UDK 007:801.73 ZU DEN DETERMINANTEN DES KOMMUNIKATIONSEREIGNISSES IM TEXT Stojan BraCic 0. Allgemeines Jedes Kommunikationsereignis (bei SCHMIDT in FKS 1981, 20 Kommu­ nikationsvorgang) ist ein komplexer Prozess, der aus mehreren Phasen be­ steht und von verschiedenen Determinanten mitbestimmt wird.l So ist z. B. innerhalb des Kommunikationsereignisses zwischen den »Kommunikations­ akten« (MICHEL in SBE 1977, 65) Produktion und Rezeption von .Ausserun­ gen zu unterscheiden. Das Resultat des Texterzeugungsprozesses 2 ist der Text im wed.teren Sinne. Normalerweise interessiert bei einer linguistiohen Unter­ suchung in erster Linie eben der Text als konkreter, resultativer Wider­ spiegelungskomplex der Gesamtheit am Kommunikationsprozess wirkender Determinanten. Da der Text an sich ein Endprodukt kommunikativer Tiitig­ keit ist, ist es geboten, aus ihm auf teils simultan, teils sukzesSiiv verlaufende Entstehensphasen Riickschliisse zu ziehen, urn den Text unter dem Blick­ winkel des Rezipienten, wohl aber auch dem des Produzenten besser erfassen zu konnen. Solche analytische Sicht ebnet also nicht nur den Weg zum besseren Textverstehen, sondern sie befiihigt ebenso zum kompetenteren Text­ gestalten.3 Wollen wir zum Beispiel einen Text auf die kommunikative Funktion der in ihm enthaltenen umgangssprachlichen Ausdrucksmittel priifen, so ist dies nur moglich, legitim und sinnvoll, wenn der kommunikative Rahmen er­ hellt wird, in dem verschiedene Parameter der kommunikativen Tiitigkei1: bei der Entstehung des Textes in gegenseitiger Abhiingigkeit wirksam waren. 4 1 VgL FKS (1981, 18, 20) sowie SBE (1977, 170). Von Rudolf GROSSE (1982, 44) werden verschiedene Klassifizierungskriterien der Kommunikationsereignisse an­ gefiihrt: formell-informell, gesprochen-geschrieben, monologisch-dialogisch, empha­ tisch eingebettet-theoretisch informierend, phatisch-affektiv. 2 Vgl. in HEUSINGER 1984 (42, 44) die synonymen Bezeichnungen Textgestal­ tung. Textproduction, bzw. die geringen Differenzierungen unter ihnen. >>Zwischen Textgestaltung und Textproduktion unterscheiden wir nur insofern, als mit ,Text­ gestaltung' der Aspekt der Bewusstheit im Prozess der Textkonstituierung (Ent scheidung tiber die Anordnung und Akzentuierung der Inhaltskomponenten, For­ mulierungsentscheidung und -realisierung) starker betont wird. 3 Beide Fahigkeiten sollten gleichberechtigt gefOrdert werden. Keine darf - besonders unter dem didaktischen Aspekt - vernachlassigt werden. 4 Wir finden in diesem Zusammenhang die Warnung von MICHEL (in SBE 1977, 71) vollig berechtigt: >>Die. stilistische Qualitat der .Ausserung ist zwar ein ent­ scheidender Wirkungsfaktor, jedoch sowohl von theoretisch-prinzipiellen t.iber­ legungen her als auch im konkret-praktischen Gestaltungsprozess immer nur ein aus dem Kommunikationsplan ,abgeleiteter' Faktor. Eine vorrangige Orientierung 69 Im Unterschied zu den Parametern des sog. ausseren kommunika1liven Rah­ mens (allgemeine Charakteristiken der Textquelle, z. B. einer Zeitung) wollen wir die hier zu behandelnden Faktoren und Bedingungen, da sie sich un­ mittelbar an konkrete kommunikative Handlungen binden, den inneren kom­ munikativen Rabmen nennen. Die Determinanten des Kommunikatiosprozesses sind verschiedentlich klassifizierbar. Franz SIMMLER fiihrt vier grundlegende notwendige externe Faktoren jeglicher Kommunikation an: Sprecher/Schreiber, Horer/Leser, Ort und Zeit. 5 MICHEL (1982, 8 f.) postuliert die Unterscheidung der Begriffe Kommunikationsgemeinschaft (»Wer kommuniziert mit wem?«), Kommuni­ kationsbereich (»In welcher Tatigkeitssphare kommunizieren die Personen?«) und Kommunikationsform (»Welches Kanal- und Mediensystem wird fiir die Kommunikation verwendet?«). Er raumt allerdings ein, dass diese Aspekte zur umfassenden Bewertung sprachlich-kommunikativer Leistungen nicht aus­ reichen (a.a.O., S. 9). HEUSINGER (1981, 547) unterscheidet zwischen a) Kom­ ponenten, die die Sprachhandlung konstituieren (d. h. Handlungskomponen­ ten: Kommunikationsaufgabe, Kommunikationsabsicht, Redegegenstand, Thema, Kommunikationsplan, Kommunikationsverfahren, Komposition), b) objektiven Kommunikationsbedingungen (materielle und ideologische gesellschaftliche Verhaltnisse, umfassender und engerer Kommunikations­ bereich, Kanalbedingungen, Kodierungsbedingungen, Partnerbeziehungen) und c) subjektiven Kommunikationsfaktoren (Horer/Leser, Sprecher/Schreiber und die ihnen eigenen inneren Bedingungen). Wir kniipfen bier an und sehen - auch in Anlehnung an »Funktional­ kommunikative Sprachbeschreibung« (1981, 18, 20, 203) und »Sprache -Bildung und Erziehung« (1977, 170) - fiinf wesentliche Determinantenkomplexe jeder kommunikativen Handlung: 1. den kausalen Determinantenkomplex 2. den intentionalen Determinantenkomplex 3. den thema1lisch-gegenstandlichen Determinantenkomplex 4. den situativen Determinantenkomplex 5. den operativ•strategisohen Determinantenkomplex. Wir wollen im folgenden die einzelnen Komplexe etwas naher darsrtellen, Beziehungen unter ihnen andeuten, vor allem unter dem Aspekt der Oppositio­ nen subjektiv-objektiv, iibergeordnet-untergeordnet (Hierarchie). Bei jeder kommunikativen Handlung sind alle 5 Komplexe mit im Spiel, wenn auch nicht immer explizit (s. unten zum kausalen und intentionalen Komplex). Sie sind aufeinander abgestimmt in gewissen logischen, relativ konstanten Ver­ haltnissen, die jedoch Abweichungen zulassen. Diese gilt es unter Beachtung lmmplizierter Zusammenhange erst genau herauszuarbeiten, denn »die Wir­ kungszusammenhange I sd.nd/ allerdings noch langst nicht geniigend bekannt« SCHMIDT in FKS, 1981, 21). Der kausale Aspekt oder der kausale Komplex der Kommunikationsdeter­ minanten beantwortet die Fragen »Warum, aus welchem Grund, aus welchem Anlass wird kommuniziert?«. Es geht dabei also urn eine grundlegende Ka­ tegorie jeder kommunikativen Handlung, ohne die es zur Kommunikation gar des Sprechers auf stilistische ,Effekte' fiihrt zu abschwachenden oder direkt ne­ gative Wirkungen. Aus diesem Grunde sind auch reine Stiliibungen, die nicht an be­ stimmte kommunikative Aufgaben gebunden sind, verfehlt.« 5 Anlasslich eines Vortrags in Ljubljana am 9. 9.1984. (Unveroffentlicht.) 70 nicht kame. Hierbei spielen eine wichtige Rolle die Begriffe menschliche Be­ dlirfnisse, Anforderungen, Kommunikationsaufgabe, Motivation. Menschliche Bedlirfnisse, die von aussen und von innen her wirksam sind (s. unten) und die sog. Anforderungsstruktur bilden (MICHEL in SBE 1977, 67), liegen der kommunikat,iven Aufgabe zugrunde. Die kommunikative Aufgabe ist die rang­ hi::ichste Grosse (Kategorie) im Determinantengeflige des Kommunikations­ prozesses. Durch diese wird der Sender motiviert, kommunikative Hand­ lungen durchzuflihren, die zum gewlinschten Ziel, das der Kommunikations­ absicht des Senders entsprechen sollte, flihren. So geht der kausale Aspekt der kommunikati.ven Handlung zwangslaufig in seine dialektische Opposition liber, in den sog. intetionalen Determinantenkomplex, der die Frage >>Wozu, in welcher Absicht wird kommuniziert?« aufwidt und beantworten sohl. Kommunikationsaufgaben und -ziele mlissen nicht immer explizit vor­ handen se:in. An dieser Stelle soli deshalb der Versuch unternommen werden, die Anschauung, dass jede menschliche Tatigkeit, also auch die sprachliche Tatigkeit, zielgerichtet sei (vgl. SCHMIDT, 1982, 15), zu relativieren. U. E. gibt es wenigstens zwei Bereiche der menschlichen Tatigkeit, die ruicht dominant (primar) zielorientiert s1nd, und zwar den Bereich der klinstlei'ischen Pro­ duktion und den der Kommunikation in der priva:ten (,intimen) Kommunika­ tionssphare (Freundschaft, Liebe). Bier entspringt das Kommunikationsbe­ dlirfnis mehr einem inneren Drang zur »Entlastung oder Sta:bhlisierung des psychischen Haushaltes des Sprechers selbst« (HARTUNG u. Kollektiv 1974, 320) und kann erst sekundar Zlielgerichtet sein, so dass dabei die Betonung einer intentionalen Orientierung eher negative Assoziationen auslosen konnte (bezahlte Kunst, unehrliche Partnerbeziehungen mit Hintergedanken). 6 Unter dem Blickwinkel der Subjektivitat-Objektivitat der Determinanten der Kommunikation kann man dem kausalen Komplex den Charakter der Objektivitat zuschreiben, denn man muss ihn als primar gegeben (egal ob von innen oder von aussen her) betrachten und als Anregung zur kommu­ nikativen Handlung dem intentionalen Aspekt libergeordnet. Intentionen dlirften weniger objektiv sein, weil die (auch) von dem Sender abhangige Motivationsstruktur nicht unbedingt der Anforderungsstruktur entsprechen muss.7 Wohl bindet sich aber an die kommunikative Absicht aufs engste der Begriff der kommunikativen Funktion von kommunikativen Handlungen und somit der Begriff des Textsinns (BIEBERLE 1987, S. 202 und passim). Der thematisch-gegenstandliche Aspekt. In diesem Zusammenhang sind aktuell die Fragen »Uber was wird kommuniziert?, Was ist Gegenstand, Thema einer konkreten sprachlichen Kommunikation?« Eine wichtige Rolle spielen dabei die Begriffe stoffliche Basis, Gegenstand, Thema. Die stoffliche Basis (vgl. u.a. MICHEL in SBE 1977, 69) ist das zur Verfligung stehende stoffliohe Potential der umgebenden objektiven Realitat, aus dem gewisse Elemente aus­ gewahJt werden und damit der Komrnunikationsgegenstand festgelegt wird. Der Kommunikationsgegenstand unterscheidet sich von dem zugrunde liegenden Ausschnitt oder Element der objektiven RealiHit dadurch, dass er bereits subjektiv angeeigete Wirklichkeit list« (SCHMIDT in FKS 1981, 19). 6 Nebenbei erhebt sich die Frage, ob die hochorganisierten, jedoch hochst­ wahrscheinlich ausschliesslich instiktiv verlaufenden Handlungen von Bienen und Ameisen als zielgerichtet bezeichnet werden konnen. 7 Vgl. MICHEL in SBE (1977, 68): »Eine optimale sprachliche Leistung setzt die Entsprechung von Motivationsstruktur und Anforderungsstruktur voraus.<< 71 Vom Gegenstand ist das Thema abzuheben. Aufgrund verschiedener Interpre­ tationen und Definitionen dieses Begriffs8 liesse sich allgemein sagen, dass das Thema ein besonderer Biickwinkel, ein besonderer Aspekt 1st, unter dem ein Gegenstand in einem Text betrachtet (belichtet) wird. Verschiedene Kommunikationsgegenstande liegen also - onomasiologisch gesehen - ver­ schiedenen Realisierungsm6glichkeit1en einer Kommunikationsaufgabe zuo grunde, denn das Kommunikationsthema wird durch die Kommunikationsauf­ gabe gegeben, es kann aber auch fehlen, wenn zu einem Text keine kommu­ nikative Aufgabe explizit vorhanden is't (siehe oben). So gibt es Korrelationen und Dberschneidungen unter den Begriffen Kommunikat~onsaufgabe - Kommunikationsabsicht - Kommunikationsfunktion - Kommunikations­ thema. Ein Kommunikationsthema kann also in einem Text mit der Kommu­ nikationsaufgabe tibereinst~mmen und dartiber hinaus auch mit dessen Titel (siehe MICHEL in SBE 1997, 68). Das trifft aber nicht immer zu. Zu einem Kommunikationsthema (z. B. »Alle Kinder miissen glticklich aufwachsen«) konnen also mehrere Kommunikationsgegenstande (Ernahrung, Frieden, Bil­ dung, Erziehung) gerechnet werden. Jeder von ihnen kann aber seinerseits zum selbsHindigen Thema weiterer untergeordneter Kommunikationsgegen­ stande werden (Zum Thema »Kindererziehung« passen etwa Kommunikations­ gegenstande Erziehung durch Eltern, Kinderkirippe, Schule; Schwierigkeiten bei der Erziehung u. d. m.). Bei fixiertem Thema (meistens auch Aufgabe) in einem Text kann der Textproduzent unter mehreren Gegenstandsvarianten wahlen. Es kann aber auch sein, dass der Kommunikationsgegenstand im vor­ aus festgelegt ,ist. Man konnte also behaupten, dass der thematisch-gegen­ standliche Aspekt - je nach der Kommunikationssituation (siehe unten) - teils subjektiv, teils objektiv gepragt 1ist. Neben der Moglichkeit, die dem Textproduzenten bereits durch die Stoffauswahl bei der subjektiven Textge­ staltung zur VeDftigung steM, ist von grosser Bedeutung die Stoffaufbereitung. In dieser Phase des Textgestaltungsprozesses (vgl. Anm. 2) verftigt der Text­ produzent tiber spezifischen und daher enger gefasste Verfahren. (Dartiber mehr im 5. Determinantenkomplex.) Ausserdem ist zu vermerken, dass der Kommunikationsgegenstand bei alien strategischen Entscheidungen ftir den Kommunikationsplan relevant ist, und zwar gleichberechtigt mit den Bedin­ gungen des Kommunikationsprozesses. (Der Gegenstand eines Familienge­ sprachs bei T.ische kann wesentlich den Charakter der Kommunikation unter vollig identischen Kommunikationsbedingungen mitpragen. Unterschiedlich wird kommuniziert tiber einen Todesfall, tiber Krankheiten, ii:ber Probleme in der Schule, tiber heiterere Dinge, etwa die Planung eines Sonntagsausflugs u.a.m.). Der situative Aspekt kommunikativer Determinanten befasst sich mit der Frage »Unter welchen Bedingungen verlauft ein Kommunikationsereig­ nis?<<. Hier spielen eine Menge Faktoren eine wichtige Rolle, cliie alle zusammen die Situation ergeben, in der ein Kommunikationsprozess vor sich geht. Zu den die KommunikatJionssituation bildenden Parametern (Konstituenten) sind ZU zahlen: Ort und Zeit, Medium (Kommunikationsform). Kanal, Pafltner- ' >>Als Thema bezeichnen wir den Grund- und Leitgedanken der zu gestal­ tende Rede<< (so MICHEL in SBE 1977, 68). AGRICOLA definiert das Thema als >>begrifflichen Kern im Sinne der konzentrierten Abstraktion des gesamten Text­ inhalts<< (1976, 5 ff.). Ahnlich MOSKALSKAJA (1984, 19). Sie unterscheidet zwischen einem durchgehenden Thema (Element der Thema-Rhema-Gliederung) und einem Mikrothema als dem Sinnkern des entsprechenden Textabschnitts (a. a. 0., S. 42). 72 beziehungen (Sender- Adressat), Kommunikationsbereich (Hitigkeitsbereich, Tatigkeitssphare - GROSSE (1982, 45) spricht von Lebensbereichen bzw. Kommunikationsspharen -, geseUschaftliche Verhaltnisse, Kodierungsbedin­ gungen). Diese Parameter stellen die Bedingungen dar, unter denen die Kommu­ nikation Iatrlt. Dass diese Bedingungen ndcht unbedingt objektiv (d. h. von aussen her festgelegt) sein mtissen, was eine verbreitete Meinung zu sein schein, 9 werden wir weiter unten nachzuweisen versuchen. Es gibt verschiedene Vorschlage zur Systematisierung dieser zahlreichen Determinanten. Bei HARTUNG (1977, 22) und SCHMIDT (in FKS 1981, 21) zerfahlt der Oberbegriff kommunikative Situation in Tatigkeitssituation, so­ ziale Situation, Umgebungssituation. Ftir SITTA (1973, 65) gebe es bis jetzt noch keine Situationstypologie, SCHANK/SCHONTHAL (1983, 29) sehen hin­ gegen die Moglichkeit, die Kommunikationssituationen in 16 Punkten zu be­ schreiben.10 Wichtiger als eine Systematisierung el:'scheint uns hierbei aller­ dings, da.6 die Relevanz jedes einzelnen Parameters, das zur »Situationsbe­ zogenheit« (ENGEL/MRAZOVIC 1986, 1323) der lwmmunikativen Handlung beitragt, eingesehen wird, insbesondere noch unter dem BLickwinkel des Verhaltnisses Konstante - Vailiable, weil dies u. E. wesentlich den Vedauf des Kommunikationsprozesses und seine SchluEphase ( = den Text) mit beeip.­ flussen kann. Von Bedeutung ist bei diesen Determinanten au.6erdem der Umstand, da.6 verschiedene Kommunikationsebenen im Text eine weitere Verhaltnisdifferenzierung der Situationsparameter herbeifi.ihren, die bei der Analyse der Kodierungsbedingungen nicht tibersehen werden darf. Unter einzelnen Situationsdeterminanten gibt es normalerwei!se Korrela­ tionen. Die folgende Tabelle soll auf einige Beziehungen zwischen Medium, Kanal, Kodierungsbedingungen, Vbertragungsweise und Sprache hinweisen, beachtet wird dabei auch die literarische Kategorie Genre. (Siehe nachste Seite.) Da.6 solche Kol're1ationen sich auch tiber den Rahmen der ftinf hier be­ handelten Parameter ausweiten konnen, ist selbstverstandlich, und unsere Tabelle lie.6e sich also paradigmatisch entsprechend erweitern. Aus der Ta­ belle ist auch ersichtlich, da.6 in Wirklkhkeit verschiedene Kombinationen einzelner Parameter mog1ich sind. Im weiteren sei hier nur noch das Problem der Hierarchie bzw. der Subjektivitat - Objektivitat angeschnitten. Als objektiv konnen diese Bedin­ gungen nicht von vornherein bezeichnet werden. Manchmal konnen ~ie mit der Kommunikationsaufgabe im voraus festgelegt werden. Dann ist die Si­ tuation als Konstante anzunebimen, der z. T. der Kommunikatilonsgegenstand, vor allem aber die Verfahrensstrategie (Kodierungsstrategie: siehe 5. Deter­ minantenkomplex) angepa.6t werden. Es kann aber sehr wohl auch passieren, da.6 bei gegebenen Kommunikationsaufgabe, -thema und -gegensrtand der Text­ ner Situationsparameter zum Zweck einer effektiveren Kommunikation wah 9 Das leiten wir davon ab, dass die meisten oben erwahnten Quellen von objektiven Bedingungen der Kommunikation sprechen (Hervorhebung S. B.). " 1. Teilnehmerzahl, 2. Verhaltnis der Teilnehmer zueinander, 3. Kommunika­ tionsmedium, 4. Kommunikationsart, 5. Zeitpunkt und -dauer eines Kommunika­ tionsaktes, 6. lnszeniertheit von Kommunikationssituationen, 7. Spontaneitat, 8. Intention der Kommunikationspartner, 9. Thematik, 10. Themenbehandlung (asso­ ziativ, deskriptiv, argumentativ), 11. Relation Thema zu ausserer Situation und Sprechzeitwelt, 12. Relation Thema - Sprecher, 13. Themafixierung, 14. tlffentlich­ keitsgrad, 15. Situationsvertrautheit, 16. Situationsdistanz. 73 produzent in einer gewissen Toleranzbreite unter mehreren Varianten ein­ zelner Situationsparameter zum Zweck einer effektiveren Kommunikation wahlen kann. (Z. B. kann er zwischen gesprochener und geschriebener Sprache wahlen, sehr gro£ ist die Variantenpalette beim Kanal- z. B. BeHeidsbezeu­ gung mittels Brief, Telegramm, Besuch-Bote (personlicher Kontakt - das Telefon gilt als unangemessen); auch die Zeit- und Ortswahl kann bei der Kommunikation manchma:l von entscheidender pragmatischer Relevanz sein; sogar der Partner mu£ nicht inuner im voraus pradestiniert sein, dessen Wahl kann moglich und relevant sein- man wendet sich z. B. mit einer Bitte an jene Person, von der man sich gro.Btes Verstandnis erhofft u. d. m.). Kodierungsbedingungen Sprache tJbertragung Medium/Kanal ad hoc Situationsent­ lastung: Redunanz, Auslassungen ausgefeilt mehr normgerecht, standardsprachlich -·----···-···------------ gesprochen (sekundar moglich auch Konservierung durch Tonband oder Protokollierung) direkter Kontakt Megaphon Lautsprecher Telefon Rundfunk Fernsehen Satellit konserviert (sekundar moglich auch miindliche Realisierung) Papier ( + Schreibgerat) ·-·----------------------------------- Genre (Inhalt) (spontanes) All tagsgesprach, Verhandlung, Komrnentar usw. Vorlesung, Vortrag, politische Rede, Kommentar, Belletristik, Dokumente, Teletext, Brief usw. Es ist evident, da£ Slich der Subjektivi!ti:itscharakter einzelner Determinan­ tenkomplexe, ausgehend von dem kausalen Komplex mit zunehmender Inten­ si:tat liber den intentionalen Komplex, den thematisch-gegenstandlichen und situativen Komplex his hin zum strategisch-operativen Aspekt erstreck:t. Die Hierarchie- sowie die Subjek1Jivitats-Objektiv~tatsrelationen scheinen also sehr nuancenreich und kompliziert zu sein. Es liegen aber i. w. S.- das sei erneut betont - auch schon in dem themat:isch-gegenstandlichen und dem situativen Determinantenkomplex strategisch-operative Moglichkeiten vor. Aufgrund die­ ser und aller bisher genannten Konununikationsdeterminanten entscheidet sich der Texitproduzent fur konkrete Schritte der Textgestaltung. Im Bereich des strategisch-operativen Determinantenkomplexes wird die Frage aufgeworfen »Wie, auf welche Art und Weise wird kommUil!iziert?« Hier geht es :im engeren Sinne urn Wahlentscheidungen, die vom Textproduzenten getroffen werden, urn innerhalb konkreter komunika:tiver Gegebenheiten (Auf­ gabe, Ziel, Thema-Gegenstand, Sirtuation) die optimalsten, geeignetsten Opera- 74 tionen und Mittel zur Durchfiihrung eines Kommunikationsprozesses einzu­ setzen. Das ist sehr eng mit den Normvorstellungen des Produzenten und den Normerwartungen (»Erwartungshaltung« bei SCHMIDT rin FKS 1981, 20) des Rezipienten verbunden. »Er (der Mensch, S. B) mu.B nicht nur wissen, was er mit einer bestimmten sprachlich-kommunikativen Handlung erreichen will und warum er cLas will, er mu.B auch wissen, wie (Hervorhebung S. B.) diese Handlung auszufiihren ist, wie s,ie beschaffen sein mu.B, damit er sein Ziel mit ihr erreichen kann« (HARTUNG 1977, 14).1 1 In dem zur Verfiigung stehen.­ den »Entscheidungsspielraum« (MICHEL in SBE 1977, 71) greift der Text­ produzent nach jenen Mitteln, die im Sohnivtpunkt der oben erwahnten au.B­ eren Gegebenhed.ten und seiner dgenen Fahigkei:ten, Ansichten, Erfahrungen (»innere Bedingungen« der Kommunikation, a. a. 0., S. 67), d. h. seiner eigenen Kompetenz, liegen. Da.B sich dabei Schwerpunkte individuell verlagern konnen, ist selbstverstandlich. So sto.Bt man aber auch auf den Stilbegriff, der gerade hier eme Rolle spielt und fiir den Text defiiniert wird >>als eine /./ Ausdrucks­ qualitat ·im Spannungsfeld von individueller Neigung und kommunikativer Bedingtheit« (HEUSINGER, 1986, 320). Die im Bereich des strategisch-operativen Determinanten.komplexes zu klarenden Beg11iffe sind: Kommun~kationsplan, Textaufbau (Architektonik und Komposition), Kommunikationsverfahren, Textsorte, funktional-kommunika­ tive Merkmale, GestaltungsmitteP 2 ). »Ein KommunikationspJan .ist ... eine Konzeption zur optimalen Realisierung einer Kommunikationsabsicht, die dem Thema gema.B und unter Beriicksichtigung der objektiven und subjektiven Faktoren und Bedingungen des Kommunikationsvorgangs die Stoffauswahl sowie den Binsatz verschiedener geistig-sprachlicher OperatJi:onen. . . . bei der Stoffverarbe1tung umfa.Bt, damit die Grundlage fiir die Wahl der Gestaltungs­ mittel br:ildet und die inhaltl.iche und formale Struktur (Komposition und Architektonik) des Textes festlegt« (SCHMIDT 1in FKS 1981, 21). Von dem Kommunikationsplan, einer Art »Aktionsplan« (a.a.O.), ist also abhangig, wie ein kommunikativer Akt durchgefiihrt wird. Auch wenn alle Kommunikations­ vorgange nicht unbedingt nach wohldurchdachten Handlungskonzeptionen sich abzuwickeln scheinen, so verlaufen sie dennoch nach gewissen gefestigten, auf Erfahrungen, Reflexen, Vorwissen, Vorkenntnissen beruhenden Mustern, die oben angeschnittenen Gesetzma.Bigkeiten im weitesten Sinne beachten. (Vgl. HARNISCH/SCHMIDT in SBE 1977, 168). Je bewu.Bter die Planung eines Kommunikationsaktes ist, urn so effektvoller vermutet man die Kommunikation, vorausgesetzt da.B der Textproduzent iiber ausreichende Sprach- und Kommunikationskompetenz verfiigt. Daraus leiltet s.ich die Not­ wendigkeit einer gezielten Schulung der diesbeziiglichen Kompetenz bei alien Kategorien der Kommunikationsbeteiligten ab. (Vgl. Anm. 3.) Der au.Bere, formale Aufbau des Texotes (Architektonik) ist in der Regel der inneren, ~nhaltlichen Struktur (Komposirtion) untergeordnet. Sowohl die Architektonik als auch die Komposition haben pragmatisohe Relevanz und "Wir meinen, dass zur Norm nicht nur das Wie gehort, sondern unbedingt auch das Was unter welchen Bedingungen. Das stimmt weitestgehend mit dem Ansatz tiberein, dass der gegenstiindlich-thematische und der situative Determi­ nantenkomplex mit zur Kommunikationsstrategie gezahlt werden mtissen. 12 >>Zu den Gestaltungsmitteln gehoren die sprachlichen Mittel, aus denen der Text gebildet wird, und das veranschaulichende Material (Schemata, Dbersichten, Tabellen u. a.) sowie paralinguale Mittel, wie z. B. Mimik und Gestik des Sprechers in der mtindlichen Kommunikation« (SCHMIDT in FKS 1981, 22). 75 u. a. BinfluE darauf, wie eine im Text fixierte Kommunikationsa:bsicht beim Rezipienten a:nkommen wird. Die Kommunikationsverfahren - elementare Einheiten der sprachlich-k:ommunikativen Hitigkeit - sind geistig-sprachliche Opera:tiionen zur Realisierung von KommunikationspHinen. (V gl. HARNISCH in FKS 1981, 28). Neuerdings wird komplexen Kommunikationsverfahren auch der Handlungschamkter zugeschrieben. (Vgl. HARNISCH 1983, 41 ff.) Das dominierende Kommunikationsverfahren bestimmt- in Dbereinstimmung mit KommunikationsabSiicht und Kommunikationsplan - auch die Textart. Funk­ tional-kommunikative Merkmale sind (pdikommunikative) invariante Wesens­ merkmale der Kommunikationsverfahren, mit ihnen lassen s.ich die Kommu­ nikationsverfahren in ihrer kommunikativen Bezogenheit analytisch-struktu­ rell beschreiben. Das ermoglicht einerseits einen dynamischen, strategisch ausgeri.chteten Einsa:tz von Kommunikationsverfahren, der sich verschiedene Kombinationen zunutze macht. Andererseits d~ktieren dlie funktional-kommu­ nikativen Merkmale mit ihrem klaren detinitorischen Chara!kter unmittelbar die Wahl von Gestalitungsmitteln. Die funktional-kommunikativen Merkmale sind somit ein Bindeglied zwischen dem kommunikativen Oberbau einer Kom­ munikationshandlung und dem konkreten sprachlichen BaUiffia:tel.'ial, aus dem der Text als lineare Komposition von sprachlichen Zeichen sich konstituiert. LITERATUR AGRICOLA, Erhard (1976): Der Text und sein Thema. In: Sprachpflege 25, S. S-7. BIEBERLE, Bruno (1987): Zum Erschliessen des Sinns von Texten. In: Deutschun­ terricht, 40/4, S. 198-203. ENGEL, Ulrich-MRAZOVIC, Pavica (Hg.) (1986): Kontrastive Grammatik Deutsch­ Serbokroatisch. Institut za strane jezike i knjizevnost, Novi Sad. FUNKTIONAL-KOMMUNIKATIVE SPRACHBESCHREIBUNG (1981), theoretisch­ methodische Grundlegung. (Von einem Artorenkollektiv unter Leitung von Wil­ helm Schmidt.) VEB Bibliographisches Institut Leipzig. /FKS 1981/ GROSSE, Rudolf (1982): Bezeichnungen fur Kommunikationsereignisse unter so­ ziolinguistischem Aspekt. 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