Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten Christian KRUSE, Dr. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Abteilungsleiter, Deutschland, 80539 München, Schönfeldstraß 35 e-mail: christian.kruse@gda.bayern.de New Buildings, Adaptations, Passive Houses: Archival Buildings in Germany in the Recent Past abstract The review presents some archival buildings put up in Germany during the last years. Some are built totally new with different solutions how to get a favourable climate in the archival storerooms. Some are adaptations of historical buildings for archival purposes. Some are new buildings constructed to the so called passive house standard, i.e. ultra-low energy buildings. Nuovi edifici, adattamenti, case passive: edifici d'archivio in Germania nel recente passato sintesi L'articolo presenta alcuni edifici d'archivio costruiti in Germania negli ultimi anni. Alcuni sono costruiti com-pletamente ex novo con soluzioni diverse per ottenere un clima favorevole nei magazzini d'archivio. Alcuni sono adattamenti di edifici storici a scopo archivistico. Alcuni sono nuovi edifici costruiti sugli standard della cosid-detta casa passiva, cioe edifici a energia ultra bassa. Nove zgradbe, predelava, pasivne hiše: arhivske zgradbe v Nemčiji v bližnji preteklosti izvl^eček Pregled predstavlja določene arhivske zgradbe zgrajene v Nemčiji v zadnjih letih. Nekatere od njih so postavljene popolnoma na novo z različnimi rešitvami pridobivanja ugodne klime v arhivskih skladiščih. Druge so predelave zgodovinskih stavb za arhivske namene. Spet tretje so nove zgradbe zgrajene po načelu pasivnih hiš, t.j. nizkoenergijske zgradbe. Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten abriss Der Beitrag gibt anhand mehrerer Beispiele einen Überblick über Archivbauten, die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind. Es handelt sich - um vollständige Neubauten mit unterschiedlichen Lösungen für die Klimatisierung der Archivmagazine, - um Adaptionen vorhandener historischer Bauten für Archivzwecke sowie - um Neubauten, bei denen der sogenannte Passivhaus-Standard eingehalten wird, d.h. Bauten mit einem sehr niedrigen Energieverbrauch. Im ersten Jahrzehnt der Tagungen des International Institute for Archival Science of Trieste and Maribor waren der Archivbau und sein Umfeld ein häufiges Thema1. In den letzten Jahren standen andere Themen im Vordergrund. Aus meiner Sicht ist es daher sinnvoll, einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Archivbaus, insbesondere des Archivmagazinbaus, in Deutschland seit dem Jahr 2000 zu geben. Den Archi- 1. 1991: Adaptions in Archives (ATLANTI 1), 1992: Minimal Standards and Fire Safety (ATLANTI 2), 1993: Safety in Archives (ATLANTI 3), 1995: Archival Buildings (ATLANTI 5), 1997: Basic Requirements for Adapted Archives (ATLANTI 7), 2001: Negative Experiences in New or Adapted Archival Buildings (ATLANTI 11). Christian KRUSE: Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten, 133-140 varinnen und Archivaren, die sich beruflich vor allem mit Fragen des Archivbaus beschäftigen, werde ich wenig Neues bieten können, falls sie die entsprechende Fachliteratur verfolgt haben. Für die übrigen kann der nachfolgende Überblick durch seine Konzentration auf einige zentrale Aspekte von Gewinn sein. Zur Vorgeschichte Nach 1945 wurden in Deutschland zahlreiche Archivneubauten errichtet, die entsprechend der technischen Möglichkeiten über ein Magazin mit einer Klimaanlage verfügten. Ein Gegenentwurf mit großer Folgewirkung war 1971 der Neub au des Historischen Archivs der Stadt Köln, der als „Kölner Modell" in die Archivbauliteratur eingegangen ist. Dass dieser Archivbau am 3. März 2009 im Zuge des U-Bahnbaus eingestürzt ist und damit zum Symbol der Gefährdung von Archiven jenseits von Naturkatastrophen und Kriegen wurde, ändert nichts an seiner Vorbildfunktion. Bei diesem Neubau wurde - abgesehen vom Magazin im Untergeschoss - auf eine Klimaanlage verzichtet. Stattdessen hat man nach dem Vorbild mittelalterlicher Urkundengewölbe versucht, durch den Baukörper und durch gezieltes Lüften ein geeignetes Raumklima zu erreichen. Die Außenwände bestanden (von innen nach außen) aus einem die Feuchtigkeit bindenden Kalkputzmörtel, einem Betonskelett, das mit 49 cm Vollziegeln ausgefüllt war, einer Luftschicht von 6 cm und einer vorgehängten Fassade aus Granitplatten. Zum Querlüften dienten schlitzartige Fenster an den beiden Längsseiten des Magazins, die 25 cm breit und 130 cm hoch waren. Zusätzlich gab es zur Regelung der Temperatur im Winter eine Heizung. Etliche Archiv- und auch Bibliotheksbauten folgten diesem Vorbild ohne wesentliche Änderungen, darunter in Bayern das Staatsarchiv Augsburg aus dem Jahr 1989. Andere Archivbauten beriefen sich auf das „Kölner Modell", ohne ihm in den wesentlichen Punkten - dem kompakten Baukörper aus Ziegeln ohne Dämmung und dem Querlüften durch Fenster - auch wirklich zu folgen. Auf diesen Umstand hat der rheinland-pfälzische Archivar Dr. Wolfgang Hans Stein bereits 1992 hingewiesen2. 1. Neubauten 1.1 Verwirklichung des „Schleswiger Modells" seit 2000 Für den Neubau des Landesarchivs Schleswig-Holstein in Schleswig, der 1991 eingeweiht wurde, wurde ein Element des „Kölner Modells" übernommen, der Aufbau der Wände. Sie bestehen, von innen nach außen, aus einer 51 cm dicken Vollziegelmauer, einer Luftschicht von 6 cm und einer 11,5 cm dicken Fassade aus gelben Ziegeln. Im Unterschied zum Kölner Vorbild wurde jedoch zwischen die Vollziegelmauer und die Luftschicht eine 18 cm dicke Isolierschicht aus Mineralwolle eingefügt. Die Isolierschicht hat die beabsichtigte Wirkung, das Innenklima nahezu vollständig vom Außenklima zu trennen. Aus dem gleichen Grund wurde auf Fenster zur Lüftung verzichtet. Denn das Klimakonzept sah vor, das Archivklima auch ohne Lüftung durch folgende Maßnahmen zu stabilisieren: • eine lange Bautrocknungsphase von zwei bis drei Wintern • eine Trennung des Innenklimas vom Außenklima • eine Vorklimatisierung der Archivalien in eigenen Klimaräumen sowie • eine Klimaschleuse und eine Beschränkung des Zugangs. Die Trennung des Innen- vom Außenklima ist von Stein etwas polemisch, aber anschaulich als „Prinzip der Thermoskanne"3 bezeichnet worden. Der Archivneubau des Landesarchivs SchleswigHolstein ist als „Schleswiger Modell" in die Literatur eingegangen. In der Folge unterschied man das „Kölner Modell" in der Begrifflichkeit seines Urhebers Professor. Dr. Hugo Stehkämper als „natürliche" aktive Klimatisierung, in dem aktiv gelüftet wird, von der „natürlichen" passiven Klimatisierung des „Schleswiger Modells"4, in dem nicht gelüftet wird. 2. Wolfgang Hans Stein, Fragen der Anwendung des Kölner Modells im Archivbau" Der Archivar", 45(1992), Spalte 409424. 3. Stein (wie Anm. 2), Spalte 414. 4. So z.B. Maria Rita Sagstetter, Klimatisierungskonzepte in jüngeren Archivgebäuden in Deutschland, „Archivalische Christian KRUSE: Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten, 133-140 Bereits 1992 wurde das Schleswiger Modell angewandt auf den Anbau des Erweiterungsbaus des Niedersächsischen Staatsarchivs in Oldenburg. Der erste vollständige Neubau, der wesentlichen Zügen des Schleswiger Vorbilds folgt, ist in Deutschland aber meines Wissens das Staatsarchiv Hamburg, das im Jahr 2000 bezogen werden konnte5. Die Trennung des Innenklimas vom Außenklima wurde beibehalten, ebenso die Vorklimatisierung der Archivalien, die Klimaschleuse und die Beschränkung des Zugangs. Die Wand bleibt massiv, unterscheidet sich aber im Aufbau deutlich vom Vorbild: Von innen nach außen folgen auf 17,5 cm Gasbetonstein, der zur Vermeidung von Baufeuchte nicht gemauert, sondern geklebt wurde, eine Luftschicht von 8 cm, die mit Blähtonkügelchen gefüllt ist, 25 cm Stahlbeton, 20 cm Dämmwolle, eine Luftschicht von 8 cm und als Außenfassade Glasplatten, die nur 0,8 cm dick sind. Auch mit diesem Wandaufbau lässt sich ein relativ konstantes Magazinklima erzielen, wie die Erfahrungen im letzten Jahrzehnt gezeigt haben. Weil aus verschiedenen, vor allem ökonomischen Gründen keine Bautrocknungsphase von zwei Jahren möglich war, sondern das Magazin bald nach Fertigstellung bezogen werden musste, konnte das angestrebte Magazinklima nicht erzielt werden. Zur Abhilfe wurde deshalb nachträglich ein Ventilatorensystem zum Luftaustausch eingebaut, das so lange genutzt wurde, bis die gewünschten Klimawerte erreicht wurden. Es kann auch künftig bei extremen Wetterlagen eingesetzt werden. Dies gilt auch für die Heizung. Um das Verstauben des Magazins zu vermeiden und - als Folge - die Feuchtigkeitszufuhr durch die Reinigung des Fußbodens und der Regale zu reduzieren, sollen im Staatsarchiv Hamburg alle Archivalien vor der Lagerung im Magazin abgesaugt werden. Falls beim Ausheben der Akten Papierbrösel herunterfallen, sollen sie sofort mit einem Handstaubsauger aufgesaugt werden. Durch diese Maßnahmen kann erreicht werden, dass das Magazin - anders als andernorts üblich - nur alle fünf Jahre von einer Spezialfirma gereinigt wird, die mit Mikrofaser-Reinigungsgeräten wischt, die nur leicht angefeuchtet wurden. So kann das Magazinklima weitgehend stabil bleiben. Neben anderen Bauten folgt auch der Neubau des Landeskirchlichen Archivs der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern, das zurzeit in Nürnberg gebaut wird (Grundsteinlegung September 2011, Richtfest Juli 2012), dem Hamburger Vorbild. Mit dem Klimakonzept wurde die Firma Alectia A/S (Dänemark), bis 2008 Birch & Krogboe, beauftragt, die bereits an der Planung der Archive in Schleswig und Hamburg mitgewirkt hat. Beim Wandaufbau der Archivmagazine wird aus bautechnischen Gründen deutlich unterschieden zwischen den Obergeschossen und den beiden Untergeschossen. In den Obergeschossen sieht der Wandaufbau - von innen nach außen - 10 cm Porenbeton als hygroskopische Masse, 30 cm Stahlbeton, 25 cm Glas- oder Steinwolle als nicht brennbare Isolierschicht, 2 cm Hinterlüftung sowie eine Sonnen- und Regenfassade vor, die von den Architekten als Kupferfassade geplant wurde. In den Untergeschossen folgen auf den Porenbeton eine weiße Wanne aus Stahlbeton, eine am Beton haftende Abdichtung sowie eine Isolierschicht. Die Bodenplatte und die Geschossdecken sind ebenfalls isoliert. Wie in Schleswig und Hamburg werden die Archivalien vor der Lagerung im Magazin klimatisiert; ebenso sind Zugang und Aufenthaltsdauer der Mitarbeitenden beschränkt. Auf diese Weise soll ein konstantes Magazinklima erzeugt werden. Wie in Hamburg wird die Möglichkeit bestehen, im gegebenen Fall das Magazinklima durch Lüftung und Heizung zu optimieren. Das Schleswiger Modell ist eine Methode zur Klimatisierung eines Archivmagazins, die relativ technikunabhängig ist. Es wird vor allem die Klimaanlage für die Vorklimatisierung benötigt. Dies erfordert einen gewissen organisatorischen und logistischen Aufwand, insbesondere bei der ersten Einlagerung der bereits vorhandenen Archivalien. Es hat sich bewährt, Archivbestände, die häufig im Original benutzt werden, in eigenen klimatisierten Räumen zu lagern. Zeitschrift", 86(2004), S. 323-355. 5. Hans-Dieter Loose, Der Neubau des Staatsarchivs Hamburg, „Archivalische Zeitschrift", 83(2000), S. 39-71. Christian KRUSE: Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten, 133-140 1.2 „Thermoskanne" mit Klimatisierung Bereits das Schleswiger Modell folgt - nach Stein - dem „Prinzip der Thermoskanne", der Trennung des Innenklimas vom Außenklima. Das gleiche gilt für Archivbauten, die auf eine Vorklimatisierung der Archivalien verzichten. Dieser Verzicht hat zur Folge, dass eine Klimatisierung des Magazins erforderlich wird, die ein unterschiedliches Ausmaß erreichen kann. Häufig handelt es sich um eine Kombination aus Lüftungsanlage und Heizung, teilweise kommt eine Kälteanlage hinzu. Damit sind wir, wenn wir nur auf die Klimatechnik blicken, im Grunde wieder bei den Magazinbauten der 1960er Jahre. Der Unterschied besteht aber vor allem darin, dass der komplexe, mehrschichtige Wandaufbau in der Nachfolge des Schleswiger Modells beibehalten wird. Das Magazinklima wird demnach sowohl über den Baukörper als auch über die Klimatisierung erzielt. Neuestes Beispiel ist der Magazinneubau des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde (2011)6. Der fensterlose Magazinbau folgt dem bereits mehrfach angesprochenem Wandaufbau mit - von innen nach außen - 30 cm Stahlbeton, einer Dämmschicht von 16 cm, eine Hinterlüftung von 4 cm sowie einer Ziegelfassade. Eine zentrale Lüftungsanlage arbeitet mit Fischluft, die_ vorher von Luftschadstoffen und Mikroorganismen gereinigt wurde. Die Klimaanlage, die für den Öffentlichkeitsbereich vorgesehen ist, kann im Notfall auch für eine Konditionierung des Magazinklimas genutzt werden. In Bayern werden auch der Neubau des Staatsarchivs Landshut und der Magazinanbau des Staatsarchivs Augsburg im Wesentlichen diesem Vorbild folgen (siehe unter 1.3). Wichtig ist dabei, dass man bei dem Bau einer „Thermoskanne" in keinem Fall zwischen der Wand (Ziegel oder Beton) und der Dämmschicht eine Dampfsperrfolie vorsieht. Dieser Wandaufbau, der beim Neubau des Bundesarchivs in Koblenz (1986) verwirklicht wurde, hatte dort dazu geführt, dass im Magazin ein künstliches Kellerklima herrschte und ein massiver Schimmelpilzbefall auftrat. Hier ist nicht der Ort, um von den seinerzeitigen Gegenmaßnahmen zu berichten. 1.3 Entwicklung in Bayern Die Planungsgeschichte des Neubaus des Staatsarchivs Landshut begann 1990 und wurde 1996 jäh unterbrochen, als die Haushaltsunterlage-Bau (HU-Bau) - die vollständige Entwurfsplanung mit Ermittlung der Baukosten - bereits fertiggestellt war. Zu diesem Zeitpunkt lag jedoch die Ausführungsunterlage-Bau (AFU-Bau) - die Detailplanung - noch nicht vor. Erst im Dezember 2008 konnte die Bauplanung wieder aufgenommen werden. Hierfür war zuerst die HU-Bau von 1996 auf den heutigen gesetzlichen und technischen Stand zu setzen, was wegen der zahlreichen neuen Entwicklungen im Baubereich zeitaufwändig war. In der HU-Bau von 1996 war eine Klimatisierung des Magazins nach dem Kölner Modell vorgesehen, so wie sie auch im Neubau des Staatsarchivs Augsburg (1989) umgesetzt worden war: ein mehrschichtiger, massiver Wandaufbau ohne Dämmung, die aktive händische Querlüftung durch hohe Fensterschlitze auch den beiden Längsseiten des Magazins, das rund 15 Meter breit und in Winkelform rund 140 Meter lang sein wird. 2009 wurde vom beauftragten Bauphysiker in einem Gutachten festgehalten, dass das Klimakonzept von 1996 nicht umsetzbar sei. Mündlich erläuterte er, dass das örtliche Klima in Landshut, das im breiten Flusstal der Isar liegt, wegen des zu geringen Windaufkommens nicht ausreiche, um bei einer Querlüftung für einen raschen Luftaustausch zu sorgen. Aus diesem Grund wurde das Klimakonzept vollkommen umgestellt: vom „Kölner Modell" zur „Thermoskanne" mit Klimatisierung. Eine Klimatisierung nach dem „Schleswiger Modell" war schon allein deshalb nicht möglich, weil der im Jahr 1996 festgelegte Rohbau nur noch bei nicht tragenden Zwischenwänden geändert werden durfte und deshalb die Einrichtung von zusätzlichen Vorklimatisierungsräumen nicht möglich war. 6. Sebastian Barteleit, Archivbau an der Schwelle zum 21. Jahrhundert am Beispiel des Neubaus des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde, In Archive im Kontext. Öffnen, Erhalten und sichern von Archivgut in Zeiten des Umbruchs. Festschrift für Prof. Dr. Hartmut Weber zum 65. Geburtstag, Hrsg. Angelika Menne-Haritz/Rainer Hofmann, Düsseldorf 2010, S. 383-392. Christian KRUSE: Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten, 133-140 Es wurde daher entschieden, auf Fenster zu verzichten, den Wandaufbau durch eine Dämmung zwischen der Wand und der Hinterlüftung zu ergänzen, um damit das Innenklima vom Außenklima zu trennen. Das angestrebte Magazinklima mit einer Temperatur von 16 bis 20° C und einer relativen Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 55 Prozent soll nun durch eine Lüftungsanlage mit einem 0,5-fa-chen Luftwechsel erreicht werden, das heißt, dass soviel Luft zugeführt wird, dass die Innenluft alle zwei Stunden vollständig ausgetauscht wird. Die Lüftungsanlage soll allerdings nur dann betrieben werden, wenn mit entsprechenden Messgeräten ermittelt wurde, dass das Außenklima besser geeignet ist als das Innenklima. Bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit im Sommer soll solange nicht gelüftet werden, bis wieder geeignete Bedingungen herrschen. Hinzu kommt - insbesondere für das Winterhalbjahr - eine Heizung entlang der Außenwände. Die Magazine befinden sich im Unter-geschoss, das rückwärtig ein Parterre ist, und im 1. bis 3. Obergeschoss. Das 1989 eingeweihte Staatsarchiv Augsburg besitzt - wie schon erwähnt - ein Magazin, dass den Vorgaben des „Kölner Modells" folgt: ein mehrschichtiger Wandaufbau ohne Dämmung und schmale Fenster zum Querlüften, das nicht täglich, aber mindestens einmal wöchentlich in den Morgenstunden durch Mitarbeiter vorgenommen wird. Bei einem Gang durch sämtliche Magazine werden die Fenster geöffnet und bei einem zweiten Gang wieder geschlossen. Weil die Kapazität der Magazine des Staatsarchivs Augsburg bereits nahezu erschöpft ist, wird zurzeit ein Magazinanbau geplant, in dem Archivalien im Umfang von rund 16 laufenden Kilometern untergebracht werden sollen. Die HU-Bau liegt seit Juli 2012 vor und durchläuft danach den üblichen Genehmigungsweg (Regierung, Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags). Nach den jetzigen Planungen soll 2013 mit dem Bau begonnen werden. Das Baugrundstück lässt wegen der relativ geringen Größe nur einen sehr kompakten Bau zu. Der Bau wird eine Grundfläche von knapp 22 Metern im Quadrat und eine Höhe von rund 20 Metern haben. Er wird aus einem Untergeschoss, einen Erdgeschoss und sechs Obergeschossen bestehen. Für diesen Anbau wird ein anderes Klimakonzept umgesetzt als im Bau von 1989. Hintergrund sind einerseits bauklimatische Gründe: Um die Höhe optimal auszunutzen wird auf das Kaltdach des bisherigen Baus verzichtet, so dass die Sonne direkt auf das Dach strahlt; auch die den bisherigen Bau deutlich überragenden Außenwände werden intensiv von der Sonne beschienen. Hinzu kommt ein Insektenbefall durch den Gewöhnlichen Nagekäfer (Anobium punctatum), landläufig Holzwurm genannt, im Staatsarchiv Augsburg, der in den Jahren 2002 und 2007 festgestellt wurde7. Es konnte weder völlig ausgeschlossen werden, dass der Schädling während des Lüftens durch die Fenster in das Magazin eingedrungen ist, noch, dass das Licht, das durch die Fenster ins Magazin fällt, für die Entwicklung und Vermehrung der Käfer förderlich war. Mit Klebefallen wurden 2002 insbesondere an den Fenstern zahlreiche Insekten gefangen. Eine Frostbehandlung der betroffenen Bände im Jahr 2002 blieb ohne nachhaltigen Erfolg, so dass 2007 zu Giftgas gegriffen werden musste. Aus diesen Gründen wird auch der Magazinanbau des Staatsarchivs Augsburg als fensterloser Bau mit einer mehrschichtigen Wand und einer Klimatisierung geplant. Diese wird nach den jetzigen Planungen aus einer Lüftungsanlage und einer Heizung entlang der Außenwände bestehen. Hinzu kommt eine Kühlungsanlage, mit der insbesondere in den heißen Monaten im Sommer über gekühlte Luft die oben genannten Klimawerte eingehalten werden sollen. Die Kühlungsanlage wurde vom Klimatechniker ausdrücklich empfohlen. Bis zur Vollklimaanlage fehlt damit nicht mehr viel. 1.4 Das Passivhaus als Alternative? Im Magazinneubau des Sächsischen Staatsarchivs, Hauptstaatsarchiv Dresden (2011)8, wird ein neuer Weg beschritten. Bei dem Bau soll der sogenannte Passivhaus-Standard eingehalten werden. Es handelt sich somit um einen Bau mit einer hohen Energieeffizienz, zu der eine gute Wärmedämmung 7. Peter Fleischmann, Begasung eines Magazins im Staatsarchiv Augsburg wegen Schädlingsbefalls" Archive in Bayern", 4(2008), S. 129-136. 8. sächsisches staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden. Erweiterungsbau, Umbau und sanierung, Hrsg. Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), Dresden 2011. Christian KRUSE: Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten, 133-140 ebenso beiträgt wie eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Die Passivität des „Passivhauses" besteht darin, dass der Wärmebedarf vorwiegend nicht aktiv erzeugt, sondern aus passiven Quellen gedeckt wird, z.B. durch die Wärme, die durch Menschen und Geräte erzeugt wird, oder durch die Sonneneinstrahlung. Die zitierte Broschüre nennt folgende Richtwerte, die dem Standard des Passivhaus-Instituts Darmstadt (PHI) entsprechen: einen Jahreswärmebedarf von weniger als 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter, einen Luftdichtigkeitswert von wenige als 0,6 pro Stunde (entspricht in etwa dem Luftwechselfaktor) sowie einen Primärenergieverbrauch durch sämtliche elektrischen Geräte und durch die Wasseraufbereitung von weniger als 120 Kilowattstunde pro Quadratmeter. Im Magazinneubau werden diese Normwerte dies durch das Zusammenspiel zahlreicher technische Anlagen erreicht, durch • Fernwärme, • eine Brunnenanlage, in der Grundwasser für den Kältebedarf gewonnen wird, • eine Lüftungsanlage mit Wärme- und Feuchterückgewinnung sowie • einen Kaltdampfbefeuchter für die Befeuchtung der Zuluft. Durch den niedrigen Energieverbrauch sind auch Betriebskosten sehr niedrig - dies ist für den Nutzer auch angesichts der steigenden Energiekosten sehr zu begrüßen. Die Investitionskosten sind dagegen durch die zahlreichen technischen Anlagen dagegen höher als Vergleichsbauten. Der Magazinneubau und die Sanierung des bisherigen Altbaus kosteten insgesamt 41 Millionen Euro. In den Magazinen des Neubaus und des umgebauten Altbaus können 54 laufende Kilometer Archivalien gelagert werden. Wie sich die Wartungskosten im langjährigen Mittel entwickeln, wird sich zeigen. Zu den genannten technischen Anlagen kommt eine Hochdruck-Wassernebel-Löschanlage, die dem Brandschutz dient. Zu hoffen ist, dass der Neubau trotz der Nähe zur Elbe und der drei Untergeschosse nicht von einem Hochwasser betroffen wird. Es muss abgewartet, ob dieses Magazin mit seinen hohen Investitionskosten und den geringen Betriebskosten zum Vorbild für andere Bauten wird. Wegen des zum Teil langen Vorlaufs der Bauplanung brauchte auch die Nachfolge der prägenden Vorbilder in Köln und in Schleswig eine gewisse Zeit. 2. Adaption vorhandener Bauten als Alternative Eine Alternative zu einem Neubau ist die Adaption eines vorhandenen Baus für archivische Zwecke. Die zahlreichen Beispiele müssen hier nicht aufgezählt werden. Für die Klimatisierung kann eine Adaption Möglichkeiten bieten, die ein traditioneller Neubau nur gelegentlich hat: Wenn der genutzte Baukörper groß genug ist und über eine ausreichende Statik verfügt - Grundvoraussetzungen bei der Auswahl des Objekts -, kann das Magazin als Bau im Bau gestaltet werden. Die Magazinaußenwände sind dann nicht unmittelbar der Witterung ausgesetzt, der umgebende Baukörper trägt bereits dazu bei, das Innenklima des Magazins vom Außenklima zu trennen. Bei den zwei Adaptionen, die ich als Beispiele heranziehe, wurde diese Möglichkeit ganz oder teilweise umgesetzt. In beiden Fällen handelt es sich um frühere Fabriken. Für das neue Landesarchiv Berlin (2001)9 wurde eine ehemalige Kugellagerfabrik aus dem Jahr 1913 gewählt, die später durch eine Industriehalle erweitert wurde. Das Magazin, das 24 Räume umfasst, wurde in der sehr geräumigen Industriehalle untergebracht, die Arbeitsräume und Werkstätten im Bau von 1913. Als Außenwände genügten Trockenbauwände aus massivem Kalksandstein, die geklebt wurden und dadurch den Vorteil boten, dass die Zeit der Bautrocknung verkürzt werden konnte. An drei Seiten ist das Magazin von Verwaltungs- und Werkstatträumen umgeben, an der vierten Seite ist es durch einen langen Gang von der Außenfassade getrennt. Der bei einem Magazin ohne Vorklimatisierung für das Magazinklima erforderliche Luftwechsel wird durch eine Lüftungsanlage mit einem 0,5-fachen Luftwechsel pro Stunde erzielt. Insbesondere im Winter kann geheizt werden. Für das neue Stadtarchiv Erlangen (2011) wurde das Backsteingebäude einer medizintechnischen Fabrik aus dem Jahr 1911 gewählt. Das Magazin besitzt an drei Seiten keine Außenwand: auf 9. Martin Luchterhandt, Metamorphose eines Baudenkmals. Der lange Weg zum neuen Standort des Landesarchivs Berlin, „Archivalische Zeitschrift", 85(2003), S. 259-297. Christian KRUSE: Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten, 133-140 der Ostseite ist es von archivischen Funktionsräumen (Lesesaal, Büros), abgeschirmt auf der Südseite durch einen Gang, auf der Westseite durch die Fortsetzung des Baus, die anders genutzt ist. Nur an der Nordseite, die durch die Sonneneinstrahlung kaum betroffen ist, hat das Magazin eine Außenwand. Die Fenster sind nach außen mit Spiegelglas verblendet, so dass der Charakter historischer Fenster erhalten bleibt, ein Lichteinfall aber vermieden wird. Das Magazin wird vor allem durch eine Lüftungsanlage klimatisiert, deren Funktion durch elektronische Klimamessgeräte überwacht wird. 3. Welche Variante ist zu wählen? Für die Klimatisierung von Archivmagazinen gibt es vermutlich keine Ideallösung. Zu berücksichtigen sind zahlreiche verschiedene Faktoren. Genannt seien • die örtlichen klimatischen Verhältnisse, die für Norddeutschland (Schleswig, Hamburg) mit einem milden Seeklima und einem fast ununterbrochen wehendem Wind anders sind als für Ostdeutschland (Berlin) und Süddeutschland (Augsburg, Landshut) mit einem Landklima • die Lage und die Größe des zugewiesenen Baugrunds • die vorhandenen Haushaltsmittel • die rechtlichen Vorgaben, deren Einhaltung vom zuständigen Bauamt zu überwachen sind • die politischen Vorgaben • die Vorbildfunktion bestehender Archivbauten, bei denen die Vorbilder im Lauf der Jahre durchaus wechseln • die Nutzervorgaben, die besonders in die Projektbeschreibung zu Beginn der Planung einfließen können • der Gestaltungswille des Architekten • der Gestaltungsmut und der Erfahrungsschatz des Bauphysikers und des Klimatechnikers • die Vorgaben des verantwortlichen Bauamtes, das das Planungsverfahren leitet und damit auch steuert, außerdem häufig die Bauaufsicht wahrnimmt (es empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit zwischen Nutzer und Bauamt) • oder auch bereits genehmigte bauliche Vorgaben, die nur wenig Spielraum lassen, wie bei einem Bau mit einer langen Planungsunterbrechung wie in Landshut. Aus meiner Sicht bietet das Schleswiger Modell in der Hamburger Ausprägung, d.h. mit der Möglichkeit einer Magazinklimabeeinflussung im Notfall, viele Vorteile: ein stabiles Klima ohne technischen Aufwand im Hauptmagazin und somit sehr geringe Betriebskosten. Erforderlich sind wie geschildert die Vorklimatisierung, die Zugangsbeschränkung und die Reinigung der Archivlaienzugänge, außerdem in gewissem Umfang eine logistische Planung bei der Archivaliennutzung. Beim Passivhaus-Magazin in Dresden sind die Ergebnisse abwarten. Falls die relativ hohen Investitionskosten aufgebracht werden können, könnte sich diese Form der Klimatisierung zu einer Alternative entwickeln. Durch die Praxis bewährt hat sich die Bauform, die von mir in der Nachfolge Steins zugespitzt „^ermoskanne" mit Klimatisierung genannt wird, die Kombination aus einem dämmendem, mehrschichtigen Baukörper und einer Lüftungsanlage und Heizung. Die Betriebskosten liegen bei diesem Typus höher als bei dem Schleswiger Modell und dem Passivhaus. Sie halten sich aber aus heutiger Sicht im Rahmen. Spannend und hilfreich wäre es, wenn in größerem Maß, als es bisher geschehen ist, langjährige Reihen der ungeschönten Klimadaten vorhandener Archivmagazine veröffentlicht würden, damit man auch als Außenstehender vergleichen kann, wo tatsächlich die gewünschten Klimadaten konstant eingehalten werden und wo nicht. Die meisten Veröffentlichungen zum Archivbau entstehen ja im Umfeld der Eröffnung und können daher noch nicht schildern, ob sich das Geplante auch in der Praxis bewährt hat. Christian KRUSE: Neubau, Adaption, Passivhaus: neuere deutsche Archivbauten, 133-140 summary Using several examples, the contribution provides a summary of archive buildings that have been erected in Germany during the last few years. - „Schleswig Model": In constructing the new Schleswig-Holstein State Archives (1991), the massive wall construction of the city of Cologne's Historical Archive (l971) was used in part, but a layer of insulating material was added to this between the brick wall and the fafade, which was ventilated from the rear. This completely separated the atmosphere in the storage areas from the atmosphere outside. A long drying period (2 years), a pre-acclimatisation of the records to be stored, an atmospheric lock and limited access, enabled a stable atmosphere to be created in the storage area without the necessity of ventilation. The newly built State Archives in Hamburg (2000) and the Provincial Church Archives of the Evangelical-Lutheran Church in Bavaria in Nürnberg (completion 2013) are also using this model. - „Thermos flask" with air conditioning: Many buildings have applied the wall construction applied in Schleswig or Hamburg but have dispensed with pre-acclimatisation. They therefore need ventilation. The newly constructed State Archive in Landshut (foundation stone laid in 2012) follows this example, as does the storage annex of the State Archive in Augsburg (in the planning stage). - „Adaption": It is possible to choose other routes when existing buildings are used. For example, storage areas can be constricted as a building within a building - without any or with only a few walls - as in the case of the Provincial Archives in Berlin (2001) or the City Archives Erlangen (2011). - „Passive house": A new way has been tried in the construction of the new Saxon State Archives store within the main state archives in Dresden (2011). The new building includes a number of technical installations: community heating, a well that uses subterranean water for cooling purposes, a ventilation system that recycles heat and moisture and a cold humidifier in order to moisten incoming air. This is intended to achieve a considerable reduction in both energy consumption and operating costs. The fire protection system uses a high-pressure fine water spray extinguisher. One wi l have to wait and see whether other buildings will follow this store's example. Original scientific article Submitting date: 30.03.2012 Acceptance date: 30.06.2012