DIE VINTGAR-K LAMM BEI BLED o DIE VINTGAR-KLAMM BEI BLED VERFASST VON J. ŽIROVNIK 1950 MOHORJEVA TISKARNA IN CELJE, R. Z. Z O. Z. (FRAN MILAVEC, CELJE) 512729 “S “Ib 2002 ($ lj ubljm / D W01\ioz^ ^<^1 , । Der beriihmte englische Naturforscher Sir H n m p h r y D a v y hielt sich oftnials im oberkrainischen Tale auf und weilte aucb am Schlofi in Bled. Zur Errinnerung an seine Anwesenheit wurde ihm im Sommer 1889 am Hause, welche er in Podkoren be- wohnt hatte, eine Gedenktafel angebracht. Schon vor hundert Jahren machte er die Zeit- genossen anf die Schonheit des Tales auf- merksam, indem er im Jahre 1827 in sein Tagebnchblatt schrieb: »Ich kenne kein schb- neres Land als das Alpenland in den Juli- schen Alpen. Das Tal von Ljubljana bis Podkoren halte ich fiir das Schonste, was ich in Europa gesehen. Die Verschiedenheit der Landschaft, das Griin der Wiesen und Baume, die Tiefe der Taler, die Hohe der Gebirge, die Klarheit und GroBe der Seen und Fliisse gibi diesem Lande einen entschiedenen Vor- zug vor der Schweiz.« Damals kannte selbstverstandlich der Englander die Vintgar-Klamm noch nicht. Diese Perle des Slovenenlandes lag Jahrhunderte begraben und verborgen in einer undurchdringliclien Felsgegend. Die- selbe wurde von einem Einheimischen erst vor 35 Jahren ausgegraben und entdeckt. Seither kommen Ausfliigler, Touristen und Sommergaste hieher und sind vom Anblicke der wildromantischen und zugleich idylli- schen Klanim entziickt. Und wahrlich verdient diese herrliche Gegend im hochsten Grade ge- wiirdigt zu werden. Sie ist auch im Sommer von Tausenden Gasten besucht. Die Klamm ist der schbnste und anziehendste Ausflugs- punkt fiir ganz Oberkrain, vorziiglich fiir den Kurort Bled geworden. 4 Zur Heil. Katharina. Wenn wir die Vintgar-Klamm besuchen wollen, begeben wir uns von Bled (501 m) auf den Weg nach Zasip (553 m; 1 / 2 Stunde), von da auf einem steinernen Feldweg auf den Hiigel Hom ( J / 4 Stunde), wo das Kirchlein der heil. Katharina (634 m) steht. Wir setzen uns nieder und genieben den schonen Ausblick auf das Savetal gegen Ra¬ dovljica und Kranj und auf die Karawanken. Hier ist alles stili und ruhig. Diese Stille stori nur das Rauschen der Save Dolinka, die tief unter uns im tief ausgegrabenen Flub- bette fliefit. Ihre steilen, beinahe senkrechten Ufer sind mit dichtem Gehblz bewachsen, dafi der Flufi noch mehr verborgen erscheint. Das alles gibt der Umgebung einen stillen Charakter. Die kaum 100 m tiefer gelegenen Dorfer mit Kirchlein am entgegengesetzen Ufer bemerken wir kaum hinter den Baumen. Sonst sehen wir auf der ganzen Ebene bei¬ nahe nichts anderes wie Feld und Wald. Alles erscheint uns verlassen und ausgestorben. Gegen Siidosten verliert sich die Ebene in die Ferne und geht langsam in blauen H im- mel iiber. Im Hintergrunde erheben sich wie eine hohe kolossale Mauer die Karawanken. Wir konnen dieses Gebirge vom Ful? bis zum Gipfel betrachten. In verschiedenen Lagen zeigen uns diese Berge ein mannigfaltiges Bild. Besonders am Berge Stol unterscheidet man diesen Wechsel sehr gut. Wie Stockwerke reihen sich vom FuB bis zum Gipfel Weiden. Wald, Rinnen, Schuttlialden und ganz oben Alpenweiden. Der Gipfel ist oft von weif?en oder grauen Wolken unigeben. (Siehe Biich- lein: Godec. Vintgar.) Die Kirche der heil. Katharina ist mit einer baufalligen Mauer umgeben, die einst als Schutzmauer (Tabor) gegen die Tiirken- einfalle diente. Im Kirchlein sind noch Spu- ren der Gothik. im Seitenaltar ein schones Schnitzwerk aus dem 15. Jahrhunderte und ein Altarbild mit Schloh und Insel von Bled zu sehen. Das Kirchlein ist sehr alt. Schon um das Jahr 1500 hatten die Bauern hier eine vom Papst bestatigte Bruderschaft. Sie schlach- teten hier oben jedes Jahr eine von Einwoh- nern von Zasip geschenkte Kuh. Jeder An- wesende, selbst Fremde. bekam ein Stiick Braten. Zur Zeit Josef II. (vor 150 Jahten) wurde diese Gewohnheit aufgelassen, sowie auch die Bruderschaft. Im Turme hangen 6 zwei alte Glocken, iibertragen zur Zeit der franzbsischen Herrschaft vor 120 Jahten vom Schlof? in Bled. Gegossen wurden sie im Jahte 1720 und 1744 und haben 50 cm (Ton c) und 56 cm (Ton g) Durchmesser. Die Kirche der hi. Katharina. Seinerzeit wurde viel von den Schatzen bei der Heil. Katharina gesprochen, besonders seit dem Jahre 1860, wo drei Gbrzer eine Eisentruhe mit Geld ausgegraben und davon- getragen haben. Diese war ganz seicht unter der Stiege vergraben, die in die Vorhalle fiihrt. Bei der Amtsuntersuchung wurde fest- gestellt, dah wohl ein franzosischer General 7 im Jahre 1892 viel Geld und Wertsachen hier vergraben hat. Die Lente aus der Umgebung erfuhren vom Schatz und man sprach Ver- schiedenes davon. Es seien in der Truhe 70 Tausend Gulden gewesen und eine selir alte Italienerin solite den Gbrzern dieses Geheim- nis erzahlt liaben usw. Wieviel Wahres an diesen Gesprachen war, lieR sich nicht fest- stellen. Sicher ist es, dali lieute keine Schiitze bei der Kirche zu holen sind. Mancher ging nach diesem Ereignis oft zur alten Kirche und suchte nach dem Schatz. aber er kehrte mit miiden Handen und leeren Taschen nach Hanse zuriick und mulite das heimlich tun, um dem Gelachter der Nachbarn auszu- weichen. 3 Der Wasserfall »Šum«. Der Weg fiihrt uns weiter, grofitenteils im Schatten, durch Wald und Weiden ab- warts zum Wasserfall C/ 2 Stunde). Die Sze- nerie wechselt fortwahrend, so dah wir nicht wissen, wann wir dem rauschenden Wasser- fall naher kommen. Das Donnern des Was- sers ist immer intensiver. Wir fangen unwill- kiirlich schneller zu gehen an und miissen auf die zahlreichen Fichtemvurzeln achtge- ben, die aus dem Boden herausragen, damit wir nicht stolpern. Bald lichtet sich der Wald und vor uns erblicken wir den prachtvollen Wasserfall »Šum« (526m), der den Eingang in die Klamm bildet, die der Bach Radovina im Laufe der Jahrhunderte ausgehohlt hatte. Der Bach Radovina fallt in starker Strbmung iiber die Felsen in einen 26 mtiefen Abgrund. Die beiden Ufer sind mit einer 25 m langen Brucke verbunden, auf welcher wir in 20 Minuten in das Dorf Dobrava und weiter nach Jesenice kommen. Einen schdnen Anblick gewahrt uns der Wasserfall. Staunend schauen wir in den wil- den Kampf der Wellen, die schaumend an ■ 9 die Felsen einstiirmen. Es liat den Anschein, als ob sich der Bach freuen wiirde, dal? er sich aus dunklen Klammfesseln herausge- wunden und ans Licht gekommen wieder die Freiheit geniefit. Deswegen springt. drbhnt und schaumt er so verwegen und wild. Die milchweifien Wellen iiberstiirzen und zer- schlagen sich untereinander. Sie vereinigen sich und gehen in hundert und hundert klei- nen Wasserfaden wieder auseinander, be- netzen die Felsen zn beiden Seiten, dringen in viele Felslocher heran, in denen sie sich im kan m sichtbaren wolkigen Nebel zer- stauben. In der Mitte des Wasserfalles iibergiefien sich die machtigen Wellen eine in die andere und bilden eine schbne, breite Welle, die drbhnend in den griinen Wasserabgrund unter der Briicke stiirzt. Bei Sonnenbeschei- nung des Wasserfalles und des Dunstes, wenn beide vom Wind in entgegengesetzter Seite getrieben werden, erscheinen sie hie und da in Vormittagsstunden in Regenbogenfarben. die uniso intensiver sind, je dichter sich der Dunst aus silberschaumigen Wellen erhebt. Man glaubt in das glanzende Feuerwerk von allen Farben hineinzublicken. Die Herrlichkeit des Wasserfalles wird auch von der Umgebung gehoben. Hochauf- 10 Der VVasserfall »šum«. it ragende, verwitterte und zerfressene Felsen erheben sich wie die Mauern einer groben Festung. Der ganze Wasserfall ist mit Ge- strauch und Baumen umgeben, im Hinter- grunde an den Ufern aber halten die Hiigel Hom (rechtes Ufer) und Boršt (linkes Ufer) Wache. (Godec: Vintgar.) Lange schauen wir in diesen wilden Kampf der Wellen, die sich unter uns walzen und im groben Kessel verschwinden, das Brausen und Donnern des machtigen Wasser- falles setzt uns in Staunen. Wir denken nach und suchen diese grohartige Naturerschei- nung zu verstehen. Nur ungern trennen wir uns von der prachtvollen Szene. ! ,i 12 Der Bach Radovina. In Spodnja Krma unter dem Triglav sammelt der Bach Radovina seine Krafte und stromt durch das nach ihm genannte Tal. Er springt frohlich in seinem Beti und freut sich des glanzenden Sonnenlichtes und der griinen Ufer. Die Hiigel Mežaklja und Pokluka im genannten Tal und andere kleinere Hiigel bei Gorje verwehren ihm das Ubertreten aus seinem Beti. Beim Dorfe Spodnji Graben unter der Sage wird er bald von der Vintgar- klamm eingefangen und zwischen enge Stein- wande eingeschlossen. Umsonst schaumt die Radovina, die unruhige Tochter der Berge, vor Zorn, umsonst strengt sie sich an, die engen Felsfesseln zn zersprengen. Ihre Macht wird durch tiefe Kessel und enge Felsblocke geschwacht, deshalb wird sie hie und da ruhiger. Aber bald wirft sie sich an die sie beengenden Wande noch mit grdRerer Wut heran. Sie sendet Woge an Woge gegen sie, um sie zu vernichten, aber die Felsen beugen den Angriffen aus. Zuletzt stiirzt sie, umausdem engen Kerker in die goldene Freiheit zu kommen, in einem groBen, schaumenden Sprunge liber die Felswehr in die Tiefe unter der Brucke. 13 Viele Wellen aber blieben zuriick. Diese drangen und iiberstiirzen sich. Wie Schuppen decken sich die Wogen unter Brausen eine die andere, jede Nachfolgerin sucht den Glanz ihrer Vorgangerin zu verdunkeln, in- dem sie ihr schimmerndes Gewand iiber sie hinwirft. Sie eilen weiter, um ihre Genossen einzuholen, die im breiten, offenen Bette rauschen. Auch ihnen treten Felsen ent- gegen, aber sie kiimmern sich nicht datum. Sie vereinigen sich und springen iiber glatte Steine oder suchen sich Offnungen aus, durch welche sie sich in grbfieren oder kleineren Kaskaden ins freie Beti ergieRen. Manche Welle wird aber im wilden Kampfe an wider- spenstigen Felsen zerschlagen und in weifien Staub aufgelbst und vom Winde auf die Baume getragen. Ruhig schaut die Sonne die- sem heftigen Kampfe zwischen Wasser und Stein zu, badet ihre Strahlen in schaumenden Wellen, streuchelt den Wasserdunst, der sich aus ihnen erhebt und nur sichtbar wird durch diePrachtdesRegenbogens, der das untere Ende fortwahrend wie ein Zauberbild umgaukelt. Unter dem Wasserfall atmet die Rado- vina auf, sammelt ihre beim Kampfe zuriick- gebliebenen Wellen und rauscht weiter bis zur Save Dolinka, um im machtigeren Flusse den Namen und die Selbstandigkeit zu verlieren. 14 Die Vintgar-Klanim. Treten wir den Weg durch die 1606 m lange Vintgar-Klamm an. Zu Leiden Seiten der Radovina erheben sich steile Felsen und bilden die wildromantische Klamm. Bald beim Eingange ist eine Wasserwehr, von welcher etwas Wasser durch einen klei- nen Tunnel unter die Briicke zum Elektrizi- tatswerk abgeleitet wird, von wo die elektri- sche Kraft (iiber 600 HP) nach Dobrava und Javornik abgegeben wird. Uber den Bach sind die beiden Ufer mit einer 33’5 m hoch gelegenen, 53 m langen steinernen Eisenbahn- briicke mit einem Bogen verbunden. Die Eisen- bahn fiihrt sogleich durch einen 1180 m langen Tunnel einerseits nach Bled, Bohinj, Gbrz und Triest, andererseits nach Dobrava und Jesenice. Die Felsen sind vom Anfang niedrig, aber sie werden immer hbher, die Klamm und das FluRbett immer enger und das Wasser tiefer und dunkler. Der Weg fiihrt uns anfangs ziemlich hoch iiber dem Bach. Doch ist die Klamm noch nicht so eng, dali die Sonne das Wasser nicht bescheinen kbnnte. Ihre Strah- len baden in den Wellen, welche iiber einen 8 m 15 groRen Fels eilen. der eineni Drachenkopfe (»Zmajeva glava«) ahnlich ist, durch welchen sich das Wasser iiber Štirn und MauliibergieRt. Jetzt befreten wir eine Holzgalerie, welche durch den »Pekel« (Hblle) fiilirt. In Die Eisenbahnbrucke in der Klamm. denselben verirren sich keine Sonnenstrahlen, da ihnen die sie umgebenden hohen Wande wehren. Beide Ufer nahern sich eines dem anderen, so dah zwischen ihnen ein tiefer dunkler Abgrund entsteht, in welchem sich tosend die Wellen durchdrangen. Auf den zerkliifteten. schwach bewachsenen Felsen 16 In der Klamm. 17 hangt hie und da dariiber eine verdorrte Fichte, welche durch Sturm halb entwurzelt wegen Nahrungsmangel am verwitterten Ge- stein zugrunde gehen muBte. Alles dies be- deckt eine geheimnisvolle Dunkelheit, die die dunklen Felsen noch einsamer macht. Ein schb- ner Anblick ist in dem »Pekel«, weil der Weghoch oben iiber Wasser f iihrt, tief unt er uns aber horen wir das Brausen derWellen. (Godec: Vintgar.) Am gegenseitigen linken U£er sehen wir den einem Turme ahnlichen Felsen der »Krai- nischen Sparkasse«, die einen grofien Geldbei- t rag zur Erbauung der Klammbeigesteuert hatte. Nach dem Durchschreiten des »Pekel« wird die Klamm breiter. Die Felsen ragen noch immer zn beiden Seiten hoch hinauf gegen den blauen Himmel, jedoch nicht mehr so steil, dal? unter den Steinwanden das Ge- biisch und Buchengestrauch nicht Wurzeln schlagen und ihre Aste iiber den Weg aus- breiten konnte. Dieselben sind mit Tau wie mit Edelsteinen und Perlen besat. Stellen wir uns vor, dafi iiber uns breite Seidenvor- hiinge ausgebreitet sind. Die Sonnenstrahlen spielen und prallen an nassen Blattern zuriick, brechen in Tropfen, die auf den Blattern ruhen, dal? dieselben in tausend Farben glan- zen. Der Wind bewegt diesen zarten hundert- blattrigen Vorhang und wirft glanzende Per- 18 I<> In der Klanim. len ab; zugleich legt er wieder weil?eh VVasserdunst darauf, der sich aus den tobeh- den Wellen erhebt, als ob er ausruhen wollt§, sogleich aber iiberflieht er in neue Perlen und Edelsteine. (Godec: Vintgar.) Hellgriine Farbe ist in diesem Teile der Klanim vorherrschend, nur wo das Gewachs den vielblattrigen Vorhang ein wenig lichtet, schanen durch die Liicke die dimkelgraueh Felsen heraus. Je hbher, desto schiitterer ist das Gestein, hoch oben iiber den F elsen sehen wir mit Gebiiscli bewachsenen glatten Erdboden, der zweimal hbher ist als die Felsen beim Wasser. Die Klanim wird immer breiter und wir kommen zu einem grohen Kessel mit einem breiten Tiimpel und hohen Steinwanden. Der Fels am rechten L T fer heifit »Ra n j Čape č« (»der Fels der Verstorbenen«). liber diesen Felsen fiel vor Jahren ein Weib und wurde tot aufgefunden. Ahnliche Ungliicksfalle er- eignen sich bfters in der Klanim. Einen ungewbhnlichen Anblick gewahi?t uns die Klanim im strengen Winter, wenn die Wande mit Eis iiberzogen sind und wie ver- silbert aussehen. Der Kessel bei der »Ranjča peč« ist einem groBen Saal ahnjich, dessen Fufiboden aus hellemGlas ist, die Wiinde aber aus schweren Siiberplatten bestehen. Die Dečke zu diesem Saal macht der blaue 20 Žumer - Galerie. Himmel, au£ welchem beirn Tag die Sonne leuchtet, bei der Nacht aber unzahlige Sterne herunispazieren. Wie eine groBe Glasplatte be- deckt das Eis den Kessel, mit Eis sind die Wande iiberzogen, groBe Eiszapfen hangen an Felsen und beriihren an manchen Stellen den Boden. Die Wande der Klamm schieben sich jetzt so viel wie moglich zusammen. Wir gehen iiber eine 11 m lange Briicke, iiber welche der 15 m tiefe Bach fliefit. Obwohl das Wasser hell und durchsichtig ist, doch kbnnen wir nicht bis auf den Grund blicken. Die Forellen verschiedener Grdile tummeln sich im Wasser und schwimmen hin und her. Auf dem jenseitigen linken Ufer fiingt die 125 m lange »Žumer-Galerie« an, die den ro- mantischesten Teil der Klamm bildet. Die Felsen ragen senkrecht empor und uns scheint es, als ob wir in einer engen Gasse mit zehn- stbckigen Hiiusern spazieren. Die Radovina windet sich stili und miihsam und sucht langsam den Durchgang durch die festen Felsblbcke, welche sie schon Jahrhunderte untergrabt und unterwascht. Schon Jahr¬ hunderte aber nagen Regen, Schnee, Kalte und Sturm daran. Darum sind die Wande zerkliiftet. In dieselben mufiten starke eiserne Trager eingemauert und dariiber dicke Bret- ter gelegt werden, damit der Weg in der Holzgalerie vollkommen sicher ist. 22 In der Klamm. 23 Je mehr wir weiter gehen, desto diisterer wird das Bild. Kaskade an Kaskade reihen sich. GroBe Felsblocke hemmen den Weg des Wassers, in welchem oft Sageblbcke liegen, die das Hochwasser angeschwellt hatte. Sobald wir die Brucke iiber einen schb- nen Wasserfall passieren, wird die Klamm wieder breiter und die Wande gehen aus- einander. Wir kommen zn einem Kreuzbild, ringsherum mit Banken umgeben. Der weifere Weg ist sehr verschieden- artig. Immer mehr ist das Griin vorherr- schend, immer mehr Sonnenstrahlen beleuch- ten den Bach, der zuweilen langsam fliefit, dann wieder tobt und schaumt und sich wie- der in ruhigen griinen Tiimpeln aufhalt, um dann in grofien oder kleinen Kaskaden rau- schend bergab zu stromen. Je mehr wir uns dem oberen Ende der Klamm nahern, desto ruhiger wird das Wasser, umsoweniger gibt es Kaskaden, umso heller und freundlicher wird um uns herum. Etwa 150 m unterhalb des Ausganges ist die »Kleine D rehbank«, d. i. ein Fels mit Hohlungen liegt in der Mitte desBaches, in welchen das Hochwasser kleine Steine dreht und sie glatt abschleift und abrun- det. Davon der Name. Beider »Gr o Ren D reh¬ bank«, wo die Klamm bei derleizten Brucke zu Ende geht, begriifien wir wieder die helle Sonne. 24 Die Vintgarklamm hat eine besondere Eigentiimlichkeit, welclie andere nicht haben. Sie zeichnet sich namlicb durch Verschieden- artigkeit aus. In den Klammen in der Schweiz und in Osterreich ist es schon, aber zn wild und wir freuen uns, wenn wir wieder ins Freie gekommen sind. Dori gibt es keinen Kampi, den die gr line Rado vina beim lebhaf- ten Spiel mit fortbrausenden Wellen bildet. Hier ragen iiber dem klaren Bach bunte Felsen und Wande und griine Walder empor. Das Griin und die Bliiten der weniger be- kannten Pflanzen an Felsen geben der Klanim einen freundlichen Anblick und reges Leben. Die Verschiedenartigkeit der Klanim zu beiden Seiten wird aucli durch die Ab- wechslung des Tageslichtes gehoben. Jetzt be- scheint die Sonne unseren Weg. Bald wird sie von den Felsen verdeckt, um baldwieder hin- ter den Steinwanden herauszugucken. Wenn wir beim Wasserfall »Šum« durchnafit waren, trocknen wir uns auf derSonnebeira»Drachen- kopf«; wenn uns im »Pekel« frierte, warmen wir uns unter der »Ranjča peč«; wenn uns die diisteren Felsen in der »Žumer-Galerie« erschreckten, trostet uns das griine Gebiisch, sobald wir auf den Weg kommen; und wenn wir trockene Kehle und leeren Magen haben, besanftigen wir beide in der freundlichen Re- stauration auBerhalb der Klanim. 25 Die Entdeckuiig der Klamm. Der Wasserfall »Šum« war schon durch eine Reilie von Jahren bekannt und eine oft besuchte Sehenswiirdigkeit der Sommergaste von Bled. Ein seinerzeit dort bestandener Verschonerungsverein lieB iiber denselben eine Drahtseilbriicke lierstellen. Unbekannt war aber die Schlucht, aus welcher der Bach maclitig herausstrbmt, bevor er sich iiber die Felsen beim Wasserfall stiirzt. Es blieb ein Ratsel, welche Engen und Waldesgriinde die Radovina auf diesem Wege durchzieht. Wohl drangen dami und wann Geriichte zu Ohren von machtigen Kaskaden, steil aufragenden Felsen und engen Klammen. Die einzigen Bewohner dieser Schluchten waren wilde Tauben und Raubvogel und die Forellen im Wasser. Die Klanim selbst war unzuganglich. Nalieres erfulir man erst, als im Februar 1891 bei einem niedrigen Wasserstande der Gemeindevorsteher Jakob Žumer aus Gorje und der Photograph B. Lergetporer aus Bled, zwei fortschrittliche Manner, eine Erforschungstour in diese unerschlieBbare Gegend unternahmen. Aid' dem Wege iiber 26 die Strma stran nach Dobrava gelang es ihnen auf steilem, gefrorenem Waldboden durch einen Schlund denselben zu erreichen. Mit machtigem Brausen walzte sich der Bach iiber groRe Felsblocke und an steilen, fast senkrechten Wanden vorbei, auf denen der aufzischende Wasserstaub zahlreiche prachtig glanzende Eiszapfen geschaffen. Ein weiteres. Vordringen oder eine Ubersetzung des Baches war nicht mbglich. Man muRte sich vorlaufig mit dem Gesehenen begniigen und d en Riick- weg antreten, um weiter unterhalb einen zweiten Abstiegversuch zu machen. Wieder war durch Gestriipp, Felsplatten und Gerolle auf einer Schneelawine der Bach genommen und das andere Ende der Felsklamm erreicht vvorden. Hier hatte sich der enge Felsschlund etwas erweitert und ruhig und trage flossen die fast schwarzgriinen Wellen der Radovina, bis sie sich wieder an eigentiimlich geformten Felsrippen brachen. Ein Vordringen in die Klamm selbst wurde zwar an dem gefrorenen Bachrand versucht, muRte aber bald aufge- geben werden. Was also zwischen den beiden erreichten Punkten lag, war aucli den mu- tigen Forschern eine unbekannte Welt ge- blieben. Man war hochbefriedigt von dem Gesehenen und trat, als die letzen Sonnen- 2? strahlen die gewaltigen Felstiirme vergolde- ien, den Riickweg an. Sobald ein ausfiihrlicher Bericht, unter- stiitzt von mehreren gelungenen photographi- schen Aufnahmen, in Bled bekannt wurde, sah man sofort ein, dali eine Gangbarmachnng dieser Naturschbnheit fiir den Kurort von groher Bedeutung ware. Das fiir die Sache Avachgerufene Interesse war so machtig, dali sich alsbald ein Baukomitee bildete, welches rlurch Einleitung von Sammlungen, durch Veranstaltungen von Festen und Konzerten die nbtigen Mittel nach und nach aufzubrin- gen hoffte. Mit der Leitung der Wegbauten wurde Jakob Žumer aus Gorje betraut. Nach- •dem die erste, von den Kurgasten in Bled gezeichnete Subskriptionsliste iiber einen Betrag von 174 Gulden ergab, ging der Bau- leiter sofort an den Bau. Durch Unterstiitzung des krain. Landtages, der Krain. Sparkasse und durch mehrere im Hotel Toplice in Bled veranstalteten Feste war es mbglich, 2254 'Gulden fiir die Bauten zu verwenden. Die Ausgaben waren zwar etwas grbBer, aber dieser Umstand nahm nicht den Mut dem unermiidlichen Bauleiter. Am 26. August 1895 vvurden die neuen Weganlagen feierlich er- bffnet und »V i n t g a r« getauft (nach dem :28 Hiigel oberhalb der »Ranjča peč«). An 300 Per- sonen nahmen an dem Feste teil. bei welcher Gelegenheit an einer der schbnsten Stellen der Klanim eine dem nneigenniitzigen Bau- Jakob Žumer. leiter Jakob Žumer gewidmete Gedenk- tafel enthulh wurde. Das schbne Werk war aber noch nicht voll- endet. Das Baukomitee beschloB, den Durch- schlag der Klamm vom letzten Stege langs 29 dem Bache zur Ausfiihrung zu bringen. Als im Jahre 1895 eine Uberschwemmung die Brucke weggenommen hatte und der immer grofiere Defizit durch Sammlungen und Kon- zerte gedeckt wurde, setzte der Bauleiter das angefangene Werk fort und beendigte es ein Jahr spater gliicklich ohne jeden Ungliicks- fall ihm zur Ehre, den zahlreichen Besuchern zur Freude. Die Arbeiten in der Klamm waren schwierig und miihevoll, ungeachtet der Sorge um Geldmittel. Wie grofi war die An- strengung beim Herstellen der Wege, beim Sprengen der Felsen und bei Ubertragung der Eisenstabe, der Bretter und des Bau- holzes in die Klamm! Beim Briickenschlagen und Herstellen der Holzgalerien war die Arbeit sogar gefahrlich. Als man die zweite Brucke schlagen wollte, sah man, dafi die gegenuberliegende Wand keine Hdhlung, keinen Vorsprung hatte, wo man die Balken anlehnen konnte. Mit einem Flofi dazuzukommen und in dem- selben eine Leiler aufzustellen und an den Fels anzulehnen, ware nicht geholfen, da gerade dort das Wasser reifiend war, welches den Flofi wegreifien oder wenigstens in Bewegung setzen wiirde. Was nun? Mancher wiirde in einer solchen Lage, wo er sich nicht 30 zu belfen wiifite, verzweifeln. Nur cler Bau- leiter nicht. Den Mutigen unterstiitzt das Gliick, dachte er. Er liefi eine lange Leiter herbringen, stellte dieselbe auf und lehnte sie von einem Ufer auf das entgegengesetzte Ufer an den Felsen an. Ein Arbeiter stieg auf der Leiter hinauf, befestigte an passender Stelle ein starkes langes Seil um eine Stein- klippe. Auf dem Seil liefi sich der Steinmetz herab und zwischen Himmel und Wasser scliwebend bearbeitete er mit dem Meifiel den Fels solange, bis er eine Hbhlung machte, in die man Balken setzen komite. Er fiel trotz Vorsicht einmal vom Seil ins Wasser, kam unversehrt aus dem kalten Bade heraus und ging sogleich nach Trocknung der Kleider an die Arbeit. Der Winter, der Schnee, die Lawinen, besonders aber das Hochwasser machen in der Klamm fastjedes Jahr viel Schaden und die Reparaturkosten sind sehr grofi. Im Herbst 1926 rib eine grobe Uberschwemmung Holzgalerien nieder und Lawinen zerstbrten die meisten Wege. Der Tourist Office in Ljubljana stellte mit groben Unkosten (bei 60 Tausend Dinar) das Ganze wieder lier. Deshalb wird in der Hiitte beim Wasserfall eine kleine Eintrittsgebiihr zur Deckung der Auslagen eingehoben. 51 Wir sind in einer halben Stunde durch die Klanim gekommen, in welcher sich 5 Briicken und 14 Galerien befinden. Von der Restauration fiihren Wege nacli allen Seiten. Zur Eisenbahn nach Podhom brauchen wir 1 l i Stunde, nach Bled liber Spodnje Gorje 1 Stunde, nach Jesenice iiber Poljane, wo das »versteinerte Weib« steht, 2 Stunden. Wir kbnnen aber auch iiber Zgornje Gorje durch die Poklukaschlucht, die eineni gewolbten Dome ahnlich ist, zum Mrzli studenec und weiter auf den Triglav gehen oder in die Krma zum Ursprung der Radovina. NARODNA IN UNIVERZITETNA KNJI2NICA cn CD m