MITTHEILUNGEN d e s historischen Vereines für Krain im September 1 8 5L. Redigirt vom Br. ¥. F. Micin. jSrrcinč' ©ecrctär und GeschLftSlcitcr :c. :c. jtnr Frage über die ältesten Bewohner der innerösterreichischen Länder- Von P. Hitzinger. (Schluß.) man übrigens auf der vorstehenden Inschrift auch den slavischen Gott Chartas oder Gert nicht anerkennen, »iid will man selbst den Belinus, als slavischen Gott, laugnen, so folgt daraus noch gar nicht, daß aus den Votivsteinen in Amerösterreich der Dualismus nur angeblich sei. Denn man findet auf andern Votivsteinen zu Aguileja einen Bonus Deus Brotons, dann einen Gott Foniog die betreffenden Inschriften lauten: 1. BONO DEO BROTONTI. 2. FONIONI SAG. Sein ... ionis Mag. D. D. 3. Annia M. F. Magna et Sciabonis et Cornelia Ephyrac Magistrae B. D. porticum restilucrunt, aecliculam FONIONIS. Der vorbenannte gute Gott Bonus Deus Brotons ist wenigstens keine bekannte römische Gottheit. Gewöhnlich wird der Name Brotons mit dem gricch. Bgarrdcov, der Donnerer, M Jupiter, zusammengestellt; es ist jedoch weder die Form des Wortes noch der Beisatz Bonus Deus für Jupiter nnge= jtigt, da dessen gewöhnlicher Beiname Optimus Maximus heißt. ®01W findet man in der celtischen Mythologie wohl ein gött-üches Wesen mit ähnlichem Namen Wraith, allein dieses ist e>n Todesgeist, dem der Beisatz Bonus Deus nicht entspricht. ®an kann jedoch Brotons als die latinisirte oder gracisirte «orni für eine dem nordslavischen Sitivrat, der wiederkehrende» Friihlingssonne, vom fl. sijali, scheinen, unb vratiti se, wiederkehren, entsprechende Gottheit, in einer den Südslaven eigenen kürzeren Form, etwa Vra to oder Vroto, annehmen; ^fcnt kann der Beiname Bonus Deus ganz zutreffend bei-gelcgt werden, und es ist möglich, daß der sonst problematische wendische Gott Krodo, ein Glcichbild von Sitivrat, eigentlich rodo> ßroto, Vroto heißen sollen. Der Name des andern Gottes Fonio wird gewöhnlich mit dem griech. ftonog, der Mordlustige, Todbringende, einem Beinamen des Kriegsgottes Mars, griech. “Apis, verglichen; schon in dieser Erklärung wird ein Gegensatz zum guten Gott ausgestellt. Jedoch ist nicht abzusehen, warum das griech. ra oder Sveto vi t; Ueucunus oder Cau-cavus, dieses dem Sanscrit, jenes dem Slavischen der Form nach entnommen, zeigt auf den wahrsagenden Vogel des Svetovit, nämlich den Guckguck, sl. kukovica. Für den slavischen ßelinus oder persischen Ormuzd, oft gleich Mithra, sprechen so viele vom sl. bei, weiß, abgeleitete Namen, wie: Belicius, Belina, ßelecus, Belia, Bolečina, Intiniftri Albanus, Candidus, Albinus, Auf den slavischen Gert oder Cernibog, oder persischen Ahriman weist die hin und wieder, z. B. zu Rohitsch, aus Denksteinen vorkommende Figur des Drachen, als Symbols des Ahriman, so auch das so oft vorkommende Bild des Hundes. Ferner deuten auf denselben die Personen-Namen Condolus und Covin er tuš’, von den sl. Wurzeln kondol, kovin und hart, Windspiel; ferner die Namen Saanius, Saanus, Dra-conia, vom sl. San, lat. draco, Drache 12°). Die persische Götterlehre hatte neben einer obersten guten und bösen Gottheit auch noch Schutzgeister und schadenfrohe Dämonen; namentlich sind zu erwähnen die den Elementen und freundlichen Jahres - und Tageszeiten vorstehenden Amscliaspands, als Begleiter des Lichtgottes, und die an Ahriman s Seite stehenden Dews, als Urheber der verschiedenen indischen Uebel. Diesen entsprechen in der nordslavischen Göttcrlehre die Götter der Jahreszeiten, als Jarovit, Frühlingsgott, Rujcvit, Sommergott, Borovit, Wintergott; dann die Geister der Tageszeiten, Jutrebog, Morgengott, auch Serovit, vom sl. zoriti,' licht werden, fei. stir, glänzen; M ar o vit, Abcndgott, vom sl. mreti, absterben. Auch von diesen findet man Anzeichen auf alten norischcn und panuouischcn Monumenten. Auf einem, nun zu Pettau befindlichen Denksteine steht der Name des Gottes Jarmo-gius, nämlich: JARMOGIO AVG. SAG. C. Marius Serotinus ex jussu. Diesen kann man eben als Frühlingsgott erklären, wenn man den Namen als zusammengesetzt mid jar, Frühling, im Altslavischen auch überhaupt Jahr, und mög, mächtig, mogel, können, anerkennt. So entspricht er ganz dem nordsl. darovi i und etwa dem persischen Ardibehescht, welcher durch die elcmcntarische Gluth den Frühling und Sommer hervorbringt. Nack) einer andern Seite erklärt Prof. Terstenjak den Gott Jarmogius mit dem indischen Shiwa Ugra oder ll9) Erstere Inschrift steht bei Muchar (Geschichte der Steiermark, Br. I. S. 360, letztere bei Valvasor (Ehre des HerzogthumS .Sirom, Bd. V. S. 259). 12°) Vergleiche die betreffenden Aufsätze von Terstenjak (Novice 1853, S. 103, 130, 210). Shiwa Shastawa, dem Zürnenden, Rächenden, in Acr-gteich mit dem sl. šarili, zürnen l21). Eine andere dahin zielende Gottheit ist der auch zu Pettau vorkommende Jaribolus, latinisirt auf einem zu Cilli befindlichen Monumente, als Genius Anigemius, Die betreffenden Inschriften lauten: 1. JARIBOLO AVG. SAG. 2. GEN IO ANIGEMIO cultores ejus V. S. L. M. Der Name Jaribol ist zusammengesetzt aus dem ff. jar, Frühjahr, und boleti, schmerzen; und der andere Name Anigemius scheint nur die lateinische Ucbersetzung davon zu sein, von annus, Jahr, und gemo, seufzen, Schmerz empfinden. Beides bezeichnet also eine Frühlingskrankheiten verursachende oder heilende Gottheit, ähnlich etwa dem uord-slavischcn Znic, Hcilgott, oder dem persischen Amcrdad, Genius der Gesundheit 122). Auf den Sommergott Rujevit dürfte folgende, zu Aquileja gefundene Inschrift erinnern: DEO RYB1GO SACRVM; denn das slav. ruja, Sonnenbrand, stimmt ganz mit dem lat. rubigo überein. Auf den Wintergott, oder eigentlich auf den jungen Jahresgott, geht wohl die schon außerhalb der pannonischen Gränzen zu Weißenburg (Alba Julia) in Siebenbürgen gefundene Inschrift: BONO DEO PVERO pos. Phoro........... Der Bonus Deus Puer ist allem Ansehen nach der slav. Božič, der kleine Gott, d. i, die schwach leuchtende und wenig wärmende Wintcrsonne, welcher Name im Christenthum auf den als kleines Kind zur Welt gekommenen wahren Gottessohn übertragen wurde. Auf den slav. Serovit und Maro-vit deuten die Namen Surus und Marius, welche häufig als Beinamen von Personen zu finden sind 123). e) Juwi efe r n c eltischc, bei C l a ss ik er n und auf Monumenten v o r k o m m ende N a m e n und Bilder ein Gegengewicht bilden? Diejenigen, welche die alten Bewohner von Noricum, Pannonien und Venetien ursprünglich zu Celten machen wollen, sind wohl geneigt, die vielen hier vorgeführten, als slavisch dargestellten Namen, häufig ohne viele sprachliche Beweise für celtisch auszugeben; und wollen dabei jenen, welche das slavische Element in Jnnerösterreich schon in bet Vorzeit finden wollen, dieß meistens sehr hoch als ein gewissermaßen frevelhaftes Wagniß anrechnen. Nicht so thun es diese, welche die Spuren des Slaventhums im alten Noricum und 12') Vergleiche den Aufsatz über Jarmogius (Novice 1853, dann Novice 1855, S. 163). Die Inschrift sich bei Much" (Geschichte der Steiermark, Bd. I. S. 409). ,=2) Vergleiche Terst e nj ak's Aufsatz (Novice 1853, @.74). Inschrift titlet M n ch a r nach Maraton tires, inscr. (GtschW der Steiermark, Bd, 1. S. 409). 123) Diese Inschriften kommen vor bei Muratori (thus, inscr. torn. !■ S. 30), und Gruter (luscr. tom. I. S. 88). Pannonien verfolgen; obgleich sic dem Ccltenthum keine solche Allgemeinheit zusprechen wollen, als sic ans der Gegenseite behaupten, so lassen sie dasselbe doch gelten, wo betritt gelingende Beweise vorhanden sind. Die Zahl der als celtisch erwiesenen, oder bei Abgang des Gegenbeweises dafür geltenden Eigennamen mögen sie der Geografie oder Mythologie entnommen feilt, oder sich auf Personen beziehen, ist unterdessen viel geringer im Vergleich zn der grossen Menge der vorhin angeführten Namen, deren slavischer Ursprung bis zur Gewißheit oder wenigstens bis zur Wahrscheinlichkeit nachgewiesen worden ist. Unter den geografischen Namen sind zunächst jene der Gebirge zn nennen. Der Name des mitteleuropäischen Hauptgebirges Alpes, welcher gewöhnlich vom celt, alb, alpin, entsprechend dein sl. leb, lob, hoher Berg, abgeleitet wird, obgleich schon die Alten das altitalischc alpus für albus, weiß, anzogen — entscheidet für Inncrösterreich weniger, da sich hier nicht der Hanptstock, sondern nur die Ausläufer des Gebirges befinden. Wohl ist hicher zn ziehen der Berg Albius, Alpin« oder Albanus, der Schneebcrg bei Laas, im Lande der alten Japoden, insofern man die ccltische Ableitung gelten lasscir will 12*). Dann ist der Mohs Apennines, ein anderer Name für die Mischen Alpen bei einigen alten Geografen, für dessen Wurzel das celt, penn, Felsspitze, lat. pinna, gilt. Ob die Namen Tullum und Phlygadia keltischen Ursprungs sind, mag dahin gestellt sein; doch lässt sich letzterer mit dem flav. Belec oder Bovec, Flitsch, und Blegas, ein Berg zwischen Lack und Tolmcin, vergleichen 125). Die Namen Tauern, C-elius, Carvancas und Carrusaclius sind schon oben aus dem Slavischen erklärt worden, der Raine Ocra hingegen ist altitalisch. Unter den Flnßnamen in Inncrösterreich kann man kaum welchen den Celten zuweisen; man nehme etwa den Isontius, Jsonzo, vom celt, isa, schnellflicssendes Wasser, mtb Anasus, Enns, vom celt, en, Wasser. Allein ersterem ist schon oben ein slavischer Stamm nachgewiesen worden, wahrend der letztere Name im sl. Flußnamen Hana, vom scr. an, ban, fließen, eine treffendere Analogie findet 120). Für die Namen 8avu«, Dravus, Murus ist man mit einer ccltischen Ableitung noch nicht aufgetreten. Auch die Namen der Seen Mso, Ingens, Musianus stammen von slavischen Wurzeln ab, als: Plesu, See, luža und muža, Sumpf, Lacke. äBtnit Sctsiuä schreibt: „Gallorum alti montes Alpes vocantur mit „Alpes Gallorum lingua vocari monies altos scribimt Isidoras et Philargyrius so sagt Pompe-jllSFestns: „Sabiui Alpurn dixere, quod postea Latini Album, unde Alpium noinen." Dcn Berg Albius mimt Strabo (lib. VII.) im Lande der Japoden; bei PtolomänS heißt er Albanus. Sieh die Stellen unter Note 27) und 29). ‘“I Mous Apenninus mit andern nennt Strabo: „Alia sunt Illyrico abversa et Adriae, ut Apenninus inons jam dictus, Tullum et Phlygadia." (Strah. 1. VII.) '*) Sieh darüber Terstenjak's Aussätze: „O Noriku in Noreji" (Novice 1854, S. 20), und: „Cvetlica lotos" (Novice 1855, S. 218). Celtisch e Ortsnamen findet man wohl im alten Nori-cum und Pannonien, jedoch nicht durchgängig; viele Namen find schon oben als slavisch erklärt worden, und manche, die man wegen einiger Achnlichkcit mit andern in Gallien angetroffenen für celtisch ansehen will, finden im Slavischen nicht nur Correspondcnz, sondern auch genügende Erklärung. So stammt Gabromagus, bei Rottenmann, wohl vom celt, gabar, fangen, und mag, Feld; Tartusana, in den Rotten-manner-Tauern, und Tass in cm et um nebst Idursum in Kärnten, sind allem Ansehen nach auch ccltische Namen. Dagegen liegt für Petovio, Pettan, das man mit dem gallischen oder germanischen Volksnamen Batavi vergleicht, wo nicht im oben angegebenen sl. ptuj, umt pot, Weg, so in der slav. Wurzel pel’, pec, scr. pa!la, Fels, petah, Einwohner eines festen Ortes, seine nähere Erklärung, wie es manche ähnliche slavische Ortsnamen erweisen. So ist cs auch bei andern Namen, welche celtisch klingen sollen: Arru-pium, bei Modrusch ln Croaticn, kann die sl. Wurzel rupa, kesselförmige Vertiefung, Brunnen; Yen dum , zwischen Modrusch und Zeug, das Stammwort des Namens von einem Theile der Slaven Yind, scr. Indira, Vindlra; Terpo, bei Laas, das altsl. Wort treba, Opfer, Tempel; Mctullum, Metulc, zwischen Laas und Ncifniz; die Etymologie metla, Ruthe, mellišce, Gebüsch; Monetium, das altsl. Wort monisto, Band, Armband, vom scr. man, einschließen, neben manchen korrespondierenden Ortsnamen aufweisen; abgesehen von dem, daß die Japoden, denen diese Städte gehörten, ein illyrisches, folglich nichtslavischcs Volk sein konnten 12T). Ueber die alten Volksnamen im heutigen Jnncröster-rcich ist schon im Vorhergehenden so Vieles für den slavischen Ursprung derselben angeführt worden, daß für das Cclten-thum wenig bleibt; man kann etwa die Bojer äusnehmen, welche auch im cisalpinischcn Gallien vorkommen, oder die Taurisker mit den Turonen im eigentlichen Gallien, oder mit dcn Taurinern im alten Ligurien, oder die Earner mit dcn Carnutcn im jenseitigen Gallien vergleichen. Zn bemerken ist für die oben geschehene Zusammenstellung der Noriker mit den nordenropäischen Neurcn, daß der dießfällige Name ihres Landes bei griechischen Schriftstellern auch in der Form Neu-ricum (NevQiy.ov) für Noricum vorkommt. Zn beachten ist auch für die Sitte des Tätowircns, welche man den Celten im Allgemeinen zuschreiben, und in Folge dessen die Japoden ursprünglich zn ihnen zählen will, daß die ans dem Geschichtschreiber Herodian angeführte Stelle über die ccltischen Calcdonicr hierin nicht entscheiden kann. Wenigstens kann 1I7) So entsprechen dem alten P e t o v i o bit heutigen Namen: Petcna oder Plena in Istrien, Petjuh ober Pcčuli, Fünfkirchen; Petovar, Pctcrwardein. Arrupium findet entsprechende Ortsnamen in vielen vorkommenden Dörfern: Rupa, Rupc; T c r p o in Trebno, Treffen lit Kärnten und Krain; in Trebelno, Troboje, Ortschaften in Krain; Mctullum int „och an derselben Stelle vorhandenen Dorfe Metnlej Metle, in Metlika, Mottling; Monetium in Molnik, Movnik, welcher Ortsname hin und wieder angetroffen wird. das Tätowiren bei bett dießseitigen Galliern nicht gebräuchlich gewesen sein, da sich der Geograph Strabo über das Vorkommen desselben bei den Japoden als über etwas minder Gewöhnliches äußert, und sich weiters auf die gleiche Sitte der Illyrier und Thrakcn, nicht aber auf jene der Celten bezieht 12s). Unter den Personen - N a m e n, die aus den Classtkern in Noricum und Pannonien bekannt sind, ist wohl Cinci-bilis seiner Form nach, und Pines, etwa vom celt, penn, als den Celten gehörig, anzunehmen; jener bezeichnete einen gallischen Fürsten, dieser einen Führer der unter Kaiser Augustus ausgestandenen Pannonicr. Ueber die vielen nichtrömischen Namen auf Grab- und Votivsteinen, welche man ohne Unterschied für ccltisch ansehen will, ist schon oben bemerkt worden, daß den meisten slavische Stammwörtcr zu Grunde liegen, daß namentlich die Endung mar auch den Südslaven eigenthümlich ist. So mögen die Namen Togio, Sennus, Conamotusus allerdings ccltischen Stammes sein; dagegen sind Resimarus, vom ff. res, licht, wahr; Lutomarus, vom sl. ljut, zürnend; Magimarus, vom sl. mög, mogoč, mächtig, jedenfalls nichtceltischcn Ursprungs, und Jantumarus, Cupramarus sind gar in theils indischer Form gehalten, vom scr. ant, gleichbedeutend mir Vind, und kup, zürnen. Endlich kommt noch die Frage über die im alten Noricum nebst Pannonien und Venctien gefundenen celtischcn Gottheiten. Man hat bisher auf Belinus oder ßelcnus, als ccltische Gottheit, das vorzüglichste Gewicht gelegt; allein, wie aus obiger Darstellung hervorgeht, war die Annahme nicht so fest begründet, als man sich überzeugt zu sein glaubte. Die scharfen Ausdrücke der Schriftsteller, welche über die Verehrung des Belinus in Aquileja und Noricum berichten, als: Bi-ienus Noricus, der norische Belenus, inr/aQiog &s6g, der einheimische Gott, dann die Menge Votivsteinc auf einer Seite, dagegen mir ein späterer Bericht und ein einziger Votivstcin, durch welche der Cultus eines Gottes Belinus in Gallien bezeugt wird, auf der andern Seite — alles dieß führt zum Schlüsse, daß der Name Belinus für eine Gottheit im jenseitigen Gallien nur eine Accommodation war. gleichwie mtm den nur an einem Orte vorkommenden Abellio für eine ähnliche Accommodation anzunehmen veranlaßt wird. Wäre Belinus eine allgemein von den Galliern verehrte Gottheit l3‘) Priscüs (Hist. lib. II.) schrobt: Pm^ivXog ano Uata- ßiavog zirjg iv Nsv oixco n6Xtog;“ wahrend sonst gewöhnlich die Form Ncönixov Vorkommt. Ueber das Tätowiren der Zapoden ist @tretbo genau zu beachten, wo er schreibt: „Japodes per mixta nunc Illyriis et Gaiiis gens j notis compunuti sunt in morem reliquorum Illy riorum et T h r a -cum." (Strabo. 1. VII.) Die Calcdonicr, von deren Täto-wirungssitte HerodiannS (lib. III. c. 14) schreibt, waren übrigens ein von andern Celtenstämmen vielfach abweichendes Volk, während inan sonst die Gallier mil dem Beinamen braccati bezeichnete, sind die Bergschotten, die Nachkommen jener, noch heute keine gens braccata. gewesen, so würde dieß mehreren, übrigens nicht wenig unterrichteten Schriftstellern nicht leicht unbekannt geblieben sein. Der ccltische Gott Hu, welcher auch den Beinamen Beli, der Hohe. Erhabene führte, war überdicß eigentlich der oberste Gott bei den Briten, während in Gallien Tarranus als höchster Gott angesehen wurde. Eben aus den Gesängen des Dichters Capitolinus läßt sich absehen, daß der Cultus des Beli von nördlichen Gegenden nach Südgallien verpflanzt worden; denn die Priester des Belinus zu Burdigala, Bordeaux, werden als aus Armorica, der heutigen Bretagne, stammend angeführt. Die Gottheit Abellio findet sich anderseits auch in Pamphilien und auf der Insel Greta; die Bekanntschaft mit dieser mag dem celtischcn Beli die latinisirte Form Abellio gegeben haben 129). Diejenigen, welche in der Vorzeit Jnner-östcrrcich's hier keine anderen Einwohner als die Celten anerkennen wollen, haben allerdings eine leichte Beweisführung; denn ihre überall herumwandernden und zuletzt zu Stammvätern der Celten emporkommenden Pelasger sind, wie ein Deus ex machina, überall gleich an Ort und Stelle. Hierbei hat es doch den Anschein, daß die wenigsten Geschichtsforscher zu dieser Ansicht geneigt sind; denn Männer, wie Pott, Holtzmann, leiten selbst den Namen der Celten nicht etwa vom Hebräischen, welches eine ähnlich lautende, ganz leicht auf ein wanderndes, flüchtiges Volk, wie es die Pelasgo-Celten sein sollten, zu beziehende Wurzel hat, sondern vom celtisch-gcrmanischen helith, kelith, Mann, Mensch, sl. celed, also vom indo-europäischen Sprachstamme ab l3°). Sonst kommt, außer den oben schon angeführten Gottheiten Noreja, Celeja, Brotons und Fonio, auf den in Jnner-österrcich vorhandenen Votivsteinen kein anderer fremdartiger Göttcrname vor, als Dis Pater und Epona. Der Gott Dispater ist jedoch zweifelhaft, da er sowohl den römischen Pluto als den celtischcn Teutates bedeuten kann; denn auf den einen und den anvcrn wird dieser Beiname bezogen. Epona mirb von Einigen für eine ccltische Gottheit angesehen, anderseits gilt sie für eine altitalische Göttin, da ihr Name vom altital. epus für equus, Roß, abgeleitet wird, also für eine Roßgöttin. Doch ist die Wurzel ap auch im altsl. vapa, japa, Wasser, erhalten, und man findet in der Vorzeit Jnner-österreich's das Volk Japodes oder Japydes, so wie einen istrischen König Aepulo; daher kann Epona auch als eine »orisch-slavische Wasscrgöttin angenommen werden. Beide Erklärungen stehen jedoch in Verbindung, da das Roß als Symbol des Wassers gilt; daher auch die Aehnlichkcit der Ramen ap und epus. Auf Dispater lauten folgende Inschriften zu Aquileja: 1. D1TI PATRI Julia Barachus fecit viva šibi. l!9) Man sehe die auf Belinus bezüglichen Inschriften im Vorhergehenden und die betreffenden classischen Stellen in den Noten 102) u. 106). Ueber Abellio heißt es bei Hesy chins: ,,’Aßellr[V ?jXctxdv na/icpvXLOi,“ und ,,’Aßthov, rjXiov, XQtjzeg.“ I3°) Sieh Pott „Etym. Forsch.," Bd. II., S. 520, und Holtzmann „Celten und Germanen," S. 154. 2. DITI PATRI in honorem L. Valeri Nymphodoti et C. Statii Heureti Eupor. Lib. Auf Epona lauten die Inschriften zu Cilli: I. 0. M. EPONAE et Celeiae sanctai; dann im Lavautthale: 1. Herculi et EPONIAE AVG. pro salute Imp. Caes. M. Aurel. Antonini Pii Felicis Invicti. 2. EPON. pro sal. Augg. V. Yen. 3. EPONAE AL. AVG. Coi. M. Aus betn Vorbesagtcn kann man absehen, wie viel Antheil den Celten auch bei de» Gottheiten Dis Pater und Epona verbleibe 131). Bei allem dem ist es bemerkenswcrth, daß von spccifisch-celtischen Götternamen auf den alten Denksteinen im heutigen Jnnerösterreich kein einziger bisher vorgefunden worden. Während z. B. Jupiter Taranus tu Tirol. Taranucnus in Dalmatien. Apollo Grannus in Baicrn angetroffen worden, ist im ganzen alten Noricum und Pannonien nebst Venctieii nirgends ein Teutates, Taranus, Esus, Grannus zu lesen; der einzige Ortsname Tarna nto bei Nenmarkt im Salzbnrg'schcn mahnt ziemlich deutlich an Taranus, bett Donnergott der Gallier. Mau kann sich diesen Umstand kaum erklären, wenn Noricum, Pannonien, Venctieu, Caruicu, Istrien und Liburnien so allgemein nur celtische Bewohner hatten, als man von einer Seite zu behaupten nicht Anstand nimmt. Mau ivird wohl zur Antwort geben, daß von anderer Seite mit zu großer Anmaßung alles den Slaven zugeeignet werde; allein ein unbefangener Beobachter wird in Anbetracht der beiderseits vorgebrachten Gründe und Erklärungen ganz einfach zum Schluffe kommen: Sub judice lis est, die Frage ist noch nicht entschieden, wenigstens nicht zu Gunsten der Celten. Mau will allerdings celtische Götterbildnisse in Noricum gefunden haben; als solche werden angenommen die auf dem römischen Begräbuißplatze am Birgelstein zu Salzburg angetroffenen Thonfiguren, welche Gottheiten mit Thierköpfen, wie vom Stier, Hund, Bock, Krokodill, Habicht und Ibis, von der Kuh und Katze, vorstellen, und wobei sich auch Runenschrift zeigte; deßgleicheu die im Pölserthale nächst Judenburg entdeckten mythologischen Figuren mit einem BroucewageiO33). Ueber den ersten Fmtd wird nicht leicht Jemand zweifelhaft sein, welcher Götterlehre er angehöre, sobald er darauf Rück- U1) Den Dis Vater bezieht limit auf den keltischen Teutates nach Cäsar's Worten: „Galli onines se ab Dite patre prognatos praedicant, idque ab Druidibus proditum dicunt." (Caes. bell. galt. J. I.) Es ist dagegen bekannt, daß auch Pluto diesen Bclnaiucu führte. Ueber Epona vergl. Ter sten jak's „O Noriku in Noreji." (Novice 1854, S. 46, 50, 70.) Die Inschriften stehen bei Mura tori (Hies, iiiscr. tom. I. S. 45), M n ch a r (Geschichte der Steiermark, Bd. I. S. 352) und A n k e r S h ofc n (Geschichte von Kärnten, Bd. I. S. 540 ff.). Vergleiche darüber Koch's Schriften: „Celtische Runen - und Göttcrbilduiffc," „Celtische Forschungen," Dann „Mittheil, des histor. Vereines für Steiermark," 1854, 4. Heft; „Mittheil, des histor. Vereines für Krain" 1854, S. 65. sicht nimmt, daß in der spätern Zeit des römischen Reiches ägyptischer Götterdienst int Abcndlande weit verbreitet war. Findet man doch auch in Juueröstcrreich Denksteine, deren Inschriften auf die Gottheiten Isis und Serapis lauten, wie zu Aquileja: 1. ISIDI SACR. L. Magius Phileas VI. Vir Aqitil. ob sal. Gratiani silii et Graiiae. 2. D. E. I. M. (Deae cxcelsae Isidi Matri) P. Aelius Mer cur. 0- Tessignius Maximian. Patr. pro St. Aur. Victore V.S.L.M. Zn Sissek: 181. AVG. P. Antoni.... Zu Pcttau: 1. ISIDI AVG. SACRVM Martialis Firmini F. V. S. L. M. 2. ISIDI AVG. Signum cum basi Victoria, ex voto posuit. 3. SERAPI AVG. SACRVM Epaphroditus Ale.xandri Aug. Disp. et Fabul. V. S. L. M. Dazu noch die bereits oben angeführten Inschriften, wo Isis mit der Göttin Noma zusammengestellt ist. Bon diesen Inschriften wird Niemand im Ernst behaupten, daß sie sich unmittelbar aus ccltischc Gottheiten beziehen; cs sei denn, daß die darauf stehenden ägyptischen Gvttcruamen nur zur Erklärung des Namens einer einheimischen Gottheit beigesetzt stub, was hier nur zum Theile gilt. So gut als nun die Namen Isis und Serapis aus Aegypten stammen, eben so wohl sind auch die stier-, bock-, Hund- und kuhköpfigen Götterbilder auf jenes Land zu beziehen. Ihre Herkunft braucht mau übrigens auch auf keine frühere Zeit zu setzen, als auf jene, in welcher der Isis- und Serapis-Dieust nach Nom und in das übrige Abendland gekommen ist. Dieser Cultus wurde zuerst durch Sulla in Italien bekannt; unter Augustus durften Jsistempel nur außerhalb Rom's Mauern stehen; seit Vespasianus wurde jedoch die Verehrung ägyptischer Gottheiten allgemein freigegeben. Bilder von Gottheiten aus Thon waren für den häuslichen Gottesdienst auch sonst im Alterthume gebräuchlich. Welchem Volke und welcher Sprache übcrdicß die bei Salz-burz gefundencu Runen angehören, dieß ist noch nicht ent* schieoen, da sie überhaupt noch nicht entziffert sind; bemer-kcnswerth ist cs doch, daß andere, auf Helmen bei Negova unweit Radkersburg entdeckte Runen, von der Rechten zur Linken gelesen, nach Prof. Terstcnjak einen gut slavischen Sinn geben 133). Die genannten Judenburger Antiken sind der Art, daß man nach den Worten Koch's selbst in einen bisher unbekannten Götterkrcis und Cultus eingeführt wird; man erklärt doch dcn Wagen sammt bett darauf befindlichen Figuren für einen Opferzug zu Ehren der Belisana, einer keltischen Jagd - und Todesgottheit; die Kunstarbeit selbst wird in mancher Beziehung als andern celtischen antiken Funden Uttirr t>ie Einführung bed Jsiscultus im Röinerreiche schreiben Stautejuä (Met. S. 262), Dio Cassius (lib. LIV. c. 6.), Tacitus (hist. 1. IV. c. 8t), und Suetonius (in Vespasiano c. 7.). Ueber die Runenschrift auf den Helmen zu Negova äußert sich Terstenjak (Novice 1853, S. 111). ähnlich erkannt. Was nun die Kunstfertigkeit betrifft, so hat es daran nichts so Außerordentliches, wenn man die Ent-stchungszeit der Bildnisse in das erste bis vierte Jahrhundert christlicher Zeitrechnung setzt; beim hier konnte, bei etwaigem Abgänge einheimischer, doch schon römische Kunst Einfluß haben, welche die Noriker sich wohl, wenn auch unvollkommen, zu eigen gemacht haben dursten, mochten sie sonst eeltischcn, oder illyrischen oder slavischen Stammes gewesen sein. Was aber die Vorstellungen selbst betrifft, so ist es wunderlich, in denselben einen ccltischcu Opferzug, und überhaupt in Wiener und Münchner Cabinctsstückcn Aehnliches zu finden, nach dem man früher einen unbekannten Götterkreis und Cultus darin angetroffen. Wenigstens kann man cs der andern Seite nicht so hoch vermessen, wenn sie darin etwas anders, sei es auch die Göttin Lada oder Živa,- sehen will; denn auch diese war als Devona, Jagdgöttin, und in anderer Hinsicht als Morana, Todesgöttin, und der Hirsch war wohl ihr, wie der indischen Bralmii, heilig; der Wagen war ihr auch eigenthümlich. so wie anderseits die spitzige Mütze nicht bloß bei den Celten üblich war134). Mag übrigens dieser Fund auch ganz ccltischeu Ursprungs sein, damit ist das Dasein der Slaven vor und neben den Celten in Noricum noch nicht ausgeschlossen, so lange man für die Allgemeinheit der Celten nicht andere historische Beweise vorgebracht haben wird. In vorgehender Darstellung ist nun das Meiste und Wichtigste von dem zusammengetragen, was über die vorzeitliche Bevölkerung Jnnerösterreich's in der letzten Zeit für und wider verhandelt, behauptet und bestritten worden. Man wird cs dem Schreiber dieses Aufsatzes vielleicht vorrücken, er habe nicht bloß berichtend und als über den Parteien stehend gesprochen, sondern häufig selbst Partei genommen. Dieß gesteht er gerne ein, insofern auf Seite historischer Wahrheit treten „Partei nehmen» heißt; denn cs liegt offen vor Augen, daß von einer Seite eine Menge classische Stellen, welche über die vorzeitliche Bevölkerung Jnncröstcrreich's sprechen, übergangen, und so in der leeren Wüste für die Celten leicht Platz gefunden wird; und eben so liegt cs klar am Tage, daß von derselben Seite Vieles dem Celtcnthumc unmittelbar zugeeignet wird, obgleich man selbst bekennt, daß celtische Sprache, Sitte und Götterlehre noch mehrfach im Dunkel liege, und man namentlich in Jnncröstcrrcich auf Vieles stoße, was selbst mit dem bisher bekannten Celtischcu nicht übereinstimmt. Auch hierin gesteht der Schreiber dieser Erläuterung ein, Partei genommen zu haben, als er manches Einzelne erst selbst genauer untersucht und vollständiger dargelegt hat, namentlich in den Berichten römischer und griechischer Classtkcr über die Abstammung der ursprünglichen Bewohner Jnnerösterreich's, und bei den, einzelne Gottheiten von Vencticu. Noricum und Pannonien betreffenden Inschriften; allein hierin glaubt er Niemanden vorgegriffen zu haben, ,:i) Ueber die slavische Živa zu Sagen schreibt Strcdowsky „Sacr. hist. Moray." da die betreffenden Stellen und Auffchriftcn nicht bloß überhaupt genannt, sondern mit dem vollständigen Inhalte vorgelegt worden sind, so daß sich Jedermann sein Urtheil selbst bilden kann. Daß er am Ende selbst mehr offen auf die slavische Seite sich geneigt habe, als er Anfangs beabsichtigte, auch das will er nicht absprechen; denn eben die genauere Durchführung, namentlich des eigentlich historischen Theiles, und die Zusammenstellung aller einschlägigen Beweise mußte ihn von selbst auf jene Seite wenden, wofern er schon vorher nicht dahin gekehrt war; doch meint er nicht, daß er damit Jemanden gewissermaßen gewaltsam auf jene Seite ziehe, da er alles in ruhigem Tone darzulegen sich bemühet habe. Mögen nun Andere auch die Sache prüfen, und allenfalls ihre besser begründeten andern Ansichten vorlegen, damit, wenn an historischer Wahrheit, namentlich für das Vaterland, etwas gelegen ist, dieselbe um so klarer und gesicherter an das Licht komme. Mögen aber auch Jene, die schon auf diesen Gegenstand Bezügliches geschrieben, bn6 hier Gesagte, insofern es ihren Ansichten entgegen steht, nur als im Interesse der historischen Wissenschaft gesprochen ansehen, und insofern sie damit übereinzustimmen nicht geneigt sind, ihre gegenthciligcn Forschungen mit gemessener Fassung den Ge-schichtsfrenuden vortragen. Die Sage von der Mirche nur See 6et b cn Sttö sfno en. Von A. Merket. Auf meinen geologischen Wanderungen erzählte mir ein Führer, der von Ncukirchen, zwei Stunden nördlich von Cilli, in Untersteier war, daß das dortige Thal ehemals ein See gewesen sei, und daß die Leute früher in Kähnen zur jetzt aus der Anhöhe stehenden St. Nikolai-Kirche gefahren seien. Gleiche Aussage im naheliegenden Doberna beim bekannten Badeorte Neuhaus. Die Kirchenfahrt auf dem Wasser soll hier auch in einem uralten Volkslied vorgekommen fein, das aber in der Gegend vergessen und verloren zu sein scheint. Der Pfarrer von St. Andrä sagte mir aber, er habe noch ein Paar Strophen dav on bekommen können und dieselben nebst andern Nachrichten über die Gegend dem Kapitel zu St. Paul im Lavantthal eingeschickt. Ein 83 Jahre alter Mann, Namens Orozcl, über die Zeit befragt, zu welcher der See bestand, sagte, es sei sehr lange her gewesen; alte Männer hätten gesagt, es sei vor 800 Jahren gewesen. Der Grund des Thales von Neukirchcn ist flach, doch nicht in einem auffallenden Grade; er mag früher, che man ihn bebaute, feuchter gewesen sein, allein ein See, oder auch nur ein eigentlicher Morast, hat biet nicht bestanden, wenigstens nicht in der gegenwärtigen Weltpcriodc, seit Erschaffung des Menschen. Die Sache fiel mir weiter nicht auf, als ich aber vom Dechant in Skališ, zwei Stunden weiter östlich, im lieblichen Thalc von Schönstem, vernahm, daß auch hier, der Volks- „mining nach, die Gegend ein See gewesen sei, und daß „lau von der Pfarrkirche zur gegenüber, auf einem hoben Hügel stehenden Filialkirche St. Jakob ans Kähnen gefahren ski, so wurde ich auf den Umstand aufmerksam. Ich forschte „mi nach und fand fast überall, wo ich nachfragte, dieselbe Sage. Hätte ich früher davon gewußt, so hätte sich auch viel mehr Gelegenheit zuin Nachforschen ergeben, und es wäre alsdann gewiß mehr herausgekommen. Ich gebe nun,, was ich oben erlangt habe, möglichst genau. Der Dechant von SkaliS machte mich noch auf die Benennung des Ortes aufmerksam, als wenn er an einem schroffen Felsen stünde, während er auf einem sanft ansteigenden Hügel gelegen, die Thalflächc kaum um mehr als 150 bis 200 Fuß beherrscht. Freunde, die ihn zum ersten Mal in seiner Pfarre besuchen, sollen zuweilen über die Lage derselben verwundert fein und fragen: wo denn die Felsen lägen? Man muß nämlich bedenken, daß, während einerseits Skala auf slavisch Fels heißt, andererseits der Wkscharakter der Slaven einen ungemein scharfen, beschreibenden Sinn in den Ortsbcncnnungcn erkennen läßt. Man kann sich aus den bloßen Ortsnamen schon gar oft eine ziemlich richtige Vorstellung der Lage und Natur der Stelle machen, ob auf dem Berg, im Thal, am Bcrgabhang oder am Waldessaum, ob auf steinigem Boden oder aus schönem Wiesengrund u. s. w. Roch ein Charakterzug der Slaven ist I hier hervorzuheben, nämlich, daß sie Kirchen und Kapellen vorzugsweise auf Höhen hinvaucn, was die ohnehin schöne I Gegend Uutersteiers noch malerischer macht. Auch wo keine Wohnsitze in der unmittelbaren Nähe liegen, stehen oft Kirchen auf Höhcnpunkten, wenn dieselben besonders hervorragend und bcmcrkenswerth sind. Es dürfte dieß leicht ein aus ! dem früheren Heidenthume herübergetragener Gebrauch fein. Man weiß ja, wie in den ersten Zeiten des Christenthums I Kapellen und Kirchen häufig an den heiligen Stätten der I Heidenzeit erbaut wurden, weil das Volk vom geheimen Dienst au denselben nicht ablassen wollte. In St. Martin, östlich von Cilli, sagte mir der Dechant ; Feiehtingcr, daß die ebenfalls auf der Höhe stehende KlM Maria na Jezeri (Maria am Sec) genannt werde. ®*e ist ein Wallfahrtsort, und es sollen besonders die Ungarn von der Drauinsel zwischen Marburg und Tschakathurn < Begriff der Lage der Kirche am Sec festhalten. i Die Kirche von Drachcnburg steht nicht auf der Höhe, I HE aber dafür Maria v Sraboti, das heißt Maria im Schilf, und doch ist ihre Lage vollkommen trocken. 1 Silber bergigen Gegend, nördlich von Rcichenburg (an < ^ wo man gar keinen ebenen Grund und überhaupt I ^iu Wiser sieht, fiel es mir ein, einen auf der Anhöhe woh-j ^"dcn Bauer zu fragen, ob die Gegend früher ein See ge-I ^ii sei: „Das versteht sich", war die Antwort. i „ Das Sulzbacherthal ist tief eingcrisscn in einer bei über ^0 Fuß hohen, äußerst schroffen und wilden Gebirgsmasse. Zažige Zugang zu demselben, außer über sehr hohe atlnilllr, ist durch das Bett des Wildbaches, wenn das Wasser klein ist, oder einige hundert Fuß hoch über demselben, durch ein Loch im Felsen, der sogenannten Nadel. Kein Wunder, wenn das Thal erst im XV. Jahrhundert urbar gemacht und bewohnt sein soll. Dessenungeachtet findet man auch hier die Sage vom Sec. Es heißt, das Thal sei ehemals ein See gewesen, dessen Abfluß durch die Felswand der Nadel versperrt war. Ein hier hausender Lindwurm hätte den Felsen zersprengt. Als der See abgeflossen war, fand man im Innern des Thales, oberhalb der Nadel, eine Wiege mit einem Kind. Besondere Bemerkung verdient der Umstand, daß ganz hinten im Dnlzbach zwei wilde Thäler von der höchsten Gebirgsmasse der Oistriza herunterkommen, wovon eines ganz steinig und schauerlich, das Jezer- oder See-thal heißt, während das andere, das einen schönen ebenen Thalgrund besitzt, der fast den Anschein hat, ein nun ausgefüllter Sec gewesen zn sein, im slavisch-beschreibenden Sinn das Logthal heißt. Log ist nämlich Aue, und in der That bildet der Thalgrund eine prächtige Wiese, wo auch ein Bauernhaus steht, dessen Eigenthümer der Logbauer heißt. In Oberkrain, beiläufig drei Stunden nördlich von Laibach , liegt das Städtchen Stein in der Ebene, am Fuße ziemlich hoher Gebirge. Eine Viertelstunde davon entfernt, liegt das Dorf Neul, am Ausgang des Thales der Neul. Hier besteht nicht bloß die Sage, daß die Gegend früher ein Sec gewesen sei, sondern man hat ein regelmäßiges, bloß an Feiertagen ausgesetztes, tägliches Glockenläuten um 3 Uhr-Nachmittags, zum Andenken an die Stunde, zu welcher der Sec abfloß. Zn bemerken ist, daß das Dorf mit der Kirche ziemlich im Thalgrund liegt, und daß Neul die Muttcrpfarre von Stein, und überhaupt eine der ältesten Pfarreien des Landes sein soll. Dieß alles erfuhr ich an Ort und Stelle vom Kirchmaier. Im Wirthshause zu Prävali in Unterkärnten erzählte man mir, im Schloß, dessen Ruinen man noch sieht, habe ein Graf gewohnt, der drei Töchter hatte. Diese fuhren ein Mal im Kahn nach dem damals den Thalgrund einnehmenden See; eine davon ertrank, da sei der See abgelassen worden , und die Gräfinn habe das Gelübde gemacht, an der Stelle, wo der Körper der Verunglückten gefunden würde, eine Kirche zu bauen. Das sei der Ursprung der gegenwärtigen, übrigens auf der Anhöhe stehenden Kirche gewesen. Im herrlichen Lavantthal gibt es eine ganz ähnliche Sage. Darüber Folgendes nach gefälliger Mittheilung Hrn. Prettner's in Klagcnfurt: Das Thal war früher von einem Sec eingenommen, an dessen Ufer die Schlösser Nabenstein bei St. Paul, Hartneidstein am Abhänge der Koralpe und Ncißberg am Abhang der Saualpe lagen. Die Söhne der Rabenstcincr waren auf Besuch in Ncißberg, auf der Heimfahrt erfolgten Gewitter, Sturm und Untergang des Schiffes. Die Eltern ließen den See bei Lavamünd abgraben und auf dem Hügel, wo sic die Leichen fanden, die Kirche Maria-Loretto bei St. Andrä erbauen. Ucberdicß soll der Ort Fischering im Lavantthale seinen Namen daher haben, daß an der Stelle, wo jetzt die Kirche steht, beim Abfluß des Sees ein Fisch gefunden wurde, der einen Ring im Magen hatte. Die Sage vom See spukt noch an manchen Punkten in Steiermark und Jllyricn, wie man cs schon an den Ortsnamen auf der Karte sehen kann. So heißt zum Beispiel das Hauptdorf auf dem Passe von Kappel in Kärnten nach Krainburg in Krnin, Seeland, und eine in der Nähe stehende Kirche heißt S. Oswald na Jezeri. So weit die unmittelbaren Wahrnehmungen, die, wie gesagt, weit ausgedehnter gewesen wären, wenn ich den Gegenstand nicht erst so spät, bei meinen letzten Streifzügcn in jenen Gegenden, erfaßt hätte. Es sei mir nun erlaubt, einige Betrachtungen daran zu knüpfen. Man nehme sie aber für weiter nichts, alö für was ich sic eben ausgebe, nämlich für bloße Speculations, die jedoch zu weiterer Forschung anregen sollen. Die Hypothese ist der Wissenschaft, was das Bal-kengcrüst dem Baumeister, cs dient als zeitweiliges Hilfsmittel, um das dauerhaftere Werk fortzuführen, bat also auch seinen Nutzen und seine Nothwendigkeit. Als erstes, unmittelbares Resultat des Mitgetheilten ergibt sich das Vorhandensein einer im Vvlkssinn tief wurzelnden Sage, nach welcher die Thaltiefe früher vom Wasser eingenommen gewesen wäre, welche Sage aber in jedes besondere Thal hinein verpflanzt und localisirt wurde. In Sulzbach haben wir sogar ein lehrreiches Beispiel, daß dieses Verpflanzen und Localisiren noch so spät als im XV. Jahrhundert vor sich gegangen zu sein scheint. Es gebt daraus hervor, daß die Sage in der ganzen Gegend überhaupt angepflanzt und früher mit dem einwandernden slav. Stamme hergebracht worden sein mag. Da nun an der Sage der Begriff des Ablaufeus vom Wasser eng haftet, so wäre es nicht unmöglich, daß die ganze Sage selbst nichts anderes wäre, als eine Variante der Sündfluthsage, deren Allgemeinheit, auch abgesehen von ihrer Verbreitung durch das Christenthum, ohnehin bekannt genug ist. Der Begriff der Erbauung von heiligen Stätten, entweder am Ufer des Wassers, oder dort, wo bei dessen Abfluß die Körper der Umgekommenen gefunden wurden, bat einige entfernte Aehnlichkeit mit dem Festsitzen von Noe's Arche auf dem Ararat. Es ist auch wohl möglich, daß gerade die ziemliche Abweichung in der Form der Sage von der christlichen die Ursache ihrer Erhaltung war, indem sie der letzter» nicht störend genug in den Weg trat, um von derselben überwunden und vernichtet zu werden. Als der in Rede stehenden slav. Sage überaus ähnlich erscheint die im Berner Oberland, in Wallis bis zum Genfcr-Sce und im Schweizer Jura verbreitete Sage, das Thal, das heißt, jeweilen das Thal, in welchem man sich befindet, sei ein See gewesen, und man sehe noch im Felsen angebrachte Ringe, an welchen die Schiffe angebunden wurden. Dieser letztere Umstand wird so fest geglaubt, daß die Leute gar oft darauf schwören, die Ringe seien von Diesem oder Jenem wirklich gesehen worden, wobei zu bemerken, daß sie dieselben immer an steil aus dem Thalgrunde aufsteigende Felsen hin versetzen, was wiederum einigermaßen an das berührte Skališ erinnert. Aber auch diese Schweizer Sage könnte gar wohl eine Variante, ein Nachklang der Sündfluthsage sein. Die Ringe im Felsen erinnern zum Beispiel nicht wenig an das Anbinden der indischen Arche am Himalaya. Es ließe sich hier fragen, ob die beiden Formen der Sage, im Osten und im Westen der Alpen, nicht allenfalls von den früher das ganze Gebiet innehaltenden Celten ererbt worden sein möchte? Dagegen spricht aber die Verflechtung der slavischen Sage in ein altes Volkslied. Hingegen rührt wahrscheinlich die Verbreitung der Sage im Wallis und im Jura von einem gemeinsamen Ursprung derselben bei den Kelten. Die späteren Völkerbewegungen hätten die Sage im Tiefland verwischt, und so dieselbe nach zwei Richtungen ins Gebirge zurückgedrängt. Ueberhaupt stellen die unzugänglicheren Berggegenden und die unwirthlicheren Polar-länder Zufluchtstätten vor, wo sich Vieles aus dem Alterthum erhalten haben muß, das in der Ebene, unter dem Einfluß der später nachrückenden Völkerschwärme, zu Grunde ging. Man kann auch die Frage auswerfen, ob die behandelte slavische Sage nicht in wirklich in der Gegend selbst stattge-fundencn physikalischen Ereignissen ihren Ursprung gehabt haben mag. Dieses kann jedoch, nach der erlangten Einsicht in die geologischen Verhältnisse des Landes, ziemlich bestimmt verneint werden, während wir andererseits in Sulzbach ein Beispiel haben, wie die Hinvcrpflanzung der Sage sich nicht nach den äußeren Umständen gerichtet hat, indem der See in den wilden, steinigen Jesergraben, und nicht in das ncben-anstoßendc Logthal versetzt wurde. Endlich läßt sich noch eine Vermuthung aufstellen, nämlich , daß der hier hausende südslavischc Stamm von einer Gegend in Asien hergezogen sei, wo er wirklich an einem See ansässig gewesen wäre. Der mit der Sage engvcr-knüpfte Bericht einer am See-Ufer auf der Höhe, oder arg auf einem Felsen gelegenen heiligen Stätte, möchte sich alsdann auch dorther schreiben. Nur bleibt hier der Begriff des Ablaufens vom Wasser bei Seite, was aber seinen Grund darin haben könnte, daß die Sage in Thalgründe hin verpflanzt wurde, wo eben kein Wasser steht. Dieß reimt sich aber mit dem erwähnten Geläute in Neu! nicht gut. Vielleicht hatte der ursprüngliche heimatliche Sec, noch vordem Auszug seiner Anwohner, seinen Damm durchbrochen und sich entleert. Licht auf diesen Punkt hätte das erwähnte, leider verlorene Volkslied werfen können. Wenn in diesem, jedenfalls sehr alten, wahrscheinlich ans der Ferne mit dem slavischen Stamm selbst hcreingewanderten Document, vom Abfließen des Sce's keine Erwähnung geschieht, so durfte es eine spätere Zuthat, eine Ausschmückung sein, wie es augenscheinlich mit dem Ertrinken eines Ritterkindes in Kärnten der Fall ist. Daß überhaupt in Kärnten mehr Ausschmük-kung an der Sage auftritt, erscheint natürlich, wenn man weiß, wie romantisch und in seinem landschaftlichen Charakter poesiereich diese Provinz ist. So wunderschön die Schweiz auch ist, so wird doch Kärnten auf manches Gemüth einen durchdringenderen Einvruck hervorbringen, als selbst das Bcrncr Oberland. Von den versuchten Deutungen der Sage scheint fast die letzte die wahrscheinlichere zu sein, sie dürfte übrigens leicht mit der ersten, die Sündfluth betreffend, zusammenfallen; jedenfalls ist es diejenige, welche sich durch zmeckmä ßig angestellte Wcitcrforschung, wobei das geographische Gement besonders ins Auge zu fassen ist, am ersten feststelle» ließe. Möge gegenwärtiger Aufsatz dazu anregen, den bloß berührten Gegenstand weiter zu erforschen und genau zu ermitteln, wo die Sage sich hinvcrbreitet, welche besondere Formen sie in den einzelnen Gegenden annimmt, und was sin Umstände sonst noch damit verbunden sein mögen. Daß cs überhaupt hohe Zeit ist, dem so wichtigen rmd interessante» Element der Volkssagcn die verdiente Aufmerksamkeit j» schenken, und den schärferen Forschungsgcist der Neuzeit ane? hier eingreifen zu lassen, wird Jeder anerkennen, der bedenkt, wie die Verbreitung der Cultur und die gcistesaufregcndc» Zeitverhältnisse die Alterthümer der moralischen Ordnung immer mehr zu verwischen und auf ewig zu vernichten streb» Bern, im April 1855. Druck von Jgn. v. Kleinmayr SS Fedor Bamberg in Laibach