GRUNDLAGEN DER SEMANTIK Zweite Ausgabe Autorin Alja Lipavic Oštir Juni 2020 Titel Naslov Grundlagen der Semantik Titel Untertitel Zweite Ausgabe Autorin Alja Lipavic Oštir Avtorica (Universität Maribor, Philosophische Fakultät) Simona Fraštíková Rezension (Universität des Heiligen Cyrila eine Methode in Trnava, Lehrstuhl Recenzija für Germanistik) Sprachprüfung Anna Leskovich Lektoriranje Technischer Redakteur Jan Perša Tehnični urednik (Universität Maribor, Universität Press) Cover Designer Jan Perša Oblikvoanje ovitka (Universität Maribor, Universität Press) Cover-Grafiken Pferdefreiheit in Schweden, Autor: Bojan Oštir, Privatarchiv Grafika na ovitku Grafische Anhänge Autorin Grafične priloge Verleger Herausgeber University of Maribor, University Press Universität Maribor, Philosophische Fakultät Slomškov trg 15, 2000 Maribor, Slowenien Koroška cesta 160, 2000 Maribor, Slowenien https://press.um.si, zalozba@um.si http://ff.um.si, ff@um.si Buchausgabe Zweite Ausgabe Izdaja Buchart E-Buch Vrsta publikacije Verfügbar http://press.um.si/index.php/ump/catalog/book/482 Dostopno na Herausgabedatum Maribor, Slowenien, Juni 2020 Izdano © University of Maribor, University Press Text / Besedilo © Lipavic Oštir 2020 Diese Arbeit unterliegt den Bestimmungen der Creative Commons Attribution 4.0 International License. / To delo je objavljeno pod licenco Creative Commons Priznanje avtorstva 4.0 Mednarodna. https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ CIP - Kataložni zapis o publikaciji Univerzitetna knjižnica Maribor 811.112.2'37(075.8)(0.034.2) LIPAVIC Oštir, Alja Grundlagen der Semantik [Elektronski vir] / Autorin Alja Lipavic Oštir. - 2. Ausg. - Maribor : Univerzitetna založba Univerze, 2020 Način dostopa (URL): http://press.um.si/index.php/ump/catalog/book/482 ISBN 978-961-286-348-7 doi: doi.org/10.18690/978-961-286-348-7 COBISS.SI-ID 18666243 ISBN 978-961-286-348-7 (PDF) DOI https://doi.org/10.18690/978-961-286-348-7 Preis Freie Kopie Cena Verantwortliche Person des Herausgebers prof. dr. Zdravko Kačič, Rektor der Universität Maribor Odgovorna oseba založnika GRUNDLAGEN DER SEMANTIK ZWEITE AUSGABE ALJA LIPAVIC OŠTIR Universität Maribor, Philosophische Fakultät, Maribor, Slowenien, e-mail: alja.lipavic@um.si Zusammenfassung Die vorliegende zweite Ausgabe des Universitätslehrbuches bringt Inhalte aus den Bereichen der linguistischen Semantik für Studierende der Germanistik. Einzelne Kapitel können auch im Rahmen anderer Fächer der linguistischen wie auch anderer Studienprogramme eingesetzt werden. Das Lehrbuch erläutert relevante Grundbegriffe und die Semantik der Sprachzeichen hinsichtlich einzelner Sprachebenen. Alle Begriffe werden entsprechend il ustriert und Schlüsselbegriffe: mit Aufgaben begleitet, in denen Beispiele aus verschiedenen Semantik, Sprachen vorkommen. Das Lehrbuch nimmt keine Stel ung zu Mentallexikon, einzelnen semantischen Theorien, sondern bringt Spr achzeichen, Bedeutung, Grundinformationen wie auch Vorschläge für das weitere semantische Studium. Seine Struktur ist dem Sprachsystem angepasst, das Merkmalanalyse, Lehrbuch enthält aber auch einige Fallstudien (Wortsemantik: Prototypen, Stereotypen, Substantivs vs. Adjektiv und die semantischen semantische Genitivinterpretationen). Relationen. DOI https://doi.org/10.18690/978-961-286-348-7 ISBN 978-961-286-348-7 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir Inhalt VORWORT ..................................................................................................... 1 1 LANGZEITGEDÄCHTNIS UND MENTALES LEXIKON ................... 5 2 GRUNDINFORMATIONEN ZUR SEMANTIK .................................. 11 2.1 Bedeutungen erforschen ............................................................................................ 15 3 SPRACHZEICHEN .............................................................................. 21 3.1 Eigennamen als Sprachzeichen ................................................................................ 26 4 WORTSEMANTIK ............................................................................... 31 4.1 Merkmalhypothese/-analyse ..................................................................................... 35 4.2 Prototypensemantik .................................................................................................... 43 4.2.1 Prototyp und/oder Stereotyp? .................................................................................. 48 4.3 Wortsemantik: Substantiv vs. Adjektiv ................................................................... 50 5 SATZSEMANTIK ................................................................................. 59 5.1 Strukturbedeutung (Deklarativsätze) ....................................................................... 62 5.2 Strukturbedeutung (Interrogativsätze) .................................................................... 64 5.3 Strukturbedeutung (Imperativsätze) ........................................................................ 66 5.4 Semantische Relationen zwischen den Sätzen ....................................................... 67 5.5 Thematische Rollen im Satz...................................................................................... 69 6 FALLSTUDIE: GENITIV UND SEMANTISCHE INTERPRETATIONEN ..................................................................................................... 73 LITERATUR................................................................................................. 79 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir VORWORT Dieses Lehrbuch hat als Zielgruppe Studierende der Germanistik, die im Rahmen ihres Bachelorstudiums Germanistik als Einzel- oder Doppelfach erste Kenntnisse auf dem Gebiet der Semantik erwerben. Darüber hinaus kann das Lehrbuch auch von Studierenden der Translatologie angewendet werden. Das Lehrbuch eignet sich für Fächer wie Einführung in die Semantik oder Grundlagen der Semantik, einzelne Kapitel bzw. das ganze Lehrbuch können aber auch im Rahmen anderer Fächer eingesetzt werden. Es setzt linguistische Kenntnisse voraus, die in den ersten Jahren des Studiums an einer Auslandsgermanistik üblicherweise erworben werden. Alle relevanten Grundbegriffe werden erklärt und illustriert. Was unterschiedliche semantische Theorien angeht, nimmt das Lehrbuch keine Stel ung zu einzelnen Theorien, sondern versucht die Inhalte aus der Semantik neutral zu beschreiben, soweit das möglich ist. Ein wichtiger Punkt im Konzept des Lehrbuchs sind die Verbindungen der einzelnen Punkte aus dem Inhalt mit verschiedenen Sprachebenen wie Phonologie, Morphologie, Syntax und mit einigen linguistischen Subdisziplinen wie Sprachkontakte und historische Linguistik. Alle Verbindungen sollen den Studierenden helfen, die Semantik in die Linguistik einzuordnen und Sprachen als komplexe Organismen zu verstehen, besonders aus dem Grund, weil im Rahmen des Studiums die einzelnen Bereiche oft als getrennte Fächer vorkommen. 2 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Einzelne Inhaltspunkte werden im Lehrbuch durch sprachliche Belege erklärt und illustriert. Obwohl das Lehrbuch auf Deutsch geschrieben worden ist und die meisten Belege aus dieser Sprache kommen, gibt es auch Beispiele aus dem Slowenischen und aus anderen Sprachen, um eine sprachenvergleichenden Perspektive in die Themen zu bringen. Jedes Thema bzw. jeder relevante Begriff im Lehrbuch wird durch Fragen zum Nachdenken, Vergleichen, Il ustrieren begleitet; diese Fragen werden laufend nummeriert und mit dem Buchstaben C (= cogitare, lat. 'denken') gekennzeichnet. Einige Fragen geben auch Hinweise für die weitere Arbeit oder überprüfen das Verstehen der Inhalte. Im Lehrbuch werden Grundlagen der Semantik behandelt, wobei die Struktur des Lehrbuchs dem Sprachsystem angepasst wird, was auch die Anordnung der Kapitel zeigt. Das Kapitel 1 bringt einige Erklärungen zum Thema Sprache und Gedächtnis, im Kapitel 2 wird die Semantik als Forschungsbereich besprochen, zusammen mit den gängigen Forschungsansätzen, und im Kapitel 3 werden Grundüberlegungen zum Begriff Sprachzeichen skizziert. Das Kapitel 4 ist dem Thema Wortsemantik gewidmet, wobei die Merkmalhypothese und die Prototypensemantik im Vordergrund stehen. Dem folgt eine Fallstudie zur Semantik der Substantive und der Adjektive. Im Kapitel 5 wird anhand verschiedener Perspektiven die Satzsemantik besprochen. Im Kapitel 6 folgt eine Auseinandersetzung mit den Genitivinterpretationen, die in aktuellen Grammatiken aufgelistet werden. Das letzte Kapitel bringt eine Literaturliste. Bei der Erstel ung des Lehrbuchs sind folgende zwei Grundwerke zur Semantik aus dem deutschsprachigen Raum verwendet worden: Schwarz/Chur (2004) und Pafel/Reich (2016). Beide Werke sind an manchen Stellen vergleichend zur Hilfe gezogen worden. Zahlreiche Beispiele und Illustrationen sind von mir erfasst worden, genauso die Diskussion der semantischen Interpretationen des Genitivs. Neben den zwei Grundwerken zur Semantik sind auch andere linguistische Monographien und Artikel zur Hilfe gezogen worden, wie aus den Literaturquellen zu erkennen ist. Die Absicht dieses Lehrbuchs ist es nicht, einen Überblick über die heutige Forschung zur Semantik zu geben, sondern es soll lediglich als ein Lehrbuch für Auslandsgermanisten verstanden werden. Vorwort 3. Alja Lipavic Oštir, ao. Universitätsprofessorin für deutsche Sprache an der Philosophischen Fakultät der Universität Maribor in Slowenien und an der Philosophischen Fakultät der Universität der hl. Cyril und Methodius in Trnava in der Slowakei. Forschungsbereiche: Sprachkontakte, Mehrsprachigkeit, Grammatikalisierungstheorie, Sprachbiographien der Grenzgänger, CLIL. 4 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir 1 LANGZEITGEDÄCHTNIS UND MENTALES LEXIKON Telefonnummer und Gedächtnis Jakob und Sara fahren mit dem Bus durch die Stadt. Auf einem Plakat sehen sie die Werbung für ein neues griechisches Restaurant. Sara liest laut die Telefonnummer des Restaurants vor. Der Bus fährt weiter und die Telefonnummer ist nicht mehr zu sehen. Jakob wiederholt die Nummer, die Sara vorgelesen hat, und tippt sie in sein Handy ein. Als sie eingetippt ist, vergessen beide die Telefonnummer. Sara fragt ihre Oma: „Wie ist die Telefonnummer von Tante Liesl?“ Oma antwortet: „Die gleiche seit vierzig Jahren. Die vergesse ich nie.“ Und sie diktiert Sara die Festnetztelefonnummer von Tante Liesl. Wir kommunizieren, formulieren sprachliche Äußerungen, denen wir Bedeutungen zusprechen. Was läuft dabei in unseren Köpfen ab? Auf welche Kenntnisse müssen wir zurückgreifen, damit wir sprachliche Äußerungen verstehen und produzieren können? 6 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. C1 1 Diskutieren Sie diese Fragen mit Ihrer Kollegin/Ihrem Kollegen und notieren Sie die Antworten. Sprachliches Wissen ist in unserem Gedächtnis verankert. In der modernen Linguistik wird die menschliche Sprache als ein komplexes kognitives Kenntnissystem betrachtet, das in unserem Langzeitgedächtnis (LZG) gespeichert ist (Schwarz/Chur 2004:13). Beim Sprechen und Verstehen der Sprache aktivieren wir Teile dieses Kenntnissystems. Alle unsere Leistungen hängen von Gedächtnisprozessen ab. Wir könnten niemanden als Bekannten erkennen, uns an kein Gedicht oder Kochrezept erinnern, keinen Satz produzieren oder verstehen, wenn wir nicht auf ein langfristig gespeichertes Wissensreservoir zurückgreifen könnten. Im Langzeitgedächtnis (LZG) ist unser gesamtes Wissen gespeichert und kann von dort bei Bedarf in das Kurzzeitgedächtnis (KZG) abgerufen werden, wo es auch verändert werden kann. Wie das funktioniert, zeigt uns z. B. das Modell von Atkinson und Shiffrin, entworfen 1968, genannt das Multi-Speichermodel : Abbildung 1 Quel e: Wikipedia2 1 C = cogitare, lat. denken 2 https://de.wikipedia.org/wiki/Drei-Speicher-Model Langzeitgedächtnis und Mentales Lexikon 7. C 2 a/ Lesen Sie den Text Telefonnummer und Gedächtnis noch einmal und besprechen Sie beide Szenen aus der Perspektive des Multi-Speichermodel s. b/ Was speichern wir im LZG? Sind das Laute, verknüpft zu Wörtern und/oder Wörter, verknüpft zu Sätzen? Wir wissen alle intuitiv, dass Wörter und Sätze Bedeutungen haben. Mit der Äußerung von Sätzen vollziehen wir bestimmte sprachliche Handlungen, d.h. wir realisieren bestimmte Absichten. C 3 Beim Fach Einführung in das germanistische Studium (Uvod v germanistični študij) haben wir versucht, den Begriff Wort zu definieren. Wie war das noch einmal? Was haben wir festgestel t? Steven Pinker (geb. 1954), amerikanischer Psycholinguist, schreibt in seinem Buch Der Sprachinstinkt (1994) darüber, dass die Menschen einen Instinkt für Sprachen haben, der sich aktiviert. Er denkt auch über Wörter nach, wie es auf den Seiten 169–177 seines Buches zu lesen ist. C 4 Lesen Sie die Abschnitte und versuchen Sie auf folgende Fragen Antworten zu finden: a/ Warum unterscheiden wir Wörter von Phrasen? b/ Was ist ein Listem? c/ Lesen Sie die Beschreibung des Tests auf der Seite 172 genau und führen Sie den Test selber durch. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen? 8 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. d/ » Wörter sind innerhalb einer Sprachgemeinschaft ein universales Tauschmit el.« Was meint Pinker damit? e/ Im Fach Einführung in das germanistische Studium (Uvod v germanistični študij) haben wir darüber gesprochen, dass natürliche menschliche Sprachen arbiträr sind. Wie beschreibt das Pinker und welche Beispiele führt er an? f/ Warum sind deiktische Pronomina nicht zu leicht zu erlernen? g/ Was schildert Pinker bzw. Quine mit der Gavagai! Geschichte? Zurück zum Langzeitgedächtnis. Wie gesagt, ist darin unser gesamtes Wissen gespeichert und kann bei Bedarf in das Kurzzeitgedächtnis abgerufen werden. Derjenige Teil des Langzeitgedächtnisses, in dem das sprachliche Wissen über Wörter repräsentiert ist, wird mentales Lexikon3 (Aitchison 1997:13) genannt. C 5 a/ Lesen Sie den folgenden Text4 über das mentale Lexikon und markieren Sie die wichtigsten Informationen. b/ Erstellen Sie eine Mind-Map zum Thema mentales Lexikon. Unser mentales Lexikon enthält al es, was wir über Sprachen wissen – es sind nicht nur Wörter, sondern auch Informationen zu der Phonologie, Morphologie, Syntax, Pragmatik, Rechtschreibung und Bedeutung der Sprachzeichen. Wie viele Wörter sind im mentalen Lexikon eines Erwachsenen gespeichert? Einige Quel en wie Wikipedia5 sprechen über eine Spanne zwischen 3000 und 200 000 Wörtern. Eine Studie hingegen, die britische Universitätsstudenten untersuchte, spricht von ca. 50 000 aktiv benutzten Wörtern. Zu dieser Menge muss man noch die Personen- und Ortsnamen sowie Redewendungen zählen. Interessant sind auch die Daten zu unserer Sprachrezeption und –produktion. Experimente haben nämlich gezeigt, dass Sprecher ein Wort ihrer Erstsprache innerhalb eines Fünftels der Sekunde vom Anlaut an erkennen und bis zu drei Wörter pro Sekunde produzieren. 3 Die Psycholinguistik verwendet dafür den Begriff semantisches Gedächtnis. 4 S. mehr dazu in Aitchinson 1997: 172ff. 5 https://de.wikipedia.org/wiki/Mentales_Lexikon Langzeitgedächtnis und Mentales Lexikon 9. Das heißt, dass diese Prozesse sehr schnel ablaufen. So etwas ist nur möglich, wenn unser Speicher, das mentale Lexikon, sehr gut organisiert ist. Wir verlieren keine Zeit mit dem „Suchen“ im mentalen Lexikon. Wie ist dieser für die Sprache solch wichtiger Speicher organisiert? Die erste Vorstel ung davon ist, dass es ein System sein muss und kein Chaos. Solche Speicher (als Systeme) kennen wir auch sonst in der Gesel schaft, weil sie unsere Kulturprodukte sind – gemeint sind vor allem Wörterbücher und Lexika. Die Printwörterbücher orientieren sich in ihrer Zugriffstruktur meistens nach dem Alphabet. Gilt das auch für das mentale Lexikon? Steckt in unserem Langzeitgedächtnis eine Art Mega-Enzyklopädie? Stimmt das? Dagegen sprechen mindestens zwei Argumente. (1) Unser Alphabet ist eine Art kulturelle Erfindung und geht auf die vorherigen Traditionen zurück. So geht die Linie der deutschen Schrifttradition auf folgende Traditionen zurück: Deutsches Alphabet ← lateinisches Alphabet ← altitalisches Alphabet ← griechisches Alphabet ← phönizische Schrift (11.-5. Jhr. v. Chr.). In der Linguistik vermuten wir, dass der Mensch seit ungefähr 40 000 v. Chr. spricht6 und im Vergleich dazu sind die schriftlichen Traditionen sehr jung. Es ist demnach unmöglich, dass das mentale Lexikon alphabetisch geordnet ist. (2) Beim Sprechen kommen immer wieder Versprecher vor. Bei ihnen wählen wir nicht das Wort, das dem gewünschten im Alphabet am nächsten steht, sondern wir produzieren ein Wort mit ähnlicher Lautung und Schreibung, z.B. Champignon statt Champion. Nicht nur die phonologische Struktur, auch die Bedeutung der Wörter kann entscheidend sein, indem wir Wörter mit einer ähnlichen Bedeutung verwechseln, z.B. Ich kaufe mir bei Guess einen Hoodie. statt Ich kaufe mir bei Guess ein Sweatshirt. Die Psycholinguistik teilt Versprecher in zwei Gruppen; Montagefehler und Selektionsfehler. Montagefehler sind solche, bei denen Elemente in einem Wort in einer falschen Reihenfolge vorkommen, z.B. Wurzelwortl für Wortwurzel. Bei Selektionsfehlern wird aus dem mentalen Lexikon aufgrund der Ähnlichkeiten in der Bedeutung oder in der Lautstruktur ein falsches Wort gewählt, z.B. Meine Oma ist seit Oktober achtzehn. statt Meine Oma ist seit Oktober achtzig. Der Vergleich unseres mentalen Lexikons mit einem Printwörterbuch zeigt auch einen weiteren Unterschied. Der Umfang eines Printwörterbuchs ist begrenzt und der eines mentalen Lexikons nicht. Das bedeutet, dass ständig neue Wörter hinzukommen, zu denen wir große Mengen von Informationen speichern. 6 Vgl. Comrie et al (1999:17f) 10 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Was das mentale Lexikon betrifft, ist auch die Frage interessant, ob ganze Wörter gespeichert werden oder z.B. nur einzelne Silben. Untersuchungen zeigen, dass Wörter sehr wahrscheinlich als ganze Einträge gespeichert sind, wobei Flexionsendungen normalerweise beim Sprechen angehängt werden, hingegen sind Derivationspräfixe und –suffixe aber bereits mit ihrem Stamm verknüpft. Ein Sprecher ist jedoch auch in der Lage, Wörter bei Bedarf zu zerlegen „dabei greift er auf einen Speicher mit Hintergrundinformationen zurück, der mit dem „lexikalischen Werkzeugkasten“ gekoppelt ist, mit dessen Hilfe neue Wörter erzeugt werden können“ (vgl. Aitchison, 1997:172). GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir 2 GRUNDINFORMATIONEN ZUR SEMANTIK Abbildung 2: Franz. Il faut se méfier des mots, dt. Achtet euch vor den Wörtern, Instal ation Autor: Ben Vautier, Paris 19937 In der Linguistik ist es die Semantik, die sich mit Bedeutungen beschäftigt. Die Semantik ist eine Teildisziplin der Linguistik, die sich mit der Analyse und Beschreibung von sogenannten „wörtlichen“ Bedeutungen von sprachlichen Ausdrücken beschäftigt. Je nach Forschungsinteresse können dabei unterschiedliche Aspekte der Bedeutung im Vordergrund stehen: Bedeutungsstruktur einzelner 7 https://www.atlasobscura.com/places/beware-of-words 12 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. sprachlicher Ausdrücke, semantische Beziehungen zwischen den sprachlichen Ausdrücken, Gesamtbedeutung von Sätzen, semantische Beziehungen der sprachlichen Ausdrücke zur außersprachlichen Wirklichkeit8. Der Begriff Semantik wurde im Jahre 1880 von Michel Bréal (1832 – 1915) eingeführt. C 6 Recherchieren Sie über Michel Bréal. Berichten Sie mündlich in der Gruppe. Abbildung 3: Michel Bréal Quel e: Wikipedia9 Der Begriff Semantik löste den älteren Begriff Semasiologie ab. Was bedeutet dieser Begriff? Semasiologie, Lehnwort aus dem grch. semasia (auch σεµα 'Zeichen') 'Bezeichnen, Zeichengeben' + grch. logos 'Wort'. Der Begriff Semasiologie wurde um 1825 von dem Altphilologen Karl Reisig eingeführt und wurde in der älteren, traditionellen Sprachwissenschaft für Semantik verwendet. Heute wird der Terminus für linguistische Semantik zur Abgrenzung gegen philosophische Semantik oder für diachronische Semantik (Bedeutungswandel) zur Abgrenzung gegen synchronisch-strukturelle gebraucht. Semantik ist die Lehre vom Inhalt der Sprachzeichen, sie untersucht die Bedeutungen der Sprachzeichen und ihre historischen Veränderungen. Zu den Sprachzeichen gehören auch Wörter. Wie es die folgenden Beispiele zeigen, fragt die Semantik, welche Bedeutungen z. B. ein Wort hat: 8 Vgl. Bußmann 1990:672f und s. mehr in Crystal 2002:100fff zu der traditionel en und modernen Auffassung von Semantik. 9 https://en.wikipedia.org/wiki/Michel_Br%C3%A9al Grundinformationen zur Semantik 13. (1) (2) (1) Schloss = zwei Inhalte, für die ein Ausdruck verwendet wird: Abbildung 4: Gebäude Quel e: Wikipedia10 Abbildung 5: Türschloss Quelle: Wikipedia 11 (2) Glas = vier Inhalte, für die ein Ausdruck verwendet wird: Abbildung 6: 'Stoff' Quel e: Pixabay CC0 Abbildung 7: 'Optisches Gerät' Quel e: Wikipedia12 Abbildung 8: 'Trinkgefäß' – 'Gefäß Quel e: Pixabay CC0 Abbildung 9: 'Gefäßinhalt' Quel e: Pixabay CC0 Für den Begriff Semantik gibt es verschiedene, aber auch ähnliche Definitionen. Im Folgenden sind zwei davon angeführt. Die erste bezieht sich auf die Bedeutung der Wörter, die zweite spricht über Sprachzeichen im Allgemeinen. 10 https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrschloss 11 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bf/Schloss_Schadau_am_Thunersee.jpg 12 https://de.wikipedia.org/wiki/Linse_(Optik) 14 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Semantik geht im Gegensatz zur Onomasiologie von dem Wort (seiner lautlichen Form) aus, stel t die semantischen Beziehungen zwischen den lexikalischen Einheiten dar, befasst sich mit Erscheinungen der Polysemie und Homonymie und bildet somit auch das Kernstück der Lexikologie. Semantik ist die Lehre von der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke in einer natürlichen Sprache, sie ist die Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen. Da die sprachlichen Zeichen (oder Sprachzeichen) eine Teilmenge der Zeichen im Allgemeinen sind, ist die Semantik selbst ein Teilgebiet der Semiotik, der Lehre von Zeichen im Allgemeinen. C 7 Denken wir über diese zweite Definition nach. Es muss noch andere Zeichen geben, nicht nur Sprachzeichen, wenn eine Wissenschaft (die Semiotik) sie untersucht. Welche Zeichen gibt es noch? Führen Sie Beispiele an. Überlegen wir diese Fragen noch weiter: C 8 a/ Was sind verbale Zeichen? b/ Was sind nonverbale Zeichen? Zum Vergleich noch einige Überlegungen zu der Semantik. Die Semantik ist eines der komplexesten Gebiete der Linguistik und sie hat enge Berührungspunkte mit der Philosophie, Logik, Mathematik und anderen Disziplinen. Manche Forscher sind der Meinung, die Semantik sei der Ausgangspunkt für jede humanistische (geisteswissenschaftliche) Beschäftigung. Aus diesem Grund zählt man sie manchmal nicht direkt zur Linguistik. Grundinformationen zur Semantik 15. 2.1 Bedeutungen erforschen Auf den ersten Blick scheint es relativ einfach zu sein, die Bedeutungen der Sprachzeichen zu beschreiben. Aber nur auf den ersten Blick, wie folgendes Beispiel zeigt. C 9 Denken Sie an das Wort Hund. Wen stellen Sie sich vor? Erzählen Sie Ihrer Kollegin/Ihrem Kollegen darüber. Die Forschung hat zu der zentralen Frage der Semantik, wie die Bedeutungen der Sprachzeichen zu definieren sind, im Laufe der Zeit unterschiedliche Ansätze und Methoden entwickelt, nach denen die Bedeutungen erforscht werden können. Hier sind einige, die am häufigsten angewendet werden13. a) Bedeutungen und Handlungen Die Idee besteht darin, dass wir die Bedeutung von sprachlichen Handlungen anhand der Verhaltensweisen, der Handlungen der Sprecher, die sich direkt beobachten lassen, identifizieren. Am besten kann man das bei Handlungen, wie zum Beispiel Befehlen, beobachten. Beispiel: Joseph sagt zu Liesl: Ruf mich morgen an! Die Liesl ruft den Joseph am nächsten Tag an. Daraus schließen wir, dass Liesl die Bedeutung des Befehls Ruf mich morgen an! verstanden hat und eine Handlung durchgeführt hat, die man wirklich beobachten kann. Wir können sagen, dass die Bedeutung des Satzes Ruf mich morgen an! mit der Handlung zusammenhängt. Gilt das für al e Sätze, z. B. auch für Aussagesätze, die einen Großteil unserer Kommunikation ausmachen? 13 Mehr zum Überblick bei Krifka 2003:4ff. 16 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Im Schulzimmer ist das Fenster geöffnet. Der Geographielehrer sagt: „ Es ist ein wenig kalt“. Und er schaut in Richtung des geöffneten Fensters. Emma sitzt neben diesem Fenster. Sie steht auf und macht das Fenster zu. Die Tatsache, dass Emma das Fenster zumacht, ist auf das Verstehen des Satzes Es ist ein wenig kalt. zurückzuführen. In der gleichen Geographiestunde erklärt der Lehrer: „ Nachhaltiger Tourismus ist eine Form des Tourismus, bei der wir so wenig wie möglich auf die Natur einwirken oder ihr schaden, die Natur so nah wie möglich erleben und uns der Kultur des bereisten Landes anpassen.“ Die Schüler und Schülerinnen notieren die Erklärung, vollziehen aber keine Handlung, die zeigen würde, dass sie die Erklärung verstanden haben. Hier besteht also keine systematische Beziehung zwischen dem Satz und der Handlung. Daraus könnte man schließen, dass es nur zwischen Befehlen und Handlungen eine klare Beziehung gibt. Leider ist es nicht so, weil es Situationen gibt, in denen ein Befehl verstanden wird, aber die Handlung trotzdem nicht ausgeführt wird. Es scheint ziemlich klar zu sein, dass man Bedeutungen nicht systematisch auf beobachtbare Handlungen zurückführen kann14. b) Bedeutungen und Gehirnzustände Es ist klar, dass Bedeutungen etwas mit mentalen Vorstellungen der Sprecher zu tun haben. Und es ist auch klar, dass jedem seine eigenen mentalen Vorstel ungen zugänglich sind, aber nicht die mentalen Vorstellungen anderer Personen. In der Forschung ist es bekannt, dass mentale Vorstel ungen in einen Zusammenhang mit physikalischen Zuständen im Gehirn gebracht werden können. Die moderne Technik erlaubt uns, das Gehirn während der Rezeption der Sprachen und während der Sprachproduktion zu beobachten. Dazu gibt es verschiedene Verfahren. − PET ( Positron Emission Tomography als Messung der Glukose-Konzentration) und fMRI ( functional Magnetic Resonance Imaging als Abbildung des Blutvolumens) haben gezeigt, dass Substantive und Verben in verschiedenen Bereichen des Gehirns verarbeitet werden. Nicht nur das, 14 Zu solchen Versuchen in der Wissenschaft sind Informationen im Buch Verbal Behavior (F. Skinner 1957) zu finden. Grundinformationen zur Semantik 17. das gilt auch für verschiedene Arten von Substantiven (solche für natürliche Objekte, für Tiere oder für Artefakte) und es gilt auch für verschiedene Verben (regelmäßige, unregelmäßige). Beobachtet wird das auch im Fal e von Aphasien, bei denen ein bestimmter Teil des Gehirns beschädigt ist und der Sprecher z. B. bestimmte Substantive nicht mehr kennt. − ERP ( Event-Related Potentials mit Erfassung der elektromagnetischen Wel en während der Gehirntätigkeit). Ein Wel entyp, der bei der linguistischen Informationsverarbeitung eine Rolle spielt, wird N400 genannt, weil diese Welle ihre maximale negative Amplitude 400 ms nach dem Einsetzen eines Stimulus erreicht. Diese Welle tritt auf, wenn ein Wort aus semantischen Gründen nicht an eine bestimmte Stel e passt, wie im folgenden Beispiel: Sie nahm das Buch und stel te es in das Regal./Sie nahm das Buch und stel te es in den Schuh. Diese Forschung steht am Anfang und ihr Problem ist, dass man zwischen der eigentlichen sprachlichen Bedeutung und den Konsequenzen, die eine Person daraus zieht, unterscheiden muss. Eine Person wird auf eine gegebene Information möglicherweise ganz anders reagieren als eine andere. Wie wir auf etwas reagieren, ist nämlich sehr komplex. c) Bedeutungen mit anderen Bedeutungen erklären Hier geht es um das Erklären der Bedeutungen eines Sprachzeichens durch das Zurückführen auf andere, viel eicht einfachere Sprachzeichen. Das machen wir immer, wenn wir fremdsprachliche Ausdrücke umschreiben. Beispiele: − Stalken bedeutet, jemanden zu verfolgen und in einer Form zu terrorisieren. − Scat singing ist eine Improvisation im Gesang mit Vokalen bzw. Wörtern ohne Bedeutung und mit einer Improvisation der Melodie und des Rhythmus, bekannt für Jazz und Gospel. Das Problem dieses Verfahrens ist offensichtlich: Es führt nicht aus der Welt der Bedeutungen heraus und erklärt damit nicht, was Bedeutungen eigentlich sind. Trotzdem gibt es semantische Theorien, die dieses Verfahren anwenden. Sie versuchen, die Bedeutungen, mit denen andere Bedeutungen erklärt werden sol en, besonders einfach zu halten und zu systematisieren. Ein Beispiel hierfür ist die 18 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Technik der sogenannten Natural Semantic Metalanguage (NSM), entwickelt von Wierzbicka. In dieser Theorie werden Sprachzeichen aus natürlichen Sprachen mithilfe von sehr wenigen Begriffen erklärt, von denen man annimmt, dass sie universal, d.h. in jeder Sprache ausdrückbar sind. Die Vertreter der Theorie gehen sogar so weit, dass sie annehmen, dass uns diese Begriffe angeboren sind. Auf Englisch sind dies die Begriffe: I, you, someone, people, something/thing, body, this, the same, other, one, two, some, al , many/much, good, bad, big, smal , (long), think, know, want, feel, see, hear, say, word, true, do, happen, move, (touching), there is, have, live, die, when/time, now, before, after, a long time, a short time, for some time, (moment), where/place, here, above, below; far, near; side, inside, not, maybe, can, because, if, very, more, kind of, part of, like. Die Analysen in dieser Theorie sehen wie folgt aus (Beispiel: lied to/ belügen): X lied to Y = X knew it was not true X said it because X wanted to think it was true people think it is bad if someone does that. Diese Methode wurde auf zahlreiche Sprachen angewendet und hat zu interessanten Analysen geführt. Allerdings ist sie auch beschränkt: Sie kann nicht deutlich machen, wie die Bedeutung von Sätzen oder ganzen Texten aus der Bedeutung von Wörtern entsteht. d) Analyse semantischer Merkmale Das ist die Analyse von Wortbedeutungen mithilfe semantischer Merkmale, wobei oft die Werte + und – angewendet werden. Mehr dazu mit praktischen Beispielen und Aufgaben erfahren Sie im Kapitel 4.1. Die Nachteile dieser Analyse sind zwei. Die Merkmalanalyse kann nur sehr schwer auf den gesamten Wortschatz einer Sprache ausgedehnt werden. Der zweite Nachteil betrifft Wörter und Sätze. Auch diese Analyse gibt keine klare Antwort auf die Frage, wie sich die Bedeutung von Sätzen und Texten von Wörtern ergeben kann. Grundinformationen zur Semantik 19. e) Bedeutung und Wahrheit Dieser Ansatz scheint besonders bedeutend für die Satzsemantik zu sein, es ist nämlich jener Bereich der Semantik, der sich mit der Bedeutung der Sätze beschäftigt. Die Basis dieses Ansatzes besteht darin, von der Bedeutung der Sätze auszugehen und nicht von der Bedeutung einzelner Wörter, die erst im Rückgriff auf Satzbedeutungen erklärt werden. Die zugrundeliegende Idee ist sehr einfach: Um die Bedeutung eines Aussagesatzes zu verstehen, muss man angeben können, ob dieser Satz in einer gegebenen Situation wahr oder falsch ist. Der Begründer dieser Sichtweise ist der Philosoph Frege, der zwischen 1879 und 1918 eine Reihe von Werken dazu veröffentlicht hat. Weitere Arbeiten zu diesem Ansatz kamen vom Philosophen Wittgenstein, der 1922 schrieb: „Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fal ist, wenn er wahr ist . “ Man kann also einen Satz nicht verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist. Der Zusatz ist von Bedeutung. Es gibt viele Sätze, von denen wir nicht wissen, ob sie wahr oder falsch sind, die wir aber dennoch verstehen. Beispiel: Im Schuljahr 1926/1927 kam Franjo als Grundschul ehrer an die Schule Srednja Bistrica. Uns fehlt einfach die faktische Information, um zu bestimmen, ob dieser Satz wahr ist oder nicht. Aber darum geht es gar nicht. Die Wahrheitsbedingungen-Semantik fordert lediglich, dass wir wissen, wie eine Welt auszusehen hat, in der dieser Satz wahr ist. Oder anders ausgedrückt: Ein Sprecher versteht die Bedeutung eines Satzes, wenn er für jede mögliche Welt, über die er hinreichend informiert ist, angeben kann, ob dieser Satz wahr oder falsch ist. C 10 Sie haben vor, eine Diplomarbeit aus dem Bereich der Semantik zu schreiben. In Ihrer Arbeit möchten Sie die Bedeutungen einer Reihe von Begriffen in zwei Varianten der deutschen Standardsprache (in Österreich und in Deutschland) vergleichen. Dabei beschränken Sie sich auf die Substantive und Verben aus der Kulinarik. Welche Ansätze oder Methoden könnten Sie in Ihrer Diplomarbeit anwenden, welche gar nicht? 20 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir 3 SPRACHZEICHEN Abbildung 10: Satz, Phrasem… Quel e: Privatarchiv C 11 Was ist ein Sprachzeichen? Führen Sie Beispiele an. Die Semantik ist eine Schnittstel e zwischen der Sprache und der realen Welt um uns herum. Die zentrale Frage der Semantik lautet: Wie referiert der Mensch mit seiner Sprache auf die Welt, in der er lebt? 22 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Das Sprachzeichen steht für etwas anderes, aber was ist dieses Andere seiner Natur nach? Ist es ein Ding, ein Gedanke? Wie ist die Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem gestaltet? C 12 Ferdinand de Saussure (1857 – 1913) – wer war dieser Wissenschaftler? Notieren Sie Grundinformationen über ihn. Abbildung 10: de Saussure Quel e: Wikipedia15 Ferdinand de Saussure: Das Sprachzeichen Inhalt bri:f Ausdruck Abbildung 11: Bri:f Quel e: Pixabay CC0 Das Sprachzeichen steht für etwas anderes. Dieses Etwas ist nach de Saussure eine geistige Vorstellung. Eine geistige Vorstellung können wir uns von Dingen, Sachverhalten oder auch Gewünschtem bzw. Irrealem machen. Und die reale Welt? Leider führt de Saussure dieses Model nicht weiter aus. 15 https://en.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_de_Saussure Sprachzeichen 23. Bei de Saussure wird also die reale Welt zur Gänze ausgespart und dies stel t doch das Kernproblem sprachlicher Zeichen dar: Wie ist ihr Verhältnis zur realen Welt, in der wir leben, begründet und organisiert? Auf diese Fragen versuchten nach de Saussure u. a. zwei amerikanische Linguisten Antworten zu finden: Charles Kay Ogden (1889 – 1957) und Ivor Armstrong Richards (1893 – 1979), die ein semiotisches Dreieck entworfen haben: Abbildung 12: Semiotisches Dreieck (nach Ogden-Richards) Quel e:Auto 1 – Pixabay CC0 und Auto 2 - Privatarchiv C 13 Versuchen Sie, das Modell zu erklären. Schreiben Sie Ihre Erklärung auf und vergleichen Sie mit dem, was Ihre Nachbarin/Ihr Nachbar notiert hat. Der Grundgedanke besteht darin, dass das Sprachzeichen nicht direkt auf außersprachliche Objekte hinweist. Beispiel: Das Sprachzeichen Brief weist etwa neben seinem materiel en Körper und seiner Vorstel ung (Bedeutung), die es hervorruft, auf ein außersprachliches Objekt hin. Dies ist die Referenz von Brief. 24 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Begriffe wie Ehre und Jesus haben zwar einen Inhalt und eine Vorstelung, jedoch keine Referenz. Dieses Modell verwirft die simple Vorstellung, dass sprachliche Begriffe für Dinge stehen, also mit der außersprachlichen Realität eine 1:1-Beziehung haben. Die Bedeutung können wir als Funktion des Ausdrucks und die Referenz als Funktion des Gebrauchs dieses Ausdrucks verstehen. Diese zwei Model e sind aber nicht die einzigen, auch die Philosophen haben einige Model e entwickelt. So spricht zum Beispiel Charles S. Pierce (1839 – 1914) darüber, dass ein Zeichen ein Ikon ist, wenn seine Beziehung zum Bezeichneten auf einem Abbildverhältnis, d.h. auf Ähnlichkeiten, beruht. So gesehen haben sehr viele Piktogramme Ähnlichkeiten mit realen und identifizierbaren Objekten wie in der Bedeutung (hier ist) Rauchen verboten. Abbildung 13: Rauchen nicht erlaubt Quel e: Pixabay CC0 In der gesprochenen Sprache können gewisse onomatopoetische Ausdrücke wie bim bam oder miau als Ikonen interpretiert werden. Das Onomatopoetikon ist ein lautimitierendes bzw. schal nachahmendes Zeichen, das al erdings entgegen einer weitverbreiteten falschen Meinung nicht mit dem Naturlaut wie dem Krähen eines Hahnes oder dem Lauten einer Glocke identisch ist. Dies erkennt man daran, dass diese Laute in verschiedenen Sprachen unterschiedlich nachgeahmt werden, z. B. im Deutschen kuckkuck, im Englischen cuckoo, im Französischen coucou, im Slowenischen kukuk. C 14 Wie belen die Hunde im Deutschen, wie im Slowenischen und wie im Englischen? Und Pferde und Enten? Welche Laute hört man in diesen drei Sprachen? Sprachzeichen 25. Und noch ein Beispiel: C 15 Sehen Sie Rim und Ram? Tafel → Ein Zeichen kann auch als eine Art Reaktion auf ein Element gesehen werden. Solche Zeichen werden meistens als Symptome bezeichnet. Ein Symptom steht zum Bezeichneten in einem kausalen oder einem Ursache- Folge-Verhältnis. Rauch ist in diesem Sinn ein Zeichen für Feuer oder Feuer ist die Ursache für einen Aufschrei. Regen ist die Ursache für einen nassen Fleck auf dem Boden usw. Woher wissen wir, dass Zeichen und Bezeichnetes in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen? Das erschließen wir aufgrund unseres Weltwissens. Dieses Verhältnis liegt also nicht im Zeichen selbst. Und was sind Symbole? Das sind Zeichen, deren Beziehungen zum Bezeichneten weder auf Ähnlichkeiten noch auf einem kausalen Verhältnis beruhen. Sie sind vielmehr als willkürlich zu bezeichnen. Die Laut- und Schriftzeichen der menschlichen Sprachen sind in diesem Sinn als Symbole anzusehen, obwohl sie sich – wie man zeigen kann – historisch aus Ikonen (in Form von Piktogrammen) entwickelt haben. Aber auch bei Piktogrammen (= Bildschriftzeichen) ist nicht immer klar, was sie anzeigen. Beispiel: Abbildung 14: Weibliches Zeichen Quel e: Pixabay CC0 26 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Aus diesem Zeichen an einer Tür kann nicht direkt geschlossen werden, dass der Raum dahinter eine Toilette enthält. Die Grenze zwischen Ikonen und Symbolen kann nicht deutlich gezogen werden. Die Wahl beruht auf Übereinkunft zwischen den Zeichenbenutzern oder auf Konventionen. 3.1 Eigennamen als Sprachzeichen Eigennamen sind eine besondere Art der sprachlichen Zeichen. Sie unterscheiden sich von Gattungsnamen. C 16 Was sind Gattungsnamen, was sind Eigennamen? Führen Sie Beispiele an. Eigennamen dienen der eindeutigen Identifizierung von individuellen Einheiten, seien sie belebt oder unbelebt. Also ist der Ausdruck eines Namens mit der Vorstellung eines Individuums oder eines singulären Objekts verbunden, wie etwa in den Namen Ludwig van Beethoven, Rhein oder Hamburg. Illustrieren wir dies mit einigen Beispielen. Der Name Amedeo Modigliani steht für einen italienischen Maler jüdischer Herkunft, geboren in einer sephardischen Familie in Livorno im Jahre 1884 und gestorben in Paris im Jahre 1920. Er ist vor allem für seinen Porträtstil bekannt, der keiner der zeitgenössischen Stilrichtungen zuzuordnen ist. Der Name Maribor steht für eine Stadt in Slowenien mit 15 Grad östlicher Länge und 46 Grad nördlicher Breite. Der Name Zotter steht für eine moderne österreichische Schokoladenmanufaktur, wobei der Name zugleich auch der Familienname des Gründers und Besitzers ist. Sprachzeichen 27. Es gibt bei Namen auch manchmal Schwierigkeiten mit ihrer Semantik – so gibt es z. B. neben der Hauptstadt Frankreichs auch eine andere Stadt, die Paris heißt, es geht um eine kleine Stadt in Texas, USA. Zwei Städte tragen also denselben Namen. Wir finden auch viele Beispiele, wo es gerade umgekehrt ist – eine Stadt trägt unterschiedliche Namen. Die Hauptstadt Litauens heißt Vilnius auf Litauisch, Wilno auf Polnisch, Вильнюс Wilnjus auf Russich, ענליוו Wiln auf Jiddisch, Вільня Wilnja auf Weißrussisch und Wilna auf Deutsch. Es kann aber noch komplizierter werden. Wenn wir an Doppel- oder Mehrfachbenennungen denken, z. B. bei Personennamen oder bei Siedlungen und Gewässern (sehr verbreitet), so widerspricht das der Auffassung von dem einfachen Charakter der Eigennamen. Leider ist es bis heute nicht gelungen, eine zufriedenstel ende Theorie des Eigennamens zu entwickeln. C 17 a/ Wie viele Slowenen heißen heutzutage Franc? b/ Und wie viele Sloweninnen tragen den Namen Marija? c/ Welche Mädchen- und Jungennamen sind zurzeit die beliebtesten in Deutschland, in Österreich und in Slowenien? d/ Welche sind aktuell die drei häufigsten Familiennamen in Slowenien, in Österreich und in Deutschland? e/ Erstel en Sie eine Liste der Siedlungen in Slowenien, die im Namen das Wort Bistrica haben. Die Eigennamen, die oben besprochen wurden, stehen für reale Lebewesen, Institutionen oder Orte. Wie verstehen wir aber Namen von Objekten, die wahrscheinlich nicht existieren? Solche wie z.B. Baba Jaga, die Figur aus der slawischen Mythologie (russ. баба яга, slow. jaga baba), die einer Hexe oder einer Waldfrau ähnelt. Oder Bezeichnungen/Namen wie der Osterhase? Unter diesen Namen vermuten wir Objekte, die nur in bestimmten vorgestel ten Welten leben. Wen oder was wir uns unter diesen Namen vorstel en, ist gar nicht einheitlich. Die Person, die sich ein vierjähriges Kind unter einem Osterhasen vorstellt, ist wahrscheinlich nicht dieselbe wie die Person, die sich ein (anderes) Kind im Alter 28 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. von sieben Jahren vorstelt. Trotzdem sind gewisse Züge einheitlich – der Osterhase kommt immer zu Ostern und versteckt irgendwo Geschenke, aber das ist bei Weitem nicht die Bedeutung, die wir mit bestimmten Objekten verbinden16. Jeder Eigenname ist aus einem Gattungsnamen entstanden. Das bedeutet, dass jeder Eigenname einmal eine appel ativische Bedeutung hatte, aber diese wird heute von den Sprachteilnehmern nicht mehr gekannt. Eine Ausnahme bilden natürlich künstliche, d.h. erfundene Namen, z.B. Warennamen wie Kodak. C 18 a/ Erklären Sie die Entstehung dieser Warennamen: IKEA, HENKEL, KODAK, OPEL, MERCEDES, GORENJE, SAMSUNG, VOLVO, FIAT, LINDT, JACOBS b/ Können auch Eigennamen zu Appel ativa werden? Beispiele? Abgrenzungskriterien, nach denen sich Eigennamen von Appel ativa unterscheiden: − Die Schreibung. Altertümliche Schreibungen oder Schreibweisen der Eigennamen: Schmid, Schmied, Schmidt, Weiss, Weihs, Weiß. Kennen Sie solche Beispiele auch für andere Sprachen? − Die Lautung. Oft dialektale, von der Standardform abweichende Lautungen: Lueger, Huemer, Schoiswohl. − Die Morphologie. Eigennamen werden teils anders flektiert: die Wolfs (die Familie Wolf) vs. die Wölfe. − Die Syntax. Eigennamen werden häufig, aber keineswegs ausschließlich ohne Determinatoren gebraucht: mein Köl n, ein gewisser Mül er. 16 Vgl. auch Krifka 2003 (http://home.uni-leipzig.de/assmann/teaching/SS16/KrifkaSemantik1.pdf ) Sprachzeichen 29. C 19 Der litauische Frauenname Egle ('Fichte') und der slowenische Frauenname Jelka ('Tanne') sind verwandt. Wie erklären Sie das? C 20 a/ Lesen Sie den Artikel Wenn der Timo mit der Leonie von Bastian Sick, veröffentlicht in der Zeitschrift Spiegel am 13.5.2009 (http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-wenn-der-timo-mit-der-leonie-a-623493.html ). b/ Berichten Sie über Ihren eigenen Artikelgebrauch bei Vornamen und nehmen Sie Stellung dazu. 30 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir 4 WORTSEMANTIK Was bedeutet das Wort Wort? Neja (15 Jahre): Da se lahko izrazimo, naša čustva in naše misli. Pomagajo nam olajšati življenje 17 Ema (15 Jahre): Da na nek način lahko govorimo, pa povemo kaj so misli in da iz njih tvorimo stavke al neke, kaj te jaz vem. 18 Katja (15 Jahre): Imam dva odgovora. Ja, pomen besed je tisto, kar poimenujejo. Pomembne pa so, da se med sabo razumemo in sporazumevamo, al karkoli. 19 17 Um uns ausdrücken zu können, unsere Gefühle und unsere Gedanken. Sie machen uns das Leben leichter. 18 Damit wir auf irgendeine Art sprechen können, sagen, was unsere Gedanken sind, und aus ihnen die Sätze bilden oder andere, was weiß ich. 19 Ich habe zwei Antworten. Ja, die Bedeutung der Wörter ist das, was wir benennen. Sie sind wichtig, damit wir uns untereinander verstehen und kommunizieren können oder irgendetwas. 32 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Neja, Ema und Katja erklären in ihren Aussagen drei wichtige Punkte zu Wörtern und Sprachen im Allgemeinen. Die Wörter als Elemente der Sprachen sind Kommunikationsmittel, sie bauen die Sätze auf und dienen der Benennung. Im vorherigen Kapitel haben wir auf einige Probleme der Semantik von Eigennamen hingewiesen. Wenn wir die Semantik der Gattungsnamen/Appel ativa erklären möchten, scheint diese Aufgabe noch schwieriger zu sein. Il ustrieren wir dies mit dem Substantiv Hund (s. Krifka 2003: 3). Wofür steht das Substantiv Hund? Sicher nicht für einen einzelnen Hund wie etwa der Name Rex, sondern in einem gewissen Sinn für alle Hunde, oder für jeden beliebigen Hund. Was heißt das aber genau? Steht das Substantiv Hund etwa für die Gesamtheit der Hunde? Dafür steht aber eher die Nominalphrase die Hunde. Wenn Hund die Gesamtheit der Hunde bedeutete, dann wäre es auch unklar, was Ausdrücke wie ein Hund oder der Hund bedeuten würden. Aber sicher sol te die Bedeutung von Hund so gestaltet sein, dass sie mit jedem einzelnen Hund assoziiert werden kann. Aber welche Hunde sind dies? Ein Vorschlag: Alle Hunde, die gegenwärtig existieren. Diese Menge ändert sich aber ständig, Hunde sterben und werden geboren, und wir haben nicht den Eindruck, dass sich damit auch die Bedeutung von Hund ändert. Und wir können sicherlich zwischen der Bedeutung von Tyrannosaurus und Dronte unterscheiden, obwohl beide Tierarten ausgestorben sind, es also gar keine gegenwärtig existierenden Vertreter gibt. Die Bedeutung von Hund ist also eher mit al en in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft existierenden Hunden assoziiert. Hier gibt es wieder Abgrenzungsprobleme: Sol te man etwa einen kaum domestizierten Wolf, der vor 30000 Jahren lebte/existierte, darunter fassen? Ferner tritt wiederum das Problem der nur vorgestel ten Objekte auf: Wir können auch die Bedeutung der Substantive Zentaurus und Yeti auseinanderhalten, obwohl es wahrscheinlich niemals Wesen dieser Art gegeben hat. Wir müssen also generel auch mit nur vorgestel ten Objekten rechnen. Viel eicht wird auch die Bedeutung von Hund durch bestimmte Eigenschaften determiniert, die wir den Objekten zuschreiben. C 21 Durch welche Eigenschaften können wir das Substantiv Hund determinieren? Wortsemantik 33. Substantive heißen in der linguistischen Terminologie auch Nomina (Sg. Nomen) und diese Bezeichnung ist auf das lateinische Wort Nomen 'Name' zurückzuführen. Mit Substantiven/Nomina benennen wir Lebewesen, Dinge, abstrakte Begriffe … Die Wortart, mit der wir Ereignisse bezeichnen, heißt Verb (lat. verbum 'Wort'). Wie lässt sich das genauer erklären? Wofür stehen die Verben? Wofür steht ein Verb wie schlafen oder schlagen? Vielleicht für ein Ereignis, das in Raum und Zeit lokalisierbar ist. Was ist dann aber der Unterschied zwischen kaufen und verkaufen? Wann immer man das eine Ereignis hat, liegt auch das andere vor. Und Verben wie kennen drücken überhaupt keine Ereignisse aus. Ferner ist es eine charakteristische Eigenschaft von Verben, dass sie mit Nominalphrasen verbunden werden. Wir können sagen: Der Hund frisst, oder Der Hund frisst das Fleisch. Das können wir auch ausdrücken durch: Der Hund verzehrt das Fleisch. Weshalb können wir aber nicht sagen: * Der Hund verzehrt? Anders ausgedrückt, weshalb kann man das direkte Objekt bei fressen weglassen, nicht aber bei verzehren? Handelt es sich dabei um eine rein syntaktische Angelegenheit? Offensichtlich nicht; es hat sicher mit der Bedeutung der Verben zu tun, dass etwa schlafen intransitiv ist, aufwecken aber transitiv (Krifka 2003:4). Die Teildisziplin der Semantik, die sich mit der Bedeutung der Wörter beschäftigt, wird Wortsemantik genannt. Wortsemantik = die Ermittlung und Beschreibung der Bedeutung einzelner Wörter, die älteste semantische Teildisziplin. Das Zeichenmodel von de Saussure geht davon aus, dass im Sprachzeichen ein Ausdruck mit einem Inhalt verbunden ist, und es sieht auf den ersten Blick so aus, als müsse jedem Inhalt genau ein Ausdruck zugeordnet sein und umgekehrt. Ist es wirklich so? Kennen wir unterschiedliche Ausdrücke, die dasselbe bezeichnen? Zum Beispiel dt. Samstag und Sonnabend? Auf der anderen Seite gibt es sprachliche Einheiten, die offenbar mehrere Referenzen aufweisen: Bank, Ball. − Das Verhältnis Ausdruck vs. Inhalt ist demnach nicht exakt 1:1 – wir sprechen von der Asymmetrie des Sprachzeichens. 34 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Synonymie Ausdruck 1 Inhalt Ausdruck 2 Ausdruck 3 Zwei oder mehrere Ausdrücke für denselben Inhalt sind Synonyme, aber vollkommene Synonyme sind selten ( AKW – Atomkraftwerk). C 22 Erklären Sie dieses Verhältnis in den folgenden Wortpaaren: Samstag/Sonnabend, Karot e/Möhre, Aprikose/Marille, Fahrrad/Velo, Erdäpfel/Kartof el, likalnik/peglajzn, faks/fakulteta Homonyme Inhalt 1 Inhalt 2 Ausdruck Inhalt 3 Homonyme haben unterschiedliche historische Entwicklungen. Wir unterscheiden zwischen zwei Typen der Homonyme. Typ A) Diese Homonyme sind etymologisch eigenständige Wörter, die durch die Entwicklung der deutschen Sprache im Wortkörper zusammengefal en sind. Beispiel: Ball als 'Kugel, Spielgerät' kommt vom ahd. bal 'Kugel' und Ball als 'Fest' kommt aus dem Französischen (franz. baller 'tanzen'). Wortsemantik 35. Typ B) Diese Homonyme sind ein und dasselbe Wort, das im Laufe der Zeit durch Übertragung mehrere Bedeutungskomponenten erhalten hat. Beispiel: Erde (ahd. erda (8. Jh.) als fruchtbarer Boden, Land bekam im Laufe der Zeit auch die Bedeutung irdische Welt und auch unser Himmelskörper. Das Wort ist vergleichbar mit dem Wort in anderen germanischen Sprachen (schwed., dän. jord, nl. aarde) und in anderen indoeuropäischen Sprachen (griech. éra ( ἔρα) 'Erde', kymr. erw 'Feld'). Es wird eine gemeinsame indoeuropäische Wurzel vermutet: *er- 'Erde'. C 23 Erklären Sie folgende Homonyme und bestimmen Sie den Typ (A oder B). Als Hilfe dienen etymologische Wörterbücher (Kluge, Pfeiffer, Snoj): dt. Bank (Geldinstitution), Bank (Sitzgelegenheit), Futter (für Tiere), Futter (in Kleidungsstücken), der Kiefer und die Kiefer, slow. skala (lestvica), skala (pečina) gol (neoblečen), gol (zadetek) list (del rastline), list (kos papirja) prst (snov), prst (okončina) klop (žival), klop (priprava za sedenje). 4.1 Merkmalhypothese/-analyse Wörter haben Bedeutungen, sie sind ja Sprachzeichen. Wenn wir diese/sie versuchen zu beschreiben, stoßen wir auf die in der Linguistik weitverbreitete Hypothese – die Merkmalhypothese20. Der Merkmalhypothese liegt die Vorstel ung zugrunde, dass Bedeutungen keine ganzheitlichen, nicht weiter zu analysierenden Einheiten sind, sondern sich aus elementaren Inhaltselementen, den semantischen Merkmalen (= Seme/Komponenten) zusammensetzen. 20 Das Unterkapitel ist 4.1 eine Überarbeitung des Kapitels 2.1 im Arbeitsbuch Semantik von Schwarz/Chur (2004:37fff). Der Text wurde gekürzt und einige Beispiele wie auch Aufgaben wurden durch andere ersetzt. 36 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Wir können die Bedeutung eines Wortes in eine Reihe der Teilbedeutungen zerlegen. Das ist ein Teil unserer semantischen Kompetenz. Die Schnelligkeit und Sicherheit, mit der wir dies tun, sind übungsabhängig und zum Teil auch wissensabhängig. Beispiel: Die Bedeutung von Frau lässt sich aufteilen in: LEBENDIG, MENSCHLICH, WEIBLICH, ERWACHSEN. Damit wird den Bedeutungen eine innere Struktur zugesprochen, die als Merkmalbündel bezeichnet werden kann. Die Kombination bestimmter Merkmale konstituiert also die Bedeutung eines Wortes. Semantische Merkmale haben eine distinktive Funktion, d.h. sie grenzen Wortbedeutungen voneinander ab. Frau LEBENDIG = die Bedeutung wird von z.B. Frauenstatue abgegrenzt Frau MENSCHLICH = die Bedeutung wird von z.B. Kuh abgegrenzt Frau WEIBLICH = die Bedeutung wird von z.B. Mann abgegrenzt Frau ERWACHSEN = die Bedeutung wird von z.B. Mädchen abgegrenzt → Aus der Gegenüberstellung von distinktiven Bedeutungsmerkmalen gewinnt man semantische Oppositionen. C 24 Zerlegen Sie die Bedeutung von Mann in semantische Merkmale und grenzen Sie diese von den Bedeutungen von Junge, Kind, Greis und Ochse ab. Das folgende Schema stellt eine allgemeine und grundlegende Einteilung (die auf Aristoteles zurückgeht) dar: Wortsemantik 37. Alle Dinge Abstrakt Stuhe Libe Konkret Hund Stein + belebt - belebt Auto Stein + Artefakt - Artefakt Mädchen Hund + menshlich + menshlich Mädchen Mädchen Hündlin Hund + weiblich - weiblich + weiblich + weiblich Abbildung 15: Einteilung Schema Quel e: Besitzen und University of Maribor Press Die Einteilung ist eine Zweiteilung. Dementsprechend sind die Merkmale binär konzipiert. Jede Bedeutung wird charakterisiert durch die An- bzw. Abwesenheit einer bestimmten Anzahl von Merkmalen. Wir richten uns bei unseren Definitionen also nach Ja/Nein-Entscheidungen. Diese Merkmaltheorie trat zunächst mit dem Anspruch auf, mittels eines begrenzten Inventars von Merkmalen den gesamten Wortschatz einer Sprache beschreiben zu können. Dabei sollte die Zerlegung (auch Dekomposition) notwendig und hinreichend sein. Beispiel: Stuhl = Artefakt, Möbelstück, zum Sitzen, auf Füssen/Beinen, für 1 Person, mit Rückenlehne, ohne Armlehnen Abbildung 16: Stuhl Quel e: Pixaby CC0 38 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Mit diesen Angaben sind genügend Informationen gegeben, die die Bedeutung von Stuhl definieren und gleichzeitig von anderen Bedeutungen abgrenzen: Von dem Möbelstück Tisch oder Bett durch das Merkmal zum Sitzen, vom Hocker durch das Merkmal mit Rückenlehne, vom Sessel durch das Merkmal ohne Armlehnen, vom Sofa durch das Merkmal für 1 Person. C 25 Grenzen Sie die Bedeutung von Fluss, Bach, Kanal, See, Tümpel, Teich, Strom, Rinnsal, Meer, Pfütze mittels binärer Merkmale voneinander ab. In linguistischen Semantiktheorien wird manchmal eine Trennung zwischen spezifisch sprachlichem und al gemein konzeptuel em (enzyklopädischem) Wissen vorgenommen. Semantische Merkmale sind demnach nur die sprachlich relevanten Gebrauchsbedingungen. Sprachlich relevante Gebrauchsbedingungen für das Wort Tante z.B. sind die Informationen, dass eine Tante ein weiblicher Mensch ist und in einer bestimmten verwandtschaftlichen Beziehung zu einem anderen Menschen steht (als Schwester vom Vater oder der Mutter des Sprechers). Irrelevant für die Bedeutung des Wortes sind dabei die Informationen, dass eine Tante meist erwachsen ist, dass sie Geschenke mitbringt, dass sie nett oder auch nicht nett ist usw. Diese Informationen gehören zu dem enzyklopädischen Wissen. Wie aber lassen sich aus der Menge an lexikalischen, also im LZG gespeicherten Informationen diejenigen herausfiltern, denen man den Status semantischer Merkmale zuspricht? Zwei Auswahlkriterien sind vorgeschlagen worden: 1) Semantische Merkmale kommen einem Wort notwendig zu. 2) Merkmale sichern die Unterscheidbarkeit von Wortbedeutungen. Zu 1) Das bedeutet, dass die semantischen Merkmale in jeder Situation, in der ich das Wort benutze, gültig und präsent sind. Sie gelten ausnahmslos in allen Kontexten, so stellen sie invariante Eigenschaften dar. Beispiel: Eine Frau ist menschlich/weiblich/erwachsen. Wortsemantik 39. Das kann mit einer aber-Probe geprüft werden: *X ist eine Frau, aber eine Frau ist menschlich/weiblich/erwachsen. Ergibt sich bei dieser Probe ein krasser Widerspruch, gehört die Eigenschaft zu den semantischen Merkmalen. Noch ein Beispiel: X ist eine Frau, aber nicht hübsch/langhaarig/feminin. Hier ergibt sich bei der aber-Probe kein krasser Widerspruch, da es sich um nicht wesentliche Merkmale handelt. Wenn erwachsen im Sinne von reif gemeint ist, kann man aber natürlich durchaus sagen: Sara ist eine Frau, aber sie ist nicht erwachsen. Die Merkmalzuschreibung verläuft dabei nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Entweder gehört ein Ding zur Klasse x, oder es gehört nicht dazu. Demnach lassen sich al e Wortbedeutungen durch das Fehlen bzw. das Vorhandensein von bestimmten Merkmalen eindeutig voneinander abgrenzen. Das ist aber nicht immer der Fal (Gewässernamen!). Wo ist also die Grenze zwischen Sprach- und Weltwissen? Eine zufriedenstel ende Abgrenzung ist bisher noch nicht gelungen. In der Merkmalanalyse beschränken wir uns nicht nur auf Substantive oder Adjektive. Auch Verbbedeutungen werden mit Hilfe von elementaren Bedeutungsbestandteilen zerlegt. Verben lassen sich zunächst ganz al gemein mittels einiger Basismerkmale verschiedenen semantischen Klassen zuordnen: Die wichtigsten semantischen Kategorienmerkmale sind Zustand, Vorgang, Handlung. Zustandsverben = beziehen sich auf Sachverhalte ohne Bewegung oder Aktivität ( liegen, stehen, haben) Vorgangsverben = bezeichnen Ereignisse, bei denen sich Veränderungen vol ziehen ( rutschen, regnen, hageln) 40 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Handlungsverben = bezeichnen Tätigkeiten, die von einem lebendigen Subjekt ausgeführt werden ( töten, befehlen, schreiben) Merkmaltheoretisch gesprochen haben also z.B. Zustandsverben das Merkmal – Bewegung, die Vorgangs- und Handlungsverben das Merkmal + Bewegung. Innerhalb der Gruppe der Verben bestehen zusätzliche, sehr vielfältige Bedeutungsunterschiede, die durch spezifische, oft komplexe Merkmale charakterisiert werden. Zu welchen Gruppen der Verben (nach semantischen Merkmalen) gehören die Verben: sprechen, laufen, verprügeln? Die jeweilige Handlung involviert unterschiedliche Tätigkeiten. Sprechen involviert die Bewegung von Mund und Zunge, laufen dagegen die Bewegung der Beine (aber auch des ganzen Körpers), verprügeln involviert nicht nur die Bewegung der Arme, sondern auch ein Objekt, das verprügelt wird. Innerhalb der Verben, die das laufen bezeichnen, erkennen wir auch Differenzierungen: rennen als schnelles Laufen, rasen als ein noch schnel eres. Das gilt auch für andere Verbgruppen. C 26 Grenzen Sie gehen, laufen, rennen und schlendern voneinander ab. C 27 Zerlegen Sie folgende Wörter in ihre semantischen Merkmale und grenzen Sie die einzelnen Wortbedeutungen voneinander ab. − Autobahn, Straße, Weg, Al ee, Pfad − Haus, Heim, Hüt e, Hotel, Palast, Burg, Schloss, Zelt, Wohnwagen Wortsemantik 41. Ordnungsprinzipien des Wortschatzes: Was ist das? Was stellen Sie sich darunter vor? Diese Prinzipien erkennen wir in − Hyperonymie (Superordination, Überordination) mit Oberbegriffen (Hyperonymen), − Hyponymie (Subordination, Unterordnung) mit Unterbegriffen (Hyponymen) und − Gegensatzbegriffen (Antonymen). C 28 Führen Sie Beispiele für Ordnungsprinzipien des Wortschatzes an. Den Wortschatz versuchte man auf diese Weise schon im 19. Jh. zu beschreiben. Das waren die ersten Versuche, richtig wissenschaftlich schaffte es die strukturalistische Linguistik, eine Methode des Segmentierens und Klassifizierens auch auf den Wortschatz einer Sprache anzuwenden. Zuerst aber: Was ist die Methode des Segmentierens und Klassifizierens? C 29 Erklären Sie die Methode des Segmentierens und Klassifizierens an Belegen: ung. város 'Stadt' városok 'Städte' ung. ember 'Mensch' emberek 'Menschen' Wenn man diese Methode auch auf den Wortschatz anwenden möchte, ist die Grundvoraussetzung die Annahme, dass das Lexikon ebenso Strukturen aufweist wie die Laut- und Wortebene. Heute ist es üblich, dass wir die Phonologie und die Morphologie als geschlossene Systeme und die Lexik als offenes System bezeichnen. 42 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Genauso die Klassen, wo wir über offene und geschlossene Klassen sprechen. Aber auch bei der Lexik scheinen nicht al e Beispiele den gleichen Klassen anzugehören. C 30 Substantive gehören zu den offenen oder geschlossenen Klassen? Argumentieren Sie. Und Verben? Und Präpositionen? Und Substantivendungen im Slowenischen (z. B. das Substantiv lipa 'Linde' in den Kasusformen Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Lokativ und Instrumental im Singular: lip-a, lip-e, lip-i, lip-o, lip-i, lip-o)? Warum ist die Lexik ein offenes System? Weil es Änderungen flexibel gegenübersteht. Man geht also davon aus, dass im semantischen System ebensolche Relationen bestehen wie in den anderen Teilsystemen der Sprache. Folglich müsste es also möglich sein, durch Minimalpaarbildungen die syntagmatischen und die paradigmatischen Konnexionen herauszuarbeiten. Stefan Mayrhoefer war unter anderem dafür zuständig, den neuen Mitarbeitern zu erklären, wie diese Firma funktioniert. In diesem Satz kann man das Wort Mitarbeiter gegen andere Wörter mit ähnlicher Bedeutung abgrenzen. den neuen Mitarbeitern/den neuen Kol egen/den neuen Freunden/den neuen Männern etc. Auf diese Weise kann man feststel en, dass Mitarbeiter offenbar eine leichte Bedeutungsnuancierung gegenüber Kol egen, Freunde etc. aufweist. Wir haben es also mit einem Wortfeld zu tun. Al erdings muss man schon vor der Untersuchung wissen, was zum Wortfeld gehört und was nicht. Um die Bedeutungsunterschiede zu erfassen, stellt man die Ausdrücke eines Wortfeldes zusammen und notiert die Bedeutungsunterschiede, die zwischen ihnen bestehen. Wortsemantik 43. Wir nehmen hier das Wortfeld Gat ungsbezeichnungen des Menschen: Strukturalistische Merkmalmatrix weiblich erwachsen Anrede süddt. dialektal veraltet Mann Frau Junge Bub Mädchen Fräulein Dame Weib + = Merkmal trifft zu, - = Merkmal trifft nicht zu, 0 = Merkmal kann nicht angewendet werden ? = Zuordnung unsicher Probleme der Zuordnung – Beispiel Fräulein: Im 18. Jh. und z. T. davor verstand man darunter eine adelige und unverheiratete Dame, im 19. Jh. wurden die Bedeutungskomponenten 'jung und unverheiratet' stärker, im 20. Jh. trat die Komponente 'jung' noch mehr in den Vordergrund. Heute gilt das Wort als veraltet. Die Kernfrage zu den Merkmalen lautet eigentlich: Wie kommt der Forscher zu den Merkmalen, die er vorschlägt? Die Zahl und die Art der Merkmale können nie einheitlich sein. Die Hoffnung, damit den gesamten Wortschatz einer Sprache beschreiben zu können (die Idee des Strukturalismus in der Linguistik), wird sich nie erfüllen. 4.2 Prototypensemantik Einen anderen Ansatz als der Strukturalismus verfolgt die Prototypensemantik, entwickelt in den 70er Jahren des 20. Jh21. C 31 Welche Vorstel ung haben Sie von dem Ausdruck Haus? 21 Das Unterkapitel ist 4.2 eine Überarbeitung des Kapitels 2.1 im Arbeitsbuch Semantik von Schwarz/Chur (2004:37fff). Der Text wurde gekürzt und einige Beispiele wie auch Aufgaben wurden mit anderen ersetzt. 44 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Wahrscheinlich denkt man im täglichen Leben über solche Fragen nicht nach. Aber ein Haus ist für die meisten Menschen doch in erster Linie ein Wohnhaus, und nicht ein Lagerhaus, Glashaus, Baumhaus oder Ähnliches. An folgenden Beispielen überprüfen wir die eigene Vorstel ung von einem Haus. Welches Foto wählen Sie aus? a. b. c. d. e. f. Abbildung 17: Gebäude Quel e: Wikipedia & Pixaby CC022 Für viele Menschen ist ein Haus wie in b (ein Einfamilienhaus). Es gibt aber auch andere Termini, wie andere Abbildungen zeigen. Die Prototypensemantik geht davon aus, dass die mit einem Begriff verbundenen Vorstellungen individuell sind, das heißt, dass sich bei Haus jeder ein anderes, individuelles Haus vorstellt. Daraus folgt, dass es in der Vorstellung individuelle Häuser gibt, die al erdings eines oder mehrere Merkmale gemeinsam haben, z. B. eine Eingangstür, Fenster u.v.m. Diese Merkmale bilden die Kategorie Haus, die einzelnen vorgestel ten Häuser sind Vertreter ihrer Kategorie. Der Prototyp ist das beste Exemplar der Kategorie, dass man durch die Befragung der Informanten ermittelt hat. Als Prototypen der Kategorie Tier wurden auf diese Weise die 22 https://de.wikipedia.org/wiki/Gartenhaus https://de.wikipedia.org/wiki/Einfamilienhaus https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_(Architektur https://de.wikipedia.org/wiki/Wohngeb%C3%A4ude https://pixabay.com/photos/portugal-porto-architecture-europe-993129/ https://en.wikipedia.org/wiki/River_North_Gallery_District,_Near_North_Side,_Chicago Wortsemantik 45. Elemente Hund, Katze, Pferd etc. gefunden, als Obst Apfel, Orange, Birne etc, als Fortbewegungsmit el Auto, Bus, Motorrad etc. Die Mehrfachnennungen kann man in Form einer Statistik darstellen, auch in Form einer Repräsentativsskala. Manche Exemplare sind Grenzfäl e von Kategorien. C 32 Tomaten spielen in der Kulinarik der Länder in Mittel- und Südeuropa eine wichtige Rolle. Sind sie ein Prototyp für Gemüse? Begründen Sie Ihre Antwort. Nicht nur der Gebrauch ( Tomate als Gemüse), sondern auch das Aussehen der Lebewesen kann irreführend sein. So sieht z. B. ein Delfin irgendwie wie ein Fisch aus, ist aber ein Säugetier. In folgenden Aufgaben denken wir wieder über Gegenstände nach. C 33 Wir al e wissen, was eine Tasche ist. Wie sieht aber eine typische Tasche aus? Beschreiben Sie. C 34 Zur Kategorie Möbel: Stuhl und Tisch sind bessere (Vertreter für) Prototypen als Telefon und Kühlschrank. Warum ist es so? 46 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. C 35 a/ Zur Kategorie Gemüse: Möhre ist ein besserer (Vertreter für) Prototyp(en) als Petersilie. Stimmt das? Überprüfen Sie dies an sich selber und an den Menschen in Ihrer Umgebung. b/ Zur Kategorie Süßigkeiten: Vergleichen Sie Bonbons, Schokolade, Lutscher, Torte, Pudding, Cremeschnit en und Palatschinken. Sind alle gleich gute Vertreter für diese Kategorie? c/ Zur Kategorie Kleidung: Sind Hose, Mantel, Schal, Hemd, Strümpfe, Krawat e, Rock, Unterhemd, Bluse, Kleid, Schuhe, Hut gleichwertige Vertreter? Sind Prototypen auch kulturell bedingt23? In unserer Kultur ist der Prototyp für Vogel nicht der Kakadu oder der Kolibri, sondern der Spatz oder die Amsel. Mit dem typischen Vertreter der Kategorie VOGEL werden in der konkreten Erfahrung al e anderen Exemplare verglichen. Bei entsprechender Übereinstimmung, also Ähnlichkeit zwischen Prototyp und bestimmtem Exemplar, wir das Exemplar unter die Kategorie VOGEL subsumiert. Wie bestimmten wir die Prototypen? In der Forschung ist es noch nicht ganz klar, ob das mentale Bilder von typischen Instanzen oder eher abstrakte Informationseinheiten sind? Wie soll man diese abstrakten Informationseinheiten dann aber beschreiben und darstel en? Offensichtlich stößt man dabei auf die semantischen Merkmale. Erklärt man die Prototypen als mentale Bilder, lassen sich viele Kategorien überhaupt nicht einordnen. Bei Abstrakta wie Demokratie, Liebe, Idee, Lüge (für die wir bestimmt auch Prototypen gespeichert haben), haben wir keine perzeptuel motivierten mentalen Bilder. 23 Vgl. Schwarz/Chur 2004:46ff. Wortsemantik 47. C 36 Setzen Sie in den folgenden Sätzen für das Wort Vogel jeweils Spatz, Amsel, Papagei, Adler, Huhn, Kolibri, Strauß und Pinguin ein. Was fällt Ihnen auf? a) Vögel haben Federn. b) Vögel können fliegen. c) Vögel können singen. d) Vögel legen Eier. e) Ich sah einen Vogel übers Haus fliegen. f) Im Garten sang ein Vogel. g) Im Apfelbaum putzte ein Vogel sein Gefieder. h) Auf dem Bauernhof leben viele Vögel. i) Im Zoo nisten viele Vögel. In unserer Sprache spiegelt sich auch wieder, dass wir nicht immer in der Lage sind, eindeutige Klassifikationen vorzunehmen. Oft sagen oder hören wir: eine Art Stuhl, ein seltsames Gerät, ein sonderbares Insekt. Die so bezeichneten Gegenstände passen nicht völlig in eine bestimmte Kategorie. C 37 Überlegen Sie, warum wir synonyme Ausdrücke in unserem Wortschatz besitzen, obgleich sie eigentlich überflüssig sind? C 38 Wodurch unterscheiden sich Penner und Obdachloser bzw. Alkoholiker und Säufer voneinander? Haben die Bedeutungsunterschiede etwas mit den Vorurteilen in unserer Gesel schaft zu tun? 48 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. C 39 Was wäre der Prototyp für die Kategorie Krankheit? 4.2.1 Prototyp und/oder Stereotyp? Wichtige Beiträge zu den Grundlagen der Forschung zum Thema Prototypen und Stereotypen leisteten die Psychologin Rosch (1977) und der Philosoph Putnam (1978). Laut ihnen ist ein Prototyp ein typischer Referent und ein Stereotyp die Menge der Eigenschaften, die einen Prototyp definieren (zitiert nach Kosta 2014:832). Diese These wurde von beiden Autoren wie auch von vielen Linguisten begründet und später auch erweitert. Il ustrieren wir den Unterschied mit folgendem Beispiel. Hier sehen wir zwei Stühle (a, b). Welcher Stuhl wäre ein Prototyp im Hinblick auf die Kategorie Stuhl? Abbildung 18: Stuhl a Abbildung 19: Stuhl b Quel e: Privatarchiv Quel e: Privatarchiv Abgesehen vom Preis (24,99 € für den Ivar-Stuhl und über 200 € für den antiken Stuhl) und vom Design besteht zwischen den Stühlen der Unterschied bezüglich unserer Vorstellungen, wie ein Stuhl auszusehen hat. Eine Analyse würde bestimmt zeigen, dass der Stuhl a/ eher ein Prototyp ist als der Stuhl b/. Ein Prototyp, also hier der Stuhl a/, ist ein typischer Referent im Hinblick auf die Kategorie Stuhl. Wortsemantik 49. Ein Stereotyp ist die Menge der Eigenschaften, die einen Prototyp definieren. Das Stereotyp von Stuhl ist: dient zum Sitzen, hat eine Lehne und vier Beine, ist aus festem Material, bietet Platz für eine Person. Beide Begriffe, Prototyp und Stereotyp, werden oft als Synonyme gebraucht, obwohl zwischen ihnen ein Unterschied besteht, den wir beschrieben haben. Es gibt aber auch noch eine andere Bedeutung dieses Begriffs. Nach dieser Bedeutung sind Stereotypen sozial fundierte Einheiten. Wie ist das zu verstehen? Das Wort Stereotyp kommt aus dem Griechischen und besteht aus diesen Elementen: griech. stereós 'fest' und týpos 'Gestalt'. In den Sozialwissenschaften ist dieser Begriff auch bekannt und er existiert auch in der Linguistik. Das heißt, auch in der Linguistik werden Stereotypen so verstanden wie in den Sozialwissenschaften. So lautet eine Definition: Bezeichnung von gruppenspezifischen, durch Emotionen geprägten, meist unbewussten, stark verfestigten (Vor-)Urteilen (Bußmann 1990:735). Stereotype sind also Bilder, die wir formen. Der amerikanische Autor Walter Lippman (1889-1974) formulierte das so: We are told about the world before we see it. We imagine things before we experience them. And those preconceptions … govern deeply the whole process of perception. (Lippmann 1922: 89, nach Kosta 2014:834). Zahlreiche Studien zu den Stereotypen, die sozial bedingt sind, haben diese Definition bestätigt. Es geht um Studien zu den Stereotypen über Berufe, Frauen und Männer, Charaktere und auch Nationalitäten und Sprachen. Hier einige Beispiele24: Ein Deutscher sagt, die Engländer seien voller Humor. Ein Berliner sagt, die Berliner seien schlagfertig. Ein Deutscher sagt, die Italiener halten al e Deutschen für aggressiv. Ein Deutscher sagt, die Amerikaner halten sich für hilfsbereit. Stereotype über einen selber heißen auch Autostereotype. Beispiel: Ein Slowene sagt, ein Slowene ist immer neidisch auf seinen Nachbarn, wenn es diesem besser geht. 24 Schäfer/Six 1978:20, nach Kosta 2014:835. 50 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. C 40 a/ Welche stereotype Annahme verbirgt sich in dem vorliegenden Witz25: Ein Araber, ein Deutscher und ein Franzose sitzen in Kairo im Cafè. Kommt eine heiße Frau vorbeigelaufen. "Bei Al ah", sagt der Araber. "Bei Gott!", flüstert der Deutsche. "Bei mir heute Abend im Hotel", ruft der Franzose. b/ Welche Stereotype hört man in Slowenien über Österreicher und Deutsche? 4.3 Wortsemantik: Substantiv vs. Adjektiv C 41 Was ist der Unterschied zwischen Substantiv (SUB) und Adjektiv (ADJ)? Formulieren Sie eine Erklärung. Was sagt die Linguistik zu dieser Frage? Jespersen (1924:74): Wir können beide Wortarten voneinander anscheinend problemlos trennen, zugleich ist ihre Distribution in allen Sprachen die gleiche: Brot, Stein, Liebe, Hund, E-Mail sind überall Substantive und Wörter wie groß, alt, hel , grau sind überall Adjektive. Diese Distribution kann nicht zufällig sein, für sie muss es wesentliche, logische oder psychologische Gründe geben. Die Erklärung muss eine semantische sein. Jespersen sucht sie in der Tatsache, dass Substantive im Allgemeinen bestimmter sind, weil wir sie an weniger Objekte als Adjektive anwenden können. Zugleich präsentieren aber die Adjektive immer nur eine Qualität, während Substantive mehrere Markierungen enthalten. Beispiel: Botaniker erkennen eine Blaubeere auch in den Monaten, wo sie keine blauen Beeren (Früchte) trägt. 25 Quelle: https://www.aberwitzig.com/franzosenwitze.php#ixzz5WrZnZLHn Wortsemantik 51. Diese Feststel ungen von Jespersen sol ten korrigiert und erweitert werden. So führt Wierzbicka (1988:464) Beispiele an, die uns zeigen, dass etwas in einer Sprache ein Substantiv ist und in einer anderen ein Adjektiv: Englisch: Russisch: male (ADJ) samec (SUB) female (ADJ) samka (SUB) C 42 Führen Sie solche Beispiele auch für andere Sprachen an. Solche Beispiele finden wir auch innerhalb einer Sprache, es geht um Synonyme, die SUB und ADJ sind: C 43 Eng. round/circle, stupid/fool, holy/saint Dt., Slow. ? It is round./* It is a round. It is a circle./ * It is circle. He is stupid./ * He is a stupid. He is a fool./ * He is fool. He is holy./ * He is a holy. He is a saint./ * He is saint. → Daraus schließen wir, dass SUB nicht unbedingt eine andere Bedeutung als ADJ haben! Wierzbicka (1988:466ff) illustriert die Unterschiede zwischen den SUB und ADJ am Beispiel von eng. ADJ sick (dt. krank) und eng. SUB cripple (dt. Krüppel). 52 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Abbildung 20: Krank Abbildung 21: Behinderung Quel e: Pixaby CC0 Quel e: Pixaby CC0 Ein wichtiger Unterschied zwischen diesen zwei Bedeutungen besteht darin, dass sick ( krank) auf einen zeitweiligen Status referiert, während cripple ( Krüppel) einen permanenten Status indiziert. Das ADJ sick ( krank) unterscheidet sich ähnlich auch von anderen ADJ wie z.B. blind ( blind) und deaf ( taub). Beispiele: He is chronical y ill. ( Er ist chronisch krank.) * He is chronical y blind/deaf. (* Er ist chronisch blind/taub.) Man kann zwar vorläufig blind oder taub sein, aber diese zwei ADJ haben in ihrer Semantik keinen vorübergehenden Charakter. So gibt es Sätze wie She was temporarily deaf. ( Sie war vorübergehend taub.). Die Sätze wie She was temporarily sick. ( Sie war vorläufig krank.) kommen merkwürdig vor. Daraus schließen wir, dass die Wörter blind, taub und Krüppel etwas Dauerhaftes an sich haben. Wenn das alles stimmt, bleibt die Frage: Warum sind blind und taub ADJ und Krüppel ist ein SUB? Wierzbicka (1988:467) erklärt das damit, dass das Wort Krüppel an sich nicht nur etwas Dauerhaftes, sondern etwas Sichtbares, Auffal endes, Erkennbares hat. Einer Person ist leichter anzumerken, dass sie ein Krüppel ist als dass sie blind oder taub ist. Aus dem gleichen Grund ist auch eng. hunchback (dt. Buckel) ein SUB und nicht ein ADJ. Vergleichen wir dies mit einigen anderen Sprachen. Wortsemantik 53. dt. Krüppel SUB Buckel SUB blind ADJ taub ADJ Russisch kaleka SUB gorbun ADJ slepoj ADJ gluhoj ADJ Japanisch izari SUB semushi ADJ mekura ADJ tsunbo ADJ Slowenisch Kroatisch Ungarisch dt. klug ADJ Genie SUB Russisch umnij ADJ genij SUB Japanisch rikona ADJ tensai SUB Slowenisch Kroatisch Ungarisch Es scheint, dass menschliche Eigenschaften dazu neigen, als SUB ausgedrückt zu werden, wenn sie uns als wichtig und dauerhaft erscheinen. SUB stehen für Kategorien, ADJ eher für Beschreibungen. Ist das im Alltag zu bemerken? Ja, in den Formulierungen wie z.B. dieser: „Ich bin kein Alkoholiker! Ich trinke halt!“ Dieses Muster kann so präsentiert werden: Ich bin kein X! Viel eicht bin ich X-y, aber ich bin kein X! Ich bin kein X! Viel eicht mache ich X, aber ich bin kein X! Das Sprachgefühl der SprecherInnen sagt ihnen, es ist nicht das Gleiche, wenn man als X bezeichnet wird oder wenn man mit der Bedeutung des ADJ gleichgesetzt wird26. Wir können Menschen mit vielen ADJ beschreiben, aber wenn wir uns bestimmten Kategorien zuordnen, scheint das viel stärker zu sein (vgl. groß oder Riese). Dieser Unterschied zwischen SUB und ADJ kann auch so präsentiert werden: − Das ist eine Art Person, wie diese Person ist. (SUB) − Diese Person ist x, y, z. (ADJ) 26 Mehr auch in Korzybski 1933 und Hayakawa 1974. 54 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. C 44 SUB gibt es in al en Sprachen der Welt. Woher kommen die SUB bzw. wie entstehen sie? Die Forscher im Bereich der generativen Semantik (Bach 1968, McCawley 1970) stel ten sich auch die Frage nach dem Entstehen der Nominalphrasen und erklärten Nominalphrasen wie ein Radfahrer mit „ ein X ist ein Radfahrer“. Alle konkreten SUB sollten so eine Struktur aufweisen. Auch SUB wie eine Frau – dieses SUB sollte die semantische Struktur „ ein X, das eine Frau ist“ haben. Die Entstehung wäre „ ein X, das menschlich, weiblich und erwachsen ist“, was wir schon mit der Merkmalanalyse gezeigt haben. C 45 Wozu haben wir ADJ? Il ustrieren Sie mit einigen Beispielen. Können wir etwas mit ADJ ausdrücken, was SUB und Verben nicht können? Wahrscheinlich nicht, da es Sprachen gibt, die die Wortart ADJ gar nicht kennen. Und trotzdem kann man in diesen Sprachen problemlos kommunizieren bzw. die Beschreibungen, die sonst die ADJ ausdrücken, mit anderen Wortarten formulieren. Wortsemantik 55. Beispiel27: Die Sioux-Sprachen in Nordamerika haben keine Wortart ADJ, die Konzepte der Beschreibungen werden in diesen Sprachen mit Zustandsverben ausgedrückt. Beispiel aus der Sprache Omaha-Ponca: ista aska 'mich-klar-ich-sehe-gut' (das Zustandsverb tta hat die Bedeutung 'groß sein') In einer solchen Sprache sagt man also nicht 'er war größer als sie'. Das ADJ groß ersetzt ein Verb: 'er überragte sie'. Keine ADJ haben auch einige Sprachen aus der Sprachfamilie der Austronesischen Sprachen: Muna (Insel Sulawesi, Indonesien), Achinesisch (Sumatra) und Kambera (Insel Sumba, Indonesien). Daneben gibt es auch Sprachen, die nur sehr wenige ADJ haben, z.B. Yimas (Papua-Neuguinea), das nur diese ADJ kennt: groß, klein, gut, schlecht, andere. Wenn ADJ nicht in al en Sprachen zu finden sind, was ist dann ihre Funktion? Meistens lesen wir, dass ADJ die Funktionen der Attribute aufweisen: russ. krasivaja devočka, slow. čedna deklica, dt. hübsches Mädchen. C 46 Beobachten Sie die semantischen Funktionen der ADJ in Subjekten der folgenden Sätze und beschreiben Sie diese. Die breite Hauptstraße war umsäumt mit Bäumen. Deine liebe Frau hat mir das gegeben. Die arme Oma konnte kein Wort sagen. Die SUB kreieren eine Kategorie und die ADJ drücken eine Eigenschaft aus, ohne eine neue Kategorie zu kreieren. 27 S. https://linguistlist.org/issues/4/4-442.html 56 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Das kann auch in der Morphologie beobachtet werden, wenn wir SUB mit ADJ vergleichen. Substantive haben ihr inhärentes (= an sich, angeborenes) Genus in Sprachen wie z. B. Latein, Russisch, Deutsch, Swahili, Slowenisch. Adjektive haben kein inhärentes Genus und in den Sätzen erhalten sie das Genus der SUB. C 47 Illustrieren Sie das mit Beispielen aus dem Deutschen, Slowenischen, Englischen und weiteren Sprachen, die Sie sprechen. Welche Unterschiede zwischen den Sprachen bemerken Sie? Welche Unterschiede bemerken Sie, wenn Sie den attributiven Gebrauch der ADJ aus den Beispielen mit dem prädikativen Gebrauch vergleichen? ADJ haben noch eine Eigenschaft, die eine Art quantitative Evaluierung ist. Sie manifestiert sich oft als die Kategorien der Stufen (Steigerung), Beispiel lat. altus 'hoch', altior 'höher', altissimus 'am höchsten'. Besitzen auch SUB diese Kategorie? Abbildung 22: Aborigines Ngiyambaa Quel e: Wikipedia28 In der australischen Sprache der Aborigines Ngiyambaa gibt es zwei Arten von SUB, nämlich die reduplizierten und die nicht reduplizierten. Wenn wir Texte aus dieser Sprache z.B. ins Englische übersetzen, dann übersetzen wir in den meisten Fäl en die nicht reduplizierten SUB mit englischen SUB und die reduplizierten SUB mit englischen ADJ. 28 https://en.wikipedia.org/wiki/Wiradhuric_languages Wortsemantik 57. C 48 Was sagt uns diese Übersetzungsstrategie? Lesen Sie die Erklärung des morphologischen Prozesses der Reduplikation und beantworten Sie die Frage. Reduplikation ist ein Prozess, bei dem Laute, Silben, Wörter wiederholt werden um damit eine neue Bedeutung zu bekommen. Es gibt die partielle und die totale Reduplikation. Im Deutschen ist das ein seltener Prozess, es gibt Beispiele wie Urur großmutter, Bonbon (aus dem Französischen). Welche Funktionen hat die Reduplikation? Reduplizierte Formen haben häufig die Funktion des Plurals oder der Intensivierung. Beispiele aus unterschliedlichen Sprachen: eng. bye-bye, walkie-talkie, südafrikanisch Eng. now 'jetzt, sofort', now-now 'einmal später', AmE. fancy-shmancy (shm- aus dem Jiddischen) 'Schickimicki', türkisch zaman 'Zeit' zaman zaman 'gelegentlich', Swahili piga 'schlagen' pigapiga 'wiederholend schlagen', hebräisch kelev 'Hund' klavklav 'Hündchen'. Unzählige Reduplikationen sind in den Austronesischen Sprachen zu finden. Abbildung 23: Austronesische Sprachen Quel e: Wikipedia29 29 https://de.wikipedia.org/wiki/Austronesische_Sprachen 58 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. In diesen Sprachen können die Reduplikationen den Verbalaspekt ausdrücken (Pingelapese, Mikronesien saeng 'er/sie/es weint' saeng-saeng 'er/sie/es weint in diesem Moment', Steigerung bedeuten (Rapa, Französisch Polynesien komo 'Schlaf' kokomo 'tiefer Schlaf'), genauso das Gegenteil von Steigerung (Maori, Neuseeland wera 'heiß' werawera 'warm') und noch weitere Funktionen bekommen. GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir 5 SATZSEMANTIK C 49 Welcher Satz passt zu disesem Foto? Abbildung 24: Weide Quelle: Privatarchiv a/ Im Winter kommen Kühe gerne auf die Alm. b/ Im Winter kommen Ziegen gerne auf die Alm. c/ Im Sommer kommen Kühe gerne auf die Alm. 60 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Die Sätze a, b und c sind eine Art Kompositionen. Ihre Bedeutungen ergeben sich aus den Bedeutungen einzelner Wörter und der Art ihrer Zusammensetzung. →Die Bedeutung eines Satzes ist eine Funktion der in ihm enthaltenen Ausdrücke und der Art ihrer Zusammensetzung30. Gerade diese beiden Komponenten ermöglichen uns, dass wir Sätze verstehen, die wir noch nie gehört haben. Innerhalb des Spracherwerbs lernen wir die Bedeutung(en) einzelner Wörter und nicht die Bedeutung der Sätze und trotzdem können wir die Bedeutungen der ganzen Sätze verstehen. Und nicht nur das, wir können auch aus bekanntem Wortmaterial neue Sätze bilden und interpretieren. Das machen wir nach bestimmten Regeln und diese Regeln untersucht die Satzsemantik. C 50 a/ Wie erklärt die Psycholinguistik den Erwerb von Wörtern und Sätzen? b/ Wir speichern im mentalen Lexikon einzelne Wörter und bilden aus ihnen neue Sätze. Was ist mit Phrasemen? In der heutigen Satzsemantikforschung gibt es zwei Strömungen: A/ wahrheitswertfunktionale Semantik: Die Referenz eines Satzes ist sein Wahrheitswert und das Ziel dieser Forschung ist immer die Zuordnung eines Wahrheitswertes und die Antwort auf die Frage nach Bedingungen, unter denen ein Satz wahr ist. Das ist eine weitverbreitete Strömung. B/ Situationssemantik: Die Referenz eines Satzes ist nicht immer der Wahrheitswert, sondern die durch den wahren Satz beschriebene Situation oder das entsprechende Ereignis. Beispiel: Im Schuljahr 1993/1994 ist an Gymnasien wieder die Matura eingeführt worden. 30 Schwarz/Chur 2004:117 Satzsemantik 61. Die Bedeutung dieses Satzes ist ein Ereignis, das im Schuljahr 1993/1994 stattfand. Es geht um das erneute Einführen der Matura in einem Schulsystem. Das Wort Matura könnte zwar auf Österreich hindeuten, nicht aber unbedingt. Mit diesem Wort kann nämlich das Abitur überal auf der Welt bezeichnet werden. Um entscheiden zu können, ob der Satz wahr ist oder falsch, müssen wir den Kontext kennen. Wenn dieser Satz mit der Wort Matura auf das erneute Einführen des Abiturs (slow. matura) an Gymnasien referiert, dann ist der Satz wahr. Referiert man aber auf das Einführen der Matura im Jahre 1849 in der Habsburgermonarchie, ist dieser Satz bestimmt falsch. C 51 Denken Sie sich einen Satz aus, den Sie hinsichtlich des Kontextes als wahr oder falsch bestimmen können. Das Problem beider Strömungen ist die Tatsache, dass beide sich auf Aussagesätze (Deklarativsätze) beschränken, denn nur diesen können Wahrheitswerte zugeschrieben werden. Andere Sprechakte wie z.B. Frage, Wunsch, Bitte, Befehl etc. werden nicht besprochen. C 52 Lesen/Analysieren Sie die folgenden Sätze. Welche von ihnen können überhaupt wahr oder falsch sein? a. Liesl kommt morgen nach Hause. b. Kommt Liesl morgen nach Hause? c. Wer kommt morgen nach Hause? d. Liesl, komm doch morgen nach Hause! Satz b. scheint einen Bezug zu dem Wahrheitswert zu haben. Mit ihm prüfen wir den Wahrheitswert. 62 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Schauen wir uns die Sätze a-c noch einmal an. In der Syntax werden diese Satztypen bzw. Satzformen heute meistens als Deklarativsatz (a), Imperativsatz (d) und Interrogativsatz (b, c) bezeichnet. Alle diese Sätze sind, abgesehen von verschiedenen Formen der Verbkonjugation, aus denselben Wörtern zusammengesetzt. Was sie unterscheidet, sind die pragmatischen Funktionen. Mit einem Deklarativsatz formulieren wir eine Aussage, mit einem Imperativsatz eine Aufforderung und mit einem Interrogativsatz stel en wir eine Frage. Ihre Funktionen liegen demnach weit auseinander. Wir sagen auch, sie haben unterschiedliche referenziel e Bedeutungen. Diese referenziel en Bedeutungen ergeben sich aber nicht aus den Wörtern, aus der Lexik, da die Sätze ja eine identische Lexik haben, sondern aus unterschiedlichen Strukturen der Sätze. Das wird in der Semantik die Strukturbedeutung der Sätze genannt. In den nächsten Unterkapiteln sprechen wir über die Strukturbedeutungen aller drei Satzarten und beziehen uns vor allem auf die Einführung in die Semantik (Pafel/Reich 2016). 5.1 Strukturbedeutung (Deklarativsätze31) Welche Strukturbedeutung haben Deklarativsätze? Der Deklarativsatz Liesl kocht. hat die Bedeutung, dass Liesl kocht. Das heißt, die Proposition dieses Satzes ist die Tatsache, dass Liesl kocht. Der Satz referiert demnach auf die Strukturbedeutung, die die gleiche wie die Proposition ist. C 53 Der Satz Leisl kocht. ist ziemlich kurz, vergleichen Sie ihn mit diesem Satz: Joseph kauft beim Bäcker frische Semmeln. Welche syntaktischen Unterschiede bestehen zwischen den beiden Sätzen? Die referenziel e Bedeutung eines Deklarativsatzes wie (1) Joseph kauft beim Bäcker frische Semmeln. 31 Mehr in Pafel/Reich 2016:186fff. Satzsemantik 63. wird häufig wie folgt angegeben: Der Deklarativsatz (1) referiert auf bzw. denotiert die Proposition „dass Joseph beim Bäcker frische Semmeln kauft“. Die Proposition wird also mit einem abhängigen Deklarativsatz mit dass… beschrieben. Das führt zu der folgenden Frage. Referieren beide Deklarativsätze (2a, 2b) eigentlich auf eine und dieselbe Proposition oder müssen wir für selbstständige und unselbstständige Deklarativsätze verschiedene Bedeutungen annehmen? (2a) Joseph kauft beim Bäcker frische Semmeln. (2b) (…) dass Joseph beim Bäcker frische Semmeln kauft. Formal sind die Sätze 2a und 2b beide Deklarativsätze. Was unterscheidet sie? Zwei Faktoren, das sind ihre Abhängigkeit und die Stellung des finiten Verbs. Der Satz 2a ist selbstständig und weist die Verbzweitstellung (V2) auf. Der Satz 2b wird abhängig verwendet und weist die Endstel ung des finiten Verbs (VE) auf. Der Faktor Abhängigkeit wird vom Philosophen Frege (1892) semantisch unterschiedlich behandelt. Nach Frege ist die Bedeutung eines selbstständigen Deklarativsatzes mit einem Wahrheitswert zu identifizieren und sein Sinn mit einem Gedanken. Vergleichen wir beide Deklarativsätze, den unabhängigen und den abhängigen (Pafel/Reich 2016: 187): unabhängiger DS abhängiger DS: Sinn: Gedanke Sinn von „der Gedanke, dass …“ Bedeutung: Wahrheitswert Gedanke Der Faktor Verbstel ung spielt nach der al gemeinen Auffassung für die eigentliche semantische Beschreibung abhängiger und unabhängiger Deklarativsätze keine Rol e. Es gibt aber einen inhaltlichen Effekt, der mit beiden Sätzen einhergeht. Die Äußerung eines selbstständig verwendeten Deklarativsatzes muss (minimal) 64 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. informativ sein, d.h. er muss für den Rezipienten neue Informationen zur Verfügung stellen. Es geht um eine Art Gebrauchsbedingung, die mit der Durchführung des Sprechaktes Aussage untrennbar verknüpft und pragmatischer Natur ist. Wichtig dabei ist Common Ground (CG), der gemeinsame Wissenshintergrund, der diejenigen Propositionen umfasst, die sowohl von dem Sprecher als auch vom Rezipienten für wahr gehalten werden. Beispiel: C 54 Sie gehen mit einer Person, die Sie nicht kennen, zusammen essen. Warum ist die Aussage, dass Donald Trump der jetzige Präsident der USA ist, unangemessen im Vergleich zu der Aussage, dass Sie einen älteren Bruder haben? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen der V2-Stellung, VE-Stellung und den Propositionen? Die V2-Stel ung kann mit der selbstständigen Verwendung verbunden werden (Satz 2a), während die VE-Stellung mit der unselbstständigen Verwendung verbunden ist (Satz 2b). Stimmt das wirklich? Es gibt im Deutschen auch selbstständig verwendete dass-Sätze wie (3a) und abhängig verwendete Deklarativsätze wie (3b) mit Zweitstel ung des finiten Verbs. Nach unserer Intuition sind aber solche Sätze eher atypisch. (3a) Dass Joseph (gerade jetzt) beim Bäcker frische Semmeln kauft! (3b) Ich glaube, Joseph kauft (gerade jetzt) beim Bäcker frische Semmeln. 5.2 Strukturbedeutung (Interrogativsätze32) Welche Strukturbedeutung haben Interrogativsätze? Vergleichen wir die syntaktische Struktur folgender Sätze: (4a) Joseph hat gestern wen kennengelernt. (4b) Wen hat Joseph gestern kennengelernt? 32 Mehr in Pafel/Reich 2016:193fff. Satzsemantik 65. (4c) Joseph hat gestern WEN kennengelernt? Die Sätze 4a und 4b scheinen sich nur darin zu unterscheiden, dass das syntaktische Objekt wen in (4a) im Mittelfeld des Satzes steht, in (4b) dagegen im Vorfeld des Satzes. Mit dieser Stellung ist auch der Satztyp verbunden; der Satz (4a) ist ein Deklarativsatz, der Satz (4b) ist ein Interrogativsatz in der Funktion einer Frage. Wen ist in beiden Sätzen als ein Indefinitum der Art jemand aufzufassen und seine Interpretation ist abhängig von der Position. Das kann zwei Gründe haben. Erste Variante: Das Vorfeld ist eine ausgezeichnete Position für Aussagen, die wir als interrogativ interpretieren. Zweite Variante: Das Indefinitum wen interagiert auf seinem Weg ins Vorfeld mit einem anderen Element des Satzes und das ergibt zusammen die Frageinterpretation. Weil wir wissen, dass im Vorfeld auch andere Elemente stehen können und nicht nur solche, die interrogativ sind, scheint die zweite Variante besser zu sein. Mit welchem anderen Element interagiert also wen? Die Forschung (z. B. Baker 1988) spricht in solchen Fällen über ein weder sicht-noch hörbares Q-Morphem (lat. quaestio), dass in der Syntax zwischen dem Vorfeld und der linken Satzklammer anzusiedeln ist. Der Satz (4b) hat damit die Struktur (5): (5) Wen Q hat Joseph gestern kennengelernt? Das Q-Morphem ist das zentrale formbildende Merkmal des Interrogativsatzes und führt dazu, dass die interrogative w-Phrase wen zur Bildung eines Interrogativsatzes an den Satzanfang gestel t wird. Die Strukturbedeutung des Interrogativsatzes besteht dann im Wesentlichen in der semantischen Interpretation des Q-Merkmals, die zur Bildung eines Quaestio führt. Die referentiel e Bedeutung der Interrogativsätze wird häufig mit der Miteinbeziehung der Antworten verbunden. Der Satz (6b) ist eine direkte Antwort auf die Frage (6a): (6a) Wen Q hat Joseph gestern kennengelernt? (6b) Joseph hat gestern seinen neuen Chef kennengelernt. Wir können das auch so formulieren: Joseph hat gestern X kennengelernt. X ist dabei ein vom Kontext abhängiges Individuum: 66 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. seinen zukünftigen Schwiegervater seinen Nachbarn (7) Joseph hat gestern mich kennengelernt. Luka Dončić … Die referentielle Bedeutung von (6a) kann nur als die Menge aller möglichen direkten Antworten auf die Frage identifiziert werden. Wir sprechen über al e möglichen Antworten, zugleich können wir aber diese Menge auch beschränken, indem wir sagen: Die referentielle Bedeutung von (6a) kann nur als die Menge aller in einem gegebenen Kontext wahren Antworten identifiziert werden. 5.3 Strukturbedeutung (Imperativsätze33) Welche Strukturbedeutung haben Imperativsätze? Welcher Effekt ist für die Imperativsätze konstitutiv? (8) Kontext: Liesl sagt zu Joseph: Bezahl endlich die Stromrechnung! Was Liesl in diesem Kontext erwartet, ist, dass Joseph die im Imperativsatz ausgedrückte Handlung realisiert. Er kann das zwar verweigern ( Nein, das mach ich erst morgen! ) oder erklären, dass die Handlung schon vollzogen worden ist ( Hab ich schon längst gemacht! ). In jedem Fall geht es also um die Realisierung des Sachverhalts, in der Regel durch den Adressaten oder die Adressaten. Die Strukturbedeutung der Deklarativsätze haben wir Proposition genannt, die Strukturbedeutung der Interrogativsätze Quaestio, um sie von den Sprechakten wie Assertion und Frage zu trennen. Die Strukturbedeutung der Imperativsätze nennen wir Actio und grenzen sie so von dem Sprechakt Aufforderung ab. Den Begriff Actio können wir mit den Handlungstypen verbinden, die durch den Adressaten vol zogen werden sol en. Wir stel en fest, dass die Imperativsätze auf Verben beschränkt sind, die sich auf Ereignisse beziehen und nicht auf Zustände. Und noch etwas. Sie beziehen sich auf Verben bzw. auf Handlungen, die in dem gegebenen Kontext noch nicht realisiert sein dürfen. 33 Mehr in Pafel/Reich 2016:197fff. Satzsemantik 67. C 55 Illustrieren Sie den vorherigen Abschnitt mit Beispielen. Problematisch wird es, wenn sich die Realisierung der Kontrol e durch den Adressaten entzieht. Beispiel: (9) Kontext: Kurz vor dem ersten Bungee-Sprung: Hab keine Angst! Schauen wir uns die Struktur der Imperativsätze näher an. Im strengen Sinne gibt es keine abhängigen Imperativsätze (mit Verben in den Imperativformen). Gibt es dann überhaupt eingebettete Imperativsätze? Beispiele sind anhängige Infinitive: (10a) Ich befehle dir, die Stromrechnung zu bezahlen. (10b) Ich fordere dich auf, dich mit deiner Mutter zu versöhnen. Diese Infinitivsätze haben mit den Imperativsätzen gemeinsam, dass beide kein (overtes) Subjekt realisieren. Weiter kann man daraus schließen, dass die referenzielle Bedeutung eines Imperativsatzes in einem temporal unterspezifizierten propositionalen Objekt besteht, das weder als wahr noch als falsch bewertet werden kann. 5.4 Semantische Relationen zwischen den Sätzen Im Kapitel Wortsemantik sind semantische Relationen zwischen den Wörtern besprochen worden. In diesem Kapitel interessieren uns semantische Relationen zwischen den Sätzen. Die semantische Forschung spricht über folgende semantische Relationen zwischen den Sätzen34. (a) Semantische Relation der Paraphrase: Zwei Sätze sind immer dann synonym, wenn sie in al en Situationen den gleichen Wahrheitswert haben. 34 S. mehr in Schwarz/Chur 2004:119fff. 68 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Wenn in einer Situation der Satz A wahr ist, dann ist auch der Satz B wahr und umgekehrt. Beispiel: Sie unterhalten sich den ganzen Vormit ag auf Deutsch untereinander. Sie unterhalten sich den ganzen Vormit ag in deutscher Sprache untereinander. (b) Semantische Relation der Subordination: Der erste Satz impliziert den zweiten Satz. Wenn der Satz A wahr ist, dann ist auch der Satz B wahr, aber nicht immer auch umgekehrt. Beispiel: Einen Apfel habe ich mir gekauft. Eine Frucht habe ich mir gekauft. (c) Semantische Relation der Kontradiktion: Immer wenn der Satz A wahr ist, ist der Satz B falsch und umgekehrt. Beispiel: Kein Schüler mag zu kurze Pausen zwischen den Unterrichtsstunden. Mindestens ein Schüler mag zu kurze Pausen zwischen den Unterrichtsstunden. (d) Semantische Relation der Kontrarität: Zwei Sätze sind konträr, d.h. der Satz A und der Satz B können nicht gleichzeitig wahr sein. Beispiel: (e) Jakob ist verheiratet. Jakob ist geschieden. C 56 Erklären Sie den Unterschied zwischen konträr und kontradiktorisch. Suchen Sie nach Erklärungen im Internet, z.B. https://www.repetico.de/card-17145862 Satzsemantik 69. 5.5 Thematische Rol en im Satz Das Zimmer ist im Industrial Design Stil renoviert worden. Ist etwas in diesem Satz ambig? ( ambig > Ambiguität: Möglichkeit mehr als einer Interpretation). Die Antwort ist klar ( das Zimmer). Allerdings können auch Satzglieder bzw. Satzgliedteile und sogar ganze Sätze ambig sein. C 57 Wer hät e gedacht, dass wir nach einem Jahr so abschließen! Joseph beobachtet den Mann mit dem Fernglas. Jakob und Anna haben ein Brüderchen bekommen. Dank dem Herrn, der über uns wohnt. (eine Geburtsanzeige) Abbildung 25: Fernglas Quel e: Pixabay CC0 Im Satz herrschen verschiedene Ordnungsprinzipien, sie werden mit Hilfe der Grammatiktheorien beschrieben, z.B. als Satzglieder, Valenz, Transformationsregeln usw. Damit können im Satz bestimmte semantische Rollen etabliert werden. Diese Rol en werden als Thetarol en oder Thematische Relationen im Rahmen der Kasusgrammatik bezeichnet35. Man kann etwa unterscheiden: Agens: belebter Verursacher/Träger einer Handlung Er machte Fortschrit e. Patiens: belebter Betroffener einer Handlung Ich würde meinem Nachbarn, dem Chef, sagen, dass er ein Problem hat. 35 Vgl. https://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/index.html?https://www.christianlehmann.eu/ling/lg_sy stem/sem/semant_rollen.php 70 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Objekt/Thema: belebtes oder unbelebtes Objekt einer Handlung oder eines Zustandes Er hat einen Stapel Fotos mitgebracht … Instrument: unbelebte Ursache einer Handlung oder Instrument, das in eine Handlung involviert ist Wenn man eines Tages mit dem Weitwinkelobjekt der Geschichte auf diese vier Jahre schauen wird … Lokativ: Ort einer Handlung oder eines Zustandes Erika steht in ihrem Garten Zeit: Zeitpunkt einer Handlung/eines Zustandes Dann kam die Flut. Source: Ausgangspunkt einer Handlung Als erfahrener Psychotherapeut weiß Lutz, dass an den Rand gedrängte Institutionen oft eine überraschende Vitalität entwickeln. Goal: Direktiv, Richtungskasus Der Angrif auf die Trauergemeinde ist bestel t und gut vorbereitet. Possessor: belebtes Wesen, das etwas (zumindest zeitweilig) besitzt Sie kramt nach einem Zettel … Aus den Beispielen geht hervor, dass die Thetarollen nicht mit bestimmten Satzgliedern gleichgesetzt werden können. So ist Patiens nicht einfach ein anderer Ausdruck für Objekt, ein Patiens kann durchaus im Nominativ oder in einem anderen Kasus stehen. Es ist auch nicht gesagt, dass in einem Satz auch tatsächlich al e diese Rollen vorhanden sind. Mit den Thetarollen kann man den Wechsel der Satzsemantik 71. Satzglieder bei der Änderung von Aktiv- und Passivsätzen genauer erfassen: Das Agens des Aktivsatzes wird zum Patiens des Passivsatzes. Die Natur unterrichtet uns. > Wir werden von der Natur unterrichtet. C 58 Bestimmen Sie die Thetarol en im folgenden Text: Die schwache Räderspur führte nicht weiter in die Prärie hinein und Vater hielt die Pferde an. Kaum hatten die schweren Räder zu knarren aufgehört, ließ sich Jack, der Hund, im Schatten des Wagens niederfallen. Sein Körper versank im Gras, er streckte die Vorderpfoten von sich und legte die Nase darauf. Jack ruhte aus, nur seine Ohren waren aufmerksam emporgerichtet. Viele Tage, viele lange Tage war Jack unter dem Planwagen einhergetrottet, den ganzen weiten Weg von dem kleinen Haus in der Prärie durch das Indianerland, durch das Gebiet von Kansas, Missouri und Iowa bis tief nach Minnesota hinein. Jack hatte gelernt, sich dort auszuruhen, wo der Wagen gerade stehen blieb. Im Planwagen sprang Laura auf. Auch Mary sprang auf. Ihre Beine waren vom langen Stil sitzen schon ganz steif geworden. „Das muss der Platz sein“, sagte Vater, „Nelson gab an, dass wir nach einer halben Meile zu einem Bach kommen würden. Wir sind eine halbe Meile gefahren und hier ist der Bach.“ (Laura Ingalls Wilder. Laura und ihre Freunde. Unsere kleine Farm. Band 3. München: Ueberreuter. S. 7) 72 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir 6 FALLSTUDIE: GENITIV UND SEMANTISCHE INTERPRETATIONEN Das ist ein Bild von Marc Chagall. Abbildung 26: Marc Chagal , The Fiddler, 1912–1913 Quel e: Wikipedia36 Marc Chagall (1887-1985), jüdischer Maler, geboren in Witebsk (heute Weißrussland) gestorben in Frankreich, ein Maler des Expressionismus, bekannt unter Anderem nach den Motiven aus den Schtetln in Osteuropa. 36 https://en.wikipedia.org/wiki/Marc_Chagall 74 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Der Genitiv gehört zu den Kasusformen im Deutschen. Er kann morphologisch markiert werden ( der Garten meines Vaters) oder durch eine von-Phrase ersetzt werden ( der Garten von meinem Vater). C 59 a/ Welche Funktion(en) hat diese Kasusform? b/ Wie häufig kommt der Genitiv im Deutschen im Vergleich zum Dativ und Akkusativ vor? c/ Wie wird der Genitiv morphologisch markiert (m, f, n)? d/ Vergleichen Sie folgende Sätze und beobachten Sie die Genitivmarkierungen. Dt. Joseph verkaufte die Winterreifen seines Autos, weil er im Winter nur noch mit dem Bus der Stadtgemeinde fahren wil . Sein Nachbar kann eine solche Entscheidung von Joseph gar nicht nachvol ziehen. Er könnte auf die Fahrten im Schnee mit seinem neuen Wagen von VW nicht verzichten. Slow. Joseph je prodal zimske gume svojega avtomobila, ker se bo pozimi vozil samo še z mestnim avtobusom. Njegov sosed take Josephove odločitve sploh ne more razumeti. Sam se vožnjam v snegu s svojim novim avtomobilom znamke VW ne bi mogel odpovedati. Dt. Liesl arbeitet gerne im Garten ihrer Tante. Zusammen pflanzen sie jede Menge von Gemüsesorten ein. Slow. Liesl rada dela na vrtu svoje tete. Skupaj sadita celo vrsto različnih vrst zelenjave. Dt. „ Josephs Rad ist schon wieder kaputt!“ sagt Liesl. Slow. „Josephovo kolo je spet pokvarjeno!“ pravi Liesl. Welche Bedeutungen hat der Genitiv? Diese Frage wurde in der Linguistik schon oft diskutiert. Der Häufigkeit nach ist der Genitiv bestimmt die Kasusform, die am seltensten gebraucht wird. Am häufigsten kommt der Genitiv in Nominalphrasen vor ( die Blüten des Olivenbaumes). Und was/welche Bedeutung(en) drückt er/der Genitiv aus? Im Allgemeinen Possessivität bzw. Zugehörigkeit. Satzsemantik 75. C 60 Was bedeutet eigentlich Possessivität? Versuchen Sie diesen Begriff zu beschreiben. In jeder Grammatik der deutschen Sprache wird der Genitiv erklärt, es werden Formen und Verwendungsmöglichkeiten erläutert. Daneben werden auch Interpretationsmöglichkeiten angeführt. Es geht um verschiedene Arten der Possessivität. In der Tabelle finden Sie die Interpretationsmöglichkeiten, die in den neueren Grammatiken der deutschen Sprache zu finden sind. C 61 Vergleichen Sie die Angaben in der Tabel e. Was stel en Sie fest? Abbildung 27: Tabel e Quel e: Lipavic Oštir 2004: 163. 76 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Die Angaben in der Tabelle sind nicht einheitlich! 1. Der Genitivus possessivus hat die primäre Genitivfunktion ( das Auto der Tante). Die Interpretation ist in al en Grammatiken in der Tabel e zu finden, außer in Weinrich. Genitivus possessivus kommt unter folgenden Namen vor: Genitivus possessivus und Genitiv der Zugehörigkeit (Eisenberg, Engel, Erben). In Duden, Helbig/Buscha, Jung gibt es zwei Interpretationen: Genitivus possessivus, Genitiv der Zugehörigkeit? Hier ist mit Genitivus possessivus die engere Bedeutung gemeint, vgl. das Auto der Tante, das Zimmer des Chefs. Weinrich (1993) klassifiziert ausschließlich nach dem Kriterium, ob der Träger der Handlung/des Zustandes in der Nominalphrase zu finden ist oder die Handlung/der Zustand die Nominalphrase betrifft. 2. Der Genitivus subjectivus wird verstanden als eine Tat bzw. als Folgen der Tat von jemandem/etwas ( das Wirken des Mannes, Vaters Reise). Einige Grammatiken (Duden, Eisenberg, Helbig/Buscha, Jung) erkennen noch eine andere Unterart, nämlich den Genitivus auctoris, welcher einen Prozess der Schöpfung bezeichnet ( Goethes Werke). 3. Der Genitivus objectivus wird in allen Grammatiken als Ziel des Verbalgeschehens verstanden ( die Lösung der Aufgabe). Einige (Duden, Helbig/Buscha) erkennen auch noch eine Unterart, den Genitiv des Produkts, ähnlich dem Genitivus auctoris, da er den Gegenstand der Schöpfung benennt ( der Komponist dieser Symphonie). 4. Der Genitivus qualitatis: Einige Grammatiken erkennen diese Interpretationen überhaupt nicht, während Helbig/Buscha über zwei Arten schreiben. Im Grunde geht es hier um eine Eigenschaft oder Qualität ( ein Mann mit leren Alters, Maler des Impresionismus). Helbig/Buscha definieren inhaltlich (Genitiv der Eigenschaft, ein Mann der Vernunft) und nach der Mengenangabe (Genitiv des Eigenschaftsträgers, die Größe des Zimmers). 5. Der Genitivus partitivus wird als das Verhältnis zwischen einem Teil und dem Ganzen verstanden ( die Hälfte meines Vermögens), dabei erkennt Erben drei Arten. Satzsemantik 77. 6. Der Genitivus explicativus wird verstanden als „etwas/jemand ist wie etwas/jemand“ ( die Nacht der Liebe). Einige erkennen noch den Genitivus definitivus als die „reine“ Variante mit dieser Bedeutung. Zusätzlich gibt es noch zwei Genitivinterpretationen: − Genitiv des dargestellten Objekts (Helbig/Buscha), z. B. das Bild Goethes − Genitiv der Steigerung (Jung, Weinrich), z. B. das Buch der Bücher C 62 Versuchen Sie, folgende Beispiele den unterschiedlichen Genitivinterpretationen zuzuordnen. − ein Löf el Ricot a − Autor des Romans Krieg und Frieden − die Verfolgung der Studierenden − die Kommentare der Seminarbeiten − eine Kugel Himbeereis − ein Bild von Edward Hopper − das iPad meiner Schwester − Wein schlechter Qualität − Jamie Oliver, der Koch al er Köche − die Irrwege der Liebe − die Autorin dieses Berichts − die Worte des Präsidenten − der Bus von Peter − Kurzgeschichten von Raymond Carver − ein Photo von meiner Tochter − Picassos Bilder Besprechen wir den Satz Ich sammle Picassos Bilder. genauer. Welche Genitivinterpretationen sind für diesen Satz möglich? Genitivus subjectivus? 78 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Genitivus objectivus? Genitivus possessivus? Autoporträts? Eine neue, bis jetzt noch nicht bekannte semantische Interpretation? Zusammenfassend kann man sagen, dass die semantischen Interpretationen nicht ausreichen. Sie sollten so konzipiert sein, dass man damit alle Beispiele erklären kann. Ein anderer, neuer Vorschlag ist die Interpretation mit Maximen (Ballweg 1998), welche das folgende Beispiel verdeutlichen soll: Die Bilder Picassos sind sehr wertvol . 1. Wir zweifeln nicht daran, dass der Sprecher in der Kommunikation mitmachen möchte. 2. Die Aussage ist mehrdeutig und sie stößt gegen die Maxime „Meide Mehrdeutigkeiten!“ 3. Aufgrund dessen können wir daraus schließen, dass (1.) der Sprecher eine mehrdeutige Aussage machen wol te oder (2.) die Mehrdeutigkeit im Kontext geklärt wird, wobei der Sprecher in diesem Fal e gegen die Maxime „Erkläre einfach und kurz!“ stoßen würde. 4. Der Sprecher ist überzeugt davon, dass wir Picasso als einen berühmten Maler kennen. 5. Der Sprecher ist überzeugt davon, dass al e Bilder ihre Autoren haben. 6. Aufgrund dessen können wir Picassos Bilder in der Aussage in erster Linie als Bilder verstehen, die Picasso gemalt bzw. gemacht hat. GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE A. Lipavic Oštir LITERATUR Aitchison, Jean (1997): Wörter im Kopf. Eine Einführung in das mentale Lexikon. Tübingen: Max Niemeyer Verlag. Ballweg, Joachim (1998): Eine einheitliche Interpretation des attributiven Genitivs. In: Vuillame, Marcel. (ed.) Die Kasus im Deutschen. Form und Inhalt. Tübingen: Stauffenburg. Comrie, Bernard/Matthews, Stephen/Polinsky, Maria (1999): Altas jezikov. Ljubljana: DZS. Crystal, David (2002): The Cambridge Encyclopedia of Language. Second Edition. Cambridge: University Press. Bußmann, Hadumod (1990): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner. Kosta, Peter (2014): Prototypensemantik und Stereotypen. In: Kempgen Sebastian et al. (eds.) Die slavischen Sprachen/The Slavic Languages. Halbband 2. Berlin: de Gruyter. S. 828-848. Krifka, Manfred (2003): Einführung in die Satzsemantik. http://home.uni- leipzig.de/assmann/teaching/SS16/KrifkaSemantik1.pdf , abgerufen am 9.11.2018 Lipavic Oštir, Alja (2004): Gramatikalizacija rodilnika v nemščini in slovenščini. Maribor: Zora. Pafel, Jürgen/Reich, Ingo (2016): Einführung in die Semantik. Grundlagen – Analysen – Theorien. Stuttgart: Metzler. Pinker, Steven (1994): Der Sprachinstinkt. Wie der Geist die Sprache bildet. München: Knaur. Schwarz, Monika/Chur, Jeannette (2004): Semantik. Ein Arbeitsbuch. Tübingen: Narr. Wierzbicka, Anna (1988): The Semantics of Grammar. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins. 80 GRUNDLAGEN DER SEMANTIK: ZWEITE AUSGABE. Document Outline VORWORT 1 LANGZEITGEDÄCHTNIS UND MENTALES LEXIKON 2 GRUNDINFORMATIONEN ZUR SEMANTIK 2.1 Bedeutungen erforschen 3 SPRACHZEICHEN 3.1 Eigennamen als Sprachzeichen 4 WORTSEMANTIK 4.1 Merkmalhypothese/-analyse 4.2 Prototypensemantik 4.2.1 Prototyp und/oder Stereotyp? 4.3 Wortsemantik: Substantiv vs. Adjektiv 5 SATZSEMANTIK 5.1 Strukturbedeutung (Deklarativsätze30F ) 5.2 Strukturbedeutung (Interrogativsätze31F ) 5.3 Strukturbedeutung (Imperativsätze32F ) 5.4 Semantische Relationen zwischen den Sätzen 5.5 Thematische Rollen im Satz 6 Fallstudie: Genitiv und semantische Interpretationen LITERATUR Blank Page Blank Page