Elisabeth SCHÖGGL-ERNST* * Leiterin des Referats Justiz- und Finanzarchive im Steiermärkischen Landesarchiv, Karmeliterplatz 3, A-8010 Graz, Österreich. Archiv und Recht: Österreichische Archivgesetzgebung und der Zugang zum Archivgut SCHÖGGL-ERNST, Elisabeth, Archives and Legislation: The Austrian Archival Legislation and Access to Archival Material. Atlanti, Vol. 20, Trieste 2010, pp. 93-105. Original in German, abstract in English, Italian and Slovenian, summary in English The author deals with the archival legislation in Austria and its differences between national and the four existing federal acts. The federal constitution of Austria stops a uniform solution. The archivists have to take the freedom of information act and the data protection act into consideration when they have to decide upon the use of documents. This paper shows the various regulations concerning access to archival material in archival legislation as well as in other acts. It is not possible to have a uniform nationwide access to documents in Austria. This is why Austrian archivists have to deal with several legal requirements and also the users are faced with various solutions. 1. Hermann Rumschöttl, Der Archivar und die Technik, "Atlanti", 8(1998), pp. 11. 2. Waltraud Karoline Koller - Fritz Koller, Die Stellung der Archive in der Verwaltung, "Scrinium", 56(2002), pp. 76. 3. Peter Bussjäger, Archiv und Verfassung, "Scrinium", 60(2006), pp. 93f. Archivgesetze - wozu? Hermann Rumschöttel, der ehemalige Generaldirektor des Hauptstaatsarchivs in Bayern, beschrieb eine der vier Enttäuschungen des Archivarsberuf wie folgt: [] Eine zweite Enttäuschung könnte man erleben, wenn man im Archiv der allgemeinen Verrechtlichung in Staat und Gesellschaft zu entkommen sucht, also sich einen von juristischen Begrenzungen und Vorgaben wenig gestörten Arbeitsplatz vorstellt. [^]1 Der Archivar sieht sich in der Tat einer zunehmender Verrechtlichung seines Arbeitsbereiches gegenübergestellt und muss sich in seinen Aufgabenbereichen über Bestimmungen des Datenschutzgesetzes, des Personenstandsgesetzes, des Urheberrechtsgesetzes, des Denkmalschutzgesetzes und weiterer Gesetze und Verordnungen informieren. Archivierung wird rechtlich als ein Akt der inneren Organisation der Verwaltung gesehen. Dafür ist keine gesetzliche Grundlage notwendig. Sobald aber das Archiv Dritten gegenüber hoheitlich auftritt, wie etwa durch eine Beschränkung des Zuganges zu Archivalien, muss eine gesetzliche Regelung laut Art. 18 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes vorliegen, auf deren Grundlagen eine Einsichtnahme gewährt oder verweigert werden kann. Dies gilt auch für interne Vorschriften, die einen außenwirksamen Charakter haben, wie etwa Benützerordnungen. Aufgrund des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage, also vor der Existenz des Bundesarchivgesetzes 1999, wurden daher Bestimmungen der Benützungsordnung des Österreichischen Staatsarchivs angefochten2. Auch wenn ein öffentliches Archiv Unterlagen verwahrt, die nicht aus der Hoheitsverwaltung, sondern aus dem privaten Bereich stammen, wie etwa Nachlässe und diverse Sammlungen, hat seine Benützerordnung eine Außenwirkung und bedarf daher einer gesetzlichen Regelung3. Eine solche Regelung per Erlass ist nur zulässig, sofern das Auskunftsrecht und das Recht auf Akteneinsicht davon nicht beeinträchtigt werden. Archivgesetze sollen grundsätzlich die Interessen der Archivträger, der Forscher und Benützer von Archivgut sowie jene vom Inhalt des Archivgutes betroffener Dritter regeln. Zugang zum Archivgut - rechtliche Grundlagen Archive stehen im Spannungsfeld zwischen Auskunftspflicht und Verschwiegenheitspflicht, der Wahrung des Amtsgeheimnisses und der Wahrung des Datenschutzes. Auskunft ist grundsätzlich nicht mit Akteneinsicht gleichzusetzen, sondern bedeutet nur die Weitergabe von Informationen über den Akteninhalt, wobei keine Details bekannt gegeben werden müssen. Die Verschwiegenheitspflicht wird im Art. 20 Abs. 3 B-VG festgelegt. Österreich ist das einige Land in der EU, in dem Amtsverschwiegenheit Verfassungsrang eingeräumt wird. Damit sind alle Organe der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung zur Verschwiegenheit über alle jene Tatsachen und Informationen verpflichtet, die ihnen aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind und deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sowie zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien stehen. Besonders der letzte Punkt ist für Archive von Bedeutung und erfordert daher eine Interessensabwägung. Eine solche kann durch einfache gesetzliche Regelungen, eben auch durch Archivgesetze präzisiert werden, wobei natürlich andere Gesetze, wie das Datenschutzgesetz zu beachten sind. Archivgesetze gehen von einer prinzipiellen Geheimhaltungspflicht der öffentlichen Verwaltung aus, die im Amts- und Datengeheimnis begründet ist4. Dieses Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit bedingt das Einholen einer Erlaubnis zur Einsichtnahme in Akten. Die Stadt Wien sowie die Länder Kärnten, Oberösterreich und Salzburg lassen in den jeweiligen Archivgesetzen den Zugang zum Archivgut hoheitsrechtlich regeln, indem einem schriftlichen Antrag auf Einsichtnahme in Archivgut durch Bescheid geantwortet wird. Dieser Bescheid hat den Charakter eines individuellen Hoheitsaktes. Er ermöglicht dem Bürger den Zugang zum Instanzenzug, während im Falle des Fehlens einer solchen Regelung dem Bürger der Instanzenzug verwehrt bleibt. In diesem Fall kann sich eventuell der Archivar recht rasch mit einer privatrechtlichen Klage ad perso-nam konfrontiert sehen5. Das Wiener Archivgesetz regelt jede Schutzfristverkürzung durch Bescheid, während das Oberösterreichische Archivgesetz einen Bescheid nur über eine Einschränkung oder Untersagung der Benutzung erstellt. Ähnlich dem Oberösterreichischen Archivgesetz erfolgt auch im Kärntner Archivgesetz die Ausstellung eines Bescheides nur bei abschlägigen Einsichtsanträgen6. Das Bundesarchivgesetz sieht für die Gewährung oder die Verweigerung von Einsichtnahme in sein Archivgut keinen Bescheid vor. Eine Durchsetzung einer Einsichtnahme kann daher - wenn überhaupt - nur auf zivilrechtlichem Weg erfolgen. Das Bundesar-chivgesetz nennt auch keine Bestimmungen, in welcher Form Anträge von Benützern auf Gewährung einer verkürzten Schutzfrist erledigt werden sollen. Die Erledigung erfolgt in der Regel als einfaches Schreiben der jeweiligen Abteilung des Staatsarchivs und ist somit kein hoheitlicher Akt. SCHÖGGL-ERNST, Elisabeth, Afchivi e legislazione: la legislazione afchivistica austriaca ed accesso al materiale archivi-stico. Atlanti, Vol. 20, Trieste 2010, pp. 93-105. L'autore tratta della legislazione archivistica in Austria e delle differenze fra quella nazio-nale e le quattro leggi federali esistenti. La costituzione federale austriaca blocca una so-luzione uniforme. L 'archivista deve prendere in considerazione la liberta della legge di in-formazione e dei della protezione dei dati quando deve decidere dell'utilizzo dei docu-menti. L'articolo mostra i vari regolamenti concernenti l'accesso al materiale archivistico nella legislazione archivistica e nelle altre leg-gi. Non epossibile avere un'uniforme accessi-bilita nazionale ai documenti in Austria. Questa e la ragione per la quale gli archivisti austriaci debbono fare i conti con svariate esi-genze legislative ed anche la ragione per la quale l'utenza si trova di fronte a svariate so-luzioni. SCHÖGGL-ERNST, Elisabeth, Arhivi in zakonodaja: avstrijska arhivska zakonodaja in dostop do arhivskih dokumentov. Atlanti, Zv. 20, Trst 2010, str. 93105. Avtorica obravnava arhivsko zakonodajo v Avstriji in razliko med nacionalnim in še štirimi zveznimi zakoni. Avstrijska zvezna vlada večinoma ustavlja uniformirane rešitve. Zato si morajo arhivisti vzeti svobodo pri zakonu o informacijah, kjer je govora o zaščiti podatkov, če se nočejo prekršiti pri uporabi podatkov. V prispevku so prikazani različni 4. Art. 20 Abs. 4 B-VG. 5. Koller/Koller, wieAnm. 2, 78. 6. Heinrich Berg et al., Historikerarchivar: Dokumentenmanager. Positionen in einem Spannungsfeld, "Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 60", 2004, pp. 51-88. predpisi, ki urejajo dostop do arhivskih dokumentov, ki jih opredeljuje tako arhivska zakonodaja, kakor ostala dela s tega področja. Zdi se, da ni možno imeti nekega enotnega nacionalno določenega mnenja, kako priti do dokumentov. Tako se morajo avstrijski arhi-visti srečevati z različnimi zakonskimi zahtevami in tudi uporabniki so v ognju različnih rešitev. SUMMARY Archivists have to decide between the poles of the duty of secrecy, the obligation to give information and the data protection act. Comparing with other European countries archival legislation started late. Because of the federal constitution of Austria we have different regulations concerning access to archives. We have one Federal Act for the Austrian State Archives (Bundesarchivgesetz) and 4 national acts (Landesarchivgesetze), 5 are still missing. The Bundesarchivgesetz determines a blocking period of 30years for the documents. Documents which are personal-related ore which would affect public safety cannot be used before 50 years. There are some exceptions which reduce the blocking period to 30 years. The legislation in Carinthia determines a blocking period of 40 years. There are also different solutions concerning the use of personal-related data as well as dealing with communal archives. This paper shows also problems with legislation concerning access to documents of justice and gives an over few to regulations of churches and some other laws which regulate access to documents. 7. Schweizer Bundesgesetz über die Archivierung vom 26. Juni 1998, novelliert am 13. Juni 2006, SR 152.1, hier besonders Artikel 12. 8. Bundesarchivgesetz, BGBl. I S. 62 vom 6. Januar 1988 in seiner novellierten Form vom 5. September 2005, BGBl. I S. 2722. 9. Denkmalschutzgesetz BGBl. I Nr. 170/1999. 10. Kärntner Landesarchivgesetz, LGBl. Nr. 40/1997. Vergleicht man diese Bestimmungen mit dem Schweizer Bundesarchivgesetz, so wird die Kompetenz über die Bewilligung zur Einsichtnahme in Archivgut, das im schutzwürdigen Interesse steht, dem Bundesrat bzw. den aktenbildenden Behörden zugestanden. In Einzelfällen kann auch das Bundesarchiv Entscheidungen treffen dürfen7. Auch das deutsche Bundesarchivgesetz billigt dem Bundesarchiv keine hoheitsrechtliche Entscheidung in Fragen der Benützungsbewilligung oder -untersagung zu8. Archivgesetzgebung Denkmalschutzgesetz Das lange Fehlen eigener Archivgesetze in Österreich heißt nicht, dass Österreichs Archive im rechtfreien Raum agiert haben. Der Archivalienschutz war im 19. Jahrhundert Angelegenheit des Denkmalschutzes. Die gesetzliche Grundlage für den Archivalienschutz bildete das 1923 erlassene Denkmalschutzgesetz in seiner aktuellen Fassung von 1999 (BGBl 170/1999). Archivgut wird wie Denkmäler als Kulturgut betrachtet und kann bei Gefahr von Zerstörung, Zerstreuung, z.B. durch Verkauf ins Ausland, unter Schutz gestellt werden. Diese Unterschutzstellung wird vom Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs durchgeführt (siehe § 24), der sich aus seinem Personal Referenten für den Archivalienschutz wählt. Dies geschieht mittels Verordnung, wenn festgestellt wird, dass diese gefährdeten Archivalien vonö ffentlichem Interesse sind (§ 25a). Mit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, historisch wichtige Dokumente, die bei Unternehmen anfallen, unter Schutz zu stellen9. Österreichische Archivgesetzgebung - eine Zwischenbilanz Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausbildung der Archivgesetzgebung in Österreich bildet die österreichische Verfassung. Österreich ist ein föderalistischer Bundesstaat mit den Ebenen Bund - Länder - Gemeinden. Daher müssen auch für das Archivwesen abgestuft nach diesen Bereichen eigene gesetzliche Grundlagen geschaffen werden. Österreich hat sich im Vergleich zu anderen Ländern erst spät zur Archivgesetzgebung entschlossen. Erste Ansätze zu einem österreichischen Bundesarchivgesetz gab es zwar bereits 1966 mit einem Archivschutzgesetz, das als Regierungsvorlage im Nationalrat eingebracht wurde; doch kam es damals zu keiner Beschlussfassung. Wie so oft in Österreich waren es auch diesmal spezielle Anlässe, die zur Archivgesetzgebung führten. Die Beschäftigung der Historikerkommission mit der NS-Vergangenheit, vor allem auch Rückstellungsfragen, und Verwaltungsreformen führten zur Ausarbeitung von Archivgesetzen. Das erste Archivgesetz erließ das Bundesland Kärnten 199710. Anlass für dieses Gesetz bildete die Ausgliederung des Landesarchivs aus der Landesverwaltung und seine Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Das Kärntner Landesarchiv war nun eine nachgeordnete Dienststelle mehr und konnte dadurch wirtschaftlich flexibler handeln. Die Diskussionen um Vermögensentzug während der NS-Zeit und Fragen der Rückstellung und Entschädigung sowie die Einrichtung der Historikerkommission Ende September 1998 bildeten den Hintergrund für die Schaffung eines Bundesarchivgesetzes. Um die notwendigen Bestände für die Arbeit der Historikerkommission zugänglich zu machen, mussten entsprechende gesetzliche Regelungen getroffen werden. Dies führte zum Bundesarchivgesetz 199911. Die Stadt Wien folgte im Jahr 200012. 2003 wurde das Oberösterreichische Archivgesetz erlassen13 und 2008 das Salzburger Archivgesetz14. Ebenfalls aus dem Jahr 2008 stammt das Statut des Vorarlberger Landesarchivs, das zwar die Bestimmungen der Archivgesetze enthält, allerdings unter dem Rang von Gesetzen angesiedelt ist15. Damit haben der Bund und vier Länder Archivgesetze erlassen, fünf Länder haben untergesetzliche Regelungen geschaffen und treffen mit dem Benützer privatwirtschaftliche Vereinbarungen hinsichtlich der Benützung ihres Archivgutes. Gemeinden Die Archivgesetze der drei österreichischen Bundesländer Oberösterreich, Salzburg und Kärnten beziehen auch die Gemeinden als autonome Körperschaften ein, ihr Ansatz ist allerdings unterschiedlich. Das Salzburger Archivgesetz umfasst auch Bestimmungen zur Archivierung des Archivgutes der Gemeinden, die ein Gemeindearchiv eingerichtet haben. Der Gesetzestext lässt aber offen, ob das Landesarchiv die archivwürdigen Unterlagen übernimmt, wenn Gemeinden kein Archiv unterhalten. In § 7 Abs 2 Ziffer 10 wird dem Landesarchiv eine gewisse Oberhoheit über Gemeindearchive eingeräumt, wenn es ermächtigt wird, Gutachten über die ordnungsgemäße Archivierung durch die Gemeinden zu erstellen. Diese Aufgabe fällt dem Landesarchiv als Teil der Landesregierung zu, die als Aufsichtsbehörde über die Gemeinden agiert. Auch das Oberösterreichische Landesarchivgesetz bezieht in Abschnitt 4 die Kommunalarchive mit ein, trifft aber ebenfalls keine Aussagen über die Archivierung des Archivgutes dieser autonomen Körperschaften, wenn kein eigenes Gemeindearchiv eingerichtet wird. Das Kärntner Archivgesetz hingegen sieht in § 5 die Archivierung des Archivgutes der Gemeinden als Aufgabe des Landesarchivs vor. Gemeinden haben die archivwürdigen Unterlagen dem Landesarchiv anzubieten, sofern sie kein eigenes Archiv führen (§ 7). Benützung und Sperrfristen In § 8 des österreichischen Bundesarchivgesetzes wird die Sperrfrist grundsätzlich mit 30 Jahren festgesetzt. Archivgut darf demnach erst nach Ablauf von 30 Jahren ab der letzten inhaltlichen Bearbeitung zur Einsicht frei gegeben werden. Handelt es sich allerdings um Archivgut, das Informationen enthält, welche die öffentliche Sicherheit, die umfassende Landesverteidigung oder auswärtige Beziehungen gefährden würde, kann das Archivgut erst nach Wegfall dieser Gründe, spätestens aber nach Ablauf von 50 Jahren eingesehen werden. Eine verlängerte Sperrfrist von 50 Jahren betrifft auch personenbezogenes Schriftgut, das nach dem Datenschutzgesetz zu öschen wäre, allerdings als archivwürdig eingestuft wurde16. 11. Bundesarchivgesetz BGBl. I Nr. 162/1999. 12. Wiener Archivgesetz, LGBl. 55/2000, novelliert LGBl. 50/2006. 13. Oberösterreichisches Archivgesetz, LGBl. 83/2003. 14. Salzburger Archivgesetz, LGBl. 53/2008. 15. Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 21/2008. 16. Josef Pauser, Streitfall Archiv? Ein kurzer juristischer Überblick über die österreichische Archivgesetzgebung, "Scrinium", 57(2003), pp. 101-112. Für wissenschaftliche Forschungen kann die abgebende Stelle, jedoch nicht das Staatsarchiv selbst, die Frist bis auf 20 Jahre verkürzen, wenn diese Forschungen von Personen mit einschlägigen Fachkenntnissen und Forschungserfahrungen durchgeführt werden. Dabei können Auflagen im Interesse der Geheimhaltung festgelegt werden. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Verkürzung der Sperrfrist. Einschränkungen wurden in Bezug auf personenbezogenes Archivgut gemacht, indem die Schutzfrist nur dann auf 20 Jahre gesenkt werden darf, • wenn die betroffene Person zustimmt, • wenn ein/e anerkannte/r Forscher/in dieses Forschungsvorhaben durchführt sowie • schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen nicht berührt werden und • wenn das öffentliche Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens gegenüber den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen. Besondere Zugangsbeschränkungen bestehen für das Schriftgut der obersten Verwaltungsorgane - des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers, Vizekanzlers, der Bundesminister und Staatssekretäre -, welches in Ausübung ihrer Funktion entsteht. Dieses Schriftgut ist mit Ausscheiden der Organe aus ihrer Funktion unmittelbar dem Staatsarchiv anzubieten. Dort muss es 25 Jahre unter Verschluss bleiben und darf erst nach Ablauf dieser Frist erschlossen werden. Danach beginnt erst die Sperrfrist von 30 Jahren für die Benützung durch Dritte zu laufen. Die Verschlussfrist gilt als problematisch, denn sie schließt auch die Archivare des Staatsarchivs mit ein. Demnach dürfen diese Unterlagen erst nach Ablauf von 25 Jahren gesichtet, geordnet und verzeichnet werden, was angesichts der wachsenden Zahl von elektronischen Daten zu Datenverlusten führen wird. Bemerkenswert ist auch die Passage, dass diese Sperrfrist nur mit ausdrücklichem Einverständnis des einstigen Funktionsträgers oder einer von ihm bestimmten Person, im Falle seines Todes aber von den unmittelbaren Nachkommen und nicht von der Behörde selbst verkürzt werden kann. Diese Schutzfristen gelten nicht für Archivgut, das bereits bei seiner Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt war oder der Öffentlichkeit zugänglich war. Nach Ablauf der Sperrfristen kann das Archivgut jeder Person im Rahmen der Benutzungsordnung des Archivs zugänglich gemacht werden, wenn ein amtliches, wissenschaftliches oder publizistisches Interesse sowie berechtigte persönliche Belange vorliegen. Ausgenommen ist jenes Archivgut, mit dessen Eigentümern das Archiv einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen hat, in dem besondere Zugangsbestimmungen getroffen wurden, die einzuhalten sind. Die Nutzung des Archivgutes kann aber auch beschränkt oder untersagt werden, • wenn die Person, die Einsicht nehmen will, wiederholt oder schwerwiegend gegen die Benutzerordnung verstoßen hat, • das Archivgut dadurch gefährdet wird, weil es etwa in einem so schlechten Erhaltungszustand ist oder gerade Ordnungsarbeiten daran vorgenommen werden, • ein nicht vertretbarer Aufwand dadurch verursacht würde (Massenaushebungen), • Vereinbarungen mit dem Eigentümer dagegen sprechen, • der Benutzungszweck auch aus der bereits vorhandener Literatur oder Reproduktionen erreicht werden kann und • das Archivgut wegen gleichzeitiger anderwärtiger Benutzung nicht verfügbar ist. Grundsätzlich wird unter der Nutzung von Archivgut die persönliche Einsichtnahme verstanden. Schriftliche Auskünfte über Archivgut können nur Bestandsauskünfte sein. Das Bundesarchivgesetz trifft besondere Regelungen hinsichtlich der Veröffentlichung von personenbezogenen Daten, die dann möglich ist, wenn • die betroffene Person zustimmt, • kann eine solche nicht eingeholt werden, gelten die Fristen 10 Jahre nach dem Tod oder - sofern dieses Jahr nicht bekannt ist - 110 Jahre nach der Geburt der Person. Ausgenommen davon sind personenbezogene Daten von Personen des öffentlichen Lebens, sofern sie keine Daten des höchstpersönlichen Lebensbereiches beinhalten. Ihr Schutzbereich ist also eingeschränkt. Die bisher in Kraft getretenen Landesarchivgesetze sehen ähnliche Bestimmungen wie das Bundesarchivgesetz vor. Wien, Oberösterreich und Salzburg haben ebenfalls eine Schutzfrist von 30 Jahren, wie sie der europäischen Norm entspricht. Kärnten sieht jedoch eine Sperrfrist von 40 Jahren vor. Das Kärntner Archivgesetz bestimmt ebenfalls eine Verlängerung der Schutzfrist auf 50 Jahre bei Archivgut mit besonderer Geheimhaltungspflicht, eine Verkürzung der Schutzfrist aus öffentlichem oder wissenschaftlichem Interesse kann maximal um 10 Jahre erfolgen. Die Nutzung von personenbezogenen Archivalien kann analog zum Bund 10 Jahre nach dem Tod, aber bereits 80 Jahre nach der Geburt erfolgen. Das Wiener Archivgesetz nennt bei schutzwürdigen personenbezogenen Daten eine ebenfalls eine verlängerte Schutzfrist, die sich allerdings nicht explizit auf Veröffentlichungen, sondern auf die Benützung bezieht. Diese Schutzfrist endet aber im Gegensatz zum Bundesarchivgesetz mit dem Tod oder analog zum Bund 110 Jahre nach der Geburt, wenn das Todesdatum nicht bekannt ist. Bei Archivgut von öffentlichen Funktionsträgern gilt eine Sperrfrist von insgesamt nur 30 Jahren nach Ausscheiden des Funktionsträgers, die nur mit Zustimmung des Funktionsträgers verkürzt werden darf. Eine verlängerte Verschlussfrist, wie sie das Bundesarchivgesetz nennt, fällt hier weg. Sowohl Kärnten als auch Wien und Salzburg sehen eine Einsichtnahme der aktenbildenden Stelle innerhalb der Schutzfrist vor, sofern ein amtliches Interesse daran besteht. Das Oberösterreichische sowie das Salzburger und das Wiener Archivgesetz kennen auch eine Verkürzung der Schutzfrist im Einzelfall und auf schriftlichem Antrag, wobei die Ausdehnung der verkürzten Frist nicht näher definiert ist. Die Schutzfrist bei sensiblen Daten endet mit dem Tod der Person oder 100 Jahre nach deren Geburt. Wie in Wien, gilt für die Akten der politischen Funktionsträger 30 Jahre Sperrfrist. Verstirbt die Person innerhalb der Schutzfrist, können nicht deren Nachkommen über die frühere Einsichtnahme in dieses Archivgut entscheiden, sondern für Mitglieder der Landesregierung die Landesregierung, für die Präsidentinnen und Präsidenten des Landtages der Landtag und für den Bürgermeister oder die Mitglieder des Stadtsenats bei Kommunalarchiven der Stadtsenat sowie der Gemeinderat17. Auch das Statut des Vorarlberger Landesarchivs sieht eine Schutzfrist von 30 Jahren vor. Vor Ablauf der Schutzfrist kann der/ die Landesarchivar/in zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung oder aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen einer betroffenen Person über schriftlichem Antrag die Benützung gestatten. Alle anderen Bundesländer ohne Archivgesetze sehen eine Sperrfrist von 50 Jahren vor. In Österreich gelten somit verschiedene Fristen hinsichtlich des Zugangs zu Archivmaterial. Diese Uneinheitlichkeit resultiert aus dem föderalistischen Aufbau des österreichischen Bundesstaates. Blickt man über die Grenzen Österreichs hinaus, so treffen wir im Bundesarchivgesetz der Schweiz auf die gleichen Schutzfristen von 30 Jahren, die bei personenbezogenem Archivgut auf 50 Jahre erhöht werden. Eine Verlängerung der Schutzfrist endet 3 Jahre nach den Tod der Person. Im deutschen Bundesarchiv gesetz enden solche verlängerte Fristen mit dem Tod der Person oder 110 Jahre nach deren Geburt. Für Rechtsvorschriften des Bundes, die der Geheimhaltung unterliegen, ist eine Schutzfrist von 60 Jahren vorgesehen. Zugang zu Gerichtsakten Besondere gesetzliche Regelungen gelten für Archivgut des Bundes, das in den Ländern entsteht, und welches explizit im Bun-desarchivgesetz ausgenommen ist. Dies betrifft Gerichtsakten, deren rechtliche Aufbewahrungsfristen sowie der Zugang zu diesen Informationen in der Geschäftsordnung der Gerichte und in der Verordnung über die Aussonderung, die Anbietung sowie die Skartierung von Schriftgut von gerichtlichen Verfahren (Archiv-Verordnung) sowie über die Änderung der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo.) (BGBl. II Nr. 164/2002) festgehalten sind. Hier wird neben einer Aufzählung von Akten, die dauernd aufzuheben sind, eine Sperrfrist von 50 Jahren für Akten, die von geschichtlicher oder kultureller Bedeutung für die Erforschung und das Verständnis der Geschichte und Gegenwart in politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht sowie bezüglich Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung und den Schutz allgemeiner oder besonderer bürgerlicher R^echte sind festgesetzt. Diese müssen vom Gericht besonders gekennzeichnet sein. Akten und Aktenteile, die nicht diesen Vermerk der besonderen Bedeutung tragen, sollen gemäß den Vorschriften des Bunde-17. Fritz koller, Archiv^esetz^ebung in Öster- sarchivgesetzes von einer Benützung ausgeschlossen sein. In den 4«ch - ein uberbiick, "AZ», 90(2008), pp. 35- Erläuterungen wird die Einsicht nur Verfahrensparteien oder Drit- ten, die ein rechtliches Interesse glaubhaft machen können über gerichtliche Entscheidung zugestanden. Diese Bestimmungen sind in der Regel nicht durchführbar, da solche Vermerke kaum jemals von Richtern angebracht werden. Auch wird nicht die Bedeutung des Zeitablaufs, wie etwa im Personenstandsgesetz, berücksichtigt. Verzichtet das Staatsarchiv auf die Übernahme dieses Archivgutes, sollte es in das Eigentum der jeweiligen Länder übertragen werden und wäre somit als Archivgut des Landes zu betrachten. Allerdings müsste dazu auch das Verfügungsrecht mit übertragen werden. Da dies nicht der Fall ist, müssen bei jenen Bundesländern ohne Archivgesetze die Gerichte über eine Einsichtnahme in personenbezogenes Archivgut entscheiden. Martin Polaschek hat in seinem Beitrag Probleme der Verwendung von Strafakten in der zeitgeschichtlichen Forschung auf den § 82 a der Strafprozessordnung in der damals geltenden Form hingewiesen, der besagt, dass zum Zweck der nicht personenbezogenen Auswertung für wissenschaftliche Arbeiten oder vergleichbare, im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen das Bundesministerium für Justiz und die Vorsteher der Gerichte auf Ersuchen der Leiter anerkannter wissenschaftlicher Einrichtungen die Einsicht in strafgerichtliche Akten sowie die Anfertigung von Kopien daraus bewilligen können. Dabei ist die Intention des Nutzers von besonderer Bedeutung. Viele Fragen der zeitgeschichtlichen Forschung zielen auf letztlich abstrakte Personen als Träger oder Opfer vergangenen Geschehens, sodass deren individuelle Persönlichkeit eigentlich nicht Gegenstand der Untersuchung ist. Die zeitgeschichtliche Forschung hat sich vornehmlich für die Strafakten zu NS-Verbrechen interessiert, deren Aufarbeitung auch im öffentlichen Interesse steht. Anders verhält es sich aber mit anderen Strafverfahren, bei denen die Anonymität des Verurteilten strenger zu wahren sein wird, da hier das öffentliche Interesse fehlt. Soll einen Strafakt überhaupt nur eingesehen werden, um in einem Rechtsstreit die Gegenpartei zu schädigen, wird eine Einsichtnahme abzulehnen sein. Polaschek beschäftigt sich auch mit der Frage der Auswertung personenbezogener Daten in Strafakten und kommt zum Schluss, dass bei großen Prozessen die Veröffentlichung bestimmte Daten durchaus zulässig ist, jedoch nur Daten, welche das Verfahren betreffen, verwendet werden dürfen, wohingegen andere persönliche Details, die aus dem Akt hervorgehen, allerdings nicht unmittelbar mit dem Fall verbunden sind, von einer Veröffentlichung ausgeschlossen sein sollen. Im § 82 StPO ist zudem keine zeitliche Untergrenze für die Akteneinsicht angeführt. Wird demnach eine Einsichtsbewilligung erteilt, kann diese auch sehr junge Akten umfassen18. Zugang zu Archivalien von Kirchen- und Ordensgemeinschaften Die Österreichische Bischofskonferenz hat am 6. November 1997 eine Rahmenordnung zur Sicherung und Nutzung der Archive der K^atholischen Kirche in Österreich erlassen, die katholischen Ordensgemeinschaften haben für ihre Archive 2006 ebenfalls Richtlinien zur Sicherung und Nutzung des Archivguts erstellt. Eine Archivordnung für die Evangelische Kirche in Österreich ist in Ausarbeitung. Die Bestimmungen für die Archive der Katholischen Kirche und Ordensgemeinschaften lehnen sich an die staatlichen Archivgesetze an. 18. Martin Polaschek, Probleme zur Verwendung von Strafakten in der zeitgeschichtlichen Forschung. Ein Diskussionsbeitrag, "Mitteilun- fen des Steiermärkischen Landesarchivs", 4/45(1995), pp. 225-244. Einen wesentlichen Unterschied enthalten diese Bestimmungen hinsichtlich der Zugänglichkeit zu kirchlichen Archiven, indem diese nämlich als Privatarchive gelten und kein prinzipielles Recht auf Zugang zum Archivgut für externe Nutzer vorsehen. Eine Einsichtnahme kann nur auf Antrag gewährt werden, wenn ein berück-sichtigenswerter Benutzungszweck vorliegt. Abgebende Stellen sowie deren Rechtsnachfolger haben laut § 4 das Recht, die bei ihnen entstandenen Dokumente zu nutzen. Privatpersonen können Abschriften von Standesnachweisen erhalten, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen. Sie dürfen auch nicht gesperrte Archivbestände einsehen, wenn es sich um Daten zu ihrer Person handelt, es sei denn, es stehen berechtigte Interessen des Archivalieneigners oder Dritter einer solchen Einsichtnahme entgegen. Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn der Nutzung amtliche, historisch-wissenschaftliche oder pädagogische Zwecke zugrunde liegen. Dabei besteht jedoch kein Anspruch auf die Anfertigung von Kopien. Voraussetzung für die Nutzung ist eine entsprechende Ordnung sowie ein guter Erhaltungszustand des Bestandes. Zusätzlich wird vermerkt, dass der Antragsteller in der Lage sein muss, das Archivgut unabhängig von Hilfeleistungen durch das Archivpersonal zu benutzen. Außerdem muss die Benutzung in einem angemessenen Verhältnis zum Arbeitsaufwand des Archivpersonals stehen. Diese Verordnung gibt als Sperrfrist 50 Jahre an. Einzelne Aktengruppen und Aktenstücke können aber von der Benutzung durch Dritte ausgenommen werden, die nicht näher bezeichnet werden. Besondere Sperrfristen gelten für Personalakten und personenbezogenes Archivgut, die sich auf 50 Jahre nach dem Tod der betroffenen Person erstrecken, eine Regelung, die über die Datenschutzbestimmungen hinausgeht. Außerdem gelten gesonderte Zugangsbestimmungen für Archivgut, für das der Übergeber besondere Sperrfristen festgesetzt hat. Eine Verlängerung der Sperrfrist kann für Archivgut festgesetzt werden, durch dessen Nutzung das Wohl der Kirche, schutzwürdige Belange Dritter oder Interessen Betroffener gefährdet werden sowie auch dann, wenn Persönlichkeitsrechte, staatliche oder kirchliche Datenschutzrechte oder das Steuergeheimnis verletzt würden. Sofern eine anonymisierte Verwendung vorliegt, kann solches Archivgut zur wissenschaftlichen Nutzung freigegeben werden. Für die wissenschaftliche Nutzung kann in begründeten Ausnahmefällen eine Sondergenehmigung für Archivgut, das noch gesperrt ist, erteilt werden. Solche Sondergenehmigungen werden nur für geordnetes und verzeichnetes Archivgut erteilt, sofern die Persönlichkeitsrechte betroffener Personen geschützt bleiben. Zugang zu personenbezogenem Archivgut Besondere Bedingungen sind an die Nutzung personenbezogener Quellen gebunden, die im Datenschutzgesetz (DSG 2000) geregelt und deren Bestimmungen in die Archivgesetze eingeflossen sind, da sie als verfassungsrechtliche Bestimmungen vor einfaches Bundesrecht geltend gemacht werden. Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten war von der nationalen Gesetzgebung der Mitgliederstaaten umzusetzen. Dies wurde in Österreich im Jahr 2000 durch den Bund erfüllt und in der Folge in der Landesgesetzgebung Datenschutzregelungen erlassen. Das Datenschutzgesetz soll das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen im Umfeld der elektronischen Datenverarbeitung und Datenhaltung sicherstellen und Regeln für den zulässigen Gebrauch dieser Daten festlegen. Es findet vorrangig auf elektronische Daten, aber in der Folge auch konventionell geführte Daten Anwendung. Umstritten ist die Interpretation der allgemeinen Zugänglichkeit von personenbezogenen Daten, die demnach verwendet werden dürfen. Denn NS-Registrierungslisten oder Berichte in Medien über ein spektakuläres Strafverfahren waren für kurze Zeit auch allgemein zugänglich, sind es aber nun nicht mehr. Daher unterliegen nach Ansicht der Juristen solche Daten wieder dem Datenschutz und sind nicht mehr frei verfügbar. Personenbezogene Daten dürfen nach dem Datenschutzgesetz nur für private Zwecke nach Mitteilung des Betroffenen verarbeitet werden (§ 45) und für Zwecke wissenschaftlicher und statistischer Untersuchungen (§ 46), wenn diese keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben. Personenbezogene Daten dürfen nur dann nicht anonymisiert verwendet werden, wenn der Betroffene zustimmt oder mit Genehmigung der Datenschutzkommission. Sollen sensible Daten übermittelt werden, muss ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen. Die Datenschutzkommission kann an die Genehmigung Auflagen zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen knüpfen. Der direkte Personenbezug ist jedenfalls zu verschlüsseln. Die Datenschutzkommission hat der österreichischen Historikerkommission personenbezogene Daten zugänglich gemacht. Diese durften allerdings nur für diese Forschungen verwendet werden. Der freie Zugang zu diesen Akten bedeutete nicht, dass die Forschungen und Ergebnisse auch für andere Zwecke verwendet werden durften, was allerdings nicht immer eingehalten wurde. Die Zustimmung beinhaltet auch keine uneingeschränkte Verbreitung von Kopien, da die Genehmigung nur projektbezogen erteilt wurde. Eine Verkürzung der Sperrfristen für eine zeitgeschichtliche Forschung bedeutet auch nicht, dass eine uneingeschränkte Zugänglichkeit für alle Forschungsprojekte dieses Forschers automatisch möglich ist. Archivgesetze beziehen auch die Bestimmungen des Personenstandsgesetzes (BGBl. 60/1983) mit ein. Dieses regelt die Einsichtnahme in Personenstandsbücher. Die wichtigste Regelung bezieht sich auf Eintragungen, die mehr als 100 Jahre alt sind und die nicht mehr lebende Personen betreffen, diese dürfen frei eingesehen werden. Für jüngere Daten gelten restriktive Zugriffsrechte, die hier nicht näher erläutert werden sollen. Auch von den Bestimmungen des Urheberrechtsgesetz (BGBl. 111/1936 in der geltenden Fassung vom 12.6.2009) sind Archive betroffen. Das Urheberrechtsgesetz bezieht sich auf Werke der Literatur und der Kunst. Diese sind eigentümliche geistige Schöpfüngen auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst. Abhandlungen sind nicht als Werke zu be- trachten, wenn sie nur eine Kompilation anderer Beiträge sind, wie dies bei einer Reihe von wissenschaftlichen Publikationen der Fall ist. Was ist gestattet? Das Urheberrechtsgesetz kennt auch freie Werknutzungen, welche die Verwertungsrechte der Urheber beschränken. Darunter fällt die freie Werknutzung für den • privaten Gebrauch, • flüchtige Kopien, wie sie oft bei einer Zwischenspeicherung elektronischer Daten unvermeidlich sind, und • gerichtliche Verfahren. • Archive und Bibliotheken dürfen für den eigenen Gebrauch auch digitalisieren, die Daten aber nicht weitergeben und diese nur im Lesesaal zeigen, nicht aber im Internet anbieten. • Schulen und Universitäten dürfen für Zwecke des Unterrichts bzw. der Lehre Werke der Film- und Tonkunst aufführen, jedoch steht dem Urheber ein Anspruch auf angemessene Vergütung zu. • Besondere Aufmerksamkeit müssen Archive den Vertragsabschlüssen über urheberrechtlich geschützte Materialien schenken, damit dieses Archivgut nicht gleichsam als totes Material in den Speichern aufbewahrt wird. Probleme im Umgang mit gesetzlichen Bestimmungen Die meisten dieser rechtlichen Bestimmungen sind weit gefasst und lassen Auslegungsmöglichkeiten zu, führen aber auch wieder zu Unsicherheiten im täglichen Umgang mit den Fragestellungen der Einsichtnahme. Öffentliche Archive sollen im Sinne des Rechts auf Informationen für die Allgemeinheit zugänglich sein. Betrachtet man aber die gesetzlichen Regelungen, so ist das Archivgut von öffentlichen Archiven bei weitem nicht öffentlich zugänglich. Denn unabhängig von den Sperrfristen wird der Personenkreis für die Einsichtnahme eingeschränkt auf jene Gruppe, die ein berechtigtes persönliches, rechtliches, wissenschaftliches oder publizistisches Interesse vorweisen kann, wie im § 9 des Bundesarchivgesetzes festgehalten wird. Der Archivar hat nur festzustellen, ob bei einer gewünschten Einsichtnahme ein berechtigtes Interesse vorliegt, um diese zu genehmigen. Die weitere Verwendung dieser Daten liegt allein im Verantwortungsbereich des Nutzers. Daher muss sich der Archivar nicht mit den Bestimmungen der Veröffentlichung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit einer Einsichtsgewährung auseinandersetzen, sondern nur das berechtigte Interesse ermitteln. Nun sind diese Gruppen nicht klar definiert. Wie weit reicht etwa der verwandtschaftliche Grad, um ein berechtigtes persönliches Interesse etwa für die Einsichtnahme in Verlassenschafts- und Pflegschaftsakten oder in andere Personendaten geltend machen zu können? Erfahrungsgemäß wird von den Archiven eine sehr weite Auslegung der verwandtschaftlichen Beziehungen anerkannt. Wann gilt eine Untersuchung als wissenschaftlich? Sind Forschungen für Ortschroniken von historisch interessierten Personen zulässig? Diese Gruppe, die einen beachtlichen Benutzkreis in Archiven bildet, kann allerdings keine anerkannte Forschungsinstitution als Referenzstelle angeben. Hier wird der Archivar das öffentliche Interesse als Argument für die berechtigte Einsichtnahme heranziehen, denn diese Ortschroniken werden in der Regel von einer Gemeinde in Auftrag gegeben. Eine immer öfter auftretende Frage ist jene nach der Zulässigkeit von Einsichtnahmen aufgrund von wirtschaftlichen Interessen. Dies betrifft vor allem die Recherchen von genealogischen Firmen, die ihren wirtschaftlichen Erfolg auf den Recherchen in personenbezogenen Daten von Archiven gründen. Datenschutzexperten sehen wirtschaftliche Interessen keineswegs als berechtigte Interessen. Hier knüpft sich die Frage nach den schutzwürdigen Informationen in personenbezogenen Unterlagen an. Ist eine Person verstorben, erlöschen grundsätzlich die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Damit wäre ein Verlassenschaftsakt frei einsehbar. Die Intention dieser Firmen zielt aber nicht auf die Daten der verstorbenen Person, sondern auf jene in diesen Akten angegebenen zum Zeitpunkt des Todes der Person noch lebenden Nachfahren und Erben. Diese Daten gehen über den Schutz dieser Person hinaus, wie analog dazu auch bei Strafakten die Zeugenaussagen nicht veröffentlicht werden dürfen, sondern als schützenswert gelten. Dennoch wird diese gesetzliche Regelung nicht streng eingehalten, denn sonst könnten solche Unternehmen nicht existieren. In der Archivgesetzgebung mangelt es an Präzedenzfällen, daher bleiben solche Fragestellungen bisher von Seiten der Rechtspflege auch weitgehend unbeantwortet. Im Sinne des möglichst freien Zugangs zu Informationen für den Bürger werden die Archivare diese gesetzlichen Bestimmungen daher weit gefasst auslegen. Literatur Heinrich Berg, Die österreichischen Archivgesetze, "Tehnični in vsebinski problemi klasičnega in electronskega arhiviranja", 9(2010), pp. 35-50. Heinrich Berg ... [et al.], Historikerarchivar: Dokumentenmanager. Positionen in einem Spannungsfeld, "Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 60", 2004, pp. 51-88. Peter Bussjäger, Archiv und Verfassung, "Scrinium", 60(2006), pp. 77-114. Fritz Koller, Archivgesetzgebung in Österreich - ein Überblick, "AZ", 90(2008), pp. 35-49. Waltraud Karoline Koller - Fritz Koller, Die Stellung der Archive in der Verwaltung, "Scrinium", 56(2002), pp. 65-80. Josef Pauser, Streitfall Archiv? Ein kurzer juristischer Überblick über die österreichische Archivgesetzgebung, "Scrinium", 57(2003), pp. 101-112. Martin Polaschek, Probleme zur Verwendung von Strafakten in der zeitgeschichtlichen Forschung. Ein Diskussionsbeitrag, "Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs", 44/45(1995), pp. 225-244. Hermann Rumschöttl, Der Archivar und die Technik, "Atlanti", 8(1998), pp. 11-16. Quellen Schweizer Bundesgesetz über die Archivierung vom 26. Juni 1998, novelliert am 13. Juni 2006, SR 152.1. Bundesarchivgesetz, BGBl. I S. 62 vom 6. Januar 1988 in seiner novellierten Form vom 5. September 2005, BGBl. I S. 2722. Bundesarchivgesetz BGBl. I Nr. 162/1999. Kärntner Landesarchivgesetz, LGBl. Nr. 40/1997. Wiener Archivgesetz, LGBl. 55/2000, novelliert LGBl. 50/2006. Oberösterreichisches Archivgesetz, LGBl. 83/2003. Salzburger Archivgesetz, LGBl. 53/2008. Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 21/2008. Denkmalschutzgesetz, BGBl. I Nr. 170/1999. Personenstandsgesetz, BGBl. 60/1983 Urheberrechtsgesetz, BGBl. 111/1936 in der geltenden Fassung vom 12.6.2009 Verordnung über die Aussonderung, die Anbietung sowie die Skartierung von Schriftgut von gerichtlichen Verfahren (Archiv-Verordnung) sowie über die Änderung der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo.), BGBl. II Nr. 164/2002.