KATHOLISCHE MISSIONSZEITSCHRIFT öANUAR.-FEBR.UAR1?55-4ö.üAHRGANQ-HEFT T Inhalt A. Prost W. V.: Rückblick auf das Missionsjahr 1954 ............................. 1 P. Wilhelm Kühner: Die Verstaatlichung der Missionsschulen in Südafrika.......... 3 P. Günter Brosig: Im Dienste der Kranken......................................... 5 Aus der Diözese Lydenburg ....................................................... 8 G. Bomanis: Die weinende Madonna von Syrakus (Schluß)............................ 10 Br. August Cagol: Königslanze und Kreuz (Fortsetzung) ........................... 18 Plugo Kocher: Der Schatz des Inka ............................................... 21 Das vordere Umschlagbild zeichnete Rudolf Wirth, München. Zur gefälligen Beachtung Die Missionszeitschrift „Stern der Neger" erscheint alle zwei Monate im Umfang von 24 Seiten. — Der jährliche Bezugspreis beträgt in Deutschland DM 2.50: in Österreich 12 Schilling: in Italien 300 Lire. — Wir bitten, den Bezugspreis für 1955 bald einzahlen zu wollen. Bestellungen werden entgegengenommen: In Deutschland vom Missionshaus Josefstal, Ellwangen (Jagst), Württemberg; in Österreich vom Missionshaus Maria Fatima, Unterpremstätten bei Graz: in Italien vom Herz-Jesu-Missionshaus in Milland bei Brixen. Einzahlungen sind zu richten: In Deutschland auf das Postscheckkonto Stuttgart 54 066 Missionshaus Josefstal; in Österreich auf das Scheckkonto 86211 „Stern der Neger“; in Italien auf das Herz-Jesu-Missionshaus in Milland bei Brixen. Miffio n egebetsme in urigen Januar: Für die Einheit und das Wachstum des Christentums in Malabar (Südindien). Februar: Für die Ausbreitung der Kirche in Rhodesien und Nyassaland (Zentralafrika). Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionäre Söhne des Heiligsten Herzens Jesu, Josefstal bei Ellwangen (Jagst), Württemberg. Postscheckkonto Stuttgart 54066. — Schriftleitung: P. Stephan Untermann. — Druck: Schwabenverlag AG., Zweigniederlassung Ellwangen (Jagst). Mit kirchlicher Druckbewilligung und Erlaubnis des Generalobem. Stern Öer Neger Katholifche Mtffione^Zeitfchrift Herauegegeben non öcr Kongregation Miffionäre Söhne öcs Hetligftcn Herzens Jcfu 48. Jahrgang Heft 1 Rückblick auf bas Mifftonsjahr 1954 Von A. Prost W. V. Ein Ereignis mit schwerwiegenden Folgen für die katholische Kirche ist zweifellos der Übergang der Christengemeinden des Nordens in Indochina unter die kommunistische Viet-minh-Regierung; die militärischen Erfolge der Vietminh und die Genfer Abmachungen haben ihn bewirkt. Was die marxistischen Methoden, auch von Mao Tse Tung gehandhabt, bedeuten, ist so klar, daß man sich wenig Hoffnungen für die Zukunft machen darf. Die zehn Ap. Vikariate, die an die Vietminh übergehen, haben ihre Seminare, ihre Karmeliterklöster, viele Institute und Ordenshäuser geräumt. Von den 1 200000 Katholiken hat es ein Großteil vorgezogen, wegzugehen. Ganze Pfarreien haben sich in Bewegung gesetzt, oftmals ihre Glocken mitgeführt und ihre Dörfer hinter sich verbrannt. Zahlreiche Vietnamgeistliche haben sie begleitet, wie auch die Bischöfe von Phat Diem und Buichu. Noch hat man keine genauen Zahlen, da die Räumung noch nicht zu Ende ist und die Flüchtlinge sich in Hanoi stauen. Auf ihrem Posten blieben die anderen Bischöfe, der Apost. Delegat Exz. Dooley, die meisten französischen Missionare und eine Anzahl Vietnampriester. Die katholische Caritas nimmt sich um die Flüchtlinge an, und die ganze Kirche leidet und betet für die, die dem roten Regime verfallen. Aus Nord-Korea, das seit dem Waffenstillstand 1953 ebenfalls unter roter Herrschaft steht, hat man keine Nachricht. In Süd-Korea ging man mit Feuereifer an den Wiederaufbau, und die Bekehrungsbewegung ist vielversprechend. In China sind bereits über 5000 fremde Missionare des Landes verwiesen worden; zurück blieben noch 100 Patres, Brüder und Schwestern. Die chinesischen Katholiken haben nur noch ihre einheimischen Priester als Seelsorger. Der chinesische Klerus in seiner überwiegenden Mehrheit und sämtliche Bischöfe stehen in wirklicher Treue zum Heiligen Stuhl, und das trotz aller Zwangsmaßnahmen zu Gunsten der schismatischen Kirche. Diese Kirche der „drei Unabhängigkeiten" hat mir in Nanking Boden gefunden, wo der von Rom exkommunizierte Generalvikar Li Wei Kwang seinen Namen dafür hergegeben hat, und in Peking, wo die Pfarrkirchen in Händen des „ Reformklerus'1 sind, von den Gläubigen aber gemieden werden. Um den Widerstand der Katholiken zu brechen, hat die kommunistische Regierung 1954 alle Ordenshäuser in Peking besetzt, die noch vorhandenen fremden Priester ausgewiesen und zahlreiche chinesische Ordensleute und Weltpriester ins Gefängnis geworfen. In fast allen Diözesen befindet sich eine Anzahl chinesischer Priester im Gefängnis; ihre Gesamtzahl konnte nicht ermittelt werden. Immer stärker wird der Druck auf die Jugend, und dies ist die größte Gefahr für die Zukunft. Im nichtkommunistischen Asien werden bis zu einem gewissen Grad überall die „Westlichen" mit schee- lem Àuge angesehen, und die Missionare sind davon nicht ausgenommen. Es ist vor allem in Indonesien und Indien sehr schwer, Einreiseerlaubnis für neue Missionare zu bekommen. Die Zukunft gehört dem einheimischen Klerus. So konnte vor kurzem in Java ein zweites Großes Seminar aufgemacht werden. In Indien entwickelt sich das Große Seminar von Poona immer mehr zu einer Art päpstlicher Universität des Orients, während in Malabar die syrische und lateinische Kirche sehr viele Priesterberufe hervorbringt und so auch in andern Teilen des Landes den Samen des Evangeliums ausstreuen kann. überall sind die Völker zum Nationalismus erwacht. In Afrika ist die Mau-Mau-Bewegung noch nicht zum Stillstand gekommen. Ein Zusammenarbeiten der Rassen in Südafrika scheint noch in weite Ferne gerückt. Nigeria möchte auf seinem Weg zur Selbständigkeit die Goldküste erreichen. Die letztere hat schon Proben eines reifen politischen Verständnisses gegeben. Dem Drang nach Selbständigkeit unter den farbigen Völkern hat die Kirche Rechnung getragen durch die Einrichtung der einheimischen Hierarchie. Allein im verflossenen Jahr wurden in Afrika zwei weitere Bischöfe schwarzer Rasse ernannt; der eine in Natal (Umzimkulu), der andere in Nigeria (Weihbischof von Calabar). Birma hat seinen ersten einheimischen Bischof in der Person des neuernannten Weihbischofs von Mandalay erhalten. Sieht man vom kommunistischen China ab, so zählen die Missionsgebiete augenblicklich 62 Bischöfe aus nichteuropäischen Rassen. Zur Heranbildung des einheimischen Klerus gewährt das St.-Petrus-Werk Zuschüsse für 12 000 Kleine Seminaristen und für 96 Große Semi-narien mit 2600 Alumnen. In dieser Zahl sind die Chinesen und die Großen in Amerika und Europa studierenden Seminaristen nicht inbegriffen. Die Zukunft der Missionen hängt großenteils auch ab von der eingeborenen Elite, die daheim oder in Europa und Amerika studiert. Die überseeischen Studenten zählen in den Hauptländern der westlichen Zivilisation nach Tausenden und Zehntausenden. Man muß sich um sie annehmen, um die Katholiken sowohl, wie auch um die Nichtkatholiken. Der verstorbene Sekretär der Propagandakongregation, Erzbischof Bernardini, hatte das wohl erkannt und Auftrag zum Studium dieser Frage gegeben. überall ist die Ernte groß, aber der Arbeiter sind zu wenig. In den von der Propagandakongregation abhängigen Gebieten außerhalb des Eisernen Vorhangs wirken im ganzen 25 000 Priester. Das ist ungefähr die Hälfte derer, die in einem einzigen der Länder mit großer Katholikenzahl wie Frankreich, Spanien, Italien, USA arbeiten. Dabei haben es diese 25 000 Priester bereits mit 28 Millionen Katholiken zu tun unii sollten doch keine Unterbrechung ihrer Bekehrungsarbeit eintreten lassen, überdies sind von den 662 von der Propaganda abhängigen Sprengeln 166 unter Kommunistenregime geraten, und zwar 142 in China, 3 in Korea, 10 in Vietnam, 11 in den Balkanländern. Die Vietnamchristen sind, in den 28 Millionen noch enthalten, und auch die Priester von Vietnam-Nord sind in der Zahl der 25 000 Priester miteinbegriffen. Manche Länder wie Holland, Irland und Belgien sind im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl außerordentlich reich an Missionsberufen; andere wie z. B. die USA, Spanien und Italien verstärken die Missionsarmee in steigendem Maße. Angeeifert durch die Päpstl. Missionswerke haben die Katholiken der ganzen Welt den Aufrufen der kirchlichen Behörden um Spenden für das Missionswerk immer besser entsprochen. Im Jahre 1953 sind nahezu 10 Millionen Dollar für Missionszwecke eingegangen; das sind rund 2 Millionen mehr als im Vorjahr. Man darf hoffen, daß die Zahl der Christen, die sich der Tragweite des Missionswerkes bewußt sind, weiterhin zunimmt, und daß alle nach ihren Kräften zu dem eminent christlichen Werk beisteuern. Der Tod des Propagandasekretärs Exz. Bernardini bedeutet für die Missionssache einen großen Verlust. Aber die Trauer um den vorzeitigen Hingang des Präsidenten der Päpstl. Missionswerke wird durch den Wunsch verklärt, daß sein Nachfolger Exz. Erzbischof S i g i s m o n d i, der in Afrika in den letzten Jahren Zeuge der großartigen Entwicklung der Missionen in Belgisch-Kongo sein durfte, in Zukunft ähnliche Resultate in den Missionen der Gesamtkirche schauen möge. (Fides) Exzellenz Erzbischof Pietro Siglsmondi, der neue Sekretär der Propagandakongregation und Präsident der Päpstlichen Missionswerke (Fides-Foto) Die Verftaatlichimg Oer Miffionefchulen in Südafrika Von P. Wilhelm Kühner, Lydenburg (Transvaal) Das Parlament der Südafrikanischen Union billigte 1953 das neue Gesetz über die Erziehung der Eingeborenen, den sogenannten „Bantu Education Act". Dadurch wurde die Regierung ermächtigt, das Erziehungswesen, das bisher in den Händen der vier Provinzialbehörden von Transvaal, Natal, Oranje-Freistaat und Kapprovinz lag, dem Ministerium für die Angelegenheiten der Eingeborenen zu unterstellen. Auf Grund des Gesetzes will der Staat nun alle Missionsschulen übernehmen. Er entzog allen Missionsstationen die Zuschüsse, die er bisher für die Lehrerbesoldung geleistet hatte. Es ist klar, daß die katholische Kirche Südafrikas, die noch Missionskirche ist, d. h. die sich noch nicht selbst erhalten kann, sondern auf die Hilfe der überseeischen Katholiken angewiesen ist, nicht jährlich Tausende von Pfund für die Lehrerbesoldung aufzubringen vermag. (In der Union besuchen 123 000 Kinder katholische Missionsschulen. Sie werden von etwa 3000 Lehrern unterrichtet. Für deren Besoldung müßte die Kirche bei einem Monatsgehalt von nur 10 Pfund jährlich über 4 Millionen DM ausgeben.) Sie hat ohnedies für die Bezahlung der Lehrer an reinen Privatschulen aufzukommen, die vom Staat überhaupt nichts erhalten. Denkschrift der Bischöfe Schon 1953 waren die Bischöfe beim Minister für die Angelegenheiten der Eingeborenen, Dr. Verwoerd, vorstellig geworden. Es konnte aber keine Einigung erzielt werden. Im vergangenen Jahr reichte dann die südafrikanische Bischofskonferenz bei der Regierung eine Denkschrift ein. Darin brachten die Bischöfe ihre schweren Bedenken gegen das neue Schulgesetz zum Ausdruck, das zwangsläufig zur Entchristlichung der Eingeborenenschulen führe. Sie unterbreiteten dann der Regierung eine Reihe von Vorschlägen zur Schulfrage, die nach kirchlicher Auffassung geeignet erschienen, eine fruchtbare Zusammenarbeit von Staat und Kirche im Schulwesen zu ermöglichen. Dr. Ver-woerd erklärte sich daraufhin zu einer Unterredung bereit, an der von kirchlicher Seite die Erzbischöfe Hurley von Durban, McCann von Kapstadt und Whelan von Bloemfontein teilnahmen. Im Namen der Regierung nahm der Minister zur Eingabe des katholischen Episkopates Stellung, und seine Antwort war ein höfliches, aber glattes Nein. Es tue ihm leid, aber er könne keine Zugeständnisse machen. Hirtenbrief zur Schulfrage In einem am 30. November 1954 erlassenen Hirtenbrief wandten sich die Bischöfe Südafrikas wegen der Schulfrage an die Öffentlichkeit. Einleitend erklären sie, daß ihre Bemühungen um ein Schulgesetz, das Staat und Kirche und die Eltern zufriedenstelle, bis jetzt' noch nicht den gewünschten Erfolg gezeigt hätten. Es gelte daher, weiter zu arbeiten, und sie wollten das auch in Zukunft im Geist christlicher Liebe und Geduld tun. Diese Haltung erlaube ihnen jedoch nicht, in der Schulfrage die von der Kirche kraft göttlichen Rechts aufgestellten Grundsätze preiszugeben. „Um den Ansprüchen der katholischen Kirche Genüge zu tun, ist es notwendig, daß der ganze Unterricht und die ganze Organisation der Schule, . ihre Lehrer und der Geist ihres Unterrichts von einer wahrhaft christlichen Einstellung getragen seien." Wenn der Staat jetzt den katholischen Missionsschulen jede finanzielle Unterstützung entziehe, so erfülle sie das mit tiefem Bedauern. Diese Unterstützung wäre mit dem neuen Erziehungsgesetz wohl zu vereinbaren gewesen. Für die Katholiken sei nun die Stunde der Bewährung gekommen. „Wir rufen alle unsere treuen Söhne und Töchter auf, für den Erfolg ' unserer Sache ihre Gebete zu verdoppeln. Wir rufen auch alle auf, ihren Glauben und ihre Treue zu beweisen durch hochherzige und ununterbrochene Unterstützung unserer Eingeborenenschulen.“ Um der dringendsten Not zu steuern, haben die Bischöfe sofort den „Katholischen Missionsschulfonds" gegründet, Elisabeth, die bei den Dominikanerschwestern in Johannesburg studiert, um Lehrerin zu werden. Wie viele andere katholische Lehrkräfte wird auch sie durch das neue Schulgesetz auf eine große Probe ihrer Kirchentreue gestellt. Die Lehrerin Ludwina Mnisi mit ihrem Söhnchen. Sie unterrichtet in Nelspruit. Ihre Eltern leben auf der Missionsstation Maria Trost. (2 Aufn. W. Kühner) außerdem soll alljährlich eine besondere Sammlung für die Bedürfnisse der Missionsschulen abgehalten werden. Der Hirtenbrief schließt mit den Worten: „Wir wissen, daß unsere Katholiken im allgemeinen nicht reich sind an irdischen Gütern, aber wir kennen ihre Glaubenskraft und ihre tiefe Liebe. Die gegenwärtige Krise ist ein Aufruf zu Treue und Opfer. Der Kampf mag lange und hart sein, die unmittelbaren Erfolge entmutigend, aber wir wissen, daß wir mit Gottes Hilfe und durch die Fürbitte Marias, unserer himmlischen Mutter und Schutzfrau, am Ende siegen werden." Im Dienfte Der Kranken Von P. Günter B r o s i g , Gien Cowie (Transvaal) Da klopfte es neulich früh um halb vier Uhr an meiner Tür — eine Krankenfahrt. In aller Eile ziehe ich mich an und finde zwei Männer vor der Tür, die mich bitten, ich möchte eine kranke Frau ins Spital holen. Schnell mache ich den Jeep fahrbereit, und fünf Minuten später geht es los. Eine eingeborene Krankenschwester fährt mit und einer der beiden Männer, der den Weg zeigen wird. Es ist noch ganz dunkel, afrikanische Winternacht, d. h. Sternenhimmel und sehr kühl. Die Sonne geht erst gegen sieben Uhr auf. Unser Ziel liegt ungefähr 20 Kilometer von der Missionsstation entfernt. Ich bin froh, daß wir auf der Straße bleiben können und nicht gar so weit in den Busch hineinmüssen, wo es nur noch Fußwege gibt; denn da hat das Auto etwas mitzumachen und der Fahrer auch, zumal wenn es dunkel ist. Nach 19 Kilometern biegen wir von der Straße rechts ab und es geht hinein in den Busch, in wegloses Gelände. Doch nicht gar so weit, dann sind wir schon am Ziel. Im Kral ist kein Laut zu vernehmen, nur ein matter Lichtschein zeigt uns an, daß jemand wach sein muß. Da sehen wir auch schon in einer Hütte Frauen und Kinder um ein spärliches Feuer herumsitzen. Gegenüber in einer anderen Hütte ist die kranke Frau. Mit einer Taschenlampe geht die Krankenschwester hinein und findet die Frau in gebückter Haltung auf dem Boden knieen. Nach einer Weile erkundige ich mich, ob sie ernstlich krank ist. „Schau her, Pater", sagt die Schwester und nimmt ein Tuch von den Schultern der Frau. Ich sehe, daß am Hals und am Rücken mehrere handtellergroße Stücke Haut fehlen. „Ins Feuer gefallen heute nacht", sagt uns ihr Mann. „Sie war allein, niemand konnte ihr gleich zu Hilfe eilen." Für gewöhnlich haben die Eingeborenen in ihren Hütten keinen Ofen. In der Mitte der Hütte ist der Fußboden ausgehöhlt, dort wird Feuer gemacht, und der Rauch zieht zum Eingang und durch das mit Gras gedeckte Dach nach allen Seiten hinaus. So kommt es nicht selten vor, daß jemand beim Feuer einschläft und erst aufwacht, wenn die Haut schon angebrannt ist. So ähnlich wird es der Frau ergangen sein. Zwei Wärmflaschen, die wir vom Spital mitgebracht haben, tun der Frau gute Dienste, denn sie zittert am ganzen Leib. Da sie nicht liegen kann, hockt sie sich auf die Matratze, die wir gleichfalls mitgeführt haben, und vorsichtig tragen wir sie zu unserem Jeep. Leider ist der Eingang in den Kral so schmal, daß wir mit unserer Last nicht durchkommen. So heben wir zu dritt die Matratze mit der Frau über die Mauer, die das Gehöft umgibt. Beim Auto, angelangt, laden wir alles auf, auch die Mutter und das Kind der Kranken, und los geht's in Richtung Spital. Beim Morgengrauen kommen wir in Gien Cowie an. Der Herr Doktor ist auch gleich zur Stelle und macht ein bedenkliches Gesicht, weil die Brandwunden sehr groß sind, aber er wird alles versuchen, um die Frau am Leben zu erhalten. An einem anderen Tag wurde ich am späten Nachmittag gerufen, um einen kranken Mann ins Spital zu schaffen. Es war nicht weit von uns, nur etwa 6 Kilometer. Ich sah, daß die Frau des Kranken sehr erregt war, und fragte sie, was ihm fehle. „Er kann nicht mehr laufen", erklärte sie, „und liegt draußen im Feld." Als wir bei ihrem Haus ankamen, mußten wir das Auto stehen lassen, so steil wurde der Abhang. Nun ging’s auf die Suche nach dem armen Mann. Ich hörte inzwischen, wie alles vor sich gegangen war, und dachte mir: Dich hat der Herrgott gleich in deiner Sünde gestraft! Der Mann war nämlich zum Stehlen ausgezogen und dabei ertappt worden. Man hatte ihn schwer zusammengehauen, denn wenn die Eingeborenen zornig werden, kennen sie im Zuschlägen kein Maß mehr. Das Gras war sehr hoch, darum fanden Dr. med. Kurt Hübner aus Deutschland leitet das St.-Rita-Hospital in Gien Cowie. Seitenansicht des Hospitals. — Br. Xaver Dorn, Feriengast für einige Tage, füttert gerade Doktors Dackel. Eine Patientin beim Briefschreiben. Br. Dorn mit zwei Patienten am kleinen Stausee der Station. (4 Auf. F. Bratina) wir ihn erst nach 10 Minuten. Er sah recht zerbeult aus und war nicht ganz bei sich. Doch hatte er keine offenen Wunden, und so konnten wir ihn an Händen und Füßen packen und zum Auto tragen. Nicht selten kommt es vor, daß die Eingeborenen ihre Kranken zu spät ins Spital bringen. Zum Teil tun sie das aus Scheu, zum Teil aus Bequemlichkeit. Sie warten bis zum letzten Augenblick, probieren alles Mögliche und erst wenn alle Versuche fehlschlagen, nimmt man die Zuflucht zum Doktor. Da wurde im vergangenen Jahr eine Frau von etwa 30 Jahren ins Spital gebracht, die bald Mutter werden sollte. Sie hatte daheim über arge Schmerzen geklagt. Statt des Arztes aber ließ sie den Zauberer holen, der ihr ein Gift reichte, um die Schmerzen zu betäuben. Das Mittel aber war zu stark, es vermehrte die Schmerzen und griff sogar ihr Denkvermögen an. Nun sollte der Arzt noch helfen. Aber es war zu spät; sie starb hier im Spital, nachdem ihr kleiner Sohn das Licht der Welt erblickt hatte. Kurz vor ihrem Tod empfing sie noch das Sakrament der Taufe. Oft fragt man sich, warum solche Menschen, die ihr Leben lang Heiden waren, einige Stunden oder Minuten vor ihrem Tod noch die Gnade der Taufe erlangen und somit als Gotteskinder sterben können. Man findet nur diese Antwort darauf: Es ist Gottes unsagbar große Barmherzigkeit. Er gibt seine Gnade, wem er will und wann er will. Ich denke da an viele Opferseelen drüben in der deutschen Heimat, die immer etwas übrig haben für die Mission und die auch in dieser Meinung zur heiligen Messe gehen und beim heiligen Opfer für die Mission beten. Und ich denke an viele leidende Seelen, die immer wieder ihr schweres Kreuz aufopfern für die Bekehrung der Heiden. Sicher nimmt der Herrgott diese Opfer an und läßt dann hier die Gnade in überschwenglicher Weise fließen, daß man oft staunen muß. Für viele Eingeborene ist unser kleines Krankenhaus schon der Weg zum Himmel geworden. Gegenwärtig wird das Spital in Gien Cowie vergrößert, eine Riesenarbeit für unsern Rektor, P. Franz Koch. Wir hoffen, daß dadurch noch mehr Seelen den Weg zum Himmel finden werden. Alle Opfer, die Arzt und Schwestern täglich bringen, werden den kranken Eingeborenen zeigen, daß wir es gut mit ihnen meinen, und Gott wird sich ihrer erbarmen und ihnen die Gnade des Glaubens geben. ÄU0 Oer Diözefe LyOenburg Gien Cowie — Das Herz-Mariä-Fest des vergangenen Jahres war ein großer Tag für die kleine Genossenschaft unserer schwarzen Schwestern, die Bischof Johannes Riegler ins Leben gerufen hat. Der 22. August ist das Hauptfest der kleinen Schar, die sich „Töchter des Unbefleckten Herzens Mariä" nennt. Am Vorabend hatte P. Adolf Stadtmüller, der Generalvikar der Diözese, im Namen des abwesenden Bischofs zwei Mädchen ins Postulat aufgenommen und vier andere für das Noviziat eingekleidet. Dabei sprach er zu ihnen in Englisch über Maria, die den besten Teil erwählt hat, und über die klugen Jungfrauen, die sich für die Ankunft des Bräutigams bereit hielten. Am Festtag selbst legten vier Schwestern im Hauptgottesdienst die ersten heiligen Gelübde ab. Diesmal sprach P. Stadtmüller in fließendem Sepedi über das Recht jedes Volkes, seine eigenen Ordensfrauen zu haben, und über den ehrenvollen Vorzug, dem König der Könige in Armut, Keuschheit und Gehorsam zu dienen. Vor dem Gottesdienst erhielten die Schwestern statt des weißen Schleiers der Novizinnen den dunkelblauen der Professen. Dann wurde ihnen das Pro-feßkreuz überreicht unter Gebeten, die den Sinn dieser Gabe erklärten und Stärke erflehten. Lang auf dem Boden ausgestreckt entsagten die Schwestern der Welt und opferten sich dem Dienst Glen Cowle. — Die schwarzen Schwestern auf dem Weg zur Kirche. Vier Schwestern legten ihre ersten Gelübde ab, vier wurden für das Noviziat eingekleidet und zwei als Postulantinnen aufgenommen. Der Name der von Bischof Riegler gegründeten einheimischen Genossenschaft lautet: „Töchter des Unbefleckten Herzens Mai’iä“. des Christkönigs. Vor der Kommunion las dann jede ihr dreifaches Gelübde vor und empfing als Besiegelung des Brautbundes den Herrn selbst. Viele Gläubige waren herbeigeeilt, aber auch Heiden hatten sich zu dem seltenen Ereignis eingefunden. In langen Reihen saßen sie vor der Kirche, denn das Innere konnte längst nicht alle fassen. Anwesend war auch die Provinzialin der Englischen Fräulein, die zugleich Generaloberin der eingeborenen Schwestern ist. Zwei der schwarzen Schwestern sind Lehrerinnen; zwei andere bereiten sich in Johannesburg auf ihr Examen vor. Eine Schwester weilt schon fast zwei Jahre in Mariannhill, um Krankenpflege zu lernen. Die Tracht der „Töchter des Unbefleckten Herzens Mariä" ist sehr kleidsam und modern, die Farben sind ma-rianisch: weiß und blau. Lydenburg — Bischof Johannes Riegler, Oberhirte der Missionsdiözese Lydenburg, Südafrika, hatte • sich im Februar des vergangenen Jahres in die Die Schwestern haben vor P. Adolf Stadtmüller, dem Vertreter des abwesenden Oberhirten, soeben ihre Gelübde abgelegt und empfangen aus seiner Hand die hl. Kommunion. (2 Aufn. W. Kühner) L Še / Ijg J I §| j .V ; t jF , *3 Vereinigten Staaten von Nordamerika begeben, um bei den dortigen Katholiken Unterstützung für sein Missionsgebiet zu finden. In zahlreichen Kirchen sprach er allsonntäglich mehrmals zu den Gläubigen und wurde von den dortigen Katholiken, die für ihren Missionseifer bekannt sind, reich beschenkt. Auf seinem Rückweg besuchte er unsere Missionshäuser in Deutschland, Österreich und Italien. Ende November ist er von Rom aus in seine Diözese zurückgeflogen. Acornhoek — Br. Johann Lamp-recht schreibt: P. Tremmel hatte in der ersten Woche des Oktober die allernotwendigsten Dinge für die Neugründung dieser Missionsstation auf einem Lastwagen hierher gebracht. Da der frühere Besitzer nicht ständig auf der neuen Missionsfarm Eglinton wohnte, fanden wir nur ein paar Hütten vor. Die größere wurde zur Schule bestimmt; die Lehrerin, die von Lydenburg mitgekommen war, hatte in wenigen Tagen 30 Kinder für die Schule gewonnen. Aber zum ersten Sonntagsgottesdienst kam außer einem Mann und einer Frau, die nicht immer hier wohnten und außerdem Protestanten sind, und etwa 40 Kindern niemand. Staunend betrachteten die Besucher den Tragaltar und die Kleidung des Priesters, alles Dinge, die sie noch nie gesehen hatten. Es war für die Lehrerin nicht leicht, unter den Kindern Ruhe und Ordnung zu halten, aber auf die Predigt haben die Schwarzen mit großem Interesse gehört. Die Zahl der Schulkinder ist seitdem auf 70 gestiegen. Möge sich diese neue Missionsstation gut entwickeln und eine Pflanzstätte des Glaubens in der hiesigen Gegend werden. Die roeineoöe MaOonna t>on Syrakus (Schluß) Briefe und Spenden Was ist nun eigentlich geschehen? Um dies zu erfahren, gehen wir eine enge Trippe hinauf in eine Art Büro, wo die „Administration" des wundertätigen Bildchens sich eingerichtet hat. Selten habe ich eine so sonderbare Zusammenstellung von Beamten gesehen. Da sitzt ein Pater, der nichts anderes tut als Briefe öffnen, die aus allen Teilen der Welt hier Zusammenkommen. Er gibt sie an drei andere Patres weiter, die sie sortieren, um sie dann in Stößen bei dem Bilde niederzulegen. Es sind Hunderte. Ich lese einige davon. Hier ist einer von einem jungen Mädchen aus Turin, das gesund werden will, der zweite kommt von einem Mann aus Rio de Janeiro, der seit Jahren taub ist, und ein dritter von einem Kind in New York, das gehbehindert ist und gerne laufen möchte. Es ist ein endloser Schrei menschlichen Elends. Auch Dankschreiben für erhaltene Gnaden und erhörte Gebete sind dabei. Wenn man bedenkt, daß hier pro Tag etwa 2000 Pilger ankommen, dann kann man sich den Umfang dieser Korrespondenz ungefähr vorstellen. Drüben, an einem langen Tisch, sitzen fünf Mädchen und zählen Postabschnitte. Die gespendeten Geldbeträge müssen doch bald für eine Kirche reichen? Ich bin so frei, mich danach zu erkundigen. Nun, die Antwort ist enttäuschend. Postabschnitte und Bankanweisungen über 50 bis 100 Lire (35 bis 65 Pfennige) sind in der Mehrzahl, höhere Beträge selten. Eine Klosterschwester informiert mich flüsternd über ein Unglück, das vor kurzem geschehen ist. Die Italiener in Amerika haben beschlossen, in ihrem eigenen Syrakus, das im Staate New York liegt, eine Kirche zu bauen. Aber wenn Amerika nicht mittut, wo bleiben dann wir? Ich lese das Gutachten, das eine Kommission von Chemikern über die chemische Zusammensetzung der Tränen herausgegeben hat. Wissenschaftliches Gutachten Drei Katholiken und drei Nichtkatholiken haben zusammen ein Gutachten abgegeben: es sind wirkliche Tränen. Ich lese die Erklärung von Sanbini, dem Mann, der den ursprünglichen Entwurf des Bildchens in Lucca modelliert hat. Keine der Tausende von Kopien, die nach diesem Vorbild gemacht wurden, hat je Tränen geweint. Das ist auch nicht gut möglich; denn die Bildchen sind massiv, und das Material ist pulvertrocken. Obendrein sind sie noch mit einer Glasur versehen, die nicht porös ist. Drei Direktoren chemischer Laboratorien kamen zu demselben Ergebnis. Dr. Rosa hat die Augen untersucht. Die Farbe der Augen ist aus sieben Mischfarben zusammengestellt. Wenn die Tränen von innen gekommen wären, hätten sie Spuren dieser Farbe aufweisen müssen. Ich blättere in einigen Dutzend Zeugnissen und Gutachten und komme zu der Überzeugung, daß noch nie in der menschlichen Geschichte Tränen so gründlich untersucht wurden. Warum weint die Madonna? Und mit einem Male meine ich, selbst die Lösung gefunden zu haben. Wenn hier auf einem Bordstein ein Bettler, eine alte Frau oder ein Krüppel weinend die Hand ausstreckt, dann kümmert sich niemand darum. Man schenkt ihnen eine Münze, sicher, aber niemand fragt nach der Ursache ihres Unglücks. In diesem Augenblick: weinen in den Elendsquartieren Süditaliens unzählige Sterbende. Keine gelehrten Menschen kommen und erkundigen sich nach der Ursache, was doch so nützlich wäre. Aber kaum weint ein gipsernes Fabrikbildchen, so rennt alles aufgeregt hin. Es werden Berichte gemacht, und die besten Fachgelehrten studieren die verschiedensten Möglichkeiten. Vielleicht weint darum die Madonna. Sie weint nicht wegen dieser Aufregung — diese ist sehr natürlich —, sondern sie weint, weil sonst niemand sich von Tränen rühren läßt. Sie weint, weil hier zu viel von Wundern erwartet wird und zu wenig von tätigem Mitleid und prak- tischer sozialer Fürsorge. Sie weint um die Tausende Mißgestalteter und Gebrechlicher auf der Piazza Euripide, die dort nicht zu sein brauchten, wenn etwas mehr Hygiene und gesunder Menschenverstand herrschen würden. Sie weint über Zustände, die so arg sind, daß selbst die Steine weinen. Ich werde diese Meinung Msgr. Ba-ranzini, dem Erzbischof von Syrakus, einmal ehrerbietig darlegen. Er hat die Güte und empfängt mich morgen im bischöflichen Palast. Er wird mich zu einigen Geheilten bringen und mir evtl, erzählen, was Rom von der Sache denkt. Als Gegengeschenk werde ich ihm dann meine Erklärung anbieten. „Glauben Sie, daß ich hier sitze?" Am folgenden Tage begebe ich mich zum bischöflichen Palast, wo ich sofort zu Sr. Exzellenz geführt werde. Kaum haben wir uns gesetzt, läutet es' zum Angelus. Monsignore steht auf, macht das Kreuzzeichen und betet laut den Engel des Herrn. Ich antworte auf holländisch; denn ich kann den Text nicht so schnell übersetzen. Als wir uns wieder hinsetzen, ist Monsignore so freundlich, die holländische Sprache „molto bella" (sehr schön) zu finden. Und dann macht er eine sehr treffende Bemerkung: „Sehen Sie", sagt er, „wir haben nun schon zwei Minuten miteinander gesprochen, jeder in seiner Sprache, und haben einander genau verstanden. Das kommt daher, daß die katholische Kirche international ist. Trinken Sie Kaffee?" Während er mir einschenkt, sehe ich ihn aufmerksam an. Er hat ein mächtiges Haupt, großflächig gebaut, der Kopf eines Regenten. Ein Mann, der weiß, was er will, aber vor allem auch, der will, was er weiß. Der Mund ist väterlich, aber der feste Blick verrät eine Persönlichkeit, mit der man besser keinen Streit beginnt. Ich nehme mir darum auch vor, dies mit Sorgfalt zu vermeiden. „Liegt Schnee in Holland?" fragt er plötzlich. Das fragen mich alle in Sizilien. Sie gönnen uns wohl auch ein Wunder. Und nun bin ich an der Reihe. (Fortsetzung auf Seite 14) ßtW ÄA-, a|Uj c ' j ''-.A* 1 MJLl - ml / m 'Mt iKrn;. ¥1. IPI . ^ ” ’ÄJß • mi. M iJi -Jjjji 11 : -l ... .* Vv,1 igr i: K ? ¥M:; tft pi - m j 1 t m -iß- / - . 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Außer Indern studieren an diesem Kolleg Angehörige der verschiedensten Nationen. |*Am Brunnen vor dem Tore“ treffen sich eingeborene Ordensschwestern mit den Hausfrauen von Anand. Die : Schwestern benützen diese Gelegenheit, um ; über religiöse Fragen zu i sprechen. !AUe Aufn. Fides-Foto) Die tueinenöe Maöonna t»on Syrakus (Fortsetzung von Seite 11) „Glauben Sie, daß die Erscheinungen der letzten Monate in Syrakus übernatürlichen Ursprungs sind?" Monsignore legt seine Pfeife nieder und schaut mich an. „Glauben Sie, daß ich hier sitze?" fragt er. Ja, das glaube ich. „Genau so glaube ich an die Madonna der Tränen", sagt er. Nach dieser deutlichen Sprache steht er auf und holt den „Osservatore Romano" vom 4. Februar 1951 hervor. Er ersucht mich, darin einen Artikel zu lesen, von dem ein Teil mit Rotstift umrandet ist. Folgendes steht darin: „überall in der Welt, aber vor allem in Italien, tauchen in der letzten Zeit Gerüchte über geheimnisvolle Geschehnisse und Erscheinungen auf, die an vielerlei Orten geschehen sein sollen. Die Kirche sieht es als ihre Pflicht an, die Gläubigen zu warnen. Sie sollen sich durch diese Behauptungen nicht mitreißen lassen und auf ihre eigenen Augen vertrauen. Seit einiger Zeit ist in unserem Volke eine starke Neigung zum Wunderbaren spürbar, auch in religiösen Dingen. Statt daß man in die Kirche geht, um dort Gottes Wort zu hören und die Sakramente zu empfangen, begibt man sich in Massen zu den Orten, wo angeblich Wunder und Visionen zu erleben sind und wo Personen, die die Anfangsgründe unseres Glaubens nicht einmal beherrschen, sich als feurige Apostel aufwerfen. Es ist nicht die Absicht der Kirche, ein wirkliches Wunder Gottes in Zweifel zu ziehen, aber sie will ihre Gläubigen auf den Unterschied hinweisen, der zwischen den Dingen besteht, die von Gott kommen, und denen, die von unser aller Feind ausgehen ..." Ich schaue Msgr. Baranzini an. „Sie sehen", sagt er, „ich bin gewarnt. Was Sie da gelesen haben, sind die Worte von Kardinal Ottaviano, dem Assessor des Heiligen Offiziums. Wenn dieser Mann spricht, hat ein Bischof von Syrakus zuzuhören. Obendrein: seine Worte sind mir aus dem Herzen gesprochen. Zu sehr besteht in unserem Volke, und besonders bei uns in Süditalien, die Neigung, den gesunden Verstand über dem Mysteriösen zu verlieren. Das ist nicht allein schädlich für ein gesundes religiöses Lebens, sondern hemmt auch die Entwicklung auf anderen Gebieten, namentlich dem sozialen. Als ich hörte, daß in meiner eigenen Stadt ein Madonnenbild weine, war mein erster Gedanke: Keinen Unsinn in meiner Diözese dulden! Und ich ging hin, um der Sache ein Ende zu bereiten." Monsignore steckt sich eine Pfeife an und blickt mich ruhig an. „Sie kommen aus einem nüchternen Land", sagt er, „wo nüchterne Menschen wohnen. Aber in Syrakus wohnen auch welche, und ich bin einer davon. Doch es gibt Momente, wo die Natur aufhört und die Übernatur beginnt. Ich habe nicht viele solcher Momente erlebt. Als ich jedoch das Bildchen in meinen eigenen Händen hielt und die Tränen der Madonna über meine Finger strömten, wußte ich: dies ist ein solcher Moment. Kardinal Ottaviano sagt, daß ich mich auf meine eigenen Augen verlassen müsse. Ich habe nichts anderes getan. Und ich sah es so, wie Sie mich jetzt sehen. Was wollen Sie? Daß ich weiter zweifle? Ich zweifle so lange als möglich. Es ist die Pflicht eines Bischofs, in solchen Dingen der Letzte zu sein, der sich geschlagen gibt. Aber gegen die Tatsachen kann ich nicht an. Dann beuge ich das Haupt und sage: hier wirkt Gott." „Auch der Teufel hat große Macht.“ „Sehr richtig. Aber was halten Sie von einem Wunder, welches das ganze Glaubensleben in Sizilien belebt? Allein in meiner Diözese hat sich die Zahl der Kommunionen verdreifacht, und die Priester können den Strom der Beichtenden fast nicht mehr bewältigen. Wenn Sie wissen wollen, ob eine wunderbare Begebenheit das Werk Satans .ist, dann müssen Sie nicht nach dem Geschehnis selbst schauen, sondern auf seine Folgen im gewöhnlichen Leben der Pfarrei. Dann haben Sie gleichzeitig die Antwort. Der Teufel arbeitet nicht gegen sich selbst; dazu ist er zu intelligent." Sind die Heilungen echt? „Wie steht es mit den Heilungen? Sind sie echt?" Zum ersten Male bemerke ich an Msgr. Baranzini ein Zeichen von Ungeduld. „Echt?" ruft er. „Was heißt echt? Wenn Lahme gehen, Blinde sehen und Taube hören, ist das echt? Und wenn die Menschen, die ich nur auf dem Krankenbett kannte, in meine eigene Kirche hereinspazieren, ist das echt? Wenn eines von meinen Pfarrkindern, das ich nie anders als humpelnd gesehen habe, seine Krücken wegwirft und aufrecht auf mich zukommt? Muß ich den Mann dann fragen, ob das echt sei? Er würde seine Krücken aufheben und sie mir um die Ohren schlagen!" „Wieviele Heilungen sind wissenschaftlich festgestellt?" „Keine einzige. Das geht sehr langsam. Ich kann Ihnen aber sagen, wieviele Heilungen bisher gemeldet wurden: sechshundertunddreiundfünfzig. Nicht nur aus Italien, sondern auch aus Frankreich, Spanien und den Vereinigten Staaten. Einige Geheilte sind sogar hergekommen, um es uns selbst zu berichten; andere schrieben es. Das muß natürlich alles erst noch untersucht werden." „Und wer untersucht es?" „Eine Kommission von fünfzehn Sachverständigen; Psychiater, Orthopäden, Röntgenologen und Spezialisten verschiedenster Art gehören dazu. Die Hälfte davon ist nicht katholisch. Aus Syrakus gehört der Bürgermeister, der zufällig selbst Arzt ist, der Kommission an; er kennt die Menschen, denn die meisten sind aus dieser Gegend." „Warum weinte die Madonna?" „Warum weint ein Erzbischof? Das hat dieselben Ursachen. Wenn mir manchmal Tränen in die Augen dringen, wenn ich sehe, wie die Menschen sich mit jedem Tage weiter vom Evangelium entfernen, sollte Maria dann nicht weinen? War sie in Lourdes unbeschwert? War sie in Fatima fröhlich? Wie kann sie in einer Welt wie dieser anders erscheinen denn als Mutter der Schmerzen?" „Sie sind beim Papst gewesen. Was sagte der Heilige Vater?" Monsignore Baranzini setzt sich etwas aufrechter. Ich begreife, daß ich die Grenzen der Indiskretion erreicht habe. Er wird nun nicht sagen: „Was geht Sie das an?" Dafür ist die kirchliche Diplomatie zu alt. Er wird nun eine der höflichen, aber nichtssagenden Antworten geben, deren Bedeutung nur sehr hochgestellte Prälaten kennen. „Der Heilige Vater zeigte wohlwollendes Interesse." Diese Tür ist zu. Wir probieren eine andere. Zeugen einer wunderbaren Heilung „Haben Sie selbst ein Wunder miterlebt?" „Ja, am 8. September, dem Fest Mariä Geburt, hielt ich am Fuße des Bildchens eine Predigt an die Tausende Pilger, die den kleinen Platz bevölkerten. Danach betete ich den Rosenkranz vor. Nach der ersten Hälfte erklang plötzlich eine Kinderstimme aus der Menge: Viva Maria! Viva la Madonna!" Es entstand ein gewaltiger Jubel, zuerst in der Umgebung des Kindes, und dann wurde es zu einem Orkan über dem ganzen Platz. Ich gebot Ruhe. Und in diese Stille hinein erklang erneut die helle Stimme: „Viva Maria! Viva la Madonna!" Es war ein Mädchen von acht Jahren, die kleine Salvatrice, die ich gut kannte. Das Kind war stumm geboren und hatte noch nie ein Wort gesprochen. Die Hälfte des Rosenkranzes hatte sie stumm mitgebetet, die Augen fest auf das Bild gerichtet. Und mit einem Male rief sie deutlich und verständlich diese Worte. Si, Signore, das habe ich selbst miterlebt. Ich war am folgenden Tag noch heiser. Da ist man nicht mehr Bischof, da jubelt man selbst mit und drängt sich so lange durch die Menge, bis man das Kind in den Armen hält, natürlich nur für einen Augenblick. Dann ist man Sizilianer mit den Sizilianern, und was die Gelehrten sagen, hört man erst später." Kindliches Vertrauen Msgr. Baranzini ist etwas erregt und hat Bedürfnis nach Bewegung. Er steht auf und schiebt einen Vorhang beiseite. Ich erblicke Tausende von Briefen, in Päckchen geordnet. Die Sammlung nimmt eine ganze Wand ein. „Wenn Sie eine Schwäche für seltene Briefmarken haben", sagt der Bischof von Syrakus, „dann sind Sie hier an der richtigen Stelle. Die Briefe kommen aus allen Teilen der Welt. Die anonymen dürfen Sie lesen. Sie wissen doch nicht, von wem sie sind, und ich weiß es auch nicht. Schauen Sie sich einmal die Umschläge an: „Madonna der Tränen, p. Adr. Bischof von Syrakus." Der Bürgermeister hat auch so eine Sammlung, und in dem kleinen Büro auf der Piazza Euripide liegt die dritte. Wir haben Wochen gehabt, in denen wir durchschnittlich 600 Briefe pro Tag erhielten. Manche dieser Briefe sind sehr kurz, zum Beispiel dieses Päckchen aus Mailand." Msgr. Baranzini setzt seine Brille auf und liest: „Tu sai in quali condizioni mi trovo (du weißt, unter welchen Umständen ich lebe). Keine Unterschrift. Tu sola puoi aiutarmi e salvarmi (du allein kannst mich retten und mir helfen). Keine Unterschrift. Se tu vuoi, puoi (wenn Du willst, kannst Du). Weiter nichts. Sehen Sie hier, ein großer weißer Bogen, darauf steht siebenmal .aiuto' (Hilfe). Das ist eine Seele in Not. Und hier ist ein Brief von einem Kind. Er enthält nur einen Satz: Fa che il babbo torni al voler bene alla mamma (mach, daß Papa wieder gut ist zur Mama). Der Bischof legt die Briefe wieder an ihren Platz zurück und schaut zum Fenster hinaus: „Ich wünschte, daß dieser Kinderwunsch erfüllt würde", sagt er leise. „Kinder sind dem nicht gewachsen. Daß wir leiden, gut. Manchmal ist es unsere eigene Schuld. Aber sie? Kommen Sie, wir gehen!" Pfarrchronik beginnt mit der Apostelgeschichte Zusammen gehen wir durch Syrakus, eine der ältesten und schönsten Städte, die je von Menschenhänden erbaut wurden. Msgr. Baranzini weiß viel darüber. Er zeigt mir die Kathedrale, deren linke Seitenwand von den Säulen eines ehemaligen griechischen Tempels gestützt wird, der hier einmal gestanden hat, und zeigt mir die stolze Inschrift in der Kuppel: Die Kirche von Syrakus ist die erste Tochter des hl. Petrus und die erste, die nach der von Antiochien Christus geweiht wurde. „Als Paulus hierher kam und drei Tage in Syrakus blieb", sagt der Bischof, „bestand meine Kirche schon, und der Apostel hat bei meinem Vorgänger logiert. Das war im Jahre 59. Eine ziemlich alte Siedlung also. Wenn Sie meine Pfarrchronik lesen wollen, müssen Sie mit der Apostelgeschichte anfangen; denn da stehen wir schon lang und breit drin. Lesen Sie es nur nach, es ist in jeder Buchhandlung zu haben. Ich sage manchmal zu Pfarrern aus Rom, die glauben, eine sehr alte Pfarrei zu haben: .Kinder', sage ich, Jest die Briefe des hl. Paulus; denn da beginnt die Geschichte meiner Pfarrei!' Dann sind sie gleich still!" Hysterie ausgeschlossen Wir sind inzwischen am Hause der Familie Moncada angekommen, wo die kleine Enza wohnt. In ihrem ersten Lebensjahr war sie an Kinderlähmung erkrankt und konnte ihren rechten Arm nicht mehr bewegen. Die Ärzte gaben sich alle Mühe, aber der Arm blieb gelähmt. Der Vater trug sie auf den Armen zu dem Häuschen, wo das Madonnenbild hing. Es war in den Tagen, als das Bild noch weinte. Ein paar Tränen fielen auf den Arm, und die Lähmung war geheilt. Die Kleine kommt auf uns zu, küßt dem Bischof den Ring und gibt mir die rechte Hand. Die Hand ist nicht schlaff, sondern hat einen gesunden, kräftigen Druck. Zu unserem Vergnügen schwingt sie beide Arme noch etwas und springt dann in den Garten. Ein paar Straßen weiter gehen wir in das Haus, wo der kleine Francesco Ferracini wohnt. Wir möchten etwas warten, heißt es, er käme gleich aus der Schule, und zwar aus der normalen Volksschule, wohlgemerkt! Früher war er nämlich in einem Institut für Gehörlose. Selbst dort war er ein schwieriger Schüler; denn er war völlig taub. Wir sitzen schweigend in der guten Stube, die verwirrten Eltern auf den gepolsterten, wenig gebrauchten Stühlen uns gegenüber. Si, Monsignore, das war schon ein Ereignis. Und was hatte sie sich gedacht, als der Junge mit einem Male hörte? Das weiß sie nicht mehr. Sie hat ihm allerlei Worte ins Ohr geflüstert, aber die weiß sie auch nicht mehr.. Jede Mutter hat ihren eigenen Wortschatz. Aber mir braucht sie die Worte nicht zu erzählen. Acht Jahre versäumter Zärtlichkeit hat sie in fünf Minuten nachgeholt. Der Mann schaut mit gerunzelten Augenbrauen schweigend auf den Boden. Mißtraut er dem hohen Besuch? War er Kommunist? Und nun .nicht mehr so sehr'?" Nein. Er horcht. Und wir horchen mit. Da ertönen Schritte, und da ist er, Francesco! Ich habe die ganze Zeit auf seine Fotografie geschaut, die auf dem Kaminsims steht, ein ovales Kindergesicht mit dem etwas verdrossenen und mißtrauischen Blick der Taubstummen. Ein offenes, lachendes Jungengesicht schaut uns von der Tür her an. Si, Monsignore, er hört ausgezeichnet, nicht wahr, Francesco? Der Junge nickt. Nur im Anfang erschien ihm alles „so laut". Aber jetzt ist auch das vorbei. „So könnte ich Ihnen allein in Syrakus noch fünf andere Kinder zeigen", sagt Monsignore, als wir wieder draußen sind, „und ich habe absichtlich mit Kindern angefangen, weil bei ihnen jede Hysterie praktisch ausgeschlossen ist. Nun wollen wir noch ein paar Erwachsene aufsuchen. Damit könnten wir uns bis heute abend beschäftigen. Aber wir wollen uns mit dreien in diesem Viertel begnügen." Und so besuchen wir Signora Maria Salvo, die zehn Jahre hilflos im Bett gelegen hat, von 'unerträglichen Schmerzen gequält. Die Art ihrer Krankheit wird mir aus ihrem Sizilianisch nicht klar. Aber was kümmert mich das? Sie steht vor mir, gerade an Leib und Gliedern, strahlend vor Gesundheit. Wir sehen den vierzigjährigen Federico Amore Campolato, aber viel wichtiger ist: er sieht uns. 1935 wurde er während seiner Militärzeit blind. Die Dia- gnose war vernichtend: Atrophie der Gesichtsnerven durch inneren Tumor. Das erste, was er nach 18 Jahren sah, war die Madonna. Wir drücken Alfons Belfiore die Hand, der zu diesem Tage gerade dreißig Jahre alt wird. Er kommt etwas unsicher auf uns zu. Aber was bedeutet das, wenn man dreißig Jahre lang überhaupt nicht laufen konnte. Beide Beine waren gelähmt. In einigen Monaten, sagt der Arzt, laufe er wie jeder andere. Die Nerven funktionieren wieder, nur die Muskeln müssen sich erst noch an die ungewohnte Bewegung gewöhnen. „Ich werde Ihnen eine Liste von zehn weiteren Geheilten aus der Gegend geben", sagt der Bischof, nachdem wir Alfonso Glück gewünscht haben. „Die können Sie dann selbst besuchen, denn ich muß jetzt zurück. Aber, bevor wir Abschied nehmen, eine Frage: Wieviele Geheilte haben Sie gesehen??" „Fünf", sage ich, „zwei Kinder und drei Erwachsene." Der alte Mann lächelt fein. Es ist deutlich zu sehen, daß er über irgend etwas vergnügt ist. „Fünf", sagt er, „dabei waren es zwölf! Das kommt davon, daß Sie mit den Augen des Laien sehen. Aber ich sehe mit den Augen des Priesters.* Das größte Wunder „Ich gehe hier nicht als Fremder umher, sondern als der zuständige Pfarr-geistliche. Mir sind heute sieben auf der Straße begegnet, die seit Jahren ihre Ostern nicht mehr hielten und weder von Gott noch von seinen Geboten etwas wissen wollten: Trinker, Ehebrecher und Dirnen. Sie sind heute wieder treue Söhne und Töchter der Kirche. Ich konnte sie Ihnen nicht zeigen, weil ich durch das Beichtgeheimnis gebunden bin. Für mich ist dies das größte Wunder! Arme und Beine vergehen, ob man gesund ist oder nicht, aber die Seele vergeht nie und muß um jeden Preis gerettet werden. Vergessen Sie vor allem dieses Wunder nicht, wenn Sie nach Holland zurückkehren. Es sind Tausende und Abertausende seelisch Geheilte in Sizilien, Italien und in der ganzen Welt. Und wenn jemand in Holland in Not ist, dann laßt ihn getrost zu unserer Madonna beten. Das sage ich, der Erzbischof von Syrakus, und der darf wohl etwas sagen; denn er ist Pfarrer der ältesten Pfarrei der westlichen Welt." Er zeichnet mir ein Kreuz auf die Stirne und geht ruhigen Schrittes hinweg. Ich schaue ihm nach. Selbst wenn ich an kein Wunder glauben würde, dann glaubte ich doch an diesen Mann; denn — Wunder oder nicht Wunder — sie haben da unten in Syrakus einen Bischof, der allein schon die Reise wert ist. Exz. Dominikus Ekandem, der schwarze Weihbischof von Calabar (Nigerien) nach seiner Bischofsweihe. Dieselbe vollzog Bischof Moynagh von Calabar, assistiert von Bischof Biechy von Brazzaville und Bischof Petrus Rogan von Buea. (Fides-Foto) Königslanze unö Kreuz Geschichtliche Erzählung von Br. August C a g o 1 (Fortsetzung) Die Mahdia Nach dem Abzug der katholischen Glaubensboten setzten die Schilluk ihr gewohntes Stammesleben fort. König N j i a d o k herrschte bis zum Jahre 1863. Sein Nachfolger wurde Kwat-k e r, der Sohn Akwots, eines früheren Königs. Um die Schilluk vor ferneren Raubzügen zu schützen und anderseits einen festen Stützpunkt am Weißen Nil zu gewinnen, gründete die Regierung 1865 auf Sir Samuel Bakers Rat die Station Faschoda mit einer militärischen Besatzung von tausend Mann. Damit erstand den Schilluk ein grausamer Feind in der Regierung selbst, die eine riesige Anzahl von Sklaven verlangte, um sich an deren Verkauf zu bereichern. Der Schillukkönig verweigerte die Auslieferung so vieler seiner Untertanen, und es kam zu einem ungleichen Kampfe, in welchem die Schilluk unterliegen mußten. Es war die Zeit der ägyptischen Mißwirtschaft, da jeder Regierungsbeamte nur darauf bedacht war, sich selbst zu bereichern. Die Schilluk zogen sich in die Wälder und Sümpfe zurück, und niemand wagte es, Korn zu bauen, so daß eine große Hungersnot entstand. Kwatker erlag dem Verrat seiner eigenen Verwandten. Adjang, Sohn des Königs Njiadok, hatte schon als Verräter bei den Sklavenjägern von Edjak eine dunkle Rolle gespielt; nun verriet er dem Befehlshaber in Faschoda den flüchtigen König, der ihn gefangennehmen und als Rebellen hängen ließ. Der Nachfolger Kwatkers im Königtum wurde sein Verräter Adjang, der von 1869 bis 1875 regierte. Er mußte sich zwei Jahre lang im Norden des Landes verborgen halten, da ihn der Süden nicht anerkennen wollte. Ein ehrgeiziger Fürst, dem jedes Mittel recht war, sein Ziel zu erreichen, war er aber auch der tapferste aller Schilluk-könige, der vor keiner Schwierigkeit zurückschreckte. Auf Einladung des Statthalters Osman Bey hielt er sich ein Jahr lang in Faschoda auf, geriet aber in Streit mit ihm und ging flüchtig. Er wurde verraten, von Regierungstruppen gefangengenommen und zu Faschoda im Geheimen vergiftet. Nach fast zweijähriger Unterbrechung stieg Kuikon, ein Sohn Kwatkers, zum König auf. Er zeigte sich der Regierung gegenüber willfährig, ja kriecherisch. Er hatte einen älteren Bruder namens F a d i e t, den er bei der Königswahl auszustechen gewußt hatte. Er bat den Statthalter von Faschoda, sich nach Chartunr begeben zu dürfen, um vom Generalstatthalter die Herabsetzung der jährlichen Sklavenabgabe zu erlangen. Die politische Provinz Faschoda hatte nämlich jährlich 12 800 Pfund Sterling Steuern aufzubringen, was hauptsächlich durch Erpressung von Sklaven erreicht worden war. Generalstatthalter des Sudan war damals der edle Gordon. Ihm, dem die Ausrottung der Sklaverei eine Lebensaufgabe war, kam die Bitte des schwarzen Fürsten nur gelegen, und ohne Zögern Unterzeichnete er den Erlaß, der die Aufhebung der Sklavenabgabe befahl. Die Zeit der Ruhe dauerte bis 1881. Da trat im nördlichen Sudan ein Dongo-laui namens Mohammed Ahmed auf, der den Fanatismus seiner moham- medanischen Landsleute schürte. Grund dazu gab ihm die wirkliche oder angebliche Lauheit seiner Glaubensgenossen sowie die Mißwirtschaft der ägyptischen Regierung. Nachdem es dem „Mahdi" (Gesandten Gottes) gelungen war, zahlreiche Personen von Einfluß für seinen Glaubenskreuzzug zu gewinnen, zog er sich auf die halbwegs zwischen Char-tum und dem Schillukland gelegene Nilinsel Aba zurück, von wo aus eiserne Streifzüge unternahm und nunmehr offen gegen die Regierung predigte. Mit seinem ergebenen Anhang gelang es ihm, eine kleine Streitmacht, die die Chartumer Regierung zu seiner Gefangennehmung nach Aba geschickt hatte, auf sumpfiges Gelände zu locken, wo die armen, überraschten Soldaten mit Stöcken totgeschlagen wurden. Dieser erste Sieg befestigte in ungeahnter Weise das Ansehen des Fanatikers. Er verkündete nun, der Prophet Mohammed sei ihm erschienen und habe ihm befohlen, nach dem im südlichen Kordofan gelegenen Berge G e d i r zu ziehen und dort seine weiteren Befehle abzuwarten. So pilgerte er denn mit seinem Anhang dorthin und schlug ein Lager auf. In Regierungskreisen unterschätzte man immer noch den Einfluß des fanatischen Aufwieglers. So auch Raschid Bey, der Statthalter von Faschoda. Aus eigenem Antrieb und ohne Wissen seiner Vorgesetzten zog er mit 1500 Soldaten gegen den Mahdi ins Feld. Die mahdistischen Horden überrumpelten am 9. Dezember 1881 die Regierungstruppen und vernichteten sie mit ihrem Befehlshaber, ehe sie noch Zeit gefunden, die Geschütze von den Kamelen zu laden. Im Gefolge Raschid Beys befand sich der Schillukkönig Kuikon mit etwa hundert Kriegern, der fern von seinem Lande den Tod fand. Mit ihm fiel Luong, der Schmied von Akuruar. Nunmehr schickte die Chartumer Regierung eine Truppe von 4000 Mann unter dem Oberbefehl von J u s e f Pascha Schellali, die längs des Weißen Flusses bis Faschoda zog und von dort nach dem Berge Gedir, während gleichzeitig Abdullahi ed Da- f a a 1 a an der Spitze von Freiwilligen von El Obeid, der Hauptstadt von Kor-dofan, dorthin zog. Die beiden Truppen vereinigten sich, wurden aber in einem Überfall durch die Mahdisten fast vollständig aufgerieben, ein weiterer Sieg des Empörers, dem nun die wichtige Provinz Kordofan offenstand. Am 19. Januar 1883 nahm er El Obeid und am 26. Januar 1885 Chartum ein und war damit unumschränkter Herr des Sudan geworden. Ador war Witwe geworden und fiel nach dem Schillukgesetz mit ihren Kindern dem Bruder ihres verstorbenen Mannes zu. Dieser, Akwetsch, hatte sich inzwischen verheiratet und betrieb, wie die übrigen seiner Landsleute, Viehzucht und ein wenig Ackerbau. Die Vermehrung seines Viehstandes durch die Hinterlassenschaft seines verstorbenen Bruders Luong war ihm höchst willkommen. Er konnte nun daran denken, eine zweite Frau heimzuführen, eigentlich eine dritte, denn Ador war in Leviratsehe gleichfalls seine Frau. Nach den Niederlagen der Regierungstruppen schwenkte das Schilluk-land ins siegreiche Lager über. Die beiden Königssöhne J o h r und A j u o k a suchten 1882 den Mahdi in seinem Lager in Kordofan auf, damit dieser einen von ihnen als König bestätige. Da Johr als der jüngere eine abschlägige Antwort für sich zu gewärtigen hatte, überfiel er bei Nacht seinen Mitbewerber Ajuoka und ermordete ihn. Dann stellte er sich allein dem Mahdi vor und schenkte ihm das Gefolge des Ermordeten als Sklaven. Auf diese Weise erlangte er das Königtum und kehrte befriedigt in die Heimat zurück. In der nächsten Zeit lebten die Schil-luk ziemlich unbehelligt von den Wirren und Kämpfen im übrigen Sudan. Doch im Jahre 1891 erinnerte sich der Kalife Abdullahi et Taischa, der Nachfolger des inzwischen verstorbenen Mahdi, der heidnischen Wilden am Weißen Flusse. Er beauftragte seinen Truppenführer Seki Tamel mit ihrer Unterwerfung und mit der Besetzung von Faschoda. Bei Annäherung der feindlichen Macht floh der Schilluk- könig landeinwärts, wurde verfolgt, gefangengenommen und hingerichtet. Die Schilluk sammelten sich in der Nähe von Faschoda und setzten sich gegen die Eindringlinge mutig zur Wehr, doch kamen sie gegen die kampfgewohnten, mit Gewehren bewaffneten Streiter Seki Tamels nicht auf. Sie wandten sich zur Flucht und zerstreuten sich mit ihren Familien weit umher. Die Mahdisten verfolgten sie und machten viele Gefangene. Die Männer wurden ohne Gnade getötet, Weiber und Kinder . als Beute nach Omdurman, der mahdistischen Hauptstadt gebracht. Die Knaben reihte der Kalife in seine Dienerschaft ein, während die Mädchen als Geschenke an Verwandte und Günstlinge zu dienen hatten oder durch das Schatzamt als Sklavinnen verkauft wurden. Da unter den Kämpfern Seki Tamels der Typhus ausgebrochen war, befahl ihm der Kalife, nach Omdurman zurückzukehren, vorher aber dem Stamme der Dinka, der sich kampflos unterworfen hatte, die Viehherden abzunehmen und Weiber und Kinder als Sklaven mitzubringen. Die ahnungslosen Dinka wurden zum Scheine zu einem Gastmahl eingeladen und der größte Teil von ihnen niedergemetzelt, Weiber und Kinder aber als Beute fortgeführt. Auf Johr folgte König Kur, ein Sohn Njiadoks, der gegen seinen Vorgänger gearbeitet und den Mahdisten gegenüber den Verräter gespielt hatte. Seine Falschheit hatte ihn im ganzen Lande verhaßt gemacht. Vom Kalifen nach Omdurman eingeladen, reiste er dorthin mit reichen Geschenken, mit Sklaven und Sklavinnen, Vieh, Elfenbein und Fellen. Während Kurs Aufenthalt im mahdistischen Hauptquartier erhob sich im Schillukland sein Gegenspieler A k o 1 und stellte sich an die Spitze der Unzufriedenen, mit denen er bis Faschoda vordrang. Dort kam es zum Kampfe mit den Getreuen Kurs aus dem Norden des Landes. Aber schon kam König Kur mit mahdistischen Truppen an, und damit war der Kampf entschieden. (Fortsetzung folgt) Von Hugo Kocher Schob feflttfeo 1. Im Jahre 1546 Auf dem Saumpfad, der in gemächlichen Windungen dem Ufer des Rio Apurimac folgte, zog eine kleine Maultierkarawane entlang. Auf der Stute an der Spitze ritt ein Indianerjunge, dem das strähnige schwarze Haar tief in die Stirn hing. Ab und zu versuchte er, die alte Madrinha durch Stöße mit den nackten Fersen zu etwas schnellerer Gangart anzutreiben, aber schon nach zwei Schritten verfiel das Leittier wieder in seinen müden Trott. Kein Wunder, die Sonne brannte unbarmherzig in das Bergtal herab. Die Luft zitterte an den Hängen und verlieh den himmelan ragenden Felswänden seltsames Leben. In den Büschen krächzten die Papageien, neugierig lugten aus den Baumwipfeln die Affenhorden auf den bunten Zug herab, der die Mittagsstille störte. Hinter dem Leittier ritt auf grobknochigem Pferd ein hochgewachsener braunbärtiger Kriegsmann. Helm und Harnisch hatte er abgelegt und hinter sich auf den Sattel gebunden. Ein flacher, mit zerzauster Feder geschmückter Hut schützte den Kopf. Lang fiel dem Reiter das Braunhaar auf die Schultern. Dolch und Kurzeisen klirrten im Gürtel, der lange Zweihänder war am Sattelknauf festgebunden und streifte mit seiner Spitze Gras und Gesträuch. Ab und zu wischte er sich mit dem Handrücken den Schweiß vom narbigen Gesicht, das deutlich genug erzählte, wie oft er schon unter den Streichen des Todes gestanden haben mochte. Scharf spähten die Blauaugen unter buschigen Brauen hervor, trotz Hitze und Ermüdung zuckte in ihnen ab und zu ein heiteres Leuchten. „Hoi, ist das langweilig, so dahintrappen in Sonne und Staub", murrte er. Ein mitleidiger Blick streifte den hochwürdigen Bruder Antonio, der mit gesenktem Haupt, den Wanderstab in der Linken, in der Rechten den Rosenkranz, neben ihm herschritt. „Wollt Ihr nicht endlich doch eines unserer ledigen Maultiere besteigen, Bruder? Das Gehen muß Euch ja ermüden." „Wer wie ich im Dienste Gottes dahinzieht, erlahmt und ermüdet nicht", versetzte der Hochwürdige. „Ich dank Euch, Hauptmann Stechlin." Das Aussprechen des deutschen Namens machte ihm sich'lieh Beschwer. Der Reiter lachte. „Zerbrecht Euch die Zunge nicht an meinem Vatersnamen, nennt mich wie die andern, Miguel, und wenn Ihr es schon nicht anders wollt, Hauptmann oder Senhor; was liegt daran. Aus dem Michel von einst ist im Dienst des Vizekönigs Nunez Vela von Peru längst ein echter Miguel geworden. Glaub fast, daß ich nur noch zur Hälfte deutsch sprechen kann." „Seid Ihr schon lange im Silberland?" fragte der Bruder und nestelte den Rosenkranz fest. „Silberland nennt Ihr diese Felseinöde", lachte der Hauptmann und schlug mit der flachen Hand auf seine Taschen. „Hab nichts anderes geglaubt als all die andern, die verarmten Hidalgos, die Lungerer und Straßenfeger; hab gemeint, man brauchte nur nach Neuspanien oder Peru zu ziehen und das Gold aufzulesen, das dort wie zu Hause die Kieselsteine herumliegen sollte." Er stieß einen Pfiff aus und machte eine verächtliche Handbewegung. „Nun, nun", begütigte der Bruder, „es fehlt nicht an Gold und Silber hierzuland, fließt immerwährend ein goldener Strom in die Staatskassen jenseits des Meeres." „Stimmt", nickte der Bärtige mit grimmigem Lachen, „er fließt munter dahin, der goldene Strom, und die Enco-menderos sorgen dafür, daß er strömt, und auch dafür, daß ein gut Teil der goldenen und silbernen Ernte in ihre eigenen Taschen fließt. Und wir, die Soldknechte, werden dazu gebraucht, die Indianer, die armen Teufel, unter der Herrenfaust zu halten, sie zu quetschen und auszusaugen, schlimmer als man es bei uns zu Hause mit den Bauern macht. Sie verstehen sich dort wahrhaftig auch darauf, aus dem Schweiß der Bauern Gold zu münzen, aber verglichen mit den Encomenderos sind die adligen Schnapphähne harmlose Knäblein." „Was redet Ihr immer von Ausbeuten und Aussaugen; ist nicht die Obrigkeit von Gott gesetzt?" gab ihm der Bruder unwillig zurück. Der Hauptmann lachte. „Hätt Euch fast mit einem Verslein geantwortet, das von Adam und Eva erzählt und fragt, wo denn der Edelmann zu selber Zeit gefunden wurde; aber es klingt nicht gut im Spanischen. Hab mich zu Hause an den Bundschuh gehängt; ist ja auch der Grund, warum ich heut in Diensten des Vizekönigs von Peru reite; aber das ist eine alte Geschichte und längst abgetan, wie der große Bauernaufstand im Reich." „Waren böse Buben, denen die neue Lehre die Köpfe verdreht hat; das Strafgericht des Herrn hat ihren Übermut gedämpft", versetzte der Bruder, über des Hauptmanns narbiges Gesicht huschte ein Schatten. Wieder machte er eine wegwerfende Handbewegung. Er warf einen Blick auf seine Arkebusiere und Hellabardiere, die gleich ihm ungewaffnet neben den mit Proviant und Rüstungsstücken beladenen Maultieren herschritten. „Wird Zeit, daß wir uns nach einem Lagerplatz umsehen. War jetzt nicht übel in der Schenke zu Cuzco zu sitzen, bei einem frischen Trunk und klappernden Würfeln. Aber Don Fernao de Lara möchte ungeduldig werden, wenn wir noch länger verziehen." „Noch größer wird das Verlangen der armen Menschen nach den Segnungen der Kirche sein", antwortete der Bruder und schritt mit neuer Kraft aus, indes seine Augen scharf vorausspähten. „Hart war die Strafe des Bischofs von Lima für die grauenhaften Verfehlungen und Ausschweifungen der Encomenderos. Ließ die Kirche zu Santiago schließen, versagte ihnen Messe und Kommunion. Erst auf die inständige Bitte des neuen Amtmanns und mit Unterstützung des Vizekönigs selbst wurde der strenge Beschluß aufgehoben." Hauptmann Miguel lachte. „Sie haben es getrieben wie zu Sodom und Gomorrha, aber die Strafe trifft meist die Unrichtigen, die armen Indianer, die vor ihren Bedrückern in die Berge geflohen sind." „Wir wollen die irrenden Schafe zurückrufen, jedes einzelne einsammeln, wie es uns der Herr gelehrt hat." Bruder Antonios Augen leuchteten. „Die neue Ordnung hebt an. Die Willkürherrschaft der Eroberer geht zu Ende. Von heute an stehen die Indianer unter dem starken Schutz der spanischen Gesetze. Aufhebung der unwürdigen Sklaverei, der Bedrückung und Willkür, so steht es in den Verordnungen, die Kaiser Karl V. erlassen hat. Wehe jedem, der ihnen fürderhin zuwiderhandelt. Ausgeschieden werden all jene, die sich Christen nennen, aber wie die Teufel handeln. Sie sind es, die das schwere Werk der Mission bislang hemmten." „Fromme Worte hören wir von denen, die sich Christen nennen, aber wohin wir blicken, überall sehen wir böse Taten, so sagen die Inkas; es ist schwer, ihnen zu widersprechen", nickte der Reiter. Bruder Antonios Augen blitzten. „Diejenigen, die gute Worte auf den Lippen führen, aber schlechte Taten vollbringen, sind schlechte Christen. In diesem oder in jenem Leben werden sie ihren Lohn empfangen, der tausendmal schlimmer ist als jener, der den unwissenden Heiden für sein Unrecht trifft." Er schwieg und fuhr dann unvermittelt fort: „Ihr kennt Don Fernao schon lange, Hauptmann?" „Bin mit ihm über das Meer gefahren auf der „Estrella". Es war nicht meine erste Reise. Schon 1541 war ich in Neuspanien, half Ordnung im zertrümmerten Aztekenreiche schaffen." Er schüttelte sich bei der Erinnerung. „Schien mir oft, als hätte der Teufel in Gestalt des Sonnengottes dort auf dem Thron gesessen. Zu Tausenden und aber Tausenden hingen die Schädel geopferter Feinde in den Götzentempeln." „Der Herr erbarme sich der Irrenden und erleuchte ihre Seelen ..." murmelte Bruder Antonio. „Don Fernao hat Gefallen an meinen Berichten gefunden. So saßen wir in den langen Wochen der Überfahrt viel beisammen. Was er für ein Mann ist, möchtet Ihr wissen, Hochwürden. Nun, mir scheint, er ist erst im Begriff, einer zu werden. Der jüngste Sohn eines verarmten Adelsgeschlechtes aus Valladolid. Was konnte er Klügeres tun, als nach der neuen Welt zu segeln. Er ist ausgezogen mit großen Plänen, hofft sein Adelswappen in Peru neu vergolden zu können. Ich bin mit ihm nach Quito geritten. Er hatte Empfehlungs- schreiben an den Vizekönig. Viele Seiner goldenen Träume sind ihm schon auf dem Ritt von Panama nach Quito verflogen. Er hat geglaubt, mit einem Sprung mitten in das goldene Abenteuer zu setzen. Hat eingesehen, daß es mit dem Erobern vorbei ist, daß es gilt, dem Land neue Gesetze und Ordnungen zu geben. So hat er nach einigem Bedenken das Angebot angenommen, Verwalter einer Bergprovinz zu werden. Kann mir denken, daß er in einer schlimmen Ecke sitzt. Er hat mich mit meinen Soldknechten wohl nicht nur zum Spaß gerufen. Wird gut sein, wenn wir seinem und des Vizekönigs Wort mit Musketen und Hellebarden Nachdruck verleihen." Er lachte schallend. „Seitdem Ihr, Bruder Antonio, Euch in Cuzco angeschlossen habt, ist mir nimmer Angst. Ihr werdet die alten En-comenderos gute Sitten lehren. Wie ich mir sagen ließ, hat bislang dieser Don Carlos Orgaz in Santiago recht selbstherrlich regiert, nennt ein Besitztum sein eigen, so groß wie ein Herzogtum, hat eigene Silberminen und zwei- oder dreitausend Indianersklaven. Mit ihm wird sich Don Fernao so oder so vertragen müssen." Bruder Antonio war stehen geblieben. Er wies mit dem Stab auf ein von Schlingpflanzen überwuchertes Gemäuer. „In diesen Ruinen findet sich für Mensch und Tier ein schattiges Plätzchen. Wollt Ihr nicht das Zeichen zur Rast geben?" Hauptmann Miguel hob sich im Sattel. Scharf spähte er nach dem aus riesigen Steinklötzen geformten Mauerwerk. Dann nickte er und lenkte sein Roß durch das Gestrüpp. Bald erreichte der kleine Trupp die Ruinen. Wie für Ewigkeiten gebaut standen die Steinklötze aufeinander. Die Knechte machten mit den Kurzeisen einen Lagerplatz frei. Die Lasttiere wurden abgesattelt und auf die Weide getrieben. Schon schleppten einige der Indianer, die den Söldnertrupp geleiteten, Wasser und Brennholz herbei. Am Flußufer hatten sie einige Nutrias gespießt. „Ein Braten, so saftig wie das beste Schweinefleisch", schmunzelte Miguel. „Die roten Burschen sind bei solcher Wanderfahrt gut zu gebrauchen. Weiß der Henker, ich wäre mehr als einmal nicht, mehr aus dem Urwald zurück-gekoWnen, wenn ich sie nicht gehabt hätte." „Habt Ihr nicht den Zug zum Rio Napo unter Gonzalo Pizarro mitgemacht?'1 fragte der Bruder neugierig. Der Söldner nickte. „Irgend solch ein roter Landstreicher hat dem Pizarro etwas von reichen Goldschätzen ins Ohr geblasen. Da durfte der Miguel Stech-lin nicht fehlen. Gold haben wir keines gefunden, wohl aber Indianerhorden, die ihre Nebenmenschen auffraßen wie der Bauer seine Hühner. Pfähle, an denen die Köpfe erschlagener Feinde hingen, trugen sie überall mit sich herum, andere hatten zusammengeschrumpfte Köpfe am Gürtel hängen wie eine Hausfrau den Schlüsselkorb. An wilden Tieren, vergifteten Pfeilen und bösem Fieber war kein Mangel. Von dreihundert Mann sind ihrer kaum sechzig nach Quito zurückgekommen. War um die meisten nicht schad, hängt sich ja immer das übelste, was sich in Peru herumtreibt, an solche Züge." „Gonzalo ist der letzte der vier Brüder Pizarro, die dereinst ausgezogen sind, um das Inkareich zu stürzen." „Hat keiner von ihnen sich des Goldes erfreut, für das sie soviel Blutschuld auf sich geladen haben. Der größte von ihnen, der Franzisco, fiel im Jahre 1541 unter den Streichen der Rächer Almagros." Bruder Antonio seufzte. „Nachdem das Inkareich gestürzt war und sein letzter Herrscher Atahuallpa verräterisch hingerichtet worden war, fielen sich die Eroberer wie eine Meute Wölfe gegenseitig an. Möge es dem Vizekönig gelingen, endlich Ordnung zu schaffen, das reiche Peru der Krone Karls V. zu erhalten." „Wird sich noch manchen Zahn an den Encomenderos ausbeißen. Und eine der härtesten Nüsse ist sicherlich Gonzalo Pizarro. Sein Golddurst und sein Ehrgeiz sind grenzenlos. Ein gefährlicher Mann, wenn er auch nicht so grausam und hart ist wie Franzisco es war, vor dessen blutigen Taten sich die ältesten und rohesten Kriegsknechte noch heute bekreuzen." Wieder seufzte der Bruder. „Mit Mord und Brand wurden die Reiche der Azteken und Inkas gestürzt. Gottes Zorn hat sie vernichtet, um dem Greuel des Menschenopfers ein Ende zu machen. Aber kann aus Blut und Mord eine Saat des Friedens aufgehen? Möge unser Gebet und Opfer erhört werden, möge Gott den Vizekönig erleuchten und ihm die rechte Straße weisen. Ein Anfang ist gemacht, die neuen Gesetze sollen die Unterdrückten befreien. Den Befreiten aber wollen wir die Hände reichen, um des Papstes Gebot zu erfüllen, der sie als fähig erkannte, den katholischen Glauben zu verstehen und die Sakramente zu empfangen. Laßt uns Menschen aus diesen Wilden formen. Nicht mit Schwert und Peitsche wird es gelingen, nein, nur mit dem Zeichen des Kreuzes und mit der Lehre der Liebe." 2. Ein heimlicher Plan Auf einem steil ansteigenden Hügel hatte Don Carlos Orgaz sein Haus errichtet. Mit Wall und Graben umgeben, glich es weit mehr einer Festung, als der Behausung eines friedlichen Gutsbesitzers. Zwischen den Pallisaden lugte da und dort der Schlund einer Feldschlange hervor. Freilich waren Rohr und Mündung von Rost bedeckt und gaben somit Kunde davon, daß sie lange nicht mehr gebraucht worden waren. Das Haus selbst stand auf einem Unterbau von klobigen, glatt behauenen Felsblöcken. Der Erbauer hatte sich in der Anlage einfach dem vorhandenen Grundriß eines alten Inkatempels gefügt, so war eine seltsame Mischung von indianischer und spanischer Bauweise entstanden; aber Don Carlos war es zufrieden. Eine Freitreppe führte in eine geräumige Halle, die über und über mit Jagdtrophäen, indianischen Waffen, Helmen und Rüstungen angefüllt war. Schön gewobene Teppiche bedeckten den Boden, auf breitem Wandsims standen goldene und silberne Leuchter, Teller und Becher aus edlem Metall. Es war eine rohe Anhäufung von wahllos zusammengetragenem Besitz. Von der Halle führte eine breite Türe in die große Herrenstube. Auch dieser Raum war mit Teppichen und Matten ausgelegt, die von indianischer Kunstfertigkeit zeugten. An goldener Kette hing ein silberner Reif von der Decke, der ringsum mit Kerzen besteckt war. Stühle und Bänke, mit Jaguar- und Hirschfellen belegt, luden zur Ruhe. Auf festgefügtem Tisch stand ein Weinkrug mit zwei goldenen Bechern. In einem Sessel, der schon fast einem Throne ähnelte, saß breit und gewichtig Don Carlos Orgaz, der Enco-mendero, einer der Kampf- und Raubgenossen des Eroberers von Peru, Fran-zisco Pizarros. Er war ein kahlköpfiger, graubärtiger Fünfziger, mit einem von allen bösen Leidenschaften gezeichneten Gesicht. Ihm gegenüber duckte sich ein hageres Männchen mit fuchsschlauer Miene auf eine Bank. Machte er eine hastige Bewegung, so gab das fahlfarbene Haar an der Stelle der Ohren zwei vernarbte Löcher frei. Pedro Miranda hatte noch niemand erzählt, wie es zum Verlust seiner Ohren gekommen war. Seit Jahr und Tag saß er in den Amtsstuben von Santiago und diente dort als Schreiber. Und wohl ebensolang stand er schon im Dienste Don Carlos Orgaz und trug ihm alles zu, was für den alten Abenteurer wissenswert war. „Von Quito ist der Hauptmann Miguel Stechlin mit einer Schar von Soldknechten eingetroffen, die der Vizekönig selbst in Eid und Pflicht genommen hat. Scheint ein alter Freund von Don Fernao", kicherte der Fuchsgesich-tige und rieb sich die Hände. „Sie sitzen jeden Abend stundenlang beim Wein und beraten sich." „Weißt du nicht, worüber sie sprechen, he?" fuhr Don Carlos den Schreiber an und goß die beiden Becher voll. Er trank und schob dann mit einer verächtlichen Gebärde dem heimlichen Späher den zweiten Becher zu. Wieder grinste der Kleine. Er wiegte den Kopf. „Hab manches vernommen." „Weiß wohl, wenn du auch keine Ohren mehr hast, so hörst du mit deinen beiden Löchern trotzdem mehr als jeder andere", brummte Don Carlos. Der Schreiber schoß einen queren Blick auf den Alten, fuhr dann aber fort: „Sie sprachen von ihrer gemeinsamen Überfahrt..." Mit einer Handbewegung tat Don Carlos alle Weitschweifigkeiten ab. „Sprachen auch von den neuen Gesetzen und Verordnungen. Don Fernao nannte sich selbst einen Gefangenen im goldenen Käfig.. Er sprach auch davon, den Vogt, alle Schreiber und Amtleute abzusetzen und gegen verläßliche Männer auszutauschen." (Fortsetzung folgt.) 6m gottgefegnetes 7atjc 1955 roünrdjt allen Hefeen unb Lefeelnnen bee //©tern bee Heger77 l>ie ©djelftieUung Die drei ersten Kandidatinnen die von der Kongregation der Franziskanerinnen von Dillingen für unsere Mission in Transvaal (Südafrika) und Peru (Südamerika) ausgebildet werden. Sie kommen alle drei aus Südtirol. — Von links nach rechts: Gartner Marianne aus St. Johann im Ahmtal; Gruber Frieda aus Weißenbach bei Täufers; Mayr Rosa aus Prad im Vintschgau. IflMiGnóódyweóiern sind in jedem Missionsgebiet unentbehrlich. Auf Grund einer Vereinbarung zwischen unserer Kongregation und den Franziskanerinnen von Dillingen können im Mutterhaus zu Dillingen Mädchen eintreten, die Franziskanerinnen werden wollen und bereit sind, nach erfolgter Ausbildung in den unserer Genossenschaft anvertrauten Missionsgebieten zu wirken. Anmeldungen sind zu richten an das Mutterhaus der Franziskanerinnen (13 b) Dillingen/Donau, Klosterstraße 6