0KOLOGISCH-STRATIGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN IN DEN OBERTRIADISCHEN RIFFBILDUNGEN DER NORDALPEN Von Erik Fliigel (Geol.-Palaont. Abteilung, Naturhistor. Mus. Wien) Die norische und rhatische Stufe der alpinen Trias ist in den Nord-alpen haufig in Form von Kalken entwickelt, die schon in der Friihzeit der Alpengeologie als Riffbildungen gedeutet wurden. Es handelt sich um jene, oft mehrere Hundert Meter machtige Karbonatkomplexe, die unter den Namen Dachsteinriffkalk, Hochgebirgskorallenkalk und Oberrhatischer Riffkalk bzw. Ratoliasriffkalk (Begriff nach Fabricius 1959, N. Jb. Geol. Palaont., Mh.) bekannt sind. Die stratigraphische Gliederung dieser Riffkalke ist schwierig, da orthochronologisch verwertbare Fossilien (Ammoniten) selten sind und die konventionelle Megalodonten-Stratigraphie der Ober-Trias einer Uber-priifung bedarf, wie dies auch aus der jiingsten Arbeit von E. V e g h -Neubrandt (1960, Geol. Hungar., Ser. Geol., Bd. 12) hervorgeht. Bisher ist uber die Okologie und die faziellen Verhaltnisse der ober-triadischen Riffe der Nordalpen nur wenig bekannt; Untersuchungen stammen von Sickenberg (1932, Verh. zool.-botan. Ges. Wien, Bd. 82) und Sieber (1937, N. Jb. Miner, etc., (B), Bd. 78). Als Riffbildner wurden im allgemeinen Korallen (z. B. F r e c h 1890, Palaeontograph., Bd. 37) oder Algen (J oh. Walt her 1910, Abh. Akad. Wiss. Berlin) angespro-chen. Moderne Beschreibungen von Riffbewohnern (Mollusken, Brachio-poden etc.) fehlen nahezu vollig. Um diesem Umstand abzuhelfen, wurde 1959 an der Geol,-Palaont. Abteilung des Wiener Naturhistor. Museums eine Arbeitsgemeinschaft (E. Flu gel, H. Zapfe) gegriindet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lebens- und Sedimentationsbedingungen der obertriadischen Riffe am Beispiel des Gosaukamm-Riffes (Dachsteingebiet, Oberosterreich) zu untersuchen. Etwa zur gleichen Zeit begann eine Arbeitsgruppe der Princeton University, U. S. A., unter Leitung von Prof. Dr. A. G. Fischer mit der palokologischen Aufnahme der oberrhatischen Steinplatte-Riffes bei Waidring in Tirol. Bei den Untersuchungen, die sich grofltenteils auf der Auswertung von Dunnschliffen aufbauen, wurde neben Material aus dem Dachsteinriffkalk des Gosaukammes Vergleichsmaterial von mehreren anderen obertriadischen Riffen aus den Nordalpen (Rotelwand und Adnet bei Hal- lein in Salzburg; Sonnwendgebirge in Tirol; Sauwand bei GuBwerk in Steiermark etc.) mit berucksichtigt, urn einen Oberblick uber die Vielfalt der organischen und anorganischen Strukturen zu bekommen. Im Laufe der Arbeiten wurde deutlich, dafi die ursprunglich rein okologische Problemstellung zu erweitern war. Es zeigte sich, daB folgen-der Untersuchungsgang einzuschlagen war: 1. Untersuchung der Riffbildner und der Riffbewohner, 2. Typisierung des Sediments. Unter Berucksichtigung dieser beiden, im wesentlichen mikropalaon-tologischen und sedimentpetrographischen, Faktoren ist es moglich, die Mikrofazies der verschiedenen Lithotope zu erfassen: Das Studium der Mikrofazies, also die Untersuchung der Sediment-gesteine im Diinnschliff, wurde in den letzten zehn Jahren insbesondere in jungmesozoischen Sedimenten vorangetrieben; teilweise in unmittel-barer Verbindung mit der Erdolprospektion, wie z. B. die Arbeiten von C u v i 11 i e r (1956) uber die Mikrofazies der westlichen Aquitaine zeigen. In letzter Zeit sind in der Reihe der International Sedimentary Petro-graphical Series (Verlag E, J. Brill, Leiden) drei Bildbande erschienen, die an Hand von zahlreichen Dunnschliff-Photographien einen Uberblick uber die Mikrofazies der Bayrischen Alpen (Hagn 1955), der Aquitaine (C u v i 11 i e r 1956) und von S. Marokko (Rey&Nouet 1958) zu geben versuchen; dazu kommt das in der selben Reihe erschienene Buch iiber Sedimentationsprobleme in den Westalpen von G r u n a u (1957) und die von der AGIP Mineraria in Milano herausgegebene »Microfacies italiane-< (1959). Der Begriff Mikrofazies stammt von Brown (1943, Econ. Geol., Bd. 38) und bezeichnete ursprunglich das unter dem Mikroskop sichtbare Bild. Erst Cuvillier hat den Begriff auf Sedimentgesteine einge-schrankt. Mikrofazielle Untersuchungen an triadischen Gesteinen wurden zwar schon fruhzeitig angeregt (z. B. durch G u m b e 1 1873, Verh. Geol. Reichs-anstalt Wien), aber in den Nordalpen erst — veranlasst durch das Buch von Hagn (1955) — durch Leischner (1959, Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien, math.-naturwiss. KI., Bd. 168) versucht. In den Siidalpen liegen die Verhaltnisse etwas besser, wie mehrere Arbeiten in den letzten Banden der Rivista Italiana di Paleontologia e Stratigrafia zeigen, Im Zusammenhang mit der Untersuchung der Riffkalke hat es sich als giinstig erwiesen, bei der Typisierung der Mikrofazies einerseits den gesamten in Diinnschliffen (und Schlammruckstanden) erkennbaren (auch den nicht naher bestimmbaren!) Fossilinhalt zu beschreiben, und anderer-seits die sedimentpetrographischen Merkmale, wie z. B. Sedi men ttypus, Rhythmik, . Anlagerungsgefiige, Grossoolithe etc. zu erfassen. Hier erweisen sich die grundlegenden Arbeiten von B. Sander (1936, Miner. Petrogr. Mitt., Bd. 48, etc.) un seiner Schule (Schwarzacher, Weynschenk etc.) als sehr wertvoll. Die palaontologische Durcharbeitung der Fossilproben aus den Riff-kalken zeigt eine iiberaus grofie Mannigfaltigkeit der Riffbildner, die in ihrer quantitativen und qualitativen Bedeutung in den einzelnen Riffen verschieden sind. In den Dunnschliffen aus dem Gos aukamm-Riff konnten bisher folgende Gruppen festgestellt werden (nahere Bestimmung siehe E. Flugel 1960, Verh. Geol, Bundesanst. Wien): Foraminiferen, Kalkschwamme, Hydrozoen, Korallen, Bryozoen, Ostra-koden, Molluskenreste, Crinoiden, Seeigelstachel; Algen — Solenoporaceen, Codiaceen, Dasycladaceen, Spongiostromen, sowie mehrere Mikroproble-matika, die z. T. als stratigraphische Leitformen fur das Rhat dienen konnen. Die Untersuchungen sind noch. nicht abgeschlossen. Sie zeigen jedoch bereits jetzt deutlich die Notwendigkeit einer eingehenden, auf der Durch-arbeitung von moglichst zahlreichen Dunnschliffen aufgebauten, mikro-faziellen Analyse der Riffkalke, durch welche die oben angefuhrten ersten Typisierungsversuche berichtigt oder bestatigt werden. Es darf erwartet werden, dafi ahnliche Arbeiten in der Trias der Sudalpen sowohl fiir die geologische Kenntnis Sloweniens als auch fiir regionalgeologische Probleme in den Alpen von Vorteil sind.