ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen Christian KRUSE, Ph.D. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Abteilungsleiter, Deutschland, 80539 München, Schönfeldstraße 5 e-mail: christian.kruse@gda.bayern.de Preparing for an Emergency: Building and Organisational Measures ABSTRACT Using the example of Bavaria, the article provides a summary of the building measures contributing towards the means to deal with emergencies in the archiving area. In a second part, the current situation regarding the establishment of emergency networks between archives and other cultural institutions in Germany is described. In Bavaria, emergency networks are currently being prepared in Augsburg and Munich. Key words: emergency, building measures, organisational measures, emergency association, flooding Preparazione di un'emergenza: misure architettoniche ed organizzative SINTESI Usando l'esempio della Baviera, l'articolo fornisce un riepilogo delle misure architettoniche che contribuiscono ad affrontare le emergenze in area archivisticae. In una seconda parte e descritta la situazione attuale per quanto riguarda l'istituzione di reti di emergenza tra archivi e altre istituzioni culturali in Germania. In Baviera, reti di emergenza sono attualmente in preparazione a Augsburg e Monaco. Parole chiave: emergenza, misure architettoniche, misure organizzative, associazione d'emergenza, alluvione Priprava na navernost: gradbeni in organizacijski ukrepi IZVLEČEK Prispevek na primeru Bavarske prinaša pregled gradbenih ukrepov, ki jih je v arhivih potrebno upoštevati v primeru nevarnosti. V drugem delu je predstavljena ustanovitev posebne mreže za nujne primere, ki jo bodo uvedli v Nemčiji in v katero bodo vključeni arhivi in druge kulturne ustanove. Na Bavarskem sta trenutno v ustanavljanju mreži v Münchnu in Augsburgu. Ključne besede: nevarnost, gradbeni ukrepi, organizacijski ukrepi, organizacije za zaščito, poplave Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen ABSTRAcT Am Beispiel Bayerns gibt der Beitrag einen Überblick über bauliche Maßnahmen, die im archivischen Bereich dazu beitragen, für einen Notfall gerüstet zu sein. In einem zweiten Teil wird die Gründung von Notfallverbünden der Archive und weiterer Kulturinstitutionen in Deutschland vorgestellt. In Bayern werden momentan Notfallverbünde in München und Augsburg vorbereitet. Schlüsselwörter: Notfall, Baumaßnahmen, organisatorische Maßnahmen, Notgemeinschaft, Überschwemmungen Einleitung Auf zwei Jahrestagungen des International Institute for Archival Science in Maribor haben sich bereits vor mehr als zwanzig Jahren Archivarinnen und Archivare mit dem Thema der Notfälle und der Notfallplanung in Archiven beschäftigt. 61 ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Christian KRusE: Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen, 61-70 1992 referierte Hermann Rumschöttel (Deutschland) über den Brand der Burg Trausnitz in Landshut, dem Teile der Bestände des Staatsarchivs Landshut zum Opfer fielen, und forderte eine archivische Katastrophenplanung. Außerdem wurden die Brandschutzkonzepte in Frankreich (Daniele Neirinck), Großbritannien (Jacquie Crosby), Italien (Ugo Cova), Österreich (Gerald Gänser), Polen (Edvard Franki), Rumänien (Graziella Bobuleschu und Dan Vireoneu), der Tschechischen Republik (Josef Maršal) und Ungarn (Imre Ress) vorgestellt. Als eines der beiden Themen des Jahres 1993 wurde die Sicherheit in Archiven behandelt. Neben dem Einbruchschutz wurden zwei Themen behandelt, die zur enger gefassten Notfallplanung gehören: Michel Duchein (Frankreich) widmete sich dem Thema Schutz gegen Wasserschäden und Gerald Gänser (Österreich) stellte automatische Brandmeldeanlagen vor. Im Folgenden wird das Thema erneut aufgegriffen. Der Beitrag zielt in zwei Richtungen. Er stellt erstens bauliche Maßnahmen vor, die im archivischen Bereich dazu beitragen, für einen Notfall gerüstet zu sein. Zweitens wird das Konzept der örtlichen und regionalen Notfallverbünde der Archive bzw. der Archive und weiterer Kulturinstitutionen vorgestellt, die sich in den letzten Jahren in Deutschland gebildet haben. 1 Bauliche Maßnahmen als Vorbereitung auf den Notfall Es gibt Notfallszenarien, gegen die man sich durch bauliche Maßnahmen wappnen kann. In erster Linie sind dies in Archivmagazinen der Ausbruch von Feuer und das Eindringen von Wasser. Bei anderen Szenarien hilft der Archivbau nicht weiter: Zu denken ist hier an das Wegspülen des Bodens unter dem Historischen Archiv der Stadt Köln im Jahr 2009 bei U-Bahn-Bauarbeiten (schmidt-czaia, 2012) ebenso wie an die Beschädigung oder Zerstörung von Archiven im Zuge militärischer Auseinandersetzungen wie in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, in der Ukraine und anderen Teilen der Welt. Gegen Feuer und Wasser kann man baulich etwas tun. Nachfolgend werden wichtige Maßnahmen stichpunktartig zusammengefasst, die im heutigen Archivbau Standard sind. Die Übersicht fußt auch auf Erfahrungen beim Archivbau der Staatlichen Archive Bayerns der letzten Jahre (vgl. dazu auch Kruse, 2012). 1.1 Bauliche Maßnahmen gegen das Entstehen von Bränden Sowohl beim Neubau eines Archivs als auch bei der Adaption eines bestehenden Gebäudes für Archivzwecke sind die geltenden feuerpolizeilichen Vorschriften einzuhalten (vgl. auch Notfallvorsorge in Archiven, 2010, Anlage 2). Insbesondere in den Archivmagazinen muss grundsätzlich alles vermieden werden, wodurch ein Brand ausgelöst oder gefördert wird: - Böden, Wände und Türen sollten nicht brennbar sein und einem möglichen Brand 90 Minuten lang Widerstand leisten können (F 90/T 90). Brandabschnitte sind im vorgeschriebenen Umfang vorzusehen. - Versorgungsleitungen für Wasser und Gas durch ein Magazin sind zu vermeiden. Versorgungsleitungen für Strom sind auf ein Mindestmaß zu begrenzen (Beleuchtung, einige wenige Steckdosen für Reinigungsgeräte und Be-/Entfeuchter, gegebenenfalls IT-Anschluss). Für die Fluchtwegkennzeichnung und die Rauchmelder ist ein eigenes Stromnetz erforderlich. - Die Regale sollten aus einbrennlackiertem Stahl gefertigt und damit nicht brennbar sein. - Rauchmelder sollten bei Rauchentwicklung einen direkten Alarm bei der Feuerwehr und einen hausinternen Alarm auslösen. Zugleich sollte die Klimatechnik (Lüftung, Heizung) im Alarmfall automatisch ausgeschaltet werden. - Zu empfehlen ist eine Entrauchungsanlage, die im Brandfall die Arbeit der Feuerwehr erleichtert. - Die Staatlichen Archive Bayerns ziehen eine enge Kooperation mit der Feuerwehr ihrer Archivstandorte einer automatischen Löschanlage mit Wasser oder Gas vor. Um gegen kleine Brandherde rasch eingreifen zu können, sind auch die Magazine mit Handfeuerlöschern auf Wasserbasis auszustatten. 62 ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Christian KRusE: Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen, 61-70 1.2 Bauliche Maßnahmen gegen das Eindringen von Wasser Für Archivneubauten und Adaptionen für Archivzwecke sind Grundstücke zu vermeiden, die überschwemmungsgefährdet sind. Ebenso ist darauf zu achten, dass eine Überschwemmungsgefahr innerhalb des Gebäudes vermieden wird (vgl. auch Nofallvorsorge in Archiven, 2010, Anlage 3). Zu diesen Maßnahmen zählen insbesondere: - Wasserleitungen einschließlich der Regenfallrohre durch den Magazinbereich sind generell zu vermeiden. - In den Regalen sollte der unterste Fachboden erst in einer Höhe von 10 bis 15 cm oberhalb des Fußbodens beginnen, damit bei einem kleineren Wasserschaden Schäden durch direkten Wasserkontakt vermieden werden können. - Falls in adaptierten Gebäuden Magazine Versorgungsleitungen aufweisen, sollen unter diesen Leitungen keine Regale aufgestellt werden. - Falls ein Archiv auf einem Gelände errichtet wurde, das sich im Nachhinein als nicht hochwassersicher herausstellt, wird empfohlen, das Archiv mit wasserdichten Schotts für Türen und Fenster auszustatten. Dies setzt aber voraus, dass die Außenwände des Untergeschosses oder auch des Erdgeschosses aus einem speziellen, wasserundurchlässigen Beton, der sogenannten Weißen Wanne, angefertigt wurden. Im Neubau des Staatsarchivs Landshut war es nach dem Hochwasser von 2013 notwendig, im Nachhinein zusätzliche Schotts für die Fenster zu planen und die ursprünglichen Pläne entsprechend zu ändern. Schotts für die Türen waren bis zu einer gewissen Höhe auf Nutzerwunsch bereits vor dem Hochwasser vorgesehen. Durch sie können nun die gesamten rückwärtigen Türbereiche wasserdicht gemacht werden (Kruse, 2013). - Am Boden gefährdeter Magazinbereiche oder unter Versorgungsleitungen sollten Wasserfühler mit Alarmierungsfunktion installiert werden. Allerdings muss organisatorisch geklärt werden, wo der Alarm aufläuft, damit im Alarmfall auch rasch reagiert wird. 1.3 Bauliche Maßnahmen zur Flüchtung von Menschen und Bergung von Archivalien Das Flüchten von Menschen und das Bergen von Archivalien kann unter anderem durch folgende bauliche Maßnahmen erleichtert werden: - Die Feuerwehr kann im Brandfall nur dann rasch Menschen und Archivalien aus einem Archiv bergen, wenn die Feuerwehrzufahrt ausreichend groß ist. - Damit die Mitarbeitenden und die Besucherinnen und Besucher eines Archivs im Brandfall, aber auch bei Hochwasser rasch das Gelände verlassen können, sind die vorgeschriebenen Fluchtwege und zweiten Fluchtwege vorzusehen. - Wenn der zweite Fluchtweg zur Abwehr des Hochwassers mit Schotts verschlossen werden musste, muss das Archiv seine Tätigkeit einstellen, bis das Hochwasser wieder abgeflossen ist. Alle Menschen, die sich im Archiv aufhalten, müssen das Gebäude verlassen. - Für die Bergung von Archivgut im Katastrophenfall sind dagegen weniger bauliche als organisatorische Maßnahmen erforderlich, die im zweiten Abschnitt des Aufsatzes behandelt werden. 2 Archivische Notfallverbünde In seinem bereits genannten Aufsatz forderte der Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, 1992 in Maribor (Rumschöttel, 1993) die Erarbeitung eines Katastrophenplans. Ergebnis dieses Arbeitsauftrages an die eigene Archivverwaltung war der 15 Seiten umfassende Rahmenplan für Notfallmaßnahmen in den Staatlichen Archiven Bayerns (Notfallrahmenplan) von Januar 2001. Er wurde von Dr. Karl-Ernst Lupprian und Dr. Maria Rita Sagstetter, damals beide Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, erarbeitet (Lupprian und sagstetter, 2001) und fußt auf Notfallrahmenplänen der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, des Westfälischen Archivamtes in Münster und der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Außer dem Notfallrahmenplan wurden ein Ablaufplan für Notfallmaßnahmen (2,5 Seiten), die Muster für eine Telefonliste und einen Alarmplan, Angaben zur Vorbereitung von wassergeschädigtem Archivgut für die Schockgefrierung und die Gefriertrocknung (1,5 Seiten) sowie ein Verzeichnis über den Inhalt 63 ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Christian KRusE: Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen, 61-70 der Notfallbox für wassergeschädigte Archivalien auf der archiveigenen Homepage www.gda.bayern. de veröffentlicht. Es ist vorgesehen, den Notfallrahmenplan 2015 zu aktualisieren. Der Notfallrahmenplan von 2001 war die Grundlage für die Notfallpläne des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und der acht bayerischen Staatsarchive, die in der Folge ausgearbeitet wurden. Sie werden einmal jährlich aktualisiert, denn nicht mehr gültige Informationen verursachen im Ernstfall in einer Situation eine Zeitverzögerung, in der es auf jede Minute ankommt. Jedes staatliche Archiv in Bayern wurde außerdem mit zumindest einer Notfallbox für wassergeschädigte Archivalien ausgestattet, um im Notfall rasch handeln zu können. Die Box enthält unter anderem ein Klemmbrett mit Papier und Stiften, Plastikschürzen und Einmal-Handschuhe für das Personal, Druckverschlussbeutel aus Polyethylen (PE) und Selbstklebeetiketten, Müllsäcke und Sackverschlussgeräte, Stretchfolie mit Abrollgerät zum Verpacken der wassergeschädigten Archivalien. Auch dieses Material sollte einmal jährlich auf Eignung untersucht und gegebenenfalls ergänzt werden. Im Ernstfall nützt ein eingetrockneter Stift niemandem etwas. Außerdem wurde im Bayerischen Hauptstaatsarchiv eine mobile Notfallgruppe gebildet, der auch Restauratorinnen und Restauratoren angehören. Sie reist im Notfall innerhalb Bayerns in das betroffene staatliche Archiv, wovon jedoch seit 2001 glücklicherweise noch kein Gebrauch gemacht werden musste. Im Rahmen der Amtshilfe half die mobile Notfallgruppe, verstärkt um Freiwillige aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv und dem Staatsarchiv München, vor einigen Jahren aber, als im Historischen Archiv der Technischen Universität München nach einem Starkregen das Magazin ein paar Zentimeter unter Wasser stand. Zwar wurde das Wasser von Universitätspersonal abgesaugt. Die einzige Archivarin des Archivs hätte jedoch, allein auf sich gestellt, die neueren Zugänge, die in Umzugskartons ohne Euro-Palette auf dem Boden gestanden hatten und feucht geworden waren, nicht aus dem Archivmagazin heraustragen und zum Trocknen auslegen können. Durch die rasche Hilfe konnten größere Schäden vermieden werden. 2.1 Überblick über den gegenwärtigen Stand in Deutschland Zunächst konzentrierten sich die einzelnen Archivträger auf eine Verbesserung der eigenen Lage. Danach nahm man eine Zusammenarbeit der Archive unterschiedlicher Träger in einer Stadt oder einer Region in den Blick. Dr. Marcus Stumpf, Leiter des Archivamtes für Westfalen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster, gab 2011 auf dem 7. Bayerischen Archivtag in Neu-Ulm einen guten Überblick über die gegenwärtige Situation in Deutschland (Stumpf, 2012), auf dem ich nachfolgend aufbaue. Stumpf unterscheidet drei Grundtypen der Notfallverbünde in Deutschland: rein archivische Notfallverbünde, Notfallverbünde der Archive und Bibliotheken sowie Notfallverbünde der Archive, Bibliotheken und Museen. Alle drei Typen haben ihre Berechtigung, denn es hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab, welcher Typ jeweils bevorzugt wird. Der von Stumpf selbst koordinierte Notfallverbund Münster umfasst neben Archiven auch Bibliotheken. Die Übersicht Stumpfs über die in Deutschland vorhandenen Notfallverbünden, an denen auch Archive beteiligt sind, habe ich durch eine Internetrecherche ergänzt (Stand: 23. Februar 2015). Ohne eine Garantie der Vollständigkeit, haben sich inzwischen, geordnet nach Bundesländern, die folgenden 24 Notfallverbünde formell gebildet. In Klammern ist das Jahr des Abschlusses einer Vereinbarung über den jeweiligen Notfallverbund notiert: - Baden-Württemberg: Karlsruhe (2012), Stuttgart (2013), Landkreis Karlsruhe (2013). - Bayern: s. Abschnitt 2.2. - Berlin: Berlin (1997), jetzt: Berlin-Brandenburg (2002) - länderübergreifend. - Brandenburg: Berlin-Brandenburg (2002) - länderübergreifend. - Bremen: -- - Hamburg: -- - Hessen: Hochtaunuskreis (2009), Wiesbaden (2010), Frankfurt am Main (2013). - Mecklenburg-Vorpommern: -- 64 ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Christian KRusE: Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen, 61-70 - Niedersachsen: Hannover (2009), Aurich (2012). - Nordrhein-Westfalen: Münster (2010), Bielefeld (2011), Hemer-Iserlohn-Menden (2012), Kreis Siegen-Wittgenstein (2012), Düsseldorf (2013). - Rheinland-Pfalz: Koblenz (2012), Speyer (2013). - Saarland: -- - Sachsen: Dresden (2011), Leipzig (2012), Görlitz (2013). - Sachsen-Anhalt: Magdeburg (2009), Halle (2012). - Schleswig-Holstein: -- - Thüringen: Weimar (2007), Nordhausen (2013). Zeitlicher Vorreiter war der Notfallverbund in Berlin (1997), der sich 2002 zum Notfallverbund Berlin-Brandenburg erweiterte. Kurz darauf wurde der Notfallverbund in Weimar als informelle Gruppe aktiv, bevor er sich 2007 mit Abschluss einer Vereinbarung eine rechtliche Grundlage gab. 2009 schlossen drei Notfallverbünde Vereinbarungen ab, 2010 und 2011 je zwei, 2012 und 2013 jeweils sieben. Fasst man die zeitliche Übersicht zusammen, kann man festhalten, dass sich eine gute Idee durchsetzt, wenn auch nach zögerlichem Beginn. Hatten bereits das Elbhochwasser von 2002 und der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar (2004) Anstöße gegeben, schuf der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln (2009) neben der innerarchivischen Aufmerksamkeit eine breite öffentliche Wahrnehmung der Archive, die die Gründung von Notfallverbünden erleichterte und vorantrieb. Eine Vereinbarung über einen Notfallverbund sollte - neben einer Nennung der Partner und der Einsetzung einer Arbeitsgruppe zu Koordinationszwecken - die Definitionen der Ziele der Vereinbarung und der Aufgaben des Notfallverbundes enthalten. Hinzu kommen aus rechtlichen und haushaltsrechtlichen Gründen Angaben zur Finanzierung und Haftung, zur Laufzeit und Kündigung und zur Vertraulichkeit der Daten, die den Mitgliedern im Rahmen des Notfallverbundes überlassen wurden (etwa zu Mitarbeitenden, Sicherungssystemen und Lagerorten wertvoller Archivalien). Zu empfehlen ist auch eine sogenannte salvatorische Klausel, durch die verhindert wird, dass die gesamte Vereinbarung unwirksam wird, wenn sich eine einzelne Bestimmung als unwirksam oder undurchführbar herausstellt. Als Beispiel verweise ich auf die Vereinbarung des Notfallverbundes Münster vom 23. September 2010, die im Internet unter www.lwl.org/LWL/Kultur/Archivamt eingesehen werden kann. Der Abschluss einer rechtlichen Vereinbarung der Partner eines Notfallverbundes ist allerdings nur der erste Schritt auf dem weiten Weg zu einem Verbund, der im Notfall handlungsfähig ist. Als weiterer Schritt muss jede beteiligte Institution einen Notfallplan erarbeiten. Ein Notfallplan enthält vor allem zentrale Informationen: die Telefonnummern aller wichtigen Kontaktpersonen vom Personal über Polizei und Feuerwehr bis hin zu Fahrstuhlfirmen, Gefrierhäusern und Bergungsorten. Ebenfalls enthalten sind übersichtliche Lagepläne sowie Informationen zu den Archivbeständen mit deren Lagerorten, zu den bevorzugt zu bergenden Archivalien (mit Skizze des Bergungsweges) und zu Risikobereichen, die im Einzelfall zu beachten sind. Man kann dafür auf einen Musternotfallplan (29 Seiten) zurückgreifen, der auf der bereits angeführten Internetseite des Archivamtes des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (www.lwl.org/ LWL/Kultur/Archivamt) eingestellt ist. Dort werden zu diesem Themenbereich weitere hilfreiche Informationen bereitgestellt: - eine Checkliste „Notfallplanung und Notfallprävention" (5 Seiten) mit Fragen zum Standort und Umgebung, zu Zugängen, Flucht- und Evakuierungswegen, zum Brandschutz, zum Wasserschutz, zum Schutz vor Einbruch und Vandalismus, zu Gefahrenabwehr-, Notfall-und Ablaufplänen sowie zu Notfallressourcen; - ein von Dr. Marcus Stumpf und Team erarbeiteter Leitfaden „Bergung und Erstversorgung von wassergeschädigtem Archiv- und Bibliotheksgut" (22 Seiten) mit veranschaulichenden Fotografien, der nach der Beschaffenheit der Archivalien (Foto und Film, audiovisuelle Medien, Pergament, gebundenes Schriftgut, Schriftgut ohne festen Einband, Großformate) aufgebaut ist; - eine Dokumentation zu Wasserschäden und zu Schimmelpilzbefall (unter der Rubrik „Notfälle im Archiv); 65 ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Christian KRusE: Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen, 61-70 - Angaben zum Verpacken durchnässter Archivalien und zum Gefriertrocknen dieser Archivalien (unter der Rubrik „Gefriertrocknung). Parallel zu den ersten Ansätzen zu archivischen Notfallverbünden in Deutschland wurde der Bestandserhaltungsausschuss der Archivreferentenkonferenz des Bundes und der Länder (ARK) tätig. Bei der ARK handelt es sich um ein Beratungs- und Abstimmungsgremium, dem der Präsident des Bundesarchivs und die Leiterinnen und Leiter der sechzehn Archivverwaltungen der Bundesländer angehören. Sie treffen sich zweimal jährlich im Frühjahr und im Herbst. Im März 2015 hat sich die ARK einen neuen Namen gegeben: Das Gremium heißt nun Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (KLA). Die nunmehrige KLA hat etliche Ausschüsse eingesetzt, die ihr beratend zuarbeiten, darunter den Bestandserhaltungsausschuss. Ihm gehörten bis 2012 Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, aller Bundesländer sowie des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz an. Seitdem wurde der Kreis auf anfangs acht, inzwischen neun Expertinnen und Experten zum Thema Bestandserhaltung und Archivbau aus den staatlichen Archivverwaltungen beschränkt. Ich selbst bin seit 2009 Ausschussmitglied. Der Bestandserhaltungsausschuss der ARK hat 2004 die Empfehlungen „Notfallvorsorge in Archiven" vorgelegt, die 2010 aktualisiert wurden. Sie sind auf der Internetseite der Landesarchivdirek-tion Baden-Württemberg unter www.landesarchiv-bw.de einzusehen. Diese Empfehlungen enthalten auf 29 Seiten und in 12 Anlagen grundlegende Informationen zu Notfallvorsorge und zum Notfallmanagement. Die Anlagen mit zahlreichen Abbildungen betreffen unter anderem Schadensbilder (Wasserschäden, Brandschäden, Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln), bauliche und organisatorische Hinweise zum Brandschutz und zum Wasserschutz sowie Angaben zu Sofortmaßnahmen im Schadensfall wie Sortieren und Ordnen, Reinigen und Trocknen von wassergeschädigten Archivalien, Schockfrosten, Transportieren. Es stehen daher in Deutschland genügend Informationen zu den Themen Notfallvorsorge und Notfallverbund im Internet zur Verfügung. Wenn sie auch von allen Archivarinnen und Archivaren gelesen und verinnerlicht würden, wäre schon sehr viel erreicht. Damit ein Notfallverbund seinen Hauptzweck - die Bergung von Kulturgut im Notfall - erreichen kann, muss zur rechtlichen Formierung, zur Aufstellung von Notfallplänen und zur Information über das Thema ein entscheidender Punkt hinzukommen: das Üben des gemeinsamen Handelns in Notfallsituationen. Hierfür muss zuallererst definiert werden, bei welcher Art von Notfällen ein Notfallverbund tätig werden kann. Im Brandfall ist zunächst die örtliche Feuerwehr gefragt, die zuerst die Menschen rettet, die sich im brennenden Gebäude befinden, und sich dann der Bergung des Kulturgutes zuwendet. Während des Brandes sind im Gebäude nur Angehörige der Feuerwehr zugelassen, nicht jedoch Mitglieder eines Notfallverbundes. Diese können der Feuerwehr, zu der spätestens nach der Formierung des Notfallverbundes ein Vertrauensverhältnis aufzubauen ist, beratend zur Seite stehen. Die Feuerwehr bevorzugt beispielsweise eine Priorisierung von Beständen, damit sie weiß, in welcher Reihenfolge was zu bergen ist. Haben sich die Archivarinnen und Archivare überwunden, eine solche Prioritätenliste aufzustellen, können sie der Feuerwehr entsprechende Hinweise geben. Eine Prioritätenliste birgt jedoch auch Risiken in sich: Wenn die als die Wichtigsten benannten Archivalien farblich gekennzeichnet in Türnähe stehen, kann dies auch eine Einladung an Einbrecher sein. Darüber hinaus kann eine Prioritätenliste den irrigen Eindruck vermitteln, das Archivgut, das dort nicht unter den ersten zehn Posten aufgeführt wird, sei weniger aufhebenswert, sein Verlust falle weniger ins Gewicht. Nach meiner Erfahrung denkt die Feuerwehr bei priorisierten Archivalien eher an überschaubare Mengen, nicht an größere Urkunden-, Amtsbuch- und Aktenbestände. Und: Ist die Pergamenturkunde nur wegen ihres Alters wichtiger als unscheinbar aussehende Akten aus dem 20. Jahrhundert mit hoher politischer Relevanz? Die meisten Archivarinnen und Archivare werden sich schwer tun, Prioritäten zu benennen, und es ist ihnen nicht zu verdenken, da alle Archivalien, die ins Archiv gelangt sind, ja bereits als archivwürdig bewertet wurden. Im Fall eines Wassereinbruchs - gleichgültig ob durch Hochwasser, Starkregen oder Wasserrohrbruch verursacht - kann dagegen ein Notfallverbund in den meisten Fällen sofort tätig werden. Hier bietet sich für ihn das Haupttätigkeitsfeld, zumal Wassereinbrüche und Wasserschäden in Archiven zumindest in Deutschland weit häufiger sind als Brände. Daher konzentrieren sich die Empfeh- 66 ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Christian KRusE: Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen, 61-70 lungen „Notfallvorsorge in Archiven" des Bestandserhaltungsausschusses der ARK und auch die Informationen der Notfallverbünde, von denen oben das Beispiel Münster ausführlich benannt wurde, auf das Vorgehen bei Wasserschäden. Für die Übung des Notfallverbundes sollte daher als Handlungsszenario vordringlich ein Wasserschaden in einem Archiv geübt werden. Hierfür ist erforderlich, dass die Arbeitsgruppe des Notfallverbundes vorher die Zuständigkeiten und die Arbeitsschritte festlegt. Für die Übung stehen seitens der Archive Akten der Behörden zur Verfügung, deren Aufbewahrungsfrist verstrichen ist, die nicht als archivwürdig bewertet wurden und die nicht datenschutzgerecht vernichtet werden müssen. Benötigt wird ein Gebäude, das nach Möglichkeit vor dem Abriss steht, in dem sich eine größere Anzahl von Regalen befindet, die mit dem genannten Kassationsgut gefüllt werden können. Danach wird in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk (THW) der Wassereinbruch simuliert und die Übung kann beginnen. Der Verlauf der Übung des Notfallverbundes sollte mit Digitalkameras festgehalten werden, damit anschließend nachbereitet werden kann, was bei der Übung gut gelungen ist, wo es Probleme gegeben hat und wo Fehler gemacht wurden. Diese sind zu benennen, zu besprechen und nach Möglichkeit in Zukunft zu vermeiden. Der Notfallverbund der Berlin-Brandenburger Archive hat am 15. September 2010 eine solche Übung durchgeführt, von der mir eine CD mit den Filmaufnahmen vorliegt. Sie zeigen in aller Offenheit auch die weniger gelungenen Aktionen der Helferinnen und Helfer. Deutlich wird aber auch der mit einer solchen großen Übung verbundene logistische und auch finanzielle Aufwand. Letztlich sind aber derartige Übungen notwendig, um einen Notfallverbund einsatzfähig zu machen und zu halten. Denn es wäre aus meiner Sicht unzulässig, einen Ernstfall abzuwarten, um daran „zu üben". Denn die Fehler, die einer nicht eingespielten Gruppe dann aller Voraussicht nach unterlaufen, würden nicht an Kassationsgut gemacht, sondern an Archivgut. Durch dieses Beispiel wird deutlich, dass es ein weiter Weg ist, um von dem Abschluss der Vereinbarung eines Notfallverbundes zu seiner vollen Einsatzfähigkeit zu gelangen. Nach der Einschätzung von Marcus Stumpf waren 2011 von den rund 20 ihm damals bekannten Notfallverbünden „lediglich drei voll operationsfähig": „der Verbund der Berlin-Brandenburger Archive, der Notfallverbund Weimar und die Notfallverbünde Halle und Magdeburg" (Stumpf, 2012, 144). Dies ist ein ernüchterndes Ergebnis. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Situation seitdem verbessert hat. Eine diesbezügliche deutschlandweite Umfrage hätte den Rahmen dieses Aufsatzes überstiegen. Ziel muss es sein, dass die archivischen Notfallverbünde mit ihren Zuständigkeitsbereichen ganz Deutschland abdecken. Es ist jedoch nicht realistisch, dass sich das Ziel rasch verwirklichen lässt. Bisher wurden Notfallverbünde vor allem in größeren Städten gebildet. Die Beispiele des Zusammenschlusses kleinerer Städte und Gemeinden, sei es in einem Landkreis oder in dem Teil eines Landkreises (Beispiele s.o.), zeigen aber, dass eine Gründung auch jenseits der Ballungszentren möglich ist, und lassen daher hoffen. 2.2 Der Stand in Bayern im Frühjahr 2015 Im Folgenden wird die Situation im Bundesland Bayern vorgestellt, das sich mit archivischen Notfallverbünden bislang nicht hervorgetan hat. Die ersten Ansätze gehen - wie anderswo auch - von den Großstädten aus, in denen etliche Träger Archive unterhalten. Drei bayerische Städte haben mehr als 200.000 Einwohner: München, Nürnberg und Augsburg. In zweien dieser Städte werden derzeit Notfallverbünde vorbereitet, an denen Archive beteiligt sind. 2.2.1 Augsburg In Augsburg haben die Vorbereitungen zu einem Notfallverbund im Jahr im Februar 2013 begonnen und wurden relativ zügig vorangetrieben. Von Beginn an wurde der Notfallverbund nicht nur als Verbund der Archive, sondern als Vereinigung der größeren Kulturinstitutionen unterschiedlicher Träger in Augsburg geplant. Er umfasst neben Archiven auch Bibliotheken und Museen. Insgesamt nehmen folgende zehn Institutionen teil: das Staatsarchiv Augsburg, das Stadtarchiv Augsburg, das Archiv des Bistums Augsburg, das Universitätsarchiv Augsburg, die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, die Universitätsbibliothek Augsburg, das Staatliche Textil- und Industriemuseum Augsburg, die 67 ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Christian KRusE: Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen, 61-70 Stadtarchäologie Augsburg, das Diözesanmuseum St. Afra und das Architekturmuseum München -Außenstelle Schwaben. Am 3. März 2015 wurde im Stadtarchiv Augsburg im Rahmen einer Festveranstaltung die Vereinbarung über den Notfallverbund der Augsburger Archive, Bibliotheken und Museen abgeschlossen. Sie folgt im Wesentlichen dem Muster des Notfallverbundes Münster, wurde aber an die örtlichen Gegebenheiten angepasst. Nachdem damit der rechtliche Rahmen für die Tätigkeit im Verbund geschaffen wurde, wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die aus mindestens einem Vertreter der zehn Partner besteht und die für zwei Jahre einen Vorsitzenden wählt. Die Arbeitsgruppe tagt zweimal jährlich. Sie kann einen Vertreter der Berufsfeuerwehr Augsburg hinzuziehen (§ 3 der Vereinbarung). In den kommenden Monaten werden in den beteiligten Institutionen die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Notfallverbund geschaffen. In erster Linie gehört dazu die Ausarbeitung - eines Feuerwehreinsatzplanes nach Maßgabe der Berufsfeuerwehr Augsburg, - eines sogenannten Kernblattes, auf dem Besonderheiten zur den Lagerungsbedingungen, zum Kul turgut und zu den Gebäuden vermerkt sind, - von Angaben zu besonders schützenswerten Bereichen und/oder zur Kennzeichnung von besonders schützenswertem Kulturgut, - sowie einer Kontaktliste aller Ansprechpartner (§ 4a der Vereinbarung). Die Unterlagen sind laufend aktuell zu halten, denn veraltete Informationen können im Notfall die Rettung des Kulturguts verzögern. Im Notfall hat der Notfallverbund in Augsburg folgende Aufgaben: - Die beteiligten Einrichtungen leisten gegenseitig uneigennützige personelle und technische Hilfe, sofern sie über entsprechende Kapazitäten verfügen. Jeder Partner entscheidet, wie und in welchem Umfang er helfen kann. - Die Institution, die vom Notfall betroffen ist, fordert die übrigen Einrichtungen zur Hilfeleistung auf. - Die Hilfe betrifft insbesondere die Bergung und Sicherung des betroffenen Kulturgutes sowie die Bereitstellung von Ausweichmagazinflächen für eine Überbrückungszeit. - Der oder die Notfallbeauftragte der Institution, bei ein Notfall auftritt, übernimmt in Abstimmung mit der Berufsfeuerwehr Augsburg die Koordinierung des Einsatzes des Notfallverbundes (§ 4b der Vereinbarung). Der Fortgang der Aktivitäten des Notfallverbundes der Augsburger Archive, Bibliotheken und Museen kann auf dessen Internetseite www.notfallverbund-augsburg.de verfolgt werden. 2.2.2 München In München begannen die ersten Treffen zur Vorbereitung eines Notfallverbundes unter der Federführung des Stadtarchivs München früher als in Augsburg, nämlich bereits im März 2011. Nachdem lange unklar war, wer alles zum Notfallverbund gehören sollte, konzentrierte man sich nach längerer Diskussion schließlich auf die Archive innerhalb der Landeshauptstadt München und schloss damit die zahlreichen Bibliotheken und Museen zum Teil mit Weltgeltung aus, die den Verbund wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Träger und Interessen annähernd handlungsunfähig gemacht hätten. Ebenso schloss man Archive aus, die außerhalb Münchens liegen: Zur Diskussion hatte zeitweilig die Einbeziehung aller Archive im Bereich des S-Bahn-Netzes des Münchner Verkehrsverbundes mit einem Radius von rund 40 Kilometern um den Münchner Marienplatz herum gestanden, was kaum praktikabel gewesen wäre. Eine fünfköpfige Arbeitsgruppe, der auch ich angehöre, entwickelte 2012 einen Notfallrahmenplan, der auf dem Notfallrahmenplan der Staatlichen Archive Bayerns und dem des Notfallverbundes Münster fußte, der sich aber auf eine überschaubare Anzahl von Punkten konzentriert, die man im Notfall auch überblicken kann. Im ersten Halbjahr 2013 wurde der Notfallverbund in regelmäßigen Sitzungen intensiv vorbereitet, teils inhaltlich, teils rechtlich. Der Entwurf der Vereinbarung für den Notfallverbund folgt im Wesentlichen der Vereinbarung aus Münster. Die Prüfung dieser Vereinbarung durch das Rechtsamt der Stadt München dauerte bis zum Sommer 2014. Danach sollten die Archive, die Interesse an einer Mitgliedschaft haben, die Vereinbarung durch ihre jeweiligen Träger prüfen lassen, was bis zum Jahresende 2014 weitgehend abgeschlossen 68 ATLANTI • 25 • 2015 • n. 2 Christian KRusE: Vorbereitung auf den Ernstfall: Bauliche und organisatorische Maßnahmen, 61-70 war. Momentan (März 2015) steht ein Termin für die nächste Sitzung noch aus. Es ist noch nicht klar, welche Archive die Teilnahme am Notfallverbund fest zugesagt haben. Somit ist offen, wann die Vereinbarung offiziell unterschrieben werden kann und wann die oben beschriebenen konkreten Arbeiten beginnen können, um den Notfallverbund mit Leben zu füllen. Die nun immerhin schon vier Jahre dauernden Erfahrungen in München lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen, die im Wesentlichen die Ergebnisse in Münster (stumpf, 2012) bestätigen: - Es hat sich nicht bewährt, dass in den ersten zweieinhalb Jahren ein offener Personenkreis einschließlich Privatpersonen und Firmenvertretern an den Besprechungen über die Formierung eines Notfallverbundes der Münchner Archive beteiligt war, um niemanden auszuschließen, der Interesse, gegebenenfalls auch Firmeninteresse, an dem Thema hatte. - Als erster Schritt fehlte eine Erklärung der Archive, dass sie sich an der Vorbereitung eines Notfallverbundes beteiligen wollen, ohne dass dies bereits mit der Verpflichtung zur Mitgliedschaft verbunden gewesen wäre. Mit dieser Einschränkung wäre den Bedenken einiger Archivträger Rechnung getragen worden, die offenbar finanzielle und rechtliche Folgen bereits durch die Gespräche befürchteten. - Als zweiter Schritt fehlte vor dem Beginn der inhaltlichen Arbeit die rechtliche Formierung, wie dies - auf die Erfahrungen in Münster fußend - von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns als beratendem Organ empfohlen worden war. Die Generaldirektion kann allerdings als archivische Verwaltungsbehörde dem Notfallverbund nicht angehören, da sie über keine Archivbestände verfügt. - Der Notfallverbund war zu Beginn als Service der größeren Münchner Archive (u.a. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Staatsarchiv München, Stadtarchiv München, Bayerisches Wirtschaftsarchiv, Universitätsarchiv München [der Ludwig-Maximilians-Universität]) für kleinere Archive gedacht, in denen oft nur eine Archivarin oder ein Archivar beschäftigt ist. Denn die Staats- und Stadtarchive in München verfügten bereits über Notfallpläne. Dabei wurde aber möglicherweise zu wenig Rücksicht darauf genommen, auf Vorbehalte der kleineren Archive gegenüber den großen zu achten. Zu hoffen ist, dass die Vereinbarung in Kürze von den interessierten Archiven bzw. ihren Trägern unterzeichnet wird und dass dann die inhaltliche Arbeit fortgesetzt werden kann, mit der bereits begonnen wurde. Wenn diese nächsten Schritte positiv verlaufen, schließen sich möglicherweise weitere Münchner Archive an, die sich bisher abwartend verhalten haben. Literatur Kruse, C. (2012). Bauen für den Ernstfall. Notfallplanung im Archivbau. In: Archive in Bayern, 7, pp. 159170. Kruse, C. (2013). Rohbau des Staatsarchivs Landshut vom Hochwasser erfasst. In: Nachrichten aus den staatlichen Archiven bayerns, 65, pp. 36-37. Lupprian, K.-E., Sagstetter, M. R. (2001). Rahmenplan für Notfallmaßnahmen in den Staatlichen Archiven Bayerns (Notfallrahmenplan) von Januar 2001. Available at: http://www.gda.bayern.de, Rubrik „Fachinformationen", Unterrubrik „Bestandserhaltung"(accessed on 20.02.2015). Notfallvorsorge in Archiven. Empfehlungen der Archivreferentenkonferenz, ausgearbeitet vom Bestandserhal-tungsausschuss im Jahr 2004, zuletzt überarbeitet 2010. Available at: http://www.landesarchiv-bw.de, Rubrik: Aufgaben und Dienstleistungen, Unterrubriken: Bestandserhaltung ■ Normen, Vorschriften, Richtlinien ■ Notfallvorsorge in Archiven (accessed on 26.02.2015). Rumschöttel, H. (1993). Der Großbrand im Staatsarchiv Landshut und die Notwendigkeit archivischer Katastrophenplanung In: Atlanti, 2, pp. 30-32. Schmidt-Czaia, B. (2012). Vor und nach dem Einsturz. Notfallplanung im Historischen Archiv der Stadt Köln. In: Archive in bayern, 7, pp. 129-140. Stumpf, M. (2012). Notfallverbünde im Aufbau. Entwicklungsrisiken und -chancen am Beispiel des Notfallverbundes Münster. 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The emergency association in Münster, formally established as a result of an emergency agreement in 2010, serves as an example. The agreement is however only the first step in setting up an emergency association that is fit for purpose. The next step is the development of an emergency plan in which one may use the emergency association in Münster as a template. Further information on the subject is provided on the association's website www.lwl.org/LWL/Kultur/Archi-vamt. The final step is a joint exercise on how to behave in an emergency. Since the fire service has primary responsibility in cases of fire, an emergency association comes into its own chiefly in cases of flooding. Parallel to these first steps towards the establishment of archive emergency associations in Germany, the preservation committee of the German federal and state archivists' conference (formerly abbreviated in German to ARK and since 2015 KLA) is active in this field. In 2004, it issued recommendations on "Emergency Precautions in Archives in archives", which were updated in 2010. They may be found on the website of the Baden-Württemberg State Archives Directorate under www.landesarchiv-bw.de. The Bavarian State Archives developed a framework emergency plan in 2001 based on which the Main Bavarian State Archives and the eight Bavarian state archives developed their own individual emergency plans, which are updated every year. Every state archive in Bavaria has also received an "emergency box" for archived material subjected to water damage in order to be able to act swiftly in an emergency. In Bavaria, emergency associations are currently being prepared in Munich and Augsburg. In Augsburg, the emergency association, whose members include archives, libraries and museums, was established in March 2015 when the authorities responsible for these institutions signed an agreement. The emergency association for Munich's archives still has to achieve this first step. Typology: 1.02 Review Article Submitting date: 09.03.2015 Acceptance date: 09.04.2015 70