Lin Vorschlag M Kejferung der wirtschaftlichen Lage der dem deutschen Dotke in Gejterreich angehörigen arbeitenden Stände durch Wirtschaftsvereine, Bezirks- und Landesverbände und renfassung derselben in einen Reichsverband. mon Sonderabdruck aus dein ,,Deutschen Aalender für Arain", Jahrgang f8Y0. Im Selbstverläge des Verfassers. Annathal bei Neumarkti in Oberkrain. ie schönen Reden vom Vvlker- frühliug, die mannhaften Thaten edler Männer, die rosigen Hoff- nnngen, welche man allenthalben an die Errungenschaften des fünften und sie¬ benten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts geknüpft hat, liegen heute stark verblasst, ja mehrfach sogar ins Gegentheil ver¬ wandelt vor uus. Nicht unr eiuzelne bäuerliche Behausungen sehen wir eine nach der andern ans den Händen der angestammten Besitzer in jene großer Herrschaften und Geldleute gelangen, son¬ dern selbst ganze Gegenden, ja Landes- theile, verfallen dem gleichen Schicksale. Das Gewerbe ist stark herabgekommen, die Kleinindnstrie völlig verschwunden, und nur die Zahl der Niedergerungenen mehrt sich von Tag zu Tag iu geradezu er¬ schreckender Weise. Die Ansammlung riesi¬ ger Vermögen in wenigen Händen, eine völlig ungeahnte Ausdehnung der Gro߬ industrie, verbunden mit einer starken Vermehrung der Zahl der besitzlosen Arbeiter, kennzeichnen unsere heutigen wirt¬ schaftlichen Verhältnisse. Wir steuern im Laufschritt einer Ebnung der Gesellschaft, bestehend iu der Scheidung derselben in zwei Theite, ent¬ gegen, wovon der eine Theil aus einer kleinen Anzahl Leute von fabelhaftem Reichthum, der andere große Theil aber ans besitzlosen Arbeitern verschiedenster Art bestehen soll. — Wohin aber solche Zustände führen, welche Folgen sie für den Staat und die Nation haben, lehrt uns der Niedergang Athens und der Zusammenbruch des römischen Welt¬ reiches. Und darum soll das deutsche Volk in den Sturmjahren 1848 und 1849 sein Blut verspritzt und vielfach im Kerker geschmachtet haben, dass wir endlich nach wenigen Jahrzehnten dahin kommen, die menschliche Gesellschaft in eine geringe Zahl Herren und in eine große, von diesen abhängige und beherrschte Scla- venherde geschieden zu sehen? Gewiss nicht! Die Absichten und leitenden Gedanken dieses Kampfes waren andere, und in seinen großen Zügen ist er sicherlich ein edles Streben für Herbeiführung gesun¬ derer Verhältnisse der Menschheit gewesen. Wenn jedoch die Früchte heute andere, als man sie geträumt hat, und namentlich in wirtschaftlicher Beziehung vielfach recht traurige sind, so erscheint es doch gefehlt, die Sturmjahre dafür iu Bausch und Bogen verantwortlich zu machen. Fehler wurden allerdings begangen, die aber nicht etwa in der Aufhebung des Robot nnd der Grundherrschaft, in der Verbesserung nnd Neugestaltung des Unterrichtswesens nnd in der Einführung der staatlichen Schulaufsicht u. dgl. zu suchen sind, sondern vorwiegend darin, dass man in einem verblendeten «Aller- weltsbürgerthum» nebst der Leibeigenschaft und den geistigen Fesseln auch alle wirt¬ schaftlichen Schranken niederriss nnd so den wirtschaftlich Schwächeren, der ans Güte und Dauerhaftigkeit seiner Erzeug¬ nisse hält, dem Stärkeren schutzlos preis¬ gab, bei welchem Ehre und Sittlichkeit nicht immer an der Tagesordnung standen und stehen; dass man dem für das allge¬ meine Wohl der Nation und des Staates r 2 verhängnisvollen freien Spiele der wirtschaftlichen Kräfte ungehinderten Lanf ließ nnd von einer urbildlichen Gleichheit der Menschheit trünmte, welche in. der ranhen Wirklichkeit selbst innerhalb einer und derselben Volksgemeinschaft ein frommer Wunsch bleibt; dass man es endlich übersah, Vorkehrungen zn treffen, nm den angeborenen Schachergeist jener Leute entsprechend zu zähmen, die noch keiner Nation oder staatlichen Gemein¬ schaft, in der sie selbst oder ihr leichter Begriff von Ehr- und Pflichtgefühl sich Geltung zn verschaffen wusste, dauernd znm Vortheile gereichten. Ob dieser Fehler wegen aber alle Errungenschaften der Neuzeit in freiheit¬ licher, staatlicher nnd mit Rücksicht auf den Aufschwung der Industrie nnd das Verkehrswesen an sich auch in wirtschaft¬ licher Beziehung zu verurtheilen, und dass deshalb wieder jene Zustände herbei- znführen wären, die zu Beginn unseres Jahrhunderts bestanden, erscheint ebenso unstatthaft, als es verfehlt ist, jede, auch die bestgemeinteste offene Besprechung unserer heutigen Zustände, Anregungen und Vorschläge auf Besserung derselben als rückschrittlich zu verurtheilen und alle jene Männer, welche noch nicht verblendet genug sind, die jetzigen Zustände als reines Musterbild anzuerkennen, sondern sich ein offenes Auge für die Mängel und Schäden derselben bewahrt haben nnd den Muth besitzen, dieser ihrer Er¬ kenntnis auch offen Ausdruck zu verleihen, als Schwarzseher und Rückschrittler zu brandmarken. In diesem Auseinandergehen in der Auffassung unserer heutigen gesellschaft¬ lichen Zustände liegt auch vielfach der Grund der bedauerlichen Zersplitterung der deutschen Abgeordneten im Reichs- rathe und mehr noch außerhalb desselben. Während die einen unsere heutigen Zustände politisch als einen vorüber¬ gehenden Zwischenfall, wirtschaftlich aber als eine natürliche Erscheinung des freien Spieles der wirtschaftlichen Kräfte, in die der freiheitlichen Grundsätze wegen nicht eiugegriffen werden dürfe, ansehen, wollen die anderen eine rücksichtslose Umgestaltung in jeder Hinsicht. Eine dritte Abtheilnng hält zwischen diesen beiden mehrfach einen Mittelweg ein, indem sie eine Umgestaltung zwar mit Entschiedenheit für nothwendig erachtet, diese aber nur nach nnd nach zn erreichen strebt nnd dabei die Grenzen des unter den obwaltenden staatlichen und natio¬ nalen Verhältnissen erreichbar Möglichen nicht überschritten wissen will. Diese vorhandenen und nicht weg¬ zuleugnenden Spaltungen in den Reihen des deutschen Volkes in Oesterreich glaubte nnd glaubt noch heute endlich eine vierte Abtheilnng sich zunutze zn machen, der alle Errungenschaften der Neuzeit, gleich¬ viel, ob sie gut oder schlecht und dein Volke zum Vor- oder Nachtheil gereichen, ein Greuel sind, indem sie sich als An¬ walt der arbeitenden Stände anfspielte und mitunter in recht geschickter Weise als vorgebliche Vertreterin der Interessen des Volkes ihren nichts weniger als volksfreundlichen Absichten Anhang zn verschaffen verstand. Dabei kam ihr die nahe Berührung mit dem Volke, die sorgfältige Beobachtung der wirtschaft¬ lichen Schäden und die steigende Unzu¬ friedenheit unter den arbeitenden Stünden gegenüber der stärksten von den deutschen Wühlern in den Reichsrath entsendeten Abtheilnng sehr zugute, welche die Fühlung mit dem Volke von Jahr zu Jahr mehr verlor nnd damit zumeist auch das Ver¬ ständnis einbüßte, die größte Gefahr für den Bestand des deutschen Volkes zu er¬ kennen, die in der heutigenWirtschafts- ordnung gelegen erscheint. Daraus aber, dass sich eine noch vor wenigen Jahren als völlig bedeutungslos gehaltene Ab- theilung von Volksvertretern in verhältnis¬ mäßig kurzer Zeit einen scheinbar ganz beachtenswerten Anhang zu verschaffen wusste, auf einen Rückschritt in der An- 3 schauung und Gesinnung des Volkes in staatlicher und freiheitlicher Richtung schließen zu wollen, wie das mehrfach leider so häufig zumeist zu dem Zwecke zu geschehen pflegt, um Vorschläge und Anträge auf Besserung der wirtschaft¬ lichen Lage der arbeitenden Stände billig abthnn zu können, erscheint sehr verfehlt. Derjenige meiner Stammesgenosscn, der wie ich dauernd unter dem Volke lebt, mit den verschiedenen Schichten des¬ selben in Berührung kommt und mit ihm in stetem Verkehre steht, dürfte gleich mir, vorausgesetzt natürlich, dass er mit vom Parteihader ungetrübtem Auge zu beobachten versteht, die erfreuliche Er¬ fahrung gemacht haben, dass die frei¬ heitlichen Errungenschaften unseres Jahr¬ hunderts in staatlicher und politischer Hinsicht immer mehr Boden gewinnen, dass das Volk von einer Preisgebung der Schule an die Kirche oder irgend einem sonstigen freiheitlichen Rechte in seiner übergroßen Mehrheit entschieden nichts wissen will, dass selbst der stark in Banden gehaltene Alpenbauer, ja auch der Slovene und namentlich der Tscheche, immer mehr die Vortheile politischer und staatlicher Rechte und den Segen einer besseren Schule zu würdigen beginnt. Allein ganz anders steht die Sache in wirtschaftlicher Beziehung. Hier fühlt fast jeder Einzelne, dass Aendernugen nvthwendig, ja völlig unvermeidlich seien, sollen Zustände, wie wir sie im Ein¬ gänge dargelegt haben, gebessert und ein Zusammenbruch der Nation und des Staa¬ tes vermieden werden. Wenn das bisher nach außen hin noch nicht so allgemein und mit gehörigem Nachdrucke zum Ausdrucke kommt, so ist daran neben manch anderem nicht in letzter Linie der Umstand schuld, dass viele mit ihrer diesbezüglichen Ansicht deshalb nicht hervorzutreten wagen, weil sie es scheuen, von der großen Presse als Rückschrittler und Pfaffenknechte ausge¬ schrien und hernntergemacht zu werden. — Als ungesund muss jedoch ein Zustand erscheinen, in welchem der Ausdruck der Volksmeinung nur durch Auffahrung der schwersten Geschütze nothdürftig zurückge¬ halten werden kann, denn für die Dauer halten auch diese nicht stand, und es kommen dann Ereignisse vor, wie wir sie bei den diesjährigen Wiener Gemeinde- raths- und mehreren anderen Wahlen die¬ ses Jahres gesehen haben. — Das Volk gewöhnt sich jedoch allmählich an die Schimpfereien; es wird gleichgiltig gegen das fortwährende Geschrei von Rückschritt und Pfaffenknecht, sobald es eine Bes¬ serung seiner Verhältnisse, eine Aen- derung der heutigen, für die Tauer un¬ haltbaren Wirtschaftsordnung auch nur zur Besprechung gebracht wissen will. — Und darin liegt in der That eine Gefahr für den wahren Fortschritt und Aufklä¬ rung, weil es nahe liegt, dass die Gleich¬ giltigkeit im Volke immer mehr zunimmt, dasselbe immer weniger scheu macht, zu¬ erst wenigstens in wirtschaftlichen Fragen mit der wirklich rückschrittlichen Partei zu gehen, und so nach und nach auch po¬ litisch in ihre Klauen kommt. — Diese Gefahr ist allerdings vorhanden, sie recht¬ fertigt jedoch nicht das Geschrei von: Rück¬ schritt auf allen Linien, von der Aus¬ lieferung der Schule an die Kirche, von der Preisgebung der Cnlturfortschritte und dergleichen: Gejammer, wie wir das seit jener Zeit so häufig zu hören bekommen, als das Volk anfieng, darüber nachzudenken, wo uns der Freisinn in wirtschaftlicher- Richtnng, das freie Spiel der wirtschaft¬ lichen Kräfte eigentlich hinführt. — In Wirklichkeit stehen die Verhältnisse im großen Ganzen vielmehr so, dass der Anhang, den sich die Rückschrittler in letzterer Zeit unter dem deutschen Volke zu verschaffen wussten, eigentlich nur ein scheinbarer, ein durch die Noth hervor¬ gerufener Versuch ist, ob es nicht gelingt, mit Hilfe dieser, mehrfach ja recht ein¬ flussreichen Gruppe eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu erzielen 1* 4 und zwar umsomehr, als diese es recht gut verstauben hat, sich als Arzt dieser offenen Wunde im Volke aufzuspielen. Daraus ergibt sich aber auch bei einiger¬ maßen kühler und vorurtheilsloser Betrach¬ tung, dass der Anhang der wirklichen Rückschrittler im selben Verhältnisse unter dem deutschen Volke, und allmählich viel¬ leicht auch unter den übrigen Völkern Oesterreichs, wieder schwinden wird, als die Führer und Abgeordneten der Deut¬ schen sich mit Aufrichtigkeit und vollster Hingebung nicht nur in Wort und Schrift, sondern vor allem irr werkthätiger Arbeit der traurigen wirtschaftlichen Lage der arbeitenden Stände annehmen werden. — Es war und ist eben ein großer Fehler, zu glauben, dein Volke könnte mit der Freiheit allein geholfen werden; ihr Wert ist bei leeren Taschen ein recht fadenscheiniger, und bei hungrigem Magen kann sie sogar sowohl für den Betreffenden als auch für die Gesellschaft recht gefährlich werden. Freilich werden solche Betrach¬ tungen von gewisser Seite nicht gerne gehört; man kommt auch nicht in Ver¬ legenheit, sie kurzer Hand abzuthun, in¬ dem man sagt: Politische und freiheit¬ liche Fragen dürfen mit wirtschaftlichen nicht verknüpft, das Volk darf nicht zur Selbstsucht erzogen werden, es muss lernen, der Freiheit und dem Fortschritte Opfer zu bringen, die wirtschaftlichen Kräfte müssen sich frei entfalten können, soll der Cnlturfortschritt nicht gehemmt werden, und wie derlei billige Redeweisen ge¬ wöhnlich lauten. — Vergessen wird je¬ doch hinzuzufügen, dass alles das nur für die breiten Schichten des Volkes Gel¬ tung haben soll, indem man selbst in der Regel keine andere Richtschnur in seinen Handlungen, als die des Eigennutzes und der Selbstsucht kennt; dass man wohl Opfer für Fortschritt und Freiheit von anderen verlangt, selbst aber nicht nur keine Opfer bringt, sondern sogar jene, die andere bringen, zu seinem eigenen Vortheile ans- nntzt; als groß und erhaben nur die Kunst kennt, mühelos Reichthümer zu ergattern, um hernach stolz oder mit¬ leidig auf jene herabzusehen, die in harter Arbeit mitunter recht kümmerlich ihr Dasein fristen. — Was Wunder, wenn dann der Glaube und das Vertrauen des Volkes zu solchen Freiheitshelden endlich zu wanken anfangen und schließlich ganz aufhören? In vereinzelten Fällen mag cs ja vorkommen, dass die Trennung politischer und freiheitlicher Fragen von wirtschaft¬ lichen Angelegenheiten nicht nur zweck¬ mäßig erscheint, sondern sich auch vom nationalen Standpunkte aus rechtfertigen lässt. Allein das wird wohl nur selten der Fall sein, daher es besser ist, darauf gar nicht weiter einzugehen, indem in der weitaus größeren Mehrzahl der Fälle eine solche Trennung sich ganz entschieden nicht rechtfertigen lässt, und zwar am allerwenigsten vom nationalen Stand¬ punkte aus; — sie ist uur berufen, Leuten zu dienen, die auf Kosten der Gesammt- heit der Interessen eines Volkes sich Vor¬ theile herauszuschlagen verstehen, welche die freiheitlichen Errungenschaften dahin auffassen, dass es ihnen nunmehr gestattet sei, alle geistige und materielle Macht sowie sämmtliche Kunstkniffe ungehindert in den Kampf des freien Spieles der wirtschaftlichen Kräfte zu führen und dort ohne alle Beschränkung lediglich zum Zwecke ihrer selbstsüchtigen Bereicherung walten zu können. Wenn es also auch begreiflich ist, dass Leute, deren ganzes Um und Auf in der Zusammenschachernng von Rcich- thiimern aufgcht, sich mit aller Macht gegen eine gemeinsame Behandlung frei¬ heitlicher und wirtschaftlicher Fragen im volksthümlichen Sinne anfhalten, da sie einerseits jedwede Rücksichtnahme oder Beschränkung zu Gunsten des Wohles der Gesammtheit zurückweisen, anderseits aber eine schrankenlose Freiheit für ihr Gebaren brauchen und sich überdies der großen Menge gegenüber gerne einen c> gewissen fortschrittlichen nnd freiheitlichen Anstrich geben, damit ihre übrigen Thaten weniger auffallen, sv bleibt cs doch viel¬ fach ein tief beklagenswertes Rüthsel, dass sich nicht nur zweifellos ehrliche Volks¬ vertreter, sondern selbst weiterblickende Staatsmänner, ganze Wählerkreise, ja die Mehrheit des deutschen Volkes in Oester¬ reich von dieser, lediglich den Geldleuten und Volksbewucherern an den Leib ge¬ schnittenen Lehre haben bethören und sv tief verstricken lassen, dass sie hiebei leider mehrfach die Fähigkeit einbüssten, die traurigen Folgen, die diese Irrlehre na¬ mentlich für das deutsche Volk mit sich brachte, ungetrübten Auges zu beobachten nnd im ganzen Umfange nationaler und staatlicher Tragweite zu erfassen. -Volkes Stimme ist Gottes Stimme,» sagt ein altes Sprichwort, und wenngleich demselben die Unfehlbarkeit nicht in allen Fällen zngesprochen werden kann, so hat es sich in Hinsicht der gesellschaftlichen Schäden, die in den letzten drei Jahrzehn¬ ten unseres Jahrhunderts entstanden sind, vollends bewährt, denn im Volke selbst brach sich allmählich die Einsicht Bahn, dass es so nicht weitergehen könne und dass es höchste Zeit zur Umkehr sei. Es ist das fast der einzige, aber dafür umso erfreulichere Lichtblick im ganzen wirt¬ schaftlichen Ringen und Streben der letzten Zeit, weil er sowohl Zeugnis dafür ab¬ legt, dass noch ein gesunder Kern im Volke vorhanden ist, als auch Gewähr bietet, dass die in Fluss gekommene Be¬ wegung nicht eher sich wird aufhalten lassen, als bis den berechtigten nnd auch erfüllbaren Forderungen der arbeitenden, Werke erzeugenden Stände von allen Betheiligten wird Rechnung getragen worden sein. Haben auch die bisherigen Ergebnisse dieser Bewegung noch keine allgemein greifbaren Vortheile zu erzielen vermocht, so muss doch zugestanden werden, dass wenigstens so viel bereits erreicht ist, dass man es — mit wenigen Ausnahmen — theils nicht mehr wagt, die Forderun¬ gen der arbeitenden Stünde — gleich früher — als mit den Forderungen des Fortschrittes und der Freiheit nicht ver¬ einbar kurz abzuthun, theils aber in der Thal zur Einsicht gekommen ist, dass doch Fehler begangen wurden, die nicht mehr wiederholt werden dürfen, soll das deutsche Volk in Oesterreich nicht geradezu bewusst dem wirtschaftlichen Untergange preisgegeben und damit auch einer voll¬ ständigen Zersetzung zugeführt werden. Und selbst das ist schon ein namhafter Vortheil; denn die Einsicht, dass man gefehlt hat, bildet in der Regel auch den Beginn zur Umkehr nnd Einlenknng in vernünftigere Bahnen. Vor allem bekommt man heute nicht mehr so häufig die ge¬ heuchelte Nothwendigkeit der vorhin be¬ sprochenen Trennung wirtschaftlicher nnd freiheitlicher Fragen, den großen Wert des freien Spieles der wirtschaftlichen Kräfte für Freiheit und Fortschritt zu hören, sondern man ist augenscheinlich bemüht, dem Volke gegenüber an Stelle der alten eine neue Lehrmeinung in dem Sinne zu predigen, dass man zugibt, dass Fehler begangen wurden, dass wirt¬ schaftliche Schäden vorhanden seien, dass die Anhäufung großer Reichthümer in wenigen Händen nicht gntgeheißen wer¬ den könne, dass der Rückgang im Bauern- und Bürgerstande nnd die Vermehrung der Zahl besitzloser Arbeiter sehr beklagt werden müsse, dass man es da aber nun¬ mehr mit gegebenen Thatsachen zu thun habe, denen wohl oder übel Rechnung getragen werden müsse, weil es nicht an¬ gehe, den reichen Leuten ihr Vermögen — gleichviel ob ererbt, erworben oder ge¬ macht — mit Gewalt abzunehmen. Fer¬ ner könne der ungeahnte Fortschritt in der Industrie und Technik mit den vielen billig arbeitenden Maschinen nicht ans der Welt geschafft werden, wie auch uicht daran zu'denken fei, die großen Fort¬ schritte im Verkehrswesen, etwa die Eisen¬ bahnen und Wasserstraßen, zu sperren, 6 damit der Preis unserer Erzeugnisse nicht durch die Einfuhr fremder herabgedrückt werde! Es wird also das Vorhandensein wirtschaftlicher Schäden zugegeben, diesem Eingeständnisse aber hinzugefügt, dass sich dagegen nichts machen lasse, indem man nicht Gewalt anwenden und Fort¬ schritte zerstören könne, sich also mit den bestehenden Verhältnissen so gut als möglich abfindeu und nur trachten müsse, durch Hebuug der Bildung des Volkes seine Leistungsfähigkeit zu steigern und selbes so dem Einflüsse der Bewucherung aller Art zu entziehen. Wenn dieser Standpunkt auch von keinem ernst denkenden, etwas weiter als von heute auf morgen blickenden Volks- maun gctheilt werden kann, so bietet er immerhin schon einen Fortschritt gegen die frühere Leugnung vorhandener Schä¬ den, und man kann sich daher wenigstens in eine nähere Erörterung einlassen und bemüht sein, die Anhänger des «Leilassen- thums» zu weiterem Nachdenken zu be¬ wegen. Vor allem ist es da nothwendig, die gerade in neuerer Zeit so vielfach vor¬ geschobene nnd mit großem Nachdruck vertretene Ansicht, als reiche eine bessere Bildung des Volkes allein für die Be¬ seitigung aller wirtschaftlichen Schäden hin, auf ihren richtigen Wert zurück¬ zuführen ; denn so gewiss es außer allem Zweifel steht, dass die Hebung der Bil¬ dung des Volkes eine unverkennbar hohe und sehr wichtige Aufgabe aller Volks- frennde stets war und auch fortan blei¬ ben wird, ebensosehr wäre es gefehlt, von der Bildung allein alles Heil der Menschheit und zuvörderst den nationalen Bestand der Deutschen in Oesterreich zu erwarten. Würde die Bildung allein ein Heil¬ mittel für alle Wunden und eine un¬ überwindliche Schntzwehr gegen das Herandrängen unserer nationalen Gegner sein, so würden die wirtschaftlichen Schäden nicht fortwährend sich gesteigert nnd heute eine recht bedenkliche Höhe erreicht haben, nachdem für die Bildung des Volkes in den letzten zwei Jahrzehnten doch manches gethan und erst kürzlich der zwanzig¬ jährige Bestand des Reichsvvlksschulgesetzes gefeiert wurde, man es also bereits mit Volksschichten zu thun hat, die ans der Neuschule hervorgegangen sind. — Der Rückgang der Deutschen in Oesterreich, die großen Verluste, die wir in gemischt¬ sprachigen Ländern zu verzeichnen haben, der Fall der Städte Prag, Pilsen, Laibach n. a. m. würde die Deutschen nicht ge¬ troffen haben, wenn höhere Bildung allein zur Vertheidignng der innegehabten Stellung genützt Hütte. Es ist nur eine Verzerrung der großen und erhabenen Aufgabe der Hebung der Bildung des Volkes, wenn man dem¬ selben fortwährend eine Art Wunder- wirkung von der höheren Bildung vor¬ predigt, da nichts gefährlicher für eine gute Sache ist, als wenn die Erwartungen bezüglich ihrer zu hoch gespannt werden! Vorhandene Thatsachen müssen aller¬ dings anerkannt und berücksichtiget wer¬ den, und es denkt gewiss auch niemand, dem ein geordneter Bestand nnd eine naturgemäße weitere Ausgestaltung des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens am Herzen liegt, daran, eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch Gewalt- thaten herbeiführen zu wollen. Auch die Fortschritte in der Industrie und Technik, die bedeutende Ausdehnung des Verkehrs¬ wesens sollen keinesfalls gehemmt, sondern sachgemäß weiter gesteigert und vervoll¬ kommnet werden. Allein alles das hindert nicht die Herbeiführung einer vernünftige r e n Wirtschaftsordnung, welche es mög¬ lich macht, alle Volksschichten und na¬ mentlich die arbeitenden Stünde an dem Fortschritte auf allen Gebieten in an¬ gemessener Weise theilnehmen zu lassen, was eben heute ganz entschieden nicht der Fall ist. 7 Und so lange, als das nicht erreicht sein wird, bleibt das viele Gefasel von der Veredlung und Verfeinerung der Sitten, von dem Jahrhundert der Menschen¬ freundlichkeit u. dgl. schone Worte mehr leeres Geschwätz, ganz darnach angethan, denkende Menschen und die breiten Schichten des Volkes zu verbittern und Hetzern in die Arme zu treiben, da den Mann im Arbeitskittel und Bauernrock nichts mehr ärgern und aufregen kann, als wenn er gewahr wird, dass er eigentlich doch der Geprellte ist, indem die Früchte, die der Baum des viel gepriesenen Fortschrittes und der großen Menschenfreundlichkeit zeitigte, ganz anderen als den arbeitenden Stünden in den Schoß fallen. Entsprechend unserer Zeit der Viel¬ rednerei und Vielschreiberei, aber des geringen Ernstes zum thatkrüftigen Ein¬ greifen überall dort, wo es sich ernstlich um die Förderung des wirtschaftlichen Wohles der arbeitenden Stünde handelt, haben sich nun auch eine Anzahl Redner nnd Schreiber in den letzten Jahren gefunden, die sich mit der sogenannten Losung der socialen Frage befassten, worunter inan die Aenderung unserer derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaft¬ lichen Verhältnisse zusammenzufassen pflegt. Es würde zu weit führen, wollten wir auch nur auf eineu Theil dieser Reden und Schriften näher eingehen, da ihr Umfang schon ein sehr bedeutender geworden ist. In der Hauptsache lassen sic sich in drei Gruppen eintheilen. In der ersten und bedeutungsvollsten derselben sind Männer von Geist, klarem Blicke, großer Voraussicht, aufrichtiger und uneigennütziger Liebe zn ihrem an¬ gestammten Volke vertreten, die mit der Macht vollster Ueberzeugnng als Prediger für die unbedingte Nothwendigkeit einer weitausgreifenden Aenderung unserer Wirtschaftsordnung sich cinsetzen nnd da¬ durch auch schon manches, namentlich in Deutschland, erreicht haben. Tie zweite Gruppe ist der ersten in Hinsicht der Eudabsicht zumeist völlig entgegengesetzt. — Es fehlt ihr nicht an Männern von Geist, die Helden der Feder und Schönrednerei sind, aber mit der Voraussicht und Aufrichtigkeit ist es iu dieser Gruppe zumeist nicht besonders gilt bestellt, da den ersten Platz iu der Regel die Selbstsucht einnimmt. Die dritte Gruppe endlich ist aus verschiedenen, zumeist unklaren Leuten und Schwachköpfcu zusammengewürfelt, wovon die einen dies, die anderen das, alle zusammen aber ein «Nichts» wollen. Ihre Forderungen und Vorschläge be¬ wegen sich in der Regel außerhalb der Grenzen des erreichbar Möglichen, Ver¬ nünftigen und Zweckmäßigen. Solche Leute bereiten der ersten Gruppe manchen Kummer und manche Sorge, während sie der zweiten eine willkommene Handhabe bieten, der großen Menge unter Hinweis auf die unklaren, überspannten und unerfüllbaren Forderungen plausibel zu machen, dass man unter solchen Um¬ ständen endlich und schließlich am besten thue, sich mit der Aenderung unserer heu¬ tigen Verhältnisse gar nicht ernstlich zu befassen und nutzlos Zeit zu verlieren, denn das Bestehende sei einer zweifel¬ haften Neuerung doch vorzuziehen, wobei natürlich ihre größte Sorge das eigene Ich bildet. Im großen Ganzen bewegen sich die allerdings nicht selten sehr unklaren und weitverzweigten Vorschläge zur Besserung der Lage der arbeitenden Stände und Aenderung unserer geltenden Wirtschafts¬ ordnung darin, dass die einen alles Heil von der Staatshilfe, die andern aber von der Selbsthilfe erwarten, während man von einein vernünftigen und sach- gemüßenHandinhandgehenbeider Richtungen, leider Gott! häufig nichts wissen will. Und doch liegt unserer vollsten, auf vielfache Erfahrungen gestützten Ueber- zengung nach gerade in einem gesunden 8 Zusammenwirken dieser beiden Richtungen die beste Gewähr, nicht nur am ehesten zn einer Besserung in den breiten Schichten des Volkes zu kommen, sondern dieselbe ohne gewaltige Erschütterung auch nach¬ haltig entwickeln, sachgemäß erweitern und dauernd gestalten zu können. Das Eingreifen des Staates oder die Staatshilfe wird in mannigfachster Weise vorgeschlagen und gefordert. Am weitesten gehen die Socialisten, welche den Staat zum einzigen Arbeitgeber erheben und zum Bürgen für das von ihnen in An¬ spruch genommene Recht auf Arbeit aus¬ gestaltet wissen wollen. So lange die Anhänger dieser Lehre ans nationalem Boden sich bewegten, fanden sich hervorragende Lehrer und Vertheidiger, die für sie, insbesondere in Deutschland, in Wort und Schrift kräftig cintraten. Leider aber haben die So- eialisten diesen Boden schon vor bald 15 Jahren immer mehr verlassen, nm sich der internationalen und vaterlands¬ losen Socialdemokratie in die Arme zu werfen und Richtungen zu verfolgen, die gerade vom Standpunkte der Interessen der arbeitenden Stände am meisten zn beklagen sind, weil das Ganze auf unerreichbare Hirngespinste hiuausläuft und nur geeignet ist, Staat und Gesell¬ schaft zn erschüttern, ohne die gestaltende Kraft und den sittlichen Ernst zu einem haltbaren Neuaufbau zu besitzen. Der Hauptirrthum der Socialisten, welche ihren Jdealstaat wohl kaum jemals erstehen sehen dürften, erscheint in der Annahme einer urbildlichen Gleichheit aller Menschen und der dadurch bedingten Verneinung aller Besonderheiten der Na¬ tionen und Einzelwesen. Mit der Auf¬ hebung des Eigenthums Einzelner und Einführung eines Gesammtbesitzes oder Eigenthums aller Güter glauben diese Leute nicht nur alle bösen Triebe und Verschiedenheiten der Angehörigen einer und derselben Völkergemeinschaft, sondern überhaupt aller Völkerschaften der Welt beheben zu können; eine Ansicht, mit der sich weiter ernstlich zu beschäftigen wohl kaum verlohnt, weil es ja auf der Hand liegt, dass sie in Wirklichkeit gewiss nicht zntreffen würde. Trifft aber diese grundlegende Ansicht und Voraussetzung nicht zu, so fällt das ganze Gebäude des socialdemokratischen Jdealstaates von selbst. Das eine Gute hat der Socialismus aber dennoch gehabt, dass er wesentlich dazu beigetragen hat, Staatsmänner und Volkswirtschaftslehrer, ja selbst viele sonst gleichgiltige Schichten des Volkes für die traurigen Verhältnisse der arbeitenden Stände zu interessieren. Bei näherer Prüfung und reiflicher Ueberlegung wurde mau sich endlich auch klar, dass in der That vieles faul und die bestehende Gesellschafts- und Wirt¬ schaftsordnung einer Aenderung sehr be¬ dürftig sei. Dass man aber den Socia¬ listen auf ihrem Weg zur iuternationaleu und vaterlandslosen Socialdemokratie trotz¬ dem nicht folgen konnte, erscheint be¬ greiflich, weil niemand, dem sein Volk und Vaterland heilig ist, mit Leuten gehen kann, die beides verleugnen. So entstand nun der Staats - Socia¬ lismus, mit welchem Namen man das Bestreben belegte, den Staat als den Schützer des Schwachen und Sorger für den kranken, krüppelhaften und arbeits¬ unfähigen Arbeitsmann aufznstellen. Die Heimat dieses edlen Strebens ist Deutsch¬ land, und hat dasselbe die erste greifbare Form angenommen in der denkwürdigen Botschaft des greisen Kaisers Wilhelm I. vom 17. November 1881. In Oesterreich ahmt man diesem schöne Streben Deutschlands nach, und es wäre gewiss nur lebhaft zn wünschen, dass der einmal betretene und als richtig erkannte Weg gesellschaftlicher Umge¬ staltung nicht mehr verlassen, sondern, zwar ohne Ueberstürznng, aber mit allem Ernst und Nachdruck weiter verfolgt und ausgebaut werde, denn das Feld, welches 9 dieser Thätigkeit vorliegt, ist ein großes und weitverzweigtes und für das Wohl von Volk und Staat ein sicherlich sehr lohnendes. Allein wenn hier dem Eingreifen des Staates und der Staatshilfe auch zweifel¬ los ein großes, heute noch kaum zu über¬ blickendes Feld der Thätigkeit eröffnet erscheint, das bei gutem Ausbau und richtiger Handhabung die besten Früchte zu zeitigen verspricht, so geht es gleich¬ wohl nicht an, dass wir dieserhalb die Hände in den Schoß legen und alles vom Staate und seinem Eingreifen erwarten, sondern im Gegentheil, gerade der Umstand, dass der Staat sich endlich anfznraffen beginnt, der Pflicht als Schützer und Sorger seiner am meisten bedrohten Angehörigen gerecht zu werden, muss uns aneifern, auch selbst nicht mehr müßig zu sein, indem das Ver¬ lassen der alten Richtung Gewähr dafür zu bieten verspricht, dass der Staat in Hinkunft gegenüber dem Verlangen nach Schutz der ehrlichen Arbeit sich nicht mehr so gleichgiltig verhalten wird, als dies bisher der Fall war. Das eigene Streben und die selbst¬ ständige Thätigkeit in Bezug der Besserung der bestehenden Verhältnisse erscheint umso uvthwendiger, als der Staat vorerst nur die Kreise der besitzlosen Arbeiter in den Bereich seiner fürsorglichen Thätigkeit ein- bezogeu hat, während die übrigen Gruppen der arbeitenden Stünde einer gleichen oder ähnlichen Fürsorge -nicht nur noch ent¬ behren, sondern durch die bisherigen Ma߬ nahmen theilweise sogar belastet wurden. Es darf ferner nicht übersehen werden, dass der Staat auf der Bahn gesellschaft¬ licher Besserung nur langsam vorgeht, da selbst im geeinten Deutschland große Hindernisse zu bewältigen waren und noch sind. In Oesterreich liegen die Verhältnisse in Anbetracht der vielen verschiedenen Völkerschaften dieses Staates und des großen Einflusses der Geldleute noch viel schwieriger, daher auch gar nicht abzusehen ist, wann endlich der vom Staate betretene Weg der gesellschaftlichen Rege¬ lung so weit gediehen sein wird, dass er alle Kreise der arbeitenden, Güter er¬ zeugenden Stände in den Bereich seiner ausgleichenden und fürsorglichen Thätig¬ keit einbezogen haben wird. Und gut ist es, dass da nur langsam und mit reiflicher Ueberlcgung vorgegaugen wird, denn nichts wäre für die Gestaltung einer dauernden Besserung der wirtschaft¬ lichen Verhältnisse der breiten Schichten des Volkes durch das Eingreifen des Staates gefährlicher, als wenn Ueber- eilungen begangen und so den lauernden Gegnern eine willkommene Handhabe zu wirksamen Angriffen geboten werden würde. Wir dürfen weiters nicht vergessen, dass man vor noch nicht vielen Jahren dem Staate nicht nur alle Berechtigung zum regelnden Eingreifen in das wirt¬ schaftliche Getriebe seiner Angehörigen, sondern auch die Fähigkeit, selbst Güter zu erzeugen, Grund und Boden zu ver¬ walten und Handel zu treiben, ganz und gar abgesprochen hat und es leider auch gelungen ist, die regierenden Kreise zu bethöreu und dafür zu gewinnen, den Staat zum bloßen Nachtwächter zu er¬ niedrigen, der im Innern nur Polizei- dieuste zu versehen und dafür zu sorgen habe, dass das freie Spiel der wirt¬ schaftlichen Kräfte oder richtiger die rück¬ sichtslose Ausbeutung des Schwachen durch den Starken keine Beeinträchtigung erfahre. Dieser Lehre entsprechend, hat der Staat Eisenbahnen verkauft, Berg- und Hüttenwerke verschachert, Grundbesitz ab- gestoßen nm Preise, die auch nicht an¬ nähernd dem wirklichen Wert entsprachen, während nun wieder umgekehrt vor¬ gegaugen werden soll und in Hinsicht des Verkehrswesens auch bereits vorgegangen wird, wobei allerdings der Unterschied zutage tritt, dass der Rückkauf nicht 10 etwa unter oder auch nur znni wirklichen Werte, sondern zumeist mit einem Preise geschieht und auch fernerhin wird geschehen müssen, der den thatsächlichen Wert nicht selten ganz beträchtlich übersteigt, wo¬ durch der Staat doppelt geschädigt erscheint. Diese Schädigung würde aber umso großer werden, je rascher der Rück- und Neuankauf erfolgen würde, daher sich eine Uebereilnng auch dieserhalb nicht empfiehlt. Gegen ein allzurasches Vorgehen in der Verstaatlichnngsthätigkeit spricht über¬ dies noch der Umstand, dass der Staat für den vermehrten eigenen Betrieb von Verkehrsanstalten und Industrie-Unter¬ nehmungen sowie für die Verwaltung von Grund und Boden sich erst wieder wird eiurichten müssen, wobei das Hauptgeivicht wohl darauf zu legen sein wird, dass mau nicht wieder in den alten Fehler zu großer Starrheit und Verknöcherung verfällt, sondern größtmöglichste Beweglich¬ keit und Einfachheit in den Organismns bringt, widrigenfalls sehr zu befürchten steht, dass die ans die Verstaatlichnngs¬ thätigkeit gesetzten Hoffnungen unerfüllt bleiben. Alles das braucht aber seine Zeit, und das Volk will vorerst sehen, welche Früchte sich durch die Ausbreitung des Staatsbetriebes einstellen werden. Endlich mag man eifriger Anhänger des Staatsbetriebes sein und die besten Erwartungen vom Wollen und Können desselben hegen, das Eine steht jedoch trotz alledem außer Zweifel, dass der Staat wohl kaum jemals jene Beweglichkeit und Raschheit in seinen Entschließungen wie Einzelpersonen zu erreichen vermögen wird, ivas nicht selten von ausschlag¬ gebender Bedeutung im wirtschaftlichen Leben erscheint. Der Staat bewegt sich im großen Ganzen innerhalb eines gewissen Rahmens; er wird ein gewisses maschinenmäßiges Vorgehen nur schwer abstreifen, daher auf besondere Eigenschaften, geistige und körperliche Tüchtigkeit, großen Fleiß, Ge¬ schicklichkeit und Ausdauer in der Regel nur wenig Rücksicht nehmen können, während für den Fortschritt und das Streben der Erreichung größtmöglichster Vollkommenheit doch ein Ansporn vor¬ handen sein soll, und jene Volksgemein¬ schaft wird jedenfalls die größte Stufe der Vollkommenheit erreichen und am wohlsten sich befinden, der es gelingt, Einrichtungen zu treffen, die der Ent¬ faltung der geistigen und körperlichen Tüchtigkeit die geringsten Hindernisse be¬ reiten, dabei aber dafür sorgt, dass die Früchte der ehrlichen Arbeit den that- krüftig betheiligten Personen und der Gesammtheit, nicht aber einzelnen Schma¬ rotzern zugute kommt. Für gewisse Betriebe, wie das Ver¬ kehrs-, Bersichernngs- und Bankwesen n. dgl. nur im großen Stile zu führende Geschäfte, wo die Beweglichkeit und das Fassen rascher Entschlüsse nicht so sehr ins Gewicht -füllt, als im Kleinbetriebe und vornehmlich im Gewerbewesen, eignet sich der Staat allerdings besser, als irgend eine Einzelunternehmuug, woraus aber nur neuerdings die Richtigkeit des Volks¬ spruches, dass sich nicht gut alles über einen Leisten schlagen lasse, eine Bestäti¬ gung erfährt. Der Staatssocialismns soll daher den Weg vernünftiger Entwicklung und Ver¬ vollkommnung weiter wandeln, er soll nicht unüberlegt gehemmt, noch auch zur Ueber- eilung angetrieben werden; keine Zeit aber sollte in der Ergreifung entsprechender S e lb st h ilfe überall dort verloren werden, wo sie empfehlenswert erscheint und Aus¬ sicht auf Erfolg hat. — Darüber, wie und wo nun die Selbsthilfe cingreifen soll, gehen die Meinungen fast noch mehr auseinander, als in Bezug des Eingreifens des Staates und der Staatshilfe. Vor allem begegnen wir hier wieder jenen Schwärmern, die in der Hebung der Bil¬ dung des Volkes das einzige Mittel zur Besserung der heutigen Zustände nach n jeder Richtung hin erblicken nnd glauben, genug gethan zu Huben, wenn sie bei jeder geeigneten und ungeeigneten Gelegenheit die Hebung der Bildung uls etwas Un¬ fehlbares, als etwas für alle vorhandenen Nebel Wirksames, kurz als alleinselig¬ machendes Mittel anpreisen. In Bezug der Frage, ob Staatshilse oder Selbsthilfe, befinden sich diese Lente in einer Zwitterstellung, indem sie das Schulwesen und vor allem den öffent¬ lichen Bvlksnnterricht, gewiss mit vollem Rechte, als in den Wirkungskreis des Staates gehörig hinstellen und in dieser Hinsicht das Eingreifen des Staates in das Selbstbestinnnungsrecht der Familie im Interesse der Allgemeinheit vollends gerechtfertigt anerkennen, während sie in allen übrigen, vornehmlich wirtschaftlichen Fragen, welche die Allgemeinheit oft nicht minder als das Schulwesen interessieren, stets von dein Rechte der Selbstbestimmung nnd der Freiheit der Person lärmen und nicht nur das Eingreifen des Staates, son¬ dern selbst eine geregelte genossenschaftliche Selbsthilfe ablehnen mit der Begrün¬ dung, dass, sobald sich die Bildung des Volkes gehoben, sich ja alles von selbst in der vollkommensten Weise machen werde. Wie irrig diese Auffassung ist, haben wir zwar schon oben hervorgehoben und an thatsächlichen Vorkommnissen nach- znweisen versucht; allein in Anbetracht der Tragweite dieser Angelegenheit möge es gestattet sein, neuerdings nnd aus¬ führlicher darauf einzugehen, zumal man eine wirklich große und für das Wohl des Volkes wertvolle Schöpfung nie genug vor nachtheiligen Vorkommnissen zu schützen vermag. Bei vvrnrtheilsloser Beobachtung der Vorgänge im Volksleben in den verschie¬ densten Gesellschaftsschichten wird man immer und immer wieder zu dem Schlüsse kommen, dass Fehltritte, Ausschreitungen nnd Abirrungen vom richtigen Lebens¬ wege im großen Ganzen nicht so sehr von Bildung oder Unbildung, sondern von deni Unvermögen, nothwendige oder eingebildete Bedürfnisse befriedigen zu können, abhängen, daher also weder in der Hebung der Bildung noch Förderung der Unbildung allein die Grundlage eines geordneten nnd gesicherten Lebens sowie der Bestand nnd das Gedeihen der Nation und des Staates zu suchen sein wird. Diese Grundlage wird sich viel¬ mehr am ehesten in g e o r d n e t e n wi r t - schaftlichcn Verhältnissen finden lassen, weshalb die wirtschaftliche Kräftigung die erste und nothwen- digste Aufgabe aller organisierten Volksgemeinschaften ist. Erst eine möglichst fest und tief ge¬ legte wirtschaftliche Kräftigung aller Glie¬ der wird den Ban vor Stürmen zu schützen vermögen nnd die beste Aussicht auf eine gesunde, kräftige nnd nachhaltige Weiter¬ entwicklung gewähren. Gute nnd verstän¬ dige Schulbildung wird erst auf Grund geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse befriedigende Früchte zeitigen, nicht aber umgekehrt. Man wird mir zwar entgegenhalten, dass eine bessere Bildung das Volk leistungsfähiger und gegenüber der Aus¬ beutung und der Bewucherung auch widerstandsfähiger mache, demnach in der Hebung der Bildung eigentlich der An¬ fang der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu suchen sei. An sich be¬ trachtet, scheint das allerdings zutreffend zu sein; allein der wirkliche Wert dieser Lehrmeinung ist in Anbetracht der in Uebung stehenden Wirtschaftsordnung für die arbeitenden Stände völlig belanglos; denn was nützt die größere Leistungs¬ fähigkeit, wenn die Früchte derselben weder direet dem, der sie erzeugt, noch indirect dem Volke oder dem Staate, dem der arbeitende Genosse angehört, sondern zumeist Schmarotzern in die Tasche fallen, die offen oder versteckt im Hinter¬ gründe der ehrlichen Arbeit ihr Spiel treiben! Was nützt ferner die vermeint¬ liche, durch bessere Bildung erreichte 12 Widerstandsfähigkeit gegen Ausbeutung nnd Bewucherung, wenn die ganze Wirt¬ schaftsordnung mit ihrem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte auf Ausbeu¬ tung und Bewucherung der arbeitenden Stünde hinanslünst, gegen die sich der Gebildete, wenn er auf Ehre und Ge¬ wissen hält, ebensowenig als der Un¬ gebildete zu schützen vermag? Nehmen wir zwei Fabriksbesitzer an, die unter gleichen örtlichen Verhältnissen arbeiten nnd dieselben Güter erzeugen, von denen einer nicht nur freigesprochencr Techniker nnd Handelsschüler ist, sondern sich auch die Urkunde eines Rechtsanwaltes erworben hat, also gewiss eine umfassende Bildung besitzt und all sein Können mit eisernem Fleiße und größter Ehrlichkeit ans die Herstellung der besten und voll¬ kommensten Ware, im vollen Maß nnd Gewicht und zu dem müßigsten Preise aufwendet und sich unter eigener Ent¬ sagung bemüht, Beamte und Arbeiter menschenwürdig zu behandeln und best¬ möglichst zu bezahlen, während der andere selbst einer ordentlichen Volksschnlbildnng entbehrt, dafür aber die Gabe besitzt, es mit der Güte der Erzeugung, dem vollen Blaß nnd Gewicht nicht besonders genau zu nehmen nnd überdies des Talentes nicht entrathet, Beamte und Arbeiter- möglichst kurz zu halten und ihnen ab und zu diesen oder jenen Verdienst unter irgend einem stichhältigen oder auch un- sti'chhältigen Vorwand abzuzwicken, so ist hundert gegen eins zu wetten, dass bei einer solchen Entfaltung des freien Wett¬ bewerbes nicht der erstere mit der um¬ fassenden Bildung, sondern der letztere trotz völligen Mangels an Schulbildung die Palme des Sieges davontragen wird. Dasselbe wird der Fall sein zwischen zwei Kaufleuten von verschiedenem Bil¬ dungsgrad nnd geschäftlichen Grundsätzen; und nicht anders wird der Ausgang eines solchen Wettbewerbes auch bei Ge¬ werbetreibenden und Handwerkern zn- treffen. Wohl wird der gebildete nnd ehrliche Geschäftsmann das Vertrauen ans den endlichen Sieg der guten Sache nicht alsbald verlieren, allein die Ent- mnthigung kann nicht ansbleiben, wenn er sieht, wie sein Gegner mit all den leichten Grundsätzen, die oft den Auf¬ wand aller Geriebenheit bedurften, um sich nicht in den Maschen unangenehmer Gesetze zu verstricken, zu Vermögen und damit auch zu äußeren Ehren kommt, ja selbst als Vertrauensmann in die Reihen verwaltender und gesetzgebender Körper¬ schaften emporsteigt und sich schließlich im Glanze eines Wvhlthäters und Volks¬ mannes sonnt, während man über den Niedergerungenen die Achseln zuckt und ihn im besten Falle ob seiner -Unbe¬ holfenheit» bemitleidet. Wenn allenthalben in dem Bestreben der Hebung der Bildung des Volkes sich Leute znsammenfindeu, die sonst wenig Gemeinsames haben, so braucht man sich darob keinesfalls zu wundern oder etwa zu glauben, dass alle gleich edle Ab¬ sichten verfolgen. Gewiss gibt es viele, die aus reinster Liebe zum Volke und in vollster Aufrichtigkeit gegen dasselbe sich für die Hebung der Bildung ein- setzen; allem auch die Zahl derer ist nicht allzu klein, die in der Hebung der Bil¬ dung nur ein Mittel erblicken, welches neuerdings gute Früchte für sie abwerfen solle; denn je gebildeter und tüchtiger die Arbeiter nnd die arbeitenden Stände überhaupt sind, desto mehr — so rechnen diese Leute — werden sie leisten und Voll¬ kommeneres hervorznbringcn vermögen, wodurch dem freien Wettbewerb, der im Laufeder letzten Jahre schon manches Gebiet ganz abgegrast und unlohnend gemacht hat, wieder neues Leben zugcsührt und somit neuer Verdienst herausgeschlagen werden könne, zumal es bei der bestehenden Wirt¬ schaftsordnung keinem Zweifel unterliegt, dass der Nutzen in der Hauptsache immer und immer wieder jenen Leuten znfallen werde, die im Hintergründe ihr Spiel mit der Arbeit des Volkes treiben. 13 Ein Umstand von nicht zu unter¬ schätzender Tragweite kommt bei dieser Rechnung freilich noch in Betracht zu ziehen, u. zw. der, dass füglich im selben Verhältnis, als die Bildung im Volke zu¬ nimmt, auch der Gedanken- und Gesichts¬ kreis desselben sich erweitern wird und die Leute endlich darüber nachzudenken beginnen werden, wie es denn komme, dass die Früchte der Arbeit in viel größerem Maße zumeist anderen als jenen, die sie leisten, znfalleu; — ob es denn so sein müsse, wo und wie denn da eine Besserung angebahut und herbei¬ geführt werden könne! Die verwegenen Spieler mit der Arbeit und ihren Früchten setzen sich darüber allerdings leicht hinweg, denn nach ihren Begriffen dürfe das Volk solche Gedanken weder hegen noch pflegen, und wenn das dennoch vorküme oder wohl gar der Ver¬ such gemacht würde, eine Aenderung, wenn auch in ruhiger Weise und ohne Abirrung vom gesetzlichen Wege, ernstlich herbeiznsühren, so habe ja der Staat Polizei Md Bajonette, nm solche Empörer zu züchtigen und unschädlich zu machen. Denn so sehr sie von Freiheit und Fort¬ schritt schreien, wenn es sich nm die schrankenlose Ausbeutung der arbeitenden Stände handelt, und jeden als Rück¬ schrittler und Pfaffenknecht verdonnern, der es da wagt, von einer Aenderung zu sprechen, so schnell haben sie die Freiheit und den Fortschritt in die Rumpelkammer geworfen, wenn es gilt, Strömungen zu unterdrücken, die ihrem Geldbeutel und ihrer Genusssucht unangenehm zu werden drohen. Es ficht sie wenig an, dass der Beruf des Staates denn doch ein anderer ist, als die grenzenlose Selbstsucht einer Kaste mit aller Macht zu schützen, wie sie sich auch nicht darum kümmern, dass die Bajonette eigentlich zu was anderem da sind, als sich auf Wunsch der Specnlanten und Spieler gegen die eigenen Staats¬ angehörigen zu wenden. Nun beginnen sich aber Anzeichen ein¬ zustellen, die darauf hindeuten, dass einer¬ seits der Staat, wenn auch langsam , so doch merkbar, sich immer mehr seiner Aufgabe als Schützer aller Angehörigen und Ausgleicher der wirtschaftlichen Gegen¬ sätze bewusst zu werden anfängt, während anderseits auch das Volk mehr zu über¬ legen beginnt, nicht blindlings und in ungestümer Weise Forderungen stellt, über die sich ernstlich kaum reden lässt und an deren Erfüllung die Förderer oft selbst kaum glauben. Dieses allmähliche Uebergehen in ver¬ nünftige Bahnen kann aber bei ruhiger und zielbewusster Verfolgung den kühlen Rechnern, die in allem und jedem nur ein Mittel zur Herausschlagnng eines ansehnlichen Profitchens erblicken, vielleicht doch einen Strich durch die Rechnung machen, welche sie anfstellten, als sie sich entschlossen hatten, in die Forderung der Hebung der Bildung mit einzustimmen, um sich so ihren, wenn auch fadenscheini¬ gen, freiheitlichen und fortschrittlichen An¬ strich zu wahren. An der Besserung, die in dieser Hinsicht in Aussicht steht, nimmt der Fortschritt und die Ausbreitung der Bildung und Aufklärung sicherlich den größten Antheil, daher die Hebung der Bildung des Volkes in der Anstrebnng und Herbeiführung einer endlichen Besse¬ rung unserer heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse gewiss die kräftigste Unterstützung und Förderung nach jeder Richtung hin vollends verdient; nur darf diese — die Hebung der Bil¬ dung allein — nicht als ein für alle Schäden wirksames Mittel hingestellt werden, wie das leider so häufig und gewiss nicht zum Vortheile der Schule geschieht. Es darf nicht übersehen werden, dass der Natur der Sache nach die Hebung der Bildung des Volkes nur ein Glied und nicht die' Kette selbst, welche wir zu bauen haben, bilden kann, denn so hoch man auch die Rolle, die sie in dem Kampf um die Herbeiführung besserer 14 wirtschaftlicher Verhältnisse zu spielen hat, bemessen mag, so steht es doch fest, dass ohne die Mithilfe anderer Theile, die da noch einzngreifen haben, mit der Hebnng der Bildung allein im großen Ganzen nichts Wesentliches in der Besserung unse¬ rer heutigen Zustande erreicht werden kann. Dem Wohle des Volkes, dem Be¬ stände der Nation und des Staates aber weitaus gefährlicher als die Schwärmer, welche durch die Hebung der Bildung des Volkes alle Schäden zu heilen ver¬ meinen, sind jene Leute, die der Ein- schrünkung und Znrückschraubung der Bil¬ dung das Wort reden, offen und geheim dafür wühlen, dass der Staat die Schule ihrem Schalten und Walten preisgebe und als den Punkt, wo die S e lb st h ilfe zunächst einzngreifen habe, die Schaffung einer Vereinigung bezeichnen, deren Haupt¬ aufgabe die Ausrottung aller Aufklärung und jedes selbständigen Denkens wäre. Kann man auch in das allzu laute Geschrei von dem übergroßen Werte der Hebnng der Bildung des Volkes für die Allgemeinheit und die Anpreisung der¬ selben als Allheilmittel nicht einstimmen und vor Uebertreibuug um der Sache selbst willeu uie geuug warnen, und sind es überdies nicht immer lautere Beweg¬ gründe, die znm Anschlüsse an dieses überspannte Treiben führen, so steht das¬ selbe in Hinsicht der Gefahr, die daraus dem Wohle des Volkes und dem wahren Fortschritte erwachsen kann, doch in gar keinem Verhältnisse zu dem Bestrebe» der Einschränkung und Znrückschraubung der Bildung des Volkes. — Die Ueber- spanntheit wird nachlassen und Nüchtern¬ heit an dessen Stelle treten. — Den Leuten mit unlauteren Beweggründen dürfte die Verwirklichung ihrer Absichten immer schwerer werden, da das Volk nach und nach denken und urtheilen lernt, wie es schließlich auch nicht zn übersehen ist, dass man einem ans höherer Bildungs¬ stufe stehenden Volke leichter als einem anderen Aufklärung über irrige und über¬ spannte Lehrmeinungen wird beizubringcn vermögen. Was aber soll man mit Leuten, vornehmlich in so schwieriger Zeit, als es die jetzige für das deutsche Volk in Oester¬ reich jedenfalls ist, anfangen, die jeder gründlichen, dem Geiste und den Bedürf¬ nissen des Volkes angemessenen Schul¬ bildung entbehren und entweder gleich dem Baum im Walde in Wildheit oder in einseitiger Drillung anfwachseu? Eine Selbsthilfe, die solche Aufgaben sich stellt, ist nicht nur verderblich, sondern im hohen Grade eine Versündigung an dem Wohle des Volkes, weil die Verheerungen, die sie in den Reihen desselben anrichtet, sehr- tief und weitgreifend sind, Jahrzehnte, ja Jahrhunderte zu ihrer Behebung brauchen und in mancher Richtung sich überhaupt nicht mehr gntmachen lassen. Lente, die es mit dem Wohle des Volkes ernst meinen, können also hier gewiss nicht mitthun, und die Gesellschaft, die sich da zusammenfindet, ist daher in der Regel zusammengesetzt aus Personen, die infolge ihrer einseitigen Drilllmg und Lebensweise selbst beim bestem Willen außerstande sind, die Bedürfnisse des Volkes vorurtheilslos anfzufassen und darnach ihre Thütigkeit einznrichten, ferner aus Leuten, die mit vollster Berechnung auf die Zurückdrüngnng und Nieder¬ haltung der Bildung des Volkes hin¬ arbeiten, um ihre Herrschergelüste leichter und unbehinderter zur vollsten Geltung bringen zu können, und endlich ans der bedauernswerten, beherrschten Masse selbst. Wie die neuzeitlichen Ausbeuter und Bewucheren des Volkes bemüht sind, ihr Gebaren mit einer wohlklingenden äußern Hülle zu umgeben, wozu sie die schönen und edlen Gedanken von Freiheit und Fortschritt missbrauchen, so unterlassen es auch die Feinde der Bildung und Aufklärung nicht, ihre Pläne mit einem äußern Mantel von hohem Werte und großer Bedeutung für die breiten Schichten des Volkes zu verdecken. Dieser Mantel 1Ö ist nichts geringeres als unsere Religion, die erhabene Lehrerin eines sittlichen Lebenswandels, die Wegweisern: zum Guten und Vermeidung des Schlechten. Die Religion sei in Gefahr, schreien diese Lente, wenn Bildung nnd Aufklärung Fortschritte machen, und sie gebenden sich dabei so, als ob die Religion nur in einem in Unbildung, Dummheit uud Aberglauben befindlichen Volke Wurzel fassen und gedeihen könne. Dunkle Pläne und unbegrenzte Herrschsucht allerdings brauchen solch' einen wilden Boden — niemals aber die wahre Religion. Diese wird sich vielmehr bei richtiger Hege und Pflege in einem Volke mit besserer Bil¬ dung und erweitertem Gesichtskreise nur vertiefen und vervollkommnen. Aber diese Vertiefung und Vervollkommnung, will man eben nicht, weil man dann auch selbst mitthnn müsste. Man müsste ja ans den Klöstern, Burgen und Schlössern hinaustreten unter das Volk; inan müsste den arbeitenden Ständen in ihrem oft schweren Ringen helfen, sie in ihrem Fortkommen werkthätig unterstützen und in aufmunternder Weise fördern, nicht aber noch Opfer, Zeit und Geld von ihnen verlangen. — Die Vermehrung des Besitzes ins Ungemessene müsste ein Ende nehmen nnd der übergroße Verbrauch aller Art eine angemessene Einschränkung erfahren, wodurch Tausenden und aber Tausenden, die heute in der kümmer¬ lichsten Weise sich fortbringen und ein kaum menschenwürdiges Dasein fristen müssen, geholfen werden könnte. Eine solche Handlung würde nicht bloß eine Bethätigung der erhabenen Lehre wahrer Religion, sondern auch ganz darnach an- gethan sein, derselben Tausende neuer An¬ hänger zuzuführen und eine noch größere Zahl Wankelmüthiger, die infolge ihres harten Lebenskampfes das Vertrauen auf Religion uud Gerechtigkeit zu verlieren beginnen, wieder stärken und aufrichtcn. Allein wie die neuzeitlichen Volksans¬ sauger, die ihr gcmeiuschädliches Treiben mit Freiheit uud Fortschritt zu verkleiden suchen, nichts von Freiheit nnd Fort¬ schritt wissen wollen, wenn es sich um ihren Geldbeutel uud darum handelt, diese edlen Dinge vor allem selbst, nicht zn ihre», sondern der Gesammtheit Gunsten zu üben, weichen leider auch die sich wieder stark in den Vordergrund drängenden angeblichen Vertheidiger und Netter der Religion aus, sobald es gilt, selbst mit gutem Beispiele voranzugehen, sich Mäßigkeit nach jeder Richtung hin aufzuerlegen, ihre mehrfach großen Reich - thümer und bedeutenden Einkommen in den Dienst der wirtschaftlich hart be¬ drängten Volks- und Religionsgenossen zn stellen. Von einer Selbsthilfe nach den besprochenen beiden, einander entgegen¬ gesetzten Richtungen hin lässt sich also eine wesentliche Besserung der wirtschaft¬ lichen Verhältnisse der arbeitenden Stände nicht erwarten, und es wirft sich somit die Frage ans, wo also die Selbst¬ hilfe eingreifen und wie sie be¬ schaffen sein soll, nm durch sie die augestrebte Besserung verwirklichen zu können. Bevor auf die Beantwortung dieser Frage näher eiugegangen werden kann, erscheint es nothweudig, zunächst die hauptsächlichsten Auswüchse und Mängel der in Uebung befindlichen Wirtschafts¬ ordnung oder richtiger Unordnung einer Betrachtung zu unterziehen. Die Deckung unserer Bedürfnisse er¬ folgt im allgemeinen durch Erzeuguug, von deren Größe der Wohlstand oder das Elend abhängt. Die Größe der Gesammterzengnng ist bedingt von der Tüchtigkeit und dem Fleiße derer, die daran werkthätigen Antheil nehmen, so¬ wie von dem Stande der Wissenschaft nnd Technik, von der Fruchtbarkeit des Bodens und anderen Einflüssen. Darnach soll also unter sonst gleichen Verhältnissen jene Volksgemeinschaft am wohlhabendsten sein und ihre Glieder am besten sich befinden, die am meisten erzeugt. 16 Das erstere trifft in Wirklichkeit auch zumeist zu, nicht aber auch das letztere. Die in ihrer Gesammtheit auf¬ gefasste reichste Volksgemeinschaft kann die dürftigsten Glieder und im größten Elende lebenden Genossen unter sich haben und hat es auch, wie das die reichen Städte London, Paris u. a. am besten beweisen. Neben großem Reichthum und großer Pracht leben dort Leute in Noth und Elend, wie wir es uns kaum vor¬ zustellen vermögen. Der Reichthum einer Volksgemein¬ schaft bleibt also für das Wohlbefinden aller Glieder derselben so lange völlig belanglos, als die Vertheilung oder An- theilnahme an den vorhandenen Gütern nicht nur eine ungleiche, sondern eine in gar keinem Verhältnis zn den Bedürf¬ nissen der einzelnen Genossen stehende ist. Nachdem nun im allgemeinen der Gesammtwohlstand einer Volksgemein¬ schaft von der Größe der Erzeugung ab¬ hängt, die ihre Mitglieder aufbringen, so sollte man glauben, dass auch die Antheilnahme an dem Werte der Gesammt- erzeugung im selben oder wenigstens ähnlichen Verhältnisse stattfinden werde, als die einzelnen Genossen zur Gesammt- erzeugnng beitragen; der Wohlstand oder das Elend also nur von dem Fleiße, der Geschicklichkeit und Ausdauer oder der Faulheit, Ungeschicklichkeit und man¬ gelnden Zähigkeit, die jeder Einzelne bei der Erzeugung entwickelt, bedingt erscheint. Darnach würde der in Armut und Elend befindliche Genosse gleichzeitig auch den Stempel eines unbrauchbaren Gliedes, das keine Berechtigung zum Dasein hat, an sich tragen, während der Reiche als Muster hoher Arbeitsamkeit und großen Fleißes gelten müsste. Dass dem aber in Wirklichkeit nicht so ist und eher das Gegentheil zntrifft, braucht wohl nicht des näheren erörtert zu werden; unsere Zeit bietet uns Beispiele genug hiefür. Diese nach dem Gesagten der Folge¬ richtigkeit entbehrende Erscheinung kann sich nur einstellen, wenn der bei der Erzeugung verwendeten Arbeit nicht jener verhältnismäßige Antheil an dem Werte der Erzeugung zukommt, der ihr der Natur der Sache nach gebürt. — In der Größe des Unterschiedes zwischen der gebürenden und erhaltenen Antheilnahme an der Gesammterzengung ist sonach der hauptsächlichste Grund zur Anhäufung großer Reichthümer einerseits, der Besitz¬ losigkeit und Armut anderseits gelegen. Da nun Bestand und Stärke jeder Volksgemeinschaft im wesentlichen von der körperlichen und sittlichen Vollkommen¬ heit ihrer Glieder abhüngt und beide ihre hauptsächlichste Stütze nicht so sehr im großen Reichthum Weniger, als in einem mäßigen Wohlstand Vieler, am besten Aller gelegen erscheint, so ist es nur natürlich, dass jede Volksgemeinschaft, insoferne sie ihre Aufgabe richtig erfasst, darnach zn streben haben wird, den Unterschied an gebürender und erhaltener Antheilnahme ihrer Angehörigen an der Gesammterzengung ganz zu beseitigen oder doch auf das möglichst geringe Maß herabzudrücken. Dass die Schaffung einer solchen Ordnung just nicht zu einer leichten Auf¬ gabe gehört, wollen wir gerne zugebeu; dessenungeachtet kann aber gerade vom nationalen Standpunkte aus nicht genug bedauert werden, dass die Deutschen Oesterreichs, als sie die staatliche Macht in ihren Händen hatten, nicht nur gar nichts in dieser Richtung gethan haben, sondern eher der Vergrößerung des ge¬ dachten Unterschiedes Vorschub leisteten, denn durch Festigkeit und Ernst würde sich mit Hilfe der staatlichen Macht un¬ streitig doch vieles haben thun lassen können! Die Verschiedenheit der Erzeug¬ nisse, die vom Bedarf hervorgerufen wird, bringt es mit sich, dass nicht ein und dieselbe Arbeitskraft alle Erzeugnisse her- vvrbringt, die sie braucht, sondern dass eine Arbeit st Heilung platzgreift, die umso größer sein wird, je mannigfacher 17 die Bedürfnisse, je vorgeschrittener Wissen¬ schaft und Technik sind. Die Arbeits- theilung hat aber den Austausch der verschiedenen Erzeugnisse zur Folge, der sich in der mannigfachsten Form abspielt; als die gewöhnlichste nnd ausgebreitetste gilt heute der Handel. Dieser vermittelt den Austausch der verschiedenen Güter, nnd insoferne er sich in Bahnen bewegt, die den Verhältnissen und Bedürfnissen angemessen sind, kann eine begründete Einwendung gegen die Berechtigung des¬ selben nicht drhoben werden. Anders ver¬ hält es sich jedoch, wenn der Handel diese Bahn verlässt — und seine Natur drängt nur zu leicht zu diesem Verlassen. Der Austausch der verschiedenen Er¬ zeugnisse erfolgt der Umständlichkeit hal¬ ber nicht unmittelbar im natürlichen Zu¬ stande, sondern im Wege eines Tausch¬ mittels, u. zw. des Geldes, für welches alle Erzeugnisse zu bekommen sind; der Händler erzeugt also selbst nichts, er ver¬ mittelt nur, u. zw. in der Weise, dass er die hervorgebrachten Güter dem Er¬ zeuger abnimmt, ihn mit Geld entschädigt und sie wieder dem Verbraucher gegen Bezahlung znführt. Der Unterschied, der sich zwischen dem Betrag, den der Ver¬ mittler an den Erzeuger bezahlt, und jenem ergibt, welchen er vom Verbraucher erhält, bildet im allgemeinen den Verdienst des Händlers. Dieser Verdienst ist unter allen Umstünden eine Belastung der Er¬ zeugung und des Verbrauches, die aber erträglich erscheint und selbst nützlich sein kann, so lange die berech¬ tigten Grenzen nicht überschritten werden. Die Überschreitung kann stattfinden, indem der Vermittler die Erzeugnisse zu gering entlohnt nnd an den Verbraucher zu hoch absetzt und sich so einen Verdienst herausschlägt, der in gar keinem Ver¬ hältnis zu seiner Mühewaltung steht. Die Folge eines solchen Vorgehens wird sein, dass der Vermittler auf leichte Weise zu Vermögen kommt, während der Er¬ zeuger in Armut bleibt und selbst bei angestrengter Arbeit, großem Fleiße und Geschick darben muss; denn durch die Handlungsweise des Vermittlers wird der Erzeuger doppelt benachtheilt, einmal, indem ihm derselbe die Früchte seiner Arbeit zu gering entlohnt, und zweitens, weil er — da er selbst ja auch Ver¬ braucher ist — die Güter, welche er nicht selbst erzeugt, den: Vermittler zu hoch bezahlen muss. Nachdem wir es im Leben mit Men¬ schen und nicht mit vollkommenen Wesen zu thun haben, ist es begreiflich, dass der Handel bald als derjenige Erwerbs¬ zweig erkannt wurde, welcher das verläss¬ lichste und sicherste Mittel zur Verkür¬ zung der Erzeuger und Ueberlastnng der Verbraucher, also zur verhältnismäßig mühelosen Ansammlung von Vermögen sei Wenn der Handel und die Ver¬ mittlung in früheren Jahren innerhalb erträglicher Grenzen sich bewegte, so kann das seinen Grund der Hauptsache nach wohl nur darin haben, dass einerseits die Gesellschaft selbst ein wachsames Auge dieser Beschäftigung, die wie keine andere Versuchungen zur Unredlichkeit und Ueber- vortheilung bietet, zuwendete, während anderseits auch die Träger dieser Geschäfte zumeist ihr Bestes dafür einsetzen, den Ver¬ suchungen zu widerstehen und die Reinheit des Gewissens und das Ansehen ihres Standes höher zu stellen, als Geld und Gut. Die kaufmännische Ehre war in diesen Zeiten ein gar sorgsam gehütetes Gut, welches in unseren Tagen an Aus- dehnsamkeit zwar sehr gewonnen, an innerem Wert und innerer Tiefe aber ungleich viel verloren hat. Wohl auf keinem Gebiete des wirtschaftlichen Lebens hat das freie Spiel der Kräfte solche A u swüch s e gezeitigt und Unheil alle r Art gestiftet, als auf dem des Handels und der Vermittlung. Die Gesellschaft hat ihre frühere Achtsamkeit aufgegeben, die Schranken wurden beseitigt, und als oberster Grundsatz galt das «Gewähren- 2 18 lassen». Es war nur natürlich, dass unter solchen Verhältnissen das Gros aller jener Leute auf den Handel und die Vermittlung sich warf, die an der güter¬ erzeugenden Arbeit keinen Geschmack fanden, deren ganzes Umnndanf in der Erschacherung von Geld und wieder Geld aufgeht, denen die einstige Bedeu¬ tung der kaufmännischen Ehre federleicht erscheint, wenn sie ins Geld umge¬ setzt werden kann. Der freie Wett¬ bewerb, hieß es, werde schon Ausgleich schaffen, und der Erzeuger sowohl als auch der Verbraucher könne nur ge¬ winnen, wenn die Zahl der Händler und Vermittler sich vermehre, da daun auch der Wettbewerb sich steigern werde, welche Steigerung nur die Folge haben könne, dass der Erzeuger besser bezahlt und der Verbraucher billiger kaufen werde. Dass die Grenze, innerhalb welcher diese Anschauung Berechtigung hat, eine gemessene ist, leuchtet ein, wenn mau sich gegenwärtig hält, dass, wie wir vorher ausgeführt haben, der Händler und Ver¬ mittler selbst nichts erzeugt, sein Verdienst also unter allen Um¬ ständen eine Belastung der Erzeu¬ gung und des Verbrauches bildet. Lässt sich nun in einem Gebiete eines sesshaften Händlers oder Vermittlers ein zweiter, ein dritter, ein vierter u. s. w. nieder, so kann die erste. Folge Wohl nur die sein, dass der Verdienst, den bisher einer hatte, eine Theilung erfährt. War der Verdienst des einen so hoch, dass er nun zur Deckung der Bedürfnisse aller Hinzugekommenen ausreicht, so liegt kein Grund vor, dass dem Erzeuger oder Verbraucher hieraus ein Vortheil er¬ wachsen solle. Ein solcher könnte sich erst einstellen, wenn der Verdienst des ersteren ein so großer gewesen wäre, dass er mehr betragen haben würde, als die Deckung der Bedürfnisse der neu Hinzu¬ gekommenen erfordert. Das wird aber an und für sich nicht so häufig der Fall sein, und wenn es wirklich zntrifft, so wird der Vortheil, der dein Erzeuger und Verbraucher hieraus erwachsen kann, sicherlich nur ein vorübergehender sein, weil erstens die neu hinzugekommencn Händler und Vermittler sich in der Regel nicht bloß mit der Deckung der noth- wendigcn Bedürfnisse begnügen, sondern darnach trachten werden, womöglich ein Mehr herauszuschlagen, nnd zweitens die Zahl derselben gerade in einem Gebiete, wo noch etwas zu machen ist, sich fort und fort vermehren wird. Trifft es sich nun, dass der bestandene Verdienst des ersten Händlers oder Vermittlers nicht ausreicht, den Unterhalt der Neuhinzu- gekommenen zu decken, was schließlich in allen Gebieten sich endlich einmal einstellen muss, so wird allerdings ein Kampf entstehen, der aber nicht ein Wett¬ bewerb, geführt zugunsten der Erzeuger oder Verbraucher, sondern nur ein Da¬ seinskampf der Händler sein kann, da ja folgerichtig die, für welche der bisherige Verdienst, den der Handel und die Ver¬ mittlung abgeworfen hat, nicht ausreicht, eingehen sollten, freiwillig aber keiner weichen will. Und die Ergebnisse dieses Kampfes? Zuerst wird der Erzeuger gedrückt, dann folgt die Erhöhung des Preises für den Verbraucher. - Doch das reicht ja alles nicht hin, jene Schar zu sättigen, die sich den Handel und die Vermittlung zu ihrem Berufe auserkoren hat, nicht etwa, nm dabei im Schweiße ihres Angesichts den nothwendigen Lebensunterhalt durch Biederkeit und Rechtlichkeitssinn zu finden, sondern um ein hübsches Sümmchen Vermögen, ein sorgenfreies Leben, Wohl¬ stand und Reichthum herauszuschlagen. Man sollte meinen, dass das in An¬ betracht der großen Zahl, die sich dem Handel und der Vermittlung zugewendet haben, ein schweres Stück Arbeit nnd trotz Aufwand aller Mühe nicht werde erreicht werden können. Allein es geht; man muss nur findig sein, man muss die Sache verstehen! Den überflüssigen Ballast 19 kaufmännischer Ehre, Rechtlichkeit n. dgl. altes Rüstzeug mehr kanu man freilich nicht brauchen; doch, was macht das? Diese lästigen Sachen tragen ja ohnehin nichts für unsere Zeit, deren Losung Frei¬ heit und Fortschritt heißt! Hat der Truck der Erzeuger und die Erhöhung der Preise für den Verbraucher die Grenze erreicht und lässt sich da nichts mehr machen, so kommt Findigkeit aller Art zur Geltung. Zunächst wird ver¬ sucht, den Erzeuger zur Verminderung der Güte der Erzeugung zu veranlassen, falls er nicht schon selbst so viel Geschick gezeigt haben sollte, im freien Wettbewerb auf dieses Mittel zu verfallen, das ja auf einige Zeit seine gute Wirkung nicht verfehlt. Zieht das nicht mehr, so kommt die Verkürzung von Mau und Ge¬ wicht an die Reihe, womit man aber¬ mals mit verstärkter Kraft in den freien Wettbewerb eingreifen kann. Hat auch das sich abgelebt, so gibt es noch genug andere Mittel auf diesem Wege bis zur endlich erfolgenden Ver¬ fälschung der Ware, Vermögens- Übertragung, Einstellung der Zah¬ lungen, Zwangsausgleich u. dgl. ertragreiche Geschäfte mehr. Wirkt endlich alles nicht mehr, ver¬ sagt die größte Schlauheit und Gerieben¬ heit den Dienst und hat man noch nicht genug, um sich vom Geschäfte rückziehen und "von den Früchten der vielseitigen Thütigkeit recht beschaulich leben zu kön¬ nen, so weiß man sich auch da zu helfen. Der abgeweidete Zweig der bisherigen Geschäftsthätigkeit wird verlassen, man zieht überdies in eine andere Stadt, in ein anderes Land, und die Sache beginnt wieder von vorne ihr wunderbares Spiel. Viel wird nicht mehr gebraucht, mau macht nur noch ein paar ordentliche Züge, und man ist ein gemachter Mann. Wohin solches Treiben schließlich führen muss, liegt auf der Hand. Der Lohn der Er¬ zeugung sinkt, die Preise für den Ver¬ braucher aber steigen. Der Bauer bekommt für sein Ge¬ treide, für sein Vieh ein Spottgeld, wäh¬ rend der Arbeiter, der Gewerbetreibende und Beamte theneres Brot und Fleisch haben. Das gilt für alle Zweige der Erzeugung und des Verbrauches. Für viele in weitaus höherem Maße als bei Brot und Fleisch. Innig verknüpft mit wirtschaftlicher Ausbeutung durch unlauteren Zwischenhandel ist das Schwin¬ den des Sinnes und der Begriffe des Volkes für Rechtlichkeit und Sitt¬ lichkeit, die Lust und Freude zur ehrlichen Arbeit. Und wie auch anders? Hat sich der Erzeuger, sei es durch deu Druck der Preise oder die Beredsamkeit des Händlers oder Vermittlers, einmal verleiten lassen, es mit der Güte seiner Erzeugung nicht mehr so genau als früher zu nehmen, so wird er später dem Ansinnen, Maß und Gewicht zu verkürzen, ebenfalls nicht zu widerstehen vermögen, zumal der freie Wettbewerb auch in die Reihe der Er¬ zeuger Leute geführt hat, deren Grund¬ sätze mit jenen der oben geschilderten Händler und Vermittler in Uebereinstim- mnng stehen. Es geht also ans der schiefen Bahn weiter, die Seuche greift um sich, der nicht mitthnn will, geht unter oder wird als alter Zopf, der für Freiheit und Fortschritt kein Verständnis habe, beiseite geschoben, und schließlich wird diese Art Geschäftemachen so allgemein, dass man sich wundert, wie denn die Welt früher so kurzsichtig und kleinlich sein konnte, an einem solchen freien Wettbewerb Bedenken zu finden. Ich erinnere mich da lebhaft an ein kürzlich in größerer Gesellschaft geführtes Gespräch, bei welchem man unter andern auch auf die Art und Weise, wie heute Geschäfte gemacht werden, zu reden kam, und als ich eine größere Anzahl Fälle von Verschlechterung der Güte der Ware, , Verkürzung in Maß und Gewicht, Fäl¬ schung von Lebensmitteln u.dgl. vorführte 2* 20 und sagte, dass ein solches Vorgehen denn doch eine andere Bezeichnung als fleißig, tüchtig, begabt, umsichtig u. s. w. verdiene, erhob sich ein Fabrikant und sagte: --Herr! Sie können ein tüchtiger Bergmann sein, Kaufmann und Fabrikant sind Sie keiner; das verstehen Sie nicht. Was wollen Sie denn machen, wenn der Händler Papendeckel statt Leder in den Schuhen verlangt, wenn der Ver¬ mittler in einem Bund Wolle mit 2'5 Kilo nur 1'5 Kilo Ware, für das feh¬ lende Kilo aber eine sehr billige künst¬ liche Beschwerung wünscht? Wenn die Verbraucher so einfältig sind, alles das zu kaufen, so ist das ihre Sache, uns geht die Geschichte weiter nichts an; wir müssen, wollen wir eine Beschäftigung haben, das machen, was bestellt wird.» Also, da haben wir's! Nur der gilt mehr als zum Kaufmann und Fabrikanten geeignet, welcher bereits alles Verständnis für Offenheit und ehrliche Art verloren hat und in der heutigen Unlauterkeit des Zwischenhandels etwas ganz Selbstver¬ ständliches, vollkommen zur Sache Ge¬ höriges, einer Besserung weder Bedürf¬ tiges noch Wünschenswertes erblickt. Kann es unter solchen Verhältnissen wundernehmen, wenn der gekennzeich¬ neten Art von «Geschäftemachern» endlich nichts mehr heilig ist und von ihren Geschüftskniffen weder die im Felde käm¬ pfenden, das Vaterland vertheidigenden Soldaten noch die bedauernswerten Kran¬ ken in den Spitälern verschont bleiben und die Speculation Gebiete ergreift und einen Umfang annimmt, der geradezu Schrecken erregt, weil jede ehrliche Arbeit und offenes Gebaren vollends zu verschwinden droht? Hier ist, das steht außer Frage, der schwäch st e P u nkt un¬ serer Zeit, hier kann von einer Wirtschafts- or d n n n g nicht mehr ernstlich die Rede sein, ebensowenig von einem gesunden freien Wettbewerb. Hier wird sonach zuerst Hand anznlegen sein, soll endlich ernstlich eine Besserung herbeigeführt, unsere Volksgenossen erhalten und der Staat vor Erschütterungen und Umwäl¬ zungen bewahrt werden. Hier ist also auch das Feld, wo die Selbsthilfe zunächst einzngreifen haben wird, n. zw. einzugreifen ohne alle Aengstlichkeit und Furcht vor der Größe der Aufgabe und dem Umstande, dass die staatliche Macht nicht in unseren Händen sich befindet. Ist zur Zeit, als wir diese Macht hatten, es leider Gott versäumt worden, hier kraft¬ voll einzugreifen, umso größer ist jetzt die Pflicht, die an uns herantritt, wenig¬ stens im Wege der Selbsthilfe dem Volke in seiner hart bedrängten Lage beizuspringen und zu thun, was eben zu thun möglich ist. Vor allem muss auf die Einengung und Beseitigung der Auswüchse des Handels nnd der Vermittlung hinge¬ arbeitet werden, was durch Selbsthilfe wirksam nur in der Weise erzielt werden kann, dass man sich bemüht, den Zwischen¬ handel soweit als möglich ganz zu um¬ gehen und Mittel und Wege ausfindig zu machen, durch die der Erzeuger mit dem Verbraucher in unmittel¬ bare Verbindung tritt. Bevor nun in die Besprechung der Form, wie diese Verbindung am besten bewerkstelligt werden kann, näher einge¬ gangen wird, soll noch eine andere Seite unseres heutigen Wirtschaftslebens, die ebenfalls der Selbsthilfe sehr bedarf, er¬ örtert werden. Es ist das der Mangel an entsprechenden Betriebsmitteln aller Art, der sich beim Gewerbetreibenden, dem Bauernstände, der Kleinindnstrie u. s. w. immer empfindlicher geltend macht. Wie wir eben entwickelt haben, ist im Handel und der Vermittlung jenes Mittel gelegen, welches, entsprechend ge¬ handhabt und ansgenützt, am verläss¬ lichsten zu Vermögen führt, und wie rücksichtslos die Ausnützung getrieben wird, wurde ebenfalls gezeigt. Die Folgen sind, wie mehrmals betont, Anhäufung großer Vermögen in wenigen Händen 21 und zunehmende Verarmung der breiten Schichten des Volkes. Das Streben des so gesammelten Kapitals ist es aber, sich nicht nur zn erhalten, sondern in möglichst großem Maßstabe sich zn vermehren. Dieses Streben führt znr Erschließung neuer Geschäftszweige uud der ausgiebigsten Dienstbarmachnng der Wissenschaft und Technik für Zwecke des Wirtschaftslebens der Völker und Staaten. In großen Zügen genommen, kann dies, richtig ge¬ handhabt, nur von Bortheil für das Wohl der Gesammtheit sein, denn es läuft doch zumeist auf eine Vermehrung und Verbilligung der Gütererzengung hinaus. Allein wie der Handel und die Vermittlung innerhalb gewisser Grenzen nicht nur berechtigt sind, sondern selbst sehr bedeutenden Vortheil der Volks¬ wirtschaft bringen können, durch Aus¬ artung aber geradezu zn einem Giftbanm werden, ebenso verhält es sich auch hier. Das jeder Fessel und Rücksichten ledige Capital kennt in, allgemeinen keine Pflicht gegen Volk und Staat; es lässt sich einzig und allein von seinem begründeten oder eingebildeten Vortheile leiten. Es ist daher nur natürlich, dass die Schö¬ pfungen, die dasselbe in seiner Ungebun¬ denheit hervorbringt, häufig solcher Natur sind, die mit dem Wohle einer Volks¬ gemeinschaft entweder an sich, viel öfter aber durch die Art und Weise der Hand¬ habung und rücksichtslosen Ausnützung im Widerspruch stehen, indem sie sich ebenfalls als Mittel zur mühelosen Ver- mögensanhänfung und Uebervortheilnng der Arbeit Herausstellen. Der Gewerbetreibende ist außerstande, mit der durch das Capital geschaffenen fabriksmüßigen Großerzengung in Wett¬ bewerb zu treten, weil ihm die billig arbeitenden Maschinen fehlen, er über¬ dies auch den Rohstoff häufig theurer zahlen muss als der Grvßerzeuger, welcher denselben im großen, zumeist mit Um¬ gehung des Zwischenhandels bezieht. Des¬ gleichen ist der Kleinerzenger dem Gro߬ erzeuger gegenüber auch hinsichtlich des Absatzes der Erzeugnisse im Nachthcile, da ihm nicht jene Machtmittel, neue Absatzgebiete zu erschließen, große Lager¬ bestände zu halten, die Fortschritte des Verkehrswesens voll ausznnützen, die Ver¬ sorgung großer Verbranchsanstaltcn zu übernehmen n. dgl. mehr zur Verfügung stehen. Aehnlich verhält es sich auf dem Gebiete der Landwirtschaft. Der Bauer kann mit dem Großgrundbesitzer in der Bearbeitung des Bodens, Erzeugung künstlicher Dungmittel, Viehmast, Ver¬ arbeitung der eigenen Erzeugung, Ver¬ billigung der Erzeugung mit Hilfe von Maschinen und Verwertung der Erzeug¬ nisse nicht in Wettbewerb treten, weil ihm die hiefür erforderlichen Mittel: Geld, technisch gebildete Hilfskräfte und Absatz an große Verbrauchsanstalteu, fehlen. Das Ergebnis eines solchen mit ganz uud gar ungleichen Mitteln geführten freien Wettbewerbes kann, wie das ja im voraus einleuchtet, kein anderes sein, als Unterliegen des schwächeren Theiles, also der Gewerbetreibenden, der Klein¬ industrie und des Bauernstandes. Mit diesem Unterliegen fällt aber das Verschwinden tausender selbständiger Wirtschaftsbetriebe und Kleinbesitze zu¬ sammen, sowie das Versinken der Träger derselben in das Meer besitzloser Arbeiter. Nichts kann aber bedenklicher für die Erhaltung und Weiterentwicklung einer Volksgemeinschaft sein, als wenn sich die Zahl der besitzlosen Arbeiter fort¬ während mehrt und die Aussichten für dieselben, es nach und nach durch Fleiß, Tüchtigkeit und Sparsamkeit zur Grün¬ dung eines eigenen Wirtschaftsbetriebes, Erwerbung kleinerer Besitzungen n. dgl. zu bringen, stets sinken; beim wo anders sollen schließlich die breiten Schichten des Volkes einen Ansporn zur Entwicklung und Vervollkommnung nach jeder Rich- 22 tmig hin finden, als in einem Anfsteigen in höhere und besser gestellte Schichten? Darob aber, weil Maschinen billiger als Menschen arbeiten, die bessere Boden¬ bearbeitung mehr Früchte bringt und der Großbetrieb die Vortheile des Verkehrs¬ wesens, die Fortschritte der Wissenschaft und Technik überhaupt besser ansnützcn kann als der heutige Kleinbetrieb, die Maschinen abschaffen nnd die Ausnützung der Fortschritte der Wissenschaft und Technik für die Gütererzeugnng und das Wirtschaftsleben überhaupt verbieten oder auch nur einengen zu wollen, wie das mehrfach nicht nur angeregt, sondern selbst ernstlich gefordert wurde, wäre barer Unsinn, nnd können solche Ansichten wohl nur bei Leuten entstehen und Nahrung finden, welchen jede nähere Benrtheilung des Wesens der Gütererzeugnng nnd des Wertes, den eine Mehrerzeugung für eine Volksgemeinschaft hat, wenn die Antheil- nahme an derselben in einen angemessenen Verhältnisse allen arbeitenden Genossen znkommt, fehlt. Also keine Abschaffung oder auch uur Einengung der wirklichen Fortschritte auf dem Gebiete der Erzeugung brauchen wir, sondern im Gegentheil sind dieselben, soweit als es nur irgend thnnlich ist, auszunützen und neue bestmöglichst zu fördern. — Was wir aber brauchen und mit aller Kraft anstreben müssen, das ist eine gerechte, verhältnismäßige Antheilnahme aller arbeitenden Genossen an den Früchten der Fortschritten« der Erzeugung nnd der damit verbundenen Steigerung derselben. Um das zu erreichen, ist außer manch anderem zunächst nothwendig, dass den Gewerbetreibenden, der Kleinindnstrie und dem Bauernstände jene Vortheile, welche die Großerzeugnng ans dem Fortschritte der Wissenschaft nnd Technik, Verbilligung des Capitals u. dgl. zieht, ebenfalls zu¬ gänglich gemacht werden, um vor allem die Ungleichheit der Mittel möglichst zu beseitigen, welche heute unter den ver¬ schiedenen, an der Erzeugung betheiligten Gruppen im freien Wettbewerb obwalten und die neben dem unlauteren Zwischen¬ handel eine gewaltige Rolle in der zu¬ nehmenden Verarmung des Volkes und der Ansammlung großer Reichthümer in wenigen Händen spielt. — Hier ist also ein zweites Feld, wo ein thatkräftiges Eingreifen der Selbsthilfe zum Wohl des Volkes nnd des Staates dringend geboten erscheint. Das Feld für die Thätigkeit der Selbst¬ hilfe, wo ihr Eingreifen zugunsten der Besserling der jetzigen, wenig erfreulichen Zustände am gebotensten erscheint, ist so¬ nach festgestellt; es handelt sich daher nur noch darum, zu erörtern, wie die Selbsthilfe am zweckmäßigsten gestaltet und ihre Wirksamkeit eingerichtet sein soll, damit sie der großen Aufgabe, die ihr zufüllt, möglichst gerecht zu werden vermag. Wenn früher gesagt wurde, dass sich die Auswüchse des Zwischenhandels im Wege der Selbsthilfe am sichersten durch die Umgehung desselben werden beseitigen lassen, so ist es wohl von selbst klar, dass damit dem Verbraucher nicht zugemuthet werden kann, dass er wegen eines Kilo Zuckers oder eines Meter Tuches ohne jedwede Vermittlung selbst in die Zucker¬ nder Tuchfabrik laufen oder diesen Bedarf durch briefliche Bestellung sich verschaffen soll, wie es ja auch nicht angeht, dass sich der Erzeuger mit solchem Klein¬ verschleiß befasse. Dieserhalb ist aber die Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen, die Erzeuger mit den Verbrauchern unter Vermeidung des Zwischenhandels in Ver¬ bindung zu bringen, und die darauf be¬ gründete Behauptung der Unentbehrlichkeit des Zwischenhandels ist sicherlich nicht stichhältig, denn was für einen oder zwei weder vortheilhaft noch wirklich ausführbar erscheint, kann für 100, 200 oder mehr nicht nur gut durchführbar, sondern selbst von großem Nutzen sein. Äehnlich liegen die Verhältnisse in Hinsicht der Beschaffung billigen Geldes 23 und maschineller Kraft für das Gewerbe, die Kleinindnstrie und die Landwirtschaft, des billigen Bezuges von Rohstoff, künst¬ licher Dnngiuittel, Zuchtvieh u. dgl., sowie der vorteilhaften Verwertung der im Kleinbetriebe aufgebrachten Erzeugnisse. Hieraus ergibt sich von selbst, dass eine wirksame Selbsthilfe vor allem die Vereinigung Einzelner in ein wirt¬ schaftliches Bündnis zur Voraus¬ setzung hat, in welchem gegenseitige För¬ derung und Unterstützung gepflegt wird, da, was der Einzelne nicht zu thun ver¬ mag, dem gemeinsamen Vorgehen vieler gelingen wird. Die Berechtigung zur Gründung sol¬ cher Bündnisse, Erwirkung der Eintragung im Handelsregister und die gesetzliche Regelung der Rechte und Pflichten der Bundesgenossen unter sich ist in Oesterreich durch das Reichsgesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 9. April 1873 gestattet und ausführlich vorge¬ zeichnet (Nr. 70 Reichsgesetzblatt vom 17. Mai 1873). Auffallend und für den Geineinsinn des Volkes nicht sehr schmei¬ chelhaft ist es aber, dass von diesem Ge¬ setze in unserem Vaterlande, namentlich in den Alpenländern, bisher leider wenig Gebrauch gemacht wurde, wenn man be¬ denkt, wie rasch einerseits die Verarmung der breiten Schichten des Volkes fort¬ schreitet und die Auswüchse des Zwischen¬ handels und der Mangel an Betriebsmitteln zunimmt, während anderseits in der ge¬ nossenschaftlichen Zusammenfassung der bedrohten Stände denn doch unstreitig ein sehr wirksames Mittel liegt, denselben zu helfen. Der Gründe dieser trüben Erschei¬ nung sind gar viele. Obenan steht die Theilnahms- und Verständnislosigkeit, die sich für derlei wirtschaftliche Fragen in den Kreisen der berufenen Vertreter unseres Volkes vorfindet. lieber Staats- und Verfassnngsfragen, hohe Politik und dergl. große Sachen hat man ans die wirtschaftlichen Bedürfnisse des eigenen Volkes, auf die allererste Bedingung seines Gedeihens leider wenig Gewicht gelegt und vergessen, dass ein Volk nur dann in der Lage ist, mit Freu¬ den und Opferwilligkeit seinen nationalen Pflichten nachzukommen, wenn es in wirtschaftlicher Beziehung auf einer ge¬ wissen Stufe der Wohlhabenheit steht. Der Ausbreitung und Vertiefung der Wirtschaftsgenossenschaften wenig förder¬ lich war weiters die alles beherrschende Lehrmeinung vom freien Spiel der wirt¬ schaftlichen Kräfte, obwohl die Genossen¬ schaft die einzelnen Genossen in ihrem Wirtschaftsleben nicht hemmen, sondern nur fördern will. Beeinflusst von dieser Lehrmeinung, glaubte auch Kreisrichter Schulze zu Delitzsch iu Sachsen, ein eifriger Ver¬ fechter der Selbsthilfe, die von ihm ge¬ gründeten Genossenschaften nach sogenann¬ ten kaufmännischen Grundsätzen einrichten zu sollen, d. h. das Verdienen in die erste Reihe zu stellen. Ungefähr um die nämliche Zeit wie Schulze begann auch der wackere Bür¬ germeister von Flammersfeld im Kreise Altenkirchen im Rheinland, F. W. Raiff¬ eisen, Genossenschaften zu gründen, wozu ihn die hart bedrängte wirtschaft¬ liche Lage seiner Gemeindegeuossen be¬ stimmte. Der gesunde Sinn des schlichten Land¬ bürgermeisters hat, wie das just nichts Neues im werkthätigen Leben ist, das Wesen der Mängel und Bedürfnisse des Volkes besser als der rechtsgelehrte Kreis¬ richter erfasst und bei seinen Genossen¬ schaften nicht das Verdienen, sondern die wirtschaftliche Hilfeleistung, die Erziehung zu Gemeinsinn und sitt¬ licher Vervollkommnung in die erste Reihe gestellt. Die Schulischen Genossenschaften haben in Deutschland eine ganz ansehn¬ liche Verbreitung gefunden und von dort ans sich auch auf Frankreich, Italien, England, Oesterreich-Ungarn n.s.f. weiter¬ verbreitet. Aber auch die Raiffeisen'schen 24 Vereine* vermehrten sich trotz heftiger Anfeindungen zusehends, giengen ebenfalls auf die vorgenannten Länder über und stehen heute namentlich auf landwirt¬ schaftlichem Gebiete entschieden im Vordergründe aller Arten genossenschaft¬ licher Selbsthilfe. Der Streit, welchen der beiden Gattungen der Vorzug ge¬ bäre, dauert zwar noch ungeschmälert fort, ist aber ein sehr überflüssiger und nur geeignet, Verwirrung in die Reihen der Stünde zu bringen, die der Selbsthilfe bedürfen. Klar ist, dass man, wenn man das Leben und Weben des Volkes, seine Be¬ dürfnisse, Mängel und Schwächen kennt und daran geht, im Wege der genossen¬ schaftlichen Selbsthilfe ernstlich eine Besse¬ rung herbeiführen zu wollen, nur nach den Grundsätzen Raiffeisens vorgehen kann, denn nicht in der Schaffung von Erwcrbsgesellschaften mit der Aufgabe, große Gewinne und ausgiebige Gewinn- antheile zu erzielen und die leitenden Per¬ sonen gut zu entlohnen, kann der wirt¬ schaftliche Wert und die sittliche Bedeu¬ tung der genossenschaftlichen Selbsthilfe für die breiten Schichten des arbeitenden Volkes gelegen sein, sondern das ruht in dem Einstehen Aller für Einen und Eines für Alle! Dieses Einstehen hat aber über die Grenzen des bloßen Verdienens weit hinauszugreifen und alles zu umfassen, was zur gedeihlichen Entwicklung der einzelnen Genossen nothwendig und wün¬ schenswert erscheint. Eine Nothwendigkeit, dieserhalb die Schulz'schen Vereine, wo sich solche * Derlei Genossenschaften, landwirtschaftliche Spar- und Vorschüsse«ssen nach Raiffeisen- schen Grundsätzen wären für Gottschee eine große Wvhllhat; denn nnr durch solche Anstalten kann der Bevölkerung Gottschee's der Uebergang zu ernster landwirtschaftlicher Thätigkeit, der sie sich früher oder sväter wird anbequemen müssen, ermöglicht werden. Was nützt uns alle nationale Gesinnung, was nützen uns Kenntnisse, wenn wir wirtschaftlich nicht emporkommen, nicht gedeihen! D. H. befinden, zu bekämpfen oder auf deren Eingehen hinzuarbeitcn, liegt jedoch nicht vor, weil sich dieselben in den meisten Füllen ohne viel Schwierigkeiten den Grundsätzen Raiffeisens werden an¬ passen lassen, sobald im Volke die Er¬ kenntnis von dem allgemeinen Werte der¬ selben zum Durchbruche gekommen sein wird. Gleichwohl ist der Streit für den unbefangenen Beobachter nicht ohne In¬ teresse, weil er lehrt, wie ängstlich man bemüht ist, dem wahren Kerne der Sache aus dem Wege zu gehen, und alle er¬ denklichen möglichen und unmöglichen Verschiedenheiten hervorholt, um nur nicht eingesteheil zn müssen, dass der große Erfolg der Raiffeisen'schen Vereine in den unkanfmünnischen, dafür aber eigennutzreinen Grundsätzen, die, wenn es das Interesse des schwachen Genossen erfordert, auch vor einem gewissen Grade der Bevormundung nicht zurückschrecken, gelegen erscheint. Die Lehre vom «Gewährenlassen- hat dadurch allerdings einen harten Stoß erfahren, und das scheint es auch zn sein, was man um keinen Preis eingestehen will. Allein da nützt alles Versteckenspiel nichts. Wollen wir die wirtschaftlichen Verhältnisse der arbeitenden Stände ernstlich bessern, so dürfen wir kein Be¬ denken tragen, in Fällen, wo es noth¬ wendig ist und es das Wohl der Ge- sammtheit erheischt, selbst bevormundend einzugreifen, wie ja die allgemeine Schul¬ pflicht schließlich auch auf eine Art Be¬ vormundung hinausläuft, und dennoch wird es keinen Menschen geben, welcher es mit dem Wohle des Volkes ernst nimmt, der für die Aufhebung derselben wird eintreten wollen. Unverrückbar fest¬ gehalten muss aber werden, dass die Be¬ vormundung nie und unter gar keiner Bedingung als Eigennutz des Stärkeren, sondern ausschließlich nnr zum Vortheile des Schwächeren Platzgreifen dürfe. Betrachten wir vergleichsweise die Dar¬ lehensvereine der beiden Arten, und wir 25 werden uns sofort des Wertes klar, der in den Grundsätzen Raiffeisens ruht. Die Verzinsung der Geldeinlagen ist bei den Schulischen Vereinen in der Regel eine hohe, jene, welche Sparcassen leisten, wesentlich übersteigende. Dazn wird auch auf die Entrichtung eines ansehn¬ lichen Gewinnantheiles Gewicht gelegt, und endlich sind die leitenden Stellen in der Regel keine Ehren-, sondern bezahlte Aemter. Alles das bringt es mit sich, dass von einer Verabfolgung von Darlehen zu niederem Zinsfüße nicht die Rede sein kann, und der Vortheil, den diese Vereine jenen Genossen gewähren, welche Dar¬ lehen nehmen, ist wahrlich oft ein sehr fraglicher. — Die Vereine leiden daher auch fast nie an Geldknappheit, sondern kranken viel öfter an Geldüberfluss, weil die Vortheile, die sie bieten, zumeist nur den Einlegern, also den bemittelten Mit¬ gliedern zugute kommen. Der Geldaudrang, dann das Bestre¬ ben, zu verdienen, haben zur Folge, dass bei der Verabfolgung von Darlehen zu¬ weilen nicht mit jener Vorsicht vorgegangen wird, die sowohl im Interesse des Ver¬ eines als auch der Darlehenswerber ge¬ boten erscheint. Insbesondere wird darauf gar keine Rücksicht genommen, wofür der Darlchenswerber das Geld eigentlich braucht oder verwenden will, denn das wäre ja Bevormundung, ein Eingreifen in die Rechte desselben. Die Raiffeisen'schen Darlehens¬ vereine dagegen legen ihr Hauptgewicht darauf, Darlehen an würdige Mitglieder zu möglichst niedrigen Zinsen zu verab¬ folgen, und nehmen durchaus nicht An¬ stand, sich über die Verhältnisse des Darlehenswerbers weitergehend, als die Sicherung des Darlehens an sich es er¬ fordert, zu unterrichten; ja, es ist eine ihrer Hauptaufgaben, dafür zu sorgen, dass gewährte Darlehen nur für Ver¬ besserungen im Betriebe, Ankauf von Vieh, Dnngmittel, Maschinen u. dgl., nicht aber für unnöthige Zwecke verwendet werden. Trunkenbolde oder Kartenspieler erhalten kein Darlehen, außer sie verpflichten sich, von diesen Lastern zu lassen. Desgleichen greifen die Vereine, wenn es noththut, auch in der Weise ein, dass sie die An¬ schaffung oder Bezahlung, wofür das Darlehen angestrebt wird, selbst besorgen und so versichert sind, dass das Geld thatsächlich für den angestrebten Zweck verwendet werde. Um all das leichter übersehen und ausführen zu können, be¬ schränken sich die R a i s s e i s e n'schen Ver¬ eine in der Regel auf ein kleines Gebiet. Nachdem die leitenden Stellen Ehren¬ ämter sind und nur der Vereinsrechner allein Bezahlung erhält, so wird mit dieser geringen Auslage nicht nur das Auskommen gefunden, sondern zumeist noch ein Ueberschuss erzielt, der für ge¬ meinnützige Zwecke, am besten aber zur Gründung anderer Vereine, als Ver¬ brauchs-, Verkanfsgenossenschaften u. s. w., verwendet und dadurch bahnbrechend für das Genossenschaftswesen überhaupt ge¬ wirkt wird. Der geringe Zinsaufschlag, d. h. die billige, nicht auf Gewinn berechnete Ge¬ schäftsführung macht es möglich, dass diese Vereine mit den Sparcassen sowohl hinsichtlich der Verzinsung der Einlagen als auch Einhebnng von Zinsen für gewährte Darlehen leicht standhalten können, weiters aber den großen Vortheil gewähren, viel leichter zugänglich zu sein und in das wirtschaftliche Getriebe viel fördernder eingreisen zu können als diese. Dadurch, dass die Vereine Sparein¬ lagen von jedermann und in den klein¬ sten Beträgen, die sonst auf dem Wege zur nächsten Sparcasse leicht in Wirts¬ häusern oder Krämmerläden unnütz ver¬ braucht würden, annehmcn, Darlehen aber nur an Mitglieder gewähren, fördern sie den Sparsinn des Volkes und schaffen flüssiges Geld für ihre Mitglieder, die dasselbe wirtschaftlich gut verwerten können. Die Sicherheit für die Geld¬ einlagen ist infolge' der unbeschränkten 26 Haftung, die alle diese Vereine eingeführt haben, ebenfalls über alle Zweifel erhaben, da jedes Mitglied mit feinem ganzen Vermögen haftbar ist, welche Haftung übrigens noch keiner der nach Tausenden zahlenden Vereine im Laufe ihrer bald 40jührigeu Thätigkeit in Anspruch zu nehmen bemüssiget war, da noch keiner zur Zahlungseinstellung kam. Wie groß übrigens das Vertrauen ist, welches diese Vereine hinsichtlich ihrer Sicherheit genießen, beweist am besten die Thatsache, dass während der Kriegs¬ jahre l866 und 1870/71 ein starker Andrang von Spareinlagen, darunter namentlich Waisengeldern, bei den rheini¬ schen Vereinen herrschte. Die hohen Zinsen, welche die Schulischen Vereint von ihren Darlehensnehmern in der Regel bean¬ spruchen, werden zwar als etwas ganz und gar Unbedenkliches, nur als ein in der An¬ wendung einer Vorsichtsmaßregel begrün¬ detes Vorgehen hinzustellen versucht, u. zw. heißt es, dass man die Zinsen nur des¬ halb hoch stelle, weil man während des Jahres die Höhe der Verwaltnngskosten und allfälliger Verluste nicht berechnen könne, nach erfolgter Feststellung dieser Auslagen aber bekämen die Mitglieder den Ueberschuss in Form von Gewinn- antheilen wieder zurückgezahlt. Wie die meiste» Beschönigungen von Maßregeln, die dazu dienen, dem Stärkeren auf Kosten des Schwächeren Vortheile zu verschaffen, sehr fadenscheiniger Natur sind, verhält es sich auch hier; denn sowohl die Kosten der Geschäftsführung, die Zinsen der Ein¬ lagen und die so sehr in den Vorder¬ grund gestellten Gewinnantheile werden ja ausschließlich von den Zinsen bestritten, welche die Darlehensnehmer zahlen müssen, und es nimmt sich gar sonderbar ans, wenn man den armen Darlehensnehmer, der dem in der Regel viel besser gestellten Einleger zn einer vorzüglichen Verzinsung seines Geldes verholfen hat, mit der Aus¬ zahlung eines Gewinnantheiles tröstet, der lediglich seine' hohe Zinsenzahlung ermöglichte und an welchen der Geld- cinleger, der zur Bildung des Gewinnes keinen Kreuzer beitrug, in gleicher Weise wie er theilnimmt. So gestaltete Dar¬ lehensvereine sind nicht Vereine für Be¬ schaffung billigen Geldes an die arbeiten¬ den Stände, sondern Bankanstalten zum Zwecke der Erzielung guter Zinsen für die von bemittelten Leuten eingelegten Capitalien, und es können Fälle Vor¬ kommen, dass irgend ein schlauer Gro߬ grundbesitzer 50.000 bis 100.000 fl. Darlehen von einer Sparcasse zn 4 bis ck'/s Vo aufnimmt und dasselbe bei meh¬ reren Schulischen VorschusSvereincu zu 5 bis 6°/„ einlegt und sich so einen mühelosen Verdienst von 1000 bis 2000 fl. im Jahre herausschlügt, dabei aber noch als Wohlthüter der Bauern, der ihren Geldbedürfnissen in so ausgiebiger Weise Rechnung tragt, verhimmelt wird. Man wird zwar sagen, dass der Mann bei dieser Gebarung der Gefahr sich anssetzt, Verluste zu erleiden, daher der Verdienst, den er erzielt, gerechtfertigt sei. Nur ist diese Gefahr in Wirklichkeit in den seltensten Fällen vorhanden, son¬ dern näher liegt die Möglichkeit, dass dem Geldmann aus der angedeuteten Ge¬ barung neuerdings Vortheile erwachsen. Die Schulischen Vereine geben Darlehen nur gegen Wechsel entgegen den Raiff- ei sen' scheu, welche Wechsel grundsätzlich ausgeschlossen und dafür den Schuldschein eingeführt haben, weil Wechsel für den Landwirt und wohl auch für andere ar¬ beitende Stände ob ihrer Gefährlichkeit für die Darlehensnehmer wenig empfeh¬ lenswert sind. Kann nun der Schuldner den Wechsel zur Verfallszeit, die ob der kurzen Fristen, auf welche Wechsel lauten, nur zn bald sich cinstellt, nicht einlösen, wird die Erwirknug der Verlängerung übersehen oder verweigert, so ist der Schritt zum zwangsweisen Verkauf dieses oder jenen Besitzes nicht mehr ferne, bei welchem in der Regel wieder der Geld¬ mann das einträglichste Geschäft macht. 27 Aus all dem Gesagten ist es sehr erklärlich, dass die Schnlz'schen Vorschuss- Vereine den Bedürfnissen des Bauern¬ standes, der in erster Linie billiges Geld und wirtschaftlich förderndes Eingreifen braucht, wenig zu nützen vermögen nnd der Ruf nach Raiffeisen'schen Dar- lehcusvereinen immer au Umfang gewinnt. Allein das, was der Bauernstand braucht, thnt auch anderen arbeitenden Ständen noth, nnd soll da nnr noch eine Abtheilung von Vorschnssvereinen er¬ wähnt werden, die im großen Ganzen ebenfalls nach Schulz'schcn Grundsätzen eingerichtet sind und dem niederen, der Hilfe bedürftigen Beamtenstandc dienen sollen; — es sind das die Vorschuss- Vereine der Ortsgruppen des ersten allge¬ meinen Beamtenvereines der österr.-ung. Monarchie. Der Verein verbreitet sich über das ganze Reich, seine Hauptbeschäftigung besteht in der Führung von Versiche¬ rungsgeschäften, dann Wahrung der In¬ teressen des Beamtenstandes, Unterstützung hilfsbedürftiger Mitglieder u. s. w. In jeder Landeshauptstadt, auch in anderen größeren Städten befinden sich Orts¬ gruppen dieses Vereines, die das Ein- hebeu der Versichernngsgebüren und an¬ dere ähnliche Aufgaben besorgen. Neben diesen Gruppen, in der Ver¬ waltung zwar selbständig, sonst aber doch in Verbindung mit dem Muttervereine stehend, entstanden Vorschnssvercine mit der Aufgabe, dem in Geldnoth befindlichen Beamten anszuhelfen und vor Wncher- händen zu schützen. — Wer wollte es in Abrede stellen, dass die Aufgaben, die sich diese Vorschussvereine gestellt haben, sehr beachtenswert und der Unterstützung vollends würdig sind! Doch wie sieht es mit der Ausführung ans? Das billige Geld, von dem bei der Gründung viel gesprochen wurde, blieb aus, uud die Ver¬ eine erheben nicht nnr hohe, sondern häufig geradezu Wucherzinsen! — Fragt man nach der Ursache dieses Vorgehens, so heißt es: Wir müssen, wollen wir Geld und Mitglieder, die klane Darlehen nehmen, sondern nur Einlagen machen, bekommen, sowohl die Einlagen als auch die aufgenommenen Gelder mit mindestens 6 "/g verzinsen, dann kommt die Bestrei¬ tung der Kosten der Geschäftsführung heraus, die sich im Wege von Ehren¬ ämtern in den wenigsten Füllen durch¬ führen lässt, weil besser gestellte Beamte sich mit unseren Arbeiten nicht abgeben wollen, minderbezahlte aber ohne Ent¬ lohnung nicht arbeiten können! Also auch da stoßen wir auf dieThat- sache, dass eine, minder bemittelten Ge¬ nossen dienen sollende Schöpfung der Selbsthilfe ihrer Aufgabe keineswegs zu entsprechen vermag, weil sie von den Be¬ mittelten lediglich dazu ausersehen ist, ihrem Gelde eine Verzinsung zu erwirt¬ schaften, wie sie weder eine Spareasse zahlt noch Staatspapierc abwerfen. Es darf daher nicht befremden, wenn bei uns die genossenschaftliche Selbsthilfe bis nnn wenig Fortschritte macht, in manchen Zweigen selbst Rückschritte, weitansgrei- fende, durchschlagende Erfolge aber gar nicht zu verzeichnen sind, nachdem man der Hauptbedingung allen genossenschaft¬ lichen Lebens, d. i. Ersetzung der Selbstsucht durch Gemeinsinn, so wenig Rechnung getragen hat. Die Grundsätze Raiffeisens tragen, wie oben gezeigt, dieser Bedingung Rech¬ nung, daher auch ihre allgemein wvhl- thätige Wirkung. Der niederösterreichische Landesausschnss sowohl als auch der Landtag haben sich unstreitig große Ver¬ dienste um die Hebung der genossenschaft¬ lichen Selbsthilfe erworben, da sie nicht nur zwei Beamte nach Deutschland zum Studium dieser Vereine entsandten nnd nachher Mnstersatzungen nnd eine Anlei¬ tung zur Gründung derartiger Vereine abfasseu und veröffentlichen ließen, sondern überdies bereit sind, jedem solchen Vereine zur Bestreitung der Gründungskosten 250 fl. Beitrag und auf Wunsch auch ein Darlehen von 2000 fl. mit 3 zu leisten. 28 Diese Thal, wie auch die später im Reichsrathe erfolgte Forderung der frag¬ lichen Vereine durch Herabsetzung der Stempelgebür für Schuldscheine, Bewilli¬ gung von Beitrügen zur Gründung u. s. w., sind sicherlich gute Anzeichen für die werkthätige Förderung einer Selbsthilfe, die ob ihrer richtigen Grundsätze Aussicht auf Erzielung von Vortheileu hat, die dem arbeitenden Volke und nicht wieder fast ausschließlich den bemittelten Stün¬ den znfallen werden. Bei diesen guten Anzeichen dürfen wir jedoch nicht stehen bleiben und uns auch nicht mit dem bloßen Hinweis darauf beguügen, wie das in unserer Zeit so hünfig zu geschehen pflegt, sondern wir müssen ohne viel Zeitverlust zur Arbeit übergehen und das Gebiet unserer Volks¬ genossen mit einem Netze von Vereinen Überspannen, die zunächst ihre wirtschaft¬ liche Stellung stärken und so vor allem wenigstens eine Gesundung des vielfach an¬ gekränkelten Baumes nach dieser Richtung hin erstreben, worauf auch die Heilung der übrigen Krankheiten viel leichter wird erfolgen können, als es jetzt der Fall ist. Dass diese Vereine nicht bloß Raiff- eisen'sche Darlehensvereine allein sein können, liegt auf der Hand; denn die Auf¬ gabe, welche man diesen Vereinen zngetheilt hat, besteht in erster Linie in der Schaf¬ fung billigen Geldes für den Bauern¬ stand und in zweiter in der Förderung des landwirtschaftlichen Genossen¬ schaftswesens überhaupt. Wenn nun auch der Bauernstand einer der wichtigsten Glieder unseres Volkskörpers ist, aus demselben allein besteht er jedoch nicht; es gibt noch viele andere Thcile, die ebenfalls der Förderung und des Schutzes nach jeder Richtung hin dringend bedürfen. Es geht nicht an, die Gewerbetreibenden, die Kleinindustrie, den Beamten- und Arbeiterstand außer Betracht zu lassen. Dazu kommt noch in Rechnung zu ziehen, dass die Raiffeisen'schen Dar¬ lehensvereine, wie überhaupt alle, die wirtschaftliche Richtung verfolgenden Ver¬ eine, die nur einen Zweig des wirtschaft¬ lichen Lebens im Auge behalteu, iu manchen Gebieten der Alpenlüuder und gemischtsprachigen Gegenden infolge der zerstreuten Lage der Behausungen und anderer Umstünde sich kaum dürsten be¬ haupten können, während Vereine, die mehrseitige, den örtlichen Verhältnissen angepasste Aufgaben sich stellen, völlig überall werden bestehen und gute Früchte zeitigen können. Man erschrecke nicht vor meinen An¬ regungen und Ausführungen und glaube nicht, dass man es mit einem Liebhaber eines nnzeitigen Gedankens zu thun habe, der in Ermanglung etwas Besseren sich einmal auch mit einer Aufgabe befassen wolle, die gerade zugkräftig ist, weiters aber nichts von dem eigentlichen Wesen der Genossenschaften verstehe. Nein! Ich bin kein Neuling auf genossenschaftlichem Gebiete, sondern es sind volle zehn Jahre, seitdem ich mich damit befasse; ich habe selbst Genossenschaften gegründet und ge¬ leitet und gefunden, dass eine Zusammen¬ fassung mehrerer Aufgaben für einen Verein nicht nur durchführbar ist, sondern in manchen Fällen sogar zur Bedingung seines Bestandes werden kann. Heute haben wir Darlehens-, Ver¬ brauchs-, Rohstoff-ErzengungS-, Verkaufs- u. f w. Genossenschaften, und es gibt gewiss Fälle genug, wo alle diese Genossenschaften abgesondert ihre Berechtigung haben, nachdem es wenig menschliche Thätigkeits- richtungen gibt, die nicht die Zwecke all dieser Genossenschaften brauchen würden. Allein es darf dabei auch die Thatsache nicht übersehen werden, dass es sehr oft vorkommt, dass nur für eine dieser Ge¬ nossenschaften Raum vorhanden ist und dass dann die Mitglieder auf die Vor¬ theile, welche sich durch die Ausnützung aller übrigen genossenschaftlichen Auf¬ gaben erzielen lassen, verzichten müssen, was nicht der Fall wäre, wenn die vor- 29 handene Genossenschaft mit allen oder doch mit den wichtigsten Zweigen sich befassen würde, und endlich gehören auch Fälle nicht zur Seltenheit, in welchen sich zunächst für keine der genannten Ge¬ nossenschaften in abgesonderter Richtung die nothwendige Anzahl Mitglieder und der für den Bestand einer vortheilhaften Wirksamkeit erforderliche Geschäftsumfang wird finden lassen, während beides sich einstellt, sobald der Verein mehrere Geschäftszweige umfasst. Die allgemeine Einführung der genossenschaftlichen Selbst¬ hilfe setzt also voraus, dass wir die starren Regeln, die bisher auf diesem Gebiete Geltung hatten, aufgeben und an Stelle von Genossenschaften mit einseiti¬ ger Richtung Wirtschaftsvereine mit nicht allzugroßem Gebietsumfange setzen, die je nach Bedürfnis mehrere oder auch alle Zweige genossenschaftlicher Thütigkeit umfassen, wobei es selbstredend nicht aus¬ geschlossen bleibt, dass in Fällen, wo der Boden für Genossenschaften mit einseitiger Richtung vorhanden ist oder im Laufe der Zeit sich einstellt, auch solche noch gegründet werden. Wirtschaftsvereine im angedeu¬ teten Sinne erscheinen uns nothwendiger, da sie den Auswüchsen des Zwischenhandels viel wirksamer und allgemeiner als Ge¬ nossenschaften mit einseitiger Richtung ent¬ gegenarbeiten und denselben nach und nach völlig ganz entbehrlich machen können. Die Vereine würden, wie schon be¬ merkt, in: allgemeinen kleine Gebiete zu umfassen haben und sich in jeder Ge¬ meinde oder größerem Orte gründen lassen und halten können, wodurch Verhältnisse und Bedürfnisse der Mitglieder leichter zu überblicken sind als bei großen Ver¬ einen, deren Mitglieder sich häufig ganz fremd gegenüberstehen. Die einzelnen Vereine könnten sich bezirksweise in Unterverbünde, die Unter¬ verbünde wieder in einen Landesverband und die Landesverbünde in einen Reichs¬ verband vereinigen. — ..Dadurch würde eine Organisation geschaffen werden, die den einzelnen Vereinen die erforderliche Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit gewähren würde, während im großen Ganzen doch eine Einheitlichkeit vorhan¬ den wäre, dnrch die sowohl nach außen hin mit vereinter Kraft vorgegangen, als nach innen die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Verbände, Vereine und Mitglieder wahrgenommen und darnach gehandelt werden könnte. Dass bei der Gründung der einzelnen Vereine stets jene Aufgabe der genossen¬ schaftlichen Selbsthilfe in den Vorder¬ grund zu stellen sein würde, für die den örtlichen Verhältnissen gemäß das meiste Bedürfnis vorhanden ist, versteht sich von selbst, ebenso, dass diese Aufgabe sehr ver¬ schieden sein kann und sich je nach der Beschäftigung der Einwohner, der vorhan¬ denen Gewerbe, der Industrie u. s. w. wird richten müssen. An die in den Vordergrund gestellte Hauptaufgabe würden sich dann die übrigen genossenschaftlichen Zwecke je nach Bedürfnis anznreihen haben, wie sich im Laufe der Zeit, wenn sich das Bedürfnis und die entsprechende Größe des Geschäftsumfanges hiefür einstellen würde, auch selbständige Genossenschaften mit einseitiger Richtung bilden und aus dem Muttervereine wieder ausscheiden könnten. Raiffeisen gieng ähnlich vor, nur hat er seine Thütigkeit ausschließlich auf Landwirtschaft treibende Stünde beschränkt, nachdem er in einem Gebiete mit seinen Vereinen begonnen hat, in welchem damals vorwiegend nur Landwirtschaft betrieben wurde; es liegt aber kein stichhältiger Grund vor, dass das, was sich dort gut bewährte, mit entsprechender Anpassung sich nicht auch für andere Arbeitszweige eignen sollte. Der Bauer ist nicht bloß Erzeuger allem, sondern in mehrfacher Beziehung auch Verbraucher. Dasselbe trifft bei den Gewerbetreibenden und der Kleinindustrie zu, wie auch die Beamten und Arbeiter, näher betrachtet, theils un- 30 mittelbar, theils mittelbar beides sind. Zwingende Gründe zum getrennten Vor¬ gehen in Hinsicht der Wahrung der wirt¬ schaftlichen Interessen, namentlich für Genossen gleichen Stammes, werden daher wohl nicht zn oft vorkommen, sondern bei entsprechendem Ernst nnd einigem guten Willen wird in den meisten Fällen ein Zusammengehen sich erzielen lassen und allen besser bekommen, als das getrennte Vorgehen oder wohl gar die gegenseitige Befehdung, woraus wieder nur ein Dritter Vortheile zieht. Man vergegenwärtige sich nur den großen Nutzen, der den arbeitenden Stän¬ den durch die Umgehung des Zwischen¬ handels allein schon erwachsen würde; — ferner den Gewinn ans der Teil¬ nahme an der Lieferung des Bedarfes für das Heer und die Marine sowie für Eisenbahnen, große Industrie-Anstalten u. s. w.; dann die Ersparung beim Be¬ züge solcher Erzeugnisse im großen, die von Seite der Vereinsangehörigeu nicht selbst aufgebracht werden, sondern von außerhalb stehenden Großerzeugern und Großhändlern bezogen werden müssen. Im Wege der besprochenen Vereinsorga¬ nisation ließe sich alles das nicht allzu¬ schwer erreichen. Durch die Zusammen¬ fassung mehrerer, zuweilen aller genossen¬ schaftlicher Aufgaben in einen Wirtschafts¬ verein würden sich Erzeuger und Ver¬ braucher zumeist von selbst zusam¬ menfinden; der Verein würde also an Stelle des Händlers der Vermittler sein. Ueberschüsse von Erzeugnissen, die inner¬ halb des Vereinsgebietes keine Verbrau¬ cher finden, würden an die Bezirksver¬ bände, von dort an die Landesverbünde und von diesen an die Reichsverbände abgegeben werden, während hinsichtlich der Deckung der Abgänge der umgekehrte Weg einzuschlagen sein würde, wobei na¬ türlich auch ein unmittelbarer Verkehr unter den verschiedenen Verbänden gleich¬ falls nicht anszuschließen wäre, sobald die örtlichen Verhältnisse nnd Bedürfnisse diesen empfehlenswert erscheinen lassen soll¬ ten. Jeder Landesverband würde wissen, mit wie viel nnd welchen Erzeugnissen er sich an Lieferungen für große Ver¬ brauchsanstalten betheiligen kann, wäh¬ rend der Reichsverband die Vermittlung besorgen könnte, falls dies für den Lan¬ desverband zu umständlich sein würde; und der immer dringender werdende Ruf der Erzeuger nach Betheiligung au gro¬ ßen Lieferungen würde auf diese Weise im vollsten Maße erfüllt werden können, während er, solange als nicht diese oder eine ähnliche Organisation geschaffen ist, wohl stets ein frommer Wunsch bleiben dürfte, weil den großen Verbranchs¬ anstalten schwer zuzumuthen ist, dass sie ihren Bedarf durch Aussendung von Hau¬ sierern und Einkauf in Liter nnd Kilo aufznbringen versuchen sollten. Einwendungen gegen meinen Vor¬ schlag werden allerdings gemacht werden; denn gegen was lassen sich im Leben überhaupt nicht Einwendungen machen? Allein das Eine steht fest, dass etwas geschehen muss, wenn eine Besserung her¬ beigeführt werden soll, und dass von der Staatshilfe nicht allzuviel, insbesondere in nächster Zeit, zu erwarten steht, wurde oben des näheren erörtert. Der Selbst¬ hilfe füllt, namentlich bei den Deutschen Oesterreichs, ein weites und wichtiges Ge¬ biet zu; wo und wie sollte diese aber- besser eingreifeu und wirken können als im Sinne der gemachten Ausführungen? Die besprochenen Vereine würden selbständige Wirtschaftsbetriebe und Haus¬ halte nicht stören; die Beweglichkeit und Entwicklung der einzelnen Mitglieder nach keiner Richtung hin nachtheilig beein¬ flussen und überdies auch der Ausbreitung des Staatsbetriebs und Staatssocialismus nicht hindernd in den Weg treten. Daran müsste allerdings unter allen Umständen festgehalten werden, dass we¬ der die einzelnen Vereine noch die Ver¬ bände auf das Gebiet des Verdienens sich begeben, sondern nur Mittel zum Zwecke 31 bleiben, wie dies Raiffeisen in muster- gütiger Weise durchgeführt hat. Dass es auch an Stimmen nicht fehlen wird, die sagen werden, das sei alles recht schön und leicht ausgeführt am Papier, anders verhalte es sich jedoch mit der wirklichen Ausführung, darüber bin ich mir vollends klar und kann daranf nur erwidern, dass von selbst freilich kein Verein entsteht, auch die Verneinung keinen schaffen kann und der Stumpfsinn ebenfalls keinen wird hervorznbringen vermögen, während der Eigennutz auf genossenschaftlichen! Gebiete überhaupt nicht zu brauchen ist. Sollten wir aber zu nichts anderem mehr als Stumpfsinn, Verneinung und Eigennutz fähig sein? — Ich kann das nicht glauben, so bittere Erfahrungen im öffentlichen Leben auch jedermann macht. Als vor zehn Jahren der Wind Um¬ schlag und Stimmen sich erhoben, die auf die Gefahr aufmerksam machten, welche den Deutschen Oesterreichs drohe, hieß es: Uns kann nichts geschehen, wir sind an Sitte, Bildung und Besitz allen anderen Völkern Oesterreichs weit über¬ legen ; diese Ueberlcgenheit sei eine Macht, an der alle Angriffe abprallen werden. Nun, sie sind nicht abgeprallt, die An¬ griffe, sondern sie sitzen tief und schmerz¬ lich. Und wie auch anders? — Was nützt diese Macht, wenn kein rechter Ge-° brauch davon gemacht wird? — Zeit, höchste Zeit ist es aber, dass diese un¬ sere Macht in den Dienst unseres Vol¬ kes gestellt und zur Entfaltung gebracht wird, so viel und so gut, als es nur immer möglich ist. Stimmen, die jetzt sich erheben und nach kräftigem Eingreifen rufen, pflegen mehrfach mit dem Hinweise darauf ab- gcthan zu werden, dass man sich nun in der Minderheit befinde und außer¬ stande sei, irgend einem Anträge oder Gesetze zur Annahme zu verhelfen, das dem Volke zum Vortheile gereichen würde. Die Versorgung aller unserer Volks¬ genossen mit Wirtschaftsvcreinen, Bezirks- nnd Landesverbänden, deren Fäden in einen Reichsverbaudznsammeulaufen müss¬ ten, ist aber zum Glück von keinem neuen Gesetze abhängig, indem das bestehende, oben angeführte Gesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften voin Jahre l873 vollkommen hiezn ansreicht. Des¬ gleichen hängen wir hiebei von dem Gut¬ dünken der politischen Behörden nicht ab, da sowohl nach dem Geiste des genann¬ ten Gesetzes als auch einer am 21. Fe¬ bruar l. I., Z. 721, erflossenen Entschei¬ dung des Verwaltungsgerichtshofes die Errichtung von Erwerbs- und Wirt¬ schaftsgenossenschaften einer besonderen staatlichen Bewilligung nicht bedarf. Hier haben wir also ein Arbeitsfeld, das durch unsere Miuderheitsstellung in verschiedenen Bertretungskörpern nicht be¬ einträchtigt wird und auf dem wir um¬ somehr Kraft verwenden können, als uns die Arbeiten der Staatsgeschäfte abge- uoininen und den Mehrheitsgrnppen über¬ tragen sind. Auch um die äußere Politik brauchen wir nicht sehr besorgt zu sein, da sic in guten Bahnen sich bewegt, und selbst die Erweiterung und Vertiefung des Staatssocialismus hat unser Ein¬ greifen nicht immer vonuöthen, da auch diese Richtung von dem uns stammver¬ wandten Nachbarreiche ihre Nahrung zieht. Das deutsche Volk, die arbeiten¬ den Stände unseres Vaterlandes aber, die bedürfen dringend der Hi^e; versuchen wir es, sie ihnen durch Wirtschaftsvereine und einthatkrüftiges Eingreifen zugunsten der Entwicklung der¬ selben zu bringen. Das walte Gott!