UDK 886.3.09 Jenko: Se črne zemlje . . . Andreas Leitner Univerza za izobraževalne znanosti, Celovec SIMON JENKOS SONETT »ŠE ČRNE ZEMLJE PRSI SO LEDENE« V tem sonetu sta rojstvo in smrt v naravi postala simbol človeške minlji- vosti. Lirični jaz skuša preseči ali zaustaviti tok časa na dva načina. Najprej se pesnik obrača k trenutku, k trenutni izkušnji. Kratek trenutek radosti daje lepoti vrednost redkega. Potem se obrne na brezčasni mit, da bi dal trajnost bardovemu glasu po tem, ko je narava spet utonila v kaos. Nesoglasna napetost, ki izhaja iz tega obračanja k nasprotnemu, se lahko pojmuje kot značilna last- nost obrata obdobja, tj. prehoda od klasicizma k moderni. In this sonnet birth and death in nature become a symbol of the transience of man. The lyrical ego tries to overcome or to stop the f l ow of time in two ways. First the poet turns to the moment, to the instantaneous experience. The short moment of enjoyment gives rarity value to beauty. Then he turns to time- less myth in order to give permanence to the bard's voice, after nature has sunk back into chaos. The dissonant tension resulting from this turning towards opposites can be considered a characteristic feature of the turn of the era, of the transition from Classicism to Modernism. S O N E T 1 Še črne zemlje prsi so ledene, 2 še moč narave v nedrju počiva 3 še kras pomladi v krilu se ji skriva, 4 da ga prezgodnja zloba ne zadene. 5 Zbudi pa sonce zdaj zdaj hčere njene, 6 bliža je se z lepotam' jo pokriva 7 in združen' svet življenje novo uživa; 8 naj tudi led se staja Hipokrene! 9 Bežite torej preč vse misli črne! 10 Veselju pota k srcu več ne branim; 11 kdo zna, al' bom še, ko se pomlad vrne? 12 Naj glase združim s petjem loga ubranim; 13 ker raj v puščavo se preobrne 14 in cvet pomladi zgine v grobu ranim. Das hier angeführte Sonett Simon Jenkos datiert aus dem Jahr 1851.1 Es handelt sich also um ein sehr frühes Gedicht, was sich auch aus mancher Unbekümmertheit und Unausgewogenheit in der Fügung der formalen und inhaltlichen Elemente ersehen läßt. Die dichterische Ge- 1 Zu Varianten und verschiedenen Redaktionen dieses Sonetts siehe Simon Jenko, Zbrano delo, knj. 2, Ljubljana 1965, S. 25 f f . staltung trägt wohl dem formalen Aspekt der Sonettform weitgehend Rechnung, nicht aber der Präsentation des Inhaltlich-Thematischen, wie es das ,Gesetz' des Sonetts erfordert. So orientiert sich hier Jenko kaum an der dem Sonett eigenen Gesetzlichkeit, wonach die Oktave einen von Erwartung und Spannung beherrschten Aufgesang und das Sextett einen von Erfüllung und Entspannung gekennzeichneten Abgcsang darstellen sollten und wonach die polare Spannung der Inhalte aus der in der Oktave vorgebrachten Behauptung oder der angestellten Analyse und des im Sextett angetretenen Beweises oder der vorgenommen Synthese resultieren müßten.2 So setzt in diesem Sonett z. B. Reflexion schon in den Quartetten ein und das Sextett erweist sich nicht als jene Synthese, die aus einer in der Oktave angestellten Analyse resultieren könnte. Selbst wenn aber in diesem Sonett die dichterische Kraft von sich aus einer zur Vollkommenheit organisierenden Einheit ermangelt, so ver- leiht die vitale Kunstform des Sonetts durch die Symmetrie des Vers- baues und durch Reimverschränkungen dem Sinngehalt des Gedichts jene Einheit, deren besonderer Reiz in dem geschlossenen Gefüge liegt. Zudem scheint mir die Analyse von frühen Gedichten auch deshalb reizvoll, weil in ihnen Stimmungen und Reflexionen .erblicher und ,echter' erscheinen, da sie noch nicht dem gekonnt gehandhabten Modus operandi des reifen Dichtertalents unterliegen. Gerade dieses frühe Gedicht Jenkos erhellt durch seine Unausgewogenheit und Unruhe un- gemein treffend die zeitbedingte und zeitgemäße Situation des Menschen jener Epoche des Übergangs, als die alten sinngebenden Zusammenhänge des Daseins zerfielen und neue noch nicht wirksam waren. Die folgende Interpretation dieses Sonetts will zunächst versuchen, die beiden sich überlagernden und durchdringenden Spannungsfelder von Dialektik und Aporetik aufzuzeigen und dann die aporetische Reflexion und die daraus resultierende dissonante Spannung als Vor- boten und Kennzeichen der Zeitwende zu deuten. In diesem Sonett wird das Entstehen und das Vergehen in der Natur zum Sinnbild für die allgemeine Vergänglichkeit erhoben. Die allem Werden (Entsehen — Sein — Vergehen) eignende dialektische Spannung von Noch-nicht — Jetzt — Nicht-mehr beherrscht das geschilderte Naturerlebnis. Dem Noch-nicht entspricht der Zustand der Natur, wir er in den Versen 1—3 beschrieben ist. Das unmittelbar bevorstehende Frühlingserwachen wird durch Personifizierung der Natur3 mit dem 2 Zur inneren Strukture des Sonetts vgl. Walter Mönch, Das Sonett. Gestalt und Form. Heidelberg 1955, S. 33—41. 3 Vgl. France Bernik, Lirika Simona Jenka, Ljubljana 1962, S. 158 f. Vorgang des Gebärens in Zusammenhang gebracht, wodurch das Ent- stehen und später auch das Vergehen mit der Vergänglichkeit des Men- schen verknüpft werden. Dem Jetzt entsprechen die von der Sonne hervorgerufenen Schönheiten (5—7) und das allgemeine Genießen des neuen Lebens (8). Das Nicht-mehr findet in der erwarteten Verwandlung des Paradieses in Wüste und in dem Zugrundcgehen der Blüte des Frühlings seinen Ausruck (13—14). Die Stadien von Frühling und Wüste in der Natur versinnbildlichen die Stadien von Jugend und Tod und die Stimmungen der Freude und der ,schwarzen Gedanken'. Das lyrische Ich versucht nun durch die Beschwörung des Augen- blicks und des zeitlosen Mythos den alles Entstehen und Vergehen verur- sachenden Fluß der Zeit anzuhalten bzw. zu überwinden. Die Beschwörung des Augenblicks wird formal durch das dreimal anaphorische noch der Versanfänge 1—3 und durch die Wiederholung jetzt jetzt in Vers 5 ausgedrückt. Das anaphorische noch steigert das Vorgefühl des ersehnten Augenblicks, in dem die Natur ihre Schönheiten zum Genießen darbietet, und macht das unmittelbar bevorstehende Früh- lingserwachen zu einem mit Spannung erwarteten Ereignis. Die Wieder- holung jetzt jetzt hebt schon durch die Bedeutung von jetzt hervor, daß der Augenblick genossen werden muß. Jetzt gilt es, die Schönheiten zu genießen, die ja gerade durch ihre Vergänglichkeit eine Wertsteigerung erfahren. Der Wunsch allerdings, daß angesichts des allgemeinen freudi- gen Genießens auch die schwarzen Gedanken weichen mögen, scheint nicht in Erfüllung zu gehen. Der Mensch (das lyrische Ich) öffnet zwar der Freude den Weg zum Herzen, doch das Eintreten des erwarteten und ersehnten Glückserlebnisses ist vom Zweifel bedroht: »Wer weiß, ob ich noch sein werde, wenn der Frühling wiederkehrt?« (11). Die andere Komponente des lyrischen Ichs wendet sich angesichts des allgemeinen Erwachens in der Natur indirekt an die Musen: »Es möge auch das Eis der Hippokrene schmelzen!« (8) Wie die Schön- heiten der Natur nach der Eisschmelze hervorbrechen, so möge auch das Eis der Hippokrene, der vom Dichterroß Pegasus geschlagenen Roßquelle auf dem Helikon, wieder schmelzen, damit sich die Musen an ihrem Wasser laben können, um dann den Sänger wieder zu neuen Liedern zu inspirieren. Da aber auch der Sänger bezweifelt, ob er noch sein wird, wenn der Frühling wiederkehrt, will er anscheinend, die kurze Frist nützend, seine Stimme mit dem hamonischen Gesang des Hains vereinen. Diese Anrufung der Musen scheint mehr zu umfassen als nur den Wunsch des Sängers, wieder die Fähigkeit, zu singen, zu erhalten, denn die Musen verleihen u. a. dem Dichter Unsterblichkeit.4 Die Unsterblich- keit des Dichters liegt ja in seinen die Zeit überdauernden Kunstwerken, denn Kunst stiftet das Bleibende im Fluß der Zeit. Dieser Wunsch nach Unsterblichkeit, nach Fortbestand der Lieder das Sängers, scheint mir im Schlußterzett ausgesprochen, das sich auf diese Weise als eine Art Beschwörung des Orpheus-Mythos erweist. Gewiss kann man den Sinn- gehalt dieses Terzetts auch auf den Sängerwunsch einschränken, inner- halb der kurz bemessenen Lebensfrist sein Lied erklingen zu lassen. Die folgende nähere Analyse des Schlußterzetts soll aber zu zeigen versuchen, daß der Sänger seinem Gesang über das einbrechende Chaos, über die in Wüste verwandelte Natur hinaus Dauer verleihen will. Wir lesen hier: Ich muß meine Stimmen mit dem harmonischen Gesang des Hains vereinen, weil das Paradies in Wüste sich verwandelt und die Blüte des Frühlings im frühen Grab zugrunde geht. Mit welchem harmonischen Gesang des Hains will hier der Sänger seine Stimme vereinen? Im Ausdruck »der harmonische Gesang des Hains« verbinden sich Personifizierung und mythische Beseelung der Natur. Für den, der die Natur als derart mythisch beseelt erlebt, daß er ihren harmonischen Gesang vernimmt, ist das mythische Bild des singenden Orpheus noch nicht verstummt, das Bild jenes Gottes, der vernichtet werden mußte — bekanntlich wurde er von Mänaden zer- rissen —, damit sein Wesen als ewiger Gesang fortleben konnte. Orpheus mußte getötet werden, damit er eingehen konnte in die Natur. Wenn die Natur nun zu uns spricht, »so nur, weil es mit der Stimme des Orpheus geschieht. Und singen wir, so singt in uns die Natur, weil sie von Orpheus erfüllt ist, dem Wesen des Gesangs«.5 Hier seien nur zwei Stellen aus Rilkes »Sonette an Orpheus« ange- führt, die besonders eindrucksvoll den Opfertod des Orpheus besingen: Schließlich zerschlugen sie dich, von der Rache gehetzt, während dein Klang noch in Löwen und Felsen verweilte und in den Biiumen und Vögeln. Dort singst Du noch jetzt. О du verlorener Gott! Du unendliche Spur! Nur weil dich reißend zuletzt die Feindschaft verteilte, sind wir die Hörenden jetzt und ein Mund der Natur. (26. Sonett) 4 Uber Musen and Musenanrufung vgl. Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Bern, München 1948, S. 235—252. 5 Alfred Behrmann, Einführung in die Analyse von Verstexten. Stuttgart 1970, S. 87. Denn Orpheus ists. Seine Metamorphose in dem und dem. Wir sollen uns nicht mühn um andre Namen. Ein für alle Male ists Orpheus, wenn es singt. (5. Sonett) Selbst wenn nun Jenko mit dem »harmonischen Gesang des Hains« nicht Orpheus gemeint haben sollte, so hat er dennoch in dieser mythi- schen Beseelung der Natur jenes zeitlose Bild beschworen, das im thraki- sclien Sänger Orpheus göttliche Gestalt angenommen hat. »Wir sollen uns nicht miihn / um andre Namen. Ein für alle Male / ists Orpheus, wenn es singt.« Ein weiterer Hinweis darauf, dali es in diesem Schlußterzett dem Sänger nicht allein darum geht, schnell noch zu singen, bevor die AVeit ins Chaos zurücksinkt, scheint mir in dem durch das begründende weil angeschlossenen Vers 13 zu liegen. Der Sänger muß hier singen, weil und nicht bevor sich das Paradies in Chaos verwandelt. Das Chaos ist also der Grund für den Gesang, dessen Harmonie als Ordnung stiftende Macht das Chaos übertönt, Hierzu sei wieder eine Stelle aus Rilkes »Sonette an Orpheus« angeführt: Du aber, Göttlicher, du, bis zuletzt noch Ertöner, da ihn der Schwann der verschmähten Manaden befiel, hast ihr Geschrei übertönt mit Ordnung, du Schöner, aus den Zerstörenden stieg dein erbauendes Spiel. (26. Sonett) Orpheus singt auch hier nicht nur bevor, sondern weil bzw. als das Chaos eintritt. Mit seinem erbauenden Spiel steht er dar Zerstörung, dem Chaos gegenüber und wird so zum Sinnbild für die ewige Harmonie. Hinter dem notwendigen Tod des Orpheus steht auch die alte Sinndeu- tung des Dichtertodes: Der Sänger, der Dichter, muß sterben, damit die Poesie frei werde. Das freie Entfalten der Poesie erfordert den Tod des Dichters. Wie lassen sich nun die Hinwendung zum Augenblickserlebnis und die Beschwörung des zeitlosen Mythos in Einklang bringen? Offensicht- lich gar nicht, da es sich um aporetisclie Reflexionen handelt. Wer im zeitlosen Mythos die Vergänglichkeit aufhebt, der muß nicht im Augen- blick Dauer suchen. Wer hingegen im Augenblickserlebnis die Zeit zu überwinden versucht, der hat das religiös-mythische Weltvertrauen ver- loren und versichert sich keines Mythos mehr. Die Beschwörung des Augenblicks weist schon auf die Moderne hin, die Beschwörung des Mythos noch auf die Antike bzw. Klassik. Als aporetische Reflexionen erzeugen solches 'Modernisieren' und 'Anti- kisieren' eine nach Unruhe strebende dissonante Spannung, die als Symbol und Symptom jener Zeit angesehen werden kann, in der das Religiös-Mythologische seine Tragfähigkeit einbüßt und die 'moderne' Innerlichkeit des Augenblicks der jetzt bedrohlich gewordenen Zeit sich entgegenstellt. Der Mensch wendet sich von der Vergangenheit ab, senkt seinen Blick von den verblassenden mythischen Bildern am Himmel und wendet sich der Gegenwart zu und bescheidet sich mit dem Nahen und Erreichbaren. Wenn man also in der Jenko-Forschung immer wieder feststellt, daß ihm ein ungemein wichtiger Platz in der Entwicklung der slowenischen Lyrik zukommt, weil er in sprachlich-stilistischer Hinsicht und in der Wahl seiner Themen, Motive und Genres neue Wege ging, so kann man solche Neuerungen nicht allein als evolutionäres Moment innerhalb der Dichtkunst ansehen, sondern man muß die in der Mitte des 19. Jahr- hunderts einsetzende grundlegend neue Weltsicht beachten, die formal und inhaltlich neue Ausdrucksmittel in Kunst und Literatur erforderlich machte. Der zu Beginn dieser Ausführungen gemachte Vorwurf, der junge Jenko habe sich bei der Präsentation des Inhaltlich-Thematischen kaum am Gesetz des Sonetts orientiert, kann jetzt weitgehend entkräftet werden. Wo dialektische Spannung, aporetische Reflexion und dissonante Spannung sich derart überlagern und durchdringen, kann die Zerstörung des Sonett-Gesetzes geradezu als adäquater Modus der Präsentation an- gesehen werden. POVZETEK V tem sonetu sta nastanek in preminotje v naravi povzdignjena v prispodobo človekove minljivosti. Prikazani dogodek iz narave preveva vsemu nastajanju (nastanek — bivanje — preminotje) temeljna dialektična napetost. Lirski jaz poskuša čas kot vzrok minljivosti na dva načina bodisi premagati bodisi za- držati. Najprej se roti trenutek, doživetje trenutka. Trenutek kot kratko merjena doba uživanja daje lepoti narave vrednost redkosti v času. Potem se roti brez- časni mit, da bi bila tako glasu pevca dodeljena trajnost, ko se narava spet potopi v kaos. Kjer pa je mit še živ, tam trenutek ni potreben, da bi bil prema- gan čas in s tem minljivost. Kdor pa se obrne k trenutku, za tega je mitična po- doba že onemela. Take aporetične refleksije vodi jo k disonantni napetosti, težeči k nemiru, kar imamo lahko za simbol in simptom tistega časa, v katerem versko- mitološko zgubi svojo nosilnost in moderni ponotranjenosti trenutka sedaj stavi nasproti čas, ki je postal preteč. Na inovatorstvo v liriki Simona Jenka na pod- ročju jezikovno-stilističnega izraza in izbire njegovih tem, motivov in žanrov je treba gledati tudi pred ozadjem spreminjajočega se videnja sveta, ki se, kot je poskušala pokazati interpretacija, napoveduje že v tem zgodnjem sonetu iz 1. 1851.