Inter Alia 5 2018 Fachbezogener Fremdsprachenunterricht - aktuelle Herausforderungen und zukünftige Chancen KONFERENZBAND Internationale Konferenz Languages for Specific Purposes: Opportunities and Challenges of Teaching and Research Herausgegeben vom Slowenischen Verband der fachbezogenen Fremdsprachenlehrer Inter Alia 5 Fachbezogener Fremdsprachenunterricht - aktuelle Herausforderungen und zukünftige Chancen Zbornik 1. mednarodne konference Tuji jeziki stroke: Priložnosti in izzivi poučevanja in raziskovanja / Konferenzband der 1. internationalen Konferenz Languages for Specific Purposes: Opportunities and Challenges of Teaching and Research Urednica številke 5 / Redakteurin von Inter alia 5: Brigita Kacjan Uredniški odbor / Redaktionsausschuss: Slavica Čepon, Mateja Dostal, Brigita Kacjan, Nives Lenassi Vsi prispevki so šli skozi postopek dvojnega slepega recenziranja. / Alle Beiträge wurden einer Double-blind-Rezension unterzogen. Oblikovanje / Design: Saša Podgoršek Slika na naslovnici / Titelbild: Brigita Kacjan, https://www.wordclouds.com Spletni naslov / Weseite: www.interalia.si Založilo in izdalo / Herausgeber: Slovensko društvo učiteljev tujega jezika stroke / Slowenischer Verband der fachbezogenen Fremdsprachenlehrer (SDUTSJ) Za založbo / Für den Herausgeber: Saša Podgoršek, predsednica SDUTSJ / Präsidentin des SDUTSJ Ljubljana 2018 Prva izdaja / Erste Ausgabe Publikacija je brezplačna / kostenlose Publikation To delo je ponujeno pod licenco Creative Commons Priznanje avtorstva-Deljenje pod enakimi pogoji 4.0 Mednarodna licenca. / This work is licensed under a Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International License. Kataložni zapis o publikaciji (CIP) pripravili v Narodni in univerzitetni knjižnici v Ljubljani COBISS.SI-ID=295741184 ISBN 978-961-91069-7-6 (pdf) Inter Alia 5 2018 Fachbezogener Fremdsprachenunterricht - aktuelle Herausforderungen und zukünftige Chancen KONFERENZBAND der 1. internationalen Konferenz Languages for Specific Purposes: Opportunities and Challenges of Teaching and Research Redakteurin: Brigita Kacjan Herausgegeben vom Slowenischen Verband der fachbezogenen Fremdsprachenlerner Ljubljana, 2018 Inter alia 5 5 Inhaltsverzeichnis Editorial 7 Johann Georg Lughofer Herausforderung „Deutsch für Wirtschaft und Beruf“ an der universitären Germanistik 9 Silvia Serena, Karmelka Barić Rahmencurricula für den studienbegleitenden Deutsch- und Fremdsprachenunterricht von morgen 17 Borislav Marušić, Antun Ćosić Gebrauch von Zitaten im Wirtschaftsdeutschunterricht 37 Dubravka Papa, Mirna Hocenski-Dreiseidl Die hörverstehensstrategien im deutschen und englischen als berufsbegleitende fremdsprachen 49 Anikó Hambuch, Anita Sárkányné Lőrinc, Rita Kránicz Veränderung der Kommunikationsmodelle im Gesundheitswesen und ihre Widerspiegelung in den Interaktionen mit Klienten 59 Inter alia 5 7 Editorial Herzlich Willkommen zum Konferenzband Inter Alia 5, das fünf rezensierte deutschsprachige Beiträge beinhaltet, die auf der ersten internationalen Konferenz des Slowenischen Verbands der fachbezogenen Fremdsprachenlehrkräfte (SDUTSJ) zwischen dem 18. und 20. Mai 2017 in Rimske Toplice, in Slowenien, unter dem Titel „ Languages for Specific Purposes: Opportunities and Challenges of Teaching and Research“ präsentiert wurden. Die Konferenz fand zum Anlass des 20-jährigen Bestehens des Verbands SDUTSJ in der wunderbaren Umgebung des Thermalbads „Römische Therme“ unter Beteiligung zahlreicher nationaler und internationaler Teilnehmer statt. Nach dem Motto „Gut Ding will Weile haben“ hat es ein Weilchen gedauert, bis alle Prozeduren für die Veröffentlichung der Beiträge durchlaufen waren, und nun endlich hat Inter Alia 5 das Licht der Welt erblickt. Das Gemeinsame aller Beiträge ist die Sprache – alle Beiträge sind auf Deutsch verfasst. Das Spektrum der Beiträge ist aber sehr weit gefächert und reicht von Rahmencurricula und Hörverstehensstrategien im studienbegleitenden Fremdsprachenunterricht, über Deutsch für Wirtschaft und Beruf an einer Auslands-Germanistik und den Gebrauch von Zitaten im Wirtschaftsdeutschunterricht bis zu Kommunikationsmodellen im Gesundheitswesen. Sie können also folgende interessante Beiträge genießen: Im ersten Beitrag thematisiert Johann Georg Lughofer (Philosophische Fakultät, Universität Ljubljana, Slowenien), welche Herausforderungen in einem Studienfach wie „Deutsch für Wirtschaft und Beruf“ auf die Studenten einer allgemein ausgerichteten Auslandsgermanistik warten und wie das Lehrpersonal diese Herausforderungen konzeptuell bewältigen kann. Das vorgestellte Konzept kann ohne größere Änderungen auch auf andere Institutionen übertragen werden. Silvia Serena (Universität Bocconi, Mailand, Italien) und Karmelka Barić (Universität in Novi Sad, Serbien) präsentieren im zweiten Beitrag einige in einem Hochschulprojekt entwickelte Rahmencurricula für einen studienbegleitenden berufsorientierten DaF-Unterricht und wie eine praktische Umsetzung in die Praxis aussehen kann. Im Vordergrund stehen die Mehrsprachigkeit und die Entwicklung der kommunikativen Kompetenz im beruflichen Rahmen. Borislav Marušić und Antun Ćosić (beide von der Fachhochschule Lavoslav Ružička, Vukovar, Kroatien) zeigen im dritten Beitrag, wie bedeutende Zitate aus dem Bereich Wirtschaft sinnvoll und effek-tiv in einen berufsbegleitenden DaF-Unterricht integriert werden können. Der Einsatz von Zitaten kann den Wortschatz bereichern, zum Nachdenken und zur Revision der eigenen Betrachtungsweise sowie zur Entwicklung kritischen Denkens anregen. Dubravka Papa (Fakultät für Rechtswissenschaften, Josip Juraj Strossmayer Universität in Osijek, Kroatien) und Mirna Hocenski-Dreiseidl (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät in Osijek, Josip Juraj Strossmayer Universität in Osijek, Kroatien) beschäftigen sich im vierten Beitrag mit den 8 Editorial Hörverstehensstrategien im berufsbegleitenden Fremdsprachenunterricht als einer grundlegenden, aber oft vernachlässigten Fertigkeit. Diese Hörverstehensstrategien ermöglichen den Studierenden ein aktiveres Problemlösen, das auch auf andere Situationen übertragen werden kann. Im fünften Beitrag schließlich haben sich Anikó Hambuch, Anita Sárkányné Lőrinc und Rita Krá- nicz (alle vom Institut für Fachsprachen und Medizinische Kommunikation, Medizinischen Fakultät der Universität Pécs, Ungarn) in Rahmen einer Untersuchung mit der Frage beschäftigt, ob und wie sich die Veränderungen der institutionellen Kommunikation in der Struktur der Arzt-Patienten-Gespräche widerspiegeln. Das Beherrschen einer angemessenen Gesprächsführung ist eine Kunst, die Medizinstudenten, aber auch schon praktizierende Mediziner anstreben müssen, um bei den Patienten bzw. Klienten eine gewisse Zufriedenheit mit der Dienstleistung generieren zu können. Abschließend möchte ich allen Beitragenden danken, die sehr viel Energie und Wissen in das Verfassen ihrer Beiträge gelegt haben, damit die vorliegenden interessanten Beiträge veröffentlicht werden können. Dank gilt aber auch den Rezensenten, die ihre bedeutende Arbeit im Verborgenen erledigt haben und so auch großen Anteil am Gelingen des Bandes beigetragen haben. Alle Beiträge unterlagen einem Double-blind-Rezensionsprozess. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen der Beiträge in Inter Alia 5, mögen sie Ihnen viele neue Informationen, Ideen und Inspiration für die eigene Praxis bringen. Brigita Kacjan Redakteurin Inter AlIA Published by The Slovene Association of LSP Teachers Volume 4, 2018, pp. 10–16 Herausforderung „Deutsch für Wirtschaft und Beruf“ an der universitären Germanistik Johann Georg Lughofer Philosophische Fakultät, Universität Ljubljana, Slowenien Abstrakt Der Beitrag baut auf zwölf Jahre Unterrichtserfahrungen im Seminar „Deutsch für Wirtschaft und Beruf“ an der Germanistikabteilung der Universität Ljubljana auf, das früher im 4. Jahr des Diplomstudiums stattgefunden hat und im neuen Bologna-Studienplan in adaptierter Form im ersten Jahr des Masterstudiums durchgeführt wird. Die eminente Bedeutung des Kurses rekurriert auf die Jobaussichten der slowenischen Germanistikstudierenden, die zu einem großen Teil in Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum – und keineswegs nur in den Bereichen Unterricht, Übersetzung und Dolmetsch – zu finden sind. Die Studierenden der höheren Jahrgänge sprechen, schreiben und verstehen die deutsche Sprache ausgezeichnet. Doch in Sachen Bewerbung, professioneller deutschsprachiger Korrespondenz etc. stoßen sie auf manche – textsortenspezifische, wissensbezogene sowie interkulturelle – Schwierigkeiten, die in dem Beitrag skizziert werden sollen. Auch der terminologische sowie inhaltliche Wissenstand erweist sich re-gelmäßig als unzureichend. Publizierte Unterrichtsmaterialien können in diesem Fall kaum her angezogen werden, weil sie entweder auf ein sprachlich geringeres Niveau für DaF/DaZ abzielen oder wirtschaftliches und berufskommunikatives Spezialwissen für Muttersprachler/-innen anbieten. So wurde das praxis- und zielgruppenorientierte Programm eines Wirtschaftsdeutschkurses extra für die Ansprüche der slowenischen Germanistikstudierenden – mit realen Bewerbungen für „Schnuppertage“ in Österreich, einem Fokus auf neue Medien, interkultureller Sensibilisierung etc. - designt, der durchaus auch für andere Regionen von Interesse ist und im Beitrag ebenso vorgestellt wird. Schlüsselwörter: Wirtschaftsdeutsch, Germanistikstudium, Interkulturelles Wissen, neue Medien Abstract Language knowledge in institutes of higher edcuation such as the German Department at the University of Ljubljana has reached high levels. Unfortunately, this does not mean that students‘ professional mastery of foreign language and culture ist likewise highly developed. The paper addresses the specific problems of students with business correspondence and professional language, as well as strategies to overcome these, in the seminar „Business and Professional German“. Keywords: German in economy, German studies, intercultural knowledge, new media 10 Johann Georg Lughofer: Herausforderung „Deutsch für Wirtschaft... 1 Fragestellung und Ausgangssituation Dank des schulischen und universitären Fremdsprachenunterrichtes erreichen Germanistikstudierende in manchen Ländern ein sehr hohes Sprachniveau, insbesondere in jenen Ländern, in denen deutschsprachige Fernsehserien und Filme in der Regel nicht synchronisiert werden und man es ge-wohnt ist, grenzüberschreitend einzukaufen. Slowenien ist ein solcher Fall: Manchen Germanistikstudierenden hört man es kaum an, dass sie keine deutschen Muttersprachler sind. Doch gerade dieser Umstand verlangt eine ebenso hohe Kenntnis der kulturellen Codes und des sprachlichen Umgangs in professionellen Umgebungen. Hier zeigen sich in der Praxis häufig gravierende Mängel, etwa wenn bei Exkursionen nach Österreich Kellner richtiggehend wütend werden, da sie nicht bemerken, dass die Studierenden keine deutschen Muttersprachler sind, sich aber nicht an die – in Slowenien nämlich unbedeutende – Regel halten, Trinkgeld zu geben. So bieten wir an der Germanistik der Philosophischen Fakultät in Ljubljana für den Master-Lehr-gang, wo die Sprachübungen kein grammatikalisches Pensum mehr abzuarbeiten haben, ein Seminar zu „Deutsch für Wirtschaft und Beruf“ an, um diesem Manko entgegenzuwirken. Es hat früher zweistündig über zwei Semester im 4. Jahr des Diplomstudiums stattgefunden und wird im neuen Bologna-Studienplan in adaptierter Form im ersten Jahr des Masterstudiums einsemestrig mit vier Wochenstunden durchgeführt. Diese Lehrveranstaltung ist für die ca. 20 Studierenden pro Kurs von großem Wert, weil sie keineswegs alle in Arbeitsfeldern nahe der Philologie wie Unterricht oder Übersetzung bleiben wollen und können. Viele von ihnen arbeiten später in der Wirtschaft und in international tätigen Institutionen. Zahlreiche Investoren in Slowenien kommen aus den deutschsprachigen Ländern; Deutschland und Österreich gehören zu den wichtigsten Handelspartnern. Auch der Tourismus lebt weitgehend von österreichischen und deutschen Gästen. Daraus ergibt sich eine Fülle von Beschäftigungsmöglichkeiten, die eine gute Beherrschung des Deutschen verlangen und die Germanistikabsolventen annehmen können. Dies gilt wohl nicht nur für Slowenien, sondern als Folge der Globalisierung, des steigenden Tourismus und der wachsenden beruflichen Mobilität ebenso für Gemanistikabteilungen und höhere Schulstufen in anderen Ländern. Seit den 1980er Jahren wird Deutsch als Fremdsprache in der Wirtschaft vermehrt in Kursen angeboten und in der Wissenschaft verstärkt zur Kenntnis genommen und behandelt. Bolton (1992, S. 59) schätzte diesen Bereich sogar als das wichtigste zukünftige Feld der Fremdsprachen ein, ein Urteil, dem man noch heute zustimmen kann: Qian (2012, S. 14) spricht sogar vom Boom. Wirtschaftsdeutsch wird auch als eine Möglichkeit gesehen, die zum Teil verlorene Bedeutung als Fremdsprache wiederzugewinnen (vgl. Braunert 1999, S. 98). Die Kurse waren schon früh konzep-tionell breit gefächert und boten ein weites Spektrum von Fachsprachen der Wirtschaftslehren und den entsprechenden Wissensinhalten (vgl. Buhlmann & Fearns, 1987, S. 198ff.) bis hin zu einem berufsorientierten Fokus mit interkulturellen Aspekten (vgl. Bolten, 1991, S. 93ff.). Zwar besteht eine große Auswahl an Lehrwerken zum Thema, doch nur wenige für fortgeschrittene Niveaus. Die meisten Lehrwerke richten sich an Lernende im Mittelstufenbereich (B2 und C1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen). Die notwendigen Vorkenntnisse für Wirtschaftsdeutsch wurden in den 90ern intensiv diskutiert. Manche Autoren befürworten Kurse bereits ab Anfängerniveau und begründen dies mit der Ähnlichkeit zwischen Wirtschafts- und Alltags-deutsch (vgl. Ehrhardt & Volgnandt, 1997 oder Braunert, 1999). Dieser Ansatz führte zu weitgehend generell ausgerichteten und wenig fachspezifischen Lehrwerken: beispielsweise wurden einfach typische Übungen im Fremdsprachenunterricht – wie die Wegbeschreibung vom Bahnhof zum Stadtzentrum als Frage nach der Richtung zu einem Unternehmen – leicht adaptiert. Diese Lehrwerke konzentrieren sich dann in der Folge auch weiter auf Grundstufengrammatik und -kommunikation mit einer Färbung ins Wirtschaftsdeutsche. Inter alia 5 11 Doch selbst die Werke für fortgeschrittene Niveaus sind für das Seminar an der Universität wenig hilfreich, denn sie vereinfachen die tägliche Wirtschaftssprache zu sehr. Auch Materialien zur Handelskorrespondenz u. a. für Muttersprachler sind nur teilweise einzusetzen, denn sie verlangen wiederum entsprechende Vorkenntnisse in dem jeweiligen Wirtschaftsfeld. Das Seminar wurde so von den Inhalten her sowie den Materialien vollkommen neu entworfen. Von großer Bedeutung war die empirische Forschung, welche Textsorten denn im realen Berufsleben tatsächlich eingesetzt werden. Dazu konnten an der Germanistik Ljubljana einige Spracherhebungen als Diplomarbeiten realisiert werden (vgl. Kovač, 2009, Kranjec, 2010, Volf, 2010, Pucelj, 2011, Capuder, 2011, Čegovnik, 2012 und Šeliga, 2013), doch auch Untersuchungen zu Textsorten wie jene des Instituts für internationale Kommunikation der Universität Düsseldorf wurden herangezogen. Basierend auf Umfragen unter 1000 in Deutschland ansässigen Unternehmen wurden die relative Bedeutung und die Benutzungshäufigkeit unterschiedlicher Textsorten im Berufsleben ausgelotet: Rundschrei-ben (18 %), Zeitungen (14 %), Protokolle (12 %), Notizen (12 %), Produktbeschreibungen (8 %), Berichte (6 %), Abrechnungen (5 %), berufsrelevante Bücher (5 %), Bestellungen (5 %), Verträge (1 %) und andere Texte (14 %) (vgl. Bolten, 1994, S. 8). Auch Analysen der morphologischen und syntaktischen Besonderheiten im Wirtschaftsdeutschen wurden verwendet. Höhnes Auswertung von 360.000 Texten und auch neuere Untersuchungen zeigten die starke Anonymisierung, Spezifizierung und Verdichtung, die sich im Passivgebrauch, in den Adjektiv-suffixen (-lich, -bar), Präpositionen (mittels, hinsichtlich, mit Hilfe), Funktionsverbgefügen, Zusammen-setzungen, Einschüben, Infinitiv- und Partizipkonstruktionen niederschlagen. Auch Internationalismen und Neologismen werden häufig eingesetzt (vgl. Höhne, 1994, S. 119ff. oder Reuter, 2010, S. 459f.). Der Gebrauch der adäquaten Textsorten war für den Entwurf des Seminars sicher von großer Bedeutung. Darüber hinaus wurde aber vor allem auf die spezifischen Schwierigkeiten der Studierenden sowie die konkreten Anforderungen des Arbeitsmarktes eingegangen. 2 Probleme der Studierenden bezüglich Wirtschaftsdeutsch Analysiert wurden für die folgende Übersicht 250 Bewerbungsschreiben – Anschreiben und Lebensläufe, die zwischen 2006 und 2017 geschrieben wurden. Diese wurden als Hausübung für das Seminar zu einem real und aktuell existierenden Jobangebot im Internet verfasst. Die Studierenden mussten in ihren schulischen und universitären Deutsch-Sprachkursen schon mehrmals solche Texte verfassen. Im Seminar wurden sie kurz erneut auf die Anforderungen der schriftlichen Bewerbung vorbereitet; unterschiedliche Modelle von Lebensläufen wurden vorgeschlagen und für entsprechende Situationen besprochen. Für die Übungen verblieb ihnen genügend Zeit, zumeist zwei Wochen. In den verfertigten Arbeiten spielten orthographische und grammatikalische Probleme eine untergeord-nete Rolle. Formale Probleme dagegen waren offensichtlich. Beispielsweise verzichteten in 24 Fällen die Studierenden sogar, ihre Telefonnummer und E-mail-Adressen anzugeben; manchmal fehlten ganze Abschnitte im Lebenslauf ohne Begründung. Wesentliche Informationen blieben immer wieder unklar: So liest man von der „Arbeit im elterlichen Gasthaus“, von der „Tätigkeit bei einer Studentenzeitung“ oder vom „Präsidenten des Studentenvereins“ ohne konkretere Angaben. Oft wurde keinerlei Wert auf das Layout gelegt – von der vielbeschworenen Generation der „Digital natives“ war zumeist wenig zu spüren. Über 50 Texte hatten klare Mängel in Design und Schriftbild: Überschriften im Lebenslauf wurden nicht hervorgehoben oder für einen einzigen Satz eine neue Seite begonnen. Es fehlt unter den Studierenden das Bewusstsein für die Bedeutung der Perfektion eines Bewerbungsschreibens, das dem Arbeitsgeber als oft erster und einziger Kompetenznachweis für die zukünftige 12 Johann Georg Lughofer: Herausforderung „Deutsch für Wirtschaft... Tätigkeit dient. Dies trifft nicht nur auf die hier zitierten Hausübungen für eine Lehrveranstaltung zu, Rücksprachen mit deutschen und österreichischen Managern in Ljubljana bestätigten dieses Problem auch im „Ernstfall“. Studierende oder Absolventen verschicken demnach häufig Bewerbungen mit den erwähnten Fehlern an Unternehmen, wo sie freilich auf Ablehnung stoßen. Die Bedeutung eines perfekten Texts im Gegensatz zu einer „normalen“ Hausübung, wo einige Fehler natürlich ak-zeptiert werden, scheint unklar. Fokusiert wird – wie bei vielen Texten während des Sprachstudiums – auf die Rechtschreibung und Grammatik, während Struktur, Textkoheränz und Stil weniger Bedeutung zugemessen wird. Hinsichtlich der meisten beruflichen Situationen – noch dazu im Zeitalter der automatisierten Rechtschreibüberprüfungen – ist dieser Ansatz schlicht und einfach falsch. Auch fehlendes kulturelles Wissen zum Berufsleben und zu deutschsprachigen Kontexten ist eine zu problematisierende Fehlerquelle. Vor 2008 bekam ich etwa – trotz Einführung – noch vereinzelt Lebensläufe in Prosaform, wie damals in Slowenien nicht unüblich. Über 50 Lebensläufe – auch nach 2008 – verwendeten einen teilweise verbalen Stil statt dem im tabellarischen Lebenslauf geforderten präzisen, kurzen und nominalen Stil. Einem Großteil der Arbeiten fehlten Datum und Unterschrift. Immer wieder wurden slowenische CVs einfach übersetzt. Informationen, die für Slowenen selbstverständlich sind, aber deutsche und österreichische Leser unmöglich verstehen können, wurden nicht erläutert. So wurde die Notengebung bei der slowenischen Matura einfach als Zahl angegeben, ohne die Bestnote klar zu machen. Ebenso ver-wirrend kann die große Bedeutung der Fakultäten im slowenischen Universitätssystem sein, so erwähnten über 60 Lebensläufe nur die Fakultät, aber nicht die Universität. Dies ist im deutschsprachigen Kontext höchst unverständlich, denn die Fakultäten, die auch bei Universitätsreformen häufig neu zusammengestellt und benannt werden, besitzen dort keineswegs eine vergleichbare Autonomie, Idenität und Bedeutung. Natürlich finden sich auch manche „falsche Freunde“ im Wortschatz, die auf eine unterschiedliche kulturelle Prägung hinweisen. So liest man in 22 Anschreiben von der Freude, Mitglied des „Kollektivs“ zu werden. Der realsozialistische Beigeschmack wird nicht erkannt. Auch zwischen Arbeiter und An-gestellte wird nicht unterschieden, die Studierenden bewerben sich um Bürotätigkeiten als „Arbeiter“. Die deutsche Perspektive wird manchmal dermaßen vergessen, dass in sieben Bewerbungen nach Deutschland und Österreich die Fähigkeiten, auf Deutsch mit Ausländern zu kommunizieren, stolz hervorgehoben wird. Bei der Verwendung der entsprechenden Muster und Modelle wird wenig Sensibilität an den Tag gelegt. Der beliebte, vom Europäischen Rat und der Europäischen Kommission promovierte Europass Curriculum Vitae ist eben auch nicht für alle Stellen das passende Format. Insbesondere dann, wenn darin Studierende ihre sozialen, organisatorischen und künstlerischen Fertigkeiten – vom Format gezwungenermassen – stark anpreisen, mag das manchmal schon etwas seltsam anmuten – noch schlimmer ist es, wenn Felder belassen und mit einem „keine“ ausgefüllt werden. Dieser wenig erfreu-liche Kommentar tauchte sogar bei der beruflichen Erfahrung auf. Traditionell findet sich das persönliche Profil mit sozialen und organisatorischen Fertigkeiten stärker im deutschen Anschreiben als im Lebenslauf. Diese Tradition macht gerade für Studierende mit nur wenig Berufserfahrungen Sinn, denn sie können zumeist nur sehr limitiert organisatorische Fertigkeiten mit konkreter Erfahrung begründen. Einmal karikierte ein alternativer Student das Feld dafür mit der Selbsteinschätzung als „charismatische Führungspersönlichkeit“. Durchgehend zeigt sich das mangelnde Bewusstsein der Sinnhaftigkeit, diese Punkte und den Lebenslauf überhaupt in Einklang mit der angestrebten Stelle zu bringen. Selbst der Eintrag beim ge-wünschten Berufsfeld stimmte oftmals nicht mit der ausgeschriebenen Stelle überein. Inter alia 5 13 Auch der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen ist natürlich in Sprachschulen und Universitäten eine anerkannte und bekannte Kategorie; doch in kleineren und mittelgroßen Unternehmen wird man nicht davon ausgehen können, dass die zuständigen Personalisten und das Management damit viel anfangen können. Es wird dann nur noch skurriler, wenn die Studierenden deswegen das Erklärungsraster anfügen, das in kleinster Schriftgröße und somit nahezu unlesbar auf einer A4-Seite bleibt. Die hier angeführten Probleme der Studierenden bei Bewerbungsschreiben finden Entsprechungen in allen Textsorten sowie in gesprochenen Bereichen einer praxisorientierten Wirtschaftssprache. Stil, kommunikative Angemessenheit und (berufs-)kulturelle Aspekte bereiten stärkere Schwierigkeiten als Grammatik und Orthographie. Die Schwierigkeiten entstammen vor allem einem fehlenden Be-wusstein von der Berufsrealität sowie der kulturellen Unterschiede. Darauf muss eine Lehrveranstaltung zum Thema eingehen. 3 Grundlegende Methoden des Seminars So war es das Ziel des Seminars, neben der Wirtschaftssprache Deutsch den Studierenden vor allem die Kultur des Berufslebens näherzubringen, inbesondere im Rahmen von Workshops mit Projekten und Simulationen. An dieser Stelle sollen nicht der gesamte Lehrplan und einzelne Übungen und Materialien vorgestellt werden, sondern die zentralen Elemente, welche das Seminar begleiteten: 3.1 „Schnuppertage“, ein Kurzpraktikum in Wien Damit Studierende das Arbeitsleben im deutschsprachigen Ausland kennenlernen, organisierten wir als Herz des Seminars projektartig – mit mehreren Schritten zur Vorbereitung und mit Auswahlmöglichkeiten für Studierende – ein paar Tage bei einem Unternehmen oder einer Institution während einer fünftägigen Exkursion in Wien. Die Teilnehmer recherchierten zuerst zu Wiener Unternehmen mit Bezug zu Slowenien, etwa aufgrund von Tochterfirmen, Investitionen, Handels- oder Kundenbeziehung. Danach präsentierten sie diese Unternehmen im Seminar und bewarben sich dort für ein Kurzpraktikum. Natürlich gab es ein Empfehlungs- und Erklärungsschreiben des Seminarleiters. Die Studierenden wurden ermuntert, auch telefonisch nachzufragen – und so wurde auch dieser Bewerbungsprozess selbst zu einem intensiven Training, welches das Selbstvertrauen der Bewerber stärkte. Wenn es auch in Einzelfällen Absagen gab, zeigte sich doch durchgehend eine erfreulich positive Resonanz – bis hin zu Angeboten, diese Tage auch als Probezeit für eine dauerhafte Anstellung zu verstehen. Nach den Praktikumstagen wurde im Seminar rückberichtet; In einem Jahrgang wurden sogar ausführliche Berichte für die Zeitung der Germanistikstudierenden geschrieben und ein Beitrag fürs nationale slowenische Fernsehen gedreht. 3.1 Praxisnahes Wirtschaftsdeutsch Die Branchen, in denen Studierende Jobs finden, sowie reale Situationen des Arbeitslebens in Slowenien, in denen Deutsch verwendet wird, sollen im Mittelpunkt stehen. Insbesondere hier helfen die erwähnten Sprachbedarfserhebungen, die aktuell vor Ort ausgeführt wurden. Nicht wenige Germanistikabsolventen bekommen Arbeitsplätze in deutschen und österreichischen Tochterfirmen sowie in slowenischen Unternehmen, die signifikanten Absatz in diesen Ländern auf-weisen. Die Absolventen beginnen ihre Berufskarriere dort zumeist als Unterstützung in der Verwaltung, kommen aber danach durchaus in Bereiche des Handels und Managements. Das Seminar versucht die besonders in Frage kommenden Branchen zu besprechen, wo diese Karrieren möglich 14 Johann Georg Lughofer: Herausforderung „Deutsch für Wirtschaft... sind, bzw. Branchen, deren Vokabular und Kommunikationsweisen für alle Bereiche von Bedeutung sind wie Finanz, Versicherung und Telekommunikation. Das Seminar will die Studierenden für die ersten Schritte in ihr Arbeitsleben vorbereiten – mit dem erwähnten praxinahen Bewerbungstraining, Wirtschaftskommunikation und generellem Wissen – vor allem Lexik – in den jeweiligen Branchen. Authentische Texte werden nicht isoliert mit einzelnen Übungen präsentiert, sondern verknüpft mit Praxistagen, mit Rollenspielen oder Diskussionen von Fallstudien in ein handlungsorientiertes Lernen kontextualisiert. Bei Simulationen werden auch die verschiedenen Textsorten erarbeitet. 3.3 Gastvortragende und -diskutanten Als weitere Maßnahme, um das Seminar möglichst nahe an den Bedingungen des Arbeitsmarktes zu belassen, wurden deutschsprachige Gastvortragende aus Sloweniens Wirtschaftsleben eingeladen, um ihre Branche und die dortigen Möglichkeiten für Germanisten vorzustellen. Verschiedene Gäs-te von privaten Unternehmen (Versicherung, Bank, Handel), Selbsständige (Personalunternehmen) sowie von Institutionen (Handels- und Industriekammern, Europäische Union) unterstrichen dabei immer wieder die große Bedeutung der deutschen Sprache und einer internationalen Einstellung im Berufsleben Sloweniens und generell Europas. Dies stärkte auch das Vertrauen der Studierenden in ihre Deutsch-Ausbildung und deren Notwendigkeit. 3.4 Konzentration auf Neue Medien Wenn auch manche Lehrwerke zu Deutsch als Fremdsprache bis heute noch den Geschäftsbrief präsentieren, ist er doch mittlerweile eine in der Praxis unübliche Textsorte. In einigen Lehrwerken wurden alte Briefe einfach als E-Mail präsentiert, was eine skurrile Note hat, denn der Stil ist ein anderer, wenn es auch Parallelen gibt. E-Mails sollten aber eigens ins Zentrum gerückt werden. Sie sind nicht nur ein guter Ausgangspunkt, um ehemals gelernte Merkmale des formalen Briefs durchzubesprechen – wie Betreff, Datum, Ab-sender, Adressaten, mögliche Adressaten in cc oder bcc. Die veränderten Grußformeln sowie der in Richtung Kürze, Prägnanz und Freundlichkeit veränderte Stil sind an dieser Stelle gut zu behandeln. Wichtige Aspekte wie die Bedeutung der Betreff-Zeile, die Sinnhaftigkeit bei Themenwechsel die Betreff-Zeile zu ändern, eine seriöse E-Mail-Adresse, kurzer und klarer Stil sind für die Studierenden bei der E-mail unmittelbar verständlich – es handelt sich um eine Kommunikationform, die ihrer Lebenswelt nahe ist. Eine gewisse „Netiquette“ ist bereits für ihre Korrespondenz mit Unterrich-tenden und der Universitätsverwaltung vonnöten. Natürlich sind es immer mehr Kanäle, welche die Kommunikation der Studierenden bestimmen – facebook, twitter, whatsapp sind nur einige davon. Für eine praxisnahe Lehrveranstaltung muss der Schwerpunkt auf digitaler Kommunikation liegen, wie E-Mail, SMS oder facebook, die heute für die Kommunikation auch im Berufsalltag genutzt werden. Auch die Selbstrepräsentation bzw. -inszenierung im Internet ist Thema. Statt langweiliger Seminareinheiten zur Geschäftskorrespondenz entwickeln sich so spannende Diskussionen und Simulationen nahe des Alltagslebens. Natürlich ist so ein Seminar auch prädestiniert für die Verwendung einer E-Klasse und anderer digitaler Unterrichtsmöglichkeiten. 3.5 Interkulturelle Perspektive Gerade der Arbeitsplatz für Philologen ist zumeist mit „soft skills“, weichen Faktoren in den Bereichen Kultur und Kommunikation, verbunden. Ihre Bedeutung als Erfolgsfaktoren von Unternehmen Inter alia 5 15 in einer modernen globalen internationalisierten Wirtschaft bewertet Bolten mit bis zu 70 %. (Bolten, 1997, S. 470). Ein Seminar zu Wirtschaftsdeutsch ist ein hervorragender Raum, um kulturelle Unterschiede zu diskutieren und die notwendige Sensibilität zu fördern. Studierende bringen sich auch hinsichtlich interkultureller Fragestellungen mit Kurzreferaten zu aktuellen Themen aus Wirtschaft und Beruf und dazugehöriger Diskussionsleitung ins Seminar ein, wobei immer wieder sehr innovative und besondere Beiträge in den Medien gefunden und besprochen werden. Die Studierenden sollen insgesamt ihre eigene kulturelle Prägung sowie kulturelle Unterschiede bei Textsorten, in der professionellen Kommunikation und im Berufsalltag besser verstehen, um mögliche Konflikte zu vermeiden und ihre Empathie und Toleranz zu stärken. 3.6 Möglichkeit eines offziellen Tests der Wirtschaftssprache Wichtige international anerkannte Deutschprüfungen zum Thema sind die „Prüfung Wirtschaftsdeutsch International“, eine Kooperation der Carl Duisberg Centren, des Goethe Instituts und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (Niveau B2-C1), und das „Zertifikat Deutsch für den Beruf“ des Goethe-Instituts und des Deutschen Volkshochschul-Verbandes (B2). Zur eigenen Einschätzung und Prüfung wird mittlerweile auch der computerbasierte „Goethe-Test PRO: Deutsch für den Beruf“ eingesetzt, der die Hör- und Lesekompetenz am Arbeitsplatz ermitteln soll. Für die Germanistik-Studierenden (ca. C2) mit ihrem hohen Sprachniveau sind diese Examen aus dem Mittelstufenbereich allerdings wenig geeignet. Glücklicherweise bietet das Österreichische Sprachdiplom eine Wirtschaftsprüfung auf C2-Niveau an, und zwar das „ÖSD Zertifikat C2 / Wirtschaftssprache Deutsch“, das die Berufskommunikation in komplexeren Zusammenhängen prüft. Ein hervorragendes Resulat bei dieser Prüfung ist auch für Studierende in den letzten Semestern noch eine Herausforderung. Das Seminar bereitet sie darauf vor – und manche haben die Investition getätigt und die Prüfung auch mit großem Erfolg bestanden, sicher ein wertvoller Beitrag in ihrem Lebenslauf, der gleichzeitig Sprach-, Sachkenntnis und Engagement beweist. 4 Fazit Wirtschaftssprache darf nicht nur als Ansammlung von spezifischen Textsorten, aus den im Fremdsprachenunterricht herkömmlichen Übungen oder Wortschatzarbeit verstanden werden, insbesondere bei Schülern oder Studenten, die sonst wenig bis kaum mit Wirtschaft und dem realen Berufsleben zu tun haben. Dass dies dennoch allzu oft passiert, zeigt die Tatsache, dass Studierende auch nach mehrmaligem Verfassen von Bewerbungen im Deutschunterricht nicht dazu fähig sind, ein seriöses Anschreiben und einen solchen Lebenslauf zu schreiben. Wirtschaftsdeutsch muss an der Universität vor allem einen Praxisbezug haben, der mit verschiedenen Methoden und Projekten hergestellt werden kann. Zentral sind nämlich nicht nur sprachliche Kenntnisse, sondern die Bewusstwerdung von Kommunikationszusammenhängen und Bedeutungen im Berufs- und Wirtschaftsalltag. Eine offene Workshop-Atmosphäre und Projekte im Seminar können alternatives und neues Denken ermöglichen und zudem die Lernmotivation fördern. Ein lernender-, handlungs- und fertigkeitsorienterter Unterricht soll dabei im Zentrum stehen, wenn auch eine Sprach- und Textorientierung nicht aus-geklammert wird. Das Seminar wird von Studierenden überdurchschnittlich gut evaluiert, manche Absolventen bezogen sich später – schon während ihres Berufslebens – lobend auf die Anwendbarkeit des in der Lehrveranstaltung Gelernten, eine wertvolle Bestätigung für die hier aufgezeigte Methodik. 16 Johann Georg Lughofer: Herausforderung „Deutsch für Wirtschaft... Literatur Bolten, J. (1991). Fachsprache Wirtschaftsdeutsch. In B.-D. Müller (Hrsg.), Interkulturelle Wirtschaftskommunikation (S. 71-91). 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Zuerst wird ein Blick auf die Entstehung, die Prinzipien und Grundlagen des Hochschulprojekts geworfen; danach werden gedruckte und online erschienene Rahmencurricula vorgestellt und kommentiert und in ihren Bestandteilen und ihren unterschiedlichen landeseigenen Merkmalen analysiert. Der letzte Teil des Beitrags ist den Anhängen und der Umsetzung der Rahmencurricula in die tag-tägliche Unterrichtspraxis gewidmet; es wird dabei die Notwendigkeit der Erarbeitung von gemeinsamen Rahmencurricula für einen studienbegleitenden berufsorientierten Unterricht verschiedener Fremdsprachen hervorgehoben, da die bisher veröffentlichten Rahmencurricula zwar den Deutschunterricht betreffen und von Deutschdozenten verfasst worden sind, grundsätzlich aber auch für den studienbegleitenden Unterricht anderer Fremdsprachen gültig sein können. Schlüsselwörter: Rahmencurricula, Universitätsstudenten, Sprachunterricht, fachbezogene Sprache, interkulturelle interdisziplinäre Kompetenz, holistischer pädagogischer Ansatz Abstract Within the context of a university project that began in Warsaw in 1992 and covered ten countries, a number of framework curricula have been published in German aiming at the development of professional cross-cultural interdisciplinary competences through foreign language teaching at university level. They are not compulsory but a help for teachers, authors and institutions for planning language teaching. They do not aim to the teaching of a foreign language for specific purposes: the language is taught alongside the subjects included in the study plan regardless of the branch of study. The focus is not on a linguistic but on a pedagogical holistic and humanistic communicative approach. Since these curricula are an implemen-tation of the European Common Frame of Reference for Languages for university students, they might suit even the teaching of other languages and be applied to teaching and developing teaching materials in other languages than German. Keywords: framework curricula, university students, language teaching, language for specific purposes, cross-cultural interdisciplinary competence, holistic pedagogical approach 18 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... 1 Einleitung Im Rahmen eines 1992 in Warschau gestarteten Hochschulprojektes sind in den letzten zwanzig Jahren in zehn verschiedenen Ländern für den studienbegleitenden Deutschunterricht an Universitäten und Hochschulen Rahmencurricula entstanden, die allerdings außerhalb der Länder, der Universitäten, der deutschsprachigen Plattformen und der Autorengruppen, wo sie entwickelt wurden, fast nicht bekannt sind. Sie werden hier in der Absicht vorgestellt, sie einerseits bei Dozenten zu ver-breiten, die in anderen Ländern im Bereich des studienbegleitenden Deutschunterrichts arbeiten, und sie andererseits den Dozenten zugänglich zu machen, die andere Fremdsprachen studienbegleitend unterrichten; ein weiterer Grund ist aber auch die Überzeugung, dass sich der studienbegleitende Fremdsprachenunterricht, bei dem Studierende aus verschiedenen Fachrichtungen zusammenkom-men und fachübergreifend auf die Kommunikation im zukünftigen Beruf vorbereitet werden, in den kommenden Jahren einen deutlichen Aufschwung erleben wird, soweit die Fremdsprache ein curriculares Fach bleibt. Da diese Rahmencurricula in die Sprachen der Länder der Arbeitsgruppen übersetzt worden sind, bildet die Tatsache, dass sie von Deutsch sprechenden Autoren auf Deutsch verfasst worden sind, kein Hindernis, um aus den darin angesprochenen Prinzipien, Zielen, Inhalten und Verfahren allgemeingültige Reflexionen und Umsetzungshilfen für den Unterricht und die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien nicht nur auf Deutsch, sondern auch in anderen Fremdsprachen als Deutsch zu gewinnen. Ziel des Beitrages ist es, zu zeigen, was man konkret aus diesen Rahmencurricula schöpfen kann: Zuerst wird deshalb auf die Bedeutung der beiden Begriffe „studienbegleitend“ und „Rahmencurriculum“ (Kap. 2) eingegangen, danach werden die in allen Rahmencurricula konstanten Bestandteile (Kap. 3) vorgestellt, wobei das Augenmerk besonders auf den praxisbezogenen Bestandteil der „An-hänge“ gerichtet ist, weil darin Hilfen für die Umsetzung der theoriebezogenen Bestandteile in die Unterrichtspraxis zu finden sind; zuletzt (Kap. 4) wird ein Blick in die Ergebnisse der Anwendung der Rahmencurricula in Unterrichtsmaterialien mit einem Ausblick auf weitere Einsatzmöglichkeiten in der Zukunft geworfen. 2 Die Begriffe „Rahmencurriculum“ und „studienbegleitend“ Die Rahmencurricula sind eine für den Hochschulbereich entwickelte Anwendung des vom Europarat erstellten Gemeinsamen Referenzrahmens für Sprachen (vgl. GeR, 2001). Sie beziehen sich studienübergreifend auf den Spracherwerb, die Sprachanwendung und die Sprachkompetenz im be-rufsvorbereitenden Studium einer Fremdsprache: Sie betreffen daher Studierende aller Fächer und Studienrichtungen außer den Studienfächern, die sich speziell der Erforschung der Sprache und deren Entwicklung und Literatur widmen, wie z. B. Germanistik, Romanistik, Anglistik u. Ä. Der Begriff „Rahmencurriculum“ (ab hier RC) deutet darauf hin, dass diese Publikationen für die Planung eines studienbegleitenden Fremdsprachenunterrichts einen „Rahmen“ bilden, der für Dozenten, Studienplaner und Autoren als Orientierung dienen soll: Solche Curricula sind daher auf keine Weise verbindlich, sondern dienen als Richtlinien und als Grundlagen zur Reflexion bei der Wahl von Zielsetzungen, Kannbeschreibungen, Inhalten und Verfahren. Die Rahmencurricula betreffen den „studienbegleitenden Deutschunterricht“1. Aus den Anfangs-buchstaben des Begriffs ist das Kürzel SDU entstanden und, parallel dazu, SFU für den studienbegleitenden Fremdsprachenunterricht. Beim SDU/SFU geht es um den Unterricht an Studierende, 1 Mehr zum Begriff in: Serena & Baric 2017: 70-72. Inter alia 5 19 die verschiedene bis zum Oberschulabschluss erworbene Sprachkenntnisse mitbringen und diese zur Vorbereitung auf den Beruf ausbauen müssen: Was für eine Sprache ist aber „berufsvorbereitend“ und „studienbegleitend“? Vom sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkt her fließen in den studienbegleitenden Fremdsprachenunterricht Elemente aus Fach-, Wissenschafts-, Berufs- und Allgemeinsprache ein, wobei die Grenzen fließend sind, wie wir durch die folgende Skizze verdeutlichen (s. Abb. 12). Abbildung 1: Sprache und Sprachen im Studienbegleitenden Deutschunterricht Während die Fachsprachenforschung eine lange Tradition hat (z. B. Fluck, 1976; Möhn & Pelka, 1984; Roelcke, 1999; 2014), und sich daraus die Forschung im Bereich der Berufssprache weiterentwickelt (wie z. B. bei dem auf den DaF-Unterricht bezogenen Versuch von Christian Efing (2014: 415-441) mit seinem Plädoyer für Berufssprache als eigenständiges Register im Schnittpunkt von Allgemein-, Bildungs- und Fachsprache), ist die Forschung, die sich gezielt mit dem studienbegleitenden Fremdsprachenunterricht beschäftigt, viel jünger (Ylönen, 2015; 2016; Rösler, 2015; Schramm & Seyfarth, 2017; Serena & Barić, 2017)3. Oft ist allerdings der „studienbegleitende“ Deutsch- und Fremdsprachenunterricht – auch aufgrund von Übersetzungsschwierigkeiten dieses Begriffs in die Sprachen, wo es ihn nicht gibt – als Unterricht missverstanden worden, in dem nur Allgemeinsprache unterrichtet wird, so dass ihm oft an Universitäten ein angeblich hochschulentsprechender Fachsprachenunterricht gegenübergestellt wird, der zumindest eine Berufsbezogenheit zu gewährleisten scheint: Zu bedenken ist allerdings, dass der Unterricht einer Fachsprache in einer bestimmten Studienrichtung oft überhaupt die einzige Chance ist, damit die Fremdsprache als curriculares Fach im Studienplan nicht einfach abgeschafft wird. Was die Sprache im SFU betrifft, kommt in den Rahmencurricula allerdings nicht so sehr eine sprachwissenschaftliche sondern eher eine pragmatische Perspektive zum Vorschein, denn in den 2 Abbildung 1 ist von den beiden Autorinnen eigens für den vorliegenden Beitrag entworfen worden. 3 Das Interesse scheint in der Forschung steigend, denn die ZIF – Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht – hat dem SDU zwei Themenhefte gewidmet (2015 und 2016) und das Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache hat Band 41 dem Thema der universitären Curriculumentwicklung gewidmet (s. Schramm, K. & Seyfarth, M., 2017). Beim Internationalen Deutschlehrerverband IDV scheint das Interesse hingegen eher sinkend: Während es an der IDT (Internationale Deutschlehrertagung) Jena 2007 eine eigene SDU-Sektion gab, wurden an der IDT 2013 die entsprechenden Beiträge in einer nicht speziellen Sektion untergebracht ( Gesamtsprachenkonzepte und Curricula für DaF und DaZ in Lehre, Leistungsbewertung und Ausbildung); an der IDT 2017 gab es überhaupt keine Sektion mehr. 20 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... Zielsetzungen steht z. B.: „Die Studierenden sollten […] ihr Wissen über Fremdsprachen und deren Struktur (z. B. Wissen um den Zusammenhang zwischen Textsorte, Textmuster, Sprachhandlungen (funktionale Grammatik und systematische Grammatik) vertiefen“, und „[…] Sprachverwendungs-situationen der Allgemein- und Berufssprache kennen und anwenden können“ und „[…] auf der berufsübergreifenden Ebene über bestimmte Kompetenzen verfügen wie Frage-, Gesprächs-, Argumentations-, Moderations-, Visualisierungs- und Präsentationstechniken, usw.“ (RC Makedonien, 2013: 10); außerdem solle „der Wortschatz den Sprachhandlungen (Mitteilungsabsichten und Kom-munikationsverfahren) angemessen sein, er sollte differenziert, adressatenbezogen sein und der Stil-ebene entsprechen. Die Termini der fach- und berufsbezogenen Sprache dulden keine Umschreibun-gen“ (ibidem, 2013: 21). Der Fokus der Curricula betrifft daher nicht so sehr die Frage, ob und wie viel Allgemeinsprache, Fachsprache oder Berufssprache Gegenstand des Unterrichts sein soll, sondern eher die dem Beruf entsprechenden Kommunikationsstile und die für ein autonomes lebenslanges Lernen notwendigen Arbeits- und Lerntechniken und all das, was Lernende befähigt, in der Zielsprache zu handeln. Grundlage aller Rahmencurricula bildet daher ein Modell der Handlungskompetenz (s. z. B. im RC Bosnien und Herzegowina 2011: 10), die sich aus dem Zusammenwirken von verschiedenen Kompetenzen wie Methoden-, Sozial-, Persönlichkeits- und Fachkompetenz ergibt, die durch gezielte Verfahren im Unterricht entwickelt werden können, wie wir in Tabelle 1 zeigen. Zur Gestaltung diesbezüglicher Aufgaben, liefern die Rahmencurricula zahlreiche Beispiele. Tabelle 1: Kompetenzen und berufs- und fachorientierte Unterrichtsverfahren Welche berufs- und Was lernen die Studierenden? Welche Kompetenzen fachorientierte Verfahren werden dabei entwickelt? regen die Kommunikation im Unterricht an? - Protokolltechniken und - Informationen zu gewinnen und zu Methodenkompetenz Informationsaufnahme verarbeiten - ein fundiertes Fachwissen zu erwerben - Bearbeitung von - etwas selbstständig zu planen und Sozial-, Persönlichkeits- Fallbeispielen/Praxisbeispielen durchzuführen und Fachkompetenz - zu argumentieren - aktiv zuzuhören - andere Meinungen zu respektieren und zu akzeptieren - Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein für sich und andere im Team zu entwickeln - eigene Vorschläge zu präsentieren - im Team zu arbeiten - ein fundiertes Fachwissen zu erwerben und entsprechend zu handeln, um eine Aufgabe zu lösen - Brainstorming, Metaplan und - Arbeitsziele zu erkennen Synthesefähigkeit, Mindmapping Methoden- und Fachkompetenz Inter alia 5 21 Welche berufs- und Was lernen die Studierenden? Welche Kompetenzen fachorientierte Verfahren werden dabei entwickelt? regen die Kommunikation im Unterricht an? - Präsentations- und - zu argumentieren Sozial-, Persönlichkeits-, Visualisierungstechniken - aktiv zuzuhören Fach- und - Darstellung von Vorgängen, - fachliche Zusammenhänge Methodenkompetenz Handlungen, Prozessen, darzustellen Lösungswegen, Sachverhalten, - andere Meinungen zu respektieren Zusammenhänge oder und zu akzeptieren Abhängigkeiten z. B. - Verantwortungs- und in Flussdiagrammen, Pflichtbewusstsein für sich und Strukturdiagrammen, andere im Team zu entwickeln Mindmaps usw. - eigene Vorschläge zu präsentieren - im Team zu arbeiten - Versprachlichung und - fachliche Zusammenhänge zu Fach- und sprachliche Auswertung erkennen Methodenkompetenz von Charts wie Diagramme, - ein fundiertes Fachwissen zu Statistiken u. a. erwerben - Informationsgewinnung durch - ein fundiertes Wissen/Fachwissen zu Fach- und Fragebögen erwerben Methodenkompetenz Tabelle 1 zeigt, dass die Perspektive der Rahmencurricula vorrangig didaktisch und pädagogisch ist, weil die ganzheitliche Entwicklung des Einzelnen im Auge behalten wird und den Lehrenden dabei geholfen wird, ihre Studierenden für die wachsenden Anforderungen der Kommunikation in der beruflichen Praxis zu wappnen, wobei die Sprache studienbegleitend als Mittel zur allgemeinsprach-lichen sowie zur fachlichen Verständigung in den Mittelpunkt der Reflexionen gestellt wird. 3 Die Rahmencurricula und ihre Bestandteile 1994 entstand das Projekt Förderung des studienbegleitenden Deutschunterrichts (SDU) an Universitäten und Hochschulen - Curricula und Lehrwerke 4, innerhalb dessen nach und nach bis 2014 in verschiedenen Ländern Rahmencurricula zum studienbegleitenden Deutschunterricht entstanden (s. Serena & Barić 2017: 72-79). Sie bilden grundsätzlich eine Textsorte für sich und weisen alle die gleichen sieben Bestandteile auf, von denen allerdings nur die ersten sechs in die jeweiligen Landessprachen übersetzt werden: 1. Prinzipien 2. Ziele 3. Inhalte 4 Es gab grundsätzlich zwei Phasen des von Dorothea Lévy-Hillerich geleiteten Hochschulprojekts: Die erste „Förderung des Studienbegleitenden Deutschunterrichts an Universitäten und Hochschulen – Curricula und Lehrwerke“ (1994/95 - 2004) und die zweite „Studienbegleitender Deutschunterricht an Universitäten und Hochschulen in Bosnien und Herzegowina, Frankreich, Italien, Kroatien, Makedonien, Rumänien und Serbien“ (2005 - 2010), die 2010 mit der Veröffentlichung des als Anwendung der Rahmencurricula entstandenen Lehrbuchs Mit DEUTSCH studieren, arbeiten, leben A2/B1 (Lévy-Hillerich/Serena/Barić/ Cickovska 2010) zu Ende gegangen ist. Eine Anzahl weiterer Publikationen zum SDU-Projekt sind online zu finden unter: https://sdustudienbegleitenderdeutschunterricht. wordpress.com/ (2.10.2017) und ein Rückblick darauf (Hillerich & Serena, 2009; Hillerich, 2016). Alle Curricula, die innerhalb des Hochschulprojekts entstanden sind, mit Ausnahme der allerersten 1998, 2000 und 2002 und der ersten Version des ukrainischen Rahmencurriculums 2006, sind inzwischen von der Homepage der einzelnen Goethe-Institute herunterladbar. 22 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... 4. Methoden 5. Beurteilung und Bewertung 6. Glossar 7. Anhänge Davor steht in jeder Fassung eine auf die Anpassung an die landesspezifischen Umstände hinweisen-de Einleitung, in der die allgemeinen Ziele erklärt werden, wie das nachfolgende Zitat aus „Allgemeine Einleitung zu den Rahmencurricula“ aus dem RC Serbien 2010 verdeutlicht: Das vorliegende Rahmencurriculum […] will zu mehr Verständnis und Zusammenarbeit zwischen Menschen und Staaten mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen beitragen, da Verständnis und Zusammenarbeit in hohem Maße auch von der Beherrschung mehrerer Fremdsprachen abhängen. Es will einen Fremdsprachenunterricht fördern, der die immer intensiver werdenden internationalen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen berücksichtigt und der auf den wachsenden Bedarf an Mobilität in Studium und Beruf vorbereitet […]. Es dient bei der Planung und Gestaltung eines hochschulspezifischen und hochschulad- äquaten Deutschunterrichts, […], der berufsorientierend und interdisziplinär zu verstehen ist, weil er die Studierenden befähigt, europaweit mobil zu sein und von Praktika und Ar-beitserfahrungen im Ausland zu profitieren. (Allgemeine Einleitung zu den Rahmencurricula, RC Serbien, 2010: 4-5) Am Ende nach den Anhängen ist eine Auswahlbibliographie zu finden, die von einem Rahmencurriculum zum anderen ausführlicher und reichhaltiger wird. In den Rahmencurricula halten sich Theorie und Praxis die Waage: Der den Prinzipien gewidmete Teil z. B. ist eng mit dem Teil der Methoden, der Inhalte und der Leistungsbewertung verbunden, und dies alles erfährt im Teil der Anhänge eine Umsetzung in die Praxis, wo aber wiederum auf die anderen Bestandteile zurückverwiesen wird: Es handelt sich um eine gesamtdidaktische Konzeption, wo Alles mit Allem verbunden ist. Die Bestandteile werden in den folgenden Abschnitten (2.1 bis 2.7) einzeln vorgestellt. 3.1 Prinzipien Die folgenden Prinzipien sind die Grundlage des gesamten studienbegleitenden Fremdsprachenunterrichts und sind in allen Rahmencurricula zu finden: - Handlungs- und Kommunikationsorientierung, - Lernerorientierung und eine sich daraus ergebende Veränderung der Rolle der Lehrenden, - Sensibilisierung für interkulturelle Aspekte, - Berufs- und Fachbezogenheit, - Förderung der Lernerautonomie. In den verschiedenen Fassungen lassen sich allerdings leichte Unterschiede feststellen: Diese betreffen hauptsächlich a) die Rangordnung: An erster Stelle steht z. B. im RC 2006 die „Kommunikations- und Handlungsorientierung“, während in den Rahmencurricula 2007, 2010, 2011, 2013 die „Entfaltung und Förderung von mehr Lernerautonomie“ die erste und die „Kommunikations- und Handlungsorientierung“ die zweite Stelle einnehmen; das nicht veröffentlichte RC Belarus weicht sogar von allen anderen ab, indem es an die erste Stelle die „kognitiv-kommunikative Orientierung“ stellt; Inter alia 5 23 b) die Anzahl der Prinzipien: Im zuletzt erschienen RC (Ukraine 2014) z. B. kommen die Prinzipien „Berufs- und Fachbezogenheit“ und „Nutzung von Netzwerken und Lernplattformen und Mehrsprachigkeit“ hinzu. Das letztere ist ein Zeichen dafür, dass die Rahmencurricula sich an die neuen Bedürfnisse der Studierenden und der Gesellschaft anpassen, denn einerseits wird dadurch der Entwicklung der Medien Rechnung getragen, die es noch nicht gab, als die Reflexion über die Rahmencurricula begann, andererseits wird die heutige Lernlandschaft berücksichtigt, wo Deutsch nicht mehr wie in den ersten Jahren als erste, sondern inzwischen als zweite oder sogar dritte Fremdsprache gelernt wird. Diese „Mehrsprachigkeit“, d. h. die Koexistenz mehrerer Spracherfahrungen und Sprachkenntnisse im Hirn der Lernenden, wird in diesem RC auch graphisch abgebildet (s. Abb. 2): Deutlich wird darin die Zentralität des Lernenden5 als ein Gegen- über mit eigenen Lerngewohnheiten, Lernvoraussetzungen und Vorkenntnissen. Daraus ergibt sich auch die Rolle der Lehrkraft, der die Aufgabe zukommt, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch diese Mehrsprachigkeit sprachdidaktisch zu nutzen, um das fach- und berufsbezogene Lernen und die Autonomie der Studierenden zu fördern. Abbildung 2: Mehrsprachigkeit im Kopf (RC Ukraine, 2014: 90)6 3.2 Ziele Bei allen Rahmencurricula beziehen sich die Ziele auf die Handlungsfähigkeit in der Fremdsprache und auf sprachübergreifende pädagogische Ziele wie die Entwicklung von Verantwortung für den eigenen Lernprozess und die Sensibilisierung für interkulturelle Aspekte. 5 „Im Mittelpunkt des vorliegenden Rahmencurriculums steht der interdisziplinäre, handlungsorientierte und berufsbezogene Deutschunterricht, dessen Zentrum der Studierende ist“ (RC 2014: 24, Hervorhebung durch die Autorinnen). 6 RC Ukraine, 2014, S. 90, herunterladbar unter: http://www.goethe.de/ins/ua/kie/pro/bkd/rahmencurriculum.pdf 24 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... Die Hauptziele betreffen: - Fertigkeiten und Fähigkeiten (prozedurales Wissen / savoir-faire), ˗ Wissen und Kenntnisse (deklaratives Wissen / savoir), ˗ Einstellungen und Haltungen / Soziokulturelles Wissen. Eine Ausnahme bildet das ukrainische RC, das als einziges kommunikative Kompetenz, kooperative Arbeit,7 Lernerautonomie und Handlungsorientierung zu den Zielen rechnet. 3.3 Inhalte Die Inhalte des Studienbegleitenden Deutschunterrichts sind nicht von den Prinzipien und Zielen und den sich daraus ergebenden methodischen Überlegungen zu trennen. Da eines der Prinzipien die Lernerorientierung ist und daher die Wahl der einzelnen Themen von der Zielgruppe bzw. vom Fach abhängen (und möglicherweise auch von Studierenden und Lehrkräften gemeinsam festgelegt werden sollten), kann ein RC keinen festen Themenkanon vorgeben: Als Hilfestellung kann es nur – wie dies in allen Rahmencurricula der Fall ist – hochschuladäquate Textsortenlisten (s. 3.7.3) und Beispiele von Unterrichtsentwürfen oder Planungsskizzen anbieten. 3.4 Methoden Es ist nicht möglich, hier im Detail auf alle methodischen Anregungen einzugehen, die die allgemeinen berufsorientierten Verfahren zur Kommunikation im Unterricht betreffen. Einen Einblick liefert Tabelle 1, insbesondere was die Entwicklung der Kompetenzen angeht, über die Studierende im Unterschied zu Erwachsenen noch nicht verfügen und die sie daher in der Sprache und durch die Sprache aufbauen müssen (was den hauptsächlichen Unterschied zwischen dem studienbegleitenden und dem allgemeinen Sprachunterricht an Erwachsene ausmacht). Besonderer Wert wird im Teil „Methoden“ auf das berufsvorbereitende Lernen des Lernens (also wie man sich z. B. Informationen beschafft, einen Text entschlüsselt usw.) gelegt, sowie auf die Anregung der Reflexion über das individuelle Lernverhalten, auf die Lerntechniken zum Wortschatz- und Grammatik-Erwerb und auf die integrative Vermittlung der morphologischen, syntaktischen und lexikalischen Grundlagen der kommunikativen Fertigkeiten: Sprachliche Regelmäßigkeiten werden nicht isoliert voneinander geübt, sondern im Text entdeckt, gesammelt und systematisiert (nach dem in den Rahmencurricula vorgestellten S-O-S-Verfahren: Sammeln-Ordnen-Systematisieren). 3.5 Bewertung und Beurteilung In allen Rahmencurricula wird die Vernetzung von Bewertung und Beurteilung mit Prinzipien, Zielen, Kompetenzen, Schlüsselqualifikationen, den gewählten Inhalten und deren didaktisch-methodischer Behandlung im Unterricht sehr deutlich hervorgehoben. Häufig spielen aber bei der Entwicklung von hoch-schuleigenen Deskriptoren auch andere Vorgaben im Hinblick auf die Internationalisierung der Abschlüs-se eine maßgebende Rolle: Aus dem Vergleich der Inhaltsverzeichnisse der Rahmencurricula ergibt sich, dass ab RC 2006 besonderer Wert auf die Information der Jugendlichen über internationale Prüfungen und Dokumente wie das europäische Sprachenportfolio und die „Fünf Dokumente für mehr Transparenz in Europa“8, sowie über die TestDaf-Niveaustufen gelegt wird. Im Bereich „beurteilen, bewerten, prüfen, evaluieren“ (in den Rahmencurricula werden die Begriffe genau erklärt und voneinander abgegrenzt) werden die Lehrenden außerdem auf vielfältige Weise durch eine Anzahl von Anhängen unterstützt, wie z. B. 7 Zu den kooperativen Arbeitstechniken im studienbegleitenden Deutschunterricht s. auch Barić & Serena (2016). 8 https://www.ihk-bonn.de/fileadmin/dokumente/Downloads/Weiterbildung/Sonstiges/PM_Europass.pdf Inter alia 5 25 durch Bewertungskriterien und Beobachtungsraster für Produktion, Rezeption und Interaktion mündlich und schriftlich (s. z. B. 3.7.3) sowie durch Kriterien für die Entwicklung von Testverfahren und Aufgaben-typen zur Fremd- und zur Selbstevaluation. Diese wird besonders im Sinne einer Förderung der Lernerautonomie und der Übernahme von Verantwortung für den eigenen Lernprozess hervorgehoben9. 3.6 Glossare In den allerersten Rahmencurricula gab es kein Glossar, weil erst später das Bewusstsein entstand, bestimmte methodisch-didaktische, sprachwissenschaftliche und technische Termini für die Leser auf-listen und in ihrer genauen Bedeutung zugänglich machen zu müssen, da dies vor allem für die Ver-handlungen mit Bildungsministerien und mit den für den Hochschulbereich zuständigen Institutionen relevant war, um den Fremdsprachenunterricht als studienbegleitendes curriculares Fach abzusichern. Als die Rahmencurricula entstanden, waren viele didaktische Begriffe noch neu, und manche, die aus dem GeR und Profile deutsch 2.0 entnommen waren, wurden in der Übersetzung in die Landessprachen nicht immer korrekt benutzt. Grund dafür war nicht nur, dass sie in der didaktischen Landschaft unbekannt waren, sondern auch, dass manche nicht wirklich übersetzbar sind, so dass ein neues Wort oder eine Umschreibung dafür erdacht werden musste. Ein Beispiel dafür ist der Begriff „Handlungskompetenz“10: Tabelle 211 zeigt, wie er und die anderen damit zusammenhängenden Kompetenzen in acht verschiedenen Landessprachen lauten; dabei fällt z. B. auf, dass für „Sozialkompetenz “ im ukrainischen RC 2014 „soziokulturelle“ Kompetenz – Соціокультурна компетенція – steht, und dass die „interkulturelle Kompetenz“ als „berufsbezogene interkulturelle kommunikativen Kompetenz “ – Професійно орійнтована мижкультурна комунікативна компетенція – ausgebaut wurde; im gleichen RC kommen sogar zwei neue Begriffe hinzu: „Lernkompetenz “ ( навчальна компетенція) und „fremdsprachliche kommunikative Kompetenz “ (Іншомовна комунікативна компетенція); in anderen Rahmencurricula dagegen gibt es manche Begriffe wie „Persönlichkeitskompetenz“ oder „Sozialkompetenz“ überhaupt nicht. Tabelle 2: Die verschiedenen Kompetenzen in den Landessprachen der Rahmencurricula DEUTSCH Handlungs-Sozialkom- Fachkom- Methoden- Persönlich- Interkulturelle kompetenz petenz petenz kompetenz keitskom- Kompetenz petenz FRANZÖ- savoir opéra- savoir-faire savoir faire savoir-faire Valeurs per- keine Angaben SISCH tionnel social grâce à un sa- méthodique sonnelles savoir agir voir théorique spécifique BOS- Kompetencija Socijalna Stručna kom- Metodološka Kompetencija Interkulturalna NISCH djelovanja kompetencija petencija kompetencija ličnosti kompetencija KROA- Kompetencija Socijalna Stručna kom- Metodološka Kompetencija Interkulturalna TISCH djelovanja kompetencija petencija kompetnecija osobnosti kompetencija MAKEDO- Компетенцијана Социјална Стручна Методолошка Компетенција Интер-културна NISCH дејствувањe компетенција kомпетенција компетенција на личноста компетенција POL- Kompetencja w Kompetencja Kompetencja Kompetencja nicht erwähnt Kompetecja NISCH działaniu społeczna fachowa metodyczna interkulturowa SERBISCH Kompetencija Socijalna Stručna kom- Metodološka Kompetencija Interkulturalna delovanja kompetencija petencija kompetencija ličnosti kompetencija TSCHE- Komunikační Sociální Odborná Metodická Osobní hod- nicht erwähnt CHISCH kompetnece kompetence kompetence kompetence noty UKRAINI- Діяльнісна nicht erwähnt Фахова Методична nicht erwähnt nicht erwähnt SCH компетенція компетенція компетенція 9 Zahlreiche Beispiele sind in Lévy-Hillerich, Serena, Barić & Cickovska 2010 zu finden. 10 Ein Beispiel, das den Begriff „Handlungskompetenz“ betrifft, ist in einem zweisprachigen Artikel (Deutsch, Französisch) in der Zeitschrift „Synergies Europe“ erschienen (Lévy-Hillerich & Serena, 2006: 219-235). 11 Tabelle 2 ist eigens für den vorliegenden Beitrag von den beiden Autorinnen entworfen worden. 26 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... Die Frage des genauen Verstehens der Begriffe ist allerdings grundlegend, um Unterrichtsergebnisse, Lehrwerke und Prüfungen in einem internationalen Referenzsystem vergleichbar machen zu können (s. dazu Glaboniat 2013: 13): Diese Vergleichbarkeit ist allerdings nur dann gewährleistet, wenn die Instrumente und die damit verbundenen Begriffe so umschrieben oder übersetzt werden können, dass sie dem Original entsprechen und möglichst nicht den didaktischen Prinzipien eines Landes nur er-gebnislos „übergestülpt“ werden. 3.7 Die Anhänge Der umfangreichste Teil der Rahmencurricula besteht aus den sogenannten „Anhängen“, die als Hilfe für - die Planung und Gestaltung des Lehr- und Lernprozesses, - die Entwicklung eigener Curricula, - die Entwicklung von Lehrplänen, - die Didaktisierung hochschuladäquater Textsorten und - die Verwendung hochschuladäquater Deskriptoren gedacht sind. Außerdem gibt es Hilfen für die Beurteilung und Bewertung von Leistungen (s. 2.7.2), Hilfen für die Wahl von Texten (s. 2.7.3) und Vieles mehr. 3.7.1 Der Begriff „Kompetenz“ und „Schlüsselqualifikation“ in den Anhängen Die beiden für den studienbegleitenden Fremdsprachenunterricht grundlegenden Begriffe „Schlüsselqualifikationen“ und „Kompetenzen“ werden in den Anhängen von allen Rahmencurricula durch Erklärungen (s. den nachfolgenden aus dem RC Polen 2006 entnommenen Anhang 2 – Schlüsselqualifikationen, Kompetenzen in Schule und Universität) ausgebaut. Anhang 2 – Schlüsselqualifikationen, Kompetenzen in Schule und Universität 2.1 Schlüsselqualifikationen Unter Schlüsselqualifikationen werden allgemein solche Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten verstanden, die sich nicht auf einzelne Arbeitsfunktionen beziehen. Sie sind bei technischen Wandel als dauerhaft verwendbarer Grundstock für die berufliche Existenz anzusehen, da sie die Voraussetzung für Flexibilität in der Anpassung an die sich rasch verändernden Anforderungen der neuen Technologien und der modernen Unternehmensorganisation sind. Sie bilden das Rüstzeug für neues, integriertes Lernen von Handlungen und Erfahrungen, von Sachkompetenz, Gestaltungskompetenz und Sozialkompetenz. Standen bei Dieter Mertens (Mertens: 1974) vermittelbare intellektuelle Fähigkeiten im Vordergrund, die besonders in das allgemein bildende Schulsystem Eingang finden sollten, so geht es heute vor allem um die Vermittlung von „sozialen“ und „personalen“ Qualifikationen im Berufsbereich. Mit Hilfe dieser Qualifikationen hofft man, die künftigen Entwicklungen in der Berufs- und Arbeitswelt meistern zu können (Krafft: 1999). (Kompetenzen, RC Polen, 2006: 30) In den Anhängen sind auch detaillierte Orientierungshilfen zur Umsetzung im Unterricht enthalten, wie die nachfolgend aufgeführten Tab. 3 und Tab. 4 aus dem RC Polen 2006 beweisen. Inter alia 5 27 Tabelle 3: Beziehung zwischen Schlüsselqualifikationen und ihrer Umsetzung im Unterricht (Auszug aus Anhang 2.2, RC Polen, 2006: 31) Dimension Zielbereich Wesentliche Beispiel für den Unterricht (aus Einzelqualifikationen Lévy-Hillerich: 2002) 1. - Arbeitsplanung - Zielstrebigkeit - Aufgaben erkennen und Organisation - Arbeitsausführung - Sorgfalt durchführen und - Ergebniskontrolle - Genauigkeit - Textsorten und Textbaupläne Ausführung - Selbststeuerung erkennen und mit entsprechenden der Aufgabe - Selbstbewertung Sprachhandlungen reagieren - Systematisches - Verständnisaufgaben stellen, Vorgehen besprechen und selbst machen - Rationelles Arbeiten - Selbsteinschätzung der - Organisationsfähigkeit Studierenden entwickeln - Flexibles Disponieren - Studierende an der - Koordinationsfähigkeit Themenauswahl beteiligen 2. […] […] […] […] Tabelle 4: Zuordnung von Schlüsselqualifikationen zu den Kompetenzen (Auszug aus Anhang 2.3, RC Polen, 2006: 33) Materielle Formale Schlüsselquali- Personale Schlüsselqualifikationen Schlüsselqualifikationen fikationen (Sozialkompetenz) (Fachkompetenz) (Methodenkompetenz) Individualverhalten Sozialverhalten Berufsübergreifende - Logisches und analy- - Sachlichkeit - Teamfähigkeit Kenntnisse und Fertigkei- tisches Denken und - Zuverlässigkeit - Kooperationsbereit- ten, wie Kulturtechniken Handeln - Fleiß schaft und Fremdsprachen - Organisationsfähigkeit - Zielstrebigkeit - Hilfsbereitschaft - Konzentrationsfähig- - Leistungsbereit- - Fairness Kenntnisse und Fertigkei- keit schaft - […] ten neuer Techniken, wie - Denken in komplexen - Eigeninitiative Datenverarbeitung, Text- Zusammenhängen - Ausdauer verarbeitung, Internet - Urteilsfähigkeit - […] - Kreativität Kenntnisse von Verfah- - Problemlösungsfähig- rens- und Arbeitsabläufen keit - […] Da Studierende auf ein Sprachhandeln in einer Welt vorbereitet werden müssen, die von ihnen vor-aussichtlich – sei es bei Arbeitswechsel oder in anderen bei Studienabschluss nicht voraussehbaren Umständen – Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verlangt, bieten die Rahmencurricula in den An-hängen auch Hilfen, um die dafür notwendigen berufsübergreifenden Kompetenzen in den Unterricht zu integrieren. Ein Beispiel dafür ist der nachfolgend aufgeführte Anhang 5 - Berufsübergreifende Kompetenzen aus dem RC Polen, 2006. 28 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... Anhang 5 – Berufsübergreifende Kompetenzen Zu den berufsübergreifenden Kompetenzen gehört u.a.: - Informationen verarbeiten (erfragen, nachfragen, suchen, nachschlagen, selektieren, weitergeben) - Zusammenhänge zu anderen Themenbereichen erkennen und darstellen (vernetzendes Denken) - Bei Aufgabenstellungen Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden - Aufgaben in einer Zeiteinheit selbstständig oder im Team fachlich und situationsbezogen planen und durchführen - Entscheidungen treffen und begründen - die eigenen Praxis reflektieren und darstellen - fachspezifische Arbeitsmittel und Medien nutzen - visualisieren und präsentieren - Lern- und Arbeitsergebnisse sach- und fachgerecht darstellen und auf ihre Richtigkeit überprüfen - Gespräche einleiten, zielgerecht verfolgen, absichern, zusammenfassen - Kooperation (Absprachen, Kompromisse) fördern und die Interessen der anderen vertreten. (Berufsübergreifende Kompetenzen, Anhang 5, RC Polen, 2006: 41) 3.7.2 Hilfen zur Leistungsmessung in den Anhängen Der nachfolgende Auszug aus dem Anhang 25 des RC Ukraine, 2014 zeigt eine Liste von sprachlichen Aktivitäten, die Lernende trainieren und beherrschen müssen: Wenn sie bei Kursbeginn wissen, welche von ihnen verlangt werden, können sie sie gezielt üben, und wenn der Lehrende von vornher-ein weiß, welche Sprachaktivitäten seine Studierenden ausführen sollten, kann er seinen Unterricht entsprechend planen, passende Inhalte und Verfahren suchen und danach die Ergebnisse bewerten. Anhang 25 Alphabetische Liste der Zielaktivitäten zur Leistungsmessung - Absprachen diskutieren und treffen; - Aktivitäten abstimmen; - Anleitungen in Betrieb/Verwaltung/Krankenhaus usw. verstehen und weitergeben; - Arbeitsbedingungen nennen und diskutieren; - Arbeitstechniken und Lernstrategien beschreiben und besprechen; - Argumentieren für/gegen Änderungen; - Ausbildungs- und Praktikumsbedingungen benennen und verhandeln; - Auskünfte über Unternehmen, Unternehmensformen, Verwaltungen usw. erteilen und einholen; - Ausschreibungstexte lesen; - Bedingungen benennen und verhandeln; - Begriffe definieren; - Beratungsgespräche führen; - Berichte lesen/überprüfen/schreiben; Inter alia 5 29 - Besonderheiten des heimischen Raums darstellen; - betriebsinterne und -externe Kommunikation führen; - Briefe zu Fallbeispielen schreiben; - Daten zu Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Gesellschaft usw. lesen, zusammenstellen, kommentieren; - deutschsprachige Mitteilungen der Fachpresse, der Fachverbände lesen und zusammenfassen (auch in der Muttersprache); - … (Auszug aus RC Ukraine, 2014: 116) Eine Hilfe für eine für Lernende und Lehrende transparente Bewertung von Lernergebnissen sind Deskriptoren, wie z. B. die auf die Niveaustufen vom GeR abgestimmten Bewertungskriterien für offene Arbeitsformen, wie der nachfolgende Auszug aus dem Anhang 18.2, RC Bosnien und Herzegowina, 2011 (Tabelle 5) zeigt. Tabelle 5: Bewertungskriterien, Auszug aus dem Anhang 18.2, RC Bosnien und Herzegowina, 2011: 46 Bewertungskriterien für offene Arbeitsformen: Referate und Vorträge (Produktion mündlich: Vor Publikum sprechen) C1/C2 B2 B1 A2 Zu be- Zu bewertende Zu be- Zu be- Zu be- Zu be- Zu be- Zu be- wertende Kann-Beschrei- wertende wertende wertende wertende wertende wertende Merkmale bungen Merkmale Kann-Be- Merkmale Kann- Merk- Kann- schreibun- Beschrei- male Beschrei- gen bungen bungen freie Rede, Kann wie ein Flüssiger Kann Grün- Durchge- Kann zu völliges, Kann zu entspricht „Experte” seine Vortrag, de für und hend ma- einem ihm z.T. feh- einem ihm der Text- Kenntnisse zu aber ma- gegen einen nuskript- vertrauten lerhaftes vertrauten men sorte, weit- einem bestimm- nuskript- Standpunkt abhängig Thema aus Ablesen Thema aus or gehend ten Bereich abhängig anführen, seinem seinem manuskript- weitergeben und die Vor- und Fachgebiet Alltag vor- tragsf abhängig dabei auf die Nachteile vortragen tragen, bzw. Vor Fragen und Ein- verschie- ablesen. wände der ande- dener Al- ren eingehen. ternativen angeben. Zur Feststellung und Bewertung der Lernleistungen sind jedenfalls in allen Rahmencurricula weitere Anregungen zu finden. 3.7.3 Hilfen für die Wahl hochschulrelevanter Texte in den Anhängen In den Anhängen finden die Dozenten auch Hilfen für die Wahl von Texten, indem ihnen Textsorten aufgelistet werden, die z. B. nur rezeptive Fähigkeiten erfordern, solche, die einen produktiven Umgang verlangen und Mischformen, bei denen von Seiten der Lernenden situations- und kontext-abhängig ein reproduktiver oder ein produktiver Umgang zu leisten ist. Den Lehrenden wird durch Tabellen geholfen, um die eher berufsbezogenen von den eher fachbezogenen und von den eher wissenschaftsbezogenen Textsorten zu unterscheiden. Ein Beispiel dafür ist die aus dem RC Serbien, 2010 entnommene nachfolgende Auflistung hochschulrelevanter Textsorten. 30 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... Tabelle 6: Hochschulrelevante Textsorten, RC Serbien, 2010: 51-52 Hochschulrelevante Textsorten eher berufsbezogen eher fachbezogen eher wissenschaftsbezogen Anfrage, Bericht, Biografie Anleitungstext für Montage und mündlich: Vorlesung, (Praktikumsbericht), Aufbau, Artikel in Fachzeitschriften, Seminar, Laborarbeit, betriebsinterne Aufgabentext, Charts/ Referat/Vortrag/Exposé, Textsorten wie Memo/ Diagramme, Briefe im Kontext der Präsentation, gegenseitige Notizen, Bewerbungs/ Handlungs-/Gebrauchsanweisung, Interviews, Diskussion und Einstellungsgespräch/ Handelskorrespondenz und Partnersuche Prüfungsgespräch Bewerbungsbrief und (Vertriebspartner), bes. Struktur- CV, Charts/ Diagramme, und Flussdiagramm, Diskussion, schriftlich: Protokoll, Checklisten, Diskussion, Fachaufsätze, Fall- und Praxisbeispiele, Mitschrift, Exzerpt, Exposé, Fragebogen/ Umfrage, Lehrbuchtext, Lexikonartikel, Thesenpapier, Seminararbeit, Kommentare, Smalltalk, Monografie, (Muster)Verträge, Protokoll, Zusammenfassung, Handout Zeitungsartikel Vollmacht Abstract, Thesenpapier In den Rahmencurricula werden unter den hochschulrelevanten Textsorten auch die spracharmen Textsorten aufgelistet, deren Auswahl von den jeweiligen Interessen der Studierenden, dem Fach-bereich und besonders von dem Sprachniveau der Kursteilnehmer abhängen, die sie versprachlichen müssen. Ein Beispiel dafür ist der nachfolgend aufgeführte Auszug aus dem RC Bosnien und Herzegowina, 2011: Spracharme Textsorten - Abbildungen, Adressenliste, Annonce, Arbeitsplan, Bankauskunft, Bilanz, Datei, Diagramm, EG-Norm, Etikett, Exzerpt, Flussdiagramm […], Formular, Grafik, Handels- klasse, Kalkulation, Katalog, Firmenpräsentation, Fragebogen, Gebrauchsanweisung, Geschäftsbericht, Geschäftsbrief, Geschäftsordnung, Gesetzestext, Gesprächsnotiz, Handlungsanweisung, Infoterms, Informationsschriften von Verbänden, Kammern, etc., Internetanzeigen, Internetinfos, Jahresbericht, Kalkulation, Kostenvoranschlag, Kündigungsschreiben, Kundendateien, Landkarten, Lexikoneintrag, Lageplan, Memo, Messekatalog, Mustervertrag, Planspiel, Preislisten, Preistabellen, Pressemitteilung, Programm, Prospekte, Protokoll, Rechnungen, Referat, Sitzungsvorlage, Statistik, Umfrage, Unternehmenspräsentation, Verordnung, Vertrag, Verzeichnis, Vorschrift, Werbepros-pekt, Werbeschreiben, Zusammenfassung (Spracharme Textsorten, RC Bosnien und Herzegowina, 2011: 110) Außerdem gibt es Listen von hochschuladäquaten Textsorten, die nach Bereichen gegliedert sind und für die die jeweilige nach dem GeR benannte Sprachaktivität angegeben wird. Ein Beispiel dafür ist der nachfolgende Auszug aus dem RC Bosnien und Herzegowina, 2011 (Tabelle 7). Inter alia 5 31 Tabelle 7: Auszug aus Anhang 6: Hochschuladäquate Textsorten, RC Bosnien und Herzegowina, 2011: 102 Bereich: Anfrage nach Stipendien, Unterlagen Bereich: Informationsverarbeitung - Anfrage nach Stipendien und Unterlagen** usw., - Charts (Schaubilder/spracharme Textsorten: Diagramm, Interaktion schriftlich Schaubild, Statistik), Interaktion schriftlich und mündlich, - Curriculum Vitae (CV)/ Lebenslauf** , Produktion Produktion schriftlich schriftlich - Lexikonartikel, Interaktion mündlich - Bewerbungsschreiben / -brief**, Interaktion schriftlich - Bericht**, Interaktion schriftlich und mündlich, Rezeption - Begründungs-/ Motivationsschreiben, Interaktion schriftlich, Produktion schriftlich schriftlich - Zusammefassung**, Produktion schriftlich - Bewerbungsgespräch**, Interaktion mündlich - Stellungnahme, Interaktion schriftlich und mündlich - Beratungsgespräch, Interaktion mündlich - Protokoll**, Produktion schriftlich - Offizieller Brief**, Interaktion schriftlich - Leserbrief, Interaktion schriftlich - Persönlicher Brief (u.a. Dankesbrief), Interaktion - Interview schriftlich und mündlich**, Interaktion schriftlich schriftlich und mündlich - Smalltalk**, Interaktion mündlich - Diskussion**, Interaktion mündlich - An- und Abmoderation**, Interaktion mündlich - Fragebogen, Interaktion schriftlich - Formular, Rezeption schriftlich, Produktion schriftlich - Umfrage, Interaktion schriftlich und mündlich - Reportage, Interaktion mündlich - Rezension, Produktion schriftlich, Rezeption mündlich - Organigramm, Interaktion schriftlich und mündlich - Homepage, Rezeption schriftlich Bereich: Präsentation von Informationen, neuen Bereich: Fachsprachen Erkenntnissen, Prüfungsthemen - Abstract, Produktion schriftlich - Bedienungs-/Betriebsanleitung, Interaktion mündlich und - Beitrag (Tagung, Kongress), Interaktion schriftlich und schriftlich mündlich - Handlungs-/Gebrauchsanweisung, Interaktion mündlich - Exposé, Produktion mündlich und schriftlich - Kommentar, Produktion mündlich - Montage-/Aufbauanleitung, Interkation mündlich und - Referat**, Produktion mündlich schriftlich - Handout**, Produktion schriftlich - Definitionen, Rezeption schriftlich - Thesenpapier, Produktion schriftlich - Fachreferat, Produktion schriftlich, mündlich - Präsentation**, Interaktion mündlich und schriftlich - Strukturdiagramm, Produktion schriftlich, mündlich - Bibliografie, Produktion schriftlich - Praktikumsbericht, Produktion schriftlich - Biografie (Kurzbiografie), Rezeption schriftlich - Hausarbeit/Seminar/Diplomarbeit, Produktion schriftlich - Dokumentarfilm, Rezeption mündlich Zu den mit** gekennzeichneten Texten findet man in „Profile Deutsch“ (Glaboniat/Müller/ Rusch/Schmitz/ Wertenschlag: 2002 und 2005) Genaueres zu folgenden Angaben: Kurzcharakterisierung, Aufbau, Sprache, ähnliche Texte. Alle Rahmencurricula setzen sich mit Fragen der Textanalyse, der Textmuster, dem Zusammenhang zwischen Textsorten, Textmustern und Sprachhandlungen und dabei mit der Frage Allgemeinsprache/Berufssprache/Fachsprache auseinander, die allerdings immer in der Perspektive der Kommunikation gestellt wird. 4 Umsetzung der Rahmencurricula in Unterrichtsmaterialien: Rückblick und Ausblick Parallel mit der Arbeit an den Rahmencurricula wurden von den Dozenten der einzelnen Arbeitsgruppen auch Unterrichtsmaterialien erprobt, die später in die Lehrbücher eingeflossen sind. So entstanden: 32 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... - zwischen 2003 und 2009 die Bände der Reihe „Kommunikation im Beruf“ mit Wörterverzeich-nissen in 10 Sprachen; - 2004 aus der Zusammenarbeit von Autoren aus Frankreich, Italien, Polen, Tschechien und der Slowakei unter der Leitung von D. Lévy-Hillerich und R. Krajewska-Markiewicz das Lehrbuch Mit Deutsch in Europa studieren, arbeiten, leben B2/C1. Der Titel weist auf den Kern des studienbegleitenden Fremdsprachenunterrichts hin, d. h. darauf, dass das, was gelernt wird, zwar im Studium und für akademische Zwecke angewendet wird, doch in der Perspektive erworben wird, nach Abschluss des Studiums im Beruf und in der zwischenmenschlichen Kommunikation des täglichen Lebens verwendet zu werden; - 2010 durch ein Autorenteam aus den Balkanstaaten, Italien, Rumänien und Frankreich ein weiterer Band Mit Deutsch studieren, arbeiten, leben A2/B1 (Lévy-Hillerich/ Serena/Barić & Cickovska (Hg.) mit einer interaktiven Lernplattform (Barić, 2016) und einem Lehrerhandbuch auf CD-ROM, das für die autonome Lehreraus- und -fortbildung genutzt werden kann (Serena, 2012; 2016). Im fremdsprachenübergreifenden mehrsprachigkeitsdidaktischen Sinn ist es mit einem Wortschatz-Glossar in 19 Sprachen ausgestattet und entspricht somit den Empfehlungen des Ministerrats des Europarats (2002) zur Verbesserung und Förderung der Kommunikation und Zusammenarbeit in Europa – einer Perspektive, die unter dem Stichwort „Mehrsprachigkeit“ auch in den Rahmencurricula aufgenommen worden ist (s. Abb. 2). Weitere Lehrbücher12, die in den letzten Jahren fachspezifisch ihre Anwendung im Hochschulbe-reich13 gefunden haben, sind von einzelnen Autoren für die jeweilige Hochschule/Universität erstellt und dort verwendet worden. Durch die bisher erschienenen Lehrbücher sind allerdings bei weitem nicht alle Bedürfnisse der Lehrenden und Lernenden im SDU gedeckt, obwohl in Richtung von stärker zielgruppenbezogenem Material gute Schritte getan wurden (Rösler, 2015: 16). Weitere Umsetzungen der Grundlagen der Rahmencurricula wären z. B. denkbar in - einem fach- und sprachenübergreifender Reader, eventuell mit Beispielen für mehrere Fremdsprachen (z. B. Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch), - Lehrwerken zur Kommunikation in der Bauwirtschaft, in der Verkehrsplanung, in Industrie und Technik und in Umwelttechnik. Die beiden oben erwähnten Bände, die 2004 und 2010 innerhalb des von Lévy-Hillerich geleiteten Hochschulprojekts erschienen sind, können dabei auch über die Perspektive des studienbegleitenden Deutschunterrichts hinaus als Hilfe dienen: Die Umsetzung der Prinzipien der Rahmencurricula betrifft darin zwar speziell die deutsche Sprache, kann aber auch in andere Sprachen übertragen werden. Allerdings sollte eine solche Übertragung auch durch eine Übersetzung der Rahmencurricula in eine internationale Sprache begleitet werden. 5 Rahmencurricula für den SFU und SDU von morgen? Manche der hier vorgestellten Rahmencurricula sind schon fast zwanzig Jahre alt, doch sind sie noch heute als Grundlage für eine Weiterentwicklung des studienbegleitenden Fremdsprachenunterrichts und die Förderung einer grenzüberschreitenden fachübergreifenden Kommunikation in einer Fremdsprache eine vielschichtige Fundgrube großer Aktualität: Als die ersten Rahmencurricula entstanden, 12 S. SDU-Lehrwerke unter: https://sdustudienbegleitenderdeutschunterricht.wordpress.com/sdu-lehrwerke/ 13 Berufsbezug wird für die Diskussion im SDU nicht nur für den Bereich Deutsch als erste Fremdsprache, sondern auch für den Bereich Deutsch als Zweitsprache zunehmend ein Thema von besonderer Wichtigkeit sein. Inter alia 5 33 war kurz vorher die Berliner Mauer gefallen, so dass hinter der Entwicklung von kommunikativen interkulturellen Kompetenzen der Blick auf die neue Zukunft der Mobilität in Europa stand, sowie auf die damit verbundene Notwendigkeit, ein europäisches internationales Fremdsprachenwachstum anzuregen und zu gestalten; als die Rahmencurricula der zweiten Phase des Projekts entstanden, war eben der Jugoslawien-Krieg zu Ende gegangen, und die Zusammenarbeit von Dozenten der verschiedenen neu gegründeten Staaten an den Curricula war ein Schritt nach vorne in eine Frieden verspre-chende Zukunft mit dem Ziel, zusammen das Studium für die neuen Generationen von Studierenden aufzubauen und dabei den Einzelnen in seiner Kommunikations-, Kritik- und Argumentationsfähigkeit auszubilden und zu fördern. Heute, nach dem Tod der Begründerin des Projekts, Frau Dorothea Lévy-Hillerich (2015), geht es nun darum, das reichhaltige Erbe des Projekts weiterzutragen und neue Generationen von Lehrenden und Studierenden in einer veränderten Lernlandschaft daran teil-haben zu lassen. Die Veränderungen betreffen grundsätzlich ˗ den Rückgang des institutionellen Fremdsprachenunterrichts (weniger Unterrichtsstunden, grö- ßere Gruppen), ˗ die allgemeine Gefahr der Reduzierung oder überhaupt der Abschaffung des Fremdsprachenunterrichts an Universitäten und Hochschulen, ˗ die Gefahr der Auslagerung („Outsourcing“) des Unterrichts an universitätsexterne Institutionen, wodurch die Verantwortung eines universitätseigenen studienbegleitenden Unterrichts externen Institutionen übertragen wird, die nur für den Erwachsenenunterricht zuständig sind und daher weder gezielt auf die Ausbildungsbedürfnisse der speziellen Adressatengruppe der Studierenden eingehen können, noch dem ganzheitlichen pädagogischen Ansatz des Lernens nach dem Pesta-lozzi-Spruch mit „Kopf, Herz und Hand“ gerecht werden können, der aber hinter den Rahmencurricula steht, ˗ die geringe Einsicht – besonders in der westlichen Hochschullandschaft (denn die Rahmencurricula zum SDU sind nicht im Westen entstanden!) – der Notwendigkeit eines fachübergreifenden, studienbegleitenden, berufsorientierten und kompetenzfördernden Fremdsprachenunterrichts im Hochschulbereich. Das ist eigentlich besonders verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts an Universitäten (u. a. auch aus Kostengründen) immer mehr in Richtung eines studienbegleitenden Unterrichts in Sprachzentren für die aus verschiedenen Studienrichtungen kommenden Studierenden geht. Die Aktualisierung, Verbreitung und/oder Ergänzung der vorhandenen Rahmencurricula ist wahr-scheinlich die einzige Möglichkeit, den o. g. Gefahren entgegenzuwirken und der Akzeptanz von studienbegleitenden Fremdsprachenkursen zu verhelfen, damit das Missverständnis aus dem Weg geräumt wird, dass es genügt, den Universitätsstudenten einen Fachsprachenkurs anzubieten, ohne die weiteren Kompetenzen auszubauen, die auf die Entwicklung des gesamten Menschen abzielen. Eine Übersetzung der Rahmencurricula in eine gemeinsame weltweit verbreitete Sprache wäre dafür ein wichtiger Anfang und könnte die Grundlage für die Bildung von internationalen Arbeitsgruppen und für die Entwicklung von studienbegleitenden Unterrichtsmaterialien in verschiedenen Sprachen sein. Gleichzeitig könnte dies auch den Ausgangspunkt für eine sprachenübergreifende Lehreraus-und -fortbildung auf internationaler Ebene bilden. Zu diesem Zweck müsste bei einer Überarbeitung der Rahmencurricula auch das Mehrsprachigkeits-konzept weiter ausgebaut werden: Gerade der Hochschulbereich sollte in dieser Hinsicht wegweisend sein, da hier die zukünftigen Entscheidungsträger in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ausgebildet werden. Dabei müssten aber auch die bisher vorgeschlagenen Unterrichts- und Bewertungsverfah-ren im Hinblick auf die Entwicklung internetbasierter Lernprogramme und Lernsystemen für das Fremdsprachenlernen neu überdacht werden. 34 Silvia Serena, Karmelka Barić: Rahmencurricula für den studienbegleitenden... Literatur Barić, K. (2016). Vorstellung einer Lernplattform für den SDU als Mittel zur Umsetzung des SDU-Rahmencurriculums an Universitäten und Hochschulen. In: Drumbl, H., Gelmi, R., Lévy-Hillerich, D. & Nied Curcio, M. (Hg.). IDT 2013, Heterogenität in Lernsituationen Bd. 4. Bozen, S. 81–94. [Online unter: http://bupress.unibz.it/de/idt-2013-4-heterogenitat-in-lernsituationen.html 28.08.2016] Baric, K. & Serena, S. (2016), Wozu und wie kooperative Arbeitsformen im studienbegleitenden Deutschunterricht? Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 21: 1, 7-39. [Online unter: http:// tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/795/796/ 11.10.2017] Efing, C. 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Berufs- und Fachorientierung als zukunftsweisendes Prinzip eines Rahmencurriculums und von Lehrbüchern für den Studienbegleitenden Fremdsprachenunterricht (am Beispiel Deutsch als Fremdsprache)/ Développement des compétences linguistiques transver-sales intégrées à la Formation professionnelle comme fondement d’un curriculum et d’un manuel (à l’exemple de l’enseignement de l’allemand langue étrangère). In: SYNERGIES 1/2006, S. 216-236. [Online unter: http://gerflint.fr/Base/Europe1/Dorothea.pdf] Inter alia 5 35 Lévy-Hillerich D. & Serena S. (2009) (Hg.): Studienbegleitender Deutschunterricht in Europa: Rückblick und Ausblick. Versuch einer Standortbestimmung, Band 1 - 503, Rom. Lévy-Hillerich, D., Serena, S., Barić, K. & Cickovska, E. (Hg.) (2010). Mit Deutsch studieren, arbeiten, leben A2/B1. Milano. Möhn, D. & Pelka, R. (1984). Fachsprachen. Eine Einführung. Band 30 der Germanistischen Arbeitshefte (hrsg. von Otmar Werner und Franz Hundsnurscher). Tübingen. 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[Online unter: https://www.researchgate.net/publica-tion/320255483_Rahmencurricula_in_einem_Hochschulprojekt_fur_den_Studienbegleitenden_ Deutschunterricht_Ruckblick_und_Ausblick 12.10.2017] Ylönen, S. (2015). Studienbegleitender und studienvorbereitender Deutschunterricht international:Einführung. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 20 (2015), H. 1, S. 1–6. [Online unter: http://tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/187 25.08.2016] Ylönen, S. (2016). Studienbegleitender und studienvorbereitender Deutschunterricht international (2): Einführung. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht21 (2016), H. 1, S. 1–6. [Online unter: http://tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/794 25.08.2017] ZIF – Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht: Studienbegleitender und studienvorbereitender Deutschunterricht international 20 (2015), H. 1. [Online unter: http://tujournals.ulb. tu-darmstadt.de/index.php/zif/issue/view/36 25.08.2017] ZIF – Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht: Studienbegleitender und studienvorbereitender Deutschunterricht international (2) 21 (2016), H. 1. [Online unter: http://tujournals.ulb. tu-/darmstadt.de/index.php/zif/issue/view/66 25.08.2017] Inter AlIA Published by The Slovene Association of LSP Teachers Volume 5, 2018, pp. 37–47 Gebrauch von Zitaten im Wirtschaftsdeutschunterricht Borislav Marušić Fachhochschule Lavoslav Ružička, Vukovar, Kroatien Antun Ćosić Student, Fachhochschule Lavoslav Ružička, Vukovar, Kroatien Abstrakt Dieser Beitrag hat zum Ziel, die Wichtigkeit des Gebrauchs von Zitaten im Wirtschaftsdeutschunterricht zu unterstreichen und zugleich Vorschläge für ihren Gebrauch zu unterbreiten. Der Wirtschaftsdeutschunterricht ist besonders geeignet für die Präsentation und Analyse sowie das Nachdenken über die Zitate erfolgreicher Menschen, in denen Leidenschaft, Disziplin, Selbstkontrolle, Willensstärke, Durch-haltevermögen, Geld, Erfolg und folglich Freiheit thematisiert werden. Diese besondere Art des Denkens, wie sie in den Zitaten von erfolgreichen Menschen anzutreffen ist, stellt eine wichtige Voraussetzung für den zukünftigen Erfolg all jener dar, die entweder an einer Fakultät für Wirtschaftswissenschaften oder an einer entsprechenden Fachhochschule studieren. Ohne eine angemessene Einstellung zu den genannten Punkten gibt es keinen geschäftlichen Erfolg in wirtschaftlichen Berufen. Schlägt man in seinen Geschäftsüberlegungen eine andere Richtung ein, ist man (und sein Unternehmen) bald pleite. Die richtige Einstellung zu diesen, für ein erfolgreiches Unternehmertum wichtigen Kennzeichen kann nur von den-jenigen Leuten gelernt werden, die sich im Geschäftsleben als erfolgreich erwiesen haben. Manche dieser Zitate spiegeln die deutschen Geschäftstugenden wider. Gottlieb Daimlers Zitat „Das Beste oder nichts!“ verkörpert schon seit mehr als einem Jahrhundert die deutsche Geschäftsphilosophie und ist noch heut-zutage ein unumgänglicher Werbeslogan des Konzerns Daimler. Einen überzeugenden Beweis für die Wichtigkeit des tiefen Nachdenkens im Geschäftsleben erbringt das amerikanische Geschäftsmagazin Forbes auf täglicher Basis. Mit seinem Quote of the day regt es seine Leser zum Nachdenken an, noch bevor sie auf die Startseite des Magazins kommen. Der vorliegende Beitrag gibt konkrete Anweisungen zum Gebrauch solcher Zitate im Wirtschaftsdeutschunterricht. Ein solches linguistische Element im Fachsprachenunterricht kann zur Bereicherung des Wortschatzes, zum Nachdenken und zur Revision der eigenen Betrachtungsweise und zur Entwicklung des kritischen Denkens beitragen. Schlüsselwörter: Fachsprache, Wirtschaftsdeutsch(unterricht), Zitate Abstract The purpose of this paper is to underline the importance of using quotes in business German classes while making proposals for their use. Business German classes are particularly suitable for the presentation and analysis as well as thinking about the quotes of successful people, in which passion, discipline, self-control, willpower, perseverance, money, success and consequently freedom are discussed. This particular way of thinking, as found in the quotes of successful people, is an important prerequisite for the future success of all those who study either at a faculty of economics or at a corresponding college. Without an adequate attitude to the above terms, there is no commercial success in economic occupations. If you take a different direction in your business considerations, you (and your company) are broke soon. Proper attitudes to these terms, which are keys to successful entrepreneurship, can only be learned from those who have proven successful in business. Many of these quotes reflect the German business virtues. Gottlieb Daimler’s quote “The best or nothing! ” has embodied the German business philosophy for more than a century and is still an unavoidable advertising slogan of the Daimler Corporation. The American business magazine Forbes 38 Borislav Marušić, Antun Ćosić: Gebrauch von Zitaten... provides convincing evidence of the importance of deep reflection in business life on a daily basis. With its Quote of the day, it encourages its readers to think even before they join the magazine’s homepage. The following paper gives concrete instructions for the use of such quotes in business German classes. Such a linguistic element in language teaching can add to the vocabulary, to thinking and revising one’s own approach and to developing critical thinking. Key words: LSP, Business German (classes), quotes 1 Einleitung Der Ausgangspunkt für diesen Beitrag ist die amerikanische Geschäftszeitschrift Forbes mit ihrem Quote of the day. Bevor der Leser die Internetseite betritt, wird er mit Sprüchen erfolgreicher Menschen konfrontiert. Dies erfolgt auf täglicher Basis, denn jeder neue Tag bringt ein neues Zitat mit sich. Dies ist ein Beispiel dafür, dass man in der Geschäftswelt mit intensivem Denken und guten Ideen konfrontiert wird, noch bevor es „richtig zur Sache geht.“ Es folgen einige Beispiele im Original auf Englisch: „Your time is limited, so don’t waste it living someone else’s life.“ – Steve Jobs „There is only one way to avoid criticism: do nothing, say nothing, and be nothing.“ – Aristotle „Build your own dreams, or someone else will hire you to build theirs.“ – Farrah Gray „Change your thoughts and you change your world.“ – Norman Vincent Peale „I attribute my success to this: I never gave or took any excuse.“ – Florence Nightingale Die Idee der Autoren dieses Beitrags war, eine mögliche Anwendung solcher Zitate im Wirtschaftsdeutschunterricht zu präsentieren. Dieses literarische Element im Unterricht der Fachsprache dient der Bereicherung des Wortschatzes, dem Nachdenken und einer Revision der eigenen Betrachtungsweise. Zugleich bekommt man die Gelegenheit, die Fachsprache auf eine interessantere Weise zu erlernen. Der Einsatz der Zitate im Wirtschaftsdeutschunterricht ermöglicht die Annahme neuer Lebenseinstellungen gegenüber den schon existierenden sowie die Entwicklung des kritischen Denkens. Deswegen sind Zitate im Wirtschaftsdeutschunterricht so wichtig. Warum ist es für Studenten der Wirtschaftswissenschaften von großer Wichtigkeit, ihre Lebenseinstellungen zu überprüfen? Damit sie in der Geschäftswelt erfolgreich werden können. Seine Lebenseinstellungen bekommt man in der frühen Kindheit von seinen Eltern. Bei manchen Menschen sind die Lebenseinstellungen völlig ver-kehrt. T. Harv Eker erklärt in seinem Buch Secrets of the Millionaire Mind den Einfluss vom verbalen Vorprogrammieren (engl. Verbal Programming) und Modellieren (engl. Modelling): Haben Sie jemals folgende Ausdrücke gehört: Geld ist die Wurzel allen Übels, legen Sie Geld auf die hohe Kante, reiche Leute sind gierig, reiche Leute sind Verbrecher, schmutzige Reiche, Sie müssen hart arbeiten, um Geld zu verdienen, Geld liegt nicht auf der Straße, Sie können nicht reich und spirituell sein, Geld kauft kein Glück, Geld regiert die Welt, die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer, das ist nicht für Leute wie wir, nicht jeder kann reich sein, es gibt nicht genug und den berüchtigten das können wir uns nicht gönnen?... Hier ist der Haken. Alle Aussagen, die Sie über Geld gehört haben, als Sie jung waren, bleiben in Ihrem Unterbewusstsein als Teil der Vorlage, die Ihr finanzielles Leben führt.1 (Harv Eker 2005: 20f.) Der zweite Weg, in dem wir konditioniert werden, wird Modellieren genannt. Was waren Ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten in der Arena des Geldes, als Sie aufgewachsen 1 Alle Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche erfolgten durch die Autoren dieses Beitrags. Inter alia 5 39 sind? Hat einer oder beide von ihnen ihr Geld gut verwaltet oder schlecht verwaltet? Waren sie Verbraucher oder Sparer? Waren sie gewiefte Anleger oder keine Anleger? Waren sie risikofreudig oder konservativ? Kam Geld leicht in Ihre Familie oder gab es immer einen Kampf diesbezüglich? War Geld eine Quelle der Freude in Ihrem Haushalt oder die Ursache von bitteren Streitigkeiten? (Harv Eker, 2005:25f.) Auch Zitelmann (2017:151ff.) führt in seinem neuesten Buch Psychologie der Superreichen – Das verborgene Wissen der Vermögenselite an, welche besonderen Fähigkeiten für ein erfolgreiches Geschäftsleben von Bedeutung sind. In umfangreichen Interviews mit 45 Hochvermögenden untersucht er ein ganzes Spektrum von Themen wie Prägende Jugendzeit, Motive für die Selbstständigkeit, Reichtum als Lebensziel, Was bedeutet Ihnen Geld?, Die Bedeutung verkäuferischer Fähigkeiten, Optimismus und Selbst-wirksamkeit, Risikoorientierung, Entscheidungen fällen: Bauchgefühl oder Analyse?, Konfliktbereitschaft und Verträglichkeit, Nonkonformismus: „Gegen den Storm“, Umgang mit Krisen und Rückschlägen. Die Ergebnisse seiner Untersuchung (2017:388ff.) verweisen darauf, dass Unternehmer sehr motiviert für die Selbstständigkeit sind, dass sie ausgeprägte verkäuferische Fähigkeiten haben, dass sie überwiegend optimistisch veranlagt sind, dass sie im Vergleich zu Durchschnittsmenschen risikofreudig sind, dass sie Nonkonformisten sind und „gegen den Strom“ schwimmen, dass sie Krisen souverän überstehen und gestärkt aus Krisen hervorgehen. Dass das Schwimmen gegen den Strom eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen nachhaltigen Erfolg ist, beweist die Lebensgeschichte von Klaus Schwab, dem deutschen Wirtschaftsprofessor und Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos: Von seinem Arbeitszimmer aus blickt der Spitzenmann des Weltwirtschaftsforums auf das große UN-Areal mit dem Palais des Nations am anderen Ufer des Genfer Sees. Am Fenster hängt ein Geschenk der Umweltorganisation Greenpeace. Dort steht auf einem Stück Segel-tuch der Rainbow Warrior II der Spruch: ‚Wer ein Leben lang gegen den Strom schwimmt, gegen Wind und Regen segelt und dann aufschaut und sieht, dass seine Vision näher kommt, will nur eins, weitersegeln.‘ Schwab freut sich über die Gabe der Umweltkritiker, aber fast mehr noch über die Aussage. (Dünsch 2017:293f.) Ray Kroc, die amerikanische Businesslegende, der auf das interessante Geschäftsmodell der McDonald-Brüder in den frühen 1950er Jahren traf, nennt in seiner Autobiographie Die wahre Geschichte von McDonaldś die wichtigsten Aspekte des Erfolgs – Entschlossenheit und Beharrlichkeit: Der Schlüsselfaktor in diesen individuellen Erfolgsstorys sowie der Erfolgsgeschichte von McDonaldś selbst ist weder Talent noch Bildung gewesen, sondern eiserne, disziplinierte Entschlossenheit. Und das kommt in meiner Lieblingspredigt sehr gut zum Ausdruck: Bleib dran: Nichts auf der Welt kann mehr ausrichten als Beharrlichkeit. Kein Talent – nichts ist weiter verbreitet als erfolglose Menschen mit Talent. Keine Genialität – das verkannte Genie hat geradezu Sprichwortcharakter. Keine Bildung – die Welt ist voll von gebildeten Obdachlosen. Nur mit Entschlossenheit und Beharrlichkeit kann man Berge versetzen. (Kroc 2017:277f.) Wenn unser Denkfundament schlecht gelegt worden ist, müssen wir es verändern, um Nutzen von der Geschäftswelt zu haben. Der erste Schritt wäre über die Veränderungen intensiv nachzudenken. „Ich studiere erfolgreiche Menschen seit 40 Jahren, und ich habe herausgefunden, dass sie bei aller Verschiedenartigkeit, die oft erstaunlich groß ist, eines gemeinsam haben: ihre Art zu denken! Sie ist das einzige Merkmal, das erfolgreiche von erfolglosen Menschen unterscheidet“ Maxwell (2012:8). Der zweite Schritt wäre, die nötigen Veränderungen im Denken vorzunehmen: „Suchen Sie nun eine neue Meinung, die hilfreicher für Ihre Ziele ist. Eine Meinung, die Ihnen Kraft gibt und durch die Sie sich auf die für Sie wichtigen Dinge konzentrieren. Anschließend suchen Sie sich die Beweise dazu, 40 Borislav Marušić, Antun Ćosić: Gebrauch von Zitaten... die Erfahrungen, die aus der Meinung einen Glaubenssatz machen. So wie ein Tisch mindestens drei bis vier Tischbeine braucht, um stabil stehen zu können, so brauchen Sie mindestens ebenso viele unterstützende Erfahrungen. Sie können sich diese Beweise und Erfahrungen ruhig aus dem Leben anderer Menschen ‚ausleihen‘“ Schäfer (2015:109). Gerade Zitate können als ein passendes Instrument fungieren, um ein neues Denkfundament zu bilden. 2 Kraft der Zitate Nach dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache ist das Zitat: 1. „eine wörtlich angeführte Stelle aus einer Schrift oder Rede“, 2. „ein bekannter Ausspruch“ (https://www.dwds.de/wb/Zitat). Für diesen Beitrag ist die zweite Definition relevant. Worin liegt die Kraft der Zitate? Die Schriftsteller, sowie Buch- und Artikelautoren beginnen manchmal ihre Werke mit Zitaten. Die Lieblingszitate werden an die gewünschten Stellen im Text eingefügt . Sie sind auch die Stilmittel, mit denen ein Werk/Beitrag erfolgreich abgeschlossen und eine starke Botschaft übermittelt werden kann. Dass ein auf täglicher Basis angebotenes Zitat als ein inspirierendes Element zum Nachdenken dienen kann, beweist die oben erwähnte Zeitschrift Forbes. Das Ziel des Beitrags ist die Kraft zu präsentieren, die Zitate im Wirtschaftsdeutschunterricht entfachen können. Da der Gebrauch von Zitaten im Wirtschaftsdeutschunterricht ein enormes Potenzial hat, werden Studenten bei ihrem ständigen Gebrauch motiviert und auf Erfolg ausgerichtet. Durch den Gebrauch von Zitaten kann man Monotonie im Unterricht durchbrechen: der Unterricht wird abwechslungsreich und interessant. Dadurch lässt sich auch (kritisches) Denken praktizieren. 3 Zitate des Sachgebiets Wirtschaftsdeutsch Für diesen Beitrag wurden die Zitate vieler verschiedener Autoren gewählt: von Philosophen und Schriftstellern über prominente Politiker bis zu erfolgreichen und visionären Unternehmern und Börsengurus. Die Zitate stehen für die Verbundenheit von Lebens- und Geschäftsweisheiten. Sie ge-währen einen Einblick in die Denkweise erfolgreicher Leute (nach einer längeren Beschäftigung mit der Denkweise von erfolgreichen Leute kann man feststellen, dass alle erfolgreichen Menschen eine sehr ähnliche Denkweise haben). Man muss diese Betrachtungs- und Denkweise studieren und analysieren, um selbst erfolgreich zu werden. Die durch die Zitate ausgedrückten Ideen sollten von Studenten erworben werden und zu einem festen Bestandteil ihrer Denkweise werden, denn sie werden für Studenten der Wirtschaftswissenschaften im künftigen Geschäftsleben von höchstem Nutzen sein. Der Gebrauch von Zitaten im Wirtschaftsdeutschunterricht bedeutet „ständiges Wiederholen der Zutaten“, die für den Erfolg erforderlich sind. Einige Sprüche von Unternehmern, die oft zitiert werden, sind zu bekannten und mit der Zeit tief verwurzelten Werbeslogans geworden. Als solche sind sie als Werbemittel in deutschen Zeitungen, Zeitschriften und Werbespots anzutreffen. Der bekannteste Spruch darunter, der später zu einem der bekanntesten deutschen Werbeslogans wurde, ist: „Das Beste oder nichts!“. Er wurde vor mehr als hundert Jahren von Gottlieb Daimler kreiert und gilt noch heute als Leitbild der Qualität von Daimler-Fahrzeugen. 4 Vorschläge zum Gebrauch der Zitate im Wirtschaftsdeutschunterricht Im Folgenden werden die Anwendungsmöglichkeiten von Zitaten im Wirtschaftsdeutschunterricht präsentiert. Dabei geben wir einige der Anwendungsmöglichkeiten von Špiranec und Jelovčić Inter alia 5 41 (2016:254ff.) wieder, die auch für den Gebrauch von Zitaten im Wirtschaftsdeutschunterricht geeignet sind: 4.1 Worum handelt es sich bei diesem Zitat? Diese Anwendungsmöglichkeit finden wir als die wichtigste, die im Wirtschaftsdeutschunterricht gebraucht werden kann. Der Lehrer präsentiert das entsprechende Zitat und die Studenten werden zum Nachdenken über dessen Bedeutung aufgefordert. Ein weiterer Schritt besteht im Nachdenken über das Verhältnis zwischen der Bedeutung des Zitats und dem realen Leben. Mit anderen Worten, wie kann sich der Inhalt des Zitats auf ihr eigenes Geschäftsleben und folglich ihren Erfolg beziehen? Was ist daraus zu lernen und anzuwenden? Welche Lebensanschauung ist einzunehmen, um sich in der Geschäftswelt besser zurechtzufinden und Erfolge zu ernten? „Das Beste oder nichts.“– Gottlieb Daimler (https://gutezitate.com) „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ – Albert Einstein (http://zitate.net) „Je disziplinierter man wird, desto einfacher wird das Leben.“ – Steve Pavlina (http:// www.fussballwitwe.com) „Wenn alles unter Kontrolle scheint, bewegst du dich einfach nicht schnell genug.“ – Ma-rio Andretti (http://www.fussballwitwe.com) „Wenn die anderen glauben, man ist am Ende, so muss man erst richtig anfangen.“ – Konrad Adenauer (http://www.zitate.de/) 4.2 Beenden Sie das Zitat. Bei diesem Übungstyp wird den Studenten nur der Anfang des Zitats angeboten. Sie denken darüber nach und je nach ihren Vorkenntnissen und Annahmen versuchen sie, den Rest des Zitats zu entschlüsseln. Nachdem sie ihre Argumentation vorgebracht haben, werden die Vollzitate präsentiert und es wird weiter darüber diskutiert. Es folgen einige repräsentative Beispiele: „Disziplin bedeutet: Dinge die man hasst, so tun, ____________________.“ – Mike Tyson (http://www.zitate.de/) „Nichts ist so alt wie der Erfolg _____________.“ – Freddy Quinn (http://zitate.net) „Geld allein macht nicht glücklich. _______________________________.“ – Danny Kaye (http://zitate.net) „Wenn man genug Geld hat, __________________________________.“ – Erich Kästner (http://zitate.net) „Freiheit ist das Recht, _______________, was __________________.“ – George Orwell (http://zitate.net) Die korrespondierenden Vollzitate sind: „Disziplin bedeutet: Dinge die man hasst, so tun, als würde man sie lieben!“ – Mike Tyson „Nichts ist so alt wie der Erfolg von gestern.“ – Freddy Quinn „Geld allein macht nicht glücklich. Es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu.“ – Danny Kaye „Wenn man genug Geld hat, stellt sich der gute Ruf ganz von selbst ein.“ – Erich Kästner „Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ – George Orwell 42 Borislav Marušić, Antun Ćosić: Gebrauch von Zitaten... 4.3 Wählen Sie das motivierendste Zitat. Die Studenten wählen das Zitat aus, das sie am meisten motiviert, und begründen ihre Entscheidung. „Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann gestatten kann.“ – Otto von Bismark (http://zitate.net) „ Unsere größte Schwäche liegt im Aufgeben. Der sicherste Weg zum Erfolg ist immer, es noch einmal zu versuchen.“ – Thomas Alva Edison (http://www.zitate.de/) „Das Wichtigste ist, dass man als Erster eine Idee hat und sie mit Leidenschaft umsetzt.“ – Luciano Benetton (http://zitate.net) „Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt.“ – Oscar Wilde (http://zitate.net) „Um nach vorne zu kommen und dort zu bleiben, kommt es nicht darauf an, wie gut du bist, wenn du gut bist, sondern wie gut du bist, wenn du schlecht bist“ – Martina Navratilova (http://www.zitate.de/) 4.4 Beschreiben Sie die Unterschiede in der Strategie und Lebensanschauung. Vor dem Unterricht vermischen wir verschiedene Zitate zwei erfolgreicher Menschen. Die Zitate können in eine Tabelle eingetragen werden. Die Studenten müssen entscheiden, welche Zitate zu welcher Person gehören. Hier haben wir die einige Zitate von Donald Trump und Albert Einstein zusammengetragen. Zitate von Donald Trump: „Es gibt viele Möglichkeiten, Karriere zu machen, aber die sicherste ist noch immer, in der richtigen Familie geboren zu werden.“ „Ich werde eine große Mauer bauen – und niemand baut Mauern besser als ich, glauben Sie mir – und ich baue sie sehr kostengünstig. Ich werde eine große, große Mauer an unserer südlichen Grenze bauen und ich werde Mexiko für diese Mauer bezahlen lassen.“ „Du musst sowieso denken, also, warum solltest du nicht groß denken?“ „Wenn jemand dich herausfordert, schlag zurück. Sei brutal, sei hart.“ „Was Sieger von Verlierern unterscheidet, ist, wie jemand auf die Launen des Schicksals reagiert.“ „Ich versuche aus der Vergangenheit zu lernen, aber ich plane für die Zukunft, indem ich mich ausschließlich auf die Gegenwart konzentriere. Dort ist der Spaß.“ „Ich denke, mein größter Vorteil ist mein Temperament. Ich habe ein sehr einnehmendes Wesen.“ Zitate von Albert Einstein: „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“ „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ „Persönlichkeiten werden nicht durch schöne Reden geformt, sondern durch Arbeit und eigene Leistung.“ „Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“ „Der Fortgang der wissenschaftlichen Entwicklung ist im Endeffekt eine ständige Flucht vor dem Staunen.“ Inter alia 5 43 Nachdem entschieden worden ist, welche Zitate von welcher Person stammen, kann man sie analysieren und feststellen, welche Unterschiede es in ihrer Strategie und in ihrer Lebensanschauung gibt. Die Studenten können auch Stellung dazu nehmen, welche Strategie und Lebensanschauung für sie persönlich von Nutzen sein könnten. 4.5 Dekonstruieren Sie die Zitate Den Studenten wird eine Reihe von Zitaten angeboten, die sie zusammenfassen und mit folgenden Satzmustern paraphrasieren sollen: Nach XY, … Wie XY sagt, … Mit anderen Worten, … Der Standpunkt von XY ist, dass … Der Kern des Arguments von XY ist, dass… XY erklärt die Angelegenheit ausführlicher, wenn er schreibt … Erlauben Sie mir, Ihnen ein Beispiel zu geben, das den Standpunkt von XY illustriert … Hier ist ein weiteres Zitat, das diesen Standpunkt unterstützt, … Meiner Meinung nach ist der Standpunkt von XY … Ich glaube nicht, dass das Zitat von XY … könnte. „Die Fähigkeit, das Wort Ńeináuszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.“ – Nicolas Chamfort (http://zitate.net) „Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird.“ – Winston Churchill (http://www.zitate.de/) „Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“ – Benjamin Franklin (http://www.zitate.de/) „Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten hat, die im Moment gefragt sind.“ – Henry Ford (http://zitate.net) „Nur wer etwas leistet, kann sich etwas leisten.“ – Michail Gorbatschow (http://zitate.net) Das Zitat kann dabei entweder mit einem einzigen Satz oder mit einem kürzeren Text paraphrasiert werden. So kann z. B. das zuletzt erwähnte Zitat von Michail Gorbatschow folgendermaßen paraphrasiert werden: Nach Michail Gorbatschow kann sich nur jemand etwas leisten, wer zuerst etwas geleistet hat. Obwohl das logisch scheint, benötigt man ein spezifisches geschichtliches Vorwissen, um sein Zitat richtig erklären zu können. Er war der letzte Staatspräsident der ehemaligen Sowjetunion. Als solcher hat er mit Glasnost und Perestroika in der damaligen Sowjetunion Reformakzente gesetzt. Für die Bürger im ehemaligen Ostblock war die Eigeninitiative ein unnatürliches Konzept. Sie haben nämlich erwartet, dass alle ihre Probleme durch den allmächtigen Staat gelöst werden mussten. Diese Logik hat nach dem Zusammenbruch des Ostblocks den wirtschaftlichen Stillstand hervorgerufen, mit allen dazu gehörenden Nebenwirkungen. Der Standpunkt von Michail Gorbatschow ist, dass man die Verantwortung für sein Leben übernehmen soll. Der Kern seines Arguments ist, dass man im Leben aktiv werden muss. Mit anderen Worten ist man für sein Wohlbefinden selbst verantwortlich. Meiner Meinung nach ist der Standpunkt von Michail Gorbatschow völlig richtig, denn man kann nur auf Erfolg hoffen, wenn man etwas vorher in dieser Richtung vorgenommen hat. Solche Paraphrasen ermöglichen den Studenten nicht nur das Üben von vorgeformten Strukturen, sondern sie können auch ihre eigene Einstellung zu einer bestimmten Betrachtungsweise zum Ausdruck bringen. 44 Borislav Marušić, Antun Ćosić: Gebrauch von Zitaten... Neben diesen von Špiranec und Jelovčić angegebenen Übungen, schlagen wir folgende Einsatzmöglichkeiten der Zitate im Wirtschaftsdeutschunterricht vor: 4.6 Was ist falsch an diesen Zitaten? In dieser Übung werden die Studenten mit Zitaten konfrontiert, in denen ein wichtiges Lexem mit einem unpassenden ausgetauscht wurde. Ihre Aufgabe besteht darin, das Originalzitat zu rekonstruieren: App Nummer Mensch erforderlich „Es liegt mir nicht, Stufe zwei zu sein.“ – Nelson A. Rockefeller (http://www.zitate.de/) → „Es liegt mir nicht, Nummer zwei zu sein.“ „Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was gut ist.“ – Winston Churchill (http://www.nur-zitate.com/) → „Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.“ „Der Macintosh ist immer noch der beste Computer.“ – J. F. Kennedy (http://www.nur-zitate.com/) → „Der Mensch ist immer noch der beste Computer.“ „Es gibt keine Anweisung für Erfolg, man muss sie selbst entwickeln.“ – Aris Diamanti (http://www.zitate.de/) → „Es gibt keine App für Erfolg, man muss sie selbst entwickeln.“ 4.7 Vervollständigen Sie die Zitate mit den fehlenden Wörtern. Chancen Zinseszins Charakter Möglichkeit „Die stärkste Kraft im Universum ist der _____________.“ – Albert Einstein (https://gutezitate.com) „Ich verdanke meinen Erfolg weniger meinen Kenntnissen als meinem __________.“ – Robert Bosch (http://www.nur-zitate.com/) „Ich habe immer versucht jedes Problem in eine ______________ zu verwandeln.“ – John D. Rockefeller (http://www.zitate.de/) „Nach meiner Auffassung steckt die Welt voll unermesslicher ____________, wenn wir sie nur zu nutzen verstehen würden.“ – Ludwig Erhard (http://www.nur-zitate.com/) 4.8 Kombinieren Sie die Zitatteile, um ein Vollzitat zu bilden. Beispiele: „Wenn ein Mensch behauptet, dass Geld sie nicht einnehmen kann.“ – Marcus Tullius Cicero (http://www.zitate.de/) „Nicht das Beginnen wird belohnt, mit Geld ließe sich alles erreichen, darf man sicher sein, dass er nie welches gehabt hat.“ – Aristoteles Onassis (http://www.zitate.de/) „Keine Festung ist so stark, sondern einzig und allein das Durchhalten.“ – Katharina von Siena (http://www.nur-zitate.com/) Inter alia 5 45 4.9 Übersetzen Sie ins Deutsche. Bei dieser Aufgabe entwickeln die Wirtschaftsdeutschstudenten ihre Übersetzungsfähigkeiten, indem sie anhand eigener Übersetzung versuchen, das in der deutschen Sprache verfasste Originalzitat zu rekonstruieren: „Optimist uvijek nađe put. Pesimist uvijek nađe slijepu ulicu.“ – Napoleon Hill → „Ein Optimist findet immer einen Weg. Ein Pessimist findet immer eine Sackgasse.“ (http://www.nur-zitate.com/) „Zadovoljstvo je učiniti nemoguće.“ – Walt Disney → „Es ist eine Freude, das Unmögliche zu machen.“ (http://www.nur-zitate.com/) „Nisam mogao naći sportski auto mojih snova pa sam ga sâm napravio.“ – Ferdinand Porsche → „Ich konnte den Sportwagen meiner Träume nicht finden, also habe ich ihn selbst gebaut.“ (http://www.nur-zitate.com/) „ Najprije se isplati investicija u znanje.“ – Benjamin Franklin → „Eine Investition in Wissen zahlt sich am ehesten aus.“ (http://www.zitate.de/) „Ne traži greške, traži rješenja.“ – Henry Ford → „Suche nicht nach Fehlern, suche nach Lösungen.“ (http://www.nur-zitate.com/) 4.10 Bilden Sie Zitate, die aus folgenden Elementen bestehen. Besonders die kurzen Zitate sind für diese Übung gut geeignet. Eine kleine Anzahl der sprachlichen Elemente gibt den Studenten die Möglichkeit, den Überblick nicht zu verlieren und das Zitat erfolgreich zu rekonstruieren: „Nicht unabhängig reich muss sein, sondern man.“ – André Kostolany → „Nicht reich muss man sein, sondern unabhängig.“ (http://www.zitate.de/) „In der Charakter Krise der sich beweist.“ – Helmut Schmidt → „In der Krise beweist sich der Charakter.“ (http://www.zitate.de/) „Von 100, gehen unentdeckt Genies zu 99 Grunde.“ – Rudolf Diesel → „Von 100 Genies, gehen 99 unentdeckt zu Grunde.“ (http://www.nur-zitate.com/) „Lege Korb Eier in alle einen nie.“ – Rudolf August Oetker → „Lege nie alle Eier in einen Korb.“ (http://www.nur-zitate.com/) „Kaufen nie verkaufen Sie, Sie billig.“ – Warren Buffett →„Kaufen Sie billig, verkaufen Sie nie.“ (http://www.boersensprueche.de) 4.11 Um welche Art des Nebensatzes handelt es sich in diesen Zitaten? Diese Art der Übung ermöglicht uns zugleich die Wiederholung der zusammengesetzten Sätze und das Nachdenken über die ausgerichteten Botschaften der Zitate. „Erfolg ist ein miserabler Lehrer. Er verleitet die tüchtigen Leute zu glauben, sie könnten nicht verlieren.“ – Bill Gates (Objektsatz) (http://www.nur-zitate.com/) „Weil Denken die schwerste Arbeit ist, die es gibt, beschäftigen sich auch nur wenige damit.“ – Henry Ford (Kausalsatz, Relativsatz) (http://www.nur-zitate.com/) „Was gefährlich ist, ist sich nicht zu entwickeln.“ – Jeff Bezos (Subjektsatz) (http://www. nur-zitate.com/) „Wenn wir keine Fehler machen, heisst das, dass wir nicht genug neue Dinge ausprobie-ren.“ – Philip Knight (Konditionalsatz, Prädikativsatz) (http://www.zitate.de/) 46 Borislav Marušić, Antun Ćosić: Gebrauch von Zitaten... An dieser Stelle führen wir die zusätzlichen Zitate samt ihren Autoren an, die im Wirtschaftsdeutschunterricht angewendet werden können: „Geld fällt nicht vom Himmel. Man muss es sich hier auf Erden verdienen.“ – Margaret Thatcher (http://www.nur-zitate.com/) „Die Welt verändert sich sehr schnell. Groß wird nicht länger klein schlagen. Die schnellen werden die langsamen schlagen.“ – Rupert Murdoch (http://www.nur-zitate.com/) „Anfangen im Kleinen, Ausharren in Schwierigkeiten, Streben zum Großen.“ – Alfred Krupp (http://www.zitate.de/) „Lieber Staub aufwirbeln als Staub ansetzen.“ – Hubert Burda (http://www.zitate.de/) „Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht.“ – Ernst Werner von Siemens (http://www.nur-zitate.com/) „Glück ist ein Gewinnanteil am Schweiß. Umso mehr du schwitzt, umso glücklicher wirst du.“ – Ray Kroc (http://www.nur-zitate.com/) „Lassen Sie sich nicht von Dogmen einengen. Dogmen sind das Ergebnis des Denkens anderer Menschen.“ – Steve Jobs (http://www.nur-zitate.com/) „Es ist besser, einen Tag im Monat über sein Geld nachzudenken, als einen ganzen Monat dafür zu arbeiten.“ – John D. Rockefeller (http://www.nur-zitate.com/) „Denke immer daran, deine eigene Entschlossenheit, erfolgreich zu sein, ist wichtiger als alles andere.“ – Abraham Lincoln (http://www.nur-zitate.com/) „Das Leben ist wie ein Schneeball. Es kommt darauf an, nassen Schnee zu finden und einen sehr langen Hügel.“ – Warren Buffett (http://www.nur-zitate.com/) „Ohne Mut und Entschlossenheit kann man in großen Dingen nie etwas tun, denn Gefahren gibt es überall.“ – Carl von Clausewitz (http://www.zitate.de/) „Unser größter Ruhm ist nicht, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.“ – Nelson Mandela (http://zitate.net) 5 Abschließende Bemerkungen Es war ein großes Unterfangen, eine Sammlung von Zitaten, die für den Wirtschaftsdeutschunterricht geeignet sind, zusammenzustellen. Es war zugleich eine große Freude, denn die vorgefertigten Vorschläge werden jedem Vortragenden im Wirtschaftsdeutschunterricht helfen. Die Sprüche der erfolgreichen Leute vergegenwärtigen die schlichte und pure Wahrheit über die Geschäftswelt und stellen eine Sammlung der Weisheiten über Ringen und Überleben im Geschäftsleben dar. Daher können sie als „vorgefertigte Erfolgsrezepte“ betrachtet werden. Es handelt sich um einen großen Reichtum an brillanten Ideen. Zum erfolgreichen zukünftigen Geschäftsleben benötigen die Studenten auf dem Gebiet Handel und Logistik, Marketing, Management, Unternehmertum und Wirtschaftspolitik nicht nur das faktische, fachliche Wissen, sondern auch einen guten Einblick in die Ansichten, Denk-und Handlungsweise der erfolgreichen Menschen. Denn der Erfolg kann nachgeahmt werden, wenn man die richtigen Mentoren hat. In diesem Sinne motiviert der Gebrauch von Zitaten die Studenten zum Analysieren und Nachdenken und ermöglicht ihnen den Erwerb einer für den Erfolg notwendigen Denkweise. Ohne diese Denkweise, die sich meistens nicht allein durch die Erziehung, soziale Kontakte und Ausbildung entwickelt, ist und bleibt man in der Geschäftswelt erfolgslos. Daher ist der Gebrauch von Zitaten auch ein erzieherisches Element, nicht nur ein didaktisches. Denjenigen Studenten, die sich der deutschen Sprache gut bedienen, kann vorgeschlagen werden, die (Auto)Bio-graphien mancher der oben zitierten Autoren zu lesen, denn es gibt viele solcher Werke auf Deutsch. Sie sind eine unerschöpfliche und zugleich zuverlässige Quelle der Lebens- und Geschäftsweisheiten. Inter alia 5 47 Diese mehr als 70 im Beitrag vorgestellten Zitate sind nur eine enge Auswahl und können als Ausgangspunkt für den Gebrauch im Wirtschaftsdeutschunterricht dienen. Es gibt eine große Anzahl an zusätzlichen Zitaten, die zu diesem Zweck benutzt werden können. Am Ende des Beitrags gebührt es sich, ein ausgezeichnetes Zitat anzuführen. Mit den folgenden Ausführungen und dem folgenden Zitat wird die Doktorarbeit eines der Autoren beendet: „Meine Doktorarbeit schließe ich mit einem Zitat Goethes ab, das meine grenzenlose Be-geisterung vom ständigen Antrieb zum Fortschritt, vom deutschen Sinn für Präzision und Sachlichkeit, nicht nur in der deutschen Konzernsprache widerspiegelt: Über allen Tugenden steht eines: das beständige Streben nach oben, das Ringen mit sich selbst, das unersättliche Verlangen nach größerer Reinheit, Weisheit, Güte und Liebe.“ (Marušić 2015:181) Literatur Dünsch, J. (2017). Gastgeber der Mächtigen – Klaus Schwab und das Weltwirtschaftsforum in Davos. FinanzBuch Verlag. München. Harv Eker, T. (2005). Secrets of the Millionaire Mind. HarperCollins Publishers Inc. New York. Kroc, R. (2017). Die wahre Geschichte von McDonaldś. Erzählt von Gründer Ray Kroc. FinanzBuch Verlag. München. Marušić, B. (2015). Funktionsverbgefüge in deutscher Konzernsprache. Josip-Juraj- Strossmayer-Universität, Philosophische Fakultät in Osijek. Unveröffentlichte Doktorarbeit. Maxwell, J.C. (2012). So denken Erfolgsmenschen. Börsenmedien AG. Kulmbach. Schäfer, B. (2015). Der Weg zur finanziellen Freiheit. Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co.KG. München. Špiranec I., Jelovčić, I. (2016). How to keep their brains ticking over? On the use of quotes in LSP. The 9th International Language Conference on the Importance of Learning Professional Foreign Languages for Communication between Cultures. University of Maribor, Faculty of Economics and Business. Maribor. Zitelmann, R. (2017). Psychologie der Superreichen – Das verborgene Wissen der Vermögenselite. FinanzBuch Verlag. München. Belegquellen http://www.boersensprueche.de https://www.dwds.de/wb/Zitat http://www.easydividend.net http://www.fussballwitwe.com/ https://gutezitate.com/ http://www.nur-zitate.com/ http://www.zitate.de/ http://zitate.net/ Inter AlIA Published by The Slovene Association of LSP Teachers Volume 5, 2018, pp. 49–58 Die Hörverstehensstrategien im Deutschen und Englischen als berufsbegleitende Fremdsprachen Dubravka Papa Fakultät für Rechtswissenschaften, Josip Juraj Strossmayer Universität in Osijek, Kroatien Mirna Hocenski-Dreiseidl Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät in Osijek, Josip Juraj Strossmayer Universität in Osijek, Kroatien Abstrakt Das Zuhören stellt einen komplexen, aktiven aber andererseits auch unsichtbaren mentalen Prozess dar und ist qualitativ und quantitativ schwer zu analysieren. Der Zuhörer muss imstande sein, die lexikalische, grammatische Struktur sowie Betonung und Intonation zu unterscheiden, wobei die gesprochenen Inhalte im engeren und weiteren Kontext betrachtet werden (Wipf, 1984: 345). Anhand der Theorien über die Fertigkeit und Strategien des Hörens werden in dieser Arbeit die Probleme untersucht, auf die Studenten beim Zuhören und Verstehen der Inhalte im Wirtschaftsdeutschen und Rechtsenglischen stoßen. In dieser Arbeit geht man von der Hypothese aus, dass Jurastudenten und Studenten der Wirtschaftswissenschaft ihr Fachwissen (metakognitive Kompetenz) beim Zuhören der Fachtexte aktivieren. Mit der Methode Lautes Denken werden die Informationen aus den Protokollen von 45 Studenten der Fakultät für Rechtswissenschaften und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gesammelt. Die Protokolle notieren die beim Zuhören entstandenen und kurz danach durch Verbalisierung gewonnenen Aufzeichnungen kognitiver Prozesse. Es werden die Kriterien der Bewertung des Verständnisses nach Baker (1985) angewendet. Die Ergebnisse der Untersuchung deuten auf neue Strategien bei der Festlegung spezifischer Probleme hin, die beim Zuhören in der Fremdsprache entstehen. Diese Strategien ermöglichen eine aktivere Problemlösung, die auch bei anderen das Hörverstehen einbeziehenden Situationen angewendet werden kann. Schlüsselwörter: Methode Lautes Denken, Hörverstehen, Hörverstehensstrategie, Rechtsenglisch, Wirtschaftsdeutsch. Listening Strategies in German and English for Specific Purposes Abstract Listening is a complex but invisible mental process and therefore difficult to analyze both qualitatively and quantitatively. The listener must distinguish lexical and grammatical structures as well as emphasis and in-tonation, whereby the spoken content is considered in the narrower and wider context (Wipf, 1984: 345). Based on the theories of listening skills and strategies, this paper researches into the problems students encounter while listening to and understanding the contents of business German and legal English. The paper sets the hypothesis that students activate their specialized vocabulary (metacognitive competence) while listening to LSP texts. The Think Aloud Method has been applied to record listening commentaries (protocols) of 45 students of the Faculty of Law and the Faculty of Economics. The protocols record cognitive processes in the course of listening and immediately thereafter in form of students’ verbalization. The criteria of comprehension 50 Dubravka Papa, Mirna Hocenski-Dreiseidl: Die hörverstehensstrategien... evaluation according to Baker (1985) have been applied. The results suggest new strategies for identifying specific problems arising when listening to texts in a foreign language. These strategies facilitate more active problem solving, which can be applied to other listening comprehension situations. Keywords: Think aloud, listening comprehension, listening strategy, legal English, business German. Gott gab uns einen Mund, aber zwei Ohren, damit wir doppelt so viel zuhören wie reden. Epiktet 1 Einleitung Dieses Zitat spricht dafür, dass das Hören die wichtigste Sprachfertigkeit eines Menschen ist. Das Thema dieser Arbeit sind Hörverstehensstrategien, die die Studenten im Deutschen und Englischen als berufsbegleitende Fremdsprachen beim Zuhören von Fachtexten aktivieren. 1.1 Untersuchungsziele Die Ziele der Untersuchung in dieser Arbeit werden durch folgende Fragen definiert: Auf welche Probleme stoßen die Probanden während des Hörens von Fachtexten im Englischen und im Deutschen? Welche Strategien aktivieren sie während des Hörverstehens? Gibt es Unterschiede bei der Aktivierung von Strategien bei erfolgreichen und weniger erfolgreichen Probanden? Damit diese Fragen beantwortet werden können, wird diese Arbeit wie folgt eingeteilt: Im ersten Kapitel wird der Überblick über den aktuellen Forschungsstand im Bereich der Hörverstehensstrategien gegeben; es wird auf die verschiedenen Hörformen und Strategien beim Hörverstehen hingewiesen und es werden einige Hypothesen gestellt. Im zweiten Kapitel wird das Konzept und die Methode Lautes Denken1 fokussiert, es werden die Messinstrumente und die Probanden beschrieben. Im dritten Kapitel werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Interpretation der gewonnenen Daten sowie mit Vor- und Nachteilen der Anwendung der Methode Lautes Denken beim Untersuchen von Hörverstehensstrategien. Im Beitrag geht man davon aus, dass die Methode Lautes Denken die Hörverstehensprozesse der Studenten sichtbar macht. Die Methode hilft den Studenten ihre Aktivitäten und Handlungen während des Hörens eines bestimmten Textes besser zu reflektieren. Der auf Entwicklung von Strategien beru-hende Fremdsprachenunterricht hat bessere Erfolgschancen, denn er gründet nicht nur auf Erklärung und Übung der Lerninhalte beim Fremdsprachenlernen, sondern auch auf Reflexion über den gerade stattfindenden Lernprozess. 1.2 Stand der Untersuchung (theoretische Ansätze) Jeden Tag kommuniziert man auf verschiedene Weise, um ein Ziel zu erreichen. Je nach Thema werden in verschiedenen Lebenssituationen vier Sprachfertigkeiten aktiviert: Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben. Das gesprochene Wort setzt sich aus verbalen, paraverbalen und nonverbalen Aspekten 1 Die Studenten werden sich bewusster, was sie während des Zuhörens denken. Sie werden mentale Manager ihres Hörprozesses und können somit ihre Zuhörkompetenz verbessern. Inter alia 5 51 zusammen. Der verbale Aspekt bezieht sich auf den Diskurs (Struktur, Wortwahl und Stil), der nonverbale Aspekt betrifft das Sichtbare, wie etwa die Körpersprache, Mimik, Gestik und Auftreten. Unter dem paraverbalen Aspekt versteht man das Gehörte wie z. B. Stimme (Lautstärke, Timbre und Resonanz) und Sprechweise (Pausen, Prosodie, Tempo und Artikulation) (vgl. Kaunzner 2012: 232). Während des Zuhörens hat man eine Vorstellung davon, was man hört. Diese Vorstellung hängt von den oben genannten Aspekten ab. In realen Kommunikationssituationen wird man mit einer Reihe von verschiedenen Stimmen und Akzenten konfrontiert, die das allgemeine Verständnis der gehörten Inhalte beeinflussen. Die Fertigkeit Hören ist daher die Voraussetzung für die Kommunikation sowohl in der Muttersprache als auch in der Fremdsprache. Wenn man nicht versteht, was gesprochen wird, entwickelt sich die Kommunikation in eine unerwünschte Richtung, und sie kann sogar unterbrochen oder erschwert werden. Wenn es an Verständnis des Gesprochenen mangelt, kann eine wichtige Information verpasst werden, was besonders unangenehm sein kann in den Situationen, in denen es keine Möglichkeit zur Wiederholung und Bestätigung des Gehörten gibt (z. B. bei einer Bahnhofsdurchsage). Beim Zuhören aktiviert man verschiedene Strategien, die einem helfen, die im Prozess des Zuhörens auftretenden Probleme lösen zu können. Die Entwicklung der Fertigkeit Hören bezieht sich auf das Erkennen der richtigen Aussprache, Korrigieren der Intonationsmuster und der richtigen Betonung der Worte. Es ist daher wichtig, dass nicht nur das Verstehen des Gehörten geübt wird, sondern dass gelernt wird, wie man zuhört und welche Strategien dabei verwendet werden können, um erfolgreich zuzuhören. 1.3 Die Fertigkeit Hören Das Zuhören ist ein komplexer aktiver Prozess, in dem der Hörer den Inhalt des Gehörten interpretiert. Die Interpretation hängt von der Fähigkeit ab, die gehörten Inhalte mit dem zu vergleichen, was man über das Gehörte schon weiß (mit dem Vorwissen, mit dem gespeicherten Weltwissen2). Außerdem muss der Hörer in der Lage sein, lexikalische Einheiten, grammatische Struktur, Betonung und Intonation zu erkennen, wobei der gesprochene Inhalt in den engeren und breiteren Kontext hinein-zustellen ist (Wipf, 1984: 345). Als unsichtbarer mentaler Prozess lässt sich das Zuhören schwer qualitativ und quantitativ analysieren. Laut Vandergrift (2007: 291 in Walker 2014: 168) ist das Hören die am wenigsten erforschte sprachliche Fertigkeit. Man hat in die bei dieser Fertigkeit stattfindenden Prozesse wenig Einsicht (Osada 2004: 53 in Walker 2014: 168). Obwohl diese Fertigkeit eine große Rolle in der Kommunikation spielt, wird sie oft im Vergleich zu anderen Fertigkeiten vernachlässigt und als selbstverständlich betrachtet. Es ist auch verständlich, dass das Hören nicht so häufig erforscht wird, denn es ist eine äußerst komplexe rezeptive Fertigkeit (Wipf, 1984: 345). Der Hörprozess besteht laut Schumann (1989: 204) aus fünf Bestandteilen: dem auditiven, semanti-schen, syntaktischen, pragmatischen und kognitiven Bestandteil. Der auditive Bestandteil beinhaltet „die Perzeption der Lautsignale, das Unterscheiden von Phonemen, Morphemen, Lexemen und Sätzen mit prosodischen Merkmalen“ (Schumann 1989: 204), der semantische Aspekt bezieht sich auf das Verstehen von Bedeutung der Lexeme und ihrer Kombinationen. Der syntaktische Bestandteil des Hörens spiegelt sich im Erkennen der Abhängigkeit einzelner Satzteile. Wenn es um das Erkennen der Sprechakte, Sprechabsicht geht, wird vom pragmatischen Bestandteil gesprochen. Der kognitive Aspekt des Hörens bezieht sich auf „Bearbeitung des ausgesprochenen Textes, Unterscheiden spezifischer Text-arten mit ihren lexischen und syntaktischen Merkmalen“. Das Hörverstehen findet auf verschiedenen 2 Knowledge of the world and the knowledge of the language (Lakoff, 1987). 52 Dubravka Papa, Mirna Hocenski-Dreiseidl: Die hörverstehensstrategien... Sprachebenen zugleich statt und zwar auf der Ebene der Wahrnehmung des Ausdrucks, Dekodierungs-ebene und Interpretation (Schumann 1989: 204). Laut Vandergrift (2011) spielt sich das Hörverstehen in der Muttersprache automatisch ab, während es in der Fremdsprache nur durch das Aktivieren und die Reflexion von bestimmten metakognitiven, kognitiven und affektiven Strategien erfolgt. Das Hören ist, wie auch das Sprechen, ein zielgerichteter Vorgang, weil man sich beim Hören auf das Globale oder auf Details konzentrieren kann. Es ist ein aktiver Prozess, denn es verlangt Interaktion zwischen dem Text und dem Hörer (Hörmann, 1981: 137). Dabei kann man von den linguistischen Merkmalen einer Äußerung (Phonologie, Lexik, Semantik und Syntax) ausgehen, was unter Bottom-up-Prozess des Hörverstehens verstanden wird, während man beim Top-down-Prozess von nicht-linguistischen Merkmalen wie z. B. Wissen über Inhalte, Allgemein- und Weltwissen ausgeht (Buck, 2001: 2). In beiden Fällen handelt es sich aber um Sprachwahrnehmung, das Zusammenspiel beider Prozesse und die Informationsaufnahme auf jeder Ebene (Rost, 1990: 83f.). Laut Vandergrift (2011) ist das Hörverstehen nie ausschließlich der Top-down- oder Bottom-up-Prozess, sondern ein Prozess der Interaktion. Die Interaktion hängt von dem Vorwissen und der Wissensmenge über das Thema ab. Globales Hören setzt Vorwissen voraus und beim se-lektiven Hören wird das Sprachwissen aktiviert. Das Hörverstehen wird erfolgreich, wenn dem Hörer sowohl der Kontext des Gehörten als auch der Zweck des Hörens bekannt sind. Diese Ab-hängigkeit der Prozesse voneinander wird bei Rost wie folgt erläutert: „Die Top-down Prozesse überprüfen die Ergebnisse der Bottom-up Prozesse auf Zielübereinstimmung, wobei die beiden Verarbeitungsprozesse parallel stattfinden und in Wechselwirkung zueinander stehen“ (Rost 1990: 83). Demzufolge ist das Hören kein Produkt, sondern ein Prozess, der den Studenten beigebracht werden kann, indem darauf hingewiesen wird, wie er abgewickelt wird. 1.4 Untersuchungsfragen und Hypothesen In diesem Kontext werden im Beitrag die folgenden Untersuchungsfragen gestellt: Welche Probleme haben die Jura- und Wirtschaftsstudenten beim Hörverstehen und welche Strategien aktivieren sie beim Hörverstehen? Um diese Fragen beantworten zu können, werden zwei Hypothesen aufgestellt. Die erste Hypothese lautet: Beim Zuhören der Fachtexte aktivieren die Jura- und Wirtschaftsstudenten ihr Fachwissen, und die zweite Hypothese ist: Die erfolgreichen Zuhörer aktivieren ihre metakognitiven Strategien mehr als weniger erfolgreiche Zuhörer. 2 Methode Bei der Untersuchung der Hörverstehensstrategien wird die Methode Lautes Denken verwendet, die aus dem Bereich der Psychologie stammt. In der Literatur findet man auch weitere Begriffe, die sich auf diese Methode beziehen, wie zum Beispiel Denke-Laut-Methode, Gedankenprotokoll (Thinking Aloud Protocol), Talk Aloud Interview, Verbal Protocol (Buber 2007 in Konrad 2010: 476). Alle diese Begriffe beziehen sich auf die Methode, in der die Probanden das verbalisieren, woran sie denken, während sie eine bestimmte Handlung (Lesen, Schreiben, Hören, Zeichnen) vorführen. Danach muss man die Verbalisierungen dokumentieren, auswerten und interpretieren. Konrad (2010: 476) führt an, dass die introspektive Erhebungsmethode die theoretische Basis dieser Methode ist. Der Einzelne sollte nach dieser Methode seine Gedanken, Emotionen, Wahrnehmun-gen übermitteln. Da es sich dabei um Introspektion3 handelt, die für den Forscher unzugänglich bleibt, müssen die Kontexte, in denen diese qualitative Methode angewendet wird, strukturiert sein. 3 Introspektion bezieht sich auf die Fassung der Gedanken in Worte während der Bearbeitung der Aufgaben. Die engste Verbindung zwischen Denken und Verbalisierung kann durch Introspektion nachgewiesen werden. (Ericson und Simon 1993 in Konrad 2010: 476) Inter alia 5 53 Konrad (2010: 476) unterscheidet zwischen drei verschiedenen Formen der Methode Lautes Denken und zwar Introspektion, unmittelbare Retrospektion und verzögerte Retrospektion. Die Introspektion bezieht sich auf augenblickliche Verbalisierung der Inhalte des Kurzzeitgedächt-nisses; die unmittelbare Retrospektion übermittelt die Gedankeninhalte, die in nicht-sprachlicher Form bestehen. Diese folgt unmittelbar nach der augenblicklichen Verbalisierung. Die verzögerte Retrospektion findet direkt nach der Bearbeitung aller Aufgaben oder erst nach einigen Tagen als Erklärung der Gedankenprozesse und Gedanken statt. In diesem Beitrag wird die Definition der Methode Lautes Denken nach Konrad (2010: 476) verwendet: „Die Methode Lautes Denken ermöglicht es, Einblicke in die Gedanken, Gefühle und Absichten einer lernenden und/oder denkenden Person zu erhalten. Durch Lautes Denken soll der (Verarbeitungs-) Prozess untersucht werden, der zu mentalen Repräsentationen führt.“ Abbildung 1: Die Probanden beim Hörverstehen (Quelle: 10.05.2017) 2.1 Konzeption und Methode (Lautes Denken = das Hörverstehen mit dem gewissen Etwas) Da die Methode Lautes Denken in der gegenwärtigen Literatur der Fremdsprachendidaktik meistens an der Fertigkeit Lesen untersucht und verwendet wurde, ist diese beim Hörverstehen verwendete Methode als Lautes Denken mit dem gewissen Etwas zu bezeichnen. Als Erstes sollten die Probanden ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen verbalisieren, während sie die Hörverstehensaufgaben lösen. Als Nächstes sollten sie ihre Gedanken mittels Protokolle notieren, was durch die nachträgliche Auswertung des gewonnenen Datenmaterials ermöglicht wird. Das gesamte Verfahren verlangt ein höheres Maß an Offenheit und Selbstoffenbarungswillen auf Seiten der Probanden. 2.2 Messinstrumente (Hörverstehensaufgaben und Protokolle) Die Untersuchungsdaten stammen aus zweierlei Quellen, sowohl aus den Antworten auf Hörverstehensaufgaben in der deutschen und englischen Sprache als auch aus den Protokollen der Probanden in der kroatischen Sprache. Die Hörverstehensaufgaben bestanden aus Fragen mit mehreren Antwortvor-gaben (Multiple-choice-Fragen), aus Richtig/falsch-Aufgaben und Zuordnungsaufgaben. Die Wirtschaftsdeutschstudenten setzten sich mit Hörverstehensaufgaben auseinander, die aus dem Hörver-stehensteil der TELC Sprachprüfung Deutsch für den Beruf, Niveau B1 und B2 entnommen wurden.4 4 Archiviert auf: http://www.telc.net/pruefungsteilnehmende/sprachpruefungen/pruefungen/detail/deutsch-b1-b2-be- ruf.html#t=2 und http://www.telc.net/fileadmin/user_upload/Audio/telc_deutschb2plus_beruf_uebungstest_1.mp3. Abgerufen am 30.4.2017. 54 Dubravka Papa, Mirna Hocenski-Dreiseidl: Die hörverstehensstrategien... Die Rechtsenglischstudenten hörten sich den Hörverstehenstext an und lösten die dazugehörenden Hörverstehensaufgaben aus dem Lehrbuch für Rechtsenglisch.5 Die Protokolle der Probanden entstanden durch schriftliche Verbalisierung ihrer Gedanken, Gefühle und Handlungen in der kroatischen Sprache. 2.3 Probanden (Studienfachsprache, Anzahl, Sprachniveau) Die Probanden waren fünfzehn Studenten der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Osijek, Kroatien, die Rechtsenglisch als Fachsprache lernen, und weitere dreißig Studenten der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Osijek, Kroatien, die Wirtschaftsdeutsch als Fachsprache lernen. Alle Jurastudenten (100 %) lernen Englisch als Fremdsprache, im Unterschied zu den Wirtschaftsstudenten, von denen dreiundzwanzig (78 %) Deutsch als Fremdsprache lernen und fünf (17 %) Deutsch als Muttersprache sprechen, sowie zwei (7 %) Studenten mit Auslandsaufenthaltserfahrung in deutschsprachigen Ländern (Tabelle 1). Tabelle 1: Anzahl und Sprachniveau der Probanden Studienfachsprache Rechtsenglisch Wirtschaftsdeutsch Anzahl der Probanden 15 30 Sprachniveau Englisch als Fachsprache Muttersprachler 5 (17 %) 100% Auslandsaufenthaltserfahrung 2 (7 %) Deutsch als Fachsprache 23 (76 %) 4 Ergebnisse – quantitative Datenanalyse Das Ziel der quantitativen und qualitativen Analyse der Daten war, die Abhängigkeit des Erfolgs beim Zuhören von der Strategieaktivierung festzustellen und zu erklären. Erstens suchte man nach der Antwort auf die Frage, welche Strategien die Studenten während des Hörverstehens aktivieren, und zweitens, ob es Unterschiede bei der Aktivierung von Strategien bei erfolgreichen und weniger erfolgreichen Probanden gibt. Als drittes wollte man erfahren, auf welche Probleme die Probanden während des Hörverstehens der Fachtexte im Englischen und im Deutschen stoßen. Die Probanden wurden in zwei Gruppen eingeteilt: erfolgreiche und weniger erfolgreiche Zuhörer. Die Probanden, die 51 %–100 % Hörverstehensaufgaben richtig gelöst haben, bezeichnet man als erfolgreiche Zu-hörer. Im Unterschied dazu sind weniger erfolgreiche Zuhörer diejenigen Probanden, die weniger als 51 % der Hörverstehensaufgaben richtig gelöst haben. Bei den Wirtschaftsdeutschstudenten hat sich ergeben, dass erfolgreiche Zuhörer am häufigsten metakognitive Strategien aktivieren (99 metakognitive Strategien oder 41 % aller Strategien). Diese erfolgreichen Zuhörer aktivieren beim Hörverstehen auch 78 (33 %) affektive und soziale Strategien und 62 (26 %) kognitive Strategien. Andererseits aktivieren die weniger erfolgreichen Zuhörer am häufigsten kognitive Strategien (92 kognitive Strategien oder 51 % aller Strategien). Sie aktivieren auch 48 (26 %) metakognitive Strategien und 42 (23 %) affektive und soziale Strategien (Tabelle 2). 5 Callanan H., Edwards L., Absolute Legal English, English for International Law (Delta Publishing, 2010, Unit Contract law 1 (Drafting Contracts) Listening: Part 4 (14-18), mp3 archiviert auf http://www. zakon.pravos.hr/~marijan/english/. Inter alia 5 55 Tabelle 2: Erfolg beim Hörverstehen versus Art der Aktivierung der Strategien bei den Wirtschaftsdeutschstudenten Wirtschaftsdeutschstudenten Metakognitive Kognitive Strate- Affektive und soziale Strategien gien Strategien Erfolgreiche Zuhörer 51 %-100 % 99 (41 %) 62 (26 %) 78 (33 %) Weniger erfolgreiche Zuhörer weniger als 51 % 48 (26 %) 92 (51 %) 42 (23 %) Im Falle der Untersuchung bei den Rechtsenglischstudenten gibt es folgende Ergebnisse. Die erfolgreichen Zuhörer aktivieren am häufigsten metakognitive Strategien und zwar 26 metakognitive Strategien oder 36 %. Sie aktivieren auch 24 (33 %) kognitive Strategien sowie 22 (31 %) affektive und soziale Strategien. Die weniger erfolgreichen Zuhörer aktivieren am häufigsten kognitive Strategien und zwar 45 kognitive Strategien oder 58 %, gefolgt von 24 (30%) affektiven und sozialen Strategien. Am wenigsten aktivieren sie metakognitive Strategien und zwar 9 metakognitive Strategien oder 12 % aller Strategien (Tabelle 3). Tabelle 3: Erfolg beim Hörverstehen versus Art der Strategienaktivierung bei den Rechtsenglischstudenten Rechtsenglischstudenten Metakognitive Kognitive Strate- Affektive und soziale Strategien gien Strategien Erfolgreiche Zuhörer 51 % - 100 % 26 (36 %) 24 (33 %) 22 (31 %) Weniger erfolgreiche Zuhörer weniger als 51 % 9 (12 %) 45 (58 %) 4 (30 %) 3 Diskussion – qualitative Datenanalyse Aufgrund der quantitativen Daten kann die qualitative Analyse durchgeführt werden. Das Hauptpro-blem war der Konzentrationsverlust, was auch aus den Notizen der Studentenprotokolle hervorgeht. Die folgenden Beispiele können das verdeutlichen: Ich kann mich nicht konzentrieren. / Ich bemühe mich zu konzentrieren. / Ich sollte mich besser darauf konzentrieren. / Ich bin vom Wesentlichen abgeschweift. / Es ist schwierig sich auf das Zuhören zu konzentrieren. / Es ist nicht schwer, aber man soll sich konzentrieren. / Meine Konzentration lässt nach. / Meine Konzentration lässt sichtbar nach und ich fühle mich müde. / Es fällt mir schwer zu konzentrieren, da diese Aufgabe viel Anstrengung verlangt. Bei den Probanden erwies sich die gegenseitige Abhängigkeit der Konzentration, des Verstehens, der Motivation und der Wille z. B. Ich habe keine Lust. / Ich bin müde. / Es ist ein bisschen anstrengend. / Ich bin schläfrig. Je schneller die Konzentration nachlässt, desto weniger Motivation und Wille haben die Studenten zum Zuhören und Lösen der Hörverstehensaufgaben. Ganz im Gegenteil, je besser sie konzentriert sind und mehr verstehen, desto größer ist ihre Motivation und ihr Wille zum Zuhören und Lösen der Hörverstehensaufgaben. Das deutet darauf hin, dass die Konzentrationsfähigkeit beim Zuhören eine große Rolle spielt und ständig geübt werden sollte. Weiterhin tauchten Probleme bei dem Zuhören ohne Unterstützung durch den visuellen Kontext auf, einige Probleme auf lexikalischer und syntaktischer Ebene z. B. Auftragsabteilung!? [Was sollte das bedeuten?] / Ich bin der Meinung, dass mir die Schlüsselwörterbedeutung fehlt. Es ist indikativ für das Hörverstehen, dass einige Studenten über ihren Mangel an Fachwissen klagten und Probleme mit dem Hörverstehensumfeld hatten. Die folgenden Beispiele der Studentennotizen aus 56 Dubravka Papa, Mirna Hocenski-Dreiseidl: Die hörverstehensstrategien... den Protokollen belegen das: Ich soll mehr Fachwissen haben. / Das ist der Moment, wenn man das Wissen aus einem anderen Fach braucht, aber man kann sich an nichts erinnern. / Es ist ganz anders, wenn ich mich mit jemandem unterhalte, als wenn ich auf diese Weise zuhöre. / Sie sprechen zu schnell. Demzufolge gab es Probleme sowohl mit dem Zeitmanagement ( Ich brauche die restlichen 30 Sekunden nicht. / Ich habe noch 30 Sekunden um meine Antwort zu überprüfen. / Es scheint, als ob ich den ganzen Tag für diese Aufgabe bräuchte. / Die Zeit vergeht sehr schnell.) als auch mit technischen Bedingungen: Internetanschluss, Computer, Handy, Kopfhörer ( Ich höre auch die Aufnahme durch die Kopfhörer meiner Nachbarin. / Die Kopfhörer, die nicht richtig funktionieren, machen mir Probleme. ), Qualität der Aufnahmen ( Es ist ein bisschen zu schnell und unverständlich./ Es klingt unverständlich.), Lautstärke ( Es ist zu laut. ) als auch Lärm im Raum ( Die Geräusche in der Umgebung stören mich beim Zuhören. Es raschelt. Ich verstehe nur wenig. / Da ein Kollege die Lautstärke der Kopfhörer nicht leiser stellen kann, müssen wir alle zuhören, wieweit er die Aufgaben gemacht hat. / Der Lärm stört mich. / Der Lärm in der Umgebung… / Die Stimmen im Flur dekonzentrieren.). Die Tabelle 4 stellt alle drei Arten der Strategien dar, die von den Studenten aktiviert wurden. Erstens sind das die metakognitiven Strategien, wobei die Studenten über ihre Gedanken nachdenken oder ihre Handlungen planen ( Nach dem Zuhören des unbekannten Textes, kann ich begreifen, was das Thema ist und verstehen, worum es geht.). Sie antizipieren und kontrollieren ihre Handlung ( Je nach Ton und Art des Gespräches kann ich eine Frage beantworten.) und steuern sie ( Ich würde gerne die unbekannten Wörter im Wörterbuch nachschlagen können.). Alle diese Strategien sowie das Evaluieren des eigenen Hörverstehens ( Es wäre leichter, wenn ich den Text vorher gelesen hätte.) stehen bei der Methode Lautes Denken im Vordergrund. Zweitens wurden auch kognitive Strategien aktiviert, wie z. B. das Übersetzen ( Ich versuche, einige Wörter zu übersetzen. ), das Aktivieren des Vorwissens (Alle Wörter sind mir bekannt außer einem Wort und das ist das Subjekt. / So ein langes Wort. / Das Verb „wachsen“ wurde erwähnt, auch Auftrag und Konkurrenz. / Ich weiß nicht welches Wort vor dem Wort Konkurrenz steht aber es muss ein Verb sein. / Es ist ein sehr langes Wort in der Aufgabe 29.B – ich werde es in kleinere Einheiten einteilen. / Wo ist Mannheim !?). Weitere kognitive Strategien waren das Wiederholen ( Anhalten… Abspielen…. Anhalten… Wiederholen! / Ich muss zurückspulen.), die Aufmerksamkeit im Sinne des Achtens auf Signale: Fragen, Titel, Gegensätze und Nutzen des Kontextes (Ich habe es im Kontext verstanden.). Als Drittes aktivierten die Probanden beim Hörverstehen auch affektive und soziale Strategien, wobei die folgenden Strategien am meisten auftreten: Bitte um Erklärung ( Es ist kompliziert. / Ich brauche Hilfe meiner Professorin. ), Fragen nach Rat (beim Lehrer, bei den Kollegen) ( Ich muss meine Professorin um Übersetzung bitten. / Wenn ich nur wüsste, was mein Kollege angekreuzt hat. / Ich würde mich am liebsten umdrehen und meine Kollegin fragen, was das bedeutet. / Sie weiß es am besten.), Besprechen der Probleme ( Matej hat mich angesprochen.), Selbstermutigung ( Ich sollte mich besser konzentrieren. / Nichts ist mir bekannt, ich versuche mein Glück, ich rate es mal.), Ausdrücken von Gefühlen ( Ich habe keine Lust. / Ich bin müde. / Du bist nicht du, wenn du Hunger hast. / Das ist lustig. / Die Musik irritiert. / Das ist eine interessante Aufgabe.) und Entspannung (Sie sprechen so schön Deutsch. Gut das es den Kaffee gibt.). Tabelle 4: Hörverstehensstrategien Metakognitive Kognitive Affektive und soziale Strategien Strategien Strategien - Planen - Übersetzen - Bitte um Erklärung - Antizipieren - Verknüpfung mit Vorwissen - Fragen nach Rat (Lehrer, Kollegen) - Kontrollieren - Wiederholen - Besprechen der Probleme - Steuern - Aufmerksamkeit im Sinne des Achtens auf - Selbstermutigung - Evaluieren Signale: Fragen, Titel, Gegensätze - Gefühle ausdrücken - Nutzen des Kontextes - Entspannung Inter alia 5 57 Aufgrund der Untersuchungsergebnisse wurde die Hypothese 1 bestätigt. Die Jura- und Wirtschaftsstudenten bedienen sich ihres Fachwissens beim Hören der Fachtexte (Rechtsdeutsch und Wirtschaftsdeutsch), indem sie ihre kognitiven Strategien aktivieren. Weiterhin bestätigt sich die Hypothese 2, dass die metakognitiven Strategien beim Zuhören mehr von den erfolgreichen Zuhörern als von den weniger erfolgreichen Zuhörern aktiviert werden. 4.1 Interpretation (Vor- und Nachteile der Methode) Unsere Erfahrung mit der Methode Lautes Denken ist sowohl positiv als auch negativ. Sie ist positiv im Sinne, dass sie positive Reaktionen der Studenten hervorruft, weil sie etwas Neues, Interessantes und Intrigierendes im Fremdsprachenunterricht ist. Die Nachteile der Methode sind, dass sie von den Studenten eine große Konzentrationsfähigkeit verlangt, weil sie beim Zuhören ununterbrochen aktiv bleiben müssen. Es ist schwierig für Studenten ihre Gedanken zu verbalisieren d. h. dabei gleichzeitig drei Fertigkeiten zu aktivieren (Hören, Lesen und Schreiben), obwohl in Muttersprache protokolliert wurde. Dies bedeutet, dass sie mehrere Aktivitäten gleichzeitig durchführen, indem sie der Hörverstehensaufgaben zuhören, gleichzeitig lesen, ihre Gedanken verbalisieren und sie kurz darauf notieren. 5 Fazit Die Untersuchungsergebnisse führen zu folgenden Feststellungen: Erstens sollte die Methode Lautes Denken in den Fremdsprachenunterricht integriert und mit den Studenten geübt werden. Sie hilft den Studenten wahrzunehmen, woran sie während des Zuhörens denken, ihre Aktivitäten und Handlungen während des Hörverstehens besser zu reflektieren, damit sie mentale Manager ihres Hörverstehensprozesses werden. Zweitens aktivieren die Studenten beim Hörverstehen alle drei Strategien. Je erfolgreicher die Zuhörer sind, desto mehr aktivieren sie ihre affektiven und sozialen Strategien. Die erfolgreichen Zuhörer aktivieren ihre metakognitiven Strategien häufiger, während die weniger erfolgreichen Zuhörer mehr kognitive Strategien aktivieren. Literaturverzeichnis Baker, L. (1985). 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Zwei Untersuchungskorpora beinhalten Arzt-Patienten-Gespräche aus insgesamt drei unterschiedlichen Hausarztpraxen, das dritte Korpus Unterrichtsstunden einer Krankenhauslehrerin der Onkologischen Station der Kinderklinik der Universität Pécs. Die Gespräche wurden nach der schriftlichen Einwilligung aller Gesprächsteilnehmer und der Eltern der Kinder aufgezeichnet und mit Hilfe der Transkriptions-Softwares ExMERALDA und FOLKER 1.2. transkribiert. Der Fokus der quantitativen und qualitativen Datenanalyse richtete sich auf die sequenzielle Struktur bzw. die Mikrodialoge der Gespräche. Die Untersuchung der Turns der einzelnen Dialoge zeigte eine größere Turnzahl bei den Klienten. Die Analysen zeigten auch einen höheren Anteil der Klienten in der Initiierung eines überlappenden Turns. Die ärztliche Partizipation korrelierte signifikant mit der Dauer, die Partizipation der Patienten und Patientinnen mit der Turnzahl der Mikrodialoge. Die Untersuchung der Korrelation zwischen Dauer und Turnzahl der Mikrodialoge bzw. der Partizipation der Gesprächsteilnehmer wies auf ein interessantes Phänomen hin: Erst wenn ihnen häufiger Rederecht, mehrere Turns zugeteilt wurden, hatten sie die Möglichkeit, sich mehr ins Gespräch einzubringen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die sequenzielle Analyse der Dialoge in allen drei Korpora bestimmte Abweichungen von den für institutionelle, asymmetrische Gespräche typischen Dialog-strukturen nachweisen konnte. Schlüsselwörter: Gesundheitswesen, SDM, Konversationsanalyse, Dialog, sequenzielle Muster, regulative Rolle Abstract The democratic transformation of 1990 affected client-caregiver interaction in Hungarian institutions of health care. The focus shifted to increasing the relative weight of clients’ involvement in diagno-stic and therapeutic encounters. Three small-scale studies including 28 physician-patient interviews and 7 hospital teacher–hospitalized oncological child patients’ lessons were performed. FOLKER 1.2 transcribing software was used to carry out the quantification of the audio-recorded interactions including word count, number and length of turns and pauses, length of dialogues. Statistical analysis included binominal and Mann-Whitney tests, Spearman’s rank order correlation test, incidence and 60 Anikó Hambuch, Anita Sárkányné Lőrinc, Rita Kránicz: Veränderung... distribution. Qualitative investigations using categories of conversation analysis were also performed. The findings seem to support the idea that shared decision-making means allowing clients more freedom of initiating turns while caregivers’ regulating role may be preserved by increasing the length and variety of their turns. Calling medical students’ attention to this correlation could promote SDM in health care. Keywords: health care, SDM, conversation analysis, dialog, sequential pattern, regulating role 1 Einleitung Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse dreier Small-scale-Studien aus Ungarn vorgestellt. Die drei Studien wurden in zwei unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitssystems – in drei Hausarztpraxen und in einer Krankenhausschule (siehe 2.3) durchgeführt. In ihrem Fokus stand die Untersuchung der institutionellen Kommunikation in diesen Feldern, jedoch unter verschiedenen Aspekten. Jede Studie hatte ihr eigenes Forschungsdesign mit spezifischen Fragestellungen, aber mit einem gemeinsamen Interesse für die sequenzielle Struktur der Dialoge in einem institutionellen Rahmen. Zwei Studien untersuchten die globale sequenzielle Struktur der Gespräche (Arzt-akuter Patient-Gespräche, Unterrichtsstunden in der Krankenhausschule), in den Arzt-chronischer Patient-Gesprächen wurden die Mikrodialoge der Gespräche analysiert. Nach dem Vergleich der Ergebnisse konnten trotz unterschiedlicher Forschungsansätze Ähnlichkeiten bezüglich der Sequenzialität der Dialoge festgestellt werden, unabhängig davon, ob die globale Struktur oder die Mikrostruktur der Gespräche analysiert wurde. Auf die Bedeutung einer sequenziellen Analyse der Gespräche im medizinischen Setting wies u. a. Sarah Bigi in ihrem zusammenfassenden Werk über die ärztliche Kommunikation hin (Bigi, 2016). Anhand früherer Analysen der AP-Kommunikation1 (Wasserman & Inui, 1983) spricht sie über eine hierarchische Organisation der Phänomene und Mechanismen der AP-Kommunikation, die eine hierarchische Analyse der erfassten kommunikativen Funktionen erfordert. Dazu gehört auch die Identifizierung solcher kontextuellen Komponenten, die die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten beeinflussen. Im Zusammenhang damit weist sie auf das Fehlen von Systemen zur Sequenzanalyse der Äußerungen in den Interaktionen hin und sagt: „There was, and there still is, the need for systems that would allow for analysis at the sequence level“ (Bigi, 2016: 9). Das sequenzielle Muster eines Gesprächs entsteht durch aufeinanderfolgende Turns, deren Reihen-folge und Ausarbeitung von den in der und mit der Interaktion zu lösenden kommunikativen Aufgaben abhängt und eng mit den Rollenverhältnissen der Gesprächsteilnehmer verbunden ist (vgl. Deppermann, 2001: 75-76). So kann die sequenzielle Analyse eines Gesprächs nicht nur die Struktur eines Dialogs beschreiben, sondern auch über mögliche Asymmetrien (Wissensstand, Macht, Betroffenheit) und über an sozialen Rollen gebundene interaktive Rechte und Verpflichtungen der Gesprächsteilnehmer informieren (vgl. Deppermann, 2010: 11). Deshalb ist diese Form der Analyse für die Untersuchung institutioneller Gespräche besonders geeignet. Die Ergebnisse der Sequenzanalysen in den drei Small-scale-Studien wurden für weitere Untersuchungen herangezogen. Im Fokus stand die Beantwortung von zwei Fragen: 1. Wie können in der sequenziellen Organisation der Gespräche dieser Interaktionen die interaktiven Rechte und 1 AP: Arzt-Patient Inter alia 5 61 Verpflichtungen der Vertreter/-innen der Institutionen und Klienten/-innen erfasst werden? 2. Wie bildet sich das aktuelle Beziehungsmodell zwischen den Vertreter/-innen und Klienten/-innen der Institution in den Interaktionen ab? 2 Forschungshintergrund 2.1 Gesellschaftliche Hintergründe des gemeinsamen Forschungsinteresses Nach der Wende in Ungarn kam es in den Jahren 1989 bzw. 1990 zu gravierenden Veränderungen, die jedes Segment der Gesellschaft, so auch das Gesundheitswesen betrafen. Es kam zu einem grundlegenden strukturellen Wandel im Gesundheitssystem, neue Versorgungsformen entstanden und auch private Anbieter erschienen in der Versorgung, z. B. arbeiten Hausärzte/-innen seit der Wende zunehmend unternehmerisch. Parallel dazu wurden mit der Verbreitung der digitalen Medien medizinische Informationen auch für Patienten/-innen leichter zugänglich, es begann ein Umbruch auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen der Vertreter/-innen bzw. Klienten/-innen des Gesundheitswesens (vgl. Gaal, 2016: 680-684; Sára & Csedő & Tóth T., et al., 2013: 20–24; Tóth & Remete & Filep, 2014: 49-54). 2.2 Arzt-Patient-Beziehung im Umbruch Wenn wir über Kommunikation im Gesundheitswesen sprechen, sollte vor allem das Wissen er-wähnt werden, das ungleich zwischen Arzt und Patient verteilt ist. Demnach sind AP-Beziehungen asymmetrisch (vgl. Bigi, 2016: 10). Seit der Wende wächst jedoch die Forderung nach einer stärkeren Patientenbeteiligung an den AP-Interaktionen, die Rolle des ‚unmündigen Patienten‘ wird immer mehr in Frage gestellt. „In der gesundheitspolitischen Debatte wird der ‚mündige Patient‘ analog zum „mündigen Bürger“ gefordert, dessen Mitspracherechte auch oder gerade im Krankheitsfalle als Patientenrechte zu stärken sind“ (Koerfer & Albus, 2015: 116; Vajda & Horváth & Málovics, 2012). Ungarische Untersuchungen der AP-Beziehung wiesen darauf hin, dass nicht jeder Patient/jede Patientin den Anspruch auf eine gemeinsame Entscheidungsfindung hat, es gibt Patienten/-innen, die ungern über Behandlungsoptionen diskutieren und die therapeutischen Entscheidungen bzw. die damit verbundene Verantwortung gern ihrem Arzt/ihrer Ärztin überlassen (vgl. Málovics & Vajda & Kuba, 2009, vgl. Bigi, 2016: 13-14) . In den letzten Jahrzehnten werden in der Fachliteratur zwei Extreme der Arzt-Patient-Beziehung unterschieden: Autorität des Patienten vs. Paternalismus (Emanuel & Emanuel, 1992: 2221). Um den Paternalismus, die überwiegende Kontrolle des Arztes zu vermeiden, wird – vor allem aus bioethi-scher Sicht – das informative Modell immer mehr bevorzugt, in dem der Patient absolute Macht über seine Therapie hat. In diesem Modell reduziert sich die Rolle des Arztes auf die eines Technologen. Nach Emanuel & Emanuel werden vier Modelle des AP-Verhältnisses unterschieden, außer den zwei erwähnten Extremen beschreiben sie das interpretative Modell der AP-Beziehung, in dem der Arzt die Rolle des Beraters übernimmt und das deliberative Modell, in dem der Arzt als Freund oder gar Lehrer auftritt. Beim letzteren ist die Autonomie der Patienten/-innen sogar eine „moral self-development“ (Emanuel & Emanuel, 1992: 2222) indem er/sie die Verantwortung für seine/ ihre Therapie mitträgt. Ganz ähnlich, aber nicht völlig übereinstimmend sind die von Roter und Hall beschriebenen Modelle, die durch die verschiedenen Kontrollebenen definiert werden: Paternalismus, Dienstleistung, Gegenseitigkeit und Defaultwerte (vgl. Roter & Hall, 2006: 26, zitiert von Bigi, 2016: 10). 62 Anikó Hambuch, Anita Sárkányné Lőrinc, Rita Kránicz: Veränderung... Tabelle 1: Typen der Arzt-Patienten Beziehung Kontrolle des Patienten Kontrolle des Arztes Niedrig Hoch Niedrig Defaultwerte Paternalismus Hoch Dienstleistung Gegenseitigkeit Quelle: Roter-Hall, 2006, 26 Die unterschiedlichen Typen der AP-Beziehung sind keine statischen Gebilde, sie befinden sich auf einem Kontinuum und verändern sich abhängig von der Art und dem Schweregrad der Erkrankung bzw. den persönlichen Erfahrungen. Letztere können auch eine Auswirkung darauf haben, wie Arzt und Patient ihre Beziehung beurteilen (vgl. Bigi, 2016: 10). Die in der Fachliteratur bevorzugte partnerschaftliche Beziehung der AP-Beziehung (vgl. Faller & Lang, 2016: 205; Kuna, 2016: 317) äußert sich in einer gemeinsamen Übernahme von Verantwortung bei der Entscheidungsfindung, wobei weiterhin eine Asymmetrie zwischen professionellem Wissen und Laienwissen zu überbrücken ist. Eine partnerschaftliche AP-Beziehung kann erreicht werden, indem die kommunikativen Aushandlungsprozesse der einzelnen Interaktionen so gestal-tet werden, „dass die Autonomie beider Interaktionspartner gewahrt werden kann“ (Koerfer & Albus, 2015: 116). Tabelle 2: Idealtypische Darstellung von drei Grundmodellen der Entscheidung Paternalismus Kooperation Dienstleistung (shared decision) (informed choice) Ethik Autoritative Ethik Diskursethik Libertäre Ethik Beziehung arztzentriert beziehungszentriert patientenzentriert Arztrolle Wächter, Samariter Partner Dienstleister, Verkäufer Themenfokus biomedizinisch biopsychosozial biomedizinisch Richtung („one way“) A→P („two way“) A↔P („one way“) P→A Strategie/Ein- stellung Zwang→Gehorsam Dialog→Überzeugung Manipulation→Überredung Monolog: Vermittlung und Dialog: Hinreichende Interrogation: Selektiver Information Rezeption von Teilinfor- Wissensvermittlung und Wissenserwerb durch Fra- mationen wechselseitiges Verste- hen ge-Antwort-Muster Instruktion: Anordnung Deliberation: evi- Suggestion: Werbung und Entscheidung bzw. Verordnung (eb) nach denz-basierte (eb) und Kontrakt, Angebot und ärztlicher Vorwahl präferenz-basierte (pb) Nachfrage von (pb) Optio- Optionen nen Fremdkontrolle: bis zur Gemeinsame Kontrolle: Selbstkontrolle: bis zur Aut- Verantwortung persönlichen Abhängigkeit in gegenseitigem Ver- arkie des Patienten bei Auto- des Patienten vom Arzt trauen bei beidseitiger Autonomie nomieverlust des Arztes Quelle: Koerfer-Albus, 2015, 121 Medizinsoziologische, medizinpsychologische und auch linguistisch-pragmatische Untersuchungen in Ungarn zeigten in den AP-Interaktionen eine langsame Verschiebung der Informationsvermitt-lung, der Entscheidungsfindung und der Verantwortungsübernahme vom Paternalismus in Richtung Inter alia 5 63 Kooperation. Der Arzt beschränkt sich nicht nur auf Verordnungen und Anordnungen, sondern er informiert auch, macht Vorschläge, bietet Alternativen an. Neben der Erhaltung der Autonomie beider Parteien entsteht eine auf gegenseitigem Vertrauen ba-sierende Kontrolle über die Krankheit und ihre Therapie (vgl. László, 2006; Pilling, 2008; Lázár & Túry, 2009; Boronkai, 2014). 2.3 Krankenhausschule: ein spezieller Bereich der Lehrer-Schüler-Kommunikation In einer Krankenhausschule werden schulpflichtige Kinder und Jugendliche betreut, die wegen einer chronischen oder lang andauernden Krankheit ihre Heimatschule nicht besuchen können. Das grundsätzliche Ziel des Unterrichtens im Krankenhaus ist es, dass schwerkranke oder chronisch kranke Kinder bzw. Jugendliche den Anschluss an den Unterricht während ihres Aufenthaltes im Krankenhaus nicht verlieren. Die Lehrveranstaltungen und der Stundenplan sind nach dem Alter bzw. der Krankheit und dem Zustand der Kinder differenziert und den Behandlungen angepasst. Die Unterrichtsstunden werden individuell für die einzelnen kleinen Patienten/-innen am Krankenbett oder in kleinen Gruppen in einem kleinen Klassenzimmer im Krankenhaus gehalten. Außer dem Unterrichten hat der Krankenhauslehrer/die Krankenhauslehrerin als weitere Aufgabe, den Kontakt zu den Heimatschulen der Patienten/-innen aufzubauen und den Kindern zu helfen, sich nach ihrer Genesung wieder an ihre alte Klasse, bzw. Schule zu gewöhnen. 3 Material und Methoden 3.1 Material Die im vorliegenden Beitrag präsentierten Ergebnisse stammen aus drei Untersuchungskorpora, die nach unterschiedlichen Aspekten erstellt worden sind. Zwei Korpora beinhalten AP-Gespräche aus insgesamt drei unterschiedlichen Hausarztpraxen. Zwei der Arztpraxen befinden sich in einem Außenbezirk der Stadt Pécs, eine Praxis liegt in einem Dorf, in der direkten Umgebung der Stadt. Das Auswahlkriterium der an den Gesprächen teilnehmenden Patienten/-innen war ihre Krankheit: In den zwei Hausarztpraxen im Außenbezirk der Stadt Pécs wurden Gespräche zwischen Hausarzt/-ärztin und ihren chronisch kranken Hypertonie-Patienten/-innen, in der Dorfpraxis Gespräche einer Hausärztin mit ihren, sich wegen einer akuten Krankheit vorstellenden Patienten/-innen aufgenommen. Das dritte Korpus beinhaltet Unterrichtsstunden einer Krankenhauslehrerin der Onkologischen Station der Kinderklinik der Universität Pécs, wo das einzige Auswahlkriterium der Schülerinnen und des Schülers ihr aktuell relativ guter Gesundheitszustand während der laufenden Forschung war. Tabelle 3 stellt die wichtigsten Angaben der drei Korpora dar. Tabelle 3: Dialoge und Teilnehmer/-innen in den untersuchten Korpora Arzt-chronischer Patient Arzt-akuter Patient Unterrichtsstunden-Kran- Konsultationen (15) Konsultationen (13) kenhausschule (7) Klient/-in Patientin: 9 Patientin: 8 Schülerin: 2 Patient: 6 Patient: 5 Schüler: 1 Vertreter/-in einer Ärztin: 1 Ärztin: 1 Krankenhauspädagogin: 1 Institution Arzt: 1 Die AP-Gespräche wurden von zwei Hausärztinnen und einem Hausarzt unter Teilnahme von insgesamt 17 Patientinnen und 11 Patienten durchgeführt. 64 Anikó Hambuch, Anita Sárkányné Lőrinc, Rita Kránicz: Veränderung... Das Durchschnittsalter der Patientinnen liegt bei 67,5, das der Patienten bei 57,1. Die Patientinnen und Patienten haben größtenteils eine niedrigere Schulbildung. An den aufgezeichneten Unterrichtsstunden in der Krankenhausschule nehmen 2 Schülerinnen und ein Schüler teil, ihr Durchschnittsalter ist 13 Jahre. 3.2 Methoden 3.2.1 Durchführung der Untersuchungen Die Untersuchungen wurden mit vorheriger Erlaubnis der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs durchgeführt. Über die Aufnahme der Gespräche bzw. über die For-schungsziele und die Verwendung der Daten erhielten die Teilnehmer/-innen – auch die Eltern der Kinder – im Vorfeld der Gespräche eine ausführliche Auskunft. Erst nach einer schriftlichen Einwilligung aller Gesprächsteilnehmer/-innen und der Eltern der Kinder erfolgte die Aufzeichnung der einzelnen Gespräche. 3.2.2 Technischer Bezugsrahmen Zur weiteren Analyse wurden die Gesprächsaufzeichnungen mit Hilfe der beiden verschiedenen Transkriptions-Softwares transkribiert: EXMARaLDA Partitur-Editor 1.5 (Schmidt, 2011), und FOLKER 1.2. transkribiert (Schmidt & Schütte, 2011). Die zwei Softwares sind interoperabel. Als erster Schritt des Transkribierens wird die Audiodatei im WAV-Format hochgeladen und ver-arbeitet. Am Ende des Umschreibens lassen sich die Transkripte als Dateien im HTML-Format ausgeben. Drei Ansichten (Segmente, Partitur, Beiträge) sind bei der Ausgabe möglich, zwei zusätzliche Ausgaben stehen noch zur Verfügung, die eine als GAT2 Basistranskript und die andere als Auszählungsfunktion (Quantifizierung), die die Anzahl und Länge der Beiträge summarisch und die Beteiligungsweise der jeweiligen Sprecher zeigt. B A K3 As Ohne Gesamt Beiträge (Anzahl) 2 92 76 28 144 342 Beiträge (Länge) 4 505.4 402.4 104.9 531.49 1548.18 Wörter (Token) 3 595 338 35 14 985 Wörter (Types) 3 326 187 33 469 Mikropausen 0 2 8 1 0 11 Nichtphonologisches 1 18 10 11 95 135 Ein- / Ausatmen 0 2 1 0 1 4 Gemessene Pausen (Anzahl) 0 0 0 1 140 141 Gemessene Pausen (Länge) 0 0 0 2 515.7 5.18 0 Stunden, 22 Minuten, 13.29 Sekunden transkribierte Gesamtlänge. 342 Beiträge insgesamt, Abbildung 1: Quantifizierung FOLKER 1.23 Quelle: http://agd.ids-mannheim.de/folker.shtml 3.2.3 Methoden und theoretischer Bezugsrahmen der Analysen Die von den Transkriptions-Softwares gelieferten Daten – wie zum Beispiel die Zahl bzw. Länge der Redebeiträge und Pausen, Überlappungen, Wortzahl, Ein- und Ausatmen während des Sprechens 2 Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem 2 (GAT 2) 3 Abkürzungen: B: Beobachter, A: Arzt; K3: dritter Kranker, As: Assistentin Inter alia 5 65 – ermöglichten eine quantitative Analyse der einzelnen Dialoge. Die Daten wurden mit SPSS 19 statistisch bearbeitet (Spearman Test, Binomialtest). Die quantitativen Ergebnisse dienten als Grundlage für weitere, qualitative Analysen, die einem kon-versationsanalytischen Ansatz folgten und die Turns (Zahl, Länge, Verteilung), die Überlappungen bzw. die Partizipation der Teilnehmer/-innen in den einzelnen Dialogen untersuchten. Die linguistische Analyse der Dialoge erfolgte mit der Methodik der Konversationsanalyse und bediente sich deren Begrifflichkeiten. Unter dem Begriff „Turn“ werden „interaktiv hergestellte, flexible und lokal den Bedürfnissen der Interaktion anpassbare Redebeiträge eines Sprechers bzw. einer Sprecherin“ (Brinker & Antos & Heinemann & Sager, 2001: 1063) verstanden. Überlappungen sind solche Redezüge, in denen der eine Sprecher den anderen in seinem Redezug unterbrechend, eigentlich ohne Rederecht, mit dem ursprünglichen Sprecher zusammen spricht. Dieser gemeinsame Redezug der beiden Sprecher kann zwar vom Aspekt der Interaktion her unordentlich erscheinen, zeigt jedoch eine gewisse Ordnung (vgl. Jefferson, 1983; 1986), anhand der die Interaktoren sich dem Sprecherwechsel anpassen, an ihm orientieren (vgl. Sacks & Schegloff & Jefferson, 1974). Der Sprecher hat mit einer Überlappung nicht unbedingt die Absicht, das Rederecht zu bekommen (vgl. Hutchby & Wooffitt, 2006), es kann auch als eine Reaktion auf die Äußerungen des aktuellen Sprechers interpretiert werden. Überlappungen kommen in Alltagsgesprä- chen oft vor, sind aber in institutionellen, asymmetrischen Interaktionen zwischen Vertreter/-innen und Klienten/-innen einer Institution eher untypisch, u. U. sogar unerwünscht. Mikrodialoge werden durch Turns aufgebaut, die ein bestimmtes Thema ausarbeiten. Der Turn, der ein neues Thema ins Gespräch einbringt, wird als der erste Turn eines neuen Mikrodialogs betrachtet. Die Grenzen eines Mikrodialogs werden also durch kommunikative Themenwechsel festgelegt. Die Ausarbeitung eines Mikrodialogs setzt den gegenseitigen Willen der Gesprächspartner/-innen für die Besprechung eines kommunikativen Themas voraus (vgl. Boronkai, 2009: 74-76). Die Aufeinanderfolge von Mikrodialogen bestimmt die globale Struktur eines Gesprächs. Die Zahl der Mikrodialoge ist immer von den aktuellen Aushandlungsprozessen einer Interaktion abhängig, und wird durch die Gesprächspartner/-innen je nach eigenen Kommunikationszielen bestimmt. 4 Ergebnisse Im Folgenden werden solche Ergebnisse der drei Untersuchungen vorgestellt, die die Beantwortung der gemeinsamen Forschungsfragen er Turnza möglic hl der Ges hen (s. prächsteil Einleitung). nehmer/-innen akute /r Ärztin krankes Kind Krankenhauslehrerin Patientin/Patient 234 525 243 720 Arzt-chronischer Patient Turn-Anteile (%) – ,33 ,40 ,43 ,50 ,57 ,60 ,66 Mikrodialoge N=310 34 38 18 145 8 4 5 Abbildung 2: Turn-Anteile der Institutionsvertreter/-innen und der Klienten/-innen 66 Anikó Hambuch, Anita Sárkányné Lőrinc, Rita Kránicz: Veränderung... Die Untersuchung der Turns der einzelnen Dialoge (Abbildung 2) zeigte sowohl in den Arzt-akuter Patient-Gesprächen (243-234), als auch in den Unterrichtsstunden der Krankenhauslehrerin eine größere Turnzahl der Klienten/-innen (720-525). Die Analyse der Turnanteile in den Arzt-chronischer Patient-Gesprächen brachte ein ähnliches Ergebnis. In den meisten Mikrodialogen dieser Gespräche (145) haben Arzt/Ärztin bzw. Patient/-in einen gleichen Turn-Anteil (50-50%). Eventuelle Überlappungen in den Redebeiträgen wurden in den Arzt-akuter Patient-Gesprächen bzw. in den Unterrichtsstunden der Krankenhauslehrerin analysiert (Abbildung 3). Beide Analysen zeigten einen höheren Anteil in der Initiierung eines überlappenden Turns durch Klienten/-innen. Überlappungen in den Redebeiträgen der Hausärztin und ihrer Überlappungen in den Redebeiträgen der Krankenhauspädagogin akuten Patienten/-innen und ihrer Schülerinnen/ihres Schülers 250 250 203 207 200 200 150 144 120 150 83 100 100 63 50 50 0 0 Hausärztin akute PatientInnen Überlappungen insg. Krankenhauspädagogin Schülerinnen/Schüler Überlappungen insg. Abbildung 3: Überlappungen In allen drei Untersuchungen wurden Zusammenhänge zwischen der Partizipation der Gesprächspartner/-innen und den strukturellen Eigenschaften der Dialoge analysiert. Die Analyse erfolgte einerseits durch die Bestimmung der durchschnittlichen Turnlängen der Teilnehmer/-innen (Abbildung 4), andererseits durch die Untersuchung eventueller Korrelationen zwischen der Länge und der Turnzahl der Mikrodialoge eines Gesprächs (Tabelle 4). Durchschnittliche Turnlängen Durchschnittliche Turnlängen in den Arzt–akuter Patient–Gesprächen (s) in den Unterrichtsstunden (s) 18,88 20 10 9,04 8 15 5,54 6 10 4 5 2,68 2 0 0 Ärztin PatientInnen Krankenhauspädagogin Schülerinnen/Schüler – Abbildung 4: Durchschnittliche Turnlängen (s) In den Arzt-akuter Patient-Gesprächen waren die ärztlichen Turns fast zweimal länger, als die der Patient/-innen. Die Turns der Krankenhauslehrerin dauerten durchschnittlich neunmal länger als die der Kinder. Inter alia 5 67 Tabelle 4: Partizipation der Gesprächsteilnehmer/-innen in den Arzt–chronischer Patient–Interaktionen Mikrodialoge Länge (s) Turnzahl insg. Arzt-Partizipation in Turns ( %) p=,007 p=,160 Patient/-in-Partizipation in Turns ( %) p=,398 p=,000 p≤ 0.05 Die ärztliche Partizipation zeigte einen signifikanten Zusammenhang mit der Dauer der Mikrodialoge (p=0,007), aber keine Korrelation mit der Turnzahl (p=0,160). Die Partizipation der Patienten/-innen korrelierte mit der Turnzahl der Mikrodialoge (p=,000) zeigte aber keinen signifikanten Zusammenhang mit der Dauer der Dialoge (p=0,398). 5 Diskussion Die drei im Beitrag vorgestellten Studien haben durch unterschiedliche Analysemethoden nachgewiesen, dass die Regulierung der Dauer der Gespräche – sowohl in den Hausarztpraxen, als auch im Unterricht in der Krankenhausschule – weiterhin in der Hand des Vertreters der Institution liegt (Abbildung 4), so wie frühere Untersuchungen und Forschungen schon nachweisen konnten (vgl. Lalouschek, 2002; Heritage, 2006; Lalouschek 2008; Spranz-Fogasy, 2010; Bigi, 2016). Die Turns der einzelnen Gesprächsteilnehmer/-innen zeigten aber in jeder Untersuchung eine relativ gleichmäßige Verteilung, die Redebeiträge der Gesprächspartner/-innen waren fast symmetrisch organisiert. In den Arzt-akuter Patient-Gesprächen und in den Unterrichtsstunden hatten die Klienten/-innen sogar mehr Redebeiträge, als die Vertreter/-innen der Institutionen, also sie haben mit mehr Turns zur Ausarbeitung der kommunikativen Themen, Aufgaben und Ziele der Gespräche beigetragen (Abbildung 2). Die meisten Mikrodialoge der Arzt-chronischer Patient-Gespräche zeigten auch eine ausgewogene Verteilung der Redebeiträge zwischen Vertretern/-innen der Institutionen und Klienten/-innen (Abbildung 2), also einen relativ gleichmäßigen Beitrag zum „Abarbeiten“ der in den Gesprächen auftauchenden kommunikativen Aufgaben und Ziele: Schilderung der Symptome, Suche nach möglichen auslösenden Ursachen, Besprechung weiterführender Diagnosemaßnahmen und entsprechender Therapieverfahren. Die relativ große Vorkommenshäufigkeit solcher Redebeiträge, die überlappende Turns der Gesprächsteilnehmer/-innen enthielten, war ein weiteres, für institutionelle Gespräche untypisches Ergebnis (Abbildung 3). In den Arzt-akuter Patient-Gesprächen und in den Unterrichtsstunden konnten Überlappungen oft als Mittel des Erwerbs des Rederechtes beobachtet werden, es wurde häufiger durch die Klienten/-innen initiiert. Den Überlappungen konnte eine weitere kommunikative Funktion zugeordnet werden: Sie dienten auch als Signal zur Mitwirkungsbereitschaft des/der den überlappenden Turn initiierenden Gesprächspartners/Gesprächspartnerin (vgl. Sárkányné, 2015; Kránicz, 2015). Diese Art und Weise der Wortübernahme und der Andeutung von Kooperationsbereitschaft charakterisiert eher die Alltagskonversation und kommt in asymmetrischen Gesprächen seltener vor (vgl. Sacks & Schegloff & Jefferson, 1974; Hutchby & Wooffitt, 2006). Die Untersuchung der Korrelation zwischen Dauer und Turnzahl der Mikrodialoge bzw. der Partizipation der Gesprächsteilnehmer/-innen fand nicht nur ein weiteres Beispiel für die in institutionellen Gesprächen untypische sequenzielle Dialogstruktur, sondern wies auf ein interessantes Phänomen hin: In den Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass die Partizipation der Patienten/-innen nicht 68 Anikó Hambuch, Anita Sárkányné Lőrinc, Rita Kránicz: Veränderung... durch die Erhöhung der Zeitdauer der Dialoge, sondern durch die Erhöhung der Zahl der interaktiv ausgearbeiteten Turns größer wurde (Hambuch, 2013). Aus kommunikativer Sicht könnte dies folgender Weise interpretiert werden: Mehr Zeit für die interaktive Ausarbeitung eines kommunikativen Themas gehabt zu haben (siehe: Begriff des Mikrodialogs, 3.2.3.), bedeutete nicht, dass der Patient/ die Patientin mehr zum aktuellen Thema beigetragen hätte, erst wenn ihm/ihr mehrere Turns, mehr Rederecht zugeteilt wurden, hatte er/sie die Möglichkeit, sich mehr ins Gespräch einzubringen, mehr zu einem Thema beitragen zu können, unabhängig von der Dauer der Ausarbeitung eines Themas. Dieses Ergebnis verstärkt die Bedeutung entsprechender ärztlicher Gesprächsführungs-Techniken, die den Arzt/die Ärztin befähigen, trotz des meistens knappen zeitlichen Rahmens einer Konsultation, das Gespräch so zu führen, dass der Patient/die Patientin mehr zu Wort kommt und sich so zum aktuellen Gesprächsthema ausführlicher äußern kann. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die sequenzielle Analyse der Dialoge in allen drei Korpora bestimmte Abweichungen von den für institutionelle, asymmetrische Gespräche typischen Dia-logstrukturen aufwies. Die Regulierung der Zeitdauer lag zwar weiterhin in der Hand des Vertreters/ der Vertreterin der Institution, die Verteilung der Redebeiträge zeigte aber eine relativ gleichmäßige Verteilung, der Vertreter/die Vertreterin der Institution gab dem Klienten/der Klientin mehr interaktiven Raum und ließ ihn/sie mehr zum Gespräch beitragen. Die hohe – mit der Alltagskonversation vergleichbare – Zahl überlappender Turns verwies auf die Aufweichung der Regeln institutioneller Kommunikation und deutete so auch auf eine gewisse Lockerung des institutionellen Rahmens hin. Wenn die Ergebnisse der Sequenzanalyse auf weiteren Ebenen des Arzt-Patienten-Gesprächs interpretiert werden, können sie in den untersuchten AP-Gesprächen auch Informationen über die Ver-wirklichungsformen der Grundmodelle der AP-Beziehung liefern. Die kommunikative Gestaltung der Gespräche, die zeitlich weiterhin dem Arzt/der Ärztin obliegt und von seinen/ihren kommunikativen Kompetenzen abhängt, zeigte in den analysierten Interaktionen eine Verschiebung vom paternalistischen Beziehungsmodell – der absoluten ärztlichen Kontrolle über die Interaktion – in Richtung Kooperation und gemeinsamer Entscheidungsfindung. Diese Ergebnisse erfordern natürlich weitere systematische Untersuchungen. Sie sind Vorstufen geplanter Forschungen, die einen Bottom-up-Ansatz verfolgen (s. dazu Bigi, 2016: 11) und durch Identifizierung und detaillierte Beschreibung einzelner (Problem-)Felder der AP-Kommunikation anhand der sprachlichen Gestaltung der Interaktionen, weitere Erkenntnisse über die – einer konti-nuierlichen Umwandlung ausgesetzten – AP-Beziehung liefern könnten. 6 Ergebnisse und ihre Implikationen für den Hochschulunterricht Die Untersuchungen zeigten eine Annäherung an die Alltagskonversation in den analysierten institutionellen Gesprächen und wiesen eine relativ gleichmäßige Beteiligung der Teilnehmer/-innen an den Gesprächen nach. Es stellt sich die Frage, ob der Vertreter/die Vertreterin der Institution und Klient/-in wirklich symmetrisch und in dem Sinne gleichberechtigt am Gespräch teilnehmen und dadurch eine partnerschaftliche Beziehung entwickeln. In den letzten Jahren wurden Medizinstudenten/-innen und auch Ärzte/Ärztinnen in Fortbildungen immer mehr zu einer patientenorientierten Gesprächsführung angeleitet (vgl. Koerfer et al., 2009: 131). Zahlreiche Studien beschrieben einerseits die positiven Auswirkungen gelungener ärztlicher Kommunikation auf die Patientenzufriedenheit, die Kooperationsbereitschaft, die Anzahl stationärer und Not-fallaufnahmen und nicht zuletzt auf den Gesundheitszustand der Patienten/-innen (vgl. Heisler et al., 2002; Pilling, 2008; Bensing & Verheul, 2010; Politi & Street, 2011; Street, 2013; Bigi, 2016: 30-33), Inter alia 5 69 andererseits konnten Kommunikationsstörungen als Ursache von mangelndem Therapieerfolg, einer beeinträchtigten AP-Beziehung und langfristig sogar in einer gestörten ärztlichen Gesundheit bis hin zu einem Burnout bewiesen werden (vgl. Sator & Jünger, 2015: 333). Welche Inhalte sollten vor diesem Hintergrund in der medizinischen Aus- und Fortbildung vermittelt werden, damit dieses grundlegende ärztliche „Werkzeug“ der Gesprächsführung richtig eingesetzt wird? Vor allem sollten die Studierenden dafür sensibilisiert werden, dass die ärztliche Entscheidungsfindung die kommunikativen Kompetenzen sehr stark fordert, und keine Selbstverständlichkeit ist, die sich etwa mit der Zeit von selbst entwickelt und durch die berufliche Routine immer leichter und besser zu verwirklichen ist. Eine sogenannte Me-takompetenz der Studierenden sollte gefördert und entwickelt werden, die sie befähigt, den aktuellen Bedürfnissen des Patienten/der Patientin entsprechend kommunikativ zu handeln bzw. die potenziellen Ansprüche des Patienten/der Patientin zu aktivieren (vgl. Koerfer et al., 2009: 136-138). Im optima-len Fall kann sich ein „kooperatives Wechselspiel“ in der AP-Kommunikation entwickeln, wobei jeder Beteiligte das Recht hat, die Interaktion mitzugestalten: Themen zu nennen und Ziele zu setzen, sich zu diesen zu äußern und eventuell auch auf die Kommunikation bezüglich bestimmter Themen zu verzichten (vgl. Koerfer, 2015: 131). Die sequenzielle Strukturanalyse der untersuchten Dialoge zeigte ein relativ ausgeglichenes kommunikatives Wechselspiel zwischen den Beteiligten der institutionellen Gespräche. Koerfer weist aber bereits darauf hin, dass dies keineswegs als eine „Halbierung der Macht“ (Koerfer, 2015: 131) zwischen Vertretern/-innen von Institutionen und Klienten/-innen aufgefasst werden darf. Vielmehr geht es in diesen Interaktionen um eine „diskursive Symmetrie“ (Koerfer, 2015: 131) der Gesprächsteilnehmer/-innen, nach der die Partner mit gleichen Chancen Gesprächsthemen bestimmen und sich dazu äußern können (vgl. Koerfer, 2015: 129-131). Dadurch können in kürzeren oder längeren Phasen des gemeinsamen Denkens Entscheidungen getroffen werden, die die weitere Beziehung zwischen den Vertretern/-innen und den Klienten/-innen bestimmen. Durch die ärztliche Gesprächsführung oder die Kommunikation der Krankenhauslehrerin wurde auf der Beziehungsebene eine Anerkennung der Gleichheit der Partner vermittelt, deren Gültigkeit in der Kontrolle der zeitlichen Ausarbeitung der Interaktionen auf ihre Grenzen stößt. Studierende sollten sich gerade diese Kunst der Gesprächsführung eines Vertreters/einer Vertreterin einer Institution aneignen: einerseits das Streben nach einem gemeinsamen Konsens mit den Klienten/-innen, in dem sie angehört, gefragt und in ihrem kommunikativen Verhalten respektiert werden (z. B. wenn sie nicht reden wollen), andererseits dem institutionellen Rahmen und den Möglichkeiten durch die Steuerung der Interaktionen gerecht zu werden ohne die Beziehung mit den Klienten/-innen zu gefährden. Literatur Bigi, S. 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