Narodna in univerzitetna knjižnica v Ljubljani III 11 851 5 ^A /i ^ Wanderungen durch Steiermark und Aärnten. Geschildert von O. A. Rosegger, Fritz Sichler und A. von Rauschenfels. Illustrirt von Kichard Püttner, I. I. Virchncr, Franz von Mufingcr, Matliiaü Ichmid, Joseph und Ludwig Willrmdcr u. A. Stuttgart. Druck und Verlag von Gebrüder Kroner. ^/ ^"^^^ ^1 1N^13 Inhalt. Hteiermark. von p. K. Rosegger. Selte Vom Sennnering bis zur Salza....... l Das heilige Mariazell........... 10 Der hohe Schiuab............ Die Ennsthaler Alpen (von Eisenerz bis Admont) . . 20 Das herrliche Aussee........... ^ Hoch vom Dachstein!........... 41 Die Söller- und die Mnrthaler-Alpen...... 44 Das steirische Paradies.......... "6 Seit« Die untersteirische Schweiz........ . 6? Wanderungen ini Lande der Wende»...... 73 Ein Flug über dcw östliche Land....... 83 Graz................ 90 Von Graz bis Vruck........... 102 Im Herzen des oberen Landes. (Von Leoben bw Thörl).............. !1> Inl Thale der Vlürz........... 119 Karnten. von A. v. Rauschenfels uuö Fritz pichler. Seite Das Möllthal. Von A. von Rauschenfels . . . "l Das Lieserthal, das Ätalta- und Pöllathal. Von Fritz Pichler............. ^8 Villach. Von 3l. von Rauschenfels und Fritz Pichler 142 Das Caualthal. Von Fritz Pichler...... >4? Das Gailthal. Von demselben........ ls)-> Das Drauthal. Von demselben....... >l>2 An den Ossiacher-, Afritzer- nnd Faackersee. Vol, dein- jcll'm ,............. >«" Seite Klagenfnrt l,nd NnMlmng. Von Fritz Pichler . . 177 Das Rosenthal. Von demselben....... 195 Das Manthal. Von demselben........ 201 Das Gurkthal. Von demselben........ 210 Das Mrtschitzlhal. Von demselben...... 215 Das Metnitzthal. Von demselben....... 220 Völtermarkt und Umgebung, Von demselben . . . 224 Das Iaunthal sammt Rebenthälern. Von demselben . 228 Das Lavantthal. Von demselben....... 235 VI Inhalt. Verzeichnis der Illustrationen. Ganzseitige Vildrr. Bilder Nils dem Würzlhal. Vun I, I, Kirchiler..... 4 Wasserfall zum „Todtcl, Weibe". Von R i ch a r d P ü ttner . , 8 > Der Hölleuring voul Weichselbodcn ans. Von demselben , . . 14 Bilder ans Eisenerz. Von I. I. Kirchner....... 20 'Im Oesäuse. Von Richard Püttner......... 22 .Waldpartie aln Bnchstcin. Von demselben......, , 24 >Admont und Schloß Röthclstein. Von demselben...... 28 ' Aucrhahnbalz, Von Franz von Pausinger...... 82 .Der Altansscersec mit Trisselwand. Von Richard Püttner , ü«l »Vor dem Trcibjagcu. Von Franz voll P au singer , , , 40 .Gemsen. Von demselben.............. 42 »Partie vom Dachstein. Von Richard Püttner..... 44 'Pnißen. Von Franz von Pausing er........ 46 'Mnran, Von Richard Püttuer ,......... 48 -Ansicht von Iudcuburg. Von I, I. Kirchner...... 50 > Im Oebet. Von M a t h i a s S ch in id......... 58 'Rnine der Burg Laudsberg. Von I. I, Kirchner..... Ossiach. Von Richard Püttner........... 170- Klagenfurt. Von demselben............. 178" Schlof; Virtring. Von Ludwig Willruider...... 188- Hochosterwih. Von Richard Pütt ner........ 204» Anf der Spielhahnbai.;. Von Franz von Pan sing er , . , 208 > Hochebene anf der Sanalpr. Von Lild wig Willroider , , 216' Inneres einer Bessemer Stahl-Hütte. Vun demselben . . . , 218« Friesach. Von Richard Püttner.......... 222. Völtermartt. Von demselben............. 22«!» Blick auf die Kotschna vom Ufer der Vellach nn?. Von Ludwig Willroider................ ^.2' Wolfsbnrg. Von Richard Püttner......... N8' , von Binzcr...... 40 Blick von Altanssee anf den Dachstein. Vun R i ch a r d P n t t » e v 41 Schladming, Von demselben............. 46 Risacher Wasserfall. Von demselben.......... 44 Steirischcr Jäger. Von <5. von Vinzer........ 45 Wilderer. Vou Franz von Pansinger....... 4l! Schloßrninc im Pnrerloch. Von Richard Püttner . . , . 47 Partie aus Schcifliug, Voil demselben......... 48 Die Frauenburg, Von demselben........... 49 Iudcnbnrg. Von demselben............. 50 Blick auf Kuittelfeld. Von demselben.......... 51 Musik in: Freien. Von (5. von Binzer........ 52 Schloß Wasserberg. Vou Richard Püttn er...... 53 Am Ingcriug-Sce, Von demselben........... 54 Seckan. Von demselben .............. 55 Blick auf die Gleinnlpe. Von R i ch a r d P üttner..... 57 Voigtsberg. Von demselben............. '^ Ruine Krems. Voil demselben............ '^ Partie vom Stainzerboben. Voil demselben........ llO I,n llalldsberger Schloßhuf. Von demselben........ <»1 Bnrg Land^berg nnd Einsiedelei. Vun demselben...... 02 Schloß Hollcnegg. Voll drinselben........... 63 Urwald im Bachergcbirge. Von demselben........ 65 Steg über die Sann. Von demselben........' . 5 Partie an b.'r Dran in Sachsenburg. Von Richard Püttner 166 Spital. Von demselben............... 167 Spital: Stiege im Schloß des Fiirsteu Portia. Von G. Fran^ 168 ^andskron. Von Richard Püttiler......... 171 Holzfuhren mit Ochsengespann. Von Franz von Pan singer 172 Schloß Wcrnberg. Von R. Schnster........ . 17:i Sternberg, Von demselben............. 174 Velben. Von Richard Pnttner.......... 175 Partie am Faackersee. Von demselben.......... 176 ,silagenfurt: Tcr Lindwurmbrnnncn. Von demselben..... 177 Klagenfnrt: Maria-Theresia-Stanbbild. Von demselben . , . . 180 Klagenfnrt: Im LandhauZhof, Von demselben....... 181 Klagenfnrt: Der steinerne Fischer. Von I. I. Kirchner . . 18:1 Weg nach dem Krenzberg, Von Richard Pütt»er . . , . 184 Loretto, Von H. Nestel.............. 185 Maria-Worth, Von R. Echnster........... 186 Freienthurm am Wörther See, Von Richard Puttiier , , 187 Pbrtschach, Von R, Schnstcr............ 188 Maria-Saal, Von Richard Püttncr......... 191 Mithrasstein ans dem Zolfelde............ 192 Hcrzogsstuhl. Vou I, I. Kirchuer.......... 19lj Blick auf Roscck, Von Richard Püttner....... 196 Hollenbnrss. Von L. Willroider.......... 198 Maria-Rain. Von Richard Pnttner......... 200 Markns Peinhart, Von (s. Kolb........... 201 Platz in St. Veit. Von Richard Pnttner....... 20!i Karl Prinzhofer. Von C. Kolb........... 204 Et. Georgelt am Längsee, Von Richard Püttn er . . . . 206 Nach der Spielhahubalz. Von Franz oon Pansinger . , 209 Gurt. Von Richard Pütt ner........ , , , 211 Krypta in Gnrk, Von demselben........... 212 Straßbnrg, Vou demselben............. 213 Schloß Oberstem. Vou demselben........... 216 Altrömifcher Hochofen. Von Lndwig Willroidcr .... 217 Hüttenberg. Von Richard Pnttner......... 218 Blick auf «ölliuss. Hochöfen iu Lolling. Von demselben , . . 219 Aus den Ruinen am Pctersberg. Brunnen in Friesach, Partie vom Virgilienbcrg, Von demselben......... 221 St, Salvator, Von demselben............ 22lj Trixener Schlösser, Von demselben........... 224 Das schwarze Schloß. Vou demselben.......... 225 Ruiue Griffen. Von demselben............ 227 Bleiburg. Von R. Schuster............ 229 Klopainer See. Von Richard Pütt ner........ 230 Gifcnkappcl. Von demselben............. 281 Bad Vcllach. Von demselben............. 232 Partie ans Prevali. Von demselben........ . , 2»:l Unterdrauburg, Von demselben............ 2!i4 St. Paul. Von demselben............. 236 l Kirche in St, Andrea. Von demselben......... 237 ! Straße in St. Leonhard. Von demselben........ 241 Steiermark. Durch die wcm^ttelwand. Dom ^emmering bis zur Halza. ^-^»M^H as ist ein luerkwürdiger Eingang in die Steiermark. 3^>tan komtllt vun dm Ebenen, von Wien, und ' ^ ^^ ^^'^^'h vor den trotzigen Bergen. Mit einem für unsere Verkehrsmittel scheinbar nniiber- M^^j^^AM kindlichen Festungslvall ist das schöne Bergland verschanzt. In den tiefen Wiesenthälern blinke,: die ^V^^M^ Wasser, in den Schluchten rauschen die Wildbäche, an den Hängen zwischen Wald und Wand starren ^X^H^-^I ^ Schutthalden, von den Höhen leuchten zwei Dritttheile des Jahres die Schneefelder nieder. Aber jenes wunderbare Thier der Neuzeit, jenes Roß, das Kohlen frißt und Feuer schnaubt, schrickt vor solchen Wildnissen nicht zurück. Das hat sich selbst seine sichere Straße gebaut an den oft senkrechten, zerrissenen und zerklüfteten Felswänden hin. Fünfzehnmal rauscht es unter die Erde hinein nnd ebenso oft setzt es über schwindelnde Brücken, bis die Veste überwunden ist. Der Semmering! „Es ist nicht möglich!" sagten anfangs die Leute, „die Eisenbahnbauer vermögen zwar viel, aber die Verge sind noch größere Herren, und da hinüber kommen sie nicht." Zehn Jahre lang ist gearbeitet worden mit allen Mitteln des menschlichen Willens, und an einem heiteren Sommertage des Jahres 1854 fuhr die erste Lokomotive uon Niedcröstcrreich in die Steiermark hinein. Das Werk hat fünfzehn Millionen Gulden gekostet und die seitherigen Auslagen dafür dürften nicht viel geringer sein. Viele können es nicht begreifen, wie gerade die wildeste Stelle gewählt werden tonnte, da andere Punkte scheinbar viel geeigneter gewesen wären, die Ausläufer der Eentralalften zu durchbrechen. Wir freuen uns unr, daß die Scnnneringbahn so gebaut worden ist, sie gehört zu den kühnsten und allergroßartigsten Eisenbahnbauten ill Europa und ist an Reichthum von mannigfaltigen, romantischen Naturschönheiten einzig in ihrer Art. 2 ^teiermark. Die ^Iteichsstraße iiber dm Semmering von Gloggnitz bis Mürzznschlag kann zu Fuß leicht in fünf Stunden zurückgelegt iverden; die Eisenbahn von Gloggnitz bis Mürzzuschlag aber ist 5'/2 Meilen lang; das läßt denken, in welchem Zickzack dieselbe hin nnd her muß, bis sie alle Tiefen und Klippen überwunden hat. Die Steigung ist stellenweise so scharf, daß man an eine Zahnradbahn denkt und nur staunen muß über den damaligen Unternehmungsmnth der Erbauer. Von Gloggnitz über Schloglmühl (wo das österreichische Banknotenpapier gemacht wird) nach Paycrbach gelangt, stehen wir vor dem ersten Riesenbau. Es ist die auf dreizehn Pfeilern ruhende neunhundert Fuß lange Brücke über das Thal der Schwarz'a gespannt in einer Höhe von hundertzwanzig Fuß. Von hier beginnt die Steigung und bald kommen zwei Tunnels von dreihundertsechzig und vierhundertachtzig Fuß Länge. Nun öffnet sich links die Gegend, tief unten liegt der Markt Gloggnitz, über dasselbe hinaus schweift zum letztenmal der Blick in die Ebenen Oesterreichs, Mährens und Ungarns, die wie ein blaues Mecv allmälig mit dem Firmamente verschwimmen. Und die Bahn wendet sich gegen das Innere der Alpen. Bald halten loir an der Station Flamin. Hier finden wir nichts als den Bahnhof, ein Kirchlein, ein paar Berghäuser und die malerische Ruine Klamm. Aber unten in der Schlucht, gar eng eingepreßt zwischen den Wänden, an beiden Seiten der Reichsstraße liegt der Ort Schottwien; hinter demselben an grüner Lehne schimmert die zwei-thürmige Wallfahrtskirche Mariaschutz; von den jenseitigen Bergen blinken mehrere Ruinen. In schwindelnder Höhe über dein Adlitzbache zieht sich nun die Bahn in der Länge einer Meile an der Weinzettelwand fort, mehrere Tunnels durchlaufend nnd endlich das romantische Thal der Adlitz übersetzend auf einein dreistöckigen Viadukt, der höher als ein Haus von zehn Geschoßen sich erhebt. An der Weinzettelwand war es, wo bei dem Baue durch einen Felssturz vierzehn Arbeiter ihren Tod fanden. - Run gelangt man durch einen Tunnel in ein anderes Thal, von dem sich ein großartiger Blick in das Hochgebirge anfthut. Ueberraschend ist es, wie man -^ jetzt zur rechten, jetzt zur linken Seite mehrmals wechselnd das Gcbirgsbild hat. Ueber einer grünen Niederung herein leuchtet uns das erste Riesenhaupt aus Steiermark entgegen — die Rax. Der Zug rollt hier wieder mehrmals in die Erde hinein, bietet wiederholt Ansichten der eben zurückgelegten Bahnstrecke, durchbraust den mehr als sechshundert Fuß langen Nolfsberger-Tunnel und steht endlich auf der Station Scunnering. Wir steigen aus, um das dem Grbaner dieser Bahn hier errichtete Monument zu betrachten und danü einen Blick über die weiten Berge hin und besonders auf den nahen Sonnwendstein zu werfen, der den Grenzpfeiler Steiermarts bildet und seinen Ersteiger mit der prächtigsten Aussicht über vier Provinzen lohnt. Vom Bahnhofe aus liegt mm das Land tief zn Füßen; junger Lärchenwald umgibt uns; wir athmen — anch im Hochsommer — kühle Alpenluft. Frisch Wasser, Alpenrosen und Edelweiß werden von barfüßigen, blauäugigen Kindern uns angeboten. Da auf der Semmermgbahn der Sicherheit wegen ein größeres Wärterpersonale als sonst aufgestellt ist, so sind auch die Vahnwächterhäuser stattlich, stets einen Stock hoch und für mehrere Familien eingerichtet. Seit länger als dreißig Jahren, da diese Bahn nun im Betriebe ist, hat fich auf derselben noch kein bedeutender Unfall ereignet, trotz der dreißig und mehr Züge, die täglich auf dieser merkwürdigen Strecke verkehren. Unmittelbar hinter der Etation Semmering rollen wir mit einem langen Pfiffe in den großen Tnnnel, der 4530 Fuß lang ist. Er zieht durch den eigentlichen Semmeringberg. Die Bahn geht bald in eine leichte Senkung über. — Was bedeutet der schrille Pfiff unter der Erde? Der Pfiff bedeutet kein Unglück, er ist ein Gruß an die Steiermart. Mitten im Berge haben wir die Grenze überschritten, nnd endlich wieder im Tageslicht gleiten wir durch ein frischgrünes Wiesenthal zwischen Waldbergen dahin. Wie seltsam! Jenseits des Tunnels waren wir auf dem Berge, und hier - fast auf gleicher Höhe, find wir in der Niederung lind an beiden Seiten bauen fich hoch aber in welligen Linien die reichbewachsenen Kuppen, Bauerngüter an ihren Lehnen, Matten und Almhütten auf ihren Höhen. — Noch übersetzten wir die »nächtige, vom öomnn'i'ing bis zur 3alza. - I dreihundertscchzig Fliß lange Brücke bei Steinhaus, llnd der Semmeringbau. dieser gelvaltige Sieg des menschlichen Geistes nnd Fleißes, liegt hinter nns — wir sind eingezogen in die grüne Steiermark. Lusti wulauf Is da schdeiraschi Brauch; A diaggascha Schdeaz 'And a Schwomsupu drauf! Bin a lustig« Vna, Los iu Duifl ta Rua, And d'Cugerlu in Himel, Däi lochu dazua! Ihr versteht es nicht? Das ist ja steirisch. lustig lvohlauf ist der steirische brauch! Bin ein lustiger Bursche, laß dem Teufel keine Ruh! -^ l^in lecker Junge singt's odeil an der „Räuberhöhle" bei dein Alpendorfe Spital. Die Ränberhöhle ist ein Felsenloch, ein Viertelstündchen ober dem Bahnhofe. Da hätten vur Zeiten die Straßenränber ihre Schätze verborgen, die sie den Reisenden anf der Heerstraße abgenommen. Erwiesener ist, daß zur Türkenzeit die Bewohner der Gegend mit ihrer Habe sich vor dem Feinde in diese Höhle geflüchtet haben. Bor Kurzem befand sich am Eingänge noch eine eiserne Thür, welche hente die Sakristei der Spitäler Kirche bewacht. Schon in alten Zeiten, da in diesen Bergen noch die tiefste Wildniß war, führte die Straße nach Italien über den Semmering. Da ließ im 14. Jahrhundert ein steirischer Herzog mitten im Nrwalde ein Hospiz, damals Spital am Hcrrenberge genanni, erbanen, aus welchem das heutige Spital am Semniering entstanden ist. Zur Sommerszeit wimmeln in diesem Alpenthale die Wiener, steigen auf die schönen Berge Stnhlegg nnd ^lamp und horchen den übermüthigen Liedern verlustigen Aelpler. — „Seids lusti!" ist ihr Sprichwort, „mir kema so jung neamazsomm!" und: „l^et ma suustn uir o, Wir a MM,l and a Rod, Wir a Hauo and a Feld, And a Dirudl mit l^eld. Du himlischa Voder, Af da Welt warc> wnl ,s bleibn, Wauo nilr auiol a holbi Echdund Zwoanzga tad schneibn." Blutarm und treuzlustig! so sind die Bergbewohner; die Gegend von Spital bis Mariazell besonders ist bekannt als das lebensfreudige österreichische Arkadien. Benutzen nur die Südbahn noch bis zur nächsten Station Mürzznschlag. Hier verlassen wir sie, um nach einer langen Fußwanderung über Berg und Thal weit unten im Wendenlande wieder mit ihr zusammenzutreffen. Der alte Ort Mürzzuschlag ^ wo die Mürz znr Neichsstraße schlägt - liegt an der Ansmündnng dreier anmuthsrcichen Thäler und ist ein Tummelplal.; der Wiener. Schöne Spazicrgänge schlangeln sich in die Berge und Nebenthäler, wovon einer zur interessanten Tropfsteinhöhle führt. An in das Thal vorgeschobener Fclskopf, der Gansstein , bietet eine prächtige Anssicht anf den Flecken, in das waldreiche Mürzthal nnd in die Felsengruppe von Nenberg. Die Geschichte vom „Gansstein-Michel" ist weit und breit bekannt. Der Gansstein-Michel, das ist ein buckeliges Männlein, welches tief im Felsen des Gansstein wohnt und nnmeßbare Schätze bewacht. In der Christnacht könnte man den Eingang finden. Da ist in dieser Nacht einmal eine Bäuerin mit ihrem Kinde gegen Mürzzuschlag zur Mette gegangen. Und als sie am Gansstein vorbei tommt, denkt sie: Schau, Mirzel, eine schürzenvoll Geld wär' nicht zu verachten! und geht tief in die Felsenhöhle hinein. Ein großer Karfunkel beleuchtet die Nacht; ein schwarzer Hund sitzt da und knurrt; der Michel kauert auf einem Stein und schläft; die Fässer, die in langen Reihen stehen, sind voll von Gold und Edelgestein. Das Weib setzt ihr Kind anf den Boden, faßt in die Schürze was Platz hat, füllt die Kittelsäcke nnd die Strümpfe nnd eilt jauchzend über ein solches Glück davon. Als sie wieder auf der Straße ist und den Sternenhimmcl sieht, denkt sie an ihr Kind. Das hat sie in der Höhle vergessen. Sie eilt zurück, kann aber den Eingang nicht mehr finden, und weder sie noch ihre Nachkommen haben ihn bis heute gefunden. — Wer aber zur stillen Mitternachtsstundc am Gansstein vorübergeht, der soll heute noch das Kind schreien hören. Oder ist es die Stimme des Herzens, daß man über alles Gold und Edelgestein der Welt des bluteigenen Kindes nicht vergessen soll? — 4 ^t^icl'mark. Bandstraße lind Eisenbahn laufen in größerer Eintracht, als das sonst zloischen Eoneurrenten der Fält zu sein pflegt, über die freundlichen Matten des Mürzthales mittägigen Landstrichen zn. Wir nehinen die Richtung nach Nurden, rüsten uns mit Bergschuh lmd Bergstuck und wandern im schattenreichen Alpenthale der klaren, forellenreichen Äiürz entgegen. Tie Leute, die uns begegnen, bieten uns treuherzigen Angesichtes einen guten Tag. Es sind zumeist Waldarbeiter in steirischer Tracht. Derbe, hohe, eisenbeschlagene Bundschuhe, grüne oder auch blaue Strümpfe, die strammgespannt über die sehnigen Waden reichen; kurze Hirsch- oder Gamsleder-hosen, die nur bis zu den Knieen niedergehen (zwischen Hosen und Strümpfen am Kniegelenke schimmert das weiße Beinkleid hervor, oder ^ besonders ill der Ennsthaler' nnd Ausseergegend ^ gar das nackte Knie), dann eine grane Tuchweste mit Hirschhornknöpfen nnd einem silbernen Uhrgehänge, an welchem bisweilen auch ein dnrchlöchcrtcr Mariatheresicnthaler baumelt; oder ein rother Vrnst-fleck mit dem grünen, kmncel-härenen Hosenträger darüber, ein buntes, loseflatterndes Halstuch uni den Hemdkragen; eine graue, grünberändertc Lodenjacke, die zur Sommerszeit nur über die Achsel geworfen ist, so daß die weiten, aber vorne enggeknöpften Hemdärmel frei sind, nnd endlich ein Filzhut mit einen: breiten grünen Bande, eine Gamsbartborstc dran oder eine kecke Hahnenfeder; an den Lenden rechts im Beinkleide ein Mcsserbesteck, im Munde ein kurzes Pfeifchen, — so steht der Oberstcirer da. Sein offenes Gesicht, von Alpenwinden stets gefegt, ist rauh und gebräunt und trägt häufig einen gekräuselten Backen-nnd borstigen Schnurbart, der, wenn der Mann beim Militär war, in zwei scharfen Hörnchen aufgedreht ist. Die schlichten, häufig blonden Haare werden etwas tief über die Stirne hcrabgewischt. Junge Burschen haben trotz Wind und Wetter oft auch ein so feines, zartes und weißes Gesicht, wie Stadtjünglinge, nur daß sie eben viel zäher und sehniger sind. Die Weiber tragen ziemlich kurze, gewöhnlich blaue oder braune Kittel, nnter welchen niedere Vnndschnhc und ein gutes Stück der weißwollenen Strümpfe hervorlugen. Ferner eine blaue oder kleingeblümte Schürze, welche bei den Mädchen nur einen schmalen Streifen bildet, bei älteren Weibern aber so breit ist, daß sie rückwärts zusammenlangt, lieber die Brust wölbt sich ein ziemlich breit ausgeschnittenes Leibel, über welches ein buntes, an hohen Feiertagen rothseidcnes Halstuch und ein kurzer schwarzer Spenser mit polsterig auswattirten Aermcln kommt. Ein branncs Kopftuch, welches rückwärts zusammengebunden wird, vollendet den schmucken Anzug der Obcrsteirerin. Die hochgestülpten, mit Sammt überzogenen, mit Gold reichgezierten Drahthnubcn, die so malerisch nnd so abenteuerlich waren, sind nicht mehr in der Mode. Unsere Straße führt nnter Waldhängen und an Wiesenrändern hin. Unter Weidenbüschen rieselt die Mürz. in den Blumenkelchen funkeln Thautropfen; gerade vor uns, hoch iibcr sonnigen Tannenwipfeln blauet das Gewände der Neubergeralpcn. Mürzzuschlag. Vilder aus dem ^Nürzthale. von ^). I. Kirchner. Vom Hcmmermg bis zur 5alza. 5 Im Dörfchen Kapellen unter einer Linde halten wir Rast, nnd blicken in das Thal von Altenberg mit seinen vielen Bretterfägen, seinen Spatheiscnsteinbcrgwerken und Röstöfen. Uns, die wir gerne „naturbnmmeln", interessirt vor Allem das ungeheure Felsenhalbrad der Rax, 0840 Fuß hoch. - Der Himmel ist so blau, die Lnft so frisch, die Brust so freudig. Machen wir eine Alpenpartie; besnchen wir den lieben Gott anf dem hohen Berge. Von Kapellen führt ein gnter Weg auf den bewaldeten Bergsattel des G'scheid. Vom G'scheid biegt ein Steig gegen die ragenden Wände der Ra^ empor. Die noch mit Tannen nnd Lärchen bewaldete nnd mit üppigem Grase bewachsene Thalmulde, über welche wir wandeln, heißt die Siebcnbrunnerwiese, wo bereits das Hirtenleben Auf dein weg zur Raxalpo. mit seinen Schäferstunden anfängt sich zu entfalten. Dann kommt schon der steile Hang mit seinem Gestein nnd Alpenstrauch, der Weg führt in Zickzack hinan nnd ist ein Geschellt des TonristenfreundeZ Erzherzog Ludwig von Oesterreich, der, im Vereine mit dem Touristenklnb in Wien, oben anf dem Plateau auch ein Bergfahrer-Hospiz erbancn ließ, zu Schutz nnd Schirm im Sommer nnd im Winter. Denn wir fangen schon an, selbst an reinen Wintertagen Alpcnpartieen zu machen — nns zu freuen an dem tiefen Himmelsklar, an dem anch zur Tageszeit manch Sternlein glüht, an der erhabenen Ruhe und dem fast überirdischen Frieden, der da oben waltet und die kleinen, menschlichen Begierden dämpft. — Im Sommer, inmitten des warmpulsirenden Lebens, ist das ganz was anders ... Hoch über den Felswänden der Rax, wo man ewiges Eis vermuthet, liegt ein grünes Mattenland mit Berg nnd Thal, voll duftender Kränter, prangender Rosen und mit Sennhütten voll üppiger Lebensfreude. Wir besteigen den höchsten Punkt, die Henknppe. Von da mnß man scheinbar auf alle Bergspitzen hinab- schauen ^ auf die Giebeldachnng des Schneeberges, auf den Kameelrücken der hohen Veitsch, anf die Schroffen des 2' 6 ^tcicrmark. Oetscher bei Ätariazell, auf die weiße Zackenkrone des Hochschwab, auf das blaue Täfelchen des hohen Scheel bei Oraz, auf den ätherigen Rücken des Wechselgcbirges, in welchen: die erhabene Kette der Centralalpen niedersinkt in das Flachland der Magyaren. - Wir stehen höher, als die glutrothe Scheibe, die hinter dem Türenstein niedertaucht. Wir sehm die Sunnenscheibe in der dichten Luftschichte, in welche sie versinkt, wie plattgedrückt. Im Thale der Mürz liegt schwere Dämmerung. Dort läuten jetzt alle Glocke,:, das; die Menschen aufs Veten nicht vergessen. Hier oben bedarfs der Erinnerung nicht, lieber den Ebenen Ungarns zieht die Nacht herauf, ihr voraus wallt ein violetter Schein, wie Nordlicht leuchtend. — Endlich sprossen die Sternlein, und Du, Menschenkind mit Deinem winzigen Auge, das oft so kurzsichtig ist, daß es den Stein nicht sieht vor den Füßen, überschallst Millionen von Welten in ungeheuren Fernen! ^ Ader nicht allein das Auge, auch andere Sinne möchten genießen, nnd so steigen wir nieder Mahlzeit auf der A!m. in die Thalnngen zu den Schwaighütten (Sennhütten). Es ist Eamstagnacht und man sollte meinen, es wären alle Thüren schon verschlossen vor den Wohnungen der schmucken, sittigen Schwaigerinncn. Sie sind aber nie weiter offen, als in der Samstagnacht. Alle Hütten sind beseht nnd belagert. Lauter junge, kernfrische Burfchen aus Ncuberg, Kapelleu und Prein sind da, die singen und scherzen; und auch Andere, die still nnd finster, wie das böse Gewissen um die kleinen Behausungen schleichen. Die Hütten sind schlecht, der Wind bläst leicht durch die Wandfugen das Herdfeuer hin und her, das mitten im Raum auf eiuem Steingelege brennt. Tisch ist gar keiner da; wer essen will, der setze sich auf die schmale Wandbank oder vor die Hütte in's Freie, stelle die Pfanne auf seine zwei Kniescheiben nnd esse. Gott gesegne den Sterz, die Schmalznocken, oder was es sonst Köstliches sei! Wer trinken will, der gehe zum Trog, iu welchem die Schneestücke schmelzen, die vom Kar niedergeschleppt worden sind. Eine andere Wasserqnelle ist auf der Nax nicht zu fiuden. — Wer schlafen will, der muß die Schwaigerin bitten, daß sie ihr Bett herleiht, welches dort im Winkel steht. Die Schwaigerin geht dann zu einer Nachbarin oder ruht oben unter den Brettern des Daches auf dem Haufen isländischen Mooses, das sie ihren Schweinen gesammelt hat. Hente denkt kein Mensch an's Schlafe,:. Dort steht das Wirthshaus. Es ist nicht besser und nicht schlechter, als die übrigen Hütten, aber es beut Wem, Schnaps, Geselchtes, Thee und Kaffee. Die Wirthin ist ewsig und Vom Scmmoring bis zur 3alza. ? froh; der Wirth ist eine Andreas-Hofer^Gestalt und drückt ein Auge zu, oder zwei, merkt er, daß die Verantwortung zu groß würde, wenn er sähe. Es ist ein Volk von Sündern beisammen. Die Jüngsten karteln und kegeln um's Geld oder balgen sich umsonst. Andere trinken und johlen Gesänge, so farbenüppig schier, wie das Muster glühender Liebespoesie — Salomons hohes Lied. Und jene, die gar nicht da sind, sondern hinten und draußen im Verborgenen munkeln, das sind die Schlimmsten von Allen. Wiener sind heraufgestiegen mit nackten Knieen, beschlagenen Schuhen, Eisen und Alpenstöcken. Gerade durch ihr auffallend älplerisches Thun uud affektirt bäuerliches Gehaben merkt man den Städter. Ganz tolle Kerle! sie stiegen auf die Verge, um „frei" zu sein, aber die Bauernburschen weisen ihnen Trotz. — Eine Zither Hort man surren; draußeu herum schrillt eine Mundharmonika. Tort am Eteinllotz stehen singende Gruppen. Mancher aus dein Thale scheint erfolglos da zu sein, man merkt den Aerger aus seinem Sang: „Af d'Olin bin i l^DiM, As d'Olm Hot5 mi Meid, Af d'Olm geh i neama. Da Wäig i§ ma z'weid. Da Wäia is ma z'weid. And die Echiuuagarin z'schdulz, And a Aua, dea sa hoch schdeigg. Is a „it van Hnlz." Auf dein Dachfirst einer andern Hütte sit;t Einer und läßt die Beine cm beiden leiten hinabhängen und singt: „Selm afn Schneld iiber loelche die große WallfahrtS-tirche ^ die größte Kirche i,l Steiermart erballt wordeu ist. ^ie hat eine ^änge vou zlveihulwerteii:, eille Breite von siebenundsechzig und eine -vöhe von nennundneunzig Fuß. Der mittlere, gothische Thnrm ist zweihnndertsechzig Fuß hoch. Das schöne Portal unter diesem Thurme zeigt die Geschichte der Wallfahrtskirche in Bildhauerarbeit dargestellt. Die Kirche enthält außer dem Gnadenaltare in der Kapelle, welche mitten im groß' artigen Baue steht, viele Nebenaltäre mit werthvollen Bildern nnd eine freistehende „Franensäule", iiber welche sich eine weite Kuppel wölbt. Seit des Markgrafen Heinrichs Zeiten haben viele hohe Herreu hier geopfert nnd die Schatzkammer enthält kostbare Dinge. Botivtafeln aller Art bedecken die Wände, wohin man das Auge nur mag richten. Alljährlich an hnnderttausend Wallfahrer besuchen deu Gnadenort. Kummervolle Menschen gibt es aller^ wcge; viele von ihnen entbehren in ihrem Leide der Mitmenschen Theilnahme nnd Tröstung. Aber eiue Freundin haben sie, die hört sie an, die läuft nicht davon, wenn fie alls Fernen kommen und ihr Anliegen klagen; die sitzt in ihrem weißen Zelt zu jeder Stunde, nnd ihr Schweigen ist wie Mitleid nnd stille Erhörung. Sie kommen zn einzeln lind in Grnppen, kommen in großen Haufen, das wallende Fähnlein vor sich tragend, es vor jedem Wegkreuze senkend, es nnzahligemale tief verneigend, wenn fie vor der herrlichen Onaderntreppe des !Iach Marmzell. Vas heilige 2Ilariazcll. u berühmten Gotteshauses stehen. Da hebt das dumpfe Getöne der Glocken an, in seinen leisen, melancholischen Aceorden fast vergleichbar dem Tonspiele der Mundtrommeln. Schon dieses Gelallte hat ein Berückendes. Und die Pilger aus fremden Ländern ziehen ein in die Kirche zu Zell. In der Kapelle des Gnadenaltares strahlen die nngezählten Sterne der Kerzenflammen. Tie Ankömmlinge rntschen anf den Knieen über die Steinplatten hin bis zur heiligen Stätte, wo in dem Gezelte voll goldener Zier die Jungfrau thront. Das Bildniß der Mntter mit dem Kinde, in weißer Seide nnd mit funkelnden Kronen. Und sie küssen die Steine, nnd sie legen sich hin und streckeil die Hände aus und sind bewegungslos. als hätte sie die >tenle des Mörders erschlagen. — Und wenn es Abend wird. schweben sie in laugen leihen mit Kerzenflammen dnrch die Kirche und in allen Endeil hallt Gesang, hier der Begeisterung Hochruf: „O, sei gegrüßt, viel tansendmal, Mariazell. dn Gnadenthal! Dnallerschönste^iutterIesll!" Dort das flehende Gebet der Vangniß: „Der Tag ist vergangen, die Viacht ist schon hier; gute Nacht, o Maria, bleib ewig bei mir!" Und weiterhin nnd durcheinander schallen fremdartige Weisen fremder Sprachen. Ein Gebet sucht das andere zu überschreien, ein Gesang den andern zu übertönen. Es ist eine nngeberdige Kinderschaar, die hier die Mutter bestürmt, zuerst demüthig und schmeichelnd, bald aber kühner nnd wilder werdend, bis endlich gar Einer in der Begeisterung Hochfluth die Schranken des Marmorgeländers über' Wallfahrtskirche in INanaM. springt, hinstürzt auf das geheiligte Bildnis; und den Sanm des Mantels mit heißen Küssen nnd Thränen bedeckt. — Ein grauenhafter Aufschrei ist's, aus tiefstem Herzen der Menschheit. Und dranßen ruht die Alpenwelt in lieblichem Abendfrieden und die Felshäupter glühen in stiller Herrlichkeit. Selbst dem Freigeist wird die Stätte heilig. Der Gedanke, daß Millionen nnd Millionen von Menschen aus fernen Zonen ihren Kummer, ihre Drangsal herbeigetragen haben, um sie vor der Gestalt in weißem Zelte niederzulegen — dieser Gedanke senkt einen wunderbaren Schein auf das uralte Stück ^indenholz, das einst gewachsen sein mag in jenen Wäldern, in welchen unsere Vorfahren ihre Voll-Mondnächte noch dein Wnotan haben geweiht. — Scholl am zweiten Tage, nachdem zur nächtlicheil Zeit vielleicht Einer oder der Andere den Meßner zu bestechen versucht, daß er ihm die Kirche öffne nnd das hochgelobte Gnadenbild zum Kusse reiche, oder ihm eine Kerze vom Frauenaltare verkaufe für die Sterbstunde; nachdem sie den Ihren daheim Zellerangedenten getauft, Rosen kränze, Hciligenbildchen, Amulete, Gebetbücher, Wachsstöcke u. s. w. und dieselben zur Weihe getragen - nach alldem ist das Scheiden da. „Wie kurz der heilige Tag. wie kurz die Zellerfreudeu, muß hellt' schon Urlaub nehmen, Maria, von dir scheiden! O Jungfrau, wenn wir sterben, o thn' uns Gnad' erwerben, geleit' zum Himmel uns're Seel', vergiß nns nicht, o Maria Zell!" So der wehmüthige Gesang. — Unter Glockengeläute nnd Trompetenschall zieht die Schaar um die Kirche, verneigt noch einmal ihre Fahnen nnd wallt davon. Und Andere kommen lind Andere ziehen und unerschöpflich an Gnaden ist das Bildniß im weißen Zelt. 12 Zteiermark. Erst welin die eisigen Oktoberwinde i'lber die Alpen fegen und vom Schwaben nnd vom Oetscher herineder die finsterem Schneestürme tosen, wird es öde im Zellerthal. Der Lichterkranz um das Gnadenbild ist verloschen. Durch die Fensterfugen weht der Schneestaub herein anf die Votivtafeln, ulld in den Beichtstühlen nisten die Mäuse. Die Bewohner von Mariazell — so stattlich ihr Markt ist — fühlen sich zur Winterszeit nicht wohl; ihnen ist ihre Maria nur im Sommer gnadenreich. Im oberm Theile des Marktes steht die „Bruntirche", welche wieder eine andere Maria beherbergt, ein Frauenbild, das — wie die Sage geht — alle Jene erhört, die in der Hauptkirche unerhört geblieben. Daher sucht jeder fürsorgliche Wallfahrer stets auch die Brunkirche anf. Der nahe Kalvarienberg bietet ebenfalls Gelegenheit zur Andacht und nebenbei eine prächtige Aussicht über die Gegend. Beliebte Ausflüge von Mariazell sind auf die Bürgeralpe mit ihrer schönen Fernsicht nnd auf den Erlafsee, wo man im Wirthshause so gute Forellen bekommt. Wir mögen aber mit der Grlaf nicht anbinden, denn diese würde uus in das stäche Laud der Donau zurückführen. Wir halten es mit der Ealza, die uns aus dem Zellerthal durch eine Waldschlucht an dem malerischen Vergkirchlein Sankt Sigmund vorüber in das großartige Gußwerk leitet. Hier schlägt sich der Aschbach zur Salza, uud diese viele Wasserkraft und die Nähe mehrerer Erzbergwerke nnd zahlloser Holzkohlenquellen gaben Anlaß zum Gußwerl, welches 1740 errichtet worden ist. Ans zahlreichen Schloten pfnstert schwarzer Ranch empor zu den Wald' uud Felslehnen, welche den eminent industriellen Winkel einschließen. Und das klingt in diesen Werkstätten anders, als das Geläute zn Zell — hier werden Kanonen gegossen. Wer in den Abendstunden durch das Thal wandert, der kann im friedlichen Gebirge das Donnern der Geschütze vernehmen, wenn diese erprobt werden. Wir verlassen einen so unheimlichen Ort uud die klare Salza, welche der Enns zustrebt. Auch wir werden die wilden Herrlichkeiten des Ennsgestades schaueu, machen aber lohnende Umwege in nnd über die Gebirgsgruppe des Hochschwab. Vom Gußwerkc ziehen wir zwei Stunden lang am Aschbache hinan. Manch leichtes Eteirer-wäglein rollt nns entgegen nnd das stinke, feurige Nößlein dran trabt nnd schnaubt; sein Eigenthümer würzt ihm Hafer uud Heu mit Arsenik. Sehen loir diesen Eigenthümer, einen kräftigen, herlebigeu Burschen gut an, vielleicht ist er selber ein Arsenikesser - damit er jung und frisch bleibe, wie sein Mßlein. Ueber nnseren Häuptern haben wir stets Wald uud Gestein. Und dort oben am Hang, seht ihr die vier versteinerten Männer sitzen? Das sind die „Spieler". ^ In einer Ehristuacht war's, da stiegen vier Arbeiter alls dein Gollrader Bergwerk, anstatt nach Zell zur Ehristmette zu gehen, auf den Berg, um Karten zu spielen. Sie kamen nicht mehr zurück, und als die Sonne anfging, saßen oben hoch an der Lehne vier versteinerte Männer ^ hellte noch zn sehen, die Kartell in den Händen. Sie müssen spielen, so sagt der Volksmund, so lange, bis der letzte Wallfahrer von Zell kommt. Unter dieser Grnppe im Felsen ist ein Loch, dnrch welches der Wanderer auf der Straße das Firmament schimmern sieht. Jeder Waller, der vom Gnadenorte kommt, versncht es, durch dieses Felsloch zu gucken; Mancher sieht dnrch dasselbe den Himmel, Mancher nicht. Für Letzteren ist es ein Zeichen, daß er nicht mehr 'lach Zell kommt. Wir sehen nicht hindurch, denn es liegt die Abenddämmerung schon in den Bergen und wir sind froh, daß wir ill das kleine aber gastliche Wegscheid gelangen, wo der Wirth über seiner Thür del» Spruch geschrieben hat: „Herr, bleib' bei un5, denn es will Abend werden!" Der hohe 5chwab. »3 3er hohe öchwab. Aie Höll' wird uns dm Himmel kosten. Untersuchen nur, ob sie ihn werth ist. In der Wegscheid wenn der heitere Morgen aufgegangen ist — steht Mancher am Scheidewege, ohne ein Herknles zu sein, und besinnt sich, welchen Pfad er wandern soll. Der eine links führt empor zu den olympischen Höhen der Veitsch und des Schwab; die Straße rechts geleitet schnurgerade zur Hölle. - Profanen Sinnes wollen wir diesen Weg wandeln. Nir mleuliren so: Tragen wir den Himmel im Herzen, so kann uns die Hölle nicht schaden; haben wir aber in uns böse Brut, so wird uns der neunte Himmel nichts mchen. Also die Sach' auf nichts gestellt! den Weg der Hölle zu! Er ist wohlig und angenehm. Es geht glatt und schön zuerst all freundlichen Gehöften vorbei, unter weichen Buchenwäldern hin; es blühen helle Enzianen uud wilde Nelken, es duften frische Harze und Kräuter, es hüpfen und singen mannigfache Vöglein anf den Aesten. Nach einer Stunde sachten Steigens aber, da die pittoresken Ausläufer des Echwabenstockes allmälig herangerückt sind und man auf dein Sattel des Karstriegels steht, wo der Wald sich plötzlich lichtet, ändert sich die Sache ganz erstaunlich. Eine schattenfinstere Schlucht thut sich tief vor uns auf, eine Kluft, als wäre die Weltkugel auseinander gesprungen. An beiden Seiten der stnnden-langen Tiefe ragen und droheil überhängende Fels-bcrge, mit rothen Wänden in Eonnengluth, mit rissigen Schrunden, mit bizarr vorstehenden Felsnasen und Hörnern. Ungeheuer, wie sie Sankt Johannes in seiner Apokalypse nicht schrecklicher hatte zu erfinden vermocht. Ich nenne Namen, die in Eteicrmark Klang haben: zur Rechten ragt die Zellerstarritzen und der Brandstein; zur Linken die Aflenzerstarritzen, der Wettcrkogcl "- die Felsenwucht des Hochschwab. Und nun steigen loir anf einem Schlangenpfad hinab in diesen Grund, in welchem die Nebel brauen, die Schatten dämmern, in welchen so selten der göttliche Tropfen eines Sonnenstrahles niederfällt. Wir wandeln Eingang Znr Hölle. ^ Steiermark. zluischen den unbeugsamen Gewalten, die keine Menschcmnacht vermag zu dämmen und zu zahmen. Vur wenigen Jahren erst hat in diesem wüsten Kessel — die Höll' genannt — eine Revolution stattgefunden. Die Menschheit schreibt ihre Geschichte auf Papier, die Natur gräbt die ihre in eherne Felsen ein, wo sie zu lesen steht nach tansend und tausend Jahren. Eine solche Episode ist auch hier aufgczeichuet wordeu. — Der Mann hätte was erfahren, der in jener Nacht auf einer Felsnase des Vrandstein gesessen wäre und niedergestarrt hätte in die gährenden Gründe, au deren Wänden die Blitze sich brachen lind die Donner schlugen, von deren drei- uud viertausend Fuß hohen, fünfundvicrzig Grad steilen Lehnen ununterbrochen Schnee- uud Echuttlawinen niedcrfuhren. Er hätte das Tosen der zahltosen Wildwasserstürze und das Leben des Gebirges vernommeu. Manch aufgeschreckter Raubvogel wäre hiugeflattert über seinem Haupte und zu seinen Füßeu hätte manches entsetzte Gcmslein die kühnsten Sprünge versucht uud — uugewohut solcher Gräuel — wäre es vielleicht niedergestürzt in das Verderben. Der Meusch aber verschließt der Schreckniß sei»: Auge uud Ohr, kauu's uicht fassen, wenn die Elemente, ihr Dä'moueuhaupt erhebeu. Nun erst, da Alles vorbei, da die Schuttriesen uud Schrüude uud die niedergeln'ochcuen Felsblöcke liegen ill der Stille lind Starruiß der Oede, jetzt vermögeu wir die Zerstörung oder oielmehr die neue Schöpfung auzuseheu uud die ueugegrabeue Schrift zu leseu. Lallt hallen unsere Schritte, wenn nur über das Steiukar hinwandeln; kein Tröpflein mehr von den Wassermassen, die hier gestürzt uud gebaut haben, Keiue labende Quelle uud keiu leuchteud Rösleiu -^ eiue verloreue, versuukeue Welt, eiue Hölle, aber — Gott Lob! ohne Verdammte. ^ -- Die Glücklosell jagen, die Verlorneu irren draußeu in der „großeu Welt". Al, deu Lehuen eines dieser Kare wachsen Bäume uud nicht weit davon steht eiue Köhlerei. Die paar Leutcheu daselbst, hablos wie da5 Murmelthier, schwarz vou außeu wie der Teufel, trageu kein Hemd am Leibe. So hat jeuer .^töuig also ill dieseiil Felsenthale das Hemd des Glücklichell gefuudeu? Da war es ja, wo mir jener Mann begegnete, der vor wenigen Iahreu uoch eine halbe Million besessen hatte. Eiu armer Manu aus dem Waldlaude, war er durch Glücksspiel rasch zu Gelde gekommeu. Nuu hub er all uud trat den Erdball stolz »lit acht Füßen seiner jungen Piuzgauerheugste und ließ es hoch hergeheu und erschöpfte die Freudeil der Welt und sich selber. Durch den ^'milfovt abgestumpft, abgespauut, ging er auf Reisen, zog durch Amerika und Asien und überzeugte sich, daß die Erde kugelrund ist. Die Erde ein Epielball — da^ laugweilt. Der Mann lehrte zurück ill die Heimat, da spielte mau mit Geld uud Ehre — er that wacker mit. Ein wenig übers Jahr wars her, seit er Alles verlor, uur des Vaters Erbe, die Ehre nicht. Eiu blutarmer Mann kehrte er ill das Gebirge zurück, wo er jetzt Kohleu breuut und des Tags dreimal seine Ziege melkt. Das ist einmal Einer, der über der Welt Lustransch das Jodeln uud Jauchzen uicht vergessen hat. Kohlenrauch ist ihm lieber, als wie Mammon, der die Köpfe benebelt. Wein, von „Millionen" die Nede ist, so schlägt er mit Stem und Schwamm Tabatfeuer, schüttelt deu grauenden Kopf uud meint: „Millionen? ist nichts dahinter." - Solche Leute fand ich in der „Höll'", uud da dachte ich wohl all den Spruch meiuer Großmutter: „Die Höll' ist uicht so heiß, al^ sie die Pfaffen heizen." Welthasseru und Lebcusmüdm empfehle ich die Naturwilduisse uud ihre wenigen Bewohner. Draußen sieht mau uur die Wagschale auf- uud niederschnelleu; der Steigelide wird übermüthig uud selbstisch, der Siukeude flucht und verzweifelt. Aber im Schooße der Ursprüuglichkeit schwaukt gleichmäßig der Wage Zünglein hill uud her, uud wir seheil den ewigen Ausgleich des Eteigens und Fallens. Und schließlich, nach aller Täuschuug, und wenn in Klagen uud Beten nnd Flucheu das Herz sich heiser geschrieen hat, gewinnt man in der Rückkehr zur Natur die Einsicht, daß doch die Welt nach einem sicheren Plane geht, dem man sich wohl anvertrauen mag. Nun rasch wieder zur Höll' zurück. Von der Köhlerei weiter fällt die Thalschlucht rasch ab. Hier herum sind bei jenem Wolkeubruche zwei Seen entstanden, wovon der eine zwar wieder trocken ist, der andere aber eiu offenes Auge bleibeu dürfte, in dem sich die Felseu und Wolken spiegeln. Zwei Gemsen sah ich uicderstcigen von ' den Riffen uud in den grüulichen Spiegel gucken zu sehen, wie prächtig ihnen die zwei gekrümmten Hörucheu steheil. Der Höllenring vom weichsclbodcn aus. von Richard j)üttner. Der hohe Schwab. 55 Endlich kommen wir hinab zum Ring. Das ist cm gewaltiges Felsenkar, welches von den Warten des Wetterkogcls und des Schwab sich in nngehenren Wänden nnd Schuttfeldern niedersenkt. Unterhalb des Kars legt sich eine kleine frischgrüne Wiese hin nnd auf dieser Wiese steht das Jagdhaus des Grafen Meran. Am Jagdhause im Ring ist's über die Maßen schön; doch es ist jene Schönheit, die das Weltkmd nur auf kurze Zeit entzückt, allmälig aber drückend wird. Wer hier aber leben könnte Jahr und Tag, und beobachten der Jahreszeiten Lauf und Eigenthümlichkeiten im Gebirge, der müßte groß werden und einig mit dem Geiste Gottes. - Wer die Natur kennt und liebt, dem ist keine Einsamkeit hier; Stein-, Pflanzen- und Thierreich, Wald und Wasser, Luft und Licht bieten ihm die mannigfaltigsten Genüsse. Vei dem Jagdhause wendet sich die Schlucht nach rechts in die vordere Höll'. Zwischen den Schroffen des Brandsteiu und dem Gewände der Edelböden ziehen wir hin. Plötzlich sprudelt zu unseren Füßen ein tristallklares, Köhlerei in der ^ölle. eiskaltes Nasser hervor, so groß, daß e5 auf einmal drei Kornmühlen triebe, wenn sie hier stünden. Doch die Aelpler haben viel gutes Wasser, aber wenig und schlechtes Brot. Trotzdem möchte der Schlemmer bei Zuckertorten und Champagner gerne die Körperkraft des Aelplers haben. Schließlich treten wir hinaus auf die grünen Matten von Weichselboden. Sie sind nach drei Seiten von Felswänden und nach der vierten von hohen Waldbergen umgeben. Die Salza finden wir wieder, die stattlicher und etwas grünlich geworden ist. Weichselboden ist eine Holzknechtgemeinde mit einem Kirchlein, das dein heiligen Johannes in der Wüste geweiht ist. Auf einen Bewohner dieser Gegenden fallen vierzig Joch der Vodenfläche, die ja zum größten Theile unfruchtbar ist. Die Weiber und Kinder der Holzarbeiter klettern in dem Gehänge herum und sammeln eßbare Schnecken, nm sie in Gruben zu füttern nnd dann zu verkaufen. Die Leute, welche nicht im Wald oder auf den Felsen verunglücken, werden hier sehr alt. Einst gab es in dieser Gegend eine Unzahl von Wild' schützen, allein seit Erzherzog Johann - der Gönner Steiermarks — die Reviere erworben und Wildpret zn fabelhaft billigern Preise — eine Gemse z. B. um einen Gulden — den armen Leuten zu überlassen eingeführt hat, seither sind die Wilderer selten geworden. Der Beherrscher dieser Gebirgsgruppe ist der Hochschwab, der mitten unter Hunderten von hohen Herren 7170 Fuß hoch sein Haupt erhebt. Die Kenner der Schweiz und Tirols werden vielleicht über eine so geringe Hochheit dieses Alpcnfürsten die Nase rümpfen; aber wer nur in einer feiner wüsten Schluchten steht oder gar seinen Scheitel erklettern will, der bekommt Achtung! Vom Thale aus wird er sagen: Diese Berge in Steiermark sehen höher ans, als sie sind; und oben angelangt wird er rufen: Ei, diese Berge sind höher, als sie aussehen. - Wir t H Zteiermark. verzichten schwer auf das waldreiche Engthal der Salza, anf die großartigen Abstürze der Ringerin, des Ebenstein, des Griesstein u. s. lv., aber wir »vollen das Beste haben nnd packen den Stier gleich bei den Hörnern. Von Weichselboden aus besteigen wir den Hochschwab. Ich bestieg diesen Berg im Sommer 1874 von der andern Seite, von Aflenz aus. Meine Gefährten waren ein österreichischer Major, ein junger Maler und ein Führer. An einein klaren Iulinachmittage wanderten wir dein kalkigen Fölzbach entlang, in dessen Schluchten die prächtigen Fichten und Lärchen stehen, von dessen Höhen zwischen und über den Wipfeln die lichten Wände des Fölzstein und der Mitteralpe ragen. Der Sandweg ist gut und steigt leicht an. Wundersam spielen Licht und Schatten des heiteren Nachmittags in den Bäumen und Sträuchern, an den zerbenbewachseuen Lehnen nnd an den Schrunden der Wände, über welchen der duftige Schleier des Aethers liegt. Nach einer kleinen Stunde von Aftenz haben wir das letzte Haus des Fölzthales hinter uns und wir ziehen durch waldschattige Engen uud werden feucht von dein Staube der rauschenden Fölz. Wir kommen zu den zwei Brücken, auf welchen der Führer zweimal stillsteht. Hier sehen wir ein Bild, wie es malerischer noch kein Maler gedacht hat. Tort ragt der senkrechte Koloß des Fölzstcin, ein dräuender Vorwart und Thorwart des Schwab. Zwanzig Schritte vorwärts ein ander Bild. Der Fölzstein verschwunden, die weißen Zacken der Mitteralpe leuchten über den schwarzen Kronen des Tannenwaldes. Der Gegensatz dieser strahlenden Wände oben und der kühlen, thauigen Waldschlucht unten mit dem Brausen des Wassers uud dem dunkelnden Gestein, aus dessen Klüften der Lorbeer der Alven, der Rhododendron mit seinen Rofenflauunen wuchert — dieser Gegensatz weckt in uns das Hochgefühl des Entzückens. Plötzlich aber verliert sich der Wildbach, wir hören ihn rauschen, wir fühlen das Bebeu des Bodens vor seinen Flnten, die eingebrückt unter unseren Füßen brausen. So führt uns ein kühner Weg über den Wassern durch eine enge, finstere Klamm. Zum Ueberfluß ist die Klamm besetzt mit einer Heerde von Rindern, unter welchen etliche stahlgraue Stiere nicht gewillt scheinen, uns so leichthin freie Passage zu gewähren. Zwar machen wir die Wegelagerer aufmerksam auf unsere tüchtigen Alpenstöcke, allein sofort erlaubeu sie sich, kopfschüttelnd auf ihre Hörner hiuznweisen. Wir stehen still, Jeder von uns bewnndert laut das kolossale Felsenthor und fürchtet sich heimlich vor den Stieren. Zum Glücke kommt des Weges ein Bauersmann, der die Rinder zur Aufhebung des Belagerungszustandes zu bewegen weiß. — Wir steigen hinan zur Halterhütte, die in einem Hochsattel zwischen den Wänden des Fölzstein und der Mitteralpe liegt, machen uns dort heimisch und genießen Milch und Vntter. Mittlerweile beginnt es zu dunkeln und auf den Hochwarten liegt die Abendglut. Die juuge, hübsche Schwaigerin ist vertrieben; der Major kauert wie ein Taschenmesser eingeknickt in ihrem Bettchen. Der Maler und ich liegen unter dem Dache im Heu. Der Führer ist uns abhanden gekommen; es geht die Sage, daß der gute Mann, die Sehnsucht im Herzen, ein Ahasvcr, manche stille Nacht von Alpenhütte zu Alpeuhütte waudert, um die süße Ruh' der Almerinnen zu belauschen. Es ist finster geworden. Den vertrockneten Blumenkelchen des Heues entsteigen Bilder aus vergangenen Tagen und voll des heimlichsten Wunsches zukünftiger Erfüllung... Da erschallt unten in der Hütte plötzlich der Ruf: „Jesus, Maria und Josef! was ist denn das! ihr Leute all', geht uud schaut!" - Ich kollere über die Leiter hinab. Der Major steht in purem Hemde draußen vor der Thür, hält die Hände znsammen und schreit: „Jesus, Maria und Josef! hab' ich das schon gesehen in der weiten Welt!" Da schaue ich's denn auch. Ich erschrecke anfangs, daß nur der Herzschlag stockt, dann heb' ich an und lache — lache vor Entzücken. Die senkrechten Wände der Mitteralpe, die sich über dem schwarzen Zcrbengrund in einer langen Reihe von Norden gegen Süden ziehen, stehen in einem hohen, magischen Weiß, wie durchsichtig fast und von lichtein Aether umgössen, als hätten sich die ewigen Wände bedeckt mit Feenschleiern oder wollten sich auflösen zu flüchtigen Nebelflocken. ^ Der letzte Blick des verdämmernden Tages liegt auf den Wänden und ist Ursache dieser unbeschreiblich schönen Erscheinung. Dieser Schein, der von den Kalkfelsen auf uns niedergießt, ist fast, wie das helle weiche Licht des Vollmondes. — Um Mitternacht rüsten wir uns zum Aufbruche. Kaltes Wasser Der hohe Schwab. ^ ins Gesicht und warm? Suppe in den Magen, dann sind lvir frisch. Wir treten dir Wandcrllng an, zur Anken innuer die schwarzen Massen des Kars, zur Rechten die Wände der Mitteralpe, die nnn auch finster geluordcn waren. Wir schreiten langsam zwischen Gezirm und auf thauigen Alinen hin. Am Himmel funkeln die Sterne. Da stehen wir plötzlich am Rande. Vor nns liegt eine Tiefe, aus welcher fahle Pnnkte nnd Tafeln hcraufschimmern. — „Da unten sieht's ans, lvie in einem Friedhofe," bemerkt der Maler. „Und da müssen wir jetzt hinabsteigen," Abenteuer üi der Rlaimn. sagt der Führer, (l-r ertheilt uns Nuterricht im Klettern nnd zündet die mitgebrachte Fackel an, alls daß wir geblendet seien und den grauenhaften Abgrund nicht sehen, an dem wir quer hiuklimmen. — Nach einer halben Stnnde haben wir wieder verläßlichen Boden nntcr den Füßen. Der Fuhrer setzt sich anf einen Felstlotz. trocknet sich mit dem Tuch die Stirne und sagt, er wäre sehr früh, daß wir diese Stelle glücklich hinter uns hätten. In der Nacht ginge es noch, aber am Tage wolle ihm Keiner an der Tradwand herüber. — Hieranf gehen wir dnrch die obere Tullwitz-schlucht, umstanden von dein Hochgefelse des Wetterkogcl, der Großscharte und der Tradwand. Wie schrecklich hoch stehen diese noch über uns, nnd wir müssen so lange steigen, bis wir sie alle weit überragen. An den Tullwitz- Hütten kommen wir vorüber, sie sind uubewohnt und von ödem Gestein umgeben. Wo einst Menschen wirthschafteten, 5' 18 Hteicrmark. da könnten sich hellte Gemsen lind Steinadler heimisch niederlassen, wenn sie sich miteinander vertrügen. Alljährlich sinkt die Starrniß tiefer und tiefer nieder von den Höhen. Wir wandern stellenweise über körnigen Schnee gegen das „goldene Bründel", ans welchem aber glücklicher Weise nicht eitel Gold, sondern frisches Wasser guillt zur gesegneten Labe. Wir gelangen an den sogenannten Edelsteig, der aber seinen Namen nicht verdient, er führt über knorziges Geschroffe hinan nnd am besten ist's, man vergißt sein Meuschenthum nnd wandert auf allen Vieren. Wir rasten und sehen jetzt an der gegenüberliegenden Tradwand wieder jenen magischen Schein, wie er Abends an den Wänden der Mitteralpe gelegen. (5s tagt. ^ Eine Stunde später sind loir auf dem Hochboden der Samstatt, über welchen nun der Fußsteig jenseits hinab gegen Weichselboden führt. So stoßen wir nun mit unserer planmäßigen Route zusammen und steigen weiter aufwärts. Die Steige sind hier nur durch Steinhäufchen angedeutet, die, wenige Klafter von einander entfernt, hin nnd hin die Merkzeichen bilden. Wer ein solches, zumeist auf glatten Klötzen zusammen^ gelegtes Häufchen nicht bemerkt, der kann von der Richtung abirren, und im Nebelwetter mag ihm diese Verirrung !t)i!!>alj,n'i:. leicht das Leben kosten. — Schärfer nnd schärfer zeichnen sich nun die Höhen nnd Zinnen in dem sich immermehr lichtenden Morgenhimmel, und possirlich ist es zu sehen, wie auf solch scharfen Linien die Gemsen sachte hin nnd wieder gehen. Seht es, wie jetzt zwei Gemslein, unser ansichtig werdend, wie der Wind über das steile Echneekar hinabsausen'? Die Vegetation ist hier im Versterbeil. Das flammende Kohlröschen, die zarten Vlütenzapfen des Speit, die goldkronige Arnika, die blauen Freudenkelche der Enziane, selbst die zarte Flocke des Edelweiß ^ alle sind zurückgeblieben unten ali der Fölz, in der Tnllwitz. Nur das blauäugige Vergißmeinnicht ist einschmeichelnd mit uns heraufgestiegen, stetig bittend, daß wir ill dieser majestätischen Herrlichkeit auch seiner grünen Heimat, der lieblichen Wiesenflur, nicht ganz möchten vergesseil, anf deren Vlumenteppichen wir am Arm eines geliebtesten Wesens sonst so gerne gewandelt wären. Endlich kommen wir — an der Kuppe des Kleinschwab vorüber - - der letzten Höhe zu, derselben, die über alle Berge hinausblaut in das Zellerthal, wo die hölzerne Hand nach ihr weift. ^ Mit jedem Schritt, den loir hier macheil, dehnt sich weiter und weiter vor nnserem Ange der Ring der Alpen. In den Thälern liegt noch der Schatten der Nacht, auf allen Höhen blüht das Morgenroth. - Schon find wir dem Ziele auf hundert Schritte nahe. Heller nnd heller wird die Glnt im Osten, da bricht ill gewaltiger Flamme die Sonne hervor und siehe — nun liegt es, wie ein Regenbogentranz über dein ganzen Horizonte, voll Ost über Süd und Nord nach West; der Vcr hohc gchwab. ' ^ obere Nand dieses Luftkrciscs ist purpurroth, dann kommt grünlich und blau, dann verschwimmt es in das Dunkel, das noch auf der Erde liegt. Dieser Farbenkreis bildet die Grenze zwischen Tag und Nacht, und je hoher die Sonne steigt über den mährischen Landen, desto tiefer sinkt das Pnrpurrund, bis es nach und nach die Spitzen der Berge berührt. Da leuchten die Häupter roth in stillem Feuer, da wird es golden' sonnig hin über das weite Alpenland. Im Anblicke solcher Größe ist man still, wie die Steine ringsum uud das unvergleichliche Bild zieht ein in das Allerhciligstc der Seele zum ewigen Andenken. - Wir sehen das Leuchten der Karawanken, das Glitzern der Donau und das Murgenglühen des Großglockner. Die Schilder des dreizackigen Dachstein blinken uns zu; das wilde Heer der Ennsthaleralpen reckt seine unzähligen Niesen- und Greisenhänptcr, mit Kronen und Diademen geschmückt, empor znm Hochschwab, wie Patriarchen der Vorhölle zum Allvater schanen. Wer wollte all die Berge und Thäler mit Namen nennen? Der Pedant. Nicht wie sie heißen, sundern wie sie sind, ist auch bei den Bergen die Hauptsache. Vom Schwab aus ist die Hantreliefkarte der Steiermark zu sehen. Ein Meer von unzähligen Vergkämmen und Spitzen, aber wegen der breiten Unterlage des Hochschwab sieht man kein Thal, keine menschliche Ansiedlung. Gegen Osten steile Wände, große Kessel und Schluchten, die auch im Sonnner mit Schnee gefüllt sind. Die westlichen Höhen ähneln dem Karst. Das Gebirge ist wasserarm. Abstiege finden sich an allen Seiten. Jenen möchte ich aber nicht anrathen, den ich einmal wählte hinab in die Tullwitz. Es war der Nothgang. Des fortwährenden Kletterns im Gestein müde, wollte ich, um auf besseren Boden zu gelangen, eine Schncemulde überschreiten. Die Echneelehne war aber steil und wohl an zehn Klafter breit. Dazu war sie hart gefroren und von einein aufrechten Gehen darüber konnte keine Ncde sein. Mehr liegend als lehnend, mit den Stiefelabsätzen Haltgruben in den Schnee hanend, wollte ich mich hinüberhelfen. Um aber mit den Füßen Gruben schlagen zu können, mußten die Hände einen Halt huben und zu diesem Zwecke bohrte ich den Stock senkrecht in den Schnee, was einen guten Anker gab. Abwechselnd so mit den Füßen und mit den: Stocke vorgreifend, kam ich eine Strecke weiter. Doch wurde der Schnee gegen die Mitte der Mulde hin immer härter und steiler nnd endlich vermochte ich kanm mehr den Eisenstock, geschweige die Stiefelabsätze erklecklich genug einzubohren. Dazu mußten, um nicht ins Rutschen zu kommen, größere Bewegungen vermieden werden. Die Schneeniulde war lang und endete an einem Abgrund, dessen Tiefe von oben gesehen nicht ermessen werden konnte. - Ich blieb eine Weile ruhig sitzen und rastete. Ich sah, es war unmöglich, in der bisherigen Weise die Lehne zu übersetzen, aber - weil ich mich nicht verkehren konnte auch unmöglich, den Rückweg zn ergreifen. In dieser Gefahr fühlte ich plötzlich eine seltsame Wärme in mir. Die Alpennatur, die ich all meiner Tage so sehr geliebt habe, sie will mich jetzt verderben? ^ Zornig sprang ich auf und mit einigen raschen, weiten Sätzen Pler abwärts dem Sandufer zu wollte ich mich retten. Der vorletzte Schritt glitt aus, ich fiel und glitt rasch hinab. Lustig ging's, denn ich sah, es war gewonnen; knapp am Abgrunde rutschte ich zwar vorbei, aber auf den Sand hinaus und anf diesem eine Weile dahin. Glücklich unten angekommen, sah ich den Abgrund, in welchem die Echncemulde ausmündete; es war eine erklecklich hohe Wand, an der das „Martertaferl" eines Verunglückten die Romantik der Gegend nur noch erhöht hätte. Einen so waghalsigen Abstieg wollen wir nicht nehmen; liebcr gehen wir über die weichen Matten der Speikböden dahin und am Vrandstein, der scharf und steil wie ein Kirchendach aufragt, vorbei ins Eisencrzerthal hinab; oder wir steigen rechts nieder in die wilde Einsamkeit der sieben Seen und nach Wildalpen. Das Dorf Wildalpen an der Salza ist einer der schönstell Ruhepunkte auf unserer Wanderung. Die Umgebung ist tief romantisch und hat herrliche Waldkulturen und schöne Almwirthschaften. Ein großes Gasthaus bietet gute,: Comfort. — Durch eine schauerliche, von Wasser durchtoste Felseilschlucht führt uns ein Saumpfad über die Eisenerzerhöhe zum Leopoldsteinersee, der zwischen einer fast senkrechten Felswand und einem freundlichen Waldberge hingegossen liegt. Gar merkwürdig ist dieser grüne, sehr tiefe Alpensee bei Regenwetter, wo plötzlich Strömungen auf ihm 20 Ztcicrmark. entstehen, während an anderen Stellen das Wasser heftig anfsprudelt. Mall glaubt, daß er in seinein Krunde eülen llnsichtbaren Adflus; hat, )oelcher »weiter llnten in einer großen Qnelle hervorbricht, die dein Seewasser ganz gleich ist. Die Gebirgsgrnppe des Schwab geht hier zu Ende; eine halbe Stunde win See, im engen Thale des Erz-baches, zwischen den Felsmassen des Kaiserschild, des Neichenstein nnd des Pfaffenstein birgt sich einer der berühmtesten Orte der Steiermark, das Schahtästlein des Landes — das nralte Eisenerz. ^c'c'poldstl'iül'r ^cc', Die Ennsthaler Alpen. (von ^isl'M'l'z bis Adinont.) 3)er 'viartt Eisenerz ist stattlich und im Vereine mit seiner Umgebung höchst malerisch. Ueber dem Martte mit leinen schimmernden Schindeldächern und seinen mm strzstaub geschwärzten Manem, auf einein Hügel sieht die herrliche gothische Osloaldikirche, -lüldolf von Hamburg hat sie erbaut im Jahre 1^7!); mall sieht ihr das hohe Alter wohl an, trotzdem sie dnrch Brände und Kriegsnoth viel zu leiden gehabt hatte und oftmals restanrirt werden mnßte. Zur Zeit der Türteneinfälle hat man oben um die Kirche eine förmliche Festung geschaffen und die Kostbarkeiten des Ortes darinnen verwahrt, ^ioch heute umgeben die gewaltigen Mauern das Ootteshans, welches wie die Berge, die es hoch umragen, der Pfaffenftein lind ^laiserschild, für die (^oigkeit geballt zu sein scheint. Der Markt ist voll Orzwerkbauten, Hochöfen nnd Schmelzhütten umgeben lind durch eine Zweigbahn verbunden nut der Rudolfs-bahn — wie sich's wohl gebührt, das; der (5isenberg seinen eisernen Weg hat hinaus in die Welt. Hinter dein Markte, gegell den Süden, steht als bewaldeter AnÄänfer des Reichenstein der Erzberg. Seine nackten rothen Stellen, Löcher, Höhlen und Schutthaufen zeigen schon voll weitem, wie die Menschen gierig in dieser unerschöpflichen Bilder aus Eisenerz, von Z. I. Kirchner. Die Lnn5thaler-Alpen. 2l Eisenerz. Schatzkammer wühlen. Schon die Römer haben sich ihre Lanzen geschmiedet aus den: Erze dieses Berges, dessen Geschichte sich verliert in die ältesten Zeiten. Und vureinstmnl. zu Davids Zeiten sott es gewesen sein, haben die Wilden Bewohner der Gegend im Leopoldsteinersee einen Wassermann gefangen. All seine Mühe zu entkommen ist umsonst gewesen und hat er gesagt: „Laßt ihr mich frei, so weise ich ench einen ungeheuren Schatz." Das haben sich die Leute nicht zweimal sagen lassen. „Und ich gebe euch die Wahl." fuhr der Wassermann fort, „wollt ihr ein reiches Silberbergwerk, das aber nach der Jahre einhundert erschöpft sein wird, oder wollt ihr einen Eisenberg, der nimmer zu Ende geht?" - Die Allermeisten wären fürs Silber gewesen, aber ein alter Mann saß abseits auf einem Stein, und der sagte: „Ueberlegt euch's wohl! Läßt sich aus Silber schmieden der Pflug und das Schwert?" „Nein!" riefen sie Alle, „so wollen wir den Gisenberg." - Der Wassermann zeigte den Erzberg und stürzte sich in die Fluten. Höchst interessant ist die Vefahrung des Innern, die Wanderung durch die von der Natur gewölbten Niwme. die „Schatzkammern", in welchen das steinerne, schneeweiß schimmernde Buschwerk der wunderbaren Eisenbliithe wächst. Der Berg soll einer Berechnung nach zum mindesten neunhundert Millionen Zentner Eisen enthalten; vielleicht auch doppelt und zehnmal so viel. Das Eisen wird hier zum Theile so rein und unvermischt gebrochen, daß es ohne weitere Scheidung in die Schmelzöfen kommt; der beste Stahl in ganz Europa wird aus steirischem Erze erzeugt. Der Bau beschäftigt durchschnittlich über fünftausend Berg- und Hüttenlcute. Auf der halben Höhe des Berges, im grünen Waldanger steht die Varbarakapelle, in welcher am Feste der Schutzpatronin das marianische Wunder ausgestellt wird, ein rohes Stück Erz. welches ein Marienbild mit den, Kinde darstellt und als solches aus dem Berge gegraben worden sein soll. Auf der Spitze des Berges steht ein riesiges Kreuz aus Gußeisen, welches der Erzherzog Johann errichten ließ. Vor Kurzem noch hat es weit hinaus in die 6' 22 Neiermm'k. Gegend geleuchtet; heute überwuchern es die Wipfel des Tannenwaldes. — Tiefer herab von der Kuppe steht der „Kaisertisch". Auf diesem Platze soll Kaiser Mar I. geruht und das herrliche Vergrund von Eisenerz betrachtet haben. Eine steinerne Säule trägt folgende Inschrift: „Hier steh' ich — rund um mich ist Alles Macht — Ist Alles Wunder. Mit tiefer Ehrfurcht schau' ich die Schöpfung an, ^ denn du, Namenloser, du erschufest sie. Fried. Klopstock." — Ferner: „Alß Man zehlte nach Chr. Geburth 712 hat man dießm Edlen Grztberg zu bauen Angefangen." Und das dürfte die erste historische Nachricht sein, gleichwohl mancherlei Beweise vorliegen, daß die Römer ihr berühmtes norisches Eisen aus diesem Berge geholt haben. Links vom Grzberg führt die Straße durch den Hochgerichtsgrund über den Prebühcl nach Vordernberg und Leoben an der Mnr; bedeutende Ortschaften, die wir auf unserer Rundreise noch kennen lernen werden. Heute wandern wir rechts vom Erzberge durch die Klamm an den weißen Wänden des Kaiserschild vorüber, bergauf und thalab bis zum Alpcndörfchen Radmcr, das mit seiner zweithürmigen Kirche am Fuße des hohen, auffallend gestal- teten Lugauer ruht, und wo Ferdinand 1l. auf seinen Hochjagden so gerne weilte. Der Eandweg entlang des rauschenden Radmcr-baches durch eine interessante Schlucht, genannt „zwischen den Mauern", führt uns ill die Kohlenbrcnnerstadt Krautgar -ten, in welcher die Hochwälder der Runde verglühen. Und so liefert diese gottgesegnete Gegend Speis' und Stoff den großen Eisenwerken draußen, in welchen die Geschicke der Menschen geschmiedet werden. 4?s^ffonstl'ii! bei Eisenerz. Das nahe Dorf Hieflau hat ähnliches Interesse. — In Hieflan nun stoßen wir zu jenem Flusse, der, weit oben im Salzburgischen entspringend, die großartigsten Naturschönheiten von Steiermart dnrch-braust, bis er sich draußen im Oestcrreicherland verflacht und in der Donau verliert. Es ist des Landes schönster und interessantester Fluß — die Gnns. — In Hieflau sehen wir gleich einen merkwürdigen, alpinen Wasserbau, den weitberühmten Holzrechen. Er dient zum Auffangen aller aus dem oberen Ennsthale hergeschwemmten Verkohlungshölzer; im Laufe des Jahres werden 27,000 Kubikmeter Holz darin aufgefangen. Vor Erbauung des Rechens (1512) war die Gegend nur von Holzarbeitern bewohnt, erst seit dem Bestehen dieses Werkes hat eine größere Anzahl von Menschen hier Erwerb gefunden. — Und nun sehen wir, wie sich ein uraltes Volksmärchen hat erfüllt. Viele Jahrhunderte vor uns haben sie gesprochen voll der Zeit mit der eisernen Straße und von einem Pferde, das Steine frißt. Gin kindisch Märchen war's. Und heute ist es wunderbare That: durch die wildesten Schluchten der Alpen, wo Wasser und Gestein kaum den Fußsteig für den Jäger und Hirten dulde»: wollte, Zieht die eiserne Straße mit dem Roß, das Steinkohlen frißt, und ihr zur Seite der Vlihdraht, die Bahn des raschen Gedankens. Die aus den Donaulandell kommende Rudolfsbahn durchzieht von Hieflau bis Admont der Enns entlang aufwärts die großartige, über vier Stunden lange Schlncht, das Gesäuse, die einzig in ihrer Art ist. Ich habe sie durchwandert noch in jenen Tagen, da die Aelpler gelacht habeil über das tolle Projekt, durch das Gesäuse die Eisenbahn zu balleil. Man hat's auch kaum für menschenmöglich halten mögen. Die Herrlichkeit war fast schrecklich — einsam schritt man zwischen den hohen dräuenden Bergen des Damischbachthurm, des Hochthor, des Buchstein und des Reichenstein, all der sausenden Enns, die sich milchweiß, wallend wie Schaumwein, tosend durch das Gefelsc bricht, zwischen wuchtigen Steinklötzen bohrt und windet, das stetig keimende Gewurzel des Waldes zerreißt — ein rasendes Wasser. ^m Gesäuse. von Richarö ^üttner. ?ie Ennsthalcr-AIpen, 23 Und als ich nach Jahren wiederum kam in die Wildniß, dic mit steinernem Ernste so lange der menschlichen Kultur getrotzt hat, da glitt ich in einem Glassalon, auf rothsammtnem Sitze ruhend, unter den Füßen einen hellblumigen englischen Teppich, vor mir einen venezianischen Wandspiegel — durch die schauerlichen Felsenschluchten. „Ach, diese Eisenbahnen!" gähnte eil: Reisender neben nur, „die haben die Poesie des Reifens total zu Grunde gerichtet." „So?" sagte ich. „Nicht?" fuhr er auf und wies mir seine Fahrkarte, „da sehen Sie den Frachtschein, ein paar Eulli sind wir, ich und Sie, ein paar gestempelte, aufgeladene und weiter zu befördernde Colli. Und dieser meineidige Kohlen-gestaut und dieses gottvergessene Pfeifen der Lokomotive! Herr, da lobe ich mir das Posthorn!" „Das Posthorn allerdings, ich lobe es auch, wenn es gut geblasen wird. Nur fürchte ich, lebten wir noch in den Zeiten des Posthorns, wir heute beide daheim bei Muttern säßen. Am Posthurn hing nämlich auch der Postillon, der wenig blies, aber viel fluchte. Und der Postillon saß auf einem Karrenkasten, der mit den verehr- lichen Reisenden bei jedem Stein und bei jeder Wasserauskehre Fangball spielte. Und an diesem Wagen holperten oft ein paar Mähren, deren Wohlgeruch nicht von Jedermann dem der Steinkohlen vorgezogen wurde. Dann die Postmeisterwirthschaft: - Herr, das war ein Reisen, auf dem man Du und Du wurde mit den Heiligen Vlick in das Chal bei Hieflau. Gottes, die gerädert und geschunden worden sind." „Aber," sagte mein Partner, „das werden Sie doch zugeben, daß der Reisende damals Muße hatte, das Land zu beschauen, während er heute an den schönsten Gegenden vorüberfliegt." „Station Hieflau'." rief der Schaffner. — Wir dehnten uns auf unseren Sitzpolstern und fuhren weiter. „Ganz recht," sagte ich, „an den schönsten Gegenden fliegt man vorüber. Doch ist unser Zug hier drei Minuten still gestanden; wir hätten aussteigen und eine Partie nach Eisenerz und dem Leopoldsteinersee machen können. Daß wir sitzen bleiben, wer trägt die Schuld?" „Pah!" entgegnete »nein Mann, „wer wird hier aussteigen! Will man Gebirgswelt sehen, so muß man in die Schweiz." ^ Glückliche Reise! dachte ich und sah zum Fenster hinaus. Hätte im Schwätzen selbst schier vergessen auf das großartige Gesäuse, durch das der Zug brauste. Wir Passiren zwei Tunnels, die Biegungen sind sehr häufig, so daß man nicht allein jeden Augenblick ein anderes Gebirgsbild hat, sondern auch den höchst interessanten Van der Bahn zu übersehen vermag. Es hat sich hier darum gehandelt, das wilde Wasser zu bändigen, zwischen Quadermauern einzuzwängen, den alten Fahrweg abzubrechen und wieder neu in die Felsen zu sprengen, die Schutthalden zu reguliren weit hinan in die Hänge, den Gießbächen die Bette zu graben und zu pflastern und tief unter dem Bahndamm hin den Abfluß in die Gnns vorzuschreiben. Zierliche Bahnhäuschen aus Holz fliegen an uns vorüber. Der Zug geht rasch, er muß seiner Sache so ziemlich gewiß sein. Die kolossalen Kalkfelsen kommen uns immer näher und starren immer wilder. An die siebentausend Fuß hoch sind die Vettern all, die uns hier uniragen. Millionen von jugendlichen Tannenstämmen stehen in der Thalsohle zwischen den Schuttströmen, Felsklötzen, in den Schrunden, auf den Höhen — allüberall, wo nur eine Spanne Boden dem Felsen abzutrotzen war, wuchert in bunter Ueppigkeit das Pflanzenreich. Schlankes Nadelholzgestä'mme und herrliche Buchen prangen; und dennoch erfüllt graues, weißes, schrcckbar schrundiges 24 öteiermark. Gefelsc schier das ganze Bild. — Lasse man sich aber von dein weiten Fenster eines Waggons ja nicht bestechen. Es zeigt Alles und Nichts. „Station Gstatterboden!" ruft der Schaffner. Wir steigen aus; unser eisenbahnfeindlicher Reisegenossc fährt mit halbgeschlossenen Augen seiner Schweiz zu. Wir stehen mitten in einem der wunderbarsten Gngthäter des Hochgebirges, und nieder von den Höhen stießt der kühle reine Hauch voll würzigen Speikduftes. Der Schober des Damischbachthurm, der ungeheure Felskcgel des Buchstein und der seltsam zerrissene Gebirgsstock des Hochthor mit seinen zwölf in den Himmel hineinragenden Zähnen und mit den silberweißen Fäden seiner Wasserfälle — wenn hoch oben der Schnee schmilzt — schließen das kleine Waldthal ein. Der hohe Herr dort, der mit bleichem Haupte in die Bläue ragt, wird der Neichenstein (es ist aber nicht der bei Eisenerz) genannt. Dann die senkrechten Schroffen des Kalbling und die zirmgrüncn, aber kaum besteigbaren Gesäus. Partie bei Gstatterboden. Höhen des Sparafeld. Die Enns ist hier still — stad, wie die Leute sagen, das Thal heißt „Stadcr Boden". Gin paar Bauern- und Kohlenbrennerhäuschen stehen hier und warten, bis eine der gespaltenen Felswände auf sie niederbricht, oder ^ was wahrscheinlicher ist - bis ein Spekulant kommt und auf dem unfruchtbaren Kalkboden ein großartiges Hotel baut, vielleicht genannt: „Am Gestade". Der Geologe findet in der Umgebung von Gstatterboden Steinkohlenschichten, Gypslagcr und eine Tropfsteinhöhle. Von allgemeinerem Interesse ist der Vruckgraben, ein Stündchen vom Gstatterboden aufwärts. Die über eine Stunde lange Schlucht des Vrnckgraben geht von der Bahn zur Rechten schnurgerade hinan in das eherne Herz des Buchstein. Der Weg ist uuheimlich - streckenweise ein sehr schmaler in Felsen gehauener Gang, stellenweise ein hoch an senkrechten Wänden hinlaufender Steg, durch Gisenklammern befestigt. Dann wieder hat man Stellen zu Passiren, an welchen bloß Eisensprossen in die Wand gebohrt sind, um die Füße darauf zu setzen. Gin Schwindelanfall bringt hier den Tod. Das uns entgegenströmende Nildwasser hat ein außerordentliches Gefalle und wird zum Herausschwemmen des Holzes benützt, welches durch zahllose Ninsen und Mulden von den versteckten Wäldern in die Schlncht geworfen wird. Am oberen Ende der Schlucht, 5!600 Fuß hoch, zwischen dem Geschroffe des Buchstein, wird das an den Regentagen von den Schrunden niederstürzende Wasser gesperrt. Die Schleuse endlich aufgeschlagen brandet der schneeweiße Strom hervor uud reißt alle Scheiter und Holzblöcke, die in der Schlucht angesammelt warm, waldparlic am Buchstein, von Richard püttner. Die Ennsthaler-Alpen. 25 mit sich fort, schlendert sie hier au Fek'dlöcke. das; es klingt, sti'irzt sie dort über Abhänge, daß manch ein wlichtiger Fichteustannil zerschellt, walzt sie voll Hang zu Hang und schwemmt sic schließlich unter dein Damm der (Eisenbahn hindurch in die (wns. — Diese Wasserbauten im Bruckgraben sind eine der großartigstell Triften unserer Alpen. Viel einfacher, aber nicht minder interessant sind die vielen Holzrinsen im Gesimse, über welche an Regentagen uder bei Glatteisbildung das Gehölze von den Holzschlägen herabgelassen, oft hoch über Busch und Baum niedersaust und in einem weiten Bogen klingend in die l^nus stürmt, um auf dieser den Kohleustätteu von Hieflau zuzuwallen. Manch Martertäfelchel, steht aui Wege, erzählend voll Unglücksfällen, die hier den Holzarbeiter, den Ncgmacher, den Wanderer getroffen. Wir verlassen die Enns und die kühnen Bauten der Eisenbahn und spazieren lillk^ nach dein eine Stunde entfernten Iohnsbach hinein. Tiesen Weg empfänglichen Gemüthes ill der Abendkühle oder in der Morgenfrische zu wandeln gehört zu den höchsten lind reinsten Genüssen — unstreitig. Rechte den ^eichenstem, liuks das Hochthor. Wer das erstemal ein solches Bild vor sich hat, dein graut; wer es zum hundcrtstenmal sieht, der ist entzückt. Die Straße ist glatt; ihr zur Seite schäumt der >hn5bach, der die Tannen und Büsche des lwgthals mit seinem Nebelstaub bethaut. Nahe dem Wege über Busch und Baum ragen schlanke Fclsthürme, spitze Nadeln, Zacken, Hörner und allerlei wunderliche Gestaltungen, wie die versteinerten weiter und Necken im Märchen. Jede dieser Statuen hat im Volks-munde ihren Namen und ihre Sage. Am Wege stehen wieder die Gedenktafeln von Verunglückten, die etwa über das Gewände gestürzt, von FelMöcken erschlagen, voll Schutt-strömen und ^awinen begraben worden oder in den wilden Wellen des Iohusbaches umgekommen sind. Schreckhaft gewaltig sind die Schutthalden, welche vom Neichenstein niederziehen. An den freundlichsten Sommerabenden vermag man sich bei dem 'Anblicke dieser Schuttmecre die ganze Schreckniß eines Hochgewitters oder der rasenden Mailawinen vorzustellen. — Heute freilich leuchtet still eine goldige Wolke nieder; es ist aber keine Woltc, es ist das Alpenglühen auf dem Haupte des Thorstein. Bei uns ill der Tiefe herrscht scholl Dämmerung. Wir hören kein Nauschcn der Wildhühner mehr im Strauchwerk, sehen nur noch ein Nudel lustiger Gemsen an den Hängen. )Wer in den Fluß schaut, dem deckt das Gischteil die muntere Forelle. Ein Nück-blick gegen die Enns wird noch reich belohnt, denn von hier aus ist der Vuchstem am schöllsteil. Wer mm aber ill das All erHeil igstc dieser imposanten Herrlichkeit dringt, wer die Schutthalden verfolgt in ihre ztare und Winkel, wer dann sieht, wie die scheinbar glattesten Wände sich wieder auseinanderfalten und sich Vruckgrabcn. Partie aus dor Schlucht. 26 Steiermark. da oben zwischen dein bleichen Geniäuer immer neue Thäler und Schluchten aufthun, ueue Klüfte, neue Niffe erscheinen — und zuletzt iu den Hochkesseln auf ewigen Schnee stößt uud den Hurst des Adlers findet, nnd die verkalkten Knochen des heute ausgetilgten Eteinbockes, uud in den Höhlen die Reste unbekannter Thiere ^ lind wer endlich vollends eingeschlossen ist von wüstem Gewände und kein grünes Blatt mehr sieht nnd keinen ^ant mehr hört, als das Sausen des Windes in den Riffen: dem mnß doch wohl das Herz beben in Anbetung der unendlichen Kraft, die da in anscheinender Starrniß ewig wechselnd uud gleichend die Felsen bant und zerstört. Und wer es noch mag Waldarbeiter in !>on Holzschlag gchcnd. sehen, wie bei Gewittern die Wasserfälle niederstürzen von allen Wänden, die in brauende Nebel hineinragen, uud wie die grelle Lohe der Blitze hin- und wieder geschleudert wird zwischen den ehernen Tafeln, und er es noch mag hören, wie der Schlag erbricht nnd alle Felsen donnern . . . der darf -^ ist er wieder zn den Mitmenschen herab-gestiegen ^ wohl sagen, er sei bei Gott gewesen und habe die großen Gebute vernommen < . . Ueber die Brücke und durch die Felsenge, das Iohnsbacherthor, sind wir nun in ein sanfter geformtes, bewaldetes Thal getreten. Die wilde Natur scheint sich ausgetobt zu haben. Wir stehen wieder vor einem Holzknechtdörfchen mit Pfarrhof und Kirche. Voreinst, zur Zeit der Bauernaufstände und Neligionsunruhen, sollen die Priester des Stiftes Admunt ihre goldenen Schätze in diesem Bergwinkel verborgen haben. Heute sind die Truhen und Säcke freilich längst wieder davon. Der Iohnsbacher Holzhauer steht Morgens um vier Uhr auf nnd legt sich Abends um zehn Uhr schlafen. Scm Tagwerk dauert, mit Ausnahme der Essenszeit, sechzehn Stunden. Dafür erzielt Vie Gnnsthaler-AIpen. 2? er durchschnittlich cine monatliche Einnahme von achtzehn Gulden, lind duch sind die Arbeiten der Holzleute schwer und nicht selten lebensgefährlich. Wer es gesehen hat, wie wan an Berghängen riesige Bäume fällt, die Stämme auf steilen Rinscn oder im Winter die Scheiter anf Schlitten in die Thalschlucht befördert, der mag eine Ahnung haben lion der Resignation eines Waldarbeiters, der für das arme tägliche Brot so oft sein Leben aufs Spiel setzen wuß und doch Alfrieden ist. — Ins Lied wollen sie ihr Leben kleiden: Waldarbeiter z„ Thale fahrend. „Und dic Hulzkllechtbuabi, Münssn frua aufstchn, Müassii d'Hacku uehinen, Ätüassn in Hulzschwg gehn" . . . weiter kommen sie nicht mehr mit Worten, brechen in ein schallendes Jodeln aus, als ob's eine so tiefe Glückseligkeit wäre, mit der Hacke in den Holzschlag zn gehen. Wollt ihr von hier ans nicht auf den Zeiritzkampel zum Wunderloch, wo der große See ist, von schwarzen bischen und dem Lindwurm bewohnt, über welchem Heren auf Ofengabeln reitend ihre Wettrennen halten »md Wetter 28 Steiermark. Ik'r ^vl'ichoiisioin. lnachen — so kehren wir lvieder mn ins Gesäuse. Wir loalidern stets aufwärts dcr Enns, die ill ihrem Sturze, bisweilen weis; wie eine wildfluthende Schneelawine, unser Ohr betäubt. Dieses stattliche Wasser, weiter oben so still nnd sanft, ist hier in seinem ursprünglichen Elemente ^„n wildesten Bergstrom geworden nnd wirft seine Fluten donnernd bald über Felsbänke, bald über Trümmer der Verge. Das Gesimse ist die großartigste nnd mannigfaltigste Felsenge der österreichischen Alpen nnd läßt an Herrlichkeit den berühmten Paßlug im Salzburgischen weit zurück. Das Gefalle der vier Stunden langen Enge beträgt sechshundert Fuß. Noch eine letzte Felsenge, in welcher die Eisenbahn mit Einem Satze über Straße und Strom springt, dann im Befreinngsdrange durch die Felswand bricht und wir sind im fchö'ncn, weiten Thale von Admont. In Admont möchte ich Priester sein. Dieses große Benediktiner-Stift mit seiner herrlichen Kirche, seiner berühmten Bibliothek, seinen Kunstwerken verschiedenster Art ist eine ideale Stätte. Und eingefriedet von einer weiten Felsenkrone, umgeben von den ergreifendsten Naturschönheiten, und — was die Hauptsache — der heilige Benedittus ist kein strenger Mann. Ich denke ein wenig an das gesegnete Refektorium von Admont und an das Labyrinth seiner Keller, an seine stets belebten Kegelbahnen und an die lustigen Iagdzüge, die auf seinen ausgebreiteten Revieren stattfinden. Ganz, wie hier die ^eute singen: ,Mn solch Ding, das that mich iwch freuen. Wann ich zu Admont kuut sein, Morgens, da spend' ich die Weihen, Mittags, da trink ich den Wein. Admont und 5chloß Röthelstcm. von Richard Oüttncr. Die Ennsthalcr-Alpcn. A) ^mmttagI Kragerl umbinden, ^iachniittaga nahni ich die Flinten, Schießet dav l^antsl daher, Alo wie wain, ich Jäger selbst wär." Admont ist der Hauptort de5 Ennsthalec- und ein gesuchtes Ziel der Touristen. Seine Geschichte hebt mit einer romantischen Tage an. Zu Anfang des I I. Jahrhunderts hat zu Ttraßburg in Kärnten eine hochedle Frau gelebt, Namens Hemma. Diese hatte ihren Gatten, den Grafen von Friesach, und ihre beiden Söhne dnrch 3Nörderhand verloren. To beschloß sie, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und lebte fortan abgeschieden von der Welt auf ihrer Veste Burgstall zwischen den Felsbergen des Ennsthalcs. Aber sie war noch ein schönes Weib, und das nahm sich ihr Burgvogt zu Herzen. Zuerst war cr mn sie her, wie eine Taube, aber das verstand sie nicht. Tann war er wie ein Wolf und wollte sie mit Gewalt haben. Da entfloh die bedrängte Frau auf einem Karren, bespannt mit zwei Rindern, die nie noch ein Joch anf den Nacken hatten gehabt. Tie floh bis nach Kärnten, an die Stätte, wo heute der Tom von Gurt steht. Der Vogt von Burgstall soll mitsammt dem Schlosse in dem schlammigen Moorgrnnd versunken sein. Noch zu den Zeiten Ernst des Eisernen will man die ginnen der Burg aus dem Sumpfe emporragen gesehen haben. Die fromme, unglückliche Hemma vermachte all ihr Vermögen der Kirche; nnd der Salzburger Erzbischof Gebhard gründete damit ^ hat die große Kirche, das Stift und den Marktflecken zum größten Theile i>' Schutt gelegt. Die Kirche mit ihrer berühmten Orgel brannte vollends nieder, bis auf einen einzigen Altar aus Holz und seinem Frauenbilde der unbefleckten Empfängniß. Das verschonte Bildniß wurde auch in der neuen Kirche aufgestellt und ist der Gegenstand hoher Verehrung. Auch die über achtzigtansend Bände starte Bibliothek mit ihrem prachtvollen Saale blieb verschont. Zwölf korinthische Säulen aus rothem Marmor mit reichvergoldeten Kapitaler,, tragen die Rotunde in der Mitte des Saales. Schöne Malereien nnd kunstvolle Statuen fchmücken den Raum. Berühmt sind die aus Holz geschnitzten, phantasievoll nnd gar originell gedachten übergroßen Darstellungen der vier letzten Dinge, die ein Admonter Mönch geschaffen haben soll, der vormalc- ein Hirt auf den Almen gewesen war, und niedergestiegen kam, nm in, Stifte eine Freistätte seines Schaffensdranges zu suchen. 30 2teiermark. Und das nenerbaute Blasiusmünster! Die himmelanragenden Felskolosse sind Mustor gestanden dein Banmeister, der dieses Gotteshaus errichtet, wie Eteicrmark kein zweites mehr hat. Neiner nnd edler habe ich die wunderbare Gothik noch nirgends durchgeführt gesehen, aw in der Stiftskirche zu Admont; von der Thorklinkc bis hinan zu den hohen eisernen Thurmkreuzen ist Allec- (5ms nnd Harmonie. Diese Kirche ist nach den, Muster des Regens-burger Domes durchgeführt. Alle Fenster mit herrlichen Glasmalereien versehen. Ueber dein Hochaltare prangt die imposante Etatue des heiligen Vlasius, au einem Eeitcnaltare stehen vier entzückend schöne Figuren aus Zirbenholz geschnitzt. Und wenn die Welt der Töne losströmt ans der neuen Orgel mit ihren achtnndvierzig Registern nnd neben dem süßen Zauber der weichsten Klänge die Vollgewnlt des Donners dnrch die weite, mit Kerzenstrahlen erhellte Kirche branst; nnd wenn auf den zwei riesigen Thürmen die Glocken klingen und harmonisch weithin in die Felsen nnd Wälder hallen — dann wacht die Kottessehnsucht auf im Herzen, nnd man beneidet schier den jungen Priester, der jetzt in göttlicher Begeisterung vor dem Hochaltar steht und bald hernach in warmblütiger Weltfrende dnrch deu großen Stiftsgarten wandelt, sich niederlassend im Lusthanse des heiligen Benedikt nnd dem Gezwitscher der hier versammelten inländischen Singvögel lanscheud, oder ans dem Kahne des schattigen Teiches sich wiegend. — Es ist böse von nnserer Zeit, daß sie die Klöster verschimpfirt; ich kenne keine besseren Allstalten, um das Schöne dieses Lebens nnd die Hoffnungen des künftigen im Frieden zn genießen — als den Klosterhort. Die schönsten Ausflüge von Adnwnt sind anf das Schloß Röthelstein mit seinen großen, inhaltsreichen Felsenkellern nnd auf das freundliche Jagdschloß Kaiserau, welches auf einer Hochebene liegt, rings von Wald- höhen nmgürtet, über denen die Felsengipfel des Kalbling uud des Sparafeld aufragen. Alpenwiesen und Eennereien liegen hier zerstreut nm das Jagdschloß die Sommerfrische des Stiftes. Weitere Ausflüge zu der Wattfahrtskirche Mariakulm, deren zwei Thürme von ihrem Berglein weit in das grüne Ad-monterthal hineinleuchten; oder anf den märchen- nnd sagen-umgaukeltcn Hexen-thurm, dessen wild-zackige Felsenkette den Norden des Thales begrenzt: "der anf Im ^tiftSlM'tcn ,^u Al>mo>lt. Das herrliche Aussec. 3< den Natterriegel. Von diesem Verge aus sieht man über das fcrno Donaugebiet hinaus den blalien Nucken des Vöhmerwaldes. Gegen Süden, Osten und Westen ist die wilde grane Felsenwelt der Onnsthaler Alpen und des Hochschwab, sind die sanfteren Massen des Urgebirgs im Murgebiete, dann die Schladlttiugcr Alpell mit dein Hoch gulling, dann die Ansscer Felsen mit dein trotzigen Griunning, die eisigen Salzbnrger Taueru mit dein Dachstein und dem Grußglockner. Heute ist Admont, dieses einzige Alpenthal, noch nicht so berühmt, als es zn sein verdient; aber jedes Jahr fahren auf der schönen Nudolfsbahn neue Bergwanderer herein, die den ^luhm allmälig schon verbreiten werden in der weiten Welt. Das herrliche Aussee. Unser Weg führt weiter das breite Gnnsthal hinauf. In dem neu emporstrebenden Orte Selzthal verlassen wir die Nudolfsbahn, welche liuks in das grüne Paltenthal einmündet nnd der Mur zustrebt. Wir bleiben noch auf dem mit hundert uud hundert Moor- und Hcuhütten über-säeteil Moorgrunde des Ennsthales und laben uns nach all der wilden Pracht an den nur spärlich mit Felsen besiieten Waldhöhen, die es einsäumen. An dem aus der Zeit der Reformation merkwürdigen Vergschlosse Strechau vorbei, das wie ein ummauertes vielgiebeliges Städtchen ins Paltenthal hinaus schaut; an dem stattlichen Liehen vorüber und au dem malerischen Wörschach mit seiner uralten Felscnruine Wollenstem zieht unser Weg. Vor uns taucht immer höher und höher empor der trotzige Felsriese: der Großherrscher Grimming. Am Fuße desselben steht das weiße Würfelchen des Schlosses Trautenfels. Wir haben absichtlich die Giselabahn, welche von Selzthal her au der Enns zieht nnd uns leicht in das Salzburgische entführt hätte, vermieden. Wir wollen noch allzngerne in diesem Thale weilen, um dann den aller -schönsten Punkt der schönen Steiermark aufzusuchen. Ist doch auch die Enns, die wir unten bei den Felsen ganz anders kennen gelernt haben, hier so freundlich und zahn:. Die wunderliche Maid! Im salzburgischen Hochthale drin, ganz wie ein schämiges Mädchen, schleicht sie auf den Zehenspitzen hin unter dem Weidengebüsch und schaukelt manches Halterbüblein auf weichen Armen. Hier wie eine stattliche Frau voll Milde, Anmuth und Würde zugleich, uud weiter unten, taum an dein Priesterpalaste vorbei die wilde Furie — reitend auf schäumendem Schimmel setzt sie über Klotz und Gestein. „Und wollt' sich ihr da unten das Halterbüblein vcrtran'n, sie that' es umarmen, fiebernd drücken an den wildwogenden Busen, halsen und küssen — mehr als genung." So bestimmen die Verhältnisse nicht allein den Menschen, sondern auch das Wasser — ganz anders im Gebirge und ganz anders anf flachem Lande. Wir wundern uns, daß heute der Himmel so blau ist, denn dieses von den höchsten Gebirgen des Landes eingeschlossene Thal der twns ist nicht allzuoft aufgelegt zum Lächeln; gar häufig hängen die zerrissenen Fahnen der Nebel an den Zacken, und so lange der trotzige Grimming seine graue Flagge nicht eingezogen hat, ist nicht zu trauen. Auf den Höhen des Grimming finden wir, die von Osten Kommenden, die ersten gletscherähnlicheu Schneelager. Der Grimming erscheint vom Thale aus um so erhabener, als er von den Umgebungen durch tiefe Strcchau. 32 öteiermark. Vcr ch auf N kloanwm,M5 Bissl!" Oder, n>enn keine Antwort erfolgt: „Dirndl, bist sttilz, , Oda keilst iitih nit, Oder is des 's recht Nensterl >nt^" Dann mag's von innen wol)l flüstern: „Ih bi nit stulz, Ih km dili wul, Du bist da-Bua, Der kema suN" Und nun. in stiller, friedlicher Nacht klärt sich's gar wnndersiiß alif, loer den Maibaun, hat gesetzt. Von nun an ist es gut, wenn die Hochzeit nicht allzulaug auf sich warten läßt nnd der Pfarrer von der Kanzel das Paar verkündet, bevor die letzte Nadel vom Wipfel des Maibaums fällt. Arg ist es, wenn der Maibanm von Sturm nnd Wetter oder gar von boshafter Hand verstümmelt wird. Das bedeutet für die Lieb' nichts Gutes, das bedeutet Untreu, Verlust, Herzleid. Leute, die keine Liebschaft haben oder dieselbe nicht ausrufen wollen, sehen ihren Maibaum, oder deren zwei, auch gerne an Kapellen und Wegkreuze, zu (Hr' dcr Dreifaltigkeit, der Mutter Gottes oder eines besonderen Heiligen. — Vor Kürzeln ist von Steinach her ins Salzkammergut die Eisenbahn eröffnet worden. Die Rudolfsbahn, die Beherrscherin der Enns und der herrlichen Alpenthäler in Kärnten und Kram, hat sich's nicht nehmen lassen, den allerschönsten Fleck der österreichischen Lande in ihr Gebiet zu ziehen. Das viele Eisenbahnfähren ist in der Regel kein angenehm Ding, aber die trefflichen Einrichtungen dieser Alpmbahn beweisen, daß recht gnt ein Vergnügen daraus werden kann. Das herrliche Aussee. 35 In einem grüngepolstcrten Salonwagen, dor durch seine hellen Glaswände nach drei Seiten hin freie Ansicht geluährt, gelangen wir zur nächsten Statioil Manisch, hinter welcher sich dav Thal engt. Zwischen Waldlehilen, an einem lebhaften Bache, geht's lnstig hinab zu den Ufern der Tränn, wo in der Muschelkrone seiner Felsen, im Glänze seiner Seen die Perle von Stciermark rnht — das herrliche Anssee. Vom Wechsel her und von der Sann hat die Natur reiche Gaben gestreut, aber hier an der Grenze hat Rinder beim lLrdbel,'rcnsammcl,i. sie Alles, was sie an Großartigem besaß, auf (nnen Fleck ausgeschüttet. Aussee, die Wiege der grünen Tränn, in dcren tiefen Seen die Gletscher des Dachstein sich spiegeln! Das Ansseerthal ist klein, ja, es ist eigentlich gar kein Thal, es besteht aus sanften, zumeist mit grünen Matten, theilweise mit Nadelwald bedeckten Höhungen und engen Schlnchten, in denen überall klare, stattliche Wässer rauscheu. An den Ufern rasseln Holzsägen, klappern Mühlen, kocht aus den Felsbcrgen geschwemmt das köstlichste Gewürze unseres Brotes, der Weisheit und der Ehe Symbol — das heilige Salz. Und wo der Wald die Ufer beschattet, steht wohl der Fischer uud ladet mit einer Schnur an der Stange die rothbesternten Forellen ein, einmal ein wenig in die trockene Luft heraufkommen. Und hinter Büschen, auf sonnigem Heidehang sammeln lustige Kinder 3H Hteiermark. für des Reichen Tisch das Köstlichst, die Erdbeere. Odor solche Kinder, rothivangig und helläugig, stehen am „Gatterl". das am Feld- oder Wieselirande steht, öffnen ^ dem Fremden und überreichen ihm als Eintritts- oder Abschiedsgruß einen Blumenstrauß aus Alpenrosen und Vergißmeinnicht. — Das freut uns und ist den Kleinen meist nicht ganz fruchtlos. — Mitten in der Gegend stehen ein paar bewaldete Bergpyramiden, die leicht zu besteigen sind und eiue herrliche Kin^r mil ^linnciistrauß am Gatwrl, Aussicht bieten. Dieses Thal mit seinen kleinen Bergen nun ist von hohen Felswänden und Bergriesen umgeben, zwischen welchen nur wenige Pässe ins Weite führen. Zwischen den Hochmassen des Sarstein und des Koppen schinnnern die Schneefelder des Dachstein hernieder. Tief zu den Füßen der vom todten Gebirge vorspringenden Türkenkuppe, der weißen Wand. der Trisselwand, des Sandling lind des Loser liegen die drei Eeen, wovon der Grundelsee der größte, der Altausseersee der schönste und der Toplihsee der interessanteste ist. Der Grundclsee — der größte im 5iand - hat einen Wasserspiegel von siebenhundertsechsunddreißig Joch und enthalt köstliche Ealblinge, Hiuten und Forellen. Er ist der Toilettenspiegel prächtiger Summerhäuser, die an seinem Ufer stehen und zur schönen Jahreszeit vornehme Herrschaften aus Graz und Wien und von weiter her beherbergen. Der Altausseersee mit der Crisselwand. von Richard Aüttner. Vas herrliche Aussec. 3? I>l'> Grundl'Isor. Der Altausseersee ist nach drei Seiten von schroffelll Gewände eingeschlossen; er mißt dreihuildertziueinndsiebzig Joch. Aus ihlil lverden jährlich gegen zweitauselld Salblillge und bei zehn Zentner Forellen gehobeli, welche sich theilweise die Badegäste und Touristen schluecken tassels theilweise versandt werden. All der freien Seite des Sees liegt inalerisch hillgestreut das Dorf Altaussee lilit seinen zahlreichen Herrenhäusern — eines freundlicher als das andere — der allerschönste Punkt der schönen Steiermark, an welchem des Murgens zwei Sonnen glänzen, die voll Osten aufsteigende und das Eisfeld an: Dachstein. Dort zn hintcrst im Gebirge ragt der Gletscherberg mit seinen grauen Thürmen, (n scheint um uns Niedrigstehenden im Thale nicht zu beschämen — auch bescheiden niedergeduckt; aber je höher wir emporsteigen all dem ^ojer, nm ihn etwa zu überragen, desto massiger wächst er hervor aus dem Gebirge uud endlich steht er als trotziger Zwinger da über dein ganzen weiten ^tund, und sein ist die Herrlichkeit in Steiermark, Oberö'sterreich nnd Salzburg. Der klciuere Toplitzsee liegt düster zwischen Wald und dräuenden Wänden. An seinem Ufer steht ein Denkstein mit der Jahreszahl I.^ 1 1. In diesem Jahre hat hier der Erzherzog Johann seine liebliche Anna von Aussee das erstemal gesehen. Der Prinz kehrte von einer Jagd zurück; die Ausseer bereiteten dem hohen Gast einen festlichen llmpfang und mit weißgekleideten Kranzjnngfraucn kamen fie ihm bis zum Toplitzsee entgegen. Der kaiserliche Jäger nahte; die Mädchen streuten Blnmen, überreichten ihm^iosen; eines aber stand abseits nnd getraute sich nicht vor zum hohen Herrn. Dem Erzherzog fiel das auf, er trat zu der Schüchternen hin, faßte sie an der Hand und fragte lächelnd, wie sie heiße nnd ob sie sich vor ihm fürchte. — Anna heiße sie . . . und daß sie sich fürchtete, bewies das leise Zittern ihrer Hand, die Thräne in ihrem Auge. — Ev, und nicht wie die Sage geht, auf dem Bock als Kutscher verkleidet, hat Johann von Oesterreich seine nachmalige Gattin alls bürgerlichem Stamme das erstemal gesehen. — Interessant ist jedem Fremden, lieb nnd werth jedem Oesterreicher das Haus Nr. N7 alls dem Meranplatz in Aussee. Das war die alte Post, das Hcimatshaus der mm betagten Frau Gräfiu Anna von Meran, welche zur Sommerszeit stets mehrere Monate in demselben verlebt, um die Nomantit ihrer Iugeudzcit immer wieder zu träumen. Um noch einmal zu den Naturschönheiten von Aussce zurückzukehren, ist erwähnenswert!) der Kammersee, ein kleiner Königssee in seiner finsteren Wildheit, der Oedensee, der Langensee, der (Amsee, der Wildensee und andere, ^0« 38 ^tcicrmark. die huch in don Steinkesseln des Gebirges liegen. Auch ist die Gegend reich an Höhlen, Wetterlöchern und Wasserfällen; und jeder dieser Naturmertwürdigkeiteu kommt eine Sage zu, und jeder Sage ein Glaubeu, und so gesellt sich der pittoreske!: Wirklichkeit auch die Phantasie und inacht die Gegend wunderbar. Nun den Seen kommen die beiden Arme der Traun, nnd dort, wo sie ihre Arme ineiuauderlegen, wie eiu junges Ehepaar, das plötzlich Ein Leib ist, haben sich die Menschen eiu stattliches, vielfältigem Nest gebaut. Das Nest schmiegt sich in eine Schlucht, in welche von allen Höhuugen und Seitenschlnchten gute Straßeu und weiße Sandwege niedergehen, wohineiu zur Sommerszeit sich auch zahlreiche Fremde nisten zumeist Tanbenpaare, hie und da ein Adler, aber auch manchmal ein Kukuk darunter und sich in den Sool' und Alpenwässern gütlich thun. Das Nest heißt Markt Aussee. Am ^.oplitzscc. Einzelne Gebäude bezeugen diesem Orte ein sehr hohes Alter. Die Celten und Römer werdeu noch verspürt, die hier schon für ihr halbrohes Wildpret das Salz gesotten haben mögen. Die Pest war da; Neligionswirren haben die Gestade der Traun beunruhigt. Im Itt. Jahrhundert wollten die Ausseer lutherisch werden, al'er die katholischen Herren richteten an verschiedenen Punkten Galgen auf, „lim die verirrten Schäflein wieder freiwillig zum katholischen Glauben zurückzuführen." ^ Ist gleich eine solche Vergangenheit nicht heimlich, so bringt doch wahrscheinlich die nene Vahn dein herrlichen Thale eine schöne Zukunft. Seit 1^70 ist das Kurhaus eröffnet, in nnd vor welchem an den Sommerabendcn heiteres Leben herrscht. Die jungen Anlagen sind nicht eben großartig, wie etwa in anderen Modebädern, wo man es Noth hat, zu verschönern. In Anssee wären derlei „Verschönerungen" von Menschenhand Sünden gegen die Natur. Die Waldschtucht, durch welche die Altausseertraun herausrauscht, ist ein Naturpark, wie nnr Gott ihn schafft. Geschmackvolle Villen mit frischen Wiesenplätzen unterbrechen den Waldschatten: das Sanatorium — eine Pension mit sechzig Zinnnern hat den schönsten Punkt. Es ist ein Zauberschloß im Walde, aber eins, wie es die Neuzeit zaubert, mit allem Eomfort des moderneu Lebens und doch wenn ich den beliebten aber so oft mißbrauchten Ausdruck anwenden darf - mitten in der Nomantik. An seinen Fenstern huscht das Reh vorbei, über seinen Zinnen schwimmt der Adler hin, zu seiueu m'lßeu schäumen in mächtigen Fluthen die hundert und hundert von Das herrliche Ausseo. 3Y Alisscc. Quellen und Wasserstürzen, die niederkoinlnen von jenem Gebirge, welches seine blauen und weißen Häupter über die Tannenwipfel hereinreckt. — Aussee ist ein Kurort besonders für Brustleidende und Melancholische, iininerhin aber am heilsamsten nnd lohnendsten für Gesunde, denen es der Geldbeutel gestattet, die hier ziemlich hochbesteuerten Mturschönheiten zu genießen. Unweit von Allssee, on der Straße, welche über die Petschen nach Ischl hinüberführt, ist ein init schönen Bäumen bestandener Hügel, wo der Dichter Lenau so gerne weilte und der den Namen Lenmchügel trägt. Weitere Ausflüge nach den reizenden oder prachtvollen Punkten anzuführen, ist hier kein Raum. Selbst sehen! ist der beste Rath und der Volksdichter zu Aussee sagt: „Sam dih nit long und find' (5'ini af Äussee gschnünd, Weil donscht uon Paradi^. Nmch a Tnun w?" Die Bewohner des Ansseerthales gehören zu den schönsten Menschen der Alpen, fie find aufgeweckt, hellen Auges für die Neuzeit, ohne die naive Gemüthlichkeit des patriarchalischen Hirtenthums vergessen zu haben. Offenheit und Redlichkeit zeichnet sie anS; ihre Weltanschauung scheint stets kirchlich fromm zn sein, trotzdem greifen sie keck zu, was die Welt bietet und die letzte der drei göttlichen Tugenden, die Liebe, haben sie sehr ins Irdische übersetzt. Die Mädchen sind gar nicht zimperlich, und die Männer steigen in ihrer strengsteirischen Tracht mit den nackten qo Steiermark. Knieen nach Gemsen und Senninnen nin, lind von allen Höhen knallen Schüsse. Das Jagen ist eine Hauptpassion der Aelpler. llnd wenn die Herren kommen und ihre Jagden halten, so versäumen diese nicht, die leidenschaftlichsten Wildhetzer der Gegend mit ihren Hunden wenigstens als Treiber zu laden. Kann Giner nicht Jäger sein. so wird er nnr allzugern ein Wildschütz! Im Uebrigen Gntmüthigkeit und Harmlosigkeit und überall Gesang und Tanz und Jauchzen. - Darum hat der Dichter recht, wenn er dem lieben Gott extra ans Herz legt: „Hergott, du woaßt eo schon, Thua nix den» Vmidl on, niing. uns Brüder anl nleisten verfolgt, vertrimm, spießen lind nnt Rossen auseinanderreißen lassen. Ist Killer iiu Ring, der anders weiß? — der trete hcrfür!" Es trat Keiner hcrfür. „So hab' ich meine Klag' genugsam bewiesen und sprech' zurccht, er soll gespießt werden! Und welcher der Meinung ist, der recke eine Hand anf!" Viertausend Hände wurden aufgereckt. — Dietrichstein entkam, aber ein Dutzend Edelleutköpfc sind in den Sand gekugelt auf dem Schladmingerplntz. Da rückte der Graf von Salm (der Vertheidiger Wiens gegen die Türken 1529) mit seineil Echaaren an, besiegte die Bauern, ließ vicle derselben hinrichten und zerstörte das blutrauchende Schladming. Heute blüht der Ort und verspricht ein gesuchter Ruhepunkt für Touristen zu werden. Und den Fremden, der einmal hier geweilt, ziehts immer wieder in diese Hochau zurück, so wie zu Rom die I'ontunH 6i ^rsvi Jeden wieder zurückziehen soll zu ihrem Quell, der einmal daraus getrunken. Eine katholische und eine protestantische Gemeinde leben friedlich neben einander. Die Bevölkerung ist gutmüthig und noch in jenem wohlthuenden Grade der Ursprünglichkeit, wo Naivetät sich mit der Kultur vereinen. Vielleicht wird das in wenigen Jahren nicht mehr so sein. Zu Tausenden werden auf der neuen Giselabahn die Touristen kommen mit ihren Ansprüchen, ihren Weltverbesserungsplänen und ihren Weltsünden. Von Schladming hinter einem Waldrücken, unter dem senkrecht aufragenden Gewände des Dachstein liegt das Hochthal der Ramsau. Hier ist Alles protestantisch. Die Katholiken haben zwar eine Kirche hingebaut, aber zwischen ihren Pflastersteineil wächst das Gras. Die protestantische Kirche nnt Pfarrhof und Schulhalls ist gut bestellt. Den Vrandricdel, einen niedrigen, grünen Vorberg in der Namsau, sollte wohl Jeder besteigen; er ist der Fußschemel zum Hochaltare des Dachstein. Beten muß man auf diesem Schemel, es kann nicht anders sein. Dem Gewände zu sind wir gekehrt, gerade vor nns stehen die Niesen, sichtbar von den langen, breiten ^ 5teiermark. Schleppen der Schuttlehnen hinan bis zur ehernen Brust, bis hoch zu dein Haupte mit dem silberweißen Gelocke der Gletscher, das von hier aus nach rückwärts gekämmt ist und gegen Gosau, Hallstadt und Aussee hinabwallt. Und wißt ihr, daß dort oben zwischen dem Thorstein und der Scheuchenspitze der Böse seine Wohnung hat? Der fangt - so sagen die Leute -^ lüderliche Dirnen ein nnd läßt sie an ihren Knieen mit Hnfeisen beschlagen. Der Hufschmied in Steinach ist jedesmal zur Mitternachtsstuude von dem Teufel geweckt worden, um dieses Geschäft zu vollführen. Hoch oben im Gewände zeigt man einen vorspringenden Stein, die Felsenkanzel genannt. Als einst zur Zeit der Verfolgung die Lutheraner sich in die Klüfte des Dachstein verkrochen hatten, predigte ihnen ein Priester von diesem Felsen herab. „Die hohen Verge find der Gemsen Zuflucht," steht es nach dem Psalm geschrieben auf einer Tafel des Brandriedel, und ich setze ohne Psalm bei: „Die hohen Berge sind der Hort des Menschen, der gehetzt ist von der Nelt und seinen eigenen Begierden." — Eilie weitere Tafel auf dieser Höhe singt mit dem Psalmisten: „Die Hügel sind lustig, die Anger sind voll Schafe, die Auen stehen voll Früchten, daß man jauchzt und singt." (5in treffendes Bild von der Namsau, die uns zn Füßen liegt. Der gute Hans von der Namsau aber gibt ein anderes Bild von diesem Alpenthale; „bei schönem Wetter," sagt er, „ist es eine Nams-Au, und bei schlechtem eine NanvSan." Nir verlassen nun für immer die lwns und gehen von Schladming südwärts ins Gebirge hinein, wo uns auf lange Zeit kein Eisenbahnpfiff und kein Kirchenglockenklang begrüßen wird. Risacher wasserfall. Die Sölker und dic Murthaler Alpen. Einige Minuten hinter Schladming auf der Brücke schauen wir noch einmal zurück und sehen ein entzückendes Bild. Zu Füßen das schneeweiße Gischten des Wassers; vor sich den Flecken mit seinen malerischen, steinbeschwerten Schindeldächern, mit seinen beiden Kirchthürmen, von welchen der protestantische schön geformt ist. lind hinter dem Orte der Waldrücken, nnd darüber emporragend die lichten Wände der Dachsteingruppe - im Sonnenlicht uud im Mondenschein ein einzig schönes Bild. Partie vom Dachstein, von Richard Aüttner. Vic Völker- unö dic NIurthaler-Alpcn. 45 Wir wandern nun rechts durch das Oberthal zum öden Giglachsee, »der links durch das Unterthal nn dem neueutstaudeuen Tettersee vorüber zu dem nicht minder öden Risachsee. In der Nähe dieses letzteren Sees in den tiefen Schatten einer Waldschlucht ist der grüßte Wasserfall Steiermarks; die Nisach stürzt in mehreren Absätzen über ein 15il> Fuß hohes Gefelse. Häufig sieht man in dem aufsteigenden Wasserstaubnebel der Waldschlncht die Farben des Regenbogens spielen. An den Ufern der Nisach erheben sich zwei der höchsten Berge des Landes, der 9045 Fuß hohe Hochgolling und die N6W Fnß hohe Hochwildstelle. Auf dein Wege hinan gelangt man in ein reizendes Thal mit Sennhütten. Hier ist echte Urgebirgsnatur: braune Felsmasscn, grün ansgebuchtet mit frischen Matten oder auch mit Schneefeldern. Weiter hin kommt man anf eine Wiese, das Himmelreich genannt: anf dieser Matte ist vor vielen Jahren eine junge Sennin schlummernd gefunden worden. Der Iägerbnrsche, der sie fand, hat den Namen „das Himmelreich" anfgebracht. Der Gipfel der Hochwildstelle ist nur mit Steigeisen und Stricken erreichbar; die Spitze hat vier Quadratklaftcr Naum nnd fällt fast nach allen Seiten senkrecht ab. Die Aussicht steht jener des Dachstein nicht viel nach. Und so ziehen nur nun berganf, thalab, Schlucht ein, Schlucht aus, über wilde Wässer und unwirthliche Pässe dnrch das Urgebirge. Es sind die Sö'lkcr-alpen. Die Wege dieses Gebirges nennt der Mensch elend, denn ihr Baumeister ist die Natur: das Wasser gräbt, da^ Eis sprengt, die Lawinen ötcirischl'r I^icx'r. wölben. Auf allen Höhen scheinbare Kahlheit undOcdniß, und dennoch ist die Gegend bewohnt. Anf einen Bewohner kommeil zweiundfünfzig Joch Boden; hingegen kommt auf das Joch eine Gemse. — Es ist ein verlassenes Stück Welt voll düsterer Schönheit. Kein gemeinsames Dorfleben und kein wallendes Kornfeld; da liegen einzelne Hütten fern ab von einander, zerstreut in den Wäldern, Geschlagen, anf Wiesen und Almen. Da hört man seltener wie an der Mürz und au der Naab die lustigen Lieder klingen - - da ist das Hallen des von der Axt oder vom Sturme stürzenden Baumes, das Rauschen der Wildbäche, der Kuhreigen, der Schuß des Jägers uud Wildschützen. .Nein Holzzaun scheidet am Waldsanme das Mein und Dein, keine glatte Straße zieht durchs schattige Thal; nnr schmale Fußpfade haben einsam wandelnde Menschen hier getreten. Der stämmige Holzhauer mit seiner «rare und dem schwerbeschlagenen Gricsbeil (Alpenstock), der berußte Kohlenbrenner, der waghalsige Wnrzner, der gemüthliche Halter, der schlnucke Gemsjäger, die emsige Sennin ziehen die uuwirtlMen Wege; der verwegene Wildschütze sucht noch wildere Pfade. Das Töchterlein des Holzhauers jagt Ziegen über den Hang der Hütte zn. Diese ist ein stattlicher Bau, aus rohen Stämmen gezimmert. Die Fugeu siuo mit Moos und Erde verlegt. Obdach, Ziegenmilch, Schmalznocken, die sie „Spatzen" oder „Hirschen" oder „Fuchsen" heißen, oder echtes Wildpret und endlich Tabak, viel Tabak, aber schlechter Tabak das sind die Bedürfnisse des Wäldlers. Und wer eine Diele aufreißt im Fußboden der Hütte, der findet leicht ein Schnßgewehr. Der Jäger ist ihr Todfeind. Wer einem Jäger nicht Gins versetzt hat, der soll gar kein „Dirndl" haben - weil er kein Mann ist. Der Jäger ist in diesem Gebirge nicht zu beneiden. Er ist stets in Feindesland. Wohl, er hat Pulver, Blei und Trotz bei sich und wenn er den Kugelstutzen lädt, so denkt er weniger an's Wild, als an den Wildschützen. In kalten Felsklüften bringt er manche Nacht zu; angemachtes 52' H6 öteicrmark. Feuer würde ihn verrathen. Seine Wärine saugt er sich aus der Echnapsflasche. Tann nimmt er sein Liebchen, die Büchse, in den Arm und schlummert ein. Und in der Holzerhütte, wenn die düsteren Gestalten beisammen sitzen des Abends um die Flammen des Herdes, so sprechen sie von Wildern, Lieben und Raufen, und Mancher steckt im Mfer des Gesprächs sein langes Messer tief in das lodernde Scheit. Wenn Samstag kommt, wandern sie hinans in die Thäler, wo Bauernhöfe und Dörfer stehen, holen bei der „Herrschaft" ihren Wochen- oder Monatslohn, snchen ihren Schatz auf und mit dem das Wirthshaus und kehren am Sonntagabend wieder zurück iu ihren Wald. wilderer. Traulicher als beim Holzer und auch beim Kohlenbrenner und in der Klause des Wurzners und des Pechers siehts beim Halter aus. Zwar hat auch der Ochsenhirt sein Schußgewehr, aber der Jäger duldet es- dcr Halter ist stets ein harmloser Mensch, der denkt nicht an's Dieben und Todten, der hat heitere Lieder und tiefsinnige Gedanken. Oft wochenlang kommt er nicht in die Gesellschaft der Menschen, und beim Vieh, mit dem er nicht sprechen kann, lernt er denken. Der Halter ist zumeist ein Naturphilosoph oder ein religiöser Schwärmer und mit Aberglauben verklärt er sein Leben. Er ist mehr als andere Aelpler dem Unwetter der Höhen ausgesetzt, denn er muß in Sturm und Nebel als treuer Hirt bei seiner Heerdc bleiben, hat aber oft arge Sorgen mit seinem Vieh. Wie, wenn's ein Pferdehirt ist, und die Thiere werden erfchreckt durch das Blitzen und Donnern eines plötzlich einfallenden Gewitters und wollen in die Abgründe springen? Was das für ein Sausen und Jagen ist auf den Höhen, bis die Thiere ill Sicherheit sind? Oder wenn ganze :iiinderheerden „pisen", das heißt, von einer giftigen Art der Bremsen verfolgt werden, in wilder Flucht durch Tick und Dünn laufen und nicht selten über die Wände stürzen! „Ouißen" lVrcmscn unter ciner Viehheerde). von Franz von Aausinger. Vie Sölkor- und die Murthalcr-Alpcn. H? Derlei Gefahren halten dm Hirten noch iin Bereiche des Wirklichen zurück. Ilu Ilebrigen aver ist er Idealist. Tic Erscheinungen der Natur weiß er stets auf dem Wege des Uebernatürlichen zu erklären, nnd iiu Herbste, wenn er zurückkehrt in das Thal, kommt er als Seher und Prophet. Freude ist in den Sennhütten. Da wohnt kein Haß und Grübeln, da wohnt die junge Vrentlerin (wie man hier statt Sennin oder Schwaigerin sagt). Zu allermeist freilich ist's eine alte Nrentlerin, aber das macht nichts, auf der hohen Alm sind auch die Alten jung, nnd der Halter nnd der Jäger, und wer sonst etwa kommt, mag in der Käse- lind Vutterkammer Labsal finden. Darum singt mancher Bursche, der über die Almen geht: „I woas mt, sul i nuffi, snl i owi, Oda sul i ba da Mitt duachi gehn, Die Dirndln sein omn and sein untn, Va da Mittn and ibarlil scheu." Und so darf uns die Zeit nicht reuen, die wir tagelang in den Sölker-alpen »erwandern. Wir klettern endlich der Gegend des schwarzen See's zu und steigen über del: Echimplsattel am Fuße des wüsten Sauofenbcrges in den waldigen Katschgraben hinab. Hier bleibt das Gefelse endlich etwas zurück, die Gegend lichtet und flacht sich ein wenig und schattet sich zu schönen, weiten Wäldern. Das Klima mildert sich und von den Wohnsitzen der Menschen grüßt lins wieder Kultur entgegen. Wir gehen über das Schöder und durch das Rantenthal nach Murau. 3chloßrliinc im puxcrloch. Dieser Weg von Schladmiug her war doch die unwirthlichste Strecke unserer ganzen Wanderung und bei Nebelwetter hätte ich der Führer nicht gerne sein mögen. (5s vergeht kein Jahr, in welchem nicht irgendwer vernnglückt in den wilden Gebirgen des Tauern. Touristen besuchen diese Gegenden nnr selten, obwohl sie für den Naturforscher und Ethnographen interessanter sind, als manch effektvolles .Hochgebirgsthal mit Hotels und Eisenbahnen. Wir sind nun in dem buchen- und tannennmkränzten Thale der oberen Mur. Der Flnß kommt von den Salzburgcrtaucrn und bringt schon eine hübsche Stattlichkeit mit in die Steiermark. Das Städtchen Murau ist in hohe, alte Mauern eingeschlossen. Ueber der Stadt auf buschiger Höhe liegt das Schloß Ober-Murau, dem Fürsten Schwarzenberg gehörig, dem Herrn des ganzen Gebietes. Jenseits des engen Thales ragt die Veste Grünfels. Die Stadt hat zwei interessante gothische Kirchen. Mehrere Eisenwerke blasen ihren Nauch in die klare feuchte Alpenlnft empor. Dav zwei Stunden von Murau entfernte Benedittinerstift Vambrecht lassen wir rechts abseits liegen inmitten H8 3teicrmark. seiner weiten Folder und Wälder; lm'r ziehen mit dor Mur, an deln reichen Gestade init seinen Dörfern, Wallfahrtskirchen, Schlössern, Ruinen und Städten — an der Hauptader der Steiermark. vier Tricbendorf, wo Seneea, der Philosoph und Liebhaber einer Nichte des römischen Kaisers Claudius, in der Verbannung gelebt haben soll. Dort die Rnine Katsch und die gesuchte Wallfahrtskapelle Saurau, der lehte Nest des Schlosses Saurau, dessen stcirisches Grafeugeschlecht erst vor wenigen Iahrzehenten ansgestorben ist. Weiterhin das Schloß Teufenbach, das Schloß Schrattenberg, in welchem 1797 Bonaparte sein Hauptquartier nahm. Gegenüber ragt die steile rothe Wand des Puxberges, welche hoch oben eine nischenartige Vertiefung zeigt. ^>'>5 Zchi'ifliNli. Aus dieser dunkeln hoch gewölbten Höhlung schimmert die abenteuerlichste Festung des Landes — eine graue Ruine. Das Schloß im Puxerloch! Das Volk erzählt sich davon schauerliche Sagen von Räubern und Gespenstern. Im Thale liegt das Dorf Riederwölz, zwei Stunden davon am Wölzerbache die nralte Stadt Oberwölz mit dem malerischen Schlosse Rothenfels. Wir bleiben an der Mur, und das um so lieber, als hier bei Scheifling auch die Rudolfsbahn von Kärnten hereinkommt und mit uns einen und denselben ^auf nimmt. Scheifling ist ein kleiner anmuthiger Ort. Die Berge sind hier mäßig hoch und meist bewaldet; nur hier und da ragt aus dunklem Tannenforst eine kahle sselsnase hervor. Im Hintergrnnde des Thales der Völz aber erheben sich blauend einzelne Spitzen jener Bergkette, die wir von Schladming her durchwandert haben und die unter dem Rainen der oberen „Taueru" oder der Sölkeralpeu bekannt sind. Das mildere Klima sagt uns bereits, daß wir uns südlich des ^entralalpenzuges befinden. Hinter ihr auf einem Hügel aus dunklen Büschen ragen die stattlichen Ruinen der uralten Veste Frauenburg. Sie ist reich an Sagen und Erinnerungen. Eine Sage, aus welcher die Bewohner der Gegend den Rainen „Hundsmark", oder Unzmarkt herleiten, ist folgende: Die Rittersfrau im G'schloß ist ihrem Gemahl untreu worden, AlUl-an. von Richard püttncr. ?ic öölker- und dic üNurthaI<'r^AIp^'n. « ?i» F'r^nlenburg. dieweilen der gegen die Türken hat gekämpft im heiligen Land. Und als er alls Ivar geniesen ein Jahr llnd darüber, hat sic an einem Tage zwölf Knaben geboren. — „Meine liebe Kammerfrau, leg' mir diese Würmer in den Korb und wirf sie in die Mur." Aber als die Kammerfrau die Würmer will werfen in die Mur, reitet der Herr und Ritter heran vom heiligen Land. „Meine liebe Kammerfrau, wie stehts im G'schloß nnd »vas trägst du iul Korb?" „Mein lieber Ritter nnd Herr, im G'schloß steht es gut, und im Korb trag' ich zwölf Hunde, die blind sind geboren." „Meine liebe Kammerfrau, zeig' nur die armen Wesen herfür." „Mein lieber Ritter nnd Herr, es ist nicht werth des Augenblicks und Eure Gemahlin wartet auf Euch mit Sehnsucht im G'schloß." - Nicht abgelassen hat der Ritter, bis er die zwölf Knäblein im Korb hat gesehen. Sie und die Kammerfrau hat er entführt ill's weite Land. Darauf kehrt er heun, lebt mit der falschen Gemahlin, als that' er nichts wissen. ^ Zwanzig Jahr sind vergangen. Der Burgherr gibt ein großes Fest und ladet dazu ans weitem Land zwölf jnnge Ritter. Froh sind sie Alle und froh ist die Schloßfrau. Da gibt der Gastherr auf einmal den Gasten die Frage zu lösen: Wenn cm Ritter in Krieg zieht, nnd die Gemahlin betrügt ihn daheim und wirft die Frucht ihrer Untreu ins Wasser wic blindgeborene Hündlein — was soll mit dein Weibe geschehen? Einer der jnngen Ritter gilN Antwort: „Das Weib soll man thun in ein messerbeschlagenes Faß, und das Faß soll man rollen den Schloßberg hinab in das Wasser." Die Eilf stimmen bei. — Die Schloßfrau wird blaß und nun sagt ihr Gemahl: „So hast es gehört, das Urtheil ist dein ^ nnd dein sind die Kinder, die es haben gesprochen." — Dlese Sage wird in sehr verschiedenen Variationen erzählt; in einer derselben ist der Schloßherr treulos und die Gemahlin wird unschuldig durch das Faß hingerichtet. Die Fraucnburg ist eines berühmten Minnesängers Heimat. Sie gehörte einst den mächtigen Lichtensteinern, wovon einer ^ Heinrich I. viel Unheil in's Land brachte. Er zog gegen Ottokar, den Böhmen, wurde aber gefangen, 50 Iteiermark. und Fraucuburg und Murau wurden zerstört. Dieser Heinrich hatte einen Bruder, der lieber mit dem Sauge siegte, als mit dem Schwerte und das Lob der schönen tngendsameu Frauen sang; das war der Minnesänger Ulrich von Lichtenstein. Aber auch er fiel den Ränken der Feinde zum Opfer. Mau ueuut noch den Tag — es war der 26. August 1248 — als zwei Pilgrime Einlaß begehrten auf Fraueuburg. Ritter Ulrich uahm sie gastlich auf. Aber plötzlich überfielen sie ihn, versetzten ihm Messerstiche, schleppten ihu m den tiefsten Kerker der Veste. Seine Freunde kamen, ihn zu befreien, wollten das Schloß stürmen; da drohten die Pilgrimc, den Gefangenen mit einem Strick um den Hals über die Thurmaltane deu Pfeilschüsseu der Belagerer auszuhängen. Ueber ein Jahr lang mußte der Sänger im Kerker schmachten, bis ihn endlich Graf Meinhard von Görz, der Statthalter von Steiermark, gegen schweres Lösegcld befreien konnte. Judenblng. Unter Uuzmartt weitet sich das Thal. Es begiunt der fruchtbare Murboden, stets belebt von Dörfern, Märkten, Städten und herrlichen Burgen. An beiden Seiten Waldberge, über welche freundliche Almen niederlachen iu's freundliche Thal. Die Hauptstraße — es ist die alte Römerstraße, welche von Kärnteu herein über den Tauern zog — hält sich stets rechts an den Bergen, und erreicht so die auf einer Anhöhe liegende Stadt Iudenburg. Im Mittelalter gings hier lebhaft zu, deutsche uud italienische Kaufleute machteu den Ort laut und reich. Jetzt zählt er an 2800 Bewohner. Die alte Herzogeuburg, einst der Sitz der Barbenbergischen Regenten, steht heute in Oedniß. Idunum hießen die Römer diesen Ort. Der steirische Geschichtschreiber Julius Cäsar erzählt eine gräßliche Geschichte aus der Iudenzcit dieser Stadt. Im Jahre 1313 sollen die Inden eine Verschwörung angestiftet haben, in der Ehristnacht alle in der Stadt lebenden Christen zn ermorden. Da war aber eine junge Iüdiu, die emeu juugen Christen liebte uud diesem die Gefahr verrieth. Hierauf haben sich die Christen zusammengeschart und in der nämlichen Nacht, in der sie selbst hätten vernichtet werden sollen, alle Juden erschlagen. — Der altersschwarze Thurm, welcher mitten in der Stadt aufragt, wüßte auch zu erzählen von Krieg, Pest und Feuer, so deu Ort oftmals heimgesucht hatteu. In der Nähe der Stadt ragen die zerrisscuen Mauern des Stammschlosses der Lichten-steiner, eine der dreinndsiebenzig Besten dieses einst so mächtigen Geschlechtes. Ansicht von Iuöenburg. von I. I. Kirchner. Vie Sölker- und die Murthaler-Alpen. 5! Eilen wir zur Equickung wieder einmal dem Alpenfriedcn zu. Heimweh nach den Höhen! Doll Athem Gottes und die Herrlichkeit mit vollen Zügen genießen — das ist Leben. Von Indenbnrg durch eine Waldschlucht aufwärts und über Bergrücken kommen wir durch eine mehrstündige Wanderung zu dem höchstgelegenen Pfarrdörfchen SteiermarkZ, St. Wolfgang. '3 ist eigentlich ein tranriger Weg dahin. Als ich ihn vor Jahren das erstemal ging, begegnete mir ein Weib, das mit trägen Gcberdcn Steine schlug. Ich fragte sie nach dem Wolfganger Weg. Keine Antwort; das Weib glotzte nur und schlug weiter. Bald darauf trottete die Straße herein ein Knabe mit mächtigem Kröpf. „Dn Kleiner, grüß dich Gott, geht's da recht nach Wolfgang?" Der Junge sah mich verblüfft an, dann kletterte er stöhnend über den Wegrain und floh davon. Ich ging nachdenklich weiter über grüne Matten und rauschende Schluchten. Da holperte wieder ein Weib des Weges, ebenfalls mit einem stattlichen Halsauswuchs. Ich hatte es schon von Weitem schnaufen gehört. Das fragte ich anch nach dem Wege. Wohl eine Antwort, aber Nlick auf Unittclfeld. ich verstand sie nicht. Es war ein Gcgurgel, als wäre dem Wesen die Zunge an den Gaumen gewachsen. Nicht lange blieb ich stehen bei diesem Ebenbilde Gottes. Es grub in meinem Herzen. Warum in einem so schönen Lande so elende Menschen? Der Boden, das Wasser, das Klima, sagt man, sei Ursache der Cretins; die Eltern, Erzieher, der Staat wälzen dadurch so bequem die Schuld von sich ab. — Trotz der vielen Menschen, die mir begegneten auf jenem abendlichen Gange, habe ich mich doch unendlich einsam und verlassen gefühlt. - Zum Glücke gibt es doch nur wenige Thalstriche in Stcicrmark, wo ein solcher Mis;wachs des Mensche,: vorkommt; im Allgemeinen sind die Steirer schöne, gesunde Gestalten; der Obersteirer ist mehr stämmig, kernig und heiter aufgeweckt; der Unterländer — der Wende -^ schlank, zart, aber leidenschaftlichen Temperaments. Im Unterlande gibt es viel Mord und Tudtschlag, wobei wohl häufig der zündende Wendenwein Anstifter sein mag; die berühmte steirischc Gemüthlichkeit repräsentirt nur der Oberländer, der Aelpler. Nach dieser kleinen Darlegnng fahre ich fort. Wir gelangen zu dem alpenfriedlichen Dörfchen, das hoch auf dem Berge liegt, am Saume der 7578 Fuß hohen Zirbitz. Gin Pfarrhaus, wo loir einkehren und wo der Pfarrer seine, Gäste selbst bedient. Der leutselige Herr setzt sich zu uns, raucht seine Pfeife und plaudert. Er hat die Menschen gerne. Sein Vorfahre war gar menschenscheu, der konnte nicht predigen, wenn er einen Fremden in der Kirche sah, und kam des Weges einmal ein Tourist heran, so lief er davon und hüpfte über alle Zäune. So kann man werden 52 Steiermark. da oben in ^t. Wolfgang. — Das Kirchlein ist gar schlicht lind Jeder, der es besllcht, wmml nur um ^u beten. Jin Friedhofsgärtchen wachsen Alpenblninen. — All! frühesten Morgen werden lvir dllrch das Aveglöctlein geivectl. Dcr Himlnel ist heiter, kühle ^nft rieselt nieder von dem Berge. Auf der Spike leuchtet die jlinge Sonne und ihr goldiges Meer sintt nieder über da') Fels- und Zirmgehänge, über die Matten zunl thauigen Tannenwald. Und die tiefe Nnhe! inan hört die Fittige seines Engels fächeln; man hört da5 Athmen der Zeit, fühlt den Hauch der Jahrtausende, die still dahinziehen über diese lichtvollen Hohen. Und endlich anf der Spitze der Zirbit; angelangt, unterhalb welcher ein Echichhans steht — wie ist das Ange so reich! Von den dnftblanen Zacken der Snlzbacher Alpen bis zn den funkelnden Gletschern des Dachsteins — in einer halbrunde liegt die Steiermark da. Und auf der andern Seite das nachbarliche >iärntnerland mit seinen Musik im Frcicn. herrlichen Bergen. In einzelnen Thälern liegen wie weiße Teen die Nebel und mancher hohe Berg ragt daraus wie einc Insel auf. Rings um die Tpitze der Zirbil) sind mehrere fischreiche Seen, wovon der Wildensee am westlichen Hange von unergründlicher Tiefe, ein ansgebrannter Krater sein soll. Sind Hunger und Durst nicht zu groß, so ist es mitnnter fast bitter, von solch schönen, friedumwehten Höhen — wohinaus uns von allen leidenschaftlichen Bewegungen des Herzens nur die selbstloseste Freude gefolgt ist — wieder hinabsteigen zu müssen zu den Menschen. Die treiben es hierunten oft so, daß es schwer ist, bei ihnen zu wohnen. Die Bewohner der Höhen haben bei all ihrer Armuth meist ein fröhliches Gemüth. Nicht selten an Sonnnersonntagen sieht inan sie mit ihren Zithern oder Pfeifen im freien silken nnd musieiren. Ihre unbewußte Lnst ist oft mächtiger, als ihre Sprache daher das gellende Ianchzen der Aelpler und das Lied ohne Worte — der Jodler. Wir steigen zum Markte Obdach nieder und gehen dein Gramtzenbach entlang, wieder dem Murthalc zu. Dort wo unser Engthal in den weiten Murboden mündet, links an einem kühnen Felsvorsprungc steht die herrliche Burgruine Eppenstein. Die Markgrafen von Istrien, nachmaligen Herzoge von .stärnten, hatten sie erbaut vor tausend Jahren. Später kam sie in den Besil; mächtiger Gaugrafen aus dem Mürzthale; jeht gehört sie einem der Die 3ölker- und die Nturthaler-Alpen. 5I reichsten und angesehensten stcirischen Cavaliere, dein Baron Seßler Herzinger, dessen weite Waldungen ganze Thäler des Oberlandes beschatten, dessen Hammerwerke manche Gegend beleben. Im Murthale angelangt, stoßen wir auf das großartige Eisenwerk Zcltweg; es liegt an dein Punkt, wo die Tochter der Zirbitz, die Granitzen, und der Sohn des Tauern, der Pölsbach, in die Mur springen. Zu solcher Wasserkraft hat sich die volle Dampfkraft gesellt, um die hundert lessen und tauseud Räder zu beleben. Die dazugehörigen Kohlen sind in den nahen Gebirgen aufgespeichert. Bei Dietersdorf entstand vor mehr als sechzig Jahren ein Grubenbrand, welcher heute noch fortfrißt in den großen Kohlenlagern und von Menschen nicht zu löschen ist. — Wenn wir einen raschen Gang machen durch die finsteren, donnernden, funkensprühenden Hütten von Zcltweg, so wäre freilich zu erzählen von der Gewinnung des Erzes, vom Ködern und Rösten desselben, von den Hochöfen, in welchen es geschmolzen, theilweise von Schlacken gereinigt und zu Roheisen wird; zu erzählen von dein Frischen und Bessemern, wodurch das Eisen mehr nnd mehr verfeinert endlich zum weltberühmten steirischen Stahle wird. Doch dafür gibt es andere Lehrer, und wir begnügen uns, die rußigen, halbnackten Arbeiter zu betrachten, die durch die Hütte»: eilen und poltern. Diese ziehen mit riesigen Zangen weißglühende Eisenblöcke, Andere schieben mit Stangen die sprühenden Massen; Andere leiten gewaltige Maschinen, und es ist ein Schnauben und Brausen, daß der Erdbuden zittert. Wir beneiden die Menschen nicht, die in solcher Umgebung wie mitten in oer Hölle — ihr Brot erwerben müssen. Laßt e^ aber nur erst Sonntag werden und ihr werdet sehen, wie sich der Wcrksarbeiter und Bergknappe zu entschädigen weiß. Kein Wirthshaus groß genug in der Gegend, keine Musikbande zu theuer, kein Dirndl zu stolz. Wo Schmiede und Bergknappen sind, da haben die Bauern kein Recht. Wie es aber den Knappen manchmal übel ergehen kann, davon berichtet die Tage von Zeiring. Wenige Stunden von Zeltweg im ruinenreichen Thale der Pols liegt der uralte Markt Zeiring. Hier manche Spur von den alten Herren des Landes, den Römern; auch Kaiser Max !. hat sich längere Zeit in diesen Bergen aufgehalten. Einst nun bestand bei Zeiring ein gar reichgesegnetes Silberbergwerk. Da zechten und jubelten und fluchten und kegelten eines Tages die übermüthigen Knappen, und wie Gottfried Leitner, der steirische Uhland, singt: „Das Silber im Beutel, das Silber im Schacht hat Allen die Köpfe wirbeln gemacht; sie meinen, es gäb' keinen Kaiser und Herrn, und selbst den Gottvater entthronten sie gern. Da tritt, ein zartes Kind an der Hand, gehüllt in ein schlechtes, graues Gewand, ein ältlich Weib von der Straße herbei, zu schauen, ums da zu jubeln sei. Das liebliche Kind ergötzt sich sehr, es hüpfet und spähet hin und her, und kommen draußen die Kegel zum Fall, so lacht es darüber mit hellein Schall. Gefällt dir das draußen, du Affen-gesicht? schreit Einer es an, so vergaffe dich nicht! Ein And'rer höhnt: das ist drollig, nicht wahr? Ich ?chlosi NXtsfl'l'bcig, 54 Tteiermark. zeige dirs gleich in der Nähe gar! Drauf köpft er das Kind, — und rollet «raus das blutige Haupt in die Kegel hinaus, daß flugs wie mit unheimlicher Kraft er alle Neun zu Boden rafft. -^ Und als im Berg am Werkeltag ertönet der erste Hammerschlag, erbebt der Grund und mit Donnergebraus stürzt Schacht und Stolleu in Nacht und Graus." Die Landeschronik erzählt, daß das Eilberbergwerk bei Zeiring im Jahre l1'>,^ eingestürzt und ersoffen sei und dabei über anderthalbtauseud Menschen ums Leben gekommen wären. Wir kehren zurück zum Städtchen Knittclfeld, um von dort aus die freundlichen Herrensitze Spielfeld. Hmchenbühel, Hcinbach und Wasserberg zu besuchen. Wasserberg liegt aber wieder tief iiu Tauerngebirge am Ufer der Ingering, die bei Knittelfeld in die Mur geht. Wasserberg, ein alter Bischofssitz und einst den Templern gehörig, Am Ingcrmg 3co. weist Spuren der Vehmgerichte. Vor nicht langer Zeit ist das schloß von seinem Eigenthümer Max von Seßler mit Pracht und Geschmack eingerichtet worden; seit aber der Schloßherr gestorben ist und in der gothischen Kapelle des Gebäudes ruht, steht das schöne Wasserberg unbewohnt. Reiche Wälder und grüne Almen frieden das Thal ein; und für den Weltmüden und Naturandächtigen wüßte ich Nne passendere Stätte, als das stattliche Schloß an der Ingermg, an dessen Wänden der wilde Gpheu emporraukt, von dessen Fenstern aus der Hirsch erlegt werden kann, der unten im erlenumschatteten Teiche sich labt. Und wandert der Einsiedler weiter hinein, der Ingering entlang, so gelangt er in einen finsteren Hochwald, über dessen Wipfel die verwitterten Wände der Pletzen und des Zinken starren. Aller Sang und Klang ist hier gestorben, nur das Nasser schreit, es werde heute zwar schmählich herabgestürzt von allen Höhen, aber es werde dereinst die Welt zu Grunde richten! Endlich weitet, lichtet sich das Thal und eingerahmt von dunkelgrünein Nasen, von knorrigen Tannengruppen uno von Zirmbüschen liegt ein stiller klarer See — der Ingeringsee - wie ein Taschenspiegel der alten weißköpfigen Bergriesen, die sich eitel darin begucken. — Das Thal ist still, die Ingering liegt hier in der Wiege und schläft. Dort über dem zerrissenen Gewände gehen weiße Strähne nieder — das sind die Quellenstürze, deren Rauschen nimmer in die Tiefe dringt. ^ Und wäre der Einsiedler von Wasserberg geladen, den Ursprung der Ingering zu besuchen, so müßte er hinter dem See durch das zerfahrene Gestämme eines Urwaldes hinan, er müßte durch kriechendes, oft verdorrtes Gezirm sich winden, nnd durch jene wilde Gegend, die Hölle genannt, zwischen senkrechten Wänden wandern, über abgestürzte sfelsblöcke klettern, bis er mitten Die Sölker- unö die Murthaler-Alpcn. 55 Teckau. stünde in dem wüsten Gerölle und den Felsen, wo das Wasser von einer mächtigen Wand schwer und dnmpf nieder-stürzt. - Ein labender Trunk zum Abschiedskuß, und noch weiter empor klettert der Wanderer über Geschiefer und Gerolle, zwischen FclSblöcke sich stemmend, bis er endlich oben steht in der siebentausend Fuß hohen Tednis; der Petzen, des Zinken, des Neichard. Eine Hochwüste ohne Äaum und Strauch und Quell — ringsum steinige Hügel und Kuppen, steinige Mulden, Kare und Löcher. Keine pittoresken Felsformen, keine romantischen Schluchten — eine Welt, in der die Natur schön ist nur in ihrer Einförmigkeit und in welcher der Mensch sich ein ewiger Fremdling fühlt. — Und ruht er auf einein Stein und stützt sein Haupt auf die Hand, so wird hier sein Gedanke selber zu Stein und lastet auf dem Herzen. . . Wenn's nicht ein lustig Gemslein ist, das unseren Schwärmer weckt, so bleibt er oben und wartet auf Gott. . . und nach Jahren finden sie ein Menschengerippe auf dem hohen hinken. Auf dem Rückwege von den Tauern, die wir nun für immer verlassen, besuchen loir das schöne Seckau, welches sich in der grünen Thalsohle an den hohe,: Zinken schmiegt und wo im Jahre 121« das Bisthum Seckau gegründet wurde, dessen Sitz jetzt in Graz ist. In der Stiftskirche, einer herrlichen Basilika, ist das prächtige Mausoleum Herzog Karl I I. von Steicrmark, des ersten Kaisers Ferdinand Sohn. Es ist aus schneeweißem Marmor. Die Gestalten Karls und seiner Gemahlin ruhen auf dem Sarkophag, welchen Bronzesäulen und ein kunstvolles Gitter umgeben. Darunter befindet sich die Gruft, in welcher neun Glieder der habsburgisch steirischen Familie ruhen. In Seckau hatte sich auch der Minnesänger Ulrich von Lichtenstein seine Grabkapelle banen lassen. Er ruht daselbst uud das Gemäuer fällt allmälig über ihm zusammen, und eines Tages wird der edle Frauenlob gar vergesse,! sein. Im Seckauthale steht die uralte gothische Kirche St. Marein, welche Viele für die älteste Kirche Steiermartg halten. Zahlreiche, argzerfetzte Türkenfahneu wehen über dem Hochaltare und Inschriften erzählen von der Noth 56 Zteiermark. in der Türkenzeit und von den nnglauttichen Gransamkeiten, welche die wilden Schaaren aus dein Morgenlaude hier verübt hatten. Eine davon, hinter dem Hochaltäre, lautet: „^nno lüliri^ti tt^durtd ^Iss m^n kl^t ^M Mv<ü(^I,XXX an 8a.n6 ^.fi-lln ^a^ klrdeii äis Veräamd1ioli6n ^I)F0tti8H6n ^intisolit'n lür^den 6^8 's ausführlich zu schildern, würde ein besonderes Buch erfordern. — Das Vnch, welches all diese charakteristischen Dinge darzustellen, den Aelpler, insonderheit den Steirer zn schildern versucht, von der Hahnenfeder seines Hutes bis in den verborgensten Nanm seines Herzens — dieses Buch ist wohl geschrieben worden nnd heißt: „Das Volksleben in Eteiermark, in Charakter- und Sittenbildern dargestellt von P. K. Nosegger" (Leykam Iosefsthal in Graz). Die „Gestalten aus dem Volke der österreichischen Alvcnwelt" (Preßburg, G. Heckenast) schließen sich diesem Werke an, um ein möglichst vollständiges Bild von Land und Leuten der Steiermark zu bieten. Ich durfte für dic Freunde der Etciermark -^ denen ich hier nicht Alles, was sie von dicsein Lande zn wissen verlangen mögen, erzählen kann — mit diesen wenigen Worten wohl anf die beiden Bücher hinweisen, um nun aber wieder zum Anfbruchc zu blasen und den Marsch zu beginnen in den mittleren Theil des Landes ^ ins Gebiet der Kainach, der Laßnitz nnd der Enlm. — Von den speikreichen Höhen der Gleinalpe überblicken wir diesen Theil des Landes am schönsten. Auch der ist noch gebirgig, aber die Berge sind zahm, von unten hinauf prangend in reicher Fruchtbarkeit, dann dicht bewaldet bis zu den Gipfeln mit Nadel und Laubholz. Keine schauerlichen Felshörner erschrecken mehr das Auge, kein Lawinen- und Wassersturzdonner beängstigt mehr das Gemüth. Wälder nnd Felder, Obstgärten und Weinberge werden uns abwechselnd erquicken; interessante Schlösser nnd Städte werden uns beherbergen, bis wir ans dem Wendenlande zurück heranziehen dort in jenes duftblaue Thal, auf welchem in einer langen Kette hin die zahllosen weißen Pnnkte schimmern um jenes scharf geschnittene Kegelchen, wie gestreuter Sand die Häuser und Paläste ruhen — Steiermarks Herz und Stolz, das blühende, maienhafte Graz. Noch laben wir nns im Wirthshans, das auf der Einsattlnng der Gleinalpc steht, verrichten vielleicht - war voitsberg. zö" 58 öteiermark. der Wein gut und gemütherwärmend ^ eine tleim.' Andacht im nebenstehenden Kirchlein Maria Schnee, lassen uns endlich vom Halter noch von dem großen Viehmarkte erzählen, der alljährlich im August auf der Gleinalpe stattfindet und die schönen Rinderarten der unteren Gegenden, mit denen des Murbodens und Mürzthales und wohl auch Kärntens hier versammelt ^ dann gehen wir zu Thale. Das Ursprungsgebiet der Kainach hat außer seinen zwei hübschen Ruinen Groß- und Mkainach kein besonderes Interesse; einladender däucht uns das mit der Kainach parallel laufende wiesenfrische Gradenbachthal mit seinen sangeslustigen Menschen. Im hintersten Orte desselben, der Sala, treffen wir die erste Glashütte von der bedeutend gewordenen steirischen Glasindustrie, die besonders im nahen Köflach aufblüht. In diesem Thale finden sich auch mehrere Höhlen in Kalkfelsen, wovon die „heidnische Kirche" die interessanteste ist. Diese Hohle hat ein prächtiges Gingangsthor, welches frei wie ein Triumphbogen vor ihr steht. Der Rückblick durch das Thor ins lange Gradenthal hinaus ist zauberisch schön. — Wenige Stunden davon liegt der industriereiche Ort Köflach. Die Köflacher Kohlenbergwerke versehen halb Steiermark mit Heizmateriale, das Köflacherglas hat dem böhmischen längst Rang und Ruhm abgelaufen und hat mit dem feinen belgischen Bruderschaft gemacht. Wasser und Dampf treiben hier um die Wette Fabriken, Eisenwerke, Holzsägen und Mühlen. Bei Köflach, auf einem seit Jahrhunderten brennenden Braunkohlen -berg steht die Wallfahrtskirche Lantowitz mit einem Franziskanerklostcr und einer Straf- und Zuchtanstalt für weibliche Vcr- Ruino Rrems. brecher. Von Köflach geht eine gute Straße nach Kärnten, eine andere durch das Gradenthal über die Stubalpc nach Iudenburg; eine dritte endlich ist die Eisenbahn und würde uns in anderthalb Stunden gerne nach Graz bringen. Wir fahren mit ihr aber nur bis zur nächsten Station Voitschberg, einer alten malerischen Stadt mit Römersteinen, am Fuße der Ruinen Ober-Voitsberg und Greisenegg. Im zwölften Jahrhundert ist dieser Stadt von Herzog Friedrich ein Freiheitsbrief ausgestellt worden, durch welchen ihr die gleichen Rechte mit Graz gesichert wurden. In Anbetracht solcher Begünstigungen hat sie's freilich bisher nicht allzuweit gebracht. Unweit hinter Voitsberg, auf einem Felshügel, unter welchem die Kainach wühlt, ragt die wunderbar malerische Ruine Krems; zu ihren Füßen Eisenhämmer und Mühlen ein prächtiges Bild. - Wir verlassen mm die Kainach, deren Thal sich immer breiter auseinanderlegt, immer mehr Ortschaften in sich aufnimmt, bis es ins weite Grazfeld mündet, seinen klaren Bergfluß bei Wiloon in die Mur ergießend. Die Wanderung ist für den echten Naturfreund lohnend genug. Und echter Naturfreund ist der, welchen die milde Größe und Schöne eines freundlich blühenden Hügelgeländes, einer frischgrünen, schattenreichen Waldgegend mit ihren sonnigen Hochmatten nnd murmelnden Wässern zu beglücken vermag. Solchen ist die mittlere Steiermark das rechte Land. Ein Gang über das ewige Eis auf Zehn- und Zwölftausendern bewegt Einen allerdings ganz anders, als ein fröhlich Hinschlendern zwischen Obstgärten und durch Wälder; doch ist die wohlthätige Wirkung dieser letzteren nachhaltiger, als jene der majestätisch ernsten Im Gebet, von Mathias schmid. Das steirischc Paradies. 5^ Höhen, ails welchen die Starrniß herrscht und der kalte Sonnenblick. — Wir wenden uns gegen Süden dem freundlichen Thalkessel von Ligist zu. Auf der Straße taumelt uns manch ein angeheitertes Väucrlein entgegen, den Hut schief in der Stirne, ein optimistisch Lied lallend ^ im Kultus deö berüchtigten Ligister Schilchers. Hier der erste Weinberg, der uns anlacht, wenngleich mit etwas saurem Gesichte, denn daß er noch so tief in den Waldbergen ist, das will ihn schier verdrießen. Trotzdem ist sein Nein ein guter Kamerade und wird lieber getrunken, als der Erguß der jod- und schwefelhaltigen Heilquellen zu Ligist, zu dem alle Kropfigen des Landes wallen, um an solcher Gnadenquelle Erleichterung ihres Anliegens zu erlangen. Von Ligist gehen wir über die Hochstraße; ein herrlicher Weg mit vielfacher Aussicht über die breiten Thäler der Kainach und Mur. Und Wald — reicher, frischer, gesunder Wald. Auf mancher Säule ein Kruzifix, und ein Liebfrauenbild auf manchen: Baum. Und etwa ein bedrängtes Menschenkind davor knieend — ganz wie der Dichter singt: „Wie düster des Waldes Tannenschloß! Ein Bild dos Gottheiligen strahlt nieder ins Moos, Ein betendes Dirndl kniet davor, Gesenkt das Auge, geschlossen das Ohr. Su still ist der Wald und so still ist dein Herz; Es rührt sich kein Vogel, es regt sich kein Schmerz, Nur ferne murmelt verloren ein Vach, Als sprach' er dir leise die Worte nach! Und durch der Tannen liefdnnkle Hnt Bricht golden ein Schein von Adendglut, Dein Hanpt verklärt er wie Segen mild, Es lächelt das hehre Christus bild." Und wahrhaftig, dort vor dem Stamme weint ein Mädchen, dem sie gestern beim Gelage den Liebsten haben erschlagen. Hier unten im strohgedeckten Häuschen auf dem Brette liegt er hingestreckt ^ ein weißes Tuch verhüllt das Antlitz und die Wunde. In der Dorfkirche läuten sie „Verscheiden"; die Leute in den Häusern uud auf der Gasse nehmen ihre Mützen ab und beten für „die abgeschiedene Seele". Auf dem Friedhofe, der um die Kirche herum liegt, graben Bauernbursche ein Grab. Die Gemeinde ist zu klein und die Gegend zu gesund, als daß ein Todtengräber drin leben konnte. Die Rachbarn müssen so gut sein und graben, so oft doch Giner in Altersschwäche endet oder aus Iugendübermuth erschlagen wird. Gendarmen mit aufgepflanzten Gewehren gehen von Haus zu Haus und suchen die Ucbelthäter. Vor Gericht heißt's: nicht aus Haß, nicht aus Rache und Eifersucht wär's geschehen - der Wein alleinig hätt's gethan. Ja, aber den Wein kann man nicht strafen und wenn man ihn zwanzig Jahre einsperrt, so erweist man ihm noch eine Wohlthat. Die Trinker also kommen in den Arrest, der Todte kommt mit feierlichem Kondukt unter die Erde, das Mädchen weint nnd betet vor dem Kruzifix im Walde und ^ der Wein wird getrunken wie bisher! — Dieser Ligister- und Stainzerschilcher hat die merkwürdige Eigenschaft, daß er nicht so sehr zu Kopf, als zu Faust geht. Davou kommt viel Unglück, gerauft wird an jedem Sonn- und Feiertag, als ob an solchen Tagen des Friedens lauter Feinde in der Gegend lebten. Uebrigens herrscht hier, wie auch in manch anderen Gegenden des Landes, eine ganz seltsame Sitte, welche dem Naturforschertag zu Graz l1675) Anlaß zu mancherlei Betrachtungen gab: das Arscnikessen. Den Pferden wird Arsenik gar häufig gefüttert, die Thiere werden dadurch feurig, kräftig, flink und glatt; nun ist es wohl zu erklären, daß auch mancher struppige Pferdeknecht den Wunsch hat, feurig, kräftig, flink und glatt zu sein, insonderheit, um bei den Weibern etwas mehr Glück zu haben, welche in der Regel Bauernburschen, Holzknechte nnd Schmiede den Pferdeknechten vorzuziehen pflegen. Wohlan, so wird der Roßwart Arsenikesser; zuerst nimmt er das Gift, welches er sich für die Pferde zu verschaffen weiß, in ganz kleinen Portionen zu sich. Allmälig genießt er davon mehr, ohne üble Folgen zu verspürcu, uud fühlt nun eine stete Jugendlichkeit 60 ^teiermark. ^artw ^oin ^tai>li0ll!o!>l!!i. an sich, oder bildet sich cine solche wenigstens ein. Dabei geht die Sage, daß, u,er einmal Arscnikesser ist, es auch bleiben müsse, sein Lebtag lang: denn von dem Augenblicke an, wo er aufhören würde, dieses Gift zu sich zu nehmen, beginne er zu verwelken und zu verdorren und beiße in kürzester ^eit ins Gras. Beim Naturforschertag in Graz sind ans der Ligister und Stainzer Gegend Arsenikesser beobachtet nnd untersucht niordeu und man hat keinen nachtheiligen b'influß dec- Giftes konstatiren Wunen. Außer einer gewissen Heißblütigkeit, welche doch wohl eher vom Wem als vom Hütcnrauch (wie hier der Arsenik genannt wird) herrühren mag. sind die ^ente dieser Thäler gutmüthig und wohlwollend gegen einander. Das zeigt sich besonders bei UngluckMlen. brennt Einem das Haus nieder, so steuern die Banern der ganzen Gegend zusammen und helfen e5 ihm wieder aufbauen. Reißt in einem Vanse eine Krankheit ein, so bebanen die Nachbarn uugebeten dessen Aecker oder führen die ^rnte unter Dach lind leisten allen nöthigen Beistand. Die Wohnungen sind hier nicht mehr so stattlich, wie im Oberlande: zumeist klein, finster und mit Stroh gedeckt; zuweilen wohl oft auch gemauert nnd mit Ziegeldach, aber gar ärmlich gegen die schönen Vauernhäuser im Enns-thale und der Ausseergegend. Wohl gibt e>) hier im fruchtbaren Lande viel mehr Ncichthmn, als dort zwischen den Felsbergen, aber leider »veniger Geschmack. Heber den Hausthüren sehen nur mit rother Farbe in Plumpester Form stets die Umrisse des heiligen Florian oder der Dreifaltigkeit gezeichnet. An den Stein- und Holzkrenzeu, die am Wege stehen, drängt sich überall die Geschmacklosigkeit vor. Wenn wir über einem Muttergoltesbilde die Worte lesen: „Heilige Maria Lankowil; reuovirt 1.^',-l bitt für alle christgläubige Seelen", so klingt uns das wie toller Humor; wenn wir aber auf einem großen Kruu'fir die ganze Brust' und Magengegend des Christus mit Blumen bemalt sehen, so schließen loir denn doch anf eine unendliche Frömmigkeit. Die Kleidnng hat auch ihren Charakter verloren und huldigt keiner bestimmten Form. .Anelederhosen und grünbebänderte Hüte werden hier nicht mehr viel gesehen. Der Dialekt ist ebenfalls ein anderer, als im Hochgebirge, er ist undeutlich und hat einen gedehnten, bellenden Ton. Gegen Fremde und Neuerungen ist der Mittelsteirer viel mißtrauischer, als der harmlosere, offene Oberländer. So ist er anch unbeholfener nnd träger in seinem geistigen Leben, Währelid die Kraft der Leidenschaft sich in ihm energischer äußert, als in dem rnhiqen nnd nberlegsamen Aelpler. Den geistigen Getränken, welche hier a»ls Obst und Traube gezogeil werden, gibt man die schuld; gewiß aber wirken noch andere Faktoren ein ^ vor Das steirische Paradies. b< Allem vielleicht die unnnttelbare Nachbarschaft fremder Völker, als Slaven, Magyaren, Romanen - man will das hier naher nicht untersuchen. Die Hochstraße führt uns hinab auf den Stainzerboden, weiter hin gegen Landsberg, auch der „deutsche Buden" genannt. Die Gegend ist so fruchtbar und lieblich, daß man sie sogar das Paradies von Steiermark heißt. Dieses Paradies ist gut eingerahmt. Ueber den Höhenzug der Nadl taucht, in blauen Duft gehüllt, der Bacher mit der hohen Rinka auf. Im Westen und Nordwesten ziehen sich die Fruchtgefilde der Laßnitz, Eulm und Kainnch und im Hintergrunde in großem Im LlNidsberger Schloßhof. Halbkreise die Schwnnberger-, Stub- und Gleinalpen; gegen Nordosten dehnt sich das Grazfeld mit der Hauptstadt, hinter welcher die blauende Tafel des Schocket ragt. Nach Osten und Südosten verssacht sich das Land ins Grenzenlose, über die windischen Bühel ins Nngarland hinein. Und inmitten liegen idyllische Dörfer und wohlhabende flecken zwischen wallenden Feldern, weiten Obstgärten und Weinbergen. Dazwischen manches stolze Schloß, manche malerische Ruine, aber auch manche brausende Fabrik, an den Wäldern zehrend, die hier allmä'lig kümmerlicher werden. Seit wenigen Jahren geht durch das steirische Paradies auch eine Eisenbahn, bis hinab gegen die Steinkohlenlager von Eibiswald. Das Thal von Stainz. von dem bewaldeten Rosenkogel beherrscht, erfreut sich nicht allein dessen, was über der Grde gedeiht, es hat auch Schätze, die unter dem Rasen liegen. Es hat prächtige und unerschöpfliche Gneislager und versieht Graz und noch manche andere Stadt mit Steinpflaster. Stainz hat ferner auch eine Schwefel- und eine Sauerbrunnquelle, die in einer schönen Waldschlucht sprudeln und nur auf ein vornehmes Kurhaus und etliche ^6" 62 Steiermark. Wohnungen; zum größten Theile steht es leer und öde, so freundlich es mit seinen hellen Fenstern hinauslacht in die Gegend. Die Straße führt nun beständig Hügelauf, thalab; in jedem Thälchen fließt unter Silberweiden ein klares Wasser; auf jeder Höhung bietet sich eine nnmuthsreiche Aussicht über das sonnige Gelände, das, im Westen sich an die dunkeln Waldkissen der Schwanberger- und Koralpen lehnend, in üppigster Fruchtfülle daliegt. Feld-, Garten-, Wein- und Bergbau, Viehzucht und Wildzucht, Holzwirthschaft und Industrie, beleben, bereichern die Gegend, in welcher ein mildes, gesundes Klima athmet, in deren Ortschaften noch einmal deutsches Wesen und deutsche Sitte aufstrebt, bis es wenige Stunden weiter südlich mit einem ^M'g Landsberg. illustre Gäste warten, um ein berühmtes Bad zu sein. Stainz besitzt ein altes Chorherrnstift, welches aber Kaiser Josef zu einer Kaserne gemacht hat, bis es dann Erzherzog Johann erwarb. Heute dient es theilwcise zu Beamten- Male verlischt. Wir gelangen zu den: freundlichen Markte Deutsch-Landsberg. Ueber demselben auf dem Berge ragt die gleichnamige Burg, einst Sitz der mächtigen Grafen von Khüen-burg, jetzt dem Fürsten Lichtenstein gehörig. Man gelangt am besten dahin, wenn man durch das hier plötzlich eng und wild werdende Laßnitzthal, im dunkeln Schatten hoher Tannen, an einer Einsiedelei und einem im Walde Einsiedelei. stehenden Gcdächtnißsteine des steirischen Dichters Johann Kalchberg vorbei, emporsteigt. In der Felsenschlucht, über dem Brausen des Wassers, unter dem Rauschen der Wipfel wohnt die Einsamkeit. Aber die Vlasirten sind gekommen und haben hier eine Einsiedelei gebaut, um an schönen Sommcrtagen drin — Karten Zu spielen. Vergebens ruft der Dichter, der auf einen Stein folgende Zeilen schrieb, das Wasser an: „O, schlinge dich, du saufte Quelle, Ein breiter Strom um unö herum, Und drohend mit empörter Welle Vertheidige dies Heiligthum!" Eilen nur weiter und lassen wir uns überraschen durch die heitere Fernsicht, die sich am Eingänge in die Burg erschließt. Das Gebäude ist für Wirthschaftsräume eingerichtet worden, im Nittersaalc tummeln sich die Schafe herum und macht wohl manch ein ritterlicher Schöps den züchtigen Fräulein seines Geschlechtes sittig den Hof, oder Ruine der Burg slandsberg. von ^). ^. Kirchner. Vas stsirische Paradies, l^3 ein paar rockenhafte Widder üben sich zum Ergötzen dor Uebrigen ün edlen Turnier, inden» sie mit ihren stein -harten Schafsköpfen aneinander rennen, daß die Knochen krachen. Von Teutschlandsberg führt ein lohnender Weg den massigen Bergstock hinan über Trahütten und öchloß Hollenegg. Glashütten auf die Koralpe - die Kärntnergrenze. Wir wandern im lieblichen Thale zum nahen Schlosse Hollenegg, einer der interessantesten Burgen Steicrmarks. Sie liegt auf einer theils bewaldeten, theils mit Reben bepflanzten Anhöhe, von der aus man die ganze mittlere Steiermark übersehen kann. Es ist ein massiger, rankenumfluchtener, hochgiebcliger Bau, über dessen Dächern ein glänzender Kirchthurm emporragt. Wenn man im Schloßhofe steht und die Bogengänge, Terrassen, Erker und Prachttreppen sieht, so fällt Einem die Alhambra ein. Ob das Innere dem Aeußern entspricht? Wir kommen durch einen großen Saal mit zweihundertjährigen vortrefflich erhaltenen Fresken. Venezianische Spiegel mit reichen, kunstvollen Nahmen hängen schwer an den Wänden. Herrliche Lustres, Möbel, eingelegt mit feinem Elfenbein, gewundene, silberne Leuchter. Der Fußboden ein Spiegel für den prachtvollen Plafond, die Oefen Meisterwerke der Bildnerei. Von diesem Naum aus treten loir durch ein Dutzend Säle, Gemächer, Kabinette, welche eher an eine auserlesene Kunstausstellung, als an eine Menschenwohnung erinnern. Das Haus ist zu prachtvoll, um behaglich zu sein. Ueberall Gegenstände aus Marmor und Ebenholz, reich eingelegt mit Gold und Silber und Elfenbein. Chinesische Teppiche, Vasen, Seiden, Gemälde, Bildhauerarbeiten, zumeist aus der Rococozcit. Aber auch rein antike Formen und Darstellungen ails der Bibel, so wie die großen, gewirkten Bilder aus der Geschichte Moses, auf welche der Pförtner, der lins führt, nnt besonderem Nachdrucke aufmerksam macht. Bilder aus der heiligen Schrift, Ahnenporträts, Schlachtstücke, Waffen, Wappen, Pferde, schöne Weiber, wilde Thiere, kurz — aristokratisch. - Mitten im Schlosse die Kirche mit den Wappen auf dem Altare, weil auch Gott von altem Adel ist. Um das Schloß fischreiche Wässer, Kunstgärten mit Orangerien, Wildparks. Die Herren von Hollenegg — sie kamen und sie gingen, man weiß nicht wann — erbauten das Schloß und man weiß ebenfalls nicht, rührt es aus dem 11., 12. oder Ni. Jahrhundert. In der jetzigen Weise eingerichtet hat es aber der gegenwärtige Eigenthümer Fürst Lichtenstein, welcher die alte Niegersburg plündern ließ, mn diesen seinen Lieblingssitz seiner Prachtliebe angemessen einzurichten. Trotzdem wohnt 64 Tteiermark. der Fürst selten in Hollenegg llnd an Sonn- nnd Feiertagen ist das herrliche Schloß ein Zielpunkt der Grazer Ausflügler. Wir steigen mm in das Thal der Eulin hinab, berühren die kohlenreichen Gegenden von Schwanberg, Wies und Abiswald, mit ihren Hütten-, Berg-, Eisen- und Stahlwerken. Bei Eibiswald steht das stattliche Schloß der alten Eibiswalder. Auffallend ist die Sagenarnmth dieser sonst so poesiereichen Gegenden; und die doch vorhandenen Sagen und Märchen, die sich das Volk erzählt, tragen in der Regel den Charakter anderer deutschen Geschichten, wie sie sich überall an Oertlichteiten, Ruinen und Naturmcrkwürdigkeiten knüpfen. So auch ist's hier mit dem Text des Volksliedes, während die Melodie desselben schon etwas fremdartig klingt. Vine Stunde hinter Eibiswald wird auf der Straße unser „Grüß Gott!" schon in slavischer Sprache beantwortet. Wir sind angelangt an der Sprachgrenze, und somit auch an der Grenze „unseres Vaterlandes". ^ Weil es aber wohl wahr ist, daß die Slovenen von Jahr zu Jahr weiter ins deutsche Land hereinnagcn, freilich um sich dann wieder aufznlösen in den deutschen Elementen, so wollen auch wir einen Zug ins Windische keck unternehmen und dem Liede folgen, das die Gauen „hoch vom Dachstein an bis ins Wendenland, ins Bett der Sann" als des deutschen Steirers Vaterland bezeichnet. Wollen in rascheln Fluge über die Dräu und das Vacher-gebirge den Sannthaleralpen zustreben, in welchen die Alpenwelt noch einmal in ihrer ganzen, wilden Herrlichkeit auflebt. Wollen dann quer durchs Wendenland bis an die kroatische Grenze, und von dort wieder auf deutschen Boden und ins Herz des Landes zurückkehren. Wir steigen hinab zu den kalkigen Wellen der Dräu. Das ist der größte Fluß Steiermarks, aber von Geburt ein Tiroler Bergkind, das seine Jugend in Körnten verlebt. Schon mannbar und gesetzt kommt die Frau ins steirische Wcinland und man sieht ihr den Uebermuth kaum mehr an, mit dem sie einst über die Felsen sprang. Hier ist sie schon gesittet und überschreitet — auch bei Hochwasser — die Grenzen des Anstandes nur selten. Sie trägt schwere Floße und gibt sich gar auch schon ein wenig mit Schifffahrt ab. Sie treibt unterwegs hunderterlei von Rädern und hält allerlei Fische, wie Huchen, Hechte, Karpfen, Barben, Schleien, Bürstlinge, Schiele, Alten, zu jeder Tageszeit feil. Gerne schaut sie an den windischen Büheln hin dem Winzer beim Keltern zu, wird schließlich eingeladen 'zürn Feste und macht eine gute Partie, vermählt sich mit dem feurigen Jünglinge Rebensaft und erzeugt mit ihm den „Wein". Auch der von den steirischcn Alpen kommende Murfluß hat sich um die Dräu beworben und ihr viele Meilen her auf kürzestem Wege zugestrebt. Aber plötzlich bei Ehrenhausen — nur mehr wenige Stunden vom Ziele entfernt — fällts dein launenhaften Burschen ein: er vermähle sich noch nicht, und er schleicht oberhalb den windischcn Büheln hin. Erst auf den Pusten Ungarns wirds ihm allein zu langweilig und er geht die Verbindung mit der robusten Tirolerin endlich ein. Bei Mahrcnburg übersetzen wir die Drall und wandern an der Ruine Wuchern, dem Stammsitze der einst so mächtigen Mährenberger vorbei über das Bachergebirge. Das ist eine finstere Welt für sich. Da ist noch Vorzeit. Zu Hunderttausenden stehen sie da in ihrer stämmigsten Ursprünglichkeit, die Laub- und Nadelhölzer, aus deren abwärtsstrebendem Geästc der Baumbart in langen, grauen Strähnen niederwebt in die ewigen Schatten, die nur selten ein Blitzstrahl der Sonne durchbricht. Doch gesellt sich zu dem Rauschen des Windes, zu dem Aufschrei des Adlers nun bereits auch der Niderhall der Holzaxt, welche ausgeschickt ist von hungerigen Glashütten, Eisenwerken und Brettersügen, um Nahrung heimzubringen. Das Bachergebirge windet sich aus Körnten her, um sich in Steiermart zwischen der Dräu und Sann auszubreiten, emporznheben zu seiner 4866 Fuß hohen „Vsika Klippe", nnd östlich zur weiten Pettauer Ebene niederzufallen. Es ist siebenzehn Geviertmeilen groß und enthält die bedeutendsten und urthümlichsten Waldnngen Steiermarks. Auf seinen Höhen springt das Reh, der Hirsch, jauchzt der Auer- und Schildhuhn; in seinen Schluchten war vor wenigen Jahrzehnten Meister Petz noch heimisch. An seinen niedrigen Hängen und Vorbergen aber stehen zahlreiche Dörfer, Schlösser und an die fünfzig Kirchen, lehnen Niesen, Saatfelder Das steirische Paradies. 65 Urwald im ^5achergebirgc. und Weingärten, reift der edle Raster, Pikercr, Nadiseller, Nrandner, Gonowitzer und Ritter3burger. Reges, sonniges Leben unten, düstere Stille oben, aber oft unterbrochen durch den Donner stürzender Bäume. Die Holzhauer auf dem Bacher, die Aacheranzer, wie sie geheißen werden, sind Leute aus aller Herren Ländern. Kärntner, Steirer, Krainer, Friauler, Italiener und Böhmen leben hier friedlich, mitunter auch unfriedlich zusammen in ihren leicht gezimmerten Hütten, welche ähnlich den Holzknechtkasernen im Norden der Alpen. Der Bacher bietet zwar schöne Ausblicke in die trainerische und kärntnerische Alpenwelt, für sich selbst aber muß er fürlicb nehmen mit dem Charakter des Mittel- und Waldgebirges. Aber gerade diese Natur spricht hier an; der Blick in die weiten Wälder, welche wie ein dunkler Mantel sich über die Schultern und Lenden der Berge schlagen, die einsamen, beercnreichen Holzschläge, die Fernsicht in die zahllosen Thäler und unermeßlichen Ebenen, belebt von den flimmernden Sandkörnchen der Dörfer, Kirchen, Schlösser, Städte (man soll vom Bacher aus über dreihundert Kirchen und Ortschaften erblicken), erfreuen das Auge in wunderbarer Weise. An den Gipfeln des Gebirges, auf moorigen mit Krummholz überwucherten Hochflächen liegen die schwarzen Seen — zwölf seenartige Wasserkessel von großer, mehrere von unergründlicher Tiefe, deren Wasser schwarz aussieht. Wirft man in diese Untiefen einen Stein, so erhebt sich — nach dem Glauben des Volkes — bald daraus ein Wölklein, das dehnt sich und verdichtet sich zugleich und „auf Ja und Nein" ist das Ungewitter fertig. Möge Keiner den Stein schleudern in die schwarzen Seen, bevur wir im Mißlingthale geborgen sind. Durch dieses von vielen Eisenhämmern belebte Thal führt eine Straße von der Dran zur Saun, der wir uns 6s) öteiermark. anschließen. Rasch durcheilen wir das malerische Städtchen Windischgrätz, wenden uns bei St. Leonhard südwärts durch wilde Gebirgsschluchten. Wir haben den Weinstock verloren; es geht wieder ins hohe Gebirge hinein; wir durchschneiden den Weitensteiner Kalt- und Dolumitzug. Die Straße windet sich nur mühsam zwischen den wilden Felsen hin. An der engsten Stelle, in einer Felswölbung steht ein Denkmal an Erzherzog Johann, den Beförderer dieser wichtigen Vcrbindungsstraße. Gleich unterhalb des Denkmals öffnet sich rechts eine Felsengrotte, aus welcher ein mächtiger Bach hervorrauscht. Diese Höhle heißt das böse Loch, nach welchem auch der Engpaß den Namen hat. Im Gebiete der hohen Petzen und des Ursulaberges, den Sannthaler- oder Sulzbacher Alpen zutrachtend berühren wir die Märkte Wöllau, Schönstem und Praßberg. — Der Menschenschlag trägt hier überall den Charakter des slavischen Stammes. Der Körperbau ist schlank, Augen und Haare sind vorwaltend dunkel, im Gesicht liest man Klugheit uud Verschlossenheit. Den Eindruck treuherziger Gemüthlichkeit der deutschen Steirer fühlt man hier nicht mehr. Auch die Gemüthsstimmung scheint etwas gedrückt, melancholisch; man sieht selten ein fröhlich Treiben, hört selten ein lustig Lied. Die Kleidung besteht aus selbst erzeugtem Loden und aus Leinwand; allgemein gebräuchlich sind die Holzschuhe. Was die Nahrung anbelangt, sind die Bewohner dieser Gegenden Vegetarianer; Mais, Haiden, Fisolen, Milch, Gemüse, Obstmost bilden ihre Hauptnahrungsmittel. Bei Hochzeits-, Tauf- und Todtenmahlen aber geben sie sich leicht der Nnmäßigkeit hin. Die Wenden sind sehr religiös, aber auch sehr abergläubisch; sie lieben das viele Rosenkranzbeten, das Wallfahren und fürchten sich vor Teufel und Hexen. Ringen und Raufen sind ihre Lieblingsübungen, sie arten hierin aber oft aus, bis es Blut und Todte gibt. Bei Praßberg stoßen wir an die Sann, den Fluß, der aus Westen von der „untersteirischen Schweiz" kommt, und den wir nun bis zu seinen: wildromantischen Ursprung verfolgen wollen. Es sind freilich mindestens drei Tage dazu vonnöthen, bis wir wieder in belebte Gegenden zurückkommen; aber wenn der Himmel gutes Wetter gibt, so sind diese drei Tage in keiner Weise besser verwendbar, als wenn wir das Verlorne und verschlossene Sulzbacherthal aufsuchen. Der Weg ist gleich anfangs einladend. Es weitet sich etwas das Thal; wir sehen hohe Gebirge, die Praßberger Höhen, die Oberburgeralpen und im Hintergrunde die kahlen, grauen Steinmüssen, denen wir entgegeneilen. Kalter Wind weht uns entgegen, er „riecht" nach Schnee und Eis. Wir Passiren den Markt Riez und kehren im Wallfahrtsorte Et. Xaver ein. An der äußeren Wand der Filialkirche sehen wir das Niesenbild des heiligen Ehristof, jenes Patrons, mit welchem ein lustiger Grazer Maler einmal eine große Wette gewonnen hatte. Er kam ins Dorf, um au die äußere Kirchenwand einen möglichst großen Ehristof zu malen. Da versprach er den Vätern der Gemeinde, daß er an die Kirche einen Ehristof malen wolle, der größer sei, als die Kirche. Sie lachten; er aber wollte darauf wetten. Sie gingen die Wette ein, nnd er malte an die Wand einen Ehristof, der sich tief bückte, um sich just die Sandalen zu binden. Gerade aufgerichtet würde der Mann hoch über das Kirchendach geragt haben. Der Maler strich die Wette ein und die Gemeinde war tief befriedigt, einen so großen Schutzheiligen zu besitzen. — Wir besichtigen in Et. kaver die von Fürstenhand reich beschenkte Schatzkammer, steigen über grüne Weide zum Pfarrhofe hinan, wo wir freundlich willkommen geheißen werden und übernachten können. ^teg über die 3a,m. Dcv '^önig dcs ^crgwaldcs. vo» Franz von ^ausingcr. Die untersteirische Schweiz. - H? Die untersteirische 5chweiz. Äm Morgen öffnen wir, nach dem Wetter auslugend, das Fenster. Gin kühles Lüftchen weht unö an; das Frühroth vergoldet den Thörberg, welcher gerade vor uns join leichtes Nebelkleid fallen läßt. In der Morgenfrische erreichen wir den Markt Laufen, den Stapelplatz der Flöße, für welche die Sann hier schiffbar zu werden anfängt. — Die Laufner sind ein rabiates Völklein, so wie überhaupt die ganze Gegend nicht im besten Rufe steht. Burschen -Übermuth in rohester Form, Raufereien, Todtschlag und selbst Morde kommen nicht selten vor. Die Gerichte müssen für diese Leutchen ganz eigene Maßregeln treffen. Das Beste ist, man nimmt alle tollen Burschen, sie mögen „tauglich" seiu oder nicht, zu Soldaten; nur so kann ihr Heißblut nutzbringend angewendet werden. Hinter Laufen fangen fich die Ufer allmälig zu heben an. Hohe Berge, mit dickstämmigen Waldungen bedeckt, ragen beiden seits an. Der Weg schlingt sich bald über steile Anhöhen empor, bald senkt er sich wieder tief bis ans Flußbett. Brausend schäumt die Sann über kolossale Felstrümmer dahin, welche die Berge, in wildem Grolle zusammenschauernd, im Laufe der Zeiten abgeschüttelt haben. Bald geht's in düsteres Gehölz, bald gähnt vor uns Jäger, eine geschossene Gemse anseilend. ein Abgrund in die Sann. Halbvermorschte Holzbrücken führen über von den Bergen niederfahreude Wässer. Dort und da ein langer, schwanker Steg, wie ein Faden über die Sann gespannt. ^ Wir erreichen eine Stelle, über welche die Felsen einen ehernen Baldachin bilden; eine Steinbank ladet uns zum Rasten ein. Wir thun es und gewahren die unendliche Einsamkeit, die uns umgibt. Stundenweit kein Haus, kein gastlich Dach. Wenn hier ein Ungewitter losbräche, oder ein anderes Elementarereigniß uns überraschte? Die hohe Karnitza zur Seite und den Velki Verh vor sich, schreiten wir wieder getrost vorwärts. Wir wandeln durch sanftgrünes Laubholz auf dem Rücken einer Anhöhe dahin; die Berge scheinen auseinanderzntretcn, das Auge ahnt eine freiere Aussicht. Wir sehen den spitzen Kirchthurm vou Leutschdorf. Hier schlägt sich der forellcnreiche Leutschbach zur Sann. Wir sind mitten in der Gebirgswelt, wie wir eine solche in Untersteiermark nicht gesucht hätten. Gerade gegen Westen hin steht die Podvesha, die absichtlich recht breite Achseln macht, run vorläufig das noch zu verdecken, was im Hintergrunde bestimmt ist, uns zu überraschen. Nördlich ragt in trotziger Gewalt die Raducha. Im gastlichen Wirthshause zu Leutschdorf hängen au Gams- und Hirschgeweihen Steigeisen, Hacken, Wurfspieß und Zither; auch die Tracht der Leute erinnert uns hier wieder an deutsches Hochgebirge. Es ist ein ergiebiges Jagdrevier, in dem wir nns befinden. Nicht nur der stattliche Verghirsch, der „König des Bergwaldes", sondern anch die Gemse wird hier von Jägern nnd Bnrschen mit einer an Todesverachtung grenzenden Kühnheit gejagt. 68 Steiermark. Hinter Leutschdorf muß ein zietnlich hoher Felsen luit eingeyauenen Stufen überstiegen werden, an dessen Fuß das Wasser einen tiefen, dunkelgrünen Tümpel bildet. Das Flußbett wird immer enger; hohe Gebirgsmassen nicken beiderseits herab und rücken oft so knapp zusammen, als wollten sie uns den ohnehin kümmerlichen Weg ganz und aar versperren. In den Felsen sind mehrere Höhlen; „in eine derselben verstieg sich vor vielen Jahren eine Ziege, die erst drüben in Kärnten wieder herauskam". -^ Der Führer weiß manches derlei zu erzählen, besonders von Jäger und Wild. ^ Da war auf der Karnitza bei Lcntschdorf ein Bauer. Der bemerkte zu seinem Leidwesen, daß auf seinem Buch-wcizenfelde, welches sich über eine steile Berglehne bis an die finstere Sannschlucht erstreckte, ein Bär nächtliche Schlittenfahrten halte. Diese Thiere finden nämlich eine Wollust daran, mit ungeschlachter Behaglichkeit über abschüssige Lehnen zu rutschen, und auf dieser Rutschpartie alles, was sie rechts und links mit den Tatzen erHaschen können, abzukratzen. Da sich der Bauer zu solch einer un-erwiesenen Zehentpflichtigkeit nicht verstehen wollte, so sann er auf eine List, des unbescheidenen Patrons loszuwerden. Das Beste that der Zufall. In einer mondhellen Nacht überrascht der Bauer den Bären wieder auf semer Schlittenfahrt. Er nimmt seine Büchse und legt sich auf die Lauer. Meister Petz läßt sich wohl geschehen, sättigt sich nach vollbrachter Körperübung am Heidetorn und klettert dann auf einen Holzapfelbaum, um die Mahlzeit mit Confett zu beschließen. Die höchst,,',! ^wolpu',- !X'r Alp?,! (Mnrnn'ltlnero). Am Fuße de5 Baumes steht ein zweiräderiger Wagen mit aufwärtsgekehrter Deichselstange. Der Bauer sieht den günstigen Augenblick, drückt auf gut Glück los. Der Bär springt erschrocken vom Baume auf den darren — der geräth ins Rollen und schießt üder die Berglehne hinab. Vergebens sucht der unerfahrne Kutscher die Speichen der Räder aufzuhalten; brüllend zieht er die zerquetschten Tatzen zurück - da stürzt der Karren schon in den Abgrund, leert seinen Inhalt in die Sann, wo ihn am Morgen der Baner zur Strafe für seinen Frevel gerädert findet. Noch seltsamer ist die beschichte vom Steinadler, der einen jungen Schafhund von der Weide raubte und ihn mit kräftigen Krallen empor an die Hänge der Oistrizza trug, um ihn dort auf einer hohen Fichte behaglich zu verzehreu. Schon schickt sich der blutgierige Vogel zum Erwürgen an, da weiß der Hund den Adler plötzlich au Die untersteirische Schweiz. <5^) der Kehle zu fassen und todtzubeißen. Das Naubthier stürzt zur Erde, das Hündlein sitzt hoch am Baume und die Leute sind nicht wenig überrascht, als sie auf dem Wipfel den gar seltsamen Vogel gewahren. — Wir kommen auf unsrer Wanderung endlich zu einem besonderen Effektstücke dieser Partie, zur Nadel, welche durchschritten zu haben Mancher dem Wagestück einer Montblanc-Besteigung gleichgestellt hat. — Wir haben uns Dreiviertelstunden weit von Leutschdorf entfernt. Das Flußbett ist so schmal geworden, daß ein Kind Steine ans jenseitige Ufer werfen könnte. Fast senkrecht steigt die Bergwand auf, welcher der Pfad abgetrotzt ist. Das Gebüsch verhüllt uns die schwindelerregende Tiefe. Die nur noch von den höchsten Bewohnern der Alpen, den Murmelthieren bewohnten Felsen sind so eng zusammengerückt, daß man keine Menschenmöglichkcit sieht, da durchzu-dringen. Aber die Natur schlägt ihre Wünschet -ruthe dran: „Sesam, öffne dich!" und das Wunder ist geschehen. Ein mächtiger, bis an die Sann hinabrcichcnder Fclsblock scheint sich von der Hnupt-wand losgerissen, aber wie von Neue ergriffen, sich mit zurückgeneigtcr Achsel und Stirne wieder an dieselbe gelehnt zu haben. Dieser kleine Zwischen räum nun, von der Achsel bis zur Stirne, bildet das Oehr der Niesennadel. Drei Etufen führen in diese Klause, die kaum zwei Schuh weit ist. Ein scharfer Luftzug fährt uns wie Gletschergruß entgegen. Diese Felsgestaltung der Nadel ist nicht malerisch; denn der Maler wird ihr kaum ein genug bezeichnendes Bild abgewinnen können, aber sie ist seltsam. Jenseits der Nadel steigen wir wieder zum Flusse hinab; wer an dem schmalen Pfade der Wand nicht mehr länger hinklettern will, der watet durch das Nasser, wie sich hier überhaupt der Weg in der Sann gänzlich zu verlieren droht. Aber da Di? Nadel. Vas Gehr der Nadel. hinten wohnen auch noch Menschen, und nach einer weiteren Stunde Wildniß sehen wir die Spitze des Pfarrthurmes von Sulzbach. Wir eilen dem Pfarrhofe zu — begrüßen in dem geistlichen Herrn den Touristenvater der Gegend, der uns gerne in Allem mit Rath und That bci-springt. Kehren dann aber beim Meßner ein, wo wir gut aufgehoben sind. Sulzbach liegt in die Alpenwildniß wie eingemauert. Dort im Norden steht die Oushova mit ihren Felsenhöhlen, den „Nekrutenlöchern". Südlich ragt das Vorgebirge der Eherbina und die Oistrizza. Oestlich trotzt zerfurcht und zerklüftet die ungeheure Raducha — im Mondlichte gesehen, wie sie dastehend in ihrem faltigen Eilbertalare — ein Niescnpriester, um im Schweigen der Einsamkeit dem Herrn der Welt sein Opfer zu bringen. Gegen Westen gähnen die Hochschluchten, durch welche ;6« 70 Zteiermark. Zulzbach. die Sann hernieder kommt, und durch welche man hinüber nach Körnten gelangen kann. — Sulzbach mit Allem, was dazugehört, zählt an die achtzig Häuser; die Pfarrkirche, welche auf einer Anhöhe steht, ist der Mutter Gottes geweiht, als der Beschützerin dieses von der Welt losgetrennten, von drohenden Fclsmassen beengten Alpenthales. Nnter Friedrich II. von Cilli — der Fehde hatte mit Kaiser Friedrich IV. — war Sulzbach die Schatzkammer des Grafen, der all seine Kostbarkeiten in diese damals fast unzugängliche Wildniß schaffen ließ. Hoch im Gebirge, hinter schroffen Felsen oben steht ein großer Bauernhof, beim „Knez", so viel wie Fürst oder Graf geheißen. Hier sollen gräfliche Flüchtlinge aus dem Geschlechte der Cillier gewohnt haben, um sich vor ihren Feinden zu verbergen, oder wohl auch des Hochwilds wegen. Jedenfalls haben die Grafen von (Mi znr Urbarmachung des Thales und zur Erbauung der zwei Kirchen das Meiste beigetragen. Auf dem kleinen Kirchhofe steht die alte St. Annakapelle, unter deren Fußboden man im Jahre 1848 einen fehr großen Leichnam fand. Es sind in Sulzbach überhaupt Todtenkövfe von ganz ungewöhnlicher Größe zu sehen, die uns von der Niesenhaftigkeit eines alten Geschlechtes erzählen, das hier gewohnt haben muß. Außer der Pfarrkirche steht im Thale auch noch die Kirche zum heiligen Geist, von welcher uns der harmonische Klang der drei Glocken freundlich grüßt. Diese Kirche, so entlegen und hoch sie auch im Gebirge steht, soll gar von einem Bischof wnsecrirt worden sein. Unweit ist auch eine Quelle, aus welcher „Weihwasser" fließt. Ein Bischof auf der Wanderung soll einst daselbst gerastet, sich am Wasser gelabt und dasselbe für ewige Zeiten geweiht haben. — Von den Sulzbachern kam bis vor kurz selten Einer über die Nadel hinaus; die Leute bildeten sich auf diese Abgeschlossenheit auch gar nicht wenig ein. Als daznmal die Franzosen in Eteiermark gewesen, hörten die guten Sulzbacher erst davon, als sie schon längst wieder abgezogen waren. — Und käme es drauf an: etliche gute Die unterstcirische Schweiz. 7! Schützen am Engpaß dor Nadel halten ein ganzes Heer auf. — Im Dorfe sieht man gewöhnlich nur Greise und Kinder; die Mannbaren sind in den Holzschlägen, auf den Halden, von welchen des Abends die Kühe glockend herab-kommen, um vor den Häusern gemolken zu werden — oder treiben sich als Gemsjäger auf den Klippen der Oistrizza, auf den Zacken der Rinka umher. Die Leute hier sterben an Altersschwäche oder an einem Sturz in den Abgrund. Die Burschen sehen in ihren Filzhüten mit Hahnenfedern und niedergebogenen Krempen verwegen aus. Die „Gartenlaube" brachte in ihrem Jahrgange 1865 ein sehr wenig schmeichelhaftes Kapitel über das Sulzbacherthal; cs nannte dieses „die größte Näuberburg Deutschlands". Alle Soldatenflüchtlinge der weiten Umgebnngen hätten sich nach Sulzbach gezogen, dort anfangs vom Wildern gelebt; die Sulzbacher hätten gar keinen Gendarmen und keinen kaiserlichen Beamten zu sich hineingelassen, die herkömmlichen Steuern jedoch regelmäßig an die Behörde abgeliefert. Bald wäre das zusammengelaufene Gesindel aber aus der Felsenburg hervorgebrochen, hätte in Kärnten, Kram und Steiermark geraubt und geplündert und selbst die Rcichsstraßc zwischen Wien und Trieft nicht geschont. Im Jahre 1848 wären sie endlich in mächtigen, wohlorganisirten Banden in die Nachbarländer eingefallen, eroberten z. B. Vleiburg in Kärnten mit seinen zwei Gerichten und eintausend Bewohnern. Da bestürmte man Sulzbach im Jahre 1852 von der steirischen und kärntnerischen Seite mit Militärmacht. Viele wurdeu gefangen; andere verkrochen sich hoch an den Wänden in die Höhlen nnd Spalten, wo sie aber bald von Hunger und Kälte besiegt wnrden. So erzählt Dr. Friedrich Hoffmann in der „Gartenlaube"; so war es aber nicht. Eine zehntägige Belagerung Sulzbachs im genannten Jahre fand allerdings statt; das jedoch nnr, weil Vauernburschc von Sulzbach drei Gendarmen mißhandelten, die in der Gegend herumgezogen waren, um paßlose Individuen aufzuspüren. Solche Individuen, und besonders Militärflüchtlingc mögen in Sulzbach, wie zu jener Zeit allerorts im Gebirge, wohl vorgekommen sein — aber die romantische Geschichte von den Nünberbanden ist erfunden. Die Lentc dieser Gegend sind meist gutmüthig und redlich; gleichwohl ihre Abgeschlossenheit von der Welt auch Mißtrauen, Aberglauben und Verstocktheit zur Folge haben muß. Dieses Sulzbach wäre eine snicht von des Gedankens Blässe modernen Lebens angekränkelte) Idylle aus alter Zeit, wenn nicht das arme, kummer- und mühevolle Leben die Poesie zerstörte. Die Felsen engen den Blick ein und leiten ihn gegen Himmel, wo diese armen Menschen einst zu wohnen hoffen, wo es keine wilden Berge mehr gibt, wo ein sonniger Rosengarten blüht, ähnlich dem lieblichen Gelände, auf dem die Cilli-Stadt steht, und das Einer oder der Andere in seinem Leben einmal schon gesehen hat. Als ein bedeutendes Kulturelement für Sulzbach erscheint die allgemeine Wehrpflicht. Die männliche Jugend dieses schönen, kräftigen Menschenschlages wird fast durchgehends tanglich befnnden. Als Soldat kommt der Jüngling in die Fremde, verliert seine Vorurtheile, lernt in° der Regel deutsch lesen und schreiben und kommt nach wenigen Jahren als neuer Mensch znrück. — Wie das Fremdenbuch iu Sulzbach erzählt, sind Fremde jeden Standes, Damen und Herren, sogar aus England und Schottland schon dagewesen. Und da sich die Alpenvercine mm um diesen neuentdeckten Tonristenwinkel annehmen, so geht Snlzbach einer guten Zukunft entgegen. Im Angcsichte der Naturwunder, die in diesen: Gebirge das Menschengemüth zutiefst erschauern machen und zugleich erquicken und erheben, hat der Dichter I. G. Seidl das humorvolle und ergreifende Lied gesungen: „Weil du ein Weib dich nennst, Natur, So sollt' ich dir wohl schmeicheln, Und dir mit zarten Fingern nur Die Wange kosend streicheln! Ich soll dir saqen, daß du zart Und lieblich bist uor Allen! Nicht wahr, so mags nach Dichterart, Dir, Eitle, Wohlgefallen?! Doch nein, Natur, hier bist du's nicht, Nicht zart, nicht mild, wie Frauen! Ein Amazonenangesicht Zeigst du uns hier, voll Grauen! In deinem Zorne stehst du da, Mit herrschend stolzen Blicken, Daß, wer dir in das Auge sah. Sich muß in Demuth bücken. Doch edel ist dein Zorn und groß. Gepaart mit milder Schonung; Und also wandl' ich schreckenlos In deiner Schauerwohnung. 72 Steiermark. Wem um eine wissenschaftliche und ausführliche Beschreibung dieses herrlichen Alpcn-winkels zu thun ist, dem ist das neue Wert: „Die Sannthaler Alpen" von I. Frischauf anzurathen. Wir müssen rasch weiter eilen, denn unser Weg ist noch weit. Togerthal mit Gistrizzaspitze. Hinter Sulzbach haben wir einen schauerlichen Engpaß Zu durchwandern. Gestein und wirres Gefalle überall. Der Fußsteig springt, seinen Raum ängstlich snchend, auf zehn Stegen von einem Ufer zum andern. Plötzlich treten wir nun in ein schönes, üppiggrünes Thal, umstanden von den herrlichsten Bergen: das Logerthal. Hier steht ein stattliches Bauerngut, der Logerbauer, von welchem das Thal den Namen hat. Neben dem Gehöfte bricht, vom Schatten alter Erlen bedeckt, unter einem Felsblucke die Sann hervor, deren klares, eiskaltes Wasser nicht größer als ein Mühlbach durch die An fließt. Das ist aber nur der Sann Wiedergeburt. Wer zu ihren: Ursprünge will, der muß am westlichen, urwaldgekrönten Felsenwall hinantlettern, und dieß führt ihn vor das großartigste Felsgebiet der ganzen Alpenwelt. Aus grünem Vorhang von Matten und Waldhügeln baut sich ein Amphitheater von Felsen empor, so riesig, so gestaltenreich und hoch - ein Thron Gottes. — Dieser Anblick ist Tagreisen, Mühen und Gefahren werth. — Durch Hochwald arbeitet man sich empor zu einer Uebersicht. Nach fast drei Stunden beschwerlichen Steigens stehen wir vor der Felswand Okrcschcl, von welcher eine etwa 50 Fnß hohe Cascade niederstürzt. Es ist die Sann, welche hier geboren den Eisschluchtcn und dem Herzen der Ninka entspringt. Hier überschauen wir die ganze erhabene Gruppe des Sulzbacher Hochgebirges, überschauen weite Theile von Steiermark, Kärntm und Kram und sehen keinen Ausgang mehr. Die Ushava, die Veliki Verh, die Skuta drohen, die Oistrizza zeigt uns finster ihr Doppelhaupt; die Pyramiden und Kronenzacken des Kottchnagebirgs starren uns an; aber Alles überstrahlt die Hohheit und Pracht der 9000 Fuß hohen Ninka - die felszcrrissene, schnecdurchfurchte Gigantin, die Königin dieser Berge. Auf der Rinka laufen die Grenzspitzen von Steiermark, Kärnten und Kram zusammen. Ihr höchster Punkt soll noch nicht bestiegen worden sein — einer der wenigen Berge der Erde, von welchen man das sagen kann. Gin Gemsjäger ging eines Morgens mit der Absicht aus, die Ninkaspitze zu besteigen — ist aber nicht mehr zurückgekommen. Rmkafall, von Richard püttner. Wanderungen im Tande der IVenden. 75 Wir scheiden nun von dieser schreckhaften Größe und sagen nicht: Gott schütze dich! Oder sollten auch noch solche Herrlichkeiten der Hut Gottes bedürftig sein? — Und wenu die Berge stürzen und die Felsen brechen, so wird in was immer für einer Gestalt uns die Herrlichkeit und Größe nur noch bedeutsamer, denn nicht die Form allein ist es, die uns in den Naturschönheiten packt, erschüttert und erhebt; es ist die Kraft, es sind die Gewalten, die uns berücken, weil aus ihnen die Erscheinungen hervorgehen. Wir schließen uns der jungen Tochter der Rinka an und eilen zu Thale und suchen den Rückweg. — Nach Leutschdorf zurückgekehrt haben wir das Gefühl, als ob wir einem großartigen, eines gefangenen Gottes würdigen Kerker entronnen wären. Der Herr Pfarrer von Leutschach läßt uns gerne sein Nößlein satteln, um bis Laufen zu reiten und von dort aus auf einem Steirerwägelchen der uralten Stadt Cilli zuzufahren. Wanderungen im 3ande der IDenden. H?ie uns die freie Weite wohl thut! Wir sehen wieder Gärten und Reben, Schlüsser und Ruinen — und das düstere Gethürme der Sulzbacher Alpen ist weit zurückgeblieben. Wir wandern einen Tag lang durch Dörfer und Märkte; Rö'mcrsteine und eine finstere Burg um die andere erzählen von bedeutsamer Vergangenheit dieser Gelände. Die Cillier Grafen sind überall noch zu spüren; freilich stürzen nun, unbekümmert von der heutigen Welt, ihrer Vnrgen letzte bald in den Schutt. Hingegen hämmern an der Sann fleißige Gewerke, und hinter dem Markte Sachsenfeld trägt uns ein Ruin? Mlicr Cilli. sanfter Ost den fernen Pfiff des Dampfrosses entgegen. Wir sehen schon die Vurg und die Thürme von Mi -die erste größere Stadt in Steiermark (mit 4450 Einwohnern), in welche wir nun — da wir fast zwei Drittheile unseres Weges zurückgelegt haben — einziehen. (Mi, das alte Celle, oder wie es die Römer nannten, die Colonia Claudia Celcja, ist der Hauptort der unteren Steiermark. Die Stadt liegt in einem von Wald- und Weingärtenhügeln umgebenen, schönen Thale, am Ufer der Sann. Auf den Höhen freundliche Landhäuser und Kirchen. Die Gtadt ist trotz ihres Alters jugendlich heiter und freundlich, hat breite Straßen mit hübschen Gebäuden und Stadtmauern mit großen, runden Eckthürmen. Eine alte Chronik erzählt auö deu schönen Zeiten von (Mi: „da waren auch die edlisten und mäblein < marmorne) türen und pallasten wundcrleich yepaut, daß die selbig stat billeich die ander Troja war geheissen." 14W waren die Türken da, doch Georg von Herberstein ließ sie nicht in die Stadt. In der Pfarrkirche ist ein schöner Marmor-altar; vor allem sehcnswerth ist die alte Kapelle an derselben, eines der schönsten Baudenkmale. Das im Jahre 1370 gestiftete Minoritenkloster dient heute zum Theile als Zinswohnung, den andern Theil bildet die deutsche Kirche. 59' ?4 Tteiermark. In dieser Kirche bewahrt man achtzehn Schädel der Cillier Grafen. Daß Cilli sehr alt ist, beweisen zahlreiche Alterthümer, die man hier fand nnd immer noch findet; viele derselben sind im Ioanneum zu Graz aufbewahrt. Die röinischen Kloaken, welche die Stadt unter der Erde it, allen Richtungen durchkreuzen, werden noch jetzt zu Kanälen benutzt. Im Norden der heutigen Stadt hat ein Iupitertempel gestanden. Am 12. Oktober 28:j ^ man weiß den Tag noch ganz genau! ^ ist hier der heilige Bischof Maximilian sein Cillier) enthauptet worden, weil er dem Mars nicht opfern wollte. „Auf der Stelle, wo sein Haupt hinfiel, sprndelte von dem Augenblicke an eine Quelle hervor", über welcher heute eine Kapelle steht, zu der viel Volk herankommt, weil es ans Wunder glaubt und das Wasser also heilsam ist. Viel zn leiden hatte Eilli in den wilden Zeiten der Völkerwanderung, aber zertreten ließ es sich niemals. — Auf dem Schloßberge, der sich unterhalb der Stadt scharf vorschiebt nnd das Sannthal plötzlich einengt, ragt das weitläufige und vielgestaltige Gemäuer der Ruine Ober-Eilli. Ueber Schuttgcrölle treten wir in den Burghof; die Mauern sind eingesponnen von Epheu. Oestlich erhebt sich in gewaltiger, viereckiger Masse der Friedrichsthurm, in welchem Kaiser Friedrich, verfolgt von seinen Mitbewerbern um das Erbe, sich verbarg. Alles Andere ist gar sehr zerfallen, „Ein Trümmerwerk, an dem Aernichtnng nagt, Gewaltige Pfeiler, Niesenrippen gleich, Erwarten einzeln ihren Todesstreich; Nnd Manern fragen, winklig, schroff und dick, Uni ihren vorigen Zweck des Wand'rer5 Blick. Hier einer Treppe Sanm, dort ein Gemach, Wo bald ein Herz nnd bald ein Becher brach; Hier noch ein Hof, wo manch ein Schwerthieb klang, Jetzt wuchert Grau den Waffenplatz entlang; Dort, wo der Zelter kampfbegierig stand, Oin Frnchtfeld jetzt, gepflanzt uon karger Hand." Inmitten dieser Trümmer mag man sich erinnern, daß hier die Burg gestanden, die vor Zeiten der Mittelpunkt jener siebzig Herrschaften gewesen ^ zerstreut in füuf Ländern — über welche einst der letzte Cillier gebot. Sie alle haben, soferne sie nicht vom Erdboden verschwunden sind, andere Herren erhalten; die Nuine Ober-Cilli aber wnrde eines freien Bauers freies Eigen. — Lange Jahre hindurch hat das mächtige Dynastengeschlecht in Steiermark geherrscht, wie es im ganzen Innerösterreich vielleicht sonst keinem mehr gelungen war. Es stieg durch Gunst und Glück zur hohen Macht; aber auf dem Gipfel angelangt, war ein jähes Stürzen nnd Verlöschen. — Das Geschlecht, aus dein Hause der Freien von Sanneck stammend, wurde 1341 zu Grafen von Cilli erhoben. Es ist reich an Romantik. Eine Tochter dieser Grafen war 1402 Königin von Polen. Unter den Cillieru kennt die Geschichte anch ein gar berüchtigtes Weib, die schöne Barbara, deren Gemahl niemand geringerer war, als Kaiser Sigismund. Aber die schöne, glänzende Frau hat es mit der ehelichen Treue nicht sonderlich genau genommen und in ihren späteren Jahren hat sie gar Himmel und Hölle geleugnet ^ fasten und beten sei albern, angenehm zn leben und die Freuden der Welt zn genießen sei der Menschen einziges Ziel, denn mit dein Sterben des Leibes sei auch die Seele todt. — Das waren die Grundsätze dieses einen Weibes im fünfzehnten Jahrhundert. Und sie lebte darnach — da hat sie ihr Gemahl von sich gewiesen. — Ein ähnlicher Charakter mochte ihr Bruder Friedrich gewesen sein. Unter den Dienstfränlein seiner Gemahlin war die Tochter eines armen, kroatischen Edelmannes — Veronika von Teschenitz. Sie war reizend, Graf Friedrich sah, sie war schöner als seine Gattin. Und eines Morgens ist die Gräfin todt im Ehbette gefunden worden. Untersuchungsrichter, wie heute, gab es damals nicht, und Graf Friedrich vermählte sich mit der schönen Veronika. Friedrichs Vater aber war gar adelsstolz und wollte nicht, daß das Blut der Cillicr gemischt werde mit dein armen, unberühmten kroatischen Geschlechte. Er ließ Veronika bei Abwesenheit ihres Gemahls, den zur Zeit Kaiser Eigismund in Ungarn gefangen hielt, hart verfolgen, sie floh und irrte Cilli. von Richarö ^üttner. Wanderungen im Tande der wenden. ?5 schutzlos in den Wäldern. Bei Pettau wurde sie von den gräflichen Spähern aufgegriffen. Der Altgraf wollte sie als Hexe verurtheilen lassen, die das Herz seines Sohnes verblendet und vergiftet habe, aber die Nichter gingen nicht darauf ein, und so blieb dem Tyrannen nichts übrig, als seine Schwiegertochter selbst aus dem Leben zu schaffen. In seinem Schlosse Osterwitz, wo sie nach der Chronik lange „ungessen und ungetrunken" lag, wurde sie im Bade erstickt. Derlei erzählt sich die böse Welt freilich lieber, als die vielen Verdienste, die sich die Cillier um Land und Staat erworben hatten, und wofür Friedrich von Cilli, Veronikas Gatte, gefürstet wurde. Von nun an übten die Cillier fürstliche Gewalt in ihrem Gebiete und schrieben sich „Von Gottes Gnaden". Bald jedoch gab es Fehden zwischen den Cilliern und dem Landesfürsten und den Mächtigen von Oesterreich, Ungarn und Böhmen, bis eines Tages Ulrich von Cilli, „ein Recke mit blutunterlaufenen Augen, wollüstig und ohne Treu und Glauben, ein Heuchler und Betrüger, würdig seiner Tante, der Kaiserin Barbara", von seinem Feinde, dem Ungarn Ladislnus Hunyady im Zwcikampf ermordet wurde. Das war der letzte Cillier; das Land wurde von nun als windische Mark zu Oesterreich geschlagen. — Das düstere Denkmal dieses düsteren Geschlechtes, die Burg Ober-Cilli, hat in neuester Zeit die steirische Landschaft käuflich an sich gebracht. Weitere Merkwürdigkeiten hat Cilli nicht, man müßte nur des „Wasserthors" gedenken, das so wunderbar akustisch gebaut ist, daß ein an der einen Ecke geflüstertes Wort dem an der andern Ecke Horchenden als schallende Rede ertönt. — Wir wollen uns nun aber nach all den Anstrengungen auf unserer Wanderung durch Wildnisse in Natur und Geschichte in einem guten Hotel dieser Stadt einmal gründlich gut thun, um hernach mit der Südbahn unsere Sann bis zur Grenze und ihren Eintritt in die Save zu begleiten. An den engzusammmgetretmen Bergen, die oft kaum Fluß, Eisenbahn und Straße zwischen sich durchlassen, grünen dichte Buchenwälder. Wir kommen zum Markte Tüffcr, in welchem an Kirche und Pfarrhof die Templer zu verspüren sind. Dem hübsch angelegten Bade Tüffer folgt bald die Station Römerbad, stets von vielen Sommergästen besucht. Dieses Warmbad haben schon die Römer genossen, wie zwei Inschriften verkünden. Eine kleine Stunde unter Römerbad gelangen wir zu den ungeheuren Echuttmassen des gewaltigen Bergsturzes, welcher sich am I li. und 18. Januar 1877 ereignet hat. Vom Berge Plesche nieder, links an der Eisenbahn, lösten sich in der thauenden Wintcrnacht große Erdmassen und begruben drei Bauernhäuser und zwölf Menschen. Ich habe die Katastrophe von einem dabei betheiligten Deutschen folgendermaßen erzählen gehört: „Gegen vier Uhr in der Nacht mags gewesen sein, da weckt mich ein Fensterklirren. Na, denk^ ich, Lumpen, jetzt werfen sie mir die Fenster ein. Aber gleich sehe ich, wie mir Steine und Erden in die Stube fahren und das ganze Häusel kracht. Jesus, denk' ich, was ist das? Lauf' hinaus und hör' das Brausen vom Berg herab. Leut', schrei ich zum Nachbar hinein, laufts geschwind aus! was es ist, das weiß ich nicht, aber es fallen die Häuser um, das obere Haus ist schon weg. — Gleich fahren sie aus dein Schlaf. Nach dem Gewand greifen ist allzuspät, mit dem nackten Leben springen wir in die finstere Nacht hinaus. Da krachts hinter uns, daß es ein Graus ist. — Sonst weiß ich selber nichts. Und wie wirs beim Licht anschauen, sehen wir, 's ist alles hin, kein Haus und keine Maus ist davongekommen. Gemeint hab' ich hell, der jüngste Tag ist da. — Seit etlichen Monaten ist der Brunnen allsgeblieben da oben an der Lehn; und dieses Wasser, sagen sie, hätte den Berg aufgeweicht. - Aber warum ist der Brunnen ausgeblieben? Weil eitie alte Bettlerin ills Dorf gekommen ist, der man einen frischen Trunk Wasser abgeschlagen hat, um den sie gebeten. Deswegen das Unglück." So der erste Sturz. Mit dem Ausgraben der Unglücklichen beschäftigt, wurden die Leute aber voll neuen ungeheuren Vergmassen überrascht, welche von der steilen Mulde niederbrausten, Straße und Eisenbahn zerstörten lind der tobenden Sann den Lauf verlegten. Sogleich hub sich ein großer See zu bilden an, der bis Römerbad zu wachsen drohte und Häuser und Fabriken unter Wasser setzte. Nach einer vielstündigen, angestrengten Arbeit gelang es dem herbeigeholten Militär, den Schuttwall durchzustechen. Wochenlang arbeiteten Hunderte an der Regulirung des Flusses, 76 Zteiermark. ^tembrück. an der Wiederherstellung der Eisenbahn und der Straße. Aber die Spuren dieser Katastrophe werden unvergänglich sein. Da man die Leichen der zwölf Verschütteten nicht fand, so ist der Echutthügel durch ciue kirchliche Einsegnung zum Friedhofe gemacht worden, wohl des Landes eigenartigster Friedhof, über welchen der mächtige Fluß aus den Sulzbacher Alpen und die bedeutendste Verkehrsader des Reiches ihren Lauf nehmen. Fünfzehn Minuten unterhalb dieser Stätte ist zwischen steilen Bergen und Felsen die Grenzstation Steindruck. Die Bahn geht nach Kram; von diesem Lande rinnt die Save heraus, die nimmt die Sann zu sich, um sie und sich selbst tief unten an Serbien, am Fuße der Festung Belgrad in die Donau zu ergießen. Vom Semmering bis Steinbrück fährt der Wien-Triester Eilzug durch die ganze östliche Länge der Steiermark nur sechs Stunden; ein Weg, den wir, freilich mit manchen Kreuz- und Krummzügen, nun zurücknehmen wollen. Vom Semmering bis zum Dachstein zogen wir westlich, vom Dachstein bis zur Sann südlich, um nun den heimischen Strichen des Nordens wieder zuzustreben. Um zuvor noch einen fruchtbaren Blick ins schöne Land der Wenden zu thun, achte ich es für gut, daß wir einen Berg suchen, der leicht zu besteigen ist und eine schöne Fernsicht bietet. Eine solche Höhe ist der Donatiberg, scholl an und für sich so interessant, daß wir ihn nicht hätten unerwähnt lassen dürfen. Wir fahren über Cilli zurück bis zur Station Pöltschach und zweigen von dort nach dem berühmten Bade Rohitsch Sauerbrunn ab, das drei Stunden von der Eisenbahn östlich ^ an der kroatischen Grenze liegt. Gar viele schon haben Gesundheit getrunken an den sauren Quellen und alle Welt trinkt Wasser aus der schönen, waldreichen Bergschlucht, südlich des Notsch. Ueber eine Million Sauerbrunnflaschen werden von Nohitsch Sauerbrunn aus nach allen Gegenden hin verschickt. Von diesem stattlichen, mit Luxus ausgestatteten Badeort (Graf Ferdinand von Attems hat ihn gegründet) aus besteigen wir den nahen Donatiberg. Der ist lange nicht 3000 Fuß hoch ^ ein Zwerglein im Verhältniß zum Dachstein und der Ninka; aber im Hügelland spielt er doch einen Herrn. Er ist auffallend genug und zeigt jeder Gegend ein anderes Gesicht. Wer von Norden über das Pettauerfeld hcranfährt, der sieht hoch über den Weinbergen von Marau und Neustift einen langen, dreihöckcrigen Sattel blauen — es ist der Donatiberg. Wer von den ungarischen Drauniederungen naht, der wird als Vorboten der tarnischen Alpen einen rauhen scharf emporsteigenden Kegel vor sich sehen, den ersten Berg mit deutschem Namen, den Donatiberg. Wer die Straße von Agram kommt, Wanderungen im Tande der wenden. 7? dem stellt sich eine wilddurchfurchte Kalkwand entgegen ^- der Donatiberg, llnd nier in einer Buchenlaube des Bades Eaucrbrunn ruht, dein bangt anfangs vielleicht vor der wilden schreckhaft scharfen Spitze, die ganz nahe dort wie ein ungeheurer Römerspeer in den Himmel hineinsticht. Aber er wird — ist er ein Fremder ^ bald fragen, ob diese seltsame, grünbewachsene Pyramide denn nicht besteigbar ist, und man wird ihm zur Antwort geben: „Nichts leichter als das." Der Aufstieg ist in der That leicht. Zwischen Garten' und Wiesenwegen, bevor man zum eigentlichen Berg kommt, der so wild aussieht, gehts noch am steilsten. Von der b'insattlung, die den Berg westlich mit dem Wotsch verbindet, geht der 3teig in neunzehn Schlangenwindungen durch den herrlichen Buchenwald empor. Der Charakter des Urwaldes. Tie nordische Tanne ist hier fremd, sie würde unter den hundertfältigen Umarmungen des Laubgehölzes ersticken, 's ist ein wildes Geschlecht, dieses Laubholz, wenn es nicht erzogen wird. Wie die Bäume hier wachsen, so stehen sie ill ihren riesigen, oft abenteuerlichen Gestalten da; wie sie altersmorsch zusammenbrechen, so liegen die wuchtigsten Strünke hingeworfen am steilen Hang. Und wenn tief unter den Füßen des Wanderers der Wind in den Kronen braust, so ist cs zu hören, wie das'Tosen dos Meeres. Die Flora des Donatibergs ist reich an seltenen Pflanzm, seine Vogelwolt eine Überalls lebendige. Dort in der Buchentrone der Sperber, auf der Felskante der Thurmfalke, in jener hohlen laiche der Steinkauz, die Dohle und die Gstcr nicht weit, sogar Meister Cpecht, der Zimmermann, hackt im Gestämme, dann die Finken, die Ammern, Lerchen, Meisen und Drosseln; der kleinwinzige Zaunkönig, die niedliche Grasmücke und die gefeierte Primadonna Nachtigall. Und das flatterhafte Volk der Wild^ tauben und Waldhühner und so fort in den Reihen, die den Donatibcrg umschwirrcn, umjubeln, umkreischen -^ verfolgend und verfolgt — die meisten beneidet von den Menschen, die wenigsten sich ungetrübt freuend an ihren« Vogeldasein im grünen Walde. Auf die geologischen Zustände habe ich mich nirgends eingelassen, weil ich mit dem Manne im b'oangeliuin wohl gestehen must: graben kann ich nicht und zu betteln schäme ich mich, und ich nicht auch noch unter der Erde das thun will, was im rosigen Lichte nicht ausbleibt, nämlich erzählen, was Andere gesehen, behaupten, was Andere erforscht haben. Doch mag ich wohl sagen, daß auch der Geologe auf dein Donatiborg seine Rechnung finden wird. Auf der Höhe des Berges, wo einst der Heidentempel und dann das Christeutirchlein gestanden war, erhebt sich heute das alpine Wahrzeichen der Touristenwelt, die auf drei 20" 78 Steiermark. !DaIdpartic e der wenden. 81 Ätahlzeiten gibt der Winzer den Nachbarn alls Dallkbarkeit für eine gllte Lese; und das junge Volt tanzt sich die Sohlen von den Fiißen, lind aüerwärts Frohsinn uild helle Lust ^ ullter der trallbeln'eifenden Sonne Homers. — Weit über den Büheln her laichten die Hochschlösser Mureck, Nadkersburg, die Gleichenbergerkegel nüt ihrer Blirg, dann dic stolze feste Nieger^burg, die Pyramide des Kulm bei Weiz, das blaue Band des Nabenwald nnd die hohe Tafel des Grazer Schocket. Gar bis zum Wechsel und zum Schneeberg in ^iiederösterreich dringt der Blick! -'Weiter links in tiefer Ferne dehnen sich die schneegesprenkelten Massen des Hochschwab, dann ziehen die Gleinalpe, die Kor- und Schwanbergeralpen den Grenzwall. Im Westen endlich haben wir das Urwaldgebirge des Bacher und über dasselbe herein schimmert in reinen Morgenstnnden der Glanzpunkt des herrlichen Bildes — niemand geringerer, als die Spitze des Großglockner. -Tann kommen znr linken die schroffen Felshörner des Weitensteinerthales mit seinen murmelnden Bächen, brummenden Waldmühlen und tobeuden Eisenhämmern und mit seinen malerischen Schloßruinen. Dann das alte Seebecken des Schall thalcs mit seinem hohen Ursalaberg, auf welchem eine Wallfahrtskirche steht, die ihren Eingang in Kärnten, ihren Hochaltar aber in Stciermark hat. — Tie hohe Petzen dort weckt uns die Erinnerung an die uralte kärntnerische Ranbfirma: „Meister Petz und Söhne", die in den Waldungen der Petzen ihren Stammsitz hatten. lind endlich kommen, hinter grünen Naldpolstern abenteuerlich aufstrebend die hörnernen Grenzwarten, die Sulzbacheralpeu, mit dem auswärtigen Ehrcnmitgliede im Hintergrund, dem hoch in die Wolken ragenden Terglou. Ueber Eilli zurück fliegt das Auge bis zu den näheren Punkten Süßenberg, Lemberg, Kostreinitz, und allen den schimmernden Ortschaften, die auf grünen Auen ruhen. Bis zu der schattigen Waldschlucht ferner, zur zerstörten Karthause Seiz — der größten Deutschlands. Von Ottokar, dem ersten Traungaucr, wurde sie II."il gegründet; von Josef II. 1781 aufgehoben. Die Gebeine des Stifters und seiner Gemahlin, welche im Kloster ruhten, sind in das Stift Nein bei Graz übertragen worden. Noch finden loir in unserer Nähe am Wotschberg die Kirchen Maria Loretto nnd St. Florian, und auf idyllischem Hochthale die Nikolaitirche, welche der heilige Nikolaus — dem es in dieser Gegend auch gefällt — persönlich heraufgetragen haben soll. Am Fuße des Berges uoch das versteckte Schloß Studcnitz und das alte Nonnenkloster Guadeuprmm, wo man seit hundert Jahren vergebens nach Horatlängen lauscht. Kaiser Josef hat ein rasches Eude gemacht mit allen jenen Klöstern, in welche sich die arbeitsscheuen, feigen und grämigen Kinder der Erde zurückgezogen hatten, um durch Beten und Nichtsthun Gott und den Menschen Genüge zu leisten. Nur jene geistlichen Anstalten, die humanitäre Zwecke verfolgten, als das Lehramt, die Krankenpflege, ließ der große Kaiser bestehen und nahm sie unter seinen Schutz. — Wenn wir endlich noch die zwei »nächtigen aber unbeständigen Bäche sehen, die vom Nordhange des Wotsch niederstürzen, und in welchen oft blinde Forellen von ungewöhnlicher Größe zu Tage kommen ^ so daß man hier einen unterirdischen See vermuthet — so haben wir den großartigen Rundblick auf dein Donatibcrg geschlossen. — Geist und Auge hat sich satt getrunken, nun dürstet vielleicht noch den Gaumen. Setzen wir uns auf den Eteingruud, wo einst der Tempel gestauden, und trinken wir Wein. Wein aus dem Wendenlande, und bringen wir ein Hoch dein gesegneten Boden, auf dem er gewachsen ist. Wir haben uns wieder zur ^üdbahn geschlagen, daß sie uns in einem Stüudchen über das weite Pettauerfeld nach Marburg trage. Bei Pragahof halten wir an und besinnen uus, ob wir auf der ungarischen, hier abzweigenden Bahn nach Budapest nicht einen kleinen Abstecher zu den Magyaren machen wollten. Mit uichten; unser Reisepaß gilt nur für Steiermart. So fahren wir in die zweitgrößte Stadt des Landes ein, in die gute Weinstadt Marburg. Sie liegt zwischen dem Bacher, dein rebenreichen Poßruck und den windischen Büheln, am Ufer der Dräu, die hier gar stattlich und breit ist und so mächtig erscheint, wie etwa die Donan bei Linz. Am Strande des Flusses sehen wir eine Unzahl von kleineren Schiffen und Fahrzeugen aller Art, die aber nur für den lokalen Gebrauch sind. Eine lange .holzbrücke und die massige Eiscnbahubrücke der Südbahn, die hier auch nach Kärnten und Tirol 2^' 82 Steiermark. Dor A^n'l'urg. abzlveigt, führen über dcn Fluß. Marburg nüt seinen zlvei Vorstädten und dm nächstgelegenen Höfen hat bei vier-zehntauscnd Einwohner, lvovon die Mehrzahl aus Deutschen besteht. Der Handel »lit dem vom Vacher kommenden Holzrcichthum, dem hier lvachsendeil Wein und dcn Erzeugnissen der Glas', Leder- und Rosogliofabrikcn ist ein lebhafter. Die Südbahn hat hier eine große Maschinenwerkstatt gebaut und beschäftigt über tausend Arbeiter. Die Stadt ist der Sitz des Bischofs von Lavant, mehrerer Verwaltungs- und Gerichtsbehörden, besitzt mehrere wohlthätige Institute, Kirchen, ein Theater, kurz, ist ein Ort, der sich nicht mehr gerne „Städtchen" schelten läßt. In neuer Zeit hat man den Marburgern nachgesagt, daß sie in ihrer Stadt so vorzügliche Wcinfabriken besäßen; aber ein Weinfest, das sie vor ein paar Jahren angeordnet und zu welchem zahlreiche Gäste erschienen sind, hat die Welt belehrt: Es ist, Gott sei Dank, Naturwein noch in solcher Fülle da, daß es nicht nöthig ist, an Kunstwein zu denken. — Die alte Marburg (Markburg), ein Vesitzthum des Grafen Vrandis, enthält eine werthvolle Gemäldesammlung. — Nördlich von der Stadt auf einem Berglegel stand einst das Schloß Obermarbnrg, das aber gänzlich zerstört ist. Es war der Sitz der Grafen von Marchburg; zweimal wurde es von dcn argen Schaarcn M. Eorvins belagert, hat aber tapfer widcrstandcn. Die Zerstörung der Burg scheint dcr „Türk" auf dem Gewissen zu haben. — Einige reizende Theile der Umgebung laden zu Ausflügen ein. Uns aber entführt die Eisenbahn unter der Erde dnrch dcn Poßruck; ein zweiter Tunnel durchbricht die windischen Bühel und wir sind wieder auf dem Gebiete einer alten Bekannten — der Mur. Sie kommt stets an der Seite der Eisenbahn vom Obcrlande und von Graz herab, biegt aber hier bei Ghrenhausen, nachdem sie noch die Eulm, welche aus dem „steirischcn Paradiese" kommt, auf ihre Achsel genommen hat, nach Mureck und Nadkersberg ab. Wir begrüßen noch den freundlichen Ort Leibnitz, der schon wieder im lieben, deutschen Bereiche liegt, begrüßen in seiner Nähe die alten Mauerrestc, wo erwiesenermaßen das römische Flavium Solva gestanden hat, begrüßen den etwas zerfahrenen Bischofssitz Seckau, der auf einer schönen, waldigen Höhe liegt, und begrüßen endlich das weite Leibnitzcrfeld selbst, wo 152!) die Türke!: geschlagen wurden. Ein Flug über da5 östliche kanb. ' HZ Nun wollen wir auch mich die alte Wohnung des Tycho de Brahe aufsuchen, nänüich das Schloß Ober-Wildon, N'elches nun freilich längst Ruine ist. Der Markt Witdon liegt anmuthig an einenl belvaldeten Bergvor-sprung, lvelcher das breite Thal plötzlich einengt, ja beinahe abschneidet. Hier endet das Lcibnitzerfeld und beginnt das Grazfeld. Von der Hinine Ober Wildon aus würden wir den Grazer Schloßberg sehen; die Landeshauptstadt liegt nicht mehr ferne. Bevor wir aber in ihre gastlichen Mauern einziehen zur fröhlichen Nast, wollen wir noch einen Ansflug machen in die schonen östlichen Theile der mittleren Steiermark, nach dein Bade Gleichenberg, nach der interessanten Niegersburg und in's liebliche Naabthal. Vad Gleichenberg. Ein Flug über das östliche 3and. H?ir übersteigen auf unregelmäßigen Straßen vier Hügelzüge, die sich von Norden nach Süden ziehen, überschreiten die reizenden Wiesenthäler von Kirchbach, St. Stefan und Gnas, dnrchziehen sonnige Haidenfelder, kleine Föhrcnwaldungen und Obstgärten, kommen an zerstreuten Bauernhäusern und Dörfern vorüber, welche den Charakter jener bei Stainz nnd Deutschlandsberg haben, nnd kommen jenem waldigen, zweikuppigen Berg immer näher, an dessen Fuß das Bad Gleichenberg liegt. Dieser in neuester Zeit sehr anfblühendc Badeort liegt in einer mehrfach merkwürdigen Gegend. Den Namen hat das Dorf von dem eben erwähnten Berg mit seinen ziemlich gleichen Spitzen, welche weithin sichtbar sind. Der Berg hat vulkanische Gebilde; anf dem Plateau des östlichen Kogels steht die Hexeneiche, an welcher im siebenzehnten Iahrhnndcrt tolle Hexengelage vorgekommen sein sollen, bei welchen nach Nnssage der Gefolterten feuriger Wein abgezapft worden war. Am südwestlichen Fuße des Berges auf schroffen Felsen liegt die gewaltige Feste Glcichenberg, welche in ihrer gegenwärtigen Gestalt von Max von Trautmannsdorf 1624 hauptsächlich als Bollwerk gegen die Türken erbaut wurde. Schauerlich sind die Gänge, Zwinger nnd Gewölbe, besonders der Hexenthurm, wo manches alte 84 Zteiermark. Weiblcin schmachtete, das als Hexe angeklagt nwrden mid das sich schließlich - selbst für eine Hexe hielt, bis ihm der Prozeß geinacht Gourde. — Die düstere Enge zN'ischeu dm Gleichenbergerkogeln und dem Schloßberg, durch welche der Stcinbach rauscht, heißt die Klause, deren Heilwasser in einer Felscncinfassung in ägyptischein Stile hervorquillt. Hinter der Klause erschließt sich das Thal mit dem Orte Gleichenberg. Die Gegend ist äußerst lieblich; schöne Baum- und Waldgruppen, zwischen denen die stattlichen, geschmackvollen Gebäude des Bades hervorschimmern, beherrscht vou den Zwillingsbergen und ihrer stolzen Burg. Graf Wickcnburg ^- der Vater des Dichters Albrecht Wickenburg — ist der Gründer dieser Anstalt. Der schlichte Greis lebt hente noch inmitten seiner herrlichen Schöpfung, von Einheimischen und Fremden als Wohlthäter geehrt. Seine Villa ist eine der geschmackvollsten nnd liegt auf einem Hügel, von welchem ans man das Leben und Treiben des Brunneustädtchens nnd Knrplatzes gnt übersehen kann. Auf die Veranlassung des Grafen Wickenburg bildete sich im Jahre 18^ eine Gesellschaft zur Emporbringung dieses Ortes, und schon in diesem Jahre wurden über sicbenundneunzigtausend Flaschen Mineralwasser versendet. Außer der Klausner Quelle sprudeln hier noch die Eonstantins-SauerPielle unter einem tempelartigen Brunnenhause und mehrere andere, gleichartig mit dem Selterwasser.' Weiter südlich ist der Iohanuesbrunnen, dein Erzherzog Johann zu Ehren so genannt, den früheren an Gehalt sehr ähnlich. Die ganze Anstalt ist wie ein großer Part mit prächtigen Anlagen , niedlichen Villen und herrlichen Fernsichten ^ umhaucht von eiuem milden, gesunden Klima. Auf einer Anhöhe ragt die neue in Mc^ imch 3chloß Gleichenberg. byzantinischen! Stile gebaute Kirche mit schönen Statuen und Gemälden. Im Parke auf einem dichtbewaldeten Hügel steht die Waldkapelle, mit Fichtcnrinde bekleidet. Das ist ein stilles Heiligthum inmitten des rauschenden Badeortes; und während dort am Tempel der Eonstantinsguelle die Bademusik klingt, oder im Theater eine lustige Komödie gespielt wird, oder im Knrsalon der Neigen eines Elite-ballcs schimmert, brennen hier in der stillen Waldkapelle sechs Kerzen vor dem Frauenbildc, und eine schwarz-verschleierte Beterin kniet davor. Eine junge Wittwe vielleicht, der man gerathen hat, zur Zerstreuung und Kräftigung ins Bad zn gehen, und die sich hier mitten im Lustgarten der Welt einsamer und verlassener fühlt als anderswo — weil ihr das Lachen dcs Lebens ein Hohn ist, seitdem der Einzige sein Auge schloß. Maria mit dem Schwerte in der Brust ist ihre einzige Freundin. Von den Gesimsen der Villen rufen uns sinnreiche Sprüche zn, uns des Lebens zu freuen nnd der Schönheiten dieses herrlichen Landes, die reichen Gaben, welche die Natur hier bietet, mit Maß und Ziel zu genießen und das unermeßliche Gut der Gesundheit zu wahren. — Ausgegrabene Nömersteine zeigen, daß es schon den Alten hier gefiel, wie es den Neuen hier gefällt. An. dreitausend Badegäste und mehr besuchen alljährlich Gleichenberg; das nahe Ungarland besonders schickt viele seiner brüst- und unterleibsleidenden Söhne und Töchter in die deutsche Heilanstalt, die auch mancher Gesunde gerne aufsucht, um bei städtischen, Comfort die lieben Naturschönheiten zu genießen. Auf herrlicher Straße durch die schattenkühle Klause gegen Norden erreichen loir in zwei Stunden den Markt Feldbach im Naabthale, an der ungarischen Westbahn. Feldbach war einmal eine Stadt, wie heute noch die Neste der Thürme und Ningmaucrn zeigen. Auf dem Platze findet mail noch den „reisenden" Metzen, ein durchlöchertes Gemäß, in welchem nach einer alten Gerechtsame auf Getreidemärtten das Getreide öffentlich geinessen wurde, während Ein Flug übcr das östliche (and. 85 Vie Riegersblirg. cin Theil unterhalb dllrchfiel. Dieser Theil gehörte der Stadt. Die Kirche ist festungsartig geballt. Solche Kirchenkastelle kommen in der östlichen Eteierniark nicht selten vor, sie dienten zur Aufnahme der Landbevölkerung und ihrer Habe bei Anfällen der Türken, die Etyrias grüne Fluren unglaublich oft heimsuchten nnd mit Blnt und Feuer rötheten. ^ Am ^.September 1K75 bewegte sich ein trauriger Zug aus den Thoren der Stadt. Der Mittelpunkt desselben waren vier Hexen: die Pflegerin von der Riegersburg, das Weib des Thorwarts daselbst, eine Schneidersfran und eine anmuthsreiche Jungfrau, allerwärts genannt das schöne Mädchen von Feldbach. Seit Monaten waren sie schon scharf befragt worden, mit Ausnahme des Mädchens, das wohl die Richter selbst ein wenig behext haben mochte. Mit dem Teufel sollen sie ein unerlaubtes Verhältniß gehabt haben; Wetter machen, Hostien schänden war eingestandener Maßen ihre Profession gewesen. — Die vier Weibsbilder wurden durch das Schwert hingerichtet und ihre Leiber dann auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Das war eines der lelzten Hexenfeuer in Steiermark, und der Rauch davon trübt noch heute den Himmel über Fcldbach. Partie von dcr Riegersburg. Wir eilen rasch über die nördliche Berghohe, stehen aber plötzlich vor einer gewaltigen Feste, welche auf. einem schroffen Felsenberge steht und weit ins Hügelland hinausleuchtet: der Niegcrsburg. Von Ferne sieht dieser Berg wüst und hoch und die Vurg fast glorreich aus; in der ganzen mittleren Steiermark 22' H6 öteiermark. erblickt man über dem Hügellande die blauende Kante der Riegersburg scharf in die Luft ragen. Aber je näher man kommt, desto mehr scheint der Fels an Höhe zu verlieren, und der Markt Riegersberg klettert an einer Seite weit hinauf, fast bis zn dein ersten dcr sieben Thüre. Die Kirche mit einigen schönen Bildern nnd Grabmälern steht auf halber Vergeshöhe. Nach einem aufgefundenen Nömcrstein war die Felsenburg schon von del: Römern befestigt; die Wugen der Völkerwanderung mögen an dieser Feste wild aufgezischt haben. Im dreizehnten Jahrhundert war sie das treue Asyl der Agnes von Meran, Gemahlin des letzten Vabenbcrgers. Eigentlich zwei Burgen ragen mit all ihren Gebäuden wie eine kleine Stadt auf dein Felscnberg; Lichtenegg heißt die eine, Kronegg die andere. Sie soll einst zweien feindlichen Brüdern gehört haben, wovon der Lichtencggcr dem Kronegger den Ausgang verweigerte, so daß letzterer in der hohen, fast senkrechten Wand einen Steig nach dein Thale aushanen lassen mußte, der heute noch zu sehen ist. In ihrer jetzigen Gestalt wurde die Burg 1613 von der Freiin Elisabeth von Galler, genannt die schlimme Liesel, vollendet. Gefangene Türken mußten die Steine herbeischaffen und die Mauern aufführen zum Schutzwall gegen ihre Landsleute. Die „Gallerin" war eine gar resolute Frau, hatte den Bau selbst geleitet, dann aber auch eingestanden und schriftlich auf der Burg hinterlassen, daß das „pauen fil kost". Ein breiter, durch die Felsen gebrochener Fahrweg führt durch die sieben Thore, deren drei erste zur allgemeinen Befestigung dienten. Das vierte führt zur besonderen Abtheilung Lichtenegg, deren Stelle jetzt zwischen Trümmern ein Küchengarten einnimmt. Ueber gewaltige Zugbrücken kommt man zu dem mit Wappen reich verzierten sechsten und siebenten Thor, durch welche man in das noch bewohnte hundertfensterige Schloß Kroncgg gelangt. In eiuem der Höfe fiudet sich ein tiefer Ziehbrunnen, der mit einem reichverzierten, eisernen Bogen überspannt ist, auf welchen der Pförtner jeden Fremden anfmerksam macht und ihn einladet, mit den Angen das Hufeisen zu suchen, welches zwischen dem eisernen Schling- und Vlätterwerke angebracht ist und das Zeichen sein soll, daß ein Hufschmied mit freier Hand diese kunstvolle Arbeit hergestellt hat. Eine Rüstkammer, reich an alten Waffen, ein großer Rittersaal mit alten Bildnissen bietet Interessantes. Im Rittersaale erzählt eine Inschrift: „Ano 1035 denn tt. April hat sich das Saufen angehebt und alle Tag ein Rausch geben bis auf den ^6. detto." Im Rittersaale prangt auch das anmuthige Bild der „Hexe von Riegersburg", welche zu Feldbach verbrannt worden ist, weil sie, wie unser Schloßwart erzählt, im Winter frische Blumen gehabt hatte. — Wem derlei Erinnerungen nicht behagen, der blicke zu den Fenstern hinans in die liebe, freundliche Natur. Er übersteht von diesem nur 1515 Fuß hohen Felsenberg einen Flächenraum von hundert Geviertmeilen, und aus jeder Fensterreiho eine andere Weltgegcnd. Das Bild dieser herrlichen Burg erinnert in etwas an Hochosterwitz m Kärnten, aber die Riegersbnrg ist gewaltiger als jene. Gegenwärtig gehört sie dein Fürsten Franz v. Lichtenstcin, der sie der kostbarsten Einrichtungen gebüßt hat, um sein Lieblingsschloß Hollenegg damit zu schmücken. In dieser Gegend und besonders gegen Fürstenfeld, Hartberg und Pellau hin liegen zahlreiche Pesthügel, findet sich manches Denkmal aus der drangvollen Türkenzeit. Aber die Bewohner sind nichts destoweuiger fröhlich. Es ist ein kräftiger, bildungsfähiger Menschenschlag. Nohheit oder Gewaltthätigkeit kommt hier selten vor. Die meisten Wohnhäuser sind gemauert und mit Ziegeln gedeckt; nnr abseits sind noch jene strohgedeckten Hütten, in welchen Küche und Wohnstube Ein Raum sind und welche Rauchstuben genannt werden. Das Familienleben ist sehr patriarchalisch, wie in diesen Strichen überall. Die Nahrung liefert hauptsächlich der eigene Grund und Bode::; auch zum größten Theile die Kleidung. Mehlspeisen, Gemüse nnd Obstmost; Fleischspeisen nur an Sonn- und Festtagen. Die Männer tragen Kleider von Wilfliug (Schafwolle und Garnzeug) oder aus dunkelfarbigen! Tuche. Auch hat jeder eine blanc Schürze umgebunden. Die Hüte sind schwarz und schmalkrempig und haben flatternde Bänder von schwarzer Seide. Die grünen Steirerhüte kommen hier nicht vor. Die Weiber tragen hellfarbige Kopftücher, deren Enden sie unter dem Kinn zusammenknüpfen, dann dunkelblaue Joppen und Kittel, die etwas kurz sind; zur Sommerszeit an den Werktagen gehen sie meist barfuß, so daß es wohl geschehen kann, daß der Hansel im Kornschnitt über die Lehne hinan nicht allzugern hinter der Mirl einherschneidet, er sagt, es wollten die Augen Veim ^ukurutzschälen. von Mathias 5chmid. Ein Flug über öas östliche Tand. 87 nicht recht bei der Sache bleiben und cr schnitte sich mit der Sichel immer in den Finger. — Die Mundart hat hier einen angenehmeren Tun, als ill der Stainzergegend, charakterisirt sich aber dadurch, daß in. sehr vielen Fällen das o wie ou, und das sp wie schw ausgesprochen wird, z. V. ein Sprüchlein dieser Leute: „Schwina schwamnochn, Schweri Koucl, äisni"; das heißt: Spinnen, Späne tlieben, ungute Breie essen. Die meisten Sitten, bieder und Sprichwörter haben die Bewohner des Naab- und Feistrihthales und der Gelände an: Wechsel „das Iouglland" mit den Obersteier-nmrtern gemein. In der Gegend wird Uicl Mais gebaut und die Abende des Kuturutzschälens sind reizende Familienzirtel (auch die Dienstboten werden stets zur Familie gerechnet) mit Liedern, Scherz und Märchen. Diese Abende sind annähernd das, was in Schwaben die Epinnstuben. in den Alpen der „Heimgartcn". Von Hartbcrg nordwärts wird viel Flachsbau getrieben und sind im Spätherbste die Brechelfeste erwähnenswert!), wobei der Flachsbauer alle Nachbarn einladet zum Brechen des gedörrten Flachses durch Schlagscheiter, und dann zu 88 Lteiermark. einem großartigen Nachtmahle von oft zwölf bis fünfzehn Gerichten. Bei diefen Brechlermahlen geht zmncist der ganze Vorraths der im Jahr über erspart worden ist, dran. Dabei gibt es Tanz und Volksspiele nnd Schabernat aller Art bis znm nächsten Morgen. Dieses Vrecheln soll ein Ersatz sein für die Weinlesefeste des Unterlandes; aber ein Hemd ans Eigenbauflachs kommt dem Manne hier theurer, als eins von Sammt nnd Seide. — Ja, wenn es dann nmner auch ein Hemd des Glücklichen wäre! In den Bereichen des Rabenwald und weiter nördlich, wo die Tannen nnd Fichten schon wieder heimisch find, nnd leider auch in vielen anderen Gegenden der östlichen Alpen, herrscht eine Gepflogenheit, die ich, so lustig es auch manchmal dabei Zugeht, nur mit Widerwillen erwähne: das Graßschnatten. Alle acht oder zehn Jahre passirt es dort dem Tanncnbaum einmal, daß ein Mensch mit scharfen Steigeisen an feinem Stamm emporklettert und ihm alle längeren Aeste abhackt, bis empor znm Wipfel. Wird auch dieser abgeschlagen, wohlan, so kann der Baum rasch und ein- für allemal sterben; er verdorrt nnd kommt anf den Herd oder auf den Kohlenmeiler. Nird ihm aber der Wipfel belassen, so hat er die Pflicht noch weiter fortzuleben, zu wachsen, frisches Geäste zu treiben nnd sich nach zehn Jahren wieder „schnattcn" zn lassen. In den Waldungen der Großgrundbesitzer passirt das freilich nicht; die Großgrundbesitzer sind die Schutzherren des schönen, steirischen Waldes. Die kleineren Bauern aber, und das sind die große Mehrzahl, verderben ihre Bäume in oben angedeuteter Art, nm für ihren Viehstand Stallstreu zu gewinnen. Und sic- machen aus diesem traurigen Geschäfte noch eine Lustbarkeit. Wenn der Mann nie sonst singt und pfeift und janchzt: anf dem Baume thut ers, daß es weit hinklingt, nnd ist er an dem Wipfel angelangt, so schaukelt er sich, so weit der Baum im Bogen sich mag biegen. Absonderlich ist es zn sehen, wenn ein Baner die Nachbarn in seinen Wald ladet, nnd hoch anf jedem Baum ein Mensch steht, nnd jeder schaukelt sich, nnd jeder jauchzt; nnd unten auf dein Erdboden sind die Weiber und Mädchen, die das niederstürzende Geästc in Büschel! znsammenlegen. Am Abend kommt ein gutes Mahl, der arme, verstümmelte Banin kann selbst sehen, wie er nnn fertig wird. Er wächst wirklich in den meisten Fällen weiter, sofern sie ihm nur den Kopf gelassen haben, und schützt die Leute so gut es geht vor Wind und Wasser, bietet ihnen einst Material für ihr Hails, für Wiege oder Sarg. Ein treuer, edler Frcuud, so ein Bauin! ^- Nach diesem kurzen Ausblick bis hin über das Ionglland (Iackelland, Hauptort St. Jakob) gegen den Wechsel und das Mürzthal, eilen wir rasch durch das freundliche Raabthal, an Kirchberg, Gleisdorf, St. Ruprecht vorüber ills Weizthal einbiegend. Die zweithürmige Kirche Neizberg lenchtet uns entgegen; an deren Fuß liegt der gastliche Markt Weiz mit Schloß und Eisenhammer. Die alte Tabortirche in Weiz trägt die Jahreszahl 644. Ich vermuthe, daß bei der letzten Renovirung an dieser Ziffer ein Tausender verduscht worden ist. Der Zahl glaubt kein Mensch. Weiz betreibt einen ganz besonderen Industriezweig — es hat eine Rosenkranzfabrik. Alle Wallfahrtskirchen des Landes werden von hier aus mit Bctschnüren versorgt und selbst ins ferne Nnßland hinein wandern dieselben. Vei Weiz bricht sich das Hügelland, nnd die Vorberge der Alpen beginnen. Mit ihnen aber auch die wild-schönen Partien. Da ist hinter Wciz die stundenlange Raabklamm, mit ihrem kleinen, aber ungezogenen Wasser, das keinen Steg und Weg dulden will. Tief unter der dräuenden Gösserwand, an die empor die Straße sich flüchten muß, ist die schauerliche Schlucht gerissen, in der das übermüthige Alpenkind, die Raab, ins Hügelland hinansspringt. In dieser Gegend ist anch die Neizklamm mit Tropfsteinhöhlen. Das eulenbewohnte Katerloch, in dessen Tiefen die Wände mit steten Eisrinden bedeckt sind, und die großartige Graßelhöhlc mit ihren vielgestaltigen Gebilden. Die vielen Löcher und Spalten dieser Grotten führen in unergründliche Tiefen. Bor mehreren Jahren ließ sich ein lustiger Kauz mittelst eines Seiles in eineil dieser Abgründe niederglcitcn. Er blieb lange in der Tiefe, und als man ihn emporzog, war er blaß nnd verstört. Auf die Fragen der Leute antwortete er, daß er da unten allerdings was gesehen habe, doch was, das könne er nie und nimmermehr sagen. Manches Glas Wein ist ihm in den Wirthshäusern vorgesetzt worden, das sein Schweigen hätte lösen sollen. Er trank den Wein und schmnnzelte und — schwieg. Ein Flug über das östliche kcmd. 8H Mr wollen nicht in die freundlichen Hochthäler von Passail und Fladnitz, nicht auf den Osser und in die waldreichen Berggräben von Virkfeld und Pöllau, sondern wenden un^ dem Schöckel zu, der mit seinen scharfen Abhängen die an seinem Fuße hochgelegene Kaltwasseranstalt Nadegund bewnrtct. Diese herrlich, und klimatisch so vortheilhaft gelegene Badeanstalt blüht von Jahr zu Jahr mehr auf, und von Jahr zu Jahr zahlreicher schimmeru die prächtigen Villen von der Höhe ins Hügelland und in die Ebenen Ungarns hinab. Die Lage dieses Ortes an der scharfen Grenze zwischen Hügel- und Nergland hat etwas Originelles nnd befriedigt nach beiden Seiten hin den Geschmack der Badegäste. Auf schlecht angelegten Straßen wandern wir weiter niederwärts, gegen Südwesten hin, durch Thäler und Wälder. Schon etwas mißmuthig gegen den Führer, der uns oft absichtlich gerade die schlechtesten Pfade zu leiten scheint, folgen wir ihm, einem lichten Thale mit Fabriken ausweichend, noch schräge durch einen Waldweg. Der Weg ist dießmal gilt getreten, allein dic Föhrenbäume sind finster und lassen uns kaum mehr den Himmel sehen. Fast urwaldartig wandelt sich das Bild, aber durch die Dämmeruug des Gestämmes schimmert eine weiße Gestalt, , die sofort aber wieder verschwunden ist. Ein gekreuzigtes Christusbild erhöht die düstere Stimmung und über den Wipfeln ist es, wie das Klingen der blauen Himmelsglocke. Plötzlich ist eine Wendung; durch die Stämme leuchtet der helle Tag, wir treten auf eine freie Höhung: da liegt zu unseren Füßeu weit in die Ebene hingegossen das Hänsermeer der Hauptstadt. 23- Zchloß Eggenbcrg init ^5lick auf Graz. Graz. Äls Gott mit der Erschaffung der Welt fertig war, tupfte er mit dem Finger auf dicfeu Fleck und sagte: „Hierher konnnt eine große Stadt!" Und der Fleck war ganz darnach. Eine schöne, glatte, große und fruchtbare Ebene — gegen Morgen und Mittag eingerahmt von einem sonnigen, friichtereichen Hügellande; gegen Abend und Mitternacht von höheren Wald^ bergen, in welchen Laub- und Nadelholz in anmuthsreichen üppigen Echattirungen wechseln, reiche Schatten spenden, klare Quellen geben. Und hinter diesen schönen, wildreichen, vielgestaltigen Waldbergen, durchzogen von thaufrischen, idyllischen Thälern, heben sich die hohen Massen des Urgebirges, ein mächtiger Wall gegen die Stürme des Westens, gegen die rauhen Winde des Nordens. Und von diesen Gebirgen heran durch finstere Schluchten und heitere Thäler schlangelt sich ein großer, aber klarer und lebendiger Fluß, der sich endlich hcrauswiudet und seinen Spiegel zieht über die weite Ebene hin bis zu jener Enge, wo Berg und Hügelland ineinandergreifen und den Kreis beschließen. Und dort, wo in großem Ning zahlreiche Thäler herauskommen vom Hügelgelände und von den Bergen, und jedes sein helles Wässertem mitbringt zum stattlichen Alpenfluß, ragt hart an dem Ufer dieses Flusses, steil und grau, und rcichdurchwebt mit grünen Büschen, ein Felstegel auf, der fo zu sagen die ganze Ebene beherrscht und weit ins Land hinaus und in die Alpen hineinblickt. Auf diesem Felsberglcin, das nach allen Seiten ins Thal fällt, nnt keiner andern Höhung zusammenhängt, als wie wenn es ganz absichtlich als Herr der Ebene und Hüter des Flusses hierhergesetzt worden wäre, dunkelt die nordische Tanne, reift der südliche Weinstock. Und hier ist es, wo der ernste kräftige Recke Nord und die milde, fröhliche, roscnbekränzte Jungfrau Süd sich die Hände reichen, und ein Paar bilden, von welchem auch die Lästerzungen sagen müssen: es paßt zusammen. — Hierher kommt eine große Stadt! so stand es vom Anfange her geschrieben über diesem herrlichen Thale. Aber jene ferne Vorzeit können wir nicht mehr sehen, in der zum erstenmal das Geschlecht der Menschen in diese Himmelsstriche kam und das wilde Gethier, sofern es nicht zu seinem Gebrauche sein konnte, vertilgte oder davon trieb. Vielleicht waren es Wasserthierc, die das Thal beherrschten; die Gelehrten sagen, es wäre einst ein See gewesen auf dieser Ebene; und da mag das Inselchen des Felskegels darüber aufgeragt und entweder den Thieren oder schon del! Menschen als Naturfestung gedient haben. Das Aelteste, was wir aus unserer Geschichte wissen, ist, daß etwa sechshundert Jahre vor Christus ein asiatischer Stamm herangekommen war, sich in den Gegenden der heutigen Steicrmart niedergelassen und Jagd, Viehzucht und Ackerbau getrieben hat. Das waren die Eclten oder Taurisker, nach welchen unser Alpenzug zwischen der Enns und der Mur iwch heute Tauern heißen soll. Trotz ihrer celtischen Waffen, die sie aus norischem (heute steirischcm) Stahle zu erzeugen wußten, scheiuen sich diese Asiaten doch nicht viel länger als sechshundert Jahre hier behauptet zu haben. Zum Beginne der christlichen Zeitrechnung ist die römische Sprache, sind die römischen Gesetze im Land. Aber vierhundert Jahre später, als die wilden Völker Graz und der Schloßberg vom Ufer der 2Nur aus. Von Richard ^üttner. Graz. 91 fluthetcn vom Aufgang bis zum Niedergänge, wurden die Miner verdrängt; die Nestgothen kalnen, die zerstörungslustigen Vandalen, die furchtbaren .Hunnen, die so schreckhaft anzusehen waren, daß man sie für Kinder der Hölle hielt. Gin Volksstamm um den andern kam und wurde verdrängt, bis endlich die Slaven — die Wenden — erschienen und sich der Gebiete der heutigen Steiermark bemächtigteil. Aber im achten Jahrhundert war im Westen ein fränkischer König, geheißen Karl der Große, der drängte die Slaven hier etwas zurück und es wanderten Germanen ein. Nicht lange hernach — in stets unruhvollen Zeiten — gelangten die Traungauer zur Herrschaft des Landes; sie erbauten die Burg Steier an der Gnns und ihr Gebiet erhielt den Namen Steiermark. Gra^ Das Cr^herHog^Iohann-Denfmal auf dem hmipiplatz, Nun, und jene schöne Gbenc, auf welcher Gott die große Stadt haben wollte? — — Ich denke, mein lieber Wandergenosse, bevor wir Weiteres darüber reden, nehmen wir einen Lohnwagen, fahren ill die Stadt, kehren in eines der vielen guten Hotels ein und lassen uns ein hübsches gartenscitiges Zimmer geben, auf acht Tage. Dann begeben wir uus ill die neue, feine Badeanstalt „zur Sonne" und schwemmen den Reisestaub voll den Gliedern. Und dann hüllen loir uns ill ein weiches, leichtes Kleid und gehen zur Mahlzeit. Im Saale funkeln die Kron^ leuchter, schimmert das silberne Besteck auf unserem Tische — und Alles — du lieber, wackerer Gefährte durch mein Heimatland — Alles, was den Leib erfrischt und das Herz erfreut, sull mm unser sein. — Und haben wir unter fröhlichen Gesprächen uns gesättigt und den Abend genossen, wie ihn die Großstadt bietet, dann mögen wir eine gute, gesegnete Ruhe finden. Ulld des nächsten Morgens, ehe noch die Sonne durch die thaufrischen Gartenplatancn schimmert, ist es, als wecke uns das Wort „Graz" aus dem Schlummer. — Graz! seit tauseud Jahren wird dieses Wort gesprochen. Im neunten Jahrhundert kamen Leute in diese Ebene, welchen der ssluß gefiel und der sselsenkegel daneben. — „Hier wollen loir eine Vurg und eiue Stadt anlegen," sagten sie, „grath's (geräth es), so graths; grnths nicht, HZ 5teiermark. nn, so Wraths eben nicht." Das Ultteruehmen gerieth, mid daher dor N'a»ue „Graths" oder Gratz. ^ So nürds vom Spaßvogel erzählt. Aber die Gelehrten uwllen Alles liesser lvissei:. Einige derselben sagen, Stadt und Burg sei nach dem Bächlein Graz benannt, welches hier in die Mnr fließt, und Manche sprechen um jeden Preis Grätz. Andere behaupten, das Nort Grez stannne von dem slavischen „^raäeo", Festung, Burg, nielche ja auf dem Berge erbaut wurden war. — Genug davon. Im nennten Jahrhundert ist das erstemal von Graz die Rede. Später ist der Ort die Residenz der trannganischcn Grafen uun Steier geworden. Den Traungauern folgten die Babenbcrger, von welchen noch die Kirche am Leech, die älteste von Graz, herrührt. Seit 1232 gehört Graz und Stciermark zum Hause Habsburg. Um jene Zeit schon wurde in Graz eine „Freischule" gegründet, ans welcher sich später die jetzige Karl-Franzens-Universität entwickelte. — Im Laufe der Zeiten hatte Graz die mannigfaltigsten Schicksale. Ungarn nnd Türken, Pest und Feuer, Heuschrecken, Erdbeben, gewaltige Überschwemmungen auch suchten die Stadt schrecklich oft heim. Aber der Feind ist immer wieder heldenmüthig vertrieben worden und Graz wuchs langsam, aber stetig. 1259 vertrieben die Steiermärker binnen elf Tagen alle Ungar»:. In: fünfzehnten Jahrhundert unter Albrecht lil., Wilhelm dem Freundlichen, truest dem Eisernen, wurden die Burgen auf dem Schloßberge und am Fuße desselben vergrößert, der Dom gebaut, die Stadtmauern, Gräben, Thürme und Wälle vollendet. Zu jener Zeit hat sich die allen Steicrmärkern bekannte Geschichte Baumkirchers zugetragen. Andreas Baumkircher war ein stcirischer Ritter (einige Ruinen seines Hauses sind in der Nähe von Iudenburg noch zu sehen), der in einer Schlacht bei Wiener Neustadt Kaiser Friedrich III. das Leben rettete nnd selbst dreizehn Wunden dabei davon trug. Nebstbei war der Kaiser ein Schuldner Baumkirchers an Geld und Gut. Da war es, daß Baumkircher das Seine vom Kaiser zurückforderte. Der Kaiser zahlte nicht; so zog Vamnlircher mit seinen Mannen und seinen: Freunde Greisenecker gegen den eigenen Herrn um die Auszahlung zu erzwingen. Er eroberte mehrere steirische Orte, wurde aber endlich unter Versprechen eines sicheren Geleites in die Burg nach Graz zu einem Ausgleiche beschieden. Der Georgitag 1471 bis Abends zur Vesperglocke war der Tag des vom Kaiser zugesicherten freien Geleites. Baumkircher und sein Freund Greiscnecker erschienen nichts Böses ahnend in der Burg; aber der schlaue kaiserliche Kanzler wnßte die Verhandlungen derart zu hintertreibe!: und in die Länge zu ziehe»:, daß die beiden Freunde die Zeit der Vesperglocke versänmten. Bevor sie noch durch das letzte Thor gegen die Murbrücke hinaus waren, klang das Abendglöcklein. Vor und hinter ihnen fielen die Thorflügel zn, Priester nnd Scharfrichter erschienen — es war zum Sterben. Vergebens bot Vaumkircher all seine Güter für sein Leben; an Ort und Stelle fiel ihr Haupt durch das Beil des Henkers. So die Baumkirchersage. die der steirische Dichter Johann Kalchberg in einem Drama verewigt hat, welches in Graz von Zeit zu Zeit unter großen: Beifall der Menge aufgeführt wird. Der Dichter hat Bamntircher verherrlicht und den kaiserlichen Kanzler als Schurken hingestellt, der schließlich in einen Sack gesteckt und in die Mur geworfen wird. ^ Aber viele Geschichtsforscher, wie solche mit den Poeten in steten: Hader liege»:, halten Baumkircher für einen gemeinen Hochverräther. Im Jahre 149l> war in Graz die große Indenverbannung und die Vertreibung derselbe»: aus Eteiermark. Noch hellte findet man in dieser Stadt verhältnißlnäßig wenig Israelite»:. Im Jahre 1515—151« zogen auf rührerische Bauernhaufen aus der Drall- und Eavcgegend gegen Graz, von welchen, um die Empörung zu dämpfen, hunderteinundsechzig Mann hingerichtet wurden. — Zur Reformationszeit war Graz dermaßen protestantisch geworden, daß die Frohnleichnamsprozession zwanzig Jahre lang nicht abgehalten wnrde, bis Ferdinand I. 1570 die Iesniten schickte, die Graz bald wieder katholisch machten. Alle Andersgläubigen wurden 1595, ausgewiesen; in der Stadt wnrde ein Kloster nach dem ander»: gegründet, so daß trotz der Aufräumnng unter Kaiser Joseph noch bis heute eine gute Anzahl davon übrig blieb. Doch verfolgen fast alle diese Ordenshäuser humanitäre Zwecke. Seit dem Türkeneinfall 1664 wird anf dem Glockenthurme dreimal des Tages die „große Liesel" zum Gebete geläutet. 16<^0 war die furchtbare Pestzeit. Als Denklnale an diese Drangsal stehe»: die Mariensäulen auf dem Gries-, den: Lendplatze, in der Vorstadt Münzgraben und die Dreifaltigkeitssäule auf den: Earmeliterplatz. Unter Maria Theresia Graz. Y3 Oraz: l.x^nplplatz mit 1>l!ck anf den 5chloßbcrg. lourde Graz der Sitz der Landesregierung in Steiermark. 1797 nnd I8l>^, wnrde Graz von dm Franzosen besetzt. Im Jahre 1809 kameil sic wieder, ziuölftansend Mann stark, nnd beschossen sieben Tage nnd Nächte hindnrch die Burg anf dem Schloßberg, mnßten aber unverrichtcter Sache abziehen. In der Hingebung von Graz fanden hitzige Gefechte statt, aber die tapferen Oesterreicher vertheidigten siegreich die Stadt. Anderurts gings nicht so gnt, ;u Wien wurde ein Friede geschlossen, der anch Graz den Franzosen überantwortete. Diese hatten nichts Eiligeres zu thun, als die ihnen so verhaßte Festnng auf dein Schloßberge bis anf den Grund zu zerstören. Den Uhr- und den Glockenthurm kaufte die Grazer Bürgerschaft den Franzosen ab — um die Zeit wahrzunehmen, wann dereinst den Welschen die Stunde schlage. Sie hat schon geschlagen. Der Grazer Schloßberg mit seinen wenigen aber malerischen besten der alten Burg, mit seinem herrlichen Wildparke ist einer der allerschiwsten Pnnkte des Reiches. — Im Iahrc 1814 ergriffen die Oesterreicher wieder Besitz von Graz und der rninirten Festnng. mn nnu aber der vielgeprüften» Stadt eine schöne Znknnft vorzubereiten. 1811 wurde durch Erzherzog Johann, den treneu Freund Steiermarks, die Hochschule des Ioanneums gegründet; 1825 wurde die erste Eteiermärkische Sparkasse errichtet, ein großartiges Wohlthätigkeits-Institut, dem Stadt und Land einen guten Theil seiner Blüthe verdankt. Nnd mm folgten neue Institute eines nach dem andern: Schulen, Spitäler, Armenhäuser, Anstalten für Knnst, Landwirthschaft und Industrie aller Art. Heute besitzt Graz zweiuudzwanzig öffentliche Schulen, daruuter die Universität, das Ioauneum, die Akademie für Handel und Industrie, das Knabenseminar, die Lehrer- und Lehrcrmucnbildltngsanstalten, zwei Staats-gymnasien, Real- und Gewerbeschulen, Mädchenlyccum u. s. w. Ferner über zwanzig Hnmanitäts-, Kranken- und Siechenanstalten, darunter das neue großartige Irrenhaus Feldhof. Ferner hat Graz, die Kapellen nicht mit eingerechnet, achtzehn Kirchen, zwei Theater, eine Gemäldegallerie und zahlreiche Knnst- und Naturalien- und Antiken-samwlungen, besonders jene des Ioanneums zu gedenken. — Seitdem 1^.'i9 die Stadtmauern demolirt wnroen, dehnte sich Graz mit amerikanischem Etädtewachsthnm nach allen Seiten aus und umfaßt nun mit seinen fünf Bezirken (Stadt, Iakomin, Geidorf, Lend, Gries) cineu Flächenraum von ^,156,538 Htt. Und um diesen weiten M 5teierniark. Ring ragen zahllose Schlote vou Fabriken allcr Art nach beiden Seiten des breiten Thales bis an die Berge hin. Nnd an den Hügeln und anf den Höhen zunschen Busch uud Wald prangen liebliche Landhäuser. — Graz zählt an viertausend Häuser uud neunzigtausend Bewohner. — Diese trockenen Angaben eingeprägt läuten nur in: mittlerweile sonnig gewordenen Zimmer des Hotels das Frühstück herbei. Ein freundliches Stubenmädchen erscheint mit Kaffee, Nahm, süßer Butter uud steirischem Käse. Wir genießen mit BeHagel:, bestellen uns für Mittag eiu Mahl, wobei die oberländische Forelle, der steirische Kapaun, das Grazer Zwiebak, Steiufelder Bier uud Kleinoschegger Schaumwein uicht fehlen darf - dann treten wir den Spaziergaug durch die Stadt an. „Die Stadt Graz am Murflusse," wollte jener Franzose den Seinen nach Hanse schreiben und schrieb: ,,(^68t Iu. vili6 6 68 Fr3,068 8UV lii. rivi^r6 äß 1'«,mon,'?" was da^ heim übersetzt wurde: „die Stadt der Grazien am Liebesflusse". — Die Mur rinut mitten durch die Stadt und zwei Kettenbrücke,! uud zwei Holzbrückeu vermitteln uns beide Theile. Durch die düstere aber sehr belebteMnr-gasse gelangen wir zum - fast dreieckigen, gnt- gepflasterteu Hauptplatze, wo vor dem stattlichen Nathhause das schönste Denkmal der Stadt aufgerichtet ist - das Erz-Herzog-Iohann-Denk-mal. Auf eiuem hohen Sockel steht die erzene Statue des Gönners der Steier-mark; a,: den vier Ecken des Monu-mentcs prangen die Allegorien der vier größten Flüsse Steier-marks, Dräu, Mur, Enns uud Save. Gin vierfacher Brunnen wird mit diesem Monumente verbunden sein. ^ Wir könnten nun von der Murgasse gerade aus die Gr^: Iin Hofo dos Tandhmiscs. steile, von Menschen wogeude Sporgasse hinaufbiegen, um die ^tadt kurz zu durchschneiden, oder wir könnten links zwischen Mur und Schloßberg die lange, malerische Sackstraße hinan, um rasch den Schloßberg, der hier mit steileu Wänden niederstarrt, zu umringen; aber wir schlendern rechts die Herrengasse hinab, den Corsn der Grazer, stets wimmelnd von Menschen und Wägen an den Epiegelwänden der Auslagen vorüber. Die meisten Häuser sind hier, wie in der ganzen inneren Stadt zwei, drei nnd vier Stock hoch uud mit steilen Giebeldächern, was der Stadt den alterthümlichen Eharakter gibt. Die Gassen sind iu der iuueru Stadt eug, aber mit gutem Würfelpflaster Verseheu; die neuen Gasseil der Vorstädte sind breit und theils vor den Hänsem mit Gärten eingerahmt. — All die Großen des Landes, au deren Schlössern uud Landgütern wir auf unserer Wanderung vorübergekommen sind, besitzeu iu der Hauptstadt ihre Häuser und Palais, meist wohl mit anspruchslosem Aeußern, bisweilen aber auch voll schwerer architektonischer Pracht, wie z. B. das Palais Attems, vielleicht der imposanteste Bau der Stadt, auffallend durch seinen monumentalen, ernsten Eharakter. Bald gelangen wir in der Herreugasse zu einem großen, altersgrauen Gebäude, dein Landhanse, Versammluugsort der Stände, wo die steirischen Landtage abgehalten werden. Architektonisch Graz. Y5 schön ist der erste Hof mit seinen dorischen Bogengängen und mit seiner ehernen Brunnenlanbe, das einzige öffentliche Kunstwerk aus älterer Zeit, welches die Stadt aufzuweisen hat. In demselben Hofe befindet sich auch eine Marmor-tafel, welche erzählt, das; Johannes Keppler von 1594 bis 1ö99 in Graz gewesen ist. ^ Weiter die Gasse hinab grüßt uns der Thurm der Stadt-pfarrkirche entgegen, an der vorüber wir bald auf den schönen Eiscn-Thorplatz mit dem Auerspergbrun-nen gelangen. In Form eines ungeheuren llhampagner-glases springe»: die perlenden Wasser auf und funkeln, Freude kredenzend, in der Sonne. Hier wenden wir uns links, und dort, wo einst die grimmigen Stadtmauern gestanden waren und weiter hin ragen moderne Bauten, worunter das Palais des Baron Seßler von Herzinger und das Stadttheater auffällt. VomAuers-pergbrunnen wölbt sich eine schöne Kastanienallee über die Ringstraße, welche die innere Stadt von den südöstlichen Vierteln trennt, an der edel gearbeiteten Schiller- büste vorüber und endlich in den noch jugendlichen, aber doch bereits üppigen Stadtpark einmündet. Als prachtvolles Prunkstück dieser Anlagen ragt zwischen Buschwerk und Blumenbeeten der berühmte eherne Brunnen , welcher bei der Wiener Weltausstellung mitten in der Rotunde seine Wasser spie und von aller Welt bewundert wurde. Durch Privatspenden ist dieses Meisterwerk französischer Grzgießerei >md Brmmenkunst um fünfunddreißig-tansend Gnlden abgekauft und der Stadt zum Geschenke gemacht worden. Seine Wasser spielen in den verschiedenartigsten Formen, sein mächtiger gegell Himmel springender Strahl überragt die drei Stock hohen Häuser Gr^: ^l'iimu'n im ^tadtpar^.. der gegenüberliegenden Fronte. Dieser herrliche Garten ist an schöneil Eommerabenden der Tummelplatz der eleganten Welt. Bei Musikklang, Eis- und Kaffeelabung ergötzt sich männiglich, der flotte Student, wie der weißbärtigc Pensionist. Studenten, besonders viele aus Dalmatim und Italien, beleben die Bier- lind Kaffeehäuser, die Gassen und Straßeil und des Nachts die lauschigen Plätzchen vor den Fenstern der Schöllen ^ der lieblichen Grazien voll Graz. Aber auch Penfionopolis heißt diese gesegnete Stadt, und alte Herren ans den Beamten- und Militärkreisen haben sich aus allen Theilen des Reiches hergezogen, um all den schöllen Ufern der Mur zum Feierabende der 96 öteiermark. still-heiteren Ruhe zu pflegen, oder voiu Leben noch zn erhäschen, lvas sich erhäschen läßt. Der Stadtpark existirt erst seit lveliigen Jahren; früher dehlüe sich üder diese Flächen das Glacis, auf welchem zweimal des Jahrs der berühmte Fehenmarkt abgehalten wurde. Dieser Trödelmarkt im ausgedehntesten Maßstabe ist eine Eigentümlichkeit von Graz, er wird ietzt auf dem Lendplatze abgehalten, nnd ist Tummelfest der Armen und der Landleute, welche herbeikommen, um alte Maaren aller Art, oft bis zu elenden „Fetzen" degradirt, um billiges Geld anzukaufen. Den mannigfaltigen Stadtpark durchschritten, biegen wir durch das alte Paulusthor wieder in die innere Stadt ein. An den weitläufigen Gebäuden des allgemeinen Krankenhauses schleichen wir still, aber rasch vorbei, Gott dankend für die freie Luft und den Sonnenschein. Ueber dem großen, aber etwas öden Earmelitervlatz gelangen wir in der Sporgasse zu einem vierstöckigen Hause, unter dessen Gesimse der Oberkörper eines mit dem Schwerte dräuenden Türken herausschaut. Das ist ein Wahrzeichen von Graz. In diesem Palaste des Grafen Sanrau hat bei der Türkenbelagerung von 15A2 der türkische Heerführer Ibrahim Pascha gewohnt. Da soll ihm eines Tages bei der Mahlzeit eine von den Grazer Bürgern auf den: Schloßbergc abgeschossene Kanonenkugel durch die Zimmer- decke mitten in die Schüssel geflogen seilt. Aus Nache habe der Heerführer die Stadt anzünden lassen uud war hernach abgezogen. Die Türkcngestalt ist ein Andenken an diese Begebenheit. — Wir biegen nun auf den Franzensplatz ein und eilen an dem erzenen Standbildc des <8ra^: Vomtircho. Kaisers Franz I., an dem landschaftlichen Theater nnd der Universität vorbei der Domtirche zu. (Ml altehrwürdiges Gebäude in gothischem Stile, aber mit einem kleinen, kupfernen Thurm-chcn, das zu den massigen Quader -mauern nicht passen will. Die Außenseite des Baues zieren mehrere interessante Gemälde aus alter Zeit, welche Ereignisse ans der Geschichte der ^tadt darstellen. Hier der verheerende Heuschreckenzng, der die Stadt 1480 heimgesucht hatte, hier Gräuel aus der Turkenzeit, hier die Schrecknisse der Pest; nnd darüber in schöner Ausführung die Bildnisse der Dreieinigkeit nnd der Heiligen Gottes. Die dabei befindliche Inschrift lautet: „1489 nmb nns fraun tag der schidung sind hie zn Gräcz gotts plag dry gewesn, haberschreckh, Türke vnd Pestilenz vud yede so gross daß dem Menschen vnerhörlich ist. got sey vns gnä'di." Unter den Mauern dieses Gotteshauses ruhen die Ueberreste vieler Großen des Landes. Nur wenige Schritte von der Domkirche entfernt, anf derselben Terrasse, die den Dom trägt, uud zu welcher sechsnndzwanzig Etcinstufen emporführen, steht das interessanteste Prunkgebäude von Graz. Es ist das Mausoleum Kaiser Ferdinand I I. Die Fronte mit ionischen Halbsäuleu und den doppelt übereinander gestellten Giebeln ist mit Zierrathen überreich beladen. Ueber den Giebeln stehen die massigen Figuren der heiligen Katharina und zweier Engel. Kolossale, starkvergoldete Hieichsinsignieu dienen den beiden Kuppeln nnd dem schlanken runden Thurme zum Aufsatze. Der übrige Theil des Gebäudes zeichnet sich durch schönes Maß uud edle Einfachheit aus, so daß die Leute von dieser Kirche sagen, sie wäre hinten schöner, wie vorn. Das Innere ist in lateinischer Kreuzform, und ernste Einfachheit erinnert au das Haus des Todten. Das Mausoleum ist jährlich nur einmal, und zwar zu Ostern geöffnet, wo die pomphafte Anferstehnngsfeierlichlcit darin abgehalten wird. Das Burgthor gleich daneben, über welchem sich die nnscheinlichen Gebäude der aus den, elften Jahrhundert Graz. 9? stammenden k. k. Bnrg erheben, führt uns wieder ins Grime hinaus. Und mitten in demselben liegen die weit^ gedehnten Theile von Neu-Graz mit schönen, aber nicht sehr belebten Straßen, mit herrlichen Gebäuden. Die Elisabethstraße mit dem Palais Auersperg, wo der Dichter Anastasius Grün wohnte nnd starb; mit dem großartigen Zinshanspalaste des Grafen Meran nnd mit ihren prachtvollen Villenreihen bis hinaus zur Kirche von St. Leonhard, deren weißer Thurm durch die lange Gasse hereinschimmert in die Stadt — ist wohl einer der anmuthigsten Theile von Graz. Ferner die anderen Kreuz- nnd Quergassen mit ihren lieblichen Gärten, die Annehmlichkeiten der Stadt und des Landes in sich vereinigend; dann die Theile der nencn Universität, die in wenigen Jahren in ihrer Vollendung die schönste Gegend von Graz einnehmen soll, die Stadttheile am Fuße des Nuckerl-und des Rosenberges, das geschmackvolle Palais des Grafen Meran, der in moderner Pracht gebaute Iohannenhof mit seinen Fresken auf Goldgrund, die hoch von den Zinneil hin-lcuchten über die Giebel der Häuser, und um wieder zur Stadt zurückzukehren, das Ioanneum mit seinen Sammlungen, seinem schönen butanischen Garten mit der Büste des Mineralogen Mohs, nnd so fort — bieten uns des Anmuthigen, Abwechslungsvollen genug. Jenseits der Mur breitet sichs hin, weit über die Bahnhöfe hinaus bis zum schöllen Schlosse Eggenberg, das am Fuße des Waldbcrges Plawutsch liegt -Häuser, Paläste, Villen, Fabriken, und inzwischen Grün, überall Gärten und Büsche. Auf den Straßen Arbeitervolk, schwere Lastwägen, aber auch rasch hiurollende Herrschaftskaleschen darunter. Das Straßenvolk in Graz hält sich verhältnißmäßig ruhig, nur daß etwa hier ein „Gefrorner"-Mann Kühlung ausschreit uud dort der Steinkohlenvertäufer, seinem schwarzen Wagen voranlaufend, sein Wärmemittel mit einer gellenden Glocke ausschellt. Mitunter schwankt unter Posauneugetöne ein Leichenzug durch die Straßen; nicht selten daß draußen vor der Linie znr Begräbnißfeier eines alten Generals Kanonen krachen. An Soldaten leidet Graz keinen Mangel nnd auf dem Grazfelde tönt Tag für Tag Trommelwirbel und Trompete. Die ärmlichsteil Stadttheile sind jene gegen Süden, dort wohnt viel Proletariat. Und doch nimmt die prachtvollste Gasse von Graz gerade dort hinab ihren Lanf: Graz: Mausoleum. die aus Palästen gebaute verlängerte Klosteriviesgasse mit ihren kleinen Vorgärten zu beiden Seiten. Die Banten sind alle neu, Musterwcrke in dekorativer Beziehnng, die meisten architektonisch schön. Graz ist vielfältig an Schönheiten; und wenn einst auch der Murquai an beiden Seiten vollendet sein wird, dann wird Graz nicht mehr bloß seiner landschaftlichen, sondern auch seiuer Schönheit als Stadt wegen gesucht und berühmt werden. Der seit Jahren mit unglaublichen Erfolgen thätige Stadtverschönernngsverein scheut keine Anstrengungen, diesem Ziele zuzustreben. Allerdings läßt sich nicht verschweigen, daß mit der Vergrößerung und Modernisirung der Stadt in der Gesellschaft allmälig jene Gemüthlichkeit schwindet, die einst Graz so sehr charakterisirt hat. Ein Spaßvogel, wie der alte Nusterhuber der Grazer Eulenspiegel — könnte hellte taum mehr ezistiren, oder er würde von den Altklugen - zum Misantropen geinacht. Indeß ists in Sachen edler Gemüthlichkeit noch nicht so schlimm; in vielen Bürger- und Beamtenkreisen erquickt nns noch liebenswürdige Anspruchslosigkeit, häusliches Glück lind treue Aufopferungsfähigkeit. Sittlicher Anstand, religiöser Sinn, Fröhlichkeit durchweht das Haus. In anderen» Kreisen ist vor Allem die Klage über leichtfertige, nnverläßliche Dienstboten arg, woraus wohl zu schließen ist, daß böse Beispiele vorliegen. Schier der größte Theil der Grazer Köchinnen, Kindswärterinnen und Dienerinnen ist ans dem 25" Wendenlande hcraufgekounnen; aber hin werden sic deittsch, sprechen deutsch, kochen deutsch, lieben und heirathen deutsch — nur in der Kirche bedienen sic sich ihres wendischen Gebetbüchleins, weil sie doch nicht ganz überzeilgt sind, ub der liebe Herrgott auch dentsch versteht. — Des Weiteren — wenn man noch die italienischen Studenten ausnimmt, die übrigens auch nur da sind, i»n deutsche Wissenschaft und deutsches Bier einzusaugeu — ist Graz urdcutsch. Gerne treibt man Politik und in manchen Kreisen gehört es zur Müde, mit den inneren Zuständen möglichst unzufrieden zu sein. - Der Luxus ist im Wachsen ^- eine Erscheinung, die der Industrielle, vielleicht vorläufig auch der Nationalökonom mit Freuden begrüßt, der Pädagoge aber bedanert. In guter Blüthe ist das Wirthshausleben; Cirknsbnden sind stets voll von Zuschaueru, während in den Theatern mitunter Oede herrscht. Und anderseits doch wieder ideales Streben, das zeigen die vielen Vereine für Geselligkeit, Wohlthätigkeit und Kunst. Daß sich die Grazer und Steirer für Literatur interessiren, zeigen die zwölf Buchhandlungen, an denen die Thürangeln nicht rosten, die fünfzehn verschiedene!: Journale politischen, wirtschaftlichen, belletristischen und religiösen Inhaltes, beweise«: endlich auch die Dichter und vielen Schriftsteller, die hier leben und sich Wohlbefinden. — Graz ist stolz auf seine bedeutenden Männer, die es hatte und hat. Da waren unter vielen Anderen die Geschichtschreiber Eigmuud Freiherr vun Herberstein (auch Kriegsheld, der uuter fünf Kaisern gedient hatte), Iul. A. Eäsar und A. v. Muchar; die berühmten Gelehrten Hammer-Purgstall, Prokesch Osten, G. F. Schreiner, Keppler, Ungar; da sind die Politiker Nechbauer und Kaiserfeld, die Künstler Kauperz, Schiffer, Stark, Tnnner, Brockmann. Unter den Dichtern nenne ich Johann v. Kalchberg, G. v. Lcitner, Anastasius Grün, Robert Hauierling und F. Äiarr. Ferner ist Graz die Geburts- und Pflegestätte vieler bedeutender Schauspiclcr nnd Echauspiclcrinncu. U,w noch mehr würde der ideal angelegte Theil des Grazer Publiknms der Kunst leben, wenn nicht die Natur in der Umgebung der Hanptstadt so sehr verlockend wäre. An heiteren Frühlings-, Sommer- nnd Herbsttagen ist es in Graz unmöglich, ein Bnch zu lesen oder in einer Akademie zu sitzen. Die Spazicrgänge und Ausflüge siud zu verlockend. Da ist der Stadtpark, der nahe Hilmteich mit seinen lieblicheil Waldpartien, der sonnig-heitere Nnckerlberg, der villenreiche Rosenberg mit seinem schattigen Frauenkirchlein Maria-Grün ^ ein Plätzchen voll des Friedens und der Poesie. Da ist auf freier Höhung die schöne zweithürmige Wallfahrtskirche mit dem schönen Namen „Maria-Trost". Da ist der Rainerkogel mit seiner überraschenden Aussicht auf Graz, mit seiner düster-öden aber stimmungsreichen Ulrichskapelle in der Waldschlucht. Da ist der interessante Andritzurspruug mit seinem wunderbar schönen tiefen Wasser, in welchem ein wahrer Garten von bunten Wasserpflanzen wnchert. Da ist der Felsschober des Ealvarlenberges mit den drei Kreuzen nnd lebensgroßen Etatuen aus der Leidensgeschichte des Erlösers. Da ist die mächtige Ruine Gösting mit ihren Weinberglchncn und dem romantischen Iungfernsprung, einem Felsen, von welchem sich einst die schöne Anna von Gösting, da man ihren Geliebten im Zweikampf erschlug, in die Tiefe stürzte. Da ist der Plawntsch mit seiner Fürstenwarte, von der aus man eine herrliche Aussicht vom Donatiberg bis zum Hochschwab, vom Nabenwald in Osten, bis zur Koralpe in Westen genießt. Ferner schöue Epaziergänge nach dein fürstlichen Schlosse Eggenberg mit seinem Grabmahle der Gräfin Herberstein von Eanova nnd mit der freundlichen Kaltwasserheilanstalt für Leblustige. Epaziergänge nach dem gartenähnlichen Thalkessel Thal nnd nach dem altdeutsch gebanten Schlosse Hardt, an dessen Eingang uns folgende Worte begrüßen: „Willkommen, Fremdling oder Freund, Erlist sorgte bei uns weilen. Und all, umo Herz und Hcnw dir beut, Recht fröhlich mit nn5 theilen." Selbstverständlich kehren nur eil: und finden einen biederen deutschen Mann, der ans den Nheinlanden gekommen ist, sich in Graz ein glückliches Hans echtdentscher Art gegründet und eine,: hochgeachteten Namen erworben hat — der Großindustrielle Peter Neininghaus. Dieser Name ist so sehr verwachsen mit der steirischen Landwirthschaft, Industrie, mit dem politischen Lebe»: des Landes nnd der Kunstwelt der Hauptstadt, daß er hier nicht unerwähnt bleiben darf. Graz. V Weitere Ausflüge sind nach dem lauschigen Tobelbad, nach dcm hohen Berg-kirchlein Johann und Paul, nach demVründl in der Waldeinsamkeit; auf den Floriamberg, nw Et. Florian mit Stainzer Schilcher Maria-Crost. dcn heißen Tnlrst seiner Wallfahrer löscht, -und so fort in reichster Mannigfaltigkeit, die llns ninnner sättigt, sondern zu immer nenen Genüssen anregt. Ich merke wohl, meine lieben Wandcr-genossen, ihr zupft mich schon ungeduldig am Rockzipfel und meint, wie denn da"' käme, daß ich gerade auf das Wichtigste vergesse, auf das eigeutliche Wahrzeichen von Oraz, von dem Jeder schon gehört habe, und ware ihm die Stadt selbst auch ganz unbekannt geblieben. Wohlan, wir gehen auf den Schloßberg. Dem Grazer Schloßberg gehts, wie den großen Minnern: die Ferne ist erfüllt von ihrem Ruhm, in der Heimat werden sie mißkannt. — Der Schloßberg steht mitten in der Stadt — in der innern Stadt; zwei breite Fahrstraßen und zwei schöne Fußwege führen in anmuthigen Windungen an ihm hinan; ein herrlicher Mturpart mit , vielen Bänken, Aussichtsplätzen bedeckt den ganzen :l85> Fuß hoch über der Mur ragenden Bergkegel, und doch wird derselbe vorwiegend nnr von Menschen besucht, welche — die Einsamkeit lieben. Die Fremden nur beleben bisweilen die Wege; und an den Sonn- und Feiertagen das Arbcitervolk von Graz freut sich des herrlichen Epazierganges, gleichwohl der Sage gedenkend, daß dieser Verg mitten im breiten Thalc eigentlich ein Wert des Teufels sci. Dem Höllenfürsten war nämlich der Echöckel (der höchste Verg bei Graz) nicht hoch genug; er wollte ihm einen steinernen Kopf aufsetzen; und der erste Mensch, welcher diesen Kopf bestiege, sollte ihm gehören. Zu diesem Zwecke trug er aus Afrika einen großen Felsen durch die Lüfte, von welchem ihm aber unterwegs -^ da er von einer Wallfahrer-schaar alterirt wurde — zwei Stücke zu Boden fielen, wovon das größere der Schloßberg, das kleinere der Calvarienberg 100 Steiermark. geworden ist. So fromm wie der Ealvarienbcrg ist der Schloßberg mm allerdings nicht; ein paar Wirthshäuser gibt es auf ihm, wo es mitunter gar weltlich zugeht; und Felshöhlen und dichte Lauben hat er, in deren Schatten schon manchesmal jenes Blümlein Wnndcrsüß erblüht sein mag. Nachdem der Schloßberg von den Franzosen wieder zurückerworben war (er kostete zehn Tausend Gulden W. W.) wurde er durch Baron Welden zu einem Parke umgeschaffen. Ein erzenes Standbild Wcloens vor dem Schweizer^ Hanse ehrt noch heute das Andenken dieses wackeren Mannes. Das Erste, was uns, vom Aufgangc am Karmeliterplatz kommend, auffällt, ist ein großes Kruzifix, das unter Bäumen am Wege steht. Ein dem Eastelle entsprungener Gefangener, dem es hier gelang, seine Fesseln abzustreifen, soll dieses Kreuz nachmals errichtet haben. Bis zu diesem Ehristusbilde durften die Angehörigen einen Ver-urtheilten begleiten, der emporgeführt wurde zur Richtstätte. Weiter oben sehen wir auf einer Mauerzinne einen schwarzen, steinernen Hund sitzen. Denkmal eines braven Hundes, der den Grazern das war, was den Römern die Gänse des Kapitols. In einer finsteren Nacht des Jahres 1479 wollten die Ungarn das Schloß überrumpeln, zwei Dienstlente der Burg waren scholl bestochen, sie sollten den Magyaren die schöne Prinzessin Kuniguude, Tochter Kaiser Friedrich III. überliefern. Schon lagerten zweitausend Mann Feinde ganz nahe der Stadt in einem Walde und Alles war zum Uebcrfall bereitet, als der wachhabende Echloßhanvtmann durch Hundegebell auf die Gefahr aufmerksam gemacht wurde. Sogleich ließ er die Besatzung ausrücken und die Verräther in das Burgverließ werfen; sie wurden gehangen und geviertheilt. Nach wenigen Schritten stehen wir vor dem Uhrthurm, auffallend durch seine bizarre Gestalt. Ein Festungs-thnrm, "vielleicht der älteste Bau in Graz, der alle Stürme der Zeiten glücklich überstand. Die Thnrmnhr ist sehr sinnreich, die Zeiger springen von Minute zu Minute durch einen Zug der astronomischen Normaluhr. Nach dieser Uhr, deren riesige vier Zifferblätter in der ganzen weiten Runde von Graz gelesen werden können, richten sich alle andern der Stadt. In diesem viereckigen Thurme war früher ein Orgelwerk, genannt das „steirifche Horn", welches mit seinen vielen Pfeifen täglich des Morgens und Abends und bei großen Feierlichkeiten gespielt wurde, daß es in erhebenden Töneil hintlang über die Giebel und Thürme der Stadt. Während der französischen Besetzung ist dieses originelle Werk verloren gegangen. Im Uhrthurme befindet sich auch die Feuerglocke, das „Armensünderglöcklein", das cincn gar kläglichen Ton hat und früher bei Hinrichtungen geläutet worden ist. Das ist dieselbe Glocke, die an jenem Abende, als Baumkircher und sein Freund Greisenecker unter freiem Geleite die Stadt verlassen wollten, zu früh die Vesper kündete. Noch lange diente diese Glocke zum „Gottesfriedcnläuten", zur Warnung vor gewaltsamen Ueberfällen. Später kam eine Zeit, wo sie des Abends den Gast- und Kaffeehäusern die Sperrstunde anschlug und sonach die „Lumpenglocke" hieß. — In diesem Thurme ist am 30. September 1745 der berühmte Schauspieler Johann Franz Brockmann, dessen Vater hier Wächter war, geboren worden. Vom Uhrthurme wendet sich die Straße und geht durch eine dichte Kastanicnallce sachte hinan zum massiven, achteckigen Glockenthurm, mit der größten (hundertsechzig Centner schweren) Glocke des Landes, die „alte Liesl", zu den Ruinenrcsten der Festnng und zum Plateau. — Kühle Luft strömt lins entgegen und es entrollt sich eine entzückende Aussicht. Wir wissen kaum, wohin den Blick zuerst wenden. Da unten die weite, vielthürmige Stadt, aus welcher das Gebrause der Wägen wie das Rauschen eines Wildwasscrs heraufdringt. Still und hell zieht sich der Murfluß, bisweilen eine schwimmende Hulzbrücke obcrländischer Flößer mit sich tragend, durch das Häusermcer, welches nach beiden Seiteil hin bis an das Gebirge oder Hügelland schlägt, um sich besonders gegen Norden und Osten in zahllosen Villen, Winzerhäusern, Schlössern und Höfen, die über die Höhen yingesäct sind, aufzulösen. Hart am Fuße des Schloßbergcs stehen die altersgrauen Häuscrmassen am dichtesten, dann unterbrechen der Strom, die dunklen Alleeil der Ringstraße, das grüne Eiland des Stadtparks, hinter welchen der große, breite, schimmernde Ring der Vorstädte anhebt. Auch die übrigen Theile des Schloßbergs, an denen wir emporgestiegen sind, scheinen in die Stadt hinabgesunken zu sein und wir blicken hoch über die Kronen ihrer Bäume hin. Gegen Westen aber, dort, Graz. m wo die dunkeln Waldungen des Plawutsch gegenüberstehen, fällt der Schloßberg in steilen Felsen gegen die ängstlich sich duckende Häuserreihe der Sackstraße und die Mur ab. An diesen schroffen Hängen, die wie ein Heim des Edelweiß aussehen, reift die Rebe. — Und wenn das Auge gegen Norden und Westen weiterstiegt: zwischen bewaldeten Bergen, die sich coulissenartig in einander verschieben, tritt der Murstrom hervor, und in weiter Ferne schimmern die schneebedeckten Berggipfel seiner Heimat ihm den letzten Gruß nach. Die kärntnerischen Alpen bis zum Bachergcbirge hm ziehen einen unendlichen Wall um das „steirischo Paradies" von der Kainach bis zur Sulm, aus dessen Gefilden der Rosenkugel und das Sausalergebirge ragen. Der vorgeschobene Rücken des Wildonerberges schneidet den Blick ins Leibnitzerfeld ab, aber über dem südöstlichen Hügelzug her lugt noch ein oder der andere nnscrer Bekannten im Unterlande. Weit hinter jenem lieblichen Bilde, „wo zwei Thürme ans den Bergen ragen, umgeben von der Wälder dunklem Grün", hinter Maria-Trost, herein blauen die Herren der Feistritz, die Pyramide des Kulm und der Rücken des Rabenwald, hinter welchen das schöne Et. Johann mit dem romantisch an der Feistritz gelegenen Schlosse Hcrberstein liegt. — Gegen Nordosten ragen die schwellenden Berge von Weiz und der Grazer Schocket, als der steirische Rigi von den Grazern gerne besucht. Eine großartige Fernsicht, eine herrliche Flora, ein Alpenhaus mit Schwaigerei vermitteln den Städtern hier Graz: Der Hilmteich. die schönsten alpinen Genüsse, welche durch die Sagen von den Echöckelhexcn und den Net-tcrlöchern, die mit den: Plattensee in Ungarn in Verbindung stehen sollen, nicht getrübt werden. Hierin groben Strichen das großartige Bild vom Grazer Schloßberge alls, welches ill allen seinen Theilen, von den Schneehäuptern des Oberlandes bis zn den rebenumkränzten Hügelwellen, durch vaterländische und fremde Dichter schon besungen worden ist. Wir mögen uns kaum sättigen an diesem Anblicke und nehmen uns vor, wiederholt heraufzusteigen, um denselben bei allen Beleuchtungen des Tages, und endlich auch des Abends, wenn oben die Sterne, unten das Meer der Gasflammen funkeln, zu genießen. — An der Nordseite zwischen Tannengruppen, die an manchen Stellen förmliche Wälder bilden, zwischen Felsen und üppigem Laubgehölzc steigen loir nieder, überall begrüßt voll dem Gesänge der Vögel, die ganz traulich zu uns heranfliegen. Sie haben hier den Menschen gar lieb; ein Vogelvater, Baron W. v< Kalchberg, hat ihnen auf Pfähleil zahlreiche Tischchen aufrichten lassen, auf welchen sie zur Zeit der Wintersnoth gefüttert werden. Aber unter den Vöglein allen ist eins, das uns zumal gemahnt, der Mensch hätte keine bleibende Stätte hienieden, und sein Leben wäre nichts, als eine kurze Wanderschaft durch diese schöne Schöpfung Gottes. - So schnüreil wir denn unser Bündel und sagen dem schönen Graz Lebewohl. — Wir nehmen auf dem neuen monumentalen Eüdbahnhof eine Karte mit Unterbrechungen, denn wir haben noch mehrere der schönsten und interessantesten Gegenden der Steiermart kennen zu lernen. — Der Zug rollt rasch durch den großen Bahnhufsplatz, zwischen den zahlreichen Fabriken und pustenden Eisenwerken, Gärten und Landhäusern hin, bis er uns bei Gösting, wo das Grazerfeld abschließt und die engen, waldreichen Bergthäler beginnen, an der malerischen Weinzettelbrücke noch einen Blick auf den Schloßberg gönnt, der bereits in die Ferne gerückt und eingehüllt ist in den bläulichen Hauch der Stadt. _______________ 2^' ;02 öteiermark. von Graz bis Vruck. üeben der Bahn, uns entgegen zieht die Mur, deren breite Sandbänke hier uns verrathen, daß der Strom doch nicht immer so ruhig und freundlich ist als er dem Fremden scheinen mag. Die Mnr kann wild und rasend sein, sie hat schon manchen Todten herabgeschwemmt, schon manches Stück von Graz mit sich gerissen. Erst vor ein paar Jahren an einem sonnigen Frühlingstage hat sie sich hier eines hundertfachen Mordes schuldig gemacht. Dort bei der Station Iudeudorf anf dein Waldberglein steht die Wallfahrtskirche Straßengel, deren schöner gothischer Bau mit dem schlanken, durchbrochenen Thurm selbst Kinder der Welt zu sich hinanzieht; wie vielmehr erst fromme Landleute, die von manchem Mirakel zu erzählen wissen, welches die heilige Maria von Straßengel gewirkt hat. Im Jahre 1875, am Pfingstdieustag war's, als zur Morgenstunde von dem in diesem Thale jenseits der Mur gelegenen Dorfe St. Stefan eine große Wallfahrerschaar sich gegell den Fluß heran bewegte, um durch die Kahnüberfahrt daselbst ans diesseitige Ufer und nach Straßengel zu gelangen. — Die Mnr war trüb nnd groß und die Frühlingswässcr der Alpen schössen rasch daher. — Eine halbe Stunde oberhalb ist eine Brücke, aber die Wallfahrer wollen geradeswegs auf der Plätte, die an einem Seile hängt, das Wasser übersehen, um ja den Ablaß nicht zu versäumen in Straßengel. Zwei Plätten voll sind glücklich drüben; bei der dritten Fahrt drängt sich Alles aufs Fahrzeug; 's ist ein Stoßeil und Drücken nnd weit über hundert Menschen haben sich anf das Schiff gedrängt. Toll schaukelt die Plätte, hell kreischeu die Weiber; 's ist ja Wasser zu den Füßen. Die Ankerkette wird abgelöst, das Schiff rennt drein — — Um Gottcswillcn, was ist denn geschehen? „Untergegangen sind wir Alle," erzählte mir selbst ein Mann, der dabeiwar. — „Krik! ist jetzt der Pfeiler gebrochen, das Seil reißt auch ^- wie einen Kreisel hat's die Plätte gedreht auf dem Wasser; da sind jählings lauter Trümmer gewesen; die Lent' hats abgeschüttelt, gerade wie man die Maikäfer abschüttelt von den Bäumen. — Eine schreckliche Stund' ists gewesen, das mögt ihr baß glaubeu! Leicht wären Viele durch das Schwimmen davongekommen, aber Einer hat sich an den Andern festgehalteil, ich glaub', vier Nösser hätten den Mcnschenknäuel im Wasser nicht auseinandergebracht. Die Menschen an den Ufern laufen neben her nnd schreien: ihr lieben Leut'! ihr lieben Leut'! — Sie können nicht helfen. Und das Wasser reißt uns fort, gießt uns die Gurgel voll, wirft uns dann wieder in die Höhe — ade, Welt! -^ Was ist das für ein Geheul gewesen zu der Maria von Straßengel! — Verlassen hat uns die himmlische Frau, verlassen auf dem Kirchfahrtsweg zu ihr! — Ein Hausirjud' hat mich aus dem Wasser gezogen. Andere hat's auf die Sandbänke und an die Ncinzettclbrücke geworfen; die meisten sind durch Graz hinabgeronnen und zwei Stunden unterhalb der Stadt, bei Feldkirchen sind sic alls Land geschwemmt worden. — Wie viel zu Grunde gegangen sind? Gerade um Eulen mehr als hundert." Jetzt haben wir für Straßcngcl keinen fromm begeisterten Blick mehr. Hingegen findeil wir eine Stunde davon hinter Gratwein ill einem überaus freundlichen Eeitcnthale eine andere Glaubensstätte, das uralte Eisterzienserstift Rein. Mitten ill dell Gebäuden steht die herrliche Kirche mit schönen Fresken und Bildern. Die Gruft umschließt die Gebeine des Stifters, des Markgrafen Leopold uud seiner Gemahlin. In einer Seitmkapelle ruhen mehrere steirische Fürsten, darunter der letzte Traungauer, dann die Reste des Herzogs Ernst, der Eiserne genannt, ill einem Sarkophage von rothem Marmor mit herrlichen Skulpturen. Weiter oben au der Mur ragt das schönste Schloß zwischen Wien und Trieft, das in der modernen Gothik erbaute Stübing, welches sich eng an einen dichten Nadelwald schmiegend, mit seinen lichten Wänden uud hohen von Graz bis Vruck. >05 Zinnen überaus malerisch aus-nimmt. — Nun sehen wir schon die Felswände von Peg-gau — das erste Thor in die ungeheure Vnrg der Alpen, in welche wir nun noch einmal eintreten. Pcggau ist ein gar schöner, interessanter Punkt. Von der Terrasse des Grafen Wimpfen'schen Landhauses aus einen Sommermorgen zu schauen, hm über das thauschimmernde Thal mit dem stattlichen Flusse; dort die grimm Waldberge, hinter welchen die Hochkuppen des Urgebirges herüberschimmern; dort das weiße Kirchlcin auf buschigem Hügel und die leuchtenden Felsmassen der Murschlucht, wo die Felsen so nahe aneiuandcrgehen, daß Ruine f)cgga». sie beim Baue der Eisenbahn mit einem Kostenaufwande von mehreren Millionen Gulden mußten gesprengt werden. Eine großartige Stcingallerie wurde erbaut, die Vadelgallerie mit ihren sechs-unddreißig Pfeilern, unter welcher die Eisenbahn durch, und über welche die Hauptstraße hinwegführt. Hinter der Ruine Peggau rauscht über hohe Terrassen nieder ein Wasserfall; ein noch viel größerer Fall ist der zwei Stunden gegen Osten entfernte Kesselfall bei Semeriach. Derselbe rauscht in der Engschlucht des Kessclgrabens. Wir steigen über Steinblöcke und zwischen Gestrüppe in eine wild zerklüftete Felsen-spalte hinan. Das Wasser schäumt uns schneeweiß entgegen. Ueber zwei Leitern und einen hohen Steg müssen wir klettern — aber nur etliche fünfzig Schritte bedarf es noch, wir treten durch ein Thor von Felsen und Bäumen und stehen vor dem Wasserfalle. Derselbe ist beiläufig so hoch, wie ein ausgewachsener Vaum und stürzt in zwei Absätzen nieder in eine kesselförmigc Vertiefung, welche der Schlucht den Namen Kesselgraben gibt. Das Wasser von den nördlicheil Abhängen des Schöckels kommend ist wohl nicht eben groß, aber mächtig genug, um hier sehr effektvoll zu wirken. Dazu die gewaltigen Felsen an beiden Seiten, die das Bild zu einem der schönsten vollenden, welche die Alpen aufweisen. Unweit dieses Wasserfalles ist der Markt Semeriach, in einem von dem Kolosse des Schöckels beherrschten Hoch-thale. Daselbst befinden sich die interessante Vadelhöhle, das Luegloch und die Schmelzgrotte. Der Semeriachbach stürzt hier in die Erde, um zwei Stunden westlicher bei Peggau unter der Felswand wieder hcrvorzubrauscn. m Steiermark. Freien bei Fackelschein, oder es fanden sich für einzelne Pärchen stille Winkel zum Plaudern. — Schön war's; des Weiteren erlaßt nur die Worte. Unsere Bahn geht zwischen waldigen Vorbergen über Wiesengründe hin. Vald sind wir am Friedauwerk mit seinem architektonisch schön gebauten Hochofen, die Poesie der Gothik wunderlich mit der Prosa des Praktischen vereinend. Unter nns haben wir stets den Vordernberger Bach, kein klares Alpenwasser, seitdem die Schlacken nnd der Staub der neun Vordernberger Hochöfen in dasselbe gefallen sind. — 3inn sind wir am Ende der Bahn, die freilich am liebstell gerade durch den Berg nach Eisenerz möchte. Aber die Banken stürzen und die Berge stehen fest. Gottlob noch, daß es nicht umgekehrt ist! - Vurdernberg - südlich vom Erzbcrge, die Werkstätte der sogenannten Mdmeistereommunität, eines Vereines von Gewerken — liegt ganz unbehaglich eingeklemmt zwischen steilen Bergen, hat oft kaum Htaum für die Straße und den Bach und die Hänser; Hochöfen nnd Werksgebäude klammern sich an die Berglehnen. Alle Mauern sind rothbraun von den: ewigen Erzstanb; zum Glücke kommt von den Wänden nieder oft der fegende Wind, welcher Straße nnd Gebäude abbläst. Der Markt hat von: Bahnhöfe bis zum oberen Ende eine Länge von Dreiviertelstunden. Dann steigt die Straße den Berg hinan und geht über den Pr.ebühel nach Eisenerz. Wir trachten rechts über das Gewände des Hochthnrm dem Tragößerthale zu. Das Tragößerthal, eines der schönsten in den Alpen, ist von drei mächtigen Bergriesen umschlossen. Der mit Legföhren reich bewachsene Felskegel des Hochthurm; die wüste, in senkrechter Wand abstürzende Pribitz, die ihre Echuttfelder weit ins Thal hinabgießt; die gewaltige Kuppe der Meßnerin. Zwischen diesen drei Bergen gähnen zwei wilde Schlnchten nieder ins idyllische Hirtellthal. Ill einer derselben, alls welcher die Lamming kommt, liegt in einem verkümmerten Fichtellwäldchen der grime See. Das Wasser ist kristallklar, der Grund des Sees besteht alls weißen Steinen — aber das Ganze spielt seltsamer Weiße ins tiefe Grün. An beiden Seiten des Sees sind mächtige Schutthaldell von den Felsspalten nieder gegangen lind im Engthale liegen ungeheure Wuchteil voll Stein- und Erdlawinen. Im Hintergrund ragt die Heuwieswaud und die Griesmaucr auf, zwei trotzige Felsblöcke, die all den Wändeu keine röthlichen Brnchflächen habeil, wie etwa die ewig abrutschende, niederbrechende Pribitzwand, die ,-sremstom. Hm Herzen des oberen kandes. U5 Vlick auf ^rofaiach und den Reiting. grau und ehern dm Jahrhunderten zu spotten scheinen. Noch weiter hinten ragt der Hochthurm und die kronen-zackige Frauenmauer. Hoch oben durch die Frauenmauer öffnet sich die merkwürdigste Höhle Steiermarks, die Frauenmauergrotte. Sie führt von Osten unch Westen durch den Berg hindurch, ein großartiger Naturtunncl von 430 Klaftern Länge. Die östliche Oeffnung der Mhle gegen das Tragößthal liegt 4Ni0 Fuß, die westliche gegen Eisenerz 4li:l''1 Fuß hoch. Nahe dem westlichen Eingänge liegt die vierzig Klafter lange Eiskammer aus Eiskristallen, Eissäulen gebildet, die gefrornen Wasserfällen gleichen. Den Mittelpunkt bildet der dreißig Klafter hohe Dom. Weitere interessante Punkte: die Kirche, die Kreuzhalle, die Klamm. Ein Labyrinth von Nebenhöhlen sucht aber den Wanderer zu verführen; und keiner dürfte ohne die Fackel des kundigen Führers die gefährliche Partie durch den Verg unternehmen. Gar überraschend und verschiedenartig ist die Aussicht an den beiden Mündungen: gegen Osten die Waldberge des Mürzthales, gegen Westen das Gefelse von Eisenerz und des Eunsthales. ^ Zur Zeit der Türkcneinfälle sollen sich die Klosterfrauen eines Stiftes bei Eisenerz mit ihren Schätze,: in diese Höhle hinaufgeflüchtet haben; davon sei der Name Frauemnaucr und Frauenhöhle entstanden. Die Schätze, sagen die Aclpler, lägen noch verborgen in der Höhle, aber ein böser Drache säße dabei, der das Kapital nicht wolle verzinsen lassen. Nur wer das Gclöbniß mache, bei Eisenerz das Frauenstift wieder aufzubauen, könne die Schätze heben. Aber jetzt fürchten die Holzer und Halter, wenn das Stift wieder stünde in seiner Pracht und Schönheit, so könnten leicht ihre Schwaigcrinncn sammt und sonders ins Kloster gehen — und so hat Keiner bis heute das Gelöbniß gethan. U6 Steiermark. Der grüne 3ee. Die Felsschlucht rechts von Tragöß hinein heißt die Klause. In welchem Vergwinkel hätte seiner Tage nicht ein Klausner gehanst? Ich sehe sie noch knieen in der Höhle vor dem bemoosten Kreuz nnd zur unbelauschten Stunde wildern im Wald und auf der Felswand. Manch solch ein frommer Einsiedler mochte ein Wehrpflichtiger, Faullenzcr oder genan besehen gar ein Wegelagerer gewesen sein; oft auch ein Grübler und Fanatiker oder ein ehrlicher Wurzelgräber. Indeß lasse ich gerne gelten, daß es wirklich Menschen gibt, die in der großartigen Wald-und Felseneinsamkeit ihre Seele weiten, ihr Herz für die Menschheit bewahren und größer, vergeistigter und prophetischer werden, als andere Kinder der Erde. Von der Klause aus geht ein dürftiger Fußsteig die schrundigen Hänge des Schwaben hinan. Besser besteigt man in mehr als siebzig Schlangenwcndungen die vom Thale aus uneinnehmbar scheinende Pribitz mit ihren weiten Almfluren. Möge oben der Tourist aber nicht zu übermüthig vorwärts hüpfen, plötzlich bricht sich das Plateau in einen mehrere tausend Fuß tiefen Abgrund. Man ist auf der höchsten Kante der senkrechten Wand, die vom Thale gesehen, so schauerlich wüst aufragt. Aber man sieht die ungeheuren, fast überhängenden Tafeln nicht, sieht den Tod nicht, der einen Schritt vor uns steht. Wie, wenn plötzlich der Nasen sich löste und Giner von uns hinabführe in die Tiefe — von den sausenden Lüften schon erschlagen, ehe er zur ersten Felkskaute kommt! Dann zermalmt, von losen Steinchen umtanzt die Glieder abwärts fielen von Zahn zu Zahn, von Hang zu Hang, und endlich unten m den Sandfeldern versickern — ein vergangenes Wesen, das vor zehn Sekunden noch ein jauchzendes Menschenkind war anf der Höhe! — Der Blick mag ja hinabtauchen ins Thal, das tief unten seine frischgrünen Matten, weißen Straßen und Wege, blitzenden Teiche und Bäche dehnt — wie ein bunter Kartenplan auf den Tisch gebreitet. Die Aussicht von diesem Vorberge des Schwaben beschreibe ich nicht, wir haben sie auf dem Schwaben selbst ähnlich, aber Vildcr aus dem TraZößer Thal. von I. I. Kirchner. ^m Herzen des oberen Tandes. u? noch großartiger gehabt. An der gegenüber anfragenden Vießnerin bleibt unscr Auge hängen. Dieser Berg hat hoch oben gegen die Kante der Wand hin ein viereckiges Loch, dnrch welches man das Firmament schimmern sieht. ^ „Ja," sagte mir einmal cm Halter, „es ist kein Spaß, dieses Loch hat der Tensel mit seinen Hörnern gestoßen, wie er mit der Schwaigcrin abgefahren ist." „Ei, was ihr sagt! So hat er doch einmal eine geholt?" „Und ob er Eine geholt hat! Weil sie sich ihn: verschrieben gehabt hat, da oben auf dem Pribih-boden. Warum? Weil ihr der Böse beim Käsen nnd Puttern hat helfen müssen nnd sie es den Schwaigerin- nen auf der Sonnschinalm hat anthun mögen, daß deren Kühe lauter Vlnt nnd Wasser haben gemolkeu." „Und hat sie das zu weg gebracht?" „Wird sie doch leicht zuweg gebracht haben, wenn sie eine Hexe ist gewesen! Desweg hat sie sich ja dem Teufel verschrieben, daß sie eine Hexe hat sein können. Nu, wie die Zeit ans ist nnd sie der Schwarze d'rauf hätt' holen sollen, hat sich die Schwaigerin, daß er sie nicht finden nnd erkennen möcht', in eine Schncck verzaubert und ist üben in der hohen Pri-bitzwand herumgekrocheil. Aber dein Teufel wird Kteirischer Hirtenknabe. Eins nicht zu gescheidt; wie sie eine Schneck ist, wird er ein Geier nnd fliegt an die Felswand. Just will er seinen langen Schnabel aushacken nach der Schnecke, da kollert diese schnurstraks hinab in den See und verzaubert sich in eine Forelle. Der Teufel nicht fanl, wird eine See-schlänge, jagt die Forelle ans Ufer. Auf grünem Gras hat sie wieder müssen die Schwaigerin sein. Da hat er sie gepackt nm die Mitten, ist mit ihr dnrch die Lüfte gefahren grad der Meßnerinwand zu und mit einem Sauser durch den Berg. So ist das Loch heutigen Tags noch zn sehen." — Diese Hochalpenwelt ist des Halles nnd Schalles voll. Hier, im Angesichte des ungeheuren Bergrnndes steht ein Hirtenknabe mit seinem Stab. Kaum kommt die Herrlichkeit dessen, was er sieht, zu seinem Bewußtsein, aber er schaut und fühlt und jauchzt. In diesen: Jauchzen liegt der Ausdruck seines Mcnschenthums; das Jauchzen und Jodeln ist die Lyrik des Aelplers. - Dort oben gellt ein gebrochener Knall; bald darauf sehen wir einen granen Pnnkt niederfahren an der hohen Wand — es ist die in den Abgrund stürzeude Gemse. — In der Kirche von Tragöß hinter dem Hochaltar ist ein gespaltener Todtcnkopf anfbewahrt. Vor vierhundert Jahren wars, da haben die Tragößer ihren Pfarrer am Hochaltar erschlagen. Der Priester hatte sich dnrch ein zu strammes Regiment und dnrch zu rücksichtslose KanZelreden mißliebig gemacht; hatte vom Gute seiner Pfarrtinder schweren Zehent genommen, hatte den verwilderten Waldmenschen das gewohnte Lasterleben scharf untersagt, und soweit kam's, daß eine Rotte sich gegen ihn verschwor und eines Morgens den Priester, als er zur Messe gehen wollte, mit einem Beile den Kopf spaltete. Zwölf der Rädelsführer wurden ob dieser That vor der Kirche enthauptet, die Gemeinde aber wurde in den Bann gelegt, in welchem sie lange Jahre schmachtete. 30° 1,8 5teiermark. Chörl out Zchachcnstein. Voll Tragöß gehen loir liber einen schöneil Waldberg ill das Thal mm St. Ilgen. Hier wieder und zwar das lehtemal haben wir die Alpeinoildniß. Sic schaut drohend nieder, die tiefgerissenen Furchen und Schrunde zeigen den Jähzorn an. mit dem der Hochschwab behaftet ist. Heute hat der Alte sein Haupt in Nebel gehüllt. Das Thal liegt hilflos da — wird alljährlich mit Wasserfluthen und Lawinen geschlageil von dem Tyrannen. In der kleinen Kirche zu St. Gilgen sind zwei Waldpatrone, der heilige Jäger Eustachius und der heilige Ansiedler Aegidius mit der Hirschkuh. Drei Lüster, die vom Kirchengewölbe niederhängen, sind aus Hirschgeweihen geflochten, die, wenn sie in stiller Christnacht brennen, dem Verlornen Bergkirchlein eine seltsame Stimmung verleihen mögen. Wir wenden uns abwärts dem Bache entlang, kommen an geschäftigen Eisenhämmern vorüber bald zu einem herrlicheil Punkte — dem Thörl bei Aflcnz. Zwei Thaler gehen hier znsammen in eine enge, felsige Waldschlncht, an deren Eingang auf einem Felsblock die malerische Ruine Echachenstein ragt, die einst zum Schutze für Mariazell erbaut wurde. Von Kapfenberg im Mürzthal führt nämlich durch das Thörl, über Aflenz, das wildromantische Sccwiescn, den schön nnd hochgelegenen Vrandhof (Jagdschloß des Erzherzogs Johann) nnd Wcgscheid die Straße nach Mariazell. Am Fuße der Ruine, den Paß noch mehr einengend, stehen Hüttenwerke und Eisenhämmer. In den: nahen Markte Aflcnz ist die tausendjährige gothische Kirche merkwürdig. Dieselbe ziert ein altes schönes Hochaltarbild: Christus mit den zwölf Aposteln. Selten hat ein Vau wie dieser eine solche Charakteristik des hohen Alters. Er stammt von der uralten Zelle St. Peter, welche ill der letzten Hälfte des vorigen Jahrtausends im Aflenzthale gestanden sein soll. In Thörl treten wir aus dem Gebiete des Hochgebirges. Noch schimmert, wenn wir am Thorwache wandernd zurückblicken, zweimal der Fölzstein voll der Schwabengruppe durch die Tanncnwipfel, dann kommt der Wald, schöner, Im Chale der 2Mrz. N9 aber nlehrinals durch Wiesen und Vauerngründe durchbrochener Nadelwald. — Nach einein Äcarsche von drei stunden treten die düsteren Verge zurück und cm breites, lichtes aber wieder von Waldhöhen begrenztes Thal thut sich auf, durch welches omn Aufgang bis zum Niedergang ein klarer, stattlicher Fluß zieht, reich umflochten und umfriedet voll Erlen und Weiden — durch welches schneeweiß und glatt die alte Reichsstraße geht, einst so reich belebt, so vielbedcuteno für Land und Reich, und durch welches Thal heute die am lebhaftesten pulsirende Verkehrsader Oesterreichs lauft ^ die Südbahn. Im Thalgrunde blühende Flecken, wohlhabende Dörfer, brausende Eisenhämmer, lachende Kirchthürme und stattliche Schlösser. Und auf den Höhen graue Burgdenkmäler, reich an Vergangenheit und Sagen. Es ist das Thal der Mürz. )m Thale der !1lürz. v^chean bist, diüs innas ma da lossn, dir, Und onschanst Oan n sml valmpp and uanort! (verliebt und uernarrt) Wailst läidi non (ledig iwch) warst, na i nliassad di hobll! Mi deicht, n>a>^ i dir ine, Aellgerl schau, Ins Wassert, ivias hel van Vergl rint. Und i gsiach (ich sehe) mi drein, — dn host lni gern! llild wan i deini grean Wisan (grnne Wiesen) gsiach, Deitl Fiater (Fürtuch, Schürze) und d )^aldlar ols Ioupn (Joppe) dazua. Und hinta dein Bugl in Felsn Loanstnhl Ans Silba gonsse, Ulld z Nochts dazun Gluatguldani Znaggn (Zacken) iberol dron! Win noudl, a sapperalmtt nou mnol! Io, Weiberl, host da däis ollö selwa kaft? N mei Tog na! wos gsiach i dan >wu? In da Tholn, wia wcissi Orler (Vier) in Mist Dukt st s Deaferl inta die Aeipfelbain Und afn Kougl (Knppe) tloani. Heiserla, Glonzn ill da Sun, wia Korfuntlstoan. Kost dan scha Kinder und schaust iwu so jling anc,? O schein Frau, hiaz ken i di erschst; Hiaz woas i, zwegn wos d nn sou ongschaut host; Griaß di, grias; di, bist jo mei Mnada gor! No, und woc> niocht dan da Voder ollweil? Mei Kind, da Voda wird uit gor weit sein; Du woaßt es jo sou, er ualoßt uns nit; Mir geit (gibt) er mein Sunwgwandl und Olls, Und dir, mei Hlind, Hot er a Menschnherz gebn, Ulid die gonz Welt ols Fuaterol dazua! 's Fuaterol is ma z groß, sou groß brauch i 's nit, Mei tzerzerl, des Hot in sein Mürzthol Plotz. So besingt ein Dichter das Mürzthal ill der Mundart desselben. Das Mürzthal ist nicht eines jener Alpellthäler, welchem die hohen Aerge nur eiuen schmalen Streifen Himmel gönnen, es hat nicht großartige Naturszencrien; lieblich, sonnig, init gesundenl Klima und amnnthsreich ist es ^ eine heitere Heimstätte für Menschen. Es erstreckt sich zwischen Brück und Mürzzuschlag in einer Länge voll zehn Stunden. Wenn wir bei Kapfenbcrg nächst Vruck aus dem Thörlgraben heraustreten, erblicken wir schon die blauenden Berge hinter Mürzzuschlag und am Semmering. Das Bad Stcincrhof grüßt uns zuerst; über dein Markte Kapfcnberg, der fich traulich au den Waldhang des Schloßberges schmiegt, ragt die Niline Obcrkapfcnberg. Leider hat mall einst einen Theil des Ouadernbaues abgebrochen, um darans ein Theater in Vruck zu bauen; aber der Burghof mit seilten prachtvollen Eäuleugäugen, der Pruntsaal mit den Wappen steht noch da, um sich von den Besuchern bewundern zu lassen. Noch höher ragen die Ruinen der ältesten Burg und darüber auf dem Gipfel des Berges das alte Lorcttokirchlein, wo Wülfliug von Etubenbergs Fahne und Turmrsattel aufbewahrt werden, dessclbeu Wülfling, von dem uns der Mann auf dem Rennfelde erzählt hat, daß cr seinen Nebenbuhler Kueuring im Zweikampf erschlageu habe. ^20 Hteiermark. Von Kapfenberg thalaufwärts macht lins ein Kreuz, das an der Straße steht, ailflnerksain auf die Wallfahrtskirche Maria Rehkogel, die hoch t. Lorenzen und Allerheiligen vorüber nach dem stattlichen Kindbcrg mit seinem weithinleuchtcnden Schlosse und seinein malerischen Kalvarienberge. Der Felskegel des letzteren ist vom Fuße bis hinan zum Scheitel beseht mit Statuen. Christus, Viaria, Magdalena, Johannes, die übrigen Apostel, die Juden, die Schacher — alle sind da, den Andächtigen zur Erbauung. Zur Sommerszeit ist die Stätte gar verlassen; da wuchern an den Wänden Sträuche und wilde Rosen, da sonnen sich Eidechsen nnd Nattern im Gestein, oder es sitzt eine Wildtaube auf des Schachers Haupt, oder es brütet eine Amsel in der Kopfhöhlung der Veronika. Oder es kommt der alten Nachbarin Ziege herbei und nagt die Glasur von den Statuen; oder es kommen gar Sommerparthieen in den nebenstehenden Pfarrhof, deren Kinder den Kalvarienberg als fröhlichen Spielplatz benutzen. — Aber zur Winterszeit, wenn Schneestürme brausen um die Bildsäulen und der Aschermittwoch da ist, da kommen sie von den Bergen herab, alts den Wäldern hervor, die Andächtigen und die Armen, um sich an dem Leiden des Heilandes zu trösten. Da wird arg gebetet und gesungen. Wohl aber kann ein Neiblein dabei sein, das nicht im Stande ist zu singen und zu beten — aus heller Wuth gegen den falschen Judas. Würgen möchte sie ihn. Schon spannt sie dazu die Sehnen, da reißt die Betschnur ab nnd alle „fünfzehn Geheimnisse" kollern heillos auf den Boden. — Ein anderes Mütterlein will schon früh Morgens den Berg besteigen, ist aber völlig zu schwach für die steilen Treppen. Da legt sie voreh unten in der Kirch,,' die Beicht ab, genießt ein warmes Süpplein; und man soll nicht glauben, was so eine reumiithige Beichte wirkt — jetzt gehts wacker den Berg hinan. Bei jeder Leidensstation rastet sie und denkt auch an die Leidcnsstationcn ihres eigenen Lebens. Und wenn sie endlich ganz oben vor des lieben Herrn Jesus Kreuzpfahl steht, denkt sie schmerzlich: Jetzt haben sie ihn doch auch heuer wieder gekreuzigt! ^ und weint. ^ Neben dein Ehristuskreuze steht das des rechten Schachers, der „bei ihm im Paradiese sein wird". Zur andern Seite ragt der Pfahl des linken Schachers; dieser hat ein vor Verzweiflung grinsendes Angesicht und ist ein berüchtigt Echreckbild. Nenn Einer das Gesicht verzerrt, so sagt man von ihm: „Er zahnt (grinst) wie der link' Schacher." ^ Am Fuße des Heilandes steht Maria; sieben Schwerter stecken in ihrer Brust. Das dauert unser Mütterlein, da kommt ein Vöglein geflogen, setzt sich auf eines der Schwerter und singt so übermüthig, so lustig toll drein, daß das Weiblein gar nicht weiß, wie ihm geschieht. — Hast denn gar keine Religion, du böser Vogel? — Er hat wirklich keine und singt, wie ihm der Schnabel ist gewachsen. Und man kennt sich gar nicht mehr aus auf der Welt. So gehts zu auf dein Kalvaricnbcrg wie dieses eine Weiblein tausend andere, wie dieser eine Vogel tausend andere. — Und so gehts zu auf allen Kalvarienbergen, deren es ja so viele gibt im Lande. — Von der alten Bergkirche St. Georg jenseits des Thales klingt ein Glöcklein zu uns herüber; es läutet den Mittagsgruß hinaus ins Thal. Und die fröhlichen Mähder und die Schnitter ziehen heim; aber die Eisenhämmer rollen und pochen fort in ewiger Geschäftigkeit, heute schmieden sie Pflüge, morgen Schwerter. Und ewig bleibt die Welt ein Kalvaricnberg mit dem übermüthigen Vogel. Noch blicken wir zur Waldhöhe hinan, wo die letzten Reste der Ruine Kindberg morschen; die alte Feste ist im 1A. Jahrhundert durch ein Erdbeben zu Grunde gegangen. — Und nun wandern wir dem Wartberge zu, der das Thal einengt und es in das untere und das obere Mürzthal scheidet. Wenn das untere Thal sonnige Lehnen mit zahlreichen Bauernhöfen, Holzschläge, Felder und Matten aufwies, so hat das obere Thal eine etwas ernstere Schattirung. An den rechtsseitigen Höhen, die hier wieder zu bedeutenden Bergen aufsteigen, stehen große Waldungen; an den linksseitigen sind zwischen Waldgebieten überall behäbige Bauernhöfe zu sehen; und hinter diesen: grünen nördlichen Vergwall baut sich der schroffe Felsstuck der hohen Veitsch auf. Nach beiden Seiten hat das Mürzthal lange Engthäler mit Ortschaften und Uebergangsstraßen zur Schwabengruppe links und ins Fcistritzgebiet rechts. Auf den Bergrücken, welche die Gebiete der Mürz und der Feistritz trennen, 'ist ein stundenlanger, weiter Graben gezogen, welcher die Türkenschanzc heißt und als Schutz gegen die wilden morgenländischcn Horden gegraben worden sein soll. Bald hinter der Enge bei Wartberg steht auf dem Berge die schöne Ruine Lichteneck, an deren Fuße in neuester Zeit mehrere Villen und ein stattliches Eisenwerk entstanden sind. Nicht weit davon, in Mitterdorf, wo das Wasser aus dem Waldgraben von der Veitsch kommt, steht das Schloß Bühel, die Geburtsstätte des steirischen Dichters I. Kalchberg. Und eine Stunde später rnhen wir auf einer grünen Höhe und betrachten des Mürzthales schönstes Bild. Zur rechten Hand liegt der lebendige Blumenteppich einer Wiese; nebenhin stehen Kornhäuschen, welche gestern die Schnitter gebaut und die das kostbarste Dach haben von allen Gebäuden der Erde: ein Dach aus goldenen Aehren. Unten in der Niederung liegt der ansehnliche Ort Krieglach mit seinem altersgrauen Kirchthnrmkeil. Krieglach, dieser uuscheinbare Ort, ist eine jener uralten Menschenstätten, die auf uns herübergekommen sind, wie eine Sage in Stein gehauen. Die Echloßherren nnd Pfarrer haben über die ihnen untergebenen Orte keine Chronik geführt, außer was Robot und Zehent betraf, und so ist es der Phantasie des Volkes anheimgestellt geblieben, von dem Ursprünge und der Geschichte seiner Heimat zu erzählen. Und vom Krieglacher Thale erzählt die Phantasie des Voltes so: Da ist einst ein großer See gewesen, der hat sich vom Gansstein bei Mürzzuschlag bis an den Wartberg hinab erstreckt. Auf diesem, von Urwäldern umschlossenen See ist allweg ein weißes Krüglein geschwommen 3^' <22 3teiermark. Kruglach. und in diesem Krüglcin ist das Bildniß des Apostels Iakobus gewesen. Darüber sind unzählige Jahre hingegangen, bis eines Tages der See am Wartbergc die Schlucht hat gerissen. Das Wasser lief ab, aber das krugartige Echifflein des heiligen Apostels ist stehen geblieben auf dem Sandgrunde, un' das Thal am breitesten ist. Dort hat es ein frommer Ginsiedler, der ssische abhob, gefunden, hat zu Ehren desselben am Flusse, den der See zurückgelassen, eine Kapelle gebaut und sie geheißen: Krügel am Vach uder Krttglach. Um diese Kapelle haben sich arme Wald-lcute Hütten errichtet. Und als hierauf die Römer ihre Pfade anlegten durch das Laud, uud als Völker wanderten von Aufgang gegen Niedergang, uud als Grafen und Herren im Thale der Mürz aufHügelu ihre Wohnsitze bauten — da hat sich der Ort Krieglach vergrößert und es ist ihm von dem Landesfürsteu uud durch sein eigenes Bestreben eine schöne gothische Kirche gegeben worden, die, dem heiligen Apostel Iakobus geweiht, heute noch steht, wenn gleich mehrfach Rirchplatz in Rrieglach. umgestaltet und theilweise verunstaltet durch die Geschmacklosigkeit des vorigen Iahrhuuderts. - Schwere Noth uud Drang' sal ist über den Ort ergangen, davon erzählen mehrere Inschriften in der Kirche unter dem eigenartig gebauten Thurm: „In dem 1529 Jahr ist der Türgkh hie gewösen vnd hat ttl>0 vnd etlich Perschaunen wcgkh gefiehrt. ^: 1541 seintt in die 1600 Perschauueu von St. Iacobi bis hin auff Martiui gestorben. Gott wolle Ihnen gnedig seyn. ^: 1544 am Pfingsttag von Pärtholomei seiutt die Hcuschröken mit Hälften hie gewöst, daß sie die Sonnen haben verdökht. ^rino lliNi den 2:t Juli hat der Donuer bei hellen Sonnenschein in Kornschibern ohne Verletzung eines andern Hälmlein stro alda zugleich Mann vnd Weib erschlagen. Im Thalc der TNürz. ^IZ ^rmo 1693 den 18 nach vnd dm 19 Augusti Vornuttag scin wieder die Heuschröken in unbeschreiblicher menge durchgestoßen, alda schier kheinen minderwertig aber in Traith großen Schaden gethan. Was folgen werdt ist Gott bekcmndt, oder dessen Abwendung von Ihme zu erbetten." Ferner folgt noch die Aufzählung mehrerer großer Fenersbrünste neuerer Zeit. Unter den vielen Türkcnsagen des Mürzthales berichtet eine, die Türken hätten die gefangenen Bewohner der Gegend in die Kirche von Krieglach zusammengesperrt, um sie mitsammt derselben zu verbrennen. Da seien aber aus den Waldgegenden des Tcnfelsstein wilde Männer in Rotten hervorgebrochen, hätten die Feinde mit gewaltigen Aexten erschlagen und die Gefangenen befreit. Gin vaterländischer Dichter hat diese Sage in seiner Erzählung: „Der Höllbart" benutzt, einem düsteren Gemälde aus der Türkcnzeit im Mürzthale. Vor der Eisenbahn war Krieglach einer jener lauten, wohlhabenden Orte, denen jedes Rad der allbelebtcn Landstraße einen harten Thaler zuführte, die aber jetzt behende das Gras sammeln, so auf der Landstraße wächst. Hingegen führt die Eisenbahn zur Sommerszeit Gäste aus den Hauptstädten herbei, die monatelang verbleiben, um sich der schönen, ländlichen Natur zu erfreuen. Die dämmernden Bergrücken des Gölk, des Kaiser- und Königskogcls ragen im Süden und Osten; sie haben Kanten, so schroff wie die Riffe der Gnnsthaleralpen, aber der Wald läßt sichs nicht nehmen, er zieht sich hier hinauf bis zu del! schärfsten Spitzen und jede Felswand hüllt er ein. Wohl nagen tausend Beile nnd Sägen an ihm, dem lieben Wald, aber er wuchert in reicher Kraft überall jung wieder nach — will nicht lassen von diesen: Bergthal, das er gehütet und gesäugt wie eine Mutter ihr Kind, bis es schön und fruchtbar geworden. Wir blicken noch auf das weiße Kirchlein an: Waldhangc des Gölk, dein Frauenkultus geweiht; wir hören von seinem Thnrme ein Glöcklein klingen, weil eine drohende Wetterwolke am Himmel steht. Hier wie in vielen andern Gegenden der Steiermark ist das Nctterläuten noch gebräuchlich. Das zwischen schützenden Vorbergen der Alpen gelegene Thal bleibt thatsächlich vor grobem Wetter meist verschont; der Mann aber, welcher den Sonnner über das Wetterläutcn besorgt, bekommt im Herbst von der Bevölkerung seinen Tribnt an Brot und Geld. — Das Brausen der Eisenbahnzügc, deren auf dieser Strecke täglich über dreißig verkehren, das Pochen der Eisenwerke zu Krieglach Will zu dem mittelalterlichen Geläute des Waldkirchleins nicht recht stimmen, und doch gibt all das zusammen der Gegend, in welcher Vergangenheit und Gegenwart Raum haben, einen eigenthümlichen Reiz. — Von Osten schimmert der Kirchthnrm von Langenwang, das Schloß Neuhohenwang und im Hintergrunde der Felsen des Gansstein, die Almen bei Spital und die spitzen Vergkegel am Semmering. Die nahen Ncubergernlpen werden durch del: nördlichen vielgestaltigen Höhenzug verdeckt. Bei Krieglach ist das Thal am breitesten und also das Auge am herrschendsten, und — kein Wunder denn — die Gegend gar belebt — besonders zur Sommerszeit. So sind die schönen Landsitze, wie der idyllisch unter großen Linden ruhende Rainhof, der auf jungbepstanztem Hügel über dem Orte Krieglach ragende Hönighof und andere Sonnnerhäuser dieser Gegend gesucht und alljährlich von Städtern bewohnt, die hier aufleben, anfjubeln über die herrliche, liebliche, wohlige Gotteswelt, die ihnen zwischen den sturmund leidcnschaftbewegten Maucrwüstcu der Großstadt so ganz abhanden gekommen war. Nnd vollends das schöne, mit Eomfort eingerichtete, von klarem, lebendigem Berggewässer nmrauschte Schloß Fciftritz an der Mürz mit seinem aus uralten Bäumen bestehenden Wildparke und seinem großen, in diesem Wildparke wie ein See gelegenen Teich, — über dessen Uferbüschen nnd Wipfeln die großen Waldungen der Berge hereinblauen uud zur Vollendung des Bildes dort im Waldesblan eine der schönsten der steirischen Burgen, die Krone des Thales, die Rnine Hohenwang, ragt. Das ist einer der lieblichsten Wohnsitze des Mürzthalcs, und wer einen thauigen Sommermorgen und einen kristallllaren Abend daselbst zugebracht hat, der wird crmessen, wie der Reisende vom Coup<5 des Eisenbahnwaggons aus, so sehr er das Mürzthal auch beloben und bejubelu mag, doch nur den allergeringsten Theil innc wird von den Naturschönheiten mannigfachster Art, mit welchen dieses Gelände au den Ufern der Mürz so reich gesegnet ist. 7 ZH Zteiermark. Znm Schlüsse unserer Wanderung gelangt, wollen nur noch emporsteigen zur poesiereichen Nuine Hohen-wang. Vun nnseren Vorfahren wnrden die Bergschlösser verflucht, von uns werden sie verehrt. Einst waren diese Schlösser Zwingburgen, heute sind sie ^ Nnineu. Der Kampf ist ans, der Feind liegt hingestreckt, den Erschlagenen hassen wir nicht mehr. Und die alten Burgen sind nnserer Thäler Zierden, nnserer Berge Kronen, sind Urkunden vergangener, hallwerschollencr Zeiten, sind Sagcnwartcn und Propheten, der übermüthigen Gegenwart in dem Bilde der Vergangenheit ihre Zukunft vor Augen haltend. Ein Uebelthä'tcr, der seine Hand zerstörend an Burgruinen legt, aber auch fast ein Uebelthäter, der durch „Allsbesserungen" mit Ziegel nnd Mörtel die Nninen, ich möchte sagen, mit gewaltsamen Mitteln vor dein Verfalle zn wahren sucht. Beide vergreifen sich an Heilig-thümern eines Volkes, nnd eine reparirtc Nninc ist »vie cine nralte Fran, die sich — geschminkt hat. Die alten Neste verfallen trotzdem, die neuen Einsätze gehören nicht zn dem ursprünglichen Baue nnd machen an den Wahrzeichen irre. — Nuinen, seien sie die Neste eines Todten, seien sie die stillragenden Mauern eines vergangenen Geschlechtes, mögen von profanen Händen nicht berührt werden. Eo lange eine Bergfeste uns eben belassen ist, wollen wir uns daran belehren nnd erbanen; ihr allmähliger Verfall nnd endlich ihr letzter, moosbewachsener Stein ist be^ redter, als die von uns künstlich geschützten und gestützten Mauern. Wohl wird eine Zeit sein, wo von unseren gegenwärtigen Nninen keine Spur mehr zn finden; aber es ist vorgesorgt nnd niemals wird kommen ein rninenloses Jahrhundert. Im Menschenleben gibt es zwei Perioden der „Nuinensucht". Der Jüngling entflieht an Holdsamen Sommerabenden der Studirstnbe und klettert durch Geblisch und über Gefelse alten Schlössern zu. Er späht, forscht und lauert im Gemäuer herum, und weiß nicht, was er sncht. Sein Leben knospet ihm so frisch und voll, unbewußt regt sich in ihm der Drang zu Thaten. Er fühlt, sein Theil müsse ihm erst werden, sein großes, schönes Theil an dieser licht- und lustvollen Welt. Fast instinktmäßig sucht er in der Vergangenheit der Menschen seine Zukunft zn erfassen. Er durchwandert Nninen, schwärmt und träumt, bis der Mond auftaucht über dem Gemäuer, sieht Nitter nnd Burgfränlein, ist selbst ein Edelknabe im Minnedienst. — Aber unbefriedigt steigt er nieder zn seinen heutigen Tagen, und das Näthsel ist nicht gelöst. — Die Jahre fliehen, der Mann muß Thaten vollbringen, nm sein vermeintliches Glück zn erwerben. In dieser Ganzheit seines Ich hat er der Nuinen vergessen. Doch der Mann überlebt sein Heil. Nun wieder steigt er langsam empor zn den Nninen, die auf waldigen Hügeln uud Bergen ragen. Gelassen nnd leidenschaftslos durchwandert er das bröckelnde Gcmäner. Er schwärmt nnd träumt nicht mehr ^ braucht keinen Mondenschein. Er versteht nnn die Nuine, und an den traurigen Denkstätten aus alter Zeit holt er sich Nesignation. Nuinen haben in der Negel drei Zeitabschnitte. Erster Abschnitt: Das Hans wird verlassen; der Witterung ist freier Spielraum gegeben. Insekten kommen, bohren, schaben, lockern, nnterminiren. Die Fenster zersplittern, die Thore modern, das Dach bricht ein. — Zweiter Abschnitt: Die Nässe dringt dnrch das Gemäuer, durch Balken und Dielen, sie löst und sie fördert die Fäulnis;. Das Eis sprengt Nisse nnd Klüfte, Stürme rütteln, lockere Stcinchen rieseln. — Dritter Abschnitt: Der Wald kommt, allerhand Pflanzen. Moose, Schlinggewächse wnchern. kriechen in die Nitzen und klettern das Gemäuer empor. Junger Tann sproßt aus den Klüften und Sprüngen, wächst auf den Zinnen. Das gräbt nnd stemmt und hebt. Und die Insekten sind fleißig fort und fort, und die Witterung nagt fort und fort und der Auerhahn und der Nabe vermag den lockeren Stein mit dem Flügelschlag vom Gemäuer zu lösen, nnd endlich wanken die Wände selbst und stürzen. Und anf den Schutthaufen wuchern Kräuter, Sträuche, Bäume; und der kleine Stcinhügel sintt ein, nnd schließlich breitet sich über Alles der grüne, lebendige Wald. So wird ein Menschenwerk durch den Zahn der Zeit langsam zernagt, aber — neues Leben sproßt ans den Nuinen. Die Nuinc Hohenwang, eine der größten und interessantesten Bergfeste,: des steirischcn Oberlandes, die von ihrem steilen, waldigen Berge aus wie ein Diadem im ganzen oberen Thale der Mürz sichtbar ist — befindet sich Vlick iris obcre TNürzthal mit schloß Feistritz und Ruine Hohenwang. von Richard püttner. Im Thale der ZNiirz. ^25 Ansicht dcr ^umo I^ohonwang und Partie aus dein ^nilcrn dl'rsl'll'l'll. heute im Uebergange vom zweiten in den dritten Abschnitt. Der Wald, der die Feste umgibt, ist mannbar, aber die Massen der oft ein bis anderthalb Klafter dicken Manern ragen noch hoch über den Wipfeln empor. Die Länge der Ruine von Ost nach West beträgt 160 Schritte. Die Abgründe dreier Zugbrücken müssen übersetzt werden, ehe man durch den gewaltigen Thorbogen schreitet, der in das Herz der Feste führt. Gin junger Tann wnchert im Innern des Gemäuers, seine Wurzeln in den Tiefen der unterirdischen Gewölbe windend, hebt er seine Kronen bis zu den Zacken und Zinnen der Thürme. Außerordentlich kräftige Nahrung mnß er haben, dieser Wald, nur weiß man nicht, saugen seine Wurzeln aus den Kellern den in Schwelgerei vergossenen Wein oder aus den Verließen die vergossenen Thränen. Im östlichen Theile weist sich die Bauart der Wohnungen noch am deutlichsten, weist sich sogar manch ziemlich erhaltene Freske. An einer der Wände ist die Stelle der Echloßkapelle zu erkennen; des Weiteren ist Alles der Ver-nichtnng anheimgefallen. — Lange Zeit und vor wenigen Jahren noch prangte in der Wandnische ein uraltes Frauen-bildniß, aus dem 11. Iahrhnndert stammend. Maria besncht ihre Schwester Elisabeth. Hoch wurde das Bild in dem Gemäuer verehrt, und mancher Pilgersmann lag anf dem grünen Nasen vor der Kapelle. Da sollen eines 32" j^26 ^tcicrmark. Tages siebeil Kinder daselbst um die Geiiesllng ihrer krankell Äültter gebetet haben; kauleil aber plöhlich Alileiseil m Schaaren aus dem Malterwerk gekrochell, so daß sich die kleinen Beter davor entsetzten und davonliefen. Kanin hatten die Kinder den Ort verlassen, so stürzte die Kapelle ein. Das Bild lag unversehrt im Schntte. Am Fuße der Ruine, auf sauft ansteigendem Waldanger, steht heute ein neues Kirchlein, in welchem das Vildniß aufgestellt ist. Junge Frauen tragen, wein: sie sich die besondere Gnade des Herrn erfleheil wollen, ihre Brautkränze in diese Kirche, nm die lieblichen Sinnbilder der ewigen Jungfrau und Mutter zu opfern. Solche Kräuze sind ein gar freundlicher Schmuck der einsamen kleinen Bergkirche und legen ein seltsam Gefühl ins Herz des einsamen Beters. Vor dem Kirchlein zur Rechten und znr Linken stehen zwei buschige Fichtenstämme. Auf einem dieser Stämme hing monatelang ein Krünzlein aus Rosmarin. Man wnßte nicht, wer es anstatt in die Kirche auf deu Baum gehangen hatte. Einer demüthigen Magd fromme Meinung war es. Vor dein Altare hatte man sie nicht tränen wolleil mit dem Erwählteil, denn sie waren blutarm — aber auch blutwarm! So haben sie denn in des lieben Gottes Namen das Maidkränzlein anf den grünen Baum gehangeil. Von solch idyllischer Gegenwart zurück in die Vergangenheit. Wann und wer das Bergschloß Hohenwang erbaut, das weiß mall nicht. Das Volk erzählt sich, der Iudenkönig Herodes habe es gethan, habe den Mörtel zum Balle nicht mit Wasser, sondern mit Wein, der damals im Uebcrflusse hier gewachseil, zubereitet, und so dauere das Mauerwerk bis auf den heutigen Tag und werde fortan danern. Ein einziger Greis lebt in der Gegend, der behanptet, nicht aus Wein, sondern alls Blut sei der Mörtel zu dem Schlosse bereitet worden. Der Mann mag wohl das Nichtige getroffen haben: voreinst habeil alle Großen ihre Burgeil ans dem blutigen Schweiße der Leibeigenen aufgebaut. Im 15. Jahrhundert taucht uns die erste Urkunde Hohenwangs auf. Herren von Gallen-berg und später die Grafen von Schärfeilberg besaßeil die Burg, welche gegenwärtig der Hut des Ritters von Wachtler anheimgestellt ist. Gruße geschichtliche Erinnerungen sind an Hohenwang nicht geknüpft; wohl aber gemahnt das gewaltige, trotzige Wesen des ganzen Baues gar sehr all die wilden Eulturznstände des Mittelalters. Einer Sage nach soll die Burg schon im Jahre 1529 von den Türken verbrannt wordeil sein; indeß ist die Burg zn Allfang dieses Jahrhunderts noch anständig erhalten gewesen. Da waren jedoch eines Tages schlimme Gäste gekommen ^ die Franzosen. Diese Herren hatten auf der Bergfeste arg gennrthschaftet. Die Rüstkammern hatten sie geplündert und mit den Lanzen nnd Harnischen alls altehrwürdiger Zeit im weiten Schloßhofe Turniere abgehalten. Den prächtigen Rittersaal mit den üppigen Gemälden ans dem Fabelreiche der alten Römer hatten sie zu einer Neitschnle gemacht. Durch das große Redehorn des Thnrmes hatten sie Hohn nnd Spott hinabgerufcn in das Thal, wo der knmmervolle Landmann seine kleine Habe zu wahren suchte. Und als sie endlich all Allem ihren Muthwillen ausgelassen hatten, wollten sie auch noch frevelnd in die Burgkapelle dringen. Hier aber stand vor dem alten Bildnisse Mariens der Eastellan, der hatte vor sich ein Pulverfaß steheil und schwang in der Hand eine brennende Fackel, „Ehe ich der lieben Franen was anthun lass', rief er, eher sprenge ich Hohcnwang ill die Luft." Erbleichend wich die welsche Rotte zurück. So ist das Bild der „Heimsuchnng" bewacht und verschöllet worden. Nach der Franzosenzeit sank die Burg rasch dem Verfalle zu. Nur der alte Eastellan blieb ill seiner öden Kammer, hütete das Bild und läutete das auf dem Thurme befiudliche Glöcklein zn den Gcbetstunden, dreimal des Tages. Auch wenn im Sommer die Hochgewitter drohten, läutete der Alte, nm dnrch den Klang des geweihten Metalles die Gewalten der Elemente zn bannen. Die gute Abficht des betagten, schwachsinnigen, müh- und drangseligen Greises hat den lieben Gott gerührt. Ill sturmvoller Gewittcrnacht einen Flammenwink hat er gegeben — und der Greis war erlöst. Den letzten Bewohner von Hohenwang, den Castellan, hatte der Blitz erschlageil. Aber die eine liebliche Blnme des Mittelalters sproßt nnd blüht noch heilte anf dem Schütte: die Marienmimc. Ihre süßen Farben leuchten durch den schattigen Wald. Und wie im Thale auch die Fabriken poltern und das Dampfroß pnstert ^ auf grüner Vergeshöhe weht des Glöctleins zitternder Schall lind ewig jung bleibt in Im Thal? der Mürz. ^2? der Menschheit die Sehnsucht nach dein Göttlichen, nach der Idylle Edens - das Heimweh des Herzens nach dein Herzen. — — lind nnn nehlnen lvir, noch einen lchten Blick anf die Leute werfend, Abschied von diesem Lande. Die Beloohiler des Mürzthales, nieist kräftige Gestalten, gleichen an Eharatter und Lebeilsweise den Mnr- nnd Emls-thalcrn. Die Kleidung ist hier nicht durchgehends steirisch, so lvie diese malerische — aber freilich mitnnter nnprak-tische Tracht — leider auch in den oberen, westlichen Theilen des Landes allmählig schwindet. Der Mürzthaler ist redlich und gemüthvoll, aber sein Wesen verläugnet mich eine gewisse Echneidigkeit und Barschheit nicht. Er ist conservativ, aber nicht bigott, — ist mißtrauisch gegen Fremdes und Neues. Jedoch sieht er die Zuzüge der Sommerfrischler, die von Jahr zu Jahr zunehmen, nicht ungern, und man merkt doch in Allem den Einfluß, den Stadt und Welt auf ihn üben. Die alten Sitten nnd Traditionen verschwinden, und endlich lebt mall im Mürzthale nicht mehr anders, als wie etwa in der Umgebung Wiens. Außer es kommt einmal ein Taufgang, oder eine Todten-bahre, oder ein Hochzeitszug aus einem der tiefen Bergthäler Heralls ^ das bringt noch Ursprünglichteit mit an die Dämme der Eisenbahn. Drei lind vier Stunden weit drill in den hohen, entlegenen Waldthälern wohnen anch noch Menschen, die ihr Taufwasser und ihren Hochzeitswein in der Pfarrkirche heraußeu holen müssen, und die nach vollbrachtem Tagwerk auf dem Friedhofe der Pfarrkirche ruhen wollen. Die Feierlichkeiten find stets pathetisch, oft anch reich mit Possen vermischt und enden mit Essen nnd Trinken. Bei Begräbnissen gibt es wellig laute Klage, aber viel Glockengeläute; bei Hochzeiteil viel kränze und Bänder und Musik und Böllerknall. Die alten Gebräuche der Hochzeiten werden zumeist zu Hause bei der Werbung, beim Frühmahle und bei der Rückkehr vom Hochzeitstage geübt, es silld deren so viele, daß ich den, der sich dafür iutcressiren mag, wohl auf mein „Volksleben in Steiermark" verweisen muß. Allmälig werden auch diese ineist dem germanischen Alterthum entstammenden Sitten verlöscheil; jüngere Leute schämen sich heute schon der alten Weise. Nur der steirische Tanz, in welchem Kraft und Anmuth so herrlich zum Alisdrucke kommen, der in seinen Mienen das ganze Menschenleben mit Freude und Schmerz plastisch und lebendig darzustellen weiß — der deutschell Tauzkuust edle Blüthe, der Steirertauz wird gehegt lind voll der jungen Generation mit semer Zither lind seinen Liedchen, die dazu gehören, wieder neu zur Geltung gebracht. Im Allgemeinen ist der Steircr ja so stolz auf sein Steirerthum und er kehrt es hervor wo er kann. Aber desseu sich urcigentlich bewußt wird er erst, wenn er in der Fremde ist lind das Heimweh wach wird in seinem Herzen. Gegen Heimweh, wenn es ihn einmal ergriffen hat, kämpft er vergebens all. — Kehrt der Steirer aus den Weiten aber glücklich zurück und sieht er sie wieder, seine grüne Heimat, da quillt ihm wohl ails tiefster Brust des Liedes Jauchzen: ,,"Hicsc5 schöne Hmid ijl im'i» /AleicrllUld, Ml mein ln'ln'5 lljelM's .Hcmullslmld!" Aärnten. 33' Zirknitzgrotte. Das Möllthal. !Nöllf.iIl. <«^««WW^^ as vor nicht allzu langer Zeit im Allgemeinen wenig gekannte Herzog-ÄHM^W^ thum Kärnten ist nunmehr durch Eisenbahnen nach allen Richtungen !^^^WU erschlossen und leicht zugänglich gemacht. Die Rudolphsbahn llnd Süd-^ch" verbinden es mit der Hauptstadt des Reiches, die Südbahn über ^^^5^^" Marburg mit Steiermark und den ungarischen Bahnen, nach Trieft nnd Italien gelangt man anf der laibacher und Pontcbba-Vahn, nach Tirol anf der puster-thaler Bahn und die Rudolphsbahn führt endlich auch noch über Oberstciermart und Ober-östreich direkt nach Norden. Kärnten hat, Dank seiner Lage, im Kreuzungspunkte der Hauptverkehrswege, die von Osten nach Westen und von Norden nach Süden laufen, im Verhältniß seines Flä'chenraumes am meisten Eisenbahnen nntcr den Ländern und Königreichen der östreichisch-ungarischen Monarchie, wenigstens ist dies vorderhand der Fall. Die von Fremde:, vorzugsweise benutzte Bahn ist jene, die in Franzensfeste von der Vrennerbahn gegen Osten abzweigt und durch das reizeude tirolische Pusterthal nach Kärnten führt, dessen Grenze sie unterhalb Dölsach an der Dräu überschreitet. Auch wir besuchen das schöne Alpenland auf diesem Wege, verlassen jedoch die Bahn in Dölsach oder Lienz, um über den Iselsbcrg in's Möllthal zu wandern und in demselben aufwärts bis zum Ursprnng der Moll nnf dem Pasterzengletscher. Da gelangen wir denn zunächst von der Etation nach den: ansehnlichen Pfarrdorfe Dölsach, Imlgfcrilspruilg. 5 52 harnten. dem Gelnlrtsorte des Malers Defregger, mit seiner stattlichen, neuerbauten Kirche. Von Dölsach führt der Weg, sowohl der Fußsteig als die Fahrstraße, an etlichen behäbigen Bauernhöfen vorüber, in mehrfachen Windungen aufwärts, bis man endlich den Sattel des breitrückigen Iselsbergcs erreicht, den ein .bescheidenes Kirchlein, dem heiligen Schutzengel gewidmet, als den ersehnten Uebcrgangspunkt in's Möllthal bezeichnet. Von der Terrasse vor der Kirche genießt man einen umfassenden Ueberblick des Thalkessels von Licnz, der als eine der schönsten Laiu> schnften des Pnsterthales gepriesen wird; und in der That, die Thalfläche mit ihren unterschiedlichen Culturen, der von buschigen Auen umsäumte Fluß, der mitten dnrchzieht, die reich bebauten, mit zahlreichen Hnuserbüschcln geschmückten Berglehnen der Sonnenseite, die nackten, wildzerklüfteten Dolomite im Süden, die gehcimnißvollen Perspektiven des sich westwärts verlaufenden Dran- und Iselthales und im Centrum die weißen Häuser der Stadt mit ihren Thürmen, überragt von dem stolzen Schlosse, sie geben ein großes wohlgeordnetes Bild, an dem man sich lange nicht satt sehen kann. Von der Schutzengelkirche weiter geht der Weg durch Wiesboden, am einsamen Gasthanse zur Wacht vorbei, wo ein weißroter Pfahl mit der entsprechenden Inschrifttafel die Grenze zwischen Tirol und Kärnten bezeichnet. Unweit davon liegt das Bad Iselsberg, dessen Quellen in unmittelbarer Nähe entspringen und zur Trink- und Badekur gebraucht werden; es hat eine Seehöhe von N63 Metern, die Nundsicht ist eine prachtvolle, wie man sie auf solcher Höhe kaum irgendwo anders findet. Gegen Mittag erheben die Hochfreiuug, der Hochstadl, die Wildentenspitze, der Viehkofel, die Eandspitze, die Laserze, der Simonskopf, der Eisenschuß, die Gcmswiese, der Spitzkofel n'. ihre Kalk- und Dolomit-Massen in allen denkbaren phantastischen Formen zum blauen Himmelsdom empör; hoch über ihnen allen thront der Kreuzkufcl, das Haupt der Gruppe, in wilder Abgeschiedenheit, während gegen Norden die eisbelastetc Ccntralkette von den zirknitzer Goldbergen über den Stell-, Eadnitz- uud Leitenkopf und den Contouren von Fragant hinaus den Blick fesseln und das Auge mit ihrer malerischen Abwechselung ergötzen. Hinter dein Bade fallt die Straße durch dunklen Fichtenwald mälig hinab zum ersten Dorfe im Möllthale, das sich bedeutungsvoll Winklern nennt. Hier nemlich biegt sich das vom Norden kommende Thal der Moll fast unter einem rechten Winkel gegen Osten ab, der Ort selbst aber liegt noch ziemlich hoch über der Thalsohle am AbHange des Peuzelberges, weshalb sich von allen Punkten zwischen den Häusern durch ein schöner Ausblick, sowohl thalauf als thalab darbietet. Das Möllthal präsentirt ganz den Charakter der Hochthäler des Taucrngcbietes, eiuen freundlichen, einladenden breiten Eingang, hierauf allmälige Verengung, endlich im Hintergründe eine wildschöne Schlucht mit senkrechten Wänden, lautlos hrrabschwebcnden Nasserfäden, lärmenden Bächen, die aus dämmerigen Eeitengrnbcn hervorstürmen, brausenden Abstürzen des Thalbaches von einer Stufe zur andern, bis hoch oben, wo die einander gegenüberstehenden Berghänge sozusagen eine Pforte bilden, sich mit einem Male eine andere Welt aufthut, die Region der Gletscher, des ewigen Eises, die ein geräumiges Becken erfüllt, gebildet von den höchsten Häuptern der Tauernkette. Das Thal der Moll von Winklern gegen Heiligcnblut heißt auch Großkirchheimer-Thal, von der ehemaligen Herrschaft Großkirchheim, die über diese Gegend die Gerichtsbarkeit ausübte. Es ist ein ernstes Hochthal mit schmaler Sohle, die von dem uugebändigtcn Alpenfluß stellenweise mit Schutt und Steingcrölle überdeckt wurde, hie und da aber auch freundliche Culturen, Wiesen, Accker und Anen zeigt, wie in Mörtschach, in Sagritz, Döllach und Putschal. In Döllach ist der Fall des Zirknitzbaches nicht uninteressant, der über eine 150 Meter hohe Felswand hinabstürzt in einen grauenvollen Schlund; noch merkwürdiger ist aber die Zirknitzgrotte oder Höhle ebendaselbst, in welcher der Wildbach sich mit betäubendem Getöse durch ein Chaos von Felstrümmern Bahn bricht, um die nahe Moll zu erreichen. — Bevor wir Heiligenbluts ansichtig werden, nehmen noch zwei imposante Wasserfalle unsere Aufmerksamkeit in Anspruch: der Iungfernsprung und der vielgepriesene Möllfall am Zlap. Der erstere flattert gleich einem Silbcrbande in bewegter Luft vom Rande einer 170 Meter hohen senkrechten Felswand in die Tiefe nieder, wo sich sein Wasserstrahl, aufgelöst in lauter Thaupcrlcn, unter den üppigen Gräsern und bunten Blumen einer Wiese verliert. Der zweite ist ein mächtiger Sturzbach, indem die Moll von der höher gelegenen Thalstufe um Heiligenblut Das Möllthal, 533 Heiligenblut init Vricciuskapelle. zur nächst niedrigern von Pockhorn in enger Felsspalte gewaltig donnernd abfüllt, um dann ihren Weg sanft murmelnd durch duuklen Erlenwald weiter fortzusetzen. Die Straße windet sich steil am Fclsriegel von Zlap empor zum Thalgelände von Heiligenblut, dem durch Schrift und Bild allbekannten Alpendorf mit seinen braunen hölzernen Häusern, mit der spitzthurmigen gothischen Kirche, die so stilmäßig zur Laudschaft paßt, uud mit dem unvergleichlich großartig geformten Glockner, dem höchsten Haupte der deutscheu Alpen, im Hintergrunde. Die Gründung der architektonisch schönen gothischen Kirche wird auf eiue wunderbare Sage zurückgeführt. Ein Däne namens Vriccius soll sich unter Kaiser Leo zu Konstantinopel als Krieger hervorgethan haben. Als er das Alter herannahen fühlte, ergriff ihn die Sehnsucht nach der fernen Heimat und der Drang, dort uutcr den Heiden das Kreuz Christi aufzurichteu, zu welchem Ende er sich einige Tropfen des heiligen Blutes erbat, das in der Sophienkirche allgemein verehrt wurde. Mit dieser kostbaren Reliquie in einem Hafen Italiens gelandet, schlug er den kürzesten Weg quer durch die Alpen ein und gelangte in die Gegend von Hciligcnblut, wo er von einem furchtbaren Schneeswrm überrascht den Tod fand. An der Stätte, wo er verunglückt, eutsproßten drei Weizenähreu und veranlaßten die Entdeckung der Leiche, bei der man eine Schrift fand, Kuude gebend, wer er sei. Ein Ochsengespann sollte den todten Körper nach dem Friedhofe fahren; doch plötzlich hielt es an uud war nicht dahin zu briugen, die Stelle zu verlassen, weshalb man die Leiche daselbst in die Erde versenkte. Aber bereits nach wenigen Tagen wurde man gewahr, daß ein Fuß des Todten über die Grabstelle emporrage; er trug einen Verband uud unter diesem eine tiefe Fleischwunde, in der sich ein Fläschchen mit dunkler Flüssigkeit barg. Die Phiole mit der vorgefundenen Schrift sandte man an den Erzbischof von Salzburg; dieser erklärte das Wunder, worauf hin zuerst eine Kapelle am Pasterzenwege, die Vricciuskavelle, und später die Kirche in Heiligcnblut erbaut ward. In dem Sanktuarium wird das Fläschchcn mit dem heiligen Blute noch heutigen Tages den Gläubigen gezeigt, und viele Wallfahrer aus Nah 53H harnten. und Fern zicht es noch herbei. Doch das Hochthal von Heiligenblut ist nicht einzig und allein das Ziel unserer Wanderung, sundern vielmehr der Pasterzcngletscher, welcher die höchste Abstufung desselben mit seinem blaugrünen Eisgctäfel erfüllt und alle Eigenthümlichkeiten und die Erhabenheit und Schönheit der größten und interessantesten Eisfelder der gesammtcn Alpenwelt in sich vereinigt. Der Weg ist nicht lang nnd auch nicht beschwerlich, er führt an der Vriainskapelle und an einem Paar rauschender Wasserfälle vorüber zuerst anf die Elisabcthruhe am unteren Rande des Gletschers, wo die Sektion Klageufurt des deutschen und östreichischen Alpellvereines ein geräumiges Unterkunftshaus errichtet hat. Dasselbe bietet ein willkommenes Asyl, von dem aus die Wunder der Eisregion bequemlich genossen werden tonnen, selbst von solchen, die ihren physischeil Kräften nicht viel zumuthen dürfen. Gewöhnlich steigt man bis zur Franz-Iosephs-Höhe empor, wo man in vollstem Maße die zutreffende Wahrheit der unübertrefflich schönen Schilderung der Gletscher inne wird, die Heinrich Zschokke ill seinen klassischen Stellen der Schweiz entworfen hat, wo er sagt: „Hier waltet Todcsstille. Dann nnd wann wird sie nur vom Widerhalle fernen Lawinendunners oder voll einem schneidenden Windzuge gestört, der zwischen dem Geklüfte der Felsen seufzt. Je höher mail in die breiten Echnce-gefilde hinaufsteigt, die kein Sommer hinwegthaut, je ernster wird das Gemüth dessen, der hier allein noch ill der unermeßlichen Einsamkeit zu athmen wagt. Man ist rings voll den Schrecken einer ungeheuren Zerstörung belagert. Da scheint nie Lebeil gelächelt zu habeil. Man steht auf den Ruinen einer Welt. Der stumme Tod hat da seinen Thron. Unter ihm breitet sich das weiße Leichentuch der Natur über Alles aus. Wo es der Sturm aber stellenweis zerrissen hat, liegt das Gerippe nnd schwarze Felsengcbein des Erdballs entblößt. Die starren Gipfel, Firsten und Zinken des Gebirges, welche ill seltsamen Gebildeil umherstehen, gleichen riesigen Grabmalen. Nirgends Bewegung über dein Wcltleichnam. Nur eine Wolke schleicht am Himmel und zieht über die Eiswüsten einen fahlen Schatten nach." Das Unterkunftshaus auf der Elisabethruhe, das Glocknerhaus, wie es schlechtweg heißt, eignet sich vorzüglich als Standquartier für viele der großartigsteil Hochtouren im umliegenden Glocknergebiete. Der Besuch des so überaus interessanten oberstell Pasterzenbodens, die Passage nach Kaprun über das Riffelthor, die Besteigung des Iohannis-berges, der Uebergang in das Stubachthal, die Erklimmung der Vergesfürsten, die ihren König, den majestätischen Großglockner, im nördlichen Bugen umgeben, endlich die Bewältigung dieses erhabensten Titanen der Ostalpen selbst werden durch die Möglichkeit eines bequemen Uebernachteils und guter Verpflegung in diesem Hause wesentlich erleichtert und die wundervolle Glocknergruppe hiedurch auch weniger bevorzugteil Naturfreundeil zugänglich gemacht, als dies ehedem der Fall war, wo diese Touren nur mit ungemeinen körperlichen Anstrengungen und bedeutenden Kosten unternommen werden konnten. Die größte Anziehungskraft auf den Alpenfreund übt natürlich die Besteigung des Großglockners selbst. Aber so wie andere Expeditionen dieser Art umgab auch diese das Vorurtheil großer Gefahr und Schwierigkeit, bis ill den letzten Jahren vielfache Besteigungen anch voll minder geübten Bergsteigern allsgeführt wurden; doch ist dieselbe auf der tirolischen Seite von Kals alls immerhin leichter zu bewerkstelligen, als vom Müllthalc durch deu Leiter -grabeu, daher die Glockncrfahrer ill neuerer Zeit zumeist Kals als Ausgaugspunkt wählen. ^ Die Altssicht voll der Spitze des Großglockners, der nach den neuesten Messungen die Höhe voll :i7!>5 Meter erreicht, umfaßt einen Gesichtskreis voll 30 Meilen im Halbmesser und ist besonders gegen Süden, wo man die Kette der Dolomite vom Adamello bis zum Triglav und Grintonz überblickt, sehr interessant. Westwärts erreicht das-Auge die Berninakctte, nordwärts schweift es über die baierische Ebene bis Regensburg, südöstlich bis zu deu bosnischen Grenzgebirgen, doch ist natürlich die Aussicht voll der Beschaffenheit der Atmosphäre bedingt, die höchst selten den Genuß des vollständigen Panorama's gewährt. Der Großglockner und sein Gebiet haben eine ganze Literatur in's Leben gerufen. Zuerst wurden diese abgelegenen Thäler Oberkärntens durch den Botaniker Pater Wulfen aus Klagellfurt, der daselbst zwanzig unbekannte Pflanzen fand, ill weiteren Kreisen bekannt. Aber in ganz Deutschland berühmt wurde der Name Heiligenblut in botanischer Hinsicht durch den ehrwürdigen hoppe, welcher durch mehr als fünfzig Jahre jeden Summer ill Hciligenblut Großglocknerspitze. von Josef N?opfner. Das Möllthal. 135 f)asterzengletscher. verlebte. Der Großglockncr selbst wurde am 29. Juli 1800 zum erstell Male auf Veranlassung und im Beisein des Fürstbischofs von Gurk, Kardinal Salm, erstiegen und dadurch einer der höchsteil Altäre im Tempel der Natur 'inauguriert. Bald darauf crschieu Schuttes' Glocknerreise, welches Buch durch viele Jahre den Reisenden zum Leitfaden diente. Nächst ihm hat der leider wenig gewürdigte Verfasser des fünfbändigen Werkes: „Die deutschen Alpen", Adolph Schallbach, das Gebiet des Glockners ebenso getreu als schiin geschildert. Erzherzog Johann von Oestreich hat diesen Winkel der Alpen wiederholt besucht und unterschiedliche Vergstcigungen in denselben vorgenommen, auch ließ er die nach ihm benannte Iohanneshütte auf der Pasterze errichten. Von neueren Schriftstellern haben Or. Ruthner und Oberst voll Sollklar den Glocknerdistritt ausführlich behandelt, ebenso Dr. Vrinton in der zweiteil Serie seiner „?tnk3, ?a?868 miä Olaoiers". Für die Wissenschaft wichtige Beobachtungsrcsultate über den Pasterzengletfcher veröffentlichten die Brüder Schlagintweit nnd die Gletfcherforscher Agassiz und James Forbes. Als besonders wertvoll hervorgehoben zu werden verdient ein (syclus von Schilderungen: „Wandcnmgeu in der Glocknergruppe" von K. Hofmann, dem wackereil Kämpen, der in der Schlacht bei Sedall, in dem furchtbaren Kampfe um Bazeilles für die Ehre und den Ruhm des deutschen Vaterlandes, als bayerischer Offizier den Heldelltod fand. K. Hofmann war der Erste, dem es gelang, über den Kleinglockner, die Adlersruhe, das äußere Glocknerkahr zur Pasterze hinabzusteigen, was vor ihm von den verwegensteil Kletterern al^ bare Unmöglichkeit nie verslicht worden war. Zum Andenken all den kühnen Alpellfahrer und tapferen Kriegshelden ist nächst der Iohanncshütte, die ill Hofmannshütte umgetauft wurde, eine Gedenktafel angebracht worden. Nach Hofmann's Schilderung und nach Skizzen eines seiner Begleiter hat unser Künstler die beigegebene „Besteigung des Großglockners" gezeichnet. (Vgl. „Drei Glocknerfahrten". Zeitschrift des deutsch-östreichischen Alpenvereines 1870—7 l.) Noch zweier begeisterter Apostel der Hochalpen müssen wir gedenken: des für die Kunst zu früh dahingeschiedenen Gletschermalcrs Markus Pernhart, dessen Glocknerpanorama ^36 harnten. in seiner großartigen und naturgetreuen Auffassung und Durchführung seines Gleichen nicht findet lind dessen verschiedene Glocknerbilder gerechte Bewunderung erregen — und des Geoplastikers Franz Keil, dessen bedeutendstes Werk: „Relief des Großglockners und seiner Hingebung mit Vegleitkarten" seiner Zeit zur Kenntniß der Gruppe am meisten beitrug und noch immer von hohem Interesse ist. Keil starb als Märtyrer seines Berufes, in dem er sich durch unsägliche Strapazen ein Rückenmarkleiden zugezogen hatte, an dem er Jahre lang dahinsiechte, getreulich unterstützt von dem deutschen und östreichischen Alpenvereine. — Der Uebergänge von .heiligenblut in'8 Salzburgische und nach Tirol sind mehrere. Wir aber kehren längs der Moll zurück nach Winklern und verfolgen ihren Lauf, bis wo fie bei Möttbrücken in die Dran mündet. Es ist im Ganzen ein interessantes Hochgebirgsthal, das untere Möllthal, von Wintlern abwärts, wiewol ohne besonders ausgesprochenen Charakter; doch sind einzelne Gegenden desselben, wie die bei Fragant und Obervellach von hervorragender landschaftlicher Schönheit, die bewirkt und gehoben wird durch die malerische Gruppierung der Gebirge und durch die freundliche, üppige Vegetation des Thalbodens und der Berghänge, welche ihn umschließen. Trübselige Unterbrechungen bilden die Erdstürzc und Bergrutsche, die im Möllthalc von Alters her häufig vorkommen und nicht selten große Dimensionen annehmen. In neuerer Zeit hat der Absturz des Klausenkofels mit einem kolossalen Schuttwall die Moll aufgestaut, so daß an der Stelle, too noch vor wenigen Jahrzehnten wohlbestellte Wiesen und Aecker prangten, nunmehr zwei Seen fluten, die nimmermehr ablaufen wollen. Furchtbar sind die Zerstörungen, wenn Plötzlich ohne warnende Anzeichen ganze Vergtheile sich loslösen und mit Donncrgetöse verheerend niederstürzen in die Thalsohle, wo sie durch Steingerölle, Schutt und Felstrümmer alles vernichten, was ihnen entgegensteht, und jene Schnttkegel schaffen, die noch nach Jahrhunderten von derlei Ereignissen Kunde geben. Die Bevölkerung des Möllthales ist im Allgemeinen ein gedruugener, kerniger deutscher Menschenschlag, der von Westen her oder über die Tauernjoche aus seiner bajuvarischen Heimat Hieher eingewandert sein mag, wie manche Bräuche und Gewohnheiten, Aehnlichkeiten im Dialekte, besonders aber die Bauart der Häuser anzndeuten scheinen. Der Volkscharakter weist wie bei allen Thalbewohnern des Kärnter-Oberlandes viel Gutmütigkeit und Geradheit, jedoch ohne den gewissen Schliff, der dem Bauer längs der Hauptstraße und in der Nähe größerer Orte eigen zu sein Pflegt; der Möllthaler ist daher ein gutes Stück „bäuerischer" als sein Nachbar draußen in: Drauthale, das gereicht ihm indessen durchaus uicht zum Nachtheile. Man gewöhnt sich vielmehr bald an sein rauheres Wesen, während die dünne Tünche, mit welcher der Bauer in anderen Gegenden überzogen ist, nicht immer anheimelnd befunden werden dürfte. In früheren Jahrhunderten erfreute sich das Möllthal eines ergiebigen Bergbaues auf Gold, Silber und Kupfer und es stand fast bis in nnsere Tage herein die Eisenindustrie in erträglicher Blüte; gegenwärtig aber merkt mall voll alledem kaum mehr die Spuren, dafür hat sich der Bewohnerschaft eine anderweitige Erwerbsquelle erschlossen, die in neuerer Zeit immer reichlicher zu sprudeln beginnt, uud das ist die Viehzucht. Möllthaler Rinder sind sehr geschätzt im ganzen Lande und werden auch ausgeführt nach Tirol, nach Salzburg, Oberöstreich und Baiern. Die Viehmärkte zu Pussarnitz bringen jedes Jahr den Reichthum des Thales zur Ausstellung lind sind daher viel besucht vou Einheimischen und Fremden. Der Hauptort des Thales, Obervellach, ist ein alter Marktflecken, der sehr Verschiedelle Schicksale erlebt hat. Die Anwesenheit der Römer ist mit Bestimmtheit nachgewiesen. Während und nach der Völkerwanderung folgte eine lange Zwischenpause der Verödung, aber als im Mittelalter die Gold-, Silber- und Kupferbergbane zur Blüte gelangten, war Obervellach als Sitz des Bcrgmeisteramtes für Kärnten, Tirol, Steiermark und Oestreich von weitreichender Bedeutung. Einige massive, jetzt freilich in Verfall geratene alte Baulichkeiten und die große gothische Kirche sind die übrig gebliebenen Zeugen dieser Blütezeit. Von Burgen der Vorzeit, die als malerische Staffage der Landschaft unser Auge auf sich ziehen, sind im Thalkessel voll Obervellach zwei vorhandeil, Oberfalkenstein, eine umfangreiche Ruine auf senkrechter Felswand unterhalb Vas Möllthal. ^37 Obervellach, llnd das theilweise nuch erhaltelle Groppcllstein, welches den Eingang ill's Seitenthal von Malnitz beherrscht. So trntziglich diese verfallenen Ritter -sitze anch zn Thal blicken, weiß die Ehronik doch nur wenig von ihnen zn melden. Tie Herren von Falkenstein sowie jene von Groppenstein waren Ministerialen der Grafen von Görz. Bekannter als die Gruppensteiner nnd Faltensteiner ist in der Geschichte Kärntens und Krams das längst aus-gestordene Geschlecht der Ritter von Söbriach, deren Stammsitz ebenfalls am Eingänge in's Maluitzthal anf einem Äerg-kegel oberhalb des kleinen Pfarr-dorfes Eöbriach gelegen war, wovon jedoch nichts mehr vorhanden ist als wenige unansehnliche Mauertrümmer. Eieg-mnnd von Eöbriach, Landeshauptmann in Kram und Herr zn Mokritz, stand an der Spitze des Aufgebotes vom Jahre 144l> gegen die Ungarn nnd zeichnete sich aus am Tage voll Radkersbnrg, wo die Blüte der Ritterschaft aus Steier, Kärnten und Kram mit Gemeinsinn und Thatkraft fiir das bedrängte Vaterland eintrat. Unter den wenigen Seitenthälern des Möllthales ist nur das Malllitzthal besonders hervorzuheben, das sich bei Obervellach gegen Nordeil abzweigt und mittelst eines viel betretenen Taucrnpfadcs die Verbindung mit Gastein herstellt. Es ist reich all malerischen Alpenscencrien, voll denen der Ausblick von der Dösenbachbrücke ill Lassach, dann der Lassachcr-Winkel am Ecebach, den die Gletscher der Ankogelgruppe umsäumen, vor allen übrigen genannt zu werden verdienen. Der charakteristische, mitten ins Thal vorspringende Danielsberg bei Kolbnitz (dem Geburtsorte des Bildhauers Florian Grübler, geboren 1746, gestorben Wien 1813) schließt eigentlich das Möllthal ab, indem sich dasselbe unterhalb Mühldorf mit einem Male beträchtlich auseinander weitet und sozusagen eine Blicht des Drauthales bildet. Da münden die grünen Gewässer der Moll in den von Tirol kommenden Draustrom, fast gerade an der Stelle, wo die Pustcrthal-Vahn in das breite Thalbccken von Spital eintritt, welches an seinem oberen Ende Lurnfeld heißt. 35' Groppenstein. M Ernten. Die Lage von Spital auf eiuem gegen die Drml sanft abfallenden Plateau ist in jeder Hinsicht ungelvöhnlich günstig; besonders anziehend sind die sich darbietenden Landschaften thalauf nnd thalab, die von dein Guldeck, delil Hühncrsberg, der Millstätter-Alpe, der Krcntzeck- und Stellkopfgruppe, sodann aber vorzüglich voli der laliggedehnten Perspektive der lnöllthaler Berge gebildet werden. Das tzieserthal, ^ilalta- und Pöllathal. üächst Spital fällt die von der salzbnrgischen Grenze kolnmende Lieser in die Tran nnd wenn wir längs der ersteren hinauf wandern, betreten wir Lieserhofen nnd jenes Trcbesing, wo Panl Razga 1^^!t als Pfarrer wirkte, derselbe, welcher ein eifriger Schnlförderer nnd Menschenfreund, durch Haynan's Blut-Urtheil erreicht, im Jahre 15>49 zn Presbnrg hingerichtet nnirde. Vor dein freundlichen, reizend gelegenen Städtchen Gnniud, an der Straße nach Salzburg, stehen wir ain Eingänge in's Maltathal, das seiner zalrcichcn, prachtvollen Wasserfälle niegeil in neuerer Zeit ein vielgesuchtes Ziel der Touristen geworden ist. In der That hat das Maltathal, eigentlich der Malta- nnd Gößgrabeu, Nasserfälle in so reicher Fülle nnd Größe anfzuweisen (man zält deren neunundzwanzig) wie sein nördlicher Nachbar, Gastein; deuu es gehört auch noch zur Wasserfallstrecke der Alpen, vom Krimler-Tauern bis zum Hafnereck, in welcher nicht nnr die Seitenhöhen Staubfäden herabsenden, sondern auch der Hanptbach über seine Thalstufen in majestätischen Fallen herabwogt. Fast jede von diesen Caseaden, dic sich natürlich im Frühjahre bei schmelzendem Schnee am imposantesten zeigen, hat ihre malerischen Eigentümlichkeiten; nnter allen neunundzwanzig dürften jedoch der Fallbach, der obere nnd nntere Gößbachfall, der Schaum- und Ritteralmfall, der Maltafall bei der „hohen Brücke", der Hochalmbachfall, in Sonderheit aber der Maltafall beim „Blanen Tnmpf" hervorzuheben sein. Die wasserreiche Malta stürzt in der Richtung ihres Laufes etwa zwanzig Meter tief in eiueu Felsenkessel, worin die gesammelte Wasserflut unmittelbar nach dem Falle eine blänliche Färbung annimmt, daher die Benennuug „Blauer Tumpf". ^ Die oberste Stufe des Maltathales heißt das „Elend" nnd ist von mächtigen Firnfcldern umschlossen, welche vom Hafnereck, über die Kaltewand, den Kulm, das Teschlerkar, die Elendscharte, den Ankogel, das Groß-Elendkees lind den Hochalpenspitz halbkreisförmig sich hernmlagern. Keiner dieser begletscherten Hochkulme ist unter 2500 Nieter hoch. Als König der Elendgletscher-Gruppe stellt sich das Sänleck dar, aber anch der Ankogel weist imponierende Formen, die ihn nnter den Häuptern dieses Gebirgszuges auszeichnen. Das Maltathal ist nächst der Pasterze die interessanteste Hochtonr, die man in Kärnten machen kann. — Wo die breitflutende Malta in die Lieser mündet, an der Gabelnng zweier weit zurückgreifender Grenzthäler, liegt das Städtchen Gmüud. Durch seine weitgeformte Schloßkrone, einen Schmuck, den der Stadtbau der neuerm Residenz wiederholt, dnrch den Stadt-thnrm, durch die zierliche Anfahrt zum grausteiuichten Brückenbogen, vor allem aber durch die Großartigkeit des Gcbirgshiutcrgrundes macht das Städtchen den Eindruck des Vornehmen, während die älteren Theile desselben, vom Zahne der Zeit zernagt, immer noch einen, wenn auch nicht vornehmen, so doch malerischen Anblick gewähren. Das neue Grafenschloß, auf eiuer um fast sechshundert Fuß höheren Stelle gebaut als die spitalcr Muster-Schloßbaute, verkündet der nordisch ranhcren Gegend in seiner Facade wie in den hohen Sälen und Gemächern die Neize italischen Stiles. In seinen Hallen waltet ein Edelgeschlccht aus den Gauen der Adige, welches seit dem Begründer der hiesigen Prinwgenitur, Paris Grafen Lodron, für Kärnten in Bezng anf Staatsverwaltung, Kunst uud Industrie Denkwürdiges geleistet. Das weitläufige Oberschloß ist älter. Das Hauptthor der Burg erinnert mit dem Bilde in der Mauer, Steinkugeln und Würfclfcldern, au den abenteuerlichen, ungenannten Kriegsmann, der, im Spiele gewinnend, Burg und Ansetzn errang und auf Fortunens Rechnung wieder verlor. Der uralte Felscnsitz kam wol in der Karolingerzeit in den Besitz des Kirchenfürsten von Salzbnrg. Damals klang hier oic slavische Sprache, ansgenommcn vielleicht das etwa Teschlerkaar mit dem Großelend-Gletscher. von 3. U)illroider. Das Tk'serthal, NIalta- und Pöllathcil. !5Y ^lancr Cuiilpf. lNaltaf^ill b^i dcr hoh^i ^riicke. im zehnten Iahr-Hunderte gebildete Mündungs-dorf, welches vor 1^70 schon Zu einer mauerbewehrten Stadt geworden. Tie salzbnrgische Walfrage führte gar uulvillkolninener Weise den Söldnerhanptmann des nngarischen Königes Corvinus iiber die Echlnchten des Katschbergcs ans deni Lnngau hernnter, aber, durch Reinbert von Neichenbnrg vertrieben, zog sich der Hangwitz wieder ans dem Lande. Von dem Edelhanse der Naitenan knnftc Paris Graf Lodron, der Erzbischuf, die Gnter Nauchenkatsch nnd Gnn'ind fnr seinen Vrnder, den Erbschenken nlid Landmarschall von Salzbnrg, Grafen Christoph, nnd seither arrondierte sich die lodronische Herrschaft mit den Gütern Dornbach, Kroneck, Lolbcncck, Pflügelhof, Sommerect und andern. Die Stadt aber, die Ve- drangnißzeiten der Kirchcnnenernng, der Knappen-Anfstände glücklich überwindend, verji'nlgte sich durch die Segnungen des Eisen- und Holzhandels nnd galt bis in die letzten Jahrzehnte als ein Vorort für den oberkärntischen Markt von Roh- nnd Gußeisen, Roh- und Kistenstahl, Walzeisen und Schwarzblcch. Die hiesige Holzschnitzereischule ist die erste derartige Anstalt in Kärntcn; sie macht dem Gemeinsinne der achthnndert Städter alle Ehre. Wie das Maltathal nordwestlich hinter Gmünd sich eröffnet, so setzt nordöstlich sich das Lieserthal fort, mit Hochalmbachfall. no harnten. dcn Seitengräben an die östlichen Hauptbergzüge hereinlangend, als Pö'llathal endend. Der ^töriugcrgraben fällt wn der 3)iillstätteralnl herunter und hat wie seinen Thorwächter hingestellt das Dorf Eisentrattcn. Da raucht der schwärzliche Hochofen, flammen die gischtenden Zerrenfener, neben dem evangelischen erhebt sich das katholische Bethans. In diesem Alpendorfc ist Hans Gasser zu Hause, der Schöpfer der Weimarer Nielandstatue, der berühmteste aller kärntischen Bildhauer. Geboren 1817, ^. Oktober, gebildet zu München, errang er sich die ersten Kränze durch seiue plastischen Darstellungen zum Lloydarsenale in Trieft, bedeutungsvolle Grnppenfigureu zum wiener Arsenale, zum Karltheater, zum Hentzi-Monumente in Budapest, glänzte in den Porträtbüsten I. Lind, K. Nahl, K. Echrötter ?c. nnd lieferte in den letzten Jahren für Graz die Weldenstatue sonne die von Frau Gleichen cn N^eißenfelsor ^ccn. Raibl init Fiinfspih. das Nlidcnkm Gr. Arno Zinnenbergs ^74 cr-haltend, bleibt jedem Be- sllcher ullvergeßlich. Wir haben die Wal frei, wohin uns wenden, zumal wir alls dieses Thales Gründen der Allsgänge genug finden. Die Bahnlinie gen Laibach-Triest führt uns in die nächste Station Weißenfels-Natschach, krainer Boden; da wären die waldgrünen Manhartseeu an den Fußgestellen des Dolomitriesen gar köstliche Rast. Die Predielbahn ^- doch halt! die ist ja Fragment geblieben, wiewol der Kampf um und gegen dieselbe fast an die hierortigen Vlockhaustage erinnert. Wir wandern also mit gemäßigteren Motoren südwärts über Flitsch, durch den Kaltwassergraben, im Angesicht den dominierenden Königsberg, nach Naibl. Vor Kaltwasser schluchteinwärts heißt dasselbe tosende Gewässer, welches uns schon als Gailitz hinter Thörl, als Schlitza bis Hieher bekannt worden, nunmehr der Eeebach. Dieser Naiblcr-Secbach und das ihm zugehende Kaltwasser sind die herben Wassergewalten, deren schreckhafte Thaten als thalausfüllende Kaltsandwüsten und als Hochhinauf eingelagerte Schutthalden Aug' und Gemüt erschrecken. Unnennbare Oede und Verlassenheit trällert oft an den baumlosen Berggehängen, nicht Vogelsang, nicht Hirtcnrauch erfreut den einsam Dahinziehenden. l5r mag fich des Königs Alboin erinnern, des Longobardenführers, welcher vom Hochgipfel aus das Friaulerlaud allsgeforscht und seine Völker in die gepriesenen Thäler Ausomens geführt hat. So erzält die Sage, wenigstens der Diakon Paul. Wie anders drüben, wenn hier vom Fünfspitz und Eeekopf die Schneebäche und Lawinengewölke mit Schaudergetos sich ablösen und herniederwälzeu in den weltabge-schlossenen Thalkessel! Spuren der Erdmuränen erinnern hier wie beim Weißellsee an die Urzeit, und die versteinerten Fische, Krebse, <5onchylien erzälcn alte Sagen dem, der zu lauschen weiß. Das werkstättenreiche Naibl giebt sich das Ansehen möglichster Freundlichkeit auf seinem verlassenen, wildschönen Posten. Ueber fünfhundert Fnß höher als Untertarvis belegen, hat es sich zum Verarbeit-Mttelpuntte der Bleierze aus dem Königsberg gestaltet. Das Stockwerk des unteren Muschelkalkes zeigt sechs bis neunzehn Meter Mächtigkeit Das Canalthal. ,5, und ist schon bis an die 151 Meter unter dor Thalsohle hinab nnd auf eiue senkrechte Höhe von 2^4 Metern dein Verflachen nach abgebaut. Der Vleiglanz nnd die Zinkblende sind es, anf welchen der Hauptcrwcrb basiert; oben erscheint wol anch Galmei eingesprengt. Das Iahreserzeugniß, an zwölftauseud Centner Blei, reicht fast an die blei-bergcr Güte. Fachleute loben die Sicherheit des Grubenabbaues, den Wasserhub, die Saug- nnd Druckwerke, die Förderungsmaschine im Etruggl'schen Werke (Turbinen Grüblers aus Idria). Auf gar kunstarme Zeiten weisen im Berg-Inneren die schlichten Ieuersetzspuren seitlich vom Kaiser - Fr anz-Grbsto llcn; mm ja, vor der Pulverzeit, was wäre das im Allgemeinen für ein geringes Altertum! Davon erzälen wol die Knappen, wenn sie Sonntags dem Francisei-Stollen fern bleiben, um des Montags für die ganze Woche — und oft auf weite Strecken, sich zu entfernen. Ihnen haucht nur etwa von Mai bis Augnst-b'nde eine mildere Sonncnlnft über die, aus den Kalkkuppen Raibler^ce. abstehenden Porphyrblöcke herab; die übrige Zeit gehört dem Winterkönig, dem rauhen Herrscher, als dessen Herolde das thaltiefe Krummholz, die zersplitterten Fichten, granbärtige Föhren und Lärchen stehen. Oinc Sommerstraße, eine Winterstraßc, höher die eine, niederer und mit überdachten Galerien die andere, leiten uns südöstlich hinan auf die PaMöhen des Predict. So begrüßen wir die unendlich heimliche, in ernster Stille hingegossene sanftgrüne Wasserfläche des Naiblersees mit den Erlenbuchten, auf eine Viertelstunde Länge eingebettet in den Flötzkalk, und schauen verwundert anfwärts zu den Kuppen des Seckopfs und schneefeldigen Muntatsch, abwärts zu des Glanzbildcs Flutcnwiedcrschcin. Mit unseren Zielen wachsend, stehen wir bald auf voller Alphöhe und die Thalgeseuke zeigen weitab ein Trcppenland wie mit fahlgrünem Teppiche überlegt. Das ist das (5oritenzathal, hiuter der Ncckenwand des Manhart, zwischen Ialouc und Confinspitze gegen die Flitscherklause hinab, nnheilvollen Andenkens an die Türken- und Vauernkämpfe (1478). Die Säule bringt uns den Grenzruf von Görz entgegen, jene Hochfelsen des Prctherbergcs sind die Nicgcnwände des juugen Isonzo. Hier aber, hinter den Ioch-Herbcrghäusern, im Angesicht der aufgethanen Terrasscnschlncht stehen im Kreise einer zarten Alpenflora die weißen Gewände eines Kriegsbollwerks, die Straße vor ihm wie eine bcschworcnc Schlange. Das ist die Stelle, wo in den Maitagen von 1809 bei Vertheidigung des Holzblockhauscs der Ingcnicurhauptmann Johann Herrmauu an der Spitze von etwa dreihundert Mann ^52 harnten. Szlllillern init zehii Kanonen deli Heldentod starb, indein er eiller zu großen Ueberillacht gegenübergestellt geblieben. Düstcrcrust lnahnt das Steindenkmal dcs sterbendeil Lölvell, voll Kaiser Ferdinand dcm Alldeilkell der Gefallenen gesetzt. Dic Gemsjägerstation Oberpred ladet zum 265:! Meter hohen Manhart mit dem besten Aufstieg ein; die hecrdenbesuchte Notwand bietet die erste Nast und nach sechs Stunden rüstigen Stcigcns kann der Wanderer eines klare,: Meerblicks bis gegen die Marmsstadt sich freuen. Aber die mehrfach schwierigen Pfade haben das Dolomitgewände zu keiner allbekannten Berühmtheit gedeihen lassen. Nicht westwärts vor dem Naiblcrscc hinauf, wie wir könnten, sundern, um der ncucn Sicht willen, draußen im Hauptthale setzen wir unsere Fahrt gen Untergang fort. Die Pontebbabahn mit den Stationen Saifnitz, Uggowitz, Malborgct, Lnsnitz, Ponlafel ist nur drei Meilen lang und führt mit den Anschlüssen Nesmitta und Gemona auf Udine. Der steigende Thalboden bereitet auf die Wasserscheide vor. Bei Saifnitz mündet von Nord her der schluchtige Vartolograben mit dem Schlängelweg hinaus nach dein gailthaler Feistritz; aber noch zuvor weist uns eine Engelsgestalt bergaufwärts. Wer könnte solchem Führer widerstehen? Der heilige Berg Lnschari oder Nonw ^nto wiederholt das alte, niemals allsgesungene Lied von der gefundenen Etatne, und wie in Hellas mit Hera, so ist's in unseren Bergen mit Et. Marien gehalten worden. Statt des Wachholderbusches ist's jetzo der Altar in der darüber geballten Kirche auf dem Wischberg-Ausläufer, der die Schaarcn heranzieht nicht von Hirten allein, sondern von Städtern sogar alls weiter und weitester Ferne, bis zu Zwanzigtansend jährlich. Ueber hunderttansend Menschen soll das Jubiläum von 1860 hiehergebracht haben! Wol ist das Kirchlein verschwindend klein, sie müssen Hinalis ins Zauberhaft-Freie alle die Hunderte und Tausende, um des hochprächtigen Allsblickes bis in die entferntesten Thalgebilde sich zn erfreuen. Am farbenreichstell abtönt sich das verduftende Schartcn-Coulissenwerl in die ssarnia hinein, ins Canal di Dogna nnd ,1laa'olana, hinter Montatsch, Moggia, Tolmezzo und Ampezzo fort. Aber auch die nordische Gletscherwelt liegt dargebreitet, und die Wellenlinie bis zum Kor, die Gefilde Mittelkärntens lächeln in milderen Farben, besonders klar und zn frenndnachbarlicher Einsicht erschlossen liegt das Savethal, das Kronaucr-Geschartc und das Dobratschgebiet da. Seit fünf Jahrhunderten wiederholen sich den hierortigen, an die Abhänge hingenictctcn Vesiedelungen die fegenden Hochweltstürme und Schnceeinwehungen; da starren Echneewälle bis an die Dachränder, und oft noch ist's im Mai verfrüht, mit dem Kirchenschatze und den irdischen Schätzen für Küche und Keller heranfzuwandern aus dem Sitze der Geistlichen und Wirte und Krämer im Saifnitzcrdorf. Und im Hochsommer, wo die drei Pilgerhäuser immerhin zweitausend Fremde anf einmal beherbergen können, pflegt nicht selten der schnöde Blitz mit zermalmendem Grolle in die Felskuppen zu fahren nnd das bnntc Mnrktgewirr zu zerstäuben. Auf das gar lustige Lebeil, welches durch die natürliche Himmclsnähe nicht im Mindesten geniert ist, blicken die versteinerten bösen Jäger, welche am Schroffgemäuer drüben seit ihren» Schusse nach der fliegeuden Mnttergottes reglos stehen müssen auf ewigem Anstand, recht finster herüber. Noch immer senden die Ungarn und Croaten, Tiroler und Bayern ihre Deputationen her und sie streiten nicht um den Vortritt. Halt an, unser Schlitten ist vorgefahren. Wie doch? Hat uns weltliche Fahrer, die wir dcs Annabrll'nnls und der Heiligen-berger-Almschenke uns landschaftlich erfreut, die wir uns auch durch die hundert Bettlerposten mit klingenden Kreuzern und Eentesimi sieghaft durchgeschlagen, hat uns ein Ninterfluch erreicht? Ist all die Alpelltrift dem Lawinengestäub verfallen? Nicht also! Der saifnitzer Bnrsch ladet uns lächelnd auf den schmalen, einsitzigen, horngriffigen Holzschlitten, er zieht all und flugs hinunter geht's über GeHügel nnd Gestein, durch Wildbachrunse lind Hohlweggestrüpp ill sauseudem Galopp, bald mit freiem Alisblick, bald nnter Strauchbeoachung hinweg, bis zur Thaltiefe. In einer halben Stunde auf den Ilachboden gesetzt, schauen wir fast zweifelnd znrück und empör auf den Wegaufwand voll drei, vier Stunden nnd geben dem Sommerschlittler gerne noch cm Uebriges auf seinen Dinglohn. Denn er soll ja sofort wieder zurück, seine Fahrt <^l, l), der andere, Jakob, ein schriftenreicher Krystallkundiger und Physiker, unheilvollen Todes nach dem Dorfbrande 1867 gestorben); weiterhin das Kalktuffbad St. Daniel; Gnrina, die Hügellehne mit den geheimnißvollen Fundstücken ctrnseisiercnder Statuetten, Pnlstäbc und dergleichen; Manndorf, eins der wenigen gebliebenen Nittcrschlösser, nun ein wulbehanster Landwirtsitz, schaut gegen das letzte Thalgebreit hinaus und der Schluß ist gegeben mit Kötschach und Mauten. Die kötschacher Klosterkirche mit ihrem scharfen Linicnwerk hat um sich einen ansehnlichen Kreis weißer, frenndlich gegiebelter Häuser versammelt. Die Kirche ist überdies eine der größten und zierlichsten des Thales, aus der Zeit der Spatgothik. Auf der großen Glocke steht 1453; die Statue Unserer lieben Frau ward natürlich an Ort und Stelle von Hirten gefunden. Der von Obstbeständen umreihte, malerisch gruppierte Ort ist die Heimat des Künstlers Ios. von Pichler (geboren 173s>. gestorben 1808, Wien). In Lienz lernend, als Architekturmaler vom reichsten Hochadel gesucht, auch im Fresco glücklich und bei Gesichtabnahme zuletzt Blumen malend, hat er die Plafond-zierden des klagenfurter Bischofpalastes und jene in den Prachtsälen von Laxeuburg, Austerlitz, Presburg, Prag und vieles Andere geliefert. Ehvor wir von Mauten aus einen unerläßlichen Seitenthal-Besuch machen, verfolge»: wir die Gail noch auf^ wärts nach dem Stufenfall bis zu ihren tirolischen Anfängen. Ins Lesachthal pilgern wir. Welch ein emsig pulsierendes Geäder von beiden Waldseiten, eilfertige Zustürze schier jede Viertelstunde Weges, größere, kleinere, wildere, sanftere, lauter köstlich schimmernde Gesellen! Das Waldgehölz steht eigenartig „beschnattelt" (beschnitten), die Matten und Forste wie reinlich gekehrt, fast sattfärbiger als irgendwo im Kärnterlandc. Das Herstellen der vielkammcrigen Häuser ist Sache der Dörfler selbst; nicht nur unterstützen sie sich mit ihren ergänzenden Handwerkskenntnissen, sondern manchmal sind Zwei bis Drei auf dem Hausbesitz. Da herrscht eine holländische Nettigkeit und Putzlust, dabei aber alle Genügsamkeit bei schwerer Mühwaltung. Kaum dreitausend Bewohner, aber kräftige, geistig aufgeweckte Leute! Wol sind sie „reich zu preisen an unvergänglich schönen Volkesweisen", um E. Rauschers Worte zu gebrauchen. Ihre Schätze in Bezug auf Sprache, Sage, Lied, erschloß uns der aus dem hiesigen Liesing geborene Mathias Lexer (geboren um 1830, Schüler Wcinholds, gegenwärtig Professor an der Universität Würzburg), Verfasser des „Kärntischen Wörterbuchs". Es sind mehr tirolische Klänge, die uns anwehen, das wird klarer, je mehr wir dem Gebietsausbuge uns nähcru, der in den Umkreis der fast städtisch-feinen, schlesierartig parlierenden Tilliacher hinausgreift. Bischt et warm und et knlt, Aischt lei lawilat gnue; Watt sou an Fröitach Harm i liaber kan Bue. Das Gailthal. !5? Rötschach. Abcr wie kölmtcn lvir so laulich seiu, daß nnr's nicht kräftig genug äußerten, nne sehr uns gleich hinter der finstern Schlucht des Wetzmann-Eisenhammers der Vilderfächer in seiner Aufrollung wolgefällt! Wir wandern den Weg der „77 Graben"; nicht genau so viele sind ihrer, jedoch - sie genügen. Auf nnd ab, ein und aus vom Einschichthans zu Dorf und Kirche, so geht es fort, vorbei an Strayach, Gentschach, St. Jakob, Potlanig mit der ältesten Thalkirche, Kornat nach dem freundlichen Liesing mit seiner weithin gerühmten Orgel. Droben zwischen dem Bachgeästel beginnt das „Tnpfbad" des Nadigundgrabens hernuszugucken und jenseits des Pfarrdorfs Laurcnzen haben wir, gleich einem zweiten Heiligenblut auf höchster Thal-Erhebung Kärntens thronend, den Wallfahrtsort Luggan. Anf schöngestuftem Hügel erhebt sich die gothische, mit Strebepfeilern gefestete Kirche, nächstan das Viereck des Scrvitenklosters, niedliche Gärten mit Alpenpflanzen vorgelagert. Wolgewält ward im Traume diese Stelle. Die arme Bäuerin Helene, am Rande des Weizenfelds eingeschlafen, schaute die Zukunftskirchc, und so wahr durch drei Tage die im Felde aufgestellte brennende Kerze nicht erlosch, so wahr mußte hier das Wunderhaus gethürmt werden. Der ersten Kapelle folgte dieser Aufban 1515. Der Bischof von Agley (Aqnileia) kam zum Weihfest herbei 15:l6, der Klosterbau folgte 15W und nach dem Brande eine willkommene Neuerung. Die Edclhäuser Salamanka, Nidmann-Nezzonico nnd Porzia begünstigten die Stiftung, nnd es scheint, daß das ganze Lcsachthal von dem neuen Evangelium niemals zn hören bekommen hat. Nicht Türken, nicht Franzosen sind da gewesen. Das Himmclfahrtbild der Kirche stammt vom Venetianer Dossi, der Kostbarkeitenschrank enthält manch spätrenaissantes Meßgewand, ein Ebenholzkrcuz mit lebensgroßem, alabasternen! Christus, eine goldgefaßte übergroße Noggenähre aus einem Musterjahr und dergleichen. Unterhalb der Kirchhöhe westlich kommen sich der Karlbach und der Eeebach als gute Kameraden entgegen und fallen in die Gail, der eine von den Leisacher-Höhen im Nord her, der andere aus dem hochschroffigen Grenzwinkel mit Sonnstein und Steinwand, Siebentansendern, hinter welchen der eigentliche Obmann aufsteht, der aussichtgepriesene Monte peralba, 2688 Meter hoch, der Piave-Quellträger. Die Sicht gegen Sonnenaufgang reicht über die ganze Höhenreihe des Gailthales hinweg und schließt mit dem Kahlscheitel des Dobratsch. HO« ^58 . Mrnten. Ueber die Leisacheralm könnten wir hinüber in's Tirolische, über die fanluse Felsclltreppe Hinabtlettern ill's Drallthal nach Mitterlvald imd Lienz, init ivelchen Lllggau so ziemlich in derselben Längenlinie liegt. Indeß zu Liesing giebt's ein Hochzeitfest lind sind wir unter Forellenfang wieder zurückgekommen, haben die M> Graben (etliche sind im Jägerlatein schon dazu gekommen) hinter uns, da liegt denn vor uns Mauten. Der geschäftige Markt, gegenüber Kötschach, fordert mit dem Rainen einen Zoll — der Anerkennung, sagen nur gerne, für das fesselnde Bild, das er bietet. Der uralte Kelten- und Römerweg, unter Cäsar und Augustus verbessert, ist's, auf dem wir dahin ziehen, querab vom Gailthal nach Süd: auf Aquileia geht die Hauptrichtung und das nähere Zuglio («InUum <:cdrnkmm). Entlang dem Valentinbach, aus dem Westabfall des Hohentrieb herausbrechend, Wischen der Mautner alm und dein riesenhaften Pollinik (2325 Meter) überwinden wir Geröllhügel und allerhand Kalkgefüge und stehen nach zweien Stunden all der Thalgabelung. Rechts geht es zur Kellerwaud mit etwas Gletschereinlage, zmn Walaha-Hochsee, etlichen Kalkzacken und Iö'chern, dahinter Dich schon wälsches Hirteilvolk neugierig empfängt; die linke Seite dieses hohen, blau plafondierten Hauses ist die zahmere, mildere, geradezu die liebliche. Ein Thalboden wie eine feinwiesige Parkanlage; herrliche Buchen umstehen ein allerliebstes Häuserwerk, das mit seinem Kirchlein von einem Felsenrahmen umfaßt wird. Die gelobte Alpellherberge der Plöcken, cin ganz comfortabler Gasthof, ist i,l dell gnten Jahreszeiten nie verlassen; voll den Sägemühlen sind stets Dielen- und Bretterwagen unterwegs, sie zielen auf die watschen Seestädte; oder die Bären- und Luchs- und Gemsjäger nehmen hier stärkende Einkehr, Pflanzen- und Steinsammler kramen aus und ein, Zeichner und Luftcurgäste erlaben sich an den Reizen des Hochgartens. Man muß recht offne Augen haben, um in's Getriebe der großartigen Alpenwirtschaft Hineinznsehen. Wir stehen nnr um 255 Fuß tiefer als Heiligenblut, das Hotel zeigt 3841 Fuß. Zum Paßeinschnitt geht die Steignng noch 472 Fuß und jenseits, auf wälscher Seite, trägt das Gefels und eine Steinplatte jene drei Römer -inschriften, welche melden, eZ habe Hermias — etwa unter dem Schutze des Hercules Saxanus und anderer Gottheiten — als Unternehmer das ewige Straßenwerk über die wilden Alpenhöhen, die unwegsam geworden für die Völker, die Brücken und die untauglichen Uebergänge in neuer Pfadführung hergestellt. Die tiefere Trace wurde unter Kaiser Valens und Valentinian (3U4 —375) renoviert. Nach Tischlwang (Timau) nnd ill's fernere Vreitthal von Tolmcin (Tolmezzo) steigen wir nicht hinunter, wiewol lins das in den Felsbodcn seit Römerzeiten merklich eingeschnittene Geleise, dann auch der eigenartige Sprachklang, etwa ähnelnd jenem der 86tt6«0minuiii, verlocken würde. Vielmehr streben wir wieder der Zoll-stättc Mailteil, dem antiken Loncium nächst dem Flusse Lieus zu. Das Höhenkirchlein Maria-Schnee schickt seinen Gruß herüber und wenn wir gläubige Gtrusker sind, hier zu Würmlach, unter'm Pollinik-Vorberg, gegenüber Schloß Manndorf, rief eine Felsschrift, vor vierhundert Jahren noch lesbarer, die Wandrer an: „Kommt her, Ermüdete und schauet auf zur Schrift." Hinter Kötschach leitet ein Bergeinschnitt zwischen der Neiskoflgruppe nnd den Gesenken des Kreuzkofls hindurch, vorüber an dein spätgothischen Vollbau der Kirche von Laas auf den Gailberg-Paß. Da wir das kärntische Mittlandsthal mit der obern und untern Grenzwacht der beiden Drauburgen später ohnehin in einem zusammenhängenden Zuge durchmustern, so beeilen wir uns, um das untcrgailthaler Bild zu ergänzen, auf der Bahnstrecke Oberdrmchurg-Greifenburg zunächst das Wcißensec-Becken und das Gitschthal zu gewinnen, damit von Hermagor abwärts bis an die Westhänge der Villachcr-Alpe anch dem „windischen Gailthale" seine Gleichberechtigung gewahrt werde. Das Gitschthal, unterhalb des Draugebietes. oberhalb der Gaileinrisse eingebettet, erschließt sich auf dem Weisach-Oberdorfer Pfade hinter der Grafenwegerhöhe. Vor der Wegspaltung gen Gößering ist denn doch das Incognito des blauschimmerndcn Weißensees zu lüften. Er hat die Waldgardinen gar knapp zugezogen und fast lockt er die Uferrandwege in sein Wellgeflute. Erst beim Schmiedhaus und Techelldorf geht das Bild auseinander. Wie die Fischer, am Westufer den Kahn darleihend, versichern, senkt sich das Becken des drei Stunden langen Seees Das Gailthal. ,5°» f>artio von, iveißensee. zumeist UN Osten; fanden sich da Pfalbauten, so möchte man sie an der Sonnseite von Neusach herab wol noch günstiger suchen. Möglich, daß wir solches ergrün- Airche in ljermagor. den, indem wir uns in des Bildes Mitte stellen, wo die Brücke an der angeschwemmten Halbinsel gezimmert steht. Warten wir genugsam, so kommt der Scheffel'sche Pfalbaner einher und klagt uns seinen Urweltszahnschmerz. Auf den Quellreichtum dieses heimlichen, fclsenumschirmten Bergjuwels fußt der Abschied gebende Bursch die Drohung: Dll herzig scheans Diendel hietz geah i dahi(n), Wann der Weißensee austrukent, kimm i wiedr um Di. Auf weitgestreckten Abfällen wandern wir in der Richtung nach Hcrmagor, am Seitenthalende, grade über der Möderndorfer-Ebene des Gailbodcns. Wir find wieder vor den Gehängen des Gartnerkofls mit der Kuhweger-alm. Da oben wissen wir die weltversteckten Almseen, den Vodencrsec, den Eggersce; Zu dem Hochgewälde, der Umsnumnng des erstgenannten, blickten wir schon zuvor hinauf, als wir zu Triipelach waren. Weßwegen dem Gartnerkofl von allen Seiten zugestrebt wird, dessen liegt der Grund in der stillen Schönheit der blaublühenden Wulfenie, einer Anfangs nur hier nachgewiesenen, nach dem landesbekannten Botaniker Wulfen benannten Alpenblumc. Besonders reichlich ist sie eingestickt den Südhangtriften der benachbarten Watschigeralm, von Pontafel aus dnrch den Vombaschgrabcn zugänglich und dnrch Ed. Iosch angezeigt. Der Ginheimische sammelt im Juli, August gleich über den Sennhütten durch den Sackgraben aufwärts und südlich vom Schwarzkogl seine „Hundszungen", wie sich das Blümlein entzaubert nennen lassen muß. Ein zweiter Standpunkt ist übrigens nußer dein benachbarten Auernigkofl, welcher auf einer Höhe von 5000 Fuß Millionen von Blüten zeigt, schon vor 1861 mehr herwärts bei Pontebba im Mßfelde nachgewiesen worden. Der Jesuit Wulfen (aus schwedischem Freiherrnhause stammend, geboren 1728, ^60 Närntcn. gestorben 1805, sein Grabdenkmal zu .Aagenfurt), der Verfasser der „l^'Ioi^ lwi-icci" lebt noch im Voltsgedächt-nisse als des Cardinals Calm Freund, als Wohlthäter der Armen. Der Markt Hermagor mit dein schönen Ansitze Neuprießencgg liegt inmitten erfreulicher Allsflugsorte, welche man allerorten erwähnen hört, sei's der Gupf des Poludnig, die Hochstufe des Osternig, die Käserei auf der Eggcr-alui, die Nrbanikapelle auf der Granitzerivand. Während die verwüstungslustige Gail den tieferen Thalgrund draußen durch die nampolacher und vordernberger Auen gelvält hat, verstärkt dnrch die Abflüsse des Eggersees und der Osternik-Kuppen, leitet die Hauptstraße nördlicher unter den Forstgesenken der Gradlitzen und des Krenzbergcs über die Orte Förolach und Görtschach herunter nach Ct. Stephan, Emersdurf und Feistritz in jenes Dobratsch-Ainphi-theater, in lvelches nns der Eintritt scholl gestattet war. Das ist der Kern des windischen Gailthales. Von der ganzen Thalausstreckung, so geradlinig lvie selten eine, seit den tiroler Marken her bis hinaus zur Gailmündung bei Maria-Gail jenseit Villach, in einer Länge von W Stnnden gehört das Gebiet unterhalb Hermagor um den Dobratsch südlich herum jenen 9000 Südslaveu, Slovencn udcr Wenden, welche bis ins 1A. Jahrhundert herein ihre Stanungenossen anch noch weithinallf über die Drauscheide in zusammeu-häligendcn Ländereien wie auf Herrschaftgründen nnd auf Ritterburgen seßhaft gewußt habeu. Finden wir doch noch jenseit des Kärnterlandes in Obersteier weite Strecken wendisch benannt nnd ist der dermalige Nationsrest mit 113,000 Köpfen auf 69 östreichischen Quadratmeilen kärntischen Bodens (:Ni Percent desselben) nur ein verschwindender Theil der ersten Einwanderungen etwa um die Hnnnenzeiten. Diese südwestlichsten Slaven Oestreichs, Silani nach ihrem Flnßnamen Sila, nennt Schallbach die schönsten ulld wolgestaltetsten der Slaven. Noch vor 70 Jahren war die genalle Männertracht: Hohe Vundschnhe, die Strümpfe grobtnchen, rot, die Kniehosen grün, der paletotartige Rock ohne Rückeneinschuitt, ohne Falten, die Waden freilassend, blitzrot, am Hals abgeschnitten ohne Kragenumbng, eine Leinwandkrause, breit den Hals einrahmend, der Spitzhut von Filz, grün, schmal aufgekrämpt, mit einem färbigen Rundband. Noch tragen sich die Weibsleute also: Dunkle Niederschuhe, weiße Strümpfe, das höchst kurz geschürzte Kleid eiufarbig oder geblümt, kaum übers Knie reichend, eine Binde um den Leib, auch vurnab hangend wie eine Ballschleife (blau), das Fürtuch, wenn's beliebt wird, voll reichlicher Bespitznng, auch mit Farbstickerei voll großer und kleiner Musterung, das Vusentuch dreieckig, die Unter-enden um den Leib gebunden, der Oberzipf am Ueberhemd „angespendelt", mehrfarbig, breitgeblumt, endlich Hals-kranse und Kopftnch, dieses entweder schneeweiß nnd spitzenbesetzt, oder auch grellfarbig, rot mit gelb. Uebrigens diktirt die Thallaunc ihre eigenen „Bazar" und „Victoria", und ich möchte nicht eiuen Kirchtag riskiereil, nm eines Besseren belehrt zu werden. Da versammelt die Dorflinde unter ihrem, voll uralten Zeiten säuselnden Blätterdache das hochgemute Landvolk und ein ill Herz und Fuß wirbelndes Antiphonar erschallt zwischen dem Fiedler- und Bläservolk auf dem Holzgestell und dem Sängerschwarm, dah aller Weltschmerz in Millionen Brüche geht. Wer hat nicht schon von dem Bauern-Turnei im Gailthale gehört? Das „Kufenstechen" wird von drallen Reitern ausgeübt, die auf Gäulen mit rotbebäuderten Mähnen gar kräftig einspringen, in Hemdärmeln und Seiden-mützchen mit schweren, bis drei Schuh langen Eisenkolben je emzelweise al,s der Fronte von zehn bis zwanzig Mann vor-hasten und bestrebt sind, die anf den Pfal gesteckte Tonne einzulöcheru, zu entreifen, zn zerdauben nnd dann gar abzuschlagen. Mit welcher Geschicklichkeit, Vorsicht, Allsdauer das vollführt, mit allerlei Schwanken von Zwischen -füllen begleitet, wie schließlich der flimmernde Siegertranz zuerkannt, mit „Buschen" und Reifen abgeritten, alsdann zur Eredenzkanne gegriffen, von Jedwedem sein schmuckes Lieb aus dem Halbkreis der Harrenden herausgeholt wird zum schwungreichen Reigen — es ist über einen Teniers nnd Ostade! Anch der „hohe Tanz", heftig bewegt, zwcivierteltattig, gar polterig, ist gegen den „Steierischen" etwas ganz Eigenartiges und pflegt dem letzteren vorherzngehen unter gewissen Festordnungsformeln, welche die Ehre der Nachbargemeinde und die Auszeichnung der Mädeln betreffen. Auch das Handschuh-Hinwerfeu, ausgedrückt vielmehr durch das Hinschlcudern des Hutes, ist in etwelchen hiesigen Dorfgeschichten bekannt. Man sieht wol, ohne Händel Das ^ufenstechen im Gailthal. von Franz von Aausinger. Das Gailthal. ^ geht ^s an den eigentlich für's Leben zälenden Tagen zu Feistritz oder unter den guten Freunden von Nötsch und Gmersdorf und George,: nicht ab; Liebe will gezanket sein. Und gar vor Zeiten hat der süße, durch die gailthaler Vlaukittler vou Fuhrleuten mit den ersten Kastmüensäcklein mitvcrfrachtete zuckersüße Rifosko-Wein das rote Herzblut gar weidlich heiß inachen helfen. Viel wurde durch die Sitte geglättet; aber immerhin ist's besser, wir lassen die Kirchtagleute unter sich und spüren nüchtern den gelbspäthigen Tuffkalk auf, der bei Feistritz brechen soll, den sogenannten Honigstein. Oder belausche,: wir die Ggger - Bäuerin, wie sie zur Zeit der österlichen Romreise der Glocken ihr Hühnergevölk des Taglichts beraubt, auf daß es jahrübcr sicher vor dem Geier einherwandle durch den Schcuncnhuf. Oder oben beim Kreuzenpaß, der gen Paternion aus-bricht, suchen nur die Türkenschanzeu und die Wild-schwein-Iagdforste des „letzten Ritters", der mit Behagen auf Aichelburg weilte. Des kriegerischen Aufzuges hat ja auch das untere Gailthal gesehen, zur Zeit als die Grafen von Go'rz-Tirol hier Landgebieter waren; ihnen gram blieb der spanheimische Landcsherzog lind als er draußen bei Thö'rl-Maglern lag mit seinen Rüstknechten, kau, friedlichen Rittes von Pontebba heran nach der Glan-Hofhaltung gezogen Ulrich von Liechtenstein in jeuem phantastische!: Kostüme, wie ihu die Manessesche Handschrift zu Paris abbildet. Ohne Schutt und Nasserguß vom Gailthal zu scheiden, gienge nicht recht an. Wir schauen daher an der Stelle bei St. Leonhard, wo man die Siebenbrünner-Kapelle mit Farbwäuden und fünfuuddreißig Schädeln aus den Sturzmassen hcrvorgegraben, über das Gebiet der verunglückten zehn Dorfer, sieben Weiler, drei Schlösser zurück und freuen uns unseres unverschütteten Daseins auf der Rückfahrt nach Villach. Gailthalerinncil. 4!" Gbordraublirg. Das Vrauthal. „!)es Dravestromes Fluten zichn" durch das Karntcrland, welches allerdings ein Drauthal genannt werden könnte, in einer Länge von dreißig Meilen mit beiläufig westöstlicher Richtung. Das größere Landgebiet liegt oben nördlich, die Halbscheidc der Wasserstraße noch unterhalb Villach, etwa bei St. Martin-Föderlach. Aber während die tieferen Gebiete unter den Sondernamcn Rosenthal und Iaunthal abgeschieden werden, geht in den Begriff Drauthal das Gezirk von Oberdrauburg an der Tiroler-Grenze bis zur Oberlandshauptstadt. Der entscheidendste Farbcnwechsel ist geboten, sobald die Gletschertochter Moll von ihren Firntempcl-Terrassen herbeigeeilt ist, ihre Fahrt mit den Gewässern des Toblacher-Feldes und der Felbertauern treu zu vereinen. So bestimmend wirkt sie auch, die Sprossin des Pasterzengletschers, auf die Richtung der fernhergetommenen „Drag", daß der Letzteren Thalgang nur wie eine Fortsetzung der Ersteren scheint. Bei einem Gefalle voll etwa achthundert Fuß zwischen den beiden Drauburgen, welch' ein nimmermüdes Proteusspiel vollführt das bald eingcschluchtctc, bald in inselreichem Seicht-geäder sich matt-verflachcnde, grausandigc Gewässer! Die elf Stationen der Kärnten-Tiroler-Bahn mit dem Kreuzpunkte Villach drängen in drittehalb Stunden wol der reizenden Gemälde allzuviele zusammen, als daß wir nicht mit Lenau nach dem Postillon riefen, der „ließ die Geißel knallen, über Berg und Thal davon frisch sein Horn erschallen." Ein verheißungsreichcs Felsenthor ist da aufgethiirmt, wo unter ruinengekröntcr Felswand der erste kärntische Markt, das allenthalben ncugebaute, aber an schmale Grenzen gewiesene Oberdrauburg eingebettet erscheint. Von dem tirolischen Nikelsdorf her empfängt Dich unter der Düsterniß der „Unholden" (2676 Meter) das frcuudliche Pirkach, das Fclsschloß der im 13. Jahrhunderte nach Görz lehnpflichtigen Flaschberger, näher der Bachmündung Das Drauthal. 7ssZ der Kirchfahrtort Etting und jenseits das westlichste Schluß des Drauthals Rosenberg. Vornmls war der Grcnzmarkt um die alte gothische Kirche von 1422 mit Mauern bewehrt, das Schloß ein Eigen der Drauburger, Kopmaul und Anderer; das Ostthur des Ortes ist erst jüngst gefallen. Das Brandunglück von 1869 hat denn doch manches auch von den alteil Gdelhöfen verjüngt. Ob das stets drohende Gewässer zu Nömerzeiten, als hierdurch die Straße von Licnz (^Auontuin) nach Villach gicng, durch Wehrbauten gczügclt war? Ein Meilenstein der Kaiser Diocletian, Eonstantius, Maximianus (Jahre 284 — 311) wurde in der Nähe gefunden. Wahrscheinlich Overdraw burg ist die Heimat des Bildhauers Mich. Nußbaumcr (geboren 1791, gestorben nach I860), weß Namens sich mehre in Lienz finden. Der talcntreichc Bauerssohn wurde in die Schule nach Irschen gebracht, gieng alsdann im drauburger PostHause als Postillon ein und aus, flüchtete vor den Franzosen (und Oestreichern) nach Kufstein, Passau, Lienz und erreichte, ins rechte Fahrwasser gelangt, die Künstlerweltstadt. Daselbst wirkte er noch in den Sechzigerjahrcn. Anßer vielen plastischen Werken schuf er eine Gruppe „der Begründer von Klagenfurt", die Lind-wurmsage behaudelnd. Hier stand auch die Wiege des gemütvollen, edlen, sprachgewandten Dichters Friedrich Marx (geboren 1830), bekannt durch seine Werke: „Gemüth und Welt" (1802, 3. Aufl. 1877), die Tragödie „Olympias" (1863), das Schauspiel „Iakobäa von Vaiern" (1866), durch seine trefflichen Nachbildungen des Edg. Poö, Longfellow, Poörio, Zendrini, de Gubernatis. Weun er auch der Liebe und dem heitern Lebensgennß manch schönes Lied weiht (sagt H. Kurz), so bewegt er sich doch mit Vorliebe in höheren Anschauungen, in denen sich wahre Frömmigkeit, liebenswürdige Menschenliebe und überhaupt eine edle Gesinnung abspiegelt. Das flurenreiche weite „Lienzner Thal" gehörte, gutnachbarlich mit diesen Berggeländen und den ostwärts abfolgenden, zum großen Lurnegau und erst in den Tagen Friedrichs IV. war's, daß dasselbe aus Kärntens Pfalzgrafschaft herausgerissen ward und entfremdet blieb, wie sehr auch im Landhause der Glanstadt die Stände Gegenvorstellungen machten. Nicht siebzig Jahre landesfürstlich gewesen, kam das Oberdranburger-Gebiet mit der hierortigen Burg in den Besitz jener Salamanka und Porzia, die wir im Nnterdrauthale näher kennen lernen werden. Die Sommerfrischler am Schrötlhofe preisen die schönen Iochsteige ins Mollthal, die Erklimmung des Hochstadl, des Schatzbüchl. In den Gefilden, welche von den Slaven mit dem Bau von Heide und Fennich, Hirse und Linsen, von den Vaiern und Franken aber mit der Obstzucht ausgerüstet worden, winkt uns theils auf grüner Höhe, theils nächst den Uferrändern: Zwickcnbcrg mit seinem seltsamen Flügelaltar nils den: !4. Jahrhunderte, genüber Rittersdorf und Dellach unter der Iauken (mit den Blei- und Galmeiwerlen), die beiden Steil«, hinter dem noch wohnlichen Schlosse die stcilgestelltcn altersgrauen Nartthürme vor den Felsplatten. Wol Hansen auf dem Romaskofl nimmer die besänftigenden weissagenden Alfrauen. Denn bei Feistritz nnd Amlach stürzen Wildbäche aus den Schrofgewänden der Gailthalgränzen herunter, mit den Znflüssen vom Sandfeld nnd Hochtrischten und Krenzcck herab, lauter gar böse Gesellen, welche den Tiefboden durchreißen und mit Niesenblöcken Ball spielen. Gräuliche Versandungen sprechen von ihren Thaten; die zweihundert Jahre hindurch, seit Gailthaler Fuhrleute aus Friaul den Türkischweizcn eingeführt, hat ihr ausgeweitetes Rinnsal genng Feldung hinweggeschwemmt. Genübcr der Oedenvest bei Amlach, gestürzt 1348, ladet der Ort Berg sowol durch gothischen Kirchenbau, das alte Apostelbild der Michaclikapclle (von Joh. Haupthcller 1428), die Grabsteine des 16. Jahrhunderts, wie auch zu Kirchtagszeiten durch die Tracht-Schaustücke, namentlich der Gailthaler mit dem pfnufcderbesteckten Hut, den: hangenden Gürtelmesser, den Hochstiefeln sowie ihren Mädeln mit dem reichgestickten Ledergürtel, zur Einkehr ein. Die Filiale St. Athnnasius ist dieserhalb vielgenannt. Markt Greifenburg am Allsgang der Gnopmtzschlucht, die weit zurückstreift, schaut über das Nammwcrk gegen die Sturzfluten gar festungsgleich bewehrt durchs anfehnliche Vreitthal. Aber die bitteren Tage von 1851 leben noch im Volksgedächtniß, nnd hier hat, wie beim oberdrauburger Marttbrande, die milde Hand der „stillen Gemeinde" segnend gewirkt. Ueber dem, etwa seit den Tagen der Spanhcimer geschlossenen Markte, mit reichen Kaufhäusern t^ harnten. (wie Zabuschnigg 1766, I. M. Pochum, uln 180^ etabliert zu Amsterdam und Petersburg) uud den Neubauten seit dem Brande von 1747, ragt das felsengegründete Schluß; in diesen Räumen starb der erste görzcr Herzog Meinhard IV. Der aussichtreiche Bau, von dem eine Abbildung aus dem Jahre 1459 im klagcnfurter Palais der Rosenberg sich befindet, enthält einen schönen Marmorziersaal von 1676. Nach den theresianischen Reformzeiten, welche namentlich dein emsigen Flachsbau des Thales und dein Flachsmarkte des Ortes zu Gute kamen, schaute die Burg die erste Franzosenwlonne unter Ioubert 1797 ins Thal dringen und 1705 die commandierten Vorspannwagen der schwäbischen Bauern bis in die Fernen von Klagenfurt und Marburg fortgezwungcn. Als die Schlacht bei Leipzig noch eine neueste verbotene Zeitungsnachricht war, gab's zu Greifenburg ein festliches Scheibenschießen, wol'ei das auf Kaiser Napoleon gehobene Glas nicht fehlen durfte. Der toastirendc Schcibenschütz ließ aber indeß aus der Grcifcnburg. Linken die gedruckte Siegesdepesche fallen, und kräftig, wie nie, erscholl das yoch! Der Rückzug der Franzosen durchs Gitschthal, wo sie eine Kriegskasse einbüßten, hat nicht lang auf sich warten lassen. An den Sonnseit-Gehängcn gegenüber dem Etockberg folgen: Wassertheuer (im Roscnthale liegt ein Kirschenthcuer), Rotenstein, von wannen Ritter Ludwig mit dem Barbarossa uach Palästina gezogen, Gerlamos mit schönen Wandbildern und Flügelaltar, endlich hinter dem verlassenen Steinfelde der Nurdaufbug des Drauthales. Die langgestreckte unwirtliche Schlucht zwischen Sicbentausendern war so ein rechtes Schachbrett für die Winkelzüge des Erzschelms Pankraz aus Wcißbriach, der aus den Verstecken des Kreuzberges und des Neusacherschartls mit Raub und Brand hervorbrach und das Entschlüpfen, Etrickreißen, Kettensprengen und Haftmaucr-Brechen in so verzweifelte Länge betrieb, bis daß ihn die ewig geängsteten Bauern gefangen, erschlagen und gehenkt haben bei den Siebenbrünnen am Galgen-angcrl. Unter der Fellalm und dem schönen Latschur lagert Liud, nächst den Resten der siebenhundert Jahre alten Burg der liebliche Thalsitz der Leobenegg und Tschabnschnigg. Dem letztgenannten Geschlechte angehört der berühmteste und fruchtbarste der kärntischeil Dichter, bis jüngst Nestor derselben, Adolph Ritter von Tschabuschnigg. Geboren zu Klagenfurt (20. Juli 1809), viclbereist in Teutschland, Schweiz, Italien, Frankreich, Belgien, im Jahr 1871 Das Vrauthal. 565 östreichischer Unterrichtsminister und theils zu Wien, theile auf seiner Wö'rtherscc-Villa lebend (gestorben 1. November 1877), hielt er die literarische Welt fast Jahr für Jahr in Athem. Seinen „Gedichten" (Dresden 1833) ließ er folgen „Aus dem Zauberwalde" (1856), „In der Sonnenwende" (1877) und auf dein Gebiete des Romanes dem kraftvollen Revolutionsbildc: „Das Haus der Grafen Owinsky" (1832) das bedeutendste Werk „Ironie des Lebens" (1841), „Der moderne Eulenspiegel" (1846), „Die Industriellen" (1854), „Grafenpfalz" (1862) und, abgesehen von den „Novellen" (1835), „Humoristische Novellen" (1841), die neuesten Werke „Sünder und Thoren" (1875), „Große und kleine Leute" (1877). Als Nomandichter entwickelt Tschabuschnigg — nach H. Kurz — eine nicht gewöhnliche Erfindungs- und Gestaltungsgabc, eine tiefe Kenntniß der mannigfaltigsten Verhältnisse, namentlich der vornehmen Stände, deren Leben und Treiben er mit ebenso großer Wahrheit als Unparteilichkeit schildert. Seine Werke erfreuen ebenso sehr durch die psychologische Schärfe der Charakteristik, als durch schöne, immer gewandte und gebildete Darstellung. Tschabuschnigg. Auch Lessing — doch wir besinnen uns, nicht in Literaturgeschichte zu reisen; Lessing ist nur eben ein Hochdorf dieser Drauenge, welche bei Sachsenburg stracks umbiegt, so daß mit einem Zaubcrschlage der prächtige weitgedehntc Lurncr-Boden in den lebhaftesten Farbabstufungen ausgebreitet erscheint. Eine Klause zum wahren Entzücken eines militärischen Fachblickes ist diese Stelle. Und also hat sich auch die Weltgeschichte hier im Kleinen ausgestaltet. Römerzüge, Völkerwanderheere, zuletzt eine Slavenschlacht, Sold-truppen der Görzcr, des Ungarkönigs Mathias, zujüngst die Franzosencolonncn, diese alle sind die wie selbstverständliche Komparserie für den so wuldekoricrten hiesigen Schauplatz. Noch zu Valvasors Zeit (1688) umficngen Ringmauern den Markt, ihre Reste stehen nur noch auf der Bergseite, die Castelle (ähnlich den Friesachern) auf den Gehängen des Lambrechtsbcrgcs waren aber schon dazumal Trümmer. Die Wiederbcnützung bewährter Stellen zu Blockhäusern im Jahr 1809 wurde hier mit mehr Erfolg als im Canalthale durchgeführt. Major Krapf und Graf Favcrge vermochten nicht nur die Bestückung des Lambrechtsberges zu vereiteln, sondern trieben auch den General Rnsm auf seinem Rückgänge nach dem Mittellande weidlich in die Enge. Die blci-berger Knappen wurden zur Schanzarbeit herbeigezogen, wofür sie später eine Ehrenfahnc erhielten. Zweimal war auch Andrea Hofer, während der Bedrohung der Vcste, hier anwesend; es galt mit General Schmidt eine 1<56 harnten. Ueberrumpelung von Klagenfurt. Vei einem Neeognoseierungsgange sanfte eine Kanonenkugel dicht neben dem Helden mis Passeir vorbei. Beim Bahnhöfe in Venachbarung der Kirche St. Lconhard stehen die letzten Höhen von Sachscnweg, und dahinter erstreckt sich das Nordwestthal, „wo jauchzend sich im Sprunge — vom Felsen hochgeschürzt — die Moll, die cwigjunge, — zum Abgrund donnernd stürzt." Möllbrucken cntzanbert nächst der Eisenbahn-Gitterbrücke von 885 Fuß Lichtwcitc das überraschendste Panorama, das zwischen den gescharteten Kulmen des Hühnersberges, dem langen Triftenrücken der Millstätteralm und hüben nach den Wandschlüssen des Staffbergs bis hinunter zum Dobratsch gegeben ist, während aus dem Möllthal-Portale heraus der kegelförmige Danielsberg guckt, der Hintergrund gedeckt von den schon bekannten Forstkolossen. Das Wirtshaus neben den Epießglanzgrubcn und der Vleiweißfabrik zeigt noch die Kugelspuren aus dem Landsturm von 1809. Im Oktober brachen da die Obcrvellacher heraus mit vorarlberger Studenten, geführt vom Schi'chenmajor Ioh. Türk unter Augschell, Halbfurter, Pfaundler; auch der ober-vellachcr Gcrichtsdiener Zarcr war zum Hauptmanne avanciert und führte einen schärferen Säbel als an gewöhn- f>artio an der Vrau in 5achscnbnrg. lichen Amtstagcn. Das war ein Gewimmel um die Mo'llbrückc; Joche abtragen, Verhaue machen, Wiederherstellung, Vermnung der Eachscnforts, Vercinung mit den Lieser- und Katschthalcrn, schließlich dennoch Rückgang über die Moll, Wnffenablieferung! Schicken wir einen friedlichen Gruß hinüber durchs Wöllathal nach Stall, wo unter den Felsgehängen der Eteinwand seine Knabenjahre verlebte der Dichter Hans Fercher, genannt von Steinwnnd (ge-boren 1830, 22. März). Im Aufschwungsjahrc 1848 mit Lexer, Ggger - Möllwald auf dem Gymnasium zu Klagcnfurt, später auf den Hochschulen zu Graz und Wien, seither an der „blauen Donau" und vorwiegend in Perchtoldsdorf eingebürgert, hat der mit gewaltigem Ausdrucke wirksame Poet seinen ersten (um 1854 veröffentlichten) Einzelgedichten, wildschön uud uugedämmt wie seine Möllhcimat, die Tragödie „Dankmar" (1867) folgen lassen, nur eben eines von seinen vielen, in Handschrift abgeschlossenen Dramen (Drahomira, Heinrich IV., Sand) und 1874 das crzälcnde Gedicht „Gräfin Seelenbrand". Des Poeten tiefe Empfindung, tüchtiges Talent, ernstes Streben, die Kraft der Sprache, den Gedankenreichtum, die ergreifende Wirkung im Drama rühmcud, schließt Hermann Kurz: Wir dürfen noch Bedeutendes von ihm erwarten. Das Lnrnfeld, vier Stunden lang und an der schmalsten Stelle eine halbe Stunde breit, mit den waldreichen Berghängen umsäumt und ein Musterteppich des erfreulichsten Feldanbaus, ab und zu mit breitkronigen Nußbäumen bestellt, läßt das Auge schwer zur Ruhe kommen. Hier die lindcnbcschattetc Magdalenenkapelle mit den sagenhaften Blutmulden, die eine Schlacht zwischen Franken und Slaven gefüllt hat, die sich wieder füllen werden, wann unter dem dreimal erneuten Lindcngeäst der Slave, wie Philoktet seiner Pfeile und Keulen wieder froh, die 3)as Drauthal. Z6? Spital. Waffen gegen die Tyrannei gefunden haben nurd. Thatsächlich hatten es die robotnnlustigen millstätter Bancrn iln Jahr 1?:l5 auf die Keulensuche abgesehen. Dort Pnssarnitz, das freundlich lächelnde Bergdorf, mit dem Grabe des heiliggleichen Bauers Zacharias aus dem Nigglaigraben, den fein treues Ninderpaar auf eigenen Antrieb bis hicher zur Grabstelle gezogen. Diefes schönwiesige, zum Theile hügelige, nur an den Draudünen kahlbesandete Gebiet mit dem malerifchen Verghilltergrunde, wie wol fügte es sich für einen altrömischen Alpenvorort. Weitläufige Bau-triilumcr mit Wandmalereien und musivischen Böden, natuentlich um die Fresnitzer-Gehügel aufgefunden, hat man als Ueberbleibsel der norischen Stadt Tcurnia erkannt llnd erst neuestens ihren Schätzen nneder nachgefpürt. Vor dreizehnhundert Jahren zerstört, entweder von den Franken oder den Slaven, bot die Stadt mit dein Castellhügel, einem frühromanifchen Kirchenbnu, eine günstige Stätte. Anf vortretendem Felssockel hingestellt erfcheint Orteuburg. Ein karges Palasvicreck, ein Stück Kapellengclvölb und zwei kräftige Thurmgefchosfe, grauverwcttert, das ist das heutige Bild vom Prachtfchlosse eines vielgenannten Grafenhaufes. Aus dein Hunsrück in Bayern-Hessen stammte Erzbischof Hartwig, von den Spanheimern; nnd einen Spanheiiner Friedrich führte er in die teurnenfer Ländcrcien cm. Ein weltliches Amt vom Kaifcr gab ihm dazu noch Einkünfte nnd Einflnß, denken wir uns den Ertrag von Silberwcrken obendrein, wie sollte nicht die Hausmacht kräftig emporgchen? Ihr Wappen - in rotem Felde zwei weiße Flügel nnd dazwifchen eine weiße, beflügelte Spitze — crfchien nunmehr überall, wo etwas wichtiges im Lande zu vollführen war. Ein Heinz und Ott von Ortenbnrg standen in des Notbarts Gnaden; Ott begleitete den Kaiser auf seinen watschen Zügen nnd in den Orient, ein Friedrich half die Geschicke gegen den Böhmenkönig Otakar wenden und focht in der Marchfeldschlacht. Seit den Schweizerkämpfen und manchem Wal- und Krönungstag war eine Neichsunmittelbarkeit der Ortenburgcr fast völlig anerkannt worden und auf ein Gebiet von mehr als vierzig Gcviertmeilcn konnte schließlich die prächtige Grafschaft an den Geländen der fchönsten Alpenseen angeschlagen werden. Der Giftmord der bösen Margarethe an Graf Friedrich brachte die reiche Ländererbschaft all die Hauptannektiercr unserer Drauländer, die Grafen von Ali; schließlich unterfieng sich der Kaiser nicht ohne Widerspruch der gesammten Besitzungen (145:i). Die Mannen der eifersüchtigen Nachbarn zu Sternberg und Weissenstein, später des görzcr Grafen Johann und des Söldnerführers Witowitz berannten die Wälle der Orten-bürg. Wol hauste daselbst ein Amtmann an des Kaisers Statt, aber das alte ritterliche Leben unter dem Banner der Flügel und der drei Sterne war dahin. Wie die Landpflegcr walteten, das erfuhren die bündischen ;<58 harnten. Bauern, sie hätten fast den Magyaren und den Eackmann ebenso gern oben gewußt auf dein gebietenden Fclsensitz. Im Jahr 1666, nach einer Einkehr der nach Wien fahrenden Kaisenn Margaretha, erscheint die Burg (auch zu Valvasors Zeit) noch stattlich nnd wolbedacht; seither aber hilft jedes Jahr das Schloßgethürm zerbröckeln. Die Geschichte des Hauses lebt fort durch Karlmann Tangls Griffel. Anch Margarethe, die Manltasch, ist dagewesen, wie sollte sie fehlen, die romantische Männin? Dort aber an den Borden der aus malerischer Schlncht ausgcbrochenen Lieser winkt uns das weiße Häuserrnnd des Marktes Spital, des Vorortes am Straßcnznge gen Gmünd-Salzburg, mit dem Hintergrunde des straßenbeschläugeltcn Patriariberges. Von einein schlichten Hospitinm in der Nähe der Nömerstadt Tenrnia ist es wol vor dein elfteil Jahrhunderte ein Kirchenort geworden, welchen die Ortenbnrger nm des guten Verhältnisses zu Salzburg willen mit Priester- und Spittelstiftnngcn versahen. Aber erst nach dem Herabstcigen der herrschenden Macht von den Vergwarten, nach dem Al^ gange der Ortenburger mag sich das hiesige Gemeinwesen etwas eigenartiger ausgebildet habeil. Gabriel Salamanka, des Erzherzogs Ferdinand Schatzmeister, vieler Schlösser nnd Herrschaften Besitzer in Oestreich wie am Rhein, erhielt 1524 gegeil eine Geldlieferung die Grafschaft Ortcnburg und wagte trotz seines Auslandertums in das Ständcwesen unliebsam einzugreifen. Graf Ferdinand, der zweite Grafschaftsbefitzer, begann und vollendete um 1540 den Vnrgbau zu Spital. Die Grafenpfalz aber, im Brande von 1797 Spital: 3tiegl' im schloß des Fürsten f>orzia. gerettet, ist ein wahres Juwel unter den Bnrgen des Kaiser-staatcs, sie ist gleichsam das östreichische Heidelberger-Schloß iiild wurde in Betreff des Viereckthurmes auch dem Schlosse von Stnttgart verglichen. Alis die Südwcstflanke des stadtartigen Marktes hingestellt, mit der lachenden Gartenfronte gegeil die Wunder des Oberlands hinanfschaucnd, läßt sie minder von den Nundbogenfenstern des Acnßcrcn — am wenigstell durch die Krönung des Portales — jenes übcrraschendcInnere ahnen, auf welche wol das Pilaster^ Zierwerk des Einganges ein feinfühliges Auge vorbereitet. Das bestrickende Gewebe vcnctianischer Frührenaissance waltet ill der Aufthürmung der Artaden und Bogengänge des Palasthofes uu- gefähr wie im Brunnenhofe des grä'zer Ständehauses oder noch besser des Handelsgerichtshauses der Herrellgasse in Wien. Das letztgenannte war eben anch 1546 gebaut und 1692 ail die Fürsteil Porzia übergegangen, wie das mit Spital dreißig Jahre früher geschehen. Man hatte bei dem Flechtwcrk der Portalsäulen sich an die Anfänge dieser Art mit Alberti's Bau von San Frameseo zn Nimini erinnert; die trefflicheil Balnstraden-VerschlingulMN, die Medaillons, Büsten, die allegorischen Figuren und antiken Helden und Geräte auf alleu Schlußsteinfüllungen und Gesimsen, der reichhaltige Wechsel heiterer Einfälle läßt auf das gebildete Kuustbedürfniß 5l. 1^ Scamozzi schließen. In den zalreichen aussichtpruntenden Gemächern setzt sich der zarte Geschmack in den Marmor-Schnitzwerkcn der Thürwangcn fort, wie denn auch ein steinernes Lichthäuschen mit heraldischer Beigabe all der Treppe die Blicke des Kenners auf sich zieht. Die Kapelle enthält ein altdeutsches Tafelbild mit Goldgruud, zweitheilig, fünfzehntes Jahrhundert; das Kaiserzimmer jenes Baldachinbett, dessen Barotkierung die schwere Vergolderlage drückt, mit dem Granatapfel-Dessin, welche Zierdell alle zum Empfange des Kaisers Karl V., des flüchtigen, aus dem Inventar der früheren königlicheil Reisemarschälle hervorgeholt worden sind. Der Saal mit dem Schauerbilde der letzten ihres Stammes, der Gräfin Katharina voll An den Osfiacher-, Afritzcr- und Faacker-Tee. ^6^ Ealamanka, stellt mindestens dieses restaurierte Kunstwerk in den rechten — Schatten. Nir wissell, daß die Wittwe des Grafen Georg (gestorben 1640), lachenden Erben spinnefeind, ihre Schätze in geheime Kellerränme vergrub, den dienstthuenden Maurer mit Hilfe ihrer Zofe nachstürzte, endlich diese selber mit goldgesticktem Pantoffel erschlug und nach dem Tode als Schatten die Besitzer schreckte. Auch außerhalb ihrer Residenz haben sie die Geisterseher kennen lernen. Dein von Kuglcr-Lübke gewürdigte!: Prachtbaue gegenüber steht das Vezirkshaus mit schönen: Marmor-Portale von 1537; emstmal bewahrte man eine Ahnenbilderreihe. Der Schloßgarten prangte ehmals mit seiner Orangerie und südlichem Blumenschmuck; nun ist er mehr Naturpark und enthält auch ein paar Römersteine. Seit 1662 stehen die Fürsten Porzia im Eigentum dieser Güter, friaulische Edle, draus der Cardinal nnd der moskaner Gesandte Hannibal (gestorben zu Spital 1763) die bekanntesten. Spital ist der Geburtsort des geistvolleil, reformfreundlichen und stilgewandten Publicistcn Vincenz Rizzi (geboren 1816, gestorben 1856), dessen Gedichte, seit 1834 verstreut erschienen, längere Zeit in Paul Renn's Nachlaß verschollen, gegenwärtig zur Herausgabe gesammelt werden. Im Gebiete der Grafen von Ortenburg, denen auch das Recht zu adeln zukam, betreffen wir oranabwärts bis zum Rennstein bei Villach mehre Edclsitze. Auf dem Waldberge, welcher jenseits nach dem Millstätter-See abfällt, lagert das wirtschaftfreundliche Rotenthurn, wo Wallenstein bei Johann Georg Graf Ealamanka, dem Rciterobrist (um 1620 bis 1630?) - Andre meinen beim obgenannten kränkliche,: Georg - auf Besuch gewesen sein soll; fricdland-saganische Münzen und ein altes Oelbild sollen das hierorts beweisen, und man beliebt, auf das „kleine Gut im Kärntnerland" zu denken, welches Schiller in Akt V, Scene 5 seiner Tragödie einflicht. Der Jesuit Fr. Markovich (gestorben Klagenfurt 1669) schrieb ein lateinisch Trauerspiel ^i-itianälis. Bei Patcrnion-Nikelsdorf münden die Graben des Weißenseethals und auch von der Kreuzen (windische Höhe) her, lebhaft durch Eisenhämmer, Zinnobergrubcn, Goldwäschereien. Den Markt beherrscht das Schloß, ein Ortenburgcr-Lehen in seinen Anfängen, nach seinem dermaligen Ansehen ein Erzeugniß des siebzehnten Jahrhunderts. Hans Widmann aus Villach, zu Venedig Kaufhausfactor, die Metallgruben seiner Heimat ausnützend, gewann Reichtum und Adel und schrieb sich seit 1649 de Rezzonico; mit den Herrschaften Paternion und Sumeregg kam das Varonat und seit 1640 sogar der Grafentitel von Ortenburg. Das rasch emporgestiegene Haus residierte fortan zu Venedig, daheim arbeiteten die Nagclschmiede und Drahtzieher für die fernen Patrizier und Eardinäle. Bei Puch öffnet sich das enge Krasthal, ein nenstens aufgeschlossener Fond von Marmorbrüchen, wie denn auch der Gummcrer-Stein weit verführt wird. Die Sockel zum grazer Schiller- und Grzherzog-Iohann-Dcnkmale stammen von hier. Die Abfälle des Mirnocks, der Hinterwand des Millstätter-See's, 2102 Meter hoch, aussichtreich in der Linie Tauern-Eisenhut-Sulzbacher, dann die Gehänge der Ambergeralm umengen das Thal. Bei Obervellach (mit dem möllthaler Orte gleicheil Namens oft verwechselt) sind wir wieder im Hauptthalbccken von Vittach. An den Ossiacher-, Afritzer- und Faacker-5ee. Die Rudolphsbahn versetzt uns nach Ossiach - in vicrundzwanzig Minuten eine vollständig veränderte Sicht. Das langchin ergossene dnnkelbläuliche Gewässer des zweitlängsten kärntischen See's schimmert durch ein hochumrändertes Thal, das mäßiger im Süden, imponierender im Nord durch dle weiten Naldenden der Görlitzen (1916 Meter) abgeschlossen ist. Unten drei Viertelstunden breit, an sechstausend Klaftern lang, liegt der Osfiacher-See höher als der Wörthersec um 223 Fuß, wird vom Millstätter um 358 Fuß übertroffen und erscheint tiefernst im Tannen-düster des Glimmerschiefers eingebettet. Der namengebende Ort liegt wie beim Wörthcrsee auf der Schattseite, der Straßenzug läuft bei allen dreien auf der Sonnseite. Die größte Tiefe, auf der Ausstußseite im West, nnrd mit 420 Fuß angegeben, von da eilt der emsige Seebach in die Dran heraus; im Ost bezeichnet der Tiebelbach HI» 5 70 harnten. sein vermoostes Einflußgebict. Wol an sieben Mövenartcn umfliegen ab und zu die buchtigen Riedufer, die Lach-möve umkreist das Geschilf, und nicht selten schwebt die Sturmmöve über dem Vrandnngsgischt des ungeahnt bösartigen Wellgangs. Zuweilen nistet die rutfüßigc Mecrschwalbe, auch die wcißgeftügeltc, in den Eandmulden der Flachufer, während der schwarzkehligc Eeetaucher auf seinen Durchzügen vom höchsten Nord nur sehr vereinzelt zu Gaste kommt. Da schallt manchmal des Jägers Schuß aus dein winzigen Kahne, weithin das Bcrgecho weckend. 'An der schmalsten Seestelle gegenüber Sattendorf und Gmi-Cottage oder St. Urban, über welches von der Görlitzen herab, Pier durch den See hinüber nach dem „Hohenkerl" und gen Velden zum Wö'rthersec die Grenze zwischen Ober-und Unterkärnten gezogen ist, — liegt traumhaft versunken und in den Fluten sich wiederspiegelnd das alte Vcnc-diktinerstift Ossiach. Die drei Lachse des Stiftswappens deuten auf eine angenehme Enthaltsamkeit für Tage, an welchen etwa das Wildwerk aus den gegenüberliegenden Hochalmen oder aus den Forsten des nach Kranzelhofen hinausführenden Tauern nicht reichlich genug eingetroffen wäre. Hier wirkten die ersten Benediktiner in Kärnten; von Alt-Oetting kamen die Mönche daher und nahmen das treffener Allodialgut, durch Kaiser Karlmann ihnen geschenkt, mit stiller Freude in Besitz. Sorgsam brachten sie das alte Pergamen vom Jahr 878, als es die Flucht vor den Magyaren im Jahr 907 galt, in die kärntische Zufluchtsstätte mit, und dermal zeigt das steierische Landesarchiv zu Graz dies alte Schriftstück unter seinen Eimelicn. Der Abt Wolfram, aus Altaich herübergcwandert, wird (vor dem Beginn der Urkundenrcihc mit 1188) für den ersten der bekannten Acbte (1060) gehalten. Etwa zwanzig Jahre später trat cin fremder stummer Büßer in die stillen Höfe und verrichtete niedere Kncchtsdienste bis auf sein Todtenbett. Da aber berief er die frommen Männer um sich, wies ihnen einen stralenden Siegelring mit königlichem Wappen und gab sich als der herrschende Piast Boleslaw II. von Polen zn erkennen, der, gebannt, den krakaner Bischof Stanislaw am Altare erschlagen. Sein Grab zeigt man in der nordseitigcn Nische der Kirchenhauptmauer. Es besteht aus einem Kalkblock über der Höhlung, darin sich bis vor etwa vierzig Jahren eine metallene Kettenschließc mit Eisennägeln und Veinwerk vorgefunden hat. Der Nischenverschluß nach außen mit dem Reliefstcin des gezäumte» Pferdes und der Schriftfulge scheint jünger und auch das Schnitzbild dazn, sieben Ereignisse nm das Königsbildniß anreihend, gilt als eine Wiederholung eines älteren Denkmals, von der Hand des einheimischen Plastikers Iobst. Ein Eisenlanzengitter umfängt die Stätte, welche von der polnischen Einigration vielfach aufgesucht worden ist. Die böse Mähre weiß von dein vertauschten Königsringe. Abt Virgil Gleißenberger schrieb eine Boleslaide in sechs Gesängen. Seit den Reformations- und Türkenzeiten etwas erschüttert, durch Karls V. Macher Hofhaltung den Venetianern und Niederländern im besten Lichte präsentiert, mit dein Schlosse Wernberg bereichert, wurde das Stift 1784 aufgehoben, und dienten die Bauten, vermöge des Hcurcichthumes der Tiebelgefilde und der üppigen Hochalmmatten, einem Staatsgestütc. Der Kaifersaal im Eommandantenhause enthält die Fromiller'schcn Fresken, die Landesfürstenreihe von Otto dem Fröhlichen bis Joseph I., die Herzogstnhlfeier; Gemälde nach der Boleslawsage zeigt die Kirchenwand, einen rettenswcrten Schnitzaltar die Nothelferkapelle. Aus dem Waldschattcn des Fußweges nach Heiligenstadt tretend, erreichen wir eine der eindrucksrcichstcn Ruinen des Kärnterlandes, Landskron. Es ist eine gar wuchtige, zackenreiche Krone, welche dem Waldberg aufgesetzt ist, und man muß nur die malerischvertheilten Mauerriesen im Glühschein des Abendrots weit hinaus bis in die Thalc unter dem Mittagskogel haben leuchten sehen, um an dem Prachtmale erinnerungsfroh zu hangen. Schon der ausgesuchte deutsche Name weist hin, daß die alte, jedenfalls slavische Bezeichnung der frühmittelalterigcn Burg ganz verloren gegangen. Auch als ein ritterliches Geschenk feitens des Kaisers Max an die St. Georgenrittcr von Millstatt (1490) will das Schloß nicht ins rechte Licht treten; wol durch einen Blitzstral in Brand gesetzt, droht die Burg noch in des sechzehnten Jahrhunderts erster Hälfte ganz und gar zu verkommen. Und jetzt erst, seit Christoph von Khcveuhiller aus Kaiser Ferdinand's Händen den Bergansitz übernommen, erhebt sich ein hallcnreicher, im jungen Kunstgeiste geschmückter Neubau (seit ärca 15l»0). Graben und Wall, Palas und Lugthurm, Prachtsaal und Rüstkammer, dic Hauskapelle, drin der evangelische Prediger Vernardin Steiner gewaltet, endlich anch Keller- Ossiach, von Richard püttner. An den Ossmchcr-, Afritzcr- nnd Faacker-5ee. ,?, Tandskron. rauin und Lustgarten und Wildgehege richtete der kärntische Landeshauptmann mit äußerstem Kostenaufwaude ein, wenngleich schwerlich mit dein geläutcrtsten Kunstsinne nach dem Mister der Spitaler-Burg. Immerhin mußte dein Zierdenamen Rechnung getragen sein. Das hier herrschende Geschlecht versah die höchsten Aemter, und seine Namensträger sind allermaßen gekannt. Die großartige Veste war aber kaum hundert Jahre an diesen Namen gebunden. Schon 16A2 wurde sie wieder des Kaisers. Denn Johann Khevenhüller, nicht geneigt zur Rückkehr in die gewaltsam wieder aufgerichtete Papstkirche sich zwingen zu lassen, hielt an seinem Lose der Verbannung aus dem engeren Heimatlande fest; in Gustav Adolph den zeitweiligen Schützer deutschen Rechtes erkennend, gieng er für denselben in den Tod. Auf den erwähnten SchwcdewObristlieutennnt zurück führt sich die Sage von den Schätzen, vergraben in den Verließen Landskrons. Vis in die neueste Zeit ist das zerklüftete, 1878 durch Dr. v. Vest restaurierte Bergschloß mit Geforst ein Eigen der Dietrichstein geblieben, und uuter friedlicheren Zeitgeschicken würde es vielleicht mit erneuten Zinnen geprangt haben, hätte sein romantischer Verehrer von 1^>l2, Eugen Veanharnais, es thatsächlich gekauft. Bis Tob ring in der „Gegend", nächst der lieblichen Sommerwcile St. Andrea, mag vielleicht in Urmenschen^ zeiten der Seeboden gereicht haben; von da rücken die dunkelnden Berge vertraulicher zusammen und machen fortdauernd mehr und mehr Geheimniß. In schöner waldgrüner Bucht erscheint Treffen, das Dorf mit Neuschloß und Burgruine. Nicht jedes kärntische Dorf hält so rein, möchte man in ausspürender Laune ausrufen. Manch eine Zeichnenmappc ward schon von schöner Hand erschlossen unter dem Laubbaldachin des Schloßgartens, und welche Augen schwelgerisch ausgeblickt aus den zwei Stockwerken des mit Roeoco-Möbelwerk stattlich ausgerüsteten renaissant-gebauten Schlosses der Grafen von Goös — nur einer der Landessänger mag's besungen haben. Als noch der Herrensitz auf der Höhe beliebt war, gehörte das Vauernheim Trebinn dem salzburger Erzbischofe (vor ^90). Nach dem aglaier Patriarchen geboten hier die Sternberger, die Parvenus von Auffenstein, deren Güterverkoppelungen es fast den modernsten Actiengesellschaften gleichthaten, und nach ihnen die Träger des Landesmarschallalntes, die Liechtensteiner. In der Wende des fünfzehnten Iahrhundertes an die Keutschacher „verkümmert", war das Nenschlos; zur Zeit der Habsburgischen Interims-Hofhaltung zn Villach im Jahr 1552 eiu Besitz jener Wasserleonburgerin, 1?2 harnten. Barbara NeumalNl, lvelche die Sago nut einem zauberkräftigen Tränke ausgestattet hinstellt, um fünf ihrer Männer zu überleben. Es sind deren Namen Thauhausen, Liechtenstein, Ungnad, Tcnfenbach und Ortcnburg. Schönheit und Geistfülle soll der vielumworbencn Dame iu gleichem Maße zugetheilt gewesen jeiu. Ob etwa auch Theuphrastus Paracelsus ihr, deren Vildniß hier aufbewahrt wird, den Goldtrank ewiger Jugend gebraut? Uutcr dem Besitze der Freiherren Grotta von Grotteneck war es, daß eines December-Nachmittags (1690) der Echloßherr, auf seines Jagd- hnndcs Zeichengabe den Fensterflügel öffnend, in der überwölbten Nische von dem Schloßcinsturze gerettet blieb, den ein, auch zu Villach verderblich eintretendes, Erdbeben veranlaßt hatte. Aber seine Gemalin Eva Nosina, eine Freiin voli Aichelburg, seine Kiuder und alles Gesinde waren im Schütte umgekommen. Die vereinigten GörlilMche überschreitend, passieren wir hinter Winklern die bestverschlossene Schlucht, in welcher Sturzbach und Straße, Waldgchäng nnd ein Streifen Himmels sich um genug Raumes streiten. Hinter der Ginöd geht das Fichtenvcrhäng mälig auseinander und wir kehren zu Afritz ein, im Hintergrund die Tobischcralm als dunkelgrüne Schlußdckoration. Urmächtige Holzstämme, zur Gießbachzeit in die thalabstreifcnden Nunsen gefördert, oder mit keuchendem Ochsengespann die jähen Wegwenden auf dem Hart-eis heruntergeschüttelt, wandern von hier aus in den Treffener-Voden; die Massen der zerlegten Flösse des Ossiachersecs hinzugerechuct verlangen laut nach einer Bahnstation am Nande des Nuprechter-Mooses. Das freundliche Bergdorf hat vor sich gebreitet den „funkelnden Wasserjuwel, sturmvergcssen, stitt-athmcnd" — den kleinen Afritzersee. In der Thalrinne, welche minder mit der Draulinie als mit dem Mirnockzuge parallel geht und wol zwischen Lierzbcrg und Nauth die Scheidung bietet, ist das liebliche Wasserspiel auf einer Höhe von 445 Fuß über dem millstätter Spiegel eingebettet, indeß der Brcnnsee bei Feld schon mehr in die Abflußgebiete für den Döbriachbach (Millstüttersee) zält. Das richtige Ursprungsgezirk der Döbriach greift aber hinter dieses Kleinseebecken jenseits Tweng uud Nadenthein uoch hinein gen Kanning nnd ist da dem gegabelten Oberthale ein schroffes Halt gesetzt durch ein riesenhaftes Nuud vou allerhand Nocks: Hochalmnock, Brainernock, den selten unbenebeltcn Noscnnock, Klammnock — vielleicht noch etwelche ähnliches Klingklanges, die der Commandant der hier eingepferchten ossiacher Gestütsfiliale in seinen freien Sommerstundeu einmal wie die Früchte des Feigeukranzes abgczält haben mag. Das trichterförmige Grdgebilde um das wcltabgeschlossene Kanninger-Pfarrdorf mit seiner eigenartigen Epecialflora, durchforscht von Pfarrer Kohlmayr, könnte ganz berühmt sein, wär's nicht gar „umgänglich zugänglich"; landschaftliche ^olzflchren mit Ochsengespann. An den Ossiacher-, Afritzer- und Faacker-Tee. ,73 Egoisten, die möglichst mutterseelcnalleine eines überwallenden Quellrcichtums, des Echanspiels vom „August-Heugen", der Jagd auf Hirsche und Schneehühner, vier Spechtarten und zwei Eulensorten und etwa des Kirchtagsaufzuges mit schneeweißen Hemdärmeln sich erfreuen wollen, ferne von einer zeitungsberühmten Seebadstation, sie mögen nnr immerzn daherein. Jeden Monat ein bischen Schneefall, ein Thermometersturz von zehn Grad in drei, vier Stunden, der kleine Wechsel verdirbt nichts. Krachende Nundgewittcr, das gehört so zur Ausstattung und ist ein gnt Erntezeichen. Würden wir von der Einödklamm gegen Sonnenaufgang hinaus die Schritte gelenkt haben, so stünden wir im arriacher Schmalthale. Es bricht drüben mit der Teuchen nach Himmelberg und Feldkirchen aus. Der Klamm-Wasserfall, das wolgebahnte arriacher Holzdorf, der nettgefügte evangelische Pfarrhof, Saatgefild und Mühlenabfolge, schloß ^erlibol'H. das verstreute Vcrgfiedelwesen von Wöllan, zn äußerst der hochbegrünte Wöllanernuck, das sind vergnügliche Skizzen, die wir gern in unsere Erinnerung einschließen. Aber wie seltsame Wege sind wir gegangen! Wenn uns Lokomotiv und Dampffchiff wieder bekanntere Begriffe werden sollen, so müssen wir heraus in die Thälerkreuzung, um vorderhand noch die Strecke FöderlackMelden bis an die Westend Halle des Nörthersees und allenfalls die sogenannten Finkensteiner-Aucn bis gegen Roseck zu durchstreifen. Man sieht wol, die Naturgestaltung hat da allermaßen kleine Kapitel mit ablenkenden Evifoden angelegt nnd nicht anders sollen sie gelesen werden. Ueberwacht von dem Höhenkirchlein St. Martin, dessen aussichtreicher Fricdhof die Asche des frühverblichenen Poeten Gust. Bogensbcrger (geboren Straßburg 1^41, gestorben ittUI, 19. Juni) bewahrt, streckt sich das Macher Feld sammt den weiten Vogenlaufen der mit der Gail vereinigten Dräu zu einer bewegungsreichen Sicht fort. Die Bahn folgt den glitzernden Flußeinrissen und wendet sich erst hinter Fö'dcrlach wieder aufwärts; die Straße aber hält sich ferner. Wernberg, das umfangreiche Neuschloß, ist dem Felssockel, hart an der Drau-Umbiegung mit dem Inselange, eingefügt. Die wolgewälte Stelle hier hat ihre guten Bezüge zum alten Macher Handel und wir erinnern 44' l?4 harnten. ^-tcrnbl'rg. uns, wie sehr des Landherzogs hier gezinunerte Brücke cm Turn iin Auge der bambergischeu 3)tachthaber gewesen. In dcm hartnäckigell Streite war der aus dem Geschlechte der Andechser stammende Bischof von Vamberg, Eckbert, gefangen nwrden und erst Kaiser Friedrich II. öffnete ihm die böse Kerker-thürc im Schlosse von Finkenstein. Am lebhaftesten ist es in den erweiterten Vnrghallen wol vorgegangen, seit das unansehnlichere Schloß nächst Tamtschach, genannt Eichelberg, seine Etammsprossen, die Khevcnhiller, auch in dieses Drau^ Eastell hat einziehen lassen. Der nächst dcm Portale im Steinbild uns entgegenwinkende Georg Khevenhiller, der Landeshauptmann, thürmtc diese stolzen Wehrbautcn und spannte über Wall und Graben die knarrende Zugbrücke. Wie ganz anders nach der gewaltsamen Lösung der Kirchenfrage; ein viertcljahrhnndertlicher Frieden weiterhin und ganz Kärntcn wäre evangelisch gewesen. So aber wich dem Beispiele der zurückgeschraubten Machthaber das Volt und der Festsinnigen Rücklaß fiel dem Fiscus zugute. So verließ Paul Kheveuhiller den prächtigen Hcimatsitz und wetteiferte mit dcm Felsgrund, auf dem sein viergethürmter Palast unerschütterlich Stand hält. Tie östreichische Khevenhiller Linie konnte sich mindestens noch die Hauptburg Hochosterwitz retten. Nach mehreren Edlen war der Abt Christoph Eaponigg von Ossiach in den hiesigen Besitz gekommen und gab dem Saale den Frcskenschmuä mit den Scenerien des MönäMebens und den Ebenbildern der Aebte. Die Anflassnng der Klöster stellte endlich Schloß und Lustgarten der schönen Weltlichteit wieder zurück. Aber wie die Vielumworbenen schon sind, sie lieben den Wechsel, und so hat sich Wernberg nie allzulange an einen Namen gekettet. Ein weitvorgeschauter Bergknlm tritt nunmehr eindringlicher dem Blick entgegen. Es ist der Stcrnberg mit seinem blanken Kirchlein, zu dem es eine sanftgehobene Wanderung giebt bis zu dem reichumbuschten, pfauenumschrittenen Pfarrhof; von da leistet Dir da^ goldigblaugläuzende Hausgeflügel gern Reisegeleitschaft über die Stein- und Holz staffeln zum thronenden Gipfclbau. Wol zuletzt uur eriunert ein verblaßter Inschriftstein Dich an das wiederaufgerichtete Iunonium, da^ ein Götterfreund auf diesen Höhen in seinen Schutz genommen. Denn zuvor hast Du geschwelgt in der entzückendsten Rundschan, welche über der kühlen Seewässer mehrere und der grünenden Thalgebreite gar viele und der verduftenden Vergkuppen unzälige dargebreitet ist bis an die Grenzmarkeil von Tirol, Görz, Kram und der Steicrmark. So deutlich schaust Tu in des Ober- und des Uuterlands Vororte hinein, daß es Dich nicht verwundert zu hören, beide Städte zälen diese so gar uuausehnlich scheinende Urkalk-Aufgipfelung (726 Meter, über Veldcu V3''» Fuß) zu ihren unerläßlichsten Ausflugspuukten. Möglich wär's, daß hier an den Sonngeländcn, wie an jenen des Ossiachcr-Ece's, wie dnrch's Lavantthal, die Rebe dermaleinst triebreich gesproßt und geglüht. Vergessen wir nicht: an dieser Stelle selbst ragte die Burg der Ritter von Sternberg, eines mächtigen Dynastenhauses, reichsunmittelbar und mit dem Grafeutitel benannt. Die drei goldenen Sterne in Rot werden noch von den schlesischen Grafen Sternberg geführt. Unterhalb des stillen Pfarrortes Kranzelhofen schimmert das Seedorf Veldcn, vor unferner Zeit noch wenig beachtet, seit Iahrzehentfrist eine vielbesuchte Eeebad-Villegiatur mit zierlichen Neubauten, privaten Weg^ und Park^ An den Ossiachov^ Afl'itzer- und Faackcr-Sce. ,75. voidl>». anlagen. Von der Seebncht hat jeglicher Belverber sich genommen, was das theure Los ihm zugetheilt und nur in diesem Sinne besitzt der Ort seine öffentliche Schönheit; wenn die Rose selbst sich schmückt, schmückt sie auch den Garten. Dieses Nückert'schc Wort haben die Veldener sich in's Herz geschrieben und bleiben, wie jeder Starke, am machtigsten allein. Immerhin, wenn schon der richtige Jurist das Wasserrecht jederzeit als das schwierigste erachtet, ist hier noch unendlich mehr Freiheit, als an den Ufern des hochherrlich gestalteten, aber fast engumschnürten Veldensersee's. Die Ausflugsannexion der Südufer und des angsdorf-rosecker Waldrückens, das wiegende und wogende Schiffsleben, die regelmäßige Dampferpost nnd ihre lnftige Ländhalle mit der abgeschlossenen, oollendeten Seesicht, das sanfte Herüberstrcichen der Oberlandnuinde veranlaßt oiele Sommergäste, diesem noch mehr ländlich gehaltenen Ansitze den Vorzug vor dem distinguirten Pörtschach zu geben. Hier schrieb Ernst Rauscher seine „Olegieen vom Wörthersee" (1 tt<»<>). Das Schloß, dessen Balkon eine wahre Seewarte, war zuvor khevenhillerisch uud zälte unter die von Kaiser Ferdinand !!. eingezogenen Herrschaften; in der Ortenburger-Zeit hausten hier ihnen ergebene Gefolgmänner. Hat un5 der rote Spitzthurm Augsdorfs drüben im Walde zu einer Hainwanderung verlockt, so tonnen wir, nachdem wir etwa gen Keutschach uud auf den Kathreinberg weiter ausgegriffen haben, bei Abendeinfall »ms von der Stossierhube seequerüber zur Villa „am Stein" rudern lassen: Die Hiacht ist zmil^vhelle, o las; Dein Banden sein; Schon trägt die behende Welle nnü in den See hinein. Neber Roseck, welches an achtzig Fuß über Velden liegt, leitet den, durch des Rosenthals wunderbaren Ueberblicl erstaunteil Wanderer ein fast heimlich abgelegener Weg in der Richtung St. Martin uud Petschnitzm nach dem Waldboden beim Woroutz, wo die faacker und finkensteiner Auen sich anfthun, hingezogen unter den riesenhaften Hochgewänden des hellgrauen Mittagskogels, der kronauer Almen und endlich des wuchtigbreit gelagerten Dobratsch. Der Faacker-See glänzt noch vollends als ungeschliffener Diamant; er drängt sich gar nicht aus weiter Ferne schon zur Ansicht auf, ja, steigt man nicht vollends von den nördlichen Bergstufcn zu seinen Borden herab, — von Ost und West und Süd her hat man schier Mühe, hinter den milden Feldwellungen, durch gelbliche Roggen- und Buchweiz- und Maisäcker den unbestimmt gezeichneten Ufern beizukommcn. Mit sandigen Strandmuldcn viel minder als mit vermoostem Wiesgrnnde beginnt sein Gezirk oder es geht durch das saftgrüne Schilficht ein ganzes Irrsal von Wassersträßchen, welche der Kahn mit holden Hindernissen spielend durchgleitet; denn die üppiggefüllten Köpfchen der weißen Wasserrose uud die tellerartig hingebreiteten grünen Blätter derselben lauschen zu Hunderten an dem ,76 harnten. Partie an» Faackersec. Wasserspiegel. Hier paßt der Echiffsjäger seine Seeschwalben und Möven ab und legt sein Nohr beschaulich zur Seite, wenn nach Durchstreichung der schwanken Binsengassen das offene Wasser sich lächelnd darbietet und das Hügel- und Waldlebcn der Kaninchen-Insel sichtbar wird. Von diesem, wenn von irgend einem der kärntischen Seeen gilt des heimatlichen Dichters Sang: Deiner Seeen tiefen blanen Augenspiegel küftt so lind Ans Italiens Vlüthenanen immerdar ein Echmeichelwind. Angeblich liegt der Faacker^Eee nm 834 Fuß höher als der ossiacher; der Abflnß geht westwärts in die Gail unterhalb St. Stephan. 6in Waldweg führt von Drobulach über Mariagail nach Billach, wubei die italienisch geknppelte Kreuzkirche zu ihrctn Rechte kommt. Den Südrahmen des Thalbildes gestaltet das Rninenwerk von Finkenstein, überragt von den reichgcschründeten Kalkwänden. Die Schloßgeschichte gehört zu den dunkelsten, zumal sie schon im 10. Jahrhunderte zu beginnen scheint. Nach den Zeiten, als von zweien Brüdern der eine hier, der andere zu Osterwitz hauste, kannte Ulrich von Liechtenstein einen Nikolans, Gebieter des Felsensitzes; „von Vinken8t6in6 min !wi/ Kot, <1er kunck äöFn^r tsostir^n wol". Ihr Wappen, der scharfe Greifenfnß, gieng an die Dictrichstein über. Der höchst ansehnliche Schloßruinenkranz, schaut gebieterisch in ein farbenreiches Stück Erde. Der Dörfler im Thale aber, hochgemut wie einer der alten Eisenmänncr, singt: Bin a lnstiger Vna, bin a Finkenstcmer, So weit als ma länten hert, schineißt ini Kaller. Das Felskirchlein St. Kanzian, gegenüber dem lvettergrauen Neuschloß Finkenstein, haben nrzeitlich die Heiden gebaut, indem die einen hier, die andern drüben in Faack sich den Hammer zuwarfen; solchen Niesen-Christophen, wie sie an den Kirchwänden da und dort conterfeit erscheinen, ist derlei Knrzweil wol so gnt zuzutrauen, als dem Ricsenfräulein von Nydeck der Bauer sammt Pflug in der Schürze. Ueber St. Stephan in das fast gartenkünstlerisch herausgeschnittene und wolnmbnschte Kleinthal von Müllnern vorgeschritten, erspähen wir durch die versandeten Grlenauen ein an den „Stempel" gekettetes Ueberfahrtschiff nnd schließen mit einer Gailfahrt bis vor Warmbad Villach diesen Nundgang um den Oberlands-Vorort. Rlagenfurt. Dl'r Lindwlirnlbrunncn. Klagenfilrt und Umgebung. 31er Fehler der Teutschen ist immer gewesen, meint Grillparzer, daß sie versuchen, da zu lesen, wo man noch kaum den Buchstab kennt. Soviel Deutschheit auch ein Werk über die deutschen Alpen in Anspruch nehmen muß, dem gewissen Nationalfehler wollen wir rundweg entgeh'n. Nichts zu lesen sei uns erlaubt aus den Gletscherschliffen des Kreuzbergl-Gesteins wie aus dem grünlichen Schiefer von Köstenberg bei Velden, nichts aus den Grüntuff-Flächen des Magdalensberges. Was Andre zu Gunsten eines großartigen Gletscherschubs von West nach Ost in Kärntens Mittland herausgcfolgert, von des Hauptseebeckens Zurückzug am Ost-Ende, von dem Urgethier, wie es heute schon jeder Schultnabe nach Jules Vcrnet elassificiert und welches hier in historischer Zeit bekämpft und erlegt worden sein soll, nichts sei davon zu lesen! Auf dem helloffenen Hauptplatze der weiten und geräumigen Glanstadt stehen wir und thnn's dein Landbauer, dem Angehörigen der neusten Garnison, dem grünsten der Mnsensöhne und dem braunsten der ägyptisierenden Nastelbinder nach: wir beschauen den steinernen Lindwurm! Der Stockimeisen zu Nien, das goldene Dachet zu Innsbruck, das Glockenspiel zu Salzburg sind nicht unerläßlicher anzustaunen, als dieser chloritschieferne, engko'pfige, breitbauchige, langgeschwänzte Urdrache auf seinem sichern Postament in einem weiten festumgittertcn Wasserbnssin. An welches vorherigen Denkmals Stelle dieses Ungethüm-Vildniß sammt der herkulischen Athletenfigur im Jahre ^,<»<» mit festlichem Aufzuge hingestellt worden, weiß Niemand. Ganz jüngst hat das laibacher Stadtzeichen von Drache und Thurm auf ungleich ältere Zeiten der Gegendbewohnung hingewiefen. Stünden nns Muße und Schliemann's Goldregen zu Gebote, wir suchten die Stadtalifänge nächst dein Wcidmannsdorfer Moose. Nach dem Untergange der kcltischromanisierten Norer-Hauptstadt mag in den Gehöften zwischen See, Glanfnrt und Glan wol bis in die Karolingerzeit kein deutsches Wort geklungen haben. Seit 11W heraufwärts erscheint in den Urkunden ein Chlagenfurt nnd nm die Jahre seit 1200 haben nur bereits eine kleine Stadt mit Herzogschloß, j?8 harnten. Pfarrkirche, Werkstätten, Judeuviertel. Zu diesem toinmt eine neuausgetvorfene Wasserstraße vom Sec herunter; die bitter aus dein benachbarten Schlosse Halleck, ihr eigen Stadthaus in der Nienergasse innehabend, besorgen die Ummauerung der Stadt und es erhebt sich je eine Pforte im Ost und im West. Dazumal wären wir mit unsrem Lindwurm-Schaupunkt auf offenes Feld südlich der Stadtmauer zu stehen gekommen, und ^ wir setzen den Fall, nur schritten durch's Westthor (beim jetzigen Landhaushof) in die nm sechshundert Jahre verjüngerte Stadt, was schauen nur? Einen größten Mauerblock mit tiefem, schmalem, etwa rund-bogigtem Gefenster, das ist des Herzogs Jagdschloß knapp an der Mauer; eiuen Huf neben dem Rüdenhaus, etwas Grasgarten mit Lindenschatten, ein Pfarreigehöft mit einer Rundbogeukirche und uuansehnlichem Zwiegethürm, riugs der Friedhof, die Todten und Lebendigen gnt nachbarlich beisammen. Hinter der Mauer draußen ein Wiesenbach (jetziger Henplatz), vor derselben die Abfolge der Seitengäßchen zu einer großen westöstlichen Hauptgasse, zugleich Platz, wo das alte Marktrichterhaus, zum nenen städtischen Rathause herausgeputzt, an vieren oder dreien Seiten möglichst frei dasteht; im Ost, wo der Bach sich herabwendet, der Iudenwiukel nächst dem zwciteinzigen Thor und dann, die jetzige Burg-Umgebung hinausschlicßcnd, wieder die Gassenabfolge nördlich vom Obstplatzc mit der Hauptadcr der Kramergasse. Das wär' das Um- und -Auf, an sechzig Häuser und wcnn^s hoch kommt zwölfhnndert Bewohner. Dazumal mußte man zum habsburgischcn Landgebictc erst über die Koralpe gehen; diesseits herrschten, allerdings unter des deutschen Kaisers Oberhoheit, seit der Gautrennung von Bayern (976) und nach den Zähringer-Fürsten, nebst mehreren geistlichen Herren im Lande die Spanheimer, nach ihnen die görz-tiroler Herzoge, und als die Oestreicher zuerst mit ihrer Macht herüberlangten, blieb Klagenfurt vorspielsweise von 1307 — 1311 in ihren Händen. Seit 1335 ist das Herzogtum Kärnten habsburgisch und Klagenfurt etwa die drittwichtigste Stadt. Die Kriegszeiten der Türken anno 1473 von Lengdorf gegen die Dran ziehend, der Magyaren von 1480^- 1490, der bündischen Bauern werfen ihre Wogen in die Stadt und vier Jahre nach dem letzten ausgiebig zerstörenden Stadtbrande erhielten die kärntischen Landstände in ihrem Sitze zu St. Veit, der Hauptstadt, das Recht, ihren Ratssaal und ihr Zeughaus nach Klagenfnrt hinab zu verlegen, dort ständig (wie ausnahmsweise schon 1488) die Landesversammlungen zu halten, eine neuzeitige Befestigung gegen den türkischen Erbfeind einzurichten und die bisherige landesfürstliche Stadt als ihr Eigentum, als ständisch, anzusehen. Das geschah 1518. Die Bürgerschaft wehrte sich und schickte zwei Redner ar^s Hoflager des Kaisers Max; aber die Piken und Karthaunen unter dem Fcldhauptmann Wichsenstein vor den Mauern gaben endlich den wolverbrieften Ansprüchen der Stände allen Nachdruck. Seither ward das alte Stadtkleid zu enge. Was an Bauten des Beamten- und Geldadels sich in der Glanstadt vorfindet, stammt aus diesen Zeitläuften. Die großen Burgherren draußen in den waldreichen Thälern des Ober- und Unterlandes hielten sich hier ihre Absteighäuser, bedurften dazu der altsrüstenden Handwerker und mehr als eines Thor- und Thürwärtels. In den ersten zehn Jahren schritt man an die Tiefer-Aushebnng des Lendkanals, der noch jetzt nächst dem Schlosse Loretto in den See schneidet und in der Stadtbucht nächst der hübschen evangelischen Kirche und der schlanken Elisabethbrücke deu Hafen für Dampfboot und Holzschiffe bildet. Das Bastionenwerk, welches bis in unsre Tage herein größtentheils abgebrochen, durchschnitten oder zu Haus-einbauten verwendet worden, die Grabenaushöhluugen, die noch jetzt allenthalben ein gähnendes Thal nächst dem Berge bilden, die Schütt genannt, entstanden alle nach 1534 und brauchten wohl vierzig Jahre bis zu vollem Abschlüsse. Durch wälsche Maurer wird ohnehin im Lande seit Römerzeiten vorwiegend gebaut, Wälsche mit deutschen und windischen Handlangern regten hier wie bei den steierischen Festungswerken ihre schwieligen Hände. Die Geldschaffer für alle diese Unternehmungen, welche keine Million Gulden kosteten, waren die Stände; ihr Sitzungshaus schien daher, trotz der landesfürstlichen Burg, das Centrale, bewehrt durch ein reichdestelltes Zeughaus voll Harnaschen, Piken, Radschloßgewehren uud Karthaunen. Mit der Münzung war aber gegenüber dem Landesfürsten kein rechtes Aufkommeu. Nährend der fünfzig Jahre, als in Graz die Hofhaltuug und Regierung seßhaft war, gerechnet von der Zeit des Vastionschlusses gegen Völtermarkt (l^il). wurden in Klagenfurt die eingreifendsten Neuerungen Alagenfurt. von Richard Aüttner. ^lagenfurt und Nmgebung. l?^j eingeführt. Mit der Erweiterung der neuen Landeshauptstadt war es auf das Natürlichste zusammenhängend, daß dcutfche Gewcrbsleute evangelischen Glaubens vermöge Handelsfreibriefs herbeieilten; daß der junge Nachwuchs, der bürgerliche nicht ausgenommen, vun der Dackel der Neuzeit endlich aufgeweckt wurde und daß schließlich Klagenfurt eine der refurmiertesten Städte Oestreichs gewordeil ist. Seit 1N04 war den Patres Jesuiten das evangelische Vethaus zur Dreifaltigkeit (jetzige Dumkirche) übergeben worden, und man kann sich gut denken, was da drinnen die Hauptarbeit der löblichen Rectoren seit Nicolaus Coronius geworden. Seit diesen Tagen waren die klagenfurter Bürger und die Bewohner all der schönen Thäler um sechshundert Jahre zurückversetzt und mußten sich wie ihre ehrsamen Altvordern als pure Heiden behandeln und retten lassen. Die „Buchführer" waren gehalten, die bedenklichen Schriften abzugeben, nur zwei Fleischer durften Fasttags feil haben, alle Hartnäckigen mnßten mit Rücklassung des Besitzzehntels auswandern. Das thaten die Edlen Khevenhiller, Ernau, Egg, Freiberg, Welzer u. a.; ohne den Schirm der Stände aber waren die Klagenfurter völlig machtlos geworden. Der Jesuiten, denen man allerdings je zuweil gar zu arg zugesetzt hatte, waren schon über füufzig, und dennoch leben zur Stunde mehr, als die Gcsammt-bewohnerzal der Hauptstadt beträgt, evangelische Christen im Kärnterland. Es sind Siebenzehntausend, mehrcntheils um Feldkirchcn, Villach, Patcrniun, Gmünd, Hermagor. Die Kriegszeiten bis 1648 waren für die Glanstadt auch durch Felderdürre, Brand und Aufstandfurcht gekennzeichnet. An den Kampf der Rcichsländer erinnerte höchstens die Revolte der Schoffischen Dragoner uud Ranftischen Musketiere, welche des Generals Leslie Nachfolger Locatelli nach Italien abführen sollte, der haftweise Aufenthalt der vier chnrfürstlichen Prinzen von Bayern, fünf- bis neunjährige Knaben, welche auch zu Schloß Tanzenberg und Loretto Zeitvertreib suchten (170<> —1708). Der verheerende Brand von 1725! ließ wol wenige von den sechstausend Bewohnern der Stadt ungeschädigt, aber alle Welt — wir wissen's — wurde ja für die Franzosen aufgespart, um durch ihre Weltreich-Manie recht gründlich aufgerüttelt und aufgeschüttelt zu werden. Nie im Großen, so im Kleinen. Im Jahre 1797, nach Mantua's Eroberung war's, da besetzten die aus dem Cnnalthale herangeeilten Franzosen unter Massena die eben von den Oestreichcrn verlassene Stadt; der Commandant, im Vischofspalaste eingeheimst, würde die schweren Leistungen und sein persönliches Geschenk von vielen tausend Francs unfehlbar eingetrieben haben, hätte nicht der Obergeneral Bonaparte, den 30. März nachfolgend, das Verwaltungswesen mittelst einer Landescommission glimpflicher angefaßt. Napoleons Wohnhaus durch drei Tage war jenes des Grafen Ferdinand Egger. Bernadotte und Ioubert folgteil. Die ständischen Kanonen nahm der Feind zur freundlichen Erinnerung an den leobener Frieden mit. Im Jahr 1805 sprengten die Reiter Massena's schon wieder durch die Stadtthore herein, und nun galt Iagu's Wort: „Thu Geld in Deinen Beutel". Die Matadore der elfwöchentlichen Besetzungszcit waren Marschall Ney und General Grouchi. Doch das sollte nur schwaches Vorspiel sein. Seit Mai l^M) war ein vollständiges Kriegsbild aufgerollt. Hatte die Fcstungserklärung schon die Bewohner erschreckt, zumal sie zur Zeit der Waffenruhe erfolgte, so brachte der vollendete Friedensschluß uoch Aergercs. Wahre Rauhnächte und die friedlosesten Neihnachtstage waren jene, welche das Jahr 1810 einleiteten; Tag nm Tag entsetzliches Explosionsgckrach, Sprengnng kolossaler Bautenreihen auf siebenzig Klaftern Länge, nnr um nie mehr an den wuchtigen Wallgefügen ein Hinderniß für den Frankenadler zu finden. So fallen auch drei mit Relief- nnd Inschriftwerk gezierte Stadtthore, das vierte gegen Ost kauft Cardinal Salm vom Untergange um :;0,000 Gulden in Banco los; dennoch hat es die jüngste Zeit demoliert. Zur Stadwcrwüstung der große Finanzkrach von 1811, die Abreißung des Oberlandes mit der Zutheilung an Illyrien und Italien. Kriegsaufregung, Seuchen, schließlich die hiesige Hofhaltung des Herzogs von Berry (1820) — darüber eilen wir billig hinaus. Seit den Freiheitskriegen ist der nach Kaiser Josephs 1!. Tagen in den Freimaurerkreisen erstickte Anfschwung des Geistes nur allgemach wieder hervorgetreten alls der Laudeshauptstadt. In Kunst und Wissenschaft wurden gerade in der trostlosesten Aera höchst gedeihliche Anregungen geboten und nicht bloß mit dem äußereu Kleide der Neubauten seit der Eisenbahn Periode, auch mit den geistigen Gründungen hat die Glanstadt dein Genius der Gegenwart gehuldiget. »80 ^ärnt^n. Su bleibt denn das Stadtioahrzeichen des Lindwllrtnes, von dem wir ausgegangen, dieses Gebilde nicht unähnlich dem Wappenthiere der preußischen Cranach, der bayerischen Cßwurm, der rheinischen Drachenfels, oder der schwäbischen Geys, immerhin ein Symbol des Ueberwundcnen, nnd wünschen mochten loir's von Herzen, das ungefüge, gar zu rohe Gebilde stünde fern vom freundlichen, seltsam großen Hauptplatze in einer wäldlichen Anlage. Der umgitterten Frauensäule im Ost entspricht das Maria-Thercsia-Standbild im Westen. An Stelle des alten Denkmals von Donners Schüler B. Moll (1765) aufgerichtet, gilt es nicht mehr sowul der ungarischen Königin als der deutschen Kaiserin. Das Standbild, ein Werk Pönmngers in Wien, stellte Baron Echwarz-Sennborn, den Sockel von R. Bayer der Gemeinderat. Eine schöne Medaille und eine Gedeukschrift Direktor Schmueds feierten die Enthüllung (1872). Die Westlinie des Platzes beherrscht das Palais Rosenberg-Orsini. Abstieghaus der Kaiser Leopold I., Karl VI. und Anderer. Das niedere Vogengebäude mit den Dorersäulen daneben, ehmals Hauptwache, war 164« voll des neuen Nationalgardelebens, nachmals ein Banklokal. Neber die nördliche Häuserreihe herein blickt die kühne Aufkuppelung des weithinschaucnden Stadtpfarrthurmcs. Seine Höhe mit 91'578 Metern angenommen (Stephansthurm 1A6'7, Cheops' Pyramide 137, Straßburg 142-1, Hamburg St. Nikolai 144'2, Nom St. Peter 1435), wird er von der Platzlänge, läge er hingestreckt da, noch übertroffen lmi ^8 Meter. Auf der Platzfläche, die Denkmäler weggedacht, hätte, vermöge der Länge von I W Metern, der Breite von eirca 68, die Stadteimvohnerschaft fünfmal Raum, die Klcidschleppen abgerechnet. Uebrigens stammen diese Sätze nicht von Archimedes. Kurz nur soll unsere Wanderung dnrch die zweiunddreißig Gassen, acht Gäßchen nnd die übrigen fünf Plätze sein. Denn in der Wal zwischen „Städten mit blanken Knppeln" und „grünein Wälderreich", um A. Grün's Worte zu gebrauchen, sind wir von der letzteren Partei glatterdings bestochen und die Städte kommen zu kurz. Der Cardinalsplatz, dem Bahnhofe am nächsten, hat vor dem Hotel Gnrope die Zier des dreinndsechzig Fuß hohen rötlichen Obeliskes, im Jahr 1807 durch Cardinal Salm zur Erinnerung an den prcsburger Frieden aufgestellt. Der übrigen Plätze Denkmäler sind nur kirchlicher Natur und arbeiten mit jenem versteinerten Wolken- und Wasser- und Feucrwesen, gegen welches die Plastik Rlagcnflirt. Maria Chcresia-Standbild. sich je widerspenstig erwiesen. Keine Büste, keine Denktafel feiert irgend eine weltliche Größe; man muß nur eben auf den Friedhof gehen, um hochwerten Männern zu begegnen. Das alte herzogliche Jagdschloß am Westende der Altstadt hatte gewissermaßen zur Nachfolgerschaft die Burg, auf dem Südost-Rayon außerhalb der alten Stadtmauer erbaut. Kaiser Marens Augenmerk war hier, wie so vielfach, auf eine Waffentammer gerichtet; indeß blieb die Ausführung des Baues, seit den 3ieubefestigungszeiten und nach Abtragung der hölzernen Zeug- und Harnaschhütte der kaiserlichen Söldner ganz in den Händen der Landschaft. Zu den jeweiligen SHours wohnt hier die kaiserliche Familie; im Uebrigen bleibt dem Landeshaupt' manne das Benützungsrecht. Das Landhaus oder Ständehaus, hofseits an den Alten-Platz angeschlossen, die Süd-facade aus dem Akazien-Gelaube der Sternalleen erhebend, bietet ein schönes Architekturbild höchstens in betreff der Hofarkaden und der Treppenaufgänge. Die deutsche Renaissance von 15<)l zurück ist hier ziemlich nüchtern blieben; am ersten wäre ivol der allzutirchliche Thürmeaufputz zu vermeiden gewesen. Cine heraldische Rarität erster Sorte bleibt aber der, anderen Städten meist schon entzogene Wappensaal mit den Schildzeichen aller einheimischen oder auf das Land bezüglichen Cdelgeschlechter. Der Plafond und die Seitenwandung mit den Fresken Fromillers < Karls VI. Huldigung, lauter Porträts, die zolfelder und karnburger Feste), die Crzbüste Kaisers Franz 1. von Kißling (1817), der Marmorboden, die Kamin-Zierden sind sehr gut gehalten, die Plumthal'schen Fresken des ^lagcnfurt und Nmgebung. «8, sechzehnten Jahrhunderts aber verschwunden. Außer den Landesämtcrn beherbergt dieser Ban noch die Landesmuseen. Im Erdgeschoßc waren vormals das Zeughaus und die Münzstätte etabliert, iln ersteren gab es noch im Jahre 1780 scchsundsiebzig Gnßkanonen, neunzehn eiserne, hundertundachtundvierzig Doppelhaken, zweihlindcrtundfünfzig Karabiner, vierhundertunddreißig Harnische, sechshundert Schwerter, viertausend Gewehre. Aus der letzteren giengen die klagen-furter Dukaten für die Schießfeste und die Burgfriedfeier hervor. Das Nathans, cine der weitesten Stellen des langgezogenen alten Planes beherrschend, ladet dnrch sein Portal mit den etwas korinthisch gehaltenen Halbsäulen zum Eintritt; das weitlwgig überspannte Erdgeschoß mit den toskanischen Säulen, die zierlichen Hofarkadcn, endlich in den Gemächern mancherlei eingelegtes Holzwerk lohnen den Besuch dieses inmitten des Marktlebcns, der Stadt' auflaufe, der Vrandschrecken, der Heerdurchzügc wichtigen Amtshauses. Das wasserspeiende Löwenpaar, das Pranger -stehen waren Bildchen aus hallwergangener Zeit. Aus dem nächsten nach Osten liegenden Eckhause schaut ein Steinkopf. Er wird auf denselben Väckerjungen bezogen, welcher, des Gelddiebstahls angeklagt, voreilig gehenkt, dann nnschuldig befunden und dadurch Aulas; ward, daß die reuige Natsbürgerschaft hinfüro den Namen der Glanstadt für ewiglich umtauschte in den Namen Klagenfurt. Das Westendhans des Altplatzes, ehemals mit den Zeichen „der goldenen Gans", gilt als das Herzogschloß; auffallend ist an demselben der Nundthurm des Hintergebäudes und das Vorkommen römischer Steine (Minotaurns-Relief). Seit Max I. war die Mode „auf innsbruckerisch" beliebt, man ließ die Zinnen wol geschnitten Vorschauen und hielt den Dachstnhl mehr niedrig und flach. Das sollte der Brandgefahr wehren. Ansehnlicher gestalten sich die Stadthäuser des Großadels: der Dietrichstein, Egkh, Grnau, Halleck, Kcmctcr, Khevenhiller, Paradeiser, Räuber, Rosenberg, Seenuß, Thurn, Ungnad, llrsenbeck oder der Prälaten (Gurk, Tel-nach, Victring), welche wie in anderen östreichischen Städte,: hier die nach ihnen benannten Höfe inne hatten. Die jüngeren Bauten dieser Art sind die Palais der vornehmen Berg- nnd Fabrikherren: Ehristallnigg, Dickmann, Egger, Herbert, Rauscher, Rosthorn. Eine der freundlichsten unter den Großbanten liegt draußen am Ostschlusse der Stadt. Das crzherzog-liche Residenzschloß, für die Kaiscrtuchtcr Marianne il Ili Hetzendorf erbant nnd eingerichtet in den Jahren 1780 bis 178:;, lockt den Besucher mit italischer Freundlichkeit und eröffnet ihm seine weitläufigen schlichten Gartenanlagen. Hier wohnte die kunstsinnige nnd kunstgeübte Tochter der großen Maria Theresia nnd entwarf die Plane der Landesdurchforschung und ihres armutfreundlichcn Wirkens. Hier waltete 1789 bis 1822 in gleichem Geiste mit leider allzufrüh erschöpften Mitteln der Eardinal Franz X. Altgraf von Salm-Krautheiln-Reifferscheid, Bischof von Gurk; hier wohnte 1809 der Vicclönig Beanharnais. Unter den Kirchen der Stadt Klagenfnrt gebührt der Stadtpfarrtirche weitaus der Altersvorrang. Nach dem Jahre 800 gegründet, anf mäßigem Plane in romanischen Formen gebant, wurde sie fortdauernd als eine Zngehörde zu Mariasaal am Iolfelde betrachtet bis 1603, und drückte so den Zusammenhang der neuen Hcrzogtnms-Hauptstadt mit dem Vororte Noricums aus. Vor gothischen An- nnd Einbauten bewahrt, um 1620 verschönert, mit zwei Thürmen ausgerüstet, wurde das im Erdbeben von 1571 halbwegs, in jenem von 1anal übersetzt, die Stationen Krnmpendorf, Maria-Wörth, Velden. Der Wörthersee, der größte der kärntischen Seen, gleichsam ein Wasscrersatz für die ins schmälere, aber tiefer eingerissene Nosenthal abgedrängte Dran, bildet ill dreimaliger Windung zwei Becken und füllt ein zwischen mäßig hohen Waldbergen eingeschlossenes, füuf Stunden langes, an 165^ Meter breites Thal aus, eine Wellenfläche von dreitausend Joch. Das dunkelblaue Gewässer schlägt im Nord an sanfte Dünenborden nnd hat gleichwol seit zwei Jahrtausenden mehr als eine Straßenbreite in sich verschlungen; der Südrand gestaltet sich ab und zu geschroffter und den Holzschiffern ist namentlich die „schwarze Wand" eine gefürchtete Stelle. In den dunklen Tiefen liegt eine versunkene Stadt und in zaubrischen Stunden hallt dumpfer Glockenton aus den Wogen. Den See, welcher reiche Abgaben von Karpfen, Hechteil, Welsen, Neinangen liefert, im Herbste zu befahren, wenn die Morgennebel vor dein Sonncnstral zurückweichen und wandgleich fich aufthürmen, während das untere Wassergebiet schon geklärt ist, gewährt ein reizendes Vergnügen. Bevölkerter noch ist der zugefrorne See; zwischen Dreikönigslag und Iosephi tummelt sich hier das Heer von Schlittschnhfahrern. ,84 harnten. U^cg luich dein Areuzberg. Mit der Devise: „Neber die Fläche — welcher Genuß! Gleitet im Fluge schwebend der Fnsi. Alles ist Eile, nlles ist Flncht" — stürmt der Einzelne, stürmen ganze Gruppen stundenweit auf dem glänzenden Silberparket dahin; Quadrilles, Punschadcn und Fackelwanderungen malen das prachtvolle Nordlands-Winterbild. Wenn aber der Lenz mit milderen Lüften herannaht, sei's in der ersten oder zweiten Hälfte Aprils, da giebt oft Ein Tag die Entscheidung. Wie in den Gletscherthälcrn der Eisschub uud der Moränenschutt besonders die ruhigere Nacht durchtönt, so hat auch der nach Entfesselung ringende See gegen die anfgeeistcn Ufer fort und fort neue Krystallblöcke aufthürmend herangeschoben; ein Krachen, wie wenn ein Niesenstab über den felsenhart gefrorncn Deckenplan schlüge, geht weithin von Berg zu Berg und die fernabreichenden Risse und Klunsen bedeuten des Frühlings Brescheschießen. Noch aber befährt der Landmann mit beladenen Wagen von einer Ufcrseite zur andern die oft dicht umnebelte seltsame Fahrstraße und die Sonne beschcint wie Vahnschicnen die in unendliche Eicht gezogenen Radspuren; noch ist auf der Schattenseite die Eislage mächtig und scheint den Dörflern das Spiel des Eisschießens vielleicht über die Osterwochen hinaus zu garantieren. Da bricht ein Lenzsturm aus Westen mit siegender Kraft herein, klafterhohe Eisberge schwimmen heran durch die erst schmalen, dann breiter gelichteten Waken, sie sinken ab nnd stürzen ein, die Welle erstreckt ferner und ferner hin ihr lustig bewegtes Reich und so ist nicht selten vom Morgen bis Abend das Becken, mindestens bis an die Schattenseiten, frei geworden. Manche Holzbauten hat der harte See allerdings während des Winters erdrückt nnd zertrümmert; aber der Befreiungskampf mit Festgedonner führt ihm wieder alle Herzen zu, nm so mehr, da er von Mai bis gen Oktober mit fünfzehn bis fünfundzwanzig, durchschnittlich achtzehn bis zwanzig Grad Wärme ein großes, herrliches Bad bleibt und durch die würzigen Düfte seiner Fichtenwald- und Haidekorn-Umgrcnzungcn stärkt. Im August zieht an seinen Ufern die übliche Vicncnwanderung vorüber, wann der oberkärntische Landmann seine „Peinvögel", die um diese Zeit etwas „harb" zn sein belieben, auf Sommcrlust ins Unterland verführt, über Tag lustig einkehrend, bei Nacht mit der süßen Gesellschaft bei dampfender „Pipe" reisend. Leider fühlt sich aber der ein und andre Schwärm zu einem Ansflugc nach überseeischen Feldern verlockt, er kommt glücklich hinüber, doch allzuschwer belastet ermattet er auf dem Nückfluge nnd der grausamen Wellen Beute wird Honig und Imme. I^lagenfurt unl> Umgebung. ^85 Loretto schimmert als östlichste der Seeschlösscr, gleichsam das Hafeneastcll der Ländschleußen. Die Gärten lehnen sich mit kühnen Vorsprüngcn an den Strand und das Schluß erfreut seit mehr als zweihundertundzwanzig Jahren die Familie des Erbauers, Johann Andrea, Grafen von Rosenberg. Der Edelsitz hat vor seinem Vrand-unglücke von 1708, aus welchem die bayrischen Prinzen glücklich gerettet wurden, manch ein kleines Hoffest gesehen. So jenes für Kaiser Leopold im Jahre 1660. Von dieser Dampftrstation aus pflegen der „Mciernigg" und Maria-North am Eüdufer des Sees mit Vorliebe aufgesucht zu werden. Hier ist die Holländerei der klagenfurter Musensöhne in der Blüte: kühne Wogenfahrtcn, huldwerbcnde Lieder, ungebetener Regensturm, Nuderbruch, ein- Loretto. fallende Nacht und mancherlei Verlöbnis;, das sind die Schauerromane ans hoher See. Die Thürine und Giebel der Hauptstadt aber scheinen, ein kleines Venedig, unmittelbar aus den: Seerande flimmernd aufzutauchen. Hochmalerisch wie selten ein Kirchdörflein ist Maria-Wörth gelagert auf dem bewaldeten Felsblock, unendlich träumerisch das Gespiegel der schönen Linien, die von Wald und Wiese, dem spitzragenden Kirchthurm, den weißen Dorfhänsern ausgehen und über die Wellen anmutvoll verzittern. Mn schmaler Aufwurf, der „Werder", greift da in die Gewässer nordwärts hinein, wie die pörtschacher Landzunge gen Mittag zn. Früh in der Karolingerzeit steht auf diesem Fclsenhügel schon eine Kirche <<^7.V) und eine geistliche Brüderschaft erscheint da schon um das Jahr 976 vom Vistume Frcisingen eingerichtet. Die spanheimischen Herzoge müssen ringsum wol viel Besitz, vielleicht die Landreste der alten Ritter von Werthseethnrm, vergabt haben; woraus denn auch der Einfluß der victringer Aebte, die zumeist die hiesige Propstinfel seit dem ältesten genannten Gotbert (114:i) trugen, und der theilweise Besitzübergang an das Stift St. Paul zu erklären sein möchten. Die Kirche, ein massiger Ball, romanisch angelegt, im 15. Jahrhundert gothisch zugestaltet, euthält eine wichtige Krypta, ingleichen eine alte Thurmglocke. Den See nordöstlich ^86 harnten. übersetzend, besuchen wir Krumpendorf, gegenwärtig nächst Pörtschach und Vclden a»n meisten bekannt als Leebadort, seit dein Abschlüsse der napoleonischcn Kriege aber als eine Art Hochschule der kärntischen Industrie berühmt. Unfern befindet sich die von Nainer'sche Minimnfabrik und Cchottfabrik und ragt der Echrottthurm aus dem Grün des Fichtengehänges, eine graue, schlanke, aussichtreiche Warte; weiterhin das belebte Pfaldorf der Biititürschwimmschule, der siegreiche Wassercirkus mit den luftiggezimmerten Trambolins, in dessen Annalen der Name manch' einer mutigen Dame glänzt, deren Lilienarme die Wellen bis zur Meta von Maria-Wörth zertheilten; endlich Cchloß Freicnthurm, über schattigen Buchengängen, auf geräumiger Terrasse, epheuumschmiegt, wie „Liebenden ward nimmer solch' eine schöne Freistatt noch erbaut". Maria-wörtI?. Nach Hornstein und Drasing magst Du vertrauensvoll wandern, nicht nnbelohnt steigst Du wieder die Waldwege hernieder und eilest, Pörtschach zu gewinnen, den seit zehn Jahren so vielbesuchten Seebadeort. Echaubach's „einfache Badeanstalt" ist zauberplöhlich zu einem höchst reizenden Villenkranz geworden, auf welchen das Lokomotiv und das Dampfschiff losbrausen; die niedlichen Verggcstaltcn, die grünsammetnen Wiesenufer und die in malerischen Bogen vorgestreckten Landzungen huldigeil mit schönen Zicrbanten der Villeggiatnr und selbst der verwöhnte Schweizcr-fahrer muß billig schwanken, welcher der verschiedenen Villen nächst dem Waldgebüsch, auf vorlügendem Hügel, an den Stranddüneu oder drüben auf dem wasscrumfunkeltcn Park-Nondeau er den Vorzug geben soll? Den Kernpunkt bildet das unbedeutende Schloß, den Benediktinern, vormals den klagenfurter Jesuiten gehörig, die es von den Millstättcm übernahmen. Die große Ncstaurationshalle hat die Probe gegenüber Tansenden von Gästen rühmlich bestanden und wer da auf Holländisch oder Italienisch, auf Wienerisch oder Gutkärntisch wohnen und walten will, er mag wälen und ganz unbeeinflußt entscheiden zwischen „Aktiengesellschaft" und „Werzer". Ueber den Parteien erhaben ragt in majestätischer Ruhe, zu aller Konkurrenten Befriedigung, der Kalkalpen-Hintergrund mit seinen herrlich gezackten ^lagcnfurt und Umgebung. l8? Freienthilrin mn i^örther 5ce. Wänden und Kuppen, die Höhe von 2000 Victor erschwingend, dazu — ein wäldlich-idyllisches Vorspiel — der dunkelgrüne Mittelbergwall als jenseitiger Nahmen des Flutenjuwels. Nach einer kurzen Wanderung zu den Trümmern der sagenhaften Veste Leonstein (Lewenstein), einer Waldpromenade zur Felsgloriette, schiffe sich der Leser mit uns ein und durchfahre, im Angesicht des letzten Seeroman-Kapitels von Velden, die bilderreiche Wasserfläche. Das Keutschacher Thal ist unser Ziel. Als das eigentliche Minaret für dies Mittellandgebiet gilt der, dem möllthaler Danielsberg ähnlich geformte Kathreinberg bei Schiefling, von dessen Kirchthnrme die Sicht auf Villach und Klagenfurt, Gailthal bis Jaunthal, Steiergrenze bis Kraingrenze über viel See- und Flußwcrk hinwegreicht. Namentlich ist der Einblick ins Nosenthal von außerordentlicher Pracht, lauter Spenden, die uach einem einfachen, kaum ermüdenden Aufstieg geboten werdeu. Der Keutschnchersee liegt zwischen den zwei Wasserständen Dran und Wörthersee inmitten, fast vierthalb-hundert Fuß über den Spiegel des letzteren gehoben. Nund eingeschlossen von sauften Bergformen mit sachte ablaufenden Ufern, scheint er für die löbliche Pfalbauerschaft wie gemacht. Drum hat auch die Baggerschaufel hier zu voller Befriedigung gearbeitet und jene Stein- und Thongeräte dem feuchten Mlischclbereiche entzogen, welche anf eine weiland Bewohnerschaft vor sechstausend Jahren von hier ab schließen lassen. Abwärts von diesem eigenthümlichen Enclave von Kleinseen und beiläufig dem Ostschluße des Wörthersees gleichgestellt, mit dem Ausblicke über die ebenen Gefilde der Glanfurt steht das ehemalige Cisterzienserstift Victring. Umfangen von den erniedrigten Gesenken des Sattnitzzuges, die da einen langgestreckten Uebergnng von der Hauptebene ins tiefergeplantc Rosenthal gewähren, ist diese große Mönchsstiftung aus der Protection der salzburger Kirchenfürsten, welche sie dein Edelhause der rheinischen Spanheimer hatten angcdeihen lassen, und aus dem tlcrusfreundlichen Sinne der Spanheimer als Herzogen von Ortenbnrg zu erklären. Der alte Graf Bernhard, mit seinen Verwandten zerfallen, die klösterliche Gemalin Kuniguude, ihres Gemals Parteinahme für den verjagten salzburgcr Erzbischof Thiemo segnend, sahen gerne den Bruderssohn nnd Erben Heinrich von Epanheim als Gründer einziehen in das Siegesllostcr, so genannt von dem Siege für Thiemo nnd einem Siege des jungen Heinrich selbst. Denn an des französischen Königs Ludwig VI. Hofe war Graf Heinrich um seiner Liebe zu Prinzeß Constanze willen zn einem Löwenkampfe, einem Gottesgerichte, verurteilt worden; als Sieger über das syrische Ungethüm aus dem Kampfe hervorgegangen, verläßt er gleichwol die, mit Vorwissen von König und Königin ihm schwärmerisch zugethane Braut und seine Nebenbuhler am Königshofe sehen ihn endlich als Cisterzicnserabt von Villars bei Vieh, als Bischof von Troyes. Die Pariser mögen die Angelegenheit des Löwenkampfes nnd der königlichen Braut richtigstellen, genug, die Eröffnung der heiligen Hallen zu S. Maria de Victoria erfolgte im Jahr 1142. Im I.i. Jahrhunderte rückten größere Güter an der Vellnch und im Loiblthale zum Stiftsbesitze, das keutschacher Thal, das Nosenthal zälte allgemach herzu und die Gdelherrcn dieser Galle, bei Lebzeiten schenkbegierig, liebten es, hier ihre Grabstätte zu wälen. Uebcrhaupt gestaltete sich dies stttt harnten. Stift zu einer mitteltärntischen ventrale für Geschichte von Besitz lind Kulturfortschritt, »oas besonders die nahe Glanstadt und den neueren Landesvorort betrifft. Dein pulitischen Einflüsse nach ein wahrer Landeshauptmann war der victringer Abt Johannes, jeuer ^oIiannW vic'torwnyi«, dessen sshronieon, angezogen von Pez nnd herausgegeben lwn Vöhmer, aus der Abtei Wessobrmm in die umnchener Hofbibliothek gekommen ist. Als Rat und Gesandter des Herzogs Heinrich von Tirol, auch zeitweiligen Königs von Böhmen, kannte er die Zeiten der antihabsbnrgischen Bestrebungen unter Przemisl Otakar und hielt sich, trotz der näheren Venachbarung der Habsburger, an das legale Neichshaupt, den Bayer, als nach des Herzogs Tode die Tochter Margarethe, genannt die Maultasch. mit ihren Ansprüchen aufstand. Mit Graben und Mauerwall umfangen, hat das Siegeskloster von Ungarn nnd Türken nicht wesentlichen Schaden empfangen; ob es in den Ncformationszeiten gerade reicher besetzt, ob es etwa einen milderen Geist geoffenbart, f>örtschach. weil trotz seiner Nähe bei der Hauptstadt die Jünger Loyola's anherbcrufen wurden, das ist nicht klar gestellt. Abt Georg zälte jedenfalls zu den Unternehmenderen; er wagte mit seinen Bauern eine Procession durch die evangelische Hauptstadt und ein „Goldschmiedbub" war verwegen genug, den Prälaten durch einen Steinwurf zu gefährden. Die Erzälung stammt von Probst Nosolenz aus Stanz. Uebrigens haben die aufständischen Bauern, haben die stets bedrängten staatlichen Kricgskassen und schließlich der Neligionsfonds gelegentlich der Klösteraufhebung aus des Stiftes weitverzweigten Einnahlusquellen geschöpft. Nachdem noch um I7U0 der Klosterbau hauptsächlich in seiner Eüdfronte gegen den Garten ausgeweitet worden, erfolgte uach dem letzten Abte Constantin Nabitsch das öffentliche Ausgebot des ganzen Ansitzes, und das Haus Moro, als das Meistbietende, brachte uun l7.^ ein völlig neues Leben in die alte Cisterzienser-Stätte. Das ward aber nicht wieder aus den Zellen von Villars geholt, sondern ans den Industrie-Stätten von Aboeuf, Sedan, Verviers und Louviers. Die mittelalterliche Legende von der Heerde wird hier zum Wohle von vielen hundert Familien und zum Ruhme des Landes im Sinne der Neuzeit fortgesponuen; die Veredelung der Schafzucht, das Sortieren, Krempeln, Spinnen, Färben, Pressen und Appretieren der Wolle, die Herstellung des unvergleichlichen Loden nnd des geschmeidigsten nnd haltbarsten Feintuchs in Gobelinart >ili« benannten Zwergbanm entdeckte. Ihm ist hier 1875 eine Denktafel gesetzt. Michrasstcm aus dem Folfeide. I^lagenfurt unb Umgebung. ,Y5 Die doppelthürmige Kirche auf dctn iu's Thal verlaufenden Maria-Saalerberge gehört zu den zwei altchr-würdigen Stellen, dem Herzogstuhle, dem Fürstenstcine, wie ein Unentbehrliches. Der herzogliche Lehen-Doppelstuhl unten nächst der Reichsstraße in der Ebene, die glänzende Metallschrift im Eisengitterwerk tragend, ist seit mehr als tausend Jahren zusammengefügt aus römischen Bau- und Schriftsteinen, welche die Worte weisen Na,8U6ti Vßi'i, noch einmal Vsri, und Zeichen wie V. N. "l. v. V. X. Jene sind auf einen Römer N«.«ii6w8 VkrnZ zu beziehen, diese wenigstens nicht ohne Zusammenhang mit vuiniti^nu^ 1 erhöhtes Interesse genianli. Die hohe Warte schaute der Türken Raubzügc wie das Wüten der Wasser- nnd Pestgewalten und sie war auch das feste Vollwerk, aus welchem die Behauptung der Brücke durch die Hillersche Armee unter General Eommarwa gegen die Franzosen 1813 möglich wurde. Endlich aber gestaltete sich die Kanonade vom Echloßberghange wirkungsvoll; unter den die Brücke Ueber-schrcitenden glänzte zuvörderst Obcrlieuteuant Ietzern, der Feind war aus dem Thal geschlagen. Den senkrechten Das Rosenthal. . IHH Abstürzen der Südseite gegenüber führt vom waldigen Nordgebiet her die ansteigende gedeckte Brücke, eilist Zugbrücke, zum Eingangsthor; das ragt in dem Schmucke der Wappen Dietrichstcm und Gonzaga-Guastalla-Sabbionctta und weist auf die Verschöuerungslust von 1660. Lockt Dich im oberen Bogengänge die Reihe der Iagdtrophäcn, das Säulstein-GewaPpen, die Hauskapelle oder die herrliche Ausschau vom südwestlichen Eckzimmer? Zufernst hast Du Schneehöhen und lebenlos zerklüftetes Weißgcfels, zunächst unter Dir die Weingart-Terrassen, die wol schon vor 1673 mit der edlen Nebe bestellt waren. Um 1768 soll die Sorge für das zarte Gewächs nachgelassen haben und dennoch gelang es im Jahre 1884, auf Grund von hundcrtundsechzehn hier erzogenen Nebsortcn ein eklatantes Winzerfest unter einer feurigen Theilnahme von dreihundert Festpilgcrn zu feiern und schließlich im Feuerwerts-Glutschein neben dem watschen Bajazzo, mittelalterlichen Masken, urheiduischen Bacchen und Silenen auch den Gouverneur von Illyrien und den Erzbischof von Wien erscheinen zu lassen. Ehe wir über Kirschentheucr flußabwärts nach dem Waffen- und Thalhauptorte Ferlach eilen, sei uns nach einem Trunk des löblichen unterbergener Vieres ein Einblick in das Paßstraßen-Thal des Loibl erlaubt. Eine Haupt-Verbindung mit Kram, wichtig wie die Eingänge bei Pontcbba, beim Predict, unterm Manhart und — »vie wir sehen werden — bei Eisenkappel! Und die Straßcnführuug war ihrerzeit eine That gleich der Sennnering- und Brennerbahn! Der Anstieg reicht zwar nur an die 2946 Fuß über die Dräu, jedoch gestatten die jähen Abfälle zwischen Singerberg und Harlouz keinerseits einen weitvorbereitenden Zugang und ragen die grauenhaft steilen Kolosse der wcißkantigen Selenitza gleich hinter den geschluchteten Waldrücken herauf. Innerhalb dieses Nahmens entwickeln sich die Bilder des Loiblbach-Wasserfalles, der 90 Fuß über dem Abgrund gespannten Teufelsbrücke, der Magdalenenkirche, der Herberge zum „deutschen Peter" und des einsamen Hochkirchortes St. Leonhard, bis endlich oben im Vergdurch-schnitt durch das hellgraue Kulmgefels das Pyramidenpaar erscheint, von welchem ab Dein Auge durch die blauen Wellenlinien der Krainermark fernabsieht. Bis ins 16. Jahrhundert nur ein Saumpfad, nach dem Lubellinus in alten Chroniken genannt, von den Türken versucht, nachmals mit einem Galerie-Durchgang von hundcrtundfünfzig Schritten Länge schließend, wurde dieser Hochjochweg endlich 1728 auf das Kunstmäßigste durchgeführt unter der Leitung des St. Pauler-Benediktincrs Max Pülpach. Die Pyramiden stammen noch von den alten Durchschlags-pfeilcrn; in neuerer Zeit hat man den Gedanken eines Durchbruches von St. Leonhard bis jenseits nach St. Anna wieder aufgenommen. Fast alle Auswege rechts und links, ills Bodcnthal, in die Zell sind voll von französischen Kriegserinnerungen der Jahre 1797 bis 1818. Im Nufe des besten Gemsrevicrs stehen die Harlouz-Schlucht und Kottla und während die Steinraben, entweder in beweglichen Schwärmen durch die hohen Eteinsäle kreisend, oder in langen Reihen an den Felsrändern sich sonnend, als Negenzeichen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, führt das kleinste Gebilde der zarten Kokeil-Puva hier ihr fast unbemerktes Leben im Dunkel der Steinklüfte. Wie weit vom regsamen Flußthal reichen die Querthäler von Waidisch und Zell an die sattellosen Niesen-mauern der länderabgrenzenden Koschutta zurück! Von den Mittelhöhen des linken Drauufers unterhalb Hollenburg flimmert Maria-Rain, die zweithürmige Kirche, von den Victringern begründet; sie enthält neben Bildern des 17. Jahrhunderts auch eine altrömische Ara mit Weinlaub-Arabesken; weiter draußen gegen den Thalabfall stehen die verschönten Spuren der alten Einsiedelei, vor der aufgethan alle Pracht des Rosenthals von der Obir bis zum Mittags-kogl aufblüht. Unten aber, hart an der wüstenartigen Versandung, welche der Loiblbach ins grüne flache Land gar unhold hereingerissen und herangeschwemmt, sind die Neihcn der freundlichen weißen Häuser von Ferlach hingestellt. Das ist ein Pfarrdorf ganz eigentümlicher Bedeutung, ein deutscher Vorort knapp an den Wenden-Distrikten, wolhabend, von fast steten: sonntäglichen Aussehen. Seit der vermuteten Einwanderung von Neumarktlcrn jenseits des abgestürzten Loibls zwischen 1268—1850, deutlicher seit dreihundert Jahren hat sich diese Ansiedelung, man kann wol sagen, an der Schwestcrhand oer neuen Hauptstadt zu dem erschwungen, was sie ist. Niederländische Meister und Gesellen thaten hier mit Schutzbriefen von Kaiser Ferdinand l. ihre Werkstätten auf und scheinen für das landschaftliche und 200 harnten. Maria-Rain. kaiserliche Zeughalls in Klagenfnrt, zu Laibach, zu Graz vielleicht in die Wette mit den Nürnbergern gearbeitet zu haben. Mit den Pacificationen von INI 4 minderte sich der hiesige Wolstand und erst die nach neuem Hinterlader-Systeme fortgesetzte Friedensarbcit hat den alten Segen zum kleinen Theile wieder herbeigelockt. Vor dreißig Jahren bethätigten sich noch 289 Meister, zunftmäßig geeinigt, als Schäfter, Vcfchlägmacher, Rohrausnrbeiter; während um 1800-1804 die Lieferung an 200,000 Stück Waffen betragen hatte, brachte sie 1839 nur 1tt00. Inner Landes gilt zumeist die Ferlacher-Vüchse, von welcher die wiener Weltausstellung ein prächtiges Sortiment aufwies. — Wir gelangen auf der Waldseite von Maria-Rain stundenweit thalab zur Felshöhe Ekarbin, wo der Dranstrom mit großem Buge dem Nosenthale sich entwindet und von der Steilwand die Sicht hinausgeht über das tiefe Draugeflut hinweg nach Möchling uud Stain und auf die Gebreite des neuerschlossenen Thales, genannt das Iaunthal. Auf diesem schroffen Kalkgethürme sott einst, im 10. Jahrhunderte, die Burg Prosniea des jaunthaler Edlen Alboin gestanden haben, nachmals vielleicht halb abgestürzt, halb für Bauernhöfe verbraucht. Der fromme Erzherzog, später Kaiser Ferdinand, frischte durch die Aushebung von Gebeinen zu Stein bci-Klopain, welche an sechshundert Jahre alt sein mußten, das Andenken einer urkundlich nicht bekannten vielgeprüften Frau, allerdings in ganz kirchlicher Weise auf. Weder die Ritter de Petra, de Stainc kennen wir vor 1155, noch Skarbiner- oder Sagerer-Edle oder gar dergleichen Grafen, indeß — die Sage ist rührend. Die treue Frau Hildegard, vom licbentbrannten Bruder des Schloßherren angeklagt, wird durch den hcimgckehrten Gatten mitsammt der Zofe znm Burgfenster hinausgeschleudert; aber die Unschuldigen, von Engeln geleitet, sind im Blumengedüft der Tiefe lächelnd erhalten und die böse Magd, die oben der Herrin Sünden ersonnen und mit frevlem Eid erhärtet, sie starrt als Felsgebild sammt Kuh und Milcheimer und Sitzstuhl, genannt die steinerne Melk. Hildegard, in Himmelsglorie nach Stain hinweggetragen, bleibt der wolthätige Genins des Thales; der rauhe Graf. des Augenlichtes beraubt und aus weiten Wallfahrten zurückgekehrt, wird durch der milden Frauen Hand wieder sehend und Stifter von Möchlings Kirche. Die Legende ähnelt jener von Hildegunde, die an den Baum gebunden, von Engeln befreit wird. Hinter der Skarbinwand, gegen Abend zu, in einer Einsenkung des Satnitz-Platcaus, liegt gegenüber von Nadsberg das unansehnliche Walddorf Mieger. Sein Bach leitet zwischen Gurmtz und Schloß Grafenstein in die Gurk. Das Unter-Mieger bei Tellcrberg hat in seinem Tischlerhansc eine der denkwürdigsten Stätten für die Pietät des Landes. Hier ist Markus Pernhart daheim, der erste Gebirgs-Panoramenmaler und Hauptlandschafter Kärntens. Das Roscnthal. 20 ^ Geboren am 6. Juli 1824, um 1880 noch Hirtenbub an den Abhängen der aussichtreichen Petzen, darnach Schulknabe zu Tcinach, durch den Historiker H. Herrmann gleichsam entdeckt, an den Erzbischof Luschin und den Mäeen Ed. Moro empfohlen, kam er in die Lehre zu Maler Vokclem, welcher um 1841 sein Atelier im Elternhause des Schreibers dieser Zeilen „zum Tiger" in Klagenfnrt hatte. Hier arbeitete er in Figuren und beschenkte die Knaben des Hauses mit „betenden Kapuzinern". Sein Meister, der prunkende Kaiserbilder malte, verschwand mit Hinterlassung des ganzen Schulgerätes, uud der junge Markus wandte sich mehr den See- und Wald- und Hochfelsbildern seiner Heimat zu. Rasch sich aufschwingend, war er im Lande mit seinen Kunstwerken sofort allwillkommen. Für seinen Ruhm, für den Preis seiner Arbeiten hat Pernhart nie etwas gethan. Von seinen etwa zwölfhundert Oelbildern befinden sich drei im Lundcsmuscum, sechzig bei Baron Dictmann. Innerhalb zweier Decennien geschaffen, Markus f)ernhart. sind sie zum großen Theil kärntnerischen Inhaltes und derart eine specifische Erscheinung. Pernharts „Rundschau-bilder", von denen das „Großglockner-Panorama" das berühmteste geworden, haben dem trotz einem Albionsohne kaltverwegencn Hochtouristen einundneunzig Bergbesteigungen mit insgesammt 700,000 Fuß Höhenstieg gekostet. Als er im Jahre 1871 starb, war allerdings sein Ansehen seit dem „Kaiscrin-Albnm" und dem Kolossalbilde des Gletscherkönigs längst begründet; kein schöner Aussichtspunkt des Landes, keine Ritterburg war von seinen: Stifte ungcfeiert geblieben, aber das Reich, das Ausland hat von ihn: viel zu wenig erfahren. Vas Glanthal. 2es Landes neue nnd alte Hauptstadt, nnr wenige Stunden von einander entfernt, liegen im Gebiete der ruhig fließenden Glan, welche der kräftigeren und ungezähmterm Gurk unterhalb Gurnitz in einem großen Bogen zugeht. Diese beiden Flüsse wallen mit gleicher Laune fast gleiche Wege; ihr oberer Gang ist von West gen Oft, doch so, daß immer die Gurk den weiteren Bogen zieht und auch ihr Quell weiter draußen in den Berg-Engen sprudelt. Aus den Gehängen des Köstenbergs bei Pernegg, zwischen dein mittleren Ossiacher-See uud dem Westschluß des Wörthers, tropft ihr Vorn, fast ohne Fall schleicht sie unter dem schattenreichen Taubenbüchl fort gen 5^> 202 ^m-ntcn. Gradisch und Glanhofen, forellenreich, um eidlich von Feldkirchcn abwärts der größtel: Betriebsainkeit sich zu befleißen. Jetzt schaut sie an ihren lächelnden Ufern allseits auch jene Echlösserpracht, von welcher der Dichter singt: Da steigt kein Vergeshaupt, kein Hügel auf, Dell weithin schimmernd eine Vnrg nicht krönte, So einsam schleicht kein Flüsichen seinen Lauf, Wo nicht des Hammers wuchtger Schlag ertönte. Die minder mühselige Arbeit in Acker und Berg begleitet ihre Ufer; das Volk, minder stämmig nnd den Städter-modcn zugängigcr gemacht, schätzt nächst dem Loden auch das bessere Grün- und Vlautuch. Das rundgnpfige Filz-hütlcin mit den hangenden „Pöscheln" nnd den aufgesteckten „Nagerl" und Nosenkrant läßt der Maid gar gut. Außer dem „Sterz" aus Haidcnmehl, dem Hirsebrei und dem leidigllaren Most weih der Bnrsch seinen Hammelbraten mit dem Stcirerwcin zu finden. Dorf und Flecken, wie niedlich und reinlich, kein überflüssiges Wcgkreuzwerk und Glockengebimmcl, dafür große Wirtschaftsbanten, saftiger Wiesplan, regsame Arbeit allerorten und da;u immer cm heiteres Lied: Auf der an Seitn (Aon Steht a Mlchl und a Sag: I mecht die wnel liabn, Nau i ume uit uiag. Wann Mond und Snun uutergehn Und die Stern auferstehu. Und die (Ami rückwärts rinnt wacher liab i di gschiuind. Doch fahren wir nach der Stadt. Es ist St. Veit, das wir meinen. Hinter einer Ringmauer von Hopfenranlcn steht es des Sommers und wer von St. Donat und dem lustigen Goggerwenig herüberkommt, der findet die vielen Häuser vor dem hochaufgefelderten Berghintcrgrund kaum rasch zusammen. Die Bahnstation ist eben auch nicht geeignet, viel Aufsehens zu erwecken. Nur wenn wir der reichen Burgwacht ringsum gewahr werden, erraten wir: wir stehen vor des Kärntnerlandes alter Hauptstadt. Ernst, feierlich, düster das Innere, manchmal ein gar ödes, verlassenes Gässclwcrk, selten am Stadtrande der lichte Einbruch einer neuen Zeit; nur das neue geistliche Stift mit dem freundlichen Spihthurm am Westende gibt ganz helle Zeilen. Die Stadt ist gegenwärtig hauptsächlich von ihrer Falmks-Umgebung aus zu verstehen; Roheisen, Cement, Ziegel, Bleiröhren, Schrott, Drahtgezüg, Leder, Bleiweiß, Mennig kommt da zu Markte, den Pferde-Handel nicht zu vergessen, der am Schuhengeltag schier eine Völker- und Thierwandernng nach „Zankveit" erregt. Das alte Rathaus sendet Dir aus der Metallgnßzier den Spruch zu: „Gins mans red, eine halbe red, man soll sy verhören bed. 1408." Die weißmarmorne Brnnnenschale, dreißig Fuß weit, ist aus dem klassischen Zolfclde herbeigekommen. Die Pfarrkirche, dem Slavenpntron Vitus gewidmet, in Grundlage und Eingang romanisch, zeitens der mittleren Gothik umgestaltet, zeigt zwei moderne Seitenschiffe und manches Altarschnitzwerk. Das ist die Kirche, in welcher dem der Krone von Frankreich nachgehenden Heinrich 111. auf seiner watschen Reise im Jahre 1574 cm Todtenkopf vor die Füße rollte, als er einem Seelamte beiwohnte. Man erinnerte sich des Zufalls, als der König 1589 am 31. Juli durch den jungen Dominikaner Jacques Element erdolcht wurde. Die Stadtaufänge weisen auf die Ungarn-Einfälle von 901 zurück. Hier waltete als Hausfrau des Böhmenkönigs Otakar Tochter Iutha, im gedrückten Saale mit den romanischen Sänlen und nächst dem wuchtigen Marstallc entspannen sich jene Feste und Kämpfe, bei welchen die Namen eines Walther von der Vogclweide, des einheimischen Zachäus von Himmelberg und Ulrich von Lichtenstein erscheinen; Heinrich von dein Türlin, der Sänger vun der Aventiure Krone und der ihm versippte Sänger Uolrich dc Turlin von dem rittermäßigen Bürgerhaus der Stadt, Leupold von Schärfenberg, zinnrat von Suneck schmücken die Turniere der Umgebnng. Nach Meinharts Tode auf Greifenbnrg stieß dessen dritter Sohn Heinrich, in Kärnten Herzog, bei der Bewerbung um die Krone Böhmens mit des Kaisers Albrecht Ideen zusammen und der Gegner ließ ihm durch seine steierer Söldner im Bunde mit Hcunburg Das Glanthal. 205 platz in 5t. Veit. und Salzburg die drei wichtigsten Städte wegnehmen, darunter St. Veit. Allerdings gab sich schon Friedrich der Schöne i,n Jahre 1308 hierselbst als Landesherr; aber erst nach dcs vielgetänschten Heinrich Tode rückte die Habsburger-Herrschaft bleibend ein (1335). Bevor das ganze Landtags- und Adelsleben glanabwärts wanderte in den neuen freundlichen ausgeweiteten Vorort, begrüßte St. Veit innerhalb seiner Mauern die Landesfürsten Albrecht den Lahmen, Rudolf IV., Leopold, Albrecht, Nilhelm, Ernst den Eisernen und Friedrich IV. Endlich sah St. Veit, bisher entweder den Intriguen der Landesmächtigen preisgegeben oder nach allen Ungarn- und Türkeneinfällen mit Anlehen und Leistungen ohne Wiederzaluug belästiget, sowol das Etändewesen als die landcsfürstliche Hofhaltung von sich genommen und verlor an Bedeutung als Resideuz wie als Veste. Dazu hatte die Haltuug der Stadt im Vauern-anfstande von 151 <> ein bischen mitgespielt. Nach der Pestzeit um 17! 5 und den Franzosenkriegen schritt die Baulust über Wall und Maner hinweg und manch ein Gärtlein sproßte im alten Stadtgraben auf. Die alte Münzstätte ist versiegt und nur Sankt Vitus in dem Kessel das Stadtwahrzeichen geblieben. Bei Erwähnung der sanktveitcr Spargelzucht ist mit Ehren der Schütz, RadschlosMwehrsammler und Spargelzüchter Karl Prinzhofer zu nenneil, dessen Prachtexemplare, bis ein halb Pfund schwer, zur Congreßzeit Tafel-Unica, bis nach Nnßland giengm. Der vorzüglichste Porträtmaler Kärntcns, übrigens mehr in Wien und Graz wirkend, ist dessen Sohn August Prinzhofer, geboren 1817, welcher, als Dreijähriger ein Selbstbildniß zeichnend, als Schulknabe den Blick in die große Welt richtend, 1836 nach Italien gieng und alsdann neben Kriehuber herrschte, des jungen östreichischen Kaisers wie des Papstes Pius IX. erste Porträts schuf, die Bilder der Nevolutionsheldcn und der Kriegsmänner festhielt und durch seine Aquarelle in dem Kaiserin-Album exccllierte. Gin halbes Tausend von Bildnissen wird ihm zugeschrieben; davon ist Kossuth allein in fünfzigtausend Exemplaren vervielfältigt worden. Noch blendet der rüstige Sechziger, von welchem auch ein Porträt Nob. Hamerlings, E. Rauschers herrührt, durch das lebensvolle, duftige und verklärende Eolorit 20H harnten. seiner zalreichen Oelporträts. Ein geburncr St. Veiter endlich ist auch der Pränwnstratenser-Abt von Griffen, Gottfr. Mayerhofer und Thaddäus v. Rcyer, bekannt durch seine Studeutcnstiftung. Mit einem Ausbuge gegen die im Osten vorüberflutende Gnrk besuchen wir ^ es ist vollends eine Landcs-Ghrclipflicht ulw unumgänglich wie eine Glocknerfahrt — die kärntnerische Haupt- und Prachtburg Hochusterwitz. Wie Karlstein in Böhmen, Riegcrsburg in Steiermark berühmt ob ihrer festen Lage, stolz aufgethürmt, starrt sie weithin in die Lande, am wundersamsten, wenn nach rauschenden Wetterschlägen das verstreute Hochgebäu mit dem Kronenbund und der ausgewaschene Steilfelsblock im grellen Abendscheine prangen. Diese ringsum freie Kalkstufe nächst der Bahnstation Launsdorf, aus fruchtreichem, flachhügeligem Gefilde an die acht bis neunhundert Fuß aufsteigend, vielleicht vun den Römern bebaut, benachbart dein Nordabhange des Magdalcnsberges, mag in der ersten Zeit der salzburgischen Karl prinZhofer. Gelüetsgründungen im neunten Jahrhunderte mit einem Ansitze bedacht worden sein. Am deutlichsten scheint die Sage zu sprechen von der Zeit, als nach dein Tode des letzten Görzcrs und Kärntnerhcrzogs Heinrich dessen Tochter Margareta das Herzogtum, welches der Kaiser jchon den Habsburgern Albrecht dein Lahmen und Otto dem Freudigen zugesprochen, für sich iu Anspruch nahm, mit Gewalt der Waffen. In Romanen und Balladen und Theaterstücken oft genug vorgeführt ist, wie Vor Osterwitz dem festen Schloß dic böse Maultnsch wg, Wie sie's zum Falle bringen möcht, das sinnt sie Nacht und Tag. Die Einschließung des flüchtlingvollen Fclsennestes, die Aushungerung, die täuschende Hinabwälzung der letzten Stierhaut mit dein letzten Scheffel Roggen unter lustigen Hornfanfarcn, der Groll und der Abzug der argen Dränger, die Aufschüttung des Hügeldcnkmals durch jeglichen Kriegers Helmgabc: das ist ciue Fabel, seit Jahrhunderten gern erzält, jedem Landestindc seit Fibclzeiten geläufig uud durch die Gelehrten mit Mühe hinwegbewiesen. Man sieht daher wol ein, daß der in den Nüsthallen oben gezeigte Rundhnt der Männin einige Verwandtschaft mit dem Rock vun Trier habe. Nach dem Ausgange der alten Osterwitzer, deren letzter im Jahre 1480 zu Stambul als Gefangener endete und nach Abgabe des Mundschenkamtes an die Dietrichstcine, zog das Schloß als nicht vergebenes Lehen der Kaiser an sich und Friedrich IV. that hundertnudsiebcnzig schwere Geschütze hinein. Die Vaumkircherzeit sah die Veste durch den Kolnitzcr bewacht, hauptsächlich gegen die cingedrungenen Ungarn, aber auch für die eigene Faust, so lang sie nicht zerhauen war. Der „letzte Ritter" hielt die Hochfelsburg seineu stralendsten Gemmen gleich Hochosterwitz. von Richard Aüttner. Das Glanthal. 205 und ordnete und stellte hier in dichter Auswal seine Hakenbüchsen und Falkaunen und Feldschlangen, seine Piken und Partisanen, Panzerstecher und Veidcrhänder ein, wie das noch die kaiserlichen Zeughausbücher besagen. Aber Erzherzug Karl entäußerte sich des schönen Besitzes uud gab das Eastell an Geurg Khevcnhiller, den Landeshauptmann und Obersthofmeister. Jetzt erhielt die Veste ihr schönstes Fcierkleid in den Zierden deutscher Epätrenaissanee. Durch vierzehn Thore, die theils mit Zugbrückeu, Schießspalten, Pechnascn, Flankierthürmchen, Mordgalerie, Gußlöchern, Zinnen, Reliefs und Vibelspruchsteinen nächst del: Thürbogen versehen, erklimmst Du die Wendclstraße; es wird Dir ganz ritterzeitmäßig zu Mute. In der Kapelle liesest Du Georgs Mahnung an die Urenkel, die theure Burg nie zu verkaufen, vertheilen, vermieten. Nun erscheint der Schloßhof, rings umbaut wie in breitester Ebene, drüben die Kapelle, die dreihundert Fuß tiefe Cistcrne, hier die Hauptfronte der acht Gemächer mit Familienbildern, mit der Treppe in das tiefe dunkle Felsgemach, die Eckthürme mit dem Aufzug, das Zimmer für die Nonnen aus St. Georgen; im rückwärtigen Ouerbau die Rüstkammer mit den Mcmorabilien, den Landsknechtrüstnngcn uud dem Niesenharnisch; das ist ein kleinster Rest gegenüber dem unter Joseph II. aufgelösten Bestände nno der im Jahre 1809 durch die Franzosen auf zwanzig Nagen fortgeführten Schätze. Wie wolltest Du mit dem altcrthümlichen Krimskrams, mit der Wunderaussicht, mit dem Sprachrohre, mit dem heimlichen Gericht der eisernen Jungfrau, mit dem Iungfcrnsprunge und der Geschichte vom rettenden Büchelbauer, dem in der Kapellenbank ungestört fortbetenden Ritter, dem namenreichen Fremdenbuche so schnell fertig werden? Wie oft haben die klagenfurter Musensöhne die Ritterburg kunst-und zeitgerecht erstürmt, und wann sind die jungen Helden deß je fertig geworden? Wahrhaftig, es ist nur Ein Osterwitz und gerne sind wir sein Prophet. Nördlich jenseits des kahlen Bergzuges an leichtem Waldrande glänzt in behaglicher Ruhe St. Georgen am Längsee. Die Klosterbauten, für die Benediktiner zugerichtet vor fast nennhundert Jahren durch den Lurner Grafen Otwin, durch die Ungarn allsgebrannt, die Türkell geschreckt, sind ein gar traulicher weltlicher Ansitz geworden. Da zur Zeit Wallensteins dies das einzige Frauenstift im Lande war, so bezieht man hierher die Worte der Gräfin wegen ihres und Thellas Zurückgehens nach Kärnten. Wollte man dem Dichter in Allem aufs Wort horchen, so könnte des treueu Dieners Gut, von welchem er fürchtet, „sie nehmen's ihm", etwa anch um den Längsee gelegen haben. Dieser Wasserplan von unbedeutender Ausdehnung, etwa dem halben Faackersee gleichkommend, überdeckt altes Pfalwerk. Die Kraiger Schlösser wollen wir nunmehr aufsuchen, Frauenstein, Freiberg, Hungerbrunn und Taggenbrunn, und im oberen Glanthale alle die Herzoghof-Zierden der vorhabsburgischen Zeit. Da werden wir, angesichts der aufgeschichteten umlaubten Felsgeschiebe, ill einem Dnrchgangspasse aufgehalten von keck hingestellten Warten und Bollwerken und Hochwä'nden zweier durch ein verfallenes Wasser-Gerinn verbundenen Eastclle, geheißen Alt- und Ncukraig. Das ist die Truchseß-Vurg; die ältere felscngehaucne verkommt im Geschlüft und Gestrüpp, die untere, neuere droht noch mit dem kernhaften Vierstock-Bergfried und auf dem Allstieg ragt noch ein zweiter. Die alten Haudegen von Kriwig oder Ehreich, als welche sie seit etwa 1099 auftreten, gelangten recht zur Geltung erst nach den Auffen-steinern, die aus ihrem Tiroler Gebiet bei Matrei herbeigekommen waren. So sicher als ein Kunrad mit der Maul-tasch nichts zu schaffen gehabt, war' ein späterer mit Kaiser Karl IV. in Mailand, waltete gegen die Eidgenossen in Zürich, herrschte als Landcshauptmauu ill Kärnten und Kram; ja nach Suchcnwirts Lobeswurten gelegentlich des Litthauer Zuges saß Kunrad der Kraigcr beim Ehrelltisch der zwölf Tapfersten an der Seite des Deutschordensmeisters Winrich von Kniprode als Erster. Die Burg aber wechselte nach der Reihe ihre Besitzer, zerfiel rascher seit zweihundert Jahren, indeß der Herrschaftsitz der Goiis zu Huugerbrunn aufgeschlagen ward. Seinen verwcttertcn Thurm und verbröckeltes Hallengemäuer zeigt da Freiburg oder Freiberg, eiust spanheimisches Jagdschloß, der Sitz des strafenden Herzogsohnes Otto von Tirol, als mit dem Karlsberger, dem Pulster-Eomthur, dem Türliner von St. Veit anch Enno voll Freiburg auf dem Etadtplatze geviertheilt wurde. Hinter dem Bollwerk der von St. Veit nach Obcrmühlbach ziehenden Schlucht taucht auf der weitgeplantcn Hochebene das noch gut zusammenhängende und wechselvoll gezeichnete Mauerwerk von Frauenstein herauf mit seinen Wällen, Rund- 52' 206 harnten. 5t. Georgen am Längsee. thürmen, Erkern, Söllern, selbst Schieferdächern. In das Niederwaldgebiet zwischen dein markierten Ulrichsberg und den vorlagreichen Gradenccker-Höhen weiter fort einbrechend, gelabt durch das saftvolle Mattengrün des Thalbodens, begrüßen wir Pulst, über dem Graben mit der Schwefelquelle und altrömischen Tcrraeotten stehend, eine Dcutsch-ordenscommcude, vormals eine Ritterburg seit den: elften Jahrhunderte her, reich begütert um den Karantanerbcrg und dann durch des Eigentümers Todfall im gelobten Land an die Kreuzritter gediehen. Weiter unten starrt Hohenstein, doch noch stolz genug erhaben über die lächelnden Thalsitzc Rosenbüchel, Lcbmach, Kraindorf, Dorf Feistritz, durch deren rossebeweidcte Moosw.iesen die Gisenstränge der modernen Zeit laufen. An Stelle eines älteren Schlosses auf mäßigem, abgetrenntem Hügel glänzt das Nittermal durch sinnig angebrachte lateinische und deutsche Sprüche, wie man deren sonst mit Diogenes' Laterne im Lande suchen müßte. Uti-iqus ?a.1Ik6i hier, Iltr^ns I^e^s) dort widmen die biederen und ehrenvesten Mhcrren (shulbem von Nosenbüchel nnd Hohcnstein ihre Einfälle und Wünsche. Der Walspruch vollends: „Wer Kunst und Waffen liebt Ist willkmub hier zu Haus. Das sinnenarme (Wnd Bleibt mir viol lieber drauo" deutet, wie Domherr Hermann freudig anerkennt, auf ein offenes freies, deutsches Gemüt und wer ihn liest, findet sich ganz in der Stimmung, dem alten Burgherrn ein Lebehoch auszubringen. Von der Apostelzal der Burgen und Schlösser, welche innerhalb drei Stunden Umkreises wie ein Kranz die alte Herzogstadt umfangen, haben wir Liebenfels doch nimmer auszuschließen. C'in klotziger und trotziger schwärzlich blickender Kraftbau, hat er sich eingekrallt in das Gewand, das hinter den pulster Ööfen schroff abfällt; der Zwinger- Das Glanthal. 207 ring, wie weitgedehnt, der gothische Thorbogen, ein späteröffneter Gingang, der untere Bergfried, an ncnnzehn Meter hoch, noch überragt von einem zweiten, allerdings schlankeren Leibes, aber den Kopf noch höher tragend, und innerhalb dieses dachlosen, oft durchhageltcn Gefüges aus grauen Hausteinen dennoch Farbwandrestc wie zu Nußberg. Aufgerichtet von den Licbenbergcrn, „den: frumben, edln, guctn Gcschlacht, vertriben under Got auss dein lannd von eins todslag wegnn" und von den Schenken an den bürgerlichen Gleismüllcr zu St. Veit versetzt, ward die Veste als ein ächtes und rechtes Naubneft mit hunnischer Umzahnung von den Ungarn unter dem zähen Schwuski (1484 bis 1490) festgehalten und ausgenützt zum Leid und Schreck des ganzen Glanthals. Auf Licbenfels spielt anch die zauberhafte Sage: Der Echloßherr, noch lange seiner Gattin Heimgang betrauernd und im Herzen ganz seinen zweien Knäblcin ergeben, wacht in schwerer Mittnacht; da erschallt des Thürmers Hurnrnf, er schaut nach den Söhnen; sie schlummern friedvoll; ein zweiter Hornruf, er bescheidct die Söhne herüber, sie vernahmen nichts und kehren ins Pfühl zurück; ein dritter Schall, er zieht die Knäblcin mit Gewalt in seine Kemenate und kaum, daß er vom Geistcrruf ihnen erzält, bricht ihrer Schlafstube Decke rasselnd und prasselnd ein, und durchschlägt Diele und Boden. Aber die Lieben sind gerettet, die Liebe rief sie. Am rechten Glanufcr reckt aus schwarzgrünem Fichtenwald das ehreugenanntc Karlsbcrg seinen hohen, theils ausgezackten und abgebrochenen Faulthurm hoch in die Lüfte empor, herabschauend über ausgeholzte Waldhügel in die Heuschwaden des wolgcpflegtcn Wiesbodens, benachbart den von der andern Wasserseite herabwinkenden gelblichen Hof' reihen von Pulst nnd den stattlichen Schoppen von Fcistritz. Gen Ost reicht die Sicht auf den hochgegiebelten Magdalensberg; wo aber, nächst dem Markzeichen des Nlrichsberges, der Vorderwald gegen den Hardecker-Thurm sich absenkt, da blicken in feinen Linien die Karawanken nnd julischen Alpen dämmernd ins schmale Thal herein. „Karlsberg" mag nach den karolingischen Hofgütern um Karn- und Moosburg klingen; einem höchst alten und stets vorangestellten Edclgeschlechte hat es sicher angehört, das Marschallamt, die Aufgebotssammlung, die Gcleitsverlcihung, ja das Hochverrats-Gericht stand bei dieser Bnrg. Selbst der Heunburger Sturz ward dem auf Karlsberg gebietenden Kunrad Auffcnstcincr zu erleben und zu beschleunigen vergönnt. Der krainische Ritter von Schärffenbcrg übergab dem Sieger sterbend den zauberischen Ring der Treue, ihm von der Waldfrau im Goldbergc gespendet; auch mit dem Todtenritter wußte ihn die Volkssage im Bunde. Der Thurm, der jetzt halbgeborsteu sich noch hoch aufstellt, ist ein Theil seiner zalreichcn Neubauten; dort leuchten nächtlicher Weile Schätze auf und zauberhafte Treppen locken den Hirten in luftige Höhen, in klingende Tiefen, um mit der Schreckerscheinung des schwarzen Höllkaters zu schließen. Unter dem Zeichen des Auff sammelten sich die Habsburgischen Parteigänger 1335, und nicht wenig trug deren kluge Einsicht zur günstigen Einführung der neuen Landesherren bei. Wie anders das Geschick dieses Kraftmales nach fünfzig Jahren! Da ist die Revolte der in ihrem Ehrgeize gekränkten Auffenstcincr — sie aspirierten in die Wette mit den Kraigern das oberste Landcsamt - durch die Einnahme Bleiburgs niedergeschlagen; von den ganz besitzlos Gefangenen ist der eine im Zwinger zu Strechau gestorben, der andre tritt nach achtundzwanzig Kerkerjahrcn in die Freiheit, gedämpft, weltabgewandt, zu nichts Muthigem mehr tauglich, um als stiller Domherr zu Regeusburg zu enden. Später gehörte das mit Hakebussen und Karthaunen wol ausgerüstete Waldcastcll in den Neigen der Khevenhiller'schcn Besitze mit Osterwitz (15^l;), seit den Windischgrätzern endlich und den Goi';s ist die neuere Zeit über dasselbe hereingebrochen. Nächst Zweikirchen, wo man uralte Bronzegeräte aufgrub, und der Vcrgwacht Hardcck, einer gleich Stein im Lavantthal thurmlos gebauten Burg, in den theils wasserständigcn Auen erhallten nicht immer wie jetzo die znversichtlichen Lieder. Denn vor vielen hundert Jahren hansetcn hier die wilden Schlangen und zu ihrer Verwünschung und Verbannung hatte sich ein wälscher Jüngling Namens Fridelo angeboten; er wolle es dann leisten, wenn nur gewiß die weiße mit dein „Kranl" nicht darunter sei. Deß versichert, begann er bei aufgerichtetem Neisigfeuer seine Nufe und Pfiffe und Beschwörungen, so daß von allen Seiten das Gezücht herbeikrabbelte und sich heranschnellte durch die Lüfte. Aber endlich ersah er auch die weiße Echlangenkönigin von Weitem daherwandcln; 208 harnten. em Wehruf, sic umschlingt ihn und stürzt sich sammt ihm ins Flammengrab. Nächst der Fridelos-Eiche aber hält man noch im Kirchlein den Schlangen-Iahrtag. Der ihn stiftete, wohnte oben auf dem breiten flußbewachenden Hügel von Glaneck. Ein Neinprecht Glanecker fiel im heimlichen Zweikampfe beim Felsenschlosse Griffen. Den Todter von rücklings hat der Sterbende verschwiege!:; der Thurm auf der Karlsbcrger-Höh> sagt uns nur, die Wittwe Alizza machte Hochzeit mit dem Auffensteiner Kunrad. Jetzt, nach dem Besitzwechsel der Eruau, Seenuß, Aschnu, später der Klinzcr, arbeitet unter dem Neuschlosse mit dem steingefügten Neckthurm der pocheude Eisenhammer und nächst den vielumpflanzten Wirtschaftsgebäuden mit dem einladenden Frontispize saust die Loeomotive hinans zur Station Feldkirchen. Indem wir Zu Glancck noch eines hier geborenen, um Kärnten hochverdienten Mannes gedenken, Ioh. Prettners, des Chemikers, Physikers, Meteorologen, durch seine Höhenmcssungen. seine Vorträge, durch die erste Holzessig-Anwendung bei der Vleiweiß-Darstellung im Großen weithin bekannt — verfolgen wir die obersten Gänge der Glan und des ihrem Banne ergebenen, forellenbcrühmten Tiebelbachcs. Das Thal thut sich wieder in sanftgestufter Nunde auf und lockt durch weithinansteigcnde Gefilde und Gehöfte bis an das Gezcile der Waldkuppen den freien schweifenden Blick. Unter dein Kirchensecptcr Bambcrgs hat all dies üppige Feld vor tansend Jahren nicht schlechte Tage gesehen; das alte Feldchirichun, erst 1759 von der bambergcr Herrschaft all den Staat übergegangen, hat so alle Marktflecken des Landes überflügelt an Mcnschenzal, Vetricbskraft, Neubau und stattlichen: Ansehen, daß man's schier mit dem Ehrenworte Städtchen ansprechen möchte. Bis Weitensfeld und Metnitz hinauf, nach Tamsweg, Gmünd und Millstatt ist ja im weiten Umkreise kein Markt, der sich mit ihn» messen könnte. Ob es nun zur Zeit, waun die Flachsgelände dein Lenzhimmelblau zur Wette blühen, oder zu Bartlmee nnd am Kreuztag auf dem Marktplatze mit dem Senscngerasscl, oder im Winter, den Monden des Mummenschanzes und der lautschallenden, auch maskierten Schlittfahrten in nnd um Feldkirchcn am lustigsten zugehe, für diese Preisfrage wollen wir keinen Preis aussetzen. Könnte sie doch noch der Minnesänger von Liechtenstein lösen, dessen Venusfahrt von Villach weg hier durch nach St. Veit und Friesach gegangen ist (1227). Wahrhaft freundlich und als ein rechtes Augenhuld gelegen ist das Lodron'sche Neuschloß Himmelberg inmitten des würzigen und kcrnhaften Vaumwuchscs der zusammenstrebenden Bergrippen. Aber das vermorschte Heimwesen des früher genannten Troubadours, dessen Gesänge noch des glücklichen Finders harrend irgendwo in den Lüften klingen, das ist nur ein grobes Steingcröll um gar klägliches Gewand auf bachumflossener Mittelhöh. Wie es dermalen ist, hätte das öde Geschlucht kaum dem bußfertigste,: Einsiedet behagen können. Der Spanhcimerhof, das wissen wir aber, liebte hier seine Knrzweil und wenn er gleich seine Mondscheingärten und Schwanenschiffe sich nicht aufs Dach zaubern konnte, so ließ er doch hie und da gegenüber dem ersten Großmeister Walther von der Vogelweide eine lustige Parodie aufkommen von dem Wandersmann „der da spazieren liegt". So 'n irdischer Kauz, vom 8im L68KNS6 nlt, «rk^nt,, wie der Liechtensteiner zngesteht, muß eben von kimmÄdki-c äsr innotys riek ksr 2^ek6u8 gewesen sein. Daß er „unhöfisch" gewesen, mag den deutschen Mann wol nicht von Trost gebracht haben. Bei einem Haar wäre das himmelbcrgcr Luginwald um 1279 salzburgisch worden. Das Vasallenhaus des Namens stellte wackere Kämpfer gegen die Türken von 144U—15A7 uud der Letzte erlag dem osmanischcn Eisen bei Essek. Daß die Khevcnhiller zugrissen, wo es ein Schönes und Theures galt, versteht sich von selbst; aber seit 1688 nennen sich die Grafen Lodron hier die Herren. Auf die Pürfch zu geh'n, sind wir hier an der richtigen Stelle. Ob wir nun in die Gnesau übertreten, und den Pux oder den mattcnrcichen, 2137 Meter hohen Wöllanernok erklimmen oder die äußere uud innere Teuchen mit dem Grilzgraben bis zur Görlitzen und herwärts gen Arriach abstreifen, in einigen Wegstunden Höhe wird es uns an Reh und Edelhirsch und schillerndem Federwild nicht fehlen. Frisch hinan mit frohem Waidmannsrnf! Nebst dem Auerhahn sind das Birkhuhn, die Hasel-, Schnee- uud Steinhühner in den kärntnerischen Bergen gar wol zu Hause, auch haben sie im Unterlande wegen des günstigeren Gütergeheges ein freundliches Fortkommen. In den Zweigthälern des Eisenhut, auf der Kaninger^ uud Grundalm, in der Neichenau treibt namentlich der öchildhahnbalz. von Franz von s»ausmaer. Das Glanthal. 2(H Birkhahn, volksbetannt als Schildhahn oder Spickhahn, im halblichten Forst zwischen Buschwert und Haidblöße durch die Virkellbeständc sein lustiges Spiel. Von den Heidcl- nnd Wachholderbeeren naschend und den jüngsten Kieferzäpfchen zusetzend, wird der blauäugige Geselle mit den hochroten Nandflecken, dem dunkclblauglänzenden Gefieder und dem weißlich eingefaßten Leierschwanze um April, Mai, wann die Balzzeit anhebt, merklich laut und aufgeweckt. Sowie dcr Osten graut und die Hahnen mit hangenden Flügeln, aufgefächertem Steiß und gesträubten Federn, springend und gurgelnd, das Turnei beginnen, auf Vamnwipfeln oder auf den Haidböden, wenn die Nebenbuhler entfliehen und die braunroten, graugewellten, auch schwarz getüpfelten Hennen neugierig hcrbeistreichen, da muß der Jäger vorlängst zur That bereit gewesen sein. Vor Nacht ist er bereits thalauf gesticgeu, hat den Einschwingort erspäht, das „Verhör", und er harrt, auf des Wetters Laune angewiesen, ob bei Windstille und Himmelhelle dem Hahn zu singen beliebe. Stehn die Zeichen günstig, dann beschleicht er den wolgemerkten Aufsitzbaum auf hundert Schritte und hält sich fein ruhig, bis der Zaubervogel da oben zu schnalzen beginnt. Halt, keinen „Mukser" ! Jetzt schleift er, das ist wie leises Sensenwetzen. Anspringen, ohne Zeitverlust, husch, drei Sprünge nnd dann — wieder ganz Statue! Das Spiel kann so zwei-, dreimal fortgehen, zumal wenn eine Buschcoulisse gut dazwischen zu stehn kommt und den scheuen Burschen droben nicht aus dem Takte bringt. Der Schuß kann kaum mißglücken, wenn Zwielicht und Siegerhitze halbwegs überwunden werden. Zieht der Pulverrauch rechtseitig ab, so steht der balzende Hahn auch notfalls zum zweiten Knall und selbst mehrere Kum- Nc>ch dcr Spielhahnbal,;. pane magst Du auf demselben Standort abschießen. Wenige geben den Schießhütten den Vorzug; ill den metertiefen und doppelt so weiten ausgemauerten und umbuschten Hütten zu hocken, auszulugen, Sitz und Grube zu wechseln und dann das Grobschrot zu versenden, nun, es hat auch seine Gäste. Nach all den Zwischenfällen, Kreuz- und Quergängen, Auf- und Absitzern, Herz- und Hohlschüssen, welch' eine behagliche Ruhe, die schimmernde Beute zur Seite! „In geheimer Laubesnacht — wird des Vogels Herz getroffen," das wissen die Beiden. „Von der großen Liebesmacht — setzen wir mit Lenau fort —, und er singt ein süßes Hoffen." Aber die Jäger sprechen ihr rauheres Latein und wollten wir ihren wahrhaftigen Geschichten und zweifellosen Abenteuern lauschen, der schönen Geschichte vom ausgestopften und davongeflogenen Auer-hnhn, vom ausgenommenen Engelneste und ähnlichen Finstcrbuschiadcn, wir müßten Urlaub nehmen vom Leser auf ein Jahr - und daran soll's nicht sein. Wir haben von unsrem Anstand in dcr Gnesau schon auf den Gurkbach und ins Gurkthal hinausgesehen, nordwärts, und könnten hier gleich ein nächstes großes Gebiet abschreiten, hätten wir nicht dem Ticbelbach entlang bis zu seiner Mündung in den Ossiacher-See einige Pflichtbesuche abzustatten. Wie wäre das wichtige Vuchscheiden zu umgehen, das große Eisenpuddling- und Walzwerk, welches wie Prävali und das steirische Stör« die Ingots zu Kaufwaare umformt? Der Union ist in den Torflagern, welche die Torfpresse ausnützt, eine gewinnvolle Zukunft erschlossen, zumal schon vor vierzig Jahren die fcldkirchener Waare für Trieft, Florenz, Rom, Neapel, Palermo reichlich verschrieben war. Was die drei Stunden lange Tiebel an emsiger und kräftiger Arbeit leistet in Hausmühlen, Brettersägen, Getreid-, Färb- und Pulverstampfen, Nohrbohrgängen und allerhand Hämmern für Nägel, Draht, Hufeisen :c., um zuletzt noch mit aller Kraft in ein bedeutendes Blech- und Nailswalzwerk einzustürzen, das ist, wie der Baner sagt, „der Welt ungleich". Wo das Wasser hinter der Felswandpfarre Tiffen in den blauen Ossiacher-See verläuft, dessen Nordufer die Eisenbahn in fünfzehn Minuten abfährt, da erstirbt es mit dein guten Gewissen, hundert 53" 2^0 harnten. und noch ein Dutzend Triebgewerkc wolthätig beseelt zu haben. Semein Ende beiläufig in gleicher Linie genübcr gelegen ist die Glan-Quelle hinter dem Taueri:. Hüben sind auch wir am Ende. Nückschreitend zu den Tiebel-Ursprüngcn, um ins Gurkthal einzubrechen, schauen wir aus des Thales moosigen Gründen und aus den Zeilen von Winter-Heustadeln hinauf auf das über grünberandctcn Felswänden zutraulich gebaute Tiffen. An der Stätte des Iupitcrtempels, alte Reliefs deutend und der Bergbewohner eigenartige Sprache, wirkte vor dreißig Jahren dcr freundliche Pfarrherr Uebcrfelder, dessen seit Decennien vorbereitetes Idiotikon fast gleichzeitig mit Lexers „Kärntischem Wörterbuch" im Jahre l«62 ans Licht kam; hier oben wirkte 1872 David Pachcr, dcr uuermüdcte Botaniker und Entomolog. Doch, tiäucit, wir geh'n über den Sattel. Das Gurkthal. 3em zweitgrößten Flusse des Landes, welcher nach der Dran die längste Strecke kärntnerischen Gebietes bespült, wollen wir nachgehen zu seinem wolkenumbreitetcn Ursprungs-Gelaß. Dort oben liegt es in den lärchen-bestandcnen Zweiggräben der wiesen- und weidercichen Almen mittägig der Höhen-Rivalen Eiscnhut und Königsstuhl. Die Torrerseen aber sind die stets gefüllten Qnellbecken der Gurk, welche, durch die silberklaren Wässer der einsamen Alpengründe des Neichenauer-Winkels mächtig verstärkt, die Enge der finsteren Berge flieht und in ihrem rastlosen Laufe dort neuem Zwange entgegeneilt, wo sie unterhalb Gnesau im südlichsten Ausbnge das Gebiet der Glan ob Himmel-berg berührt. Hier oben am kaum erstandenen Vergflusse breitet sich, von herrlichen Alpen umstanden, das Thal der Reichcnau aus, mit seinen Verzweigungen bis an jene Hoch-Nocks reichend, deren eine mit ihren Westgehängen schon dein Gebiete des Lieserflnsses angehören, während andere die Grenzpfähle gegen das Oberland der Steicrmark bilden. Nodres „Klom" und Etang-Nock, Königsstuhl, Gregorlc und Riesen-Nock von West nach Nord, und die Neichenauer-Alpen im engeren Sinne nordost, Höhen von 2000 Meter und darüber umstehen diesen einzigen Alpen-Boden, und Hundertc von trefflichen Rindcrhecrden beleben zur Sonnenwendzeit die begrünten Gehänge, in den würzigen Weidekräutern reichliche Nahrung findend. Aber auch herrliche Landschaftsbilder bietet dieser dem Wclt-getümmel ferne liegende Fleck heimatlicher Erde: da giebt es einsame Hochgebirgs-Seen, den Sockel mächtigen Fels-gewändes bald kosend, bald stürmisch umspülend, wie es eben Alpen-Lenz oder Spätherbst-Stürme mit sich bringen. Die Rundschau von der höchsten Erhebung dieses Gewirres himmclanstrebcnder Vergkegel, vom 2438 Meter hohen Gisenhut aus, reicht von dem eisübergossenen Massive, der Hochalpcnspitzc im Westen, südwärts über karnische und julische Alpen bis hinab zum östlichsten Wächter der Earnittia, dem Ursulabcrg, um sich nordwärts über die herrlichen Vergformen dcr oberen Steiermark und des Salzburger-Landes wieder an den Ausgangspunkt auzu-schließeu. Speikcr und Wurzelgräbcr begehen diese kräuterreichcn Höhen, Spiknard, Graupen und Heidelbeeren wandern in Nutten thalab, aus den bitterstoffreichen kräftigen Wurzeln des punktirtblüthigen Enzians aber brennt der Aclpler jenen starken Geist, der, beim Krämer nächst der Pfarrkirche des Thals gctrnnken, seine weitgerühmte Wundercur übt und besonders den Stockgesunden außerordentlich heilsam sein soll. Der „Bittere" und die Kegelstatt helfen dem Vurscheu allemal seinen Geldbeutel leichter tragen. Dcr Enzian ist gut, meint der schlaue Sparhans: Der Onzian ici qimt, Kaf mer no kan gricm tzuat; I hiet längst an qrimi Huat, War der Enzian nit guat. Bald hat jedoch die Gurk das Berggewirre im Rücken, mit scharfem Buge betritt sie östlich gewendet den saftgrünen, nadelwaldumstandenen Boden des Thales der Gnesau und indem wir dieses flußab vorüber an Margareten, D«5 Gurlchal, 2<, Gurk. Zedlitzdorf und Zcdlitzberg durchschreiten, gelangen wir nach mehrstündiger Wanderung in die Gegend der Sirnitz, uni den benachbarten Kaltwasscr-Kurort St. Leonhard kennen zu lernen. Gin zweites Fusch, liegt diese Voralpcn-Idylle in einer Höhe von 1118 Meter; am Südgehängc der link-seitigcn Gurkthal-Vorberge entquillt dem Altare des Kirchleins der nervencrfrischende und gar sonderbar Hunger-bercitende Burn in einer Temperatur von fünf Graden. Eine recht stattliche Eolome von Kurgästen findet sich all-sommerlich, uraltem Beispiele folgend, in dem reinlichen Almhospize ein, welche mit dem Lobe auf Luft und Wasser, die großartigen Gebirgsausblicke und herrlichen Waldpromcnadcn scheidet, um gerne wieder zu kommen. Zu Füßen in düsterer Vergschlucht aber stürzen die Gewässer dem Felsen-Defile der „Engen Gurk" zu; da giebt es ein Brodeln, Dröhnen, Sausen und Brausen; keines Menschen Fuß betritt das triefende gewändige Ufer des Rinnsals, durchbrochen von der Gewalt und Kraft des Elementes in endlosen Zeiträumen. Ist die finstere Klause überwunden, so kehrt auch der ungcbcrdigc Fluß zur behaglichen Nuhe zurück, aus dem schönen Griffnerthale und der Glödmtz mit den alten Türkcnschanzen schlagen sich freundliche Wässerlein herzu, und breiter und behaglicher strömt er gegen das friedsame und nette Weitensfeld hinaus. Des Sonntags hält manch eine Vurschengrnppe, welche seit der hellen Mittnacht von: Mödringberg durch den Ianchwinkel herausgekommen mit allerhand „Kramerwurzeln", hält vor dem Holzbrunnen am Platz'Ende und schaut mit bedeutsamem Wink hinauf zum Holzweib mit dein breitkrämpigen Hute. Denn am Pfingstmontag, wann die Apfelblüte ihre lieblichen Sträuße auf den verwunderten Baum steckt, gilt ihr da droben, der „hölzernen Schönen", das Kranzelreiten im Begleit der kräftigen Burgunderrosse. Die jungen Wettläufcr erscheinen weiß, ein rotes Seidentuch haben fie umgeschlungen und bloßhäuptig und barfuß treten sie an; die Bahn ist abgesteckt und mit großen Vorbereitungen, unter Aufzügen, Musik und Pcitschgelnall beginnt das raschverlaufende Fest, mit dem Urtel-spruche der beritten Folgenden schließend. Der Preis ist ein.Kranz mit Dukaten, wenn die nicht schon zu rar 2^2 harnten. geworden, dann ein Seidcntüchl mit blauen Wollstrümpfen, ivas auch variirt wird, nnd endlich fehlt auch ein „AuMbest" nicht, ein „Büschen" von Vlnmen nnd Schweinsborsten. Die laute Lenzfeier wird zurückgeführt w,f ein Burgfräulein, welches zu Zeiten eines „großen Sterbens" ganz allein übrig geblieben nnd der Freier dreie vorfand, lauter schmücke Vürgersöhne. Nun die Wal ihr schwer geworden, versprach sie jenem ihre Hand zu reichen, der im Weitlauf Sieger bleibe. Wir ziehen erwartungsvoll zu Gurt ein, dem Markte von etwa achtzig Häusern mit vierhundert Einwohnern. Die Kathedrale von Gurt glänzt nicht nur als der ausgezeichnetste älteste Kunstbau von Kärnten, sondern als eines der wichtigsten Denkmäler in dor kirchlichen Kunstgeschichte überhaupt. Die Magie des räumlichen Ein- druckes — um Kuglers Worte zu gebrauchen — ist in solcher Art ohne Gleichen. Otte zeichnet mit wenigen Strichen den Dom als einen Weißmarmor Bau um oder nach I2l)0, eine einfache Pfeilerbasilika mit einer hundertsäuligen Krypta nach Art der viclsänligen Moscheen, einem mit italienischen: Neichtume gegliederten Marmorportale und mit einer davor-liegenden, von einem Tonnengewölbe bedeckten Vorhalle, über welcher sich ein Nonuenchor befindet, der durch zwei aufeinanderfolgende Kuppeln gebildet wird. Das unterirdische Wunder im Ostbau bestrickt und begeistert durch die waldstammartigc Fülle des Säulen-Anfschusses, durch die Wirkung der kleinen starken Vierseit-pfeiler mit den leichteren Säulchen, sämmtliches Würfelkapitälwert von Krypta in Gurk. dm reinsten Linien. Mustern wir das Innere genauer durch, so müssen wir vor den sechs Holz-tafeln, in coloriertem Schnitzwcrk Semen aus der Hemma-Lcgende darstellend, beschaulich anhalten; sie stammen aus der Zeit um 1465. Die ähnlichen Sujets wiederholt Fromillers Pinsel auf den vier Wandbildern der Hanptschiffsseiten unter den Ucberwölbungen des Langhauses von 1591. Von Raphael Dunner ist die zierrat-reiche Kanzel, sowie das große Metallguß-Kunstwerk der Kreuzabnahme in der Schiffsmitte beim Altar-Aufgange in der klagenfurter Vischofskapelle nachgebildet von Ioh. Propst. Der Hochaltar, aus der Stilart schlagend, baut sich über siebeuzehn Meter hoch auf und behandelt Mariens Verklärung durch eine Beigabe von über hundert Gestalten, worunter die Stifter Kaiser Heinrich I I. mit Kunigund, Leopold von Oestreich, steigen wir nach einer der beiden massiven Steinstiegen unweit des Kreuzaltarcs hinab in die Unterkirche, so umfängt uns die dämmerige Krypta iu der Ausdehuung von zwciuudsiebenzig Quadratschuhen, der großteu Grufthallc Deutschlands im speierer Dome und jenen Frankreichs in St. Gilles, St. Gutrope zu Samtes und Montmajor zu Arlcs an die Seite zu stellen. Außer dem Serpentin'Hohlstein, auf dem die gabenaustheilendc Hemma zu sitzen pflegte, findet sich hier die marmorne Gebeinscista der Stifterin, Gräfin Hcmma, als Altar mit der Darstellung der abscheidenden Hemma ausgearbeitet von Antonio Corradini ans Este. Die Saeristei bewahrt der Gräfin Ring und das Halsgeschmeid mit dem Nauchtopas. Gräfin Ima oder Hemma war eine Verwandte des Königs Heinrich II., Tochter des Grafen Engelbert und der Pfalzgräfin Tula, seit 900 Gemalin des Markgrafen in der unteren Kärnter-Mark Wilhelm, auch Grafeu im Gurkthal und friesachcr Comitate. Der Hausherr gieng auf fromme Reisen, in denselben endend; die Söhne Nil-Helm uud der urkundlich nicht genannte Hartwig erlagen der Gewalt der friesacher Bergknappen in den Ausständen Das Gurkthal. 2^3 Ztraßburg. nach der Absetzung des Herzugs Adalbert um N'.'tl;. Häufig gehen Ima's Bildnisse mit der Kugelhaube und der Schleierfalte von Hand zu Hand; nach drei Jahren starb sie und ward im gewöhnlichen Friedhufe begraben. Die Gruftkirche bestand ja noch nicht, der Umbau folgte erst nach hundert Jahren, annehmbar unter Bischof Nomanus I. Die Seligsprechung der Stifterin geschah im Jahre 1405 und seither ist an ihrem Sterbetage, 29. Juni, sowie am vierten Sonntage nach Ostern großer Wallfahrtszudrang. Bevor die Gurt noch ihren Lauf nach Süden wendet, schanen wir Lieding und die Stadt Straßburg. Das alte Liubcdinga oder Lubtenga ist in der deutschen Geldgeschichte deßwegen wichtig, weil auf dasselbe einer der ältesten Münzrcchtbriefe lautet. Benachbart ragt der alte Palast der Bischöfe von Gurk auf dem frei vorspringenden Hügel über Straßburg noch wolerhalten empor. Die möglichst soldatisch geschulten Infclträger wehrten sich ihrer Gegner, gleichviel ob das auch gelegentlich die Landesfürstcn waren, nicht blos mit lateinischen Verwünschungen, sie wußten auch das Schwert zu führen und so erwuchsen auf dem straßburger Hügel Trutzmauern und Rüstkammern. Eine harte Belagerung durch Bischof Dietrich im Jahre 1179 —1180, Brand und Mord schreckte unter dem böhmischen Otakar den handclseifrigen Mautort; knapp vor der Habsburgerzeit schuf ein Neubau des Cardinalbischofes Guös lichtere Baubilder. In diesem Städtchen wie zu Gurk, wo Leonhard Eisenschmied, geboren 1771, zu Hause war, hört man noch viele Grzäluugen aus dein Leben uud den Fahrten dieses odysseischen Abenteurers, welcher durch die Adria ins Mittelmeer kommeud, nach Corfu und Malta verschlagen, unter die Korsaren geraten, als Sklave gepeinigt, nach Durazzo, Venedig entkommen, die Heimat wieder aufsuchend in Unterdrauburg 1824 gestorben ist. Sein sonderbares Ncisebuch ist 1807 in Graz herausgekommen. Viele Schauergeschichten sind anch vom Schlosse im Schwange, welches wie Frauenstein sein Verließ im Erdgeschoß der Thürme zeigt; da rührt die rote Stiegenwand von eines Geköpften Fluche her und der Blutstreifen auf dem Neckthurm von einem Kaplan, welchen der Teufel geholt. 54' 2ZH Kärnten. Außerhalb dcs Thales an der Metnitz liegt die Bahnstation für das ganze durchwanderte Gebiet des Gurk-thalcs. nämlich Hirt, ein Eisenwerk mit Hochofen, gleich Gnrk und St. Salvator, welches unter Cardinal Salm umgebaut und mit praktifchen Hulzzuschwemmen und jener billigen wälfchen Kohlung verschen worden; durch Steicr-mark und Ungarn ist damals das Vorbild in aller Naschheit gewandert und man hoffte das Wettspiel mit dem englischen, schwedischen, russischen Eisen getrost zu bestehen. Das an sechs Stunden weite, gesegnete, emsig angebante Krappfeld thnt sich dem erstaunten Blicke auf, sobald man die Thalhöhe hinter Schloß Zwischenwässern (Ncupöckstcin) gewonnen hat. Zwischen dem von Nord herzuflutcndcn Mctnitz-Bache und den Gurt-Auen hineingestellt, athmet das unter Cardinal Salm durch Hagenauer im Jahre 1780 vollendete Sommerschloß mit dem Freskensaale, mit den französischen Prachtgärten reine Alpcnlüftc in idyllischer Friedfülle, welche kaum durch das vorbeischnaubende Locomotiv oder die Erinnerungen an den hier entsponnenen einzigen Kampf mit den Franzosen im Jahre 1805 gestört wird. Denn der Pcndelschlag der Eisenhämmer gehört in Kärnten zur „schönen Angewohnheit des Lebens" ; er ist was die pikende Echwarzwälderuhr in der Stube, der wahre Herzschlag des Landes, der schmerzlich vermißt wird, dafern er anfgehört zn pochen, wie der Müller erschreckt aufwacht, wenn seine Mühlenräder nicht mehr poltern. Das Krappfeld loben wir vorweg als die Wiege dcs kärntischen Volksliedes; dasselbe ist im letzten Jahrzehnt durch die alt' und neue Welt getragen worden und hat neuerdings in kunstgerechtem Satz seinen verschämten Tritt über die Pforten der Concertsälc und durch die Portieren der tapetcnglizcrnden Salons gemacht -^ jedoch nicht ganz ist es aus dem heimatlichen Boden hinauszutragen mit all seinen Wurzeln und inneren Gängen, seinem hellfrohen Aufschrei, seinem unsagbar süßen Weh nnd seinem heimlichen, unergründlichen Vcrsunkensein. Leicht abgeschritten ist das Krappfeld. Beginnen wir mit Althufen. Der meistens eisenhandelreiche Markt theilt sich durch den Hügelanstieg in den uutercn und den oberen, gekrönt dnrch die alte Vcste, das Gcrichtshaus, das Dickmann'sche Schloß und die Thomaskirche. Die davorliegende Ebene, vielleicht das Feld frühester Slavenkämpfe, dann der Ungarnschlacht in dcs zehnten Jahrhunderts zweitem Jahre, wußte sich der salzburgische Krummstab von Kaiser Otto I. im Jahre 958 zu erwerben; dichtan wachte der Landesherzog auf Burg Nabmstein auf dem Murani'Berghang. Der Nabenstcin ward zwar gebrochen, abcr aus dessen schützenden Blöcken gethürmt erhub sich die althofener Bergwarte. Diese mitsammt dem widerwilligcn Markte hielten die Ungarn durch zehn Jahre besetzt, als sie exccutionsmäßig für den salzburger Besitz in Steiermark und Kärnten intervenieren zu müssen glaubten. Mit Eorvin's Tod hörte diese Politik auf. Gegen den Banernbund war ebenfalls dieses Fort der Sammelpunkt der Reisigen unter H. Kotz. Was zwischen jener nnd der joscphinischen Zeit liegt, ist eine ziemlich glcichtönigc Weise des alten Streitliedes um Eiscufladcnzufuhr, Abwäguug, Verzollung u. s. w. mit den Städten St. Veit, Klagcnfurt, Völkcrmarkt u. s. w. Von der Bahn aus sichtbar glänzt und raucht und qualmt cs zu Trcibach, dein Hochofeuwerk der Hütten-bcrger Eisenwerks-Gesellschaft, mit den neuesten Eonstrnctionen ausgestattet, das Schloß des Grafen Egger mit monumentaler Noblesse neben die Werkshäuser hingestellt; schon vor dreißig Jahren hat das Gewert mit Heft, Mosinz, Ebcrstein, Lolling in sechs Hochöfen über 271,000 Zentner Roheisen jährlich verarbeitet. In der Thalfahrt abcr entrollt sich hier zunächst das weite, bestrickende Karawankcnbild nnd taucht dein von Nord Kommenden zuerst die Terglou-Gruppe auf. Am Aufschlüsse des Silberthales begrüßen wir Silbereck, das licderreiche, ein Städtchenbild wolhabenden Gindruckes, Ausgangsort des bei der wiener Weltausstellung accrediticrtm Bieres, eine Großwirtschaft ersten Ranges, in welcher fast alle einschlägigen Gewcrbsarten unter Dach und Fach untergebracht sind. Zwischen Neigcrsdorf und Zell, von der Bahnlinie überschritteu, wendet sich unser, nunmehr dnrch die Glan verbreiterter Fluß unter dcm Radsberg straks nach Osten, um unterhalb Grafcnsteiu und Möchling in den kärntischen Hauptstrom zu fallen. Das Schloß Grafenstein, nnwcit der durch Dietmar von Luugau 1116 gegründeten Kirche aus den Blöcken der zerfallenen Prosnica-Bnrg erbaut, ist von den Gem 158'.1 an die Rosenberg Das Görtschitzthal. 215 gekommen. Der salzbnrgischc Pfleger Ulrich Rosenberg-Nrsini, aller Güter entäußert, starb arm zu Großsonntng mit Hinterlassung nur eines Siegels; aber im siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderte waren seine Nachkommen der Landcs-Hauptmannschnft Träger und Schloßherren auf Kentschach, Heunburg, Sonneck, Greifenburg, Noseck und Grafenstein. Die Annabrücke thut uns das reizende Iaunthal auf; der Steg nach Nildenstcin, Schloß und Wasserfall, führt uns in das Triaskalkgewände der Odir. 3a5 Görtschitzthal. 3)cs norischen Eisens .Hauptgebiet durchwandern wir in dem sechs Stunden langen Thallaufe der sogenannten kleinen Gurk (Gurkica). Fast die gleiche Linie wie die Gurk-Metnitz haltend, bevor diese ihrem eigentlichen Breitenthale angehören, scheint der muntere und energische Gebirgsbach sein Augenmerk unabgewandt auf die Vergzüge von Wcitalm bis Diex zu richten. Denn die Nucken dieser augenfällig gestalteten Grenzmark gegen das östlichste Thal Kärntens, das Lavantthal, fallen keineswegs in scharfen Schneiden ab, sondern sie setzen'mit mächtigen sanftabfallenden Wiederlagen zu Thal, hier wie ostwärts breite wohlbewaldete Gräben bildend, deren silberklare Wässer der Görtschih und Lavcmt zueilen. Der Wietinger-Bach, der Löllinger und Mosinzer sind die bedeutendsten jener, welche dein Wcstgehänge angehören; hinter Hüttenberg unter der Presneralm hinaus verlaufen sich dann des Hörafeldbaches Anfänge bei St. Veit nächst der Ginöd. Oberhalb Schmieddorf und der Görtschitz-Mündung empfängt uns wie an den Thalthoren das laute Ge-poche von St. Johann am Brückt. Vor dreißig Jahren noch das einzige Eisenconstructions-Werk, wohin die Maschinisten emsig zureisten, hat das umfängliche Eisenwerk zur wiener Weltausstellung unter vielen: anderem Hochsehenswerten auch jene formidable Zerreißmaschine geliefert, welche Krupp in Essen angekauft. Daß die Iohannser wackere Kämpen sind, erfährt man wol zuvörderst am Schwarzsonntag vor Palmsonntag; nicht immer ist mit ihnen gut Kirschen essen, denn sie haben ihre Spielhahnfedern gegen die Nachbarsleut' gar scharf aufgesetzt, wie die Wetterspitzen auf den Scheunenfirsten. Dafür aber tragen auch die Osterlichter auf dem Iohannserberg einen hochfeurigen Schein. In der obstbaumreichen Berg-Enge, wo im Geschlucht die Wässer sich rieselnd zusammenfinden, die Waldstege zu den speikumdufteten Alpen-Wiesen geschlangelt hinauflciten und über manch einem granatenführenden Glimmergeschicbe die Hochkuppe eines sogenannten „Ofens" emporragt, da ist Eberstein eingeschlossen, Dorf und Schloß, in Kaiser Arnulph's Zeiten ob der Eberjagden viel besucht und von dem Tirol - Görzer - Herzog forterhalten. Die Wclzer nannten sich nachmals von der neueren Burg im Thal und wurden Grafen, die Christallnigg aber nahmen sich des hiesigen Eisenwerkes an uud errichteten Etahlhammer und Floßofen. Hier zuerst in Kärnten ward die Warmluft im Gebläse angewendet. Die Hausgeschichte der Welzer aber langt über die Urgebirgsrücken hinüber und spielt in die jenseitigen Burgell der Neisberger und Baierhofener ein. Am weitesten und am herzergreifendsten klingt freilich das Lied von der schönen reichen Schloßfrau Anna, welche, für Ernst von Looming durch den Mittelsmann Günther von Herberstein geworben, diesem letzteren sich zuneigt und mit ihm zur Hochzeit schreitet. Aber der begünstigte Herbersteiner wird sammt der Nrant von des Lobmingers Gotten überfallen, fortgeschleppt und nun bleibt das Paar durch mehrere Monate in einem finsteren Thurm, getrennt und aller Welt verschollen, gefangen gehalten. Endlich zwingt Herzog Ernst der Eiserne den kecken Landfriedcnsstörer, die Verließpforten unter der Stubalpe aufzuschließen, die Freunde vereinen sich wieder und schwören sich Vergessen alten Grolles. Westlich von Mößl, welches wie Brückt und Eberstein Station der Bahnlinie Hüttenbcrg-Launsdorf ist, lagert jenseits des Schelmbcrges Guttaring ill dem Braunkohlenbecken, welches den Rosthornit führt. Hier wirkte als 2^6 harnten. Kaplan der nachnialige Domherr und Landeshistoriograph Heinrich Hermann, ingleichcn der Hauptträger der jahrgang-reichen „Carinthia", einer der ältesten Wochenschriften Oestreichs, Simon Martin Mayer, Herausgeber des alle kärntischen Märchen und Sagen vereinenden Taschenbuches „Noreja". Oben am Berghang aber weiß man von dem Linsenacker, den der böse Landmann am Gcrtrudstage zu besäen sich erkühnte; zur Strafe erwuchsen jene Nummuliten, wie man sie ebenfalls auch auf dem hohen Diex oberhalb Heunburg ausgräbt. 3chloß Lbcrstci». Vor Semlach beugt cm mächtiger bachdurchschwemmter Graben ostwärts ein, er stellt seine Alpenhänge bis zum Geicrkogl und zum Passe des Klippitzthörl hinan; auf diesen Uebergang, der drüben in die Prcims und die Wö'lch hinausführt, schauen die stillen, ungelichteten Riescnhaine des Hohenwart gcheimnißvoll herein. Die höchste Kuppe der langgcdehnten Saualpe erhebt sich in der Linie zwischen Wieting hüben und Lading bei Wolfsberg im Lavantthale. Die Eberform des zuoberst auflagernden Felscaps am Gctrusk, 2071 Meter hoch, giebt dem ganzen, den Horizont weithin umrahmenden erzreichen Zuge den Namen. Hier magst Du den Beryll, den Cyunit, Eklogit, Granat, das Rutil, den Turmalin, den Zirkon oder Zoisit einheimsen oder den seltsamen Sprossen von Anemonen, Ranunkeln, Saxifragen, Azaleen, Rapunzeln und Gcntiancn bis zu den wolkenbestreiften Hochebene auf der Haualpc. von 3. lvillroider. Das Görtfchitzthal. 2^7 Randgefilden des rostroten Rhododendron nachgehen oder der ergiebigen Wildhatz leben, in vielen Tagen gehst Du das eigenartig flache Hochland, die aussichtreiche grünschimmcrnde Bergwelt nicht ab. Unter den drei Eeitthälern hintereinander ist jenes von tolling das unterste, so daß der vom Hohenwart abstreichende Löllingberg in der Mitte zwischen diesem Vorthäte und dein breiter angelegten Mosinzergraben bleibt. Dem an den Tag tretenden Berggestein sein verädertcs Gut zu nehmen, der Wässer Kraft in's Joch zu drängen und bis hoch hinauf dem alten Volte der Fichten und Lärchen einen jungen Nachwuchs mit erfahrener Hand an die Seite zu sehen, dafür hat seit fast fünfzig Jahren ein ganz unvergleichlicher Eifer sich angemeldet. Seit einem Jahrhunderte ^ welch ein verändertes Aussehen ward für den Gnomenort gewonnen! Die niedrigen Essen, die biederen alten Lcder-Spitzbälge und mit ihnen die geringen Er-zengungszalen sind verschwunden; nun arbeitet das gründlich erneute Eisen-schmelzwerk mit drei Hochöfen sammt Windwärmer, zweien Eylindergebläsen, Gaskessel, und wandert das Erz, seit der ersten Ucbertragnng der Wind-flügel vom Uhrwerk auf dic Vergmaschine, ohne Bcithuu der Menschen-hand, von dem Halden -rande bis zur Hütte die 1900 Meter lang auf wagrechten und schiefen Bahnen herbei. Man hat keine Ursache, an der Ausnützung Altrömischcr Hochofen. des Erzberges wie des Knappenberges mit den Ur-mitteln der vorrömischen, der heidnischen Zeit zu zweifeln: doch waren selbst die Römer in der Bcrg-techuit recht hilflose Leute. Ein römischer Sklave soll in der Watschgrube das erste Eisen gefunden haben und dann die erste Ein-arbeit gefolgt sein in den Stollen „Sonne" und „Scharfenstein" nächst der obersten Erzbergkuppe. Ein römischer Hochofen wird hier gezeigt zur Freude des Alterthümlers, nicht ohne bedächtiges Kopfschütteln des Fachmanns. Die Nägel zum Kreuze Ehristi waren, so steht es hier fest, aus Hüttenberg. Bei Semlach draußen hat man römische Relief- und Echriftsteine und Thon- gerate, nächstan Münzen der zwei ersten Kaiserjahrhunderte gefunden; erst vierhundert Jahre nach dem Aufhören der latiuischen Eolonien im norischen Lande meldet wieder eine bergrechtllche Urkunde von den Schätzen der hiesigen Eiscnwurze. Im Jahre 1653 hatte 'das Knappenvolk nicht üble Lust, in den beiden Glanstädten ein bischen Einlager zu pflegen und demonstrirte 1759 auf der Krcuztratten. Nach einzelnen Fortschritteil bei Sonderbauten wie „Altglück", „Altwolf" bildete sich im Jahre 1775 die Union Ehristallnigg-Mayerhofer-Eechcrau, deren Nachfolger, Freiherr Dickmanu-Sccherau, die ganze Reihenfolge wichtigster Nenerungen einführte. Dem erste»:, im Jahre 1822 errichteten Hochofen mit Eylindergebläsc aus Mariazell folgte 1^>9 die Vereinung von zwei kolossalen Hochöfen mit acht doppelbläsigen heißlnftigen Cylindern und seit den letzten zehn Jahren die Reihe von scharfsinnigen Konstruktionen, mit deren Aufzälung und Erklärung leicht etliche Blätter zu füllen wären. Erwähnen wir nur noch die 55' 2^8 harnten. künstliche Forellenzucht und suchen dann in gebückter Stellung durch den Hauptstollen das jenseitige Heft zu erreichen. Glück auf, das sternartige Lichtlein am fernen Ende des dunkelheitbrütenden, gruftartigen Berg'Inneren ist zum großen hellen Tagesschein geworden nnd in freier Bergeshöh treten wir an den gesegneten Tag. Mr erschauen in dem höhenumschlossenen Heft das allererste Werk Oestreichs, in welchem das Eisen nach schwedischer nnd englischer Art bearbeitet wurde; die Vessemerhütte erzengt den schwedisch-gleichen Stahl für Schienen, Bleche, Achsen und allerlei Werkzeuge, welche der östreichischen Metall-Industrie trotz der nordischen zu so hohem und gerechtem Ansehen vcr-holfen haben. Sollen wir alle die Wnnderlcistungen der Technik, den Gaskessel, den Gasrostofen und vieles Andere mit Lobworten erheben und das Auge fchließen gegen die Reize der lockenden Alpensicht des Knappenbergs, besonders droben an der Gussenbauer-Kensche und der Idyllen-Stätte am Semlach nnd bei der Glanzwirtin? Des Mosinz-Vaches Mündung zwischen Gossen nnd Zossen genüber liegt, nnter den Kirchriegel hineingebaut, das Eisenwerks-Eentrale, Markt Hüttenberg; südlich davor auf vorspringendem Vergesknauf die weithinschauende und wundergefeierte Marienkirche von Weitschach. Um 644 Meter niedriger als der Hauptwallfahrtsort Kärntens, der Luschariberg, behanptet diese Baute vor der genannten den Vorzug, daß sie überhaupt in einem Stil und obendrein in dem Hierlands noch guten gothischen des beginnenden sechzehnten Iahrhundertes gehalten ist. Erzbischof Leonhard von Kentschach ist ihr Erbauer, sie wurde im Ganzen eines der Musterbilder des Landes. Schwelgen wir noch im Genusse der Fernschau von den grauen Alpengebilden der Sirbitzen hinein in die Verggewinde an Metnitz und Gnrk bis zn den dnftverklärten Karaloanken-Ketten — und dann thalab geeilt! Denn heute fließt liebliche Sommerstille durch die Thäler; aber zur tollen Kirmeßzeit wallen da die schwarzen Schaaren der Knappen herauf, mit Fahnenwehen, Trommelschlag nnd Trompetenstößen nnd ihre Gesänge nnd Glückrufe schallen weithin über Wald und Schlucht. Der Eternerban, das Lager von Großattich, der Wilhelmswllen, endlich der Erbstollen des Erzbergcs und dazn all die segenspendenden Forts um das alte Hans Süßenskin zu Hüttenberg, dein belebtesten Orte im ganzen Görtschitzthale, sind es, welche unsere hochgespannten Erwartungen nunmehr befriedigen müssen. Heißt doch nach dem Namen Hüttenberg seit !5f ^olli,!g. Hochöfen in tolling. dreizehn Hochöfen erglühen macht (zu Hüttenberg, Lulling, Heft, Mosinz, Treibach, Ebcrstein, Hirt, S. Salvator, Prc-vali), und bei einer Erzeugung von 1,050,000 Cent-liern einen 51iaf-fincriewcrks - Ertrag von einer halben Million Centner und einen Grundbesitz von 31458 Jochen ausweist. Die wiener Weltausstellung brachte nebst einer glänzenden Exposition der neuen Union das Modell des ganzen Erzberges, der Barbarabremse, Globitschbremse und vieles Andere. Mit welch erstanntem Gesichte würden die Knappen selbst des aufgeklärten sechzehnten Jahrhunderts dreinsehen, stünden sie jcht vor den sinn und kuustreichen Wertshäusern und in den Stollen und Schächten! lieber die Neuschöpfungen des letzten Jahrzehnts sind alle die Sachverständigen, die ans fernen Ländern herzukommen, um Homers norischen Stahl in seiner Wiege und kuustreichen Verarbeitung zu sehen, nur Einer Stimme. Man müßte das Ehrenbuch aller hiesigen Leiter und Förderer aufschlagen, um ja kein Verdienst zu übergehcu. Wie die Seelaud'sche Kristallsammlung unvergessen ist, so werden auch die Thaten Friedrich Münichsdorfers (geboren 1^25, gestorben 1874) als Werksleiters zeitens der alten und neuen Eompagnie, als Schulfo'rdercrs, als montanistischen Schriftstellers in Aller Erinnerung bleibell; von Beiden giengen die besten Beschreibungen des Görtschitzthalcs aus. Den Brand wm August 1877, welcher eine große Häuserreihe kahl legte, möge der freundliche Ort bald verwunden haben! St. Martin in Silbcrberg glizert frei und einsam über dein stillen Abzüge des Hörafeldbaches und als eine der Grenzburgen, wie weiter westlich der Dürnstein, harrt hier nächst dem Priebüchel des belebenden Hauches das zerfallene Silberberg. Wo sind sie heute, all die Reichen und die Starken t Mit der alten Silberstadt Höra sind sie 220 Mrnten. verschollen, nur noch nm ein Gcmnmes später als die berufene Stadt, von lvelcher der Volksmund so viel nnd das beschriebene Pergamcn so gar nichts weiß. Der starke Heinz von Silberberg trug einmal einen Mahlstein vom Dorfe Müllen bis an sein Heim nnd konnte doch unter der Steinplatte, die in der Kirche zu Friesach über ihm sich schloß, nicht mehr erathmen. Sein Söhulein, das ihm, dem Wiedergekehrten aus den Streitfahrteu, artig nnd hcrzvoll lächelnd den Willkommbecher bot, das hat er in stürmischer Freude todtgedrückt. Vis Hörbach, eine Viertel stunde vom Schlosse weg. erschoß seine Kugel einen Feind am Fenster. Arme Lnitwinde von Silberbcrg, auch dir sei ein Klang der Erinnerung geweiht! Dem dnrch Naub reich gewordenen Ncudcckcr nächst der Einöde zugesprochen, entfliehst du, indeß die Festgäste schon die Lichter im Schlosse gelöscht, auf das Pfeilzcichen in die rettenden Arme des geliebten Nachbars, Friedrich von Althaus; aber auf der mitternächtlichen Flucht durch des Hörafcldcs Sümpfe von des Gegners Horden erreicht, wirst du vor den Vater geschleppt und nach des Trunkenen Richtspruch in der Heimatburg eingemauert, dein Treuer aber begraben unter den stürzenden Trümmern von Althaus! Doch scheiden wir nunmehr aus diesem Erz- und Silberthale, in dessen dunkelnden Fichten- nnd Lärchenhainen das Geheul des Wolfes und der Ausriß wütender Füchse nicht ganz unbekannt ist, und wälen westwärts den Verg-Übergang nach Zeltschach, wo nach Fellingcr „Güldenes die Knappschaft aus Gruben euch hallet." Den Zeltschachern widmeten wir schon im Gurkthale mehre Worte: wir kommen auf sie zurück, indem wir, nach der Werkschaft Olsa herab pilgernd, begierig eintreten in einen neuen Heimgarten voll neuer Blumen. Jas Mctnitzchal. IDir verfolgen die grünlichen Wellengänge de^ Metnitzbaches aufwärts durch das imposante, von hehrer Ruhe verklärte Thalgebreite, bis das von Stemkuppen gekrönte Thonschiefer-Gebilde des Eiscnhnt mit seinen zirmenbestandenen Allsläufern des Landes und der Wanderung Grenze bezeichnet. Kräftige Gestalten wandern da durch die wolgehaltencn blanken Dörfer und der frisch-fröhlichen Greise erblickst Du mehr als anderswo; nnd hat auch das Holzgeschläge durch die bedächtig abfallenden Vcrgseiten manche schlimme Fnrchc gezogen, so scheint es doch allseits ein frisches, üppiges Grün die schöne Zukunft dieser wirtschaftlichen Gehege zu verbürgen. Doch wir treten ja erst von den Olsahügeln gegen das Thal heran. Als eine wahrhafte Felskasteilstadt stellt sich Friesach dar. Nicht in der offenen Thalebene wollte sie gedeihen, absichtlich suchte sie die verläßliche Lehne an dem breitrückigeu Verge und dessen vorgeschobenen Treppen anf. Noch kehrt sich ein guter Theil der gescharteten Stadtmauer gegen die Alles eröffnende Vahnlinie herans und schon von fernher fallen die grauen Hochwachten in ihrer geschlossenen Abfolge, noch immer trotzvoll, dem nahenden Wanderer in's Ange. Es starrt fast eine eigene Oberstadt, eine für sich giltige Ruinenfronte über dem neuzeitlich rührigen Handelsorte. Der strengumschränkte Platz, der PostPlatz mit der marianischen Pestsäule, der Propsthof mit den Römer- und Indensteinen, das treffliche renaissantc Vrunnenbccken des Marktplatzes, achteckig, der Pilaster mit feinem Ornament nnd kräftigen Atlanten, zur Krönung endlich eine zierliche neptunische Bronzegruppe — wo beginnen loir billig? Das Fontainestück, aus Schloß Tanzcnbcrg um 1568 hcrbeigebracht, hielt man lange für römisch und erinnerte sich, daß die Altcrthümler hierorts die Station Eandalice mit etwas Bezug auf die größere und wichtigere Stätte Noreia snchen. Das größte der anfgethürmtcn Schlösser ist vom nördlichen Ncumarkter-Thorc her der Petcrsberg. Der mächtige gequaderte Bergfried, eine überwölbte romanische Kapelle bergend, begrüßt nns als ein Prachtban ersten Ranges. Allerdings jünger als die Wandfresken ist das Oelbild auf Holz, die heilige Familie (15^5), um dcssent-willcn die Dürer-Jünger zur Peterskapclle pilgern. Das früher hier bewahrte älteste eiserne Geschütz für Stemtugel- Das Metmtzthal. 22^ Aus den Ruinen am j)otorsberg. Brunnen in Friesach. Partie voin Oirgilicnberc;. wurf ist nach dein Landesmuseum gebracht wurden. Der südliche Trakt des mit dem keutschacher Nübenwappen gekennzeichneten Schlosses enthält den pyramid- förmigen Ofen, genannt die Goldschmelz, Goldküche, der Münz-schlag, voll dem »oir noch sprechen. Eine abgestufte Zimmerwandung leitet zu der nördlicher belegenen Burg Lavant, davor lagert die zweithorige „Hanptmannschaft". Non drüben ragt der Thurm des Geiersbergs, fünf-unddreißig Meter hoch, nächst dem Hof steht der Bergfried, ein mächtiges Werk des zwölften Jahrhunderts, welchem die Anncnkapelle erst nach vier Jahrhunderten gefolgt ist. Von der Lavantburg herabgehend erreicht man linkwärts nach dem Westgehäng fort den „roten Thurm" mit dem Nonnensturz und schließlich den Virgilienberg mit der Kirchrnine am äußersten Siidhügel, mit dem Heidenthürl beim alte«: Heidentempel, über welchen die Schrift auf dem PostHause spricht. Um I(M) mindestens gehen schon die ersten Vestigungen an und sie traten alsbald handgreiflich in Gebrauch, wie die Stadtmauer des Erzbischofes Gebhard. Die ersten Großbauten liegen also in der besten romanischen Stilzeit, die meisten Reconstruttionen in der, für unsere Gegenden noch ganz guten, Renaissance unter Erzbischof Leonhard von Keutschach. Alt und malerisch sind die hiesigen Kirchbauten. Die Collegia!- und Stadtpfarrkirche St. Bartho lomäus, die Stadtpfarre-Filiale Höllein, die Seminarkirche zum heiligeu Blut; ursprünglich den Dominikanern zu getheilt Zwischen 1217 —124k, und später den Cisterzienserinnen, alsdann die Kirche der Deutschordensritter in der Et. Veitervurstadt; sie möchte wol vor 12^0 zurückgehen. Sehenswert sind die neununddreißig eisenblechernen neben dem Hauptaltare hangenden Wappenschilde von den Oroens-Comthuren, sowie zwei Türkenfahnen. Jünger ist die Dominikanerkirche, nach 1251 in der diesen Mönchen beliebten auffälligen Haltung errichtet: dreischiffiges Langhaus, das Mittelschiff erhöht, Chor einschiffig, Flachdecke; gleichwol gilt dieses als erstes Stift des 56" 222 harnten. genannten Ordens in Oestreich, dessen Vorstandreihe Vedarich von Hohenstein eröffnet s1217). Der vielgenannte Mitgründer der Realistenschule, Thomas uon Aquino, brachte mehre Wochen in der, durch den Adel vielgesnchten Anstalt zu, und die Kanzel, auf der er predigte, hält noch die Inschrift 14iL swtit ^Iioina« ad ^uwo. Des Stifters Heinrich von Silbcrberg Grabstelle ist verschollen, gut erhalten das Todtenmal des Valthasar Thanhauser (1516) in der Nebcnkapclle. Was die Großsilberstücke von Ioachimsthal als Thaler schlechthill an Weltbckanntheit vorstellten, das leistete weit durch Süddeutschland und Oberitalien hin seit den Jahren um 1 NW der Friesacher Denar. Nicht nur durch Kärnten, Steiermark, Krain cursierte er als guthältige allbekannte Silbermünze, auch in Ungarn, Friaul, Ober^ venetien sind die ^i'i8ä,oodi, ^ri83.o6N863, I^rc!x^1iLii868 in allen Häudell gewesen, obwol inan nach Jahrhunderten nicht mehr gewußt hat, wem diese sonderbaren dünneu Rundblättchen mit ihren Räthselzeichen zuzuschreiben, den Longobarden, den Patriarchen von Grado oder den Bischöfen von Treviso? Schön und zierlich sind sie wahrhaftig nicht, aber fie wechseln das Gepräge chamäleonartig, vielleicht zumeist unter Erzbischof Eberhard II. (1200 — 1246) und es hält schwer, ihrer eine vollständige Serie zusammenzubringen. Oft entbrannte hierorts der Streit der Gegellbischöfe, der Kastellane und immer mußte die Bürgerschaft das Bad ausgießen helfeil. Das Ende vom Liede waren immer wieder neue Befestiguugen au den wuudgelegten Stellen. Kaiser Konrad III. verhielt sich hier auf der Rückkehr vom Orient, 1149, dann der flüchtige König Richard, voll Friedrich dem Pettauer überfallen, im December 1192, Erzbischof Eberhard I. berief hierher eine Kirchenversamnülmg. Im Jahre 1224 vereinigte Leupold voll Oestreich an dieser Stelle außerhalb der Mauern um den Landesherzog Bernhard und den Markgrafen Heinrich von Histerreich eine glänzende Ritterschaft aus zehn Nachbargauen, sechshundert Edle, zehn geistliche Fürstell, siebzehn Hochedle, wie wir im „Vrouwen dienest" lesen: Ein tac wart sä hin ze frisach gen lachet nach der fürsten clage, reht an sand philippen tage, so der maye alrerst in gat und daz der walt geloubet stat und ouch diu heid hat an geleit ir wunneclichez sumercleit. Ze frisach ist ein ritterschaft gewesen mit vil grözer kraft u. f. f. Das Gegenspiel der freudigen Mai-Kämpfe brachte fast jedwedes Jahrhundert. Die Türken, die Niemand rief, durchzogen oder bedrohten neunzehnmal seit 1896 das Land; die Ungarn, durch des unerwünschten Erzbischofes Bernhard Nohrers Niedertracht und bloß um des Besitzgewinustes in^s Land gerufcu, hauseten auf den Stadtvesten und weit ill die salzburgischen Thäler hinein mit herrischer Habsucht und allen Schrecken eines Guerillakrieges. Schließlich mußten sie noch mit baarcm Gelde aus den Silbergauen hinausgebeten werden. Nach den Jahren der Verwüstung folgten wieder jene der geistigen Aufrüttelung und der baulichen Neubildungen, namentlich unter dem aus dem hcimifchen Stamme der Keutschacher hervorgegangencn Grzbischofe Leonhard (1495 — 1519). Seine Hand ist an den alten romanischen Wehrmauern wie all den religiösen Gebäuden im renaissanten Zierwerk nicht zu verkennen. Das Thal der Olsa heißt in die nurdwärtigen Engen hinauf die Einöd; unter den mächtigen Trümmern von Dürnstem bezeichnet ein weißer Block die Grenze gegen Steiermark. Nach den Gefechten bei Dürnstein forcierten die Franzosen im Jahre 1797 den Einbruch ill Obersteier bei Einöd, Neumarkt, Iudenburg und hielten zufolge des Göß-Leobener Vorfriedens Graz durch neunzehn Tage besetzt; da war's, daß ihnen in der Osternacht Vergfeuer und Morgensalven um Fricsach einen ungeahnten Landsturm anzusagen schienen. Aber sie hielten Ordnung; man weiß auch, daß sie den Klagenfurtern Satisfaction gegeben, nachdem diese den Tambour ergriffen hatten, der trommelwirbelnd auf den silberreichen Hauptaltar der Aegidikirche losmarschiert war. Außerhalb Olsa und Hartmannsdorf liegt ein für die handelseifrige Eastellanstadt wol selbstverständliches Iudendorf; unter den hiesigen Grabsteinen des vierzehnten bis fünfzehnten Jahrhunderts galt einer dem hundertjährigen Oberalten und Rabbiner Johannes Trutt. Friesach. Von Richarö Aüttner. Das Metnitzthal. 223 5t. 5aloator, In^s Kaiserreich und Königreich vorriickend — so heißen die grenzbildenden Berghöhen oberhalb St. Stephan — erreichen wir die Waldgesenke um St. Salvator, das rauchende Eisenwerk. Von fernher glänzten die Stein-schrüude und die Zinnen von Grades. (5s sind das die öfter erneuerten fcnstcrarmcn Gewände der alten Burg, welche noch den alten Namen seit den sechs Jahrhunderten ihres Bestehens nicht verwischt hat; er klingt wie jener von Pregrad, Pograd, Gradcncck und Osterwitz slavisch, wiewul die Rudel und Pilgrime (1286 — 1361) von daher gute deutsche Leute waren. Eine Art Erdwall greift vom Steintastell hinunter gegen Brücke und Markt, das schäumende Gewässer aber bricht sich siegreich durch Erd- und Geröllborden sein Rinnsal. Auf eine versuchsweise Kultur des Maulbeerbaumes und der Seideuzucht vor hundert Jahren soll es hier noch Hinweise geben; Bischof Ioh. Graf Thun war cm Freund heimischer Seidenarbeit nnd man zeigt hier noch Tapeten aus der von ihm erhaltenen Werkstätte. Der ältere Ort Metnitz breitet seine das Hundert kaum erreichende Häuserzal unter malerischer Vergrundung aus, die Wacht hält das zerklüftete Ritterschloß mit gar strenger düsterer Miene. Der Handel mit Nutzholz, Kohle und dem durchstreifenden Salz war der Märktler Haupterlverb, seitdem die fränkische Kultur in diese Oednisse des zeltschacher Komitatcs eingedrnngen. Eine anderweitige Pulsader gab's hier wol nicht auszuschließen. Mit dem Anhalten und Aussäckclu der herein versprengten Kauffahrer thaten die Ortsbürger, zumal als ihnen die bisthümliche Aurghut auf der Bergveste übertragen war, so ziemlich das Gleiche wie manches hochgefreite Nittergeschlecht. Nur einmal sind sie gar zu sehr an den Unrechten gekommen, als sie der Kaiserin Elisabeth goldenen und silbernen Schmuck dem durchreisenden Kaufherren abjagten. Damals schickte ihnen ob der beleidigten Herrin Kaiser Albrecht durch Herzog Rudolph und den Bischof Heinrich Hl. von Helfenberg die Schaarm des Landschreibers Albert und Otto Liechtensteiner zur Strafe vor die Mauern; man bewarf mit Stcinkugeln den Hauptthurm und brach ihn vollends, da die funkelnden Ketten und Gehänge und Ringe nicht ausgefolgt wurden. Vergebens gieng ein flehender Sendling nach der gräzer Burg; endlich verstand sich der bischöfliche Herr, in Güte den Schaden zu ersetzen und die Breschen auszufüllen. Andre schreiben die Schuld den Edelhcrren selbst zu und nennen die Herzogin die Beschädigte. Auf dem Kalvarienberge steht noch ein alter Karner, im Achteck geformt, architektonisch ohne besondere Formen, jedoch umzogen von ursprünglich achtundzwanzig figuralischen Bildern, welche den Todtentanz darstellen. Die Zeit möchte um 1470 sein; die beigegebcnen Verse sind nur mehr Stückwerk. Aus dem dichtverschlossenen Höhengebiete, wo der Felfernigbach, der Schar- und Schachmarbach grenzbildend sind, führt uns nicht Lokomotive, nicht Stcllwagen wieder ill die bewegte Welt hinaus; wir ersteigen daher den Mödringberg und kehren durch den Feistritzgraben über den Zienizeu nach Friesach zurück. Crixencr öchlössor. !)ölkern:arkt und Eingebung. Es ist ein farbenreizendes Mittelbild, das uns jetzt entfaltet wird, nicht ein eigenes Thal zu nennen, dessen Herz belebt ist von der Hauptader des blinkenden Flusses, und auch nicht Ebene, Marsch uder quellenfernes Felsenbereich. Von Schmieddorf unter dein Iohannserberg herab beugen wir in das Trixener-Thälchen ein. Anf Felsstaffeln blicken die drei Schlüsser her, Ober-, Mitter- und Untertrixen genannt, das eine mit einem Thurmwerk eingeklemmt zwischen Steinhügeln, das andere überhöht von den Diexberghubcn und der Xaverikapelle zum alten, einst seeverschwemmten Salfelde. Das Neuschloß birgt sich in Alleen, das dritte ist am meisten zerfallen. Aber es fehlt auch nicht an andren Nittersitzen; am stärksten geht Einem ja die fortdauernde Verwüstung Waisenbergs zu Herzen. Die Thor- und Fensterbogen, Gesimse und Säulen im Gerölle des kaum betretbaren Burghofs crzälen uns die Geschichte der Verwaisung uom Anfang bis zum Ende. Das Volk dieser wiesenreichen Gegend kennt die Sage: Die Tochter erblindeter Aeltern, die einzige Nährerin eines hilflosen Brüderchens habe, als sie nach einein Traumgesicht an bezeichneter Stelle mittelst des Hollerzweiges einen Geldschatz gefunden, das Wappen- und erkergezierte Schloß auf freier Höhe erbaut. Das bestätige auch der Thorstcin mit Bild und Wort: Von Waisen hat sein Nam dies Schloß. O Gott, von Wunderthatm groß, Wie du der Waisen Vater bist. So blühet dies Haus zu jeder Frist, Die Silberberg, die Spangstein, deren Wappen noch über dem Thorbogen zu sehen, die Welzer, Christallnigg folgten sich im Besitze. Die umliegende Gegend, im elften Jahrhunderte zum ^muit,:Ui,8 ti-aIi8N6 gerechnet, gehörte theils zu Gurk, theils den Görzern und Heunburgern. Nach dem Bächlein bei St. Georgen am Weinberge können wir gegelt die Ruhestatt ausbrechen, einer dem Fuhrmann beschwerlichen Straßenstelle, wo des Winters nicht selten kräftige Ochseiworspann genominen werden mnß. völkermarkt und Umgebung. 225 Vas schwm^o 5chlos;. Es ist eben die Hauptchaussee von Klagenfurt nach Völkermarkt, welche letztere der unten in der Thalfläche lustig dahindampfcnde Vahnzug in gar weiter Ausweichung vermeidet. Aber welch' ein wundersames Belvedere vvn diesen Straßenlinien aus! Das Strombogen-Gcleucht, die herrlichen Feldungcn, die Waldinscln daznnschen, blitzende Kirch-thurmspitzcn, die weißlichen Durfflecken und hinter allein lebensvollen Gebilde der scharfe Rahmen der Waldberge und die zu unendlicher Sicht gen West und Ost verlaufenden Karawnnken-Schlußwände! Wollen wir in der Richtung gegen die sonnige Hauptstadt-Ebene uns hinwenden? Drüben winkt uns das helle freundliche Tainach, das alte Turdine, der ältesten Pfarren eine, früher Sitz des Grzpriesters von Unterkärnten, um 1250 des kirchenrechtsgelehrten Propstes Ulrich von Karlsberg, auch eines Ritters Chuonrat Tynacher, den der Sänger von Liechtenstein gekannt hat; bei Gut Pakein das kleine Lind, dessen Banernsohn, Fr. X. Luschin, erst musenflüchtig, dann mit Knechtarbeit curiert, Grzbischof von Görz geworden; dort Thon, wo einst die Römerstraße ins Zolfeld vorbeigezogen, weiter oben Poggersdorf, dessen neueste Wunderthatstelle wir Mitlcbendc noch als simplen langweiligen Wald gekannt haben. Wieder gegen die Ruhestatt zurück, haben wir unter der Großwirtschaft des Kreuzerhofcs, wo bei Peitschcngeknall ein Becher Weins immer vom Guten ist, das Schloß Höhcnbcrgen, welches durch die „auf spanisch" versuchten Umbauten des Fürsten Franz von Rosenberg, des madrider Gesandten bei König Karl III. das Auge beschäftiget. Jenseits der großen Drauwindung mit Inselaugcn starrt auf übcrgrüntem Gefels das mauermächtige „schwarze Schloß", trotz seiner fünfhundert Jahre bewohnt, und zwar comfurtabel bewohnt, die Zimmer und Altane und Gärten, wie man leicht errät, kostbare Gdelsteinfassungen um eine unvergleichliche Fernsicht. Die rauchige Schwärze, welche deu Restauratoren alter Adelspaläste in den Hauptgassen der Großstädte so vielfach mißlungen, hüllt den als Vcstc und Wirtschaftsitz der Auffenstciner errichteten Ufer-Iierbau in eine Art edlen Rostes, der ihm an Wertschätzung nichts nahm, als in den dreißiger Jahren das hohe Dräu-Gut als Preis einer öffentlichen Verloosung gesetzt wurde. Aber, als wär's die Wiener-Gemeinde, dem alten Besitzer selber gab Fortuna das Beste in die freudig bewegte Hand zurück. Die abgelegene, von recht zahmen Hügelhöhcn fast umschlossene, mit einigen Neubauteu beginnende Stadt Völkcrmarkt hat ihre Häuser, etwa zweihundert an der Zal, ziemlich regellos hingcwürfelt. Gegenüber den beiden niedliche:: Vorstädten hat sich der Ausschnitt des Hauptplatzcs mit den Brunnen fast ins Uebcrgroße gehalten, das läßt an gemeinen Tagen des Jahres schier das Gefühl von Leere aufkommen, nicht viel besser oben in der reinen, netten Glanstadt. Anders aber des Wochcnmarkttags, oder zum Ruperti- und Nitolaimarkt, wo hierein rühriges 5?' 226 harnten. Leben pulsirt. - Dir steinerne Lichtsäule der Schuster und Lederer vom Jahre 1477 hat man für altslavisch erklären wollen, — ohne Noth. Die Erfindungslust wird sich am besten bewähren können, wann es gilt, dem Stadtwesen neue Einnahmsquellen zu erschließen, nachdem es durch die Eröffnung der Loiblstraße den Kankerpaßhandel eingebüßt, durch die hüttenberg-klagenfurter Bahn den Flossen- und Plattlvertricb, nachdem es eine Stunde abseits von der Südbahntuur geblieben und durch die lavantthaler Schienenstraße nun auch dieses Gebietes verlustig geht. Worum die Stadt schon gegenwärtig zu beneiden, das ist der eine prächtige Aussicht bietende kleine Park „die Bürgerlust" an den vorgeschobensten Höhen über dem Drau-Rinnsal. Wir stehen da auf günstigster Warte am Nande jener obstschwellenden Gegend Kärntens, welche an süßem Reichtumc wetteifert mit dem Ober-Drauthalc, den: Rosen- und Glanthale, dem Bleiburger-Voden und dem Unterlavantthale. Wir stehen auf günstigster Warte, sagten wir, gegenüber jenem Hochgebirgs-Grenzzug zwischen Grintouz und Petzen, Kulmen von 2108 bis 2553 Meter, welche ganz neuestens als Sulzbachcr- oder Eannthalcr-Alpen touristisch aufgeschlossen worden sind, und deren Fuß von hier aus in vier bis acht Stunden zu erreichen ist. Von den Baumälern der Stadt geht die Rupertikirche mit dem Portal-Bogenfelde, wenn auch nicht in die Zeit von 7lM, doch möglicherweise ins 12. Jahrhundert zurück. Die Magdalcnen- oder Stadtpfarrtirche verhehlt trotz allem Wechsel des Geschmackes nicht die frühen romanischen Muster. Stadt und Gebiet gehörten abwechselnd zum landesfürstlichen Besitze und nach Stift St. Paul im Lavantthale; die Ritter der benachbarten Heunburg streckten aber ihre Hände nicht blos nach diesem Orte, sondern sogar nach dem Landesherzogthum selber aus, bis alle Intriguen, Rüstungen und Heerzüge mit der Schlacht am nahen Wallersberge endigten. Das Jahr 1397 ist durch die Belagerung seitens der Steierer und Ealzburger, durch Brand und den Einsturz des Thurthurms gekennzeichnet. Seit 1479 Sitz mehrerer Landtage in den Zeiten der Vaumkircher-Aufstände, der Türken- und Ungarneinfälle, bewarb sich die Stadt mit den übrigen Vororten um die Religionsfreiheit seit 157'') dringlicher und fügte sich der Reaction wie die übrige»:. Vor dem Lustschlosse Thallenstein, einst des Poeten Al. Vlmnauer Aufenthalt, und seinen Gärten und Ananasbeeten vorbei wandern wir in das stille Dorf Heunburg. Auf mäßigem Hügel nebenan erheben sich die Frontwände von Alt-Heunburg. Aber die massiven grauen Trümmer der alten Hunnenburg lagern, ganz anders verwittert als dieses ziemlich späte Thal- und Pflegerhaus, oben in den dunklen Waldhorsten des Kaiser- und Zauberkogels, wo die Hohlwege den Wandelitzen näher leiteten in das trixencr Burgenthal. Das ist der Hanptansitz jenes mächtigen in Steier und in Kram reich begüterten Edelhauses, welches schon vor dem Jahr 1190 im truchscner Eomitate gebot und nach den fürstenmäßigcn Grafen das vorderste Gefchlecht in Kärnten war. Ihre Unterthancnschaft war vorwiegend slavisch, ihre Herrenburg ist nach den Riesen (IIedi-6) benannt wie der Riescnblock der Obir. Aber wir wollen in der Veste keine alte Slaven- oder Avarenburg sehen, wie denn noch Niemand eine slovenische Urkunde diesen Herren vorgewiesen. Wol aber hielten sie in Papstgewalt-Streiten scharf die Partei des deutschen Kaisers. Graf Ulrich IV. erreichte die Hand der Landesherzogswittwe Agnes, einer Markgräftn von Baden, und versuchte deren große Ländereien-Ansprüche geltend zu machen; jedoch selbst der neue Kaiser Rudolph, für den er in der Marchfeldschlacht mit zweihundert Edlen gekämpft, vermochte sie nicht zu erfüllen. Einen Landcsfürsten zu erbitten, war vormals sein Vater dem Kaiser Friedrich II. nachgesendet worden. Eben dieser vierte Ulrich schaltete in Steier 1292 als eine Art gewählten Regenten und hatte Theil an jener Revolte in Kärntcn, welche bis zu der Haftsetzung des Prinzen Ludwig fortschritt und errang noch die Uebergabe des benachbarten uneinnehmbar scheinenden Griffener-Schlosses. Jetzt aber, nach mannigfachen Verwüstungszügen, verlor er das Treffen bei Weisseneck, verlor darin seinen ihm treuen Schärfenberger, alle seine Güter obendrein, die tiefgelränkte Gemalin, um dann erst wieder mit Aufopferung der hohen Ansprüche seine Besitze zurückzuerhalten. Diese Wendung ertrug er bis 1308. Seme Töchter, vermalt den Pfannberg, Sonneck, brachten weite Ländereien an ihre Herrschaft, indem die Theilung des Großgutes erfolgte nach dem Erlöschen des Stammes mit Friedrich und Hermann. Noch übernahmen die sieghaften Auffen- Völkermarkt, von Richard püttner. Völkermarkt und Umgebung. 22? sieiner, weil sie die Revolte bezwungen, einen schönen Theil von den Gütern der Riesenritter; aber dein Landcs-herzug verblieb der lavantthaler Gnu und die Grafschaft Heunburg selbst. Das alles haben jene, die in den Gefelsen bei Trixen, Heunburg, Griffen wohnen, klar vorausgesehen, die geisterhaften ernsten Schicksalsfrauen. Auch zu Stein im Iaunthale lebt und webt ihre Herrschaft. Griventhal oder Oberndorf hieß zuvor die Propstei der Prämonstratenser, als die einzige derartige in Inneröstreich, gestiftet durch den Bambcrger Bischof Egbert 1236 und eingerichtet durch die fränkischen Mönche aus Vessera. Als Pfeiler-Basilika mit drei Schiffen und renaissantem Westgiebel ist der hiesige Kirchbau nicht ohne Wichtigkeit. Im grünen, doch einsamen Thalrund liegen die hellen Häuser und Gehöfte des Marktes reihenweise hingestellt unter dein breiten, bleigrauen und düster überhangenden, 615 Meter hohen Felsblock, dessen Mauern und Thürme durch die Höhe verkleinert herabwinken. Griffen ist die Heimat des geschätzten Porträtmalers Johann Possod, ^uine Griffen. welcher, gefördert durch Ed. Ritter von Moro, zu Laibach 1830 starb. Etliche seiner Bilder finden sich in den Sammlungen Moro und Herbert. Von Ehrneck und Rüden mit dem dunklen Berghmtergrunde führt uns die Straße, dem Bache benachbart, wieder hinaus an die zur weiland Poststation Eis leitende Hauptchaussee. Da rauchen am linken Drauufer, das hier nicht unmerklich gebüscht, die schlanken Schlote und Essen des ersten in Oestreich errichteten Blechwalzwerkes Lipftitzbach, nach der Reihe mit den wichtigsten Eonstruktionen ausgerüstet, worunter nächst dem Holzgasofen die neuesten Siemens-Schweißöfen mit besonderer Nichtigkeit zu nennen. Die Eiscnraffinier-Hütte, eingerichtet 1794, mit Turbinen und Dampfmaschinen arbeitend, genießt eines ganz vorzüglichen Rufes. Vor hundert und einigen Jahren stand nächst der Lippitzhubc, nächst der Tratten und dem unterwässerten Sandboden eine einsame Mautmühle und Brettersäge; der griffener Pfleger Eronthal stellte zunächst einen Wallashammer mit etlichen Zain- und Nagelhämmern auf. Graf Th. Egger, die kleinen Werke mit großem Fonds von Kenntniß, Baargeld und Waldung übernehmend, begann zuerst mit den Engländern Toms Lightowler und W. E. Sheffield den convertirten Gußstahl herzustellen und schloß jenseits der Dräu die nötigen Kohlenflöze auf. Durch solche Thätigkeit waren die 228 harnten. Freiherren Egger im Jahr 1785 Grafen geworden. Bis vor dreißig Jahren mit nur drei kärntischen Eiscn-walzwerken concurrirend, hat Lippitzbach iin letzten Jahrzehnt verdoppelte Kräfte aufgewendet und seiner Ehre vollauf Genüge gethan. Wir meiden nun nicht ferner die Draulinie nnd streben zur letzten Wanderung den südlichen Gemarkungen dieses kleinen Echweizerlandes zu. Das Iaunthal sammt Rebenthälern. Von den Straßenerhebungen zwischen Klagenfnrt und Völkcrmarkt, von dem hoch hinauf befeldcrten Diexbergc und den freistehenden Höhen des Magdalens- und Ulrichsberges, ja von den fernen Görlitzen und Dobratsch aus warfen wir schon entdeckende Blicke in eines der untersten Gebiete des Landes, eines der östlichsten und südlichsten, wo die Dran, aus den Klausen des Rosenthalcs hervorbrechend, in zwei weitausgreifenden Hauptbogcn breit und wasserreich und feierlich am meisten gen Mittnacht vortritt, — das ist bei Völkermarkt-Unarch und hinter Eis, — um alsdann mit einer entschiedenen Gegenbiegung nach Lavamünd und Untcrdrauburg das Kronland Zwischen dicht heranrückenden Verghängen zn verlassen. So ist denn das Iaunthal allerdings in gewissen Sinne wieder ein Drauthal. Indeß dieses Wellenmcrkmal gilt uns nur als ein glänzender Saum, das Musterbild steckt in der üppigen Ebene, den eingestreuten Waldpartieen, den drei bis vier Seespiegelchen und auch in den Bächen Vellach, Feistritz nnd Miß, welche alle vom Südgemark herauf plätschernd das Flachland durchziehen. Nun freilich, wo ihr Tropfcnspiel zuerst erklingt, da ist aller Flachboden ein Traum, da drängt sich Hochwald an nacktes Kuppengefels und bildet ein stets gesteigertes dunkelgraues Schluchtgestufe, bis endlich die ausgezackte, kaum von Krummholz bewachsene Grenzmauer gegen Kram und Südsteiermark aufragt; das ist die Verglinie vom Iavornik und Storsic herwärts mit Grintouz, Ushova und Trauneck bis zum Nrsulaberg, als imposante Vorlage die wuchtige 2108 Meter hohe Petzen vorgeschoben. Nun wir einmal von der Seilfähre her des Wegs gekommen, zwischen den nicht allzuhohen Merkzeichen des Libitschberges und des Zimperzgupf herein, so schreiten wir anf Stadt Bleiburg zu. Die zweihundert Häuser überragt auf stattlichem Hügel das breitfrontige Schloß der Grafen Thurn-Valcsassina; die Südbahnstation aber liegt weiter draußen gegen Unterloibach. Von den bleihaltigen Zügen der Petzen, namentlich bei Schwarzenbach, ist hier wie beim oberländischen Vleiberg der Namen gekommen; aber ungleich erfreulicher lagert der Schatz eben im Obcrlande. Die lebhafteste Entwicklung der ganzen Umgebung leitet sich auf den Grafen Georg Thurn-Valesassina zurück, welcher als Landwirth und Gewerk die energischeste Thätigkeit an den Tag gelegt. Er trat am entschiedensten für das Gelingen des Bahnprojektcs mit den Thalstationen Grafenstein, Kühnsdorf, Vleiburg, Prevali, Unterdrauburg ein; die Zugeiscn-, die Nagel' nnd Drahtcrzeugung in den südlichen Vergschluchtm wurde durch ihn neubelebt, es erstand die eigenartige, neuerer Zeit wieder aufgegebene Förderung der Bleierze aus den Berghohen, vermöge welcher sie zur harten Winterszeit durch den anderthalb Stunden langeil Graben in Schweinshäuten zu den Hütten abgeschüttelt wurden. Und endlich, wenn am Egidi- und Leonhardimarkte, auch wol zu Dreikönig nnd Mittfasten von fernher die Käufer und Besteller der rauh- nnd feinwolligen Schafe der Stadt Zufahren — ^nno 48 thaten das die klagcnfurter Gardisten sogar in Uniform —, da erinnert man sich an des Grafen Einführung der spanischen Schafzucht. Schon vor fünfzig Jahren weideten mehrere tansend echte Merinoschafe auf dem Nisch, einem wolbegrasten AbHange der Petzen gegen Lamberg, Mies und St. Helena hinaus. Neuestcns ist Bleiburg als Ausgangspunkt für die Sulzbacheralpen-Touren wichtig geworden, gleich Prevali und Kappet. Das Iaunthal sammt Nebenthälern. 22Y In der Richtung Eberndorf-St.-Kanzian, während das Prachtbild der ticfeingeschluchteten llnd in graugrünen Tinten sich abtönenden Südmarken immer wechselvoller aufgerollt wird, geraten wir nächst dein Kulmberg und der Waldlichtung Dobrowa auf das alterthümliche Terrain von Iaunstein nnd Globasnitz, dessen Vachlinie hinangeht in den amphitheatralischen Einschluß der Topiza-Alm; an ihre fast hufeneiseuförmige Bildung schließt sich i»n West der Oistra-Verch an, iin Ost der mehr zurücktretende Petzeukogel. Hier im nördlich offnen, sonst von Niederwaldung umstellten und von munteren Bächen berieselten Thale stand jenes niedliche Nömerstädtchen Iuenna, lvelches auf den alten Reisekarten zu finden ist, auf welches man auch schließt aus vielerlei vorgefundenen Steinreliefs, Steinschriften, Vleiburg. Statuen, Münzen, Bronce- und Thongeräten, Farbwand- und Vaustücken, wie es scheint meist des zweiton bis vierten Jahrhunderts. Pflasterspuren außerhalb Globasnitz verrieten den Straßenzug ins Zolfeld, solche durch die Felder von Loipach gegen das Mißthal die Richtung nach der untersteierischen Celeia. Etwa vierhundert Schritte hinter der Iohannikirche, wo das Wegkreuz nach Sonneck-Eberndurf schaut, kennt der Landmann den straks aufsteigenden Breccienfels als den Ort Iuna und weiß die Göttin Juno ihr Standbild zu Eberndorf geborgen. Aber dortselbst angekommen, werden wir in der weißlich bestrichencn Frauengestalt des sechzehnten Jahrhunderts Marien nicht wol verkennen. Wo die Topiza-Gewässer (wie es scheint) zu wenig Abfluß gewinnen, hinter den Ausläufern des Georgibcrges vor St. Veit, endlich zwischen Klopain, St. Kanzian und Stein lagern sich allerliebste Seclein ein, welche zum Theile von moosigen Wiesen umrändert sind; unter den vier stillen Wässern, welche von einer Höhe gesehen, die Gegend blinkend beleben, ist das klopainer Becken das größte. Wir erreichen nordaufwärts vom schilf-bestandencn, dunkelgrünen Gösselsdorfcr-See, den man theilweise trocken gelegt, das alte Doberudorf, heute Eberndurf nächst dem Kulmberge. Die Stiftskirche von Gbcrndorf ist wie jene zu Griffen eine dreischiffige Pfeiler-Basilika, 5ö' 250 harnten. Klopainer 3ec. aber sie steht auch über einer solchen Gruftkirche. Wahrscheinlich erhob sich an der Stelle des heutigen Ehorherren-Stiftsgebäudes, eines kräftige»: Kasernenbaues, die Ritterburg auf dem Ehrungel, und als diese gefallen, zogen auf des Patriarchen Peregrin Wink im Herbste N'i4 die Augustiner-Chorherren ein. Dem einundvicrzigsten Probste S. Kübel folgten die Jesuiten im Jahr 169A, weil man sie nm jeden Preis mit Landbesitz und Einfluß gegenüber den alten Landcsstiftnngen, namentlich Gurk zum Trotze, ausstaffieren wollte. Die Geschichte dieses Hauptnoviziats der Loyola-Iünger, welches seit dem Neubaue uom Jahre 1754 fast den ganzen inneröstrcichischen Adel heranzog, welches in der Weltabgelegenheit hier seine Geister drillte — sie ist noch immer erst zu schreiben. Ein vortrefflicher Aussichtsstand ist auf den schmalen Vorsprunglinien des ans dem Waldrande tauchenden Georgibcrges gegeben und aus weiter Ferne zieht das unansehnliche weiße Kirchlein die Blicke auf sich. Hier lohnt von der Höhe (<»70 Meter, in einer Viertelstunde erreichbar) die köstlichste Umschau: Dobratsch, die Spitaler-Bcrge, Görlitzen, Wörthersee, Klagenfurt bis zu den obersteierer und lavantthaler Alpen, Schluß gen Unterdrauburg, herrliches Eüdbild der Kalkschroffen vom Nechberg, den Vellachthaler-Wändcn, Oistrizza, Rinka bis Petzen und Ursulaberg. Da schimmert der zwischen Wiesen gebettete, im Nordrand weißliesige klare See von Klopain. Die theilweis sumpfigen Südnfcr in Fichtengehänge einbuchtend, Sommers bis zn achtzehn Grad warm und mit drei Badhütten bestellt, bietet der Wasserspiegel mit den einsäumenden parkartigen Sandwegen, dem grünen Gehänge mit seinen Fuchsgeschleifen, dem grauweißlichcn Obir-Stocke im Hintergruudc, ein gar reizendes Nuhebild, wie es auch Pernharts Pinsel festgehalten hat. Schloß Wasserhosen, ein landwirtliches Hauptgut der St. Pauler, mit kräftigem Mühlwerk, gehörte vor Zeiten den sonneäer Ungnaden und kam 1l»l»I an die Jesuiten. Der Spitzthurm von Möchling taucht drüben anf, genübcr den kahlen Abstürzen des Skarbin. Dein Begründer Markgraf Alboin ist jener Grabschrein in der Seitenkapelle gewidmet, welcher, als ein Meisterstück gothischer Bildschnitzkunst unter Bischof Wiery 1868 wieder aufgefundeu, zur wiener Weltausstellung gebracht und den öffentlichen Sammlungen eingereiht worden ist. Durch die kunstgeübte Hand eines sanctpaulcr (Andre sagen aomonter) Mönches innerhalb zehn Jahren um 1450 gearbeitet, stellt der Neliquienschrein in durchbrochener Holzarbeit eine gothische Kirche vor, abschließend mit steilem kammgezierten Dache, kein Maßwerk oder irgend welches andre Motiv wiederholend, von bewnndernswcrtem Ebenmaße, ferne aller Ueberladnng und durchsichtig fein wie ei«: zartes Spinngewebe aufgebaut. Das vergessene alte „Vogelhaus" — Ferfouz, wie es die Leute nannten - restaurierte der krainische Bildhauer Joseph Schega. Von Galizien her und der Abtei, deren Hochkirchlein ein A. Dürer oder L. Kranach zugeschriebenes Bild birgt, vereinen sich die Wege zu den Sittersdorfer-Bergen; nach der einen Seite fort geht es zum großen Miklautzhof und gen Sittcrsdorf hinaus, nach dem Vellachbache, südlich in die Vergschlncht hinein, in die Eisenkappel. Draußen am Rande der Ebene wachen auf steilem Waldhügel die Ruinen von Sonncck, seit 144^ an Hans Ungnad-Weißenwolf übergeben. Gin Christoph Ungnad war es, welcher vor 1484 aus Spanien die Scidcnzucht Hieher eingeführt und Das Iaunthal sammt Nebenthälern. 23^ den Nebenbau. Noch breiten sich genug der alten Maulbcerbäume im Schloßhufe aus, daher rührt auch der Name Scidendorf, und daß wir auf kärntnerischem Weinboden stehen, das eben führen wir uns stark zu Gemüte. Genugsam ist das Land vor dreihundert Jahren noch mit Weingeländen besetzt gewesen. Jetzt besteht die ganze kärntnerische Weingartsläche in einhundertundvierzehn Jochen mit neunhundertundfünf Eimern Rebensaftes im Werte von 5177 Gulden. Der Sittcrsdorferwein, dein Grüuebcrger um eine Silenuskopflänge voraus, eiue Art Schilcher, etwa dem nunmehr auch historisch gewordenen grazer Schloßbcrger vergleichbar, theilweise in Vonteillen gelagert, im Ortsbereiche ausgeschänkt, übrigens auch bis auf zwanzig Bahnstationen verschickt, kaum in Tirol mehr bekannt, hat seine Vorgeschichte und wie immer, wo der Glaube das Stärkste leisten muß, seine Wundergeschichte. König Karl III. trank sich aus diesem Safte Heilung von seinem Gichtleiden, wornach er bei seinein Madeira, Leres, Aliwnte vergebens gestrebt; es hatte nämlich um 17<>0 der Gesandte Fürst Franz von Rosenberg seines Weines aus Sonneck nach Madrid kommen lassen und mit echtem Sittersdorfer ist bei der Verlobung der Prinzeß Louise mit dem Erzherzog Leopold toastirt worden. ^ Auf der kleinen Insel des Sittersdorfer-Eees wächst die vielblättrige Andromeda in der Torfflora. Gewaltige Schluchtbilder thun sich auf nach den Zeilen der in die Felsen geschlagenen nnd dem geröllreichen Strande des Vellachbachcs nahegebetteten Kunststraße, die nach Kappet führt. Eisenkappel heißt die Gegend wegen des uralten Eiscnhandels, der durch Seeland und den Kankerpaß seine Nichtnng nach Krain nahm. In prächtiger Wildheit sitzen sich da die Berge, man möchte sagen, auf dem Genick, ein Kofl hinter dem andern reckt sein Haupt und streckt den plattigcn Fuß vor, bis endlich weit drinnen noch mancherlei Wegwindungen in den Felsklammern nur mehr Wasserrinnen uud thorartiges Maucrgethürm Platz hält, rechts und links von fast herniederstürzenden Schroffen überragt. Da grollt das Gewässer, schäumend eingesperrt in dunkelnde Felstiefen und hoch oben nur waltet ein freundlicher Sonncnblick auf den abenteuerlichen Zinnen der Aergfronten. Schon vom hochgelegenen Rechberg weg, einem alten Burgsitze von sanctpauler Lehensleuten, oder von den Türkenschanzen und in der Zauchcn, von Wildenstein, am besten aber auch von Kappet Eisenkappel. 232 harnten. Vad vellach. weg führen die Steige auf die 21:N Meter hoho Obir. Das ist der mächtige Triaskalkblock in der Linie vom Mittagskogl her, dahinter fich der Jurakalk anreiht, einst reich an Bleierzen, denen hier Hunderte von Bergarbeitern nachgiengen. Am unteren Nerghnus und nächst der Hochalm entwirren sich schon reizende Linien, thätige und verlassene Köhlereien wechseln an den Aufstiegen von Schöffler- und Scealm und nach dem Steilwcg der Schneide breitet sich der entzückendste Lohn dar. Die Rundschau, die dankbarste eines weitesten Gebietes, gibt uns: Daniels-berg, Hochalmspitz, Dachstein, Hochschwab, Obersteierer-Berge, die ganze Karawankcnkctte mit köstlichem Einblicke, Triglav'Gruppe, Laibach, Klagcnfurt und das weite Drauthal. Die ObirMrabis Wulfens ist dem Botaniker wichtig. Eowol das südlich vorgclegme Ebriachthal mit dcnl Sauerbrunnen-Sprudel aus Granit und dem Scheidajoch-Weg zur Obir wie der weitere Verfolg des Hauptthales sind ein wahres Kaleidoskop eindruckmächtigster Gebirgswclt. Nächst der Breitgasse dez reinlichen, weißen Marktes Kappcl mit seiner Vorkirche und dem Treppenaufstieg, bei Komposch's Eisenhämmern und Bleischwemmcn steht Schloß Hagencck; weiter drinnen, zwischen häufigen Wald-und Bergcoulissen und nach dem Hallerfelsen mit dem großen Christophbilde nimmt uns, idyllischer Ruhe voll, Bad Vellach auf, in den Uebcrgangskalt bei 775 Meter Höhe eingesiedelt. Wir stehen gleichsam in einein Oberthal über den Engen hinter Eisenkappel; der niedliche Badort gruppiert sich um den Brunnenplatz mit vier gefaßten Quellen, deren Sauerwasser, seit 1«2I mehr bekannt, auch mit Glühstahlklumpen gewännt verabreicht wird. Gegen West erhebt sich die Felsenspitze des Storsitsch über Seelaud, jenseit S. Oswald der Iavornik, zu untcrst in der kärntischen Grenzschlncht der große Etorsitsch (2120 Meter), während diesseits im Osten vom Straßendurch-bruche die Hochhäupter des Grintouz (2553 Meter), Skuta- und Oistrizza-Vcrch (2:!45 Meter), und in der den Vlick auf die I^otschna von: Nfer der Vcllach aus. l)on 3< !villroidcr. 234 harnten. Unterdrauburg. nänilich Prevali. Kurz nur fesselt uns das Paar der knapp ancinanderstehenden Kirchen von Liescha und die alte gothische Glocke der einen - wir steigen in das Miß-Gerinne Himmler, dessen jenseitige Böschungen die Bahnlinie beschreitet. Hier aber breitet wie eine thurmreiche Stadt ein dichtes Häuserconglomerat sich aus, hohe Rauchleiter mit Funkenfängern sitzen den Dächern auf und rastlos funkelndes und zischeudcs Feuer kündigt, durch eine kraftvolle Nassermasse erweckt, von allen Seiten als werkthätig sich an. In dieser Gcbirgsmulde findeu sich an zwölfhundert Menschen zu rastloser Arbeit zusammen und die feinsinnigsten technischen Erfindungen der Neuzeit sind in das un-scheiubare Thälchen getragen. Mit Stauuen folgt der Blick den Leistungen der drei Eupolöfen, der elf Puddel-und neun Schweißöfen, es arbeiten drei Siemens Heizbecken und urmächtige Dampfhämmer, das Siemens'sche Rotativ neben dem ersten alpenländischen Eoakshochofen vom Jahre 1570. Was wir da schauen, ist in Schweden lind England viel genannt und hochgeschätzt. Ja, die hiesige Erfindung mit den Treppenrösten zur Veraschung des Kohlenkleins ist über Deutschland nach Britannien gegangen und als „englische Erfindung" zurückgekommen! Seit die Illyrierzcit von 1^09 ^ Bergwesen in Kärnten so vielseitig auferweckt hat, war die hierortige Einrichtung einer Zinkhütte durch Rosthorn im Jahre 1828 das Zeichen zu neuer Thätigkeit; die ungünstigen Zinkpreise leiteten auf die Schöpfung des ersten Puddlingswerkes im Jahre I^l0 hin und schon nach wenigen Jahren war eine der höchsten Stnfen dieses Faches in Oestreich erklommen. Bei Unterdrauburg, dem vom zerfallenden Felsschlosse überhöhten Markte, halten wir an. Hier am linken Drallufer zieht die Poststraße noch eine Stunde durch kärntisches Land, die Eisenbahn hat es eiliger, jenseits am rechten Strand verliert sich der polternde Zug schon in steierisches Gebiet. Hinter der Klamm hatten bereits die Römer ihre Heerstraße gebahnt nach ihrem Eolatio, in den Gaucu von Windischgraz-Gallcnhofen. Die Drauburg sollte den Türken abwehren und um I.^I verschlug man thunlichst die Grenzen. Auch in den Nakoczy-Unruhen, deren Fäden mittelst des bayerischen Kurfürsten bis zu den Franzosen reichten, bot die Vorsicht hier eine etwas ingrimmige Baucruschaft auf und der General Gschwind mußte sie in guter Eile bewaffnen und einüben. Aber der Feind ist gut draußen blieben. Sagen nur nunmehr der breit daher wallenden Dräu, deren Stolz sich gar bald Das kcwantthal, Z.^5 in schlnalen Hauchalt eintnappen wird, cin freundliche Valet bei Rifling, »vo wir vielleicht eines Weltlvanderers geleerten Säckel mit Schatzgeldern füllen können — man fand hier vor sechs Jahren ächte Silberlinge, leichte Blechnnmzen des Nl. Iahrhllnderts — oder aber bei Schloß Neuhaus, wo Baron May in seinen Weingärten heimischen Rebensaft pflegt, oder man sieht, wir kommen nicht zum Ade! Fällt uns ja anch der Gambrinus-Tcmpel zu Sorgendorf bei Blciburg noch in's Gemüte, der gräflich Thurn^sche Rieseukeller, nnd Steinhäubls nwdernste Römerquelle! Doch es muß sein, und so wälen wir dich zur Führerin, sanftwellige, hellgrüne savant, die du am Schlüsse deines Wallens dich in die Arme der größeren Drauschwester wirfst bei Lavamünd. 3a^ savantthal. Von lvannen das gesegnete Licht des Morgens aufsteigt und der ewig junge Stral des erneuten Tages über Fluren und Wälder, Städte uud Berghütten, Seen nnd Gletscherhörner geht, des blühenden Farbreizes sich immer wieder freuend — das ist dem Kärnterlande die in horizontweiter Spannung hinstreifende Aetherlinie der Koralpe. Der Wanderer, der aus dein Oberlande her an die Westbucht des Wörtherfees getreten, wie jener, der von Steicr-marks Hauptstadt längs der mittleren Mur heranpilgert, er hat den wolkennahen großwelligteu Gipfel im Auge. Nnd wahrlich ein größtes, ein schönstes Theil des kärntischen wie des steierischen Landes liegt in dem Sichtbanne dieser hocherschwuugenen Kuppe. Eingeschlossen gegen Auf- lind Untergang, richtet das Lavantthal sich durch seine Flußader fast zu gleicher Aus-funmmg wie das Gurkgebiet jenseit des mächtigen Zwischenblockes; nur eben daß die Lavant fast durchwegs südwärts steuert, sobald sie in den kärntischen Boden eingetreten von den grünenden Weitalm-Gehängen. (5in vollständiges Mcridianthal also, ausgedehnt wie kein zweites dieser Richtung im Kronlande, erreicht es fast den doppelten Umfang des Fürsteuthums Schaumburg-Lippe bei der genau gleichen Einwohncrzal. Die weitaus in den meisten Jahren ihr Rinnsal gutartig einhaltenden Gewässer, der üppige, leicht aufwühlbare Fruchtboden, das durch altschwabischcn nnd altfränkischen Fleiß seit Jahrhunderten feingezogene Obstwcsen mit seinem Mostgetränke im Gefolge haben die Bevölkernng, die im Gegentheile zu den jaun- und rosenthaler Beständen hier eine durchweg deutsche, steierisch geartete ist, etwas verwöhnt und minder erwecklich gestaltet. Der singerliche Ton der Sprache klingt allerdings nicht so rauh wie im hitzendurfer Gebiete nächst der Mur, auch iu Betreff der Tracht ist unzweifelhaft der breitfaltige Weiberrock und der sulmthaler großrundige Fälthut im Abkommen. Auf der Kegelstätte, beim Kirchtags- nnd Hochzcitstanz mit dem Kranzel-absingen, auch beim Hahnenschlag geht es oft hoch her; das Fensterln haben weder die hirschauer Mönche noch die oberfränkischen Bischofspfleger aufzuhalten vermocht, und was der „sanctpauler Pater" gleichlautend dem „silberecker" dem Burschen zu vernehmen gegeben, das befolgt er gar schwerlich. Auch beim Todtenmal, wenn der Verblichene anständig und nnter genügsamen Thränen unter's Gras gebracht ist nnd die gezalten schwarzen Messen vorüber, läßt der natürliche Menschenschmerz immerhin einen weidlichen Appetit und einen ehrlichen Durst zu; da seh'n sich die Dutzende von nächster Freundschaft und Vetterschaft und Nachbarn und Pathen mit vielen Gängen tractiert und wenn auch der halbe Nachlaß draufgeht, es muß doch ehrenhalber und um der Seclenruh willen ordentlich todtgeschmaust werden, nur das Singen und Strampfen ein bischen ausgenommen. Brechen wir denn oberhalb Lavamünd, nachdem wir etliche der Seethier-Versteinerungen beim Fröhlichbauer einzusacken nicht versäumt, auf dem Höhenzuge der Waldstraße oder mittelst der Eisenbahn durch den eugen Graben der Lavant in das freudenreich grünende alte Seebecken von Et. Paul ein. 236 harnten. St. Paul. 'Auf thalbeherrschendem Hügel, entsprechend der Regel Venedieti, alls der Ostseite der Virreckhof noch nicht geschlossen, nüt einem älteren Vorwerke von Aintshänsern, thront der aller Dnsterteit ferne nnd hellfreundliche Klosterban. Die Westfronte der Kirche ist flankiert von zwei Thürmen, zwischen ihnen Vorhalle lind Portal; die Kloster-Eckthürme schließen sich an die Zimmcrreihen an. Die Pfeilerbasilika mit Krcuzschiff und dreien halbrunden Apsiden kündigt dnrch die feierliche Erhöhung des Chores die llnterhalbige Krypta an. Manch em Bild-schmnck ziert die 53,39 Meter lange, 1« Meter breite helle Kirche. Ein wichtiges Denkmal ist die Fürstengruft. Hier rnhen die Gebeine folgender Habsbnrger: Anna, Gattin des Kaiser Rndolph I., deren Söhne Karl nnd Hartmann, Elsbeth, Gattin des Kaiser Albrecht, ihr Sohn Leopold der Glorreiche mit Heinrich nnd Elisabeth, alsdann Jutta, Elsbeth, Agnes, Katharina, endlich Leopold der Viderbe, bei Sempach gefallen, ihln znr Seite ein Stück seines Schlachtschwcrtes. Aus Nheinfelden nach St. Blasien im Schwarzwalde gebracht, wurden diese ehrwürdigen Neste im Jahre 180!) iu die neue östreichische Heimat der Mönche mitgenommen. Sehenswert sind die kirchlichen Gewänder, äußerst seltsame Kunststickereien ans dein Schlüsse des I I. bis Beginn des Ui. Jahrhunderts, durchaus freie Handarbeit, vermutlich aus dem Frauenmünster der Benedietinnen zu Zürich; prachtvolle Schatzstücke der spätgothische, schwer mit Emailwerk gezierte Kelch und die sinnreich aufgebaute Monstranze. Ebenso das Reliquienkrcuz, 8:! Zentimeter hoch, Holz mit Metallverkleidung, Edclsteinbesatz, Skarabäenzier nnd den Evangelisten-Symbolen, ein Geschenk der Kaiserin Alheit, also 10. Jahrhundert; endlich die Reliqnien-Tafel, Holz mit Silberzier und blauemaillirtem Rahmen. In den Stiftshallen sprechen als Zeugnisse langjährigen stillen Sammlerfleißes all die Eollectionen von Pflanzen, Gesteinen, Schnecken, Muscheln, ein großes Sortiment von Holzschnitzereien, eine kleine Bildergalerie, größere Stichsammlung, eine nicht unbeträchtliche Münzenreihc, allerlei Anticaglien; wichtig ist das Urkundenarchw mit den Handschriftbänden, geschriebenen Bibeln des l>., 8. und 10. Jahrhunderts, proveneialischc Trovers, und die Stiftsbibliothek mit Druckwerken der ersten Zeit, einer zweibändigen Gutenberg-Bibel, deren nur acht Stück in Europa, vortrefflichen Klassiker-Ausgaben u. a< Vor achthundert Jahren stand auf dem sanften Hügel, wie man noch bei den vorletzten Neubauten aus den schwer zu sprengenden Thurmresten nächst dem Schütttasten schließen konnte, ein Ritterschloß der Grafen von Lavant. Die Erbtuchter Nichardis, welche in des salzburger Kirchenfürsten Hartwig Gnaden lebte, reichte Hand und Erbgut Das ttwantthal. 23? dem aus Nheinfranken besitzlos nach Bayern und in's Alpenland hereingckolnmenen Spanheilncr Siegfried. - Aus der Pfarrkirche nebenan erhub sich ein frühester Paulusdom nach l()<)4 und der fronnne Sinn des Sohnes Engelbert, dessen Aeltern der blasse Tod in weiter Ferne erreicht hatte, errichtete an den Stätten lauteu Weltgetriebcs das Kloster der Venediktiuer l 091. Der Grafensohn selber nahni das Mönchskleid, aus Spanheim gab der Magdeburger Erzbischof zu kostbaren Schaustücken den Leichnam Nichardelis hierher, die Familie spendete mit vullen Händen und schon um das Jahr 1100 waltete der Abt eiues weiten Besitzkreiscs. Die neuesten Nestanrationen laufen von Abt (5. Steinringer 1852 ab, ihm verdankt hauptsächlich das Stiftsbild sein freundlich gewinnendes Ansehen. Der Kreidemerkel-Fels von 400 Meter Höhe hebt den Etiftsbau aus seiner Umrahmung von Obstbäumen, Weihern, näherem und fernerein Mittelgebirge, und aus einem Fruchtgefild, das bis an die 4000 Fuß Berghohe ilirchl,' in 5t. An!>re^. reicht. Herunterwärts vom Griffnerberg bedräuen Dich vom teck aufstrebenden Vasaltfels die Bollwerke von Kolnitz. Auf dunkelfichtiger Berghohe, hinter welcher der große Draubogen bei Schwabeck hereingezogen ist, ruhen die Neste von Rabenstein. Die lohnendste Aussichtsstelle, welche die Patres mit Vorliebe aufsuchen, ist 5er Kaspaurstein. (K3Ü Meter), botanisch durchforscht von dein als Ooethe^Kenner und Alterthumsfreund hochgeschätzten P. Nainer Graf, geboren Laibach >,^I1, gestorben 1^72 zu Bad Villach. In des Unterlavantthales Mitte- erscheint einer sanften Anhöhe nächst den vorzeitigen Ufern des Flusses aufgesetzt, die kleine Stadt Et. Andrea. Hauptsächlich in einer Häuserzeile hinerstreckt, gewinnt sie durch die Lorettokirche einen freundlichen Abschluß. Die geschwungene Baute oberitalienischen Stiles mit mächtigem Portale ist nnler dem lavanter Bischöfe Franz K. von Stadion l <)?:'> l 70 l anfgeführt worden und zeigt eine Hallenzier der Noeoeozeit. Wir setzen den Wanderstock ein und wander»: in der Nichtnng gen Siebendiug und St. Ulrich feldein, in Sicht die Korkuppe und den Speitkogl. Dahinauf wollen wir! Vor nns in der Sicht gegen das schloßgekrönte Wolfsberg taucht Hartueidstein, der wettergraue Thurm, aus dem Föhrendickicht; da lebten die Hartenberge wol eben nicht einzig von dem ^ilmnelsgeschenke der gepriesenen Fernschau, die nahen Etadtleute fürchteten die Hartlsteiner. Kräftiger Waldwuchs wechselt mit eingesprengten Leiten und nach wackerem Felsgekletter stehen nur beim Jäger in der (Coding. Da wird allgemach nach durchschrittenem ^liadel- 238 harnten. walde und dein überwundenen Gezinni vor der Kolllützer-Hütte dor Grasteppich über dein Urschiefer im Albitgneis etwas dünner und die Kahlstücke haben Posto gefaßt; noch eiu paar Stnnden, die nahen Grenzlinien sinken tiefer und tiefer, bis endlich der Thron errungen! Die Augenlust hier, an der Grenze zweier breiter Flußthäler, welchen gegen Sonnenaufgang nichts Ebenbürtiges mehr gegenübcrragt, bei einem Stande von ^1.54 Meter Höhe, kann wul geahnt werden. Dort starrt die krainifche Südwand, die ganze schimmernde Karawankenkette lwn den Sulzbachern aufwärts mit den Kerngestalten von Petzen, Obir, Selemtza, Triglav bis gegen Manhart; es folgen sich die Dämmerbildchen von Dobratsch und dem Schimmerspiegcl des Wörthersee's, ein Häuserspielzeug mit aufgesteckter Spitze blinkt Klagenfurt, wie eine glizernde Schlange der Draulauf, wie vor den tiefen Thoren prangen friedlich die Thäler von Griffen her bis St. Paul und St. Andrea: über dem wetteifernd erschwungenen Rücken des Saualmzuges tauchen all die Hochhäupter vom Ankogl her auf, bis Ko'nigsstnl und Weitalm, uud so - schauen wir ins neue Land hinüber, in's steierische Gebiet mit seinem Hochschwab und Hochlantsch, Schocket und Wechsel, dem nahe vorgestellten Nofenkogl, da flimmert das grazer Feld mit seinem dolomitischen Schloßbergblock und den weißen Hänscr-streifen, das lange Murthal, im alleräußersten Lufthintergrunde die Ebenen des Ungarlandes, die Zinken von Eroatien. Pflücken wir hier das unscheinbare, aber höchst woldnftigc Pflänzchen des Speit; vom gelben und weißen sind manche Kuppen der vor uns aufgerollten Gaubilder benannt bis hinauf zu Stieleck uud den kaninger Köpfen. Ehemals ging das vielgesuchte Gewürz Spikanard in die Adriastädte und in den Orient, aber seit anderweitigem Ent-scche theilen sich nun die weihraucheifrigen Bürger und Bauern darin mit dein Apotheker. Drüben auf der grazer Seite, nicht allzuweit vom Kor, dem Felsrund um ein blinkendes Wasserauge, von wannen die grollenden Nebel und eilenden Wolkell aufsteigen und die Sulm-Wellchen hinabtänzeln, ragen Stnrzwände ill ein graues Hohlthal. Nicht nach dem steierischen Schwanberg, auch nicht in's Bärenthal werden wir absteigen, welches gleich der Brandhöhe und der Kuhalm seine Gewässer in den Prössinggraben hinaussendet, um sie noch unterhalb St. Gertraud mit der Lavant zu vereinen, nein, nach einer Einkehr im höchst wirtlichen, breiten, hinter woligem Schutzhügel belegenen Touristenhause, seit ein paar Jahren eröffnet, weudeu wir uns über die Almleiten zur einsamen Hipflhülte, erreichen das Waldgehcimniß der Siebenbrunnen und steigen beim „Jäger am Eck" in die städtischen Umgebungen hinunter. Wir stehen vor den Pforten des Oberlavantthales, welches zwischen St. Gertraud und Zellach mit einem langen düsteren Schlucht-Prologe anhebt; das liebliche obst- uud ährenreiche Flachgebiet, dessen Höhenbegrenzung fast zu sagen mit dem Saume der weitläufigen Almen zusammenfällt, ist nur südwärts gebreitet. Innerhalb eines anmutigsten Kranzes von Gehöften, Dorfschaften, Schlössern und Waldhügeln heißt uns Wolfsberg willkommen. Das ist ja die Stätte, von welcher eine ganze Windrose erinnerungsreicher Wege ausläuft: zu den Marmortempeln des Gumitsch ? ruinenliafte Winkel werk in den Seitengassen fast gänzlich verbannt! An die Abhänge des Schloßberges sich lehnend, stellt das Stadtbild U?olfsburg. von Richard f)üttner. Das tavantthal. Z5H nur ebeli seine Gärten hinan und da findet sich ab und zu verstecktes und vermorschtes Wallmauerwerk, altes Ge-thürn«; aber der frei durchziehende Fluß verlangt offnes Gebiet und so ist die Unterstadt breiter ausgestaltet, auch wol jüngeren, wenngleich minder architektonischen Ansehens. Ten geschlosseneu länglichten, auch ansteigenden Platz beherrschen Häuser mit etwas Rocom-Anstrich, da nnd dort ein Bogen, der zu Kirche und Fluß hinausleitet; eine Brücke, ein niedliches Wasserglaeis dazu, drüben die Gärten von Baierhofen, alles insgesammt in der Hut des just über der Stadt mit kräftigen neuen Thürmen nnd Ziunen aufgebauteu Schlosses , das ist der Umriß der dritt-wichtigsten Stadt Kärnten^. Ein Prater mit schönen Wiesen und Bäumen — leitet der „Priel" von den Kapuziuer-gärten und Schießstätte und Badehütten in die Stadt ein. Wir passieren die Linie des Theaters, einer aufgelassenen Kirche, nnd da wir ein monumentales Rathaus, eiu öffentliches Standbild nicht zu besuchen haben, sprechen wir in der Herbert'schen Vleiweißfabrik eiu, welche ähnlich jener zu ^avis in Südtirol das Bleiwciß in achtzehn Sorten mit dreißigtansend Eentnern jährlich erzeugt. Die Stadtpfarrkirche, alter romanischer Anlage, besitzt, da sie denn seit 1^6 bis um 1409 als eine Art lavanter Kathedrale galt, den Schmnck eines scharfausgesprocheuen guterhaltenen Portales, die Säulchen mit Laub-kapitalen; der Innenball ist freilich gothifch nachgeholt worden nnd der Thurm, 6^,26 Meter hoch, endet mit einem Zwiebeldache. Wie ganz anders vollendete das Stadtbild ein harmonischer Thurmknauf! Auf erklecklicheil Handel in den Händen der Juden weist die hierortige Sage von der Hostien-geschichte und dem Kindsmorde, wie sie von Ossiach, aber auch von Trient und Passau berichtet ist. Ihrer Austreibung wird aber auch hier eine hinreichende Verschuldung voll Bischof uud Laie, Ritter und Bauer vorausgegangen sein. Ginige verdienstvolle Männer nennen Wolfsberg ihren Heimatort, so Ioh. Burger, G. Freiherr Baierweck, Ioh. Osw. Gallisch, der Historiker Dr. Karlmann Tangl, der Erklärer der lavanter Bischofsreihe und Genealog der Pfannberger, Heunburger, Sonnecker; endlich ist auch des hochgefeierten Naturforschers Fr. R. von Uuger Vater allhier Braumeister gewesen. In dem mit Aehrenfeldern besäten lieblichen Umkreise übt altgewohnte Anziehungskraft das jenseits des Bahn-Hofes aus zarten Parkanlage» grüßende Kirchbichl. Es ist der Landsitz der Freiherren Herbert und enthält nebst erfreulicher Gürtenzier anch eine kleine Sammlung von Gemälden und Kupferstichen. Die Herbert, aus englischem Stamme, gehören seit hundertundfünfzig Jahren dem Alpenländchen an uud haben sich durch die Förderung der Wissenschaften, der Industrie, Landwirtschaft und der Kunst hervorgethan. Giengeu wir dem Weißenbnche nach, wir gerieten jenseit St. Margreteu mit seinem Schwefelbade thalanf bis hinterst zu jenem Klippizthö'rl, das wir vom Anstiege bei Lolling kennen; ill der Richtung nach St. Michael, dem breitmauerigeu Schlosse Himmelau, nach dem Arlingbach und den Hofkogl leiten Waldwege auf die groß uud kleiuc Saualpe und den Spcikkogl; da schauen die reisberger Ruinen nieder auf das traubenumrankte erneuerte Bergschloß Thürn, auf das liebliche Thalgut im Lindeilschutze, Weiseuau, das Pfarrdorf Mareiu mit den gothischen Glocken und den Grabsteinbildern der Siegersdorf, Rosenberg, Reisberg, das bäuerliche Heim der Wueri und des jetzigen gurker Bischofes Nr. Wiery. Ueber Rojach, Schloß Reidebcn und die große Gestüt-Station Neubau wieder der Stadt nach dem Ruudgange uns annähernd, besteigen wir den Echloßberg von Wolfsberg. Der alte Bam-bergersitz präsentiert sich ill gänzlicher Umgestaltung, Felsgänge uud Wälder sind schier umgeformt und voll den alten Massebauten, wie sie noch in der Besitzzcit der Brüder Rosthoru und der Eisenunion über Schlucht und Wald ragten, hat das Meiste den strengen Forderungen des prächtigen Westminster ^ oder Windsorstiles weichen müssen. Boll vornehmen Eindruckes lagern diese scharfgescharteten Wandfronten, die schlanken zinnenbetrö'nten Vierseitthürme, der weitausbiegende Rundthurm weißglänzenden Anstriche alls dem buschig belaubten Hügel, ein Bild, einzig in seiner Art. Fahr- und Reit und Wandelwege führen auf den Schloßberg, ob seiner prachtreichen Fern-ficht berühmt. Die Hochbauten, seit den fünfziger Jahren hergestellt, al^ Graf Henkel-Dounersmart aus Preußisch- 2^0 Mrnten. Schlesien begonnen, fast alle Landwirtschaften und Wcrkshällser von Reidcbcn heraufwärts durchs Oberlavantthal bis Zeltwcg gleich einer neugeschaffenen Grafschaft Lavant an sich zu ziehen, mit neuen Mitteln zu bebauen und zn bewirtschaften, wurden mit einem Aufwande von zwei Millionen Gulden stilgerecht nnd in vornehmer Ausstattung vollendet. Hier die große gothische Reitschule, da das monumentale Echloßportal, wo die Iagdopfer der Hirsche und Rehe lagern, in den Etagen prunkendes Möbelwerk neuesten Geschmackes und der Spätrenaissance, Tafelaufsätze und Pfcrdrcnnbaste in lockender Answal, der Villard' nnd Waffensaal, die Ausschau-Söller, die Kapelle, die blumenprunkenden Gärten! Anf waldigen Pfaden bcschreiten wir den ernsten Hain anf dem Gumitschberge. Da feiert die Pietät das Andenken der 1858 verstorbenen Gräfin Henkel, Fürstin Hardenberg, durch eiu einsames, auf thalbeherrschender Terrasse erhobenes Mausoleum. Der mit weißem Marmor verkleidete Tempel von Oberbaurat Mühler steigt aus dem geschlossenen Quadrat des Innenraums in ein Oktagon auf, der Sarkophag mit der Gestalt der Entschlafenen ist ein Meisterwerk des berliner Bildhauers Kiß. Die Berghänge leiten nns hinaus nach Frantschach und St. Gertrud, mit einstigen Hochöfen und Raffinier-werken, frühesten Puddlingstationen, welche ssementstahl, Streck- und Zengwaare über die dreißig Tausende von Centnern jährlich in die Welt senden. Vormals von den Bambergcrn bewirtschaftet, alsdann vom Staate, namens lich ii, den französischen Kriegszeiten für das Geschützwesen ausgenützt, später durch die Wolfsberger-Union mit den Oefen zn Kollnitz und St. Leonhard nnd den Eisengruben der Wölch nnd am Lobenbcrg betrieben, sind diese lärm^ vollen und leistungsreichen Stätten mit den schnaubenden und funtenpnstenden Essellrcihen in manchem Erstlings versuche für Oestreich vorbildlich geworden. Aber auch für forstliche Verklansung, Abschwemmung und RechewElnfang, für Tristung nnd Auskohlung der herrlichen Waldstämme ist hierorts von Schlucht zu Schlucht, von Graben zn Graben Mustergiltiges gehandhabt. Durch die felsenumstarrte Wölch, bis wohin der Teufel die Blöcke von der Eaualpe geschleppt, üder Gräbern, der Ruhestätte des vom Tode überraschten Rompilgers Wilhelm Grafen von Zeltschach, leiten waldumsäumte Pfade nach Preblan. Auf weithin schallender Hügclwiese nimmt ein mit allem Eomfort, insbesondere für Jagd-freunde, ausgerüstetes Kurhaus die Soimnerfrischgäste auf, der Eäuerlina/Brmmen aber speist sowol die Badwannen wie die sechshundert Halbflafcheil täglich, welche durch ganz .Written das seltersartige Getränk für den Wirts^ und Krankentisch stellen. Thalab fahren wir dem Twimberger^Graben zu. Ein eigenartig ulnschlossener Thalkessel, hier steilere Abstürze, dort sachtere wegdnrchfurchte Alistiege, der Tiefboden vom Bachgewässer durchschwemmt, ist jener von Waldenstein. Neber den Hammerhäusern mit rußigen Mauern und qualmenden Ranchminarets starren des alten felsbegründctcn Schlosses hinreichend erhaltene Wände. Die Waldstnfen gipfeln sich knapp hinter der Veste hinan und tragen zu oberst, anf den GuneckPlatcaux, das höchste Pfarrdorf des LavanttlM, Theißenegg (1070 Meter); die zerrissenen Flanken aber sperren rechts und links den öden wilden Twimberger-Graben ein. Herrliche Stege führen durch das, an merkwürdigen Gesteinen überreiche Engthal hinan zum Hochdorfe Breitelleck. Reine Lüfte schweben zwischen den sonnigen Waldkämpen nnd es scheint wie eine böse Erfindung, wenn erzält wird, von diesem netten nnd allseits offueu und freien Bergdörflein sei i>ue Pest des Jahres 10.^0 über Kärnten ausgegangen, ins Mis;thal, nach Bleiburg und Ferlach aufgreifend, um welcher willen Ulan die Draubrücken sperrte lind sogar die hauptstädtischen Pforten verrammelte. Bei den vier Thoren, nachdem eine hochansehnliche Gesellschaft von Bergspitzen ins Blau aufgetaucht, ist der Abstieg nach Pack geboten; parkartig eingeleitet, kaun der Spaziergang ül'er Edclschrott, Boitsberg und die neun Berge nach Graz eiu wahrer Hochgenuß genannt werden. Jedoch uns ist es vorgesetzt, seitlich die Vorhohen des Hirschecks nehmend, auf die einzige merkliche Thalausbreitnng um das Städtchen St. Leonhard zuznsteueru. Die hundert und ein paar Dntzeude Häuser bilden eben nur die Garnitur eines weuig kurzweiligen Platzes, den die Pestsäule von l72:l ^ wir wolleil doch nicht frevelnd sagen - ziert. Ganz anders auf den Wiesengehäugen gegell Ost die imposante Kirchbaute, das Prachtstück des Oberlavantthales, gewidmet dem Patrolle der zahmen Thiere, besonders von Rind und Pferd, auch Das 3avant!hal. 2^ Straße in 3t. teonhard. dem Beschützer der Gefangenen, St. Leon-hard. Wie ländlich-freundlich blickt fic auf die Mattenteppiche und die frisch grünenden Fichtcnhöhen ihrer stillen Nachbarschaft! Der äußeren Leonhardskirchc sollte man die rumänische Anlage kaum mehr ankennen. Das Westportal, gar wenig augenfällig, schmal, zeigt den Spitzbugen, das seitliche schmücken Spitzgiebcl. An Glasmalereien besteht hier überhaupt ein Reichtum, wie vielleicht in keiner anderen kärntischen Baute. Wir haben da m weiten Zwischenräumen entstandene Kunstdenkmäler vor uns, welche bis in die Spätrenaissnucc hereinreichen. Vor hundert Jahren noch umfieng eine zweifache Kette die ganze Kirche; vermutlich war sowol die jährliche Ausbesserung als die Opfergabe der fünf Groschen oder Batzen längst unterblieben und so räumte man die sonderbare Clausur hinweg. Der Ginfang aber war das Gelübdcstück eines obdacher Bauers gewesen, Namens Sturm, welcher im Jahr 1480 durch die Türken, an den Pferdeschwcif gebunden, als Gefangener mitgeschleppt, außerhalb Reichenfels im Zankergrunde glücklich entkam und beim ersten Anblicke der Leonhardskirche sein bestes Gefchent versprach. Julius von der Traun hat die Geschichte des „Schmiedes von Obdach" besungen. Wol wird noch zu Petri Kettcn-feier des Apostels Fessel zu S. Pietro in vinooli gezeigt und jene des lebendig verbrannten Papstes Alexander I. zu Lucca; aber diese letztere verriet sich eben genug dadurch, daß sie, von einem Räuber gestohlen, in der Schmiede gegen Anlbos und Hammer sich derb auflehnte und nur den Kranken gar Sänftliches erwies. Die hiesige Kette muß den Schmiedgescllen nichts Sonderliches angethan haben und den unbekannten Abgrund, in den sie gefallen, wird wol kein Sanct Adjutor mit seiner Kette aufschließen. Sahen wir bei Twimberg die Hinstelluug von Warten zur Kernburg, wie das auch bei Weißeneck, Hardeck und Grünburg im Görtschitzthal ins Auge gefallen, förmliche Vorwerke, so zält Liechtcngraben zu jenen wasserumfangenen Thalschlössern, für welche Art uns die aus Sumpf und Teich tauchende Moosburg ein besonderes Musterbild gewesen. Kräftiges Gewände erzält von altem Hausansehen; bis Gppenstein und Obdach uud ins Salzburgische streckte sich der Besitz jener Panier, welche nachmals dem eggenberger Fürstenhause verwandt wurden. Den Reiterruhm eines Kaspar von Pain besiegelte die Entrevue gekrönter Häupter zu Trier im Jahr 1472; vor Augen des Kaisers Friedrich IV., des Erzherzogs Max, des Vurgunderfürsten Karl fiel Reinmar Rottaler von Kaspar Pains Turnierstoßc. Noch einmal, wie beim möllthaler Eiutritte in das Land umschwirren uns lockende Sagen von schacht-geburgenem Golde und wir sind versucht zu erwägen, woher größere Segenspende fließen werde, aus der Wiedergeburt des wie überall so auch hier läugstentschwuudenen Goldzeitalters, oder aus der Neuauflage der Eisenüra. 65" 2H2 ^ärntcn. Häufig genug ja erstoäte und erlahmte thalauf, thalab die )1l'eihe der Eisenwerke, ganze Arbeiterfamilie» lnit schmaleiu Neisepfelnüg suchten das Weite; wahrlich spät genug wurde, an Stelle des von Paracelsus untersuchten und be schriebellen Gotdznges der Bäche, der Bahnzug mit den Stationen Lavamünd, St. Paul, Wolft'berg eröffnet und wer ahnt es, wie lange die Lavant-Wasser dahinrinnen werden durch das Felsen-Defilee des Trimberger-Grabens, bis auch die Tax-Höhe der Loeomotive gellendeli Pfiff hören und das Lavantthal mit den Hauptadern der Süd-und Rudolphsbahu bei llnterdrauburg und Indcnbnrg verbunden sein wird. Aus dem Reichtum an Edelmetall, schon in den Karolingerzeitcn mit (5isen aufgesucht, erklärt sich Neichenfels, Schloß und Markt, zwischen den Ausläufern der Vartolomäalpe und dem Sommerauerberg eingebettet. Oben an das Hirscheck gelehnt, ist der Abhang von Et. Leonhard im Rufe des Goldreichtunis und auch die Grabenausbrüche von der Hohenwartkuppe her, so der Klieuiuggraben. strotzten voll lockenden Gesteins; schon um das Jahr 1825 galt für diesen Rayon eine eigene Bergordnung und die Fugger, den erschöpften Bischöfen zu Hilfe eilend, schritten mit frischgefüllten Geldsäckeln an dic Aufdingung von Bergleuten. Aber unter Kaiser Mar schien alle Hoffnung wie versiegt und eine neue Schürfungs-Union im Jahre 1^02 konstatierte kaum viel mehr, als die schwachsäuer lichen Ouellenbestäude u 1^ Spaa hier in der Kliening. Anch Sommerau, das lauschige Pfarrdorf unter der Angerlalm, grade auf der Kehrseite der Hänge von St. Johann am Presen gelegen, zehrt noch etwas von alter Wolhabenheit; seine Filialkirche St. Oswald konnte ab und zu an verarmte t^deltöchter Geldausstattungcn leisten und that noch mit großen Summen ein Nebriges für geistliche Anstalten. (5in reichliches Bachgeäder springt lustig jenseit des sanctpeterer Sauerbrunnens ans dem Gegipfel des Stürmer-kogels herbei und das breiteste Wellenband, der Noßbach, bildet diescrscits die Grenze. Wo diese Hippokrene in den ^avantbach einmündet, da scheid' ich, wackerer Wanderer, von Dir mit deutschem Handschlag, da ist das Kärntner Land zu Ende.