig die Zweige der Anden hinabsenken, und ihr Lauf ist von hier an unbekannt; doch glaube ich, daß der Tambopata sich unmittelbar in den Purus ergießt, ohne sich vorher mit dem Mambari zu oer» eiuigen. Der Oberst Dmi Manuel Martel. 249 Siebentes Kapitel. Caravaya. — Das Thal von Sandia. — Die Coca-Cultur. Am 18. April, schon ziemlich spät am Nachmittag, brach ich, begleitet von dem Gärtner Herrn Weir, einem jungen Mestizen, Namens Pablo Sevallos, und zwei Lastmaulthicren, von Crnccro auf, um die Neise nach den Wäldern anzutreten. Am zweiten Tage trafen wir in einer Hütte einen Mann mit rothem Gesicht, der ungefähr fünfzig Jahre zählen mochte und sich Don Manuel Martel nannte. Er erzählte mir, daß er Oberst gewesen und wegen der Treue, womit er seiner Partei angehangen, vielfach verfolgt worden sti; daß er im Cascarilla-Handel viel Geld verloren habe und jetzt damit umgehe, in den Wäldern von Caravaya eine Lichtung zu machen, um Zuckerrohr zu bauen; er sprach ferner von Herrn Haßkarl, der l851 unter dem angenommenen Namen Müller Chinchona-Pflanzen gesammelt hatte, und versicherte mir, daß, wenn irgend Jemand es jemals wieder wagen sollte, Cascarilla-(Chinchona-) Pflanzen aus dem Lande zu führen, er das Volk aufstacheln würde, diese Leute zu ergreifen und ihnen die Füße abzuschneiden. Jedenfalls lag in seiner Großsprecherei einiger Bezug auf mich und ich vermuthete nicht ohne Gruud, daß er auf irgend eine Weise von dem Zwecke meiner Neise Kenntniß erlangt hatte und darauf ausging, denselben zu vereiteln. Ich hatte, seitdem ich Arequipa verlassen halte, sorgfältig jcde Andeutung hinsichtlich meines Unternehmens vermieden. Martcl sagte, er gehe nach Poti, um Goldstaub zu lausen; so wurde ich glücklicher Weise seiner bald wieder lcdig, und nachdem wir einen von Wassergeflügel belebten Gebirgssee berührt batten, neigte sich endlich unser Weg in die goldenen Thäler von Caravaya hinab. Auf der linken Seite bildete eine schwarze, senkrechte und wohl 2000 Fuß hohc Klippe die eine Seite des Abhangs; ich bemerkte liier einen kleinen Gletscher, den einzigen, den ich an den Anden gesehen habe, wäbrend der kleine Fluß Huaccuyo mit einem langen Wasserfall in die Schlucht lünabstürztc. Für eine Strecke von 250 Die Gegend um Cuyo-cnyo. tausend Fuß bleibt die Vegetation noch cine magere alpcnartige, aus grobem Gras und blühenden Kräutern bestehend. Indem wir tiefer hinabstiegen, wurde das Landschaftsbild immer großartiger. Die glatten Oberflächen der senkrechten Klippen glänzten hier und da im Schmucke schäumender Bäche, die theils wie dünne Faden, theils breiter über die Felsen sich ergoffen oder aus den die Verge umziehenden flockigen Wolken hervorznstürzcn schienen, während zackige, dunkle, mit glänzendem Schnee gestreifte Gipfel über den Nebel emporragten, der ihren Fuß verhüllte. Endlich überschritt der Weg einen Felseurückcn und brachte uns an den Gipfel der tiefen und engen Schlucht von Cuyo^cuyo. Am Morgen des 20. April fübrte mich mein Weg durch cnn schöne Schlucht uach der Vereinigung der Flüsse Saudia und Huaccuyo hinab, die sich von hier aus, als brausender Strom übcr ungeheure Fclscnmasscn stürzend, mit reißender Schnelligkeit durch die Schlucht hinab nach Sandia ergießen. Auf beiden Seiten er--heben sich mehrere tansend Fuß hohe düstere Gcbirgsmaffen, deren phantastisch gestaltete Gipfel hier und da von leichten Wölkchen verschleiert sind. Die Vegetation wurde immer üppiger, je tiefer wir hinab kamen. Die niedrigen Sträucher wichen allmälig Bäu-men und hohen Büschen. Ueberall stürzten Wasserfalle von den Gebirgen herab — einige als weiße Schaumflächen, die sich schließlich in ungeheure Betten von Farnkraut uud Blumen zn ergießen schienen, andere als leichter Staub; ja, ein zwischen zwei Gipfeln hervorspringender Nasscrfall schien sich in die uutcrbalb schwebenden Wolken zu stürzen. Das ganze Naturbild war so bezaubernd, daß man wenig Zeit hatte, an den überaus schlechten und an mehreren Stellen sehr gefährlichen Weg zu denken. Er glich an den besten Stellen einer steilen, durch ein Erdbeben zerstörten Treppe. Ungefähr vier Stunden von Cuyo-cuyo vereinigt sich der Bach Nacorequi mit dem Sandia; von hier an wird zwischen dem Flusse und dem Gebirge, wo es die vorspringenden schroffen Klippen gestatten, Mais gebant. Die Indianer wohnen in Hütten, die wie Horste, hier und da zwischen Maisterrassen, hoch oben an den Bergen hangen. Sandia und seine Umgebungen. 251 Sandia ist ein kleiner Oit, dessen Einwohner, was Sitten und Erziehung anlangt, die rauliestcn Hinterwäldler und bis zum Uebermaß dem Genusse des Aguardiente und dem Cocakauen ergeben find; aber sie sind warmherzig und gesellig, während sie in der Bestellung ihrer Kaffee- und Cocapflanzungen in der fernen Montana, in der Anlegung von Wegen zwischen diesen Besitzungen und Sandia eine ziemlich lebendige Thätigkeit bekunden. Die reicheren Bcwobncr von Sandia haben sämmtlich mehr oder weniger indümi« schesBlut, und ihre Frauen und Töchter sprechen nur dicQuichna-Sprachc, so daß auf diese Weise hier eine engere Verknüpfung mit den Interessen und Gefühlen der Masse der Bevölkerung vorzu-hcrrschen scheint, als dies in irgend einem andern Tbcilc von Peru der Fall ist. Die Iudianer des Districts Sandia zerfallen, abgcsebcn oon den Bewohnern der Orte Sandia, Cuyo-euyo und Patambuco, in sechs Stämme, die in zerstreuten Hütten auf den um Sandia gelegenen Bergen wohnen und theils Mais nnd Kartoffeln, theils Gerste und Alfalfa für die Maulthicrc bauen. Die Bevölkerung des Kirchspiels oon Sandia belauft sich auf 7000 Seelen, wovon 4000 auf Sandia und seine sechs Stämme, 2000 auf das Dorf und die Schlucht von Cuyo-cuyo und 1000 auf Patambuco kommen. Fast tausend Einwohner raffte die furchtbare Pest des Jahres 1855 lnnweg, die in allen Theilen der peruanischen Anden wüthete. Fast jede Indianerfamilie besitzt außer einigem bei Sandia gelegenen Lande eine kleine Coca- oder Kaffecpflanzung unten in der Montana, wohin zur Erntezeit Männer, Frauen und Kinder sich auf den Weg machen. Ich habe in allen Gegenden der Anden wie auch in dem Thalc von Sandia die Indianer jederzeit höflich und gefällig gefunden; sie grüßen stets mit einem „H.V6 IVliiliH T^la^" und einer Berührung des Hutes, wenn man ihnen begegnet. Sie sind allerdings zurückhaltend und schweigsam und oberflächliche Beobachter wollen darin einen Beweis von Dummheit erkennen, aber dies ist ein gewaltiger Irrthum, der durch ihre Gtjchicklichtcit im Schnitzen und in allen Zimmcrmannsarbeiten, im Malen und Sticken, dnrch die feinen Gewebe, die sie aus Vi« cunawolle fertigen, durch die wahrhaft rührende Poesie ihrer 252 Verfassung und Rechtspflege in Scmdia. Liebesgcsänge und Jaravis, und durch die Traditionen ihrer Stämme, die sie mit religiöser Sorgfalt bewahren, hinreichend widerlegt wird. Die Häuser in Sandia sind nichts weiter als Scheunen mit Lehmwändcn und elenden Dächern, die das Waffer durchlassm. Die ganze Familie schläft gemeinschaftlich in demselben Raume, wo am frühen Morgen sich Schweine und Federvieh tummeln. In einem solchen Raume pflegt auch der Friedensrichter, Francisco Far-fan, Recht zu sprechen. Er sitzt auf einer Art Lehmbank an einer Seite des Gemaches, wo sein Bett aufgeschlagen ist, und der Angeschuldigte und eine Anzahl Nlcalden und Zuschauer stehen vor ihm. Die Verhandlung besteht in einem allgemeinen Durchcin-cmderrcdcn, das ungefähr zehn Minuten dauert, worauf der Ge« fangene in das Gefängniß abgeführt wird. Die Friedensrichter haben von Zeit zu Zeit einen durch Zeugen bestätigten Bericht über ihre Amtsthätigkeit an den „Richter erster Instanz" in der Hauptstadt der Provinz einzusenden. Da ich einmal von diesen Localbehördcn spreche, will ich zu» gleich der durch die Constitution uon 1856 in ihre Hand gelegten Gewalt gedenken, erstlich weil ich glaube, daß die durch diese Constitution verfügten Maßregeln einen dauernden und wohlthätigen Erfolg für das Volk haben werden, und zweitens weil die auf diese Weise mit einer gewissen Machtvollkommenheit ausgestatteten Leute ihren patriotischen Eifer dadurch zu bethätigen suchten, daß sie mir und meinem Unternehmen Schwierigkeiten in den Weg legten. Nach einer Bestimmung dieser peruanischen Verfassung sollte in der Hauptstadt jedes Departements eine .lunla Department! eingesetzt werden, deren Mitglieder auf dieselbe Weise wie die Mitglieder des Nationalcongrcsses gewählt werden sollten. Diese Juntas sollten hinsichtlich des Emporkommcns und materiellen Gedcilicns des Departements Berathungen pflegen und Gesetze erlassen, die aber null und nichtig waren, wenn sie irgend einem Gesetze des Congresses widersprachen. Offenbar kann eine derartige Einrichtung nur darauf hinauslaufen, das Land in kleine Gemeinden mit verschiedenen Interessen zu spalten, was in dünn bevölkerten und Die ^untaz NunioipaleF. 253 halbcivilisirten Staaten sich stcts als unheilvoll erwiesen hat. Ein sehr gut geschriebener Aufsah über die Verfassung, in einer in Lima erscheinenden Zeitschrift, geht von derselben Ansicht aus und erklärt die 5unl28 veparlmonwi^ für die Anbahnung eines Föderativ» systems, das stcts die Zerstückelung der Länder in kleine entvölkerte Districte, wie in Mexico, Central-Amcrika, Neu-Granada und der Argentinischen Republik, zur Folge gehabt und Bürgerkrieg, Anarchie und Auflösung herbeigeführt habe. Der Verfasser hätte jetzt auch noch die „Veruneinigten Staaten" von Nordamerika als Beispiel anführen können. Die ^unl»t> vopiirlmonlaleg sind durch die verbesserte Verfassung von 1860 auch wirklich aufgehoben worden. Ganz anderer Art und zu denjenigen Einrichtungen gehörig, von welchen ich gesagt habe, daß sie einen wohlthätigen Einfluß haben würden, sind die 5unlk8 Nunieip»Ie8, die in jedem District, wo sich dazu Veranlassung bot, eingerichtet und mit der Ncgelnng der lokalen Fonds und der Förderung dcr Lokalintcrcssen überhaupt betraut worden sind. Sie haben aus den einflußreichsten Bürgern zu bestehen, die von ihren Mitbürgern gewählt werden. Der Verfasser des oben erwähnten Aufsatzes spricht von diesen Gemeindebehörden mit dem größten Lobe und sagt, daß sie von entschiedenem Nutzen wären, ohne in irgend einer Weise ein Födcratwsystcm anzubahnen. Sie werden jungen Leuten Gelegenheit geben, sich mit den öffentlichen Angelegenheiten bekannt zu machen, und sie all-mälig für wichtigere politische Pflichten heranbilden. Ich betrachte diese Einrichtungen als eine nicht unwichtige Grundlage für eine bessere Zukunft Peru's, und so lange sie Thätigkeit zeigen, sei es auf richtigem oder falschem Wege, werden sie von Nutzen sein. Die Gewohnheit, an den öffentlichen Angelegenheiten thätigen Antheil zu nehmen, ist unter allen Umständen besser, als die Erstarrung und Gleichgültigkeit, die früher herrschte. Ich bemerkte während meiner Reise von Puno aus verschiedene Beweise von Thätigkeit dieser Behörden. In Lampa versuchte man eine Fabrik glasirter Ziegel in der Stadt wiederherzustellen; in Azangaro sammelte man Subskriptionen für eine über den Fluß zu legende Brücke, zu welcher ein Mitglied der Behörde die Halste der erforderlichen 254 Unerwartete Hindernisse. Summe beigetragen lmttc, und in Sandia war man beschäftigt einen Bericht über den Zustand der Wege aufzusetzen uud die zu deren Herstellung und Verbesserung erforderliche Summe zu berechnen. Außerdem aber suchten die ^uiUaz IVIuineipalez von Sandla undQniaca, namentlich die letztere, aus Gründen, die zwar ilire volkswirtschaftliche Unkenntniß. zugleich aber auch ihre Thätigkeit und ibren patriotischen Eifer bcknndcten, der von mir bezweckten Sammlung vou Samen und Pflanzen der Clunchona allerlei Hindernisse in den Ncg zu legen. Die Municivalbelwrde von Sandia bestand aus dem ^Icalöe lVlunieipä!, der dcu Vorsitz führt, dem ^«nionte^Ic^lcil:, dem Syn« dicus, zwei Friedensrichtern, drei Regidorcn, deren einer Don Manuel Mcna war, und einem Sccretär. Mein ursprünglicher Plan war gewescn, während dieses Monats dieClnnchona-Wä'lder zu untersuchen, so viele meteorologische nnd andere Beobachtungen als möglich aufstellen uud vielleicht eine kleine Sammlung von Pflanzen nach der Küste zu senden; die Hauptsammluug von Pflanzen und Samen wollte ich aber erst im August oornclimcn, .wo der Samen der 6. ^ali^a zur Reife gelangt. Ich war aber noch nicht zwei Tage in Sandia gewesen, als ich in Erfabrnng brachte, daß jener Martel, den ich unterwegs getroffen, bereits an verschiedene Einwohner geschrieben und sie ermalmt hatte, es nicht zu dulden, daß ich Cbinchona-Pflanzcn ans dem Lande führe, und die Sache vor die Municipal-Junta des Districts zu bringen. In gleicher Weise war er auch, wie ich hörte, in den au dieChinchona-Wä'ldcr gränzenden Dörfern tliätig gewesen. Meine Sendung fing an, im ganzen Lande besprochen zn werden, und ich erkannte, daß ich nur auf Erfolg rechnen konnte, wenn ich das Werk der Pflanzensammlung nicht um einen Augenblick langer verzögerte und damit den zur Verhinderung meines Unternehmens beabsichtigten Maßregeln wo möglich znvorkam. Sandia war der Ort, wo ich meine letzten Vorbereitungen zu einer Ncise in die Wälder treffen mußte, denn jenseit dieses Ortes wurde die Möglichkeit, Lebensmittel und andere Bedürfnisse zu erlangen, sehr zwcifclbaft. Ich kaufte einen ungefähr für einen Rascher Entschluß und Aufbruch. 255 Monat hinreichenden Brodvorrath, dcr in dem Ofen des Cura, dem einzigen, der hier zu finden war, geröstet wurde und mit etwas Chocolade und Käse die für mich selber und den Gärtner bestimmten Vorrätlic ausmachte; dann überredete ich den Nichter, den Alcalden von vier Indianerstämmen zu befehlen, mir vier Indianer und zwei Last-Maulthicrc zu stellen. Die Indianer hatten ihre Vorräthe an Lcbensmitteln selber mitzubringen, wozu ich ihnen Geld vorstreckte. Nach vielfacher Verzögerung war meine kleine Expedition, aus mir selber, dem GärtnerWcir, dem Mestizen Pablo Seuallos, vier Indianern nnd zwei Maulthieren bestehend, zum Aufbruch bereit. Unsere Vorräthc waren in sechs lederne Säcke uerpackt, die Thee und Zucker, Chocoladc, geröstetes Arod, Käse, Lichter. Vonilwnthec-Tafeln, Kleider zum Wechseln, Instrumente, Pulver und Schrot, und ferner ein Zelt, ein Luftbett, Guttapercha-Ueberwürfc, Ponchos, ein Holzmcsser. eine Gartcnfellc und Mais und gesalzenes Fleisch für Pablo nnd die Indianer enthielten. Das Klima von Sandia ist um diese Iabreszcit überaus angenehm z die Tage sind bis spät am Nachmittag sckön und bell und nicht zu heiß, Dcr uorlicrrfchende Wind weht aus Nordost im Thale herauf; es ist der Passatwind, der über die ungehcnren waldbedcckten Ebenen des Innern hinwcgstrcicht und mit feinem warmen Hauche es bewirkt, daß Cnyo-cnyo ein weit milderes Klima, eine weit tropischere Vegetation hat als Areanipa, obgleich das erstere 300o Fuß höher liegt a!s dieses. Glcick nach Sonnenuntergang wird es in Saudia ziemlich kalt. während um Mittag die Sonne sehr heiß ist. Die Gipfel dcr Berge sind gewöhnlich von leichtem Gewölk umgeben und auf den Mauern der Häuser wie an den Ufern des Flusses prangen in unendlicher Mannigfaltigkeit die schör.stcn Farnkräuter'). Am 24. April, ziemlich spät am Nachmittag, brachen wir von *) Das Thermometer zeigte während meines Aufenthaltes in Saudia zwischen dem 20. nnd 25. April /^° als mittlc Temperatur, 50>/2° als niedrigste Tempeiatur bei Nacht; U5° als höchste, 47° als niedrigste Temperatur. 256 Auffindung der erstcu Chinchona-Pflanzeu. Sandia auf und erreichten vor Eintritt der Dunkelheit das „Tambo" oder die Rasthüttc Cahuan-chaca. Der Weg führt in der Thalschlucht abwärts längs schmaler den Fluh überhangender Klippen und ist nicht ungefährlich, die Landschaft aber ist prächtig und die Vegetation wird immer reicher und tropischer, je tiefer man liinab-kommt. Giner von unseren Indianern entlief schon am ersten Tage. so daß uns nur drei blieben, die kaum im Stande waren, die Vor-rathe fortzubringen. Diese drei aber. Andres Vilca vom Oruro-Stamme, Julian Ccuri vom Cuyo-euyo-Stamme und Santos Quispi vom Apabuco-Stamme, bewährten sich als treue und willige Mitarbeiter. Es waren schmucke junge Männer, die iln Haar in langen über den Nucken hangenden Flechten trugen und mit Beinkleidern und Hemden von grober Packleinwand bekleidet waren. Sie tragen ihre Bürden in Bündel geschnürt, die sie wieder in ein großes Laken schlagen, das über eine Schulter geworfen und über der Brust zusammengebunden wird. Mit diesen Bündeln, ceopl» genannt, gehen sie ticfgebückt mit schnellen Schritten. In dieser Weise Pflegen die Indianer in ganz Peru ihre Lasten und die Frauen ihre Kinder zu tragen. Das Tambo Cahuan-chaca ist nichts als ein Schuppen, auf einer Seite offen, und wir übernachteten hier in Gesellschaft von drei Indianern und einer Frau, die naäi Hatun-Yunca gingen, um die Coca-Ernte einzubringen, und ganz gut von gesalzenem Hammelfleisch, Giern und Kartoffeln lebten. In einer tiefen Schlucht fanden wir die ersten Chinchona-Pflanzen, junge Pflanzen der 6. ^»Üsa^a (^seM^na), die mit ihren überaus schönen rosenfarbigen Blumen und rothgeädertcn Blättern am Wege standen. Der Felsen, auf welchem wir uns befanden, war mctamorphosirender Schiefer, unfossilisch, etwas glimmerartig und eisenhaltig mit hier und da vorkommendem Quarz, der Boden ein fester brauner Lehm. Das thierische Leben schien nicht sehr reichlich vertreten zu sein. Ich bemerkte viele große Tauben, einige Enten am Flusse, einen prächtigen Specht und eine große Anzahl schwalbenschwanzartigcr purpurrothcr Schmetterlinge mit lichtblauen Flecken auf den Oberstügeln. Die Cultur der Coca«Pflanze. 257 Die Gegend ist hier überaus schön. Hohe Gebirge mit funkelnden Wasserfallen sind bis zu ihren Gipfeln mit üppigem Grase bekleidet, während die Schluchten und Spalten mit blühenden Bäumen und Sträuchern angefüllt sind. An vielen Stellen auf balbcr Höbe erheben sich. Rcike über Reihe, mit Farnkräutern und Begonien eingefaßte Coca'Terrassen mit ihren zartgrünen Coca-Schößlingen, unter welche sich liier und da das dunklere Grün des Kaffees mischt. Wir waren hier im Mittelpunkte derCoca-Cultur und ich will hier einen Augenblick innehalten, um einen kurzen Bericht von der Cultur jener Pflanze zu geben, die uns seitber so vielfach begegnet war und die mirKraft gab, zu Fusi und mit Leichtigkeit die ungeheuren Andenpässe zu überwinden. Das Coca-Blatt ist für die prruanischeu Indianer, was der Betel für die Hindus, Kaua fürdieSüdscc-Insnlauer nnd dcrTabak für die übrige Menschheit ist; aber sein Genus; bat kräftigende Wirkung, die jene andcrcn Rcizmittc! nicht beroorbringen. Es ist dieses beliebte Blatt bei den Peruanern schon seit den ältesten Zeiten in Brauch und sie betrachten es noch immer mit einer Art abergläubiger Verehruug, Zur Zeit der Iucas war es der Sonne geweiht und dcr Huillac Umn oder Hohepriester kaute das Blatt während der Ceremonie; auch wurde es vor dcr Ankunft der Spanier, wie der Cacao in Mexico, als Geld gebraucht. Nack derEroberung des Landes machten einige Fanatiker den Vorschlag, den Gebrauch des Coca-Blattes zu untersagen und die Pflanze auszurotten, weit sie dem alten Aberglauben gedient habe und weil ihr Anbau die Indianer von anderer Arbeit abzöge. Das zweite Concilinm von Lima, aus den Bischöfen aller Theile Südamerika's bestehend, sprach 1569 über den Gebrauch des Coca das Vcrdammungsurthcil, „weil das Blatt nutzlos und verderblich und der Glaube der Indianer, daß das Coca-Kauen Kraft gebe, eine Täuschung des Teufels >ci." Die spanische Regierung suchte den Coca-Bau aus besseren Beweggründen zu unterdrücken; sie verbot 15«'» die Benutzung dcr Indianer als Zwangsarbciter (mila») znr Einsammluug von Coca-Blättern, wegen der angeblichen Ungesundhcit der TlMcr. Endlich wurde vom Viceköniq Don Francisco Toledo die Coca- Beschaffenheit und ^iiltnr Cultur mit freiwilligen Arbeitern und unter der Bedingung, daß die Indianer gut bezahlt würden, wieder freigegeben. Dieser fruchtbarste aller peruanischen Gesetzgeber erließ über diesen Gegenstand allein, vom Jahre 157 0—1574, nicht weniger als siebenzig Verordnungen. Coca ist stets einer der wichtigsten Handelsartikel Peru's gewesen und wird ungefähr von 8 Millionen Menschen gebraucht. Die Coca-Pflanze (Li^llinxvlon eoca) wird in einer Höhe von 5000 — 6000 Fuß über dem Meere in den warmen Thälern der östlichen Andcnabhängc erbaut, wo Feuchtigkeit und Trockenheit fast den einzigen Wechsel des Klima's ausmachen, wo Frost unbekannt ist und wo es mehr oder weniger in jedem Monat des Jahres regnet. Sie ist ein Strauch von vier bis sechs Fuß Höhe; ihre Zweige sind gerade und wechselweise stehend, die Blätter in Gestalt und Größe den Thecblättern ähnlich, die Blumen einzeln mit einer kleinen gelblich-weißen Krone in fünf Blumenblättern, zehn Staubfäden von der Länge der Blumenkrone, herzförmigen Staubkolben und drei Pistillen *). Das Aussäen geschieht im December und Januar, wo der bis zum April fortdauernde periodische Negen beginnt. Der Samen wird auf einem kleinen Pstcmzbecte, das gewöhnlich mit einem Dache überdeckt ist, auf die Oberfläche des Bodens gestreut, wo er nach ungefähr vierzehn Tagen aufgeht. Die jungen Pflanzen muffen fortwährend begossen werden und durch das Dach(liua8ielu) gegen die Sonne geschützt bleiben. Im nächsten Jahre werden sie in einen durch gründliches Jäten vorbereiteten Boden verpflanzt, oft auf Terrassen, die nur für eine einzige Pflanzenreihe Raum bieten. In Caravaya und Bolivia besteht der Boden, in welchem die Cocapflanze wächst, aus einem schwärzlichen Lelim, der durch die Zersetzung des Schiefers entstanden ist, welcher den geologischen Grundzug des Gebirges bildet. Nach achtzehn Monaten geben die Pflanzen die erste Ernte und können dann fast vierzig Jahre lang *) Iussieu war der erste, der 1750 Exemplare dieser Pflanze nach Europa schickte, vi-. Wcddell vermuthet, daß das coc» von dem Aymaru-Worte likckll, Baum, d. i. Baum par excellence, herkomme. Doch schreibt der Inca-Historiker Garcilasso de la Vega: „cuo.i". der Coca «Pflanze. 259 nutzbar bleiben. Die erste Ernte, wobei man, um nicht die Wurzeln der zarten Pflanzen zu zerstören, die Blätter sehr vorsichtig einzeln abpflückt, heißt yuiw ealxon, während die folgenden Ernten, die sich jährlich drei- auch viermal wiederholen, milla (d. i. Zeit) genannt werden. Am ergiebigsten ist die Märzernte, unmittelbar nach der Regenzeit, am spärlichsten die Iunierntc, mills, 6« 8»n 5uan genannt; die dritte Ernte, mllla 6? 3anlu8 genannt, fällt in den October oder November. Bei hinreichender Bewässerung genügen vierzehn Tage, die Pflanzen mit frischen Blättern zu bedecken. Die Ernte wird von Frauen und Kindern besorgt. Die grünen Blätter, m.ilu genannt, werden in ein Tuch gelegt, womit jedcrPstücker versehen ist, und dann auf dem zum Trocknen bestimmten Platze (mittu - canelia) sorgfältig ausgebreitet. Das getrocknete Blatt heißt eoca. Der zum Trocknen bestimmte Raum ist aus Schieferfliesen gebildet und sobald die Blätter gänzlich getrocknet sind, werden sie in eo8lo8 oder Säcke genäht, die aus Pisangblättern gefertigt sind, außerdem noch durch eine äußere Hülle von Leinen gesichert werden und deren jeder zwanzig Pfund wiegt. Der Sack coca wird in Sandia für acht Dollars verkauft, während in Huanuco die Arroba (25 Pfund) fünf Dollars kostet. Pöppig berechnete den Gewinn einer Coca «Pflanzung auf 45 Procent. In heißen feuchten Lagen erzielt man die reichlichsten Ernten, doch wird das an trockenen Plätzen, an den Bergabhängen gewachsene Blatt für das wohlschmeckendste gehalten. Das Trocknen erfordert die größte Sorgfalt, denn wenn die Blätter bei zu viel Sonne zufammcntrocknen, verlieren sie ihren Geschmack, während sie feucht verpackt sehr leicht stinkend werden. Ncosta sagt, daß zu seiner Zeit der Coca-Handel in Potosi jährlich 500,000 Dollars werth gewesen sei und daß im Jahre 1583 die Indianer 100,000 Cestos Coca verzehrt hätten, wovon in Cuzco ein jeder 2'/., in Potosi 4 Dollars gekostet habe. Im Jahre 1591 wurde die Coca mit einer Steuer von 5 Procent belegt und im Jahre 1746 und 1750 brachte diese Steuer 8000 bezüglich 500 Dollars von Caravaya allein. Zwischen den Jahren 17' 2ßtz Production mid Verbrauch der Coca. 1785 und 1795 wurde der Coca-Handel in dem peruanischen Vicekönigreich auf 1,207,430 Dollars veranschlagt, mit Einschluß des Handels von Vucnos-Ayres auf 2,641,487 Dollars. In dem District Scmdia giebt es zwei Arten von Coca, die vonWara und die von Hatun-yunka, die ein größeres Blatt hat. Der Ertrag beträgt jährlich 45,000 Ccstos. Der Coca »Handel ist in Bolivia ein Negicrungsmonovol; dcrStaat hat sich das Recht vorbehalten, von den Producenten zu kaufen und an die Konsumenten zu ver< kaufen. Dieses Recht wird gewöhnlich au den Meistbietenden verpachtet. Im Jahre 1850 brachte die Coca.Steuer dem Staatscin-kommen uon Bolivia 200,000 Dollars. Die Coca-Production in Peru beträgt annähernd jährlich 15,000.000 Pfund, durchschnittlich 800 Pfund auf den Acker; mehr als 10,000,000 Pfund werden jährlich in Bolivia erzeugt, so daß der jährliche Coca-Ertrag in ganz Südamerika, einschließlich Pern. Bolivia, Ecuador und Pasto auf 30,000,000 Pfund veranschlagt werden kann. In Tacna kosten 50 Pfund 9 bis 12 Dollars; die Schwankungen des Preises werden durch die leicht verderbliche Beschaffenheit der Waare verursacht, die sich auf län» gere Zeit nicht in Vorrath aufbewahren läßt. Die Coca halt sich an der Küste durchschnittlich fünf Monate; nach dieser Zeit verliert sie, wie es heißt, an Geschmack und wird uon den Indianern als wcrthlos verworfen. H)cr Glaube an die außerordentliche Wunderkraft der Coca ist bei den peruanischen Indianern so mächtig, daß man in der Pro« vinz Huanaco, wenn ein Sterbender ein auf seine Zunge gelegtes Blatt zu schmecken vermag, dies für ein untrügliches Zeichen seiner zukünftigen Glückseligkeit hält. Jeder Indianer hat seinen, aus Lamatuch gefertigten, roth-blauen und mit Quasten geschmückten clmzpa oder Coca-Beutel an seiner Seite hängen, und wenn er Coca kauen will, setzt er sich nieder, nimmt den Beutel vor sich, steckt die Blätter eiucs nach dem andern in den Mund und kaut und dreht sie so lange bis er eine Kugel gebildet hat. Hierzu bedient er sich einer kleinen Quantität kohlensauren KaUs, das aus dem Stengel derQuinoa-Pftanze Wirkungen des Coca-Blattes. 261 gewonnen wird. Man verbrennt denselben, mischt die Nschc mit Kalk und Wasscr und formt aus dieser Masse kleine Kuchen oder spitzige Klumpen (IliM), die getrocknet und dann in einer Hörner« nen, zuweilen auch silbernen Büchse ebenfalls in der „Chuspa" aufbewahrt werden. Diese Kuchen schabt man mit einem spitzigen Instrument und streut das Pulver auf das Kügelchcn der Coca-Blätter. Das geschieht während der Tagesarbcit gewöhnlich dreimal und jeder Indianer verbraucht täglich ungefähr drei Unzen Coca. In den Bergwerken der kalten Region der Anden ist Coca für die Indianer ein Genußmittel von großem Werthe; der laufende eilaäczuj oder Bote hat anf seinen langen Reisen über Gebirge und dnrch Einöden keine andere Nahrung als den Inhalt seines Coca-Veutels und etwas Mais; ebenso derHirt, der auf den Hochebenen seine Schafe weidet. Das Coca-Blatt hat einen angenehmen aromatischen Geruch und strömt, wenn man es kaut, einen noch lieblicheren Duft aus, der mit einem leichten, auf den Speichel wirkenden Neiz verbunden ist. Sein Genuß hat die Wirkung, daß man bei sehr geringer Nahrung ein sehr großes Maß von Anstrengungen ertragen und obneAthmungsbeschwcrden die steilsten Berg-Höhen erklimmen kann. Aus Coca-Blättern bereiteter Thee schmeckt fast wie grüner Thee und hat, bei Nacht getrunken, in hohem Grade die Eigenschaft, wach zu erkalten. Aeußcrlich angewendet lindert Coca durch Erkältung entstandene rhenmatifchc Schmerzen und heilt Kopfweh. In Uebermaß genossen ist Coca wie Alles der'Gc-sundheit nachthcilig, doch ist von allen narcotischen Gcnußmitteln der Menschen die Coca das unschädlichste, das lieblichste und kräs-tigendste. Der wirkende Grundstoff dcs Coca-Blattes ist vor einigen Jahren von I)r. Niemann ausgeschieden und „Cocain" genannt worden. Reines Cocain krystallisirt sehr schwer, ist in Wasser nur wenig auflösbar, leicht auflösbar dagegen in Alkohol und noch leichter in Aether. Ich kaute Coca, seit meiner Abreise von Sandia. zwar nicht beständig, aber doch sehr häusig und fand, abgesehen von feincr angenehmen Wirkung, daß ich mit weit geringerer Unbequemlichkeit, als es sonst der Fall gewesen sein würde, lange ohne Nahrung 262 Die Pajonales und ihre Vegetation. bleiben und mit einem Gefühl der Leichtigkeit und Elasticität und ohne den Athem zu verlieren die steilsten Höhen überwinden konnte. Man könnte dieser Eigenschaften wegen das Coca-Kauen allen Alpenreiscnden und überhaupt allen Fußreisendcn empfehlen, wahr» scheinlich aber würden die Vlättcr durch die Seereise viel von ihrer Kraft verlieren; für die peruanischen Indianer dagegen, die sich die Blätter schon einige Wochen nach der Ernte verschaffen können, ist die Coca eine leicht zu erlangende Erquickung, deren wohlthätige Wirkung nicht zu verkennen ist. Achtes Kapitel. Caravaya. —> Allgemeine Bemerkungen über die Chinchona-Wälder. Am Morgen des 27. Aprils gingen wir auf einer kunstlosen Brücke über den Huari-Huari und begannen die Ersteigung des jenseitigen steilen Gebirges. Der Weg führte anfänglich durch einen dichten Wald und dann zu dem grasbcdccktcn Hochland empor, dis wir, nachdem mehrmals Halt gemacht worden war, den Gipfel der Bergkette erreichten. Wir hatten von hier aus nach allen Sei» ten bin eine sehr weite Aussicht. Hinter unzähligen Reihen von lüntcreinander liegenden Bergrücken erhoben sich im Hintergründe ungeheure Schneegipfel und mehr als tausend Fuß unterhalb schlangelten sich der Sandia und Huari-Huari, nur noch als glänzende Faden kenntlich, durch die gewundenen Schluchten. Wir hatten jetzt die „Pajonales" erreicht und befanden uns auf einer Bergkette zwischen den Flüssen Laccani und San Lorenzo, die sich mit dem Huari-Huari vereinigen. Es war eine grasbewachsene, verhältnißmäßig kalte Gegend und das hier und da sich erhebende Dickicht bildete gewissermaßen den Schöpf der tropischen Wälder, welche die Wände der Schluchten bekleiden, durch welche sich tief unten die Flüsse dahin winden. Vei Sonnenschein geben diese „Pajonales" eine sehr anmnthige Landschaft: die Grasftächen. mit hübschen milchweißen Blumen Fruchtlose Nachforschungen. 2ßZ l^rl-^ri) geschmückt, sind von dichtem Gebüsch durchschnitten, das bald in Spalten und Wasserfurchen wächst, bald, wie in englischen Parks, in Gruppen sich zusammendrängt, während die an-muthigcn Wipfel der Palmen und Farnbäume über alle übrigen Bäume emporstreben. Hier und da liegt am Saume eines Dickichts ' ein dunkler kleiner Teich, über welchen Chinchona- und Huaturu-Bäumc ihre Zweige neigen; überall im Vordergrund öffnen sich die waldbewachsenen Schluchten und die Ferne begrenzen großartige Gebirgsreihen. Die Vegetation der Dickichte in diesen „Pajonales" besteht aus Palmen. Farnbäumen, Mclastomaceen mit prächtigen Vlumen, allerliebsten Ericaceen, Vaccinien, Huaturu- oderWeihrauchbäumen und der (^kjneiinna Oai-ava^önzis und einigen cmderen Arten. Die 0. l^lHva^en8l8, eine werthlosc Species, hat Rispen uon schönen rosigen Blumen, große haarige Samenkapseln und lanzenförmige Blätter, die oberhalb glatt und uon purpurrothcn Adern durchzogen, unterhalb haarig sind. Sie kann wahrscheinlich größere Kälte vertragen als irgend eine andere Chinchona-Art. Wir verbrachten den Nachmittag unter ziemlich erfolglosen Be-niülmugen, Pflanzen der strauchartigen 5. 6a1i8Ä^ aufzufinden. Zwar fanden wir bei Durchsuchung der Dickichte ein einzelnes Exemplar, das offenbar zur Species Calisaya gehörte; aber es war 5680 Fuß übcr dem Meere wachsend kein Strauch, sondern ein Baum, der fast neunzehn Fuß hoch war und zwei Fuß über dem Boden acht und einen halben Zoll im Umfang hatte. Ich war ungewiß, ob derselbe zu der Baumgattung (OÜ8H^2 vor^) oder zur Strauchgattung (6Hli8»z^o8LpIiiana) gehört, denn Weddell giebt die Höhe der letzteren nur auf acht bis zehn Fuß an. An dem Ufer eines der dunklen von überhängenden Zweigen beschatteten Teiche fanden wir eine Hütte, die aus einem plumpen aus Gras gebildeten und uon vier Pfählen getragenen Dache bestand, und hier schlugen wir unser Nachtlager auf. Die Hütte war wahrscheinlich uon einigen Weihrauchsammlcrn ans Bolivia erbaut worden, die diese Wildnisse von Zeit zu Zeit durchstreifen. Von diesem Punkte aus war meinen Indianern der Weg nach dem 264 Die Bergkette Manm-lunta. Tambopata»Thale unbekannt. Derselbe war seit der Zeit dcs Nin-denhandels, der vor ungefähr fünfzehn Jahren aufgehört hatte, nicht mehr betreten worden, und man vermuthete, daß der Wald ihn völlig geschlossen und überwuchert habe. Ich verließ daher sehr früh am Morgen mit Andres Vilca unsern Lagerplatz, um zu kundschaften. Der Bergrücken, den wir verfolgten, war nicht eben, sondern wie eine Säge ausgezackt und sehr beschwerlich. Nachdem wir eine Strecke von nngcfähr anderthalb Stunden zurückgelegt hatten, endete dieser Bergrücken an einer qnerlaufcnden niedrigeren Bergkette, welche die auf der andern Seite dcs San Lorenzo uud Laccani sich erhebenden Gebirge verbindet und die Schluchten abschließend, die Quellen dieser Flüsse enthält. Diese Vergtcttc.Marun. kunka genannt, ist mit dichtem Walde bedeckt, in welchen wir uns alsbald den Weg bahnten. Für die ersten hundert Schritte stemmten sich uns in der Gestalt dicht gedrängt liegender umgefallener Bambusrohre mächtige Hindernisse entgegen und daun verfolgten wir den Lauf eines Baches, der in den Felsen einschneidend einen uicr bis sechs Fuß tiefen und gegen drei Fnß breiten Pfad bildete, welcher von einem Gestecht dichter Farnkräuter und den Wurzeln riesenhafter Waldbäumc überwölbt und unterhalb mit einem zwei Fuß hohen zähen Schlamm bedeckt war. Nn manchen Stellen war es zur Mittagszeit fast dunkel, während es an anderen den Sonnenstrahlen gelang, das dichte Farnkrant-Gcflecht zu durchdringen und dem düsteren Pfad ein bleiches Licht zu speuden. Der ganze Weg hatte etwas Zauberhaftes, Unheimliches. Nach mehrstündigem, mühsamem Wandern hatten wir endlich die Bergkette Marun-kunka überschritten und gelangten anf ein anderes „Pajo-nal" auf der Ostscite, wo sich eine großartige Aussicht auf die Wälder von Tambopata und die Schnecgipfel der Kordilleren oberhalb Qlüaca und Sina öffnete. Wir brachten den Nachmittag wieder darauf zu, in den Büschen Pflanzen der (^lisa^a ^epkmnn, zu suchen; die 6. 6a!-HVÄ^n8!8 war in Menge vorhanden; auch an Pflanzen der strauchartigen Ca-lisaya und an einigen Normalbäumen dcr Calisaya von 20 bis 30 Fuß Höhe fehlte es nicht. Es lag diese Gcgmd 5000 Fuß über Das Tambovata-Thal. 265 dem Meere. Später am Tage zogen wir weiter und der sehr beschwerliche Weg führte uns theils über grasige PaMales, theils wieder durch ebenso dicht verwachsene Wälder wie auf demMarun-kunka. In einem dieser Wälder fand ich einen Calisaya-Baum, der 38 Fuß hoch war und ungefähr drei Fuß über dem dick mit Laub bedeckten Boden einen Fuß drei Zoll in Umfang hatte. Endlich begannen wir in das Tambopata-Thal hinabzusteigen; 1200 Fuß tief führte der Weg über schlüpferiges Gras und Gestein, dann durch einen Waldgürtel, bis wir plötzlich auf einen offenen Raum am Ufer des großen reißenden Flusses gelangten, wo eine Bambus-Hütte stand. Sie war von einer tlcincn Coca- und Zlickcrrohr-pftanzung umaeben, aber ihr Bewohner war abwesend. Mit rührendem Vertrauen hatte er die Thüre seiner Hütte offen gelassen und meine Indianer machten es sich bequem, während ich mit Wcir das Zelt aufschlug. Der Fluß Tambopata, von der Farm Saqui an der Grenze von Bolivia herabkommcnd, stießt hier in nördlicher Richtung. Den Fluß aufwärts sah ich einiges Rodeland, abwärts aber gab es nichts als Urwald. Zu beiden Seiten erhob sich eine großartige mit prächtigem Walde bedeckte Gebirgskette und durch die Mitte der Schlucht brauste der reißende hochgcschwellte Fluß. Das Gestein aller Gebirgsketten zwischen den Flüssen Huari-Huari und Tambopata ist ein gelber Thonschiefer mit Massen von weißem Quarz. Früh am Morgen zogen wir weiter nach dcm Thale hinab. Wir kamen durch einen Wald prächtiger Bäume und an der Tambopata-Hütte vorüber, die mir von vi-. Wcddell als der Punkt bezeichnet worden war, wo sich zu seiner Zeit die „<5ascarilleros" oder Rindeusammler hauptsächlich versammelt hatten. Nachdem wir durch den kleinen Flliß LIami-llami gewatet waren, der sich mit dem Tambopata vereinigt, kamen wir auf eine kleine mit Zuckerrohr bepflanzte Lichtung. Diese Pflanzung, die erst im December 1859 angelegt worden war und nach dieser Richtung den äußersten Posten der Civilisation bildete, war das Eigenthum eines unter-nekmendcn und gefälligen alten Boliviers, Namens Don Juan dc 266 Das Klima nnd die Bewohner la Cruz Gironda, der mit zwei jungen Söhnen und einigen Indianern in einer an zwei Seiten offenen Hütte wohnte und eifrig damit beschäftigt war, Wald zu lichten, Zuckerrohr zu bauen und mit einem von ihm felber hergestellten Vrennzeug Rum zu bereiten. Außer Zuckerrohr baute er noch Mais und eßbare Wurzeln und begann bei unserer Ankunft eben seine „miolioa" oder kleine Maisaussaat. Seine Leute machten mit langen Stangen ungefähr einen Fuß tiefe Löcher in den Boden, die vier bis sechs Körner aufnahmen und dann wieder geschlossen wurden. Diese Löcher sind vier Fuß von einander entfernt, denn der Mais erreicht hier eine ungeheure Hohe. Die Ackerwerkzeuge waren von der urthümlich-sten Art. Gironda verwendet den kleinen Ertrag seiner Zuckerrohr-Pflanzung bis jetzt ausschließlich zur Vereitung von Spiritus oder Rum und etwas Sirup. Das Rohr wird mittelst einer sehr einfachen Mühle ausgepreßt. Gironda gab mir nachstehenden Nachweis über Klima und Jahreszeit im Thale Tambopata, der einige Beachtung verdient, da dieses Thal der eigentliche Mittelpunkt der Region der (!. Oali-82^ ist: Januar: Unaufhörlicher Ncgen mit feuchter Wärme bei Tag und Nacht. Sonne fast immer verhüllt. Früchte reifen. Februar: Unaufhörlicher Regen. Große Hitze. Sonne immer verhüllt. Eine Coca-Ernte. März: Weniger Ncgen; heiße Tage und Nächte: wenig Sonne. Während der Regenzeit die meisten Bananen. April: Weniger Regen; Hitze, feuchte Nächte und wenig Sonnenschein, Mai: Ein regnerischer Monat, aber ohne heftigen und anhaltenden Regen. Die Zeit zum Pflanzen der Coca und des Zuckerrohrs, und zur sogenannten „Michca" oder kleinen Maissaat, sowie zur Saat von Jucas, Aracachas, Camotes und anderer Wurzeln. Die Kaffee-Ernte beginnt. Juni: Ein trockncr heißer Monat; viel Sonne und wenig Regen. Coca-Ernte; Orangen und „Paccays" reifen. Kühle Nächte, aber während des Tages ungeheure Hitze. des Tambopata« Thales. 267 Juli! Der heißeste und trockenste Monat, aber mit kühlenNäch-ten. Selten Regenschauer. Zeit zum Säen der Kürbisse und Wassermelonen. August: Gewöhnlich trocken. Vanmblüthe. Monat zum Pflanzen. September: Anfang der Regenzeit. Vlüthezeit vieler Väume. Eoca« Ernte. October: Zunehmender Regen. Mais-Ernte und Zeit zur „Zumdsll ^r.in6o" oder großen Maisaussaat. November: Heftige Regen. Eine Coca-Ernte, December: Heftige Regen. Kürbisse reifen. Die Bewohner des Thales Tambovata bestehen aus Gironda, seinen zwei Knaben, einem gewissen Victorio Iovi Villalba und dem Caöcarillero Martinez. Ein anderer Cascarillcro, Namens Kimencs, war kurz vorher gestorben. Sie leben mit ihren Familien an einem Punkte, der Hnaccay-churu heißt, ungefähr eine Viertelstunde am Llami-llami'Fllissc aufwärts, wo es einige Hütten und ' Meteorologische und botanische Data Nähe von entweder sichtbaren oder voraussetzlich vorhandenen Granit-Eruptionen befindlich sein müssen. Die Chmchona-Wälder, die ich in dem Tambopata-Thale untersuchte, liegen zwischen 13° und 12° 30' südl. Br. An den Ufern des Flusses betrug die Meereshöhc 4200 Fuß, während die höchsten Gipfel der denselben überhangenden Berge eine Höhe von ungefähr 5000 Fuß erreichten. Ich habe oben (Seite 206 und 267) eine allgemeine Uebersicht von der Beschaffenheit des Klima's während des ganzen Jahres gegeben, und mein Aufenthalt war von zu kurzer Dauer, als daß ich einen umständlicheren Nachweis über die einzelnen Monate geben könnte; doch habeich nicht verfehlt, während meines Aufenthaltes in dem Thale sorgfältige Beobachtungen anzustellen, die wenigstens das während des Maimonats herrschende Klima genauer erkennen lassen. Das Ergebniß dieser Beobachtungen war während der ersten Hälfte des Mai folgendes: Mittle Temperatur.....6^-F. „ „ 7 Uhr Morgens 68° „ 3 „ Nachm. . 7 l '/2° „ U ., Abends . 69" „ Mittlcs Minimum bei Nacht . . 625// .. Höchster Temvcraturgrad ... 75° ., Niedrigster „ .... 56° « Variation im Ganzen .... 19 „ Mittle Variation in 24 Stunden . 10^°., Größte ., .. ., " ' ^1 " Geringste „ „ ., ,, - - 6 „ Der Wind weht gewöhnlich während der Tageszeit im Thale aufwärts und die aufsteigenden Wolken werden von der kühleren Nachtluft verdichtet. Wir hatten daher bei Nacht fast durchgängig Regen, gewöhnlich heftige Regengüsse, aber zuweilen auch nur Sprühregen, die meist bis zum Vormittag anhielten. Gegen Mittag klärte sich das Wetter zu einem schönen Nachmittag und nur zweimal regnete es den ganzen Tag. Das Thal und der Lauf dts Flusses liegen nordnordwestlich und südsüdöstlich. des Tambovaia-Thales. 271 Die drei werthvolleren Species der in Tambopata heimischen Chinchonas wachsen in verschiedenen Höhcnzonen und in Gesellschaft anderer chinchonaartiger Pflanzen an den abhängigen Wänden der Schlucht. Von den Ufern des Flusses bis zn einer Höhe von ungefähr 400 Fuß besteht der Wald aus Bambus, verschiede« nen Palmenarten, Farnbäumen, Paccays und anderen Lcgumi-nosen, Lafionemas, ^asoanll» (^arua, der Okinckona mioranlkI, und dem chinchunaartigen Baum, den Martinez Huinapu nannte. Das ist die niedere Zone. Die 6. miesanlka, die Martinez ver6e Mltaja und molo8ol() nannte*), war im Mai in Blüthe. Ich fand sie durchgehcnds an feuchten, niedrigen Stellen, und mehrere Bäume dieser Art breiteten ihre großen eiförmigen Blätter und Weißen, duftigen Blumenbüschel sogar unmittelbar über den Fluß. Die <ü. mioranüin, giebt einc gute Nindc und ich sammelte sieben gute Pflanzen dieser Species. Die mittle Zone liegt m einer Höhe von 400 bis 600 Fuß über dem Flusse und enthält die Calisaya-Pflanzen. Hier besteht die Vegetation hauptsächlich aus ungeheuren Balsam- und Fcder-harzbäumen, Huaturus, Melastomacecn. ^,celw 6e IVlalia (Livonia Ukn»e), lüom^aäro ä« 0ÄÜ8a^a (6omp^nL!3, ekluranlllll) und einzelnen Bäumen der (^e^riHa (^aru», die eigentlich der niedern Zone angehören. Die jungen Bäume der c. 0al>8a^ wachsen hier in Menge, aber die Cascarilleros hatten in früheren Jahren offenbar tüchtig Hand ans Werk gelegt, denn jeder einzelne Baum von einiger Größe war gefällt worden, obgleich viele der Wurzelschößlinge wieder eine Höhe von 20 und 30 Fuß erreicht hatten und mit Samenkapseln tragenden Nispen bedeckt waren. Diese werthvollen Bäume waren am häufigsten unter den hier und da hervorragenden Fclsenrücken, wo der Boden nicht so dicht mit Pflanzenwuchs bedeckt war und die jungen Pflanzen hinreichend Licht und Luft hatten, aber auch zuglcick durch die Zweige höherer Bäume gegen die unmittelbare Einwirkung der Sonnenstrahlen geschützt Mariae), Compadrc de Calisaya (Gomphosia chloranlha) imt> einzelnen Bäumen der (^e^riHa (^aru», die eigentlich der niedern Zone angehören. Die jungen Bäume der c. 0al>8a^ wachsen hier in Menge, aber die Cascarilleros hatten in früheren Jahren offenbar tüchtig Hand ans Werk gelegt, denn jeder einzelne Baum von einiger Größe war gefällt worden, obgleich viele der Wurzelschößlinge wieder eine Höhe von 20 und 30 Fuß erreicht hatten und mit Samenkapseln tragenden Nispen bedeckt waren. Diese werthvollen Bäume waren am häufigsten unter den hier und da hervorragenden Fclsenrücken, wo der Boden nicht so dicht mit Pflanzen-wuchs bedeckt war und die jungen Pflanzen hinreichend Licht und Luft hatten, aber auch zuglcick durch die Zweige höherer Bäume gegen die unmittelbare Einwirkung der Sonnenstrahlen geschützt *) Dr. Wcddell hielt sie für eine von der c. mioiÄntka von Hua« nmo verschiedene Species und nannte sie c. XMnjz. 27Z Arten und Standorte der C. Oali«»^. waren. Die Calisaya-Pflanzen auf dem Abhänge Ccasa-sani hatten jedoch gar keinen Schatten und waren mit Samenkapseln bedeckt. Die 6. ^ali^a ist unstreitig der schönste Baum dieser Wälder. Seine Blätter sind dunkelgrün, glatt und glänzend, mit hoch-rothen Adern und einem grünen, roth eingefaßten Stielt, während die köstlich duftenden Vlumcnbüschcl eine weiße Farbe, rosenfarbige Zacken und weiße Randhaarc haben. Aber es ist wob! kaum zu bezweifeln, daß wir diese Bäume iu diesen Wäldern nicht eben zu ihrem Vortheile sehen; sic waren hoch aufgeschossen, als hätten sie Sonne, mehr Licht und Luft und einen tiefern und reichern Boden gesucht. Martinez theilte mir mit, daß die Calisaya, wenn sie zu sehr von anderen Vänmm überschattet werde, die rothe Farbe der Stiele und Blattadcrn verliere und daß fünfzclm Leguas am Flusse abwärts (ich vermuthe uugcfälir 4000 Fuß über dem Meere) die Blätter der (^U^^l,. mui-Ääa auf der gauzen unteren Seite purpurroth würden. Gironda sowohl als anch Martinez sagten mir, daß es drei Arten vom Calisaya-Baum gebe, nämlich die <ü»l>8^a üne>, (C. Calisaya vera Wedd.), bie Calisaya morada (C. Boliviana ^eää.) und die hohe <üu!i8»^3, vc-rä«. Von letzterer sagten sie, es sei ein sehr großer Baum, der keine rothfarbigen Blattadern habe und gewöhnlich tief unten in den Thälern, fast in den offenen Ebenen wachse. Ein Banm von dieser Varietät soll sechs bis sieben Centner Ninde geben, während die Cklis^a Nnn, nur drei oder vier Centner giebt. Gironda wollte in der bolivianischen Provinz Munceas einen solchen Baum gesehen haben, der zehn Centner „Tabla" oder Stammrinde gegeben habe. Meine Bemerkungen hinsichtlich des Standes der C. Caü^a an den Wänden der Schlucht beziehen sich nur auf den Wald unterhalb Lcnco-Huayccu; oberhalb dieser Lage findet man sie nicht hoch an den Wänden der Gebirge, wahrscheinlich weil dieselben hier der Schneeregion der Cordillcrcn näher liegen. Der nächste Schnee mag, nach dem Fluge der Krähe berechnet, ungefähr vierzig cnglifche Meilen von Lcnco-Huayccu entfernt sein. Ich fand auch, daß die 02li82^H üna am Yana-mayu sehr zahlreich vertreten war. Andere Arten dcr (Mnchona. 273 während die (^liga^a moiaclH in dem oberen Theile der Schlucht besonders reichlich vorkam. Aber es war für ein ungeübtes Auge sehr schwierig, auch nur den geringsten Unterschied zwischen diesen zwei Varietäten zu entdecken; erst wenn man die Blätter neben einander legte, war allenfalls zu erkennen, daß das Blatt der mo-r^H um einen Schatten dunkler grün war. Dr. Wcddell hat in seinen, Werke die <^ali8Ä^a mnl-kda als eine verschiedene Species Olimciwna Loliviaria genannt, ist aber jetzt, wie ich vernehme, der Ansicht, daß sie kaum mehr als eine Varietät dcr (^li^a, verk sei, da ihre Rinde meistens als die der letzteren gesammelt und verkauft wird. Keine vvn allen Pflanzen, die ich im Walde sah, ließ sich hinsichtlich der Kraft und Regelmäßigkeit des Wuchses mit del« Bäumen vergleichen, die Gironda's Neffe am Nandc einer Lichtung gepflanzt hatte, und ich glaube, das kann als Beweis dienen, daß ein genügendes Maß von Licht und Llift für das kräftige Wachsthum der 6. c^Iiga^ü, unentbehrlich ist, so lange es hinreichende Feuchtigkeit und in den ersten zwei Jahren genügenden Schutz gegen die sengenden Sonnenstrahlen giebt. Die 0. Oalis^c,, ist ohne Zweifel die zarteste nnd empfindlichste von allen Species der Chinchona. Oberhalb der Waldiegion, wo die 6. 0a,Ü8^g, wächst, liegt die dritte oder obere Region von 600 bis 800 Fuß über dem Flusse. Hier, mitten in einer sehr dichten und feuchten Vegetation, wo dcr Boden mit ssarrnkräutcrn und Moosen bedeckt ist, findet man zuerst die Bäume dcr (!. pude8«««8 und pimenwlig, ßlnmo ,-aln und etwas höher hinauf zahlreiche Bänme der zwei werth-vollen Species dcr 0. »ivala, nämlich «) vu!^uri8 und H ruünerviä, mit sehr großen, eiförmigen Blättern, von welchen sich die der letzteren Species durch dunkclrothe Adern auszeichnen. Mit ihnen wächst die LilscarillÄ du!lu,la, die noch etwas höher über die Linien dieser Region hinausgeht. Die Rinde der Varietät A ruNnerv^ wird gewöhnlich zur Fälschung der O-ili^a benutzt, der sie sehr ähnlich ist; sie wird von den Cascarillcros 2an>Iia morac!.; gc« nannt, während die Varietät «) vulFan8 unter dem Namen my. l-acln. ordilmrig, bekannt ist. Martinez erzählte mir von dcr Lebens- Pcm, , z 274 Die strauchartige stalisaya. zähigkeit der Tamda mora6ll; tin Zweig, den er weggeworfen, habe, auf dem Moose liegend, nach vierzehn Tagen, wo er ihn wiedergefunden, noch immer Keime getrieben. Vcidc Varietäten der 0. «vllla geben werthvolle Rinde. Oberhalb der Zone der tü. nvala nnd dem Schnee der Cordil-leren näher (denn tiefer thalabwärts sind die Häupter der Gebirge mit Wald bedeckt) beginnen die offenen grasigen „Pajonales", die ich bereits beschrieben habe. Hier ist die Formation genau dieselbe wie im Thalc Tambopata, und die Vegetation des Dickichts, das in den Einschnitten nnd Furchen wächst und die grasigen Lichtungen durchzieht, besteht aus Huaturus, 6»u!lk«ri^, v^ommo, ^-8ian6ra6 und anderen Melastomaceen, cüiinokuna«, Palmen und Farnbäumen. Die Ollinckona« bestehen aus 0. ^rav^Lnsig und der strauchartigen Varietät der 0. (^lis^a, die von den Ein-gebornen ^cku cascanlla genannt wird. Die Strauch-Calisaya s^3 5c>8epdiÄNH) ist gewöhnlich 0'/^ bis 10 Fuß hoch, aber ich fand ein nach meiner Meinung zu dieser Varietät gehöriges Pflanzen-Exemplar, das eine Höhe von 18^/2 Fuß erreicht hatte, und dies veranlaßt mich zn der Ansicht, daß diese strauchartige Calisaya überhaupt nicht als eine Varietät der eigentlichen <^. Oaliä^a zu betrachten sein dürfte, sondern daß ihr weniger aufstrebender Wuchs wahrscheinlich nur eine Folge der höheren Lage und des rauheren Klima's ist. Weddcll bemerkt, daß ihr Aussehen, je nach der Lage, in welcher sie gefunden werde, sehr verschieden sei, und daß Farbe uud Beschaffenheit ihrer einzelnen Theile je nach dem Grade der Aussetzung sich veränderten. Ich fand die strauchartige Calisaya Ende April in Blüthe. Unser Wc^ führte uns durch zwei Pajonal»Regionen, wovon die eine über dem Thalc von Sandia nnd die zweite zwischen diesem und dem Thale von Tambopata lag. Die Meereshöhe der ersteren betrug 5422, die der letzteren 5600 Fnß. Es war zu Ende des Aprils und zu Anfang des Mais, als ich diese Gegenden bereiste und ich bereiste jede derselben zweimal, so daß ein Auszug aus meinen meteorologischen Beobachtungen, obgleich sie sich nur auf den 25. bis 28. April uud auf einige Tage in der Uebersicht der Ausbeute. 275 Mitte des Mais beschränkten, einen ziemlich genauen Nachweis hinsichtlich des in dieser Jahreszeit herrschenden Klima's geben können. Mittle Temperatur......59° F. Mittles Minimum bei Nacht ... 52° „ Beobachteter höchster Tempcraturgrad 67° „ „ niedrigster „ 49° „ Abweichung im Ganzen . . . . 18° „ Am frühen Morgen lagen gewöhnlich in den Schluchten große Massen weißer Wolken, während am Nachmittag ein dichter mit Sprübregcn verbundener Nebel über das Pajonal zog. Die strauchartigen Calisayas, die reichlich am Wege wuchsen, waren vollkommen ohne Schuh und Schatten und der Berg, auf welchem sie wuchsen, lag gegen Westen. Es ist ein Höhenunterschied von 1000 Fuß zwischen der Gegend, wo wir die strauchartige t^üsa^a fauden, und der Region der eigentlichen Baum-Cali-saya in den Wäldern von Tambopata; und das strauchartige Gewächs ist auch dem Schnee dcr Cordillcren um viele Lcguas näher. Diese Umstände allein genügen, den Unterschied der Eigenthümlichkeit dieser zwei Formen der (!. Oalig^H zu erklären, und es ist kaum zu bezweifeln, daß die Nindcn der strauchartigen Chinchona-Varietätcn speciell gut find. wenn ihr vcrbuttctes Wachsthum eine Folge örtlicher Höhe ist. Unsere Sammlung von Cbinchona-Pflanzen war am 18.Mai vollendet und die Tambopata-Wälder hatten uns folgende Ausbeute gewährt: C. Calisaya (calisaya sina)...... 237 ^Pffanjen C. Bolivia (calisaya morada)...... 185 C. ovata var. « vulgaris (zamba ordinaria) . 9 „ C. ovala var. ß rufinervis (zamba morada) . 16 „ C. micranlha (verde pallaya)..... 7 „ C. Calisaya var. ß Josephiana (yehu casearilla) 75 „ Im Ganzen 529 Pflanzen. 18* 276 Drohende Gefahr des Verlustes Neuntes Kapitel. Reise von den Wäldern von Tambopata nach dem Hafen von Islay. Am lI.Mai vollendete Herr Wcir die Verpackung der Pflanzen und wir rüsteten uns, nachdem wir zuvor dicCalisaya-Bänme ausgewählt hatten, von welchen wir im August Samen zu erlangen gedachten, für den nächsten Tag zur Ncise nach den Pajonales, als Girmida einen ominösen Brief von Don Jose Mariano Vo-badilla, dem Alcalde Municipal vonQuiaca, empfing, der ihm befahl, mich nicht eine einzige Pflanze wegführen zu lassen, mich und denjenigen, der mir zum Führer gedient, zu verhaften und uns nach Quiaea zu senden. Ich erfubr, daß Don Manuel Martcl, der Mann, dem ich auf dem Wege nachSandia begegnet war, ein allgemeines Geschrei gegen meine Unternehmungen erweckt hatte und daß die Bewohner von Sandia und Quiaca durch die Behauptung aufgereizt worden waren, die Ausführung vonCascarilla-Tamen werde ihr und ibrcr Nachkommcn Verderben sein. So freundschaftlich und gastfrei sich Gironda nun auch bewiesen hatte, so fürchtete er doch als derjenige der einem Fremden erlaubt habe, seine Laudslcute zu beeinträchtigen, die allgemeine Erbitterung auf sich zu zichn. Er verlangte, ich sollte sämmtliche Pflanzen wegwerfen bis auf einige wenige, die wir unbemerkt fortbringen könnten, und hätten wir unsere Schätze nicht furtwährend bewacht, so würde er, olme uns weiter zu fragen, seine Absicht ausgeführt haben. Ich erkannte, daß in einem schleunigen Rückzüge dic cinzigeHoffnung lag unserePftan-zen zu retten, und sehte unserm Wirthe auseinander, daß sein Verlangen ungerechtfertigt sei und daß wir nöthigcufalls unser Eigenthum mit Gewalt vertheidigen würden. Zugleich richtete ich einen Brief an Don Jose Vobadilla, worin ich ihm andeutete, daß seine Einmischung ein nicht zu rechtfertigendes Verfabren sei, dem ich mich nicht fügen würde, daß dieFunctioncu der ^uMaz IVllinicipaIe8, soviel ich die Bestimmnngen der Verfassung von 1856 verstände, rein consultatiuer und legislativer Art seien und keinerlei Efecu-tiugcwalt umfaßten, und schließlich meine Anerkennung seines patriotischen Eifers, zugleich aber auch mein Bedauern aussprach, daß der ganzen Neise-Ansbeute. 277 derselbe mit einem so beklagcnswerthen Verkennen der wahren Interessen seines Landes vereinigt scin könnte. Trotzdem aber beluclt ich die Ueberzeugung, daß schleunige Flucht unser einziges Ncttunge-mittel war, besonders als ich durch einen Indianer von Quiaca Kunde erhielt, daß Martels Sohn und Genossen, die den Vrief gebracht hatten, nur die Vorhut einer Anzahl Mestizen wären, welche in dem Thale licrabkämcn, um mich zu ergreifen uud meine Samm« lung von Chinchona-Pflanzcu zu zerstören. So nahmen wir denn früh aiu Morgen des 12. Mai von un« serm alten Freund Gironda, dessen gastfreundlicher Beistand uns vor Hungersnot!) bewahrt hatte, und von dem ehrlichen Martinez lierz-lichen Abschied. Gegen Gironda sprael) ichmcin aufrichtiges Bedauern aus, daß am Schlüsse unseres Beisammenseins noch ein Mißverstand-niß entstanden wäre, und Martinez versprach ich, dafür zu sorgen, daß ihm wegen der Dienste, die er mir geleistet, keine Belästigung widerführe. Die traurigste Zugabe des Reifens ist die Trennung von Freunden auf Niinmcrwiedcrschn. Nach einem beschwerlichen Aufsteigen durch den Wald trafen wir Martels Sohn und seine Genossen an dcr Grenze des Pajonals. Sie hatten uns offenbar erwartet, machten aber keinen Versuch, uns aufzuhalten. Das Zurschautragcn meines Revolvers mochte sehr wirksam sein, war aber an sich ganz harmlos, da das Pulver völlig feucht war. Der juugc Martcl fragte die Indianer in dcr Qui-chua-Sftrache, wie sie es wagen könnten, die Pflanzen zu tragen, und rief ihnen nach, daß sie in Sandia ergriffen werden würden; gegen mich selber aber war er höflich und >r»r zogen ungestört weiter, obgleich nicht ohne Besorgnisse hinsichtlich dessen, was uns in Sandia erwartete. Unser Weg führte durch dieselbe Gegend, die wir auf der Ncise nach dem Tambopata-Thale kennen gelernt hatten. Am Nandc eines Bergrückens widerfuhr uus der Unfall, daß das Lastmaulthier kopfüber zwanzig Fuß tief in den Abgrund und in eine dichte Masse von Bäumen und Gestrüpp stürzte. Wir sahen, wie das arme Thier mit den Beinen in der Luft herumschlug, aber es dauerte lange, ehe wir es erreichen konnte», und wir brauchten mehr als zwei 278 Rückkunft nach Sandia. Stunden, ehe wir uns einen Weg gebahnt üattcn, auf welchem wir es wieder cmporbringen konnten. Wir lagerten für die Nacht auf demPajonal und erreichten am nächsten Tage nach einer beschwerlichen Wanderung von zwölf Stunden dasIpara-Tambo im Thalc Sandia. Herr Weir hatte unterwegs noch zwanzig Pflanzen der Cklli8g,5ll 5o8«pKianH gesammelt. Am 14. Mai sehten wir unsere Reise nach Sandia fort und sammelten auf dcm Pajonal von Pac-cay-samana noch weitere fünfundzwanzig Pflanzen der ^li^a ^ulzepllianÄ, größcntheils Samensprößlingc. Das Wasser der zahlreichen Wasserfalle ist sehr erfrischend und in seiner hellen Durchsichtigkeit ebenso schön wie wenn es in blendenden schneeweißen Strömen von den Felsen herabstürzt. Wir befanden uns jcht überdies auch in dcmLande köstlicher Orangen und Chirimoyas. Der gewöhnlichste Vogel in demThale von Sandia ist der Cuchu, eine Art großer Krähe mit krächzender Stimme. Er hat einen langen gelben Schnabel, grünlich braunen Körper und eben solche Flügel, rothe Numpffcdern und einen langen hellgelben Schwanz mit einem schwarzen Streif in der Mitte. Die Cuchus treiben sich den jungen Mais fressend, auf den Feldern herum und nisten auf den benachbarten Bäumen. Kolibris sind zahlreich und sehr schön; ich sah auch einen kleinen weißlichen Habicht und hoch über der Schlucht schwebten stolze Adler, die ihre Horste in den unzugänglichsten Theilen der hohen Klippen haben. Als wir am frühen Morgen des 15. Mai Sandia näher kamen, trafen wir zahlreiche Indianer mit ihren Weibern und Töchtern, die am Wege übernachtet hatten und entweder nach ihren Cocacrnten unterwegs waren oder von dort herkamen. Sie kochten sich über kleiuen Feuern von trockenem lustig knisterndem Holze zum Frühstück ihre Kartoffeln. Zu beiden Seiten des Thales stiegen großartige steile Gebirge empor und unten im Thalesgrundc, wo der kleine Fluß dahinrieselt, lag an einem Maisfclde eine von Blumen umgebene Hütte, vor deren Thür ein Mädchen in ihrer lichtblauen wollenen Kleidung saß. Nach unserer Ankuuft in Sandia lag mir zncrst das Geschäft ob, meine Indianer abzulohncn, worauf Vilca, Cauri und Quispi heimgingen. Ich hatte in diesen meinen Mitarbeitern den indiani- Fm'tdauernde Gefahr.' 279 schen Charakter schätzen gelernt. Die Indianer sind unstreitig, und nach der Behandlung, die ihnen gewöhnlich uon den Weißen zu Theil geworden ist, mit guten, Grunde, etwas mißtrauisch, aber willig, ausdauernd in der Arbeit, verständig, heiter, jederzeit bereit einander zu helfen, geschickt in der Herstellung von Nachtlagern, immer gutherzig gegen Thiere und im Ganzen sehr thätige und umgängliche Leute. Die Dinge standen für mich in Sandia ziemlich bedenklich; die meisten Bewohner waren durch Briefe aus Quiaca angeregt, mich an der Fortsetzung meiner Ncise mit den Clnnchuna-Pflanzen zu verhindern, und es war zum Schutze der vermeintlichen Landesintcr-ejsen gegen die Beeinträchtigung durch Fremde mit andern ^unlaä KlunioipHleä eine Art Bund geschlossen worden. Walirscheinlich würden die ergriffenen Maßregeln auch den beabsichtigten Erfolg gehabt haben, hätte mir nicht ein gut Theil Glück zur Seite gestanden. Man verweigerte mir die nöthigen Maulthierc, außer zur Neisc nach Crucero, wo wie ich wußte mein Feind Martel mir auflauerte, um mein weiteres Fortkommen aufzuhalten, bis die Pflanzen durch Frost verdorben sein würden. Ich war in Verzweiflung und dachte daran, die Ncisc zu Fuß anzutreten und mein eigenes Maulthicr mit den vier Pflanzenbündeln zu belasten, als mir Don Manuel Mena im Vertrauen erklärte, daß er, wenn ich mich entschließen könnte ihm meine Flinte zu geben, einen Indianer schaffen würde, der mir Maulthiere besorgen und mich nach Vilqne auf dem Wege nach Arequiva begleiten sollte, Ich ging diesen Handel bereitwillig ein und schickte, um Martel uon meiner Fährte abzulenken, Herrn Weir und Pablo nach Crncero, während ich selber mit den Pflanzen auf dem am wenigsten besuchten Wege nach der Küste eilen wollte. Es war in allen an den Chinchona-Wäldern gelegenen Dörfern in Caravaya wie in Bolivia Lärm geschlagen und damit, wie ich er< kannte, meine Absicht, im August zurückzukehren um Samen zu sammeln, nachdrücklich vereitelt worden. Martel hatte an alle Städte und Dörfer zwischen Crucero und Arequipa geschrieben, um meinem Rückzüge Hindernisse in den Weg zu legen, so daß ich mich gc- 280 Einsamer und gefährlicher Rückweg nöthigt sah, alle Städte und Dörfer zu vermeiden und oon Sandia auf einem Umwege direct über die Cordilleren nach Vilquc zn gehen. Ungern entsagte ich endlich auch dem Plane, iin August zurückzukehren und Samen zu sammeln, aber ich traf alle in meincr Machr stehenden Anordnungen, um durch einen zuverlässigen Agenten im nächsten Jahre Samen zn erhalten. Martel war ein schadenfroher intrignantcr Mensch, die >Iur>ki8 IVIum0ip.'U«8 aber wurden von irregeleitetem Eifer für die Interessen ihres Vaterlandes und für die Erkaltung des stnngcn Monopols eines Handels beeinflußt, der factisch nicht mehr eristirt, denn es wird jetzt aus Carauaya keine Rinde mehr ausgeführt. Am Morgen des 17. Mai verließ ich Sandia ans meinem eigenen Maulthiere, zwei andere, die mit den Pflanzen beladen waren, vor mir hcrtrcibcnd, während deren Eigenthümer, ein alter ehrbar aussehender Indianer, Namens Angelino Paco, zu Fuß nebenher ging. Herr Wcir trat an demselben Tage seine Neise über Crucero nach Arequiva an. Ich verfolgte ohne Aufenthalt meinen Weg durch Cuyo-cuyo und stieg am Ufer eines Flusses in einer Gebirgsschlucht empor; Paco war aber noch nie über das Thal von Sandia hinausgekommen und konnte mir daher als Führer keine Dienste leisten. Ucbcrall an den Usern des Flusses gab es viereckige Vertiefungen, die mit Kartoffeln angefüllt waren, welche hier zn „Chunus" gefrieren sollten. Höher oben in der Schlucht hörten alle Spuren menschlicher Nähe ans, obgleich es auch hier noch verlassene Terrassen gab, und die Gebirgslandschaft wurde wahrhast großartig. Es wurde Nacht, ohne daß Mondschein eintrat, und ich hielt unter einer prächtigen Ncihe drohender dunkler Klippen, wo ich im Dunkeln mein Zelt aufschlug; aber es gab kein Brennmaterial zu einem Feuer, und als ich meinen Ledcrsack öffnete, fand ich, daß man mir meinen kleinen Vorrath von Lebensmitteln und meine Zündliölzchcii in Sandia gestohlen hatte. Ich war somit hinsichtlich meines Unterhalts ausschließend auf Paco's getrockneten Mais angewiesen, der sich als eine uugcmein karte Kost bewährte. Die Kälte war während der Nacht sehr empfindlich und durchdrang Zelt und Kleider bis auf das Mark. von Scmdia nnch Vilque. 281 Bei Tagesanbruch bepackten wir unsere Maulthiere und stiegen höher in der Schlucht binauf, wo der Fluß Sandia, den wir aufwärts verfolgten, allmälig zu einem kleinen Vächlein wird und endlich als dünner silberweißer Wasserfall sich über eine dunkle Klippe ergießt, Als wir den Gipfel der Schnee-Kordilleren von Carauaya erreichten, führte unser Weg über hohe grasbcdccktc Ebenen, wo der Boden mit hartem Frost bedeckt war, Auf der Ebene gab es Hccrden von Vicunas und an den Bächen Huallatas, große weiße Gänse mit braunen Flügeln und rothen Beinen; aber weiter hin hörten auch diese Spuren des Lebens ans und als die Nacht kam, schaute ich in dieftr Einöde umher und erkannte, wie traurig der mir von der Nothwendigkeit gebotene dircctc Weg über die'Cordilleren nach Vilque war. Ich hatte elf Stunden im Sattel gesessen, als Paeo eine verlassene Hirtenhütte auffand, die aus lockeren Steinen erbaut, drei Fuß hoch und mit Ichu-Gras gedeckt war. Das Thermometer zeigte während der Nacht ein Minimum von 20° F. Bei Tagesanbruch (1:1. Mai) klagte Paco, daß er vor Sonnenaufgang aufzustehen hätte, obschon er halb erfroren sein mußte. Die Maulthiere waren davon gelaufen und es vergingen drci Stunden, ehe wir sie wieder eingcfangcn hatten. Der Vodcn war mit scharfem Frost bedeckt und wäbrcnd des Vormittags führte unser Weg durch dieselbe hohe, ans grasigemNcllenland, rauhcnKlippcn und ungeheuren Felscnblöckcn bestehende Einöde. Die Aussicht war nördlich und östlich durch die prächtigen Schneegipfel der Gebirgskette von Caravaya und nordwestlich durch die Gebirge von Vil-eaiiota begrenzt. Die einzigen lebenden Wesen dieser einsamen Wildniß sind die anmuthigcn Vicunas, die mit ihren langen Hälsen hinter den grasigen Erhöhungen bervor nach uns ausschauten, die „Guanacos". die zwischen den Felsen wohnenden „Biscachcs" und die „Huallatas". Am Nachmittag stiegen wir eine felsige und gefährliche „Cuesta" hinab, wo uns dlc Maulthiere viel Noth machten, indem sie es beständig versuchten, sich niederzuwerfen und mit ihrer Pflanzon-ladung sich herumzukollcrn. Der steile Pfad führte in die Ebene 262 Beschwerliche Neise von Putina hinab, die mit Schafhccrdcn und kleinen Farmen bedeckt war, welche von Guruiia-Blumen beschattet unter den die Ebene begrenzenden Sandsteinkliftpcn lagen. Jenseit einer anderen Bergkette gelangten wir auf eine sumpfige Ebene, wo Schafe und Rinder weideten, und hielten abermals vor einer verlassenen Hirten-Hütte. Ich hatte zehn Stunden in, Sattel gesessen und war völlig schwach vor Hunger, mußte mich aber trotzdem ohne Abcndbrod schlafen legen. Paco litt an einer bösen Fußmunde, die ich ihm mit Zupflcinwand verbinden mußte, um ihn wieder auf die Beine zu biingcn. Er führte einen „Alco" oder veruamschen Hund bei sich, der seinem Herrn sehr treu ergeben war. Diese Hunde haben einige Nelmlichkeit mit den Neufundländern, sind aber bedeutend kleiner und von schwarzer oder weißer Farbe. Man hört sie stltcn bellen. Am anderen Morgen führte der Weg für die ersten zwei Stunden über grasige von weidenden Hcerdcn belebte Berge, wo sich von nah und fern die anmuthigen Töne der von den Hirtenknaben geblasenen „Pincullus" oder Flöten vernehmen ließen. Wir kamen an mehreren blauen Gebirgsseen, mit buschigen Inseln und vielen Enten, vorüber. Von zehn Uhr Morgens bis Sonnenuntergang zogen wir über eine ungeheure Ebene, wo ebenfalls Schafe und Rinder weideten, und unmittelbar nach Sonnenuntergang erreichten wir eine kleine „Estanzia" oder Schäferei-Farm. Sie war von einer großen Familie gutmüthigcrIndianer bewohnt, deren Augen vor Freude glänzten, als ich ihr zur Vergütung für eine reichliche Gabe von Milch und Käse ein Cesto Coea darbot, in dessen Besitz Ich mich befand. Es war spaßhaft die Glückseligkeit zu beobachten, die diese guten Leute über die Erwerbung dieses Schatzes empfanden, und die von Kindern und Hnnden getheilt wurde. Ich selber fand hier Gelegenheit, den Hunger, den ich seit meiner Abreise von Sandia zu ertragen gehabt hatte, an Milch, Käse und getrocknetem Mais zu stillen. Die Matten, in welche meine Pflanzen eingeschlagen waren, umhüllte ich jede Nacht mit warmen Ponchos. Bei Sonnenaufgang (21. Mai) war der Boden mit weißem Frost bedeckt und an dem blauen Himmel zeigte sich nicht eine einzige nach dein Nrapa-See. 283 Wolke. Plötzlich erhob sich vom Ufer des Azangaro, der die Ebene durchfließt, eine ungeheure Schaar von Flamingos, in derQuichua-Spiache „Parihuanas"*) genannt, die mit ihren hochrothen Flügeln, ihren rosenfarbigen Hälsen und Körpern, in langer spiralförmiger Säule aufsteigend, den schönsten Anblick gewährten, den ich je gesehen l,abc. Nachdem wir abermals eine felsige Bergkette überwunden hatten, kamen wir in eine Ebene, die sich nach den Ufern eines, großen Sees erstreckte, an welckem die kleine StadtArapa liegt. Im Hintergrunde erheben sich düstere Gebirge, Ich glaube, ich bin der erste englische Reisende, der diesen See gesellen bat, und Castelnau, der in Puno einige Kunde von demselben erlangte, bemerkt, daß er auf keiner Karte zu siuden sei"). Längs des Ufers stand, wie ein großes Regiment, eine lange Reihe von Flamingos aufgestellt, von welchen einige gleichsam als Plänklcr zum Fischfang vorgeschoben waren. Außerdem gab es hier Huallatas, Ibisse, Enten und eine kräftig gcbantc untersetzte Kranichart. Weiter hin zogen wir über eine Ebene, die sich viele Leguas weit um das nordwestliche Ende des Titicaca-Sces ziebt und ziemlich reich an fest gebauten Estancias und an Schafhcerden ist. Endlich erreichten wir die über den Azangaro führende Furth, angesichts des auf dem linken Ufer liegenden kleinen Dorfes Achaya, Das Nasser ging den Maulthicren bis an die Bäuche; und bald nachher gelangten *) Daher der Name der peruanischen Provinz Parinacochas: Pari-huanacocha, der Flamingo-See. *') „Wir geben hier", sagt ssasteluau (III. pax. 420), „die Notizen, die wir hinsichtlich der Er,istenz nnd ^age eines Sees gesammelt haben, der ans keiner Karte zn finden ist nnd den Namen Arapa fnhrt. Er soll 1echs Lcgnas nördlich vom Tilicaca-See liegen und dreißig Leguas in Unifang haben. Er geht von dem Fnße einer sehr steilen Gebirgskette ans und hat die Oestalt eines Halbmondes. Er trägt einige Inseln n»d sein Wancr ergießt sich. nachdem es westwärts zwei andere kleinere Seen durchlaufen hat, in den Namiz, der dadurch snr alle Jahreszeiten schiffbar gemacht wird. Die hauptsächliche» Dorscr am See Arapa sind: Chacamana. A)upan. Arapa nnd Vetansas. Die Umgegend des lederen Ortes soll lehr reich an Silberadern und kostbaren Steinen sein." 284 Vilque mid die grosie Messc. wir an cinc zweite über den Fluß Pucara fübrcndc Furth. Die beiden Flüsse vereinigen sich unmittelbar unterhalb Nchaya nnd bilden den Ramiz, den bedeutendsten Zufluß des Titicaca-Sees. Wir verfolgten unseren über die Ebene führenden Weg uoch mehrere Stunden lang und erreichten endlich, nachdem ich wieder zwölf Stunden im Sattel gesessen hatte, lange nach Sonnenuntergang cinc Indianer-Hütte. Die Maulthicre hatten uns während des Tages allerlei tückische Streiche gespielt, waren bei jeder Gelegenheit nach verschiedenen Richtungen davongelaufen, und fortwährend darauf aufgewesen, sich zu kollern. Am 22. warcu wir bei Tagesanbruch wieder unterwegs. Vir gingen über den Fluß Lampa, durchschnitten den Weg zwischen Lampa und Pnno, zogen über cinc felsige Cordillera uud einc weite Ebene und erreichten um vier Mr Nachmittags die kleine Stadt Vilque. Der Ort sah jetzt ganz anders aus als im März, wo wir ihn auf dem Wege nach Puno bcrührt hatten. Es war die Zeit der großen jährlichen Messc, wo sick in der kleinen Gebirgs-stadt Käufer und Verkäufer ans allen Theilen Südamerika's versammeln. Es stammt diese Messe aus der Zeit der Spanier und cs ist nicht unwahrscheinlich, daß die Jesuiten, die einst die große Schäferei-Farm Hanarico bei Vilque besaßen uud die stets auf die Förderung und Hebung ihrer Besitzungen bedacht waren, die hauptsächlichen Förderer dieses Marktes gewesen sind. Außerhalb der Stadt warteten tausendc von Maulthiercn aus Tucuman auf peruanische Käufer. Auf dcr Plaza standen Buden mit allen möglichen Waaren aus Manchester und Birmingham; anderwärts wurde Goldstaub und Kaffee aus Caravaya, Silber ans den Bergwerken, Chinarinde und Choeolade aus Bolivia feilgeboten; da gab es Deutsche mit Glaswaaren und gestrickten Wollwaaren, französische Modisten, Italiener, Quichua- und Nymara-Indianer in ihren verschiedene,! malerischen Trachten — kurz alle Nationen und Zungen, Auf dcrPlaza waren auch, sämmtlich uuter Zelten, ganz vortreffliche Cafes und Spcischäuscr aufgeschlagen; die Hausmicthe war ungeheuer und für Geld und gute Worte nirgend eine Wohnung zu bekommen. Man klagte viel über Rückkunft nach Arequipa und Islay. 285 die Vecinträchtigung des Handels durch Kriegsbefürchtungcn und über das Edict des Präsidenten Linares, das allen Verkcln mit Peru verboten hatte. Ich legte meine Pflanzenbündel. sorgfältig in Ponchos eingehüllt, ans einem Gerstenfeldc ab. wo mcbrere mit ihren warmen Aftarejos bedeckte Arrieros lagerten; aber das Thermometer siel über Nacht auf 23° F. Am Nachmittag des 23. begab ich mich, in Begleitung des !>>-. Don Eamillo Cliaves, von Vilqne nach der Schäfern-Farm Taya-taya. Der Weg war mit allerhand Leuten angefüllt, die von Arequipa zur Messe nach Vilque zogen; da sah man einheimische Krämer, englische Kaufleute, die ihren Wollbedarf erhandeln, und lärmende Arricros, die Maulthicre kaufen wollten uud die zur Vertheidigung ihrer Geldsäcke bis an die Zähne mit Nciterpistolen, alten Flinten und ungeheuren Dolchen bewaffnet waren. Die Schäferei-Farm Taya-taya, die vier Leguas von Arc-qnipa in einer nackten von Vergcn umgebenen Ebme liegt, besteht aus einer Anzahl aus Lelnn erbauter mit Strol) gedeckter Hütten, welche einen großcn „Patio" umgeben. Am Morgen wurde eine Schaar uon vierzig Lamas in dem Patio mit NoUballen beladen, worüber sie biture Wehklage erhoben. Wir brachen sehr früh wieder auf und erreichten am Abend und nach einer Reise von 15 Leguas das PostHaus von Cucvillas. Am nächsten Tage gelangten wir bis zum Posthausc Pati und am 2tt., nachdem wir am Fuße des VulkausArequiva einen furchtbareu Sturm überwunden, ins Thal Cangallo, woranf ich am Morgen des 27. mit meinen Pflanzen in Arequipa einzog. Herr Wcir kam erst am 29. an. Er hatte in Crucero wirklich unsern Feind Martel getroffen, dessen Absichten somit vereitelt worden waren, Von Sandia nach Arequipa ist eine Entfernung uon ziemlich 300 englischen Meilen. Meiner Abreise von Arequipa wurde kein Hindcriuß in den Weg gelegt, obgleich das Localblatt bald nachher etwas darüber zu berichten hatte, und am 1. Juni waren die Pflanzen im Hafen von Islay in Sicherheit gebracht. Der früher erwähnte, als Aufseber der Wasserleituug von Islay angestellte Irländcr hatte für genügenden Vodcn gesorgt, 286 Glückliche Ueberwindung und bis zum 3. Juni hatte Herr Weir alle Pflanzen in den für sic bestimmten Gefäßen untergebracht. Aber die Schwierigkeiten, dic Pflanzen aus dem Lande zu bringen, waren noch nicht alle überwunden, nachdem ich Martcl und den 1unl»8 IVIumeiMlLL des Innern glücklich entronnen war. Der Oberaufseher des Zollhauses erklärte die Ausführung von Cascarilla-Pflanzen für gesetzwidrig und verweigerte die Erlaubniß zur Einschiffung derselben, sobald hierzu nicht ein besonderer Vcfchl von dcin Minister der Finanzen und des Handels in Lima beigebracht würde. Er hatte wahrscheinlich von dem Inhalte der Gefäße uon Vilaue aus Kunde erhalten, wo zur Zeit der Messe alle Neuigkeiten zusammenlaufen. Es blieb mir nichts anderes übrig als nach Lima zu reisen und mir bei dem Finanzminister 'Oberst Saleado die verlangte Genehmigung auszuwirken, was mir nach mancherlei Schwierigkeiten auch gelang. Am 23. Juni war ich wieder in Islay. Inzwischen hatten die Pflanzen, nachdem sie in ilire Gefäße eingesetzt worden waren, nene Keime nnd junge Vlättcr getrieben und damit bewiesen, daß sie sich von dcr Neisc durch das nördliche Klima der Anden völlig erholt hatten. Am Abend des 23, wurden die Gefäße in ein Boot gebracht und am nächsten Morgen glücklich an Bord eines nach Panama bestimmten Dampfers geschafft. Es war bedauerlich, daß nicht das britische Dampsschiff„Vixen", das damals müßig in Callao lag, dazu verwendet worden war, die Pflanzen direct über das stille Meer nach Madras zn bringen, wodurch jedenfalls die Mehrzahl in gntcm Znstande erhalten worden wäre. Aber das war nun einmal nicht geschehen und so hatten wir die traurige Aussicht auf eine lange Neise, auf mehrere Umladungen und auf die heftige Hitze des rothen Meeres, ehe wir hoffen durften, unsere kostbare Sammlung glücklich an den Ort ihrer Bestimmung, nach dem südlichen Indien zu bringen. Dagegen war es auch, indem wir auf die außerordentlichen Schwierigkeiten, die wir überwunden, auf die Beschwerden und Gefahren unseres Waldlcbens, auf das mühsame Aufsuchen dcr spärlich vorhandenen Pflanzen, auf die Hindernisse, die uns in den Weg gelegt worden waren, auf unsere eilige Flucht über unbekannte Theile der letzten Schwierigkeiten. 287 der Cordillercn und endlich auf die noch in Islay eingetretenen Hemmnisse zurückblickten, wiederum eine große Genugthuung, die große Mehrzahl der Pflanzen in ihren Gefäßen keimen und gedeihen zu sehen. Das Klima von Islay war während der Zeit. wo die Pflanzen dort bleiben mußten, vom 1. bis 21. Juni, folgendes: Mittle Temperatur......69° F. Mittles Minimum bei Nacht ... 60° „ Beobachteter höchster Tcmperatnrgrad 73° „ niedrigster „ 58° „ Abweichung im Ganzen . . . . 15° „ Die Temperatur ist fast ganz dieselbe wie die der Tambopata-Wäldcr im Mai; aber in den Wäldern herrschte fortwährend große Feuchtigkeit, während es in Islay überaus trocken war. Dies that jedoch den Pflanzen in ihren Gefäßen keinen Eintrag. Zehntes Kapitel. Peru's gegenwärtige Verhältnisse und Aussichten sür die Zukunft. — Bc-vülkenmg. — Bürgerkriege. — Regierung. — Constitution. — General Castilla uud scinc Minister. — Dr. Vigil. — Mariano Paz Soldan. — Kustenthalcr. — Baninwolle, Wolle und Geld. — Der Ämazoncnstrom. — Guano. — Finanzen. — Litteratur. Nach einem kürzen Aufenthalte in Lima sagten wir am 29.Iuni 1860 dem Lande der Incas Lebewohl. Indem unser Dampfschiff längs der Küste hinfuhr und unscr Blick auf den von pfadlosen Sandwüstcn umgebenen smaragdgrünen Thälern, auf den lüntcr ihnen sich erhebenden mächtigen Kordilleren ruhte, dräugte sich uns eine lange Reihe von Erinnerungen auf. Von allen Ländern der Erde hatte dieses Land allein das Ideal einer vollkommen patriarchalischen Rcgierungsform zur Verwirklichung gebracht. Hier waren die Schauplätze der romantischsten Episode der neueren Geschichte, der Kämpfe und Thaten der Pizarros. Die Leiden der edlen Indianer erweckten dieEntrüstung der Ritterschaft Elisabeths; die aus 288 Gegenwärtiger Zustand und Zukunft vou Peru. den Minen Peru's gewonnenen fabelhaften Reichthümer reizten den Unternehmungsgeist der Seeräuber einer böseren Zeit, und der wackere Kampf um Unabhängigkeit veranlaßte mcbr als einen tapferen Engländer, für die peruanische Freiheit sein Blut zu vergießen. Was ist der gegenwärtige Zustand dieses berühmten Landes, was ist für Aussicht vorbanden, daß je die begeisterten Hoffnungen in Erfüllung geheil. die Canning in seiner wohlbekannten Rede aussprach? Das sind Fragen, die einigen Anspruch auf unsere Theilnahme haben. Man fühlt sich, wenn man von Peru's gegenwärtigem Zustande und seinen Aussichten für die Zukunft berichten will, durch die Herzlichkeit und biedere Gastfreundschaft, die man überall im Lande findet, verpflichtet mit so viel Schonung und Nachsicht zu sprechen, als das Interesse der Wahrheit es erlaubt. Die südame-rikanischcn Republiken sind von einem Volke gemischten Ursprungs bewohnt, das den Europäern geistig wie Physisch jedenfalls nachsteht, und der wankende Zustand, der unvermeidlich den Kämpfen für eine Unabhängigkeit folgte, auf welche das Volk nicht vorbereitet war, hat länger gedauert als man hätte erwarten sollen. Aber man scheint in Europa, durch die Berichte von Reisenden beeinflußt, welche das Volk und seine Sprache nicht kennen gelernt liaben, die Südamerikaucr ziemlich allgemciu für eine verderbte Mischrace zu halten, die hoffuuugslos entartet keines Fortschritts fähig sei*); so weit ich dagegen nach dem Umfang meiner Ersah-ruug und nach sorgfältiger Erwägung der Sache urtheilen kann, ist kein Grund vorhanden, daran zu zweifeln, daß das Land der Incas wirklich noch eine bessere Zukunft zu erwarten habe. Einem zufälligen und flüchtigen Beobachter der Verhältnisse Südamerika's, seit der Vertreibung der Spanier, mögen die Aus-sichten allerdings ziemlich düster erscheinen; aber eine nähere Bekanntschaft »lit der Sache und besonders eine Kenntniß von der unter der jüngeren Generation herrschenden Anschauungsweise, *) „Pos las narraciones tan calumniosas como absurdas de algunos aventureros maledieients, se nos considera punto menos que salvages", fa$t ein vevurtnifc^cv ©cfyviftfidlcr. Nachtheile des Födcralsystemö. 269 wie sie sich in der Unterhaltung und in Schriften ausdrückt, würde erkennen lassen, daß unter der Oberfläche edle Bestrebungen und aufgeklärte Ansichten vorherrschend sind, die Früchte tragen und unsere Hoffnung auf eine bessere Zukunft rechtfertigen werden. Als Südamerika seine Unabhängigkeit errungen hatte, waren es zwei Hauptursachen, welche die hierauf folgenden Bürgerkriege anfachten-, die Frage, ob Föderal- oder Central-Regierung, und die Streitigkeiten hinsichtlich der Grenzen. Durch die während der Revolution von den Heeren erlangte Macht und durch den selbstsüchtigen Ehrgeiz und dieVcrrätherei einzelner Staatsmänner wurden diese Quellen des Uebels mehr und mehr vergrößert. Aber andere Länder, die weit größer und hervorragender sind als diese armen ringenden Republiken, haben eine ebenso lange und demüthigende Krisis durchmachen müssen. Die jungen unerfahrenen Länder Südamerika's haben eine schwere Prüfung zu bestehen gehabt, nnd man kann, um der Wahrheit ihr Recht zu geben, nicht leugnen, daß sie bis jetzt ihre Rolle nur mittelmäßig gespielt haben. Sie verlangen Nachsicht und man darf sich nicht mit Mißachtung von ihnen abwenden. Ein großer Mißgriff mehrer der ehemaligen spanischen Colonien war die Einführnng eines den Vereinigten Staaten nachgeahmten Föderal-Regicrungssystcms. Dies geschah in Merico, in Central-Amerika, Neugranada und der argentinischen Republik. Es kann für ein dünn bevölkertes, fast wcgloses Gebirgsland, das in den entlegneren Provinzen kaum die nöthigen befähigten Leute zur Verwaltung der Local-Regierung aufbieten kann, fast kein ungeeigneteres System geben. Die Macht fällt unter solchen Verhältnissen nothwendiger Weise in die Hände irgend eines schlauen Abenteurers; jeder kleine Staat wird ein Brennpunkt der Revolution und es folgen endlose Bürgerkriege. Und das ist in der That das Schicksal derjenigen Republiken gewesen, die sich für eine Föderal-Regierung entschieden hatten. Centralisation mag, wenn sie in alten, dicht bevölkerten Ländern zu weit getrieben wird, so verderblich sein wie sie will, in jungen Staaten mit einer über em ungeheures Gebiet ausgestreuten dünnen Bevölkerung ist sie eine absolute Nothwendigkeit. Die entlegenen un- Peiu. 19 290 Die Peruaner »nd ihr Charakter. zugänglichen Districte tragen in sich selber nicht den Stoss zur Selbstregierung und hängen hinsichtlich ihres Gedeihens und ihrer Entwicklung nothwendiger Weise von der Hauptstadt ab. Peru ist nur ein cinzigcsmal dem Experiment des Föderalismus unterworfen gewesen und hat nicht so viel durch innere Streitigkeiten gelitten, wie die unglücklichen Länder, die oben genannt worden sind. Es behauptet eine Art Mittelstellung zwischen den südamerikanischcn Republiken; es ist nicht durch Anarchie so grausam zerrissen wieMcxico auf der einen Seite, und erfreut sich nicht einer so guten und befestigten Regierung wie Chile auf der andern. Auch mögen die Peruaner den Chilenen und dckCingeborncnNeu-Granada's an geistigen Fähigkeiten nachstehen, während sie dem Volke von Central «Amerika und Mexico unendlich überlegen sind. Man kann daher Peru als eine Art Durchschnitt-Beispiel dieser halb spanischen halb indianischen Staaten aufstellen, und von diesem Gesichtspuukte ans will ich sein Volk, seine Regierung und seine materiellen Hilfsmittel näher ins Auge fassen. Die Bevölkerung Pern's umfaßt nach den jüngsten Berichten 1,880,000 Seelen; im Innern bestehen die arbeitenden Klassen fast ausschließend aus reinen Indianern, die Handwerker und Krämer in den Städten theils cuis Indianern und theils aus Mischlingen oder Mestizen; die niedern Klassen an der Küste sind Neger oder Zambos mit einigen eingeführten Chinesen gemischt, die höheren Klassen Abkömmlinge der Spanier, die sich mehr oder weniger mit indianischem Blute vermischt und nur in sehr seltenen Fallen ihre spanische Abstammung rein erhalten haben. Die Abkömmlinge der Indianer skhen an Talent ihren Landsleuten von rein spanischer Abkunft nicht nach und übertreffen sie vielleicht an Thatkraft, und einige Indianer sind reiche unternehmende Leute, während andere schon die höchsten Staatsämter bekleidet haben. Die Peruaner sind intelligente aufgeweckte Leute, überaus gastfrei und gutmüthig und in ihren Bürgerkriegen in der Negel sehr menschlich und vcrgcbsam; aber sie sind auch leicht wankclmüthig und veränderlich, unfälng zu langandaucnidcr Anstrengung und zur Lässigkeit geneigt. Bestechlichkeit, Verrath und Kleinmuth sind Ursache», der verderblichen Kriege. 291 nur zu gewöhnliche Erscheinungen; aber sind das nicht vielleicht mehr durch Bürgerkriege und zeitweilige anarchische Zustände hervorgerufene Laster als wirkliche Charaktercigcnthümlichkciten des Volks? Die Negcrraccn an der Küste abgerechnet, gehört Peru zu den wenigen Ländern, wo Verbrechen zu den Seltenheiten gehören. Die Ursachen der inneren und äußeren Kriege, die seit der Erlangung der Unabhängigkeit Peru's Emporkommen ausgehalten haben, lassen sich mit wcnigm Worten bezeichnen. Die Ursache der äußeren Kriege entsprang aus Streitigkeiten mit den Nachbarn hinsichtlich der Grenzen. An der Südgrenze begründete der ehrgeizige Bolivar eine kleine Republik, vielleicht nur weil kindische Eitelkeit es ihm wi'mschenswcrth erscheinen ließ, ein Land zu haben, das seinen Namen trüge. Dieses Land, früher ein Theil des Vice-kö'nigreichs, war in jeder Hinsicht ein Theil von Peru; sein Volk, seine Sprache, seine Traditionen und Gefühle waren dieselben. Die Trennung der beiden Länder konnte eben nur üble Folgen habeni sie hat durch Streitigkeiten über zweifelhafte Grenzen, durch Eifersüchteleien und Mißverständnisse wegen eingeführter europäischer Waaren, die in dem peruanischen Hafen Arica gelandet und durch peruanisches Gebiet nach Bolivia geführt werden mußten, zwischen einem Volke, das bestimmt war, unter einer und derselben Regierung als Brüder zu leben, cine^von Jahr zu Jahr sich steigernde Feindseligkeit und Erbitterung erweckt. Im Norden grenzt Peru an die kleine Republik Ecuador, die bis 1830 einen Theil von Columbia bildete und (mit Ausnahme von Callao) in Guayaquil den einzigen guten Hafen an der westlichen Küste Süd' amerika's besitzt. Nach diesem Hafen hat Peru von jeher Verlangen gehabt und die Grenzfragc war hier noch überdies durch die zur Zeit der Spanier zwischen Peru und Quito bestandene Verschiedenheit der politischen und kirchlichen Grenzen verwirrt wor« den. Die zwischen den sudamcrikanischen Republiken allgemein gültige Regel für Grenzentscheidung ist der Besitzstand, der zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges in Geltung gewesen ist. Diese mit großer, durch frühere Eifersucht genährter Erbitterung fortgefetzten Grenzstreitigkciten führten endlich l828 zu einem Kriege 19* 292 Innere Unruhen und Bürgerkriege. zwischen Columbia und Peru, in welchem die letztere Republik den Kürzern zog. und zu gleicher Zeit zu einem Kampfe zwischen Peru und Bolivia, der mit einem Vertrage endigte^). Verderblicher noch waren die inneren Zwistigkeiten, lind die Ursache dieser war die Frage, ob Föderal» oder Central-litepublik. Peru hatte sich nach Beendigung des Krieges mit Columbia, vom Jahre 1828 bis 1834, eines dauernden Friedens erfreut; vom Jahre 1834 an bis zum Jahre l844 ward das unglückliche Land von fortwährenden Bürgerkriegen und Insurrcctionen lieimgesucht. Die zehn Jahre von 1834 bis 1844 waren Peru's schwerste Prü-fungszcit. Seine Staatsmänner waren verderbte, klcinmüthige. dem eigennützigen Ehrgeiz verfallene Leute; das Land wurde von nichtswürdigen militärischen Abenteurern gequält und zerrüttet, und die Märsche der Heere hemmten und unterdrückten mit ihren gewaltsamen Rccrutirungen alles, was die Wohlfahrt und das Gedeihen des Landes hätte heben können. Aber selbst in diese dunkle Zeit fällt ein Zwischcnraum von zwei Jahren, wo General Santa Cruz seinen Traun, von ciner Födcral-Rcvublik unter dein Namen der peruanisch-bolivianischen Confederation zu verwirklichen suchte und wo sich das Land des Friedens und einiger Anzeichen rücttehrcudcn Gcdcilicns erfreute. Die Zeit der kräftigen Verwaltung des Generals Santa Cruz, dessen Mutter einen Indianer-Häuptling zum Vater hatte. war die einzige Oase in dieser traurigen Wüste der Anarchie. In den folgenden zehn Jahren, erst unter der sechsiährigcn Herrschaft des Generals Don Namon Castilla und dann unter General Cchcniquc, erfreute sich Peru des Friedens und machte wäbreud dieser Zeit hinsichtlich seines materiellen Gedeihens schnelle Fortschritte. Im Ialnc 1854 aber wurde es aufs Neue durch cinc Revolution erschüttert, mit welcher die allgemeine Mißstimmung des Volkes über die groben Unterschlcife und schamlosen Betrüg«. '/) Die Grenze zwischen Peru uud Ecuador ist ieht auf den Besitzstand von l810 und den Vertrag von 1829 begründ,,. Reformen. 293 reien zum Ausbruch kam. die sich die Regierung des Generals Echenique hatte zu Schulden kommen lassen. Castilla stellte sich an die Spitze der Bewegung und hat mit Hülfe eines bedeutenden Heeres bis auf den heutigen Tag seine Macht behauptet. Der Aufstand in Arequipa und die Meuterei auf der Flotte, 1857 und 1858, waren nur local und haben die allgemeine Nuhe des Landes nicht beeinträchtigt. Gegen das Ende der zehnjährigen inneren Erschütterung Peru's hatte das Land (1839) eine Verfassung erhalten, die eine streng centralisirendc Regicrungsform begründete und der Central« gewalt eine ungeheure Macht überließ. Während der zehn Friedensjahre aber, welche der Grwählung Castilla's, im Jahre 1844, folgten, liattc man sich durck Reisen in Europa und durch allerlei Lecture allgemein den freisinnigsten Ansichten zugewendet, fo daß man die alte Verfassung nicht mehr für zeitgemäß hielt. So wurde denn im Jahre 1856 von einer durch Castilla zu diesem Zwecke zusammengerufenen Nationalversammlung eine neue Ver« fassung verkündigt, in welcher man unbefonncn und unbedenklich allerlei abstracte Ideen von Recht und Gerechtigkeit aufgenommen und eine starke Hinneigung zum Föderalismus und zur Sclbst-regienmg der einzelnen Landesthcile an den Tag gelegt hatte. Mit einem Federstriche wurde die von den Indianern gezahlte Kopfsteuer, in gewöhnlichen Zeiten eine Haupteinnahmequelle, die Negersklaverei an der Küste und alle Todesstrafe abgeschasst. Man würde in der Abschaffung der Sklaverei und in der Gewährung einer Entschädigungssumme von 1,780,000 Dollars einen Act von Edelmuth und Großherzigkeit haben erkennen können, wenn dadurch die Lasten des Volkes in irgend einer Weisc vermehrt worden wären; dies war aber nicht der Fall. In derselben Weise war die Abschaffung des von den Indianern gezahlten Tributs ein bloßer Act der Sorglosigkeit. Die neue Konstitution sehte zwei gesetzgebende Kammern ein, einen Eenat und ein Repräsentanten-Hans ; da aber die Hälfte der Repräsentanten durch's Loos berufen wurde, den Senat zn bilden, so war ,dic eine Kammer eben nur das Duplicat der anderen. Die merkwürdigsten Bestimmungen, 294 Peru's stegenwärtige Verfassung. aber waren diejenigen, welche, das unglückselige System der Vereinigten Staaten copirend, Einrichtnngen vorschrieben, die zu nichts weiter als zn einer Födcral-Ncgicrungssorm führen könn--ten. Peru blieb in Departements getheilt, welche uon ihrcn von dem Präsidenten zu ernennenden Präfectcn verwaltet wurden; dagegen sollte jetzt in der Hauptstadt jedes Departements eine Art gesetzgebenden Körpers, .lunlu, Oo^Ättmonl^I genannt, eingesetzt werden, dessen Mitglieder vom Volke gewählt werden und hinsichtlich des Wohls des Departements Berathungen pflegen und dahin wirkende Gesetze erlassen sollten. Diese Maßregel war der Anfang jenes unglückseligen Systems, das einige der anderen Republiken erschüttert hatte, und ihr Zweck lag so offen, daß Castilla, der Absicht beschuldigt wurde, Peru in ein Dutzend kleiner Staa» ten zu zersplittern, diese in Zwietracht gegen einander zu treiben und sich selber zum Dictator auszuwerfen. Eine weisere und nützlichere Maßregel war die Einsetzung der sogenannten lumuä Nu-nleipHle8, die, für Städte und einzelne Dörfcrgruppcn bestimmt, aus den angesehensten Einwohnern bestehen und mit der Ucber-wachung und Förderung aller Localinteressen betraut sind. Im November 1860 wurde diese Constitution verändert und verbessert, und was sie an besonders nachtheiligen Bestimmungen enthielt, zum großen Theil aufgehoben. Für das Verbrechen des Mordes wurde die Todesstrafe wieder eingeführt. Der Congreß soll sich aller zwei Jahre am 28. Juli versammeln; aller zwei Jahre zum dritten Theil sich erneuern und am Schlüsse jeder Scs-sionszeit einen aus sieben Senatoren uud acht Deputirten bestehen-den permanenten Ausschuß wählen, der die Ausführung der vom Eongrcß gefaßten Beschlüsse zu überwachen hat. Ein wesentlicher Forschritt war die Bestimmung hinsichtlich der Bildung des Senates. Die Mitglieder dieses Körpers werden uon den Departements je nach der Anzahl der zu denselben gehörigen Provinzen gewählt, während die Wählbarkeit durch ein jährliches Einkom, men von 1000 Dollars bedingt ist. Somit ist jetzt ein verständlicher Unterschied zwischen den beiden Kammern geschaffen und mit der Zusammensetzung des Senates sehr weise eine der wenigen Der Präsident Don Namon Castilla. 295 guten Bestimmungen der Verfassung der Vereinigten Staaten entlehnt worden. Die ausübende Gewalt ist cinem Präsidenten und zwei Viccpräsidenten, die auf vier Jahre gewählt werden, sowie einem Ministcrrath übertragen. Endlich wurden auch die unheilvollen ^unl«,8 veparlrnenlal«8 abgeschafft, die allerdings, so viel ich glaube, nie zusammengetreten waren, während die die Municipal-behördcn betreffenden Anordnungen der Verfassung von 1856, die nur von gutem Erfolg sein können, in Kraft blieben. Dies ist die gegenwärtige Negierungsform in Peru, die vielleicht so gut ist, als das Land sie braucht, und in festen, ehrlichen Händen vielleicht allen gegenwärtigen Anforderungen des Volkes genügen kann. Aber es ist wichtiger, zu wissen, in wessen Händen die Negierung des Landes sich befindet, von welcher Art die Männer sind, denen man die Geschicke eines an Erinnerungen und materiellen Hülfsmitteln so reichen Landes, einer jungen Republik an. vertraut hat, welche nach langen Bürgerkriegen noch immer aus allen Poren blntet, aber mit wachsendem Eifer zu einer achtbaren Stellung in der Reihe der Völker sich cmporzuringen bemüht ist. Ich will die Männer, die während meines Aufenthalts in Lima, im Jahre 1800, die vollziehende Gewalt in den Händen hatten, mit einigen flüchtigen Zügen zu schildern suchen. General Ramon Castilla, der Präsident, ist in Tarapaca, im äußersten Süden von Peru, geboren und muß jcht bereits siebenzig Jahre zählen. Er trat früh in die spanische Armee, schloß sich 1821 der Sache des patriotischen Heeres an und gelangt^ zum Range eines Obersten. Nach dem Unabhängigkeitskampfc wurde er 1826 Unterpräfect seiner heimischen Provinz Tarapaca; von 1834 bis 1830 war er Präfect von Puuo, und nachdem er an allen Bürgerkriegen bctheiligt gewesen war und 1814 einen Sieg gewonnen hatte, wurde er schließlich zum Präsidenten der Republik erwählt. Castilla ist ein kleiner hagerer Mann von eiserner Constitution und großcrNusdaucr. Seine glänzenden, stechenden, kleinen Augen mit überhangenden Brauen, ein steifer, borstiger Bart und cinc vorstehende Unterlippe geben seinem Gesicht einen etwas wilden Ausdruck, doch liegt in seinem Wesen zugleich etwas Entschlos. 296 Die Mitglieder der Regierung ftnes und Gebieterisches, das fast würdevoll erscheint. Dieser merkwürdige Mann ist ein ausgezeichneter Soldat, tapfer wie ein Löwe, schnell und entschlossen, wo es gilt zu bandeln, und von seinen Leuten geliebt. Ohne Erziehung und wissenschaftliche Bildung, verdankt er seine politischen Erfolge, die Beherrschung der Parteien, ausschließend seinem natürlichen Talent, während er seine Siege nie durch Grausamkeit besteckt hat. Der Festigkeit und Kraft, womit er die Zügel der Gewalt in seiner Hand hält, verdankt Peru eine lange Fricdcnszeit; er hat alle Parteizwistigkeiten niedergehalten und damit dem Lande eine unberechenbare Wohlthat erzeigt, und wahrscheinlich hätte kein anderer Mann die Fähigkeit oder die Kraft gehabt, dies zu erreichen. Nbcr wenn Castilla für das Land eine Nothwendigkeit zu scin scheint, so ist er zugleich auch ein nothwendiges Uebel. Sein Mangel an Bildung hindert ihn, ein Staatsmann zu scin. Er hat im Allgemeinen für alle das Gemeinwesen betreffenden Unternehmungen, für alle das sittliche oder materielle Wohl des Landes fördernden Maßregeln keine große Theilnahme gezeigt, während er ein ungeheures stehen« des Heer unterhält, ungeheure Summen auf eine kostspielige Marine verwendet und damit den Staatsschatz zur Fortführung eines verderblichen Systems ausbeutet. Der tapfere alte Mann war eine Nothwendigkeit für das Land. Er allein ist im Stande gewesen, den Frieden zu erhalten und den Peruanern Zeit zur all« mäligen Entwickelung der Hülfsquellcn ihres Landes zu verschaffen, und wenn er einst nicht mehr scin wird, werden im Laufe dieser Zeit der Ruhe unmerklich Vortheile und Einflüsse aufgewachsen sein, die eine Wiederkehr solcher anarchischer Zustände, wie sie Castilla's erster Machtergreifung vorangingen, verhindern werden. Juan Manuel del Mar, der erste Viceprästdent, ein langer, blasser, ernster Mann, ist aus Cuzco, der altcn Hauptstadt derIncas, gebürtig, und hat während Eastilla's Abwesenheit schon mehr als einmal die oberste Gewalt geübt. Dieser Staatsmann kam 1830 zum Gerichtshof und hat seitdem als Congreßdeputirter, als Nichter und alS Minister ein thätiges öffentliches Leben geführt. Er ist und die Männer dcr Wissenschaft. 297 durchaus rechtschaffen, nicht ohne Fähigkeit und aufgeklärte An« sichten, sehr populär und allgemein geachtet. Der zweite Viceprä-sident ist General Pezct. der Sohn eines Arztes französischer Abkunft, der in der Festung Calla?, als diese von dm Spaniern vertheidigt wurde, seinen Tod fand. General Pezct, in Lima geboren, trat, damals erst elf Jahre alt, in die Reihen der Patrioten, als diese 1821 in Peru landeten, und wurde sogleich in activen Dienst genommen. Er nahm Theil an den Schlachten von Iunin und Ayacucho, welche die spanische Macht vernichteten, und an den nachfolgenden Bürgerkriegen. Die Minister, welche Castilla zur Zeit meiner Reise in Peru umgaben, konnten nicht eben für Repräsentanten der fähigsten und ausgezeichnetsten Classe der Peruaner gelten. Oberst Salcado, der Finanzminister, 1801 zu Lampa geboren, war eines der wenigen Congrcßmitglieder, die 1824 Bolivar's ehrgeizige Pläne mit Festigkeit bekämpften und vereitelten, und bat seitdem fast ununterbrochen als Unterpräfect, Präfcct oder Kongreßmitglied gewirkt. Ein anderer Minister war Don Jose Fabio Melgar, ein Bruder des bekannten Poeten von Arcauipa, Er hat feit 1833 verschiedene öffentliche Aemter bekleidet, ist ein liebenswürdiger und verständiger Mann, aber ohne hervorragende Fähigkeiten. Dcr Minister dcr auswärtigen Angelegenheiten war Don Miguel del Carpio, ein Veteran, der 1795 geboren, mit den Patrioten gekämpft und, 1822 von den Spaniern gefangen genommen, lange Zeit im Gefängnisse geschmachtet hat, seit dcr Unabhängigkeit aber verschiedene wichtige Aemter in Bolivia und Peru verwaltet hat. Aber Castilla will nur gehorsame Beamte, keine unabhängigen Minister haben, und die wirklich fähigeren, geistig thätigeren Peruaner findet man nicht in hohen politischen Aemtern, sondern in bescheidenen litcrarischcn Bcrufskrciscn, wo sie sich auf bessere Zeiten vorbereiten, oder auf ihren Besitzungen, wo sie mit Eifer und Thätigkeit die Hülftauellcn des Landes entwickeln helfen. Solche Leute sind Mariategui, Felipe Pardo, Vigil, Paz Soldan und Elias, deren Patriotismus und Talent jedem Lande Ehre machen würden. 298 Vlgll und Paz Soldan. vl. Vigil ist einer von Peru's ausgezeichnetsten Söhnen. Früher ein thätiges und beredtes Kongreßmitglied, hat er sich später durch ein sehr gelehrtes Werk über das Papstthum ausgezeichnet, wie er auch jetzt noch in seinen alten Tagen in seinen Schriften fortfährt, jede Sache und Maßregel, welche die religiöse Freiheit und das sittliche Wohl seiner Landsleutc fördern kann, kräftig zu vertreten. Nährend der liebenswürdige und gelehrte Vigil die Gelehrten Peru's vertritt, ist Mariano Paz Soldan einer der würdigsten Vertreter der Männer der That. Sein menschenfreundliches Herz entsetzte sich über den erbärmlichen Zustand der peruanischen Gefängnisse, und er hat diesem Uebel mit einer Thatkraft abzuhelfen gesucht, welche genügen könnte, die Peruaner gegen den Vorwurf der Lässigkeit und Saumseligkeit zu schützen. Paz Soldan veröffentlichte l853 einen sehr umständlichen Bericht über die Gefängnisse der Vereinigten Staaten und 1856 erhielt er nach unermüdlichen Vorstellungen von der Regierung die Vmvil-ligung, in Lima ein Gefängniß nach den neuesten verbesserten Grundsätzen herzustellen. Die Anstalt, deren Van hierauf sogleich in Angriff genommen wurde, wird dem Lande jedenfalls zur Ehre gereichen und ein dauerndes Denkmal von der Thatkraft und Ausdauer ihres Urhebers sein, der die Hoffnung hegt, daß man nach dem Muster dieser Anstalt noch andere Gefängnisse in verschiedenen Theilen des Landes herstellen werde. Paz Soldan ist außerdem auch mit der Ausführung einer topographischen Aufnahme Peru's beschäftigt. Es giebt noch viele Landeigenthümer und andere Leute von, Soldan's Schlage, welche die Zeit dcrNuhe, die feit 1844 nur durch ein einziges Jahr der Revolution gestört wurde, eifrig dazu benutzt haben, ihre Besitzungen zu verbessern und damit den Wohlstand des Landes zu heben — namentlich in den Küstenthälern. Der lange Landstrich zwischen den Anden nnd dem stillen Ocean erfreut sich eines gleichmäßigen Klima's; Ncgen und heftige Stürme sind fast uubekannt. während die Nächte von erfrischendem Thau begleitet sind. Der größere Theil dieser Gegend besteht aus Sandwüsten, die von nackten Felsen durchschnitten sind. aber überall. Industrielle Hülfsquclleu Peru's. 293 wo ein von dcn Anden herabkommender Fluß oder Bach mächtig genug ist, sich bis zmn Mcere den Weg zu bahnen, schließt dessen Ufer ein üppiges, fruchtbares Thal ein. Diese Thäler von größerer oder geringerer Ausdehnung und in verschiedenen Zwischenräumen bilden von der Bai von Guayaquil bis zum Flusse Loa, dcr Peru von Bolivia trennt, die einzigen Unterbrechungen der Wüstencin-förmigkeit und eignen sich ganz vorzüglich zum Anbau von Baumwolle, Wein, Oliven und Zuckerrohr. Man hat aus diesen Thälern bereits unermeßlichen Reichthum gezogen und ihre Ertragsfähigkeit würde sich noch unendlich steigern lassen, wenn man darauf bedacht sein wollte, sich durch zweckmäßige Vorrichtungen einen regelmäßigen Wasservorrath zu sichern. Das Tkal von Caneta, südlich von Lima, das sich in den Händen von sechs unternehmenden Eigenthümern befindet, und das ganz mit Zuckcrrohrpstanzungen bedeckt ist, gab im Jahre 18L0 für eine Million Dollars Zucker, der allein durch Chinesen und freie Neger erbaut wurde. Weiter südlich geben die Thäler Pisco und Uca, wo namentlich Don Domingo Elias und seine Söhne thätig sind, 70,000 Votijas eines unter dem Namen Pisco bekannten Spiritus, 10,000 Faß ausgezeichneten Weines, 800,000 Pfund Baumwolle und 40,000 Pfund Cochenille. Noch weiter südlich, in den Departements Moqucgna und Arequipa, giebt es noch viele andere Thäler, die ihre Eigenthümer durch den Ertrag ihrer Zuckerrohr-pstanzungen bereichern, und in dem Tambo-Thale bei Arequipa giebt es 5000 Olivenbäume und sieben Mühlen. Es ist gerade jcht, wo die Baumwollcnfrage so allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, gewiß erfreulich zu erfahren, daß die Landcigcnthümcr an der Küste von Peru diese Sache sehr ernst ins Auge gefaßt haben und daß seit dem Jahre I860 die Baumwollen-Cultur eine bevorzugte Speculation geworden ist. Boden und Klima dieser Küstenthälcr sind dem Vaumwollenbau ganz vorzüglich günstig, und obgleich die Quantität, die hier gewonnen werden könnte, im Verhältniß zu dem ungeheuren Bedarf von Manchester unbedeutend sein würde, so ist doch die Qualität gut und damit eins von dcn vielen Hülssmitteln gewonnen, die IOft Die Cultur der Baumwolle. uns später von den Conföderirtcn Staaten unabhängiger machen können. Die Besitzungen des Don Domingo Glias und Anderer in den Thälern Yca. Palpa, SanXavicr und Nasca geben 800,000 Pfund vorzüglicher Baumwolle. Auch wird aus dem Hafen von Payta eine ziemliche Quantität Baumwolle verschifft, wovon in Liverpool das Pfund mit 8 bis 9 ^ Pence bezahlt wird. In dem Thalc von Lambaycquc, zwischen Payta und Lima, das außerdem auch große Quantitäten von Tabak, Zucker, Reis und Mais erzeugt, hat man in neuester Zeit den Vaumwollenbau in großartigem Maßstab begonnen. Im Jahre 1860 befanden sich in den Distrikten Talambo, Cayalti, Vollus und Calupc bereite- 000.000 Pflanzen in der Erde, während auf benachbarten Besitzungen große Landstrcckcn fur den Vaumwollcnbau vorbereitet worden waren. In Talambo, im Thalc Pacasmayo, giebt es viele biscayische Familien, im Ganzen 176 Seelen zählend, die sich ausschließend mit Vaumwollcnban beschäftigen, und der Ertrag dieses Districts belief sich im ersten Jahre auf 800,000 Pfnnd. In dcr Provinz Chiclayo wurden 1860 gegen 700,000 Pflanzen in den Boden gebracht und andere große Landstrcckcn für den Baumwollcnbau vorbereitet. Diese Baumwolle bauenden Provinzen Lambaycquc, Chiclayo und Truxillo sind fruchtbar und gut bewässert; Stürme und Regen sind unbekannt und es herrscht ein gleichmäßiges Klima mit einer durchschnittlichen Temperatur von 70 bis 84°F. Man hat berechnet, daß, nach Abzug eines Fünftheils des culturfähigen Landes zur Erbauung der nötbigcn Lebcnsmittcl für die Einwohner, in diesen Provinzen gegen 140.000 Fancgadas Land zum Vaumwollen-ban verwendet werden könnten*). Nimmt man an, daß jede Pflanze vier Fuß Raum brauche und jährlich vier Pfund Ertrag gebe, so würden diese 140,000 Fancgadas einen jährlichen Ertrag von 580,000,000 Pfd. Baumwolle geben, die, wenn man den Centner am Nusführungshafcn mit zwölf Dollars berechnet, eine Summe von 69,600,000 Dollars vertreten. Zieht man hiervon 22,400,000 Dollars Kosten ab, so bleibt ein Gewinn von 47,200,000 Dol- *) 1 Fanegada--41.472 Quadrat-Bams (Men), I Ackcr -- 4840 Varas. Dir wichtigste» anderen Producte. 801 lars. Aber diese Provinzen enthalten nur einen kleinen Theil der fruchtbaren Küstcnthälcr Peru's, und es ist nicht zn bezweifelt!, daß, wenn dic Spcculationcn des Jahres 1860 einen guten Gewinn bringen, die Baumwollcncultur sich bald über ein ungeheures Gebiet erstrecken und Peru sich zu einer wichtigen Quelle für den europäischen Baumwollcnbcdarf erheben wird. Die Hochebenen der Nndcn erzeugen hinreichenden Mais. Weizen und Zucker für den heimischen Bedarf, aber ihr hauptsächlicher ausführbarer Michthum besteht in den ungeheuren Hccrden von Schafen und Alpacas, die in dem grasigen Hochland ihre Weide finden, und in Gold- nnd Silbcradcrn und Goldwäschcreicn. Es wird jährlich für ungefähr 400.000 Psd. Sterl. Wolle ausgeführt. Die Ausfuhr an edlem Metall belief sich 185l) auf 200,000 Pfd. Stcrl,, wovon 34,705 Pfd. Stcrl. vonIslay und 32,000 Pfd Sterl. von Arica ausgeführt wurden; doch besteht ein Theil davon in geprägtem Golde und „Chafalonia" oder altem Sllbcrgeräthe. Außer der Gewinnung dieser verschiedenen wcrtlwollcn Erzeug' nissc der Küstcnthälcr und dcr Sierra bictcn auch noch die ungeheuren Wälder auf der östlichen Seite dcr Anden nnd die großen Flußstraßen, welche dieselben nach dem atlantischen Ocean hin durchschneiden, ein unerschöpfliches Feld dcr Unternehmungen. Man fängt jetzt erst an, die unglaublichen Hülfsmittel diescsThcils pon Peru gehörig zu erkcuucn, obschon sich schon vor zehn und selbst zwanzig Jahren die ersten Negungen von Leben und Verkehr auf dem mächtigen Nmazonenstromc und seinen Zuflüssen kundgegeben hatten. Kleine Handelsleute, die Vorläufer einer rührigen Zukunft, hatten angefangen, thätig ihre kleinen Geschäfte zu betreiben ; mit Hängematten. Häuten, Wachs, Sarsaparilla, Kopaiv« balsam und anderen Walderzeugnissen bcladcnc Canoes fahren bis nach Para an der Mündung des Amazonensinsscs hinab, um mit europäischen Manufacturwaarcn zurückzukehren. Seit einigen Jahren ist jedoch in dieser Beziehung ein ungeheurer Fortschritt gemacht worden. Im Jahre 1857 ließ eine brasilianische Gesellschaft auf dem Amazonenstrome und seinen Nebenflüssen acht Dampfschiffe gehen, die Passagiere beförderten und auf« und ab- ZY2 Schifffahrt und Wegebau. wärts einen unaufhörlichen Handelsverkehr unterhielten. Im Jahre 1853 wurden Anstalten getroffen, die brasilianische Dampfschifffahrtslinie mit einer peruanischen Schifffahrtslinie für das obere Flußgebiet zu verbinden, und es langten zu diesem Zwecke von Ncw-Iork zwei kleine Dampfbootc an. Die Revolution des Jahres 1854 machte dieser Unternehmung zeitweilig ein Ende und man ließ die beiden Dampfboote in Nauta, 2300 engl. Meilen stromaufwärts, verfaulen. Neuerdings abcr sind aufs Neue Schritte geschehen, die peruanischen Nebenflüsse des Ainazonenstromcs mit Dampfschiffen zu versehen, dadurch Ansiedelungen zu befördern, Handel und Verkehr herbeizuziehen und auf diese Wcise den unberechenbaren Reichthum der am Amazoncnstrome gelegenen Provinzen Peru's flüssig zu machen. Im October 1858 einigten sich Brasilien und Peru zu einer Schifffahrts-Convcntion, welche die Schifffahrt auf dem Amazo-nenstrome unter gewissen Beschränkungen freigab, und im Februar 18U0 langte der brasilianische Dampfer „Tabntinga" in Laguna an, das an dem peruanischen Flusse Huallaga, ungefähr 3000 engl. Meilen von der Mündung des Nmazoncnstromcs, entfernt liegt. Inzwischen hat auch die peruanische Regierung die Erbauung von Dampfbootcn angeordnet, welche in Verbindung mit der brasilia» Nischen Linie die oberen Nebenflüsse des Amazonenstromes befahren sollen; zugleich sollen Wege augelegt werden, um die im Innern gelegenen Städte mit den nächsten schiffbaren Punkten der Nebenflüsse des Nmazoncnstromes in Verbindung zu bringen, Im Juni 1800 brach eine Gesellschaft von sechs Männern von Huanuco auf, um die östlich gelegenen ungeheuren waldbcdecktm Ebenen zu durchforschen, die unter dem Namen der „Pampas del Sacramento" bekannt sind, und im Juli arbeitete man bereits an dem Wege, der Huanuco mit dcm schiffbaren Tbeilc des Flusses Ucayali, eine Entfernung von 150 Meilen, verbinden soll. Am Flusse Pozuzu ist eine kleine deutsche Colonie entstanden. Andere Maßregeln ähnlicher Art werden beabsichtigt, und cs ist fast unmöglich, die schnelle und sichere Zunahme an Reichthum zu berechnen, welche für diese seither vernachlässigte Region nicht ausbleiben kann, sobald sie m>t Guano. 303 der Dampfschifffahrt in Verbindung gebracht und in den Vereich eines Marktes gezogen wird. Para, nn der Mündung des Amazonenstromes, übertrifft an Zahl seiner Ausfuhrwaren, alles Erzeugnisse der Gegenden, deren Ausgangspunkt es bildet, fast schon jeden andern Hafen der Erde. Abcr die merkwürdigste Quelle peruanischen Reichthums, eine Quelle, die das Finanzsystcm des Landes in einer Weise beeinflußt hat, welche kaum irgendwo ihres Gleichen haben dürfte, ist der Guano der an der Küste gelegenen öden Inseln. Als die südamcri-kanischcn Republiken dem Handel geöffnet wurden, entdeckte man bald dcn Werth des Guano's als Dünger; der Bedarf nahm schnell zu und die peruanische Regierung säumte nicht, sich diese, wie sie meinte unerschöpfliche Quelle des Reichthums zu Nutze zu machen'). Die drei Chincha-Inseln in der Bai von Pisco enthielten 1853 *) Der Gebranch des Guano's als Dünger war schou deu alten Pe-ruaucrn vor der spanischen Eroberung bekannt. Garzilasso de la Vega, der Geschichtschreiber der Iucas. berichtet darüber folgendes: „An der Meeresküste, von Aleqnipa bis Taravaca, ein Küstengebiet von 20U Le-guas, braucht man leinen anderen Dünger als den von Seeigeln, die an der ganzen Küste von Peru iu so ungeheuren Flügen vorhanden sind. daß mau sich keinen Vegriff davon macheu kaun, wenn mau sie nicht gesehen hat. Eie brüten auf gewissen an dieser Küste gelegenen unbewohn-teu Inseln nud scheu dort unglaubliche Massen von Dünger ab. Von ferne er>cheiucn diese Düngerhaufen wie die Gipfel eines Schneegcbirges. Zur Zeit der Inca-Könige war man so sorgsam auf Beschulung dieser Vögel bedacht, das; es bei Todesstrafe verboten war, wäl,rend der Blütezeit au diesen Inseln zu landen, damit diese Vögel nicht erschreckt oder von ihren Nestern verscheucht würden. Ebenso war es bei Todesstrafe verboten, zu irgcud einer Zeit auf den Inseln oder anderswo diese Vögel zu todten. Jede Insel wa-r auf Befehl der Incas einer besonderen Provinz zugewiesen uud der Gnano wurde redlich getheilt, so daß jedes Dorf den Theil empfing, den es brauchte. In jchigcr Zeit wird er in anderer Weise verschwendet. Dieser Vogeldünger ist sehr fruchtbar." ill. Lib. V. c»p, III. i). 134; N.iäriä 1?2:j.) — Frezier (,.8c)ul!, 8ea« S. 152. London 171?) berichtet, daß man, als er 1713 an der Kiiste gewesen sei. Guano von Iquivue und anderen Häfen längs der Küste uach Arica und M gebracht und zur Düngung des Ajipseffers uud anderer Ernten gebraucht habe. 304 Guano ,md salpetcrsaures Soda. eine Masse von 12,376,100 Tonnen Guano, und da seit dieser Zeit bis zum Jahre 1800 2.83? 365 Tonnen ausgeführt worden sind, so waren im Jahre 18l>l noch '.1,538,735 Tonnen vorhan» den. Im Jahre 1800 nahmen an den Chincha-Inseln 433 Schiffe eine Ladung von 318,554 Tonnen ein, so daß nach obigem Maßstab der Guano nur noch für drcinndzwanzig Jahre oder bis 1883 ausreichen wird. Das Guano-Monopol bringt dem Staate eine Revenue von 14,850,000 Dollars. In Peru werden selbst die dürrsten Wüsten zu Quellen unermeßlichen Reichthums', denn während die öden Chinchas dem Staatsschatz Millionen einbringen, trägt die Pampa von Tama-rugal in der Provinz Tarapaca durch ihr salpctersaures Soda (8alilre) und ihren borarsaurcn Kalk zur Vermehrung dcs Reich, thums dieses bevorzugten Landes bei. Man hat berechnet, daß der dieses salpctcrsaurc Soda enthaltende Boden dieser Provinz fünfzig Quadratleguas bedecke, und rechnet man hiernach hundert Pfund salpetersaures Salz auf jede Quadrat-Elle, so giebt dies eine Summe von 63.000,000 Tonnen, die nach dem Maßstab des gegenwärtigen Verbrauchs für 1303 Jahre ausreichen. Im Jahre 1800 betrug die Ausfuhr von salpctcrsaurcm Soda aus dem Hafen Iquipue 1,370,218 Centner; es wird auch ein gut Theil Borax ausgeführt, obgleich dessen Verschiffung von Seiten der Regierung uerbotcn ist. Der ausgedehnte Gebrauch von Guano und salpctcrsaurcm Soda als obere Düngung für Getreide ist eine Erfindung der Neu» eit, die erst in der geit von 1824 und 1829 in England zur allgemeineren Geltung kam. Ich glaube, die Iandwirthc halten Guano und salpctersaurcs Soda als obere Düngung für Getreide für gleich wirksam, und es ist jetzt für den Ackerbau eine Sache von wesentlicher Bedeutung, die Preise dieser Düngemittel, die noch immer respective zwölf und sechzehn Pfund Sterling für dlc Tonne betragen, zu verringern. Die zu diesem Zwecke unternommene sorgfältige Forschung nach Guanolagcrn in anderen Theilen der Welt hat jedoch 1843 nur zur Entdeckung der Guanolager von Ichabon an der afrikanischen Küste und später zur Entdeckung Umfang des Giiaiio-Haudels. 305 des Guano's der arabischen KuriaMuria-Inscln geführt. Das Lager von Ichabon war bis zu Ende des Jahres 1845 vollkommen abgeräumt, während das der Kuria-Muria-Inscl Iiblcna noch bearbeitet wird. Der hier gewonnene Guano ist jedoch weit geringer als der Guano der peruanischen Inseln. So haben die Bemühungen, andere Guano-Lager zn entdecken und dadurch den Preis dieses Düngemittels herunterzubringen, im Ganzen keinen sonderlichen Erfolg gehabt, und die Peruaner können daher ihrer seltsamen Einnahmequelle noch für zwanzig und einige Jahre sicher sein. Ein seltsameres Mittel zur Bestreitung fast aller Staatsaus-gaben ist wohl noch nicht vorgekommen. Im Jahre 1859 betrugen die Ausgaben 20,387,750 Dollars, und drei Viertheilc dieser Summe wurden durch Abschaufelung der Misthaufen einer öden Küsten-Insel gewonnen! ' Eine kluge Negierung würde das Guano-Monopol als einen außerordentlichen Einnahmeposten in Anschlag gebracht und ilm zur Abzahlung der inneren und fremden Staatsschulden, zur Aus-führnng öffentlicher Arbeiten, zu Verbesserungen u. s. w. angewendet haben; den Pernanern aber scheint diese erstaunliche Zunahme ihres Einkommens die Köpfe verdreht zu haben, und man verschwendet diese Einnahme mit der unverantwortlichsten Sorglosigkeit. Die Zinsen der fremden Schuld hat man allerdings bezahlt, auf anderer Seite aber sind die großen Einnahmen cut« weder, wie unter Echeniqnc's Verwaltung, unterschlagen, oder zu ungeheuren und unnöthigen Kricgsrüstungcn und zu übermäßigen Gehalten und Pensionen verwendet wurden. Tausende von Familien leben jetzt ans Kosten des Staates, und wenn die Guano-Einnahme einst aufhört, so wird ein bitteres und weit verbrcitttco Elend eintreten. Auf das Guano-Monopol sich verlassend, bat man fast alle Steuern, darunter die Kopfsteuer der Indianer, abgeschafft und das Staatseinkommen auf drei Posten — Guano, Zölle und Stempelgeld — rcducirt. Es wird jeder Eongreßver-sammlung ein zweijähriges, die Einnahmen und Ausgaben enthaltendes Budget vorgelegt. Ich habe diese Budgets von mehreren Jahren vor mir, aber^das von 1859 wird genügen, die außer- 306 Budget von 1859. ordentliche Art der Einnahme und dic noch außerordentlichere Art ihrer Verwendung erkennen zu laffen: Einnahme. , Ausgabe. Guano .... 15,875.352 Doll. Diäten ?c. der (von- Zölle u. s. W. . . 5.079,439 „ greßmitglicder . 211,084 Doll. Ueberschuß V0N1858 938,389 „ Heer u.Flotte, nebst Pensionen . . 9,74l!,432 „ Civilgehalten. Pen- sionen .... 2,129.904 „ Gehalte der Geist- lichkeit. . . 03,29«! „ Oeffentliche Arbeiten 718,124 „ Erzichungs-u. wohl- thätige Anstalten 332.471 .. Polizei .... 92.807 „ Entschädigung für Sklaven nnd zur Ausgleichung der inneren Schuld . 1,576.004 „ Einlösung von Obli- gationen . . . 3.218,700 „ Vermischtes. . . 107,146 „ Interessen aller Art 2,191.777 „ 21,893,180 Doll. 20,387.745 Doll. Ueberschuß: 1,505,435 „ 21,893,180 Doll. Die fremde Schuld beträgt 24,205,400 Dollars und die innere mit der Sklaven-Entschädigung belauft sich auf eine weit größere Summe. Aber die hauptsächliche Last für die Staatskasse ist das ungeheure Heer von 15,000 Maun für eine Bevölkerung von weniger als zwei Millionen, mit 2000Officicrcn, von welchen auch diejenigen, die nicht in activem Dienste stehen, ihren vollen Gclialt behalten. Dies wird erkennen lassen, wie viele Familien in Ueppigkeit und Nichtsthun von dem Staatscinkommen leben, und welches Elend einem plötzlichen Auflwrcn ihrer Einnahme folgen wird, das nicht ausbleiben kann, wenn einst der Gnano zu Ende gebt. Es wird für eine zukünftige Regierung eine schwierige Guter Geist der peruanischen Jugend. Z<)7 Aufgabe werden, die geeigneten Mittel zur Versorgung einer schwerfälligen Armee und einer großen Schaar hungriger Ofsiciere aufzufinden. Den besten Nath hat in dieser Beziehung der verstorbene General Miller erthcilj, der als Gouverneur von Cuzco schon 1836 die Einrichtung von Militärcolonien in den Wäldern auf der Ostseite der Anden vorschlug und damit den Weg zeigte, ein gefährliches Werkzeug des Verraths und des Aufruhrs in ein Mittel zur Bereicherung des Landes zu verwandeln. Die Justizverwaltung ist in Peru trotz ausgezeichneter Gesetze so verderbt, daß es besser ist, diesen Gegenstand, in der Hoffnung, daß es einst besser werde, ganz unberührt zu lassen. Ebenso ver-bält es sich mit der Polizei. Es muß für das Land in der That noch viel geschehen, aber es ist, glaube ich, von der neuen Generation, den jungen Leuten, die jetzt im Begriff stehen, dem öffentlichen Leben ihre Thätigkeit zu widmen, auch viel zu erwarten. Viele derselben sind in Europa erzogen und durch Reisen uud gründliche Studien gebildet worden und streben danach, sich im Staatsdienste auszuzeichnen. In der Literatur haben sic bereits bcachtenswcrthe Strebsamkeit und Befähigung kundgegeben. Die Zeitschrift „NeviLig, 60 Lima" enthält archäologische, biographische, historische und staatswisscnschaftlichc Aufsätze, die gewöhnlich gut geschrieben sind und von Leuten herrühren, welche offenbar eine gediegene Lcbensrichtung haben. Die Mitarbeiter, unter welchen besonders die Herren Lavallc Ulloa, Pardo, Flores, Masias und der Maler Laso genannt werden, sind sämmtlich junge Männer, die eine Carriere vor sich haben. Auch ist es ein gutes Zeichen, daß man jetzt ernstlich darauf bedacht ist, historische Materialien, die seit langer Zeit nur im Manuscript oder in seltenen alten Ausgaben vorhanden gewesen sind, herauszugeben oder neu drucken zu lassen. So hat Don Manuel Fucutcs, der Verfasser einer „N8w-cliäUcll i8a^a, Blätter und Blumen der <^. micranlk»,, Blätter und Früchte der (!. <üal-ava^on8l8, die Frncht der pimenleNa ^lumerälil und die Rinde uon den Zweigen fast aller Chinchonaartcn und der ihnen verwandten Genera derNälder uon Caravaya enthaltend, befindet sich in dem Museum und Heibarium zu Kcw, wo auch Svruce seine Sammlung von allen Theilender ^.succ-irudra niedergelegt hat. Aber nachdem wir diese kostbaren Maulthicrladungen nach der peruanischen Küste geschafft und glücklich eingeschifft hatten, war nur erst die Hälfte der Schwierigkeiten überwunden und ich konnte mir nicht verschweigen, daß noch manches Mißlingen und manche Täuschung zu erwarten war, ehe die Pflanzen glücklich den 310 Transport der Pflanzen Ort ihrer Bestimmung erreicht haben würden. Hinsichtlich des Samens war nichts zu befürchten, die Pflanzen aber hatten, da uns die Mittel nicht geboten waren, sie unmittelbar über das stille Meer zu schiffen, eine über alle Maßen lange Probe auszuhalten. Aber es war für den Aufschwung der jungen Pflanzungen in Indien, wenn Pflanzen und Samen zugleich dort eingeführt wurden, ein zu großer Vortheil, und der glückliche Erfolg, wovon wenigstens einer der Transporte unter besonders günstigen Umständen begleitet war, hat den Versuch vollkommen gerechtfertigt. Nach sorgfältiger Erwägung hatte man das Nilgerri-Gebirge in der Präsidentschaft Madras für den geeignetsten Ort zu versuchsweiser Cultur der Chinchona-Pflanze in Indien erklärt. Dicses Gebirge, zwischen 11° 10' und 11° 32' nördl. Breite nnd 76° 59' und 77" 31'östlicher Länge, bildet füdlich vom Himalaya die höchste Gebirgsmassc in Indien, deren höchster Gipfel, voda della, sich 8610 Fuß über den Meeresspiegel erhebt. Das Gebiet dieser Gebirge umfaßt 268,404 Acker, wovon 24,000 sich uuter Anbau befinden. Hier giebt es ein Klima, ein Maß von Feuchtigkeit, eine Vegetation und eine Mcereshöhe, die den Ehinchona-Wäldern Südamerika's in einer Weise entsprechen, wie es in keinem andern ThcileIndicns der Fall ist. In den Gouvernements-Gärten zu Oo-tacamund in dem Nilgcrri-Gcbirge waren die nöthigen Einrichtungen zur Pflege und Vervielfältigung der Pflanzen und zur Benutzung des Samens geboten, und William Mac-Ivor, der Oberaufsehcr, war ein sorgsamer, verständiger und praktischer Gärtner, der die Botanik der Chinchona-Pflanzcn sorgfältig studirt hatte nnd unter dessen Pflege das wichtige Unternehmen den möglichsten Erfolg versprach. Von dem Nilgerri-Gebirgc ließen sich dann die Chinchona-Pflanzcn noch in andere ihrem Anbau entsprechende Berggegenden des südlichen Indiens verpflanzen. Ich hatte die Herren Spruce und Pritchctt, einer mir von England gewordenen Weisung gemäß, beauftragt, kleine Quantitäten von Samen jeder Chinchonaart nach Jamaica und Trinidad zu schicken, sodaß zugleich auch die Einführung der Ficberrinden- nach dem Nilgerri-Gebirgc. 311 Bäume in dm britisch-westindischen Colonien bewirkt würde. Die Hauptmasse der Sammlungen aber sollte, gleich nach der Ankunft an der peruanischen Küste, auf dein Umwege über Southampton nach Indien geschafft werden. Die dreißig zum Transport der Pflanzen bestimmten Gefäße, die ich um das Cap Horn nach Südamerika hatte befördern lassen, waren drei Fuß zwei Zoll lang, zehn Fuß zehn Zoll breit und drei Fuß zwei Zoll hoch, und mit Boden und Pflanzen wog jedes etwas über drei Centner. Die Pflanzen der (!. Ollll8a^3, <Ü. ov3.lt», und 6. m'iQl-Äntlik füllten fünfzehn dieser Gefäße, die andern fünfzehn nahmen in Guayaquil die Sammlung der ('. Zueeiruwa auf. Außerdem hatte ich noch sechs Gefäße von geringerem Umfang in Lima für die Pflanzen von Huanmo herstellen lassen. Die fünfzehn Gefäße mit dcnChinchonn'Pflanzcn aus Caravaya verließen den Hafen von Islay am 23 Juni und erreichten Panama am 6. Juli I860, wo bereits 207 Pflanzen frische Keime getrieben hatten. Bei der Ankunft in England in, August waren diese 207 Pflanzen im frischesten Zustande, der bis zur Ankunft in Alexandria im September steh erhielt. Die Hitze des rothen Meeres aber, wo das Thermometer uon '.»9° in der Nacht bis auf 10?o amTage stieg, war eine zu schwere Prüfung für sie, deren üble Folgen noch durch einen achttägigen Aufenthalt in Bombay vermehrt wurden. Die Wurzeln wurden von Fäulniß ergriffen, doch waren die Blätter bei der Ankunft auf dem Nilgerri» Gebirge noch frisch und es wurden mehrere hundert grüne Ableger davon gemacht, die jedoch nicht Wurzel schlugen. Die Gesäße mit den Pflanzen von Hnanuco verließen Lima im September und waren bei dcr Ankunft in England ebenfalls im besten Zustande, bei der Ankunft in Indien aber sämmtlich abgestorben. Die Sammlung der Nothrinde, unter der Obhut des Herrn Croh, ging am 2. Januar 1861 von Guayaquil ab und erreichte England im trefflichsten Zustande. Sechs Pflanzen wurden aus Vorsicht in Kew zurückgelassen und durch sechs Pflanzen der C cali»^ ersetzt. In dieser Jahreszeit ist das Klima des rothen Meeres ziemlich kühl, und diesem Umstände sowohl als auch der verständigen Pflege eines tüchtigen praktischen Gärtners war es zu danken, daß dem Ober- 312 Glückliche Ankunft nnd Fortkommen aufseher der Gärten des Nilgerri« Gebirges 463 Pflanzen der c. succii-üdl» und 6 Pflanzen der d. OkÜLa^k übergeben werden konnten, die sämmtlich so kräftig nnd gesund waren, wie es nach einer solchen Reise übcrhanftt erwartet werden konnte. Der Samen der „grauen Rinde" sowohl, der früh im Iannar 1561 auf das Nilgcrri-Gcbirge gelangte, als anch der Samen der „rothen Ninde", der im folgenden März ankam, ging reichlich auf. Im Februar 1862 erreichte auch der Samen der (^. «uonclamine» den Ort seiner Bestimmung im südlichen Indien, Um für alle Fälle gedeckt zu sein, wurde ein Theil des Samens jeder Species in England zurückgelassen und ans diese Weise in den Gärten von Kew ein Depot junger Chinchona-Pflanzen begründet, auf das man bei möglichen Unglücksfällen in den Anpflanzungen in Indien zurückgehen konnte. Auch Ceylon erhielt Samen von jeder der ucrschic-denen Species, welchem Hooker einige Pflanzen der 6. Caliz^Ä von seinem Vorrathe in Kcw beifügte. So war, einige Täuschnngen abgerechnet, der Zweck des von dem Staatssccrctär für Indien. Lord Stanley, eingeleiteten Unternehmens als vollkommen erreicht zu betrachten. Schon im Frühling des Jahres 186l war das Nilgerri-Gcbirge mit einem großen Vorrath von Pflanzen und jungen Sämlingen verschen, und gegenwärtig grünen im südlichen Indien und auf Ceylon taufende uon schnell sich vermehrenden Chinchona-Pflanzcn aller wcrthuol-leren Species. Wenn die Ausführung von Pflanzen und Samen dieser wcrthoollen Chinchona-Artcn aus Südamerika dem Volke und dem Handel von Peru oder Ecuador in irgend einer Weise Nachtheil bringen sollte, so würde dies bei der Theilnahme, die ich seit Jahren für diese Länder gefühlt habe, sehr betrübend für mich sein; aber ich habe keine Vesorgniß, daß der Anban dieser Pflanzen in anderen Theilen der Welt eine derartige Folge haben werde. Die Nachfrage nach Chinarinde wird anf dem südamcrikanischcn Markte stets eine bedeutende bleiben und die Chinchona-Cultnr in Indien und Java wird nur eine Verringerung des Preises bewir« ken und das unschätzbare Fiebermittel, ohne dcn Handel von Peru und Ecuador zu beeinträchtigen, in den Bereich einer ungeheuren der Chinchona-Pflanzen in Indien. 313 Menschenmaffe bringen, die scitber von deffm Gebrauch ausgeschlossen gewesen ist. Ick glaube, die Südamcrikaner werden hierdurch nicht nur keinen Nachtheil erleiden, sondern im Gegentheil, wie die übrige Menschheit, mit der Zeit Aortbeil gewinnen. Seither haben sie mit sorgloser Kurzsichtigkeit die Chinchona-Bäume zerstört und dadurch ihrer Sache mehr geschadet, als es irgend eine Handclsconcurrcnz hätte thun können; aber es ist möglich, daß der Einfluß dauernden Friedens und fortschreitender Bildung in Zukunft ein anderes System herbeiführt, daß aufgeklärtere Ansichten Platz greifen und die Südamcrikancr selber die Cultur einer Pflanze übernehmen, die in ihren Wäldern heimisch ist, die sie aber bis jetzt thörigcr Weise vernachlässigt liaben. Es wird dann eine Genugthuung sein, ihnen mit der von den indischen Pflanzern gesammelten Erfahrung an die Hand geben und sic in dcr Anlage von Pflanzungen an den Abhängen der östlichen Anden unter» stützen zu können. Unter allen Umständen haben die Südamcri-kaner, die Indien das Hauptnahrungsmittcl von Millionen ihrer Landslcutc, dcr alten Welt ihre wcrthvollstcn Erzengnissc — Weizen, Gerste, Acpfel, Pfirsiche, Zuckerrohr, die Nebe, Ncis, Oliven, Schafe, Rinder und Pferde verdanken, kaum ein Recht, Indien ein Erzeugnis; vorzuenthalten, das für die Wohlfahrt dieses Landes so unumgänglich nöthig ist. Auch glaube ich nicht, daß die besser unterrichteten Peruaner von einer derartigen Absicht ausgehen; es haben sich im Gegentheil viele derselben bereit gezeigt, einen freundschaftlichen Austausch der Producte dcr alten und neuen Welt zu fördern, und wenn am I. Mai 18«! in Ecuador, wo Herr Spruce gesammelt hatte, nachträglich eine Verordnung erlassen wnrdc, die Jedem, sei es In- odcr Ausländer, verbot, Pflanzen, Ableger oder Samen des Quina-Baumes zu sammeln, bei Strafe von 100 Dollars für jcdc Pflanze und jede Drachme Samen, so konnte man diese Maßregel, ebenso wie die zahlreichen Hindernisse, die mir »elber im südlichen Peru in den Wcg gelegt wurden, nur dcr engherzigen Selbstsucht halbgebildeter Beamten odcr dem Patriotismus unwissender Hinterwäldler zuschreiben. Der gebildete Theil 314 Jetziger Bestand und Ausdehnung des Volkes oder die indianische Bevölkerung ist solcher Engherzigkeit fremd. Die Einführung der Chinchona-Cultur in Indien ist ein Er-eigniß. dessen segensreiche Wirkungen man nicht boch genug veranschlagen kann. In Beziehung auf den Handel wird sie die indischen Ausfuhrartikel um einen wichtigen Gegenstand vermehren und der europäischen Gesellschaft einen billigen und ausdauernden Zufluß eines Artikels zuführen, der in tropischen Gegenden für sie ein Üebensbedürfniß geworden ist, während den Eingeborenen vom Fieber heimgesuchter öäuder die heilende Rinde in Zukunft überall vor der Tliüre wachsen wird. Seitdem nnter den Truppen in Indien die Nnwendung von Chinin mehr in Gebrauch gekommen ist, hat sich eine stetige Verminderung der Sterblichkeit herausgestellt, denn während im Jahre 1830 van den Fieberkranken durchschnittlich 3,66 Proccnt starben, betrug die Sterblichkeit im Jahre 1856 unter einem von Pcschawcr bis Pcgn zerstreut liegenden Heere von l 8,000 Mann nur I Procent. Die Chinchona-Cultur in Indien wird nicht nur denjenigen, die sich bereits der Wohlthat des Chinins erfreuen, einen ausdauernden und billigen Zufluß sichern, fondcrn auch diese Wobltliat Millionen anderer Menschen zugänglich machen, die sie seitkcr nicht erlangen konnten. Es werden somit durch die Heilkraft des Chinins jährlich unzählige Menschen gerettet werden. Zu welcher Ausdehnung aber und zu welchem die Bürgschaft für die Zukunft in sich tragenden Gedeihen die Chinchona-Pflan-zungeu auf dem Gebirge des südlichen Indiens, auf Ceylon und dem östlichen Himalava-Gebirge nach zwei mühcuolleu Jahren bereits gelangt sind, ergicbt sich zur Genüge aus nachstehender Uebersicht, welcher die neuesten Berichte vom Herbst des Jahres 1862 zu Grunde liegen. Die Zahl der auf dem Nilgcrri - Geb irgc cultivirten Chmchona-PftanM belief sich am 31. August 1862 auf 72,568, worunter die 0. sueoirubi-Ä mit 30,150, die C 69.118^9, mit der Chiuchona-Cultur in Indien. 315 der Chiuchona-Cultur in Indien. 315 1050, die (^. OonäÄininüÄ (var. IIMu8MA3) mit 41, die <^. Oan-claminLlr (var. OkakuHlFuer^) mit 20,030, die 6. Oonäaminea (var. cri8pa) mit 236, dle 0. Ikneilolig, mit 1, die (!. niliäa mit 8500, die (!. mier-nUka mit 7400, die <^!. Peruvians mit 2295, die (^. paliuälHna mit 425 und verschiedene namenlose Species mit 2140 Exemplaren vertreten waren. Die Gesammtzahl der in den Pflanzungen bereits dauernd umgesetzten Pflanzen lictrug zu derselben Zeit 13,700, die, obgleich erst kürzlich eingesetzt, sämmtlich in gedeihlichem Zustande sich befanden; die Pflanzschulen in freier Luft und die Abhä'rtungsbchälter enthielten 18,076 Pflanzen, ebenfalls in frischestem Zustande, während 40,792 junge Pflanzen noch unter Glas gezogen wurden. Es giebt zu Neddi wuttum und Pycarrah vier Chinchona-Pstanzun-gen, die zum Tbcil schon gelichtet, ausgestockt und bepflanzt sind; dazu kommt noch die höher gelegene Pflanzung von Dodabctta. Die „Denifon-Pflanzung" zu Ncddiwuttum wird ungefähr 210 Acker bepflanzten Landes und die „Markham-Pflcmzung" ungefähr 200 Acker enthalten; bei Pycarrah werden ungefähr 250 Acker sehr schönen gutbcwässertcn, vollständig gegen Westwinde geschützten Landes bepflanzt werden, die dem Staatssccretär für Indien zu Ehren den Namen „Wood-Pflanzung" erhalten. Dies sind, außer der Dodabetta-Pflanzung, 660 Acker. Auch werden Pflanzen an Privatpersonen abgegeben, welche die Chinchona-Cultur zu unternehmen wünschen, und waren zu Anfang des Septembers be» rcits 22,000 Pflanzen begehrt worden. Die in den Vergdistricten des östlichen Himalaya-Gebir-gcs, in Bengalen, versuchte Ehinchona-Pflanzung war im Mai 1862 unter der Obhut des Dr. Anderson auf den Dardschilling-Bergcn begonnen worden. Sie zählte im Anfang 84 Pflanzen der 6. »ueeii-lidi-ci, 44 der 0. miei-anlk»,, 48 der 6. niliäa,, 2 der 6. Peruvian, 5 der C 0al!8^g, und 53 der 6. pakuüiana, die sich durch Ableger bis zum Juli auf 140 Pflanzen der 6. Lucoirubra. 53 der c. müd-z, 43 der c. micrlinli^, 7 der 0. <^Ü8Ä^ und 23 der 0. poruvl^na vermehrt batten. 1050, bic C. Condaminea (var. Uritusinga) mit 41, bie C. Condaminea (var. Chahuarguera) mit 20,030, bie C. Condaminea (var. crispa) mit 236, bic C. lancifolia mit 1, bie C. nilida mit 8500, bic C. micranlha mit 7400, bic C. Pcruviana mit 2295, 316 Die Chinchona-Cultur cms sseylon. Die Chinchona-Pflanzung auf Ceylon, in dem Gouvernementsgarten von Hahgalle, 6210 Fuß über dcm Meere, und unter der Leitung des Herrn Thwaitcs, Directors des königl. bota« nischen Gartens zu Peradcnia, wurde im Frühjahr 1861 begonnen und zählte, mehrere andere gedeihende Species abgerechnet, nn Juli 1862 bereits 960 aus Samen gezogene Pflanzen der 6. OnnliluninLg.. Niei'sche Buchdruck««! (llarl V. Lorck) in Leipzig. Dmch alle Buchhandlungen ist zu beziehen: Carl B. Oorck's Hmsbibliothck. HM l—72. Jeder Band von dem Umfange von 2—3 gewöhnlichen Octavliändcn enthält ein vollständiges Werk. Vlli« für dtu Band 1 Chlr.; für dcu Doppclband l^/, Tl>ll.; für dtn Halbband '/, Ti,lr. Die mit " bezeichneten Wcrkc sind Doppelbände, die mit 1' bezeichneten Halbbändc. Die eingeklammerte Zahl bezeichnet die Nummcift'lgc in der Bibliothek. Geglückte. (23 Bände.) ^. LantirrgrLchichte. Geschichte der alten und mittleren Zrit (bis 1500). Iu biographischer Forin bearbeitet von vr. Adolf Geister. (30.) Geschichte der neueren Zeit (bis 1815). In biographischer Form bearbeitet von Dr. Adolf Gcisler. (31.) Geschichte der neuesten Seit (von 1815—1854). Von Dr. A. Gcisler. (32.) Geschichte von Oclgicn. Von Hendrik Conscience. Mit Stahlstich: Egmont's Tod nach de Hoy. (2.) Geschichte Dänemarks bis auf die neueste Zeit. Von F. A. Allen. Mit dem Portrait Christian's IV. nach K. v. Mandcru. (11.) Geschichte Norwegens. Von Andreas Faye. Mit dem Portrait Peter Tordcnstj old's nach Donner. (18.) Seschichie Frankreichs. Mch E. dc Vonnechose. Mit dem Portrait Nichc-licu's nach Phil. Champagne. (23.) Geschichte Spaniens. Naä, Ascargorta. Mit dem Portrait Philipp's ll. nach van der Wcrff. (20.) ^N^!5 ^^ russischen Reiche? von I. H. Schnikler. Deutsch von l)r ^d. Vurckhardt. (42.) ^ / ^ ^^s'^^s «/^ osmanischcn NcicheZ von Poujoulat. Mit dein Portrait Abdnl Medschid's nach Dussanlt. (27.) Geschichl^ der nordamcriltanischcn Freistaaten. Nach E< Milliards. Mit oem Portrait Washington's nac>, Longhi. (10.) "Geschichte von Ändien von Th. Kcic,htle,i. Uebcrseht nnd bis ans die "nieste Zeit fortgeführt von I. Seybt. 2. Ansg. (58.) L. GeZchichtr imielnrr Nbzchnitte. Der Hansabund Von v,-. Gustav GaNois. Mit dem Portrait Jürgen Wnllenwcber's von Milde. (19.) Geschichte der engl Revolution bis zum Tode Karl's I. Von F. Guüot. Mlt dem Portrcnt Karl's I. (l4). » , . Carl B. Lorct's Hansbibliothek. Geschichte Nich. Cromwell's und der Wiederherstellung des Königthums in England. Von Fr. Guizot. Mit dem Portrait von Monk. (53.) Geschichte der englischen Ncpulilik bis pun Tode Cromwell's. Von F. Gui;ot. Mit'dem Portrait krom>vcll's. (34.) Geschichte der französischen Revolution. 1789—1813. Von F. A. Mignet. Mit dem Portrait Mirabcau's nach Nässet. (9.) Geschichte der Fcliruar^Neoolution. Nach A. de Lamartine. Mit dcm Portrait Lamartine's. (l2.) Geschichte Italiens. Von 17«9—1»50, Ans dem (5ua,lischen des N >s> Wrightson, 2. Aufgabe. Mit dcm Portrait Pius' i'x, (52.) ' ' "' Aus dem Feldlager in der Krim. Briefe des Timcscorrcspondcntcu W Russell. Deutsch bearbeitet von Iul. Seylit. (51.) Geschichte der Kalifen. Vom Tode Mohamcd's bis zum Einfall in Spanien. Von Washington Irving. (33.) 1-GaribaIdi's Fcldnlg in lieidcr Sicilien. Bericht eines Angnizengcn. Von Cap. Forbes. Deutsch von I. Seybt. (70.) Das Türkische Reich in lnslorisch-ftaliüischcn Schilderungen von Molbecl», llhesney und Michelscn. (35.) MlMnM. (22 Bände.) -°Attila und seine Nachfolger. Von Amedoc Thierry. Dcntsch von vl. <>d. Burckhardt. ^. Ausgabe. (43.) Geschichte Karl'a des Grosien. Von Johann Friedr. Schröder. Mit dein Portrait Karl's des (kroßen nach Albrecht Dürer. (17.) Geschichte Kaiser Maximilian's I. Von Karl Haltaus. Mit dcm Portrait Maximilian's nach Albrecht Dürer. (13.)' Johann Husi und das Concil zu Coslnik. Von t5. de Vonnechosc. Mit dem Portrait Johann Huß'. (t-,.) Geschichte des Kaiser« Karl V. Von Ludwig Ttorch. Mit dem Portrait Karl's nach Tizian. (29.) Geschichte Friedrich's des Großen. Von Fran; Kuglcr. Mit dcm Portrait Friedrich's nach Schadow. (l.) Geschichte Kaiser Joseph's II. Von A. Groß-Hoffinger. Mit dcm Portrait Joseph's. (4.) Erzherzog Karl von Oesterreich. Von A. Groß-Hofsiugcr. Mit dem Portt-ait des Erzherzogs Karl. (5.) Geschichte Karl's dec. Zwölften. Nach Andr. Fryrell. Mit dcm Portrait Karl's. (K3.) Geschichte Gustav Adolph'H. Nach Andr. Fryrell. Mit dcm Portrait Gustav Adolph's nach Anton van Di,t. 2. Anfi. (22.) Geschichte des Hcrzocls von Marlborough und des spanischen Erbsolge-Krieges. Von Alison. Mit Portrait' (24.) Carl B. Lorcks Hausbibliothek. Geschichte der Königin Maria stuart. Von F. N. Mignet. Mit dem Portrait Maria's nach Ziuchari. (21.) Nelson und die Seekriege von 1793—1813. Von I. de la Graviere. Mit dem Portrait Nelson's nach Abbot. (6.) Geschichte des Kaisers Napoleon. Nach P. M. Laurent. Mit dem Portrait Napoleon's nach Dclaroche. (3.) Geschichte Peter's des Grausamen von Castilicn. Von Prosper M«rim«e. Mit dem Portrait Peter's nach A. Carnicero. (25.) Geschichte Fran? Sfor?a's und der italienischen Condottieri. Von Dr. Fr. Steger. Mit dem Portrait Sforza's. (26.) 1-Lebcn Lorenzo de' Medici, genannt der Prächtige. Deutsch von Frdr. Spielhagcu. Mit dem Portrait Lorenzo's. (69.) Geschichte Peter's des Vrosicn. Von Eduard Pel; (Tremmmd Welp). Mit dem Portrait Peter's «ach Lc Noy. (7.) Geschichte des Kaisers Nikolaus I. Vom Grafen de Beaumont-Vassy. Mit dem Portrait Nikolaus', gestochen von Neger. (28.) Wer falsche Demetrius. Von Prosper M«nmee. Eine Episode aus der Geschichte Nnßlands. (15.) Das Leben Mohamed's. Vou Washington Irving. Mit dem Titelbild Mohamcd's. (l6.) Die Seqründcr der französischen Staatseinheit. Vom Grafen L.de Earns. Dentscb von I. Scybt. (66.) Iiintler-, Völker° unä Murkumte. (23 Bände.) "Drei Nciscn um die Welt. Von James (5oot. Neu bearbeitet von Fr. Eteger. (65.) Eine Weltumsegelung mit der schwedischen Kriegsfregattc „Eugenie". Von N. I. 'AuderssonI Deutsch von Kanncssicßcr. (36.) Die Krim und Odessa. Reise-Erinnerungen von Prof. Dr. Karl Koch. (38.) Süd-^iusiland und die Donaulandcr. Von L. Olivhan«, Shirley Vrooks, Patrit' O'Vrien nnd W. Smyth. (39., Ncise-Erinncrunqen aus Sibirien von Prof. Christoph Nansteen. Deutsch von 0,'. H. scbald. (37.) " Die Kaukasischen Länder und Armenien. Vou Curzon, Koch, Macintosh, Hpcncer nnd Wilbraham. (44.) Wanderungen durch die Mongolei nach Thibet von Huc und Gäbet. Dentsch'bcarbeitet von Karl Andree. (46.) Wanderungen durch das chinesische Ncich von Huc uud Gäbet. In deutscher Bearbeitung von K. Andree. (47.) Mungo Park's Reisen in Afrika von der Westküste znm Niger. Nw bearbeitet von Dr. Fr. Steger. (57.) Die afrikanische Wüste und das Land der Schwarzen am obern Nil. Vom Grafen dMcayrac de sauture,<45.) <5arl V. Lorck's Hausbibliothek. Südafrika und Madagascar, geschildert durch die ueneu Entdeckungsreisen« den. namentlich Vivingstonc und (Ms. (64.) West^Asrika. Seine Meschichtc, seine Zustände und seine Aussichten. Von ^>. ^elssthon Wilson. (71.) 'Vie Osisee und ihre Küsten. Meograpl'isch, naturwissenschaftlich u. historisch, geschildert von A. v. l>i,cl. «i^.) Neisen Ucbers. v.I.Seybt. (59.) Wanderungen durch Terao nnd i>n iner,iranischen Greinlande «Hi^ !>.-,„ Maischen des F. ii. Olmsted. l^0.) " '""' ^U" 0cm Gucnos^Azlrcs und die Argentinischen Staaten. Nach den neinst.n Quellen. Hcrans^cgcbe» v.m Karl Ändree. (55.) "cn^t^u Cenlral^lncrilia (Honduras, Sau Salvator und die Moöfito?iist>') 9,'acl, Sqnicr. Deutsch heians^cgeben von Karl Andrce, (54.) ' ' Wlludcrunqcn durch Australien von Oberstlieutenant Charles Mund,, Deutsch'l'l'arl'eitet von Friedrich Gerstäckcr, (5<>.) *Der Geist in der Natur. Von H. <5. Oersted. Deutsch von P>„s n Kanneaießcr. Mit Portrait. 4. Auflage. (40.) ^ '' "^ Naturschildcr^n.qcn von I. F. Echouw. Deutsch von H. ^^js. «,,,, Biographie und Portrait des Versassers. '->. Nnflagc. (4l.)' ' Chemischc Üilder aus den, Alltagsleben. Nach dem Englischen des James Iolmston. (4>^.) Die w!ltcruna.5lchrc ^»r Belehrnng nnd Unterhaltung fi'ir alle Ttände Von Dr. G? 'A. Iahn. (49.) Satc^ismu5 dcr Naturlelire. Von Dr. 6. <5. Vrcwer. Nach der « Aufl deö englischen Originals r>on I)r. O. Marbach. s50.) ' HlHiker unil Dolkliliterniur. ^Sapliokles. Deutsch m'u O. Marbach. Nebst eiusührender Abhandlung: Die griechische Tragödie und Sophokles, mit erläuternden Einleitungen und Anmerkungen. (67.) Was Nibelungenlied. Nenlwchdeutsche Neberschmig von O. Marbach. Nebst eiufichreuder Abhandlung: Das Nibclnngeulied uud die altgcr-mauische Volkvsagc, uiit Anmerkungen nnd aussnhrlichcr Inhaltsangabe. (<>8.) Westslawischer Märchcnschcch. Ein Charakterbild der Böhmen. Mähren nnd Slowaken, in ihren Märchen. Sagen, l^escbichteii, Volt^gesängen »ud Sprichwörtern. Dcutscl, bearb. v. Wcnzig. Mit Musitt'eilag. <'il.) Esaias VeZn6r's Dichlerwcrke. Dentlch von Edmund ?obcdan;. Mit Biographie nnd Portrait des Dichters. (72.1 AitS'sch.' G»>!'snillcic! <»ar!B. V^rck»,