Narodna in univerzitetna knjižnica v Ljubljani 281008 Roman-Beilage der „Union''. JOHANN ERASMUS TATTENBACH Historischer Roman aus dem XVII. Jahrhunderte der steiermärkischen Geschichte. Von JOSIP JURÈIÈ Aus dem Slovenischen übersetzt von FRANZ RAINERÓW. Nachdruck verböte» PRAG 1912 3ruck und Verloff von B. Beaufort 281006 2 9. Vüf. 1977 „Erat inter illustres Stiriae pro- ceres Erasmus Tattenbachius nobili­ tate opibus nullt secundus, in Fran­ cöniae circulo et in sacratione Sty­ rorum.. Wagner, alter Chronist. ERSTES KAPITEL. Um die Mitte des XVII. Jahrhundertes gingen im slavischen Süden: in Kroatien, im Küstenland, auch in den slovenischen Landesteilen, besonders aber in Un­garn derartige Dinge vor, die der Geschichte Mitteleu­ropas, besonders aber der unseres engeren Vaterlandes eine ganz andere Wendung, als sie sich seither entwik­kelte, hätten geben können, wenn nicht die Häupter der Bewegung gleich anfangs ihr Schicksal ereilt hätte. An diesen großartigen Plänen staatlicher Umwälzungen be­teiligte sich auch das Haupt der in Untersteier seßhaften Adelsfamilie, der reiche und mächtige Graf Johann Eras­mus Tattenbach, Fürst von Ravenstein, Besitzer der steirischen Herrensitze Gonobitz, Kranichsfeld, Podova und Nußdorf am Fuße des Bacherngebirges, Tribenegg, Windisch-Landsberg, Stattenberg, Freistein, Sonnenberg Widerschnegg; weiters Besitzer von Häusern in Mar­bung, in Wildon usw. Es handelte sich bei diesen politi­schen Plänen um nichts geringeres, als um eine gewalt­same Lostrennung Ungarns und der südslavischen Län­der von Deutsch-Oesterreich, um die Gründung eines freien Königreiches Ungarn und die Bildung eines unab­hängigen Kroatien, an welches die slovenischen Landes­teile angeschlossen werden sollten. Zum Verständnisse der Geschicke des Grafen Tat­tenbach, dessen Leben und Streben zu beschreiben der Zweck unserer durchwegs auf Geschichte sich stützenden Erzählung ist, wird vor allem notwendig sein, einen kur­zen Abriß der allgemeinen Geschichte jener Zeit zu ge­ben und den Leser mit den Personen bekannt zu ma­chen, welche an der Spitze jener Bewegung standen, die den mächtigen Staat der Habsburger beinahe um seine altehrwürdige Stellung gebracht hätte. Seidem die Böhmen in der berühmten verhängnis­vollen Schlacht am Weißen Berge besiegt wurden, ge­langte in Oesterreich jener deutsche Geist, welcher je­der anderen Nation feindselig ist, zur unumschränkten Herrschaft. Bitter mußten dies zuerst die Ungarn, dann auch die Kroaten fühlen. Beide Nationen hatten sich aus völlig freiem Willen unter das Szepter der Habsburger begeben und hatten auch nicht durch dergleichen Aufstände wie die Böhmen ihre nationalen Rechte „verloren". Deshalb stieg in diesen Ländern die Unzufriedenheit und zwar vorerst in der nationalen Aristokratie Ungarns und Kroatiens. Den höchsten Grad aber erreichte hier die Unzufriedenheit mit der Wiener Regierung unter Kaiser Leopold I. nach der Schlacht bei St. Gotthard (einem Zisterzienser-Kloster nahe der Grenze Steiermark« im slovenischen Teile Ungarns) am 1. August 1664, wo die Türken von der kaiserlichen Armee unter Führung des Feldherrn Montecuculi geschlagen wurden, — 5 — Die Schlacht wurde hauptsächlich durch die Tapfer­keit der Kroaten unter Führung ihres Banus, des Grafen Zrynyi, dann der Ungarn und der französischen Hilfs­truppen gewonnen. Dennoch schloß Kaiser Leopold, ge­drängt von seinen Räten, mit den Türken eiligst einen derartigen Frieden, daß der Sieg ohne Vorteile für die Christenheit blieb. Arg aber wurden besonders die Kroa­ten und ihr Banus in diesem von den Wiener Diplomaten mit den Türken halb im Stillen, ohne die Ungarn und Kroaten zu fragen, geschlossenen Friedensvertrag damit beleidigt, daß Wien ausdrücklich der Forderung der Türken beistimmte: die von Zrinyi erbaute, jetzt von den Türken zerstörte, eine Stunde Weges unterhalb Ka­niza an der Mur gelegene Festung Zrinyivaros dürfe auf ewige Zeiten nicht wieder aufgebaut werden. Aber nicht nur diese und dergleichen kleinliche Zu­rücksetzungen und der faule Friede mit den Türken, es traten noch andere gewichtige Verordnungen des Wiener Hofes hinzu, welche die ungarischen und kroatischen Führer bis tief in die Seele schmerzlich berührten. Nach der Schlacht bei St. Gotthard blieben nämlich die deutschen Truppen in Ungarn und Kroatien. Ueberau traten die Fremdlinge unter den Einheimischen herrisch, roh, raubend, rechthaberisch, beleidigend auf. Auch be­merkte man gleich, daß besonders in Kroatien gerade die höchsten Militär- und Zivilehrenstellen an Deutsche vergeben, Einheimische aber bei Seite geschoben wurden. So wurde Herberstein, ein Deutscher, Höchstkomman­dierender in Karlstadt, obwohl auf diesen Posten seinem Range nach und als Einheimischer der Banus von Kroatien und „Edelmann" Peter Zrinyi das erste Recht hatte. In der Militärgrenze, die noch eine selbständige nationale Organisation bewahrt hatte, spürte man auch, wie ungern man die einheimischen Wojwp^en, als da Johann Erasmus Tattenbach» -P waren: Mitar Östrovljanin, Peter Trifunac, Sima Omud­jevic aus Korbowa, Stefan Orlovic aus Lika, Paul ürnov­canin von der Sawe, Uskokenhäuptling Gruiza WukaSin u. a. auf ihren Posten sah und mit allen möglichen Mitteln darauf hinarbeitete, Einfluß in "der Militärgrenze zu gewinnen. In Ungarn gesellte sich noch die Unzu­friedenheit der Lutheraner hinzu, weil sie von den kirch­lich intoleranten kaiserlichen Behörden verfolgt und be­drückt wurden. Auf diese Weise mußte kommen, was wirklich kam. Es bildete sich die historisch denkwürdige Zrlnyl­Frangepan'scbe Verschwörung, die sich über Ungarn, Kroatien und (durch Tattenbach) auch in die slovenischen Landesteile ausdehnte; aber auch über Polen, Frank­reich, Venetien, ja sogar in die Türkei (also bei einem auswärtigen Erzfeinde Hilfe suchend gegen den einheimischen Bedränger) ihre Netze zog. Zuerst traten ungarische Edelleute und einige andere einflußreiche Herren zusammen. An der Spitze der Ver­schwörung standen anfangs die bedeutendsten Männer: der Palatin Ungarns Graf Wesseldnyi, der oberste Richter des Landes „iudex curiae" Graf Nädasdy, der Bischof Lipay und Nikolaus Zrinyi. Doch das Schicksal wollte es, daß drei davon, "ehe alles geordnet war, mit Tod abgingen. Nikolaus Zrinyi wurde auf der Jagd von einem wil­den Eber zerrissen, Wesselenyi starb bald darauf (wie es hieß, infolge eines häuslichen Zwistes von Jemandem vergiftet), und der Bischof Lipay überlebte ebenfalls nicht lange seine beiden Gesinnungsgenossen. So verlor die geplante Verschwörung gleich anfangs drei geniale, waghalsige Männer. Es blieb nur Nädasdy, der im Verein, mit dem jungen Fürsten Räköczy heim­liche Versammlungen veranstaltete. Dadurch wurde der ungarische Adel für die Freiheit des Vaterlandes ge­wonnen und begeistert. In der Zeit, als die ungarischen Magnaten so berat­schlagten, wie mit Erfolg den Widerstand gegen Wien zu organisieren, wollte ein fanatischer Ungar gleich handeln. Es war dies Vitnyedi, ein protestanti­scher Prediger aus Oedenburg, der sich vornahm: den Kaiser Leopold bei Gelegenheit, als dieser seiner Braut bis Schottwien entgegenfahren sollte, zu fangen und von dem Gefangenen die Erklärung Ungarns zu einem freien Lande zu erzwingen. Sollte der Kaiser nicht alles gleich unterschreiben wollen, oder sollte Vitnyedi wegen Ge­fangennahme des Kaisers verfolgt werden, soll der Kai­ser ermordet werden. Behufs Ausführung seines Planes verlangte Vitnyedi von Peter Zrinyi militärische Mithilfe. Peter Zrinyi, ein Kroate, traute wahrscheinlich dem lutherischen, auf eigene Faust handelnden Prediger nicht, oder aber schien ihm ein derartiger Gewaltstreich noch als verfrüht, darum sandte er auch die verlangte militärische Hilfe nicht. So blieb der Kaiser unbehelligt, wohl aber fürchte­ten die Verschwörer den Geistlichen Vitnyedi und einen Verrat seinerseits so, daß sie ihn zu töten beschlossen. In der Tat starb er später (1669) eines plötzlichen To­des am Neusiedler See. Die Magnatenverschwörung wurde anfangs sehr rationell betrieben. Das Erste war: Geld für ein Heer zu bekommen. Obwohl an der Verschwörung reiche Adelige beteiligt waren, wollte man doch bestimmte Summen in den Händen haben. Deshalb beschloß man, sich der Staatsgelder zu bemächtigen, die aus den oberungari­schen Bergstädten nach Wien überführt werden sollten. Nädasdy selbst fuhr deshalb nach Kremnitz. Doch fiel der ganze Plan ins Wasser, weil sich der Hauptmann Cobornyak (nach anderen .Quellen Ssfeiiaijiö), dem die Aufgabe zufiel, die Wägen auszuplündern, irrt entschei­denden Momente betrunken hatte. So mißlangen die er­sten Unternehmungen; die Verschworenen "arbeiteten aber weiter ohne einen einheitlichen Plan. Um auswärts Verbündete zu erlangen, schickte man einen gewissen Ladislaus Bald nach Konstantinopel. Aber wieder ohne Erfolg! Denn was Bald in Konstantinopel gesprochen hatte, verriet ein anwesender Grieche na­mens Panajotti,, Dolmetsch am Wiener Hofe. Die Ver­schwörer hinwiederum erhielten davon rechtzeitig Kunde, weil ihr Führer Nädasdy selbst ein Vertrauter und Hofrat war; deshalb konnte man den Verrat schnell paralisieren und setzte von nun an das ganze Vertrauen auf Erfolg in entschiedenes Handeln. Auch in anderen Staaten suchten die Verschworenen Verbündete. Der Primas Bischof Lipay Wandte sich nach Rom. In noch größerem Maße rechnete man aber auf Polen und Frankreich. ZWEITES KAPITEL. Für's Vaterland und für den Christenglauben Ruft den Allmächtigen um Hilfe an. Erhebt den Schlachtruf Euerer Väter, Und bietet feurig dem Bedränger Trotz! Liebe mag Euch stets vereinen: Als Brüder im Leben, als Helden im Tod. Graf Franz Frangepani. In K r o a t i en war die Seele der Unternehmung Graf Peter Zrlnyi, Banns von Kroatien. Er war ganz durchdrungen von der nationalen Idee und wollte die Ungarn nur als Mittel zum Zwecke gebrauchen, im übri­gen aher ein selbständiges Königreich Kroatien mit dem eigentlichen Kroatien, Dalmatien und Slavonien samt der Militärgrenze, weiter im Süden die Serben und — 9 — im Nordwesten die Slovenen umfassend begründen. Eine eifrige Förderin seiner Pläne hatte er an semer schönen und geistreichen Gemahlin Anna Katharina Zrlnyi, die auch ihren Bruder, den jungen Franz Christo Frange­pani, Fürsten von Triest, für die Idee gewann. An den Höfen der Zrinyi und Frangepani, wie in Èa­kathurn, Ossegliano, Buccari, Novi, Vinodol u. a. O. ge­noß die heimische slavische Muse eifrige Verehrung und Pflege; man sprach und schrieb kroatisch, anstatt aus­schließlich lateinisch und deutsch, wie dies sonst damals der Brauch war. Beweise dessen sind uns bis auf den heutigen Tag erhalten. Franz Frangepani dichtete Lie­der in kroatischer Sprache1) und schrieb — s 1 o v e n i ­s c h e Dramen.2) Ebenso übersetzte Peter Zrinyi ein Gedicht seines Bruders Niklas „Die Sirene des Adriati­schen Meeres" ins Kroatische. Die Gemahlin Peters schrieb selbst ein kroatisches Gebetbuch. Wie viele Schriften aber mag der Zahn der Zeit durch volle zwei Jahrhunderte vernichtet haben! Dfe Idee, daß der zu bildende slavische Großstaat sich auch auf die Slovene n erstrecken müsse, hatte gerade in Anna Katharina Zrinyi ihre eifrigste Ver­fechterin. Die Ausführung jedoch war nicht so einfach, als sie schien. Denn das Volk war damals fast ohne Be­deutung; die ganze Macht im Lande lag in den Händen der Geistlichkeit und des Adels. Dieser bestand in Krain und Untersteier aus durchwegs eingewanderten Deut­schen, nicht so wie in Ungarn und Kroatien, welche Län­der einen einheimischen nationalen Adel hatten. Der Adel *) Siehe Motto oben. ") Seine kroatischen Lieder und ein Bruchstück eines slo­venfschen Lustspieles hat im Jahre 1871 Herr Iv. Kostrenèiè in Agram herausgegeben, wie er sie im Hofarchiv in Wien vorge­funden hat. Johann Erasmus ;Tattenbaclu * 3 - 10 - Steiermarks aber und die Geistlichkeit waren für eine nationale Idee beim Gefühl des Nationalstolzes nicht zu fassen und nicht zu gewinnen, weil sie eben kein solches Gefühl hatten. Katharina Zrinyi mußte also auf andere Mittel sinnen, um jenseits der Sotla Verbündete zu er­langen. Ehrgeiz, Begierde nach Gewalt, Macht, Geltung, Herrschaft — das sind Gefühle, die bei großen Unter­nehmungen den Patriotismus zu ersetzen (wenn auch nicht eigentlich zu ersetzen) vermögen. Und das verstand Katharina sehr wohl. Sie kannte in Steiermark einen Mann, der genug mächtig war, um ihr Verbündeter werden zu können. Er war zwar ein Deutscher, also ihren deutschfeindlichen Tendenzen seiner Natur nach abgeneigt, und dennoch wieder ver­wendbar, weil er die oben erwähnten Eigenschaften be­saß. Im Jahre 1660, bei jener feierlichen Gelegenheit, als Adel und Volk dem Kaiser Leopold I. Treue und Erge­benheit schwur, und wo auch sie, ihr Gemahl und ihr Bruder Franz Frangepani sich einfanden, hatte sie Johann Erasmus Tattenbach kennen gelernt. Damals war er ein kaum neunzehnjähriger junger Mann, doch schon durch zwei Jahre mit Anna Theresia Gräfin Forgac" ver­mählt. . . • 1 .' Katharina Zrinyi hatte, wie schon ein jedes Weib in solchen Dingen ungemein feinfühlend ist, gleich an­fangs bemerkt, daß sie auf den jungen, unerfahrenen und in der Liebe etwas ausschweifenden Grafen Tattenbach einen tiefen Eindruck gemacht hatte, als ihm eben Tatten­bach hätte zugänglich sein dürfen. Es fiel ihr also auch für die spätere Zeit nicht allzu schwer, die Bekanntschaft mit dem mächtigen Tattenbach zu erneuern, und diesen Einfiuß.— wie sie sich einredete — zum Wohle des Vaterlandes zu benützen. Das schien ihr von ihrem, über das alltäglich Weibliche hoch erhabenen Standpunkte aus (diesen zu beurteilen, ist nicht Aufgabe des Erzäh­ —11 — lefs) nicht nur erlaubt, sondern sogar — geboten. So ward Tattenbach oft von Zrinyi nach Cakathurn, oder auch zum Freunde Zrinyi's Locatelli nach L e p § i n a zu Gaste geladen, wo man ihn unauffällig zu umgarnen suchte. Auch umgab man ihn zu Hause mit Leuten, die in den Plan vollkommen eingeweiht waren und die Aufgabe hatten, Tattenbach für das Aeußerste mürbe zu machen. Es waren dies: Vukovacki, ein gewesener Hauptmann der kroatischen Schützen, Kapitän Kaldi, Zririyi'scher Oberstallmeister Rudolfi und Andere mehr. Diese ge­wannen auch den Sekretär Tattenbach's Balthasar Riebel. ' -, . So ward Tattenbach, ehe er sich's versah, in eine Verschwörung verwickelt Der Gedanke, einen berühm­ten Namen zu erlangen, seine Macht und seinen Reich­tum zu vergrößern, oder vielleicht — gar — einen Thron in Besitz zu nehmen! — Wen hätte in jener Zeit dieser Gedanke nicht angelockt! In einer heiteren Gesellschaft auf Lepsina bei Loca­telli hatte Tattenbach eine sogenannte „Liga", einen Ver­trag unterschrieben, in welchem er sich verpflichtete, den Verschworenen mit allen Mitteln beizustehen und die steirischen Slovenen, ja Alles bis Graz hinauf für den Aufstand vorzubereiten. Als Helfer wurden ihm die oben erwähnten Männer: Vukovacki, Kaldi, Rudolfi und Riebel bezeichnet. . DRITTES KAPITEL. .,Le vkup, le vkup, uboga gmajna!" (Zum Kampf, zum Kampf, du armes Volk!) Slovenisches Revolutionslied aus dem Jahre 1635. Jörg Gornik (in alten Chroniken jener Zeit z. B. in den Ueberbleibseln des Marburger Archivs heißt er - 12 - Gurnigg) war erster Winzer, oder wie ihn die Arbeiter und Bauern in der Umgebung nannten, „Mayer" des großen Weingutes, welches Erasmus Tattenbach in Vi ­sovle am Bachern, unweit Windisch-Feistritz besaß. Der Mann war hoch in den Fünfzigern, kräftig, hochgewach­sen. Obwohl selbst Diener, war er ein strenger Herr der Arbeiter und Bauern, die seinem Herrn Frondienste leisten mußten. Dabei war er einsilbig und verschlossen, aus Erfahrung wissend, wieviel Schaden dem Menschen oft ein einziges Wort bringen kann. Von niemandem ge­liebt, liebte er Niemanden, — doch ja, er liebte sein ein­ziges Kind, seine Tochter, das schönste Mädchen der Pfarre St Bencesl, wie das dortige slovenische Sprach­idiom den cechischen Heiligen Vaclav, Veceslav umge­tauft hatte, dem zu Ehren dort ein Kirchlein erbaut wurde, und zwar in jener Zeit, als' die Böhmen unter Ottokar (ehe sie von Rudolf von Habsburg auf dem .V.archfelde besiegt wurden) ihre Macht auch in den slo­venischen Landesteilen zu begründen und zu befestigen suchten. Eines schönen Augusttages also im Jahre 1669 war Jörg Qcrüik in tausend Sorgen und hatte um das Herren­haus beim Weingarten so viel zu schaffen, daß er sich vier Hände zu haben wünschen mochte. In aller Frühe hatte ihm nämlich ein Bote aus dem Schlosse Kranichs­feld, wo sein Herr, der mächtige Graf Tattenbach damals wohnte, die Nachricht gebracht, daß sich am Nachmittag oder doch abends mehrere Herren und Männer von Be­deutung und mit ihnen der Herr Graf selber im Wein­garthause versammeln werden. Es wird ihm nun aufge-. tragen, alles zur Bewirtung. Notwendige vorzubereiten. Dem alten Winzer schien das, weil eben ungewöhn». lieh, sehr wunderbar; denn um diese Zeit, wo die Trau­ben noch nicht reif waren, war es nicht Sitte, beim Wein­ garten Gäste zu empfangen. Ja, schon seit zwei Jahren war nicht einmal im Herbste „zur Lese" Jemand von der Herrschaft erschienen. Nur der Sekretär des Grafen, der junge Balthasar Riebel, dieser kam. Und zwar sehr oft Kam oft auch zu Zeiten, wo es weder Wirtschafts hoch Rechenschaftsangelegenheiten erheischten. Der alte Gornik. ein guter Welt- und Menschenkenner, wußte es wohl gleich, die Besuche des gräflichen Schreibers gelten — seiner, des Winzers Tochter Marianne. Heute war es aber nicht an der Zeit nachzugrübeln, was der Grund eines so zahlreichen Besuches sein möge. Seine Pflicht war es, in Kellern nachzusehen, die Zimmer zu putzen, Geschirr herzurichten, nach Speisen sich umzu­sehen, um das Haus herum und bei den Weingärten Ord­nung zu machen. Bis Mittag war so ziemlich alles in Ordnung. Fleißig half dabei dem Gornik und seinen Leuten seine Tochter Marianne. Noch war aber für sie in den Zimmern, in der Küche, in der Vorratskammer genug zu schaffen. Und doch, als der Vater sah, daß die Stunde für die Ankunft der Gäste nicht mehr fern sein könne, befahl er seiner Tochter, sich für heute aus dem Hause zu entfernen und sich im kleinen Winzerhaus, welches etwa zwei Schuß­weiten vom Herrenhause entfernt am Berge, ober dem Weingarten stand, verborgen zu halten. Marianchen hatte sich schon ungemein gefreut, die prächtige Gesellschaft des Grafen zu sehen. Als sie das letzte Mal hier waren, war Mariannchen fast noch ein Kind, und doch war man so freundlich mit ihr; dieser und jener Herr faßte sie sogar am Kinn, lobte ihre schönen Augen, ihr herrliches goldblondes Haar und prophezeite, sie werde „ein schönes Mädchen werden. Und wie schön waren sie Alle angezogen! Heute aber, heute läßt ihr der Vater dies alles nicht schauen! Besonders Einen unter ihnen wollte sie sehen, aber auch das erlaubt der Vater nicht! Der alte Gornik blieb Johann Erasmus Tattenbaclk ' 4 — 14 — unerbittlich; ein Wert von ihm gesprochen genügte, daß Niemand, dem er zu befehlen hatte, sich zu widersetzen unterstand. Mit tränenden Augen, ohne Widerrede mußte das junge Mädchen in das sonst unbewohnte Winzer­haus wandern. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als die Gäste von verschiedenen Seiten, teils einzeln, teils zu zweien und dreien zusammen, sich einzufinden begannen. Es waren vor allem Geistliche aus der Umgebung: von St. Martin am Bachern, aus Tinje, von St. Wenzel, aus Rulsgau, Prihova usw. Außerdem waren Gemeindevorsteher und freie Bauern vom Baclierngebirge und vom Felde er­schienen. Man sah es ihnen gleich an, daß einer von dem anderen nicht wußte; alle zusammen aber kannten die Ursache der Einladung nicht. Sie steckten die Köpfe zu­sammen, suchten der Sache auf den Grund zu kommen und errieten sie auch ihren Hauptmonienten nach. Kurz darauf erschien Graf Erasmus Tattenbach selbst. Tattenbach war ein schöner, schlanker, ritterlicher Mann voll strotzender Kraft; sein Anblick fiößte unwill­kürlich Achtung und Bewunderung ein. — Er und seine Gäste hatten die Pferde auf der Straße zurückgelassen und stiegen nun gemächlich zu Fuß auf dem Steige dem Rebengelände entlang zum Herrenhaus hinauf. Die Be­gleitung Tattenbachs war übrigens nur gering. Außer zweier niederen Adeligen der Umgebung — ihre Namen sind uns nicht überliefert — waren um den Grafen nur noch Zrinyis Agent Hauptmann Vukovaèki, Kapitän Kaldi, Rudolfi und dìr Sekretär Riebel. Hinterher kamen einige Diener mit Speisen und allem zur Bedienung sonst Notwendigen. Die Geistlichen und die Bauern empfingen den Grafen mit jener übertriebenen Devotion, die dem slovenischen Volkscharakter vielfach nur zu sehr eigen ist, und wie gewöhnlich erlauchten Gastgebern erwiesen wird. Man setzte sich mit feierlichem Ernste um einen in der Dachlaube in aller Eile provisorisch hergerichteten Tisch. Tattenbach war freundlich mit Jedermann, wenn­gleich es einem prüfenden Auge nicht entgangen wäre, daß er sich einigermaßen Gewalt antun mußte; seine Begleiter aber boten um die Wette alle Kräfte auf, sich bei den geladenen Gästen einzustellen. Den Stoff der Unterhaltung bildeten anfangs alltägliche Dinge; nach und nach aber leiteten die Herren behutsam das Wasser auf ihre Mühle und brachten es dahin, daß die Geist­lichen, Gemeindevorsteher und Bauern mit ihren Be­schwerden herausrückten und die öffentlichen Mißstände tadelten. Endlich, als alter Wein aus dem gräflichen Keller völlig die Zungen gelöst und der Herren unge­wohnte Freundlichkeit jenen ihre ursprüngliche Schüch­ternheit benommen hatte, wurde die Unterhaltung schon lauter. Man schimpfte über die kaiserlichen Beamten, man sprach von der Bedrückung des armen Volkes, von den ungerechten und übermäßigen Steuern und Abga­ben .. . Das gab den Bauern so die rechte Stimmung, um so mehr, da der Wein die Gemüter erhitzte. Der Kroate Vukovaöki, ein riesengroßer Mann, 50­wohl ein tapferer Krieger als ein zungenfertiger Redner, brachte einen Toast auf den Grafen Tattenbach aus, worin er ihn als einen Freund und Beschützer des slove­nischen Volkes und als einen Edelmann feierte, der bereit wäre, „die alten Rechte" zu schützen, so wie es jetzt ungarische und kroatische Edle tun. In diesem Sinne toastierte darauf auch ein Geist­licher, was einem anwesenden Bauern solche Courage gab, daß er sich erhob und rundweg erklärte: Alle seien bereit, sich zu erheben für denjenigen, der Steuern und F'cndienste abschaffen wollte. - 16 - Diese Offenherzigkeit verstimmte Tattenbach so sehr, daß er finster die Augenbrauen zusammenzog und sich abwandte, die Unterhandlung ganz seinen Beglei­tern überlassend. Dies bemerkte nun Raldi alsogleich, und besorgt, der Hausherr möchte zu guter Letzt den ganzen günstigen Eindruck der Agitationsjause verderben, sorgte er im Einverständnisse mit seinen Freunden dafür, daß sich die Gesellschaft empfahl und auseinanderging. Beim Abschiede bedeuteten sie noch den Männern, über diese Zusammenkunft mit Niemandem zu reden, — geheimnisvoll hinzufügend, daß bald große Veränderun­gen stattfinden werden. Tattenbach selbst hatte doch auf Bitten Raldis noch einem Jeden einzeln die Hand zum Abschiede gereicht. „Meine Herren, diese Komödie mit den Bauern und verbauerten Geistlichen, bald hier, bald dort aufgeführt, wird mir nachgerade schon zu langweilig!" sprach Tat­tenbach zu seinen Begleitern, als sie allein waren. „Sie ist aber notwendig!" antwortete Vukovacki mit Nachdruck. „Wenn wir im rechten Augenblicke und mit Erfolg losschlagen wollen, müssen wir auch das Volk auf unserer Seite haben." - „Doch ich möchte es lieber sehen, daß dieses Ge­schäft von Euch allein besorgt werde; mich widert es an." Vukovaöki biß sich vor Zorn in die Lippen, doch überwand er sich wieder und sprach: „Gnädigster Herr Graf, das ist Ihre Arbeit! Wenn Sie einst den steirischen Herzogshut tragen wollen, oder (wenn's gelingt, was wir vorhaben) wenn Sie tatsächlich und mit Recht Herzog aller Slovenen genannt werden wollen, welchen Titel sich jüngst die Cillier Grafen anmaßten1), aber nicht J) Es ist aus der Geschichte bekannt, daß sich die Grafen von Cilli selbst „Herzoge aller Winden" nannten. rechtfertigten, dann müssen Sie schon auch selbst etv/as tun." „Die Grafen von Cilli, ha, ha!" — höhnte Tattenbach hocherrötend — „Ihr und die Zrinyis erinnert mich immer an die Grafen von Cilli. Und doch wie oft habe ich es Euch schon gesagt, was Ihr auch selber wissen könntet: Was hatte der Ciliier Ulrich für alle seine Bemühungen? Den Tod! Ja, wenn ich daran denke, dann möchte ich Euch wohl alle zusammen zum Teufel in die Hölle «gen!" „Aber jetzt..." wollte Raldi einwenden. „Genug davon! Wir brechen auf!" sagte Tattenbach und erhob sich in Eile. In solcher Stimmung (das wußten die Begleiter) war mit ihm wenig zu richten. Aber sie wußten es auch aus Erfahrung, daß er nicht lange bei einem Gedanken zu verweilen pflegte. Auch jetzt haben sie sich nicht verrechnet. Kaum daß er drei Schritte vor­wärts tat, wandte er sich um und sprach: „Es ist schon sehr spät, und dieser herrliche Abend... Wie wär's, wenn wir hier übernachteten? Aber von Eueren Plänen kein Wort mehr heute! Heda, Gornik!" Der Oberwinzer erschien mit einer tiefen Ver­beugung. „Schicke einen Diener hinunter auf die Straße, man möge die Pferde bis morgen im Wirtshause einstellen. Wir bleiben hier über Nacht!" „Wie Sie befehlen, Herr Graf!" „Stop, alter Narr! Sind schöne Mädchen hier in der Nähe? Mache kein so dummes Gesicht, sondern spute Dich und sieh Dich gut in den Bauern- und Winzer­nestern um. Für den Abend haben einige junge Mädchen hier zu sein, die gut singen können. Wenn sie nicht kommen, oder nicht schön singen, bekommst Du Schläge und ich lasse Deine alten Knochen in den Bock spannen! Verstanden? Allons, vorwärts!" * /» 6 Johann Erasmus Tattenbach» ' » v ' '' Tief sich verbeugend, entfernte sich Qornik in das Haus hinein. Ihm folgte unauffällig der Sekretär Riebe!, der dem alten Manne zuflüsterte: „Um Gotteswillen, die Mariann' nicht rufen! Haben Sie sie versteckt, wie ich Ihnen aufgetragen habe? „Ja!" sagte Gornik. „Wohin? Wo ist sie?" „Oben im kleinen Winzerhause!" „Gut. Sagen Sie es Niemandem. Der Graf darf sie nicht sehen." VIERTES KAPITEL. „Zwei Lebensknospen dir erblüh'n: Der Frühling und der Jugendsinn!" Simon Jenko. Inzwischen hatte sich das schöne Töchterchen des Jörg Gornik einsam im alten Winzerhause lang­weilen müssen. Allein, und sie wußte es nicht, wozu und warum? Ja, — jetzt war sie schon davon überzeugt, es geschieht alles so wegen des Eigensinns ihres Vaters und in dem schönen Köpfchen Mariannchens regte sich etwas, wie ein kleiner Zorn gegen den sonst "^liebten und verehrten Vater. Es war aber auch kein.: (jeinig­keit, mutterseelenallein, ohne Beschäftigung dort zu ste­hen und zu warten, bis die Herrschaften sich entfernt hätten! Ist sie denn nicht genug schön, um sich vor Menschen sehen lassen zu können? Unwillig schüttelt sie das Köpfchen, daß die blonden Haare in Unordnung gerieten und in den blauen Augen Träneoperlen er­glänzten. Der große Hund des Gornik allein kam ihr Gesell­schaft zu leisten und schmeichelte ihr, aber die sonst so liebenswürdige Herrin stieß ihn zornig von sich, was er • — 19 — ihr jedoch gar nicht übel nahm, sondern wohl wissend, daß die Feindschaft nicht allzulange dauern wird, legte er sich gelassen an der Ecke des Hauses nieder und wartete. Unten im Tale aber ging eben vor der Abenddämme­rung ihre Freundin Aennchen zum Brunnen Wasser schöpfen und sang so froh und munter, daß ihre liebliche Stimme weithin ertönte. O, wie gerne möchte Mariann­chen zu ihrer Freundin hinuntereilen, sie zu umarmen, ach, mit ihr wenigstens einige Augenblicke plaudern, —: ihr dies und jenes sagen, anzuvertrauen und ihr aufzu­tragen (aber freilich erst zuletzt und ganz leise), daß sie von ihrem gewohnten Wege abbiege und das Was­ser durch den Weingarten beim Herrenhause vorbei nach Hause trage, — solle ein wenig spähen und ihr — dann berichten, ob unter den Herren auch der junge Se­kretär des Grafen, Balthasar Riebel da sei. Ein leises Rauschen des Weinlaubes schreckt sie aus ihren Träumereien auf. Jemand scheint an der Straße immer näher zu kommen. Der Hund hat ange­schlagen, aber verstummte gleich wieder; es ist also ein Bekannter. Die Reben waren jedoch zu hoch und zu „ dicht gewachsen, als daß man hätte Jemanden hindurch erkennen können. Das Mädchen huschte über die Schwelle des Hauses und wartete, an einen Türpfosten gelehnt. Vielleicht ist's der Vater, vielleicht die alte Magd, oder aber gar... In diesem Augenblick sieht sie einen Hut, eine Hand, das Gesicht eines jungen Mannes kam zum Vor­schein; ihr Gesichtchen, früher verweint, heitert sich auf, wie von der Morgenröte beschienen. Er ist's, er, ihr Balthasar! Schon trat sie einige Schritte vor, um ihm mit fröhlichem Jauchzen entgegenzueilen; aber das schlaue Köpfchen hielt gleich darauf eine ganz andere Taktik für angemessener. Wieder in's Haus zurückge­eilt, schloß sie so weit die Tür, daß der Schalk nur das Köpfchen ausstécken konnte. Als nun Balthasar Riebel ankam, schloß sie ihm vor der Nase die Tür ab und hielt sie fest zu. Doch nach kurzem Parlamentieren er­gab sich die Festung auf Gnade und Ungnade, die Ver­teidigerin selbst öffnete das Tor und trat heraus, mit bescheidenem Blick beide Hände dem geliebten Manne reichend. Beide ließen sich auf der Bank vor dem Hause nieder. Da gab's der Fragen und Antworten, der Vorwürfe, Bitten und Versicherungen ohne Zahl. „Ach wo warst Du so lange, warum kommst Du nicht? Wie Du doch böse bist!" und wieder: „Wie Du so gut bist, nur das einzige ist nicht schön von Dir. -daß Du nicht öfters kommst!" Er gab ihr nur kurze Antworten. Nichtsdestoweniger konnte sie in seinen Augen lesen, daß er sie mit der ganzen Leidenschaft seiner jungen Seele liebe. Daran zu zweifeln, kam ihr ja auch gar nicht in den Sinn; sie war ja noch ganz unverdorben. Darin hatte aber auch er die unzweifelhafte Bürgschaft, daß er in ihr einen Diamant gefunden hatte, ungeschliffen zwar und unge­bildet, aber hell und rein. Mag die glückliche Jugend so sich arglos des Au­genblickes beseeligender Nähe freuen, dem Erzähler aber lasset Muße finden, über den Hauptbeteiligten etwas um­ständlicher zu berichten. Balthasar Riebel, Schreiber oder Sekretär beim Grafen Erasmus Tattenbach, war gegen 28 Jahre alt, von Mittelgröße, aber kräftig gebaut. Seine Gesichtszüge ließen auf Verstand und Findigkeit schließen, und bei Gelegenheiten, wie die heutige konnte er sogar schön genannt werden; obwohl in seinen Bewegungen und im Gesichte immer ein gewisses Mißtrauen gegen alles und eine Verschlagenheit bemerkbar war, die ihn auf den ersten Anblick durchaus nicht empfahl, sondern im Ge­genteil ebenfalls Mißtrauen erweckte. Nichtsdestoweniger vertraute ihm Tattenbach alles an. Was Tattenbach wußte, das wußte auch sein Sekre­tär Riebel und kein Brief des Grafen ging ohne Wissen des Schreibers ab. Die Briefe, welche Tattenbachs Verbindung mit Zrinyi und Frangepani betrafen, schrieb einzig nur Riebel. Daß er ihm vertrauen durfte, davon sich zu überzeugen bot sich dem Grafen oft die Gele­genheit; doch nie hatte er den geringsten Beweis, ja nicht einmal einen Verdacht, daß durch Riebel jemals ein Geheimnis in die Oeffentlichkeit gedrungen wäre. Des­gleichen war er fleißig und gewissenhaft bei der Arbeit. Einzig, was ihm zum Vorwurfe hätte gereichen können, war seine augenscheinliche Begierde — nicht nach Ehre, denn er war bescheiden, aber nach Vermögen. Er lebte immer sehr sparsam und sein Lohn und die Geschenke, die er bekam, das alles pflegte er sorgsam zu verwahren und zu vermehren. Doch auch das verdient keinen be­sonderen Tadel. In ärmlichen Verhältnissen aufgewach­sen, sorgte er naturgemäß für eine sorglosere Zukunft. Riebel hieß er nach seiner Mutter, den Vater hatte er niemals gekannt, auch nicht dem Namen nach. Auch die Mutter hatte er verloren, als er kaum sieben Jahre alt war. Sie hatte ihm soviel Vermögen hinterlassen, daß ihn sein Vormund, der alte Pfarrer, nach dem Willen der Mutter in Graz studieren faftfiän konnte. Weil aber auch dieser starb, ehe Riebel herangewachsen war, hat er nie etwas Verbürgtes über sich und seine Eltern er­fahren. Eine dunkle Erinnerung glomm noch in ihm, wie er und seine Mutter allein auf dem Lande lebten, wie sie ihn liebte, und daß sie den Leuten am liebsten auswich. Die Leute wußten ihm zu sagen, daß seine Mutter, einst ein schönes Mädchen, irgendwo bei einer Herrschaft im Johann Erasmus .Tattenbach, / » — 28 — Dienste gestanden war, von wo sie in jenes Qorf kam und ihn gebar. Daß also jenes kleine Vermögen, welches für seinen Unterricht und seine Erziehung aufgegangen war, die Summe darstellte, mit welcher ein nobler Ver­führer seine Mutter abgefertigt und dann weit von sich vertrieben hat, das konnte er sich selbst denken. Riebel hatte als Geheimschreiber Tattenbachs eine gute und sichere Lebensstellung. Es wäre ihm ein Leich­tes gewesen, in der Stadt für sich eine Braut zu finden. Aber außerdem, daß er seine besonderen Ideen über das weibliche Geschlecht hatte (Gelegenheit die Welt zu be­obachten, hatte er genug), war er fest entschlossen, seit­dem er die aufblühende Marianne Gornik kannte, den Treuebruch seines unbekannten Vaters, begangen an seiner armen Mutter, damit zu sühnen, daß er sich vor­nahm, dieses einfache Mädchen, welches ihm übrigens mit aller Macht ihrer ersten Liebe treu ergeben war, nach christlicher Sitte als Lebensgefährtin heimzuführen. — Einer der schönsten Abende goß seine feierliche Som­merstille über Berg und Tal aus. „Weingerl", jene lieb­lichen Tierchen des Herbstes in den Weingegenden, zirp­ten um die Wette schön ihre Abendweisen, ein wunder­voller Sängerchor. Der Mond war im Osten großmächtig aufgegangen, aber je höher er stieg, desto kleiner wurde sein Gesicht, als staunte er, was doch die zwei jungen Leute, Riebel und Marianne dort vor dem alten Winzer­häuschen zu schäkern und über hunderterlei unbedeu­tende Dinge zu plaudern hätten, da sie doch vielleicht viel Wichtigeres und Gescheiteres zu beschließen hätten. „O warte nur", — drohte wieder einmal das Mäd­chen — „Du fragst ja gar nicht, warum ich nicht zu Hause bin; warum ich mich hier versteckt halte? Aber sage mir, wie hast Du erfahren, daß ich hier bin?" „Dein Vater hat mir's gesagt. Aber ich habe es auch schon früher gewußt, weil ich es Deinem Vater aufce­tragen habe. Dich zu verstecken, jedesmal, wenn ich nicht allein kommen sollte. Weißt Du's jetzt?" „Du? Und Du hast mich über zwei Stunden hier oben allein lassen können! Jetzt habe ich Dich aber gar nicht mehr lieb!" Schmollend kreuzte das Mädchen die Hände und wandte sich von ihm ab. Seine Rechte sanft um ihren Nacken legend ging er lächelnd auf die ihm gemachte Szene ein: „Und Du kannst mir. das nie verzeihen?" Nein, — nie!" „Es war schon gut so; aber das verstehst Du nicht, mein Liebchen!" Plötzlich fuhr dem Mädchen ein neuer Gedanke durch den Sinn. Doch bevor sie sprach, entzog sie sich seiner Umarmung, und weinend— freilich nicht Tränen des Kummers, sondern Mädchentränen vergießend — be­deckte sie mit beiden Händen ihr Gesichtchen. „Ich verstehe schon; ich weiß auch etwas!" schluchzte sie. „Sage mir, was ist Dir nur jetzt?" „Was mir ist? Du schämst Dich meiner! Darum hast Du mich verstecken lassen! Du willst nicht, daß mich jemand neben Dir sehe! Verlasse mich! Ich glaube Dir gar nichts mehr! Jetzt ward Riebel die Situation doch schon zu ernst. Anfänglich war er sogar in Verlegenheit, wie diesen Ver­dacht von sich abzuwälzen; möglicherweise fühlte er sich auch ein wenig betroffen. „Das verhält sich nicht so, Mariannchen..." „Ja, das verhält sich so! Unsere Madg Margareth hat ganz recht, wenn sie sagt, daß Du ein Herr bist, und mich auch nicht für immer gerne hast, sondern nur für jetzt. Du fürchtest Dich, daß es Deine Freunde erfahren möchten ..." Vor Schluchzen konnte sie nicht weiter re­den und wollte auf und davon. — 34 - Riebel zog sie wieder zu sich auf die Bank und tröstete sie: „Köre mich, liebes Kind. Ich schäme mich' Deiner gar nicht Warte nur noch ein wenig, und dann mag es alle Welt wissen, daß Du meine Frau bist wenn Du mich nur immer auch so lieb haben wirst Warum Du es noch nicht jetzt sein kannst, darüber frage nur Deinen Vater; ihm hab' ich es gesagt So lange ich dienen muß, darf ich nicht heiraten. Aber bald werden große Dinge geschehen, und dann bekomme ich Geld und alles in Fülle. Dann komme ich Dich holen, und dann bist Du ewig mein. Dann — suchen wir uns irgendwo ein stilles Plätzchen und richten uns ein, wie zwei Vöglein im Früh-' jähr ihr Nestchen bauend,... wenn Du mich immer so wie jetzt lieben wirst. Willst Du das? Sage!" Das genügte. Vergessen waren alle Tränen, und vor Freude strahlte das Antlitz des Mädchens beim Blicken in eine so schöne Zukunft. Schweigend lehnte sie nach einer Weile ihr Köpfchen an seine Schulter. „Jetzt sollst alles wissen," — fuhr er fort, — „ich sage Dir auch, warum ich gewollt habe, daß Du, solange der Graf mit seinen Begleitern hier bleibt, aus dem Hause gehest Deshalb, weil Du mein, nur mein allein sein mußt. Wenn ich Dir das weiter erklären wollte, möch­test Du mich nicht verstehen, weil Du, Liebste, die Welt nicht kennst. Und gerade deshalb habe ich Dich lieb. — Die Welt ist verdorben, häßlich, nichts ist ihr heilig, we­der Liebe, noch andere edle Gefühle. Ich will darum nicht, daß Du, weil Du mein bist mit solchen Leuten, wie die da unten sind, in nähere Berührung kommst." „Du, sage mir, ist unser Herr Graf auch so böse, wie die andern?" fragte das Mädchen. „Auch!" sagte Riebel, setzte aber nach einer Weile hinzu: „Er ist oft auch gut. Nur will ich nicht, daß er Dich sehe." „Warum nicht?," fragte sie naiv. „Reden wir nicht mehr davon. Sieh' nur zu, daß Du brav und ehrlich und mein bleibst. Ich sehe es einmal nicht gerne, wenn Du zuviel mit fremden Leuten um­ gehst. Ich wünsche, daß alle Leute von Dir sagen möch­ ten: Das ist ein gutes, verständiges, ehrliches Mädchen. Mein Herz wird sich darüber freuen und meine Liebe bleibt Dir ewig." Wie dankbar war ihm das Mädchen für so liebe Worte. So — dachte sie bei sich — hat er noch niemals mit ihr gesprochen, wenngleich er sie immer liebens­ würdig behandelte. Jetzt brachte die alte Margareth Nachtmahl für die junge Gefangene und meldete zugleich, daß ihr Gornik aufgetragen habe, zum Schutze bei ihr bis morgen zu verbleiben. Riebel, der denken mußte, daß er unten schon ver­ mißt werde, verabschiedete sich von der Geliebten mit dem Versprechen, wenn möglich, heute abends, oder aber morgen vor der Abreise nochmals zu kommen. F ü n f t e s K a p i t e 1. „Gab Wein er dem Mädchen, Und trank tüchtig mit." Sloven. Volkslied. Das Herrenhaus des Tattenbach'schen Weingartens war ein geräumiges Gebäude. Es wurde von Mönchen erbaut. Diese aber verstanden es trefflich, in guten Wein­lagen schöne Keller anzulegen und zwecks Genusses des edlen Rebensaftes auch passende Speisesäle zu erbauen. So kam Gornik nicht in Verlegenheit, wohin die Gäste zu geleiten, obwohl es ihm gar nicht willkommen war, daß sie hier übernachten wollten. Sonnseitig befanden sich zwei Schlafzimmer, von jeher schon für solche Fälle Johann 'Erasmus Tattenbach,. 1 eingerichtet; auch unter dem Dache war ein nettes Schlafkabinett für zwei Personen. In einer der großen Stuben zu ebener Erd' zechten noch in später Stunde Tattenbach und seine Begleiter; die Gesellschaft unterhielt sich in ihrer Weise vortreff­lich und lauter Gesang drang aus der Stube. Georg Gor­nik hat nämlich den Ukas Tattenbachs, einige Sängerin­nen zur Stelle zu bringen, soviel als möglich, glücklich aus­geführt, nachdem er alle Winzereien der Nachbarschaft und ärmere Bauernhäuser, wo er ein brauchbares junges Wesen wußte, abgelaufen war. Dabei verriet es der Schlaue nicht direkt, daß bei ihm eine größere Herren­gesellschaft hause, sondern erzähte nur: sein gnädiger Herr Graf wäre heute ausnehmend gut gelaunt und be­reit, alle diejenigen Mädchen, die schöne Volkslieder singen können, reichlich zu beschenken. Dabei bat er gar nicht viel, sondern drohte einfach: Diejenige, die nicht sofort gehorche, habe bei der kommenden Weinlese und bei den Frühjahrsarbeiten keinen Arbeitslohn zu erwar­ten, und stellte noch andere Unannehmlichkeiten in Sicht. So brachte er vier Sängerinnen auf, welche nach Ueber­windung ihrer anfänglichen Furcht und Schüchternheit unverdrossen Volkslieder sangen und auch fleißig den Speisen und Getränken zusprachen — den Herren, oder eigentlich nur Tattenbach zum Vergnügen. Tattenbach war an diesem Abend ausgelassen lu­stig und die vier armen Opfer hatten ihre liebe Not. sich semer geradezu nicht übertrieben aristokratischen Galante­ric zu erwehren. Da er jedoch schon am Nachmittage Wein getrunken hatte und auch jetzt emsig seine Kehle befeuch­tete,, wurde er bald schach-matt und schlief ein. Seinem Beispiele folgte der Oberstallmeister Rudolfi. Da sich Rie­bel auch schon längst fortgeschlichen hatte und Gornik jetzt auch seine Sängerinnen verabschiedete, blieben Ka­ pitän Kaldi und Vukavacki noch als die einzigen Zecher zurück. Stefan Kaldi. ein langer, hagerer Mann, von fünf­undvjerzig Jahren, war einer jener Haudegen, wie sie in damaligen Zeiten häufig anzutreffen waren. Nachdem er nacheinander mehreren Herrschern und Schlachten­lenkern gedient hatte, brachte er von verschiedenen Schlachtfeldern soviel Vermögen mit, daß er als Jungge­selle sorgenlos leben konnte. Als solchen hat ihn Vuko­vacki, mit dem sie aus ungarisch-türkischen Fehden be­kannt waren, für die Zrinyi-Frangepan'schen Pläne ge­wonnen, von woher er Tattenbäch empfohlen wurde. Seitdem lebte er bei Tattenbäch, bald auf diesem, bald auf jenem Schlosse. Ihm ward die Aufgabe zugewiesen, bei dem kommenden allgemeinen Aufstande, die unter­steirischen Truppen zu organisieren und anzuführen. Vukovackl war unter den niederen Verschwörern die Seele der ganzen Arbeit. Ebenfalls Fünfundvierziger, eine wahre Heldengestalt, wie uns solche wunderbar das serbische Volkslied malt, hielt er sich bald bei Tatten­bäch in Kranichsfeld, Marbug, Graz, Gonobitz und an­derswo auf, bald wieder mußte er zu Frangepani ins Lito­rale, oder nach Agram, in die Militärgrenze oder zu Zrinyis nach Cakathurn. Auf ihn hielten Zrinyi und dessen mutiges Weib große Dinge, weshalb er auch schon früher nach Kon­stantinopel geschickt wurde, um die Türken, deren sich Zrinyi für seine Pläne zu bedienen und dann zu hinter­gehen hofte, zu gewinnen. Uebrigens war er einer jener Männer, die jederzeit mit Herz, aus Ueberzeugung han­deln. ..Bruder, Kriegskamerad", sprach Kaldi, als sie allein waren, „ich sage Dir, oft juckt mich meine Rechte, diesem unseren Herrn Grafen eine Lektion um die Ohren zu geben. Wir Anderen arbeiten für ernste Dinge, für. seine Ehre und Macht, der Schuft aber kümmert sich um nichts, als Wein, Weiber und das närrische Geplärre. Manchmal möchte er wieder blindlings dreinfahren und mit dem Kopfe durch die Mauer rennen. Es fehlte auch heute nicht viel, und er hätte alles niedergerissen, was wir aufgebaut haben. Zweitens ist es aber gar nicht un­ möglich, daß er uns im Stiche läßt. Dann ist unsere Mühe umsonst; im äußersten Falle können w i r jeder um einen Kopf verkürzt werden. Und der Teufel soll mich holen,' wenn mir das willkpmmen wäre." Vukovacki leerte gelassen sein Glas und sagte: „Freundchen, jetzt brauchst Du Dich um Deinen Hals noch nicht zu fürchten. Ehe wir an die Reihe kommen, müssen andere Häupter fallen." „Versteht sich! Ich kenne keine Furcht! Auch weiß ich, daß der früh aufstehen muß, der den Fuchs fangen wollte. Auch die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn, ha, ha!" „Wie oft ging's schon um unsere Köpfe in der Schlacht..." — sprach Vukovaöki — „Nun, was den Tattenbach betrifft, hast Du einigermaßen recht; auch mir scheint er wankelmütiger, als er vordem war. Eine Abhilfe ist hier notwendig." „Du schreibst einfach der Gräfin Zrinyi, sie möchte ihm seinen Verstand wieder in's rechte Geleise bringen. Für sie ist er ganz Feuer; in die Hölle lockt sie ihn, wenn sie will." „Ja richtig, daran mangelt's", sprach nachdenkend Vukovacki. „Doch wir hätten ihn auch noch auf eine andere Weise binden sollen!" „UeberfRissig! Er weiß ja, was er in Lepsina bei Locatelli unterschrieben hat. Die Unterschrift ist bindend genug,... sie ist schon Hochverrat!" „Richtig. Die Furcht jedoch wirbt schlechte Bundes­genossen. Es genügt nicht, daß er fürchtend nichts gegen - 29 — uns unternimmt, er muß handeln und seinem Namen Ehre machen. Um seines Namens Willen haben wir ihn ja in unseren Bund aufgenommen." Kaldi neigte sich zu Vukovacki und lächelnd sprach er zu ihm halblaut: „Freundchen, jetzt hast Du einen Gedanken ausgesprochen, worüber ich selbst schon oft nachgegrübelt habe. Es ist so!" Er rückte noch näher zu Vukovacki und flüsterte ihm in's Ohr, obwohl niemand zugegen war: „Ihr be­nützt nur Tattenbachs Namen,... bis Ihr gesiegt Später werden andere den ihm bestimmten Platz einnehmen." Vukovacki zog die Augenbrauen zusammen und mit einem durchbohrenden Blick seines feurigen südlavi­schen Auges seinen Freund anstarrend sprach er: „Aber wie kommt Dir das in den Sinn?" „Still, Freundchen, still," lispelte Kaldi. „Wir kennen uns ja doch schon lange genug, und Du weißt, daß Du mic h nicht zu fürchten brauchst. Was jedoch das be­trifft, darüber täuschtest Du mich nicht. Ha, glaubst Du, daß ich das nicht beurteilen kann? Meinst Du, daß meine Augen nicht etwas weiter in die Ferne schauen, als meine Nase reicht? Ihr habt Euere Pläne Kroatien und Sla­vonien betreffend. Dafür wollt Ihr auch die Polen ge­winnen und deshalb sandtet .Ihr den P. Bariglia nach Warschau. Euere Fehde (getrost! Freunde, mein Schwert ficht für Euch, solange ich es tragen kann!) — Euere Fehde mag den Deutschen gelten. Bei Gott, Ihr habt recht! Dieser Tattenbach ist aber auch deutschen Ge­blütes, wenngleich er von den Bauern die Sprache der Slovenen erlernt hatte. Schließlich könnt Ihr sein deut­sches Blut, seine deutsche Gesinnungsart und Denkungs­weise nicht aus ihm herausreißen. Wenn wir einmal nur siegen, dann werdet Ihr schon sorgen, daß Ihr auch ern­tet, seiner aber werdet Ihr schon auf irgendeine Weise los werden. Da habt Ihr ja auch ganz recht Ein Mensch, T , T».... r,~,..r T -lftpTlhach'. 8 wenn er noch so verläßlich ist, wenn er Euch aber nicht versteht, paßt nicht zu Euch." Vukovaöki staunte. Kaldi fuhr fort: „Du weißt, Kaldi ist Italiano und hat keinen Grund, mit den Deutschen zu kokettieren. Corpo del diävolo! Ueberall schoben sie mich zurück und zogen mir bartlose deutsche Grünlinge vor. Sei unbesorgt. Sei unbesorgt, ich bin Dir so treu gegen die Deutschen, wie ich ehemals ihnen treu war gegen andere. Das ist mein Beruf. Aber ist es einmal vollbracht, capito! dann verlasse ich mich auf Dich, daß ich mich nicht werde zu beschweren haben." „Gewiß nicht!" versicherte Vukovaöki. „Aber ich bitte Dich, sprich nicht mehr und mit niemandem dar­über, was Du Dir jetzt einbildest, mit niemandem!" „Hier meine Hand! Verdorren möge sie und bei lebendigem Leibe soll mich der Teufel holen, wenn ich jemals mehr darüber rede." Nun geriet die Unterhaltung vollends ins Stocken, dafür zechten die beiden Männer um so eifriger. Kaldi bemerkte, daß seine Vermutungen dem Vukovacki kein besonderes Vergnügen bereitet haben, deshalb bemühte er sich, den ungünstigen Eindruck zu verwischen, indem er ihm dies und das erzählte, um ihn zu zerstreuen. Da­bei kam er wieder, ohne- es eigentlich zu wollen, auf Tattenbach zu sprechen. Auf alles gab Vukacki keine Antwort, nur als Kaldi unter anderen schlechten Eigen­schaften des Grafen (gute wollte er nicht sehen) auch den Umstand erwähnt hatte, daß Erasmus Tattenbach auf Zauberei und Hexenspuck viel halte, erhob Vukovacki aufhorchend sein weinmüdes Haupt. „Das könnte man ja vortrefflich benutzen", sprach er nachdenklich. „Erinnere mich morgen, oder später einmal daran; das muß reiflich erwogen werden." Jörg Gornik kam ins Zimmer. Als er über Befragen berichtete, daß es schon viel über Mitternacht sei. er= hoben sich die zwei letzten Zecher und begaben sich zur Ruhe. Sechstes Kapitel. „Aus tiefem Schlaf der Graf erwacht, Und spricht zu seinen Knechten sacht: Frisch sattelt meine Rosse mir! Stets will bedünken es mir schier, Als riefe um. Hilfe Helene". Sloven. Volkslied Des anderen Morgens stand die Sonne schon hoch am Himmel, ehe Tattenbäch zum Fortgehen bereit war. Der viele, gestern genossene Wein hatte' ihm seinen Schlaf verlängert, aber auch die Folgen blieben nicht aus. Er war mürrisch und reizbar; die pienerschafr mußte dies bitter empfinden. Um zehn Uhr vormittags brach man auf. Eine Vier­ telstunde mußte man bergab auf einer schlechten schwer befahrbaren und steilen Straße zu Fuß gehen, um zur einsamen Schenke an der Fahrstraße zu gelangen, wo schon die Pferde gesattelt und bereit standen. Kaum war man sechzig Schritte vom Hause gekom­ men, als aus nächster Nähe im Weingarten hinter dem dichten grünen Rebengewinde der große Hund Tatten­ bachs anschlug und zugleich ein erschreckter Aufschrei einer weiblichen Stimme hörbar wurde. Ein Diener pfiff und das Tier kam still herbei.. Tattenbäch aber, der den Aufschrei auch vernom­men hatte, blieb stehen und sprach zu Oornik: „Schaue nach, wer im Weingarten ist. Was hat er um diese Zeit darin zu suchen? Ohne Zweifel ist's ein Dieb. Du passest zu wenig auf! Schaffet mir den Men­schen augenblicklich zur Stelle, damit Ihr's sehet, wie man strafen muß!" Gornik und zwei Knechte traten hin­ter die Rebenhecke und wen fanden sie?. 32 - Anstatt des Diebes, der gestraft werden sollte, kam Gornik's Marianne zum Vorschein. „Ach, ein schönes Kind! Wie konnte es auf diesem wüsten Bergrücken aufwachsen!" rief Tattenbach hoch­erfreut Zweien Männern in Gefolge Tattenbachs aber schien die Szene kein Vergnügen zu bereiten: Riebel und Gornik. Marianne wollte nämlich, von ihrer weiblichen Neu­gierde verleitet, ganz unbemerkt den „bösen" Grafen und die „verdorbene" Herrenwelt, vielleicht auch noch einmal ihren Geliebten in hoher Gesellschaft beobach­ten. Da hatte sie der unglückselige Hund verraten. Hier steht sie nun, beschämt und zitternd vor Furcht und wagt es niemandem ins Gesicht zu blicken. „Wessen ist das Mädchen, Alter?" fragte Tatten­bach den Gornik. „Mein!" antwortete dieser. „Deine Tochter?" „Ja, Herr!" „Warum hast Du sie uns nicht gestern abends vor­gestellt? — Komm her, Kind, fürchte Dich nicht!" sprach der Qraf. Als sie sich aber nicht von der Stelle rührte, trat er auf sie zu und streichelte ihr das Kinn, so daß sie bis über die Ohren errötete, Riebel aber wütend die Fäuste ballte. „Ein sauberes Mädel, —nicht wahr, meine Herren?" sprach Tattenbach, zu seinen Begleitern gewendet. „Nur schade, daß die Rose hier in der Wildnis ver­blühen muß!" meinte der hagere Rudolfi, lüsterne Blicke auf Mariannchen werfend. „Gut gesprochen!" — sagte der Graf. „Hieher kom­men wir selten. Wir wollen sie anderswohin verpflan­zen. Was meinst Du, Balthasar, wohin?" Riebel blickte seitwärts und tat als hätte er nicht gehört Tattenbach - 38 aber, der ein gutes Gedächtnis hatte und alle seine wirt­ schaftlichen Verhältnisse wohl überblickte, fiel es bei, daß im Schlosse Windisch-Landsberg die Verwalterstelle offen stehe. „He, Alter, Gornik! Weil Du eine so schöne Tochter hast und Du auch ehrlich und verläßlich bist, — über­siedelst Du aus dieser Wildnis auf mein Schloß Win­disch-Landsberg als Verwalter. Dort wird es Dir besser gehen." — Zum Mädchen gewendet, sprach der Graf: „Au revoir! — Auf Wiedersehen, Herzchen!" Die Gesellschaft ging weiter. In ihrer Neugierde ertappt und beschämt, weinte Marianne bittere Tränen. Ja, weine Mädchen, weine, denn Du weist nicht was Du verbrochen hast! Diese Stunde war für Dich und vieh# viele andere ent­scheidend! Siebentes Kapitel. „Rede nicht vom Vaterlande, Nicht von Ehre, Macht und Ruhm. Mich umfassen zart're Bande, Denn du bist mein Eigentum". Boris Mirän. Oberhalb Gonobitz auf einem unbedeutenden Hügel sieht man noch heutzutage die Ruinen jener Burg, die zur Zeit unserer Geschichte eine der wichtigsten Be­sitzungen Tattenbachs waren. In Gonobitz wirtschaftete Tattenbachs Verwalter Simon Judas Stupan. Hier wohnte auch am liebsten die Gräfin. Aus dem Fenster eines der schönsten Gemächer der Burg Gonobitz blickte eines Tages auf die Straße, welche sich über das Hügelgelände zwischen Gonobitz und Win­disch-Feistritz daherwindet, traumverloren die junge Hausfrau. — 34 — Anna Theresia Gräfin Tattenbach, geborene Gräfin Forgac, war ein edles, seelengutes, zartbesaitetes weib­liches Wesen, wie sie der Himmel nur wenige der Erde schenkt, — eines jener Wesen, die in ihrem Herzen sich ihre eigene Welt voller Sehnsucht schaffend, dann im Leben nicht das finden, was sie suchen und infolge­dessen wie zarte Blümlein unter überwucherndem Un ­kraut uncLDisteln welken und ersticken. Tattenbach folgte sie in die Ehe nicht' sowohl aus Liebe und freiem Willen, sondern sie wurde von Eltern und Verwandten verheiratet. Sie, die reiche ungarische Magnatensippe, erzählten ihr, welche Ehre und welches Glück es für sie sei, wenn Tattenbach, der reichste und. mächtigste EdelmannmSteiermarks um sie werbe. Sie aber, weder die WenT noch ihr eigenes Herz kennend, gewohnt, sich dem Rate erfahrener Angehöriger zu fü­gen, folgte ohne Widerrede. Was, und wie sollte sie auch etwas einwenden? Der um sie warb. Erasmus Tattenbach, war zudem ein schöner, ritterlicher Mann, wie sich ihn nur die Phantasie eines jungen Mädchens vorzuzaubern vermag; er nahte sich ihr liebenswürdig, er ?uußte ihr als ein guter Mensch erscheinen, das Herz von Liebe voll und der Ge­genliebe bedürfend. So war es auch in der Tat die ersten Jahre. Sie lebten glücklich miteinander, glücklich — wenngleich vielleicht nicht alle schönen Zukunfrsträumc der jungen Frau gleich in Erfüllung gingen. Doch jetzt, in jüngster Zeit wurde es anders. Er ist wie umgewandelt, verweilt .nur selten zu Hause und kümmert sich fast gar nicht um ;sie. Seine einstige Liebenswürdigkeit ist verschwunden, :iind — merkwürdig nachdenkend und zerstreut scheint er ihr, wenn er sich zu Hause und allein befindet. Wie ­derholt erlebte sie es schon, daß er sie barsch von sich jstieß. Auf ihre Fragen erhält sie schon lange keine — 35 — freundlichen Antworten mehr. Doch sie liebt ihn, und von wunderbarer Schärfe ist das Frauenauge, vom lie­benden Herzen geleitet. Sie ahnte vieles, wußte aber mit Bestimmtheit gar nichts. Und das tut weh. Sie erriet es vielleicht, daß Ruhmbegierde ihren Mann aus dem ge­wohnten Geleise geworfen hat; es ahnte vielleicht auch ihr Herz, daß infolgedessen — und der Himmel weiß es, weshalb noch — seine Liebe zu ihr schwinde. Das brannte sie im Herzen, in der Seele tief, und die Spuren davon waren auf ihrem noch immer schönen Gesichte, darin die Wangen bleichten und einfielen, deut­lich sichtbar. Das bemerkten andere Leute, bemerkte es in ihren goldgefaßten Spiegeln wohl auch sie selbst, — nur er, er wollte es niemals bemerken. Doch sie klagte nicht, noch immer hoffend: es wer­den die alten, schönen Stunden und mit ihnen die alte Liebe des Mannes wiederkehren. Möchte er doch nur seine jetzige Gesellschaft aufgeben, seine vielen Ausflüge unterlassen und bei ihr bleiben! Das war ihr stilles Seh­nen Tag und Nacht. Jetzt war sie schon voll Entschlüsse und Gedanken, die sie ihm einmal gerade heraus sagen wollte. Deshalb erwartete sie ihn heute schon so schwer. Aber nicht etwa deshalb allein, um ihm zu sagen, was sie drückt, nein, sie liebte ihn ja mit der ganzen unbe­schreiblichen Glut zarter Frauenliebe; vielmehr sehnte sie sich darnach, ihn glücklich zu sehen. Daß er es bis jetzt nicht war, das ersah sie aus seinem Leben ohne Ruh und Rast. Sieh! Drei Reiter sprengen dem Schlosse zu. Ja, der erste, das ist er, Erasmus! Voll Freude fing mächtig das Herz der jungen Frau zu pochen an. Sie konnte es nicht am Fenster aushalten, und zog sich zurück. -36 Im Treppenhause, wohin sie ihm entgegengeeilt war, reichte er ihr die Hand, kalt und liebelos, und bedeutete ihr.er wolle sie gleich in ihrem Zimmer treffen, sie möge sich nur dorthin verfügen. So kehrte sie in ihr Zimmer zurück. Eine Träne er­glänzte in ihrem Auge, sie trocknete dieselbe ab und richtete sich auf. Ihre frühere mädchenhafte Gestalt erschien jetzt erhaben, entschlossen. Erasmus trat ein. Sei es zufällig in guter Stunde, sei es daß etwas von seiner früheren Liebenswürdigkeit ihm wiederkehrte, sei es, daß ihn eine Nachricht unten im Hofe besonders erfreut hatte: er trat lächelnd ein. Anna vergaß in diesem Momente alle Vorwürfe, eilte ihrem Manne entgegen, umarmte und küßte ihn. Auch er legte seine Rechte um sie und lächelnd sprach er zu ihr: „Wie Du heute lieb bist!" „Guter Himmel, bin ich denn nicht immer gleich?" sprach sie und sah ihm in die Augen. „Ach ja, Du meinst, wir sollen wieder die Verlieb­ten spielen", antwortete der Graf und schob sie sanft von sich, dann warf er seinen Hut auf einen Sessel, schritt zum silbernen Käfig und begann nachlässig den kleinen gefangenen Sänger zu necken. Die Gräfin sank auf einen Stuhl. Ihr Seufzer war so laut, daß ihn Erasmus hörte, sich umwandte und mit verwundertem Gesichte fragte, was nun das zu bedeuten habe. Sie gab keine Antwort. Eine leichte Röte übergoß ihr'bleiches Gesicht, sie blickte ihren Mann nicht an. „Wenn ich mich nicht täusche, hast Du mir etwas zu sagen; etwas Neues?" sagte er. „Wohl hätte ich Dir vieles zu sagen, aber Du willst mich nicht mehr hören", sprach sie. „Doch! Versuchen wir es. Meine ganze Aufmerk­ samkeit sei Ihnen gewidmet, meine Gnädige. Sprechen Sie!" sagte er, rückte einen Stuhl und ließ sich ihr gegen­über nieder. „Ich bitte, Frau Gräfin!" Die junge Frau war nahe daran in Tränen auszubre­chen; als jedoch ihr Mann in diesem Tone begann, un­terdrückte sie die Tränen und sprach: „Nicht Frau Gräfin! Du hattest einst einen anderen Namen für Dein angetrautes Weib... " „Und welche Beschwerden hat mein angetrautes Weib? Ist sie nicht ihres Namens würdig bedient? Hat sie Langeweile hier in Gonobitz, — warum wählt sie ihren Aufenthalt nicht beliebig auf einem Schlosse Tattenbachs, oder in Marburg, oder in Graz^-wo es beliebt? Hat sie nicht eine ihres Standes würdige Stellung und Achtung in der Nachbarschaft, und in den Augen der Welt?" „Alles das hat sie, aber für ein weibliches Herz ist das nicht alles, es ist zu wenig. Erasmus, was hilft mir Dein Reichtum, diese Pracht, — wenn Du nicht dabei bist und Deine Liebe." ' „Du vergißt, daß ich nicht mehr zwanzig Jahre alt bin," sprach er; aber als er sah, daß ihre früher unter­drückten Tränen gewaltsam zum Ausbruch kamen, wurde es ihm doch ein wenig schwer um sie. Sie bei der Hand fassend, fügte er begütigend hinzu: „Nun, was soll ich tun, um Dich zufrieden zu machen?" „Ach, Erasmus, möchtest Du nicht auf die Stimme einens liebenden Herzens hören? Du hast Dich verän­dert, so sehr verändert, — Du vergißt auf mich, auf Deinen kleinen Sohn, bist fast beständig fern vom Hause..." „Auf Dich und meinen Sohn? Das verstehst Du nicht. Ich will ja eben sorgen, daß Du und mein Sohn mehr werdet, als Ihr es jetzt seid." „ . Johann Erasmus Tattenbach, 10 -38 — „Nein, nein! Wozu das? Was Du bist, auch das kann Dich glücklich machen. O, ich ahne es nun, was Deine Worte zu bedeuten haben. Ich ahne es, wo Deine heim­lichen Besprechungen mit jenem Vukovaök i und Deinem R i e b e 1 hinzielen, welchen Zweck Deine Reisen nach Cakathurn zu Z r i n y i s, nach Lepsina zu Locatelli haben..." „Still davon! Wer hat Dir das eingeflüstert? Gewiß Stupan." „Ich kann, ich will nicht schweigen. Ich weiß nicht, was Ihr beabsichtiget, aber um Dich fürchte ich, um Deinen Sohn, um Dein Glück. Ruhmsucht hat in Dir die Liebe zu Deinem Weibe erstickt, dieselbe Leidenschaft kann Dich noch zu verderblichen äußeren Schritten' ver­leiten." Er stand auf und ging erregt im Zjmmer auf und ab. „Nach was strebst Du?" — fuhr Gräfin Tattenbach fort. — „Wozu sind Dir alle die Zusammenkünfte und Pläne, wozu die Freundschaft mit Leuten, die gewiß * nichts Gutes im Schilde führen. Zu Hause hast Du alles, was Dich beglücken kann. Du hast die grenzenlose Liebe Deines Weibes, das Dir jeden Wunsch in den Augen lesen möchte, um ihn als ergebene Dienerin zu erfüllen; hast ein liebliches Kind, das Deinem Herzen zur Freude ge­reichen kann; hast Güter genug und einen hochgeehrten Namen." „Alles das habe ich vielleicht; das alles bleibt mir ja auch; zu einem hochgeehrten Namen aber soll ein be­rühmte r Name kommen. Aber das verstehst Du nicht. Deshalb bitte ich Dich nochmals, sprich weder mit mir, noch mit anderen je mehr etwas darüber, was Du zu verstehen behauptest. Im Uebrigen aber dürften Deine Ahnungen richtig sein." . — 39 — .Mein Gott, Du bist auf dem Wege des Verderbens!" „Des Ruhmes, des Ruhmes!" nickte er lächelnd. .Erasmus!..." „Still!" — schnitt er barsch ihre Rede ab. — „Sonst werde ich noch zur Ueberzeuguhg kommen müssen, daß wir nicht zusammen gehören. Na ja. Du würdest es ger­ne sehen, wenn ich als ein ewig jugendlicher Verehrer Deiner aller Achtung werten Schönheit und Milde vom Morgen bis zum Abend Dir zu Füßen liegen wollte, wenn ich unserem kleinen Anton (den ich übrigens liebe mehr als Du, wenn auch anders als Du!) die Löckchen aus der Stirne streichen und mich wie ein Großpapa zu Hause meines guten Bissens freuen möchte; — das sehe ich alles ein. Aber auch das sei Dir ein für allemal gesagt, daß ich eher eine geistreiche Frau nötig hätte, die mich geistig heben, aufmuntern, und nicht immer hindern wür­de, — wie Du es versuchst. Ich kenne Frauen, die ein ganz anderes Herz haben für Männertaten. Bedauere sehr, daß Du das, daß Du mich nicht verstehst. Adieu!" Sprach's und ging. Anna bedeckte mit ihren weißen Händen ihr Gesicht und stützte sich auf den Tisch. Aber die Tränen, die zwischen den zarten Fingern hervor­quollen, konnten das Elend der unglücklichen Frau nicht mildern. Im Hofe standen der alte Verwalter Simon Stupan, ein schlauer, durchtriebener Geselle, und Vukovaöki im eifrigen Gespräche berechnend, wieviel Waffen und Bewaffnete man wohl, wenn notwendig, in einigen Ta­gen hier auftreiben könnte. . Als Tattenbach zu ihnen kam verstummten sie. Das Gespräch fortzusetzen, war auch keine Zeit mehr, denn der Graf befahl die Jagdhunde aneinander zu koppeln und alles zur Jagd vorzubereiten. Achtes Kapitel. „Sagt, woher Ward Euch die Wunderkenntnis? und warum Hemmt auf versengter Heide uns den Weg « Mit so prophet'schem Qruß?" — Shakespeare, Hamlet I, 3. Auf dem Pettäuer Felde stand neben der Drau eiae einsame Hütte. Fischer haben sie einst aufgerichtet. Die Wände waren aus Weidewerk geflochten und mit Lehm beworfen. Das Dach bestand aus Schilf und Binsengras, mit Steinen und Hölzern belegt, damit der Wind, über das weite Feld hinfahrend, nicht alles davontrage. Zu der Hütte gingen die Leute der Umgebung nicht gerne. Es hieß, daß dort der Teufel hause. Der letzte Fischer, der die Hütte bewohnte, war in einer stürmi­schen Nacht spurlos verschwunden. Ertrunken konnte er nicht sein, sagte man, denn sein Kahn wurde am Ufer angebunden vorgefunden und die Hütte war geschlossen; riur das Dach zeigte eine große Lücke. Weil der Mann gerne fluchte und wenig betete: wer konnte den Leuten Bürge sein, daß ihn der Höllische nicht eigenhändig durch jenes Loch davontrug. Als die Hütte später lange Jahre leer stand, erzählten nächtliche Wanderer: es sei um dieselbe ein merkwürdiges Pfeifen gehört worden. Noch fester wurden die Leute'in ihrem Aberglauben bestärkt, seitdem die alte Mexe Qergulla sich dort an­siedelte, welcher die Leute weit auswichen, solange s'e gesund und glücklich waren, und sie nur dann aufsuch­ten, wenn eine Krankheit bei*Menscher! oder Vieh aus­brach, oder ein anderes Unglück drohte oder sich ein­stellte. Gern oder ungern holten sich die Leute bei sotehen Gelegenheiten Rat und Arzneien bei Gergulla. Allerdings durfte man nicht mit leeren Händen kommen, -.41 — die von ihr umsonst verabreichten Hifsmittel hatten gar keine Wirkung. Längs der Drau auf der Hauptstraße, die von Pettau nach Marburg führt, reiten drei Reiter. Es sind unsere Bekannten: Tattenbach, Kaldi und Vukovacki. Hinter ihnen befinden sich zwei bewaffnete Knechte, auch zu Roß. Tattenbach kommt eben vom Schlosse Turnisch, wo er einen Brief von der Gräfin Katharina Zrinyi erhielt. Lie­benswürdige Worte werden im Briele nicht gefehlt haben, denn Tattenbach ist besonders guter-Laune. Als sie in die Nähe der Gergullahütte kamen, gab VukovaCki dem Kaldi, der um einige Schritte zurückge­blieben war, heimlich ein Zeichen. Kaldi muß den Wink sofort verstanden haben, denn er gab dem Pferde die Spornen, ritt nahe an Tattenbach heran und mit der Reit­gerte auf die Hütte hinweisend sagte er: „Herr Graf, dort in jener Hütte wohnt ein verflucht weises Und erfahrenes altes Weib. Als ich vor einigen Jahren bei ihr war, hatte sie mir prophezeit, daß ich in einem Jahre zweimal in Lebensgefahr geraten werde, daß ich mich aber beidesmal glücklich retten werde, ein­mal ohne, das zweite Mal mit Verlust. So kam's richtig. Kurz darauf wäre ich vor Zrinyivaros- bald den Türken in die Hände gefallen; in der Schlacht bei St. Gotthard bin ich liegen geblieben und genas von meiner Wunde an der rechten Brustseite erst nach sechs Wochen. Das hat das verdammte Weib schon vorausgewußt, obwohl sie vielleicht nicht einmal wußte, wer und woher ich bin." „Merkwürdig!" sprach der Graf. „Wie kommt das gemeine Volk zu solcher Wissenschaft?" „Ohne Zweifel haben sich im Volke noch viele Tra­ditionen und Berichte aus den ältesten Zeiten erhalten. Auch ist es leicht möglich, daß die einfachen Leute, die immer mit Kräutern zu schaffen haben, eher wissen, wo^ Johann Erasmus Tattenbach, 11 zu dies oder jenes gut sei, als wir, die wir uns damit nicht abgeben." „Sie haben von Prophezeiungen jener Hexe gespro­chen", meinte nachdenklich der Graf. „Nun, es gibt ja überall solche Leute, die mehr wissen als andere, — die in die Zukunft sehen", sprach Kaldi und blickte dabei verstohlen höhnisch lächelnd auf Vukovacki. „Jederze.it gab's solche Wahrsager, mischte sich Vukovacki ins Gespräch. „Die Chaldäer, Aegypter, Grie­chen und Römer hatten ihre Propheten. Und man denke nur an Moses' Zeiten, oder an die römische Sibylle.". „Und meint ihr. daß diese Alte hier auch um die Zu-* kunft weiß?" frug Tattenbach. „Man könnte es ja versuchen!" sprachen fast zu­gleich beide Begleiter. Das Spiel schien gewonnen. . Die drei Reiter stiegen an der Straße ab, gaben den Knechten die Zügel und schritten der Hütte zu. Die äußere Tür derselben war von innen verriegelt. Vukovacki klopfte an. Als sich jedoch Niemand meldete, stieß er mit dem Fuße in die morschen Bretter, daß es in den Angeln krachte. Plötzlich hörte man im Vorhaus Gepolter und die Tür ging langsam auf. „Was gibt's!" kreischte ein altes Weib, ihr mageres gelbes Gesicht einem Fuchse gleich heraussteckend. Tattenbacli wandte sich zu Vukovacki und dieser antwortete an seiner Statt: „Der Herr befiehlt Dir, daß Du ihm prophezeist und ihm seine zukünftigen Erlebnisse sagst," „Soll er warten!" schrie die Hexe und schlug die Tür zu. Tattenbach überlief hohe Röte. Er, schämte sich sol­cher Bekanntschaften. „Gehen wir!" — sagte er. „Ich möchte die Alte eher prügeln lassen, als sich bei ihr Rats holen." , — 43 — ,Das sind Grillen solcher Leute. Geduld! Wir wer­den sie bald zu sehen bekommen. Gergulla, mach' auf, oder ich werfe Dich und Deine Keusche in die Drau!" polterte VukovaCki. Die Alte machte die Tun angelweit auf. Im dunklen, rauchgeschwärzten Vorhaus, dessen Fußboden aus ge­stampftem Lehm bestand, lag am Boden ein Bund dünner Stäbe. Die Alte band, unbekümmert um ihre Gäste, die Stäbe auf und legte sie im Kreise nieder. „In diesen Kreis trete, wer von mir etwas wissen will!" sprach sie mit heiserer Stimme. Tattenbach trat gezwungen lächelnd vor. Man las es ihm vom Gesichte ab, daß ihm die Situation zwar unangenehm, aber doch wieder verlockend war. „Vier Gelbe müssen hier sein!" befahl die Alte und stieß zugleich einen großen Kater Tattenbach vor die Füße. Vukova^ki wart ihr vier Dukaten hin. Sie legte die­selben auf vier verschiedenen Stellen des Kreises nieder, dann jagte sie Vukovacki und Kaldi einfach hinaus und verriegelte die Tür „Was soll das?" brauste Tattenbach im Finstern auf und griff mechanisch nach seinem Dolche im Gürtel. „Gib Licht heraus!" schrie die Alte, als wäre Tatten­bach gar nicht da. Ein kleines, in Hadern gekleidetes, schmutziges Mädchen trat aus der Nebenkammer mit einem brennenden Kienspann und leuchtete. Nun fing die Alte an die Stäbe aufzulesen und stellte aus ihnen rings um den Kater herum, den sie festhielt, damit er ihr nicht davonlief, eine Pyramide auf. Als alle Stäbe aufgestellt waren, ließ sie den Kater aus und jagte ihn mit dem Rufe „v-s-c!" in die Flucht. Das Tier sprang, die Stäbe in größter Unordnung über den Haufen wer­fend, iustig davon. I — 41 — Zauberformeln murmelnd sann die alte über den Haufen Stäbe nach, hob bald diesen, bald jenen auf und schleuderte ihn wieder weg, so daß zum Schlüsse nur wenige zur Stelle blieben, zwei Figuren bildend. Jetzt nahm die Alte ihrer Dienerin den brennenden Span ars der Hand, leuchtete sich selbst und redete dumpf und leise vot sich hin: „Die alte Oerguila, die Menschen ohne Zahl kennt: jene, die sie sah, und jene, die sie nicht sah, — kennt Dich nicht. Sie weiß nicht kommst Du vom Abend oder Morgen her. Das aber sagen ihr die Stäbe, daß Du ein großer Herr bist, und daß Du noch höher zu steigen be­stimmt bist." Zu Boden blickend und nur hie und da mit ihren klei­nen Augen blinzelnd aufschauend, begann die Alte noch leiser dem staunenden Tattenbach Dinge aus seinem ei­genen Leben zu erzählen, von denen er glaubte, daß sie nur ihm allein bekannt sein können. „Das ist wirklich eine Hexe!" dachte er. — „Qltick und Unglück hast Du gehabt", — fuhr sie fort — aber Du wirst noch glück­licher werden, wenn Du es selbst wollen wirst; noch unglücklicher, wenn Du es nicht willst Dich haben Frauen, schöne, zarte, junge Frauen geliebt und lieben Dich noch. Vieles hast Du schon genossen, vieles steht Dir noch bevor. Das sagen mir diese Stäbchenkrtoten hier." „Rückt man jedoch diese Stäbe: so, — siehst Du der Schwerter dreie! Das bedeutet: Du wirst viele Soldaten anwerben, sie werden sich um Dich versammeln, und Dein wird sein, was Du begehrst Du wirst ein großer Feldherr sein, so mächtig als Könige und Kaiser". Tattenbach erbebte. ,«•• „Wenn aber die Stäbe so gelegt werden, und anders dürfen sie jetzt nicht mehr gelegt werden, so siehst Du die Lade des Bundes. Sie bedeutet Reichtum, welchen Du Dir erwirbst und gute Freunde, die Du hast. An diese - 45 ­ mußt Du Dich halten und den Bund nicht brechen. Nicht brechen! Denn wehe Dir und Deinem Qeschlechte, wehe Deiner Seele und Deinem Kopfe, wenn Du das Freund­schaftsbündnis lösest. Sieh! was wird daraus, wenn ich hier einen oder zwei Stäbe wegnehme, wenn ich ihr Bündnis löse? schloß sie und grinste ihn fragend an. „Ich weiß es nicht!" sprach Tattenbach. „So schaue!" wollte ihn die Alte zum Aufmerken zwingen, ihr Qesicht zu einem schadenfrohen Lächeln verziehend. „Sage es selbst!" sprach der Graf schon unwillig und ungeduldig. „Galgen!" schrie die Alte zähnefletschend. Tattenbach erbleichte und sprang zur Türe, nach dem Riegel suchend, um in,s Freie zu gelangen. „Galgen, hu, hu! — Hängen \\ erden sie Dich, hoher Herr, ja Dich, Deine adeligen Knochen, hängen auf einen solchen Galgen, wenn Du das Bündnis lösest, und die Freunde im Stiche läßt," wiederholte krächzend die Alte, las die Dukaten vom Boden auf und hob den Lichtspan in die Höhe, um den Eindruck ihrer Worte zu beobach­ten. Als sie sah, daß der Ritter bleich war wie die Wand und seine Rechte an der Türe tastend zitterte, senkte sie das Licht und sprach noch einmal: „Hoch, wie Könige und Kaiser — oder tief, wie Die­ be und Mörder!" Inzwischen war es Tattenbach gelungen, den Riegel an der Türe zu finden. Hastig öffnend stürzte er hinaus, in's Freie. „Was hat Ihnen die alte Trud prophezeit? frug Vu­ kovaöki. ..Nichts!" antwortete Tattenbach etwas gedehnt und eilte auf die Straße, wo die Pferde standen. „Gewonnen ist's. Der Eindruck ist ganz, wie wir es hofften", raunte Vukovacki dem Kaldi in's Ohr. Johann Erasmus Tattenbach. - *• Ktirz darauf ritten die Ritter querfeldein im "eisen­den Galopp dem Schlosse Kranichsfeld zu. in e u n t e s Kapitel „Es steht, es steht 'ne weiße Burg, Darinnen wohnt ein junger Herr. Ein Herr und eine junge Frau." Sloven. Volkslied. i_)ie Vorbereitungen zum Aufstande in Ungarn und Kroatien wurden immer umfangreicher., Der Banus von Kroatien Peter Zrinyi warb eifrig Soldaten in der Heimat, noch eifriger war er bemüht, Bundesgenossen auswärts zu gewinnen. Sein mutiges Weib Katharina korrespondierte mit Briziers, dem fran­zösischen Gesandten in Venedig; später hatte Zrinyi per­sönliche Besprechungen mit dem französischen Gesand­ten am Wiener Hofe, mit einem gewissen Gremonville. Ebenso unterhandelten mit Frankreich ungarische Mag­naten Nädassdy, Raköczy und Stefan Bärkoczy. Noch intensiver warb Zrinyi um die Bundesgenos­senschaft in Polen. An Wiesnowicki, den König von Polen, sandte er einen gewissen Pater Bariglia ab. Zrinyi suchte aber auch die Türken für sich m ge­winnen, wahrscheinlich um im Rücken gesichert zu sein. Zuletzt ging als Abgesandter dahin: der den Lesern schon bekannte — Vukovacki. Es scheint, daß alle diese Mächte mehr oder weniger geneigt waren, den Aufständischen zu helfen, jedoch et­was Bestimmtes versprechen und gleich auch beginnen wollte niemand; man wartete allseitig .zu, welche Wen­dung die Sache nehmen werde. Nach dem Abenteuer auf dem Pettauer Felde war Tattenbach viel ruhiger als früher für die seine und seiner — 47 — Bundesgenossen Sache. Er besuchte viele Freunde und begann seine Burgen mit Waffen reichlicher zu ver­sehen. Als Vukovacki dies sah, ging er sogleich zu Zrinyi nach Cakathurn, und von da, wie schon gesagt, nach Konstantinopel. , Da man jedoch in Cakathurn dem wankelmütigen Tattenbach noch immer nicht ganz traute, beschloß die Gräfin Zrinyi selbst ihm in Kranichsfeld einen Besuch abzustatten. Katharina Zrinyi war gegen dreißig Jahre alt. Doch ihre majestätische Gestalt erschien in voller Jugendblüte. Hoher Wuchs, volle, ja üppige Körperformen, ihre Ener­gie, die im Gesichte sich ausprägte, alles das verlieh ihr ein wunderbar imponierendes Aussehen, doch fern von aller Härte. Im Betragen, im Sprechen, selbst in ihrem feinen, zarten Gesichte kam ihr gemischt slove­nisch-italienisches Blut der Frankopane zum Ausdruck. Sie war beides zugleich, wenn es die Umstände erforder­ten: feurig lebhaft und gleich wieder ernst überlegend, immer geistreich. . So saß Gräfin Zrinyi eines Tages mit Tattenbach allein in einem Zimmer des Schlosses zu Kranichsfeld. Sie wußte ihm in der liebenswürdigsten Weise viel des Interessanten zu erzählen. Am meisten sprachen sie natürlich von ihrem großen politischen Unternehmen. Und er lauschte freudig erhoben auf ihre Stimme, ihre Begei­sterung entflammte ihn, der Mut der tapferen Frau goß Heldenmut in seine Adern. Als sie so im eifrigen Gespräche einander gegenüber saßen, ging die Türe auf und herein trat Anna, Tatten­bachs Gemahlin. Der Zufall, dieser arge Schalk, wollte es, daß sie ge­rade heute Gonobitz verließ und nach Kranichsfeld kam. Weil Tattenbach sie und den Sohn in jüngster Zeit noch — 4g ­ mehr als gewöhnlich vernachlässigte. — war es nichts Ungewöhnliches, daß sie ihn selbst zu besuchen kam. Daß sie bei ihrem Manne eine schöne, fremde Frau fand, überraschte sie. Aber auch er war unangenehm berührt, daß sie so ungelegen kam. Er sprach sie daher imit nicht allzu freundlichem Erstaunen an: „Du hier? So unerwartet?" Sie antwortete: „Ich sehe, daß ich störe. Ich gehe." „Gehe in Deine Zimmer. Ich habe mit der Frau Gräfin Zrinyi noch zu sprechen, dann sehen wir uns gleich wie­der!" sagte gelassen Tattenbach. „Wo mein Mann mich vor einer Fremden so be­schämt und mir die Tür weist, dort ist meines Bleibens nicht!" sprach Gräfin Tattenbach erbleichend mit vor Zorn und Schmerz zitternder Stimme. „Ich bitte Dich, beleidige unseren Gast nicht!" sagte erregt Tattenbach. „Gehen Sie nicht so fort, Frau Gräfin", bat zugleich die Gräfin Zrinyi und aufstehend wollte sie der Gemahlin ihres Freundes die Hand reichen. Die Angesprochene wandte sich jedoch von der Frau, von der sie glaubte, daß sie sie um die Liebe ihres Gatten bringen wolle, mit einem verächtlichen Blicke ab. Tränen ergossen sich über ihre Wangen, sie ging. „Das war nicht recht" — sagte' Gräfin Zrinyi. „Gehen Sie ihr nach, bitten Sie sie um Verzeihung und klären Sie ihr den Irrtum auf. Sie ist Ihre Frau." „An der ganzen Sache liegt gar nichts. Ich habe mich ein wenig übereilt, aber ich werde es leicht wieder gut machen. Solcher Auftritte gab's bei uns schon mehrere, aber wir gleichen uns schon wieder aus", meinte er. „Ich wünsche, ich will, daß Sie es sofort tun!" „Wenn Sie es wünschen, muß ich!" sagte Tatten­ bach und ging langsam hinaus. - 49 ­ In diesem Momente hat der edlen Dame ihr Freund gewiß nicht gefallen. Wenn gleich Berechnung für die Sache ihres Mannes und des Vaterlandes ihr einziger Leitstern war, ließ ihr ihr Frauenherz das Unrecht fühlen, das einer Genossin ihres Geschlechtes angetan worden ist Nach einiger Zeit erschien Tattenbach wieder, halb zornig, halb zufrieden: „Meine Gnädige faßte die Sache ernster auf als ich. Gerade ist sie wieder fortgefahren, woher sie kam. Aber das tut nichts. Ich werde sie aufsuchen und die Verstän­digung wird, wenn noch überhaupt notwendig, leicht sein." j Der Gräfin fiel es vielleicht jetzt auch ein, daß die Frau ihers „Freundes" und Bundesgenossen eines dei Haupthindernisse in der ganzen Sache bilde, um die sie sich bei Tattenbach bemühe, deshalb verstummte sie und sprach weiterhin von anderen Dingen. Doch hatte sie der Auftritt so sehr angegriffen, daß sie noch am selben Abend Kranichsfeld verließ. Des anderen Tages reiste auch Tattenbach ab; aber nicht nach Gonobitz zu seiner Gattin, damit er sie ehe­möglichst um Verzeihung und Verständigung bitte, son­dern die Fahrt ging nach dem Schlosse Windisch-Lands­berg. Hier pflegte Graf Tattenbach, trotz seiner sehr aus­gebreiteten politischen Tätigkeit, in jüngster Zeit im Stillen sehr oft zu verweilen. Hier war nämlich Jörg Gornik, ehedem Oberwinzer am Bachern, Schloßver­walter — und dieser Schloßverwalter hatte, wie bekannt, — eine hübsche Tochter, die schöne Marianne. Der Sekretär Balthasar Riebel hatte viel zu tun und konnte nicht leicht oft nach dem entfernten ganz abseits gelegenen W.-Landsberg kommen; desto öfter kam sein Herr dorthin, — denn sein Herr sah schöne junge Mäd-Johann Erasmus Tattenbach. 13 -So­ eben gerne. Er gehörte ja auch zu „dieser " -V'.?It." Daß doch dem nicht so gewesen wäre! Zehntes Kapitel. Hoch am Berge stand die Veste Wlndisch-Lands­berg. Innerhalb der Festungsmauern befand sich auch ein kleiner Garten. Die Herrschaft liebte Blumen, und der Verwalter mußte zur Sommerseit diesen Garten grünend und blühend erhalten. In den Zwischenräumen zwischen schattigen Bäumen mußten schöne Blumenbeete herge­richtet sein. So war's Brauch von jeher, so blieb's auch jetzt, seit Tattenbach hier Herr war und Gornik sein Ver­walter. Jetzt war's auch leicht den Garten mit Blumen zu versorgen, den der Verwalter hatte ein Töchterchen, die Marianne. Welche Freude hatte Mariannchen gleich an­fangs mit Garten und Blumen! Alles besorgte sie allein mit Liebe und Eifer. Warum sollte sie es nicht; verstand sie es doch, lieb und zart mit einem jeden Röslein, Blümlein, Pflänzchen zu sprechen. Alle waren rein, schön wie ihr Herz. Alle, alle diese Blümlein möchte sie pflücken und sie ihm senden, dem Geliebten, daß er sich an ihnen erfreue. Gleich anfang s stand's nämlich so. Und jetzt? Viele Monate sind seitdem verflossen, da wir sie zum letzten Male gesehen haben. Es war schon spät am Nachmittage, gegen die Abenddämmerung. Marianne ist im Garten an ihrer Ar­beit, die Blumenbeete begießend. Die jugendliche Rosen­farbe auf ihren Wangen, jene Farbe, die sie so herrlich zierte, noch als sie mit dem Vater hieher kam, — ist ver­schwunden. Das Auge, welches einst so froh in die Welt hinaus blickte, blieb jetzt am liebsten zu Boden gesenkt, — 51 — naß vom stillen Wehe. Ohne Freude, mechanisch arbei­teten die Hände, gewohnheitsmäßig. • Tattenbach verweilte oft in Windisch-Landsberg. Lieb und einnehmend wußte der hohe, schöne Herr an­fangs mit dem Mädchen umzugehen. Was er beabsich­tigte, wußte sie nicht; und ihr behagte es. Und jetzt? Er ist schon wieder seit zwei Tagen hier und kam allein. Marianne hat für heute ihr. Tagewerk vollbracht. Am Rande der Mauerzinne legte sie die Kanne nieder und blickte^ — ohne gerade etwas suchen zu wollen — in's Tal hinab. Die Straße ist in weite Ferne übersehbar, und das Mädchen erblickt einen Reiter in Galopp heran­sprengen. Noch ist er weit, so weit, daß nicht zu erken­nen ist: was, viel weniger, wer er sei. Und doch, schöne Maid, warum erzitterst Du? Wa­rum erbeben vor Furcht alle Deine Nerven,... warum blickst Du mit einer immer größeren Aufregung dem Kommenden entgegen, je näher er kommt? Richtig ist die Sprache Deines Herzens, recht sagt Dir Deine ahnende Seele, immer deutlicher unterscheiden es Deine forschenden Augen: — er ist's! Er, Balthasar Riebel, an dem Deine ganze jungfräuliche Seele hing; dessen Gedanken auch Du dachtest; dem Du Herz und Seele von den Lippen trankst, wenn er zu Dir kam in das stille Weingartenhaus. Lange war er nicht mehr da. Warum jubelt Dein Herz nicht auf, da er wieder naht Schon ist er am Fuße des Berges,... jetzt beginnt das müde Roß aufwärts zu steigen. Es ist kein Irrtum mehr möglich, Balthasar Rie­bel ist's, ihr Bräutigam. Das Mädchen setzte sich in einem Rasengraben nie­der, um sich vor ihm zu verbergen. Mit den Händen be­deckte sie die Augen und Tränen perlten zwischen den — 52 — Fingern hervor, aber nicht Tränen der Freude, sondern Tränen, die zu spät kommen, — nach der Sünde! Ihr Herz gehört ihm. Es zieht sie zu ihm. Vor ihm niederfallen möchte sie und um Verzeihung bitten, — Himmel und Erde gäbe sie für dieselbe hin! — aber die Füße versagen den Dienst, denn es beschwert sie ein zentnerschweres Gewissen und der tötende Gedanke, daß sie seiner Liebe nicht mehr würdig sei. Verzeihen? Kann er? Niemals! Aber die Schlangfe, — die das erste Weib verführte, meldet sich auch hier: Wer weiß um Deine Sünde? Er allein, der Graf, der Verführer! Er wird schon schweigen. Aber Gott? Der ist barmherzig. — Das Mädchen trockne­te sich die Augen ab und stand auf. Sie will sich über­winden, sie will ihm froh entgegengehen, wie ehemals. Aber ist nicht auf ihrer Stirne das Mal ihrer Schande, ihrer heimlichen Untreue gezeichnet? Bei diesem Ge­danken trat sie tiefer in's Gebüsch. Hier mag er sie auf­suchen. Inzwischen kehrt auch die Besinnung wie­der, und sie kann sich sammeln. Jörg Gornik war im Schloßhofe beschäftigt, als Riebel ankam. „Wo ist Mariannchen?" war Riebeis erste Frage. „Das Mädel? Im Garten habe ich sie früher gese­hen," meinte Gornik gelassen. „Gibt's was Neues?" „Nein!" antwortete Gornik. „Ist es wahr, daß der Herr Graf seit meiner letzten Anwesenheit öfter hier war?" „Ja!" ineinte der Alte, — daß er auch jetzt hier sei, das schien ihm nicht der Erwähnung wert, oder aber war er der Meinung, der Herr Sekretär wisse es ohnehin. Riebel bog unverweilt um die Ecke und ging dem Garten zu. - 88 — Elftes Kapitel. „Warum kehrst — an Liebreiz reich — Weg von mir Du Deine Blicke?" Fr. PreSiren. Das erste Weib verbarg sich nach der Sünde, aber es hatte einen Mann in Gesellschaft. Mariannchen mußte sich in's Gebüsch verstecken, allein, und nicht vor Gott, — vor einem Manne. Sie stellte sich, als schaffe sie eifrig an einem Blumenbeete. Sie hörte seine nahenden Schritte und ihr Herz sagte es ihr, daß er sie aufsuchen kommt. „Mariannchen!" rief er. Das Mädchen richtete sich auf und sah ihn an. Sein Gesicht leuchtete vor Freude, er streckte unwillkürlich die Arme aus, als wollte er sagen: „Zu mir, mein Herz." Und sie, auf alles vergessend, eilte zu ihm und um­armte ihn, ihr Gesicht an seiner Brust verbergend. „Weine nicht, Geliebte, jetzt bin ich ja wieder bei Dir, und von jetzt an, bald, werde ich immer bei Dir sein", sagte er und richtete ihr Köpfchen auf. Das sind süße Tränen der Liebe, Freudentränen, dachte er; von Rührung ergriffen wurden ihm selbst die Augen feucht. „Sieh mich an!" sagte er. Sie erhob die Augen und blickte ihn an, furchtsam, zitternd. Aber nur für einen Augenblick. Dann senkte sie wieder den Kopf an seine Brust und schloß sich leiden­schaftlich an ihn. „Was fehlt Dir?" frug er etwas beunruhigt. Sie gab keine Antwort. „Komm1, setzen wir uns auf jene Bank. Dort wirst Du mir alles aufrichtig sagen, was Dich bedrückt. Komm', weine nicht, armes Wesen!" Sie rührte sich nicht von der Stelle. ••».. -p.,Tnttenfcfieh-? 14 r — 54 — Halb mit Bitten und milden Worten, halb mit Gewalt zog er sie bis zur Bank. Dort ließen sich die Beiden nie­der, nahe an einander gerückt. „Was ist Dir, Mariannchen?" fragte er wieder. „Nichts!" war die stille Antwort. .Liebst Du mich nicht mehr?" „O ja!" „Und warum blickst Du mich nicht an? Warum sprichst Du nicht? Hast Du kein liebes Wort für mich?" Diese Frage wurde in einem etwas schärferen Tone gestellt. Sie erbebte. Er ließ ihre Hand los. „Du hast kein reines Gewissen!" schrie Riebel, seine Augen erglänzten im wilden Feuer und seine Augen­ brauen zogen sich zusammen. „Ich liebe Dich!" sprach sie leidenschaftlich und streckte die Hände nach ihm aus. Beide waren so in sich selbst vertieft, daß sie die Schritte eines Dritten gar nicht hörten, als er schon ganz nahe hinzukam. „Ha!" Das war die Stimme des Grafen. Riebel wandte sich zu ihm. Tattenbach stand da, eine Gerte in der Hand, überrascht und zornig, bald seinen Sekretär, bald das Mädchen musternd. „Was machst Du hier? Wer rief Dich hieher? Was willst Du diesem Mädchen?" „Dafür bin ich niemandem verantwortlich, Herr Graf. Was dieses Mädchen betrifft, haben Sie mir nichts zu befehlen, oder zu verbieten," antwortete Riebel be­leidigend. „Mein Herr Schreiber ist gelehrt genug, um die alte Ordnung zu wissen, daß nämlich sich zuerst der Her r selbst zum Mahle setzt, und wenn er satt ist, dann erst kommt der K n e c h t an die Reihe", sprach Tattenbach mit fast unglaublichem Cynismus. — 55 — „Gehört jetzt mir," — unterbrach die Worte Riebeis höhnend der Graf. „Nach einiger Zeit dürfte es vielleicht dem Herrn Sekretär freistehen." Riebel faßte sich beim Kopfe. Es war ihm, als hätte er mit einem dicken Knüttel einen Hieb über das Haupt bekommen; im Gehirne war's ihm siedend heiß. Jetzt war ihm alles klar. Sein Herr hat ihn selbstsüchtig, rück­ sichtslos, ohne Erbarmen um alle seine Hoffnungen, um sein ganzes Lebensglück gebracht. Er dachte nicht mehr an das Mädchen, welches bei dieser Szene von der Bank zu Boden gesunken war; er sah nur den kaltblütigen Räuber seines Glückes vor sich, ballte die Fäuste und rief: „Fluch Deiner Seele, Du... " Er hatte den Fluch noch nicht beendet, als ihn der Graf mit der Gerte in's Gesicht schlug, zugleich aber einige Schritte nach rück­wärts wich, und durch einen lauten Pfiff den Knechten, die unweit von der Stelle im Hofe sich befanden, ein Zeichen gab. Wütend sprang Riebel auf seinen Herrn los. Aber Tattenbach war stark und beide Männer rangen, ohne daß einer dem anderen etwas hätte anhaben können, so lange, bis die Knechte kamen und Riebel von seinem Herrn rissen. „Bindet ihn! Sperret ihn ein!" befahl der Graf, als er von der ungewöhnlichen Anstrengung und dem Kampfe aufatmete. Die Diener taten, wie ihnen befohlen wurde. Riebel, gebändigt, ließ sich ohne Widerrede, ohne weiteren Wi ­derstand ruhig fesseln und abführen. Beim Fortgehen sah er sich nochmals um. Gornik suchte seine Tochter auf­zurichten, doch das Gesicht des Alten war in nichts ver­ändert, ernst wie immer. Riebeis wilder Blick galt vor­nehmlich dem Tattenbach, als wollte er sagen: „Warte nur wir treffen uns. noch einmal!" - 66 ­ Am nächsten Morgen wurde Riebel gefesselt auf einen Wagen geladen und nach Qonobitz transportiert. Der dortige Verwalter Simon Judas Stupan bekam den gemessenen Befehl, Riebel im sicheren Qewahrsam zu halten und dafür zu sorgen, daß die Sache wenig be­kannt werde; übrigens aber zu sagen: Riebel habe seinen Herrn um große Summen hintergangen, da er auf eigene Faust Holz aus herrschaftlichen Waldungen verkaufte. Der Graf war noch am selben Abende gleich nach der Inten nierung Riebeis fortgefahren. Bei Mariannchen stellte sich ein hitziges Fieber ein. Die alte Magd aus Wisowle wachte bei ihr und betete. Gornik schlich am nächsten Tage mürrisch und kleinlaut im Hofe und auf den Gängen umher. Was und wie sich alles zugetragen, das verstand er nicht. Recht war's ihm allerdings nicht, nein. Aber er hatte gelernt, gehorsam zu sein und war's auch. Als ihm die alte Magd zitternd auseinandersetzte, was sich aus des Mädchens Worten, welche es im Delirium während der Nacht ge­sprochen hatte, entnehmen ließ, — warf der alte Gornik zornig seine Kappe in den Winkel, zitierte alle Teufel, prügelte die Hunde im Hofe, schüttelte die Hirten tüchtig bei den Haaren, die Bauern, die in's Schloß kamen, warf er zum Tor hinaus, — gegen seinen Herrn hatte ihn aber nie jemand ein Wort sagen hören. Oefter aber als früher machte der Alte Besuche im Keller, wo, wie alte Chro­niken gewissenhaft feststellen, 4000 Eimer Tattenbach­scher Weine eingelagert waren. Zwölftes Kapitel Nach der unangenehmen Szene mit ihrem Manne und der Gräfin Zrinyi in Kranichsfeld war für die Gräfin Tattenbach in Gonobitz ihres Bleibens nicht mehr. Mit ihrem Söhnchen Anton ging sie zu ihrer Freundin Regina - 57 — Purgstall, einer geborenen „Qallerin" auf der Riegers­burg, Gemahlin des Regierungsrates Ernst Baron Purg­stall, dieser einzigen klagte sie ihr Leid. Mit ihr stand sie schon früher und auch nachher im schriftlichen Ver­kehr; einige dieser Briefe sind uns bis auf den heutigen Tag erhalten. So herrschte denn in Gonobi z der Verwalter Simon Judas Stupan unumschränkt. Dieser Mensch, ein kleiner, hagerer Mann, war durch Vukovacki ziemlich tief in die Politik Tattenbachs einge­weiht worden. Weil man ihm versprach, er werde, wenrt's gelingt, auch auf seine Rechnung kommen, und besonders weil er selbst Einheimischer und von bäuerlicher Ab­kunft war, gefiel ihm gar sehr ein solches Unternehmen, wie ein großer Bauernaufstand, ein großes heimisches Reich. Deshalb arbeitete er eifrig im Volke für gedachte Ziele und war auch unter den Bauern in letzter Zeit ziemlich beliebt. Nur zu sehr davon überzeugt, daß er selbst eine große Rolle in dem großartigen Unternehmen spiele, trug er seinen Kopf hoch und hatte diesen und jenen seiner Feinde am Kerbholze, denen er's zur gele­genen Zeit heimzuzahlen versprach. Einer jener Menschen, die Stupan nicht liebte, war Balthasar Riebel. Dieser revidierte nämlich die Rechnun­gen und hatte Stupan oft Verlegenheiten bereitet Weil nun Riebel sich immer um den Grafen befand, fürchtete ihn Simon Stupan und war dehmütig und gehorsam vor ihm, wenngleich er im Herzen sich dachte: „Wie möchte ich Dich zu Boden treten, wenn ich es könnte und dürfte!" Leicht ist daher die große Freude und Genugtuung des Verwalters von Gonobi z Herrn Stupan zu ermessen, als man ihm eines Abendes aus W.-Landsberg auf einem Wagen gefesselt seinen Feind Balthasar Riebel einlieferte Johann Erasmus Tattenbach. • " 16 — 58 mit dem strikten Auftrage des Grafen: Riebel solange im Kerker zu behalten, bis ein anderer Befehl kommt Die Hände zitterten ihm vor Freude, als er nach dem Schlüssel des Kellerkerkers griff, in welchen er den in sein Schicksal ergebenen und geistig wie abgestumpften Riebel einsperrte. Wenn in der Folgezeit der Knecht, der zugleich Ker­kermeister war, mittags Riebel das Essen trug, ging häu­fig auch Simon Stupan mit, um den Gefangenen foppend zu fragen, wie er sich fühle und ob er sich über etwas zu beklagen habe? Als er einmal bemerkte, daß der Kerkermeister mit dem Gefangenen zu freundlich und zu viel spreche, machte er sogleich von seinem Rechte Gebrauch und jagte den Knecht aus dem Dienste. Das war jedoch sehrunüberlegt gehandelt. Denn einige Tage später kam in Gonobilz Herr Paul Achatz aus Cilli an, der oberste Richter, oder wie man damals sagte, der „Bannrichter" im Bezirke oder „Vier­tel" Cilli. Paul Achatz war ein mächtiger Mann. Als kaiserli­chen Richter fürchteten ihn selbst Edelleute, denn mit einem Manne, der direkt mit den Stellvertretern des Kaisers und mit Ministern verkehrte, wie er, mußte man behutsam umgehen. Im Schlosse Gonobilz angekommen, frug er zuerst nach dem Grafen, dann nach der Gräfin. Als ihm Stupan erklärte, daß sich keiner hier befinde, brummte er un­willig in sich hinein. „Sie halten den früheren gräflichen Sekretär Riebel gefangen?" sagte nach einiger Zeit der Richter. Stupan, der den Auftrag hatte, darüber zu schwei­gen, staunte und leugnete. Der Richter zeigte ihm ein Blatt Papier, ließ es ihm aber nicht lesen. Das Schreiben war von Riebel: der verjagte Knecht hatte es nach Cilli überbracht. Weil Achatz den Riebel aus früherer Zeit kannte und achtete, ging er allsogleich nach Gonobrz, um ihm beizustehen. Simon Stupan machte große Augen, als er die Be­schuldigung aus dem Munde des Bannrichters von Cilli hörte; denn er fürchtete ihn. Anderseits aber hielt er sich vor Auger), daß er in Tattenbachs Diensten stehe und jetzt sein Bevollmächtigter sei; deshalb sprach er mit Paul Achatz ein männliches Wort: „Wir wissen sehr wohl, was wir tun. Meinem Ge­bieter, dem Herrn Grafen muß das Recht, ungetreue Diener nach Gebühr zu strafen, gewahrt bleiben. Dieser Riebel hat sich große Betrügereien beim Holzverkauf zu Schulden kommen lassen; er ist ein Taugenichts, deshalb wird er bestraft." „Alle Ehre dem hochgeborenen Herrn Grafen", — replizierte Paul Achatz — „aber wir alle sind Untertanen des Kaisers, und ein Mann, wie Herr Riebel, muß ver­hört und ordnungsgemäß abgeurteilt werden. Vom Grafen spricht man allerlei, was dem Kaiser vielleicht nicht genehm wäre, — ich glaube auch das alles nicht, — aber sagen sie ihm, wir werden die Sache untersuchen. Heute möchte ich selbst gerne mit Riebel sprechen." „Wie, was spricht man vom Grafen Tattenbach?" fuhr Stupan zornig, doch erbleichend auf. „Nichts Schlechtes wollte ich sagen", sprach der Richter. „Aber von Riebel kann ich solche Beschuldigun­gen nicht glauben. Hier muß noch etwas anderes dahin­ter stecken, oder auch nicht. Aber wie gesagt, überzeu­gen möchte ich mich. Wäre der Herr Graf hiftf, gewiß würde er mir das gestatten." Der Verwalter war in großer Verlegenheit. Er kannte die Macht des Cilliler Richters, kannte auch des Tatten­bach willkürliche Gewaltätigkeit und schließlich auch seine eigene Verantwortlichkeit. Doch besann es sich nicht lange, was zu tun wäre. Sümmern Sie sich um Ihre Cillier und andere Hal­ lunken", sprach er gemessen, ,„hier haben Sie nichts zu suchen. Wir werden ihnen unsere Verbrecher schon ausliefern, wenn wir es für gut befinden werden. Ich sage nichts weiter; wenn der Herr Graf da ist, können Sie die gewünschte Aufklärung bekommen". Der Richter Paul Achatz erhob sich und sprach: „Mit Dir werde ich nicht streiten. Wir reden ein anderes Mal darüber." Bald darauf ging er. Simon Stupan aber brummte: „Wie doch diese Her­ren aus der Stadt stolz und übermütig sind. Wann wird die Zeit kommen, daß wir auch mit ihnen abrechnen!" Doch beunruhigte ihn die Sache sehr. Der oberste kaiserliche Richter hat Worte ausgesprochen, die ver­raten ließen, daß er über Tattenbach mehr wisse, als er hätte wissen dürfen. Daß er sich um Riebel annimmt, der eigentlich auch nach seiner (des Verwalters) Ueberzeu­gung ungerechterweise im Kellerkerker sitzt, — schien ihm ebenfalls besorgniserregend. Deshalb sattelte er noch am selben Nachmittage sein Roß und ritt zum Grafen nach Kranichsfeld. Dreizehntes Kapi tel Am Dreikönigtage des Jahres 1670 gab Graf Eras­mus Tattenbach auf Schloß Freistein bei Pulsgau, nah an der Stjaße zwischen Marburg und Windiseh-Feistrüz gelegen, ein großes Mahl. Der gesamte Adel Unter-Steiermarks war zu Gaste geladen. Weil der entscheidende Moment nahte, Tattenbach aber bereit und mehr denn je zum Handeln entschlossen - 61 ­ war, wollte er hier auch seine Freunde und gleichgesinn­ten Edelleute für die Sache gewinnen. Seinen und seiner kroatischen Verbündeten ganzen Plan ihnen zu enthüllen, durfte er gemäß einer Verabredung allerdings nicht. Man rechnete nämlich auf den letzten Augenblick und jed­weder hatte seine Tätigkeit systematisch so einzurichten, daß das Terrain geebnet wurde, vertrauend, der einmal entlockte Funke werde schon Feuer fangen. In diesem Sinne agitierte auch Tattenbach auf dieser historisch denkwürdigen Gasterei in Freistein. Alle Namen der hier versammelten Edelleute Klein-Steiermarks haben uns die Chronisten nicht überliefert Doch entnehmen wir aus verläßlichen historischen Schriften, daß hochangesehene Männer anwesend waren: ein Wolf Kristoffer, Christian von Fürstenberg, Sigismund Friedrich von Grottenau u. a. Wein wurde nach alter Sitte unserer Vorfahren viel getrunken und beim Weine wurde manches Manneswort gesprochen. Das „deutsche Regieren" in Wien sei nicht viel wert... dies und jenes könnte besser gemacht wer­den .. . den einzelnen Kronländern könnte und müßte eine größere Selbständigkeit gewährt werden, als es jetzt die Minister Kaiser Lepold I. zulassen, — darüber waren alle einig. Auf das hin erhob Tattenbach sein Glas, es dem An­denken der Grafen von Cilli widmend, die ihre Selbstän­digkeit mit dem Schwerte in der Hand zu wahren wußten und als „Herzoge aller Wenden" ihre Herrschaft über die südliche Steiermark, Krain und Kärnten ausdehnten. Weiters gedachte er der ritterlichen Ungarn und tapferen Kroaten, die schon von jeher ihr Reich und ihr Volk be-. schützen. Die ganze Versammlung zollte ihm stürmischen Beifall. Unter den Gästen Tattenbachs war aber auch einer, der sich selbst eingeladen hatte. Der Hausherr war uuvor­ •"•»—'•-»»!. i * sichtig genug, ihn freundlich zu empfangen und sich um dieses Gastes Willen in seinem planmäßigen Betragen und Reden nicht im geringsten einzuschränken. Einiger­ maßen erklärlich erscheint wohl dies, denn der Gast — Georg Baron Losenstein sein Name — war ein Freund von Tattenbachs Cusin Otto, welcher halb um das Unter­ nehmen wußte und bereit war mitzutun. Baron Losenstein, ein ehemaliger Major im kaiserlichen Heere, wurde in­ folge des frühzeitigen Verrates des Griechen Panajotti von der Wiener Regierung heimlich nach Steiermark gesandt, um Tattenbach zu beobachten. Diesen Ehrenposten hatte Losenstein so gut ausgefüllt, als er es nur konnte. Positi­ ves hatte er freilich nichts zu berichten, soviel war Tat­ tenbach und zumal seine Umgebung schon vorsichtig. Beim heutigen Gelage konnte Losenstein allerdings vie­ lerlei hören und verhehlte seine Freude darüber auch gar nicht. — Obwohl Tattenbach dies nicht auffiel, durch­ blickte schnell den Sachverhalt sein neuer Sekretär Ru­ dolfi, der jetzt Riebeis und Vukovaökis Stelle vertrat. Er sorgte gleich dafür, daß er den Grafen auf die Seite be­ kam, ehe dieser, weinselig und in seiner übersprudelnden 'Begeisterung, alles zu sagen Gelegenheit fand. Rudolfi, ehedem Stallmeister bei Zrinyi und jetzt schon seit längerer Zeit in dieser Eigenschaft bei Tatten­bach, ein Italiener von Geburt (wie wir überhaupt be­merken, daß in jener Zeit viele Italiener Vertrauensstel­lungen in unseren Gegenden einnahmen), — hatte ur­sprünglich keinen großen Anwert bei Tattenbach, solange Riebel beliebt und Vukovacki noch nicht abberufen wor­den war. Jetzt beherrschte er geistig Tattenbach vollständig. Rudolfi war scharfsichtig genug, um Situationen zu durch­blicken und Menschen zu beobachten, was eben sein schnell begeisterter, voreiliger und dazu oberflächlich handelnder edler Herr nicht verstand. So hatte Rudolfi - 53 — auch heute gleich bemerkt, daß es von Tattenbach nicht klug war, in Oesellschaft unverläßlicher Männer so offen zu sprechen. Noch mehr hat ihn die heutige Nachricht des Ver­walters von Qonobiz beunruhigt, daß der kaiserliche Richter von Cilli, Paul Achatz sich um den eingesperrten Riebel annehme, daß also des Grafen Gewaltakt nicht geheim geblieben war. Rudolfi wußte nämlich, daß Riebel die ganze Verschwörung bekannt war..., daß Riebel alle wichtigen Dokumente für den Grafen geschrieben, daß er also alles verraten könnte, wenn es zum gericht­lichen Verhör käme. Daß aber Paul Achatz eine gericht­liche Untersuchung leicht erwirken kann und will, war ihm auch klar. ~ Die Gäste auf Freistein waren bei vollen Humpen perlenden Weines so guter Dinge, daß sie es gar nicht merkten, als Rudolfi den Grafen bei Seite rief, um ihn auf den verdächtigen Losenstein aufmerksam zu machen. •Tattenbach gedachte jetzt selbst vieler verdächtiger An­zeichen in Losensteins Betragen, so daß er gleich die volle Ueberzeugung gewann, sein getreuer Rudolfi urteile richtig. In seiner Aufregung wollte er sofort in den Saal zurückeilen, um den Spion auf dem kürzesten Wege aus der Gesellschaft zu befördern. Dem vorsichtigen Italiener gelang es jedoch, den Grafen zu besänftigen, so daß er sich entschloß, Losenstein in Ruhe zu lassen, von ihrem Unternehmen aber allerdings kein Wort mehr zu spre­chen. Die Ueberredung des Grafen gelang Rudolfi um so leichter, da er ihm gleich die Nachricht, Riebel betreffend, erzählte. In diesem Punkte hatte Tattenbach selbst ein unru­higes Gewissen. Um eines gewöhnlichen Mädchens willen, an dem ihm nicht viel gelegen war, verlor er seinen brauchbarsten Diener. Und gerade dieser Diener konnte gegen ihn am meisten aussagen. Daß ferner mit Paul Ächatz nicht zu spassen war, wußte Tattenbach wohl. Wie die Sache jetzt gutmachen? „Ihn entlassen!" riet Rudolfi geradewegs, obwohl er Riebet schon als seinen Rivalen haßte. „Gerade dann wird er mir am meisten schaden!" sagte Tattenbach. „Ueberlassen Sie das mir. Riebet weiß es noch gar nicht, daß er uns gefährlich ist. Auch können wir ihn jetzt mehr unschädlich machen, so daß es Niemand er­fahren würde. Da er sich vor einer langen Kerkerhaft fürchten wird, getraue ich mir von ihm einen Eid zu be­kommen, daß er schweigen wird. Nur Geld muß man ihm geben, daß er aus dem Lande kommen kann und wdflen wird." „Tue, wie es Dir gut scheint. Geld bekommst Du zur Verfügung, so viel als notwendig!" sprach Tattenbach. Die Zecherei auf Freistein schloß im bunten Gewirre, Tattenbach aber hatte kein Wort mehr von Politik ge-: sprochen. Rudolfi ging gleich am nächsten Morgen nach Go­nobiz, seinen neuen Auftrag zu vollziehen. Vierzehntes Kapitel. „Droht aufzutun der Hofburg feste Tore." Fr. P r e 5 i r e n. Am 8. März des Jahres 1670. Tattenbach befand sich in Marbur g und wohnte in seinem Hause, dessen Name sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat: „Freihaus", später Eigentum Lanthieris. Die Stadt Marburg an der Drau war damals wohl um drei Viertel kleiner denn heutzutage. Doch lag es im Plane Tattenbachs. sich auch dieser Stadt zu be-* — 68 — mächtigen. Weil er wußte, daß die Marburger Bürger furchtsame Krämerseelen waren, über welche derjenige gebiete, der nur ein bischen Macht hat, etwa einen Trupp bewaffneter Leute, so kümmerte er sich gerade nicht sonderlich um die Bewohnerschaft Marburgs. Auf seine Seite bekam Tattenbach einen sehr ein­flußreichen Bürger, einen gewissen Bernhard Paum­gartner. Diesem vertraute er alles an und Paumgartner versprach auch ausgiebige Hilfe, weil er einerseits den mächtigen Tattenbach fürchtete, andererseits aber, wenn der Plan gelingen sollte, auf guten Gewinn hoffte. Die Bewohnerschaft Marburgs war damals noch ausschließ­lich slovenisch. Paumgartner selbst war zwar ein Ein­gewanderter, aber bereits ganz assimiliert. Weil er als reicher Mann als erster im Stadtrate saß und außerdem eine gute Schulbildung besaß, ist es erklärlich, warum ihn Tattenbach zu seinem Vertrauensmann wählte. Um diese Zeit herrschte schon in der ganzen süd­steirischen Bevölkerung eine ungewöhnliche Aufregung. Das Volk wußte zwar nicht, was werden soll; aber wie man vor einem Gewittersturm eine drückende Schwüle verspürt, so fühlte man dieser Tage, daß große Dinge bevorstanden, obwohl man nichts Bestimmtes wußte. Im Tattenbachschen Hause in Marburg wurde heim­lich Blei zu Kugeln geschnitten und gehackt; Waffen, Schießmaterial usw. wurde hineingeschmuggelt Obwohl alles dies heimlich geschah, allen konnte es nicht ver­borgen bleiben. Unklares, dunkles Gerede verbreitete sich in der Stadt, aber im allgemeinen war man Tatten­bach gewogen, denn die Unzufriedenheit war groß; be­sonders die kaiserlichen Beamten waren den Bürgern und dem Volke unerträglich. Vor allem am verhaßtesten war aber der allgewaltige Stadtschreiber in Marburg, Jak ob Köder. Johann Erasmus Tattenbach« 17 , In letzter Zeit ereigneten sich wieder besonders drei Dinge, die in ganz Untersteiermark nicht nur allgemein große Besorgnis verursachten, sondern auch jene Männer verwirrten, die Richtiges Von dem Kommenden ahnten. Zrynyis Soldaten, namentlich Reiter, waren nämlich plötzlich aus Cakathurn nach Steiermark vorgedrungen und hatten sich, beobachtend und spionierend, nach allen Richtungen zerstreut. Wo sich ihnen niemand wider­setzte, dort waren sie freundlich mit dem Volke; wo sie aber auf Widerstand stießen, dort betrugen sich diese kroatischen Soldaten auch unter den Stammesbrüdern als Feinde. Bei Allerheiligen und in Klein-Sonntag setzten sich ihnen die Einheimischen zur Wehr und es entspann sich eine förmliche Schlacht Die Scharen Zrinyis streckten unbarmherzig die von deutschen Schloßherren geführten disziplinlosen Slovenen zu Boden, und Klein-Sonntag verlor damals viel Leute und Gut; unter dem unwissen­den und zu wenig informierten Volke aber verbreitete sich ein panischer Schrecken. Aber nicht nur das. Am 7. März drangen dieselben Reiter Zrinyis auch in den Cillier Kreis vor und brand­schatzten St Florian bei Schiltern und noch einige Orte, wo sie Widerstand fanden. Solche Hiobsposten gelangten auch nach Marburg. Als der Bürger Paumgartner sie vernahm, eilte er schnur­stracks zu Tattenbach. „Um Gotteswillen, das wird nicht gut enden!" sprach er zitternd vor Furcht, nachdem er früher alle Nach­richten, die in der Stadt gelangt waren, auseinanderge­setzt hatte. „Da ist nichts zu fürchten!" sprach Tattenbach ge­lassen. „Es muß alles so sein." „Aber daß die Kroaten in unser Land einfallen! Soll das Volk glauben, daß sie unsere Feinde sind? Und diese Brandscliatzungen und dieses Morden? Am Ende kom­men sie noch hierher und unterscheiden nicht mehr Freund und Feind voneinander?" sprach fast verzwei­felnd der Bürger. „Die Mehrzahl der Truppen kommt a^s Kroatien. Diese aber müssen früher unser Land kennen lernen. Nur deshalb erschienen diese Scharen. Die Zeit rückt vor, Sie aber haben nichts zu fürchten. Nur sehen Sie zu, daß Sie auch bereit sind und daß Sie mir das Ge­sindel in der Stadt im Zaume halten, daß es wenigstens nicht gegen uns wütet." „Wie aber, wenn Ihnen die Kaiserlichen zuvorkom­men? Das fürchte ich. Schon spricht man von großen Dingen viel, nirgends ist aber noch ewas zu sehen, daß Sie anfangen wollen. Sie sind nicht bereit, Herr Graf! Mir scheint so..." „Nichts soll Ihnen scheinen," sprach der Graf und zog einen Brief heraus, den er dem Bürger vorwies. Der Brief war von Frangepani lateinisch geschrie­ben. Darin war der ganze Plan verzeichnet, wie Tatten­bach vorgehen sollte. Den Verschwörern war am meisten daran gelegen, Graz als das Zentrum der Regierung des Landes in die Hand zu bekommen. Damals fiel das nicht gar so schwer. Wer die Bur g hatte und einige Soldaten hineinwarf, war Herr der ganzen Stadt und konnte sich aller Regie­rungsgeschäfte und öffentlicher Gebäude bemächtigen. Die Besatzung war damals, wie überall, auch in der Burg der Festung Graz klein an der Zahl. Doch war es Tattenbach nicht möglich, im Stillen und ohne Lärm so­viel Soldaten dorthin zu bringen, daß er die Festung mit Gewalt hätte nehmen können. Was aber mit Gewalt nicht ging, hätte mit List geschehen sollen. Hiefür entwarf Frangepani den folgenden Plan. - es - Unter dem Vorwande, als wollte er seine Schätze vor Dieben in seinem Hause „auf dem Lugeck" in Graz in Sicherheit bringen, sollte Tattenbach mehrere große gedeckte Wägen nach Graz abgehen lassen. In diese Wägen sollen kräftige Soldaten der Militärgrenze ver­steckt untergebracht werden. Beim „Eisentore" in Graz müßte ein Rad brechen, oder sonst ein Hindernis ein­treten, damit die Wägen stehen bleiben; aus diesen soll­ten nun die Kroaten herausspringen und im Vereine mit den Fuhrleuten und einigen in Graz schon bereit stehen­den Tattenbachschen verläßlichen Soldaten und Knechten die Wache am Stadttore niedermachen, in die Stadt ein­dringen, durch den geheimen unterirdischen Gang, der von der kaiserlichen Residenz in der Stadt nach der Burg führte, die Besatzung derselben unversehens überrumpeln und sich so der Burg bemächtigen. Ist dies erreicht, so ist alles gewonnen. „ Alles das enthielt Frangepanis Brief, der uns heute nur mehr seinem Inhalte nach bekannt ist, vom Original aber erhielten sich nur die Anfangsworte: „Care frater, significo Tibi, quod Turcae iam sunt in procinctu pro­gressus facturi." (Lieber Bruder! Ich gebe Dir bekannt, daß die Türken schon ringsum bereit stehen vorzudrin­gen.) — Merkwürdig ist, daß hier die Soldaten der Ver­schworenen „Turcae" (Türken) genannt werden; wahr­scheinlich infolge einer persönlichen Verabredung, oder aber deshalb, weil man damals noch bei uns alles Kriegs­volk aus dem Süden für „Türken" hielt. Den Bürger faßte Entsetzen. „Viel hab' ich Ihnen anvertraut, aber ich verlasse mich darauf, daß Sie darüber zu niemand, zu keinem einzigen Menschen ein Wort sprechen," sprach der Graf. „Ich habe nichts gehört, will nichts wissen... Gott behüte uns!" flüsterte Paumgartner. — 69 — Damit empfahl er sich. Bevor er aus dem Tattenbach­schen Hause trat, spähte er behutsam beim Haustore die Gasse auf und ab, ob ihn wohl kein persönlicher Feind sehe, daß er von Tattenbach komme. Dann.hüllte er sich in seinen Mantel, und mit dem festen Entschlüsse, von nun an vorsichtiger zu handeln, nichts zu fragen, von nichts zu reden, sondern zuzuwarten, wie sich die Dinge von selbst, ohne sein Zutun entwickeln werden, schritt er eilig seinem Hause zu. FÜNFZEHNTES KAPITEL. „Als er in das Zimmer trat, Schlief sie schon den Tode,sschtaf." Slov. Volkslied. Einige Tage vorher san man einen jungen Wanderer am Ziele seiner Reise in Windisch-Landsberg anlangen. Es war Balthasar Riebel. Wie sehr hat er sich in dieser Zeit verändert! Er sah um viele Jahre gealtert aus, die ganze Gestalt schien hagerer, die Wangen eingefallen, das ganze Aeußere ver­nachlässigt. Das kann uns natürlich nicht Wunder nehmen. In letzter Zeit hatte er viel Bitteres erfahren, und geistigund körperlich soviel ausgestanden, daß es auch äußer­lich zum Ausdrucke kommen mußte. Des Respektes wegen, welchen Tattenbach und Ru­dolfi vor Paul Achatz hatten, kam Rudolfi unverweilt zu Riebel in den Kerker und eröffnete ihm, wenn er frei werden wolle, so möge er beschwören, daß er: erstens Allen und jedem gegenüber unverbrüchliches Schweigen beobachten werde darüber, was er von Tat­tenbach wisse; zweitens, daß er allsogleich aus dem Johann Erasmus Tattenbach. 18 - 70 — Lande gehen werde. Für dieses letztere,bot er ihm eine beträchtliche Summe Geldes an. Wohl hat sich in der einsamen Haft ein glühender Haß gegen seinen bisherigen Herrn aller Sinne Riebeis bemächtigt. Schließlich hatte er nur noch den einen Wunsch, Rache zu üben an dem, der ihm mit frecher, roher Hand alle die schönen Bilder vom zukünftigen Glück zu Boden gerissen und kaltblütig zertreten hat. Aber wie sich rächen? Er, dem die Feindschaft gilt, ist hoch oben. Hundert und hundert Hände stehen ihm dienstbeflissen zur Verfügung. Er aber, Riebel, befindet sich ganz in der Gewalt des Tyrannen, eingekerkert und allein, ohne Waffen, ohne Hilfe, ohne Freunde. Er kannte auch sehr wohl seine Zeit und wußte, wie wenig man ein Menschenleben wert hält. Wie leicht kann man ihn in dem finsteren Kerker bis zum Tode schmachten lassen, oder aber bekommt der Kerkermeister einen geheimen Auftrag, ihn bei Seite zu schaffen. Solche Gedanken beugten mit der Zeit Riebeis ganzen Trotz, so daß — als Rudolfi mit seinem Antrag kam, ihn Riebel sofort an­nahm, gleichsam fürchtend, es könnte ihm dieses Ret­tungsseil wieder weggezogen werden. So schwur er die heiligsten Schwüre, die ihm Rudolfi nur vorsprach. Er wollte nach Deutschland auswandern. Aber allein? Und wohin? Das war die Frage. Dann wieder erhob sich aus dem Dunstkreis seiner Erinnerungen ein gar lieb­liches Bild, die Gestalt jenes Mädchens, an das ihn d e ersten und einzigen Herzensbande festgebunden hielten. Er konnte sich unmöglich auf den Weg machen, ohne sie noch einmal gesehen zu haben. Doch, wie zu ihr zu gelangen? Ueberhaupt wußte er nicht, was mit ihr gii­schehen ist. Auch hatte er keinen Menschen, mit dem er darüber reden könnte. Oft auch kam ihm der Gedanke, daß das Mädchen gar keine Schuld treffe, und der ganze Sachverhalt viel­leicht ganz anders stehe, als es ihm im ersten Sturme schien; vielleicht hat er voreilig gehandelt Mit einer ge­wissen Befriedigung klammerte er sich an diesen Ge­danken und immer mehr schien es ihm unmöglich, daß ihm das ehemals so aus ganzem Herzen ergebene Wesen hätte untreu werden können. Dann sagte ihm wieder sein Herz, daß er ihr vielleicht viel verzeihen könnte, ja alles, alles. Mit ihm soll sie ge­hen in die weite Welt, wo es ihm möglich werden wird, zu vergessen, was vorgegangen war; wo es keine ge­wissenlosen Verführer gibt; wo er ein neues Leben be­ginnen könnte. Stil! und verborgen lebte Riebel einige Zeit in Cilli, von Tag zu Tag die Erfüllung seines Schwures, aber auch die Reise nach Windisch-Landsberg aufschiebend. Endlich entschloß er sich für das Letztere und wir treffen ihn nun dort. Als er in den Schloßhof trat, sprang ihm der große Hund Gorniks entgegen; aber das Tier will nicht mehr den alten Hausfreund erkennen, sondern bellt ihn an und will ihm den Eintritt verwehren. „Was suchst Du hier?" sprach ihn auch Gornik, des­sen haare in den letzten Monaten sichtlich grau gewor­den waren, unfreundlich an. „Wo ist Marianne?" frug Riebel. Gornik verzog bitter den Mund, Vandte sich zum Gehen und sprach: „Gehe hin, woher Du gekommen bist; hier hast Du nichts mehr zu suchen! Besser wäre es ge­wesen, Du wärest nie unter jenes Dach gekommen, wo ich schlief." Sprach's und ging Riebeis Rufe wurden nicht mehr beachtet; mitten im Schloßhofe stand er allein da. Von verschiedenen Ecken - 72 ­ blickte ihn die Dienerschaft verdächtig an, oder man steckte wie etwas fürchtend die Köpfe zusammen. Aber so wollte er doch nicht fortgehen. So trat er denn ein, um selbst im Schlosse nachzusehen. In der Hausflur traf er die alte Magd Margareth. Die Alte, ihn erkennend, streckte ihre dürre Hand nach ihm aus. „Zu spät sind Sie gekommen, zu spät!" schrie sie und ein Strom von Tränen ergoß sich über ihr runzeliges Gesicht „Wo ist Marianne?" wiederholte Riebel seine Frage. In der Furcht, die den jungen Mann erfaßte, als er so alles verändert vorfand, war bei ihm alles Vergangene vergessen; lebhaft war in ihm nur das einzige Verlangen, das Mädchen wieder zu sehen. „O warum sind Sie nicht gekommen, Herr Balthasar!" jammerte die Alte. „Wie hat sie Sie beim Namen gerufen, immer, Tag und Nacht. Balhasar, hat sie gesagt, komm' zu mir, verzeihe mir, hat sie gesagt. Schön war sie, als ihr armes Köpfchen in der Fieberhitze glühte, rot wie eine Rose und weiß wie Milch; und zu Gott hat sie für Sie gebetet, so schön. Und wie der geistliche Herr ge­kommen ist, hat sie auch so schön gebetet; bei Gott ist ihr alles verziehen, gewiß ist sie jetzt ein Engel im Him­mel. O, — warum sind Sie nicht früher gekommen! Welche Freude hätten Sie ihr gemacht! Und auch gesund wäre sie geworden, so hat sie sich nach Ihnen gesehnt." „Also tot!" seufzte Riebel tief auf und war bleich w'e die Wand, an der er lehnte. Die redselige Alte referierte ihm weiter auf's genaueste, was Marianne noch gespro­chen, und wie gar niemand sie besuchen kam, sie (die alte Margareth) habe allein gelitten und gewacht bei ihr Tag und Nacht. Und wieder: „Was haben die Leute nicht alles ge­sprochen: daß Sie, Herr, im Kerker wären,... daß Sie nie mehr zu uns kommen werden. Sie hat das nicht ge­giaubt, ich auch* nicht, und habe ihr auch nicht alles er­zählen wollen, wovon die Leute redeten. Immer hat sie mich gefragt, ob Sie «schon gekommen sind. Und denken Sie sich, sie hat sich in ihrem kranken Kopfe eingebildet, Sie seien von ihr so beleidigt worden, daß Sie ihr nie verzeihen können. Der Herr Balthasar ist ein guter Mensch, so habe ich ihr immer vorgeredet; er hat Dich gerne, hab' ich ihr gesagt, und im Frühjahr kommt er ganz gewiß wieder, habe ich gesagt, und schau! Wirklich sind Sie gekommen; aber Marianne hat das nicht mehr erlebt, die Arme." „Wann war der Graf hier?" fragte Riebel. „O, der Herr war seit jenem Tage nicht mehr hier, da er Sie so garstig behandelt hat. Marianne ist gleich damals erkrankt; dann ist sie wieder genesen, aber froh war sie niemals mehr; und dann ist sie wieder erkrankt. Der Graf, ja! sie wollte nichts mehr hören von ihm. Mir war es angst und bange, auch nur seinen Namen auszu­sprechen, weil die Arme zu zittern begann, wenn sie von ihm das Geringste hörte. Ich habe es schon früher so ge­meint, daß das nicht gut enden wird, als er nämlich mit ihr schön zu tun angefangen hat. Und wirklich ist's so gekommen! Gott behüte, ich will dem Herrn Grafen nichts Böses nachsagen, aber wahr ist's, Unglück ist bei uns mit ihm eingekehrt. O wären wir doch im Wein­garthaus zu Wisowle geblieben, und nicht her ins Schloß gegangen! Wie war's dort oben schön, so lange, bis da­mals der Graf gekommen ist." r „Verflucht sei er!" sprach Riebel halblaut, starr zu Boden blickend. In diesem Augenblicke trat der Verwalter Gornik über die Schwelle. Als er Riebel und die alte Magd er­olickte, blieb er stehen, als wollte er überlegen, soll er vorwärts gehen, oder zurück und ausweichen. Johann Erasmus Tattenbach. «" 19 Riebel trat auf ihn zu und sprach: ,Kornm her, Alter, zum letzten Male ist's, daß ich Dich belästige. Du hast nicht den Mut gehabt, einem Mensehen, der Dich um Deine errrliche Tochter betrogen hat, das Messer ins Herz zu stoßen. Sieh' jetzt mich an; was ihr Vater nicht getan hat, das wird dennoch getan werden." Im fahlen Gesicht des greisen Verwalters spielte ein unheimliches Lächeln. Wohl hörte Gornik eine solche Botschaft gerne, aber man merkte es ihm an, daß er auch den Sprecher verachte. „Bringe Wein!" sagte er zur Margareth. Als diese fortging, setzte er sich zum Tische, der dort im Vorhause stand, und wies Riebel neben sich einen Platz an. Riebel setzte sich dann ebenfalls und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. Als der Wein auf dem Tische stand und die alte Magd sich wieder entfernt hatte, begann Gornik: „Das Messer? Ja, ich hätte eines für ihn und für Dich! Wozu kamst Du zu mir? Wann habe ich Dich gerufen? Die Herrschaften haben mir Brot gegeben, Du, Dein Herr und andere. Aber mit Wermut habet ihr es mir ge­schmalzen, mit Unglück gesalzen!" Schweigend saßen dann lange beide Männer da. Gornik, ein in Hörigkeit ergrauter Mann, ungewohnt, sein Inneres aufzudecken, — gewohnt, nur zu schweigen und zu gehorchen, auch dann, wenn ihm Unrecht geschah, hatte in wenigen Worten mehr denn je in seinem Leben ausgesprochen. Als ihm vor Jahren sein Weib starb, klagte er nicht; als er jetzt auch die Tochter verloren, das einzige Wesen, zu dem er so viel ein Herz hatte, als es eben ein Mensch seines Naturells haben konnte, — auch jetzt arbeitete er fort und diente weiter seinem Herrn, einer toten Maschine gleich. Riebel hinwieder hätte sonst wohl jedesmal prote­stiert, wenn ihn der Alte für sein Unglück hätte ver­ — 75 — antwortlich machen wollen, jetzt hat er den Vorwurf nicht einmal gehört; so sehr war er in seine Gedanken vertieft Vor allem erlangte in ihm ein Gedanke die Ober­hand: Rache! Beim Weine hatte er sie dann Gornik näher aus­einandergesetzt. Dieser sprach ihm weder zu, noch ab. Er machte ein Gesicht, als wollte er zeigen, daß ihm nichts daran liege, ob die Welt noch weiter besteht, oder ob sie gleich zu Grunde geht Sechzehntes Kapitel. „Daß die Sonn' ihn nie beschiene! — Er verriet den ehrenwerten Fürsten, Den Gebieter dir und mir'' Serb. Volkslied. Am 9. März 1670 spät abends schritt in einen Mante gehüllt einsam ein Mann durch die Herrengasse in M a r bür g und bog am Hauptplatze rechts gegen das Rat­ haus ein. Je näher er demselben kam, desto langsamer würdet seine Schritte. Unweit seines Zieles blieb er stehen unt helles Mondlicht beschien sein Angesicht. Unsere Lesei erkennen in ihm allsogleich Balthasar Riebel. Er war bleich und verwirrt. Als er nachsah, ob in der Wohnung des Stadtschreibers Jako b Köde r Licht sei und er die Fenster noch beleuchtet erblickte, erbebte er und wandte sich ab. So mag Judas Ischariot bei seinen letzten Schritten überlegt haben, als er ging, um seinen Herrn den Fein­ den auszuriefen; eines Besseren besann er sich dennoch nicht. Riebel schüttelte das Haupt und als wollte er den Ru. eines besseren Gewissens von sich abwehren, legte ei — 7« -. einen. Teil seines Mantels mit der Hand zurück, dann schritt er dem Eingange des Marburger Stadthauses zu. Ein Stadtschreiber war damals keineswegs ein so armer, dienender Schlucker, als es solche heutzutage gibt In jener Zeit war der Stadtschreiber eigentlich die erste Person in der Stadt Denn obwohl andere ihrem Range im Stadtrate nach höher standen, vereinigte der gelehrte Stadtschreiber doch alle wichtigen Angelegen­heiten in seiner Hand, zumal wo es zu schreiben gab, — eine in jener Zeit seltene Kunst. Ein solch allmächtiger Stadtschreiber war in Mar­burg Jakob Roder. Er hatte an diesem Tage wieder so viel zu tun, daß er nicht einmal hatte zur rechten Zeit essen können. Deshalb saß er eben beim Nachtmahl. Roder war ein beleibter Herr und saß recht breit und bequem. Man sah es ihm an, daß die Befriedigung seines Magens eine seiner Lieblingsbeschäftigungen war. Eben hatte er sich nach dem letzten Bissen ein Qlas Wein eingeschenkt und es behaglich ausgetrunken, als sein Diener ins Zimmer trat und meldete, daß draußen ein Herr warte, der mit dem Herrn Stadtschreiber all­sogleich zu sprechen wünsche. „Mag er morgen bei Tag kommen 1" fuhr Roder den Diener an. Dieser entfernte sich, erschien aber bald'wie­der mit der Meldung, der Fremde lasse sich nicht ab­weisen, und er müsse auf jeden Fall noch heute mit dem Herrn sprechen; er hätte etwas Wichtiges zu berichten, wofür es morgen vielleicht schon zu spät wäre. „Was denn noch! Vielleicht ist er ein Dieb oder Mör­der, schaffe ihn fort," befahl Roder. , „Er sieht nicht einem Diebe gleich. Ein junger Herr, schön angezogen." „So führe ihn herein; bleibe aber dann hier im Zim­mer, denn man kann nicht wissen, wer er ist und was er will.'* — 77 — Kurz darauf führte der Diener den Balthasar Riebel ins Zimmer ein. „Herr Riebel!" staunte Jakob Köder, sich vom Tische erhebend, und zog sein dickes Gesicht und seine Stirne so in Falten, daß man es deutlich merkte, mit dem un­verhofften Besucher stehe er keineswegs in besonders freundschaftlichen Beziehungen. „Was wollen Sie von mir?" „Ich habe über eine wichtige Sache mit Ihnen zu sprechen," sagte Riebel und nahm unaufgefordert Platz. Köder rückte etwas abseits; Riebeis stechender Blick gefiel ihm nicht. Aber der Diener stand ja da im Zimmer; es war nichts zu fürchten. „Nun, machen Sie bald," drängte Köder. „Nacht ist's und Zeit, sich zur Ruhe zu begeben." „Sind Sie Freund des Landesprofoßen Franz Wilsky?" begann Riebel fragend. „Freund? Wie könnte ich mich solcher hohen Herren Freund nennen?" antwortete verlegen Köder. „Aber bekannt sind Sie gewiß mit ihm. Er ist Scharf­richter und Sie arbeiten in der nämlichen Sache. Wollen Sie, daß ich Euch ein so edles Haupt unters Beil liefere, daß Euere Herzen wonnetrunken jubeln werden?" Nach diesen Worten brach Riebel in wildes Lachen aus. Köder rückte noch weiter weg von ihm. ..Ich sehe, Sie fürchten mich sogar," höhnte Riebel ..Dumm sind Sie; dankbar sollet Ihr mir sein, daß ich Euch solche Dienste leiste. Sehen Sie! (dabei zog er ein» Schriftenrolle aus der Tasche und entrollte eine Urkun­de.) Kennen Sie diese Unterschriften und Namen?" Jakob Köder bückte in die große Urkunde, die ihm Riebel vorhielt und las: „Tatteribach... Zrinyi... Frangepani..." Riebel zog die Urkunde zurück und sprach: itniwn« Prasmu* Tattenbach, 20 - 78 ­ „Wissen Sie, daß das Verräter an Kaiser und Reich sind?" Jakob Köder konnte vor Erstaunen kein Wort spre­chen, den Mund aufsperrend griff er unwillkürlich nach der Urkunde. „Nicht so eilig. Sagen Sie mir vorerst, was werden Sie damit machen, wenn ich es Ihnen gebe? Versprechen Sie mir, daß Sie diese Urkunde ohne Verzug an den Landesprofoß Georg Franz Wilsky senden? Versprechen Sie mir, daß Sie alles aufbieten werden, um den Grafen Tattenbach mit diesen Belegen seines Hochverrates, die ich Ihnen hier ausliefere, zu vernichten?" „Ich verspreche, geben Sie her!" sagte Köder. „Tattenbach muß zuerst an die Reihe. Ihn will ich *ie einen Wurm in den Staub treten, so, ja noch mehr, wie er es mir und meinem Glück getan hat. Rache hat mich zu Ihnen geführt und zum Verräter gemacht." „Was steht in dem Schreiben?" frug Jakob Köder. „Das ist das Original der „Liga" oder des Vertrages, welchen Tattenbach mit den kroatischen Verschworenen bei Locatelli auf dessen Schlosse Lepsina abgeschlossen hat, worin er ihnen seine Hilfe beim Aufstande gegen den Kaiser verspricht. Die Urkunde ist von mir geschrie­ben. Tattenbach meint, daß er das Original in Händen hat, aber das Original ist hier; er hat nur eine Abschrift und von meiner Feder nachgemachte Unterschriften. Dieses Dokument habe ich mir angeeignet, damit es mir Glück bringe, das heißt, um seinerzeit den Grafen in meine Gewalt zu bekommen. Jetzt brauche ich kein Glück mehr, es ist tot für mich; dafür aber soll das Dokument jetzt Rache und Tod bringen. Nehmen Sie es hin'-Schicken Sie es sofort ab. damit es nicht zu spät wird. Schon sind sie fast schlagfertig. Er aber muß vernichtet werdenl" Darauf entfernte sich Riebel. Jakob Köder schloß hinter ihm die Türe zu. Das hochwichtige Dokument emporhaltend, zitterten dem Stadtschreiber die Hände vor Aufregung und Freude, daß ihm derartig unverhofft Gelegenheit geboten werde, sich bei den höchsten Herren einzustellen. „Aber Riebel hat selbst einbekannt, daß er diesen hochverräterischen Vertrag geschrieben hat. Er ist also Mitschuldiger. Es ist aber leicht möglich, daß er seihen Verrat früher bereut, als dieses Dokument an seine Adresse gelangt." Dieser Gedanke fuhr Jakob Köder mit Blitzesschnelle durch den Kopf. („Also Riebel festhalten, — damit er nicht wieder die Verschwörer warne!") Erkenntlichkeit kannte Köder nicht, und weil er schon seinem Charakter nach alle Leute haßte, die er denunzieren oder verraten konnte, rief er seinen Diener und trug ihm auf: „Eile, hole die Wache, aber im Stillen, — ich werda Euch gut belohnen, wenn Ihr mir den Herrn, der eben jetzt von mir gegangen ist, wieder einfangt und ein­sperrt " Der Diener ging, den Auftrag auszuführen; der Stadt­schreiber aber vertiefte sich in die Lesung des wertvollen Dokumentes, und als wollte er seinen Augen nicht trauen, ob er es wirklich in den Händen habe oder ob er nur träume, fing er mit dem Lesen immer wieder von neuem an. Siebzehntes Kapitel. Der 21. März fiel auf einen Freitag. Freitag aber isv im Volksglauben der Tag des Unheils. Ueber der Hauptstadt der grünen Steiermark, D e u t s ch - G r a z, hing ein trüber, langweiliger Mor­gen. In den Gassen der Stadt lag gefrorener Schnee, ob­ - 80 ­ wohl der Frjjhling schon nahe war. Noch um zehn Uhr vormittags waren wenig Leute in den Straßen zu sehen. Grund dessen war vielleicht ein dunkles Gerede, welches von Mund zu Mund ging. Soldaten, besonders berittene Dragoner bekam man da und dort viele zu Gesichte. Tattenbach befand sich in Graz. Heute vormittags wurden die Adeligen vom Lande zu einer beratenden Versammlung einberufen. Unter den Geladenen befand sich auch er. In seinem Hause am Lugec k hatte er sich eben seinem Range und seinem Reichtum gemäß umgekleidet, um im Kreise seiner Standesgenossen glänzend seinen Platz auszufüllen. Kapitän Kaldi kam zu ihm. „Was gibt's Neues?" frug ihn ruhig Tattenbach. „Ich ahne nichts gutes. Es ist nicht unmöglich daß wir verraten sind. Ich war vor der Residenz. Dort sind die meisten Herren bereits versammelt und reden • i;ll mit einander. Meine Seele ist beklommen und ich hübe immei» richtig geahnt. Ich würde Ihnen raten, sich im Stillen aus diesem Neste sofort auf Ihre Besitzungen zu­rückzuziehen." •Tattenbach lächelte. „Wer wird es wagen, uns etwas anuiiun, oder auch nur zu sagen?" frug er stolz. „Ihnen aber als Krieger steht diese Furcht schlecht an." , Ais Soldat kenne ich keine Furcht, wenn ich den Feind vor mir habe, vor dein ich mich leicht verteidige. Aotfers beschaffen ist der Feind im Finster«, hinter dem Rücken, wo ich ihn nicht'sehe. Und Ich furcht, Sic lia'o.n sokl-R Feinde." „Was kann geschehen?" „Ha! Unsere Köpfe sind der Schlinge ganz nahe, Herr Graf! Der Kaiser hat noch genug solcher Leute, die sich bei ihm damit einzustellen hoffen, daß sie ihm einen ihrer Standesgenossen denunzieren," *>prach Kaldi, — 81 fattenbacli schüttelte das Haupt, als wollte er von dem für einen Moment erbleichten Gesichte und aus dem Kopfe jedwede Furcht verjagen, ging zweimal im Zim­mer eilig auf und ab und fragte: „Meinst Du, daß sich jemand unterstehen wird, Hand anzulegen auf den Grafen Tattenbach, Fürsten zu Raven­stein, kaiserlichen Geheimrat?" „Hier in Graz ist alles möglich!" antwortete Kaldi. „Du kennst unsere Leute nicht," antwortete der Graf. „Wenn sie auch etwas wittern, Beweise haben sie keine, können keine haben. Ehe sie sich aber dazu entschließen, daß sfe* gegen meine Person das Geringste unternehmen, werde auch ich etwas erfahren, so viel Freunde habe ich doch noch. Dann erst wird auf den Rückzug zu den­ken notwendig sein. — Aber jetzt ist es an der Zeit, daß ich gehe. Begleiten Sie mich? — Doch nein! Bleiben Sie hier, ich gehe allein. Auf baldiges Wiedersehen!" Dann ging er allein. Als er vor die kaiserliche Burg kam, fand er viele Bekannte in Gruppen herumstehen und sich still unter­ reden. Ringsum stand auch viel Militär. Es fiel ihm einigermaßen auf, daß aller Augen sich auf ihn richteten. Dann trat er zu einer Gruppe, wo mehrere seiner Bekannten standen: Graf Breuner, Graf Stubenberg, Baron Jehlingen u. a. Auf die Frage, was es neues gäbe, gab ihm keiner eine rechte Antwort. Es begann ihm unsäglich bange zu werden. Könnte er umkehren, er würde es sofort tun. Aber dann würde der Verdacht nur noch mehr erwachen. Es ging also nicht. Er mußte vorwärts, es komme was da wolle. Dalj! ihm nichts Böses geschehen könne, das hoffte er noch immer. . Dann sprach er Kellersperg an. Dieser ließ sich mit ihm in ein leichtes alltägliches Gespräch über alles und Johann Erasmus Tattenbach. 2 i — 82 — nichts ein, wie es eben der Brauch ist. Aber auch an ihm bemerkte Tattenbach ein ungewöhnlich kühles Betragen. „Was habt Ihr denn heute alle?" trug ihn Tattenbach mit schon merklich bebender Stimme. Ehe Kellersperg zu antworten brauchte, trat an die beiden Baron Losenstein heran, jener, der schon einmal, bei der bekannten Gasterei in Pulsgau, Tattenbachs Miß­trauen erweckte. Ein merkwürdig freundliches Lächeln umspielte heute die Lippen Losensteins, als er Tatten­bach begrüßte und ihm meldete: „Graf Tattenbach, Freunde erwarten Sie schon vor dem Beratungszimmer. Wollen Sie nicht eintreten?" „Gehen Sie mit uns?" fragte Tattenbach den Kel­lersperg. „Nicht mit Ihnen!" antwortete dieser ernst. Als Tattenbach in die Vorhalle trat, bot sich seinen Augen ein entsetzenerregender Anblick dar. Ringsum an den Wänden Bewaffnete; vorne standen: der Stadt­richter von Graz, sein ärgster Feind, Graf Franz Adam Dietrichstein, — der Landesprofoß Georg Franz Wilsky (oder wie er sich auch auf deutsch schrieb: von der Will), Oberstleutnant der Dragoner Johann Thomas Saier und andere. Aller Augen waren durchbohrend auf Tattenbach gerichtet, und ehe er sich sammeln konnte, wurde die Türe hinter ihm geschlossen, Bewaffnete um­standen ihn im Rücken und auf beiden Fronten. Oberstleutnant Saier und der Stadtrichter von Graz traten auf Tattenbach zu, Saier erhob die Hand und sprach mit lauter und feierlicher Stimme: „Herr Johann Erasmus, Graf Tattenbach und Raven­stein, im Namen des Kaisers verhafte ich Sie wegen Hochverrates. Uebergeben Sie mir Ihr Schwert!" ©er stolze, große Mann konnte kein Wort hervor­bringen, als er sah, daß er verloren war. Sein Mut, den er in letzter Zeit überall zeigte, verließ ihn in dem Mo­ mente vollends. Er ziterte am ganzen Körper und griff mechanisch nach seinem Schwerte; aber nicht um sich zur Wehre zu setzen, denn er war hier allein vielen ge­genüber, und jeder Widerstand wäre Wahnsinn ge­wesen. Er wollte nur sein Schwert losschnallen, um der Aufforderung zur Ablieferung desselben als Getan-* gener zu entsprechen; doch seine Hand zitterte so, daß eine geraume Zeit verging, ehe er die Waffe losgürtete. Saier nahm Tattenbachs Schwert in Empfang und gab den Soldaten einen Wink. Zwei Unteroffiziere des Jacques-Qerhard'schen Dra­gonerregimentes traten vor, faßten Tattenbach unter den Achseln, und mit Saier an der Spitze geleiteten, Bewaff­nete den Grafen durch den geheimen Gang hinauf auf die Festung. Dort übergaben sie ihn dem Wachtmeister Georg Wambrecht, der ihn in ein separates, gut verschlossenes Zimmer einsperrte. Die Wachposten auf der Festung wurden verstärkt. Das Gerücht davon, was eben ge­schah, verbreitete sich schnell in der ganzen Stadt; ein sehr ausführliches, aufgebauschtes und verdrehtes Er­zählen von einer fürchterlichen Verschwörung, die jetzt vereitelt worden ist, ging von Haus zu Haus, von Mund zu Mund. Achtzehntes Kapitel. Die Urkunde, welche Riebel dem Marburger Stadt­schreiber Köder ausgeliefert hat, hatte dieser sofort an den Landesprofoß Wilsky nach Graz abgesendet, und dieser nach Wien dem Fürsten Lobkowic, Minister des Kaisers Leopold. In Wien war man über die Verschwö­rung schon aus Kroatien und Ungarn ziemlich gut infor­miert; in Sonderheit hatte den Tattenbach auch schon Baron Losenstein denunziert. Ebenso hatte der Bann­richter von Cilli Paul Achatz kurz nach der Entlassung Riebeis aus dem Kerker einen ausführlichen, wenngleich nicht direkt belastenden Bericht über die Pläne Tatten­bachs nach Graz an den Obergerichts-Präsidenten Grafen Breuner abgesendet. Als man jetzt vollgültige Beweise in die Hände bekam, säumte man nicht länger, sondern unverzüglich ging der Befehl an Saier nach Graz ab: mit aller Vorsicht, aber mit größter Entschie­denheit gegen Tattenbach vorzugehen. Wie der Befehl ausgeführt wurde, haben wir im letzten Kapitel berichtet. Oberstleutnant Saier handelte ebenso schnell und entschieden auch nach der Verhaftung Tattenbachs. Schon fftiher hatte er nach Untersteier, Marburg, Win­disch-Feistritz und Cilly Soldatentrupps abgehen lassen, die auf weitere Befehle warten sollten. In Marburg fin­den wir kaiserliche Dragoner, als noch Tattenbach dort weilte. Aber alle diese Vorbereitungen Saiers geschahen so im Stillen, daß der allzu sorglose Tattenbach keine Gefahr witterte. Auch war er in letzter Zeit in sein gutes Glück so blindlings vertrauend, daß eine Warnung in diesem Sinne erfolglos gewesen wäre. Gleich nach der Einkerkerung des Grafen Tattenbach konnte sich daher Oberstleutnant Saier dessen Burgen und des Besitzes bemächtigen und die Tattenbach'schen Besatzungen entwaffnen. Als nämlich die Zeit schon nahe war, daß der Aufstand im Unterlande ausbrechen sollte, hatten die Tattenbach'schen Verwalter eine beträchtliche Anzahl Bauern versammelt und sie auch bewaffnet. Sol­che Truppen standen im Schlosse Gonobiz. Stattenberg, Windisch-Landsberg, Kranichsfeld und an anderen Orten in Bereitschaft. Besonders in Gonobiz hatte Simon Stu-pan auf Befehl Tattenbachs ihrer eine bedeutende Anzahl aufgebracht. Hieher befahl Tattenbach auch seine Schätze von Kranichsfeld in Verwahrung zu bringen, weil ihm die eben genannte Burg, als im Felde ganz freistehend - 85 — und (damals) nur durch Sümpfe ringsum geschützt, zu wenig Sicherheit zu bieten schien. Am 21. März wurde er in Graz verhaftet, am 22. März langten, wie es die Proto­kolle feststellen, drei mit Schätzen schwer beladene Wä­gen in Gonobiz an. Aber schon drei Tage darauf, am 25. März, kamen nach Gonobiz und gleich darauf auch auf andere Burgen Tattenbachs die Dragoner Saiers mit kaiserlichen Kom­missären an der Spitze, die alle Schätze und alles Ver­mögen beschlagnahmten und versiegelten. Angst über­kam Simon Stupan bei der Nachricht, daß sein Herr ver­haftet sei. Wiewohl er auf der Festung die dreifache An­zahl Bewaffneter hatte, als aus Marburg und Windisch-Feistritz kaiserliche Dragoner kamen, — leistete er kei­nen Widerstand, sondern übergab sofort den beiden Kommissären die Schlüssel, ließ seine Leute entwaff­nen und schickte sie nach Hause. Bemerkt sei, daß zu kaiserlichen Kommissären Kaspar Kellersperg und Graf Adam Dietrichstein bestellt waren. Um seine Kaisertreue und seine Schuldlosigkeit in der Verschwörung zu be­weisen, berief sich Stupan auf Herrn Paul Achatz, doch | dieser mußte übel für ihn gebürgt haben, denn man nahm auch Stupan fest und führte ihn nach Graz zum Verhör bei dem großen Prozeß, der Tattenbach gemacht wer­den sollte. Das gleiche Schicksal ereilte den Verwalter von Stattenberg, einen gewissen Christof Jamnik, ferner den alten Jörg Gornik, endlich Agustin Schmidt, den Ver­walter von Kranichsfeld. Als Tattenbachs Freunde von seiner Verhaftung hörten, beeilten sie sich, jede Spur eines Einverständnis­ses und der Freundschaft mit ihm zu verwischen; gehor­samst kriechend heuchelten sie ihre kaisertreuef Gesin­nung. Andere verließen das Land. Unter diesen befand '•Johann Erasmus Tattenbach," ' 22 *yV — 86 — sich auch Tatteribachs Brudersohn Otto Tattenbach, der (man weiß nicht wohin) entfloh. Rudolfi ging nach Caka­thurn. Die Dritten endlich, und unter diesen die wichtig­sten, wie Karl Thum, Landeshauptmann von Görz (seine Nachkommen leben als einfache Bürgerliche noch), wa­ren Männer genug, auch im äußersten Elend Tattenbach nicht zu verlassen, teilten aber mit ihm auch sein Schick­sal, den Kerker. Graf Thum war ganze achtzehn Jahre auf der Festung in Graz eingekerkert, nämlich bis zu seinem Tode im Jahre 1689. Tattenbach war kaum sechs Tage auf der Festung, als schon die Gerichtskommission für ihn bestellt wurde. Unter den Richtern fand er seine größten Feinde, und das mußte ihm jede Hoffnung benehmen, glücklich aus dem Kerker zu kommen, oder sein Leben zu retten. Der Ge­richtshof, der nur für diesen Fall zusammentrat und ge­heime Sitzungen abhielt, weshalb er auch „der geheime Rat" hieß, bestand aus folgenden Männern: Vorsitzen­der Graf Breuner, Graf Georg Sigismund Herberstein, Kanzler Baron Jehlingen, die Grafen Stubenberg, Stürgkh, Dietrichstein, Auersperg, die Barone Tirndl. Jabornegg, Argento, Hirschfeld, Markowich, Kalanzi, Prentek und Kellersperg. Als Staatsanwalt im Hochverratsprozesse, Tattenbach fungierte der Kammer-Prokurator Doktor Megerle, ein gefährlicher Gegner, weil einer der beredte­sten Juristen seiner Zeit. Tattenbachs Verteidiger waren drei Advokaten, die Doktoren Johann Pfeiffer, Matthias Patrizius und Julius Tenzius. Die Untersuchung und das gerichtliche Verhör be­gann mit aller Pünktlichkeit. Tattenbach bekam auch wieder Mut, und das Vertrauen auf sein Glück war in ihm neu erwacht — 87 — Neunzehntes Kapitel. Gleich nach Tattenbach ereilte ein gleiches Schick­sal seine ungarischen und kroatischen Bundesgenossen. Besonders in Kroatien war alles vorbereitet, die Fackel des Aufstandes zu erheben und mächtig auflodern zu lassen, wäre der Verrat nicht zu früh erfolgt, und wären die Verschworenen selbst unter sich verläßlicher und vorsichtiger gewesen. Zrinyis Werbetrommel in Kroatien schritt munter fort Er hate schon an 8000 Mann beisammen. Die Kal­kulation war auch durchaus richtig: sobald ihm nur eine angemessene Anzahl geschulter Truppen zur Verfügung ständen, würde sich ganz Kroatien mit ihm erheben, und wie bei einem Brande wird sich dann die Flamme der Empörung gegen Norden hin ausbreiten und alles ist ge­wonnen. Frangepani war im Küstenland und in Agram tätig. Nach Agram warf er 200 seiner Reiter und hatte so die Hauptstadt Kroatiens in seiner Gewalt. Am selben Tage, 21. März, als Tattenbach in Deutsch-Graz verhaftet wurde, bekam Frangepani von Zrinyi einen Brief, worin er ihn schon auf die kaiserlichen Re­gimenter Acht zu haben auffordert, sonst aber möge er sich beeilen, denn wenn das Unternehmen mißlingen sollte, werde seine (Frangepanis) und anderer Verbün­deten Saumseligkeit schuld sein. Besonders schärfte Zrinyi in diesem Briefe dem Fran­gepani noch ein, die Briefe, welche Vukovaöki aus Kon­stantinopel schreibe, wohl zu verwahren, denn gerade diese Briefe könnten ihn das Leben kosten. Das liefert uns den Beweis, daß Vukövacki bis zum letzten Augen­blicke mit aller Entschiedenheit gearbeitet und andere zur Entschlossenheit aufgemuntert hat Nach der Gefangennahme Hattenbachs, und auch schon einige Tage vorher, wurden an den Kaiser aus Graz über die kroatische Bewegung genaue Berichte abgesandt. Uebrigens war der kaiserliche Minister Lob ­ kowic auch aus Karlstadt und Agram verläßlich infor­ miert. Ebenso beeilten sich die Ritter von Turopolje (ein ganzes geadeltes Dorf bei Agram) den Kaiser ihrer Treue zu versichern. Der Bischof von Agram, Martin Boronic, ging ebenfalls selbst nach Wien. Die kaiserliche Regierung, für Zrinyi so allzufrüh informiert, konnte sofort energisch zu Werke gehen. Sie bat auch mehrere Reichsfiirsten um Hilfe und erhielt sie. Durch die ungarische Hofkanzlei ließ sie den Kroaten melden, daß fürderhin Zrinyi nicht mehr ihr Banus sei, und daß ihm „in juridicis" der Bischof von Agram, „in militaribus" Graf Nikolaus Erdödy nachzufolgen habe. An Feldoberstwachtmeister Baron Spankau erging der kaiserliche Befehl, sich unverzüglich nach Graz zu begeben, dort an die Spitze der Regimenter, die inzwi­schen zusammengezogen würden, zu treten; dieses Heer nach Möglichkeit noch zu vermehren und Zrinyi zu über­fallen, bevor dieser sein Heer organisiert hätte. So geschah es auch, und zwar infolge Ueberlistung. Es kam nämlich die Kunde, daß die Regierung auf den Rat des Bischofs von Agram viel gebe und mit Zrinyi zu unterhandeln bereit sei. Infolgedessen hatte Zrinyi im letzten Momente, als er • sah, daß Tattenbach gefangen sitze, er allein aber nicht viel Hoffnung auf Erfolg habe, einen gewissen P. Forestall mit seinem Sohne nach Wien geschickt. Diesem Pater gab Zrinyi die Vollmacht mit. in seinem Namen mit dem Kaiser einen Friedensvertrag abzuschließen. Die Bedingungen, unter welchen Zrinyi sich zu ergeben bereit fand, waren unter anderem: Ein ­heimische sollen in Kroatien ohne Parteilichkeit Generäle, Oberste und Kapitäne werden können; dejrfTSfä&lü 5 mW»» =1 K y1 *t* * , — 89 — Zrinyi möge auf immer das Qeneralat Warasdin, die Grafschaften Pisino und Gottschee, Fiume und Tersat verliehen werden; allgemeine Amnestie; der Kaiser zahlt 40.000 Gulden von den Schulden Zrinyis; in Kapronz muß ein Kraine r Unterkapitän sein, ein Mann, zu dem er Vertrauen haben könnte; wenn möglich, beginne all­sogleich der Offensivkrieg; er (Zrinyi) fordere nicht den Oberbefehl für sich, verlange aber einen Feldherrn, der nicht ein Feind der kroatischen Nation i s t. Gewiß machen diese Bedingungen Zrinyi alle Ehre, sind aber auch ein Beweis, daß der Mann, der sie dem Kaiser zu unterbreiten wagte, noch einen ungebeugten Mut besaß, als Tattenbach — schon gefangen saß. Aber eben um diese Zeit, als die kaiserlichen Räte mit dem Bevollmächtigten Zrinyis sich besprachen und unterhandelten, wurden im Geheimen die Rüstungen gegen Zrinyi beschleunigt. So haben die hohen Herren den Mönch, den Freund Zrinyis, ganze Tage genasführt, daß er nicht inne wer­den konnte, wie er daran war; ja, sogar das wollten sie ihm weißmachen, daß Tattenbach bloß wegen eines Exzesses, den er in Trunkenheit beging, eingesperrt war. So manövrierte man die ganze Zeit, welche General Spankau zur Organisation seines Heeres bedurfte und bis auch Herberstein aus Karlstadt gegen Frangepani marschbereit war. Auf diese Art zogen sich die Verhandlungen bis zum 15. April hin. Zrinyi glaubte, der Pater mußte ihm dies auch gemeldet haben, daß seine Bedingungen angenom­men worden sind. Am 15. April entließ man endlich den Pater in Wien mit dem Auftrage, Zrinyi solle die Festun­gen Cakathurn, Belgrad, Buccari, Kostariba und Buka­viza ausliefern. Damit war Zrinyis Schicksal besiegelt. Inzwischen hatte Spankau den Zrinyi und Frange­pani in Cakathurn unversehens angegriffen. Weil Zrinyi - 90 ­ hier nur 2000 Bewaffnete hatte, Spankau aber 6000 Mann gut bewaffneter und geschulter Truppen mit sich führte erschien der Kampf gleich anfangs als ein sehr unglei­ cher. Die Festung Cakathiirn war auf die Verteidigung gegen eine solche Uebermacht gar nicht vorbereitet, zu mal man sie wegen Proviantmangels für 2000 Mann nich lange halten konnte. Zrinyi hoffte täglich, es werde balQ der Friedensvertrag mit dem Kaiser einlangen, wie e..' ihm P. Forestall berichtet und versprochen hatte. Abel aus Wien kam nichts, Spankau drang immer weiter vor, Cakathurn konnte sich nur noch einige Tage halten. Zrinyi und Frangepani mußte nun schon alles daran ge-? legen sein, daß sie der Befehlshaber, des kaiserlichen Heeres nicht als Gefangene in seine Gewalt bekomme Selbst wollten sie sich auf den kaiserlichen Hof begeben. Zrinyi war noch immer Banus von Kroatien, denn vom Kaiser selbst war noch kein Absetzungsdekret einge­langt. Am Hofe war es wieder nicht leicht möglich, ihn zu verhaften, wegen des alten Hof-Zeremoniells. Tat­sächlich hat die Hofkonferenz schon in ihrer Sitzung vom J9. April sich dahin ausgesprochen, daß es ein „Skandal" wäre, wenn Zrinyi frei bei Hof erschiene; deshalb möge ihn Spankau auf jeden Fall gefangen nehmen. Jetzt war guter Rat teuer, wie entkommen ? Hier war es wieder die Gräfin Katharina Zrinyi, die dachte und handelte. Ihr Plan war allsogleich entworfen, ihrem Manne und ihrem Bruder die Flucht aus Cakathurn zu ermöglichen, selbst aber wollte sie die Festung ver­teidigen, solange als es nur möglich wäre. Im Plan der Gräfin lag ein Angriff in finsterer Nacht auf Spankau's Belagerungsarmee, die südwärts an der Diauseite kampierte. Es war nicht zu zweifeln, daß Spankau, der Zrinyis Streitmacht ja nicht kennen konnte, sich mit gesamten Kräften dem nächtlichen Ausfall ent­ - 91 — gegenstellen wird. Inzwischen können Zrinyi und Frange­pani entfliehen. Die Ausführung gelang Ende April. Die Nacht war bewölkt und kühl. Bis zum Himmel erhob sich an der Drauseite der Kriegslärm, Bauernhäuser loderten am Felde auf. In der Festung aber stand Zrinyi mit Frange­pani und etlichen 25 auserlesenen Kriegern als Begleitern — fluchtbereit. Seine Heldengestalt schien wie gebre­chen, auch Frangepani tat diesen Schritt sichtlich ungern, vom Schwager und der Schwester gezwungen, die Grä­fin Zrinyi aber ließ sich durch nichts dazu bewegen, mit­zugehen. „Gehet, für das Vaterland ist es recht so. Ich bleibe bis zum Ende hier, und man wird nicht sagen können, Alle haben ihren Platz verlassen." Zrinyi ergriff ihre Hand und blickte schweigend vor sich hin. Sie und die Anderen redeten ihm zu, sich schleu­nigst auf den Weg zu machen. Er küßte sein Weib und sprach mit zitternder Stimme: „Gott mit Dir!" Dann wandte er sich ab und Alle gingen, verschwin­dend um die Ecke des Festungsganges hinaus auf das iurch Wolken in Finsternis gehüllte Feld. Keine Träne jenetzte die Wangen der hohen Frau; noch hatte sie "Ioffnung und Mut. Im wilden Galopp jagte die fliehende Schar übers Feld und auf Seitenwegen nordwärts der Mur zu. Hier am Ufer warteten schon Fischer auf sie, doch íatten sie nur drei größere Kähne und keine Ueberfuhr. n den Kähnen nahmen nur Zrinyi und Frangepani Platz, lie Pierde mußten schwimmend den Fluß übersetzen. So relangten die Beiden über die Mur in Sicherheit, jenseits sattelten sie wieder ihre nassen Pferde und ritten die janze Nacht hindurch weiter. — 9S — Am ar deren Tag gegen Mittag machten sie in Sziget beim Grafen S6tsy Halt, dann ritten sie wieder den gan­zen Nachmittag gegen Nordwest auf der Straße Wien zu und übernachteten in Körmend bei Batthiäny. Dieser war ebenfalls in die Verschwörung verwickelt, begann sich aber jetzt schon zurückzuziehen und wollte die beiden nicht begleiten, gab ihnen jedoch einige Mann als Weg­weisür mit Die zweite Nacht rasteten sie im Jesuiten­kloster eines ungarischen Dorfes. Die frommen Väter trachteten aber auch, solche Gäste sobald als möglich vom Hals zu bekommen. Die dritte Nacht blieben sie beim Graft n Kery, einem ihrer Verbündeten, nahe bei der Stadt Kisseg. Weil sie todmüde waren, blieben sie bei diesem ungarischen „Freunde" längere Zeit und ver­trauten sich ihm gänzlich an. Aber der brave Magyar und Gastfreund Graf Kery hatte nichts Eiligeres zu tun, als seine Gäste zu verraten. Im Geheimen sandte er nämlich sofort einen Boten ab an den Kaiser Leopold mit der Nachricht, daß Zrinyi und Frangepani sich auf dem Woge nach Wien befänden, wo sie ihren Hochverrat reinwaschen wollen. Infolgedessen wurden alle Anstalten geh offen, die Beiden schon irgendwo unterwegs aufzu­greifen, sollten sie sich inzwischen eines Besseren besin­nen und nicht direkt nach Wien gehen. Hier angekommen, wurden sie verhaftet, ehe sie vor den Kaiser gelangen konnten. Dann sandte man sie in den Kerker nacr, Wiener-Neustadt, wo allsogleich der Kcchverratsprozeß gegen sie begann. Zu Richtern wurden ernannt: Hofkanzler Männer, Baron Hohengran, Christoph Abele; Bcisitzende: Graf Windiscli-Grätz, Johann Baron Htrwart, Feldmarschall-Leutnant Kaspar Zdenko und Andere. Doch war das Schicksal der beiden Angeklagten bereits entschieden, ehe noch die Richter ihr Urteil spra­chen, denn schon am 26. März 1670 schrieb der Kaiser. — 83 Leopold eigenhändig seinem Bevollmächtigten am spani­schen Hofe: Zrinyi habe sich zum kroatischen und süd­slavischen König (pro principe Croatiae et aliarum par­tium) aufwerfen wollen, deshalb „will sie schon ad mores bringen und auf die Finger klopfen, daß die Köpf weg­springen sollen." Ebenso tragisch wie in Untersteiermark und Kroa­tien endete der Aufstand in Ungarn. Räkoczy, der mit Zrinyi bis zum letzten Augenblicke ebenso in Verbindung stand, wie Zrinyi mit Tattenbach, hatte einen Landtag nach Kaschau einberufen, wo be­schlossen wurde, daß der Aufstand sofort zu beginnen habe, und derselbe begann auch. Räköczy lud den Be­fehlshaber der kaiserlichen Besatzung in Tokaj, Stahren­berg, zu Gaste ein — und warf ihn in den Kerker. Sofort erhob er sich dann mit seinen Truppen gegen die Stadt Tokai, konnte sie aber nicht einnehmen. Dann zog er ge­gen Munkäcs, der Burg seiner Mutter Sophie, der letzten der Bäthorys, um den Familienschatz der Räkoczy her­auszubekommen, aber die Mutter wollte ihm die Tore nicht öffnen; dann kehrte er sich abermals gegen Tokai. Ais er hier hörte, daß Tattenbach, Zrinyi, Frangepani, also alle seine mächtigen Verbündeten gefangen und einge­kerkert sind, — begann er den „reumütigen Sünder" und die „verfi te Unschuld" zu spielen und eilte zu seiner Mutter, die ihm wirklich auch beim Kaiser Begnadigung eibat und um teueres Geld das Leben erkaufte. Das zweite Haupt des ungarischen Aufstandes Nä­dasdy würde (im Bett, aufgeweckt) in Pottendorf gefan­gen genommen und nach Wien überführt, wo ihm eben­falls der Hochverratsnrozeß gemacht wurde. Doch kehren wir zu Tattenbach zurück. Zwanzigstes Kapitel. „Dort floß Heldenblut in Strömen, Dort sie fielen Dir die Dreie." Serbisches Volkslied. Getrennt von seinen mächtigen Freunden, verlassen von allen seinen treuen Seelen, saß Tattenbach Jahr und Tag gefangen im Kastell zu Graz. Die Untersuchung dauerte lange, war sehr ausführlich und genau. Im Gan­zen bestand er fünfzehn gerichtliche Verhöre. Einer der Kronzeugen war Balthasar Riebel, der dem Auftrage Roders gemäß in jener Nacht, als er seinen leichsinnigen Herrn verriet, festgenommen worden war. Alle früheren Freunde verleugneten Tattenbach und zogen sich zurück. Nur zwei Menschen gab's, die ihn zu retten sich bemühten: seine Gemahlin Anna und der Hauptmann Kaldi. Als die Gräfin Anna die furchtbare Kunde vernahm, daß ihr Gemahl wegen Hochverrats verhaftet wurde, er­hob sie sich sofort und ging nach Wien. Auf den Knien wollte sie den Kaiser Leopold um Gnade für ihren un­glücklichen Mann bitten. Aber damals konnte man nicht im Stillen unbemerkt reisen. Sofort erfuhren um diese Reise die Richter Tattenbachs und schickten ihr Reiter nach, die sie schon in Frohnleiten einholten, verhafteten und ihr sogar alles Silber und Gold, das sie bei sich hatte, wegnahmen. Auf eine andere Weise versuchte anfangs Kaldi die Rettung Tattenbachs. Es gelang ihm, den Detektiven, die ihm immer auf der Spur waren, zu entgehen. Aber er entfernte sich nicht aus Graz, sondern verkleidete sich als Taglöhner. Weil er eine beträchtliche Summe Tatten­bach'scher Gelder zur Verfügung hatte, wußte er sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Unter anderem gab er' - 95 — ihm schriftlich den Rat, sich wahnsinnig zu stellen; auf diese Weise werde man weniger auf ihn Acht haben und die Flucht wird leichter möglich sein. Aber auch dieser Plan ließ sich nicht lange festhalten. Doktor Eisenschmid, einer der berühmtesten damaligen Aerzte von Graz, der von der Gerichts - Untersuchungskommission berufen wurde, Tattenbach zu beobachten, bewies den Richtern, daß der Wahnsinn Tattenbachs ein fingierter war, und zwar damit, daß er plötzlich in Tattenbachs Zelle trat und ihm meldete, die Gräfin Katharina Zrinyi sei als Gefangene auf das Kastell gebracht und in seiner Nähe interniert worden. Diese Neuigkeit griff Tattenbach derart an, daß er auf seine Rolle eines Wahnsinnigen vergessend, sich den schmerzlichsten Trauerausbrüchen hingab. Ihm erschien die Gräfin Zrinyi in ihrer geistigen Erhabenheit immer wie ein Schutzengel. Als er hörte, daß auch sie im Ker­ker sich befindet, schien ihm alles verloren. I Dr. Eisenschmid wurde kurz darauf eines Morgens bei der Leechkirche auf der Gase fot aufgefunden, durchbohrt mit seinem eigenen Schwerte; Kaldi ver­schwand. Am 26. November 1671 endlich kamen zu Tattenbach in den Kerker: der Stadtrichter, der Vorsitzende der Ge­nehtskommission und zwei Beisitzende, um ihm feierlich das Urteil zu verkünden, das also lautete: „Johann Erasmus Tattenbach verliert seine Adelsrechte und seine Besitzungen für sich und seine Nachkommen. Abge­hauen wird ihm die rechte Hand, sein Kopf fällt unter dem Schwerte auf den dritten Streich." Tattenbach hatte bisher noch immer wenigstens einigermaßen auf Gnade gehofft. Als er das fürchterliche Urteil hörte, sank er verzweifelt zu Boden und konnte den ganzen Tag kein Wort sprechen. Am nächsten Tage ermannte er sich wieder so viel, daß er einen demütigen Brief an den Kaiser schrieb, •w orin er ihn um Gnade für sich oder doch wenigstens für seinen Sohn bat. Welters bat er den Kerkermeister um die Gnade, die Gräfin Zrinyi, die nach dem Falle Caka­thurns wirklich als Gefangene nach Graz gebracht wurde, sprechen — und von seinem Sohne Abschied nehmen zu dürfen. Beides wurde ihm bewilligt. In Begleitung Georg Wambrechts, des Kerkermei­sters auf dem Kastell, trat die Gräfin Zrinyi in Tatten­bachs Zimmer. Wie war die hohe Frau verändert! Ihre majestätische Gestalt war gebeugt, ihre früher schönen vollen Wangen eingefallen, getrübt die früher lebhaften, gebietenden Augen. Kaum ein Schatten war sie jener entschlossenen, begeisterten Frau, die so viele Männer in Tätigkeit zu erhalten und zu begeistern ver­stand für eine große Idee — die Selbständigkeit des Vater­landes. Aber auch sie mußte wahrnehmen, wie Tattenbach verändert war. Der kaum 37 Jahre alte schöne Mann war nun bleich, ergraut und abgemagert. Als sie ihn erblickte, faltete sie die Hände und wäre beinahe zu Boden gesunken. Gerührt trat ihr Tattenbach näher, und selbst trostesbedürftig, tröstete er sie. In die­sem traurigen Momente hatten sie die Köllen gewechselt: sie früher mutig, jetzt ganz gebrochen, — er früher schwankend, jetzt männlich und den Tod nicht fürchtete. So sprachen sie längere Zeit miteinander, dann nah­men sie Abschied von einander — auf immer! Am 29. November wurde in Graz ein großer Landtag abgehalten. Die steirischen Stände, Repräsentanten des hohen Adels und der Geistlichkeit, hatten sich auf den Ruf des Kaisers versammelt, um Tattenbachs Verurtei­lung zu vernehmen, Im Landhause, dessen Wände schwarz ausgeschlagen waren, saßen die Vertreter schweigend da, mit feierlich-ernsten Gesichtern. Der Sekretär verlas das Urteil. Dann wurde das Stände­buch gebracht, darin alle jene Adeligen verzeichnet wa­ren, die im Landtage Sitz und Stimme hatten. Unter die­sen befand sich an hervorragender Stelle auch der Name „Tattenbach", welcher nun feierlich im Ständebuch ge­löscht wurde — „auf ewige Zeiten!" Darauf wurde den Ständen noch bekannt gegeben, daß Tattenbach, nachdem er verurteilt und nicht mehr Edelmann sei, dem ordentlichen Stadtgerichte ausge­liefert werden kann. Tatsächlich wurde er bereits tags vorher, begleitet von dem Jesuitenpater Seitz, in einem geschlossenen Wagen aus dem Kastell hinunter ins Stadthaus gebracht, liier durfte sein kleiner Sohn Anton zu ihm. Tränenden Auges nahm er vom Sohne Abschied, auch für immer. Dieses Scheiden fiel ihm am schwersten. Wie sollte es nicht! Seinen Namen berühmt zu machen und seinem Sohne ein freies Land zu hinterlassen, des­halb ließ sich Tattenbach in die Verschwörung ein. Und jetzt bleibt sein Sohn verlassen, des Adels und der Güter seiner Ahnen beraubt! Der 1. Dezember, der verhängnisvolle Tag kam her-• an. Die Stadttore von Graz blieben eine Stunde länger wie gewöhnlich geschlossen. Das ganze Militär, welches sich in der Stadt befand, Fußtruppen und Reiter, alles war ausgerückt. Auch die Stadtwache mußte bewaffnet ausmarschieren. Die Glocken aller Kirchen läuteten und die Grazer Geistlichkeit sang im Ornate Gebete für Tattenbachs Seele. . . . Morgens um 8 Uhr wurde im Hofraume des Stadt­hauses das Blutgerüst, schwarz drapiert, aufgestellt 'Johann Erasmus Tattenbach. 4 » - 98 - Ruhig, ergeben, männlich betrat es Tattenbach. Neben ihm stand Pater Seitz, sein Beichtvater, mit dem Kruzi­fix in der Hand. Hier verkündeten ihm die Richter, daß die kaiserliche „Gnade" ihm das Abhauen der rechten Hand erlassen hat. Noch dafür bedankte er sich, empfahl Gott seine Seele, kniete nieder und der Henker hieb mit dem Schwert dreimal auf den Hals, des ersten Edel­mannes Steiermarks. Tattenbachs Haupt rollte vom Rumpfe weg. Wieder erklangen alle Glocken der Stadt. Abends wurde Tattenbachs Leiche still und in aller Heimlichkeit auf dem Dominikanerfriedhof bei St. Andrä in der Murvorstadt, auf der Nordseite der Kirche, außer­halb beim zweiten Fenster begraben. Dort ruht er Du aber, Slovene, der Du bis hieher die Geduld be­wahrt hast, die kurze Geschichte eines Mannes zu lesen, der (wenngleich er der menschlichen Schwächen viele hatte) für eine groß e Idee fiel, welche, verwirklicht, unsere und aller Slaven Geschichte anders gestaltet hätte, Du gehe hin. wenn Du Gelegenheit findest, besuche sein Grab und bedaure ihn, daß er derart fiel, daß seine Feinde, die nicht Freunde Deines Stammes sind, über ihn triumphierten! Es erübrigt uns noch, vom Schicksale der anderen in dieser historisch erzählenden Schrift erwähnten Per­sonen zu berichten. Wie Tattenbach, wurden auch die übrigen Häupter der Verschwörung verurteilt und mit dem Schwerte hin­gerichtet. Nädasdys Kopf fiel in Wien, Zrinyi und Fran­gepani starben in Wiener-Neustadt Mit ihnen starben «Hl •. - 99 — den Kroaten zwei patriotische, mächtige slavische Adels­familien aus.*) Tattenbachs Gemahlin bekam eine Gnadenpension von jährlich 2000 Gulden. Die heldenhafte Katharina Zrinyi starb in Graz, ein­gesperrt im Kloster der Karmeliterinnen, nach einem langen kummervollen Leben. Der unglückselige Verräter Balthasar Riebe! erntete1 auch kein Lob für seine Tat, sondern wurde verurteilt, auf dem Grazer Hauptplatze am Schandpfahle zu stehen, dann eine fünfjährige Kerkerhaft abzubüßen, und darauf das Land zu verlassen. Rudolfi wurde in einem Gefechte bei Cakathurn er­schossen, als er nach der Flucht Zrinyis und Frangepanis für die Gräfin das Oberkommando in der Festung führte. Vukovaöki blieb, wie ungarische Geschichtschreiber behaupten, in Konstantinopel und starb dort in großer Armut Der einzige Sohn Tattenbachs, Anton, studierte in Graz auf Staatskosten und mußte ins Stift Rein bei Graz eintreten, wo er im Jahre 1685 zum Priester geweiht wurde. Noch im Jahre 1807 zeigte man dort das Meßge­wand, v/elches dieser Anton Tattenbach aus dem seide­nen Mantel, den sein Vater trug, als er enthauptet wurde, verfertigen ließ. Als eines charakteristischen Zuges jener Zeit dür­fen wir schließlich jener strengen Anordnung nicht ver­ *) Im Laufe des Jahres 1883 berichteten aus Wiener Neustadt verschiede..; Zeitungen: Gelegentlich einer Grundaus hebung für den Gerüstbau zur Untersuchung der schadhaf­ten Pfarrtürme wurden an der südlichen Kirchenmauer die Ge beine der am 28. April 1671 hingerichteten Grf. Peter Zrinyi un. Markgrafen Franz Frangepani aufgefunden. Der Ueb er setz er, / — 100 — gessen, welche die hohen Herren von Graz nach dem Tode Tattenbachs an Paul Achatz nach Cilli abgehen ließen, und worin ihm strengstens aufgetragen wurde: es möge jene große Hexe, die Tattenbach so übel beraten hat, auf dem Draufelde aufgesucht und dingfest gemacht werden. Die Chronisten berichten nicht, daß dem Paul Achatz der Hexenfang gelungen ist. Ende. NARODNO IN UNIUER2ITETNA KNJIŽNICA 00000426328