STflROSLOVflN Hefl 4. Kremsier, am 15. Dezember 1914. II. Dahrgang. Ortsgeschichtliche Etymologie. VII. Die ,,Teufelsmauer" in Deutschland. („Limes rhäticus“ oder „transdanubicus“.) Die im III. (Jahrhunderte enlslandene und im IV. ergänzte Weltkarte des Castorius, meist und fälschlich die „Peutingersche“ genannt, zählt im Raume von den Quellen der Donau und längs derselben bis Pressburg 38 befestigte Plätze nebst deren Entfernungen untereinander, auf. Wer diese Festungen gebaut, gilt ebenso als unbekannt, wie die Zeit der Entstehung. Meist schreibt man sie allerdings den Römern zu, doch nur bedingungsweise mit einiger Berechtigung, denn sie waren wohl zweifellos die Erweiterer derselben, aber schwerlich zugleich auch die Erbauer, denn die Etymologie der bezüglichen Lokalnamen spricht entschieden dagegen; überdies ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Römer in der verhältnismässig kurzen Zeit ihres Machteinflusses in Germanien alle diese Wehrbauten hätten von Grunde aus ausführen können. Nebstbei wissen wir, dass sich doch die Stammbewohner bei der Verteidigung gegen die vordringenden Römer auch auf fortifikatorisch vorbereiteten Punkten entgegenstellten, daher gewisse Schutzbauten unbedingt schon vor der Römerzeit vorhanden gewesen sein mussten. Ist aber diese natürlich (Donau) und künstlich geschützte Grenzlinie schon an sich imponierend, so ist die sogenannte „Teufelsmauer“, wie der „Limes rhäticus“ oder „transdanubicus“ wissenschaftlich bezeichnet wurde, noch bemerkenswerter. So benennt das Volk heute jene von Kelheim an der Donau (Bayern) bis Lorch (am Rhein) und noch darüber hinaus sich ziehende Mauer, die über die steilsten Gebirge, über schroffe Abgründe, durch Flüsse und Seen, sowie die dichtesten Wälder, zum Teile noch heute gut sichtbar, führt. Sie hatte auch an 150 Türme, welche sowohl als Unterkunft für die Grenzwachen, wie auch zugleich als Späh- und Signalgebungspunkte gedient haben mussten. Überdies bildeten an den verschiedensten Punkten in dieser geschlossenen Linie Burgen, Kastelle und befestigte Lager feste Stützpunkte und militärische Standquartiere, da wir ja sogar noch genau wissen, welche Legionen oder Legionsieile zu gewissen Zeilen da oder dort die Besatzung bildeten. Man glaubte vorerst, dass die „Teufelsmauer" vom Kaiser Hadrian begonnen, von seinen Nachfolgern fortgesetzt und von Probus vollendet wurde. Doch kann dies unmöglich zutreffend sein, denn aus einer Stelle des Tacitus (Annal. libr. I, 50) muss geschlossen werden, dass dieser langgedehnte Mauerwall, also ein Analogon zur chinesischen Mauer, schon lange vor unserer Zeitrechnung bestanden haben muss, daher deren eigentliche Entstehung mit den Römern nichts gemein hat. Ehe jedoch in diese Erwägungen näher eingegangen wird, sei gleich der Begriff „Teufelsmauer“ näher aufgeklärt. Der Volksmund sagt allgemein, dass diese Mauer, die über die gefährlichsten Gründe führt, der Teufel selbst aufgeführt habe, doch ist diese Volksetymologie selbstredend grundfalsch. Der Name entwickelte sich aus dem slavischen „certa" (= Linie, Grenzlinie, Umgrenzung); die Mauer, welche eine Grenze abschliesst, nannte der Slave demnach „certova zecT“, d. i. Grenzmauer, welcher Name sich übrigens auch anderswo oft wiederholt. Da aber „cert“ (im Böhmischen) auch Teufel bedeutet, wurde mit der Zeit das namengebende Wortmotiv in seiner Bedeutung unklar, und man griff, namentlich als daselbst die deutsche Umgangssprache die slavische ablöste, zu jener Etymologie, die am nächsten lag, und ergänzte sie noch durch entsprechende Märchen. Doch liegt gerade darin der Beweis, dass die Originalbezeich-nung eine slavische war, und dass diese selbst schon älter als der römische Einfluss war, wie wir dies später darlegen wollen.*) Dass die anfängliche Bestimmung der „Teufelsmauer“ ausschliesslich der Verteidigung einer Grenzlinie diente, ist geradezu selbstverständlich, denn jeder Besitz, den man erhalten will, muss gegebenenfalls auch verteidigt werden. Hilft da die Natur selbst, wie hier, nicht in genügender Weise mit, so muss dies technisch ergänzt werden. Solches geschah durch das Herstellen eines zusammenhängenden Erdwalles, der, nebst dem sich von selbst ergebenden Materialgraben, noch durch eine starke Mauer sowie allerlei Kampfstützpunkte verstärkt wurde. Das anbaufähige Land daselbst erhielten, wie dies *) Der Verfasser folgte hier fast ausnahmslos den etymologischen Grundsätzen bei Aufklärung der topischen Namen, wie sie M. Zunkovic in seinem führenden Mt erke für die moderne Sprachforschung: »Die Slaven, ein Urvclk Europas« (6. Auflage, 1911) gegeben. Dass Zunkovic hiezu die unumstösslich richtige Basis gefunden, dies bezeugen allerorts die Nachprüfungen und sollen, soweit schon heute bekannt, auch die bisherigen Kriegserfahrungen dies bestätigen. unter Kaiser Probus schon erwiesen der Fall war, die bei dieser Grenzsicherung dauernd angesiellten Soldaten. Es war dies demnach eine Art Militärgrenze, wie sie in Österreich gegen die Türken eigentlich noch bis zum Jahre 1881 bestand. Die Soldaten erhielten keinen Sold, aber sie konnten vom Anbau und Ertrag der geschenkten Ländereien sich und ihre Familien redlich ernähren. Diese Mass-regel war ein Antrieb mehr, die Verteidigung der Grenze umso intensiver zu führen. Ein ruhiges Leben kann dies allerdings nicht gewesen sein, denn an dieser Grenze gab es nahezu ununterbrochen Kämpfe und bestätigt dies nebstbei der Biograph des Kaisers Probus. Die Wissenschaft gibt auch ohneweiters zu, dass jene Kolonisten keine Römer, sondern Celten waren; dass wir aber unter Celten Slaven zu verstehen haben, das wissen wir nun heute auch schon. Überdies ist es nichts Unbekanntes, dass namentlich in Bayern, welches Land unser Limes zum Teile durchzieht, noch im späten Mittel-alter in manchen Teilen slavisch gesprochen wurde. Weiters ist es urkundlich bekannt, dass der Gebrauch der slavischen Sprache bei Gericht im Anhaitischen erst im Jahre 1293, in Sachsen sogar erst im Jahre 1327 von Amts wegen verboten wurde, ein Beweis, dass ein guter Teil der Bewohner Südwestdeutschlands im XIV. Jahrhunderte noch immer slavisch sprach. Wir wollen nun hier nichl etwa alle längs der „Teufelsmauer" von den Römern bewachten oder besetzten Ortschaften etymologisch behandeln, denn dies wäre aussichtslos, da ein Name allein schon infolge von Ouellenmängeln ein eigenes und vielleicht dauernd erfolgloses Studium erfordern könnte, sondern nur einige von denen, die sprachlich noch leicht erkennbar sind, um zu zeigen, dass nicht nur die Mauer selbst, sondern auch die Ortschaften längs derselben von den dort wohnenden Slaven ihre noch heute wirkende, wenn auch schon sprachlich oft bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Bezeichnung erhalten haben müssen. Solche Namen sind z. B.: Drakuina. — Ein Teil der sehr alten Stadt Ehingen (Württemberg) heisst haute „Lrachentai". Dort wo die uralte Klosterkirche stand, soll einst die ptolomäische (?) Stadt „Drakuina" gestanden sein. Es ist aber dies wohl nur der eigentliche Verteidigungsplatz für jenes Gebiet gewesen, denn „drak“ bedeutet im Slavischen: Kampf und „drakovina“ etwa: Kampfplatz oder Befestigung, Schutzpunkt (an der Grenze). Ad Fines. — Jener Punkt an der Thur (Schweiz), wo die römische Provinz Rhätien gegen Westen endigte, benannten die Römer als „Ad Fines“, heute „Pfyn“. Als noch die Slaven dort wohn- 18* ten, hiess der Ort oder die Gegend jedenfalls noch „Vin", also: Grenze, und haben die Römer den Vorgefundenen Namen augenscheinlich nur angepasst. Man kann dies auch daraus schliessen, dass die weitere Grenzstadt der gallischen Nachbarprovinz wieder „Vindo-nissa“ (heute „Windisch“), slavisch sonach damals vermutlich etwa „Vindonice“ lautete. — Der direkte Rückschluss, dass dort, wo ein Ort „Windisch“ (einfach oder mit einem weiteren Grundworte zusammengesetzt) vorkommt, „Wenden“ wohnten, ist nicht zutreffend definiert, sondern richtiger ist es zu sagen, diesen Namen haben jene gegeben, die mit „vin" die Grenze bezeichnen, und dies sind allerdings die Slaven, denn das lateinische „finis“ ist doch schon nur mehr eine Anpassung daran. Opie. — Nächst Bopfingen (Württemberg) lag der römischen Karte nach die Römerstation „Opie“. So nannte man die Verschanzungen auf einem sehr hohen, kegelförmigen Berge daselbst, der sogar auf der Kuppe künstlich abgeplattet werden musste, um Raum für die Verteidiger zu gewinnen. Der Name „Opie“ sagt nun im Sla-vischen, dass hier eine Umwallung war, denn „opeti" bedeutet: ringsum spannen, umfassen. Die Römer haben sich in diesem Falle nicht einmal bemüht dem Namen eine lateinische Form zu geben. Castra Samolucena. — Dort, wo heute der Ort Salmandin-gen (am Neckarflusse) mit dem kegelförmigen Berge Achalm (holm ?), der einen hervorragenden Überblick weit über die Umgebung bietet, steht, befand sich einst ein grosses befestigtes Lager, dessen Front gegen den Neckar gerichtet war. „Samoloka“ bedeutet im Slavischen etwa: befestigte Grenze, oder genauer: eingesäumte Grenze („sam, zam“ = Saum, Rand, Grenze; „zamek“ Absperrung, Schloss ; „loka“ = Grenze, Trennung (des Besitzes). Strass. — Topische Namen dieser Wurzel werden durchwegs falsch ausgelegt, denn die lokalen Bezeichnungen „Strass, Hochstrass, Strassengel u. ä. haben mit dem deutschen Begriffe „Strasse“ nichts gemein, sondern stammen durchwegs vom slavischen „straž, straža“ (= Wache, Wachtpunkt). Ein solcher liegt auch an der „Teufelsmauer" ; in den mittelalterlichen Urkunden ist er meist als „sfrazza“ bezeichnet. — Bei diesem „Strass“ fällt es auf, dass sich hier über hundert alte Grabhügel befinden, die an Höhe und Umfang alle sonst in jenem Gebiete bekannten weit übertreffen; es müssen sonach hier hervorragende Personen befehligt haben, die sodann auch hier bestattet wurden. Beispiele dieser Art Hessen sich hier in die Hunderte anreihen, doch wollen wir hiemit nicht den gangbaren Verdacht wachrufen, als ob es sich uns um slavische Eroberungen mit Hilfe der Etymologie handeln würde. Wir wollten hiemit lediglich zeigen, wie grundfalsch und sinnlos es ist, wenn die Limes-Forscher fortgesetzt nur von Römern und Celten (als Nichtslaven) sprechen, denn unter dieser Voraussetzung ist es aussichtslos ja auch nur einen Lokalnamen sprachlich richtig zu erklären, noch je die Wahrheit über die einstigen ethnographischen Verhältnisse daselbst herauszufinden. Sie wissen aber nun wenigstens, was die vielen „Teufelsmauern“ sind, wer ihnen den zutreffenden Namen gegeben, aber zugleich auch, wer ihnen wieder aus sprachlichem Missverständnis später eine falsche Deutung unterlegt hat. K. Vanek. * VIII. Die Ortsnamen mit der Vorsilbe „pre“. ■ Ehe da zur näheren Beweisführung geschritten wird, weshalb und unter welchen Voraussetzungen ganz bestimmten Lokalitäten in ihrer sprachlichen Kennzeichnung die Vorsilbe „pre“ angefügt wurde, ist es notwendig das Vorfeld für das überzeugende Verständnis hiezu zu lichten. Im Slavischen charakterisiert jene Vorsilbe im allgemeinen den Superlativ einer Eigenschaft oder Funktion. In den Adjektiven deutet die Vorsetzung des „pre“ die höchste Potenz einer Eigenschaft, bei Substantiven den höchsten Grad des Grundwortwertes, und bei Ortsnamen im besonderen den seiner Lage oder Vorbereitung für die Sicherung oder Verteidigung nach wichtigsten Ort eines gewissen Gebietes. Bei den Adjektiven „krasny-prekrasny, slavny-preslavny" u. ä. ist dies allgemein bekannt. Man erfährt aber auf diesem Wege auch, weshalb der vornehmste „stol“ ( Stuhl) im Altslavischen „pre-stol“ ( Thron) lautet; im Böhmischen gilt „prevor“ als Bezeichnung für den Prior, d. i. den höchsten unter den Verteidigern eines Klosters (vor, bor) in älterer Auffassung; „premoc" ist die grösste Macht, also Übermacht; „prepych“ deutet auf ungewöhnlichen Prunk, also : Luxus. — Analoge Verhältnisse finden wir auch im Lateinischen, denn das „prae“ deutet auch auf einen gewissen Vorrang im Vergleiche zum Normalen. Der römische „praetor“ war eben der vornehmste oder vorbildlichste, daher höchste unter den „tor, tur“, d. i. Soldaten, und die „Prätorianer" selbst waren zugleich die Elite unter den Soldaten, ähnlich den heutigen Gardetruppen. Die gleiche Bildung und Entwicklung weisen die Ortsnamen mit „pre“ auf. Die Orle: Pregrad, Pregrada, Prägarien, Preloka, Pfelouč, Prze-myšl, Pferov, Prävali, Przevorsk“ u. ä. Wessen selbstredend im Uranfange nicht so, sondern nur: Grad, Loka, Louč, Mys (oder Misije), Rov, Vali, Vorsko; erst als sie die wichtigsten oder markantesten fortifikatorischen Punkte eines Gebietes wurden, da erhielten sie in der Sprache durch das Superlativpräfix „pre“ auch den erhöhten Rang unter ihresgleichen. „Pregrad“ war demnach die festeste Verteidigungsanlage oder Burg unter mehreren anderen zu demselben Sicherungskomplexe gehörenden Vorsorgen ähnlicher Art. —. „Preloka“ und „Pfelouč“ müssen einst die wichtigsten Stützpunkte in einer gewissen Grenzzone gewesen sein (loka Grenze, ločiti = scheiden). — Dasselbe gilt für „Przemysl“ (mis Ecke, Grenze, Vorgebirge). Es müssen hier am Ufer des San schon in den ältesten Zeiten die für die Verteidigung so günstigen Höhen auch hiezu ausgenützt worden sein, und hat diese Erkenntnis, sicherlich unbeeinflusst durch die Etymologie des Namens, tatsächlich noch in der modernen Zeit zum Ausbaue einer starken Festung daselbst geführt. Der ziemlich imponierende San-Fluss bildete einst, wie heute, eine natürliche Abschnittsoder Grenzlinie, und in dieser stand Przemysl als der wichtigste und festeste Stützpunkt. — Der Kommandant eines solchen Zen-tralpunktes führte demnach auch den Funktionsnamen „przemysl, pfemysl“, jener eines minder wichtigen nur „mysl, myslivec“ u. ä.f also: Grenzverteidiger, welch letzterer Begriff heute allerdings im Slavischen nur mehr die Bedeutung: Jäger, Forstwart besitzt.*) In „Prävali, Prevalje“ war analog die Hauptwal Iburg in einer ansonst durch Schanzen und Wälle gesicherten Gegend, in „Przevorsk“ der Hauptkampfplatz (bor, vor = Kampf, Kampfplatzt. In „Pferov“ muss als Zentrale der Verteidigung eine Aufgrabung (rov = Graben, Aufwurf) gewesen sein. Die Burghöhe in der Stadt Pferov (Prerau) ist daher, da die Etymologie kaum eine irrige sein kann, entweder künstlich hergestellt, also aufgeworfen, oder aber, falls sie natürlich vorhanden war, künstlich abgegraben worden, um die Erstürmung zu erschweren. Die Tätigkeit des Grabens ist daher unbedingt im Ortsnamen niedergelegt; ob es sich dabei um *) So klärt sich vielleicht auch der Umstand auf, weshalb die älteste Kunde über den böhmischen Fürsten »Premysl« so sagenhaft ist; es war dies eben nur die Kennzeichnung für den Regenten im allgemeinen, der so selbstverständlich ■war, wie man ja auch heute z. B. unter »car« doch immer nur den Herrscher von Russland versteht. — Die Stammesgeschichte der Herrscher aller Völker ist deshalb und an sich dunkel, weil an uns anscheinend nur deren Funktionsnamen übergekommen sind, daher wir im Zwielichte zwischen Sage und Geschichte überhaupt keine individuellen Eigennamen vorfinden können. eine Aufschüttung oder um einen berichtigten gewachsenen Boden handelt, dies wäre bei entsprechendem Interesse noch heute leicht durch Nachgrabungen festzustellen. Sehr bemerkenswert ist in dieser Richtung auch der Name „Pretul", wie er im Bezirke Mürzzuschlag (Steiermark) als Pretul-alpe, -Bach, -Graben und für die Katastralgemeinde Pretul gangbar ist. — Der Begriff „Tul“ kommt als Höhenbezeichnung nicht vereinzelt vor. Der auffallend steile Berg „Tul“ südwestlich von Teschen (Schlesien) muss einmal befestigt gewesen sein oder doch als letzte Zufluchtsstätte den nächsten Umwohnern gedient haben. Die Leute wissen allerlei Sagenhaftes über diese Höhe zu erzählen; überdies wurden daselbst allerlei alte Kulturresiduen beim Graben gefunden. „Tul“ hat im Slavischen die allgemeine Bewertung von Schutz, denn als „tul“ benennt man den Köcher, den Schleifsteinbehälter, dann überhaupt eine Schutzhülle; „ütulna“ ist die Schutzhülle; das deutsche „Tüll", d. i. das Schutz ge webe (z. B. gegen Fliegen, Wespen). „Tul“ als Höhenname kann daher nach den sonstigen Sprachanalogien im Altslavischen nur die Charakterisierung enthalten, dass dort ein hergerichteter Schutzpunkt, eine Zufluchtsstätte war; „pretul" jedoch wäre demnach eine Lokalität mit noch erhöhteren Sicherheitsqualitäten.Tatsächlichbildet sowohl der „Tul“ wie die „Pretul“-Alpe sogar noch heute die Bezirkshauptmannschaftsgrenze. Einer Erwähnung verdient hier auch die bekannte Redensart „in die Pretul kommen“ (slovenisch: „prišel sem v pretulje“). Man wendet dieselbe an, wenn man in eine unangenehme moralische, materielle oder lokale Situation, in eine grosse Verlegenheit, in eine Sackgasse, also Röhre geraten ist. Ob zur Bildung dieser Redensart möglicherweise der 9 km lange, von hohen Wänden eingefasste „Pretul“-Graben den Anstoss gab, wissen wir heute nicht; für jeden Fall fordert das Geraten in ein langes Taldefile, aus dem besonders schwer herauszukommen ist, im praktischen Leben zu volkstümlichen Vergleichen. Der Umstand, dass man „in“ und nicht „auf der Pretul“ sagt, deutet nun dahin, dass möglicherweise der Pretul-Graben für die Bildung jener Redensart vorbildlich wqr. M. Žunkovič. Slavische Geschichtsquellen. I. Berichte muselmännischer Schriftsteller über die Slaven bis zum Ende des X. Jahrhun- dertes. Mitgeteilt von 0. v. Meduna. (Schluss.) XIV. Im allgemeinen sind die Slaven kühn und angriffslustig und wenn sie unter sich nicht uneinig wären infolge der vielfältigen Verzweigungen ihrer Geschlechter und der Absonderungen ihrer Stämme, kein Volk der Welt könnte sich mit ihnen an Macht messen. Sie bewohnen die fruchtbarsten und an Lebensmitteln reichsten Länder, sie befleissen sich des Ackerbaues und anderer Arten von Betriebsamkeit, worin sie alle anderen Völker des Nordens übertreffen. Ihre Waren gelangen bis zu den Normannen und hach Konstantinopel1) und sie gelangen dorthin zu Lande und zu Wasser. Die mächtigsten Stämme des Nordens, welche sich bei ihnen angesiedelt haben, sprechen slavisch,3) weil sie sich mit ihnen vermischt haben, wie z. B. die Trkin,3) Onglin (Magyaren), Petschenegen, Rus (Normannen) und Chasaren. XV. ln den Ländern des Nordens ist der Hunger nicht die Folge von Regenmangel oder andauernder Dürre, sondern er entsteht durch Überfluss an Regen und durch Hochwasser. Mangel an Regen ist ihnen nicht schädlich, niemand fürchtet ihn wegen der Feuchtigkeit des Bodens und der grossen Kälte ihrer Länder. Sie säen in zwei Jahreszeiten, im Frühling und im Sommer, und ernten zweimal; die Ernte besteht grösstenteils aus Hirse. Die Kälte ist ihnen gesund, selbst wenn sie sehr bedeutend ist, die Hitze dagegen ist ihnen ver- 1) Hier bezeichnet Ibn-Jakub die äussersten Punkte des slavischen Handelsverkehrs, um zu zeigen, in welch grossem Umfange sich dieser entwickelt hatte. 2) Aus dieser Nachricht kann man schliessen, dass diese Nordvölker wohl mehrere Sprachen kannten, sich aber der slavischen Sprache als Hauptverkehrssprache bedienten. Wahrscheinlich hat Ibn-Jakub diese Beobachtung in Prag gemacht, wo so viele verschiedensprachige Kaufleute zusammenströmten. 3) Nach der von Ibn-Jakub bewirkten Beschreibung des böhmischen Reiches unter Boleslav I. urteilt Westberg, dass Fraga wahrscheinlich Böhmen, Buima aber Mähren nebst angrenzenden Teilen der Slovakei sei, womit für Trskin die überdies zum Böhmenreich gehörigen Gebiete übrig blieben, nämlich das südliche Schlesien und Kleinpolen, — derbenbringend. Sie können nicht in die Länder Lukbardiens (Lombardei) reisen, weil die Hitze dort zu gross ist, infolgedessen sie dort umkommen. Gesundheit ist für sie (die Slaven) nur bei solcher Temperatur möglich, bei welcher sich die Mischung der vier Elemente des Körpers im festen Zustande befindet. Wenn sie aber schmilzt und siedet, trocknet der Körper und es erfolgt der Tod.4) XVI. Den Slaven sind zwei Krankheiten gemeinsam; kaum wird sich jemand finden, der von ihnen frei wäre. Das sind zweierlei Anschwellungen: die Rose (Ausschlag) und Geschwüre.5) Sie enthalten ^ich des Verzehrens von jungen Hühnern, weil diese, wie sie behaupten, den Ausschlag verschlimmern, aber sie essen Rindfleisch und Gänse, und das bekommt ihnen gut. Sie tragen weite Kleider, nur dass ihre Ärmel unten eng sind. — Ihre Könige halten ihre Frauen eingeschlossen und sind sehr eifersüchtig. Manchmal hat ein Mann zwanzig und mehr Frauen. XVII. Ihre Obstbäume sind grösstenteils Apfel-, Birn- und Pflaumenbäume. Es ist bei ihnen ein merkwürdiger Vogel, welcher oben dunkelgrün ist und alle Laute des Menschen und der Tiere nachahmt, welche er hört; bisweilen gelingt es ihnen ihn zu fangen und er wird für die Dagd benützt; er heisst auf slavisch „sba“.6) Dann gibt es bei ihnen ein Waldhuhn, welches auf slavisch „tetra" heisst. Es hat schmackhaftes Fleisch und sein Geschrei ertönt von den Wipfeln der Bäume auf einen Parasang und mehr Entfernung. Es sind ihrer zwei Arten: schwarze7) und buntfarbige,8) schöner als Pfauen. XVIII. Die Slaven haben verschiedene Saiten- und Blasinstrumente. Eines der letzteren ist länger als zwei Ellen und eines der *) Der Schlussabschnitt sticht so sehr ab von dem sonst nüchternen und streng sachlichen Charakter des Ibn-Jakubschen Berichtes, dass, wie Westberg ganz richtig meint, dieser Abschnitt eingeschoben sein dürfte. Auch ist der Inhalt selbst nicht nur phantastisch, sondern geradezu unwahr, denn dass man z. B. in den kalten Zonen jährlich zweimal sät und zweimal erntet, dagegen spricht gerade die Kälte. Desgleichen ist es absurd zu behaupten, dass der Slave stirbt, wenn er in wärmere Gegenden kommt, da dies nur bei ganz besonderen Voraussetzungen zutreffen kann. r>) Baton Rosen hatte »homra« mit »Rose« übersetzt, de Goeje folgte ihm aber nur bedingt und sagt, es könnte Ausschlag, vielleicht Masern oder Scharlach bedeuten. Und wirklich werden in Spanien heute noch die Masern mit »fombra« benannt. “) Die Bezeichnung »spak« für den Star wird bei den Slaven wohl existiert haben, da dieser Vogel im Polnischen und Kleinrussischen »szpak«, im Böhmischen »spaček« (diminutif) heisst. — Möglicherweise ist darunter auch der Spottvogel gemeint, den die Slovenen »spak« nennen, und entspricht dieser gleichfalls der obigen Schilderung. '} Auerhahn. s) Gold- und Silberfasan Saiteninstrumente hat acht Saiten; dessen Innenseite ist flach, nicht gebogen. Ihre Weine und berauschenden Getränke werden aus Honig bereitet.9) NACHWORT. Hiermit endigt der Bericht, welchen der jüdische Handelsmann Ibrahim Ibn-Jakub über die Reise in die slavischen Lande vor 950 Jahren verfasste Ruhig, sachlich und objektiv gehalten, machen seine Aufzeichnungen überall den Eindruck der Wahrhaftigkeit. Nach altem zu urteilen war er ein vielgereister Mann, welchen zum Besuche so zahlreicher Länder wohl ausschliesslich Handelsinteressen bewogen haben dürften. Überall berichtet er über die Erzeugnisse des Bodens und des Gewerbefleisses; er gibt die Ausfuhrartikel an, mitunter bei Anführung der Warenpreise. Neben den teueren Pelzwaren aus den nordischen Gebieten waren damals die Sklaven aus den Ländern der Elbeslaven, aber auch aus anderen Ländern, der kostbarste Ausfuhrartikel nach den Küstengebieten des Mittelländischen Meeres und dessen Hinterländern. Dieser Handel lag fast ausschliesslich in den Händen der Juden, welche schon zu jener Zeit durch ausgebreifete Sprachkenntnisse sich hervortaten und aus diesem Grunde geeigneter waren zum Besuche entfernter Länder und zur Anknüpfung von Handelsverbindungen, als die Araber. Die Handelsreisen der Juden waren zudem erfolgreicher, weil sich in alten Handelszentren wohlhabende jüdische Kolonien befanden, die reisenden Israeliten somit bei den Glaubensgenossen nicht nur Unterkunft, sondern auch wertvolle Auskünfte bekamen. Insbesondere in Prag, wo sich Ibn-Jakub am längsten aufhielt, wird er bei der dortigen grossen und reichen Judengemeinde gastliche Aufnahme gefunden haben. Die den Verkehr zwischen der christlichen und mohammedanischen Welt vermittelnden jüdischen Kaufleute hiessen Radaniten, und denselben dürfte auch Ibn-Jakub seiner ausgebreiteten Sprach-kennlnisse wegen zuzuzählen sein. Ausser der hebräischen, und vermutlich auch der griechischen, war er gewiss auch der damals ebenso verbreiteten romanischen Sprache kundig. Die letztere gebrauchte er bei dem Empfange durch Kaiser Otto den Grossen in Magdeburg, der, wie Widukind ausdrücklich hervorhebf, die romanische Sprache beherrschte, was begreiflich ist, weil Otto der Grosse eine Italienerin zur Gemahlin und überdies sonst Gelegenheit hatte, durch jahrelangen Aufenthalt in Italien sich die Sprache dieses Landes anzueignen. . . y-i'fUiTMim&xa,' ünHeräfi -'‘Kid mente wieder gegenstandslos, als einmal eine grosszügige sprachliche "Aufhellung der allgemeinen Ortsnamenbildung einsetzen wird, denn’da wird man mit der sprachlichen Entkernung doch wieder die alten Ortsnamen, die sich glücklicherweise in den verschiedenen Werken originell erhalten haben, hervorholen, alle gewaltsam kon- Generalkarte a. d. J. 1911. struierten Namen aber vollends ignorieren müssen. — Welche Nachteile diese chauvinistischen und im Prinzipe eigentlich auch unpathetischen Geschmacklosigkeiten der militärischen Sache im jetzigen Kriege brachten, darüber kann jedoch erst, bis eine Uebersicht da ist, ausführlicher gesprochen werden. Sonderbar ist es aber, dass z, B. die slavischen Höhennamen in derselben Gegend, wie: Straž (zweimal), Prilasek, Buč, Červena orba, Hura u. ä, sogar die Magyaren nicht besonders interessieren, weil sie dieselben so belassen, wie sie sie vorgefunden haben. Der Grund liegt zweifellos darin, dass ein Ortsname doch in politischer Hinsicht ein dankbareres Magyarisierungsobjekt ist, als irgendeine Höhe, auf der man nicht einmal auffällig eine Namensänderungstafel anbringen kann, und wo es noch aussichtsloser ist bei der nahezu ungemischt slovakischen Bevölkerung mit der zwangweisen Umbenennung einen praktischen Erfolg zu erzielen. Die politische Seite dieser Gewalttätigkeiten mag uns im allgemeinen irrelevant bleiben; vom rein wissenschaftlichen Standpunkte hingegen haben die Magyaren mit dem Ucberfalle auf die geschichtliche Integrität der Ortsnamen der Mitwelt durchaus keinen Kultur-beleg geboten. Hptm, A, J. Der böhmische Adel vor dem Jahre 1620. Karl v. Bienenberg, der i. J. 1778 das Werk: »Versuch über einige merkwürdige Altertümer im Königreiche Böhmen« (König-grätz) ausgab, veröffentlicht darin (S, 133/111.) das böhmische Epitaph des i. J. 1620 am 1. Feber,*) also vor der Schlacht am Weissen Berge, verstorbenen Edlen Heinrich von Slavata, und fügt hieran folgende Bemerkung: »Man merke wohl, dass diese Aufschrift in der Landessprache gesetzt seye, welches zum Beweis dienet, dass damals der Adel noch nicht die Nationalsprache verkennet, sondern eine wahre Ehre hieraus gezogen hatte, dessen Verlaugung und gefällige Nachgaffung gar bald nach der Weisenberger Schlacht auf die Art erfolgte, dass dermal Menschen gefunden werden, die fast keine, weder böhmische noch deutsche Sprache, mehr recht verstehen«. Seither hat der böhmische Nationaladel, bis auf sehr wenige rühmenswerte Ausnahmen, auf seine eingentliche Abstammung völlig vergessen, und ist bisher auch kein Fall zu verzeichnen, dass sich jemand bestrebt hätte, seinen germanisierten Namen wieder durch den ursprünglichen zu ersetzen, obschon man bei vielen dieser Adelsgeschlechter den Originalnamen noch heute sehr gut weiss. F. H. *) Bei diesem Epitaph fällt die Angabe, der Sterbestunde »zwischen 23 und 24 Uhr« auf. Das Zählen der Stunden bis 24 muss daher in Böhmen einmal geläufig gewesen sein. Wissenschaftliche Fragen und Antworten. Hier werden ausschliesslich solche einlaufende Fragen veröffentlicht und fallweise beantwortet, die das Gepräge eines breiteren wissenschaftlichen Interesses tragen. Frage 8. —- Slavische Aera. — Mehrfach wurde angefragt, weshalb die Jahresdaten in so vielen altslavischen Urkunden mit dem Jahre 5510 (oder 5509) beginnen, Antwort. — Nach allem, was bisher bekannt ist, müssen die Altslaven eine eigene Aera eingeführt gehabt haben. Ob diesbezüglich jemals schon etwas Positives festgelegt wurde, ist der Redaktion nicht bekannt; augenscheinlich ist aber diese Frage noch kaum je ernstlich erörtert worden, da man doch über die Altslaven bis in die allerjüngste Zeit unglaublich verworrene Kenntnisse hatte. Zu positiven Daten dieser Richtung können wir allenthalben erst gelangen, bis alle oder doch viele Daten jener altslavischen Aera der vergleichenden Forschung bekannt oder zugänglich sein werden; einstweilen ist aber damit erst ein kleiner, wenn auch vielversprechender Anfang gemacht worden. Bibliographie. Alle einlangenden Werke werden grundsätzlich mit Titel, Verlag und Preis angeführt; jene, welche altslavische Themata berühren, auch kurz besprochen, eventuell noch später eingehender gewürdigt. — Unaufgefordert zugesendete Werke werden nicht zurückgestellt. Qötzinger und Xeiter, Zur Xandeskunde des Xonau-durchbruches der Xorta SKungarica und ihrer ‘Umgebung. — Wien 1914. (Sonderabdruck aus den Mitteilungen der k. k. Geograph. Gesellschajt in Wien.) Als Hauptanziehungspunkt der diesjährigen Exkursion der Wiener Geographischen Gesellschaft galt das historisch-geographisch wie physikalisch ungewöhnlich interessante Theben am Donaudurchbruche nächst Pressburg. Haben nun die Verfasser in dem Exkursionsberichte eine wissenschaftlich wertvolle, weil sachlich gründliche Darlegung im allgemeinen geboten, so müssen wir im speziellen einige ernste Einwendungen dagegen machen, soweit es sich dabei um Slavistisches handelt. So heisst es auf Seite 21: »Einen Anhaltspunkt dafür, welches Volk hier vor den Magyaren wohnte, gibt uns der Ortsname D e-v e ny, der aus dem slavischen d e vi n hervorgegangen ist, aus. dem sich Theben bildete, welche Form bereits in der Zeit des Mathias Corvinus nachweisbar ist. Der Name Devin kommt als Dovina wiederholt vor und heisst so viel als Jungfrauenburg (Magdeburg) und ist auch mit Göttinburg übersetzt worden. Diese Bezeichnung kommt gleichfalls im Ungarischen vor und es wird mit Leänyvär (~ Mädchenburg) die Ruine zwischen den Gemeinden Wolfstal und Berg, knapp an der österr.-ung. Grenze, benannt«. — Nahezu ein Dezennium dürfte schon verstrichen sein, seit Zun-kovic, heute der führende Mann in der kosmopolitischen Sprachforschung, dargelegt hat, dass im Ortsnamen Devin durchaus nicht »deva« [= Mädchen, Jungfrau, mag, leäny) sondern »divati« (= aus-blicken) die grundlegende Wurzel bildet, demnach Theben sprachlich: Aussichtspunkt, Auslug gleichkommt, und doch wird uns da wieder ein längst abgetanes Märchen allen Ernstes und unter dem Mantel der Wissenschaft aufgetischt. Dieser Etymologie pflichten aber anderseits die Verfasser unbewusst selbst bei, indem sie (S. 25) weiter schreiben: »Der Kobel bietet eine ganz vorzügliche Aussicht über das Land und so mag er wiederholt seit den ältesten Zeiten in Kriegen als B e o b achtungspunkt für die Donau und Marchgegend verwendet worden sein. Man sieht bei klarer Witterung im S den Neusiedlersee und im W die Ausläufer der Alpen bei Wien«. — Dass die Verfasser den Kobel mit »kobyla« (— Stute) auslegen und nicht mit »kopila« (= Schanzen, Gräben) ist eine weitere Folgeerscheinung des Nichtbeachtens der heutigen Fortschritte der toponomischen Etymologie, in welcher sich zugleich die verlässlichste Kulturgeographie birgt. Aber auch hier bestätigen die Verfasser, ohne es zu fühlen, unsere Auslegung, denn sie fügen bei, dass auf dem Giofel des Kobels heute Gräben sind, welche jedoch erst i. J. 1809 von den Franzosen aufgeworfen worden seien, was natürlich unzutreffend ist, nachdem die Bezeichnung »Kobyla« schon weit älter ist; wahrscheinHch haben die Franzosen nur die Vorgefundenen Wälle und Gräben lediglich wieder für ihren Gebrauch instandgesetzt. Dass die Verfasser auch noch strenggläubig an der Vö1kerwan-derung hängen, daher auch noch mit den Völkern, wie mit Schachfiguren spie'en, darf weiter auch niemanden verwundern, denn unsere deutschen Professoren wissen doch bei ihrer krankhaften Voreinge- nommenheit gegen alles Slavische meist von den einschneidendsten wissenschaftlichen Umwälzungen im fremden Lager so gut, wie nichts. Wir glauben auch nicht, dass die (S. 6) »villa Gai« benannte Ortschaft, die uns die Tabula Peutingeriana (Segm. IV.) hier anführt, durch das Rechtsdrängen der Donau tatsächlich zerstört und verschwunden sei, sondern dies ist eben das heutige »Hainburg«, denn das südslavische »gaj« wie das nordslavische »haj« weisen eben etymologisch auf einen Schutzpunkt, eine gesicherte, e i n-gefriedete Lokalität, woraus das deutsche »Hain« hervorgegan-gen ist. Die »heiligen Haine« der alten Ueberlieferungen sind daher auch nicht als Waldparzellen, sondern als Schutz- und Sicherungspunkte auszulegen, die deshalb als »heilig« galten, weil die Gefallenen dort beerdigt waren, daher man so einer Stelle auch in pietät-ücher Hinsicht eine besondere Verehrung zollte. Dieses kurze Bild zeigt die betrübende Tatsache, wie sich die heutige »freie« Wissenschaft durch ihre Einseitigkeit und Spezialisierung selbst den Weg zum Fortschritte vertritt, ia nicht einmal dasjenige beachtet, was ihr selbst förderlich wäre oder geradezu zum Inventar des Anspruches auf allgemeine Bildung zählt. So kommt es, dass bestgemeinte und mit vielem Fleisse geschaffene Arbeiten automatisch zur Makulatur werden, weil man im bequemen Konservatismus sitzend nicht die Energie aufbringt umzulernen und sich von den angewohnten Schulhypothesen zu verabschieden, sobald diese einmal durch neue Forschungsergebnisse unhaltbar geworden sind. — Dr. F. Wisinger. ¿Brechensbauer ’¡Jos., ¿Aus der ’-Vergangenheit der Stadt Xdöplitz - Sehönau und ihrer ’Umgebung. Ein Geschichtsbild. — Töplitz-Schönau 1912. — 8°. 95 S. — Preis ? Dieses Geschichtsbild soll ein Beitrag zur Heimatskunde sein, wie dies im Geleitworte zu lesen ist; in der Wirklichkeit ist es eine slavenfeindliche Geschichtsfälscherei, soweit es sich nicht um konkrete Tatsachen handelt. Hiefür nur ein Beleg. Bisher ist wohl noch niemandem eingefallen den Zweifel auszusprechen, dass der Name »Töplitz« nicht aus dem s'avischen Begriffe »toplice« (~ Warmbad) hervorgegangen sei, denn eine heisse Quelle benennt nur der Slave mit diesem Worte, und unser »Töplitz« hat doch bekanntlich ein Thermalbad. Brechensbauer erzählt uns aber in seinem pathologischen Slavenhasse noch etwas ganz Neues. Er bemüht sich uns glaubhaft zu machen, dass der Name anerkannt (!) keltisch sei, dass die Wurzel »top« (= Ort, Stelle, Hag) laute, dass der Ort durch Jahrhunderte »Topos« geheissen haben dürite, dass die Endung »litz, iice« zweifellos (!) einer späteren Zeit angehört u, drgl. — Die bösen Slaven, die eine warme Quelle logisch in ihrer Sprache als W a r m-b a d (topel = warm, böhm. teply) benennen, werden dann noch beschuldigt (S. 15), dass sie es sind, die alle topischen Namen verändern, die die Deutschen sogar zur Schreibung »Tepiitz« verführten usw., bietet also eine Lügenepistel, worüber selbst jeder ehrliche Deutsche erröten muss. Brechensbauer soll aber ja nicht den Teufel an die Wand malen, denn wenn sich die Töplitzer ihres Namens schämen, weil er zweifellos altslavisch ist, so kann der Himmel diesen Frevel leicht damit vergelten, dass er die heissen Quellen dauernd versiegen lässt, wie dies zum grossen Entsetzen schon i. J. 1879 versuchsweise geschehen ist. »Töplitz«, welcher Name bis nun in sich selbst eine Reklame enthielt, kann dann auch »Topos« heissen, um nicht irreführend zu wirken, und werden sich die Slaven gewiss nicht weiter herandrängen einen Ort, der keine warme Quelle mehr hat, als Warmbad in ihrer Sprache zu benennen. Wir müssen aber zum Schlüsse Brechensbauer eine Ueber-raschung bereiten und verraten, dass in der Wissenschaft heute Slavisch und Keltisch als identisch gelten; was er behauptet, das bestätigen wir: der Name »Töplitz« ist tatsächlich keltisch. M, Zunkovic, öscadal Jos., ZRukopis ZKrälovedvorsky a Zelenohorsky, nejvzdcnejsi pamätky peveckeho umeni nejdävnej'sich predkü. — (Die Handschriften von Königinhof und Grünberg, die vornehmsten dichterischen Denkmäler der ältesten Vorfahren.) — Klattau 1915. — 16", 130 S. — Preis V50 K. Die mit viel Liebe geschriebene Publikation der zwei bedeutendsten böhmischen Handschriften bringt leider nichts Neues, im Gegenteile, die Ignorierung der so imponierenden neuesten Forschungsresultate zur Echtheit jener Pergamente, wie sie gerade im »Staroslovan« sukzessive veröffentlicht wurden, dann die erneuerte Verdächtigung des Minne- und Vysehrad-Liedes als Fälschungen, über deren Echtheit auch schon die Akte geschlossen sind, bedeutet weit eher einen bedauerlichen Rückschritt im Handschriftenstreite, Der Verfasser stützt sich in der Hauptsache auf Hattalas grammatische Beweise. Die Erfahrung lehrte aber, dass gerade diese Beweisseite für die Echtheitsbegründung die unwirksamste war, denn tatsächlich mussten viele andere, weit überzeugendere Belege aufgebracht werden, um die verdächtigten Handschriften endgültig zu rehabilitieren. Viele Behauptungen sind überdies auch grammatisch falsch interpretiert; so z. B., dass »tetva« nicht Dynastie bedeute, wie dies lexikalisch feststeht, sondern ein Eigenname sei; die Form »tetvy Popelova« allein zeigt aber jedem grammatisch gebildeten Slaven, dass dies absolut kein Doppel-Eigenname sein kann. — Das gleiche gilt für »pažiti« (= sich stählen, die Muskel stärken). Dies sei etwa ein neuzeitlicher Turnerbegriff; aber in »Zäboj« heisst es: »tamo mečem i mlatem i oščepem učista p a ž i«. Ist dieser Begriff neuzeitlich, dann beweist der Verfasser durch seinen circulus vitiosus geradezu selbst, dass die Königinhofer Handschrift gefälscht ist, und doch kämpft er sein Lebenlang für das Gegenteil. Wir wiederholen: wir achten und anerkennen die pietätvollen Bestrebungen, mit denen der 76 jährige Verfasser seinen Idealen hiem.it Ausdruck verleiht im vollsten Masse; für die Literaturgeschichte ist aber die Arbeit zu lückenhaft, für die Wissenschaft bedeutungslos, und für den Leser nur ein neues Werkchen, das schon am Geburtstage veraltet war. — K. Vanek. Epilog. Der II. Jahrgang des „Staroslovan“ liegt nun geschlossen vor. Wie sich jedoch die Ausgabe weiter gestalten wird, ist heute unmöglich vorauszusagen, denn ; inter arma silent musae. Wir müssen daher, umsomehr als etliche unserer Mitarbeiter, und darunter die führenden Geister, bei der Armee im Felde stehen, das Weitererscheinen unterbrechen, bis des Krieges Stürme austoben und unsere Forscher wieder den friedlichen Fackellauf im wissenschaftlichen Wettstreite fortsetzen können. Was in den zwei Jahren des Bestandes unserer Revue Positives und Grundlegendes geleistet wurde, werden wohl erst die Epigonen beurteilen können. Vielleicht bedeutet unsere Arbeit den Beginn einer neuen, kraftvolleren Epoche der Betätigung der Slaven in vorurteilsloser wie kritischer Aufhellung der eigenen grossen Ver- gangenheit; zum mindesten haben wir das Selbstgefühl dem üppig wuchernden Charlatanismus, der in den verwichenen Oahrzehnten die ehrliche Arbeit auf dem weiten Felde der Slavistik vollends ersticken wollte, den Lebensnerv kräftig unterbunden zu haben. Wir sind auch nicht im geringsten darüber im Unklaren hier einen ungewöhnlich erzreichen Boden aufgeschürft zu haben, auf dem nun die Wissenschaft aller Völker ein mächtiges Bergwerk errichten kann, zumal zu hoffen ist, dass nach dem derzeit wogenden weltaufrüttelnden Kriege auch die historischen Wissensgebiete, und darunter namentlich die vergleichende Sprachforschung, frisch belebt ihre Arbeit wieder dort einsetzen werden, wo man dereinst abgeirrt war. Zugleich haben wir aber auch überzeugend dargelegt, dass es ohne Beachtung der grossen slavischen Kulturvergangenheit sowie ohne Kenntnis und Vertiefung in die slavischen Sprachen fernerhin, genau so wie bisher, ganz aussichtslos ist auf dem Gebiete der allgemeinen Geschichte, Kultur und Sprache zu irgendwelchen klärenden Resultaten zu gelangen. Ist aber nun die Fortsetzung der Revue einstweilen unsicher und unbestimmt, so soll hingegen die Bibliothek „Staroslovan“ (siehe S. 301—304 v. 0. 1913) fortgesetzt werden. Was wir in unserem wohlerwogenen Bestreben zu Beginn versprochen, haben wir daher, soweit eben nicht die Gewalt der Verhältnisse eingriff, gewissenhaft eingelöst. Wir haben geradezu mit einem ungeahnten Kraftüberschusse an neuem Wissen und der Eröffnung unbekannter Quellen nicht nur dargelegt, dass die grosse Slavenwelt selbst von ihrer wahren Vergangenheit und Grösse bisher im allgemeinen so gut wie nichts wusste, sondern auch erwiesen, dass es keine Station des menschengeschichtlichen Wissens gibt, die für den Slaven kein aktives, historisch begründetes Interesse hätte. Der von uns betretene Weg ist also richtig, er muss demnach zum Ziele führen. — t Verlag und Redahtion des „Staroslovan“.