Weltpanorama. Eine Chronik der neuesten Reisen und Abenteuer bti allen Nationen der Welt) mit besonderer Rücksicht auf die politischen Ereignisse der Gsgcuwart. Nach den besten Quellen des Auslandes. »Hster bis ??ster Vand. Abenteuer eines Auswanderers in den Colonien non Vandiemensland. (Schluß.) Stuttgart. Franckh's che Verlagsbuchhandlung. 1846. D i e Abenteuer eines Auswanderers in den Golouien von Vandiemeusland. Von Charles Now croft. Frei nach dem Englischen von vr. Schevp. Stuttgart. Tfranckh'sch e Verlagsbuchhandlung. 18 46. Siebenundzwanzigstes Kapitel- Ml FamilicüfnMück. — Derncne Ansiedler. — Wie gefährlich cs ist, Kän-l)schwai,;s»vvc zu esse». — Das, sich jmigc Lcute, in Vandismensland eben so gut verliebe!!, als i» Vuropa — Der Wundarzt ist iil Gefahr, rmnirt zu werden. — Krabb hegt großc S'.'üi^athie sür ihn und orgelt wieder einmal, sein Ksagclicd über das Leden in diesen» granscuhafim Lande ab. Folgenden Tages, es war ein heller, kalter Iuliinorgeu, stand ich früh auf, um die nöthigen Anstalten zur sofortigen Grundlegung meines neuen, aus Steinen zu erbauenden Hauses zu treffen. Die Luft war aber so scharf, baß, da ich bei meinen Leuten zu bleiben wünschte, die am Fundamente dcs Gebäudes zu arbeiten begannen, ich mich durch Hin- und Herlaufen warm zu erhalten suchen mußte. Auf klemm, stehenden Wassern hatte sich eine Eiskruste gebildet und der weiße Neif machte das Gras unter dem Fuße rascheln. Dabei schieu die Sonne hell und rein und der Contrast zwischen dem kalten Wintersrost und dem dunkeln Laub der Immergrünbäume war mir lauge nicht so in die Nilgen gefallen, wenn ich auch diese Eigenthümlichkeit schon oft genug beobachtet hatte. Ich halte viel Arbeit vor, wenn das vom Feuer augerichtete Unheil wieder hergestellt sein mußte, indeß schmerzte mich im Ganzeu mein Verlust nicht tief. Das Feuer konnte mir ja weder das Land noch die Heerdell vernichten, und so lange mir das blieb, waren wir vor allem Mangel geschützt; übcrdieß war eö mir schon wohl, wenn ich rechte Plane und Anlagen machen konnte, und was lag jetzt nicht Alles zu thun vor mir? Die Bewegung des Hin- und Hcrlcuifcns hatte mich dabei etwas 6 aufgeregt und mit dcr besten Laune dcr Welt folgte ich dem Ruf« zum Frühstück. Als ich eben an die Thüre meiner dermaligen Hütte gelangte, kam cin Ochscnkarren mit einer Frau, zwei Kindern und einer Magd angefahren, neben diesen her gingen zwei Gouvernem»ntS-Leute und ein Mann, in welchem mein geübtes Auge sogleich einen neuen Ansiedler erkannte. Das aus einiger Entfernung vernehmbare Peitschenknallen, vermischt mit den gewöhnlichen lauten Ausrufungen dcr Ochsen-trelber, kündete die nachfolgenden Vagagewägen an, welchen ich sogleich eiuige meiner Leute entgegensandte, um die etwa bmöthigte Hülfe zu leisten. Gin dermaliger Vesuch würde nun einem europäischen Landwirth höchst unerwünscht gewesen sein und ihn sowohl als den weiblichen Theil seiner HauSgcnosscnschaft in nicht geringe Verlegenheit geseht haben; in Vandiemenölanb ist das aber ein ganz verschiedenes Ding und unwillkürlich empfing ich bei dcr Ver-glcichung meiner ehemaligen Verhältnisse mit den jetzigen ein gewisses Gefühl des Stolzes. Gin ganzes Schaf mehr oder weniger thut hier Nichts znr Sache und schöne, appetitliche, hausbackene Vrote (die in Ermanglung von Hcfcn mit Sauerteig angemacht wurden und bei uns die Dampers schon lange verdrängt hatten) waren in Ucbcrftuß vorhanden. Wir bewillkommten die Fremden mit dcr gewohnlichen Gastfreundschaft und ihr müdes und niedergeschlagenes Aussehen trieb mich noch besonders an, Nichts gegen sie zu vernachlässigen. Sie waren an diesem Morgen vor Tagesanbruch vom Groß-Marsh weggegangen, um nur recht bald ihr neues Land am Shannon-fiuß zu erreichen. UcbrigenS ließen sie sich leicht bewegen, einige Tage bei uns zu bleiben und unterdeß ihre Leute abzuschicken, die bei eben gekommenen Ansiedlern vor allen Dingen erforderliche Blockhütte aufzuschlagen. 3 Am Frühstückstisch bildeten wir jetzt eine ordentliche Gesellschaft, Meine eigene Familie bestand aus neun Personen . . . nämlich aus meiner Frau, mir, sechs Kindern und Krabb . . . und so waren denn mit den vier neuen Gästen unser dreizehn im Ganzen. Ich bemerkte indeß bald, das Krabb die neuen Ansiedler mit einem grimmen Ausdruck betrachtete, und aus den Verschiedenen Gesichtern, die er nach ihnen hinüber schnitt, und welche als Zeichen des Mitleids und der Theilnahme auszulegen ich schon lange gelernt hatte, konnte ich entnehmen, daß er sie als neue, dem Altar Australiens geweihte Opfer betrachtete und stark im Sinn hatte, sie bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit mit den Schrecken und dem Elend dieses grausenhaften Landes bekannt zu machen. Wirklich hatte er auch schon ein-vder zweimal die gewohnte Ieremiade anstimmen wollen, allein Betsy, die ihn gar zu gern neckte (weßhalb er sie wahrscheinlich auch vorzugsweise vor den andern Kindern liebte, und zwar aus lauter Widerspruchsgeist, wie Vetsy meinte), hatte ein wachsames Auge auf ihn und unterbrach ihn jedesmal durch irgend eine Einladung zu etwas Eß- oder Trinkbarem. „Master Krabb ... Sie essen doch gewiß noch ein wenig von dieser Känguruhschwanzsuppe; man hat sie bloß Ihrethalben aufgewärmt." «Nein, nein, gutes Mädchen ... ich bin satt und mehr braucht's nicht. Sieh, Betsy, man muß immer hübsch mäßig leben, sowohl im Essen als im Trinken. Verschwenden bringt Noth." Master Krabb hatte in letzterer Zeit angefangen, dann und wann ein Sprichwort aufzutischen. „Ei, Sie werden doch Ihr Frühstück noch nicht beendet haben? Das war ja erst die sechste Hammelsnppe, fühlen Si« sich etwa nicht recht wohl diesen Morgen?" 8 „Ich habe noch ein paar Gier nebenbei gegessen nnd mir's Von der kalten Ente da ein Bischen schmecken lassen." ' „Von welcher kalten Gnte? ich sehe Nichts mehr von einer solchen (diese letzte Bemerkung winde aber »ott» vaco gemacht, wie die Zeitungen cS zn nennen pflegen), quter Gott, anf solche Art können Sie doch gewiß nicht eristiren." „Ich bin fein großer Csser, liebe Nctsy. . . übrigens glanb' ich, die Chokolade ist daran Schuld, sie füllt (5'inem den Magen zu sehr. Ich kann anch gar nicht begreifen, Mistreß Thornley wie Sie dieß neue Getränk hier haben einführen nnd dulden können; nur die Idee schon, Chokolade im Walde! Zwar mnß man allerdings GtwaS zu trinken haben und Vier gibt'S nun einmal doch keines in diesem grausenhasten Lande. Ach!" sagte er mit einem tiefen Seufzer, „ich wünschte von Grund des Her-zenS, hier fort zu können; nur der Gedanke hielt mich. Sie nnd die Kinder allein zurück zu lassen." „Nun, was dc>6 Essen und Trinken anbetrifft," ließ sich der neue Ansiedler, Namens Marsh vernehmen, „so scheint hier gerade keine große Noth zu herrschen. Thee, Kaffee, Chokolade, Vrot, Vutter, geröstete Schuitte, Gier im Uebcrstuß, nnd in meinem Leben habe ich kcine solche Schüsseln voll HannnclSrippchen gesehen . . . dazu kalte Enten, kalter Hammelsrücken, Zunge und Kängnrnhschwanzsuppe ... die ist aber wahrlich wie ein Topf voll Leim." „Sie müssen sich mit der Känguruhschwanzsuppe in Acht nehmen," sagte William, „ eg ist dieß ein sehr gefährliches Gericht." „Gefährlich? wie so?" „Je nun, es sind bloß einige Tage her, daß ein neuer Ansiedler . . . ." „William!" mahnte die Mutter, „sei still und sprich nicht solchen Unsinn!" 9 ,,Gr nahm einen Löffel davon unvorsichtig in den Mund." „Und verbrannte sich?" fragte Krabb. „Nein, das nicht; da er aber die Eigenschaften der Suppe nicht fannte, preßte er die Lippe» zusammen und . , . brachte sie nicht wieder von einander, sie waren total fcstgclcimt und mußten erst eine Zeit laug mit heisicm Wasser aufgeweicht werden, bcvor er im Staude war den Muud zu öffnen, um diesem delikaten Gericht seiuen ganzen Beifall zollen zu fönnen . . . Doch wer kommt dort? Wahrhaftig der Wundarzt mit unserem Vandträger." Vei diesem Zunamen warf mir meine Frau einen Alick herüber, und zum Vcwcis, daß ich sie verstanden hatte, winkte ich ihr schweigend zu; die Farbe dcS VandcS schien sich aber in diesem Augenblick auf dem Antlitz meiner Tochter abzuspiegeln; ich that indeß, als bemerke ich es nicht, wie sie sich über die dumpfige Luft im Zimmer beklagte (es war ein kalter Winter-morgcn) uud zuletzt vorgab, eiu Vischeu uach den Kühen sehen zu wolleu. Gleich nachher verschwand auch Master Vercsford auf irgend eine wunderbare Art auS dem Zimmer. Da ich übrigens dcn jnngen Manu gern hatte und auch keinen Grund sah, ihm eine nähere Vertraulichkeit zu verbiete», so beschloß ich, der Sache ihren ruhigcu Fortgang zu lassen und mcin Augenmerk «nr in so weit daranf zu richten, als es die Pfticht der Eltern bei jedem solchen Verhältnisse erheischt. „Was ist aber mit Ihnen vorgegangen?" sagte ich zu dem Nrzt, „Sie seheu ja an diesem freundlichen Morgen so verdrießlich und melancholisch aus . . . hoffentlich sind doch weder Wilde noch Bushranger mehr iu der Nähe." „Nein .... nein .... über die habe ich mich nicht zu beklagen; eS thut mir nur leid, meine Freunde, den Clyde verlassen zu müssen; eö ist indeß nothwendig . . . dcun in diesem Lande kann ich nicht länger leben." Mit dem gewöhnlichen ängstlichen Wesen neuer Ankömmlinge 40 faßten die Fremden auch alsobalb dlcse Worte auf und Master Marsh sagte: „So GtwaS klingt nicht gar angenehm für mich, Sir; ich bin ein Ankömmling im Lande und es ist in der That nicht erbaulich, gleich im Anfang hören zu niüssen, daß ein Mann hier nicht einmal seinen Lebensunterhalt verdienen kann." Krabb hatte seinen Hnt schon von der Wand genommen und wollte eben hinaus zu den Arbeitern gehen, als diese seinem Ohr so wohlgefälligen Klagen ihn zurückhielten; den Hut in der einen, die Thürklinke in der andern Hand, blieb er noch einen Augenblick auf diese Weise stehen. „Ja, Master Thornley," wieberholte der Arzt, „ich muß Sie auf jeden Fall verlassen und bin auch schon fest entschlossen dazu, eö frägt sich jetzt nur noch, ob ich mich irgend anderswo besser befinden werde." „Besser?" sagte Krabb mit nicht zu verhehlender Genugthuung, ,,besser? nirgends.., nirgends in diesem Lande, so lange Sie leben . . . Haben Sie schon Jemand hier gekannt, der sich wohl bcfuüden hat, oder haben Sie schon Jemand gesehen, der sich nicht wieder fortgewünscht hatte? Hab' ich nicht schon Tag für Tag, Jahr für Jahr gehen wollen, und ist nicht immer wieder Etwas dazwischen gekommen? Vald war in Stück Boden dran Schuld, das ich aufbrechen wollte, und waS auch kein Anderer als ich zuwegcbracht häite, bald mußte eine Feuz, bald irgend ein Gebäude vollendet werden, bald hatten wir Schafschur, bald Ernte . . . weiß der Henker, wie eS zuging, daß ich noch nicht fortkommen konnte!" „Lieber Gott!" sagte Marsh zu seiner Frau, „das sind böse Nachrichten. Man sagte uns, es sei dieß eine blühende Kolonie; auf dergleichen waren wir aber nicht gesaßt, wir sind da arg betrogen worden." //Sie mag blühend genug sein!" entgegnete der Arzt, „für andere Leute wenigstens, allein für mich gewiß nicht. Ich darf wohl sagen, daß ich in den drei Jahren, seit ich mich am Clyde niedergelassen habe, kaum im Stande war, eine Guinee zu verdienen." „Das glaub' ich I" rief Krabb, in freudigster Aufregung sich die Hände reibend, nachdem er, ohne es zu bemerken, seinen Hut üi die Schüssel mit Känguruhschwanzsuppe gesetzt hatte. „DaS glaub' ich, das konnten Sie gewiß nicht .... sicher nicht . . . wer hat je und wer wird je in diesem abscheulichen, grauseuhaftm lande eine Guinee verdienen? LooS werden kann man sie leicht," fuhr er mit einer gewissen Gönnermiene auf die ängstlich zu ihm hinblickenden Ansiedler fort, „ja, ja, leicht genug, aber ob man sie je wieder zu sehen kriegt? Der müßte wahrlich gute Augtn haben, der eine von den Guineen wieder sehen wollte. Was mich betrifft, so habe weuigstenS ich seit langen, langen Jahren keine mehr zu Gesicht bekommen!" „Ich weiß aber," sagte der Arzt, „daß wenn ich nicht bald einige von diesen zu scheu bekomme, ich auch die Hammelsrippchen und Dampers auS deu Augen verlieren werde, und was dann meine Frau und Kinder anfangen sollen, dieser Gedanke übersteigt meine Kraft." „WaS ist aber, wenn ich frageu darf, die Ursache IhreS Unglücks gewesen, mein Herr? es möchte Einem vielleicht als nützliche Lehre für die Zukunft dienen!" fragte Master Marsh. „Unglück?" erwiederte der Arzt, „ich wciß nicht', ob ich'S gerade Unglück ueunen kann, es gibt aber in diesem Lande Nichts für mich und meinesgleichen zu thun!" „Wie so?" „Nun, wir haben keine Krankheiten hier!" „Keine Krankheiten?" sagte Master Marsh, „wie verstehen Sie das?" „Seit meiner Ankunft dahier," antwortete langsam und <2 feierlich der Arzt, „lmd nun sind's drei Jahre l,er, ist feme Krankheit am (5lyde gewesen." „Was?" fragte schnell Mistreß Marsh, „leine Kinderkrankheit? keine Masern, kein Keuchhusten oder Scharlachsicber?" «Ach, Mistreß, derartiges ist hier ganz unbekannt . . , von ansteckenden Krankheiten weisi Niemand Etwas in diesem Lande. Die einzige Arbeit, die zufällig unser Einer hier bekommt, ist, wenn etwa einmal ein Stoctkcever vom Pferde stürzt, oder wen» ein kleines Scharmützel nut den Eingebornei! und Vnshrangern stattfindetz dann hat's aber noch das Aöse dabei, daß die Wunden, Gott weiß wie schnell, wieder heilen, kanin hat man die Hand daran gelegt, so sind sie auch schon vernarbt, Wunden, die in Europa einem Manne Lebensunterhalt verschaffen, altc Schaben, die ihm so viel eintragen, daß für seine Familie auch nach seinem Tode noch gesorgt ist, die haben hier gar Nichts zn bedeuten . . . verlohnen sich wahrhaftig nicht einmal der Mühe, ein Pflaster aufzulegen. Ein Arzt musl hier zn Grunde gehen I" „Eine Schmach nnd Schande ist's!" rief Krabb, von dem freudigen Gefühl, einen Andern in sein Lieblingsthema einstimmen zu hören, hingerissen, „eine Schande! . . . 's tst mit den andern Sachen dasselbe, ich weiß . . . ." „Das mnß aber in der That ein sonderbares kand sein," sagte lachend der neue Ansiedler; „früher fn>n, noch ehe ich gedachte, hiehcr zn kommen, habe ich gehört, daß AlleS verkehrt sei; allein das wäre mir denn doch nie eingefallen, daß Leute, wie diese Herren klagen könnten, weil es keine Krankheiten gibt." »Klagen?" entgegncte der Arzt, „Gott behüte... glauben Sie ja nicht, daß ich das Land seiner Gesundheit wegen anklage . . . Nein, wahrhaftig ich bchM'te nur, meinen Lebensunterhalt hier nicht zu finden: Master Krabb bort klagt allein, er hat immer Etwas auszusetzen." Ich bemerkte jetzt wohl, daß Krabb mit sich selbst in hefti- t3 qem Streit ward; ein Laud bloß deßhalb anzuklagen, weil keine Krankheit darin vorkämen, schien sogar für seinen eisernen Kopf, für seine Widerspenstigkeit zu viel; endlich aber gewannen dennoch seine Vorurlhcilc die Oberhand und mit sciner harten, sehnigen Hand auf den Tisch schlagend, um ten Worten mehr Nachdruck zu geben, rief er aus: „Ich will Ihnen nur so viel sagen .... die Lcute hicr sind vielleicht nicht gcrade auf die Art frank, wie im alten Lande, das aber weiß ich, daß sie auch nie wohl sind, und wenn sic's nur machen könnten (in diesen« elenden Lande ist aber ja nie ein Dollar aufzutreiben), so würden sie erst einmal recht tüchtig krank werten, um endlich wieder auf vernünftige Art durch den Doctor, wic sich's gebührt, zu Gesundheit zu gelangen. Leben und leben lassen, sag' ich, das ist meine Meinung." Äei diescn Worten stülpte er sich den Hut mit einer gewissen bedeutungsvollen Art anf den Kopf und wollte die Stube verlassen. Da er aber fühlen mochte, daß diese letzten Bcmerkun? gen leinen recht schlagenden Beweis in sich trugen, so wandte er sich, um feinen Argumenten eincn kräftigen Stützpunkt zu geben, nochmals um, und die Thürklinke in der einen Hand, während er den andern Aim in einem rechten Winkel vorstreckte, welche Stellung ihm als die seiner Beredsamkeit zuträglichste erscheinen mochte, rcdcte er die Fremden nochmals mit nachdrücklichem Ernste an. „Lassen Sie sich doch nm Gottcöwillen, Gentleman und Lady, nicht dazn verführen, Ihr gutes Geld in diesem schlechten Lande zu vergraben.....Alles ist erbärmlich . . . Alles und Jedes. Vor wenigen Tagen m'ch wuvdc mein Frcimd hier, nachdem er eiuc Weile laug dem Kugelregen der Bushranger ausgesetzt war, -ans den Handen der Eingeborncn gerettet, die ihn bei lebendigem Leibe rösten wollten. Sie wissen vielleicht noch nicht einmal, daß sic sich gefaßt halten müssen, hinter jcmn Baume einen V^shran? ger oder Wilden zu sehen, der in der besten Absicht, Ihr Fleisch unter seine Zähne zu kriegen, cmf sie losfpringt. Das ganze Land ist voll Verbrecher, sag' ich Ihnen. Niemand kann sich rühmen, fein Leben »der scin Eigenthun» sicher zu wissen. Legt man sich Abends noch mit gesunden Gliedmasicn nieder, so dars nian doch versichert sein, am Morgen mit abgeschnittener Kehle aufzustehen ,md auf zehn Meilen im Umkreis keines seiner Schafe mehr zu finden. Vines Nachts waren meine Schafe . . . ." „Vi! ... Sie haben sich also Schafe angeschafft, Sir," unterbrach ihn Master Marsh, „haben Sic viele?" ,/Etwa zweitausend oder so hemm .... man hat aber seine arge Mühe damit und ich wollte, ich Ware sie nur wieder los." „Warum haben Sie aber solche gelaust, da Sie eine so schlechte Meinung uom Lande hegen?" „Das weiß der Himmel .... der Klügsie »nacht manchmal einen dummen Streich; ich ward von meinem Frcuude hier überredet, huudcrt Stück zu kaufen und diese haben sich nun seit sieben Jahren an die zweitausend vermehrt, damit ich nun gar keine Stunde Ruhe mehr habe. Sie werden auch noch die Ursache meines Todes, diese Schafe, das weiß ich wohl. und bei den Weivc-Hütten drüben liegt eine ganze Masse von Wolle ... 's ist am andern Ufer der Insel. Wie ich sie wegholen soll, weiß ich noch nicht, und was nachher damit anfangeu, das ist Gott bekannt; kein Mensch will mir mehr als cine» Sirpen« au Ort und Stelle dafür geben. Und was das hier für ein Platz ist! keine Märkte, tciuc Messen . . . fciue Straßen, wo man sie nöthig hätte. Und dazu muß noch jede Hand voll Wolle zum Verkauf in einem Schiff nach England geschafft werden; heißt das, wenn das Schiff nicht, wie es gewöhnlich der Fall ist, untergeht oder abbrennt; die hiesige Wolle fängt immer Feuer, wenn man sie auf ein Schiff bnngt, besonders wenn sie'ü noch dazu mit Oel befrachten, denn wie man mir sagte, fangen sie hier in der Mündung des Flusses «5 auch Wattfische .... geschieht ihnen schon recht, warum lassen sie sich da in die Nahe! . . . ." „Verzeihen Sie!" siel ihm jetzt Master Marsh in's Wort, „mich dünkt aber, Sie kommen von der Sache ab. Sagten Sia nicht, Sie hätten sich vor sieben Jahren hundert Schafe gekauft, die sich nun bis auf zweitausend vermehrt? Meiner Ansicht nach klingt das eher ermuthigcnd als abschreckend; kann man das nicht einen bedeutenden Nutzen von so kleiner Auslage nennen?" „Nutzen?" sagte Krabb, die Hand wieder von der Thürklinke zurückziehend, „Nutzen? ich habe erst in diesem Jahre vierzig Pfund durch sie verloren.". „Wirklich? und wie kam das?" „Wie das kam? je nun, ich verkaufte zweiunddrcißig Widder an einen Fleischer und zwar für fünfundzwanzig Schilling den Kopf, es waren zweijährige und so schöne Thiere, wie man nur sehen konnte. Ich gab mich mit einem Wechsel auf zwei Mouate zufrieden, und jetzt sagt er, daß er mich nicht bezahlen kann. Natürlich kann er das nicht. Nun stellte er mir einen andern Wechsel wieder auf zwei Monate aus und mit zchu Procmt Zinsen ... das ist jetzt ein Verlust anderer Art . . . kurz, auf solche Weise werden alle Lcute in diesem grausenhaftcn Lcmde zu Grunde gerichtet!" „Auf mein Wort!" sagte Master Marsh, „Sie machen mich verwirrt. Zuerst erzählen Sie mir von hundert Schafen, die sich in sieben Jahren bis auf zweitaufend vermehren, dann daß Sie Widder zu 25 Schilling den Kopf verkaufen und zchn Procent für Ihr Geld bekommen.... Ich muß gestehen, Ihren Andeutungen nach zu schließen muß man in diesem Lande ja ein schönes Geld verdienen." ,/Verwirrt machen?" cntgegnete Krabb, der ungeduldig auf die Auslegung gespannt war, welche der Fremde seinen Worten geben möchte, und sic nun nut nicht geringem Ncrgcr aufnahm. „Sie verwirrt machen? ich glaub's wohl, daß cs Sie verwirrt macht; es ist auch nur so ergangen, ich sage Ihnen aber, Master, wenn Sie sich nicht in Bälde wieder heim begeben, so wird es Sie verwirrt machen, wie Sie nur wieder fortkommen sollen .... und das wird dann die allergrößte Verwirrung sein, wie sie es schon für so manchen armen Ansiedlcr war." Mit dieser Alles niederschmetternden Aeiucrsung, wofür Master Krabb wenigstens sie halten mochte, und mit ciucin ganz behaglichen Schütteln, das ein Anzeichen seiner besonders gntm Laune und Selbstzufriedenheit war, trat mm dieses würdige In-diuidmiin gleich einem geschickten General vom Kampsplatz ab und vergaß bald iu Vobs Gesellschaft, der mit dem Pfluge ftiner harrte, den augenblicklichen Aergcr, der ihn bei des Fremden uu-verdanlichcn Norteu erfaßt hattc. „Das scheint ein ganz cigeuthümlichcr Mann zu sein," sagte Marsh, als er die Stube verlassen hatte, „seine Mcinnng von diesen» Lande lautet eben nicht sthr günstig; warn», aber, wenn ich mir diesc Bemerkung erlauben darf, ist er denn so lange hier geblieben, wenn er das Leben doch so erbärmlich findet?" „(5s sind das so kleine Cigenheiten dcS Master Krabb," ant-wcrtete meine Frau, „an die wir uus aber durch längeres Aci-sammcnlcbcn schon gewöhnt haben; das Land wird Ihnen indeß gewiß gefallen, cs ist schön und gut, wenu man nicht mit allzu-großcn Erwartungen hergekommen ist." „Nur das kaun ich nicht begreifen," sagte Master Marsh, „wie Sie mit dieser Bevölkerung von Verbrechern zu Hi>cge kommen; mich dünkt, cs müssen das sonderbare Dienstboten sein. Wie verhält cs sich mit ihrem Gehalt? mit ihrer Nahrung? Die Einrichtung ist mir noch gar nicht klar." Diese Frage gab Veranlassung zu einen, ziemlich langen Gespräche über das Verfahren gegen die dcportirtcn Verbrecher, wie auch über ihre Arbeiten und Lcbensvcrhältuisse. Da dieß aber ein so wichtiger Punkt ist, daß er cine ausführliche Behandlung verdient, so werde ich ihm ciü cigeucs Kapitel widme». A ch tundz w an zig stes Kapitel. Von dcn Bcrhältnisscu dcr Dcvoriirtcn in den Colonicn, ,/Dic Sache würde mich von Anfang an interessircu," sagte Master Marsh, »wenn ich nicht fürchten mnßte, Ihre Zeit allzusehr in Anspruch zu nehmen. Ich möchte nämlich mit den Verhältnissen des Verbrechers vom Augenblick seiner Vcrnrthciluüg au l'is zu seiner Ucbcrgabc an cincn Ansiedler bekannt werden und dann Aufschlüsse über sein ferneres Geschick erhalten." ,.Ich will mein Möglichstes thun, Ihnen eine getreue uud deutliche Schilderung zu entwerfen; doch ich sehe dort Jemand lommcu, der das vicl besser im Stande sein wird, als ich." Wahrend ich n>,'ch sprach, ritt der Friedensrichter, der nu« scrn Zug gegen die Vushrangcr angeführt hattc, zum Haus, stieg ab und trat , der Colonialsittc gemäß, ohne Umstände bei mir ein. „Ich bringe Ihnen Neuigleitcn," sagte er, „nnd zwar über dcs Zigeuners Tochter .... das Packet Papiere, welches sich, so sorgfältig verwahrt, bei ihm vorfand, cuthält merkwürdige Aufschlüsse, nud ich glaube auf ciucr Spur zu sein, die für die !leine Zigtlincriu von großer Wichtigkeit werden köunte. Wo ist sie?" „Ich habe iu dieser Hinsicht bis jetzt noch feine Schritte thim könnni, werde aber mcin gegebenes Versprechen halten uud der Abmicilci- ciucs Au?w>indcrcrs l>. 2 !8 Kleinen nach forschen. Sic trafen uns eben im Gespräche über die Arbeiten nnd das Leben der ucrurthciltcn Verbrecher ans Vandie-mensland, worüber dieser Herr 3lähercS zu erfahren wünschte, und ich sagte Master Marsh, daß bei den vielen Erfahrungen, die Sic in Betreff dessen schon gemacht, er von feinem Andern bessere Auskunst erhalten löunte." „Uno was wünsche» Sie darüber zu wissen?" fragte der Richter. „Alles .... man hört so Verschiedene«?, so Unglaubliches davon in England, dasi man nicht N'ciß, woran man sich z» halten hat!" „Gut .... thun Sie mein Pferd in den Stall, wenn PIa<; da ist, dann wollen wir tin Bischen mit einander plaudern." „Platz genug," entgegnete ich, ,.ich jage unterdessen eines von den meinigcn hinaus und lasse rö grase». " „Was? Sie lassen Ihre Pferde wild nmherlaufcn?" fragte der Fremde. „Nicht alle . . . doch die mcmigcn kehren Abends stcts zu ihrem Futter zurück." „Schön . . . das ist schon (5'twas gelernt," sagte Master Marsh, ,/doch kommen wir jetzt auf die Verbrecher, was für Dienstboten werden ans ihnen?" „Ziemlich gute," antwortete der Nichter, „hauptsächlich bei einer freundlichen und vernünftigen Behandlung. Vor alle» Diu-gen muß ich Sic aber warnen, hier nie das Wort Sträfling (convict) wie mau diese in England nennt, zu gebrauchen, wir heißen sie hier Gonvcrncmcntslontc und bei einigen Gelegenheiten Ge fang c n e, nie aber gebrauchen wir das Wort Convict, das sie als größte Beleidigung ansehen und was daher von allen gutgesinnten Personen auch sorgfällig vermieden wird." ,.Sic werden also wirklich gute Diener? Man sagte mir, sie gäben fast immer Veranlassung ;n Klagen." <9 „Es gibt unstreitig viele schlechte unter ihnen, icli fasse aber hier das System überhaupl und nicht einzelne Fälle in's Auge. Wenn man bedenkt, daß diese Leute hier nntcr einer Verpflichtung, imter einem Zwang arbeite» muffen, der weder geistigen noch lör« Perlich?n Anlagen forderlich ist, und daß diese Sträflinge, die den größten Theil der Ackerleute, Viehtrcibcr und Schäfer ausmachen, Taschendiebe, Hauscinbrechcr und Spitzbuben von allcn Klassen waren, in den mchrslcn Fällen zu Geschäften verwendet werden, von welchen sie früher feine Idee haticn, so sonnen wir nicht umhin, bei dem augenscheinlichen Gedeihen und Vorwärtsschreiten der Coloniec» ein-zugestehen, daß das Tystcm im Ganzen jedenfalls gut ist nud zu ziemlich allgemeiner Zufriedenheit ausgeführt wird. Sie sollen in« deß in kurzen Worten einen Umriß des Lebens dieser Meuschen-llasse erhalten. „Wenn Gefangene in den (5olouicen ankommen, werden sie in die für Gouverncnientöleulc bestimmten Gebäude gebracht, und nachdem die Ncgicrung sich diejenigen uuter ihnen erwählt, welche sie für verschiedene Handwerke und Geschäfte ;u benutzen gedenkt, wird der übrige Theil den verschiedenen Ansiedlern, das heißt allcn freien Ansiedlern der Insel augcwicscn, seien diese nun Landleute oder treiben sie irgend ein anderes Geschäft." „Und auf welche Art geschieht das?" „Der Farmer cdcr Geschäftsmann, welcher einen Knecht, Schäser oder andere Albcitcr wünscht, reicht bei dem Gouverneur das schriftliche Gesuch nm einen solchen ein. Gewöhnlich erhält «r in zwei ober drei Tagen Nachricht, wann er sich die zur Ver-theilimg an Ansiedler bestimmten Lente besehen und Einen unter ihnen auswählen könne." „Und ist jedes solcher Gesuche von Erfolg?" ,/Ncin, nicht unbedingt. Wenn ein Ansiedler schon einmal seine Arbeiter schlecht behandelt hat oder nicht die Mittel zu hin- 2« 20 länglicher Beschäftigung und dem erforderlichen Unterhalt besitzt, so werden sic ihm verweigert; auch erhält kein Gefangener einen lindern Gefangenen zum Dienstboten. An dem bestimmten Tage verfügt sich dann der Ansiedler an Ort nnd Stelle, um seinen Mann unter der vorrathigeu Anzahl auszusuchen; sie tragen Alle die Regierimgsklcivimg, gelbe Jacke, Weste und Beinkleider." „Jetzt fann ich mir cine Aeußerung erkläre», die ich auf meinem Herweg hörte," fagte Marsh. „Ich begegnete nämlich einem Gefangenen iu Begleitung eines Eoustabelo; der Erstere sah sehr niedergeschlagen aus nnd niein Ochscntrcibcr rief ihm zu: In den Käfig lommen, mein Kanarienvogel? siehst ja aus, als ob Du den Pipps hättest!" „Ja, ja, das ist so ein gewöhnliches Spottwort____der Ansiedler muß sich dann seinen Arbeiter answählcu." „Wie erfährt er aber, was dieser verbrochen hat?" „Das erfährt er gar nicht.... die Regierung vermeidet es, die Verbrechen, deren sich die Deportirtcn in der alten Heimat schuldig machte», der Ocffentlichfcit zu übergeben! sie will ihnen hier Gelegenheit verschaffen, in einem ncucu Lebcnslauf wieder zu ordentlichen Menschen zu werden. Ucbrigcns werden die ärgsten Verbrecher den Landlcnteu nicht überlassen. Das Gouvernement behält diese für die öffentlichen Arbeiten zurück. H.nidwcrl'er und Actcrslcutc gibt es selten unter ihnen, die Hauptzahl derselben besieht aus Handarbeitern und Dieben. Von diesen muß er sich seinen Mann so gnt, wie möglich, aussuchen und da sie die Gonvcr-uementSarbeit, wie auch den gelben Strafauzug hassen, so gehen sie gern mit einem Ansiedler und es ist sogar eine der schärfsten Drohungen, seinem Dienstboten zu sagen, man wolle ihn wieder abliefern." „Die Gouvernementöleiite arbeiten wohl in Ketten?" „Gott behüte . . . auch das ist eine der in England gewöhnlichen, irrthümlichcn Meinungen; sie marschireu nur ge- 2t schloffen, tragen di? verhaßte gelbe Farbe und haben bei schlechtem Betragen augenblickliche und harte Bestrafung zn erwarten; sonst arbeiten sie aber ganz ohne Ketten und das meistcntheilS an Straßen und öffentlichen Bauten; auch dürfen sie nach einein gewissen Zeiträume wieber an Nachfragende überliefert werden. Es spornt sie dieß zu gutem Verhalten an und läßt ihnen die Aussicht auf bessere Tage ... so bleibt ihnen doch eine Hoffnung, ohne die sie leicht das Aeußcrstc wagen und ein ihnen werthloscS Lebcu aus'S Spiel sehen würden." „Und wird guten und gebesserten Sträflingen irgend cine Belohnung zu Theil?" „Im Allgemeinen könnte man sagen, die guten Arbeiter fänden scho» ihren Lohn in der Achtung und guten Behandlung ihrer Herrn; als eine besondere Belohnung ertheilt aber die Regierung dem Verurtheilten noch nach einer bestimmten Zeit und auf Empfehlung seines Herrn einen Paß ober Freischein." „Einen Paß? wie so?" „Einen Paß odcr vielmehr cineu Erlaubnißschcin, vermöge dessen der Eigenthümer eines solchen sich selbst auf der Insel einen Herrn odcr Arbeit suchen kann und somit fast im unumschränkten Sinne des Wortes in dicscm Lande wenigstens ein freier Mann wird. Nur auf begründete Anklage hin und bei schlechtem Betragen geht er dieses Scheines wieder verlustig . . . Nun lassen Sie sich aber die häuslichen Verhältnisse dieser Dienstboten auseinandersetzen. Ein solcher hat wöchentlich loM'und Fleisch, lozPfund Mchl, 14 Loth Zucker, 7 Loth Seife und 4 Loth Salz anzusprechen/ ein MehrcreS ist bloß freier Wille seines Herrn; ferner soll ihn dieser mit einer gewissen und genügenden Zahl Sommer- und Winterkleider, mit einer gnteit Matratze und zwei wollenen Decken versehen, weiter aber keinen Gehalt verabreichen. Die Negierung richtet ihr besonderes Augenmerk darauf, daß die Arbeiter alle diese Sachen richtig und gc.< 22 hörig erhalten und da in Folge dieser Anordnung ein Sträfling in Australien nicht durch Noth und Mangel zu Vergehen getrieben wird, wie das leider im Muttcrlande nur zu oft der Fall ist, so ist er um so leichter von weiten: Verbrechen zurückzuhalten." „Diesem Allem nach ;u urtheilen," sagk Master Marsh, „stellt sich ja ein Verbrecher in Australien weit besser, als ein ehrlicher Arbeiter in England, und so wäre Deportation statt einer Strafe eigentlich mehr eine Belohnung für Schurkerei." „Es ist dieß eine vielfach geäußerte Behauptung; ein Mann aber, der sich ein Vergehen zu Schulden kommen läßt, thut eS doch gewiß selten mit der kaltblütigen Berechnung der fernern Folgen ... er verübt ein Verbrechen, weil ihn augenblickliche Noth, empfindlicher Mangel oder auch eine Leidenschaft, das Verlangen nach Befriedigung seiner Rache oder auch seines Zornes dazu treibt, daß übrigens schon Leute in England wirklich nur aus dein Grunde zu Ungesetzlichkeiten schritten, nm nach den Colouicen geschafft zu werden und dadurch ihre elende und kummervolle Lage zu verbessern, will ich weder bcstreitcn noch bezweifeln. ES darf indeß den Colonicen nicht zur Last gelegt werden, daß eS die Verbrecher hier besser, als die ehrlichen Arbeiter in England haben; das ist eine natürliche Folge des Segens, den ein wenig bevölkertes Land ans selne Bewohner auS-übt und der sich sogar bis zu den Sträflingen hinab erstreckt; er wirkt aber auch zu gleicher Zeit wohlthätig nnd heilsam auf die moralische Lage derselben ein und nimmt man an, daß hier auf diesem kleinen Punkt alle überwicsencn Verbrecher des alten Englands, deren wahrhaftig nicht wenige sind, concentrirt werden, so wirb man zugeben muffen, daß daS Betragen derselbe« . . . versteht sich im Allgemeinen . . . ein musterhaftes ist. Hier, unter dieser Hefe der Menschheit werden nicht mehr Verbrechen begangen, als in England oder Irland, und die ganze 23 Anzahl von Sträflingen läßt sich mit einer kleinen Macht von kaum hundert Soldaten und nicht so vielen Coustabels in Ordnung halten. Des Mangels und der Noth enthoben, suchen die meisten dieser Leute ihren ehrlichen Namen wieber zn verdienen und werden zuletzt braue, tüchtige Menschen." „Konnte aber am Ende dieß beständige Zunehmen von Verbrechern und Uebelthätern nicht von nachtheiligcn Folgen für den günstigen Zustand der Kolonien scitt?" „Allerdings will ich nicht behaupten," entgegncte der Nichter, „daß es nie eine Zeit geben dürste, wo die Einführung von Sträflingen auf das Land New-Süd-Wales eher nachthcilig als vorthcilhaft einwirken würde; noch ist dieß aber nicht der Fall, was aus dein ganzen Entstehen und ungemciu schnellen Wachsen und Gedeihen der Anjlcdlungen zu ersehen ist ... „Man nniß nämlich wohl bedenken, daß die erste Ansied-lnng, Port Jackson, 1788 nicht in der Absicht, das Land zu bebauen und zu benutzen, gegründet wurde, sondern einzig deßhalb, einer Unzahl von Verbrechern in England los zu werden, die dort die Zucht- uud Strafhäuser überfüllten. Grst 1803 wurde dann die Iuscl VandlemeuSland in Besitz genommen und die erste Ansiedlung nachher gewissermaßen als ein Supplementband von Port Jackson angelegt. Die Colonisten haben somit der Regierung keineswegs den Vorwurf zu machen, daß ihnen die Verbrecher über den Hals geschickt werden . . . im Gegentheil, sie sind es, die aus freiem Antriebe zu den Verbrechern übersiedelten. „UebrigenS datiren sich die wirklichen Ansicdlungen von Colonisten erst seit 18I6 und durch sie hat das Land in diesen acht Jahren den äußern Anstrich erhalten, der es jetzt auszeichnet. Wenn auch das fast wunderbar schnelle Wachsen uud Gedeihen hauptsächlich der Leichtigkeit der Bearbeitung u»d Fruchtbarkeit des Bodens zugeschrieben werden muß, so läßt sich doch nicht in 2H Mrede stellen, baß die Massen von a/zwungenen Aibeilcrn, die zu den verschiedenen, nothwendigen Vcschäftigungcn angehalten winden, auch wesentlich zu scinem blühenden Zilstaiidc beitrugen, „Man kann wirklich sagen, daß die Regierung hier fast unbewußt ein großartiges Erpcriment systematischer Colonisation geinacht hat, u:>d eS ist leicht zu berechnen, wie günstig der Erfolg eines solchen mit ehrlichen Lenten und tüchtigen Arbeitern sein müßte, wenn schon so Ausgezeichnetes duvch vcrurlheilte Verbrecher geleistet wird. „Die Behandlung dieser Frage würde nns indeß zu weit von unserm ursprünglichen Thema abführen . . . Nun mußte aber für diese Masse von Menschen, welche Alt-England hcrüber-sandte, auch gesorgt werden, um ihnen Lebcnsmittcl und Unterhalt zu verschaffen, dciui Alle konnten doch nicht für den Ackerbau verwandt werden . . . Die Produkte der (Kolonisten erhielten hicdnrch trefflichen Absah und man darf mit Neckt sagen, daß das Wachsthum der Ansiedlungcn wie in einem Treibhaus mit künstlicher Wärme befördert worden sei." „Ich habe Vandiemensland oft ein Mistbeet dcS Lasters und der Uumoralität nennen hören," sagte Master Marsh. „Das ist ungerecht!" eiferte der Friedensrichter, „Daß Laster, ia sogar Verbrechen unter uns vorfallen muffen, wird Jeder cin-sehn, der bedenkt, aus welcher Mcnschcnklassc unsre Bevölkerung größteuthcils zusammengesetzt ist. Daß aber eben diese Menschen durch das System der Deportation gebessert werden, wird Niemand läugnen. Dagegen läßt sich cine andere Frage ausstellen, «b nämlich die Moralität der Colonisten (5'twas dabei gewinne. Uebrigens wird die Zeit nicht mehr so fern sein, wo daS ganze Land eine solche Einrichtung und so viel freie, weiße Einwohner erhält, daß es sich einer ferncru Hiehe ganze Versammlung, so schmerzlich wurde eines Jeden Gefühl dadurch bcwcgt. Es war dieß aber in jenen Zeiten die gewöhnliche Strafe fur solche Vergehungen. 30 „Ich habe noch eine andere Klage vorzubringen," sagte Master Clover. „DaS thut mir leid zu vernehmen," antwortete der Friedensrichter, „und die wäre?" „Es hat sich noch ein Anderer meiner Leute unterfangen, meine Farm hie und da heimlich zu verlassen." „Wer ist es?" „James Nose." „Ist er hier? «Ja .... der da ist'S." Der Friedensrichter hielt hierauf dem Beschuldigten die Au-Üage seincS Herrn vor, und fvagte ihn, was er darauf zu entgegnen habe. James Nose. Ja, ich bin ohne Erlaubniß fortgegangen, es ist wahr. Friedensrichter. Wie ist sein Betragen im Allgemeinen? Master Clover. Gr gab mir nicht gerade viel Anlaß zu Klagen, er ist stets eiu ziemlich ordentlicher Dienstbote gewesen. Friedensrichter. Dringen Sie auf die Verfolgung ter Anklage? Nose. ?lch, Master .... sein Sie nicht so streng . . . Sie wissen, daß ich mir nie viel Fehler zu Schulden kommen ließ. Clover. Ich überlasse es ganz dem Richter und dringe nicht eben auf Bestrafung dieses Mannes, aber dem Unwesen muß gesteuert werden. Friedensrichter. Nun Nose, wenn Euer Master Euch dießmal verzeihen will, wollt Ihr dann versprechen. Euch nicht wieder auf diesem Fehler betreten zu lassen uud il>u durch künftiges untadelhafteS Betrage» wieder gut zu machen? Nose. Ja .... gewiß .... Master soll nicht wieder zu einer Klage veranlaßt werden. Friedensrichter. Dann glaube ich Euch mit einem Ver- 31 wcis entlassen zu könne», doch nehmt Euch wohl in Acht. daß Ihr nicht nochmals hiehergeschafft werdet. Ihr habt daS Urtheil Cures Gefährten vernommen, es möge Euch zur Warnung dienen. Die Gerichtssitzung, welche in einem geräumigen Vorzimmer in dem Hause deS Friedensrichters abgehalten wurde, sollte eben aufgehoben werden, als eine Stiminc aus dcn Zuhörern rief: „Mit Ew. Wohlehrcn Erlaubniß habe ich eine Klage gegen meinen Master vorzubringen; wollen Sie nur gefälligst auch Gehör schenken?" Friedensrichter. Wer seid Ihr nnd wie heißt Euer Herr? „Ich heiße John Vuttrcß und mein Herr ist Master Elover." Äci bicscm Namen licß sich cm Murmeln des Erstaunens nn Zimmer vernehmen n»d ich machte die Beobachtung, daß sich die Gesichter der verschiedenen Gefangene» merllich erheiterten; sie blickten schnell nach dem Richter hinüber, um zu schcn, welche Aufnahme bc! ihm die Klage eines Dieners gegen seinen Herrn fin?en würde. Master Clover schien indeß mit dieser Wendung der Sache kcineöwegS zufrieden zu sein nnb warf einen finstern, zornigen Blick aus dcn Kläger „Ihr unverschämter Kvrl, Ihr!" rief er, „wie dürft Ihr Cnch «nttlstehen, mich anzullag>,'n? Hütet Euch wohl, daß ich Euch ebenfalls abstrafen lasse!" „Nicht so rasch!" sagte der Friedensrichter. „Ich muß hier nach besten Kräften Recht sprechen, und zwar nicht allein für dcil Herrn, fondern auch für den Diener, und der Gefangene hat cm Recht, Gehör zu verlangen wie der Freie. Wohlan, John Bull-reß, ich bin b.reit, Euch anzuhören, beginnt." Aus den Mienen der Gefangenen ließ stch deutlich erkennen, wie wohl ihnen Men bei diesen Worten um's Herz wurde, denn 32 sie hatten nach dem Urtheilsspruch ihres Kameraden nicht wenig Niedergeschlagenheit gezeigt. Des Schuhes der Behörde bewußt, trat nun John Vuttreß unerschrocken vor und Nlle liehen dem Gang der Verhandlungen mit gespannter Anfmerlsamseit ihr Ohr. Dreißigstes Aapitel. Ein dienender Tcportirtcr verklagt sciiicn Nrotbcrrn, — Fur den Knecht ist das Gesetz ebenso gut d>', wic für dcn Herrn, „Ich bin doch begierig, wie unser Frennd, der Friedensrichter, sich in diesem Fall benehmen wird/' sagte Master Marsh während einer augenblicklichen Pause zu mir; es ist jedenfalls verdrießlich, ein Urtheil gegen den Herrn fällen zu müssen, wen» nicin noch so eben ein solches zn dessen Gunsten ausgesprochen hat." „DaS werden Sie bald e,fahren," cntgegnete ich, „ich für mich glaube hauptsächlich das gute und ruhige Betragen der Gefangenen in diesem Distrilt dem Vewnßlsein zuschrcib,n zu müssen, daß ihnen bei jeder erlittenen Unbill N-cht geschafft wird, und unser Freund ist der Viann, der seine Pflicht gegen den Arü'.cn, Wie gegen den Reichen erfüllt." „Es wird ihm aber von den Farmern der Colonie nöel gedeutet werden, wenn er Einen von ihi.en der Klage eines ihm übergcbtncn Sträflings b.'oßstellt," „Daraus macht er sich Nichts," antwortete ich, „er thut, was Necht ist, over w.is er wenigstens für Necht hält, und kehrt sich lvedcr au H^hc noch Niedere. (5s ist mir ubrigcnS lieb, daß Sie gerade jetzt Gel.gcuheit gehabt haben, diesen Verhandlungen 33 beizuwohnen, denn Sie erhalten hiedurch einen bessern Begriff vo» unsern gesellschaftliche!! Zuständen, doch still ... das Verhör sängt wieber an.'' „Mit Ew. Wohlchren Erlaubniß," begann John Vutlreß, „Master hat mich schlecht behandelt und geschlagen/' Friedensrichter. Waun? Nuttreß. Letzten Samstag Abend. Master Clover. Lassen Sie mich auseinandersetzen, wie sich dieses verhält, Friedensrichter. Still! . . . Zuvor muß ich den Kläger vernehmen, Sie können nachher reden, John Buttrcß brachte nun die Klage nach aller Nechtsfor« Vor und stellte seine Sache der Gerechtigkeit des NichterS anheim. Master Clover gestand hierauf, daß cr ihn am Samstag Abend auS dcr Küche geschoben nnd ein Stück Holz nach ihm geworfen hade, vertheidigte sich aber damit, daß nur die unverschämte Frechheit des Klägers Veranlassung dazu geworden war. 6s wurden dann mehrere andere Zeugen in's Verhör genommen, worauf dcr Nichter sich mit den Worten au den Angeklagten wandte: „Master Clover, haben Sie diesem Verhör noch Etwas beizufügen?" ,,Nein// antwortete dieser, ..Nicht,?, als daß eS mir hart vorkommt, daß Gefangene ihre ihncn angewiesenen Herren sollen belcioigen können, ohne darilber zur Rechenschaft gezogen zn werdcu," ..(Entschuldigen Sie, Master Clover," eutgegnete der Friedensrichter, ,,die Gefangenen werden für jedes Hergehen zur Re-ch>N''chaft gezogen! das nämliche Gcsetz aber, daS den Herrn vor Unverschämtheit und schlechtem Betragen des Diencrs schützt, nniß diesen gegcu jcdc Mißhandlung nnd Ungerechtigkeit des Abmlcuer cincs Alis:vandcvc^^. II, 3 34 Herrn vertreten. Tie Klcige gegen Master Clover scheint mir in voiliegcndeul Falle bewiesen, und da er dem Willen dcr Colonial-regierung zuwider gehandelt hat, so lautet meine Entscheidung, daß John Vntlreß den Dienst des Master Elover verlassen und znr GoiwerncmentSaibcit zurückbegeben werden soll; indeß kabc ich unter dicscn Uniständen kcincn Grund, besagten John Buttrcß einem andern Herrn, der ihn wünschen wurde, vorzuenthalten." Die meisten dcr Anwesenden bezeigten sich mit diesem Urtheilsspruch zufrieden, allein Master Clover schien sehr ausgebracht gegen den Friedensrichter, daß dieser seinein Vediinlcn nach die Kartei der Gcfcingencu gegen ihre Herren genommen habe, grille mit kalter Höflichkeit, lehnte die ihni freundlich dargebotene Erfrischung ab nnd ritt höchst mürrisch und verstimmt fort. Nuu war ein unter zwei Arbeitern obwaltender Streit zu schlichten nnd schon der furchtbare Spektakel uud Zank, womit sie die Klage plötzlich anhoben, erregte die Lachlust der Versammelten im höchsten Grade. AIS Alles zum Verhör bereitet war, traten die streitenden Parteien auch ungesäumt ohne eine weitere Einladung abzuwarten, vor den Friedensrichter und der beleidigte Theil begann ohne alle Umschweife und (icremonien: „Mit Ew. Wohlehren Erlaubniß ... der Mann da will mich umbringen . . . er schwört, daß er cS thun wolle, und aus Purer Gnade Gottes lebe ich noch, um es erzähle» zu können.^ „ Geschieht ihm recht/' sagte der Angeschulcigtc, „der boshafte Schuft," ,,Geschieht mir recht?" . . . „Haltet Euch ruhig ! Vcide l" rief der Nichter, „also j-.tzt . . . w?r ist dcr Kläger?" »Ich biu der Kläger, mit Ew. Wohlehrcn Erlaubniß, dcnn ich hare eii'en zerschlagenen Kopf." 35 „Dil? nein, ich bin dcr Kläger ... ich habe so vicl Nccht als er, mich zu beklagen." „So könnt Ihr Euch denn nicht zu cincm Vergleich vcr-ständigen?" fragte dcr Richter, „Ihr scheint i»ir beide rechte Thoren." „Verständigen? wir miS verständigen!" riefen die Streitenden zumal, „nein wahrhaftig nicht, und wenn cs auch ginge." „Wohlan denn!" sagte der Richter, „so werde ich mich darauf einlassen müssen; dcr zerschlagene Kopf mag daher anfangen." Die von Charles Kirk jetzt vorgetragen? Klage lautete: ,,daß ^'Neale ihn geschlagen und mißhandelt habe." Dcr Gefangene behauptete, nicht schuldig zu sci>l. Charles Kirk nuißtc nun vorerst seinen Eid ablegen, dann sagte er: ,,Netzteil Samstag pactto mich dcr Gefangene am Kragen und warf mich an das Fcucr, wobei ich Kopf und Arm beschädigte . . . meine Mü>)e aber verbraunte. Shaughnessy hob mich wieder auf. Der Maurer erzählte mir, daß O'Nealc gedroht habe, mich noch einmal in'S Feuer zu werfen uud auf mich zu springen. Das war am Samstag Nachmittag .... Jetzt droht O'Nccile mich in den Fluß zu werfen." William Pryor trat dann als Zeuge auf und bestätigte nicht nur das Gesagte, sondern behauptete auch noch, O'Vteale habe alle Friedensrichter am (slyde, so wie die ganze königliche Familie iu England verflucht und dabei geäußert, daß wenn hier Alles ron sciuer Gesinnung wäre, er bald ein freies Land haben wollte. Der Gefangene vertheidigte sich dagegen und betheuerte, nie etwas gegen die königliche Familie gefagt, auch die Absicht nicht gelabt zu haben, Kirk zu beschädigen, und entschuldigte sich schließlich, daß er ebcu ein leidenschaftlicher Mensch sei. 36 Nun kam die Neihe, verhört zu werden, an Shaughnessy nnd dieser sagte aus, von den Flüchen allen Nichts gehört zic Habe«, bestätigte aber, daß O'Neale Kirk an das Feuer geworfen habe. Kill selbst wollte Nichts von dcn Schmähreden gegen die königliche Familie gchört haben, bestätigte jedoch die gegen die Friedensrichter. Dann wurde Master Kale, der Herr dieser Leute aufgerufen, der (5'id ihm abgenommen nnd er gab folgende Erklärung : „Mein Diener Arthur O'Neale ist allerdings sehr lciocuschaft--lich, doch kciueswegs dein T'runlc ergeben; so lange er bei mir lebt, habe ich ihn noch nie berauscht gesehen, nnd er ist in jeder Hinsicht ein guter Dieuer, der meinen Befehlen stets gern und willig nachkommt. O'Ncale und Pryor haben sich schon häufig gezankt und ich glaube, Pryor hasse O'Ncale; jenen habe ich schon oft auf Unwahrheiten nnd Falschheiten ertappt, ich kann mich auf sein Wort nie verlassen nnd bin überzeugt, daß man seinen Äns-fagcn nicht trauen darf. Charles Kirt ist ein ruhiger, friedfertiger Mann, deu ich uoch mit Niemand in Streit gesehen habe!" Nach einigen Hin- und Herredeu vereinigten sich endlich die verschiedenen Parteien, nnd Kläger uud Beklagter verließen das Haus des Friedensrichters als ganz gute Freunde. Natürlich glaubte ein Jeder, Nccht behalten zn haben, und der Kläger bot dem Verklagten seine kleine, kurze, hölzerne Pscisc an, wonach sie sich ewige Freundschaft schwurcu uud sich zugleich hoch uud theuer vcr-waßen, der Nichter sei ein ganzer PraclMcr!. „Ich weiß nicht, wie ich Ihre Rechtspflege in diesem Lande beurtheilen soll/' äußerte Master Marsh, ,,mir kommt es aber vor, als ob die Richter ziemlich willkürlich nnd unabhängig verfahren könnten." "Vs ist allerdings richtig/' cntgcgncte ich ihm, „daß sie sich 3? nicht immer au Formen und Formeln halten, dennoch macht ihr Verfahren stets den gewünschten Gindrnck." „Das Urtheil, einen Menschen mit Pe! tschcnh >' c b c n zu züchtigen, klang nncmgenehm, ja ich kann wohl sagen, schmerzlich an mein Ohr," sagte der ncne Ansiedler. ,,Es mag zwar dcnr hiesigen Strafsystcm angcincssen sein, doch hege ich die Ansicht, daß es einen guten Menschen schlecht nnd einen schlechten noch boshafter und bösartiger machen könnte." „Dann mag viel Wahres liegen," antwortete ich, „doch gehn wir jetzt zum Essen, der Friedensrichter wartet anf uns." Einunddreißissstes Kapitel. Die Prügelstrafe und ihre Nothwendigkeit in einer vo» so vielen Verbrechern bewohnten Colonic. — Schrecken der Versetzung nach Macauarie-Harbonr, der Strafanstalt von Bandiemeiisland. — Thornley kehrt nach Haust zurück. — (!m Schreiben vom Gouverneur. „Sie haben ein mühsames Tagewerk gehabt," redete Master Marsh den Friedensrichter an, als wir uns ;n Tische setzten, „kommen dergleichen Klagen hänsig vor?" „(5inen Tag, wo sich die Geschäfte so drängten, hab' ich noch nicht erlebt," cmgegnete, dieser. ,,Gewöhnlich reite ich sehr viel umher und schlichte die Streitigkeiten gleich an Ort und Stelle, das Schmerzlichste bei alle dem ist aber doch, einen Mann zn Schlägen zu uermtheilen, allein im gegenwärtigen Augenblick nnd bei der dermaligen Gestaltimg der Verhältnisse in den Coloniccn wüßte ich in der That kein anderes Mittel, das jeder Unordnung und Ungesetzlichkeit so crust nnd zweckmäßig entgegen zu treten in, Stande wäre .... „Was ich übrigens an dcr Sache auszusetzen habt/ liegt tleftr. 38 Ein Mann, der geschlagen wird, verliert seine Selbstachtung, die Wirkung der Schlage beschränkt sich nicht bloß ans die Schulternarben , sie dringt in die Seele ein nnd Viele erheben sich nie Wieder aus dem Zustand der Erniedrigung, iu den sie dnrch eine solche Straft geschleudert werden." „Welch andcrcö Mittel stände nnö denn sonst zu Gebote?" fragte der Wundarzt; „wir befinden nns hier mitten in einer Ve-völkcrung von Verbrechern, und es wird zur traurigen Nothwendigkeit, diese anf eine oder andere furchterwcckcnde Art unter dem Daumen zu halten . . . weit entfernt, das Prügclsystcni zu billigen, will ich hier nnr beweisen, wie nöthig die Anwendung einer solchen Strafe ist. Dann hat es auch noch in der Hinsicht dcn Vorzug vor Gefängniß, daß cö dcn Mann der öffentlichen Arbeit nicht entzieht; er bekommt seine Tracht Prügel und damit ist die Sache abgethan." „Ja) wenn dic Sache wirklich damit abgethan wäre/' erwiederte der Nichter, „so würde ein großer Theil meiner Gründe gegen dieses System von selbst wegfallen; ich fürchte aber gerade, daß in sehr vielen Fällen die Sache damit nicht abgethan ist, nnd daß mancher gute Mann durch diese erniedrigende Strafe nnvcrbcsscrlich schlecht wirb .... ,;Ich erinnere mich," fuhr cr fort, „daß sich vor zwcl Jahren ein Geist der Widersetzlichkeit und des Aufruhrs unter den Gefangenen dicser Gegend kund gab, dessen immer gefährlicher werdendes Wachsen ernsthafte und eingreifende Maßregeln forderte. Nachdem ich mich dann in dicser Angelegenheit mit einem Collcgcn be-rathcu lMc, entschlossen wir uns, gleich beim ersten vor uns gebrachten Fall ein so nachdrückliches Verfahren zn beobachten, daß cine Wiederholung desselben nicht so bal? wieder zn fürchten sein würde, denn gar oft, und in diesem Falle besonders, ist wirkliche Strenge die wahre Milbe. „Uebrigcns muß hier bemerll wcrdcn, daß ein einzelner Rich- 3» ter nicht dic Macht hat, mehr al6 fünfzig Schläge Ctva^e zu dik-tircn. Die am häufigsten aufwandte Zahl ist fünfundzwanzig, da die Zwischcuzahlen auö einem großen Widerwillen gegen Bruchrechnung in dieser blühenden Colonie nie gegeben werden. Um unsre Absicht durchzuführen, mnßte ich daher mit dem benachbarten Richter zusammen Sitzung halten, n»d e>5 währte nicht lange, so trat auch schon der erwartete Fall ein. „Als älterer Magistrat hatte ich ten Vorsitz und mußte bas Verhör leiten. Man brachle ein?n stattlichen Burschen herbei, welcher der Unverschämtheit und Widersetzlichkeit angeklagt war, und die Beweise seincs Fehltritts lagen so llar und deutlich gegen ihn vor, daß er zn seiner Vertheidigung Nichts zu sagen wußte und doch auch nicht um Gnade bitten wollte. Nach einer genauen Untersuchung der Sache fanden wir, daß der Manu unmöglich mit einer verhältnißmäßig geringen Strafe eutlaffm weiden könne, sondern daß hier die ganze Strenge der Gesetze augewendet werden müsse, wenn überhaupt noch Achtung für dieselben aufrecht erhalten werden sollte. Ich erhob mich danu, um die Versammlung anzureden, welche so zahlreich, als möglich, zu machen, ich mich vorher schon bcmüht haite. „Mit wenigen, aber kräftigen Worten erklärte ich jcyt die Nothwendigkeit, Disciplin und Gehorsam unter den Gefangenen, es koste, waS es wolle, zu erhalten... bezeugte meinen Widerwillen , ciuen Mann schlagen zu lassen, und wirklich kannte auch fast Jedermann meine Abneigung gegen dieses System, bewies aber zugleich, daß unter den jetzigen Verhältnissen und in diesem Fall leine andere Wahl mehr übrig bleibe. „Mit Vergnügen bemerkte ich den Eindruck, den meine Worte auf die Menge machten, als ich aber das Urtheil vertüudctc, zufolge dessen der Verbrecher in meinem und meines College» Namen Einhundert Peitschenhiebe empfangen sollte, da blickte der arme Bursche zu mir empor, als ob er seinen eigenen Sinnen 40 nicht trauen dürfte. (56 that mir Kid für den Mann und ich konnte mich einer augenblicklichen Rührung nicht erwehren, was jedenfalls von dcn Nebrigen wahrgenommen wurde, und die Herzen aller Anwesenden recht fühlbar ergriff. Gleichwohl wich ich nicht von meiner Pflicht, und als ich den Nrthcilsspruch mit der bestimmten Erklärung wiederholte, daß wir nicht das Mindeste davon erlassen und jeden auf'»? Neue vorkommenden Fall mit derselben Strenge richten würden, sah ich deutlich, daß wir dcn gewünschten Eindruck crzweckt hatteu." „Und was wurde später aus dem Mann?" fragte Master Marsh, „machte ihn die Straft besser oder schlechter?" „Hören Sie nur weiter. In der Aufregung und wahrhaft peinlichen Stimmung, einen Menschen/ dessen Acußercs und ganzes Betrage» mich sehr snr ihn einnalim, zn einer solchen Strase verurthcilen zu mnsscn, hatte ich einen Fehler im Voll-zichungsbefehl geinacht. Da wir nun keinen Ort hatten (und auch jetzt ist noch keiner Vorhände»), an dem man die Strafe vollziehen lassen konnte, so mußte ich dcn Vermtheilttn nach Jericho schicken." „Nach Jericho schicken? Sie scherzen wohl?" fragte ungläubig der Fremde. „Scherzen? o nein, der nächste Platz, an dem er seine Strafe erleiden konnte, war ein kleiner, etwa sechszehn Meilen von hier entfernter Ort, Jericho genannt, woselbst sich ein Gefängniß befindet, und ein Sergeant mit einer Abtheilung Soldaten liegt. Wie ich vorhin bemerkte, machte ich m der Ausfertigung deS VollziVhiiügsbefehls einen Fehler, indem ich nämlich vergaß, die Anzahl der zu erhaltenden Schläge auszusetzen. Ohne Einsicht «uu dem Befehl genommen zu haben, steckte der Constabel diesen in die Tasche und sie marschirten ab, ein Constabel mit geladenem Gewehr voran, ci'n anderer hinterher und der Gefangene geschlossen ,'n der Mitte. //Dabei muß ich noch bemerken, daß dieß im Sommer, im 4« Monat ssebvuar stattfand, wo die Sommerhitze einem Mann daS Gehirn ausschmelzen könnte. In solch qualvollem Zustande mußte nun der Gefangene scchSzchn Meilen wcit wandern, wobei ihm noch die tröstliche Ueberzeugung zur Seite ging, daß, sobald er in den Schatten käme, die Prügel seiner warteten. „Als sie in Jericho ankamen, war es zur Vollziehung der Strafe zu spät, und so wurde er dann die Nacht über in daS Gefängniß gesteckt, wo er nicht gerade die angenehmsten Stunden verlebt haben mag. Gr sagte mir später selber, daß dieß die fürchterlichste Nacht seines Lebens war, woran ich auch gar nicht zweifle... Der Morgen brach endlich an, und doch vielleicht noch zu schnell für ihn, denn mit dem ersten Frühroth des Tages wur-den anch die Vorbereitungen zur Vollstreckung der Strafe getroffen. „C'iner der (5onstabcl sagte mir bei ihrer Rückkunft, baß der cyme Teufel mehr todt als lebendig gewesen sei, wie er angebunden wurde; cS läßt sich auch wohl begreifen, denn hundert Peitschenhiebe sind gerade keine Kleinigkeit. Die Soldaten solle« dann aufmarschirt, die erforderlichen Gcrichtspersoncn versammelt gewesen sml, und der Crccutor seine fürchterliche Katze mit neun Schwänzen zum Vorschein gebracht haben... da trat, wie mir erzählt wurde, ein ängstliches Stillschweigen ein... Der Vollziehungsbcfehl wnrde vorgelesen und siehe.... die Zahl der Cchlägc war nicht ausgefüllt. Der Constabel soll zwar behauvtet haben, er wisse genau, daß das Urtheil aus hundert Peitschenhiebe laute, da er beim Ausspruch desselben gegenwärtig gewesen sei, allein in diesem Fall war eine mündliche Mittheilung keineswegs hinreichend. Der Vollziehuugöbcfehl war nicht rechtskräftig, und die Leute erhielten die Weisung, den Gefangenen wieder zum Clyde zurückzuführen, um die Sache in Ordnung zu bringen. „Ich saß Nachmittags in dem Zimmer hier, als das traurige Kleeblatt langsam wieder herangeschlichen lam, Sie schauten 42 Alle so niedergeschlagen drein, als hätte ein Jeder von ihnen die ausgesetzte Prügelzahl bekommen; ich erfuhr indeß durch den eine» d.'r Ccnstabcls bald, daß bei Ausfertigung meines VefehlS ein Versehen stattgefunden habe und tie Strafe demzufolge noch nicht ertheilt sei. Cs war, als wälze nian mir in diesem Augenblick eine Ceutncrlast vom Herzen, ich befahl den (^nstabelS, den Mann zu mir hereinzuführen und uns allein zu lassen, dann hatte ich eine lange, ernsthafte Unterredung mit ihm. „Da mm der Mann schon durch die lange Erluartluig des übcr ihn Verhängten eine hinreichende Strafe ausgestanden hatte und ich hoffle, die Angst würde dieselbe Wirkung auf ihn gehabt haben, wie die Vollziehung selbst, so erklärte ich ihm, daß ich ihm dießmal jede Züchtigung erlassen und ihm sein Bergehen verzeihen wolle, wenn er mir heilig gelobe, fich in Zukunft eines ordentlichen und' guten Betragens zu befleißen. Er sprach gute, und, wie die Folge zeigte, aufrichtige Gesinnungen ans — ich zerriß den Vcfehl und gestattete ihm, nach Hanse zn gehn, und sich um die Verzeihung seines Herrn zu verwenden. „Dieser Mann, Gentlemen,... Sie, Thornley, müssen sich seiner noch erinnern... wurde das Muster eines Dienstboten im ganzen Distrikt, und Nachsicht hatie hier eben so gute Wirkung gethan, als der strenge Urtheilssprnch selbst, deuu eS gab den Gefangenen die Ueberzeugung, daß man nicht allein gesonnen sei, die bestehenden Gesetze im Nothfälle mit Kraft zu handhaben, sondern daß man bei jeder nur thunlichcn Gelegenheit auch Milbe übcu werde, und Nichts spricht mehr zum Herzender Gefangenen, als eiuc Berufung auf ihr Gefühl: es thnt ihnen wohl, als Menschen behandelt zu werden, wenn sie auch überführte und verwiesene Verbrecher sind." „Ich bin Ihnen siir diese Erzählung sehr verbunden," sagte Marsh, ,.uüd glaube, au Ihrer Stelle eben so gehandelt zu haben... Sie sagen aber, es sei dicß die einzige, Ihnen zu Gebot 43 stehende Strafe; wie verhält es sich dcmi wit Macqnarie-Har« l'uur, wohin, wie man nur sagte, die unverbesserlichen und ruchlosesten Sträflinge gesandt werden?... Was für ein Ort ist das?" „Ein schrecklicher," nahm der Arzt das Wort, „eine Art unterste Hölle, und der Aufenthalt daselbst soll wirklich grast« lichcr als der Tod selbst sein. Es sind mehrere Fälle vorgelom-n,en, wo Gefangene in Macquarie-Harbour einen Mord verübt haben, nur um wieder hicher gesandt und gehangen zu werden. Wüßte das Volt in England, an welchen Ort zu kommen es bei der Deportation Gcsahr läuft, mau würde gewiß nie mehr hören, daß ein Mann sich eines Verbrechens schuldig macht, um nach dem Paradies derDiebe, nach Australien, geschickt zu werden. Die Gefangenen sterben dort sehr bald und ich bin überzeugt, es wäre eine Gnade, sie zu hängen." „Venn ich nicht irre, so habe ich einen Vrief bei mir," sagte der Friedensrichter, „den ein Mann auö der untersten Hölle, wie der Doktor den Ort nennt, an mich geschrieben hat... Richtig, da ist er, Sie werden aus demselben die besten Aufschlüsse über jenen Platz erhalten, denn er kommt von einem Augenzeugen. Der Bursche selbst war ftiiher iu England eine Art Jockey, nachher Taschendieb und handwerksmäßiger Spitzbube bei den Wettrennen daselbst. Erzeigte sich stets als ein schlechter, nichtsnutziger Kcrl und benahm sich schändlich undankbar gegen cineu guten Herrn... doch,., hier ist sei» Vrief. „Maequan'e-Harbour, Vandiemenslanb. Den 28. August 1822. „Geehrter Herr! ,,Im Vcrtraucu, daß Sie der Freiheit, die ich mir hicini t nehme, indem ich mich Ihnen gewissermaßen aufrriuge, nicht zürnen wcrbcu, erlaube ich nur, Ihnen die Nachricht zugehen zu lassen, daß ich mich hier in einer Lage befinde, deren Schrecknisse, Qualen und Beschwerden meine Feder nicht im Stande ist, zn bc- 44 schreiben. Glauben Sie mir aber, baß kcin armer Sünter mehr Reue fühlen kann, als ich jetzt bei dem Gedanken fühl?, durch mein schlechtes Betragen solche Strase verdient zu haben; ich weiß aber gewiß, daß, wenn Sie meine Leiden nnd mein Glend ganz kennen würden. Ihr gefühlvolles Her; dem unglücklichen Sträfling das Mitleid nicht versage,, konnte, um daS ich Sie anzuflehen wage. Werfen Sie diesen Brief nicht zürnend bei Seite, wenn Sie sehen, wer ihn geschrieben hat; ich weiß, ich habe Ihre Verachtung verdient; ließen Sie sich aber durch mein jetziges, schreckliches Elend bewegen, mir von diesem SchreckcnSort wieder fortzuhelfen, so gelobe ich Ihnen, mein ganzes übriges Leben nur Ihnen zu weihen, denn Sie sind alsdann das Werkzeug gewesen, einen Unglücklichen von dem gewissen Verderben zu erretten. In der Hoffnung, daß Sie sich vielleicht für mich verwenden werben, erlaube ich mir zu unterschreiben. Ihr :c:c :c." „Meiner Meinung nach müßte ein solcher Brief von großem Nutzen sein, wenn er in England veröffentlicht werden konnte," sagte Master Marsh, „er würde Manchen über das wirkliche LooS der Verbrecher in Vandiemensland aufklären." „Die Engländer," entgegnete der Richter, „verstehen das ganze DevonationSsystem noch nicht recht, und durch Bücher sy Etwas bekannt machen, hält schwer; man muß eS selbst sehen, selbst erleben. In der That sind die Sträflinge in diesem Lande viel besser und viel schlechter dran, als man im Mutterlande glaubt; viel besser, wenn sie sich gut, viel schlechter, wenn sie sich schlecht betragen." Wir verabschiedeten uns jetzt von unserm Wirthe und kehrten nach mcinem Hause zurück, da Master Marsh am folgenden Morgen auf sein neues Land abzugehen gedachte, wohin er gleich nach Erbauung des ersten Blockhauses seine Frau und Kinder nachkommen lassen wollte. 45 In der Früh' des andern Tages wurden wir durch einige Colonial-Geometer aufgeweckt, die eine in unsrer Nähe liegendes Stück Land ausmessen sollten und wir staunten nicht wenig, als man uns einen ziemlich umfangreichen, mit einem mächtigen Siegel versehenen Brief einhändigte, der die Aufschrift trug: Master Samuel Krabb. River Clyde. Sobald diese ehrenwerthe Person aufgestanden war, übergab ich ihm den Brief und neugierig, zu wissen, was die Ursache einer Korrespondenz zwischen ihm und der Colonialregierung sein möge, drang ich in ihn, das Siegel zu brechen. Unterdessen hatte die Nachricht von der außergewöhnlichen Botschaft alle Andern aus ihten Zimmern getrieben, und bald fand sich die ganze Familie beisammen, um in co!'i)O!'o der Eröffnung des Schreibens anzuwohnen. Zweiunddreißigstes Kapitel- Das Schreiben an Kralib. - Vcrmcssuna. eines Stück Landes, — Krabb, Landeigeinhümcr. — Er äußerc sich über die AüsiedlunZcn iin Ausland, — Die Tochter des Bushrangers. Ich habe schon oft gewünscht, eS möchte an jencm Morgen ein Maler gegenwärtig gewesen sein, der die bei dieser merkwürdigen Gelegenheit versammelten Personen hätte skizzircn können. Es war noch sehr früh und die Fensterläden erst theilweise und nachlässig geöffnet. Durch diese glitt in schmalen Streifen das matie Tageslicht herein und mischte sich mit dem rothen Schein des im Kamine lodernden Feuers, wodurch das Innere der Hütte in eine eigenthümliche Beleuchtung versetzt wurde. Die Frauen ließen ihrc gewöhnliche Beschäftigung im Stich und versammelten sich mit nicht zu verhehlender Neugierde um Krabb; diese würdige Person aber stand in der Mitte, einen 46 Colonialhut aus Kängurnhfellcn in der ejucn/ den vcrhangniß-»ollen Brief in der anderen Hand, wahrend er mit forschendem Auge und duch wieder etwaö mißtrauischem Blick hineinzuschauen versuchte, als sci er nicht nnt sich selbst im Reinen, was er mit dem Inhalt desselben anzufangen h.ibe. „Master Samuel Krabb! das bin ich .... allerdings ich . . . was aber der Gouverneur mit nur kann zu schaffen haben, ist mir unerklärlich . . . Master Saimiel Krabb .... (5s muß mich angehen .... was aber nur drin stehen mag?" „Wcnn Sie'S aufmachten," sagte Vetsy ein wenig schnippisch, „so erfahren Sie's vielleicht." „Aufmachen? .... gut, so mach' Tu's dcun auf, Miß, wenn Du so neugierig bist, zerbrich mir aber das Siegel nicht .... da muß ja wahrhaftig Nöthel genug drin sein, um ciii Schaf zu zeichnen. Neiß das Papier nur hübsch sachte d'rnm herum anf , ... st', das ist recht. . . . nun, was steht d'rin?" „Mein Gott, Master Krabb .... cö ist ja die Schenkung eines Stück Landes für Sie!" „Land für mich? unmöglich! .... was sollt' ich mit Land machen, da ich vielleicht schon in nächster Woche die u Mann gewiß sehr glücklich fühlen müßte, wcnn seine kleine Heerdc so freundlich um ihn herumblöckle und bähbähte? Welch ein Unsinn! eine kleine Hcerde möchte schönen Nutzen bringen .... kostet wahrhaftig mehr, als sie einträgt." „Dort wissen sie aber auch nicht, daß in einem Lande, w» keine Fenzen vorhanden sind, ein Schäfer gehalten werden muß, der die Hecrden beaufsichtigt, und daß nur schon zur Bezahlung des Schäfers eine gewisse Anzahl von Schafen vonnöthen ist." „Da'NMdcn sie aber entgegenstellen, der Ansiedler solle sein Land cinfenzcn, so brauche er keinen Schäfer!" „Dann wissen sie eben nicht, daß eine Fenz in diesem Lande zehn- ja zwcmzigmlll mehr kosten würde, als e!n Schäfer: durchschnittlich braucht man doch wenigstens sechs Acker, um ein Schaf zu füttern." 5t „Sechs Acker reichen nicht hin," cr,tgcgnetc Krabb, „im Winter wollen die Thiere cincn weiten Landstrich haben, uiu nur cm Bischen Fleisch auf den Knochen zu behalten .... wir dürfen acht Acker annehmen." „Bleiben wir nur bei sechs Acker stehen, so müßte man schon, um fünfzig Schafe zu ernähren, dreihundert Acker einfenzen." „Dreihundert Acker? holla! ... das könnte ja ein einzelner Mann in zwanzig Jahren famn zn Stande bringen." „Kanm," sagte ich, „nnd dennoch habe ich lange Nedcn uon sonst recht verständigen Lenten gelesen, die ganz l.nd gar auf dergleichen Irrthümer gegründet waren. Den größten Spaß inacht cs mir, mcun sie in den europäischen Blättern über den Vortheil der C oncentrirung schreiben." „Couccntririmg? Was ist das?^ „Run, dasi Ansiedler so nahe alö möglich, höchstens auf fünfzig Acker weit zusammengedrängt werden sollen, denn sie halten dafür, dieses Concentrirungösystem müsse anf wahrscheinlich wunder« bare Weise den armen Ausgewanderten eine besondere Hülfe und Unterstützung sein." „Und wo sollen die Zugthiere gefüttert werden, wcnn die Ansiedler concentrirt sind, wie sie cö nennen?" fragte Krabb. „Ein Mann, der ncueS Land urbar zu machen hat, braucht wenigstens vier Zugstierc dazu, und kaum reicht er mit denen ans, denn wcnn rincs der Thiere lahm wird, so sitzt er in der Patsche; zudem muß er das umherliegende Holz fortschleppen, heißt das, wcnn er die Väumc einmal umgehauen hat, und wo soll er auf so einem Strcif-chen Land Futter für vier Ochsen hernehmen, der Kühe und Schafe nicht einmal zu gedenken?" „Ja, ja ... von all Dergleichen wissen die Leute, die Bücher schreiben und Auswanderungssystemc fabriziren, wenig oder gar Nichts." „Känicn sie nur einmal her," sagte Krabb, ,,nt einem neuen 65 Lande, wo Schafe den Hauptbestandtheil dcs Vigcnthnmö eines Farmers ausmachen, ist's wie in den alten Zeiten, v>ni welchen ich letzten Sonntag in der Bibel gelesen hal'e (übrigens enthalt das Auch, beiläufig gesagt, eine gute Anzahl von Winken über Schafe und Ackbcrbau), wo ein Ansiedler nämlich den ander» fragte: In welche Gegend willst Dn Deine Schafe treiben? nnd der andere Ansiedler sagte: Ich führe sie hier hin! worauf dann der erste antwortete: Nun dann geh' ich dahin ... und so ließen sie sich denn ohne viel Federlesens nieder, wo's einem Jeden gefiel. Gerade so muß man's in einem Lande machen, wo genug Land ist nnd wenig Lcntc sind . . . nnd das sag' ich." Wahrend dieses Gespräches langte» wir wieder zu Hanse an, wo ich den Friedensrichter vorfand, der mir einige Mittheilungen über das kleine Mädchen des Bushrangers, dessen unglückliches Schicksal ich schon erzählte, zu machen hatte. Es veranlaßte mich dieß, ungesäumt nach Hobarttown aufzubrechen, um meine kleine Schutzbefohlene kennen zu lernen und meinem Versprechen Folge zu leisten. Ich kam noch gerade znr rechten Zeit, um sie ans den Händen____doch ich will der Geschichte nicht vorgreifen. Indesi führt die Erinnerung an jenc Gefahren und Erlebnisse mir unstreitig einen der interessantesten Theile meines ziemlich bcwegttn Lebens vor die Seele. Dreiunddreißigstes Kapitel. In welche Widcrsrruche sich Kr>il>b i^rwickelt. — Eindringen fran;üfiscker Moden in d^Z Inn«! von Bandicnlensland. — (5in Geistlicher gewünscht, — Nitt nach Hodaritown. Gin Wunderschöner, wenn auch etwas kalter Iulimorgen sah mich auf dem Wege nach Hobarttown, wohin mich die Ab- 56 ficht tricb, Erkundigungen über des Bushrangers Kind cinzuzie-ben. (5>n kleiner Schnee, der in der Nacht gefallen war, bedeckte jetzt etwa einen Zoll hoch den Vodcn, wo er gar seltsam gegen das dunkle Laub der Immcrgrünbäumc abstach. Die Luft war scharf, aber ihre angenehme Frische belebte und stärkte den Körper. VllS ich mich zur Abreise rüstete und eben meinen Sattel auf's Pferd warf, stand Krabb, mit seiner Hand anf dem Holtftr, neben dem Thiere und schien mir ganz besonders nachdenklich. Gr hatte sich noch nicht recht in seine neue Würde als Land-eigenthümcr hineingearbeitet, und augenscheinlich kämpfte in seinem Innern sein früherer Haß gegen die Colomecn mit dem Wunsche, sein Eigenthum in Besitz und Verwaltung zu nehmen. „Ich werde mir nun, denk' ich, auf dem Lande eine kleine Hütte bauen müssen, um doch zu zeigen, daß eS mein ist," redete er mich an. „W ist zwar Einerlei, denn fiir die kurze Zeit, die :'ch noch hier bin, wird's nicht darauf ankommen, wer Anspruch an dasselbe macht. Dennoch muß ich sehen, daß ich Geld kriege, um die Sachen bezahlen zu können .... wenn nämlich, waS ich sehr bezweifle, ein Dollar im ganzen Lande aufzutreiben ist------ Sind die Pistolen geladen?" fuhr er dann fort, indem er die Decke eines der Holfler in die Höhe hob, daß die Mcssingplatten an einer der großen Neitcrpistole», die ich auf einem Ritt in die Stadt bei mir zu führen Pflegte, sichtbar wurden. „Man thut gut, sich vorzusehen, Krabb," entgegnetc ich, „ich führe sie nicht der 3ierde wegen bei mir, und was hilft Einem ein leerer Lauf, wenn die Umstände drängen?" „Mchr als wahr.' es ist aber schrecklich, wenn man bedenkt, wa>5 für ein grauseuhaftes Land das sein muß, wo ein Mann nicht zur Thüre hinaus darf, ohuc Pistolen und Musketen nachzuschleppen. Jedenfalls milß ich jetzt auf die andere Seite der Insel, um ein oder ein paar hundert Schafe zu verkaufen, damit ich Geld bekomme und meinen Platz da unten im Thal ein bis- 57 chcn wohnlich einrichten kann. Um Setzlinge zu stcclcu, ist cs zwar schon wohl spät, doch denke ich, es müsse dort einen prächtigen Garten geben und in zwei oder drei Jahren will ich Acvfel von meinem eigenen Baum, auf meinem eigenen Land pflücken .... das heißt.... jemand Anders kann'S dann thun, denn ich werde natürlich nicht mehr hier sein. Auch können wir dort wirkliche Kirschen ziehen, nicht solch' ausländische Waare, wie eine zerquetschte Hagedorubcere, mit dem Kern draußen. Ich gedenke auch zu versuchen, ob sich dort nicht Hopfen ziehen läßt .... er muß wachsen, und thut cr'S nicht, so will ich wenigstens auf den Grund lommen, warum. Stellen Sie sich nur vor, was eS heißen würde, eigenes Bier zu brauen, mit selbst, auf eigenem Land gezogenen Hopfen! Man thäte wahrlich ein gutes Werk, wenn man die Leute hier lehren wollte/ Bier zu brauen." Ich bewunderte im Stillen die widersprechenden Gefühle, die sich in meinem alten Freunde stritten, hütete mich aber wohl, seinem Wuusche auf irgend eine Weise entgegenzutreten, uud munterte ihn vielmehr auf, nach seinen Schafen zu selxn, um einen Theil derselben zu verkaufen uud seine nöthigsten Ausgaben damit zu bcstreiten. Gs wird sich mir später noch Gelegenheit bieten, der spaßhaften Zufälle auf Krabb's Fahrt nach Launceston zu erwähnen, daher ich mich jetzt nicht uäher darauf einlassen will. AlS ich eben den Zügel ergriff, um aufzubrechen, kam meine Frau noch einmal heraus uud überreichte mir einen Zettel, auf welchem die verschiedenen Gegenstände, die ich für den Hausgebrauch mitbringen sollte, verzeichnet waren. Bei einem flüchtigen Uebcrblick sah ich aufgeschrieben: „Hut für Vetsy, ^ Hut für Marie, > drei Hüte. Hut für Lucy, ) Stoff für Sommerkleider. Handschuhe. 23 Feine Schuhe." „Aber, liebe Frau," sagte ich nicht wenig überrascht, /.auf diese Art müssen wir ja niinirt werden .... warum tragen denn die Mädchen nicht mchr Känguruhfellhnte, wie früher, als wir herkamen. Die Sachc bekommt ja einen ganz andern An-strich." „Das sott sie auch," entgegnete meine Frau, ,,als wir hie-herkamen, war Niemand im ganzen wilden Walde, als wir; jetzt wohnen eine Menge Ansiedler nm uns her und ich will nicht, baß die Mädchen so nachlassig und.... häßlich umhergehen .... übcrdieß muß ich selbst einen Hut haben und da in der Hobart-town-Gazette steht, baß bei einer gewissen Madame **" eine ganz frische Sendung von Paris angelommen sei, s» kannst Du das ja gleich AlleS zusammenkaufen, wenn Du doch einmal in der Stadt bist." „Hol' der Henker die Zeitungen," sagte ich, ,,sie setzen den Leuten Zeug in den Kopf, an i-as ihnen nie ein Gedanke gekommen wäre .... Französische Moden in Vandiemenslandl .... hat man anch schon Dergleichen gehört? Nächstens werden die Mädchen auch noch Sonnenschirme haben wollen, damit sie sich doch ja den Teint nicht verderben." „Ach, gnt, daß Du'S noch erwähnt hast .... dacht' ich doch immer, ich hafte uoch <5twaS vergessen .... Du könnlest gleich viere mitbringen, so haben wir Jede einen." /,Nein, weiß Gott, das ist zn arg .... Sonnenschirme im Wald.'.... Frau, die Känguruhs lachen uns ja aus!" „Die Känguruhs mögen lachen, so viel sie wollen, lieber Mann, ich „^ el«„ nicht, daß die Mädchen so verbrannt aussehen. Du vergißt, baß Vetsy jetzt zur Jungfrau herangewachsen »st, und da gehört es sich, daß sie EtwaS auf sich hält." ., "5H "lerke >"ohl, wie dic Karten liegen," sagte ich kopf-cyuttelüd, „die Geschichte mit dem Bullen ist an Allem Schuld. 59 Nun, es geht ein Jahr nach dem andern hin .... Du bist doch zu Ende mit Deinen Aufträgen, hoffe ich?" „Ja . . . schau, wir brauchen auch eine Kiste Thee .... die alte wird nicht lange mehr reichen; es wäre mir aber lieb, wenn Du zugleich etwas grünen kauftest, den wir mit dem schwarzen vermischen könnten .... dann hab ich, wie Du sehen wirst, ein paar Fässer Zucker aufgeschrieben und einen Sack Reis." „Ich sel,' es, ich seh' es!" antwortete ich, „jetzt muß ich aber fort, sonst komm ich zu spät in die Stadt." „O warten Sie einen Augenblick!" rief George Veresfcrd, der ganz außer Athem angesprungen kam, „ich hätte einen kleinen Auftrag für Si«, wenn ich Sie um die Gefälligkeit bitten dürfte." „Mit dem größten Vergnügen . . . und der wäre?" „Ich glaub« nicht, dasi eö Ihnen viel Mühe machen wird, sonst hätte ich Nichts davon gesagt." „Thut Nichts .... nur heraus mit der Sprache, wenn es ,'l drauf." „Zünd' cin Licht an, so können wir's durchsehn!" Ich lauschte jetzt mit verdoppelter Aufmerksamkeit und konnte bei dem hellen Schein, der durch die Spalten siel, wahrnehmen, daß dcr Brief gelesen wurde. „Nun/' hob Gclbwamms wieder an, „was hältst Du davon?" „<3r sagt nicht viel: Wenn ich gefangen werde, so trage diesen Vrief in das rothe Hans in Vmnstrcct ... dcr Ucbcrbringcr wird cine gute Belohnung erhalten." „Du wirst wahrscheinlich nicht der Ucberlningcr sein wollen?" fragte das Gclbwamms. „Nein, wahrhaftig .... ich nicht .... die Stadt ist zu heiß fnr mich .... das mußt Du thun, was aber die Belohnung betrifft, so werde ich Dir für mein Theil wohl trauen müssen." „Sei unl'csorgt, cs soll Mlcs rechtlich zugehen: doch jetzt muß ich fort .... um sieben Uhr muß ich mich zeigen." „Dann will ich auch al'marschircn; wann sehn wir uns wieder?" „Sei morgen um die nämliche Stunde hicr uud gib dasselbe Zeichen." „Gut!" Das Fenster wurde jetzt wieder geöffnet, ich schlüpfte um die Ecke und blieb, dicht an die Mauer geschmiegt, liegen. Ohne sich einen Augenblick länger aufzuhalten, ftoh der Fremde, der mich übrigens auch bei dcr starken Dunkelheit nicht hatte sehen können, «c den Wald zurück. Sobald er in genügsamer Entfernung war, schlich ich wieder an das Fenster, das, wie ich jetzt bci dem schwachen Lichtschein bemerkte, nicht ganz geschlossen war. Von einer fast peinlichen Neugierde getrieben, hob ich mich dann behutsam in die Höhe und blinzle durch die Spalten zwischen dem Laden und der Wand. Nun konnte ich deutlich sehen, wie der Mann mit dem gelben 7l Wannnse cincn Stein an dem Hecrde aufhob, den Brief (wahrscheinlich ben fraglichen) Hinunterschot' nnd die Erde lieber so fest als möglich trat, um jede Spur zu vernichten; dieß geschehen, verließ er daS HauS und kehrte in die Stadt zurück. Nachdem ich noch eine Zeit lang gewartet hatte, um nicht etwa durch seine plötzliche Rückkehr überrascht zu werden, trat ich in daS Zimmer. ES war dunkel, ich hatte mir aber die Stelle gemerkt und fand bald den Stein, den ich sachte in die Höhe hob, unter welchem ich dcnu zu meiner nicht geringen Befriedigung den Aries vorfand, Ich steckte ihn zu mir und schlug dann einen Weg zur Linken ein, der mich ebenfalls in die Stadt hinabführte. Auf dem Wege dahin ging ich nun mit mir zu Nathe, waS wohl jetzt zu thun am gerathenstcn wäre. Der Entschluß, leine Zeit zu verlieren und daS Ganze der Obrigkeit anzuzeigen, stand auch bald in mir fcst, nur wollte ich vorerst versuchen, welche Wirkung das Schreiben auf den geheimnisvollen Bewohner des rothen HauseS hervorbringen würde, chc cr noch durch Jemanden gewarnt seiu konnte. Vei eincr nähern Besichtigung des Briefes fand ich, daß derselbe keine Nvresse hatte, hingegen sowohl mit Oblate als Siegellack verschlossen war, welch Letzteres die roh cingegrabeucn Buchstaben I. 8. trug. Ich überlegte nun vor allen Dingen, ob ich ihn öffnen und nuch mit dem Inhalte desselben bekannt machen sollte, dann aber hegte ich die wohl nicht ganz grundlose Vermuthung, er könnte so abgefaßt seiu, daß er nur für den in die Sache Eingeweihten verständlich wäre. Das Erbrechen deS Siegels, dachte ich mir, müßte natürlicherweise Verdacht erregen und mir jede weitere Einsicht in daS Geheimniß verschließen, während ich als Uebcr-briuger und scheinbarer Verbündete mehr und Wichtigeres mündlich erfahren konnte. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet. 72 schien es mir daher am Klügsten, dcn Vricf uncrbrochcu zu übergeben und dann nach Umständen zn handeln. Auf jeden Fall hoffte ich ihn, wenn jedes andere Mittel fehlschlug, sichern zu tonnen, ehe ich das Hans wieder verließ, und so war ich immerhin gewiß, dcssen Inhalt ?i: erfahren. Ich begab mich jetzt in das Haus cincs Freundes, dem ich mittheilte, daß ich einen Plan auszuführen hätte, der Vermmn-mung erfordere. Mein Freund sah mich höchlich erstaunt an, war aber zu artig, eine Aeußerung fallen zu lassen, und fing nur auf einmal ganz entsetzlich an, eiüe gewisse Arie zu pfeifen, wobei er beide Hände tief in die Taschen hinunterfchob. Zu sehr beschäftigt mit meinem Plane, gönnte ich ihm den Spaß, und bald darauf uersah er mich mit einem Matrosenaiizng, der durch einen ganz kleinen nnd ganz runden Hut und einen unausstehlichen Fischgeruch mein Aussehen von einem ehrbaren Ansiedler in dcn besten Jahren in eine Art verwegenen Süßwassermairoscn nm< wandelte. Mein Freund ricth mir dabei allcs Ernstes an, die Hände in einem Eimer vl,'ll Theer zn waschen, was mir bedeutend mehr Charaktcrähnlichkcit verleihen würde, nnd gab mir auch nicht undeutlich zu verstehen, daß Gesicht und Backenbart mit derselben Ingredienz etwas geschmiert, den Seemann um so täuschender darstellen müßte. Ich schlug jedoch alle diese liebenswürdigen Anerbieten ans und nahm nur ein ungeheures Stück Taback an, das er mir mit dem Bedeuten in den Mund schob, ich würde dadurch dcn ächten nautischen Ausdruck der Sprache erlangen. Ich merkte auch den boshaften Streich, dcn er mir damit gespielt, nicht eher, als bis ich, au dieß ekelhafte Labsal der Matrosen nicht gewöhnt, ein abscheuliches Nebelbefinden davon empfand. Durch meine Verkleidung crmmhigt, eilte ich jetzt zu dein rothen Haus, das ich von ziemlich bedeutendem Umfang und mit den 73 aristokratischen Zuthaten von Klopfer und Glocke versehen fand. Den Klopfer ließ ich unberührt, that aber an der Glocke einen tüchtigen, matrosenartigcn Zug und erwartete nun mit nicht geringem Herzklopfen den Erfolg meiner List. Fünfunddreißigstes Kapitel. Debüt in ciucr ncilm Rolle, — Die Maske abgerissen. — Kampf, welcher den Beweis liefert, daß Drci stir Einen zu viele sind. — Ein Zimmer für einen einzelnen Herrn, Es war nm die neunte Abendstunde und schueidend talt, auch hatte es einzelne große Flocken geschneit, so daß der Vorcn wie ,«it einem dünnen weißen Teppich überzogen aussah, während die dnnkcln Wolken, welche den Vcrg Wellington verhüllten, ein noch stärkeres Unwetter und Allem nach Schneegestöber erwarten ließen. Indem ich noch, meine Hände in den Taschen und im Munde das widerliche Quid, nach Vermögen die Haltung eines Matrosen nachahmend, der sich, wie ich oft bemerkt habe, mit gespreizten Beinen und einwärts gerichteten Zehen immer zu balancircn fnchl, als wäre er noch auf seinem Schiffe, so dastand, mußte ich unwillkürlich au die, gewiß wunderliche Fügnng denken, welche mich, einen ehrsamen Farmer aus Surrey, hier in allerlei bunte Abenteuer verwickelte, deren gegenwärtiges aller Wahrscheinlichkeit nach ein bedenkliches Gnde nehmen konnte. Schossen mir wahrhastig mancherlei Gedanken darüber durch den Kopf, während ich an der Thüre auf das Oeffncn derselben harrte und in magischer Hast drängte sich in wilder Reihenfolge 74 fast Alles, was ich schon erlebt hatte, an meinem Geist vorüber, so daß ich nlich ordentlich darob verwunderte, in wie wenige Augenblicke die Erinnerung ein ganzes Menschenleben zusammendrängen kann. Da kam mir plötzlich cin Einfall, und zwar so unerwartet schnell, wie wenn man mit dem Pstng gegen irgend eine verborgene und nicht vermuthete Wurzel rennt, der Einfall nämlich, daß ^ch vergessen, mich nach dein Namen dec! Mannes im rcthen Hause zu erkundigen und nun dastände, wie cin Narr, sobald mich Jemand fragen würde, zu wem ich wollte. War aber schon z,i spät, mein Versehen wieder gut zu machen, denn ich hörte jetzt den Riegel zurückschieben, nnd als sich die Thüre anfthat, stand, mit einem Lichte in der Hand, eine sehr alte und nicht minder häßliche Fra» vor wir nnd richtete gerade die, nämliche Frage an mich, welche ich nicht zn beantworten wußte: „Zu wem wollen Sic? He?" Jetzt werde ich eine üble Viertelstunde durchzumachen haben, dachte ich bei mir, als mir zu gutem Glück der in frühern Zeiten ertheilte Nath eines Advokaten einfiel, mau soll, so man eine Finge nicht zu beantworten wisse, schnell eine andere darauf setzen, und deßhalb cntgegnetc ich leise: „Ist er daheim?" ,/Ist wer daheim?" fragte dic verteufelte Vettel. „Wer?" fuhr ich fort, „mm wer Anders, als er ... wißt Ihr?" Während ich so sprach, versuchte ich, mich an irgend einige Seemannsausdrnckc zu erinnern, allein es siel mir Nichts cin, denn //Meerweiber nnd Wasscrniren," welche mir denn doch nicht hie-hcr zu passen schienen, wcßwcgcn ich mich begnügte, dem alten Weibe vertraulich zuzunicken und zu finstern: „Hab einen Brief für ihn." „Einen Brief? .... So .... Gebt ihn her!" ,/Vitt' recht sehr lim Entschuldigung," versetzte ich, „ist das 'nc Sache, die ich unter gar keinen Umstände» nicht kann thun -- (dießinal, schmeichelte ich mir, habe ich einen ordentlichen Ma-troscnsatz hervorgebracht) — ist inir aufgetragen worden, das Ding da in des Gentlemans eigene Hände zu gel'en, Falls er welche hat, und so schwenkte ich meine» Bug herum, steuerte hart bei Starboard — (ich wußte nicht, was diese meine Worte zu bedeuten hätte», hoffte aber, es werde der Alte» gerade so gehen) — und l'iu nnn hier an's Land gegangen." Ich bemerkte, daß die alte Dame durch mein Verausgaben von ScemnnnsanSdrücken überzeugt zu wcrdcu begann, und um den günstigen Eindruck, welchen ich bewirkt, weiter zu verfolgen und meinem Matroscncharakter treu zu bleiben, welcher, wie ich glaubte, vornämlich durch das in meinem Backe» steckende Stück. Kautaback, bcdiugt war, preßte ich, zum Acußcrstcn entschlossen, das verdammte Primchcn mit den Zähnen zusammen, daß es mir ordentlich das Wasser in die Augen trieb und gab, amerikanische Muster, die ich gesehen, nachahmend, einen Stval brauner Jauche von mir/ als hätte ich mich mein Lcbcnlang mit dieser schmutzigen Gewohnheit befaßt. Zugleich zog ich nach Matrosenart mit einem Plötzlichen Ruck meine Beinkleider heranf und so wartete ich auf Autwort, die nicht lange ausblieb. „Ihr garstige Bestie, Ihr!" schrie das alte Weib mit gellen» der Stimme, in den Hausgang zurücklaufend; „wie könnt Ihr Euch's herausnehmen, ordentlicher Leute Haus mit Eurem cckcligen Tabackssaft zu bespritzen? .... Meint Ihr, ich hätte Nichts zu thun, als hinter solche» schmutzigen Thccrjackcn her zu waschen? . . . Ihr widerliches Seekalb, Ihr! . . . ." „Was ist da los?" fragte jetzt eine Stimme ans einem Iim-nicr heraus, Welches sich in diesem Augenblick öffnete; „was soll so spät Abends das Skandal bedeuten?" ,/Skandal?" maulte die Alte .... „da ist ein abscheulicher 76 Matrose, spritzt dcn Leuten Tabackosaft in's Haus und sagt, er hätte einen Brief an Sie," „So ists, Sir," nahm ich das Wort, „habe 'nen Brief an Sie, heißt das, wenn Sie der Gentleman sind, an welchen der Brief gerichtet ist, und sind Sie der, so werden's wohl wissen, daß Vorsicht vonnöthcn ist." „Schließt d,'c Thüre!" ricf dcr Mnim dcm alten Weibe hastig zu, . . . „schiebt dcn Riegel vor!. ... So. ... Und nun, Freund, kommt herein!" Gleich darauf befand ich nnch in ciucm recht comfortable eingerichteten kleinen Zimmer, welches jedoch nichts Oigcnthümliches hatte. Der Thüre gegenüber, durch welche ich gekommen, befand sich eine zweite, die mir jedoch bei meinem Eintritt nicht sehr auffiel. „Nun," sagte dcr Mann etwas rauh nnd unfreundlich hastig, „nun, wo habt Ihr den Brief?" Ich schaute ihn von der Seite an, um mich einigermaßcn zu orieutircn, was für eine Art von Menschdcr Mann es eigentlich sei, muß aber sagen, daß meine Beobachtung durchaus nicht z,l seinem Vortheil auffiel. Dcr Unbekannte mochte etwa vierzig Jahre zählen, trug einen abgetragenen Rock und eine dito Weste uud hatte graue Beinkleider mit schwarzen Kamaschen an, ei» rothes Halstuch nicht zu vergessen, welches er um den Hals gebunden hatte. Sein ganzes Gcbahren harmonirte aber durchaus nicht mit feinem ?luzug und ein gewisses Etwas in seinem Wesen drängte mir unwillkürlich die Ueberzeugung auf, dcr Mann sei cbenfalss verkleidet und vermöge sich in die schlechten, ungewohnten Kleider nicht recht hineinzufinden. Auch schien es mir, als sei sein rauhes Benehmen nur ein angenommenes, denn die Hand, welche er ausstreckte, nm den Brief '» Empfang zu nehmen, war zart und weiß. Auch seine Züge wa-ien nicht dje eines Mannes aus dcn sogenannten untern Ständen, und es lag Ftwas darin, was mir bekannt vorkam, obwohl ich mich nicht entsinnen konnte, wo ich eine ähnliche Physionomie gesehen. Ucbrigcns hätte sein Gesicht in der That für hübsch gelten können, so nicht ein gewisser bösartiger, heimtückischer Zug darin jedem günstigen Eindruck auf der Stelle in den Weg getreten wäre. Ohne Zaudern wiederholte er in l'efchlöhal'erischem Tone: „Gebt den Brief her!" „Vc>zcihcn Sie mir, Sir," entgegnctc ich, „wenn ich Ihnen nicht sogleich gehorche, allein ich möchte mich vorerst überzeugen, ob Sie auch wirklich der Mann seien, für welchen der Brief bestimmt ist. Wcllcn Sie mir gefälligst Ihren Namen nennen? — (er schaute mich bei diesen Worten durchdringend an) — muß doch sehen," fuhr ich kecker fort, „ob er mit der Adresse dcS Briefes übereinstimmt." Or schielte einen Augenblick nach der gegenüberliegenden Thüre hin nnd schien bei sich zu erwägen, ob er das, was er zu thun Willens war, in's Werk setzen sollte oder nicht, mochte sich aber wohl anders besinnen, denn er wandte sich zu mir mit den Worten: „Wohl. . . mein Name ist . . . ci, warum sollte ich Euch denn meinen Namen nicht nennen, den Ihr ja ohnedies; jedenfalls kennt, nicht?" „Das können Sie sich leicht vorstellen," erwiderte ich, ,,wäre mir doch der Viicf nicht anvertraut worden, so ich nicht um das Geheimniß wüßte.....Die Gefahr, der wir uns aussetzen, ist aber zu bedeutend," fuhr ich fort, ihn scharf firirend, „als daß Einer von nus irgendwie sich leichtsinnig benehmen dürfte . . . Und so . . . kurz, ich muß gewiß wissen, daß Sie der rechte Mann sind." Statt aller Antwort frug er mich mit einmal: „Und wie nennt Ihr Euch?" T>a s^ß ich in der Patsche! . . . Auf diese Frage war ich 3^nz und gar nicht vorbereitet nnd mn's Haar hätte ich meine ganze Geistesgegenwart verloren, denn für den Augenblick wußte 75 ich wahrhaftig nicht, was ich mir für cinm Nanicn beilegen sollte. Da ich aber nicht umhin konnte, zu bemerken, das geringste Zögern müßte nothwendig Verdacht erregen, platzte ich schnell und fast unbewußt mit meinem wirklichen Namen heraus: „William Thornlcy." „Ist'S ein falscher oder der wirkliche?" „Der wirkliche, nnd ich nenne ihn geradezu, damit wir wissen, wie wir miteinander stehen. Es wird das Beste sein, einander zu vertrauen." „Ja wohl," versetzte er.....Also wär' es so weit gekommen . . . mm ja ... gan; recht . . . wir stehen jetzt Allein nach auf dem gleichen Fuße .... wir .... ja, wir müssen einander vertrauen . . . Al'er wir können nicht die ganze Nacht hier stehen und schwatzen ... Ich bi>l hier unter drin Namen John Wolsey bekannt .... Genügt Euch das?" Muß wohl, wenn ich weiter Nichts erfahre, dacht' ich bei mir und übergab ihm den Vrics. Er blickte auf die Stelle, wo die Ndresse stehen sollte . . . da stand aber Nichts. „WaS soll das?" rief er ans und trat einen Schritt auf mich zu, „auf dem Vricf ea steht kein Name und ich mußte Euch den mcim'gci: angeben?" „Betrachten Sie baS Siegel," cntgcguele ich und wußte in Wahrheit nicht, wie ich mich aus der Klemme ziehen sollte. Er prüfte daS Siegel am Licht. Dann sagte er: „DaS ist in Ordnung, allein in Eurem ganzen Gebühren ist Etwas, was ich nicht verstehe, Freund . . . Nun, setzt Euch, während ich den Brief lese." Er öffnete das Schreiben imb laS cs, schien übrigens mit dem Inhalt zufrieden zu sein, bis bald darauf wieder fein Gesicht Zivei-cl und Sorge ausdrückte. 79 "Ihr seid mit dcm Inhalt dieses Briefes bekannt?" fragte er. „Allerdings." «Und Ihr seid diesem Briefe zufolge auch mit dem Innern des Landes bekannt?" „O, was das angehen thut, bin ich der rechte Mami," antwortete ich, ohne zn wissen, was er eigentlich mit dieser Frage wollte. „Glaubt Ihr, Ihr wäret im Stande, mich noch diese Nacht an den Ort zu führen, wo sie cö hingebracht?" „Ohne alle Schwierigkeit," versetzte ich aus's Gcrathewohl und begann an allen Gliedern vor Spannung zu beben / waS jeßt wohl lommcn werde, denn ich zweifelte durchaus nicht, daß ich der Tochter dcS Iigeuncis auf der Spnr sci. Nach kurzem Nachsinnen murmelte er: „Nach der zerstörten Hütte, nicht weit vcui „Sieben Meilen Ufer!" " Hierauf fragte er: „Konnt Ihr reiten?" „O freilich, habe iä/s doch mein Lcbenlang getrieben!" platzte ich hcraus, durch die schnelle Frage um meine Vorsicht gebracht. Sah zwar meinen Fehler sogleich ein, war abcr schon zu spät. „Euer ganzes Leben lang geritten?" rief der Mann und sprang auf. „WaS? . . . Zeigt mir Eure Hände! ... Ha! Ihr seid kein Matrose! . . . Ihr habt mich betrogen! ... Da ist Verräthcrei im Spiele! .... Wer seid Ihr, Mann? . . . Sprecht! Mensch, ich kann Euch zwingen, mir Rede zu stehen . . . Was ist Eure Absicht hier? . . . Warum ka»^ Ihr? Was wollt Ihr? Woher habt Ihr. diesen Brief?" 80 So sprechend öffnete er die Thüre hinter sich und rief hinaus. Ich fühlte, daß der entscheidende Augenblick gekommen sei, und die Hauptsache war jetzt, mich des offen auf dem Tisch liegenden Briefes zu bemächtigen, Schnell sprang ich auf denselben zu und ergriff ihn, bevor mich Wolscy dcnan verhindern konnte. Im selben Augenblicke erschienen aber auch zwei Männer auf der Schwelle der Hinterthnre. Ich sah ciu, d.iß ich feinen Augenblick zu verlieren hätte und schnell der Thüre zurenncnd, welche auf de-l Flur führte, erreichte ich die Hauptforte, fand aber hier in der Dunkelheit nicht sogleich den Riegel und die beiden Männer ergriffen mich, wobei ich jedoch in die Thürkette faßte und mit aller Kraft gegen die Thüre trat und nach Hülfe schrie. „Schlagt ihn zu Boden!" hörte ich die Stimme Wolfty's rufen. Auf's Neußcrste gebracht, zog ich eine meiner Pistolen aus der Tasche, beoor ich jedoch davon Gebrauch zu machen im Stande war, fühlte ich einen furchtbaren Schlag am Kopfe, der »ni'ch ohnmächtig zu Boden warf. Als ich meiner Sinne wieder mächtig wurde, fand ich mich im Dunkeln, wo, wußl' ich nicht, verspürte aber im Kopfe einen grimmigen Schmerz und war mir frostig und übel zu Muth?. Ich richtete mich auf, stieß aber meine Stirne entsetzlich an das dicht iil'cr mir befindliche Backsteingewölbc und wäve beinahe '» «ine nc„c Betäubung gefallen. Vorsichtiger tastctc ich dann um mich her und fand, daß ich ">") in c.uer Art von Keller befinden müsse, denn ich konnte mit 8t den Händen Nichts, als feuchte, kalte Backsteine erfassen, welche über meinem Kopfe einen Bogen bildeten. Will's nicht leugnen, mich befiel jetzt cine große Beklemmung, maßen ich mir durchaus nicht verhehlen konnte, daß die, in deren Gewalt ich mich befand, sich nicht den geringsten Skrupel machen Winden, mich zu todten, so wie sie das nm ihrer eigne» Sicherheit willen für nöthig fänden, nnd jetzt bereute ich, freilich zu spät, mich Nachts nud als einzelner Mann in ein so untcsonncncs Abenteuer verwickelt zn haben. Die Elastizität meines Geistes, welche mich bis jetzt noch nie im Stiche gelassen, hielt mich auch in dieser schlimmen Lage aufrecht, nnd sobald ich im Stande war, meine Sinne etwas zu sain« meln, begann ich zn überlegen, ob es nicht möglich sci, einen Rettungsversuch zu machen. Zuerst dachte ich an den Freund, welcher mir den Matroscu-anzug geliehen, und bedachte, ob ihn wohl Neugierde oder Besorg» uiß antreiben würde, mir nachzuforschen, wcnn ich in der Von ihm erwarteten Zeit nicht wieder bei ihm wäre. Allein dieß schien mir uur ein schwacher Trost und zudem konnte mein Freund erst am nächsten Morgen im Gasthaus auf meine Spur kommen. Was aber sollte bio dahin ans mir werden, dcim meine Ohnmacht konnte wohl nicht über eine halbe Stunde gedauert haben, niid dann mußten noch wenigstens sechs oder sieben Stunden vergehen, bis der Tag anbrach. Uebrigcns dnrstc ich nicht einmal hoffen, in der Höhle, in welcher ich mich befand, das Tageslicht zu erblicken. Diese Vorstellung hatte etwas außerordentlich Entmuthigendcs für mick', dessenungeachtet aber suchte ich mich zu fassen. Am Kopfe fühlte ich zwar eine tüchtige Beule, jedoch kein Blut, meine Haine waren ebenfalls frei und der Gedanke: wo Leben ist, daist ouch Hoffnung! richtete mich wieder auf. Umhcrtastend fand ich, daß meine erste Vermuthung gegründet sei, Abenteuer cmcs Auswanderers, ll. 6 82 daß ich nämlich in cinc Art von Gewölbe cingcsvcrrt sei, Welches ungefähr vier Fuß hoch und, sowcit ich mich durch Uniherkriecheii vergewissern lonnte, in tic Länge zehn bis zwölf, in die Breite fünf bis sechs Fuß maß. Auf das Sorgfältigste untersuchte ich mit den Händen den Boden, die Decke uno die Wände meines Gcsängnisses, vermochte aber nirgends einen Auögaug zu entrcckcn. worüber ich mich insofern verwunderte, als ich nicht begreifen sonnte, wie ich hereingekommen sein sollte. Dnrch mein Umhcrtastcn und Umhcrkriechcn ermüdet, wurde nur schn'indlich und immer unwohler, was ich besonders dcr Enge des Raume«?, in welchem ich mich bcfand, auf Rechnung jctztc, nni> ich begann, gewiß nicht mit Unrecht, zu fürchten, baß ich criiickcu nlüßte, so ich noch länger in diesem entsetzlichen Loche zn bleiben genöthigt wäre. In diesem Zustand famcn mir die Minuten wie Stunden vor nnd zuletzt beschloß ich, durch nicine wachsende Aufregung fast zur Verzweiflung gebracht, abermals nach einem Ausweg nmhcrzutaslcii, und berührte, mit den Händen über das feuchte Maucrwcrk lnn-fahrcud, eine Stelle, wo nur dcr Mörtcl ungewöhnlich wcick mid-frisch vorkam. Mit furchtbarer Gewalt ergriff mich ietzl die Vcsorgniß und> dann die Gewißheit, meine Mörder hätten das Gewölbe zugemauert, und ich sei ... lebendig begraben, 83 Sechsunddrcitzigstes Kapitel. Noth macht erfinderisch, — Von wclchcm Nutzen cm gutes Gedächtniß ist. — Ein ersprießlicher Versuch. — Wie Muth und Beharrung alle Schwierigkeiten besiegen. — Unerwartetes Zusammentreffen. — Welche Aufklärung der ge° hcimnißvollc Vricf gibt. — Das rothe Haus wird durchsucht. Meine hoffnungslose Lage hielt mich mehrere Minuten lang in einer ft großen Betäubung, daß ich regungslos und unfähig, zu denken, liegen blieb. Dabei winde mein Kopfschmerz immer qualvoller. Weil ich aber überzeugt sein mußte, daß ich auf Hülfe von außen nicht rechnen dürfte, so sah ich leicht ein, baß ich mir selber helfen müßte, und meine Gedanken zusammenraffend, über? legte ich, daß, im Falle die Vösewichter, in dcreu Hände ich gefallen, das Gewölbe erst so kürzlich vermauert hatte», der Kalk auch noch weich und nachgiebig sein müßte und es mir deßhalb nicht unmöglich sein könne, die eingemauerten Backsteine wicdcr einen nach dem andern herauszunehmen. Von dieser Vorstellung frisch belebt, fühlte ich in meiner Tasche nach dem Messer und fand den Vrief, welcher mich m iuci>-,c gegenwärtige, gewiß nicht sehr comfortable Lage gebracht hatte, und obschon ich in dem abscheulichen Loch, in welchem ich steckte, kaum noch dic Hoffnung des Entkommens hatte, so machte es mir doch unwillkürlich Freude, den Brief in meinem Besitz zu wissen, wenn ich ihn gleich in der Finsterniß nicht lesen konnte und vielleicht nie im Staude war, aus seinem Inhalt Nutzen zu zichcn. Vorsichtig steckte ich daS Papier wieder in die Tasche, als wäre dieß das Wichtigste, waS mir dermalen am Herzen läge, denn das armc kleine Mädchen begann mir Theilnahme einzustoßen, 84 und wenn sich nur einmal so 'ne Sache in den Kopf gesetzt, gestattete meine Beharrlichkeit es nicht, wieder davon abzulassen. Zudem hatte ich diese letzte Zeit her so viele fast an's Wunderbare gränzende Abenteuer durchgemacht, sc viele Gefahren glücklich bestanden, daß ich auch jetzt cin gewisses Etwas m mir fühlte, das mir zuflüsterte: „Wirst auch dicßmal davonkommen I" Freilich, die Aussichten waren eben nicht glänzend. Zum Glück fand ich in ineincr Tasche mein großes Messer imd außerdem zu meinem nicht geringen Erstaunen die ein? meiner Pistolen, nebst dem Pnlverhörnchen und Kugelsäckchen. Der letztere Fund brachte mir die Ueberzeugung bei, mcinc Freunde müßten eine ganz besondere Ursache gehabt haben, mich schnell zu verbergen, wobei sie, da sie mich für todt hielten, wahrscheinlich später den Eingang in das Gewölbe zugemauert hatten. Auf keinen Fall schien es ihnen daran gelegen gewesen zu sein, mich zn plündern. Welcher Ursache ich aber auch dieses zuzuschreiben haben mochte, so viel ist gewiß, daß das Bewußtsein, mit Waffen versehen zu sein, womit ich mich im Fall des Entkommens Ntgen etwaige weitere Angriffe vertheidigen konnte, mir auf der Stelle meine Verlorne Thatkraft in ihrem ganzen Umfange wieder gab, und nachdem ich zuvörderst mich durch Tasten überzeugt hatte, daß das Pistol geladen nnd das Pulver anf der Pfanne trocken sei, ging ich sogleich daran, mir einen Ansgang ans dem Gewölbe «u eröffnen. Weil es mir unmöglich war, aufrecht zn sitzen, mußte ich in emer sehr unbequemen Lage kuieend arbeiten, kratzte übrigens ohne Schwierigkeit den Mörtel zwischen einigen Backsteinen weg, fand "bcr diese selbst so fest und eng an einander gcpreßt, daß ich mich Gebens bemühte, sie zu lockern. Auch der Versuch, mit dem "slcr ciuc Oeffuung !u die Steiue zu schneiden, war hoffmmgs- ' dem, sie waren so hart wie Feuersteine. 35 Ich warf mich also wieder zu Boden, um abermals nachzusinnen , was ich beginnen sollte. Die Arbeit hatte mich zudem ermüdet, mein Kopf that mir finchrbar weh nnd au de» Schläfen fühlte ich eiu so beklemmendes Pressen, daß ich mehrmals daran wollie, mir durch Oeffnung einer Ader zur Erleichterung Blut abzuzapfen. . Es wollte m»'t meiner Arbeit durchaus nicht vorwärts gehen, ob ich auch mit Anwendung aller Kräfte kratzte und schabte und stieß. Da kam es mir in den Sinn, daß das Gewicht die Backsteine von oben niederdrückte nnd der Mörtel nocki nicht hart geworden sein konnte, ich demnach, Falls ick, mein c Kraft von unten her in znreichcnrem Maaße wirken zu lassen im Stande sei, die dadurch gelösten oder wenigstens gelüfteten Stciue in die Höhe heben mußtc. Wie aber diese Kraftanwenduug zu appliciren, das war jetzt die F age; denn aufrecht stehen konnt' ich nicht und meine Stärke war nicht groß genug, als daß ich in kniecnder Stellung dic Steine mit den Händen hätte aufwärts stoßen können. Wie ich nun so hin und her dachte, wie ich wohl die Sache bewerkstelligen könnte, kam cs mir plötzlich zn Sinn, daß ich einmal eine Geschichte gelesen, in welcher meuterische Matrosen auf der See den Capitän und die Offiziere nntcr das Verdeck gesperrt nud die Lücken verschlossen, die Eingesperrten aber ihr Gefängniß dadurch sprengten, daß sie Alle mitsammen ihre Rücken gegen eine der Lücken stemmten und die Klappen derselben mir einem gleichzeitige» Auslichten Aller in die Höhe zwängten. Ob diese Geschichte wahr oder erdichtet sei, wnßtc ich nicht, allein ich beschloß/ jedenfalls einen ähnlichen Versuch zu machen, legte mich daher ohne Zaudern gerade mitten unter die vermauerte Ocffunng, preßte meine Schultern fest daran nnd stemmte nuch hierauf mit einer so verzweifelten Kraftanslrengnng dagegen, daß die Stcinc — o der Freude! — aufwärts wichen. 86 Nachdem die Steine eist einmal gelockert waren, war es mir leicht, so viele fortzuschaffen, daß sich ein Ansgang anfthat. Die Finsterniß, welche mich umgab, war so zn sagen greifbar, weßwcgen ich keine Vorstellung hatte, wo ich mich eigentlich befinden konnte, vermuthete jedoch, ich könnte nicht weit von der Stelle sein, wo ich zu Boden geschlagen worden, und kroch ans dem Gewölbe hinaus. Umhcvtastend fuhr ich nut den Händen über die Vacksteiu-wand hin, welche aber höher war, als ich langen sonnte, »nd es schien, daß dieß irgend ein Gemach odcr Waarcnbchälter sein muffe, weil ich im Freien hätte den Himmel sehen müssen. Weil ich besorgte, in irgend eine Vertiefung zu stürzen, tastete ich mich vorsichtig weiter, erreichte das Ende der Mancr und kam hier an eine dicke, massive Pforte. Bald hatte ich das Schloß gefunden, das, groß nnd roh gearbeitet, wie es war, inwendig an der Thüre befestigt war. Ich wollte mein Messer nicht daran versuchen, da ich, sobald es abbrach, mit ihm-^ccinc Hauptwaffe eingebüßt hätte, und deßwegen begann überall in den» Naume, in dessen Mitte das Gewölbe sich befand, worin man mich begraben, umherzutappen, ob ich wohl nicht etwas Eisernes, was mir als Brechstange dienen sollte, finden könnte. Zu meinem großen Glück lag auch in dem entferntesten Winkel wirklich ein großer Haufen von altem Eisen und Holz, Nageln, Faßdauben nnd alten eisernen Reifen, was mir bewies, daß dieser Raum zu einer Rumpelkammer benutzt worden sei. Ich suchte mir aus der Masse unordentlich durcheinander geworfenen Zeugs schnell eine Art von Brechstange aus, zwängte dieselbe in das Schloß und sprengte die Thüre glücklich ans. Jetzt, dachte ich bei mir, ist der gefährlichste Augenblick gekommen nnd ich mnß auf meiner Hut sein. Ixdcm ich also die Brechstange in die Rechte und mein gc- 8? spanntcs Pistol in die Linke uahm, blinze'te ich vorsichtig durch deu Spalt der geöffneten Thüre. Sie führte in's Freic. Ich streckte meine linke Hand aus, that einige Schritte vorwärts und gelangte au eine M.iucr, die ich für bic bcs rothen Hauses hielt. Ungeachtet der wahrhaft ägyptischen Finsterniß uer-inochte ich beim Schein bcs in reiche«» Maaße gefallenen Schnees die Umrisse der gegenüberliegenden Häuser zu erkennen und die frische Luft that mir wohl und gab mir Stärkung. Gö war allum grabcsstill und todtenstumm. Vorsichtig an der andern Mauer hintappcnd/ erreichte ich eine Thüre, welche derjenigen, durch die ich herausgekommen, gerade gegenüber lag. Ich brauche kaum zu sagen, daß ich das vcrhen-Zcrtc Haus venncideu wollte, allein ich vermochte keiucu sonstigen Ausgang zn entdecken. Wcil ich nun nicht wagte, diese Thüre zu erbrechen, begab ich mich in die Nmüpelkannncr zurück und sehte mich dort auf den Vodcu des Gewölbes, um zu überlegen, was ich jetzt thun sollte. Ucbernimpclt und bezwungen zn wcrdcn, fürchtete ich zwar nicht sehr, denn erstens hatte ich den Vortheil der Stellung, und zweitens wußte ich, baß daS Abfeuern meines Pistols jedenfalls iu der Nachbarschaft Lärm machen uud nur Hülfe bringen tonnte; dennoch aber hoffte ich hieuon nicht zu viel, denn ich konnte ja durch die Ucbcrzahl meiner Gegner leicht niedergeschlagen uud um-gcbrackt werden, bevor Jemand im Stande war, uiir zu Hülfe zu cileu, uud wenn es auch dein Gouvernement später zu großer Vc-fticdigung gereichen mochte, die Schurken zu entdecken und dm.Gal-gcn mit ihnen zu zieren, so sah ich doch ein, baß mir dieses, wäre ich einmal todt, uur cin sehr geringer Trost sein köuiitc, Bei Erwägung dieser Umstände hiclt ich cö für das Gcra- 68' thcnste, nüch ganz und gar ruhig zu verhalten, bis die Tagcshellc käme. Mag die 9!acht auch ncch so lange währen, sagte ich mir, endlich muß cö ja doch Morgen werden. Freilich, das muß ich sagen, war es bie längste Nacht, welche ich je erlebt zu haben glaubte, denn nie habe ich müssen in einer so kurzen Frist Todesangst und einen Frost ausstehen, welcher um so empfindlicher war, als der enge Raum mir »ichr gestattete, mich durch Umherlaufen zu erwärmen. Ein paar Mal war ich anch im Vcgriff, wieder in die Höhle zn kriechen, weil cs dort wärmer war, allein ich schauderte sogleich wieder davor zurück/ denn ich war'zu froh gewesen, diesem Sarge zu entrinnen , als das; ich ihn hätte noch einmal freiwillig aufsuchen mögen. So verbrachte ich denn fticrcub und zähneklappernd die Nacht und stand nur einige Male auf, nm durch die Thüröffnung nach dem lange zögernden Morgengrauen umzusehen. (5s war eine helle Nacht und der Frost überzog den Schnee, welcher in dem schmalen Gang zwischen mir und dem Hause lag, mit einer glitzernden Kruste. Ich schaute zn den Sternen empor, um an dem Stand derselben die Zeit zu berechnen, welche es noch bis zur Dämme' rüng anstehen könnte, verstand aber nicht genug von der Sternkunde, um aus dem kleinen Stuck Firmament, welches ich von dem engen Gang aus zn sehen im Stande war, die Stunde herauslesen zu können. Hätte ich dcu ganzen Himmel gesehen, hätte es vielleicht sein mögcn. Zuletzt mochte ich wohl ein wenig eingenickt sein, denn ich fuhr plötzlich mit einem tüchtigen Schreck von meinem Steinsitz in die Höhe bei dem Gedanken, dem Schlaf nachgegeben und mich so der Gefahr, überrascht zu werden, ausgesetzt zn haben. Sehr erfreut war ich übrigens, alö ich bemerkte, daß ich dic imch umgebenden Gegenstände etwas deutlicher erkennen konnte, uud 89 daß demnach der Tag angebrochen sei. Aber unbeschreiblich sind die Schmerzen, welche ich in allen Gliedern fühlte, denn die Kälte war schneidend gewesen und nur die Zunahme derselben bei Tagesanbruch hatte mich erweckt. So schnöd kalt war mir in Vandicmenöland noch kein Margen vorgekommen, ich schlug daher die Arme über die Schultern, strampelte mit den Beinen und that überhaupt Alles, um wieder zur Gclcnfsamkcit meiner Glieder zu gelangen. So wie ich mich einigermaßen erholt odcr vielmehr erwärmt hatte / sah ich mich um, nm meine Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen, und fand, daß das Gewölbe, in welches ich, ,nn einen Scemannsauodruck zu gebrauchen, wcggestant gewesen war, mitten in diesem alten Waarcnhaus oder dieser Numpelkam-nicr, was es nun sein mochte, lag und daß sich kein audcrcr Aus-<^ gang darbol, als dic von mir ausgesprengte Thüre. Wozu das Gewölbe ursprünglich bestimmt gcwcscn sein mochte, tonnte ich nicht errathen, war mir anch gleichgültig; seine Wand lief mit der des rothen Hauses so parallel, daß beide einen schmalen Gang bildeten, welcher an beiden Enden durch cmc zwölf Fuß hohe Mauer eingeschlossen war. An dieser Seite des roiheil Hauses war kein Fenster, soudern nur die Thüre zu bemerken, welche ich schon im Dunkln betrachtet hatte und welche sich, als ich sie voriichtig untersuchte, als von Innen verschlossen wies. Ich hielt eS kcineöweg« für zweckmäßig, einen Versuch zu machen, um diese Thüre aufzubrechen, denn nicht ohne Grund besorgte ich von den Bewohnern des Hauses übermannt zu werden, bevor ich zu so früher Morgenstunde Hülfe erhalten konnte, und sah mich daher in dem Gange um, ob ich nuS diesem irgendwie entkommen konnte. Die Mauer war zu hoch, als daß ich sie ohne WeilereS hätte zu erklettern vermögen, ich hoffte abcr, ich würde, so ich 90 die nach außen gehende Thüre der Rumpelkammer an der Wand feftstemmen konnte, auf das Dach zu gelangen im Stande sein, und dann, über dasselbe wegkriechend, auf der andern Seite in die Straße hinunterkommcn können. Es wurde jetzt in dem Maaße heller, daß ich schon den Haufen alten Gerumpels in der Ecke unterscheiden konnte, nahm daher bort einige zerbrochene, eiserne Reifen und Holzklötze und brachte vermittelst derselben das Feststemmen der Thüre glücklich zu Stande. Nun war es bei der Erstarrung meiner Glieder gerade auch keine leichte Sache, die hohe Thüre zu ersteigen, weil ich mich noch dazu in Ächt nehmen mußte, Geräusch zu crregcu, mit Hülfe des mächtigen Schlosses aber, auf welches ich endlich meinen cinen Fuß brachte, kam ich hinauf und erkletterte das Dach, das aus starken Bohlen bestand, allein durch den wohl drei Zoll hoch darauf liegende« Schnee sehr glitschig geworden war. Jetzt stand ich oben und war im Begriff, auf den an der Hinterseite des Hauses gelegene» freien Platz, den der Wald einfaßte , himmtcrzuspringen, mußte mich aber mit beiden Händen festhalten und legte daher die Brechstange, welche ich mit nur mitgenommen, auf daS Dach: allein der Schnee, welcher zu locker war, um daS Gewicht beS Eisens ertragen zu können, gab nach, es rollte hinab, und zwar auf die uuten festgcstemmte Thüre, und in seinem Falle genügsames Geräusch machcüd, als daß eS die Bewohner des HauseS nicht hätten hören sollen. Dieß trieb mich natürlich zur Eile an, weil aber meine Hände vor Frost starr und die Bohlen schlüpfrig waren, so konnte ich nur laugsani vorwärts kriechen und war noch damit beschäf, tlgt, als die Hintcrthüre des rothen Hauses aufging' und der Mann mit dem gelben WammS, welchen ich am Hafendannn und später bei semer Zusammenkunft mit dem Kerl auS dem Walde gesehen, heraustrat. yl Der Gelbwammftge machte eine Bewegung, als wollte er nur folgen, ich zog aber meine Pistole hervor und zielte auf ihn, und mochte eS nun der Anblick dieser Waffe oder der meiner Person sein, was ihn in Schrecken jagte, kurz, er sprang schnell Vorwärts und warf die Thüre hinter sich zu. Wenige Augenblicke nachher ließ ich mich auf die Straße l,mab, und obwohl ich tüchtig hinplnmpte, that ich mir doch keinen Schaden, sprang schnell wieder auf, raunte in die Stadt, gerade auf das Gasthaus zu, an welchem ich, da ich auf der Straße Niemand begegnete, nicht schlecht zu klingeln begann. Gs lvährle auch nicht lange, bis der Kelluer erwachte und mir öffnete. Sogleich fragte ich ihn: „Wie Viel Uhr ist'S?" „Punkt fünf Uhr, Sir. Wir haben uns sehr wundern müssen, daß Sie gestern Abend nicht nach Hause gekommen. Der Friedensrichter vom Clyde ist angekommen und hat nach Ihnen gefragt. Mochte etwa zehn Uhr Abends sein, als er ankam, und er sagte, er hättc dringend mit Ihnen zu reden, hat deßhalb auch lange auf Sie gewartet und konnte sich gar nicht einbilden, warum Sie ausblieben." „Weist mich augenblicklich nach seinem Zimmer," sagte ich, „und macht möglichst schnell ein gutes Feuer, bereitet auch etwas heißen Thee und Essen für mich . . . Habe Geschäfte, die mich auf der Stelle wieder wegrufen." In der nächsten Minute befand ich mich i» dem Zimmer meines fricdensrichterlichen Freundes. „Was, uin'S HimmelSwillen, hat's denn gegeben?" rief er mir entgegen, „Sie sehen ja jämmerlich aus! .... wo steckten Sie dann die ganze Nacht über?" Mit wenigen Worten erzählte ich mein Abenteuer. „Uud wo haben Sic den gehcimnißvollen Vrief?" fragte er, als ich geendigt. 92 ,/Da ist er . . . habe ihn selbst noch nicht angesehen . . . Lesen Sie ihn mir vor, denn 'S ist mir ganz neblig vor dcn Augen." Der Friedensrichter nahm den Brief und las, wie folgt: „Alles in Ordnung . . . DaS Mädchen ist in Jim Burke'S Hütte am Siebenmeilen-Ufer verborgen. Der Schooner kann es dort in der Rahe leicht an Bord nehmen. Ist aber keine Zeit zn verlieren, denn in diesem abscheulichen Landes kan» kein Mensch dem andern trauen. Meik wird Euch zur Stelle bringen. Euer F. S," „Viel ist daran«? nicht zil entnehmen," bemerkte der Friedensrichter, «doch für einstweilen genng. Wer ist dieser Mcik?" „Weiß cS nicht. Vielleicht der gelbwammsige Bursche." „Oder sein Kamerad, der gestern Abend wieder in den Wald lief." „Möglich, er wollte mit dem Gelbwamms hente Abend um sieben Uhr wieder zusammentreffen." „Werden snr Beide sorgen, müssen uns aber vor allen Dingen nach den Bewohnern deS rothen Hauses umsehen ..... Glauben Sie, sie seien genug bei Kräften, ein paar Zeilen von mir aufs Policeamt zu besorgen? Wenn'S so ist/ so warten Sie mit d^m Coussabel, welcher Sie begleiten wird, meiner an der Ecke deS PostgebäudeS. Unterdessen will ich mich in die Kleiler werfen. Nachdem ich eiligst meine Tasse heißen Thee's geleert und etwas Nahrhaftes zu mir genommen, machte ich mich sogleich nach dem Policeamt auf, wo ich auf das schriftliche Begehren deS Friedensrichters hin auf der Stelle und ohne daß man mich erst mit Fragen aufgehalten hätte, durch vier (5onstabels verstärkt wurde. 1) O, hätte Krabb diese Zeilen zu Gesicht d^mme»! 9» von denen ich einen, wie verabredet worden, mit mir zu dem bestimmten Platze gehen ließ, wahrend die anderen drei, um Aufsehen zn vermeiden, einzeln hmtcndrci» kamen, ohne uns jedoch aus den Augen zn verlieren. Der Tag war kaum angebrochen und zeigten sich erst wenige Leute auf der Straße, der Berg Wellington hatte sich in einen glänzend weiße» Schncemantel gehüllt nnd die Luft war rein nnb llar, wenn auch kalt. Wir fanden den Friedensrichter an dem bestimmten Platze und machten uns dann augenblicklich nach dem rothen Hause auf. „Vesetzt die Hiuterthiire," befahl der Friedensrichter zweien der Constables, „und nehmt Jeden fest, der zu entwischen versucht, und Jeden, der Widerstand versucht, schießt ohne Weiteres nieder!" Einer der Constables flopftc hierauf an die Thüre. „Meinen Sie, wir seien den Schurken gewachsen?" fragte ich. O gewiß . . . wenigstens bei Tage . . . zndem tonnen wir ja, sobald cs von Nöthen sein sollte, augenblickliche Verstärkung erhalten und die Constalcö sind an derarlige Geschäfte gewöhnt... Klopft noch einmal an, sie antworten nicht." „Pvobirt, ob die Thüre verschlossen ist." sagte ich. „Die ist allerdings fest verschlossen, Euer Wohlehren. Wolleu sie aber bald auf haben, wenn Sie befehlen." „Klopft und klingelt noch einmal!" befalil der Friedensrichter ... „Keine Antwort? . . . Wohl, verliert dann weiter keine Zeit, ihr Männer. Wolleu uns hier nicht so lange mit dem Präludium aufhalten. Macht die Thüre auf, wie iiuiuer ihr könnt I" „H.ilt!" sagte einer der Constables zu einem seiner Kameraden, welcher so eben im Vegriffe war, die Thüre mit einem kurzen Brecheisen aufznzwängen, — , vielleicht haben Sie sich aus dem Staube gemacht und die Thüre bloS von außen verschlossen . . . laß mich's mal versuchen." 94 So sprechend, zog cr eine Masse Dietriche unter seinem Mantel hervor, wählte mit einer Art Instinkt einen derselben aus, steckte ihn in das Schlüsselloch und die Thüre ging auf. „Dacht' lS wohl/' sagte cr . . . „die haben Pcch gegeben." „So durchsucht dao Haus!" rief der Friedensrichter; „verliert aber nicht viel Zeit damit." „Suchen können wir freilich/" erwiderte der Constabc!, „mit dem Finden aber istg eine andere Sache." Das Haus wurde nun von unten bis oben durchstöbert, jcdc Ecke beleuchtet, sogar die Dielen wurden aufgehoben, aber wir fanden lcincn Menschen. Diese Haussuchung nahm aber viele Zeit weg, so daß cS jetzt schon über acht Uhr war. In dcm Zimmer, in welchem ich am vorigen Abend den Vrics abgegeben hatte, fand sich ein Schreibepult, welches geöffnet und sehr in Unordnung war, als hätte Jemand eiligst einige Papiere aus den übrigen herausgesucht. Dec Nichter sah die noch vorhandenen Schriften schnell durch, versiegelte dann das Pult und gab einem Constabcl den Anftrag, ein Ange darauf zu haben. Anch diverse Kleidungsstücke waren indem Zimmer, welches man in höchster Hast verlassen zu haben schien, umhergestrcut und ich erkannte unter denselben die grauen Beinkleider und schwarzen Kamaschen, welche ich gestern Abend an dem Unbekannten wahrgenommen hatte, und machte auch den Friedensrichter darauf ai»f-mcrkfam, während sie von dem Oonstabel, welcher die Thüre mit dem Dictcrich gcöffnet hatte, sorgfältig untersucht wurden. „Die sind hier zn Lande gemacht," bemerkte er; „ich wollte schwören, daß mir diese Stiche bekannt sind. Vielleicht hat auch der Schneiccr, wie sie daS oft thun, sein Handzeichen hilieinge-näht." Und dcn Gurt der Beinkleider in die Höhe hebend, wies cr N5 uns in der That einen Streifen Leinwand, welchem die Worte „Thomas Sparks, York" — eingenäht waren. „Sehr unvorsichtig das," meinte der Oonstabel, auf feine Schlauheit stolz, schmunzelnd, „sehr unvorsichtig von einem Gentleman, welcher derartige Geschäfte hat, Hosen zu tragen, welche ein Zeichen führen. Können wir's doch jetzt herauskriegen, für wen diese Huscn gemacht wurden." „Voik?" bemerlte der Friedensrichter .... „daS stimmt mit einigen Angaben in den Papieren des Zigeuners übcrcin . . , . Habt Acht auf diese Kleider. besoincrS auf die Inerpressibles .... bindet sie zusammen und ich will sie versiegeln." „Was werben wir jetzt thun?" fragte ich. „Ihnen nachsehen," eutgegnctc der Friedensrichter decidirt, „obgleich die Hallunlen einen VorsprUng gewonnen haben. Ich würde mich nicht wundern, wen» sie nach dem verabredeten Qrt am Siebenmcilen-Nfer gegangen wären. Vor Allem müssen wir jedoch die nöthigen Anordnungen treffen, um das GelbwammS und seinen Freund abzufassen, Falls sie heute Abend wieder zusammenkommen sollten, denn cö könnte wohl sein, daß wir nicht zeitig genug zurückwärcn." Dann wandte er sich zu dcn Constabels mit den Worten: „Giner von Euch geht und sieht nach, daß die Fähre nach Pitt-Water hinüber in Vereitschaft ist, aber wohlgeiuerkt, die Fähre, die auch Pferde übersetzen kaun, Zwei von Euch habe ich jedoch vorher noch zu waZ Anderem nöthig." Hierauf in das Gasthaus zurückgekehrt, nahmen wir schnell unser Frühstück ein, gingen dann an den Hafenoamm hinunter und dort, in Begleitung zweier (5onstabe!s, an Bord der Fähre, welche alsbald mit imS vom Lande stieß. 96 Siebenunddreißigstes Kapitel. lsrstc Nachricht über die Vlttwichcncn. — Die Fäsnien im Schnee. — Das Sicbeiuilcilcn - Ufer. — Die veilassciic Hiilte. — (5me (sntdcctnna, — Abermals ^ctälischt. Unablässig die Fährleute zu größerer Eile treibend, hatten wir uns bald dem gegenüberliegenden Ufer, auf dcr Pitt-Water Seite genähert. ,-Der Schnee liegt ziemlich hoch," bemerkte der Friedensrichter. „Wird nichr lange liegen bleiben," versetzte einer dcr Fähr-nlänner, „hat sich ja der Wind nach Norden ».'der Nurdwest 'rum-gedreht und guckt erst die Sonne recht heraus, so wird auch die Erde bald wieder unter dem weißen T,ppich hervorgucken .... Eehn's nur, Gentlemen/ wie der leichte Nebel den Fluß ln,,-imterrollt." „Habt Ihr diesen Morgen schon Jemand übergefahren?" fragte mein richterlicher Freund. „Nicht sehr Viele .... vielleicht 'nen halb Dutzend oder so .... Zwei Vnrsche aber, die wir nicht übersetzten, schienen merkwürdig prcssnt zu sein .... war so um die Sechsc herum , . . . Nahmen ein Boot und ruderten auf die Känguruhspitze zu .... Ist übrigens 'ne Schmach, daß Leute auf diese Art überfahren dinfen, wenn ein reelles Fährboot, wie dieses da, vorhanden ist. .... Hatt 'nen Vissel mehr stromaufwärts, Bill! . , , . so! und nimm Dich vor der Sandbank in Acht! .... Ja, 'ne Schmach ist's und sol!te es der Gouverneur nicht leiden. Hatten ohnehin nichts Gules im Sinn .... sah dcr blasse Bursche im schwanen Nock, welcher dabei war, gerade aus, als wären ihm alle C»n-stabels der ginzen Welt auf den Hacken." 97 „Was schlugen sic denn für cine Richtung ein, ncichdcm sie gelandet?" fragte ich. „O, sonnten 's nicht genau sehen, hörten aber nachher, sie »mißten auf Koopwoods Farm zu sein, welches übrigens nicht der Weg nach Pitt-Water ist. Wie schon gesagt, hatten die Bursche gewiß nichts Guteö im Sinn, wären sonst auf der ordinäre« Fähre übergefahren, welche nun einmal da ist, nm ehrliche Leute überzusetzen." Eo sprechend schob er das Voot durch ein rasches Umwenden dcs Steuerruders dicht an den Landungsplatz und wir stiegen aus, wobei unsere Pferde nicht die geringste Furcht an den Tag legten, weil sie an solche Fahrten schon gewöhnt waren. Den uns von dem Fährmann gegebenen Wink benutzend, wandten wir uns ohne Zögern gegen Koopwoods Farm hinüber und es wahrte nicht lange, bis wir Fährten im Schnee fanden. Zwei Personen mußten an demselben Morgen in dieser Nichtimg gegangen sein und die Fußsiapfcn der einen wiesen sich lang und breit, während die der andern schmal und lim ein Ve-deutendeö kleiner waren. „Da haben wir unser Wild," rief der eine Ccnstabe! au« ; „sie sind in großer Eile gewesen .... scht nur, wie die Fußspitzen so tief eingehackt sind. Geht ein Mensch laugsam und l'cqucnilich einher, so setzt er den Fuß stach auf dcu Boden und hebt ihn ebenso wieder auf, gcht er aber rasch oder läuft er gar, so krümmt er den Fuß und gräbt bloß tie Zehen tief in die Erve. Derarlige Fährten lassen sich von andern leicht unterscheiden." „Das ist richtig .... wäre mir aber wahrhaftig nicht in dc» Sinn gekommen," sagte der Nichtcr. „Ihr habt ja eine Gewandtheit im Spüren, wie ein Eingeborener, Mann." „Eine größere noch, will ich hoffen," entgegnete der Con-slabel, „obgleich gesagt wer?en muß, daß die schwarzhäutigeu, Abcntcucr cmcs Aliöw,nidcn".'s. II. , ? 58 Schufte den Zeichen im Walde oft aus eine wundcrbarliche Weise nachzuschleichen verstehen. . . . Uebrigens, denk' ich, hab' ich da was bci mir, an das die schwärzlichen Schufte doch wohl nicht cedacht hätten , ... da ist ein Schuh, welchen ich in dem rothen Hause gefunden und mitgenommen .... auf den hätte sich wohl kein Eingeborener besonnen, maßen sie selber keine Schuhe tragen. Der paßt aber ganz genau zu der Spur im Schnee hier .... seh'ns mal! .... Auf der rechten Fährtc sind wir, daö ist richtig; jedcnuoch haben die Schurken einen großen Vorsprunz und haben wir keine Ieit zu vcrliercn, so wir ihnen den Spaß versalzen wollen." „Wohl, da wir der Fährte sicher sind," sagte der Fricdcns--richtcr, „so glaub' ich, es wäre gut, daß Thornlcy und ich voran-rittcn. Die Spuren sind so deutlich, daß wir sie nicht verlieren können, und Ihr mögt so schnell, als möglich, nachkommen." „Das wäre nicht dumm," versetzte der eine lHonstabcl; „ver-suchlu Sie's nur, die Hundsfötter einzuholen! Denke mir übrigens, wir werden nicht weit hinter ihnen zurückbleiben." Wir Neide trabten demnach fort und verfolgten mit leichter Mühe die ziemlich deutlich vor uns herlaufenden Epuren, bis wir zu dem einen Ende des Siebenmeileu-UferS kaineu und daselbst die Fährten in der darüber hcrwascheudcu See verloren. Wir banden unsere Pfene an einen Baum fest urd untersuchten den Platz sorgfältig, allein wir vermochten keine Spur wehr zu erkennen, denn die Flut stieg immer höher, hatte jedoch ihren höchsten Stand jetzt so ziemlich erreicht. Umsonst gingcu wir hin und her, umsonst durchspähten unsere Augen auf das Schärfste die außerordentlich schone, halbmondförmige Sandbank, an welcher das Meer sich rauschend brach. Der weiße Schaum der Vraurung schimmerte und glitzerte in den Somicnstcalen und verlieh der ganzen Landschaft eine N'undcrliebliche Lebemiglcn, allein streit dcr Blick trug, war 99 weder von Vlensch noch Thier Etwas zu ersehen und nur in weiter Ferne entschwand am Horizont dcr Sec ein kleines Schiff. Wir wußten nicht, waS jetzt beginnen. Wir liefen vom Strande i» den Wald, aus den, Walde wieder znrnck an den Strand und begannen schon an dem Wiedcrauffiudcn der Fährten zu verzweifeln, als tie beiden Constabels herankamen und dcr rine derselben, Sanders benamset, welcher eine so große Gcschick-lichkcit im Spüren bewiesen, sich auf ein Schiefcrstück niedersetzte, sprechend: „Vitl' um Verzeihung! .... kann aber nicht mclir, hab' mich außer Athcm gelaufen .... Ein hübscher Platz hier .... Prächtige Gegend! .... Kurios, daß die See hier immerfort unruhig ist .... bläst der Wind 'neu Bisset, kann mau das Brausen und Nauschen meilenweit hören .... Euer Wohlchren scheinen aber nicht mehr zu wissen, wo aus oder ein, he? .... Ja, ja. Wasser hintcrläsit keine Spuren." „Haben über eine Meile im Umkreis Alles nntersucht," sagte der FriedenSrichlcr, „konnten aber Nichts finden. Die Flüchtlinge sind wahrscheinlich von einem Boot hier an Bord genommen worden, denn die Spuren führen deutlich bis an'S Wasser und verschwinden dort." „Laßt mal sehen/' sagte Sanders nachdenklich. „Jim Vnrke's Hütte muß ungefähr in dcr Mitte zwischen hier und dem entgegengesetzten Ende der Sandbank liegen und zwar eine halbe Meile einwärts im Lande, gerade hinter dem klcincu bebuschten Hügel dort. Wetten möcht' ich, die Kerle haben sich dicht am Ufer hin gehalten, denn sie mußten wissen, daß die Flut bald hereinbräche und jede Spur verwische; nachher werden sie wohl auf die Hütte zugegangen sein .... wallen eS bald 'rauskriegen." Wir zogen jetzt mitsammen am Nandc der Schicferfclsen hin weiter, während dcr eine (ionstabel mehr landeinwärts nach Fähv-h so, ^ctzt hab' ich'S.' der mit dem großen Fuß hat die Kleine getragen, damit wir nicht glauben sollten, sie hätten sie mitgenommen .... Nicht übel das, '6wäre aber doch schief, wenn wir hier in den (zolonicen nicht schlau genug für solche Bursche wären .... der große Fuß ist hier bedeutend tiefer eingetreten, als früher, hat auch sehr geschwankt und, seh'n Sie, da ist er ausgeglitscht, und, bei St. George, da, wu er beinahe hinfiel, ist auch die Fährte der Kleinen .... sie haben zwar versucht, die Spuren auSznlrcten', aber daS kleine Fnßcheit läßt sich noch deutlich genug erkennen .... Wir haben drei Meilen bis an den kleinen Fluß uud dann wollen wir sehen,^ Nachdem wir etwas mehr als eine halbe Stunde zurückgelegt, kamen wir an daS Ufer des FlnsseS, welcher, zur Zeit der Flut durch das hereinsirömende Mccrwasser tief und schiffbar gemacht zur Zeit der Obbc von einer solchen Menge von Sandbänken und Unücfen durchzogen ist, daß sich kaum ein kleines Voot an das jenseitige User durchwinden kann. DaS scharfe ?lugc Sanders hatte bald den Eindruck im Ufcr-sand wahrgenommen, den vor Kurze«, ei» hier an's Land geschobenes Boot gemacht hatte, und so mußten wir denn höchst entmuthigt bekennen, daß die Flüchtlinge, welchen wir so dicht auf den Fersen gewesen, wenigstens für den Augenrlick uns entkommen seien. tos Acht und dreißig ft es Kapitel. Vcrcuhunc;. — Ein ältlicher Gentleman wird endlich des Hcnimstreiscns imidc. Wicdcrnusfindcn dcr Führte. — Ein sehr gclcgcn kommendes Milt.igcsscn aus dcm Stegreif, mit Auster». — Älcuer Schrccf. Der umsichtige Constabel unterwarf nnn die ganze Umgebung einer genauen Untersuchung, allein nirgends konnten wir weiter eine Fährte entdecken, und wenn anch der Schnee schnell schmolz, so lag doch noch hinlänglich davon auf dem Boden, daß man hätte Fußtapfen darin unterscheiden können. Die Sonne stand warm und hell am Himmel und mehrere Minuten lang hielten wir wir unsere Blicke auf das Wasscr geheftet, als ob «>ls irgend ein Wunder das Boot mit den Flüchtlingen hätte zu Gesichte bringen sollen. Der Friedensrichter war es, der zuerst das Stillschweigen unterbrach mit der Frage: „Wo können wir zunächst ein Boot bekommen?^ „Nicht näher, als zu Sorelltown, dem Hauptort von Pitt-Watcr," entgegnete Sanders, ,,uud es fragt sich erst noch, ob dort eines zn kriegen sel; wozu sollte eS uns aber auch helfen? Wie könnten wir herauskriegen, welche Richtung die Schufte eingeschlagen?" „G>5 ist sehr möglich, daß sie sich bloß in dem Voot anf das andere Ufer hinübcrgemacht, um uns von ihren Fahrten abzulenken," bemerkte der Friedensrichter, „und in diesem Fall können wir die Spuren auf dem Ufer drüben wieder finden." ,.Ei freilich!" rief Sanders auS; „wie kounie ich nur das vergessen? Wären doch die verdammten Untiefen und der Schlamm "icht, so könnten wir auf den Pferden hinüber kommen, so aber 106 gebt's nicht; »hne ein Fahrzeug irgend einer Art können wir nicht hinüber." ,.Dann haben wir kclne Zeit zu verlieren. Könnt Ihr mir den nächsten Wcg nach der Stadt weisen?" „Ob ich kann?" fragte Sanders schmunzelnd, „möchte mal den Platz in VandiemenSland kennen, zu welchem ich nicht den nächsten Weg wüßte." „So kommt mit, Mr. Thornley leiht Guch vielleicht sein Pferd, damit wir den Weg hin und zurück schneller zurücklegen können." „Gin Wort, bevor Sie gehen," nahm ich das Wort. „Dieses Neue Abenteuer fängt allmälig an, meinem Geschmack nicht fthr zuzusagen, und möchte ich, offen'gestanden, nicht gern in eine neue fatale Geschichte verwickelt werben. Meiner Treu, kanin hat die eine ein Ende, so fängt schon wieder eine andere an. Zudem haben haben wir uns auf eine so weitreichende Verfolgung gar nicht vorgesehen und mein Kopfschmerz nimmt eher zu als ab. Auch sind wir nicht einmal bewaffnet." „Sic haben ja Ihrc Doppelbüchse." „Wohl, aber Sie haben keine Waffen und die Constabels ebenfalls Nichts, außer ihren Stöcken .... oder tragt Ihr sonst rine Waffe bei Euch, Sanders?" Sanders wics den gewaltigen Knittel, welchen er in der Hand hielt. ,/Diesen mein' ich nicht .... Feuerwaffen?" «Sie bemerken doch keine an mir, he?" „Nein, gerade deßhalb frag' ich." „Meinen Sie denn, Sir, daß ein so alter Fuchs, wie ich, au ein derartiges Geschäft gehen würde, ohne sein Handwerkszeug mitzunehmen?" S" sprechend machte er seinen Nock auf und ließ zwei Pisto< 107 Im sehen, welche er in hiezn besonders bcsiinuntcn Taschen zu bei« ten Seiten der Weste trug. „Und Euer Kamerad?" „Der führt bloß feinen Stock, allein, lieber Herr, wir haben sogar den Stock selten nöthig und ich trage meine Pistolen mehr aus Gewohnheit, als in der Absicht, sie zu zeigen. Schauu's, so wie ein Mensch durch einen Constabcl gefaßt wird, so ergreift ihn zugleich ein gewisses Gefühl, welches ihm sagt: der Mann hat das Nccht, dich zu fassen, nnd dn darfst nicht Widerstand leisten. Giucm Schuft ist der Respekt vor einem Constabcl angeboren, und so wie er denn gewisseimaßen überrascht dasteht, nehmen wir ihn mit allem Comfort gefangen und bringen mit äußerster Sanstmnth und Freundlichkeit seine Hände in die Handschellen . . . und so haben wir ihn." „Das ist Alles recht gut/' «ersetzte ich, dcu Friedensrichter bei Seite ziehend, „allein ich fanu in Wahrheit nicht einsehen, wie ich dazu komme, alle Augenblicke mein Leben auf's Spiel zu setzen. Wäre es nicht besser, wir überließen die Sache dem Gouvernement? Ist das Mädchen wirklich eine Tochter dcs George Shirley aus Berkshire, nnd ist des Zigeimevs Geschichte wahr, so ist das Ding wichtig genng, daß sich die Behörden damit befassen." „Völlig wahr , mein lieber Thornlcy," cntgegnete mein Freund. „Jetzt aber ist's gerade die rechte Zeit, die Sache zu verfolgen. Wollten wir mnkehren «nd das Ganze geschäftsmäßig von Neuem beginnen, so könnten die Schnstc bas Mädchen nns für immer entziehe», so sie es etwa nicht gar todtschlngcn." „Ei, warf ich ein, sie müssen wohl eine gewichtige Ursache haben, das K.'nd nicht umzubringen, sonst hätten sie die Gelegenheit wohl längst benützt, statt die Kleine mit sich zu schleppen.... nein, sie müssen was Anderes mit ihr vorhaben, wollen sie vielleicht später an Jemand verheiraten. Wir haben jedoch keine Zeit, derartige Vermuthungen anzusicllen, ist hier auch kein geeigneter 108 Ort, die Sache zu erwägen, sondern c«5 fragt sich nur, ob wir auch ein Recht haben, die ganze Sache auf uns zn nchincn." „Diesel Recht haben wir allerdings," versetzte der Friedensrichter, „und ich weiß recht gut, was ich thue. Das Amt der Friedeusnchter ist über die ganze Insel ansgedehnl, wir Alle, die >v:r fö bekleiden, sind nur insofern die Amtsführung dadurch geregelter wird, auf einzelne Bezirfe angewiesen, und es liegt in der Natur der Sache, daß wir nns nicht ohne dringende Ursachen Viuer in des Andern Obliegenheiten mischen. Hier aber ist eine solche dringende, ja die dringendste Ursache vorhanden, nnd deßhalb bin ich der Meinung, es sei meine Pflicht, in dieser Angelegenheit Alles zu versuchen. Ucbrigcns will ich auch nicht verhehlen, daß ich derartige Abenteuer liebe. Auch ist meine Stellung eine ganz andere, als die Ihrige, denn Sie haben Familie, ich aber nicht. Jedenfalls aber möchte ich Sie bitten, hier unsere Rückkunft abzuwarten, denn erstlich dürfen wir diesen Orl nicht wohl nnbewacht lassen, nnd zn'cücns haben wir auch Ihr Pferd nöthig, heißt das, wenn Sie es es hergeben wollen." „Gut, sagte ich, wenn es einmal sein muß, so handeln Sie in der Sache ganz nach Ihrem Gefallen; ich muß aber offen bekennen, daß ich dieser wilden Streifzngc von Herzen überdrüssig werde, denn theils habe ich deren genug mitgemacht, theils ist meine Gegenwart daheim sehr nöthig." „Sie sind, wie ich sehe, nicht sehr romantisch gestimmt," bemerkte der Friedensrichter. „Gewißlich nicht, bin ein eiusachcr Surrey-Farmer nnd überlasse die Romantik gern so jungen Leuten, wie Sie sind; wäre mir jetzt, offen gesagt, eine Schüssel voll Hammclsrivpchcn lieber, denn alle Romane der ganzen Welt." Mit diesen Worten setzte ich mich an der Seite des Consta-belo Serol'p am Ufer des Flusses nieder und der Friedensrichter i09 trabte in Sanders Gesellschaft Sorclltown, dem Hanptort vou Pittwater, zu, Echo» begann sich Nngcdülo meiner zu beinächtigen, als ein Ruf von dcm jenseitigen User hcrnbcrscholl, der mich rasch auf die Acme brachte. Ich sah ten Friedensrichter auf dein hohen Uferrand haltcn und seinen Hut schwenken, was mich auf den Gedanken l'rachte, er hätte gute Nachrichten für nns, obgleich ich der grasten Entfernung wegen sein Nuscn nicht verstehen konnte. Een'pps meinte das Wort „Voot" vernchinen zu können, niir aber llaiig cö wie der gewöhnliche Walvruf „Kn—nh^-i!" Der Consiabel hatte jedoch recht gchrit, dnni sogleich darauf sahen wir ein Boot den Fl»ß herunter auf uns zukommen, welches sich zwischen den vielen schlammigen Stellen, die jetzt nut Eintritt der Ebbe sichtbar wurden, durchwand. Auch wir mußten noch durch cinc gntc Portion Schlamm waten, bevor cc> uns gelang, in das Boot zu kommen, und dann einen großen Vogeu beschreiben, ehe wir das gegenüberliegende User erreichten. Während der Uebcrfahrt fragte ich vcn Fährmann, ob cö hier herum nichts Neues gäbe. „Nichts," entgegnctc der Mann, „außer daß Sie, wie ich höre, hinter zwei Männern und einem kleinen Mädchen hcr sind, weiche heute früh lner übersetzten. Ich war Hieher gekommen, um zu sifchcn, nud fand sie gerade an der Stelle, wo ich auch Sie einnahm. Eic sagten mir, sie wollten an'ö andere Ufer, uuo boten mir, das heißt der Gentleman bot mir ein paar Dollars, wenn ich sie übersetzte, 's kam mir freilich kurios vor, daß sie ciu so junges Mädchen bei sich hatten, dachte aber, das gehe mich Nichts au, nnd that ihnen ihre» Willen." ,,Und wie sah das Mädchen aus?" fragte ich rasch und von cincr verzeihlichen Ncngicr getrieben, weil dieser Manu der erste 440 Mensch anf unserem Ncge wir, welcher meine kleine Schutzbcfoh-lene gesehen hatte. „O, ganz wie andere Mädchen, mein' ich, konnte übrigens ihr Gesicht nicht recht zu sehe» kriegen, schien üiir jedoch die Kleine müde und traurig zu sein. Der eine der Männer trug sie auf dcm Arm lind cö däuchte mir fast, als hätte sie viel geweint; im Boot hielt sie sich freilich ruhig, mußte sich aber sehr vor dem zweiten Mann, der einen schwarzen Rock anhatte, fürchten. So viel ich bemerken konnte, mochte sie nicht über sechs oder sieben Jahre alt sein; waö aber die Männer mit ihr ansangen wollten, weiß ich nicht, geht mich auch Nichw an." „Gibl's viele Fische hier herum?" „Fische? Gott segne Sie! das Wasser wimmelt von ihnen, sie schmecken aber nicht am besten, wenigstens die meisten davon. Wenn sie noch weiter hinaufgehen, sinden sie in den kleinen Löchern, in welchen das Wasser auch znr Zeit der Vbbc zurückbleibt, ihrer die Hülle und Fülle, und gibt es hier eine Art von Hai-sischcn in solcher Unzahl, d.iß sie kaum vor einander zu schwimmen im Stande sind." „Haisischc? Taö ist nicht sehr angenehm. Wie groß sind sie?" „O, nicht groß genug, nm gefährlich zu sein, sie sind selten ü'cr zehn, fünfzehn, zwanzig Pfund schwer. Tie Eingcborncn essen sie, mir aber schmecken sie nicht." „Auf welche Art werden sie denn von den Eingcborncn gefangen?" „Gar nicht gefangen, sie halpuniren sie mit ihren dünnen Speeren, werfen sie dann ein Bischen aus's Feuer uno fressen sie halb roh, machen sich indessen auch nicht viel auö ihnen, sondern nehmen sie nur, wcnu sie nicht« Besseres kriegen könncu ..... doch, Gentlemen, wenn Sie 'ne Bisset klettern wollen, so lege ich dort au der Klippe an, von wo auo sie trockenen Fußes au's Lttnd fommm können." ill Da ich seinem Vorschlag Beifall gab, so landete cr wit seinen, Fahrzeug an den: bezeichneten Felftn und »nil allerdings nicht geringer Mühe kletterten der Constabcl und ich die steile Uferbank hinan. Oben fanden wir den Friedensrichter und Sanders nebst cincni dritten Mann zu Pferde, während auf der Erde ein großer Korb stand, welchen sic mitgebracht haben mußten, auch brannte, aus dürrein Holz entfacht, ein hochloderndcs Feuer einladend nnd erwärmend ihnen zur Scite. Der Schnee war tüchtig geschmolzen, doch immer lag noch genug, nm die Fußstapfeu derer, welchen wir nachsetzten, ;u erkennen. Der Fiiedeuörichter wies darauf hin und sagte: „Sehen Sie, wir sind ihnen wieder auf der Fährte, sie haben jedoch einen Vorsprung und b«r Schnee wird bald geschmolzen sein, weil er hier zu Lande nie lange liegen bleibt." „Mich kommt das Weitergehen verteufelt hart an," bemerkte ich; „fühle mich so schachmatt, daß ich mich kaum rühren kann, habe auch Hunger, und zwar Wolfshunger." „Darauf haben wir uns vorgesehen," erwiderte der Friedensrichter. „Sehen Sie, dort steht ein Korb mit Mundvorrath; wollten ihn nicht öfflicn, bevor Eie kamen." Und sich zu dem mit ihnen gekommenen, sehr ehrbar aussehenden Dienstboten wendend, fügte er bei: „Nun, lieber Vlann, zcigt mal, waS Ihr ilüS aufzutischen habt! " Dcr Angeredete packte dm Korb ans, breitete über den Vamnstamm, an und auf welchem wir saßen, ein weißes Tischtuch, legte Teller nebst Messern und Gabeln darauf und tri:g den Inhalt des Korbes herbei. „Wollte, ich halte irgend Was zn trinken," seufzte ich, „wird aber hier herum schwerlich ein anderes Getränk, als Wasscr, zu finden sein, welches noch dnzu cincn salzigen Geschmack hat." 6 ist schon! . . . Da, Thornlcy, haben Sie einen erfrischenden Trunk! Schmeckt Einem im Walde wahrhaftig Nichts bcsftr, als Ale, nur Schade, daß man's nicht allenthalben bekommen kann." „Was haben Sie denn zu essen?" fragte ich, durch den Trank bedentend erfrischt; „habe nur wenig gefrühstückt . . . ." „Soll Ihr Mittagessen desto besser ausfallen," unterbrach mich der Friedensrichter .... „Heraus mit dem Wildpret! . , . . Ist das nicht ein <3>ivitalkerl von einem Gänsevogel? Allerdings schmeckt er warm besser, denke aber, wir werden auch kalt mit ihm fertig. Erlauben Sie mir!" Eo sprichend legte er mir einen Flügel und ein Bein auf den Teller, bediente sich gleicherweise nnd übergab de» ^'oüstabels eine kalte Schöpseuschulter. „W^ide nuch gleich ül'ir das Hammelfleisch hermachen," sagte Sanders, „möchte mir nur vorher noch ein paar Austcrn holen." „Austern? Hat das lange Fasten den Mann verrückt gc-niacht? Seid hier nicht auf dem VillingSgate-Markt, Freund, daß Ihr Euch Nüstern mifallen lassen könntet. Wie kommt Cnch daS zu Sinn." „Sollen mir die Austern bald anch zu Handen kommen!" versetzte der (soiistabel. „Sie wissen gar nicht, wo wir uns hier befinden. Diese kleine Vai steckt voller Ansiern und sollen Sie deren bald genug zu sehen kriegen! .... Scropps, mein Junge, l^st Du nicht auch Lnst zu einigen solcher Eingeborenen?" U!?c'.'crs, II. 8 tl4 gestärkt und crmuthigt halte. „Wäre auch wirtlich Schade und Unrecht, so wir nicht wenigstens versuchten, daS arme Kind nus den Händen jener Schurken zn erretten. Werde nie die Herzensangst vergessen, womit der Zigeuner von seinem Kinde sprach, bevor er den fürchterlichen Abgrund hinunterstürzte." „Ah, Sie smo l'cdentcnd wohler nils, nicht? Fühlen mehr-Muth n»b Unternehmungslust, als vorher, he? .... Ja, müssen line« balo wicoer ans den Weg machen. Habe auch ein paar Büchsen und eine Menge Patronen mitgebracht. Hat mir, wie Sie sehen, mein Bekannter in Corelltuwn seine Doppelbüchse, sammt Pulverhor» u»d Kngelbcutel geliehen. AIs ich in Sorell-town ankam, wollte sich gerade eine Gesellschaft zu Tische sehen, in der besten Absicht, dicscr seligen GanS da tüchlig zuzusprechen^ erklärte ich den Leuten aber mit w.nigcn Worten, wie wir daran feien, und ans der Stelle schickten sie den Burschen da mit sämmtlichem Muudvorrath ab. Die Frau von« Hause legte eine solche Theilnahme für unsern kleinen Schützling an den Tag, daß ich glanbe, ich h.itte nicht großer Bered tsamkeit bedurst, um sie zu bewegen, unsern Jug mitzumachen .... Ah, da kommt Sanders mit einer neuen Ladung Austern. Ihr werdet wahrhaftig selber-zu Schalthicrcn, wenn Ihr deren so viele verschlingen wollt .... Aber, halloh! was haben denn die Bursche? Sie haben ja die Austern fallen lassen und stehen da, als hätten sie was Gntseii-licheS gefunden; sehen Sie doch, Thornlcn!" Ich wandte mich unv bemerkte, daß die beiden «Fynstabcls den Ufersanv untersuchten nnd C'lwas zu sehcn schienen, was ihncn Schrecken erregte. Wir eilten zu ihnen, und auf die Stelle weisend, welche feixe Aufmerksamkeit erregt hatte, sagte Sanders in einem gefühlvollern Tone, als ich ihm je zugetraut hätte: „Furchte, sic haben mit dem armen Kind ein (5ude gemacht; das sieht höchst veroächti^ aus!" <15 Wir sprangen hinzu und nahmen im Schatten einer überhängenden Felsenklippe die Zeichen von festeingesiampstcn Fußtritten wahr, während ringsum der Schnee von großen Blutstropfen besteckt war. Der Anblick des Blutes erweckte in uns Allen die trauria-stcn Ahnungen und sogar der phlegmatische Scropps war um des Schicksals dcö kleinen Mädchens willen, welches jetzt außer alle» Zweisel schien, bekümmert und erschreckt. „Habe manchem Ochsen den Garaus gemacht," äußerte er, „und manchem Schöps die Kehle abgeschnitten, mir aber nie viel auS Blut gemacht .... 's war der Natur gemäß, 's mußte so sein, wisscn'S die Thiere nicht anders .... aber mag ich verdammt sein, wenn mir je im Leben so zu Muthe gewesen! 's wird einem ordentlich weh davon .... und noch dazu unmittelbar auf Austern hin .... Hatte dem kleinen Ding den Hals nicht abschneiden köu-ncn, obwohl ich's nie gesehen .... nicht nm hundert Dollars! Nein .... e!n Kind bleibt ein Kind ..., nicht sür tausend, Gott straf mich!........Armes Nickelchen! wie muß es gestrampelt haben! ...." Ncununddreißigstcs Kapitel. Wci ist dcr Mörder und wer wurdc ermordet? — Der Tvciscvcrrath eines "Insicdlcrs. — Eittschüldigmig für ein Glas Groq. — Miniaturausgaben von Känguruh's. ^ Crncucnmg dcr Verfolgung. ,,Das ist freilich ein schlimmer Unistand mit dem Blute da," bemerkte der Friedensrichter, „indessen muß mau bedenken, daß es "us tanstnderlei Avtcn vergossen worden sein kann. Nnr die rund- 8" il6 herum festgestampfte Eide macht es verdächtig. Seht mal, hier ist offenbar eine Handvoll Bii^sen im Niügen auögcrisscn worden .... Diese Binsen aber siud stark und stecken tief im Boden .... ein Kind möchte, selbst im Todcskampf, kaum Kraft genug haben, sie auszureißcn.....Nein, das hat wahrhaftig kein Kind gethan. Wolle» die Sache doch noch näher nutcrsüchcn!" Indem wir dieses thaten, zeigten sich uns von tief in die Erde gehackten Absätzen eines Männerschuhco herrührende Spuren, Augenscheinlich mußte sich der Mann verzwciflnngsvoll in den Boden gestemmt haben, wie nm sich anfznrichten. Auch entdeckten wir weiterhin eine Spur, wo ein schwerer Körper eine ziemlich weite Strecke z>.: einer Stelle hingeschleppt worden sein mußte, wo in der Nahe einiger locker liegenden Steine eine Art von Grube war, welche, wie wir durch Hineinwerfen von Steinen ausfindig machte!', sehr tief fein mußte. Der aufmerksame Sanders fand außerdem noch ciue Stelle, von welcher kürzlich ein großer Stein weggenommen war, denn die Erde sah ganz frisch und feucht ans, und wenige Schritte davon trafen wir noch mehr solcher Stellen. „Da unten liegt irgend ein Todter, so viel ist gewiß/' sagte Sanders; „das Geheimniß ruht aber für nHt in der Tiefe und ich wenigstens kann nicht ausfindig machen, wie wir es wenigstens in diesem Augenblick ergründen sollten. Die Zeit wird es aber wohl an den Tag bringen, denn Nichts ist so fein gesponnen, daß es nicht endlich käme an die Sonncu, und noch ist kein Mord vollbracht worden, sei er auch noch so gehcimnißnoll, der nicht zuletzt entdeckt worden wäre." So emsig wir nun auch nmhersiöberten, so konnten wir dennoch keine anderen Blutflecken mehr gcwalncn, als die, welche von den Constabcln znerst erschaut worden waren. Fest siand übrigens, daß hier ein tövtlichcr Kampf mußte vorgefallen sein, Ivcr aber das Opfer dcsscll'cu fei nno ob vielleicht die Tiefe deren mehr als eines verhüllte, daö blieb uns gänzlich verborgen. Ich war vermittelst Ruhe und Speise und Trank inzwischen meiner Kräfte wieder vollständig Meister geworden und der Anblick der Blutstropfen übten cms mich eine seltsam aufregende Macht, weil sich mir von diesem Augenblick an alle die Gefahren, welchen das arme Kind ausgesetzt war und noch ausgesetzt sein mußte, so es überhaupt noch am Leben, im lebhaftesten Lichte zeigte». Keiner meiner Gefährten zeigte daher mehr Eifer, die Verfolgung der Kinderräuber fortzusetzen, denn ich, uud ich trieb also die andern an, so schnell, wie möglich, vorwärts zu geben und die Zeit hier nicht mit nutzlosem Hin- und Herrathcn zu verlieren, sondern nur die Stelle zu mcrkcu, damit man sie später wieder auffinden und die nöthigen Nachforschungen anstellen föunte. Allerdings verwunderte ich mich manchmal wieder über den Eifer, der mich plötzlich ergriffen hatte, allein ich erinnerte mich dann meiner eigenen Kinder und mußte bei diesem Gedanken wohl für eine unglückliche Waise lebhafte Theilnahme empfinden, für cine Waise, welche unter so außergewöhnlichen Umständen meinen« Schutze empfohlen wordeu uud deren Vesitz, ja deren Leben so schlimme Menschen offenbar nachstellten, ........ Nachdem wir den Knecht, welcher uns die Mundvorräthe aus Sorclltown herbeigebracht, mit einer reichlichen Belohnung heimwärts gcsaudt hattcu, uahmen wir unter der Leitung Sanders die freilich jetzt sehr undeutlich gewordene Fährtc wieder auf. Der Nbeud brach aber mehr und nichr hcrci», die Sonne ne!ate sich rasch dem Horizont zn und wir hatten also die keineswegs tröstliche Aussicht, die Nacht im Freien uuter dem Wiutcr-himmcl zubringen zu müssen, der uns noch dazu mit einem Schncc-stöber drohte. Es war uns daher Allen sehr «wünscht, als wir entdeckten, daß die Fährten nach dem Coal River zu führten, in welcher Gc- li8 gend verschiedene Ansicdlungcu lagen, von dcum einige sogar bedeutend waren. Nachdem wir an einer Reihe von kleinen Farmen vorbeigezogen waren, gelangten wir an einen Platz, wo eine aus Stämmen aufgcblocktc Feuz thcilwcise niedergerissen war. Wir setzten nach und bekamen ein Haus ans rothen Backsteinen, welches irgend einem wohlhabenden Ansiedler gehören mußte und in einer Thalscnkung lag, zu Gesichte. Hier wurden die Fährtc» immer undeutlicher, als wir aber die Mitte der Fcnz überschritten hatten, bemerkten wir Spuren eines Hufeisens. „Ach," sagte Sanders, „jetzt wird cö erst recht Ernst; sehen Sie wohl, die Bursche scheinen Mrs daran setzen zu wollen, schnell von der Stelle zu kommen. Da haben sie nun einem armen Teufel von Ansiedler sein Pferd gestohlen." „Allein nach beabsichtigen sie, die Insel so schnell, als möglich, zu verlassen," bemerkte der Friedensrichter, „uud weil ihnen das in Hobarttowu mißglückt ist, so sollt' es mich gar nicht Wunder nehmen, wenn sie es in Launccston vrobirten." ,,Das Ware mir 'nc saubere Geschickte; eine Hatze von hun-dcrtlindzwanzig Meilen'). Allein wir haben doch wohl Hoffnung, sie srnhcr einzuholen. Sind sie zu Pferd, so hinterlassen sie auch ciuc deutliche Fahrte und da müssen wir nur Corgc tragen, diese nicht wieder aus den Nngen zu verlieren. Könnt' es nicht von Nutzen sein, jetzt, da es noch hell ist. die Größe und Gestalt dieser Hufeisen ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen?" Sanders ließ sich diesen Wink nicht zweimal wiederholen und fand, daß das Pferd am linken Vorderhuf ein breites, am rechten dagegen ein schmales Eisen trug. <3r maß Beide genau nnd no-tirte sich das Maaß in sein Taschenbuch. Einige uns m's Gesicht fliegende Schneeflocken und die nun <) Englisch« Meilen, deren ctwa vier auf eine deutsche gchen. Aümcrk, d. llcbcrs. il9 unaufhaltsam hercinbrechcude Dunkelheit erinnerten uns übrigens jetzt an die Sorge ftr ein Nachtquartier, jedoch gingen wir noch so lange, als wir die Hufspnren erkennen konnten, auf dcr Fährtc fort, und erst, als der Schnccfall stärker wurde und wir durchaus Nichts mehr zu erkennen vermochten, standen wir still und überlegten, was jcht zu thun sci. ,,Wciin Sic erlauben," sagte Sanders zu dcm Friedensrichter, „so mein' ich, daß Nichts dabei herauskommt, hcute Abend noch länger den Fährten nachzugehen. Wir verlieren dadurch mehr, als wir gewinnen, weil wir uns zu sehr abarbeiten nnd morgen auch ciii Tag ist. Zudcm können sie uns ja, wie Sie sehen, nicht entgehen, sofern es nur nicht zu schneien aufhört, was kaum zu befürchten ist. Spuren müssen sie hinterlassen n»d zwischen dem Sccufcr und jener Bergreihe dort müssen sic sich aufhalten, west-wegen wir l'loß ctwaö weiter hin die Strecke wieder zu kreuzen brauchen. Wenn ich Ihnen rathen darf, Sir, so ruhen wir jetzt aus und fangen morgen mit erneuten Kräften an. Vielleicht kön-ue» wir hier herum auch etliche Pferde borgen nnd um desto schneller werden wir den Flüchtlingen nachkommen können." Dcr Erfahrung des Constabcls vollkommen vertrauend nnd seinen Rath ganz verständig findend, wandten wir nns nnter seiner Leitung von dcr bisher cingcschlagencn Richtung ab und erreichte» nach einem clwa halbstündigen Marsch die Thüre der Blockhütte eines Ansiedlers, wo wir nm eine Unterkunft für die Nacht baten. Durch Zufall war dies die Behausung eiucs Mamies, wclchcm dcr Friedensrichter etwa zwei Jahre znvor um seiner guten Aufführung willen einen Frcischcin ausgestellt hatte und der seither eine Farm von dreihundert Acres Land gerodet, von welchen er jcftt fünfzehn bebaute. Wir wurden daher mit Fvcnndlicht'eit empfangen und Alles herbeigeschafft, was die ärmliche Hütte nur iinincr zn unserer Bequemlichkeit auszuweisen hatte. Das Feuer ward mit trockncm <2« Holz gefüttert, Fleisch in die Vratvfanne gethan und die Ansiedlcn'ii brach« das Theezeug in Ordnung, dcmi ans Thee und Hammelfleisch bestcht fast einzig und allein die Nahrung der ärmeren Klassen. Ucl'er die Flüchtlinge wußten indessen die Bewohner der Hütte uns Nichts zu sagen. Während im Innern derselben Alles möglichst gut angeordnet wurde, beschäftigten wir uns draußen mit den Pferden, welchen wir es freilich nicht sehr bequem machen sonnten. Eine Art von Vordach schützte sie jedoch gegen den Echme und Gerste und Kleie machten ihr Abcndfutter ans, weil Hafer und Heu, die noch jetzt in Vaudiemcusland ftlten sind, zu jener Zeit fast gar nicht zn erlangen waren. Nach kurzer Weile wurden wir von unserem Wirthe zum Essen gerufen. „DaS Hammelfleisch wird Ihnen freilich gar mager vorkommen," sagte er; „allein die Gegend hier herum ist für Schafe nicht sehr günstig und wir haben oft unsere Noth, sie den Winter über durchzubringcn, wo sie dann auch von Tag zu Tag mehr vom Fleisch fallen." „Ei, Richard Ihr scheint dcssen ungeachtet Euer Fortkommen zu finden," cntgegnetc der Friedensrichter, „da Ihr es schon zu einer Schafhecrdc gebracht. Wie viel Stück zählt sie?" »Fast dreihundert, Sir, aber sie gehören nicht mir, wollte rs wäre so. Nein, ich ziehe sie bloß für den dritten Theil, denn sie gehörten mit zu der Farm, welche mir, Dank Ihrer Güte, anvertraut wurde." „Habt Ihr eine Kuh?" "Noch nicht, Sir. Wir haben vier Zugochsen und zwar ziemlich gute, allein eine Kuh geht uns noch ab. Doch, hoff' ich, werden wir wohl dazu kommen, und haben wir erst einmal ein halbes Dutzend, so werden wir sie bald bezahlt machen, denn wir !24 leben ja nicht weit vom h'amp und nuine Fl'au weiß mit den Milchgeschäften gut umzugehen. In Hobbattown würden wir für jedes Pfund Butter eine halbe Krone lösen.... Aber wie, Sic «ssen ja nicht, Cir.....Vs ist Alles reinlich, wenn auch ärmlich .... Wünschen Sie Thee zu Ihrem Fleisch?" „Habt Ihr Nichts denn Thee für die Gentlemen, Dick?" fragte Sanders, eine bedeutungsvolle Grimasse gegen Scropv hin-«berfchneidend, welche dieser zurückgab. «Die Gentlemen haben sich an was Besseres gewöhnt, was unlängst zu bekommen war." Dick wics mit der Hand auf den Friedensrichter und schüttelte ten Kopf. Ich konnte die Bedeutung dieser räihsclhaften Zeichen nicht verkennen, und weil ich den Constabcl, dessen Scharfsinn und guten Willen wir so nöthig hatten, gerne bei guter kanne erhalten, zugleich aber anch des Nichters Pflichtgefühl nicht verletzen wollte, steckte ich Sanders zwei Fiiufvollarsnoten zu. Der Vonstabcl nickte als Antwort mit dem Kovfe und verschwand dann mit seinem Kameraden. „Habi ihr gutes Wasser in der Nahe," fragte der Friedensrichter den Ansiedler. „Nicht viel, bevor mau zum Fluß kommt. Dort aber ist dicht am Ufer 'ue gnte Quelle." „Puah! es schmeckt nicht gut aus einer Vlechpfannc..... wie Mineralwasser.......Ein Glas habt Ihr wohl nicht bei Handen, Dick?" „Hatten eins, Sir, ist aber zerbrochen und Anfänger dnrfcn rs mit der Einrichtung nicht so genau nehmen, wie Sie wohl wissen, Sir, Da ist jedoch eine Untertasse, wenn die Ihnen besser ansteht .... O, das ist tüchtig gebacken," rief er seiner Frau zu, welche inzwischen eine Art von Pfannkuchen am Feuer bereitet hatte, wobei ihr Gesicht einen guten Theil der Hitze abbekommen hatte.....So, das ist ein echter nnd gerechter Ansiedlers- 522 tuchen, leicht und gut, nur Schade, daß ihm Vier und Milch fehlen," „Ein Glas Grog müßte unter diesen Umstanden nicht übel sein/' bemerkte der Friedensrichter, „fürchte aber, es wird nicht zu kriegen sein. Wie weit sind wir denn von dem nächsten Wirthshaus entfernt? .... Rum ist in derlei Fällen besser, denn gar Nichts, obschon gesagt werden mnß, daß der neue bengalische Rum eigentlich ein schauderöses nnd überdies sehr ungesundes Gesöff ist .... dann und wann jedoch, so zu sagen als Arznei betrachtet ... ." Der würdige Friedensrichter wurde in seiner Herzcnsergicßnng durch Sanders unterbrochen, welcher init Scropps wieder herein kam und eine Flasche des genannten, ziemlich populären Getränks vor ihn auf den Tisch stellte. „Woher kommt dieß?" fragte mein Freund mit einer, offenbar freudigen Ueberraschung. „Nun, aus der Flasche," erwiederte ich. „Was mich angeht, ich gebrauche den Rum als Arznei," versetzte der Friedensrichter, welcher mich schnell begriff.... „nur als Arznei! . . . ." (Sanders und Scropps schüttelten sehr zwci-fclvoll die Kopfe) .... „denn genau besehen, verdirbt er bloß das Wasser .... Dieses Wasser da schmeckt aber in Wahrheit sehr falzig." So sprechend erlabte sich der Friedensrichter an einer, meiner Meinung nach sehr bedeutenden Portion dieser Arznei und, mit dcr geleerten Blcchpfannc auf den Tisch klopfend, daß sic einen kläglichen Laut von sich gab, als beklagte sie sich über ihr Leerfein, ergriff er die Flasche abermals am Halse, bog diesen nieder und richtete wie in Gedanken die Mündung wieder nach der Vlcch-Pfanne. „Zucker vorhanden, Richard?" 523 „Bloß brauner, Sir .... ist der weiße für neue Ansiedler zu kostspielig." „Wahr, Richard, sehr wahr. . . . Dieser Zücker ist aber in der That sehr braun, mildert jedoch die Spirituoscn einigermaßen . . . Nun möcht' ich einmal heißes Wasser statt deS talleu als Zuthat versuchen. Schöpft mit der andern Vlechpfanne da eitt Bissel auS dem großen Topf dort! ... So .... je nun, mit Mäßigkeit genossen, ist dieß ein Getränk, welches man von Zeit zu Zeit wohl verkosten kann." Die beiden Constables schienen übrigens die wahrhaft merkwürdig schnelle Abnahme des Inhalts der Flasche keineswegs so gelassen zu bemerken, und als der Friedensrichter seine Hand zum dritten Male auf eine sehr bedrohliche Weise au den Hals derselben leg!e, fichr ScroppS entseht auf und stieß, den gewohnten Respekt vor seinem Vorgesetzten ganz außer Acht lassend, in seiner Herzensangst cin lautes, klägliches „O!" aus. „Was gibt's?" fragte der Friedensrichter.... „Seid Ihr mit (5'nrcm Essen zu Ende? ... So?.. Nnn, so trinkt ein Glas Grog! Da, Sanders ist dic Flasche . . . Aber wir wollen schlafen gchcu . . Sagt mal. Richard, wie wollt Ihr uns für die Nacht unterbringen?" «Wär's nicht meiner Frau wegen, so würde ich Sie in nnscrer Kammer loglrcn, so aber will ich für Sie ein recht weiches Lager in der Kannuccke auf der Wolle zurechtmachen." „Wolle? Hoffentlich keine Vuhma's <) drin. Dick?" lind schon der Gedanke schien dcm guten Friedensrichter ein lebhaftes Jucken zu verursachen. „Nicht viele, Sir, nicht sehr viele, wenn man stc auch schlechterdings nicht völlig vertilgen kaun. Wo immcr ein Haus ist, da <) Dcr Ausdruck Auhma'ö, welcher cigeütlich große Känguruh's bczcich. net, ist hier im Scherze auf Flöße augcwimdt. 124 sind auch sie und wahrscheinlich sind die Hinidc daran Schuld. Uns selber lassen sie so ziemlich in Nuhe, oder wir haben uns auch wohl an sie gewöhnt." «An sie gewöhnt? Goit siebe uns bei! versetzte Sanders; alle Ansiedlers Wohnungen in dieser Gegend wimmeln von ihnen. Zur Sommerszeit kann man sie ganz deutlich an den Coal-Nivcr zur Tränke hüpfen und nachher wie ordentliche Christen zurückgehen schcn. 's sind lebendige kleine Burschen und sehr gesellig. Was mich betrifft, so kommen sie mir durchaus wie Känguruh's im verkleinerten Maaßstab vor, nnd wollte sich Jemand die Mühe geben und sie mit einem Vergrößerungsglas nntcrsuchcn, so würde man sie wahrhaftiglich vollkommen känguruhmäßig ausgebildet siudcn und mit Schwänzen und falschen Bäuchen versehen. . , . Da ist einer . . . ein veritablcr Vuhma, Golt straf' mich! . . . aber" — (bei diesen Worten vernahmen wir einen eigenthümlichen, krarenden Ton) — ,/Dn sollst die Zeche dennoch ohne den Wirth gemacht haben, du schwarzer Hallnnke, und dn nicht minder" — (das beschriebene Geräusch wiederHolle sich) — „und den Henker über sie, da ist )'a eine ganze Colonie voll , . . Nun, so beißt denn drauf los, Schätzchen! Wo sie einmal so zahlreich nisten, da brancht man sich weiter keine Mühe mehr mit ihnen zn machen. Was geschehen muß, innß geschehen nnd wir muffen uns in Gottes Namen aufopfern." Unter ähnlichen Klagen ging die Nacht herum, während Jeder von uns einen sehr undankbaren Krieg gegen die rastlosen kleinen Angreifer führte, wobei mitunter auch manch ein Kernftuch gehört wurde. Mit dein ersten Morgengrauen waren wir wieder auf nnd nach dem gewöhnlichen Frühstück armer Ansiedler, bestehend aus geschmorten Hammelsrippchcn, Thee ohne Milch nnd Dampers ohne Butter, machten wir uns zum Weiterziehen fertig. „Nnn, Nichnrd," sagte der Friedensrichter zn unserem Vcher- 125 bergcr, „wir sagen Euch fur Eure Gastfreundschaft herzlichen Danf. damit Ihr aber durch unsere Einkehr nicht allzugroßen Schaden leidet, so gebt das hicr Eurem Frauchen; es inacht den Topf besser kochen." Und so sprechend bot er deni Ansiedler eine Vicrdollaröliotc an. Allein iinscr Wirth verweigerte die Annahme und sagte: „Nein, nicht so, Sir! Glauben Sie ja nicht, daß ich Gelb von Ihnen, dein ich so viel vcrdanlc, annehme. Alles, was ich besitze, sieht Ihnen mit Freuden zu Diensten und ich möchte mich nicht dafür bezahlcu lassen, das; ich meine" .... Freunde wollte er sagen, verbesserte sich aber schnell und fügte bei . . . „daß ich die Pflichten der Gastfrenndfchast erfüllt habe." „Wohl, Dick, wie Du willst." Weil ich übrigens dein Mann seine verzehrten Mundvorräthe zu ersetzcu wünschte, so gclaug es mir, eine Zweioollarsnote bei seiner Frau anzubringen, und da mein Freund, wie er mir spater sagte, tic von dein Manne zurückgewiesene Vierdollarsnotc au die nämliche Adresse befördert halte, so konnten wir wenigstens darüber beruhigt sein, daß die gnten Leute durch uns nicht in Schaden gekommen ....... Es hatte die Nacht über ziemlich heftig gcschneu, so das; der Schnee einige Zoll hoch lag. Die Wolken drohten übcrdieß mit noch mehr Schnee und Unwetter und wir nahmen deßhalb unsere Jagd unter nicht sehr günstige» Aussichten wieder auf. „Iekt, Sanders," redete der Friedensrichter den Cousiabel an, „jetzt zeigt nur mal, was Ihr könnt, wenn Noth an Manu gehl. Wohin sotten wir uuS jeftt wenden und auf welche Art die Fährten der Flüchtlinge wicoer auffinden, da dieser Schnee Alles überdeckt hat? " „Seien Sie unbesorgt," cntgeguct dcr Consiabcl. „Der näm- «6 liche Schnee, der den einen Theil der Fährte verborgen hat, cuthüllt auch den andern, nnd was jetzt so schlimm aussieht, macht sich nachher desto besser. Die Flüchtigen sind jetzt außer Standes, uns zu entgehen, und wenn ich sie nicht so leicht finde, wie Seropps einer Flasche Num, Falls er eine hätte, den Hals brechen wurde, so will ich meines Frcischcins verlustig gehen!" Durch diesc fraftvolle Versicherung ermuthigt, gingen wir abermals voller Viser nn da« Ausspüren der Fahrten. Vierzigstes Kapitel. Wic Ecrovv clcgisch wird. — Nolbgcdrunqcnc ^inkchr. — (Z1n l'cnttcinr Die Gegend, in welcher wir uns jetzt befanden, gehörte zu der fruchtbarste» von Vandiemcnsland. Vs wurde daselbst damals der meiste Walzen gebaut und die dortigen Ansiedlungcn lagen der nahen Wasserverl)indnug wegen sehr günstig. Auch ist der Boden daselbst besser, als durchschnittlich im ganzen Lande nnd manche Waizcnättcr haben mehr als fünfzehn gute Erndtcn hinter ciunurer gegeben, ohne auch nur ein einmaliges Düngen nöthig zu machen. Dagegen aber eignet sich das Land dort, des Mangels an Wcioc-grund wegen, nicht gar sehr zu Vieh- und Schafzucht, (5ö entstanden dort herum aus den angegebenen Ursachen eine Menge flci-ner Farmen, welche sich aber fast ausschließlich dcm Ackerbau widmeten nnd nnr kleine Hcerden hielten. Die Richtung, u'clche wir verfolgten, führte u»s längö der einm Seite dieser Farmen hin und wiv begegneten, weil es noch ,27 gar flüh am Tage war, auf unserem Wege auch nicht einem Menschen, hielten es übrigens auch nicht der Mühe werth, ron unserer Richtung abzuweichen, um Erkundigungen einzuziehen, weil wir dadurch jedenfalls Zeit eingebüßt hätten und wir mit diesem Artikel gerade jetzt sehr sparsam sein muftcu. Zudem konnten wir auch nicht wissen, ob wir nicht gerade durch «nftr Veröffentlicheii unseres Uuteruchmrno au die unrechten Personen fämcn und wir dadinch unserem Vorhaben mehr weit geschadet, als genutzt hätten. Wir behielten daher etwa sieben M'cilcn weit unsern geraden Cours bei nnd kreuzten dann den, welche» unserm Vermuthen nach die Flüchtlinge genommen haben mußten. Allein lange war unser Vemnhcn, die Fährten zu finden, vergeblich nnd erst auf der Brighton (5bene trasen wir die richtigen Spure«. „Schau'n Sie!" sagte Sanders, „da haben wir sie! Sie können uns jetzt sicherlich nicht mehr entgehen, obwohl sie den eingc-sunkcncn Fährten nach zu urtheilen, einen große,, Theil der Nacht zum Fliehen benutzt haben müssen." „Gewiß hat das arme kleine Mädchl» durch die Kalte viel gelitten." bemerkte der Friedensrichter. „Es ist doch eine schnöde Büberei, ein so zartes Wesen den, Schnee und Frost einer solchen Wiuternacht anzusetzen." „Armes kleines Mädchen?" nahm sich der sonst so znngen-faulc Scroppo zu bemerken die Freiheit. „Armes kleines Mädchen? Sie sind also nicht der Meinung, daß sie es abgekehlt haben, Sir? Dic Blutstropfen siud mir bis jetzt nicht aus dem Sinne gekommen . . . «Hrinnere mich noch ganz gut, daß, als ich faum in dieß Lanv gekommen war, sür meinen Herrn ein Schaf schlachten mußte und aus Versehen das ^ammchlN dcr Tochter vom Hause ergriff. Sie kam dazu, als es gerade gethan war, und ich werde mein Lebtag den Blick nicht vergessen, welchen sie mir zuwarf. Ich hatte den Kopf zwischen meinen Knieen und mein Messer ..." ,/Schon gnt, schon gut, Mann!" ries ich, ihn unterbrechend 128 aus, denn das Bild, welches er noch weiter auszumalen im Vegriff war, machte mir übel; „es ist schon genug. Freilich können wir nicht gewiß wissen, cbdasKiüd lebt, aber es ist wenigstens wahrscheinlich, wcil die (5»tführcr ein Pscrd genommen haben. Wollte nur, wir könnten Etwas erfahren, was uns Gewißheit gäl'e. Lngt scharf aus und Ihr sollt cinc Flasche Nnm haben, so Ihr irgend etwas von Bedeutung entdeckt." „Schön, Sir, sehr schön! Werde schon aufpassen, jcdenuoch nicht vou wegen des Nums, nein, wahrhaftig nicht. Das kleine Kind dauert mich und ist mir's immer, als sähe ich es so mit dem Kops herntcrhängeN/ wie damals dnö Lamm, und dcn Hals . . ." „So ... ja, aber laßt das gut sein nnd gcht lieber voran, un, zu sehen, ob Ihr Nichts entdecken könnt. Vine Stunde, ja sogar einige Minuten mögen hicr über Leben und Tod entscheide»'." Dadurch angespornt, begab sich der pftichteifiige Scropvs auf seinen Posten nnd begann, theils ans wirtlichem Mitleiden mit dein Kind, theils wohl anch durch den Gedanken an die Flasche Rum getrieben, mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit nmherzu-spähen. C'ö währt: auch gar nicht lange, sc> erlebte er die Genugthuung, in den Fahrten der Flüchtlinge eine Abweichung zu entdecken. „Hier ist was vorgegangen," meinte cr: „der Mann nut dem kleinen Fuße ist Imkshin gegangen, während dte Uebrigen ihren Cours beibehielten." „In der That," rief Sanders, »das ist der kleine FuZ! der hat sich nach der linken Seite gezogen und ich sehe aucli nicht, daß er wieder in die Fährten der Ucbrigcn eiügebeugt h.itte. Was ist wohl jctzt zu tlniü? D.is muß eine List sein ; kaun mir nichts Anderes vorM.n." 129 Der Friedensrichter wandte sich ohne Iauden: zu mir mit den Worten.- „Sie mögen mit den beiden Constabels diesen Spuren folgen, bis sie jenen Hügel dort, worauf ein hoher Gumbaum steht, erreichen, ich aber will dem, der sich links gewandt, eine Viei!e Weit folgen und finden wir, baß sich die Flüchtlinge wirklich getrennt, so können wir die Sache nachher in nähere Ueberlegung ziehen." Mit diefeu Worten setzte er sich in raschen Trab und verschwand bald hinter einer kleinen Anhöhe. Bevor wir aber an dem bezeichneten Hügel anlangten, kam er in einem rechte» Winkel bereits wieder auf uns zu und erwartete uns, indem er uns Folgendes mittheilte: Hinter der Anhöhe, welche der Friedensrichter umritten, lag die Hütte eines Stockkcepcrs, welche wir von unserem vorigen und jetzigen Standpunkt aus nicht hatten schcn können, und an dieser Hütte, theilte uns dcr Nichter mit, hätte vor Tagesanbruch ein neuer Ansiedler Einlaß begehrt und einigen Mundvorralh verlangt, angebend, er habe uoch einen Gefährten bei sich, welcher unfern der Hütte seiner warte und für welchen, sowie für sich selbst, er eiuige Lebensmittel zu kaufen wünsche. Der Aussage deö StocklceperS zufolge hätte es sich auch nicht verkennen lassen, daß es ein neuer Ansiedler war, denn er trug eiue» schwarzen Nock uud eiue Weste von der gleichen Farbe, hatte im Walde einen neuen Hut auf und zefgte Fremden u'igescheut sein Geld. Der Stockkccpcr gab ihm, was er gerade im Vorrath hatte, einige Hammclörippchen, Dampers und etwa zehn Pfund rohes Fleisch, für welche Lcbensmittel der Fremde eine VierdollarSnote bezahlte. Der Richter ließ sich die Note zeigen und wechselte dieselbe unter dem Vurwand, daß er gerne eine von dieser Bank besäße, mit kleinem Gelde ein. Er meinte, hiedurch später einmal ein Zeug-Abenteuer eines Auswanderers II. 2 H30 niß mehr gcgcn den Flüchtling zn bekommen, theilte übrigens dc^n Strckkeeper nicht mit, baß wir hinter dem vermeintlichen neuen Ansiedler her wären, weil es, wie er nicht ohne Grund bemerkte, besser sei. in derartigen Sachen so wenig Vertraute, als möglich, zu haben. Die Spur dcS lleincn FnßcS mit Leichtigkeit verfolgend, bog er mit dieser wi'crcr in imscrc Mavschlinie ein. Insofern wir diesem Vcrichte zufolge nicht zweifeln konnten, daß wir diesem John Wolsey oder John Shirley wirklich auf den Fährten und nicht gar weit von ihm entfernt wären, war Alles gut, uud obschon wir noch immer kciuc Spur von dem kleinen Mäochc» fanden, so durften wir dcnuoch versichert sein, daß cS noch am Leben und bei den beiden Mäimein sei, weil sich dieser Bursche so allein nach der Hütte geschlichen hatte, um Lebensrnittel zu holen, da er Allem nach besorgte, verfolgt zu werden, wenn er sich mit dem Kinde zeigte. Von dieser Ueberzeugung mit neuer Hoffnung erfüllt, setzte» wir unsern Zug munter und muthig fort. Bald jedoch fühlten auch wir uns von dein Bedürfniß augewandelt, etwas Gcnießbareo zu uno zu nehmen, und waicu nur unschlüssig, woher wir uus das Nöthige ohuc vicl.n Zeitverlust verschaffen sollten. Außer der Befriedigung dco augenl'Iicrlichen Bedürfnisses drang sich uno auch die Nothwendigkeit auf, uns, so lange wir uns noch in der Nähe der Ansiedlungcu befände», mit einem tüchtigen Vorrath von Lebeus.mtteln zu versehen, weil wir jetzt immer tiefer in die Nild^iß eindrangen, da die Flücht,iugc die bewohnten Theile des Landeö augenscheinlich vermeiden ;u wollen fchicucn. Dadurch ließen wir uuö jedoch nicht aufhalten, sondern verfolgten mit u öglichslcr Eile, die Anstellung Bagdad zn unserer kiufcn lassend, die Fährten und zwar auf einem, für Reiter durchaus nicht günstigen Terrain, bis wir ;u einer Stelle kamen, welche unserer Vcrcänung nach dcu Grcen-Ponds grade gegenüber lag. <3l Mittagszeit war schon vorüber und wir wurden bedeutend vom Hunger geplagt, ließen aber dcmungeachtet von unserem Eilmarsch nicht ab, weil wir jeden Augenblick die Flüchtlinge einzuholen glaub« ten, als sich mit einmal wieber eine der Fahrten linksab wandte, dicßmal jedoch die des großen Fußes. Wir legten auf diesen Umstand fein sehr großes Gewicht mit» hielten uns nicht damit auf, diesen Abstecher ebenfalls zu verfolgen, fanden dcnselbcn auch bald erklärt, da wir ungefähr drei Meilen weiter die Hufspurcn eines zweiten Pferdes denen des erstem sich anschließen sahen. Dem Ausschrcitcn der beiden Thiere im Schnee nach zu urtheilen, lag eö am Tage, daß sich der eine Spitzbube ebenfalls zu einem Pferd zu verhelfen gewußt hatte und nim Veide, fürder nicht durch einen Fußgänger aufgehalten, Alles daran setzte», rasch vom Flecke zu lommcn. Diese Entdeckung brachte dcn Friedensrichter indessen nicht aus der Fassung; schnell entschlossen riß er ein Blatt Papier aus seinem Taschenbuch und schrieb darauf die Bitte: «Man versehe die zwei Constabcls, nm der Justiz zu Hülfe zu fommen, mit Pferden, für deren Bezahlung — Miethe oder Kauf — er selbst einstehen wolle." Und diesen Zettel Sanders übergebend, sagte er: „Thut, w.is Ihr könnt, nm Guch und Scropps beritten zu machen!" Dann wandte er sich zu mir mit der Frage: „Und Sie Thornlcy? Nicht wahr, Sie lassen mich jetzt nicht im Stich? Müssen Sie aber schlechterdings auf Ihre Farm zurück, so muß ich cbcn allein vorwärts." „Seien Sie unbesorgt," cntgeglictc ich, „wie Sie die Pflicht, so treibt mich die Neigung." „Mich treiben beide gleichmäßig," sagte n> und wir spornte» unsere Pferde in scharfen Trab. 9" <32 Die Flüchtlinge mußten jedoch von Jemand geleitet werden, der das Land durch und dulch kannte, denn die Fährten liefen in möglichst gerader Linie durch das Land, und nacheilend durchritten wir ein ziemlich hügelloses Land, welches uns zur Lixfcn durch den Krcuzsmnvf und weiterhin dnrch jene schöne Landschaft, welche man die „freundlichen Ufer" hcißt, bekränzt wurde, bis wir an die bewaldete Bergreihe kamen, über welche hin cinc Straße nach Jericho, das ungefähr vierzig Meilen von Hobarttown entfernt liegt, ausgchauen war. Nachdem wir die Springhügi'l erklommen hatten, was unser«: Pferde tüchtig mitnahm, wandelte nils große Lust an, links nach Jericho abznbcugcn, «m uns und die Thiere zu stärken, allein dic frischen Fährten vor uns lockten miö immer weiter nnd wir verfolgten sie durch die „Ebene der vierzehn Bäume," an der^Citronenqucllc" vorüber, bis znm „Haferland," in dessen Umgebung der berüchtigte Bushranger Howe so viele seiner Uebclthatcn vollführt hatte. Gerade an dieser Stelle hatte er jene fast an's Wunderbare gränzende Flucht bewerkstelligt, welche noch heutzutage den neu in's Land Kommenden beim Kaminfeuer u»d einem Kangnnchdamper erzählt zu werden pftegt. Howe nämlich war gefangen worden und wurde mit fest auf den Rücken geschnürten Armen transportirt, Ein Soldat ging mit gespanntem Hahn voraus, ein zweiter hinter ihm her. Da wußte er sich ... wie? hat man nie in Erfahrung gebracht .... von seinen Banden frei zu machen, paßte dann die Gelegenheit ab, bis sie nln den Fuß eines steilen Hügels bogen, und stach mit einem auf nicht weniger wunderbare Weise erhaltenen Messer den vorangehende» Soldaten nieder, ergriff dessen Muskete, crfchosi damit den andern, der eben um die vorspringende (5cke bog, und floh in den Wald zurück. Wir trafen auf unserem Marsch kein lebendes Wesen, ritten wcitcr nnd immer weiter, wen« auch etwas übel gelaunt, daß wir 133 den Burschen im schwarzen Nock nicht einzuholen vermochten, z«.'gcn am „Albanytlial" und dem „St. Peterspaß" drüber, betraten hier ein schönes, ebenes, ziemlich baumloses Land und gelangten in dic Nähe der „Antil-Weiher." Unsere Pferde waren jetzt in dcr That gänzlich erschöpft u„d einzig und allein die immer frischer ausschcndc,! Fährten vermochten uns zu einem letzten Versuch anzutreiben, der nns in die „Ebene der Salzlciche" brachte. Zu jeder andern Zeit hätten wir sicherlich diese herrlichen, wcithingedchnten Flächen bewundern müssen, auf welchen der Blick meilenweit umherwandern fan», ohne auf einen Punkt zu stoßen, der ihm die Aussicht versperrte. Ich Ogc, wir hätten zu jeder andern Zeit den Anblick dieser Ebenen bewundern müssen, dcun in einem sonst so dicht mit Wäldern überdeckten Lande, wo das Gehölz gewöhnlich das größte Hinderniß für den Ansiedler ist, muß eine baumlose Fläche uothwcndigerweisc Bilder von mit wogenden Saaten geschmückten Fruchtfeldern in dcr Seele des Colonistcn hervorzaubern. Sogar in unserer jetzigen Lage konnten wir nicht umhin, wenigstens einen Augenblick lang unsere Pferde anzuhalten, nm die-Pracht dcr so eben untergehenden Sonne anzustauueu, wie sie hiu-ler den Wänden der hohen Berge, die wir zu unserer Linken hatten, verschwand und in ihrem Verschwinden die nebelumhülltcn Häupter derselben mit einem glorienhastcn Feuerschein umgab. Oestlich in diesen Flächen finden sich viele sehr salzreichc Teiche, aus denen sich znr Zeit des Sommers die Ansiedler ihren Salzuorrath holen, indem sie die wässerigen Theile desselben au der Sonne verdunste» lassen, gerade vor uns aber lag der prächtige Berg Ben Lomond, dessen Umrisse aus dcr hereinbrechenden Dämmerung klar und deutlich unter seiner Schneekappc hervortraten. „Noch einen Versuch!" sagte der Richter, „und wir müssen sie eiuliolcn!" <34 Allein unsere Pferde waren sehr müde in Lande bin, was Anderes, denn Hammclsrippchcn, in Sicht gehabt habe. Die Schafe miissen hier aus lauter Rippchen bestehen, vom Bug l'iS zum Stern." „Hier ist auch eine ircfflichc Kängunlhschwanzsuppe," sagte der Wirth. „Känguruhschwanzsiippe? Aha, auch wieder einmal? Gesegnet sei ich, wenn ich, während ich zu Launceston war, was Anderes zwischen die Zähne gekriegt, als Känguruhschwanzfnppe. Tag und Nacht, 's war ein veritable« Kalfatern. Hätte ich damit fortgemacht, ich glaube wahrhaftig, ich hätte müssen ganz verwandelt werden, denn ich spürte schon, daß ich 'ncn Schwanz kriegte nnd zn springen ansing, wie die ewigen Känguruh'S. Aber verd. . . ." „Was haben Sie denn?" fragte ich, weil unser spaßhafter neuer Bekannter mitten in seiner Ncde abbrach und mit ausgestrecktem Messer nnd vorgehaltener Gabel in eine Art Starrkrampf verfallen zn sein schien. „Avast!" ') sagte er .... „zählte bloß zwanzig." „Zählten zwanzig? Und warum zählten Sie denn zwanzig?" „Oh, seh'ü Sie, hab' meiner Frau versprechen müssen, jedesmal, so oft ich anfangen wollte, zn fluchen, bis auf zwanzig zu zählen, und das thu' ich denn auch in der That, ansgenom-incit bei unerwarteten Windstößen und dergleichen plötzlichen Zufällen. Und wenn ich sage: Gott segne mich! so hat das darin seinen Grund, weil meine Frau der Meinung wor, Falls ich doch, unl mein Herz zu erleichtern, schlechterdings Etwas sagen müßte, sollte es lieber etwas GuteS, als etwas Schlimmes sein. Ja, ja, kann Ihnen sagen, daß sie außerordentlich auspaßt und 1) S«mannsarsdn>ck für: Hall! «38 unmenschlich fromm ist. Ist doch eine gute Fran das Vest« am Leben. Sie hätte mich übrigens fast eingebüßt, denn gerade, be-Vor ich hier ankam, machte mein Schiff einen ganz entsetzlichen Nuck, hielt mich zwar ordentlich an dem ledernen Tatclwerk, mußte aber doch 'rnnter ohne Barmherzigkeit, half NlleS Nichts." „Sie sind eben des Reitens wahrscheinlich nicht gewohnt," sagte der Friedensrichter. „Gewohnt? Nein, sicherlich nicht, will's auch nie werden. Landete vor etwa zehn Tagen, um mir das Innere der Insel anzusehen, und legte, so lange ich mich auf meine eigenen Beine verließ, auch eine ziemlich ordentliche Strecke zurück, obgleich das Gehen anf dem festen Land eben nichts Angenehmes ist. Als ich aber in Jericho (kurioser Name für eine Stadt, daS) einlief, kriegt ich 'neu Vrief von meinem Schiffer, worin stand, ich sollte alle Segel aufziehen und zurückstcueru Dieser Umstand brachte mich denn dazu, dieß verdammt gesegnete Pferd zn miethen, Welches Jemand nach Launccstou zurücksenden wollte." „Nun, wie, siud Sie davurch rascher vorwärts gekommen?" „Nascher? Ja, laugsamer, wenigstens vier Knoten langsa, wer, denn solch ein Hin- und Herwackeln hatte ich bis jetzt noch nicht erlebt. Konute daS Vcest kaum iu Gang bringen, war so langsam und schwerfällig, und ging's auch endlich, so blied's sich doch immer gleich. DaS verfluchte AaS gehorchte dem Steuer gar nicht, und dann machte es mich auch fortwährend irre, daß daS Steuerruder vorne, statt hinten angebracht war, Endlich faßt' ich dir Canaille mit der einen Hand am Schweif, und sogleich stand die Bestie still und sprang mit dem Stern in die Höhe; nach einiger Zeit brachte ich jedoch, indem ich den Schweif balo uach der Steuerbord- bald nach der Vackbordseite drehte, deu rechten Cours 'raus, indem ich vor Allem mich anstrengte, das Fahrzeug der Strömung wegen in der Mitte der Straße zu halten. Fortwährend aber drängte sich die Schindmähre bald rechter 539 bald linker Hand ab, als wäre sie von einer Nückströmung er->"ßt. '^ „niß spaßig auSgeschen haben, bin abcr wenigstens glücklich bis hicher gekommmen." „Steuerbord und Backbord," sprach ich bei mir, „das ist Alles recht schön, genügt abcr doch noch nicht/' Und laut fuhr ich fort: „Sagen Sie mir doch einmal, Sir, wie es fam, daß Sie an Vord dieses unbehülfticheu Fahrzeugs blieben, he?'/ „He?" entgcgncte er, über sein NumglaS nach mir herüber« lugend und zweifelhaft lächelnd .... „bitte, Kamerad, zu we!» chem Schiff gehört denn Ihr?" „Ich?" ,M, ei .... schau doch einer die Auftakelung! .... O, ich merke schon .... ja wohl, ja .... segelt unter falscher Flagge .... möchtet gerne sort .... ei freilich, 'ne blaue Jacke sitzt bcsser, als 'ne gelbe, he?" Voller Verwunderung fragte ich: „Wofür halten Sie mich denn?" „Auf keinen Fall für ciiicu Matrosen, das ist gewiß .... Sciv abcr meinetwegen ohne Furcht .... bin lein Klatschmaul, geht mich auch die Sache Nichts an .... wünsche Guch allcS mögliche Glück!" Nun wahrlich, dachte ich bei mir, das Vl'att hat sich auf eine kuriose Art gewendet. Ich muß nämlich bemerken, daß ich vonHobarttown her noch immer mciuen Secmannsanzug trng, n«r hatte ich statt des kleinen Matrosmhutcs aus Wachstuch meinen eigenen aus schwarzem Vibcr cnlfgcfctzt. So erregte ich denn bei dem Matrosen genau denselben Verdacht, welcher bei seinem ersten Anblick in mir aufgestiegen war, und es war dieß um so vcrdrüßlichcr, als der Bursche steif und fest <40 dabei blicb^ in mir cincn auf der Flucht begriffenen Dcpottirten zu sehen. „Ei," fragte ich endlich etwas ärgerlich, „wer sagt denn, daß ich kein Matrose sei?" „Wer mir das sagt? Gott segne mich! Kann denn ein Matrose cincn andern nicht auf dcn ersten Vlict erkennen, oder eine Landratte von einer Wasserratte unterscheiden? Hat man es jemals erlebt, daß sich ein Matrose mit dem Nucken an die Stuhllehne drückte oder die Beine übereinander schlug? Aber nur unbesorgt .... bin stumm wie 'n Fisch.... ein V^rkshirer vermag, wie weltbekannt, durch ein zollvickcs Vrclt zu sehen, plaudert aber nie au»?, was dahinter steckt." „Sie sind aus Berkshire?" fragte ich schnell; „aus welcher Gegend?' „Aus Whitby, d. h. ich habe in Whitby gedient, geboren aber bin ich auf dem Gute des Squire Shirley, unweit uon Lin-ncdale, dicht an der Lordabtci. War mein Vater ein Pachter dcS Squire Shirley, ich aber hatte Lust ;um Seelebcn, wic's die Jungen manchmal ankommt." „Sic kennen demnach den Squire Shirley?" „Freilich, dcu Squire William Shirley; ist aber schon 'ne Weile todt/' /.Nie lauge wohl?" /,Zwanzig Jahre etwa." ? „Hatte er Kinder?" „Nein, aber zwei Bruder." „Und wie ist's mit denen?" „Der ältere. Namens George, ist fortgekommen, weiß Niemand, wohin. War in seiner Jugend ein toller Bursche, der George; der jüngere aber, Namens John, hat die Abtei in Besitz, denn da man von seinem Bruder nie mehr Etwas hörte, nahm er natürlich die Erbschaft m Besitz." <4l „Wie viel sind wohl die Güter werth?" „Bah, das kann ich nicht gcna» sagen, weiß nur, daß sic die besten im ganzen Lande sind." ,,Hat der Squire William ein Testament hinterlassen?" fragte bcr Friedensrichter. ,,C's war allerdings ven einem Testament die Rede, habe aber nie recht klug auö der Sache werden können. Man sagt anch, der George sei schon vor vielen Jahren gestorben, glaub's aber nicht und meine, es sei an der ganzen Geschichte nicht Alles sauber." Der Friedensrichter nnd ich wechselten einen Blick dcs Einverständnisses, daß wir so plötzlich eine ganz unerwartete Nachricht über Dinge bekamen, die nnscr Interesse so lebhaft berührte». Wir hielten es indessen nicht für ersprießlich, unserem nenen Bekannten Etwas davon anzuvertrauen, und verließen, unter dem Vorwand, nach unsern Pferden zu sehen, die Stube, um draußen eine kurze Besprechung miteinander zu halten. „Ob uns wohl unser neuer Bekannter von irgend einem Nutzen sein könnte?'^ fragte ich. „Jetzt schwerlich/' cutgcgncte d:r Friedensrichter; „er winde «W eher hinderlich sein, kommen wir aber nach Launccston, so wollen wir d« Sache in nähere Nebcrlegung ziehen." Der Schnee lag in einer Höhe von mehreren Zollen, allein der Himmel hatte sich aufgcklärt nnd wir bedauerten daher die Zeit, wclche wir cmf diese Art einbüßten. Dieß ließ sich indessen nicht cmbers machen, denn in eine», Lande, wo man Flüchtlinge nur auf ihren Fährten verfolgen kann, kommt die Dunkelheit Niemand ^ zu Statten, wie ihnen. Wir mußten uns deßhalb darein fügen, h^r z,i übernachten, wcil ohncdicß unsere Pferde der Ruhe noch sehr bedürftig waren, Falls sie nns am nächsten Morgen Dienste leisten selten. 142 Wir wünschten also unserem neuen Bekannten, den wir beim Genusse eines gewaltigen Glases Grog, wozu er sich die Gesellschaft des Wirthes erbeten hatte, verließen, gute Nacht und zogen uns auf die für uns bereiteten Lagcrstcllcn zurück, mit dem festen Vorsatz, bei dem ersten Morgengrauen die Verfolgung wieder aufzunehmen. Cinunovierzigstes Kapitel. Ein ncucr Gast. — °Dcr vandicmenslmidischc Iokcy, — Hcrwcchslunss. — Furtsc>)»ng dcr Verfolqung. — Vergeltung. — Dic Vinqcborcnc». — Ncuc Wir konnten uns aber nicht lange ungestört dem Schlafe hingeben, denn nicht lange nach Mitternacht erweckte uns ein wüthendes Geklopfe an dcr Hauothürc, welches von dem Knopf einer schweren Reitpeitsche herzurühren schien, und dann vernahmen wir eine unwirsche Stimme, welche anf dcr Stelle Einlaß begehrte. z/Sie brauchen die Thüre nicht einzuschlagin." hörte ich eine Stimme schreien, in welcher ich die des Wirthes vom „Vasuar" erkannte. „Können Sie denn nicht so lauge warten, bis man ein Slnck Gewand über sich geworfen? .... Wer sind Sie denn und was wollen Sie?" „Wer ich sci und was ich wolle? Nun, das ist noch hübscher, meiner Trcu'! Kennt Ihr denn Charles Chaffem nicht?" „Dcr Iokey aus dcr Sandbay? Bei St. George, ist es die Möglichkeit? Was bringt Euch auf diese Seite der Insel und noch dazu im Schnee?" 143 „Was mich hcrbniigc? Ei, nun, cm Pserd hat mich hergebracht, oder eigentlich haben das zwei Pferde gethan: eines, auf welchem ich sitze, und ein anderes, ans welchem ich leider nicht sihc. Löst mir mal dieß Räthsel anf, Master Iemmy." ,/Nnd von wannen kommt Ihr jetzt?" „Seit heute Morgen vom Coal-Niver. MaS meint Ihr dazu, daß sich irgend 'nen pressiricr Gcntlciuan mit meinem Braunen fortgemacht hat? (5r, der Braune nämlich, fam gestern Abend nicht zur Füttcriüig, und ich spürte gleich, 's müsse mcht richtig sein, fonnie aber Nichts machen, bevor der Tag anbrach, wo ich dann den Gaunern durch das ganze Land nachspürte. Es waren noch zwei anrcre Spitzbuben bei den, Diebe meines Pferdes und fam zuletzt sogar ein Vierter hiuzu .... 'iic gau;c Bande. Erst ,nit dem Eiubnich der Dunkelheit, bog ich hier liufo ab.... Hol' Euch aber Dieser nnd Jener! Was steht Ihr denn dä und schwatzt, statt Eure Thüre ;u öffnen? Meint Ihr denn, cs sei so angenehm, hier außen zn warten, wenn's Einen hungert und friert?" Weil ich unschwer darauf kommen mußte, die Begcgmmg mit dem Eigenthümer des gestohlenen Pferdes könnte einige Ertlarun-gcn und Aufklärungen nöthig machen, so stand ich lieber sogleich auf und kleidete mich an. Bevor ich aber in die Stube treten konnte, welche au meine Kammer anstieß, war der neugierige Charleo (Hhaffein bereits im Stalle gewesen, nm mein und des Friedensrichters Pferd zu untersuchen, welche sich sehr behaglich auf die frische Streu ausgestreckt hatt,». Mit dcm Wirth in die Stube tretend, sagte er jetzt, den Dieb seines Pserdcs im Auge habend nnd in seiner, wahrscheinlich schon im Stalle begonnenen Argumentation sortfahrend: „Er kann nicht weit weg sein, denn ich will gehenkt werden, wenn die beiden, hier sehr comfortable eingestallten Thiere nicht zur Begleitung des Schurken gehören. Tragen sie dcch Hu'eiscn aus dcr Schmiede von Nick Naylor in Hobarttown, und so lange die nicht abgenützt sind, kann man auf sic schwören. Bin den Spuren dieser Hufeisen Schritt für Schritt nachgeritten und wollte sie aus Hunderten heraus erkennen. Eine saubere Wirthschaft das hier zu Lande, das must ich sagen, wenn die Leute sich gar noch «daran machen, Pferde zu stehlen. Sollen aber baumeln, so viel ist gewiß, sollen baumeln oder es gibt keine Gesetze mehr in den Eolonieen!" Liebliche <3ompliincntc das, dachte ich, sehr anständige Com» plimente für mich und dcn Friedensrichter! „Mein lieber Sir," sagte ich hicranf nnd trat in die Stube, „das eine der Pferde gehört nur und das andere meinem Freunde. Ich mußte der Nahe wegen >»it anhören, wao Sie gerade über uns zu sagen beliebten, gebe Ihnen aber die Versicherung, das! Sie sich bedeutend auf dem Holzwege bcnndcn, was ich Ihnen leicht beweisen könnte, wenn ich Ihnen Alles erklären durste." „Vi, hört doch mal!" rief unser neuer Bekannter von gestern Abend, mit der Raschheit eines Seemanns von seinem Lager aufspringend; „hott doch mal! War gestern Abend ein Matrose nnv nun maulwerkt er wic 'ncn Novokat.... Ja, ja, Schähchcn .... '6 thut'ö halt nicht .... he? Erwischt, nicht? .... Freilich schlimm, allein Seeleute sollten gar Nichts mit Pferden zu t^nn haben wollen. Der Teufel treibt sein Spiel, so wle sie sich mit dcn verd. ... langschwänzigm Creaturcn zn schaffen machen." „Hören Sie, guter Freund," sigte ich, ohne ricse Zwischeu-rcde ;u beachten, zu dem Roßtäuscher, „die Sache verhält sich einfach so, daß ich eben so wenig von Ihrem Pferde wciß, als Sie, obwohl wir demselben dcn ganzen Tag gefolgt sind." „Die Sache verhält sich einfach so, gnter Freund," cntgcg-«ctc der Iokcy mit verdrußlichcm Spotte, „daß Ihr mir zu einem Friedensrichter folgen müßt, um (fuch auszuweisen, uno dann <45 wird's sichellich uicht lange währen, bis Ihr sehr einfach behandelt werdet!" Und so sprechend langte er mit einer sehr bedeutungsvollen Gebärde an seinen Hals. „Was ist denn hier los?" fragte der jctzt in dic Stube tretende Friedensrichter, welcher um den K»pf ci» seiocucs Schnupftuch gebunden und als Schlafrock cine wollene Decke um seine Glieder geschlagen hatte .... „Wie? Vharlcö Chaffcm hier, wo komnieu denn Sie her, Mann?" ,,Hurrah!" fchri: der Jockey, „da ist der Friedensrichter vom Clyde! .... Iel^t bist Dn geliefert, mein Holdester! . . . , Vranchst wahrhaftig nicht zu lachen, Du hartgesottener Siin« der, Du!" Dann wandle er sich, auf mich zeigend, an den Friedensrichter mit dm Worten: „Ich klage den Burschen da des Pferdcdlebstahls au und überliefere Ihnen denselben!" „Wen? Meinen Freund Thornley? Was fällt Ihnen.ein, Warles? .... Ah, jetzt mert' ich, wo's hinauö will! .... Das Pferd, Welches dic Ganner gestern Abend oder eigentlich vorgestern Abend, denn es ist jetzt zwei Uhr Morgens, gestohün, das Hferr ist das Ihrige. Wir sind den ganzcn Tag über tüchlig hinter ihm her gewesen." Wirklich?" fragte der Roßtäuscher, welcher nicht wußte, wie er sich die Sache zurechtlegen sV'lllc. „Dann ist also wohl wahr, was der Bmschc da .... bitt' nm Verzeihung, Mr. Thornley .... acsagt hat, und Sie nnd er haben dein Dieb ebenfalls nachgesetzt? . ., . Ist so Was je erhört worden? .... Uebrigcns hätten Cie eben so gut den Wind, als meinen Noderich verfolgen limnen, F.-.lls ihn die Hnudssöttcr nur einigermaßen zureiten verstehen .... Denle doch, Sir, s' müßte Ihnen bekannt sei»/ daß ^kcmcucr ciucs Hluswaüdivcvö. II,, 1t) ,46 «s in dcn Colonicen kein schnellfüßigeres, trefflicheres Pfcrd gibt, als dcn Roderick)." „Da haben wir die Auflösung des Räthsels," sagte dcr Fric-dcnsrichtcr lachend. „Habe mich dcn ganzen Tng über gewundert daß wir die Flüchtlinge uichi ci»zuho!cn vermochten, und nun zeigt sich's, daß wir dcn Renner bcr Sauobai gehetzt haben. Aber, Charles, ich glaube, mit Ihrem Beistand können wir die Echustc dennoch erreichen. Kennen Sie Gegend hier hernm?^ „Jeden Ioll B>,'dcn. wo nur jemals eine wilde Kuh oder ein Pferd hingekommen. Wollte wetten, daß ich jeden Bergpaß, jede Flnsifnrth lcunc, wo nur jemals der Fuß cincö weißen Mannes aufgetreten. Aber was jetzt beginnen ^ Versteht jlch'S, 's ist von großem Vovthcil, daß Sie mit dabei sind, jcdennoch N'ie die Kerle friegcn?" „Was meinen Sie, Charles, wird es zu EtwaS nütze sein, dic Verfolgung fortzusetzen, so lange es noch dunkel ist?" „Ncin, nicht die Idee! Könnten ja keine Fährte sehen; lieber am Morgen mit frischem Muthe nnd frischer Kraft." „To meine auch ich. Jetzt ist ungefähr halb drei, wie kalb wird es wohl hinlänglich hell?" „Vor sechs Uhr, vor der Frühslüclözcit nicht," versicherte der Witth. „'s lohnt sich aber für Eie lamn mehr der Mühe, noch einmal zu Vett zu gehen, und wär' es am Besten, ich rüstete für Alle Nas zn essen, habe anch gloriosen Rum und capitalen Vrandy und tranöcenrcntallö Ale, wobei Sie sich, bi«? Eie auf« lrcchcn, ganz gentlemanmäßig unterhalten Icuucn. „Wohl," sagte der Friedensrichter, „das läßt sich hören und haben wir zudem noch Ticß nnd Das zu besprechen. Brauchen auch eine gute halb« Ltunde, um den Platz wieder zu erreichen, wo wir die Fährten verlassen hal'cn, und sollten demnach spätestens nm fnuf Uhr aufbrechen, daunt wir gleich dcn evstcn Tages« fchimmcr beinUzen könnten " 14? ?UIe stimmten ihm bei und bald bilreien wir einen fröhlichen Kreis u>n den Tisch herum und besprachen uns über die Wahrscheinlichkeit, ob die Flüchtlinge den Fluß Macquaric vermittelst der Vrücle oder aber vermittelst der Furch passircu würden, welche letztere etwa zwölf Meilen stromaufwärts lag, „Gott segne Euch!" schri c der Jockey, dcn die Trefflichkeit seines gestohlenen RcnncrS in Ecksiase vcrschte; „dicscö Pferd Noderich .... Ihr müßt wissen, daß eo Nodcrich heißt .... durchschwimnl tven Maequarie so leicht, als es von hier in den Statt acht. 'S gibt weder einen trockenen »och einen nassen Platz, wu sein Reiter nicht mit ihm hinkommen könnte." „Ich velmnthc nicht ohne Grund," bemerkte der Friedensrichter, „daß die Mchliuge es nicht wagen werden, den Ma.qua-ne zu durchschwimmen. Wir müssen unS also, sobald wir sehe» daß sie nicht über die Brücke gingen, nach der Furtl) aufmachen. Werden ims übrigens, mein' ich, jctzt nicht mehr cutwischen, da nns Charles seinen Vcistand leihen will." „Sie kennen also den Dieb?" fragte der Roßtäuscher. ^Wir glauben ihn zu kennen, sind jedoch unserer Sache uoch nicht ganz sicher und nur davon fest überzeugt, daß er sich so schnell, wie möglich, »ach Laumestou trotten wird." „Ah, so," sagtc der Matrose, „in diesem Falle will er sicherlich an Bord des Jupiter, welcher morgen in der Frühe Anker lichtet. Hat mir ja das mein Schiffer geschrieben und gerade von wegen dem bin ich in so schrecklicher Me . . . Aber hören Sie mal, Master," fuhr er, zu dem Iokcy gewandt, fort, „könnten Sie wvhl nicht irgend was Ersprießliches mit meinem Pferd anstellen, he? Sie scheinen doch ganz der Mann, der mit derartigem Beest umzuspringen weiß, und verd.....gesegnet will ich sein, wenn ich mit ihm zurechtkomme. W steuert sich jämmerlich und bin ich fest überzeugt, daß es die beste Hand, die je eine Ruder- l48 pinnc drehte, nicht iin Wind halten könnte, lippt bald auf diesen bald auf jene» Vug, und lassen Sie's machen, so hält cs, steckt ten Kopf zwischen die Beine, stellt dic Segel gegen den Wind und wacht Stcrnwcg. ^) Wie ich auf der Creatur nach Launeeston kommen soll, lann ich wahrhaft!glich nicht sa^cn." „Gut, will Ihnen sagen, wie Sie nnt dem Thiere znwcge-konuncn können," erwiederte Charles Ihaffcm. , Ist 'ncn Sivu^y-Pferd, kenn' cs wohl, fast zwanzig Jahre alt nnd schlau, wic ein Fuchs. Ist von einer Stute gezogen, welche Mr. Charley in Parramatta gckanft hatte, kam zuerst mit Capita» Fircbeace nach Hobarttown nnd brachte es dort Parker an sich. Daranf war es in Wcstons Besitz, von welchem cs Vullsield erhandelte, um es als Saunnoß zn gebrauchen. Konnte al'cr Keiner damit zinechtkom-,ncn. Vnllsseld endlich tauschte es an Spring gegen dreißig prächtige Schafe nnd meinte, er hätte dicsen Wnnder wic daran gekriegt. Sah sich alxr wüst gebrannt, der Vullficld, denn die Schafe waren alle alt und bekam er nicht den Schatten einer Spur von cinein Lamm zu sehen. Hatten die dreißig Schafe zusammen nicht einen einzigen Zahn mehr in ihren Mäulern. Spring gab das Pferd später für ein Paar Zugochsen, die aber liefen gleich am nächsten Tag in den Wald, weil sie nrch ganz jung und nnr zum Verlauf in'ö Joch gespannt waren .... sollen jetzt gegen die westliche Küste zu um die Seen herum scin .... Seit der Zeit ist die Mähre in mehr Händen gewesen, als ich ;u sogen im Stande bin, und will ich Ibnen drum lieber mittheilen, wic Sie ihn behandeln muffen . . . ." Leider sollte das Nceept, ein stätigeö Pferd ;ur Vernunft zn bringen, für dicßmal für die Nachwelt verloren gchcu, denn das Geklapper von Pfcrdchufcn vor dein Wnthöhansc erregte unsere ganze Aufmerksamkeit und wir hörten gleich darauf zwei Reiter ' l) Geht rückwärts. H49 vor der Thüre halten, in denen wir den schlauen Sanders »nd den phlegmatischen Scropps erkannten, bei deren Anblick der Jockey ausrief: „Halloh, Sanders, mein Junge, kommr Ihr, nns zu helfen? Und Scrovvs auch? Ei, was hat Euch dcn so weit vom Hanse hiehcrgebracht?" „Vcsindcn nns auf cincr wichtigen »nd geheimnißvollcii Erpc-dition," versetzte Sanders so würdevoll, als ihm dic Geschwindigkeit, sowie ein von der Kälte bcpmpurtes Gesicht nnd eine vom Frost angebläute Nase nur immer erlaubte. ,,Sch' übrigens, daß ich mich am rechten Platze befinde," fuhr er fort, grüßend in die Stube tretend und dcn Friedensrichter gewahrend. „Habe ordentlich Glück gehabt, denn dransicn sind zwci Pscrdc und zwar gute." „Sind in Wahrheit gute," versicherte der Roßtäuscher, „jener Hellbraune dort ist ein so gutes Pferd, als nur je eins einen Fuß vor den andenl gesetzt, gab Mr. Fallowsiclo in dcn Green Ponds sechzig Guinecn dafür nnd war das noch ein billiger Handel; das weiße Pferd aber, welches ScroM ritt, war seiner Zeit cin Nenner nnd habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie hundert und zwanzig Guincm dafür bezahlt wurden, 's ist erst acht Jahre her. Jetzt altert's freilich. Gab indessen Juny Lacklev noch letzten Herbst zwei Paar Zugochsen und 'nc trachtige Kuh dafür, und ist das ebenso gut, wie vierzig Pfund (Sterling); ein halb Dutzend Jahre hält es sich immer noch auf dcn Beinen. Will übrigens nach dcn Thieren sehen, denn sie dürfen Anfangs kein Korn Gerste kriegen, weil sie warn, geworden sind nnd ihnen das leicht schaden könnte.^ „Müßt Euch aber mit diesem Geschäfte beeilen," bemerkte der Friedensrichter, ,.dcnn es ist jetzt schon über drei Uhr, und nm f'inf Uhr müssen wir fort." „Fast ein Vischen zu viel von dcn Pferden verlangt," entgeauete <50 der Jockey, ,,allein zu was sind sic gut, wenn man sich im Nothfall nicht auf sie verlassen kann? . . . . O hätt' ich nur dcn Roderick) unter mir! Wollte bald jene Hundsfötter überholt haben.'^ Um fünf Uhr brachen wir unter der Leitung des Jockey's auf und dcr Matrose hielt es ebenfalls für gerathen, zu gleicher Zeit unter Segel zu gehen, weil er aber die gebahnten Straße verfolgen, oder sich, wie er es nannte, in der Strömung hatten wollte, so hielten wir es nicht für nöthig, zu warten, bis er nüt dem schwierigen Geschäft, an Bord zu kommen, zuwcgcgckommen. Nir verließen ihn, dcn einen Fuß im Steigbügel, mit dem andern ans der Erde hcrumhovsend und sich sammt den» stütigeu Pferd um seine eigene Achse drehend. Dic letzten Worte, welche wir noch vou dem höchlich erbosten Seemann zu hören bekommen, lauteten: „Verd.....will sagen segne .... doch nein, will mich dießmal wahrhaftiglich nicht irre machen lassen .... verdammt sei das Vcest!" ,,Sie folgten den Schuften bis zu dein Thal zwischen den beiden Mimosendickichtcn ncbcn dem zuckcrhütförmigcn Hügel, so sagten Sie mir, nicht wahr?^ nahm dcr Jockey das Wort. „Wohl, dann muß hier herum der Platz sein .... Nur langsam, Wenn'S beliebt! Dürfen nicht mehr Boden überschreiten, als wir übersehen könne» .... Ah, da habe» wir's! Da ist die Spur von Mr. Thornley's Pserd, welches im Traben dcn rechten Vorderfuß ein klein wenig mehr vorwärts setzt, als den linken, und hier sind die Fährten Nodcrichs .... Sehen Sie nur den Schritt au I Man könnte diesen Schritt aus tanscndcn hcrauser-kenncn, könnte man nicht? Und ist hier auch richtig der Ausdruck von den, Gselshufeiscu, welches ich ihn, zur Aushülse aufnageln mußte, weil ich gerage kein anderes bei dcr Hand hatte .... Glaubte damals allerdings nicht, daß Jemand so grausam sein 151 könnte, ihn mit 'nem solchen Hufeisen galoppircn zu lassen, . .. Schau'» Cie hier .... hat ihm das Ding auch nicht sehr gefallen . . . . cr tritt mit dem C'selshufcisenbcin um 'ncn Gedanken sachter auf, alö mit dem andern, obschon das vielleicht Niemand bemerken würde, der seine' Manieren weniger genau fciiut, denn ich .... N»n, Gcntlemauu, wenn Sie Nichts dagegen haben, beginnen wir nnser Geschäft .... Steh' Ihnen dafür, daß ich auf Nodcrich's Spnr bleibe. Prächtiges Land das für ci» Wettrennen.' Wie man auf diesen Ealzgrubcn-Ebenen die Zügel schießen, lassen tonnte .... wahrhaftig auf zwanzig Meilen weit kein Hinderniß! , . . ." Die Fährten führten uns jcht auf die VlackmannS Brücke zu. „slh so." äusicrte der Jockey, „der Cchnft h^it Scheu vor bem Wasser, wie ich merke, und will lieber über die Brücke. Nun, wir werden ihn wühl bald bekommen." Unserer Erwartung zum Trotz führte» aber die Spuren bald rechter ^and ab und aus eine unbewohnte Stockkeepcrshütte zu, in welcher, wie wir bald fanden, die Flüchtlinge die Nacht zugebracht hatten, denn auf dem Hcerdc wiesen sich die noch glimmenden Neberreste eines Feuers , Die Vögel sind auSgeflogcn," rief der Jockey, „daS Nist ist aber «och warm und sie können nicht weit weg sein. Freilich, Vorsprung haben sie, das ist wahr, und ist Roderich nicht daS Pferd, welches sich schlecht finden ließe." Wir verließen sogleich die Hütte und folgten den Spuren abermals, die wieder gegen die über den Ma^uane führende Brücke zuliefen, allein hier schien es, als hätten sich die Flüchtlinge gescheut, auf die breite Straße einzulcnlm, denn eine halbe Meile von der Brücke kreuzten sie die Straße und wandten sich in einem Bogen rechtshin, Ueber die Brücke wollten sie sich, scheinl'ö, doch nicht wagen." sagte Sanders, „allein wenn fte ussch Launcestonwolle«!, so Ms- <52 5en sic entweder schwimmen oder die Furth aufsuche»/ lvohin es jedoch mehrere Meilen wcit ist. Kennen Sie den Platz, Charles?" „Ob ich den Platz kenne, ich? Ach, wie oft habe ich dort über den Fluß sseseht! Auch Noterich kennt ihn. Kanu aber nicht glauben, daß die Eanaillen einen so großen Umweg mache« sollten. Gebt Acht, sie sind an der Biegung, die der Fluß dort oben macht, hinübergeschwommen." So scharfsichtig der Roßtäuscher aber auch sein mochte, so war diese Behauptung doch eine irrige, denn wir ritten, immer den Fährten folgend, a» der Biegung des Flusses vorüber und gelangten an eine etwa eine halbe Meile von dort entlegene Stelle, wo eine vereinzelte Gruppe von Mimoscnbäumen auf der Ebene stand, von welcher Gruppe es nicht weit in den Urwald war. Hier hatten die Flüchtlinge augenscheinlich Halt gemacht und zwar in dem Buschwerk, als wulltcn sie sich verborgcu halten, denn der Aodcn war hier ganz zerstampft. TS währte aber nicht la»gc, als der luchsäugige Sanders plötzlich die Spnrcn von nackten Füßcn entdeckte, bei welcher Entdeckung er augenblicklich ausrief: „Halt, Sir! Sehen Sie, hier sind sicherlich Eingeborene herumgekrochen .... Dort rcchtöhin .... Halt, reiten Sie die Spuren nicht ;,isaminen, damit wir zählen sönnen, wie viel der schwarzen Bursche beiläufig beisammen scin mögen.'^ Wir hicltcn in Folge dieser Aufforrerung dicht an den Gränzen der Fährten der Eingeborenen, welche sich sammt und sonders gegen die Furth hingewandt haben musten und uns ungefähr zwanzig Mann stark zu sein schienen, insoweit uns nämlich das Gewirr der zahlreichen Faß stapfen eine Schä'hnng erlaubte. „Will eine Guince wetten," bemerkte Sanders, „dieß ist der Grund, warum sich die Flüchtlinge zuerst unter dem Vaumwerl dort verborgen hielten. Sie sahen die Wilden zwischen sich und der Flltth und mochten nicht gerne mit ihnen zusammentreffen." 453 »Reitet zu," rief der Friedensrichter, „denn die Spurcn führen auf die Fnrth zu und dort seh' ich Was an dem Ufer liegen, wenn mich meiu Auge nicht täuscht." Er halte richtig gesehen. Nachdem wir den Raum zwischen »ns und dem Fluß in scharfem Trab in wenigen Minuten zurückgelegt hatten, hielicu wir neben einem ill einen gewöhnlichen FlauSrock gekleideten Manne, dcr am Nande dcS Wassers lag und dessen Gesicht mir nicht unbekannt vorkam. Bei genauerer Untersuchung erkannte ich denn auch wieder m dem Daliegenden den Mann mit dem gelben WaunnS, welcher mir zuerst auf dem Hafcndamm in Hobart Ihre.....Wad .... dies .... mein .... Kopf .... Speere .... Kind .... fortgeschleppt . . . . ^ „Wie lange ists seither?" fragte der Friedensrichter. „Weiß nicht .... 's war grade .... Tagesanbruch . . . wollte nicht gern über die Vrücke .... ritten drum . . . nach der Furth .... nnd die .... Wilden .... fielen über . . . uns .... her .... und haben . . .. das Kind mit sich fortgenommen . . . ." „Wie viel Uhr haben wir?" fragte Sanders. „Halb elf Uhr," antwortete ich. „Dann 5aben die schwarzen Schufte vier und eine halbe Stunde Vorsprung," bemerkte der (»onstabcl, „und zndem wird eS schwer sein, ihncn nachzukommen, Falls sie sich in die Verge gewandt." „Wir können ja die Fährten im Schnee gar nicht verfehlen," meinte der Friedensrichter. , „Wohl, so lange der Schnee liegen bleibt," cntgegnete der (5»!istal,el. „Sieht mir aber der Ben Lomond da oben aus, als bekämen wir bald eine WittcrungSveränderung «nd wird dieser Nordwind'), verbunden mit der Sonne, den Schnee bald weggeschafft haben. Ist auch kein Spaß, den Wilden im Walde zu folgen, und könnte ein Weißer eben so gnt einem Vogel, alS diesen schwarzen Schufion im Holze nachspären wollen." „Was mich betrifft, ich folge auf jedcn Fall!" rief der mu« 0 Ick brauche den Leser kamn zu crimieni, d>iß in Vandicmcnsland der Nordwind ein warmer Wind ist. . A»m. d. Ucbcrs. «56 thige Friedensrichter, „Was sagen Sie dazu, T'hornley? Wollen wir das arme Kind der Barmherzigkeit der Wilden überlassen?" „Ich bin zum Mitgehen bereit," antwortete ich, „nur möcht' ich, daß wir unS gehörig auf ein solches Unternehmen vorbereiten. 'S ist dermalen zum Durchschweifen des Urwaldes eben keine sehr günstige Jahreszeit. Liegt denn feine Nnsicdlimg in der Nähe, wo wir ims einige Känguruhfelldeckcn und cNvaS Mundvorrath verschaffen könnten?" „O freilich," sagte Tanders. „Jetzt kommt mir's in den Sinu, daß Merks ?lusiedlung gar nicht weit, kaum zwölf Meilen von hier entfernt ist, und Merk läßt vielleicht auch einen seiner Schäfer, dln schwarzen Tom mitgehen. Tom ist ein Sidncy-Ein-geboruer, und so könnten wir auf die Wilden mit Hülfe eineö Wilden Jagd mache«." „So kcmmt denu," versetzte der Friedensrichter, „und laßt uns keine Zeit verlieren. Ich will mit Euch gehen, Sanders, um allfällige Schwierigkeiten zu beseitigen .... Mcr halt, der Sterbende will noch EtwaS sagen." Und in freundlichem Tone fragte er dcn Unglücklichen: „WaS ists, mein armer Mann? Was habt Ihr uns noch zu sagen?" „Mus .... qui .... to!" flüsterte dcr Sterbende, seinen letzten Athem verhaucheud. „Musquito?" schrie Sauders. „Pest und Tod! Wenn der im Spiele ist, haben wir vollends gar keine Zeit zu verlieren. Das ist der grausamste Schurke, der jc eine Colonie molestirte. Dcr mordet, nur um zu morden, bloß aus Lust am Morden!" „Habe Proben erlebt," sagte der Friedensrichter. „Ich wahrlich ebenfalls," sagte ich. ,/So müssen wir denn eilen, wenn wir das Kind überhaupt noch retten wollen." t57 Der Friedensrichter setzie sich jetzt, von Sanders geleitet, in Galopp und in weit kürzerer Zeit, als wir hatten erwarten können, lehrten sie, mit Känguruhfellen und Mundvorrath beladen, sowie von einem Indianer qefolgt, zu u»S zurück. Der Indianer war ein hübsch aussehender, schlauf^ewachseuer Eingeborener dcs Festlandes von Australien und, sauber c,clleidct, truq er ein WamniS von Tuch und ebensolche Veinflcidcr, denn die ciuilisirtcn Wilden gewöhnen sich ungcmein schnell au eine Vorliebe für gute, ja sogar feine KleidnngSsioffe. „Wer was soll aus mir werden?" fragte nicht wenig nie-derqe^lageu der Jockey, „und waS ans dem armen Rode-nch? He, guter Freund, sagtet Ihr nicht, Cuer schurlischer Kamerad sei durch den Fluß geschwommen, he?-------Todt, wie 'n-n Thürpfosten!____AuS dem ist Nichts mehr hcrauszubriu- aeu Geschieht ihm aber völlig recht.'.... Wer hat ihm aehei'ß'e", den armen Roderick) zu entf.chre» ? Hade noch nie erlebt daß Pferdediebe 'ne„ gutes Ende genommen hättcn .... Aber gib m,r Acht, Vursche. will dir schon auf der Fährte bleiben! . Also lebn, Sie wohl, Gentlemen, und viel Glück auf den Weg l' Tragen Sie auch Sorge fiir Ihre Pferde und übertreiben Sie dieselben nicht in diesem schrecklichen Hügelwcrf. Ich will Roderick) nach." Mit diesen Worten wandte er sein Pferd in den Fluß und wir begannen unsere Znriistimgen z» treffen. Wird uns aber der Eingeborene nicht aufhalten, da er nicht beritten ist?" fragte ich. „Er kann doch unmöglich mit nnsenl Pferden gleichen Schritt halten." „Macken Sie sich deßhalb keine Sorge!" beschwichtigte mich Sanders. „Solle» sehr zufrieden sein, wenn die Pferde nur mit ihm Schritt h,iltcn......Nun, Tom, mein Iiüigc, bist Du bereit?" Tom nickte mit dcm Kopfe. <58 „Und wohin willst Du miS fuhren?" Tom wicS zuerst auf die Spuren, zwischen welchen Abdrücke elneS zarten, kleinen FußeS bemerkbar waren, und dann auf die Hügel. „Wohlan denn," sagte der Nichter, „jetzt beginnt ein ande-reS Abenteuer. 'S ist übrigen« meine erste Jagd auf Eingeborene und allerdings nicht die beste Jahreszeit. Allein wir dürfen das arme kleine Ding nicht im Stiche lassen, möge kommen, was da wolle. Der verteufelte Musquito thäte es sicherlich abschlachten." Naschen Schrittes zogen wir nun vorwärts und der langbeinige Tom gestattete unsern Pferden kcinctwea.3 Iögcrung, Balv darauf lenkten wir in den Urwalo ein. Zweiundvierzigstes Kapitel. Dcr Winter i» Vcmdicmcnsland, — Verfolgung dcr Emgck'rcncn. — T^is ^aqcr dcrstlbcn, — N^chncktm über das Kind. — Scn'N's mlwickclt iülit» leid und Wllitl,. Die eng in einander gewirrten, mit ihrem dunkelgrünen Win-ierlaub angethanen Zweige, welche hoch über unsern Häuptern eine kuppclartige Decke bildeten, hatten nur wenig Schnee hindurch und auf den Boden fallen lassen, dessenungeachtet aber waren von den Eingeborenen hinlängliche Zeichen sichtbar, um den schlauen SivtmMingcborencn >n den Stand zu sehen, den Spuren zu folgen, und schweigend zogen wir, unserem Führer folgend, zwischen den hohen, schlanken Stämmen dcr Stringy-barkbäumc hindurch, deren Ninle zerborsten und zerfasert herabhing. Von Icit ;u Ieit wandte sich Tom gegen uns, um uns 159 freundlich grinsend seine beiden Reihen elfenbeinerner Zähne zu zeigen und mit großer Selbstgefälligkeit auf die undeutlichen Fährten zu weisen, als forderte er uns auf, seine Schlauheit und Scharfsichtigkeit zu bewundern. Nachdem wir uns auf diese Weise zwei Stunden lang durch den dichten Wald gewunden hatte», erreichten wir eine ziemlich ausgedehnte, fast baumlose Ebene, welche Aehnlichkeit mit cincm großen Park hatte. Die Mittaggsonnenstralen hatten den Schnee fast ganz aufgesogen, wcßweger. fich nur da und dort ein Schatten einzelner, großer Gmnbäume oder astvcicher Mimosen Anzeichen von, Winter blicken ließen, und weil wir unter der Leitung dcS Indianers gar nicht besorgen durften, die Spuren zu verlieren, so waren wir froh, den Schnee los zu sein, und z>,'gcn etwa zwanzig Meilen weit in südöstlicher Richtung vorwärts. Unser Weg führte uns durch schönes Land, das wie eine rollende Prairie aussah, mit zerstreuten Casuareichen darauf, welche Väumc knorrig und unschön aussahen, aber ein Holz liefern , daS seines WuhlgeruchS wegen als Brennmaterial sehr geschätzt wird und ein treffliches Material zu Tischlerarbeiten darbietet. Die Schwierigkeit dabei ist nur diese, daß sich selten eine breitere, als eine sechszöllige Planke darauS schneiden läßt. Hier machten wir einen kurzen Halt, um die Pferde verschnaufe» zll lassen, zu welchem Zwecke wir sie an eine lange Leine banden, welche wir vorn am Sattel führten, waS ihnen einen Naum von etwa achtzig Fuß gewährte, um das hier im Uebcrftuß vorhandene Gras abzuweiden. Hatteu sie einen Fleck Fleck abgegrast, so führten wir sie zu einem frischen. Die ConstabelS machten ein Feuer an und trafen die gewöhn« lichen Vorbereitungen zu einer Waldmahlzeit, b. h. ue warfen ein? Handvoll schwarzen Thee'S in den kleinen Kessel, welchen ScruppS "IS einen Theil scincS Gepäcks am Sattel hängen hatte, sehten I so diesen Kessel über da« Feuer und der Indianer streifte mit der schmalen, langstieligen?lrt, welche er auf der Schulter trug, von den umstehenden Aäumen rasch einige Stücke Nind^ ab, welche uns zu Schüsseln und Teller dienten, woraus wir, da wir hungrig qenug waren, ein ziemlich gutes, auö einem Stück gebratenen QchscnfleischeS, aufgewärmten Dampers und Thee bestehendes Mahl einnahmen. Die Cunstabels richteten hierauf für sich und den Indianer cine zweite Anftage her, wozu dieser noch einige Veigaben fügte, denn er war, weil er den Zurüstu'igcn nicht müßig hatte zusehen wollen, inzwischen nach Ventc ausgegangen und hatte drei Kän« guruhratlcn und ein Äaudyeoot gefangen, welche Thier« er nun sauber ausweidete und in ihrem Pclz auf die (^lut warf. ScroppS zog dann aus den Falten eines sehr gcheimnißvollen Mantels eine Numstasche hervor, allein wir beschlossen einmüthig, den Rum für die nothwendigen Fälle als Arznei aufzubewahren, wcßwcgendenn, freilich durchaus nicht zur Zufriedenheit von Scropps dunstiger Seele, der Kork unberührt blieb und der gute Mann sich für dicßmal mit einem Äcchcr hcißcn Thee's zufneren geben mußte. Nachdem unser einfaches Lssen beendigt war, setzten wir auf der Stelle unsern Zug so lange fort, bis die hinter den schneebedeckten Gipfeln der Verge versinkende Sonne uns mahnte, ebenfalls auf ein warmes Lager für die Nicht bedacht zu sein, denn die Tempcr.itur wir dcrmnlen zu r.nch, als daß wir es hätten wagen dinfen, unser Nachtlager ohuc Weiteres im Freien aufzuschlagen. D,i wir überdies) durchaus nicht daran z',ueiscl!en, die Eingeborenen einzuholen, weil es höchst unwahrscheinlich war, daß Musquito mit seiuer Vaüde mehrere Tage hintereinander wandern würde, ohne Halt zu machen, um Opossums zu fangen uno Harz 161 einzusammeln, so wollte: wir auch die Pferde nicht übermäßig anstrengen. Wir hatten freilich nur eine einzige Art bei ui'.s < wußten aher sammt und sonders gut damit umzugehen, am Besten der Sidney-Indianer, und so h^ttcu wir in tn'-zcr Zeit zvei Wald-hüiten errichtet, welche, mit schweren Zweigen bedeckt, gegen die frostigen Winde hinlänglichen Schntz zn gewähren versprachen. Wir lagen auch wirklich, nn't Känguruhfellen bedeckt und die Füße dem die ganze Nacht hindurch unierhaltenen'. Feuer zugekehrt, warm und comfortable genug. Gegen Morgen ließ uns freilich die schneidender werdende Kälte keine Nnhc mehr und bei wolkenlosem Himmel und hell scheinender Sonne traten wir unsern Marsch wieder an. Gegen Mittag ward die Lust lau und mild, und wären wir nicht so sehr mit dem armen Kind beschäftigt gewesen, so hatten wir uns gewiß an dem Gcnnß erfreut, welchen der Anblick dieser den Meisten so zu sagen noch ganz unbekannten wundervollen Geqenden gewähren ninssen. So aber, wie die Sachen standen, wuchs, als wir noch einen Tag und noch eine Nacht den Fährten der Wilden gefolgt warm, ohne sie einzuholen, unser Bangen zu einer siebrischen Angst. Wir konnten keine Spur von den, kleinen Fuße erkennen, wenn ich aber sage wir, so ist hier darunter nur der schwarze Tom z» verstehen, denn uns selbst waren sogar die stärkeren Eindrücke der größeren Fußstapfen kaum noch erkennbar, während unser Führer diesen mit Leichtigkeit folgte. Noch immer ermunterten wir unS jedoch mit der Vorstellung, die Eingeborenen hätten lie Kleine auf den Armen getragen, obgleich wir uns keinen Grund denken konnten, der sie dazu veranlaßt halte, und wohl das Schlimmste befürchte,', mußten. Von solchen beunruhigenden Vermuthungen und Gedanken, Abmtcucr eincs Auswanderers, II. 1t is2 verbrachten wir cine zweite Nacht, welche keineswegs sehr angc-nehm war, besonders auch deßhalb, weil uns der Mangel au Mnndoorrath fühlbar zu werden begann. Wie leicht begreiflich, griff jetzt die Sehnsucht nach cincin wärmcnoen und stärkenden Schluck in dem armen Seropps immer mehr um sich und er machte daher verschiedene Versuche, seinen enthaltsameren und mäßigeren Amtögcuossen zu einem gemeinsamen Angriff auf die Flasche zn bereden, welchen Versuchungen aber Sanders mit wirklich bcstaiiucnswcithcm Hcltenmnth widerstand. „'ne kalte Arbeit das!" sagte Scropps zu Sanders, „und kalles Wasser ist eben auch nicht der geeignete Stoff, 'nem Mann das Her; warmzuhalten. Hin Feuer mag allerdings sehr passend und zweckvicnlich sc.n, den Menschen nach auswärts wieder her-lustellen, ist abcr doch halt der Magen der Ort, von wo die ,echte Hitze ausgehen und sich dnrch den ganzen Körper verbreiten soll. 's ist wahrhaftig znm Verwundern, durch was für 'ne kleine Portion von Spiritus .... ein einziges Gläschen thut'S oft, wie ich viclinal erfahren .... der ganze Leichiiam bis in dic Fingerspitze hinaus erwärmt werden kann." „Bis in die Nasenspitze hättest Du sagen sollen, alter Schlauch!" cntgegncte Sanders, „denn Du hast Deinen Wegweiser schon so häufig glühend gemacht, daß er gar nicht mehr kalt werden kann." „Dummes Zeug," brummte Seropps, „das hat seinen Grund in den kurzen Tabakspfeife». Legte mich eines Abends schlafen und behielt die Pfeife im Maul, schlief aber so fest, daß ich, obschun ich dnrchans nicht« der Ncoc WcrlheS getrunken, nicht eher erwachte, als bis meine Nasensvitzc vollständig gebraten war .... da hast Dn den Grund." „Wollte, Du hättest so vicl Grütze im Kopf gehabt, statt der einzigen Flasche deren zwei mitziuiehmm. In diesen, Falle lonntcst Dn ieyt die Nölhe Deiner Nase venniltelsl des Inhalts der ci:icn ausfvischen, während wir lie anrerc aushöbcn. Du H63 kannst aber nicht vorherwissen, waS vorfallen kann, und mag ciu Schluck Nnm, im rechten Augenblick angewandt, vielleicht noch einem Menschen baS Leben retten. Laß also die Flasche in Nnhe, bis man sie nöthig hat." „Man hat sie aber jetzt nöthig, sag' ich Dir," versetzte der unerschütterliche Scroppö, „denn mir ist wahrhaftig so kurios zu Muthe, baß ich gar nicht weiß wie. IcneS verteufelte Opossum, von welchem ich dummer Weise ein Stück verschluckte, erfüllt mir Magen und Hals und Maul mit einem so gräulichen Terpentingeschmack, daß ich's kaum aushalten kaun. . . . WaS könnt' es auch." sehte er in schwermuthsvollem Ton hinzu, „waS könnt' es auch schadeu. wenn ich einen ganz winzig lleiuen, nur einen Schluck davon kostcte, bloß in der Absicht, eiucn andern Geschmack in den Mund zu kriegen, um dcS Geruches wegen." Sanders ließ sich aber durch alle diese Klagcu uud Vorstel, lunaen nicht erweichen, und da SerovPS denn doch einen gewal-liqcn Respekt vor dem Friedensrichter hatte, so wagte er sich nicht an die Numftasche, sondern hüllte sich mit unzweideutig unzufriedenem Gebrumm i" sein Kängnruhfell und bald verrieth sein gewaltiges Blasen und Pruhstcn, denn Schnarchen konnte man diese Töne nicht uennen, daß er bci,n Golt des Schlummers Trost gesucht habe. ..... Der nächste Morgen traf uns weit entmnthigtcr, als der vorhergehende, und schien Keiner von uns besonders zum Gespräche aufgelegt zu sein. Die bisher gänzlich erfolglose Verfolgung beklemmte unS nnd die vollkommene Ungewißheit, wie weit und wie lange wir noch i,l der Nildniß umherzuschweifen haben würden, war keineswegs geeignet, unsern gedrückten Geist wieder -aufzurichten. 116 164 Unser Lager befand sich am Fuße einer jähansteigenden Hü-gelreihe und mit durchaus keinen freudigen Empfindungen verzehrten wir den Nest unseres Mundvorraths, um dann von Neuem unser Geschäft fortzusetzen, Nachvcm Wir aber eine kurze Strecke zurückgelegt, zeigte uns Tom nähe bei einer kleinen, auö lockerem Gestein hervorsickernden Quelle in dem weichen Buden den ganz frischen Eindruck eines nackten Fußes. Wir führten unsere Pferde den Hügel hinan und betrachteten mit großem Interesse die Fährten, welche unS die Gewißheit g>i-bcu, daß wir uns endlich unsere»! Ziele näherten. Sogleich besichtigten wir unsere Waffen, trockneten die Feuersteine, versahen die Pfannen mit frischem Pulver und stießen die Ladungen in den Nuhre» wieder fest. Die Möglichkeit einer so nahen Gefahr belebte anch unsere ganze Gesellschaft wieder nut neuer Krast und neuem Muthe, worin sich allerdings auch etwelche Besorgnis; um unsere eiaene Sicherheit mischte, denn wir waren jetzt in einen Theil des Lan-5cS Vorgedrungen, welchen bis dahin der Fuß eines Weißen nicht betreten hatte und der also gar weit von jeder Hülfe entfernt lag. Mit großer Vorsicht kletterten wir aufwärts, bis wir beinahe den Gipfel des Hügels erreicht hatten, wo der Richter uns bedeutete, siill zu halten, und dem Indianer befahl, die Umgegend auszukundschaften. Ohne irgend ein Geräusch zu machen nnd schweigend schlich Ton, aufwärts, warf fich aber bald darauf zu Boden nnd kroch wie eine Schlange auf Bauch und Händen vorwärts, indem er ßch zwischen umgestürzten Baumstämmen, Steinen und Grasbüsche n durchwand, bis er, oben angelangt, die jenseits des Hügels gelegene Landschaft zu übersehen vermochte, wobei er in seiner liegcuden Stellung von den überall umherliegenden Stücken schwarzgebräunten Holzes nicht mehr zu unterscheircn war. l65 So verhielt er sich einige Minuten regungslos, dann kroch er auf die nämliche geräuschlose nnd vorsichtige Weise zurück/ um unS das Ergebniß seines Knndschaftens mitzutheilen. „Schwarze Manu im Thal unten," sagte er flüsternd. „Mus? D°'c "cscr erlauben mir wohl. hicr folgcndc, aus dcr „Allgemeiner. ,"^cr u!!d""!rltcrk»!ldc" dcZ vcrdicustvollcn ^'coaravhc» Bcrghaus c»t« lchnte Sänldlruug dcr Urcinwohucr von Australien einzufügen, Wc,m wir uurcr dcn hcidiufck'c» Vcwohncn! von Afrika noch ciiicn qc-wissen Grad von Vildunq walirnchmcu, wcnn wir bei dcn meisten von ihncn das Vedürfniß erkennen, sich zu große«,, ^fcllschaftlichcn Ncrcmcn zu,mnme>^ zuthun, was das <5utstchcn g"n;cr Nationcu ;uwcgcgcbracht hat, dcrcn ^ebcn nach Formen gcregclt ist, wclchc au dic socialcu ,md politisckcn Cinrichtuügw der Lulturvöltcr erinnern, wcun von der H'.chrzahl dcr afrikanischen Ness« die Mittel zur Subsistcuz auf dcm Weqc des Ackerbaues qcwoiincn werden, dcr, von ciucm scsihaftcn Lcbcn auöqchcnd, jcne gescllschastlichcn VcrhaltMc hervorruft, fo findet sich dagegen von allein Tiefem bci dcn Urbcwohncrn Au-stralicns nicht die mindcstc Spur. Wir finden hier dcn Mcusckci, auf dcr ,m. tcrstcn Stufe der Leitcr intcllcctuettcr, moralischer, ja selbst physisch« Fahlg" tcitcn, wir fehen ihn nur in kleincu, schwachen, vcrciuzclrcn H"^^''''"''" 'ncnkbcnd, die ein umheiirrcndcz Leben führen, uni auf ihren ^d.nn", ,) sich dic kärgliche Nahruua, zu suchen. 166 Offenbar wavcu sie cm diesen 3?lt gekommen in der Absicht, hier einen Aufenthalt vcu mehreren Tagen zu machen, dcim sie Man hat die llrbcwobucr Australiens I^cger gcnanni »nd, u»i sie von den afrikanischen oder wahren 3lcgcru z„ unterscheiden, ihnen das Veiwort Anstralncgcr beigelegt, aber obwohl die Leute, welche an dcn nördlichen und tropischen, wie an den südliche» nnd gemäsiigtcn Wcstadcn Australien« beol» cchtct worden sind, dic dicken, vorstellenden Lippen, die eingefallenen Augen, die vorstehenden Vackcnknochen und die dü»ncn, langc» Vcinc der ?!frikanc>.-bcsstzc», so wcickcn sic doch i>» Ha>ir ^on dieftn ab, dcnn, mit Ausnahme der Nandkmenslandcl' und der (5in>>'borc„en an der Siidkuste des australische« Festlandes, welche wolliges Haar haben, ist es überall lan^, grob, hcrabhan» « Haar mit der Wurzel aus. Wic bci allen Wilden, so ist auch bci den Australiern der Kopf dcr Haupt, gegcnftand dcr Ausschmückung, wozu die verschiedenartigsten Dinge genommen werden. Im Allgemeinen mnß man die Eingeborenen dcs «vestlandi! Australien lmd die von ^andiemenolcind al^ einem Mcnschcnstamme angehörend betrachten, aber es ist scltsam, das! Horden, die einander dicht benachbart leben, in ihrer Sprache so verschieden sind, dafi sie sich als durchaus fremd bccrachtcn im sscn, während jcdc größere Wcmciude oder Familic, wic sie genannt werden tau«, ihr^ii cigcnthnmlichln Dialekt spricht. 167 hatten an verschiedenen Stellen Hütten aus Zweigen errichtet, welche mit großm Stücken von lilinde bedeckt waren. Diese ro- Dic Zahl dcr Australier ,,u bestimme» ist schwierig, ilidcsscn scheint so viel gewiß zu sei«, daji alle Stämme zusammen nicht über .'on HLcibcrn a»ö Pflanzenfaser» oder Gräser» geflochten wird. Ihre Sciincide-instruincnte destchen au,!! scharfen Qxarjstückc», welche vermittelst einer harten, Gumniiavt au c!» Stück Holz geleimt sind. Angriffs- und Vertheidigung^-Ivaffcu sind Speere, Wurfstocke, Keulen uud Schilder. >» dercn Handhabung sic ciuc große Gcschicklichkcit besitzen. Die religiösen Borslellunaen dcr '.'lustralier werden »us von de» verschiedenen Vcobachteru dieser Völkerschaften so verschieden und verworren geschildert, daß es unmössUch ist, cinc klare Ansicht dauou zu gewinne». Andeutungen vou dcr(5ristc»z ciücs Pneftcnhums l,al>en sich bei verschiednien Stämmen gezeigt. Tie gesellschaftlichen (5mnchtungcu stutzcu nch auf die Srammverfassung, Dcr Äeltcsle dcr Gesellschaft steht an der Spitze des Stammes, dcr aus 30 bi« -tN Köpfen, Männern, Weiber» nnd Kindern besteht und scin bestimmtes Territorium hcsiyt, welches tcin anderer Stamm betrctcn darf. Die Ucbcr-schveitung dieses Hcrlommcus ist dic Hauptursachc der häufigen Kricgc zwischc». dcn einzelnen Ttämmen. Gesetze gibt es nicht, mindestens sind sie »icht wahrgenommen wordcu, Vielweiberei ist allgemein und das Weib wird auf dic unmenschlichste Weise behandelt. Die Männer stehle» die Weiber aus au-gränzenden Slammcn bei nächtlicher Wcilc uud verfahren dabei nut cincr Grausamkeit, als gin,'>e dic Jagd auf cinc wilde Bestie, Daß dic Mciischenfrcsscrci unter vielen australischen Stämmen !»ud noch da;» auf die entsetzlichste Weife geübt wird, ist Mißer Zweifel! nicht allein werden die i», Kriege erschlagenen Feinde oder diejenigen »nglültlichui Europäer verzehrt, die ihncn in dic Hände gefallen sind, cs sind auch zahlreiche 168 hen Behausungen waren ungefähr vier Fuß hoch und wir nahmen darunter eine wahr, die etwas abseits von den übrigen stand und sich durch cin schmales Dach anözeichucte, sonst aber kaum breit genug war, einem Maischen Unterkunft zn gewähren. Große Feuer loderten allwärts und da und dort lclinlen einige der Wilden müssig an deu Wändeu der Wetterhütte» während die Weiber großentheils mit ihren Kindern beschäftigt Ware». Der ganze Trnpft war fast ganz nackt und bloß ein einziger Mann, welchen wir snuem ganzen Wesen und Gebahrcn zufolge für Mu^gilito bicltcn, trng einen schwarzen Hut »cbst Neste und Beinkleider. Nuch eiuigc Weiber hatteu Etwas, das einer alten, zerrissenen Wolldecke gleichsah, um sich herumgeschlagen. Lange beobachteten wir die verschiedenen Gruppen von unserem Verstecke ans mit großer Aufmerksamkeit, ohne eine Spnr von dem Kiude, um dessen willen wir so weit liergcfommen waren, entdecken zu können, und begannen deßhalb schon das Schlimmste zu fürchten. Nachdem wir uns indessen, soweit die Umstände es erlaubten, von Allem in Kenntüiß gesetzt, zogen wir nns hinter deu Nand MNe bekannt, d.isi Väter ihre civile» Kinder — acfrcssen habcn! Tcr Hmi-acr ssilt als Entschuldigung für dicft Barbar« und in der Tliat hat man Au° stralicr gcsthcn, dic sich selbst ,Vl»t abgclasstn haben, um dasselbe im Heiß-fuuqcr gieriq zu verschlucke,,. Inder That i> Hungersnot!» und Krieg iiu Innern des Continents und Laster und Krankheiten I,n>g6 der Küsten, wo dic Austtalier mit (furovaerii in Berührung gekommen sind, wirken gemeinsam auf die ^luöroituni ^jfses Mcuscheuschlagcs hin und es steht leider zu erwarten, daß dci dein zunch-i'iendcn Gedeihen der britische» ^oloniecn in Ncn-Sud-Walcs, Wfst. und Ost» oustralicn diese innerhalb des näckftcn Jahrhunderts denselben Effekt aus dic schwarzbrauucn (Kiügeborcnen Australiens ausüben werden, was die britischen Ansiedlungcn in der nördlichen Hälfte der ucueu Welt in Vezichung ans den ivthen W.eni'chen zuwege gebracht haben- völlige Vertilgung: Anin. d. Ilcbers. j«9 des Hügels zu unsern Gefährten zmück, um dcn Plan zu bcra-n'cdorschlcße>,. Laufen sic hierauf mit dem Kinde davon, d. h. wenn sie es »uch nicht ermordet haben .... was Goit vcrliüte! .... so kö»ncil wir sie ja zu Pferde '.'erfolgen, denn sie haben vor den Pferdru unglaublich Angst, weil sie meinen, dieselben bissen und schlügen uiit den Vorderbeinen auS." ,,Ich belenne," cntgcgnetc der Friedensrichter, „daß es nur recht sehr von Herzen leid thut, baß ich das kleine Geschöpf nicht sehe, allein unser Zweck war immer nur der, das Mädchen zu befreie», nicht aber der, die nackten Wilde» abzuschlachten..... Ob sie wohl je weisic Menschen gefressen haben? . . . Sanders, sprecht mal mit Tom über diesen Gegenstand und seht zu, waS Ihr auS ihm herauskriegen könnt, (sr läßt sich vielleicht gegen Euch offener anS, als gegen uns." „Tom," so wandt« sich Sanders alsbald zu dcm (5mgcborcucn, „thut schwär; Manu csscn weiß Picanimiy?" Tom schaute mit seinen tief liegenden, uach An der australischen Wilden rastloo ilmhcnolleudcn Augen nach dem Constabel herüber und schien sich gern dcr Antwort entheben zu wollcn, denn die Sibney-Indiauer, sowie 5ic wenigen Eingeborenen, welche im Verkehr mit dcn Änficdlnngcu stehen, fenuen dcn Abscheu, welchen die Weißen gegen die Menschenfressern hcgeu, ganz gut. „Tom hat nie weißen Mann verzehrt," fuhr Sanders in cin- schmcicheludem Ton fort, „nein, gewiß nicht! aber böse schwarze Männer, die essm manchmal weiße, nicht? manchmal Picaniuny?" „Böse schwarze Mann efsen Mann manchmal," antwortete T"»>, „wenn sie zornig und fechten; ich nie Mann gegessen," ie '»an cin Opossum siwgt, - Vorbcrcitun,iln zu ci»« ^n-,<,,', d ^. Das (frscheinm v>,'n Tpceven und Waddics ,nacht unau^ichmc gur>. >ac>>,. Erinnern».!«! rege. Der Sir„ey'I"diancr ging uns ungefähr zwanzig Schritte voraus und als wir in gehöriger Svrachweite von einander waren 5ielten wir und crlDartelen mit nicht geringem Herzklopfen de,/Erfolg unsers Erscheinens, Obwohl Tom seine Kleirer wieder anaezogen hatte, st' km.nten die Indianer doch an seinem Besicht und seiner Farbe leicht erkennen, daß er ihrem Stamme an- ' hörte ylllcln zu nnscrm ungemcincn Erstaunen ließen die Wilden die sonst eine aroße Abneigung gegen ihre civilisirten Brüder l,eaen unsern Boten ohne irgend eine bemerkbare Bewegung bis u den Fenern herankommen. Cs ist zwar möglich, daß sie eincs-'heils durch die Anzahl berittener M'..u,er dicht hmter em Indianer zu ruhigem Verhallenden w,nd°n, dennoch lie« dlcse 174 gänzliche, wnllich micnuariete Gleichgültigkeit dcS wilden M»s-quito und seiner Gefährten uns augenblicklich Verralh wittern, und vorsichtig schautcn wir uns um, ob sich nicht irgendwo EtwaS zeige, daö unsern Verdacht bestätigen müßte, konnten aber Nichts entdecken. Ich hab- oft Gelegenheit gehabt, den stumpfe», an Nichts haftenden Blick und das ganze, fast blödsinnige Betragen der Gingeborenen von Vandiemensland, sobald sie nicht durch Hunger oder eine andere Leidenschaft aufgeregt sind, zn beobachten, und in dieser Hinsicht eine auffallende Äehnlichkeit zwischen ihnen und den gewöhnlichen Hansthieren wahrgenommen, denn in ihrer gewohnten Weise si»d sie so seclen- und theilnahmlos, wie diese. Die Frauen allein plaudern manchmal cm Bischen miteinander, Wie denn das überhaupt auf dem ganzen Erdball in der Natur deS Weibes zu liegen scheint, die Männer jedoch beobachten fast stetS das tiefste, zurückgezogenste Schweigen. Diese Totenstille mm, die so ganz dem wilden Schreien und dem Tumult, den wir erwartet hatten, entgegengeht war, erfüllte unsre Herzen mit einer Nrt abergläubischer Furcht, dic noch durch die Ruhe der umschließenden, unermeßlichen Wildmß erhöht und vergrößert wurde. Unterdessen fand ein einsilbiges dlorrobora zwischen dem Häuptling der dunkeln Versammlung und unscrm Führer st.Ut, mit dessen Inhalt uns Tom glcich nachher in sclgcuccn lakonischen Worten bekannt machte: „Musquito sagt .... Ihr kommen!" „WaS mag daS nur zu bedeuten haben?" rief der Friedensrichter gan; erstaunt, „sie bezeugen nicht die geringste Furcht und sehen auch gar nicht aus, als ob sie nur im mindesten an einen Kampf dächten. Sollte eine Kriegslist dahinter lauern? WaS halten Sie davon, Thonilcy? " /,Ich für mein Theil bin so nbürrascht," anlwortctc ich ihm, 175 "baß ich gar nicht weiß, was ich von der ganzen Sache zu denken habe.... Sanders, Ihr seid ja mit ihren Gewohnheiten ver-paut, lassen sich keine von ihren Speeren oder WaddicS bemerken?" „Man kann nie wissen," cntgcgncte Sanders, „wc>s diese hinterlistigen Schnflc vorhaben mo^cn, jedenfalls selten oder nie elwas Gutes. Wie Sie sehen, befinden wir u»< „Wunderbar!" rief der Friedensrichter, „höchst wunderbar; etwas Aehnliches ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen. WaS nur Musquito für eine Absicht damit haben lann? Da sie übrigens ganz friedlich gesinnt scheinen, so wollen wir zu ihnen hingehn und versuchen, ob wir das arme Kind nicht mit Güte und Freundschaft erhalten können." „Möchte es nicht rathsa,n sein, daß zwei von uns Wache halten, im Fall sie dennoch einen Angriff beabsichtige» sollten?" siel der Constabel ein, „es ist doch besser, als daß wir Alle wehrlos hingeopfert werden." „Eine ganz löbliche Vorsicht, Sanders," antwortete der Frie-tensrichter, „bleibt Ihr und Scropps dahier bei den Pferden, während ich mit Master Thornley zu Fuss zu ihnen gehe, wenn nämlich Master TlMnlcy NichlS dagegen hat." „Nicht das Mindeste/' rief ich, „das Vestc, was man bei wilden Menschen, wie bei wilren Thieren thun kann, ist, keinerlei Furcht vor ihnen zu zeigen," „Nehmen Sie doch meine Numftasche mit," sagte Scropps ni einem Uebcrmaaß von Gros-muth, „lassen Sie nur Musqnito einen Schluck davon nehmen und Sie werden sehen, wic ihn das in gute Laune versetzt." „Nein, nein," erwiederte der Friedensrichter, „hebt den Num nur noch sür nothwendigere Fälle anf, Gin Wilder, der nüchtern ist, ist schon schwer genug zu behandeln, hat er aber erst einmal Etwas im Kopf, so ist er schlimmer als ein Wahnsinniger. Daher Thornlcy, lassen Sie uns leck und unerschrcckcn zu ihnen gehn." Wir schritten gerade anf Musquito zn, der bei einem der Feuer dicht vor dem kleinen Wigwam stand, in welchem, TomS Aussage nach, sich das Ki»d befinden sollte. Ich glaubte denselben stumpfllnnigen, verdrossenen AnSoruck der Inge an ih-n zu bemerken, den ich bei frühern Gelegenheiten schon wahrgenommen hatte; er stand in nachlässig eingesunkener Haltung ncben dem Fnier, dennoch aber gewahrten wir beim Näherkommen, daß s-elne halbgeschlossenen, inimclsorl rastlos umherschweifenden Nugeu Nichts ihrer Aufmerksamkeit entschlüpfen ließen. Ich müsi gestehn, daß ich mich nicht ohne leises Zittern und bedeutendes Herzklopfen dem tückischen Wlloen in seinem eigenen i!ager näherte. (5r hob jelzt die Augen nach uns cnif, betrachtete u»s einige Sekunden und senkte sie dann neuerdings ohne ein Zeichen dcs Wiedererkennen« ober irgend eines andern Gefühls, was bei unserm plötzliche» Erscheinen doch sehr natürlich gewesen wäre, zu erkennen zu geben. Wohl eine Minute lang verharrten wir in dieser nichts weniger als angenehmen Lage, wobei uns ras Bewußtsein, einen Gentleman uneingeladen in seiner eigenen Behausung aufgesucht zu hab.n, nicht minder lästig siel. Keiner von uns sprach ein Wort, denn meinem Freund mochte ungefehr gerade so zu Muthe sein wie mir, und die gewöhnliche Begrüßmigsformel „Lin sehr schöner Tag heute," oder irgend etwas sehnliches schien bei dieser Gelegenheit doch auch nicht ganz zu passen; endlich brach der Friedensrichter das Schweigen. „Viele Känguruh in diesem Landcslheile, Äiu^iuito?" Vuhina da!" antwortete Musquito, auf ein ungeheures, in den Büschen aufgehangenes Känguruh hinweisend, welches noch kurz zuvor den armen Scrovps mit einer so schrecklichen Ahnung und Besergniß erfüllt l^tte. Mein wackrer Freund, der vermuthlich die Ansicht hegen «lochte, es sei unter guten Bekannten Essen und Trinken ein Förderui'gSmittel zur Unterhaltung, und möglicherweise auch von der Ueberzeugung angetrieben war, daß er länger als eigentlich unumgänglich erforderlich sci, gefastet habe, gab seiner neuen Bekanntschaft nicht undeutlich zu verstehen, wie angenehm ihm einige von dcn Sleakö eben jenes Buhma sein würden. Milsqmto rief einem seiner Leute ein paar Wotte zu, worauf dicser alsobald ohne weitere Umstände mehrere Stücke des Käügiinih herbeibrachte und sie auf ciü v.'N uns gegebenes Iei-'lbc,,tn>cr mirs Auswaudcvcrs, II. 12 «78 chen mit solcher Bereitwilligkeit anf die Kohlen lcsste, baß wir keinen Zweifel hegen dursten, die Eingcbornen meinten cS, dieß-nial wenigstens, aufrichtig mit ihrem freundlichen Empfang. Als daS Fleisch gar war, schien wir uns auf den Boden und Musquitu kauerte uns gegenüber nieder. In kleiner Entfern nung von uns hielten sich einige seiner Gefährte», die uns augenscheinlich mit vieler Neugicrdc, doch ohne alle Feindslligfclt bc-trachlcten, während wir, alle unnützen Umstände und Ceremonien vermeircnd, in tiefem Stillschweigen nut unsevm neuen Freunde die einfache Mahlzeit hielten. Da mir die Gelegenheit jetzt günstig schien, machte ich den Friedensrichter ausmerksai«, den gegenwärtigen Ängcnblick zu benutzen uno dein Wille» , als (,5in!ci!u>'g zu unserm Acgchr, cin Glas Num anzubieten, womit er auch übereinstimmte und daher Scroppc! einen Winf gab, er möchte die Flasche und einen Blechbecher herüberbringen. Ich bemerkte, wie MnSquitos Nngc aufölitzte und er, als der Friedensrichter S'eropp diesen Befehl zurief, die Füße zusammenzog, um zum Sprunge bereit zn sein, und sagte daher zu dem Cunswbel: „Zeigt r,'e Ninnft^sche." SeroppS hob seinen sorgfältig bewahrten Schatz l,och empcr, und sobalv Mus^nit^i die Flasche gewahr wurde, siel er in seine vorige Haltung zurück. Dcr arme Seropps, dcffcn Milnd bei dem Anblick einer Mahlzeit wässerte, an welcher er nicht theilnchmen durfle, und der üch nun i,n Fall sah. auch seines einzigen Labsals noch beraubt zn werden, näherte sich mit langsamen, zögernden Schritten. „Diese Wilde», Sir," sagte er jetzt, licht an den Fnedcns» richter hintrcten? , „sind sehr mißlranisch .... sehr; wenn Sie daher Nichts dagegen haben, Sir, so will ich lieber zncrst vor ihren ?l>lgen ein ganz kleincS ViScheu von dem Rum kosten, damit 179 sic scheu, daß AllcS in Ordnung ist und wir ihnen keinen Schaden zuzufügen gedenken. Erlauben Sie, mir den Kork herauszuziehen?" „Macht, daß Ihr sogleich wieder an (5urcn Posten geht und aufsteigt, denn man kann nicht wisse», wenn uns Hülfe vonnöthen ist. Dieser Num leistet unS vielleicht gute Dienste und wir verlangen ihn keineswegs zu unserem eigenen Gebrauch. Wenn wir nach Hause kommen, sollt Ihr zu trinken haben, so viel Ihr nur wollt." Mit diesen Worten legte mein Freund ohne Weiteres Beschlag auf bie Flasche, die ihm ScroppS seufzend, mit trübseliger Miene und schlecht verhehltem Mißvergnügen überließ. Mit dem Spiritus wich auch alle Lebenslust von ihm uud theil-nahmloö hing er obe» auf dem Sattel seines eben so niedergeschlagen dreinschauenden Pferdes. Der Friedensrichter füllte nun ten Becher mit Num und überreichte ihn mit einer Feierlichkeit dem höchst ernsthaft unl> gnädig aussehenden Häuptling, die ihm bei einer kirchlichen Cere-nionie Ehre gemacht haben würde. Der Wilde genoß daS dargebotene Getränt mit unverkennbarem Behagen und verlor dadurch Etwas von seinem frühern zurückhaltenden Wesen. Nachdem er den ersten Becher in unglaublich kurzer Zeit geleert hatte, bezeigte er seine Zufriedenheit mit dem genossenen Getränk durch ein so grimmiges Lächeln, daß ich unwillkürlich meine Hand an den Drücker meiner Flinte legte; er aber schlug sich mit der breiten Hand auf die Vrust und streckte den Becher, nach einer zweiten Portion gelüstend, zu uns hinüber. Jetzt hielt ich eS für den günstigsten Zeilpunkt, eine Art Unterhandlung in Betreff deS KindeS einzuleiten. «Musquito weißen Mann umbringen?" begann nun der Friedensrichter, „warum will MuSquito weißcu Mann umbringen . . . ." 12 5 „Weißer Mann großer Schurke," antwortete der Häuptling, „versucht, Piccaninny umzubringen .,.,., MuSquito nun ihn umzubringen . . , ." „Warniu behält MuSquito Piccaninny?" fuhr mein Freund fort, „Musquito will Piccaninny groß zieh» und Gin für den schwarzen Mann aus ihr machen?" Dcr Wilde schüttelte den Kopf und hätte cr gewußt, auf welche Art, er hätte selbst darüber gelacht. „Piccaninny weiß!" sagte cr, „nicht gut für schwarzen Mann.« //Waruni nahmt Il,r denn Piccaninny? Warum retten vom bösen weißen Mann?" Gs kam mir vor, als verstehe Musciuito jetzt plötzlich, was der Friedensrichter mit seinen Fragen meinte, denn seine Züge nahmen in demselben Augenblick einen besonders lebhaften und beinahe klugen Ausdruck an und cr antwortete schnell: „Zigeuners Piccaninny .... Zigeuner todt; Zigeuner gut mit MllSquito .... cr Mnsqnilo'S Aruler. Musquito läßt uicht bösen weißen Mann Zigeuners Piccaninny umbringen." Ich tonnte nicht umhin, einige erstaunte Blicke mit dcm Friedensrichter zn wechseln, und wir Aeide mußten in diesem Augenblick das fast wunderbare Zusammentreffen von Umständen de-ivnndern, die das arme hülflosc Kind ans su dringender Noth und Gefahr gerettet hatten. Um so eher hoffte ich nun meinen Zweck zn erreichen, sobald es mir nur gelang, dem Wilden meine Absicht, das arme Mädchen unter meinen Schutz zu nehmen, begreiflich zu machen. „Zigeuner l" sagte ich daher, „MnSqnito's Bruder?" //Zigeuner Musqnito'S Vruder! " wiederholte dcv schwarze Häuptling. Zwar drang sich mir unwillkürlich der Gedanke auf, daß des Zigeuners Familie sich durch diese unerwartete Verwandtschaft 48l unsers schwarzen Freunde« nicht sehr geschmeichelt fühlen würde, b"ch wußte ich ja, daß er wenigstens eine gute That gethan hatte, um seine vielen Verbrechen in MwaS zu sühnen, und deßhalb zauderte ich nicht, meine eigenen Ansprüche, als ein Glied dieser Familie betrachtet zu werden, geltend zu machen. „Musquito," begann ich wieder, „Du kennst mich? Er war hänsig mit seincr Bande in meinem Hause gewesen nub ich hatte stets mit Dampcrs und heißem, süßem Thee, ja gelegentlich sogar mit einem GlaS Rum bewirthet." „Ihr, Master Thornlc«?" fragte MuSquito. „Ja!" antwortete ich ihm, „und ich dcs Zigeuners Bruder." Musquito warf mir einen schnellen, durchdringende,, Blick zu, in welchem sich Staunen und Verbacht zugleich über diese plötzliche nahe Verwandtschaft abspiegelten, ich fuhr aber, ohne ans der Fassung zu gerathen, fort nnd sagte: „Zigeuner Musquito's Bruder, Zigeuner Thornlcy's Bruder, Thornley Musquito's Bruder." Durch dieses schavMMge Argument, wie eö mein Freund später nannte, hoffte ich den Wilrcn zu vermöge», mich ebenfalls als getreuen Bundesgenossen und Verwandten anzuerkennen, denn ich wünschte sehr, daS Kind mit Freundlichkeit und nicht durch Blutvergießen zn erlangen. Musquito aber sann nun den eben aufgestellten Folgerungen nach und fragte dann mit ächt indianischer Vorsicht.- „Warum Ihr Zigeuners Bruder?" „Zigeuner," antwortete ich, „als böser weißer Mann ihn umbrachte, sagte zu mir: Gib meinem kleinen Piccaninny Brot und Fleisch .... klein .... so klein (dabei bezeichnete ich die muthmaßliche Größe des Kindes) .... ich sagte zu Zigeuner: Thornley Zigeuners Bruder." Als ich dieß gesprochen hatte, stand MuSquito auf und rief einem seiner Leute Eiwas zu, worauf dieser fortlief und bald nach- <82 her mit einem jungen, schlanken Mädchen von glänzend schwarzer Farbe zurückkam, die, wie ich aus ihrem ganzen Wesen und Anzug entnehmen konnte, die Favorit-Gin des wilden Musquito sein mußte. Ein altes SoldatenwammS ohne Knöpfe, dns vorn mit höchst graziöser Nachlässigkeit offen stand, bildete eine Art Spencer, der für Sommer und Winter gleich zweckmäßig schien, ein rothes, malerisch um den schwarzen Wolllopf geschlungenes Tuch zeugte augenscheinlich von dem Vorzug, der ihr vor den übrigen minder begünstigten Gliedern des Serails zu Theil ward. Außer diesen eben erwähnten Kleidungsstücken hinderte jedoch kein anderes die freien Bewegungen ihrer schlanken und wohlporportionir-ten Glieder. Als ehrlicher Geschichtsschreibcr darf ich übrigens nicht unerwähnt lassen, daß ihre Nase etwas arg breit und eingedrückt war, auö ihren Augen stralte jedoch ein lebhaftes Feuer und verschiedene, sehr kokett angebrachte Streifen von rothem Ocker bildeten einen angenehmen Contrast gegen die monoton dunkle Hautfarbe, während noch eine in der Nase befestigte Gräte ihrer Toilette deu letzten Schmuck verlieh. Mnsquito ertheilte nun dieser liebenswürdigen, indianischen Gottheit einige Vefehle, worauf sich die junge Dame wegbegab und bald nachher, die zarte, zitternde Gestalt der IigeunerStochter an der Hand, wieder erschien. O welchen Kontrast muß in ihren jetzigen Verhältnissen die Gnunerung an jenen Tag in ihr bilden, als sie schwankenden Schrittes, Furcht und Schmerz in den sanften, lieben Iügcn, in eine Versammlung von Leuten geführt wurde, von welchen sie, zufolge ihrer letzten, schrecklichen Erfahrungen nur das Schlimmste erwarten durfte. Sie ließ die großen, schwarzen Augen, die mich unwirerstchlich an den letzten Blick des sterbenden BushrcnigerS erinnerten, über die Anwesenden gleiten und suchte in derem .Kreise nach einem bekannten, wohlwollenden Gesicht; da sie aber nur Fremde vor sich sah, so schlug sie dieselben leise seufzend nie- <83 der unk schien ungewiß, ob sie die weifen Männer a?s Freunde "der Feinde betrachten sollte. „Georgiana!" sagte ich leise. Das lleine Geschöpf fuhr bei de», Klang dieses geheimniß-sollen Namens zusammen und faltete ihre zarten, weißen Händchen, während sie zitternd uud zweifelhaft, den einen ssus, vorgestreckt, fragenden BlickcS zu mir hcniberschaute, als suche sie in dem ihr gänzlich fremden Gesicht liebe, bekannte Züge zu entdecken. Ein so liebliches Kind, wie das Mädchen in jenem Allgenblick war, hatte ich noch nie gesehen; ciu wahrer (fngclskopf mit all' dem unwiderstehlichen Zauber uon Jugend und Unschuld übergössen, schaute zu mir herüber, und von dem holden Ailde ergriffen, uon dem eigenen abenteuerlichen Nciz, der feine ganze Jugend bis jetzt umgeben hatte, angetrieben, und mich mit schmerzlich-süßer Rührung der übernommenen, heiligen Verpflichtung erinnernd , breitete ich meine Arme aus und rief in einem Tone, der zu ihrem kleinen Herzen dringen mußte: „Komm z>< mir, Georgiana, Du arme kleine Waise! Du sollst mir eine Tochter unter meinen Kindern und ich will Dir «in Freund und V.üer sein." Entzückt schrie daS Kind ans, stürzte sich, in Thränen a»F-blechcnb, in meine Arme und barg schluchzend und mich umschlingend, sein zarteS Antli,) an meiner Arust. Selbst die Wilden schienen durch diese Scene ergriffen, die Frauen drängten sich »m nnS her und betrachteten mit großer Theilnahme die Gruppe, während sogar die strengern Züge der Männer VtwaS von ihrem frühern Ernst und ihrer Gleichgültigkeit verloren. Sie vernahmen Laute der Natur, die um alle Herzen ihr geheimnißvolles Band schlingt. „Sehen Sie sich wohl vor, Sir!" rief Sanders, der sich ln der allgemeinen Aufregung mit Ecropp) genähert hatte, 184 //sehen Sie sich wohl vor, den Wilden ist nie zu trauen und nicht gern lassen sie einen Vortheil unbenutzt vonibergeb»." „Sie haben ja die Flasche fallen lassen," sammerte Scropps, „dort .... unter Ihren Füßen bort liegt sie; nehmen Sie sich in Ncht, wenn Sie d'ran stoßen, so bncht sie cn!zwci, und dann ist der ganze Num verloren." „Machen wir jetzt, d,iß wir fortkommen," sagte der Friedensrichter, „noch sind lie Bursche alle in guter Launc und es wärc höchst wüuscheiiSwcrth, ans dem Acreich ihrer Speere zu gelangen, so lauge das dauert. Das Kind läßt sich ganz bequem fortschaffen, wcnn (5'iner von uns es zu sich auf das Pferd nimmt. Somit, Ihr Leute, aufgepaßt, jetzt geht's nach Hause!" „Ich habe noch Nichis stegessen!" klagte Scropps mit jämmerlicher Miene, „inwendig bin ich so leer, daß meine beiden Seiten fast aneinanderstoßen. Mein Halstuch hab' ich mir schon zweimal fester um den Leib gebunden, mach' ich noch einen dritten Knoten, so brech' ich entzwei." „Ohne Lebensmittel dürfcn wir keinesfalls an den Nückwcg denken," pflichtete ich Scropps bei, „haben wir doch nicht einmal ein Paar Hunde bei uns, um i>n Stande zu sein, ein Känguruh zu fangen! Das war überhaupt ein großer Fehler/ daß wir die zu Hause gelassen haben, den» bessere Wachen und Proviant-mcister kann's feine geben." „So muffen wir uns eben noch einmal an die Eingeborenen wenden," sagte der Friedensrichter, „vielleicht treten uns diese Etwas ab." „Musquito, kannst Du uns ein Känguruh verschaffen?" „Känguruh? Ja." Sogleich ertheilte er seincu Begleiter« einige Befehle und diese schienen sich der Sache mit großem (5iscr anzunehmen, denn augenblicklich begannen sie ihre Vorbereitungen, schärften ihre Speere und langten ihre WaddieS hervor. <85 Es ist seltsam, daß diese Wilden noch nicht Vogcn und Pfeile erfunden haben, denn das Land liefert einige Holzarte», ble sich ihrer Zähigkeit und Härte wegen vorzüglich dazu cigucn würden, wobei auch die langen und starfcn Sehnen des Känguruhs ausgezeichnet gut zu V^gensehucn verwendct werden föm,-ten, sowie sic überhaupt zu »och »lanch anderem Zweck ersprießlich Wären, denn die Eingcbornen Australiens gebrauchen bis jetzt eigentlich nur die Fasern dcS von den Ansiedlern sogenannten Strin gy - Barkbaum es zu ihren Netzen und Taschen. Ihre W,iffen bestehen einzig aus Sp>'er und Waddy oder der halb-niondartigcn Womera, die sie im Kriege nach dem Feind, auf der Jagd nach dcm Känguruh schleudern. Die Frauen hatten indessen begriffen, daß wir Fleisch für das Piccaninny wünschten, und eine von ihnen trat mit einer kleinen, aus einem geschärften Steine verfertigten Art in der Hand zu uns heran und nöthigte uns lächelnd und das natürlich uns unverständliche Geplapper mit freundlichen Gebärden begleitend, ihr zu folge«. Wir zögerten auch nicht, ihrer Einladung Folge ;u leiste», und liejicn die (ionstabels, denen nir die Ueberreste unserer Mahlzeit gcgebcn hatten, zur Bewachung der Pferde zurück, wobei wir beide der Ansicht warcu, daß sie die Thiere anbinden und grasen lassen tonnte», da gutes Gras dort im Neber-stuß wuchs. Wir folgten der Schwarzen jetzt zu dem Nande eineS kleinen Dickichts von Stringy-Varkbäumen, die in nicht gar großer Entfernung von dem Lager waren. Nachdem sie dann dort eine Weile im wahren Sinne des Worts nmhergeschnüffclt hatte, wie ein hungriger Zuschauer vor einer offenen Küche, blieb sie an einem Vaum stehn, wo ihre Geruchsnerven ein Opossum witterten. Weil sie nnn aber nicht ein einziges Kleidungsstück anhatte, so brauchte sie sich auch nicht ihrcs Anzugs zu entledigen, um den glatte», dicken Vaumstamm hinanzuklctlern, woran sie sich <86 alsbald machte. Zuerst hieb sie zwei oder drei Fuß vom Boden einen Einschnitt in den Stamm, der nicht größer war, als etwa binreichte, um ihrer großen Zche zn einem Haltpunkt zu dienen. In diesen Einschnitt tretend, hob sie sich dann empor und stand ,„it ihrem ganzen Gewicht cmf ihrer einen großen Zehe, wobei sie sich auf eine mir unfaßliche Weise am Stamm des Baumes l)ielt, welcher viel zu dick war, als daß sie ihn hätte umfassen künnen. Danu machte sie vermittelst ihrer lleinen Art eine» zweiten Einschnitt und stieg auf diese Art höher und höher, bis sie, etwa fünfzig Fuß vom Boden, die ersten Aeste erreichte. Hier saß in eincr Höhlung des Stammes ein Ovossum, welches sie schnell hervorzog und tödtele, und hierauf stieg sie, das gctödtete Wild in der einen Hand haltend und mit eincr Naschheit und Sicherheit aus einem der Einschnitte in den andern tretend, daß wir mit verhaltenem Nthem jeden Augenblick ihr NnSgleiten und ihren Sturz erwarteten, mit einer Geschicklichkeit von dem Baume herab, welcher wir unsere nngctheilte Bewunderung zollten, während sic, glücklich unten angelangt, gar nicht der Meinung zu sein schien, sie hätte etwaS Ungewöhnliches geleistet. Ich hatte von der großen Gewandtheit der weiblichen Gingeborenen schon oft reden hören, dieß war aber das erste Mal, daß ich eine Probe dieser Gewandtheit zu sehen bekam, und ich betrachtete daher mit großem Interesse die Leichtigkeit und Sicherheit ihrer Bewegungen. Das erlegte Opossum am Ohr haltend, überreichte sie es lachend meinem kleinen Schützling und zog sich dann mit freundlichem Kopfnicken zu ihren Gefährtinnen zurück. Gs siel mir wahrhaftig uicht gleich ein, wie ich diese liebenswürdige Handlung belohnen sollte, als mir zum Glück in den Sinn kam, daß ich cin Taschentuch von rother Seide bei m'r hatte. Das gab ich denn der dunkelfarbigen Schönen und lomne <87 zu meiner Genugthuung bald darauf bemerken, wie sie von ihren Weniger glücklichen Genossinnen um den in ihren Augen keineswegs unbedeutenden Schmuck bewundert und beneidet wnrdc. Die gluckliche Schöne band darauf das Tuch wie einen Gürtel um den Leib und lehnte sich, einen Blick dcs Triumphs nach der FaVoritsultanin hinüberwerfenb, an einen Gumbaum, die Nebenbuhlerin mit jenem mitleidigen Frohlocken betrachtend, womit ctwa eine junge Dame in Europa, welche so eben einen Hut nach der neuesten Facou bekommen hat, auf eine gedemüthigte Rivalin mit einer altmodischen Kopfbedeckung herabsieht. Einer ansgelerntcn Koketie gleich wußte sie sich den Anschein zu geben, als suche sie nicht Bewunderung, sondern dull« sie bloß. Inzwischen hatten die Wilden nach ihrer Art sich auf die Känguruhjagd gerüstet, und nachdem Musauito seine sämmtliche Mannschaft gesammelt hatte, verließen wir das Lager, unsere Pferde der Obhut der Constabels übergebend. Die kleine Georgian«, welche mich keinen Augenblick mel,r Verlassen wollie, an der Hand haltend, begleitete ich mit dem Friedensrichter den Iagdzng, welcher im Ganzen aus fünfundzwanzig Köpfen bestand. Einige der Frauen blieben zurück, um auf die Kinder Acht zu haben, deren ctwa ein halbes Dutzend bei der ungewöhnlichen Bewegung im Lager ans ihren uneutdeck-baren Schlupfwinkeln hervorgckrochcn waren. Als ich unter die Manner, welche ohnedieß schou sammt und sonders mit WaddieS bewaffnet waren, scharfe Speere vertheilen sah. wollte mir die Sache nicht ganz gefallen, weßhalb ich mich an den Friedensrichter wandte, mit den Worten: „Will hoffen, daß Alles iu Frieden zu Ende gehe. Werden diese Wilden durch die Jagd aufgeregt, so wandelt sie zuletzt noch b'e Lust an, ihre Speere an uns zu versuchen." „Besonders wenn MuSquito oder Einer der Seinigen in Ihnen jenen Helden wiedererkennen sollte, welcher ihnen vor ei- 188 niger Zeii aus einer gewissen Hütte heraus so nachdrückliche Grüße zukommen Kcsi," „O, was das angeht, so trug ich damals einen zehntägigen Vart und war auch ganz anders angezogen." „Thut Nichts, diese Wilden haben verdammt scharfe Augen und verrathen ihre Gedanken nie, bevor die Zeit znm Handeln gekommen. Diese Speere und Waddies inachen, often gestanden, durchaus keinen angenehmen (5'indruck auf mich und ich kann den Wunsch nicht unterdrücken, wir möchten eine tüchtige Strecke Weges zwischen uns und diesen scharfen Holzspitzen haben." Nir hätten demzufolge dem Vergnügen der Jagd gerne entsagt, allein es war zn spät. Vierundvierzigftes Kapitel. Die Käugnnchjagd. — Wiedererkennen eines alten Feindes durch die Vin» geborenen. — Flücht, — Gefecht, — Erneuter Angriff. — Scrcpps heldenhafte und großmüthige A»fllpscrnng. — Rückkehr zum Clvde. Die gewöhnliche Trägheit und Apathie dcr Indianer hatte einer lärmenden Lebhaftigkeit Platz gemacht, in welche selbst Franen und Kinder einstimmten. Die Männer spaßten und lachten untereinander, die Weiber staarmatzten, daß dic Papageien auf den Väumen erschrocken uer-stummtcn, die Kinder johlten und warfen in kindischem Uebcrmuth kleine Pfeile nacheinander. Um auf allc Fälle gerüstet zu sein, machte ich unserm Führer Tom begreiftich, «r solle uns bei dem geringsten Anschein von Verrath 189 und Heimtücke warne». Tom behauptete jedoch, es falle feinem der Wilden ein Gedanke von Feindseligkeit ein, nnd sagte: „Wollen nicht fechten jetzt .... Kängnrnhjagd!" Im Uebrigcn machten wir die Bemerkung, das; sich bei den, wcitcrn Vorrücken der Eingeborenen Trm nicht unter dieselbe mischte, sondern U! ilNscrcr Nähe blieb, al^ saqc ihm, sein Instiillt seine Sicherheit sei mi unserer Seite größer als zwischen den sch w arze n ^t crlen, wie er sie betitelte. Dic nackte Horde zog jel^t im Rücken des Lagers vorwärts, und nachdem wir eine halbe Meile zurückgelegt, übernahm Musquito die Anordnungen zu dein Waidwerk. l5r sandte, wie uns Tom erklärte, die Hälfte seiner Lcnte nach einem etwa vier Meilen entfernten Platze, während er andere linkshin und wieder andere rcchtshiu wegschickte, (5r beabsichtigte damit, cinc gewisse Strecke Landes zu nmzingrln nnd alles Wild, welches sich ans derselben befand, gegen die Mitte zu treiben, also, um einen Iä-gcrausdruck ;u gclnanchcu, cin Kesseltrcibcu zu veranstalten.' In der trockenen Tommcrzcit stecken, nebenbei bemerkt, die Wilden gewöhnlich den Wald in Vrand, nm so das Wild herauszujagen, welches sie mit ihren Speeren törtcn, während es, Vor dem Feuer fliehend, an ihrcn Hinterhalten voniberkommt; im Winter aber, wo das Wallgras nicht brennt, müssen sie die so c'rcn erwähnte, etwas mühseligere Weise in Anwendung bringe». MuSquito selzic sich dann in's Gras nieder und wir folgten seinem Beispiel, indem wir uns auf einen umgestürzten Vanmstamm niederließen, weil Tom uns sagte, wir müsttcn warten, bis die nach verschiedenen Seiten ansgesandten Jäger den Ort ihrer Bestimmung erreicht hätten, worauf wir erst vrrrückcn dürften. Unser Versuch, unterdessen mit Mncqxito ein Gespräch anzii-tttüpscu, scheiterte, denn der Wilde war offenbar nicht znm Reden aufgllegt, sondern schien »nit Eifer über Etwas nachzudenken. „Hm," sagte der Friedensrichter, „das Abenteuer hat cine ganz M neue Wcndiiüg genommen und hatte ich mir doch wahrhaftig nicht einfallen lassen, wir würden heute noch mit unserm zweideutigen Freuno dort auf die Jagd gehen." „Hoffe nur, es möchte Alles einen guten Ausgang nehmen," versetzte ich. „Seit Ihrer Aeußerung, die schwarzen Burschen konnten mich wieder erkennen, sind schon ein paar Mal höchst nuangcnchme Gedanken in mir rege geworden. Ein Kampf mit diesen Wilden gehörte dermalen, meiner unmaßgeblichen Meinung nach, ganz und gar nicht zu den Lieblichkeiten des Daseins, wozu noch kommt, daß unser kleiner Schützling da uns in unsern höchst nöthigen freien Bewegungen beveutci? hinderlich wäre." Bei dieser Andeutung von naher Gefahr drängte sich daS Kind dichter an mich, ließ aber kein Wort verlauten. Der Friedensrichter fuhr fort: „Habe da vor ein paar Tagen eine ziemlich große Menge langathmiger Argumente gelesen, womit ein französischer Autor daS freie, ja wilde Naturlcben gegen das cioilisirte in Schutz nimmt. Hätte dieser beredte Philosoph unsere Erfahrungen gemacht und diese Wilden hier kennen gelernt, welche sich doch zweifelsohne in dem ächtesten, nnvevfälschlx'stcn Naturzustand befinden, so würde er, behaupte ich, seineu hohen Ton gewiß bedeutend herabgestünmt haben." „Die Eingebornen vonVandieincuZland," erwiederte ich, „bcsin-den sich kaum eine Stufe über der des Thieres. Sie bilden eine Art Verbindungsglied zwischen Mensch und Thier, welches aber nur darin besteht, daß sie da^ letztere verzehren. Auch hier rcicht ihre freie Wahl nicht weit, denn sie haben fast einzig und allein daS Käng-guruh. Deßhalb stammt, meine lch, ihr fast blödsinniges Gcbahren doch auch wieder von ihrem Lande her, indem sie beinahe ausschließlich auf diesem Ztihrungszwcig angewiesen sind und weder Pflanzen noch Früchte kennen, von welchen sie sich nähren, noch ein anderes Thi/r, wclchcS sie zähmcn köliütcn oder welches wenig- 191 sienS im Staude wäre, in ihr eintöniges Dasei» ciuigc Abwechslung zu bringen. Opossums und andere iwch ekelhaftere Crealu-rcn ansgcnomuicn, ist demnach daS Känguruh ihre einzige Nahrung „nd, um diese zu erlangen, innsscn sie unausgesetzt von Ort zu Ort wandern, waS sie allein schon verhindert, sich anzusiedeln und ein gesittetes Lebe» zn führen, und das ist denn doch daS eiuzige Mittel, einen gewissen Grav von Kultur herbeizuführen. Haben Sie jemals in Erfahrung bringen könucn, ob sie ein höchstes Wesen verehren?" „Soviel man durch Fragen und Nachforschungen aus ihnen herausbringen konnte, gl-nlbcn sie an eiu böseS Wesen, wccheS ftets damit umgehe, ihnen Schaden zn thun; von einem gulcn Wesen oder Schöpfer aber hat mau bei ihnen gar leine Spur findcn können. Vor langer Zeit schon haben Cook und Flinders die religiösen a.'cr abergläubische» (incmonieen der Sirney-Inrianer beschrieben, die Ureinwohner von Vandicmensland feuern diese wunderliche Bräuche nicht oder aber sie geben uns keine Gelegenheit, sie zu beobachten." „Ein Haupthinderniß," bemerkte ich, „ihre Religion sowohl, als ihre sonstigen Sitten und Gewohnheiten kennen zu lcrncn, liegt wohl in unserer Unkenntniß ihrer Sprache." «Gewiß, allein ihre Sprache umfaßt, soweit man sich mit 'hr hat bekannt machen können, nur die allercinsachsten Vorstellungen und sie scheinen auch wirklich nur solche ausdrücken zu wollen." „Wohl. sie besitzen aber cin ausgezeichnetes Gebär?cnspiel." „Gleich allcu Wilden; ftgar Thiere zeichnen fich oft darin aus. Vögel ahmen i!aute, Affe» äffeu Bewegungen nach ...» Doch sehe,. Sie, unser Wirth erhebt sich. Der Spaß wird jeht wohl loögebcu." Mu^quilo stiud lang>'a,u aus lind rief den zunächst ihm zur Neckten und linsen stehenden Indianern einige Worte zu, 192 welche diese weiter gaben, bis die Töne in der Entfernung er-starben. Hierauf rückten wir vor. Der Häuptling bcmerfte uns aber gar nicht »der tdat wenigstens, als wiffe er laum GtwaS von unserer Nnwescnhcit, und beobachtete fortwährend fciu düsteres, stumpfes Schweigen. ?lls nun aber daS Schreien seiner Leute lauter und immer lauter scholl und in dcr Ferne da und dort einzelne Ctncke Wild sichtbar wurden, begannen auch die Leidenschaften des Indianers zu erwachen. Die Stumpfheit verschwand auS seinem Blicke, sein ganzer Körper schien sich zu beleben uud mit gräßlichem Geheul und Schrecken erregenden Gebärden scheuchte er daS näher-lommende Wild in den Kreis zurück, bis sich dieser eng genug um die angstvolle!! Thiere geschlossen haben würde. Dieß geschah denn auch mit reißender Schnelligkeit und schon konnten wir die entferntesten Wilden vernehmen, wie sic die scheuen Känguruhs zurücktrieben. Die tobenden, springenden, gellenden Indianer glichen dabei eben so vielen infernalische» Dämonen, welche hicr ihre höllischen Orgien feierten. Ictzt kam ein außerordentlich groß's, wol,l sechs Fuß hohes Känguruh, dcsscil Schweif vor Wuth und Angst weit hinten hin-ausstand, in rasenden Setzen angesprungen, welches MuSanito sofort mit einem Speer begrüßte, der in der linken Schulter dcs Thieres stecken blieb, in dem Gebüsch aber sogleich abbrach. Das Känguruh entkam aber dessenungeachtet nicht, denn die Jäger scheuchten eS durch ihr cntselUicheS Geschrei rückwärts und bevor es iil seinen tollen Sähni einhalten tonnte, warf stch ihm MüS^uito entgegen uud schmetterte cS durch einen Schlag seines scharfkantigen Waddy auf den Schäoel zu Aodcu. DaS Thier schüttelte seinen schönen Kopf nnd, ehe cS, von dem Schlag betäubt, sich wieder zu erhebcu und seine Flucht fortzusetzen 193 vermochte, wiederholte der Wilde die Streiche, wobei er vorsichtig den schweren Hinterläufen deS Känguruh, womit es ihn zu treffen suchte, auswich und bald darauf lag eS znckend und verendend vor ihm. Mit cincm frohlockenden Schrei seinen Sieg verkündend, war jekt Musquito nicht länger der apathische Indianer, sondern zeigte ganz das heißblütige Naturell dcS südländischen Wilden. Seine Augen sprühten Feuer und in jauchzendcr Mordlust schwang er seine Waffe, so daß ich sowohl als der Friedensrichter vom Herzen bereuten, mit ihm j.,gen gegangen zu sein. Der Kieis tcr Treiber schloß sich jeyt immer enger und wir sahen fünf Känguruh in demselben eingehcinmt, unter welchem sich ei» ungeheuer großcö befand, auf das uuS die Indianer mit tem jubelnde» Nuf: Vuhma! Vuhma! hinwiesen. Drei der kleinen Thiere wurden vermittelst der Speere und Wabdies von den Iaqcrn rasch getödtct, das Vuhma aber blieb mit einer Art von Trolz in der Mitte des Kreises stehen und er-tvartlte das Herankommen seiner Fcm'e. Augenblicklich flog ein Schauer von Speeren auf daö Wild los, allein es sprang, so oft es getroffen wurde, nur EtwaS in die Höhe und spähte scharf nach einer Stelle umher, wo es durch den Kreis bn'cheu fönnte. Zuletzt sprangen uns gerade gegenüber drei oder vier dnufle Gestalten mit wildem Geschrei auf das Thier los und suchten es mit ihren Wadoies ;u erreichen, Hiedurch erschreckt, fuhr es pfeilschnell auf und zur Seite und zwar gerade auf den Plah zu, wo der Friedensrichter und ich mit tem kleine» Mädä'cu standen, und hier gelang eS ihm dc,:u, auS dem Krcise zu kommen. Vei diesem Anblick stampfte 2)?u^ui!o vor Wuth und Acr-ger nber das Entkommen des bedeutendsten Wildes den Vudcn. Il,l nämlichen Augenblick erwachte aber in mir die alte Jagd-"lbmttucr cincs Aüswaüdcrcr^. N. 13 194 lust, und di.' Büchse emporhebend, feuerte ich den rechten L^uf tcrselbcn nach rein Thiere ad, weil ich in diesem Lauf stets eine Kugclladmig hatte. Der Schuß war auch glücklich genug angebracht, denn er zerschmetterte dem Thiere de» Schädel lind lautlos stürzte cS zusammen, wie d>,»» die Kangnruh's überhaupt nie cincn Schrei hören lassen. Unmittelbar nachdem der Schuß gefallen, hcrrschlc unter den Eingeborenen Totenstille und sie standen, Bildsäule» gleich, lant- und regungslos ängstliche Vlickc von mir auf ihre Gefährten schießend. Dieses einem so unbändigen Nasen uno Toben so plötzlich folgende Schweigen brachte cincn ganz eigenthümlicheu Eindruck heror. Ich lief indessen zu dein erlegten Wild hin, wulici ich mit jener im Walde nie übnflüssigcn Vorsicht meine Büchse wieder lud, während die Wilden mich aufmerksam betrachteten. Die mir zunächst stehenden herbeiwiulend, um das Wild in Empfang zu nehmen, suchte ich ihnen begreiflich zn machen, eö gehöre ihnen, und sobald sie einigermaßen verstauten, was ich wollte, kamen sse vorwärts, aber langsam und bedächtig. Mus-quito jedoch trat ohne Vcoenken heran und drückte, die Qualität des erlegten Thieres mit Kennermiene untersuchend, seine Zufriedenheit aus, worauf es vier Indianer zu ihrem nicht weit entfernten Lager schleppten, währcud die übrigen, wie cs schien, Zu-rüstungen zu einem Feste trafen. Vcvor wir jedoch den Lagerplatz erreichten, kamen unS die beiden ConstabclS schon entgegen, denn sie hatten meinen Schuß gehört und warfen sogleich die Sättel auf die Pferde, um zu unserer Unterstützung herbeizueilen, welcher wir, wie sie glaubten, bc-nöthigt waren. „Wir meintcn, Sie säßcn in der Dinte," sagte Sanders, „und Gcroppö freute sich bereits aus das Scharmützel, denn er ist Keiner von Denen, die hintendrcin kommen, wenn's an'S Fechten geht. Davon haben wir mehr, denn eine Probe." „Man kommt ailch nicht weit mit dem Zuschauen," rief Scorpps, „und das Beste ist, man schießt sie gleich übcr'n Haufen. Dann darf man doch versichert scin, daß sie keinen Schaben wehr thun sonnen. Traut nur leinen, Wilden, sag' ich." „So steigen Sic denn lieber auf, Gentleman," ermähnte uns Sanders, „die Kerle liabeu ihre Wad^ieS und Speere einmal iu der Hand und man kann nie wissen, wenn sie die Lust anwandelt, davon Gebrauch zn machen. Sehen Sie nur die drei Gauner an, welche dort zusammen schwatzen nnd unausgesetzt auf Mr. Thornley hinweisen." „Sie sprechen über seinen vortrefflichen Schuß, " meinte der Friedensrichter lachend, „und wundern sich vielleicht, wie so ein Schuß überhaupt möglich war." „Kann sein, Sir, allein es will mir nicht gefallen, daß sie sogleich verstummten, als wir nach ihnen hinüberschauten. Vorsicht ist nie unnütz. Wir beharrten zwar bei unserer Meinung, es sei Nichts zu befürchten, nahmen jedoch ben (ionstabelS unsere Pferde ab und führten die Thiere am Zügel, wobei ich das Kind auf das meinige fetzte und ihm sagte, eö solle sich an der Mahne festhalten, abcr sich nicht ängstigen. So näherten wir uns den Feuern, um welche die Eingeborenen, nachdem sie das erlegte Wild herbeigeschleppt hatten, zerstreut nmhcrstanden und hockten. Den Känguruhs zur Seite lagen auch zwei Schlangen und ich legte unsern, Tom die Frage vor, was man mit diesen Reptilien machen wollte. „Essen!" gab Tom zur Antwort . . ^ „Schlange gut . . . in Sidney essen viele Schlangen." Er halte noch nicht ausgesprochen, als einer der Wilden die ,3" Schlangen nahm und sie. ohne sie zu reinigen oder abzustreifen, auf cines der Feuer warf, und nachdem sie seinem Geschmack «ach dort lange genug geschmort worden, verzehrte er mit zwei seiner Kameraden, welche ebenfalls ciu Recht daran zu haben schienen, die halb gerösteten Dinger mit augenscheinlichem Behagen. Die Eingeborenen begannen jetzt auch das grüßte Känguruh zn zerlegen, und da die scharfen Feuersteine, womit sie dicscs Geschäft betrieben, nur unbchülflichc Werkzeuge waren, so zog ich mein Taschenmesser hervor und gab es Mu?.niito, Das Taschenmesser enthielt neben einer sehr großen und einer kleineren Klinge auch eine Säge. Ich zeigte sie den Wilden und erklärte den zunächst stehenden dcn Gebrauch dieses Instrumentes, welches ihnen sehr zu gefallen schien. Die große Klinge gefiel ihnen jedoch offenbar noch besser. Muöquito war so herablassend, von dem Geschenk augenblicklich Gebrauch zu macheu, indem er vermittelst desselben de nämliche» die! schwarzen Gauner, welche vorhin dort hinten mitsammen schwatzten, haben ein Auge auf Ihre Büchse." Der Friedensrichter siel hastig ein: „Thornley, ich bin überzeugt, daß man Sie erkannt hat. Diese Wilden erinnern sich Ihrer Büchse. Je schneller wir uns daher davon machen, desto besser dürfte cS für uns sein. Reiten Sie mit dem Kinde voraus, ich will mit dcn beiden Constabcls den Rückzug decken .... Kann Tom mit uns fortkommen?" „Jedenfalls so geschwind, als wir traben," entgcgnete Sanders. „Vorwärts also und lastt uns wciter feine Zeit verlieren. " Der Friedensrichter und ich schwangen nus jcht anf die Pferde, als ein plötzliches Gehenl ans dem Haufen der Wilden gellte, der den tausendfachen Widerhatt der Wälver wach rief. So schucidcno und gellend klang der Schrei, daß die Pferde ansingen, wild ;u stampfen und in die Zügel zu schäumen. Hätte es aber auch noch einer weiter» Mahnung bedurft, uns zur Eile zu spornen, so erschien diese in Gestalt eines Speeres, der, von einer freundschaftlich gesinnten Hand nach mir geworfen, mich zwar verfehlte, jedoch in Scropps Pfcrde stecken blieb. Das Thier erwartete keinen weitern Sporn, noch sein Reiter einen zweiten derartigen Wink, denn diese offene Feindseligkeit zeigte uns deutlich gciiug, wao wir ;n thun hatten. t93 Wir sehten uno, Tom voran, in Galopp und sp«»g!cn um den Hügel herum, Allein dcr Schwarze blieb bald zurück und oeS Richtete! Ruf gebot uns Halt, um den armen Bursch nicht dcn Feinden preiszugeben, Sanders mußte ihn, weil dcr vor uns liegende Weg eben war, hinter sich aufs Pferd nehmen, und nachdem dieß geschehen war, ritten wir eiligst weiter. Der kurze Halt hatte jedoch die wilden Verfolger in Stand gesetzt, uns an der Stelle, wo sich der Weg, welchen wir einschlagen mußten, um den Hügel hcrumwaudte, zuvorzukommen, und obschou wir den Speeren ausweiche» founten, traf eine geschickt geschleuderte Womcra Seropps Pferd abermals und zwar an den Schenkel, was uns wiederum einen lurzcn Halt verursachte. „Haltet Euch ruhig, meine Leute!" rief der Friedensrichter, »wir habe» offenen Weg und eine baumlose Gl'cnc vor uns . . ." (>iue herrauschende Sveerwolkc unterbrach ihn. „Sanders, schießt mir mal den Indianer mit dem Spcerbündel dort weg!" Dcr Const.ibcl gab Feuer unv dcr Iuriauer siel, worauf sich seine Kameraden respektvoll hinter daü Gebüsch zurückzogen. „Und jetzt, Scropps," mahnte der Friedensrichter, ,/thut, was Ihr vermögt, um das Pferd vorwärts zu bringen. Noch vierund-zwanzig Stunden und wir sind in Sicherheit." Wir konnten indeß allein guten Willen zum Trotz nur langsam vorwärts kommen, denn wir durften doch dcu Mann nicht zurücklassen, und indem wir so am Waldrande hinzogen, hatten wir nach Verftuß einer Stunde erst eine kleine Strecke zurückgelegt und waren am Fuß eines kleinen, bcbuschtcn Hügels angekommen. „Das ist qan: so ein Platz, wie sich ihn die Wilden zum An< griff auserfthcn, wenn sie überhaupt zu einem Angriff i'ust haben," äußerte Sanders. „Daß V!r. Thornley der Maun ist, welchem sie früher einmal nachsetzten, und wclchcr zweifelsohne mehrere dcr Ihrigen niedergeschossen, das wissen sie jetzt, und daß die Verwand« <99 ten der Getödtctcn Blut um Blut lallen, das ist ihrer Meinung zufolge ganz in der Ordnung." „Was für einer l!>fache soll ich ee« aber zuschreibt!!, daß sich Muoquito ft' ruhig verhielt? l5r niuß mich doch wchl ebenfalls erkannt haben." „Ei, schau'n's, das ist ein Ciducv-Inbiancr und gehurt im Grnnd keinem der Stämme unfercr Insel an. Hätten sie einer seiner Gins ein Leid angethan, dann freilich wär's ein ander Ding gewesen, denn in dcr Beziehung sind die Wilden, wie die Weißen; sic mien's nicht leiden, daß ihnen Jemand ihre Frauen alspenstia. inachc. Von dadcr kommen auch die meisten Feindseligkeiten zwischen den Weißen und den Eingeborenen, Tic Stockkecvcr verfuhren nämlich die tuukelhäutigci! Schönheiten vermittelst einiger Vrettcrnägcl ober eines alten Glasstückcs oder eines rothen Tuches. Rothe Tücher thun's am Vesicii. Nichts fcmn Einen so leicht mit 'mm Mädchen befreunden, möge es mm schwarz oder weiß sein, als ein rothes Tuch. Den Eingeborenen will aber dit Sache nachher nichl recht gefallen und da gibt's denn Händel." „Solche scheinen auch uns gewiß ;u ftin," bemcrltc dcr Friedensrichter, „denn seht, da kommen die Wilrcn in Masse heran . . . Es ist mir zwar nicht recht, allein es gilt, uns unserer Haut zu wehren, und deßhalb wird Entschlossenheit sehr am Platze sein." Wir hatten während dieses Gespräches den Kamin des Hügels erreicht, an dessen Fuß sich wiederum eine weite, baumlose Fläche hindchnte, die Seite des Hügels aber. wo wir in die Ebene hinabsteigen mußten, war sehr zerrissen und bcbuscht, weßhalb wir auf einer etwas offenen Stelle Halt machten, um den gedrohten Angriff zu erwarten. Die Indianer scharten sich in einer Entfernung von etwa hundett Sch.itten und Einer trat hierauf, seinen Waddy in der Rechten und ein Bündel Speere iu der Linken, hervor und auf uns zu und hielt cinc lange, sehr lebhafte Rede, wobei er di« 200 Arme heftig umherwarf, jedoch durchaus keinen allzu großen Jörn verrieth. „Was sagt er denn, Tom?" fragte der Friedensrichter. „(5r sagt: Ihr weißen Mann alle bös." „Und was sonst noch? Das taun doch nicht Alles gewesen sein." „Gr sagt : Ihr Alle kommen in dieß ^and und essen auf Känguruhs und nehmen Gin«?. Er sagt: Ihr Alle sehr bös weiße Mann, und er sagt, Gentleman, Matter Thornley. sehr boS weißer Mann, wahrhaftig, bringen ihm um Vrudder, Vniddcr vom schwarz Kerl da .... und er sagt: er will Matter Thor»l?y, vor ihm zu stehen hin, und er Eftecr werfen nach Matter Tholuley." „Er fordert Sie zum Duell, Thornlev!" rief der Friedensrichter auS, „und sie müsse», denk' ich, als Gentleman und Mann von Chre, ihm Satisfaction gcben. Die Schwarzhaut blamirt Sie sonst." «Malter Thornley dorthin stellen," fuhr Tom fort, „schwarzer Kerl eiaen, zwei, drei Speere nach ihm werfen. Dann schwarzer Kerl nicht mehr will kämpfen . . , bloß Matter Thorn-ley bringen um; dann sein sehr gute Freunde." „Thornley," sagte der Friedensrichter lachend, „da scheint kein anderer Auöwcg zu sein, Sie müsse» sich für'6 allgemeine Beste opfern, wie QuintuS (vurtius." „Mit Euer Vohlehreu Erlaubniß." bemerkte jetzt Scropps, «ich Weiß freilich nicht, wie sich der Hindus HurtiuS gegen die Gingeborenen benommen, allein wenn wir's bloß mit dem einzigen kläffenden Iüngelchen da zu thun haben, so lonntcn wir's ja Probiren, ihn abzukaufen. Wir haben noch verschiedenes Zeug bei uns. Hier z. V. ist die noch halbvolle Flasche Num. Wenn wir ihm diese anböten?" Tom ging demnach auf den Herausforderer zu, Corrobnra' 20t rufend, was so viel zu bedenlcn hatte, daß er vor Allem mit ihm unterhandeln wolle, «nb wicS ihm hierauf die Numftasche, fragend, «b er uiu den Preis dcrscllen von allen Feindseligkeiten ablassen wolle. DicseS Ancrbicren wurde jedoch mit Verachtung zurückge- wiescn. Tom setzte nnS davon in Kenntniß und der Wilbc begann abermals, das ihm wiedcrfahrcnc Unrecht aufzuzählen und zu versichern, dasi er Nache nehmen wolle. „Lassen Sie «ns ihm etwas nichr anbieten; können wir ihn erst dahinbringen, zu feilschen, so werden wir wohl mit ihm einig werden. WaS sollen wir ihm geben, Tom?" fragte der Frie< dcnSnchter. „Gebt Flasche Num, Matter Thoruley rothes Tuch für feine Gin und Knöpfe von Enrem Nock." „Die Knöpfe von meinem Nock?" rief der Friedensrichter. „Nun, wenn ich damit meinem Freund das Leben retten und einen Friede'nsbruch hindern kann, so habe ich Nichts dagegen, denn ich sehe wohl, daß Thornlcy auf das Duell ganz versessen ist ... sci'S also um die Knöpfe." Tom wurde nun mit diesen ncuen Sühuopfcrn abgeschickt, dem Indianer stach aber noch TomS Art in die Augen, und als ihm auch diese angeboten wurde, blieb immer noch irgend etwas auszugleichen, was wir aus der lebhaften Unterhaltung der Bci-dcn abnehmen konnten. Vald darauf kehrte unser Unterhändler zurück und sagte! „Schwarzer Kerl sagt: Malter Thornley das Picanim») haben, cr dafür einen kleinen Speer nach dem Mann da werfen will. " Und cr zeigte ans ScroppS. „Was, nach mir?' schrie Scropps auffahrend. „Ich will 292 leinen kleinen Speer nach nur werfen lassen. Sag' ihm, er soll sich zum Teufel scheeren!" „Schwarzer Kerl sagt/' entgegnete Tom, „er Speer werfen muß nach irgend Einem, denn wirft cr gar uicht Speer, zeigen Gins »nt Fingern auf ihn. Er sagt: nicht wehthun weißen Mann, nur ein klein wenig Speer stoßen in ihn." „Gin wenig Speer in mich stoßen?" schrie Scropps höchlich erzürnt. „Gs fällt nur nicht ein, wahrhaftig nicht! Er Zoll seinen Speer in einen Baum stoßen, wenn cS ihm Spaß macht. Warum in aller Welt soll denn gerade ich einen Speer in mich hineingestoßen kriegen?« ..Lieber Scropps," sagte der Friedensrichter, „Falls Ihr Euch zum Opfcr bringt, werdet Ihr sicherlich ein großes Blutbad verhindern. Ich kann Gnch freilich, wie sich's von selbst versteht, in dieser Beziehung Nichts befehlen, die Sache hängt ganz von Gu-rem Muth nnd Eurer Hochherzigkeit ab, allein bedenkt, daß Ihr durch eine vielleicht unbedeutende Wunde viele Menschenleben retten könnt, und erinnert Euch an Qnintus Eurtius ..." „O, ich glaube mein Lebtag nicht, daß sich Ihr Hindus Hur-zinS vor socineu schwarzen Spitzbuben hingestellt hat, bloß um einen Speer nach stch stoßen zn lassen." „Wcnn Ihr Euch entschließt, Eeropp?," sagte der Friedensrichter, „so dürft Ihr versichert sein, daß ich Euch dem Gouverneur nicht allein zu einer Belohnung, sondern auch zum Avancement empfehlen werde." „'S ist zu schnöde," erwiderte EcroppS kläglich. „Ich bin aber immer der, welcher am schlechtesten wegkommt. Zuerst war es meine Flasche Num, welchen diese Schufte hinnntcrgrssen, und jetzt, nachdem sie sich durch mein Getränk erhitzt, soll ich eine Zielscheibe für den schwarzen Gauner da, der seine verdammten Speere in der Luft schwenkt, abgeben." „Will Euch Was sagen, EcroPPS," siel ich jetzt ein. „Anf 203 keinen Fall lann Guch durch die Sache ein grosicr Schaden wircr^ fahren, denn ich würde sonst gar nicht darein willigen. So Ihr aber, weil mir einmal die Sorge für das Kind obliegt, die Geschichte an meiner Statt abmachen wollt, geb' ich Euch hundert Dollar«." «Nun lneinethalb, ich will gehen, aber gern thu' ichs nicht. Hundert Dollars in ba arcm Geld meinen Sie doch, nicht etwa in Waaren?" „Ja," entgegnete ich, „hundert baare, blanke Dullars." „Des KindcS, nicht der Dollars wegen geh' ich. 's wird »nir's indessen Niemand abstreiten wollen, daß ich wohl eine Be< lohnung verdient habe, wenn ich mich von dem Slrolch dort mit seinen spi^gen Hölzern bespicken lasse." „Ei, er trifft Dich ja schwerlich ! " rief Sanders. „Den Ducll-rcgeln der Wilden zusolge darfst Dn anch einen Speer znr Abwehr haben." Die in Sicht gestellten hundert Dollars verdrängten zuletzt die Furcht vor den Speeren deö Wilden und der tapfere Consta-bcl schritt, freilich etwas langsam, der Stelle zu, wo dicseS seltene Dnell vor sich gehen sollte, uno erwartete, etwa vierzig Schritte von dein Indianer entfernt stehen bleibend, mit einer keineswegs sehr freundlichen Miene, den Wurf desselben. Der Wilde grüßte ihn zuvörderst mit einer langen, wie eS schien, sehr gehaltvollen Nede, auf welche der arme Scropps gewiß mit denselben Gefühlen lauschte, wie der zum Galgen ver-mtheiltc Verbrecher auf die salbungsvollen Ermahnungen deS ^M begleitenden Predigers. Sodann produzirte der Indianer verschiedene kühne, gcheim-'ußvulle Springe, welche das Abenteuer so in die Länge zogen, baß Scropps endlich ärgerlich schrie.- «Verdamm' Dich! .... Wenn Du überhaupt noch wer- 204 fen willst, so wirf zu und laß mich nicht tine Ewigfeithier warten! " Das einzige, dem Wilden verständliche Wort war das erste dieses Aufrufs, denn der größte Theil der Eingeborenen hat dasselbe vun den Swckkceper» gelernt, und da er wohl wußte, daß es ein zorniger Nusruf war, und denselben für einen Beweis von. Muth und Trotz hielt, womit der Weiße den Begin» seines Angriffs erwartete, so hielt er mit einmal in seinen Sprüngen inne und warf einen Speer nach dem Constabel, welcher ihm dicht an dem Arm vorbeischwirrte und wohl an zwanzig Schritt hinter ihm niederfiel. „Hollah !" rief Scropps, „daS ist fast zu nahe, um angenehm zu sein. Sachte, Du schwarzer Schuft Du, sachte!" Der nächste Wurf traf den (5onstabel an die rechte Seite, dort aber gegen die Tabacksdose stoßend, durch deren Deckel er fuhr, siel er nieder ohne weiteren Schaden zu thun. Indessen war dieses unserem Scropps doch zu arg, und einen keruhaften Flnch gegen all die Eingeborenen der ganzen Insel ausstoßend, und sich keineswegs davon ausnehmend, weil er solch ein Narr sei und ruhig stehen bliebe, während ein jämimrlichcr schwarzer Gauner ein Sieb auS ihm zu machen beabsichtige, wandte er sich zn schimpflicher Flucht. Der nächstfolgende Wurfspeer traf aber gerade den fleischigsten Theil seines Körpers und mit einem Spruuge, welcher einem Känguruh Ehre gemacht haben würde, fuhr er in die Höhe, stieß einen gräßlichen Schrei auS und kam zu uns zurück, während Sanders vor Lachen fast vom Pferde fiel. „Aber, ScroppS," rief er seinem (Zollegen entgegen, „Du wirst Dein Lebtag die Wunden nicht aufzeigen dürfen, welche Tu da bekommen hast. Weißt Du wohl noch, wie der Sergeant vom 4o. Regiment uns seine empfangene Wunden zeigte? Das wirst Du nie wagcu dürfen. Geh uud laß den schwarzen Gentleman 205 noch fine» Speer nach Dir werfen, daß er Dich auf daS Vor-berthcil trifft und Du anständig aussiehst." „Hundert Dollars," meinte schinnnzelnd Scropp, froh, leine bedeutendere Verwundung davongetragen zu habcn. „Hundert Dollars, wohlverstanden in Gele, nicht in Waaren. Nun, für hun-dert Dollars inacht' ich mir Nichts daraus, mich iwch einmal hinzustellen." Der Wilde laS inzwischen, nachdem er seinen letzten Sp.'er im Hintertheil seines Goners stecken ssesehen hafte, seine Waffen wieder zusammen und kehrte zu seinen Kameraden zurück. Fortan wurden wir nicht mehr vo» den Wilden aufgehaltn und konnten ungestört nnscrn Weg verfolgen. Die Nacht über mußten wir noch im Walde bivouakiren, wo wir miS eben, so gut es ging, behalfen, am nächsten Tag aber erreichten wir, östlich von der Salzarubeu-Vl'ene, die Hütte eines Stockicepers nnd hier entließen wir innern Führer Tom, nachdem ihm der Friedensrichter eine Auweisuug ausgestellt, welche ihn crmächttgte, bei einem Kaufmann zu ^,'auinestou Waaren, wie er sie selber auswählen wollte, bis zu dem Vetrag von siinf Pfund Et. auszuwählen. Nach dem Hcfwland hinüberreiteud, waren wir froh, ?Ibends cin gnleö 2!>irthSha»o zu erreichen, von wo a»S der Friedens-richicr aiu l.ächsten Tage nach Launeestou aufbrechen wollte, um zu erfahren, was auS Gcorgiana's Oheim gcwoldeil sei, gerade aber waren wir im Begriff, uuS mit mebr, als gewohnlichcm Abpellt üder die H>ni'.mclölippche>l und Dumpers hc>zumachcn, als wir an der Thüre ein ganz b'eson^crcS lautes Klopft» hörte» und Sanders ausrief: »Das ist Charles ^Haffen,, so wahr ich lebe!" Vr war es in der That, aber äußerst tranng und »icw'ge- 206 schlagen stand er vor ber Thüre, und als wir N!le hinanöeiltcn, ihn zu begrüßen, wieS er schweigend auf den armen Nuderich/ welcher mit cutsctzlich geschwollenem Hinterbein kaum weniger tralu-rig und niedergeschlagen, als sein Herr, hinter diesem stand. Fü n fu n d v i cr z ist st e s Kapitel. Charles Ehaffcm koüunt >v!cder zu scmcm Pfcrd, setzt abcr dcn H^ock ^uin G.irlncr. — Wic Gcorgiana c>>is dcin rolhen Haue entfuhrt würd«___Kral'b kchrt «c» scincr Üirisc hcim. „Gi, Charles," fragte ibn der Friedensrichter thcilnchmcnd, „waS um'S HimmelSwillcn habt Ihr mit Eurem armen Roderick angefangen?" „WaS ich mit ihm angefangen, ich?" entgegnetc der Jockey lnunnervoll. Dann sprang er anf einmal wild in die Höhc nnd schrie: „Gerechtigkeit aber soll mir werden, Gerechtigkeit, so dieser Artikel überhaupt noch m Mengland z» haben ist! .... Elende Schurken! .... alle zwei .... beive Gauner, aber ich wcroe sie zu finden wissen! Werde an meinen Vetter in Nildshire schreiben u»d der muß die Sache aussechte». Wollen doch mal sehen, vb solchen Scelenverkällscrü nicht beizukommen ist, und wären sie zehnmal glücklich von hier fortgekommen." So sprechend war er abgestiegen und brachte seine zwei Pferde, dao eine, worauf er geritten, und Roderick), welcher nebenher ha«iel Gclo, da er mir ja Rodcrich halte abkaufen N'ollcn, und weil man nun über Launcestou schon so allerlei kurioses ZcugK gehört hat, als ob Leute, die gut zu bezahlen im Staute waren, nicht lauge dort aufgehalten würdcu, so mochie ich's nicht nski: ren, sondern beschloß, den Kerl zu dem Friedensrichter unseres. Bezirks zu bringen, der gewiß nicht viele Umstände mit ihm gemacht hätte. „Wollte dahcr nur schnell in die Stadt hineinreiten, wclchc höchstens noch eine Meile entfernt war, um gerade von der erwähnten Salbe 'ne Büchse zu taufen, welche dem Matrosen viel? leicht auch geholfen hätte, denn der Sturz vom Pferde hatte ihn ganz gelähmt und konnte er keinen Fuß mchr «or den anvcru setzen. So schien es wcnigsttnS. Ließ daher meinen (>!cfangcncii inzwischen untcr ^bhul düseS ucrdammten Secpfndcö, wctchcs mir versprach, ihn gewiß nicht auS den Äugen zu lasscu. „Die beiden Gauner müssen sich aber schon von früher gekannt haben, oter aber sehr rasch Bekanntschaft gemacht haben, denn die Wirthin in dem klcineu Wirthshaus . . , . dcr WirlI) war z'.nu Unglück nicht daheim .... sagte nur nachhcr, daß s,5 21! diel mit einander geflüstert und gewispert halten und dann fort, ble Bucht anlang, den: Strande zugegangcu seien. „AlS ich meine Geschäfte in der Stadt abgemacht und daS Auslaufen deS Jupiter auS bei« Hafen mit angesehen hatte, welcher mit nicht sehr günstigen, Winde die offene See zu gewinnen trachtete, trottete ich munter und guter Dinge wieder „ach dem Wirthshaus zurück und kam gerade noch rccht, um zu sehen, wie ein kleines Boot auf den Jupiter zuludcrtc, welcher noch an der Küste lavirte. „Eine Ahnung sagte mir, baß sich in dcm Boote mein Gc-fangcncr und sein theeriackigcr Gefangenwärtcr befänden. Ich sprengte hastig auf daS Wirthshaus zu »üb .... hast nicht gesehen? die Spitzbube» waren weg. „Wozu war jetzt mein Toben und Wüthen nütze? Anfangs winkte ich dem Schiffe vom Ufer aus mit meinem Hut, dann mit meinen, Halstuch, zuletzt mit meinen, WammS .... all umsonst. Sogleich, nachdem daS Boot von dcm Jupiter au Bord genommen worden, legte er nm. die Segel bauschten sich und eine Stunde später hätte selbst dcr Teufel das Schiff nicht mehr iwn dem Waffer zu unterscheiden vermocht. —" Ei hätten Sie nur daS Ihnen für Ihr Pferd angebotene Geld "genommen!" bemerkte Scropps bedeutsam. Ei, hätt' ich nnr Sie nnd Ihren klugen Rath bei mir gehabt, Sie^DoklorG'schcidle!" entgegnetc ihm der getäuschtc.Täuscher mit Rossen .... Jetzt aber geh' ich nach Hause und mit dem nächsten Schiff schreib' ich 'ncn Arief nach England, daß cS eine Art haben soll. NodcnchS vollständiges GcfchlechtSrcgister schick' ich hinüber, nnd wenn sie daranf hin den Dieb nicht hängen, so soll mir Keiner mehr WaS vom freien England sagen!" Vom Rum und Aerger betäubt, denn dcr zornvolle Jockey hatte wähvenv seiner Erzählung scin Glas, vielleicht unbewußt, sehr 14 .'- 2l2 oft geleert, warf er sich auf das für ihn bereitet«: Lager, auf welchem er „och schlief, als wir am anrern Morgen in aller Frühe aufbrachen. Die Constabels gaben mir noch auf niein Verlangen bis an den Clyde das Geleit, und zu Hause angekommen, belohnte ich fic für ihre Ausdauer und ihr Wohlbetragen reichlich, gab auch über-dieß Scropps die hundert Dollars in einer Anweisung auf die Vank zn Hobarttown. Meine kleine Schutzbefohlene wurde von allen dcu Meinigen mit herzlichster Liebe und Zärtlichkeit empfangen. Vtußlcn doch schon seine Leiden, auch ganz abgesehen von seiner bezaubernden Liebenswürdigkeit, dem armen Kinde alle Herzen gewinnen. Als sich die Kleine am folgenden Tage erholt und gestärkt hatte, mußte Ne uuS auch ihre Flucht oder vielmehr ihre Entführung aus dem rothen Hause zn Hobarttown erzählen. Sie war von eine»! frühern Genossen ihres Paters in der Hütte am Siebenmeilen-Ufer verborgen gehalten worden. Dieser ihr Vcschicher mochte aber Allem nach durch das Geld des schwarzröckigen Mannes gewonnen sein, die Kleine an Vord eines Schiffes bringen zu helfen, denn verschiedene Unterredungen, welche die Beiden Abends vor der Thüre der Hlitte mit einander gehalten, ließen V.is furchtsame Kind oft einzelne, dahin bezügliche Worte erHaschen. Doch war trotzdem der zuerst erwähnte Man>: immer freundlich gegen sie gewesen nnd hatte nach Kräften für ihre Bedürfnisse gesorgt. Da kamen aber an jenem Morgen nach meinem Abeniencr in dem rothen Haus plötzlich die beiden Männer, welche wir ron Hobart-lown aus verfolgten, angcsiürmt, rissen die Kleine ane der Hütte, nngeachtet der Gegenvorstellungen ihres Verpftegerö, der zncrst einen heftigen Wortwechsel mit dem Schwarzrock hatte, dann aber ebenfalls mitging ii:,d daö Kind trug, während der Vegleiter des 2l3 SchwarzroctS sich rechtshiu wandte und, inehrere hundert Schritte von dcu Nebrigcn entfernt, im Walde hinlief. Nachdem sie in einem Boot über ein breites Wasser gefetzt, hatte wieder eüie Berathnng und ein ernstlicher Zank zwischen den Männern stattgefunden. Der Schwarzrock katte sie bann weiter getragen und gleich daranf vernahm sie hinter sich einen Hülferuf. Darauf ward wieder MlcS still und der unfreundliche Mann holte sie wieder ein. Der jedoch, welcher sse bisher beschützt hatte, kam nicht mehr, mid als sie deßhalb ;u weinen begann, wurde sie von den Vcidcn rauh ;-n' Rnhe gewiesen imd verstummte aus Furcht. 3ln jener Flußfurth schien endlich der Mann, welcher sie ietzt vor sich auf dem Sattel hielt, die Zustimmung dcö Schwarz-rocks zu Etwas, was er thun wollte, bekommen zu haben, denn er riß jetzt das arme kleine Wesen heftig vom Pferde herab und schrie: „Hast mich lange g'nng geärgert, Balg Du.' Sollst eS wenigstens aus der andern Seite deS Flusses nicht länger thun! . . . Die, welche Dich suchen, mögen Stangen und Hacken und Netze mitbringen!" Sein gcwaltthätigcs Anpacken ließen die Kleine das Gräßliche, was er beabsichtigte, deutlicher ahnen, als seine dunkeln Worte. Sie schrie und flehte, allein der Unmensch kümmerte sich inchc um ihre kläglichen Bitten, sondern trug es an da« Ufer deS Flusses und vergebens streckte sie ihre Händchen stehend nach dem andern Manne aus, welcher bei Seite geritten war nnd nicht hörte oder nicht hören wollte. In dicscm Augenblick aber brachen plötzlich anS einem nahe« Mimofendickichr eine Menge dunkler Gestalten hervor. Der Mann, welcher sie in den Fluß werfen wollte, wurde zu Boden geschlagen und sie selbst mit fortgenommen, indessen von den Wilden liebreich und freundlich behandelt. 2l4 Das war Alles, wessen sic sich ncch cr!'u!:c-t.'. Vald nack'her kamen ja die Retter in das Lager der Vi>dcn und sic f^nd cinen Vater. Vnm Schlusi ihrer abgcbrochncn Erzählung barg das arme Geschöpf sein Antlitz an meiner Vrust und schluchzte laut, denn tie Erinnerung an das unlängst Erlebte machte es weinen. Bald jedoch beschwichtigten cS dic Mcinigen, und da wir alle mit einander wetteiferten, ihm Liebe nnd Gntc zn erweisen, so fühlte es sich bald völlig heimisch unter uns. Hierauf mußtc ich mcinc Abenteuer ebenfalls erzählen, wobei natürlich meine Frau mich tüchtig ausschalt über den Leichtsinn, Womit ich mich so großer Gefahr ausgesetzt. Krabb war nicht anwesend, wcil er sich, wie ich hörte, am nämliche!: Tage, wo ich nach Hobarttown geritten, von Hause lvegbegebcn hatte, um seine Schaft zu verkaufen...... Ich mußte jetzt meine ganze Anfmerksamkcit auf meine Farm wenden, denn es war durch mein langes Fortsein im Gange der Geschäfte Manches in Unordnung gerathen, nnb ich hatte als^ eine Woche lang so vollauf zu thun, daß ich wenig an Anderes dachte. Als aber nach Vcrlanf dieser Zeit noch immer Nichts von Krabb verlautete, begann ich unruhig zu werden und ich sprach gerade eines Abends mit meiner Frau darüber, wie ich allmälig befürchten müsse, es sei ihm ein Unglück zugestoßen, und ich deßhalb am nächsten Morgen nach ihm ausgehen wolle, als wir den Vermißten über die Wiese auf das Haus znkommm sahen. Er kam uns ermattet nnd eu:kräftct ver, seine Kleider waren bestaubt und beschmutzt, auf der Schulter trug er ein in ein bnntcs Schnupftuch geschlagenes Paquct, dessen Schwere ihn niederdrückte. 2l5 lind, sii^cm gewöhnlichen Gebahrcn ganz unähnlich/ schlich cr matt und langsam herbei. Ich sprang sogleich vor die Thüre, um ihn zu empfangen, und in der Stube angekommen, warf er sich mit cimm liefe!', Seufzer in dc» großen Armsessel am Kamin und ließ seme Last auf den Voden falten, daß sie eincn lauten, klingenden Klang von sich gab. „Gott fei Dank!" rief er ans, „endlich bin ich daheim! . . . Dachte schon, ich würde Euch niemals wieder zu scheu kriegen. .... Das ist mal ein Land! . . . . Kein Postwagen .... lein .... kein .... kein .... gar Nichts! .... Geschieht nur aber volltommen recht .... warum bin ich nicht schon längst fort? .... Nun aber isi'S gewiß! DaS nächste, nach England gehende Schiff nimmt mich mit, oder ich heiße nicht Krabb! . . . . Nichts, als Jammer und Noth ist hier und Ihr Alle, wie Ihr da seio, werdet mit Nächstem zu Grunde gerichtet und ermordet werde» .... Alle sammt und sonders .... ja . . . . Eo sag' ich!" „WaS hat's denn gegeben?" fragte ich ganz erschrocken. „Um Gottes Willen, was ist (5'uch zugestoßen?" ..Mir? Zugestoßen? ?!llcs und IedcS, waö Eincin nicht zustoßen sollte, gewiß! .... Will's Euch erzählen, müßt mir «ur Zeit lassen und .... vor Nllem Was zu Essen geben .... 3lch, da sind ja die ewigen Hammelönppchen! .... Nur erst 'nen Viffel Fourage in den 5!eib und hcruacher sollt Ihr AllcS erfahren." Ich muß indessen diese« Kapitel hier abschließen, um deu Abcnteneru dcZ guten Krabb ein eigenes einzuräumen. 2l6 Sechsundvicrzigstcs Kapitel. Krcibb verkauft scinc Tckafc und crftßit, wclch' cm l.istigcs Ting dcis Gcld ist. — Scinc Übeln Schicksale. — Hr cntschlicsit sich zum tausendsten Mal'^ die (5o!olncen zu verlassen. „DaS ?lllcS rübrt von dcm 3ci!'>d im Kilschbanmihal her," lief Meister Krabb, uachdein cr sich dcn Viund gcU'ischr hatt^, und schlug mit seiner ln'vnhartcn Hand zur Vekr^ftigung ftincr Würle auf den Tisch, daß Thee- und Eßgeschirr zumal in die Höhe sprang — „Alles lührt von dem Land im Kirschbaumthal her, sag' ich noch mal! .... Warum wolll' ich cS haben, warum sucht' ich darum nach? WaS gin^ »nch's an? Hätt' es sullen bleiben lassVn und kommt mir mein Mißgeschick wie eine wahre Strafe von Gott vor. . . . Wozu wollt' ich in dieser ausländischen Himmelögcgcno Land habcn? Hätten sie mir'H nicht gegc« ben, so hall' ich anch nicht wollen ein Hans d'rauf bauen, wäre folglich anch nicht mit den verdammten Dollars gcvlagt worden . ... 's ist mir aber 'nc Warnung und soll mir eine sein .... Betsy, mein liebes Mädel, sei doch so gut und schreib' mir 'ncn Vrief!" „Von Herzen gern," erwiederte Betsv, welche des alten Mannes Herzblatt war; „aber an wen denn?" „An einen Kaufmann in Hooarttcwn, Mr. Kribistrabiö," „Ei, welch' ein wunderlicher Name!" »'s ist eine Art Holländer, mein liebes Mädel. Gr besorgt wir immer, was ich hier nöthig habe. Ich schriebe selber, allein der lauge Aufenthalt in diesem grausenhaften Lande hat mein Gesicht geschwächt, und war eS cigenllich nie scharf genug, um Geschriebenes lesen zu können. Mit grobem Druck, we»n ich weiß, wovon 's handelt, wie 'ncn Kapitel cniS der Bibe! otcr so 2<7 Was, komm' ich schon zu Stande . , . . geschrieben habe ich mten. „Eimmonö schielte abermals nach mir herüber, und da ich bemerkte, daß ihm eiuigeimaßcu unbehaglich wurde, so stano ich auf und sagte; „Da, nehmt meinen Stuhl, bin deu ganzen Abend am Feuer gesessen und also erwärmt genug. „So sprechend lies; ich mich auf den umgekehrten, über die Dollars gestülpten Topf nieder, welcher freilich kein comfortablcr Sitz, tenn erstlich war er viel zu niedrig und zweitens standen die Beine höchst unbequem in die Höhe; wußte aber halt nichts Aes-scrcs zu ihu», blieb demnach sitzen und strengte mich gewaltig an, um mir dcn Anschein zil geben, als säße ich ganz prächtig com-foitable. „Nach einiger Zeit sagte einer der Sträflinge mit einer Art von Mitlcid zu mir: „Sie scheinen da einen recht unbequemen Sitz zu haben, Master. „O, feincöwege!, erwiedert ich, wünsche mir leinen bessern. „So sagte ich, weil mir'ö auf einmal durch dcn Kopf schoß, d!e Gauner tonnten errathen haben, auf was ich säße. „Tic Sträflinge boten mir darauf der Reihe nach ihre Stühle nn, allein je höflicher sie wurden, desto mchr bestärkicu sie mich in meinem Verdacht und ich wich nicht einen Zoll brcit von nmncm 224 Sitz, bei mir sprechend: Nein, Ihr lieben Junger., Ihr Galgen-Pack, hier bleib' ich sitzen, bis ich (5uch sicher aus dem Hause weiß, soviel ist gewiß. „Der alte Simmcns legte cine grcfic Unrnhe an den Tag, denn er hatte nur ein einzige») Fremdcnbett. welches er mir anbot, da ich respektabel aussah. Aber ich rührte mich nicht auf meinem Dreifuß, obgleich mir die spitzigen Vcinc verdammt wehrhaten, und so saß ich dcnn die ganze Nacht hindurch wie 'nc Bruthenne auf ihrem Nest. Eine jämmerlichere Nacht hab' ich mein Lebtag nicht ausgestanden. " Wir Alle mußten bei diesen Worten des Erzählers hellauf lachen, aber daö schicu dem guten Krabb nicht sehr zu gefallen und er sagte: „<5i freilich, lacht nur! Habt gut lachen, Ihv; wollte aber nial sehen, was Ihr für Gesichter schneiden würdet, so Ihr eine ganze liebe lange Nacht auf einem umgestülpten, dreibeinigcn Eisentopf hocken müßtet." „Nun," fragt' ich, „und was nahm dcnn das für ein Ende?" „Ende? Ich glaubte schon, es wollc gar kein Ci',de nehmen, aber, Golt sei Dank, jedes Ding muß einmal enden, Nm Morgen gingen die drei Sträflinge fort und Simmons sagte sogleich, als sie weg waren: „Um Gottes willen, Master Krabb, machen Sie, daß Sie mir mit dem Geld aus dem Hause kommen! Habe von wegen dcsselben die ganze Nacht kein Auge zuthun können. "Wohl, wohl, entgegnet' ich, will Ihnen nicht mehr lauge zur Last ftiu. „M^t diesen Worten versuchte ich anzustehen, war's aber nicht im Stande, demi es schien, als wär' ich ai: den Tl.p' gewachsen." 225 „Leicht bigreiflich das," unterbrach ich ihn, „wie aber samt Ihr weiter?" „O, der alte Simmons war sl) froh, mich loszukriegen, baß er mich auf seiner Ochsenfuhre cm Stück Weges fortbringen ließ. Wir thaten den Beutel mit Dollars in den vermaledeite!! drelbei-nigcn Topf. überdeckten ihn mit Kleie, hoben ihn auf den Wagen, lind sein Arbeiter fuhr mich etwa zwölfMeilen weit. Dann aber machte er H.ilt »ud lugte bald mich an, bald wieder seine Ochsen, welche Blicke ich nicht mißverstehen konnte, sondern abstieg. Wußte freilich jelzt nicht, was ich mit dem Oelde anfangen sollte, und nicht weniger beschwerlich war mir der Topf, Der Arbeiter faßte ihn indisfen an einem, ich an dem andern Henkel und so stellten wir ihn am Straßenrand nieder, wobei der Mann ausrief: „Gott steh' uns bei! Wie schwer ist der alte Topf! Das kann doch uümöglich Kleie sein, wären ja Dollars kaum so schwer. „Sie können sich denken, daß ich ob dieser Nede nicht schlecht erschrack. Schaute aber dem Manne in die Augen nnd sah, daß er die Worte nur so herausgeschmissen, ohne weiter daran zu denken, was er sagte. Er fuhr auch sogleich wieder heimwärts, ich aber blieb 'nc Weile neben dem Topfe stehen mid sann nach, lvaS zu machen sei. „Mit einmal vernahm ich 'ncn unsäglichen Spektakel vo» Peitschenknallen und Geschrei und sah auf der Straße eine Vich-hcerde h.ranrasen, welche von mehreren Stockkeepevn nach Lattn-ccston gehetzt wurde. (5s mochten dreißig oder mehr Stücke, sein, und kamen sie, mit den johlenden nnd mit ihren Peitschen knallenden Treibern hinterher, wie ein Donnerwetter die Strasie herunter. „Zuerst dacht' ich natürlich daran, meine Dollars zu bewachen, bevor ich aber recht wußte, waö anfangen, waren sie schon Abenteuer cincs Auswanderers, 1l. 15 herangctollt, erblickten wich erst, als sic dicht vor mir waren, und indem die hinteren auf die vordere:! eindrängten und die Männer mit ihrem teufelischen Gcschrci und Geknall antrieben, raunten ne über mich her. Eine Kuh insbesondere schnob mich derb an und nun siel ich, der Topf und ich u»d Alles miteinander, und die Stockkeeper fluchten und schimpften noch über mich im Vorbei-sprengen, weil ich ihr Vieh aus dem Wege gescheucht . ... Da lag ich also . . . ." „In Wahrheit, Mr. Kvabb," nahm meine Frau das Wort, während wir uns Alle entsetzlich anstrengten, das dachen zu verbeißen, /,Tie haben viel Mißgeschick gehabt. Nie lonntcn Sie sich aber anch einfallen lassen, eine solche Last Dollars durch die ganze Insel zu schlcpven?" „Ei, sagen Sie mal, was ich denn hätte ihun sollen?" cnt-gegncte Krabb verdrießlich. „Daheim in England hätt' ich das freilich nicht nöthig gehabt, allein in diesem grauscnhaften Land gibt eS ja keine andere Art, Etwas zu transvoitircn, als es selber zu tragen." „Wohl, aber warum behieltet Ihr denn die Banknoten nicht ?" fragte ich. „Dieselben wären denn doch viel leichter gewesen." „Sie meinen doch wohl nicht, das ich hätte das Zeug behalten sollen? Ei! Banknoten, heißen Sie's? Glauben Sie denn, ich hätte mein Lebtag leine ächt englischen Banknoten gesehen, ich? Die Dinger waren ächten Banknoten gerade so ähnl ch, wie die Kreide den, Käse. Nein, ncin, es geht denn doch Nichts über wirkliche, ächte und gerechte Süberdollars. " „Scheinen Euch indessen Our. Silbcrdollars merkwürdig lästig geworden zu sein," warf ich ein. „Bin nur begierig, zu erfahren, wie Ihr sie weiter gebracht habt." „Brachte sie gar nicht weiter.' Wenigstens wußt' ich Anfangs nicht, wie? Nahm Sie daher auö dem Tovf und schulterte sie. WaS aber sollt' ich jetzt mit dem Topf macheu? . . . Während 227 ich noch über dic vermaledeite Geschichte nachdachte, lain ein Gentleman mit einer Lady in einem Eabriolct, welches 'ne ?lrt Dach hatte, die Straße herab. Vor daS Cabriolet waren zmei Pferde gespannt, einS nämlich vor'S anbcrc, gerade >oie wir'S in Shropshire mit den Mistkarren machen. Dabei kam aber das Fuhrwerk verteufelt schnell heran und als ich Halt! rief, zog der innge Herr dicZügel an und fragte mich: „WaS soll'S, mein guter Man»? .Möchte Sie bloß ersuchen, weil sie doch zwei Pferde, von welchen daS eine daS andere zieht, vor Ihrem Dings da haben, diesen Topf gefälligst aufzuladen und denselben zwölf Meilen weiter an tcr Straße abzugeben," antwortete ich. „Der Donner schlage in Euren Topf," schrie er, ,,und mögt Ihr dcrdammt sein.' .... Wahrhaftig, so sagte er, obgleich'« 'en Gentleman war, und die Lady lachte dazu und frug: Ich soll wohl Euren Topf auf meinen Schloß nehmen, he? u»b dann lachte der Gentleman noch lauter und gab dem Vordnpfcrd einen Zwick mit der Peitsche, daß es in die Höhe sprang, nnd fort gings wie der Wind. ,,Mel Glück auf den Weg! sagt' ich und »nachte mich, daS Geld auf der Schulter und den Topf in der Hand, auf d.uWeg. ,/S war aber 'ne harte Mühseligkeit und nachdem ich ein paar Meilen zurückgelegt, war ich erschrecklich müde. Sehte mich demnach wieder an den Straßenrand und kam mich große Lust an, die Dollars liegen zu lassen oder wenigstens zu vergraben. Ich suchte auch wirklich schon nach einer passenden Stelle zur Ausführung dicfts Vorhabens, als ich 'ne Menge Menschen die Straße herunter und auf mich zukammeu sah. Bald bemerkte ich, daß es 'ne Bande Gelbwammser war, welche an die Arbeit gehen wollte. „Was nur da für ein Schreck in die Glieder fuhr, ist nicht 15* 228 zu sagen, denn mußte ich nicht befürchten, sic würden mich sogleich «herfallen, wenn sie das Gel? witterten? Nasch that ich daher das Geld wieder in den Topf hinein und setzte mich ganz unbefangen oben drauf, bis die Kerle vorüber wären. Aber was meinen Sie? Die Kerle gingen nicht vorüber, sondern machten an der Straße Halt, und der Prosoß wies ihucn gerade nm mich herum ihre Wcgar-bcit an. „Sie lachten mich aus mid rissen eine Menge schlechter Witze über mich nnd meinen Tovf, aber ich rührte mich nicht vam Fleck. „Zuletzt kam der Profoß mit der Frage angestiegen, oh ich unwohl sei. Ich mochte aber auch ihm mein Geheimniß nicht entdecken, als zum Glück ein mit vier Achsen bespannter Karren herankam, in welchem ein nettes, rothbackiges Iünferchen saß, welches nach Hobarttowu in die Kirche fuhr, um sich mit ihrem Hochzcitcr, welcher neben ihr saß und sie des holperige» Weges wegen festhielt, copnliren zu lassen. Vater mid Mittler kamen in einem zweiten Karren hinterdrein, und als mich diese so jämmerlich auf meinem Topf sitzen sahen, machten sie Halt und das Mädel lachte so heftig, daß mir ganz bange wurde, sie möchte sich 'nen Darm im Lcibe versvrcngcn, obschon ich durchaus in meiner elendiglichen Lage nichts Lustiges finden konnte. „Als ich nun die Leute alle so guter Laune sah, bat ich sie, mich aufzuladen. „Das Mädchen aber rief: Den garstigen Topf will icl, nicht im Karren haben!" „Dann lachten sie noch lauter, als vorher, nnd als sie mir erlaubt, einzusteigen, fragte der ältere Mann: „Was haben Sie dcun in dem Topf da? „Pst, erwiedert' ich, Sie sollen's nachher erfahren. „Tenfcl, wie schwer der Topf ist! sagte der Ochsentreibcr, als cr mir den verwünschten Topf aufladen l,alf. 229 «Das kommt von der Feuchtigkeit hcr, er hat lange auf der Erde gestanden," versetzte ich, denn ich wußte nicht, was ich sonst sagen sollte. „Darob lachten sie wieder Alle unbändig ,iüd der iuugc Mann meinte, ich sei ein rechter Spaßvogel." „Und wie erging es Ihnen mit Ihrer neuen Gesellschaft?" fragte Vctsy, ihr Schnupftuch vor den Mund drückend. „Sollst es schon erfahren, nur Geduld .... Ich mochte cS nicht haben, daß die gutmüthigen Leute glauben sollten, ich trüge den Kopf für Nichts und wieder Nichts in der Welt herum, und nls wir etwa zwölf Meilen weit gefahren waren, theilte ich ihnen mit, ich hätte Schafe verkauft nnd nähme nun die Dollars mit nach Hause. „Dollars! schrie das Iünferchen. Ach, um Gott, jetzt werden wir angefallen und todt gemacht! Sicherlich setzen uns die Sträflinge nach . . . O, bitte, steigen Sie doch aus! „Die alte Dame theilte die Furcht der jungen vollständig, und so wurde ich denn mit meinem Topf wieder ausgeladen. „Betrübt sah ich den beiden Karren nach, mußte jedoch des alten Simmons Topf, welchen ich nicht mehr schleppen lonntc, zurücklassen, nnd war von Herzen froh, als ich endlich am Elisa-bethsfluß eine Nnsiedlung erreichte, deren Besitzer mich nnd meine Dollars über Nacht behielt. Seine Frau hatte freilich so 'ne Angst, daß wir alle Drei biö Tagesanbruch bei dem Gelde wachten, während sie jeden Augenblick die Fußtritte der herankommenden Bushranger zu vernehmen glaubte. „Sobald eS Tag geworden, luden sie mich aus ihren Ochsen-karren, damit sie mich nur schnell los würden. Anf diesem Karren legte ich zwanzig Meilen zurück und ging dann vollends zu F»ß bis Jericho. .,?In diesem Ort liegen Soldaten im Quartier und ich ging ins Wachthaus und fragte, ob ich dort über Nacht sitzen dürste. 230 Man erlaubte eS und so saß ich denn die Nacht hindurch, den schweren Geldsack auf dem Schooße, und nickte und getraute mir doch nicht, recht einzuschlafen. Am Morgen hatte mich das Gewicht der Dollars ganz lahm gemacht. „Mit Anbruch deS TagcS machte ich mich wieder auf und wanderte weiter und glaubte wahrlich, ich würde mein Lebtag nicht mehr iiber den Denhügel kommen. Doch hier bin ich endlich, Gott sei Dank, hier bin ich und hier sind auch die verdammten Dollars. Sie werden indessen grade hinreichen, meine Heimfahrt nach England zu bezahlen, denn iu diesem grauscnhaften Lande bleib' ich auf keinen Fall länger .... Aber sag', Vetsy, mein liebes Mädel, hast Du Feder und Dinte bei der Hand? " „Freilich, und ich bin ganz bereit; was soll ich denn schreiben?" „Schreib' uur, was ich Dir diktiren werde. Also: „An Mr. KribiSkrabis, „ine frühere Liebhaberei an einer hübschen Bücherei zu befriedigen vermochte, so hatte ich mir etwa zwölfhundert Bände nach und nach in cinm auf den Fluß hinausgehenden und besonders dazu eingerichteten Zimmer gesammelt, wo ich mich auch gern nieinen eigenen, ernsteren Betrachtungen überließ. Freilich störten mich meine Enkel oft genug darin. Gö hatte mich eine Art wehmüthigen Gefühls angewandelt, wie uns ein solches oftmals weich und traurig macht, ohne daß wir eigentlich einen bestimmten Grund davon anzugeben wüßten. Ich hatte auch wirklich keiuen Grund zi,r Traurigkeit, denn durch Gottes Gnade war mir Alles zu Theil geworden, was einen Menschen froh und glücklich machen kann, und wenn mir eine Thräne ,'n's Nuge trat, so konnte cS nur eine Thräne des Dankes und der Freude sein, Gerade legte ich mein Vuch auS der Hand, um an so manche Szene meines an Thätigkeit und Abenteuern überreichen Lebens 235 zurückzndenfen, als mein? geliebte Frau. die Genossin meiner Anstrengungen und mciueS Glückes, am entgegengesetzten Ende des Gartens erschien. Sie hatte einen Brief in der einen Hand und unterstützte mit der andern ihre hochbctagte Mutter, welche vermittelst des Stackes uoch immer ihre gewohnten Spaziergänge im Garten zn machen vermochte, öbschon sie weit schon über die Gränzlinie hinans war, welche gewöhnlich unserem Leben gezogen ist. Meine Marie hatte sich allerdings auch bedeutend verändert, wenigstens körperlich, denn ihr Herz schlug noch so warm und treu, als jemals. Alle Kunstgriffe modischer Frauen verschmähend, trug sie ihr eigenes graues Haar, indem sie behauptete, sie sei stolzer darauf, sich die Großmutter einer solche» Familie nennen zu hören, als auf alle die braunen Locken ihrer Jugend. Ihr ganzes Wesen verrieth mir, daß sie mir etwas Frohes :u verkünden hätte, und sie übergab mir auch wirtlich mit einem freudigen Lächeln den Brief. Er trug den englischen Poststempel und auf seinem Siegel war das Wort Georgia na ausgeprägt. Ich muß nun hier einschalten, daß, unmittelbar nachdem dic Tochter des Zigeuners in meine Familie aufgenommen worden, sowohl mein friedensnchtcllicher, Freund, als auch ich alles Mögliche thäte», um dem armen Kind zu seinen Nechteu in England zu verhelfen. Es wurden in der Sache mehrere Briefe hin- und hergeschickt und nach vier Jahren kam ein mit hinlänglicher Vollmacht ^ersehener Agent in Vandiemensland au, um das Mädchen nach England zu holen. Dieser Agent thcilte uns mit, daß Gcorgiana's Oheim, John Shirley, als nächster Erbe von den Familicngntcrn Besitz ergriffen hätte, daß sich aber von dem ältern Bruder William ein Testament vorgefunden, worin er all' sein Eigenthum an George Shirley vcrmachlc, Falls nämlich George Shirley oder seine Nachkommenschaft wieder nach England zurückkehren sollte. 236 Es war unmöglich, das Testament anzufechien, allein der Oheim anerkannte die Heirat seines Bruders und die Legitimität seines Kindes nicht. Obwohl nun diese Sachen sammt und sonders auf unserer Insel leicht zu beweisen waren, so wollten die Administratoren das Mädchen doch ge^ne in England haben, um die Angelegenheit leichter betreiben ;u tonnen / und wir benutzten daher die Gelegenheit, daß gerade ein Freund von uns mic seiner Frau nach England zurückkehrte, um das Kind, welches wir Alle wie eines unserer eigenen liebgewonnen, weiblicher Pflege während der Ncberfahrt anzuvertrauen. Auch der Agent schloß sich unsern Freunden au und so ging das Schiff im Jahre lU28 unter Segel. Damals war Georgian« eilf Jahre alt uud ciues der schöu-stcn Kinder, welche ich je gesehen. Mit Hülfe einer Gouvernante, die wir iu's Haus genommen, unterrichtet, hatlc sie bei uus die Grundlage zu einer trefflichen Erziehuug gelegt und ihr Körper, wie ihr Geist, ließen die schönste Entwicklung erwarten. Ich entsinne mich auch uoch, daß ich zu der Zeit, wo Gcor-giana's Abreise nahe bevorstand, gegen meinen alten fticdcnsrich-terlichen Freund die Hoffnung geäußert, es möchten ihr in England nicht solche Gefahren und Schwierigkeiten bevorstehen, wic die gewesen, welchen sie durch ihren Oheim in Vandiemcnsland ausgesetzt worden, und daß der Friedensrichter mit bcdcnMchir Miene die Antwort gegeben: „So schlimm ihr es auch hier erging, so kann ihr's drüben doch noch schlimmer gehen." „Wic so denn? Nie wäre das möglich?" „Ei, sie kann in Chancery kommen')/' hatte mein Freund erwidert. . <) In (5 k a » ce r », ko Nl m c 1! bedeutet so viel, nle> zu der obersten Oc-rlchlSmftanz kommen, wo dcrartiae Processe gewöhnlich unendlich l.mq hängen bleiben. '.'Inm.dcs Ilcbcrs. 23? Wir halten, seit Miß Shirley in England angekommen, sch^n mehrere Briefe von ihr erhalten, von denen aber der erste die Nachricht brachte, daß sic wirklich in Chancery sei, was uns allerdings traurig gestimmt haben möchte, wenn der Brief mchc zugleich die Versicherung enthalten halte, es gehe ihr dmchaus Nichts ab und sie sei ganz wohlauf und zufrieden. Der Erfolg ihrer Sache . liege klar am Tage und ft würden alle ihre Wünsche ohne Weiteres erfüllt. Es zweifle durchaus Niemand mehr, wie das Urtheil lauten werde, mit Ausnahme natürlich des hohen Beamten, welcher dassell'c zu sprechen hatte. Das Schicksal unserer ehemaligen Pftegbefohlencu lag uns Alle» zu sehr am Herzen, als daß ich nichi rasch nach dem Briefe gegriffen nnd ihn geöffnet hätte. Er war an meine Frau gerichtet und lautete folgendermaßen: „Meine theuerste Mistreß Thornley.' „Meinen frühern Briefen werden sie wohl schon angemerkt haben, daß ich im Begriff war, den wichtigsten Schritt meines Lebens zu thun nnd meinen Namen abermals zu wechseln, welcher Wechsel aber gewiß uiemals eine Veränderung Ihnen gegenüber iu dem Herze» Ihrer dankbaren Georgian« hervorbringen wird. „Jetzt darf ich auch das Schweigen brechen, welches ich Betreffs meiner Verheiratung bis jetzt beobachten mußte. „Ich !cmte meinen Gatten zuerst in Mailand kennen, wo ich mit meinem Vormund auf unserer italiänischen Neisc einen knvzcn Aufenthalt »'achte. „Wir waren Abend.) in die Oper gegangen, oluic sehr auf dieselbe zu achten. Sie ging auch ruhig «,,d angenehm vorüber, das Stück aber. welches noch gegeben wurde/hieß: Der Zigeuner. Es brachte mit Iaubergewalt längstvcrgangcne Szenen ,n meine Erinnerung zurück, und sei es nnu Täu-schm'g, ,ei es Wirilichfcic, die großen dunkeln Augen des Schauspielers, welcher den Zigeuner machte, gemahnten mich ft sehr an 233 den finstern uüd doch so ;ärtlics,en Vlick meines avnieu Vaters, als er kurz vor seinem gräßlichen Tode von nur Abschied nahm, daß ich der Flut der wild auf mich einstürmenden Gedanken erlag und ohnmächtig wurde. „Ein junger „nd, wic sich's von selbst versteht, hübscher Mann half meinem Vormund, mich in den Wagen bringen und diese Hülfcleistimg konnte ciücm Besuch am folgenden Tage gewiß zur Entschuldigung dienen. „Wir lernten uns näher kennen und, obschon er acht Iahrc mehr zählte, als ich, lieben, obgleich ich Alles that, was ich vermochte, um einer Neigung zn widerstehen, welche er, wie ich befürchten innate, bedauern sonnte, wenn er erführe, welche Vewandt-niß es mit mir, als der Tochter des Zigeuners, eigentlich hätte. „Dieß Verhältniß dauerte die ganze Zeit, so lange wir auf unserer Tour begriffen waren, also zwei Iahrc lang, und endlich beschloß ich, ihm mein Geheimniß mitzutheilen. „Er schwur mir, daß ihn diese Mittheilung, statt seine Liebe zu mir zn mindern, nur antreibe, mich noch mehr zu achten, und verließ uns bald daranf, indem er sagte, Geschäfte machten seinc Heimkehr nach England nothwendig. „?lls auch wir heimgelchrt waren, kam er, überrcichrc nur ein Paket Briefe und giug sogleich wieder. „Ueber dieses Benehmen erschrocken, öffnete ich schnell das Paket und fand in demselben Absckn'isten von Protokollen nnd Do-cumentcn, welche meinen armen Vater gänzlich von der Schuld an dem Tode des Wildhüters freisprachen und also bewiesen, daß er ungerecht deportirt worden war. Jetzt konnte ich gegen eine Vereinigung mit meinem Geliebten fein Bedenken mehr bcgen, gab mit Einwilligung meiner Vormünder mein Gesch'ck in seinc Hände und schreibe Ihnen jeht als seine glückliche Frau. „Wenn ich mich dem Einfluß mcincs jetzigen Glückes so recht 239 hiügebe, meine gclicltc, theuerste Müller, dann erst fühle ich, welchen Dank ich der liebevollen Sorgsalt schulde, womit Sie das arme Kind des verstoßenen Zigeuners bei sich aufnahmen. Wie könnte ich Ihnen und Ihren lieben Kindern alle Ihre Güte und Liebe jemals vergelten? Grüßen Sie, ich bittc, doch alle tausendmal und von Herze» von niir, den ernsthaften William, die fröhliche Vctsy, die ich wohl eigentlich Mistreß Vereösord nennen sollte, den gutherzigen Eduard (führt er immer noch den Namen: der jagende Ncd?), Marie, Luey u»d zuletzt, aber nicht am wenigsten, die liebe kleine Ellen, welche mit mir ihre kindlichen Freuden theilte. Bitte, vergessen sie auch nicht die gute alte Gouvernante, Mistreß Namsay, welche hoffentlich noch in Ihren, Hause lebt und gegen mich arme Waise iimncr so lieb und freundlich war. „Fast möchte ich wünschen, Sie wären recht arm, damit ich unsern Reichthum mit Ihnen theilen könnte, denn wir sind sehr reich. Aber ich höre, daß Ihre Hccrdcn die Insel bedecken, und weiß wahrhaftig nicht, wao ich Ihnen zu Ihre» großen schönen Häusern, Ihren Kutschen, Rossen und Allem, was zu des Lebens Ucberftuß gehört, noch senden soll. Hätten Sie nur Ihrc fünfzchntausenb Acres Land hier in England; doch hat ja jetzt auch anf Ihrer Insel das Land schon großen Werth, wie z. B. daö Stück, welches Mr. Thornley finhcr einmal in Hobarttown kaufte und das mit dcr Zeit ein so wcrthvollcr Platz wurde. Freilich muß jeder Fuß breit Boden einer Stadt, deren Einwohnerzahl so rcißcnb schnell zunimmt, eiu gesuchter Artikel sei». „Mein Gatte schickt mit diesem Schiff zwei sehr schöne Pferde für den guten Mr. Thornlcy, sowie für William einige ausgezeichnete Stücke Hornvieh und sächsische Schafe. Ich selbst sende für Marie einen Flügel neuester Forin, welcher in Ihrem großen Zimmer einen hübschen Platz finden wird, und für Ellen eine Harfe, sowie Noten in Menge. Eduard bittc ich, die beste Doppelbüchse a»;uneh»icn, welche in London aufzutreiben war, nebst allcm son- 240 ftigen Jagdzeug, wovon ich freilich Nichtö verstehe, welches aber mein Mann mit besonderer Sorgfalt anSgclcsen. Für Lucy wußte ich lange nichls Passendes, bis ich hier cincn prächtigen Schreibtisch fand, der in Wien ursprünglich für die Kaiserin Maric Louise von Frankreich gefertigt wurde und Lucy's roinantischcn Wünschen von Pracht einigermaßen entsprechen dürste. Für Vctsy folgt eine sell's!spielende Orgel, daß sie Musik haben kann, ohne daß sie sich dabci selbst zu bemühen brauchte.... Und was hab' ich jetzt noch vergessen? .... Ach so .... ich wollte sie um ein zweites Känguruh nud um einige der allerliebsten rosenrothen Papageien bitten, welche wir so zahm »nachten, als ich noch bei Ihnen war. „Mr. John Shirley lebt im Ausland und mein Eibschafts-Prozeß ist noch immer in Chancery. Weil wir aber selbst des Vermögens nicht bedürftig sind, so haben wir, wie mein Mann sagt, wenigstens die Befriedigung, zu wissen, daß es einmal unsern Ururenkeln werden wird. Allerdings habe ich gehört, daß Mr. John Shirley gegen Aussetzung einer Iahrcsrcnte von zooo Pfd., w.is leicht zn machen wäre, zn ciucm Vergleich geneigt sei, nnd unsere Advokaten haben uns anch den Nath gegeben, anf diesen Vorschlag einzugehen, allein mein Mann kann es ihm nicht verzeihen, daß cr mich damals schnödcr Weise entführt und d^nn dcr Gefahr bloßgcstellt hat, von sein/ l Spießgesellen ertränkt oder von den Wilde» ermordet nnd aufgegessen zu werden. Mein Mann sagt auch oft, cr hätte mögen gar ;u gern den Indianer Musquito kennen lernen, welcher so großmüthig cm mir gehandelt nnd meint, es wäre eiue rechte Schmach, daß man den wackern Burschen auf-gehcnkt. Aber freilich, die Grausamkeiten nnd Mordthaten, die er verübt, konnten zuletzt nicht ohne harte Strase bleiben. „Und jetzt, theure Mistreß Thorolcy und liebe, liebe Freunde, muß ich cudcn und für dieses Mal Euch guten Menschen All.n zusammen Lebewohl sagen. Daß Ihr aber Allc den Reichthum, 24i die Freude an Euren Kindern und all' das Glück, womit Vuch der Herr gesegnet, recht lange in Gesundheit und Zufriedenheit genießen möget, das ist der herzliche Wunsch Oucrer Euch für alle Zeit in Liebe mid Dankbarkeit zugethanen Ge orgi ana. „N. S. Fast hätte ich doch noch etwas Wichtiges vergesse», ilämlich nach dein alten Freund Krabb zu fragen. Schon damals, . . . Wir wollen aber Alle fort .... Alle .... ich gehe mit dem nächsten Schiff .... Betsy .... wo ist Vetsy? . . . ." Vctsy faßte die Hand des alten Mannes und sprach ihm Trost zu. Der Geistliche richtete hierauf die Frage an ihn. ob er noch irgend einen Wunsch, irgend ein Verlangen hätte. Diese Frage brachte den Sterbenden aus seinen Phantasiern zu der Wirklichkeit zurück. Einen Augenblick lang begriff er seinen Zustand, allein seine Stimme wurde immer schwächer, sein Puls immer matter und fanm konnten wir noch folgende Worte verstehen, die er in abgc« brochenen Tönen und mit fast unhörbarem Flüstern hervorstieß: „Ich weiß .... daß wir .... Alle .... sterben .... lmiffen .... aber ich hätte gerne noch . . . , gesehen .... wie .... der .... Waizen .... in dem .... Neubruch gedeihen .... würde .... George .... pflüge .... nie .... mit .... Ochsen .... und .... schieß .... nicht .... deu .... Bullen , . . . wie .... den .... andern! .... Ich .... ich scheide .... Vetsy .... halt .... meine .... Hand! .... Wie .... wie ist .... mir? Ich ersticke .... ich .... ich .... ich .... kann .... nicht .... athmen! .... O . . . . Thonilcy .... endlich .... verlaß .... ich ..., doch .... dieß , . , , grausen- 247 .... ha't- .... Lai'.d , . . . uno .... gehe , . , . endlich .... endlich .... heim!" Und so vcrschied er. Im ganzen Gemache blieb kein Nuge thränenleer und ich selber schluchzte wie ein Kind. War der Greis auch in Glück und Zufriedenheit dahingc-qanaen so war er doch in den Colonieen mein erster, mein treue-ster Freund gewesen und ich hatte ihn um der kleinen Schwächen und Seltsamkeiten wegen, welche Andere an ihm verspotteten, nur noch mehr geliebt. „In dieser rauhen Schale schlug eines der besten Herzen, welche ich je fenncn gelernt!" sagte der Arzt, und wir Alle pflichteten ihm bei, obwohl die Rührung uns zu sprechen verwehrte. Lange standen wir stillweincnb um die entseelte Hülle des Greises. ... ... Ans dem Friedhof, welcher nebst der Kirche von dem Bischof von Australien eingeweiht worden war, begruben wir unsern Freund und ich setzte auf seine Ruhestätte einen einfachen Dcnf-stcin mit der Inschrift: Hier ruhen die sterblichen Ueberreste von Samuel Krabb, einem englischen, 86 Jahre alt gewordenen Farn, er. 248 Schlusi Kapitel. Ich habe den voistchcndcn Erinnerungen nur noch weniqc Norte beizufügen. Die gegenwärtigen Zustände der (5olonicen von VandicmcnSlaud find hinlänglich bekannt, jedoch mag cs nicht ohne Interesse sein, die Veränderungen, welche sich scit zwcinndzwauziz Jahren mit denselben zugetragen, rasch zn überblicken. Zu Anfang des genannten Zeitraums halten sich erst wenige freie Einwanderer niedergelassen und die Colonie bestand fast ausschließlich ans Ansicdlnngen von deportirtcn Sträflingen, jetzt aber ziehen sich bli'ihcndc Farmen über vie ganze Insel hin. Als ich nn Iahic l8l? in'ö Land kam, belief sich die Zahl dcr Einwohner auf kanm 2000. v»n welchen nur wenige fvei waren, dennalen ist die Bevölkerung schon auf ,'der vielmehr die C>)lmi!ecn derselben sind noch zu jung, um schon eine Geschichte haben zn können. Deßhalb begnügte ich mich, nach einiger Anschauung und Erinnerung die Fortschritte der Colonisation nnd solche Vorfälle zu erzählen, welche denen, die meine Arbeit lesen wollen, wohl eine ziemlich richtige Vorstellung von dem geben können, was Vandie-wensland war und ist." ,Gut" sagte mein Frcnud, „aber ich hoffe, daß Sie jetzt, nachdem Sic sich so lange an Ihren Schreibtisch gebannt haben, fei« ncö Ihrer Abenteuer mehr beschreiben werden, nicht wahr?" „Nein," erwiederte ich, „es ist genug und hie mit das Tagebuch des Ansiedlers beschlossen." E n d e. Inhalts-Uebersicht. Erster Theil Kapitel, Scile H. Willian» Thornley, eine Art Landwirth in England, erkennt, daß cr in seinem Heimatland mit seinem kleinen Verniögen fürdcr nicht mehr anständig ausk'inmcn fann, niiv entschließt sich deßhalb, »ach den EDlmnecn auszuwandcri'. Die Frau stimmt ^'on Herzen bei, was vun großer Bedeutung ist, — Zin'iistmMii. — Reise nach VandieinenNand, — Welchln Cindruck das Land zuerst auf TlM'Nky hcvuolbrintzt, — Er hat cine Audienz bci dem Gmiuerncur. — Die Art und Weise, Land geschenkt zu erhalten........ 5 2. Thonilcv verlaßt die Stadt, — Seine Wanderung in das Innere, um a,ntes Land zu suchen, — Begegnet einem wunderlichen (Zhcnatter und macht eine nc»c Bekanntschaft. — Wie in der C.'lonic der Ackerbau betrieben wird. — Gn Abeuteucr ....... 1? 3. Art und Weise, wilde Kühe zu melken. — Die Wohnung eines Ansiedlers. — Hammelfleisch und Dampers, — Ein Nachtlager. — Nächtlicher Lärm. — Schafe gestohlen. — Verfolgung der Diebe. — Die Eingcl'orencn.............31. 4. Vcrtraq mit den Eingeborenen, — Instinkt derselben im Auffinden der Fährten. — Marsch durch's Land.— Tlwrnlcy findet Land, welches ihm gefällt, kehtt mit seiüem n.'uen Freund Krabb nach H>.'barttowu zurüct und bnchl mit seiner Familie an den Clyde auf . . 45 5. Zug in's Innere. — Krabb.— Eine steile Anhöhe,-Nachtquartier im Walde. — TlM'nlev wmmt auf'feinem Lande an. — Scin erstes Vaunnällcn . . , . , 5« b. (5'incs Ansiedlers Tagewerke. — Thornley erbaut eine Kavitel Sntc Blockhütte. — Kauft Schaft. — Schießt ein wildes Thier. — Pastete von schwarzen Kakadn'S und ein Kängnrubdampscr............68 7. Witt beschreibt eine Känguruhjagd. — Von diesem Thiere überhaupt. — Krab gibt fein lUtheil über das Verkehrte des ganzen Landes ab. — Thornley bezieht sein neues Hans. — Krabb pflügt. — Das Klima nnd dessen wunderbare Wirkungen......7? 8. Nach sieben Jahren. ^ Verbesserter Zustand der Kolonie. — Plötzlich wird die Ruhe durch schlimme Gerüchte gestört. — Uebcrfall des Nachbars. — Man tilt ihm zu Hülse. — Gefährlicher Flußübevgang. — Der leblose Körper eines Mädchens gefunden. — Das geplünderte Haus nnd tie hülflose Mutter .... 8s 9. Schilderung des Ucberfatts von Seiten der Bushranger. — Ungewißheit über den entführten Gatten. — Rüstungen znr Verfolgung der Ränbcr. — Der Friedensrichter übernimmt die Anführung des Znges. — Gräßliche Entdeckung...........104 10. Die eingeäscherte Hütte des verbrannten Stockkeepcrs.-— Dcr Häuptling Mn^uito nnd die Eingeborenen. — Klugheit der Kängnruhhunde. — Das Grab eincs Eingeborenen. — Angriff von Seiten der Wilden. — Gesccht mit den Vushrangern ........112 i l. Rückzug der Bushranger.— Die Verfolgung,— Ein Lagcr. — Fährte. — Bushranger. — Uebergang über den Shannon. — Fortgesetzte, hitzige Verfolgung . 122 12. Ankunft am großen See. —- Die Bushranger eingeholt. — Gefecht. — Die Eingeborenen greifen abermals plötzlich an. — Ungünstiger Srand der Dinge.— Thornley geht nach einem Kängnrub ans . . . .133 1^. Hektor spürt unerwartetes Wild ans.— Thoinley trifft mit einem Trnpp Soldaten znsammcn.— Seine Freude, die.aber in den Brnnxcn fällt. — (5r wird schlimm behandelt, entgeht glücklich einer Pistolenfngel und wird befreit. — Ein Brief von feiner Fran. — Flncht der Bushranger, auf eine Inscl im See.— Traurige Nachrichten vom Clyde, welche Thornley bestimmen, heimzukehren ............... 146 14. Thornley bricht nach dem Clyde auf, uersncht einen Kavitcl. Seile nähern Weg zu nehmen, kommt v^u der rechten Richtung ab und geht in der Wilduiß irre ..... 161 15. Der Verirrte wird von Adlern bedroht. — Seine Leiden. — Die magnetische Nadel. — Die Hunde geben Zeichen, daß sie Eingeborene wittern. — Angriff von Seiten derselben nud Thornlcys Kampf mit den Wilden 172 i«. Thornlcy rettet sich in eine einsam stehende Hütte. — Die Wilden berennen dieselbe und stecken das Dach in Brand. — Er flieht und erklettert einen Baum, welchen die Eingeborenen gleichfalls anzünden. — Sein Tod scheint unausweichlich. — Unerwartele Rettung . 184 17. Von den Vushrangcrii am großen See. — Die wunderbare Flucht meines Nachbar Moos. — Neue Hülfs- trnppen...............>99 <8. Proklamation des Gouverneurs. — Der Friedensn'chtcr als Gesandter. — Waö der sergeant anräth. — Gefangennehmung der Buohrager. — Rückmarsch . . 2l4 19. Thornlcy macht sich daran, seine Farm wieder herzustellen. — Wie mau ein Haus aus pulveresirter Erde baut und wie ans hundert Schafen zweitausend werden. — Die Errichtung eines steinernen Haufes wird beschlossen . . . ^..........228 2u. Steinbrüche. — Wie die jungen Dame» in den Eolo-uiecn Gärtnerei treiben. — Ein Fremder. — Miß Betsy fängt plötzlich an, sich um Steinbrüche zu bekümmern. — Die großen Ameisen nehmen Rache an dem Eindringling in ihr Gebiet. — Stierjagd. — Ein junger Bulle wiid wild und begegnet Betiy,— Thornlcy bemerkt ihre Gefahr nnd hält sie für verloren. — Der glückliche Schuß...........238 21. Mein alter Frcuuo, der Wundarzt. — Thoruley begibt sich nach Hobcnttown ......... 25tt 22. Der spaßhafte Advokat. — Wie mau in den Colonicen eine Frau los wird. — Thorulcy wohnt einer Hinrichtung bei, die ihm übel machl, begibt sich auf dcu Heimweg, läuft hiulcr seineu Schafen her unv tufft mit einem Bushranger zusammen........253 22. Wunderliche Situation. — Der Buohrangcr rückt mit einem unerwarteten Anliegen heraus......202 24. Die E'.'-':,wttg d.^ Viiöhrangers, — Seine Verbrechen K>N'!!cl, Seilt und seine Leiten. — Wie er auo Macquaric-Harbour entweicht...............26? 25. Die Flucht der entwichenen Sträflinge durck das Land. — Das Geständniß des Bushrangers. — Kein Mann ist so böse, daß er nicht irgend eine guic Seite an sich hätt". — Des Zigcucrs lchte Bute und gräßlicher Tod. 273. 26. Der Korporal läßt sich herbei, über ren entsetzlichen Vorfall seine Meinung zu sagen. — Aufsuchung der Lcichcn. — Die Taschen des todten Zigeuners werden untersucht, — Thornlcy wird vor den Friedensrichter geführt und kehrt hierauf zu seiner Familie zurück. — Kvabb hat bei dieser Gelegenheit Dies und Dcis zu bemerken, — Vcwciß, daß'rothe Bänder nicht allein auf wildgewordencs Rindvieh einwirken.....280 Zweiter Theil. 2?. Gill Familicnfrühstück.— Der neue Ansiedler.— Wie gefährlich es ist, Känguruhschwanzsuppe zu essen' — Daß sich junge Leute in Vandicmensland eben so gut verlieben, als in Oinopa. — Der Wundarzt ist in Gefahr, ruüurt zu werden. — Krabb hegt große Svm-pathie sür ihn und orgelt wieder einmal sein Klagelieb über das Leben in diesem grauftnhaftcn Lande ab . . 5 28. Von den Verhältnissen der Deportirtcn in den Colo-nicen ................ 17 29. Das verhör............ . 26 Zo. Ein dienender Dcportirier verllagt seinen Brotherrn, — Für den Knecht ist das Gesetz eben so gut da, wie für dcu Herrn..............32 31. Die Prügelstrafe und ihre Nothwendigkeit in einer von so vielen Verbrechern bewohnten Colonie. — Schrecken der Versetzung nach Maequaric-Harbour, der Strafan-cmstalt von Vandicmenslcmd. -^ Thorn!cv kehrt nach Hause zurück. — (§in Schreiben v^n dem Gouverneur ............ «... 3? 32. Das Schreiben an Krabb. — Vermessung eines Ctück Landes. — Krabb Landcigenthünicr, — Vr äußert sich über die Ansiedlmigen im Ausland. — Die Tochter des Bushrangers ............ 45 .ss.chltcl. Seitc. 2 3, In '.reiche Widersprüche sich Kral'b verwickelt.— Eio-dringen französischer Moden in das Innere von Van-dienicnsland. — Ein Geistlicher gewünscht. ^ Ritt nach Hobarttown........... . 55 3. Noih macht erfinderisch. — Von welchem Nützen ein gutes Gedächtniß ist. — Ein ersprießlicher Versuch,— Wie Muth und Beharrung alle Schwierigkeiten besiegen. — Unerwartetes Zusammentreffen. — Welche Aufklärung der geheiminßvollc Vricfgibt.— Das rothe Haus wird durchsucht ........... 83 37. Erste Nachricht über die Entwichenen. — Die Fährten im Schnee. — Das Sicbenmeilcu-Nfer. — Die verlassene Hütte. — Eine Entdeckung. — Abermals getauscht................96 38. Berathung. — Ein ältlicher Gentleman wird endlich dcö Hernmstreifcns müde. — Wicderauffindcn der Fährte. — Ein sehr gelegen kommendes Mittagessen aus dem Stegreif, mit Austern. — Ncncr Schreck. 105 39. Wer ist der Mörder und wer wurde ermordet? — Der Spciscuorrath eines Ansiedlers. — Entschuldigung für ein Glas Grog.— Miniaturausgaben von Känguruh's. Erneuerung der Verfolgung .... . . . . Il5 4«. Wie Scropp elegisch wird. — Nothgedruugcue Einkehr. — Ein berittener Matrose. — Unerwartete Neuigkeit .... -.........12S 4,. Ein neuer Gast. — Der vaudiemcuslandische Iokcy. — Verwechslung. — Fortsetzung der Verfolgung. — Vergeltung. — Die Eingel'oreucn. — Neue Gefahren ...... ^.........142 42. Der Winter in Vindicmciisland. — Verfolgung' der der Eingeborenen. — Das Lager derselben, — Nachrichten über das Kind. — Seropvs cntwickct Mitleid und Muth..............158 Kapitel, Seite- 4^. Empfang von Seiten der Eingeborenen. —> Unterredung init Mui«^uito. — Beweis, daß ein Wilrcr ein Herz hat, — Wiedererlangung des entführteil Kindes, — Wie man ein Opossum fängt. — Vorbereitungen zu einer Kängurnhjagd. — Das Erscheinen von Speeren und Waddies macht unangcuchmc Erinnerungen rege................173 H4. Die Känguruhjagd. — Wiedererkennen eines altcn Feindes durch die Eingeborenen — Flucht, — Gc-secht. — Erneuter Angriff. — Scropps heldenhafte und großmüthige Aufopferung.— Rückkehr zum Clnve 18Z 45. Charles Ehaffcm foiuini wieder zn seinem Pferd; setzt aber den Bock zum Gärtner. — Wie Georgian« aus dem rothen Haus entfuhrt wnrde, — Krabb kehrt uon seiner Ncisc heim............206 46. Krabb verkauft seine Schafe und erfälirt, welch' ein lästiges Ding das Geld ist. — Seine nl'elu Schicksale. — Er cnrfchlicßt sich znm tausendsten Mal, die Eolo-niccn zu verlassen............2lu 47. Vierzehn Jahre später. — Glückliche Lage des Ansiedlers. — Ei« Brief von der Tochter des Zigeuners 233 48. Krabb's Tod............ . 242 49. Wie der Ansiedler sein Tagebuch beschließt .... 24» In unserm Verlage ist fern« «schienen: Der Erzähler ana der Heimath und Fremde. Herausgegeben von C. Spindler. Jahrgang 1846. Erster Vand. Jährlich erscheinen 4 Baude in gleichen Zwischenräumen. Jeder Vand wird 20 Bogen in 8 stark sein und 1 Thlr. cder 1 ft. 36 kr. kosten. Vs ist die Bestimmung des „Erzählers", novellistische Gaben aus der Heimatk und Fremde darzubieten, aus der H eimatli, in Origi-nalien von C. Spindlcr, von Chezy und Andern, aus der Fremde, in gediegenen Bearbeitungen der glänzenstm Erscheinungen der in das gegebene Bereich einschlagenden Literatur. In lcijterer Hiustcht wird die Auswahl so getroffen werden, daß sich der „Erzähler" wesentlich von dem „belletristischen Anslande" nnterscheidct. Während eS nämlich die Aufgabe dcö belletristischen Auslandes ist, das Vorzüglichste der fremden Romane in einer großartigen Sammlnng zu liefern und einc vollständige auswärtige Romanbibliothcf zu gründen, hat man bei der Redaktion" der hicr angekündigten literarischeu (5'rschcimmg die kleinen pikanten Erzählungen und Novellen im Auge, wie ste bei den gebildetsten Gölkcrn unserer Zeit zu Tage gefördert werden, wobei indessen stets darauf gesehen werden wird, daß AlleS streng ausgeschieden bleibe, was das Zartgefühl nur entfernt zu verletzen vermöchte, so daß der Erzähler mit Nuhc ohne eigene Prüfung seiner einzelnen Blätter iu jede Hand gegeben werden kann. Bestellungen nimmt jede Buchhandlung an. Stuttgart im April 1846. Franckh'sche Verlags Handlung.