NARODNA IN UNIVERZITETNA KNJIŽNICA DS II 56 755 5/1 196700367 v vco ": . V^-, . !K9nJ ^75 fžfeS3® ' • /c' \v—^-H' )' 'siWWi 1 ^®| jgtohv -•■ • •-■' GESCHICHTE DER EISENBAHNEN DER OSTERR.-UNGAR. MONARCHIE V. BAND DAS EISENBAHNWESEN OSTERREICHS IN SEINER ALLGEMEINEN UND TECHNISCHEN ENTWICKLUNG 1898—1908 I. BAND r « GESCHICHTE DER EISENBAHNEN OSTERREICHISCH-UNGARISCHEN MONARCHIE V. BAND DAS EISENBAHNWESEN OSTERREICHS IN SEINER ALLGEMEINEN UND TECHNISCHEN ENTWICKLUNG 1898—1908 I. BAND VERLAG, DRUCK UND EINBAND VON KARL PROCHASKA K. U. K. HOFBUCHDRUCKEREI & VERLAGSBUCHHANDLUNG WIEN * TESCHEN * LEIPZIG MCMVIII 4- II s' S S ZUM sechzigjAhrigen regierungs-jubilaum SEINER KAISERLICHEN UND KONIGLICH- APOSTOLISCHEN MAJESTAT UNTER BESONDERER FORDERUNG SEINER EXZELLENZ DES HERRN OEHEIMEN RATES UND K. K. EISENBAHNMINISTERS A. D. DB: JULIUS DERSCHATTA EDLEN VON STANDHALT HERAUSGEGEBEN UNTER MITWIRKUNO DES K. UND K. REICHSKRIEGSMINISTERIUMS UND FRANZ JOSEPH I HERVORRAGENDER FACHMANNER. k .REDtGIERT V VON \ > ERMANN sirRACH ” • - / ALLE RECHTE VORBEHALTEN MITARBEITER: Binder Theodor, k. k. Ingenieur der Eisenbahnbaudirektion. Bittner Emanuel, k. u. k. Hauptmann a. D., Oberingenieur, kommandiert im Eisenbahnbureau des Generalstabes. Britto Hugo Ritter von, k. k. Hofrat im Eisenbahnministerium. Englisch Theodor, k. k. Regierungsrat und Oberinspektor der k. k. osterr. Staatsbahnen im Eisenbahnministerium. Ferstel Wolfgang Freiherr von, k. k. Oberbaurat der Eisenbahnbaudirektion. Golsdorf Karl, k. k. Ministerialrat im Eisenbahnministerium. Gottsleben Ferdinand, k. k. Ministerialrat im Eisenbahnministerium. Graf Heinrich, k. k. Oberinspektor der Generalinspektion der osterr. Eisenbahnen. Hannack Josef, k. k. Hofrat bei der Eisenbahnbaudirektion. JOllig Max, Dr., k. k. Oberbaurat im Eisenbahnministerium, k. k. Hoch- schulprofessor. Khu Julius, k. u. k. Hauptmann, zugeteilt dem Generalštabe. Koestler Hugo, k. k. Ministerialrat im Eisenbahnministerium. Kulka Siegmund, k. k. Oberbaurat im Eisenbahnministerium. Lobl Johann, k. u. k. Oberst im Generalstabskorps und Chef des Eisenbahn- bureaus des Generalstabes. Orley Leopold, Dr. techn., Baukommissar bei der k. k. Eisenbahnbaudirektion. Paul Ludwig, k. k. Ministerialsekretar im Eisenbahnministerium. Poll Peter, k. u.k. Major, kommandiert im Eisenbahnbureau des Generalstabes. Pollak Theobald, Dr., k. k. Ministerialrat im Eisenbahnministerium. Rihaucek Johann, k. u. k. Militar-Intendant, kommandiert im Generalštabe. Scheikl Gustav, Dr., k. k. Ministerialsekretar im Eisenbahnministerium. Schnack Karl, Hofrat und Direktor der Bosnisch-herzegowin. Staatsbahnen. Schonka Franz Ritter von, Dr., k. k. Sektionschef im Eisenbahnministerium. Spitzner Juihus, k. k. Oberbaurat im Eisenbahnministerium. Strach Hermann, Oberrevident der k. k. osterr. Staatsbahnen. Weeber August Ritter von, Dr., k. k. Sektionschef im Eisenbahnministerium. Willinger Felix, Oberbaurat im k. k. Eisenbahnministerium. Wirth Alfred, Ingenieur, Baukommissar im Eisenbahnministerium. Wittek Heinrich Ritter von, Dr., Exzellenz, Geheimer Rat, k. k. Eisenbahn- minister a. D., Mitglied des Herrenhauses und Abgeordnetenhauses. Zuffer Josef, k. k. Hofrat der k. k. Eisenbahnbaudirektion. SCHRIFTLEITUNG: Strach Hermann, Oberrevident der k. k. osterr. Staatsbahnen. A ls im November 1895 im Zentralkomitee des OsterreichischenEisen- b ah nb e a m t e n - V er e in e s die Anregung gegeben wurde, das fiinf- zigjahrige Regierungsjubilaum Seiner Majestat des Kaisers durch die Herausgabe einer pragmatischen Geschichte des Eisenbahnwesens der osterr.-ungar. Monarchie zu feiern und den Ertrag dieser Festscbrift im Sinne der von Allerhochster Seite kundgegebenen Intentionen dem humanitaren Zwecke einer Stiftung fur Mitglieder des Eisenbahnbeamtenstandes zu widmen, fand dieser patriotische Gedanke allseits sympathische Aufnahme und tatkraftige Forderung. Ihr ist es zu danken, dafi das Werk unter dem Protektorat Seiner Ex- zellenz des vormaligen Prasidenten der Generaldirektion der osterreichischen Staatsbahnen spateren k. k. Finanzministers Geheimen Rates Dr. Leon Ritter von Bili h s ki und unter der Agide Seiner Exzellenz des damaligen k. k. Eisenbahnministers Geheimen Rates Feldmarschalleutnant Emil Freiherrn von Guttenberg und der vom ersten Anbeginn tatkraftigen Mitwirkung und Forderung Sr. Exzellenz des Geheimen Rates und Eisenbahnministers a. D. Dr. Heinrich Ritter von Wittek nach jeder Richtung hin einen vollen Erfolg verzeichnen konnte. Die »GeschichtederEisenbahnen der oster.r.-ung.Monarchie«, deren Inhalt vorzugsweise der selbstlosen Mitarbeit von Eisenbahnbeamten der verschiedensten Dienstzweige und Rangstellungen entstammt und dank der giitigen Mitwirkung des Eisenbahnbureaus im k. und k. Generalštabe auch die Entwicklung des Militar-Eisenbahnwesens umfalSt, wurde in den Fachkreisen und in der Offentlichkeit ebenso giinstig aufgenommen, als in anerkennendem Sinne beurteilt. Die Verbreitung des Werkes, dessen erste Auflage alsbald im Bucbhandel vergriffen war, ermoglichte, dem humanitaren Zwecke einen ansehnlichen Uberschufi zuzufuhren, der den Grundstock der unter dem hochsten Protektorat Seiner kaiserl. und konigl. Hoheit des durch- lauchtigsten Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand von Osterreich-Este stehenden »Kaiser Jubilaums-Kurstiftung des Osterreichischen Eisenbahnbeainten-Vereines« bildet. In dem vom »Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen« im Jahre 1898 veranstalteten Preisausschreiben wurde das Werk preisgekront. Als nunmehr der Zeitpunkt herannahte, in dem der Monarchie das seltene, ja einzig dastehende Gliick zu teil wurde, das s e chzigj ah r ige Regierungs- jubilaum des heifigeliebten und innigst verehrten Monarchen feierlich zu begehen und alle Seine Volker dankerftillten Herzens die Gnade der Vorsehung preisen durften, die ihnen den edlen Fursten in voller Riistigkeit und Tatkraft erhalt, ist im Kreise der Mitarbeiter des Jubilaumswerkes der EntschlufS gereift, der Geschichte der Eisenbahnen eine Fortsetzung, die Entvvicklung im letzten Jahrzehnt umfassend, folgen zu lassen und damit die sechzigste Wiederkehr des Tages des Regierungsantrittes Seiner Majestat des Kaisers in gleicher Weise wie das friihere Jubilaum durch eine fachliterarische Festschrift zu feiern, deren Ertragnis abermals der genannten Stiftung zuzufallen hatte. Dank der wirksamen Forderung, die dem Unternehmen infolge der Ubernahme des Protektorats von Seite Seiner Exzellenz des Herrn k. k. Eisen- bahnministers a. D. Geheimen Rates Dr. JuliusDerschatta Edlen von S t a n ci- lr alt zu teil geworden ist, dank der weitestgehenden Forderung des Unter- nehmens von Seite des k. k. Eisenbahnministeriums und des k. u. k. Reichskriegsministeriums ist es ermoglicht, die Fortsetzung der Eisen- bahngeschichte der Offentlichkeit zu iibergeben. Fiir die Uberlassung von Illustrationsbehelfen gebiihrt aufier dem h i s t o r i- schen Museum der k. k. Staatsbahnen noch bester Dank der Eisenbahn- abteilung des Landesausschusses des Konigreiches Bohmen, demNieder- osterreichis chen Landeseisenbahnamte sowie den einzelnen Eisen- bahnbau-Unternehmungen, besonderer Dank aber auch der Bibliothek des k. k. Eisenbahnministeriums fiir die Untersttitzung bei Beschaffung des umfangreicben Quellenmaterials. Mitarbeiter und Schriftleitung erachten es auch fiir ihre Pfiicht, an dieser Stelle dankbar der opferwilligen Verlagsbuchhandlung zu gedenken. Dem besonderen Entgegenkommen der Firma Karl Prochaska, k. u. k. Hofbuch- druckerei und Verlagsbuchhandlung in Teschen, ist nicht allein die vornehme und kiinstlerische Ausstattung, sondern auch der Erfolg des Werkes in der Richtung zu danken, dafi aus dem Ertragnisse bisher ein Betrag von nahezu K 30.000 der genannten Stiftung zugeftihrt werden konnte. Mit der allfalligen Neuauflage der ersten fiinf Bande des Werkes, an deren Ertragnis auch die aus Anlafi des 6ojahrigen Regierungsjubilaums Sr. Majestat ins Leben gerufene, unter der Prasidentschaft der Frau Gemahlin Seiner Exzellenz des Herrn Eisenbahnministers a. D. Dr. Julius Derschatta Edlen von Standhalt stehende »Kaiserjubilaums-Stiftung zum Zwecke der Fiirsorge fiir Kinder von Bediensteten der k. k. oster r. Staatsbahnen« Anteil haben soli, ist auch die Ausgabe eines besonderen Registerbandes fiir das ganze, sieben Bande umfassende Werk in Aussicht genommen. Das vorliegende zweibandige Werk, welches auch die Entwicklung des Eisenbahnwesens in den nunmehrigen Reichslanden »Bosnien und Herze- gowina« umfalit, bildet den Abschlufi der vor zehn Jahren herausgegebenen Kaiserjubilaums- Festschrift. Es verzeichnet wie die ersten Bande der »Geschichte der Eisenbahnen der osterr.-ungar. Monarchie« mit gewissenhafter Treue die unablassige huldreiche Fiirsorge, die Seine Majestat der Kaiser auch wahrend der hier behandelten Epoche Seiner segens- reichen Regierung der Entwicklung und Forderung des Eisenbahnwesens zuzuwenden geruhte und deren Fruchte in der machtig fortschreitenden Entfaltung dieses Verkehrsmittels wahrend des letzten Jahrzehnts sichtlich zu Tage getreten sin d. Es moge daher auch in dem vorliegenden Werke die Betatigung des Bestrebens wieder gefunden werden, das allen Mitarbeitern bei ihrer Arbeit wie ein fuhrender Leitstern vorgeschwebt hat: Das in der behan¬ delten Epoche auf i lire m BerufsgebieteGeschaffene vorzufiih- ren als eine in tiefster Ehrerbietung dargebrachte Huldigung fiir den Alierh6chsten Schutzherrn und Forderer des heimi- schen Eisenbahnwesens, unseren geliebten Kaiser. Wien, am 2. Dezember 1908. Die Mitarbeiter und die Schriftleitung der Geschichte der Eisenbahnen der osterreichisch - ungarischen Monarchie. INHALT Seite H. STRACH, Allgemeine Entwicklungsgeschichte der osterreichischen Eisenbahnen seit 1897 I Dr. A. R 1 TTER v. WEEBER, Gesetzgebung und Verwaltung.213 Dr. H. RITTER v. WITTEK, Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 233 F. GOTTSLEBEN, Lokal- und Kleinbahnwesen.283 EISENBAHNBUREAU DES GENERALSTABES IM K. und K. REICHSKRIEGSMIN 1 - STERIUM, Das Militar-Eisenbahnwesen.367 Dr. F. RITTER v. SCHONKA, Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen.401 TH. ENGLISCH, Personentarife.433 Dr. G. SCHEIKL, Transportrecht und Transportwesen.451 L. PAUL, Personalwesen. 467 Dr. TH. POLLAK, Wohlfahrtseinrichtungen.485 Dr. H. RITTER v. BRITTO, Sanitatswesen.531 K. SCHNACK, Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina .... 543 K. U. K. HOFBUCHDRUCKEREI KARL PROCHASKA CHROMOLITHOOR. ANSTALT UND GROSZBUCHBINDEREI TESCHEN KLISCHEES VON ANGERER & GOSCHL IN WIEN PAPIER DER NEUSIEDLER AKTIENGESELLSCHAFT Allgemeine Entwicklungsgeschichte der osterreichischen Eisenbahnen seit 1897. Von Hermann Strach, Oberrevident der k. k. osterr. Staatsbahnen. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. E IN volles Jahrhundert auf den Tag genau war am I. Janner 1908 ver- flossen, seitdem in Osterreich zum erstenmal der Plan zum Bau einer Eisen- bahn gefafit wurde. Es war der denkwiirdige Silvester- abend des Jahres 1807, an dem Professor FranzJosef Ritter v. Gerstner in seinem Berichte in der Hydrotechnischen Gesell- schaft zu Prag unter lebhaftem Beifalle der Versammlung den Vorschlag machte, an Stelle des seit Jahrhunderten ge- planten kiinstlichen Wasserweges zur Ver- bindung der Moldau mit der Donau eine Eisenbahn zu erbauen. Der Dampfwagen war in England und Amerika iiber seine allerersten schiichter- nen Anfangsversuche noch nicht hinaus- gekommen, der geniale Stephenson stand noch als schlichter Machinenwarter bei seiner Schachtpumpe und reparierte in seiner freien Zeit die Uhren der Arbeiter, sein Sohn Robert spielte noch als vier- jahriger Junge in Grofivaters Hiitte, an der die holzernen Gleise voriiberfuhrten, auf welchen Pferde die Kohle in Wao;orons von der Grabe zu den Verladungsplatzen brachten, durch die Welt ging kaum noch ein dammerndes Ahnen iiber den Wert und die Bedeutung der Eisenbahn, als der weitblickende osterreichische Professor den Kanalen diesen Rivalen gegeniiber- stellte, der seiner Zeit das Geprage geben solite. Wenn auch noch Jahre verstreichen mufiten, bis der Gedanke Gerstners durch seinen tiichtigen Sohn zur Tat rvurde und Osterreich zwischen Linz und Budweis die erste kontinentale Eisenbahn schaffen konnte, der Ruhm, als Pionier des neuen Kulturmittels die ersten Schienenwege auf dem Kontinente gebaut zu haben bleibt Osterreich fiir alle Zeit gewahrt. Die Eisenbahnen haben seither die Welt erobert, das Wirtschaftsleben von Grund aus umgestaltet und kein Gebiet konnte sich dem tiefgreifenden Einflusse des neuen Verkehrsmittels entziehen. Vom ersten Augenblicke ihrer Ent- stehung an zog die Eisenbahn alle Beziehungen des menschlichen Lebens in ihren Bann; sie regelte die Verhalt- nisse von Ort zu Ort und von Mensch zu Mensch auf vollkommen neuer Grund- lage und schied mit unnachsichtlicher Strenge alle jene Einrichtungen aus, welche den neuen Anforderungen nicht mehr entsprechen wollten. An die Stelle des friiheren Binnenver- kehres mit seiner bescheidenen Leistung, seinem grofien Zeitaufwand und der ge- ringen Zuverlassigkeit, trat die Eisenbahn mit ihrer Massenbeforderung, Schnellig- keit und Punktlichkeit und an die Stelle kleinstaatlicher Fehden trat das Streben nach Schaffung grofier gemeinsamer Wirtschaftsgebiete. Als George Stephenson im zweiten und dritten Jahrzehnt des vorigen Jahr- hunderts seine ersten Lokomotiven kon- struierte und als am 15. September 1830 der erste mit Dampfkraft betriebene Zug 4 Hermann Strach. auf der Manchester — Liverpool - Linie rollte, da schien es fast, als ob die durch Jahrtausende bewahrte Technik des Binnenverkehres iiber Nacht verdrangt werden konnte und als ob in dem neuen, allgemein bewunderten und angestaunten Verkehrsmittel ein unversohnlicher Gegen- satz zu dem anRomantik so reichen Strafien- verkehre entstanden sei. Der Siegeslauf, den die Lokomotive von England nahm, schien auch anfangs die Kluft ,zwischen Strafie und Eisenbahn immer grofier werden zu lassen. Allmahlich aber brachte auch hier die fortschreitende Technik einen ver- sbhnenden Ausgleich. Sie wufite den vielseitigen Anforderungen des Lebens Rechnung zu tragen, sie ftihrte stets neue Aufgaben des Verkehrswesens der Losung zu und heute endlich verfiigen wir iiber alle moglichen Glieder des Uberganges von den mit Luxus-ExpreL- ziigen befahrenen Schienenstrangen der Haupteisenbahnen, bis zur altehrwiirdigen Landstrafie, auf der das ausgestaltete Automobil dahinrollt, der Urtypus der Maschine, aus dem die Lokomotive sich entwickelte. Die dem Weltverkehre gewidmeten Linien, welche sich aus kleinen An- fangen rasch entwickelt hatten, wurden zunachst durch Bahnen zvveiten Ranges miteinander verbunden, wahrend gleich- zeitig ein immer dichter werdendes Netz von Lokalbahnen neues Leben den Stammlinien zuzuftihren hatte. Klein- bahnen, Schleppbahnen, Strafienbahnen und Spezialbahnen aller Art mufiten schliefilich noc.h herangezogen werden, um sich fruchtbringend in das schon bestehende Netz einzufiigen und um dem rasch aufstrebenden Wirtschafts- leben gerecht zu werden. Der Begriff »Eisenbahn« ist laiigst nicht mehr an eine bestimmte Art von Energie gebunden. Der Dampf hat in der Elektrizitat einen gefahrlichen Ri¬ val en erhalten, aber immer noch gilt als das charakterisierende Merkmal der Eisenbahn der Schienenstrang. Das prak- tische Leben beginnt auch hier die Grenze zu verwischen. Gleislose Strafienbahnen mit be- sonderer Zuleitung des elektrischen Stromes, Automobil-Trainzuge mit selb- standiger Kraftzentrale (wie sie die Heeresverwaltungen in jiingster Zeit ver- wenden) und ali die vielen unabhangigen Kraftfahrzeuge, welche heute unsere Verkehrs\vege bevolkern, bil den die letzten Ubergangsglieder von der Eisen¬ bahn wiederum zur Landstrafie! Das wogende Leben duldet eben auf die Dauer keine strengen Gegensatze; es strebt nach Milderung und Ausgleich und seinem eisernen Wollen kann sich auch der Mensch mit den Gebilden seines schaffenden Geistes nicht entziehen. Die moderne Verkehrstechnik ist in der gliicklichen Lage, in jedem gegebenen Falle ein Verkehrsmittel zu schaffen, das einerseits den angestrebten Zwecken voll- auf entspricht, anderseits aber auch die wirtschaftliche Kraft der beteiligten Korper- schaften nicht iibermafiig belastet. Und erst durch diese Vielseitigkeit in der Verkehrs¬ technik ist es gelungen, den Segen des mo- dernen Weltverkehres auch den entlegen- stenGebieten zuganglich zu machen und ge- rade dadurch die ganzeWelt zu einer grofien wirtschaftlichen Einheit, zur wirklichen Weltwirtschaft zusammenzuschliefien. Wahrend bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts die Umgestaltung der kul- turellen und wirtschaftlichen Gebiete von der lebenden Generation fast kaum bemerkt sich vollzog und erst ein Ver- gleich mit weiter zuriickliegender Ver- gangenheit einen Mafistab fiir den zuriick- gelegten Fortschritt schaffen konnte, hat sich in der allerjtingsten Zeit ein gerade- zu stiirmischer Ent\vicklungsgang einge- stellt, so dali schon ein Riickblick auf die verhaltnismafiig kurze Spanne Zeit eines Jahrzehntes geniigt, um machtige Fortschritte, imposante und bewunderungs- wtirdige Erfolge verzeichnen zu konnen. Hatte die Schaffung einzelner Eisenbahn- verbindungen in der ersten Zeit der neuen Kulturepoche, die wir bezeich- nenderweise die Ara des Eisenbahn- wesens nennen, einen mehr lokalen Ein- flufi genommen, so treten die durch- schlagendenWirkungender modernen Verkehrsmittel erst mit der Ausdehnung und Verdichtung der Eisenbahnen zu Ende des 19. Jahrhunderts hervor. Der Wettbewerb in der Weltwirt- schaft nahm ungeahnte Dimensionen an. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 5 Nur diejenigen Staaten, denen es ermog- licht ist, ihre Verkehrsmittel auch den weitestgehenden Bediirfnissen des um- gestalteten Wirtschaftslebens anzupassen, durfen damit rechnen, in dein friedlichen, aber immer schwieriger sich gestalten- den Kampfe zu bestehen, in dem die Dichte und Leistungsfahigkeit der Eisen- Abb. i. Semmeringstrecke. 6 Hermann Stracli. bahnen von ausschlaggebenderBedeutung bleiben. In dieser Richtung hat Oster- reich im abgelaufenen Jahrzehnt reiche Erfolge zu verzeichnen, die um so wich- tiger hervortreten, als sie gleichzeitig den altbewahrten Ruhm der osterreichi- schen Eisenbahnbautechnik aufs neue kraftigen und auch weiterhin den Ehren- platz sichern, den unser Vaterland in der dafi das Jahr, welches den Volkern Oster- reichs einen der edelsten Herrscher gab, das in der Geschichte der Monarchie einen Markstein von ungeheurer Bedeu- tung bildet, auch in der Geschichte des Eisenbahmvesens nicht allein Osterreichs, sondern aller Staaten eine aufierordent- liche Wichtigkeit erlangte. Wie vor sechzig Jahren, durch den Regierungsantritt Sr. Majestat Kaiser Franz Josefs I., Abb. 2. Amtsstube des Sektionschefs Dr. Eitter v. V/ittek im Handelsministerium (Barbarastift). Entwicklungsgeschichte des Weltverkehrs einnimmt. Osterreich hat nicht allein die erste kontinentale Eisenbahn geschaffen, auf osterreichischem Boden entstand in der Kaiser Ferdinands-Nordbahn die erste grofiere Dampfeisenbahn Europas und im Bereiche des osterreichischen Eisenbahn- netzes hat sich die denkwiirdige Tatsache vollzogen, dafi seine Techniker mit.dem Bau der Schienenwege iiber die Alpen die hohe Schule des Eisenbahnbaues in- augurierten und, diese Schule stetig fort- bildend, Lehrmeister einer ganzen Welt wurden. Und ein glticklicher Zufall fiigt es, eines Monarchen, der sich durch seine erhabene Personlichkeit, durch sein segensreiches Wirken, die Liebe aller Stamme und Volker seines weiten Reiches, die Verehrung aller gebildeten Volker des Erdballes errang, in der Ent- wicklungsgeschichte Osterreichs eine neue Epoche eingeleitet wurde, so hat auch das Jahr 1848 der technischen Wissenschaft ein neues Zeitalter er- schlossen. Genau vor sechzig Jahren hat der unsterbliche Ghega die Fesseln gesprengt, die den Dampfwagen an Ebene und Hugel fesselten, im Jahre 1848 Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 7 wurde der Bau der Trasse iiber den Semmering*) bestimmt, die den Weltruhm *) Die beigegeb. Abbild. I, 3 u. 5 sind nach den im histor. Museum der k. k. St.-B. in Wien osterreichischer Eisenbahnbautechnik be- griindete. Der Weg iiber die Berge wurde befindlichen, f. d. Weltausstellung in St. Louis 1904 angefertigten Panoramen hergestellt. Abb. 3. Brennerbahn (Trassenfuhrung bei St. Jodocus). 8 Hermann Straeh. fiir das Dampfrofi frei, die Alpen horten auf, Hindernisse der Kultur undZivilisation zu sein, der Verkehr war nicht mehr durch Schwierigkeiten des Terrains ge- hemmt. In den Monumentalbauten liber den B r e n n e r, iiber das Toblacher F el d und den Arlberg hat Osterreichs Eisenbahnbautechnik fortschreitend die hochsten Entwicklungsstufen erklommen und fiir die ganze Kulttirwelt beispiel- gebend gewirkt. Am Mont-Cenis, St. Gotthard, im Kau- kasus, in den Pyre- naen und Anden, im Ural und der Sierra Nevada, iiberall wo hohe Bergvvalle bis- hin den Verkehr unterbunden hatten, fand die Lokomotive freie Bahn. Mit Recht wird man den Zeit- punkt der ersten Uberschienung der Alpen als den Be- ginn der modernen Weltwirtschaft be- zeichnen, denn erst von da ab beginnt die Entwicklung des modernen Weltver- kehres, dessen letzte Wirkungen sich vor- laufig nicht einmal absehen lassen. W iirdig reiht sich jener ruhmreichen Epoche osterreichi- scher Eisenbahnbau¬ technik das jtingste Jahrzehnt an. Oster¬ reichs Techniker sahen sich in der aller- jiingsten Zeit in den Ho h en Tauern, K a r p a t h e n, im K a r s t, in den Kara- w a n k e n und Julischen Alpen vor neue, grofie, schwierige Aufgaben gestellt. Mit deren meisterhafter Durch- fiihrung schliefit abermals ein ehren- volles Kapitel der Entwicklung oster- reichischer Eisenbahnbautechnik ab. An die stolzen Namen unserer Ei- senbahntechniker Gerstner, Scho- nerer, Ghega, Etzel, Engerth, Tommen, Pressel, Hellwag, Lott u. a. reiht sich jener unseres unver- gefilichen, leider so friih dahingeschie- denen Dr. Karl W u r m b, des Erbauers der jiingsten Alpenbahnen, des Schopfers des zweiten Schienenweges zur Adria. Neben den hohenErrungenschaften auf technischem Gebiete hat aber das oster- reichische Eisenbahnwesen auch riihmens- werte Erfolge auf staats- und volkswirt- schaftlichen Gebieten zu verzeichnen. Der Werdegang des osterreichischen Eisenbahnwesens ist von allem Anbeginn ein Leidensweg ge- wesen. Schweres Ringen und mlihe- voller Kampf, bose Irrtiimer und Enttau- schungen sind nieht selten auf den Blat- tern der Eisenbahn- geschichte Oster¬ reichs verzeichnet. Um so scharfer und bedeutungsvoller treten nun die end- lichen Erfolge und Errungenschaften hervor. Osterreich hat zu einer Zeit, wo in anderen Landern der Wert der Eisen- bahnen uberhaupt noch nicht recht er- fafit und gewiirdigt war, als erster Staat den hohen Wert des Staatsbahnprin- z i p s erkannt, es auch als erster durch- gefilhrt. Unter den denkbar schwierigsten poli- tischen und wirtschaftlichen Verhaltnissen, in einem Gelande, das dem Bau von Ver- kehrswegen oft unuberwindlicheSchranken setzte, mit einem Aufwand schwerster Opfer hat sich Osterreich sein reichver- zweigtes Bahnnetz schaffen mussen. Wenn es in allerjiingster Zeit gelang, das Staatsbahnsystem zur vollsten Gel- tung zu bringen, gewaltige Schienenwege auf Kosten des Staates zu bauen oder zu erwerben, Bahnen, die seine Me¬ tropole nach allen Windrichtungen mit den Reichsgrenzen verbinden, und durch ein sich stetig verdichtendes Netz von Abb. 4. Sektionschef Friedrich Bischoff Edler v. Klammstein. AUgemeine Entwicklungsgeschichte. 9 Lokal- und Kleinbahnen untereinander enge zu verkniipfen, so dilrfen auch diese Er- rungenschaften als ein ehrenvoller Abschlufi der Sturm- und Drangperiode der osterrei- chischen Verkehrspolitik um so eher als hohe Erfolge verzeichnet werden, als sie fur die kiinftige Wirtschaftspolitik des Reiches von weittragender Bedeutung bleiben. IO Hermann Strach. 189 7 - Die Schaffung des osterreichischen Eisenbahnministeriums, mit derdie jungste Epoche der osterreichischen Eisenbahn- geschichte eingeleitet wird, fiel in eine politisch reichbewegte Zeit. Die politischen Wirren der Ara Badeni brachten einen vollstandigen Stillstand auf legislativem Gebiete, dem Abgeordnetenhause ging die Macht und die Fahigkeit ab, auf irgend einem Wirtschaftsgebiete richtunggebend zu wirken. Mit den grofiten Erwartungen war die Schaffung eines eigenen Mini- steriums fiir das Eisenbahnwesen begriifit worden. In dem ersten Eisenbahnminister Feldmarschalleutnant Ritter von Gut- t e n b e r g*) erwartete man auf Grund seiner erfolgreichen Vergangenheit und besonderen Kenntnis der osterreichischen Eisenbahnverhaltnisse einen Staatsmann, der die seit Jahrzehnten schwebenden *) FML. Ritter v. Guttenberg (siehe Abb. Band IV der Geschichte der Eisen- bahnen S. 285) entstammt einem alten wtirt- tembergischen Adelsgeschlechte, dessen eine Linie vor 300 Jahren in Osterreich einwan- derte. Einer seiner Ahnherren war im 18. Jahr- hundert Biirgermeister von Wien. Emil R. v. Guttenberg ist am 4. Janner 184S zu Tams- weg im Herzogtum Salzburg als Sohn eines Staatsbeamten geboren, absolvierte die Genie- schule zu Krems und trat am I. Mai 1859 in die Armee ein. In der Schlacht bei Solferino zeich- nete sich der junge Leutnant durch besondere Tapferkeit aus. 1866 stand er als Generalstabs- ofnzier bei der Nordarmee und nahm an zahlreichen Gefechten und an der Schlacht bei K 5 nigo;ratz teil. Nach Beendigung des Feldzuges dem Eisenbahnbureau im General¬ štabe zugeteilt, lenkte R. v. Guttenberg durch seme Studie »Die Ssterreichisch-unga- rischen Eisenbahnen« die Aufmerksamkeit hervorragender Fachmanner auf sich. Als Hauptmann schrieb R. v. Guttenberg im Vereine mit Hauptmann v. Obauer ein fiir die damaligen Verhaltnisse bahnbrechendes Werk »Das Train-Kommunikations- und Ver- pflegswesen vom operativen Standpunkt«, das lhm die Verleihung des Franz Josef-Ordens eintrug. Bei der Reorganisation des General- stabes 1871 wurde R. v. Guttenberg dem 10. Dragonerregimente zugeteilt. Fiir seine ausgezeichneten Leistungen bei Zusammen- stelmng der Sanitatstrains des souveranen Johanniterordens und bei Organisation der Vervvundetentransporte hatte er das Donat- kreuz des genannten Ordens erhalten. Im Jahre 1874 war R. v. Guttenberg wieder - igoi. grofien Probleme der osterreichischen Verkehrspolitik, die Verstaatlichung der groCen Privatbahnen und die schwierige Frage der Schaffung des langst ange- strebten volks- und staatswirtschaftlich bedeutungsvollen zweiten Schienenweges zur Adria der endlichen Losung zufiihren werde. Wie iiberaus sparlich aber blieben die Erfolge, die trotz der eifrigsten Be- muhungen des von den besten Inten- tionen beseelten Eisenbahnministers auf legislativem Gebiete fiir das Eisenbahn- wesen in den beiden Sessionen des Jahres 1897 erreicht werden konnten. In der zvvolften Session des Abgeord- netenhauses gelang es blofi zwei Re- gierungsvorlagen fiir das Eisenbahnwesen der parlamentarischen Behandlung zuzu- fiihren, die Vorlage, betreffend die Bau- rechnung der auf Staatskosten erbauten, dem Generalštabe zugeteilt. Seit 1877 Major, wird er bei Aufstellung der zur Okkupation Bosniens bestimmten Truppen zum Chef des Generalstabes der 6. Infanterie-Truppen- division ernannt. Am 12. April 1883 er- folgte die Ernennung des Oberstleutnants R. v. Guttenberg zum Chef des Eisenbahn- bureaus im Generalstabskorps. Als Oberst schrieb er 1884 ein weiteres hervorragendes Werk: »Administrativer Generalstabsdienst und Heeresverwaltung«. Durch mehr als 10 Jahre blieb R. v. Guttenberg Chef des Eisenbahnbureaus und 1894 wurde er zum Stelivertreter des Chefs des General¬ stabes und im Mai 1895 zum Feldmarschal¬ leutnant ernannt Als Chef des Eisenbahnbureaus hatte R.v. Guttenberg Gelegenheit, Erfahrungen iiber das Gesamtgebiet des Eisenbabnwesens zu sammeln, er nahm auf die Organisation der Ssterreichischen Staatsbahnen hervor- ragenden Einflufi und sein Verdienst war es, dafi die im Jahre (901 aufgetauchten Plane einer weitestgehenden Dezentralisation des Staatsbahnnetzes hintertrieben wurden, indem er in zahlreichen Exposes auf die Gefahren einer solchen Mafinahme hinwies. Leider hat die Ungunst der politischen Verhaltnisse die Entfaltung der Fahigkeiten dieses ausge¬ zeichneten Mannes nicht in j enem MalSe zugelassen, wie es im Interesse der Ent- wicklung des heimatlichen Verkehrsvvesens erwunscht gewesen ware. Nach seinem Rticktritt zeichnete Se. Majestat der Kaiser den verdienstvollen Offizier und Minister durch Verleihung der erblichen Freiherrn- wiirde aus. Allgemeine £ntwicklungsgeschichte 13 am 12. Oktober 1890 eroffneten Eisen- bahn Jaslo-Rzeszow und jene iiber die Einlosung der Eisenbahn Lem- berg-Belzec (Tomaszow) durch den Staat die beide mit der Zuweisung an den Eisenbahnausschufi die Beendigung in ihrer parlamentarischen Behandlung fanden. Bei einem Parla¬ ment, das wirtschaft- liche Fragen nicht von der hohen Warte des allgemeinen u. Staats- interesses, sondern vom Standpunkte pro- vinzieller Anschau- ungen und Sonder- wiinschen behandelte, mufiten die besten Absichten erfolglos bleiben und die zweck- mafiigsten Plane im Wirrsale untergehen, das die politischen Sturme jener Zeit brachten. So kam es auch, dafi die staats- wirtschaftlich bedeu- tungsvolle Absicht des Finanzministers Dr. Ritter von B i 1 i n s k i —■ eines der fahigsten Mann er, die jemals auf die osterreichische Staatswirtschaft Ein- flufi nahmen — eine plangemafie staatliche Investitionspolitik ein- zufiihren, vorerst schei- terte. Bis zu dem Zeitpunkte, wo dieser Staatsmann es unter- nahm, eine grofiere Klarheit und Uber- sichtlichkeit neben einer rationellen staat- lichen Haushaltung in der Budgetauf- stellung durchzusetzen, war eine plan- mafiige staatliche Investitionspolitik, ins- besondere auf dem Gebiete des Verkehrs- wesens in Osterreich, nicht vorgesehen. Riicksichten politischer Natur, die nicht immer im Einklange mit dem gemein- wirtschaftlichen standen, vorwiegend aber gesamtstaatliche oder strategische Inter- essen, aber leider nur allzuoft die Be- friedigung von Sonderinteressen, hatten bis dahin von Fali zu Fali die Erwa- gungen zum Bau von Bahnen auf Staats- kosten gebracht. Die Abhangigkeit von der Budgetgestaltung mufite es mit sich bringen, dafi bei der nur allmahlich sich vollziehenden Steigerung der Ein- nahmen die staat- lichen Investitionen fiir das Verkehrswesen mit den tatsachlichen Bediirfnissen nie im Einklang standen. Bil in s ki, der in der ersten Sitzung der 11. Session durch Ein- bringung derGesetzes- vorlagen, betreffend die Aufnahme einer Anleihe fiir das Jahr 1897, den Versuch machte, die zielbe- wufite staatliche Inve¬ stitionspolitik einzu- schlagen, mufite diese sowie die aus »Grtin- den zwingendster finanzieller Notwen- digkeit« geplante Ein- fuhrung der Trans- portsteuer unter den desolaten parla- mentariscben Zustan- den bald aufgeben. Die Transportsteuer hatte er iibrigens als theo- retischer Gegner von Verkehrssteuern nur der sonst unvermeid- lich scheinenden Ta- riferhohung gegen- iiber als das »gerin- gere Ubel« betrachtet. Das arbeits- unfahig gewordene Parlament raffte sich hochstens auf, Wiinschen lokaler Natur in Dringlichkeitsantragen, Reso- lutionen und Interpellationen beschei- denen Ausdruck zu leihen. Die Kon- stitutivurkunden auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens weisen in jenem Jahre ein einziges parlamentarisch zu stande gekommenes Gesetz auf, das Gesetz Abb. 7. Studie fiir die Wiener Stadtbabn. Galerie der Donaukanallinie von Oberbaurat Prof. Otto Wagner. M Hermann Strach. vom 17. Februar 1897, RGB. Nr. 64, betreffend den Bau der Eisenbahn Stryj — Chodorow. Die Erledi- gung des einzigen in der 12. Ses- sion eingebrachten Eisenbahngesetz- entwurfes, betreffend die Veraufierung der ' Staatsbahnlinie Bohmisc h-L e i p a —Niemesandie Aussig-Teplitzer Eisenbahn mufite der nachsten Session vorbehalten bleiben. bahnwesens bereits auf das innigste verkniipft. *) *) Am 29. Janner 1844 als der Sohn eines hochverdienten Offiziers zu Wien geboren, trat Dr. Ritter v. Wittek im August 1865 bei der niederosterreichischen Finanzproku- ratur in den Staatsdienst, promovierte 1867 sub auspiciis Imperatoris zum Doktor der Rechte. Im Marž 1868 als Konzeptsadjunkt in das Handelsministeriumberufen,wurde er dem Eisenbahndepartement zugeteilt. Abb. 8. Wiener Stadtbahn, Donaukanallinie. Haltestelle Schottenring. Mit dem Ministerprasidenten Grafen Badeni und dem Finanzminister Ritter von B i 1 i n s k i, dem Osterreichs Staatsbahnbedienstete auch fiir sein segensreiches Wirken als Prasident der k. k. Staatsbahnen stets ein ehren- des Andenken bewahren, schied auch Ritter von Guttenberg aus dem Amte und in dem Beamtenministerium G a u t s c h, dem Ministerium der »eminenten Talente«, erhielt Dr. Hein- rich Ritter von W i 11 e k das Porte- feuille des Eisenbahnministers. Mit dem Namen des neuen Ministers waren die Geschicke des osterreichischen Eisen- Schon in den ersten Anfangen seiner Laufbahn lenkte Dr. R. v. Wittek durch seine eminente Begabung die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten auf sich. Seinen aus- gezeichneten Fahigkeiten und einer unge- w 5 hnlichen Arbeitskraft batte er es zu danken, dafi er die Stufenleiter vom Kon- zipisten bis zum Sektionschef in 17 Jabren zuriicklegen konnte. In der 1874 neu errichteten Eisenbahn- sektion erhielt der damalige Ministerialsekretar das Referat fiir legislative Angelegenheiten, ein Jahr spater bringt das Amtsblatt seine Ernennung zum Sektionsrat und 1880 wird er zum Mimsterialrate ernannt. 1885 hatte er schon den Titel und Rang eines Sektions- chefs und bald darauf ist der wirkliche Sektionschef Dr. R. v. W i 1 1 e k bereits mit der TUD E E FUR DIE GALERIJE Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 15 Abb. 9. Wiener Stadtbahn. Studie fiir die Galerie der Donaukanallinie von Oberbaurat Professor Otto Wagner. i6 Hermann Strach. Als Dr. Ritter v. Wittek am 30. No¬ vember 1897 das Eisenbahnministerium iibernahm, kniipften sich auf Grund seiner friiheren Erfolge in Schatzung seiner Tat- kraft und Wiiirdigung seiner enormen Fach- kenntnisseweitestgehende Hoffriungen. Von Dr. v. W i 11 e k eiserner Hand erwartete man die riicksichtsloseste Durchfiihrung eines Verstaatlichungsprogrammes. Der Verstaatlichungseifer des Handels- ministers Grafen Wurmbrand mufite seinerzeit erlahmen, als die Erkenntnis sich durchrang, daS die wichtigsten Linien des osterreichischen Privatbahnnetzes, die der Siidbahn, Nordwestbahn und Staats- eisenbahn-Gesellschaft, nicht so leichten Kaufes unter das gekronte Fliigelrad ge- bracht werden konnen. Als Dr. R. v. Wittek im Kabinett Kielmannsegg das Handelsministerium lei- tete, solite der bisherige Weg der »Freien Verhandlungen« verlassen werden, mit einem neuen Programme versuchte die Re¬ gi erung die Verstaatlichungsfrage zu losen. Die »konzessionsmafiige Verstaat- lichung« stand auf der Tagesordnung. Leider erwies sich die Durchfiihrung dieses Programms nicht so einfach, als Leitung der Eisenbahnsektion des Handels- ministeriums betraut. Als iiberzeugter An- hanger des Staatsbahnprinzips, fiir das er wiederholt Offentlich eintrat und als dessen entschiedener Vorkampfer er galt, hatte er bei den ersten Verstaatlichungen 'Kaiserin Elisa- beth-Bahn, Kaiser Franz Josef-Bahn, Kronprinz Rudolf-Bahn und Vorarlberger Bahn) mitge- wirkt und spaterhin die Verstaatlichung der Karl Ludwig-Bahn, Erzherzog Albrecht-Bahn, der Prag-Duxer Bahn, Dux-Bodenbacher Bahn. Bohmischen Westbahn, der Linien der Lokal- eisenbahn-Gesellschaft, der Mahrischen Grenz- bahn und Mahrisch-schlesischen Zentralbahn durchgefiihrt. In der Amtsstube Dr. R. v. Wit- teks im Barbarastifte (Abb. 2) entstanden die zahlreichen Gesetzesvorlagen,die die Entwick- lung und Neugestaltung des osterreichischen Eisenbahnwesens inaugurierten. Die vvichtig- sten Akte der Gesetzgebung, sei es in allge- meiner eisenbahnpolitischer, sei esin sozialpoli- tischer Beziehung,die Ordnung derrechtlichen, finanziellen Verhaltnisse der Privatbahnen, die Sicherstellung der grofien Staatsbahn- bauten, waren hauptsachhch sein Werk. An der Schaffung der Wiener Verkehrsanlagen hat Dr. R. v. W i 11 e k hervorragenden Anteil. Unter seiner Agide wurden die zahlreichen Gesetze geschatfen, denen Osterreichs Lokal- bahnwesen seine Ausgestaltung verdankt. Im Kabinett Kielmannsegg wurde Dr. R. es gedacht war. Die Konzessionen der Privatbahnen liefien eine Reihe von be- deutungsvollen Fragen offen, die bei der seinerzeitigen Erteilung dieser Urkunden nicht vorgesehen waren und die ohne freie Verhandlungen eine Verstaatlichung nicht durchfuhrbar erscheinen liefien. Der parla- mentarische Mifierfolg der am 27. Marž 1896 im Abgeordnetenhause eingebrachten Vorlagen, betreffend den freihandigen Ankauf der Osterreichischen Nordwest- bahn und Stid-NorddeutschenVerbindungs- bahn durch den Staat, sowie die Aus- sichtslosigkeit zurzeit ein das Staats- interesse befriedigendes Verstaatlichungs- abkommen mit den Privatbahnen zu erreichen, nicht zuletzt die Absicht, der Beunruhigung der Privatbahnen, ihres Personals sowie des Geldmarktes, den regelmafiigen Begleiterscheinungen, wenn Verstaatlichungsversuche auftraten, vor- laufig ein Ziel zu setzen, waren Grunde genug, die Verstaatlichungsabsichten auf einen giinstigeren Zeitpunkt zu verlegen. Die politischen Verhaltnisse Ende der Neunzigerjahre hatten iibrigens die Durch- fiihrung eines grofien Eisenbahnprogram- mes gar nicht zugelassen. v. W i 11 e k zum Leiter des Handelsministeriums ernannt, aus welcher Stellung er am 30. Sep¬ tember 1895, ausgezeichnet mit dem kaiser- lichen Dank und Anerkennung der »mit treuer Hingebung und bewahrter Fachkenntnis ge- leisteten ausgezeichneten Dienste« schied. Mit der Schaffung des Eisenbahnministeriums, an dessen Organisation er hervorragenden An¬ teil hatte, Iibernahm Dr. R. v. Wittek die Leitung der I. Sektion fiir die administra¬ tiven und Rechtsangelegenheiten der Staats- und Privatbahnen. Unter Verzichtleistung auf jede andere Lebensfreude erkannte Dr.. R. v. W i 11 e k in der Erfiillung seiner Dienstpflichten seine einzige und hbchste Lebensaufgabe. W i 11 e k s streng rechtlicher Charakter, sein eiserner FleiR, seine universelle Bildung, sein scharfes Urteil machten ihn zum Vorbild eines Beamten. Als Regierunvsvertreter und schlagfertigen und formgevvandten Redner hatte man ihn schon lange bevor er den dornenvollen Pfad der Politik betrat, vollauf schatzen gelernt. Auch auf fachschriftstelle- rischem Gebiete hat Dr. R. v. Wittek durch bedeutungsvolle Publikationen, unter welchen namentlich auch der von ihm als Mitarbeiter an diesem Werke im Jahre 1898 veroffent- lichte Beitrag »Osterreichs Eisenbahnen und die Staatswirtschaft<' zu nennen ist, sich einen weit liber die Grenzen des Vaterlandes reichenden Ruf verschafft. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 17 Die ersten Jahre der Ministertatigkeit Dr. Ritter v. W i 11 e k s fallen in die tief- traurige Periode der parlamentarischen Obstruktion. Im steten Wechsel der Mi- nisterien bleibt der Eisenbahnminister der ruhende Pol. Als es weder dem Grafen T h u n noch den Grafen C1 a r y- A1 d r i n g e n gelang, das unselige Wirrsal zu losen, in das Osterreichs innere Politik geriet, sieht sich Dr. Ritter v. W i 11 e k mit einem Male auch vor die Aufgabe der stiirmischen Nachtsitzung vom 8. Juni 1900 das Parlament vertagt werden und wieder tritt der beriibmt gewordene § 14 in seine Reehte. Erst nach Auflosung dieses Parlaments und den Neuwahlen vom Janner 1901, die ein starkes An- wachsen der radikalen Parteien bringen, gelingt es in der XVII. Session endlich, durch Voranstellung grofier wirtschaft- licher Programme das Parlament zu pro- duktivem Schaffen zu veranlassen. Nach Abb. 10. Wiener siadtbahn, Donaukanallinie. Haltestelle Brigictabriicke. gestellt, an der Spitze eines Beamten- ministeriums die Regierungsgeschafte zu fiihren und mit Hilfe der § 14 des Staats- grundgesetzes fiir die dringendsten staat- lichen Bediirfnisse vorzusorgen. Bis zum 18. Janner 1900, wo er unter dem Mini- sterium K o e r b e r wieder sein engeres Ressort behalt, dauerte diese Ubergangs- periode. Aber auch Ministerprasident Dr. v. Koerber hatte noch schwere Muhe, das Parlament arbeitsfahig zu ma- chen. Nach den mifiglilckten Versoh- nungsversuchen im Frilhjahr 1900 und der Obstruierung des Budgets mufite nach einem neuerlichen Aufflackern der Ob¬ struktion zu Ende des Jahres ist diese wenigstens vorlaufig besiegt. Im Mai 1902 konnte zum erstenmal seit 1897 das Budget einer parlamentarischen Be- ratung unterzogen werden. Die fluchtige Skizzierung der poli- tischen Zustande, die jede Tatkraft unter- banden, jede Schaffenslust lahmlegten, diirfte als Erklarung hinreichen, warum ein Lustrum hindurch eine empfindliche Stagnation im osterreichischenEisenbahn- wesen eintrat, warum trotz der besten Intentionen der leitenden Kreise die Aus- 2 i8 Hermann Strach. gestaltung der Verkehrswege aut den Bau von Lokal- und Kleinbahnen be- schrankt blieb, warum mehr die Betreu- ung und Bewirtschaftung des bereits Er- worbenen, gewissenhafte Kleinarbeit, die Fortsetzung und Vollendung bereits fruher beschlossener und genehmigter Arbeiten und nur sparliche Ansatze zu neuen ausgreifenderen Mafinahmen in der Wirschaftsgeschichte jener Zeit zu ver- zeichnen sind. 1901 die Donaukanallinie (Heiligenstadt —Hauptzollamt sowie die Verbindungs- kurve Brigittabriicke — Nuiidorferstrafie) dem Betriebe iibergeben. Damit war das grofie Werk der Wiener Stadtbahn der Beendigung zugefuhrt, ohne dafi die fiir die Abwicklung eines zweckmafiigen Be- triebes so iiberaus notvvendige Ver- bindungskurve zwischen Giirtellinie und WientaHinie, geschweige denn die iibrigen Erganzungslinien zur Ausfiihrung Abb. II. Wiener Stadtbahn, Wientallinie. Haltestelle Kettenbriickengasse. Im ersten Jahre seiner Amtstatigkeit hatte Dr. Ritter v. W i 11 e k die Genug- tuung, den Bau eines seiner Lieblingswerke, die im Zusammenhange mit den Wiener Verkehrsanlagen geschaffene Wiener Stadtbahn, vollendet zu sehen, die allerdings bisher die grofien Hoffnungen nicht erfullt, die an deren Schaffung gekniipft waren. Der feierlichen Eroffnung der Vorortelinie am n. Mai 1898 folgte wenige Tage spater (1. Juni) j ene der Giirtel- und oberen Wientallinie. Am 26. Mai 1899 wurde der Betrieb auch auf dem bis dahin vollendeten zweiten Gleise der Vorortelinie aufgenommen. Sang- und ldanglos wurde am 6. August gebracht wurden. So ist die Wiener Stadtbahn nur ein halbesWerk geblieben, das erst durch eine zweckentsprechende Erganzung seiner Linien und Umge- staltung seines Betriebes jenes Verkehrs- mittel werden kann, das den Erwartungen entsprache, die seine Schopfer und mit ihnen die Bevolkerung der Metropole hegten, als der erste Spatenstich zu dieser Anlage gemacht wurde. Neben dem Willen des Monarchen, der das »Werde« sprach, war die Schaffung der Stadtbahn dem unermiidlichen Eifer Dr. Ritter v. W i 11 e k s zu danken, der mit Recht als der Vater der grofiartigen Wiener Verkehrsanlagen bezeichnet wird, Allgemeine Entwicklungsgeschichte, 19 zu welchen noch die Wienflufiregulierung, die Ausfiihrung von Sammelkanalen langs der Wien und des Donaukanals und die Ausgestaltung dieses bisher brachgele- genen Wasser\veges zu einem Handels- und Winterhafen zahlt. Er war es, der die ersten Keime gelegt, mit seltenem Ge- scbick verstand er es, in der Verkehrs- kommission die nicht selten disparaten Interessen der drei Kurien zu einigen, und durch unermudliche Forderung seiner Techniker hatte er es dahin gebracht, dafi die Stadtbahn in technischer Hinsicht ein Meisterstiick genannt wer- den darf; denn trotz aller Norgeleien ist und bleibt die Wiener Stadtbahn, was ihre Ausfiihrung anbelangt, ein herrliches Stiick technischer Arbeit. Wenn, wie zu envarten steht, innachsterZeit diefehlende Verbindung zvvischen Giirtel- und Wisn- tallinie geschaffen, die Vorteile des elek- trischen Betriebes ausgeniitzt sein werder; und die Bevčlkerung Wiens ein in seiner Bedeutung noch nicht recht gewtirdigtes Verkehrsmittel beniitzen kann, das die Peripherie der Stadt enger an das Innere bringt, so wird sie noch dankbar jener gedenken, die an der Schaffung dieser Verkehrsanlage verdienstvollen Anteil haben, besonders auch des verdienstvollen Baudirektors Friedrich B i s c h o ff Edlen v. KI a mm s tein.*) *) Friedrich Bis chotf Edler v. Klamm- stein war am 14. November 1832 zu Graz geboren, kam nach Absolvierung der dortigen technischen Fachschule 1851 als Ingenieur- assistent zum Semmeringbahnbau. Bei der Sudbahn brachte er es bis zum Inšpektor. Er verlieft den Posten, um als leitender' Ober- ingenieur bei einer Bahnbauunternehmung einzutreten. 1875 kam er als Oberinspektor zur Kaiserin Elisabeth-Westbahn. Ein Jahr spater ist er bereits Baudirektor des Unternehmens, bei dessen Verstaatlichung er als Hofrat Vor- stand der Baudirektion der k. k. Staatsbahnen wurde. In der Generaldirektion der k. k. Staats¬ bahnen entfaltete B i s c h o f f eine umfassende Tatigkeit. Bis 1893 wurden unter seiner Leitung 1600 km Bahnen erbaut. 1895 trat er an die Spitze der k. k. Baudirektion der Wiener Stadtbahn, deren Bau den Schlufistein seines Wirkens bildete. 1897 erhielt er den Titel und Charakter einesSektionschefs. Nach AuflOsung der Baudirektion trat er am I. Juli 1902 in den Ruhestand. Lange war es ihm nicht gegonnt, der wohlverdienten Ruhe zu pflegen. Ein Herzschlag machte am 25. Februar 1903 seinem tatenreichen Leben ein Ende. Im tibrigen \var die Bautatigkeit der Staatsbahnverwaltung seit 1897 eine ziemlich beschržinkte geblieben. Im Jahre 1897 \var das zweite Gleis der Strecke Lemberg—Zlocz6w fertig- gestellt. Auf der Staatsbahnstrecke H ali c z— O s trd w*) waren die seit 1895 in Angriff genommenen Bauarbeiten so weit gediehen, dafi auf der Teilstrecke Ostrow— Podwysokie am 25. Janner 1897 vorerst der Lokalbahnbetrieb eingeleitet und mit der Eroffnung der noch rest- lichen Strecke Halicz—Podwysokie am 1. Juni gleichzeitig die Aktivierung des Hauptbahnbetriebes aut der ganzen Linie erfolgte. Abb. 12. Przeworsk—Rozwadow. Station Rudnik. Die Strecke Chodorow—Podwy- sokie**) konnte am 29. November, Beraun—Dušnik***) am 18. Dezember 1897 dem Betriebe ubergeben werden.f) Die k. k. Eisenbahnbauleitung in Karlsbad hatte die fiir Rechnung der Konzessionare vom Staate in Bau genommenen Linien K a r 1 s b a d— Marienbad und K a r 1 s b a d— *) Sichergestellt mit dem Gesetze vom 26. Dezember 1893, RGB. Nr. 9 ex 1894. **) Sichergestellt mit dem Gesetze vom i. Juni 1896, RGB. Nr. 86. ***) Sichergestellt mit dem Gesetze vom 19. Juni 1895, RGB. Nr. 83. f) Siehe Bd. I/II Konta, Geschichte der Eisenbahnen Osterreichs 1867—1897, Seite4l4. ff) Sichergestellt mit dem Gesetze vom 19. Juni 1895, RGB. Nr. 83, Konzessions- urkunde vom 21. Mai 1896, RGB. Nr. 91. 2' 20 Hermann Strach. Johanngeorgenstadt*) zu leiten und zu iiberwachen, der k. k. Bau- leitung in Lemberg oblag der Bau der Staatsbahnlinie Stryj—Chodorovv**) und die k. k. Eisenbahnbauleitungen in Wolfsberg und Windischgratz hatten fiir die Durchfiihrung der mit der Konzessions- urkunde vom 22. Juni 1897, RGB. Nr. 152***) vom Staate fiir Rechnung der Konzessionare als Hauptbahnen zweiten Ranges zu erbauenden Linien W o 1 f s- berg—Zeltwegund Wollan—Unter- drauburg vorzusorgen. Von der S trecke K a r 1 s b a d—J o h a n n- georgenstadt kam die 18 km lange Teilstrecke N eu de c k— P 1 a tt en am 28.November 1898, Platten—Johann- Abb. 13. Przeworsk—Rozwad6w. Niško. georgenstadt (7-3 km) am 1. April 1899, Karlsbad—-Neudeck (io g 2 km) am 15. Mai 1899 zur Eroffnung, Karls¬ bad—Marienbad (52 - 78 km) konnte am ji7. Dezember 1898 dem Betriebe iibergeben werden. W o 11 a n—Unterdraub ur g (36 km) wurde am 20. Dezember, Stryj—Cho- dorow (41 km) am 22. Dezember 1899 eroffnet, \vahrend Zeltweg—Wolfs- *) Sichergestellt mit dem Gesetze vom 22. Juni 1894, RGB. Nr. 129, Konzessions- urkunde vom 2. Dezember 189=;, RGB. Nr. 12 ex 1896. **} Sichergestellt mit dem Gesetze vom 17. Februar 1897, RGB. Nr. 64. ***) Auf Grund des Gesetzes vom 21. Juli 1896, RGB. Nr. 141; die Konzessionsurkunde ist modifiziert durch die Kundmachung des k. k. Eisenbahnministeriums vom 24. Marž 1902, RGB. Nr. 62, aus Anlaft der Staats- garantieerhohung. berg (50 km) am 10. Janner 1900 dem Betriebe iibergeben wurde. In diesem Jahre waren auch das zweite Gleis der Strecke Tulln—Absdorf (10 km) und die 2’ 1 km lange Staatsbahnlinie Linz— U r f a h r fertiggestellt, \vahrend die zweiten Gleise der Strecken L a m b a c h —Attnang (18 km) und Wels—Salz¬ burg schon im Vorjahre in Bentitzung gekommen waren.*) Mit der Eroffnung der Stadtbahn war das bescheidene Bauprogramm der Staatsbahnvenvaltung abgeschlossen, das noch auf Grundlage der in die friihere Periode zuriickzufiihrenden Gesetze aus- zuflihren moglich war. Ein Hauptaugenmerk hatte das Eisen- bahnministerium der Erhohung der Ver- kehrssicherheit auf den oster- reichischen Eisenbahnen zuzuwenden. Das Jahr 1897 hatte in rascher Aufeinanderfolge eine grofiere Anzahl schwerer Eisenbahn- unfalle gebracht und die hiedurch natur- gemafi hervorgerufene allgemeine Beun- ruhigung wurde noch gesteigert, als furchtbare Elementarereignisse in den ver- schiedenen Teilen der Monarchie ge- waltige Verheerungen auf den Eisen¬ bahnen anrichteten. In der Presse und im Parlament wurde der Ruf nach Er¬ hohung der Verkehrssicherheit laut und eine Reihe von Verfugungen des Eisen¬ bahnministeriums trug diesem Wunsche auch sofort Rechnung. Die \vichtigste Verfiigung war jene, durch welche das seit dem Bestande der Eisenbahnen in Osterreich nach franzosischem Vorbilde geltende System der Zugfolge in Z e i t- distanz durch das in Deutschland, Belgien und Amerika seit jeher in An- vvendung befindliche System des Fahrens in Raumdistanz angeordnet wurde. (Eisenbahnmisterialerlafi vom 2.Marž 1898, Z. 19755 ex 1897.) Die Dienst- und Ruhezeiten des Personals im exekutiven Betriebsdienste fanden strenge Regelung, und als im Sommer 1898 neuerdings eine Serie von Unfallen sich einstellte, wurde die weitergehende Ausgestaltung der eingleisigen Strecken in Doppelgleise _ *) Derzweigleisige Betrieb auf der Strecke Wien—Salzburg wurde am 18. August 1902 aufgenommen. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 21 Abb. 14. Strecke Gabela—Zelenika. Feierlicher Empfang in Zavala. Abb. 15. Strecke Uskoplje—Gravosa. Linienfahrung' bei Brgat. Ausblick auf BrennotaL 22 Hermann Strach. Abb. 16. Strecke Uskoplje—Gravosa. Partie der Bahn oberhalb Kilometer 15-5 mit dem jgbgj Omblatal im Hintergrunde. sowohl auf den Staatsbahnen als auch bei den Privatbahnen in ernste Erwagung gezogen, hiefiir ein Programm aufgestellt, an dessen systematischer Durchflihrung mit vielem Erfolge gearbeitet wurde. So sparlich auch die Auslese an pro- duktiver parlamentarischer Arbeit in den fiinf Jahren 1897 —1901 sich gestaltete, so gelang es der Regierung immerhin, einige wichtige das Eisenbahmvesen be- treffende Gesetzesvorlagen auch in Zeiten des politischem Wirrsals durchzubringen. Insbesondere das Lokalbahnnetz ge- \vinnt dank dem trefflichen Gesetze tiber Bahnen niederer Ordnung vom 31. De- zember 1894 (RGB. Nr. 2 ex 1895) bei der Opferwilligkeit des Staates und dank dem wachsenden Verstandnisse ftir die Bedeu- tung der Lokalbahnen in einzelnen Kron- landern, die sich deren Forderung unter hohen Opfern angelegen sein liefien, auch in den Zeiten der politischen und wirtschaftlichen Depression an Ausdeh- nung. Das sonst an Erfolgen so arme Jahr 1898 steht in der Dekade 1897 —1906, die bisher den grofiten Langenzuwachs an Lokalbahnen iiberhaupt verzeichnen kann, mitderEroffnungvonKilom. 755'3i9 solcher Bahnen an der Spitze. Da also an die Durchfuhrung eines grofteren Eisenbahnprogrammes zu jener Zeit nicht zu denken war, so versuchte die Regierung wenigstens den Bau jener Bahnen sicherzustellen, fiir deren Ausbau in erster Linie gesamtstaatliche und strate- gische Rucksichten maftgebend \varen. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 24. Marž 1898 wurden Gesetzesvor¬ lagen eingebracht, die den Bau folgender Strecken sichern sollten: 1. Der in Bosnien und in der Herze- gowina gelegenen Teilstrecken einer schmalspurigen Bahn von G a b e 1 a in die Bocche di Cattaro mit Abzwei- gungen nach Trebinje und gegen Gravosa. 2. Der Eisenbahnen Przeworsk— Rozwadow und Lemberg—Sam- AUgemeine Entwicklungsgeschichte. 23 b or— Ungarische Grenze sowie der auf dalmatinische Gebiete fallenden Teile einer von der Linie Mosta r—M e t k o v i č abzweigenden Bahn in die Bocche di C at tar o nebst einem Fliigel nach Gra- v o s a (Ragusa). 3. Linz—Urfahr. 4. Freudenthal—Klein-Mohrau. Das Projekt einer Verbindung des Endpunktes der Bahn Dpbica—Roz- w a d 6 w durch eine in den Niederungen des San hinziehende Eisenbahn bis Przeworsk hatte das Parlament seit Jahren schon beschaftigt. Wiederholt war die Regierung anfgefordert worden, den zahlreichen Petitionen aus interessierten Kreisen um Erbauung dieser Linie Rech- nung zu tragen. Nachdem es gelungen war, die Lokalinteressenten und das Land Galizien zu Beitragsleistungen heranzu- ziehen, beschlofi die Regierung den Bau dieser in der Nahe der russischen Grenze laufenden Linie auf Staatskosten. Die Linie erlangte tibrigens auch eine wirt- schaftliche Bedeutung dadurch, dafi sie dem ostgalizischen Verkehr eine ktirzere Verbindung fiir den neugeschaffenen Weichsel - Umschlagplatz N adbrzezie herstellte. Die Eisenbahn Lemberg— Samb or bildet die Teilstrecke einer strategisch besonders wichtigen neuen, liber die Karpathen gehenden Verbin- dungslinie des galizischen Eisenbahn- netzes mit Ungarn. Die 2’12 km lange auf Staatskosten herzustellende Lokalbahn Lin z—U r f a h r hatte den Zweck, die Ende 1888 dem Be- triebe iibergebene Miihlkreisbahn (Urfahr— Aigen) mittels einer Donaubrticke nach Siiden zu verlangern und so an das tibrige Eisenbahnnetz anzuschliefien. Die Lokalbahn Freudenthal — Klein-Mohrau solite die westlich von Freudenthal an der mahrisch-schlesischen Grenze gelegenen, einst so bliihenden, bei dem Mangel einer Schienenverbindung aber stetig zuriickgehenden Industrie- gebiete in das Eisenbahnnetz einbeziehen. Endlich hatte die Regierung die Mittel ftir den Bau auf Dalmatiner Gebiet ge¬ legenen Teilstrecken einer Linie gesetzlich sicherzustellen, die von der Station Ga- Abb. 17. Strecke Uskoplje—Gravosa. Bahnentwicklung' in Kilometer 5. Omblatal. 24 Hermann Strach. bela der bosnisch-herzegowinischen Staats- bahnstrecke Mostar—Metkovič in die Boeche fiihren solite. Mit einer 18 km langen Abzweigung dieser Linie bei Us- koplje nach Gravosa, dem Hafen von Ragusa, entfielen 56 km dieser Bahn auf osterreichisches Gebiet. Eine zvveite Zweig- linie, jene nach Trebinje, kam ausschliefi- lich auf bosnisch-herzegowinisches Gebiet zu liegen. Der siidOstliche Teil der Herzegowina und das siidliche Dalmatien entbehrten bislang eines Anschlusses an das Eisen- bahnnetz des Reiches. Fiir Militartrans- porte nach Siiddalmatien war die Heeres- verwaltung daher ausschliefilich auf den nicht immer verlafilichen Seeweg ange- wiesen. Die Verteidigungsfahigkeit des Reiches erheischte demnach dringend die projektierte Bahnverbindung. Die Fliigel- bahn nach Trebinje erlangte dadurch, dafi nicht nur das befestigte Trebinje, sondern auch die naheg-elegene befestigte Stadt Bilek in innigen Kontakt mit der Mon- archie gebracht werden konnten, mili- tarische Wichtigkeit. In administrativer und politischer Beziehung mufite es fiir die bosnisch-herzegowinische Landesver- waltung von grofiem Werte sein, Sara¬ jevo und Mostar, die beiden Hauptstadte des Landes, mit Trebinje hart an der monte- negrinischen Grenze verbunden zu sehen. In wirtschaftlicher Beziehung wurden an diese Linie keine grofien Erwartungen gekniipft. Gleichwohl solite sie insofern Bedeutung erlangen, als damit die erfolg- reiche Aktion der Regierung, die wirt- schaftlichen Verhaltnisse des bisher ver- nachlassigten Dalmatien zu heben, in- auguriert wurde. Bevor die Linie Gabela—Gravosa erbaut war, ging der Landverkehr Bos- niens iiber Brod, war also zum Nachteile Dalmatiens ausschliefilich iiber Ungarn geleitet. Ungarn widersetzte sich mit allen Mitteln jeder Verbindung der dal- matinischen Hafen mit dem Hinterlande in der Besorgnis, dafi eine Forderung der dalmatinischen Hafenplatze dem mit so grofien Opfern von ungarischer Seite protegierten Hafen von Fiume abtraglich werden konnte. Diesem Umstande war es auch zuzuschreiben, dafi die oster- reichische Regierung Jange Zeit nicht im stande war, die fiir die wirtschaft- liche Hebung Dalmatiens so wichtige Verbindung Spalatos mit Bosnien iiber Aržano durchzusetzen. Es blieb der aller- jiingsten Zeit vorbehalten, den Wider- stand Ungarns gegen die Herstellung von Verbindungen der dalmatinischen Eisenbahnen mit dem Norden und deren Anschlufi an das osterreichische Eisen- bahnnetz, gelegentlich der letzten Ausgleichsverhandlungen endgiiltig zu brechen. Fiir den Transport einiger Bodenprodukte Bosniens, besonders aber zur Hebung des Fremdenverkehrs Siid- dalmatiens und seiner altberiihmten Hafenstadt Ragusa war die von der Regierung in Aussicht genommene Ver¬ bindung der Bocche mit Bosnien dem¬ nach von lokaler, fiir ganz Dalmatien aber geradezu von prinzipieller Be¬ deutung. Die Regierungsvorlagen stiefien in der Presse auf heftige Gegnerschaft. Wah- rend fiir den Bau von Bahnen in Galizien 28 Millionen Kronen aufgewendet werden sollten, \varen fiir Westosterreich nur wenig iiber 3 x / 2 Millionen Kronen vorgesehen. Die Forderung nach gerechter Beriick- sichtigung der iibrigen Lander war eine allgemeine. Infolge der Vertagung des Reichsrates und Sessionsschlusses kam jedoch eine Beratung und Schlufifassung des Abgeordnetenhauses nicht zu stande. Mit dem am 4. April 1898 sanktionierten Gesetzartikel XXIV, 1898, hatte aber Ungarn seinerseits die gesetzliche Sicher- stellung des Baues der in Bosnien ge- legenen Strecken erledigt. Die stra- tegischen Riicksichten duldeten keine weitere Verschleppung und die Regierung sah sich bemiifiigt, von dem im § 14 des Staatsgrundgesetzes vorgesehenen Notverordnungsrechte Gebrauch zu ma- chen. Mit der kaiserlichen Verordnung vom 7. Juli 1898, RGB. Nr. 122, wurde die Regierung ermachtigt, fiir den ge- planten Bau der im Okkupationsgebiete gelegenen Teilstrecken ihre Einwilligung zur Aufnahme eines binnen .60 Jahren zu amortisierenden Darlehens bis zur Maximalhohe von 11 Millionen Gulden (K 22,000.000) zu geben. Die Regierung erhielt ferner die Ermachtigung, die zur Bestreitung der Zinsen und Amor- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. tisationsraten sowie zur Deckung des eventuellen Betriebsdefizites in den ersten Jahren des Betriebes erforderliche Summe bis zum Betrage von K 1,600.000 jahr- lich durch langstens zehn aufeinander- folgende Jahre an Bosnien und Her- zegowina aus den jahrlich riickfliefienden Zinsen der Aktiven der bestandenen Zentralfinanzen vorzustrecken. Nach Ab- lauf der zehn Jahre hatten aber die Landeseinnahmen fiir die Amortisation 2_5 die kaiserliche Verordnung zur ver- fassungsmafiigen Behandlung dem Ab- geordnetenbause vor. Die Sicherstellung der auf Dalmatiner Gebiet entfallenden Strecken wurde jedoch mit einem am 25. Oktober eingebrachten Gesetz- entwurfe liber die im Jahre 1898 sicher- zustellenden Bahnen niederer Ordnung veranlafit. Die Gesetzesvorlage umfafite 23 Projekte von Bahnen in einer Ge- samtlange von 716 km mit einem Abb. 18. Strecke Uskoplje—Gravosa. Omblatal mit dem Kloster Rozato. und Verzinsung des Darlehens aufzu- kommen. Wahrend bis dahin die Kosten der Eisenbahnbauten in Bosnien und der Herzegowina durch Vorschiisse aus den gemeinsamen Aktiven bestritten worden waren, wurde fiir diese Linien ein An- lehen bewilligt. Die Vorschufierteilung aus den Zinseneinnahmen der gemein¬ samen Aktiven war auf einen der Zeit und Ziffer nach limierten, verzinslichen und ruckzahlbaren Betrag beschrankt. In der zweiten Sitzung der XV. Session des Abgeordnetenhauses, am 25. Sep¬ tember 1898, legte der Eisenbahnminister Nominalanlagekapital von rund 89 Mil- lionen Kronen. Durch Verteilung der neuen Linien auf die iiberwiegende Mehrzahl der ein- zelnen Kronlander war eine gleich- mafiige Beriicksichtigung der Bediirf- nisse der einzelnen Teile des Reiches angestrebt. Der Staat solite der Vor- lage gemafi die Verpflichtung der Rein- ertragsgarantie fiir eine Summe von K 33,912.000 tibernehmen, wahrend durch Ubernahme von Stammaktien im Betrage von K 2,330.000 weitere Beitragsleistungen gewahrt und iiberdies 26 Hermann Stracb. fiir andere Lokalbahnbauten K 23,800.000 aus Staatsmitteln zur Verfiigung gestellt werden sollten. Die sicherzustellenden Bahnen waren mit Ausnahme der Ver¬ bindung Przeworsk—Rozwadow, die als Hauptbahn zweiten Ranges auszufuhren war und ftir die vorerst weitere Trassierungs- und Vorarbeiten veranlafit wurden, als Lokalbahnen herzustellen. Nach der Art der staatlichen Beteiligung liefien sich die Bahnen in drei Gruppen scheiden, und zwar: x. Bahnlinien, bei welchen der Staat eine Reinertragsgarantie fiir den bevorrechteten Teil der Anlagskapitalien gewahren solite, \vahrend die Lander und Interessenten durch Beitragsleistungen das Zustandekommen fordern. 2. Bahnen, die durch L and es- garantien gesichert wurden, wahrend der Staat durch Ubernahme von Stamm- aktien sich beteiligt. 3. Bahnen, die auf Staatskosten gebaut werden sollten. Die erste Gruppe bildeten Lokalbahnen in einer Lange von 361 km mit einem Anlagekapital von K 42,586.000. Von den Landern und Interessenten waren K 8,674.000 bei- zutragen. Als normalspurige Linien dieser Gruppe waren projektiert: Kofibach— Adorf, Ji čin—Turnau, Chlumec— Konigstadtl, Vlašim—Unter-Kra¬ lo wic, Teltsch—Zlabings, Waid- hofen a. d. Thaya—Zlabings, Lam- bach—Haag und die Vintschgaubahn Meran—Mals. Schmalspurig waren projektiert: Kiihnsdorf—Eisenk app el und Tries t —P ar e nz o. Die zweite Gruppe umfafite die neun Bahnen: Tirschnitz — Schonbach, Schweifiing'— Haid, Stankau — Ronsperg, Tabor—Bechyn, Ste- c k e n—P o 1 n a, Sveti a—K a č o v, N i x- d o r f—R u m b u r g mit Abzweigung nach Schonlinde, Neunkirchen—Wil- lendorf und G m und—Litschau mit der Abzweigung nach ITeidenreichstein. Mit Ausnahme der letztgenannten Linie waren samtliche Bahnen normalspurig auszufuhren. Zur Beschaffung des No- minalanlagekapitals von K 20,800.000 hatte der Staat durch Ubernahme von Stammaktien K 2,330.000 beizutragen. Die dritte Gruppe umfafite die bereits in der verflossenen Session beantragten Linien Linz — Urfahr, die als Notstandsbau charakterisierte Bahn Freudenthal — K 1 e i n - M o h r a u und die als Hauptbahn zweiten Ranges zu erbauende Linie Przeworsk—Rozwadow und endlich die dalmatinischen Teilstrecken der Linie Gabela — Bocche di Cattaro und Uskoplje — Gravosa. Die an den Eisenbahnausschufi ge- leitete Vorlage wurde einem Subkomitee zur Vorberatung zugewiesen, das an dem Regierungsentwurfe Erganzungen und Abanderungen vornahm, die der Eisen¬ bahnausschufi vollinhaltlich genehmigte. Die wesentlichste Erganzung bestand in der Einschaltung zweier neuer Bahnen, der Strecke Grofi-Sieghart s—R a a b s und der Lokalbahn Spal ato—Ar Žano mit der Abz\veigung nach Sinj. Die letztere ausschliefilich auf Kosten des Staates herzustellende Linie entsprach einem schon seit Jahrzehnten gehegten und im Parlamente oft zum Ausdrucke gebrachten dringenden Wunsche Dalma- tiens. Schon in der Sitzung des Abge- ordnetenhauses vom 17. Mai 1890 hatte der damalige Handelsminister eine Ver- bindung Bosniens mit dem Hafen von Spalato in Aussicht gestellt, und im Reichsfinanzminister Kallay, der sich mit einigem Stolze als der »eigentliche Erfinder« der Verbindung Bugojno—■ Aržano—Spalato bezeichnete, fanden diese Bestrebungen einen eifrigen Forderer. Ftir Dalmatien erhielt diese Bahn, welche die Verbindung des Adriatischen Meeres mit dem Schwarzen und Agaischen Meere herstellen solite, insofern auch hohe Bedeutung, als sie eine machtige Forderung der Interessen Spalatos brin- gen solite, das in der Linie Spalato— Knin wohl eine Bahnverbindung besafi, an deren nordliche Fortfuhrung ange- sichts des Widerstandes Ungarns damals jedoch nicht zu denken war. Durch die Linie liber Aržano—Bugojno solite nun Spalato und damit ivenigstens ein kleiner Teil Dalmatiens den langersehnten An- schlufi an das Eisenbahnnetz des Reiches erlangen. Allerdings widersetzte sich Ungarn auch der Herstellung einer Ver- bindungslinie Aržano—Bugojno auf bos- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 27 nischem Gebiete, doch der Eisenbahn- ausschufi beschlofi, unbekiimmert um die Sicherstellung der bosnischen Anschlufi- strecke, den Bau der Linien Spalato— Aržano mit dem Fliigel nach Sinj zu empfehlen, zumal schon die Strecke Spa¬ lato—Sinj an sich geeignet erschien, dem durchzogenen Landergebiete grofien wirt- schaftlichen Vorteil zu verschaffen. Um dieparlamentarischeBehandlung der Eisenbahnvorlagenzuermoglichen, wurden RGB. Nr. 233, wurde der Bau von 25 Bahnen mit einer Gesamtlange von 821 km und einem nominellen Bauauf- wande von I02’8 Mili. Kronen sicher- gestellt. Wird in Erwagung gezogen, dafi im Jahre 1894 16 Bahnlinien mit 565 km » » 1895 16 » » 607 » » > 1896 22 » > 488 » sichergestellt waren, im Jahre 1897 Vor- schlage zu neuen Bahnbauten der ver- Abb. 19. Strecke Uskoplje—Gravosa. Gravosa. am 13. Dezember 1898 zwei Sitzungen an- beraumt. Nach eingehender bis gegen 4 Uhr morgens wahrender Debatte, in der le- diglich die galizischen und dalmatinischen Projekte einige Gegnerschaft fanden und die Regierung zu grofierer Berucksich- tigung der Bediirfnisse der Alpenlander aufgefordert wurde, gelangte die Lokal- bahnvorlage zur Annahme. Auch die kaiserliche Verordnung vom 7. Juli 1898 erhielt die verfassungsmafiige Genehmi- gung. Das Herrenhaus trat den Beschliissen des Abgeordnetenhauses vollinhaltlich bei, mit dem Gesetz vom 21. Dezember 1898, fassungsmafiigen Behandlung nicht unter- zogen werden konnten, so stellt sich die grbfiere Anzahl der Linien, der hohere Aufwand an Baukosten und Betragen nur als Ausgleich der Versaumnisse des Jahres 1897 dar. Der Bedeutung des Lokalbahnwesens entsprechend ist der geschichtlichen Ent- wicklung der Bahnen niederer Ordnung ein besonderer Abschnitt im Werke ge- ■widmet. Wir werden uns demnach hier neben den Bahnen erster und zweiter Ordnung nur mit jenen Linien naher zu beschaftigen hab en, die zwar auf Grund 28 Hermann Strach. Abb. 20. Strecke Uskoplje—Gravosa. Hafen von Gravosa. von Lokalbahngesetzen sichergestellt, je- doch in diesem Gesetze nicht ausdriick- lich als Lokalbahnen bezeichnet er- scheinen, auch nach ihrem Wesen und der Bedeutung als Hauptbahnen aufzufassen sind. Als eine solche Hauptbahn, die mit dem Lokalbahngesetze vomDezember 1898 sichergestellt wurde, ware zunachst die Linie Przevuorsk—Rozwadow zu nennen. Ilire Herstellung begegnete keinerlei Bauschivierigkeiten und am 14. Janner 1900 konnte die 74^423 km lange Strecke samt der Verbindung nach Gor- liszyna dem Betriebe iibergeben werden. Diese normalspurige Linie nimmt in der Station Przeivorsk der Staatsbahnlinie Kra- kau—Lemberg ihren Ausgang, wendet sich sofort nach Norden, gelangt nach Uberschrei- tung des WislokHusses bei Tryiicza und tiber Grodzisko an dem SanfluS, dessen Laufe die Trasse von da ab am linken Ufer bis Roz- wad6w in solcher Entfernung folgt, daS die Bahn von den weitreichenden Inundationen dieses Flusses nicht mehr gefahrdet wird. In ihrem weiteren Verlaufe beriihrt die Bahn Ležaj sk und fiihrt sodann durch ausgedehnte Waldungen und in unmittelbarer Nahe der bei L -Sl.Murt 'Katjtstortcž Dimbdi iVurnsil ~PL 0 StOMdTgaiig OiJeif Ottin^ iSteyregj SUMkriei \oJschaw oTitettifig JL/ne/dinde/i mrucutk ■KrpibiaF flerrv fachelosfi. faseliing Crdurfikm. jfoMtsc [ -Jrttrkrtte) Isbačh. rm ftfremsi JScuknu J&ag CT vos > ^Ebersv)jtvt tdhtisburg nmJValde 7 x$3xičh^ \rkicJung s erb i u^| GGnš)ii% j/ I Sčhmritsee. 7 = 1 /\ «/rwp«i mciistažll •Tfngcnad ' crrm.trkt u-U/eimrn VorehOll JJb.ifalčheri ° pgtareiiik }Jhmv MtfuHJUoi? 1100? tfaflerizJL h.&runbco. jgTmiben/ f^aUrrS. ndizrail' ■ -šoUfrub&v -■ v'^'^ j j Pperr^zic* '''Keubeu&n ro^LI V ^X { JSdJ[srh(jm I GrdssaicP/ Oberrui Fnuhlsc msteirti O fžFummii] ':iiefvwnrn 'SuumaUin/ IKp? 03 Stmibačh., Jhuirikrm $.1334 JtufhamJ ;V -7 JjVUZ} <&[Q£ 'JC&e&fe-Cfon/ pjfcfleiftufij. \ t Kado 53. pWeissaUnič}i\ i rčKbaefuxw ''Kake Sfcutifon / / ^u^to-nateiiv Jfcuhi N j#„ / (j-KoHensfe. Volf g ang ‘-Weis#enip.ffL £Kvfu- Zinftpfv^ "*146.V 19 9« . ■/ A i9z« S sWeič}i3elbo itmL ^JUmismc jf/crms WAAQ4:V a A ' 3TZ _7to jgfmsbačhP-^ ■ /ud: & uo .& ft ub t z k */;:'numsltorn ‘Zdi .18-24. ^tc^etv »Uberorb '(hmcr0(Cčhu. ‘.Rei/R./no t.uvv* V ' OSt.MarSn ŽGndUianig 'Blzmoos ■Jb rigbvcauf „ > ss^c*., n . ' , / 6 \ i .„; O noJimang \ Mkidum :±dm 2449 236 y , '4£ i ^ Diam^t44n/ ^eZZazajrei^ 0 3axeribueJi cCDomieršbadh- ■^vdbH P Plh&\ ičhntarzi pobral Xf"wv ^ 240»^ 28<53 .V * ■'cuibafiv \ . ms -P 5Wl-0t44.'& fHW2 filLStffll, ute?.> Kessetfdttfi 1790 X.‘ — : ; 7 ; .--^ ,W M S ' y | f TUoa«4.'Z' -lolmrfng &. ~%om- .. 'CliMuram. ■^SS^Si :^uwu«i \ 2397-^ to \asmibsiai7tiTredhb , r,r. , : i ZZJZAJ \ollačh MtM f 1 V- Sn, ^ 1 f ^ s 5 ! '7 > 'T^3pierlWgratti7i' pOKRaiptai ) / - . ^ / j,-22.43 Y VkbjsštingK^^ ^ jSm mmm ^$^ncxrg '8tanf3& at 'H ! ~ < \JecTia ido7i - is .V.A- 0 ,rfjWU>^, Jfb/unetbi Zt04 iaHicggcuc^ ppoftiesbig f-rtjoharirv., i OamBrircKis tl 'StTRridl- tJJanat 3100 poizdiarli- ^difdizen^ ” 'v - im;:-; ; S" ^ \JtrOfZ ■ v^j . . , ^ 2 i 2 i , •%; / pčDeflojch- ‘Sf.thaigav- \~iin(\Sta'ti..p Itnimbiiaf >stdaB\, "" \ : . joro nJdbostmrc ~EaiisčMijQhs ~farc!ib> SfM-6 Seaba.chr Tfitra-Apjit uifrpi fzbgi Jimau? v -n. 4522: ^2234 zoM'PFdstritz.. JK _ 2 fi»tAxvo^p ^L‘. /J ' wmh \h».h /'Savo Me (fb.Sedanib Mjlvizza.' ‘tavate JJgaiffv ■?$£<> yft.o-Vi ' ^ ,a- 4i/ ;/ # '”v7''':.- / maz\c 7J34 / fffe M obet fj Vo^T vit.- iattv4miat 7613 * SSfeotfrucftei o. ^39^ a JfircTpp q iillJnifniner ■sdCafLmo ISeStunn V X v, 7 ?w s 4 > S^otini&grgo^ 2024 JMimteredle.Ce. TTi$.3Lftpago iič>ce r JMhrsvre.. Stupizta /q (njmUško\ lubersfreme- :ana GrtLattoo', Strasetdsi Fisnerri- GftUrrelio Kneža; Q>'' ..... 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(%uin 'Gradis i O Torna,' Fcufmr^aj i lUvu/n/ oFrafor 'Indlbleu XI jA, : 'kJfrelirn' \ (klmrkfči \ 5 SL ,SV% ' Ambrus \AspJscnbarg xsfrj 'ktetftfp S . / ' Si x rJdndd^-Pj f ivSelcz : i&opVz thgp * 0 - Ob.Mvmnaiid , 1100 } ^ S34r ■:.r.«m'-.i«d' V*- ^ lto ., on \ 7 ieibftseh m s * 7 y+«p~ wf ' U '*Q,llolieii&ig J- | r i C. * / Vnt.Dculschair 7 'c -, Orsh/rnlzs i ^ l.sclRTntlubL^ j /Auersp&g dSJblo [er z o 'jffo'K0ik s,u ' ^ii-laiitz u/ JJ^lPP>tpKdsbcrg^ %\in’p£horiy&P > 1 -- \. /f....-, .Tfe.. ° MautersaApf, Sb/gp/iM^o f&gp&a | Mesina/ UludoUs lensa Mi, a/fmr& Senosetšch I VblllM »70-13X1.% / 1 /*% — bLipiz iasomzza G >«-. ‘Jj-mmik- •StŽoi/a Leska doti . f »is v jfCosum/ “ .(jrafmtdrtlrmi Wornegg\ jMntteria/ 1029 Goloti' o Lanu rira«o&7 S.r/nLogio' \ * 1454 Motile Die Trassen der zweiten Triester Šchienenverbindung und der neuen Alpenbahnen. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 41 Die Regierung liefi neuerdings durch die Bauabteilung der k. k. General- inspektion beide Alternativtrassen stu- dieren, und nachdem sich auch der tech- nische Konsulent im Handelsministerium Ministerialrat Nordling filr die Wahl der Predilroute (18) ausgesprochen hatte, wurde in der Sitzung des Abgeordneten- hauses vom 22. Marž 1872 neuerdings der Gesetzentwurf fur den Bau dieser Linie als Staatsbahn eingebracht. Die Wahl dieser Linie wurde in einer Denk- schrift eingehend begriindet, in der hervor- gehoben erschien, dafi die schleunige Her- stellung einer den Brenner direkt durch osterreichisches Gebiet mit Triest ver- bindenden Bahnlinie angesichts der seit Eroffnung des Suezkanals immer scharfer hervortretenden Konkurrenz Venedigs geboten erscheine. Wahrend die An- hanger des Laaker Projektes den Bau einer nachst der italienischen Grenze verlaufenden Linie als Verrat an Kaiser und Reich bezeichneten, erklarte der seinerzeitige Landesverteidigungsminister Julius Freiherr v. Horst, dafi er seine strategischen Bedenken mit Rucksicht darauf, dafi es sich um eine Weltbahn handle, den Handelsinteressen unter- ordne. Bei der kommerziellen Beratung am 10. Mai 1872, bei der der Ministerial- sekretar Dr. Heinrich Ritter v. W i 11 e k als Protokollfuhrer fungierte, wurde einhellig die Anwendung giinstigerer Neigungsver- haltnisse bei der Anlage dieser Bahnen empfohlen. Einstweilen hatte aber auch der Sonderausschufi des Abgeordnetenhauses eine Expertise veranlafit, in der die Mehr- zahl der Fachleute auf technischem und strategischem Gebiete sich fur die Laaker Linie aussprachen. Bevor jedoch noch die Entscheidung im Hause erfolgen konnte, mulite dieses abermals vorzeitig vertagt werden und die Gesetzvorlage ward wieder gegenstandslos. Immer weitere Kreise zog nun die Agitation. Eine stattliche Bibliothek von Broschiiren verdankt dem mit beispielloser Zahigkeit gefiihrten Kampfe ihr Entstehen. Immer scharfer wurden die Gegensatze, und als die Regierung in der Sitzung des Ab¬ geordnetenhauses vom 5. November 1875 in dem umfassenden Gesetzentwurfe liber den Bau neuer Eisenbahnlinien auf Staats- kosten die Predilbahn zum drittenmal in Antrag brachte, sprach sich der Eisen- bahnausschufi g e gen diesen Bau aus und die Regierung sah sich bemiifiigt, ihre Vorlage, soweit sie die Tri ester Verbindung betraf, zuriickzuziehen. Einst- weilen waren andere Staaten rustig in der Ausgestaltung und Herstellung von Bahnverbindungen ihrer Seehafen voran- gegangen. Im Norden machte Hamburg, das durch seine bevorzugte Lage und die bis nach Osterreich reichenden Wasserwege eine bevorzugte Stellung im Welthandelverkehr einnimmt, im Westen die Rheinschiffahrt dem Triester Hafen emplindliche Konkurrenz. Deutsch- land sorgte fiir eine Ausgestaltung seiner Binnenschiffahrtwege, seine Seehafen machten unter dem Einflusse eines systematisch ausgebildeten und vor- ziiglich verwalteten Bahnnetzes aus- greifende Fortschritte, am Mittelmeer hatten Genua durch die Gotthardlinie, Venedig durch die osterreichischen Brenner- und Pontebbalinien auf Kosten Triests viel gewonnen und Ungarn ver- stand es, seinen Hafen von Fiume, der in einem Jahre (1873) zwei neue Ver- bindungsstrecken erhielt, mit allen er- denklichen Mitteln im Wettbewerbe mit dem zurtickbleibenden osterreichischen Seehafen zu kraftigen. Der Bau der Staatsbahnlinie Divača— Herpelje—Triest, die wenigstens einen Teil des Laaker Projektes verwirklichte, und die kiinstliche Herstellung einer Verbindung mit den verstaatlichten Linien der Kronprinz Rudolf-Bahn durch Peagierung der Strecke Divača—Laibach blieben ungeniigende Mafinahmen und konnten nicht hindern, dafi Triest, das einst den fiinften Rang unter den europaischen Seehafen eingenommen hatte, auf die fiinfundzwanzigste Stelle zurticksank. Alle Anstrengungen der Regierung, die in voller Wtirdigung der Bedeutung des Seehandels eine Reihe weiterer Mafinahmen fur Triest traf, wie Ausbau eines neuen Hafens, Er- richtung und staatliche Fuhrung_ von Lagerhausern, Rekonstruktion des Oster¬ reichischen Lloyd mit staatlicher Hilfe, Differentialtarife, Reform der Hafen- 42 Hermann Strach. gebiihren u. a. m. blieben nur Palliativ- mittel. Die unzureichende Verbindung des Hafens mit Innerosterreich, der Mangel kiirzerer leistungsfahiger Zu- fahrtswege beengten das Attraktions- gebiet. Von dem Gesamtwarenverkehr der europaischen Hafen Triest, Venedig, Fiume, Genua, Marseille, Bremen und Hamburg hatte Triest in dem Jahr- zehnt 1860—1869 noch ii - 52°/ 0 zu besorgen, im nachsten Jahrzehnt fiel das Verhaltnis auf 9’4 0 / 0 , um 1890—1899 auf 6 - o6°/o herunterzusinken, wahrend inzwischen Fiume von diesem Verkehr 4'54°/ 0 erlangte und Hamburg von 20 auf 34% emporgestiegen war. Der Reichsrat wurde mit Petitionen bestiirmt, doch Jahr um Jahr verging, ohne dafi es moglich wurde, Klarheit zu schaffen, welcher der zu Tage getretenen Bestrebun- gen im Interesse Triests und des Reiches der Vorzug zu geben sei. Der Kampfruf »Laak oder Predil« hatte nur im Wettbewerbe zweier Varianten gegolten, mit der Zeit hatten sich aber iiber den Endzweck der zu schaffenden Verbindung derart ver- schiedene Meinungen herausgebildet, dafi es ganz ausgeschlossen schien, eine Bahn zu schaffen, die den verschieden- artigsten von den petitionierenden Stadten und Korperschaften gestellten Anforderun- gen entsprechen konnte. Einerseits wurde die Forderung aufgestellt, Triest in eine moglichst kurze direkte Verbindung mit dem Norden zu bringen, um die west- lichen Gebietteile der Monarchie, vor- wiegend aber die siiddeutschen Lander, in das Attraktionsgebiet Triest zu bringen, die sich bisher des Hafens von Venedig und Genua oder der nord- deutschen Hafen bedienten. Diesem Inter¬ esse solite der Bau der Predillinien mit einer Fortsetzung iiber die Tauern bis Schwarzach beziehungsweise Bischofs¬ hofen dienen. Anderseits verlangte eine grofie Partei die kiirzeste Verbindung mit Innerosterreich zvvecks Konkurren- zierung der Sudbahn, Beriicksichtigung des nordlichen Teiles des Reiches. Die Anhanger dieser Anschauung traten ent- schieden fiir die Schaffung der Lini e Divača—Laak als direkte Verbindung mit der Rudolfsbahn und deren Fort¬ setzung von Krainburg nach Klagenfurt der sogenannten Karawanken-Loibllinie ein (11) und endlich \vurde eine Linie vorgeschlagen, welche die ostlichen Tauern von Rottenmann nach St. Ge- orgen ubersteigen solite (1), ein Pro¬ jekt, das insbesondere von den boh- mischen Handelskammern favorisiert wurde. In diesem Interessenwiderstreite hatte der ehemalige Handelsminister Freiherr von Wiillerstorf-Urbair in seiner 1875 erschienenen Schrift »Das Eisen- bahnnetz im westlichen Teile der oster- reichisch-ungarischen Monarchie mit be- sonderer Beriicksichtigung des Adria- tischen Meeres« bemerkenswerte Stellung genommen, deren Begriindung noch jetzt nach Schaffung der neuen Verbindung aktuelle Bedeutung haben diirfte. Seiner Ansicht nach ist die Fortsetzung der Rudolfsbahn bis zum Meere, abgesehen von den sonstigen Aufgaben, welche ihr als Teil einer wichtigen Verkehrslinie zufallen, nicht deshalb wichtig, weil eine Konkurrenz der Sudbahn geschaffen werden soli, sondern weil mit dieser Vervollstandigung die kiirzeste Verkehrs¬ linie zum Meere aus Gebieten hergestellt wird, welche der Sudbahn kaum oder nur auf Umwegen erreichbar waren. Die Leistungen, welche von der Sudbahn, und jene, welche von der neuen Linie erwartet werden miissen, seien sehr ver- schieden. Die Bahnen gehoren ganz ver- schiedenen, wenn auch benachbarten Produktions- und Absatzgebieten an und haben wenig mehr als ihr Endziel das Adriatische Meer gemein. Wahrend der Sudbahn mehr das Gebiet der Oder noch als Attraktionsgebiet fiir Triest zukomme, habe die zvveite Verbindung vor allem den Verkehr von Bohmen und den von ihr durchzogenen oster- reichischen Landern zu besorgen und zu beleben, so dafi sie vorzugsweise den zahlreichen industriellen Mittelpunkten Osterreichs ein Stutzpunkt zur An- bahnung direkter Ein- und Ausfuhr sein miisse. Die zu losende Hauptaufgabe bestehe in der Verbindung des Elbe- gebietes mit dem Adriatischen Meere und die Einbeziehung auch Mitteldeutschlands in dieses Verkehrsgebiet. AUgemeine Entvvicklungsgeschichte. 43 Wiederholt hatte der Eisenbahn- ausschufi den Antrag gestellt, die Petitionen der Regierung zur »ein- gehenden Wiirdigung« abzutreten. Zur Vorberatung der in der XI. Session ein- gelangten neuerlichen Petitionen in der Triester Frage wurde ein eigenes Sub- komitee eingesetzt, das ara 14. Marž 1893 den Bericht erstattete. Wie im Reiche selbst hatten sich auch im Komitee die divergierenden Meinungen iiber die Losung der Frage heraus- gebildet, von welchen keine die Ma- joritat erlangen konnte. Das Komitee konnte sich demnach auch nicht fur den Bau einer bestimmten Linie aussprechen und nach langen Verhandlungen einigte man sich schliefilich zu dem Antrage, die Regierung sei aufzufordern, »behufs Erzielung einer kiirzeren Eisenbahn- verbindung zwischen Triest und den Knotenpunkten des Eisenbahnverkehres iiber die projektierten Linien: Rotten- mann, St. Georgen, Klagenfurt, Krain- burg und L aak—Divača, sowie iiber die Tauernbahn und Predilbahn eingehende Erhebungen riicksichtlich der Wahl der Trasse und der sich ergebenden Bau- und Tariflangen, sowie der voraussicht- lichen Baukosten, endlich riicksichtlich der kommerziellen Bedeutung der ein- zelnen Linien vornehmen zu lassen und das Ergebnis dem Abgeordnetenhause mitzuteilen«. Der Obmann des Komitees vertrat die Anschauung, dafi die durch den Aus- bau der geplanten Linien angestrebten kommerziellen Vorteile in viel rascherer, wirksamerer und fur den Staatsschatz weniger belastender Weise durch Mafi- nahmen tarifarischer Natur auf den bestehenden Linien zu erreichen waren, eine Anschauung, die der Abgeordnete Dr. Otto Steinwender in einer Schrift »Die Triester Eisenbahnfrage« (Wien 1893) wirksam widerlegte, weil eine Beschlufi- fassung im Eisenbahnausschusse nicht mehr erfolgte. Dagegen wurde die Re¬ gierung anlafilich der Sicherstellung der Valsuganabahn vom Abgeordnetenhause in der Sitzung vom 9. Dezember 1893 aufgefordert, Gesetzesvorlagen »ehe- tunlichst« einzubringen, durch \velche die Triester Eisenbahnfragen im gesamt- staatlichen Interesse einer Losung zu- gefiihrt werden. Gelegentlich von Inter- pellationsbeantwortungen machte Handels- minister Graf Wurmbrand in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 30. April 1895 Mitteilungen iiber den damaligen Stand der Angelegenheit. Die Regierung hatte seit 1894 wieder ein¬ gehende Trassenstudien durch die k. k. Generalinspektion machen lassen, die jedoch keineswegs abgeschlossen waren. Die alten Predilprojekte wurden neuerdings untersucht, ebenso wurden Trassenstudien ftir das Laaker und das eben erst auf- getauchte Projekt der Wocheinerbahn vorgenommen. Ftir die Loibliibersetzung wurde eine Variante mit Zahnradstrecke studiert und von elf Varianten einer Tauernbahn hielt die Generalinspektion nur zwei, die Gasteiner und die Radstatter Linie (Eben—Spittal a. d. Drau) (5, 2), fur bauwiirdig. Der Antrag, angesichts der Dringlichkeit der Triester Bahnfragen iiber diese Antwort die Verhandlung zu eroffnen, wurde vom Hause abgelehnt. Die Herstellung einer Schienenver- bindung iiber die Tauern blieb aber fortan in ernster Erwagung. »Ein Blick auf die Karte«, heifit es in dem Spezialberichte des Eisenbahn- ausschusses vom 8. Mai 1901, »zeigt uns ein weites bahnloses Gebiet zwischen der Rudolfs- und Brennerbahn, welches trotz der natiirlichen Voraussetzungen ftir eine steigende Entwicklung infolge der kiinst- lichen Ausschaltung aus dem Weltver- kehre seit mehr als einem Menschenalter immer mehr wirtschaftlich stockt und abstirbt. Vor dem Bau der Eisenbahnen bestand zivischen Salzburg, Nordtirol, Oberosterreich, Bayern einerseits und Karnten, Krain, dem Kiistenlande und der Adria anderseits ein ungemein reger Ver- kehr, der bis in Romerzeiten zuriickgeht, wahrend heutzutage der Giiter- und Personenverkehr diese Wege nicht mehr beniitzen kann, vielmehr dem Schienen- wege folgend, in weiten Bogen entweder iiber Selztal oder iiber Franzensfeste um die Tauernkette herumgehen mufi. Diese insbesondere im Winter univegsame Scheideivand sperrt das Enns- und Salz- achtal vollkommen vom Drautale ab und bildet daher auch das grofite Verkehrs- 44 Hermann Strach. hindernis in der Richtung nach Norden. In der vollkommenen Unterbindung des Verkehres zwischen diesen Alpenlandern untereinander ist die Hauptursache des wirtschaftlichen Stillstandes, ja Riick- gangs der Landerstriche im Norden und Siiden der Tauern. Das Wort Tauern, das von ,Tauer‘, gleich Tor, hergeleitet wird ist, wohl ein ,lucus a non lucendo', denn nicht ein Alpentor bilden heut- zutage die Tauern v/ie ehedem iiber Mall- nitz und Radstadt, sondern eine fiir den Giiterverkehr uniibervvindliche Scheide- wand. Die trennende Wirkung fur die Alpenlander allein, die an den Abhangen der Tauern im Norden und Siiden liegen, ist aber damit noch nicht erschopft, viel- mehr greift sie volks\virtschaftlich noch viel tiefer, weil quer iiber die Tauern der kiirzeste Weg aus Mitteleuropa zu seinem Hafen des Mittelmeerbeckens geht, der, geographisch am meisten gegen Norden vorgescboben, zugleich dem Suezkanal und damit den indischen und ostasiati- schen Hafen am nachsten liegt und daher als europaisches Ausfalltor durch die Wasserstrafie iiber Suez nach Asien und Ostafrika vor allem berufen er- scheint, den gesamten iiberseeischen Verkehr von und nach dem Oriente, von und nach allen iiber den Suezkanal am kiirzesten erreichbaren ostlichen und siid- lichen Landern mit ihren unerschopflichen Naturreichtiimern und ihrer dichten euro- paische Industrieprodukte verbrauchenden Bevolkerung einerseits, von und nach dem industriereichen konsumtionskraftigen mitteleuropaischen Festlande anderseits in sich zu vereinigen. In der Verkehrs- einbufie, welche Osterreichs einziger See- hafen fiir die grofie Zahl der an ein er direkten Verbindung mit der Adria inter- essierten Kronlander und damit fiir das ganze Reich erleidet, liegt die traurige wirtschaftliche Bedeutung der Tauern- scheide. Ihre Beseitigung mittels der Tauernbahn und die durch diese sich vollziehende Eroffnung eines reichen Ver- sorgungsgebietes dieser Bahn aus dem Inlande und dem internationalen Durch- zugsverkehr fiir den Handel Triests ist darum dasjenige Moment, das der Tauern¬ bahn den Stempel so ungeheurer Wich- tigkeit fiir das Staatsganze aufpragt.« Wie angedeutet, wickelte sich zur Romerzeit der Verkehr zwischen Salz¬ burg und Italien iiber die Kette der Tauern ab und nachweislich fiihrte die erste Kunststrafie vom Salzach — zum Drautale durch das Gasteinertal iiber den Korntauern und das Molltal. Heute noch sind die Uberreste dieser iiber einen Ge- birgspafi von 2400 m Seehohe fiihrenden Romerstrafie festzustellen. Spater wurde die Strafie durch den Lungau und iiber den Radstadter Tauern (1763 m) hergestellt und die heutige ReichsstraiSe iiber den Radstžidter Tauern folgt im allgemeinen dem Zweige der alten Romerstrafie. Diese Reichsstrafie von Radstadt durch den Lungau nach Spittal an der Drau bildete bis zur Erbauung von Eisen- bahnen den Handelsweg von Salzburg nach Villach und im weiteren Zuge iiber den Predil nach Triest und Italien. Es ist daher begreiflich, dafi bald nach Her- stellung unserer ersten grofieren Ge- birgsbahn und insbesondere zur Zeit der Herstellung der Linie Villach—Marburg der Gedanke auftauchte, Villach mit der alten Handelsstadt Salzburg durch eine im allgemeinen dem Zuge der Tauern- strafie folgende Eisenbahn zu verbinden. Leider \vurde dieser Gedanke damals nicht verwirklicht, vielmehr wurde der Tauernstock mittels eines den Haupt- talern folgenden Schienenstranges um- giirtet und damit auch der Verkehr von seinem urspriinglichen Wege abgelenkt. Dem unermiidlichen Vorkampfer fiir die neuen Schienemvege zur Adria, dem Ingenieur Karl Biichelen, der als ent- schiedener Anhanger des Predilprojektes jahrzehntelang in Wort und Schrift fiir seine Plane eintrat, gebiihrt das unbe- streitbare Verdienst, als erster auf den hohen Wert einer Tauernbahn hinge- wiesen und zielbewufit fiir die Schaffung einer Bahnverbindung iiber die Tauern und den Predil gewirkt zu haben; schon im Jahre 1879 hatte er in der »Oster- reichischen Eisenbahn-Zeitung« die grofien Vorteile einer Predil-Tauern- verbindung erortert. In einer 1881 heraus- gegebenen Denkschrift verlangte die Triester Handelskammer den Bau dieser Bahn, wahrend der Gemeinderat von Triest an der Laak—Loibl-Bahn (ii, 12) auch Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 47 fernerhin unverbriichlich festhielt. Der Bau- unternehmer Conte Ceconi,*) der die Absicht hatte, seine nach Vollendung des Arlbergtunnels freigewordenen In- stallationen und Hilfskrafte beim Bau eines neuen Alpentunnels wieder zu ver- werten, beli im Jahre 1884 auf seine Kosten ein Detailprojekt fiir eine Tauern- bahn ausarbeiten und gewann hieftir den jungen, tiichtigen Staatsbahningenieur Karl Wurmb, dessen Name spaterhin mit der Schaffung der neuen Alpen- bahnen ehrenvoll verkntipft werden solite. In Frage kamen damals nur die Gasteiner und LungauerTrassen(5 und 2,3), welche iibrigens ein Jahr vorher auch durch Ingenieure der Sudbahn untersucht worden waren. Um ftir die Gasteiner Linie in weiteren Kreisen Propaganda zu machen, veranlalite Ceconi die Tri ester Handelskammer zu einer neuer- lichen Denkschrift. In dieser Schrift war der Zweck sowie der Einfluli dieser Linie auf die nordlichen Landergebiete aber derart geschildert, dali fast alle iibrigen *) Giacomo Conte Ceconi hatte schon vorher eine ausgebreitete Tatigkeit. auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues in Osterreich entfaltet. Im Jahre 1833 in der damals zu Osterreich geborenden Provinz Udine geboren, bat es Ceconi durch eigene Tiichtigkeit vom Maurer bis zum Conte gebracht. Das Maurerhandwerk hatte er in Triest erlernt. Beim Bau der Aufnahmsgebaude von Klagenfurt, Stuhlwei(5enburg und Agram der Sudbahn (1857 — 1862) war er als Maurer- polier beschaftigt. In den folgenden Jahren tritt er als Subunternebmer bei den Hoch- bauten der Sudbahn auf, 1866—1868 ist er schon selbstandiger Bauunternehmer von Siid- bahnhochbauten, spater bei Bauten der Staats- eisenbahn-Gesellschaft, k. ung. Staatsbahnen, bayr. Staatsbahnen. 1878—1879 fuhrt er die Hochbauten der Linie Tarvis—Pontafel aus und 1880—1885 ist ihm die Ausfiihrung des Arlbergtunnels iibertragen. Die Westseite hatte er gemeinschaftlich mit den Briidern Lapp, die Ostseite selbstandig zur Ausfiihrung iibernommen. Fiir seine Leistungen beim .Arl- bergbau erhielt C e c o n i 1895 den osterreichi- schen Adelsstand. In den folgenden Jahren ist er beim Bau der Linie Tabor—Ober- Cerekvve und der Triester Hafenerweiterung beteiligt. 1894 wird er vom italienischen Kčnig fiir seme FOrderung des Offentlichen Unter- richtes zum Conte erhoben. 1897—1901 fuhrte Conte Ceconi Hafenbauten fiir Rechnung des italienischen Staates aus und 1901—1906 war ihm die Ausfiihrung des Wocheinertunnels und der schwierigen Zufahrtstrecke Wocheiner- Feistritz—Podbrdo ubertragen. Handelskammern den Antrag der Salz- burger Kammer, dies Projekt zu unter- stiitzen, rundwegs ablehnten. Die Budgetdebatten der folgenden Sessionen boten Jahr fiir Jahr einigen Abgeordneten Gelegenheit, die Triester Bahnfrage zu besprechen und Resolu- tionen zu beantragen, die auch samtlich angenommen \vurden, aber die Regierung war nicht in der Lage, angesichts der offenkundigen Widerspriiche, die selbst zwischenGemeinderatund.Handelskammer von Triest jahrelang uniiberbriickbar blieben, derartige Beschliisse zu be- riicksichtigen. Erst nach Schaffung des Eisenbahn- ministeriums erhielt die Angelegenheit einen ernsten AnstoC. Der Eisenbahn- minister FML. Ritter von Guttenberg hatte sich bereits in dem von ihm als Generalstabshauptmann mit H. O bau er herausgegebenen Werke: »Das Train- kommunikations- und Verpflegsvvesen« fiir den Bau der Predilbahn eingesetzt. Auf Seite 261 dieses Werkes heifit es aus- driicldich: »Um das Gleichgewicht in der Leistungsfahigkeit unserer Bahnen mit jen en Italiens zu erhalten, mulite unser Eisenbahnnetz erganzt \verden : 1. durch die Herstellung einer Eisenbahn- brticke bei Pest-Ofen; 2. durch den Bau der Linie Villach—-Tarvis—Gorz. Diese Linie ist insofern von hohem militarischen Werte, weil durch dieselbe fiir die Armeen eine gesicherte Nachschubs- und zugleich eine Rochadelinie nachst der Grenze gebildet wird.« Uber den militarischen Wert dieser Linie gingen die Anschau- ungen der maligebenden Kreise bald weit auseinander und bei Empfang einer vom Grafen Chorinsky gefuhrten De- putation der Vertreter der Alpenlander, Triests und Istriens am 7. Mai 1883, erklarteSe. Majestat, dali der Bau der Pre- dillinie aus strategischen Riicksich- ten ausgeschlossen sei. In der vierten Sitzung der 33. Delegation am 7. De- zember 1897 erklarte Reichskriegsminister von Krieghammer, dali fiir Kriegs- bediirfnisse an der Wocheinerbahn (17) festgehalten werden mulite. FML. Ritter v. Guttenberg gehorte noch als Eisenbahnminister zu den Anhangern des Predilprojektes. Doch unterordnete er seine 48 Hermann Strach. Ansicht derjenigen, die den Bau dieser Linie aus gesamtstaatlichen Interessen fiir bedenklich erklarte, und wahrend der Bud- getverhandlungen imjanner 1897 stellte er die Einbringung einer Gesetzesvorlage fiir den Bau der Tauern- und Wocheinerbahn in der ersten Session des neu zu erwahlenden Abgeordnetenhauses in Aussieht. Tatsachlich wurde der Gesetzentwurf und ein eingehender Motivenbericht im Eisenbahnministerium vollstandig herge- Der Entwurf vom Friihjahre 1897 umfafite blofi den Bau derTauernbahn in der Gasteinerroute von Bischofs¬ hofen bis Moll bruck en (5) und der Wocheinerbahn (14,17) von Kar- nervellach durch das B ačata 1 nach Gorz als Hauptbahnen ersten Ranges, fiir welche die Maximalherstellungskosten mit K 120,000.000 vorgeschlagen waren. Mit diesen beiden Bahnstiicken solite das ganze Programm der Triester Bahnfrage Abb. 34. Mazedonische Arbeiter (in Verwendung beim Bau der Alpenbahnen). stellt, dem Minister FML.Ritterv. Gutten- berg war es jedoch nicht mehr ver- gonnt, die Vorlage im Reichsrate ein- bringen und vertreten zu konnen. Obzwar die folgenden Gesetzesvor- lagen tiber dieT riesterLinien sich wesentlich von dem Guttenbergschen Entvvurfe unterscheiden, so verdient doch der ge- plante Gesetzentwurf und der dazu ge- horige Motivenbericht, der in vieler Hin- sicht das Vorbild j enes blieb, der die weiteren Gesetze begrtinden solite, vom eisen- bahnhistorischen Standpunkte weiteres Interesse. wenigstens vorlaufig erschopft sein. Die Baukredite sollten alljahrlich in Investi- tionspraliminaren angesprochen werden. Mit der Stidbahn solite zwecks Peagie- rung der Strecken Mollbriicken eventuell Spittal—Villach und Gorz—Triest ein Ubereinkommen getroffen werden, und falls bis Ende 1899 eine Vereinbarung nicht zustande kame, derzufolge die Siid- bahngesellschaft die Ausfiihrung der zur Erhohung der Leistungsfahigkeit der mit zu beniitzenden Strecken erforderlichen Bauherstellungen auf ihre Kosten zu tiber- nehmen hatte, sollten diese Herstellungen Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 49 auf Staatskosten ausgefiihrt und der Staatsbahnverwaltung das Enteignungs- recht gegen Siidbahngesellschaft und Dritte eingeraumt werden. Die Ablehnung der Karawankentrasse iiber den Loibl oder iiber den Seeberg wurde damit begriindet, dafi diese Linie auch den ostlich gelegenen adriatischen Hafen wesentliche Vorteile- bringen wiirde. Gegen den oberen Teil der Predillinie wurde nebst den strategischen Bedenken die Einwendung geltend gemacht, dafi diese Linie im Vereine mit der Tauernbahn den siiddeutschen Verkehr vor dem inlandischen bevorzugen wiirde. Dem angestrebten Zweck einer Wegktirzung zwischen Vil- lach und Tarvis in einer der Predil- bahn nahekommenden, den Inlands- verkehr jedoch mehr beriicksichtigenden Weise trage jedoch die im Anschlufi ab Klagenfurt im Barentale und Rosentale verlaufende nach Durchbrechung der Wasserscheide im Wocheiner Savetal und langs des Isonzo bis Santa Lucia weitergehende Linie volle Rechnung (13, 17). Fiir die Einmiindung in Triest war zunachst die Mitbeniitzung der Siid- bahnstrecke Gorz—Triest, in welcher zwisehen Monfalcone—Gorz das zweite Gleis zu legen ware, ins Auge gefafit. Erst spater, wenn der zu erwartende Verkehrs- aufschwung in Triest angetreten sei, ware der Bau der Vallonebahn und deren Fort- setzung bis Triest in Erwagung zu ziehen. Besonders bemerkenswert erscheint die Begriindung, warum die neuen Linien nur bis Gorz und nicht sofort bis Triest ausgebaut werden sollten. Vom Standpunkte des Bahnverkehres konne ein zwingendes Bediirfnis nach Ausfuhrung eines neuen selbstandigen Bahakorpers nach Triest nicht zugegeben werden, da die Tariferstellung auch im Falle der peageweisen Mitbeniitzung der Siidbahnlinie der Staatsbahnverwaltung in vollem Umfange gewahrt bleibt und die Leistungsfahigkeit der doppelgleisigen Peagestrecke durch den heutigen Verkehr noch lange nicht ausgeniitzt ist. Das Mafi des auf dieser Linie zu bewaltigenden Verkehres konne etwa auf das Zwei- einhalbfache der jetzigen Leistung ge- schatzt werden. Es liege daher kein Grund vor, die nicht unbetrachtlichen finanziellen Opfer, welche der Bau der selbstandigen Linie bis Triest zur Folge hatte, schon jetzt zu bringen, zumal dieser Bahnbau auch vom Standpunkte der Konzessionsrechte der Sudbahn wohl nicht ohne vorgangige Auseinander- setzung mit dieser in Aussicht genommen werden konnte. Wenn die Regierung erwartet hatte, mit dem Vorschlage, die Tauern- und Wocheinerbahn als Staatsbahnen herzu- stellen, eine zufriedenstellende Losung gefunden zu haben, solite sie alsbald eine Tauschung erfahren. Bald nachdem Abb. 35. Erster Spatenstich zum Tauerntunnel am 24. Juni 1901 (Nordseite bei Bockstein). der Eisenbahnminister diese Absicht im Janner 1897 gelegentlich der Budget- beratung im Abgeordnetenhause bekannt- gab, wurde auf allen Seiten eine lebhafte Agitation fiir die Karawankenbahn aufgenommen, wahrend die Predilanhanger den Beweis zu erbringen versuchten, dafi eine Tauernbahn ohne Predilfortsetzung ein Tor s o sei und die fiir den Bau auf- gewendeten Kosten vergebliche sein werden. Im Landtage des Konigreiches Boh- m e n wurde am 4. Marž 1897 einem An- trage der Abgeordneten Dr. Fort und 4 5o Hermann Strach. 1:160000 Abb. 36. Tauernbahn. Dr. Rufi gemafi einstimmig der Beschlufi gefafit, die Regierung werde aufgefordert, vor allem die Verbindung Klagenfurts viber die Karawanken mit einem Punkte der Tarvis-Laibacher Staatsbahnstrecke (n, 13) herzustellen und von dort die weiteren Mafinahmen fiir die Herstellung einer zweiten Bahnverbindung mit T r i e s t sowie darauf Bedacht zu nehmen, dafi diese Verbindung den Weg zwischen Bohmen und Triest wesentlich kiirze. Anderseits seien alle Projekte dermalen zuriickzustellen, die fiir den Export Bohmens ohne Belang waren oder neue Pčagever- trage mit Privatbahnen vor- aussetzen. Eine im April in Prag unter Vorsitz des Abgeordneten Grafen Adalbert Schonborn abgehaltene Enquete, bei wel- cher die Landesausschiisse von Oberosterreich, Karnten und Krain, die Handelskammern von Prag, Eger, Budweis, Wien, Gorz, Laibach und Klagenfurt vertreten waren, schlofi sich dem ersten Teile der Landtagsresolution an. Die Leobner Kammer be- antragte die Erganzung des Projektes durch die Biirental- linie (13), jene von Olmiitz und Briinn wollten nur die Tauernbahn mit der Predil- fortsetzung oder der Wochei- nerbahn und so traten die alten Gegensatze in Petitionen und lebhaften Erorterungen neuerdings zu Tage. Viel kostbare Zeit mufite verstreichen, bis insbesondere im Parlamente die Vertreter der verschiedenen Richtungen zu der Uberzeugung kamen, dafi die gegenseitige Be- kampfung ihre Ziele nicht fordere. Die Zeit der parlamen- tarischen Obstruktion diente wenigstens dazu, eine Einigung der politischen Wortftihrer in dieser einen wirtschaftlichen Frage anzubahnen. Im Ab- geordnetenhause kam eine »Freie Ver- einigung« zu stande, welche sich die Aufgabe stellte, die Triester Bahn¬ verbindung zu fordern. Noch unmittel- bar vor Vertagung der XIV. Session des Abgeordnetenhauses wurde am 6. Mai 1898 ein von 15 T Abgeordneten aller Parteirichtungen unterschriebener Dringlichkeitsantrag gestellt, in dem der Allgemeine Entvvicklungsgeschichte. 51 Bau der Tauernbahn so\vie die Sicher- stellung von weiteren Korrektivlinien im osterreichischen Eisenbahnnetz ins- besondere einer unabhangigen sud- lichen Linie nach Triest gefordert wurde, ein Antrag, den Abgeordneter Dr. Syl- v ester sofort nach Eroffnung der XV. Session am 29. September 1898 wiederholte. Die Regierung wurde mit Resolutionen und Interpellationen reich- stellte aber im Zusammenhange die Forderung auf Losung eines zweiten verkehrspolitischen Problems, das fiir das Schicksal der Triester Frage aus- schlaggebend werden solite, die Her- stellung eines Wasserstrafien- netzes. Fiir die grofien Opfer, welche die an dem Bau der Tauernbahn nicht unmittelbar interessierten nordlichen Kronlander dafiir zu bringen batten, Abb. 37. Tauernbahn, Nordrampe. Lawine im Gasteinertal am 3. Mai 1907. lich bedacht. Eine von der »Freien Vereinigung des osterreichi¬ schen Abgeordnetenhauses fiir eine zweite Eisenbahnverbin- dung mit Triest« unter Vorsitz des Pržisidenten des Abgeordnetenhauses Dr. v. Fuchs am 13. November 1898 abgehaltene Delegiertenversammlung faiite einhellig eine Resolution, in der die Regierung zum Bau der Tauern- Predilbahn aufgefordert wurde. Eine mit 300 Unterschriften bedeckte Inter- pellation am 6. Dezember 1898 forderte den Ausbau der Karawankenbahn, miisse der Bau der projektierten Kanale von der Oder zur Elbe, Oder und Weichsel in geniigender Weise sicher- gestellt und die Durchfuhrung dieser Werke sofort nach Herstellung der Bahnverbindungen in Angriff genommen werden. Das »Junktim« zwischen Kanalfrage und Alpenbahnen war auf die Tages- ordnung gesetzt. Angesichts der Tatsache, dafi die Frage der Triester Bahnen seit einem Vierteljahrhundert genau studiert war, fiir osterreichische Wasserstrafien- projekte, obzwar manche derselben, wie 4’ 52 Hermann Strach. das des D o n au-O d er-K a n al s mit der Tri ester Bahnverbindung in der Anciennitat wetteifern konnten, aber erst weitlaufige Erhebungen und Studien gepflogen wer- den mufiten, war die Regierung damals gegen jede Verquickung der beiden Ver- kehrsprobleme. Erst dem Ministerium K o er b er blieb es vorbehalten, auchhierin einen Ausgleich zu finden. Die Zeit der parlamentarischen Sterilitat ware auch sonst ftir die Losung der Wasserstrafienfrage wenig geeignet ge- wesen. Um so intensiver beschaftigte sich die Regierung mit den Alpenbahnen. Ein Ingenieurkorps wurde neuerlich ausge- sandt, um die altgewordenen Projekte zu uberpriifen, neueTrassen, insbesondere die Moglichkeit des Ersatzes des Predildurch- stiches durch eine Linie durch den Man¬ gart (19) zu studieren; die geologischen Verhaltnisse des Terrains wurden durch Sachverstandige iiberpriift und hiebei eine Klarstellung der vom technischen Stand- punkte als bauwiirdig erkannten Trassen erreicht. Mit Entschiedenheit hatte sich der nachmalige Eisenbahnbaudirektor Wurmb fiir die Predil- beziehungsweise Mangartlinie ausgesprochen (18, 19). Da die Zustimmung der Heeresver- waltung zum Bau dieser Linien nicht zu erreichen war, wurde der Plan der Regierung, durch Kombinierung der Karawanken- und Wocheiner- bahn mit einem imBarengraben an- schliefienden Fliigel nach Villach ein Kompromifi zu schaffen, allseitig mit Befriedigung, ja Begeisterung aufge- nommen. »Das Kompromifi von Barengraben«, wie es der geistreiche Berichterstatter des Eisenbahnausschusses Abgeordneter Dr. Sylvester nannte, war gefunden (15, 16, 17). Die gegnerischen Hauptparteien waren zufrieden, weil hiedurch die lang- ersehnte von der Siidbahn unabhangige, strategisch einwandfreie, siidliche Linie nach Triest und Verbindungen ge- schaffen wurden, die nicht allein die Wegkiirzungen zwischen Ti'iest und Inner- osterreich, und auch solche nach dem Norden und Nordwesten bewirken und so die Einbeziehung von Bohmen und siiddeutscher Landergebiete in die Inter- essensphare Triests ermoglichen. Es war somit der unter den gegebenen Verhalt- nissen beste Ersatz gefunden fiir die aus gesamtstaatlichen Rucksichten abgelehnte Predil- und Mangartlinie. Mit der Siidbahn waren durch das Ubereinkommen vom 9. Mai 1898 die Peagebedingungen vereinbart worden. Die Pyhrnbahn. Im Zusammenhange mit den Linien, welche als zweite Schienenverbindung mit Triest bezeichnet werden, hatte die Regierung auch die Herstellung der Pyhrnbahn (Klaus—Selztal) in ihr Programm aufgenommen. Fiir Triest solite sie insofern von Be- deutung sein, als durch diese Bahn erhebliche Wegkiirzungen mit Oberoster- reich und Bohmen anderseits hergestellt werden. In verkehrstechnischer Beziehung bedeutet sie eine wichtige Hilfsroute ins¬ besondere bei Verkehrsstorungen auf der durch das Gesause fiihrenden Linie, wie solche indenletztenjahren durchElementar- ereignisse nur allzu haufig herbeigefuhrt waren. Auch in lokaler Hinsicht kommt dieser Bahn insofern eine grofiere Be- deutung zu, als sie berufen erscheint, ein grofies Gebiet aus wirtschaftlicher Isolierung zu befreien. Die seil einem halben Jahrtausend be- stehende, unter auslandischer Konkurrenz aber schwer leidende Sensen- und Eisen- industrie des Windischgarstner Bezirkes bedurfte dringend eines Verkehrsweges. Kaum dafi die erste Eisenbahn in Osterreich erbaut war, traten schon die Orte Oberosterreichs und Steiermarks, in welchen die Sensen- und Eisenindustrie ihren Sitz hat, an die Regierung um eine Schienenverbindung heran und brachten auch dem Reichstage 1848 ihre Bitte vor. Auch der Projektant der Kronprinz Ru- dolf-Eisenbahn Dr. Kompafi plante eine Verbindungslinie Enns oder Wels— Bruck an der M ur. Das Handels- ministerium liefi auch im Jahre 1867 ein- gehende Studien tiber die Pyhrn- b a h n anstellen und in dem am 13. Marž 1869 im Reichsrate ein- gebrachten Gesetzentwurf iiber die Ver- vollstandigung des osterreichischen Eisen- bahnnetzes war bereits eine solche Linie Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 53 einbezogen. Das Subkomitee des volks- rvirtschaftlichen Ausschusses strich jedoch diese Bahn aus dem Vorschlag zu einer Zeit, wo es sich anschickte, eine grofie Reihe anderer Bahnen, darunter fiinf Karpathenlinien, zu bewilligen. Alle Be- miihungen um diese Bahn blieben jahr- zehntelang erfolglos. In einem von der Generalinspektion der osterreichischen Eisenbahnen anfangs der Siebzigerjahre ausgearbeiteten Vor- eine Linie von K1 a u s-S t e y r 1 i n g iiber Windischgarsten und Spital a m Pyhrn mit Durchbrechung der Wasser- scheide beim B o s r u c k als Adhasions- bahn bis Selztal auszufiihren (22). Die Wahl der Trassen. An anderer Stelle*) wird die technische Begriindung der als bauwiirdig erkannten Linien erortert. Da aber bei der getroffenen Abb. 38. Tauernbahn, Nordrampe. Klammstein projekte war eine Verbindung von Wels nach Rottenmann ins Auge gefafit \vorden. Seither wurden wiederholt Projekte zur Fortsetzung der Kremstalbahn, eine Trasse von Klaus-Steyrling nach Liezen verfafit, bei welcher aber zur Vermeidung eines Scheiteltunnels Zahnstangenbetrieb geplant war. Eine Zahnstange in der Hohe des Pyhrnpasses (94° m ) hatte bei den dort herrschenden klimatischen Ver- haltnissen einen ungestorten Betrieb kaum sicherstellen konnen. Das Eisenbahnministerium liefi daher im Jahre 1899 neuerdings Untersuchungen vornehmen, die die Moglichkeit ergaben, Entscheidung Technik und Verkehrspolitik Kand in Hand gingen, ertibrigt es noch, an der Hand des technisch-kommerziellen Berichtes und der Begriindung zum Ge- setzentwurfe die in verkehrspolitischerHin- sicht ftir die Wahl der einzelnen Trassen ausschlaggebenden Momente einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Wenn auch die Weglange im Eisen- bahnverkehre durch tarifarische Mafi- nahmen in ihrer absoluten Wirkung ins- *) Vgl. »Trassenstudien fiir den Bau der neuen Alpenbahnen« im Kapitel »Trassierung, Unterbau und Briickenbau« von Oberbaurat Z u f f e r, Band 11 d.W. (Bd.VI der »Gesch. d. E.«). 54 Hermann Strach. besondere dort, wo an konkurrierenden Routen mehrere Venvaltungen beteiligt sind, vielfach beinflufit werden kann, so bildet sie doch immer die sicherste Grund- lage fiir die Beurteilung der kommerziellen Leistungsfahigkeit, da die Weglange mafigebend bleibt fiir die Ermittlung der Selbstkosten und jener aufiersten Grenze, welche auch im Wettbewerbe im Auge behalten werden mufi. In kommerzieller Hinsicht kommen aber nicht die absoluten hiebei auch die Verschiebungen hinsichtlich der Verkehrsbedienung mit in Betracht gezogen werden, die einerseits aus der Ablenkung von Transporten von derzeit nicht im Staatsbetriebe stehenden Linien, anderseits aus Beeinflussung des Besitz- standes der an dem betreffenden Verkehre gegenwartig beteiligten Staatsbahnlinien sich ergeben. Wenn unter diesen Gesichtspunkten an die Auswahl unter den Projektslinien Abb. 39. Tauernbahn, Nordrampe. Eroffnungsfeier in Dorfgastein. — die linearen — Entfernungen, sondern jene Langen zum Vergleich, welche unter Berilcksichtigung der Neigungsverhaltnisse und der sich ergebenden Betriebserschwer- nisse in der Form eines Langenzuschlages als »virtuelle« Langen (im Sinne des Gesetzes vom 15. Juli 1877, RGB. Nr. 64) ermittelt werden. Dafi schliefilich bei der Beurteilung der Projektslinie auch die finanzielle Seite der Frage und somit die erwachsenden Baukosten und die zu gewartigende Ren- tabilitat nicht aufier Betracht bleiben konnen, ist selbstverstandlich. Es miissen geschritten wurde, so waren vor allem jene Linien auszuscheiden, welche nach den bereits dargelegten Einwendungen aufier Betracht bleiben mufiten. Es sind dies diePredillinie(Mangartlinie) (18, 19) wegen der obwaltenden mili- tarischen und sonstigen Bedenken, dann die Loibllinie (11) \vegen ihrer nicht aus- schliefilich dem Triester Platze zu gute kommenden Wirkungen und die Laaker Linie (12) wegen ihrer hochst ungiinstigen Bau- und Betriebsverhaltnisse, die beiden letzteren iiberdies, weil sie Parallelbahnen zu bestehenden Bahnlinien darstellen. A llgemeine Entwicklungsgeschichte. 55 Im Zusammenhange hiemit entfallt auch die Rottenmanner Linie der Tauern- bahn (i), welche iibrigens auch vermoge der unverhaltnismafiigen Hohe der pro Kilometer entfallenden Baukosten damals nicht ernstlich in Aussicht genommen werden konnte, fiir die aber in aller- jiingster Zeit wieder ein besonderes Inter- esse rege geworden ist. Es eriibrigen sonach nur die mit 2 und io bezeichneten Varianten der Tauernbahn, ferner von den siidlichen Bahnlinien: die Karawankenbahn [Baren- grabenlinie mit der Abzweigung nach Villach (15 — 16)], die Wocheinerlinie (17) und die Linie Gorz—Triest-St. Andra (20), sowie endlich noch diePyhrnlinie (22), insofern sie im Vereine mit den siid- lichen Linien auch eine Wegkiirzung im Verkehre der ndrdlichen Lander mit Triest bewirkt. Da, wie ein Blick auf die Karte lehrt, nach Ausbau der Baren- grabenlinie (16) die durch die Tauern¬ bahn bezweckten Wegabkiirzungen im Triester Verkehre sich iiber Villach er- geben, wahrend der Verkehr liber Selztal naturgemafi auf den Weg liber Klagenfurt angeiviesen ist, so wird fiir den Vergleich der Tauernbahnvarianten geniigen, die hinsichtlich der drei Knotenpunkte Steinach-Irdning, Bischofshofen und Worgl im Verkehr mit Villach eintretenden Wegkiirzungen einander gegeniiberzustellen. Die einschlagigen Entfernungsziffern fiir die neun Varianten und daraus ermit- telter Durchschnitt ergeben sich wie folgt: Entfernung in Kilometern iiber Variante Vor dem Bau der 2. Ver- 23406780 IO bindung: ' Villach—Steinach-Irdning . . . 257 217 213 230 240 254 246 261 311 423 Villach—Bischofshofen . . . . 33 § 185 167 149 160 173 165 180 231 343 Villach—Worgl. 355 324 306 271 272 285 277 256 288 274 Im Mittel 317 242 229 217224237 229 232 277 347 Hieraus geht hervor, dafi die einzelnen Varianten auf Grundlage der zu erzie- lenden Distanzverhaltnisse wie folgt aneinanderzureihen sind: Variante 46378629 10 Mittlere Entfernungen in Kilometer . . 217 224 229 22 9 2 3 2 2 37 2 4 2 277 347 Die Grofi-Arl-Linie (4) und nachst dieser die Gasteiner Linie (5) waren demnach in dieser Hinsicht den iibrigen Projektslinien voranzustellen. Berticksichtigt man weiter die (seinerzeit) in Anschlag gebraehten Baukosten, so reihen sich die Varianten wie folgt aneinander: V ariante 66237948 10 Baukapital in Millionen Kronen . . . 60 66 74 74 80 84 86 94 114 Es zeigt sich somit, dafi der aus den Distanzverhiiltnissen sich ergebende geringftigige Vorteil der Grofi-Arl-Linie (4) vor der Gasteiner Linie (5) durch die um K 26,000.000 grofieren Baukosten der ersteren Linie reichlich autgewogen wird. Auch mit Riicksicht auf den Lokal- verkehr gewann die Variante 5 un " zweifelhaft den Vorzug vor den iibrigen Varianten durch die Einbeziehung der Kurorte des Gasteinertales in den Bahn- verkehr, wobei auch in Betracht kam, dafi mit Riicksicht auf den von Jahr zu Jahr steigenden Verkehr der weltbe- riihmten Gasteiner Bader diese Ein¬ beziehung kaum lange verschoben hatte werden konnen und dafi die Anlage einer selbstandigen Lokalbahn bis Badgastein Baukosten von ca. K 8,000.000 ver- 56 Hermann Strach. ursacht hatte, die bei dem Bau der Tauernbahn nach der Variante 5 erspart blieben. Nach allen diesen Erwagungen mufi te demnach auch aus kommerziellen Erwagungen der Gasteiner Linie (5) vor allen anderen einen Durchbruch der Tauernkette bezweckenden Projekts- varianten der Vorzug eingeraumt werden. Zur Beurteilung der durch die sud- lichen Projektslinien, der Karawanken- Gebiete Bohmens und Sachsens um- fassend, mafigebend ist, der Knoten- punkt Glandorf dagegen auf den Verkehr der mittleren und ostlichen Ge- biete Bohmens und der jenseit der- selben gelegenen Gebiete Norddeutsch- lands, sowie ferner auf den Verkehr der ostlichen Teile der osterreichisch- ungarischen Monarchie einwirkt, wahrend endlich der Knotenpunkt Klagenfurt fiir das durch die Einwirkung des Ver- Abb. 40. Tauernbahn, Nordrampe. Hofgastein. bahn (15,16), Wocheinerbahn mit der Fort- setzungslinie Gorz—Triest (17), unab- hangig von den nordlichen Linien eintretenden Abkiirzungen, wird es ge- niigen, die durch die Herstellung dieser Linien sich ergebenden sowie die durch letztere zu erzielenden Entfernungen zwischen Triest und den Knotenpunkten Villach, Glandorf und Klagen¬ furt festzustellen, wobei der Knoten¬ punkt Villach fiir alle westlichen, ein- schlieClich der iiber die Tauernbahn zu lenkenden Verkehre, auch die westlichen kehrs tiber Glandorf einerseits und der Hauptlinie der Siidbahn anderseits begrenzte Gebiet in Betracht kommt. Durch den Bau der Karawanken-, Wocheiner und Tri ester Linie ergibt sich gegeniiber den Tarif langen liber die bishin bestehenden Bahnlinien in der Relation Triest und dem Knotenpunkte Glandorf eine Wegkiirzung von 95 km und im Zusammenhange mit der Pyhrnbahn fiir Linz—Triest eine Kurzung von 142 km, infolge Ausbau der Tauernbahn wird in der Relation Salzburg—Villach eine AUgemeine Entwicklungsgeschichte. 57 Abb. 41. Tauernbahn, Nordrampe. Angerschluchtbriicke. Abb. 42. Tauernbahn, Nordrampe. Bahnhof Badgastein. 58 Hermann Strach. Wegkiirzung von 179 km herbeige- fiihrt, \vahrend nach erfolgtem Ausbau der ganzen als »zweite Eisenbahnver- bindung mit Triest« bezeichneten Bahnen die Relation Salzburg—Triest eine Weg- kiirzung von 662 Tarifkilometern auf 409 km , somit um 253 Tarifkilometer, d. i. um 38°/ 0 , erfahrt.*) Die kiirzeste Entfernung zwischen Wien und Triest, die ehedem 589 km betrug, ist auf 555 km herabgesetzt. Die Was Fiume betrifft, so betrug die Entfernung dieses Konkurrenzhafens von samtlichen Linienplatzen Osterreichs (westlich von Galizien), Siiddeutschland und der Schweiz um 5 Tarifkilometer weniger als jene Triests. In Hinkunft stellt sich dieses Verhaltnis fiir Triest, dessen Entfernung um 28 bis 40 km geringer wird als die Fiumes, um 4 bis 15 % gunstiger. Die gesamten Baukosten fiir die Abb. 43. Tauernbahn, Nordrampe. Badgastein vom Bahnhofe gesehen. analogen Ziffern fiir Prag (938 km, 827 km) bringen Kiirzungen von 12°/ 0 , fiir Eger (981 km und 783 km) 20°/ 0 , Klagenfurt (314 km und 213 km) 32°/o> Villach (273 km und 202 km) 26"/,,. *) Diese Ziffern weichen in mancher Hinsicht von jenen ab, die der technisch kommerzielle Bericht zur Gesetzesvorlage bietet, weil die zur Ausfuhrung gelangte Linie der Tauernbahn etwas von dem Ent- wurfe abweicht, den die Gesetzesvorlage in erster Linie stellte. In der am Schlusse dieses Abschnittes beigegebenen Karte ist die aus- f efiihrte gegeniiber der urspriinglichen (roten) rasse durch die blaue Linie gekennzeichnet. Tauernbahn \vurden im neuen Entwurfe mit K 56,000.000, statt wie friiher mit K 60,000.000, fiir die Karawankenbahn mit K 44,000.000 und fiir die Fortset- zung bis Triest K 78,000.000, zusam- men demnach mit K 178,000.000 ver- anschlagt. Die Bedeckung des Gesamterforder- nisses fiir das Bau- u. Investitionsprogramm im Maximalbetrage von K 483,038.000 \var durch Obligationen der mit dem Gesetze vom 26.Ja.nner 1897, RGB. Nr. 33, geschaffenen Investitionsschuld oder durch das Gesetz vom 2. August 1892, RGB. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 59 Abb. 44. Tauernbahn, Sudrampe. Mallnitz mit dem Ankogel. Nr. 131, geschaffenen Rente vorge- sehen.*) Die Regierung nahm urspriinglich ein jahrliches Ertragnis von K 3,739.000 in Aussicht, das einer 2 - io°/ 0 igen Ver- zinsung des ftir die Triester Bahnver- bindung veranschlagten Baukapitals ent- sprache. Der Eisenbahnausschufi be- rechnete, dafi die Heranziehung des fiinften Teiles des Nordseeverkehres, die Ablenkungen von Genua und Venedig gar nicht berticksichtigt, geniigen wiirde, den Ertrag auf 3-14% des veranschlagten Anlagekapitals zu erhohen. Spaterhin hat auch die Regierung weit hohere Ein- nahmen in Voranschlag gebracht, die aber angesichts der bedeutend hoheren *) Der EisenbahnausschuS schaltete im Gesetze eine Bestimmung ein zum Zwecke einer intensiveren parlamentarischen Kon- trolle, wonach der Erl3s der zu begebenden Obligationen nur ftir die im Gesetze vor- gesehenen Zwecke vervvendet werden darf und die Regierung alljahrlich mit dem Staats- voranschlage einen Ausweis iiber den Um- fang der Begebung der Obligationen und Verwendung des Erloses vorzulegen hat. Diese Bestimmung wurde auch vom Reichsrate an- genommen und erhielt Gesetzeskraft. Anlagekosten keine bessere Verzinsung des investierten Kapitals versprachen. Die parlamentarische Behandlung der Gesetzesvorl a ge. Der am 12. Februar 1901 eingebrachte Gesetzentwurf mufite gegen jenen von 1900 in erster Reihe die Bautermine um das verlorene Jahr spater legen, die Bauvollendung der Eisenbahnen Rako- nitz—Launund Hartberg—Fried- berg wurde fiir das Jahr 1902, jene der Teilstrecke Schwarzach— Ga- s tein, Lemberg—Sam bor—Unga- rische Grenze und der Pyhrnbahn fur 1904, Klagenfurt—Gor z—Triest fiir 1905 und die der Sudrampe der Tauernbahn fiir das Jahr 1908 in Aussicht genommen. Die Termine waren, wie ausdrucklich hervorgehoben wurde, nur in Anhoffnung besonders giinstiger Umstande gestellt. Fiir die Spaterlegung des Erotfnungstermines der Tauernbahn war nebst der Beriicksichtigung der Bahn- schwierigkeiten die verkehrspolitische Er- wagung mafigebend, dafi die durch die 6o Hermann Strach. Karawanken- und Wocheinerbahn herbei- gefuhrten Vorteile fur Innerosterreich vor der den auslandischen Durchzugsver- kehr fbrdernden Tauernbahn zur Geltung kommen sollten. Die Regierung hatte iibrigens die Zeit seit Einbringung der ersten Vorlage nicht unbeniitzt verstreichen lassen und soweit es die zur Verfiigung gestandenen Geldmittel gestatteten, die Vorbereitungen fur den Bau getroffen, Detailprojekte ausarbeiten und die Auffuhrung eines Probestollens behufs genauer Erforschung des Gebirges beim Wocheinertunnel in Angriff nehmen lassen. Die parlamentarische Behandlung der Bau- und Investitionsvorlage ging glatt von statten, nachdem es gelungen war, in der Wasserstrafienvorlage ein Korollar fiir die nordlichen und nordostlichen Landergebiete zu finden. Nach dreitagiger Verhandlung wurde in der Sitzung vom 15. Marž 1901 die erste Lesung beendet und der Entwurf dem Eisenbahnausschusse zugewiesen. Was auf politischem und neutralem Gebiete nicht gelungen war, hatte auf verkehrswirtschaftlichem Wege die Re¬ gierung durch das Kompromifi in der Triester und Wasserstrafienfrage erreicht. Mit einer Eintracht, die den unheilvollen 3ojahrigen Zwist iiber die Wahl der Trasse vergessen liefi, traten die Ver- treter der Alpenlander fiir den Entwurf sin, der als grofie politische und wirt- schaftliche Tat gekennzeichnet wurde. Auch die Vertreter der anderen Lander erklarten sich bereit, die Vorlage zu unterstiitzen oder sich doch mindestens deren Zustandekommen nicht entgegen- zustellen. Die Jungtschechen erklarten, an dem Junktim zwischen der Eisen- bahnvorlage und dem Ausbau der Was- serstrafien unverbriichlich festzuhalten, um so mehr als erst dann, wenn durch billige Wasserfracht Industrie, Landwirt- schaft und Handel erstarken, wenn Wien und Linz mit billiger heimischer Kohle versorgt werden, an eine Belebung der Triester Linien gedacht werden konne. In einer grofiztigigen Rede begriin- Abb. 45. Tauernbahn, Siidrampe. Dossenviadukt. Umfahrungsgeriist und Lehrgeriist fiir den grofien Bogen. (Bauzustand im Juli 1907.) Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 61 dete der Eisenbahnminister Dr. Ritter v. Wittek die Vorlage. Der Eisen- bahnbau in Osterreich solle in _ eine andere Phase treten, es werde fiir Oster¬ reich eine neue Epoche neuer grofier Eisenbahnbauten erofinet werden. Diese sollen endlich in Osterreich das durch- fuhren, was alle iibrigen mitteleuro- paischen Staaten langst getan haben, die Vervollstandigung des Netzes Abb. 46. Tauernbahn, Nordrampe bei Badgastein. 62 Hermann Strach. erster Ordnung, In dieser Richtung sei die »zweite Eisenbahnverbindung mit Triest« die wichtigste. Ein Mittel, die diversen Anforderungen der verschie- denen Lander durch eine ausgleichende mittlere Trasse zu verbinden, sei nur teilweise gefunden in dem siidlichen Stiicke von Triest bis zum Tunnelein- gange nordlich des Barengrabens. Dort trennen sich die Wege und es sei nicht anders moglich gewesen, als durch die mit einem grofien Aufwande verbundene Herstellung von zwei selbstandigen Linien, den beiden grofien Verkehrs- bedtirfnissen Genilge zu leisten, die bei Herstellung dieser Verbindung zu beriick- sichtigen sind. Den Vorwurf, dafi der Binnenverkehr hiebei nicht die besondere Aufmerksamkeit gefunden, konnte der Minister entkraften. Wenn man Triest zu einem grofien Hafenplatze machen wolle, diirfe man nicht nach der Provenienz des Verkehres fragen. Auf dem Gebiete desLokalbahnwesenssei die Vorlage ein Versuch, die zersplitterte Tatigkeit der Staatsverwaltung zusammenzufas- sen und dem Parlamente die Ubersicht zu ermoglichen, welche Opfer auf diesem Gebiete in einer bestimmten Reihe von Jahren gebracht werden sollen. Wenn der Grundsatz gebilligt wird, dafi in be- zug auf die subventionierende Tatigkeit ftir Lokalbahnen gewisse Jahresbetrage ausgeworfen werden, innerhalb welcher das Auslangen gefunden werden miifite, wiirde sich dadurch eine plangemafie Er- hohung der Lokalbahnprojekte ergeben und es konnte dann dem Parlamente die Wahl bleiben, welchem von den Projekten innerhalb dieses Rahmens der Vorzug einzuraumen ware. Die Regierung habe nicht die Absicht, mit dem System der Garantie fiir Vorzugskapitalien auch bei gewissen Bahnen niederer Ordnung vollstandig zu brechen, da es oft statt des Baues auf Staatskosten niitzlicher und zweckmafiiger erscheint, beziiglich der Beitragsleistungen zum Bau einer Lokalbahn die Form einer Aktien- gesellschaft zu wahlen, weil damit die Interessenten einen Anteil an der kiinf- tigen Prosperitat behalten. Der Minister ktindigte die Einbringung einer beson- deren Lokalbahnvorlage an und be- griindete sodann den beanspruchten In- vestitionskredit. An den Investitionen, von denen iiber 50 Millionen fiir die Legung von zweiten und dritten Gleisen, beinahe 100 Millionen ftir Stationsumbauten und Erweiterungen, 64 Millionen fiir Fahr- betriebsmittel bestimmt sind, sei die grofie, weite Bevolkerung das ganze Publikum und damit auch das hohe Haus, welches ja diese Bevolkerung ver- tritt, auf das angelegentlichste interessiert. Es sind Sicherheitsmomente, die hier mafi- gebend seien, und zu den Sclrwierigkeiten des Verkehres auf eingleisigen Linien komme noch die mtihselige, oft nur durch kiinstliche Manipulationen ermoglichte sehr unokonomische Verkehrsabwicklung. »Investitionen, welche fiir Stations- gleise gemacht werden, ftir Verbesserung von Bahnhofen und um so mehr fiir Bahn- betriebsmittel, durch Erweiterung der Werkstattenanlagen, diese Investitionen — da Ubernehme ich die Garantie — rentieren sich sofort, und zwar so hoch, dafi das Ertragnis der Staatsbahnen dadurch sofort verbessert wird«, erklarte der Minister unter lebhafter Zustimmung des Hauses. »Das sind die wesentlichen Bediirfnisse, welche sehr dringend und fiir die Staats- verwaltung wichtig sind, dafi ich sagen mufi, es liegt darin die eigentliche Ent- scheidung iiber das Wohl und Wehe des gesamten Staatsbetriebes in der nachsten Zeit.« Von sozialdemokratischer Seite wurde gegen die Vorlage keine Einwendung erhoben, um so scharfer kam aber die Gegnerschaft gegen den Eisenbahnminister schon damals in der Ankiindigung eines Antrages zu Tage, dafi der angesprochene Kredit nur von Jahr zu Jahr zu be- willigen sei. Als entschiedener Gegner der Vor¬ lage bekannte sich der Abgeordnete Dr. Kaizl, der vormalige Finanzminister, der aus finanzpolitischen Grtinden erklarte, dafi er, solange er nicht die Gewifiheit habe, die Staatsbahnverwaltung werde durch eine Erhohung der Tarife eine bessere Betriebs- politik einschlagen, fiir eine Erweiterung des Staatsbetriebes nicht eintreten konne. Im Eisenbahnausschusse fand die Vor¬ lage eine ebenso wohl\vollende wie griind- liche Behandlung. Der vom Abgeordneten A llgemeine Entwicklungsgeschichte. 63 Dr. Julius Sylvester erstattete General- bericht sowie seine Spezialberichte konnen als Meisterstiicke parlamentarischer Be- richterstattung hingestellt werden. Mit tiefer Sachkenntnis wurden auch die Spezialberichte der Abgeordneten und Ingenieure Stwrtnia und K a f t a n sowie jener Dr. Kolischers erstattet. Der Ausschufi nahm nur unwesentliche An- derungen in der Gesetzesvorlage vor. In Wie der Eisenbahnminister in der Spezialdebatte bemerkte, hattederfiihrende Gedanke der Vorlage, dafi man grofie bautechnische Aktionen nicht jahrweise und stiick\veise durchfiihren solle, im Eisenbahnausschusse so viel Anklang ge- funden, dafi die Regierung —- entgegen der sonstigen Rollenverteilung — sich dagegen aussprechen mufite, dali ihr noch ein auf\veiterejahre ausge- Abb. 47 Tauernbahn Siidrampe. Lehnenpartie ztvischen Mallnitz und Ober-Vellach, mit dem Rauchengraben- tunnel mit dem Rauchengrabenviadiikt, im Ilintergrunde der Dossenbach-Viadukt. der Absicht, die Wechselbahn in ihrer ganzen Strecke (Hartberg—Aspang) ge- setzlich sicherzustellen, wurde d i e s e statt der ursprunglichen Linie Hartberg— Friedberg eingesetzt, jedoch mit der Be- stimmung, dali zunachst die von der Regierung vorgeschlagene Teilstrecke aus- zufuhren sei. Aufierdem erhohte der Aus- schufi den fiir die staatliche Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung fiir Privatbahnen vorgesehenen Betrag um K 4,000.000, so dafi sich der bewilligte Gesamtkredit auf K 487,038.000 belief. d e h n t e s finanzielles Programm mit entsprechenden Kreditbe- willigungen gegeben werde. Nachdem die ins Abhangigkeitsverhalt- nis gebrachte Wasserstrafienvorlage parla- mentarisch sichergestellt war, unterlag die Annahme des Gesetzentwurfes im Abge- ordnetenhause keinen weiteren Schwierig- keiten. In der dritten Lesung am 1. Juni 1901 gelangte der Gesetzentwurf in der vom Eisenbahnausschusse beantragten Fassung unverandert zur Annahme, und nachdem am 5. Juni die Zustimmung des Herren- 64 Hermann Strach. hauses erfolgt war, erhielt das Gesetz am 6. Juni 1901 die Allerhochste Sanktion (RGB. Nr. 63). Von den beteiligten Landern und autonomen Korperschaften wurden, einer Aufforderung derRegierung entsprechend, Beitragsleistungen allerdings in nicht be- deutender Hohe zu den Kosten zuge- standen. Zur Durchfiihrung des Eisenbahnbau- und Investitionsgesetzes wurde im Ministerium eine eigene Geschaftsstelle, »die k.k.Eisenbahnbaudirektion«, errichtet, an deren Spitze als Sektionschef und Baudirektor Karl W ur m b*) trat. *) Karl Wurmb wurde am 18. September 1850 zu Neumarkt bei Wels geboren. Nach Absolvierung, des Ziiricher Polytechnikums kam er als lngenieurassistent zur Siidbahn, war bei den Rekonstruktionsbauten der Brenner- bahn, dann bei der Trassierung und beim Baue der Pustertalbahn tatig. Er wirkte auch als Ingenieur und Baufuhrer beim Baue der Strecke Tarvis—Villach, spater im Dienste der Generalinspektion der bsterreichischen Eisen- bahnen, bei der Trassierung der Predilbahn, der Linie Laibach—Karlstadt, der Salz- kammergutbahn und der Arlbergbahn. Im Jahre 1876 trat er bei der k. k. Direktion ftir Staatseisenbahnbauten ein, wo er von 1878 bis 1879 die Vorarbeiten und den Bau der Wasserwerke Kerka—Sebenico leitete. In der Folge fiihrte er die Studien ftir den Bau des Arlbergtunnels durch, bei welchem er dann als Baufuhrer auf der Westseite tatig war. Eine schwere Verletzung, die er im Jahre 1882 im Tunnel erlitt, zvvang ihn, den Tunnel- dienst mit Ingenieurarbeiten in der Bauleitung Bludenz zu vertauschen. Wurmb kam im Jahre 1883 zur k. k. Direktion ftir Staatseisenbahnbetrieb; im Jahre 1884 fiihrte er ftir Conte C e coni wahrend eines ihm zu diesem Zwecke er- teilten Urlaubes die Trassierung der Tauern- bahnvarianten durch. Dann war er im Studienbureau, spater im Bureau ftir Ober- bau- und Stationsanlagen der k. k. General- direktion der čsterreichischen Staatsbahnen, endlich vom Jahre 1888—1890 fast aus- schliefilich in der Ausarbeitung und teil- weise auch bei der Redaktion der von dem nunmehrigen Sektionschef Dr. Viktor Roli herausgegebenen Enzyklopadie des Eisen- bahnwesens, in hervorragender Weise tatig. Im April 1890 trat Wurmb in den Dienst des steiermarkischen Landesausschusses, wo er 1892 Direktor des steiermarkischen Landes- eisenbahnamtes wurde. Im Jahre 1894 wurde er als Hofrat und Generalinspektor des 5 ster- reichischen Lokalbahnwesens in das Handels- ministerium berufen. Von 1896 an leitete er als Ministerialrat im Eisenbahnministerium »Eine grofie, edle Natur, ein genialer Ingenieur, der die hochste Befriedigung darin fand, alle Kraft, ja das Leben, der Durchfiihrung eines grofien Werkes zu weihen, einer jener Kiihnen, die freudig in den Kampf mit den Elementen ziehen, weil sie mit Kraften, die zum Siege fiihren, begnadet sind.« Der Bau der Alpenbahnen. Die zu losende Aufgabe war um so schwieriger, als es galt, innerhalb aufierst kurz bemessenerBautermine fiinf Alpen¬ bahnen gleichzeitig mit Lokalbahnen das technische Lokalbahnamt. Im Jahre 1901 wurde er zum Sektionschef im Eisenbahn¬ ministerium befdrdert und tibernahm die Stelle eines Eisenbahndirektors. Als Ingenieur hatte sich Wurmb schon beim Arlberg durch seine Anregung bekannt gemacht, zwischen St. Anton und Langen (bei Rautz) einen schiefen Stollen bis zur Tunnelsohle anzulegen, um neue Angriffs- punkte ftir den Tunnelbau zu gewinnen. Die uberraschenden Fortschritte beim Tunnelbau sowie Schwierigkeiten bei der Vergebung des Stollens liefien von der Durchfiihrung dieses Planeš absehen. Es mufi ihm hohe Genugtuung gevvahrt haben, dafi die erbaute Tauernlinie den von ihm seinerzeit ermittelten Weg erhielt. Ebenso hatte er die Špur der sudlichen Linie der zvveiten Eisenbahn- verbindung mit Triest vorgezeichnet. Aller¬ dings war er ftir die Predil-Isonzolinie mit Durchbohrung des Mangart von Weifienbach aus an Stelle der Wochemer Linie eingetreten. Hatte Wurmb in dieser Art bestimmend auf die Linienfuhrung der neuen Alpen¬ bahnen eingewirkt — der Zug der Pyhrn- bahn entspricht ebenfalls seiner Anregung —, so war es ihm auch als Vorstand des steier¬ markischen Landeseisenbahnamtes gegOnnt, in diesem Kronlande eine Reihe vvichtiger Lokalbahnen, wie Cilli—Wollan, Pčltschach —Gonobitz, Stainz -Wieselsdorf, Kapfenberg —Seebach und die Murtalbahn, zur Ausftihrung zu bringen. Der grofite Wirkungskreis wurde ihm selbstverstandlich in dem Zeitpunkte iiber- tragen, als der Gesetzentwurf beziiglich der neuen Alpenbahnen im Schofie des Mi- nisteriums vorbereitet und zur Reife gebracht wurde. In diesem Zeitpunkte kam die Viel- seitigkeit VVurmbs so recht zum Ausdrucke, und als dann noch seine Ernennung zum Eisenbahnbaudirektor erfolgte, steigerte sich seine Tatigkeit bis zum Ubermafi. Mit einer bewunderungswurdigen Spann- kraft, die kein Ruhebediirfnis kannte, unter- zog er sich der iibertragenen grofien Auf¬ gabe mit wahrer Meisterschaft. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 65 und anderen wichtigen Staatsbahnbauten und unler Bewaltigung aufierordentlicher technischer Schwierigkeiten in einer den gesteigerten Anforderungen des modernen Betriebes entsprechenden Weise herzu- stellen. In solcher Reichhaltigkeit waren Eisenbahnkunstbauten in Osterreich gleich- zeitig noch niemals auszufuhren gewesen. Um den Umfang der nur bei den ALpen- bahnen gelieferten Arbeit zu beurteilen, diirfte die Angabe geniigen, dafi vier I Balkan und aus Siiditalien, unter dem Zugestandnis aufierordentlicher Arbeits- lohne herangezogen werden mufiten. Berufene Fachleute, Manner, die an dem Werden und der Schaffung dieser Bauten als fiihrende Techniker reichsten Anteil haben, schildern im technischen Teile dieses Werkes die ungeheuren Leistungen auf jedem Einzelgebiete der Eisenbahn. Hier kann es nur Aufgabe I sein, die wesentlichsten Daten der Bau- Abb. 48. Tauernbahn, Siidrampe. Ober-Vellach. grofie Tunnels in einer Gesamtlange von 24.556 m und eine grofie Zahl kleinerer Tunnels herzustellen und nicht weniger als 8,163.000 m 3 Erd- und Felsarbeiten, 379.100 m 3 trockene Steinbauten und 626.700 m 3 Mortelmauern und Beton zu leisten waren, zu deren Bewaltigung, als die Arbeit im vollen Gange sich befand, an 40.000 Arbeiter gleichzeitig beschaftigt waren. Machte schon die Gewinnung der geeigneten Techniker einige Schwierig- keiten, so war die Beschaffung der Ar¬ beiter nur dadurch moglich, dafi sie auch aus weiter Entfernung, selbst vom geschichte und in rohen Umrissen eine zu- sammenfassende Darstellung der Anlage der ausgefuhrten Linien zu geben.*) Samtliche im Gesetze sichergestellten Bahnen waren nach Art. I und II des Gesetzes vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, als Hauptbahnen auszufuhren, und zwar die T auernbahn (Schwarzach— '*) Es sei hier ein- ftir allemal auch auf die im nachsten Bande enthaltenen Abbildungen derbedeutendsten Bauwerke der neuen Bahnen hingewiesen, zu welchen die in der »Allge- meinen Entwicklungsgeschichte« enthaltenen lllustrationen nur eine Erganzung bilden. 5 66 Hermann Strach. Gastein—Bockstein—Mallnitz—Ober-Vel- lach—Spittal a. d. Drau), die K a r a w a n- k e n- und die Wocheinerbahn mit einer Abzweigung nach V i 11 a c h und direkter Fortsetzung bis Triest (Klagen- furt beziehungsweise Villach—Afiling— V eldes—W ocheiner F eistritz—Santa Lucia —Canale— Gorz — Reifenb erg —-St. Da¬ niel —Opčina—Triest-St. Andra) der Haupt- bahnen ersten Ranges; die Eisenbahn von Lemberg liber Sambor, Stary Sambor—■ Turka, bis zur galizisch-ungarischen Grenze im Uzsokpasse in der Richtung gegen Nagy-Berezna, die Pyhrnbahn (Klaus — Windischgarsten — Spital am Pyhrn—Selztal), die Eisenbahn von Ra¬ ko n i t z liber Opočna bis L a u n und die Wechselbahn, und zwar zunachst die Teil- strecke H ar t b er g—Fr i e db er g als Hauptbahnen zweiten Ranges. Gemafi Art. IV des Gesetzes waren die Strecken Rakonitz — Laun und Hartberg—Friedberg im Jahre 1902, . ..Schwarzach — Gastein, Lemberg — Sambor— ungarische Grenze und Pyhrnbahn 1904 und Klagenfurt—(Villach—)Gorz —Triest 1905 und die restliche Strecke der Tauernbahn 1908 dem offentliehen Verkehre zu ubergeben. Die Regierung hatte jedoch im Motivenberichte aus- driicklich erklart, dafi diese Fri- sten nur unter Voraussetzung der gunstigsten Verhaltnisse einge- halten werden konnen. Beziig- lich der praliminierten Baukosten wurde leider eine derart vorsichtige Erklarung unterlassen. Da die technischen Vorarbeiten fur die im Gesetzentwurfe vor- gesehenen Alpenbahnen lediglich aus generellen Projekten bestan- den, liefi es sich die Staatseisen- bahnverwaltung in erster Linie angelegen sein, die Detailpro- jekte verfassen zu lassen. Die genaueren Studien brachten die unangenehme Uberraschung, dafi insbesondere auf der Wocheiner Linie und in dem schon friiher als schwierig erkannten Bačatal sich die Verhaltnisse noch weit ungunstiger gestalteten, als ursprtinglich vorausgesetzt war, was eine durch- greifende Anderung der Trasse dieser Linie und Umlegungen wahrend der Bauzeit notig machten. Aber auch auf den tibrigen Linien erschienen mehr oder weniger belangreiche Abiinderungen notig, die spaterhin insofern erst eine Wichtigkeit erlangen sollten, als sie bei den notwendigerweise eingetretenen Kostentiberschreitungen viel erorterte Mitursachen wurden. Aus Griinden der Betriebsokonomie stellte sich auch, wah- rend diese Vorarbeiten im Zuge waren, die Notwendigkeit heraus, Anderungen in der seinerzeit in Anschlag gebrachten Leistungsfahigkeit der einzelnen Bahnen eintreten zu lassen. Eben zu dieser Zeit erzielte Fort- schritte im Lokomotivenbau liefien es AUgemeine Entwicklungsgeschichte. 67 zur Ausniitzung der vollen Zugkraft rat- sam erscheinen, auf der Karawanken- und Wocheiner Linie bis Triest statt 7oachsiger Ziige nunmehr solche mit 100 Achsen, auf der Tauernbahn Ziige mit 80 statt mit 70, auf der Pyhrn- bahn 70 statt ursprtinglich angenommener 50 Achsen vorzusehen und insbesondere die Stationsanlagen danach zu gestalten. Zur Erhohung der Leistungsfahigkeit der Pyhrnbahn mufiten die Neigungs- und Aufschliisse iiber die Gebirgsbeschaffenheit und zur Entscheidung der Prage, ob es empfehlenswerter erscheint, einen doppel- gleisigen oder zwei eingleisige Tunnel- rohren anzulegen, Richtstollen als Probe- stollen an den Enden des Wocheiner- tunnels vortreiben lassen. Die Eisenbahn- baudirektion konnte sich nach den giin- stigen Ergebnissen dieser Probestollen zur Ausfuhrung eines Zwillingstunnels ent- schliefien. Abb. 50. Tauernbahn, Siidrampe. Viadukt iiber den Kaponigbach. Richtungsverhaltnisse gegeniiber dem ge- | nerellen Projekte einschneidende Ande- rungen erfahren. Die grofite Neigung wurde von 25 auf 19 pro Mille herab- gesetzt. Die Verbesserung der Neigungs- und Richtungsverhaltnisse notigte aber auch dazu, den Scheiteltunnel tiefer zu legen und ihn um 310 m zu verlangern, die Lange der Bahn erhohte sich um 2 km. Wie bereits erwahnt, hatte das Eisen- bahnministerium schon im Spatherbst 1900, also noch vor der gesetzlichen Sicherstel- lung des Baues, zur Erlangung sicherer Im Sommer 1901 wurde vorlaufig im Handakkord der Vortrieb beim Tauern-, Karawanken- und Bosrucktunnel begonnen und im folgenden Winter wurde mit den Installationsanlagen beim Wocheiner- und Karawankentunnel begonnen; die Verge- bung der Arbeiten bei diesen beiden Tunnels fand im Mai 1902 statt, die Arbeiten am Bos- ruck erlitten durch einen Wassereinbruch im August eine V erzogerung um sieben Mo- nate, so dafi die Vergebung dieses Tunnels erst am 21. Oktober 1902 erfolgen konnte. Beim Tauerntunnel wurde am 6. Juli 1901 mit dem Vortriebe des Sohlstollens 5 ; 68 Hermann Strach, Abb. 51. Tauernbahn, Siidrampe. Sohi- imd Firststollen des Gratschachertunnels vom Falkenstein gesehen. (Zwischen Ober-Vellach und Penk.) bahn Gorz - Siidbahn — Haiden- schaft verbindet, und einer Ver- bindungskurve zur Siidbahn. Im Mai 1903 wurden die Rampen- strecken der Pyhrnbahn, im August desselben Jahres Klagen- furt—Rosenbach (Barengraben) und Birnbaum—Afiling der Ka- rawankenbahn und die Nord- rampe der Wocheinerbahn (Afi- ling—Wocheiner Feistritz) und im September die Strecke Prva- čina—Triest vergeben. Die Ver- gebung der Strecke Villach— Rosenbach konnte erst im Juni 1905 durchgesetzt werden. Das Jahr 1903 brachte den Bau- arbeiten namhafte Sch\vierig- keiten. Im Gasteinertale trat PIochwasser auf, am 3. Mai 1907 ging bei Kilometer 31 -ig en Neigungen ausgemerzt. Die angestrebte Erhohung der Leistungsfahigkeit der Bahn bedingte jedoch aufier der Tiefer- legung und Verlangerung des Bosruck- tunnels auch die Hoherlegung von Taltibersetzungen, die Einschaltung eines neuen 454 m langen Tunnels, endlich die Verlangerung der Bahn um etwa 2 km\ MaBnahmen, die eine namhafte Uberschreitung der veranschlagten Bau- kosten zur Folge hatten. Die Station Klaus-Steyrling der Kremstalbahn war so ungiinstig gelegen, dafi eine Enveiterung nicht mhglich war. Die neue Station Klaus wurde nahe der alten, aber 9 m hoher (477 m ii. d. M.) angelegt. Dem westlichen Gange des Steyrtales folgend, tiber- schreitet die Bahn den Piefilingbach auf einem 47 m langen, 12 m hohen Viadukte, durchfahrt den Posttunnel (248 m lang) und den an Stelle eines 14 m tiefen Einschnittes angelegten Schlofitunnel (106 m lang). Dem Fiedler- brunntunnel (226 m lang) bei Kilometer 2 folgt unmittelbar ein 48 m langer, 10 m hoher Lehnenviadukt, der eine projektiert gewesene Stiitzmauer ersetzt, deren Fundie- rung auf Schwierigkeiten stiefi. Bei Kilo¬ meter 3-5 wird der Steyrlingflu6 mittels eines einzigen 70 m weiten Bogens aus Granit- quadern fibersetzt. Uber dem Tragbogen be- hnden sich auf jeder Seite fiinf 'Sparbogen, die Fahrbahn liegt 48 m uber dem Flusse. Sie zahlt zu den grhbten Wolbbrucken der Welt.*) Unmittelbar auf die Brucke folgt die Station Steyrling (493«! ii. d. M.) und bei Kilometer 5 die 214 m lange herr- liche Steyrbrucke, 43 m hoch uber der Talsohle. Abb. 85. Wocheinertunnel. Nordseite, Voreinschnitt. *) Siehe Seite 83. 9 o Hermann Strach. An dem Steilhange des Falkensteines zieht die Bahn bis zum Teichlflusse, den sie mit einer eisernen Brucke von 116 m Lange und 38 m HOhe iibersetzt, um zur Station Dirnbach- Stoder (505 m ti, d. M.) zu gelangen. Liber Schotterterrassen,inwelchesteilwandigeGraben eingerissen sind und die mit bedeutenden Wolb- briicken iibersetzt werden mufiten, geht es weiter. Der Krenngraben wird mit 40 m, der Schalchgraben mit 52 m und der Palmgraben mit 59 m weitem Bogen etwa 30 m tiber der Sohle iibersetzt. Zwischen dem Schalch- und Palm- von Windischgarsten bis Pyhrn im Teichl- tale projektiert. Zur Vermeidung hoherer Steigung erfolgte die Verlegung ins Edel- bachtal. Auf der Wasserscheide zwischen dem Teichl- und Edelbachtale liegt die Station Spital am Pyhrn (658 m ti. d. M.). Nun tritt die Bahn wieder ans rechte Teichlufer, iibersetzt den Teichlbach in einer Eisenkon- struktion von 39 m Lichtweite und einem anschliefienden Viadukte aus fiinf Offnungen zu 8 bis 10 m Lange. Zwischen Kilometer 31*5 und 363 liegt der Abb. 87. tVocheinertunnel. Nordseite, Einfahrt in die Scbicbt. graben liegt dieJHaltestelle St. Pankraz. Bei Kilometer 133 wird der Teichlflufi zum zweitenmal in bedeutender Hohe (36 m) iibersetzt. Diese obere Teichlgrabenbriicke hat eine Hauptoflnung von 697 m. Bei Kilometer 17 und spater bei Kilometer 23 bot Moor- grund bei Dammschiittungen aufierordentliche Schwierigkeiten. Bei der LIaltestelle Rofi- leiten verlafit die Bahn westlich abriickend den Teichlflufi, iibersetzt den Dambach, um nach Windischgarsten (612 m ti. d. M.) zu gelangen, wo sich ein herrlicher Ausblick nach der Prielgruppe und auf das Sengsen- gebirge bietet. In einer scharfen Wendung nach Siiden durch den 454 m Iangen Schacherbauerntunnel tritt die Bahn ins Tal des Edelbaches. Urspriinglich war die Trasse 4766 m lange Bosrucktunnel durch den Pyrgasstock der ntirdlichen Kalkalpen. Der hoctiste Punkt im Tunnel in 7267 m Seehohe, zu dem die Bahn mit 3 pro Mille ansteigt, ist zugleich der Scheitelpunkt der ganzen Linie. Die iiber dem Tunnel lagernde Gebirgs- masse hat 1130 m Hohe. In den Tunnel fallt auch die Landesgrenze zwischen OberOster- reich und Steiermark. Im wasserreichen Triaskalk traten zahlreiche kleinere und drei machtige Wassereinbriiche aut und verur- sachten haufige Storungen und Unterbrechun- gen. Auf der Siidseite trat bereits im August 1902 ein 800 Sekundenlitef machtiger Wassereinbruch ein, der die Einstellung des Vortriebes auf sieben Monate zur Folge hatte. Im Marž 1904 trat eine einmonatige StOrung Allgemeine Entwicklungsgeschichte. Ql auf der Nordseite ein, da armdicke Wasser- strahlen aus dem Berginnern bis 15 m weit aufsprangen. Wahrend die Wassermenge im Tunnel stets zunahm, sank die Wassermenge des »schreienden Baches«, der das Kraftwasser fur die Installationsanlage der Nordseite lieferte, konstant und im Juli 1904 versiegte der Bach ganz, so dafi die Annahme besteht, der Bach sei immer der Ausflub eines unter- irdischen Wasserlaufes gewesen, der durch den Tunnelbau einen anderen Lauf erhielt. Im April 1905 stellten sich abermals bedeutende des Arbeitsdynamits vorlage. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dafi es sich um die Explosion von Grubengas handelte, das in einer Gebirgs- hohle aufgespeichert war und durch den Wassereinbruch einen Ausweg fand. Am 23. November 1905 konnte endlich der Durch- schlag erfolgen. Vom Siidende des Tunnels fallt die Bahn mit 19 pro Mille bis Ardning (674 m ti. d. M.) und bietet weite Ausblicke auf das Enns- tal und seine herrliche Umrahmung. Bei Burgschachen erreicht sie denTalboden, Abb. 88. Wocheinertunnel. Nordseite. Elektrische Bohrmaschine, System Siemens & Halske. Wassereinbrtiche ein und auch auf der Sud- seite wurde die Kalkzone erreicht. Am 17. Mai 1905 stromte vor Ort des Siidstollens eine riesige Menge \Vasser (1100 Sekunden- liter) plotzlich aus einer Kluit der Stollen- sohle, verringerte sich bald, blieb aber stets 600 Sekundenliter stark, so dafi die Fort- ftihrung der Arbeit lange Zeit ausgeschlossen war. Am 19. Mai wurde versuchshalber auch der Vortriels im Nordstollen eingestellt. Auf der Siidseite war durch den Wassereinbruch die Ventilation gestort, und als man an die Wiederherstellung der Leitung schritt, erfolgte am 22. Mai eine in diesem Gebirge ganz fiir unmoglich gehaltene Gasexplosion, bei der 16 Arbeiter das Leben verloren. Vielfach wurde die Anschauung vertreten, dafi eine Explosion iibersetzt bei Kilometer 41 die Enns mit einer Eisenkonstruktion von 6r6 m, um gleich dar- auf den Paltenbach mit einer solchen von 31-4 m Stiitzweite zu iiberbriicken, und geht von der Anschlufistelle bei Kilometer 413 an die Amstetten - Selztaler Linie als deren zweites Gleis bis Selztal. Der Umbau der Strecke Linz — Klaus wurde durch die k. k. Staats- bahndirektion Linz durchgefiihrt. Die Strecke von Linz bis zum Traunflusse mufite vollstandig umgelegt tverden, ebenso mufite das 5 km lange Stiick Ob ermichelsdorf—Klaus ganzlich eine Umlegung erfahren. Die Neigungs- Hermann Strach. Q2 und Kriimmungsverhaltnisse wurden ver- bessert, die bestehenden Briicken ver- starkt, umgebaut und einige neue her- gestellt. Durch die Umleg-ung: nahezu der Halfte der Bahnlage \vurde eine Verkiirzung der alten Trasse um 4'5 Kilo¬ meter herbeigeftihrt. Neben der kommerziellen Wichtig- keit dieser Linie als Verbindungsstiick zwischen Bohmen und Triest kommt ihr, wie den neuen Alpenbahnen iiber- Abb. 89. Wocheinertunnel. Nordseite, maschinelle Bohrung vor Ort. haupt, auch eine nicht zu unterschat- zende Bedeutung fiir den Touristen- verkehr zu. Die Pyh»nbahn erschliefit eines der interessantesten Gebiete der Alpen, das sogenannte Totengebirge, mit seinem fesselnden Kontrast zwischen herrlichen Almenseen und den weit- gedehnten Steinwiisten der Hochflachen, in welchen sich der karstartige Charakter der nordlichen Kalkalpen in erstaunli- cher Gestaltung findet. Von der Pyhrn- bahn bietet sich der Ausblick auf den hohen Priel, den »Konig des Toten- gebirges«, dessen Panorama zu den schOnsten zahlt, das unsere Alpemvelt aufzuweisen hat. Die Baukosten. Durch das Gesetz vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, waren der Regierung K 487,038.000 zur Verfugung gestellt, von welchen bis Ende 1903 K 187,449.712 beansprucht worden rvaren, wahrend der Betrag von K 13,040.000, der fiir die Eisenbahnen Hartberg—Friedberg und Rakonitz—Laun bestimmt war, entfiel, da diese beiden Bahnen seither, durch das Lokalbahngesetz vom 1. Juli 1901, RGB. Abb. 90. Wocheinertunnel. Vollausbruch. Nr. 85, im Wege der Konzessionsertei- lung auf Grund einer staatlichen Zins- garantie sichergestellt worden waren. Am 1. Janner 1904 standen daher nur mehr K 286,548.288 fiir den gesamten Bau- und In vesti tionsbedarf zur Verfiigung. j Von dem fiir die Alpenbahnen und die Eisenbahn Lemberg — Sambor — Ungari- sche Grenze fiir den Bedarf bis Ende 1905, bewilligten Kredite von K 168,978.000 waren bis dahin K 60,282.693 vervvendet worden. Auf Grund der Detailprojekte und Vergebungen mufite die Regierun«- zu der Oberzeugung kommen, dafi mit dem fiir die Jahre 1904 und 1905 noch zur I Verfugung stehenden Kreditreste von Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 93 K 108,695.307 keineswegs das Auslangen gefunden werden konne. Sie sah sich daher bemiifiigt, einen weiteren Kredit von K 159,574.000 fiir Bau- und Inve- stitionszwecke zu beanspruchen, und legte dem Abgeordnetenhause am 10. Mai 1904 einen Gesetzentwurf vor, demgemafi fiir die Jahre 1904 und 1905 ein Mehrerfordernis fiir die Alpenbahnen . . K 57,662.000 fiir die Batin Lemberg —Sambor—Ungarische Grenze.» 3,000.000 K 60.662.000 fiir die Periode 1906—1908 fiir die Alpenbahnen . . K 86,004.000 fiir die Bahn Lemberg— Sambor—Ungar.Grenze » 450.000 fiir die Bahn Spalato— Aržano .» 658.000 K 147,774.000 fiir die Vermehrung des Fahrparkes iiberhaupt . K 11,800.000 zusammen . . K 159,574.000 bewilligt werden solite. Abb. 91. Wocheinertunnel. Geknickte Kappe im Sohlstollen. Die Regierung begriindete diese Mehr- anspriiche bei den Alpenbahnen vor allem damit, dafi das seinerzeitige Programm eine \vesentliche Erweiterung erfuhr durch Vergrofierungen der Anschlufistationen sowie durch die grofiere durch die neuen Hafenbauten bedingte Ausgestaltung Triests und durch erhebliche Steigerung der Dotierung der neuen Linien mit Fahrbe- Abb. 92. AVocheinertunnel. Mauerung des Gewolbes. Hermann Strach. Q4 triebsmitteln. Aufterdem war in das Programm die Ausgestaltung der 12 km langen Linie der Wippachtalbahn sowie der Kostenanteil des Staates an der mit Gesetz vom 14. Juli 1903, RGB. Nr. 151, als Abzweigung der Karawanken- bahn sichergestellten Lokalbahn Wei- zelsdorf—Ferlach neu einbezogen worden. Des weiteren sei es bei dem ganz exzeptionell schwierigen Charakter der Bahnbauten und angesichts der im voraus zu beriicksichtigen und die durch nicht vorherzusehende Einfliisse entstehenden Mehrkosten mit ansprechen zu konnen. Leider haben die verschiedensten Momente die grofien Tunnelbauten in einer jeder Voraussicht spottenden Weise erschwert und die Beschaffenheit des Gelandes umfangreiche Projektsanderungen und Sicherungsarbeiten notig gemacht. Aber auch andere Momente wirkten in gleicher entscheidender Richtung auf die Erhdhung Abb. 93. Wocheinertunnel. Sudportal (zur Bauzeit). nicht genau zu bestimmenden geologischen Verhaltnisse nicht mdglich gewesen, einen exakten und endgtiltigen Kostenvoran- schlag aufzustellen. Die seinerzeit vor- laufig ermittelte Kostenziffer durfte mithin nicht als vollstandig und endgiiltig ange- sehen werden. Diese Erwagung sei auch der Grund dafiir gewesen, dafi das Bau- programm zeitlich bis 1905 beschrankt wurde, um nach Ablauf dieser Periode einerseits die den Kostenvoranschlag be- einflussenden Umstande bei Aufstellung des Praliminars fiir die folgende Periode auf Grund der gewonnenen Erfahrungen der Kosten, das Steigen der Lohne und Materialpreise, besonders aber die mit dem Gesetze vom 22. Juli 1902, RGB. Nr. 155, vollzogene Einfiihrung des elf- stiindigen Maximalarbeitstages, die allein Mehrkosten in der Hohe von 11 Millionen Kronen verursachte. Hauptsachlich waren es aber die Mafinahmen, die aus Griinden der Betriebsokonomie zu bedeutenden Erhohungen der Leistungsfahigkeit der Alpenbahnen getroffen wurden, und die damit zusammenhangende Ausgestaltuno- der Bahnanlagen, welchen der Lowen- anteil (K 20,000.000) an den Mehrkosten Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 95 Abb. 94. Wocheinertunnel. Ausfahrtsportal (Februar 1905). Abb. 95. Wocheinertunnel. Besuch der Arbeitsstelle durch Se. k. u. k. Hoheit den Herrn Erzherzog Leopold Salvator. 9 6 Hermann Strach. Abb. 96. Wocheinertunnel. Siidportal zur Bauzeit. zufiel. In der Baubeschreibung der ein- zelnen Linien wurde klargelegt, inwieweit die Ausgestaltung der Linien gegeniiber dem Generalprojekte abwich, um die betriebstechnische Leistungsfahigkeit der einzelnen Linien zu erhohen. Gegeniiber dem ursprunglichen Vorschlage wurde auch die Verstarkung des Oberbaues in den Tunnels durchgefiihrt; die Einfiihrung schwerer Lokomotiven liefi die Verstarkung der eisernen Tragkonstruktionen notig er- scheinen, die Wegtibergange in Schienen- hohe wurden durch die Anlage von Uber- oder Unterfahrten auf ein Mindestmafi herabgesetzt und auch bei den Hochbauten wurde insbesondere auf erhohte Bediirfnisse des Personals bei Naturahvohnungen Riicksicht genommen. DaL die aufier- ordentlichen Bauschwierigkeiten der Li- nienfiihrung und Verlegungen im Bačatale wesentlich zur Steigerung der Baukosten beitrugen, bedurfte nicht erst einer be- sonderen Begriindung. DieVorlage wurde in der Offentlichkeit der herbsten Kritik unterzogen, insbesondere weil beziiglich der eigentlichen Mehrkosten vielfach un- richtige Vorstellungen bestanden. Da an demselben Tage, als die Vor- lage eingebracht wurde, das Abgeord- netenhaus vertagt wurde, fand das Par¬ lament erst im Februar 1905 Gelegenheit, sich mit der Angelegenheit zu beschaftigen. In der Herbstsession war das Abge- ordnetenhaus zu sehr mit den Fragen innerer Politik in Anspruch genommen, als dafi es sich mit wirtschaftlichen An- gelegenheiten hatte beschaftigen konnen. Das Ministerium K o er b er hatte seine Demission geben mtissen und im Mini¬ sterium GautschwarDr.Ritterv.Wittek neuerdings zum Eisenbahnminister ernannt worden. Erst infolge einer Interpellation von sozialdemokratischer Seite fand sich das Parlament drei Vierteljahre nach Einbringung der Vorlage bestimmt, die Angelegenheit der Erhohung des Bau- und Investitionskredites in Behandlung zu nehmen. Der Eisenbahnausschufi bestellte zur Vorberatung des Gesetzentwurfes ein neungliedriges Subkomitee, das vor allem der Regierung einen Fragebogen vor- legte und eine Reihe von Nachweisen zur Klarstellung der Mehrerfordernisse verlangte. Gleich zu Beginn der Verhandlungen sah sich der Eisenbahnminister bestimmt, den Standpunkt der Eisenbahnvenvaltung in jeder Richtung klarzulegen. Das gesetzlich genehmigte Investitionspro- gramm sei seiner Natur und Bestim- mung entsprechend vorweg als ein e la¬ st is c h es gedacht gewesen, ja es miifite als solches gedacht sein, da doch die in den seinerzeitigen Erlauterungen ent- haltenen, aus einer fruheren Zeit der Projektierungsarbeiten datierenden ziffer- mafiigen Ansatze der Generalprojekte unmoglich als abschliefiende Fest- setzungen angesehen werden konnten. Diese Auffassung von dem programma- tischen Zuge der seinerzeitigen Investi- tionsakten finde in der Form und im Inhalte des gesetzlich genehmigten In- vestitionsprogrammes, ganz besonders darin Unterstiitzung, dafi die Regierung im Gegensatze zu dem bei kleineren Bahnbauten iiblichen Vorgange an Maximalkostenbetrage ilberhaupt nicht gebunden wurde, die bewilligten Kredite nur bis zum Jahre 1905 angesprochen Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 97 Abb. 97. Wocheinertunnel. Durchschiagsfeierlichkeiten in Gegen\vart Sr. k. u. k. Hoheit des Herrn Erzherzog Leopold Salvator. Abb. 98. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Podbrdotal, im Hintergrunde die Črna prst. 7 98 Hermann Strach. Abb. 99. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Ausblick auf die Station Podbrdo. und genehmigt wurden und dali diesen Krediten die namhaft erweiterte Ver- wendungsdauer von drei Jahren zuge- standen wurde. Uberhaupt gehe es nicht an, einen grofien, schwierigen Eisen- bahnbau nach dem alleinigen Mafistabe gewohnlicher Kreditgebarungen zu be- urteilen. Man diirfte nicht tibersehen, welch ungeheures Mali von Verant- wortung den bauleitenden Organen auf- gebiirdet sei und ihre Entschliisse beein- flusse, dieVerantwortung fiir die moglichste Vermeidung von Gefahren ftir den ge- sicherten Bestand des Werkes, ftir die vielen Millionen des investierten Staats- vermogens, ftir das Leben von Tausenden von Arbeitern sowie fiir die Sicherheit und moglichst okonomische Gestaltung des Betriebes. Die Losung der Aufgabe beziiglich des Baues der Alpenbahnen, sei dank der Fachtiichtigkeit und riick- haltlosen Hingebung der technischen Organe als gesichert zu erachten. Nach einer eingehenden Erorterung der Griinde der Mehrkosten trat der Minister dem Vorwurfe entgegen, dali die Regierung es unterlassen habe, das Abgeordneten- haus rechtzeitig von den hoheren Erfordernissen in Kenntnis zu setzen. Die Staatsbahnverwaltung habe nicht gesaumt, sobald nach Fertigstellung der Detailprojekte und durch die Bauver- gebungen, die beziiglich wichtiger Strecken erst in der zweiten Jahreshalfte 1903 stattfanden, die Grundlagen fiir die Hohe des Mehrerfordernisses gegeben waren, diese Berechnung mit aller Be- schleunigung durchzuftihren, und nur mit dem Aufgebot aller Krafte sei es m6g- lich gewesen, die komplizierte und um- fangreiche Arbeit im Frtihjahre 1904 zum Abschlusse zu bringen und die Ge- setzesvorlage vorzubereiten. Die Staats- eisenbahnvenvaltung sei willens, in Hin- kunft beim Baue schwieriger Gebirgs- bahnen dem Abgeordnetenhause den Vorschlag erst auf Grund von Detail- projekten zu unterbreiten. Ob dieser sichere, aber langere Weg kiinftig in allen Fallen gangbar sein wtirde, sei nicht zu iiberblicken. Bei eingehender Priifung der Sach- lage konne dem Eisenbahnministerium und seinen Organen ein Verschulden Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 99 wegen des Mehrerfordernisses weder in formeller noch in meritorischer Hinsicht zur Last gelegt werden. Die gesetzlich erteilte Ermachtigung sei in keinem Punkte iiberschritten worden und die Geltendmachung der Mehrerfordernisse sei zu dem friihesten Zeitpunkt, in wel- chem der Bedarf mit der notigen Sicher- heit ermittelt werden konnte, pflichtge- mafi wahrgenommen worden. Der Mi¬ nister unterliefi es offenbar, mit gewisser Schonung einen der triftigsten Griinde fiir den Zeitpunkt der Einbringung der Vorlage geltend zu machen, die Tat- sache der seit Juni 1903 infolge Ob- struktion eingetretenen Arbeitsunfiihig- keit des Parlaments, bei welcher es wahrlich auch keinen Erfolg gehabt hatte, wenn es moglich gewesen ware, die Vorlage ein Jahr friiher einzubringen. Der Vorwurf, dafi die Regierung ihre Plane und deren Mehrkosten verschwiegen und das Parlament mit der Vorlage im letzten Augenblicke tiberrascht hatte, war insofern unzutreffend, als das Abgeordnetenhaus schon lange vor Ein¬ bringung der Vorlage in Kenntnis der Abb.'l00. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Station Podbrdo. Tatsache war, dafi Mehrerfordernisse im bedeutenden Kostenbetrage zu gewarti- gen seien. In der Sitzung des Abgeord- netenhauses vom 24. November 1903 wurde die Regierung wegen der nur teilweisen Verwendung der fiir das Eisen- bahnbau- und Investitionsprogramm zur Verfiigung stehenden Kredite interpelliert. Bei Beantwortung dieser Interpellation am 9. Dezember 1903 nahm der Minister- prasident Gelegenheit, den damaligen Abb. 101. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Ufer- und Lehnenversicherung zvvischen Podbrdo und Hudajužna. IOO Hermann Strach. Stanci des Baufortschrittes und der Kreditgebarung klarzulegen und stellte fest, da6 der naturliche Baufort- schritt im Jahre 1904 nicht nur die volle Aufwendung der noch bestehenden Kreditreste, »sondern sogar die Bewilligung bedeutend er- hohter Kredite notig machen wird«. Auch in den Tagesblattern und Fach- zeitschriften waren bereits Mitte Janner 1904 Aufsatze erschienen, die das er- \veiterte und geanderte Bauprogramm und die damit im Zusammenhange stehenden Kostenerhohungen eingehend erorterten. Die folgenden Verhandlungen des o e> Subkomitees gestalteten sich zu einer fdrmlichen Inquirierung des Eisenbahn- ministers und Eisenbahndirektors. Auf Grundlage eines umfangreichen Beleg- materials beantworteten die Regierungs- vertreter eine Unzahl bis in die kleinsten Einzelheiten gehender Fragen. Die Tech- niker fanden die Genugtuung, dafi ihre Leitungen eine einhellige Anerkennung fanden. ^Abb. 102. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Im Rossi-Steinbruch fiir den Bukovotunnel. Abb. 103. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Bukovo- tunnel, Einbau des zu rekonstruierenden Ringes 42 (16. Oktober 1905;. Der Obmann des Komitees Ingenieur Kaftan und mit ihm ein grofier Teil der Mitglieder verharrten auf dem Stand- punkte, daft die Regierung verpflichtet ge- wesen ware, schon vor Einbringung des Gesetzes im Jahre 1901 alle auf den Bau und Betrieb der kunftigen Bahnen beste¬ henden Voraussetzungen viel eingehender zu priifen. Es sei schon im Jahre 1900 iiber das Betriebsprogramm Klarheit zu schaffen gewesen. DaE die Erhohung der Leistungs- fahigkeit von 50 ' auf 7oachsige Ztige auf der Pyhrnbahn, von 70- auf 8oachsige auf der Tauernbahn und von 70 auf looachsige Ziige auf der Wocheiner- und Karstlinie bedeutende Mehrkosten erheische, mtifite schon vor Einbringung des Gesetzes bekannt gewesen sein. Aber auch wenn es dem Eisenbahnministerium nicht moglich gevvesen \vare, in das Gesetz vom Jahre 1901 den endgultigen Aufcvand aufzunehmen, ware es Pflicht der Regierung gewesen, Ende 1902 nach Fertigstellung der Detailprojekte die Indemnitat fiir die Kreditiiberschreitungen anzusprechen, gleichgultig, ob das Parla¬ ment arbeitsfahig sei oder nicht. Hiebei wurde ganz aufier acht gelassen, dali Allgemeine Entwicklungsgeschichte. IOI Abb. 104. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Bukovoviadukt. Abb. 105. Wocheinerbahn, Podbrdo— Gorz. Ufersicherung im Bačatale zwischen Hudajužna und Grahovo. 102 Hermann Strach. die Einbringung der Vorlage im Jahre 1901, abgesehen von den politischen Riicksichten unter dem Eindrucke einer bereits auf alle Wirtschaftszweige tiber- greifenden Depression mit aller Be- schleunigung erfolgte, dafi es galt, fiir Osterreich und seinen Triester Verkehr im Wettbewerb mit deutschen, italieni- schen und den ungarischen Konkurrenz- hafen noch zu retten, was durch den ehesten Bau von Eisenbahnen zu retten deren Schwierigkeiten im Bačatale hin- weist, dem Parlamente verschwiegen hatte. Dies Gutachten war aber schon im technischen Spezialberichte zum Gut- t e n b e r g schen Gesetzentwurfe vom Jahre 1897 vollinhaltlich abgedruckt, ohne dafi die Regierung damals dar- aus ernstere Bedenken gegen die Trassenfiihrung im Bačatale hatte ab- leiten konnen. Das T e 11 e r sche Gutachten bezog sich im allgemeinen auf die Barental- Abb. 106. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Bačatal zwischen Hudajužna und Grahovo. war, dafi die Verfassung von Detail- projekten noch Jahre erfordert und Ver- zogerungen bedingt hatte, die dem Reiche eine \veit hohere Einbufie gebracht hatten, als die in den Bahnanlagen gewifi produktiv angelegten Mehrkosten der Alpenbahnen. Auch wurde der Regierung der Vor- wurf gemacht, dafi sie ein Gutachten vom Geologen Friedrich Tell er der geo- logischen Reichsanstalt auf Grund der im Jahre 1894 durchgefiihrten Erhebun- gen iiber die geologischen Verhaltnisse des Wocheinertales, das auf die beson- linie, wahrend die ausgefuhrte Trasse durch den Barengraben geht. Im iibrigen hat der technisch-kommerzielle Bericht auf die bevorstehenden Schvvierigkeiten mit unverkennbarer Deutlichkeit hinge- wiesen. Allerdings hatte Professor Koch in einem 1899 an die Regierung er- statteten Gutachten ausdrucklich erklart, das Bačatal eigne sich nicht zur Fuhrung einer Elauptbahn. Nach der von einem Abgeordneten geaufierten Meinung hatte die Regierung sogar die Einstellung des Baues schon im Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 103 Jahre 1902 in ernste Erwagung zu ziehen gehabt. Dann wiirde sich der Regierung der Pflichtenstreit ergeben haben, ob sie dem ihr von der Gesetzgebung sowohl hinsichtlieh des Bauobjektes als der Bau- frist iibertragenen Auftrage nachkommen wolle, oder ohne Riicksicht auf die schweren materiellen Folgen der Bau- einstellung und die grofien volkswirt- schaftlichen Nachteile, die damit ver- bunden waren, mit der Fortfiihrung des Dr. Ritter v. W i 11 e k hatte wiederholt erklart, es sei der Regierung ferne ge- legen, die verfassungsmafiigen Rechte des Parlamentes irgendwie unberiicksichtigt zu lassen. Es handelte sich um die in der juristischen Doktrin viel erorterte Frage, inwieweit den Materialien des Gesetzes eine iiber dessen Inhalt hinaus- gehende Bedeutung beizulegen sei. Die herrschende Meinung geht dahin, dafi nur der kundgemachte Gesetzestext die Abb. 107. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Felspartie vor Grahovo. Baues so lange warten solle, bis sie in die Lage komme, auf Grund konkreter Ziffern vom Parlamente die weiteren Mittel in Anspruch zu nehmen. Ob und wann im letzteren Falle die volks- und staatswirtschaftlich so bedeutungsvollen Schienenverbindungen dann uberhaupt fertiggestellt worden waren, lafit sich fiiglich nicht leicht absehen. Mannern von der Energie und Staatsklugheit eines Wittek und der Genialitat und der Tat- kraft eines W u r m b war es nicht zuzu- muten, dafi sie in einem solchen Zwie- spalte das Staatsinteresse preisgeben. Grundlage der Auslegung bilden konne, gegeniiber welcher die Motive und parla- mentarischen Verhandlungen in den Hintergrund treten. Der Minister erklarte dem Subkomitee, es gehe nicht an, eine Abweichung von den im Motivenberichte enthaltenen technischen Einzelheiten als eine Abweichung vom Gesetze aufzu- fassen. Ihm, als dem Schopfer unzahliger Gesetze, konnte Form und Inhalt des ge- setzlich genehmigten Programmes keinen Zweifel dariiber lassen, dafi der Rahmen des Gesetzes die Durchfiihrung in dem Sinne gestattete, wie sie fiir die Staats- 104 Hermann Strach. bahnverwaltung und das Reich auf Grund der gewonnenen Erfahrungen als unter den gegebenen Verhaltnissen richtig anerkannt wurde. Dafi es sich in dieser Hinsicht nicht etwa um die Anschauungen des Eisenbahnministers allein handelte, sondern dafi diese auch vom Finanz- ministerium geteilt wurden, beweist wohl am besten der Umstand, dafi die Kredite zur Durchftihrung des erweiterten Pro- grammes ohne weiteres vom Finanzminister zur Verfiigung gestellt worden waren. Wie sollten auch der Regierung der- artige Bedenken auftreten, war doch gleichzeitig mit der Bau- und Investitions- vorlage das Wasserstrafiengesetz be- schlossen worden, mit dem die Regierung ermachtigt wurde, K 250,000.000 fiir Wasserstrafien auszugeben, ohne dafi ein generelles Projekt, geschweige denn Detailprojekte jemals gefordert worden waren. Bei der Begeisterung, die seiner- zeit bei Annahme der beiden Gesetze im Abgeordnetenhause und in der grofien Offentlichkeit herrschten, unterlag es keinem Zweifel, dafi die Regierung jed- wede geforderte Summe fiir diese Ver- kehrsanlagen bewilligt erhalten hatte. Die Erniichterung trat nur allzuschnell ein und statt der Begeisterung trat herbe Kritik und scharfer Tadel an jede Mafi- nahme heran, die im Bewufitsein, das Beste gewollt zu haben, getroffen worden war. liber die Fachlichkeit und Vortreff- lichkeit der technischen Durchfuhrung bestand, wie gesagt, kein Zweifel, auch die sachliche Begriindung der Mehr- erfordernisse konnte keine gerechtfertigten Einwendungen begegnen, doch der po- litische Einschlag im Subkomitee half die Argumente verscharfen, die gegen die Regierung beziehungsvveise gegen die Person des Fachministers gerichtet waren. Im Subkomitee gelangten zwei Resolutionen zur Annahme, deren erste die Regierung aufforderte, die gesetzliche und finanzielle Sicherstellung grofierer Staatsbauten in Hinkunft nur mehr auf Grund von Detailprojekten und Detail- kostenanschlagen vorzunehmen, die auf Grund verlafilicher und ausreichender Untersuchungen verfafit sind, und deren zweite die Anklage gegen die Regierung Allgemeine Entwicklungsgeschichte. Abb. IIO. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gbrz. Grahovoviadukt, io6 Hermann Strach. Abb. m. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Pfeilerbau fur den Idriaviadukt. enthielt, dafi sie einerseits bei Einbrin- gung der Vorlage im Jahre 1901 dem Reichsrate eine klare Darstellung der zu erwartenden Kosten und Schwierigkeiten vorenthalten, anderseits der Absicht des Gesetzgebers zuwidergehandelt hatte, in- dem sie die Grundlage und den Charakter des Bauprogrammes nachtraglich geandert und das Abgeordnetenhaus nicht rechtzeitig von den beabsichtigten und vollzogenen Anderungen des Projektes und Kredi t- iiberschreitungen in Kenntnis gesetzt habe. Zugleich wurde dem Eisenbahnminister das Mifitrauen ausgesprochen. Die An- nahme dieser Resolutionen in der Komitee- sitzung vom 22. Marž 1905 hatte in erster Linie eine denkwurdige Episode zur Folge. Der hochverdiente Eisenbahn- baudirektor Wurmb, der noch unmittel- bar vorher den Beweis erbracht hatte, dafi die Berichte der Geologen iiber die Verhaltnisse im Bačatale, von denen be- hauptet worden war, clafi sie dem Ab- geordnetenhause verschwiegen worden seien, von ihm selbst als dem Verfasser des Motiven- berichtes zur Kenntnis des Hauses gebracht \vorden seien, sah sich veranlafit, nachdem er noch dem Eisenbahnminister den warmsten Dank fur die štete Forderung der Techniker aus¬ gesprochen hatte, zur Stunde um seine Enthebung vom Amte zu ersuchen, ein Entschlufi, von dem er sich, als ihm auch die weitestgehende Genugtuung selbst von den Mitgliedern des Komitees geboten worden \var, nicht mehr abbringen lielS. Ver- drossen zogsich derfeinfiihlende Mann in seine geliebte Alpen- welt zuruck, doch konnte er leider nur allzu kurz das Gliick voller Anerkennung geniefien, die seine Leistungen fanden; die ungeheuchelte Liebe seiner Mitarbeiter, wie er alle seine Beamten nannte, hatte er sich durch sein edles Wesen, die Wertschatzung der Gesamtheit durch sein Schaffen und Konnen erworben. Die technische Hoch- schule in Wien verlieh ihm die hochste akademische Auszeichnung, den Titel eines Ehrendoktors, seine zahl- reichen Verehrer, gehen daran, ihm an der Statte seines Wirkens ein Denkmal zu setzen. Er bedarf des Monumentes nicht. Er hat sich selbst ein Denkmal in dem grofien Werke geschaffen, dessen begeisterter Mitarbeiter er war, das er nach seinem Sinne geschaffen, das er geandert, bis er glaubte, das Beste ge- funden zu haben, womit er dem Vater- lande dienen konnte. Seine angebliche Schuld,wird stets sein Ruhm bleiben. Aber auch der Eisenbahnminister Dr. Ritter v. W i 11 e k erbat seine Ent- [ hebung, die ihm am 1. Mai 1905 von Sr. Majestat in der huldvollsten Weise gewahrt wurde. »Ich vermag Sie nicht aus dem Amte scheiden zu sehen« — heifit es in dem Allerhochsten Hand- schreiben — »ohne mit voller An¬ erkennung und warmstem Dank ihrer vieljahrigen aufopfernden und verdienst- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 107 vollen Tatigkeit zu gedenken, die mit der r.j, Geschichte des osterreichischen Eisenbahmvesens stets ehrenvoll ver- kntipft sein wird.« Der Dank des Monarchen und die hohe Ehrung, die seine Heimatstadt, die k. u. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, durch die Ernennung zum Ehrenbiir- ger dem schei- denden Mini¬ ster zu teil wer- den liefi, seine Wahl als Ab- geordneter des l. Wiener Be- zirkes in den Reichsrat, bo- ten dem hoch- verdienten Staatsmanne reiche Genug- tuung gegen- iiber dem Ta- del, dem seine Verkehrspoli- tik andernorts ausgesetzt blieb. Fiir die rich- tige Beurtei- lungseinerVer- kehrspolitik diirften seine Beitrage iiber »Osterreichs Eisenbahnenu. die Staatswirt- schaft« in die- sem Werke dem objektiven Beurteiler eine sichere Grundlage bieten. Uns mufi es versagt bleiben, eine Wurdigung dessen, was Osterreich diesem Staatsmanne von seltenen Fahigkeiten und glanzendem Wissen zu verdanken hat, in einem Werke niederzulegen, das er selbst schaffen ge- holfen, das seiner liebevollen Forderung und ausgezeichneten Mitwirkung seine besten Erfolge zu verdanken hat. Aber zur Steuer der Wahrheit diirfte die An- fiihrung der.i Worte geniigen, die Ge- heimer Rat Sektionschef Lud\vig VVrba, der nach dem Riicktritte Dr. Ritter von W i 11 e k s mit der Leitung des Eisen- bahnministeriums betraut wurde, am 10. Mai 1905) a ls er zum erstenmal im Eisenbahnausschusse des Abgeord- netenhauses erschien, iiber Dr. Ritter v. W i 11 e k sprach. Gehei- merRat Wrba wies darauf hin, dafi ihm die auferlegte Aufgabe um so grofier erschei- ne, als er an die Stelle eines Mannes trete, dessen uner- miidliche Ar- beitskraft, des¬ sen umfassen- de Beherr- schung aller Zweige des Ei- senbahnres- sorts von sei- nenAnhangern und seinen Gegnern stets voli gewiirdigt worden seien und dafi gera- de er seine her- vorragenden Eigenschaften in langjahri- ger, fast ein Menschenalter wahrender Mit- arbeiterschaft zu erkennen und in ihrem vollen Werte zu ermessen am ersten in der Lage gewesen sei. Der neue Leiter des Eisenbahnressorts Geheimer Rat Ludwig W r b a, der in der Eisenbahnpolitik iiber reiche Erfahrungen verfiigte und bereits an den Ver- staatlichungsaktionen unter Pino und Bacquehem, noch in einer Rangstufe stehend, die in der Regel keinen weit- tragenden Einflufi auf derart wichtige Aktionen zulafit, dennoch intensivsten io8 Hermann Strach. Anteil nehmen konnte und spiiterhin auch auf dem Gebiete des Lokalbahn- wesens eine anerkannt segensreiche Wirksamkeit entfaltete, sah sich in erster Linie vor die Aufgabe gestellt, die Gesetzesvorlage uber die weiteren Bestimmungen des Bau- und Investitions- programmes vor dem Parlamente zu ver- treten. Auch der Eisenbahnausschufi stellte sich auf den Standpunkt, dafi wenn Bau der neuen Linien als vielmehr durch die pragmatischen Erklarungen des Ministerprasidenten in der Frage der Verstaatlichung erhohte Bedeutung erlangte. Der Ministerprasident kiindigte in der Sitzungvom 7.Juli ic)05unter tosen- dem Beifalle des Hauses die Absicht der Regierung an, die Linien der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, Staats- eisenbahn-Gesellschaft, Oster- reichischen Nordwestbahn, Siid- Abb. 113. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Landschaft bei Santa Lucia. auch die Ausgestaltung der neuen Bahnen sich sachlich vollkommen recht- fertigen lasse, ftir die Mehrausgaben die verfassungsmafiige Genehmigung einzuholen war, b e v o r zur Ausgestal¬ tung geschritten wurde. Weil die Regierung dies unterliefi, miisse ihr das Bedauern in dieser Richtung aus- gesprochen werden. An die lebhafte Diskussion, die die Vorlage in der Offentlichkeit erfuhr, schlofi sich ejne eingehende Debatte im Abgeordnetenhause, die weniger durch die Reden fiir und gegen das Vor- gehen der Eisenbahnverwaltung beim Norddeutschen Verbindungsbahn und eventuell der Eisenbahn W i e n— Aspang in das Staatseigentum zu iiberfiihren und hiezu den Vereinbarungs- weg zu betreten. An diese Erklarung wurde noch die Bemerkung gekniipft, dafi die bisherige bureaukratische O r- ganisation und Fiihrung der oster- reichischen Staatsbahnen einer Um- gestaltung bedtirfe und die Regierung mit den Verstaatlichungsantragen ihr Programm auch in dieser Richtung vor- zulegen gedenke. In trefflicher Weise entledigte sich. in der Debatte Geheimer Rat Wrba der AUgemeine Entwicklungsgeschichte. 109 Abb. 114, Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Santa Lucia. Abb. 115. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Idriaschlucht bei Santa Lucia-Tolmein. iio Hermann Strach. Aufgabe den Standpunkt des Eisenbahn- ministeriums in der Kostenfrage zu kennzeichnen. Er bewies, 'dafi wenn den Intentionen des Eisenbahnausschusses entsprochen worden ware, man statt der Vollendung der zweiten Triester Bahn- verbindung kaum vor Beginn der Bau- arbeiten stehen wiirde. Es sei einzig und allein der von der Regierung einge- schlagene Weg, fiir unerlafiliche Kredit- Volkern mit stolzer Genugtuung und mit den ktihnsten Hoffnungen entgegentreten wiirde, wahrend man bei uns die schwersten Befiirchtungen in Hinsicht auf finanzielle Lasten geltend macht.« »So wird denn dieses Werk in der Geschichte des Eisenbahnwesens sicher ein bleibendes Zeugnis ablegen fiir die w e i s e Voraussicht unserer Eisenbahnpolitik, fiir die g 1 a n- Abb. 116. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Santa Lucia-Tolmein mit der Betoneisenbriicke iiber die Idria. iiberschreitung die nachtragliche Indem- nitat zu beanspruchen, unter den ge- gebenen Verhaltnissen der richtige ge- wesen. »Zu meinem lebhaften Bedauern«, schlofi Geheimer Rat W r b a seine mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Aus- fiihrungen, »bin ich in dem Berichte des Subkomitees j en er pessimistischen Auf- fassung begegnet, welche bei uns leider gang und gabe ist. Meinerseits kann ich nur der Uberzeugung Ausdruck geben, dafi es sich bei Herstellung der Alpen- bahnen um ein Werk handelt, welchem man in anderen Landern und bei anderen zendste Leistungsfahigkeit der osterreichischen Ingenieurkunst undnichtzuletztfiir die Opfer- w i 11 i g k e i t a 11 e r Nationen und Volker unseres Vaterlandes, zum Wohle des Gesamtstaates.« Der Generalredner Freiherr v. Ku- beck, einer der verdienstvollsten Vor- kampfer fiir die Triester und Dalmatiner Bahnen, kam auf die im Subkomitee und Eisenbahnausschusse vielerorterte Renta- bilitatsberechnung zu sprechen, zumal in einem Berichte ein hervorragender Abge- ordneter auf Grund seiner Berechnungen Allgemeine Entvvicklungsgeschichte. III die ganzen Anlagen als einen F e h 1 b a u bezeichnet hatte. Freiherr v. Kub ec k stellte den Wert derartiger Rentabilitats- berechnung, deren Grundlagen mehr oder Aveniger willkurlich angenommen werden, fest und betonte, dafi bei Beurteilung des wirtschaftlichen Nutzens eines so be- deutsamen Werkes die Imponderabilien schwer ins Gewicht fallen, welche in der stetig Avachsenden Belebung bestehender und Schaffung neuer Industrien, in der grofieren Entfaltung unseres Aufien- handels und dem hiedurch geforderten Wohlstand \veiter Bevdlkerungskreise und Landergebiete, daher in der stetig Avachsenden Steuerkraft dem Unbe- fangenen leicht erkennbar sind. Darin liege der GeAvinn dieser grofien Welt- bahn, Avelcher ihre Mehrkosten reichlich aufvviegt. Darin liege aber auch der Unterschied zAvischen Privat- und Staats- bahnen. Der Leiter des Eisenbahnministeriums gab die Erklarung ab, dafi die Regierung aus den Verhandlungen die gebotenen Lehren ziehen und erst auf Grund Abb. 117. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Zufahrtstraflenbrucke iiber die Idriaschlueht (55 weiter Monierbogen,). Abb. 118. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Bahnhof Santa Lucia-Tolmein. von aufzustellenden Detailprojekten sich zur Sicherstellung neuer Bahnen ent- schliefien \verde und gegebenenfalls selbst auf die Gefahr hin, dafi begonnene Bauten eingestellt Averden miifiten, an den Reichsrat Avegen etwaiger Nachtrags- forderungen herantreten Averde, anderseits diirfe aber dann auf die Sicherstellung neuer Bahnen nicht mehr so lebhaft gedrangt und die Regierung der Mog- lichkeit beraubt Averden, einer solchen Entschliefiung Avirklich Folge zu leisten. Tatsachlich entschliefit sich die Regierung, bei den folgenden Vorlagen nur auf Grund umfangreicher und eingehender Studien und . nach Feststellung der endgiiltigen Trasse und auf Grund von Detailprojekten, Avelche die erforderlichen Baukosten mit ausreichender Zuverlassigkeit beziffern lassen, oder sie ist vorsichtig genug, vorerst Gesetzesvorlagen zum Zrvecke der BeAvilligung des Kredites fiir die Proj ektsverfassung einzubringen. Das Abgeordnetenhaus nahm das Ge- setz in einer vom Eisenbahnausschusse vollstandig geanderten Fassung an, die die Kredite fiir jede Bahnlinie jahrweise fest- setzte und ein Virement zwischen den ein- zelnen Posten ausschlofi, das Herren- haus, das in dem Berichte der Eisenbahn- kommission der Staatsbahnvenvaltung in der saehlichsten Form Gerechtigkeit Aviderfahren liefi, erteilte die verfassungs- mafiige Zustimmung und nach erfolgter Allerhochster Sanktion erhielt die Regie¬ rung mit dem Gesetze vom 24. Juli 1905, RGB. Nr. 63, die Aveiteren Mittel zur Durchftihrung des Bau- und Investitions- programmes beAvilligt. 112 Hermann Strach. Abb. i iq. AVocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Der im Bau befindliche Dogercekviadukt (Juni 1904) mit dem intermittierenden Bache. Zur Bestreitung der fiir den ganz- lichen Ausbau der zweiten Triester Schienenverbindung, der Pyhrnbahn, der Eisenbahn Lemberg — Sambor — Sianki und der Eisenbahn Spalato—Aržano wurden der Regierung fiir die Jahre 1905 —1908 weitere Kredite in der H6he von K 147,774.000 zur Verfugung gestellt, des weiteren ein Kredit von K 14,800.000 fiir das Jaht 1905 zum Zwecke der Ver- mehrung und Erganzung des Fahrparkes bewilligt. Bei Beratung des am 27. Juni 1907 eingebrachten Budgetprovisorums fiir die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1907 wurde auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, fiir die Bestreitung einer Reihe von Mehrauslagen bei dem Bau der neuen Linien die Regierung zu er- machtigen, von dem mit dem Gesetz vom 24. Juli 1905, RGB. Nr. 129, fiir den Bau der Tauernbahn pro 1908 bewilligten Kredit per K 22,756.000 den Teilbetrag von K 2,000.000 schon im Jahre 1907 zu verwenden und auch iiber den fiir das Jahr 1908 fiir die Linie Klagen- furt (Villach)'—Gorz—Triest-St. Andra vorgesehenen Kredit schon im Jahre 1907 zu verfiigen. Ferner solle die Regierung ermachtigt werden, fiir die Linien Lem¬ berg—Sambor—'Ungar. Grenze und die Pyhrnbahn iiber die bisher bewilligten Kredite den Betrag von hochstens K 2,560.000 zu verausgaben, welcher Betrag aus den Kassenbestanden oder Gebarungsiiberschiissen zu bedecken ist. Die Regierung begriindete dieses neuer- liche Mehrerfordernis durch quantitative Mehrleistungen sowohl bei der galizischen Linie als auch bei der Siidrampe der Tauernbahn im Tauerntunnel, wo infolge der im Friihjahr 1907 eingetretenen Wassereinbriiche umfassende Sanierungs- arbeiten notig vrarden. Mit Gesetz vom 29. Juli 1907, RGB. Nr. 176, erhielt die Regierung dieses Mehrerfordernis und das Virement zwischen einzelnen Investitions- krediten bewilligt. Eroffnung der einzelnen Linien. Die Bauarbeiten waren inzwischen riistig fortgeschritten, am 8. September 1905 konnte die erste Teilstrecke der zweiten Triester Bahnverbindung, die Nordrampe der Tauernbahn von Schwarzach bis Badgastein, dem offentlichen Verkehre iibergeben -vverden. Die Anwesenheit des Monarchen gab der mit grofier Feierlichkeit vollzogenen Er¬ offnung dieser Strecke noch eine beson- dere Weihe. Gegen 8 Uhr morgens fuhr unter Bollerschiissen, die donnernden Widerhall in den Bergen fanden, der Hofsonderzug mit dem Kaiser und zahl- reichen Festgasten in der Station Schwarz- ach-St. Veit ein, wo der Ministerprasi- dent Freiherr v. Gautsch in einer feierlichen Ansprache die Bedeutung der zur Eroffnung gelangenden Linie kenn- zeichnete. Der Kaiser erwiderte: »Gern habe Ich der Bitte entsprochen, an der Eroffnung der ersten Teilstrecke der Tauernbahn von Schvvarzach nach Bad¬ gastein teilzunehmen. Dafi das grofie Projekt der zvveiten Bahnverbindung mit Triest zu stande kommen konnte, ist in erster Linie der bereitwilligen und einsichts- vollen Mitwirkung der beiden Hauser des Reichsrates zu verdanken. Es gereicht Allgemeine Entwieklungsgeschichte. 113 Abb. 120. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Station Auzza. Abb. 121. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Ausblick in die Isonzoschlucht zwischen Santa Lucia- Tolmein und Auzza. 8 Hermann Strach. 114 aber auch der osterreichischen Technik zur hohen Ehre, .die Schwierigkeiten, welche sich der Durchfiihrung des Wer- kes entgegenstellen, zum grofiten Teile schon iiberwunden zu haben. Ich gebe Mich der zuversichtlichen Hoffnung hin, dafi diese seit Jahrzehnten im Interesse des Handels und Verkehrs angestrebte Eisenbahnverbindung mit Triest der gesamten Bevolkerung die ersehnten Vorteile bringen und die Mir stets am Abb. 122. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Die Isonzoschlucht zwischen Santa Lucia-Tolmein und Auzza. Herzen liegende gedeihliche Entwicklung Meiner Konigreiche und Lander vrirksam fordern werde. Es gereicht Mir zur Genugtuung, dafi Ich aus einem fur die gesamte Volkswirtschaft so viel verheifien- den Anlafi in Ihrer Mitte erscheinen konnte, und nehme mit Freude die Kund- gebung Ihrer loyalen und patriotischen Gesinnungen entgegen.« Der Fiirsterzbischof von Salzburg Kar¬ dinal Katschthaler nahm die kirch- liche Weihe der neuen Bahn vor. Wahrend der Fahrt fand der Kaiser dadurch, dafi der Salonwagen als letzter imZuge eingereiht wurde, Gelegenheit, die Anlage der Bahn kennen zu lernen und den herrlichen Anblick, insbesondere jenen zwischen dem oberen und unteren Klamm- tunnel, wo der Zug absichtlich die Fahrt ver- langsamte, zu bewundern. Seine Majestat fand huldvolle Worte der Anerkennung und nahm insbesondere die Mitteilung, dafi der Bau dieser Linie ohne Menschenopfer, ohne Arbeiterausstand und ohne Uber- schreitungen durchgefiihrt worden sei, mit besonderer Befriedigung zur Kenntnis. Kurz darauf am 19. November wurde die Teilstrecke Klaus—Spital a m Pyhrn mit Riicksicht darauf, dafi das Hauptobjekt der Pyhrnbahn, der Bosruck- tunnel, unvollendet war, ohne besondere Festlichkeit dem Betriebe iibergeben. Die Teilstrecke Klagenfurt — Feistritz der Karawankenbahn ist am 30. Mai 1906 dem Betriebe iibergeben worden. Die Eroffnung der iibrigen Teilstrecken der neuen Triester Bahnverbindung blieb bereits dem neuernannten Eisenbahn- minister Dr. Julius Derschatta Edlen von Standhalt*) vorbehalten, der, *) Dr. v. Derschatta wurde am 12. Sep¬ tember 1852 als Sohn eines osterreichischen Feldmarschalleutnants in Žara geboren, genofi seine Erziehung in Graz, wo er das Gymnasium und die Universitat besuchte. 1881 liefi er sich als Rechtsanwalt in Graz nieder und beteiligte sich sofort am politischen Leben, durch seme ausgezeichnete Rednergabe immer mehr und mehr hervortretend. Imjahre 1884 entsandte die Grazer Btirgerschaft den jungen Rechts- anwalt in die Gemeindevertretung und ein Jahr spater wahlten ihn die Grazer Vorstadte zu ihrem Abgeordneten. Mit wenigen Gesin- nungsgenossen schuf er die deutsche nationale Vereinigung, aus der spater die Deutsche Volkspartei hervorging. Im Jahre 1901 legte er sein Abgeordnetenmandat nieder, um sich ausschliefilich seinem Berufe zuwenden zu kOnnen, behielt aber die Leitung der Deutsch- nationalen Partei in Steiermark in Handen und betatigte sich als Gemeinderat der Stadt Graz. Kurz darauf wurde er abermals ins Abgeordnetenhaus gewahlt und ihm die Fiihrung der zur grofiten deutschen Partei angewachsenen »Deutschen Volkspartei« iiber- tragen. Dem steirischen Landtage gehbrte Dr. v. Derschatta schon seit dem Jahre 1896 an, als Mitglied des Landesausschusses hatte er sich insbesondere um die Entwick- lung der steiermarkischen Landesbahnen aufierordentliche Verdienste erworben. Mit den grofien Fragen der osterreichischen Eisen- bahnpolitik war Dr. v. Derschatta schon als Abgeordneter wohl vertraut. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 117 mit der Berufung eines parlamentarischen Ministeriums unter der Prasidentschaft des Freiherrn Max Wladimir von B e c k am 2. Juni 1906 das Portefeuille des Eisenbahnministers erhielt. Als gewiegter Parlamentarier von reicher Erfahrung trat der Minister, ob- zwar kein Fachmann im berufsmafiigen Sinne, doch in keine ihm unbekannte Sphare. Flatte er doch in seiner Fleimat redlichen Anteil an den Erfolgen des steiermarkischen Landesbahnnetzes ge- nommen. Seine Vertrautheit und hohes Verstandnis fur die auf der Tagesord- nung gestandenen Fragen des osterr,- ungar. Ausgleichproblems, in dem die Eisenbahnangelegenheiten eine be- deutungsvolle Rolle zugewiesen hatten, liefien unter den Politikern gerade den durch sein scharfes Urteil und zielbewufite Tatkraft ausgezeichneten Fiihrer der Deutschen Volkspartei, wie die aller- nachsten Erfolge beweisen sollten, als die berufenste Personlichkeit erkennen, der die Leitung eines Ressorts anzuver- trauen war, in dem die bedeutendsten Fragen, wie die Verkehrsangelegenheiten im Ausgleiche, die Verstaatlichung, die Reorganisation der Staatsbahnen u. v. a. unmittelbare Losung erheischten. Wenige Tage nach seinem Amtsan- tritte hatte Dr. Edler von D er s c h a tt a die Freude, eine der wichtigsten der neuen Linien, die Wocheinerbahn, mit ihrer Fort- setzung bis Gorz vollendet zu sehen und der Eroffnung zuzufuhren. Der Tag der feierlichen Erbffnung, welche in Vertretung des Monarchen Seine kaiserliche und konigliche Floheit der Herr Erzherzog Franz Ferdinand unter begeistertem fubel der Bevolkerung am 19. Juli 1906 vollzog, gestaltete sich zu einem Freuden- feste.*) Die Aufnahme des regelmafiigen Betriebes in vollem Umfange erfolgte am 23. Juli 1906. Am 20. August wurde die Pyhrn- b a h n in ihrer gesamten Ausdehnung feierlich eroffnet. Der Minister gedachte in seiner Erwiderung auf eine Ansprache des Landeshauptmannes nicht blofi der Ingenieure, die auch hier bewiesen haben, da6 sie an der Spitze der Wissenschaft *j Siehe auch Band II, Seite 58. marschieren, sondern auch der Arbeiter, die mit Einsetzung ihres Lebens an dem scho- nen Werke gearbeitet hatten. Die feierliche Einsegnung der Bahn nahm der Bischof von Linz Dr. Doppelbauer vor. Mit der am 30. September 1906 durch den Eisenbahnminister vollzogenen Eroff¬ nung der Karawankenbahn Klagen- furt — Rosenbach —Afiling und Villach — Rosenbach wurde die siid- liche Fortsetzung der zweiten Triester Abb. 123. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Station Plava von der Isonzobrucke gesehen. Schienenverbindung vollstandig dem Ver- kehre ubergeben. Unter den Fest- teilnehmern hatte sich auch Sektionschef Wurmb eingefunden, den eine herzliche Einladung aus seinem Schmolhvinkel in den Hohentauern hervorgelockt hatte zur Teilnahme an der Feier, mit der das letzte Glied in dem siidlichen Verbindungs- stilcke »seiner« Bahnen dem Verkehre ubergeben wurde. Die Auszeichnung, die der Minister dem Manne angedeihen liefi, der mit rechter Befriedigung das Werk vollendet sah, das ihm Miihe und Sorge, Krankung und Leid, aber auch seinen Ruhm ge- 118 Hermann Strach. Abb. 124. Wocheinerbahn, Podbrdo — Gorz. Babinzoptunnel im Bau. bracht hatte, schaffte ihm, wie er selbst ge- stand, hohe Genugtuung und Freude. Nur kurze Zeit solite sich Wurmb des Lichtblickes freuen, den der Eroffnungs- tag der Karawankenbahn ihm gebracht. Am 2. Februar 1907 wurde Dr. Karl Wurmb zu Grabe getragen, Osterreichs Technikerschaft hatte einen ftihrenden Geist, ein grofier Kreis von Freunden und Schatzern ein Herz verloren, in dem Gemiit und liebevolle Hingebung, Glite und Treue edel gepaart erschienen. Abb. 125.. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Gewolbter Ubergangssteg bei der Station Gorz. Als Schlufiglied in der Kette der im Bau- und Investitionsprogramme vom Jahre 1901 vorgesehenen Alpenbahnen bleibt derzeit noch die Eroffnung der im Bau \veit vorgeschrittenen Siidrampe der Tauernbahn mit dem Tauerntunnel tibrig. Der Vortrieb im Tauerntunnel ging ver- haltnismafiig sehr gunstig vor sich. Ein Wassereinbruch am 27. April 1907 und kurz darauf ein solcher am 24. Juni verursachten aufier Mehrkosten durch Sanierungsarbeiten keine weiteren Sto- rungen und am 21. Juli 1907 war auch der Durchbruch des letzten der Berg- giganten in dem neuen Wege zur Adria vollzogen. Wenn in wenigen Monaten auch dies letzte Verbindungsstttck dem Verkehre iibergeben sein wird, dann hat unser Vaterland abermals eine hohe Kultur- mission erfullt, indem es in der Schaffung eines neuen Weltenweges neuerlich den Beweis erbrachte, dafi der moderne Verkehrsfortschritt keine unbesiegbaren Schwierigkeiten mehr kenne. Und wie einst das Jahr 1848 auch durch die Ent- Allgemeine Entwi cklungsgeschichte. II 9 scheidung der Generaldirektion der Staats- eisenbahnen, nach Ghegas Planen den Semmering zu iiberschienen, von epochaler Bedeutung wurde, so wird das Jabr 1901, in dem Osterreich den Bau der neuen Alpenbahnen beschlofi, stets ein Zeitpunkt von kulturhistorischer Bedeutung bleiben. Es eriibrigt noch die Erorterung der aufier der zweiten Eisenbahnverbindung mit Triest im Bau- und Investitionspro- gramm vorgesehenen Linien. Lemberg—Sambor— Ungarische Grenze. Die Hauptbahn Lemberg — Sam¬ bor— Sianki als die siebente Verbin- dung zwischen Galizien und Ungarn uber die Karpathen verdankt ihr Entstehen fast ausschliefilich den gesamtstaatlichen Interessen. In volkswirtschaftlicher Be- ziehung hatte sie durch die Erschliefiung eines grofi en noch Urbestande von Wal- dungen enthaltenden Gebietes mit einiger Industrie und Viehzucht immerhin hohere Bedeutung. Die Herstellung dieser neuen Karpathenbahn bildete nebst dem Bau der dalmatinischen Strecken der Linie Ga- bela—Bocche di Cattaro—(Gravosa) und Przeworsk—Rozwadow den Gegenstand des bereits am 24. Marž 1898 einge- brachten Gesetzentvvurfes, der, wie bereits dargelegt wurde, damals nicht in Ver- handlung kam (siehe Seite 24). Die Sicherstellung der Linie Przeworsk— Rozwadčw und der genannten dalma- tinischen Teilstrecken konnte die Regie- rung mit dem Lokalbahngesetze vom 21. Dezember 1898, RGB. Nr. 233, durch- setzen; ftir die Linie Lemberg—Sambor— Ungarische Landesgrenze stand im Jahre 1898 nicht einmal die generelle Trassen- fuhrung test, weil der Anschlufipunkt an die auf ungarischem Gebiete auszufiih- rende Teilstrecke von Nagy-Berezna sich noch nicht naher bestimmen liefi. Die generellen Studien hatten unter Lei- tung des Inspektors Witold von Z a- bracki im Jahre 1897 begonnen, zu welchem Zwecke die Terrainaufnahmen in erster Linie fur die Gebirgsstrecke von Stary Sambor bis zur galizisch-ungari- schen Grenze (77 km), und zwar fur die beiden in Aussicht genommenen Grenz- ubergange : Abb. 126. Wocheinerbahn, Podbrdo—Gorz. Lehrgeruste fiir die Salcanobriicke. 120 Hermann Strach. 1. iiber Strzvlki, Turka und Sianki 2. liber Strzylki, Lomma, Ustrzyki gorne und Woiosate besorgt werden mufiten. Auf Grund der eingehenden vergleichenden Studien gelangte man zur Uberzeugung, dafi beide Trassen zwi- schen Stary Sambor und der galizisch- ungarischen Grenze bei Sianki und bei Woiosate fast die gleiche Lange von rund 77 km erhalten und aufierdem in bezug auf Herstellungskosten fast die- Arbeiten derart betrieben, dafi mit den Bauarbeiten in der Teilstrecke Lemberg— Sambor (77 km lang), im Herbste des Jahres 1901 und in der Teilstrecke Sam¬ bor—galizisch-ungarische Grenze schon einjahr spater begonnen werden konnte. Die Ausarbeitung des generellen und das Detailprojektes sowie die Bauleitung der ganzen neuen Eisenbahn war dem jetzigen k. k. Ministerialrate im Eisen- bahnministerium Herrn Stanislaus Ko- Abb. 127. GSrz—Triest. Bahnhof Gorz bei der feierlichen Eroffnung. selben Geldmittel erfordern wiirden. Die nach AbschlulS der technischen Vor- studien mit den Interessenten und mit den autonomen Behorden in Galizien soivie mit der koniglich-ungarischen Regierung gepflogenen Verhandlungen fiihrten zum Entschlusse, den Grenziiber- gang der neuen Eisenbahn bei Sianki (Galizien) und Uzsok (Ungarn) zu wahlen. Nun wurden die technischen Studien fiir das Detailprojekt der ganzen zu er- bauenden Strecke von Lemberg bis zur galizisch-ungarischen Grenze von rund 175 km Lange eingeleitet und diese s in s ki Ritter von Rawicz anvertraut. Die aus Anlafi der Einmiindung der neuen Bahn in die bestehenden Stationen Lemberg und Sambor notwendig ge- wordenen Erweiterungen dieser Stationen sind zu Lasten des Baufonds der neuen Eisenbahn durch die k. k. Staatsbahn- direktion Lemberg angefiihrt worden. Die Station Sambor der Staatsbahn- linie Chyrow — Stryj teilt die ganze Eisen- bahnlinie in bezug auf den Charakter und die Beschaffenheit des durchzu- schneidenden Gelandes in zwei ganz ver- schiedene Linienteile, und zwar: Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 121 L Abb. 128. Gčirz—Triest. Reifenbergviadukt mit Schlofi Reifenberg, 122 Hermann Strach. Abb. 129. Gorz—Triest. Station St. Daniel-Kobdil. a) Teilstrecke von Lemberg bis Sam bor, 77 km lang, vom Charakter einer Flachlandbahn und b) Teilstrecke von Sambor biszur g a 1 i z i s c h-u ngarischen Grenze bei Sianki (Uzsok), 98 km lang, vom Charakter einer Mittelgebirgsbahn. Teilstrecke Lemberg—Sambor. Bis Kilometer 10781 ist die Bahn als Parallelgleis der Staatsbahnlinie Lem¬ berg—Stryj auf gemeinschaftlichem Unter- bauplanum ausgefiihrt. Zwischen Lemberg (3l6'8 m ii. d. M.) und Lubien wielki durchschneidet die Bahn wellenf8rmiges Terrain und erreicht unter Anwendung der sanften Neigungsver- haltnisse und flacher Bogen das breite und sumpfige Wereszycaflufital, in welchem die Trasse nach Ubersetzung des Wereszyca- flusses mit einer 50 o m weiten Brucke bis zur Station Komarno-Buczali (273-9 m ii. d. M.) gefiihrt wurde. Von da fuhrt die Bahn ebenfalls in sumpfiger Terrainniederung des Podlužnybaches, um die sekundare Was- serscheide bei Kilometer 46% (293-3 m u. d. M.) zu iibersetzen. Dieselben gunstigen Neigungs- und Richtungsverhaltnisse beibehaltend, senkt sich die Bahn bei der Station Rudki in das ca. 12 km breite sumpfige Flachgelande des Wiszenkabaches sowie des Strniši- und Dniesterflusses, um nach Ubersetzung des Wiszenkabaches mit einer 40-0 m weiten und des Strwi4Žflusses mit einer 100 m weiten Brucke fortwahrend im Inundationsbereiche sowohl des Strvn^i- als auch des Dniester- ilusses verbleibend, die Station Kalin6w (276-2 m ti. d. M.) zu erreichen. Zwischen Station Kalin6w und Station Sambor (291-8 m ti. d. M.) fiihrt die Bahn vom linken Dniester- flufiufer langs der Reichsstrafie, wird jedoch durch die Hochwasser des Dniester nicht mehr beriihrt. In der sumpfigen Gegend gestalteten sich die Fundierungen der Kunstbauten fiir den Bahnbau immerhin ziemlich schwie- rig. In dieser Teilstrecke betriigt die Abb. 130. Gorz — Triest. Bahnhof St. Daniel-Kobdil mit der Ortschaft Daniel am Karst. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 123 grofite Neigung g'g pro Mille und der kleinste Halbmesser der Bogen 250 m. Von grofien Kunstbauten sind ausgefiihrt: die Brticken mit Eisenkonstruktionen tiber den Wereszycaflufi mit 50 m, tiber den Wiszenkabach mit 40 m und tiber den Strvvigiflufi mit zwei Offnungen zu je 50 m Lichtweite. Mit Riicksicht auf die Mog- lichkeit des Ausbaues des zweiten Gleises und die schwierige Fundierung wurde der Unterbau dieser grofien Brticken zwei- gleisig hergestellt. Teilstrecke von Sambor bis zurgalizisc h-un gar i s chenGrenze bei Sianki (Uszok). Am nordlichen Ende, Station Sambor ver- lassend, wendet sich die Bahn in einem scharfen Bogen gegen Siidwesten, iibersetzt in hoher Anschtittung die Staatsbahnlinie Chyrow—Stryj und fiihrt tiber die Ortschaft Wianowice, iiber Baczyna (Sozan), wo der Babnkorper durch umfangreiche Lehnen und Kunstbauten im Dniesternufibette geschaffen werden mufite, nach Ubersetzung des Jablonka- baches mit einer 40^0 m weiten Brucke zur Bezirksstadt Stary Sambor. Von Stary Sam¬ bor windet sich die Bahn im engen Dniester- fluStale in siidlicher Hauptrichtung, die Ort- Abb. 131. Gorz—Triest. Station Opčina. schaften Terszdw Spas, Busovvisko, Strzyiki Topolnica beruhrend, bis Kilometer II 5 ' 6 , wo sie das Dniestertal verlafit, um bei der Ort¬ schaft Lopuszanka Chomina in das Sei- tental des Jasienicabaches einzubiegen. Zwi- schen Stary Sambor und Lopuszanka Chomina mufiten ftir die Bahn bedeutende Kunstbauten, wie die Leninkabachbrticke, 70 m weit, und Dniesterflufibriicke, 80 m weit, bei Terszow Spas der 115 m lange Tunnel, die Topolnica- bachbrticke 60 m weit, und die Jasienicabach- brucke, 35 m weit, sowie ausgedehnte Schutz- bauten im Dniesterflufibette hergestellt werden. Abb. 132. Gfirz— Gradiška. Reifenbergtunnel mit_Schlof 3 Reifenberg. 124 Hermann Strach. Von Lopuszanka Chomina entwickelt sich die Bahn im Jasienicabachtale nach zweimaliger Ubersetzung des Baches tiber Jasienica zam- kowa bis Roztucz, wo die Bahn,nach Uber- fahrung der Rozluczkuppe und Ubersetzung des Rikabachtales und der Reichsstrafie mit 163 m langem und 25-0 m hohem gew6lbten Viadukte, die siidliche Richtung annehmend, bis zur Wasserscheide zrvischen dem Dniester- flusse und Stryjflusse ansteigt. Hier wurde fur die Betriebszwecke die Ausweiche Wolo- sianka errichtet. Die ervvahnte Wasser- scheide wird knapp vor Wolosianka mit einem springenden Bergabhange mit dem 445. langen Stobodatunnel, dessen Ausftihrung sich als besonders schwierig gestaltete, und dem 248 m langen Turkatunnel unterfahren werden. In derStadt Turka selbstfiihrtdieTrasse dicht an dem Ufer des Jablonkabaches auf einem 354 m langen Viadukte. Von der Station Turka entwickelt sich die Bahn in stidwestlicher Richtung an den Talabhangen des Jablonkabaches und erreicht nach dessen fiinfmaliger Ubersetzung die Station Jablonka nižna, um von dort in das Tal des Tureczanskibaches einzubiegen. Die Abb. 133. Gorz—Triest. Pischianze mit dem Tunneleingang. 240 m langen Javvoratunnel Ubersetzt. Der Abstieg von der Wasserscheide in das Stryj- fluBtal, welches in Jawora erreicht wird, erfolgt im Jaworkabachtale, in welchem zwei gewolbte Viadukte, und zwar der Kropnonik- viadukt, 51 m lang, und Jaworkaviadukt, 123-0 m lang und 19-0 m hoch, ausgeflihrt werden muftten. Von der Station Jawora steigt die Bahn im Stryjflu6tale bis Kilometer 140-4 und nachher im Jablonkabachtale, einem Neben- zuflusse des Stryj, bis zur Station Turka. Wegen der scharfen Windungen des Stryj- flusses sowie des Jablonkabaches und der sehr engen Taler mit steil ansteigenden Ab- hangen muSte in dieser kurzen Partie zwischen Jawora und Turka der Stryjflu6 mit grofien Brilcken mit Gesamtlichtweiten von 105 m und 90 m zweimal iiberschritten und die vor- siidwestliche Richtung beibehaltend, steigt die Bahn fortwahrend in diesem Tale. Nach Ubersetzung des Sp i s a ny b ach tal es mit einem 147 m langen und 27-0 m hohen ge- wolbten Viadukte erreicht sie in Kilometer 156-0 die Wasserscheide zwischen dem Stryj- und Sanflufi, welche mit dem 327 m langen Uuszczanytunnel unterfahren wird. Im SanfluStal liegt die Station S o k o 1 i k i, von wo sich die Bahn in siidlicher Richtung fort- wahrend auf den Abhangen des Sanflufitales ansteigend bis zur Grenzstation Sianki ent- wickelt, wo nach Umgehung der Sanfluii- quellen die galiz.-ungar. Grenze mit einem offenen Einschnitte iiberschritten wird. Die Bahn steigt von der Station Sambor (291-8 m ii. d. M.) angefangen kontinuierlich bis zur BetriebsausweicheWolosianka(6i8-6 m ii. d. M.) Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 125 Abb. 135. Gorz—Triest. Triest-St. Gtovani, gesehen durch die Unterfabrt am Stationsanfang Guardiella. 126 Hermann Strach. senkt sich sodann in das StryjfluStal bis zur Station Jawora (547-1 m ti. d. M.) worauf neuer- dings eine kontinuierliche Steigung bis zur Station Sianki und dem Grenzubergang (847-6 m ti. d. M.) folgt. Mit Ausnahme des Abstieges zwischen Be- triebsausweicheWolosianka undStationJawora kommt in der Richtung von Sambor bis zur Grenze kein verlorenes Gefalle vor. In bezug auf die Grofie der angewendeten Neigungen Iafit sich die Strecke Sambor—galiz.-ungar. Grenze in zwei Abschnitte unterteilen, und zwar: I. von der Station Sambor bis zur Station Die Ubergabe der Eisenbahn dem offentlichen Verkehre ist partiemveise in drei Terminen erfolgt, und zwar: Lemberg bis Sambor (77 km) am 27. August 1903. Sambor bis Strzyiki (36 km) 19. November 1904. S t r z y 1 k i bis Sianki (62 km) 24. August 1905. Die Aufnahme des offentlichen Ver- Abb. 136. GSrz—Triest. Bahnhof Triest mit der Anschiittung (im Bau). Strzyiki-Topolnica 35 km .ang mit grOfiter vor- kommender Neigung von 9-52 pro Mille; 2. von der Station Strzylki-Topolnica bis zur Station Sianki, 54'4 km lang, mit durchschnittlichen Ma- ximalneigungen von 16 pro Mille. Diese durch- schnittliche Maximalneigung wurde zwecks Erzielung gleicher Zugswiderstande im Bogen bis auf 14-2 pro Mille herabgemindert, dagegen in Geraden bis auf 18-2 pro Mille erhoht. Der kleinste angewendete Halbmesser betragt bei den BSgen 250 m. In der Teilstrecke Sambor—galiz.-ungar. Grenze mufiten umfangreiche Sanierungs- arbeiten zur Behebung der Rutschungen sowie eine sehr kostspielige unvorhergesehene Stryj- flufikorrektion in Kilometer I3o 7 | s zwecks Er- langung des freien Raumes fiir die Verlange- rung des Slobodatunnels ausgefiihrt werden. kehres von der ungarischen Seite bis zur Anschlufistation Sianki erfolgte im November 1905. Die verspatete Eroffnung der Teil¬ strecke Strzytki^—Sianki war nur auf die dort im grofien Umfange durch Rutschun¬ gen bedingten Sanierungsarbeiten, vvelche in der gesetzmafiigen Vollendungsfrist nicht bevvaltigt werden konnten, zuriick- zufiihren. Die Gesamtkosten der ganzen Eisen¬ bahn inklusive der in den Stationen Lemberg und Sambor zu Lasten des Baufonds ausgefiihrten Erweiterungs- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 127 bauten stellen sich auf K 40,930.500. Es entfalit somit auf I km Bahnlange der Betrag von rund K 239.000. Gegeniiber den mit Gesetz vom 6. Juli 1901 bewilligten urspriinglichen Krediten von K 34,000.000 ergibt sich eine Uberschreitung von K 6,930.000. Mit dem Gesetz vom 24. Juli 1905, RGB. Nr. 129, waren fur diese Linien noch rveitere K 3,450.000 bewilligt. \verden konnte. Uberdies stellte sich wahrend des Baues die Notwendigkeit heraus, den Slobodatunnel zur Hintan- haltung der Gefahr einer Verschiittung der gegen Turka gelegenen Tunnelaus- gange durch bereits begonnene Rut- schungen entsprechend zu verlangern, was auch eine Verlegung und umfang- reiche Regulierung des Stryjflusses notig machte. Abb. 137. Pyhrnbahn. Geriist der Steyrbriicke. Die Uberschreitung fand mit dem im Gesetz vom 29. Juli 1907, RGB. Nr. 176, genehmigten Nachtragskredite ihre Be- deckung. Die tiberschreitungen waren der Hauptsache nach auf die Mehrkosten der Stationsanlage der Grenz- und Ubergangs- station Sianki sowie ftir den Bau der Tunnels bei Spas, Sloboda und Duszczany zuriickzufuhren, wo sich die Gebirgs- verhaltnisse nach Inangriffnahme des Baues noch viel ungiinstiger zeigten, als zur Zeit der Aufstellung des urspriing- lichen Kostenvoranschlages angenommen So trug auch diese Linie mit ihren Kostenuberschreitungen das Ihre dazu bei, dafi bei Inanspruchnahme des nach- traglichen Bau- und Investitionskredites im Jahre 1905 im Parlamente die Forderung nach Detailplanen und genau nach diesen aufgestellten Kostenvoranschlagen so entschieden zur Geltung kam. Gelegentlich der Manover im Jahre 1903 war diese Bahn in das Ubungs- gebiet einbezogen und das Hoflager Seiner Majestat bei ChIopy war nachst der Station Komarno - Buczali aufge- schlagen. 128 Hermann Strach. Die Wechselbahn. Der Reichsrat hatte in Erweiterung der von der Regierung in das Bau- und Investitionsprogramm aufgenommenen Linie Hartberg—Friedberg die ganze Wechselbahn gesetzt, um den vollbe- griindeten Wiinschen der nordostlichen Steiermark zu entsprechen. Durch hohe Gebirgsziige von Norden und Westen von den angrenzenden Teilen Steiermark und Niederosterreich getrennt, konnte berg—F iirstenfeld - Fehring— R adkersburg sichergestellt werden solite. Die wirt- schaftliche Krise des Unglticksjahres liefi es aber nicht einmal bis zur Konzessions- erteilung kommen und in weit beschei- denerem Umfange kam als Sackbahn die Linie Wien—Aspang zu stande. Durch den Bau der im Staatsbetriebe stehenden Lokalbahnen Fehring—Fiirstenfeld und Furstenfeld—Hartberg gelang es langsam, auch von Siiden her einen Verkehrsweg zu schaffen, aber jahrzehntelang blieb Abb. 138. Pyhrnbahn. Steyrbriicke. dies Gebiet mangels ausreichender Ver- kehrsmittel trotz sonst gunstiger Vor- bedingungen nicht die entsprechende Entwicklung finden. Wie die zweite Tri ester Schienenverbindung, hat die angestrebte zweite Verbindung Wien— Graz eine langjahrige Vor- und Leidens- geschichte. Mit Jubel hatte die Oststeiermark seinerzeit die Verlautbarung des Gesetzes vom 17. Mai 1873, RGB. Nr. 859, begriifit, durch das die auf Csterreichischem Ge- biete gelegene Teilstrecke der Eisen- bahn Wien—Novi iiber Aspang—Hart- trotz wiederholter Kundgebungen im Abgeordnetenhause, in den beteiligten Landtagen, Versammlungen die Lučke Hartberg—Aspang klaffen. Nach langem Zogem erklarte sich die Aktiengesell- schaft der Eisenbahn Wien—Aspang der Staatsbahnverwaltung gegeniiber bereit, die Verbindung zwischen Aspang und Hartberg herzustellen, wenn ihr ein ziemlich bedeutender Anteil an den in Betracht kommenden Transittransporten gesichert werde. Sie liefi eine von den bisherigen Projekten abweichendeTrassen- ftihrung iiber Zobern, Schaffern— Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 129 Abb. 130, Pyhrnbahn. Station Windischgarsten. Elsenau, Friedberg—Rohrbach durch das Lafnitztal studieren. Ftir die Uber- schreitung der Wasserscheide des Wechselgebirges war ein offener Einschnitt geplant. Das ausgearbeitete Generalprojekt sowie jenes fiir eine von der Sudbahn unabhangige Verbindung Sollenau—Wiener-Neustadt wurden im April 1897 dem Eisenbahnministerium vorgelegt. Da die Anspruche .Privat- Abb. 140. Pyhrnbahn. Windischg , arsten. 9 130 Hermann Straoh. Abb. 141. Pyhmbahn. Erster Spatenstich zum Bosrucktunnel am 22 . Juni 1901. gesellschaft an dem Transitverkehre nicht za befriedigen waren und die Staatsbahnverwaltung aus verkehrs- politischen Griinden den Betrieb der neuen Bahnverbindung bis Aspang in Handen behalten wollte, erklarte im 1898 die Bahngesellschaft, dafi sie die Ausfiihrung nicht iibernehmen konne. Da damals eine V erstaatlichung der Aspang- bahn nach den Konzessionsbedingungen mit unvergleichlich hohen Opfern fiir den Staat verbunden gewesen ware und der Ausbau des Verbindungsstiickes durch die zweifellose Steigerung der Einnahmen der Privatbabn die Einlosungsrente noch gesteigert hatte, wollte die Regierung vorlaufig durch den Bau der Strecke Hartberg—Friedberg einen weiteren Vor- stofi machen, um das letzte Glied der Verbindung erst dann auszufiihren, wenn nach Eintritt des konzessionsmafiigen Einlttsungsrechtes im Jahre 1907 die Be- dingungen fiir eine Verstaatlichung gun- stiger sich gestalten wurden. In Wtirdigung dieses Standpunktes wurde zufolge Artikel I des Gesetzes vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, die Regierung wohl ermachtigt, die Wechsel- bahn auf Staatskosten zur Ausfiihrung zu bringen, zunachst aber nur die Strecke Hartberg — Friedberg zu schaffen. Zugleich wurde in Artikel II des Gesetzes bestimmt, dafi der Bau auf Staatskosten nur in dem Falle einzutreten habe, wenn bis 1. Ok¬ tober 1901 es nicht gelingen solite, den Bau im Wege der Konzessionserteilung auf Grand einer staatlichen Ertragnis- garantie sicherzustellen. Mit dem (Lo- kalbahn-) Gesetze vom I. Juli 1901, RGB. Nr. 86, erhielt die Regierung unter an- derem auch die Ermachtigung, diese Staatsgarantie in der Flohe des Erforder- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 131 nisses fiir die Verzinsung und Tilgung eines Vorzugskapitals zu gewahren, dessenMaximum mit dem Nominalbetrage festgesetzt wurde, der zur Beschaffung einer Effektivsumme von K 4,040.000 erforderlich erscheint. Auf Grund dieser Ermachtigung wurde unter dem 28. Sep¬ tember 1901, RGB. Nr. 150, der Aktien- gesellschaft »Lokalbahn Fiirsten- feld—H ar tb er g« die Konzession er- teilt und fiir die Staatsverwaltung entiiel die Ausfiihrung dieser Linie aus dem Bauprogramme. Dagegen war konzessions- mafiig bestimmt, dafi die Ausfiihrung des Baues unter der unmittelbaren Leitung und Uberwachung des Eisenbahnmini- steriums durchzufiihren ist, so zwar, dafi eigentlich der Staat diese Linie fiir Rechnung der Konzessionare erbaute. Die Trasse der 27 - 6 km langen nor- malspurigen Linie fiihrt von Hartberg aus nach Ubersetzung des Lafen- und Lugnitztales im Lafnitztal, wo die Bahn mafiig ansteigend, bei dem Orte Lafnitz den gleichnamigen Bach tibersetzend, bei Rohrbach ein von Norden kommendes Seitental beniitzt, um im allgemeinen der von Hartberg tiber Rohr¬ bach nach Friedberg fiihrenden Bezirksstrafie zu folgen. Diese Trasse wurde gevvahlt, weil sie gegenuber der Variante durch das Lafen- tal iiber Eggendorf und Grafendorf neben geringeren Baukosten den Vorteil hatte, durch ihre Lage in der Nahe der ungarischen Grenze befahigt zu sein, einen Teil des in letzter Zeit aus dem Grenzgebiete auf die Lokalbahn Pinkafeld - Steinamanger abgelenkten Ver- kehres wieder zuriickzugewinnen. Am 15. Oktober 1905 wurde diese Teilstrecke der Wechselbahn dem Be- triebe iibergeben. Mit Gesetz vom 6. Marž 1907, RGB. Nr. 73, wurde nebst anderen Lokalbahnen auch fiir diese Linie die Staatsgarantie fiir das An- lehen (Nominale K 1,600.000) erhoht, das zur Deckung des Mehrerfordernisses aufzunehmen war. Um die finanzielle Sicherstellung der weiteren Strecke von Friedberg nach Aspang zu ermoglichen, liefi die Staatsvenvaltung umfangreiche und eingehende Studien durchfiihren, bis endlich eine geeignete Trasse zur Uber- schienung des Wechselgebietes gefunden war und die Baukosten mit ausreichen- der Zuverlassigkeit ermittelt werden konnten. Es gelang, eine Trasse zu ermitteln, die es ermoglicht, von Friedberg mit einer Maximalsteigung von I3'4 pro Mille bis zu dem in einer Seehohe von 675 m gelegenen 2460 m langen Wasserscheide- tunnel unter dem Grofien Hartberge anzusteigen und von da ab mit einem Maximalgefalle von 22'5 pro Mille die Anschlufistation Aspang zu erreichen. Die projektierte Trasse gelit durch das Pinkabachtal, gelangt mittels des 1208 m langen Tunnels durch den Hochfeldriicken in das Tauchental, in dem auf hohen Dammen Abb. 142. Bosrucktunnel. Nordseite (Bauplatz). 9 ’ 132 Hermann Strach. die Station Tauchen erreicht wird. Hierauf tritt die Bahn in den vorerwahnten Scheitel- tunnel, nachst dessen nordlicher Ausmundung die Haltestelle Monichkirchen angelegt wird. Von da fallt die Bahn zur Station Zo¬ bem, die auch ftir eine allfallige nach Kirchschlag abzweigende Lokalbahn ge- eignet angelegt wird. Die sonaeh beginnende eigentliehe Steilrampe frihrt mit 22-5 pro Mille Gefalle, die Tallehnen wiederholt wechselnd, iiber mehrere grofiere Viadukte und durch mehrere Tunnels, von denen insbesondere der 553 m lange Windbach-Kehrtunnel hervorzu- heben ware, bis zur Station Aspang.*) Die Konzessionserteilung wurde davon abhangig gemacht, dafi Niederosterreich und Steiermark sowie die Interessenten zu dem allerdings sehr hohen, durch die voraussichtlich aufierordentlichen Bau- schwierigkeiten aber gerechtfertigten Bau- kapitale angemessene Beitrage leisten. Der Bau mufi binnen drei Jahren vom Tage der Konzessionserteilung ausgefiihrt und die Bahn dem Verkehre iibergeben 1 sein. Die unmittelbare Ingerenz der Abb. 143. Bosrucktunnel. Inspektion durch den Eisenbahnminister Dr. Ritter v. Wittek wahrend des Baues. MitGesetz vom 19. Februar 1907, RGB. Nr. 69, wurde die Regierung ermachtigt, die Ausfuhrung dieser als normalspurige Flauptbahn zweiten Ranges herzustellen- den Lokalbahn durch Konzessionserteilung mit Gewahrung der Staatsgarantie fiir ein Reinertragnis von 4°/ 0 und auch fiir die Tilgungsquote eines zur Beschaffung des Betrages von K 15,000.000 erforderlichen Anlehens sicherzustellen. *) Siehe auch Zuffer, Trassierung etc., II. Bd. d. W., S. 10 ff. Regierung auf die Bauvergebung und Lieferungen ist gesetzlich vorgesehen. Der Betrieb wird wahrend der ganzen Konzessionsdauer vom Staate gefiihrt. Die Herstellung der Wechselbahn als Privatbahn soli fiir die Fortsetzung des Staatsbetriebes, wie er auf der Strecke Fehring — Friedberg bereits besteht, kein Hindernis bilden. Im Gesetze ist die staatliche Betriebsfiihrung auch fiir die neue Linie gegen Ersatz der effektiv erwachsenden eventuell durch ein Pauschale festzusetzenden Kosten 133 Allgemeine Entwicklungsgeschichte. bedungen. Auch ist die Be- stimmung getroffen, daft insolange die Staatsgarantie tatsachlich in Anspruch genommen wird oder geleistete Garantie- vorschussenoch aushaften, die Einrichtung des Betriebes und die Festsetzung der Tarife der Staatsvervvaltung nach freiem Ermessen vorbehalten bleiben. Auch der Uberfiihrung des Verkehres in ostlicber Richtung auf die Eisenbahn Wien—Aspang ist insofern Rechnung getragen, als die angestrebte Verbindung Wien—Gleisdorf und damit eine um 16 km kiirzere"^Ver¬ bindung Wien—Graz hergestellt sein wird. Durch den Ausbau der Wechselbahn wird den Intentionen des Gesetzes vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, in rveiterer Richtung Rechnung getragen und neuer- dings wird in Osterreich eine Gebirgs- bahn geschaffen, die an die Kunst und Fahigkeiten unserer Techniker hohe An- Abb. 144. Bosrucktunnel. Siidseite. Verstaatlichung dieser Bahn, und falls diese Schwierigkeiten begegnen wurde, der Abschlufi eines Pdageubereinkommens eventuell derEnteignungsweg gesetzmafiig vorgesehen ist. Die Konzession wurde im Marž 1908 der Lokalbahngesellschaft »Furstenfeld— Hartberg« erteilt und kurz darauf er- folgte auch schon die Bauvergebung. Ihre Aufgabe, nebst der wirtschaftlichen Erschliefiung der Oststeiermark auch eine zweite Verbindung zwischen Wien und Graz zu schaffen, wird die Wechsel- bahn erst dann erfiillen, wenn aueh die forderungen stellt. Es gilt abermals die Schaffung eines technisch bedeutungs- vollen Werkes und einer wirtschaftlich wichtigen Verbindung, die ebenso im Interesse Steiermarks wie Niederoster- reichs und der Reichshauptstadt selbst gelegen ist. Rakonitz — Laun. Diese Hauptbahn war im Bau- und Investitionsprogramm vomjahre 1901 als Staatsbahn fiir den Fali vorgesehen, als es bis 10. Oktober 1901 nicht gelingen 134 Hermann Strach. Abb. 145. Bosrucktunnel. Steinbruch. solite, die Sicherstellung des Baues im Wege der Konzessionserteilung mit einer staatlichen Ertriignisgarantie zu erreichen. Die Linie Rak o nit z—Laun war als Teilstrecke bereits in der grofien Abb. 146. Eosrucktunnel. AVassereinbruch am 14. Mai 1904 im Soblstollen bei Tunnelmeter 14S7. Transversallinie enthalten, die als »Boh- mische Sudwestbahn« das Kon- sortium des Fiirsten Josef Adolf S c h w ar¬ zen b e r g, Hieronymus Grafen Mansfeld und Franz Tschinkel am 8. Oktober 1872 konzessioniert erhielt und die nichts Geringeres als die Schaffung einer di¬ rekten Verbindung zwischen der Schweiz und Siiddeutschland mit Oberschlesien und Rufiland in der Linie Liebenau und Kuschwarda bezwecken solite. Wie so viele der vom Handelsminister Dr. Ban- hans geforderten Bahnprojekte, wurde Abb. 147 - Bosrucktunnel. Wassereinbruch im Sohlstollen am 15. Mai 1904 bei Tunnelmeter 1488. auch dieser handelspolitisch gewifi be- deutungsvolle Plan durch die Krise des Jahres 1873 zu nichte. Die Vorteile und Lebensfahigkeit des grofien Projektes geben wohl deutlich aus der Tatsache hervor, dafi die Haupttrasse nach und nach, allerdings teils als Haupt- bahn, teils als Lokalbahn bis auf zwei Lticken ausgebaut wurde. Es sind dies die 13 km lange Strecke von Wallern i. B. nach Waldkirchen zum Anschlusse an die bayrische Linie Pas- sau—Freyung und die Strecke Rakonitz— Laun. Allgemeine Entvvicklungsgeschichte. 135 Abb. 148. Bosrucktunnel. Siidseite (zur Bauzeit). 136 Hermann Strach. Die Verlangerung der Protivin-Ra- konitzer Staatsbahn nach Norden war aus Verkehrsriicksichten geboten, da die Bahnlinien Prag—Obernitz und Pilsen— Obernitz bereits an der Grenze der Leistungsfahigkeit angelangt waren und ihre Entlastung unbedingt notig erschien. Die verkehrspolitische Bedeu- tunec der neuen Bahn liegd aber wesent- lich in der Schaffung einer neuen Route fiir den Transitverkehr. Die Ausfiihrang stand, dafi ihre Fiihrung durch ein von der Natur reich gesegnetes und industrie- reiches Gebiet volkswirtschaftlich vorteil- haft erschien, dafi ferner von Gemeinden des Launer Bezirkes und vom Fursten Schwarzenberg Beitrage von insge- samt K 820.000 gegen Ubernahme von Stammaktien und vom bohmischen Land- tage eine Subvention von K 780.000 zu- gestanden wurden. Ein aus Vertretern der Bezirke und Abb. 149. Lemberg—Sambor. Se.Majestat Kaiser Franz Josef I. in der Station Komarno-BuczaK (anlafilich der Manover im Jahre 1903). eines zweiten Gleises aut den dort bereits bestehenden Staatsbahnen zur Erhohung ihrer Leistungsfahigkeit wurde vom Eisen- bahnministerium nicht als vorteilhaft er- kannt, weil dies dem angestrebten Zwecke weniger entsprochen und einen hoheren Kostenaufwand erfordert hatte, wahrend anderseits die Heranziehung der Busch- tehradefbahn zur Uberfiihrung von Trans¬ porten ab Obernitz auf die Linie Rako- nitz — Protivin vom staatsfinanziellen Standpunkte erheblichen Bedenken be- gegnete. Ausschlaggebend fiir den Bau der neuen Linie war aber aucli der Um- Stadte Laun und Rakonitz zusammenge- setztes Komitee liefi ein generelles Pro¬ jekt und nach der im Mai 1900 vorge- no mm en en Trassenrevision auch die De- tailprojekte ausarbeiten. Da mit Gesetz vom 1. Juli 1901, RGB. Nr. 85, die Staats- garantie auch fiir diese Linie sichergestellt war, wurde am 17. August 1901 die Konzession (LXV. Stiick des RGB. Nr. 149) dem k. k. Notar F e y e r f e i 1 und Konsorten erteilt. Der Staat garantiert von der Be- triebseroffnung bis 17. August 1976 das Zinsen- und Tilgungserfordernis fiir ein 4°/ 0 Prioritatsanlehen von K 7,500.000. Der Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 137 Betrag, welchen die Staatsverwaltung aus der Garantieverpflichtung zahlt, ist ledig- ]ich als ein mit 4°/ 0 zu verzinsender Vorschufi zu behandeln und aus Reiner- tragnissen iiber 4°/ 0 zu refundieren. Der Bau wurde durch die Staatsbahn- verwaltung derart gefordert, dafi die Bahneroffnung bereits ftir den 15. Septem¬ ber 1905 in Aussicht genommen werden konnte. Die Eroffnung solite aber durch einen unvorhergesehenen Zwischenfall eine Verzogerung erfahren. Die Busch¬ tehrader Eisenbahn, in deren Station Ra- konitz die neue Bahn einmiindet, hatte der Eroffnung vor Abschlufi des Vertrages, in dem die Bedingungen der Mitbeniitzung und Verteilung der Kosten des Gemein- schaftsdienstes geregelt werden, Wider- . stand entgegengesetzt und durch Errich- tung eines physischen Hindernisses die Ein- fahrt der Ziige der neuen Bahn in den Ge- meinschaftsbahnhof un.moglich gemacht. Erst in letzter Stunde hat die Buschte- hrader Eisenbahn iiber kategorische Auf- forderung des Eisenbahnministeriums, das sich. auf den § 10, lit. g, des Eisenbahn- konzessionsgesetzes stiitzen konnte, den Widerstand aufgegeben und unbeschadet der noch ausstehenden Einigung die Zugseinfahrten gestattet, so daft die Bahn 3 Abb. 150. Sambor—Sianki. Rikaviadukt. Abb. 151. Empfang des Kaisers in Komarno-Buczali. am 24. Oktober dem Verkehre iibergeben werden konnte. DenBetrieb fiihrt derStaat. Die 44'6 km lange Trasse zweigt in Rako- nitz ab, fiihrt entlang des Bahnkorpers. der Lokalbahn Rakonitz —Petschau und nach Uber- setzung des Rakonitzbaches in westlicher und nordwestlicher Richtung nach K r o s c h a u, wo die Lokalbahn Krupa—Kolleschowitz der Buschtehrader Bahn iibersetzt wird. Uber das Plateau von Wetzlau und die Pawličinerhohe und nach Uberfahrung der Linie Prag—Eger der Buschtehrader Eisenbahn wird die Wasser- scheide Vrata iibersetzt, von wo es abwarts ins Domanschitzertal geht. Bei Konetopy tritt sie in das Hriwitzertal, geht iiber Opotschna und Jimlin nach Semich und folgt der Bezirksstrafie bis zum Anschlufi mit beiderseitigen Verbindungskurven an die Lo¬ kalbahn Postelberg—Laun. Mit Rticksicht auf die Verkehrsbedeutung der Linie wurde die grOfite Steigung mit 15 pro Mille, der kleinste Halbmesser mit 250 m pestimmt. Das Investitionsprogranim und dessen Durchfiihrung. Von der gleichen Wichtigkeit wie die im Gesetze vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, vorgesehenen Bauten neuer Eisenbahn- linien blieb das den weiteren Gegenstand dieses Gesetzes bildende Programm der Regierung, die Leistungsfahigkeit des staatlichen Eisenbahnnetzes zu erhalten und zu erhčhen. Seit einer Reihe vonjahren war, wie im allgemeinen auf den Osterreichischen Bahnlinien, auch auf den im Staatsbetriebe stehenden Bahnen eine Verkehrssteigerung in solchem Umfange eingetreten, dafi die urspriinglich unter ganz anderen Vor- aussetzungen geschaffenen Bahnanlagen fast durchaus iiberlastet erschienen. Die aller Voraussicht nach zu ervvartende 138 Hermann Strach. weitere intensive Verkehrsvermehrung ware ohne augenscheinliche Gefahrdung der Betriebssicherheit mit den bestehenden Mitteln nicht mehr zu bewaltigen gewesen. In dem Jahrzehnt 1889—1899 betrug auf den osterreichischen Staatsbahnen die Zunahme der Personenkilometer U4°/ 0 , der Eilgutkilometer 72°/ 0 und der Frach- tenkilometer 58 °/ 0 . Wenn auch seit der Ubernahme der einzelnen Linien in den Staatsbetrieb aus den im Extraordinarium Aufrechthaltung der Leistungsfahigkeit getroffen und die Staatsbahnverwaltung sah sich in vielen Fallen vor die Aufgabe gestellt, das nachzuholen, was die Privat- bahnverwaltungen durchzufiihren versaumt hatten. Auch kam in Betracht, dafi durch die Vereinigung so vieler Linien unter eine einheitliche Verwaltung dem Ver- kehre ganz neue Wege gewiesen wurden. Linien, die frtiher von untergeordneter Bedeutung waren, hatten mit einem Male Abb. 152. Sambor—Sianki. Trasse bei Rozlucz, im Hintergrunde der Rikaviadukt. des Staatsvoranschlages sowie spater in den Investitionspraliminarien angesproche- nen Mitteln vielfache Umgestaltungen, Erganzungen und Meliorierungen der Bahnanlagen vorgenommen waren, so kam doch alluberall der miLliche Umstand zur Geltung, dafi die vom Staate iiber- nommenen Bahnen schon zur Zeit der Ver- staatlichung voli ausgeniitzt waren, da Unterfiehmungen, deren Verstaatlichung zu erwarten war, schon Jahre vorher bestrebt blieben, jedwede Investition auf das allernotwendigste Mafi zu beschranken. Mitunter waren nicht einmal schon aufierst dringend notwendige MaCnahmen zur Massenverkehre zu bewaltigen und mufi- ten demgemafi umgestaltet werden. Da sich die Verkehrssteigerung nicht gleich- mafiig auf das ganze Jahr verteilt, son- dern in einzelnen Monaten die hochste Anspannung der Verkehrsleistung not- wendig wird, mufite mit Rticksicht auf Handel und Industrie fiir die anstandslose Bewaltigung des saisonmafiigen Maximal- verkehres hingearbeitet, fiir ausreichende Vermehrung der Fahrbetriebsmittel, fiir deren Unterbringung, Reparatur und Aus- riistung vorgesorgt werden. Das Programm der Regierung er- streckte sich demgemafi auf die schleu- Allgemeine Entwicklungsgeschichte, 139 Abb. 153. Nordausgang des Slobodatunnels samt Aussicht auf die erste*Stryjbriicke*bei Turka. nige Herstellung z\veiter, dritter, ja sogar vierter Gleise in einzelnen Strecken, auf Erhohung der Leistungs- fahigkeit einzelner Linien und An- lagen zur Sicherung des Zugver- kehres, durch Umbau einzelner Lokal- bahnen zu Vollbahnen oder Schaffung von Einrichtungen einer Vollbahn, Bau von Industriegleisen und Be- triebsausweichen, auf Stationserwei- terungen, Hochbauten und auf die Vermehrung des Fahrparkes, Schaf¬ fung elektrischer Anlagen, Beschaf- fung von Hilfsmaschinen, Werkzeu- gen, maschinellen Einrichtungen u. dgl., fiir welche Zwecke ein Kredit von K 272,056.000 beansprucht wurde. Fiir den Bau von 472^2 km zweiter und dritter Gleise allein waren K 57,767.600 notig, von welchen K 4,394.600 aus frtiheren Investi- tionspraliminaren bedeckt waren. Dritte und vierte Gleise solite die Strecke Hiitteldorf—Hacking—Pur- kersdorf, zweite Gleise folgende grofiere Strecken erhalten: Tulln— Absdorf, Absdorf—Gmiind, Wels— Salzburg, Wels—Neumarkt - Kallham, St. Michael—Zeltweg, Smichow—Beraun, Prag—Beneschau, Obernitz—Postelberg und eine 36 km lange Teilstrecke Budweis —Pilsen. Fiir die Vermehrung des Fahrparkes \varen fiir die Zeit bis 1904 K 64,480.000 vorgesehen, und zwar K 25,932.800 fiir neue Lokomotiven, K 8,347.200 fiir Per- sonemvagen, K 25,600.000 fiir Dienst- und Giiterwagen und K 4,600.000 fiir Erganzung und bessere Ausgestaltung des Fahrparkes. Die Erhohung des Lokomotivstandes war schon durch den Umstand begriindet, dafi die Jahresleistung einer Maschine in der Zeit von. 1896 bis 1900 auf fast 40.000 km sich erhoht hatte, wahrend er- fahrungsgemiifi 36.000 km die Grenze bilden, welche bei sorgsamer Instandhal- tung der Maschine nicht iiberschritten werden soli. Das Zurtickbleiben der un- bedingt erforderlichen Vermehrung des Wagenparkes sowie der iiberhaupt geringe Giiterwagenstand hatte eine forcierte Ausniitzung des Wagenmaterials, zur Zeit des starksten Verkehres, aber haufig einen sehr empfindlichen und vielfach beklagten Wagenmangel zur Folge. Fiir die Zeit bis 1904 war die Anschaffung von rund 6200 Giiter- und Dienstwagen daher mehr als dringend notig und bean- spruchte einen Kredit von K 25,000.000. Selbst diese bedeutende Summe solite sich nur zu bald als viel zu niedrig erweisen. Die in den nachsten Jahren weiter einge- tretene aufierordentliche Verkehrssteige- rung zeitigte nicht allein in Osterreich, sondern auch in den Nachbarstaaten einen empfindlichen Wagenmangel, dem die Staatsbahnverwaltung ihrerseits nur durch aufierordentliche Mafinahmen und weit- gehende Vermehrung des Wagenparkes begegnen konnte. Vom Zeitpunkte der Er- richtung des Eisenbahnministeriums bis Ende 1905 waren, abgesehen von der Be- schaffung des Ersatzes fiir kassierte 800 Per- sonen- und 3000 Giiter\vagen, nichtweniger als 13.coo Giiter\vagen neu angeschafft worden und dennoch hatten sich im Herbste 1905 die Kalamitaten des Wagenmangels in verscharfter Weise eingestellt. Ende I Dezember 1906 war auch der pro 1906 Abb. 154. Sambor—Sianki. Baugeriist fiir den Spisanyviadukt. 140 Hermann Strach. und 1907 fiir Zwecke der Wagenanschaf- fung der Staatsbahnverwaltung zur Ver- fiigung stehende Kredit von K 20,000.000 ganzlich aufgebraucht. Aus diesem Be- trage wurden im ganzen 4020 Giiter- wagen, darunter 2306 Kohlenwagen fiir je 20 t Ladegewicht bestellt. Bedauer- licherweise verzogerte sich durch das un- liebsame Zusammentreffen verschiedener Ursachen die Fertigstellung der fiir das Jahr 1906 bestellten Wagen, was den Wagenmangel sehrfuhlbar beeinflufite. Als Folge einer industriellen Flochkonjunktur ergab sicb im Jahre 1907 eine weitere aufiergewohnliche Steigerung des Trans- portverkehres. Die grofi en osterreichi- schen Privatbahnen erzielten die hochsten Einnahmen seit ihrem Bestande, welche selbst die nach den Erfolgen des iiberaus gunstigen Vorjahres hochgespannten Er- wartungen noch weitaus tibertrafen. Der Inlandsverkehr hatte einen derart ra- piden Aufsehvrang genommen, dafi die einzelnen Bahnen, an die Grenze ihrer Leistungsfahigkeit gelangt, den erhohten. Anforderungen nur schwer und mit aufierster Ausnutzung aller Betriebsmittel gerecht werden konnten und der von Handel und Industrie so schwer emp- fundene Wagenmangel, der in den Vor- jahren nur zeitweilig auftrat, geradezu chronische Formen annahm. Dem tatkraftigen Eingreifen der Staatsbahnverwaltung durch Mafinahmen, die nebst der Vermehrung der Fahrbe- triebsmittel auch deren beschleunigtere Beladung, Beforderung und Entladung bewirkten, gelang es im Vereine mit der durch die Investitionen herbeige- fiihrten Erhohung der Leistungsfahigkeit der Staatsbahnlinien aufierordentliche Verkehrsleistungen zu erzielen. Mit dem Gesetze vom 28. Dezember 1906, RGB. Nr. 257, wurden der Regierung K 31,500.000 fiir die Vermehrung und Erganzung des Fahrparkes bewilligt. Die Verwendung der durch das In- vestitionsgesetz vom jahre 1901 zur Ver- fiigung gestandenen Kredite hatte nicht immer gleichen Schritt mit der Hohe dieses Kredites gehalten und im Laufe der ersten Jahre blieben immer grofiere Beitriige unverbraucht. Fiir den Bau zweiter Gleise blieben K 6,520.000, fiir die Er- hohung der Leistungsfahigkeit K 1,151,813, fiir Stationserweiterungen K 15,399.921 verfiigbar, teils weil die notigen Arbeiten Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 141 nicht so beschleunigt durchgefiihrt werden konnten, teils weil sich neue Studien, De- tailprojekte als notwendig herausstellten. Mit Riicksicht darauf wurden daher in. den Budgets fiir die Jahre 1907 und 1908 erheblich geringere Betrage angesprochen. Die gewonnenen Erfahrungen liefien je- doch eine Anderung des bisherigen Vor- ganges angezeigt erscheinen. An Stelle des jeweilig aufgestellten Verwendungs- programmes traten Bedarfspraliminarien, anlagen, Frachtenbahnhofe, Ausweich- stellen, zu suchen ist, durch welche die Bewegung der beladenen und leeren Wagen verzogert wird. In dieser Richtung sin d, wie an an- derer Stelle*) auseinandergesetzt erscheint, besonders in allerjungster Zeit aufier- ordentliche Verbesserungen erzielt und weitere Investitionen eingeleitet worden. Bis Ende 1906 betrug der Aufwand fiir nachtragliche Investitionen auf den Staats- Abb. 155. Sambor—Sianki. Spisanyviadukt nach der Vollendung. das finanzielle Erfordernis fiir die inner- halb eines Jahres erforderlichen Herstel- lungen bildet die Grundlage bei der bud- getaren Behandlung. Der Budgetausschufi desAbgeordneten- hauses verweist in dem am 5. Marž 1908 erstatteten Berichte (761. der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Ab- geordnetenhauses) iiber das Budget des Eisenbahnministeriums auf die Tatsache, dafi die Hauptursachen des Wagenmangels nicht etwa in der unzulanglichen Anzahl dieser Fahrbetriebsmittel, als vielmehr in der mangelhaften Ausgestaltung der Gleis- bahnlinien K 547)568.527, da der Bau der Staatsbahnen bis zu diesem Zeit- punkte K 690,147.957 und die Ein- losung von Privatbahnen K 2.428,325.936 erfordert hatte, waren mit Ende des Jahres 1906 im ganzen K 3.666,042.420 im oster- reichischen Staatsbahnnetze von 21.594 km Lange investiert. Das Jahr 1907 bedeutet geradezu einen Wendepunkt in der staatlichen Investitions- politik insofern, als die Ausgestaltung *) Vgl. Koestler, Oberbau, Hochbau und Bahnhofsanlagen, VI. Bd. d. W. 142 Hermann Strach. des Lokomotiv- und Wagenparkes eine aufierordentliche wurde. Der mit Ende des Jahres 1906 vorhanden gewesene Stand der Fahrbetriebsmittel wurde wahrend des Jahres 1907 um 824 Lokomotiven, 672 Tender, 1 Motorwagen, i592Personen- wagen, 641 Post- und Dienstwagen, 24.423 Giiterwagen und 4 Rollbocke vermehrt. Uber den Stand und Anschaffungskosten der Fahrbetriebsmittel im abgelaufenen Jahrzehnt geben die beigegebenen graphi- schen Darstellungen (Abb. 158—161 nach den alljahrlich erscheinenden Berichten der k. k. Staatseisenbahn-Verwaltung) ziffer- mafiigen Aufschlufi. In der Sitzung des Staatseisenbahnrates vom 4. Juni 1908 erldarte der Eisenbahn- minister ein Investitionsprogramm, das den Bedarf der nachsten Jahre und die Auf- teilung der Investitionen auf die einzelnen Jahre feststellt, fur aufierst notig. Ein solches Programm sei sowohl riicksichtlich der Fahrbetriebsmittel als auch der ubrigen Ausgestaltungen notwendig. Fiir die nachsten drei bis vier Jahre seien an Fahrbetriebsmitteln mindestens erfor- derlich: 620 Lokomotiven und 150.000 Waggons, die einen Investitionsbedarf von 160 Millionen Kronen erfordern. Die notwendige Ausgestaltung der Pyhrnbahn und der Linie der verstaatlichten Nord- bahn erfordern nebst weiteren Investitionen Betrage, deren Bedeckung im Wege eines Investitionsanlehens angeftihrt werden solite. Der Minister stellte eine umfassende Investitionstatigkeit auf den Staatslinien in Aussicht. Die genaue Zusammenstellung der Investitionserfordernisse in der Zeit 1897 bis 1907 ist in dem Beitrage »Die oster- reichischen Eisenbahnen in der Staats- wirtschaft« von Exz. Dr. Ritter vonW i 1 1 e k enthalten. Uber die Herstellung der zweiten und dritten Gleise auf den Linien der k. k. Staatsbahnen geben die nachfolgenden Ubersichten Aufschlufi. Ubersicht liber die Herstellung zweiter und dritter Gleise auf den osterr. Staatsbahnen im Jahrzehnt 1897—1907. Allgemeine Entvvicklungsgeschichte. 143 Zusammenstellung iiber die im Jahre 1908 ausgefiihrten oder noch in Aus- fiihrung begriffenen zvveiten Gleise. Forderung im d Bau von Lokalbahnen durch den Staat. Neben der im Bau und Investitions- programm vorgesehenen Ausgestaltung des Hauptbahnnetzes ging im neuen Jahrhundert auch die Verdichtung des Lokalbahnnetzes entsprechend vor- warts. Bis zum 1. Oktober 1904 waren auf Grand des Gesetzes vom 31. Dezember 1894, RGB. Nr. 2 ex 1895, 113 Lokal¬ bahnen in einer Ausdehnung von 3508 km und einem Anlagekapitale von K 441,838.000 konzessioniert \vorden, auch 33 Kleinbahnen mit einem Netze von 516 km waren auf Grand dieses Ge¬ setzes konzessioniert, von welchen 31 mit 506 km Lange und einem Anlagekapital von K 179,516.000 auch bereits ausge- fiihrt \varen. Da das Lokalbahngesetz gemafi seines Artikels XXIV Ende Dezember 1904 aufier Kraft treten solite, hatte die Regierung in der Sitzung des Ab- geordnetenhauses vom 17. November 1904 den Entwurf eines neuen Gesetzes iiber Bahnen niederer Ordnung ein- gebracht, dessen parlamentarische Be- handlung aber nicht erfolgte und der seither infolge Ablauf der Legislatur- Abb. 156. Feierliche Eroffnung der Linie Friedberg—Hartberg am 15. Oktober 1905. 144 Hermann Strach. periode gegenstandslos wurde. Hingegen wurde die Giiltigkeit der Bestimmungen des alten Gesetzes mit dem Gesetze vom 16. Mai 1905, RGB. Nr. 81, bis 31. De- zember 1905 und mit dem Gesetze vom 24. Dezember 1905, RGB. Nr. 216, neuer- dings bis langstens 31. Dezember 1908 erstreckt. Mit dem Lokalbahngesetze vom 1. Juli 1901 hatte die Regierung aufier den bereits besprochenen Linien R a- konitz — Laun und Hartberg — Friedberg noch 16 Bahnen niederer Ordnung sichergestellt, darunter die Lokalbahnen Saar—Tischnowitz, T r i e n t—M a 1 e, H a n n s d o r f—M a h r,- Altstadt, Gmiind —'G r.-G e r u n g s, Korneuburg—Ernstbrunn, die Stu- baitalbahn (Berg Isel—Fulpmes) u. a. Abb. 157. Friedberg—Hartberg. Station Hartberg. Im Laufe des Jahres 1903 wurden mit besonderen Gesetzen die Linien Tar- nopol — Zbaraž, Weizelsdorf— Ober-Ferlach, Krainburg—Neu- marktl, Zwettl — Martinsberg, Lemberg—Podhajce (die achte ga- lizisch-ungarische Karpathenbahn) und die Staatsgarantie fur die Zillertalbahn sichergestellt, wahrend im folgenden Jahre durch das niederosterreichische Landes- gesetz vom 21. Marž 1904 durch das LGB. Nr. 53 in Abanderung eines friiheren Gesetzes (Gesetz vom 27. Janner 1903) die Linie Kirchberg a. d. Pielach— Mariazell—Gufiwerk der spaterhin als »Niederosterreichisch-stei- rische Alpenbahn« bezeichneten Strecke St. Polten—Mariazell— Gufiwerk durchgefuhrt wurde. Im Jahre 1905 kam die Herstellung einer Lokalbahn von Krem s nach Grein (Gesetz vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 123) und das Gesetz iiber die Be- teiligung des Staates an der Kapitals- beschaffung fur mehrere Lokalbahnen (Gesetz vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 124) zu stande. Die Lokalbahnen W i e n— Landes- g r e n z e gegen Prefiburg, Freiland — Tiirnitz, Retz — Drosendorf, Libochowitz—Jenschowitz, Ka- nitz—Eibenschitz—Oslawan, Far¬ no w—Szczucin und Agonitz— Klaus-Steyrling waren die letzten, mit deren Sicherstellung sich das alte Kurienparlament zu befassen hatte. Das neue auf Grundlage des all- gemeinen direkten Wahlrechtes zu stande gekommene Abgeordnetenhaus hatte auch schon Gelegenheit, auf dem Gebiete der Eisenbahngesetzgebung er- folgreich zu wirken, auf dem Lokalbahn- gebiete sind es die unter dem Datum vom 19. Februar 1907 sanktionierten fiinf Gesetze liber die Herstellung der Lokalbahnen Taus—Tachau, Wsetin —Grofi-Karlowitz, Friedberg— Aspang, Cervignano—Aquileja— Bel ved er e, Werenczanka—Okna, die hier Erwahnung finden mogen. Mit dem Gesetz vom 6. Marž 1907, RGB. Nr. 74, wurden neuerdings 14 Lo¬ kalbahn en finanziell sichergestellt, darunter Weckelsdorf — Parschnitz, S ka¬ li tz—Boško wi tz—GroE-Op ato wi tz, Tscheitsch—Steinitz, Lemberg— Stojanove, Ruprechtshofen—Gre- sten, Innsbruck—(Wilten—)Bayr. Grenze bei Scharnitz, Reutte— BayrischeGrenze bei Grinsen u.a. Wahrend der Staat reiche Opfer fur die finanzielle Sicherstellung von Lokal¬ bahnen brachte und auch die einzelnen Lander sich eine weitgehende Forderung des Lokalbahnwesens angelegen sein liefien, wurde auf die Mitwirkung derlnter- essenten hoher Wert gelegt und durch Konzessionierung der einzelnen Linien die Tatigkeit der Privatunternehmung unterstiitzt. Der Staat selbst hat im letzten Jahrzehnt aufier den auf Grund des Gesetzes vom 21. Dezember 1898, RGB. Nr. 233, erbauten Linien Freu- denthal—Klein-Mohr au, Linz— Urfahr, Spalato—Sinj, Uskoplje —Gravosa, Glavska—Zelenika nur noch drei kleine Lokalbahnen auf Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 145 Staatskosten herge- stellt, und zrvar auf Grund des Staatsver- trages mit dem Deut- schen Reiche vom g. Janner 1904, RGB. Nr. 126, die Verbindung Troppau — Bauer- witz an der preufii-’ schen Grenze bei R a- t i b o r (km 2'o) und die 5’6 km lange Lokal- bahn W eizelsdorf— (Ober-)Ferlach auf Grund des Gesetzes vom 15. Juli 1903, RGB. Nr. 151. Diese, die sogenannte Rosen- t a 1 b a h n, war zur For- derung der altbekann- ten Karntner Eisenin- dustrie im Rosentale von der Regierung ins Programm aufgenom- men, um den Inter- essenten fiir den Ausfall der Loiblbahn teihveise Ersatz zu bieten, wie dies im Siiden der Karawankenbahn die Lokalbahn Krain- burg — Neumarktl tun solite. Die Linie RoCbach — Ad orf Tausend Kilometer 45 Mitllere Belastung pro Zugskilometer in Tonnen brutto Tonnen 300 J Abb. 158. K. k. Staatsbahnen. Durchschnittlicher Stand der Lokomotiven und durchschnittliche Leistung einer Lokomotive in den Jahren 1898—1907. war an die Lokalbahnunternehmung Asch —Robbach konzessioniert, noch Avahrend des durch den Staat durchgefiihrten Baues wurdejedoch die ganze Unternehmung ein- gelost, so daiJ auch die Strecke Rofibach— Adorf (ii'8 km, eroffnet 18. Sept. 1906) eigentlich als Staatsbahn zu stande kam.*) Um so umfassender gestaltete sich aber die Tatigkeit der Staatsbahnverwaltung dort, \vo es galt, den Bau von Bahnen niederer Ordnung vorzubereiten oder auf Kosten der Konzessionare durchzufiihren. Aufier der Herstellung der im groben Bau- und Investitionsprogramme vorge- sehenen neuen Linien und zweiten Gleise *) Ab 1. Janner 1905 wurde das Unter- nehmen der Lokalbahn auf Grund des Ge¬ setzes vom 21. Dezember 1898, RGB. Nr. 233, und der Konzessionsbestimmungen vom Staate eingelSst. (Siehe S. 54.) hatte die Staatsvervvaltung noch eine ganze Reihe kleinerer Bahnen in Bau genommen und die Tatigkeit der k. k. Eisenbahnbaudirektion war demgemafi auch auf dem Gebiete des Lokalbahn- baues eine ziemlich umfangreiche. Die Linien Triest—Parenzo (i22'9 km, eroffnet 15. Dezember 1902), Waidhofena. d. Thay a—Z 1 a b i n g s (26 '7 km, eroffnet 21. Juni 1903), Jičin— Turnau (297 km, eroffnet 19. Okto¬ ber 1903), N e um ar k t—Suchahora (21 '2 km, eroffnet 1. Juli 1904), die Vintschgaubahn Meran — Mals (6o - 4 km, eroffnet 1. Juli 1906), S a ar— Tischnowitz (6i - o km, erbffnet 26. Juni 1905), Absdorf—Stockerau (i6'5 km, eroffnet 4. Oktober 1904), die BregenzerAvaldbahn Bregenz— Bezau (35'4 km, eroffnet 15. Septem- xo 146 Hermann Strach. ber 1902), Tarnopol—Zb ar a ž (22'4. km, eroffnet 25. September 1906), Zwettl—• Martinsberg (36' 1 km , eroffnet 15. Juni 1906), Krainburg—Neu- marktl (i$'o km, eroffnet 6. Juli 1908) sind als Privatbahnen durch die Staats- eisenbahnverwaltung fiir Rechnung d er Eigentiimer erbaut worden. In Fortsetzung dieser die Ausgestaltung des Eisenbahnnetzes fordernden Tatigkeit des Staates, deren Vorteile ohne weiteres zu erkennen sind, standen im Jahre 1908 als Privatbahnen noch die Linien Lem¬ berg—Podh a j ce(i3i'i km), Kr e ms— Grein (76^4 km), Trient—Male (6 o'2 km), Agonitz—Klaus (8'i km), Wallern—Bayrische Grenze bei Neuthal mit der AbzweigungnachSalnau(27 - x km), Treffen—Johannisthal (21 km) und Wsetin—Grofi-Karl owitz (27^0 km) in staatlicher Baufiihrung, wahrend fiir eine grofie Anzahl von Lokalbahnen neue Projektstudien und Bauvorbereitungen ge- troffen werden. Das bedeutungsvollste darunter ist zweifellos die Fortsetzung der Vintsch- gaubahn nach Landeck. Eine Ver- bindung Meran—Landeck durch den Vintschgau war schon durch mehr als 30 Jahre projektiert. Mit dem Gesetze vom 21. Dezember 1898, RGB. Nr. 233, \vurde endlich der Bau der Strecke Meran—Mals als Lokalbahn sichergestellt und am 1. Juli 1906 konnte der erste Zug durch die entziickende Landschaft rollen. In Gegemvart Sr. k. u. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs E u g e n und des Eisenbahnministers fand die feierliche Einweibung und Eroffnuna; dieser Linie statt, die das Anfangsglied einer fiir Tirol und den Vintschgau bedeutungsvollen Verbindung bildet. Auf der 604 km langen Strecke M e- ran—Mals wird ein Hohenunterschied von 726 m iibervvunden. Von Meran zieht die Trasse liber Algund, wo die Etsch ubersetzt wird, und steigt in einer Kehre nach Siiden auf zur Station Mariin g, durchfahrt zwei je 600 vi lange Tunnels (von ivelchen der er- stere einen Kehrtunnel bildet), durch den 683 m langen Tolltunnel gelangt sie zur Station To 11 , wo die Bahn auf der Talstufe 508 m ober- halb Meran am Beginne des Vintschgaues an- gelangt ist und die Etsch 190 m tief in den Meranerkessel hinabfallt. Uber Naturns und Schnalstal (562 vi ii. d. M.) zieht die Bahn auf den Dammen der regulierten Etsch iiber Castellbell nach L at s c h, von wo sie in einer grofi en Schleife zur Station Schlanders (706 m ti. d. M.), dem Hauptorte des Vintsch¬ gaues, gelangt. Auf hohen Dammen, dann mit- tels einer 127 m langen eisernen Briicke den Etschflufi iibersetzend, fiihrt die Bahn zu dem durch seine Marmorbriiche beruhmten La as. UberEyrs geht es zur Station Sp ondi ni g- Prad, wo die Strafie nach dem Stilfser- joch und nach Sulden abzvveigt. Die Station Schlunderns-Glurns ist schon 919 m ti. d. M. gelegen. Zvvischen Schlunderns-Glurns und der Endstation Mals schneidet die Bahn die Lehne des Tartscherbichels an, von dessen H 5 hg sich ein Rundblick iiber den ganzen oberen Vintschgau erschliefit. An dem Dorf Tartsch vorbei vvird die vorlaufige End¬ station Mals (1045 vi) erreicht. Seit der Eroffnung der Vintschgau- bahn fiihrt der Staat auf Grund eines in der Generalversammlung der Božen- Meraner Bahn vom Jahre 1902 ge- nehmigten Vertrages auch den Betrieb der Bozen-Meraner Bahn, die mehr als 60°/ 0 des Aktienkapitals der Vintsch- g a u b a h n ubernommen hatte. Die Zukunft der Vintschgaubahn liegt in ihrem Ausbau nach Norden und Westen. Geplant ist die Fortsetzung bis zur schwei- zerischen Grenze und von dort bis zum Herzen des Engadins, nach St. Moritz iiber Zernetz zum Anschlufi an die Albula- bahn. Im September 1908 wurde auch schon auf Veranlassung der Bozener Handelskammer durch Vertreter der Bozen-Meraner Bahn und der Vintschgau¬ bahn die Bildung einer Aktiengesell- schaft eingeleitet, die sich die Er- bauung der Ofenbergbahn zur Auf- gabe stellt.*) Fiir die Fortsetzung der Vintsch¬ gaubahn nach Landeck lafit die Staats- vervvaltung vorltiufig das Projekt aus- arbeiten. Mit dem Gesetz vom 6. Marž 1907, RGB. Nr. 73, holte sich die Regierung gelegentlich der Erhohung der Reinertrags- garantie fiir die Vintschgaubahn auch die Ermachtigung zur Ausarbeitung dieses Projektes. Der Kredit wird dadurch be- schafft, dafi das auf Grund der Staats- garantie aufzubringende Vorzugskapital der Eisenbahn Meran—Mals um jenen Nominalbetrag erhoht wird, welcher zur *) SieheBand VI d. W., Zuffer, Trassierung, Unterbau und Briickenbau, Seite 21. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 147 Beschaffung des bezeichneten Kosten- beitrages in Barem erforderlich ist.*) Sicherstellimg und Bau neuer Haupt- bahnen durch den Staat. In allerjiingster Zeit ist es auch der Regierung gelungen, den Bau neuer Hauptbahnen sicherzustellen, die fiir das siidlichste Kronland des Reiches sowie fiir das Reich selbst von weit- reichender Bedeutung sind, Linien, die endlich den unmittelbaren Anschlufi Dal- matiens an das osterreichische Eisenbahn- netz ermoglichen. Auch nach Schaffung der Linien Spalato — Si n j und Gabela'—Gra- v o s a—Z e 1 e n i k a blieb die Isolierung der dalmatinischen Linien empfindlich fiihlbar, zumal das Projekt Spalato— Aržano—Bugojno auf dem Papier blieb. Dalmatiens berechtigte Wunsche gipfelten in dem stetig verfochtenen Verlangen nach einer Verbindung mit dem Norden, sei es mit Ogulin, Karlstadt oder Novi. Gleichwohl konnte dieses Ziel trotz der vviederholten und nachdriicklichen Be- mlihungen der osterreichischen Regierung nicht erreicht werden, weil eine Mit- wirkung der Lander der ungarischen Krone, auf deren Gebiet der iiberwiegende Teil der angestrebten Verbindungen zu liegen klime, nicht zu erlangen war. Schon zu Beginn der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts hatte der Reichsrat Ge- legenheit, sich mit einer Bahnverbindung Dalmatiens mit dem ungarisch-kroatischen Bahnnetze zu befassen. Damals hatte die Regierung mit dem Gesetze vom 3o/ April 1874, RGB. Nr. 80, die Er- macbtigung erhalten, die Ausfiihrung einer Bahn von Spalato iiber Perkovič nach Knin und von dort iiber Očestovo an die dalmatinisch-kroatische Landesgrenze nebst Abzweigungen durch Konzes- sionierungen mit Staatsgarantien fiir das . *) Laut Kundmachung des Eisenbahn- nnnisteriums vom 13. Mai 1907, RGB. Nr. 120, garantiert der Staat die 4°/ 0 ige Verzinsung und Iilgung des zur Deckung der Mehrkosten des Baues der Vintschgaubahn und zur Aufstellung des Detailprojektes der Fortsetzung Mals — Eandeck und an die Reichsgrenze gegen die oelnveiz aufgenommenen Prioritatenanlehens von K 6,150.000. Reinertragnis sicherzustellen, wenn die Verbindung der Hauptbahn mit dem un¬ garisch-kroatischen Eisenbahnnetze durch ein Ubereinkommen mit Ungarn gesichert wiirde. Dies Ubereinkommen und dem- gemafi die Konzessionierung einer solchen Bahn kam nie zu stande. Bei der in jiingster Zeit erfolgten Aufstellung eines Programmes zur \virtschaftlichen Hebung Dalmatiens erachtete es die Regierung als ihre Pflicht, in erster Reihe die Ausfiihrung der kroatisch-dalmatinischen Bahnverbindung in dies Programm auf- zunehmen. In den gleichzeitig mit den letzten Ausgleichsverhandlungen, wenn auch ohne formellen Zusammenhang, ge- pflogenen Beratungen iiber Eisenbahn- *) In der Sttickzahl ist blofi die Anzabl der Lokomotiven enthalten. 10’ 148 Hermann Strach. fragen \vurde auch die Herstellung eines Anschlusses der Unterkrainer Bahnen an das ungarische Bahnnetz als eine Forderung der diesseitigen Reichshalfte aufgestellt, weil es klar war, dafi die angestrebte Angliederung des dalma- tinischen Staatsbahnnetzes an die Linie Fiume—Karlstadt fiir Osterreich nur dann nutzbar gemacht werden kann, wenn diese letztere Linie zugleich mit dem zunachst gelegenen Schienenstrange des osterreichischen Eisenbahnnetzes-, den UnterkrainerBahnen, in V erbindung gebracht wird. Dank den mit ebenso staatsmanniseh wie verkehrspolitisch klug gefiihrten Verhandlungen gelang es nach langivierigen Auseinandersetzungen, den hartnackigen Widerstand Ungarns zu besiegen, ohne dafi die in Zusammenhang gebrachten Interessen Osterreichs hin- sichtlich der Ausgestaltung der Kaschau- Oderberger Eisenbahn und des unga- rischerseits angestrebten direkten An¬ schlusses der Kaschau-Oderberger Bahn an die koniglich preufiischen Staatsbahnen in Oderberg preisgegeben iverden mufiten. Am 8. Oktober 1907 kam endlich die Vereinbarung zu stande, dafi beide Regierungen ubereinstimmen, normal- spurige Eisenbahnverbindungen einerseits von Rudolfswert iiber Mottling zur Landesgrenze und von dort nach Karl¬ stadt, anderseits von Ogulin oder einem anderen geeigneten Punkte der Karlstadt- Fiumaner Bahn iiber Otočac, Gospič, Gra¬ dac, Mala Popinaund Pribudič zur Landes¬ grenze und von dort nach Knin zur Ausfiih- rung zu bringen (s. Abb. 165 u. 166). Als Termin fiir den Baubeginn beider Linien ist das Jahr 1908, als Vollendungstermin der krainisch-kroatischen Linie der Oktober 1910 und der krainisch-dalmatinischen Linie der Dezember 1911 vereinbart. Am 22. November 1907 wurde das Gesetz auf Herstellung der auf osterreichischem Gebiete gelegenen Strecken auf Staats- kosten dem Abgeordnetenhause vorge- legt. Ejer Eisenbahnausschufi erklarte es fiir notig, die projektierten Strecken fiir den Schnellzugsverkehr geeignet herzu- stellen, und unerlafilich, dafi mit der ungarischen Regierung betreffs der ihrer- seits zu bauenden Strecken Brod—Karl¬ stadt und Knin—Pribudič clara pacta, sowohl was die gesetzmafiige Sicher- stellung des Baues, als auch was die Ausgestaltung der Bahn anbelangt, ge¬ macht \verden. Weiters soli schon jetzt die Unterkrainer Bahnstrecke Laibach— Rudolfswert und die Staatsbahnstrecke Laibach — Afiling fiir die Fiihrung von Schnellziigen ausgestaltet werden. Endlich wird empfohlen, mit der un¬ garischen Regierung Abmachungen be¬ treffs des direkten Wagenverkehrs zwischen Wien und Spalato zu treffen. Auch der Ausbau einer Bahn langs der ganzen Kiiste Dalmatiens erscheine im Interesse des Landes dringend geboten. Bei der Beratung der Vorlage im Ab¬ geordnetenhause wurde die Regierung aufgefordert, den Bau der Eisenbahn Dugopolj e—Ar ž a no—B u go j n o un- verziiglich in Angriff zu nehmen und in Bosnien sicherzustellen. Bei der Ab- stimmung wurde der Gesetzentwurf mit der Abiinderung angenommen, dali die Linie von Rudolfsvvert iiber Mottling an die Landesgrenze in der Richtung gegen Karlstadt mit einer Abzweigung nach Tschernembl oder iiber Tschernembl und Mottling gefiihrt werden solle. Die vom Ausschufi beantragte Resolution betreffend die Herstellung einer Bahn- verbindung von Gottschee nach Tscher¬ nembl wurde in geanderter Fassung zum Beschlusse erhoben. Ebenso wurden die beantragten Resolutionen, und zwar be¬ treffend die Verstaatlichung der Unter¬ krainer Lokalbahnen, den Bau der Bahn Aržano—Bugojno sowie jene die Ver- \vendung von heimischen Arbeitern bei den bevorstehenden Bahnbauten an¬ genommen. Der Eisenbahnminister gab im Reichs- rate die Erklarung ab, dali die Regierung hiemit ihre Tatigkeit fiir Dal- matien auch auf eisenbahnpolitischem Gebiete nicht fiir abgeschlossen erachte. Im Jahre 1907 wurden zwei Trassierungs- abteilungen, eine in Žara und eine in Spalato, eingerichtet. Die Zaratiner Ab- teilung trassierte bereits eine Verbindungs- linie von Žara in der Richtung gegen die bestehende Dalmatiner Bahn, so dafi es, wenn man sich die weitere Aus¬ gestaltung der Bahn nach Eroffnung des Anschlusses in Pribudič vorstelle, er- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 149 moglicht sein wiirde, auch direkt nach Žara zu gelangen, wahrend die Bahn auf dem bestehenden Gleis nach Spalato fiihren wiirde. Die Trassierungsabteilung in Spalato ist berufen, ankniipfend an die Bahn Spalato—Aržano, welche bis Dugopolje bereits ausgebaut ist, eine Fort- setzung nach Metkovič zu finden, wobei es der Regierung vorschwebt, dafi man Metkovič, wenn moglich, mit der See unmittelbar verbinde, um die jetzt bestehenden ungiinstigen Verhaltnisse zwischen Metkovič und der Adria gun- stiger zu gestalten. Das Gesetz (enthalten in dem am 3i.Dezember 1907 ausgegebenen CXXIX. Stiicke des RGB. Nr. 281) erhielt am 31. Dezember die Allerhochste Sanktion. Die veranschlagten Kosten, die als Maxi- malbetrage zu gelten haben, sind mit K 29,800.000 beziffert, wovon K 11,400.000 auf die Linie Pribudič— Knin entfallen. Das Gesetz schreibt aus- drucklich den Staatsbetrieb vor. Die Linien werden als Hauptbahnen zvveiten Ranges hergestellt. Das so lange stiefrniitterlich behandelte Dalmatien geht nun einer neuen, besseren Zukunft entgegen. * Die reinen Baukosten der vom Staate selbst erbauten Bahnen beliefen sich Ende 1897 auf K 401,731.000. Ende 1907 waren sie, ohne dafi hiebei die Kosten der noch im Bau begriffenen Strecken in Rechnung gezogen worden, auf K 711,022.000*) aufgelaufen. In einem Jahrzehnt hat demnach die osterreichische Regierung K 309,801.000 fur den Bau von Staatsbahnlinien aufgewendet, eine Ziffer, die wahrlich keiner naheren Beleuch- tung bedarf, betragt sie doch allein mehr als 75 °/ 0 der bis zum Jahre 1897 insgesamt fur denStaatseisenbahnbau aufgewendeten Kosten und sie wird nach Fertigstellung der Siidrampe der Tauernbahn noch eine erhebliche Steigerung erfahren. Ftir Oster- reichs Staats- und Volkswirtschaft bleiben die neugeschaffenen Verkehrslinien von einem unvergleichlich grofien Werte, der in Ziffern keinen Ausdruck finden kann. *) Nach Abschlag der lnteressenten- beitrage. Soli jedoch der Gesamtaufwand fest- gestellt werden, den Osterreich in diesem Jahrzehnt fur seine Staatsbahnlinien, abge- sehen von den Kosten des Erwerbes neuer Linien durch Verstaatlichung, auswies, so miissen noch die Investitionskosten in Be- tracht gezogen werden. Bis zum Ende 1897 waren nachtraglich investiert K18 8,5 3 3.000 zehn Jahre spater weist der Aufwand an In¬ vestitionskosten K 575 > 583 - 00 ° aus > von welchen K 46,3x7.000 auf die im Jahre 1907 verstaatlichten Linien der Kaiser Ferdinands-Nordbahn entfallen. Der Gesamtaufwand fiir Oster- reichs Staatsbahnen betrug: Ende 1907 .... K 3.071,101.000, Ende 1897 .... K 2.212,385.000. Im Jahrzehnt 1897 bis 1907 wurden somit fiir den Bau neuer Linien, Investitionen und den Erwerb von Privatbahnen K 1.458,710.000 aufgewendet. i5o Hermann Strach. Die Verstaatlichung der Privatbahnen. In der Geschichte des osterreichischen Eisenbahnwesens ist dem abgelaufenen Jahrzehnt nicht allein durch die Schaffung der neuen grofien Verkehrswege nach dem Siiden der Monarchie eine hohe Bedeu- tung gesichert. Eine nicht leicht zu iiber- bietende Wichtigkeit erlangte es auch dadurch, dafi auf dem Gebiete der Ver- kehrspolitik die seit Jahrzehnten schwe- bende Frage der Verstaatlichung der grofien Privatbahnen, ein wirtschaftlich- politisches Problem allererster Ordnung gelost, der Ubergang vom gemischten System zum Staatsbahnsystem erfolgreich durchgefiihrt wurde. Nach der Einlosung der Bohmi- schen Westbahn, Mahrischen Grenzbahn und der M it h r i s c h - Schlesischen Zentralbahn in der ersten Halfte der Neunzigerjahre war die Verstaatlichungsaktion der Regierung einigermafien ins Stocken gekommen. Im Jahre 1895 hatte die Regierung Einlei- tungen zur Einlosung der Osterreichi¬ schen Nordwestbahn und S il d - Norddeutschen Verbindungsbahn getroffen. Fiir das garantierte Netz der Osterreichischen Nordwestbahn war das Einlosungsrecht des Staates durch den § 23 der Konzessionsurkunde vom 8. September 1868 und zufolge § 5 des im Gesetze vom 19. November 1885, RGB. Nr. 164, bezogenen Protokollar- iibereinkommens vom 7. Mai 1885, ein- verstandlich mit der Bahngesellschaft be- reits auf den I. Jiinner 1895 festgesetzt, beziiglich der Linie der Siid-Nord- deutschen Verbindungsbahn war die Regierung nach Artikel IV des Ge- setzes vom 28. Juni 1892, RGB. Nr. 92, berechtigt, das staatliche Einlosungsrecht in Gemafiheit der einschlagigen Kon- zessionsbestimmungen sowie der in Ar¬ tikel X des mit diesem Gesetze geneh- migten Ubereinkommens vom 27. April 1892 enthaltenen besonderen Bestim- mungen zu dem ihr geeignet erscheinen- den Zeitpunkte auszuuben. Das Ergan- zungsnetz der Osterreichischen Nordwestb ahn (der Elbetalbahn) da- gegen war die Staatsvenvaltung nach § 21 der Konzessionsurkunde vom 25. Juni 1870, RGB. Nr. 109, erst vom 25. Juni 1900 ab einzulosen berechtigt. Das Bestreben, diese wichtige Haupt- bahn noch vor diesem Termine in die Hande der Staatsverwaltung zu bringen, liefi den Plan reifen, zwischen der Ge- sellschaft und dem Staate ein ahnliches Verhaltnis zu schaffen, wie es bei garan- tierten Bahnen bestand, die auf Grund des Sequestrationsgesetzes in Staatsbetrieb ubernommen worden waren. Die Aktiengesellschaft der Oster¬ reichischen Nordwestbahn solite dem Staate bis 1900 auch den Betrieb der Elbetalbahn iibertragen und solite auch nach der Einlosung des garan- tierten Netzes bestehen bleiben. Der Staat hatte die ganze Zentralleitung uber¬ nommen, die bisherige Generaldirektion solite zu einem staatlichen, der damaligen Generaldirektion der k. k. osterreichischen Staatsbahnen koordinierten Organe ge- macht werden. Die Gesellschaft lehnte ein derartiges Verhaltnis ab und die Regierung entschlofi sich zu dem Ubereinkommen vom 10. Fe¬ bruar 1896, auf dessen Grundlage der Gesetzentwurf iiber den »Ankauf der Osterreichischen Nordwestbahn und Siid- Norddeutschen Verbindungsbahn durch den Staat« am 27. Marž 1896 dem Ab- geordnetenhause vorgelegt werden konnte. Die entschieden ungunstige Haltung, die das Abgeordnetenhaus und der Eisen- bahnausschuE der Vorlage gegeniiber einnahmen, besiegelte deren Schicksal. Seit der einer Ablehnung der Vorlage gleichkommenden Vertagung der Aus- schufiverhandlungen am 12. Mai 1895 trat nunmehr aufierlich ein entschiedener Stillstand in der Verstaatlichungsaktion ein. Die Regierung wufite auch damals die grofien Vorteile einer moglichst ra- schen Verstaatlichung der grofien Privat¬ bahnen wohl zu wtirdigen, aber eine ganze Reihe tiberaus schwieriger Fragen liefien es zweckmafiig erscheinen, eine spatere Einlosung der Bahnen zu giin- stigeren Bedingungen vorzubereiten. Es Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 151 waren dies zunachst Fragen juristi- scher Natur liber die Auslegung des staatlichen Einlosungsrechtes und seiner materiellen Bestimmungen und Fragen der Tarif poli tik. Aber auch ernste Erwagungen finanzpolitischer Art, und zwar sowohl vom Standpunkte der Staatsfinanzen, aber auch nicht zuletzt Fragen des Eisenbahnkredites, welche hiebei in Betracht kommen mufiten. Um die authentische Interpretation der in den Konzessionen regelmafiig wieder- kehrenden, den Gegenstand strittiger Aus- legungen bildenden Verhaltnisse und Rechtsbegriffe zu schaffen, hatte die Re- gierung schon Ende 1896 die Absicht, ein Verstaatlichungsgesetz einzubnn- gen, das zwar wie das am 1. November 1896 in Kraft getretene schiveizerische Bundes- gesetz (vom 27. Marž 1896), tiber das Rechnungswesen der Eisenbahnen tief in die Rechtsverhaltnisse der Privatbahn- unternehmungen eingreifen, wohl keine Verletzung erivorbener Rechte, aber eine klare Begrenzung dieser Rechte be- zwecken solite. Obzwar auch Abgeord- neter Dr. Steinwender und Genossen am 26. November 1899 einen Antrag auf Erlassung eines solchen Eisenbahn- berechnungs- und Einlosungsgesetzes ein- gebracht hatten, wurde diese Absicht bis jetzt nicht vervvirklicht, obzwar noch im Dezember 1906 Eisenbahnminister Dr. von Derschatta ein solches Gesetz fiir notig hielt und die Einbringung eines solchen in Aussicht gestellt hatte. Im Abgeordnetenhause wurde die Verstaatlichungsfrage in jeder Session auf die Tagesordnung gebracht. In der 63. Sitzung der XVII. Session vom 23. Oktober 1901 wurde von den Ab- geordneten Kaftan, Maštalka und Genossen der Antrag gestellt die Re- gierung werde aufgefordert, schleunigst eine Gesetzesvorlage zur Verstaatlichung der Osterreichischen N o r d w e s t- bahn, Stid-Norddeutschen V e r- b i n d u n g s b a h n und des osterreichischen Netzes der Staatseisenbahn-Ge- sellschaft einzubringen. In der Budgetdebatte am 13. Mai 1902 hatte der Eisenbahnminister Dr. Ritter von W i 11 e k Gelegenheit, die Stellung der Regierung zur Verstaat¬ lichungsfrage zu kennzeichnen. Der Mi¬ nister venvies auf die aufierordentliche Tragweite der Frage fiir die Staatsfinanzen, die Riicksicht auf den Staatskredit verbiete jede Ubersturzung. Urspriinglich, aber in letzter Zeit schon weniger sei in der Offent- lichkeit die Meinung vertreten worden, die Verstaatlichung sei eine Panazee fiir alle finanziellen Schwachen und Leiden des Staatsbetriebes. Die Regierung teile diese Ansicht nicht. Wenn auch, was keines- \vegs sicher sei, eine Ertragssteigerung der Bahnen in den nachsten Jahren sich einstellen solite, so diirfe man nicht ver- kennen, dafi im Staatsbetriebe die Inter- essenten nicht so leicht zufrieden zu stellen seien als unter der Privatwirtschaft. In 152 Hermann Strach. bezug auf Fahrplane, Tarife, Sicher- stellung des Personals werden Anfor- derungen gestellt werden, die die Privat- bahnen leicht ablehnen, die Staatsver- waltung aber nicht ablehnen kann. Auch aus diesem Grande sei eine besondere Vorsicht in bezug auf die Verstaat- lichungsaktion geboten. Bei der Osterreichischen Nord- westbahn waren es prinzipielle Vor- fragen und solche von finanziell weittra- gender Bedeutung, die der Verstaatlichung damals im Wege standen. Vorerst die Steuerfrage des Ergžinzungsnetzes. Da das Erganzungsnetz erst 1903 steuer- pflichtig wurde, war es klar, dafi eine vorhergehende Verstaatlichung dem Staate finanzielle Nachteile gebracht hatte, da doch die Einlosungsrente, nach steuerfreien Einnahmen berechnet, sich unbedingt hoher stellen miifite. Eine weitere Frage blieb damals noch offen, die der Le- gung des zweiten Gleises. Die Regierung hatte im Dezember 1901 an die Gesell- schaft die Aufforderung gerichtet, sowohl beziiglich des Erganzungsnetzes als auch des garantierten Netzes an die Legung des zweiten Gleises zu schreiten. Die Gesell- schaft hatte gegen diesen Auftrag, in welchem ihr zugleich erklart wurde, dafi die Regierung die Heranziehung der Garantie zu diesem Zwecke nicht als konzessionsmafiig erachten konne, die Beschwerde an den Verwaltungs- gerichtshof ergriffen.*) Auch bei der Staatseisenbahn- Gesellschaft bestanden dadurch, dafi die einschlagigen Bestimmungen der Konstitutivurkunden in mehrfachen Be- langen an Vollstandigkeit und Klarheit viel zu wiinschen iibrig lassen, tief- gehende Differenzen in bezug auf den Umfang und Inhalt der Geltendmachung des staatlichen Einlosungsrechtes,**) wo- *) Siehe Seite 203. **) Hauptsachlich bestanden Difterenzen hinsichtlich der Auslegung des § 6 (Ein- losunasrecht der k. k. Regierung) des ge- legentlich der Ubernahme der auf ungarischem Gebiete gelegenen Linien der Gesellschaft durch den ungarischen Staat von der Gesell¬ schaft mit der osterreichischen Regierung ab- geschlossenen Ubereinkommens vom 12. No¬ vember 1882 (Z.-Bl. Nr. 148 ex 1882). Die Gesellschaft vertrat den Standpunkt, dafi bei noch die Schwierigkeit wegen der im Besitze der Gesellschaft befindlichen Nebenunternehmungen bestand. Die Regierung sah fur den Fali, als es nicht gelingen solite, durch Verhand- lungen eine Formel zu finden, bei welcher sowohl der Staat wie die Ge¬ sellschaft sich befriedigt erklaren, sogar das Betreten des Rechtsweges filr gegeben, zur Entscheidung, ob der Staat oder die Gesellschaft mit der Auslegung der Ein- losungsbestimmungen recht hat. Tatsachlich fanden im Jahre 1902 Verhandlungen mit der Staatseisenbahn- Gesellschaft statt, die aber, trotzdem die Regierung bei Bestimmung des Kauf- preises an die aufierst zulassige Grenze ging, keinen Erfolg hatten. Die Regierung war bereit zu ver- staatlichen, wie der Minister erklarte, aber nicht um j eden Preis. Die Regierung fand auch, dafi die Tariffrage im Falle der Verstaatlichung der grofien Privatbahnen einschneidendste Bedeutung erlangen miifite. Im Tarifaus- schusse des Eisenbahnrates wies Sektions- chef Dr. Liharzik nach, dafi bei Ver¬ staatlichung der Staatseisenbahn-Gesell- schaft die einfache Anwendung des reinen k. k. Staatsbahnbaremes im Guterdienste allein einen Ausfall von 7 Millionen Kronen, bei der Nordwestbahngruppe von 5 Millio¬ nen Kronen und bei der Kaiser Ferdinands- Nordbahn einen solchen von 1-5 Millionen Kronen jahrlich bringen miifite, bei Ver¬ staatlichung aller drei Netze \viirde in- folge des gesteigerten Durchrechnungs- effektes ein Ausfall von I7'5 Millionen Kronen zu gewartigen sein, der durch eine Tarifregulierung wettgemacht wer- den miifite. Diese Berechnungen, die durch ein- gehendere Untersuchungen jiingster Zeit bestatigt wurden, bilden auch die Begrun- dung fur die in allerjiingster Zeit in Aus- sicht genommene Tarifregulierung der k. k. osterreichischen Staatsbahnen. durch dies Ubereinkommen wesentliche An- derungen der- meritorischen Einlosungs- bestimmungen nicht getroffen sind und auch nicht beabsichtigt waren, und nur in bezug auf den Zeitraum eine neue Rechtsgrundlage geschaffen worden sei, wahrend die Regierung die beabsichtigte Abanderung der materiellen Ablosungsbedmgungen behauptete. AUgemeine Entwicklungsgeschichte. 153 Der EisenbahnausschuL perhorreszierte jede Verletzung des Eigentums durch die Staatsgewalt, der Einlosungspreis musse ausschlieftlich durch den auf Grand der Konzessionsbedingungen ermittelten Rein- ertrag bestimmt rverden. Der Schwerpunkt der Verstaatlichungsaktion liege nicht so sehr in der Tarif-, als vielmehr in der Organisationsfrage, die Ersparungen er- moglichen und eine Tariferhohung un- notig machen mufiten. Von besonderer Bedeutung war die Feststellung des Eisenbahnausschusses, die wirtschaftlichen Korporationen hatten wiederholt anerkannt, dafi die wirt- schaftlichen Kreise zumeist nicht so sehr ein Interesse an niedrigen als a n gleichartigen und stetigen Bahn- tarifen hatten. Denn ein billiger Tarif sei lange noch kein vorteilhafter Tarif. Der Eisenbahnausschufi stellte auch die Forderung auf, dafi auch alsbald die Verstaatlichung der osterreichischen Linie der Kaschau - Oderberger B a h n und der S ii d b a h n nachfolgen solle. Zu einer Verhandlung iiber den An- trag solite esjedochim Abgeordnetenhause nicht mehr kommen, die politischen Verhaltnisse der Jahre 1903 und 1904 waren nicht danach, grofie wirtschaft- liche Probleme in Angriff zu nehmen, und erst die bedeutsame Erklarung des MinisterprasidentenFreiherrn v. Gautsch in der Sitzung vom 7. Juli 1905 leitete wieder eine kraftvolle Durchfiihrung der Verstaatlichungsaktion ein. In derZwischenzeithatte die Regierung die Einlosung der Linien der E r s t e n U n g a r.-g a 1 i z. E i s e n b a h n und der Ungarischen Westbahn, die Er- werbung der zum Ausbau der Pyhrn- bahn nbtigen Kremstalbahn und der Pinzgauer Lokalbahn im Par¬ lamente durchgesetzt, die Verstaat¬ lichung der Werksbahn Ntirschan— Wilkischen, der Lokalbahnen Asch— Rofibach (Rofibach—Adorf und Postel- berg—Laun) durchgefiihrt.*) *) Zum erstenmal seit dem Bestehen der Eisenbahnen ist der Staat auch in die Lage gekommen, einem Bahnunternehmen gegen- uber von dem Heimfallsrechte Gebrauch zu machen. Dieses Unternehmen war die der Die Einlosung der osterreichischen Linien der Ungarisch-galizischen Eisenbahn und der Ungarischen Westbahn war keineswegs eine Ver¬ staatlichung im verkehrspolitischen Sinne, sondern lediglich eine formelle Ubernahme der bereits seit dem 1. Janner 1889 im Staatsbetriebe stehenden Linien in das Eigentum des Staates als Voraussetzung ftir eine finanzielle Transaktion zur Er- mafiigung der dem Staate erwachsenden Jahreslasten. Mit dem Gesetze vom 25. Mai 1889, RGB. Nr. 82, wurde namlich dem von der Regierung mit den beiden Bahnen abgeschlossenen Ubereinkommen betref- fend die Betriebsubernahme und even- tuelle Einlosung der osterreichischen Strecken die legislative Genehmigung er- teilt und die Regierung ermachtigt, vom 1. Janner 1889 den Betrieb dieser Linien ftir Rechnung des Staates zu fiihren. Als Ent- gelt wurden den beteiligten Bahnverwal- tungen an Stelle der bis dahin gewahrten Ertragnisgarantie Renten zugesichert, welche dem Erfordernis fiir die bedun- gene zum Teile 5°/ 0 ige Verzinsung und planmafiige Tilgungderauf die osterreichi¬ schen Strecken entfallenden Prioritats- anlehen sowie der 5°/ 0 igen Verzinsung und Amortisation der entsprechenden Quoten des Aktienkapitals entsprachen. Die Regierung hatte sich das Recht vorbehalten, die Prioritatsanlehen zur Ruckzahlung zu bringen oder zu kon- vertieren. Ersparnisse bei einer Kon- vertierung sollten ausschliefilich dem Staate zufliefien. Die inzwischen eingetretene allgemeine Herabsetzung des Zinsfufies, Wolfsegg-Trauntaler Kohlenwerk- und Eisenbahngesellschaft in Steyr gehOrige, mit dem Allerhochsten Privilegium vom 2^. Janner 1853 konzessionierte Bahn Wolfsegg— Breitenschiitzing, deren Konzessions- dauer am 25. Janner 1903 ablief. Die Unter- nehmung wollte unter Hinweis, dafi es sich um eine Werkbahn handle, das Heimfalls- recht nicht anerkennen und iiberreichte die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die sie aber nach Verhandlungen mit der Regierung zuriickzog, so dafi der Heimfall tatsachlich vollzogen ist. Die Bahn wurde der bisherigen Eigentumerin gegen eine vereinbarte, pro beforderte Tonne zu be- rechnende Entschadigung auf 5 ° Jahre iiber- lassen. 154 Hermann Strach. die schon die Konvertierang eines gro- fieren Teiles der gemeinsamen Rente sowie die freiwillige Konvertierang der 5°/ 0 igen Prioritatsanlehen der Osterreichi- schen Nordvvestbahn in 3 1 l 2 °lo^S e ermog- lichte, liefi es angezeigt erscheinen, von diesem Rechte Gebrauch zu machen. Aus formellen und praktischen Grtinden wurde die Konvertierang noch vvahrend des Bestandes der Gesellschaft durchgefiihrt und am 19. Juni 1903 legte die Regie- rung dem Abgeordnetenhause den Gesetz- entwurf betreffend die Einlosung dieser Linien durch den Staat vor, wobei der Staat die gesellschaftlichen Prioritats- obligationen zur Selbstzahlung mit der Mafigabe ermachtigt vvurde, dafi von dem Rechte der Ablosung der Annuitaten- zahlungen durch einmalige Kapitals- zahlungen an die Gesellschaften Gebrauch zu machen ist. Zur Bedeckung des Er- fordernisses sollen Obligationen der 4°/ 0 igen Kronenrente ausgegeben werden. Die aus der Kapitalisierung der Annuitats- raten sich ergebenden Ersparnisse be- ziffern sich mit K 200.000 jahrlich. Erst am 21. Marž 1905 konnte der Entwurf in zweiter und dritter Lesung angenom- men und nach Zustimmung des Herren- hauses am 15. Mai 1905 sanktioniert (RGB. Nr. 79) werden. Am 10. Mai 1905 hatte die Generalver- sammlungder Ersten Ungarisch-galizi- schen Eisenbahn die Liquidation des Unternehmens beschlossen. Die U n g a- rische Westbahn zahlt noch immer zu den »vom Staate tur eigene Rechnung betriebenen Privatbahnen«. Das auf die ungarische Strecke entfallende Aktien- kapital der Ungarischen Westbahn vvurde schon im Janner 1893 gegen ungarische Kronenrente umgetauscht. Die Einlosung der noch in Umlauf belin d- lichen Aktien seitens der osterreichi- schen Regierung ist noch nicht durch- gefiihrt. Mit Ende Dezember 1907 bestand die Emissionsschuld noch in dem 4°/ 0 igen Anlehenin Silbergulden 1,414.000 gleich K 2,828.000. Der Ervverbspreis (ohne den Aufvvand fiir nachtragliehe Investitionen) stellt sich fiir die galizische Linie der Ersten Ungarisch-galizischen Eisenbahn auf K 62,371.785, die Emissionsschuld betrug Ende Dezember 1907 K 73,367.400. Die Werkbahn Niirschan—Wil- kischen (Hermannshiitte) (9-4 km) und die Lokalbahnen Asch — Rofibach (mit Rofibach—Adorf, zus. 26-8 km und Postelberg—Laun (11-4 km) gingen mit 1. Janner 1905 ins Staatseigentum uber. Die genannte Werksbahn der Prager Eisenindustrie-Gesellschaft vvurde um den Kaufschilling von K 210.000 ervvorben. Auf Grand des Artikels 18 des Lokal- bahngesetzes vom 21. Dezember 1898, RGB. Nr. 233, hat die Regierung von dem konzessionsmafiigen Einlosungs ■ rechte beziiglich der Linien Asch — Rofibach und Rofibach—Reichs- grenze mit Wirksamkeit vom 1. Janner 1905 Gebrauch gemacht. Die Einlosungs- entschadigung bildete der mit 5% dis- kontierte Kapitalswert der bis zum Ende der Konzession, das ist bis 14. Juli 1874 laufenden Annuititten fiir das Nominal- anlagekapital per K 1,200.000. Danach stellt sich der Einlosungspreis auf K 1,174.220, von vvelchem mit Rtick- sicht darauf, dafi sich am I. Janner 1905 bereits infolge freihiindigen Kaufes, be- ziehungsvveise infolge der seinerzeitigen Beteiligung des Staatsschatzes bei der Kapitalsbeschaffung 3998 Stiick Stamm- aktien und 1254 Stiick Prioritatsaktien im Besitze des Staates befanden, ledio-- lich K i2/p799'5i an die Gesellschaft bar hinausbezahlt werden mufiten. Be- ziiglich der auf sachsischem Gebiete gelegenen Strecke bis Adorf ist die Staatsverwaltung ab I. Janner 1905 unter gleichzeitiger Ubernahme der auf diese Strecke aufgenommenen 4°/ 0 igen Priori- tatsanleihe per K 2,166.000 zur Selbst¬ zahlung in die Rechte und Verbindlich- keiten der Gesellschaft gegentiber der koniglich sachsischen Regierung als Rechtsnachfolgerin eingetreten. Die Emis¬ sionsschuld betrug mit Ende 1907 K 2,156.000. Zufolge des im Grande des Arti¬ kels XIV des Lokalbahngesetzes vom 1. Juli 1901, RGB. Nr. 85, aufgenom¬ menen Protokolles vom 26. November 1904 sovvie des hienach mit der Aktien- gesellschaft »Lokalbahn Postel- b er g—-Laun« abgeschlossenen Uber- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 155 einkommens vom 13. Juni 1905 erfolgte riickwirkend ab I. Janner 1905 die kon- zessionsmafiige Einlosung dieser Lokal- bahn gegen die Verpflichtung des Staates : a) die gesellschaftlichen Prioritats- aktien im urspriinglichen Nominalbetrage von K 408.000 zu verzinsen und zu amortisieren; b) der Aktiengesellschaft jen en Betrag bar auszuzahlen, welcher der Quote von 55 °/o des Erfordernisses fiir die 4%ige Selbstzahlung zu ubernehmen, in welchem diese Schuld nach Abschlag der aus dem gesellschaftlichen Einkommen des Jahres 1904 zu leistenden Riickzahlung aushaftet. Stand der Emissionen und Darlehen mit Ende 1907 K 1,607.115-07. Auf Grand der mit dem Gesetze vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 121, erteilten Ermachtigung hatte die Regierung die Linien der Kremstalbahn-Gesell- schaft, deren Betrieb vom 1. November Abb. 162. Vintschgaubahn. Bahnhof Meran. Verzinsung des gesellschaftlichen Stamm- ■aktienkapitals derzeit im Nominalbetrage von K 526.400 und fur die jeweilig ent- fallende Tilgungsquote gleichkommt; c) das seitens der Lokalbahngesell- schaft bei der Landesbank des Konig- reiches Bohmen aufgenommene Hypo- thekardarlehen mit dem ungetilgt ver- bliebenen Betrage von K 801.516-52 zur Selbstzahlung zu ubernehmen; d) die der Aktiengesellschaft gegen- fiber dem Landesausschusse des Konig- reiches Bohmen ervvachsene Garantie- vorschufischuld in jenem Betrage zur 1902 angefangen, seitens der Staatseisen- bahnverwaltung gegen Zahlung einer 3 0 / 0 igen Pachtrente geftihrt wurde, mit Wirksamkeit vom 1. Janner 1906 ein- gelost.*) Von diesem Zeitpunkte an iibernahm die Staatsvenvaltung das bei der Allgemeinen Sparkasse in Linz aufgenommene Hypo- thekaranlehen im urspriinglichen Betrage von K 160.000, von welchen am 1. Janner 1906 noch K 154.592 unge- *J Die Einlosung der Kremstalbahn fand bereits bei Besprechung des Baues der Pyhrnbahn Erwahnung. 156 Hermann Strach. tilgt aushafteten, sowie das zur Umge- staltung der Kremstalbahn in eine Haupt- bahn zweiten Ranges aufgenommene Prioritatsanlehen von K 5,100.000 zur Selbstzahlung. Die gesellschaftlichen Aktien in dem pro 1. Janner 1906 nach Abzug der I905er Tilgungsquote im Umlaufe befind- lichen Nominalbetrage von K 3,839.400 werden durch Abstempelung in Staats- schuldverschreibungen umgewandelt. Die Emissionsschuld betrug mit Ende 1907 K 8,908.200. Mit dem Gesetz vom 24. Juli 1905, RGB. Nr. 128, wurde die Regierung er- machtigt, das Unternehmen der Pinz- gauer Lokalbahn (Zeli a. See—Krimml) gegen Ubernahme der Anlehen der Ge- sellschaft zur Selbstzahlung fiir den Staat zu erwerben. Hier handelte es sich abermals nicht um eine Eisenbahnver- staatlichung in verkehrspolitischer Hin- sicbt, sondern wieder nur um die for- melle Ubernahme einer ohnedies im Staatsbetriebe stehenden Bahn, deren Aktien sich fast samtlich im Besitze des Staates befanden. Hiebei wurde die Garantieverpflichtung des Landes Salz¬ burg aufgelassen, gegen die Verpflichtung des Landes, der Staatsverwaltung Stamm- aktien der Pinzgauer Lokalbahngesell- schaft im Gesamtnominalbetrage von K 40.000 unentgeltlich zu ubergeben und den Kapitalsbetrag von K 1,000.000 an die Staatsverwaltung bar zu zahlen und auf Regrefianspriiche an die Gesellschaft zu verzichten. Die Forderung der Staatsbahnver- waltung fur die dem Unternehmen vom 1. Janner 1903 bis 31. Dezember 1905 gestundeten Betriebs- und Bauauslagen im Gesamtbetrage von K 200.367'8o gelangte zur Abschreibung. Die Emissionsschuld betrug mit Ende 1907 K 2,632.000. Einstweilen wurden auch die Miihl- kreisbahn, die Lokalbahn Cilli — Wollan mit dem Fliigel Hundsdorf —Skališ, die Welser Lokalbahnen und spater auch die Lokalbahn Včcklabruck — Kammer in den Staatsbahnbetrieb iibernommen (s. S. 228). Der Anktindigung des Ministerprasi- denten Freiherrn v. Gautsch in der Sitzung vom 7. Juli 1905 folgte alsbald die Tat. Der Kaiser Ferdinands-Nord- b a h n, der Staatseisenbabn - Ge¬ sellschaft, der Osterreichischen Nordwestbahn, S ti d - N o r d d e u t- schen Verbindungsbahn und der Eisenbahn W i e n—A sp ang gingen Er- lasse zu, in welchen die Verwaltungen auf- gefordert wurden, Vertreter fiir die durchzu- fiihrenden Verstaatlichungsverhandlungen zu entsenden. Dem Ministerium Gautsch war es nur gegonnt, einen Erfolg in dem Abschlusse eines Ubereinkommens mit der Kaiser F e r d in an d s - N o r d b ah n zu finden, fiir die, wie bei der Siid-Norddeut- schen Verbindungsbahn, die Verhaltnisse insofern einfach lagen, als lediglich eine konzessionsmafiige Einlosung durchzu- fiihren war. Die Verstaatlichung der Kaiser Ferdinands-Nordbahn. Der Ruf nach Verstaatlichung der Nordbahn war schon, als das 5ojahrige Privilegium mit demjahre 1885 zu Ende ging, ein allgemeiner und lauter gewesen. Von Anhangern einer zielbewufiten Ver- staatlichungspolitik in Osterreich wurde die Erneuerung der Konzession der Nord¬ bahn mit 1. Janner 1886 (Gesetz vom 6. September 1885, RGB. Nr. 122) als bedauerliche Inkonsequenz empfunden. Bei der wirren Rechtslage, welche durch die verschiedenartige Auslegung der Privilegiumsbestimmungen geschaffen war, griff die Regierung damals zu dem Aus- kunftsmittel, durch die Konzessionser- teilung ein zweckmafiiges Ubergangs- stadium zu schaffen, die Moglichkeit einer fiir den Staat giinstigen Ver¬ staatlichung schon ab 1904 vorzubereiten. Unverkennbar sind die Vorteile, welche die Staatsverwaltung dadurch erzielte, denn die Gesellschaft hatte in dieser Zwischenzeit 110 Millionen Kronen aus eigenen Mitteln investiert und ohne dafi der Staat eine Beihilfe zu leisten oder Kosten zu tragen hatte, die im vorhinein keineswegs eine ausreichende Rentabilitat versprechende 180 km lange Stadtebahn (Kojetein—Bielitz) sowie 301 km wichtige Lokalbahnen bauen miissen. Dem Staats- schatze wurden 24^44 Millionen Kronen '57 Allgemeine Entwicklungsgeschichte. an Garantievorschilssen fiir die Mahrisch- schlesische Nordbahn zuriickgestellt und ohne dafi das geringste Unternehmer- risiko des Staates bestand, sind ihm an 24 Millionen Kronen durch den so viel- fach aber mit wenig Recht als Danaer- geschenk bezeichneten Anteil am Rein- gewinne der Nordbahn zugefiihrt worden. Die aufierordentliche Zunahme der Betriebseinnahmen der Nordbahn, die von 48’5 Millionen Kronen im Jahre 1886 auf 92 - 9 Millionen Kronen im Jahre 1904 eingeraumten Rechtes durch wiederholte Tarifherabsetzungen den Forderungen von Handel und Industrie zu entsprechen. Als im Jahre 1901 und 1902 das Rein- ertragnis der Nordbahn unter K 200 pro Aktie sank, stellte die Gesellschaft das Begehren auf Tariferhohungen, und als die Regierung dies verweigerte, erhob die Gesellschaft die Beschvverde beim Verwaltungsgerichtshofe. Das in diesem Tarifstreite eingesetzte Schiedsgericht hat nach der am 13. November 1903 durch- Abb. 163. Vintschgaubahn. Feierliche Eimveihung in Mals am i. Juli 1906. stiegen, und des Betriebsiiberschusses von 22 '5 Millionen Kronen (1896) auf 33’5 Millionen Kronen (1904), liefi jedoch das Verlangen nach Einverleibung in die Staatsverwaltung in der Offentlichkeit und im Parlamente immer dringendere hormen annehmen, und als die Regierung I 9°3 erklarte, die fallende Tendenz der Betriebseinnahmen zur Erzielung einer giinstigeren Einlosungsrente ausniitzen zu wollen, fand sie keineswegs die all¬ gemeine Zustimmung. Das Eisenbahn- ministerium war gleichwohl darauf bedacht, a uf Grund des ihr durch die Konzession gefiihrten Verhandlung die Klage der Nordbahn abgewiesen. Spaterhin liefi die Regierung •einige Tariferhohungen zu. Durch die angeordnete Durchrechnung der Staatsbahntarife trachtete die Re¬ gierung fiir eine Anzahl von Artikeln aus und nach Galizien auf der Nordbahn handelspolitischenAnsprtichen zu genugen. Leider mufite aber die Staatsverwal- tung zur Erkenntnis kommen, dafi die in der Richtung auf Geltendmachung der tarifarischen Einflufinahme vorbe- haltenen Hoheitsrechte des Staates trotz ihrer \veitgehenden konzessionsmafiigen 158 Hermann Strach. Sicherung sich nicht als geniigende Kautel bewahrten, um der Regierung jenen Einflufi auf das zwischen beiien Staatsbahnkomplexen gelegene Privat- bahnunternehmen zu schaffen, der sich fiir die ungehinderte Betatigung einer vveitgreifenden, rationellen staatlichen Verkehrs- und Tarifpolitik als notwendig erwies, so dafi auch im vorliegenden Falle neuerlich die von iiberzeugten Anhangern des Staatsbahnsystems stets vertretene Anschauung bestatigt wurde, dafi die weitestgehenden konzessions- und vertragsmafiigen Vorbehalte und die kraftigste konsequente Handhabung des staatlichen Aufsichts- und Verfugungs- rechtes gegeniiber den Privatunter- nehmungen nicht ausreichend sind, um die unmittelbare Unterstellung der Eisen- bahnen unter die Staatsgewalt wirksam zu ersetzen. Die Nordbahn mulite verstaatlicht werden, weil sie nur aus dem Gesichts- punkte eines moglichst hohen Ertrag- nisses verwaltet wurde und hiedurch die grofie und oberste Aufgabe der staat¬ lichen Verkehrspolitik beeintrachtigte, die darin gipfelt: »Die finanziellen Gesichts- punkte der Eisenbahnverwaltung in Ein- klang zu bringen mit den kommerziellen Bediirfnissen der Bevolkerung, aber auch als ausgleichendes Korrelat der Zollpoli- tik zu wirken.« Welche Bedeutung insbesondere der letztere Teil dieser Aufgabe in dem Augenblicke haben mulite, als die Re- gelung der handelspolitischen Bezie- hungen zwischen Osterreich und Ungarn auf der Tagesordnung stand, braucht wohl nicht erst hervorgehoben zu werden und man darf auch hierin einen der triftigsten Griinde suchen, welche die beschleunigte Uberfiihrung der Nord¬ bahn in die Staatsver wal tun g fiir angezeigt erachten liefien. Auf Grundlage des mit der Nordbahn am 3. Marž 1906 abgeschlossenen Uber- einkommens konnte nocji am Tage vor demRucktritte desMinisteriums Gautsch, am 1. Mai 1906, die Gesetzesvorlage be- treffend die Erwerbung des Hauptbahn- netzes und der Lokalbahnen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn sowie der Ostrau-Friedlander Bahn durch den Staat dem Abgeordnetenhause vor- gelegt werden. In der Begrundung- \veist die Re- gierung auf die schweren Mangel hin, die dem gemischten System erfahrungs- gemafi anhaften, die abgesehen von mancher in ihrem Gefolge auftauchenden finanziellen Abtraglichkeit, die Staats- verwaltung in der vollen unbeirrten Austibung ihrer wirtschaftspolitischen Pfiichten durch gleichermafien auf dem kommerziellen wie auf dem betriebs- und verkehrstechnischen Gebiete entstehende Erschwernisse beschranken und be- hindern. Die unverkennbaren Nachteile der Trennung der nordostlichen, west- lichen und siidlichen Linien durch eine grofie Privatbahn miifiten in dem Augen¬ blicke, wo der mit so grofien Opfern geschaf- fene zweite Verkehrsweg mit dem Siiden eine direkte Verbindung zwischen dem Nordosten und Siiden des Reiches be- \virken solite, schwer empfunden werden. Neben den Anforderungen einer grofien Staatswirtschaftspolitik haben fiir die Ver- staatlichung der Nordbahn die eminenten Bedtirfnisse eines geordneten Betriebes der derzeitigen Staatsbahnen gesprochen. Fast 3000 km Staatsbahnen im Osten des Reiches und das kleinere Staatsbahn- netz in Mahren und Schlesien waren von dem grofien Stocke der westlichen k. k. Staatsbahnen durch die Nordbahn getrennt, in betriebsokonomischerHinsicht ein unhaltbar gewordener Zustand, der die Uberleitung der Verkehrsmittel von einem Staatsbahnnetz auf das andere ersclrwerte, der einheitlich kommerziellen und betriebstechnischen Leistung hin- derlich im Wege war. Nicht zuletzt war auch die Erwagung mafigebend, dafi den Staatsbahnen, deren Rentabilitat bisher infolge ihrer Zu- sammensetzung eine unbefriedigende bleiben mufite, endlich ein Unternehmen einverleibt werde, das Dank seiner vor- ziiglichen Anlage, seiner Verkehrsent- wicklung und Ertragsfahigkeit bessere Ergebnisse liefern konne als das Kon¬ glomerat von Bahnen, die seinerzeit ver¬ staatlicht werden mufiten, weil sie ent- weder notleidend oder als Produkte einer verfehlten Eisenbahnpolitik durch die Inanspruchnahme von Staatsgarantien Allgemeine Entvvicklungsgeschichte. 159 dem sanierenden Staatsbetriebe verfielen und von Bahnen, deren Rentabilitat infolge ihrer Anlage als Gebirgsbahnen durch Alpen, Karst und Karpathen bei hoben Baukosten und schvvierigen Be- triebsverhaltnissen stets eine bescheidene bleiben mufi, und endlich von Bahnen, die aus strategischen und anderen staats- oder volkswirtschaftlichen Riicksichten schon im vorhinsin unter Verzicht auf in Ansehung der Kontrolle der Betriebs- fahigkeit, der Investitionen und der Bilan- zierung der Privatbahnen den privat- rechtlichen Charakter absprach und sie als Hoheitsrechte des Staates qualifizierte. Die Art, wie die Verstaatlichung der Nordbahn durchgefuhrt wurde, unter- scheidet sich wesentlich von allen bis- her in Osterreich vollzogenen Aktionen ahnlicher Art. Es ist zweifellos, dafi Abb. 164. Vintschgaubahn. Einfahrt des Eroffnungszuges in Mals. ein entsprechendes Ertragnis vom Staate gebaut wurden. In der Person des Eisenbahnministers br. v. D e r s c h a t t a erstand der Vorlage ein energischer Vertreter. Bei der ersten Lesung konnte der Minister schon den entschiedenen Standpunkt kennzeichnen, den die Regierung fernerhin einzunehmen gedenke, indem er sich fiir die zielbe wufite Fortsetzung der Verstaatlichung der Privatbahnen aussprach. Auch iiber die Steli ung der Staatsverwaltung den Privatbahnen gegenuber hatte sich der Minister sehr bedeutsam ausgesprochen, indem er dem Recht der Staatsvervvaltung | die Ablosung des Eigentums der Nord- bahn durch die Staatsvervvaltung mit einem gewissenWohlwollen vor- bereitet \vurde, einem Wohlwollen fiir die Gesellschaft und einem anerkennens- werten Wohlwollen fiir ihre Bediensteten. Der Staat ervvarb die Hauptbahn samt Zubehor ab 1. Janner 1906 fiir eine bis 31. Dezember 1940 laufende Jahres- rente von K 30,537.000, die Lokalbahnen gegen die fiir jede einzelne berechneten Jahresrenten, die Lokalbahn Kremsier— Zborowitz fiir ein Kapital von K 1, 559 -^ 54 ) die Realitaten fiir K 3,715.000, die 3936 Ostrau-Friedlander Aktien fiir K 3,936.000, i6o Hermann Strach. schliefilich den J^-Anteil an der Wiener Verbindungsbahn fur K 1,058.382. Die Renten sind ohne jeden Steuerabzug (auch renten steuerfrei) zu zahlen und nicht in die Erwerbssteuergrundlage der Gesellschaft einzubeziehen. Die noch nicht begebenen und unverlost geblie- benen Prioritaten, K 10,434.000 vom Jahre 1888 und K 51,060.000 vom Jahre 1904 wurden dem Staate zur Bil- dung eines Investitionsfonds ubergeben; ihre Annuitaten belasten die Gesellschaft jedoch nicht. Der Staat ubernahm die sonstigen noch umlaufenden Prioritaten zur Selbstzahlung. Der Dienst der Krakau-Oberschlesischen Eisenbahnpri- oritatsaktien und -Obligationen wird je¬ doch weiter von der Gesellschaft auf eigene Rechnung besorgt. Im Eigentum derGesellschaft verblieben die Koblenwerke und die Montanbahn samt Fahrpark sowie Realitaten aufierhalb der Bahn und einige Fonds. Die Montan¬ bahn ist von der Staatseisenbahnverwal- tung auf Grand eines bis 1940 ab- geschlossenen Betriebsvertrages gegen Vergiitung der pauschalierten Selbstkosten in Betrieb genommen. Mit dem Gesetze vom 31. Oktober 1906, RGB. Nr. 212, wurde das abge- schlossene Ubereinkommen genehmigt. Ab 1. Janner 1907 wurde das vom Staate erworbene Netz der Nordbahn, das vom 1. Janner 1906 schon fiir Rechnung des Staates venvaltet wurde, in den Eigen- betrieb des Staates ubernommen. Im ganzen und grofien blieb die bisherige Organisation auch bei der als k. k. Nor d- bahndirektion bezeichneten neuen staatlichen Amtsstelle bestehen, an deren Spitze der bisherige Prasidialchef des k. k. Eisenbahnministeriums Dr. Carl Freiherr von B a n h a n s als Sektionschef und Direktor trat. Freiherr von Banhans, der schon durch drei Jahre als landesfurstlicher Kommissar bei der Kaiser Ferdinands- Nordbahn Gelegenheit hatte, die Ver- haltnisSe dieser Verwaltung kennen zu lernen, ubernahm unter aufierst schivie- rigen Verhaltnissen sein Amt. Schon in den Monaten November und Dezember 1906 hatte der Giiterverkehr auf der Nordbahn und vor allem der Ubergangs- verkehr von und nach den Anschlufi- bahnen eine derart sprunghafte Steige- rung erfahren, dafi unmittelbar vor Jahres- schlufi auch durch ungiinstigere Wit- terungsverhaltnisse beeinflufit, eine Ein- stellung des Giiterverkehrs erfolgen mufite. Als auch im Janner 1907 die Verkehrsschwierigkeiten anhielten und die Lage insofern eine drohende \vurde, als in den Industriezentren bereits Kohlen- mangel drohte, griff das Eisenbahn- ministerium zu energischen Mafinahmen. Verscharft wurde die Lage, als auch auf der Kaschau-Oderberger Eisenbahn und teilweise auf den ostlichen Staatsbahnen ebenfalls Verkehrseinstellungen erfolgten und die koniglich preufiischen Staats¬ bahnen dies zum Anlafi nahmen, die ge- samte Kohlenbeforderung nach Oster- reich zu sistieren. Im Parlamente gaben diese Zustande Anlafi zu Interpellationen, in welchen einerseits die ehemalige Nordbahnverwaltung beschuldigt wurde, durch unzureichende Investitionen, unzu- reichende Fahrbetriebsmittel, diese Mifi- stande herbeigefuhrt zu haben, ander- seits die Regierung, besonders aber die k. k. Generalinspektion der osterreichi- schen Eisenbahnen, wegen mangelhaf- ter Kontrolle verantwortlich gemacht wurde. Der Eisenbahnminister erklarte ge- legentlich der Beratungen iiber das Lo- kalbahngesetz, dafi eine unerwartet hohe Steigerung des Gesamtverkehres, abnorme Witterungsverhaltnisse, aber auch die Unzulanglichkeit der Stations- und Gleis- anlagen, der Mangel an Lokomotiven und Waggons schuld an den Verkehrs- storungen hatten. Die Ubelstande bei der Nordbahn seien schon vor der Ver- staatlichung bekannt gewesen, das tjber- einkommen mufite jedoch angenommen werden, weil angesichts der Hochkon- junktur jede Verschleppung den Staat in der hoheren Rente unverantwortlicher- \veise geschadigt hatte. Im Jahre 1906 wurde, selbst nach Abzug der im Falle der Nichtverstaatlichung eingetretenen Ge- winnbeteiligung ein Reinertrag von 5 Millionen Kronen liber die Rente hin- aus erzielt. Ungeachtet der Verzinsung der hohen Kosten der notigen grofien Investitionen sei eine weitere Steigung Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 161 des Ertragnisses liber die Rente zu erwarten. Die Ergebnisse des folgenden Jahres haben die Voraussetzung vollauf bestatigt. Es betrugennamlichdieBetriebs- iiberschiisse: 1905 . . . ^32,302.571, 1906 . . . . * 39,536.302, 1907 .... » 46,048.078. Wahrend der kurzen Zeit der Betrieb- fiihrunghat die Regierungfur dieErhohung der Leistungsfahigkeit des Nordbahnnetzes weitge- hende Mafinahmen getrof- fen, welche nebst einer aufierordentlichen Ver- mehrung der Fahrbetriebs- mittel zumeist Stations- erweiterungen, den Bau von Vor- und Rangier- bahnhofen u. a. umfassen. Da die Verkehrsleistung des Doppelgleises im Ver- kehre nach Wien die theoretische Maximallei- stung nahezu) erreicht hat,*) ist die Schaffung eines dritten Gleises in Aussicht genommen. Ne¬ ben grofi en baulichen In- vestitionen schreitet die Umgestaltung auch des Fahrparkes in erwiinsch- tem Mafie weiter vor. Fiir das Jahr 1909 ist die An- schaffung von 72 Loko- motiven und 2000 Wa- gen vorgesehen. Die Er- neuerung des Lokomoti- venbestandes ist um so wichtiger, als jetzt noch Lokomotiven aus den Vierzigerjahren benutzt werden miissen, Maschi- nen, die bei ihrer geringen Leistungs¬ fahigkeit begreiflicherweise ganz unoko- nomisch arbeiten. *) Welche sprunghafte Steigerung der Verkehr auf der verstaatlicbten Nordbahn nahm, mogen einige Zilfern beleuchten. Im Jahre 1907 haben um 69.466 Zuge mehr ver- kehrt als im Jahre 1906 (-J- 26-8°/ u ) und um 78.934 Zuge mehr als im Jahre 1905 (-|- 31"6“/„). Die Zahl der geleisteten Zugkilometer hat im Jahre 1907 die Ziffer von 17,865.134 erreicht, was gegeniiber den korrespondierenden Daten Dank den getroffenen Mafinahmen hat das Netz den gesteigerten Anforderungen des Verkehres in jiingster Zeit voli ent- sprochen. Schon wahrend der kurzen Zeit der Betriebfiihrung der Nordbahn ist der Beweis erbracht worden, dafi auch der Staatsbetrieb befriedigende finanzielle Erfolge ebenso wie eine .Privatbahnver- waltung zu liefern vermag, \venn die Vorbedingung der Ertragsfahigkeit der betreffenden Linie gegeben ist, und diese Leistung fallt um so schwerer ins Gewicht, als dem Staatsbetriebe aus volksvvirt- schaftlichen und sozialpolitischen Riick- pro 1905 (15,997.548) und 1906 (16,646.014) einer Mehrleistung an Zugkilometern von 1,867.586 (4- il‘7°/o), beziehungsweise von 1,219.120 (+ 7'3%) entspricht. Und das Jahr 1908 brachte eine weitere erhebliche Steigerung — an nicht wenigen Tagen wurde eine Leistung von zehn Millionen Nettotonnenkilometern erreicht. II 162 Hermann Strach. sichten empfindliche Opfer auferlegt sind, denen sich die Privatbahnen als reine Erwerbsunternehmungen zu entziehen ver- mogen. Durch die Verstaatlichung der Nord- bahn erfuhr das Netz der k. k. Staats- bahnen eine Erweiterung um 1309^275 km, zu welchen noch die mit 1. Janner 1907 bishin von der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn fiir Rechnung der Eigentiimer be- triebenen normalspurigen Bahnen treten, deren Betrieb nunmehr vom Staate fiir Rechnung der Eigentiimer weiter gefiihrt wird, und zwar: Ostrau - Friedlander Bahn 33'o km, AuspitzerLokalbahn 6 - 8 km, Lokalbahn Lundenburg—Eisgrub 7'8 km, Mutenitz—Gaya i6'o km, Otrokowitz— Zlin—Wisowitz 24^7 km, Saitz—Czeicz— Goding 38-1 km, Stramberg—Wernsdorf 6'6 km, Troppau—Gratz 5^4 km. Von dem vom Staate fiir die Nord- bahn gegen Abrechnung von den Ein- losungsrenten zur Selbstzahlung iiber- nommenen Prioritatsanlehen bestand Ende 1907 noch eine Gesamtschuld von K 270,238.600. In der Thronrede, mit der Seine Maj estat der Kaiser am 19. Juni 1907 den Reichs- rat feierlich eroffnete, ist es als eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung hin- gestellt, »die Aktion der Verstaatlichung der vom verkehrspolitischen Standpunkte wichtigen Bahnen fortzufiihren und so die wirtschaftliche Machtfiille des Staates durch die Erwerbung dieser neuen Macht- mittel zu erhohen«. Getreu diesem Pro- gramrne hat denn auch die Regierung in allerjiingster Zeit vorerst die Verstaatli¬ chung der Bohmischen Nordbahn durchgefuhrt und mit den Verwaltungen derStaatseisenbahn-Gesellschaft, N ordwestbahn und Siid-Nord- deutschen Verbindungsbahn Ein- losungsvereinbarungen getroffen, die nur noch der gesetzlichen Genehmigung be- diirfen. Verstaatlichung der Bohmischen Nord¬ bahn. Schon die Lage der Bohmischen Nordbahn und ihre vielfachen An- schluEbeziehungen zu den benachbarten Bahnen liefien dies Unternehmen als eine iiberaus wiinschenswerte Erganzung des staatlichen Eisenbahnnetzes erscheinen, an das ihre Linien in Prag und Boden- bach anschliefien. Die Staatsvervvaltung mufite auch trachten, durch F,rwerbung der Bohmischen Nordbahn, die staatliche Eisenbahntarif- politik in einem bisher fast auschliefilich Privatunternehmungen uberlassenen In- dustriegebiete wirksam zur Geltung zu bringen. Die Interessengemeinschaft zwischen derStaatsbahnverwaltungund der Bohmischen Nordbahn war schon seit 1890 eine innige. Schon damals wurde zwischen beiden Verwaltungen ein Uber- einkommen zu dem Zwecke getroffen, im Wettbewerbe gegen die iibrigen Bahnen durch einheitliche tarifarische Behandlung beider Gebiete eine erweiterte Anteil- nahme am Verkehre zu erlangen. Hiebei wurde als Grundsatz aufgestellt, dafi die BohmischeNordbahnin tarifarischer Hinsicht als eine Fortsetzung der oster- reichischen Staatsbahnen zu behandeln sei. Die Durchrechnung des Staatsbahn- baremes (mit Ausnahme des Kohlenver- kehres) war fiir die ganze Dauer der Konzession gesichert. Da die Voraussetzungen fiir die kon- zessionsmžifiige Einlosung gegeben und die Termine fiir die Geltendmachung des staatlichen Einlosungsrechtes eingetreten waren, gestalteten sich die Verhandlungen mit der Gesellschaft verhaltnismafiig einfach. Die am 30. Janner 1908 eroffneten Einlosungsverhandlungen waren am 10. Fe¬ bruar abgeschlossen und das am 26. Marž abgeschlossene Ubereinkommen fand am 28. April die Genehmigung durch die Generalversammlung der gesellscbaft- lichen Aktionare. Ein derart rascher Ab- schlufi einer Verstaatlichung grofierer Unternehmungen ist in der oster- reichischen Eisenbahngeschichte noch nicht verzeichnet. Wohl trug auch das von kaufmannischen Grundsatzen ge- leitete Vorgehen beider Teile das Seine bei, trotz bei aller Klarheit der Konzessions- bestimmungen bestehender Schwierig- keiten und Differenzen einen beide Teile befriedigenden Vertrag zu stande zu bringen. So z. B. hatte die Gesell¬ schaft den Reinertrag ihrer beiden Haupt- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 163 linien sowie der Lokalbahnen nie ge- trennt ausgewiesen, wahrend bei kon- zessionsmafiiger Einlosung diese Berech- nung nachtraglich hatte gemacht werden miissen, da die Heimfallstermine der einzelnen Linien verschieden sind und die Anzahl der Jahre, fiir welche die Einzahlungsrente zu be- zahlen ist, bei den einzel¬ nen Linien verschieden gewesen ware. Man einigte sich daher auf einer anderen, einfacheren Grundlage. Die Regie- rung bezahlt den Aktio- naren nichtdie durch- schnittliche Divi¬ dende der letzten sie- benjahre, sondern die letzte und hochste Dividende pro 1906 von K 17 und iiberdies kapitalisiert sie diese Rente zu 4°/ 0 , so dati fhr jede Aktie K 425 Nominale in 4°/ 0 ig en (nichtkonvertierbaren) Ei- senbahn-Staatsschuldver- schreibungen (verzinslich ab i. Janner 1909) be¬ zahlt werden. Dafiir iiber- nimmt die Regierung das gesamte Unternehmen der Bohmischen Nord- bahn, die Hauptlinien, die Lokalbahnen, die Reserven, das Privatver- mogen, kurzum alle Ak¬ tiven und Passiven nach dem Stande vom 1. Janner 1908. Der Vorteil fiir die Aktionare liegt darin, dafi sie nicht nur die bisherige Hochstdividende fiir die Zukunft garantiert erhalten, sondern dafi auch diese Dividende nicht mehr wie bisher nach dem bei Eisenbahnaktien iiblichen Zinsfufie, sondern nach dem Zinsfufte des Regierungskredites, nach dem Zinsfufie der osterreichischen Staats- renten kapitalisiert wird. Die Verpflichtungen des Staates als Ubernehmer der Bahn und Rechtsnach- folger sind mit K 96,328.847 beziffert. Die Regierungsvorlage, betreffend die Verstaatlichung der Bohmischen Nordbahn ist von beiden Hausern des Reichsrates in unveranderter Form an- gendmmen worden und ist als Gesetz vom 2. August 1908, RGB. Nr. 169, in Kraft getreten. Am 15. November 1908 hat die Staatsverwaltung den Betrieb der Boh¬ mischen Nordbahn ubernommen und mit dessen Leitung provisorisch die Direktion der bisherigen Privatbahn betraut. Diese Dienstesstelle fuhrt fortan die Bezeich- nung: »k. k. Direktion fiir die BShmische Nordbahn.« Durch die Ervverbung der Bohmischen Nordbahn ist das Staatsbahnnetz um n* Abb. 166. iibersichtskarte der projektierten —TTno-ar Grenze mit einer Abzweigung nach rschernembl. 164 Hermann Strach. 348 km, darunter 319 km Hauptbahnen und 29 km Lokalbahnen, erweitert. Aufierdem hatte die Bohmische Nordbahn die ihr nicht gehorigen Lokalbahnen Mšeno—Unter-Cetno (15 km) und Bohmisch-Leipa—Steinschonau (22 km) im Betrieb, die nunmehr auch in den Staatsbetrieb iibergehen. In die Linien der Bohm. Nordbahn miinden 41 Industrieschleppbahnen mit 36 km Lange. Die Staatsbahnverwaltung gewinnt somit durch die Ubernahme eines bisher mustergultig geleiteten Unternehmens sehr wichtige Ubergangspunkte nach Sachsen, sie gelangt auf einem tarifarisch und nach den Entfernungsverhaltnissen lei- stungsfahigen Wege zu den Elbeumschlag- platzen Bodenbach und Tetschen und kommt weiters in die Lage, den grofien Kohlenrevieren in Nordwestbohmen neue Absatzgebiete, die heute von Nieder- und Oberschlesien versorgt werden, zu er- offnen. Durch die Erlangung des freien Tarifbestimmungsrechtes wird der Staats- bahnverwaltung die Moglichkeit gege- ben, den volkswirtschaftlichen Bediirf- nissen im weitergehenden MaEe Rechnung zu tragen und insbesondere durch die Individualisierung der Tarife und Tarif- begiinstigungen fiir die Beforderung von Kohle, welcher Artikel nahezu 40°/ 0 des gesamten Transportquantums umfafit, den Absatz der westbOhmischen Kohlenreviere durch die wesentliche Verbilligung der Frachtkosten gegenilber dem auslandi- schen Wettbewerbe im ostlichen und nordlichen Bohmen erheblich zu fordern. Hiedurch werden sowohl das Ertragnis der Staatsbahnen als auch die wirt- schaftlichen Verhaltnisse dieses Landes- teiles gleichzeitig gehoben werden konnen. Verstaatlichungsubereinkommen mit der Staatseisenbahn-Gesellschaft , Oster- reichischen Nordivestbahn und Siid- Norddeutschen Verbin dungsbahn. Nicht so einfach gestalteten sich die Verhandlungen mit der Staatseisen¬ bahn-Gesellschaft, Osterreichi- schen Nordwestbahn und S ii d- Norddeutschen Verbindungs- bahn. Die Frage, warum nicht gleich¬ zeitig mit der Bohmischen Nord¬ bahn auch die Siid-Norddeutsche Verbindungsbahn, derenkonzessions- mafiige Einlosung ohne weiteres moglich gewesen ware, durchgefuhrt wurde, be- antwortete der Eisenbahnminister Dr. von Derschattaim Eisenbahnausschusse am il.Juni 1908 dahin, dafi die Regierung es fiir ihre Pflicht erachte, den Weg der Ver- einbarung auch bei dieser Bahn zu suchen. Wenn die Regierung vom konzessions- mafiigen Einlosungsrecbte bisher keinen Gebrauch gemacht habe, erklare sich dies lediglich dadurch, daft es ihr nicht opportun erschien, bei dieser Bahn den Kampfstandpunkt zu beziehen, solange die Verhandlungen mit der Staats¬ eisenbahn-Gesellschaft schvveben. Die Staatseisenbahn-Gesellschaft miisse eben wegen der besonderen verkehrs- politischen Wichtigkeit ihrer Linien den anderen in Betracht kommenden Bahnen vorangestellt werden. Und tatsachlich gelang es der Re¬ gierung, auf dem Wege der Verhand¬ lungen den erwiinschten Erfolg zu er- zielen. Die am 29. November 1907 ein- geleiteten Verhandlungen fiihrten am 14. Juli 1908 zu einer Einigung hinsichtlich der Einlosung aller drei Bahnen. Bis zum 21. Oktober 1908 gelang es auch, eine grofie Reihe immerhin schwieriger Einzel- fragen zur Losung zu bringen, und von diesem Tage datieren drei Uberein- kommen, die bereits die Genehmigung der Generalversammlungen der einzelnen Gesellschaften gefunden haben. Nach dem Inhalte dieser Uberein- kommen wird der Betrieb der Linien schon vom 1. Janner 1908 an fiir Rech¬ nung des Staates gefiihrt, die Einnahmen des Jahres fallen dem Staate zu, wie ihn auch die Ausgaben treffen. Die abgeschlossenen Ubereinkommen stellen sich nicht als in Vertragsform ge- brachte konzessionsmafiige Einlosungen dar, wenngleich die Einlosungsbestim- mungen der Konstitutivnormen selbst- verstandlich den Ausgangspunkt und die Grundlage aller Berechnungen gebildet haben. Es handelt sich vielmehr in allen drei Fallen um einen freihandigen Enverb, der beziiglich der Osterreichischen Nordwestbahn und derSiid-Norddeutschen Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 165 Verbindungsbahn im Wege der Univer- salsukzession des Staates in das ge- samte V ermogen der beiden Gesellschaften, also in deren samtliche Aktiven und Passiven, durchgefiihrt werden soli, wo- gegen in Hinsicht auf die Staatseisen- bahn-Gesellschaft, beziiglich welcher diese Form des Erwerbes schon wegen des bedeutenden in Ungarn gelegenen gesell- schaftlichen Domanenbesitzes von vorn- herein ausgeschlossen war, die Uber- nahme des osterreichischen Eisenbahn- besitzes der Gesellschaft und einiger Akzessorien unter besonderen Modalitaten vereinbart wurde. Als Entgelt fiir die Erwerbungsobjekte wurde mit der Osterreichischen Nordwestbahn und der Siid-Nord- deutschen Verbindungsbahn der Umtausch der Aktien und Genufischeine der gegen Eisenbahn - Staatsschuldver- schreibungen, mit der Staatseisen- bahn-Gesellschaft die Ubernahme eines Teiles ihrer Prioritatsschuld zur Selbst- und Alleinzahlung durch den Staat vereinbart. Plinsichtlich des Personals ist in allen drei Ubereinkommen die Ubernahme unter \veitgehender fiirsorglicher Wahrung sei- ner Rechte vorgesehen. Ftir die Perfektion der Vereinbarungen ist in allen drei Vertragen als Endtermin der 31. Marž 1909 festgesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt miissen die Vertrage die Genehmigung der Legislative ge- funden haben; ist diese nicht erfolgt, so sind weder der Staat noch die Gesell¬ schaften an die Abmachungen gebunden. Bei der Osterreichischen Nord- westbahn und Siid-Norddeutschen V erbindungsbahn iibernimmt der Staat die Prioritaten zur Selbstzahlung und gibt fiir jede Aktie im Umtauschwege 4 0 /oig e Staatsschuldverschreibungen aus, welche bei der Nordwestbahn K 485. bei der Siid-Norddeutschen Ver¬ bindungsbahn K 425 pro Aktie be- tragen; die Gesellschaften treten in Liqui- dation. Es ist dies der gleiche Vorgang, der bei der Verstaatlichung der Bohmischen Nordbahn gewahlt wurde. Bei der S t a a t s- eisenbahn-Gesellschaft gibt der Staat den Aktionaren iiberhaupt keine Barzahlung, vielmehr leistet im Gegenteil die Gesellschaft dem Staate fiir die notwendigen kiinftigen Investitionen eine Kapitalszahlung von 16 Millionen Kronen. Der Staat vergiitet der Gesellschaft die die bisher aufgelaufenen Investitionsvor- schiisse des garantierten Erganzungs- netzes in der Hohe von 4'2 Millionen Kronen. Der Gegenvvert, welchen die Gesellschaft fiir die Uberlassung der osterreichischen Linien an den Staat er- halt, besteht darin, dafi der Staat den weitaus grofiten Teil der Prioritatslasten zur Selbstzahlung iibernimmt. Der Staats- bahn verbleiben nur mehr fiir ihre eigene Rechnung Prioritatsobligationen von 88 Millionen Kronen, welche aus ihren sonstigen Einnahmen, namlich der un- garischen Annuitat und dem Ertrage der Industrieunternehmungen verzinst und getilgt werden miissen. Alle iibrigen Prioritatsemissionen von zusammen 804 Millionen Kronen werden vom Staate ubernommen. Die Gesellschaft bleibt bestehen und als Einnahmen ver¬ bleiben ihr die ungarische Annuitat sowie der Ertrag der Industrieunternehmungen des sonstigen privaten Besitzes in Oster- reich wie in Ungarn, soweit er nicht fiir den Dienst der Prioritaten und die Spesen der kiinftigen Verwaltung, sowie die eventuellen Zinsenlasten in Anspruch genom men ist. In der Sitzung des Abgeordneten- hauses vom 26. November 1908 wurde die Gesetzesvorlage »betreffend die Er- werbung der osterreichischen Linien der priv. osterreichisch-ungarischen S t a a t s- eisenbahn - Gesellschaft, sowie einiger Bestandteile des sonstigen Ver- mogens dieser Gesellschaft, ferner der Osterreichischen Nordwestbahn und der Siid-Norddeutschen Ver¬ bindungsbahn durch den Staat ein- gebracht«. Es handelt sich um ein »Rahmengesetz«, durch das die abge- schlossenen Ubereinkommen die ver- fassungsmafiige Genehmigung erhalten sollen. Der Finanzminister wird ermiichtigt, zwecks Durchfiihrung der Erwerbung der Osterreichischen Nordwestbahn und der Sud-Norddeutschen Ver¬ bindungsbahn fiir den Aktienumtausch, dann zur Abwicklung der gesamten i66 Hermann Strach. schwebenden Verbindlichkeiten dieser beiden Gesellschaften, ferner zur Be- deckung der Kosten der Liquidation, endlich zur Bestreitung von auf den beiden Bahnen vorzunehmenden Investitionen Eisenbahn - Staatsschuldverschreibungen auszugeben, und zwar: a) anlafilich der Erwerbung der O s t e r r ei chi s c h en Nordwestbahn im Nominalbetrage von K 204,000.000 und b ) anlafilich der Erwerbung der S u d- Nordde’utschen Verbindungs b ahn im Nominalbetrage von K 38,000.000. Diese Eisenbahn - Staatsschuldver¬ schreibungen sind ab 1. Janner 1909 ohne j eden Steuer-, Gebiihren- oder sonstigen Abzug mit 4 °/ 0 zu verzinsen und gleichfalls ohne jeden Steuer-, Ge- biihren- oder sonstigen Abzug mit dem Nominalbetrage innerhalb der Zeit bis zum Ende des Jahres 1968 zuruckzuzahlen. Die Regierung wird ferner ermachtigt, die k. k. priv. B o h m i s c h e n K o m- merzialbahnen und die Zwolenoves- Smečnaer Eisenbahn-Aktienge- sellschaft in dem ihr geeignet er- scheinenden Zeitpunkte unter Ubernahme samtlicher Aktiven und Passiven der beiden Unternehmungen fiir den Staat einzulosen. In der Begrlindung des Gesetzes wird darauf hingewiesen, dafi die Regierung, was speziell die Staatseisenbahn- Gesellschaft anbelangt, sich gegen- wartig hal ten mufite, dafi eine Verstaat- lichung der osterreichischen Bahnlinien dieser Gesellschaft auf Grand der in den Konstitutivurkunden umschriebenen Ein- losungsmodalitaten kaum zu einem be- friedigenden Ergebnisse hatte ftihren konnen. Zunachst war nicht zu verkennen, dafi die einschlagigen Bestimmungen der Konstitutivurkunden in mehrfachen Be- langen an Vollstandigkeit und Klarheit zu wiinschen iibrig lassen und daher iiber- haupt eine absolut sich ere Grundlage fiir die Beurteilung des finanziellen Effektes der Verstaatlichung nicht zu bieten ver- mogen (s. S. 152). Selbst wenn man aber auch von den infolge dieser verwickelten Rechtsverhaltnisse zu gewartigenden Schwierigkeiten hatte absehen wollen, so hatte doch die Regierung die Einlosung der Linien der Staatseisenbahn-Gesellschaft auf Basis der Konstitutivnormen im der- maligen Zeitpunkte schon deshalb nicht in Aussicht nehmen konnen, weil nach der Gestaltung der Ertragnisse der gesell- schaftlichen Bahnlinien in den letzten Jahren sich ein Einlosungspreis ergeben hatte, der erheblich iiber jene Grenze hinausgegangen ware, welche die Staats- verwaltung bei gewissenhafter Priifung aller bestehenden Verhaltnisse als ange- messen erachten konnte. Die Regierung erbringt den ziffermafiigen Nachweis, dafi die nach dem Ubereinkommen v o m 21. Oktober 1908 sich e r- gebende Jahresbelastung des Staates per K 29,264.000 sich im Vergleiche zu der im Falle einer Einlosung nach dem Uberein- kommen vom 12. November 1882 entfallenden Rente von rund K 30,250.000 um K 986.000 und gegenuber der im Falle der konzessionsmafiigen Einlosung nach den Anschauungen der S t a at s v er wal tun g den Staat treffenden Jahresbelastung per K 31,075.000 um K 1 , 811.000 giin- stiger darstellt. Auch bei der Siid-Norddeutschen Verbindungsbahn war nach den bei der Bohmischen Nordbahn ge- machten Erfahrungen zu erwarten, dafi eine Universalsukzession sich fiir den Staat finanziell erheblich vorteilhafter gestalten werde als eine streng an die konzessionsmafiigen Bestimmungen ge- bundene Einlosung. Angesichts dieser Sachlage hat sich die Regierung entschlossen, auch bei dieser Aktion, gleichwie dies bei allen bisher durchgefuhrten Verstaatlichungen ge- schehen ist, den Boden der Verhandlung mit den Gesellschaften zu betreten und sich hiebei nach dem bei der Verstaatli¬ chung der Bohmischen Nordbahn einge- haltenen Vorgange weder in die Subtilita- ten juridischer Interpretationskunst ein- zulassen, noch auch an die in den Kon¬ stitutivurkunden vorgesehenen Formen zu klammern, sondern unbeirrt durch. formale Riicksichten solche Vereinbarungen anzu- streben, welche ihrem materiellen Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 167 I n h a 1 1 e n a c h d e n Interessen des Staates voli Rechnung tragen. Im Laufe der sohin mit den beiden genannten Gesellschaften eingeleiteten Verhandlungen hat sich alsbald heraus- gestellt, dafi es zweckmafiig sei, auch die Osterreichische Nordwestbahn in den Rahmen der Aktion einzubeziehen, eine Erkenntnis, der sich die Regierung um so weniger verschliefien wollte, als ja die Verstaatlichung der Osterreichi- schenNordwestbahn von derOffent- lichkeit kaum minder nachdriicklich als diejenige der Staatseisenbahn-Ge¬ sellschaft begehrt wurde, und als fiir den Fali der Einbeziehung der N o r d w e s t- b a h n in die gegenwartige Gesamtaktion augenscheinlich giinstige Bedingungen fiir die Erwerbung dieses Unternehmens zu erzielen waren. Ebenso erschien es erwiinscht, aufier dem osterreichischen Bahnnetze der Staatseisenbahn-Gesellschaft auch die zur Ganze im Besitze der ge- nannten Gesellschaft befindlichen Titres der k. k. priv; Bohmischen Kom- merzialbahnen und der Zwole- noves-Smečnaer E i s e n b a h n- Aktiengesellschaft fiir den Staat zu erwerben, um derart dem Staate auf kiirzestem Wege und ohne Weitwendig- keiten die volle Ingerenz auf die Ver- waltung dieser beiden, wenn auch formell selbstandigen, so doch wirtschaftlich und verkehrspolitisch ein Zugehor zu den Bahnlinien der Staatseisenbahn- Gesellschaft bildenden Unterneh- mungen zu sichern. Bei der Osterreichischen Nordwestbahn hatte nach den Konzessionsbestimmungen das ermittelte Durchschnittsertrag- nis K 10,232.913 als Einlosungs¬ rente zu gelten. Dasselbe bleibt gegen das Ertragnis desjahres ! 9°7 per K 10,769.843 noch um K 536.930 zuriick. Die Rente ist bis zum Ende der Kon- zession, d. i. bis einschliefilich 30. Juni 1962, zu entrichten. In den Einlosungsbestimmungen fiir das ErganzungsnetzisteineMinimal- rente nicht vorgesehen, vielmehr bildet der Durchschnitt aus den funf besten Jahresertragnissen im letzten Septennium in jedem Falle die Einlosungsrente. Dieser Durchschnitt ist mit K 7,672.086 berechnet. Diese Rente ist bis einschlieftlich 14. Oktober 1965 zu entrichten. Die Einlosungsrente ist um K 590.507 ki e in er als das Ertragnis des Jahres 1907. Der Kapitalswert der kon- zessionsmafiigen Einlosungs¬ rente n berechnet sich auf Grand eines ZinsfuCes von 4°/ 0 per 1. Janner 1908 fiir das garantierte Netz mit . . K 226,275.339 und fiir das Erganzungsnetz mit .. • » i 72 , 355-532 zusammen mit . . K 398,630.871 Die vom Staate fiir das G e s a m t- unternehmen iiber- nommenen Lasten belaufen sich insge- samt auf .K 368,445.667 Die zum konzessions- mafiigen Bestande nicht gehorigen Aktiven be- tragen insgesamt ...» 8,987.149 Von dem vorer- wahnten vertragsmafiigen Kaufpreise von . . . . » 368,445.667 entfallt daher auf die konzessionierten Bahnen der Betrag von . . . . » 359 > 458 . 5!9 Gegeniiber dem Kapi- talswerte derkonzessions- mafiigen Einlosungs- renten im Betrage von . K 398,630.871 ergibt sich hiernach eine Differenz von ... K 39 , 172.352 welche den zufolge des Ubereinkommens vom 21. Oktober 1908 fiir den noch nicht ausgefiihrten Teil des zweiten Gleises der Linie Wien—Tetschen ge- machten Abzug vom Werte der kon- zessionsmafiigen Einlosungsrenten dar- stellt (s. S. 205). Der Siid-Norddeutschen Ver- bindungsbahn gebiihrt als konzessions- mafiige Minimaleinlosungsrente zufolge des Gesetzes vom 28. Juni 1892, RGB. Nr. 96, das garantierte jahrliche Rein- ertragnis, das fiir jedes der Jahre bis i68 Hermann Strach. einschliefilich 1945 die Summe von K 3,838.371-70 und fiir den Zeitraum vom 1. Janner bis einschliefilich 14. Juni 1946 K i,735- 1 54 betragt. Der Betriebsiiberschufi blieb stets — das Jahr 1867 ausgenommen — weit unter dem garantierten Reinertrage; somit ist fiir das konzessionierte E i s enb ahn n e t z der garantierte Reinertrag als konzessions- mafiige Einlosungsrente zu e n t- richten. Der Staat erwirbt auch die der Ge- sellschaft gehorige Eisengiefierei in Reichenberg; iiberdies fallen dem Staate verschiedene Ertragnisse zu, welche der Gesellschaft bisher aufierhalb der Garantierechnung zugeflossen sind. Fiir das Gesamtunternehmen ist ein Kaufpreis von K 79,361.627 zu entrichten, von dem K 77,266.838 auf die Einlosung des Eisenbahnnetzes entfallen. Im Vergleiche zu dem Kapitalswerte der fiir das Eisenbahnnetz samt Zugehor nach den einschlagigen Konzessions- bestimmungen zu entrichtenden Ein¬ losungsrente, welcher mit K 78,118.285 berechnet erscheint, resultiert somit aus dem Ubereinkommen eine Ersparung am Kapitale im Betrage von K 851.447. Infolge der Universalsukzession geht auch der Gewinnvortrag aus der Bilanz von 1907 an den Staat iiber, so dafi sich der Kapitalgevvinn des Staates aus dem Ubereinkommen auf K 1 , 171 . 94-3 erhoht. 2794 km der verkehrspolitisch iiber - aus wichtigen Linien sollen neuerlich in das Eigentum und Betrieb des Staates iibergehen. Das Bahngebiet der Staatseisenbahn- Gesellschaft umfafit alte Linien Brtinn— Rossitz, Ghotzen—Braunau und Sekun- darbahnen.1151 ‘597 km Erganzungsnetz . . . . 216-340 » 1367-937 km davon 390-6 km doppelgleisig, aufierdem 183 Schlepp-, Montan- und Industriegleise. In ihrem Betriebe stehen die Lokalbahnen Zwolenoves-Smečna 9-957 km, Brandeis a. E.—Neratowitz und die BShmischen Kommerzialbahnen 192-513 km. Das Bahngebiet der Osterreichi- schen Nordwestbahn umfafit: a) Garantiertes Netz . . . 627 955 km b) Erganzungsnetz (Elbetal) 304-383 » im Pachtbetriebe steht Lichtenau — (Reichsgren- ze—)Mittelwalde ... 6-121 » 938-459 km Jenes der Siid-Nordd. Verbindungs-B. . . . 280-419 km im Pachtbetriebe von der preufiischen Regierung Tochernhausen — (Reichs- grenze — )Heidenberg. . 2-066 » Konigshan — (Reichsgrenze —)Libau. 2-628 » 285-113 km Wirknngen der Verstaatlichung. o o Der Staat wird fast unumschrankter Herr iiber Eisenbahnverkehr und Tarife in Osterreich sein. Im Privatbetriebe verbleiben. nur noch als grofiere Unter- nehmungen die Siidbahn, Kaschau- Oderberger, Aussig - Teplitzer, Buschtehrader, Graz-Koflacher, Leoben - Vordernberger Eisen- b ahn, die E i s e n b ah nVV i en—A sp ang und die Wien-Pottendorfer Bahn mit zusammen 3229-4 km, wahrend das Netz der k. k. osterreichischen Staats- bahnen auf rund 18.000 km angewachsen sein wird. Mit einem solchen Netze kann der Staat die Bedingungen der Ein- und Ausfuhr regeln, kraftvoll seine Wirt- schaftspolitik zum Ausdruck bringen. Fast alle grofien Anschliisse an Ungarn werden sich in Handen des Staates befinden, nur die beiden Anschliisse der S ud bahn und der Kaschau-Oderberger Bahn werden noch durch private Unter- nehmungen, aber in der Tarifpolitik in vollstiindiger staatlicher Abhangigkeit, vermittelt werden. Mit der Durchfiihrung der gegemvar- tigen Verstaatlichungsaktion wird sich daher die staatliche Eisenbahnverwaltung, wenigstens fiir das Verkehrsgebiet n 6 r d 1 i c h der D o n a u, tatsachlich aus den Fesseln des sogenannten »g e mi s c h- ten Systems« befreit sehen. Auch beziiglich der allseits als not- wendig erkannten, von der Regierung mit allem Ernste in Angriff genommenen Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 169 Reorganisation der Staatseisen- bahnverwaltung wiirde die gegen- wartige Verstaatlichungsaktion die notigen Vorbedingungen schaffen, soli das ge- dachte Reformwerk grofiziigig und ab- schliefiend durchgefiihrt werden. In der Beseitigung des nach- gerade fur die Offentlichkeit wie fur die privaten B a h n- verwaltungen gleich unleidlich gewordenen Schwebezustandes in der staatlichen Eisenbahn- politik, in der Erlangung un- behinderter Aktionsfreiheit der Staatsverwaltung auf dem Ge- Diete der Eisenbahntarifpolitik und in dem Gewinn einer festen Grundlage ftir die organische Reform der Verwaltung der Staatsbahnen erblickt die Re¬ gi e r u n g die H a u p t b e d e u t ti n g der von ihr in voller Uberein- stimmung mit dem Willen der Bevolkerung und ihrer b e r u- fenen Vertretung ins Werk ge- setzten Aktion. Die Regierungsvorlage kennzeichnet auch die voraussichtlichen kommerziellen Wirkungen. Erst die Sicherung des mafigebenden Einflusses des Staatsbahnbetriebes fiir ganz Osterreich nordlich der Donau wird es ermoglichen, im Wege einer einheitlichen Tarifregulierung die Herstellung der formellen und materiellen Tarifeinheit in Angriff zu nehmen und damit die Grundlage einer geregelten Verkehrsentwicklung zu schaffen. Auch wird im Verhaltnisse zu den angrenzenden Staatsgebieten die durch eintretende Vergrofierung des in- landischen Staatseisenbahnnetzes vollig geanderte Verhaltnisse mit sich bringen, indem die osterreichischen Staatsbahnen den in U n g a r n sowie in den auscvartigen Nachbarstaaten bereits jetzt dominierenden Staatsbahnen als gleich wertigejr Fak- tor gegeniiberstehen undihre gesteigerte Aktionskraft in der Heranziehung des Verkehres, in der Forderung des Exportes und in der Regelung des Importes zu betatigen im stande sein werden. Endlich werden nach Durchfiihrung der Erwerbung der drei genannten grofien Bahnnetze durch den Staat auch die seitens der osterreichischen Regierung anlafilich der Ausgleichsverhand- 1 u n g e n getroffenen Abmachungen, in welchen den osterreichischen Eisenbahn- wegen ihre derzeitige Anteilnahme am Verkehre zwischen Ungarn und Deutsch- land als Mindestausmafi ihres Besitz- standes gesichert wurde, voli zur Geltung kommen, wahrend der Besitz aller an die Nordgrenzen Osterreichs fiihrenden grofien Bahmvege gleichzeitig eine staats- und volkswirtschaftlich rationelle Tarifpolitik auch in Hinsicht auf den Triester Verkehr und den iiber diesen Hafen sowie iiber die Nord- und Ostseehafen und die Elbe sich bewegenden kombimerten Bahn- und Schiffsverkehr ermoglichen wird. Zugleich wird die Staatseisenbahn- venvaltung bei tarifpolitisch richtiger Handhabung der gesteigerten Aktions¬ kraft des erweiterten Netzes und gestiitzt auf die erwahnten Abmachungen mit der ungarischen Regierung sowie auf die Vereinbarungen mit der Siidbahn- gesellschaft, in welchen auf den Fali der Verstaatlichung der drei mehr- erwahnten Privatbahnen bereits Bedacht genommen ist, erhebliche Mehrein- nahmen gegentiber dem heutigen Er- trage der zur Verstaatlichung bestimmten Privatbahnen erzielen konnen. Die Staatsverwaltung rechnet, ab- gesehen von den volkswirtschaftlich wichtigen Wirkungen der Verstaat¬ lichung dieser Bahnen, aus Ersparungen und Einnahmesteigerungen durch hohere Quoten aus den direkten AnschluC- und Verbandsverkehren sowie aus den besseren Instradierungen allein, auf ein um 9 Millionen Kronen giinstigeres Gesamtergebnis des Staatsbahnbetriebes. Alle finanziellen Vorteile, die sich aus dieser Verstaatlichung ergeben, wiirden vollstandig verschwinden, es wiirde sich sogar ein Fehlbetrag von rund 8 Millionen Kronen ergeben, wenn man daran denken \vollte, das heutige Bareme der k. k. Staatsbahnen auf die neu zu erwerbenden Linien zu iibertragen und auf dem erweiterten Ge- samtnetz die Tarife durchzurechnen, da aus der Ubertragung und Durchrechnung 170 Hermann Stracli. der Staatsbahntarife ein Gesamtausfall von 17 Millionen zu envarten ist. Mit der Verstaatlichung dieser 3 Bah- nen mufi daher auch unbedingt die Tarif- reform und die Reorganisation der Staats- bahnverwaltung Hand in Hand gehen. Die Regierung glaubt mit Recht, dafi der Abschlufi der gegenwartigen Verstaatlichungsaktion sowohl in staats- finanzieller wie auch in volkswirtschaft- licher Hinsicht den Beginn eines neuen Abschnittes bedeuten wiirde, in welchem die Staatseisenbahnverwaltung in der Lage sein wird, in den verkehrspolitischen Beziehungen zu Ungarn sichere Verhalt- nisse zu schaffen, unter Bedachtnahme aut die allfallig im Jahre 1917 eintreten- den Anderungen sich der notwendigen Reform des Lokalgtitertarifes zuzuwenden und den Markt der landwirtschaftlichen und industriellen Produkte Osterreichs im Auslande durch eine ausgreifende, auf den Seehafen Triest und die grofien, von ihr allein beherrschten inlandischen Schienen- wege gestiitzte Exportpolitik zu erweitern. Mit der Verstaatlichung der Staats- eisenbahn-Gesellschaft und Oster- reichischen Nordwestbahn \vird eines der schwierigsten Probleme gelost, die Regierung hat durch die Uberein- kommen in einer als finanzielles Meister- werk bezeichneten Weise die Formel ge- funden; eine .der grofiten verkehrspoliti¬ schen Aktionen, die jemals.in Osterreich zur Durchfiihrung gelangten, steht vor dem Abschlusse. Nur zu oft ist in Osterreich wirt- schaftlich bedeutungsvolle Arbeit ver- geblich geworden, weilpolitisches Gestriipp den rechten Weg verschlofi. Der einge- schlagenen Verkehrspolitik, in ihrer Be- deutung weit iiber die sonstigen Tages- fragen reichend, mufi im Interesse des Staates uird Volkswohles der zum end- lichen Ziele fuhrende Weg gebahnt werden. Moge die bisher bewahrte Arbeits- freudigkeit des neuen Abgeordnetenhauses eine weitere Hinausschiebung des iiber- einkommengemafi festgesetzten Termines unnotig machen, auf dafi die Frucht der mit so viel taktischem und finanziellem Geschick eingeleiteten Verstaatlichung bald reife und der Monarch, der vor mehr als einem halben Jahrhundert schweren Herzens die Zustimmung geben mufite, zur Entaufierung des mit hohen Opfern erworbenen Staatsbahnbesitzes, endlich die Genugtuung finde, wahrend Seiner Regierung wieder das Staatsbahnsystem in machtiger Ausgestaltung emporgebliiht zu sehen, zum Wohle und Segen der Gesamtinteressen des Vaterlandes. Die staatliche Sicherung der VVasserkrafte fiir den Eisenbahnbetrieb. Eine der wichtigstenVeranderungen des Eisenbahnwesens im letzten Dezennium, in der vielleicht die Keime fiir die ge- samte kiinftige Entwicklung der Eisen- bahnen liegen, ist das V ordringen des elektrischen Betriebes. Auf dem Gebiete der Kleinbahnen und Strafienbahnen, wo die geringe raumliche Ausdehnung des Netzes und die dichte Zugsfolge die Wirtschaftlich- keit des elektrischen Betriebes verbiirgen, ist auch in Osterreich diese Traktions- art zu erheblicher Verbreitung gelangt. Die Elektrisierung der wichtigsten stadtischen Voli- und Vororte- bahn — der Wiener Stadtbahn — ist allerdings noch im vorbereitenden Stadium. Hier bestehen grofie Schwierigkeiten einer- seits infolge der ungiinstigen ersten An- lage dieser Bahn, welche dem urspriing- lichen ganz rationellen Bauprogramme heute noch nicht gerecht geworden ist, anderseits in der mehrfachen Zweck- bestimmung, welche die Wiener Stadt¬ bahn erfiilit oder doch in Zukunft er- fiillen soli: gleichzeitig ein innerstadtisches Verbindungsmittel zwischen den dicht bebauten inneren Bezirken zu sein, weiters einen erheblichen Teil des Verkehres zu den Ausflugsorten und Sommerfrischen, vor allem des Sonntagsverkehres, zu iiber- nehmen, endlich aber auch, was mit der fortschreitenden Verstaatlichung der in Wien einmundenden Hauptbahnen immer wichtiger wird, den Ubergangsverkehr zwischen den Bahnhofen zu vermitteln. AUgemeine Entwicklungsgeschic'hte. 171 Diese Vielheit von Aufgaben bringt die grofiten Schwierigkeiten in der Auf- stellung eines rationellen Betriebspro- grammes mit sich; demzufolge ist auch die Entwerfung eines allen Anspriichen genugenden Planeš fur den notwendigen Ausbau der Stadtbahn nicht leicht, der einerseits die Herstellung vonV erbindungs- kurven behufs Ermoglichung eines in kurzen Intervallen sich abspielenden Ring- verkehres, anderseits die Durchquerung der inneren Stadt durch eine Unterpfiaster- bahn oder Untergrundbahn umfassen mufi. Die grofien Kosten solcher Anlagen mitten in einer dicht bebauten Grofistadt, dann die Kompliziertheit der Rechtsver- haltnisse an den Wiener Verkehrsanlagen bilden retardierende Momente in der Losung der Wiener Stadtbahnfrage; trotzdem kann aber nicht daran ge- zweifelt werden, dafi die niichste Zukunft eine Losung dieses Problems bringen wird, die im Rahmen eines samtliche Wiener Verkehrsmittel umfassenden und verwertenden Verkehrsprogrammes in ein- trachtigem Zusammenwirken aller be- teiligten staatlichen und kommunalen Faktoren gefunden werden mufi. Auf verkehrspolitischem Gebiete hat die Regierung in allerjiingster Zeit noch weitere Mafinahmen getroffen, indem sie weit ausblickend bemuht war, die im Lande reichlich verfugbaren Wasserkrafte auch fur den Eisenbahnbetrieb zu sichern. Zur Einfuhrung der elektrischen Traktion auf Hauptbahnen drangen verschiedene Momente. Die Ann eh na¬ ličil k eit und Rauchfreiheit des Betriebes ist besonders auf jenen Strecken von Bedeutung, auf denen durch ungiinstige Steigungsverhaltnisse oder zahlreiche Tunnels die Kohlenfeuerung lastig oder gar betriebsgefahrlich wird. (In dieser Richtung ist in Osterreich die Strecke Triest—Opčina der k. k. Staatsbahnen als Beispiel anzufiihren.) Wichtiger noch ist die vom elektrischen Betrieb erhoffte grofiere Leistungs- f a h i g k e i t insbesondere hinsichtlich jener Dampfstrecken, welche bereits in abseh- barer Zeit an der Obergrenze ihrer Kapazitat angelangt sein werden. Das ausschlaggebende Moment ist jedoch die hohere W ir t s c h a ft 1 i ch k e i t des elektrischen Bahnbetriebes, die aus Ersparnissen an Betriebskosten unter der Voraussetzung erzielt werden kann, dafi die fur die elektrische Traktion ent- scheidend ins Gewicht fallenden Kosten der Kraltbeschaffung einen gewissen Hochstbetrag nicht iibersteigen. In dieser Hinsicht sind in Osterreich die Vorbedin- gungen deshalb giinstig, weil in den Alpen- landern bis zu einem gewissen Grade auch in den Sudetenlandern und in Ga- lizien die fast unerschopflichen Energie- quellen der Wasserkrafte zur Verfugung stehen. Die Bahnstrecken, fur welche der elektrische Betrieb mittels Wasserkr;iften zunachst in Betracht gezogen werden kann, sind folgende: A. Hauptbahnstreckenderk. k. Staatsbahnen: Wien — Amstetten — Linz—Salzburg—Bischofshofen 367 km, Amstetten — Selztal — Innsbruck — Bre- genz 639 km, Selztal—-St. Michael— Glandorf — Villach — Tarvis — Pontebba 300 km, Linz—Klaus - Steyrling—Selz¬ tal (Pyhrnbahn) 106 km, Schwarzach-St. Veit—Gastein — Spittal a. D. — Villach 117 km, Klagenfurt— beziehungsweise Vil¬ lach—Gorz—Triest 212 km, Steinach- Ird- ning—Ischl—Attnang-Puchheim 108 km. B. HauptbahnstreckenderSiid- b a h n-G esellschaft: Bruck—Graz— Marburg—Laibach— (Triest) 418 km, Marburg—Villach—Franzensfeste 3 7 7 km, Kufstein—-W6rgl —Innsbruck—Franzens¬ feste—Ala 302 km. C. Lokalbahnen und Hauptbahnen zweiten Ranges im Gebiete der unter A und B angeftihrten Hauptbahnen etwa 900 km. Sonach insgesamt rund 3850 km. Fur den Kraftbedarf der das Alpen- gebiet durchziehenden Bahnen wurden zunachst iiberschlagige Berechnungen auf- gestellt, denen unter der Annahme konstant steigender Belastung bis in die letzten Jahre der dreifache Bedarf desjahres 1906 zu Grande gelegt wurde. Dieser Bedarf betrug: Osterreichiscbe Siidbahn 5 523 Millionen Tonnenkilometer, 55.000 Turbinenpferde; Staatsbahndirektionen Innsbruck, Villach, Linz und Wien, die Strecken siidlich der Westbahn 5oooMillionenTonnenkilometer, 50.000 Turbinenpferde; Staatsbahn- 172 Hermann Strach. direktionen Linz und Wien, die West- bahn und Strecken nordlich derselben 3500 Milionen Tonnenkilometer, 35.000 T urbinenpferde. Danach waren zur Bewaltigung des Verkehres im Jahre 1906 fiir die inner- halb des eigentlichen Alpengebietes, das ist siidlich der Westbahn gelegenen Strecken, 105.000 Pferdekrafte, fiir die noch in das Versorgungsgebiet alpiner Wasserkrafte fallenden Strecken der Direktionsbezirke Linz und Wien 35.000 Pferdekrafte, zu- sammen 140.000 Pferdekrafte erfor- derlich geivesen. Die dreifache Menge ergibt die Summe von 420.000 Turbinen- pferden. Die Frage, ob diese Kraftmenge vorhanden ist und inwieweit dadurch die Gesamtsumme der in den oster- reichischen Alpen im Winter vorhan- denen Wasserkraft mit Beschlag belegt wird, ist dahin beantwortet worden, dafi eine vollstandige Erschopfung nicht zu befiirchten ist. Denn es stehen zur Liefe- rung dieser Kraftsumme rund 70.000 km 2 Gebirgsgebiet zur Verfiigung, so dafi auf den Quadratkilometer etwa sechs Tur- binenpferde entfallen, eine Ziffer, die tief unter den Durchschnittsziffern der bisher studierten Teilgebiete liegt; der Gesamt- bedarf der Eisenbahnen von 420.000 Pfer- dekraften diirfte kaum die Halfte der in den osterreichischen Alpen verfiigbaren Win- terleistung erreichen, wobei blofi die gro- fierenWerke von mindestens 1500 Pferde- kraften winterlicher Minimalleistung in Betracht gezogen sind. Immerhin ergibt sich aus dieser Dar- stellung, dafi die Aufgabe, die fiir den elektrischen Bahnbetrieb erforderlichen Wasserkrafte unter Schonung anderer wirtschaftlicher Interessen zu sichern, grofie Schwierigkeiten bietet. Die bisherige Tatigkeit der Staats- verwaltung liefi sich von dem Prinzip leiten, einen gerechten Ausgleich zwi- schen den Bediirfnissen der Eisenbahnen und denen der Privatindustrie herbei- zufiihren. Zunachst war eine Auswahl der fiir den elektrischen Betrieb von Eisenbahnen verwertbaren, durch ihre Grofie oder Akkumulierfahigkeit speziell hiezu qualifizierten Wasserkrafte vor- zunehmen, eine aufierst schwierige und umfassende Arbeit, welche, durch die k. k. Eisenbahnbaudirektion im Einver- nehmen mit dem k. k. hydrographischen Zentralbureau gefiihrt, derzeit ihrem Ab- schlusse nahe ist. Da jedoch eine Sper- rung der Wasserkrafte fiir den derzeit noch nicht realisierten Bedarf der Eisen¬ bahnen ausgeschlossen erschien, wurde in den meisten der praktisch gewordenen Falle eine Vereinbarung mit etwaigen privaten Konzessionswerbem in der Rich- tung angestrebt, dafi die Ausniitzung der Wasserkrafte unter Vorbehalt eines Optionsrechtes der Staatsverwaltung auf ein bestimmtes Kraftquantum und eines moglichst scharf prazisierten Einlosungs- rechtes der Privatindustrie freigegeben wurde. In einzelnen Fallen, \vo angesichts der Moglichkeit, in kurzer Zeit den elek¬ trischen Betrieb tatsachlich einzufiihren, ein prasenter Bedarf an elektrischer Energie bereits vorliegt, wird an den Ausbau von Wasserkraftanlagen durch die Staatsverwaltung selbst geschritten werden konnen, wobei jedoch der ver- fiigbare Uberschufi fiir die Abgabe zu privaten Zwecken freibleiben kann. Ein Ausgleich zwischen den bahn- seitigen und den industriellen Anfor- derungen liegt in beiderseitigem Vorteile. Hiebei wird seitens der Staatseisenbahn- verwaltung stets auch der sich aus tech- nischen und okonomischen Bediirfnissen der Wasserkraftverwertung ergebende Gedanke festgehalten, eine moglichst systematische und vollstandige Ausniit- zung der Wasserkrafte unter Vermeidung der Zersplitterung und spekulativen Brach- legung dieser Energiequellen zu sichern. Eine grofiziigige und der Gegenwart gleich wie der Zukunft gerecht werdende Wasserkraftpolitik ist derzeit eine der wiehtigsten Aufgaben der Eisenbahn- verwaltung, will sie sich nicht in Bšilde dem Vorwurfe der Kurzsichtigkeit und Pflichtvernachlassigung aussetzen. Die aus den Gefallsverhaltnissen, der Wassermenge sowie dem Charakter des fiir die baulichen Anlagen in Betracht kommenden Terrains sich ergebenden Verschiedenheiten der Kosten von Wasser- kraftanlagen lassen eine einheitliche Be- rechnung der erzielbaren giinstigsten Einheitskosten der elektrischen Energie Allgemeine Entivicklungsgeschichte. 173 nicht zu; anderseits hangt das wirt- schaftliche Ubergewicht des elektrischen Betriebes auch von den Kosten der Kohlenbeschaffung ab, die nach der Ent- fernung von den Kohlenproduktionsorten selbst sehr mannigfaltig sind. Bei welchem Preise der elektrischen Energie die ho- here Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes gegeniiber dem Dampfbetriebe beginnt, lafit sich demnach nicht einheitlich beantworten. Immerhin diirfte iiber einen Preis von zwei, in seltenen Fallen von drei Hellern fiir die Kilowatt- stunde kaum hinausgegangen iverden konnen, wenn die finanzielle Moglich- keit des elektrischen Betriebes gegeben sein soli. In jenen Gegenden, in denen Die Staatsbahnvervvaltung Staatsbahnen in In dem von Sr. Exzellenz Dr. Ritter v. W i 11 e k bearbeiteten Abschnitte dieses Werkes »Die osterreichischen Eisen- bahnen in der Staats vvirtschaft« ist die Entwicklung des Staatsbetriebes und dessen finanzielle Gebarungsergebnisse bis zum Jahre 1907 in klarster Form gekenn- zeichnet. Es gilt hier nur ein allgemeines Bild des gegenvviirtigen Standes des Staatsbetriebes festzuhalten. Der osterreichische Staat hatte Ende 1907 ein Netz von 14.706-8 km im Be- triebe, darunter 9796 km, die Eigentum des Staates waren, 606 km waren ftir Rechnung des Staates betriebene Privat- bahnen, 38 - 8 km umfafit das Netz der Wiener Stadtbahn und 4265-7 km iverden fiir Rechnung der Eigenttimer betrieben, 46 - 2 km Staatsbahnen stehen in frem- dem Betriebe und 9 Teilstrecken der fiir Rechnung des Staates betriebenen Bahnen in einer Gesamtlange von 26-8 km stehen im Betriebe fremder Bahnen. Im Staatsvoranschlage pro 1908 stellt sich das Gesamtanlagekapital der Staats¬ bahnen und der vom Staate fiir eigene Rechnung betriebenen Privatbahnen abzug- lich desgetilgtenTeiles aufK3.687,555.557, die gesamte Jahreslast des Staates fiir Ver- zinsung und Tilgung des Anlagekapitals belauft sich fiir 1908 auf K 173,534-748. bei der Kohlenforderung minderwertige Riickstande nicht anderweitig rationell verwertet werden konnen, wird auch die Erzeugung der elektrischen Energie durch Verbrennung dieser Riickstande in Erwiigung gezogen. Gegen den elektrischen Betrieb be- standen und bestehen zum Teile noch Einwendungen, die sich aus der mili- tarischen Bedeutung der Eisenbahnen her- leiten. In der nachsten Zukunft iverden daher wohl nur strategisch minder wich- tige Eisenbahnen fiir die Elektrisierung herangezogen iverden und erst auf Grund der hiebei gemachten Erfahrungen ist eine Enveiterung des Elektrisierungs- programmes zu gewartigen. und die osterreichischen der Gegenvvart. Die Gesamteinnahmen betragen K 472,161.380, die Gesamtausgaben K 362,485.990, der Betrieb skoeffizient betragt sonach 76-77°/ 0 . Der Betriebs- iiberschufi stellt sich auf K 109,675.390. Wird dieser Betriebsiiberschufi dem Gesamtanlagekapital von K 3.836,564.891 und dem durch Verlosungen und Kon- vertierungen bis Ende 1907 verminderten Gesamtanlagekapital von K 3.687,555.557 entgegengehalten, so ergibt sich eine Verzinsung von 2 - 86 und von 2'97°/ 0 . Wird dieser Betriebsiiberschufi von K 109,675.390 der vorermittelten Jahres¬ last fiir 1908 von K 173,534.748 ent¬ gegengehalten, so ergibt sich ein erfor- derlicher Staatszuschufi von K 63,859.358. Es mufi aber beriicksichtigt werden, dafi in dem Jahreserfordernis enthalten ist: die Tilgung- von Eisenbahntiteln und von Darlehensschulden, welche fiir die Staatsverivaltung eine Ansammlung von Kapitalreservenbedeutet, von K 17,984.860; ferner, dafi der Betriebstiberschufi gekiirzt ist, um die Steuern (ausschliefilich nicht ararischer Zuschlage), welche keine wirk- liche Belastung des Staatsschatzes bilden, von K 12,629.500. Wenn diese Posten deshalb aus der Rechnung ausgeschieden iverden, so er- mafiigt sich der Staatszuschufi auf 174 Hermann Strach. K 33,244.998 und erhobt sich die Ver¬ zinsung des Gesamtanlagekapitals von K 3.836,564.891 auf 3'i9°/ 0 und von K 3-687,555.557 auf 3-32%. _ Aus der steigenden Verzinsung des Anlagekapitals und der geplanten Tarif- reform lafit sich mit Recht die Hoffnung schopfen, dafi die Zuschiisse aus den Steuergeldern bald verschwinden werden und die ganze Verzinsung des Anlage¬ kapitals trotz der stetig steigenden Personal- und sonstigen Betriebskosten in absehbarer Zeit aus den Uberschiissen des Staatseisenbahnbetriebes gedeckt werden kann. * * * Eine hohe Aufgabe hat die Regierung mit der in Aussicht genommenen R e- organisation derStaatsbahnver- w a 1 1 u n g zu losen, fiir die das Eisen- bahnministerium den Plan bereits aus- arbeitet. Hiebei soli die Organisation der preufiischen und bayrischen Staats- bahnen vorbildlich benutzt werden. Im ganzen groften handelt es sich um eine Vereinfachung und Beschleunigung, soweit es geht auch um eine Ver- billigung des derzeit komplizierten Verwaltungsdienstes, wobei nach den Erklarungen der Regierung das kauf- mannische Prinzip mehr als bisher zur Geltung kommen soli. Zurzeit sind die umfassenden allgemeinen Studien wohl abgeschlossen, doch steht die Durchfiihrung der Organisation derStaats- bahnverwaltung mit der Verstaatlichung der Linien der Staatseisenbahn-Gesell- schaft und Osterreichischen Nordwestbahn im innigsten Zusammenhange, so dali erst mit der Durchfiihrung der Verstaatlichungs- aktion diese weittragende Mafinahme zu erwarten ist. Nach den bisherigen Verlaut- barungen steht fest, dafi die eigentlichen Betriebsgeschafte aus der Kompetenz des Eisenbahnministeriums, das sich nur die oberste Leitung des Eisenbahnwesens vorbehalt, ausgeschieden werden sollen. Das Eisenbahnministerium selbst hat wahrend der kurzen Zeit seines Bestandes der stetigen Erweiterung des Geschafts- umfanges durch Anderungen in seiner Organisation Rechnung tragen mussen. Durch Schaffung einer neuen Sektion und mehrerer Departements sind einschnei- dende Anderungen in der urspriinglichen Geschaftseinteilung vorgenommen worden. Ein bedeutungsvoller Wechsel ist im Jahre 1907 in der Leitung der General - inspektion der osterreichischen Eisen- bahnen eingetreten. Generalinspektor Gustav Ge r s tel*) Ritter v. Ueken trat *) Zu Briinn am II. August 1839 geboren, trat G e r s t e 1 nach absolvierter technischer Hochschule am I. November 1858 als Betriebs- beamter bei der Kaiserin Elisabeth-West- bahn ein und machte im folgenden Friihjahre als Unterleutnant die Schlacht von Solferino und den Schlufi des Feldzuges mit. Am I. Mai 1866 wurde er Generalstabs- hauptmann und machte den Feldzug in Italien mit. In den folgenden Jahren im Prasidial- bureau des Reichskriegsministeriums in Ver- wendung, verliefi G er ste 1 im Marž 1869 den aktiven Dienst, um sich zu vermahlen, und fand als Ingenieurassistent der Siidbahn beim Bau der Pustertalbahn Verrvendung. In den Dienst der turkischen Bahnen tretend, iiber- nahrn er als Ingenieur und Generalstabsoftizier die Detailrekognoszierung Bosniens von der Osterr. Grenze bis Sarajevo. Im Friihjahre 1870 fiir den Bau der Linie Adrianopel—Philippopel bestimmt, erhielt er schon im Herbste. 1871 die Ktindigung seitens einer neuen Verwal- tuhg der turkischen Bahnen und trat im Janner 1872 bei der Ungarischen Ostbahn ein. Am 21. November 1873 als Kommissar in den Dienst der Generalinspektion der osterr. Eisenbahn tretend, wurde er nach kurzer Vervvendung in Galizien zum Bauinspektorats- vorstande in Wien ernannt. 1880 zum Betriebs- direktor der Dalmatiner Staatsbahn mit dem Sitze in Spalato ernannt, gelang es ihm, die Betriebskosten dieser Bahn bmnen einem Jahre auf mehr als die Halfte herabzusetzen und die Betriebsdurchfiihrung in bewahrter Weise zu organisieren. 1882 trat er als Leiter des Oberbahn- betriebsamtes Salzburg in den Dienst der Staatsbahnen iiber. Als es im Jahre 1884 galt, die Arlbergbahn zu organisieren, wurde Gerstel zum Leiter der Betriebsdirektion Innsbruck ernannt. Nach vorziiglicher Durch- filhrung der gestellten Aufgabe wurde er 1887 an die Spitze der Wiener Direktion be- rufen. Im Jahre 1895 war er zum Verkehrs- direktor der Staatsbahnen und nach Kreierung des Eisenbahnministeriums im folgenden Jahre zum Ministerialrate und Vorstand des verkehrstechnischen Departements in diesem Ministerium ernannt. 1897 trat Gerstel an die Spitze der Generalinspektion der Osterreichi¬ schen F.isenbahnen, wo es ihm gelang, der von ihm geleiteten BehOrde eine machtvolle und angesehene Stellung zu verschaffen. Als Gerstel im Februar 1907 nach 49- jahriger Dienstzeit sich ins Privatleben zuriick- zog, wurde ihm in Anerkennung seiner be- sonderen Verdienste der Ritterstand verliehen. AUgemeine Entvvicklungsgeschichte. 175 nach vollendeter Dienstzeit in den Ruhe- stand und an seine Stelle wurde der bisherige Chef der Sektion fiir Verkehr und maschinentecbnische Angelegenheiten im Eisenbahnministerium Karl Ritter von P a s c h e r berufen, ein ebenso durch seine Fahigkeiten wie griindliche Fachkenntnis, zielbevraSte Festigkeit im Wollen und Schaffen ausgezeichneter Fachmann. Die Einflufinahme der k. k. Generalinspektion auf die Geschicke insbesondere der »ver- staatlichungsreifen« Privatbahnen, findet bei Erorterung der Ge- schichte dieser Bahnen lhre Kennzeichnung. Wechsel in der Leitung des Eisen- bahn ministeriu m s. Am 7. November 1908 iiberreichte Mi- nisterprasident Dr. Frei- herr v. Beck die De- mission des Gesamt- kabinetts und damit schied auch der erste parlamentarischeEisen- bahnminister Dr. Emil v. Derschatta aus dem Amte. Mit der Leitung des Eisenbahn- ministeriums wurde der bisher an der Spitze der »Sektion fiir juridische Angelegenheiten des Eisenbahnwesens, fiir den finanziellen Dienst der Staatseisen- bahnverwaltung« stehende Sektionschef Dr. Zdenko Ritter v. F o r s t e r*) betraut. *) Dr. Zdenko Ritter von F o r s t e r, im Jahre 1860 geboren, steht seit dem Jahre 1881 in Staatsdiensten. Im Jahre 1884 wurde er als Konzipist zur Dienstleistung ins Handelsmini- sterium berufen, wo er gelegentlich der im Jahre 1894 erfolgten Aufstellung einer eigenen Amtsabteilung fiir das Lokalbahnwesen m der Eigenschaft eines Ministerialsekretars dem legislativ-administrativen Bureau dieser Ab- teilung zugewiesen wurde. Im September 1895 wurde Forster durch die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz Josefs-Ordens ausge- zeichnet. AnlaSlich der Errichtung des Eisen- bahnministeriums wurde er zum Sektionsrat m diesern Ministerium ernannt und ihm da- selbst die Leitung des Departements fiir das Sektionschef Dr. Ritter v. Forster gilt als gewiegter Kenner der Eisenbahnpolitik und Eisenbahnverwaltung Osterreichs, auf welchen Gebieten er schon bisher eine langjahrige erfolgreiche Tatigkeit zu ent- falten Gelegenheit hatte. In einem iiberaus huldvollen Hand- schreiben gewahrte Se. Majestat dem bisherigen Eisenbahnminister die er- betene Entlassung. Neben dem kaiser- lichen Danke wurde dem Minister fiir die umsichtigen und zielbewufiten Be- miihungen um die Aus- gestaltung des staatli- chen Eisenbahnwesens die volle Anerkennung ausgesprochen und der Leopolds-Orden I. KI. verliehen. Des Kaisers »warmster Dank? kenn- zeichnet wohl zutref- fend die aufierordentli- chen Verdienste, diesich Dr. v. Derschatta um das heimatliche Eisen- bahnwesen erwarb. Die neuzeitliche Geschichte des osterreichischen Ei- senbahnwesens ver- zeichnet reiche Erfolge, die unter seiner Agide auf dem Gebiete der Eisenbahnpolitik und Eisenbahnverwaltung gezeitigt wurden. Seine Amtstatigkeit ist in er- sterLinie durch die ge¬ legentlich der Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn erzielten verkehrspolitischen Er¬ folge und durch die zielbewufite Durch- Eisenbahnkonzessionswesen einschliefilich der Konzessionierung von Bahnen niederer Ord- nung tibertragen. Spater wurde er unter Eisen- bahnminister Dr. R. v. W itt e k Leiter des Pra- sidialbureaus. Als R. v. Forster, welcher auf diesern Posten Ende 1900 zum Ministerialrat ernannt und durch die Verleihung des Ritter¬ kreuzes des Leopolds-Ordens ausgezeicbnet worden war, im Jahre 1905 von der Leitung des Prasidialbureaus im Eisenbahnministerium zuriicktrat, wurde ihm zunachst die Revision der spezifisch-juridischen Departements dieses Ministeriums tibertragen. Im November 1905 wurde R. v. Forster zum Sektionschei im Ei¬ senbahnministerium ernannt und erhielt durch die zu Beginn des Jahres 1907 erfolgte An- 6 Abb. 167. Gustav Gerstel Ritter v. Ueken. 176 Hermann Strach. fuhrung der V erstaatlichungsaktion gekenn- zeichnet. Inmitten wichtiger eingeleiteter Aktionen, zu welchen noch die Reorganisa- tion der StaatsbahnverwaltungundTarifre- form zu zahlen ist, schied Dr. v. Derschatta von seinem Amte. Fiir seine aufierordent- liche Begabung spricht die Raschheit, mit der er als Fachminister sich in ein Ressort einarbeitete, zu dem er vorher nur in losen Beziehungen stand. Schon bei der Ver- tretung der Nordbahnvorlage war die rasche Auffassung und seine Fahigkeit, sich mit den schwierigsten Verhandlungs- gegenstanden schnellstens vertraut zu machen, anerkannt worden. Das Per- sonal der osterreichischen Staatsbahnen dankt dem Minister eine Reihe von sozialpolitisch wertvollen Mafinahmen. Welche Anerkennung das Wirken des Ministers Dr. v. Derschatta allent- halben fand, beweisen die zahlreichen Kundgebungen von Korperschaften aus allen Teilen des Reiches, in welchen die Hoffnung zum Ausdrucke kommt, den bewahrten Fachminister wieder in seinem bisherigen Wirkungskreise zu sehen. Mit Genugtuung darf Dr. v. Der¬ schatta wie seine Vorganger auf die Erfolge zuriickblicken, die Osterreichs Eisenbahnwesen in der jiingsten Vergan- genheit verzeichnen kann. Osterreichs Staatsbahnen haben, wie wir gesehen haben, durch den Bau neuer und wichtiger Verkehrswege im letzten Jahrzehnt eine weitere Ausgestaltung erfahren, durch eine zielbewufite In- vestitionspolitik ist deren Leistungs- fahigkeit und Verkehrssicherheit intensiv gehoben worden, die weitausgreifende Verkehrspolitik hat nach jeder Richtung hin anerkennenswerte Erfolge zu ver¬ zeichnen, die Einverleibung der wich- tigsten Privatbahnen ins Staatsbahnnetz ist teils durchgefuhrt, teils weit vorbereitet, die Tarifpolitik ist frei geworden, die Umgestaltungen des Betriebes sind plan- mafiig in Angriif genommen. Ali das mufi demjenigen, der sich in den nach jeder Richtung hin klaren Ver- haltnissen des osterreichischen Staats- bahnwesens ein freies und gerechtes Urteil wahrt, die Uberzeugung auf- drangen, dafi das seit Errichtung des Eisenbahnministeriums Durchgefiihrte und Geschaffene mit Recht als eine Kette von guten Erfolgen bezeichnet werden darf. Die Privatbahnen. Die Geschicke der osterreichischen Privatbahnen im abgelaufenen Jahrzehnt, soweit sie nicht durch die Verstaatli- chungsaktion der Regierung beeinflufit wurden, gestalteten sich verhaltnismafiig wenig ereignisreich. Mehr bedacht, das Erworbene zu bewirtschaften, als durch den Bau neuer Bahnen das Wirkungs- gebiet zu erweitern, haben die grofieren Privatbahnen dank einer aufierordentlich gunstigen Konjunktur ihre Erfolge auf finanziellem Gebiete gefunden. Mit dem eingetretenen wirtschaftlichen Aufschwung war eine unervvartete Verkehrssteigerung verbunden, die an die Verkehrsleistungen einzelner Unternehmungen die hochsten Anforderungen stellte und zeitweise ebenso wie auf den Staatsbahnen die Unzulang- gliederung der Departements des finanziellen Dienstes an die von ihm geleitete Sektion ein neues Feld seiner Betatigung. In dieser Eigen- schaft war Dr. R. v. Forster bis jetzt tatig. lichkeit der vorhandenen Anlagen und Fahrbetriebsmittel klarlegte. Seit anderthalb Jahrzehnten schwebte iiber den wichtigsten Unternehmungen das Damoklesschwert der Verstaatlichung. Es ist erklarlich, dafi sie, um die Ein- losungsrente nicht zu ktirzen, mit kostspieli- gen Anlagen, Erweiterungen und Anschaf- fungen, soweit es nur ging, zuriick- hielten. Der Bauzustand und die Zahl und Art der Fahrbetriebsmittel blieben daher aut das beschrankt, was die not- wendigste Erhaltung der Betriebssicher- heit und die notdiirftige Bewaltigung des namentlich in den letztvergangenen Jahren rapid gesteigerten Verkehres er- forderte. Dieser Zustand bei Bahnen, die nunmehr vom Staate bereits ubernommen sind oder unmittelbar vor der Uber- nahme stehen, ist wobl eine Konsequenz der durch die politischen Verhaltnisse her- beigefiihrten Verzčgerung in der Durch- 179 AUgemeine Entwicklungsgeschichte. fiihrung einer entschiedenen Verstaat- lichungspolitik. Die Regierung war in der letzten Zeit bestrebt, soweit die Machtbefugnis hiezu ausreichte, die allerdringendsten In- vestitionen, den Bau zrveiter Gleise, Er- neuerung des Oberbaues, Verstarkung der Brticken und anderweitige Verbesse- rungen der Anlagen den Privatbahnen aufzutragen, und gin g auf den eigenen Linien mit gutem Beispiele voran. In vielen Fallen sah sie sich jedoch zu Zrvangsmafinahmen bemiifiigt und machte die Bewilligung von Anleihen, Priori- tatenkonversionen und Tariferhohungen von der Durchfuhrung angeordneter In- vestitionen abhangig. Die giinstige Ge- staltung der Geldmarktverhaltnisse, der sinkende Zinsfufi hatten das seit Jahren m den Hintergrund gedrangte Problem der Konversion von Anleihen wieder auf die Tagesordnung gesetzt,die zu einemhbheren als dem 4°/oigenZinsfufie kontrahiert wor- den waren. Tatsachlich gelang es, eine Reihe solcher Anlehen mit gutem Erfolge in niedriger verzinsbare umzuwandeln. Eine Reihe von Betriebsunfallen, die sich imjahre 1898 und auch im folgen- den Jahre einstellten, waren die Veran- lassung, Mafinahmen zur Erhohung der Verkehrssicherheit auf den osterreichi- schen Bahnen zu treffen und die wesent- liche Ursache, auf die Umgestaltung der verkehrsreicheren eingleisigen Linien in doppelgleisige und auf die Vermehrung der Stationsgleise hinzmvirken. Die den Privatbahnen hieraus erwach- senden Investitionsauslagen waren um so bedeutender, als gleichzeitig eine unverhaltnismafiig rasche Steigerung der Materialpreise und Arbeitslohne die Ar- beiten verteuerte. Zur Steigerung der Auslagen trat noch die Erhohung der Kohlenpreise und die gesteigerten An- forderungen des Personals hinzu. Die Durchsetzung; dieser Forderunefen war bei emzelnen Unternehmungen und in jiingster Zeit sogar bei Staatsbahnbe- diensteten mit einer unerquicklichen Er- scheinung verbunden, der sogenannten »passiven Resistenz« der Exekutivorgane, die durch mechanische wortliche Befol- gung einzelner Instruktionsbestimmungen die regelrechte beschleunigte Abwicklung des Verkehres hintanzuhalten wufiten. Dem tatkraftigen Eingreifen der Auf- sichtsbehorde war es zu danken, dafi dieser Art der Durchsetzung von Wiin- schen und Forderungen ein Ziel gesetzt, anderseits aber zahlreichen Kategorien von Bediensteten die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ermoglicht wurde. In welchem aufierordentlichen Mafie dies im letzten Jahrzehnt sowohl bei den osterreichischen Staatsbahnen wie bei den Privatbahnbediensteten durchge- fiihrt wurde, ist an anderer Stelle ein- gehend nachgewiesen.*) Trotz der hohen Anforderungen, die an die Bahnunternehmungen hiedurch, ins- besondere aber auch durch die neuen Steuergesetze, die am 1. Janner 1898 in Kraft traten, sowie durch die weiteren sozialpolitischen Mafinahmen, \vie Rege- lung der Dienst- und Ruhezeiten des Per¬ sonals, Kranken- und Altersversorgung, gestellt wurden, konnten die osterreichi¬ schen Bahnen, wie die Zusammenstellung auf S. 180—181 zeigt, im letzten Jahrzehnt infolge derVerkehrssteigerungen neben den grofien Investitionen doch eine bessere Ver- zinsung ihres Anlagekapitals durchsetzen. Die Kaschau-Oderberger Balin hatte im Jahre 1898 von beiden Regierungen die Bewilligung zum Bau des zweiten Gleises Jablunkau—Csacza erhalten und konnte es am 4. Dezember desselben Jahres schon dem Betriebe ubergeben. Zur Durchfuhrung des Baues mufite die Gesellschaft eine schwebende Schuld aufnehmen. Die Steigerung des Verkehres bedingte die weitere Ausge- staltung der osterreichischen Strecke und die Gesellschaft strebte die Genehmigung zur Aufnahme eines konsolidierten An- lehens an, das zum Ausbau des zweiten Gleises auf der Strecke Sillein—Oderberg, zur Vermehrung des Wagenparkes und zu anderweitigen Investitionen verwendet werden solite. Die jahrelangen Verhandlungen mit den Regierungen fiihrten bis 1907 nicht zum Ziele, da die osterreichische Regierung den Standpunkt vertrat, dafi ein Teil der *)Vgl.Bd.Vd. W. Paul, DasPersonalwesen. 12* Hermann Strach. 180 Anlagekapital der osterreichischen Hauptbahnen Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 181 im Privatbetriebe mit Ende Dezember 1907. 182 Hermann Strach. Betriebsiiberschiisse zur Ausgestaltung der Staatsgarantie geniefienden osterr. Teil- strecke verwendet werden solle, wozu die ungarische Regierung lange nicht ihre Zustimmung geben wollte. Die Gesell- schaft mufite, um die dringendsten Investi- tionen durchzufiihren, von Jahr zujahr sich mit der Aufnahme von schwebendenSchul- den behelfen; derenZinsen in dieBetriebs- rechnung eingestellt wurden. Bis Ende 1906 hatte die Gesellschaft K 14,126.180, undzwar K 11,706422 filr das ungarische und K 2,419.758 fiir die Ausgestaltung des osterreichischen Netzes aus schwebenden Schulden aufgewendet. Imjahre 1907 stei- gerten sich die Verkehrsschwierigkeiten jedoch derart, dafi eine anstandslose Ab- •vvicklung des Verkehres mit den vorhande- nen Betriebseinrichtungen nicht mehr moglich war und der Betrieb zu wiederhol- ten Malen ganzlich eingestellt werden mufite. Das gelegentlich der Ausgleichsver- einbarungen abgeschlossene Ubereinkom- men*) brachte auch hinsichtlich der Kaschau-Oderberger Eisenbahn eine Re- gelung. Der von der ungarischen Re¬ gierung angestrebte direkte Anschlufi der Kaschau - Oderberger Eisenbahn an das preufiische Bahnnetz bei Annaberg wurde im wohlverstandenen Interesse der osterreichischen Reichshalfte nicht zugestanden, wohl aber der Bau eines zweiten Gleises in der Strecke Jablun- kau—Teschen bervilligt, wahrend die rest- liche 30 km lange Strecke bis Oderberg eingleisig bleibt. Auf dieser wird lediglich durch Einschaltung von Betriebsaus- weichen ein Verkehr von 84 Ziigen tag- lich in beiden Richtungen zusammen sichergestellt. Uberdies wird zur Entla- stung dieser Strecke ein Teil des Ver¬ kehres auf die anschliefienden Staats- bahnen iibernommen. Das Erfordernis fiir die Investitionen auf der osterreichischen Strecke der Kaschau-Oderberger Bahn wird ausschliefilich aus den Betriebsuberschus- sen dieser Strecke gedeckt, so dafi eine In- anspruchnahme der osterreichischen Staats- p-arantie aus diesem Anlasseausgeschlossen bleibt. *) Vgl. Bd. V d. W. Dr. Ritter von Weeber, Gesetzgebung und Verwaltung. Die Regierung hat jedoch, wie der Ministerprasident bei Einbringung der Ausgleichsvorlagen am 16. Oktober 1907 ausdrticklich hervorhob, nicht verabsaumt, fiir eine wesentliche Verstarkung des staatlichenEinflusses auf die osterreichische Strecke Sorge zu tragen. Die osterreichische Regierung hat namlich die Erfiillung ihrer Forderung gesichert, dafi fiir die osterreichi¬ sche Strecke der Kaschau-Oderberger Bahn eine besondere Betriebsdirektion in Te¬ schen mit entsprechenden Befugnissen er- richtet wurde, die es der Regierung ermog- licht, den ihr konzessionsmafiigzustehenden Einflufi in administrativer und verkehrs- politischer Hinsicht mit voller Wirksam- keit zur Geltung zu bringen. Es ist ferner durch eine entsprechende Vereinbarung auch dafiir vorgesorgt, dafi aus der Er- hohung der Leistungsfahigkeit der Ka¬ schau - Oderberger Bahn eine Beein- trachtigung der Interessen der anderen, fiir den Verkehr zwischen Ungarn und Deutschland in Betracht kommenden osterreichischen Bahnwege nicht eintreten konne, und hiedurch wurde gleichzeitig die der langsten osterreichischen Route liber Marchegg bereits derzeit innewohnende verkehrspolitische Bedeutung gegeniiber der durch die Tarifpolitik Ungarns be- gunstigten Sillein - Oderberger Route dauernd gestarkt. Fur die dem ungarischen Staate mit der Beseitigung der Verkehrserschwer- nisse auf der Kaschau-Oderberger Bahn gebotenen Vorteile bildete der zugestan-- dene dalmatinische Bahnausschufi die Kompensation. Zur Verzinsung und Amortisation des Anlagekapitals mufite die Staatsgarantie fiir die ungarischen Strecken wiederholt in Anspruch genommen werden, so dafi bis zum Jahre 1907 Garantiefor- derungen an die ungarische Regierung mit K 61,798.307-45 aufliefen, im Jahre 1907 wurde der ungarische Staatsschatz mit K 1,992.690-80 aus dem Titel der Staatsgarantie in Anspruch genommen. Die osterreichische Staatsgarantie, die, soweit sie in friiheren Jahren in aller- dings unerheblichem Mafie in Anspruch genommen war, seit 1889 aus dem Er- lose der Anleihe von 5 Millionen Gulden vollstandig getilgt erschien, mufite ein Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 183 einziges Mal, und zwar im Jahre 1901, im Betrage von K 91.062 in Anspruch genommen werden, doch schon die Er- tragnisiiberschusse der osterreichischen Strecke im nachsten Jahre deckten diese Forderung und wiederholt dienten diese Uberschusse dazu, die Staatsgarantie fiir die ungarische Teilstrecke herabzu- mindern. K. k. priv. Siidbahngesellschaft. Eine ganz eigenartige Entwicklung hat im verflossenen Jahrzehnt die Siid- bahn genommen. Auch ihr war ein aufterordentlicher Verkehrsaufschwurig be- schieden, der sich zeitweilig geradezu sprunghaft vollzog. Infolge der beson- deren finanziellen Verhaltnisse der Siid- bahn war jedoch gerade diese aufier- ordentliche Verkehrssteigerung eine reich- lich fliefiende Quelle neuer Verlegenheiten und schwerer Sorgen. Als Hofrat Dr. Alexander E g e r am I. Janner 1897 das seit Mai 1894 ver- waiste Amt eines Generaldirektors antrat, galt es grofie Fragen finanzieller, orga- nisatorischer, kommerzieller und sogar politischer Natur zu losen. Das Unter- nehmen befand sich in trostlosem Zu- stande. Die Reorganisation des exekutiven Dienstes, die Durchfuhrung einer ziel- be\vufiten Investitionspolitik, die Neu- organisation des ungarischen Netzes, hauptsachlich aber die Regelung der finanziellen Verhaltnisse des Unterneh- mens zahlten zu den schwierigsten Auf- gaben der Verwaltung. Noch im Februar des Jahres 1897 wurde die Budapester Betriebsdirektion organisiert. Mit Ausnahme des finan¬ ziellen Dienstes, der in Wien konzentriert blieb, und der Feststellung der obersten Grundsatze fiir die Tarife erhielt die ungarische Direktion eine selbstandige Stellung. An die Spitze trat mit dem Titel eines Generaldirektors-Stellvertreters ein Betriebsdirektor, der unmittelbar dem Verwaltungsrate untergeordnet wurde. Die ungarischen Linien der Siidbahn werden nach innen und aufien durch die Budapester Betriebsdirektion, deren Amtssprache die ungarische ist, ver- treten. Die Dualisierung der Unternehmung, wenn auch noch verschleiert, erschien damit im wesentlichen durchgefiihrt. Im Mai 1895 ubernahm Exzellenz Johann Freiherr von Chlumecky die riberaus schwierige und verantwortungsvolle Stel¬ lung eines Prasidenten des Verwaltungs- rates. Zu den empfindlichsten Ubeln, an de- nen die Gesellschaft laborierte, zahlte aufier dem Mifiverhaltnis zwischen dem Prioritaten- und Aktienkapital noch eine Reihe ungeloster Fragen, von welchen eine einzige, der Einflufi des Goldagios auf das Ertragnis der Siidbahn seit Durch- fiihrung der Valutaregulierung in Oster- reich bedeutungslos wurde. Das Jahr 1897 brachte auch die Entscheidung in einer der schwierigsten und kompliziertesten oster¬ reichischen Eisenbahnfragen, im Kauf- schillingsstreite der Siidbahn mit der Staatsverwaltung. Beim Kauf der Linie Wien^—Triest*) blieb ein Rest von fl. 30,000.000, beim Kauf der lombardisch-venetianischen Li¬ nien ein solcher von 30 Mili. osterreichi- scher Lire = K 21,000.000 unberichtigt, ursprunglich nach Erzielung eines 7°/ 0 igen Reinertragnisses riickzahlbar. Mit den Vertragen vom 13. April 1867, 25. Fe¬ bruar 1876 wurde bestimmt, dafi der noch aushaftende Kaufschillingsrest mit einem Zehntel des Bruttoertragnisses, soweit es K 28.200 pro Kilometer, beziehungsweise ein Viertel des Bruttoertragnisses, soweit es K 29.000 pro Kilometer iibersteigt, allmahlich abzustatten ist. »Falls die Ge¬ sellschaft vom 1. Janner 1888 ab die Einkommensteuer zu zahlen haben solite, so findet die Zahlung des obigen ein Zehntel, beziehungsvveise ein Viertel an den Staat insolange und in dem Mafie nicht statt, als dasselbe zur Entrichtung der Ein¬ kommensteuer in Anspruch genommen werden mtifite.« Diese im franzosischen Texte anders lautende Vertragsbestim- mung gab zum langjahrigen Streite Anlafi. Als die Steuerfreiheit der Siidbahn *) Siehe »Geschichte der Eisenbahnen der ftsterr.-ungar. Monarchie«, Band I, leil- verkauf der Staatsbahnen, S. 337 ff. 184 Hermann Strach. ablief, betrachtete die Siidbahn die Ein- kommensteuer samt Zuschlagen als Ab- zugspost von jenem Uberschusse, der zur Bemessung der Riickzahlungsquote dienen solite, wahrend die Regierung einwendete, dafi die Sudbahn zur Be- streitung der Steuern von den Coupons der 3 n / 0 igen Prioritaten einen Abzug von 2 Frs. bewerkstelligte. So wurde denn ein Schiedsgericht mit der Entschei- dung betraut, das jedoch angesichts der Schwierigkeiten der Entscheidung einen Ausgleich nahelegte. So ruhte diese Angelegenheit und nur einmal trat der Fali ein, dafi die Sudbahn nach ihrer Anschauung eine Abzahlung zu leisten verpflichtet war und auch leistete, \velche von der Regierung unter Wahrung ihres Standpunktes als Abschlag auf die 6°/ 0 igen Verzugs- zinsen in Empfang genommen wurde. Als nun die Sudbahn im Mai 1896 um die Bewilligung ansuchte, den Rest ihres 4°/ 0 igen Prioritatenanlehens von 17 Mili. Mark Nominale ausgeben zu diirfen, wurde die Losung der Kauf- schillingsfrage dringend, denn die Regie¬ rung hatte mit der Gesellschaft verein- bart, dafi die zweite Halfte der Gesamt- anleihe von 40 Mili. Mark zur Riick- zahlung des Kaufschillingsrestes verwen- det werden solite, wenn die Sudbahn im Streite unterliege. Das Schiedsgericht wurde demnach von beiden Streitteilen tibereinstimmend ersucht, das seinerzeit sistierte Verfahren wieder aufzunehmen und den Schiedsspruch endgiiltig zu fallen. Das Schiedsgericht erkannte mit Ur- teil vom 24. Februar 1897, dafi die Siid- bahngesellschaft berechtigt ist, das Zehntel des Bruttoertragnisses, soweit dasselbe fl. 107.000 (K 214.000), bezw. das Viertel des Bruttoertragnisses, soweit dasselbe fl. 1x0.000 (K 220.000) pro Jahr und Meile iibersteigt, zur Abstattung der der Gesellschaft obliegenden Zahlung der vollen staatlichen Einkommensteuer samt staatlichen Zuschlagen, sowie zur Zahlung der Halfte der nicht ararischen Umlagen und Zuschlage zu verwenden und dafi erst der sodann verbleibende Rest dieses Uberschusses zur Abstat¬ tung des Kaufschillingsrestes heranzu- ziehen ist. Von 1871 bis 1879 warenK 12,332.810, 1889 K 529.167, 1891 K 173.664 gezahlt worden, fiir 1880—1895 wurden auf Grund des Schiedsspruches (aus dem Erlos des 4°/ 0 igen Markanlehens) K 3,339.899 (einschliefilich 6"/ 0 Verzugs- zinsen) bezahlt. Fiir die Jahre 1900 bis einschliefilich 1904 hatte die Regierung die Zahlung zu Lasten des Kapitalskonto unter Aus- gabe von 4 %ig ei1 Obligationen unter der Bedingung gestattet, dafi ihr diese funt Raten sofort auf einmal abgefiihrt werden. Die Zahlung des Kaufschillings er- folgt seit 1903 aus den Rucklassen der 3 °/ 0 ig e n Prioritaten. Im Jahre 1907 belief sich der ge- s a m t e Kaufschillingsrest noch auf K 25,492.636. Nach Abstattung von K 8,754.990 war der Kaufschillingsrest per K 60,000.000 fur die Linie Wien— Triest vollstandig getilgt und der noch aushaftende Rest fiir die ehemaligen lombardisch-venetianischen Linien stellte sich auf K 16,737.645. Aus der Einschrankung der Tilgung der 3°/ 0 igen Obligationen im Jahre 1907 war ein Betrag von K 5,625.166 fiir Kaufschillingszwecke bestimmt. Nach den Konzessionsurkunden und dem Ur- teil des Schiedsgerichtes waren aber K 10,332.310 als Abschlagszahlung zu leisten gewesen. Da aber die Gesell¬ schaft nicht iiber die notigen Mittel ver- fiigte, sah sich die Verwaltung in der am 30. Mai 1908 abgehaltenen Generalver- sammlung genčtigt, zu erklaren, dafi sie weder in der Lage ist, die 6 Millionen uberschreitenden Investitionserfordernisse des Jahres 1908 noch die Kaufschillings- rate aufzubringen und dafi daher die Re- gierung verstandigt wurde, dafi die fiir das Jahr 1907 fallige Kaufschillingsrate nicht bezahlt werden kann. An den Prioritatenkurator wendete sich die Ver- waltung mit dem Begehren, die fiir Kaufschillingszwecke bestimmte Summe von K 5,625.166 zur Deckung der Investitionserfordernisse verwenden zu diirfen. Die bedeutenden Summen, die die Gesellschaft alljahrlich auf Investitionen Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 185 aufwenden muli, ergeben sich aus den Bemiihungen derVerwaltung, die schweren Versaumnisse friiherer Perioden, soweit es die finanziellen Verhaltnisse des Unternehmens nur irgend zulassen, gut- zumachen. Die Unzulanglichkeit der Betriebsanlagen und Betriebsmittel der Gesellschaft trat krafi zu Tage, als am Ende der Neunzigerjahre mit einem Male eine lebhafte Verkehrssteigerung auch auf den Siidbahnstrecken sich ein- stellte. Giiterstauungen, namentlich in den Knotenpunkten und Anschlufistationen, Stockungen in der Abwicklung des Zugs- verkehrs mit allen die Betriebssicherheit gefahrdenden Riickwirkungen, Verzoge- rungen im Wagenumlaufe und eine Uberbiirdung des Personals waren die unmittelbaren Folgen des plotzlichen Verkehrsandranges, die sich insbesondere zu Ende des Jahres 1899 derart emp- findlich geltend machten, dafi die Be- triebszustande der Stidbahn Gegen- stand parlamentarischer Interpellationen wurden. Der Eisenbahnminister konnte bei deren Beantwortung im Abgeordneten- hause darauf verweisen, dafi es gelungen sei, die aufiersten Konsequenzen der ein- getretenen Situation dank der »beispiel- losen Hingebung des im Exekutivdienste der Stidbahn verwendeten Personals, das in dieser kritischen und gefahrvollen Periode einen neuen glanzenden Beweis seines unerschtitterlichen Pflichtgefiihles gebracht hatte, abzuwenden«. Der Verwaltung stellte der Minister das Zeugnis aus, dafi sie nach Kraften bemiiht ist, eine Besserung der Verhalt¬ nisse herbeizuftihren. Schon zu Beginn desjahres 1898 wurde von der Verwaltung anlafilich der Verhandlungen wegen Be- willigung eines Investitionszwecken die- nenden Anlehens ein bis zumjahre 1912 reichendes Investitionsprogramm auf- gestellt, nach welchem mehr als 37 Millionen Kronen fiir Bauarbeiten auf dem osterreichischen Netze und etwa 20 Millionen Kronen fiir Vermehrung der Fahrbetriebsmittel in Aussicht genommen waren. In der Generalversammlung vom 26. Mai 1898 wurde die Verwaltung ermachtigt, eine 3 72 %ig e Investitions- anleihe aufzunehmen. Da es nicht moglich war, auch nur einen Teil dieser Anleihe zu realisieren, sah sich die Ge¬ sellschaft gezwungen, fiir eine hoher ver- zinsliche Anleihe vorzusorgen. Mit Zustimmung der Regierung be- schlofi die 50. Generalversammlung am 17. Mai 1900 eine 4 °/ 0 ige Anleihe von 100 Millionen Franken oder 81 Millionen Mark im Wege der Verlosung bis 1968 riickzahlbar an S teli e der 3 1 /2°/oi§’ en aufzunehmen. Die Investitionsauslagen betrugen im Jahre: Nach dem mit der Aufsichtsbehorde vereinbarten Investitionsprogramm sind die nachsten Jahre mit noch erheblich grofieren Investitionsauslagen belastet. DerV erkehrsentwicklung entsprechend, sind auch die Einnahmen der Siidbahn be- trachtlich gewachsen. Und zwar stiegen die Einnahmen aus dem Giiterverkehre in der Zeit von 1898 bis einschliefilich 1907 von 67 auf 93 Millionen Kronen, die Einnahmen aus dem Personenverkehr von 27 auf 41 Millionen Kronen. Prozen- tuell betragt demnach die Steigerung des Giiterverkehrs rund 39°/ 0> die des Per- sonenverkehrs 5o°/ 0 . Besondere Erwahnung verdient der Umstand, dafi auch die Eroffnung der zweiten Eisenbahnverbindung mit T r i e s t die steigende Richtung des Siidbahn- verkehrs nicht unterbrochen hat. Eine fiihlbare Abschwachung in derVerkehrs- entwicklung war freilich insbesondere beim Giiterverkehr unvermeidlich. Schon vor Eroffnung der neuen Staatsbahnlinie ward zwischen der Siidbahn und der Staatseisenbahnvervvaltung eine Verein- barung wegen Teilung des Guterver- kehrs in den Relationen nach Trie st illion 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40 35 JO Hermann Strach. 'en worden. In diesem Abkommen atiirlich auch der Fali der weiteren Einnahmen aus dem Giiterverkehr Steigerung v. 1898 bis 1907...„39% Einnahmen aus dem Personenverkehr Steigerung v.l8981)is 3907.. .50% 1907 1906 1905 1904 1903 1902 1901 1900 1699 1898 , 169. Die Einnahmen der Siidbahn aus dem ersonen- und Giiterverkehre 1898—1907. Verstaatlichung von Privatbahnlinien vor- gesehen, der tatsachlich zunachst durch die Einlosung der Kaiser Ferdinands- Nordbahn eintrat. Hiedurch wurde die Verkehrsteilung zwischen Siidbahn und Staatseisenbahnvervvaltung noch weiter zu Ungunsten der Siidbahn verschoben. Abgesehen davon vollzog sich gleich- zeitig mit der aufierordentlichen Ver- kehrsentwicklung wie bei den iibrigen osterreichischen Bahnen so auch bei der Siidbahn eine empfindliche Betriebsver- teuerung. die ebenso in den Hochpreisen fiir die notwendigsten Materialien als in dem Anschwellen der Personallasten infolge umfangreicher Personalvermebrungen und notwendiger Mafinahmen sozialer Natur begriindet war. Besonders einschneidend wirkte die Steigerung der Personallasten seit der Mitte des ersten Jahrzehnts im Zusammenhange mit der passiven Re- sistenzbewegung. Die Gesamtwirkung der vorgenannten Umstande zeigt sich in der empfindlichen V erschlechterung des Befriebskoeffizienten, der von 59 ' 79 % ‘ m Jahre 1898 auf 69-25°/,, im Jahre 1907 stieg. Die Gesamtwirkung der Verkehrs- steigerung und der die Ertragsrechnung belastenden Umstande kommt in den nachfolgenden Schlufiziffern der Jahres- rechnungen zum Ausdruck. Gebarungs-Uberschufi 1898 -)- 3-2 Mili. K » » 1899 —j— 4‘g » » » » 1900 -j- 3-9 * » » Abgang 1901 — 3‘3 » » » » 1902 — 0*2 » » » UberschuB 1903 -j- o - 1 » » » » 1904-j-crg » » » » 1905-j-67 » » » » 1906+5-3 » » » » 1907 —j— 1 -3 » » Die rapide Verschlechterung der Jahres- rechnung in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts zwang die Siidbahn, an ihre Prioritatenglaubiger heranzutreten, um auf diesem Gebiete eine Entlastung zu erwirken. Hiebei kamen aus mehreren Griinden, vor allem schon wegen der Hohe der einzelnen Prioritatenanleihen nur die 3°/ 0 igen Prioritaten in Betracht, deren Umlauf rund 2 Milliarden betragt. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 187 Nach langen muhseligen Verhandlungen wurde endlich eine Vereinbarung abge- schlossen. die der Sudbahn wenio;stens fur die nachsten Jahre eine ausreichende Er- leichterung brachte. Der wesentliche Inhalt der Vereinbarung bestand darin, dafi die im Tilgungsplan vorgesehenen jahrlichen Ver- losungen der 3°/ 0 igen Obligationen in der Zeit bis 1917 betrachtlich eingeschrankt wurden.*) Die sich hieraus ergebenden Riicklasse betragen bis 1911 jahrlich rund 11 Millionen Kronen, die ungefahr halftig zur Riickzahlung des Kaufschillings und zur Deckung der Investitionsauslagen ver- wendet werden sollten. Da sich jedoch die Verkehrssteigerung, von der die Kaufschil- lingszahlung und die Investitionsauslagen abhangig sind, in viel rascherem Mafie vollzog, als vorhergeseben werden konnte, reichten die Tilgungsriicklasse fur die er- wahnten beiden Zwecke bald nicht mehr aus. Die Sudbahn sah sich daher zu neuer- lichen Mafinahmen gezwungen, um einer- seits durch Erhohung ihrer Einnahmen die Ertragsrechnung zu verbessern, ander- seits fur die durch die Tilgungsrtick- lasse nicht mehr gedeckten Erfordernisse fiir Kaufschilling und Investitionen eine anderweitige Deckung zu finden. Zu erst- genanntem Zwecke nahm sie eine Er¬ hohung der Personen- und Giitertarife in *) Der Inhalt des geschlossenen Uberein- kommens lafit sich folgendermafienzusammen- fassen: Die Verlosung der Prioritaten wird hinausgeschoben, und zwar derart, dafi in den Jahren 1902 bis einschliefilich 1917 jahrlich geringe Betrage verlost und in den folgenden Jahren der Konzession bis 1958 diese Minder- verlosungen hereingebracht werden. Es ist ein neuer Tilgungsplan aufgestellt vvorden, nach welchem bis zum Jahre 1917 im ganzen um 310.941 Obligationen im Nominalbetrage von 1 S5‘47 Millionen Franken weniger verlost wer- densollen als nach den alten Planen. Dieser Be- trag der Ersparnis ist zu verwenden zur Be- richtigung der Kaufschillingsforderung des Staates, ferner zurBestreitung des Investitions- aufwandes in den nachsten 16 jahren, wofiir jahrlich durchschnittlich 6 Millionen Kronen, demnach zusammen 96 Millionen Kronen be- stimmt sind, sodann war aus diesen Erspar- nissen das Defizit der Jahre 1901 und 1902 von 2'8 s Millionen Kronen vorschufiweise zu decken und endlich wurden der Sudbahn zur Starkung ihrer Kassabestande 8’5 Millionen Kronen iiberwiesen. Die fiir diese Zwecke Aussicht, zu dem zweitgedachten Ziel setzte sie sich mit den Vertretern der Besitzer der 3°/ 0 igen Obligationen neuer- dings ins Einvernehmen. Zunachst solite ein zweijahriges Provisorium vereinbart wer- den, innerhalb dessen die Tilgung der 3°/o*g en Obligationen iiberhaupt zu ruhen hatte. Mittlerweile wiirde die Wirkung der Tarifreform erprobt werden konnen, so dafi man nach Ablauf des Provisoriums bereits ein genaues Urteil dariiber haben wiirde, welche besonderen Mafinahmen etwa noch zu treffen waren. Vor allem ist die Gesellschaft be- strebt, fiir die Bediirfnisse der nachsten Jahre durch Aufnahme einer Anleihe vor- zusorgen. Die Tilgung der Prioritaten bis 1917 erfordert 42 Millionen Kronen, zur Bezahlung des Kaufschillingsrestes sind i6'7 Millionen Kronen erforderlich, so dafi sich die Anleihe auf 5 8'5 Mil¬ lionen Kronen belaufen miifite. Um diese Summe herabzumindern, verlangt die Gesellschaft von den Obli- gationsbesitzern eine weitere Anderung in der Tilgung, wodurch 7 Millionen Kronen erspart wiirden, so dafi die Anlehens- ziffer auf 51 - 5 Millionen Kronen sinken wurde. Alle diese Verhandlungen aber be- wegen sich auf dem unverriickbaren nicht verbrauchten Betrage sollen in eine Reserve gegeben, in Wertpapieren angelegt und unter der Obsorge des Prioritatenkurators verwaltet werden. Sie konnen, wenn nach dem Jahre 1917 der Dienst der Prioritaten klaglos erfiillt wird, freigegeben und dann fiir Investitionen, fiir Aktienamortisationen sowie zum freihandigen Ankauf von Obligationen verwendet werden. Die Sudbahn machte anderseits Zugestandnisse, welche einen voll- kommen klaren Zustand beziiglich des Dienstes der Obligationen schaffen. Sie verpflichtete sich, sowohl die Zinsen als auch die Riick- zahlungen unbedingt in Gold zu leisten, den Couponabzug von 2 Franken unter keinen Um- standen zu erhOhen, so dafi der Halbjahrs- coupon unter allen Umstanden mitbVg Franken eingelOst wird; sie verpflichtete sich ferner, dieKotierung an derPariser Borse jedenfalls so lange aufrecht zu erhalten, als die kotepflichtige Quote der Obligationen nicht erhoht wird. Solite die Kote aufgelassen werden, so wird die Sudbahn den Obligationaren eine Auf- zahlung von 32 Centimes perStlick und Jahr auf den Coupon leisten. Hermann Stracb. Grundsatz, dafi der Coupondienst der Obligationen in keiner Weise beriihrt werden diirfte. Es handelt sich fiir die Siidbahn in erster Linie darum, iiber die Zeit bis zur Erhohung der Frachtentarife hinweg- zukommen. Sie hat sich daher an ihre Glaubiger gewendet, zunachst an die Assoziation in Pariš, welche den grafiten Teil der Prioritaten vertritt. Aus der ge- planten Plinausschiebung der Amortisation fiir die Jahre 1908 und 1909 wiirde die Ge- sellschaft schon eine Ersparnis von 6 - 5 Mil- lionen Kronen erzielen. Selbstverstandlich mufi Vorsorge getroffen werden, dafi diese Amortisationen in einem geeigneten Zeitpunkte nachgeholt werden. Fiir In- vestitionen diirfte in Zukunft ein durch- schnittlicher Jahresbetrag von 12 Millionen Kronen notwendig sein. Es wiirde sich also noch um die Beschaffung von jahrlich 6 Millionen Kronen fiir die Jahre 1910 bis 1918 handeln. Nun ist es klar, dafi, wenn sich die Verhaltnisse durch die Tariferhohung auch bedeutend bessern, und wenn die Siidbahn dadurch mit aktiven Bilanzen abschliefien solite, doch der Uberschufi nicht so grofi sein wird, um die Investitionen zu bestreiten. Man hofft aber, dafi er so grofi sein wird, um eine Deckung fiir die Verzinsung und Amortisation eines neuen Anlehens zu geben. Das neue Anlehen miifite aber auch noch zur Deckung des Kaufschillings- restes beniitzt werden. In der Versammlung der Siidbahn- prioritatenbesitzer vom 18. November 1908 \vurden die Vorschlage der Ver- waltung nach heftiger Debatte unter der Bedingung angenommen, dafi alle iibrigen Bestimmungen des Vertrages vom 17. September 1903 emgehalten werden, dafi alle kiinftigen Betriebsiiber- schiisse ausschliefilich zur Nachholung der aufgeschobenen Ziehungen verwendet werden. Die nachsten Jahre werden zeigen, welche Entwicklung dem Ver- kehr und den Betriebsausgaben beschieden ist. Sodann wird eine endgiiltige Mafi- regel ergriffen werden miissen, um die finanzielle Lage der Siidbahn in dauernde Ordnung zu bringen. Die seit dem Jahre 1878 im Be- triebe der Siidbahn stehenden Linien der K. k. priv. Graz-Koflacher Eisenbahn- und Bergbau-Gesellschaft haben keine Erweiterung erfahren. Seiti 885 strebte die Gesellschaft eine Konversion ihrer hochverzinsbaren Prioritaten an. Die Verhandlungen dariiber blieben erfolg- los, weil sich die Gesellschaft weigerte, die Bedingungen der Regierung zu erfiillen. Diese forderte nebst einer Tarifermafii- gung, dafi die Halfte des Konversions- gewinnes zur Unterstiitzung der not- leidenden steiermarkischen Landesbahn Wieselsdorf—Stainz verwendet werden solle und die strittige EinlSsungsfrage fiir die Strecke Graz — Koflach geregelt werde. Im April 1900 trat die Gesellschaft neuerlich an die Regierung um Be- willigung eines Prioritatsanlehens von K 4,000.000, beziehungsweise um Vermehrung ihres Aktienkapitals heran. Die Gesellschaft bewies rechnungs- mafiig, dafi die konzessionsmžifiigen Be¬ dingungen fiir die geforderte Herabsetzung der Kohlentarife nicht gegeben seien, weil bis zum Jahre 1900 die Ein- nahmen K 300.000 pro Meile noch nicht iiberschritten hatten. Als diese Grenze im Jahre 1900 iiberschritten wurde, erachtete die Regierung die konzessions- mafiige Voraussetzung fiir die Tarif- herabsetzung schon fiir gegeben; wah- rend die Gesellschaft dies wieder mit der Begrundung bestritt, die Konzession konne nur eine dauernde Uber- schreitung der Roheinnahmen von K 300.000 pro Meile gemeint haben. Die Einnahmenergebnisse des Jahres 1900 seien nur aufiergewohnlicher und voriibergehender Natur gevvesen. Uber- haupt vertrat die Gesellschaft die An- sicht, dafi bei Aufteilung der Roh¬ einnahmen auf das Betriebsnetz die Schleppbahnen auszuscheiden waren, in welchem Falle die Uberschreitung der Einnahmegrenzen gar nicht vorliege. Die Einwendungen wurden erst mit Erlafi des Eisenbahnministeriums vom 27. November 1902 erledigt, das sich auf die einstweilen eingetretene Rechts- kraft des Erlasses vom 29. August 1901 berief, mit dem die Tarifherab- setzung gefordert wurde. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 189 Die Gesellschaft erklarte, dafi der urspriingliche Erlafi nicht die Form einer definitiven Anordnung hatte, da die Re- gierung nur die Unterbreitung von An- tragen fur die Tarifermafiigung gefordert habe, und ergriff die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Diese wurde ohne Verhandlung mit der Begriindung abgewiesen, der Erlafi vom 29. August I9°i sei bereits in Rechtskraft er- wachsen, weshalb gegen den zweiten Erlafi keine Beschwerde moglich sei. Da die Gesellschaft die Konvertierung der 4 1 / 2 - und 5°/ 0 igen Silberprioritaten anstrebte, hatte sie sich jedoch schon vorher, fur den Fali der Zustimmung der Re¬ gierung, zu einer 5°/o^S en Tarifherab- setzung bereit erklart. Mit dem Protokollarubereinkommen vom 16. Februar 1902 gab die Regierung die Einwilligung zur Ausgabe von 16 Mili. Kronen 4°/ 0 iger Prioritaten, behufs Kon- version der 4 x / 2 5- und 2°/ 0 igen An- leihen beziehungsweise Tilgung der schwebenden Schuld und zu Investitions- zwecken. Die Gesellschaft verpflichtete sich, den Bau der Sulmtalbahn (Leibnitz •—Polfing—Brunn) allenfalls durch Uber- nahme von Aktien zu fordern und die Bahn Wieselsdorf—Stainz zu sub- ventionieren. In der Konzessionsurkunde der Graz- Koflacher Eisenbahn vom 26. August 1855, HMVB. Nr. 61, ist kein Einlosungs- recht des Staates vorgesehen. Die Re¬ gierung ist der Ansicht, dafi die Ver- staatlichung jederzeit auf Grund der Konzessionsurkunde vorgenommen wer- den konne, die Gesellschaft bestreitet dies und meint, dafi eine Verstaatlichung nur auf Grund einer beiderseitigen freien Vereinbarung moglich sei. In der am 26. Juli 1902 abgehaltenen General- versammlung ist mitgeteilt worden, dafi sowohl die Regierung wie die Gesell¬ schaft ihren Standpunkt in dieser Frage aufrecht halten und dafi dies in einem Protokolle niedergelegt wurde. Lang- wierige Verhandlungen der Regierung, ein Ubereinkommen auch in diesem Punkte zu treffen, scheiterten an den hochgeschraubten Forderungen der Ge¬ sellschaft. Die Rechtsfrage der Verstaat¬ lichung dieser Bahn ist daher eine strittige. Die ebenfalls im Betriebe der Siid- bahn stehenden Linien der k. k. priv. Leoben- Vordernberger Eisenbahn haben im abgelaufenen Jahrzehnt durch den Ausbau zweiter Gleise eine Ausgestaltung erfahren. Die Regierung forderte im Jahre 1897 die Gesellschaft auf, das zweite Gleis zu legen, worauf diese das mangelnde Verkehrsbediirfnis einwendete. Nach mehrjahrigen Ver¬ handlungen, welche wiederholt zu Pra- liminarvereinbarungen fiihrten, die nach- traglich wieder aufgehoben wurden, kam endlich mit Protokoli vom 25. April 1903 ein Ubereinkommen zu stande. Inzwischen hatte die Gesellschaft infolge eines peremptorischen Auftrages des Eisenbahnministeriums den Bau des zvveiten Gleises in der Strecke Leoben —St. Peter—Freienstein bereits in An- griff genommen, so dafi diese Strecke bei den Verhandlungen aufier Betracht blieb. Bezuglich der restlichen Strecke bis Vordernberg wurde die Verpflichtung der Gesellschaft festgelegt, bei einem Verkehr von 40 Ziigen das zweite Gleis herzustellen. Solite bei Einlosung der Bahn durch den Staat die Strecke St. Peter—Freienstein—Vordernberg noch eingleisig sein, so hat die Gesell¬ schaft dem Staate fur das zweite Gleis K 400.000 zu vergiiten. Die Gesellschaft erhielt die Bewilligung zur Aufnahme einer 4°/ 0 igen Prioritatenanleihe von K 400.000. Gegen Bezahlung von K 75.000 in 4°/ 0 igen Prioritaten ist die Gesellschaft von der Verpflichtung des Baues der Verbindungskurve zum Staats- bahnhofe in Leoben entbunden, der Ge¬ sellschaft bleibt aber das Recht gewahrt, diese Verbindung selbst herzustellen, in welchem Falle die Regierung diese K 75.000 fur Anschlufibauten im Leobner Staatsbahnhofe heranziehen wird. Das zweite Gleis der Strecke Leoben — St. Peter — Freienstein wurde am 1. Oktober 1904 dem Betriebe iibergeben. Im Jahre 1905 richtete das Eisen- bahnministerium an die Gesellschaft die Aufforderung, mit Riicksicht auf die Hermann Strach. I90 Betriebsergebnisse, die eine Dividende von mehr als 25 °/ 0 gestatteten, die Tarife herabzusetzen. Gegen diese Anordnung ergriff die Gesellschaft die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in wel- cher sie wohl das konzessionsmafiige Recht der Regierung auf Herabsetzung der normalen Tarife anerkannte, hin- gegen dies Recht hinsichtlich der Aus- nahmetarife bestritt. Im Laufe der Verhandlungen ist ein Ausgleich der verschiedenen Auffassungen dadurch moglich geworden, dafi der Staats- verwaltung, welcher eine weitergehende Herabsetzung der Tarife insbesondere fiir Erze wegen der konkurrierenden Interessen der Staatsbahnroute Hieflau— Leoben nicht erwiinscht sein konnte, eine Gevvinnbeteiligung eingeraumt wurde. Auf dieser Grundlage kam das Uberein- kommen vom 19. Marž 1907 zu stande, wonach ab 1. Juli 1907 ftir den Giiter- verkehr das Tarifbar&me der k. k. Staats- bahnen eingefiihrt wurde. Der Staat er- halt von der K 120 pro Aktie iiber- steigenden Dividende vom Jahre 1906 an die Halfte des Uberschusses. Die Anteile des Staates beliefen sich 1906 und 1907 auf K 88.000 beziehungs- weise K 138.000. Bei der dritten im Betriebe der Siidbahn befindlichen Privatbahn, der Wien-Pottendorf- Wiener-Neustadter Bahn hat sich im abgelaufenen Jahrzehnt weder im Bahngebiete noch in ihren finanziellen Verhaltnissen irgend welche Anderung ergeben. K. k. priv. Aussig - Teplitzer Eisenbahngesellschaft. Mit dem Jahre 1907 hatte die Aussig- Teplitzer Eisenbahn das 50. Jahr ihres Betriebes vollendet und gab aus diesem Anlasse eine Denkschrift heraus, in der die Entwicklung und Bedeutung dieses Unternehmens in allen Einzel- heiten geschildert erscheinen.*) Die *) Denkschrift anlafilich der Vollendung des 50. Betriebsjahres der k. k. priv. Aussig- Teplitzer Eisenbahngesellschaft. Teplitz- Schonau 1908. Denkschrift zeigt, wie sich dieses Babn- unternehmen zu einem der hervor- ragendsten und machtigsten Verkehrs- institute der Monarchie entwickelte und welche Bedeutung es fiir die Erschliefiung des nordwestbohmischen Braunkohlen- beckens fiir die Ilebung von Volkswirt- schaft und Industrie erlangte. Die Aussig-Teplitzer Eisenbahn war die einzige Privatbahn, die im abge¬ laufenen Jahrzehnt neben vveitgehenden Investitionsanlagen auch noch eine neue grofie Linie, die I42'8 km lange »Nord- bohmische Transversalbahn« Settenz- Reichenberg schuf, die, wenn sie auch als Lokalbahn zu stande kam, eine wichtige Verkehrslinie der Monarchie bildet. Abgesehen von der volks- wirtschaftlichen Bedeutung, welche dieser Bahn als der seit Jahrzehnten er- strebten Verbindung des nordwest- bohmischen Braunkohlenbeckens mit dem Reichenberger Industriebezirke zu- kommt, verdient der Bau dieser Linie \vegen der Trassenschwierigkeiten und der zur Ausfiihrung gelangten grofien Kunstbauten einige Hervorhebung. Seit die Kaiser Ferdinands - Nordbahn die mahrisch - schlesische Stadtebahn Koje- tein — Bielitz erbaut hatte, war die Nordbohmische Transversalbahn iiber- haupt der erste grofiere Eisenbahn- bau in Osterreich, der wieder durch eine Privatbahn, ohne jede staatliche oder sonstige finanzielle Unterstiitzung zu stande kam. Alš im Jahre 1894 seitens eines Kon- sortiums der Bau einer Lokalbahn von Teplitz nach Lobositz in Frage stand und damit eine teihveise Ablenkung des Teplitz- Aussiger Kohlenverkehres drohte, entschloC sich der Verwaltungsrat der Aussig-Teplitzer Eisenbahn, als Konzes- sionswerber fiir diese Strecke aufzutreten. Die mit der Regierung gepflogenen Konzessionsverhandlungen bestimmten jedoch den Verwaltungsrat, die Konzes- sion auch fiir die Fortsetzung der Linie bis Reichenberg anzustreben. Mit der Kon- zessionsurkunde vom 13. Juri 1896, RGB. Nr. 115, erhielt die Aussig-Teplitzer Eisen¬ bahngesellschaft das Recht, zum Bau und Betrieb der als normalspurig auszu- fiihrenden Lokomotiveisenbahn von der Allgemeine Entvvicklungsgeschichte, I 9 I Abb. 170. Die Aussig-Teplitzer Eisenbahn 1858 und 1908. 192 Hermann Strach. Station Settenz (Vorstation von Teplitz) nach Lobositz mit einer Schleppbahn zu einem daselbst anzulegenden Elbe- hafen und von dort mit Ubersetzung der Elbe iiber Leitmeritz und Auscha nach Bohm.-Leipa—Niemes -Gabel und Ringelshain nach Reichenberg. Als Lo- kalbahn konzessioniert, solite die neue Bahn im Hinblick auf ihre kiinftige Ent- wicklung doch von vornherein die bau- liche Ausriistung und Betriebseinrichtung einer Hauptbahn erhalten. Im Herbste 1896 wurde mit dem Bau der ersten Teil- strecke Teplitz — Lobositz begonnen, und als der langjabrige Generaldirektor Regierungsrat von Schweigert in diesem Jahre in den Ruhestand trat, wurde der bisherige Oberingenieur der Kaiser Ferdinands-Nordbahn Hermann Rosche, einer unserer tiichtigsten Ver- kehrstechniker, zur Durchfuhrung des Weiterbaues berufen. In einem Vortrage im Klub oster- reichischer Eisenbahnbeamten*) hat Regie¬ rungsrat Rosche die Einzelheiten des Baues in trefflicher Weise geschildert. Die ausgeftihrten Kunstbauten finden auch im technischen Teile dieses Werkes gebtihrende Beriicksichtigung. Zusammen- fassend sei hier festgestellt, dafi der Bau einer Transversalbahn in Nordbohmen, wo Gebirge und Strome zu traversieren waren, nur mit Ubenvindung hoherer Kosten und grofierer Schwierigkeiten durchzufiihren war. Sie stellt sich als eine Gebirgsbahn dar, bei welcher, um die Baukosten nicht ins Unermefiliche zu steigern, als Trassierungselemente eine Maximalsteigung von 25 proMilleein kleinster Kriimmungshalbmesser von 240 m gevvahlt werden mufiten. »Trans- versalbahnen« sind in einem Lande mit einem wohlausgebildeten Radialeisenbahn- netze, wie es Bohmen besitzt, natur- gemafi »Stiefkinder des Verkehres«, wie Rosche sagt, »Eindringlinge in die Interessensphare der bestehenden Radial- bahnen und von diesen abhangig in jeder Richtung« und die Nordbohmische Transversalbahn schliefit an 7 fremde Bahnlinien mit 17 verschiedenen Bahn- *) »Osterreichische Eisenbahnzeitung«, Nr. 34, 35 und 36, 1902. richtungen an und war daher bemiifiigt, in allen Anschlufistationen kostspielige Erweiterungen auf ihre Kosten durchzu- fiihren. Obgleich der Hohenunterschied zwischen Teplitz und Reichenberg nur 146 m betragt, hat die Bahn im ganzen in der Richtung nach Reichenberg 888 m zu ersteigen. (Siehe Z u f f e r, Trassierung, Unterbauund Briickenbau, S. 12 und 106.) Die Uberschreitung des Mittelgebirges zwischen Teplitz und Lobositz erforderte vom tiefsten Punkte im Bielatale bei Auperschin, wo die Biela uberbriickt, derSteinberg mittels eines 2337 m langen Tunnels durchfahren wird, ein Ansteigen bis auf die Hohe des Debussattels bei Radzein um i86‘9 m. Hier erOffnet sich plotzlich ein genufivoller Blick in das herrliche Elbetal, auf dessen Grunde — iiber 200 m tief — der immer von Schiffen belebte, an seinen Ufern von zwei Bahnen begleitete Elbestrom in malerischen Kriim- mungen dahinfliefit, wahrend ringsum zahl- reiche Basaltkegel — mitten unter ihnen der weitbekannte Donnersberg — sich j eden Bahn- bau abwehrend entgegenstellen. Mit Bentitzung des felsigen Wopparner Tales steigt die Trasse zur Elbe hinab, die sie bei Lobositz erreicht. Nach Durchfahrung der eigenen und der Gemeinschaitsstation Lo¬ bositz (St.-E.-G.) wird der Elbestrom auf machtiger, 375 m langer Eisenbriicke iibersetzt und die Bahn sodann ansteigend zu der Station Czalositz gefiihrt, wobei die Osterreichische Nordwestbahn uberbriickt und ein AnschluB an diese Bahn mittels einer 13 km langen Verbindungslinie zur Station Czernosek hergestellt ist. Sodann fallt die Bahn bis Leitmeritz —der schonen, alten Elbestadt, um weiter in ihrem Hauptzuge in nordostlicher Richtung, gegen B o h m i s ch-L e i p a gefiihrt zu werden. Bei der alten Sommerresidenz der Leit- meritzer Bischofe, dem Stadtchen D r u m, ge- langt die Bahn in den Sumpf des Biberbaches, der mittels eines 56 m langen gewolbten Via- duktes iibersetzt wird, und" hinter der Station Neugarten Iegt sich plotzlich der tiefe ro- mantische Karbagrund mit dem Hbllen- und Helenental quer vor die Bahn, vvelcher mittels zvveier Viadukte von zusammen 251 m Lange uberbriickt wird, von deren H 5 he — 24 m liber der Talsohle — sich ein iiberraschender Blick in diese pittoresken Sandsteinfelsentaler mit ihren senkrecht aufsteigenden Wanden er- čffnet. Unmittelbar vor Leipa wird die Linie Bakow — Bohmisch-Leipa der Bohmischen Nordbahn iiberbriickt und die Bahn gelangt sodann parallel mit der Bohmischen Nordbahn nach Bohmisch-Leipa, das nun ein Knoten- punkt von sechs Eisenbahnlinien geworden ist. In Bohmisch-Leipa schliefit die Bahn an die vormalige k. k. Staatsbahnlinie Bohmisch-Leipa—Niemes an, welche die Aufiig-Teplitzer Eisenbahn um den Preis von K 2,600.000 von der k. k. Staatsver- Allgemeine Entwicklmigsgeschichte. 193 waltung kaufiich erworben hatte, *) und die, um in die Linie Teplitz — -Reichenberg vollwertig eingefiigt werden zu konnen, einem \veitgreifenden Umbau unterzogen werden mufite. Die zu scharfen Kriimmungen mufiten durch teilweise Bahnverlegungen beseitigt, die nicht tragfahigen Briicken durch neue Konstruktionen ersetzt und der zu schwache Oberbau gegen starkeren aus- gevvechselt werden. Die Schwierigkeiten, welche dem Erwerb dieser Bahn infolge der parlamentarischen Obstruktion ent- gegenstanden, wurden bereits geschildert. Um die rechtzeitige Herstellung der Linie Teplitz — Reichenberg zu ermoglichen, war noch wahrend der Verhandlungen mit der Regierung die Aussig-Teplitzer Bahn be- dacht, in anderer Weise fiir die Weiter- fiihrung der Linie bis Reichenberg vorzu- sorgen, und liefi ein Alternativprojekt stu- dieren, nach welchem die Linie von Reich- stadt direkt nach Gabel gefuhrt werden solite. Da diese Studien erkennen liefien, dafi die Fiihrung dieser Trasse gegeniiber der alteren Trasse iiber Niemes eine um 6 km kiirzere Verbindung zwischen Teplitz und Reichenberg ermoglichen werde und auch aus bau- und betriebstechnischen Rticksichten der alteren Trasse vorzu- ziehen sei, wurde — ungeachtet es mittler- weile der Regierung gelungen war, die Zustimmung des Reichsrates zu dem Ver- kaufe der Linie Leipa — Niemes zu er- wirken — • diese Variante von der Gesell- schaft weiterverfolgt und das beziigliche Projekt im Mai 1899 der Trassenrevision unterzogen. »Selten ist wohl eine solche Amts- handlung unter lebhafterer Beteiligung der Interessenten abgehalten worden. Wie einst ,Hie Welf, hie Waiblingenl‘ erscholl es hier ,Hie Reichstadt, hie Niemes! 1 von Teplitz bis Reichenberg« erzahlt R o s c h e. Alle Gemeinde-, Stadte- und Bezirksvertretungen, der Bergbau, die Industrie und die Reichenberger Handelskammer hatten — und zwar mit Ausnahme letzterer und der Stadt- gemeinde Niemes — fast ausschliefilich zu Gunsten der Variante Stellung ge- nommen. Durch eine dem Gesetze vom 21. De- zember 1898, RGB. Nr. 226, vom Ab- geordnetenhause angefiigte Resolution, welche die Interessen der Stadt Niemes in erste Linie stellte, war die Zustimmung zum Variantenprojekte erschwert worden undblieb diesemProjekte die Genehmigung versagt, so dafi nunmehr die Teilstrecke Niemes—Gabel zur Ausfiihrung kommen mufite. War schon die Linie von Teplitz bis Bohmisch-Leipa reich an grofien Kunstbauten, so hauften sich diese in der Strecke Niemes—Reichenberg in einer Weise, dafi diese mit Recht den Gebirgsstrecken der Alpenlander ver- glichen werden kann. Zwar konnte auch die etwa 20 km lange Strecke von Niemes bis Ringelshain mit einer Maximalsteigung von n ur 12-5 pro Mille ermit- telt werden, aber gleich nach der neuen Station Niemes war eine tiefe Talschlucht auf 17 m hohem, 743 m langem Viadukt in einer Krtim- mung von 250 m Radius zu iibersetzen und mufite bis Gabel das Inundationsgebiet des Jungfernbaches mittels neun eiserner Briicken von zusammen 75 m senkrechter und 103-57 m schiefer Spannweite iibersetzt werden. Hinter Deutsch-Gabel wendet sich die Bahn dem bis zur Seehohe von 1000 m sich erhebenden Jeschk e ngebirge zu uni steigt ab Ringels¬ hain mit der Maximalsteigung von 25 pro Mille bis zu der 498 m hoch gelegenen Sta¬ tion Kriesdorf, von der sich ein prachtiger Riickblick auf die Basaltkuppen des Mittel- gebirges bis zum Donnersberge bei Teplitz und auf die Hohen des Lausitzer Gebirges darbietet. Gleich nach der Ausfahrt aus der Station Kriesdorf wird der trennende Gebirgssattel des Jeschkengebirges mittels eines 816 m langen Tunnels durchquert und in diesem Scheiteltunnel der hochste Punkt der ganzen Bann mit 5O0'l m ti. d. M. erreicht. Nach Austritt aus dem Jeschken- tunnel zieht die Bahn an dem bewaldeten Behange des schbnen Christofgrunder- tales in einer mittleren Hohe von 80 m iiber der Talsohle, miiglichst dem Gebirge angeschmiegt, wobei jedoch infolge der tief- eingeschittenen Seitentaler und weit vor- springenden Gebirgsnasen die Herstellung einer ganzen Reihe grofier Kunstbauten not- wendig wurde, welche diesen Teil der Strecke zu den baulich interessantesten, aber auch kostspieligsten machten. Weist doch die nur 7 km lange Teilstrecke Kriesdorf — Karlsuald fiinf Tunnels und vier grofie Viadukte auf. Dem schon genannten Jeschkentunnel folgt der 200 m lange, 30 m hohe Neulander- viadukt, derj agerhaustunnel (40 m lang\ der 127 m lange, 17 m hohe Jagerhaus- viadukt, der Christofgrundertunne 1 (48 m lang), der 51-2 m lange, 20 m hohe Hol lengrundviadukt, der 3181» lange 13 ') Siehe Seite 35. 194 Hermann Strach. Rehbergtunnel, der Burggrafentunnel (51 m lang) und endlich der 64 m lange und 20'5 m hohe Burggraf e n viad ukt. Beim Ausgange des Rehbergtunnels tritt die Bahn in das Neissetal und fiihrt von hier, allmahlich fallend in siidostlicher Richtung — zunachst hoch iiber der im Tale sichtbaren Zittau-Reichenberger Bahn — gegen Reichenberg, wo in der Gemeinde Johannis- thal fiir den hier anschliefienden Teil der Stadt Reichenberg die Station Rosenthal- Johannisthal errichtet ist. Von dieser Station fiihrt die Bahn in einem grofien Kontrabogen mit Unterfahrung der Sli d-Norddeutschen Verbindungsbahn zu dem neben dem Bahnhofe Rosenthal R. G. T.-E. und vor dem kunftigen Gemeinschaftsbahnhofe Reichenberg S.-N.-D. V.-B. gelegenen Betriebs- bahnhofe Reichenberg A.-T. E., welcher den Anschlufiverkehr mit den Nachbarbahnen vermittelt und die Zugforderungsanlagen erhielt. Der Bau der ersten Teilstrecke Settenz— Lobositz wurde am 21. August 1896 der Bauunternehmung Fran z Sch6 n &Sohne iibertragen und von dieser im Herbste 1896 in Angriff genommen. Obwohl die be- sonders ungiinstigen Witterungsverha.lt- nisse des Sommers 1897 die Baudurch- fiihrung nicht umvesentlich erschwerten und die geologische Beschaffenheit des von der Bahn durchzogenen Mittelgebirges wiederholt unvorhergesehene groBere Sicherungsarbeiten fiir den Bahnkorper notwendig machte, gelang es doch, den Bau mit 1. Dezember 1897 fertigzustellen und die Teilstrecke am 16. Dezember 1897 dem offentlichen Verkehre zu iibergeben. Inzwischen war auch der Bau der Teilstrecke Lobositz—Leitmeritz und der Verbindungsbahn Czalositz A.-T. E.—Gz er no s ek O. N.-W.-B. am 15. Juli 1897 beziehungsweise 10. Marž 1898 an die Bauunternehmung Briider Redlich & Berger in Wien und der Bau der Teilstrecke Leitmeritz— Bohmisch-Leipa am 2. September 1897 an die Bauunternehmung Franz Schon & Sohne in Prag vergeben worden. Der Bau der Teilstrecke L o b o s i t z— Leitmeritz wurde am 1. August 1897 begonnen und am 1. Oktober 1898 fertig- gestellt, so dafi sie am 18. Oktober 1898 dem offentlichen Verkehre iibergeben werden konnte. Der Bau der Teilstrecke Leit- m e r i tz—B o h mi s c h-L ei p a wurde am 14. Dezember 1897 begonnen, am 20. Dezember 1898 vollendet und am 29. Dezember 1898 dem offentlichen Verkehre iibergeben. Die kommerzielle Bedeutung dieser Bahn liegt hauptsachlich in der Aufgabe, im Reichenberger Industriegebiete die preuflische Steinkohle durch bohmische Braunhohle zu ersetzen. Mit der Bauvollendung der Settenz- Reichenberger Linie erreichte das fiir den offentlichen Verkehr bestimmte ge- sellschaftliche Bahnnetz eine Gesamtlange von 250'i78 km. Charakteristisch sind die Daten, die der Denkschrift iiber die Entwicklung des Verkehres zu entnehmen sind. Es geniigten im Jahre 1858 und auch noch im ersten vollen Betriebsjahre 1859 tag- lich fiinf Ziige in jeder Richtung zur Bewaltigung sowohl des Personen- als auch des Giitertransportes. 1907 verkehrten auf allen Linien durchschnittlich 52 Per¬ sonen- und 150 Giiterziige im Tage. Die Einnahmen aus dem Personen- verkehre stiegen von K 128.074 im Jahre 1859 auf K 2,479.276 im Jahre 1907, jene aus dem Frachte'iiverkehre von K 233.412 im Jahre 1859 auf K 16,857.437 im Jahre 1907. Der Betriebskoeffizient des alten Netzes betrug im Jahre 1858 als dem ersten Betriebsjahre 40^02 °/ 0 und im Jahre 1907 37T4°/ 0 . Der Betriebskoeffizient des Ge- samtnetzes bezifferte sich im Jahre 1907 mit 44/01°/ 0 . Durch den im Jahre 1894 erfolgten Bau eines Elbe-Schleppbahngleises und durch weitere Zubauten haben die Elbe- Schleppb ahngleise eine Gesamtlange von derzeit 19.340 m erhalten. Von dem gevvaltigen Umfange des Elbeverkehres beziehungsweise dessen stetigem Anwachsen geben nachstehende Ziffern ein deutliches Bild: Es betrug die Wagenbeistellung im Jahre 1860 .... 10.000 Wagen » » 1907 .... 146.654 » Das jahrliche Umschlagsquantum in Aussig mit rund 2,000.000 t betragt ungefahr die Halfte des im Jahre 1906 mit 4,160.000 t ausgewiesenen Gesamt- verkehrs auf der osterreichischen Elbe- strecke von Melnik bis zur bohmisch- AUgemeine Entwicklungsgeschichte. 195 sachsischen Grenze, wahrend die gesamte Ein-, Aus- und Durchfuhr von Triest im Jahre 1906 nur 2,592.000 t erreichte. Der Aussig-Teplitzer Eisenbahn wurde im Jahre 1893, als die Ertragnisse der Bahn 15% der Einlagen iiberschritten hatten und gleichzeitig eine Erhohung des Aktienkapitals erfolgte, mit Proto- kollariibereinkommen vom 10. Mai 1893 aufier Tarifermafiigungen von der Re- gierung die Verpflichtung auferlegt, einen jahrlichen Pauschalbetrag von K 200.000 an den Staatsbahnbetrieb zu entrichten und aufierdem der Staatseisenbahnver- jvaltung noch alljahrlich die Halfte jenes Uberschusses zu iiberweisen, um welchen die Reinertragnisse des Unternehmens nach erfolgter Abrechnung des Pauschal- betrages von K 200.000 den Jahresbetrag von 4 - 8 Millionen Kronen iibersteigen. Tatsachlich hatte die Aussig-Teplitzer Eisenbahn dementsprechend bis zum Jahre 1902 insgesamt K 7,178.082 an die Staatsbahnverwaltung entrichtet. Als das Ertragnis im Jahre 1902 auf 3'3 Millionen Kronen sank, erachtete die Gesellschaft eine weitere Anteilnahme der Staatsverwaltung an ihrem Gewinne nicht mehr filr gegeben. Die Gesellschaft machte geltend, dafi das Ertragnis nicht allein unter dem Minimalbetrage von 4' 8 Millionen Kronen, sondern auch weit unter der 5'5°/oiS’ en Verzinsung der Einlagen geblieben war und auch jener Teil der Vereinbarungen, nach welchen der Aussig-Teplitzer Eisen¬ bahn eine Anteilnahme an dem Gemein- schaftsverkehre mit den Staatsbahnen zugesichert wurde, seit dem Jahre 1900 durch Verschiebungen in der Verkehrs- leitung zum Nachteile der Aussig-Tep¬ litzer Eisenbahn abgewendet wurde und durch den Anschlufi neuer in ihrem Verkehrsgebiete gelegenen Schachte an die k. k. Staatsbahnen eine Beein- trachtigung ihrer Transporte erfolgt sei. Die Aussig-Teplitzer Eisenbahn hatte daher im Mai 1903 beim Eisenbahn- ministerium eine Restituierung des ftir die letzten zwei Jahre entrichteten Be- trages angesucht und gleichzeitig erklart, dalj sie sich zur Entrichtung dieses Pauschalbetrages insolange nicht ftir verpflichtet halte, als nicht die Rein¬ ertragnisse des Unternehmens den Betrag von 5 Millionen Kronen erreichten. Die Regierung wies dieses Ansuchen ab und gegen den Erlafi des Eisenbahn- ministeriums, der die Einzahlung des Betrages fur das Jahr 1903 forderte, tlber- reichte die Aussig-Teplitzer Eisenbahn die Beschwerde an den Verwaltungs- gerichtshof. Mit Beschlufi vom 19. Ok¬ tober 1905 wurde, der vom Eisenbahn- ministerium in der Gegenschrift o-eltend gemachten Anschauung entsprechend, dalj die Beschvverde eine durch einen rein privatrechtlichen Vertrag geregelte Angelegenheit betreffe, diese Beschwerde ohne weiteres Verfahren abgewiesen. Die Staatsverwaltung mufite durch die Finanz- prokuratur die Klage gegen die Gesell¬ schaft iiberreichen und beim Leitmeritzer Gerichte war bereits die Tagsatzung angesagt, als gelegentlich der Bereisung der Strecken der Aussig-Teplitzer Eisen¬ bahn durch den damaligen Leiter des Eisenbahnministeriums die Grundlage ftir eine Verstandigung in dieser und noch weiteren strittigen Fragen zwischen Re¬ gierung und Gesellschaft gefunden wurde. Solange die Aussig-Teplitzer Eisen¬ bahn die einzige AbfuhrstraCe ftir die Braunkohlen aus dem nordwestbohmi- schen Reviere bildete, konnte sie hin- sichtlich der Erbauung von Schlepp- bahnen frei verfiigen. Bald aber machte sich nach Hinzutritt anderer Bahnen, und zwar: der k. k. priv. Dux-Bodenbacher Eisenbahn, der k. k. priv. Eisenbahn Pilsen—Priesen (Komotau) und der k. k. priv. Prag-Duxer Eisenbahn eine gewisse Divergenz der Interessen der an der Kohlenverfrachtung teilnehmenden und auf diese rechnenden Bahnvenvaltungen bemerkbar, so dafi eine vertragsmafiige Regelung der hieraus entspringenden Fragen wiinschenswert erschien. Das im Jahre 1872 diesfalls verein- barte sogenannte Rayonierungsiiberein- kommen wurde aber bereits seit dem Jahre 1875, ohne dafi es von einer der beteiligten Verwaltungen in aller Form gekundigt worden ware, nicht mehr be- achtet, weil es den tatsachlichen Ver- haltnissen nicht mehr entsprach. Nach der im Jahre 1884 erfolgten Verstaat- lichung der Pilsen-Priesener Eisenbahn 13 * 196 Hermann Strach. und der im Jahre 1892 erfolgten Ver- staatlichung der Prag-Duxer Bahn stellte sich jedoch das k. k. Eisenbahnministe- rium namens der Staatseisenbahnver- vvaltung in einem konkreten Falle auf dem Standpunkt, daft dieses Ubereinkommen noch zu Recht bestehe. Der diesfalls entstandene Streit wurde durch neue Vereinbarungen mit der k. k. Staatsverwaltung unterm 13. und 14. No¬ vember 1906 im Vergleichswege beendet. Die k. k. Staatsverwaltung erklarte, unter ausdriicklicher Wahrung ihres Rechts- standspunktes von einer Berufung auf das Rayonierungsiibereinkommen vom Jahre 1872 in Zukunft absehen zu wollen, und die Aussig-Teplitzer Eisenbahn er- hielt unter gewissen Bedingungen tari- farischen Inhaltes die Bewilligung zu der damals in Frage stehenden Schleppbahn- verbindung und damit auch die Mog- o lichkeit zu einer neuerlichen Ausgestal- tung ihrer Briixer Schleppbahnen. Gleichzeitig anerkannte die Gesell- schaft die Verpflichtung zur Zahlung der Pauschalanteile an die Staatsverwaltung und zur Nachzahlung der ausstandigen Jahresraten. Seit 1893 wurden aus diesem Titel K 8,229.438'38 an die Staatsvenvaltung abgefiihrt. Bedenkt man, dali die Gesellschaft seit ihrem Bestande an Staatssteuern und Zuschlagen K 39,094.369'34 eine Summe entrichtete, die das Aktienkapital von K 38,095.000'— noch ubersteigt und hoher ist als die an die Aktionare ausgezahlten Dividenden, so ergibt sich hieraus, wie weit der Staat an der Rentabilitat der Bahn auch als Privatunternehmung beteiligt bleibt. Auf Grund des Beschlusses der General- versammlung vom 20. April 1895 wurde ein mit 3 V/,, verzinsliches Prioritatsanlehen im Gesamtbetrage von M. 76,500.000 auf- genommen. Dieses Anlehen gelangte in denjahren 1896 bis 1902 zur Begebung und wurde von demselben der Teilbetrag von M. 33,802.000 zur Konvertierung der 4 0 / 0 ig en Anleihe vomjahre 1885 und zur Rtickzahlung der bis zum Schlusse des Jahres 1894 bestrittenen Investitionsaus- lagen sowie fiir weitere Investitionen des alten Netzes verwendet, wahrend der Teil¬ betrag von M. 42,500.000 fiir Bau- und Investitionszwecke der Lokalbahn Teplitz —(Settenz)—Reichenberg zur Verwendung gelangte. Auf Grund des Beschlusses der 47. ordentlichen Generalversammlung vom 10. Mai 1905 wurde fiir Investitions- zwecke der Lokalbahn Teplitz—(Settenz—) Reichenberg ein weiteres mit 3V2°/o ver ' zinsliches Prioritatsanlehen im Gesamt¬ betrage von M. 5,000.000 aufgenommen. Von diesem Anlehen wurde im Jahre 1905 der Teilbetrag von M. 3,000.000 und im Jahre 1907 der weitere Teilbetrag von M. 1,000.000 begeben. Mit Schlufi des Jahres 1907 stellt sich sohin der Stan d des in dem gesellschaft- lichen Unternehmen investierten Priori- tatenkapitals auf M. 84,977.900. K. k. priv. Bohmische Nordbahn- gesellschaft. Durch den Unternehmungsgeist von Grofigrundbesitzern und Industriellen war unter Heranziehung deutschen Kapitals seinerzeit dies Unternehmen geschaffen worden. — Im Gegensatz zu anderen mit staatlicher Unterstiitzung geschaf- fenen und erhaltenen Privatbahnen hat sich diese Bahn durch eigene wirt- schaftliche Kraft zu einem nach jeder Richtung hin konsolidierten Unter¬ nehmen aufgeschwungen. Bis zu ihrer Verstaatlichung war die Bahn bestrebt, ihr Verkehrsgebiet durch den Bau von Lokalbahnen zu erweitern, um die Ein- bufien wettzumachen, die ihr insbesondere durch den Bau der Linie Settenz— Reichenberg naturgemafi ervvachsen mufiten. In richtiger Wahrnehmung ihrer Interessen hatte sie den von ihr zur Aus- fiihrung gebrachten Lokalbahnen K a m- nitz—Steinschonau und Rohrsdorf —Zvvickau (beide erdffnet 1886) im Jahre 1897 die Lokalbahn Kuttenthal— Unter-Cetno hinzugefiigt *) und strebte *) Im Jahre 1897 wurde seitens der Boh- mischen Nordbahngesellschaft die der Zucker- fabrik in Unter-Cetno gehOrige, von der ge- sellschaftlichen Station Kuttenthal ausgehende Schleppbahn kauflich erworben und durch Rekonstruktion des Unterbaues und der Kunst- bauten sowie Erneuerung des Oberbaues in eine Lokalbahn umgewandelt. Diese Lokal- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 197 nunmehr die Konzession fdr die Linien Nixdorf—Sebnitz (zur Reichsgrenze nachst Nieder-Einsiedel) und Z wickau— G a b e 1 an. Gleichzeitig ging aber das Bestreben der Verwaltung dahin, mit der Deckung der Baukosten dieser Bahnen auch eine Regelung ibrer finanziellen Ver- haltnisse durchzufuhren. Die Interessenten von Rumburg und Schluckenau hatten die Absicht, unter Mitwirkung des Kreditinstitutes filr Ver- kehrsunternehmungen eine d i r e k t e Verbindung von Warnsdorf iiber Rum¬ burg zur Elbe zu bauen, vornehmlich zu dem Zwecke, die Kohle den Industrie- unternehmungen billiger als bisher zu beschaffen. Am 15. November 1896 hatte ein Aktionskomitee fur den Bau einer Lokal- bahn Sebnitz—Nixdorf—Rumburg —Warnsdorf das generelle Projekt fiir eine normalspurige Lokalbahn von Rum¬ burg iiber Seifhennersdorf nach Warns¬ dorf vorgelegt. Das Eisenbahnministe- rium lehnte die Trassenrevision mit der Begrtindung ab, daiS diese Linie im Vereine mit der Fortsetzung Nixdorf—Sebnitz, durch die eine neue Verbindung mit Sachsen hergestellt werden solite, als Durchzugslinie intendiert erscheine, die die osterreichischen Interessen in nach- teiliger Weise zu beeinflussen geeignet ware. Insofern aber die Unzulanglichkeit der Eisenbahnverbindung Rumburg— Warnsdorf als Grund fiir den Bahnbau angeftihrt wurde, erklarte sich das Mi- nisterium bereit, Verhandlungen mit der Bohmischen Nordbahn einzuleiten und eine Verbesserung der Fahrordnung her- bahn bildet als Fortsetzung der Lokalbahn Melnik-Mšeno—Unter-Cetno eine Verbindung der Schienemvege der Osterreichischen Nord- westbahn und der Bohmischen Nordbahn zwischen Melnik und Kuttenthal. In die Betriebfuhrung auf der letztge- nannten Lokalbahn teilten sich die Osterreichi- sche Nordwestbahn und die Bohmische Nord¬ bahn derart, dafi von Melnik bis Mšeno die Čsterreichische Nordwestbahn, von Mšeno bis Kuttenthal die Bohmische Nordbahn den Betrieb tibernahm. Am I. Janner 1907 tiber- nahmen jedoch die k. k. Staatsbahnen, nach VollendungderLokalbahnSudomer- Skalsko— Alt-Paka den Betrieb von Melnik bis Unter- Cetno, so daft nur die eigene Lokalbahn Kuttenthal—Unter-Cetno weiterhinim Betriebe der Bohmischen Nordbahn verblieb. beizuftihren. Erst wenn diese Mafi- nahmen erfolglos bleiben sollten, konnte der Bau einer Schmalspurbahn zwischen Warnsdorf und Rumburg in Erwagung kommen. Beziiglich der Trassen- und Betriebfuhrung der Fortsetzungsstrecke Nixdorf—Sebnitz ergaben sich mit der sachsischen Regierung Differenzen, so dafi auch die meritorische Erledigung des Trassenrevisions-Protokolles nicht zu stande kam. Die Bohmische Nordbahn bewies weitgehendes Entgegenkommen namentlich durch bedeutende Herab- setzung des Kohlentarifes und es wurde verhindert, dafi der ganze Verkehr, der vom nordostlichen BShmen nach Laube zum Umschlagsplatze und iiber die Bohmi¬ sche Nordbahn geht, nach Schandau auf sachsisches Gebiet iibergeleitet wurde. Die Bohmische Nordbahn bewarb sich nun um die Konzession fiir die Strecke S e b n i t z—N i x d o r f als Fortsetzung der seit dem Jahre 1884 im Betriebe befind- lichen Lokalbahn S chluckenau'—Nix- d o r f, wahrend das Komitee den Plan des ungeteilten Baues der ganzen Linie noch weiter verfolgte. Das Ministerium entschied, dafi die Linie Nixdorf—■ Sebnitz durch die Bohmische Nord¬ bahn zu erbauen sei, vvahrend dem Konsortium der Bau einer elektrisch zu betreibenden Lokalb ahn N i x d o r f— Rumburg mit der AbzweigungHerren- w a 1 d e—S chonlinde iiberlassen bleibe. Gleichzeitig bewarb sich die Bohmi¬ sche Nordbahn um die Konzession einer Lokalbahn von Zwickau in Boh- men nach D.-Gabel zum Anschlusse an die neue Settenz-Reichenberger Trans- versalbahn. Schon im Jahre 1895 hatte die Boh¬ mische Nordbahn auch um die Bewilligung angesucht, eine 3V2 %ig e Prioritatsanleihe behufs Konvertierung der 4°/ 0 igen Prio- ritaten, Refundierung der schwebenden Schuld und Schaffung eines Investitions- fonds aufzunehmen. Die Regierung for- derte eine Beteiligung an dem Kon- versionsgewinne und die Prazisierung der konzessionsmafiigen Einlosungsbedingun- gen derart, dafi sowohl in Ansehung des Zeitpunktes der Einlosung beider Linien, aus welchen das Netz des Unternehmens Hermann Strach. 198 bestand, als auch des Preises jede weitere Verhandlung iiberfliissig werde. Im Uber- einkommen vom Jahre 1882, das anlafilich der Fusion der Turnau-Kralup- Prager Eisenbahn mit der Bohmi- schen Nordbahn geschlossen wurde, hatte sich die Staatsvenvaltung das Eecht gewahrt, die T u r n a u - K r a 1 u p- Prager Bahn vom 16. Oktober 1895 jederzeit einzulosen. Unter Bezugnahme auf diese Bestimmung hatte das Handels- ministerium die Bohmische Nord¬ bahn im Jahre 1895 aufgefordert, fiir diese Lime eine besondere Betriebsrech- nung zu fiihren und auch separate Be- triebsberechnungen fiir die jederzeit ein- losbaren Lokalbahnen auszuweisen. Gegen diese Verfiigung hatte die Gesellschaft Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, der die Verfiigung des Mini- steriums als im Gesetze nicht begriindet aufhob. Die Verhandlungen zwischen Gesell¬ schaft und Regierung gestalteten sich ziemlich langwierig, und als auch die Verhandlungen wegen der Konzession der Lokalbahn Nhtdorf—Sebnitz mit der sachsischen Regierung endlich zum Ziele fiihrten, wurde auch die Vereinbarung mit dem Eisenbahnministerium zum Ab- schlusse gebracht. Am 2. Janner 1903 wurden zwischen den Vertretern der Regierung und der Bohmischen Nordbahn die Konzessions- bedingnisse fiir die Lokalbahnen Nix- dorf—Sebnitz und Zwickau—D,- Gabel festgesetzt. Zur Bestreitung der mit rund 3 Mili. Kronen veranschlagten Baukosten, ferner der Bedeckung der bis zum Jahre 1901 auf K 8,300.000 aufgelaufe- nen schwebenden Schuld wurde ein 3'5°/o*g es Prioritatsanlehen im Betrage von 15 Mili. Mark begeben. Auch die eventuelle Ausdehnung der Prioritatenemission um den weiteren Hochstbetrag von 41 Mili. Mark behufs Konvertierung beziehungsweise Unifizie- rung der gesellschaftlichen Anleihen sowie die Emission der noch im Portefeuille der Gesellchaft befindlichen Aktien im Betrage von rund 2 Mili. Kronen behufs Starkung der Mittel fiir kiinftige Investi- tionen wurde bewilligt. Die Gesellschaft verpflichtete sich zur Durchfiihrung eines mehrere Jahre umfassenden Investitions- programmes. Die aufierordentliche Ge- neralversammlung vom 7. Februar 1903 genehmigte die betreffenden An- trage des Venvaltungsrates. Am 15. No¬ vember 1904 wurde die Lokalbahn Nix- dorf —Nieder-Einsiedel (Landes- grenze) eroffnet, die 1 km lange Schlufi- strecke Landesgrenze—Sebnitz konnte erst 1. Juni 1905 die Lokalbahn Z w i c k a u in Bohmen—D.-Gabel am 7. Oktober 1905 dem Verkehre iibergeben iverden. Die Linie Nixdorf—Sebnitz in Sachsen bot bei verhaltnismafiig geringer Baulange von 6-5 km bedeutende technische Schwierig- keiten und erforderte auch dementsprechend bohe Baukosten. Das Tal des Wolmsbaches bei Franzthal und das Einsiedelbachtal bei Nieder-Einsiedel mulite iibersetzt werden. Durch erstere Talubersetzung, welche durch einen 200 ni langen, 34 m hohen Viadukt bewerkstelligt wurde, dessen Baukosten allein rund K 4,000.000 betrugen, erstand einer der groliten Eisenbahnobjekte Bohmens. Auch waren erhebliche Erd- und Felsarbeiten zu bewaltigen, die in der Granitformation be- sonders schwierig und kostspielig sich ge¬ stalteten. In Wolmsdorf und Ober-Einsiedel wurden Stationen, in Nieder-Einsiedel ein grofier Grenzbahnbof errichtet, mit dem die ansehnlich erweiterte Station Sebnitz der koniglich sachsischen Staatsbahn durch ein im Konigreich Sachsen gelegenes Gleis ver- bunden wurde, Die Lokalbahn Zwickau in Boh¬ men— D.-Gabel vermittelt im An- schlufi an die Lokalbahn Rohrsdorf— Zwickau einerseits und im Anschlufi an die Lokalbahn Teplitz—(Settenz—)Rei- chenberg in der Station D.-Gabel ander- seits, eine neue Verbindung des Verkehrs- gebietes der Bohmischen Nordbahn mit Reichenberg. Die Trasse ist so gewahlt, dafi von der Station Kunnersdorf aus auch eine dereinstige Verbindung mit Zittau in Sachsen liber Mergthal—Johns- dorf moglich ist. Aufier den beiden genannten, von der Bohmischen Nordbahn selbst gebauten Lokalbahnen ware noch die Lokalbahn Bohmisch-Leipa—Ste inschonau zu erwahnen, welche vom Landesaus- schusse des Konigreiches Bohmen erbaut, im Jahre 1903 vollendet, und deren Be- trieb von der Bohmischen Nordbahn ubernommen wurde. Durch diese Linie erfahrt die von der Bohmischen Nord¬ bahn ausgebaute Lokalbahn Bohmisch- Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 199 Kamnite—Steinschonau eine Fortsetzung bis nach Bohmisch-Leipa. Der vom Reichsrats-Abgeordneten Dr. Ritter v. W i 11 e k bei Beratung des Ver- staatlichungsgesetzes im Abgeordneten- hause verfafite Bericht des Eisenbahnaus- schusses stellte der Yerwaltung einZeugnis aus, wie es einem Privatbahnunternehmen noch selten zu teil wurde: »Wie die Entwicklungsgeschichte der Bohmischen Nordbahn zeigt, ist dieses Unternehmen tatsachlich aus den stei- genden Verkehrsbediirfnissen des hoch- ausgestaltet — dem auch fur die Zu- kunft — normale Verhaltnisse und ratio- nelle Betriebsfiihrung vorausgesetzt •— gedeihliche Entwicklung prognostiziert werden darf.« Ausschl.priv. Buschtehrader Eisenbahn. Die der Verwaltung der Bus elite- hrader Eisenbahn unterstehenden Linien fiir den offentlichen Verkehr sowie die von der Buschtehrader Eisenbahn be- Abb. 171. Bohmische Nordbahn, Nixdorf—Sebnitz. Viadukt uber das Wolmsbachtal. entwickelten nordbohmischen Industrie- gebietes emporgewachsen und hat das Aufbltihen der dortigen Industrie seiner- seits wirksam gefordert. Eine streng solide, sachlich tuchtige und vorsichtig wirtschaftende Verwaltung hat die gun- stigen Bedingungen mit Erfolg zu nutzen verstanden, um dem Unternehmen an- sehnliche Ertragnisse und ausgezeichneten Kredit zu sichern, dessen es sich auf dem deutschen Geldmarkte seit jeher zu er- freuen hatte. So hat sich insbesondere das Hauptbahnnetz — die Lokalbahnen stehen zum Teile noch am Beginne ihrer Entwicklung —• zu einem kriiftigen wohlak- kredierten heimischen Bahnunternehmen triebene Lokalbahn W i c k w i t z—G i e C- hiibl-Sauerbrunn habenbeziiglichihrer Betriebslangen in den letzten zehn Jahren keine wesentliche Anderung erfahren; da- gegen hat sich die Zahl der im Betriebe dieser Verwaltung stehenden Schlepp- bahnen von 54 mit einer Betriebs- lange von 42 - 8 km auf 62 mit 58'3 km Betriebslange erhoht. Die lebhaft auf- steigende Entwicklung des Verkehres erforderte eine betrachtliche Ausgestaltung vieler Betriebsanlagen und die Legung des zweiten Gleises, womit auch meist umfangreiche Erweiterungen aller in Betracht kommenden Stationsanlagen verbunden waren. 200 Hermann Strach. Mit der Legung des zweiten Gleises hatte die Buschtehrader Eisenbahn bereits 1890 begonnen und bis zum Jahre 1896 befand sich aber nur die Strecke Chodau—Tirschnitz im Doppelgleis- betriebe. Mit Erlafi vom 26. August 1896 erhielt die Gesellschaft vom Eisenbahn- ministerium den Auftrag, auf samtlichen eingleisigen Strecken, auf welche die Be- stimmungen der Konzessionsurkunde vom i.Juli 1868 Anwendung finden, den Bau des zweiten Gleises durchzufuhren. Nach langer Verhandlung wurde am 15. Juni 1897 ein Protokollariibereinkommen unter- zeichnet, in welchem die Gesellschaft verpflichtet wurde, innerhalb der nachsten fiinf Jahre auf den Iiauptlinien beider Netze das zweite Gleis zu legen. Im Falle der Verstaatlichung, zu welcher das Recht des Staates Ende 1897 ein- trat, iibernimmt der Staat das fertig- gestellte zweite Gleis ohne Entgelt. Die Gesellschaft verpflichtete sich weiters, die Verbindungskurve zwischen dem alten und neuen Bahnhofe in Karlsbad und die notwendigen Herstellungen im Karls- bader Bahnhofe auszufiihren und die Mit- beniitzung des zweiten Gleises auf der Linie Karlsbad—Johanngeorgenstadt ohne Vergtitung zuzugestehen. Endlich erklarte sich die Gesellschaft bereit, liber Ver- langen der Staatsbahnverwaltung eine Verbindung von Donitz nach Dalhvitz und von Welchau iiber Wickwitz, GieC- hiibl zum Zentralbahnhofe in Karlsbad und durch diesen nach Putschirn zu fiihren. Die Deckung des Erfordernisses solite von dem noch verfiigbaren Teile des 4°/ 0 igen Prioritatsanlehens gedeckt werden. Als die Regierung die Gesellschaft im Jahre 1899 aufforderte, um die Kon- zession fur die Verbindungslinie Dall- witz—Zentralbahnhof—Putschirn einzu- schreiten, erklarte die Gesellschaft, dies ohne Genehmigung der Verivaltung nicht durchfiihren zu konnen, und es sei auch die Genehmigung der Generalversamm- lung nicht zu erwarten. Die Regierung erachtete die Gesellschaft durch das voti ermachtigten Vertretern der Verwaltung unterschriebene Protokoli fur gebunden. Die Gesellschaft berief sich nicht allein auf die notwendige Zustimmung der Generalversammlung, sondern erhob auch in materieller Hinsicht Einwen- dungen, indem sie darauf verwies, daft die Vertreter auf Grund der von der Regierung viel zu niedrig angesetzten Kostenvoranschlage die Vereinbarung getroffen hatten. Die formelle Frage, ob die Erklarung der Verwaltung die Gesellschaft bedin- gungslos verpflichte, blieb unentschieden. Wegen Beitragsleistung zu den Kosten des Karlsbader Zentralbahnhofes, der Ausfiihrung der Verbindung Dallwitz— Putschin sind die Verhandlungen bisher noch nicht abgeschlossen. Der Doppelgleisbetrieb, aufgenommen in den Strecken: Wickwitz—Chodau mit 32*6 km im Jahre 1898, Komotau— Wickwitz und Tirschnitz—Eger mit zu- sammen 43'5 km Betriebslange im Jahre 1899, Kladno—Smečna-—Sternberg mit 6 km Betriebslange im Jahre 1902, Milostin—Kounowa—Satkau mit 10 km Betriebslange im Jahre 1905, Satkau—Michelob mit 7 - 9 km Be¬ triebslange im Jahre 1907. Es werden nunmehr von den eigenen Linien fiir den offentlichen Verkehr bei 420*2 km Gesamtbetriebslange 136*5 km doppelgleisig betrieben. Anlafilich der infolge Gesetzes vom 19. Juli 1908, RGB. Nr. 153, zur Einfiihrung gelangten Fahrkartensteuer, suchte die Buschtehrader Eisenbahn um Bevvilligung der Erhohung des Personentarifes an. Die Bewilligung wurde unter der Bedingung erteilt, dafi bei Ermittelung der seinerzeitigen Ein- losungsrente von den Personentransport- Einnahmen der in Betracht zu ziehenden Betriebsjahre jener Teilbetrag in Ab- schlag zu bringen sein wird, vrelcher sich als Effekt der bewilligten Tarifer- hohung herausstellt. K k. priv. KaiserFerdinands-Nordbahn. Die Voraussicht der zweifellos nahe bevorstehenden Verstaatlichung mufite die Verwaltung in erster Linie bestimmen, die Interessen der Aktionare des Unter- nehmens, soweit und so gut es nur iiber- haupt zulassig erschien, fiir diesen Fali sicherzustellen. Der Widerstreit, der sich Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 201 aus diesen Absichten und den Bestrebungen der Regierung, das allgemeine volks- und staatswirtschaftliche Interesse zu wahren, ergab, ist bereits bei Besprechung der Verstaatlichung dieses Unternehmens be- sprochen und gekennzeichnet worden. Es ist begreiflich, dafi in den letzten Jahren ihres Bestandes als Verkehrs- unternehmen, die Nordbahn weniger als je darauf bedacht war, ihr Verkehrs- gebiet durch den Bau neuer Linien zu ervveitern. Eine bis an die aufierste Grenze getriebene Sparsamkeit in den Investitionen fiihrte dazu, daB unmittel- bar nach Ubernahme durch den Staat die Unzulanglichkeit der Anlagen und Fahr- betriebsmittel greli zu Tage trat. In dem Zeitraume 1886 bis 1896 be- trug das Investitionserfordernis 47'56 Mil- lionen Kronen, wovon 20’96 Millionen Kronen auf Erweiterungen, 24'g6 Mil¬ lionen Kronen auf Fahrbetriebsmittel und x - 63 Millionen Kronen auf verschie- dene Ausriistungsgegenstande entfielen. Wahrend noch in den Jahren 1899 etwa 15'5 Millionen Kronen, 1900 8'8 Mil¬ lionen Kronen und 1901 9'8 Mil¬ lionen Kronen investiert wurden, sanken in den folgenden Jahren diese Auf- wendungen auf 5‘3 Millionen Kronen und in den Jahren 1903 und 1904 auf i'5 und i*3 Millionen Kronen. Gleich bei Ubernahme des Betriebes wurden gegen die Nordbahnverwaltung schwere Anklagen erhoben und diese fiir den augenblicklichen Zusammenbruch des Betriebes verantwortlich gemacht. Eine Untersuchung solite eingeleitet werden, die sich vor allem mit dem fest- gestellten Kohlenmangel und mit dem Zustande des Fahrparkes befassen solite. Im Abgeordnetenhause, wo diese Verhaltnisse Gegenstand erregter Debatten bildeten und der Vorvvurf erhoben wurde, dafi es die Regierung und speziell die k. k. Generalinspektion verabsaumt hatte, von ihrem Aufsichtsrechte Gebrauch zu machen, wies Eisenbahnminister Dr. v. Derschatta am 26. Jiinner 1907 dar¬ auf hin, dafi neben abnormen Witterungs- verhaltnissen hauptsachlich der sprung- haften Verkehrssteigerung imjahre 1906 die Verkehrsschwierigkeiten auf der Nordbahn zuzuschreiben seien. Nur vom Jahre 1905 auf 1906 waren die Bruttotonnenkilometer von 879 Mil¬ lionen auf 967 Millionen gestiegen. Der Minister erklarte, daB die Zustande auf der Nordbahn der Aufsichtsbehorde keineswegs unbekannt waren und dafi die Generalinspektion auf den herrschen- den Lokomotiv- und Wagenmangel in Berichten hingewiesen hatte und bei Be- ratung der Verstaatlichungsvorlage im Eisenbahnausschusse auch diebestehenden Mangel klargelegt worden seien. Auf eine Eingabe des Verwaltungs- rates der Nordbahn-Gesellschaft an das Eisenbahnministerium, in der gegen die erhobenen Anschuldigungen Stellung ge- nommen wurde, erfolgte die Antwort, die gegen Ende 1906 eingetretenen Verkehrsstorungen seien zwar zum grofien Teile durch die ungiinstigen Witterungs- verhaltnisse hervorgerufen worden, dafi aber zufolge der gepflogenen Erhebungen auch zweifellos die vorhandenen, friihe- r e n V erkehrsverhaltnissen angepafiten Betriebseinrichtungen, insbesondere die Stations- und Gleisanlagen sowie der Lokomotivpark den seither gesteigerten Verkehrsbediirfnissen nicht zu entsprechen vermochten und daB daher auch die Unzulanglichkeit dieser Anlagen und Betriebsmittel als ausschlaggebende Mit- ursache der Verkehrsstorungen anzu- sehen sei. Damit erschien die im Parlamente und in der Offentlichkeit viel erorterte Frage erledigt und der Staatsbahnver- \valtung obliegt nunmehr die Pflicht, die Versaumnisse friiherer Jahre durch wei- testgehende Investitionen gutzumachen. Seit 1897 hatte die Nordbahn die Lokalbahnen Petrowitz — Kar w in (io‘i km , eroffnet 1. September 1898); Lundenberg—Kutti, 9 - 5 km, im An- schluB an die ungarische Nordwest- Lokalbahn-Aktiengesellschaft in der Rich- tung gegen Broczko erbaut (eroffnet 8. September 1900) und die Lokalbahnen Auspitz Stadt—Aus pit z, Stram- berg—Wernsdorf, Saitz—Czeicz — Go din g,-O tr oko wi tz—Z lin-—W i- sowitz, Mutenitz—Gaya, L und e n- burg—Eisgrub, Troppau—Gratz fiir Rechnung der Eigentiimer in Betrieb genommen. 202 Hermann Strach. Das zweite Gleis der Strecke Ošwi§- cim—Trzebinia wurde am i. Oktober 1906 in Betrieb genommen. Die Montanbahn sowie der sonstige gesellschaftliche Montanbesitz, wie auch ein Teil der schon in fruheren Jahren als freies Eigentum der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn anerkannten Grundstiicke und Realitaten blieben im Privatbesitz der Gesellschaft. Der Regierung erschien die Einbeziehung der Berg- werke in die Verstaatlicbung, obwohl dies von weiteren Kreisen als sehr er- wunscht bezeichnet wurde, nicht ange- zeigt, »weil hiedurch Schwierigkeiten und Verzogerungen in der Verstaatlichung der Nordbahn selbst unvermeidlich ge- worden waren«. Die vom Staate zu zahlenden Ein- losungsrenten betragen fiir die Haupt- bahn K 30,537.000, fiir die Lokalbahnen K 1,616.166, zusammen K 32,153.166. Die Nordbahn erhalt jedoch diese Renten abziiglich des Prioritatendienstes, den der Staat in eigener Regie besorgt. Da die Erfordernisse fiir Verzinsung und Tilgung der Prioritaten nicht in allen Jahren gleich sind, so schwanken die vom Staate gemachten Abziige und die der Nordbahn verbleibende Rente ist daher auch keine gleichmafiige. Bereits im Jahre 1907 hat sich eine ziemlich einschneidende Verschiebung ergeben, indem das Prioritatenerfordernis um K 103.944 boher war als im Jahre 1906. Der Gesellschaft wurden daher vom Staate effektiv blofi K 16,473.911 ausge- zahlt. Von dieser Rente geht noch das Erfordernis fiir die Verzinsung und Til¬ gung der Krakau-Oberschlesischen Eisen- bahnprioritatsaktien und Obligationen mit dem Betrage von K 302.031 ab, wo- gegen der Nordbahn anderseits aus Tilgungsdifferenzen der Jahre 1888 und 1904 K 13.488 zuflossen. Aus der Ein- losungsrente verblieb daher schliefilich ein Reinertrag von K 16,455.368. Das ergibt fiir jede der in Zirkulation befindlichen 74.511 Aktien eine Dividende von ca. K 221. Durch den Wegfall der Kra¬ kau-Oberschlesischen Titres wird sich nach 1910 das Aktienertragnis um 4 K erhohen. Der Verkehr der Montanbahn betrug im Jahre 1907 54,182.176 Meterzent- ner. Der grofite Teil der Ostrauer Kohlenproduktion wird auf dieser 19'5 Kilometer langen Bahn verfrachtet, an welche fast alle grofien Schachte des Revieres angeschlossen sind. Der ausgewiesene Reingewinn des Kohlenwerkes und der Bahn betrug im Jahre 1907 K 3,990.917 und uberstieg den vorjahrigen um K 45.788. Die Montanbahn wird in absehbarer Zeit entweder dem Schicksal der Verstaat¬ lichung oder der Konkurrenzierung ver- fallen und dann wird der Kohlenbesitz mehr als bisher ausschlaggebend fiir den inneren Wert der Aktie sein. K. k.priv. Osterreichische Nordwestbahn. Nach wechselvollen, tiberraschenden Phasen, welche die in der 11. Session des Reichsrates eingebrachte Gesetzes- vorlage iiber die Verstaatlichung der Osterreichischen Nordwestbahn durch- machte, war das Endergebnis erregter Debatten, dafi die Regierung zu neuen Ver- handlungen mit der Gesellschaft schritt, um ein den Wiinschen der Volksvertretung ent- sprechendes giinstigeres Abkommen anzu- streben. Die vollstandigeAussichtslosigkeit, ein solches Abkommen zu erzielen, zwang die Regierung, die konzessionsmafiige Ein- losung ins Auge zu fassen, mit einem Worte, die Verstaatlichung dieser Bahn auf einen giinstigeren Zeitpunkt zu verschieben. In- wieweit dieser Plan im Jahre 1908 der Verwirklichung zugefiihrt werden konnte, ist bereits erortert worden (s. S. 164 ff.). In der Zwischenzeit vvufite die Regierung die Gesellschaft zu verhalten, die not- wendigen Investitionen durchzufiihren und den Bau zweiter Gleise, soweit konzessions- mafiige Verpflichtungen hiefur vorlagen, zu veranlassen. Fiir das garantierte Netz war im Jahre 1885 eine Investitionsanleihe von 11 Millionen Gulden = K 22,000.000 aufgenommen worden, welche bis zum Jahre 1900 bis auf einen geringen Rest aufgebraucht war. Zwischen der Regierung und der Bahnverwaltung schwebten nun langere Zeit hindurch Verhandlungen, deren Gegenstand das Ansuchen der Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 203 Nordwestbahn bildete, eine finanzielle Transaktion zur Beschaffung der Geld- mittel fiir den Investitionsbedarf durch- fiihren zu diirfen. Zur Deckung der aller- dringlichsten Investitionsauslagen in den nachsten zwei Jahren erhielt die Gesell- schaft vorlaufig die Bewilligung zur Auf- nahme einer schwebenden Schuld im Hochstbetrage von K 4,000.000 fiir das garantierte Netz, deren Zinsen — ohne Prajudiz fiir die Kosten des zweiten Gleises — die Betriebsrechnung zu belasten hatten. Die Frage des zweiten Gleises, zu dessen Ausfiihrung die Gesellschaft schon 1897 aufgefordert worden war, blieb hiebei unberiihrt, da die Frage der Kosten - deckung bei dem garantierten Netze eine strittige war. Die Gesellschaft erklarte bald, dafi sie nicht in der Lage sei, mit dem Betrage von K 4,000.000 auch nur fiir die dringendsten Bediirfnisse das Aus- langen zu finden. In bezug auf das garantierte Netz lorderte die Gesellschaft eine Erhohung der bewilligten Summe auf 9 Millionen, fiir das Erganzungsnetz wollte sie eine Investitionsanleihe genehmigt haben und auch fiir die Siid-Norddeutsche Ver- bindungsbahn wurde die Bedeckung eines Investitionsbedarfes angesprochen. Mit den Erlassen vom 10. Dezem- ber 1901, dannvom 2. Janner 1902 forderte das k. k. Eisenbahnministerium unter Hinweis auf die Bestimmungen der Konzessionsurkunden die Legung des zweiten Gleises auf den Strecken W i e n— Stockerau und Caslau—Nimburg des garantierten Netzes, ferner auf den garantierten Strecken N i m b u r g— Tetschen und Schrecken- s t e i n—A u s s i g des Erganzungs- netzes. Hiebei nahm das Eisen¬ bahnministerium beziiglich des garantierten Netzes den Standpunkt ein, dafi der Gesell¬ schaft ein Rechtsanspruch auf Einbeziehung des Kostenaufwandes fiir Investitionen in die Staatsgarantie nicht zustehe, und gab insbesondere hinsichtlich der Kosten zur Legung des zweiten Gleises der Rechts- anschauung Ausdruck, dafi die Gesellschaft kein Recht habe, behufs Bedeckung der Kosten fiir diese Gleislegung die Staats¬ garantie, sei es unmittelbar durch direkte Erhohung der Garantiesumme, sei es mittelbar durch Einstellung der betreffen- den Kosten in die Betriebs- und Garantie- rechnung, in Anspruch zu nehmen. Gegen diese Erlasse erhob die Ge¬ sellschaft die Beschwerde an den Ver- waltungsgerichtshof, der mit dem Urteile vom 9. Juni 1903 einen der interessan- testen Eisenbahnrechtsfalle entschied. Das Eisenbahnministerium vertrat die Ansicht, dafi jede Vermehrung des An- lagekapitals auf Kosten der Aktien- gesellschaft, also indirekt auf Kosten der Aktionare, durchzufiihren sei. Die Gesellschaft behauptete, dafi jede Ver¬ mehrung des Aktienkapitals insolange unter Zinsengarantie des Staates zu erfolgen habe, als nicht trotz der Ein¬ stellung der Auslagen in die Betriebs¬ rechnung ein hoheres als das garantierte Reinertragnis erzielt wird. Keinen von beiden Standpunkten konnte der Verwaltungsgerichtshof teilen. Bei Feststellung des Begriffes »Investition« handle es sich vor allem darum, \vas als Vergrofierung des Anlagekapitals zu be- trachten sei. »Jede Ausgabe, welche un- umganglich notwendig ist, einen gefahr- losen, wenn auch fiir die Verkehrsbe- diirfnisse nicht zureichenden Betrieb zu bewaltigen, ist keine Vermehrung des Aktienkapitals, sondern eine Betrieb s- auslage. Jede Vermehrung der Anlage, welche zur Bewaltigung hoherer Anspriiche des Verkehres gemacht werden mufi, ist eine Kapitalsvermehrung be- ziehungweise Investition. Nachdem nun die fiir das Anlagekapital in der Konzessionsurkunde gezogene Grenze erreicht ist, hat jeder der beiden Pazis- zenten das Recht, jede Vergrofierung des Kapitals iiber die Maximalgrenze hinaus durch einen Willensakt zu ver- hindern.« Was nun das zweite Gleis be- trifft, so stelle die Konzessionsurkunde die Bedingungen fest, unter welchen die Staatsvervvaltung berechtigtsei, auf dessen Herstellung zu dringen. Dafi diese Vor- aussetzung gegeben sei, bestritt die Be- schwerde nicht, verneinte aber, dafi der Staat die Kosten zu tragen habe. Diese Auf- fassung konnte der Venvaltungsgerichts- hof nicht teilen, »da schon nach dem gewohnlichen Sprachgebrauche nicht der- jenige, der das Recht hat, auf'Herstellung 204 Hermann Strach. eines Werkes zu dringen, die Kosten zu tragen habe, sondern derjenige, der ver- pflichtet sei, es auszufiihren«. Obwohl die Entscheidung des Ver- waltungsgerichtshofes die Gesellschaft verpflichtete, d as zweite Gleis auf eigene Kosten zu legen, hatten dieses Urteil und seine Begriindung fiir die Zukunft, wiewohl hiedurch die Ent¬ scheidung einzelner einschlagiger Fragen von Fali zu Fali nicht gegenstandslos wurde, die Bedeutung, dafi nicht blofi beziiglich der garantierten, sondern auch der nichtgarantierten Bahnen iiber die Bedeckung von Investitionen, welche iiber den Zweck der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit und des jeweiligen Betriebsumfanges hinausgingen, der Weg der vorhergehenden Verstandigung zwischen Verwaltung und Unternehmung gesucht werden mufite, wiewohl die Bestimmungen der Eisenbahnbetriebs- ordnung (§§ 3, 76) der Staatsverwaltung das Recht anheimgeben, die Eisen- bahnunternehmungen auch zu solchen Herstellungen zu veranlassen, die iiber den bei der Konzessionierung vorge- sehenen Verkehrsumfang hinausgehen. Noch bevor der Verwaltungsgerichtshof in die Lage kam, das Urteil zu fallen, war in einem zwischen der Regierung und der Nordvvestbahn abgeschlossenen, die Konversion der 5°/ 0 igen Prioritaten betreffenden Ubereinkommen eine Ver- ringerung des Streitobjektes insofern herbeigefiihrt, als die Gesellschaft auf den Konversionsgewinn verzichtete und dieser als ein Beitrag zu den Kosten der Legung des zweiten Gleises bestimmt wurde. Die aufierordentliche Generalver- sammlung vom 24. April 1903 geneh- migte das mit der Regierung vereinbarte Protokollariibereinkommen vom 6. Marž 1903, betreffend die Emission einer Priori- tatsanleihe zwecks Fundierung der im Laufe des Jahres 1902 bis auf mehr als 13-5 Millionen Kronen angewachsenen schwebenden Schuld, die fur Investitionen auf dem Erganzungsnetze aufgelaufen war, sowie behufs Deckung der noch fiir dieses Netz weiter notwendig \verdenden Investitionen und Anschaffungen ein- schliefilich des Baues zweiter Gleise und die Konvertierung der noch unverlost gebliebenen 5°/ 0 igen Obligationen der auf beiden Linien der Nordwestbahn sichergestellten Prioritatsanlehen. Aus der urspriinglich mit 3 '/2% d urc h den Beschlufi der Generalversammlung vom 29. Mai 1908 mit 4°/ 0 zu verzinsenden Prioritatsanleihe von K 28,000.000 fiir das Erganzungsnetz waren vor allem die Sicherungsanlagen herzustellen und Fahrbetriebsmittel fiir K 3,000.000 an- zuschaffen. Solite die Einlosung des Erganzungsnetzes vor dem 1. Janner 1911 erfolgen, so ist die Staatsver- waltung verpflichtet, der Nordwestbahn die Anschaffungskosten dieser Fahr¬ betriebsmittel mit der Mafigabe zu ver- zinsen, dafi fiir jedes vom I. Janner 1904 bis zur Einlosung verstrichene volle Kalenderjahr x / 7 des Anschaffungspreises in Abzug gebracht wird. Zur Deckung der Kosten des zweiten Gleises wurden drei 3 V2 °/oiS e Er- ganzungsanleihen aufgenommen: Lit. A Nom. K 22,681.000, » B » ;> 13,761.000, » C » Mark 8,062.000. Da die Gesellschaft nach der Kon¬ version die Verlosungen ausschliefilich unter den nichtkonvertierten Stiicken in voller Hohe nach dem Tilgungsplane vornahm, verlangten die Obligationare die Einsetzung eines Kurators, der nach langwierigen Verhandlungen den Ver- gleich mit der Gesellschaft schloft, wo- nach die noch im Umlauf befindlichen 5°/ 0 igen Obligationen nach einem neuen Tilgungsplan zur Auslosung kommen und konvertierte Stticke nicht mehr aus der Urne entfernt werden. Nachdem die Konversion im ganzen und grofien durchgefiihrt war, zogerte das Eisenbahnministerium nicht, die Durchfuhrung des seinerzeitigen Auf- trages neuerlich anzuordnen, und mit einem vom 31. August 1903 datierten Erlasse wurde die Gesellschaft aufge- fordert, die Legung des zweiten Gleises in der Strecke W i e n—S tockerau (vor- laufig mit Ausschlufi der Donaubrucke) sofort in Angriff zu nehmen und bis zum 1. Oktober ein Bauprogramm zur Durchfuhrung des Ausbaues der ubrigen Strecken vorzulegen. Gleichzeitig wurde Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 205 die Gesellschaft aufgefordert, in betreff der Bedeckung der durch den Konvertierungs- gewinn unbedeckt bleibenden Kosten An- trage zu stellen. Fiir das zweite Gleis des Erganzungsnetzes war die im Jahre 1901 bewilligte schwebende Schuld von K 4,000.000 heranzuziehen. Mit Bezug auf das vorgelegte Bauprogramm erhielt die Nordwestbahn mit Erlafi vom 12. Marž 1904 den Auftrag, die Le- gung des zweiten Gleises in den Strecken Wien—Stockerau und Schreckenstein— Tetschen spatestens am 1. Oktober 1905; Caslau— Grofi -Wossek, Grofi - Wossek— Nimburg und Nimburg—Lissa spatestens 1906; Lissa — Schreckenstein —Aussig Ende 1907 zu vollenden. Da sich die Bauausfiihrung ver- zogerte und einzelne Strecken gar nicht in Angriff genommen wurden, sah sich das Eisenbahnministerium mit Erlafi vom 12. Marž 1907 bestimmt, in scharfster Form die Riickstandigkeit der Arbeiten als eine Verletzung konzessionsmafiiger Verpflichtun gen zu kennzeichnen, die Verwaltung zu verwarnen und neue Endtermine zu stellen, welche die Bau- vollendung der einzelnen Strecken spa¬ testens im Jahre 1908 vorschrieben. Hinsichtlich der Linie Schreckenstein— Aussig behielt sich das Ministerium die Entscheidung noch offen. Diesen Erlafi beantwortete die Ge¬ sellschaft mit einer Eingabe, in der sie die Verzogerungen zum Teile mit tech- nischen Schwierigkeiten, hauptsachlich aber mit mangelnden Baubewilligungen seitens des Ministeriums und Hinder- nissen, die andere Behorden bereitet hatten, zu rechtfertigten versuchte. Die gleichzeitigen Bauten auf mehreren Strek- ken waren eine Gefahr fiir den Betrieb und die Einhaltung der Termine sei tech- nisch iiberhaupt undurchfiihrbar ge- wesen. Im iibrigen bestritt sie das Recht der Staatsvenvaltung, die Legung des zweiten Gleises auf den Strecken Stockerau—Caslau, Caslau— Grofi-Wossek und Lissa—Schreckenstein aufzutragen, weil kein Verkehrsbediirfnis hiefiir vor- liege. In einem neuerlichen Ministerial- erlasse wurde das Verhalten der Gesell¬ schaft als eine Verletzung und Nicht- befolgung der Konzessionsverpflichtung bezeichnet und die ausgesprochene Ver- warnung aufrecht erhalten. Dem An- suchen um Enthebung der Gesellschaft von dem Bau des zweiten Gleises in den noch nicht in Angriff genommenen Strecken wurde keine Folge gegeben und auch keine weitere Fristverlangerung bewilligt. Nun ging erst die Gesellschaft daran, auch auf den restlichen Strecken das zweite Gleis auszubauen. Das zweite Gleis Floridsdorf—Jed- lesee — Stockerau ist seit 3. Februar 1908 fiir den Giiterverkehr erbffnet. Auf den restlichen Strecken Gaslau— Grofi-Wossek und Lissa—Melnik ist der Bau des zweiten Gleises Ende 1908 noch nicht vollstandig durchgefiihrt. Bis Ende 1907 wurden fiir die Aus- fiihrung des Gleises in den Strecken Wien —Oberhollabrunn und Gaslau—Tetschen K 7,180.589 aufgewendet, die durch den Konversionsg:ewinn gedeckt erscheinen. Von der schwebenden Schuld von K 4,000.000 fiir Investitionen auf dem garantierten Netze waren bis Ende 1907 K 3,951.159 venvendet. Die Herstellung des zweiten Gleises in der ganzen Strecke von Wien bis Tetschen ist mit rund 46 Mili. Kronen veranschlagt, im Hinblick auf die er- wahnten bis Ende 1907 bereits aufge- wendeten K 7,180.589 ist sohin fiir die Vollendung der schon im Bau stehenden Strecken, ferner fiir die Aus- fuhrung des bisher nicht begonnenen Teiles des zweiten Gleises in der Linie Wien—Tetschen noch ein Aufwand von K 38,819.411 erforderlich, welcher Be- trag hinter dem im Verstaatlichungs- tibereinkommen vom 21. Oktober 1908 vorgesehenen Kapitalsabzuge von K 39,171.352 noch etwas zuruckbleibt (s. S. 167). Eine Erweiterung des 932^09 km umfassenden Netzes durch Bau neuer Strecken ist im abgelaufenen Jahr- zehnt nicht zu verzeichnen. Zu den im Betriebe der Nordwestbahn und im Eigentum des Staates befind- lichen Linien kam am 19. November 1904 die Lokalbahn Polna-Stecken —Polna-Stadt hinzu, fiir welche die Gesellschaft den Betrieb gegen Ver- giitung der Selbstkosten fiihrt. Hermann Strach. 2 06 Die Betriebsergebnisse des Unter- nehmens, das seit dem im August 1899 erfolgten Tode des Ministerialrates Anton Kiihnelt unter Leitung des Sektions- chefs Dr. Ferdinand Zehetner als Generaldirektor steht, waren besonders giinstige. Die Transporteinnahmen zeigen eine fast stetige Zunahme (beim garan- tierten Netze von 20'6 Millionen Kronen im Jahre 1897 auf 30 Millionen Kronen im Jahre 1907, beim Erganzungsnetze von I3‘7 Millionen Kronen im Jahre 1907 auf 20*2 Millionen Kronen im Jahre 1907). Demgemafi weist trotz rapider Steige- rung der Betriebsausgaben auch der Betriebsuberschufi in den einzelnen Jahren eine erhebliche Steigerung auf: beim garantierten Netze von 8 - i Millionen Kronen im Jahre 1897 auf io'4 Millionen Kronen imJahre 1907, beim Erganzungs- netz von 7'2 Millionen Kronen im Jahre 1897 auf 8-2 Millionen Kronen im Jahre 1907. Der Betriebskoeffizient stieg in dieser Zeit von 44^97 (1897) auf 4677 (1907). Das Erganzungsnetz erhielt zum ersten Male aus dem Uberschusse des garantierten Netzes ftir das Jahr 1905 einen Anteil von K 77.284 und ftir die Jahre 1906 und 1907 K 184.706 be- ziehungsweise K 89.282. Der Staat erhalt demnach in der Osterreichischen Nordwestbahn ein in voller Entwicklung befindliches Unter- nehmen, doch werden die durchwegs gut erhaltenen Betriebsanlagen nicht mehr lange den gesteigerten Anforde- rungen des Verkehres entsprechen kOnnen und steht dem Staate auch hier wie bei der Nordbahn eine um- fangreicbe Investitionstatigkeit bevor. K. k. priv. Siid-Norddeutsche Ver- bindungsbahn. Die in der Zentralleitung mit der OsterreichischenNordwestbahn vereinigte Siid-Norddeutsche V e r- bindungsbahnhatim abgelaufenenjahr- zehnt bis zum Abschlusse des Verstaat- lichungsubereinkommens wenig geschicht- lich bedeutungsvolle Ereignisse zu ver- zeichnen. Die Investitionssorgen waren hier keineswegs so bedeutend wie bei der Nordwestbahn. Als der aus den friihe- ren Jahren stammende Investitionsfonds des Unternehmens im Jahre 1902 zum grofiten Teile aufgebraucht war, wandte sich die Verwaltung an die Regierung um Bewilligung neuer Mittel mit dem Begehren, die staatliche Zinsengarantie auf die kiinftigen Investitionskosten aus- zudehnen. Das Eisenbahnministerium forderte vor allem die Vorlage eines Investitionspro- grammes. Mit Protokollarubereinkommen vom 16. Februar 1903 wurden die Mo- dalitaten fiir die Bedeckung des Inve- stitionsaufwandes vereinbart. Es handelte sich um die das Unternehmen der Ge- sellschaft belastende Quote aus den Um- baukosten des Reichenberger Bahnhofes sowie um die Kosten der notigen Fahr- betriebsmittelanschaffungen. Fiir diese Zwecke wurde der Gesellschaft gestattet, eine bis Ende 1912 zu tilgende schwe- bende Schuld aufzunehmen und sowohl Zinsen als Tilgungsraten in die Garantie- rechnung einzustellen. Hieraus solite auch im Falle der Verstaatlichung keinerlei Belastung der Aktionare erwachsen. Ende 1907 waren hievon K 4,793.314 verwen- det. In den letzten 20 Jahren hatte das Unternehmen insgesamt K 15,223.184 investiert. Die Betriebsuberschiisse des Unternehmens blieben, wie gelegentlich der Besprechung des Verstaatlichungs- iibereinkommens bereits festgestellt wurde, alljahrlich weit unter dem garantierten Reinertrage, so dafi Zuschiisse in den letzten Jahren von rund 2 Mili. Kronen jahrlich vom Staate geleistet werden mufiten. Die Garantieschuld der Siid-Nord- deutschen Verbindungsbahn belief sich mit Ende 1907 einschliefilich der Zinsen auf K 126,589.564. Durch das Verstaatlichungsiiberein- kommen soli aus dem sogenannten freien Vermogen der Gesellschaft als wichtigstes Objekt die Eisengiefierei in Reich en- berg an den Staat ubergehen. Dieses gut eingerichtete Werk hat bisher den Bedarf der Nordwestbahn und Siid-Norddeutschen Verbindungsbahn an Eisengufi gedeckt und im Jahre 1907 einen Reinertrag von Allge m eine Entwi cklungsge schichte. 207 mehr als K 67.000 ausgewiesen. In Hin- kunft soli das Werk berufen sein, den Staatsbahnwerkstatten Bohmens das EisenguCmaterial zu liefern. Die Betriebsergebnisse der letzten zehn Jahre zeigen eine unverkennbare Tendenz zur Besserung. Die Transporteinnahmen sind von K 7,236.000 (1897) auf K1 o, 263.000 (1907) gestiegen, die Betriebs- ausgaben von K 5,291.000 (1897) auf K 6,631.000 (1907), die Betriebsiiber- schiisse von K 1,244.000 (1897) auf K 2,811.000 (1907). Der Betriebs- koeffizient sank in diesem Zeitraume von 6975 auf 63-55. Eine Enveiterung des 279-54 km um- fassenden Netzes*) durch den Bau neuer Linien ist im abgelaufenen Jahrzehnt nicht zu verzeichnen. Priv. osterr.-ungar. Siaatseisenbahn- Gesellschaft. Das abgelaufene Jahrzehnt entrollt ein glanzendes Bild der finanziellen Entwick- lung dieses Unternehmens. Schon der Jahresbericht des Jahres 1899 kennzeich- net die Betriebseinnahmen von mehr als K 56,000.000 als die hochsten, welche das osterreichische Netz der Gesellschaft seit dem Bestande zu verzeichnen hatte. Die folgenden Jahre iibertreffen aber in ihren Ergebnissen diese Ziffer noch sehr bedeutend und das Jahr 1907 weist bereits Betriebseinnahmen von K 79,146.000 auf. Wenn auch die Betriebs- ausgaben eine erhebliche Steigerung er- fuhren (von 30-3 Millionen im Jahre 1897 auf 48-9 Millionen im Jahre 1907) und der Betriebskoeffizient von 44-34 (1897) auf 48-53 (1907) emporschnellte, so blieb der finanzielle Erfolg in den einzelnen Jahren denn doch ein aufierordentlicher. Allerdings sind diese Erfolge wesent- lich durch die seitens der Verwaltung durchgefiihrte weitgehende Sparsamkeit an Investitionen beeinflufit worden. Wenn auch ungeachtet der seit dem Jahre 1895 *) Im Betriebe der Siid-Norddeutschen Verbindungsbahn steht die im Eigentum des Staates beiindliche Lokalbahn Konigshan — Schatzlar. Von den preufiischen Staats- bahnen sind gepachtet: Reichsgrenze bei Tschernhausen—Seidenberg und Reichsgrenze Kbnigshan—Libau. kontinuierlich herrschenden Unsicherheit in der Verstaatlichungsangelegenheit seit dieser Zeit mehr als 54 Millionen Kronen fiir Bauten und Fahrbetriebsmittel aufge- wendet wurden, erwiesen sich doch, wie ins- besondere in jiingster Zeit durch die Aufsichtsbehorde festgestellt wurde, die Investitionsmafinahmen der Gesellschaft angesichts der aufierordentlichen Verkehrs- entwicklung fiir durchaus unzureichend. Von der auf Grund der Ermachti- gung der Generalversammlung vom 18. November 1893 aufgenommenen An- leihe von 3 °/ 0 igen Prioritaten im Betrage von Mark 100,000.000 waren Mark 10,000.000 fiir Investitionsauslagen bestimmt. Infolge der seitherigen Gestaltung der Geld- verhaltnisse war dieser Betrag bis zum Jahre 1899 nicht begeben worden. Ab- gesehen davon, ware das hieraus er- haltliche Kapital fiir die Investitions- erfordernisse viel zu gering gewesen. Der Verwaltungsrat holte sich demnach in der Generalversammlung vom 27. Mai 1899 die Ermachtigung zur Aufnahme einer neuen Anleihe im Hochstbetrage von fl. 40,000.000 = K 80,000.000. Nach Verhandlungen, die ein volles Jahr in Anspruch nahmen, erhielt die Gesell¬ schaft gegen eine Reihe von Zugestand- nissen die Zustimmung der Regierung. Auf Grund eines Kompromisses vrarde eine Anzahl grofierer und wichtigerer Bauherstellungen in das Ubereinkommen aufgenommen, wie der Umbau des Briinner Bahnhofes, Erweiterung der Stationsanlagen in Bohmisch-Trubau, Pardubitz u. a. Gleichzeitig wurden die Regelung des Verhaltnisses der Gesell¬ schaft zu den B o h m. K o m m e r z i al¬ fo a h n e n sowie Zugestandnisse an an- schliefiende Lokalbahnen und in der Verkehrsteilung Wien—Marchegg, Wien —Bruck a. d. Leitha erzielt. Auch ver- pflichtete sich die Gesellschaft zu In¬ vestitionen fiir Militarzwecke. Von der Anleihe sollten im ganzen 45-5 Millionen zur Refundierung schwe- bender Schulden verwendet werden, die in den letzten Jahren fiir Investitionen aufgenommen werden mufiten, so dafi 37-5 Millionen fiir neue Investitionen eriibrigten. Fiir das garantierte Er- ganzungsnetz blieben die im Protokollar- 208 Hermann Strach. ilbereinkommen vom Jahre 1893 ge- troffenen Vereinbarungen in Ansehung der Investitionsauslagen insofern auf- recht, als diese Auslagen in zehnjahrigen Annuitaten aus dem Titel der Staats- garantie riickgezahlt, d. h. in di'e Betriebsrechnung eingestellt und statt mit 4'5°/o nut 4' 2 5°/o verzinst werden sollten. Die neben der Frage der Investitions- anleihe behufs Prazisierung der Modali- taten einer kiinftigen Verstaatlichung eingeleiteten Verhandlungen, eine Reihe der schwierigsten Fragen umfassend, blieben vorlaufig ungelost. Im Mai 1903 kam zwischen der Regierung und der Gesellschaft als Er- gebnis der Bestrebungen der Regierung, die heimische Industrie durch Bestellung von Fahrbetriebsmitteln zu fordern, auch ein Kompromifi zu stande, das sich auf die Art der Kostenbedeckung der fiir das garan- tierte Netz notigen Fahrbetriebsmittel bezog. Die Regierung hatte Jahre hin- durch die Ansicht vertreten, dafi speziell die Kosten der Fahrbetriebsmittel fiir die garantierten Linien nicht durch Aufnahme schwebender Schulden gedeckt werden sollten, deren Zinsen die Betriebsrechnung belasten, sondern dafi dieses Erfordernis fiir die garantierten Strecken vom nicht garantierten Netze bestritten werde. Die Gesellschaft wies darauf hin, dafi es nicht angehe, Aufwendungen fiir das garantierte Netz zu Lasten der anderen Linien zu buchen, blofi darum, weil letztere ein besseres Ertragnis abwerfen. Die Regierung gestattete nunmehr, die Kosten der Fahrbetriebsmittel fiir das garantierte Netz durch die Aufnahme schvvebender Schulden zu decken. Die Erfahrungen, die bei der Ver¬ staatlichung der Nordbahn hinsichtlich der Verkehrsanlagen und Fahrbetriebs¬ mittel gemacht wurden, veranlafiten den Eisenbahnminister, die k. k. General- inspektion zu beauftragen, samtliche Linien, vor allem aber die verstaat- lichungsreifenBahnen, einer »vorurteils- f r e i e n und strengen Priifung zu unterziehen«. Diese Priifung ergab bei den Linien der Staatseisenbahn-Gesellschaft im Jahre 1 907 eine grofie Reihe von Bean- standungen, welche sich meist auf den Zustand des Oberbaues bezogen, der der- art rekonstruktionsbediirftig erkannt wurde, dafi die Generalinspektion dessen schleu- nigste Auswechslung und Erneuerung anordnete. Aufierdem wurden Bauher- stellungen, insbesondere die Anlage von Vorfahrgleisen etc. angeordnet und end- lich im Interesse der einstweiligen Be- triebssicherheit auf einzelnen Strecken die Aufstellung einer grofien Reihe von Langsamfahrsignalen verfiigt. Auch der Zustand der Fahrbetriebsmittel, von wel- chen viele veraltet und in hohem Mafie reparaturbediirftig waren, gab Anlafi zur Beanstandung. Gegen die Verfiigungen der General¬ inspektion brachte die Verwaltung den Rekurs an das Eisenbahnministerium ein, das den Auftrag auf Legung von Vor¬ fahrgleisen als eine verkehrstechnische Anordnung, die in die Kompetenz des Ministeriums fiel, aufhob, aber die we- sentlichen Verfiigungen der General¬ inspektion aufrechthielt. Es ist erklarlich, dafi diese Mafinahmen, die auch mit be- trachtlichen Verkehrsstorungen verbunden waren, allerorts berechtigtes Aufsehen erregten. Als die Gesellschaft gegen weitere Verfiigungen der Generalinspek¬ tion neuerlich eine Reihe von Rekursen ergriff und iiber deren Abweisung Be- schwerde an den Verwaltungsgerichtshof einbrachte, kam die Angelegenheit durch einen Drinodichkeitsantrasr auch im Ab- geordnetenhause zur Erorterung. In der Sitzung vom 18. Oktober 1907 gelangte ein Antrag zur Annahme, durch den das Eisenbahnministerium aufgefordert wurde, im Falle weiterer Weigerungen der Ge¬ sellschaft sofort vom § 12 des Eisenbahn- konzessionsgesetzes (Sequestration) Ge- brauch zu macben. Infolge eines Zusatz- antrages \vurde auch die Osterreichi- sche Nordwestbahn, deren Anlagen und Fahrbetriebsmittel als unzureichend erklart wurden, in diesen Antrag auf Sequestration einbezogen. Die Gesellschaft fiigte sich schliefilich und liefi trotz ungiinstiger Jahreszeit die Auswechslung des Oberbaues mit aller Beschleunigung durchfiihren, so dafi die Langrsamfahrsignale bald beseitiaft wer- den konnten. Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 209 Die vom Eisenbahnministerium im Dezember 1907 angeordneten baulichen Investitionen, die Umgestaltung von 27 Stationen durch Errichtung von Sicherungsanlagen, Gleiserweiterungen, Herstellung von Vorfahrgleisen, Ver- mehrung von Heizhaus- und Werkstatten- anlagen sind in Angriff genommen. Dem- gemafi ist auch in den Erlauterungen zum eingebrachten Verstaatlichungs- gesetze darauf hingewiesen, dafi der Staat die Rekonstruktionsarbeiten und Bauherstellungen weiterhin iibernehmen miisse und dafi daher aus der Notwen- digkeit, die zu iibernehmenden Linien in einen die volle Sicherheit, Ordnung und Regelmafiigkeit des Betriebes ge- wahrleistenden Bau- und Erhaltungs- zustand zu versetzen, namhafte Auf- wendungen erwachsen werden. Zu deren teihveiser Bedeckung soli der iiberein- kommensgemafi von der Gesellschaft zu zahlendeKapitalsbetragvon K 16,000.000 dienen. Im Hinblick auf das verhaltnismafiig hohe Alter eines Teiles der gesellschaft- lichen Fahrbetriebsmittel wird es unver- meidlich sein, in den nachsten Jahren allmahlich eine ausgiebige Erneuerung des an den Staat iibergehenden Lokomotiv- und Wagenparkes im Wege von Ersatz- beschaffungen durchzufiihren. Es mufi daher auch in Hinsicht auf die Fahr¬ betriebsmittel damit gerechnet werden, dafi der Staatsvenvaltung aus der Not- \vendigkeit, verstarkte Ersatzbeschaffun- gen vorzunehmen, erhebliche Kosten erwachsen werden. Dagegen wird sich aber fiir die Folge eine namhafte Herab- minderung der gegenwartig den Betrieb belastenden Reparaturkosten ergeben. Im Besitze der Gesellschaft bleiben die gesellschaftlichen Kohlenwerke und industriellen Anlagen in Brandeisl in Bohmen sowie die gesellschaftliche Ma- schinenfabrik in Wien. Dafi die Staats- verwaltung die Erwerbung dieser beiden Unternehmungen von Anfang an nicht ins Auge gefafit hat, entspricht, wie die Begriindung des Gesetzentwurfes be- sagt, dem Grundgedanken der ganzen Aktion, welcher — ein Ziel staatlicher Verkehrspolitik verfolgend — von vornherein auf die Erwerbung des E i s e n- bahnbesitzes der Gesellschaft gestellt war. Auch kommt in Betracht, dafi angesichts der Ungewifiheit der Ent- ivicklungschancen derartiger Industrie- unternehmungen bei ihrer Einbeziehung in die Verstaatlichungsvereinbarungen diesen an sich einfachen und durchsich- tigen Abmachungen ein Element ge- schaftlichen Risikos hinzugefugt worden ware, welche zu iibernehmen fiir die Regierung keinerlei Veranlassung vorlag. Im Besitze samtlicher Aktien und Obligationen der Bohmischen K o m- merzialbahnen und auch samtlicher Aktien der Zwolenoves-Smečnaer Eisenbahn ist die Gesellschaft seit Dezember 1882. Die Staatseisenbahn-Gesellschaft hat in der Dekade 1898 bis 1907 lediglich nachstehende neue Linien beziehungs- weise Bahnanlagen als neue Strecken erbaut: Die Schleppbahnanlage in die neuen stadtischen Gaswerke der Gemeinde Wien in Simmering mit einer Gleislange von 6'i km zum Zwecke der Kohlen- beistellung in die neuen Werke und die Verbindungsschleife bei Briinn, welche die Linie Wien—Briinn der Staatseisen¬ bahn-Gesellschaft mit der Linie Wien— Briinn der k. k. Nordbahn und hiedurch mit dem neuen gemeinschaftlichen Per- sonenbahnhof Briinn, ohne Beriihrung des unteren Bahnhofes der Staatseisenbahn- Gesellschaft, verbindet (o - 9 km , eroffnet am 28. April 1904). K k. priv. Eisenbahn Wien — Aspang. Bei der Darstellung der Entstehungs- geschichte der Wecbselbahn sind die Bestrebungen der Venvaltung der Wien— Aspang-Bahnhinsichtlich des Ausbaues der gesellschaftlichen Linie nach Steiermark geschildert worden. Als die Regierung die Konzession nur unter der Bedingung des staatlichen Betriebes erteilen wollte, ver- zichtete die Gesellschaft auf den Bau dieser Erganzungslinie und trachtete sich durch die Betriebsiibernahme der zum Anschlusse gebrachten Schneebergbahn schadlos zu halten. Bis Ende Dezember 1898 wurde der Betrieb dieser Bahn von der Unternehmung Leo Arnoldi gefiihrt. Das Konsortium der G 210 Hermann Strach. Eisenbahn Wien—Aspang hatte von dem friiheren Berliner Finanzkonsortium den grofiten Teil der Prioritatsaktien und Prioritatsobligationen iibernommen, baute die Verbindung Sollenau—Fischau (er- offnet am 27. August 1900) der Schnee- bergbahn aus, so dafi direkte Ziige Wien—Sollenau—Fischau—Puchberg ein- geleitet werden konnen. In der General- versammlung vom 20. Dezember 1898 holte die Verwaltung die Genehmigung zur Ubernahme des Betriebes ab 1. Janner 1899 ein und in der aufierordentlichen Generalversammlung vom 27. Janner 1899 wurde die Ermachtigung zum Abschlusse eines Betriebsgarantievertrages erwirkt, durch den die Eisenbahn Wien—Aspang auch die Garantie fiir den Prioritatendienst der Schneebergbahn iibernahm. Mittler- weile war die Aktiengesellschaft der Schnee¬ bergbahn im Einverstandnisse mit der Wien—Aspang-Bahn um die Bewilligung der Vermehrung des Gesellschaftskapitals zum Bau der Verbindungslinie einge- Langen der dem offentlichen Verkehre dienenden Eisenbabnen in den im Reichsrate vertretenen Konigreichen und Landern (einschliefilich des Fursten- tums Liechtenstein). Allgemeine Entwicklungsgeschichte. 211 schritten. Die Regierung machte die Genehmigung von der Bedingung ab- hangig, dafi die Eisenbahn Wien—Aspang auch die Garantie fiir den erhohten Prioritatendienst iibernehme. Die Gene- ralversammlung vom 28. Juni 1899 er- klarte sich einverstanden, dafi die Ge- sellschaft diese Garantie fiir die nach Mafigabe des Bedarfes zu emittierenden Obligationen der Schneebergbahn bis zur Hohe von K 4,800.000 bis zum Jahre 1917 iibernehme. Die Garantie erlischt, sobald auch drei aufeinanderfolgende Jahre iiber den Prioritatendienst hinaus ein Reingewinn von K 100.000 erzielt wird. Aus dem Titel dieser Garantie hat die Eisenbahn Wien—Aspang in den Jahren 1903 bis 1907 K 711.521 bezahlt. Im Jahre 1907 erhielt die Eisenbahn Wien—Aspang von der Regierung die Aufforderung zu grofieren Investitionen, so dafi sie zur Deckung der Kosten der schwebenden Schuld in der Generalver- sammlungam 17. Juni 1907 eine Erhohung des Anlagekapitals beantragen mufite. Die General versammlung beschlofi eine Aktien- emission von K 200.000 und die Aufnahme einer 4°/ 0 igen Prioritatenanleihe. Schon im Jahre 1903 wurde im Eisen- bahnausschusse von den Vertretern jener Gebiete, welche in der Herstellung einer zweiten Verbindung zwischen Wien und der steirischen Landeshauptstadt das Ziel ihrer Wiinsche erblickten, die Verstaat- lichung der Eisenbahn Wien—Aspang gefordert. Das konzessionsmafiige Einlosungs- recht war jedoch erst am 28. Novem¬ ber 1907 eingetreten. Die Verstaatlichung der Eisenbahn Wien—Aspang wird erst mit dem Ausbau der Wechselbahn Aktua- litat erlangen. * Im vorstehenden ist die allgemeine Entwicklung der einzelnen Haupt- b a h n e n skizziert. Plinsichtlich der Ent- wicklung der privaten Lokalbahnen wird auf den vom Ministerialrate Ferd. Gotts- leben behandelten Abschnitt: »Lokal- unct Kleinb ahnwesen« vervviesen. Die Ubersicht auf S. 210 gibt die Langen der dem offentlichen Verkehre dienenden osterreichischen Eisenbahnen nach dem Stande vom 31. Dezember 1907. Bis zum 2. Dezember 1908 waren noch folgende Bahnen dem Betriebe ubergeben: Erčffnet: Kilometer 29. Februar:Rittnerbahn Teil- strecke Božen — Walterplatz —Božen—Rittnerbahnhof . C869 18. Mai: Lolcalbahn Skalitz— Boskowitz—Grofi-Opatowitz 2 r 65 1 1. Juni: Lokalbahn Nemotitz— Koritschan.4 - 822 12. Juni: Schmalspurige Lokal¬ bahn mit elektrischem Be- trieb Biirgerstrafie Inns¬ bruck—V orplatz—Siidb ahn- hof. o - 8o4 6. Juli: Lokalbahn Krainburg— Neumarktl.I 5 'o 79 21. Juli: Lokalbahn Bruneck— Sand i. T. i5‘240 6. August: Lokalbahn Fried- land—Bila.I9‘266 24. September: Lokalb. Weckels- dorf—Parschnitz—-Trautenau 35'o69 6. Oktober: Teilstrecke: Lo¬ kalbahn Jenschowitz — Jen- schowitz Staatseisenbahn- Gesellschaft.o - 160 24. Oktober: Lokalbahn Frei- land—Turnitz.9 - 2oo 17. Oktober: Lokalb. Czudin— Koszczuja.23'— 2. November: Lokalbahn Opoč- no—Dobruška. 5 ' 4 °° 15. N o vemb er: Lokalb. T r effen— Johannisthal.21'— sowie verschiedene Kleinbahnen in der Gesamtlange von . 2C318 I 9 r 878 so dafi am Tage des 6ojahrigen Re- gierungsjubilaums Sr. Majestat des Kaisers das osterreichische Eisenbahnnetz der im Reichsrate vertretenen Konigreiche und Lander insgesamt 22 . 4 / 79‘161 km umfafite. Zur Zeit des Regierungsan- trittes des Monarchen zahlte Osterreich insgesamt 1071 km Eisenbahnen, darunter 478 km Staatsbahnen. 14* 212 Hermann Strach. In der Gegeniiberstellung dieser wenigen Ziffern kommt nur der Umfang dessen zum Ausdruck, \vas Osterreich unter der stetig waltenden Fiirsorge des Herrschers auf dem Gebiete des Eisen- bahnwesens schuf. Wie wechselvoIl sich der Werdegang unserts Eisenbahnwesens gestaltet hat, wie schwer die erreichten Erfolge errungen werden mufiten, ist in der vor- liegenden Geschichte des osterreichischen Eisenbahnwesens klarzulegen versucht worden. Nach Jahren schweren Ringens und muhevollen Kampfes geht Osterreichs Eisenbahnwesen nunmehr einer Zukunft entgegen, die seine weitere und kršiftige Entfaltung unter Vorherrscbaft des Staats- betriebes verspricht. Es ist wohl der beste Beweis fur die dem Gesamtstaate und seinem Wirtschafts- leben innewohnende Kraft, wenn trotz der politischen Hemmnisse und Ablenkungen so weitgreifende Erfolge auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens aucb im letztenjahr- zehnt verzeichnet werden konnten. In der Ausgestaltung seines Eisenbahnnetzes, in der Durchfiihrung einer zielbevvufiten Ver- kehrspolitik hat Osterreich neuerdings schwere Aufgaben gelost. Das was Oster¬ reich in Kulturarbeit in seinen Eisen- bahnen niederlegte, bildet, wie in diesem Werke bewiesen wird, einen berechtigten Stolz unseres Vaterlandes. Gesetzgebung und Verwaltung Von Dr. August Ritter v. Weeber, k. k. Sektionschef im Eisenbahnministerium. A. Obersicht. Allgemeine Eisen- bahngesetze. Organisation der Staatseisenbahnverwaltung. D IE grundlegenden allgemeinen Rechtsnormen, welche die Bezie- hungen der Eisenbahnen zum Staate und den verschiedenen Zweigen der Staatsverwaltung zu einander und zu Privatpersonen regeln, haben in den abgelaufenen zehn Jahren Abanderungen prinzipieller Natur nicht erfahren. Nur da und dort, wo die Fortschritte der Technik, die Forderungen des Verkehres oder sozialpolitische Erwagungen es erheischten, wurde der Kreis der osterreichischen Eisenbahngesetze durch neue Normativbestimmungen ervreitert. Trotzdem aber war die legislative Ta- tigkeit auf dem Gebiete des Eisen- bahnwesens im Laufe der verflossenen Dekade von der grofiten Fruchtbarkeit, indem nebst einer Reihe von all¬ gemeinen Gesetzen normativen Cha- rakters auch zahlreiche Spezialgesetze von wesentlicher Bedeutung zur Verab- schiedung gelangten. Abgesehen davon, dafi in dieser Zeit die Handelsbeziehungen zu zahlreichen Staaten eine Neuregelung erfuhren, wobei auch die beziiglichen Eisenbahnfragen entsprechend beriick- sichtigt werden mufiten, abgesehen ferner davon, dafi das grofie und schwierige Werk des sogenannten Ausgleiches mit Ungarn nach mehrjahrigen miihevollen Verhandlungen zu einem, auch die Eisen- bahnangelegenheiten umfassenden Ab- schlusse gelangte, und dafi schliefilich auch das Eisenbahnwesen niederer Ordnung dank der fiirsorglichen For- derung seitens der Gesetzgebung eine fortschreitende Entwicklung aufzuweisen hat, vollzog sich innerhalb derselben Zeit auch eine bedeutungsvolle weitere Ausgestaltung des Staatseisenbahnnetzes und damit eine bemerkenswerte Ver- schiebung in dem Verhaltnisse zwischen Staats- und Privatbahnen. Zwar besteht auch jetzt noch das sogenannte gemischte System, d. h. das Nebeneinander von Staatsbahnen und Privatbahnunternehmungen. Beide Kate- gorien von Eisenbahnen haben im ab- ofelaufenen Dezennium an Langenaus- o o dehnung erheblich zugenommen. Bei den Privatbahnunternehmungen ist der einge- tretene Zuwachs fast ausschliefilich dem Entstehen von neuen Bahnen niederer Ordnung zuzuschreiben, das Staatsbahn- netz dagegen hat nicht nur durch den Anfall neuer, in den Staatsbetrieb iiber- nommener Lokalbahnen, sondern auch durch Erbauung neuer wichtiger Durch- zugslinien einen bedeutenden Aufschwung erhalten. Da aufierdem im Laufe dieser Dekade die Verstaatlichungsaktion neuerlich im grofien Stile aufgenommen und zum Teile auch schon mit Erfolg durchgefuhrt wurde, so betragt das Verhaltnis der Staatsbahn- linien und der vom Staate betriebenen Privatbahnlinien zur Gesamtlange der auf osterreichischem Gebiete befindlichen Haupt- und Lokalbahnen Ende 1907 bereits 68°/ 0 , wahrend es im Jahre 1898 nur 56°/ 0 ausmachte. Falls die in bezug auf die Verstaatlichung der priv. osterr.- ungar. Staatseisenbahn-Gesellschaft, der k. k. priv. osterreichischen Nordwestbahn und der k. k. priv. Sud-Norddeutschen Verbindungsbahn in der jiingsten Zeit 216 Dr. August Ritter v. Weeber. getroffenen Vereinbarungen Gesetzeskraft erlangen, werden zuEnde des Jahres 1909 sogar ungefahr 8o°/ 0 aller Haupt- und Lokalbahnen im Staatsbetriebe stehen. Die legislativen Mafinahmen, welche diese fortschreitende Ausdehnung des Einflusses der staatlichen Eisenbahnver- waltung bewirkt haben, bilden somit den wirtschaftlich wichtigsten Inhalt der osterreichischen Eisenbahngesetz- gebung der letzten zehn Jahre. Behufs entsprechender Gliederung des vorliegenden reichen Materiales werden in der folgenden Darstellung zunachst die allgemeinen Gesetze normativen Cha- rakters und die eingetretenen Anderungen in der Organisation der Staatseisenbahn- verwaltung, hieran anschliefiend die in be- treff der Beziehungen zu den Landern der ungarischen Krone, zum ehemaligen Okkupationsgebiete und zum Auslande erfolgten legislativen Mafinahmen und endlich die auf die Bau- und Investitions- tatigkeit in betreff der Staatsbahnen, sowie auf die Verstaatlichung beztiglichen Aktionen zur Besprechung kommen. Die Entwicklung der Eisenbahnen niederer Ordnung bildet den Inhalt eines selbstandigen Abschnittes dieses Werkes und es fallen demnach nur die Ande¬ rungen in den allgemeinen Rechtsgrund- lagen fiir diese Art von Eisenbahnunter- nehmungen in den Rahmen der vor¬ liegenden Darstellung, wahrend die be- ziiglichen Spezialgesetze hier aufier Betracht bleiben miissen. Der vorstehenden Einteilung gemafi sollen nunmehr zunachst die der abgelaufenen Dekade angehorenden Gesetzbestimmungen normativer Natur behandelt werden. 1. Allgemeine Gesetze normativen Charakters. An derartigen Gesetzen kommen an- zufiihren: a) Das Gesetz vom 12. Juli 1902, RGB. Nr. I47,betreffenddieHaftpflicht der Eisenbahnen. Die bedeutenden Fortschritte, welche die Verwendung der elektrischen Energie auch im Eisenbahnbetriebe in den letzten Jahren aufzuweisen hatte, liefien eine Ausdehnung der Bestimmungen des Gesetzes vom 5. Marž 1869, RGB. Nr. 27, iiber die Haftpflicht von Unternehmungen, welche Eisenbahnen mit Dampfkraft be- treiben, auch auf solche Eisenbahnen notwendig erscheinen, zu deren Betrieb andere motorische Krafte verwendet werden. Durch das oben genannte Gesetz wurde somit verfiigt, dafl die Normen des bezogenen Gesetzes vom Jahre 1869 fur alle mit Anwendung einer elementaren Kraft betriebenen Eisenbahnen zu gelten haben und dafi die Bestimmungen des Artikels VII des Gesetzes vom 20. Juli 1894, RGB. Nr. 168, liber die Entscha- digungs- und Versicherungsansprtiche der Eisenbahnbediensteten und ihrer Hinter- bliebenen, betreffs aller mit einer elemen¬ taren Kraft betriebenen Eisenbahnen An- wendung finden sollen. b ) Das Gesetz vom 28. Juli 1902, RGB. Nr. 156, betreffend die Reg e lun g des Arbeitsverhaltnisses der bei Regiebauten von Eisenbahnen und in denHilfsanstaltendersel- ben verwendeten Arbeiter. Da das Kundmachungspatent zur Ge- werbeordnung die Eisenbahnen von den gevrerberechtlichen Normen eximiert hatte, fanden auch die spaterhin erflossenen Erganzungen und Nachtrage zur Gewerbe- ordnung, insbesondere jene iiber den Arbeiterschutz und iiber die Regelung des Arbeitsverhaltnisses auf die beiEisenbahn- unternehmungen beschiiftigten Arbeiter keine Anwendung. Nachdem sich aber insbesondere bei der Ausfiihrung der Wiener Verkehrs- anlagen gezeigt hatte, dafi sich der geltende Arbeiterschutz ohne Gefahrdung wichtiger Interessen auch auf das Gebiet grofier offentlicher Bauten ausdehnen lasse, wobei derUmstand, ob diese Bauten von Privaten oder von Eisenbahnunternehmungen zur Ausfiihrung gelangen, nur von sekundarer Bedeutung sein konnte, so wurde ins¬ besondere mit Riicksicht auf die im Jahre 1901 begonnene grofle Bau- und Investitionstatigkeit auf dem Gebiete des Staatseisenbahnwesens die Frage des Arbeiterschutzes auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues einer durchgreifenden Regelung unterzogen. Wahrend die Fiir- sorge fiir die bei privaten Bauunter- nehmungen beschaftigten Arbeiter durch Gesetzgebung und Verwaltung. 217 ein Spezialgesetz den Gewerbebehorden iibertragen wurde, wurden fur die bei Regiebauten von Eisenbahnen und in den Hilfsanstalten derselben verwendeten Arbeiterdurch das Gesetz vom 28 Juli 1902, RGB. Nr. 156, detaillierte, sich im all- gemeinen an das geltende Gewerberecht anlehnende Vorschriften iiber die Maximal- arbeitszeit, iiber die Sonntagsruhe, uber den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter, uber den Schutz der Frauen und Jugendlichen, iiber den Arbeitsvertrag, iiber die Modalitaten der Lohnzahlungen, iiber das Lehrlingswesen und iiber den Fortbildungsunterricht getroffen und die Handhabung dieser Normen der k. k. Generalinspektion der osterreichischen Eisenbahnen iibertragen. Die Wirksamkeit des genannten Ge- setzes erstreckt sich auf samtliche Staats- bahnen sowie auf alle, auf Grund des Eisenbahnkonzessionsgesetzes, der Ge- setze iiber Lokalbahnen, beziehungsweise iiber Bahnen niederer Ordnung, der Aller- hochsten Entschliefiung vom 28. Februar 1859 und der Allerhochsten Ermachti- gung vom 6. Juli 1872 konzessionierten Privatbahnunternehmungen. Als Regie¬ bauten werdenalle aufierhalb des Rahmens der gewohnlichen Bahnerhaltung bewirkten Bauarbeiten verstanden, welche von der Bahnverwaltung selbst durch das in ihrem unmittelbaren Dienste stehende Personal ausgefiihrt werden; Hilfsanstalten im Sinne des Gesetzes sind Betriebe, in welchen durch unmittelbar im Dienste der Bahn- verwaltung stehende Personen fiir Rech- nung der Verwaltung Arbeiten verrichtet werden, die zwar den Betriebszwecken der betreffenden Bahnunternehmung dienen, nicht aber auf die Durchfiihrung, Sicherung und unmittelbare Abwicklung des Ver- kehres Bezug haben. Zu dem erwahnten Gesetze erflofi seitens des k. k. Eisenbahnministeriums unter dem 2. Februar 1903, RGB. Nr. 28, eine besondere Durchftihrungs- verordnung. c) Das Gesetz vom 19. Juli 1902, RGB. Nr. 153, betreffend die Einfuhrung einer Fahrkartensteuer vom Per- sonentransporte auf Eisenbahnen. Zufolge dieses Gesetzes, welches zum Zwecke der Bedeckung bestimmter bud- getarer Belastungen, beziehungsweise be¬ stimmter Einnahmenausfalle (Erhohung der normalmafiigen Versorgungsgeniisse der Zivilstaatsbeamten und Staatslehrpersonen sowie der Witwen nach diesen und Auf- hebung der ararischen Mautgebtihren) erlassen wurde, unterliegt der Personen- transport auf Eisenbahnen innerhalb des Gebietes der im Reichsrate vertretenen Konigreiche und Lander einer, nach den einzelnen Kategorien von Bahnen (Haupt-, Lokal- und Kleinbahnen) abgestuften Steuer, welche in der Regel fur Haupt- bahnen 12°/ 0 , fiir Lokalbahnen 6°/ 0 und fiir Kleinbahnen 3°/ 0 des jeweilig fiir die Beforderung innerhalb des genannten Ge¬ bietes zur Einhebung gelangenden Fahr- preises betragt. Im Verkehre mit Ungarn, mit Bosnien und der Herzegowina sowie iiber diese Lander hinaus wird die Fahr¬ kartensteuer mit 10°/ 0 jenes Teiles des Fahrpreises festgesetzt, welcher auf die Beforderung im Geltungsgebiete des er- wahnten Gesetzes entfallt. Mit der Verordnung der Ministerien der Finanzen, der Eisenbahnen und des Handels vom 27. September 1902, RGB. Nr. 195, wurden sodann behufs Durch¬ fiihrung des Fahrkartensteuergesetzes die erforderlichen Detailanordnungen ge¬ troffen. d) Gesetze iiber Bahnen nie¬ derer Ordnung. Die grundsatzlichen Bestimmungen des Gesetzes vom 31. De- zember 1894, RGB. Nr. 2 ex 1895, iiber Bahnen niederer Ordnung, blieben im allge- meinen auch wahrend der letzten Dekade unverandert. Da das genannte Gesetz jedoch in seiner Wirksamkeit auf die Dauer von zehn Jahren beschrankt war, so wurden die genannten Normen wiederholt neuerlich in Geltung gesetzt, und zwar durch die Gesetze vom 16. Mai 1905, RGB. Nr. 81, und vom 24. Dezember 1905, RGB. Nr. 216, zuletzt bis zum 31. Dezember 1908. Die Neuregelung dieses Zweiges der Eisenbahngesetzgebung steht in Vor- bereitung. Die erwahnten grundlegenden Be¬ stimmungen haben anlafilich des Gesetzes vom 1. Juli 1901, RGB. Nr. 85, iiber die im Jahre 1901 sicherzustellenden Bahnen niederer Ordnung, einige ergiinzende Modifikationen erfahren, welche hier kurz 218 Dr. August Ritter v. Weeber. Erwahnung finden miissen. Insbesondere wurde bestimmt, dafi auf die mit elektrischer Kraft betriebenenBahnen niedererOrdnung, welche nach dem Gesetze vom 31. Dezem- ber 1894 stets als Kleinbahnen zu be- handeln waren, unter gewissen Voraus- setzungen auch die fiir Lokalbahnen geltenden Normen angewendet werden konnen; ferner erhielt die Regierung die Ermachtigung, fur sogenannte sekundare Lokalbahntitres, die auf der Unterlage staatlich garantierter Schuldverschreibun- gen von Lokalbahnunternehmungen zur Ausgabe gelangen, die Staatsgarantie zu gewahren und diesen Titres sowie den die Garantie eines Landes geniefienden Lokal- bahnschuldverschreibungen durch eine vom Eisenbahnministerium im Vereine mit den anderen beteiligten Ministerien zu erlassende Kundmachuug die Pupillar- qualifikation zu erteilen. 2. Anderungen in der Organisation der Eisenbahnverivaltnng. Die Organisation der Eisenbahn- verwaltung hat gleichfalls keine wesent- lichen und prinzipiellen Anderungen erfahren. Der Wirkungskreis des Eisen- bahnministeriums, seiner Hilfsorgane und der ihm unterstehenden Dienstesstellen ist im grofien und ganzen so geblieben, wie er durch das mit der AllerhOchsten Entschliefiung vom 15. Janner 1896 genehmigte Organisationsstatut fest- gestellt wurde. Die eingetretenen An¬ derungen betreffen: a) die Schaffung der k. k. E i s e n- bahnbaudirektion aus Anlafi und zur Durchfiihrung der auf den Bau neuer Eisenbahnlinien beziiglichen Bestimmun- gen des Gesetzes vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, betreffend die Herstellung mehrerer Eisenbahnen auf Staatskosten, und die Festsetzung eines Bau- und Investitionsprogrammes der Staatseisen- bahnvervvaltung fur dieZeit bis Ende 1905; b) die Errichtung der mit der Fiihrung des Betriebes auf den verstaatlichten Linien der k. k. priv. Kaiser Ferdinands- Nordbahn beauftragten k. k. Nord- bahndirektion; c) die Erganzung der Dienstinstruk- t i o n fur die k. k. Generalinspektion der SsterreichischenEisenbahnen mit Riick- sicht auf die Bestimmungen des Gesetzes vom 28. Juli 1902, RGB. Nr. 156, be¬ treffend die Regelung des Arbeits- verhaltnisses der bei Regiebauten von Eisenbahnen und in den Hilfsanstalten derselben vervvendeten Arbeiter und auf die Vorschriften der Ministerialverord- nung vom 14. November 1901, RGB. Nr. 184, betreffend die Herstellung von Kalziumkarbid und Azetylen sowie den Verkehr mit diesen Stoffen. Der dem k. k. Eisenbahnministerium zur Begutachtung allgemeiner volkswirt- schaftlicher Fragen beigegebene S t a a t s- eisenbahnrat erfuhr beziiglich seines Statutes einige Abanderungen, und zwar wurde das Statut dieser Kčirperschaft in bezug auf das Vorschlagsrecht der Landeskulturrate und der sonstigen land- wirtschaftlichen Fachkorporationen mit der Kundmachung des Eisenbahnmini- steriums vom 29. Marž 1900, RGB. Nr. 66, modifiziert. Ferner wurde laut Kundmachung des Eisenbahnministeriums vom 8. November 1901, RGB. Nr. 182, das friiher dem Vereine fur Landeskultur in Czernowitz eingeraumte Vor¬ schlagsrecht auf den neukreierten Landes- kulturrat im Herzogtum Bukowina iiber- tragen und laut Kundmachung des Eisenbahnministeriums vom 5. Mai 1906, RGB. Nr. 92, die Gesamtzahl der Mitglieder des Staatseisenbahnrates auf 92 erhoht, sowie an Stelle der k. k. Landwirtschafts - Gesellschaft in Wien der fur Niederosterreich errichtete Lan- deskulturrat zur Erstattung eines Vor- schlages fiir die Ernennung eines Mit- gliedes berufen. Ferner wurde das Statut mit Kund¬ machung des Eisenbahnministeriums vom 24. November 1906, RGB. Nr. 225, in der Richtung erganzt, dafi auf Grand eines von mindestens ftinf Mit- gliedern dieser Korperschaft unterstiitzten Antrages nach den drei Interessenten- gruppen fiir Industrie und Gewerbe, fiir Handel und Verkehr, sowie fiir Land- und Forstwirtschaft getrennt abzu- stimmen ist. Gesetzgebung und Verwaltung. 219 B. Beziehungen zu den Landern der ungarischen Krone, zu Bosnien und der Herzegowina und zum Auslande. 1. Aiisgleich mit Ungarn. In den Komplex jener wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den im Reichs- rate vertretenen Konigreichen und Landern und den Landern der ungariscben Krone, welche nach gleichen von Zeit zu Zeit zu vereinbarenden Grundsatzen behandelt werden sollen, fallen bekanntlich auch die auf das Eisenbahnwesen beziiglichen Bestimmungen. Wahrend die Erneuerung des Aus- gleiches im Jahre 1887 noch verhaltnis- mafiig leicht erfolgt war, konnte es im Jahre 1897 zu keinem normalen, vom osterreichischen Parlament genehmigten Ausgleiche kommen; vielmehr erfolgte die Regelung dieser Angelegenheiten lediglich auf der Basis der Reziprozitat durch die kaiserliche Verordnung vom 21. September 1899, RGB. Nr. 176, be- treffend das wirtschaftliche Verhaltnis zu den Landern der ungarischen Krone, sowie durch die im Einvernehmen mit dem Handelsministerium erlassene Ver¬ ordnung des Eisenbahnministeriums vom 22. September 1899, RGB. Nr. 178, \vomit anlafilich der genannten kaiserlichen Verordnung weitere Bestimmungen iiber das Eisenbahnwesen erlassen wurden. In der genannten kaiserlichen Ver¬ ordnung wurde auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens der bisherige Rechts- zustand im allgemeinen aufrecht erhalten. Beziiglich der Hauptbahnen wurde bestimmt, dafi sie einheitlich und in beiden Staatsgebieten nach gleichen Grundsatzen gebaut, betrieben und ver- waltet werden sollen, ferner dafi die wesentlichen Grundlagen fiir den Eisen- bahnbetrieb und das Tarifwesen so lange unverandert zu bleiben hab en, als sie nicht im gemeinsamen Einverstandnisse abgeandert werden. Schliefilich wurde festgesetzt, dafi die im Schlufiprotokolle zu Artikel 15 des Handels- und Zoll- vertrages mit dem Deutschen Reiche vom 6. Dezember 1891 enthaltenen Bestim¬ mungen iiber die gegenseitige Unter- stiitzung auf dem Gebiete der direkten Tarife und iiber die paritatische Behand- lung der beiderseitigen Provenienzen auch fiir den internen Wechselverkehr gelten sollten. Neue Bestimmungen enthielt die er- wahnte Verordnung des Eisenbahn¬ ministeriums beziiglich der Bindung der Staatsbahntarife im gegenseitigen Transit- verkehre nach dem Auslande, sowie be- ziiglich der Statistik des Warenverkehres zwischen den im Reichsrate vertretenen Konigreichen und Landern und den iibrigen Teilen des osterr.-ungar. Zoll- gebietes. Die Bindung der Staatsbahn¬ tarife war eine doppelte: Einerseits wurden die bis zum Jahre 1899 fiir den Transitverkehr des anderen Staatsgebietes aufgestellten ermafiigten Frachtanteile auf die ganze Dauer der Ausgleichs- vereinbarungen als Maximalanteile fest- gelegt, anderseits tibernahmen die Staats- bahnen die Verpflichtung, alle dem Transitverkehre des Auslandes einge- raumten Frachtermafiigungen auch dem nach derselben Grenzstation sich be- wegenden Exportverkehre des anderen Staatsgebietes zur Verfiigung zu stellen. Ausgenommen waren Tarifmafinahmen der osterreichischen Staatsbahnen, welche hinsichtlich der zwischen den Grenz- stationen Nowosielitza und Moldau ge- legenen Staatsbahnlinien getroffen werden sollten, um Transporte russischer Pro- venienz im. Transit nach Norddeutschland fiir die osterreichischen Bahnwege zu gewinnen; doch sollten im Falle, als der Exportverkehr Ungarns nach Norddeutsch¬ land es erheischen solite, Verhandlungen zwischen den beiden Regierungen in der Richtung eingeleitet werden konnen, dafi auch in diesen Relationen die Trar.sport- begiinstigungen fiir den Transport der gleichartigen Artikel ungarischer Pro- venienz j en en der fremden Transporte Sfleichccestellt werden wiirden. In Anbetracht des Umstandes, dafi diese im vorstehenden kurz angedeutete Regelung des Verhaltnisses zu den Landern der ungarischen Krone sich lediglich als ein Provisorium darstellte, wurden die bereits friiher eingeleiteten Verhandlungen der beiderseitigen Re- 220 Dr. August Ritter v. Weeber. gierungen in der Absicht fortgefiihrt, um an Stelle des Reziprozitatszustandes ein dauerndes Rechtsverhaltnis zu setzen. Diese Verhandlungen gelangten im Jahre 1902 zum Abschlusse urid das Ergebnis dieser Verhandlungen wurde 1903 in einer Reihe von Gesetzentwiirfen dem Reichsrate zur verfassungsmafiigen Er- ledigung vorgelegt. Von diesen Vor- lagen wurde aber mit Ausnahme des Zolltarifes keine zum Gesetze und die Regierung sah sich im Juli 1906 ver- anlafit, diese Vorlagen zuriickzuziehen und mit Ungarn neuerliche Verhand¬ lungen einzuleiten. Diese neuerlichen Verhandlungen, deren Verlaufvon mannig- fachen ernsten Schwierigkeiten begleitet war, wurden endlich am 8. Oktober 1907 zum Abschlusse gebracht. Mit dem Gesetze vom 30. Dezember 1907, RGB. Nr. 278, wurden sohin der vereinbarte Vertrag, betreffend die Rege- lung der wechselseitigen Handels- und Verkehrsbeziehungen zwischen den im Reichsrate vertretenen Konigreichen und Landern und den Landern der un- garischen Krone, das Ubereinkommen iiber die Vermeidung von Doppelbe- steuerungen, sowie iiber einige andere Angelegenheiten der direkten Besteue- rung und das Additional-Ubereinkommen zu dem Ubereinkommen in betreff der Beitragsleistung der Lander der ungari- schen Krone zu den Lasten der gemein- samen Staatsschuld genehmigt und vom 1. Janner 1908 angefangen in Kraft gesetzt. Die das Eisenbahnwesen betreffen- den Bestimmungen sind in den Artikeln IX und X des genannten Vertrages ent- halten. Hiemit im Zusammenhange steht das Ubereinkommen zwischen den k. k. osterreichischen Staatsbahnen und den konigl. ungarischen Staatseisenbahnen, betreffend die Grundsatze fiir die Bil- dung und Verteilung der direkten Tarife im gegenseitigen Transitverkehre nach dem Auslande, das Protokoli, betreffend die projektierte Durchfiihrung dieses Ubereinkommens, sowie das zu Budapest am 8. Oktober 1907 aufgenommene Pro¬ tokoli, betreffend die projektierte Bahn- verbindung mit Dalmatien und die Aus- gestaltung der osterreichischen Strecke der k. k. priv. Kaschau- Oderberger Eisenbahn. Im Artikel IX des oben genannten Ver¬ trages wird festgesetzt, dafi die Haupt- bahnen, insoweit dies militarische oder allgemeine Verkehrsinteressen erfordern, nach gleichen Grundsiitzen erbaut, be- trieben und verwaltet werden sollen. Ins- besondere sollen die Grundziige der Verkehrsvorschriften fiir die Haupt- bahnen, die Vorschriften iiber das Sig¬ nal wesen, iiber die Veroffentlichung der Tarife und Tarifnachlasse im Personen- und Giiterverkehre, iiber den Transport explosiver Gegenstande, dann das Eisen- bahnbetriebsreglement in beiden Staats- gebieten, sowie im Wechselverkehre zwischen diesen unverandert beobachtet werden, insolange sie nicht im gemein- samen Einverstandnisse abgeandert werden. Eine derartige Abanderung wurde hinsichtlich des Eisenbahnbetriebs- reglements jedem der beiden Staaten namentlich fiir den Fali solcher legis- latorischer Mafinahmen vorbehalten, wel- che die Grundsatze des Transportrechtes beriihren. Zum Zwecke der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der durch den Tarif-Teil I fiir den Guterverkehr ge- schaffenen Einheitlichkeit der Tarifbe- stimmungen und der Giiterklassifikation, auf welche im allgemeinen Verkehrs- interesse grofies Gewicht gelegt werden mufite, solite darauf hingewirkt werden, dafi diese Ubereinstimmung von den Bahnverwaltungen tunlichst aufrecht er- halten und weiter entwickelt werde. Die Regelung des Baues und Be- triebes von Bahnen niederer Ordnung blieb, insofern derartige Bahnen die Grenzen des einen Staatsgebietes nicht iiberschreiten, jedem der beiden Staaten selbstandig vorbehalten. Das zwischen den beiden Regie- rungen abgeschlossene provisorische Uber¬ einkommen in betreff der Eisenbahnen ddo. Wien, 29. Juli/Budapest, 21. August t868 soli den seither geanderten Verhaltnissen entsprechend einer einvernehmlichen Re- vision unterzogen werden. Alle im Ausgleiche des Jahres 1899 enthaltenen, auf die Bindung der Staats- bahntarife im gegenseitigen Transitver- Gesetzgebung und Verwaltung. 221 kehre nach dem Auslande beziiglichen Bestimmungen, welche eine sowohl finanziell als verkehrspolitisch empfind- liche Einschrankung der Tariffreiheit der osterreichischen Staatsbahnen im Gefolge hatten, wurden im neuen Ausgleiche fallen gelassen. Da hiedurch die bisherige Basis fiir die Tarifbildung im Transit- verkehre nach dem Auslande, und zwar insbesondere auch in jenen Relationen wegfiel, in welchen die Frachtsžitze durch die Konkurrenz des Donauweges be- stimmt ■ werden, so erschien eine Rege- lung dieser Tarife fiir die Interessen der beiderseitigen Staatsbahnverwaltungen empfehlenswert. In dem ob en erwahnten besonderen Ubereinkommen zwischen den k. k. osterreichischen Staatsbahnen und den konigl. ungarischen Staatseisen- bahnen, betreffend die Grundsatze fiir die Bildung und Verteilung der direkten Tarife im gegenseitigen Transitverkehre nach dem Auslande, wurde daher fiir die Staatsbahnen beider Staaten die Pflicht statuiert, fiir jenen Giiterverkehr des anderen Staates, welcher iiber ihre Linien nach einem dritten Staate transi- tiert, in jedem Falle der Aufstellung di- rekter Tarife zuzustimmen ; Abweichungen von der regularen Tarifbildung aber sind ausschliefilich fiir jene Strecken vorge- sehen, in welchen die Konkurrenz des Donauweges wirkt. Mit den beziiglichen Nachlassen soli nur so weit gegangen werden, dafi die vollen normalen Satze der Donauschiffahrt, erhoht um den iib- lichen, dem natiirlichen Vorsprunge des Bahnweges Rechnung tragenden Zuschlag, auf die mitbewerbende Bahnroute iiber- nommen werden. Im Zusammenhange mit dem Kom- plexe der iibrigen Ausgleichsverein- barungen, aber ohne dafi diese Verein- barungen einen Teil des Ausgleiches selbst bilden wiirden, wurden weiters noch zwei wichtige Verkehrsfragen ge- lost, mimlich die Frage der Sicherstel- lung einer direkten Bahnverbindung mit Dalmatien und der Ausgestaltung der Kaschau - Oderberger Eisenbahn auf dsterreichischem Gebiete. Hiebei wurde der von den ungarischen Interessenten seit langerer Zeit angestrebte direkte Anschlufi der genannten Eisenbahn an das preufiische Bahnnetz bei Annaberg unbedingt abgelehnt, dagegen aber im Hinblicke auf die andauernde Steigerung des Verkehres auf der osterreichischen Strecke der Kaschau-Oderberger Eisen¬ bahn eine Reihe von Verbesserungen zugelassen, fiir deren Herstellungskosten die Bahngesellschaft selbst ohne Inan- spruchnahme der Staatsgarantie aufzu- kommen hat. Die zugelassenen Verbesserungen be- stehen hauptsachlich darin, dafi in der Strecke Jablunkau—-Teschen ein zweites Gleis hergestellt und die Stationen der StreckeTeschen—Oderberg derart erweitert werden, dafi sie den Verkehr von 84 Ziigen innerhalb 24 Stunden ermoglichen. Aufierdem wurde zur Bewaltigung des zwischen Teschen und Oderberg sich abwickelnden Verkehres vom Zeitpunkte der Fertigstellung des zweiten Gleises Teschen—jablunkau angefangen die Staatsbahnstrecke Teschen — Bielitz — Dzieditz als Hilfsroute fiir die Kaschau- Oderberger Eisenbahn unter angemesse- nen Bedingungen zur Verfiigung ge- stellt. Um die EinfhrSnahme der osterrei¬ chischen Regierung und der diesseitigen Interessenten auf die Kaschau-Oderberger Eisenbahn tunlichst zu erleichtern, wurde die Errichtung einer besonderen Betriebs- direktion fiir die osterreichische Strecke der genannten Bahn mit dem Sitze in Teschen vorgesehen. Als Aquivalent fiir dieses, keinerlei Schadigung der hierseitigen Interessen beinhaltende Entgegenkommen konnte die seit Jahrzehnten angestrebte Mitwirkung der ungarischen Regierung zum Zwecke der Herstellung normalspuriger Eisen- bahnverbindungen von Rudolfswert iiber Mottling zur Landesgrenze und von dort nach Karlstadt sowie von Ogulin oder einem anderen geeigneten Punkte der Bahnlinie Karlstadt—^Fiume iiber Otočač, Gospič, Gračac zur Grenze bei Pribudič und von dort nach Knin erlangt werden. Der Bau beider Bahnlinien soli zufolge der getroffenen Vereinbarung hinsicht- lich der Strecke Rudolfswert—Karlstadt bis Oktober 1910, hinsichtlich der Linie nach Knin bis Dezember 1911 durchge- fiihrt sein. 222 Dr. August Ritter v. Weeber. Durch besondere Vereinbarung wurde dafur vorgesorgt, dafi diesen Bahnlinien der Charakter einheitlicher Durchzugs- linien gewahrt werde. Die Ausfiihrung der auf hierseitigem Gebiete gelegenen Strecken dieser Linien wurde bereits — wie an anderer Stelle (S. 227) ausgefiihrt wird — durch ein be- sonderes Gesetz sichergestellt. 2. Beziehungen zu den bosnisch- herzegovuinischen Eisenbahnen. Im Hinblick auf das Gesetz vom 22. Februar 1880, RGB. Nr. 18, betreffend die durch den Berliner Vertrag vom 13. Juli 1878 an Osterreich-Ungarn ubertra- gene Verwaltung Bosniens und der Her- zegowina, nach welchem die Anlage von Eisenbahnen im Einvernehmen mit den Regierungen der beiden Landergebiete der osterr.-ungar. Monarchie zu erfolgen hat und fur den Fali, als die Venvaltung Bosniens und der Herzegowina ftir blei- bende Investitionen, wie fur Eisenbahnen, finanzielle Leistungen der Monarchie in Anspruch nehmen solite, solche Leistun¬ gen nur auf Grund von in beiden Teilen der Monarchie ubereinstimmend zu stande gekommenen Gesetzen gewahrt werden diirfen, kam die hierseitige Gesetzgebung in die Lage, auch bei der seit dem Jahre 1898 bewirkten Ausgestaltung des bosni- schen Bahnnetzes entsprechend mitzuwir- ken. So wurde durch die kaiserliche Ver- ordnung vom 7. Juli 1898, RGB. Nr. 122, betreffend den Bau der im Okkupations- gebiete gelegenen Teilstrecken einer schmalspurigen Eisenbahn von Gabela in die Bocche di Cattaro mit Abzweigun- gen nach Trebinje und gegen Gravosa (Ra- gusa), welcher spaterhin der Reichsrat die verfassungsmafiige Genehmigung er- teilte (Kundmachung des Eisenbahnmini- steriums vom 23. Dezember 1898, RGB. Nr. 234), die Regierung ermach- tigt, ihre Einwilligung zu geben, dafi zum Zwecke des Baues der genannten Linie ein in 60 Jahren zu amortisieren- des Darlehen im Maximalbetrage von 22 Millionen Kronen seitens der bosnisch- herzegowinischen Landesregierung auf- genommen werde und dafi die Bestreitung des Darlehensdienstes und eventueller Betriebskostenabgange vorschufiweise durch langstens 10 Jahre aus den jahr- lich riickfliefienden Zinsen der Aktiven der bestandenen Zentralfinanzen erfolge. Eine analoge Ermachtigung erhielt die Regierung durch das Gesetz vom 8. Juni 1902, RGB. Nr. ii 8, iiber den Bau der Eisenbahn von Sarajevo bis zur Sand- schakgrenze im Limtale nachst Uvac mit einer Abzweigung iiber Višegrad bis zur serbischen Grenze nachst Vardište; der Betrag des seitens der bosnisch- herzegowinischen Landesregierung zur Be¬ streitung des fiir die Ausfiihrung einer schmalspurigen jedoch im Trače einer normalspurigen Hauptbahn herzustellen- den Eisenbahn von Sarajevo bis zur Landesgrenze mit der obengenannten Abzweigung aufzunehmenden Darlehens wurde mit dem Maximalbetrage von 75,000.000 Kronen und die Amortisations- dauer desselben mit 60 Jahren festgesetzt. Nach den Bestimmungen dieses Ge- setzes solite nach Fertigstellung der Eisen- bahnlinie Sarajevo—Sandschakgrenze die finanzielle Sicherstellung des gleichzeitig zu bewirkenden Ausbaues der Linien Bugojno—Aržano und Samac—Doboj mit der Spurweite der in dem betreffenden Grenzpunkte anschliefienden Bahn statt- finden; dies ist jedoch bisher nicht ge- schehen, da die beziiglichen Verhand- lungen mit der konigl. ungarischen Re¬ gierung nicht den gevviinschten Erfolg hatten. 5 . Handels- und Eisenbahnanschlufi- Vertrage mit fremden Staaten. Der Rechtszustand, welcher durch die Handelsvertrage mit dem Deutschen Reiche vom 6. Dezember 1891, mit der Schweiz vom 10. Dezember 1891, mit Rumanien vom 21. Dezember 1893 und mit Rufi lan d vom 18. Mai 1894, sowie durch den Handels- und Schiffahrtsvertrag mit It ali en vom 6. Dezember 1891 geschaffen worden war, blieb fur die Beziehungen der genannten Staaten zu der osterr.-ungar. Monarchie wahrend des grofiten Teiles der in Rede stehenden Periode m'afigebend. Eine Neuregelung der I-Iandelsbezie- hungen zu den genannten Staaten mit Gesetzgebung und Verwaltung. 223 Ausnahme Rumaniens fand erst in den Jahren 1905 und 1906 statt, ohne dafi dabei die beziiglich des Eisenbahnverkehres bisher mafigebenden Grundsatze eine wesentliche Abanderung erfahren hatten. Die Bestimmungen des Handelsver- trages mit dem Deutschen Reiche vom 6. Dezember 1891 erhielten durch den Zusatzvertrag vom 25. Janner 1905, RGB. Nr. 24 ex 1906, mit welchem der genannte Handelsvertrag auf die Dauer bis zum 31. Dezember 1917 verlangert wurde, lediglich einige Erganzungen. Bezuglich des Eisenbahnwesens wurde den friiheren Abmachungen beigefiigt, dafi die Ver- tragsstaaten sich gegenseitig auf dem Gebiete des Eisenbahntarifwesens, insbe- sondere auch bei Antragen auf Herstellung direkter Personen- und Frachttarife nach Mafigabe des tatsachlichen Bedurfnisses die tunlichste Unterstiitzung zusichern und dahin wirken werden, dafi dem Bedurfnisse des durchgehenden Verkehres durch die Erstellung ineinandergreifender Fahrplane far den Personen- und Giiterverkehr tun- lichst Rechnung getragen werde. Durch die Verordnung der Ministerien der Finanzen und der Eisenbahnen vom 29. Februar 1906, RGB. Nr. 29, wurden die Bestimmungen des Uberein- kommens mit dem Deutschen Reiche liber die Zollabfertigung im Eisen- bahnverkehre kundgemacht. Im Anschlusse an den genannten Handelsvertrag, beziehungsweise an das mit dem Deutschen Reiche abge- schlossene Viehseucheniibereinkommen und das damit im Zusammenhange ste- hende tibereinkommen liber die Desinfek- tion der Eisenbahn-Viehwagen trafen dann die Verordnungen der Ministerien des Innern, der Justiz, des Handels, der Eisenbahnen und des Ackerbaues vom 21. Februar 1906, RGB. Nr. 30 u. 31, in betreff der Reinigung und Desin- f e k t i o n der Eisenbahnwagen, in welchen Pferde, Maultiere, Esel, Rindvieh, Schafe oder Schweine befordert wurden, sowie in betreff der Abwehr und Tilgung der Ge- fltigelcholera und Hiihnerpest, fiir die im Reichsrate vertretenen Konig reiche und Lander die erforderlichen Anordnungen. Mit dem Konigreich It ali e n wurde am XI. Februar 1906 (RGB. Nr. 44) ein neuer Handels- und Schiffahrtsvertrag ab- geschlossen, der hinsichtlich der Eisen- bahnfragen im wesentlichen die Bestim¬ mungen des friiheren Handelsvertrages rezipierte, wobei jedoch die Bestimmungen, betreffend das Verbot der Pfandung des rollenden Materials und von Forderungen einer inlandischen Eisenbahnverwaltung gegen eine auslandische ohne Inter- vention der auslandischen Gerichte, mit Riicksicht auf die seither in Wirksamkeit getretenen Normen des Internationalen Ubereinkommens iiber den Eisenbahn- frachtverkehr als iiberfliissig entfallen konnten. Im Zusammenhange mit dem genannten Vertrage stehen das Vieh- seucheniibereinkommen zwischen Oster- reich-Ungarn und Italien vom 11. Februar 1906, RGB. Nr. 45, und die Ver¬ ordnung der Ministerien der Finanzen und der Eisenbahnen vom 28. Februar 1906, RGB. Nr. 47, womit das Uber- einkommen mit Italien iiber die Zoll¬ abfertigung im Eisenbahnverkehre kund¬ gemacht wurde. Die Handelsbeziehungen mit der Schvveiz, welche der Handelsvertrag vom 10. Dezember 1891 zum Gegenstande hatte, wurden mit dem Handelsvertrage vom 9. Marž 1906, RGB. Nr. 156, (mit Wirksamkeit vom 1. August 1906) neu geregelt, wobei beziiglich des Eisen¬ bahnverkehres die friiheren Bestimmungen im wesentlichen rezipiert wurden. Mit Rufi lan d vrarde am 15. Februar 1906 ein neuer Handels- und Schiffahrts¬ vertrag abgeschlossen (publiziert unter RGB. Nr. 49). Ziemlich zahlreich sind jene Vertrage, welche mit angrenzenden Staaten in bezug auf spezielle Eisenbahnangelegen- heiten, insbesondere betreffs neuer Eisen- bahnanschllisse, vereinbart wurden. So wurden abgeschlossen: a) Mit Italien der Staatsvertrag vom 24. Janner 1900, RGB. Nr. 146, betreffend denEisenbahnanschlufi Cervignano — S. Giorgio di Nogaro; b) mit dem Deutschen Reiche die Staatsvertrage vom 5. November 1898, RGB. Nr. 121 ex 1899, betreffend die Herstellung einer Eisenbahnverbindung von Tannwald nach Petersdorf, vom 20. November 1902, RGB. Nr. 166 ex 224 Dr. August Ritter v. Weeber. 1903, wegen Herstellung der Eisenbahn- verbindung von Friedeberg a. Queis nach Heinersdorf, und vom 9. Janner 1904, RGB. Nr. 126, \vegen Herstellung der Eisenbahnverbindung von T r o p p a u nach Bauerwitz; c) mit S a c h s e n die Staatsvertrage vom 27. November 1898, RGB. Nr. 31 ex 1899, betreffend mehrere Eisenbahn- anschlusse an der osterreichisch - sach- sischen Grenze, namlich R o C b a c h'— Adorf, Friedland — Hermsdor f— Markersdorf, Nixdorf — Sebnitz, Schluckenau — Sohland und R u m- burg — Warnsdorf, und vom 26. April 1904, RGB. Nr. 90, betreffend die Uber- nahme der Linien der Zittau- Reiche n- berger Eisenbahngesellschaftin das Eigentum des sachsischen Staates; d) mit B a y e r n der Staatsvertrag vom 22. November 1904, RGB. Nr. 15 ex 1905, betreffend mehrere Eisenbahnan- schliisse an der beiderseitigen Grenze, und zwar durch die Linien Wallern — Wald- kirchen, Reutte — V i 1 s ■— Pfronten, Berchtesgaden —St. Leonhard — Drachenloch, Garmisch-Parten- kirchen — Mittenwald — Innsbruck und Garmisch-Partenkirchen —- Lermoos — Reutte. 4. Internationales Ubereinkommen iiber den Eisenbahnfrachtverkehr und Uber¬ einkommen iiber die technische Einheit im Eisenbahmvesen sowie iiber die zoll- sichere Einrichtung der Eisenbahn- ivagen. Die in dem Internationalen Uber¬ einkommen iiber den Eisenbahnfracht¬ verkehr vorgesehenen periodisch wieder- kehrenden Konferenzen von Vertretern der Vertragsstaaten fanden bisher ziveimal statt, und zwar im Jahre 1896 in Pariš und im Jahre 1905 in Bern. Die sich nach den betreffenden Schlufiprotokollen ergebenden Abanderungen des Eisenbahn- betriebsreglements finden an anderer Stelle dieses Werkes ihre eingehende Darstellung. (S. Abschn. »Transportrecht und Transportwesen«.) An Stelle der mit der Kundmachung des Handelsministers vom 1. Februar 1887, RGB. Nr. 8, eingefiihrten Be- stimmungen des Schlufiprotokolles der ziveiten internationalen Konferenz zu Bern vom 15. Mai 1886, betreffend die technische Einheit im Eisenbahnwesen, wurden mit der Kundmachung des Eisenbahnministers vom 15. Juni 1908, RGB. Nr. m, die Bestimmungen des Schlufiprotokolles der III. internationalen Konferenz zu Bern vom 18. Mai 1907 mit Wirksamkeit vom I. Juli 1908 in Kraft gesetzt und damit die Vorschriften iiber Spurweite und Bau- art der Eisenbahnfahrzeuge, iiber ihren Erhaltungszustand und iiber die Beladung der Giiterwagen einer zeitgemafien Fort- bildung zugefiihrt. Desgleichen wurden die mit der Kund¬ machung der Minister der Finanzen und des Plandels vom 10. Februar 1887, RGB. Nr. 12, eingefiihrten Bestimmungen der II. internationalen Konferenz zu Bern vom 15. Mai 1886, betreffend die zollsichere Einrichtung der Eisenbahmvagen im internationalen Verkehre, auf Grand der Ergebnisse der an dem genannten Orte am 18. Mai 1907 abgehaltenen III. inter¬ nationalen Konferenz durch die Kund¬ machung der Minister der Finanzen und der Eisenbahnen vom 15. Juni 1908, RGB. Nr. 112, abgeandert. C. Ausgestaltung des Staats- bahnnetzes. r. Staatliche Bau- und Investitions- tdtigkeit. Den auf die Erweiterung des Staats- bahnnetzes gerichteten Intentionen der Regierung standen zwei verschiedene Wege offen. Wahrend in den ersten Jahren der den Gegenstand der vor- liegenden Darstellung bildenden Zeit- periode die Ausdehnung des Staatsbahn- netzes vorzugsweise durch die Her¬ stellung neuer Bahnlinien auf Staats- kosten bewirkt wurde, setzte in der Folge eine Verstaatlichungsaktion in grofiem Stile ein, welche bereits zur Erwerbung wichtiger Verkehrsunter- nehmungen gefiihrt und nunmehr auch die Verstaatlichung weiterer grofier Bahnnetze vorbereitet hat. Gesetzgebung und Verwaltung. 225 In der Zeit unmittelbar nach der Errichtung des Eisenbahnministeriums erfolgte die Ausgestaltung des Eisen- bahnnetzes auf dem Wege der Erbauung neuer Linien fast ausschliefilich im Wege und aus Anlafi der Forderung des Eisenbahnwesens niederer Ordnung; nur die etwa 40 km lange normalspurige Eisenbahn Stryj—Chodorow wurde durch ein Spezialgesetz sichergestellt. Dieses Gesetz vom 17. Februar 1897, RGB. Nr. 64, ermachtigte die Regierung, die genannte Eisenbahn zum Anscblufi an die Lemberg—Czernowitz—Jassy- Eisenbahn mit dem Kostenbetrage von K 6,300.000 auf Staatskosten herzu- stellen. Im ubrigen wurde in den (ahren 1896 und 1898 die Sicherstellung einer Reihe von Staatsbahnlinien zugleich mit der finanziellen Unterstiitzung von Bahnen niederer Ordnung bewirkt. Das Gesetz vom 21. Juli 1896, RGB. Nr. 141, er¬ machtigte die Regierung, die Lokal bahn- linien Grulich—Schildberg, Barn—Hof, Olbersdorf— Hotzenplotz, Barzdorf—J au- ernig und Haugsdorf—Weidenau herzu- stellen und hiefiir einen Gesamtkosten- betrag von K 4,576.000 aufzuwenden. Anlafilich der Sicherstellung der imjahre 1898 herzustellenden Bahnen niederer Ordnung wurde die Regierung durch das Gesetz vom 21. Dezember 1898, RGB. Nr. 233, weiterhin ermachtigt, folgende Bahnlinien auf Staatskosten auszuftihren: Przeworsk—Rozwad6w, Freudenthal—Klein-Mohrau, Linz—Ur- fahr, Spalato—Aržano mit Abzweigung nach Sinj und die Dalmatiner Strecken der Bahn Gabela—Bocche di Cattaro mit einer Abzweigung nach Gravosa (Ragusa). Der Kostenbetrag fiir die Ausfuhrung dieser Bahnlinien war mit K 38,190.000 veranschlagt. Dagegen konnte die immer mehr als dringend empfundene und seitens der Regierung durch entsprechende Studien vorbereitete Erganzung des Hauptbahn- netzes namentlich in den Alpenlandern infolge der politischen und parlamen- tarischen Verhaltnisse in denjahren 1899 und 1900 nicht durchgefuhrt werden. Zwar wurde in der Sitzung des Ab- geordnetenhauses vom 22. Februar 1900 der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Herstellung mehrerer Eisenbahnen auf Staatskosten und die Festsetzung eines Bau- und Investitionspraliminares der Staatseisenbahnverwaltung fiir die Zeit bis Ende des Jahres 1904, seitens der Regierung eingebracht und dem Eisenbahnausschusse des Abgeordneten- hauses am 1. Marž 1900 zugewiesen. Da aber zufolge des Schlusses der Reichsratssession eine Beratung dieser Gesetzesvorlag;e nicht zu stande sre- kommen war, sah sich die Regierung veranlafit, in der Sitzung des Abgeord- netenhauses vom 12. Februar 1901 neu- erdings ein sich auf fiinf Jahre er- streckendes Programm fiir die Staats- eisenbahnbauten und fiir Investitionen auf dem Gebiete der Staatseisenbahn- vervvaltung vorzulegen. Der neue Ent- wurf enthielt im wesentlichen die Be- stimmungen der frtiheren Vorlage; nur war er modifiziert durch die Hinaus- schiebung der Bautermine, sowie die Aufnahme eines Bau- und Investitions- programmes fiir das Jahr 1905 und teil- weise richtiggestellt durch die Ergeb- nisse der inzwischen fortgesetzten vor- bereitenden Studien. Die erste Lesung dieses Gesetzent- wurfes wurde in den Sitzungen des Ab- geordnetenhauses vom 13. und 15. Marž durchgefuhrt; der Eisenbahnausschufi, welchem die Vorlage am letztgenannten Tage zugewiesen worden war, erledigte seine Beratuno-en nach acht Sitzunofen am 8. Mai; die Verhandlungen im Plenum begannen am 20. Mai und wurden am 1. Juni zu Ende gefiihrt. Am 5. Juni beriet das Herrenhaus liber den Bericht seiner Eisenbahnkommission und am 6. Juni bereits erbielt das Gesetz die Allerhochste Sanktion (Gesetz vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, betreffend die Herstellung mehrerer Eisenbahnen auf Staatskosten und die Festsetzung eines Bau- und Investitionsprogrammes der Staatseisenbahnverwaltung fiir die Zeit bis Ende des Jahres 1905). Zufolge dieses Gesetzes waren fol¬ gende Bahnlinien auf Staatskosten her- zustellen: d) die Tauernbahn (Schwarzach— Gastein — Bockstein — Mallnitz — Ober- 15 226 Dr. August Ritter v. Weeber. Vellach—Mollbriicken, eventuell Spit- tal a. D.); b) die Karawanken- und Wocheiner- bahn mit einer Abzweigung nach Villach und direkter Fortsetzung bis Triest (Klagenfurt, respektive Villach—Afiling— Veldes—Wocheiner Feistritz—S. Lucia— Ganale—Gorz— Reifenberg—S. Daniel— Opčina—Triest-St. Andra); c) Lemberg — Sambor -— Ungarische Grenze im Uzsokpasse; d) die Pyhrnbahn (Klaus—Windisch- garsten—Spital a. P.—Selztal). Die ebenfalls im Gesetze genannten Bahnlinien Rakonitz—Laun und Hart- berg—Friedberg wurden spaterhin im Sinne des im Gesetze enthaltenen Vor- behaltes auf dem Wege der Konzessions- erteilung realisiert. Die grdfite verkehrspolitische Be- deutung unter den vorstehend angefflhrten Linien kam unstreitig der sogenannten zweiten Eisenbahnverbindung nach Triest zu(Tauernbahn, Karawanken-, Wocheiner- undTriester Linie), die von den beteiligten Interessentenkreisen auf das lebhafteste angestrebt worden war und die auch das Abgeordnetenhaus seit dem Jahre 1868 schon vielfach beschaftigt hatte. Die Pyhrnbahn stellte eine wesentliche Er- ganzung dieser zweiten Bahnverbindung nach Triest dar; die Linie Lemberg— Sambor—Ungarische Grenze endlich hatte den Z\veck, eine neue, auch vom gesamt- staatlichen Interesse vvichtige Verbindung des ungarischen Eisenbahnnetzes mit dem galizischen herzustellen. In der Erwagung, dali vom Stand- punkte einer geordneten Staatseisenbahn- verwaltung ein so erheblicher Kosten- aufwand fiir neu herzustellende Linien nur dann zulassig erschien, wenn zugleich auch die bestehenden Staatsbahnlinien den Verkebrsbedtirfnissen vollkommen entsprechend ausgestaltet werden, traf das genannte Gesetz durch die Aufstellung eines auf die Zeit bis Ende 1905 sich er- streckenden Investitionsprogrammes auch Vorsorge fiir die aus Verkehrsriicksichten unerlafilichen und besonders dringenden Anlagen zweiter, dritter und vierter Gleise, fiir die Ausfiihrung mannigfacher Stations- erweiterungen, zahlreicher Erganzungs- und Sicherungsanlagen, fiir Fahrparks- vermehrung u. a. m. Das Erfordernis fiir die neu herzu- stellenden Bahnlinien bis Ende 1905 wurde im Gesetze mit K 168,978.000 beziffert; fiir das ganze fiinfjahrige Bau- und Investitionsprogramm war eine Kosten- summe von K 487,038.000 vorgesehen. Zum Zwecke der Durchfiihrung dieses Programmes, soweit dasselbe den Neubau grofier Eisenbahnlinien auf Staatskosten in Aussicht nahm, wurde im Eisenbahn- ministerium auf Grand der im Investitions- gesetze erhaltenen Ermachtigung und fiir die Dauer der mit dem obigen Gesetze sichergestellten grofien Bahnbauten eine eigene, dem Eisenbahnminister unmittelbar unterstehende Geschaftsabteilung mit der Bezeichnung »k.k.Eisenbahnbaudirektion« errichtet, \velcher Trassierungsabteilungen und Eisenbahnbauleitungen zurBesorgung des auswartigen Dienstes untersteilt wurden. Zu Lasten der fiir die Eisenbahnlinie Klagenfurt—G6rz—Triest bewilligten Kre¬ dite gelangte sodann mit dem Gesetze vom 14. Juli 1903, RGB. Nr. 151, auch die Lokalbahn Weizelsdorf—Ober-Ferlach zur Sicherstellung. Eine Reihe gewichtiger Momente, so das Steigen der Arbeitslohne und Material- preise, hohere Kosten in den Anschlufi- anlagen, die enveiterte Ausgestaltung der Station Triest, besonders grofie Schwierig- keiten bei einzelnen Tunnelbauten und die reichlichere Dotierung der neuen Linien mit Fahrbetriebsmitteln fiihrten dazu, dafi nicht nur mit den fiir die einzelnen Jahre bis Ende 1905 bewilligten Krediten nicht das Auslangen gefunden \verden konnte, sondern dafi sich auch die in den spiiteren Jahren behufs Fertigstellung der be- gonnenen Bahnbauten aufzuwendenden Kosten bedeutend erhohten. Um fiir die erforderlichen Nachtrags- kredite vorzusorgen, wurde in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 10. Mai 1904 ein Gesetzentwurf, betreffend Be- stimmungen iiber die Ausfiihrung des mit dem Gesetze vom 6. Juni 1901 genehmigten Bau- und Investitionsprogrammes der Staatseisenbahnverwaltung, eingebracht, welcher am 27. Janner 1905 ohne erste Lesung dem Eisenbahnausschusse zuge- O o Gesetzgebung imd Verwaltung. 227 wiesen, von letzterem am 7. Februar in Beratung gezogen und sodann einem neun- gliedrigen Subkomitee zugewiesen wurde. Der sodann vom Subkomitee erstattete Be- richt bildete das Substrat der am 11. Mai be- gonnenen Beratung der genannten Re- gierungsvorlage im Eisenbahnausschusse, welche am 20. Juni zum Abschlusse gebracht wurde. Nach der am 7. und 8. Juli vorgenommenen Beratung im Plenum des Abgeordnetenhauses wurde der Gesetzentwurf am letzteren Tage in zweiter und dritter Lesung angenommen. Das Herrenhaus, in welchem das Referat des Eisenbahnkomitees am 14. Juli auf der Tagesordnung stand, nahm den Gesetz- entwurf am gleichen Tage in zweiter und dritter Lesung an. Mit dem Gesetze vom 24. Juli 1905, RGB. Nr. 129, \vurden sohin zum Zwecke der Ausfiihrung und Ausgestaltung des mit dem Gesetze vom 6. Juni 1901 genehmigten Bau- und Investitions- programmes der Staatseisenbahnver- waltung Kredite im Ausmafie von ins- gesamt K 147,774.000 bewilligt. Hievon j waren K 60,662.000 Mehrerfordernis ftir das bis zum Jahre 1905 aufgestellte Programm, K 87,112.000 waren zum Zwecke der Weiterfiihrung und Fertig- stellung der im Zuge befindlichen Staats- eisenbahnbauten in den Jahren 1906 bis 1908 bestimmt. Mit Ausnahme der Tauernbahn sind nunmehr alle im Investitionsprogramme genannten Linien zur Eroffnung gelangt, und zwar wurden dem Verkehr iiber- geben: 1903 Lemberg—Sambor; 1904 Sambor—Topolnica; 1905 Sch\varzach- St. Veit—Badgastein und Topolnica— Sianki—Ungarische Grenze, und endlich 1906 Klagenfurt—Afiling— Gorz—Triest; Villach— Rosenbach, Weizelsdorf—Ober- Ferlach und Spital a. P.—Selztal. Nachdem es anlafilich der Verhandlung iiber den Ausgleich mit Ungarn auch moglich geworden war, fiir die von den beteiligten Kreisen schon seit langem angestrebte und auch ein wesentliches staatliches Interessebildende direkte Bahn- verbindung der iibrigen im Reichsrate vertretenen KSnigreiche und Lander mit Dalmatien entsprechend Vorsorge zu treffen, indem seitens Ungarns die Ver- j pflichtung zur Herstellung der auf dortigem i Gebiete gelegenen Teilstrecken dieser j Linie zufolge des Protokolles vom 8. Okto- J ber 1907 iibernommen wurde, so wurde j durch das Gesetz vom 30. Dezember 1907, ! RGB. Nr. 281, fiir die Herstellung der auf diesseitigem Gebiete gelegenen normal - spurigen Eisenbahnen von Rudolfswert tiber Mottling an die Landesgrenze in | der Richtung gegen Karlstadt mit Ab- ziveigung nach Tschernembl und von j Knin an die Landesgrenze in der Richtung gegen Pribudič auf Staatskosten Vorsorge getroffen. Das genannte Gesetz ermachtigt die Regierung, die genannten Bahnlinien mit einem Gesamtaufwande von K 29,800.000 zur Ausfiihrung zu bringen. Von diesen Gesamtkosten entfallen auf die Linie Rudolfswert—Landesgrenze nebst Abzweigung K 18,400.000 und auf die Linie Knin—Landesgrenze K 11,400.000. 2. Die Verstciatlichungsaktiov. Seit der im Jahre 1894 durchgefiihrten Verstaatlichung der Bohmischen West- bahn, der Mahrischen Grenzbahn und der Mahrisch-schlesischen Zentralbahn wurde seitens der Staatsbahnverwaltung der Weg der Erwerbung bestehender Bahnen zum Zwecke der Ervveiterung des Staatsbahnnetzes langere Zeit hin- durch nicht mehr beschritten. Erst in den Jahren 1904 und 1905 wurde die Verstaatlichung mehrerer Bahnen zum Abschlusse gebracht, und zwar der 26 km langenLokalbahn Asch—Rofibach'—Adorf auf Grand des Gesetzes vom 21. Dezem¬ ber 1898, RGB. Nr. 233, der io - 5 km langen Lokalbahn Postelberg — Laun auf Grand des Gesetzes vom 1. Juli 1901, RGB. Nr. 85, der 9^4 km langen Werksbahn Niirschan — Hermannsbutte, der 147 km langen galizischen Linie der I. ungarisch-galizischen Eisenbahn auf Grand des Gesetzes vom 15. Mai 1905, RGB. Nr. 79,*) der 63 km langen Kremstalbahn auf Grand des Gesetzes vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 121, und der 53 km langen schmalspurigen Lokal- *) Von der in diesem Gesetze gleichfalls enthaltenen Ermachtigung zur Verstaatlichung derUngarischen Westbahn wurde bisher noch kein Gebrauch gemacht. 15 * 228 Dr. August Ritter v. Weeber. bahn Zeli a. S. — Krimml auf Grand des Gesetzes vom 24. Juli 1905, RGB. Nr. 128. Zufolge der getroffenen Ver- einbarungen wurden die vier erstgenann- ten Linien im Jahre 1905, die beiden letzt- genannten Linien vom 1. Janner 1906 angefang-en vom Staate ubernommen. Aufierdem sicherte sich die Staats- eisenbahnverwaltung einen mafigebenden Einflufi auf eine Anzahl von Lokalbahn- unternehmungen durch Betriebsuber- nahme derselben auf eigene Rechnung des Staates gegen Zahlung einer Pachtrente. Auf diese Weise wurden in den letzten zehnjahren, abgesehen von den spaterhin verstaatlichten Linien der Kremstalbahn und der Werksbahn Niirschan—Her- mannshutte die Mlihlkreisbahn (57*5 km lang), ab 18. Oktober 1900, die im Eigentume des Herzogtums Steiermark stehende Lokalbahn Gilli—W6llan mit dem Fliigel Hundsdorf—Skališ (39 km lang) ab I. Janner 1904, die Welser Lokalbahnen (76 km lang) ab I. Janner 1906 und die Lokalbahn Vocklabruck— Kammer (S - 5 km lang) ab 1. Janner 1907 vom Staate in den Betrieb fiir eigene Rechnung ubernommen. Die in dieser Periode neuerdings eingeleitete grofie Verstaatlichungsaktion der Regierung beginnt aber erst mit der Verstaatlichung der k. k priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn. Die aufier- ordentliche Bedeutung, welche diesem Bahnunternehmen nicht nur als dem Ver- bindungsgliede zwischen dem westlichen und dem ostlichen Staatsbahnnetze, son- dern auch als einer die wichtigsten Industriestatten berilhrenden und die Kohlenversorgung weiter Gebiete ver- mittelnden Hauptbahn zukam, hatte sich mit der fortschreitenden Ausgestaltung des Staatsbahnnetzes stets erhoht. Mit Riicksicht auf diese Sachlage hatte das Eisenbahnministerium in Ausiibung des der Staatsverwaltung nach den mafi- gebenden Konzessionsbestimmungen zu- stehenden Rechtes im Jahre 1904 die Durchrechnung des Staatsbahnbaremes im Wechselverkehre zwischen den Sta- tionen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und jenen des nordostlichen Staatsbahn¬ netzes verfiigt, ohne jedoch durch diese Mafiregel den Verkehrsbediirfnissen der Staatsbahnvenvaltung ausreichend Rech¬ nung tragen zu konnen. Im Sinne der vom Herrn Ministerprasidenten Baron Gautsch in der Sitzung des Abgeord- netenhauses vom 7. Juli 1905 abgege- benen programmatischen Erklarung wur- den daher seitens der Regierung die Verhandlungen in Absicht auf die Ver¬ staatlichung des offentlichen Eisenbahn- netzes der Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit der Venvaltung der genannten Bahn eingeleitet und in dem Ubereinkommen vom 3. Marž 1906 zum Abschlusse gebracht. Die Bestimmungen dieses Uberein- kommens lassen sich im wesentlichen folgendermafien zusammenfassen: Der Staat envirbt mit Wirksamkeit vom 1. Janner 1906: a) das Hauptnetz der Kaiser Fer¬ dinands-Nordbahn mit Abzweigungen und die sogenannte Stadtebahn, sowie die Schleppbahnen einschliefilich des Fahrparkes und des sonstigen beweg- lichen Zugehors, insbesondere des Ma- terialvorrates, gegen eine bis zum Ab- laufe der Konzessionsdauer, das ist bis Ende 1940 fortlaufende steuer- und abzugsfreie Rente von K 30,537.000; b ) die 17 gesellschaftlichen Lokal¬ bahnen nebst den konzessionsmafiigen Baureservefonds und Materialvorraten gegen bis zum Ende der Konzessions- termine laufende, gleichfalls steuer- und abzugsfreie Renten von zusammen K 1,616.166 und einen Kapitalsbetrag von K 1,559.654; c) einen Teil des gesellschaftlichen Privatbesitzes (Grundstiicke und Gebaude) um einen Kapitalsbetrag von K 3,715.000; d) die der Gesellschaft gehorigen Aktien der Ostrau-Friedlander Eisenbahn um einen Barbetrag von K 3,936.000. Die gesellschaftliche Montanbahn Mahrisch-Ostrau—Karwin sowie ein Teil der schon friiher als freies Eigentum der Kaiser Ferdinands-Nordbahn anerkannten Realitaten, insbesondere auch die gesell¬ schaftlichen Kohlenwerke verblieben im Privatbesitze der Gesellschaft, doch wurde bestimmt, dafi die genannte Montanbahn vom Staate fiir Rechnung der Gesellschaft betrieben werden soli. Gesetzgebung und Verwaltung. 22Q Aufierdem wurden in dem gedachten Ubereinkommen Vereinbarungen ge- troffen iiber die Zahlungsmodalitaten, die Ubernabme der noch unbegebenen gesellschaftlichen Prioritatsobligationen und der gesellschaftlichen Spezialfonds, iiber die Wahrung der vom Personal envorbenen Rechte, iiber die Modalitaten der Uberfiihrung der Bahnen in den Besitz und die Verwaltung des Staates, sowie iiber die Vornahme der gegen- seitigen Verrechnung. Die beziigliche Gesetzesvorlage wurde am i. Mai 1906 im Abgeordnetenhause eingebracht, die erste Lesung derselben wurde in der Zeit vom 13. bis 20. Juli 1906 durchgefiihrt und der Bericht des Eisenbahnausschusses gelangte im Wege eines Dringlichkeitsantrages am 25. und 26. Oktober 1906 im Plenum zur Ver- handlung. Das Herrenhaus erhob in seiner Sitzung vom 30. Oktober 1906 die Vorlage in zweiter und dritter Lesung zum Beschlusse. Durch das Gesetz vom 31. Oktober 1906, RGB. Nr. 212, betreffend die Er- werbung des einheitlich konzessionierten Hauptbahnnetzes und der Lokalbahnen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, sowie der Ostrau-Friedlander Bahn durch den Staat, wurde das obgenannte Uberein- kommen genehmigt. Der Staat erwarb somit ein Bahnnetz, dessen Betriebslange 1345 km betrug, und zwar 1035 km Hauptbahnlinien und 310 km Lokalbahnen. Nach den Bestimmungen des erwahnten Gesetzes ist der Betrieb dieser Linien von der Staatsverwaltung in eigener Regie zu fiihren, eine Betriebs- iibertragung kann nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen. Das Dienstpersonal, soweit es nicht im Dienste der Ver- waltung der Gesellschaft verblieb, mufite nach Vorschrift des Gesetzes unter Wahrung aller erworbenen Rechte vom Staate iibernommen werden. Mit Riicksicht auf die vorgesehene separate Steuerbe- messung wurde im Gesetze bestimmt, dafi fiir die samtlichen Linien der Kaiser Ferdinands-Nordbahn eine abgesonderte Betriebsrechnung aufgestellt werden soli. Die vom Staate zur Selbstzahlung tibernommenen gesellschaftlichen Priori¬ tatsobligationen, welche noch nicht be- geben und nicht dazu bestimmt waren, durch Verwendung zu Kapitalszahlungen konsumiert zu werden, sollten zur Bildung eines abgesonderten Investitionsfonds dienen, dessen Verwendung nur auf Grund verfassungsmafiiger Genehmigung erfolgen darf. Aufierdem traf das Gesetz in Be- ziehung auf die sprachlichen Bedurfnisse in den von der Nordbahn durchzogenen gemischtsprachigen Orten besondere Be¬ stimmungen. Um die verkehrspolitische Bedeutung dieser Verstaatlichungsaktion moglichst zu erhohen, erhielt die Regierung die gesetzliche Ermachtigung, betreffs Pea- gierung der Linie Sigmundsherberg— Zellerndorf mit der k. k. priv. oster- reichischen Nordivestbahn Verhandlungen einzuleiten und im Falle des Nichtzustande- kommens einer entsprechenden Verein- barung die Einraumung dieses Peage- rechtes im Enteignungswege in Anspruch zu nehrnen, aufierdem zum Zwecke der Einldsung der Linien der k. k. priv. Ostrau-Friedlander Bahn die noch nicht im Staatsbesitze befindlichen Aktien dieser Gesellschaft freihandig zu enverben oder das Unternehmen der genannten Gesellschaft konzessionsmafiig einzulosen. Der Betrieb auf den nach dem zitierten Gesetze riickwirkend ab I. Janner 1906 verstaatlichten Linien der Kaiser Fer¬ dinands-Nordbahn wurde bis 31. Dezember 1906 fiir Rechnung des Staaates von der Vervvaltung der k. k. priv. Kaiser Fer¬ dinands-Nordbahn weitergefiihrt (Kund- machung des Eisenbahnministers vom 5. November 1906); ab 1. Janner 1907 aber wurde der Betrieb dieser Linien, ferner der bisher von der Kaiser Fer¬ dinands-Nordbahn fiir Rechnung des Eigentiimers betriebenen Ostrau-Fried¬ lander Bahn und der Lokalbahn Auspitz Nordbahn—Stadt Auspitz, Lundenburg— Eisgrub, Mutenitz—Gaya, Otrokowitz— Wisowitz, Saitz—Goding, Stramberg— Wernsdorf und Troppau—Gratz von der Staatseisenbahnverwaltung iibernommen und zu diesem Zivecke eine dem Eisen- bahnministerium unmittelbar untergeord- nete Dienststelle mit dem Sitze in Wien errichtet, welche die Bezeichnung »k. k. 230 Dr. August Ritter v. Weeber. Nordbahndirektion« fiihrt (Kundmachung des Eisenbahnministers vom 30. Dezember 1906, RGB. Nr. 2 ex 1907). Fiir die Fortsetzung der Verstaat- lichungsaktion wurde zunachst das Unter- nehmen der Bohmischen Nord- bahn in Betracht gezogen. Das Netz dieser Bahngesellschaft umfafit die Haupt- bahnlinien : Prag—Turnau, Kralup—Nera- towitz, Bakov—Bohmisch- Leipa— Rum- burg—Georgswalde mit Abzweigungen nach Bodenbach und Warnsdorf, dann Bohmisch-Leipa—Bensen und Rumburg -—Nixdorf, sowie die Lokalbahnen Bohmisch- Kamnitz—Steinschdnau, Rohrs- dorf—Zwickau, Kuttenthal—Unter-Četno, Zwickau—Gabel und Nixdorf—Sebnitz. Die Einfiigung dieses Linienkomplexes in den Organismus der osterreichischen Staatsbahnen erschien aus dem Grande als eine hochst wiinschenswerte Erganzung des staatlichen Eisenbahnnetzes, weil ge- wartigt werden kann, dafi durch sie die Attraktionssphare des letzteren im nord- lichen Bohmen wesentlich erweitert und zugleich im Hinblicke auf die wichtigen Anschlusse der genannten Linien an die sachsischen Staatseisenbahnen, an die Linien der Staatseisenbahn-Gesellschaft, der Osterreichischen Nordwestbahn und der Siid-Norddeutschen Verbindungsbahn, der Aussig-Teplitzer Eisenbahngesell- schaft und an verschiedene vom Staate betriebene Lokalbahnen der Einflufi der Staatseisenbahnverwaltung in vielen wich- tigen Verkehrsrelationen bedeutend ge- kraftigt werden wird; weil ferner voraus- sichtlich der Staatseisenbahnverwaltung sich die Moglichkeit bieten wird, die staatliche Eisenbahntarifpolitik in einem bisher fast ausschliefilich Privatbahn- unternehmungen uberlassenen Gebiete rvirksam zur Geltung zu bringen. Zu Beginn des Jahres 1908 trat daher die Regierung mit der Bohmischen Nord- bahn-Gesellschaft wegen Verstaatlichung ihrer Linien in Verhandlungen ein, deren Ergebnis in dem Ubereinkommen vom 26. Marž 1908 niedergelegt ist. Zufolge dieses zwischen der Regierung und der genannten Gesellschaft vor- behaltlich der Zustimmung der General- versammlung gesellschaftlicher Aktionare und der seither erfolgten Erwirkung der verfassungsmafiigen Genehmigung ab- geschlossenen Vertrages erwirbt die Staats- verwaltung mit Wirksamkeit vom i.Janner 1908 als Universalsukzessor das Eigentum an samtlichen Aktiven der Gesellschaft, insbesondere an samtlichen gesellscbaft- lichen Eisenbahnlinien, an den im Eigen- tume der Gesellschaft stehenden Schlepp- bahnen, der bezuglichen Anlagen in den Anschlufistationen, das gesamte beweg- liche und unbewegliche Zugehor mit Ein- schlufi des gesellschaftlichen Fahrparkes, der Reserve- und Inventarstucke, der Verbrauchsmaterialien und Vorrate aller Art, den gesamten nicht in das Eisen- bahnbuch eingetragenen Grundbesitz der Gesellschaft, die Fonds, Kassen- und Effektenbestande, die ausstehenden For- derungen und die noch unbegebenen Schuldverschreibungen des gesellschaft¬ lichen Prioritatsanlehens vom Jahre 1903. Hingegen gehen, dem Begriffe der Univer- salsukzession entsprechend, die Passiven der Gesellschaft auf die Staatsverwaltung tiber und letztere tritt in alle der Gesellschaft auf Grund von Staats- und sonstigen Ver- tritgen zustehenden Rechte und Verbind- lichkeiten der Gesellschaft, sowie in etwa obschwebende Rechtsstreitigkeiten ein. Das Entgelt fiir den Erwerb des gesellschaftlichen Unternehmens hat darin zu bestehen, daft jede der gesellschaft¬ lichen Aktien a 150 fl. 6. W. gegen den Nominalbetrag von 425 K in 4°/ 0 igen, ab i.Janner 1909 steuer- und gebiihrenfrei verzinslichen Eisenbahn-Staatsschuldver- schreibungen umgetauscht wird. Nachdem die Generalversammlungder geiellschaftlichen Aktionare dem Uber¬ einkommen am 28. April 1908 ihre Zustimmung erteilt hatte, wurde am 26. Mai 1908 der Ent\vurf eines Gesetzes, betreffend die Errverbung der Bohmischen Nordbahn durch den Staat, im Abge- ordnetenhause eingebracht. Nach ent- sprechender Durchberatung und nach Vornahme geringer Anderungen gelangte der Gesetzentwurf sodann in beiden Hausern des Reichsrates zur Annahme. Zufolge des Gesetzes vom 2. August 1908, RGB. Nr. 169, wurde das erwahnte Ubereinkommen endgultig genehmigt und der Finanzminister ermachtigt, die zur Gesetzgebung und Verwaltung. 231 Durchfiihrung des Ubereinkommens no- tigen finanziellen Transaktionen vorzu- nehmen. Der Betrieb der verstaatlichten Linien ist mit Ausnahme der Strecke Warnsdorf — Reichsgrenze, welche auch fernerhin durch die konigl. Sachsischen Staats- bahnen betrieben wird, von der Staats- verwaltung in eigener Regie zu fiihren. Der dem Staatseisenbahnnetze durch die Verstaatlichung der Linien der Boh- mischen Nordbahn-Gesellschaft zuwach- sende Linienkomplex hat eine Langen- ausdehnung von 348 km. Im Anschlusse an die Verhandlungen wegen Verstaatlichung der Bohmischen Nordbahn wurden die Verhandlungen weo;en Ervverbung der Bahnlinien der priv. osterr,-ungar. Staatseisenbahn- Gesellschaft und der k. k. priv. Siid- Norddeutschen Verbindungsbahn durch den Staat aufgenommen. Diese Verhandlungen, welche sich inderFolge auch auf die Verstaatlichung der k. k. priv. Osterreichischen Nordwest- bahn ausdehnten, fuhrten Mitte Juli 1908 zu einem prinzipiellen Einverstand- nisse, welches in Form von Vertrags- punktationen niedergelegt wurde. Sofern die auf Grund dieser Punktationen mit den betreffenden Babngesellschaften am 21. Oktober 1908 abgeschlossenen Uber- einkommen zur Venvirklichung gelangen, wird das Staatseisenbahnnetz um einen verkehrspolitisch hochst wichtigen Linien- komplex mit einer Gesamtlange von 2574 km erweitert werden. Die jiingste Verstaatlichungsaktion eroffnet somit den Ausblick auf eine neue Epoche, in welcher die staatliche Eisenbahnpolitik auf dem Gebiete der inlandischen Volkswirtschaft eine wesentlich verstarkte Wirksamkeit zu iiben berufen sein wird. t V Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. Von Dr. Heinrich Ritter von Wittek, Geheimer Rat, k. k. Minister a. D., Mitglied des Herrenhauses und des Abgeordnetenhauses des Reichsrates. I. Einleitung. D AS Jahrzehnt seit dem Abschlusse der im Herbste 1897 als Bestand- teil der »Geschichte der Eisen- bahnen der osterreichisch-ungarischen Monarchie« veroffentlichten Untersuchung iiber die Beziehungen der Eisenbahnen zur Staatswirtschaft*) hat ungeachtet der Ungunst der Zeitverhaltnisse, mit der die Entwicklung des Eisenbahnwesens in dieser Periode zu kampfen hatte, eine Reihe weiterer Erfahrangstatsachen ge- bracht, die schon als solche fiir die grundsatzliche Betrachtung des Gegen- standes von Wert sind. Hiezu kommt noch, dafi der ivichtigste von den auf die Staatshaushaltsgebarung und die ge- samte Staatswirtschaft eimvirkenden Be- langen des Eisenbahnwesens — der Staatseisenbahnbetrieb — ivahrend dieser Zeit in bezug auf den Umfang seines Gebietes und die verkehrspolitische Stellung seines Netzes ungeachtet des Zuivachses einer Anzahl neuer Linien keine einschneidenden Veranderungen er- fahren hat. Solche sind erst gegen den Schlufi des Jahrzehnts hin eingetreten. Die Betriebseroffnung des grofieren Teiles der neuen Alpenbahnen, die Verstaat- lichung der Kaiser Ferdinands-Nordbahn bezeichnen den Abschlufi der in Rede stehenden Zeitperiode. Sie leiten eine neue Epoche ein, die durch diese Er- eignisse von der friiheren scharf ge- *) »Osterreichs Eisenbahnen und die Staats- wirtschaft.« II. Bd., S. I—55. * schieden ist. Das in Triest ausmiindende und auf die Nordbahn ausgedehnte Bahn- netz des Staatsbetriebes ist in verkehrs- politischer, kommerzieller und betriebs- okonomischer Hinsicht nicht mehr das alte, um 1630 km erweiterte, sondern ein wesentlich anders geartetes Staats- bahnnetz. Deshalb bildet der Zeitpunkt der Betriebsubernahme der Nordbahn durch den Staat — 1. Janner 1907 — einen epochalen Abschnitt. Er schliefit eine organische Entivicklungsreihe ab, in deren Ergebnissen die Wellenbewegung des wirtschaftlichen Lebens sich innerhalb ungefahr gleichbleibender raumlicher Grenzen mit photographischer Treue abspiegeln konnte. Es bietet sich hiedurch Gelegenheit, den Ursachen und Wirkungen der auf eine langere Beobachtungsperiode erstreckten gleichartigen Erscheinungen nachzufor- schen und an der Hand weiter6r Erfahrung das Zutreffen der Schlufifolgerungen zu priifen, zu denen die Ergebnisse friiherer Perioden die Unterlage geboten haben. Die Ankniipfung an die altere Arbeit ergibt sich daher von selbst. Sie soli aber nicht zu einer rein mechanischen Fort- fuhrung der friiheren Erorterungen dienen, sondern zu einem die leitenden Gesichts- punkte festhaltenden Uberblick der seit- herigen Entivicklung. Die Darstellung wird daher zunachst die Ergebnisse der Jahre 1897—1906 umfassen. Dabei sollen, soweit es sich um Vergleichbares handelt, Ausblicke auf das eine neue Entivicklungsphase 236 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. einleitende Jahr 1907 nicht ausge- schlossen sein. Der Anfangstermin ist auch dadurch gegeben, dafi die friihere Untersuchung, soweit sie Gebarungsergebnisse in Be- tracht zieht, mit dem Jahre 1896 ab- schliefit. Zugleich eignet sich das Jahr 1897 ganz vorzugsweise zum Ausgangs- punkte der Darstellung, da es das An- fangsjahr der Vollwirksamkeit des an- fangs 1896 errichteten Eisenbahn- ministeriums war und dieses Ressort schon bei der Anlage des Staatsvoran- schlages fiir das Jahr 1907 zum ersten- mal seine selbstandige Veranschlagung gefunden hat.*) Auch ist mit diesem Jahre die vor- nehmlich den Bediirfnissen des Eisen- bahnressorts dienende Einrichtung des Investitionsbudgets als II. Teil des Staatsvoranschlages geschaffen worden. Im weiteren Verlaufe dieser Arbeit wird wiederholt Anlafi geboten sein, auf die mannigfachen Veranderungen zuruck- zukommen, welche die das Eisenbahn- wesen betreffende budgetare Gebarung und Verrechnung in den folgenden Jahren erfahren hat. Das im Jahre 1897 als be- sonderer Teil des Staatsvoranschlages ein- gefiihrte Investitionspraliminar wurde nach dem Jahre 1900 fallen gelassen und die Einheitlichkeit des Staatsvoranschlages wiederhergestellt. Ab 1901 wird tur die Investitionsbedtirfnisse des Staatsbahn- netzes durch das in diesem Jahre gesetz- lich festgestellte funfjahrige Bau- und In- vestitionsprogramm vorgesorgt. Seine Riickvvirkung auf das Budget der Eisen- bahnverwaltung aufiert sich in gleicher Weise wie vordem jene des Investitions- praliminares durch die namhafte Herab- minderung der vordem dieses Budget in erheblichem Mafie kapitalisch belasten- den aufierordentlichen Ausgaben, zugleich aber auch durch das Anwachsen des An- lagekapitals. Mit dem Jahre 1906 wurde das Erfordernis nebst Bedeckung der Staatsgarantie fiir Privatbahnen in den Staatsvoranschlag des Eisenbahnministe- *) Im Budget 1896 \var der Staatsbetrieb noch bei XI. Handelsministerium, Heft 2, pra- liminiert. Der Titel dieses Teilvoranschlages wurde nachtraglich in XII. Eisenbahn- ministerium abgeandert. S. 51 a. a. O. riums tiberstellt. Durch diese sowie durch anderweitige in der Verrechnung der Eisen- bahngebarung vorgenommenen Anderun- gen, die auch in den Geschaftsberichten der Staatseisenbahnverwaltung namentlich gegen den Schlufi der Gegenstandsperiode hin zum Ausdruck kommen, ist die Ver- gleichung der Ergebnisse der einzelnen Jahre einigermafien erschwert. Eine Be- hebung dieser Schwierigkeit, wobei auch der volle Einklang mit der amtlichen Statistik zu gewartigen ist, wird erst dann zu erzielen sein, \venn die neuestens zum Zwecke der Darstellung der Ergebnisse der Staatseisenbahnverwaltung ange- wandte verbesserte Methode*) riickwir- kend auf die bisher vorliegenden Ergeb¬ nisse der vorausgegangenen Jahre An- wendung gefunden haben wird. Fiir die gegenwartige Arbeit hat sich aus dem Zurucktreten der Bedeutung der etatmafiigen Gebarung beziiglich der aufierordentlichen Ausgaben die Verein- facbung ergeben, dafi die friiher durch- gefuhrte Ermittlung ihres Einflusses auf die Gebarungsbilanz, je nachdem sie mit dem Kapital oder der Jahreslast in Rech- nung gestellt werden, in der einschlil- gigen Berechnung der Gebarungsergeb¬ nisse nunmehr nicht weiter verfolgt zu werden braucht. Die Zahlen selbst, so- weit sie den Staatsvoranschlag betreffen, werden in der Darstellung der einzelnen Jahresbudgets ersichtlich sein. Infolge der seinerzeit durchgefiihrten Verstaatlichung zahlreicher garantierter Privatbahnen hat die Staatsgarantie als Gebarungszweig des Eisenbahnwesens ihre friihere Bedeutung schon zu Beginn der Gegenstandsperiode verloren. IhrUm- fang ware infolge der Entwicklung des Verkehrs noch weiter zuriickgegangen, wenn nicht die zunehmende Ausdehnung der Bahnen niederer Ordnung, unter denen zahlreiche Lokalbahnen auf Grund dieser Form der Staatshilfe ins Leben gerufen wurden, durch Inanspruchnahme der ihnen zugesicherten Garantieleistuno- eine Er- o o hohung des in Rede stehenden Aufwandes herbeigefiihrt hatte. Immerhin hat die Erhohung sich bisher in mafiigen Grenzen *) Bericht liber die Ergebnisse der k. k. Staatseisenbahnverwaltung fiir das jahr 1907. Wien 1908, k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Die osterreichischen Eisenbahnen in d er Staatswirtschaft. 237 gehalten. Sie ermoglicbt, den der Staats- ! garantie in der friiheren Untersuchung gewahrten Raum wesentlich einzuschran- | ken und diesem Gebarungszweige einen t bescheidenen Platz im Hintergrunde der Darstellung emzuraumen, deren Schwer- punkt sachgemafi in den Ergebnissen des Staatseisenbahnbetriebes gefunden werden mufi. *) II. Charakteristik der Gegen- standsperiode. Die zehn Jahre, welche den Gegen- stand der nachfolgenden Darstellung bilden, kennzeichnen sich als eine Peri¬ ode des Uberganges und der Vorberei- tung. Sie diente zunachst der Verschmel- zung und inneren Konsolidierung der in den Handen des Staatsbetriebes verei- nigten Bahnnetze sowie der Ausbildung ihrer Einrichtungen zu einer einheitlichen Type. Grundlegende organische Mafi- nahmen, wie die Regelung der Dienst- und Ruhezeiten, die verscharften Sicher- heitsvorkehrungen und die erhohte Fiir- sorge fiir das Bahnpersonal stellen un- verkennbare Fortschritte dar, denen auch die Privatbahnen teilweise nacbzufolgen bemiifiigt waren. Anderseits bewirkte das Zusammentreffen einer Reihe ungiinsti- ger Umstande, unter denen die am Schlusse des Jahrhunderts eingetretene und durch mehrere Jahre anhaltende ge- driickte Geschaftslage und damit zu- sammenhangende Verkehrsstagnation an *) Fiir die gtitige Forderung seiner Arbeit ist der Verfasser sowohl dem hohen k. k. Eisen- bahnministerium als dem hohen k. k. Finanz- ministerium, welche dieselbe durch Erleich- terungen hinsichtlich der Beschaffung von Daten und Materialien unterstiitzten, zu auf- richtigem Danke verpflichtet. Er gestattet sich, diesen Dank namentlich den Herren Sektions- chef im k. k. Finanzministerium Dr. Robert Mever und Ministerialrat desselben Mini- steriums Dr. Eugen Ritter Beck v. Manna- getta, wie auch Herrn Hofrat im k. k. Eisen- bahnministerium Dr. Adolf Ritter v. Strigi, letzterem besonders fiir die freundliche Mit- wirkungbei der Anlage einiger Tabellen, dann Herrn Rechnungsdirektor im k. k. Eisenbahn- ministerium Franz Morelli, dessen opfer- williger Muhewaltung die Ausziige aus den Staatsvoranschlagen zu danken sind, warm- stens zum Ausdruck zu bringen. erster Stelle steht, eine Verschlechterung der finanziellen Ergebnisse, die sich im Ruckgang der Einnahmen sowie in dem Zuriickbleiben des Betriebsiiberschusses *) aufierte. Der Ruckgang machte erst gegen Ende des Jahrzehnts unter dem Einflusse gebesserter wirtschaftlicher Verhaltnisse einer rasch aufsteigenden Bewegung der Einnahmen Platz, deren finanzieller Effekt aber durch die erhobten Betriebskosten stark beeintrachtigt wurde. Die ungiin- stigen Betriebsergebnisse hatten inzwi- schen (1902) zu einer den Personenver- kehr belastenden Besteuerung der Fahr- karten genotigt, von der Staats- wie Pri¬ vatbahnen gleichmafiig betroffen vrarden. Auch gab die finanzielle Lage des Staats¬ betriebes Anlafi zur Einfiihrung der als Zuschlag zur Manipulationsgebiihr ge- dachten Stationsgebiihr (1906). Gleich den wirtschaftlichen sind auch die politischen Verhaltnisse des in Rede stehenden Jahrzehnts keine giinstigen gewesen. Jahre schwerer politischer und parlamentarischer Kampfe fullen den grbfiten Teil dieser Periode aus. Sie pragen ihr den Stempel einer Zeit des Uberganges zu neuen politischen Ge- staltungen in unverkennbarer Weise auf. Nahezu im ganzen Verlaufe dieser Jahres- reihe hat die normale Betatigung des Parlaments, abgesehen von kurzen An- laufen und Einzelaktionen, chronisch aus- gesetzt. Insbesondere fehlte in der Zeit nach 1897 mit Ausnahme des Jahres 1902, dessen Staatsvoranschlag zusammen mit jenem des Jahres 1901 vorberaten und sodann ordnungsmafiig verabschiedet wurde, die Ausubung des wichtigsten Rechtes der Volksvertretung, namlich die Feststellung des Jabresbudgets und Fi- nanzgesetzes im Wege der parlamentari- schen Beratung und Beschlufifassung. Erst im Jahre 1908 hat eine solche wieder stattgefunden, nachdem die aus den Wirren der Vergangenheit erwach- sene Wahlreform dem Reichsrate seine Arbeitsfahigkeit wiedergegeben hatte. *) Betriebsiiberschufi der Staatsbahnen gegen das Praliminar: 1897: + 2-4 Mili. K, 1898: — 0-06 Mili. K, 1899: — 9-4 Mili. K, 1900: — 137 Mili. K, 1901: — 10-4 Mili. K, 1902: — 47 Mili. K, 1903: — l'6 Mili. K, 1904: -f 4-9 Mili. K, 1905: + H'9 Mili. K, 1906: -f 22-3 Mili, K. 238 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Unter diesen Umstanden mufi man es dem vorigen Abgeordnetenhause Dank wissen, dafi es einige fiir das Eisenbahnwesen wichtige Regierungsvorlagen, welche die Wilnsche weiter Bevolkerungskreise be- friedigten, zum Gesetze werden liefi. Hie- durch ist es ermoglicht worden, ungeachtet der parlamentarischen Schwierigkeiten den drohenden Stillstand von dem wichtig- sten Dienstzweige des Verkehrswesens fernzuhalten und trotz der Gefahren, welche die im Hause standig lauernde und zeit- weise offen hervortretende Obstruktion jedem Vorgehen in den Weg steli te, wenig- stens die keinen nationalen Nerv beriih- rende Ausfuhrung verkehrsfttrdernder Ver- besserungen und Neuanlagen auf ver- fassungsmafiigem Wege gesetzlich sicher- zustellen. Drei Momente sind es vornehmlich, welche diese politisch unproduktive Uber- gangszeit als eine fiir das Verkehrswesen nicht verlorene kennzeichnen: Vorerst die gesetzliche Sicherstellung und tatsachliche Ausfuhrung neuer grofier, mit aufiergewohnlichen technischenSchwie- rigkeiten verbundener Staatsbahnbauten, durch die dem Staatsbahnnetze kiinftig wichtige neue Linien zuwachsen sollten, die dem Staate unter allen Umstanden eine weit- gehende Einflufinahme auf die Verkehrs- und Tarifpolitik in dem bisher vorherr- schend von den Linien einer Privatbahn- gesellschaft bedienten Landergebiete stidlich der Donau bis zur See sichern. Weiters die damit Hand in Hand ge- hende Wiederaufnahme einer program- matischen Investitionspolitik bezuglich des bestehenden Staatsbahnnetzes auf der Grundlage, dafi hiefiir ein fiinfjahriges Pro- gramm festgestellt und die Mittel hiezu gleich jenen fiir denEisenbahnneubau nicht im Wege der etatmiifiigen Gebarung der einzelnenjahresbudgets, sondern aufierhalb derselben durch eine auf mehrere Jahre finanziell vorsorgende Kreditoperation be- schafft wurden. Diese Vorsorge erlangte dadurch fiir die Volkswirtschaft erhohten Wert, dafi ihre Durchfuhrung in die Periode der wirtschaftlichen Stagnation zu Beginn des laufenden Jahrhunderts fiel, deren Folgen sich in dem Niedergange vieler Industriezweige schmerzlich ftihlbar machten. Ein drittes charakteristisches Moment dieser Ubergangszeit liegt darin, dafi wahrend grofiere eisenbahnpolitische Aktionen angesichts der parlamentarischen Zustande ausgeschlossen waren,*) die Forderung des Bahmvesens niederer Ordnung unausgesetzt ihren Fortgang nahm und in dieser Zeit einen Umfang erreichte, der jenen der vorausgehenden Jahre weit iibersteigt. Bei der allgemeinen Charakterisierung des hier in Betracht kommenden Zeit- raumes darf schliefilich. nicht unerwahnt bleiben, dafi in derselben eine empfind- liche Preissteigerung der wichtigsten Bau- materialien und Verbrauchsstoffe eingesetzt und angehalten hat. Zur Kennzeichnung des immerhin ansehnlichen Fortschritts, den die Ent- wicklung des Eisenbahnwesens in der Periode 1897 —1906 aufweist, mOgen die hier beigefiigten statistischen Daten dienen.**) Die gesamte Bau- (Eigentums-) Lange der osterreichischen Staats- und Privat- bahnen, welche fiir das Jahr 1895 mit 16.420 km , darunter 8797 km Staats- bahnen und vom Staate betriebene Privat- bahnen beziffert war, erreichte seither folgenden Umfang: insgesamt T , Haupt- und im Jahre LojjaJbahnen km hievon Staatsbah- nen u. vom Staate betriebene Privatbahnen km 1897 I7-3I5 9-438 exkl. Kais. 1906 21.394 Ferdinands- 13.226 Nordbahn inkl, Kaiser Ferdinands-Nordbahn 14.673 Von den im Jahre 1906 im Staatsbetriebe gestandenen Bahnen exkl. Nordbahn waren 79 [3 km Hauptbahnen und 5266 km Lokalbahnen. Der Anteil des Staatsbetriebes an dem gesamten Bahn- netze ist mithin, die Ende 1906 hinzu gekommene Kaiser Ferdinands-Nordbahn *) Die zogernde Behandlung der nur staatsfinanzielle VorteilebietendenRegierungs- vorlage tiber den Eigentumserwerb der Ersten Ungarisch-galizischen Eisenbahn und der Dn- garischen Westbahn (Gesetz vom 15. Mai 1895, RGB. Nr. 79) bietet hiefiir einen drastischen Beleg. (S. S. 153 ff. dieses Bandes.) **) Osterreichische Eisenbahnstatistik fiir das Jahr 1906. I. Teih Hauptbahnen und Lokalbahnen. Wien 1907, k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Die Osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 239 inbegriffen, von 54‘78°/ 0 im Jahre 1897 auf 67-95°/,, zu Ende 1906 gestiegen. Die Verkehrsentwicklung ist aus folgenden Daten ersichtlich: Das verwendete Anlagekapital der osterreichischen Eisenbahnen hat sich seit 1895 bis 1906 erhoht von 2628 Mil- lionen fl. = 5256 Millionen Kronen auf 7365 Millionen Kronen: hievon entfallen auf Staatsbahnen und vom Staate fiir eigene Rech- nung betriebene Bahnen 3666 Mili. K Privatbahnen im Staats- betriebe fiir Rechnung der Eigentiimer .... 629 » » Privatbahnen im Privat- betriebe.3070 » » Zusammen 7365 Mili, K III. Eisenbahnen und Staats- budget. Um auch fiir das hier zu behandelnde Jahrzehnt ein tibersichtliches Bild der eisenbahnfinanziellen Praliminargebarung im Rahmen des Staatshaushalts zu geben, J werden im folgenden die Gesamtziffern der ersteren, wie si e in den Staats- voranschlagen der Jahre 1897 —1906 an- gesetzt sind, den budgetaren Total- summen der Staatsausgaben und Staats- einnahmen der einzelnen Jahre der Gegen- standsperiode gegentibergestellt. Von den Staatsvoranschlagen dieses Jahrzehnts ist bekanntlich nebst dem des Anfangsjahres (Finanzgesetz vom 26. Janner 1897, RGB. Nr. 34) nur jener fiir dasjahr 1902 durch ein auf parlamentarischem Wege beratenes und beschlossenes Finanzgesetz — das Finanzgesetz fiir das Jahr 1902 vom 31. Mai 1902, RGB. Nr. 109 — fest- gestellt. Die Feststellung der Staatsvoran- schlžige und Rechnungsgrundlagen fiir die iibrigen Jahre erfolgte teils durch einfache, teils durch erweiterte Budgetprovisorien, von denen einige wie jenes vom 22. De- zember 1901, RGB. Nr. 210, dann jene vom 21. Dezember 1905, RGB. Nr. 196, vom 28. Dezember 1906, RGB. Nr. 257, und vom 28. Dezember 1907, RGB. Nr. 285, auf parlamentarischem Wege als Gesetze zu stande kamen, andere mit kaiserlichen Verordnungen auf Grand des § 14 StGG. erlassen wurden. Mit solchen Rechnungsgesetzen wurden die unerledigt gebliebenen Staatsvoran- schlage als Grundlage fiir die Verfassung des Zentralrechnungsabschlusses vorge- zeichnet. Zur Erlauterung der weiter unten folgenden Zusammenstellung der pralimi- nierten Gebarungsziffern wird eine kurze auszugsweise Wiedergabe der hier in Be- tracht kommenden budgetaren Ansatze und rechnungsmafiigen Grundlagen fiir die Gebarung der einzelnen Jahre beginnend mit dem Jahre 1897 vorausgeschickt, in welchem die damals neu eingefiihrte, spiiter jedoch aufgegebene Trennung des Staatsvoranschlages in zwei Teile —■ das ordentliche und das Investitionsbudget*) — zuerst in Geltung stand. Die Voranschlagsziffern fiir die Jahre 1897 und 1898 sind in der frii- *) ..Vgl- hiertiber den obenzitierten Auf- satz »Osterreichs Eisenbahnen und die Staats- wirtschaft« in der »Geschichte der Eisenbahnen der osterreichisch-ungarischen Monarchie«, herausgegeben vom Osterreichischen Eisen- bahnbeamten-Verein. — Verlag von Karl Pro- chaska, 1898, II. Bd., S. 5 °- Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. 24O heren Abhandlung detailliert ent- halten. Des Zusammenhanges wegen werden sie indes hier, durch Einbe- ziehung der Nachtragskredite erganzt und auf Kronen umgerechnet, nochmals angefiihrt. 1897. Der Praliminierung liegen zu Grande: 1. das Finanzgesetz vom 26. Janner 1897, RGB. Nr. 34; 2. die kaiserliche Verordnung vom 15. Juli 1897, RGB. Nr. 169, betreffend die Eroffnung von Nachtragskrediten; 3. die kaiserliche Verordnung vom 23. Dezember 1897, RGB. Nr. 298, betreffend die Gewahrung von Untersttitzungen aus Staatsmittelnund die Bewilligung ander- vveitiger Kredite anlafllich von Elementarereignissen. Hienach sind veranschlagt, respektive bewilligt: die Gesamtausgaben mit 1. fl. 689,081.170 = K 1.378,162.340 2. » 1,041,088 — » 2,082.176 3. » 9,945.000 = » 19,890.000 zusammen mit fl. 700,067.258 = K 1.400,134.516 die Gesamteinnahmen mit 1. fl. 690,030.996 = K 1.380,061.992 _ 2, » _ 101.700 = » _ 203.400 zusammen mit fl. 690,132.696 = K 1.380,265.392 Die Eisenbahngebarung enthielt: a) im Etat des Eisenbahnministeriums: war fiir den Bau der Linie Stanislau—Woronienka bestimmt, hatte daher bei der Ermittlung des Einnahmeniiberschusses aufier Betracht zu bleiben. Der eigentliche Einnahmen- iiberschufl stellt sich somit auf . K 35,043.300 ') Darunter: Obernahme von Investitionsfondsquoten per K 6,656.700 und Anteil an dem Reingewinne der Kaiser Ferdinands-Nordbahn K 2,600.000. Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 241 Transport . . K 35,043.500 Denselben stehen an Kapitalslasten gegeniiber: das Erfordernis fiir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 35, laut Erlauterung zum Staatsvor- anschlage 1897, Seite 202.K 65,675.120 dann die4 1 / 4 °/ 0 igenZinsen von dem dort(S. 203) ausgewiesenen Kapitalsaufwande per fl. 308,291.864 = K 616,583.728 plus der obigen » 300.000 d. i. von . . » 616,883.728 » 26,217.558 Gesamterfordernis .... K 91,892.678 Es verbleibt mithin ein Passivsaldo von. Investitionspraliminar 1897. Der II. Teil des Staatsvoranschlages enthalt im Er¬ fordernis bei E. Eisenbahnministerium folgende Posten: a) Staatseisenbahnbau. b) Beteiligung an der Ivapitalsbeschaffung zum Zwecke des Baues von Privatbahnen. c) Staatseisenbahnbetrieb. Summe des Erfordernisses und weist als Bedeckung unter »Eisenbahnministerium« nachstehende Betrage auf: a) Staatseisenbahnbau, Interessentenbeitrage und Uber- nahme von Investitionsfondsquoten ... K 6,565.640 b) Beteiligung an derKapitalsbeschaffungetc., Ubernabme einer Investitionsfondsquote » 3,000.000 Summe der Bedeckung . Hienach resultiert ein Nettoerfordernis von 1898. Die kaiserliche Verordnung vom 28. Dezember 1898, RGB. Nr. 237, bestimmte die Gesamtausgaben mit fl. 722,872.831 = K 1.445,745.662 die Gesamteinnahmen mit » 723,111.359 = » 1.446,222.718 Die Eisenbahngebarung enthalt: a ) im Etat des Eisenbahnministeriums Ausgaben ... K Einnahmen ... » b) an Subventionen (Staatsgarantie): Ausgaben ... ■> Einnahmen ... » c) Einnahmen aus der Teilung der Kaufschillingseinzahlung der Siid- bahngesellschaft (Kap. 38) » Summe der Ausgaben K » » Einnahmen » Hienach resultiert ein Einnahmen- iiberschufl von.-)- K 49,421.800—K 4,826.400-!-K 44,595-4°° *) Darunter: Ubernahme von Investitionsfondsquoten per K 1,144.800 und Anteil an dem Reingewinne der Kaiser Ferdinands-Nordbahn K 3,200.000. 16 Ordentliche 187,604.000 237,097.200*) 71.400 Auflerordentl. K 9,670.400 » 4,750.000 » 4.614.600 » 8.600 » 4,700.000 187,675.400 K 14,285.000 237,097.20° » 9,458.600 Zusammen K 197,274.400 » 241,847.200 » 4,686.000 » 8.600 » 4,700.000 K 201,960.400 » 246,555.800 242 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Transport . . K 44,595.400 Demselben stehen an Kapitalslasten gegentiber: Das Erfordernis fiir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 35, laut Erlauterung zum Staatsvoranschlage 1898, Seite 188 .... K 65,973.160 Die 4 1 /*%^S en Zinsen von dem dort ausgewiesenen Ka- pitalsaufwande per fl. 311,534.989 = K 623,069.978, mit fl. 13,240.237 =.» 26,480.474 Die 3 , 8°/ 0 igen Zinsen vom Investitionspraliminare 1897 und 1898 (fl. 17,649.510) mit.» 1,341.362 Gesamterfordernis.K 93,794.996 Es ergibt sich mithin ein Passivsaldo von.K 49,199.596 Investitionspraliminar 1898. Der II. Teil des Staatsvoranschlages enthalt im Erfordernis bei D. Eisenbahnmiiiisterium folgende Posten: a) Staatseisenbahnbau.K 7,082.000 b) Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung zum Zwecke des Baues von Privatbahnen .... » 2,684.000 c) Staatseisenbahnbetrieb.» 29,455.400 Summe des Erfordernisses K 39,221.400 und weist als Bedeckung unter »Eisenbahnministerium« nachstehende Betrage auf: a) Staatseisenbahnbau: Interessentenbeitrage und Ubernahme von Investitionsfondsquoten ... K 732.100 b ) Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung etc., Anteil an dem Reinge\vinn des Kreditinstitutes . . . » 6.000 Summe der Bedeckung K 738.100 Hienach resultiert ein Nettoerfordernis von K 38,483.300 I 899. In der kaiserlichen Verordnung vom 27. Dezember 1899, RGB. Nr. 265, wurden die Gesamtausgaben mit fl. 761,286.386 = K 1.522,572.772 die Gesamteinnahmen mit » 761,644.027 = K 1.523,288.054 festgesetzt. Die Eisenbahngebarung umfaflt: a) im Etat des Eisenbahnministeriums : Ordentliche Ausgaben . . . K 204,010.380 K Einnahmen ...» 255,852.000*) » b) an Subventionen (Staatsgarantie): Ausgaben ...» 71.400 » Einnahmen ...» — » c) Einnahmen aus der Teilung der Kaufschillingseinzahlung der Siidbahngesellschaft (Ka p. 37) » _—_» Summe der Ausgaben ... K 204,081.780 K » » Einnahmen ...» 255,852.000 » AuBerordentl. 11,042.000 3,805.240 5,555-6oo 13.000 1,044.000 16,597.600 4,862.240 Zusammen K 215,052.380 » 259,657.240 » 5,627.000 » 13.000 » 1,044.000 K 220,679.380 » 260,714.240 Es ergibt sich hienach ein Ein- nahmeniiberschufi von . . -]-K 51,770.220 —K 11,735.360 -j-K 40,034.860 *), Darunter: Ubernahme von Investitionsfondsquoten mit K 535.800 und Anteil an dem Reingewinne der Kaiser Ferdinands-Nordbahn K 3,000.000. Die Osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 243 Dagegen stehen Kapitalslasten: das Erfordernis fiir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 34, laut Er- lauterung zum Staatsvoranschlag 1899, Seite 197 die 4 1 / 4 %igen Zinsen von dem dort ausgewiesenen Kapitalsaufvvande per fl. 313,249.006 die 3’8°/oigen Zinsen vom Investitionspraliminare 1897—1899 (fl. 58,484.2.32). Transport K 66,026.680 » 26,626.166 » 4,444.802 Gesamterfordernis Es verbleibt sonach ein Passivsaldo von K K K 40,034.860 97,097.648 57,062.788 Investitionspraliminar 1899. Als Erfordernis erscheinen in E. Eisenbahnministerium nach- stehende Kredite bewilligt: a) Staatseisenbahnbau.K 18,150.000 b ) Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung etc. . » 2,309.000 c) Erfordernis fiir die Erwerbung der Lokalbahn Asch—Rofibach.» 517.200 d) Staatsbahnbetrieb.» 31,460.600 Summe des Erfordernisses ... K 52,436.800 Die Bedeckung bei »Eisenbahnministerium« umfafit fol- gende Einnabmsposten: a) Staatseisenbahnbau, Interessentenbeitrage . . K 260.820 b ) Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung etc. . . » 7.000 c) Kaufschilling fiir den Verkauf der Lime Boh- misch-Leipa—Niemes an die Aussig-Teplitzer Eisenbahn.» 2,600.000 Summe der Bedeckung ... K 2,867.820 Es verbleibt mithin ein Nettoerfordernis von ... K 49,568.980 I9OO. Die kaiserliche Verordnung vom 27. Dezember 1900, RGB. Nr. 227, fhuert die Gesamtausgaben mit K 1.586,437.416 die Gesamteinnahmen mit » t.586,686.851 a) b) c ) Auf die Eisenbahngebarung entfallen: im Etat des k. k. Eisenbahnministeriums: Ordentliche Ausgaben ... K 217,919.660 Einnahmen ...» 270,441.900 an Subventionen (Staatsgarantie): Ausgaben ... K 49.400 Einnahmen ...» •— Einnahme aus der Teilung der Kaufschillingseinzahlung der Siidbahngesellschaft (Kap. 37) » — Summe der Ausgaben ... K 217,909.060 » » Einnahmen ...» 270,441.900 Aufterordentl. Zusammen K 10,479.800 K 228,399.460 » 2,086.600*) » 272,528.500 » 5,893.400 » 5,942.800 » 142.800 » 142.800 » 1,646.000 » 1,646.000 K 16,373.200 K 234,342.260 » 3,875.400 » 274,317-300 Es ergibt sich hienach ein Ein- nahmentiberschufi von . . -|-K 52,472.840 —K 12,497.800 -j-K 39,975.040 *) Darunter: Ubernahme von Investitionsfondsquoten mit K 178.200 und Anteil an dem Reingewinne der Kaiser Ferdinands-Nordbahn K 1,600.000. 16* Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. 244 Transport . . K 39,975.040 Im Entgegenhalte zu demselben sind praliminiert: das Erfordernis fiir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 34, laut Er- lauterung zum Staatsvoranschlage 1900, Seite 193, mit.K 66,206.712 die 4 l li°/ 0 ig£ Verzinsung von dem dort ausgewie- senen Kapitalsaufwande pr. K 628,949.302 . . » 26,730.345 die 3 - 8°/ 0 igen Zinsen vom Investitionspraliminare 1897—1900 (K 141,203.504). 5,3 6 5-733 Gesamterfordernis ... K 98,302.790 Hienach eriibrigt ein Passivsaldo mit ... K 58,327.750 Investitionspraliminar 1900. Das Erfordernis in E. Eisenbahnministerium betragt: d) fiir Staatseisenbahnbau.K 11,012.000 b) fiir Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung etc. » 1,500.000 c) fiir Staatsbahnbetrieb.» 48,960.400 Summe des Erfordernisses ... K 61,472.400 Als Bedeckung sind eingestellt: a) beim Staatseisenbahnbau: Interessentenbeitriige und Ubernahme einer Investitionsfondsquote . K 1,146.100 b ) fiir Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung etc. » _ 3.000 Summe der Bedeckung . . . K 1,149,100 Verbleibt ein Nettoerfordernis ... K 60,323.300 I9OI. Laut Gesetz (Budgetprovisorium) vom 22. Dezember 1901, RGB. Nr. 210, sind festgestellt: die Gesamtausgaben mit ... K 1.654,301.832 die Gesamteinnahmen mit ...» 1.655,039.163 Hieran ist die Eisenbahngebarung d) Etat des Eisenbahnministeriums: Ordentliche Ausgaben ... K 232,285.700 (exklusive aufierordent- liche Auslagen zum Zwecke von Investi- tionen fiir den Staats¬ bahnbetrieb, fiir den Staatseisenbahnbau, zu technischen Vorarbeiten fiir den Bau neuer Li- nien und fiir Beteiligung an der Kapitalsbeschaf¬ fung zum Zwecke des mit folgenden Betragen beteiligt: AuBerordentliche Zusammen K 3,666.400 K 235,952.100 Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 245 Dagegen betragen: das Er- fordernis fiir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 34, laut Erlau- terung zum Staatsvoran- schlage 1901, S. 196 . » 66,309.646 infolge nachtraglicher Rich- tigstellung erhoht um . » 400 und die4 1 / 4 °/ 0 igenZins en von dem dort ausgewiesenen Kapitalsaufwande von K 813,820.143, in wel- chem auch noch das im Investitionspralimi- nare 1897—1900 vor- gesehene Erfordernis enthalten ist . . . . . _ » 34)5^7-356 Gesamterfordernis ... K 100,897.402 Sohin resultiert ein Passivsaldo von ... K 53,826.594 Investitionserfordernis 1901. Das in den Jahren 1897 bis inklusive 1900 in einer besonderen Beilage (II. Investitionspraliminar) vorgesehene Erfordernis ist fiir das Jahr 1901 •— der friiheren Ubung entsprechend — wieder in den einheitlichen Staatsvoranschlag auf- genommen worden und wurde in der vorstehenden Zusammenstellung ebenso \vie die zugehorige Bedeckung als Abzugspost behandelt. Mit dem Gesetze vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, betreffend die Herstellung mehrerer Eisenbahnen auf Staatskosten und die Festsetzung eines Bau- und Investitionsprogrammes der Staatseisenbahnverwaltung fiir die Zeit bis Ende des *) Darunter: Ubernahme einer Investitionsfondsquote von K 28.300 und Anteil des Staates an dem Reingewinne der Kaiser Ferdinands-Nordbahn K 1,386.694. 246 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Jahres 1905, wurden fiir das Jahr 1901 weitere Kredite bewilligt, so dali in diesem Jahre fur das Investitionserfordernis die folgenden Betrage zur Verfiigung standen: laut des Gesetzes vom 22. Dezember 1901, RGB. Nr. 210 ... K 11,004.950 laut des Gesetzes vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63: fiir den Staatseisenbahnbau ... K 15,202.000*) ftir die Beteiligung an der Kapitals- beschaffung etc.» 6,280.000 fiir den Staatsbahnbetrieb ...» 57>39 0 - 000 Zusammen ...» 78,872.000 Gesamtsumme ... K 89,876.950 Abziiglich der Bedeckung laut Gesetz vom 22. De¬ zember 1901, RGB. Nr. 210. . » 221.770 vermindert sich das Nettoerfordernis auf.K 89,655.180 1902. Das Finanzgesetz vom 31. Mai 1902, RGB. Nr. 109 bestimmte die Gesamtausgaben mit.K 1.689,116.863 die Gesamteinnahmen mit.»1.690,182.264 Hievon entfallen auf die Eisenbahngebarung: a ) im Etat des Eisenbahnministeriums: Ordentliche Aufierordentl. Zusammen Ausgaben . . K 238,694.120 K 3,898.600 K 242,592.720 Emnahmen . » 280,335.340**)» 1,478.030 » 281,813.370 b) an Subventionen (Staatsgarantie): Ausgaben. .K — K 6,592.300 K 6,592.300 Einnahmen . » — » 126.500 » 126.500 Summe der Ausgaben »K 238,694.120 K 10,490.900 K 249,185.020 » » Einnabmen 280,335.340 » 1,604.530 » 281,939.870 Es eriibrigt mithin ein Einnahmen- tiberschufi von . . . . -j- K 41,641.220 —K 8,886.370 -j- K 32,754.850 Im Vergleich zu den nachstehenden Kapitalslasten, und zwar: dem Erfordernis fiir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 34, laut Erlauterung zum Staats- voranschlage 1902, Seite 185 .... K 66,354.898 zuziiglich der 4 1 / 4! 0 /oig en Zinsen von dem dort ausgewiesenen Kapitalsauf- wande per K 877,711.220 . . . . . . » 37,302.727 mithin zu dem Gesamterfordernis von K 103,657.625 ergibt sich ein Passivsaldo von K 70,902.775 Investitionserfordernis 1902. Im Bau- und Investitionsprogramme fiir die Jahre 1901 —1905 (Gesetz vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63) waren speziell fiir das Jahr 1902 bewilligt: *) Hievon kamen nachtraghch die fiir die Eisenbahnlinien Rakonitz—Laun und Hart- berg—Friedberg vorgesehenen K 2,000.000 infolge Konzessionserteilung in Wegfall. **) Darunter: Ubernahme von Investitionsfondsquoten mit K 1,000.000. Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatsrvirtschaft. 247 fiir den Staatseisenbahnbau nach Ausscheidung der fiir dieEisen- bahnlinie Rakonitz—Laun undHartberg—Friedberg vorge- sehenen, infolge Konzessionserteilung nicht mehr ver- wendbaren Betrage von zusamraen K 8,000.000 ... K 25,882.000 fiir die Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung zum Zwecke des Baues von Privatbahnen und Erwerbung der Linie Asch—Rofibach. » 2,800.000 fiir den Staatsbahnbetrieb. » 56,926.000 mithin ein Gesamt- (zugleich Netto-) Erfordernis von . K 85,608.000 I9O3. Mit der kaiserlichen Verordnung vom 29. Dezember 1903, RGB. Nr. 268, wurden festgesetzt: die Gesamtausgaben auf.K 1.732,196.912 die Gesamtemnahmen auf.» 1.732,199.884 Darin waren fiir die Eisenbahngebarung vorgesehen: d) im Etat des Eisenbahnministeriums: Ordentliche AuSerordentl. Zusammen Ausgaben K 240,465.610*). K 3,317.867 K 243,783.477 Einnahmen » 283,378.600**) » 361.780 » 283,740.380 b) an Subventionen (Staatsgarantie): Ausgaben K — » 8,526.300 » 8.526.300 Einnahmen » — » 9.300 » 9-300 Summe der Ausgaben K 240,465.610 K 11,844.167 K 252,309.777 » » Einnahmen » 283,378.600 » 371.080 » 283,749.680 Der Einnabmeniiberschufi betragt: ~|- K 42,912.990 — K 11,473.087-f-K 31.439.903 Dem entgegengehalten das Erfordernis fiir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 34, laut Erlauterung zum Staatsvoranschlage 1903, Seite 175, mit. • - -.. • • K 65,655.815 sodann die 47 i%i§> en Zinsen von dem dort ausgewiesenen Kapitalsaufwande per K 932,598.806 mit. » 39,635.449 im ganzen ein Gesamterfordernis von K 105,291.264 resultiert ein Passivsaldo von K 73,851.361 Investitionserfordernis 1903. Im Bau- und Investitionsprogramme fiir die Jahre 1901 —1905 (Gesetz vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63) waren speziell fiir das Jahr 1903 vorgesehen: fiir den Staatseisenbahnbau nach Ausscheidung der fiir die Eisenbahnlinien Rakonitz—Laun undHartberg—Friedberg bewilligten, infolge Konzessionserteilung nicht mehr verwendbaren Betrage von zusammen K 3,040.000. . K 39,900.000 fiir die Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung zum Zwecke des Baues von Privatbahnen und Erwerbung der Linie Asch—Rofibach.•.» 2,800.000 fiir den Staatsbahnbetrieb. ■ ■ » 57 - 4 & 3 - 000 mithin ein Gesamt- (zugleich Netto-) Erfordernis von K 100,182.000 *) Darunter: Anteil des Staates an dem Betriebsabgange der Wiener Stadtbahn (zum erstenmal veranschlagt K 394.667). **) Darunter: LTbemahme von Investitionsfondsquoten K 82.200. 24B Dr. Hemrich Ritter v. Wittek. I9O4. Laut kaiserlicher Verordnung vom 29. Dezember 1904, RGB. Nr. 163, waren die Gesamtausgaben mit K 1,743,898.568 die Gesamteinnahmen mit » 1,744,236.165 festgesetzt. D arin sind fur die Eisenbahngebarung enthalten: a) im Etat des Eisenbahnministeriums: Ordentliche Ausgaben ... K 242,542.710 Einnahmen...» 284,288.980*) AuBerordentl. K 6,801.350 » 2,595.328 Zusammen K 249,344.060 » 286,884.308 b) an Subventionen (Staatsgarantie): Ausgaben ... K Einnahmen ...» 7,791.200 12.500 7,791.210 12.500 Summe der Ausgaben K 242,542.710 K 14,592.550 K 257,135.260 » » Einnahmen » 284,288.980 » 2,607.828 » 286,896.808 Hienach resultiert ein Einnahmen- uberschufi von . . . . -|- K 41,746.270 — K 11,984.722-j- K 29,761.548 Gegenuber den Kapitalslasten des Erfordernisses fur Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 34, laut Erlaute- rung zum Staatsvoranschlage 1904, Seite 194, mit K 65,860.639 dann den 4'/ 4 0 /i)igen Zinsen von dem dort ausge- wiesenen Kapitalsaufwande per K 1,033,190.969 mit » 43,910.616 sohin einem Gesamterfordernis von K 109,771.255 ergibt sich ein Passivsaldo von K 80,009.707 Investitionserfordernis 1904. Im Bau- und Investitionsprogramme ftir die Jahre 1901 —1905 (Gesetz vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63) waren speziell fur das Jahr 1904 vorgesehen: Fur den Staatseisenbahnbau.K 59,100.000 Fur die Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung zum Zwecke des Baues von Privatbahnen und Erwer- bung der Linie Asch—Rofibach.» 2,800.000 Fur den Staatsbahnbetrieb.» 57,482.000 sohin ein Gesamt- (zugleich Netto-) Erfordernis von K 119,382.000 I905. Fur dieses Jahr wurden in dem ein erweitertes Budgetprovisorium enthaltenden Gesetze vom 21. Dezember 1905, RGB. Nr. 196 die Gesamtausgaben mit K 1.783,833.811 die Gesamteinnahmen mit » 1.784,482.713 festgestellt. *) Darunter: Ersatzleistungen des steiermarkischen Landesausschusses aus Anlafi 'der Ubernahme des Betriebes der Lokalbahn Cilli—Wollan mit K 745.000 und Anteil des Staates an dem Reingewinne der Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit K 1,282.748. Die bsterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 249 Darunter waren fiir die Eisenbahngebarung folgende Posten vorgesehen : a) im Etat des Eisenbahnministeriums: Ordentliche AuSerordentl. Zusammen Ausgaben . Einnahmen . K 248,421.050 K » 293,844.470*) » 5,266.800 961.820 K 253,687.850 » 294,806.290 b) an Subventionen (Staatsgarantie): Ausgaben ... K Einnahmen ...» 7,407.450 20.600 7,407.450 20.600 Summe der Ausgaben K 248,421.050 K 12,674.250 K 261,095.300 » » Einnahmen » 293,844.470 » 982.420 * 294,826.890 Hiemit resultiert ein Einnahmen- iiberschufi von.-j-K 45,423.420 — K 11,691.830-j-K 33,731-590 Gegen das Erfordernis ftir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 34, laut Erlauterung zum Staatsvoranschlage 1905, Seite 201, mit ... K 65,728.711 zuziiglich der 4 1 / 4 ° 0 igen Zinsen von dem dort aus- gewiesenen Kapitalsaufwande per K 1,062,577.721 » 45,159-553 mithin ein Gesamterfordernis von K 110,888.264 verbleibt ein Passivsaldo von K 77,156.674 Investitionsprogramm 1905. Im Bau- und Investitionsprogramm fiir die Jahre 1901 —1905 (Gesetz vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63) waren speziell fiir das Jahr 1905 vorgesehen: Fiir den Staatseisenbahnbau.K 46,378.000 Fiir die Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung zum Zwecke des Baues von Privatbahnen und Enver- bung der Lime Asch—Rofibach.>> 2,800.000 Fiir den Staatsbahnbetrieb . . . . . . . . » 42,776.000 Zusammen K 91,954.000 Mit dem Gesetze vom 24. Juli 1905, RGB. Nr. 129, wurden zum Zwecke der Ausfiihrung und Aus- gestaltung des Bau- und Investitionsprogrammes der Staatseisenbahnvenvaltung fiir die Jahre 1905 bis 1908 weitere Kredite bewilligt, wovon auf das Jahr 1905 entfielen: Fiir den Staatseisenbahnbau.K 60,662.000 Fiir die Vermehrung und Erganzung des Fahrparkes der k. k. Staatsbahnen.» 11,800.000 Zusammen K 72,462.000 Hieraus resultiert ein Gesamt- (zugleich Netto-) Erfordernis von K 164,416.000. Endlich wurde die Regierung mit dem Gesetze vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 124, betreffend die Beteiligung des Staates an der Kapitalsbeschaffung fiir mehrere Lokalbahnen ermachtigt, den diesfalls aufgewendeten Betrag, insoweit hieftir die mit dem Gesetze vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, zum Zwecke der Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung bewilligten Kredite nicht ausreichen, durch Begebung *) Darunter: Obernahme des Reservefonds der Lokalbahn Postelberg—Laun und der Kremstalbahn mit K 83.000; Anteil des Staates an dem Reingewinne des Kaiser Ferdinands- Nordbahn K 400.000. 250 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. von Obligationen der durch die Gesetze vom 2. August 1892, RGB. Nr. i3i,und vom 26. Janner 1897, RGB. Nr. 33, geschaffenen Rente, beziehungsweise Investi- tionsschuld zu bedecken. 1906. Das die Stelle des Finanzgesetzes vertretende Budgetprovisorial-Gesetz vom 28. Dezember 1906, RGB. Nr. 257, normierte die Gesamtausgaben mit K 1.814,898.285 die Gesamteinnahmen mit » 1.815,295.170. In bezug auf die Eisenbahngebarung weist der fiir dieses Jahr ein- gebrachte und durch obiges Gesetz als Rechnungsgrundlage vorgezeichnete Staats- voranschlag die Anderung auf, dafi das Erfordernis gleichwie die Bedeckung fiir die garantierten Eisenbahnen nicht mehr unter einem besonderen Kapitel (Subven- tionen) veranschlagt ist, sondern in den Etat des Eisenbahnministeriums einbezogen erscheint. In diesem Etat stellen sich nunmehr Ordentliche Aufierordentl. Zusammen die Ausgaben auf ... K 260,243.860 K 14,442.860 K 274,686.720 die Einnahmen auf ...» 309,249.400*) » 2,969.170 » 312,218.570 der Einnahmeniiberschn.fi auf -)- K 49,005.540 — K 11,473.690-]-K 37,531.850 Das diesem Uberschusse entgegenzuhaltende Er¬ fordernis fiir Verzinsung und Amortisation im Etat der Staatsschuld, Kap. 23, betragt laut Erlauterung zum Staatsvoranschlage 1906, Seite 218, Anmerkung 1. zuztiglich der 4°/ 0 igen Zinsen**) von den dort aus- gewiesenen Kapitalsaufvvendungen, u. zw.: von K 539,445.808 per » ♦ 33,601.160 » » » 512 , 476.356 >' - » 5,533-773 » __ ergibt sich ein Gesamterfordernis von ... K 111,765.797 sonach ein Passivsaldo von ... K 74,233.947 Investitionserfordernis 1906. Mit dem Gesetze vom 24. Juli 1905, RGB. Nr. 129, sind pro 1906 fiir den Staatseisenbahnbau . . K 35,077.000 bewilligt worden. Aufierdem wurde die Regie- rung mit dem Gesetze vom 28. Dezember 1906, RGB. Nr. 257, (§ 5) ermachtigt, fiir Vermeh- rung und Erganzung des Fahrparkes der Staats- eisenbahnen...* 3D5 00 - 000 und fiir die vergleichsweise Abstattung der ab- gerechneten Baukosten fiir die galizische Trans- versalbahn. » 3,551-ooo zu verwenden. Hieraus resultiert ein Gesamt- (zugleich Netto-) Erfordernis von K 70,128.000 *) Darunter: Barzahlung des Herzogtumes Salzburg aus Anlafi der Erwerbung der Pinzgauer Lokalbahn durch den Staat mit K 1,000.000; Anteil des Staates an dem Rein- gewinne der Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit K 1,500.000. **) Der Zinsfuft wurde im Hinblicke auf die Konvertierung der einheitlichen 4’27„igen Rente von 4 1 / 4 auf 4 0 / 0 herabgesetzt. K 68,123.514 » 21,577.832 » l,344.046 » 20,499.054 » 221.351 Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 251 Die Summarziffem und Schlufiergeb- nisse der in der vorstehenden auszugs- weisen Darstellung enthaltenen Praliminar- ansatze der einzelnen Jahresbudgets sind in der nachfolgenden Tabelle zusammen- gefafit. Sie solite eigentlich mit demjahre 1906 — dem letzten der Gegenstandsperiode ■— abschliefien. Gleichwohl diirfte es nicht unerwiinscht sein, auch die Vor- anschlagsdaten des Jabres 1907, \velches schon in die neueste, mit der Einbeziehung der Kaiser Ferdinands-Nordbahn ein- geleitete Entwicklungsphase der Eisen- bahngebarung fallt, hier angereiht zu finden. Diese Daten sind, durch einen Zwischenraum von jenen der Gegenstands¬ periode getrennt, am Schlusse der Ta¬ belle beigefiigt. Hiebei ist zn bemerken, dafi in die fur die Aufstellung des Zentralrechnungs- abschlusses fiir das Jahr 1907 mafigeben- den Grundlagen bezuglich der Kaiser Ferdinands-Nordbahn nachtraglich (Gesetz vom 28. Dezember 1907, RGB. Nr. 285) auch die Gebarung des Jahres 1906 einbezogen erscheint, in dem der Betrieb fiir Recbnung des Staates noch von der Verwaltung der Gesellschaft gefiihrt wurde. Sie kommt mit dem als aufierordentliche Einnahnie eingestellten Reingewinn aus dem Betrieb e der genannten Bahn im Betrage von K 7,383.980 zum Ausdruck. Um zu gleichartigen Daten zu gelangen, \vurde diese Post so\vie die ubernommene Investitionsfondsquote der Nordbahn per K 15,000.000 aus den aufierordentlichen Einnahmen und ebenso der korrespon- dierende Investitionsaufwand dieser Bahn gleichwie die Post von K 19,737.000 an aufierordentlichen Aufwendungen fur Er- ganzungsarbeiten und Anschaffungen der Staatsbahnen aus den aufierordentlichen Ausgaben des Jahres 1907 ausgeschieden. Staatsausgaben und Staatseinnahmen im ganzen, dann fiir Eisenbahnzwecke nach den Staatsvoranschlagen 1897—1906 (1907) in Millionen Kronen. *) Im Etat der Staatsschuld praliminiert, daher abziiglich der im Etat des Eisen- bahnministeriums als Ausgabe eingestellten vertragsmafiigen Zahlungen fur Verzin- sung und Amortisation. *’) Einschliefilich Staatseisenbahnbau und Beteiligung an der Kapitals- beschaffung zum Zwecke des Baues von Privatbahnen. ***) Einschliefilich der verstaatlichten Kaiser Ferdinands-Nordbahn. Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. 252 Aus der vorstehenden Tabelle ist die nach den Staatsvoranschlagen praliminierte budgetare Bilanz der Eisenbahngebarung des Staates ersichtlich. Sie erscheint an- gesichts der schwankenden Einnahmen- iiberschiisse und der unausgesetzt steigen- den Kapitalslasten wenig befriedigend. Immerhin ist seit 1904 eine Besserung eingetreten, indem die Ziffer des Passiv- saldos von 80 auf 74 Millionen Kronen gesunken ist. Darin mag nebst der giinstigeren Verkehrskonjunktur auch die erhoffte produktive Wirkung der in nam- hafter Hohe fiir Investitionen und Neubau gewidmeten Kapitalsbetrage zu erkennen sein. Das am Schlusse der Tabelle bei- gefiigte Jahr 1907 weist eine weitere Herabminderung des Abgangs auf rund 70 Millionen Kronen aus. Gegeniiber dem unerfreulichen Ein- drucke, den die hohen Abgangsziifern auf den ersten Anblick machen, darf indes nicht iibersehen werden, dafi es sich dabei um die rechnerische Gegeniiberstellung von Praliminarziffern handelt, wogegen die wirkliche Betriebsgebarung, auf die es vorzugsweise ankommt, von den schlechten Ausnahmsjahren abgesehen, zumeist giinstigere Ergebnisse zu liefern pflegt. Die hohen Gebarungsiiberschiisse des Staatshaushalts in den letzten Jahren sind hiefiir ein vollgtiltiger Beweis. Ferner ist bei obigen Voranschlags- ziffern des Abgangs der Eisenbahnge- barung eine ganze Reibe von Gegen- posten nicht beriicksichtigt. V or allem die in den Kapitalslasten enthaltenen, fiir die Tilgung der riickzahlbaren Eisenbabn- schulden bestimmten Betrage, durch deren Aufwendung das Schuldkapital sich allmahlich herabmindert. Weiter fehlt nebst der einer ziffermafiigen Dar- stellung sich entziehenden indirekten Rentabilitat der Bahnen, die aber in der fortscbreitenden Zunabme des Volks\vohl- standes und der Steuerkraft zu Tage tritt, die ganze Summe der Sffentlichen Lei- stungen der Eisenbahnen, worunter die dem Staate zuflieCenden Steuern und Ge- biihren von den Staats- und Privatbahnen sowie von dem durch sie vermittelten Verkehr besonders hervorzuheben sind. Da sie mit Ausnahme der Fahrkarten- steuer im Staatsvoranschlage nicht speziell, sondern nur zusammen mit den tibrigen gleichartigen Staatseinnahmen praliminiert sind, kann hier eine ziffer- mafiige Angabe liber die Hohe dieser Gesamt-Gegenpost nicht Platz finden. Wohl aber \vird auf sie bei der Dar- stellunjr der Gebarunofserg^ebnisse zuriick- zukommen sein. IV. Entwicklung des Staats- bahnbetriebes. Unter den eisenbahnwirtschaftlichen Gebarungen des Staatshaushalts nimmt derStaatseisenbahnbetrieb nicht nur wegen seiner Bedeutung fiir das gesamte Verkehrs- wesen und die Volks\virtschaft, sondern auch wegen seiner unmittelbaren Ein- wirkung auf die Staatsfinanzen den ersten Platz ein. Auch in dem hier zu be- sprechenden Zeitraume tritt die Bedeutung dieses' Dienstzweiges klar zu Tage. Er beeinflufit in namhaftem, langsam zu- nehmendem Umfange die Haushaltsge- barung des Staates. In seinen Ergeb- nissen spiegelt sich die auf- oder ab- steigende Bewegung der heimischen V olks- wirtschaft. Sie sind der Gradmesser der Intensitat des gesamten wirtschaftlichen Lebens. Den Ausgangspunkt einer iibersicht- lichen Darstellung der Ergebnisse des Staatsbahnbetriebes bat sachgemafi die aufiere Entwicklung des Bahnbestandes zu bilden, der diesem Betriebssysteme in der Gegenstandsperiode unterstellt wurde. Da der Staatsbetrieb nicht nur auf den im Eigentum des Staates be- findlichen und auf den fiir Rechnung des Staates verwalteten Bahnen in Geltung steht, sondern auch zahlreiche Bahnen umfafit, die vom Staate fiir Rechnung ihrerEigentumer betrieben werden,kommen fiir das Anwachsen des Staatsbetriebs- netzes einerseits die neuen vom Staate erbauten Bahnlinien sowie die von ihm ervrorbenen und fortan fiir seine eigene Rechnung betriebenen Privatbahnen, anderseits die im Zeitverlaufe eroffneten und vom Staate fiir fremde Rechnung betriebenen Bahnen (zumeist Lokalbahnen) in Betracht. Dieses verschiedenartige Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 253 Verhaltnis beeinflufit die in den Geschafts- berichten der Staatseisenbahnverwaltung dargestellten Gebarungsziffern und stati- stischen Durchschnittsergebnisse nament- lich insofern, als bei einer Reihe dieser Ziffern, insbesondere bei den Einnahmen, nur die fiir eigene Rechnung; betriebenen Bahnen beriicksichtigt sind, bei anderen Zifferngruppen dagegen, zumal bei der Ausgabenstatistik die durchschnittlichen Ergebnisse des gesamten Betriebsnetzes zur Darstellung gelangen. Die zunehmende raumliche Aus- dehnung des Staatsbetriebes in der zehn- jahrigen Periode 1897 —1906, der des Vergleiches halber anmerkungsvveise noch das Jahr 1907 beigefugt wurde, ist aus der nachfolgenden Zusammenstellung er- sichtlich. Die den Jahresberichten der k. k. Staatseisenbahnverrvaltung entnommenen Langen der wahrend der einzelnen Jabre durchschnittlich im Betriebe gestandenen Bahnstrecken sind hier auf ganze Kilometer abgerundet.*) Durchschnittlich e Betriebslange der vom Staate betriebenen Eisen¬ bahnen in denjahren 1897—1906. *) Die Zahlen ab 1898 sind dem letzten Berichte liber die Ergebnisse der k. k. Staats- eisenbahnverwaltung (fiir das Jahr 1907) ent- Der Zurvachs, den das Staatsbetriebs- netz in dem Jahrzehnt 1897 —1906 erhalten kat, betragt im ganzen 3533 km = rund 38 °/ 0 , wovon auf die fiir Rechnung des Staates betriebenen Bahnen 943 km = rund i2°/ 0 des anfanglichen Bestandes ent- fallen. Der Hauptanteil des Zmvachses in dieser Gruppe betrifft die in denjahren 1897, 1899, 1900, 1903—1905 eroffneten galizischen Staatsbahnlinien Halicz— Ostrow—(Tarnopol), Chodorow—Pod- wysokie und Stryj—Chodorow mit zu- sammen 183 km, Przeworsk—Rozwadow mit 74 km und Lemberg—Sambor— ungarische Grenze mit 166 km, im ganzen 424 km, sowie die in den Jahren 1905 und 1906 eroffneten Teilstrecken der neuen Alpenbahnen (Schwarzach— Gastein3o km, Klagenfurt—Afiling4i km, Villach—Rosenbach 23 km, Afiling— Gorz—Triest 147 km, Pyhrnbahn 44 km, zusammen 285 km). Mit 1. Janner 1907 sind die in das Eigentum und den Betrieb des Staates iibergegangenen Linien der Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit 1345 km hinzugekommen. Unmittelbaren Einblick in bezug auf die stetig zunehmende rvirtschaftliche und verkehrspolitische Bedeutung des Staats- bahnbetriebes gewahren die Daten der Verkehrsstatistik. Aus dem reichhaltigen Material, welches die Jahresberichte der Staatseisenbahnverwaltung hieriiber ent- halten und das auch in dem jtingsten dieser Berichte — jenem fiir das Jahr 1907 — in einer Reihe tabellarischer Beilagen*) iibersichtlich geordnet fiir das ganze vor- ausgegangene Jahrzehnt zusammengestellt ist, seien nur die folgenden besonders charakteristischen Daten hier angefiihrt. nommen, wo sie in Beilage II auf Seite 246 enthalten sind. Laut der dort ani Schlusse der Tabelle beigefiigten Anmerkung sind dabei fiir die Jahre 1898—1905 die Siid- dalmatiner Staatsbahn, Miihlkreisbahn, Krems- talbahn und Lokalbahn Cilli—Wollan in der Summe der fiir Rechnung des Staates be¬ triebenen Bahnen nicht eingerechnet. Die Wiener Stadtbahn, rvelche dort in einer eigenen Rubrik erscheint, ist hier den fiir fremde Rechnung betriebenen Bahnen zuge- zahlt, da sie seit ihrer Vollendung vom Staate vertragsmaflm fiir Rechnung der Kommission fiir Verkehrsanlagen in Wien betrieben wird. *) Beilage 9—n, Seite 244 flf. 254 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Verkehr der flir Rechnung des Staates be- Die Zahlen der vorstehenden Tabelle lassen ersehen, dafi ungeachtet der un- giinstigen Verkehrs konjunktur in den Jahren um die Jahrhundertwende die fortschreitende Entwicklung des Ver¬ kehrs auf dem vom Staate betriebenen Bahnnetze nahezu ununterbrochen fort- gedauert hat. Nur die Jahre 1899 und 1903 zeigen, das erstere in beiden Verkehrs- zweigen, das letztere lediglich im Personen- verkehr, einen Riickgang beziiglich der Anzahl der beforderten Verkehrseinheiten gegeniiber dem Vorjahre. Eine Minder- frequenz in den zuriickgelegten Personen- kilometern weist das Jahr 1901 auf. Auf Transporteinnahmen der fiir Rechnung des Staates Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 255 triebenen Bahnen in den Jahren 1897—1906. die Entwicklung des Personenverkehres hal sicher auch die Einfuhrung der einer Tariferhohung von netto iO°/o gleich- kommenden Personenfahrkartensteuer im Jahre 1903 hemmend eingewirkt. Der Frequenzruckgang in diesem Jahre gegen das Vorjahr betragt in der Anzahl der beforderten Personen nahezu zwei Millio- nen, in der Zahl der zuriickgelegten Personenkilometer rund 130 Millionen. Dieser Riickschlag erscheint iibrigens schon im folgenden Jahre 1904 iiber- wunden, in dem die unterbrochene auf- steigende Bewegung wieder kraftig' einsetzt, um fortan verstarkt anzu- halten. betriebenen Bahnen in den Jahren 1897 —1906. 256 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Die Transporteinnahmen des Staats- betriebsnetzes zeigen sowohl im ganzen als per Kilometer eine ununterbrochene, durch die schlechten Jahre 1899 — 1903 verlang- samte, gegen Ende des Jahrzehnts aber rasch aufsteigende Bewegung. Die Per- soneneinnahme ist trotz des Frequenz- ausfalles im Jahre 1903 nie zuriick- gegangen. Die Frachteneinnahme hat im Jahre 1899 gegen das Vorjahr einen Riickgang erlitten, der auf den Tiefstand der geschaftlichen Konjunktur schliefien lafit. Im folgenden Jahre wurde der Ausfall wieder ausgeglichen und die Ein- nahmenziffer 1898 nicht unbetrachtlich iiberschritten. V. Finanzielle Gebarungs- ergebnisse des Staatsbahn- betriebes. Die finanziellen Gebarungsergebnisse des Staatsbahnbetriebes, \velche in ge- wissem Sinne ein Gegenstiick zu den An- nahmen liber ihre voraussichtliche Gestal- tung bilden, wie sie den Positionen der Staatsvoranschlage zu Grunde liegen, sind nicht nur fiir den Staatshaushalt von unmittelbarer, stetig wachsender Be- deutung; sie werden aufierdem als Grad- messer des staatswirtschaftlichen Erfolges betrachtet, den die staatliche Eisenbahn- verwaltung in Absicht auf die gedeihliche Losung der ihr obliegenden Aufgaben zu erzielen im stande war. Dies gilt allerdings zunachst nur in bezug auf die finanzielle Seite dieser Aufgaben. Es wurde aber einer einseitigen Auffassung gleich- kommen, wenn diese allerdings hoch- wichtige Seite des Gegenstandes allein in Betracht gezogen wiirde. Andere, dem finanziellen Gesichtspunkte zum Teil geradezu entgegenwirkende Riicksichten, wie beispielsweise die Hebung der Sicherheit und Bequemlichkeit des Ver- kehres durch kostspielige Vorkehrungen, sowie manche Einrichtungen, deren Fruchte erst spaterhin reifen, die aus humanitaren und sozialpolitischen Grunden unabweisbare, aber mit namhaften Aus- lagen verbundene Fiirsorge zur Ver- besseruno; der materiellen Lare des Bahn- o o personals, die Einhaltung von Tarifen deren Ausmafi ein bewufites Opfer fur unterstutzungsbediirftige Zweige der hei- mischen Volkswirtschaft darstellt, ali das sind offentliche, zum Teil staatswirt- schaftliche Pflichten, deren Erftillung der Staatseisenbahnver\valtung nicht minder obliegt als die štete Bedachtnahme auf den finanziellen Erfolg des Betriebes. Wenn nun zu den an und fur sich schwierigen Bau- und Betriebsverhaltnissen der oster- reichischen Staatsbahnen ungiinstige iiufiere Umstande hinsichtlich der ge¬ schaftlichen Lage und der Materialpreise hinzutreten, so kann es nicht wnnder- nehmen, dafi infolge des Zusammentreffens dieser Faktoren die finanziellen Ergeb- nisse des Staatsbetriebes in dem letztab- geschlossenen Jahrzehnt manches zu wiinschen ilbrig lassen. Das Schwergewicht der finanziellen Betriebsergebnisse liegt in den ordent- lichen Einnahmen und Ausgaben, aus denen sich der Betriebsuberschufi ergibt. Den Hauptbestandteil der ersteren bilden die Transporteinnahmen, zu denen noch kleinere Einnahmsposten, wie die pauschal- weise ermittelten Einnahmen neuer Strecken, die Einnahmen aus dem Salz- geschafte, der Anteil an dem Gemein- schaftsverkehre respektive Reingewinne der Aussig-Teplitzer Bahn, der Anteil des Staatsbetriebes an den Einnahmen des Eisenbahnministeriums und des Zentral-Wagendirigierungsamtes, dann die Einnahmen aus den im fremden Betriebe stehenden Staatsbahnstrecken und ver- pachteten Anscbluftstrecken sowie sonstige verschiedene Einnahmen hinzukommen. Die ordentlichen Ausgaben umfassen nebst den Betriebsausgaben aller Art ein- schliefilich jener der Hilfsanstalten fiir den Betrieb und des Salzgeschaftes sowie der zu den eigentlichen Betriebskosten nicht gehorigen Ausgaben das Pauschal- erfordernis fiir neue Strecken, die Kosten- anteile des Staatsbetriebes an den Aus¬ gaben des Eisenbahnministeriums und des Zentral-Wagendirigierungsamtes, dann die ordentlichen Ausgaben der Staats¬ bahnen im fremden Betriebe. In dem neuesten Geschaftsberichte der oster- reichischen Staatseisenbahnverwaltung (1907) sind zur Bildung des Betriebs- Die Osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 257 iiberschusses auch die auf denselben einwirkenden aufierordentlichen Ein- nahmen und Ausgaben des Staatsbetriebes herangezogen und ist diese Berechnungs- methode auch ruckwirkend auf das Jahr 1906 angewendet. Da jedoch die gleiche Berechnung fiir die friiheren Jahre nicht vorliegt, sind in der nach- folgenden Tabelle, welche die fiir die Bildung des Betriebsiiberschusses mafJ- gebenden ordentlichen Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben, die in letzteren inbegriffenen Betriebsausgaben, den Be- triebsiiberschuft im ganzen und per Kilo¬ meter, dann den Betriebskoeffizienten der vom Staate fiir eigene Rechnuno- be- triebenen Bahnen fiir die einzelnen Jahre der Gegenstandsperiode enthalt, die in den Jahresberichten der Staatseisenbahnver- waltung veroffentlichten Daten unter Bei- fiigung der neu ermittelten Schlufiergeb- nisse fiir das Jahr 1906 zu Grunde gelegt. Der lahmende Einflufi der Depression, welche um die Jahrhundertwende auf dem wirtschaftlichen Leben lastete, macht sich, wie dies schon bei der Entwicklung des Verkehres und der Transporteinnahmen im vorigen Abschnitte hervorgehoben wurde, auch in den aus der vorstehenden Tabelle ersichtlichen Zahlen der Gesamt¬ einnahmen, deren wichtigsten Bestandteil die Transporteinnahmen bilden, deutlich bemerkbar. Die durchschnittliche Jalires- zunahme betragt in den 6 Jahren 1898— 1904 nicht ganz 8 Mili. K, wogegen sie von 1897 auf 1898 17 i Mili. K und von 1904 auf 1905 15-7 Mili. K, von 1905 auf 1906 30 Mili. K erreicht hat.*) Die *) Desgleichen auSerte sich die ungunstige Verkehrskonjunktur in dem Umstande, dafi die Staatsbetriebs-Einnahmen in diesen Jahren stets, und zwar zum Teil recht erheblich hinter dem Staatsvoranschlage zuriickblieben, wo- gegen die Betriebsausgaben ihre steigende Tendenz beibehielten. Die Mindereinnahmen gegeniiber dem Praliminare betrugen im Jahre 1899 K 5,702.264, im Jahre 1900 K 5,565.288, im Jahre 1901 K 8,289.394, im )ahre 1902 K 5,448.122, im Jahre 1903 K 1,564.141. Da- gegen weisen die folgenden Jahre durchwegs das Praliminar iibersteigende Einnahmen auf, und zwar 1904 +146,931.825,1905-j-K 13,165.496, 1906 + K 27,967.346, 1907 (inkl. Nordbahn) -J- K 40,648.094. Finanzielle Ergebnisse des Staatsbahnbetriebes in den Jahren 1897—1906. 17 258 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Verlangsamung des normalen Einnahmen- zuwachses fallt fiir das finanzielle Schlufi- ergebnis um so schwerer ins Gewicht, als gerade in den schwachen Jahren die Ausgaben, und zwar insbesondere die Betriebsausgaben eine stark steigende Tendenz aufweisen. Letztere sind von 1897 auf 1898 um i 6 - 3 Mili. K, von 1898 auf 1899 um 14/8 Mili. K, von 1899 auf 1900 um 2 2'3 Mili. K und von 1900 auf 1901 bei nahezu gleichgebliebenen Ein- nahmen um weitere 3’i Mili. K gestiegen. In diesem unverhaltnismafiig raschen An- wachsen der Betriebsausgaben kommt die finanzielle Riickwirkung der in dieser Zeit getroffenen sozialpolitiscben Mafinahmen und Vorkehrungen zur Erhohung der Ver- kehrssicherheit zum Ausdruck. Das im Jahre 1898 eingeftihrte Fahren in Raum- distanz, die gleichzeitige Regelung der Dienst- und Ruhezeiten des im Exekutiv- dienste verwendeten Bahnpersonals hat bei Erreichung der angestrebten Zwecke namhafte Mehrauslagen herbeigefiihrt. Die jahrlichen Kosten der im Jahre 1899 als Beginn der seither unablassig fortgesetzten Aktion zur Verbesserung der materiellen Lage des Personals in Kraft getretenen Gehaltsregulierung sind im Geschafts- bericht fiir das Jahr 1901 mit dem Mehrauf- wande von K 5,385.053 beziffert. Darinsind die Mehrkosten der Verbesserung der Pensionsverhaltnisse, Einfithrung von Mi- nimalpensionen etc. nicht inbegriffen. So erklart sich der zeitweilige Riickgang des Betriebsiiberschusses, der von 1898 bis 1900 und 1901 von 67^8 Mili. K auf 51‘9 Mili. K und 53‘4 Mili. K oder per Kilometer von K 8300 auf K 6228 und K 6396 gesunken ist. Gleichzeitig ist der Betriebskoeffizient von 72 - O 2 °/ 0 auf 80 4 2 g°l n und8o - o6°/ 0 ge¬ stiegen und ist dessen fiir das Jahr 1897 ausgewiesene Minimalhohe von 70 ’ 28 °/o in der Gegenstandsperiode tiberhaupt nicht mehr, der nachstgiinstigeStand mit 72^02 °/ ft (1898) annaherungsweise nur noch im Jahre 1906 — bei inzwischen um fast 50°/ 0 ge- stiegenen Einnahmen •— erreicht worden. Es steht aufier Zweifel, daB zu der un- giinstigeren Gestaltung der Betriebsaus- lagen und des Betriebskoeffizienten in der Gegenstandsperiode auch die im Laufe derselben eingetretene Steigerung der Arbeitslohne und Materialpreise beige- tragen hat. Diese erstreckte sich auf nahezu alle Massenartikel des Verbrauchs, vortibergehend auch auf Mineralkohle, und konnte ihre Wirkung von Seite der Staats- bahnverwaltung nur durch umsichtigste Benutzung der jeweiligen Geschaftskon- junktur, wie namentlich durch AbschluB mehrjahriger Lieferungen abgesclrvvacht werden. Die neueste Phase der Kohlen- verteuerung seit 1906 fallt aufierhalb des Rahmens der gegen\vartigen Erorterung. Den Abschlufi der finanziellen Er- gebnisse des Staatsbahnbetriebes bildet die Beantwortung der Frage nach der Verzinsung des Anlagekapitals durch den Betriebsuberschufi und nach der Hohe des Staatszuschusses zu obigem Betriebe in den einzelnen Jahren. Die Beantrvortung dieser beiden Fragen wird in einem der folgenden Abschnitte versucht werden. Vorher jedoch erscheint es geboten, den beiden Hauptfaktoren, die das sukzessive Anwachsen des Anlage¬ kapitals zur Folge haben, namlich In- vestitionen und Neubau, einige Worte zu widmen. VI. Extraordinarium, Investitionsgebarung, Eisen- bahnneubau. Neben der die ordentlichen Einnahmen und Ausgaben umfassenden Gebarung des Staatsbahnbetriebes kommen fiir das finanzielle Schlufiergebnis desselben auch die von dieser Gebarung im Staatsvor- anschlage gleichwie in den Rechnungs- abschltissen unterschiedenen aufi er or¬ dentlichen Einnahmen und Aus¬ gaben in Betracht. Diese Gebarung betrifft, was die Ausgaben anlangt, haupt- sachlich jen en Aufwand, der iiber die normale Erhaltung und Erneuerung der Bahn und ihres Zugehors hinaus zum Zwecke der den jeweiligen Verkehrsbe- diirfnissen entsprechenden Fortbildung der Bahnanlagen und Einrichtungen bestritten werden mufi. Diesem Erfordernisse stehen als Bedeckung zumeist Zuweisungen aus besonderen fiir derartige Bediirfnisse ge- 1 bildeten Fonds und Anlehensbestanden Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 259 gegeniiber. Schon hieraus erhellt der enge Zusammenhang der Extraordinarialge- barung mit den Investitionen. Letztere, zu denen insbesondere die Fahrparksver- mehrungen, Neuanlagen von Fahrgleisen, Eahnhofsumbauten und Stationserwei- terungen zu zahlen sind, charakterisieren sich durch das Merkmal der Werterh6hung, die es rechtfertigt, sie ebenso wie den Aufwand fiir Eisenbahnneubau zur Ganze oder doch beziiglich der Wertdifferenz dem Kapitalkonto anzulasten. In der Praxis kann allerdings der Unterschied zwischen aufierordentlichen undlnvestitionsauslagen nicht immer streng festgehalten werden und kommt hiebei naturgemafi auch der Umstand in Betracht, ob und in welchem Mafie jeweils die Moglichkeit gegeben ist, fiir derartige Auslagen besondere Bestande oder verfiigbare Anlehensmittel heranzuziehen. Es resultiert demnach in letzterLinie zurUnterscheidung der aufier- ordentlichen von den Investitionsanlagen nur das rein aufierliche Moment, dafi erstere in das Staatsbudget mit dem voli en Kapitalsbetrage eingestellt werden, letztere aber auf besonderen gesetzlichen Anord- nungen beruhen und auf den Staatshaus- halt nur mit der im Aufwande fiir die Staatsschuld mitenthaltenen Jahreslast der aufgewendeten Kapitalsbetrage einwirken. In je hoherem Mafie nun die finan- ziellen Gebarungsergebnisse der Staats- eisenbahnverwaltung infolge der fort- schreitenden Ausdehnung des Staatsbe- triebes den Staatshaushalt beeinfiussen, desto mehr mufi das Bestreben darauf gerichtet sein, diese Ergebnisse moglichst giinstig zu gestalten. Wahrend jedoch einer fiskalischen Handhabung der Tarif- politik tiberwiegende volkswirtschaftliche Ritcksichten verbietend oder doch we- sentlich einschrankend im Wege stehen, sprechen alle Erwagungen iiberein- stimmend dafiir, zur Erreichung des an- gestrebten Zieles nebst einer die Pflege des Ertrages angemessen beriicksichtigen- den Tarifierung und moglichst kommer- ziellen Betriebsorganisation eine die glatte und betriebsokonomische Abwicklung des Verkehres sichernde zeitgemafie Ausge- staltung des Bahnbestandes und seiner Einrichtungen ins Auge zu fassen. Diese Grundanschauung hat zu der Erkenntnis gefiihrt, dafi es zur reellen Verbesserung der Ergebnisse derStaatsbahnen notwendig sei, dem Staatsbetriebe die Mittel zur Befriedigung der durch die zunehmende Entwicklung des Verkehres in fortdauernd steigendem Mafie erwachsenden Be- diirfnisse nach Verbesserung und Erwei- terung der bestehenden Anlagen, Ver- mehrung des Fahrparks und zeitgemafier Vervollstandigung der Ausriistung unab- hangig von den engen Grenzen der lau- fenden Jahresbudgets zuzuwenden. Aus dieser Erkenntnis ist die in die Be- sprechungsperiode fallende gesetzliche Sicherstellung eines 5jahrigen Bau- und Investitionsprogrammes fiir den Linien- neubauund die Ausriistung des bestehenden Staatsbahnnetzes*) hervorgegangen. Auf diesem Wege ist der Zweck einer umfassenden Vorsorge fiir den Investitions- bedarf des Staatsbetriebes unter Entlastung desEisenbahnbudgets vonder kapitalischen Verrechnung des Investitionsaufwandes fiir eine Reihe von Jahren erreicht worden. Es ist der gleiche Gedanke, wie ihn der vormalige Finanzminister Exzellenz Dr. Leon Ritter von B1 1 i n s k i durch die Einfuhrung eines von dem ordentlichen Staatshaushaltsetat getrennten Investi- tionsbudgets anstrebte, das in den Jahren 1897 — 1900 tatsachlich in Geltung stand.**) Eine ungewohnliche Gunst der Um- stande hat es nach dem Ablaufe des im Jahre 1901 festgesetzten 5jahrigen In- vestitionsprogramms, welches im Jahre 1905 durch die Bauraten der Neubau- linien bis 1908 und einen Fahrparks- kredit erganzt wurde, ermoglicht, die seit- her zugewachsenen Investitionsbediirfnisse der Staatsbahnen am Schlusse der Gegen- standsperiode und sohin noch weiters durch Zuwendung von Teilbetragen aus *) Gesetz vom 6. Juni igoi, RGB.Nr.63, be- treffend die Herstellung mebrerer Eisenbahnen auf Staatskosten und die Festsetzung eines Bau- und Investitionsprogrammes der Staats- eisenbahnverwaltung fiir die Zeit bis Ende des Jahres 1905. Dasselbe bewilligte fiir Staats- bahnbauten 197-502 Mili. K, fiir Unterstiitzung von Privatbahnbauten und Erwerbung einer Privatbahn 17-480 Mili. K, fiir In v e s ti ti on en des Staatsbetriebes 272-056 Mili. K, zu- sammen 487-038 Mili. K. **) Vgl. hieriiber die Ausfiihrungen _ in »Osterreichs Eisenbahnen und die Staatswirt- schaft«, Bd. II d. W., S. 27. I7 : 2ČO Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Aufierordentliche Einnahmen und Ausgaben des Staatsbetriebes und Investitionsgebarung. den Gebarungsiiberschtissen des Staats- haushalts in den Jahren 1905 —1907*) zubedeckenund sohin von der Anwendung des Hilfsmittels der Anlehensaufnahme Umgang zu nehmen. So zweckmafiig und erwiinscht dieser Vorgang vom allgemeinen staatsfinanziejilen Standpunkte erseheint, wird die Staatseisenbahnverwaltung doch darauf bedacht sein miissen, die Be- *) Es wurden in dieser Weise bewilligt: Laut § 5 des Gesetzes vom 28. Dezember 1906, RGB. Nr. 257, fur Vermehrung und Erganzung des Fahrparks der Staatseisen- bahnen K 31,500.000; im § 5 des Gesetzes vom 28. Dezember 1907, RGB. Nr. 257, fur Erganzungsanlagen und Erweiterungsbauten, fur Ausgestaltung von Bahnhofen, fur Gleisanlagen, danil fiir Ver¬ mehrung und Erganzung des Fahrparks der Staatseisenbahnen K 57,700.000. riicksichtigung des unabweislichen Inve- stitionsbedarfs moglichst unabhiingig von dem jevveiligen Ergebnisse der laufen- den Staatshaushaltsgebarung sicherzu- stellen.*) Die vorstehende Zusammenstellung gibt ein iibersichtliches Bild der Betrage, die in den Jahren 1897—1906 als aufier- ordentliche Ausgaben und Einnahmen zur Verrechnung gelangt sind. Neben dieser dem ordentlichen Budget angehorigen etat- mafiigen Gebarung, deren Bedeckung zu- meist durch Uberweisung von Investitions- fonds verstaatlichter Bahnen, spaterhin *) Der hier entwickelte Standpunkt wurde vom Verfasser auch in der Budget- debatte des Abgeordnetenhauses am 16. Juni 190S (Stenographisches Protokoli S. 5898) vertreten. Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatsvirtschaft. 26l durch besondere Kreditbewilligungen er- folgte, jsthier auch die aufieretatmafiige I n- vestitionsgebarung anzufiihren. Diese hat auf Grund des Investitions- praliminars aus denjahren 1897 und 1898 sowie des Bau- und Investitionsprogram- mes vom Jahre 1901 stattgefunden und — wie die Zahlen zeigen — einen be- deutenden Umfang erlangt. Man ersieht aus der vorstehenden Tabelle, vvelch bedeutende Summen Jahr fiir Jahr den Staatsbahnen zu Investi- tionszwecken zugewendet worden sind. Die Jahresbetrage der aufierordentlichen Ausgaben — vordem die einzige budgetare Gebarungsrubrik fiir Investitionen — sin- ken bis auf K 867.269 im Jahre 1903, vvahrend die Ausgabengebarung auf Grund des Investitionspraliminars und des Bau- und Investitionsprogramms sich gleichzeitig ihrem im selben Jahre mit K 45,404.193 erreichten Hohenpunkte nahert und auch in den nachstfolgenden Jahren hohe Verwendungszahlen aufweist, die jene der Extraordinarialgebarung weit- aus iibersteigen. Die Geschaftsberichte der Staatsbahn- verwaltung bringen alljahrlich nach Ver- wendungszwecken gruppierte auszugs- weise Zusammenstellungen der Kosten fiir grofiere, auf den Staatsbahnen zur Aus- fiihrung gebrachte und mit einer Erhohung des Bahnwertes verbundene Investitionen. Dabei ist zwischen den einzelnen Ge- barungsrubriken und Jahreskrediten kein Unterschied gemacht. Da es sich nur um die Bewertung besonders rvichtiger Auf- wendungen handelt, hat eine Vollstan- digkeit beziiglich des Gesamtaufwandes bei der Anlage der in Rede stehenden Zusammenstellungen nicht vorgeschwebt. Die Zahlen folgen unten. Zu den hier bewerteten Investitionen zahlen beispielsweise der Ausbau der Doppelgleise Wien—Gmiind, Wels—• Salzburg, Prag—Beneschau, Horaždowitz —Nepomuk, Lemberg—ZIoczow, der Um- resp. Neubau des Kaiser Franz Josef- Bahnhofs in Prag, der Staatsbahnhofe in Lemberg, Pilsen, Marienbad und Salz¬ burg, die Rekonstruktion derTullnerDonau- briicke, der Moldaubriicke der Prager Grofiere Investitionen des Staatsbetriebes mit Werterhohung in den Jahren 1897—1906. 262 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Verbindungsbahn und der samtlichen Flufibriicken (Traisen, Erlaf, Ybbs, Enns, Traun) in der Strecke Wien—Linz. Ein zeitlich heschranktes, in gewisser Hinsicbt aber genaueres Bild, weil darin auch die zablreich auftretenden kleineren Investitionen inbegriffen sind, bietet be- ziiglich der auf Grund des Investitions- programmes vomjahre 1901 ausgefiihrten Investitionen die Zusammenstellung auf S. 263, deren Zahlen einer dem Spezial- berichte des Budgetausschusses tiber das Kapitel »Staatsbahnbetrieb«*) im Staats- voranschlage des Eisenbahnministeriums fiir das Jahr 1908 beigedruckten Tabelle entnommen sind und zugleich den aus verschiedenartigen Mitteln bestrittenen Aufwand fiir Fahrparksanschaffungen der Staatsbahnen einschliefilich der Alpen- bahnen wie auch pro 1907 der Nord- bahn enthalten. Die vorstehenden Zahlen geben Zeugnis von der umfassenden Investitionstatigkeit der Staatseisenbahnverwaltung im ab- gelaufenen Jahrzehnt. Sie zeigen auch die starke Hilfe, die dieser Tatigkeit aus der Durchfiihrung des Bau- und Investitions- programmes vom Jahre 1901 erwachsen ist. Aus den hiedurch gewahrten Mitteln sind dem Staatsbetriebe fiir bauliche und maschinelle Investitionen allein in obigen sieb enjahren K 182,13 8.7 5 8 **) zugewendet \vorden; iiberdies zur Vermehrung des Fahrparks K 64,480.000. ***) Letztere Zu- wendung, gleichwie die Neuanschaf- fungen fiir die Neubaulinien haben der Lokomotiv- und Waggonbau-Industrie in den kritischen Jahren am Beginn des Jahrhunderts wesentliche Dienste geleistet und es den Fabriken ermoglicht, ihren Betrieb, wenn auch mit Einschrankungen, bis zum Eintritt giinstigerer geschaftlicher Verhaltnisse aufrechtzuhalten. *) Bericht des Budgetausschusses des Abgeordnetenhauses vom 5 - Marž 1908 (Be- richterstatter Dr. Kolischer) zum Kapitel »Staatsbahnbetrieb« in XII. Eisenbahnmini- sterium, Z. 761 der Beil. zu den stenogr. Protokollen, XVIII. Session 1908, Seite 34. **) Vgl. Bemerkung am Schlusse der vor- hin zitierten Tabelle. ***) Gesamtaufwand nach dem Investitions- programm des Gesetzes vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63. Die Notlage der Fahrpark- industrie bedingte zum Teil antizipative Be- stellungen. Gleichwie fiir die Industrie hat die selbst in verkehrsschwachen Jahren, wie es jene vor 1904 waren, ununterbrochen fortgesetzte Verbesserung der Anlagen und Einrichtungen des Staatsbahnnetzes auch fiir den Verkehr und die finanziellen Ergebnisse desselben unbestreitbare Friichte getragen. Wenn die alteren Staatsbahnen im stande waren, die rapide Verkehrssteigerung der letzten Jahre im grofien und ganzen ohne allzu er- hebliche Anstande und Stockungen zu bewaltigen, so ist dies wohl nebst der hingebenden Pflichterfiillung des gesamten Personals auch den rechtzeitig getroffenen Investitionsvorsorgen zuzurechnen. Der Staatseisenbahnbau hat in der Gegenstandsperiode eine Reihe der grofiten und schwierigsten Aufgaben zu losen gehabt, die an das technische Wis- sen und Konnen seiner Organe die wei- testgehenden Anforderungen stellten. In diese Zeit fallt die Bauvollendung der Wiener Stadtbahn, die von einer eigenen Baudirektion unter der Leitung des Bau- direktors Sektionschef Friedrich B i s c h o ff Edlen von Klammstein fiir die Kom- mission fiir Verkehrsanlagen in Wien ausgefuhrt und streckenweise in den Jahren 1898, 1899 und 1901 eroffnet wurde; der Bau der Suddalmatiner Bahn Gravosa—Uskoplje und Dolnja Glavska— Zelenika, ausgefuhrt in den Jahren 1898—1901 unter der unmittelbaren Lei¬ tung des Eisenbahnministeriums durch den Mmisterialrat, spateren Sektionschef Adolf Doppler; der Bau der Vintsch- gaubahn Meran—Mals, eroffnet 1906, und zahlreicher Lokalbahnen, deren Ausfiih- rung von dem Vorstande der technischen Abteilung des Lokalbahnamtes, spateren Vorstande der neu errichteten Eisenbahn- baudirektion Sektionschef Karl Wurmb geleitet wurde. Als Vorstand der im Jahre 1901 zur Ausfiihrung der Neubaulinien des Bau- und Investitionsprogrammes errichteten Baudirektion war dieser hervorragende, schon beim Baue des Arlbergtunnels, wie auch bei der Aufstellung der ersten Projekte fiir die Varianten der Tauern- bahn rastlos und erfolgreich tatige In- genieur auch berufen, die Ausfiihrung der in obigem Programme enthaltenen C3 O Aufierordentliche Auslagen auf Grand des Investitionsprogramms der Staatsbahnen 1901 —1907. Die Osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 263 264 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. neuen Bahnen zu leiten. Es waren dies die Tauernbahn, Karawankenbahn, Wo- cheinerbahn mit der Fortsetzung bis Triest und die Pyhrnbahn, samtlich mit Ausnahme der Strecke Badgastein—Spit- tal a. d. Drau in den Jahren 1905 und 1906 eroffnet — dann die Linie Lem¬ berg—Sambor—ungarische Grenze, eroff¬ net 1904—1906. Seit seinem Ausscheiden vom Dienste im Sommer 1905, dem nur allzurasch das vorzeitige Lebensende des genialen, im Kreise seiner Berufsgenossen hochgeschatzten und allgemein beliebten Technikers folgte, ist die Leitung der Baudirektion an den friiheren Vorstand- stellvertreter Sektionschef Anton Mil le¬ mo th ubergegangen, dessen in lang- jahrigem Wirken erprobte gediegene fachliche Tuchtigkeit die erfolgreiche Vollendung des gewaltigen Werkes verbiirgt. Entsprechend dem Umfange und der technischen Schwierigkeit der in diesen Jahren zur Ausfuhrung gelangten staat- lichen Eisenbahnneubauten hat dieser Dienstzweig in der Gegenstandsperiode sehr betrachtliche Staatsmittel in Anspruch genommen. Insbesondere erforderte der Bau der Alpenbahnen — gleichvvie vordem jener der Arlbergbahn — infolge der wah- rend der Bauausfiihrung zu Tage getrete- nen, in diesem Mafie nicht vorauszu- sehenden enormen Bauschwierigkeiten, zu denensich erhohte Anforderungen des Be- triebes und empfindliche Preissteigerungen gesellten, dann auch jener der galizischen Linie namhafte Mehrkosten, welche wiederholt nachtragliche Erhohungen der urspriinglich, insbesondere mit dem Gesetze vom 6. Juni 1901, RGB. Nr. 63, be- vvilligten sowie der fiir die zweite Bau- periode in Aussicht genommenen Kredite notwendig machten.* *) *) Solche Erhohungen erfolgten mit den Gesetzen vom 24. Juli 1905, RGB. Nr 129, und vom 29. Juli 1907, RGB. Nr. 176. Mit ersterem Gesetze wurden die Baukredite pro 1505 um 6C662 Mili. K erhčht und zugleich fiir die weiteren Jahre 1906—1908, fiir welche im Gesetze vom 6. Juni 1901 keine Vorsorge ge- troffen war, solche Kredite im Betrage von 87-112 Mili. K bewilligt. Auch die Gesetze vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 121, und vom 19. Februar 1907, RGB. Nr. 72, enthalten mit den grofien Bahnbauten in Beziehung stehende Kredite (Umbau der Kremstalbahnj respektive Kredit- Die jahrweise fiir den Staatseisenbahn- bau verwendeten Betrage, sind aus der folgenden Zusammenstellung ersichtlich: Millionen K 1897 • 1898 . 1899 . 1900 . 1901 . 1902 . 1903 . 1904 . 1905 • 1906 . Zusammen . . . . 10-412 ■ • - 5'562 • ■ I7‘2i3 . . . 10-564 . . . 10-047 . . 19-615 . . . 43-678 • • • 78-956 • ■ • 74-015 • • ■ 44-787 • 314-849 Diesen Ausgaben stehen inhaltlich der in den Geschaftsberichten der Staatseisen- bahnverwaltung veroffentlichten Nach- weisungen, denen die vorstehenden Zahlen entnommen sind, Einnahmen gegentiber. Diese sind teils reelle, wie die Interessen- tenbeitrage, Ponalien der Bauunterneh- mer u. a. m., teils rechnungsmafiige, wie die Zuweisung von InvestitionsfondsquO- ten oder Anlehensbestanden. Nur letztere fallen ziffermafiig ins Gewicht, sind aber fiir den Umfang der Ausgabengebarung, die sodann in dem Anvvachsen des An- lagekapitals ihreWirkung auf den Staats- haushalt aufiert, von keinem vvesentlichen Belange. Es wird daher von einer Auf- zahlung und Spezifizierung der envahnten Einnahmen hier, wo es sich um die Darr steliung der auf den Staatshaushalt wir- kenden Eisenbahngebarungen handelt, ganzlich Abstand genommen. Der auS- der Zusammenstellung ersicht- liche Aufwand fiir den staatlichen Eisen- bahnneubau ist ein sehr betrachtlicher; er hat in der iojahrigen Periode 1897 bis 1906 fast 315 Mili. K erreicht. Es ist aber daran zu erinnern, dafi auch fruhere Gebarungsperioden ganz erhebliche Auf- wandsziffern fiir Eisenbahnneubau*) auf- erhohungen fiir einige der kleineren Neubauten (Gravosa—Uskoplje—Bocche di Cattaro). *) 1874—1877: 78-432 Mili. fl. = 156-864 Mili.K, 1881—1885: 75-839 Mili. fl. = 151-678 Mili. K, darunter das Jahr 1884 mit 32-563 Mili. fl. = 65-126 Mili. K. Im ganzen wurden in den Jahren 1873—1896 itirEisenbahnneubauveraus- gabt 231-471 Mili. fl. =462-942 fylill. K, die Be- teiligung des Staates am Bau vbn Privatbahnen mit 32-114,. Mili. fl.= 64-228 Mili. K inbe- griffen. (»Osterreichs Eisenbahnen und die Staatswirtschaft«, Bd‘. II d. W., S. 40.) Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 265 weisen, die bei dem damals minder ent- wickelten Stande der Volks- und Staats- wirtschaft weit mehr ins Gewicht fallen als die gegenwartig vorliegenden Ergeb- nisse des letzten Jahrzehnts. VII. Verzinsung des Anlage- kapitals der Staatsbahnen und Staatszuschuft zum Staatsbahn- betriebe. Zur Ermittlung des Prozentualbetrages, mit dem das in den Staatsbahnen und fiir Rechnung des Staates betriebenen son- stigen Bahnen investierte Anlagekapital sich Jahr fiir Jahr aus dem Betriebe ver- zinst, wurde bisher in den Geschafts- berichten der Staatseisenbahnverwaltung folgende Vorgangsweise angewendet: Vorerst wurde der fiir das Ende des Ge- genstandsjahres abgeschlossenen Summe der Anlagekosten der in diesem Jahre erzielte Betriebsiiberschufi, um welchen die ordentlichen Einnahmen die ordent- lichen Ausgaben des Staatsbetriebes tiber- steigen, gegeniibergestellt und hieraus der Prozentualbetrag der Kapitalsverzinsung berechnet. In den Anlagekosten war bei jenen Bahnen, welche unter Ubernahme von Emissionsscbulden erworben wurden, die zur Zeit der Ubernahme bestandene Schuld als Kaufpreis eingestellt. Sodann wurden die seither durch »Verlosungen und Kon- vertierungen« bis zum Ende des Gegen- standsjahres inAbfall gekommenen Betrage summiert und von der Summe der Anlage¬ kosten in Abzug gebracht und wurde von dem hiedurch herabgeminderten Betrage des Anlagekapitals, welcher nunmehr der noch ausstandigen Gesamtschuld ent- spricht, neuerdings der Prozentsatz der aus dem Betriebsiiberschusse erzielten Verzinsung berechnet. Es ergaben sich auf diesem Wege fur jedes Jahr zwei verschiedene Prozent- zahlen der Kapitalsverzinsung durch den Betriebsiiberschuft, namlich eine ohne und eine mit Beriicksichtigung des durch Til- gung oder derselben gleichgehaltene Ope- rationen entstandenen Abfalls in der Ge- samtziffer der in dem Anlagekapital enthaltenen rtickzahlbaren Eisenbahnschul- den. In gleicher Weise erscheint auch in den Erlauterungen zu den Staatsvoran- schlagen des Eisenbahnministeriums die Verzinsung des Anlagewertes der k. k. Staatsbahnen und vom Staate auf eigene Rechnung betriebenen Privatbahnen sowie der fiir dieselben zu leistende Staatszu- schufi ermittelt.*) Auch hier wird der Be- triebsuberschufi dem urspriinglichen und dem durch Verlosungen etc. bis zum Ende des Gegenstandsjahres verminderten Ge- samtanlagekapital entgegengehalten und hienach ein zweifacher Prozentsatz der Verzinsung veranschlagt. Bei der Praliminierung des Staatszu- schusses zum Staatsbahnbetriebe wird in den Staatsvoranschlagen auch auf die in den Jahreslasten inbegriffenen Tilgungs- quoten und tiberdies auf die von den Staats¬ bahnen bezahlten Steuern (ex.klusive nicht ararischer Zuschlage) Rilcksicht genom- men. Da namlich in dem Jahreserforder- nisse der Eisenbahnschuld die Amortisa- tion der riickzahlbaren Eisenbahntitres und Darlehensschulden inbegriffen ist, »wel- che fiir die Staatsverwaltung eine Ansamm- lung vonKapitalsreserven bedeutet«, ferner derBetriebstiberschufi um dieArarialsteuern gekiirzt ist, welche keine effektive Bela- stung derStaatsschatzes bilden, so werden diese Posten aus der Rechnung ausgeschie- den. Hiedurch ermafiigt sich die Jahres- last um die im Gegenstandsjabre entrich- teten Tilgungsquoten der Eisenbahnschuld und erhoht sich der BetriebsuberschuC um den Betrag der bezahlten Ararialsteuern. Aus der Gegenuberstellung der hienach richtiggestellten Betrage der Jahreslast und des Betriebsiiberschusses ergibt sich so¬ dann die endgtiltige Ziffer des Staats- zuschusses und im Entgegenhalte des um die Steuern erhohten Betriebsiiberschusses zu den friiher besprochenen Totalziffern des Anlagekapitals der Prozentsatz der faktischen Anlagekapitals verzinsung. Neuestens, und zwar im Geschafts- berichte fiir das Jahr 1907, wurde die Berechnungsmethode der Staatsvoran- *) Vgl. beispielsweise Staatsvoranschlag fiir das Jahr 1507. XII. Eisenbahnministerium S. 254. 266 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. schlage auch bei der Berichterstattung uber die Betriebsgebarung der Staats- bahnen sowie behufs der in diese nun- mehr einbezogenen Ermittlung des Staatszuschusses zum Staatseisenbahn- betriebe angewendet.*) Zugleich wurde die Ermittlung des Betriebsiiberschusses, wie schon oben (S. 256) bemerkt, dadurch geandert, dafi in. selbe die aufierordentlichen Einnahmen und Ausgaben, soweit sie auf den Be- triebsiiberschufi wirken, einbezogen wurden. Dem abschliefienden Kalkiil ist nun- mehr eine eingehende Darstellung und Berechnung der einzelnen Bestandteile beigegeben, aus denen das Anlagekapital der dem Staate als Eigentum gehorigen oder von ihm fiir seine eigene Rechnung betriebenen Bahnen sich zusammensetzt. Ebenso sind die Jahreslasten dieser Kapi- talsteile nebst den deren Stelle vertreten- den Rentenzahlungen ziffermafiig getrennt fiir die Verzinsung und fiir die bei den riickzahlbaren Eisenbahnschulden in Be- tracht kommende Amortisation entwik- kelt.**) Demgemafi wird der Gesamtbetrag der Jahreslast mit obiger Unterscheidung fiir das Jahr 1907 zur Darstellung ge- bracht. Die gleiche Berechnungsmethode ist riickwirkend auf das Jahr 1906 ange- wendet und hiedurch eine Vergleichung der Ergebnisse dieser beiden Jahre er- moglicht. Die nach der neuen detaillierten Berechnungsweise ermittelten Totalziffern des Anlagekapitals und des Betriebsiiber- schusses weisen gegen die Angaben des Geschaftsberichtes fiir das Jahr 1906 bedeutende Differenzen auf.***) Letzterer enthalt keine Berechnung der Jahreslast. Diese wird im Geschaftsberichte pro 1907 auf Grand der neueren Methode beziffert. Es ergibt sich demnach in Absicht auf die Vergleichung friiherer Jahre eine Liicke. *) Bericht iiber die Ergebnisse der k. k. Staatseisenbahnvervvaltung fiir das Jahr 1907, Seite 142. **) Diese Schulden betreffen die anlafilich der Verstaatlichung zur Selbstzahlung tiber- nommenen Anlehen der vormaligen Privat- bahnen sowie das den Aktionaren in Form vonriickzahlbarenStaatsschuldverschreibungen gewahrte Entgelt. ***) Vgl. Anmerkung zu der folgenden Tabelle auf Seite 267. Was nun die theoretische Begriindung des neu angewendeten Ermittlungsver- fahrens betrifft, welches — nebenbei bemerkt — hinsichtlich der Beriick- sichtigung der Ararialsteuern bei der Fest- stellung des Betriebsiiberschusses der Anregung entspricht, die in der im Jahre 1897 veroffentlichten Abhandlung gegeben und in den dort aufgestellten Tabellen durchgefiihrt wurde, so ist dar- iiber folgendes zu bemerken: Wenn es sich um den Vergleich mit Pri vat - bahnen oder um den Rentabilitatskalktil einer Verstaatlichung handelt, mufi aller- dings die Steuerleistung aufier Betracht bleiben, weil sie in beiden Fallen gleich- mafiig wirkt. Wenn aber unsere Staats- bahnen mit auslandischen, die keine Steuern zahlen, zu vergleichen sind, oder wenn die Gesamtheit der Einnahmen ermittelt werden soli, die dem Staate aus dem Betriebe der Bahn zufliefien, kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dafi, abgesehen von den noch spater zu besprechenden Verkehrsabgaben, die von den Staatsbahnen bezahlten Steuern ebenso eine Einnahme des Staates bilden wie der eigentliche Betriebsiiberschufi. Es ist daher gewifi richtig, zur Gewinnung einer vollstandigen Ubersicht die von den Staatsbahnen bezahlten Ararialsteuern bei der Berechnung des Betriebsergeb- nisses in dieses einzubeziehen. Ebenso ist es ohne Zweifel zu- treffend, die jeweilige Herabminderung des Anlagekapitals infolge der fort- schreitenden Tilgung der einer solchen unterliegenden Bestandteile desselben, insbesondere der nach einem festen Tilgungsplane riickzahlbaren Anlehens- emissionen und der befristeten schwe- benden Schulden bei der Beurteilung der finanziellen Situation nicht aufier acht zu lassen. Nur \virkt diese Herab¬ minderung, insolange der auf gleichen Annuitaten aufgebaute Tilgungsplan fort- lauft, nicht auf die Hohe der Jahreslast ein; denn diese bleibt, da die jeweils in Ersparung kommenden Zinsen der Til- gungsquote zuwachsen, wahrend der ganzen Laufzeit des Tilgungsplanes un- verandert die gleiche. Anders dort, wo — wie es bei gewissen schwebenden Schulden der Fali ist — die Ruckzahlung Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 267 Anlagekapital der Staatsbahnen und dessen Verzinsung aus dem Betriebe 1897—1906. in Raten geschieht, durch deren Ab- stattung die Zinsenlast der eriibrigenden Kapitalsschuld sich vermindert. Dies ist aber nicht die Normaltype der Eisen- bahnschulden des Staates, die zumeist aus zur Selbstzahlung iibernommenen Anlehensemissionen, deren Tilgungs- plane auf gleichen Annuitaten beruhen, 268 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. oder aus sonstigen, in Form gleicher An- nuitaten zugesicherten Zahlungen be- stehen. Den Unterschied in den Ziffern der Verzinsung, je nachdem das anfangs bestandene oder das durch Tilgung ver- minderte Schuldkapital in ; Rechnung gestellt wird, zeigt vorstehende Tabelle, in welcher die Ziffern des Betriebs- iiberschusses, welche den Jahresbe- richten entnommen sind, gegen die Ansatze aus Beilage 11 des Geschafts- berichtes fiir 1907 in der friiheren Ta¬ belle (S. 257) kleine Abweichungen auf- weisen. Fiir 1906 ist die Abweichung grofier. Die Tabelle auf S. 267 gibt die jahrweise Ubersicht der Zahlenwerte des Anlagekapitals der Staatsbahnen ohne und mit Beriicksichtigung seiner Herab- minderung durch die planmafiige Tilgung der riickzahlbaren Eisenbahnschulden und die Verzinsung desselben durch den Be- triebsiiberschufi ohne und mit Zurech- nung der Ararialsteuern. Die Verzinsung schrvankt hienach, abgesehen von den beiden giinstigeren Anfangsjahren 1897 und 1898, im ers ten Falle zwischen 2 - o6°/ 0 (1900) und 2‘66°/ 0 (1905) respektive in denselben Jahren 2'13°/ 0 und 2 "j 8 °l 0 , im zweiten Falle zwischen 2'2g °/ 0 (1901) und 2'86°/ 0 (1905) respektive in denselben Jahren 2'37°/ 0 und 2‘98 'Vo- Den Tiefstand be- zeichnet diejahrhundertwende 1900—1901, von welcher ab ein allmahliches Ansteigen der Verzinsung beginnt. Bemerkenswert ist, dafi dank der giinstigeren Betriebs- ergebnisse trotz des star k en An- wachsens des Anlagekapitals in der zweiten Flalfte des Jahr- zehnts kein Riickgang, sondern eine Zunahme der Verzinsung stattgefunden hat. Die Schwankung von 1905 auf 1906 ist wohl der geanderten Berechnungsmethode des neuesten Ge- schaftsberichtes zuzuschreiben. Immerhin bleibt die Verzinsung selbst bei der giinstigeren Annahme hinter dem durchschnittlichen Zinsfufie,*) mit dem *) Derselbe betrug in den letzten Jahren bei der riickzahlbaren Eisenbahnschuld durch- schnittlich 4'77°/o und wird bei der Renten- schuld mit 4°/ 0 angenommen. das Anlagekapital den Staat belastet, noch ganz erheblich zuriick. Das un- verriickt im Auge zu behaltende Ziel, den Staatsbetrieb zu einem aktiven Dienstzweige zu machen, ist daher mit Abschlufi der Gegenstandsperiode noch nicht erreicht worden. Der Staats- eisenbahnbetrieb hat vielmehr in die- sem Zeitraume Jahr fiir Jahr Zu- schiisse aus allgemeinen Staatsmitteln in Anspruch nehmen miissen. Das Ausmafi dieser Staatszuschiisse bildet den Gegenstand der folgenden Erorterung. Wie bereits erwahnt, wird bei Er- mittlung der Jahreslast des Anlage¬ kapitals und des nach Abzug des Be- triebsiiberschusses sich als erforderlich ergebenden Staatszuschusses zum Staats- eisenbahnbetriebe in den Erlauterungen zum Staatsvoranschlage, neuestens auch im Geschaftsberichte der Staatseisenbahn- verwaltung, auf die alljahrlich zur Amor- | tisation verwendeten Betrage (Tilgungs- 1 quoten in den Anlehensannuitaten, Riickzahlungsbetržige von schrvebenden Schulden etc.) in der Weise Rucksicht genommen, dafi die Summe dieser Be¬ trage, als die Ansammlung einer Kapitals- reserve bedeutend, der Gesamtziffer der Jahreslast gegeniibergestellt und von derselben in Abzug gebracht wird. Gegen diesen Vorgang lafit sich nun allerdings einwenden, dafi die zu seiner Begriindung angefiihrte Kapitalsansamm- lung keine effektive, sondern nur eine rechnungsmafiige ist, und dafi die be- zahlten Tilgungsbetrage fiir den Staats- haushalt in den betreffenden Jahren tat- sachliche Ausgaben bilden. Anderseits sprechen gewichtige Griinde fiir die An- wendbarkeit der in Rede stehenden Rechnungsoperation. Sie ermoglicht vor allem die aus den Zufalligkeiten des Aufbaues der einzelnen Tilgungsplane, der Verschiedenheit ihrer Laufzeit und der Kurze der Riickzahlungsfristen er- wachsenden Uberlastungen einzelner Jahre oder Perioden aus der Berechnung auszuschalten und hiedurch der richtigen Darstellung der Rentabilitat des Staats- betriebes naherzukommen. Man mufi immerhin zugeben, dafi Eisenbahn¬ schulden ihrer Natur nach eine ali- Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 269 mahliche Tilgung erfordern.*) Aber es ist kein Grand abzusehen, warum der Staat bei einer theoretisch richtigen Darstellung des Ergebnisses seiner Betriebsfiihrung an die durch aufiere zufallige Verhalt- nisse seiner Besitzvorganger bedingten, bei kiirzerer Laufzeit unverhaltnismafiig hohen Tilgungslasten ubernommener An- lehen gebunden sein soli. Um den ziffermafiigen Effekt dar- zustellen, den die Beriicksichtigung der Amortisation in bezug auf die Hohe des Staatszuschusses zum Staatseisenbahn- betriebe ausiibt, sind aus den tabellarisch zusammengefafiten Gesamtbetragen der Jahreslast des Anlagekapitals in deneinzel- nen Jahren der Gegenstandsperiode die darin inbegriffenen Tilgungsquoten der ruckzahlbaren Eisenbahnschulden auszu- scheiden und ist dem hienach verbleibenden. Restbetrage der Jahreslast, welcher dem Verzinsungserfordernisse entspricht, der um die Ararialsteuern erhohte Betriebsiiber- schufi, dessen Betrag fiir die einzelnen Jahre aus der vorangehenden Tabelle er- sichtlich ist, entgegenzuhalten. Die Dif- ferenz ergibt den reinen Staatszuschufi auf die laufende Verzinsung des Anlage¬ kapitals. Die in der nachstehenden Tabelle enthaltenen Daten rib er das jahrliche Er- fordernis fiir die Tilgung der riickzahl- baren Eisenbahnschulden sind auf Grand der Staatsvoranschlage und der Gebarungs- nachweisungpn der Staatsschuld aufge- stellt, die Daten fiir [906 nach der neuen Berechnung des Geschaftsberichtes ein- gesetzt. *) »L’experience montre que les progres techniques constamment introduits dans les moyens de transport otent souvent toute valeur aux ouvrages anciens, soit qu’on n’ait plus interet a s’en servir, soit qu’on ne puisse plus les utiliser que moyennant des trans- formations coiiteuses: c’est ainsi qu’il faut periodiquement donner une profondeur plus grande aux canaux ou aux bassins des ports, que peut-etre bientot la traction electrique modiliera profondčment les conditions exi- gžes des voies ferrees. En negligeant d’amortir le Capital depense, un pays s’expose a cumuler dans l’avenir, les charges correspondant a des travaux devenus inutiles, avec celles des travaux nouveaux indispensables pour rester au niveau du progres.« Colson, Cours d’eco- nomie politique, Band VI: Travaux publics et transports. S. 44. Pariš 1907. Gauthier- Villars & Felix Alcan. Man bemerkt auch hier den Sprung, den die neue Berechnungsmethode des Geschaftsberichtes in den Zahlen des Jahres 1906 gegen das Vorjahr, dem noch die nach der friiheren Methode ermit- telten Daten zu Grande liegen, hervor- bringt. Bei vergleichenden Schlufifolge- rungen aus der Zahlenreihe ist daher eine gewisse Reserve geboten. Dies gilt ebensorvohl hinsichtlich der Ziffern der Jahreslast und des Erfordernisses fiir Ver¬ zinsung und Tilgung als in bezug auf die Schlufiziffer des Nettostaatszuschusses und ermoglichen diese Daten daher wohl nur eine annaherungsweise richtige Ver- gleichung. Im grofien und ganzen geben sie aber ein mit den vorausgehenden Dar- legungen iibereinstimmendes Bild der finanziellen Gebarungsergebnisse, in wel- chem die ungiinstigen Betriebsverhalt- nisse der Jahre 1900 bis 1902 durch das Anwachsen des Staatszuschusses bis auf das Maximum von 49’968 Mili. K und die von da ab eintretende Besserung, die nur im Schlufijahre infolge der geander- ten Berechnungsmethode eine Unter- brechung aufweist, klar hervortreten. Indes darf nicht verschwiegen wer- den, dafi der hier durchgefiihrten Ermitt- lung des Netto-Staatszuschusses der Man- gel anhaftet, dafi sie die Tilgung ganzlich aus den Lasten ausscheidet. So zutref- fend es nun auch ist, bei strenger Be¬ rechnung der laufenden Zuschusse von den zufalligen augenblicklichen Amor- tisationserfordernissen abzusehen, solite doch an deren Stelle eine konstante, auf langere Zeit erstreckte Zuwendung fiir Tilgungszwecke mindestens beziiglich der ruckzahlbaren Eisenbahnschulden nicht ganzlich fehlen. Ihre ziffermafiige Hohe*) braucht keine derartige zu sein, um den Staatsbetrieb in der obigen schwierigen Ubergangsepoche wesentlich zu belasten; wohl aber wiirde durch diese Zurechnung dem Gebote vorsichtigster Kalkulation Genuge geleistet. *) Eine Tilgungsquote von anfanglich 0-2°,entsprechend bei 4°/ 0 Zinsfufi einer Amortisationsfrist von 77 Jahren, wtirde bei einem Schuldkapital von 1759 Mili. Ivronen (Stand mit Ende 1907) rund 3-5 Mili. Kronen ausmachen. 270 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. StaatszuschuG zum Staatsbahnbetriebe fiir die Verzinsung des Anlagekapitals in den Jahren 1897—1906. Um nun unbeschadet der vorhin be- tonten Reserve Anhaltspunkte zur Be- urteilung der Entwicklung der finanziellen Betriebsergebnisse der Staatsbahnen zu geben, diArfte dies am besten durch einen Riickblick auf die Ergebnisse der voraus- gegangenen Periode des Staatsbetriebes geschehen, welche in der fruheren Unter- suchung behandelt worden ist. An jener Stelle *) wurde versucht, den theoretischen *) Osterreichs Eisenbahnen und die Staats- wirtschaft, Bd. II d. W., S. 32—34. Die Osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 271 gleichwie den faktischen finanziellen Ge- samterfolg des Staatsbetriebes in denjahren 1881 —1896 darzustellen, und wurden schondamals dem budgetaren Nettoerfolge des Staatsbetriebes die von den Staats- bahnen bezahlten Steuern als Bedeckungs- post zur Seite gestellt, beziehungsweise in denselben eingerechnet. Wie dort naher ausgefiihrt, erreichte die Ziffer des vom Staate zuzuschiefienden faktischen Ge- barungsabgangs im Jahre 1892 ihr Maximum mit 26-6 Mili. fl. = 53-2 Mili. K und ergab sich in denjahren 1881 —1896 durchschnittlich ein jahrlicher faktischer Abgang von 17-364 Mili. fl. = 34728 Mili. K, der durch Staatszuschiisse be- deckt werden mutke. Der theoretisch auf Grund der Ausscheidung der Kapitals- auslagen aus dem Betriebserfolge er- mittelte Abgang gleich Zuschufi betrug, gleichfalls durchschnittlich, um 37 Mili. fl. = 77 Mili. K weniger. Hiebei sind die Tilgungsbetrage aus den Kapitalslasten nicht ausgeschieden. Sie hatten damals wegen der noch minder weit vorgeschrit- tenen Laufzeit der Tilgungsplane geringere Bedeutung. Dem damaligen hochsten Staatszuschusse von 53-2 Mili. K ftir das Jahr 1892 steht im letzten Jahrzehnt die etwas niedrigere Maximalziffer von 49‘9 Mili. K fur 1902 gegeniiber. Im iojahrigen Durchschnitt leistete der Staat an Zuschiissen wahrend der friiheren Peri¬ ode (1887 —1896) jahrlich 20-12 Mili. fl. = 4C24 Mili. K, wahrend des letzten Jahrzehnts 1897—1906 407 Mili. K, in den zwei letzten Jahren dieser Periode aber nur 34'17 Mili. K. Eine Besse- rung hat also mit 1905 begonnen und sie hat im Jahre 1907 weitere Fortschritte gemacht.*) Sie bleibt bestehen, auch wenn man den letztangefiihrten Zahlen des Staatszuschusses eine ideale Tilgungs- quote von etlichen Millionen Kronen zuschlagt. VIII. Staatsgarantie, Lokal- bahnen, Wiener Stadtbahn. Wie schon an einer friiheren Stelle bemerkt, hat die Staatsgarantie in der Gegenstandsperiode ihre vormalige *) Netto-StaatszuschuB 1907 26-537 Mili. K; siehe Anmerkung zur Tabelle auf Seite 267. Bedeutung, die ihr seinerzeit den aus- schlaggebenden Platz in der eisenbahn- finanziellen Gebarung einraumte, nahezu vollig verloren. Dies gilt besonders von den garantierten Hauptbahnen, die schon im Jahre 1897 infolge der Verstaatlichung auf eine kleine Zahl — osterreichische Nordwestbahn, Siid-Norddeutsche Ver- bindungsbahn, Erganzungsnetz der priv. osterreichisch - ungarischen Staatseisen- bahn-Gesellschaft —• zusammengeschmol- zen waren und von denen lrur die beiden letztgenannten als standige Kostganger mit namhafteren Betragen im Staatshaus- halte erscheinen, wogegen der Reinertrag des garantierten Netzes der Osterreichi¬ schen Nordwestbahn sich an der Grenze der Garantiezitfer bewegte und diese wiederholt tiberstieg. Die jahrweise fiir die Staatsgarantie der genannten drei garantierten Bahnen in Anspruch ge- nommenen Garantievorschiisse und von einer derselben —• der Osterreichischen Nordwestbahn — geleisteten Ruckzahlun- gen auf die Zinsenschuld sind unter Einbeziehung des Jahres 1896, dessen Daten zur Zeit des Erscheinens der alteren Abhandlung noch nicht feststanden, im folgenden summarisch zusammengestellt: Eine weitere Ausdehnung in mafligen Grenzen hat dagegen die Staatsgarantie 272 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. des Vorzugskapitals als haufig angewen- dete Form der staatlichen Unterstiitzung zum Zwecke der Forderung des Zustande- kommens von Bahnen niederer Ordnung, und zwar ausschliefilich von L o k al¬ fa a h n e n, in dem hier zu besprechenden Jahrzehnt erlangt.' Es liegen in dieser Hinsicht wie iiberhaupt in betreff der Entwicklung der bdzeichneten Bahnen in den im Reichsrate vertretenen Konigreichen und Landern zwei sehr dankenswerte Publi- kationen des statistischen Departements im k. k. Eisenbahnministerium*) vor, die auch liber die Garantiegebaruno;- bei den osterreichischen Lokalbahnen alle wiinschenswerten Aufschliisse in klarer und iibersichtlicher Weise angeordnet enthalten und denen die nachfolgenden summarischen Daten entnommen sind. Von den fiir Rechnung der Eigen- tiimer im Betriebe des Staates stehen- den Bahnen, deren Gesamtzahl in den zehn Jahren 1897 —1906 von 36 mit 1171 km Gesamtlange**) auf 94 mit 4081 km stieg, waren zu Beginn dieser Periode 13 Bahnen mit 434 km und am Ende derselben 35 Bahnen mit 1791 km vom Staate beziiglich des Vorzugskapi¬ tals garantiert. Der Zuwachs war mit- hin sowohl beziiglich dieser Gruppe von Lokalbahnen, deren Gesamtlange sich vervierfachte, als hinsichtlich der vom Staate fiir Rechnung der Eigentiimer be- triebenen Lokalbahnen iiberhaupt, deren Kilometerzahl sich auf ungefahr das 3 1 / 2 - fache vermehrte, ein sehr ansehnlicher. Die starkste Zunahme an neu hinzuge- kommenen Strecken brachten die Jahre 1898 mit 362 km, 1899 mit 600 km, 1900 mit 484 km, 1901 und 1902 mit je 224 km, 1903 mit 316 km Betriebs- lange. *) »Die Osterreichischen Bahnen niede¬ rer Ordnung« (vom Verfasser besprochen in der vom Ministerium der offentlichen Arbeiten in Berlin herausgegebenen Zeitschrift fiir Kleinbahnen, jahrgang 1908, Heft 8, Seite 544) und »Die finanziellen Ergebnisse der vom Staate fiir Rechnung der Eigentiimer be- triebenen Bahnen in" den Jahren 1897 — 1506« — beide Abhandlungen bearbeitet im k. k. Eisenbahnministerium. Wien 190S, k. k. Hof- und Staatsdruckerei. **) Die Kilometerzahlen geben hier stets die Baulange an. Im Laufe des Jahrzehnts ist bei den vom Staate fiir Rechnung der Eigentiimer betriebenen Lokalbahnen das Anlage- kapital von 175-409 Mili. K auf 522-644 Mili. K angewachsen und die Gesamt¬ zahl der beforderten Personen stieg von 3-285 Millionen auf 12-583 Millionen, der Giiterverkehr von 2-699 Mili. Tonnen auf 7'953 Mili. Tonnen; die Gesamteinnahmen erhohten sich von 8'102 Mili. K auf 28-903 Mili. K, die Gesamtausgaben von 5*63S Mili. K auf i 8 - 992 Mili. K, der Betriebsnettoertrag von 2-467 Mili. K auf 9-911 Mili. K. In die Mitte der Periode fallt die durch sachgemafie Vereinfachung der Betriebsorganisation von Seite des Eisenbahnministeriums erzielte namhafte Verbilligung der Betriebskosten der in Rede stehenden Bahnen. Die denselben entsprechende Vergiitung per km er- mafiigte sich von K 3916 (1899) sukzes- sive auf K 3149 (1902) und dauerte in nahezu gleichem Tiefstande bis 1905 i (K 3302). Fiir 1906 ist sie allerdings auf K 3728 erhoht, was wobl mit der all- gemein vvahrnehmbaren Steigerung der Betriebskosten zusammenhangt. Die bei den staatlich verwalteten osterreichischen Lokalbahnen mit Erfolg angewendete Be- triebsokonomie hat im Auslande, be- sonders in Italien, volle Wiirdigung ge- funden und mehrfach zur Nachahmung angeeifert. Um ihre Anregung und Durch- fiihrung hat sich bekanntlich der damalige technische Betriebsreferent des Eisenbahn¬ ministeriums, jetzigek.k. Generalinspektor Karl Ritter v. P as c h er, verdienstvoll be- miiht. Von den eine Staatsgarantie fiir das Vorzugskapital geniefienden Lokalbahnen waren, wie oben envahnt, 13 schon zu Beginn des Jahrzehnts 1897'—1906 im Betriebe. Es sind dies die Bahnen Bene- schau—Wlaschim, 1902 bis Unter-Kralo- witz fortgesetzt (23 resp. 47 km), die Friauler Eisenbahn (16 km), die Gailtal- bahn (31 km), Gopfritz—Gr.-Siegharts— Raabs (8 resp. 19 km), die Neuen Buko- winaer Lokalbahnen (166 km), Mahr,- Budwitz—Jamnitz (21 km), Neuhaus— Neubistritz (33 km), die ostgalizischen Lokalbahnen (73 resp. 196 km), Schwar- zenau—Zwettl, spater bis Martinsberg (31 resp. 66 km), Strakonitz — Winter- berg, spater bis Wallern (32 resp. 71 km), Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 273 die Valsuganabahn (63 km), Wodnan— Prachatitz, spater bis Wallern (28 resp. 56 km), die Ybbstalbahn (26 resp. 77 km) und Zwittau—Polička—Skutsch (27 resp. 52 km). Von diesen Bahnen hat am Schlusse der Periode eine — die Gailtal- bahn — die Staatsgarantie nicht mehr, die Neuen Bukowinaer Lokalbahnen haben sie iiberhaupt nicht in Anspruch genommen. Im Laufe des Jahrzehnts sind weitere 22 garantierte Lokalbahnen hinzuge- kornmen, u. zw. imjahre 1898 Deutsch- brod—Tischnowitz (95 km), die Gurktal- bahn (29 km), Karlsbad—Johanngeorgen- stadt (47 km), Marienbad—Karlsbad (53 km), Mauthausen—Grein (31 km), Wodnan—Moldauthein (25 km), Wolf- rams—Teltsch—Zlabings (53 km)', im Jahre 1899 Krakau—Kocmyrzow (20 km), Zeltweg—Wolfsberg und Unterdrauburg— W 5 llan (50 km und 37 km, zusammen 87 km)', imjahre 1901 Chlumetz—Konig- stadtl (14 km), Lambach—Haag (26 km), Schomvehr—Elbogen (16 km ); im Jahre 1902 Bregenz—Bezau (35 km), Triest— Parenzo (123 km), die Wippachtalbahn (27 km ); im Jahre 1903 Jičin—Turnau (29 km ); im Jahre 1904 Absdorf—• Stockerau (17 km) , Rakonitz —• Laun (45 km ); imjahre 1905 Hartberg—Fried- berg (28 km ); im Jahre 1906 Meran— Mals (60 km), Tarnopol—Zbaraž (24 km). Von diesen Bahnen haben die Gurktal- bahn und Marienbad—Karlsbad seit 1900 resp. 1901 die Staatsgarantie nur ein einziges Mal (1904) mit ganz geringfligigen Betragen in Anspruch genommen. Mahr.- Budwitz—Jamnitz ist nach 3 garantie- freienjahren (1899—1901) wieder in den Fali gekommen, Garantievorschusse an- sprechen zu mussen. Plartberg—Friedberg hatte in den beiden ersten Betriebsjahren kleine Betriebsabgange. Solche sind an- dauernd bei Chlumetz — Konigstadtl, Neuhaus—Neubistritz, Triest—-Parenzo, Wodnan—Moldauthein, im Jahre 1906 auch bei Lambach—Haag und in hoherem Betrage bei Meran—Mals zuTagegetreten. Die von samtlichen angefiihrten Bahnen in der Gegenstandsperiode in Anspruch genommenen Garantievorschusse sind in der nachfolgenden, der oben an zweiter Stelle zitierten Publikation des Eisenbahn- ministeriums entnommenen Tabelle unter Abrundung der Baulangen auf ganze Kilo¬ meter summarisch zusammengestellt: Garantievorschusse fiir Lokal¬ bahnen. Die vorstehenden Zahlen ergeben, dafi, wiewohl die absolute Hohe der Garantie- leistung entsprechend dem zunehmenden Umfange der hier behandelten Bahnen in einer mafiigen Steigerung begriffen ist, doch die relative Belastung des Staates seit 1899 bis 1905 abgenommen hat. Diese Abnahme ist eine ziemlich be- trachtliche (1935 gegen 1899 um rund K 1200 per = 33 - 65 °/ 0 ), im letzten Jahre der Reihe (1906) allerdings etwas abgeschwacht. Es erhellt daraus die beruhigende Wahrnehmung, dafi die finanzielle Be¬ lastung, die der Staat durch die Garantie des Vorzugskapitals einer grofieren An- zahl von Lokalbahnen auf sich genom¬ men hat, infolge der Entwicklung des Verkehrs und der Ertragsfahigkeit die- ser Bahnen eine nur voriibergehende sein werde. Aufier der Staatsgarantie wurden zur Forderung des Bahnwesens niederer Ord- nung in der Gegenstandsperiode auch andere Formen der staatsfinanziellen Unterstiitzung zur Anwendung gebracht. 18 274 Dr. Heinrich Ritter v. \Vittek. So insbesondere die Beteiligung an der Kapitalsbeschaffung durch Ubernahme von Stamm- oder Prioritatsaktien, Zah- lung von verlorenen Zuschtissen, Stun- dung der Betriebskostenvergutung und sonstige Erleichterungen bei der staatlichen Betriebfiihrung. Von diesen beiden letz- teren Zuwendungen abgesehen, deren Geldwert sich schwer ermitteln lafit, wird in der erstzitierten Publikation des Eisenbahnministeriums*) derGesamtbetrag der nominellen Belastungen des Staates aus obigem Titel fur das Jahr 1906 mit K 9,091.714, jener der tatsachlichen mit K 6,701.893 berechnet, wobei der vor- hin bezifferten Summe 'der Garantievor- schiisse mit K 4,751.080, die Garantievor- schuBzinsen mit K 1,116.251 zugerechnet und fiir den Zinsenverlust von den iiber- nommenen Stammaktien K 843.562 ange- setzt sind. Die Prioritatsaktien brachten dem Staate einen Uberschufi von K 15.000 ein. An die staatliche Forderung des Lo- kalbahnwesens, bei dem nebst der Ver- kehrserleichterung auch die allgemeine wirtschaftliche Hebung der bertihrten Ort- schaften und Gegenden eine wichtige Rolle spielt, lafit sich mit gutem Grunde die von ahnlichen Gesichtspunkten zu betrachtende Beteiligung des Staates an den Wiener Verkehrsanlagen an- reihen. Diese unter der ftihrenden Leitung und mit starker materieller Beihilfe des Staates im Vereine mit dem Lande Nieder- osterreich und der Gemeinde Wien ge- schaffenen Anlagen stellen ein grofiarti- ges Meliorationswerk dar, dessen einzelne Bestandteile: Sammelkanale, Stadtbahn, Wienflufiregulierung und Umrvandlung des Donaukanals in einen Handels- und Winterhafen miteinander im engsten Zusammenhange stehen und nur nach einem einheitlichen Plane und unter ein- heitlicher Leitung ausgefiihrt werden konnten. Insgesamt bezweckten diese Anlagen die Forderung der Entwicklung, des Verkehres und der sanitaren Verhalt- nisse der Reichshauptstadt; sie bildeten eine der Voraussetzungen fur die Einver- leibung der Vororte, aus der das heutige gewaltige Gemeinwesen der Zweimil- *) Die osterreichischen Bahnen niederer Ordnung, Seite 18. lionenstadt hervorgegangen ist. Bei einem Teile der hier in Betracht kommenden Bauten (den Sammelkanalen und Flufi- regulierungen) war schon ihrer Natur nach jede Rentabilitat im vorhinein aus- geschlossen. Bei der Stadtbahn war dies nicht der Fali. Ihre Anlage wurde jedoch durch die unvermeidliche Riicksicht- nahme auf die mit ihr zusammenhan- genden iibrigen Teile des Gesamtpro- jektes ungiinstig beeinflufit. Im ganzen genommen bedeutet die Beteiligung an den Verkehrsanlagen fur den Staat ein finanzielles Opfer. Diesem steht indes eine Reihe von Vorteilen gegeniiber, die einegewisse Kompensation enthalten. So die giinstige Einwirkung der Stadtbahn auf die anschliefienden Lokalstrecken der Staatsbahnen, deren Personenfrequenz sich seit Eroffnung der Stadtbahn in einem die normale Frequenzzunahmeiiber- steigenden Mafie gehoben hat. Auch hat die teihveise Ablenkung des Lokal- verkehres von den Wiener Endbahnhofen diese entlastet und ihren kostspieligen Umbau fiir eine langere Reihe von Jahren entbehrlich gemacht. Noch bedeutender sind die Vorteile, welche die Stadtbahn der Gesamtbevolkerung durch den erleich- terten Verkehr von und nach der aufieren Stadtperipherie gebracht hat, der nament- lich von den Arbeitern und Schiilern mittels weitgehender Preisermafiigung von Zeitkarten in ausgedehntem Umfange bentitzt wird. Fiir die bauliche Entwick- lung der von den Stadtbahnlinien durch- zogenen Stadtteile hat der Bau der Stadt¬ bahn im eigentlichen Wortsinne bahn- brechend gewirkt. Die Giirtelstrafie, die Wienzeile sind durch sie geschaffen worden. Die Erhohung der Grundwerte, die Anregung der Bautatigkeit darf da- bei nicht vergessen werden. Wenn diese Vorteile zunachst wohl nur Privaten zu gute gekommen sind, haben sie doch auch zur Hebung des Wohlstandes und der Steuerkraft beigetragen.*) *) »Une nouvelle voie de communication peut parfaitement ne pas couvrir ses charges, meme en tenant compte des augmentations qu’elle engendre dans le rendement des voies anciennes et des imp&ts, et rester cependant une oeuvre utile, grlice aux benefices directs procures au public.z Colson, Cours d’ econo- mie politique, VI. Band, Seite 205. Die osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 275 Man darf iibrigens die dem Staate aus seiner Beteiligung an den Wiener Verkehrsanlagen erwachsenden, ziffer- mafiig allerdings sehr betrachtlichen Lasten wohl nicht mit jenen reiner Ver- kehrsunternehmnngen, die auf Gewinn berechnet sind, in eine Linie stellen. Die Betrage, welche die Wiener Verkehrs¬ anlagen alljahrlich vom Staate in Anspruch nehmen, sind vielmehr in gewissem Sinne den Zuschiissen verwandt, die der Staat in gleichfalls ausgedehntem Mafie zu den Meliorationsunternehmungen des flachen Landes leistet, und es komite dariiber ge- stritten werden, ob die Beitrage des Staates zu den Kapitalslasten der Verkehrsanlagen tiberhaupt in den Bereich der Eisenbahn- gebarung gehoren. Keinesfalls konnen dieses Konto des Staatshaushaltes jene Anteile der Kapitalslasten treffen, die der Staatsbeteiligung an den Kanalisations- und Flufiregulierungsarbeiten entsprechen. Auch hier ergibt sich die Frage, ob das Tilgungserfordernis dem laufenden Ver- zinsungsaufwande zuzurechnen sei. In Konsequenz des bei der Ermittlung des Betriebsiiberschusses der Staatsbahnen eingehaltenen Vorganges bleibt dasselbe bei der nachfolgenden Zusammenstellung aufier Betracht. Diese enthalt die auf Grund der Daten der Jahresberichte der Kommission fur Verkehrsanlagen in Wien ermittelten Jahreslasten, die dem Staate durch seine zum Anlehensdienste der Kommission*) geleisteten Beitrage, soweit diese dem Anteile des Staates an den Anlagekosten der Stadtbahn ent¬ sprechen sowie durch seine Beteiligung an der Bedeckung der Betriebsabgange dieser Bahn seit ihrer vollstandigen BetriebserOffnung im Jahre 1901**) er- *) Das Jahreserfordernis fur Verzinsung und Tilgung der drei Kommissionsanlehen (I. und II. Emission, dann Emission vom Jahre 1900) im Gesamtnominalbetrage von K 228,640.000 betragt fur das Jahr 1906 im ganzen K 9,479.600, wovon K 6,086.621 auf den Staat, K 1,042.459 auf das Land Nieder- (isterreich und K 2,345.919 auf die Gemeinde Wien entiielen. In dem Beitrage des Staates sind aufier der Stadtbahn auch die Lasten der Staatsbeteiligung an den ubrigen Verkehrs¬ anlagen inbegritfen. **) Auch der provisorische Betrieb der 1898—1901 eroffneten Teilstrecken ergab Be¬ triebsabgange, und zwar 1898: K 313.213, wachsen sind. Zur Berechnung der Zinsen wurde ein 4°/ 0 iger Zinsfufi angenommen. Die aus der vorstehenden Zusammen¬ stellung ersichtlichen, aufierst ungtinstigen Betriebsergebnisse haben die seinerzeit allgemein gehegten Erwartungen hinsicht- lich der Rentabilitat der Wiener Stadt¬ bahn bitter enttauscht. *) Es steht aufier Zweifel, dafi die hohen Betriebsabgange einerseits mit der Konkurrenz des seit 1899: K 515.856,1900: K 151.680, 1901: K 186.472. Seit 1902 partizipieren auch die beiden an- deren Kurien an der Bedeckung des Betriebs- abganges nach Verhaltnis ihrer Kapitals- beteiligung. *) Die Wiener Stadtbahn teilt darin das Schicksal dermeistenhauptstadtischen Schnell- verkehrsbahnen inEuropa und Amerika. Vgl. hieruber die Ausfiihrungen Regierungsrat Kemmanns in seinem Vortrage im Verein fur Eisenbahnkunde zu Berlin am 10. Dezem- ber 1907 (abgedruckt in Glasers Annalen ftir Gewerbe- und Bauwesen, Jahrgang 1908, Band 62, Nr. 734, Seite 3 und 5) : »Setzen wir die Grenze der Rentabilitat bei 4% fest, so finden wir rentable Schnellbahnen in Pariš, Berlin und New York. Zu den unrentablen Bahnen gehčren alle ubrigen ohne jede Aus- nahme, denn die Zentral-Londonbahn vermag ihre bisherige 4°/ 0 ige Dividende infolge Verkehrsriickganges wohl nicht mehr aufrecht- zuerhalten. Ferner kann man sagen, dafi die Mehrzahl aller mit Dampf betriebenen Stadt- und Vorortebahnen ebenfalls unrentabel ist. Ich brauche hiebei gar nicht einmal auf Berlin Bezug zu nehmen; dalS der Staat fur das der BevOlkerung Berlins gebrachte .Ver- kehrsopfer sich am Ertragnis der Uber- landbahnen schadlos halten mufi,. .. . wissen wir ja. Aber auch in London, Chicago u. s. w. sind diese Bahnen selbst _ bei besserer Tarifierung in keiner gunstigen Lage.« 18* 276 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. 1902 dicht ausgebauten Netzes der stadtischen elektrischen Strafienbahnen, anderseits mit der allgemein bemerk- baren Steigerung der Betriebskosten, ins- besondere der Arbeitslohne und Material- preise zusammenhangt, die sich bei dem intensiven Zugsverkehr der Stadtbahn in verstarktem Mafie fiihlbar macht. Unter diesen Umstanden hat auch die nach dem Frequenzriickgange im Jahre 1902 seit 1905 eingetretene Zunahme der Anzahl der beforderten Personen *) nicht vermocht, die finanziellen Betriebsergeb- nisse zu verbessern. Diese haben sich vielmehr im Jahre 1907 namhaft ver- schlechtert, **) woran wohl zumeist die sprungweise erhohten Erhaltungskosten schuldtragend erscheinen. Sie ausgiebig herabzumindern ist wohl nur durch Ein- fiihrung der elektrischen Traktion erreich- bar, die zugleich zur wirksamen Hebung der Frequenz dienen \viirde. Vom staats- \virtschaftlichen Standpunkte ist der drin- gende Wunsch auszusprechen, dafi das die Verkehrsanlagen verunzierende Be- triebsdefizit der Stadtbahn durch ge- eignete Mafinahmen, baldmoglichst aus der Welt geschafft werde. IX. Steuern und sonstige offentliche Leistungen der Eisenbahnen. In der Abhandlung vom Jahre 1897 wurde der Versuch gemacht, die Steuer- leistung sowie die sonstigen Abgaben der Eisenbahnen, dann deren geldwerte Leistungen fur verschiedene staatliche Dienstzweige und die vom Personen- und Gtitertransport eingehobenen Ararialge- biihren zu erfassen und zu bewerten, um die hieraus resultierenden Staatseinnahmen und dem Staate zufallenden Ersparnisse ziffermafiig darzustellen. *) Anzahl der beforderten Personen: 1902 33-8 Millionen, 1903 32 Millionen, 1904 29-95 Millionen, 1905 29-65 Millionen, 1906 31-15 Millionen, 1907 33-7 Millionen. **) Betriebsabgang 1907 im ganzen K 1,334.110, wovon auf den Staat K 1,136.069 entfallen. Es darf hier, um nicht durch Wieder- holung von Einzelheiten zu ermiiden, im allgemeinen auf die erwahnten Aus- fiihrungen verwiesen rverden. Im be- sonderen haben sich durch die Steuer- reform von 1896 einige Anderungen in der Benennung und dem Ausmafie der von den Eisenbahnunternehmungen zu ent- richtenden direkten Steuern ergeben, deren Wirkung in den seitherigen Steuer- summen zum Ausdruck gelangt. Ferner ist in dem System der Transportabgaben seit 1903 eine neue Abgabe dieser Art, namlich die Fuhrkartensteuer, hinzu- gekommen, durch die der Personen- verkehr der Eisenbahnen, der vordem nur den Fahrkartenstempel zu tragen hatte, nunmehr in hoherem Mafie zur Besteuerung herangezogen wird. Die Be- trage der Steuerleistung der Eisenbahnen in der Gegenstandsperiode sind in der nachfolgenden Tabelle zusammen crestellt. O Eine weitere, jedoch vorzugsweise die Privatbahnen belastende Abgabenpost, die als solche in der frtiheren Abhandlung besonders ersichtlich gemacht war und auch in der amtlichen Eisenbahnstatistik fortgefiihrt wird, betrifft die von den Bahnunternehmungen bezahlten Stempel und das Gebiihrenaquivalent. Die Hohe dieser Abgabengruppe \vurde seinerzeit*) fur das Jahr 1895, Staats- und Privatbahnen zusammengenommen, mit tl. 472.592 = K 945.184 angegeben. Die Eisenbahnstatistik beziffert die Summe pro 1906 mit K 1,206.433. Es ergibt dies in 11 Jahren eine Steigerung um K 261.249 oder durchschnittlich pro Jahr um K 23.750. Die Einnahme aus der 1903 aufgehobenen Stempelgebuhr fur Personenfahrkarten ist fiir Staats- und Privatbahnen zusammen im Jahre 1895 mit fl. 1,635.546 = K 3,271.092, im Jahre 1900 mit 4'300 Millionen Kronen angegeben,**) wonach sich fiir diesen Zeitraum eine durchschnittliche jahrliche Zunahme von K 205.000 ergibt. Die mit dem Gesetze vom 19. Juli 1902, RGB. Nr. 153, ab i.Janner 1903 *) Osterreichs Eisenbahnen und die Staats- wirtschaft, Bd. II. d. W., S. 43. **) Bericht des Steuerausschusses des Abgeordnetenhauses vom 12. April 1902, Z. 1340, der Beilagen XVII. Session. Die Osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 277 *) Nach der Vorschreibung exkl. nichtararischer Zuschlage. **) Erwerb- und Einkommensteuer nach den Patenten von 1812 und 1849. ***) Ab 1898 Erwerbsteuer nach dem Gesetze vom 25. Oktober 1896, RGB. Nr. 220. Fiir 1905 und 1906 sind die Mitteilungen des k. k. Finanzministeriums noch nicht erschienen. Die fiir letzteres Jahr eingesetzte Ziffer ist der amtlichen »Osterreichischen Eisenbahnstatistik fiir das Jahr 1906«, I. Teil, unter schatzungsweiser Ausscheidung der nichtarischen Zuschlage mit 33"/ 0 entnommen. Der gleichen Quelle entstammt die fiir dieses Jahr gegebene Summe der Grund- und Gebaudesteuer, deren Daten an die friihere Abhandlung ankntipfen. f) Vorjahrsziffer. eingefuhrte Fahrkartensteuer hat in der Gegenstandsperiode folgende Ergebnisse geliefert: Man ersiebt aus diesen Zahlen, welche die vorhin bezifferte gesamte Steuer- leistung der Privatbahnen nahezu er- reichen, die finanzielle Bedeutung der mit dem Jahre 1903 eingefiihrten Be- steuerung des Personenverkehrs. Diese neu hinzugetretene Staatseinnahme bildet eine der wichtigsten Gegenposten zu der Reihe von Staatsausgaben und Zu- schiissen, mit denen das Eisenbahnwesen den Staatshaushalt belastet. Die Stempelgebiihren fiir Frachtbriefe und Aufnahmsscheine wurden seinerzeit fiir das Jahr 1895 mit dem Betrage von fl. 399.423 = K 798.846 bei den Staats- bahnen und fl. 713.598 = K 1,427.196, zusammen fl. 1,113.016 = K 2,226.032 ermittelt. Eine neuere Ermittlung liegt nicht vor. Man darf bei der Zunahme des Frachtgiiterverkehres um rund 40 °/ p bis 1906 mit einer gleichen Steigerung obiger Gebiihren rechnen. X. Bilanz der Eisenbahn- gebarung im Staatshaushalte und Schluftfolgerungen. Die vorausgehende Darstellung der Ergebnisse der einzelnen Gebarungs- zweige des Eisenbahnwesens ermoglicht es, auf dieser Grundlage die Einwirkung derselben auf den Staatshaushalt wahrend der Gegenstandsperiode im ganzen zu- 278 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. sammertzufassen. Um dabei an die bei friiherem Anlasse versuchte Aufstellung einer Gesamtbilanz der staatlichen Eisen- bahngebarung, welche mit demjahre 1896 abschliefit, ankniipfen und dieselbe im \vesentlichen auch durch das folgende Jahrzehnt fortfiihren zu konnen, mufi eine iibereinstimmende Gruppierung des Materials erfolgen, auf welche schon bei den Einzeldarstellungen tunlichst Bedacht genommen wurde. In der Bilanz ftir die Jahre 1882 bis 1896 ist der dem Staatszuschusse zu den Kapitalslasten gleiche faktische Ge- barungsabgang des Staatsbetriebes auf Grand der faktischen Jahreslasten des Anlagekapitals, mithin ohne Ausschei- dung der darin ftir die Tilgung vor- kommenden Betrage entwickelt.*) Es ist deshalb, um eine richtige Vergleichung zu ermoglichen, notwendig, die in der gegemvartigen Darstellung ausgeschie- denen Tilgungsbetrage neben dem Netto- staatszuschusse unter den Lasten des Staates besonders anzufiihren. *) Osterreichs Eisenbahnen und die Staats- wirtschaft, Bd. II d. VV., S. 32, Tabelle VII, S. 34, Tabelle VIII, dann S. 47 und Tabelle auf S. 48. Ferner ist auf folgenden Unterschied in der Rechnungsaufstellung aufmerksam zu machen. In der alteren Abhandlung sind die Steuern insgemein samt Zu- schlagen ohne Unterscheidung, ob solche dem Arar oder den zuschlagsberechtigten autonomen Korperschaften zufliefien, in Rechnung gestellt. Letztere waren am Schlusse des vorigen Jahrhunderts auf etwa 33 Perzent der Gesamtschuldigkeit zu schatzen, haben sich jedoch seither erhoht. In der gegemvartigen Arbeit sind bei den Staatsbahnen allgemein, bei den Privatbahnen beziiglich der Erwerbsteuer die nichtararischen Zuschlage unberiick- sichtigt geblieben und ist in diesen Belangen nur die Ararialgebiihr in An- satz gebracht. Die friiher angewendete Berechnungsweise hat zur Folge, dafi die Bilanzen, wie sie seinerzeit fiir die Jahre 1882 —1896 aufgestellt wurden,*) *) Osterreichs Eisenbahnen und die Staats- wirtschaft, Bd. II d. W., S. 48. Die Steuern der Privatbahnen, welche in der auf Spalte 9 der Tabelle eingesetzten kumulativen Bedeckungs- post inbegriffen und in der Tabelle XIV auf S. 42 ftir die Jahre 1880—1895 beziffert sind — das Detail dieser Post ist in Tabelle XV auf S. 43 ftir das Jahr 1895 entwickelt — waren Staatslasten und Eingiinge aus den Eisen- Die Ssterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 279 sich etwas giinstiger gestalten, als es der Fali gewesen ware, wenn die neue ge- nauere Berechnungsmethode auf sie An- wendung gefunden hatte. Die nachfolgende Zusammenstellung bringt die Staatslasten und Eingange aus der Eisenbahngebarung fur die Jahre 1897—1906 nach Art einer Gebarungs- bilanz in ahnlicher Weise, wie dies in der alteren Abhandlung fiir die Jahre 1882—1896 geschehen ist. Die Zahlen des Netto-Staatszuschusses 1897 —1906 sind jene der friiheren Tabelle, wobei die Ararialsteuern der Staatsbahnen dem Betriebsiiberschusse zugeschlagen sind. Die untenstehende Tabelle bietet kein erfreuliches Gesamtbild. Sie zeigt das rapide Anwachsen der Belastungsposten, nach der neuen Berechnungsart hinsichtlich der Erwerb- und Einkommensteuer um etwa ein Drittel niedriger anzusetzen. Die gleiche Reduktion ware beziiglich der dem Betriebs¬ uberschusse zugerechneten Steuern der Staatsbahnen vorzunehmen, wodurch sich der Gebarungsabgang = Staatszuschufi zu den Kapitalslasten des Staatsbetriebes (Tabelle XVII, Spalte 2) entsprechend erhoht. Die Bilanz wiirde dadurch um die Summe der beiden Abzugsposten ungiinstiger ausfallen. bahnen 1897—1906 in Millionen Kronen. unter denen der ungiinstige Betriebs- erfolg der vom Staate fur seine eigene Rechnung verwalteten Bahnen ab 1898 bis 1902, die zunehmende Garantielast fiir die Lokalbahnen und die namhaften Bei- trage fur die Wiener Stadtbahn ins Auge fallen. Das Passivum der Bilanz steigt von mafiigen Betragen am Beginn der Periode stetig bis zu den in denjahren 1901 und 1902 erreichten Maximalziffern von 43 - 629 und 42'109 Mili. K an, um dann zum Schlusse der Periode auf 4'699 Mili. K abzufallen. Hiebei macht sich der Effekt der Personenfahrkartensteuer, die ab 1903 mit starken Bedeckungs- ziffern einsetzt, deutlich bemerkbar. Die Bilanz ist trotzdem, ungeachtet der konstant hohen Steuerleistung der Privatbahnen, standig passiv geblieben. Ein Riickblick auf die friihere Gebarungs- periode lafit ersehen, dafi in derselben ahnlich ungiinstige Passivbilanzen nicht allzu selten vorgekommen sind. So ergaben sich Unterbilanzen von iiber 40 Mili. K im Jahre 1892, von iiber 32 Mili. K in den Jahren 1884 und 1891, von iiber 29 Mili. K im Jahre 1886, von iiber 28 Mili. K im Jahre 1883, von iiber 28 o Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. 27 Mili. K im Jahre 1888, von uber oder nahezu 23 Mili. K in den Jahren 1882, 1890 und 1893. Allerdings war — wie schon friiher bemerkt — die damalige Berechnungsweise eine gunstigere als die jetzt angewendete, so dafi die damaligen Resultate zum Zwecke einer genauen Vergleichung einer das Passivum erhohenden Korrektur unterzogen werden mtifiten.*) Die in den Tabellen gegebenen Zahleri lassen erkennen, dafi der Bilanzstand der gesamten Eisenbahngebarung, wobei die geldwerten, hier aber nicht beziffer- ten Leistungen der Eisenbahnen fiir ver- schiedene staatliche Dienstzweige, sowie die indirekten Vorteile des Bahnverkehrs aufier Betracht gelassen sind, sich erst in den beiden letzten Jahren der Gegen- standsperiode gegen die friihere Zeit j entschieden gebessert hat. Die voriiber- gehende Verschlechterung der Jahre 1899 bis 1904 findet ihre Erklarung in dem Zusammentreffen der ungiinstigen Be- triebsergebnisse der Staatsbahnen infolge der Verkehrsdepression mit den steigen- den Lasten des durch die grofien Bahn- bauten und Investitionen erhohten Anlage- kapitals, denen wžihrend der Bauzeit noch keine Mehreinnahmen oder Betriebser- sparnisse gegeniiberstanden. Aber auch am Schlusse der Gegenstandsperiode, als eine ausnehmend giinstige Verkehrskon- junktur mit dem Beginne der produktiven Wirkungen des Bau- und Investitions- aufwandes zusammenfiel, ist die Besserung der Bilanz nicht in dem Mafie eingetreten, wie es die an die staatliche Eisenbahn- verwaltung wie an den Staat tiberhaupt herantretenden erhohten Anforderungen der Gegenwart wunschenswert und not- wendig erscheinen lassen. Es sind keine rosigen Perspektiven, die sich in finanzieller Hinsicht ftir die mit 1907 beginnende kiinfti- ge Periode des Eisenbahnwesens und ins- besondere des Staatsbahnbetriebes ergeben. *) Die jahrliche Unterbilanz 1886—1906 betrug durchschnittlich gegen 24 Mili. K, ware jedoch zum Zwecke der Erlangung ganz tiber- einstimmender Grundlagen der Vergleichung um die auf etwa 8 Mili. K zu schatzenden nichtararischen Steuerzuschlage der Staats- und Privatbahnen zu erhohen (s. oben). Das Bilanzpassivum 1897—1906 betragt durch¬ schnittlich 25-5 Mili. K per Jahr. Mit der ihren Beginn einleitenden Wieder- aufnahme der Eisenbahnverstaatlichung wurde nun zwar dem Staatsbahnnetze in der Kaiser Ferdinands-Nordbahn ein ertragreiches und unvergleicblich ent- wicklungsfahiges, wichtiges Bahnnetz eingefiigt, und sind die Einnahmen des Staatsbetriebes infolge der iiber die Ab- schnittsgrenze hinausreichenden gewal- tigen Verkehrszunahme in ansehnlichem Mafie gestiegen. Aber mit dieser Ver- mehrung der Einnahmen halt ander- seits die schon in der Gegenstandsperiode wahrnehmbare, seither noch verstarkte Erhohung der Betriebskosten, zumal der Mehraufwand der sachlich gewifi gerechtfertigten und vom sozialen und humanitaren Gesichtspunkte cvarmstens zu begrufienden Aufbesserung der Beztige des Betriebspersonals, mindestens gleichen Schritt. Soli daher der Staatseisenbahn- betrieb, dessen weitere Ausdehnung durch die Aufnahme grofier Privatbahnnetze unmittelbar bevorsteht, nicht nur in volks- wirtschaftlicher, sondernauch in finanzieller Hinsicht die Erwartungen erfullen, die seinen Vorkampfern und Forderern von Anbeginn vorgeschwebt haben, so wird es kaum zu umgehen sein, im Zusammen- hange mit den bevorstehenden organischen und organisatorischen Umgestaltungen, denen dieser Dienstzweig entgegengeht, auch der Blebung der Einnahmen unter sorgsamer Bedachtnahme auf die volks- wirtschaftlichen Interessen der Bevolke- rung das Augenmerk zuzuwenden. Es gehort zu den allerschwierigsten Problemen der praktischen Tarifpolitik, zwischen diesen einander zumTeil wider- streitenden Riicksichten den richtigen Aus- gleich zu treffen .*) Es ist innig zu *) »Die Bestimmung eines Eisenbahntarif- satzes ist, mit einem Worte gesagt, eine Kunst und nicht eine Wissenschaft, und es ist dies eine Kunst, vvelche nach dem Aus- drucke Bagehots getibt werden mufi in- einer Art Zwielicht ... in einer Atmosphare von Wahrscheinlichkeiten und Zweifel, wo nichts ganz klar ist, wo manche Aussichten fiir viele Iireignisse bestehen, wo zu Gunsten verschiedener Fahrtrichtungen gar vieles vor- gebracht werden kann und wo nichtsdesto- weniger eine Richtung entschlossen gewahlt und unverriickt verfolgt werden mufi.« W. M. Acworth, Grundziige der Eisenbahnwirt- schaftslebre. Aus dem Englischen iibersetzt vom Verfasser. VVien 1907, Manz, S. 73. Die Osterreichischen Eisenbahnen in der Staatswirtschaft. 281 wiinschen, dafi dieser Ausgleich in einer Weise herbeigefiihrt werde, die neben dem finanziellen Erfolge, wie er zur Konsolidierung des Staatsbetriebes in dem durch die Verstaatlichung und den Aus- bau der Zufahrtslinien zum Meere er- \veiterten Verkehrsgebiete unerlafilich er- scheint, auch der Entwicklung der heimischen Volkswirtschaft in gleichem Mafie dient, wie dies die derzeit noch in Geltung stehenden Staatsbahntarife un- zweifelhaft bewirkt haben. Denn an der \vieder giinstiger gewordenen Gestaltung der volks- und staatswirtschaftlichen Ver- haltnisse unseres Vaterlandes im ab- gelaufenen Jahrzehnt haben die oster¬ reichischen Staatsbahnen gleichwie die inlandischen Privatbabnen ihren redlichen Anteil gehabt. Plier ist der Ort, um auf die vielfaltigen, in den ziffermafiigen Aufstellungen nicht berticksichtigten Lei- stungen der Eisenbahnen far verschiedene staatliche Dienstzweige und offentliche Zwecke sowie auf die indirekte Renta- bilitat des Bahnnetzes zuriickzukommen. Der Geldwert der vorerwahnten Lei- stungen wurde seinerzeit*) beziiglich der Postbeforderung und der Militartransporte schatzungsweise mit der jahrlichen Er- sparnissumme von 4 bis 5 Millionen fl. — 8—10 Millionen Kronen beziffert. Diese Schatzung betrifft das Jahr 1895. Damals zahlte das Bahnnetz, Staats- und Privat- bahnen zusammengenommen, 16.420 km. Im Laufe der Jahre 1897—1906 erhohte sich die Kilometerzahl von 17.315 auf 21.594. Man konnte daher fiir das ganze Jahrzehnt mit einer um i8°/ 0 erhohten mitt- leren Durchschnittslange von 19.454 rechnen, und unter der Annahme, dafi die Beniitzungsintensitat beziiglich der vorerwahnten offentlichen Dienste mit dem Umfange des Bahnnetzes ungefahr gleichen Schritt halt, zu einer um eben- soviel erhohten Ersparnisziffer gelangen. Indes scheint diese Rechnung doch zu unsicher, um sie dem Schlufikalkul zu Grande zu legen. Es geniigt vielmehr, auf die Tatsache hinzuweisen, dafi der Wert der Ersparnisse, die mehreren offentlichen Dienstzweigen aus dem Eisen- *) Osterreichs Eisenbahnen und die Staats- wirtschaft, Bd. II d. W., Seite 174. bahnbetriebe zufliefien, schon nach den Schatzungen aus der Mitte der Neunziger- jahre ein sehr ansehnlicher ist, und falls es moglich ware, ihn ziffermafiig genauer zu erfassen, die Bilanz der Eisenbahn- gebarung merklich verbessern wiirde. Wenn eine verlafiliche Bewertung der angefiihrten offentlichen Leistungen der Eisenbahnen schon den grofiten Schwie- rigkeiten begegnet, so erscheint eine solche auch nur annaherungsweise Be- rvertung geradezu ausgeschlossen in be- zug auf den Komplex staatswirtschaft- licher Vorteile, den man unter derBezeich- nung der indirekten Rentabilitat der Eisenbahnen zusammenzufassen pfiegt. Hier spielt der privatwirtschaftliche Nutzen, den die Bahninteressenten durch Erleichterung und Verbilligung des Reisens, Ermafiigung der Frachten fiir Produkte und Verbrauchsartikel, Erwei- terung der Absatzgelegenheit, Werter- hohung des Grundbesitzes etc. aus dem Bahnverkehre ziehen, in den Bereich der offentlichen Interessenhinein, die durch die Entwicklung der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion, Hebung des wirtschaftlichen Kulturniveaus und der Steuerkraft sowie in vielen anderen Be- ziehungen beriihrt werden. Das Mafi dieser indirekter Wirkungen der Eisen¬ bahnen auf die Staatsvvdrtschaft entzieht sich einer auch nur schatzungsweisen Ermittlung, zumal sie nicht isoliert, son- dern in Verbindung mit anderen, die wirtschaftliche Entwicklung beeinflussen- den Faktoren auftreten. Unbeschadet die¬ ser letzteren konnen aber umgekehrt aus dem Entwicklungsgange der Staats- wirtschaft mit der gebotenen Vorsicht gewisse Schlufifolgerungen auf die. Ge- samtheit des Nutzens abgeleitet werden, den die Eisenbahnen als Hilfsmittel der Forderung dieser Entwicklung gebracht haben. Hier trifft wohl das biblische Wort zu: »An ihren Friichten sollet Ihr sie erkennen«. Aus diesem Gesichtspunkte wird das abschliefiende Urteil iiber die Funktion der Eisenbahnen die gesamten Ergebnisse der Staatswirtschaft im Jahr¬ zehnt 1897—1906 mit in Betracht zu ziehen haben. Mag daher der finanzielle Gebarungs- erfolg des Staatsbahnbetriebes und die 282 Dr. Heinrich Ritter v. Wittek. Gesamtbilanz der staatlichen Gebarung, soweit sie die Eisenbahnenbetrifft, in dieser Zeit auch die deutlichen Spuren ungiin- stiger Verhaltnisse und der fiir die kiinftige Entwicklung gebrachten Opfer aufweisen, eines wird bei weiterblickender Beurteilung der im Wirtschaftsleben des Staates zusammenwirkenden Krafte nicht iibersehen werden konnen: dafi auch die Eisenbahnen dazu mitgeholfen haben, dafi der Staatshaushalt in den Jahren 1905 und 1906 — den letzten der hier besprochenen Periode — mit Uber- schiissen von 53 und I46'2 Millionen Kronen gegen das Praliminar abschliefien konnte. Lokal- und Kleinbahnwesen. Von Ferdinand Gottsleben, k. k. Ministerialrat im Eisenbahnministerium. J. Die Regierungsaktion. D IE Lokalbahnaktion in Osterreich hatte mit dem Inslebentreten des Gesetzes vom 31. Dezember 1894 iiber Bahnen niederer Ordnung, RGB. Nr. 2 ex 1895, einen neuen Aufschwung ge- nommen, da nacb demselben den Lokal- bahnunternehmungen eine Reihe weiter- gehender Erleichterungen und Begiinsti- gungen im administrativen Wege gewahrt werden kbnnen, als nach den bisher geltend geivesenen gesetzlichen Bestim- mungen zulassig erschien. Kurz vorher war auch durch die im Mai 1894 erfolgte Errichtung eines Lokal- bahnamtes im Handelsministerium ein frischerer Zug in die Venvaltung ge- kommen, welcher es ermoglichte, in rascher Aufeinanderfolge Gesetze fiir die Sicher- stellung von Bahnen niederer Ordnung unter Beteiligung des Staates und der Lander dem Reichsrate vorzulegen. Die Bestimmungen des obgenannten, mit 31. Dezember 1904 erloschenen Ge¬ setzes wurden mit dem Gesetze vom 16. Mai 1905, RGB. Nr. 81, neuerlich in Kraft gesetzt und mit dem Gesetze vom 24. Dezember 1905, RGB. Nr. 216, wurde endlich die Giiltigkeit dieser Bestimmungen bis zur Erlassung eines neuen Gesetzes iiber Bahnen niederer Ordnung, jedoch liingstens bis 31. Dezember 1908 erstreckt. Auf Grund der Verhandlungen des Lokalbahnamtes im Handelsministerium mit den Landesausschiissen der einzelnen Kronlander kam bereits am 22. Juni 1894 das erste Sicherstellungsgesetz fiir 16 neue Lokalbahnen unter finanzieller Be¬ teiligung des Staates und der Lander zu stande. Durch das nachste Gesetz vom 19. Juni 1895 wurden wieder 16 Bahnen und durch das Gesetz vom 21. Juli 1896 abermals 22 Bahnen in gleicher Weise sichergestellt. Die mit diesen Gesetzen sicherge- stellten Bahnen sind bereits in dem das Lokalbahmvesen behandelnden Abschnitt der im Jahre 1898 erschienenen »Ge- schichte der Eisenbahnen der osterr.-un- garischen Monarchie« im einzelnen auf- gezahlt ivorden und es eriibrigt daher nur noch zu erwahnen, dafi alle diese Bahnen seither (mit Ausnahme der nur als Alternative der Linie Zwittau—Polička in Aussicht genommenen Linie Briisau- Briinnlitz—Polička und der uberhaupt fallen gelassenen schmalspurigen Linie Neuberg—Mariazell) zum Ausbaue ge- langt sind. Durch AllerhochsteEntschliefiung vom 19. Janner 1896 war die Errichtung des Eisenbahnministeriums genehmigt worden und damit sind die Agenden des Lokal- bahnwesens auf dasselbe tibergegangen. Obgleich das neue Ministerium die Verhandlungen mit den Landesaus- schiissen beziiglich ihrer Beteiligung an neuen Bahnlinien eifrig fortsetzte, war es durch Umstande, deren Beseitigung nicht in der Macht der Regierung stand, erst im Jahre 1908 wieder moglich, ein neues Gesetz zur Forderung des Baues von Bahnen niederer Ordnung der verfassungs- miifiigen Behandlung zuzufiihren. 286 Ferdinand Gottsleben. Lokal- und Kleinbahnwesen. 287 Durch das Gesetz vom 21. Dezember 1898, RGB. Nr. 233, wurden die in der Tabelle auf Seite 286 angefiihrten 25 Bahnlinien sichergestellt. Die vorbezeichneten Linien besitzen eine Gesamtlange von 821 km und ivaren mit einem effektiven Baukapital von K 101,806.000 beziehungsvveise einem Nominalkapital von K 102,801.000 ver- anschlagt. Hievon ubernahm der Staat die Reinertragsgarantie fiir ein Kapital von K 34,812.000, die einzelnen Lander fiir ein Kapital von K 14,985.000. Die Bei- tragsleistungen der Lander betrugen ins- gesamt K 4,462.000, jene des Staates im ganzen K 38.759.000. Die Inter- essenten hatten fiir alle 25 Bahnen zu- sammen K 9,782.000 beizusteuern. Von den vorbezeichneten Bahnen waren Triest—Parenzo, Gmiind— Litschau—Heidenreichstein und Kiihnsdorf—Eisenkappel, ferner die beiden dalmatinischen Linien als Schmalspurbahnen mit Lokomotivbetrieb, alle iibrigen als normalspurige Bahnen mit Lokomotivbetrieb in Aussicht ge- nommen und sind auch als solche mit Ausnahme der normalspurigen Lokalbahn Tabor—Bechyh, welche in der Folge als elektrische Bahn gebaut wurde, und der Linie Neunkirchen —Willen- dorf, welche erst im Jahre 1908 zum Baue gelangt ist, ausgefiihrt worden; die Linie Spal at o—Ar Žano konnte noch nicht in Angriff genommen werden. Durch die Gesetze vom Jahre 1894, 1895, 1896 und 1898 waren 79 Bahnen niederer Ordnung mit einer Gesamt¬ lange von 2481 km und einem Gesamt- Anlagekapital von K 274,106.400 nominal finanziell sichergestellt worden. Obgleich die finanziellen Ergebnisse einer grofieren Zahl der bereits im Betriebe befindlichen Bahnen den gehegten Er- wartungen nicht ganz entsprochen hatten, entschlofi sich die Regierung, welcher seither \vieder eine ansehnliche Reihe neuer Bahnproj elite vorgelegt waren, im Jahre 1901 neuerdings eine Vorlage zur Forderung des Zustandekommens von Bahnen niederer Ordnung einzubringen. Durch das Gesetz vom i.Juliigoi, RGB. Nr. 85, wurden die in der Tabelle auf Seite 288 genannten 18 Bahnen sichergestellt. Die bezeichneten Linien besitzen eine Gesamtlange von 605 km und waren mit einem Kostenaufvvande von K 69,402.200 effelttiv, beziehungsweise mit einem No¬ minalkapital von K 72,889.600 ver- anschlagt. Von dem vorangefiihrten Kapital ubernahm der Staat die Reinertrags¬ garantie fiir K 24,290.000 effektiv, be- ziehungsweise K 26,118.000 nominal, die einzelnen Lander fiir ein Kapital von K 23,014.600 effektiv, beziehungsweise K 24,674.000 nominal. Die Beitrags- leistungen des Staates betrugen im gan¬ zen K 7 ! 74 2 - 000 > j ene der Lander K 3,280.000, rvahrend K 11,075.600 durch Interessentenbeitrage aufzubringen waren. Fiir die Linien H ar tb er g—Fried- b e r g und Neumarkt — Suchahora wurde der praliminierte Bauaufwand allein vom Staate ubernommen, bei ersterer je- doch unter Vorbehalt weiterer Verhand- lungen mit dem Lande und den Interes- senten beziiglich Zuschiissen. Die vorbezeichneten Bahnen waren zufolge Art. II des -Gesetzes, mit Aus¬ nahme der als Hauptbahnen zweiten Ranges herzustellenden Linien R a k o- nitz—Laun und LI ar tb er g—Fried- b e r g als Lokalbahnen, und zwar die unter Post 1, 3, 6 bis einschliefilich 12 und unter Post 15 und 16 angefiihrten Linien normalspurig, die Linien unter Post 5, 13, 14, 17 und 18 schmalspurig auszufiihren. In der Folge wurden die Linien P r z e- worsk — Bach or z, Gmiind — GroC- G e r u n g s und Man k—S t. Leonhard als schmalspurige Lokalbahnen mit Loko¬ motivbetrieb, dieStubaitalbahn als schmal¬ spurige Lokalbahn mit elektrischem Be- trieb, alle iibrigen als normalspurige Lokal¬ bahnen mit Dampfbetrieb hergestellt. Die Linie W ali er n—Br andhaus er (Haidmiihle) —• bayerische Grenze mit der Abzweigung nach Salnau und die elektrisch zu betreibende Linie Trient— Male befinden sich derzeit noch im Baue. Mit demselben Gesetze vom 1. Juli I901 wurde auch die bereits durch friihere Gesetze fiir die Valsugana- b a h n, die Lokalbahnen Z e 1 1 w e g ■— Wolfsberg und Unterdrauburg — W 6 11 a n, ferner fiir die schmalspurige 288 Ferdinand Gottsleben, Lokal- und Kleinbabnwesen. 289 Ybbstalbahn gewahrte Staatsgarantie behufs Bedeckung der eingetretenen Mehr- erfordernisse am Baukapital dieser Bahnen erhoht, und zwar fiir die Valsuganabahn um K 3,200.000, fur die beiden anderen vorgenannten normalspurigen Bahnen zu- sammen um K 1,500.000, endlich fur die Ybbstalbahn um K 1,500.000. Fiir die mit dem Gesetze von 21. De- zember 1898, RGB. Nr. 233, auf Grand einer Staatsgarantie sicheraestellte Lokal- bahn Ji čin— Turnau wurde die Garantie fur den Erfordernisbetrag von K 2,870.000 erhoht. Weiters sind mit diesem Gesetze die bisher gewahrten Beitragsleistungen des Staates fiir eine Anzahl von Lokalbahnen um die nachstehenden Betrage erhoht worden, und zwar: Neuhof—Weseritz.K 72.000 Trzebinia—Skawce . . . . » 309.000 Pila—Jaworzno.» 133.000 Kolomea—Zaleszczyki ...» 365.000 Tabor—Bechyn.» 84.000 Polna-Stecken—Polna ...» 30.000 Nixdorf—Rumburg.» 80.000 Fiir die Linien der Neuen Buko- winaer Lokalbahnen sowie fiir die Lo- kalbahn Krakau —Kocmyrzow istan Stelle der mit dem Gesetze vom 31. De- zember 1894 zugestandenen Stundung der Betriebskostenvergiitung eine Rein- ertragsgarantie gewahrt worden, und zwar bei den erstgenannten Linien fiir ein Vor- zugskapital von K 9,200.000, bei der Lokalbahn Krakau—Kocmyrzow fiir ein solches von K 1,600.000. Im Artikel XXII des Gesetzes vom 1.Juli 1901, RGB. Nr.25,wurde noch be- stimmt, dafi solche Bahnen niederer Or- dnung, welchen vermoge ihrer Ausdehnung oder wegen des Umfanges des von ihnen zu bedienenden Verkehres eine erhohte Bedeutung zukommt, auch dann als Lokal¬ bahnen im Sinne des Gesetzes vom 31. De- zember 1894 zu behandeln sind, wenn sie nicht mit Dampf betrieben werden. Nachdem in den nachsten Jahren die Projekte weiterer Bahnen in verschiedenen Kronlandern infolge der Verhandlungen der Regierung mit den betreffenden Lan- desausschiissen so weit ausgereift waren, dafi an deren gesetzliche Sicherstellung geschritten werden konnte, erfolgte im Friihjahre 1903 eine neue Vorlage be- treffs Bahnen niederer Ordnung, beziiglieh deren jedoch nicht — wie in den fruheren Jahren — nur ein Sammelgesetz, soridern auch Einzelgesetze dem Reichsrate vor- gelegt wurden. In der Zwischenzeit waren ubrigens den Lokalbahnen Lambach — Vorch- dorf, BI ude n z — S c h r u n s und Schonbichl —-Reutte die erbetenen Staatsbeitrage zufolge der einschlagigen Bestimmungen des Gesetzes vom 31. Dezember 1894 im administrativen Wege zugesichert \vorden. Nach kurzer parlamentarischer Behand- lung wurden die vorerwahnten Vorlagen genehmigt und mit dem Gesetze vom 14. Juli 1903, RGB. Nr. 149, erfolgte zunachst die gemeinschaftliche Sicherstellung von drei Bahnen, und zwar der schmalspuri- gen Lokalbahn Neuhaus — Wobra- tain sowie der beiden normalspurigen Lokalbahnen Daudleb — Rokitnitz und Troppau —-Grafz. Bei samtlichen vorgenannten Linien wurde nicht eine staatliche Ertragnis- garantie, sondern Beitragsleistungen in Aussicht genommen. Von dem mit K 2,867.000 effektiv und K 2,908.000 nominal angenommenen Baukapital der 46 km langen Linie Neu¬ haus—Wobratain iibernahm das Ko- nigreich Bohmen die Garantie fiir 7 °°/o> ferner auch fiir die Verzinsung der aus- zugebenden Prioritatsaktien in der Ilohe von 5 °/ 0 des Anlagekapitals, wahrend der Staat K 245.000 und die Inter- essenten K 482.000 beitrugen. Bei der 19 km langen Lokalbahn Daudleb—Rokitnitz, deren Kosten mit effektiv K 2,415.000 beziehungsweise K 2,450.000 nominal veranschlagt va¬ ren, iibernahm das Land gleichfalls fiir 7o°/ 0 des Baukapitals die Garantie, der Staat steuerte K 610.000 und die Inter- ressenten K 125.000 bei. Von den mit K 528.000 effektiv be- werteten Kosten der 8 km langen Linie Troppau—Gr at z iibernahm der Staat K 132.000, das Land Schlesien K 44.000, die Lokalinteressenten K 24.000 und K 328.000 die Stadt Troppau. Mit dem weiteren Gesetze vom 14. Juli 1903, RGB. Nr. 150, wurde die projekts- 19 290 Ferdinand Gottsleben. mafiig 25 km lange normalspurige Lokal - bahn Tarnopol — Zbaraž und vom 14. Juli 1903, RGB. Nr. 151, či& 6 km lange normalspurige Lokalbahn Weizels- dorf—Oberferlach sichergestellt. Von dem Baukapital der Lokalbahn Tarnopol — Zbaraž, welches mit K 2,490.000 effektiv praliminiert war, iiber- nahmen die Interessenten K 255.000, das Konigreich Galizien K 600.000; die Be- schaffungdes Restbetrages von Ki,635.000 wurde durch die Ubernahme der staat- lichen Reinertragsgarantie fiir das aufzu- nehmende Prioritatsanlehen gesichert. Der Ausbau der Linie W eizelsdorf — Oberferlach auf Staatskosten wurde davon abhangig gemacht, dafi das Land Karaten einen Betrag von K 200.000 und die Interessenten den Betrag von K 100.000 a fonds perdu leisten. Das Gesetz vom 15. Juli 1903, RGB. Nr. 152, betrifft eine normalspurige Lokal¬ bahn vonKrainburg nach Neum arktl, deren Ausbau sich hauptsachlich deshalb als notwendig erwies, weil die seinerzeit vom Staate in Aussicht genommene Aus- fiihrung der Loiblbahn als Teilstrecke einer zweiten Eisenbahnverbindung nach Triest in der Folge fallen gelassen worden war. Von dem mit K 2,070.000 effektiv praliminierten Baukapital dieser 15 km langenBahn ilbernahmen die Interessenten den Betrag von K 170.000, das Land Krain K 150.000 und der Staat die Rein¬ ertragsgarantie fiir das zur Beschaffung des Restbetrages von K 1,750.000 auf- zunehmende Anlehen. Samtliche vorangeftihrten Linien sind seither schon dem Betriebe iibergeben \vorden. Mit dem Gesetze vom 15. Juli 1903, RGB. Nr. 153, wurde ferner die 36 km lange normalspurige Lokalbahn Z w e 11 1 —■ Martinsberg sichergestellt, welcheeine Teilstrecke der seit Jahren angestrebten Durchzugslinie von Iglau (Wolframs) bis zur Donau und weiter bis zum Anschlusse an die Westbahn bildet. Von dieser Bahnverbindung waren bisher auf Grand der Gesetze der Jahre 1896 und 1898 die Strecken Wolframs— Teltsch, Teltsch — Z1 a b i n g s und Z 1 a b in g s—W ai d h o fen an der Thaya sichergestellt worden; da endlich die Strecken Waidhofen an der Thaya —Schwarzenau und Schwarzenau — Z w e 11 1 schon in fruheren Perioden zum Ausbau gelangt waren, verbleibt also zufolge des obbezeichneten Gesetzes blofi noch die Strecke Martinsberg — Weitenegg (Anschlufi an die Linie Krems—Grein) einer spateren Sicherstel- lung vorbehalten, um den nordlichen bis zur Donau reichenden Teil dieser Durch¬ zugslinie zum Abschlusse zu bringen. Die Kosten der Linie Z w e 11 1 — Martinsberg waren mit K 4,450.000 effektiv praliminiert, wovon durch Inter¬ essenten- und Landesbeitrage K 750.000 bedeckt wurden. Der Staat iiber- nahm in gleicher Weise, wie fiir alle andern angefiihrten Teilstrecken der Bahn¬ verbindung Iglau — Donau, die Rein¬ ertragsgarantie, und zwar im vorliegen- den Falle in der Hohe von K 3,700.000. Die Linie Zwettl — Martinsberg ist bereits eroffnet. Durch ein weiteres Einzelgesetz vom 15 - Juli 1903, RGB. Nr. 154, wurde endlich fiir den Ausbau der ungefahr 129 km langen, normalspurigen Lokalbahn von Lemberg nachPodhajce vorgesorgt. Die effektiven Baukosten dieser Linie sind hiebei mit K 15,500.000 veranschlagt worden. Zur Bedeckung dieser Kosten hatte der Landtag des Konigreiches Galizien einen Beitrag von K 1,500.000 zu leisten beschlossen. Von den Interessen¬ ten und der Landeshauptstadt Lemberg wurde ein weiterer Beitrag von K 2,000.000 in Aussicht genommen, so dafi der Staat noch eine Beibilfe von K 12,000.000 zu leisten hatte, welche durch Gewahrung einer Reinertragsgarantie fiir diesen Teil des Anlagekapitals erfolgte. Die Fertigstellung des grofieren Teiles dieser Bahnlinie ist unmittelbar bevor- stehend. Auch einer bereits bestehenden Bahn mulite die Regierung noch im Jahre 1903 zu Hilfe kommen. Obgleich der Staat mit dem Gesetze vom Jahre 1896 der Z i 1 - lertalbahn bereits einen Beitrag von K 300.000 zugewendet hatte, geriet diese in Teilstrecken innerhalb der Jahre 1900 bis 1902 als Schmalspurbahn fertig ge- stellte Linie doch in finanzielle Schwierig- keiten. Es wurde daher dieser Bahn zur Be- Lokal- und Kleinbahnwesen. 291 deckung des eingetretenen Mehrerforder- nisses am Baukapital mit dem Gesetze vom 15. Juli 1903, RGB. Nr. 156, die Staatsgarantie fiir ein aufzunehmendes Dar- lehen im Betrage von K 900.000 unter der Bedingung zugesichert, dafi das Land Tirol den seinerzeit genehmigten Landesbeitrag von K 200.000 auf K 250.000 erhoht, oder in anderer Weise eine weitere Beitrags- leistung von K 50.000 sichergestellt wird. Ferner mufite die Regierung auch eine andere bereits mit dem Gesetze vom 1. Juli 1901, RGB. Nr. 85, sichergestellte Babn schon vor der Konzessionserteilung noch weiters finanziell unterstiitzen, um den Bau dieser urspriinglich mit einem zu geringen Baukapital veranschlagten Linie zu ermoglichen. Die schmalspurige (ro m), elektrisch zu betreibende Lokal - bahnTrient—Male war in dem ge- nannten Gesetze mit der Staatsgarantie fur ein in der Hohe von K 4,390.000 effektiv aufzunehmendes Darlehen sichergestellt worden; hiebei waren die Kosten dieser 61 km langen Bahn mit K 5,790.000 effektiv auf Grund der damaligen Projekts- unterlagen angenommen worden. Die wei- teren Detailprojektsarbeiten ergaben aber die Unzulanglichkeit dieser Kapitalsziffer und die Not\vendigkeit, das Kapitalserfor- dernis mit K 6,690.000 zu veranschlagen. Es wurde daher mit dem Gesetze vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 122, die seinerzeit gewahrte Reinertragsgarantie fur diese Bahn auf jenen Betrag erhoht, welcher fur die 4°/ 0 nicht iiberschreitende Ver- zinsung und die Tilgungsquote eines Darlehens in der Hohe von K 5,190.000 in Barem erforderlich ist. Diese Erhohung der Staatsgarantie wurde jedoch an die Bedingung gekniipft, dafi die seinerzeit mit K 1,400.000 bemessenen Beitrage des Landes und der Interessenten mindestens den Betrag von K 1,500.000 erreichen. Auf Grund dieser Kapitals- erhohung wurde endlich am 19. De- zember 1905, RGB. Nr. 195, die Kon- zession fiir die schmalspurige Lokalbahn Trient—'Male mit einer normalspurigen Verbindungslinie von der Stidbahnstation St. Michele nach Mezzolombardo an die Stadtgemeinde Trient erteilt. Anlafilich der Aufstellung des Bau- vergebungs-Operates ftir diese Linie wurde nun das Detailprojekt neuerlich einer Revision unterzogen, bei welcher mit Rticksicht auf die mittlerweile durch- geftihrten geologischen Untersuchungen in der zu Rutschungen geneigten Strecke St. Giustina—Male und die in der Zwischenzeit eingetretene wesentliche Steigerung in den MaterialpreisendesOberbaues,derBriicken- konstruktionenundderLeitungsbestandteile (insbesondere des Kupfers), der erhohten Kosten der Fahrbetriebsmittel wie auch wegen der ungewohnlich hohen Grund- erwerbskosten fiir die auf eigenem Unter- baukorper liegenden Strecken, endlich auch mit Riicksicht auf die seit den letzten Veranschlagungen eingetretene allgemeine Erhohung der Arbeitslohne, das Kapitalserfordernis um den runden Betrag von K 2,000.000 erhoht wurde. Die Regierung war daher gezwungen, ein neuerliches Gesetz betreffs weiterer Er¬ hohung der Staatsgarantie vorzulegen, in welchem sie ermachtigt \vurde, den im Gesetze vom 18. Juli 1905 festgesetzten Maximalbetrag dieser Garantie auf das Erfordernis von K 7,190.000 zu erhohen. Durch dieses am 26. Dezember 1906, RGB. Nr. 4 ex 1907, erflossene Gesetz war nun endlich die Moglichkeit ge- geben, mit dem Bahnbau zu beginnen, und ist dessen Vollendung in der ersten Halfte 1909 in Aussicht. Zuriickkommend auf die Sicher- stellungsaktionen ftir neue Lokalbahnen im Jahre 1905 ist zu erwahnen, dafi mit einem Einzelgesetz vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 123, fiir den Ausbau einer schon seit langerZeit angestrebtenVerbindung der vorb andenen beiden normalspurigenBahnen am linken Ufer der Donau, der Staats- bahnlinie Wien—Krems und der Lokal- bahnM auth au s en-—Grein vorgesorgt worden ist. Im Hinblick darauf, dafi die letztgenannte Lokalbahn bereits im Wege der Gewahrung einer Staats¬ garantie sichergestellt worden war (Ge¬ setz vom 21. Juli 1896, RGB. Nr. 141), wurde auch fiir die 77 km lange Lokal¬ bahn Krems—Grein die gleiche Art der Staatsunterstiitzung gewahrt. Unter der Voraussetzung, dafi die Lander Niederosterreich, Oberosterreich und die Interessenten zusammen einen Beitrag von K 2,100.000 leisten, wurde 19* 292 Ferdinand Gottsleben. seitens des Staates fur ein Kapital von K 15,300.000 die Ertragnisgarantie zu- gesichert. Diese Bahn wurde am 14. De- zember 1905 konzessioniert und befindet sich derzeit im vollen Baue. Ungeachtet dieser den Staatsschatz bereits erheblich belastenden Opfer fur die Lokalbahnen Trient—Male und Krems— Grein hatte die Regierung im Jahre 1905 noch eine Vorlage fur die Sicherstellung weiterer sieben Bahnen dem Reichsrate unterbreitet, welche auch unter dem 18. Juli 1905 Gesetzeskraft erlangte. Das Gesetz vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 124, umfafit die in der neben- stehenden Tabelle angefuhrten Bahnen. Die angefuhrten Bahnprojekte um- fassen eine Gesamtlange von 215 km, zu deren Realisierung ein Nominal- Baukapital von K 27,260.000 vor- gesehen war; hievon erscheint durch die Beitragsleistungen des Staates ein Betrag von K 3,680.000, durch die Beschltisse der betreffenden Landesvertretungen ein Betrag von K 18,990.000 bedeckt. Der Rest des Erfordernisses soli von den Interessenten im Vereine mit der Be- teiligung des Privatkapitals aufgebracht werden. Von den in dieses Gesetz aufge- nommenen mit Ausnahme der Linie Agonitz — Klaus-Steyrling samt- lich normalspurigen Bahnlinien sind seit- her die Lokalbahnen Libochowitz — Jenschowitz, Tarnow — Szczucin und Freiland — Tiirnitz zur Er- offnung gelangt, die Bahnlinien Agonitz — Klaus und Retz — Drosendorf stehen derzeit im Bau; die iibrigen zwei Linien sind iiber das Projektsstadium noch nicht hinausgelangt. Mit dem Gesetze vom 18. Juli 1905, RGB. Nr. 124, wurde endlich auch die Regierung ermachtigt, nebst dem zufolge des Gesetzes vom 1. Juli 1901 fiir die schmalspurigeLokalbahn Przeworsk — Bachdrz bewilligten Kapitalsbeitrage von K 834.000 noch weitere Stammaktien dieser Bahn im Nominalbetrage von K 318.000 unter den gleichen Modali- taten zu ubernehmen. Endlich ist zu erwahnen, dafi in diesem Jahre noch durch das Gesetz vom 16. Mai 1905, RGB. Nr. 81, die Lokal- und Kleinbahnwesen. 293 Bestimmungen des bereits seit dem 31. Dezember 1904 aufier Kraft ge- tretenen Lokalbahngesetzes vom 31. De¬ zember 1894 neuerdings mit der Giiltig- keit bis langstens 31. Dezember 1905 in Kraft gesetzt worden sind. Vor Ablauf der letztgenannten Geltungsfrist wnrde noch durch das Gesetz vom 24. Dezember 1905, RGB. Nr. 216, die Geltungsdauer des Lokal¬ bahngesetzes neuerdings, und zwar bis zur Erlassung eines neuen Gesetzes iiber Bahnen niederer Ordnung, jedoch lang¬ stens bis 31. Dezember 1908 erstreckt. Gegen Schlufi des Jahres 1906 trat die Regierung abermals sowohl mit Einzelvorlagen fur verschiedene Lokal- bahnen, als auch mit dem Entwurfe eines Sammelgesetzes ftir 14 weitere Lokalbahnen vor den Reichsrat, unter welchen sich mehrere von hervorragender Verkehrsbedeutung befanden. Mit den samtlich vom 19. Februar 1907 datierten, unter RGB. Nr. 67, 68, 69, 70 und 71 veroffentlichten Einzel- gesetzen wurden als normalspurige Lokal¬ bahnen mit Lokomotivbetrieb sicherge- stellt: 1. Taus — Tachau (Bohmen); 2.Wsetin — Grofi- Karlo w i t z (Mah- ren); 3. Friedberg — Aspang (Steier- mark und Niederosterreich); 4. Cer- vignano — Aquileja — Belvedere (Gorz und Gradiška); 5. Werenczanka — Okna (Bukowina). Die 75 km lange Lokalbahn Taus— Tachau soli den bisher nur durch Saug- adern (Stankau—Ronsperg, Schweifiing— Haid und Plan—Tachau) bedienten siid- westlichen Teil Bohmens mittels einer von Siid nach Nord ziehenden Bahn dem Verkehre erschliefien, wobei die vorbezeichneten kurzen Lokalbahnen auch untereinander verbunden werden. Die Kapitalsbeschaffung fur die ge- nannte, ein effektives Baukapital von K 9,200.000 erfordernde Linie wurde in der Weise vorgesehen, dafi der Staat eine Reinertragsgarantie fiir K 6,900.000, das ist 75 °/o des Gesamtkapitals gewahrte, wahrend zufolge des Landtagsbeschlusses vom 6.Juni 1905 das Konigreich Bohmen die Erganzung der nur in der Hohe von K 1,153,000 aufgebrachten Interessenten- beitrage auf 25 °/o des Anlagekapitals tibernahm. Der Bau dieser am 28. Marž 1908 konzessionierten Linie hat bereits begonuen und wird voraussichtlich binnen zwei Jahren fertiggestellt werden. Die 27 km lange Lokalbahn W s e t in— G r o fi-K ar 1 o w i t z wird das obere Bečwatal erschliefien und auch auf die bestehende An- schlufibahn Mahrisch-Weifikirchen —Wsetin sowie auf die an diese Linie weiter anschliefienden Eisenbahnen be- fruchtend wirken. Die Gesamtkosten der Projektslinie sind mit K 2,940.000 effektiv praliminiert, wovon das Land Mahren K 546.000 und die Interessenten K 354.000 als Beitragsleistung iiber- nehmen. Durch diese beiden Faktoren erscheinen also mehr als 30°/ 0 des effek- tiven Anlagekapitals bedeckt. Der Staat tritt durch Gewahrung einer Reinertrags¬ garantie fiir das im Betrage von K 2,040.000 aufzunehmende Darlehen ein. Diese am 27. Juli 1907 konzes- sionierte Lokalbahn wird schon in der nachsten Zeit zur Eroffnung- o-elaneren. Die dritte mit einem Einzelgesetze vom 19. Februar 1907, RGB. Nr. . 69, sichergestellte Bahnlinie Friedberg— Aspang (Wechselbahn) soli das letzte Glied einer hochst wichtigen neuen Bahn- verbindung zwischen Niederosterreich und der Oststeiermark bilden; diese Linie wird daher nach den Ausfiihrungsnormen einer Hauptbahn zweiten Ranges herzustellen sein. Als Teile dieser Verbindung zwischen der Eisenbahn Wien—Aspang und der ungarischen Westbahn (Graz—• Fehring—ungarische Grenze) waren im Laufe friiherer Jahre schon die Lokal¬ bahn Fehring—Fiirstenfeld (konzessioniert am 2. Juli 1884), ferner die Lokalbahn Fiirstenfeld—Hartberg—Neudeck (kon¬ zessioniert am 22. Juli 1890) und die Lokalbahn Hartberg—Friedberg (kon¬ zessioniert am 28. September 1901) her- gestellt worden. Die Ausfiihrungskosten der 21 km langen Linie von Friedbera: nach Aspang sind mit K 15,000.000 effektiv pra¬ liminiert, fiir deren Beschaffung der Staat, vorbehaltlich weiterer Verhandlungen mit den Landesausschiissen von Niederoster- reich und Steiermark, sowie mit den Lokalinteressenten, im Gesetze durch Ubernahme der Reinertragsgarantie vor- sorgt. 294 Ferdinand Gottsleben. Die Bemiihungen zur Pleranziehung von Beitragsleistungen waren jedoch nur von sehr geringem Erfolge begleitet, so dafi der Staat gelegentlich der am 23. Marž 1908 erfolgten Konzessionie- rung dieser Linie an die Aktiengesell- schaft der Lokalbahn Fiirstenfeld—■Hart- berg—Neudeck, welche seinerzeit auch die Konzession fiir die Lokalbahn Hartberg—Friedberg ervvorben hatte, die Geldbeschaffung fiir ein Kapital von K 14,988.000 ubernehmen mufite. Die Gewahrung der Staatsgarantie fiir diese Bahn in der obbezeichneten Hohe wird wegen der bescheidenen Ertragsaussichten dieser Linie eine er- hebliche finanzielle Belastung des Staates zur Folge haben; die Bedeutung der Bahn ist aber in der Schaffung eines kurzen und billigen Verkehrsweges aus dem nordostlichen Teile von Steiermark mit Wien zu erblicken, dessen Appro- visionierung dadurch wesentlich gefordert wird. Als Bauzsit sind in der Konzessions- urkunde drei Jahre festgesetzt worden und wird der Bau, wie es bei staat- lich garantierten Bahnen iiblich ist, von der k. k. Eisenbahnbaudirektion aus- gefiihrt. Die den Gegenstand des Gesetzes vom 19. Februar 1907, RGB. Nr. 70, bildende normalspurige Lokalbahn von der Station Cervignano der Lokal¬ bahn Monfalcone — Cervignano nach Belvedere wird die V erbindung mit der Stadt Aquileja und dem auf- bliihenden Badeorte Grado wesentlich erleichtern. Die Kosten dieser 11 km langen Linie sind mit K 1,600.000 veran- schlagt, wovon der Staat die Beschaffuftg von K 1,400.000 durch Gewahrung einer Reinertragsgarantie sicherstellt, wahrend der Rest vom Lande und den Interessenten durch Beitragsleistungen gedeckt werden soli. Nachdem der Rest- betrag von K 200.000 bisher noch nicht aufgebracht werden konnte, ist die Konzes- sionierung dieser Projektlinie noch aus- stehend. Die in dem Gesetze vom 19. Februar 1907, RGB. Nr. 71 behandelte normal¬ spurige Lokalbahn von der StationW e r e n- czanka der Linie Lužan—Zalesz- czyki der Neuen Bukowinaer Lokalbahnen nach Okna soli das ausgedehnte nordliche Gebiet der Bukowina zwischen dem Pruth- und Dniesterflusse durchziehen, welches als die eigentliche Kornkammer der Bukowina gilt. Die Kosten dieser 18 km langen Bahn sind bis nun mit K 1,900.000 veranschlagt, wovon unter der Voraussetzung einer Beitragsleistung des Landes Bukowina und der Inter¬ essenten in der Plohe von K 300.000, der Staat den noch unbedeckten Betrag von K x,600.000 im Wege einer Rein¬ ertragsgarantie zu ubernehmen sich ver- pflichtet. Diese Linie gelangt voraus- sichtlich im Laufe des Jahres 1909 zum Bau. Mit den vorgenannten Gesetzen war jedoch die auf die Forderung von Lokal¬ bahnen abzielende Aktion der Regierung fiir das Jahr 1907 noch nicht abge- schlossen und sind mit dem Gesetze vom 6. Marž 1907, RGB. Nr. 74, noch weitere 14 Lokalbahnen, darunter eben- falls einige von grofier Verkehrsbedeutung gleichzeitig sichergestellt worden, welche in der nachstehenden Tabelle angefiihrt sind. Hievon sind die unter Post 8 und 12 genannten Linien als schmal- spurige Bahnen mit elektrischem Be- triebe, die unter Post 9 genannte Linie als Schmalspurbahn mit Lokomotiv- betrieb, die unter Post 10, 11 und 13 genannten Linien als normalspurige Bahnen mit elektrischem Betriebe, alle ubrigen Linien als normalspurige Lokal¬ bahnen mit Lokomotivbetrieb in Aussicht genommen. Die bezeichneten Lokalbahnen haben insgesamt eine Lange von 336 km, wo- von 290 km normalspurig und 46 km schmalspurig zur Ausftihrung gelangen sollen. Fiir die Realisierung der genannten Projektslinien ist ein Nominal-Anlage- kapital von rund K 60,000.000 erfor- derlich, die Unterstiitzung des Staates erfolgt fiir alle Linien im Wege einer Beitragsleistung gegen Ubernahme von Stammaktien, welche im ganzen K 17,165.000 betragt. Unter den in diesem Gesetze be- handelten Lokalbahnen verdienen ins- Lokal- und Kleinbabnwesen, 2Q5 296 Ferdinand Gottsleben. besondere die Linien Lemberg—Sto¬ janom' sowie die zusammengehorigen Linien Innsbruck —- Scharnitz— G r e n z e und Reutte — Griese n— G r e n z e sowohl wegen ihrer grofien Verkehrsbedeutung als auch wegen der hohen Beitragsleistung des Staates zu diesen Linien eine besondere Erwahnung. Durch die normalspurige Lokalbahn von Lemberg iiber Kamionka strumilowa nach Stojanow wird das zwischen den Eisenbahnlinien Lemberg—Krasne—Brody und Lemberg — Rawa ruska — Sokal bis an die Reichsgrenze gegen Rufiland sich erstreckende weite und sehr entwick- lungsfahige Gebiet des nordostlichen Galizien dem Bahnverkehr erschlossen. An den politischen Bezirk von Ka¬ mionka strumi!owa, welchen die Bahn- linie Lemberg — Stojanow durchqueren soli, grenzt aber weiters jenseits der Reichsgrenze ein breiter Landstrich, welcher ebenfalls keine Eisenbahnverbin- dung besitzt und infolge seiner natiir- lichen Lage als Grenzgebiet in kommer- zieller Hinsicht vielfach nach Galizien gravitiert. Die projektierte Lokalbahn wird daher ihr Attraktionsgebiet nicht nur auf den ganzen Bezirk von Kamionka strumi!owa und auf die benachbarten Teile des ZoIkiewer und des Brodyer Be- zirkes, sondern auch auf das angrenzende Territorium des Nachbarreiches erstrecken. Im Hinblicke auf den grofien Einflufi, welchen diese Bahn auf die Hebung der wirtschaftlichen Verhaltnisse des von ihr bedienten Gebietes zweifellos ausiiben wird, hat sich sowohl die Staatsvenval- tung als auch die Landesvertretung zu bedeutenden Opfern fiir dieselbe ent- schlossen. Die normalspurigen Linien Inns¬ bruck—Scharnitz — Grenze und Reutte — Lermoos — Griese n — Grenze sind Teile einer zusammen- hangenden Linie, deren Mittelstrecke auf bayrischem Gebiete fiihren wird, inner- halb welcher ein Anschlufi an die End- station der Bahnlinie Miinchen—Murnau •—Garmisch—Partenkirchen in Aussicht genommen ist. Die Bahn wird in ihrer gan¬ zen Ausdehnung elektrisch betrieben wer- den, wobei die osterreichischen Teilstrek- ken aus einem neu zu errichtenden Elektri- zitatswerke am Rutzbache nachst Inns¬ bruck mit Strom versorgt werden sollen. Die Linie Innsbruck—Pcharnitz — Grenze wird in ihrem Aufstiege aus dem Inntale auf das Hochplateau von Seefeld bedeutende Bauschwierigkeiten zu uberwinden haben; es sind in dieser Strecke eine Reihe von grofien Unter- bauobjekten und Tunnels (darunter der Martinsvvandtunnel mit 1790 m Lange) herzustellen, so dafi das Zustandekom- men dieser Bahn ohne eine ansehnliche Beteiligung des Staates an den Baukosten nicht denkbar gewesen sein wiirde. Angesichts der grofien Bedeutung dieser neuen Bahnverbindung fiir die Landeshauptstadt Innsbruck hat sich die Stadtgemeinde verpflichtet, zu dem Bau- kapital der Linie Innsbruck—Seefeld— Scharnitz ■— Grenze den Beitrag von K 1,500.000 gegen Refundierung in Stammaktien zu leisten, der Staat iiber- nimmt K 6,100.000 gegen Stammaktien, der Rest soli durch Ausgabe von Priori- tatsaktien mit 4 1 / 3 °/ 0 Vorzugsdividende beschafft werden. Durch die Linie Re utte—Griesen— Grenze im Zusammenhange mit der vorgenannten Linie und der in Bayern herzustellenden Mittelstrecke wird das sogenannte Aufierferngebiet, das ist der tirolische Landesteil zwischen dem Fern- pafi und der bayrischen Grenze, mit der Landeshauptstadt in eine direkte Schienenverbindung gebracht, wahrend bisher der Verkehr aus diesem Landes- teile nach Innsbruck und dem iibrigen Tirol in der Hauptsache auf den Bahn- weg iiber Miinchen angewiesen war, da die kostspielige Verfrachtung mittels Achsfuhrwerkes iiber den Fernpafi nur fiir hoherwertige Produkte in Betracht kommt. Von den Kosten dieser Linie sollen K 3,000.000 durch Ausgabe von Priori- tatsaktien beschafft werden, wahrend K 1,500.000 seitens des Landes Tirol und der Lokalinteressenten, der Rest von K 3,000.000 seitens des Staates gegen Refundierung in Stammaktien des Unter- nehmens beigetragen werden soli. Auf die Herstellung dieser beiden Linien war schon in dem mit dem Ko- nigreiche Bayern abgeschlossenen Staats- vertrage von 22. November 1904, RGB. Lokal- und Kleinbahnwesen. 297 Nr. 15 ex 1905, betreffend mehrere Bahnanschliisse an der beiderseitigen Grenze Bedacht genommen worden und ist auch der Ausbau der bayrischen Anschlufistrecken seither bereits gesichert. Vonden vorangefiihrten l4Bahnen sind die Linien Wekelsdorf-— Parschnitz Opočno — Dobruška, Skalitz- Boskowitz — Grol 5 -Opatowitz, Unterach — Se e, Oberbozen — K lob en s tein, Brune c k—Sand und die Sulmtalbahn bereits dem offent- lichen Verkehre iibergeben; die Linie Tscheitsch — Steinitz ist im Baue weit vorgeschritten, mit dem Baue der Linie Lemberg—S t o j an 6 w ist begon- nen worden; fiir die auf osterreichischem Gebiete gelegenen Strecken der Bahn- verbindung Innsbruck-— Reutte sowie fiir die Linie M u s z y n a — K r y n i c a sind die Detailprojekte verfafit. Mit demselben Gesetze vom 6. Marž 1907 wurde ferner die Regierang ermach- tigt, den fiir die Linie Libochowitz— Jenschowitz mit dem Gesetze vom 18. Juli 1905 gewahrten Staatsbeitrag K 520.000 um weitere K 118.000 zu erhohen und sich an der Sanierungs- aktion fiir die Lokalbahn Castalowitz — Reichenau — Sollnitz (Kwasnei) mit einer Beitragsleistung von K 150.000 zu beteiligen. Auf Grund eines \veiteren Gesetzes vom 6. Marž 1907, RGB. Nr. 73, wurde auch die Erhohung der Staatsgarantie fiir die nachstehend angefiihrten bereits sichergestellten beziehungsweise ausge- bauten Bahnen niederer Ordnung im Ge- samtbetrage von K 9,400.000 gewahrt. Von diesem fiir die Bedeckung der jeweiligen Mehrerfordernisse an Bau- kapital dienenden Betrage entfallen auf die Linien: Marienbad—Karlsbad. . . K 1,740.000 Lambach—Haag.» 140.000 Kiihnsdorf—Eisenkappel . » 100.000 Triest—Parenzo.» 3,020.000 Bregenz—Bezau.» 2,800.000 Hartberg—Friedberg ...» 1,600.000 Im Artikel II des genannten Gesetzes wurde der Eisenbahn Meran—Mals aus dem gleichen Grunde sowie zum Zwecke der Kostenbedeckung der aufzustellenden Detailprojekte fiir deren Fortsetzung nach Landeck und an die Reichsgrenze gegen die Schweiz eine Erhohung der mit dem Gesetze vom 21. Dezember 1898 bewil- ligten Staatsgarantie um jenen Betrag gewahrt, welcher dem jahrlichen Erfor- dernisse fiir die 4°/oige Verzinsung und Tilgung eines Anlehens im Effektivbe- trage von K 5,900.000 nominal entspricht. Endlich wurde mit dem Gesetze vom 8. Marž 1907, RGB. Nr. 75, der Re- gierung ein Kredit von K 180.000 fiir die Aufstellung des Detailprojektes einer normalspurigen Eisenbahn von der Station j asi o der k. k. Staatsbahnen uber Zmi- grod bis zur ungarischen Grenze bei Konieczna gewahrt. Da in diesem Gesetze aber betreffs der Kapitalsbeschaffung fiir den Bau der Linie nochkeine Bestimmunggetroffenwurde, ge- hort dasselbe eigentlich nicht mehr in den Rahmen der gegemvartigen Abhandlung. Mit dem Gesetze vom 30. Dezember 1907, RGB. Nr. 281, wurde endlich die Herstellung einer auf Staatskosten aus- zufiihrenden normalspurigen Eisenbahn von Rudolfswert iiber Mottling zur Landesgrenze mit einer Abzweigung nach T s c h e r n e m b 1 und von Knin zur Landesgrenze festgesetzt. Nachdem im vorstehenden der Ver- lauf und das Ergebnis der Regierungs- aktionen im letzten Jahrzehnte in betreff der Sicherstellung neuer Bahnen niederer Ordnung und betreffs weiterer staatlicher Unterstiitzung bereits ausgefiihrter Bah¬ nen in tunlichster Kurze dargestellt wor- den ist, werden in der nachfolgenden Tabelle alle Bahnen niederer Ordnung in chronologischer Reihe angefiihrt, wel- che seit Beginn des Jabres 1897 entweder auf Grund der vorerorteten Gesetze oder durch Zuwendung von Staatsbeitragen auf administrativem Wege (nach den Be- stimmungen der Artikel IX oder X des Gesetzes vom 31. Dezember 1894) oder auch vollstandig ohne staatliche Beihilfe zur Konzessionierung gelangten. Wie aus den nachstehenden Tabellen zu ersehen ist, hat weder die Spurweite noch die Lange der Bahn oder deren Betriebs- weise ein unter allen Umstanden mafi- gebendes Moment fiir die Konzessionierung einer Linie als Lokal- oder Klein- b a h n gebildet. Verzeichnis der von Beginn des Jahres 1897 angefangen auf Grund des Lokalbahngesetzes vom 31. Dezember 1894, RGB. Nr. 2 ex 1895, konzessionierten Bahnen niederer Ordnung. 298 Ferdinand Gottsleben. Lokal- und Kleinbahnwesen. 299 H< 3 0) .S 2"? .a ■g 1 73 •- «S tfl (O 4} +■* c ,d ^ a O a O 3 : 2 o M JO M rt o +J M J) CO d) ijJ fici _dw 73 rt >- c oj <0 rt a> £ S b£TJ ■o ° m d ” rrt r*i d co •« 'S " & |Q d u .2 1 o, 2 -s 73 JaJ O "33 •o » oj a rt g -d o ■s « b n ,fl v 'c c d jj ■* « d g S •d o 2 TJ ^ * g tf*« Wlrt § g g|« ! -s I § s rt M rx 2 £ .2 5 ” S .g Sd ■■rt S SJ j= •- £>’ N z! o 73 bj rt db rD 0) a) (D > X o. 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Nr. 2 ex 1895, wird zwar bestimmt, dafi die staatliche Einflufinahme auf den Bau und Betrieb von Kleinbahnen, unbe- schadet der Ingerenz auf die allgemeine An- lapfe und Trassenfuhrung; der Bahn nur so weit reichen soli, als dies die Anforde- rungen ftir die Sicherheit des Bahnver- kehres und der Bahnanrainer erfordern; in der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dafi die beschrankenden Bestimmungen dieses Artikels nur in jenen wenigen Fallen voli zur Geltung kommen konn- ten, in welchen sich aus dem Orte und Zwecke der geplanten Bahnanlage schon von vorhinein deren Einreihung in die eine oder andere Kategorie als feststehend ergab. So wurden nur stadtische Strafien- bahnen ausnahmslos als Kleinbahnen konzessioniert und als solche schon an- fanglich behandelt, wahrend im ilbrigen die Art der Konzessionierung von finan- ziellen oder anderen Riicksichten, welche seitens der Projektanten oder seitens der Regierung in den Vordergrund gestellt \vurden, abhing. Da bei der weitaus grofiten Zahl der Bahnprojekte die Hauptgrundziige des Baues und der Ausgestaltung einer Linie schon lange vor dem Eintritte in Konzessionsverhandlungen festgestellt werden mufiten, um zu einer Kosten- ziffer der Anlage zu gelangen, welche als Basis fiir das weitere Vorgehen betreffs Konzessionserteilungdiente, konnten schon aus diesem Grunde nur in Fallen be- stimmter Natur die Bestimmungen des Artikels XVII zur durchgžingigen Aus- iibung gelangen. Fur Bahnen mit eigenem Unterbau- korper tritt nach der bisherigen Praxis ein technischer Unterschied zwischen Lokalbahn und Kleinbahn nur beziiglich einiger Belange, als Ausgestaltung der Štationsanlagen, Anforderungen beziiglich des Umfanges des Fahrparkes und der- gleichen ein, wahrend die offene Strecke fiir beide Gattungen von Bahnen gleich- artig ausgefuhrt wird. Die Frage, ob eine projektierte Linie als Lokal- oder Kleinbahn ins Leben treten soli, wurde in der Regel erst bei den Konzessionsverhandlungen aktuell, bei ivelchen die Konzessionsdauer und die sonstigen fiir die Finanzierung des Unternehmens mafigebenden Momente klargestellt wurden. Wahrend sonach nur in einzelnen Fallen die technische Beschaffenheit der Bahn den leitenden Gesichtspunkt fiir die Form der Konzessionierung bildete, waren es in der Regel die Riicksichten auf die Beschaffung und die Verzinsung des Anlagekapitals, ivelche unter Bedacht- nahme auf die zu geivartigenden Be- triebseinnahmen die Konzessionierung in der einen oder anderen Kategorie be- stimmten. In dieser -letzteren Beziehung sind nun allerdings die Rechte und Pflichten eines Bahnunternehmens \vesentlich ver- schieden, je nachdem dasselbe als Lokal- oder Kleinbahn zur Konzessionierung gelangt. Bei einer Kleinbahn kann namlich die Staatsvenvaltung auf das bei Lokal- bahnen stets vorbehaltene Recht der Einlosung und des Heimfalles der Bahn verzichten; dieser Verzicht erfolgt unter allen Umstanden nur dann, wenn eine autonome Korperschaft, zum Beispiel eine Gemeinde, Bezirk u. s. w., als Konzessionar auftritt. Die fiir Lokalbahnen iibliche Kon¬ zessionsdauer von 90 Jahren wird bei Kleinbahnen blofi fiir autonome Korper- schaften beibehalten, fiir andere Kon- zessionare dagegen mit hochstens 60 Jahren bemessen. Bei Kleinbahnen bleibt die erste Fest- setzung der Fahr- und Frachtpreise sowie der Nebengebiihren unter der Voraus- setzung einer gleichmafiigen Behandlung aller Reisenden und Verfrachter dem Bahn- unternehmen vorbehalten und erst in spaterer Zeit kann die Staatsverwaltung unter bestimmten Voraussetzungen eine Ermafiigung der Tarife nach Anhorung der Unternehmung festsetzen. Die Steuerbefreiung wird bei Klein¬ bahnen nur auf 15 Jahre und blofi bei besonders hohenBaukosten bis zu 25 Jahren — wie bei den als Lokalbahnen kon- zessionierten Linien — geivahrt. Die Kleinbahnen sind von allen un- entgeltlichen Leistungen fiir offentliche Lokal- und Kleinbahnwesen. 309 Zwecke (mit Ausnahme der unent- geltlichen Beforderung der im Dienste reisenden Staatsaufsichtsorgane) entho- ben, ferner sind diese Bahnen zur Uber- nahme von Leistungen zu Gunsten der Militarverwaltung nur insoweit ver- pflichtet, als diese Leistungen mit Riick- sicht auf die von den Projektanten beabsichtigte Anlage und Betriebsein- richtung der Balin tiberhaupt durchfuhr- bar erscheinen. Wie ersichtlich, sind diese Bestim- mungen fiir die kiinftige finanzielle Lage eines Bahnunternehmens bedeu- tungsvoll. Von einer Erorterung der Finan- zierungs- und Konzessionierungsmoda- litaten der Lokal- und Kleinbahnen sowie der finanziellen Ergebnisse der bisher zur Eroffnung gelangten Bahnen niederer Ordnung im einzelnen kann im Hinbiicke auf zwei kiirzlich erschienene Publika- tionen des statistischen Departements im Eisenbahnministerium, betitelt »Die oster- reichischen Bahnen niederer Ordnung« und »Die finanziellen Ergebnisse der vom Staate fiir Rechnung der Eigentiimer betriebenen Bahnen in den Jahren 1897 —1906« (Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien, 1908) fiiglich abgesehen werden, da in diesen durch grofie Ubersichtlichkeit und Geschick in der Detailanordnung ausge- zeichneten Werken eine Fiille von wichtigen Daten in den vorbezeichneten sorvie in sonstigen Belangen (Eigentums- verhaltnisse der Bahnen, Verteilung der Bahnen nach Landern u. dgl.) unter Beigabe von zahlreichen Tabellen ent- halten ist, wodurch dem Leser ein ge- naues Bild der Art des Entstehens und der Fortentwicklung aller Lokalbahnen, auch'solcher, welche schon vor Erlassung des Lokalbahngesetzes vom 31. Dezember 1894 entstanden sind, geboten wird. Es kann daher das eingehendere Studium der in finanzieller und legislatorischer Richtung erschopfenden Darstellungen dieser beiden Publikationen allen Inter- essenten des Lokalbahnwesens warmstens empfohlen werden. Aus dem ersten dieser Werke ist zu entnehmen, dafi die bis Ende 1906 er- offneten Lokalbahnen im ganzen eine Baulange von 7555’7 hatten, wovon Ende 1896 erst 3644’5 km (48 - 2 °/ 0 ) er- offnet waren, so dafi der starkste Strecken- zuwachs auf die Dekade 1897—1906 entfallt. Von der obbezeichneten Bahnlange sind 7458'3 km (987 °/ 0 ) Bahnen mit Dampfbetrieb und 97‘4 km (i - 29°/ 0 ) elektrische Bahnen. Das fiir alle selbstandigen (nicht in das Eigentum des Staates iibergegangenen) Lokalbahnen verwendete Anlagekapital betrug mit Ende 1906 K 662,373.300. Bis Ende 1907 wurden 563'! km Bahnen als Kleinbahnen konzessioniert, wovon mit Ende 1906 540^4 km im Betriebe standen. Das Anlagekapital der Kleinbahnen betrug mit Ende 1906 K 224,392.700. Die vom Staate garantierten Lokal¬ bahnen wurden auch durch Staatsorgane, beziehungsweise seit dem Bestande der k. k. Eisenbahnbaudirektion (Oktober 1901) von letzterer gebaut und stehen dieselben im Staatsbetriebe. Derzeit sind unter der Leitung. der k. k. Eisenbahnbaudirektion noch im Bau die Lokalbahnen T a u S'—T a c h a u, Krems—Gr e in, A gonit z—Klaus- Steyrling, W aller n — bayrische Grenze mit dem Flligel nach Salnau und die Linie Friedberg—A sp ang (Wechselbahn). Der Bau der staatlich garantierten Lokalbahn W s e t in—Grofi - Karlo witz wird ausnahmsweise von der k. k. Nord- bahndirektion durchgefuhrt. Von den im letzten Jahrzehnt kon- zessionierten Bahnlinien sind als Spezial- bahnen zu bezeichnen: die Lokalbahnen mit gemischter Betriebsweise Tann- wald—Griinthal, Trie st—O p čin a und die R i 11 n e r b a h n, ferner die Seil- bahnen Kal ter n—Mendelpafi (Men- delbahn), die Virglbahn beiBožen(steil- ste Seilbahn in Osterreich, 700 pro Mille),*) die Karlsbader Seilbahnen und die Hungerburgbahn in Innsbruck.**) *) Naheres iiber diese Bahn bringt der Aufsatz von E. Schwarz im »Organ fiir die Fortschritte des Eisenbahnwesens«, Heft 22 vom Jahre 1908. *'*) Naheres liber diese Bahn siehe Seite 358 ff. 3io Ferdinand Gottsleben. Parallel mit der Regierungsaktion betreffs Forderung des Lokalbahnwesens haben auch die Landesvertretungen von Bohmen, Niederosterreich und Galizien im letzten Jahrzehnte eine umfassende Tatigkeit auf diesem Gebiete entwickelt, deren Verlauf im nachsten Abschnitte dieser Abhandlung geschildert werden soli. II. Die Landesaktionen. i. Die Lokalbalmaktion in Bohmen. Anlafilich der Vollendung des tausend- sten Kilometers der vom Konigreiche Bohmen garantiertenLokalbahnen, welcher bei dem Baue der normalspurigen Lokal- bahn Daudleb—Wamberg—Rokitnitz im Jahre 1906 erreicht wurde, hat der Landes- ausschufi eine umfassende und hochst beachtenswerte Denkschrift iiber die For¬ derung des Eisenbahmvesens niederer Ordnung in Bohmen herausgegeben, aus deren reichem Inhalt wir nachstehende Mitteilungen entnehmen: Die Grundlage fiir die Aktion auf diesem Gebiete bildete das Landesgesetz vom 17. Dezember 1892, LGB. Nr. 8, vom Jahre 1893. Die im § 2 dieses Gesetzes enthaltene Bestimmung iiber die Hohe der Landes- garantie erscheint durch einen Landtags- beschlufi vom 11. Februar 1895 erganzt, mit welchem der LandesausschuB er- machtigt wurde, den vom Lande garan- tierten Bahnunternehmungen auch die Garantie der Betriebskostenabgange zu- zusichern. Seitens des Landesausschusses wurde iibrigens bei der Unterstiitzung von Lokal- bahnen nicht ausschliefilich nach dem genannten Gesetze vorgegangen. Nebst den durch Gewahrung einer Landesgarantie sichergestellten Bahnen \vurde namlich auch eine erhebliche Anzahl von Bahnprojekten in der Weise realisiert, dafi das Land einen Teil der Stammaktien ubernahm, wahrend der Staat in die Ga- rantieverpflichtung des vom Lande und den Interessenten nicht bedeckten Teiles des Bauerfordernisses eintrat, auf welche F ali e sich die Bestimmungen des envahnten Landesgesetzes nicht beziehen. Die Ergebnisse der Landesaktion sind nach dem Stande 1906 in den nachstehenden zwei Tabellen (S. 311 u. 312) dargestellt. Von den in der zweiten Tabelle ange- fuhrten Bahnen sind, mit Ausnahme von Plan — Tachau und Wekelsdorf — Parschnitz, alle Linien als staatlich garantierte Lokalbahnen hergestellt \vor- den, beziehungsweise sollen als solche realisiert werden. Bei der Finanzierung der vom Lande garantierten Bahnen wurde nachfolgender Vorgang beobachtet. Das Stammaktienkapital (nach dem Gesetze mindestens 25°/ 0 des Aufwandes) wurde von den Lokalinteressenten auf- gebracht, wobei in zahlreichen Fallen dasselbe durch staatliche Beitrage erganzt wurde. Der restliche Kostenaufwand von hochstens 70 0 /o des Kapitals wurde durch Darlehen gedeckt, deren 4°/ 0 ige Ver- zinsung und Tilgung binnen 75 Jahren vom Konigreiche Bohmen garantiert wird. Die Vergebung des Baues der landes- garantierten Lokalbahnen erfolgte gegen Pauschalvergiitung der zu bewirkenden Arbeiten und Lieferungen. Diese Art der Bauvergebung war vornehmlich zu Beginn der Lokalbalmaktion die allein mogliche, da dieselbe — entgegen der Bauvergebung gegen Einheitspreise — die genaue Feststellung des gesamten Bauaufvvandes noch vor der Inangriff- nahme des Baues gestattete, was bei der Unzuverlassigkeit der ersten Pro¬ jekte von Bedeutung war. Auch konnte bei dieser Art der Bauvergebung seitens des Landesausschusses von einer, bei der Vergebung gegen Einheitspreise unum- ganglich notwendigen Vermehrung an geschultem, technischem Personal Um- gang genommen werden und die Ab- rechnung mit dem Bauunternehmer ge- staltete sich einfacher. Da zur Besorgung der dem Landes- ausschusse aus der Durchfiihrung dieses Gesetzes erwachsenden Geschafte die bis- Lokal- und Kleinbahnwesen. 3H Im Wege der Landesgarantie sichergestellte Lokalbahnen. 312 Ferdinand Gottsleben. Vom Lande durch Ubernahme von Stammaktien unterstutzte Lokalbahnen. Lokal- und Kleinbahnvvesen. 313 herige Organisation des Landesdienstes nicht mehr ausreichte, wurde als be- ratendes Organ des Landesausschusses in Eisenbahnfragen ein Landeseisen- b a h n r a t geschaffen und zur Be- sorgung des technischen Dienstes in diesen Angelegenheiten eine besondere Eisenbahnabteilung als Hilfsorgan des Landesausschusses gebildet. Das Bahnnetz des Konigreiches Boh- men, welchesEnde 1892 eine Gesamtlange von 4175 km hatte, erfuhr bis Ende 1906 einen Zuwachs von 2315 km. Hievon entfallen auf Bahnen, bei welchen sich das Land finanziell beteiligte, 1526 km (65'9°/ 0 ), und z\var auf landes- garantierte Bahnen 1005 km (43 , 4°/ 0 ), auf Bahnen, welche durch Ubernahme von Stammaktien unterstiitzt wurden, 451 km (i9'5°/o^ und au f anderweitig unterstiitzte Bahnen 70 km (3°/„); auf Bahnen, welche ohne Inanspruchnahme der Landeshilfe ausgefiihrt wurden, ent¬ fallen 788 km (34'i°/ 0 ). Ergebnisse der Landesaktion. Bei der Beurteilung der bisherigen Ergebnisse der Lokalbahnaktion weist die Denkschrift darauf hin, dafi sie am deutlichsten aus dem Verhaltnisse der nominellen Jahresbelastung des Landes durch die Ubernahme der Verzinsungs- und Tilgungsquote des Anlagekapitals der garantierten Lokalbahnen sowie durch den Zinsenverlust bei den iibernommenen Stammaktien der in dieser Weise vom Lande unterstiitzten Lokalbahnen gegen- iiber der faktischen Jahresbelastung her- vorgehen. Diese letztere Belastung, welche sich aus der nominellen Jahresbelastung nach Beriicksichtigung der jeweiligen Betriebs- ergebnisse der Bahnen ergibt, betrug mit Ende 1905 bei den fertiggestellten ga¬ rantierten Bahnen 94^46 °/o der nominellen Jahresbelastung (K 3,444.470 faktisch, gegen K 3,646.452 nominell) und bei den fertiggestellten, durch Ubernahme von Stammaktien unterstiitzten Lokalbahnen 98'78 °/o der nominellen Jahresbelastung (K 233.952 faktisch, gegen K 236.832 nominell). Hiezu \vird bei Realisierung der wei- ters sichergestellten, aber bis Ende 1905 noch nicht ausgebauten Lokalbahnen eine weitere nominelle Jahresbelastung des Landes kommen, welche nach den Berechnungen der Denkschrift bei den garantierten Bahnen K 4,007.404, bei den durch Ubernahme von Stammaktien unterstiitzten Bahnen K 329.490 betra- gen wird. Samtliche vom Lande garantierten Lokalbahnen erforderten in fast allen Jahren seit ihrer Betriebseroffnung be- deutende jahrliche Zuschiisse, um den Garantieverpflichtungen zu entsprechen; einzelne garantierte Bahnen weisen sogar durch eine Reihe von Jahren nicht uner- hebliche Betriebsabgange auf. Die Gesamtsumme der in samt- lichen Jahren vom Zeitpunkte der Be¬ triebseroffnung der einzelnen Bahnen bis Ende 1905 ausbezahlten Garantie- vorschiisse betragt K 15,569.232; rechnet man die aufgelaufenen Zinsen -im Be- trage von K 1,954.349 hinzu, so be- lauft sich die gesamte Garantieschuld aller vom Lande garantierten Bahnen auf K 17,523-581. Der bisherige Zinsverlust bei den im Betrage von K 5,840.800 iibernommenen Stammaktien betragt K 1,947.646. Das Verhaltnis des Landesaufwandes fiir Bahnen zum totalen Landeserfordernisse betrug im Jahre 1905 4'58°/o- Die Denkschrift gelangt daher zu dem Schlufiurteile, dafi die Lokalbahnaktion des Landes, welche allerdings im allge- meinen eine wesentliche Verbesserung der Erwerbs- und Verkehrsbedingungen der von den neuen Bahnen durchzogenen Gegenden zur Folge hatte, auf die Fi- nanzen des Landes und der beteiligten autonomen Korperschaften bis jetzt eine ungiinstige Wirkung ausgeiibt hat. Als Hauptgrund hiefiir bezeichnet die Denk¬ schrift den Umstand, dafi namentlich zu Beginn der Landesaktion unter dem Drucke der offentlichen Meinung Lokalbahnen mit Landesgarantie vielfach auch in solchen Gegenden erbaut wurden, deren Ver- kehrsbediirfnis ein so kostspieliges Ver- kehrsmittel zurzeit uberhaupt nicht vertrug. 314 Ferdinand Gottsleben. Dieses Schlufiurteil scheint aber — soweit sich aus den zur Verfiigung stehenden Daten entnehmen lafit ■— einer erganzenden Bemerkung zu be- dtirfen, dali namlich von den im Zeit- abschnitte 1895 —1908 hergestellten, lan- desgarantierten Lokalbahnen in der Ge- samtlange von 1091 km in den Jahren 1897—1901 allein nahezu 6o°/ 0 gebaut worden sind. Die Baukosten der Linien wurden durch die aus dieser regen Bautatigkeit resultierenden Steigerung der Arbeitslohne und fast aller Materialpreise, insbesondere aber bei den Lieferungen aus den Eisen- werken (Schienen und Briicken), ferner infolge der aus demselben Grunde erhohten Preise fiir Fahrbetriebsmittel wesentlich vermehrt. In den weiteren Jahren machte sich wieder die Konkurrenz mit den in Angriff genommenen grofien Staatsbahnbauten zur Erstellung einer zweiten Eisenbahnver- bindung nach Triest fiihlbar. Anderseits sind aber —■ allerdings unabhangig von der Landesaktion — auch die Betriebskosten infolge erhohter Personalausgaben und der Preissteigerung der Kohle bedeutend gewachsen. Obgleich nun selbst unter besseren Vorbedingungen fiir eine okonomische Bau- und Betriebsgebarung sich das Verhaltnis des jahrlichen Landesaufwandes fiir die Verzinsung und Tilgung der in- vestierten Kapitalien zu den Nettoer- gebnissen des Betriebes der Bahnen nicht griindlich geandert hatte, so ware das- selbe bei einem etwas zurtickhaltenderen Bauvorgange wohl nicht so ungiinstig geworden; allerdings dtirfte der Landes- ausscliufi auch in dieser Richtung nicht demeigenen Antriebe gefolgt sein. Ubrigens solite nach hierseitiger Auffassung der volkswirtschaftliche Erfolg der Schaffung neuer Verkehrswege nicht so sehr vom Standpunkte des direkten, finanziellen Effektes der beziiglichen Kapitalsaufwen- dungen beurteilt werden, sondern die hie- durch bewirkte allgemeine Hebung des Wohlstandes in den von den Bahnen durchzogenen Gegenden in den Vorder- grund gestellt werden. Mit seltenen Ausnahmen kann namlich gelten, dafi auch Bahnen mit finanziell unbefriedigendem Ergebnisse doch als im volkswirtschaftlichen Interesse gelegen zu bezeichnen sind, weil sie die Absatz- gebiete fiir die Landwirtschaft und be- stehende Industrien erweitern, neue in- dustrielle Anlagen iiberhaupt erst ermog- lichen und daher eine Hebung der Steuer- kraft der betreffenden Gegend herbei- fiihren. Damit soli aber nicht in Abrede gestellt werden, dafi in manchen Fallen eine sparsamere Bahnanlage, als jene einer Normalspurbahn besser am Platze und fiir die berechtigten Verkehrsanspriiche auch ausreichend gewesen ware, ja dafi sogar in jenen vereinzelten Fallen, wo —• selbst bei tunlichst okonomischer Bau- und Betriebsweise der Bahn — die Grenze des Betriebsdefizites erreicht wird, die Einrichtung von allenfalls subventionierten Automobilverkehren fiir langere Zeit noch geniigt hatte. 2. Die Lokalbahnaktion in Nieder- osterreich. (Nach Mitteilungen der niederosterreichischen Landeseisenbahn-Baudirektion.) Die beziigliche Aktion wurde vom Lan- desausschusse im Jahre 1894 eingeleitet und erhielt durch das Landesgesetz vom 28. Mai 1895, LGB. Nr. XIII, betreffend die Forderung des Eisenbahnwesens niederer Ordnung in N i e d e r 6 s t e r r e i c h, sowie durch die auf diesem Gesetze basierende Schaffung eines Landeseisenbahn- r a t e s und des Landeseisenbahn- amtes eine entsprechende technische Grundlage. Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes hat die Landesvenvaltung, von der Opfer- willigkeit der Gemeinden und Lokalinter- ressenten unterstiitzt, unter Mitwirkung des Staates eine umfangreiche und wir- kungsvolle Tatigkeit entfaltet, um den einzelnen, in bezug auf Terrain- und Wirtschaftsverhaltnisse ganz verschieden gestalteten Landesteilen ein ihren V erkehrs- bediirfnissen moglichst angepafites Lokal- bahnnetz zu verschaffen. Die Lokalbahnaktion erstreckt sich im Sinne der Bestimmungen des genannten Ge¬ setzes nicht nur auf die Mitwirkung an der Lokal- und Kleinbahnwesen. 315 Kapitalsbeschaffung, sondern umfafit auch das Studium sowie die Ausarbeitung der erforderlichen Projekte, namentlich aber den Bau, Betrieb und die Verwaltung jener Lini en, fur deren Vorzugskapital die Landesgarantie gewahrt wurde. Der anfanglich geiibte Modus, die vom Lande garantierten Prioritatsanlehen fiir jedes Bahnunternehmen getrennt zu bege- ben, hat sich nicht als vorteilhaft erwie- sen; es wurden daher an Stelle dieser auf einzelne kleine Linien lautenden Schuld- verschreibungen Landeseisenbahnanlehen aufgenommen, aus welchen der Geldbe- darf fur die Lokalbahnaktion nach Mafigabe der Landtagsbeschliisse bestritten wird. Solche Anlehen wurden vom Landtage in den Jahren 1903, 1905 und 1907 in derHohevonK 18,000.000, K 15,000.000 und K 18,000.000 bewilligt. Besondere Verhaltnisse liaben aber genotigt, in einigen Fallen iiber den vom Landesgesetze gebildeten Rahmen hinaus- zugehen und fiir einige Bahnen noch weitergehende, finanzielle Unterstiitzungen zu gewahren. Dies geschah entweder durch Erhohung der bereits zugestandenen Landesgarantie (Mariazeller Bahn 90°/o statt 7O°/ 0 ) oder durch Ubernahme von Stamm- oder Prioritatsaktien auch bei solchen Bahnen, welchen ohnehin schon die Garantie fiir das Vorzugskapital zu- gesichert worden war. (Mariazeller Bahn und Lokalbahn Ernstbrunn—Hohenau mit den Fliigeln nachPovsdorf und Gauners- dorf.) Diese Mehrleistungen des Landes so- wie auch die oberwahnten Landeseisen- bahnanlehen, ferner die zur Schaffung eines Landesfahrparkes, zur Errichtung von Landeselektrizitatswerken und zur Elektrisierung der Mariazeller Bahn beno- tigten Betrage \vurden durch besondere Gesetze bewilligt. Kcitegorisierung der Bahnen. W ahrend der nunmehr 14j ahrigen Dauer der Landesaktion bildeten sich hauptsach- lich zwei Gruppen von Bahnen aus, die unter finanzieller Beteiligung des Landes zu stande gekommen sind, und zwar: 1. Lokalbahnen mit Landes¬ garantie, welche vom Lande gebaut, betrieben und ver\valtet werden (Landes- bahnen); 2. Lokalbahnen, welchen eine Landes- unterstiitzung durch Ubernahme von Stammaktien gewžihrt worden ist. Diese letzteren Bahnen wurden bis nun ausnahmslos vom Staate gebaut, welcher fiir deren Vorzugskapital die Garantie leistet. Sie stehen samtlich im Staats- betriebe. Die erste Art der finanziellen Mit- wirkung des Landes hat sich als die gtinstigere erwiesen; sie allein bot die Moglichkeit eines geniigend raschen Fortschrittes der Lokalbahnaktion, ohne die Leistungsfahigkeit der Landesfinanzen iiber Gebiihr in Anspruch zu nehmen. Finanzielle Leislungen des Landes. Seit 1895 wurden unter Einrechnung von zwei schon vor Beginn der eigentlichen Lokalbahnaktion bewilligten Subventio- nen, 38 Bahnlinien mit zusammen 975 km Lange finanziell unterstiitzt. Hievon be- sitzen 11 Linien mit zusammen 334 km Lange die Spurweite von o "]6 m. Der gervahrte Gesamtbetrag beliiuft sich fiir diese 38 Linien auf K 61,165.780 (K 62.735 per 1 km Bahn), in welcher Summe auch die Kosten der elektrischen Streckenausriistung per K 1,640.000 an- lafilich der im Zuge befindlichen Elektri¬ sierung der 92 km langen Linie St. Polten—Gufiwerk inbegriffen sind. Die sichergestellten Bahnlinien, beziehungsweise die fiir dieselben zugestandenen Subventionen verteilen sich wie folgt: 1. Viertel ober dem Manhartsberge 2. Viertel unter dem Manhartsberge 3. Viertel unter dem Wienerwalde 4. Viertel ober dem Wienerwalde Summe . . 352 km K 9,622.000 237 » » 14,615.780 145 » » 16,651.000 241 » » 20,277.000 975 km K 61,165.780 3 1 6 Ferdinand Gottsleben. Ubertrag .... K 61,165.780 Hiezu kommen ferner die bereits bewillig:ten Betrage fiir: O o 5. Bau der Landeselektrizitatswerke Wienerbruck und Triibenbach sowie der Reservezentrale St. Polten.K 5,300.000 6. Landesfahrpark (K 1,000.000) und Beschaffung von 17 elektri- schen Lokomotiven fiir die Mariazeller Bahn (K 1,300.000) » 2,300.000 Hauptsumme.K 68,765.780 weicher Betrag die bisherige Gesamtleistung des Landes zur Forderung des Lokal- bahnwesens darstellt. Die vom Landtage fallweise bewillig- ten kleineren Kredite zur Durchftihrung von allgemeinen Studien und Trassie- rungen, ferner zur versuchsweisen Anschaf- fung von Dampfmotorwagen, endlich die fiir die Wiener Stadtbahn geleisteten Ka- pitals-und Betriebszuschiisse sind in diesem Betrage nicht enthalten. Von den 975 km subventionierter Lokalbahnen waren Mitte des Jahres 1908 bereits 572 km im Betriebe, wovon 276 km schmalspurig sind. Im Bau oder in Bauvorbereitung be- fanden sich zur gleichen Zeit 252 km Lo¬ kalbahnen, von welchen 38 die Schmal- spur besitzen. Diese in Ausfiihrung befindlichen Li- nien, von denen 97 km vom Staate, 155 km vom Lande gebaut werden, gelangen samtlich bis zum Jahre 1910 zur Vollendung; es wird also zu diesem Zeitpunkte schon ein Lokalbahnnetz von 824 km Lange unter hervorragender Mitwirkung des Landes zu stande gekom- men sein. A rt der Subventionierung. Von den 38 finanziell unterstiitzten Linien wurden solche mit einer Lange von rund 344 km nur durch Ubernahme von Stammaktien im Betrage von K 3,614.000 (K 10.500 per 1 km) subventioniert. Es sind dies Bahnen, deren Bedeutung grofitenteils liber eine rein lokale hinaus- geht, denen also mit Riicksicht auf gesamt- staatliche Interessen die Staatsgarantie zuerkannt vrarde. Die iibrigen, zusammen 631 km langen Strecken sind Landesbahnen, welchen die Garantie fiir das Vorzugskapital vom Lande zugestanden vrarde, und zwar in der Hohe von K 48,946.000. Mit Ausnahme der Strecken Kirchberg —Mariazell— Gufiwerk (90 °/ 0 )> Ernstbrunn —Mistelbach (50%) und Dobermannsdorf —Poysdorf (60 °/ 0 ) hat die Garantieziffer bei allen diesen Linien die gesetzlich zu- lžissige Maximalhohe, namlich 7 O°/ 0 des Nominalanlagekapitals betragen. Aufierdem wurden vom Lande fiir die Mariazeller Bahn und die Marchfeld- bahnen, ferner fiir die im Bau befind¬ lichen Landesbahnen Stamm- beziehungs- weise Prioritatsaktien in der Hohe von K 5,340.000 beziehungsweise K 965.780 und K 2,850.000 iibernommen, so dafi die Gesamtbewilligung fiir die eigent- lichen Landesbahnen bisher in Summa K 58,101.780 (per 1 km K 91.900) betragt. Das Restkapital fiir diese 631 km Landesbahnen mufite durch Ausgabe von Stammaktien beschafft \verden, welche von den Lokalinteressenten und vom Staate iibernommen \vurden. Die Hohe der fiir diese Linien von der Staatsverwaltung bisher bewilligten Subventionen beliiuft sich auf K 3,780.000 = 5% des mit K 75,310.000 veranschlagten Anlagekapitals. Zwei von diesen Bahnen mit zusammen 46 km Lange erhielten noch keinen Staats- beitrag zugesichert, so dafi deren Reali- sierungsmoglichkeit fraglich ist. Bisher ausgefiihrte Landesbahnen. Von den im Betriebe befindlichen 572 km Lokalbahnen sind 365 km Landes¬ bahnen, von welchen die Lokalbahnen Stammersdorf — Auersthal und Freiland — Tiirnitz in fremdem Be¬ triebe, wahrend 334 km im Landesbetriebe stehen. Die restlichen 207 km sind imStaatsbe- triebe stehende Bahnen, welche dieStaats- Lokal- und Kleinbahnwesen. 317 garantiebesitzenundvomLande nur durch tjbernahme von Stammaktien unterstiitzt wurden; hievon sind 76 km schmalspurig. Die 365 km Landesbahnen, von welchen 200 km schmalspurig sind, rvurden durch- wegs von der technischen Abteilung des Landeseisenbahnamtes, welche seit 1. Jan- ner 1908 zur niederosterreichischen Landeseisenbahn-Baudirektion ausgestaltet worden ist, projektiert und gebaut; der Betrieb und die Verwaltung dieser Bahnen wird von der mit dem glei- chen Zeitpunkte organisierten Direktion der niederosterreichischen Lan¬ desbahnen gefuhrt. Die Bauten wurden mit rvenigen Aus- nahmen in Regie durchgefiihrt; dieser Vorgang ist auch bei den jetzt in Ausfiih- rung stehenden Linien aussehliefilich in Anwendung und hat durchaus giinstige Resultate ergeben. Als Landesbahnen rvurden gebaut: Zu den obbezeichneten Kosten der Linie St. Polten'—Kirchberg a. d. Pielach—Mank rverden noch die Kosten des Umbaues der Strecke St. Polten—Kirchberg fur den elektrischen Betrieb in der Hohe von K 1,300.000 hinzutreten. Teils im Bau, teils in Bauvorbereitung befinden sich folgende Landesbahnen: einschliefilich der Elektrisierungskosten der Linie St. Polten—Kirchberg a. d. Pielach. 3i8 Ferdinand Gottsleben. Der Landesausschufi ist bemiiht, die urspriinglich isolierten, kleinen Linien all- mahlich in zusammenhangende Netze zu vereinen, um Betrieb und Verwaltung der Landesbahnen okonomischer gestalten zu konnen. Derzeit bestehen schon drei grofiere Netze, und zwar: die Niederoster- reichische Waldviertelbahn mit 82 km, die Nie d erS sterreic hi s ch- steierische Alpenbahn mit 118 km und die Marchfeldbahnen mit 156 km Betriebslange. Durch die in Ausfiihrung beiindlichen Eisenbahnbauten werden die beiden letzte- ren Netze auf 156, beziehungsrveise 192 km Lange erweitert. Eine Fortsetzung der unternommenen wagen ist vorlaufig nicht in Aussicht genommen; hingegen wird die Einfiihrung des elektrischen Betriebes auf jenen Landesbahnlinien, wo sich dies wirtschaft- lich als gerechtfertigt erweisen solite, unter Beriicksichtigung der auf der Mariazeller Bahn zu sammelnden Erfahrungen nach Moglichkeit erfolgen. Betriebs- und fincmzielle Ergebnisse der Landesbahnen. tjber die bisher erzielten Betriebs- ergebnisse so\vie iiber die tatsachliche Inan- spruchnahme der Landesgarantie geben nachfolgende Daten, welche die Resultate der Jahre 1899, 1903 und 1907 behandeln, Die im Jahre 1907 eingetretene Ver- schlechterung des Betriebskoeffizienten und damit auch der Verzinsung des Anlagekapitals ist ■— wie auf allen oster- reichischen Eisenbahnen — der bedeu- tenden Steigerung der Personalauslagen und den erhohten Kosten fiir die An- schaffung der Verbrauchsmaterialien zu- zuschreiben. Auch hab en sich Verkehr und Ein- nahmen der neueroffneten Strecken, spe- ziell der Marchfeldbahnen, noch nicht entwickelt, so dafi erst fiir die nachsten Jahre mit einer wesentlichen Besserung des Betriebsertragnisses gerechnet werden kann. J. Die Lokalbahnaktion in Galizien. (Nach Mitteilungen des galizischen Landes- eisenbahnamtes.) Die im letzten Jahrzehnte durchge- fiihrte Landesaktion auf dem Gebiete des Lokalbahnwesens in Galizien basiert auf dem Landesgesetze vom 17. Juli 1893, LGB. Nr. 42. Zur erleichterten Behandlung der Eisen- bahnagenden im Landesausschusse wurde ein Landeseisenbahnrat geschaffen und zur Durchftihrung der beziiglichen Geschafte das Landeseisenbahnamt errichtet. Gleichzeitig mit diesem Landesgesetze und im Zusammenhange mit demselben Lokal- und Kleinbahirvvesen. 319 ist vom Landtage die Bildung eines Landeseisenbahnfonds in der Weise beschlossen worden, dafi vomjahre 1894 angefangen auf die Dauer von 75 Jahren demselben vom Landesfonds eine jahrliche Dotation von K 600.000 zugesichert wurde. Laut Landtagsbe- schlufi vom Jahre 1899 wurde diese Dotation bis zum Betrage von jahrlich K 750.000 erhoht. Auf dieser Grundlage erfolgte die Feststellung des ersten Programms des Lokalbahnbaues, wobei beziiglich der Auswahl der zu unterstiitzenden Linien fiir den Landesausschufi nicht nur deren wirtschaftliche Ntitzlichkeit und Bedeutung fiir das Landesinteresse, sondern auch der Umstand mafigebend war, dafi schon in den nachsten Jahren eine moglichst zweckmafiige Ausniitzung des fiir den obigen Zweck bestimmten Landeseisen¬ bahnfonds erreicht werde. Der Landes- ausschufi hat daher solche Bahnlinien fiir das erste Bauprogramm ausgewahlt, deren Rentabilitat den Landeseisenbahnfonds in moglichst kurzer Zeit von den aus An- lafi der finanziellen Forderung der Landes- bahnen iibernommenen Verpflichtungen entlastet. Mit den Landtagsbeschliissen vom 8. Februar 1895, vom 8. Februar 1896 und vom 15. Februar 1897 wurden die normalspurigen Lokalbahnen: Borki wielkie—GrzymaI6w, Trzebinia ■—Skawce mit der Fortsetzungslinie Si er s z a—Trzebinia, Chab6wka— Zakopane, Delatyn—Kolomea— Stefan6wka und Pila—Jaworzno, sowie die schmalspurige Kleinbahn Lup- kow—Cisna sichergestellt. Die Finanzierung dieser 6 Projekte erfolgte in der Weise, dafi der Landes- ausschufi riicksichtlich der Linie L u p k 6 w —Cisna zwei Drittel des Anlagekapitals in Prioritatsaktien (K 1,050.000) auf den Landesfonds iibernahm, wahrend fiir die anderen 5 Lokalbahnen die Reinertrags- garantie in der Hohe der Prioritats¬ anlehen (i4'858 Millionen) gewahrt wurde. Mit den Landtagsbeschliissen vom 20. Marž 1899 und 30. Dezember 1899, beziehungsweise 13. Oktober 1904, wurde sodann auch die Ubernahme der Ertragnis- garantie fiir die Prioritatsanleihe der schmalspurigen Lokalbahn Prze\vorsk —Bachorz (Dynow) in der Hohe von 2^964 Millionen und der normalspurigen Lokalbahn T a r n 6 w—S z c z u c i n in der Hohe von 2 Millionen Kronen beivilligt. Das Detail der Kapitalsbeschaffung fiir die vorgenannten, samtlich im Staats- betriebe stehenden Landesbahnen ist aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen. Aufierdem beteiligte sich das Land an der Finanzierung der Staatsbahnlinien Chodorow—Podwysokie und Prze- worsk—Rozwadow mit dem nicht riickzahlbaren Betrage von 2 - 5 Millionen Kronen und iibernahm fiir weitere teils staatlich garantierte, teils anderweitig vom Staate unterstiitzte Lokalbahnen Prioritats- beziehungsweise Stammaktien, und zwar fiir Krakau—Kocmyrzow K 200.000, fiir Lemberg — Jaworow K 300.000, fiir Tarnopol — Zbaraž K 600.000 und fiir Lemberg — P o d- hajce K 2,100.000. Die im Jahrzehnte 1898—1907 inGa- lizien sichergestellten und ausgefiihrten beziehungsweise im Baue befindlichen Lokalbahnen (ausgenommen die ober- wahnten zwei Staatsbahnlinien) besitzen eine Gesamtlange von 6i9'8i km, deren Gesamtkosten betragen K 58,790.200. An diesenKosten beteiligte sich der Staat mit dem Betrage von K 27,543.000(46'7 °/ 0 ), und zwar durch die Ertragnisgarantie fiir Prioritatsanlehen von K 15,235.000, durch Ubernahme von Aktien im Betrage von K 9,059.000 und durch die Gewahrung der Betriebskostenstundung zu Gunsten der Annuitaten des Prioritatskapitals von K 3,250.000. Die Beteiligung des Landes beziffert sich auf K 24,708.000 (42°/o) un( i erfolgte durch die Ertragnisgarantie fiir Prioritatsanlehen im Gesamtbetrage von K 19,822.000, durch die Ubernahme von Aktien in der Hohe von K 4,510.000 und durch die Gewahrung einer schwe- benden Schuld von K 370.000. Die Beitrage der Lokalinteressenten belaufen sich auf K 6,539.200 (ii'3°/ 0 ), welche gegen Refundierung in Prioritats- beziehungsweise Stammaktien geleistet wurden. Der Landesfonds iibernahm die ob- geschilderte finanzielle Unterstiitzung der 320 Ferdinand Gottsleben. Lokal- und KIeinbahnwesen. 321 Lokalbahnen bei der jahrlichen faktischen Belastung von K 750.000, das heifit bei ungefahr 3 Heller der Steuerumlagen, be- ziehungsweise bei 2'75°/ 0 im Verhaltnisse zur Gesamtbelastung des Landesfonds. Die nominelle Jahresbelastung des Landes zufolge der tibernommenen Er- tragnisgarantie betrug im Jahre 1906 K 783.082, wovon K 694.787 (88‘4°/ o ) durch die Einnahmen der Lokalbahnen ge- decktwurden; im Jahre 1907 bezifferte sich diese Belastung des Landes auf K 872.298, von welchem Betrage aus den Lokalbahn- einnahmen K 773.927 (88*7°/ 0 ) beglichen wurden. Die kilometrischen Bruttoeinnahmen betrugen auf den in Verwaltung des Landes befindlichen Lokalbahnen durchschnittlich im Jahre 1905 K 6865, im Jahre 1906 K 7389 und im Jahre 1907 K 7511; die Gesamtausgaben dagegen im Jahre 1905 K 4044, im Jahre 1906 K 4253 und im Jahre 1907 K 4492, so dafi der Betriebsiiber- schufi per 1 Kilometer im Durchschnitte im Jahre 1905 K 2821, im Jahre 1906 K 3205 und im Jahre 1907 K 3019 betrug. Hiedurch verzinste sich das in den galizischen Landesbahnen investierte An- lagekapital im Jahre 1905 mit durch¬ schnittlich 3 °/ 0 , im Jahre 1906 mit 3'44°/ 0 und im Jahre r 9°7 mit 3'35 °/o- Die Erhohung der Betriebskosten in den letzten zwei Jahren wurde bei allen diesen im Staatsbetriebebefindlichen Lokal¬ bahnen durch die Erhbhung der Beziige des verwendetenPersonals, dieVerteuerung der Verbrauchsmaterialien, insbesondere der Steinkohle, und schlieBlich durch die Schneeraumung im Winter des Jahres 1906/07 verursacht. Da bei den landesgarantierten Lokal¬ bahnen — mit Ausnahme der Lokalbahn Tarn6w—Szczucin —• die vom Lande ge- leisteten Garantiezuschtisse aus den er- zielten Reinertragnissen erst nach erfolgter Verzinsung per 4°/ 0 des gesamten Aktien- kapitals an den Landesfonds zur Riick- zahlung zu gelangen haben, hafteten mit Ende des Jahres 1907 nachstehende Ga- rantiezuschiisse aus: Lokalb. Borki wielkie—Grzymalow K II 1.256 » Chabdwka—Zakopane ...» 4.807 » Pila—Jaworzno.» 105.613 » Delatyn—Stefanbvvlca .... »1,473.102 » Przeworsk - Dyndw.» 352.234 Aus den Reinertragnissen pro 1907 zahlte die Lokalbahn Pila—Jaworzno den Betrag von K 96.558 an den Landes¬ fonds zuriick. Diese im allgemeinen jedenfalls giin- stigen Erfolge liefern den besten Beweis der wirtschaftlichen Bedeutung der vom Lande in Gemeinschaft mit dem Staate und den lokalen Interessenten im ver- flossenen Jahrzehnte unternommenen Lo- kalbahnaktion; anderseits aber miissen diese Erfolge auch auf den Umstand zu- riickgefiihrt \verden, dafi das galizische Hauptbahnnetz liickenhaft ist und die in der ersten Bauperiode hergestellten Lo¬ kalbahnen eine Erganzung des letzteren bilden. Tatsachlich bedienen die meisten und grofiten Lokalbahnen in Galizien, als Bindeglieder einzelner — nur auf Umwegen zusammenhangender — Staatsbahnlinien nicht nur den Verkehr ihres natiirlichen Attraktionsgebietes, sondern sie be- sorgen auch einen nicht unbedeutenden Teil des Durchzugsverkehres. Diese giinstige Verkehrslage tragt selbstver- standlich zur Erhohung der Rentabilitat der betreffenden Lokalbahnen wesentlich bei. Das Zustandekommen von 6i9'8i km dieser neuen Verkehrsadern hat aber auch in erheblicher Weise den Verkehr auf den Staatsbahnlinien gehoben, indem diese Lokalbahnen neue Gebiete erschlossen haben, deren Produkte den Handelsweg uber lange Staatsbahnrouten einschlagen. Die galizischen Lokalbahnen dienen so- wohl dem Personen- als auch dem Gtiter- verkehre; die Lokalbahn Chab6wka— Zakopane erschliefit das landschaftlich reizende Tatragebiet und verbindet den vornehmen Luftkurort Zakopane mit dem Eisenbahnnetze, ist daher natur- gemafi hauptsachlich auf den Personen- verkehr angewiesen; die Lokalbahnen Trzebinia — Skawce und Pil a— Jaworzno sind ausgesprochene Kohlen- bahnen; die Lokalbahnen Borki wielkie—Grzymal6w, Delatyn— Kolomea—Stefan6wka, Tarndw — Szczucin, und die schmalspurige Linie Przeworsk — Bachorz — Dyn6w durch- ziehen landwirtschaftliche und teilweise Waldgebiete, wahrend die schmalspurige 21 322 Ferdinand Gottsleben. Kleinbahn Lup ko w—Cisna eine Wald- bahn in offentlichen Betriebe ist. Dem Charakter der einzelnen Lokal- bahnen wurde auch die Art der Betriebs- fiihrung und das Tarifwesen mit Erfolg angepafit. Auf den Lokalbahnen mit steigerungs- fahigem Personenverkehr wird allmahlich die Trennung dieses Verkehres vom Giiter- transporte durchgefiihrt. Die Lokalbahntarife sind zwar etwas hoher gehalten als jene der anschliefienden Staatsbahnen, allein es wird jedem tat- sachlichen Erfordernisse der Landvvirtschaft und der Industrie durch spezielle Tarif- ermafiigungen Rechnung getragen. Diesem Vorgange ist es auch zu verdanken, dafi langs der Lokalbahnen neue, ftir die Zukunft sehr versprechende Industrien bereits ihre Statte aufschlagen. Die Ausgestaltung des galizischen Lokalb ahnnetzes bil det sohin ein wichtiges Kapitel in der wirtschaftlichen und kultu- rellen Entwicklung des Landes. 4. Die Landesaktion in Steiermark. (Nach dem 17. Bericlite des Landesausschusses an den Landtag.) Das Land Steiermark, von welchem seinerzeit auf Grund des Landesgesetzes vom 11. Februar 1890, LGB. Nr. 22, die Initiative in der Forderung des Lokal- bahnwesens durch die Landesvertretungen ausgegangen war, konnte sich im letzten Jahrzehnte wegen der ungiinstigen Lage der Landesfinanzen nur mehr in gerin- gerem Umfange an der Unterstiitzung des Zustandekommens neuer Lokalbahnen im Lande beteiligen und hat sich in der Hauptsache auf die Verwaltung der be- stehenden Landesbahnen beschrankt. Nach dem letztvorliegenden im Jahre 1907 veroffentlichten XVII. Berichte des Landesausschusses an den Landtag be- trug die Gesamthohe der seit Beginn der Aktion bis Ende 1906 fltissig gemachten Subventionen rund K 4,385.000 ftir 382 km fertiggestellte Bahnen. Hievon entfallen auf die schon in friiheren Jahren ausgebauten Lokalbahnen: Eisenerz — Vordernberg, Spiel- feld — Radkersburg — Lutten- berg, Gleisdorf—Weiz, Fehring — Fiirstenfeld — Hartberg, Z e 1 1- weg — Wolfsberg, Unterdrau- burg — W o 11 a n und Cilli — W 6 11 a n zusammen K 3,565.000, ferner auf die im letzten Jahrzehnte gebaute Rohitscher Lokalbahn K 800.000, der Rest auf Subventionsbeitrage ftir Staatsbahnlinien. Nach dem genannten Berichte waren fiir das Jahr 1907 noch weitere Subven¬ tionen in der Gesamthbhe von K 1,475.585 vorzusehen, wovon K 400.000 auf die Lokalbahn Leibnitz — Polfing- Brunn (Sulmtalbahn) und K 700.000 auf die Mariazeller Bahn anlafilich ihres Aus- baues bis Gufiwerk entfallen, wahrend der Rest auf Staatsbahnlinien und auf derzeit noch im Projektsstadium befind- liche Lokalbahnen entfallt. Der Landesausschufi fiihrt bei Erorte- rung der Rtickwirkung der bereits tiiissig gemachten Subventionen fiir fertiggestellte Bahnen auf die Landesfinanzen an, dafi von den im Besitze des Landes befind- lichen Stammaktien sich bisher durch eine Reihe von Jahren nur die Akti en der Lokalbahn Gleisdorf —■ W e iz, und zwar im Jahre 1905 mit K 12.000, und die Prioritatsalctien der Linie F e h r i n g—F iirstenfeld gleichfalls im Jahre 1905 mit K 5500 verzinst haben. Im Entgegenhalte zu den 4°/ 0 igen Zinsen per K 175.400 des Subventionsbetrages von rund K 4,385.000 ergibt sich daher ein effektiver Zinsenentgang von K 1 57 ' 9 °°- Da die ftir die Sulmtalbahn und die Linie Kirchberg — Mariazell — Gufiwerk zu iibernehmenden Stamm¬ aktien voraussichtlich ebenfalls ohne Er- tragnis bleiben werden, wird sich dieser Zinsenverlust um weitere K 44.000 erho- hen und sodann K 201.900 betragen. Die Kapitalsbeschaffung fiir diese Sub¬ ventionen mufite mangels anderer Art der Bedeckung durch Veraufierung von zins- tragenden Effekten aus dem Stammver- mogen des Landes bewirkt werden. Zu- dem kommt noch, dafi laut des in der letzten Landtagsperiode gefafiten Be- schlusses die jeweiligen Abgange beim Landeseisenbahnfonds aus dem Landes- fonds zu ersetzen sind, wozu im Durch- schnitte jahrlich K 118.100 erforderlich werden. Lokal- und Kleinbahnwesen. 323 Es ergibt sich somit aus Anlafi der Durchfiihrung der verschiedenen Eisen- bahnaktionen des Landes fiir den Landes- fonds bisher eine Unterbilanz von durch- schnittlich jahrlich K 320.000, d. i. gleich 2'1 °/q der Landesumlagen. Der Landesausschufi gelangte daher in seinem Berichte im Hinblick auf die sich von Jahr zu Jahr ungiinstiger ge- staltende Finanzlage des Landes zu dem Antrage, mit Ausnahme eines eventuellen Beitrages zum Baukapital der nach jahr- zehntelangfen Verhandlunsen endlich le- gislativ sichergestellten, fiir das Land besonders wichtigen Bahnverbindung Friedberg — Aspang, von weiteren Sub- ventionierungen von Bahnbauten derzeit abzusehen. Erst in letzter Zeit hat sich der steiermarkische Landesausschufi entschlos- sen, wieder eine Bahnlinie ins Leben zu rufen, indem er die Bedeckung des fiir erforderlichen, vorlaufig mit dem Betrage von K 293.000 effektiv III. Erorterung der beim Baue angewendeten Grund: Bezugjich der zweckmafiia:sten Aus- o r-> fiihrungsweise der Bahnen niederer Ord- nung haben sich im letzten Jahrzehnte die Meinungen in mehrfacher Beziehung nicht unerheblich geandert und insbesondere ist hinsichtlich des fiir normalspurige Bahnen zu wahlenden kleinsten Bogenhalbmessers und des Oberbaues auf Grand der mittler- weile gemachten Erfahrungen — vornehm- lich bei solchen Linien, welche auf den unbescbrankten Ubergang der Gtitenvagen der anschliefienden Flauptbahn Gewicht legen miissen — ein Umschwung in den Anschauungen betreffs einer rationellen Bauokonomie deutlich hervorgetreten. Der in den ersten Jahren des Lokal - bahnbaues fast durchgangig gewahlte Minimalradius der Bogen von 150 m wird bei den auf eigenem Bahnkorper gefiihrten Linien schon seit langer Zeit nur mehr selten angewendet. Die Betriebserfahrungen beziiglich der Bahnerhaltungskosten einerseits und der Wunsch anderseits, die Leistungsfahig- bewerteten Baukapitals aus dem Landes- eisenbahnfonds iibernommen hat. Es ist dies die 3’7 km lange normal¬ spurige Kleinbahn von der Sudbahnstation Windisch-Feistritz zur ojeichnamig-en o o Stadt, deren Konzessionierung unter dem 23. Juli 1908, RGB. Nr. 161, erfolgte. Das Anlagekapital der steiermarkischen Landesbahnen betrug mit Ende 1905 K 14,508.000, wovon auf die Linien Cilli—Wollan K 5,420.545, Preding- Wieseldorf~Stainz K 643.944, Poltschach — Gonobitz K 707.1x1, Kapfenberg— Au-Seewiesen K 2,224.838 und auf die Murtalbahn (Unzmarkt — Mauterndorf) K 5,5ii-556 entfallen. Fiir die Verzinsung und Tilgung der bezuglichen Landesanlehen war pro 1905 ein Betrag von rund K 827.000 erforder- lich; infolge der unzureichenden Betriebs- iiberschiisse hatte das steiermarkische Landesfonds-Garantiekonto fiir das Jahr 1905 mit dem Betrage von rund K 141.000 aufzukommen. der Bahnen niederer Ordnung tze und Hauptmafte. keit der Lokalbahnen nicht fiir alle Zu- kunft erheblich einzuschranken, haben zur Erkenntnis gefuhrt, dafi die mit diesem Bo- genhalbmesser zu erzielende Bauokonomie in den meisten Fallen nicht zweckentspre- chend und bei spaterer Entwicklung des Verkehres der Lokalbahn hinderlich war. Bei jenen Lokalbahnen, welche ein industrielles Gebiet durchziehen oder wo- selbst wenigstens die Vorbedingungen fiir die Entwicklung einer Industrie nach Schaffung- einer Bahnverbindung vorhan- den sind, ist man daher in richtiger Er- wagung der Vorteile, welche sich aus einer die Zukunft nicht unterbindenden Trassenfiihrung ergeben, allmahlich dahin gelangt, nicht mehr alle anderen Riick- siehten der momentanen Bauersparnis zu opfern und nunmehr ist der Bogenhalb- messer von 180 m als Grenzwert bei diesen Lokalbahnen schon die Regel ge- worden. Dagegen haben die Fortschritte im Lokomotivbau — welche es ermoglichten, 21 * 324 Ferdinand Gottsleben. leistungsfahigere Maschinen auszufiihren — die Anwendung grofierer Steigungen selbst fiir solche Lokalbahnen statthaft gemacht, welche bestimmt sind, indu- strielle Gebiete zu bedienen. Wenngleich das altbewahrte Grenzmafi der Steigungen von 25 pro Mille auch derzeit nur selten iiberschritten wird, ist doch die Anwen- dung von Steigungen von 20 pro Mille und dariiber infolge des heutigen Standes des Lokomotivbaues weit ausgedehnter geworden als friiher. Das ftir die Kosten des Unterbaues weiters wichtige Mafi der Kronenbreite des Unterbaukorpers von 4 - o m hat sich als ausreichend enviesen und hat deshalb im allgemeinen keine Anderung erfahren. Vereinzelt wurde aber in neuerer Zeit auch schon eine Unterbaukrone von 4'3 m seitens der Projektanten gewahlt, welche bei spateren Aufholungen des Oberbaues noch ein ausreichend breites, beiderseitiges Bankett frei lafit. Seit demErscheinen der neuenBriicken- verordnung vom 28. August 1504, RGB. Nr. 97, ist fiir die Tragwerke der offenen Briicken von Lokomotivbahnen die im Abschnitte B des § 7 dieser Verordnung festgesetzte Belastungsnorm II die Regel fiir alle normalspurigen Lokalbahnen ge- worden.*) Die im § 2, Absatz I f fiir bestimmte Bahngattungen als Ausnahme zugelassene Erleichterung, wonach die faktisch ver- kehrenden Fahrbetriebsmittel, beziehungs- weise also leichtere Maschinen als die in dem Belastungsschema II vorgeschriebenen Lokomotiven als Berechnungsbasis fiir die Tragwerke der offenen Briicken ange- nommen werden konnen, wird zwar noch vereinzelt in Anspruch genommen; im eigenen Interesse der Bahnvenvaltungen ware es jedoch gelegen, hievon ganzlich abzusehen, um nicht spaterhin wegen einer relativ geringen Kostenersparnis bei den Eisenkonstruktionen die vielleicht wiinschenswert werdende Einftihrung schwererer Lokomotiven erst von einer Rekonstruktion der Tragwerke abhangig zu machen. Wahrend sich die aus diesem Anlasse etwa erforderliche Verstarkung des Ober- *) Siehe Bd. VI d. W., S. 91 ff. baues zumeist schon durch Verdichtung der Schwelleneinteilung erreichen lafit, ist eine nachtragliche Briickenverstarkung un- gleich mifilicher. Ein wesentlicher Umschwung ist in den Anschauungen beziiglich des zweck- mafiigsten Oberbaues bei normalspurigen Lokalbahnen eingetreten. Die Ansprtiche betreffs der Fahrge- schwindigkeit, welche seinerzeit mit 25 km in der Stunde als Maximum festgesetzt worden war, sind gestiegen und treten derzeit schon Wiinsche auf, welche sogar iiber das Mafi von 30 km hinaus- gehen. Als weiteres Moment fiir die Verstar¬ kung des Oberbaues ist der Bedarf an leistungsfahigen und daher schwereren Lokomotiven, sowie die in den letzten Jahren in stets steigendem Mafie erfol- gende Einfuhrung von Giiterwagen mit grofierer Ladefahigkeit zu bezeichnen, welche es gestattet, die Leistung der Bahn ohne wesentliche Anderung und Erganzung der Gleisanlagen in den Sta- tionen entsprechend zu vergrofiern. Das friiher mit 10 t begrenzte Lade- gewicht ist aus betriebsokonomischen Rucksichten auf 15/, ja sogar hoher ge¬ stiegen und viele neu beschaffte Giiter-, insbesondere die Kohlenwagen im bela- denen Zustande besitzen einen Achsdruck, bei welchem das fiir die alten Schienen- profile zulassige Mafi der Inanspruchnahme des Materials wesentlich iiberschritten wird. Das in den ersten Jahren des Lokal- bahnbaueš fiir normalspurige Lokalbahnen iiblich gewesene, aber konstruktive Mangel aufweisende Schienensystem mit 23 kg Gewicht per laufendes Meter ist in¬ folge der vorgenannten Umstande nicht mehr ausreichend und tatsachlich schon Iange aufier Gebrauch gesetzt. Aber auch das neue 2i - 8 kg schwere Oberbausystem E der k. k. Staatsbahnen (welches trotz seines geringeren Gewichtes wegen seiner zweckmafiigeren Materialanordnung mit dem ersteren Profile gleichwertig ist), mufite fiir normalspurige Bahnen mit Loko- motivbetrieb schliefilich fast ganz fallen gelassen werden. Zum letztenmal wurde das Oberbausystem E noch bei der normalspurigen Lokalbahn T a r n 6 w— Lokal- und Kleinbahirvvesen. 325 S z c z u c i n verwendet und wurde daselbst noch ausnahmsvveise der Verkehr von Kohlenwagen mit 15 t Ladegewicht unter der Bedingung einer geringen Fahrge- schwindigkeit zugelassen. Seit einer Reihe von Jahren ist daher das zuerst bei der Lokalbahn J ar o s 1 au— S o k a 1 (eroffnet 6. Juli 1884) vervvendete und seither mehrfach, insbesondere be- ziiglich der Stofiverbindung verbesserte Schienensystem mit 26 kg Gewicht per laufendes Meter, fiir den Bau jener normal- spurigen Lokalbahnen, welche den un- beschrankten Ubergang von Fahrbetriebs- mitteln der Hauptbahnen zulassen sollen, die standige Oberbautype der Lokalbah¬ nen geworden. Das unter der Bezeichnung System XXIV a der Staatsbahnen derzeit allge- mein in Gebrauch stehende Oberbausystem mit Flufistahlschienen von 26 kg Gewicht per laufendes Meter besitzt schwebenden Stofi und gestattet unter Anwendung von 18 Schwellen (0^72 m Schwellenentfernung) auf die Schienenlange von I2'5 m einen Achsdruck der Lokomotive von i4’o t bei 1000 kg Inanspruchnahme des Ma¬ terials per 1 cm 2 der Querschnittsflache des Profils. Die Stofiverbindung erfolgt mit beider- seitigen Winkellaschen, nach dem Normale wird jede Schwelle mit zwei Keilplatten versehen. Fiir Lokalbahnen mit minder lebhaftem Verkehre werden jedoch Erleichterungen in der Kleinmaterialanordnung in der Weise zugestanden, dafi nicht samtliche Schwellen Platten erhalten mtissen, statt der Keilplatten werden diesfalls Planplatten verwendet. Dieses Oberbausystem wird sich in der jetzigen konstruktiv verbesserten Form wohl noch viele Jahre hindurch als Nor- maltype fiir jene normalspurigen Bahnen erhalten, welche nicht in besonders ent- wickelte Industriegebiete fiihren. Fiir jene Bahnen aber, bei welchen die Zufuhr von Kohle eine erhohte Bedeutung hat, ist es bei der stetigen Tendenz einer weiteren Steigung der Ladefiihigkeit beim Baue neuer Kohlenwagen nicht ausgeschlossen, dafi die Zeit bald kommen kann, in wel- cher auch dieses Profil die Grenze seiner Verwendbarkeit erreicht. Die in letzter Zeit bereits mit 20 t Ladegewicht erbauten Kohlenwagen sind gerade noch auf den Oberbau nach System XXIV a iibergangsfahig. Bei eventueller Verwendung leichterer Lokomotiven als nach den typischen Be- stimmungen der Briickenverordnung \vird bisweilen auch eine Verringerung der normalmafiigen Schwellenzahl (18) per Schienenlange zugelassen; dieselbe ist jedoch nicht zu empfehlen, da sie bei einer, aus verschiedenen Griinden manchmal un- erwartet eintretenden Notwendigkeit der Verwendung einer schwereren Lokomotiv- gattung eine ganzliche Anderung der Schwellenausteilung infolge Einschaltung einer weiteren Schwelle bedingt. In dieser Beziehung wird bei der ersten Anlage einer Bahn aus verfehlter Bauokonomie manch¬ mal gesiiudigt, weil die spateren Ausgaben fiir die Neuanordnung der Schwellen das Betriebskonto in nicht gerechtfertigter Weise belasten. Durch das Umnageln wird iibrigens auch die Verwendungsdauer der Schwellen reduziert und daher eine neue Ausgabe vorzeitig herbeigefiihrt. Die obere Breite des Schotterbettes wird bei den normalspurigen Lokal¬ bahnen auch derzeit noch mit dem Mafie von 3 - o m, die Starke des Bettes mit 0‘25 m hergestellt, obwohl letzteres Mafi insbesondere in Einschnitten zu knapp gehalten ist, weil beim Unterkrampen und Ausrichten des Gleises es kaum vermeid- lich ist, auch Erdmaterial des Unterbau- korpers mit zu unterkrampen, wodurch das Bettungsmaterial verunreinigt und undurchlassiger wird. Bei alteren Lokalbahnen wurden noch Schwellen von 2'3 m Lange bei o - 22 m unterer Breite zugelassen, seit langerer Zeit wird aber die zweckmafiigere Schwellenlange von 2 - 4 m gefordert, dagegen die untere Breite auf o - 2 m ermafiigt. Die obere Breite der Schwellen be- tragt o - 15 m , die Hohe durchwegs C15 m. In den weitaus meisten Fallen gelan- gen weiche Schwellen zur Verwendung; Ausnahmen kommen fast nur in Alpen- gegenden vor. Die Verwendung von grobkornigem Sand als Bettungsmaterial wird nur in jenen seltenen Fallen zugelassen, wenn 326 Ferdinand Gottsleben. kein Schotter oder nur aus betrachtlicher Entfernung erhaltlich ist; in Einschnitten wird jedoch auch dann Sand ausge- schlossen. Die Entwicklung der Schmalspur- bahnen ist im allgemeinen hinter den ge- hegten Erwartungen zuriickgeblieben, weil die Interessentenkreise sich gegen die Schmalspur im Hinblicke auf den damit verbundenen, etwas iiberschatzten Ubel- stand des Umladens, zumeist ablehnend verhielten und auch die Mittel zur Ver- meidung des Umladens (Rollbocke) wegen der bei diesen Bahnen oft vorkommenden starken Steigungen nur in wenigen Fallen zur Amvendung gelangen konnten. Blofi der niederosterreichische Landes- ausschufi hat sich seit Herstellung der schmalspurigen Lokalbahn St. Polten— Kirchberg a. d. Pielach mit einer Ab- zweigung von Obergrafendorf nach Mank auf Grand der bei dieser Linie ge- machten giinstigen Betriebserfahrungen im grofien Mafistabe mit der Weiter- entwicklung derSchmalspurbahnen sowohl in dem hiefiir besonders geeigneten nieder¬ osterreichischen Alpengebiete, als auch im niederosterreichischen Waldviertel beschaftigt. Die Baunormen der in friiheren Jahren ausgefiihrten Schmalspurbahnen mit Lo- komotivbetrieb sind im grofien auch bei den neuen Linien beibehalten worden. Im allgemeinen wurde — bei Venven- dung eines eigenen Unterbaukbrpers — zwar an dem Minimalradius von 80 m fest- gehalten, immerhinsind abernochbei meh- reren auf selbstandigem Unterbaukorper ausgefiihrten Schmalspurbahnen mit Loko- motivbetrieb behufs besserer Anschmie- gung der Trasse an das Gelande kleinere Minimalbogenbalbmesser verwendet wor- den, zum Beispiel bei der Linie Prze- w o r s k— B a c h 6 r z (Dynow) und bei der Ybbstalbahn 60 m , bei der Linie Bregenz—Bezau 70 m, wo- mit bei diesen Gebirgsbahnen namhafte Kostenersparnisse erzielt werden konnten. Ausnahmsweise findet sich sogar noch der Minimalradius von 45 m bei der Lo¬ kalbahn Poln.-Ostrau—Hruschau vor. Dagegen ist bei der Fortsetzung der vorgenannten Niederosterreichischen Lan- desbahn von Kirchberg iiber Laubenbach- mtihle nach Mariazell und Gufiwerk zur Erhohung der Leistungsfahigkeit dieser Bahn, welche einen starken Personen- verkehr zu bewaltigen hat, der Minimal- bogenhalbmesser auf 90 m vergrofiert und auch dieser nur in zwingenden Fallen, sonst aber 100 m verwendet worden. Als maximale Neigung wird 25 pro Mille nur selten iiberschritten (T r i e s t— P a r e n z o und Kiihnsdorf — Eisen- k app el 28 pro Mille, Ybbstalbahn 32 pro Mille), dagegen ist in vielen Fallen mehr oder weniger unter diesem Ma8e geblieben worden. Bei der Rampenstrecke der nieder- osterreichisch-steirischen Alpenbahn Kireh- berg—Mariazell wurde als Neigungs- maximum 23 pro Mille angewendet. Bei den grofitenteils auf Strafienkorper geftihrten elektrischen Schmalspurbahnen sind weitaus scharfere Minimalradien bis zu 20 m und sogar 15 m zur Anwendung gelangt, insofern diese Bogen wegen der Strafienbeniitzung unvermeidlich geworden sind; auch bezuglich der maximalen Nei¬ gung wurde mit Riicksicht auf die Be- triebsweise nach dem jeweiligen Erforder- nisse bedeutend iiber das Mali von 25 pro Mille gegangen. Steigungen von 60 und 90 pro Mille sind bei versehiede- nen elektrischen Adhasionsbahnen ange- wendet rvorden, wahrend ein Bedarf fiir noch grofiere Steigungen — wie bei alteren Bahnen dieser Art — nicht vorlag. Die Anlageverhaltnisse des Unterbaues bei den Schmalspurbahnen mit Lokomotiv- betrieb, welche bisher fast durchaus (Aus- nahmen Innsbruck—Hall i. T. und Innsbruck—Igls mit ro ni) mit der Spurweite von 0^76 m ausgefiihrt worden sind, haben im Laufe des letzten Jahr- zehntes keine Anderung erfahren und die Unterbaukrone erhalt gewohnlich eine Breite von 3 - o m. Bei den Unterbauobjekten der im letzten Jahrzehnte ausgefiihrten Schmal¬ spurbahnen hat auch der Eisenbetonbau, welcher schon friiher bei Hochbauten so- wie bei Strafienbriicken mit Erfolg an- gewendet worden ist, in mehreren Fallen Eingang gefunden; allerdings muLtewegen der wesentlich verschiedenen Beanspru- chungsweise der Bahnbriicken gegeniiber Lokal- und Kleinbahnvvesen. 327 den Strafienbriicken in der Zulassung dieser neueren Konstruktionen noch eine gewisse Vorsicht beobachtet werden. Wahrend namlich die Strafienbriicken in der Regel mit mafiigen Geschivindig- keiten und mit geringeren als der stati- schen Berechnung zu Grunde gelegten Belastungen befahren und sohin nur in seltenen Fallen bis zur gestatteten Grenze beansprucht werden, ist der Einflufi, wel- chen die schneller verkehrenden und gleichmafiig schweren Zuge auf Bahn¬ briicken ausiiben, infolge der unvermeid- lichen Stofiivirkungen und der der zu- lassigen Grenze sich weit mehr nahern- den Beanspruchung der Konstruktion ein wesentlich ungiinstigerer. Diese Momente im Zusammenhange mit der den theoretischen Berechnungs- grundlagen noch anhaftenden Unsicher- heit sowie die Erwagung, dafi eine durch- aus tadellose Ausfiihrung in ungleich hoherem Mafie als bei Brucken aus Eisen eine Vorbedingung fiir den sicheren Be- stand solcher Konstruktionen bilden, liefien es anfanglich geraten erscheinen, die An- wendung von Elisenbetonkonstruk- t i o n e n fur Bahnbriicken auf die Aus- fiihrung kleiner Objekte und eines grbfieren Versuchsobjektes im Zuge von schmal- spurigen Linien zu beschranken. Das grofite gewolbte Bahnobjekt nach dem System Monier wurde in Osterreich zuerst im Jahre 1899 auf der Strecke G m und—Litschau der schmalspurigen Waldviertelbahn erbaut. Dieses Objekt ist die Ubersetzung des Lainsitzflusses mit drei Offnungen, und zwar einer Mitteloffnung von 20 m und zwei Seitenoffnungen von je 15 m Lichtweite, Pfeilverhaltnissen von 1 / s be- ziehungsweise 1 / 1 und Scheitelstarken der Gewolbe von C36 m beziehungs- weise o - 30 m. Ein Hauptaugenmerk ist bei diesem Objekte darauf geriehtet worden, die Bewegungsfreiheit der Gewolbe (He- bung und Senkung) bei Temperaturande- rungen zu sichern, weil der Einflufi der Temperatur bei Gewolben aus Beton im allgemeinen und bei Moniergewolben mit den geringen Starken und den eingeleg- ten Drahtnetzen im besonderen, aus be- kannten Griinden ein bei weitem ungun- stigerer ist, als bei gleich weit gespann- ten Steingewolben. Fur das ungehinderte Spiel der Dila- tation der Gewolbe wurden an den Kampfern Fugen freigehalten. Dieses Bauwerk, welches sich seit seinem nunmehr neunjahrigen Bestande bestens bewahrt hat, kann fur ahnliche Brucken auf Schmalspurbahnen als Vor- bild dienen. Was nun das neueste im Gebiete der Eisenbetonkonstruktionen angewendete System der Plattenbalkenbrileken.be- trifft,so liegen dermalen wohl die mit diesem Systeme an Strafienbrucken gemachten ziemlich umfangreichen Erfahrungen, iiber Bahnbriicken jedoch nur in verhaltnis- mafiig sparlicher Anzahl vor. Die erste als Versuchsobjekt herge- stellte Plattenbalkenbriicke ist die im Jahre 1899 hergestellte Brucke liber den Braunaubach im Zuge der Zweiglinie Altnagelber g—H eidenreichstein der niederosterreichischen Waldviertel- bahn mit einer Lichtweite von to m. Der Erfolg bei diesem V ersuchs- objekte liefi die Grenzen der Anwendung dieses Konstruktionssystems weiterziehen und fiihrte schon im Jahre 1901 zum Baue der Brucke iiber den Lainsitzflufi auf der Linie Gmiind-Grofi- Gerungs der Waldviertelbahn mit drei Offnungen, und zwar samtliche mit der verhaltnismafiig grofien Lichtweite von 15 m, dann der Briicken iiber den Ditt- mannsbach mit 7 m und liber den Buschen- bach mit9‘5 m Lichtweite der obgenannten Linie. Die Lainsitzflufibriicke mit Offnungen von 15 m Spannweite ist dermalen das nach dem System der Plattenbalkenkon- struktionen ausgefiihrte grofite Bahnobjekt in Osterreich. Die zu dieser Zeit entstandenen Platten- balkenbriicken sind in Ansehung der da- mals noch wenig entwickelt gewesenen Rechnungsverfahren ziemlich schwer und nicht gerade zierlich ausgefallen, und auch hinsichtlich der Kosten kaum billiger als Eisenkonstruktionen zu stehen gekommen. Sie haben aber als Versuchsobjekte dazu beigetragen, das Vorurteil und Mifi- trauen, mit welchem diese Konstruktionen anfanglich zu kampfen hatten, schritt- 328 Ferdinand Gottsleben. weise zu zerstreuen, so dafi derartige Tragwerke —• allerdings mit beschei- denen Lichtweiten — heute fiir Bahn- objekte ohne Anstand zugelassen werden. Seit dem Erscheinen der vom Ministerium des Innern mit dem Erlasse vom 25. November 1907 herausgegebenen Vorschriften liber die Herstellung von Tragwerken aus Stampfbeton oder Eisen- beton bei Hochbauten und Strafienbriicken werden diese Vorschriften, insolange als nicht seitens des Eisenbahnministeriums besondere Normen fiir Bahnbriicken auf- gestellt werden, auch fiir letztere, jedoch mit der Einschrankung als mafigebend betrachtet, dafi die festgesetzten zulassi- gen Inanspruchnahmen des Betons auf Druck und Zug in Ansehung des fiir Bahnbriicken naturgema.fi zu gewa.hr- leistenden hoheren Sicherheitsgrades um io°/ 0 erniedrigt, und fiir die zulassige Inanspruchnahme des Eisens die in der Briickenverordnung vom 28. August 1904 bestimmten Grenzwerte eingehalten werden. Fiir Plattenbalkenbriicken solite aus okonomischen Griinden die Spannweite, gleichviel, ob es sich um Objekte einer normal- oder schmalspurigen Bahn han- delt, mit 8, hochstens 10 m begrenzt werden. Fiir Wegiiberfiihrungen iiber Eisen- bahnen, insbesondere bei geringen Kon- struktionshohen, hat diese Bauweise schon langst das ihr gebiihrende Feld erobert und bis jetzt auch mit Erfolg behauptet. Im letzten Jahrzehnte wurde nach dem Vorbilde der auf der Ybbstalbahn er- bauten Geriistbriicken der Klausbach- graben-Viadukt der Stubaitalbahn (ro* Spurweite) mit eisernen Tragwerken und eisernen Pfeilern und die Innbriicke bei der Hungerburgbahn in Innsbruck (Seil- bahn mit ro m Spurweite) ausgefiihrt. (Siehe Seite 358 ff.) Die erstgenannte eiserne Geriistbriicke ist in der Horizontalen und im Bogen von R = 60 m gelegen und besitzt eine Gesamtlange von wo m. Es sind 5 Ge- riistpfeiler und 2 Pendelpfeiler mit zwi- schenliegenden Offnungen von je 10 m ausgefiihrt worden, welch letztere Blech- wandtrager erhielten. Die grofite Hohe der Geriistpfeiler ist 30 m, jene der Pendel¬ pfeiler 9 - 2 m. Bei der in 30 pro Mille gelegenen und in einem Bogen von 80 m Halbmesser ausge- fuhrten Muttererbriicke auf derselben Bahn mit funfOffnungen und derGesamtlange von 109 m wurden fiir den Uberbau gleich- falls Blechwandtrager mit Stiitzweiten von je 16'5 m verwendet, welche auf vier aus Stampfbeton hergestellten, bis zu 25 m hohen Pfeilern gelagert sind. Auf die Innbriicke der Hungerburgbahn sowie auf die ein grofieres technisches Interesse bietenden Viadukte in der Rampenstrecke der Landesbahn Kirch- berg a. P. — Mariazell — Gufiwerk wird an spaterer Stelle zuriickgekommen werden. Fiir den Oberbau der Schmalspur- bahnen mit eigenem Bahnkorper und Lo- komotivbetrieb wird in der Regel das Oberbausystem XXX der k. k. Staatsbahnen mit Schienen von 17^9 kg Gewicht per laufendes Meter verwendet, welches bei Verlegung von 13 Schwellen auf eine Schienenlange von 9 - o m die Befahrung mit Lokomotiven bis zu 7’5 t Achsdruck zulafit. Nur in seltenen Fallen ist wegen der hoheren Kosten die Verwendung eines starkeren Oberbaues in Aussicht genommen worden, und zwar wurde auf der Rampenstrecke der derzeit noch mit Dampfkraft betriebenen Mariazeller Bahn ein Oberbau mit 21'8 kg schwe- ren Schienen in Beriicksichtigung der darauf verkehrenden schvveren Lokomo¬ tiven gewahlt. Der Bettungskorper der schmalspuri¬ gen Bahnen mit Lokomotivbetrieb erhalt — bei 076 m Spurweite — gewohnlich eine obere Breite von 2'0 m und eine Starke von C25 m ; die Schwellen sind i‘6 m lang, C13—o'i4« hoch und be- sitzen o - 2 o m untere Breite. Bei den fiir den elektrischen Betrieb bestimmten Schmalspurbahnen bildet die Spunveite von 1 - o m die Regel, weil sich dieselbe fiir den Bau der Motorwagen als die zweckmafiigste erwiesen hat. Eine Ausnahme ist die Lokalbahn Mahr.- Ostrau—Karwin (urspriinglich als Lo- komotivbahn projektiert) und die von der Station Kemmelbach-Ybbs der Staatsbahn- Lokal- und Kleinbahmvesen. 329 linie Wien—-Salzburg in die Stadt Ybbs fuhrende Bahn, welche mit 076 m Spur- weite ausgefiihrt worden sind, sowie die Linzer und die Krakauer Strafienbahnen, welche aus besonderen Griinden die Spur- weite von o‘9 m besitzen. In der Folge wird hiezu noch die Mariazeller Bahn nach ihrer Umgestaltung fiir den elektrischen Betrieb treten. Die mit 1 p o m Spurweite auf eigenem Bahnkorper hergestellten elektrischen Bah- nen besitzen in der Regel eine Kronen- breite des Unterbaues von 37 m, in wel- chem Falle die obere Schotterbettbreite Gewicht per laufendes Meter sch\veren Rillenschienen (sogenanntes Teplitzer Profil) gewahlt worden. Dieses Profil wurde in jiingster Zeit etwas verstarkt und wird j etzt von den Werken mit 3 5 • 12 kg Normal- gewicht per laufendes Meter hergestellt. Aus okonomischen Griinden wird von der Mehrzahl der Projektanten auch der- zeit noch an diesem Profil festgehalten, obwohl es fiir Straften mit lebhaftem Verkehr nicht ganz zweckmafiig ist. Nur bei den stadtischen Strafienbahnen ist haufig ein starkes Rillenschienenprofil zur Verlegung gekommen und besitzen Abb. 172. gewohnlieh 27 m betragt. Die Schwellen sind r8 m lang. Bei den elektrischen Schmalspurbahnen wird — insoweit ein Querschwellenober- bau in Betracht kommt — in letzterer Zeit bereits haufiger das etwas kraftigere und daher zweckma6igere Schienenprofil von 21'8 kg Gewicht per laufendesMeter an- gewendet, so zum Beispiel auf der Linie Božen—-Klobenstein (Rittnerbahn) und der noch im Bau stehenden Linie von Dermulo (Station der elektrischen Schmal- spurbahnTriest—Male) auf den Mendelpafi. Insofern die Schmalspurbahnen mit elektrischem Betriebe auf Strafien geftihrt werden, ist in den friiheren Jahren fast durchgangig ein Oberbau mit 34'4 kg zum Beispiel die schmalspurigen Linzer und Krakauer elektrischen Bahnen ein Profil mit 43 - 9 kg Gewicht, die Lemberger Strafienbahnen ein alteres Profil mit 42‘3 kg und ein neueres Profil mit 45 kg Normalgewicht per laufendes Meter. Die normalspurigen Linien des Wiener Strafienbahnnetzes besitzen dagegen grofi- tenteils Schienen mit 5o p 6 kg, in neuester Zeit aber sogar von 54'4 kg und 58’4 kg Gewicht per laufendes Meter. Das normalspurige Strafienbahnnetz von Graz war in seinen alten Linien mit dem Teplitzer Profil hergestellt wor- den, bei den spiiteren Linien sind jedoch 42 kg und 50 kg schwere Rillenschienen zur Airvvendung gelangt. 33 ° Ferdinand Gottsleben. Wahrend sohin bei den Strafienbahnen — ohne Unterschied der Spurweite — auf Grund der gewonnenen Erfahrungen immer mehr von den leichteren Schienen- profilen abgegangen wird, tritt dagegen bei den auf eigenem Unterbaukorper aus- zufiihrenden Schmalspurbahnen mit Dampf- betrieb in letzterer Zeit das Bestreben nach weiterer Verbilligung der Bahnan- lage durch Inaussichtnahme eines leich- Die Vorteile des Bestandes einer Bahn- verbindung iiberhaupt und des erleichterten und verbilligten Giitertransportes miissen aber bei solchenBahnen in den Vordergrund gestellt und der Nachteil einer geringeren Geschwindigkeit im Personenverkehre eben ertragen werden, welchem Ubel- stande jedoch — nachdem diese Bahnen niederster Ordnung ohnehin nur in ver- kehrsschwachen Gegenden in Aussicht zu Abb. 173. Mariazeller Bahn. Station Laubenbachmiihle. teren Oberbaues, als mit 17*9 schweren Schienen, insbesondere in jenen Fallen auf, wo dieselben in verkehrsarmen Ge¬ genden realisiert werden sollen und auch die Steigungen der Bahn nicht die Verwendung starker Lokomotiven er- fordern. Ein Hemmnis fur diese Bestrebungen nach Bahnen niederster Ordnung ist ledig- lich der Umstand, dafi selten auf die in einem solchen Falle unbedingt erforder- liche wesentliche Ermafiigung der Fahr- geschwindigkeit verzichtet wird. nehmen sind — bei weitem nicht jene Tragweite zukommt, wie bei Lokalbahnen in wirtschaftlich besser entwickelten Ge- bieten, die einen regeren Verkehr und damit eine bessere Verzinsung des Bau- kapitals der Bahn gewartigen lassen. Im Hinblicke auf in dieser Richtung bereits im Auslande und in Bosnien be- stehende Vorbilder hat das Eisenbahn- ministerium auch das von der Gesellschaft der Bukowinaer Lokalbahnen vorgelegte Projekt einer solchen schmalspurigen, mit Dampfkraft zu betreibendenBahn niederster Lokal- und Kleinbahnwesen 331 Abb. 174. Mariazeller Bahn. Schleifen im Stockgraben vor Winterbach. Abb. 175. Mariazeller Bahn. Oberer Stockgrabenviadukt. 332 Ferdinand Gottsleben. Abb. 176. Mariazeller Bahn. Stockgrabenviadukt. Schaden der kiinftigen Entwick- lung einer Bahn verfolgte Tendenz eines moglichst schvvachen Ober- baues derzeit in merklicher Ab- nahme begriffen ist. Infolge der befriedigenden Fort- schritte des Eisenbetonbaues in bezug auf gesicherte Berechnungs- grundlagen ist ein neues Element im Briickenbaue aufgetreten, welches fiir die Bauokonomie von Bedeutung ist. Von den Ergebnissen der weiteren Entwicklung dieses Zweiges der baulichen Tatigkeit, sowie von den bei ausgefuhrten Unterbau- objekten gesammelten Erfahrungen wird es abhangen, wie weit sich diese Bauweise einburgern wird und ihr V erwendungsgebiet erweitern kann. Fiir kleinere Spannweiten dtirfte die Zweckmafiigkeit dieser Bau- weise schon heute zu konstatieren s ein. Eine unumgangliche Voraus- setzung fiir die Weiterverbreitung des Eisenbetonbaues wird jedoch immer eine gewissenhafte und fach- mannische Arbeit bei der Baudurch- fiihrung sowie die einwandfreie Beschaflenheit der verwendeten Bau- materialien bilden. Die elektrischen Bahnen erlangen der Station Czudin der gesellschaftlichen Linie Karapcziu a. S.-—Czudin nach Kosz- czuja zur Ausftihrung zugelassen und diese Bahn unter dem 18. Janner 1907 fiir eine vorlaufige Fahrgeschv/indigkeit von 15 km per Stunde konzessioniert. Diese ein entlegenes Gebiet der Bu- kowina dem Bahnverkehre erschliefiende Schmalspurbahn wird an spiiterer Stelle naher beschrieben. Die Fortschritte in der technischen Entwicklung des Bahnwesens niederer Ordnung lassen sich in Kurze dahin zusammenfassen, dafi bei den normal- spurigen Lokalbahnen mit Dampfbetrieb die Notwendigkeit der Anwendung nicht zu scharfer Bogen immer mehr erkannt wird und auch die friiher zum eine immer steigende Verbreitung und werden erfreulicherweise bei Bahnen mit eigenem UnterbaukSrper abnorm kleine Bogenhalbmesser zumeist vermieden, auch wirdofters schon ein stiirkerer Oberbaubei starker geneigten Bahnen verwendet. Bei Strafienbahnen ist letztere Verbesserung bereits in grofierem Umfange eingetreten. Die Tunlichkeit einer Unterstiitzung der jiingsten Bestrebungen betreffs eines abnormal schwachen Oberbaues bei Schmalspurbahnen mit eigenem Unter- baukorper setzt allerdings voraus, dafi sich hinsichtlich der Vorbedingungen hie- fiir ein derzeit noch nicht klar ausgespro- chenes allseitiges Verstdndnis zeigt. Nur zu oft treten namlich bald nach der Bauvollendung Anspriiche an das Bahnunternehmen bezuglich einer grofieren Fahrgeschwindigkeit auch auf diesen Bah¬ nen heran, welche die Grundbedingungen Lokal- un d Kleinbahnwesen. 333 der zugestandenen okonomischen Bau- weise umstiirzen wiirden und daher nicht bewilligt werden konnen. Durch die Einfiihrung dieser in Oster - reich neuen Bahntype fiir verkehrsarme und keiner oder nur einer bescheidenen indu- striellen Zukunft entgegengehende Gebiete mit nicht zu ungiinstiger Terraingestaltung wiirden noch manche Gegenden dem Ver- kehrsleben erschlossen werden konnen. Fiir den im Lokalbahngesetze vom 31. Dezember 1894 gebrauchten Ausdruck T ertiarbahnen fehlt bis jetzt das zu- gehorige technische Merkmal, welches sich aus den Anlage- und Betriebsverhaltnissen der Bahn und insbesondere der zuge- lassenen Fahrgeschwindigkeit in ahnlicher Weise zu ergeben hatte, wie dies be- ziiglich des Begriffes einer Lokalbahn bereits langst der Fali ist. Auf diese Weise wtirde die im Gesetze gewahlte Bezeichnung Tertiarbahn zu- gleich einen technischen Begriff umfassen und sohin auch in technischer Beziehung einen Inhalt bekommen, wahrend bisher derselbe in der Regel nur in den der Tertiarbahn zuerkannten administrativen Begiinstigungen bestand. IV. Mitteilungen iiber den Bau und Betrieb der landesgarantierten Lokalbahnen in Bohmen. (Nach Daten der Denkschrift des Landesausschusses.) Bau. Die Ausfuhrungsweise der ersten vom Lande garantierten Lokalbahnen richtete sich nach dem Beispiele der vom Staate vordemjahre 1892 erbauten Lokalbahnen, jedoch wurde im Laufe der Zeit auf Grand der Erfahrungen eine wesentliche Vereinfachung der Bauausfiihrung an- gestrebt. In diesem Sinne wurde schon in der ersten Zeit fast durclrvvegs von Weichen- sicherungsanlagen, Glockensignalen, Aus- fiihrung von Wachterhausern auf der freien Strecke sowie von Bahnschranken bei den Niveauiibersetzungen Umgang genommen und spaterhin auch die Tele- graphenleitung durch die Telephonleitung ersetzt. Mit Ausnahme der Lokalbahn Neu- haus—Wobratain, welche mit der Spur- weite von 076 m zur Ausfuhrung ge- langte, wurden samtliche Lokalbahnen normalspurig hergestellt. Der kleinste Krummungshalbmesser wurde im allgemeinen mit 180 w fest- gesetzt, nur in wenigen Fallen wurde — in Berticksichtigung besonderer Ver- haltnisse — eine Herabminderung des- selben bis auf 1^0 m zugelassen. Blofi bei der normalspurigen elektrischen Lokalbahn von Tabor nach Bechyn ist ausnahmsweise R = 125 m gestattet worden, welches Zugestandnis sich aber in der Folge als nicht zweckmafiig er- wiesen hat. Die grofi te Neigung wurde in den mei- sten Fallen mit 25 pro Mille normiert, bei einzelnen alteren Lokalbahnen sind jedoch aus bauokonomischen Griinden auch Nei- gungen bis 35 pro Mille durchgefuhrt wor- den; j a bei der Lokalbahn S c h 1 a c k enwe r t h —Joachimsthal (eroffnet im Dezember 1896) ist sogar die fiir den Lokomotivbetrieb hochst ungiinstige Maximalneigung von 50 pro Mille zur Anwendung gelangt. Die Kronenbreite des Unterbaues wurde mit 4-0 m, das Schotterbett mit einer oberen Breite von 3 - o m und einer Starke von C25 m gewahlt. Die Herstellung der Durchlasse, Bruk- ken, Unter- und Uberfahrten, Tunnels, Stiitz- und Futtermauern, Pflasterungen, Steinsatze und der iibrigen Nebenanlagen der Bahn ist nach den den einfacheren Verhaltnissen angepafiten Normalien der k. k. Staatsbahnen erfolgt. Tunnels wurden durchgehends nur eingleisig ausgefiihrt. Als Bettungsmaterial gelangte in jenen Ausnahmsfallen, wo kein Schotter von naher gelegenen Bezugsorten erhaltlich war, auch reiner und hinreichend grob- korniger Sand zur Vervvendung. Der Oberbau wurde ausschliefilich mit weichen Schwellen hergestellt, und zwar 334 Ferdinand Gottsleben. Abb. 177. Mariazeller Bahn. Einschnitt bei Winterbach und Elick in den Stockgraben. soweit die erste Legung in Betracht kam, nicht impragniert. Erst bei der notwendigen Auswechs- lung \vurden sie durch impragnierte Schwellen ersetzt, weil erfahrungsgemafi die ersten Schwellen bei den vor IConso- lidierung der Strecke unvermeidlichen haufigeren Regulierungsarbeiten mecha- nisch zerstort werden und daher die bedeutende Kosten erheischende Im- pragnierung nicht zur Wirkung kommen kann. Mit wenigen Ausnahmen (Ra- konitz—Petschau— Buchau und Tabor —Bechyn) wurde fur den Oberbau der landesgaran- tierten Lokalbah- nen das Schienen- system XXIV der k. k. Staatsbahnen mit 26 kg Normal- gewicht per laufen- des Meter und je nach dem vorkom- menden Achsdruk- ke mit 12 bis 13 Schwellen auf 9 - o m Schienenlange ver- wendet. Auf den Lokal- bahnen N e u h o f —Weseritz und Polna-Stecken — Polna-Stadt kamen altbrauch- bare Schienen ver- schiedener Systeme zur Verlegung. Ebenso wie bei den Unter- und Oberbauarbeiten erfolgte auch die Ausfiihrung der Hochbauten an- fanglich lediglich nach den Typen- planen der k. k. Staatsbahnen, spa- ter aber auch nach den Typen des Landesausschusses. Auf den vom Bande garantierten Lo- kalbahnen kommen wie bei den Haupt- bahnen aufier den Stationen noch Halte- und Verladestellen sowie Personenhalte- stellen zur Ausfiihrung. Die amhaufigsten angewendeteAusfiih- rungsweise (ungefahr 75 %) ^ er Personen- haltestellen besteht in derAnlage eines langs deskurrentenGleises ausgefiihrtenEinsteig- perrons mit einer Saule und Aufschrifttafel. Auf den bisher vom Lande gebauten Lokalbahnen bestehen im ganzen 62 ITalte- Lokal- und Kleinbahmvesen. 335 Abb. 178. Mariazeller Bahn. Saugrabeuviadukt vor Annaberg. stellen, wovon nur 11 mit frei- stehenden Wartehallen, 5 mit Wachterhausern und I mit Wachterhaus und angebauter Wartehalle ausgestattet sind. In den Halte- und Verlade- stellen fur volle Waggonla- dungen erfolgt nebst der Aus- fuhrung eines fur den Personen- verkehr bestimmten Einsteig- perrons die Herstellung eines beiderseits eingebundenen Ne- bengleises; entlang desselben wird je nach der Frequenz- starke der Verkehrsstelle ent- weder ein beschotterter oder chaussierter, manchmal auch gepflasterter Verladeplatz her- gestellt. In den Verladestellen wer- den in der Regel weder Hoch- bauten ausgefiihrt, noch beson- dere Bahnorgane stationiert. Solcherart eingerichtete La- destellen bestehen auf den vom Lande garantierten Bah- nen bisher 71. DieAusgestaltungs weise der Stationen unterscheidet sich zwar im Wesen niclit von jener der I-Iauptbahnstationen, sie werden jedoch nach Tunlichkeit einfach ausgefiihrt. Die Herstellung von Drehscheiben ent- fallt in der Regel, da bei der gegen- wartig in Verwendung stehenden Type der Lokalbahnlokomotiven ein Umdrehen der Maschine nicht notwendig erscheint. Wahrend namlich fur die erstgebauten Lokalbahnen dreiachsige Lokomotiven mit Schlepptender im Gesamtgewichte von 76 t beschalft wurden, gelangten spater- hin aus okonomischen Griinden dreiach¬ sige Tenderlokomotiven mit dem Dienst- gewichte von 30 t zur Einfuhrung. • Die Personenwagen entsprechen den Typen der k. k. Staatsbahnen und sind fiir die II. und III. Klasse einge- richtet. Die Dienstwagen besitzen gewohnlich zwei Abteilungen, wovon die eine zum Transport von Gepack und Stiickgutern sowie zur Unterbringung des Zugfiihrers, die andere zur Postbeforderung dient. Die Giiterwagen sind gleich jenen der Hauptbahnen gebaut, um den gegensei- tigen Ubergang zu ermoglichen. Betrieb. Auf Grund der Erfahrungen und Stu- dien des Landesausschusses in diesem Belange wurde der Betrieb auf den vom Lande garantierten Lokalbahnen den Ver- waltungen der anschliefienden Haupt¬ bahnen, von welch letzteren vorwiegend die k. k. Staatseisenbahnverwaltung in Betracht kommt, iibergeben. Die Griinde, beziehungsweise die oko¬ nomischen Vorteile, welche den Landes- ausschufi veranlafiten, sich fur den Staats- betrieb zu entscheiden, sind im wesent- lichen folgende: Vor allem ware beim Eigenbetrieb die Beschaffung der Fahrbetriebsmittel, 336 Ferdinand Gottsleben. vorwiegend der Giiterwagen, ungleich kostspieliger gewesen; die gegemvartige Anzahl der Giiterwagen reicht namlich wohl fiir den normalen Verkehr aus, er- weist sich jedoch in der Zeit der Riiben- kampagne und anderer periodischen Ver- kehrsverdichtungen als ungeniigend. Ge- genwartig \vird der voriibergehende Mehr- bedarf von den k. k. Staatsbahnen ohne Entgelt gedeckt; beim Eigenbetriebe Osterr. Nordwestbahn fiir die Lokalbahn M e 1 n i k — M š e n o und Polna- Stecken — Polna-Stadt, der k. k. priv. Bolim. Nordbahngesellschaft fiir die Lokalbahn Boh m. - Leipa — Stein- scbonau und schliefilich der priv. Osterr.-ungar. Staatseisenbahngesellschaft fiir die Lokalbahn Brandeis a. E.— Neratowitz. Die Ausgaben fiir die Zentralverwal- Abb. 179. Mariazeller Bahn. Lehnenstrecke zwischen Annaberg - und Gosing-. miifite einem Wagenmangel durch Wa- genparkvermehrung oder Anmietung vor- gebeugt werden, was einen Aufwand von etwa K 220.000 bis 280.000 jahrlich er- fordern wiirde. Die vom Staate betriebenen Lokalbah- nen geniefien iibrigens noch weitere Be- giinstigungen, in deren Besitz sie kaum verbleiben wiirden, wenn der Betrieb nicht mehr durch die k. k. Staatsbahnen besorgt werden solite. Nur bei einzelnen Lokalbahnen wurde der Betrieb anderen Bahnverwaltungen iibertragen, und zwar: der k. k. priv. tung betrugen in der Zeitperiode vom Jahre 1896 bis 1905 zusammen ungefdhr K 635.000 oder im Durchschnitte ungefahr K 140 per Kilometer der Lokalbahn. Der Bahnerhaltungsdienst wird auf den durch eigene Betriebsleitungen verwalteten Lokalbahnen von letzteren besorgt, wah- rend andere Lokalbahnen in der Regel einer nachstgelegenen Bahnerhaltungssektion zugewiesen werden. Die Ausgaben fiir die Erhaltung der Bahn und die Bahnaufsicht reduzierten sich bei den vom Lande garantierten Lo¬ kalbahnen in der Periode 1896—1905 Lokal- und Kleinbahmvesen. 337 von anfanglich K 1967 auf K 957 per Kilometer. 'V'! In den Personenhaltestellen werden Fahrkarten nicht ausgegeben, sondern im Zuge verabfolgt und iibernimmt der Zugbegleiter auch das Reisegepack gegen Nachzahlung in der Aussteig- station. In den Halte- und Verlade- stellen wird beziiglich der Fahrkartenausgabe der gleiche Vorgang eingehalten, die Zug¬ begleiter besorgen auch das Bei- und Abstellen der Wagen, wo- gegen das Beladen und Ent- laden selbst den Absendern, beziehungsweise den Empfan- gern der Massengiiter tiber- lassen wird. Das Verrechnungsgeschaft wird von der nachstgelegenen Station besorgt, dies avisiert durch die Post die Adressaten von der eingelangten Sendung und besorgt auch iiber Ver- langen der Absender die Bei- stellung leerer Wagen zum Zwecke ihrer Beladung. Der Dienst in den Stationen mit geringer Frequenz wird durch einen Stationsdiener, eventuell durch die Frauen der Bahnmeister oder der Oberbau- arbeiter gegen ein monatliches Pauschale sowie gegen die unenteeltliche oder mafiigere Vermietung von Naturalwoh- nungen besorgt. Die Uberwachung der vor- bezeichneten Stationen unter- steht den nachsten mit fachlich geschultem Personal besetzten Nachbarstationen, welche zwecks steter ge- genseitiger V erstandigung telephonisch mit den ersteren in Verbindung gebracht sind. Mit Ausnahme von drei Lokalbahnen ist bisher auf den vom Lande garantier- ten Lokalbahnen nur der Verkehr von ge- mischten Ziigen eingefuhrt. Die Gesamtausgaben fiir den Stations- und Fahrdienst verringerten sich auf den garantierten Lokalbahnen in der Zeit von 1896 bis 1905 von K 1159 auf K 845 per Kilometer. F tir Erhaltung der Lokomotiven, der Per- sonen-, Post- undGepackswagen werden den betriebfiihrendenBahnverwaltungen die tat- sachlich erwachsenen Kosten nebst einem Regiezuschlage vergiitet, wogegen die Ge- samtkosten fiir dieErhaltung der Lastwagen im Verhaltnisse der geleisteten Achskilome- ter auf die Lokalbahnen aufgeteilt \vurden. Das Bestreben, die Verkehrsverhalt- nisse den Anforderungen der Bevolkerung moglichst anzupassen, fiihrte zu den Ver- suchen mit Motorwagen, wobei vier Sy- steme zur probe\veisen Venvendung ge- langten. Nach den auf der Lokalbahn Laun —Libochowitz durchgefiihrten Ver- suchen mit Daimlers Benzinmotorwagen waren zwar die Betriebskosten sehr gunstig und auch die Erhaltungskosten des Motor- wagens angemessen, anderseits ist jedoch Abb. 180. Im Erlaf-Kienbachgraben. 22 338 Ferdinand Gottsleben. die Leistungsfahigkeit dieses Motorwagens sehr gering, so dafi selbst ohne Anhange wagen die ungiinstigen Steigungen und Kriimmungen dieser Bahn nicht mit der wiinschenswerten Geschwindigkeit befah- ren werden konnen. Die ebenfalls auf derLokalbahn Lami —Libochowitz durchgefiihrten V er- suche mit dem Serpolletwagen haben zu einem ungiinstigen Ergebnisse gefiihrt, indem sich nicht nur hohe Erhaltungskosten ergaben, sondern eine so geringe Leistungs¬ fahigkeit erzielt wurde, welche nicht einmal zur anstandslosen Abwicklung des Personenverkehres geniigte. Bessere Resultate haben die auf den Lokalbahnen Laun — Libochowitz und Cerčan—M odra n—Dobfiš ge- machten Versuchen mit dem Komarek- Dampfmotorwagen ergeben, welche erwie- sen haben, dafi bei dem letzeren Betriebs- systeme nicht nur den Interessen der Be- volkerung durch raschere und oftere Fahr- ten entsprochen, sondern dafi auch teil- weise der Giiterverkehr bewaltigt \verden kann. V. Besondere Mitteilungen iiber einige neuere Lokalbahnen. Von einer umfassenderen Einzel- beschreibung der vielen im letzten Jahr- zehnte zur Ausfuhrung gelangten nor- malspurigen Lokalbahnen kann bei dem Umstande, als in der schon mehr- erwahnten Denkschrift des bohmischen Landesausschusses fiir samtliche in Boh- men bis Ende 1906 ausgefiihrten Landes- bahnen Einzelbeschreibungen geliefert wurden, ferner auch fiir sonstige, tech- nisch bemerkenswertere normalspurige Lokalbahnen bereits Monographien vor- handen sind, fiiglich abgesehen werden. Aufierdem kann das im Abschnitte IV der gegenwartigen Abhandlung iiber die bohmischen Landesbahnen Gesagte als im wesentlichen auch fiir die anderen normalspurigen Lokalbahnen zutreffend bezeichnet werden. Die Beschreibungen der 30 vom Lande Bohmen ausgefiihrten Lokalbahnen enthalten fiir jede derselben eine Situations- und Langenprofilskizze sowie zahlreiche Abbildungen der be- deutenderen Bauwerke, von welchen hier einige beigefiigt wurden (Abb. 187—192), endlich auch Daten iiber die Betriebs- ergebnisse jeder Bahn. Betreffs weiterer, von anderer Seite ausgefiihrter normalspuriger Lokalbahnen soli im nachstehenden auf einige be- ziigliche Publikationen aufmerksam ge- macht werden, ohne dafi bei deren Aufzahlung der Anspruch auf Voll- standigkeit erhoben werden konnte. So sind von der Verwaltung der r Abb. 181. Mariazeller B. Lassing-Kienbachviadukt. Aussig-Teplitzer Eisenbahn in ihren Jahresberichten pro 1897—^1900, ferner auch in der Denkschrift, welche an- lafilich der Vollendung des 50. Betriebs- jahres dieser Bahn erschienen ist, unter anderem auch Mitteilungen iiber die von Lokal- und Kleinbahnwesen 339 Abb. 182. Mariazeller B. Klausgrabenviadukt. dieser Bahnverwaltung in der Periode 1896 bis Ende 1900 ausgefiihrte normal- spurige Lokalbahn von Teplitz (Settenz) iiber Lobositz, Leitmeritz und Bohm,- Leipa nach Reichenberg (Nordbohmische Transversalbahn) gemacht worden. Diese nahezu 150 km lange, am 13. Juni 1896 konzessionierte Lokal¬ bahn erforderte wegen ihrer teilweise sehr schwierigen Herstellung (233 m langer Steinbergtunnel nachst Auperschin, die 375 m lange Elbebriicke, der 250 m lange und 24 m hohe Karbaviadukt, der 200 m lange und 30 m hohe Neu- landerviadukt, der 127 m lange und 17 m hohe Jagerhausviadukt, der 816 m lange Jeschkentunnel, der 318 m lange Reh- bergtunnel vor Reichenberg u. s. w.) einen Kostenaufwand von rund 50 Mil- lionen Kronen.*) Als sehr beachtensvvert ist das Werk von E. A. Ziffer: Die Lokalbahnen in *) Siehe beziiglich dieser Bahn auch den in der »Osterr. Eisenbalinzeitung« Nr. 34, 35 und 36 ex 1902 enthaltenen Vortrag des Generaldirektors Rosche der A.-T. E.-G. im Klub der Osterr. Eisenbahnbeamten und Bd. VI d. W., S. 192 £f. Galizien und der Bukowina im Anschlusse an die Lemberg—Czernowitz—Jassy-Bahn zu bezeichnen. Dem ersten, schon im Jahre 1891 erschienenen Bande ist Mitte 1908 als Erganzung ein zweiter Band nachgefolgt, welcher die weitere bauliche und kommerzielle Entwicklung dieser Lokalbahnen behandelt. Beide Bande ent- halten eine reiche Sammlung von Planen und Tabellen (zusammen 157 Tafeln und 35 Tabellen), welche alle Details der baulichen Anlagen und des Fahrparkes sowie ausfiihrliche Daten iiber Betriebs- ergebnisse dieser Bahnen umfassen. Ein sehr instruktives Werk von J. Opletal behandelt die von der k. k. Direktion der Giiter des Bukowinaer Religionsfonds behufs Bringung der Forstprodukte erfolgten Bauinvestitionen, darunter die fiir diese Zwecke herge- stellten, zumeist schmalspurigen Bahnen (o - 76, o'8 und ro m Spurweite). Dieses Werk, welches 6 Tafeln und 50 Textfiguren enthalt, ist als Mono- graphie iiber eine Spezialitat der Schmal- spurbahnen, namlich der Waldbahnen von besonderer Bedeutung; aus dem Werke ist zu entnehmen, dafi die Gesamtlange Abb. 183. Mariazeller B. Tunnel und Viadukt in den Zinken. 22 * 340 Ferdinand Gottsleben, der in den Fondsforsten hergestellten Bahnen 205 km betragt, wovon I72'7 km fiir Dampfbetrieb, der Rest fiir Pferde- betrieb eingerichtet sind. Endlich sind auch noch die vom Vereine fiir die Forderung des Lokalbahn- und Strafienbahnwesens herausgegebenen »Mitteilungen« zu erwahnen, welche des ofteren ausfiihrliche Beschreibungen von Bahnen niederer Ordnung bringen. Als Schlufi dieser Abhandlung folgen nun nach von zustandiger Seite freund- lichst zur Verfiigung gestellten Daten Einzelbeschreibungen von fiinf Schmal- spurbahnen, welche teils wegen ihrer baulichen Anlage, teils wegen ihrer Betriebsverhaltnisse von grofierem Inter- esse sind. 1. Die Mariazeller Bahn. (Niederosterreichisch - steierische Alpenbahn.) Stammlinie St. Polten—Kirchberg a. P.—Mank. Die erste auf Grand des niederoster¬ reichisch en Lokalbahngesetzes erbaute Landesbahn war die schmalspurige Linie St. Polten—Kirchberg a. d. Pielach (31 km) mit der Abzweigung nach Mank (18 km), welche die Stammlinie des jetzigen Netzes der niederosterreichisch-steierischen Alpen¬ bahn bildet. Die Konzession zum Bau und Betriebe dieser Lokalbahn wurde dem Landesaus- schusse am n. Juli 1896 erteilt; die Er- oftnung beider Strecken erfolgte im Juli 1898. Beide Linien wurden in einfachster Weise ausgefuhrt und erforderten dah er nur einen Betrag von rund K 67.000 per km, so dafi gegeniiber dem vorgesehenen Anlagekapital eine Ersparnis von fast K 400.000 erzielt wurde. Ausbau des Netzes nach Mariazell und Gufiiverk. Da durch die vorgenannten Bahnver- bindungen das ausgedehnte niederoster- reichische und steiermarkische Hinterland, speziell aber das Mariazeller Gebiet nicht geniigend erschlossen werden konnte, wurde einerseits der Manker Fliigel nach Ruprechtshofen verlangert (8 km) dessen weitere Fortsetzung liber Wie- selburg nach Gresten (38 km) ist in Vorbereitung. Anderseits entschlofi sich die Landesvertretung, die Fortsetzung der Pielachtalbahn iiber Laubenbachmtihle nach Mariazell als schmalspurige Landes¬ bahn zu studieren, weil der von der Staats- verwaltung seinerzeit beabsichtigte Bau einer normalspurigen Linie Kernhof— Terz—Frein—Neuberg mit einer Ab- zvveigung von Terz nach Mariazell nicht zur Ausfiihrung gelangte. Auf Grand des giinstigen Ergebnisses der vom Landeseisenbahnamte bewirkten Vorerhebungen beschlofi der niederoster- reichische Landtag am 10. Juli 1901, fiir die 54 km lange Lokalbahn von Kirch¬ berg a. P. nach Mariazell die Landes- garantie fiir 7 O °/ 0 des mit K 9,000.000 veranschlagten Anlagekapitals zuzu- gestehen. Die restlichen K 2,700.000 sollten von den niederosterreichischen und steier- markischen Interessenten durch Uber- nahme von Stammaktien unter Mit- wirkung des Staates beschafft werden. Die Verhandlungen mit der Regierung verliefen jedoch schliefilich ohneErgebnis, weshalb der Landtag, da die Interessenten trotz der grofiten Opferivilligkeit nur einen Betrag von K 900.000 aufzubringen ver- mochten, die Erhohung der Reinertrags- garantie auf 90°/ 0 des Anlagekapitals, das ist K 8,100.000 beschlofi. (Gesetz vom 27. Dezember 1903, LGB. Nr. VI.) Auf Grund dieser Entschliefiungen hat das niederosterreichische Landes- eisenbahnamt die mit Riicksicht auf die ungiinstigen Terrainverhaltnisse iiberaus umfangreichen und schwierigen Projekts- arbeiten in denjahren 1902—1904 durch- gefiihrt, so dafi schon im November 1904 mit dem Bau der ersten 17 km langen Teilstrecke Kirchberg a. P.—Lauben- bachmiihle begonnen werden konnte. Da die vom Lande Steiermark ge- wahrte Subvention fiir die Mariazeller Linie per K 700.000 an die Bedingung des sofortigen Weiterbaues bis Gufiwerk gekniipft war, wurde die Ausfiihrung dieser zur Ganze auf steirischem Gebiete gelegenen, 7 km langen Fortsetzung in das Bauprogramm aufgenommen und Lokal- und Kleinbahnwesen. 341 Abb. 184. Mariazeller B. Kuhgrabenviadukt zwiscben Erlaufklause und Mitterbach. Abb. 185. Mariazeller B. In den drei Zinken, 342 Ferdinand Gottsleben. zu diesem Zwecke das Anlagekapital auf K 9,400.000 erhoht. Die Finanzierung der Linie war hiemit vollendet und der Aktiengesell- schaft Lokalbahn St. Polten—Kirch- berg a. P.—Mank \vurde am 14. Mai 1905 die Konzession fur die Strecke Kirchberg a. P.—Mariazell—Gufiwerk erteilt. Der Bau dieser 61 km langen, schwierigen Gebirgsbahn \vurde in Regie Beschreibimg der Trasse. Die landschaftlich iiberaus reizvolle Trasse der Linie Kirchberg a. P.— Mariazell—Gufiwerk durchzieht drei ver- schiedene geologische Zonen, und zwar vorerst den Lunzer Sandstein, dann die Zone der Triaskalke und endlich die Dolomitformation. Schon einige Kilometer hinter Kirch¬ berg a. P. gelangt die Bahn in eine Talenge und^tritt am Fufie der pittoresk Abb. 186. Tabor—Bechyn. Lužnicviadukt (im Bau). des Landes in den Jahren 1904— 1907, also in dem aufierordentlich kurzen Zeitraume von drei Jahren durch- ■gefuhrt. Die Teilstrecke Kirchberg a. P.— Laubenbacbmiihle war am 6. August 1905 vollendet; die Teilstrecke Lauben- bacbmiihle—Mariazell wurde fiir den Frachtenverkehr am 17. Dezember 1906, fiir den Gesamtverkehr am 2. Mai 1907 erSffnet; die Inbetriebsetzung der Rest- strecke Mariazell—Gufrvverk erfolgte am 15. Juli 1907. gelegenen Ruine Weifienburg in einen kurzen Tunnel, damit eine scharfe Kriim- mung des Pielachflusses abschneidend. Nach Verlassen der Station Schwarzen- bach a. P. durchfahrt die Linie denSchSnau- tunnel, iibersetzt den PielachtiuL mit eisernen Brucke von 20 m Lichtweite und gelangt nach Durchfahrung des Gillis- tunnels durch das enge, gewundeneNatters- tal zur Station Frankenfels. Einige Kilometer talaufvvarts wird der Nattersbach und die Strafie mittels einer dreifeldrigen, schiefen Brucke gekreuzt Lokal- und Kleinbahnwesen. 343 und die Endstation »Laubenbachmiihle« der Talstrecke erreicht. Bis hieher konnte mit der Maximalsteigung von 15 pro Mille das Auslangen gefunden werden, doch bot fiihrung von Stlitzmauern abgewonnen werden konnte und die haufige Anwendung des Minimalradius von 90 m erforderlich wurde. die Beschaffenheit der Taler dem Bahnbau schon in dieser Teilstrecke betrachtliche Schwierigkeiten, da das Planum den steilen Lehnen nur durch umfangreiche Felssprengungen und ausgiebige Auf- Von der Station Laubenbachmiihle (Kote 534 m) beginnt der 17 km lange, in 23 pro Mille gelegene Aufstieg auf die Wasserscheide zwischen der Natters und Eri auf, wobei die Linie unter Aus- 344 Ferdinand Gottsleben. Abb. 188. Gedenktafel auf der Lokalbahn Daubleb—Wamberg—Rokitnitz an der Stelle, \vo der iooo. lem d er vom Konigreiche Bohmen garantierten Lokalbahn vollendet wurde. fahrung des Natterstales und des Stock- grabens eine Doppelschleife bildet. Nach Passierung von drei Tunnels und sechs Viadukten und Durchfahrung der Stationen Winterbach und Puchen- stuben wird der Gosingtunnel und die gegeniiber dem Otscher, 300 m iiber der Erlaufsehlucht gelegene Scheitelstation Gosing (890 m Meereshohe) erreicht. Die Bahn senkt sich nunmehr an der schroffen, vqn Felswanden und tiefen Schluchten durchsetzten rechten Berg- lehne des Angerbaches ■—• wobei vier Tunnels durchfahren und drei Seitentaler mit bis zu 30 m bohen gewolbten Via¬ dukten iibersetzt werden — zu der auf der Wasserscheide z\vischen der Erlauf und Lassing gelegenen Station Annaberg und gelangt endlich zur Station Wiener- bruck-Josefsberg (Kote 795 ni). Die Trasse umfahrt nunmehr, wieder mit 20 pro Mille steigend, den Josefsberg und passiert liber fiinf hohe eiserne Via¬ dukte und durch sechs Tunnels eine der schwierigsten, jedoch landschaftlich her- vorragendsten Bahnstrecken. Nach den Stationen Erlaufldause und Mitterbach wird endlich im obersten Erlauftale leichteres Gelande und die am Sattel zwischen der Erlauf und Salza situierte Station Mariazell erreicht (Kote 849 m). Lokal- und Kleinbahnwesen. 345 Von hier filhrt die nunmehr mit 25 pro Mille fallende Bahn mit einer Schleife in die Griinau und nach dem im Salzatale gelegenen Orte Gufiwerk, dem jetzt aufge- lassenen, aber ehemals grofiten und beriihm- testen Eisenwerke Osterreichs (Kote739m). Anlageiveise •der Bahn. Die Richtungs- und Neigungsverhalt- nisse sind, entsprechend dem schwierigen Gelande, im allgemeinen ungtinstig. In der Geraden liegen . 27 km — 44% » Bogen.34 » =56% » der Horizontalen. . . 7 - 6 » =12°/ 0 » Neigungen.53-4 » —88% wovon 40% auf Neigungen liber 20 pro Mille entfallen. Der Minimalradius ist 90 »z, die Maximalsteigung bis Mariazell 23 pro Mille. In der Hauptrampe von Laubenbachmiihle bis zum Scheitelpunkt des Gbsing- tunnels (auf Kote 892 ge- legen) \vird auf eine Lange von 17'4 km ein Hohen- unterschied von 348 . m iiberwunden. Die Bergstrecke enthalt 17 Briicken und Viadukte in einer Gesamtlange von 1025 m. Als offene Viadukte mit eisernen Tragwerken wurden ausgefuhrt: Der Lassing-Kienbach- viadukt mit einer Offnung von 40 m Lichtweite, einer Gesamtlange von 74 m und einer grofiten Hohe von 27 m ; der Kienbach-Klaus- viadukt mit einer Offnung von 25 m, einer Gesamt¬ lange von 53 m und einer grofiten Hohe von 18 m mit Widerlagern aus Stampfbe ton; der Kuhgrabenviadukt mit zwei Offnungen von je 30 m und einer gewolb ten Offnung von 8 m Licht- weite mit 101 m Gesamt¬ lange und einer grofiten Hohe von 30 m ; endlich der Eselgrabenviadukt mit einer Offnung von 20 m, einer Gesamtlange von 50 m und einer grofiten H 5 he von 20 m. Unter den gevrolbten Unterbauob- jekten sind besonders hervorzuheben der Beinriegelviadukt mit vier Off¬ nungen zu 8 m , einer Lange von 50 m und einer grofiten Hohe von 18 m ; der Viadukt iiber den Gosinggraben mit drei Offnungen zu 12 m, einer Lange von 84 m und einer grofiten Hohe von 28 m ; der Viadukt iiber den Klausgraben mit zwei Offnungen zu je 15 m, einer Lange von 62 m und 28 m grofiter Hohe, end¬ lich der Saugrabenviadukt mit drei Off¬ nungen von je 8 m, einer Gesamtlange von 116 m und einer grofiten Hohe von 37 m- Abb. 189. Daudleb—Wamberg—Rokitnitz. Gedenktafel (entvvorfen vom akademischen Bildhauer L. Herzl). Ansicht aus dem Tunnel. Abb. 190. Neuhof—Weseritz. Miesaviadukt nachst der Station Neuhof. 346 Ferdinand Gottsleben. Fahrpark. Die fur die Rampenstrecke ange- schaffte schwere Berglokomotivtype ist eine i / s gekuppelte Heifidampf- maschine mit zvveiachsigem Tender, mit 7'5 t Achsdruck, einem Ad- hasionsgervicht von 30 t , einem Dienstgewicht von 45 t und einer Leistungsfahigkeit von 350 Pferde- starken. Die Maschine kann in 23 pro Mille Steigung 130 t mit 25 km Geschwindigkeit befordern. Von dieser sich gut bewahren- den Type vrarden bisber 8 Stiick von der Lokomotivfabrik Krauss & Go. in Linz geliefert. Baukosten. Die effektiven Baukosten der 61 km langen Streeke Kirchberg a. P. — Mariazell — Gufiwerk betrugen K 11,700.000 (K 191.800 per km), wovon rund K 1,400.000 auf den Bau des elektrisch erbohrten Gosing- tunnels entfallen; die Kosten dieses Tunnels erreichten somit nur K 600 per laufendes Meter. Die Kosten der kleinen Tunnels stellten sich im Durchschnitte auf K 520 per lau¬ fendes Meter. An kleineren Tunnelen \veist die Streeke 15 Stiick mit einer Lange von zusammen 1540 m auf, wahrend der Scheiteltunnel nachst der Station Gosing 2368 m lang ist. Auf der Bergstrecke Laubenbach- miihle—Mariazell ist ein Oberbau mit Schienen von 21'8 kg Gewicht per lau¬ fendes Meter verlegt, wahrend auf der Talstrecke St. Polten—Laubenbachmiihle Schienen von I7'89 kg Gewicht Ver- wendung fanden. Die Auswechslung dieses letzteren Oberbaues gegen einen schwereren ist in Vorbereitung. Auf der Linie St. Polten—Kirch¬ berg a. P.—Gufiwerk befinden sich insgesamt 32 Stationen und Halte- stellen, wovon 10 Stationen als Wasserstationen und 21 als Kreu- zungsstationen ausgebildet sind. Die ganze Streeke ist mit einer Te- lephonleitung mit 29 Stationen und einer Telegraphenleitung mit 8 Sta¬ tionen ausgeriistet. Die Ausftihrung von Glockenschlag-Signalen ist im Zuge. Lokal- und KIeinbahnwesen. 347 Erhohung des Anlagekapitals. Im Zusammenhange mit dem Bau der Mariazeller Bahn mufiten die Stationen der alten Linie St. Polten—Kirchberg a. P., darunter insbesondere dieStation St. Polten- Lokalbahn ftir den zu erwarten- den grofien Personen- und Giiter- verkehr ausgestaltet und der Oberbau verstarkt werden; fer- ner war der Umbau der 2 km langen Anfangsstrecke von der Staatsbahnstation St. Polten zur Station St. Polten - Lokalbahn zwecks Beseitigung der bestehen- den Niveaukreuzung mit der Staatsbahnlinie St. Polten—Le- obersdorf erforderlich. Infolge der vorangefuhrten, im urspriinglichen Kostenvoran- schlage der Mariazeller Bahn nicht enthaltenen Herstellungen, ferner wegen der mittlerweile einge- tretenen allgemeinen Preissteige- rung der Baumaterialien und der Arbeitslohne, konnte mit dem praliminierten, knappen Baukapi- tal von K 9,400.000 das Aus- langen nicht gefunden werden. Die erforderlichenMehrkosten per K 2,300.000 wurden vom Lande Niederosterreich durch Ubernahme von Stammaktien gedeckt. Das Nominal - Anlagekapital der Lokalbahn Kirchberg a. P. —Mariazell—Gufiwerk betragt K 11,800.000. V on den obbezeichneten kilometrischen Kosten der Linie entfallen auf Projekts- kosten, Bauleitung und Administration K 8200, Grundeinlosung K 6500, Unter- bau K 115.000, Oberbau und Beschot- terung K 22.100, auf Hochbau, Strecken- ausrustung und Fahrpark K 38.200. Von den Kosten fiir Unterbau entfallen per I km : auf Erd- und Felsarbeiten K 49.000, auf Stiitz- und Futtermauern K 4900, auf kleinere Objekte unter 20 m Lichtweite K 5700. Das Anlagekapital der alten Strecke St. Polten'—Kirchberg a. P. (31 km) betrug K 2,400.000; hiezu kommen die Kosten der vorenvahnten Ausge- staltung per K 1,300.000, so dafi fiir die Stammlinie nunmehr K 3,700.000 aufgewendet sind. bH w 43 43 < 348 Ferdinand Gottsleben. Die gesamte, 92 km lange Linie St. Polten —■ Gu6werk (ausschliefilich des Flugels Ober-Grafendorf— Mank — Rup- rechtshofen), erforderte demnach ein An- lagekapital von K 15,500.000, das sind rund K 169.000 per Kilometer. Betriebsergebnisse. Die fiir eine Schmalspurbahn be- deutenden Baukosten stehen jedoch zu den giinstigen Einnahmen schon des ersten, nicht einmal vollen Betriebsjahres 1907 im guten Einklange. Verzinsung und Tilgung des Vorzugs- kapitals hinreichen, so dafi schon ftir das Jahr 1907 eine Inanspruchnahme der Landesgarantie nicht mehr eintreten wird. Elektrisierung der Strecke St. Polten — Gnfewerk. Der bereits im ersten Betriebsjahre auf eine nicht geahnte Hohe gewachsene Personen- und Gtiterverkehr durfte in der Folge noch eine weitere, betrachtliche Steigerung erfahren, so dafi neuerliche Investitionen erforderlich werden. Abb. 192. Strakonitz—Breznitz. Wottawabriicke bei Strakonitz. Es wurdenimgenanntenjahre bei einer durchšchnittlichen Betriebslange von 114 km 532.000 Personen und 127.000 t Giiter befordert; die gleichen Ziffern des Jahres 1906 betrugen 209.000 Personen und 62.000 t Fracht, bei einer Betriebs¬ lange von 76 km. Die Gesamteinnahme beziffert sich im Jahre 1907 auf K 1,320.000, d. i. per 1 km Betriebslange K 11.576; gegeniiber dem Jahre 1906, in welchem der Einflufi der Mariazeller Strecke sich noch nicht fiihlbar machte, betragt die Einnahmen- steigerung K i,oio.ooo = 33O°/ 0 - Trotz der durch die schwierigen Be- triebsverhaltnisse erwachsenden hohen Ausgaben wird das Ertragnis zur vollen Da in dem von der Bahn durchzo- genen Gebiete reichliche, eine giinstige Ausniitzung gestattende Wasserkrafte vorhanden sind, hat die Landesvertretung mit Rucksicht auf die in diesem Falle gegebene Wirtschaftlichkeit des elek- trischen Betriebes beschlossen, zunachst die Hauptlinie St. Polten — Gu6werk fur den elektrischen Betrieb umzuge- stalten. Diese Arbeiten sind gegenwartig im Zuge und sollen bis Mitte des Jahres 1910 vollendet sein. Auf der Teilstrecke St. Polten— Laubenbachmiihle wird der elektrische Betrieb voraussichtlich schon im Jahre 1909 aufgenommen werden lcSnnen. Lokal- und Kleinbahmvesen. 349 2. Die Innsbrucker Mittelgebirgs- bahn. Die Innsbrucker Mittelgebirgsbahn fiihrt von Innsbruck auf das Plateau des siidlichen Mittelgebirges von Igls und bildet die Fortsetzung der Lokalbahn Innsbruck—Hall, deren Ziige nach Aus- wechslung der Lokomotiven in der Station Berg Isel der vorgenannten Lokalbahn dortige Seitental mit einem Damine und ersteigt mittels einer Kehre ein mafiig geneigtes Waldplateau, an welchem sich die Linie durch zwei weitere Kehren ent- wickelt, um die Berglehne gegen Aldrans zu erreichen. In steter Steigung wendet sich die Bahn dann neuerdings, um an der Lehne eines kleinen Seitentales bis zum Sattel t: 7AOOO- D 7 600- Abb. 193. auf der Mittelgebirgsbahn bis zur End- station Igls weiterfahren. Die auf der Kote 5B8 - 4 m beginnende Bahn unterfahrt zunachst den Damm der Stidbahnlinie Innsbruck-Ala, iibersetzt an der Strafie fortziehend den Sillkanal und hierauf die Sili mit einer eisernen Bogen- briicke. Sodann fiihrt die Bahnlinie eine kurze Strecke parallel mit derFiirsten- strafie und erreicht bei Kilometer 2’48 eine Felswand, welche mit einem kurzen Tunnel durchbrochen wurde. Hinter der Station Amras iibersetzt die Bahn das bei der Lanser Kapelle emporzuklimmen und endet hierauf in der Station Igls mit der Kote 86o - 95 m. Diese Bahnlinie wird wie die Lokal¬ bahn Innsbruck—Hall mit Dampfkraft betrieben, hat dieselbe Spurweite von 1 'O m und Fahrpark gleicher Type mit Ausnahme der Lokomotiven, welche mit Rucksicht auf die Steigung eigens kon- struiert werden mufiten. Die maximale Neigung der Bahn betragt 46 pro Mille, der kleinste Bogen- halbmesser 40 m. 35 ° Ferdinand Gottsleben. Abb. 194. Linie Innsbruck—Igls (Mittelgebirgsbahn). Die Unterbaukrone h at eine Breite von 3’20 m , die obere Schotterbettbreite be- tragt 2'20 m, die Starke des Schotter- bettes 0'25 m. Von grofieren Arbeiten sind zu er- wahnen die Unterfuhrung des Stidbahn- dammes mittels eines offenen Objektes und die Uberbriickung des Sillflusses. Letztere erfolgt mittels zwei Gelenk- bogen aus Martinflufieisen. Die Spann- weite betriigt 3Q'0 m , das Eisengewicht der Brucke rund 65.000 kg. Fiir den Oberbau gelangten auf der kurrenten Strecke Flufistahlschienen mit 21'8 kg Gewicht, in den Stationen da- gegen solche mit I7‘89 kg Gewicht per Meter Lange zur Vervvendung. Die Schie- nen sind durchwegs i2 - 5 m lang, wobei 17 Schwellen per Stofi verlegt und jede Schwelle mit zwei Unterlagsplatten ver- sehen worden ist. Die Schwellen besitzen r8o m Lange und haben C14 m obere, 0'20 m untere Breite und C13 m Hohe. Fiir die Abwicklung desGiiterverkehres dienen Giitergleise in den Stationen Berg Isel und Igls und in der Haltestelle Lans- Sis trans. Durch die Verbindung der Mittel- gebirgsbahn mit den Gleisen der iibrigen Innsbrucker Lokalbahnen ist auch die direkte Uberladung von Giitern der Haupt- bahn auf die Wagen der Iglser Bahn bei der Staatsbahnstation Wilten ermoglicht. Der Fahrpark besteht aus 3 Lo- komotiven, 12 Per- sonenwagen, 8 Gii- terwagen und 2 Bahnwagen. Mit Riicksicht auf die grofie Stei- gung der Bahn sind Verbund - Tender- lokomotiven mit je drei gekuppelten Achsen (Bauart Golsdorf) ange- schafft worden; dieselben haben Luftsauge- und Handbremsen. Das Adhasions- gewicht der vollausgeriisteten Lokomotive betragt 27'5 if, der Achsdruck 7500 kg. Das Fassungsvermogen fiir das Wasser ist 3’0 m 3 , fiir Kohle 1650 kg. Die Loko¬ motive kann bei 36 pro Mille noch eine Maximalgeschwindigkeit von 35 km in der Stunde erreichen; im Betriebe wird je- doch nur mit maximal 25 km gefahren. Die von der Firma Krauss & Co. in Linz gebauten Lokomotiven (Kosten per Stiick K 38.500) haben sich ausge- zeichnet bewahrt. Die Personenwagen sind mit Dampf- heizung sowie mit durchgehender Bremse und Handbremse ausgestattet. Ein normaler Zug besteht aus der Lokomotive mit 6 Personen- oder Gtiter- wagen; nachdem die Personenwagen 16 Stehplatze und 16 Sitzplžitze besitzen, konnen mit einem normalen Zug 192 Per¬ sonen befordert werden. In Ausnahmefallen besteht ein Zug aus 7—8 vollbesetzten Personenwagen, was einem Zugsgewichte von 36 t entspricht. Die Unterbauarbeiten der Bahn wurden im August 1899 begonnen und ist die Bahn im Juni 1900 dem Verkehre uber- geben worden. Der Betrieb auf der Linie wird durch die Aktiengesellschaft Lokalbahn Inns¬ bruck—Hall i. T. gefiihrt. Die Baukosten der ca. 8'5 km langen Strecke betrugen rund K 1,100.000. Die Bahn dient der Hauptsache nach dem Verkehre von Innsbruck nach den Lokal- und Kleinbahnwesen. 35T Sommerfrischen am siidlichen Innsbrucker Mittelgebirge, der Betrieb wird daher auch vom i. Dezember bis 31. Marž eingestellt. Im Jahre 1907 wurden 134.388 Per- sonen befordert und an Giitern 3190 Z 1 befdrdert. Die Gesamteinnahme per 1907 betrug K 98.844'63, wovon K 10.63270 auf den Guterverkehr entfallen. Die Einnahmen betragen per Zugs- kilometer K 2'6, per Wagenachskilometer K 0-36. Die Ausgaben betrugen im Jahre 1907 K 58.37077, mithin S9'°5°lo der Ein¬ nahmen. Das Aktienkapital per K i, 100.000 setzt sich zusammen aus Stammaktien im Betrage von K 600.000 und Prioritats- aktien von K 500.000. Bisher ergab sich fiir die Prioritats- aktien eine vierprozentige Verzinsung, hingegen erhielten die Stammaktien bisher nur 2—3%. Die Einnahmen wiesen in den verflossenen Betriebsjahren keine wesent- lichen Schwankungen auf, haben aber im allgemeinen eine steigende Tendenz. Noch rascher wachsen jedoch die Betriebsaus- gaben mit Riicksicht auf die eingetretene Steigerung der Kohlenpreise, so dafi die Bahngesellschaft sich mit der Absicht tragt, die Bahnlinie zu elektrisieren. 3. Lokalbahn Czudin—Koszczuja. Die mit einer Spurvveite von 076 m erbaute, ungefahr ca. 23 km lange Lokal¬ bahn mit Dampfbetrieb von Czudin nach Koszczuja wurde seitens der Verwaltung der Bukowinaer Lokalbahnen ausgefiihrt; sie ist zunachst ausschliefilich fiir den Guterverkehr in vollen Wagen- ladungen bestimmt, da der LJaupt- zweck dieser Lokalbahn die Erschliefiung der an ihrem Ende gelegenen Forste der Gutsherrschaften Hilcze und Koszczuja ist. Diese an den Quellbachen des Kleinserethflusses gelegenen Forste um- fassen —■ zusammen mit dem Waldbesitze der Gemeinden und sonstigen Grund- besitzer — einen Flachenraum von 12.000 ha , und bestehen iiberwiegend aus alten Buchenbestanden, welche wegen der relativ zu hohen Kosten der Achs- verfrachtuno- bisher nicht ausgenlitzt wer- den konnten. Die Bahn wird daher wohl in. den ersten Jahren ihres Bestandes bedeutende Mengen von Brenn-, Schnitt- und Bauholz zu verfrachten haben, wird nach Abtrieb der alten Holzbestande nur mehr mit einem wesentlich geringeren Frachtquantum zu rechnen sein. Dieser Umstand erheischte die Ausfuhrung einer moglichst okonomischen Bahnanlage, welche angesichts der geringeren Bau- und Betriebskosten auch in spateren Jahren eine wenn auch mafiige Renta- bilitat orewartio'en lafit. O o Die Bahn fiihrt von der Station Czudin der normalspurigen Linie Karapcziu a. S.—Czudin der Bukowinaer Lokalbahnen auf eigenem Unterbau liber die Ort- schaften Cziresch und Moldauisch-Banilla, in das Gutsgebiet Koszczuja, in welchem die Endstation situiert wird. Vornehmlich den Wlinschen der Vertretungen der ge- nannten Ortschaften entsprechend, ist die baldige Einfuhrung auch des Personen- und Stiickgutverkehres in Aussicht ge- nommen, obzwar dies mit namhaften Mehrkosten fiir das Unternehmen ver- bunden sein diirfte. Die Trasse verlauft in dem Tale des Kleinserethflusses unter derart giinstigen Richtungsverhaltnissen, dati nur etwa 10% der Linie in Bogen zu liegen kommen. Der Minimalradius in der kurrenten Strecke betragt 100 m ; die grofite Nei- gung 17 pro Mille. Die Kronenbreite des Unterbaues ist sowohl bei Dammen, als in Einschnitten mit 3 m festgesetzt. Der Abstand der Gleise in den Stationen betragt 4 m. Die Gesamtkubatur der Erd- arbeiten stellt sich auf ca. 130.000 m s , wovon nahezu 40.000 m 3 auf die Anfangs- station Czudin entfallen, vroselbst aus- gedehnte Gleisanlagen und Lagerplatze zum Zwecke der Deponierung und Um- ladung von Holzern zur Ausfuhrung gelangen. Die kleineren Unterbauobjekte bis l’5 m Spannweite sind nach Moglichkeit als Zementrohrdurchlasse sowie als Beton- objekte mit einer Uberdeckung aus ein- betonierten Alteisenschienen hergestellt. Die offenen Objekte bis 3 m Spamrvveite 352 Ferdinand Gottsleben. erhielten Landjoche aus Eichenholz und holzernem Uberbau, die grofieren Unter- bauobjekte gemauerte,respektive betonierte Widerlager, sowie Zwischenjoche aus Eichenholz und einen holzernen Uberbau. Die Tragwerke, deren Spannweite Io m nicht iibersteigt, werden auseinfachen iiber- einander liegenden Tragbalken aus Fichten- holz hergestellt. Der Oberbau wurde mit Flufistahlschienen von 1375 kg Gewicht per laufendes Meter ausgefiihrt; die nor¬ male Schienenlange betragt 8 m und werden zwolf Schwellen per Schienenstofi angewendet. Die aus Eichenholz erzeugten Schwellen besitzen eine Lange von 1*5 bis i'6 m bei o - 12 m oberer, o - i8 m unterer Breite und o - 12 m Hohe. Die obere Breite des SchotterkSrpers betragt 2 m, die Starke des Schotterbettes min- destens o - 22 r,i. An grofieren Hochbauten gelangten in der Station Czudin nebst einem Wohn- gebaude noch eine Remise ftir drei Ten- derlokomotiven, ein Reparaturschuppen mit angebautem Bahnerhaltungs- und Materialmagazin, sowie eine Schmiede, ferner ein zwischen dem normalspurigen und schmalspurigen Gleis situiertes Giiter- magazin und eine Briickenwage von 8 m Lange und 20 t Tragkraft zur Ausfiihrung. In der Station Moldauisch-Banilla wurde ein Aufnahmsgebaude und ein Giiter- schuppen nebst Verladerampe hergestellt; die tibrigen Stationen erhielten nur offene Wartehallen. Die fiir Wohnzwecke be- stimmten Gebžiude sind gemauert, die Gebaude fiir den Zugforderungs- und Werkstattendienst in Riegelmauerwerk, die tibrigen Bauten in Holz ausgefiihrt. Die Bahn wurde mit einer Telephon- leitung versehen. An Fahrbetriebsmitteln sind 2 vierachsige vollgekuppelte Verbund- Tenderlokomotiven mit 16'8 t Dienst- gewicht angeschafft. An Guterwagen sind zuniichst 40 offene vierachsige Plateau- wagen fiir den Brennholz- und Schnitt- holzverkehr mit 12 t Ladegewicht und 3 gedeckte vierachsige Giiterwagen, ferner Lokal- imd Kleinbahnwesen. 353 4 zweiachsige Drehschemelwagen fiir den Getreideverkehr alla rinfusa beschafft worden. Samtliclie Wagen haben eiserne Untergestelle und gefederte Achsen; die Halfte der Wagen ist mit Handbremse ver- sehen. Die nutzbare Lange der Plateau- wagen betragt 8‘3 m, die Breite der Plateaus 2 m, so dafi auf einen Wagen unschwer 18 — 2om s Brennholz verladen werden konnen. Zur Erleichterung der Umladung in der Station Czudin ist da- selbst entlang dem normalspurigen Gleis ein schmalspuriges Gleis derart angelegt, dafi die Plateaus der normalspurigen und schmalspurigen Wagen in gleicher Bohe zu stehen kommen, um die Umladung von Wagen zu Wa- gen zu erleichtern. Einrichtungen fiir den Rollschemel- verkehr sind fiir einen spaterenZeit- punkt vorgesehen. Fiir Zwecke des in naher Zeit einzu- fiihrenden Perso- nenverkehrs sind 2 zweiachsige Per- sonenwagen dritter Klasse mit Kon- dukteur- und Ge- pacltraum, ferner ein vierachsiger Personenwagen zweiter und dritter Klasse bereits an- geschaift. Die Baukosten der Linie waren mit Inbegriff der Interk alarzinsen per K 28.000 und eines Reservefonds von rund K 94.000 mit insgesamt K 1,250.000 veran- schlagt.Hievon ent- fallen auf die Be- s chaffung von Ober- baumaterialien K 294.000, auf den Hochbau und die W asserversorgung K 164.000, wah- rend die Kosten des Fahrparkes mit K 251.000 veranschlagt waren. Vor Beginn des Bahnbaues haben die Gutsherrschaft Hilcze sowie ein fiir die Ausbeutung eines Teiles des Waldgebietes der Gutsherrschaft Koszczuja gebildetes Konsortium der Bahngesellschaft gegen- iiber die Verpflichtung ubernommen, auf die Dauer von zehn Jahren ein jahrliches Quantum von je mindestens 20.000 t diverser Forstprodukte auf dieser Lokal- bahn zur Verfrachtung zu bringen, be- ziehungsweise die hiefiir entfallenden Frachteinnahmen zu garantieren. Mit In¬ begriff der Transporte sonstiger Holz- produzenten ist auf eine Transportmenge Abb. igb. Virglbahn mit Virglwarte bei Božen. 23 354 Ferdinand Gottsleben von etwa 50.000 t Holz jahrlich innerhalb der ersten zehnJahre mit Sicherheit zu rech- nen und diirfte der Verkehr auch in der zweiten folgenden Dekade sich noch unge- fahr auf dieser Hohe erhalten. Aus dem Personen- und Stiickgutverkehre sind nur relativ geringe Einnahmen zu gewartigen. Durch den Ausbau dieser am 17. Ok¬ tober 1908 fur den Giiterverkehr in vollen Wagenladungen erdffneten Schmalspur- bahn wird auf der 28 km langen Strecke Hliboka—Karapcziu—Czudin der Buko- winaer Lokalbahnen eine namhafte Be- lebung des Verkehres eintreten. 4. Die Rittnerbahn. Diese fur den elektrischen Betrieb eingerichtete Bahn erschliefit die reiz- volle auf einer durchschnittlichen Hohe von 1200 m gelegene Hochebene des Ritten dem Bahnverkehre. Bei dem Baue der 11 'g km langen, mit ro m Spurweite hergestellten Bahn wurde der Beschaffenheit des Terrains entsprechend das gemischte Zahnstangen- und Adhasionssystem gewahlt. Die Linie beginnt am Waltherplatze, dem Mittelpunkte Bozens, in der See- hohe von 265 m , fiihrt zunachst als Adhasionsbahn durch die Strafien der Stadt und gelangt sodann auf — eigenen Bahnkčrper iibergehend — in die Rangier- und Frachtenstation Božen-Rittnerbahn. Unmittelbar hinter dieser beginnt die Zahnstangenstrecke, mittels welcher sich die Bahn zunachst mit einer Steigung von 168 pro Mille, hierauf fortan mit der Maximalsteigung von 255 pro Mille zu den Gehangen des St. Magdalena - Berges erhebt, wobei — ungefahr in der Mitte eines rund 150 m langen Viaduktes — die Italiener Reichsstrafie uberbriickt wird. Die Linie entwickelt sich hierauf an den stidlichen Porphyrhangen des Rittrier- berges, erreicht in Kilometer 3‘0 die in der Mitte der Steilstrecke in einer Neigung von 120 pro Mille liegende Betriebsausweiche, durchbricht nachst Kilometer 3‘8 mittels eines Tunnels eine vorspringende Fels- nase und gelangt schliefilich, nach Uber- setzung mebrerer tief eingeschnittener Taler, auf die Hohe des Ritten, an dessen Beginn, bei Kilometer 5 '° 5 > die Zahn- stange in der Seehohe von 1175-4 m endet. Auf der Hochebene verlauft die Linie wieder als Adhasionsbahn, wobei die Hauptortschaften Oberbozen, Wolfs- gruben und Klobenstein beriihrt werden. Der hochste Punkt befindet sich in Kilometer 9-2 auf der Kote I25 o - 6. Die Bahn endet in Klobenstein auf einer Meereshohe von 1190 m. Der kleinste Bogenhalbmesser betragt im ersten Teile der Linie, woselbst das Gleis dem Zuge der Strafie folgt, 30 m ; wahrend in der Zahnstangenstrecke der Minimalradius mit 80 m, endlich in jenem Teile der Adhasionsstrecke, welcher auf eigenem Unterbau liegt, mit 50 m bemessen wurde. Die grofite Neigung der Bahn be¬ tragt in der Adhasionsstrecke 45 pro Mille, in der Zahnstangenstrecke 255 pro Mille. Die Gefallsbruche sind mit Bogen vom Halbmesser 500 m ausgerundet. Die Kronenbreite des Unterbaues betragt in der Adhasionsstrecke 3-40 m , in der Zahnstangenstrecke 3 ' 5 o m. Die Unterbau- objekte wurden grofitenteils gedeckt oder gewolbt, einige grofiere Briicken bei Stra- fieniibergangen in Eisenbeton ausgefiihrt. Der in Kilometer I' °/ 2 gelegene, aus Bruchstein in Portland-Zementmortel her- gestellte Viadukt besitzt 16 gewolbte Off- nungen mit 6 - o m Spannweite und zwei mit Eisenbetonkonstruktionen uberbriickte Off- nungen von 6 - o m respektive 7 - o m Licht- \veite iiber zwei die Bahnkreuzende Strafien. Der im Kilometer 3* 7 /g hergestellte Tunnel besitzt eine Lange von 60 m und liegt teils in der Geraden, teils im Bogen vom Radius 80 m. Die in grofier Zahl ausgefiihrten Stiitz- mauern von teihveise betrachtlicher Hohe sind meist aus Trockenmauerwerk her- gestellt. In den mitbeniitzten Strafien gelangten Rillenschienen im Gewichte von 34^4 kg per laufendes Meter zur Anvvendung, wahrend in der Steilstrecke der Oberbau unter Amvendung der Zahnstange des Schweizer Ingenieurs Strub (Keilkopf- schiene) ausgefiihrt worden ist. Der Schienenkopf wird durch eine an der Lokomotive angebrachte Sicherheitszange umfafit, wodurch ein Aufsteigen der Lo¬ komotive ausgeschlossen erscheint. Lokal- und Kleinbahnwesen. 355 23 Abb. 197. 356 Ferdinand Gottsleben. Abb. 198. Rittnerbahn. Bahnanlage Die Zahnstange, welche aus \veichem Stahl von ca. 45 kg per mm 2 mittlerer Zugfestigkeit und 2O°/ 0 Dehnung besteht, besitzt ein Gewicht von 34 kg per lau- fendes Meter bei einer Hohe von 170 mm und 3998 mm Lange. Auf einen Laufschienenstofi von 12 m Lange entfallen daher drei Zahnstangenstticke. Die Zahnstange liegt durchwegs auf Unterlagsplatten, von rvelchem bei jeden rund 4 m langen Zahnstangenstuck drei gekropft sind. Die gekropften Platten liegen mit ihrer nach abwarts gebogenen Nase am bergseitigen Rande der betref- fenden Quersch\velle auf. Die Schwellen sind in Abstanden von hochstens 100 m an talseitig an- gebrachten Iraver- sen oder Schienen- stucken, die teils in Fels, teils in eigens hergestell- te Mauerwerks- korper eingelassen sind, verankert. Am Beginn und Ende der Zahn¬ stange befinden sich je ca. 4 - o m lange federnde Ein- fahrtszungen. Die in der Be- triebsausweiche verlegten Zahn- stangenweichen sind symmetrisch. Die Fahrschienen der Steilstrecke be- sitzen ein Gewicht von 21 '8 kg per lau- fendes Meter und liegen gleichfalls durchwegs auf U nterlagspl atten. Die aus Larchen- holz hergestellten Querschwellen ha- ben rechteckigen Querschnitt bei einer Hohe von o’ 15 m, einer Breite von 0*20 m und einer Lange von i'8o m. Die normale Schwellenentfernung betragt 8y5 cm beim Zahnstangenstofie 50 cm. Das Schotterbett besitzt eine obere Breite von 2'40 m und ist 0'3 m stark. In den Adhasionsstrecken auf eigenem Unterbau gelangten Schienen im'Gewichte von I7‘S9 kg per laufendes Meter auf holzernen Querschwellen zur Verlegung. Betriebseinrichtung und Fahrpark.*) Die fiir den Betrieb der Bahn er- forderliche Kraft wird seitens der Etsch- *) Eingehendere Mitteilungen liber diesen Teil der Bahnanlage enthalt der Aufsatz von Dr. E. Seefehlner in der Zeitschrift »Elek- trische Kraftbetriebe und Bahnen«, Heft 29 und 31 vom Jahre 1908. Lokal- und KIeinbahnwesen. 357 werke in Meran als Drehstrom von 10.000 Volt Spannung bis zu der in der Mitte der Zahnstangenstrecke gelegenen Umformerstation geliefert. Daselbst wird dieser Strom zunachst auf Drehstrom von 3000 Volt Betriebsspannung trans- formiert und sodann auf Gleichstrom von 750 Volt Betriebsspannung umgeformt. besitzen ein Gewicht von i6'5 t und sind mit zwei Triebzahnradern ausgeriistet. JedeLokomoti ve ist mit einemGeschwindig- keitsregulator ausgeriistet, welcher die Motorachsen im Bedarsfalle automatisch abbremst. Die vierachsigen Motorwagen besitzen eine fiir Bergbahnen ungewohnliche Grofie Die Kontaktleitung wurde aus zwei Drahten hergestellt; von der Umformer¬ station aufwarts bis Oberbozen ist aufier- dem noch eine Speiseleitung von 100 mm Querschnitt zugespannt. Die Riickleitung des Stromes geschieht durch die Schienen. Der Fahrpark besteht aus 3 zwei- achsigen, elektrischen Lokomotiven mit 2 Motoren von je 150 Pferdekraften; 2 vierachsigen Motorwagen mit 2 Motoren von je 45 Pferdekraften; 2 zweiachsigen Motonvagen, 2 Anhangewagen und einigen Giiterwagen. Die Lokomotiven (15 m einschliefilich der Buffer); sie haben zwei Drehgestelle mit einem Rad- stand von 2'0 m und einer Drehzapfen- entfernung von 8'30 m. Das Gewicht des vollbelasteten Wagens betragt bei einem Fassungsraum ftir 90 Personen 27’7 t. Die zweiachsigen 978 m langen Motorwagen besitzen freie Lenkachsen, welche von je einem 45 Pferdekrafte liefernden Motor angetrieben werden. Der Radstand dieser Wagen betragt 3‘8 m\ sie sind bei voller Besetzung (60 Perso¬ nen) rund 16 t schwer. 358 Ferdinand Gottsleben. anlage Bozen-Rittnerbahn, ferner durch die ursprtinglich nicht vor- gesehene Weiterfiihrung der Linie bis zum Waltherplatze, sowie durch die Vergrofierung des Hotels in Oberbozen um rund K 300.000 tiberscbritten worden, so dafi die Gesamtanlage einen Kostenauf- wand von rund 3 Millionen Kronen erforderte. Die Frequenz dieser im Betriebe der Stidbahn auf Rechnung der Rittnerbahngesellschaft stehenden Bahnlinie hat sich bisher in befrie- digender Weise entwickelt. Abb. 200. Rittnerbahn. Station Oberbozen. Die zweiachsigen Anhangewagen fassen 52 Personen und sind bei voller Belastung 13 it schwer. Alle Fahrbetriebsmittel besitzen durch- wegs Bremsen fiir Zahnrad- und Ad- hasionsbetrieb. Betrieb. Die hochste zulassige Fahrgeschwin- digkeit der Ziige wurde fiir die Steil- strecke mit fiir die Adhasionsstrecke mit 25 km per Stunde festgesetzt. Der Betrieb erfolgt in der Weise, dafi der Zug von der Anfangshaltestelle aus mit Adhasion bis zur Station Bozen- Rittnerbahn fahrt; dort wird die Loko¬ motive hinter den Zug gestellt und mit diesem zur Bergfahrt gekuppelt, worauf der Zug bis an das Ende der Zahnstange geschoben wird. Von hier ab setzen die Wagen die Fahrt auf der Adhasionsstrecke bis Klobenstein allein fort, wahrend die Lokomotive den nachsten entgegenkom- menden Zug erwartet und talwarts fiihrt. Der Bau dieser Bahn wurde im Marž 1906 begonnen und im August 1906 ist die Linie bereits dem ganzjahrigen Be¬ triebe iibergeben worden. Die mit K 2,692.000 praliminierten Baukosten sind durch eine infolge der Vergrofierung der Sudbahnstation Bozen- Gries bedingte Anderung der Stations- 5. Die Hungerburgbahn. Die Hungerburg liegt auf dem nord- lichen Innsbrucker Mittelgebirge, \velches bisher nur durch schlechte Saumwege und Fufisteige zuganglich war und erst durch die Herstellung einer Bahn dem Verkehre und der Besiedelung erschlossen worden ist. Fiir die Inaussichtnahme einer Seil- bahn gegeniiber einer Adhasions- oder Zahnradbahn war einerseits die schnelle Erreichung des Mittelgebirges, ander- seits der Umstand mafigebend, dafi hauptsachlich mit Personenverkehr und weniger mit Giiterverkehr zu rechnen war. Die mit ro m Spurvveite ausgefuhrte Seilbahn beginnt am »Saggen«, dem neuen am rechten Innufer gelegenen Villenviertel der Landeshauptstadt Inns¬ bruck und iibersetzt den Innflufi, um steil ansteigend die Ebene des Mittel¬ gebirges zu erreichen. Der Ausgangspunkt der Seilbahn hat die Meereshdhe 581'80, der Endpunkt 855'40 m , sohin ergibt sich ein Gesamt- hOhenunterschied von 283'60 m. Die Bahnlange von Mitte zu Mitte der beiden Stationen betragt horizontal gemessen 755‘50 m und in der Bahn- neigung 824'13 m. Das Langenprofil der Bahn wurde tunlichst der parabolischen Seilkurve an- geschmiegt und weist in der untersten Strecke eine Neigung von 185 pro Mille, in der Mitte 392 und im oberen Teile 550 pro Mille auf. Lokal- und Kleinbahnvvesen. 359 Diebeiden ver¬ tikalen Gefalls- briiche sind mit Kreisbogen von R = 2000 m aus- geglichen. In der Ho- rizontalprojektion weist die Bahn zwei Bogen von 300 m und einen von 400 m Radius auf, in einer Ge- samtlange von 20976 m. Die Bahn ist eingleisig mit ei¬ ner Ausweiche in der Bahnmitte. In der ersten 580 m langen, in einer Aufdammung liegenden Strecke wurde ein normaler Unterbau angewendet, dessen Kronenbreite 370 m betragt; das Schotterbett hat eine obere Breite von 270 m , eine untere von 270 m und ist bei 070 m Starke beiderseits abge- pflastert. In den Einschnitten sind die 0'6o m breiten Seitengrjiben mit Rticksicht auf Abb. 201. Hungerburgbahn. Untere Station. die Terrainbeschaffenheit durchwegs ge- mauert und deren Sohle zum Zwecke der leichteren Begebung der Bahn treppen- formig ausgebildet. Die Kronenbreite des Unterbaues im Einschnitte betragt 2’6o m , und ein- schliefilich der beiden gemauerten Seiten- graben 470 m. Uber 400 pro Mille Steigung, und zwar vonKilo- meter 078 bis zum oberen Ende der Steilstrecke ist ein gemauerter Unterbau mit 17 -moberer Brei¬ te zur Anwendung gelangt, welcher in den Damm- strecken viadukt- artig ausgebildet ist. Die Bahnweist als bedeutendstes Objekt die Inn- briicke auf, wel- che eine Lan¬ ge (ausschliefilich der Widerlager) von 158 m be- Abb. 202. Viadukt der Hungerburgbahn. 360 Ferdinand Gottsleben. sitzt und aus fiinf Briickenfeldern von je 30 m Lichtweite besteht. Als Auflager der Haupttrager dienen die beiden gemauerten Widerlager, ferner drei eiserne Pendeljoche und ein eiserner Standpfeiler. Bei jedem Pfeiler und den Wider- lagern sind beiderseitige Rettungs- nischen von 1 m Breite und o - 5 m Tiefe vorgesehen. Die Haupttrager der Brucke sind Paralleltrager aus Thomasflufieisen von 3'20 m Hohe. Die Briickenfahrbahn ist oben und versenkt; sie liegt in einem vertikalen Bogen von R = 2000 m. Demzufolge sind die einzelnen Briicken- tragwerke, die als frei aufliegende Tra- ger ausgebildet sind, in einem Polygon- zuge angeordnet. Die Neigung der Haupt¬ trager betragt im ersten Felde 200, im letzten 269 pro Mille. Die Quertrager, auf welchen die Schwellen liegen, sind in jedem Briik- kenfelde verschieden hoch zur Oberkante des Haupttragers si- tuiert, wodurch der Polygonzug der Schwellen sich tun- lichst dem Bogen der Nivellette anpafit. Die grofite Hohe der Oberkante der Brucke iiber dem Wasserspiegel be¬ tragt 24 m. Das Gesamtge- wicht der Eisenkon- struktion und der eisernen Pfeiler be¬ tragt 173 t. Als weiteres gro- fieres Unterbauob- jekt ist der Viadukt in Kilometer 0'68 zu bezeichnen, welcher eine Lange von 160 m und eine maximale Hohe von 13 « besitzt. Die Horizontalpro- jektion weistdaselbst einen Bogen von 400 m Halbmesser auf, auch hier ist die Abb. 203. Lokal- und Kleinbahmvesen. 361 Abb. 204. Hungerburgbahn. Bahnanlage. Neigung der Bahnnivellette lceine gerad- linige, sondern nach einem Bogen von R = 2000 m gebildet. Beim Viadukte sind vier Sparoffnungen von je 6 m und fiinf Sparoffnungen von je 10 m vorgesehen. 362 Ferdinand Gottsleben. Die eisernen Winkelschwellen auf dem Viadukte ragen an der rechtenSeite r I 5 m vor und tragen eine Bretterverschalung, auf welche Holzstufen zur Begehung der Bahn angeschraubt sind. Mangels guter Bausteine wurden samtliche Mauerungen im Zuge der Bahn und bei den Objekten in Beton ausgefuhrt. Samtliche Wege im Zuge der Bahn werden unterfiihrt und nur ein Gehsteig iibersetzt die Bahnlinie im Niveau. Per Schienenlange kommen 11 Sttick Schwellen mit 960 mm Entfernung zur Amvendung. Die Larchenholzschwellen der Strecke bis zu 400 pro Mille Neigung haben bei rechteckigem Querschnitt (o'i8 m Breite undo - i4 m Hohe) eine Lange von 170 m. Auf jeder Schwelle sind winkelformige Unterlagsplatten aufgelegt, ein Winkel der letzteren iibergreift die Schwelle, um ein Abgleiten der Platten zu verhindern. Abb. 205. Hungerburgbahn. Innflufibriicke auf Pilotenjochen. Besondere Sorgfalt wurde mit Riick- sicht auf das stark geneigte Terrain und dessen geologische Beschaffenheit (dilu- viale Gebilde, Moranenschutt und dgl.) auf eine grundliche Entwasserung gelegt. Zur Anwendung gelangte das Schienen- system des Schweizer Ingenieurs E. Strub (Flufistahlschienen mit keilformigem Kopf fiir die Schienenbremsen) mit 26‘8 kg Gewicht per laufendes Meter. Die Schienen sind 10 m lang und be- sitzen schwebenden Stofi. Die eisernen Winkelschwellen der gemauerten Strecke besitzen eine Lange von r6o m und 120/80/10 mm Ab- messung. Das Gewicht des eisernen Oberbaues betritgt einschliefilich Kleineisenzeug 7 7'6 kg, beim Holzschwellenoberbaue ein- schliefilich Schwellen und Kleineisenzeug 105 kg per laufendes Meter. Beim Holzschwellenoberbau sind zur Verhinderung des Wanderns des Ober¬ baues in Abstanden von 50 bis 100 m Lokal- und Kleinbahnwesen. 363 bis auf Schienenunterkante reichende Be- tonklotze vorgesehen, wahrend in der ge- mauerten Streclie per Stofi je drei Stiick Eisenschwellen mittels am unteren Ende umgebogenen, in dem Unterbau einbeto- nierten eisernen Ankern versichert sind. Die Ausweiche (Radius 300 m ) ist symmetrisch und hat eine Lange von Weichenspitze zu Weicbenspitze von 91 m. Der grofite Abstand der Gleisachsen in der Ausweiche betragt 3'20 m , so dafi zwischen zwei einander gegeniiber- stehenden Seilbabnwagen ein Zwischen- raum von C63 m verbleibt. Um einen glatten Durchgang der Wagen durch die Ausweiche zu erzielen, sind bei jedem Wagen einseitig die Rader mit doppeltem Spurkranz versehen, wahrend die gegeniiberliegenden Rader nur abnormal breite Felgen ohne Spur¬ kranz besitzen. Seil und Seilfiihrung. Das 33 mm starke Drahtseil besteht aus sechs Drahtlitzen und einer Hanf- litze als Seele. Jede Litze enthalt eine verkupferte Drahtseele von 2 mm Durchmesser und zwei Schichten von Stahldrahten von i'92, beziehungsweise 2 - 32 mm Starke. Das Seil wiegt 3'35 kg per laufendes Meter; nachdem die Bruchlast nach den Versuchen 57 '9 bis 63'6 t , die maximale Beanspruchung des Zugseiles aber nur ca. 5'5 t betragt, ist sohin mehr als zehnfache Sicherheit vorhanden. Das Seil, welches in der oberen Station in Achterform in filnf Windungen um das Triebrad und die Leitrolle gelegt ist, wird innerhalb desGleises aufTragrollengefuhrt. Der Durchmesser der Tragrollen in der geraden Strecke betragt 300 m, jener der Kurvenrollen 392 mm. Die Kurven- rollen sind entsprechend dem Seilablen- kungswinkel schief gelagert. Wagen. Die beiden Personenwagen besitzen ein Untergestell aus Flufieisenrahmen und je zwei Spezialradsatze. Jeder Wagen ist mit einer Handbremse und zwei auto- matischen Bremsen ausgeriistet. Jede dieser drei Bremsen steht mit einem Zangenpaar in Verbindung, welche durch Festklemmung an der Fahrschiene die Bremsung des Wagens bewirken. Die automatische Bremse wird bei Schlaff\verden des Zugseiles ausgelost, kann aber auch durch Bedienung des Pedals seitens des Wagenfuhrers betatigt werden. Alle Zangenpaare sind auf der Seite der mit Spurkranzen versehenen Lauf- rader angebracht und befinden sich bei dem einen Wagen links, bei dem an- deren rechts. Die Handbremse wirkt sowohl bei der Berg- als auch bei der Talfahrt, •vvahrend die Zangenpaare der automati- schen Bremsen nur beim Abwartsfahren des. Wagens in Funktion treten. Bei den durchgefuhrten Bremsproben wurde der belastete Wagen bei einer sekundlichen Fahrgeschwindigkeit von 1 *2o m durch die automatische Bremse innerhalb eines Weges von er 7 5 m zum Stillstande gebracht. Hiebei betrug der Schliefiweg (Weg, welchen der Wagen wahrend der Dauer des Schliefiens der Zangenbremsen zuriicklegt) o - 5o bis 0^53 «*, der Schleifweg (Strecke, welche der Wagen nach vollstandiger Schliefiung der Zangen¬ bremsen zuriicklegt) 0'22 bis 0^25 m. Bei Betatigung der Handbremse \vurde bei gleicher Fahrgeschwindigkeit der Wagen auf 9 m Fahrtlange zum Still¬ stande gebracht. Hiebei betrug der Schleifweg 2 m. Die Wagen sind fur eine mittlere Steigung von 360 pro Mille gebaut. Die 5 Abteile des Wagenkastens sind treppenformig angeordnet, er fafit im ganzen 30 Sitzplatze und 30 Stehplatze. Die Beforderung von Reisegepack und Stuckgiitern erfolgt auf den Platt- formen. Der Wagenkasten hat eine Lange von 8 - 95 m und eine Breite 2'36 m. Die Ent- femung der am weitesten ausladenden Teile betragt 2'57 m. Der vollbesetzte Wagen wiegt 114 t. Betriebseinrichtung. Der Antrieb des Seiles erfolgt durch ein im Maschinenhaus der oberen Station aufgestelltes, elektrisch betatigtes Wind- 364 Ferdinand Gottsleben. werk, bestehend aus den beiden Seil- scheiben, den Vorgelegen und dem An- triebsmotor nebst Zugehor. Die Bremsung des Windwerkes kann mit Hilfe der Handbremse oder der auto- matischen Bremse erfolgen. Die vom Maschinisten betatigte Handbremse wirkt mit zwei Bremsbacken auf eine auf der Vorgelegewelle angebrachte Bremsscheibe. Die automatische Bremse tritt bei Stromunterbrechungen im Motorstrom- kreise, bei Uberschreitung der zulassigen Maximalgeschwindigkeit von 1'75 m per Sekunde und beim Uberfahren der Anhaltestelle in der oberen Station in Tatigkeit; die Auslosung der automa- tischen Bremse kann aber auch durch den Maschinisten mittels des am Ma- schinistenstande angebrachten Handhebels bewirkt werden. Beim Maschinistenstande ist ein In¬ dikator angebracht, welcher die jeweilige Stellung des Wagens auf der Bahnstrecke anzeigt. Der fiir den Betrieb erforderliche Strom wird von den Innsbrucker Elektri- zitatswerken geliefert und mittels Kabel- leitung als zweiphasiger Wechselstrom von 2000 Volt Spannung zugefiihrt. Urspriinglich wurde der Strom durch Transformation in Drehstrom von 500 Volt umgewandelt und damit ein Drehstrommotor bedient; es envies sich jedoch als okonomisch, die Anlage auf Gleichstrom umzubauen. Die Bahn ist mit einer Telephon- anlage zur Verstandigung der beiden Endstationen unter einander, als auch mit dem Maschinenhause versehen; weiters ist eine Signalleitung angebracht, mittels welcher die beiden Wagenfuhrer vor der Fahrt und \vahrend derselben Signale geben konnen. Die Fahrgeschwindigkeit betragt der- zeit 1*20 m per Sekunde. Wie alle Seilbahnen dient auch die Hungerburgbahn nur in beschranktem Mafie der Giiterbeforderung. Windmesser. Mit Riicksicht darauf, dafi die leeren Wagen rechnungsmafiig in der unteren Strecke bei einem Windanpralle von 94 kg, in der oberen Strecke von 82 kg in das labile Gleichgewicht kommen und dadurch eine Gefahr des Umkippens des Wagens besteht, wird bei einer Wind- starke von 70 kg der Verkehr eingestellt. Zu diesem Zwecke wurde bei der oberen Station der Hungerburgbahn ein Windmesser (Windstarkeanzeiger) auf- gestellt. Durch eine elektrische Leitung erhalt der Werkfiihrer im Maschinenhause Sig¬ nale, sobald die Windstarke 70 kg in der gefahrlichen Windrichtung (senkrecht zur Bahn) iiberschreitet. Mit dem Baue der Bahnlinie \vurde im Februar 1906 begonnen und die In- betriebsetzung erfolgte am 12. September des gleichen Jahres; der Betrieb bleibt auch im Winter aufrecht. Die Kosten der Anlage betrugen ein- schliefilich der nachtraglichen Kosten fiir den Umbau der Drehstrommotoren auf Gleichstrommotoren und der sonstigen baulichen Adaptierungen rund K 650.000. Im Jahre 1907 wurden K 64.848'7 vereinnahmt, wovon auf die Einnahmen aus dem Personenverkehre K 59-854‘55 entfallen. Befordert wurden in diesem Jahre 1 5 5- 1 97 Personen und 389 t Giiter. Die gesamten Ausgaben betrugen K 31.462; es ergibt sich demzufolge ein Betriebsiiberschuft von K 33-386 - 7 = 5 r 6 °/ 0 der Gesamteinnahmen. Seit dem Umbau auf Gleichstrom- betrieb sind die Ausgaben betrachtlich gesunken; die Bahnlinie erfreut sich einer fortwahrend steigenden Frequenz. Schluftbemerkungen. Wie aus den ersten Abschnitten dieser Abhandlung ersichtlich, ist im letzten Jahrzehnte in Osterreich eine lebhafte Tatigkeit auf dem Gebiete des Bahn- wesens niederer Ordnung entfaltet worden, welche in der Hauptsache nur durch die ausgiebige Anteilnahme des Staates und der einzelnen Landesvertretungen an der Kapitalsbeschaffung fiir diese Bahnen ermoglicht war. Lokal- und Kleinbahnwesen. 365 Ein bedeutender Teil der in diesem Zeitraume in Bohmen, NiederOsterreich und Galizien hergestellten Lokalbahnen ist im Wege der Landesgarantie unter Beitragsleistung des Staates zu stande ge- kommen. Eine weitere Gruppe dieser Bahnen ist \vieder durch Gewahrung einer staatlichen Reinertragsgarantie unter Beihilfe der Lander zum Ausbau gelangt. Nur eine verhaltnismafiig kleine An- zahl von Lokalbahnen konnte ohne Be- anspruchung offentlicher Mittel ins Leben gerufen werden; darunter zahlt in erster Reihe die 150 km lange nordbohmische Transversalbahn Teplitz — Reichenberg, deren bedeutende Kosten zur Ganze von der Verwaltung der Aussig - Teplitzer Eisenbahn aufgebracht worden sind; ferner verdanken im nordlichen Teile Bohmens einige kiirzere Lokalbahnen ihr Zustandekommen der Initiative der Boh- mischen Nordbahngesellschaft sowie an- deren Privatkapitals. Letzteres hat sich aber bei den in Mahren unter Mitwirkung des Landes gebauten Lokalbahnen in hervorragender Weise betatigt. In Oberosterreich beteiligte sich die Baufirma Štern und H a f f e r 1 an der Kapitalsbeschaffung fiir einige, von ihr hergestellte elektrische Bahnen. In Niederosterreich ist die Herstellung einer Anzahl grofier, fast durchwegs kostspieliger Lokalbahnen lediglich der Opferwilligkeit der Landesvertretung zu verdanken. In Galizien und der Bukowina haben die Verwaltungen der dort bestehenden alteren Lokalbahnen in anerkennenswerter Weise an der Erganzung des Lokalbahn- netzes dieser Kronlander mitgewirkt. In Tirol ist der erfolgte Ausbau einer Reihe von Lokalbahnen den eifrigen Be- strebungen des Bauunternehmers Ingenieur Josef Riehl in Innsbruck zuzuschreiben, welcher sich auch an den beziiglichen Kapitalsbeschaffungen namhaft beteiligte. In anderen Kronlandern hat sich das Privatkapital nur in seltenen Fallen ohne gleichzeitige Inanspruchnahme von staat¬ lichen und Landesmitteln zur Ausfiihrung von Lokalbahnprojekten geneigt gefunden. Strafienbahnen sind nahezu durch- gangig ohne' Staats- und Landesbeihilfe gebaut worden. Die allmahliche Verdichtung des Lokalbahnnetzes, welche im Falle des Ausbaues der gegenwartig noch im Projektsstadium befindlichen Lokalbahn- linien eintritt, wird auch die Ertrags- fahigkeit dieser neuen Bahnen wesentlich schmalern, so dafi deren Realisierung wohl nur durch Heranziehung offentlicher Mittel in noch grofierem Mafie als bisher ermoglicht werden dtirfte. Vornehmlich in den Alpenlandern, kaurn minder aber auch im Erz- und Riesenge- birge, im Bohmerwalde und in den Karpa- then, woselbst noch verschiedene Lokal¬ bahnen ihrerV erwirklichung harren,werden die Bahnkosten relativ bedeutend sein, daher schon deshalb auf eine entsprechende Verzinsung des fiir diese Linien aufzu- wendenden Baukapitals nur in wenigen Fallen gerechnet werden kann. Dessenungeachtet soli das Bedurfnis nach Herstellung auch solcher Lokal¬ bahnen nicht verkannt werden, dies um so mehr, als manche dieser Linien neben ihrem Hauptzwecke, der Befrie- digung lokaler volkswirtschaftlicher Inter- essen unzweifelhaft auch zur Forderung des Fremdenverkehres beitragen werden. Unter diesem Gesichtspunkte wird also die staatliche Aktion auch auf diesen Gebieten sich voraussichtlich noch weiter- hin ziemlich ausgiebig betatigen miissen, was jedoch eine entsprechende Mitwirkung der betreffenden Landesvertretungen zur un- umganglichen Voraussetzung haben wird. Das Militar-Eisenbahnwesen. Vom Eisenbahnbureau des Generalstabes im k. u. k. Reichskriegsministerium. i. Die Entwicklung der Eisenbahn als Kriegsmittel. D IE Regierung Seiner Majestat un- seres geliebten Kaisers tragt als vornehmstes Zeichen den Fort- schritt jeder Kulturerrungenschaft. Jedes Werk des Friedens und vor allem jede Neuerung auf technischem Gebiete hat sich zu ungeahnter Hohe emporge- schwungen. Dies gilt vor allem vom Militar-Eisen- bahnwesen, dessen Anfange fast mit dem Regierungsantritte unseres Kaisers zu- sammenfallen. Kaum hatte dieses neu- artige Verkehrsmittel die ersten Ent- wicklungsstadien tibervvunden, da erkannte man bei uns schon dessen Wichtigkeit als Kriegsmittel. Und heute kann man unangefochten den Satz aussprechen: »JenerStaat, welcher gegeniiber einem feindlichen Staate tiber das bessere Eisenbahnnetz v e r- fiigt, jener Staat welcher in der Lage war, in Friedenszeiten die Ausgestaltung des Eisenbahn- wesens besser zu fordern, der wird auch beim Zusammenstofie mit dem Gegner zu Begi n n der Operationen einen Vorsprungbe- sitzen, welchen oft alle eventuel- len spateren Erfolge des Gegners nicht mehr wettzumachen ver- m o g e n.« Wir sehen daher bei allen Machten, dafi sie der Ausgestaltung ihres Bahn- netzes in den Grenzlandern die grofite Aufmerksamkeit und Sorgfalt widmen, und manche Eisenbahnlinie verdankt dem Einflusse der Heeresverwaltung ihre Entstehung und ihren Ausbau. Freilich darf nicht aufier acht gelassen werden, dafi jede wichtige strategische Linie in der Regel auch wirtschaftlich von hoher Bedeutung ist rmd dafi sich daher das Interesse der Volkswirtschaft und jenes der Heeresverwaltung hinsichtlich des Ausbaues der Verkehrsmittel meist in die Hande arbeiten. Allerdings hat sich diese Erkenntnis bei allen Staaten erst allmahlich durch- gerungen, unserem Staate aber geblihrt das Verdienst, zu den ersten Landern zu zahlen, welche den Wert der Eisenbahn fur militarische Zwecke erkannten und sich nutzbar machten. Kein geringerer als Feldmarschall Graf Radetzky trat bereits im Jahre 1839 mit warmen Worten fur den Wert der Eisenbahn ein, die der greise Heerfuhrer zwar nie geschaut hatte, deren eminente Bedeutung fur Kriegszwecke sein scharfer Geist aber vorausschauend klar erkannte. Nicht in allen Staaten war man sich damals in gleicher Weise tiber den Wert der Bahn als Kriegsmittel im klaren. So schreibt beispielsweise der Franzose Arago im Jahre 1839: Der militarische Wert der Eisenbahnen kommt hochstens in den Anfangsstadien des Krieges zur Geltung, bis der Feind nicht die Bahnanlage zerstort hat, was aber jedenfalls sehr bald geschehen wird. Im iibrigen werden die Bahnen im Frieden nur dazu dienen, den Garnisonswechsel zu erleichtern, und im Kriege wird man wohl kaum von ihnen Gebrauch machen, 24 370 Eisenbahnbureau des Generalstabes. weil die Bahntransporte nur die Soldaten verweichlichen und ihnen die grofie Leistungsfahigkeit rauben wiirden, welche in den franzosischen Kriegen eine so grofie Rolle spielten. Die nachfolgenden durchaus nicht er- schopfenden Daten sollen einen generellen Uberblick geben, wie sich die Uber- zeugung von der militarischen Bedeutung der Eisenbahnen allmahlich herausbildete, insbesondere auf Grund der Leistungen, welche die Bahn in den verschiedenen Kriegen aufzmveisen hatte. Die Kriegsgeschichte lehrt, dafi in Osterreich im Jahre 1846 das erstemal von der Eisenbahn ein nennenswerter Gebrauch gemacht wurde. Osterreich ver- schob in diesem Jahre ein Batallion von 900 Mann in 14V2 Stunden von Prag nach Wien und tags darauf 1500 Mann nach Olmutz. Preufi en transportierte im selbenjahre bereits 9990 Soldaten, 309 Pferde, 16 Ge- schiitze und 30 Fuhrwerke von Ober- schlesien nach Krakau. Im Jahre 1849, also nur drei Jahre spater, transportierten die R u s s e n ein in Polen kantonierendes Korps von etwa 30.000 Mann nach Goding, um es mit der osterreichischen Armee zu vereinigen. Von diesem Zeitpunkte an sehen wir in den verschiedenen Landern eine immer mehr und mehr ansteigende Beniitzung der Eisenbahnen zu militarischen Trans- portzwecken, gleichzeitig aber auch die wachsende Einflufinahme des Staates auf die Ausgestaltung seines Bahnnetzes. In Osterreich war im Marž 1850 die permanenteZ entral-B efestigungs- kommission berufen worden, um alle Eisenbahnprojekte vom militarischen Standpunkte zu priifen. In Frankreich ist das grundlegende Eisenbahngesetz schon im Jahre 1842 entstanden. Dieses hatte wohl vor allem die Herstellung von Bahn- verbindungen zwischen Pariš und den Nachbarlandeshauptstadten im Auge, nahm aber doch schon auf die Landes- verteidigung Bedacht, indem es beispiels- weise aus militarischen Rticksichten die Verbindung zwischen Pariš und Elsafi- Lothringen forderte. Das Jahr 1850 ist fiir uns dadurch von weiterer Bedeutung, weil in diesem Jahre bei uns zum erstenmale von grofien Truppentransporten mittels der Eisenbahn gesprochen werden kann. Es konnten da bereits von Wien undUngarn gegen die nordlichen Grenzen der Monarchie 75.000 Mann, 8000 Pferde und 1800 Fuhrwerke in 26 Tagen ver- schoben werden, wobei noch bemerkt werden mufi, dafi hiefiir keinerlei spezielle Vorbereitungen getroffen waren. Im Jahre 1859 erforderte das 3. Armeekorps mit 20.000 Mann, 5462 Pferden und 278 Fuhrwerken beziehungs- weise Geschiitzen wohl noch 14 Tage von Wien bis Nabresina. Diese relativ geringe Leistung war aber hauptsachlich dadurch hervorgerufen worden, dafi die Instra- dierung teils von Wien aus, teils vom Armeekommando bewirkt wurde, ohne dafi sich diese beiden Behorden gegen- seitig unterstiitzt hatten. Trotzdem geschah der Transport immer noch 4 1 / 2 mal so schnell als mittels Fufimarsch. Fr an zo s i s c h er s eits haben die Eisenbahnen im Jahre 1859 bereits Aufier- ordentliches geleistet, indem auf der Linie Pariš—Lyon im Mittel taglich 8421 Mann und 655 Pferde transportiert wurden. Der franzosische Aufmarsch konnte sechsmal so rasch bewirkt werden, als wenn er mittels Fufimarschen erfolgt ware. Auch im nordamerikanischen Sezessionskriege 1863 haben die Bahnen Grofies geleistet. Bei uns hatte man aus den Kriegen des Jahres 1859 insofern eine gute Lehre gezogen, als wir bereits 1864 eine Zentraltransportleistung sowie Exekutiv- und Linienkommissionen besafien, durch deren harmonisches Zu- sammenwirken 60.000 Mann, 16.000 Pferde und 144 Geschiitze in ca. 24 Tagen an die Eider gelangen konnten. Besonders beachtenswert ist das Jahr 1866 auf dem Gebiete der mili¬ tarischen Eisenbahnbeniitzung in Oster¬ reich. Im Frtihjahr 1866 wurden die Truppen zuerst gegen Italien gesandt, gleich¬ zeitig aber die dort dislozierten gegen dieNordarmeebestimmten Truppen gegen das Innere der Monarchie verschoben. Die Transporte gegen Italien dauerten gemafi eines ihm Jahre 1867 in Streffleurs Das Militar-Eisenbahnwesen. 371 Zeitschrift erschienenen Aufsatzes 19 Tage (vom 1. Mai bis 19. Mai) und wurden in dieser Zeit in b e i d e n Richtungen mit ca.42 7 Ziigen 179.409 Mann, 8386 Pferde, 917 Ge¬ schiitze und Fuhrwerke mit 504.480 Zoll- zentner Verpflegsgiitern verfrachtet. Vom 20. Mai bis 9. Juni, also nach Beendigung des Transportes zur Siidarmee, gingen mit der Nordbahn, in welche alle anderen Linien einmiindeten, mit ca. 458 Ziigen 191.513 Mann, 28.641 Pferde, 4280 Geschiitze und Fuhrwerke und 304.487 Zollzentner Verpflegsguter zur Nordarmee ab. In einem Zeitraume von 40 Tagen waren so m it zwei g r o fi e Armeenin zwei entgegen- gesetzten Grenzlanden des Rei- ches schlagfertigbereitgestellt, eine gewifi ftir damalige Ver- haltnisse b e wund e run g swiir d i g e L e i s t u n g. Nach Abschlufi des Waffenstillstandes mit Preufien wurde auf der S ti d b a h n das zweite Korps anfanglich gegen Gorz, dann von dort teilweise wieder zuriickverschoben, und zwar sind hiebei nicht weniger als 155-808 Mann, 20.929 Pferde, 3633 Ge¬ schiitze und Fuhrwerke sowie Verpflegs- artikel mit 400 Ziigen in ca. 15 Tagen transportiert worden. Im ganzen wurden vom I. Mai bis 17. August 1866 1,124.726 Mann, 114.565 Pferde, 17.875 Fuhrwerkeund Geschiitze sowie 3,227.577 Zollzentner Verpflegs- und sonstige Giiter befSrdert. Welche Rolle die Eisenbahnen in Moltkes Kriegsplan vom Jahre 1869 fiireinen Krieg mit Frankreich spielten, ist allgemein bekannt. Durch geniale Aus- niitzung der vorhandenen fiinf Eisenbahn- linien gelang es den Deutschen, in rund elf Tagen nahezu 500.000 Mann an die Grenze zu bringen. Auch in Frankreich erkannte Mar- schall N i e 1 im Jahre 1869 die Notwendig- keit einer militarischen Organisation des Eisenbahnvvesens und berief am 15. Marž dieses Jahres eine Kommission ein, welche die hierauf beziiglichen Fragen eingehend zu priifen hatte. Allein die Beschliisse dieser Kommission gerieten merkwiirdiger- weise mit dem Tode des Marschalls in Vergessenheit und so kam es, dafi das Jahr [870 die franzosischen Bahnen eigentlich ziemlich unvorbereitet iiber- raschte. Trotzdem haben die franzosischen Eisenbahnkompagnien mit unvollkomme- nen Mitteln Grofies geleistet und verdienen uneingeschranktes Lob. Es ware ein leichtes, die bisher an- gefiihrten Daten aus der neueren und neuesten Kriegsgeschichte zu erganzen, doch \viirde dies den Rahmen dieser Studie weit iiberschreiten, auch kann fiiglich an- genommen werden, dafi die wenigen angegebenen Daten die Wichtigkeit der Eisenbahn als Kriegsmittel geniigend dar- getan haben. Resiimierendkann man daraus dieLehre ziehen, dafi das eintrachtige Zusammen- wirken der Živil- und Militarbehorden allein geeignet ist, den Ausbau des Bahnnetzes so zu fordern, dafi dieses nicht nur die wirt- schaftliche Kraft des Volkes in Zeiten des Friedens zu starken vermag, sondern dafi es vielmehr auch dem Staate eine machtige Hilfe bietet fiir die Besiegung des Gegners. Im II. Bande dieses Werkes*) und in den bisherigen Ausfiihrungen wurde die Verwendung der Eisenbahnen als Kriegs¬ mittel darzustellen versucht. Aber auch schon im Frieden besteht zwischen Bahn- und Heeresverwaltung ein inniger Zu- sammenhang, denn beinahe jede Dis- lokationsanderung, jede grofiere Truppen- iibung und auch alle sonstigen militarischen Mafinahmen zur Aufrechthaltung der Sicherheit im Innern des Reiches etc. bedingen einen fortgesetzten Verkehr zwischen den wechselseitigen Referenten. Am markantesten und auch fiir die Aufienwelt am augenfalligsten zeigt sich diese Tatigkeit anlafilich der grofien Truppentransporte nach Schlufi der Mano ver. Nur derjenige, welcher weifi, welche Summe an Studien, an Vorbe- reitungsarbeiten, welcher Aufwand an Arbeitszeit zu diesem Zwecke notwendig ist, kann die Leistungen der beiden vereint wirkenden Faktor en nach Gebiihr wiirdi- gen. Die Leistungen, welche erzielt wurden, konnen in jeder Hinsicht als uberaus befriedigend bezeichnet werden, insbe- sondere, wenn man bedenkt, dafi alle Abtransporte meist in feldmafiiger Weise *) sUnsere Eisenbahnen im Kri ege«, II. Bd. der .»Gesch. d. Eisenbahnen der Osterr.-ungar. Monarchie«, S. 114 ff. 24 ; 372 Eisenbahnbureau des Generalstabes. Obersicht uber die grofien Eisenbahntransporte der letzten io Jahre anlafilich der Truppenabschiibe nach AbschluC der grdfieren Herbstmanover. Das Militar-Eisenbahnwesen. 373 unter Aufrechterhaltung des Personen- und vielfach auch des Giiterverkehres erfol- gen, wobei auch auf die Bequemlichkeit und die Bediirfnisse der Truppe nach Moglich- keit Rlicksicht genommen werden mufi. Die Tabelle auf S. 372 enthalt die wichtigsten bezliglichen Daten, soweit dieselben bekannt geworden sind. Hiezu mufi folgendes bemerkt werden: Anfanglich waren die Manover derart angelegt worden, dafi die Schlufi- situationen durch die Manoveroberleitung ziemlich im vorhinein bestimmt werden konnten. Demnach war es auch mog- lich, die schliefilichen Einwaggonierungs- stationen der Truppen zu bestimmen, die Belastung jeder Bahnlinie im vor¬ hinein festzusetzen, kurz und gut alle jene Vorbereitungsarbeiten zu treffen, welche den reibungslosen Abtransport der Truppen zu gewahrleisten vermochten. Trotzdem wurden alle diese Vor¬ bereitungsarbeiten manchmal durch die Macht der Verhaltnisse ganzlich tiber den Haufen geworfen. So wurden bei- spielsweise bei den Manovern in Ober- ungarn im Jahre 1898 durch die plotz- liche Absage derselben am 11. September fast alle Vorbereitungsarbeiten hin- fallig. Die ganze Abinstradierung er- erfolgte ad hoc ohne Marschplane ledig- lich mit Zuhilfenahme des Bahntele- graphen und trotzdem haben die ver- einten Bemiihungen aller beteiligten Faktoren, diese Riesenarbeit in knapp 20 Stunden bewaltigt. Die neueren Manover werden jedoch so angelegt, dafi die Schlufisituation vollstandig von den getroffenen Mafi- nahmen der beiderseitigen Parteikomman- danten abhangt, so dafi die Bahnen nur liber die voraussichtlichen Ein- waggonierungsstationen und die beson- ders beanspruchten Linien orientiert werden, wahrend die Details der Trans¬ porte und die endgiiltigen Einwag- gonierungsstationen erst in den letzten 48 Stunden vor Beendigung der Manover unter Beriicksichtigung der sich er- gebenden Schlufisituationen mitgeteilt werden konnen. Als glanzend gelungenes Beispiel mufi hier der Truppentransport nach Abschlufi der Karntner Manover im Jahre 1907 angefuhrt werden, welcher mitten in der Hauptreisezeit stattfand und sich tadellos abwickelte. Dafi der Abtransport unter solchen Verhaltnissen wirklich klappt, hat zur unerlafilichen Voraussetzung, dafi die Bah n organe mit dem Personale des Eisenbahnbureaus des G e- neralstabes Hand in H and a r- beiten und sich gegenseitig verstehen und unterstiitzen 1 er- n e n. In den friiheren Abschnitten wurde der militarische Wert der Eisenbahnen sowohl als Kri e gs mit tel im allge- meinen als auch deren Ausnutzung als V e r k e h r s a n s t a 11 fiir die Trans- portbewegungen des F r i e d e n s im speziellen darzustellen versucht. Es drangt sich nun die Frage auf, wie wurde die Eisenbahnals sole h e ausgestaltet, um allen Zwecken, \velchen die Bahnanlage geniigen soli, am besten zu entsprechen. Von den im letzten Jahrzehnt neuer- bauten Bahnstrecken erscheinen besonders erwahnenswert: Krakau — Kocmyrzow, Przeworsk— Rozwadow, Stryj—Chodorowund Delatyn —Kolomea—Stefan6wka. Alle vorgenann- ten Bahnlinien ebenso wie in Ungarn die Linie Kralowan—Suchahora wurden im Jahre 1899 dem Verkehre iibergeben. Bei der Wiener Stadtbahn wurde die untere Wientallinie und das zweite Gleis der Gurtellinie eroffnet. Im ge- nannten Jahre wurde auch der erste Gesetzentwurf beziiglich Herstellung der neuen Alpenbahnen vorzugsweise wohl aus politischen Motiven fertiggestellt. Trotzdem die Heeresverwaltung fur die- ses Projekt mit Energie eintrat, wurde dasselbe als noch nicht reif erklart und einem neuerlichen Studium unterworfen. Es solite erst viel spater seine Ver- wirklichung finden. In das Jahr 1899 fallt auch die Projektsverfassung fur die hochst wich- tige Linie Nagy-Berezna—Sambor. Im Jahre 1900 kamen als Folge der politischen Verhaltnisse nur Bahnbauten von untergeordneter Bedeutung zu stande. 374 Eisenbahnbureau des Generalstabes. Erwahnung verdienen in diesemjahre lediglich die Herstellung der Strecke Zeltweg—Wolfsberg als Schlufistein der Linie Zeltweg—Cilli, dann die Erbauung der Bahnstrecke Kuti—Lundenburg, wo- durch eine durchlaufende Verbindung zwischen Brtinn und Budapest geschaffen wurde. Das Jahr 1901 brachte zunachst die Einfiihrung des Prinzipes des Fahrens in Raumdistanz auf den Linien der k. k. Staatsbahnen. Hiedurch wuchs einerseits die Betriebssicherheit in ganz bedeuten- dem Mafie, anderseits konnte auch die Fahrgeschwindigkeit der Ziige selbst entsprechend erhoht werden. In diesem Jahre tauchte auch zum erstenmale die Frage des Baues von Wasserstrafien auf, ebenso wie der Gedanke der Ver- staatlichung der bestehenden Privat- bahnen greifbarere Formen annahm. Von militarisch wichtigeren Eisen- bahnprojekten verdient die Fertig- stellung der Linie Gabela—Ragusa be- ziehungsweise bis zur Bocche di Cattaro besondere Erwahnung. Der militarische Wert dieser Linie aufiert sich vor allem darin, dafi die Truppentransporte nach Dalmatien unabhangig vom Seewege vor sich gehen konnen. In dieses hochst wichtige Jahr fallt auch die Trassierung der projektierten neuen Alpenbahnen, und zwar: der Linien Klaus-Steyrling—-Selztal, Bi¬ schofshofen—Spittal a. d. Drau und end- lich der sogenannten Karawankenbahn Klagenfurt—Afiling—Gorz, beziehungs- weise Gorz—Opčina—Triest. Im Jahre 1902 \vurden ernstere Ver- handlungen zum Zwecke der Verstaat- lichung der Staatseisenbahn-Gesellschaft und der Kaiser Ferdinands-Nordbahn eingeleitet; letztere ftihrten schon 1906 zum Ziele, rvahrend hinsichtlich der Osterreichischen Nordwestbahn und der Staatseisenbahn - Gesellschaft ein Ab- kommen im Jahre 1908 zu stande kam, das noch der gesetzmafiigen Genehmi- gung bedarf. In Bosnien wurde die Trassierung der Bahnstrecken Sarajevo—Uvac be- ziehungsweise Vardište in Angriff ge- nommen und damit die Herstellung einer Transversalverbindung des Ostens Bos- niens mit der Hauptstadt Sarajevo vor- bereitet. Im Jahre 1903 konnte endlich das Bahnstuck Lemberg—Sambor der Haupt- bahn Lemberg—Nagy-Berezna dem all- gemeinen Verkehre iibergeben werden. War bis zu diesem Zeitpunkte allgemein das Streben nach S c h a f- fung neuer durchlaufender B a h n- s tr a n g e bemerkbar, so zeigt sich ab 1903 ziemlich allgemein die Tendenz, die Leistungsfahigkeit der beste¬ henden Bahnstrecken zu ver¬ ni e hren. Dieser Richtung verdanken mehrere Hauptbahnlinien die durch¬ laufende Fertigstellung eines zweiten Gleisstranges; aber auch zahlreiche Stationserweiterungen, Umbauten und sonstige Erweiterungsbauten, welche zwar fiir den Friedensverkehr aufierst dringlich waren, mangels entsprechender Mittel jedoch immer und immer wieder zuriickgestellt rverden mufiten, fanden nach langen und muhsamen Verhand- lungen endlich ihre Realisierung. In dieser Hinsicht sei nur auf die an anderer Stelle beschriebenen*) Um¬ bauten der Bahnhofe in Lemberg, Prerau, Lundenburg, Graz, Villach etc. etc. ver- wiesen, welche auf durchrvegs moderne Grundlage gestellt wurden und so den Bediirfnissen des Friedens wie jenen des Krieges in gleich hohem Mafie zu Gute kommen. Von den sonstigen wichtigeren Bahn- bauten und -projekten im Zeitraume 1903—1908 verdient vor allem die im Jahre 1905 erfolgte Fertigstellung der seit 1899 projektierten Teilstrecke Nagy- Berezna—Uszok-Pafi Erwahnung, welcher im Jahre 1906 die Eroffnung der Kara- wankenbahn und der Hauptbahnstrecke Linz—Selztal folgte. Im gleichen Jahre konnte auch die Bahnlinie Sarajevo— Višegrad dem offentlichen Verkehre iiber- geben rverden. In Ungarn fand das Projekt Komarom- Ersekujvar, dann die Szeklerbahn ihre gesetzliche Sicherstellung. Die 1906 er- baute neue Linie Csongrad—Oroszhaza ist schon mit Rucksicht auf die Theifi- *) Vgl. Bd. II., Kos tl er, Oberbau, Bahn- hofsanlagen und Hochbau. as Militar-Eisenbahnwesen. 375 brucke von Bedeutung. Schliefilich be- anspruchen die beiden neuen Donau- briicken bei Komarom und Battaszek, deren Fertigstellung in einigen Jahren zu erwarten steht, lebhaftes Interesse. Durch die bereits eingeleitete Erbauung einer neuen Donaubriicke nachst Gombos wird das dort bestehende Trajekt Gom¬ bos—Erdod, welches so viele Nachteile fiir die Beniitzung der Hauptbahn Brod— i Szabadka im Gefolge hat, in absehbarer , Zeit beseitigt werden konnen. Als jiingstes Kind unserer Zeit, aber gewifi nicht an letzter Stelle stehend, ist der, gleichzeitig mit dem Ausgleichs- werke sichergestellte Ausbau der so- genannten Unter-Krainer und dalmatini- schen Eisenbahnen anzufiihren. Die Herstellung dieser Bahnen, welche sowohl militarisch als auch wirtschaftlich seit vielen Jahren energisch gefordert wurden, wird die wirtschaftliche Er- schliefiung des an Naturprodukten wie an landwirtschaftlichen Schonheiten gleich reichen Kronlandes Dalmatien machtig fordern. Am Schlusse dieses Abschnittes ge- I ziemt es sich auch. der beiden Bahn- , linien unserer Monarchie zu gedenken, welche anlaLlich der Okkupation Bos- i niens zum Leben erwachten und seither sich zu hoher Bliite entfalteten. Es ist dies 1 die schmalspurige Bosnabahn (seit 1895 bosnisch-herzego\vinische Staatsbahn) und : die Militarbahn Banjaluka—Doberlin. Die erstgenannte verdankt ihre Entstehung, j vollstžindigen Ausbau und Inbetrieb- setzung, letztere ihren vollstandigen Um- j bau und die moderne Ausgestaltung aus- ! schlieftlich militarischer Initiative. Die Bosnabahn*) unterstand vom An- beginne an der Heeresverwaltung, ging aber 1895 in den Betrieb der bosnisch- herzegowinischen Staatsbahnen iiber, wird daher an anderer Stelle besprochen. Die k. u. k. Militarbahn wird noch heute durch die Heeresverwaltung betrieben. Deren Entwicklungsgeschichte ist im nachsten Abschnitte eingehend nieder- gelegt. *) Vgl. Schnack, »Die Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzego wina«. 2. Die k. u. k. Militarbahn Banjaluka- Doberlin und die militarararischen Schleppbahnen. A. Die k. u. k. Militarbahn. Die Geschichte der Entstehung der Bahnlinie verdient um so mehr Beach- tung, als sie ein Seitenkommentar zu dem nun aktuell gewordenen Projekte des Ausbaues der Sandschakbahn bietet. Im Jahre 1869 griindete Baron Hirscb die Gesellschaft: »Societd de construction et d’exploitation de chemins de fer de la Turquie d’Europe«, welcher die Konzession fur den Bau und Betrieb der Eisenbahnen der europaischen Tiirkei erteilt wurde. Noch im selben Jahre ist die gene- relle Trassierung der die Tiirkei von Osten nach Westen durchquerenden Hauptlinie Konstantinopel—No vi (osterr.-ungar. Grenze) sowie der Zweiglinie ans Agaische Meer nach Salo- nichi und Dedeagatsch und ans Schwarze Meer nach Burgas durchgefuhrt worden. Wahrend der Jahre 1870 bis 1874 wurden von dem Gesamtprojekt nur die Linien Konstantinopel—Sarambey, Dedea¬ gatsch ■—Adrianopel, Salonichi — Mitro- witza und Doberlin (osterr.-ungar. Grenze)—Banjaluka ausgefiihrt und in Betrieb genommen. Die Herstellung einer Verbindung zwi- schen Banjaluka und Mitrowitza iiber Sarajevo—Prjepolje wurde infolge von zwischen dem Konzessionar und der tiir- kischen Regierung entstandenen Diffe- renzen, hauptsachlich aber infolge von politischen Einwirkungen unterdriickt und so kam es, dafi von der urspriinglich projektierten Weltbahn nur Teile der- selben Verwirklichung fanden. Der Betrieb der ioi - 5 km langen Eisenbahn Banjaluka — Doberlin (auch Novi—Banjaluka genannt) wurde durch die vorervvahnte Bau- und Betriebsgesell- schaft am 24. Dezember 1872 aufge- nommen. Zur Eroffnung gelangten sechs Sta- tionen, und zwar Doberlin, Novi (Bosn,- 376 Eisenbahnbureau des Generalstabes. Novi), Prijedor, Omarska, Ivanjska und Banjaluka (derzeit Banjaluka-Vorstadt). Da bis dahin ein Anschlufi an das Eisenbahnnetz der Monarchie in Doberlin nicht zu stande kam, verblieb die Linie Doberlin — Banjaluka als doppelte Sack- bahn. Der Betrieb auf diesem Torso war sehr kostspielig und die Einnahmen sehr gering. Diese Umstande, vorwiegend jedoch die infolge der Insurrektion im Lande entstandenen Sclnvierigkeiten und Hin- dernisse hemmten die geregelte Betrieb- fiihrung und zwangen schliefilich die Gesellschaft zur Einstellung des Betriebes, welche am 14. November 1875 erfolgte. Das Betriebspersonal ist teils ent- lassen, teils bei den anderen Linien der genannten Gesellschaft untergebracht worden. Das rollende Material wurde in Banja¬ luka konzentriert, das iibrige Inventar und Vorratsmaterial gleichfalls an die anderen Gesellschaftslinien herangezogen. Abgesehen von einem Aufsichtsorgan in Banjaluka blieb die ganze Linie ohne jede Aufsicht. Seit der Betriebseinstellung kilmmerte sich niemand weiter um den Bestand der Bahn und es schien, als ob dieselbe dem Verfall preisgegeben worden ware. Von diesem Schicksal wurde die Bahn durch die im Jahre 1878 seitens Osterreich-Ungarns erfolgte Okkupation Bosniens und der Herzegowina bewahrt. Schon bei der Einleitung der Ok¬ kupation war die provisorische Instand- setzung der Bahnlinie seitens des k. u. k. Reichskriegsministeriums in Aussicht ge- nommen worden und wurde dieselbe spater auch tatsachlich angeordnet. Mit der Durchfiihrung dieser Aufg-abe wurden im Herbste 1878 neun mobili- sierte Feldeisenbahnabteilungen (aus Detachements der bestandenen Genie- und Pionierregimenter zusammengesetzt) betraut. Die Kosten der provisorischen In- standsetzung belasteten das Budget des k. u. k. Reichskriegsministeriums. Zu dieser Zeit bot die Eisenbahn- linie ein Bild der grofiten Verwahrlosung und Verwilderung. Der Oberbau war durchgehends mit Unkraut, stellenweise mannshoch dicht mit Gestriipp bewachsen, auf weite Strecken eingesunken; das Bet- tungsmaterial zum grofien T eil weg- geschwemmt. Oberbaumaterial war streckenweise fortgeschleppt; Schienen hingen an man- chen Stellen in der Luft. In einzelnen Streckenteilen (Dragočaj) fand man nicht einmal mehr Spuren einer Eisenbahnstrecke. Das Trag- und Mauerwerk der Objekte fehlte zumTeil ganz, zum Teil war das- selbe eingestiirzt. Die Damme waren zumeist schadhaft. Die Gebaude waren meist verbraijnt (Ivanjska); die iibriggebliebengn Reste |jn dem verwahrlostesten Zustande, ohne ■Turen und Fenster. Die Brunnen waren fast durchwegs verschiittet, die Wasserstationen (Reser- voire) zerstort oder arg zugerichtet. Von den Telegrapheneinrichtungen fand man nur Spuren vor. Einzelne Bahnhofe waren versumpft. So zum Beispiel ergofi sich in der Station Doberlin ein Wasserlauf liber den Bahnhof. Dieser selbst war mit Unkraut und Schlingpflanzen derart be- deckt, dafi nur das emporragende Ge¬ baude das Dasein eines ehemaligen Bahn- hofes kennzeichnete. Die vorgefundenen Fahrbetriebsmittel (zwei Lokomotiven mit Schlepptender, drei Tenderlokomotiven, sieben Personen- und 72 Gtiterwagen) waren alle betriebs- untauglich und unbeniitzbar. Was nicht durch Raub und Diebstahl abhanden gekommen war oder durch den Zerstorungstrieb der Insurgenten- scharen vernichtet wurde, hatte durch die Einfliisse der Witterung stark gelitten. Die sukzessive an die Bahnstrecke einriickenden Feldeisenbahnabteilungen wurden einer in Banjaluka aufgestellten militarischen Bauleitung (mit einem Stabs- offizier an der Spitze) unterstellt. Ihnen bot sich durch die ihnen iibertragenen Arbeiten eine lehrreiche Schule auf dem Gebiete des Feldeisen- bahmvesens. Freilich galt es viele Schwierigkeiten zu uberwinden, mit Widerwartigkeiten Das Militar-Eisenbahnwesen. 377 aller Art zu kampfen. Es fehlte oft am allernotwendigsten Material und die Herbeischaffung; kostete viel Miihe und Zeit. Nur der ausdauernden Tatigkeit dieser Eisenbahnabteilungen und der energie- vollen Umsicht der Bauleitung ist es zuzuschreiben, dafi die Eisenbahnlinie binnen kurzer Zeit — die erste der zur Wiederherstellung der Linie beorderten Abteilungen traf am 7. September 1878 an der Bahnlinie ein — so weit in stand gesetzt war, dafi schon am 1. Dezember 1878 der Verkehr auf der Strecke Banja¬ luka—Prijedor erdffnet werden konnte. Am 16. Februar 1879 erfolgte die Eroffnung der Strecke Prijedor—-Novi und am 24. Marž 1879 jene der Rest- strecke Novi—Doberlin. Die Linie erhielt die Bezeichnung »K. k. Militarbahn Banjaluka—Doberlin«. Der Betrieb wurde einer unter der obersten Aufsicht und Leitung des k. u. k. Reichskriegsministeriums stehen- den Direktion iibertragen. Das Betriebs- und Werkstattenper- sonal hat bis auf zwei Zivilbeamte (1 als kommerzieller Referent und I als Heizhaus- und Werkstattenvorstand) aus Militar- personen — Offizieren, Militarbeamten und Militarmannschaft — der friiheren Bau¬ leitung und von 4 Feldeisenbahnabteilun- gen, verstarkt durch Zugeteilte anderer Truppenkorper, bestanden. ( Anfangs 1879 riickten zwei Feld- eisenbahnabteilungen, welche bisher beim Bau der Strecke Dalja—Brod beschaftigt waren, zur Militarbahn ein; sieben der bisher hier in Verwendung gestandenen I Feldeisenbahnabteilungen wurden hin- jgegen vom Bahnbereiche abgezogen und > demobilisiert. Zur Bewaltigung der Arbeiten auf der Strecke und fiir bestimmte niedere Dienste in den Stationen wurden auch Zivilkrafte herangezogen. Als Dienstvorschriften fiir den Betrieb wurden jene der k. k. priv. Siidbahn- gesellschaft mit angepafitenModifikationen angenommen. Vom Beginn der Betriebfiihrung be- stand fiir den Zivilverkehr der dreifache Militartarif, welcher im Jahre 1879 durch die Tarife der k. k. priv. Siidbahn- gesellschaft — modifiziert auf die Ver- haltnisse der Bahn — ersetzt wurde. Anfangs verkehrte auf der ganzen Linie ein Zug taglich in jeder Richtung. Durch die spater erfolgte Verminde- rung der Okkupationstruppen verringerte sich auch die Personenfrequenz und der Frachtenverkehr. Demzufolge wurde Ende 1879 der Verkehr auf wochentlich vier Ziige in jeder Richtung restringiert. Die bei der Bahn verbliebenen Ab¬ teilungen oblagen nicht nur allein dem gewohnlichen Betriebsdienste, sondern betatigten sich weiter noch an der un- umganglich notwendigen Ausgestaltung der Bahn und deren Einrichtungen. Es wurden zum Beispiel in Ivanjska das zerstorte Aufnahmsgebaude und in allen Stationen Mannschaftsunterkiinfte erbaut, bestehende Gebaude und An- lagen restžiuriert, erweitert, Brunnen, Rampen und Zufahrtstrafien zu den Bahn- hofen errichtet. Auf der Strecke wurden Wachter- hauser aufgestellt, Objekte in stand ge¬ setzt und hergestellt, die Strecke sowie die Telegraphenleitungen ausgebessert. Lokomotiv-, Material- und Kohlen- schuppen wurden adaptiert beziehuirgs- weise hergestellt. Fiir die Werkstatte sind einige Werkzeugmaschinen beschafft worden. Die Beschaffung beziehungsweise der Aufbau von Wagen wurde inszeniert. Im Einvernehmen mit der k. k. priv. Siidbahngesellschaft wurde der direkte Frachtenverkehr zwischen den Stationen dieser Eisenbahn und jenen der Militar¬ bahn durch Vermittlung einer Speditions- firma ins Leben gerufen, um den Ver¬ kehr zu heben. Auch wurde infolge Einflufi- nahme beider Eisenbahnen ein Omnibus- verkehr zwischen Sissek und Doberlin durch eine Privatunternehmung eingefiihrt, welcher jedoch wenig prosperierte und nach einiger Zeit eingestellt wurde. Die Stationen wurden auch fiir Staats- und Privat-Depeschenverkehr eingeri chtet. Die nach durchgefiihrter Okkupation allmahlich eingetretene Konsolidierung der Verhaltnisse im Lande machte sich auch bei der Militarbahn bemerkbar. 378 Eisenbahnbureau des Generalstabes. Im Februar 1882 gelangten schon eigene Lokaltarife zur Einfiihmng. Am 10. April 1882 wurde die mittler- weile ausgebaute Teilstrecke der koniglich ungarischen Staatseisenbahnen Sissek— Doberlin eroffnet. Hiedurch erreichte die Militarbahn die allseits sehnlichst erwiinschte direkte Schienenverbindung mit der Monarchie. Von diesem Zeitpunkte an verkehrte taglich ein gemischter Zug in jeder Richtung zwischen Banjaluka und Do¬ berlin. Im Sinne des mit den konigl. ungari¬ schen Staatseisenbahnen abgeschlossenen Die Militarbahn war pradestiniert, nicht nur dem allgemeinen Interesse zu dienen, sondern auch zugleich ein Ubungs- objekt zur Ausbildung von Offizieren und Militarmannschaft des 1883 errichteten k. und k. Eisenbahn- und Telegraphen- regiments zu bieten. Die urspriinglich vorwaltende Absicht, die Bahn nur provisorisch instand zu setzen, wich dem Bestreben, dieselbe je nach Mafigabe der zur. Verfugung stehenden Mittel ganzlich umzugestalten und sie auf eine moderne Grundlage zu stellen. Dieses Bestreben wurde durch die weise Fiirsorge des k. u. k. Reichskriegs- Abb. 206. Station Doberlin der k. und k. Militarbahn Banjaluka—Doberlin. Vertrages versieht seit 10. April 1882 die Militarbahn denZugforderungs-(Fahr-) dienst auch auf der Strecke Doberlin—- Volinja der konigl. ungarischen Staats¬ eisenbahnen. Der erreichte Anschlufi an die Eisen- bahnen der Monarchie bildete fiir die Militarbahn den Beginn einer neuen Ara. Die ganzlich eingetretene Ruhe und Sicherheit des Eigentums im Lande, welche wirtschaftlichen Fortschritt im Gefolge hatten, waren von wohltuendem EinfluB auf die weitere Entwicklung der Bahn. Der Verkehr begann sich in lang- samem Tempo zu heben, die Betriebsein- nahmen wiesen eine allmahlige Steigerung auf, wenn auch anfanglich ein Betriebs- defizit zu verzeichnen war. ministeriums — als der obersten Aufsichts- und Verwaltungsbehorde •— kraftigst ge- fordert, welches in munifizenter Weise die zur Ausgestaltung der Bahn erforder- lichen Mittel bewilligte. Ohne Zuhilfenahme anderweitiger Kredite, blofi mit den aus den eigenen Einnahmen der Bahnanstalt resultierenden Ertragnissen und den seitens des k. u. k. Reichskriegsministeriums ubenviesenen Dotierungen aus den Fonds der unter Militarverwaltung gestandenen Eisen- bahnen des Okkupationsgebietes gelang es, die k. u. k. Militarbahn sorvohl in technischer als auch in kommerzieller Hinsicht auf die Hohe einer zeitgemafien Betriebfiihrung zu bringen. Im folgenden werden in grofien Ziigen jene Mafinahmen aufgezahlt, welche bis Das Militar-Eisenbahnwesen. 379 Abb. 207. Station Ivanjska der k.und k. Militarbahn Banjaluka—Doberlin (Kilometer 80*00). zum gegenwartigen Zeitpunkte getroffen worden sind, um die Bahn allmahlich als Hauptbahn auszugestalten. Die Nivellette der Bahnlinie, welche urspriinglich ganz dem natiirlichen Terrain angepafit war, wurde durchwegs richtig- gestellt, die hiedurch erforderliche Kor- rektur des Unterbaues, der Damme und Einschnitte bewirkt. Neue Objekte wur- den hergestellt, samtliche Objekte und Briicken erhielten Eisenkonstruktion und Blechbelag. Die urspriinglich aus Eisenschienen englischer Provenienz bestandenen Gleise wurden durchwegs durch Stahlschienen ersetzt. Diese Arbeiten sind grdfitenteils von eigens zu diesem Zwecke stets auf etwa drei Monate zur Bahn kommandier- ten Abteilungen des k. u. k. Eisenbahn- und T elegraphenregiments ausgefiihrt worden. Behufs Hebung des Verkehrs und im In- teresse der Landbevolke- rung wurden neun neue Stationen, Ausweichen und Haltestellen errich- tet und die bestandenen Stationen umfangreich vergrofiert, indem vor- handene Gleisanlagen erweitert, neue gelegt, entsprechende Rampen und sonstige Einrichtun- gen ausgefiihrt wurden. Wechsel neuester Systeme ivurden einge- legt. Entsprechend einem langgehegten Wunsche der Bevolkerung der Stadt Banjaluka, ist im Jahre 1891 die 2'8 km lange Eisenbahnstrecke »Stadtbahn in Banja¬ luka« ausgebaut worden, wodurch der jetzige Bahnhof Banjaluka-Vor- stadt — seinerzeitiger Bahnendpunkt — mit der Stadt Banjaluka verbunden erscheint. Im Herzen der Stadt wurde die Station Banjaluka-Stadt angelegt. Im Zuge der* Stadtbahn wurde fiir den Lokalverkehr die Haltestelle Kaiserstrafie errichtet. In die Strecke der Stadtbahn sind zwei Schleppgleise eingebaut worden, welche zu der ararischen Tabakfabrik und dem ararischen Kohlenwerk in Banjaluka fiihren und von der Militarbahn betrieben werden. Die aus Riegelbau bestandenen Auf- nahmsgebaude in den grofieren Stationen Abb. 208. Station Banjaluka-Vorstadt der k. und k. Militarbahn Banjaluka—Doberlin. 380 Eisenbahnbureau des Generalstabes. wurden samtlich durch aus massivem Material erbaute, den modernen Anfor- derungen entsprechende Gebaude ersetzt. Auch alle iibrigen, fiir den Betrieb erforderlichen Gebaude, als Frachten- magazine, Depots, Werkstatten, Heiz- hauser, Wasserstationen etc., wurden um- gebaut und zeitgemafi eingerichtet. Fiir das Streckenaufsichtspersonal wurden durchwegs neue Wachter-(Bahn- richter-)Hauser erbaut. In einzelnen Stationen sind fiir das Personal aller Dienstzweige schone Unter- kunftsgebaude mit bequemen Natural- wohnungen errichtet worden. Dermalen verkehren zwei personen- befordernde Ziige regelmafiig taglich in jeder Richtung. Die Fahrgescbvvindigkeit ist von 30 auf 40 km pro Stunde erhoht worden und besteht mit Riicksicht auf die vor- handenen Vorbedingungen die Absicht, die Fahrgeschwindigkeit einzelner Ziige auf 60 km zu erhohen. Giinstige Zugsverbindungen mit Wien und Budapest sind bei den Anschlufi- bahnen erwirkt worden; zwischen Wien und Banjaluka wurde der Verkehr von direkten Wagen I. und II. Klasse etabliert. Abb. 209. Station Banjaluka-Stadt der k. und k. Militarbahn Banjaluka — Doberlin. Zwecks Unterbringung der Amtsraume der Direktion wurde in Banjaluka-Stadt ein eigenes stilvolles Gebaude erbaut. Die nebeneingeschalteten Bilder lassen den nunmehrigen Zustand einiger Stationen und Gebaude ersehen. Fiir den Telegraphen- (Telephon-) Dienst stehen moderne Telegraphen- und Telephonapparate zur Verfiigung; fiir den Telegraphen-, den Telephon- und den Signalisierungsdienst wurden be- sondere Drahtleitungen erbaut. Lokomotiven und W agen wurden nach- geschafft, die seinerzeit vorgefundenen griindlich renoviert und umgestaltet. Der Fahrpark weist 12 Lokomotiven und 267 Wagen auf. Der Verbesserung des Zugsverkehrs wurde ein stetes Augenmerk zugewendet. Im Interesse der armen Bevolkerung wurde die IV. Wagenklasse eingefiihrt. Zur Unterstiitzung des Handels sind vielfache Mafinahmen getroffen worden: Einfiihrung von Ausnahms- und direkten Tarifen, Erteilung von Refaktien, Teil- nahme der Militarbahn am internationalen Frachtverkehr und den sonstigen inter¬ nationalen, eisenbahnkommerziellen Ein- richtungen. Der Personen- und Guterverkehr, begiinstigt durch die guten Zugsver¬ bindungen und die sukzessive im wohl- verstandenen allseitigen Interesse refor- mierten Tarife, nahm ein en in den Erst- lingsstadien der Betriebfiihrung nicht geahnten Umfang an, so dafi auch in den spaterenjahren die Betriebseinnahmen nicht nur die Betriebsausgaben deckten, Das Militar-Eisenbahmvesen. 381 sondern daU die Gebarung einen kon¬ stanten Uberschufi aufweist. Aus der Tabelle auf Seite 382 ist zu entnehmen, dafi die Verkehrszunahme seit demjahre 1890 datiert und dafi dieselbe besonders wahrend der Jahre 1898 bis 1907 — mit wenigen Ausnahmen — eine steigende Tendenz sowohl riick- sichtlich der beforderten Reisenden als auch der Frachten aufweist. Der Durchschnittsverkehr der letzten zehn Jahre gegeniiber der Durchschnitts- ziffer der Jahre 1878 bis 1887 ist bei Reisenden um mehr als das Sechsfache, bei Giitern um mehr als das Vierfache gestiegen. Die nachstehenden Daten lassen zur Geniige ersehen, dafi die dem Verfall preis- gegebene Eisenbahnlinie nach ihrer Wiederinstandsetzung einen wicbtigen Faktor fiir die wirtschaftliche Hebung des zu derselben gravitierenden Lan- desteiles darstellt. Wie aus der nachstehenden Tabelle weiter ersichtlich ist, beginnt die Rentabilitat des Betriebes mit dem Jahre 1890 —■ nachdem vorher ein jahr- liches Defizit zu verzeichnen grofierung der Aufnahmsgebaude in Doberlin, Prijedor und Bosnisch-Novi, Erbauung von Bedienstetenwohngebauden, und zwar I in Doberlin, I in Bosnisch- Novi und 4 in Banjaluka-Vorstadt, Vollendung einer Wagenreparaturwerk- statte in Banjaluka-Vorstadt; Errichtung einer eigenen Telephonlinie zwischen Doberlin und Banjaluka-Vorstadt; In- stallierung der elektrischen Beleuchtung in Banjaluka-Vorstadt und Stadt; Be- schaffung von zwei Verbund-Personenzugs- lokomotiven, einer Lastzugslokomotive, von drei Personenwagen I./II., einem III. war. Besonders in die Periode Abt 1898 bis 1907 fallen namhafte Betriebsiiberschusse, trotzdem die Betriebsausgaben in dieser Periode bedeutend emporgeschnellt sind. Die Betriebsiiberschusse werden stets wirtschaftlichenoderhumanitarenZwecken 210. Direktionsgebaude der k. und k. Militarbahn Banjaluka—Doberlin in Banjaluka (Stadt). und vier IV.Klasse, eines Postkondukteur- und 68 Giiterwagen; Beschaffung von modernen Werkzeugmaschinen u. s. w. Auch die Organisation der Betrieb- zugefiihrt, indem diese tiberschiisse fiir Ameliorierungen, Neubauten, Fahrpark- anschaffungen etc. und zur Dotierung des Pensionsfonds der Bediensteten verwendet \verden. Von den in den Jahren 1898 bis 1907 ausgefiihrten vielen Arbeiten waren folgende besonders zu verzeichnen: Um- legen von 40 km Oberbau und Auswechseln der Eisen- durch Stahlschienen in der kurrenten Strecke, dann Ersatz der Eisen- durch Stahlschienen in den Stationsgleisen fast samtlicher Stationen; Erbauung eines grofien, architektonisch schonen Aufnahms- gebaudes in Banjaluka-Stadt, Ver- fiihrung hat im Laufe der Zeit mehrfache Anderungen erfahren. Das Betriebspersonal wurde bis zum Jahre 1883 den Feldeisenbahnabteilungen entnommen. Vom Jahre 1883 an ver- sah den Betriebsdienst ein Bataillon des neuerrichteten Eisenbahn- und Telegra- phenregiments. Im Jahre 1885 wurde ein Halb- bataillon von der Bahn abgezogen, wahrend bloB ein Halbbataillon, ver- starkt durch Zugeteilte vom Stande - der tibrigen Tei! e des genannten Regiments, zur Dienstleistung beziehungsweise Aus- bildung im Eisenbahndienste bei der 382 Eisenbahnbureau des Generalstabes. Das Militar-Eisenbahmvesen. 383 Abb. 211. Schleppbabnstation Felixdorf mit Zugforderungsanlagen. Militarbahn verblieb. Fiir niedere Ar- beiten standen den Militarabteilungen die notigen Zivilarbeitskrafte stets zur Verfiigang. Die regelmafiige Betriebfiihrung und Zunahme des Verkehrs erforderte auch die Bestellung eines geschulten, er- fahrenen, aber auch moglichst stabilen Personals. Demzufolge ordnete das k. u. k. Reichs- kriegsministerium eine griindliche Reor- ganisation der Personalverhaltnisse an. Diese bestand darin, dafi das militarische Betriebspersonal nach und nach durch Zivilbedienstete ersetzt wurde; diese Reorganisation nahm ihren Anfang im Jahre 1888 und wurde 1897 beendet. Die Oberleitung verblieb in Handen des k. u. k. Reichskriegsministeriums (Eisenbahnbureau); zur unmittelbaren Leitung der Bahnanstalt ist jeweils ein Stabsoffizier des k. u. k. Eisenbahn- und Telegraphenregiments als Direktor bestimmt. Ein Mannschaftsdetachement vom Eisenbahn- und Telegraphenregiment befindet sich zur Ausbildung im Loko¬ motiv- und Werkstattendienst bei der Bahn. Die zugeteilte Militarmannschaft er- halt eine berufsmafiige Ausbildung und wird ihr Gelegenheit geboten, die gesetz- lichen Priifungen fiir Lokomotivfiihrer und Kessehvarter abzulegen. Die Existenzbedingungen der Zivil- bediensteten wurden, dank dem Wohl- wollen und der Munifizenz des k. u. k. Reichskriegsministeriums, namentlich im Jahre 1907 durch Regelur.g der Gehalte (Erhohung der Anfangs- und Endge- halte) und automatisches Avancement ver- bessert. Einzelne Arbeiterkategorien konnen infolge Kreierung entsprechender Diener- posten der Wohltat der Stabilisierung und Altersversorgung teilhaftig werden. Fiir die Bediensteten besteht seit 1888 ein eigener Pensionsfonds. Der Pensionsfonds besitzt mit Ende 1907 ein Kapital von K 463.2o6'i5 und wird jahrlich aus den Betriebsiiber- schiissen subventioniert. Die fiir Be- dienstete entfallende Ruheversorgung ist sehr giinstig, weil auch die Halfte des in Aktivitat bezogenen Quartier- geldes in das Pensionsausmafi einge- rechnet wird. Der urspriinglich nur fiir Zivilarbeiter im Jahre 1883 gegriindete und im Jahre 1888 fiir das gesamte Personal in Gel- tung getretene Krankenfonds bietet dem Personal nicht zu unterschatzende Be- giinstigungen; dessen Vermogensstand mit Ende 1907 betrug K 44-655'2i. In dem im Jahre 1894 errichteten Lebensmittelmagazin konnen die Be¬ diensteten und Arbeiter ihren Bedarf an Lebensmitteln in bester Qualitat und zu billigen Preisen beziehen, weil das Ma¬ gazin ohne j eden Gewinn arbeitet; der Warenumsatz des Magazins im Jahre 1907 erreichte den Betrag von K 98.682 - 07, das Guthaben der Teilnehmer (im Be- triebsfonds angelegt) betragt Ende 1907 K 20.889'62. Seit dem Jahre 1895 besteht bei der Hauptwerkstatte der Bahn die Ein- richtung, dafi daselbst jugendliche Per- Abb. 212. Bahnbetriebs- und Wohngebaude der Schleppbahnstatlon Felixdorf. 384 Eisenbahnbureau des Generalštabes. sonen — in erster Linie Sohne eigener Bediensteter — zu Handwerkern aus- gebildet werden, welche auch schon wahrend der Lehrlingszeit kleinere Zu- lagen seitens der Bahnanstalt erhalten; fur diese Lehrlinge wurde im Jahre 1903 eine Wiederholungsschule errichtet, in welcher Bahnorgane Elementarunterricht erteilen. Seit 1903 besteht bei der Bahn eine Unfallversicherung (fiir Arbeiter obliga- torisch, fur Bedienstete fakultativ). Diese N Abb. 213. Brucke iiber die Pisting im Zuge der Schleppbahn Felixdorf—Steinfeld. Einrichtung erweist sich als eine wohl- tatige Institution. Die k. u. k. Militarbahn ist Mitglied des Vereines deutscher Eisenbahn- verwaltungen und der osterreichischen, ungarischen und gemeinsamen Direk- torenkonferenzen, wodurch es ermoglicht wird, die Fortschritte im Eisenbahn- \vesen fachlich zu verfolgen und sie zum Wohle der Bahnanstalt zu ver- werten. Die vorliegende Abhandlung beweist, dafi die k. u. k. Militarbahn Banjaluka— Doberlin ■— in richtiger Erfassung der einem jeden offentlichen Verkehrsinstitut zukommenden Aufgabe —■ unter der Abb. 214. Offene Strecke der elektrischen ScMeppbahn Feuerwerksanstalt—Munitionsfabrik. Agide des k. u. k. Reichskriegs- ministeriums zu einer kulturverbrei- tenden, gemeinnutzigen Institution empor- gewachsen ist. B. Militdrische Schleppbahnanlagen. Aufier der k. u. k. Militarbahn Banja¬ luka—Doberlin vervvaltet das k. u. k. Reichskriegsministerium noch 28 Schlepp- gleisanlagen, die zu den verschiedenen militarischen Etablissements (Pulverfabri- ken, Munitionsfabriken, Artillerie-Zeug- depots, Militar-Verpflegsmagazine, Militar- backereien, Monturdepots etc.) fuhren. Die Schleppgleisanlagen werden zum grofiten Teil auf Kosten der Heeres- verwaltung von jenen Bahnen betrieben und in stand gehalten, von welchen die betreffenden Gleise abzweigen. Nur die k. u. k. Schleppbahnen auf dem Steinfelde zunachst Felixdorf und Wollersdorf, welche ein Netz von zu- Abb. 215. Schleppbahnstation beim Objekte 5 der Schleppbahn in der Munitionsfabrik nachst Wollersdorf. Das Militar-Eisenbahmvesen. 385 sammen 38 km Lange umfassen, werdenvomReichs- kriegsministerium in eigener Regie (mit Dampfiokomo- tiven) und mit eigenem Personal betrieben und auch erhalten. Wie umfang- reich der Betrieb der Schleppbahn F elixdorf—Stein- feld ist, mdge dar- aus ersehen wer- den, dafi z. B. im Jahre 1907 nicht weniger als 5788 Ziige expediert und 377.052 - 7 Tonnen Brutto (zumeist ex- plosive Giiter) verfrachtet wurden. Die k. u. k. Schleppbahn im Bereiche der k. u. k. Munitionsfabrik zunachst Wollersdorf wird ebenfalls in eigener Regie und mit eigenem Personal betrieben. Diese Schleppbahn ist um so interes- santer, als der Betrieb mit elektrischen Abb. 216. Schleppbahnstation Feuerwerksanstalt der Schleppbahn zur Munitionsfabrik zunachst Wollersdorf. Lokomotiven durchgefuhrt wird, und zwar nach demselben System, wie dies erst vi el spater fiir die Valtellinabahn in Italien angewendet wurde. Die beigegebenen Abbildungen (211 —216) veranschaulichen einzelne Objekte dieser Bahnen. 3, Das Eisenbahn- und Telegraphenregiment, Die Eisenbcihntruppe. Wie im II. Bande der »Geschichte derEisenb ah n en der os terr. -ungar. Monarchie« des naheren erortert er- scheint, wurde das genannte Regiment am 8. Juli 1883 aus Teilen der bisher bestande- nen Feldeisenbahnarbeiter-Abteilungen zu¬ nachst mit zwei Bataillonen zu vier Kom- pagnien errichtet, welchen im Jahre 1889 ein drittes Bataillon angegliedert wu.rde. Das Regiment hatte demnach das Gliick, im heurigen Jubeljahre auch das Fest seines 25jahrigen Bestehens feierlich zu begehen. Bei diesem Anlasse wurde anSeine Majestat nach Ischl folgendes Telegramm abge- sendet: Seiner Majestat dem Kaiser und Konig Ischl. »Das treugehorsamste Eisenbahn- »und Telegraphenregiment begeht »heute die Feier des 25jahrigen Be- »standes und erneuert aus diesem »Anlasse das Gelobnis unverbriichlicher »Treue zu Eurer Majestat, seinemAller- »gnadigsten obersten Kriegsherrn.« Die hierauf im Namen Seiner Majestat eingelangte Antwort lautete im Wortlaute: Bad-Ischl, am 27. Juni 1908. »Seine Majestat geruhten mit auf- »richtiger Freude und rvarmstem »Danke die Allerhochstdemselben »vom Eisenbahn- und Telegraphenre- »gimente am heutigen fiinfundzwanzig- »jahrigen Bestandesfeste dargebrachte »Huldigung entgegenzunehmen, wiir- »digen mit vollster Anerkennung die »vielseitigen vortrefflichen Leistungen »dieses ausgezeichneten Truppenkor- »pers im Laufe des vergangenen »Vierteljahrhunderts und wtinschen, 25 Eisenbahnbureau des Generalstabes. 386 b a Abb. 217. a Gleisjoch der Pferdefeldbahn; b Gleisjoch der Lokomotivfeldbahn. »dafi es auch in der Zukunft in Er- » fullung seiner bedeutungsreichen Auf- »gaben sich stets bewahren und hierin »grofie und mafigebende Erfolge er- »zielen moge.« Vom Generaladjutanten Seiner Majestat des Kaisers und Konigs an Oberst Wenzel Tertain des Eisen- bahn- und Telegraphenregiments in Korneuburg. Im Allerhochsten Auftrage P aar General der Kavallerie, * * * Die Tžitigkeit des Kegiments bis zum Jahre 1898 ist in dem eingangs genannten Bande des Werkes bereits eingehend erortert worden, es eriibrigt nur noch, jene Momente besonders her- vorzuheben, welche von der schonen Fortentwicklung des Regiments Zeugnis ablegen. In erster Linie ware hier die Einfiihrung des Loliomotivbetriebes auf der F e 1 d b a h n zu nennen. Von der Voraussetzung aus- gehend, dafi in gewissen Teilen unserer Monarchie ein reichliches, genugsames und leistungsfahigesPferdematerial vorhanden ist, wurde gegen Anfang der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts bei der k. u. k. Armee die trans- portable Pferdefeldbahn eingefiihrt. Das Hauptcharakteristikon dieses Verkehrsmittels liegt in dessen leichter Beweglichkeit undV erlegbarkeit bei immerhin bedeutender Leistung. Stets hat es aber, wie bereits erwahnt, ein leistungs- fahiges, sehr zahlreiches Pferdematerial zur Voraussetzung, welches jedoch nicht iiberall zur Verfiigung steht. Es lag daher der Gedanke nahe, fiir gewisse besondere Fžille, wo eine grofie Leistungsfahigkeit verlangt wird, zu einem Verkehrsmittel zu greifen, welches eine grofiere Betriebssicherheit und grofiere Leistungsfahigkeit aufweist, und so entstand die Lokomotivfeldbahn. Fiir deren Konstruktion war der Grundsatz mafigebend, dafi ein Teil des vorhandenen Pferdefeldbahnmaterials so weit als nur irgend moglich verwertet werden mufite. Die Schwierigkeit lag nur darin, dafi die blofi 7 kg pro Kurrentmeter wiegendeFeld- bahnschiene selbst bei mehr- maliger Unterstiitzung keine grofien Lokomotivachsdriicke vertragt. Den rastlosen Be- miihungen der Offiziere des Eisenbahn- und Telegraphen¬ regiments im Vereine mit mehreren Fachmannern des k. k. Eisenbahnministeriums und der grofien Maschinen- fabriken ist es gleichwohl nach jahrelangen Versuchen gelungen, ein in jeder Be- Abb. 218. Feldbahnwagen. Das Militar-Eisenbahmvesen. 387 ziehung homogenes Feldbahn- material herzustellen. Das Gleis und die Wagen, der Pferdefeldbahn entnom- men, wurden entsprechend adaptiert. Die Feldbahnloko- motiven und die Ausriistung sind neu. Besonders die Loko- motiven reprasentieren die mo- dernste und leistungsfahigste Konstruktion schmalspuriger Lokomotiven. Die Figuren 217—222 ver- anschaulichen die Hauptbe- standteile des Lokomotiv- und Pferdefeldbahnmaterials in seiner allmahlich fortge- schrittenen Entwicldung. Die bisher mit diesem Materiale durch- gefuhrten Versuche haben seine beson- dere Leistungsfahigkeit in un- zweifelhafter Weise dargetan und mit der Lokomotivfeldbahn ist der operierenden Armee ein nicht zu unter- schatzendes Hilfsmittel fur den Zu- und Abschub von Kriegsmaterial wahrend der Operationen erstanden. Abb. 219. Feldbahnwagen. Briickenprovisorien mit anderen Mitteln oft monatelange emsige Arbeit notwendig machten. Die Abbildungen 223—226 zeigen Anwendungsarten der Kriegsbrucke. Die Mitvoirkung der Eisenbahntruppe bei Werken des Friedens. Die Ausriistung des Eisenbahn- und Telegraphenregiments wurde Ende der Achtzigerjahre durch die Einfiihrung der seither mehrfach ausgestalteten transpor- tablen e i s e r n e n Kriegsbrucke ganz besonders be- reichert. Dieses Kriegsmittel setzt die Eisenbahntrup¬ pe in die Lage, selbst bedeutende Hindernisse zu iiberqueren und in kiirzester Zeit den eventuell unterbro- chenen Verkehr auch auf Haupt- bahnen wieder her¬ zustellen, ein Um- stand, derwohlvon eminentester Be- deutung ist, wenn man bedenkt, dafi die Herstellung von Eine der schonsten Tatigkeiten des Eisenbahn- und Telegraphenregiments ist dessen Mitwirkung bei Werken des Friedens, insbesondere dort, wo es gilt, der entfesselten Elemente Herr zu werden, Abb. 220. Die erste Versuchslokomotive nach System Decauville. 25* 388 Eisenbahnbureau des Generalstabes. Abb. 221. Eme spatere Yersuchstype der Feldbahnlokomotiven. oder die von ihnen verursachten Schaden wieder gutzumachen. In dieser Hinsicht \vare die W i e d e r- herstellung der Bahnlinie Tarvis —Pontafel durch ein Bataillon des Eisenbahn- und Telegraphenre- giments lobend hervorzuheben. Der Sommer und der Herbst des Jahres 1903 waren besonders reich an verheerenden Wetterkatastrophen, deren schrecklichste wohl jene des 13. September 1903 war, welche in wenigen Stun- den das ganze Fel- latal verwustete und die Bahnlinie Tarvis — Pontafel fast vollstandig zer- storte. Der infolge eines Wolkenbru- ches reifiend ange- schwolleneUgowa- graben vermurte zuerst fast die gan¬ ze Ortschaft Mal- borgeth unddurch- brach dann, alles was sich ihm in den Weg stellte, ekrasierend, auch denBahndamm und sturzte sich in die Fella ; diese unter- wusch ihrerseits die Stiitzmauer der Bahn und b rac h te eine Strecke von ca. 50 m vollkommen zumEinsturz. Aber auch von den Tal- gehangen nordlich der Bahn kamen gewaltige Muren herab, welche die Bahn an vielen Orten zerstorten. Uber die Gewalt dieser Naturkrafte kann man sich eine V orstellung ma- chen, wenn man bedenkt, dafi die Mure aus dem »Rankgraben« eine Eisenbahnbriicke von io - o m Spannweite samt Widerlagern der- art zerstorte, dafi die Brucke nach der Kata- strophe uberhaupt nicht mehr zu finden war. Auch der Ort Leopoldskirchen war von den Fluten arg mitgenommen worden, in kiirzester Zeit hatten dieselben acht Gehofte und eine Brucke fortgerissen. Die Skizze auf Seite 392 (Abb. 227) veranschaulicht die Schaden, welche das Elementarereignis angerichtet hatte. Abb. 222. Die Schlufitype der Feldbahnlokomotiven. Das Militar-Eisenbahnwesen 389 Abb. 223. Einbau der Eisenbahnkriegsbrucke im Bogen, Als nach dem Verziehen des Umvetters einigermafien der Umfang des Schadens zu iiberblicken war, wurde am 15. September 1903 das 2. Bataillon des Eisenbahn- und Telegraphenregiments telephonisch vom Reichs- kriegsministerium alarmiert, beziiglich der Stande kom- plettiert und mit dem Strafien- train nach Malborgeth ab- gesendet. Bereits am 18. Sep¬ tember friih konnte das Detachement in fieberhafter Tatigkeit mit der Wieder- herstellung der zerstorten Strecke beginnen. Es wtirde zu sehr ermiiden, wollte man die ganzen vom Regiment dort durchgefiihrten Bauten der Reihe nach beschreiben, eine Betrachtung der Uber- sichtsskizze gibt am besten einen Mafi- stab fiir die aufierordentlich schonen Leistungen der braven Eisenbahner, denen ebenso, wie dem leider bereits verstor- benen Kommandanten Oberstleutnant Hr d lička, wohl niemand die hochste Anerkennung versagen wird. Nahezu 100 m Briicken, zvrischen 3 und 12 m Hohe, wurden hergestellt und fast 4000 m a Erdbewegung von dem 440 Mann starken Bataillon und den Zivilarbeitern in der relativ kurzen Zeit von vier Wochen bewaltigt. Dabei war noch ein Schuttgeriist zu bauen, eine lange Steinschlichtung auszufiihren und samtliche ganz erheblichen Vermurungen am Bahnkorper zu beseitigen. Wahrlich kein kleines Werk, wenn man bedenkt, dafi das ohnedies schrvache Bataillon Ende September noch durch die Beur- laubung des dritten Jahrganges um iiber 100 Mann verringert worden war. Aufier dieser grofien Arbeitsleistung nimmt das Eisenbahn- und Telegraphen- regiment fast jahrlich teil an irgend welchen Rettungsaktionen, betreibt im Vereine mit den k. k. Staatsbahnen die Linien St. Polten—Tulln und Herzogen- burg—Krems, beteiligte sich an der Niederringung des ungarischen Eisen- bahnerstreiks, kurz, esbetatigtsichuberall, wo ihm Gelegenheit zur Betatigung ge- boten wird. Das Wissen und der Pflichteifer seiner Offiziere, die Arbeitsfreudigkeit und die grofien Arbeitsleistungen seiner Mann- schaften finden iiberall uneingeschranktes Lob. Mit Stolz kann hierbehauptet werden, dafi dieses kleine Pfliinzlein, welches vor kaum 25 Jahren das Licht der Welt er- blickte, es verstanden hat, sich eine ehren- volle Stelle in der Geschichte der k. u. k. Wehrmacht zu erringen und zu be¬ li a u p ten. Geschichtliche Entwicklung des Militartarifes. Die Anfange des Militartarifes reichen bis in das Jahr 1841 zuriick. In diesem Jahre wurde zwischen dem k. k. Hof- kriegsrate und der Direktion der priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn ein Uber- einkommen getroffen, wonach Ararial- giiter auf der Strecke Wien—Briinn und zuriick um 26 Kreuzer K.-M. per Zentner befordert wurden. Die Auf- und Ab- ladegebiihr war hiebei inbegriffen. Die Assekuranz der Frachtgiiter erfolgte gegen eine Pramie von 3 Kreuzer per 100 Gulden K.-M.-Wert, wenn der Wert derselben auf dem Frachtbriefe angegeben 39 ° Eisenbahnbureau des Generalstabes. war. Die Uberfiihrung ararischer Giiter auf der bezeichneten Bahnstrecke durfte aber iiber Weisung des Hofkriegsrates nur dann bewirkt werden, wenn keine wohlfeileren Transportmittel oder militar- ararische F uhnverke zurV erftigung standen. Im Februar des Jahres 1845 wurden auch mit den Staatsbahnen tarifarische Vereinbarungen abgeschlossen, nach wel- chen fiir Militartransporte auf der Staats- eisenbahn, auch \venn die Zahl der Kopfe nur 25 betrug oder iiberstieg, die Gebiihr Abb. 224. Pfeiler aus dem Material der Eisenbahn- kriegsbriicke. fiir jeden Kopf ohne Unterschied der Charge per Meile mit 3 Kreuzer K.-M. und fiir die Effekten, welche die Mannschaft nicht bei sich im Wagen behalten kann, fiir den Zentner und die Meile mit 1 1 j i Kreuzer K.-M. festgesetzt wurde, und zwar ohne Riicksicht darauf, ob die BefOrderung in den gewohnlichen regel- mafiigen Ziigen oder, im Falle der Transport so grofi sein solite, dafi Separatziige notwendig wiirden, mit Separatziigen stattfindet. Die den Transport begleitenden Offiziere hatten das Recht, gegen Ent- richtung der Gebiihr von 3 Kreuzer die II. Wagenklasse zu beniitzen. Der gleiche Tarifsatz wurde im selben Jahre auch von der Kaiser Ferdinands- Nordbahn und der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn zugestanden und der bereits im Jahre 1843 fiir Giitertransporte ver- einbarte Tarif von I fl. 30 kr. auf I fl. 15 kr. per 60 Zentner und Meile herab- gesetzt, so dafi die Frachtgebiihr fiir den einzelnen Zentner per Meile gleichfalls auf 1 x / 4 kr. K.-M. zu stehen kam. Im Jahre 1847 wird zwischen der Stockerauer Monturshauptkommission und der Direktion der Kaiser Ferdinands- Nordbahn eine Vereinbarung wegen Verfiihrung ararischer Monturssorten auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Fiir die Dauer des Feldzuges im Jahre 1849 gewahrten iiber Aufforderung des Ministeriums fiir Handel, Gewerbe und offentliche Bauten sowohl die Kaiser Ferdinands-Nordbahn als auch die Wien-Gloggnitzer Bahn einen io°/ 0 igen Nachlafi der tarifmafiigen Gebiihr riick- sichtlich des Transportes der Militar- pferde und Fuhrwerke. Unmittelbar darauf stimmt die Nord- bahndirektion zu, dafi der fiir Pferde und Fuhnverke gewšihrte io°/ 0 ige Nachlafi auch auf die Militareffekten und das Gepack ausgedehnt werde. Im Jahre 1850 erklart sich die Direktion der Kaiser Ferdinands-Nordbahn weiters bereit, dem Militararar fiir die Nordbahn- strecke einen 6°/ 0 igenNachlafi vomFracht- lohne dann zu gewahren, wenn im Laufe eines Jahres mindestens 25.000 Zentner wenigstens 20 Meilen weit aus einer Sta- tion der Nordbahn versendet und hiefiir der tarifmafiige Frachtlohn bezahlt wurde. Dieselben Tarifsatze werden kurze Zeit darauf iiber Ersuchen des k. k. Kriegsmini- steriums auch fiir die Staatsbahnstrecke Prefiburg—Marchegg vereinbart. Im Jahre 1851 hebt das k. k. Han- delsministerium im Einverstandnisse mit der Nordbahndirektion die bisher dem Arar zugestandenen Ermafiigungen beim Transport von Giitern, namentlich aber die bewilligte 6°/ n ige Provision von Preftburg bis Marchegg auf. Dagegen wird mit 1. Janner 1852 fiir alle Giiter die Frachtgebiihr nicht nach der zweiten, sondern nach der ersten Tarifklasse berechnet. Das Militar-Eisenbahmvesen. 39 1 Abb. 225. Das »freitragende« Montieren. Die Unterschiede zwischen den da- maligen Tarifen fiir den allgemeinen Verkehr und den mit der Militar- verwaltung getroffenen tarifarischen Ver- einbarungen zeigen die folgenden Zu- sammenstellungen, und zwar: /. Anf den k. k. Staatsbahnen. Tarif fiir den allgemeinen Verkehr: Fiir, Personen: I. Wagenklasse 20 kr. per Meile II. » 12 » » » III. » 9 » » » Abb. 226. Uberbriickung einer groften Briickenoffnung mit dem Material der Eisenbahnkriegsbrucke nachst Neustadt a. M. in Bohmen. Abb. 227. Skizze der Hoch\vasserzerstorungen auf der Linie Tarvis—Pontafel. 39 2 Eisenbabnbureau des Generalštab es. \\ Fiir Wagen: I. Klasse ■— fl. 48 kr. per Meile u. Wagen Fiir Frachten: Pferde als Fracht nach dem obigen Fracbtentarif I. Klasse. Normalgewicht 12 Zentner per Pferd. Wagen als Fracht nach dem Frach- tentarif II. Klasse. Normalgewicht: 25, 30, 40 oder 50 Zentner per Wagen. Tarif f ii r das M.ilitar: Fiir Militartransporte ohne Unter- schied der Kopfzahl (Oberoffiziere in- begriffen) 3 kr. per Mann und Meile. Einzeln reisende Militars vom Unter- offizier abwarts zahlten die Halfte des Tarifes fiir die II. Wagenklasse, Ober¬ offiziere die Halfte der ihnen gebiihrenden Wagenklasse. Fiir Pferde, Wagen und Effekten wurde 1V4 kr. per Zentner und Meile eingehoben. Frachten sind gegen Entrichtung der jeweilig in Geltung stehenden allge- meinen Tarife transportiert worden. 2. Auf der Kaiser Ferdinands-Nordbahn. Tarif fiir den allgemeinen V e rk eh r: Fiir Personen: I. Wagenklasse 20 kr. per Meile II. » 15 » » » III. » 10 » » » IV. » 6 » » » Das Militar-Eisenbahnwesen. 393 Fiir Wagen: I. Klasse I fl. — kr. per Meile u. Wagen tarifi. Klasse, Normalgewicht 12 Zentner per Pferd. Wagen als Fracht nach demFrachten- tarif II. Klasse, Normalgewicht 25 bis 50 Zentner per Wagen. Tarif ftir das Militar: Fur Militartransporte wurde von 25 Mann aufwarts der Fahrpreis von 3 kr. per Kopf und Meile (auch fur die darunter befindlichen Offiziere) entrichtet. Kleinere Transporte unter 25 Mann, dann Einzelreisende, vom Unteroffizier abwarts, bezahlten 6 kr. per Mann und Meile, Stabs- und Oberoffiziere die ihnen zukommende Wagenklasse. Fiir Militarpferde und Wagen wurde die Transportgebiihr mit 30 kr. per Pferd und mit 1 fl. 15 kr. per Wagen eingehoben; die Direktion gewahrte je- doch vom 15. August 1854 angefangen einen Nachlafi von io°/ 0 fiir Militar¬ pferde und Wagen. Die Frachtkosten fiir Militareffekten (Gepack) sind nach dem Frachtentarife I. Klasse eingehoben worden. Transportkosten fiir Frachten anderer Gattung wurden nach dem Zivilfrachten- tarife berechnet. Im Jahre 1857 willigt die Direktion der Kaiser Ferdinands-Nordbahn ein, dafl das im Jahre 1854 gewahrte Zu- gestandnis eines io°/ 0 Nachlasses bei Transportierung von Pferden und Wagen bis auf weiteres und bei gleichbleibenden Verhaltnissen aufrecht bleibe. Im darauffolgenden Jahre gewahren die Kaiser Ferdinands-Nordbahn, die Buschtehrader Eisenbahn, die priv. 5 ster- reichische Staatseisenbahn-Gesellschaft, dann die lombardisch-venezianisch und zentral - italienische Eisenbahngesell- schaft, die Theifi - Eisenbahngesellschaft und die Siid-Norddeutsche Verbindungs- bahn allen im Dienste reisenden Militar- parteien, wenn selbe eine Marschroute vorzeigen, die den Offizieren einge- raumten Begiinstigungen. Die Vereinbarungen mit den einzelnen Eisenbahnverwaltungen waren — wie aus vorstehendem zu entnehmen ist — fiir den Transport von Militarpersonen und Giitern nicht gleichartig, die Tarife der einzelnen Bahnen zeigten vielmehr namhafte Unterschiede. Zur Schaffung eines einheitlichen Tarifes wurde dah er im Jahre 1860 vom damaligen Armee-Oberkommando eine Kommission, bestehend aus Vertretern der Militarverwaltung und der Bahn- verwaltungen, einberufen. Das Ergebnis dieser Kommission war die Beseitigung aller bestehenden Diffe- renzen und die Erstellung eines einheit¬ lichen Militartarifentwurfes, welcher mit Allerhochster Entschliefiung vom 2. De- zember 1860 die Genehmigung erhielt. Auf Grand dieses Entwurfes schlofl hierauf das Kriegsministerium mit den betreffenden Bahnverwaltungen das dies- beziigliche Ubereinkommen, welches mit I. Janner 1861 in Wirksamkeit trat und fiinf Jahre giiltig war, ab. Die wichtigsten Bestimmungen dieses zwischen dem k. k. Kriegsministerium einerseits und der k. k. priv. oster- reichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft, der k. k. priv. siidlichen Staats-lombar- disch-venezianischen und zentral-ita- lienischen Eisenbahngesellschaft, der k. k. priv. Kaiserin Elisabeth-Westbahn, der k. k. priv. galizischen Karl Ludwigs- Bahn, der k. k. priv. Theiflbahn-Gesell- schaft und der k. k. priv. Siid-Nord- deutschen Verbindungsbahn anderseits 394 Eisenbahnbureau des Generalstabes. abgeschlossenen Ubereinkommens waren, und zwar: Fiir die Beforderung mittels Personen- zuges: i. Bei Einzelreisenden und bei Trans¬ porten von \veniger als 25 Mann fiir jede Person und Meile in der I. Klasse 12 kr. osterr. Wahrung » » II. » 9 » » » » » III. » 6 » » » Bei Transporten, die 25 Mann oder mehr betrugen, \var fiir die Offiziere und Mannschaft nur der fiir die III. Klasse entfallende Tarif von 6 kr. zu ent- richten. 2. Fiir Pferde ohne Unterschied der Anzahl derselben, fiir jedes per Meile 25 kr. hsterr. Wahrung; 3. fiir Equipagen und sonstige Fuhr- werke (beladen oder unbeladen), ebenso fiir lafettierte Geschiitze per Stiick und Meile 60 kr. osterr. Wahrung; 4. fiir Gepackstiicke und sonstige Effekten fiir je einen Zollzentner und eine Meile 3 kr. osterr. Wahrung. Erfolgte die Beforderung mit den ge- wohnlichen oder Separatlastziigen oder eigenen Separatmilitarziigen, so reduzierte sich der Tarifpreis fiir Pferde auf 20 kr., fiir Equipagen etc. auf 40 kr. und fiir sonstige Militareffekten und Giiter auf i 2 / 10 kr. osterr. Wahrung. Aufierdem mufiten die Nebengebiihren, und zwar die allgemeinen Versicherungs-, Auf- und Abladegebiihren, welche unter allen Umstanden eingehoben wurden, ohne Unterschied auf die Zugsgattung entrichtet werden. Die Versicherungsgebiihr betrug: Fiir jedes Fuhrvverk (Geschiitz) 7 kr. » » Pferd 7 » » Gepack (Giiter) per Zollzentner 1 » Die Auf- und Abladegebiihr be- trug: Fiir jedes Pferd 20 kr. Fiir jedes Fuhr¬ vverk (Geschiitz) 50 kr. FiirGepack(Giiter) per Zollzentner 1 5 /io kr - Bereits imjahre 1861 mufiten je- doch einzelne Ta- rifsatze des Uber¬ einkommens iiber Wunsch der Bahn- verwaltungen in- folge des hohen Kursvvertes der Gold- und Silber- miinzen gegeniiber der Landeswah- rung erhoht und demnach eine Be- richtigung der betreffenden Tariftabellen veranlafit vverden. Im Monat Mai 1861 schliefit sich iiber Ersuchen des Kriegsministeriums auch die Direktion der Kaiser Ferdinands- Nordbahn dem mit den friiher genannten Bahnvervvaltungen abgeschlossenen Uber- einkommen an. Auf Grand dieser Zusage wird so- dann mit der vorbezeichneten Bahnver- waltung ein eigenes Obereinkommen mit der Giiltigkeit bis Ende 1865 abge- schlossen. Nach Ablauf der Giiltigkeitsdauer des Ubereinkommens wurde mit der Kaiser Ferdinands-Nordbahn ein neues vom alten Abb. 228. Probezug iiber das Holzprovisorium am Tschalavay-Wehr Das Militar-Eisenbahnwesen. 395 nicht viel abweichendes Ubereinkommen bis Ende 1870 vereinbart. Hiebei \vurden hauptsachlichst er- mafiigte Preise fiir den Transport von Pferden und Wagen sowie auch das Zu- gestandnis erzielt, dafi in Hinkunft die Familien der Offiziere und Mannschafts- personen im Dienste auf Grand der Marschroute nach dem Militartarife be- fordert werden. Vom 1. Oktober beziehungsweise 1. Dezember 1866 an gewahren die Karl Ludwig-Bahn und die Kaiserin Elisabeth- Bahn, sowie die Bohmische Westbahn weitere iiber den Rahmen des Uberein- kommens vom Jahre 1860 hinausgehende Begiinstigungen fiir Militar- (Marine-) Personen und Giiter. Im Jahre 1868 wird mit der Direktion der Kaiser Ferdinands-Nordbahn ein neues osterreichisch - ungarischen Eisenbahnen den Beschlufi, im Mobilisierungsfalle den Militarurlaubern, Reserve- und Land- wehrmannern den Militartarif fiir die Reise mittels Eisenbahn aus dem Auf- enthaltsorte in die Einberufungsstation gegen Vorweisung des Militar- (Land- wehr-) Passes zuzugestehen. Die inzwischen eingetretenen An- derungen in den organischen Bestim- mungen der Wehrmacht sowie die Ein- fiihrung des metrischen Mafies und Ge- \vichtes, endlich das Inkrafttreten eines neuen Wehrgesetzes bedingten natur- gemaC auch eine Anderung der mit den verschiedenen Bahnverwaltungen abge- schlossenen Militartarife. Da aufierdem einige Bestimmungen der in Kraft stehenden Ubereinkommen veraltet und Anderungen in bezug aut Abb. 229. Holzprovisorium bei Kilometer 4i7* 8 / 9 (Tschalavay-Wehr). Profil der Brucke. Ubereinkommen abgeschlossen, \velches bei gleichzeitiger Aufhebung des Uber- einkommens vom Jahre 1865 bis Ende Juni 1873 giiltig war. Die Tarife dieses Ubereinkommens wurden nunmehr auch auf die k. k. Gendarmerie ausgedehnt und hiebei der Tarifsatz der III. Wagenklasse von 10 kr. auf 6 kr. per Kopf und Meile herab- gesetzt. Im selben Jahre schlofi sich auch die Direktion der konigl. ungarischenNordbahn dem zwischen dem Kriegsministerium und den meisten osterreichischenEisenbahnver- waltungen im Jahre 1860 abgeschlossenen Ubereinkommen an. Ebenso fand dieses Ubereinkommen auf allen anderen in den nachstfolgenden Jahren neu eroffneten Bahnstrecken im allgemeinen Anwendung. Im Jahre 1873 fassen die meisten osterreichischen sowie die gemeinsamen Vereinfachung und Einheitlichkeit aufierst wtinschenswert waren, wurden vom Reichs- kriegsministerium im Jahre 1877 die Verhandlungen zur Erstellung eines neuen Militartarifes eingeleitet. Diese Verhandlungen fuhrten zum Abschlusse eines einheitlichen Uberein¬ kommens samt Militartarif zwischen dem k. k. Reichskriegsministerium im eigenen Namen und im Namen des k. k. Mini- steriums fiir Landesverteidigung, sowie des k. ungarischen Landesverteidigungs- ministeriums einerseits, dann den samt- lichen in den Landern der osterreichisch- ungarischen Monarchie befindlichen Eisen- bahnverwaltungen anderseits. Das dem Militartarif zu Grande liegende Ubereinkommen sowie der Tarif selbst samt Anhang traten mit 1. Janner 1878 in Wirksamkeit. Die Dauer des Ubereinkommens wurde auf fiinf Jahre festgesetzt, und zwar in der 39 6 Eisenbahnbureau des Generalstabes. Art, daft jeder vertragschliefienden Partei fiir sich gleichmafiig das Recht zustand, das Ubereinkommen ein Jahr vor Aus- gang der oben festgesetzten 5jahrigen Dauer zu kiindigen. Erfolgte keine Kiindigung, so galt das Ubereinkommen beziehungsvveise der Militartarif stets auf ein weiteres Jahr. Die wichtigsten Tarifsatze des neuen Ubereinkommens waren folgende: 1. Fiir einzelne reisende Militarpersonen und fiir Transporte unter 25 Mann per Person und Kilometer: I. Wagenklasse r6 kr. osterr. Wahrung II. » 1 ‘2 kr. » » III. » 0'8 kr. » » Bei Transporten, die 25 Mann oder mehr betrugen, wurde fiir Offiziere und Mannschaft nur die Gebiihr der III. Wagen- klasse mit o - 8 kr. per Person und Kilo¬ meter berechnet. 2. Fiir Reisegepack und Militargiiter aller Art, und zwar: Bei der Aufgabe fiir Post-, Personen- oder gemischte Ziige per 100 kg und Kilometer o # 8 kr., bei der Aufgabe fiir Lastziige C32 kr. Bei Beforderung von Militargiitern auf Entfernungen bis inklusive 75 km jeder Bahn wurden die vorstehenden Ge- biihren um 10 °/ 0 erhftht. 3. Fiir Pferde bei der Beforderung mit Post-, Personen- oder gemischten Ziigen per Stiick und Kilometer 3'3 kr., bei der Beforderung mit Lastziigen 2 - 7 kr. Bei Beforderung auf Entfernungen bis inklusive 75 km jeder Bahn wurden die vorstehenden Gebiihren um 10% erhoht. 4. Fiir Equipagen und sonstige Fuhr- werke (beladen oder leer), lafettierte Ge- schiitze, wenn nur ein Stiick auf einem Wagen verladen wurde, bei der Beforde¬ rung mit Post-, Personen- oder gemischten Ziigen per Stiick und Kilometer 8 kr., bei der Beforderung mit Lastziigen 5'3 kr. Die Fahrbegiinstigungen fiir Militar¬ personen bei Reisen aufier Dienst wurden in einen eigenen Anhang zum Militar- tarife aufgenommen. Imjahre 1883 stellt die k. k. priv. osterr. Staatseisenbahn-Gesellschaft im Namen der osterreichisch-ungarischen Eisenbah- nen den Antrag, das beziigliche Uberein¬ kommen neu aufzulegen, weil seit Ver- lautbarung des letzteren bereits sehr um- fanereiche Nachtrage erschienen und die noch zu beriicksichtigenden Ande- rungen so vielfachsind, dafi deren Durch- fiihrung mittels Nachtragen nicht mehr iibersichtlich vorgenommen werden konnte. Gleichzeitig wird ein Probeexemplar des neuen Ubereinkommens, welchem auch die Gebiihrentarife fiir Militartrans- porte auf den osterreichisch-ungarischen Eisenbahnen angeschlossen waren, iiber- sendet. Diesem Ansuchen wird seitens des Reichskriegsministeriums nachgekommen und sodann ein neues Ubereinkommen samt Militartarif mit der Wirksamkeit vom I. Janner 1884 an mit dem Vorbehalte erstellt, dafi sowohl dem k. k. Reichs- kriegsministerium, dem k. k. osterreichi- schen und konigl. ungarischen Landes- verteidigungsministerium als auch jeder der an dem Ubereinkommen partizipie- renden Eisenbahnunternehmungen fiir sich gleichmafiig das Recht zusteht, das Uber- einkommen ganzjahrig, jedoch stets per I. Janner zu kiindigen. In den folgenden Jahren werden zwi- schen dem Reichskriegsministerium und den osterreichischen sowie ungarischen Eisenbahnverwaltungen V erhandlungen wegen Herabminderung der Gebiihren fiir Militar-Personen- und Giitertrans- porte angebahnt und zum Teile auch beendigt. Dies sowie der weitere Umstand, daft die damaligen osterreichischen staffel- weisen Giitertarifsatze mit den wirtschaft- lichen Interessen der konigl. ungarischen Staatseisenbahnen sich nicht verein- barten, hatte nun rvieder die Umarbeitung beziehungsweise dieNeuauflage des Mili- tartarifs zur Folge. Im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien wird dann im Jahre 1892 ein neuer Militartarif betreffend die Militar- transporte mit den osterreichischen und ungarischen Eisenbahnverwaltungen so- wie mit der Direktion der bosnisch-her- zegowinischen Staatsbahnen abgeschlos- sen, welcher an Stelle des bisherigen am 1. November 1892 in Kraft zu treten hatte. Derselbe konnte ganzjahrig, jedoch stets per 1. Janner gekiindigt rverden. Das Militar-Eisenbahnwesen. 397 Der Militartarif bestand aus zwei Teilen, im I. Teile wurden die oster- reichischen Eisenbahnen (mit Aus- nahme der osterreichischen Linie der Kaschau-Oderberger Bahn), weiter die ungarischen Linien der Siidbahn und die Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina, im II. Teile samtliche ungarischen Eisenbahnen (mit Aus- nahme der ungarischen Linie der Siid- bahn) sowie die dsterreichische Linie der Kaschau-Oderberger Bahn be- handelt. Die Einheitssatze ftir Militarpersonen und Militar-Reisegepack auf den oster¬ reichischen Bahnen betrugen: a) filr Militarpersonen , Krankemvagen und Militar-Reisegepack: Die Berecbnung der Gebiihren erfolgte nach Zonen a IO km , und zwar: Bei Militarpersonen stets ftir das Ende, bei Krankenwagen so\vie beim Militar-Reisegepack ftir die Mitte der Zone. b ) filr Militdr-Frachtgiiter: 39 8 Eisenbahnbureau des Generalstabes. Am Schlusse des I. Teiles befand sich ein Anhang, in welchem die Be- stimmungen wegen Beniitzung der Eisen- bahnen fur die frehvillige Sanitatspflege, dann wegen Anwendung des Militar- tarifes auf Naturaliensendungen der Garnisons-Menagewirtschaften oder Kom- missionen, endlich fur den Transport von Militar-Ubersiedlungseffekten ent- halten waren. Die Einheitssatze fiir die ungarischen Bahnen betrugen: a) fiir Militarpersonen per Person und Kilometer: I. Wagenklasse r6 kr. II. » I '2 » III. » o-8 » b) fiir Militar-Reisegepack: 0‘4kr.fiir je angefangene 50&gund I km. c) fiir Militar-Frachtgiiter : Im II. Teile (Militartarif fiir ungarische Bahnen) war ein separater Anhang mit Fahrbegiinstigungen fiir Militarpersonen bei aufierdienstlichen Reisenaufgenommen; aufierdem befand sich noch am Schlusse des II. Teiles ein Anhang mit den ana¬ logen Bestimmungen, wie selbe vorhin bei den osterreichischen Bahnen angefiihrt wurden. Dieser Militartarif, dessen seinerzeitige Erstellung eine Folge des im Zivilver- kehre zur Einfiihrung gelangten Zonen- systems war, erschien aufierst kompliziert, und zwar nicht nur dadurch, dafi die Mehrzahl der Einheitssatze der oster¬ reichischen Bahnen von jenen der un¬ garischen Bahnen abwich und die Art der Gebiihrenberechnung im Personen- verkehr von jener im Gtiterverkehr eine ganzlich verschiedene war, sondern auch durch den Umstand, dafi sich die grund- satzlichen Bestimmungen des oster¬ reichischen und des ungarischen Tarifes haufig nicht deckten. Die Folge davon war eine aufier- ordentliche Erschwerung in der Be- rechnung der Eisenbahngebuhren und eine grofie Anzahl von durch unrichtige Berechnung dieser Gebiihren hervorge- rufenen Reklamationen, welche zu weit- laufigen und zeitraubenden Korrespon- denzen zwischen den militarischen und bahnseitigen Zensuramtern Anlafi gaben. Kurz, ein Zustand, der sich fiir die Dauer als unhaltbar erwies. In Erkenntnis dessen hat das Reichs- kriegsministerium schon im Jahre 1900 die einleitenden Schritte zur Erstellung eines einfachen Militartarifes getan und in dieser Beziehung bei den mafigebenden Das Militar-Eisenbahnwesen. 399 Stellen ein grofies Entgegenkommen ge- funden. Ende des Jahres 1903 iibergab das Reichskriegsministerium den Bahnver- waltungen einen Entwurf des neuen Militartarifes. Zur Durchberatung dieses Entwurfes wahlten nun die Bahnen ein engeres Komitee, welches einen bahn- seitigen Entwurf ausarbeitete. Zu diesem zweiten Entwurfe hatten die einzelnen Bahnen Stellung zu nehmen. Die beziiglichen Bemerkungen und An- trage bildeten den Gegenstand der weiteren Beratungen des Komitees. Durch die Ungunst der Verhaltnisse, insbesondere durch die Einfiihrung der Fahrkartensteuer wurde das Zustande- kommen des neuen Tarifes jedoch bis zumjahre 1905 verzogert, so dafi dessen Ausgabe erst mit 1. Mai des genannten Jahres erfolgen konnte. Dieser noch jetzt in Kraft stehende neue Militartarif ist nach jeder Richtung hin ein einheitlicher, auch was die au- fiere und innere Form anbelangt, da nur eine Ausgabe desselben besteht, wahrend der friihere Tarif aus vier solchen Ta¬ rifen bestand, und zwar ein Tarif der osterreichischen Bahnen, in welchem der Personen- und Giitertarif vereinigt waren, zwei Tarife der ungarischen Eisenbahnen, — ein Band Personentarif und ein getrenn- ter Band Gutertarif — und endlich der seitens der Militarverwaltung herausge- gebene Tarif. Weiters ist der Geltungsbereich des neuen Tarifes sowohl im Personenverkehr als auch im Giiterverkehr vollig iiber- einstimmend. Die Berechnungsweise ist im Perso¬ nen- und Giiterverkehre die gleiche, niimlich die bahnweise. Die Tarife fiir die Beforderung von Krankenwagen, dann fur ermafiigte Eil- giiter und fiir Militargiiter, welche friiher auf den osterreichischen und ungarischen Bahnen verschieden waren, sind im neuen Militartarife ebenfalls fiir alle Bahnen gleich. * * * Uberblickt man nochmals die grofien Fortschritte, welche das Eisenbahnwesen, vom militarischen Gesichtspunkte aus, wahrend derRegierungunseres Monarchen aufzuweisen hat, so kommt man zu der Uberzeugung, dafi dank der beson- deren Fiirsorge des obersten Kriegsherrn fiir die Entwicklung des Gesamt-Eisenbahnwesens, auch die Kri e gs verwaltung gegen- wartig iiber ein leistungsfahi- ges, weitmaschiges und betriebs- sicheres Bahnnetz verfiigt. Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. Von Dr. Franz Ritter v. Schonka, k. k. Sektionschef im Eisenbahnministerium. Einleitung. »ram [TO® 0 ' E IN neuer bedeutsamer Abschnitt ist es, den das letzte Dezennium in der Geschichte unseres vaterlandischen Eisenbahnwesens bildet, und speziell auf dem Gebiete des kommerziellen Dienstes; so wenig dies gerade hier in einer aufieren Umwandlung derFormen zum Ausdrucke gekommen sein mag, umfafit diese Periode ein markantes Stiick des Ent- wicklungsganges der osterreichischen Eisenbahnen. Wer es unternimmt, ihre Geschichte zu schreiben, der mufi sich vor Augen halten, dafi die Schwierigkeiten, die an und fur sich der zusammenfassenden Beurteilung einer so kurzen und unmittel- bar hinter uns liegenden Spanne Zeit entgegenstehen, in erhohtem Mafie dann zur Geltung kommen, wenn es sich um die Darstellung einer mit den wechseln- den Erscheinungen des wirtschaftlichen Lebens so enge verkniipften Materie handelt, wie es der kommerzielle Dienst der Eisenbahnen ist. Wenn es trotzdem nicht unangebracht erscheint, das auf diesem Gebiete Geschehene schon dermalen wenigstens in einem kurzen Abrifi festzuhalten, so liegt der Grund wohl darin, dafi einerseits gerade im letzten Dezennium der kommerziellen Tatigkeit der osterreichischen Eisenbahnen Aufgaben gestellt waren, die zu rvich- tigen, fiir die weitere Zukunft Richtung gebenden Entscheidungen gefiihrt haben, und dafi anderseits dieser Abschnitt in gewissem Sinne auch eine in sich ab- geschlossene Etappe auf dem Wege der kommerziellen Entwicklung unserer Eisen¬ bahnen bildet. Schon ein kurzer, orientierender Riick- blick lafit dies deutlich erkennen. Nach den fruchtlosen Anlaufen desjahres 1895, die Verstaatlichung der oster¬ reichischen Privatbahnen in grofiem Zuge durchzufiihren, war diese Frage wieder zum Stillstand gekommen und die Regierung hatte sich dem zweiten grofien Probleme, der Reform der Staatseisenbahnverwaltung, zu- gewendet. Die umfassende Reorganisation des Jahres 1896 hatte auch fiir den kommerziellen Dienst der Staatsbahnen neue Formen geschaffen und die erste Zeit der folgenden Periode war daher vornehmlich der Aufgabe gewidmet, fiir die glatte Einfiihrung des neuen Re- gimes zu sorgen und die neuen Ver- rvaltungsformen den Bediirfnissen des Verkehres anzupassen. Daneben war der kommerzielle Dienst der Staatsbahnen auch durch die umfassenden, sich zum Teile unerwartet schwierig gestaltenden Arbeiten in Anspruch genommen, die sich aus der Durchfiihrung des ebenfalls im Jahre 1896 in Kraft getretenen neuen Lokaltarifs der osterreichischen Staats¬ bahnen ergaben. Dazu kam aber noch ein anderes Moment, das gerade in jener Zeit, viel- leicht weniger markant hervortretend, aber doch nicht minder entscheidend, seinen Einflufi auf die weitere Gestaltung des kommerziellen Betriebes der oster¬ reichischen Eisenbahnen geltend machte, 26* 404 Dr. Franz Ritter v. Schonka. das war die \vachsende Bedeutung, die j im Zusammenhange mit der damals machtig einsetzenden Aktion der Re- gierung zu Gunsten der Wiedererweckung j des konstitutionellen und wirtschaftlichen Lebens den Eisenbahntarifen auf wich- tigen Gebieten der heimischen Wirtschafts- politik zufiel. In dem grofi angelegten verkehrspolitischen und wirtschaftlichen Programme, mit welchem das Ministerium Koerb er im Jahre 1900 vor den Reichs- rat trat, war derTarifpolitik derosterreichi- schenEisenbahnen eine hervorragendeRolle zugewiesen, und insbesondere die Forde- rung des Exportes, die einen Hauptpunkt des Regierungsprogrammes bildete, stellte die osterreichischen Bahnen, voran die Staatsbahnvenvaltung, vor neue Aufgaben. Die Wirkung blieb nicht aus und eine Reihe von Mafinahmen, welche, wie die systematische Reform der Export- tarife, der neue Levantetarif u. a. m., willkommene Erleichterungen fur den Verkehr unserer Produkte nach fremden Markten brachten, bewies, dafi das Be- streben der Staatsbahnvenvaltung, die Bahntarife in den Dienst der wirtschaft- lichen Aktion der Regierung zu stellen, auch bei den Privatbahnen erfreuliches Verstandnis gefunden hatte. Den bezeichnendsten Ausdruck fand die Sache jedoch in der ungleich sorg- sameren und eingehenderen Behandlung, die die Eisenbabntariffragen in den Handelsvertragen sowie in den Vereinbarungen mitUngarn iiber die Neuregelung unserer wirtschaftlichen Beziehungen erfuhren, und dieGeschichte dieser Verhandlungen bildet eines der bedeutsamsten Kapitel unserer Periode. Neue und grofie Aufgaben envuchsen der Staatseisenbahnverwaltung endlich auch aus dem Gesetze vom 6. Juni 1901, durch welches neben anderen \vichtigen Staatsbahnbauten die Herstellung der T auernbahn und der s ii d 1 i c h e n Fortsetzungslinien nach Triest sichergestellt wurde. Wenn hiedurch der siidliche Teil des Staatsbahnnetzes und insbesondere die Zufahrtslinien zu un- serem Haupthafenplatze an der Adria eine machtige Ervveiterung erfuhren, so brachte auf der anderen Seite die Ver- staatlichung der Nordbahn den nordostlichen Linien die langentbehrte Verbindung mit dem Hauptnetze der Staatsbahnen und damit neue kraftige Impulse far eine ausgreifende Entwicklung unserer Verkehrspolitik. Die letzten Jahre unserer Periode brachten aber die entscheidende Wen- dung. War schon frtiher von berufener Seite die Mahnung laut geworden, neben der Erfilllung der volkswirtschaftlichen Aufgaben der Staatseisenbahnverwaltung auch die unerlafiliche Pflege des Ertrages der Staatsbahnen nicht aus dem Auge zu verlieren, so liefi die Erfahrung der letzten zwei Jahre mit ihrer enormen unaufhaltsamen Steigerung der Ausgaben in allen Zweigen des Betriebsdienstes keinen Zweifel mehr dariiber, dafi man sich allen Ernstes und dringendst mit der Frage befassen mtisse, wie die Ein- n a h m e n mit den Ausgaben wieder in Einldang zu bringen seien. Man war aber auch zur Uberzeugung gekommen, dafi es mit einer blofien Vorsorge fur die Erhohung der Einnahmen nicht getan sei, dafi vielmebr durch eine weit- blickende Investitionspolitik und ins¬ besondere durch eine rationelle, gerade die Erfahrungen der letzten zehn Jahre vervvertende Reorganisation des Staats- betriebes selbst erst die Voraussetzungen i fur eine okonomischere Dienstfiihrung i p;eschaffen vverden miissen. In untrenn- barem Zusammenhange hiemit stand aber wieder die Frage der Ver staatlichung der einlosungsreifen nordlichen Privatbahnen; denn Organisation, Investitionsprogramm und Tarifreform mufiten Stiickvverk bleiben, solange diese Kardinalfrage nicht gelost war. Und so kehrt die Geschichte unserer Periode zum Schlusse, anscheinend im Kreislauf, aber doch in steigender Kurve, zu jenen grofien Problemen zuriick, die an ihrem Eingange gestanden waren. In steigender Kurve, denn an jenemTage, an \velchem die lange vergeblich gesuchte Formel fiir die Verstaatlichung der nord¬ lichen Privatbahnen endlich gefunden \vurde, war auch das grofite und sclnverste Hindernis beseitigt, das einer aresunden Entwicklung des Staatsbahn- betriebes in Osterreich bisher entgegen- gestanden war. Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 4°5 Organisatorische Mafinahmen. Nach dem Gesagten wird es geboten sein, vorerst einen kurzen orientierenden Blick auf die in der Organisation des kommerziellen Dienstes ein- getretenen Anderungen zu werfen. Die neue Organisation des Jahres 1896 hatte auf dem Gebiete der leiten- den Verwaltung des Staatseisenbahn- dienstes eine vollstandige Umvvalzung gebracht. Die Generaldirektion der osterreichischen Staatsbahnen, die bis dahin die Geschafte streng zentralisiert in ihrer Hand vereinigt hatte, war aufgelassen worden und ihre Agen- den hatten zum Teile das neu errichtete Eisenbahnministe- r i u m, zum Teile die aus den friiherenEisenbahn- betriebsdirektionen her- vorgegangenenS t a a t s- bahndirektionen ubernommen. Speziell im kommerziellen Dien- ste setzte das neue Or- ganisationsstatut fest, dafi alle meritorischen Entscheidungen und Genehmigungen in An- sehung der E r s t e 1- lung, Abanderung und Auslegung der Tarife, sowie hin- sichtlich der Staatsbahnen auch die Be- willigung aller Fahrbegiinstigungen, Frachtermafiigungen und sonstigen Zu- gestandnisse tarifarischer Natur im Gtiter- verkehre zum Wirkungskreise des Eisen- bahnministeriums gehoren. Der Schwerpunkt des Geschaftes ver- blieb daher im Eisenbahnministerium. An die Spitze der neugebildeten kommerziellen Sektion wurde Dr. Franz L i h a r z i k*) Abb. 230. Geheimer Rat Dr. Franz Liharzik. *) Dr. Franz Liharzik begann nach Ab- solvierung der juridisch-politischen Studien seine Laufbahn bei der niederosterreichischen Statthalterei. Im Jahre 1874 zum Bezirks- kommissar ernannt, mirde er bald darauf in Anerkennung seiner besonders verdienstlichen Leistungen und erfolgreichen Mitwirkung an dem Werke der Donauregulierung durch die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz Josef- berufen, der als Nachfolger Steingrabers seit dem Jahre 1885 die kommerzielle Abteilung der Generaldirektion der oster¬ reichischen Staatsbahnen geleitet hatte. Ihm fiel die schwierige Aufgabe zu, die neue Organisation auf dem ge- samten Gebiete des kommerziellen Dienstes durchzufuhren. Vor allem galt es, die wichtige Frage zu entscheiden, in welcher.,Weise fiir den Komplex jener Geschafte vorzusorgen sei, die sich auf die Ausarbeitung der Tarife und die damit verbundenen Verhand- lungen mit fremden Bahnver- w a 11 u n g e n beziehen, die also ihrer Natur nach nicht recht im Eis enb ahnministerium besorgt werden konn- ten. Sektionschef L i- h a r z i k hat diese Frage in einer Form gelost, die in gewissem Sinne auch fur ahnliche Or- ganisationen im Aus- lande vorbildlich ge- worden ist. Alle mit der Tariferstellung und den Verbandsabrech- nungen verbundenen Arbeiten wurden ein- heitlich zusammenge- fafit und einem neu- geschaffenen H i 1 f s - amte des Eisenbahn- ministeriums tibertra- gen, das die Bezeichnung T ariferstel- lungs- und Abrechnungsbureau der osterreichischen Staats¬ bahnen erhielt. Den Staatsbahndirek- tionen blieb auf kommerziellem Gebiete im grofien und ganzen der Wirkungskreis der fruheren Eisenbahnbetriebsdirektionen belassen. Es ware nun gewiii von grofiem Interesse, sich daruber Rechenschaft zu Ordens ausgezeichnet. 1875 folgte seine Ein- berufung in das Handelsministerium, wo er zum Ministerial-Vizesekretar ernannt wurde. Im Jahre 1879 verliefi Liharzik den Staats- dienst und trat als Generalsekretar zur k. k. priv. Albrechtbahn iiber. Als diese Bahn in den Staatsbetrieb iiberging, wurde er zum Betriebsverrvalter-Stellvertreter ernannt und im Janner 1884 in gleicher Eigenschaft bei 406 Dr. Franz Ritter v. Schonka. geben, wie sich diese Art der Organi- sation des kommerziellen Dienstes der Staatseisenbahnverwaltung bewahrt hat. Bei den vielseitig wechselnden Einflussen jedoch, denen die wirtschaftliche Tatig- keit und die okonomische Entwicklung der Staatsbahnen in den bewegten Jahren des letzten Dezenniums unter- worfen waren, ist es von vornherein kaum moglich, sich hieriiber ein ab- geschlossenes Urteil zu bilden. Jeden- falls steht heute schon fest, dafi die Konzentrierung der kommer¬ ziellen Disposition liber die Staatsbahnen im Ministerium und die einheitliche Fuhrung des ge¬ samten Tarifgeschaftes ihre gutenFriichte getragen haben. Auch die seinerzeit ausgesprochenen Befurchtungen, dali die Vereinigung aufsichtsbehordlicher Agen- den mit dem geschaftlichen Betriebe der Staatsbahnen zumal dort, wo die Ent- scheidung in die Hand einer und der- selben Abteilung gelegt war, zu einer unwillkurlichen Bevorzugung der okono- mischen Interessen des Staatsbetriebes der damals eingesetzten Ministerialkommission fiir die Verwaltung; der Dnjester- und Tarnow- Leluchower Staatsbahn, der Erzherzog Al- brecht-Babn und der mahrischen Grenzbahn bestellt. Nach Auflosung dieser Kommission wurde Liharzik im Juli 1884 zur neugebildeten k. k. Generaldirektion der osterreichischen Staatsbahnen ubernommen, woselbst er als Generaldirektionsrat zuerst die Abteilung fiir Personalwesen, sodann, mit dem Titel eines Regierungsrates ausgezeichnet, die Abteilung fiir das Transport- und Reklamationswesen leitete, bis ihm im Jahre 1885 nach dem Tode Steingrabers die selbstandige Abteilung fiir den gesamten kommerziellen Dienst der oster¬ reichischen Staatsbahnen tibertragen \vurde. Bei Inslebentreten der Organisation im Jahre 1896 wurde Liharzik, der inzvvischen den Titel eines Hofrates erhalten hatte, als Ministerialrat mit dem Titel und Charakter eines Sektions- chefs wieder in den Staatsdienst ubernommen. Zur Leitung der Sektion fiir kommerzielle Angelegenheiten im Eisenbahnministerium be- rufen, nahm er in allen wichtigen tarifpoliti- schen Fragen eine fiihrende Rolle ein. Schon im Jahre 1897 zum wirklichen Sektionschef ernannt, erhielt Liharzik 1899 den Orden der eisernen Krone II. Klasse und 1904 die Wiirde eines Geheimen Rates. Im September 1905 trat er nach vollendeter Dienstzeit, ausge- gezeichnet durch dieAUerhochste Anerkennung seiner ausgezeichneten, hingebungsvollen und sehr erfolgreichen Dienstleistung, in den Ruhestand. fiihren wiirde, haben sich durchaus nicht als gerechtfertigt erwiesen. Wenigstens ist von keiner Šeite Klage hieriiber er- hoben worden. Ja die Erfahrungen lassen vielmehr die Annahme begriindet er- scheinen, dafi dort, wo Aufsichtsbehorde gegen Verwaltung stand, sich die Wag- schale eher zu Ungunsten der Interessen der Staatsbahnverwaltung neigte, und die Geltendmachung des aufsichtsbehord- lichen Einflusses, in Fallen dieser Art vielleicht allzu angstlich vermieden \vurde. Unzweifelhaft von Erfolg begleitet war, wie bereits angedeutet, auch die Vereinigung des gesamten Tarif- erstellungsgeschaftes in der Hand eines in steter Fiihlung mit den entscheidenden Stellen des Eisenbahnministeriums ste- henden Hilfsamtes. Hiedurch ist es ge- lungen, die Tarifkraft des machtig an- gewachsenen Netzes der osterreichischen Staatsbahnen voli zur Geltung zu bringen und den Staatsbahnrouten den ihnen ge- biihrenden Jknteil an der Bedienung des Verkehres umfassender zu sichern, als dies je bei der Verteilung des Geschaftes auf alle oder einzelne Staatsbahndirek- tionen moglich gewesen ware. Etrvas anders steht die Sache vielleicht, wenn man sich die Frage vorlegt, inwie- weit die gegenwartige Organisation des kommerziellen Dienstes jenen Forderungen entsprochen habe, die sich auf die Er- fassung der kommerziellen Bedlirfnisse des rvirtschaftlichen Lebens bezieben. In dieser Richtung haben sich mancherlei Mangel gezeigt.Die Staatsbahndirektionen, denen die Herstellung des notwendigen Kontaktes mit den Parteien, sei es direkte, sei es im Wege der Stationen obliegt, waren infolge ihrer Ausschaltung aus dem laufenden Geschiifte des Tarifdienstes nicht immer in der Lage, ihre Aufgabe als Vermittler zwischen Publikum und Vervvaltung vollkommen zu erfiillen. Das Ministerium selbst aber und sein Hilfsamt standen, sosehr man sich bemuhte, dem Koerberschen Worte, dafi jedermann mit seinen Anliegen bei Regierung und Ver- waltung offene Tur finden miisse, ge- recht zu werden, dem kaufmannischen Verkehre im einzelnen denn doch zu ferne, als dafi hier die errviinschte enge Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 407 und stetige Fiihlung hatte gewonnen werden konnen. Man hat es an Versuchen nicht fehlen lassen, die Sache zum Besseren zu wenden. Einerseits war man bestrebt, die kommerziellen Abteilungen derStaats- bahndirektionen mit den Vorgangen des Tarifgeschaftes in der Zentrale mehr vertraut zu machen und zu diesem Z\vecke die Tarif- und Kontrollbeamten der Direktionen zu regelmafiigen fach- lichen Besprechungen im Ministerium heranzuziehen. Anderseits wurde dem wiederholt auch in Interessentenkreisen lautgewordenen Wunsche nach einer engeren Fiihlungnahme der unteren Dienststellen mit den Verfrachtern durch die Einftihrung der sogenannten A m t s- tage Rechnung getragen, die den ent- sendeten Beamten Gelegenheit boten, den erscheinenden Parteien die ver- langten Auskiinfte zu erteilen, Wiinsche und Beschwerden entgegenzunehmen, sowie iiber die lokalen Verhaltnisse der Industrie, der Landwirtschaft und des Flandels durch Riicksprache mit den Interessenten Informationen ein- zuholen. Auch die Schaffung des Amtes der Tarifkontrollore bei den Staats- bahndirektionen neben den bereits friiher eingefiihrten Transportkontrolloren gehort zu jenen Mafinahmen, die der Herbei- fiihrung eines engeren Verkehres zwischen Publikum und Bahnverwaltung dienen sollen. Die Tarifkontrollore haben durch- schnittlich mindestens durch 15 Tage ihren Bezirk zu bereisen und bei dieser Gelegenheit mit den Interessenten in Beziehung zu treten, um deren tarifarische Wiinsche und Beschwerden kennen zu lernen. Wenn es trotz aller dieser Versuche nicht gelungen ist, alle Mangel zu be- heben, so liegt der Grund vielleicht darin, dafi — und mancherlei Anzeichen sprechen dafiir — imRahmen der gegen- wartigen Organisation, die bei Aufteilung der beziiglichen Agenden nur die Wahl zwischen Zentralstelle und Staatsbahn- direktionen offen lafit, die Frage der Herstellung des richtigen Kontaktes zwischen Verwaltung und Interessenten iiberhaupt nicht vollkommen gelost \ver- den kann. DerEintritt des Eisenbahnministeriums in den Kreis der sogenannten wirtschaft- lichen Ministerien lielS es geboten er- scheinen, fiir eine moglichst glatte und beschleunigte Erledigung jener Agenden Vorsorge zu treffen, beztiglich deren das neue Ministerium organisationsgemaft an die Mitwirkung der iibrigen beteiligten Zentralstellen gebunden ist. Zu diesem Zwecke wurde ein interministerielles Komitee eingesetzt, welches, aus Ver- tretern des Eisenbahn-, des Handels-, des Ackerbau- und des Finanzministeriums gebildet, seine Aufgabe in anerkannt klagloser Weise erfiillte. Von besonderer Bedeutung fiir den kommerziellen Dienst beim Eisenbahn- ministerium war die im Jahre 1899 er- folgte Einsetzung des Industrie- und Landwirtschaftsrates. Es ist be- zeichnend fiir die streng sachliche und von hoher Fachkenntnis getragene Be- handlung der Verkehrs- und Tariffragen in dieser Korporation, dafi das Ergebnis der Beratung des Industrierates mit den wiederholt parallel laufenden Antragen und Beschliissen des zur Begutachtung solcher Fragen in erster Linie berufenen Staatseisenbahnrates stets imEin- klang stand. Von wichtigeren organisatorischen Mafinahmen auf tarifarischem Gebiete ist schliefilich noch die Entscheidung zu erwahnen, die bei Einbeziehung des Nordbahnnetzes in den Staats- betrieb hinsichtlich der Versehung des kommerziellen Dienstes fiir diese Linien getroifen wurde. So unerlafilich es war, die kommerzielle Disposition iiber die wichtigen neu zug;ewachsenen Bahnlinien O o einheitlich in die Hand des Ministeriums zu legen, so scheute man sich doch, den wohlfunktionierenden kommerziellen Ap- parat der friiheren Nordbahnverwaltung vollstandig aufzulassen, und man ent- schlofi sich daher, der neugebildeten k. k. Nordbahndirektion ge\visse Ge- schafte des lokalen Tarifdienstes iiber den Rahmen der diesfalls fiir die iibrigen Staatsbahndirektionen geltenden Kom- petenzen hinaus probeweise auch weiter zu belassen. 408 Dr. Franz Ritter v. Schonka. Generelle Tarifmafinahmen. Wenn wir nunmehr zur eigentlichen Darstellung der kommerziellen Tatigkeit unserer Eisenbahnen, und zwar zunachst auf dem Gebiete des Giitertarif- wesens*) ubergehen, so mussen wir uns vor allem mit einer Reihe wichtiger Mafinahmen allgemeiner Natur beschaftigen, die einen erfreulichen Be- weis dafiir bieten, wie sich unter dem Regime der neuen Organisation die staat- liche Tarifpolitik und ihr Einflufi auf alle beteiligten Kreise entwickelt hat. In erster Linie ist hier die syste- matische Revision der Gtiter- klassifikation des Tarifteiles I zu nennen. Im Aufsatze P a u e r s iiber Frachtentarife**) sind die Bestrebungen der osterreichischen Regierung, im Ein- vernehmen mit Ungarn zu einheitlichen Tarifbestimmungen in beiden Lander- gebieten zu gelangen, anschaulich ge- schildert. Das Resultat war der soge- nannte Reformtarif und schliefilich der gemeinsame Tarifteil I vom Jahre 1881 mit dem einheitlichen Tarifschema, den einheitlichen allgemeinen Tarifbestim¬ mungen und der gemeinsamen Giiter- klassifikation. Das Tarifschema hat, wie bis zum Jahre 1898, auch in den letzten zehn Jahren keinerlei Anderung erfahren. Die Tarifbestimmungen dagegen wur- den standig fortgebildet und insbesondere die Giiterklassifikation war in štetem Flusse; galt es doch hier die Einreihung der Artikel und die Nomen¬ klatur mit den sich immer erneuernden Erscheinungen des Handels und der fort- schreitenden Entwicklung der Gtiter- erzeugung in Einklang zu halten. Zur Vorbereitung und Ausarbeitung der be- zuglichen Vorschlage an die gemeinsame Direktorenkonferenz ist das standige Tarifkomitee der osterreichischen, un- garischen und bosnisch-herzegowinischen Bahnverwaltungen berufen, das unter dem *) Die Personentarife bilden den Gegen- stand eines besonderen, aus der Feder des Regierungsrates Theodor Englisch stam- menden Abschnittes. **) Siehe Geschichte der Eisenbahnen der osterr.-ungar. Monarchie, III. Bd., Tarif- wesen, Abschnitt B. Vorsitze der Direktion der osterreichisch- ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft seiner Aufgabe in ausgezeichneter Weise gerecht wird. Ein hervorragendes Ver- dienst gebiihrt hiebei dem langjahrigen Direktor der genannten Gesellschaft, Hofrat Rudolf Ritter von Grim- burg, und seinem Stellvertreter, R e gi e- rungsratjohann Klima, dem Doyen des kommerziellen Dienstes der osterreichi¬ schen Eisenbahnen, in deren Handen die Leitung dieser Arbeiten seit Jahren ge- legen ist, und man wird dieses Verdienst um so hoher schatzen mussen, wenn man sich die Schwierigkeiten vor Augen halt, die jede Anderung der bestehenden Klassifikation angesichts der hiedurch beriihrten, vielfach auseinandergehenden volkswirtschaftlichen, finanziellen und tarifpolitischen Interessen zu bieten pflegt. Mit der Zeit stellte es sich aber her- aus, dafi man mit der alten, in ihrer ganzen Anlage auf zum Teile langst iiberholte Produktionsverhaltnisse zuge- schnittenen Giiterklassifikation den fort- schreitenden Anderungen des Giiter- marktes iiberhaupt nicht mehr recht folgen konnte, und dafi, wollte man sich nicht standig mit Flickwerk begnugen, an einen systematischen, auf moderner Grundlage durchzufuhrenden Neuauf- bau der Klassffikation geschritten werden miisse. Die Staatsbahnverwaltung nahm die Sache in die Hand, und unter- stiitzt von den beteiligten Kreisen gelang es, diese Revision, und zwar, wie hier besonders hervorgehoben werden soli, in vollem Einvernehmen mit den berufenen Vertretern der beteiligten Interessenten- gruppen, ins Werk zu setzen. Die ersten sieben Gruppen (Metalle, unedle etc., Eisen und Stahl etc., Mineralien und Steinwaren, Fette und Ole, Papier und Pappe, Holz und Kohle, chemische Hilfsstoffe) sind bereits vollstandig durchgefiihrt, fiir die achte Gruppe (chemische Produkte) liegen die Abanderungsstrange bereits vor, und die neunte Gruppe (Futtermittel) ist ebenfalls schon in Vorbereitung begriffen, so dafi in einem letzten Abschnitte nur noch jene vereinzelten Artikel zu behandeln sein \verden, die sich in obige Gruppen nicht einteilen liefien. Im Jahre 1899 begonnen, wird dieses Werk daher binnen Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 409 kurzem zum vollstandigen erfolgreichen Abschlusse gediehen sein. Eine zweite bedeutsame Aktion bezog sich auf die systematische R e v i- sion der Exporttarife der osterrei- chischen Eisenbahnen. Die wachsende Be- deutung des Aufienhandels und die fort- schreitende Eroffnung fremder Absatz- gebiete fur die heimische Produktion hatten im Vereine mit dem zunehmenden Auftreten fremder' Konkurrenz auf den angestammten Markten des osterreichi- schen Exportes die Notwendigkeit ge- zeitigt, fiir eine entsprechende Ausgestal- tung der Exporttarife auf den osterreichi- schen Eisenbahnen zu sorgen. Uber die erste Frucht dieser Bestrebungen, den neuen kombinierten Bahn- und Schiffahrts- tarif nach der Levante, wird an anderer Stelle gesprochen werden. Damit war es aber nicht getan, es mufite an eine durchgreifende Revision der bis dahin bestandenen Grundlagen fur dieT arifierung der Exportgliter geschritten werden. Das Eisenbahnministerium begegnete in dieser Hinsicht einer willkommenen Anregung des Staatseisenbahnrates, der in seiner Sitzung vom 5 - Juni 1899 den formellen Beschlufi fafite, ein Spezialkomitee zur Vorberatung eines Programmes fur die Ausgestaltung der Exporttarife einzu- setzen. Der Spielraum fiir diese Aktion war zwar von vornherein ein beschrankter, da eine umfassende Neuanlage der Ex- porttarife wohI nur im Zusammenhange mit einer vollstandigen Umarbeitung des Lokaltarifes selbst moglich gewesen ware; fiir eine solche war aber damals die Zeit noch nicht gekommen. Trotzdem ist es, und auch hier wieder in weit- gehendem Einvernehmen mit dem Staats- eisenbahnrat, Industrie- und Landwirt- schaftsrat gelungen, zimachst auf den Staatsbahnen weit iiber den Rahmen des normalen Exporttarifes hinausgehende Ausfuhrbegiinstigungen fiir bestimmte Artikel, zumeist in der Form ermafiigter, von den osterreichischen Produktions- stationen geltender direkter Tarife, fest- zusetzen. Und auch die Privatbahnen sind dem Beispiele der Staatsbahnen gefolgt, indem sie mit wenigen Aus- nahmen die gleichen Zugestandnisse auf ihren Linien einraumten. In der Friih- jahrssession des- Jahres 1902 konnte dem Staatseisenbahnrate iiber die Vollen- dung der beziiglichen Arbeiten Bericht erstattet werden. Damit \var die Tatig- keit der Bahnverwaltungen auf dem Ge- biete der Ausfuhrtarife selbstverstandlich nicht abgeschlossen, sondern es wurde auf der gewonnenen Basis methodisch weiter gearbeitet, und ein Vergleich des heutigen Standes unserer Ausfuhrtarife mit jenem vom Jahre 1902 zeigt neuer- lich mehrfache Fortschritte. Zu den wichtigeren Tarifmafinahmen allgemeiner Natur ist auch jene zu zahlen, die sich die moglichste Uniformierung und Vereinfachung der Lokal- tarife auf den im Eigentum oder Be- triebe des Staates stehenden Lokal- bahnen zum Ziele setzte. Der Erfolg kommt unter anderem auch in der iiber- sichtlichen und kompendiosen Anordnung zum Ausdruck, welche diese Tarife heute im Teil II, Heft 3, des Lokalgiitertarifes der osterreichischen Staatsbahnen zeigen. Speziell hinsichtlich der an Hauptlinien des Staatsbahnnetzes anschliefienden Lo- kalbahnen ist es gelungen, die Tarif- bestimmungen vollstandig einheitlich zu gestalten. Mit i.August 1907 erfuhr der Lokal- tarif der osterreichischen Staatsbahnen durch die Einbeziehuns: der ehemaligen Nordbah n linien eine ansehnliche Erweiterung. Der Tarif dieser Linien wurde hiebei, wie dies tibrigens schon mit Riicksicht auf die allseits verlangte Durchrechnung der Frachtsatze iiber die neu zugewachsenen Linien nicht anders moglich war, dem Lokaltarif fiir die iibrigen Hauptlinien des Staatsbahnnetzes vollstandig gleichgestellt. Die hieraus resultierenden Erhohungen einzelner Frachtsatze hielten sich gegeniiber den gleichzeitig eintretenden Ermafiigungen so ziemlich die Wage; grofiere Ver- schiebungen zeigten sich iibrigens nur vereinzelt, da der Nordbahntarif sowohl in den Klassen- wie in den Ausnahme- tarifen im wesentlichen ohnedies schon dem Lokaltarif der osterreichischen Staats¬ bahnen entsprochen hatte. Anschliefiend an die Darstellung im Aufsatze Pauers iiber die Entwicklung 4io Dr. Franz Ritter v. Schonka der direkten Tarifverbande \vird endlich noch einiges iiber die weiteren Fortschritte auf diesem Gebiete zu sagen sein. Das »Internationale Tarifkomitee«, dem die Pflege und weitere Ausbildung der gemeinsamen Tarifbestimmungen fiir den Verkehr zwischen den osterreichischen und ungarischen Eisenbahnen einerseits und den deutschen, luxemburgischen, bel- gischen und niederlandischen Eisenbahnen anderseits iibertragen ist, setzte unter der tatkraftigen Leitung der Direktion der osterr.-ungar. Staatseisenbahn-Gesell- schaft seine erspriefiliche Tatigkeit fort. Im Jahre 1902 kam es zu einer Revision der Satzungen dieses Verkehres, wobei dieser unter der Bezeichnung »Inter- nationaler Tarifverband« auf eine klarere Grundlage gestellt wurde. In den einzelnen Auslandsverkehren wurden die bestehenden Verbandseinrich- tungen zum Teile nicht unwesentlich er- weitert, so im Verkehre mit Frankreich durch Einfiihrung eines neuen Tarifes mit der franzosischen Nordbahn iiber Belgien, sowie durch Einfiihrung eines neuen Tarifes fiir den osterr,-ungar,-siidfranzo- sischen Giiterverkehr. Im Verkehre mit der Schrveiz ergaben sich infolge der Verstaatlichung \vesentliche Verschiebun- gen unserer kommerziellen Beziehungen zu den neuen Bundesbahnen, die auch zu einer durchgreifenden Umarbeitung der direkten Tarife gefuhrt haben. Die Etablie- rungdes Umschlagverkehres viaLinz hatte die Ausgabe eines eigenen direkten Tarifes fiir diesen Umschlag nach ser- bischen, bulgarischen und rumanischen Donaustationen zur Folge. Schliefilich wurde auch der direkte Verkehr mit Schweden und Norwegen organisiert und zu diesem Zrvecke der sogenannte Nor- disch-deutsch-osterr,-ungar. E i- senbahnverband gebildet. Im Inlandsverkehre ergab sich eine Reihe von Vereinfachungen in den bestehenden Verbiinden, vor allem daraus, dafi man bestrebt war, bei Bedienung des eigenen Verkehres die auslandischen Routen moglichst auszuschalten. So wurde der Bohmisch-Tiroler Verkehr zum grafiten Teile auf die inlandischen Wege verlegt, und der Tarif fiir den bayrisch-osterr. Grenzverkehr konnte nach Einbeziehung der betreffenden Relationen in die be¬ stehenden inlandischen Tarife vollstandig aufgehoben werden. Auch die Verstaat¬ lichung; der Nordbahn ermoglichte eine Reihe von Vereinfachungen, so insbeson- dere eine bedeutende Reduktion des Ost-nordwest-osterr. Verbandes und die I Ausschaltung der ungarischen Routen aus dem Galizisch-Wiener Verkehre. Die bevorstehende Verstaatlichung der nordlichen Privatbahnen wird es ermbgli- chen, auf diesem Wege noch erheblich \veiter zu gehen und die Mehrzahl der bestehenden Inlandsverbande ganzlich aufzulassen. Triest und die neuen Alpenbahnen. Mehr als je ist in den letzten zehn Jahren der Schwerpunkt der osterreichi¬ schen Tarifpolitik im Triester Ver¬ kehre gelegen, und insbesondere im Zusammenhange mit dem grofien Werke des Ausbaues der neuen Alpen¬ bahnen ist hier auf kommerziellem Gebiete eine Reihe von Anderungen zu verzeichnen, die fiir die kiinftige Stellung unseres Reiches als verkehrspolitischer Vormacht an der Adria von entscheiden- der Bedeutung sind. Die von der Regierung seinerzeit bei Herstellung der sogenannten zweiten Eisenbahnverbindung mit Triest iiber Divacca-Herpelje eingeleitete Aktion zur Ansiedelung grofierer industrieller und Handelsunternehmungen auf dem Triester Platze war von Erfolg begleitet gewesen, und langs des Gleisstranges von Triest-St. Andra nach St. Sabba war eine Reihe industrieller Etablissements entstanden, von denen einige einen ganz aufierordentlichen Aufschwung nahmen. Parallel war aber auch von 'der ungari- j schen Regierung fiir die Entwicklung Fiumes als Hafen- und Industriestadt umfassend gesorgt worden, und in regem Wettbewerbe standen sich die beiden Emporien gegeniiber. Als nun die ungarischen Staatseisen- bahnen im Jahre 1899 anlafilich der Erneuerung des Vertrages iiber den Peageverkehr auf der Siidbahnlinie Sis- sek—Agram an die Neuregelung ihrer Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. Verkehrsbeziehungen zur Siidbahngesell- schaft im ungarisch-adriatischen Verkehre schritten, war damit gewissermafien auch die ivichtige Frage der Teilung des Adriaverkehres zwischen Triest und Fiume und die kiinftige tarifarische Behandlung dieser beiden Hafen durch die damals im TriesterVerkehr dominierende Siidbahngesellschaft aufge- rollt. Der iiberaus korrekten und umsich- tigen Haltung, die diese Verwaltung hiebei bekundete, indem sie die in ibrer Hand liegenden wichtigen Interessen des oster- reichischen Verkehres mit ihren Pflichten als gemeinsame Bahn den berechtigten ungarischen Forderungen gegeniiber in Einklang zu bringen wufite, ist es zu danken, dafi diese schwierige Frage mit I. Janner 1900 ohne irgendwie nennenswerte Beeintrachtigung der legi¬ timen Interessen des Triester Platzes im wesentlichen nach dem Grundsatze: der osterreichische Verkehr an Triest, der ungarische an Fiume, gelost werden konnte. Eine zweite um dieselbe Zeit spielende Frage betraf speziell den Levantever- kehr. Der friihere, aus dem Jahre 1892 stammende kombinierte Bahn- und Schiff- fahrtstarif nach Hafen der Levante war bald als revisionsbediirftig erkannt wor- den. Zur Entscheidung drangte die Frage jedoch, als im Jahre 1901 in Deutsch- land ein neuer Levantetarif zur Ausgabe gelangte, der mit weitergehenden Ermafii- gungen fiir den Verkehr liber die deutschen Nordseehafen auch eine betrachtliche Erweiterung des Geltungsgebietes in der Levante selbst brachte. Angesichts der Wichtigkeit dieses Verkehres fiir die osterreichischen Exportinteressen nahm damals das Eisenbahnministerium im Einvernehmen mit dem Handelsministe- rium die vorbereitenden Arbeiten selbst in die Hand; sie ftihrten dank dem weitgehenden Entgegenkommen der be- teiligten Privatbahnen und insbesondere des Osterreichischen Lloyd zu einem vol- len Erfolge. Mit 1. Dezember 1902 wurde der neue Tarif fiir den direkten osterreichischen und ungari¬ schen Levanteverkehr ausgegeben, welcher wesentliche Erweiterungen ge- geniiber dem friiheren Tarife brachte und 411 den ungeteilten Beifall des verfrachten- den Publikums fand. Den Interessen des Zwischenhandels am Triester Platze wurde durch die umfassende Einraumung des Reexpeditionsverfahrens Rechnung getra- gen. Mit 1. September 1905 beziehungs- weise I. Juli 1906 wurde Siiddeutschland und Sachsen in diesen Verkehr einbe- zogen. Inzwischen war aber das Werk heran- gereift, das berufen ist, am tiefsten in die kiinftige Gestaltung der Verkehrs¬ beziehungen Triests einzugreifen, die Sicherstellung der T auernbahn und der Ausbau ihrer siidlichen Fort- setzungslinien zur Adria. Es ist hier nicht der Ort, neuerlich die grofie Bedeutung darzulegen, die diese Bahn- linien im Vereine mit den in Angriff genommenen, grofi angelegten Erwei- terungsbauten im Triester Hafen fiir unseren gesamten iiberseeischen Verkehr und insbesondere fiir Triest selbst ge- winnen miissen; es geniigt daran zu erinnern, dafi das Gesetz vom 6. Juni 1901 die vielumstrittene Frage der Uber- schienung der Tauern und der Kara- wanken in einer Form gelost hat, die in gliicklicher Weise den Vorzug der Schaf- fung einer leistungsfahigen unabhangigen Staatsbahnlinie aus dem Herzen Oster- reichs nach der Adria mit den unabseh- baren Vorteilen verbindet, die, einmal durchgesetzt, die Heranziehung des wich- tigen siiddeutschen Verkehres iiber Triest in erster Linie fiir unseren Hafen, in weiterer Folge aber auch fiir unseren eigenen iiberseeischen Verkehr unfehlbar bringen mufi. Bald nach dem Inkrafttreten des Ge- setzes wurde mit den Vorarbeiten fiir den Eintritt der neuen Linien in das bestehende Verkehrsnetz begonnen. Galt es doch vor allem die vielseitigen Ver¬ kehrsbeziehungen mit der Siid- bahngesellschaft auf der neuerstan- denen Basis zu regeln. Dafi sich die beziiglichen Verhandlungen schwer an- liefien, darf nicht wundernehmen, da ja die Siidbahn, die bis dahin den Triester Verkehr mit Wien und den wichtigen dariiber hinausliegenden Gebieten selb- standig beherrscht hatte, nunmehr einen ansehnlichen Teil dieses Verkehres an 412 Dr. Franz Ritter v. Schonka. die neue Staatsbahnroute abgeben mufite. Schliefilich gelang es jedoch, ein Ab- kommen zu treffen, das der Siidbahn die Opfer nur allmahlich ansteigend aufer- legte und ihr so die Aussicht eroffnete, dafi die Ausfalle durch die natiirliche Verkehrszunahme ausgeglichen werden. In der Tat haben die ersten Jahre der neuen Verkehrsteilung die Berechtigung dieser Annahme dargetan und so wird die Siidbahngesellschaft die groffen Vor- teile, die die Ausgestaltung des Triester Hafens und der zu erwartende allgemeine Aufschwung des Triester Verkehres auch ihren Linien bringen miissen, glattweg zu ihren Gunsten buchen konnen. Von grofier Bedeutung war es, dafi bei den gedachten Verkehrsteilungs- abmachungen auch schon mit der Even- tualitat der Verstaatlichung der grofien nordlichen Privatbahnen ge- rechnet worden war. DieFolge war, dafi es anlafilich der Ubernahme der Nord- bahnlinien in den Staatsbetrieb keiner weiteren Auseinandersetzungen bedurfte, und auch bei Verstaatlichung der iibrigen nordlichen Privatbahnen wird sich der Ubergang hier glatt vollziehen. Die Einbeziehung der neuen Linien in den Lokaltarif der osterreichischen Staatsbahnen ist sukzessive mit dem Zeitpunkt ihrer Eroffnung erfogt, und zwar: Schwarzach- St. Veit—Badgastein am 8. September 1905, Klaus—Spital amPyhrn am 19. No¬ vember 1905, Klagenfurt—Feistritz i. R. am 30. Mai 1906, Afiling—Triest am 23. Juli 1906, Spital am Pyhrn—Selztal am 21. August 1906, Feistritz i. R.— Afiling am 1. Oktober 1906, Villach— Rosenbach am 1. Oktober 1906. Auf allen diesen Linien wurde das Staatsbahnbareme unter uneinge- schrankter Durchrechnung iiber die Hauptlinien eingefiihrt, wodurch sich naturgemafi in den hievon beriihrten Relationen namhafte Tarifverbilligungen ergaben. Auch in den adriatischen V e r- k e hren wurden die Durchfiihrungs- arbeiten derart gefordert, dafi die Hefte 1 und 2 (Verkehr mit Nieder- und Ober- osterreich, Alpenlander und Kiistenland) bereits mit dem Tage der Eroffnung der Wocheinerbahn in Kraft traten, wobei die Einvvirkung der damals noch nicht dem Verkehre iibergebenen Linien ante- zipiert wurde. Mit 1. November 1906 folgte die Ausgabe der neuen Hefte 3 und 4 (Verkehr mit Bohmen, Mahren und Schlesien), denen sich sodann die Tarife fiir den Triester Verkehr mit dem Auslande, zunachst selbstverstandlich noch ohne Einwirkung der Tauernbahn- strecke, anschlossen. Mit der Eroffnung der Wocheiner- bahn war der bis dahin bestandene, durch die neue Verkehrsteilung mit der Siidbahn hinfallig gewordene Pčage- vertrag fur die Strecke Laibach— D i v a c c a aufier Kraft getreten. Der Peagebetrieb auf der Strecke Worgl—- Innsbruck blieb aufrecht, der be- zligliche Vertrag wurde jedoch iiber Wunsch der Siidbahnverwaltung einer Revision unterzogen, bei welcher die Stationen Soll-Leukenthal und W i 1 1 e n, letztere infolge ihrer Ein¬ beziehung in das Stadtgebiet von Inns¬ bruck, aus dem Peageverkehr ausge- schieden wurden, ohne dafi hiedurch jedoch eine Verschlechterung der Tarif- verhaltnisse eingetreten ware. Der neue Pčagevertrag hinsichtlich der Strecke Spital—Villach, dessen Grundziige bereits in einem mit der Siidbahn- verwaltung im Jahre 1898 getroffenen Abkommen festgelegt waren, steht vor seinem Abschlusse. Die Einmiindung der neuen Staats- bahnlinie in Triest hat auch mannigfache Verschiebungen in den Verkehrs- verhaltnissen Triests selbst mit sich gebracht. Der sogenannte K o m- missionsverkehr iiber Divače a wurde, der neuen Situation entsprechend, durch einen solehen iiber O p čin a ersetzt. In Triest wurde die Giiter- expedition mit Riicksicht auf die ge- trennten Anlagen der beiden Bahnhofe neu geregelt, wobei jedoch bis auf weiteres die volle Freiziigigkeit' des Ver¬ kehres in den einzelnen Abfertigungs- stellen, ohne Unterschied der Provenienz oder Destination des Gutes, trotz der den Bahnen hieraus erwachsenden nam- haften Opfer, im bisherigen Umfange aufrecht erhalten wurde. Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 413 Die stetige Steigerung des iiber- seeischen Verkehres hatte schon in den abgelaufenen Jahren zu einer \vieder- holten Ausdehnung des Frei- gebietes gefiihrt. Fiir die Folge ist im Projekte des neuen Hafens am Staats- bahnhofe vorgesorgt und die beziig- liehen Arbeiten sind so weit gefordert, dafi bei der im nachsten Jahre zu er- wartenden Eroffnung der Tauernbahn ein nicht unbetrachtlicher Teil des Freigebiet- verkehres schon im neuen Hafen wird abgewickelt werden konnen. .Die Schwierigkeit und Kostspieligkeit der Beschaffung von Lagerplatzen inTriest haben tibrigens schon heute das Be- durfnis nach einem nahen Sukkursal- hafen gezeitigt, der in Porto-Rosega nachst Monfalcone gefunden zu sein scheint. In engem Zusammenhange mit dem Triester Verkehre steht auch der Verkehr Dalmatiens. Im Juli 1901 gelangten hier die schmalspurigen Linien der s ii d- dalmatinischenStaatsbahnen zur Eroffnung, die den wichtigen Anschlufi an das bosnisch-herzegowinische Bahnnetz iiber Uskoplje einerseits nach Gravosa, anderseits an die Bocche bei Zelenica herstellten. Die neuen Linien werden durch einen regen Holzverkehr aus dem Okkupationsgebiete befruchtet. Das ent- scheidende Wort fiir den Verkehr mit Dalmatien ist aber in jener Verein- barung mit Ungarn gesprochen, die den Bau der normalspurigen V e r- bindungslinie iiber Karlstadt zum Anschlufi an die bestehende Dal- matiner Staatsbahn sicherstellt. Erlangt Dalmatien hiedurch die lange ersehnte direkte Schienenverbindung mit den Stammlandern der Monarcbie, so wird anderseits der gleichfalls schon gesetzlich sichergestellte, in nicht zu ferner Zeit zu erwartende Ausbau der bosnischen Strecke Bugojno -Aržano den An- schluff des bosnisch-herzegowinischen Bahnnetzes an den wichtigsten, von der Natur am meisten bevorzugten Hafen von S p a 1 a t o und damit die Vorbedingung fiir einen lebhaften Auf- schivung des Verkehres Dalmatiens mit seinem machtig aufstrebenden natiirlichen Hinterlande schaffen. Die Handelsvertrage und, der Ausgleich mit Ungarn. Der Notstand unserer politischen Ver- haltnisse hatte es mit sich gebracht, dafi an die Negoziierung und den Abschlufi der wichtigsten neuen Handelsver¬ trage mit auswartigen Staaten geschritten werden mufite, ehe noch unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu Ungarn ihre endgiiltige Neuregelung erfahren hatten. Wie in vielen anderen Belangen machte sich dieser Umstand auch in den Eisenbahnfragen insofern geltend, als die Verhandlungen immer mit dem Blicke auf eventuelle Rtick- \virkungen auf unser kiinftiges Verhaltnis zu Ungarn gefiihrt werden mufiten. Und auch die Tatsache, dafi die eisenbahn- tarifarischen Vereinbarungen zwischen Osterreich und Ungarn im neuen Ver- trage trotz der durchgreifenden An- derungen, die sie hier erfahren haben, doch wieder derivativ auf der Formel des deutschen Handelsvertrages aufge- baut sind, findet darin ihre Erklarung. Im Handels- und Zollvertrage mit dem Deutschen Reiche ist das Grund- prinzip der paritatischen Behand- lung der beiderseitigen Pro- venienzen bei Beforderung auf der gleichen Strecke und in der gleichen Verkehrsrichtung unverandert beibehalten worden. Auch in der bisherigen text- lichen Fassung der Zusatzbestimmung zu Art. 15 des Vertrages, deren Handhabung sich im allgemeinen glatt vollzogen hatte, vermied man es, Anderungen vorzu- nehmen. Dagegen erfuhr die friihere Be- stimmung des Art. 16, derzufolge direkte Tarife im Personen- und Gtiterverkehre zur Einfiihrung gelangen sollen, sobald und insoweit dieselben von b e i d e n Teilen als wimschens\vert bezeichnet werden, eine Korrektur. Diese Be- stimmung liefi namlich die Deutung zu, dafi es bei Antragen auf Herstellung direkter Tarife in das freie Ermessen des anderen Teiles gestellt sei, einem solchen Antrage die Zustimmung zu versagen. Die Erfahrungen, die in diesem Punkte gerade in Fallen gemacht wurden, wo Interessen unseres Exportes auf dem 414 Dr. Franz Ritter v. Schonka. Spiele standen, liefien es geboten er- scheinen, die gedachte Bestimmung etwas strenger zu fassen. Durch Art. i, Ziffer 3, des neuen Vertrages wird nunmehr aus- gesprochen, dafi in solchen Fallen das Vorhandensein des tatsachlichen Bediirf- nisses mafigebend sein soli, wodurch die Erledigung derartiger Fragen auf die allein richtige Basis, das gegebene Ver- kehrsbediirfnis, zuriickgefiihrt erscheint. Ungleich aktueller waren aber jene eisenbahntarifarischen Vereinbarungen mit dem Deutschen Reiche, die aufierhalb des engeren Rahmens des Handelsvertrages zur Losung gewisser konkret aufge- tauchter Fragen gefiihrt haben. Vor allem gilt dies von der Frage der tarifarischen Behandlung des oster - reichischen Petroleums auf den deutschen Staatsbahnlinien. Die Ein- raumung der Frachtsatze des Spezial- tarifes III auf diesen Linien ermoglichte im Zusammenhange mit den weitgehen- den Frachtermafiigungen auf den oster- reichischen Bahnen die Erstellung so billiger direkter Tarife, dafi die Ausfuhr von Produkten unserer Petroleumindustrie nach Deutschland und dartlber hinaus einen lebhaften Aufschwung nehmen konnte. Eine zweite Frage dieser Art betraf die Kampfstellung der beiderseitigen Bahn- verwaltungen in der Behandlung unseres Malzexportes. Sie fiihrte zur Aufhebung der Malzrefaktie auf den osterreichischen Eisenbahnen, wogegen anderseits die Beruhigung gewonnen wurde, dafi die be- ftirchtete Differenzierung der Tarife zwischen Gerste und Malz zu Ungunsten des letzteren Artikels auf den deutschen Linien unterbleibe. Im Vertrage mit It ali en beschrankte man sich darauf, die Bestimmung des friiheren Artikels 24 liber die gleich- artige Behandlung der fremden mit den eigenen Sendungen durch Ubernahme der Formel aus dem deutschen Vertrage zu ersetzen, wodurch einige strittige Fragen, die hinsichtlich der Tarifierung gewisser Artikel auf den italienischen Linien aufgetaucht waren, aus der Welt geschafft wurden. Auch im neuen Vertrage mit Rufi- 1 a n d, dem gegenuber bis dahin auch auf dem Gebiete des Eisenbahnverkehrs nur eine Art Meistbegtinstigung bestanden hatte, wurde die mehrerwahnte Fassung aus dem Handelsvertrage mit dem Deutschen Reiche rezipiert. Zur Sicherung des wichtigen galizischen Transitverkehrs wurde jedoch iiberdies eine Bestimmung in das Schlufiprotokoll aufgenommen, \velche die gleichartige Behandlung des Ver- kehres iiber die osterreichisch-russischen Grenzstationen mit jenem liber die deutsch- russischen Grenzstationen geivahrleistet. Wenn wir nun zu jenen eisenbahn¬ tarifarischen Angelegenheiten iibergehen, die im Rahmen der sogenannten Aus- gleichsvereinbarungen mit Un¬ gar n ihre Regelung fanden, so haben wir uns einerseits mit der Verordnung des Eisenbahnministeriums vom 22. Sep¬ tember 1899, RGB. Nr. 178, und ander¬ seits mit dem neuen Vertrage vom 8. Oktober 1907, betreffend die Regelung der wechselseitigen Handels- und Ver- kehrsbeziehungen zwischen den im Reichsrate vertretenen Konigreichen und Landern und den Landern der heiligen ungarischen Krone zu befassen. Der§ 1 der Verordnung vom Jahre 1899 hatte aus dem Artikel VIII des frtiheren Zoll- und Handelsbtindnisses, mit wenigen, das Wesen nicht beriihrenden Ande- rungen, die Vereinbarungen tibernommen, die sich auf die Aufrechthaltung ge- wisser, den Eisenbahnverkehr in beiden Staatsgebieten betreffender Vorschriften beziehen, deren einheitliche Handhabung im gemeinsamen Verkehrsinter- esse beider Teile gelegen ist. Im Giiterverkehre kommen hiebei haupt- sachlich die Sicherung der obligaten Ein- heitlichkeit des Eisenbahnbetriebs- reglements sowie die Aufrechthaltung und Weiterbildung der durch den gemein¬ samen Tarifteil I geschaffenen Einheit- lichkeit der Tarifbestimmungen und der Gtiterklassifikation in Betracht. Diese Bestimmungen wurden unverandert in den Art. IX des neuen Vertrages iiber- nommen und auch der Fortbestand des provisorischen Ubereinkommens in betreff der Eisenbahnen ddo. Wien 29. Juli 1868, Ofen 21. August 1868, das wichtige Dispositionen liber die Behandlung der gemeinsamen Bahnen enthalt, erscheint hiedurch gesichert. Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 415 Die das Gebiet der eigentlichen Tarifpolitik beriihrenden Bestim- mungen waren im § 2 der Verordnung vom Jahre 1899 enthalten, und sie sind es, die bekanntlich eine der vielum- strittensten Positionen der Ausgleichs- vereinbarungen gebildet haben. Uber das Prinzip der gleichartigen Behandlung der beiderseitigen Transporte im Sinne der Festsetzung des deutschen Handelsvertra- ges herrschte eigentlich kein wesentlicher Dissens, und die betreffende Bestimmung sowie der Passus iiber den Ausschlufi geheimer Tarife sind demnach sowohl im § 2 der Verordnung wie auch spater im Art. X des Vertrages zu finden. Daneben hatte aber der § 2 der Ver¬ ordnung zwei weitere Bestimmungen enthalten, die sich auf den Transitver- kebr der beiderseitigen Staatsbahnen be- zogen und hier ein ganz neues Regime einfiihrten. Vor allem war festgesetzt, dafi die bis zum Jahre 1899 fur den Durch- zugsverkehr des anderen Staatsgebietes eingeraumten ermafiigten Frachtanteile auf die ganze Dauer der Ausedeichsver- einbarungen als Maximalanteile zu gelten haben. Der dieser Vereinbarung augenscheinlich zu Grunde liegende Ge- danke, dafi die beiden Staatsbahnver- waltungen sich im Exportverkehre ge- genseitig zu unterstiitzen haben und dafi daher der wechselseitige Transitverkehr zum mindesten gegen unbegriindete Tariferhohungen geschiitzt werden solle, war an und ftir sich gewifi nicht unberech- tigt. Aber die Ausftihrung, die mit der voll- standigen Bindung der Transittarife auch auf die eigene Tarifpolitik lahmend wirken mufite, war griindlich verfehlt. Der priede war hiedurch vielleicht ge- sichert, aber es war der Friede zvveier Geknebelten. Auch die zweite Bestimmung, be- treffend die Ubertragung der Transit- taxen des auslandischen Durch- zugsverkehres auf die Exportsen- dungen des anderen Staatsgebietes, war der richtigen Erwagung entsprungen, dafi es nicht Aufgabe der beiderseitigen Staatsbahnen sein konne, durch Mafi- nahmen zu Gunsten des Durchzugsver- kehres eines fremden Staates die Export- interessen des verbtindeten Teiles zu be- eintrachtigen. Die Durchfuhrung aber, die die Staatsbahnen zwang, alle Transit- ermafiigungen dieser Art im Einheits- satze wahllos auch dem nach derselben Grenzstation sich bewegenden Verkehre des anderen Teiles einzuraumen, ging auch hier weit iiber den eigentlichen Zweck der Bestimmung hinaus. Dazu kam der Umstand, dafi gerade diese beiden Punkte der Vereinbarung zwar in das Gewand der Reziprozitat gekleidet waren, in Wahrheit jedoch bei- nahe ausschliefilich den ungarischen Interessen dienten, und darin ist auch der Grund gelegen, aus welchem die Aufhebung derselben auf so aufierordent- liche Schwierigkeiten stiefi. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, noch einmal auf die Einzelheiten dieser Be¬ stimmungen und die wenig erfreulichen Folgen, die sie wahrend ihres sieben- jahrigen Bestandes speziell auf oster- reichischer Seite gezeitigt haben, des naheren einzugehen. Der Motivenbericht zur Regierungsvorlage und die eingehende Darstellung des Gegenstandes im Aus- schufiberichte des Abgeordnetenhauses geben hieriiber wertvollen Aufschlufi. Auch das an die Stelle dieser Ver- einbarungen getretene neue Uber- einkommen zwischen den k. k. osterr- reichischen Staatsbahnen und den konig- lichen ungarischen Staatseisenbabnen, betreffend die Grundsatze ftir die Bildung und Verteilung der direkten Tarife im gegenseitigen Transitverkehre nach dem Auslande, dem inzwischen auch die Staatseisenbahn-Gesellschaft mit ihren Strecken von Marchegg und Bruck nach Wien beigetreten ist, hat uns hier im einzelnen nicht zu beschaftigen; denn es enthalt nichts anderes, als die Ver- standiffuns: der am Verkehre langcs der Donauroute beteiligten Bahnen iiber die zur Sicherung ihrer Transporte ge- geniiber der Konkurrenz des Wasser- weges notwendigen Vorkehrungen. Von Interesse ist es jedoch zu konstatieren, dafi sich die Umrechnung der Tarife im Sinne dieses Ubereinkommens auf oster- reichischer Seite glatt vollzogen hat und die neuen Tarifhefte in der Zeit vom 1. Juli bis 1. November 1908 sukzessive zur Ausgabe gelangt sind. Auch die 416 Dr. Franz Ritter v. Schonka. ungarischen Staatseisenbahnen sind daran gegangen, im Zusammenhange mit ge- wissen Erhohungen, die sie im eigenen Verkehre nach den Balkanlandern vor- nehmen wollen, die Transitsatze fiir den osterreichischen und deutschen Durch- lauf zu regulieren. Nach den Bestimmungen des obigen Ubereinkommens ist jedoch bei den \vichtigeren fiir den oster¬ reichischen Export nach dem Balkan in Frage kommenden Artikeln der Spiel- raum fiir eine Tariferhohung zumeist ein so geringer, dafi, abgesehen von den selbstandigen osterreichischen Routen iiber Itzkany, die Donau und insbesondere iiber Triest, eine nennenswerte Belastung unseres Verkehres nicht zu befiirchten ist. Schliefilich enthalt auch das Protokoli ddo. Budapest 8. Oktober 1907, betreffend die projektierten Bahnverbindungen mit Dalmatien und die Ausge- staltung der osterreichischen Strecke der k. k. priv. Kaschau- Oderberger Eisenbahn eine Reihe von ivichtigen das kommerzielle Gebiet beriihrenden Vereiubarungen. Art. II setzt fest, in welcher Weise kiinftig der Verkehr mit Dalmatien beiderseits tarifarisch zu behandeln und wie die Bedienung dieses Verkehres auf den hiefiir in Frage kommenden Routen zu regeln sei. Im Zusammenhange mit der vereinbarten Ausgestaltung des Verkehres auf der Kaschau-Oderberger Eisenbahn setzt ferner Art. VI die Bedingungen fest, unter welchen eine gewisse Quote des Verkehres zivischen Oberschlesien und Ungarn der Staatsbahnroute iiber D z i e- ditz—Di e lit z—Teschen zugewiesen werden soli. Besonders wichtig ist aber die Vereinbarung des Art. VII, in welchem ausgesprochen ist, dafi die Erhohung der Leistungsfahigkeit der Kaschau- Oderberger Eisenbahn nicht zu einer Verschlechterung des gegenwartigen Quotenbesitzstandes der osterreichischen Routen fiihren darf. In Art. VIII endlich ist die Errichtung einer besonderen Betriebsdirektion fiir die oster- reichische Strecke der genannten Bahn mit dem Sitze in Teschen vorgesehen, deren Wirkungskreis sich ivesentlich auch auf das kommerzielle Gebiet er- strecken soli. Tarifmafinahmen fiir bestimmte Artikel. So entscheidend die Losung der in den vorigen Abschnitten erorterten Fra- gen allgemeiner Natur fiir die wirt- schaftliche Entwicklung der Eisenbahnen sein mag, der Kern der kommerziellen Funktion einer Eisenbahn liegt doch in jenen Mafinahmen und Dispositionen, die einerseits auf die Befriedigung der sich aus den wechselnden Produktions- und Absatzverhaltnissen ergebenden konkreten Bediirfnisse des wirtschaft- lichen Lebens, anderseits auf die Er- fassung jener Momente gerichtet sind, die sich auf die Sicherung und Belebung des Verkehres im eigenen okonomischen Inter- esse der Bahn beziehen. Das Bild dieser Tatigkeit setzt sich mosailcartig aus einer Summe von Kleinarbeit zusammen, von ■vvelcher hier selbstverstandlich nur die hervortretenderen Erscheinungen in aller Kiirze festgehalten werden lconnen. Vor allem wird uns der Kohlen- verkehr interessieren, nicht nur des- halb, \veil er an und fiir sich als Grad- messer industrieller und gewerblicher Entwicklung betrachtet werden kann, sondern hauptsachlich mit Riicksicht darauf, dafi auf den osterreichischen Eisenbahnen iiber 40 Prozent der ge- samten beforderten Giitermengen auf Kohlentransporte (Regiekohle nicht mit- gerechnet) entfallen. Der Kohlenverkehr der letzten zehn Jahre zeigt, den wech- selnden Konjunkturen der Produktion und ihres Absatzes entsprechend, eine ganz charakteristische Bewegung, die ins¬ besondere lehrreich bei der Braunkohle (siehe die Tabellen auf Seite 417 und 418) zu Tage tritt. Bis zum Jahre 1899 halt die Zunahme der Produktion gleichmafiig an und auch der Anteil des Exportes an der geforderten Menge zeigt nur geringe Sclrvvankungen; dann aber folgt dasjahr des Kohlenarbeiterstreiks und die Er- zeugung geht auffallend zuriick. DieFolge ist insbesondere eine erhebliche Ein- schrankung der Ausfuhr, die auch nach Wiederkehr geordneter Produktions- verhaltnisse eine Zeitlang anhalt, bis schliefilich die Periode des wirtschaft- lichen Aufschwunges und damit eine Nachvveisung des Bohmischen Braunkohlenverkehres in den Jahren 1896—1907 Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen, 417 27 4x8 Dr. Franz Ritter v. Schonka. Darstellung der Kohlenproduktion im nordwestbahmischen Braunkohlenreviere in den Jahren 1896—1907 und der erzielten Mittelpreise. lebhafte Steigerung des Kohlenverkehres auf allen Gebieten eintritt. Diese verschiedenen Phasen der Konjunktur blieben selbstverstandlich nicht ohne Einflufi auf die Tarife. Der Kohlenmangel und die Steigerung der Kohlenpreise, die im Jahre 1900 infolge des Streiks eingetreten waren und selbst zu dem Rufe nach einem Ausfuhrzoll fiir Braunkohle gefiihrt hatten, veranlafiten die osterreichischen Bahnen, alle fiir den Export der Braunkohle bestehenden Frachterleichterungen zuriickzuziehen. Insbesondere wurde damals die im Ver- kehre mit Deutschland bestehende Kiir- zung der direkten Frachtsatze um eine halbe Manipulationsgebiihr aufgehoben und parallel auch der Elbetarif um 4 h fiir 100 kg erhoht. Ferner wurden zur Steuerung der Kohlennot ansehnliche Frachtnachlasse fiir Kohlenlosche und Staubkohle gewahrt, die jedoch infolge von Unzukommlichkeiten bei Inanspruch- nahme dieser Begiinstigung auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden konnten. Der erwahnte Riickgang des Braun- kohlenexportes in den Jahren nach dem Streik veranlafite die Handels- und Gewerbekammer in Reichenberg, als bevvahrte Hiiterin der Interessen ihres Kammerbezirkes, sich in einer Eingabe an das Eisenbahnministerium zu wenden, in welcher die Einberufung einer Enquete zum Zwecke der Wiedereinfiihrung tarifarischer Erleichterungen fiir die Braunkohlenausfubr beantragt wurde. Diese Enquete hat im April des Jahres 1903 unter grofier Beteiligung statt- gefunden, vvobei man sich iiber die Zvveckmafiigkeit mehrfacher Mafinahmen einigte. Zur Durchfiihrung gelangte jedoch Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen, 419 zunachst nur die Regulierung der Fracht- satze fiir gewisse wichtigere Aufgabs- stationen; die iibrigen Antrage sind spžiter, dank der sich bald darauf zeigen- den erfreulichen Besserung des Kohlen- geschaftes im In- und Auslande, gegen- standslos geworden. In ahnlicher Weise wie fiir Braun- kohle ist auch das Schicksal des mah- risch-schlesischen und ober- schlesischen Kohlenverkehres aus den Tabellen aufSeite 420 bis 422 zu entnehmen. Die beziiglichen tarifarischen Mafinahmen vverden im Zusammenhange mit der Darstellung der Tarifverhaltnisse auf der frtiheren Kaiser Ferdinands-Nord- bahn besprochen werden. Bei dem Artikel H o 1 z gestalteten sich die Verhaltnisse noch bevvegter als beim Kohlenverkehre. Die abge- laufenen Handelsvertrage hatten auf unsere Holzausfuhr sehr verschieden- artig eingewirkt. Wahrend sich der Export von Rohholz speziell nach Deutschland sehr zufriedenstellend ent- wickelte, war tiber unsere Sageindustrie infolge der hohen Spannung zwischen den Zollen auf Rohware und Schnitt- holz eine schwere Zeit gekommen und den osterreichischen Eisenbahnen, voran den Staatsbahnen, fiel die Aufgabe zu, mit ihren Tarifen einzugreifen. In erster Linie war es die galizische Sageindustrie, die auf die Unterstutzung der Bahnen angewiesen war. Hier gelang es mit weitgehenden Tarifopfern der Staatsbahnen, denen sich in anerkennens- werter Weise auch alle beteiligten Privat- bahnen anschlossen, besonders ermžifiigte Satze fiir Schnittholz, zuerst nach Triest und den Vorarlberger Grenzstationen, dann aber auch nach den grofien west- lichen und nordlichen Absatzgebieten in Deutschland zu erstellen, die den Erfolg hatten, dafi sich die Ausfuhr von Schnitt¬ holz aus Galizien und der Bukowina nach dem Westen in hochst erfreulicher Weise entwickelte. Weniger glatt liefi sich die Aktion in den westlichen Produktions- gebieten an. Die an und fiir sich billigen Holztarife der osterreichischen Staats¬ bahnen boten auf den kurzen, hier fiir den Verkehr nach Deutschland in Be- tracht kommenden Strecken wenig Spiel- raum fiir Ermafiigungen. Das Export- komitee des Staatseisenbahnrates hatte daher in seinen Antragen hinsichtlich des Artikels Holz das Verlangen an die Spitze gestellt, dafi wenigstens alle fiir den Rohholzexport bestehenden, die deutsche Konkurrenz begiinstigenden Frachtermafiigungen aufzuheben seien. Die gebotene Riicksichtnahme auf die Interessen unserer Holzproduktion ver- anlafite jedoch das Eisenbahnministerium, in dieser Frage mit grofier Vorsicht vor- zugehen. Die normalen Begiinstigungen fiir die Ausfuhr von Rohholz wurden im vollen Umfange aufrecht erhalten und nur an die Beseitigung der daruber hinausgehenden Erleichterungen, ins- besondere der in den direkten Tarifen bestehenden Ktirzungen, sowie gewisser seinerzeit in Konkurrenz zum Elbeverkehr eingefiihrter Spezialbegiinstigungen ge- schritten. Trotzdem losten diese Mafi- nahmen einen heftigen Widerstand auf Seite der holzproduzierenden Kreise aus und alle land- und forstwirtschaft- lichen Korporationen und Interessen- vertretungen vereinigten sich, um den geplanten Tarifmafinahmen entgegen- zutreten. Das Eisenbahnministerium konnte pflichtgemafi von seinem einmal als richtig erkannten und durch das Gutachten des Staatseisenbahnrates ge- deckten Beschlusse wohl nicht abstehen, kam jedoch den Wiinschen der Produ- zenten durch eine entsprechende Hinaus- schiebung des Einfiihrungstermines der neuen Tarife sowie durch Einraumung gewisser Frachtnachlasse fiir die siid- licheren, den deutschen Markten ferner gelegenen Gebiete entgegen. In der an- lafilich des zehnjahrigen Jubilaums der agrarischen Zentralstelle herausgegebenen Festschrift,*) die in anschaulicher und stil- voll gehaltener Form auch die Ereignisse der osterreichischen Eisenbahntarifpolitik Revue passieren lafit, tont dort, wo von *) Zehn Jahre agrarische Zentralstelle. Festschrift anlafilich des zehnjahrigen Be- standes der osterreichischen Zentralstelle zur Wahrung der land- und forstwirtschaftlichen Interessen beim Abschlusse der Handelsver¬ trage; im Auftrage des Prasidiums verfafit von Ludwig Franki. 27* 420 Dr. Franz Ritter v. Schonka. Nachweisung des Steinkohlenverkehres *) ») Kohle und Koks. Steigerung der Produktion 1907 gegen 1896:49-1%. Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 421 in den Jahren 1896—-1907. **) Kohle u. Koks liber Annaberg—Reichsgrenze—Oderberg nach Oderberg loko und transit Ks.-Od. Bahn nicht inbegnffen. 422 Dr. Franz Ritter v. Schonka. Darstellung der Kohlenproduktion und K o k s- gewinnung im Ostrau-Karwiner Stein- kohlenrevier in den Jahren 1896 bis 1907. den Rohholztarifen die Rede ist, heute noch gedampft der Groll dariiber nach, dafi es damals nicht moglich gewesen ist, samtliche Wiinsche der Forstinter- essenten zu beriicksichtigen. Die in- zwischen gewonnene Erfahrung hat er- freulichertveise gezeigt, dafi sich unsere Holzausfuhr auch weiterhin stetig ent- wickelte und unter den angefochtenen, iibrigens ohnedies unerheblichen Tarif- erhohungen gewifi nicht gelitten hat. Hand in Hand mit diesen Tarifmafi- nahmen ging eine Aktion, \velche auf die Beseitigung der mifibrauchlichen Inanspruchnahmen der fiir Gruben- holz gewahrten Tarifermafiigungen auch fur die Ausfuhr von Sageholz abzielte. Die notwendige Korrektur wurde hier in vollem Einvernehmen mit den Vertretern der landwirtschaftlichen und industriellen Kreise durchgefuhrt. Fur Schleifholz zur Venvendung in heimischen Verarbeitungsstatten, sowie spater auch fiir Aspenholz zur Ver- wendung in heimischen Ziindholzfabriken wurde ein ermafiigtes Bareme eingeftihrt, welches mit seinen Einheitssatzen von 1—50 km 24 h | 51 —150 » 22 » I fiir 100 kg 151—300 » 18 » und 1 km iiber 300 » 16 » J nebst einer Manipulationsgebiihr von 8 Hellern fiir ioo kg den Frachtsatzen des Ausnahmetarifes II ziemlich gleich- kommt. Schliefilich wurden im Jahre 1906 auf Grund von Antragen des Staats- eisenbahnrates nach eingehenden mit den berufenen Vertretern der Interessenten gepflogenen Verhandlungen, ahnlich wie auf den Linien in Galizien und der Bukowina, auch auf dem westlichen Netze ermafiigte Frachtsatze fiir Sendungen von Stammholz nach osterreichischen Holzsagevverken, dann weiter fiir S c h e i t- holz, Kloben- und Kniippelholz, endlich fur Schwarten und S a g e- abfallholz (spater auch Holzbriketts) eingeftihrt, deren Einheitssatze sich \vie folgt stellen: fiir 100 ksr Stammholz von 1 —10 km 10 h 1 » 11—20 » 13 »J » 21 —150 » die um 4 h fiir 100 kg gekiirzten Frachtsatze des Sp. T. 2 laut Gebiihrenb erechnungstabelle. Scheitholz, von 1 — 50 » 51 — 150 » 151—300 iiber 300 Schwarten- briketts von 1—50 » 5I — I50 » 151—300 iiber 300 Kloben- und Kniippelholz km 34 h i fiir 100 kg und 1 km nebst einer Manipulations- gebiihr von 7 h fiir 100 ko - 23 17 16 und Sageabfallholz, Holz- km 24 20 18 16 h 1 fiir ioo kg und » I 1 km nebst einer Manipulations¬ gebiihr von 8 h fiir ioo kg. G e t r e i d e- und In der Gruppe Mahlprodukte blieben die Tarife speziell fiir Getreide im ganzen stationar. Die bestehenden Frachtbe- giinstigungen, insbesondere jene fiir Saatgetreide wurden regelmiifiig er- neuert. Was die Klagen anbelangt, dafi durch die fiir ungarische Produkte und insbesondere fiir den Transit russi- schen und rumanischen Getreides ge- wahrten Frachtnachlasse die oster- Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 423 reichische Ausfuhr beeintrachtigt werde, so sind dieselben seit der Vorlage der neuen Vereinbarungen mit Ungarn und insbesondere seit dem Tage verstummt, an welchem Eisenbahnminister Dr. von Derschatta im Ausgleichsausschusse die Erklarung abgegeben hatte, dafi kiinftig die gleichen Anteile wie fiir Ungarn selbstverstandlich auch fur den gleichartigen osterreichischen Verkehr gelten werden und dafi die fiir den Durchzug russischen und rumanischen Produktes bestehenden ermafiigten Streckensatze nunmehr auch fur die vor- gelegenen galizischen und Bukowinaer Stationen zur Verfiigung stehen sollen. Ungleich lebhafter war die Tatigkeit auf dem Gebiete der Tarife fiir Mahl- produkte. Der Komplex jener Fracht- begiinstigungen, die man unter der Bezeichnung Miihlenrefaktie zu- sammenzufassen pflegt, hat im wesent- lichen eigentlich keine Veranderung er- fahren. Wurde doch im wohlverstandenen Interesse der Miiller selbst an dem Grund- satze festgehalten, dafi in dem Aufbau der Miihlenrefaktie, wie diese aus den Enqueten vom Jahre 1886 und 1893 hervorgfesfancren ist, insolange nichts zu o rr> > o andern sei, als nicht im Wege eines neuerlichen Einvernehmens mit allen beteiligten Interessenten die Basis fiir eine allgemeine Neuregelung der Tarif- verhaltnisse der Osterreichischen Miihlen geschaffen sein werde. Die Mafinahmen beschrankten sich hier sonach auf ver- einzelte Verfiigungen oder Umrechnungen, wie sich solche aus den Verschiebungen in der allgemeinen Tariflage ergaben. Die Beschwerden der osterreichischen Miihlenproduzenten iiber das Eindringen ungarischen Mehls im Streckenzuge iiber Venedig-Ala, sowie auf dem Donau- wege iiber Passau sind behoben und auch die Anomalien, die im Bahnverkehre nach Tirol und Vorarlberg bestanden hatten, sind beseitigt. Es eriibrigt sonach die wichtige Aufgabe, die Miihlenrefaktie selbst den geanderten Bediirfnissen der heutigen Produktionsverhaltnisse anzu- passen; sie soli, nachdem nunmehr durch die fortgesetzte Verstaatlichung der Boden hiefiir geebnet sein wird, auf Grund der mit den Interessenten noch durchzu- fiihrenden Verhandlungen imZuge der be- vorstehenden Tarifreform gelost werden. Die Malzausfuhr hatte sich, unter- stiitzt durch die im Jahre 1897 ein- gefiihrten Tarifbegiinstigungen, nicht unbefriedigend entwickelt. Im Jahre 1902 wurden die Anwendungsbestimmungen der Malzrefaktie verscharft, um eine Ge- wahr zu haben, dafi die von den Bahnen gebrachten weitgehenden Opfer auch wirklich der osterreichischen In¬ dustrie zu gute kommen. Die hiegegen von ungarischer Seite erhobenen Ein- wendungen sind durch die seither er- folgte, bereits oben im Zusammenhange mit dem deutschen Handelsvertrage be- sprochene ganzliche Aufhebung der Malzrefaktie gegenstandslos geworden. Ungezžihlt sind die Tarifmafinahmen, die zu Gunsten der industriellen Produktion getroffen wurden. Am charakteristischesten zeigt sich hiebei die Einwirkung der Tarife bei den fiir die osterreichische Volkswirtschaft so bedeut- samen konsumsteuerpflichtigen Artikel n: Zucker, Spiritus und Petroleum; denn die grofien finan- ziellen Vorteile, die dem Staate aus der Forderung dieser Produktion zufielen, haben die genannten Artikel von An- beginn zum Gegenstande einer \veit- gehenden Fiirsorge auf tarifpolitischem Gebiete gemacht und liefien es erklarlich erscheinen, dafi vor allem die Staats- bahnen kein Opfer scheuen durften, um den Absatz dieser Artikel nach dem Auslande und insbesondere auch nach Ungarn zu heben. Die Folge war, dafi die Tarife fiir Zucker, Spiritus und Pe¬ troleum sowohl im Inlands- als auch im Auslandsverkehre derart herabgesetzt wurden, dafi sie eigentlich ganz aus dem Rahmen eines rationellen Tarif- systems fielen. Fiir den hochwertigen Artikel Zucker wurden Frachtsatze gerechnet, die auch im Inlandsverkehre sich dem Regieeinheitssatze von 2 h per Tonnenkilometer naherten, fiir Spi¬ ritus und fiir Petroleum ging man gar bis auf die Satze des niedrigsten bei den Staatsbahnen bestehenden Aus- nahmetarifes, des A. T. II, herab. Als jedoch auf Grund der kaiserlichen Verordnung vom 21. September 1899,RGB. 424 Dr. Franz Ritter v. Schonka. Nr. 176, mit i.Janner 1900 imVerkehre [ der konsumsteuerpflichtigen Artikel nach und aus Ungam das sogenannte Uber- weisungsverfahren ins Leben trat, war auch das grofie steuerfinanzielle Interesse der Versorgung des ungarischen Marktes mit osterreichischem Produkte in Weg- fall gekommen und damit die Berech- tigung fiir die gedachten weitgehenden Tarifopfer wenigstens im Inlandsverkehre vollstandig geschwunden. Das Eisenbahn- ministerium mufite daher daran gehen, die Lokaltarife fiir die gedachten Artikel entsprechend zu erhohen, wobei auf eine Anderung der fiir die Ausfuhr geltenden Satze ohnedies vorweg verzichtet wurde. Zucker, roh und raffiniert, normal II-II-II beziehungsweise II-A A, hatte friiher in Sendungen zu 5000 kg nach Klasse A—10°/ 0 , in Sendungen zu 10.000 kg nach Klasse B —15% tarifiert. Mit i.Juli 1900 wurde diese Tarifierung fiir 5000 kg auf Klasse A, fiir 10.000 kg auf Klasse A—15 °/ 0 erhoht. Hatte diese Erhohung damals die Zustimmung der Interessenten gefunden, so gaben die durch den Abschlufi der Briisseler Konvention geschaffenen Verhaltnisse denselben doch wieder Anlafi, mit neuen Forderungen hervorzutreten. Eine am 28. und 29. Juli 1903 abgehaltene En- quete fiihrte zu dem Ergebnisse, dafi vor allem fiir Zuckerriiben auf den osterreichischen Staatsbahnen besonders ermafiigte Satze eingefiihrt wurden, die zum Teile selbst unter das Ausmafi des Ausnahmetarifes II heruntergingen. Fiir Riibenschnitte und sonstige A b- falle der Zuckerfabrikation wur- den die Frachtsatze des Ausnahmetarifes II eingeraumt. Endlich wurde die schon friiher bestandene Tarifermafiigung fiir Rohzuckersendungen bei Nachweis des Exportes der Raffinade entsprechend er- weitert und ausgestaltet. Bei dem Artikel Spiritus wurde das komplizierte Gefiige der sogenannten Spiritusrefaktie im allgemeinen un- verandert gelassen und nur das Ausmafi der Frachtbegiinstigungen etwas reduziert. Fiir Petroleum, normal II-A-A, wurden im Verkehre von Galizien die Frachtsatze des Ausnahmetarifes II ein¬ geraumt. Im Verkehre nach dem westlichen Netze ging man sogar noch weiter, indem hier die Frachtsatze des genannten Aus¬ nahmetarifes unter Anstofi der kilometri- schen Langen ab Wien durchgerechnet worden, wobei auch die Nordbahn ihren Anteil auf 2 h per Tonnenkilometer er- mafiigte. Mit 1. Juni 1900 trat auf den Staatsbahnen an Stelle des Ausnahme¬ tarifes II die durchgerechnete Klasse C, auf der Nordbahn an Stelle des ermafiigten Einheitssatzes der normale Ausnahmetarif V c. Mit 1. Janner 1905 wurden die Petroleumtarife neuerlich reguliert, die Durchrechnung der Klasse C wurde be- seitigt und auch eine geringfiigige Er¬ hohung im Verkehre nach Wien vorge- nommen. Der Artikel Petroleum hat auch in jiingster Zeit wieder eine Rolle ge- spielt, als es galt, fiir den bedrohlich wachsenden Uberschufi der Roholproduk- tion in Galizien neue Absatzmoglichkeiten zu schaffen. Im Rahmen dieser Hilfsaktion haben die Staatsbahnen fiir Sendungen von R o h 51 zu Heizzwecken nach westlichen Gebieten die Frachtsatze des Ausnahmetarifes I eingeraumt. Die Fiirsorge der osterreichischen Bahnen fiir die wirtschaftlichen Be- diirfnisse findet ihren besonderen Aus- druck auch in den vielen Notstands- tarifen, die aus den verschiedensten Anlassen in der iiblichen Form einer 5o%ig e n Ermafiigung der normalen Tarife eingeraumt werden. Mangel an Lebensmitteln, Not an Futter- und Streu- mitteln, sind zumeist die Ursachen solcher Notstandsbegiinstigungen; aber auch ein Uberschufi der Produktion hat wiederholt zu Notstandsaktionen gefiihrt, wie zum Beispiel bei den grofien Wind- bruchschaden des Jahres 1902 oder in dem oben angedeuteten Falle der Uber- produktion im galizischen Naphthagebiete. Sehr lehrreich waren die Erfahrungen, die mit jenen Notstandstarifen gemacht wurden, die im Spatherbste des Jahres 1906 angesichts der damals aufgetre- tenen Fleischteuerung zugestanden wurden. Uber einen aus der landwirt- schaftlichen Gruppe des Staatseisenbahn- rates hervorgegangenen Antrag hatten die osterreichischen Staatsbahnen fiir Schlachtvieh und frisches Fleisch Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 425 Tarifermafiigungen bis zu 50°/ 0 der nor¬ malen Frachtsatze eingeraumt und auch die beteiligten Privatbahnen hatten sich dem Vorgehen der Staatsbahnen ange- schlossen und fur die genannten Artikel gleichfalls weitgehende Tarifnachlasse zugestanden. Die gebrachten Opfer blieben damals ganz ohne Erfolg; denn so erheblich die Tarifnachlasse waren, im Preis der . Marktware kamen sie ab- solut nicht zum Ausdruck. Schliefilich mufi jener Anderungen gedacht werden, die in den normalen Tarifen fur Eisen und Eisenwaren auf den osterreichischen Staatsbahnen und in weiterer Folge auch bei einigen Privatbahnen eingetreten sind. Im Zu- sammenhange mit der Einschrankung gevvisser Ausnahmetarife fur Eisen und Eisenwaren auf den koniglich ungarischen Staatsbahnen hatte sich auch die Oster- reichische Staatseisenbahnverwaltung ent- schlossen, die in ihrem Lokaltarife bestehenden, durch die geanderten Ver- haltnisse langst tiberholten Deklassitika- tionen fur die genannten Artikel aufzu- heben. Der Umstand, dafi auf ungarischer Seite die Ermafiigamofen fiir eine Reihe ungarischer Aufgabestationen in Form von Spezialpublikationen doch wieder aufrecht erhalten wurden, veranlafite die osterreichischen Staatsbahnen, auch ihrer- seits die friiheren Begiinstigungen fur den Verkehr nachUngarn wieder einzufiihren. Die endgiiltige Entscheidung der Frage wird wohl erst im Zusammenhange mit der allgemeinen Tarifreform erfolgen konnen. Jedenfalls wird die Ansicht, dafi bei einer allgemeinen Erhohung der Tarife unbedingt alle nicht mehr voll- berechtigten Tarifbegiinstigungen zu fallen haben, kaum einem Einwande begegnen. Die Privatbahnen. Soweit es sich um Fragen all- gemeiner Natur oder um gemeinsame Aktionen der osterreichischen Eisen- bahnen handelte, ist der Mitwirkung der beteiligten Privatbahnen bereits Er- wahnung getan worden. Es eriibrigt nunmehr, noch jene Angelegenheiten kurz zu erortern, die sich im Rahmen des engeren Konzessionsgebietes der betref- fenden Unternehmungen hielten und solcherart die staatliche Eisenbahn- verwaltung nur in ihrer aufsichtsbehord- lichen Funktion beriihrten. Die Uberwachung des kommerziellen Dienstes der Privatbahnen und die Hand- habung der einschlagigen Konzessions- bestimmungen war mit dem Insleben- treten der neuen Organisation von der Generalinspektion der osterreichischen Eisenbahnen, beziehungsweise von der friiheren S.ektion II des Handels- ministeriums auf das Eisenbahnmini- sterium iibergegangen und der damalige Hofrat der * k. k. Generalinspektion Dr. Max Freiherr von B u s c h m a n,*) der als Vorstand des Tarifdepartements des Handelsministeriums und gleichzeitig als Vorstand der Abteilung fiir kommer¬ ziellen Betrieb bei der Generalinspektion die bezeichneten Geschafte gefiihrt hatte, war bei seiner Ubernahme als Ministerial- rat in das Eisenbahnministerium an die *) Dr. Max Freiherr von Buschman wurde nach dreijahriger Verwendung bei der niederdsterreichischen Finanzprokuratur und der Direktion der Staatsschuld in das Handels- ministerium berufen, woselbst er sofort der Eisenbahnsektion zugeteilt wurde. Schon als Ministerialsekretar war er mit der Leitung des Departements fiir Tarifangelegenheiten betraut. Im Dezember 1887 erfolgte seine Ernennung zum Oberinspektor bei der k. k. Generalinspektion der osterreichischen Eisen¬ bahnen. In seiner Eigenschaft als Stellvertreter des Generalinspektors fiir den kommer¬ ziellen Dienst nahm er an allen das Inter¬ nationale Ubereinkommen iiber den Eisen- bahnfrachtverkehr betreffenden Verhandlungen sowie insbesondere an den Revisionskon- ferenzen in Bern und Pariš tatigen Anteil. Anlaftlich der Errichtung des Eisenbahn- ministeriums im Jahre 1896 wurde Freiherr von Buschman, der inzwischen den Rang eines Hofrates erreicht hatte, als Ministerialrat iibernommen und mit der Leitung des De¬ partements fiir Tarifangelegenheiten des in- landischen Giiterverkehres betraut. Im Jahre 1904 erhielt er den Titel und Charakter eines Sektionschefs, in welcher Eigenschaft ihm ein Teil der kommerziellen Departements unter- stellt wurde. Am I. September 1906 trat er nach 39jahriger Dienstzeit in den Ruhestand. Freiherr von Buschman ist der Verfasser meh- rerer die Eisenbahntarife und das Transport- wesen betreffender Fachwerke; auch Mit- arbeiter an dem Werke »Geschichte der Eisen¬ bahnen der bsterr.-ungar. Monarchie«, das ihm den Beitrag iiber die Entwicklung des Eisen- bahntransportrechtes (IV. Band) dankt. 426 Dr. Franz Ritter v. Schonka. Spitze des wichtigen Departements fur Angelegenheiten der inlandischen Giiter- verkehre berufen worden, dem auch die Handhabung der den kommerziellen Dienst der Privatbahnen betreffenden gesetzlichen Bestimmungen zugewiesen war. In erster Linie waren es die Angelegen¬ heiten der Kaiser Ferdinands-No r d- bahn und hier wieder insbesondere die Geltendmachung des Tarifherabsetzungs- rechtes, die Aktualitat gewanjien. Die ge¬ setzlichen Voraussetzungen hiefiir waren wiederholt gegeben und die Regierunghatte in den letzten zehn Jahren ihr Recht auch wiederholt ausgeubt. Schon mit i.Janner 1897 war die Nordbahnverwaltung ver- halten worden, auf ihren Hauptlinien fur die allgemeinen Giiterklassen einschliefi- lich des Ausnahmetarifes fur Kohle ein dem Lokaltarife der Staatsbahnen an- nahernd gleichkommendes Baršme ein- zufiihren. Mit 1. Janner 1898 wurde ihr auch eine Ermafiigung der Frachtsatze fur Kohle aus dem Ostrauer Reviere, die von der Anderung des Jahres 1897 unberiihrt geblieben waren, aufgetragen. Trotzdem waren nach dem Ergebnisse des Jahres 1898 die Voraussetzungen fur eine Tarifherabsetzung neuerlich ein- getreten. Die Folge war, dafi die Nord- bahn mit 1. Juli 1899 ihren Tarif jenem der Staatsbahnen nunmehr vollstandig, insbesondere auch hinsichtlich der Aus- nahmetarife anpafite. Gleichzeitig iiber- nahm sie die Verpfiichtung, fiir Kohle vom Ostrauer Reviere nach Wien transit eineu Tarifnachlafi von 86 h fiir die Tonne zu gewahren, wodurch sich auch eine geringe Verbilligung der Frachtsatze fiir oberschlesische Kohle nach Wien transit ergab. Uberdies mufite die Nordbahn fiir den Kohlenverkehr nach Galizien gewisse erhebliche Tarifnachlasse gewahren, die in ihrem Effekte der Durchrechnung des Aus- nahmetarifs I, fiir weitere Strecken sogar des Ausnahmetarifs II der osterreichischen Staatsbahnen gleichkamen. Als sich im Jahre 1901 im Gegen- satze zu den friiheren Jahren in den Transporteinnahmen ein starker Riickgang zeigte, erhob die Verwaltung der Kaiser Ferdinands-Nordbahn unter Berufung auf § 7, Ziffer 3, des Gesetzes vom 6. Sep¬ tember 1885 den Anspruch, ihr eine ent- sprechende Erhohung des Lokaltarifes zur Einbringunp: des Einnahmenausfalles zu bewilligen. Die Regierung nahm den weitgehenden Forderungen der Gesell- schaft gegenuber eine ablehnende Haltung ein; es kam zur Einberufung des im § 34 der Konzessionsurkunde vorgesehenen Schiedsgerichtes, das sich der Auf- fassung der Regierung anschlofi und den Anspruch der Nordbahn abwies. Die Antrage der Gesellschaft wurden sonach vom Eisenbahnministerium nur insoweit genehmigt, als sie die Erhohung der Tarife fiir Zucker, Spiritus und Sperrgut auf das Ausmafi der betref¬ fenden Normaltarife bei den Staatsbahnen betrafen. War in allen diesen Verftigungen augenscheinlich das Bestreben zu Tage getreten, die Tarife der Nordbahn jenen der Staatsbahnen moglichst gleichzu- stellen, um auf diese Weise den Weg zur seinerzeitigen Einbeziehung der Nord- bahnlinien in den Staatsbahntarif zu ebnen, so wurde durch die der Nordbahn im Jahre 1904 ebenfalls in Ausiibung des Tarifherabsetzungsrechtes aufgetragene vollstandige Durchrechnung des Lokal¬ tarifes der osterreichischen Staatsbahnen im Verkehre mit den Linien des nord- ostlichen Netzes der Verstaatlichung direkt praludiert. Diese Mafinahme trat mit 1. Janner 1905 in Kraft und bald darauf, mit Wirksamkeit vom i.Janner 1906, rvurden denn auch die Nordbahn- linien in das Eigentum des Staates tiber- nommen. Der kommerziellen Entwicklung der Siidbah n gesellschaft ist bereits oben bei Besprechung des Triester Ver- kehres gedacht worden; auf die fiir dieses Unternehmen doppelt wichtige Frage der Tariferhohung soli spater im Zusammenhange mit den gleichen Mafi- nahmen bei den iibrigen osterreichischen Privatbahnen zurtickgekommen werden. Die priv. oster r.,- ungar. Staats- eisenbahn-Gesellschaft zeigte, so bewegt sich im iibrigen ihr Schicksal in den letzten zehn Jahren gestaltete, auf kommerziellem Gebiete eine stetige Ent- wicklung. Von besonderer Bedeutung war es fiir sie, als mit Ende des Jahres 1902 Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 427 die Wirksamkeit des von ihr anlafilich der Verstaatlichung des ungarischen Netzes ab- geschlossenen Ubereinkommens vom 1. Juli 1891 ablief, worin die Bildung und Vertei- lung der Frachtsatze von Wieri St.-E.-G. mit ungarischen Stationen liber Marchegg und Bruck geregelt war. Das Eisenbahn- ministerium trat damals der Erneuerung dieses Ubereinkommens aus dem Grande entgegen, weil den ungarischen Staats- bahnen darin wenigstens mittelbar ein entscheidender Einflufi auch auf die Fest- setzung der osterreichischen Anteile ab Marchegg und Bruck eingeraumt \var. In- folgedessen wurde das "Obereinkommen nicht erneuert und die Bildung und Ver- teilung der betreffenden Frachtsatze ein- fach im Rahmen des osterr.-ungar. Eisen- bahnverbandes nach den allgemeinen Grundsatzen dieses Verbandes geregelt. Fiir die Osterreichische Nord- westbahn war naturgemafi die Ent- wicklung des Elbeverkehrs von hoher Bedeutung. In den letzten zehn Jahren hat sich der Verkehr liber die Elbe- umschlagsplatze, von Kohle abgesehen, um mehr als 4 O °/ 0 gehoben, was um so be- merkensiverter erscheint, als infolge der Kanalisierung der Moldau in der Strecke Prag—Melnik ein nicht unerheblicher Teil des Exportes den Elbeumschlagsplatzen entzogen wurde. Ein hervorragendes Verdienst hat sich die Verwaltung dieser Gesellschaft erworben, als es im Jahre 1904 anlafilich der im Elbeverkehre ein- getretenen Kalamitat galt, durch eisen- bahntarifarische Mafinahmen einzugreifen, um den Verfrachtern die schweren Opfer, die ihnen die langandauernde ganzliche Sistierung des Elbeverkehres auferlegte, zu erleichtern. Wenn sich die beziiglichen Verfii- gungen infolge der ablehnenden Haltung der deutschen Venvaltungen auch nur auf das Gebiet der osterreichischen Bahnen erstreckten, so war damit doch iiber die argsten Schwierigkeiten hiniveggeholfen. Im Verkehre der osterreichischen Staatsbahnen mit der Buschtehrader Eisenbahn sowie mit der A u s s i g- Teplitzer Eisenbahn ergab sich Gelegenheit, gewisse aus fruheren Jahren stammende Vereinbarungen iiber die Kiirzung der Manipulationsgebiihr bei Erstellung direkter Tarife zu revidieren und die darin beiderseits ubernommenen Verpflichtungen genau zu prazisieren. Endlich fuhrten auch die im Jahre 1907 mit der Leoben-Vordernberger Eisenbahn iiber die Austibung des staatlichen Tarifherabsetzungsrechtes ge- pflogenen Verhandlungen zu einem Uber- einkommen, demzufolge die genannte Gesellschaft sich verpflichtete, mit 1. J u 1 i 1907 auf ihrer Linie das allgemeine Ba- reme der Osterreichischen Staatsbahnen, mit Ausschlufi der Ausnahmetarife, jedoch unter Beibehaltung der in einzelnen Klassen bestandenen billigeren Fracht¬ satze einzufiihren. Uberdies raumte die Gesellschaft der Staatsvenvaltung mit Wirksamkeit vom Jahre 1906 das Recht der Gewinnbeteiligung ein. So befriedigend auf der einen Seite, zumal in den letzten Jahren der steigenden Konjunktur, sich die Entwicklung der Einnahmen gestaltete, so \venig er- freulich waren fiir die Gesellschaften die Erfahrungen, die sie auf dem Gebiete der Betriebsauslagen machen mufiten. Insbesondere die grofien Lasten, die ihnen aus den Folgen der passiven Resistenz- bewegung im Personale des exekutiven Dienstes envuchsen, legten im Vereine mit der gleichzeitigen enormen Steigerung der sachlichen Betriebsauslagen den Ver- waltungen gebieterisch die Pflicht auf, fiir eine wenigstens teihveise Deckung der ihnen aufgezwungenen Mehrlasten Vor- sorge zu treffen. Diese Deckung mufite jedoch, da es sich eben darum handelte, das Mifiverhaltnis zwischen Einnahmen und Ausgaben zu beseitigen, vor allem in einer Erhohung der Einnahmen gesucht werden, und so tauchte bei den Verhandlungen, die im Eisenbahnministe- rium mit den Verwaltungen der Privat- bahnen iiber die Verbesserung der ma- teriellen Lage ihres Personals gefiihrt wurden, immer wieder die Frage auf, in welcher Weise durch eine entsprechende Hinaufsetzung der Tarife die Ausfalle we- nigstens teihveise gedecktwerdenkonnten. Das Eisenbahnministerium durfte sich diesen Forderungen gegenuber schon darum nicht grundsatzlich ablehnend ver- halten, weil sich die beziiglichen Antrage beinahe durchwegs im Rahmen der kon- 428 Dr. Franz Ritter v. Schonka. zessionsmafiigen Maximaltarife hielten, und weil es die Regierung unter den gegebenen Verhaltnissen auch nicht als ihre Aufgabe betrachten konnte, den Verwaltungen dort, wo sie pflichtgemafi versuchten, die Einnahmen des Unter- nehmens mit den steigenden Ausgaben in Einklang zu bringen, in den Arm zu fallen. Selbstverstandlich war das Eisen- bahnministerium bemiiht, die nun einmal als unerlafilich erkannten TariferhShungen in solchen Grenzen zu halten, dafi eine empfindliche Beeintrachtigung des Ver- kehres vermieden werde, und die seither gewonnenen Erfahrungen haben erwiesen, dafi diese Bemtihungen ihren Zweck nicht verfehlt haben. Die hieriiber mit den Privatbahnen gepflogenen Verhand- lungen haben iibrigens dem Eisenbahn- ministerium Gelegenheit geboten, sich der Mitwirkung der betreffenden Bahnen in wichtigeren tarifpolitischen Angelegen- heiten zu versichern und auch nach anderer Richtung hin seinen aufsichts- behordlichen Einflufi zu erweitern. Als erste trat, und zwar am I. Ok¬ tober 1907, die Siidbahngesell- s c h a f t mit einer teihveisen Erhohung ihres Lokaltarifes hervor, wobei es sich indessen lediglich um eine Regulierung der Frachtsatze ftir den Eilgut-, den Stiickgut- und den Sammelladungsverkehr sowie fiir Emballagen handelte. Mit 1. Janner 1908 folgte die Regulierung; des Giitertarifes der Eisen- bahn Wien — Aspang, die haupt- sachlich in einer Erhohung der Mani- pulationsgebiihren sowie in der Ein- schrankung oder Beseitigung gewisser ermafiigter Ausnahmetarife, so ftir Sammel- ladungen, Iiolz, Kalk, Getreide, Eisen, Emballagen, bestand. Im Giitertarife der Osterreichi- s c h e n Nordwestbahn und S ii d- Norddeutschen Verbindungs- b a h n traten die Erhohungen mit 1. Fe¬ bruar 1908 in Kraft. Sie betrafen der Hauptsache nach die Frachtsatze der Klassen II und A, dann der Ausnahme¬ tarife fiir Eisen und Stahl, fiir Holz, Zucker, Zuckerriiben und Riibenschnitte. Die Osterr.-ungar. Staatseisen- bahn-Gesellschaft veranstaltete mit 1. Juli 1908 eine neue Ausgabe ihres Lokaltarifes, in welchem die Fracht¬ satze der Sttickgutklasse II eine Erhohung auf das Ausmafi dieses Tarifes bei den osterreichischen Staatsbahnen erfuhren. Dagegen gelangten ahnlich wie bei letzteren generelle Ausnahmetarife fiir Sammelladungen zur Einfiihrung. Zuletzt wurden, und zwar mit Wirk- samkeit vom 1. November 1908 auch der Aussig-Teplitzer Eisen bahn gewisse Erhohunp-en ihres Lokaltarifes bewilligt, die jedoch lediglich die Gleich- stellung der Einheitssatze fiir Eil- und Frachtgiiter, ausschliefilich Kohle, mit jenen der osterreichischen Staatsbahnen betrafen. Die im Bareme der einzelnen Privat¬ bahnen hiedurch eintretenden Anderungen sind aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Die Mehreinnahmen, die den Gesellschaften aus diesen Mafi- nahmen erwachsen, betragen nur einen verhaltnismaCig geringen Bruchteil jener Mehrlasten, die sie durch die Auf- besserung der Beziige ihres Personals auf sich genommen haben. Stationsgebiihr und Tarif reform. Friiher und drangender noch als bei den Privatbahnen hatte sich bei den Staatsbahnen die Notwendigkeit ergeben, nach einer Deckung fiir die sprunghafte Steigerung der Betriebsausgaben zu su- chen, und hier war es auch, wo sich die entscheidende Wendung vorbereitete, die mit dem Abschlusse unserer Periode zur Reofenerierung- des Staatsbahnbetriebes auf wesentlich- erweiterter Grundlage fiihren soli. Im Herbste des Jahres 1905 war Sektionschef L i h a r z i k, ausgezeichnet durch eine in besonders ehrender Form gehaltene Allerhochste Anerkennung, in den Ruhestand getreten, und an seine Stelle wurde der Abgeordnete des Stadte- bezirkes Kolin Dr. Josef Fort be- rufen. Der Name Fort bedeutete damals ein Programm. Als genauer Kenner unserer volks- und staatswirtschaftlichen Verhaltnisse war Dr. Fort ein iiberzeu- gungstreuer Vorkampfer des Grundsatzes, dafi der Staatsbetrieb in seinen Ein¬ nahmen die volle Deckung fiir seine Aus- Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 429 430 Dr. Franz Ritter v. Schonka. gaben finden miisse und dafi es auch volkswirtschaftlich verfehlt sei, zu Gunsten jener, welche die Staatsbahnen beniitzen, Opfer zu bringen, die dann doch auf die Gesamtheit der Steuertrager iiberwalzt werden miissen. In seinem der Herbst- session 1901 des Staatseisenbahnrates vorgelegten Antrage, die bei einfacher Ubertragung des gegenwartigen Staats- bahnbaršmes auf die zu verstaatlichen- den Linien sich ergebenden Ausfalle zu berechnen, ist zum erstenmal ausge- sprochen, dali an die Fortsetzung der Verstaatlichungsaktion nur im Zusammen- hange mit einer durchgreifenden Erhohung des derzeitigen Lokal- tarifes der Staatsbahnen ge- schritten werden konne. Damit war diese Frage in aller Form auf die Tagesordnung gesetzt. Der unmittelbare Anstofi zu praktischen Schritten in dieser Richtung kam aber von anderer Seite. Die im Herbste des Jahres 1905 bei den bsterreichischen Staatsbahnen auf- getretene Erscheinung der p a s s i v e n Resistenz hatte die Regierung be- kanntlich zu dem Entschlusse gefiihrt, die gebotene Reform der dienstlichen Stellung und Entlohnung des Staats- bahnpersonals in beschleunigtem Tempo durchzufiihren. Dies war jedoch nur moglich, wenn es gelang, ftir die schweren, dem Staatsbahnetat hiedurch auferlegten Lasten wenigstens so weit Deckung zu schaffen, dafi das ohnedies schon recht ungiinstige Verhaltnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Staatsbetriebes nicht noch weiter verschlechtert werde. Infolgedessen ent- schlofi sich das Eisenbahnministerium zu einem entscheidenden Schritte und legte dem Staatseisenbahnrate den Plan einer durchgreifenden Erhohung der Manipulationsgebiihren im Lokal- tarife der osterreichischen Staatsbahnen vor. Nach langen eingehenden Ver- handlungen gab der Staatseisenbahnrat in Wiirdigung der Zwangslage, in der sich die Staatsbahnverwaltung befand, seine Zustimmung, forderte jedoch bei Durchfuhrung der Mafinahmen eine Reihe von Erleichterungen. Und so kam es zurEinfiihrungder S t a t i o n s g e b iih r e n, die ein Aquivalent fiir die der Bahn bei der Abfertigung der Sendungen in den Versand- beziehungsweise Bestimmungs- stationen erwachsenden, durch die allge- meine Manipulationsgebiihr und die sonstigen tarifmafiigen Nebengebiihren nicht gedeckten bahnseitigen Leistungen bieten sollen. Die Bemessung der Stationsgebiihren ist aus der unterstehenden Tabelle ersichtlich. Es ist hier vielleicht der Ort, die immer wieder auftauchende Legende zu zerstoren, als hatte das Eisenbahnmini¬ sterium urspriinglich eine formliche Er¬ hohung der Expeditionsgebiihren geplant, liber eine im Abgeordnetenhause be- schlossene Resolution jedoch umgesattelt und lediglich, um diese Resolution zu um- Kommerzieller Betrieb und Tarifwesen. 431 gehen, zur Einfuhrung einer besonderen Nebengebuhr, der Stationsgebiihr, gegrif- fen. Die Mafinahme war, wie aus den dies- falligen Aufierungen der Regierungsver- treter im Staatseisenbahnrate klar hervor- geht, von vornherein in der Form der Einfuhrung einer besonderen Nebengebuhr gedacht, und diese erhielt eben dieBezeich- nung Stationsgebiihr. Dafi diese Losung nur einen Notbehelf bilden solite, um iiber die Zeit bis zur allgemeinen Reform des Gutertarifes der osterreichischen Staats- bahnen hinwegzukommen, ist bei jeder Gelegenheit betont worden. Neben der unleugbaren Erschwernis, die diese Gebiihr ftir den Verkehr mit sich brachte, hat sie aber doch zwei Vorziige besessen; einmal dafi sie die Belastung moglichst breit und gleichmafiig auf die grofie Menge der Transporte verteilte und dafi sie anderseits die Bedeckung dort suchte, \vo der Bedarf aufgetreten war, d. i. in der verteuerten Abfertigung der Trans¬ porte in den Stationen. Wie sehr iibrigens die Staatsbahn- vervvaltung bemuhtwar, den Forderungen des Staatseisenbahnrates nach schonender Handhabung der beziiglichen Bestim- mungen Rechnung zu tragen, beweisen die vielfachen in den Publikationen ent- haltenen Ermafiigungen und vollstandigen Befreiuiigen von der Einhebung der Stationsgebiihr. So ist die Gebiihr er- mafiigt: bei Sendungen von Dtingemitteln, Kohle, Zuckerriiben, Riibenschnitten und anderen; vollstandig befreit sind die Sendungen nach dem Zollauslande, Aus- stellungsgiiter und Ausstellungstiere, Milchsendungen und leere Milchgefafie bei Abfertigung im Eilgutabonnement, uberhaupt die mit Frankierungsmarken abgefertigten Eilgiiter und viele andere. Die Wirkung dieser sukzessive ein- geraumten Erleichterungen zeigt sich auch darin, dafi die Einnahmen aus den Stations- gebiihren trotz der ansehnlichen Verkehrs- zunahme eher eine riicklaufige Tendenz aufweisen. Die Tage der Stationsgebiihr sind iibrigens gezahlt. Denn die a 11 g e m e i n e Reform des Gutertarifes der osterreichischen Staatsbahnen, die inrationellerer Weiseden čkonomischen Bediirfnissen des Staatsbahnbetriebes Rechnung tragen soli, steht vor der Tur. Zwei Momente waren es hauptsachlich, die den Entschlufi, an' eine umfassende Re- vision des Staatsbahnbaremes zu schreiten, reif werden liefien. Vor allem die Tat- sache, dafi neben den personlichen in den letzten Jahren auch die sach- lichen Betriebsauslagen eine der- artige Steigerung erfuhren, dafi nach den vom Eisenbahnminister Dr. v. Derschatta im Budgetausschusse mitgeteilten Ziffern der Mehrbedarf im Jahre 1907 die Mehr- einnahmen schon um rund 12 Millionen Kronen iiberstiegen hat. Wahrend also sonst mit der zunehmenden Verdichtung des Verkehres und der hiedurch er- moglichten besseren Ausniitzung des Betriebsapparates eine Verbesserung des okonomischen Ergebnisses und ins- besondere ein giinstigeres Verhaltnis zwischen Einnahmen und Ausgaben erzielt wird, zeigt sich hier gerade das Gegenteil, die Verkehrssteigerung wirkt p a s s i v. Der Verkehr auf wichtigen Haupt- strecken des Staatsbahnnetzes ist namlich an dem Punkte angelangt, an welchem bei den gegenwartigen Betriebsein- richtungen das M a x i m u m der m o g- lichen Transportleistung so ziemlich erreicht ist, und jede Zunahme im Verkehre bedeutet also die Notwendig- keit einer Erganzung in der bau- und betriebstechnischen Ausrustung derLinien. Es ist klar, dafi der hiefur notwendige Aufwand, seine Verzinsung und Amor- tisation das finanzielle Ergebnis des Staats¬ bahnbetriebes neuerdings ungiinstig be- einflussen mufi. Mit anderen Worten, der normale Weg zur Abschwachung und endlichen Beseitigung des Ertragsdefizits der Staatsbahnen, das ist die Vorsorge fiir eine rationelle Belebung des Verkehres und die Heranziehung neuer Transporte, ist fiir die Staatsbahnverwaltung nicht mehr ohne weiteres gangbar, und so eriibrigt nur, die Sache dort zu korrigieren, wo der Fehler sitzt, in einer Erhohung des unzulanglich gewordenen Preises fiir die auf den Staatsbahnen in Anspruch genommenen Leistungen. Das zweite Moment aber, das ein wesentliches, der Tarifreform entgegen- gestandenes Hindernis beseitigt hat, ist 432 Dr. Franz Ritter v. Schonka. die Losung derVerstaatlichungs- frage. Beide Probleme, Tarifreform und Verstaatlichung, stehen in so engem Zusammenhange, dafi eines durch das andere bedingt ist. Bildet auf der einen Seite die Erhbhung des Tarifniveaus der Staatsbahnen die wichtigste finanzielle Voraussetzung der Fortsetzung der Ver- staatlichungsaktion in grofierem Zuge, so ist auch umgekehrt, solange mit der Einbeziehung grofierer Privatbahnen in das Staatsbahnnetz gerechnet werden mufi, die einseitige Durchftihrung einer Tarifreform bei den Staatsbahnen, die erfahrungs- gemafi zu ihrer vollstandigen Durchfiihrung O o den Zeitraum mehrerer Jahre erfordert, kaum moglich. In diesem Sinne sind die von der Regierung im Staatseisenbahnrate und bei den anderen Anlassen abgegebenen Erklarungen auch immer dahin gegangen, dafi an eine durchgreifende Umarbeitung der Staatsbahntarife nur im Zusammen¬ hange mit der Losung derVerstaatlichungs- frage geschritten werden solle. Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen und so schreitet das Eisenbahnministerium gerade am Ausgange unserer Periode an die grofie Aufgabe, Hand in Hand mit der in Angriff genommenen Reor- ganisation der Staatsbahnver- w a 11 u n g und der Aufnahme einer ratio- nellen weitblickenden Investitionspo- litik durch eine den Bediirfnissen des eigenen Betriebes wie des wirtschaftlichen Lebens gleichmafiig Rechnung tragende Tarifreform auch die Grundlagen fiir eine gesunde okonomische Entwicklung unserer Staatsbahnen zu schaffen. Personentarife Von Theodor Englisch, k. k. Regierungsrat im Eisenbahnministerium. nrffliint Wiitt^-)iiii i Miiii^Mi »(•yrnTtWiii] »«»111 »w»n itoimi^j fH3§CHM110 snn(«)»iiuw»iinwiii[«c«)»iinw»illt(«>»lllK»)»iin(«)»ni»(»)»lli»w>iiiiw»lim«)»iiin*l N ach den bis zum Jahre i898durch- gefiihrten einschneidenden Refor¬ men im Personentarifwesen aufden osterreichischen Bahnen trat kurze Zeit auf diesem Gebiete ein gewisser Still- stand ein, um die Wirkungen des Ge- schaffenen, das nicht allseitig befriedigte und besonders von den Privatbahnen in Hinsicht auf die Verbilligung der Tarife als zu weit gegangen bezeichnet wurde, zu beobachten. Aber schon in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts zeigten sich ernst- liche Bestrebungen, durch geeignete Tarif- mafinahmen bessere Ertragnisse aus dem Personenverkehr zu erzielen. Angesichts der fortschreitenden empfindlichen Steige- rung der personlichen und sachlichen Aus- lagen, insbesondere auch infolge der durch die stetig wachsenden Anforderungen der Reisenden nach grofierer Bequemlichkeit, erhohter Geschwindigkeit und Sicherheit hervorgerufenen Erhohung der Betriebs- kosten, welche den Personenverkehr so ungiinstig beeinflufiten, dafi selbst bei starkerer Frequenz die volle Deckung der Betriebsausgaben aus den Personen- verkehrseinnahmen nicht gefunden werden konnte, drangten die Privatbahnen, die Kaiser Ferdinands-Nordbahn voran, auf entsprechende Erhohung der Personen- tarife. Eine solche wurde auf Grund konzessionsmafiiger Anspriiche letzterer Verwaltung auch ab i. Oktober 1902 in der Weise bewilligt, dafi sie ermachtigt wurde, den Kreuzerzonentarif durch den im Jahre 1895 eingefuhrten Tarif der osterreichischen Staatsbahnen zu ersetzen. Dieser Tarif gelangte dann mit Giiltigkeit vom 1. Janner 1903 auch auf den Linien der Aussig-Teplitzer Bahn (mit Ausnahme der Linie Tiirmitz—Bilin), der Buschte- hrader Eisenbahn und der Bohmischen Nordbahn zur Einfuhrung. Neben den hiedurch eingetretenen Erhohungen der Personentarife trat aber mit 1. Janner 1903 infolge des Fahr- kartensteuer-Gesetzes vom 19.Juli 1902 (RGB. Nr. 153) auch eine allgemeine Erhohung der Eisenbahnfahrpreise in Osterreich ein, so dah mit diesem Tage die Fahrpreise des auf Grund des Ge- setzes vom 16. Juni 1890 eingefuhrten Kreuzerzonentarifes auf allen 8ster- reichischen Bahnen aufier Geltung kamen. Die wesentlichsten Bestimmungen des Fahrkartensteuer-Gesetzes vom 19. Juli 1902, RGB. Nr. 153, sind folgende: § 1. Fiir den Transport von Personen auf Eisenbahnen innerhalb des Ge- bietes der im Reichsrate vertretenen Konigreiche und Lander wird eine besondere Abgabe (Fahrkarten- steuer) eingefuhrt. Dieselbe ist von den gegentiber der Transportanstalt zurZahlung der Transportgebuhren verpflichteten Personen zu ent- richten und betragt, unbeschadet der in den §§ 2 und 3 getroffenen Ausnahmsbestimmung: a) filr Hauptbahnen 12 Prozent, b) fiir Lokalbahnen (Gesetze vom 25. Mai 1880, RGB. Nr. 56, 17. Juni 1887, RGB. Nr. 81, und 31. De- zember 1894, RGB. Nr. 2 ex 1895) 6 Prozent, c) fiir Kleinbahnen (Gesetz vom 31. De- zember 1894, RGB. Nr. 2 ex 1895) 28* 436 Theodor Englisch. 3 Prozent des jerveilig fiir die Be- forderung im Geltungsgebiete des gegenwartigen Gesetzes zur Einhe- bung gelangenden Fahrpreises. § 2. Im Verkehre nach und von den Landern der ungarischen Krone, dann Bosnien und der Herzegowina, sowie iiber diese Landergebiete hin- aus wird die Fahrkartensteuer mit io°/ 0 von jenem Teile des Fahr¬ preises festgesetzt, welcher auf die Beforderung im Geltungsgebiete des gegemvartigen Gesetzes ent- fallt. § 3. Auf Hauptbahnen, deren normaler Tarif fiir die dritte Wagenklasse durchschnittlich um mehr als 2 O°/ 0 hoher ist als der gleiche Tarif der bsterreichischen Staatsbahnen, wird die Steuer fiir diese Wagenklasse mit 9‘5°/ 0 und im Falle des § 2 mit 7 ■ 5 °/ 0 des zur Einhebung ge¬ langenden Fahrpreises festgesetzt. § 9. Von der durch dieses Gesetz auf- erlegten Abgabe sind befreit: a) der Allerhochste Hof, b) Personen, welche unter Anwendung des Militartarifes befordert werden, c) Arbeiter und arbeitsuchende von den hiezu im Verordnungswege be- vollmachtigten offentlichen Stellen- vermittlungen legitimierte Arbeiter, insofern sie mit besonderen, er- mafiigten Fahrkarten befordert werden, in welcher Hinsicht die naheren Bestimmungen, insbeson- dere iiber das Mindestausmafi der die Voraussetzung der Befreiung bildendenF ahrpreisermafiigung dem Verordnungswege vorbehalten wird. § 10. Von der Fahrkartensteuer sind ferner befreit: a) die Personentransporte auf jenen Kleinbahnen, welche den Verkehr in einer Gemeinde und ihrer Um- gebung vermitteln, innerhalb des Weichbildes der Gemeinde und eines Umkreises von 10 km von der Gemeindegrenze aus. Uber- schreiten einzelne Linien einer solchen Kleinbahn diesen Umkreis, so unterliegt der Verkehr auf dem aulSerhalb desselben gelegenen Teile der Bahn der Fahrkartensteuer; b) die Personentransporte auf den den Gegestand der Allerhochsten Kon- zessionsurkunde vom 18. Dezember 1892, RGB. Nr. 230, bildenden Bahnlinien der Wiener Stadtbahn auf die Dauer der im § 2, lit. d, dieser Konzessionsurkunde festge- setzten Steuerbefreiungen. Die gleiche Befreiung gilt fiir direkte Fahrkarten im Ubergangs- verkehre zwischen den den Gegen- stand der bezogenen Konzessions¬ urkunde bildenden und den kiinftig zu konzessionierendenBahnlinien des Wiener Stadtbahnnetzes, sowie den innerhalb des Wiener Stadtgebietes gelegenen Strecken der bestehenden Eisenbahnen. § 11. Die in der Tarifpost 47, lit. e, des Gesetzes vom 13. Dezember 1862, RGB. Nr. 89, festgesetzte Stempel- gebiihr, sowie die nach Artikel V, lit. f, und Artikel XX des Gesetzes vom 31. Dezember 1894, RGB. Nr. 2 ex 1895, an deren Stelle tretende Prozentualgebiihr fiir die Empfangs- und Aufnahmsscheine der Eisenbahnunternehmungen iiber die Ubernahme von Personen zum Transporte (Personenkarten) tritt in Ansehung des im § 1 bezeichneten Verkehres aufier Kraft. In dem im § 2 bezeichneten Verkehre dagegen bleibt obige Stempelgebiihr mit der Anderung aufrecht, dafi dieselbe ohne Be- schrankung auf den in der Tarif¬ post 47, lit. e, des Gesetzes vom 13. Dezember 1862, RGB. Nr. 89, und im § 2 des Gesetzes vom 11. Mai 1871, RGB. Nr. 39, fest- gesetzten Maximalgebiihrenbetrag zu entrichten ist. Desgleichenbleibt diese Stempel- gebiihr mit vorstehender Anderunof hinsichtlich des Personenverkehres mit Dampfschiffen aufrecht. An Stelle der bisherigen*) kilo- metrischen Einheitssatze und Berechnungs- arten der verschiedenen Bahnen gelangten ab 1. Janner 1903 einschliefilich Fahr- *) Siehe Bd. III, S. 161—163. Personentarife. 437 kartensteuer die in den Tabellen Seite 438 bis 446 angefuhrten Einheitssatze sowie die beigefiigten Berechnungsarten zur Einfiih- rung, welche am i.Jamier 1908 noch unver- andert bestanden. Soweit seit dem Jahre 1898 Anderungen bei den osterreichischen Haupt- und Lokalbahnen durch Verstaat- lichungen und Neueroffnungen eingetreten sind, sind diese in den Tabellen beriick- sichtigt. Obwohl in den ersten Jahren nach Einfiihrung der erhohten Tarife und der Fahrkartensteuer die Personenfrequenz etwas stagnierte und speziell in dem fiir Fahrpreisanderungen sehr empfindlichen engeren Lokalverkehre sogar bedeutend zuriickgegangen ist, dieser Verkehr auch bis nun sich nicht entsprechend erholt hat, ist docb im iibrigen eine stetige Steigerung der Personenfrequenz und der Einnahmen aus dem Personenverkehre zu konstatieren und ergeben sich fiir die Jahre 1897 bis 1906 die folgenden Ver- gleichsziffern. Auf den samtlichen osterreichi¬ schen Haupt- und Lokalbahnen betrug die Anzahl der beforderten Personen im Jahre 1897 1901 1906 109,461.273 137,358.029 175,958.009 d. i. 1906 gegen 1897 eine Steigerung um 62 u / 0 . Die Einnahmen aus diesem Verkehre betrugen: 1897 1901 ' 1906 120,610.324 146,957-734 182,185.448 d. i. 1906 gegen 1897 eine Steigerung um 52%.. Auf die k. k. osterreichischen Staats- bahnen entfallen aus den vorgenannten Frequenzen und Einnahmen: Beforderte Personen: 1897 1901 1906 40,723452 49,432.920 58,671.092 d. i. 1906 gegen 1897 mehr 44%. Erzielte Einnahmen Kronen: 1897 1901 1906 50,900.322 61,534.155 74,685.789 d. i. 1906 gegen 1897 mehr 46°/ 0 . An gefahrenen Personenkilo- metern und Einnahmen entfallen fiir 1 km Betriebslange: 438 Theodor Englisch. Personentarife. 439 I I I I M lllll MM MM Ml M III I I- I I I I I MIMI lllll II II I I I i I lllll II II IIIM I I I I I lllll II II 5- I 00 I I I I I 0 Id (D m 1 c2 0 . r k tj rrt U rt o 1 rti w '• bJO G £ rt ^ PQ hp jj S cd r & « & O ^ 73 0) "3 a Cd 4=1 O rt rO }-l rG O o PP ^ I I (D TJ bi) rt =J (D — (V <> ” S S rt ^ c s s b *> rS W Cj 42 4-> Cj > 0 •- Pn o £ P Ph c/2 H 42 42 S3 o o cj cj > N N C/2 S J N 4=< 4J o • — C/3 Oh O S3 0 O 03 <1 CQ Sl §1 šl w N 73 -b 0 O 2 l 42 0) in S 1 .2 N O (D TJ 5 O CQ cq O >73 PQ 44 4G c! cd 5 W 'S O cj cd > J-H £ fe ^5 N *, O O (D s M PQ pq b M ■2 ° M O ■3 I 44 O O Cj ^ £ S 5 rt 5 3 (D CQ>U 0 N bJC :rt N (D 43 S X cj -*-> 73 bJD O N O *% 3 -S :rt 72 cd g" I Cj r-j §■§§1111 rO ^ o o čn fc B "3 .i SoM^I ^ o O | o ^ •a 42 H -B S' _ rg . , .22 M rr-J .J« .£, . °^ba^flLia M > ijn s .. J :cd 42 2* -m ^ « 8 M rf*f I S Mcd-S-a I ; Cd '"n C® Ih J'? 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(D >U h .P4J C/3 0 73 O 73 03 73 ■ p 3 -h Vh * r ~~l ^ 03 a 03 ■ 2 rj -O b £! p, S : Q »h pp 'T' ^ - S Vh _r ^ << _T .' k7>:0 C P _ 73 N I 3 o čl 1 -B 2 P 1 n5žn i S 4 « ' Mfe; « fifl S MS SiJ-RM 15 b I 2 S KO rrt I .-S rt( 2 B 8^jj< ' i „JL«ss s rt ^ O * TJ * o (D £ O >-t r, O Sd B M 1 • ^ W.J2 O 2 N 15 ^ NT -rt 5 »_ rt rt 2 ^ O f 5 — O o pp cd -fi m Ph 03 c ^ hiBTtf _2 } o O cd 9 d) 0^0.^:^ bJD* cd K po ^ in Deutschland nur 20°/ 0 des Jahresarbeitsverdienstes; in derselben Hohe sind auch die Kinderrenten be¬ messen. Die Summe der Witwen- und der Kinderrenten darf hieriands in Deutschland dagegen 60°/ 0 des Arbeits- verdienstes nicht iibersteigen. In Osterreich wird der Bemessung der Rente der voli e Jahresverdienst ein- schliefilich der veranderlichen Beziige (Kilometergelder, Stundengelder u. s. w.) zu Grunde gelegt; in Deutschland dagegen Die WohIfahrtseinrichtungen der Osterreichischen Eisenbahnen. 489 kommt bei der Bemessung der Rente der M. 1500 iibersteigende Betrag des Arbeitsverdienstes nur mit einem Drittel zur Anrechnung. Beim Zusammentreffen von Unfalls- und Invalidenrente gelangen hierlands beide Beziige ungekiirzt zur Auszahlung, so dafi ein Verletzter das Doppelte und sogar das Dreifache seiner letzten standi- gen Aktivitatsbeztige erhalten kann; in Deutschland dagegen findet eine voli- standige Einrechnung der Unfallsrente in die Invalidenrente statt, so dafi der Ver- letzte stets nur eine Rente, und zwar entweder die Unfalls- oder die Invaliden¬ rente, je nachdem die eine oder die andere hoher ist, erhalten kann. Hiebei wirft sich allerdings die Frage auf, ob nicht die ungekiirzte Neben- einanderzahlung von Unfalls- und Inva¬ lidenrente, wie dies hierlands der Fali ist, iiber den Zweck der Versicherung weit hinausgeht. Es ware sehr verlockend, diese Frage hier naher zu erortern, allein der Rahmen dieses Werkes gestattet eine solche Erorterung nicht. Die vorstehenden, das deutsche Ausmafi iiberragenden hierlandischen Fiir- sorgeleistungen, welche naturgemafi den osterreichischen Eisenbahnverwaltungen sehr bedeutende finanzielle Opfer aufer- legen, sind um so beachtenswerter, als ja bekanntermafien die Ertragsfahigkeit der osterreichischen Eisenbahnen keineswegs so gilnstig ist wie jene der deutschen. Von den einzelnen hierlandischen Ftir- sorgeeinrichtungen haben im letzten Jahr- zehnt nebst der noch spater zu bespre- chenden Wobnungsfiirsorge die Inva¬ liden- und Altersfiirsorge die be- deutendste Forderung sowohl extensiv als intensiv erfahren. Extensiv dadurch, daft sowohl der Kreis der Eisenbahn- unternehmungen, die in dieser Richtung fiir ihre Bediensteten vorsorgen, als auch der Kreis der Bediensteten, denen eine solche Fiirsorge zu teil wird, immer umfassender geworden ist — intensiv dadurch, dafi die Leistungen der dieser Fiirsorgetatigkeit gewidmeten Institute sich namhaft gesteigert haben. Vom Jahre 1844, in welchem das erste der- artige Versorgungsinstitut errichtet wurde, bis zum Jahre 1882 wurde von den Bahn- verwaltungen an dem Grundsatze fest- gehalten, die Invaliden- und Altersfur¬ sorge ausschliefilich auf die definitiven Bediensteten zu beschranken; denn die von einigen Bahnverwaltungen, und zwar von der Osterreichischen Staatseisen- bahn-Gesellschaft im Jahre 1860, von der Kaiserin Elisabeth-Bahn im Jahre 1873 und von der Buschtehrader Eisenbahn im Jahre 1874 ins Leben gerufenen In¬ stitute waren nur der Kategorie der stan- digen oder jener der qualifizierten Ar- beiter (Werkstattenarbeiter) zuganglich und trugen iiberdies auch nicht den Charakter von Versorgungsinstituten im eigentlichen Sinne, sondern nur den Cha¬ rakter von Unterstlitzungsinstituten. Diese Verhaltnisse erfuhren erst mit der Auf- nahme der Verstaatlichungsaktion im Jahre 1882 eine grundlegende Anderung. In diesem Jahre wurde von den k. k. osterreichischen Staatsbahnen ein Ver¬ sorgungsinstitut fiir samtliche Arbeiter ohne Unterschied errichtet. Diesem Bei- spiele folgten im Jahre 1896 die Kaschau- Oderberger Eisenbahn, im Jahre 1898 die Osterr.- ungar. Staatseisenbahn - Gesell- schaft und im Jahre 1899 die Aussig- Teplitzer Eisenbahn. Bei den Bahnen niederer Ordnung war bis auf rvenige Ausnahmen fiir die Invaliden- und Altersversorgung der Be¬ diensteten iiberhaupt nicht vorgesorgt. Dieser Fiirsorgemangel machte sich mit der zunehmenden Entwicklung des Lokal- und Kleinbahnwesens immer fiihlbarer, so dafi sich das Eisenbahnministerium schliefilich veranlafit sah, in die Frage des Versorgungswesens bei den Bahnen niederer Ordnung reformatorisch einzu- greifen. Im Jahre 1898 gelang es den Bemiihungen des Eisenbahnministeriums, die Lokal- und Kleinbahnen zur Errich- tung eines gemeinsamen Versorgungs- instituts fiir alle Kategorien von Bedien¬ steten zu veranlassen. Um der Even- tualitat, dafi sich die eine oder die andere Lokal- oder Kleinbahn der Vorsorge fiir ihr Personal dennoch entziehe, vorzu- beugen, wird den Bahnen niederer Ord¬ nung seit dem Jahre 1898 ausnahmslos die konzessionsmafiigeVerpflichtung auferlegt, fiir die Invaliden- und Altersversorgung der Bediensteten und fiir die Versorgung ihrer 49° Dr. Theobald Pollak. Angehorigen Vorsorge zu treffen und zu diesem Zwecke entweder dem Versor- gungsinstitut des Verbandes der oster- reichischen Lokalbahnen beizutreten oder eine eigene Pensionskasse mit mindestens gleichen Begtinstigungen fiir die Mit- glieder und mit mindestens gleichen Verpflichtungen fiir die Korizessionare wie bei dem Versorgungsinstitnte des Lokalbahnverbandes zu errichten. Diese Versorgung ist in der Weise durchzu- fiihren, dafi die Konzessionare oder die an ihre Stelle tretenden Unternehmungen die definitiven Bediensteten mit dem Tage ihrer definitiven Anstellung, von den iibrigen Bedienstetne aber mindestens jene, welche den Dienst als Lokomotiv- fiihrer (Wagenftihrer), Kondukteure, Bahn- meister, Wachter und Stationsdiener ver- sehen, spatestens nach erfolgter Zuriick- legung dreier Dienstjahre bei dem Ver- sorgungsinstitut des Verbandes der osterreichischen Lokalbahnen, oder bei dem eigenen Versorgungsinstitut anzu- melden haben. Welche Bedeutung dieser konzessions- mafiigen Ftirsorgeverpflichtung innervohnt, lafit sich daraus ersehen, dafi die Anzahl der an dem Pensionsinstitute des Ver¬ bandes der Osterreichischen Lokalbahnen beteiligten Lokal- und Kleinbahnen von 14 im Jahre 1898 auf 34 im Jahre 1908 und die Anzahl der bei diesem Pensions- institut angemeldeten Bediensteten von 346 im Jahre 1898 auf 1123 im Jahre 1907 gestiegen ist, sowie dafi bei sechs Lokal- und Kleinbahnen eigene Pensionsinstitute errichtet wurden, die gegenwartig einen Mitgliederstand von 2026 aufweisen. Diese partielle Zwangsversicherung diirfte schon in kiirzester Zeit auf samt- liche Eisenbahnen, somit auch auf jene, welche schon vor dem Jahre 1898 kon- zessioniert worden sind, ausgedehnt werden. Die Ausdehnung wird auf Grund einer Verordnung erfolgen, zu deren Er- lassung das Eisenbahnministerium durch das Gesetz vom 16. Dezember 1906, RGB. Nr. 1 ex 1907, betreffend die Pen- sionsversicherung der in privaten Diensten und einiger in offentlicben Diensten An- gestellten, ermachtigt wurde. Soweit die Intentionen des Eisenbahnministeriums, von welchen es sich bei der in Vorbe- reitung stehenden Verordnung leiten lafit, bekannt sind, werden die bereits beste- henden Versorgungsinstitute unter der Voraussetzung, dafi sie eine den Vor- schriften der Verordnung entsprechende Ausgestaltung erfahren, als Trager der Zwangsversicherung der Eisenbahnange- stellten anerkannt werden-. Im Jahre 1898 bestanden bei den osterreichischen Eisenbahnen 24 Ver¬ sorgungsinstitute mit 82.925 Mitgliedern, von welchen 56.962 definitive und 25.963 Taglohnbedienstete waren. Hievon ent- fielen auf die k. k. Osterreichischen Staats- bahnen 49.804 Bedienstete, wovon 38.693 definitive und 11.111 Taglohnbedienstete waren. Seither vvurden drei von diesen Instituten mit dem Pensionsinstitut fiir Beamte und Unterbeamte der k. k. Oster¬ reichischen Staatsbahnen vereinigt.*) Neu errichtet wurden sieben Ver¬ sorgungsinstitute, so dafi gegemvartig bei den Osterreichischen Eisenbahnen 28 Invaliden- und Altersversorgungs- institute bestehen, denen als Mitglieder 153.926 Bedienstete, und zwar 88.795 definitive und 65.131 nicht definitive (Taglohn-)Bedienstete angehoren. Hievon entfallen auf die bei den k. k. oster¬ reichischen Staatsbahnen bestehenden Versorgungsinstitute 79.280 Bedienstete, wovon 41.403 definitive und 37.877 nicht definitive (Taglohn-)Bedienstete sind. Die Steigerung der Mitgliederzahl betragt daher bei samtlichen Bahnen 85'74°/ 0 . An dieser Steigerung sind die definitiven Bediensteten samtlicher Bahnen mit 55 ' 89 °/o und die Taglohnbediensteten mit i5O'86°/ 0 beteiligt. Bei den k. k. oster¬ reichischen Staatsbahnen betrug die Stei¬ gerung der Mitgliederzahl 59'i8°/o; bei den definitiven Bediensteten betrug sie 7 °/o und bei den Taglohnbedienste- ten 240-95 %. *) Die Ansprilche und Verpflichtungen der Bediensteten, welche friiher dem Pensions- fonds einer Privatbahn angehOrt haben, der in- folge Verstaatlichung oder staatlicher Betriebs- ubernahme mit dem Pensionsinstitut der k. k. Osterreichischen Staatsbahnen vereinigt wurde, richten sich nach den Vereinbarungen, welche bei der Vereinigung der Pensionsfonds ge- troffen worden smd. Bisher wurden 24 Privat- bahnversorgungsinstitute mit dem Pensions¬ institut der k. k. Osterreichischen Staats¬ bahnen vereinigt. Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 491 Ubergehend von der extensiven auf die intensive Entwicklung der Invaliden- und Altersversorgungsinstitute werden zunachst die Versorgungsnormen der k. k. osterreichischen Staatsbahnen in Betracht gezogen. Diese Normen haben im Jahre 1898 folgende Verbesserungen erfahren: 1. Die ftir den Beitritt zu den Insti- tuten frtiher vorgeschrieben gewesene Altersgrenze von 35 Jahren wurde auf das 55. Lebensjahr erstreckt, 2. wurde die Wartezeit von zehn auf ftinf Jahre herabgesetzt, 3. wurde der Grundsatz eingefuhrt, dafi bei Dienstuntauglichkeit eines Be- diensteten, welche die Folge eines bei Ausiibung des Dienstes erlittenen Un- falles ist, das Erfordernis der Wartezeit ausnahmslos entfallt, so dafi ohne Riick- sicht darauf, ob die Unfallsereignung im exekutiven oder in einem anderen Dienste stattfand, ftir den Verletzten subjektiv unabwendba/ war oder nicht, die Pen- sionsberechtigung sofort eintritt. Bis zum Jahre 1898 war die Nachsicht der Warte- zeit an die Voraussetzung gekniipft, dafi die Invaliditat des Verletzten durch ein ohne sein Verschulden stattgehabtes aufier- ordentliches Ereignis im Eisenbahnver- kehre, z. B. Entgleisung, Uberfahremverden durch rollende Wagen u. dgl. herbeigefiihrt wurde, 4. gelangten Mindestpensionen ftir die Bediensteten und deren Witwen zur Ein- fiihrung, indem die Mindestpension ftir einen Beamten mit K 800, ftir die Witwen von Beamten im Jahresgehalte von nicht erreichten, um 25 °/ 0 ihres Aus- mafies erhoht, 5. wurde die Bestimmung, welche den Versorgungsanspruch der Witwe eines Bediensteten, der bei Eingehung der Ehe das 55 - Lebensjahr iiberschritten hatte und mehr als 15 Jahre alter als seine Frau war, an die Voraussetzung kntipfte, dafi der Mann eine besondere Gebiihr (2 °/ 0 des Gehaltes ftir jedes Jahr des Altersunter- schiedes) entrichtet hatte, aufgehoben, so dafi in derartigen Fallen jede beson¬ dere Gebtihrentrichtung zu entfallen und die Witwe eine Pension zu erhalten hat, 6. wurde die Bezugsdauer der Er- ziehungsbeitrage vom 18. auf das 24. Lebensjahr der Waisen erstreckt, 7. wurde an Stelle des friiheren Grundsatzes, dafi strafweise entlassenen Bediensteten ihre Mitgliedsbeitrage nur im Gnadenwege riickerstattet werden dtirfen, der Grundsatz der obligatorischen Rtickerstattung und 8. die Gewahrung von Sterbequar- talen an die Hinterbliebenen pensionierter Bediensteter im Ausmafie des dreifachen Monatsbetrages der Mannes-, beziehungs- weise der Vaterspension eingefuhrt. Im Jahre 1899 erfolgte die Einfiihrung der 1 ^fachen Anrechnung der Dienstzeit des Maschinenpersonals (Lokomotivfiihrer und Lokomotivheizer). Im Jahre 1902 wurden die Ruhe- geniisse der vor dem Jahre 1898 in den Ruhestand getretenen Bediensteten, sowie die Versorgungsgeniisse der Witwen sol- cher Bediensteter auf die vorervvahnten Mindestausmafie erganzt. Im Jahre 1907 wurde die Bemessungs- grundlage der Ruhegentisse durch Ein- beziehung einer 4O°/ 0 igen Quote des ftir Wien festgesetzten Quartiergeldes mit Rtickwirkung auf den 1. Juli 1906 erweitert. Im Jahre 1908 endlich erfuhren die Versorgungsnormen nach drei \veiteren Richtungen wesentliche Verbesserungen, indem a) auch ftir das Zugbegleitungs- personal (Kondukteure, Oberkondukteure) die 1 1 / 2 f ac he Anrechnung der Dienstzeit zur Einfiihrung gelangte; b ) das Ausmafi der ftir \veibliche Bedienstete allgemein mit K 300 festgesetzt gewesenen Mindest- provision riicksichtlich der Bahnoftizian- tinnen auf das ftir Beamte normierte Min- 49 2 Dr. Theobald Pollak. destausmafi von K 800 hinaufgesetzt und c) die Provisionsbemessungsgrundlage fiir Arbeiter von 70 auf 85°/ 0 des Taglohnes erhoht wurde. Die im vorstehenden angefiihrten Re¬ formen haben eine ganz ungewohnlich grofie Steigerung der Beitragsleistung der S t a at s eis enb ahn ver w al t ung zu den Invaliden- und Altersversorgungs- instituten herbeigefiihrt. Sie sind namlich von K 2,926.763 im Jahre 1898 auf K 11,624.700 im Jahre 1907 oder um 297 °/ 0 gestiegen. Was die Privatbahnverwaltungen be- trifft, so haben sie fast ausnahmslos ihre Versorgungsnormen, wie bereits an friihe- rer Stelle erwahnt wurde, mehr oder minder den Normen der Staatseisenbahn- verwaltung angepafit. Die Beitragsleistungen samtlicher Privatbahnverwaltungen haben sich von K 5,660.739 im Jahre 1898 auf K 10,013.974 im Jahre 1907 oder um 76'9°/ 0 erhoht. Die juristische Konstruktion der Insti¬ tute, die als Trager der Invaliden- und Altersversorgung erscheinen, ist sehr ver- schieden. Alle Institute schliefien sich, mit einer einzigen noch spater zu be- zeichnenden Ausnahme, organisch an die Eisenbahnunternehmungen an, fiir deren Bedienstete sie errichtet worden sind. Doch ist der Grad der Verbindung zwi- schen den Versorgungsinstituten und den Eisenbahnunternehmungen sehr verschie- den. Am engsten ist die Verbindung dort, wo dem Versorgungsinstitut gar keine juristische Personlichkeit zukommt, sein Vermogen vielmehr nur ein dem Ver- sorgungszwecke der Bediensteten gewid- metes Vermogen der Eisenbahnunterneh- mung darstellt. In dieser Weise sind die beiden Abteilungen des Pensionsfonds der verstaatlichten Kaiser Ferdinands-Nord- bahn, die zweite Abteilung des Pensions¬ fonds der Bohmischen Nordbahn, der Pensionsfonds der Niederosterreichischen Landesbahnen, der Pensionsfonds der Neutitscheiner Lokalbahnen, der Pensions¬ fonds der Steyrtalbahn, die Pensions- kasse der Kleinbahn Konigshof—Beraun— Koneprus sowie die Pensionskasse fiir die Bediensteten und Arbeiter der stadti- schen Strafienbahnen in Wien organisiert. Auf die Verwaltung dieser Fonds steht den Bediensteten eine Ingerenz nicht zu. Die vorherrschende Organisationsform ist die, dafi das Versorgungsinstitut als juristische Person konstituiert ist und von der Eisenbahnunternehmung und einem ihr zur Seite stehenden mehrgliedrigen Ausschusse vervvaltet wird. Ein Teil der Ausschufimitglieder wird von der Eisen¬ bahnunternehmung ernannt, der andere Teil von den Bediensteten gewahlt. Die Bestellung der Obmanner ist ausnahmslos den Eisenbahnunternehmungen vorbe- halten. Die Befugnisse der einzelnen Fonds- ausschusse sind verschieden; die einen sind lediglich als beratende Organe, die anderen emtweder mit vollkommener oder mit beschrankter Autonomie ausgestattet. Als beratende Organe fungieren die Ausschusse des Pensionsinstituts fiir Beamte und Unterbeamte der k. k. osterreichischen Staatsbahnen, des Provisionsinstituts fiir Diener und Hilfsbedienstete der k. k. osterreichischen Staatsbahnen, des Pensionsinstituts der Osterreichi¬ schen Nordwestbahn, des Pensionsinstituts der Eisenbahn Wien—Aspang, des Pensionsinstituts der Buschtehrader Eisenbahn, des Provisionsinstituts der Buschte¬ hrader Eisenbahn, des Pensionsinstituts der Bohmischen Nordbahn (Abt. I), des Pensionsinstituts der Graz-Kofla- cher Eisenbahn und des Pensionsinstituts der Stauding- Stramberger Lokalbahn. Mit vollkommener Autonomie ausgestattet sind die Ausschusse des Pensionsinstituts fiir Beamte der Stidbahngesellschaft, des Pensionsinstituts fiir Diener der Sudbahngesellschaft, des Pensionsinstituts der Aussig-Tep- litzer Eisenbahn, des Pensionsinstituts fiir Beamte, Unter¬ beamte und Diener der Kaschau-Oder- berger Eisenbahn und des Unterstiitzungsinstituts der Ka- schau-Oderberger Eisenbahn. Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 493 Eine beschrankte Autonomie besitzen die Ausschusse des Pensionsinstituts der Beamten der Osterr,- ungar. Staatseisenbahn - Gesell- schaft, des Provisionsinstituts der Osterr.- ungar. Staatseisenbahn-Gesellschaft. Zu den Belangen, in welchen den letztgenannten Ausschiissen volle Auto¬ nomie eingeraumt ist, gehoren die Ent- scheidungen iiber Zuerkennung der Pensionen und Provisionen an Mitglieder und deren Witwen, der Unterstiitzung an Waisen und die Entscheidung iiber die Verwirkung der Pensions- und Provisionsanspriiche. In allen iibrigen Belangen kommt diesen Ausschtissen ein blofi konsultatives Votum zu. Eine besondere Art der Organi- s at ion besitzen das Pensionsinstitut des Verbandes der osterreichischen Lokal- bahnen und der Pensions- und Provisions- fonds der elektrischenUnternehmungender kgl. Hauptstadt Prag. Die Organe des ersteren Instituts sind: die Generalversammlung der Delegierten des Pensionsinstituts, der Vorstand dieses Instituts und der Ausschufi des Verbandes der osterreichischen Lokalbahnen. Die Generalversammlung besteht aus je einem Delegierten der an dem Pensionsinstitut beteiligten Unternehmungen und je einem Vertreter der bei den einzelnen Unter¬ nehmungen bestehenden Lokalpensions- ausschiisse, welche dazu berufen sind, die ortlichen Geschafte zu besorgen und be- ratend und begutachtend mitzuwirken. Der Vorstand besteht aus sieben Mitglie- dern, wovon sechs Mitglieder in der Generalversammlung, und zwar je drei von den Delegierten der Unternehmung und jenen der Bediensteten, gewahltwer- den. Das siebente Mitglied wird vom Ausschusse des Verbandes der osterreichi¬ schen Lokalbahnen ernannt. Der Generalversammlung sind fol- gende Gegenstande vorbehalten: 1. Die Nachpriifung und Genehmigung der Jahresrechnungen, 2. die Beschluftfassung iiber Abande- rung der Statuten, 3. die Beschlufifassung iiber Auflosung des Pensionsinstituts und 4. die Wahl der sechs Mitglieder des Vorstandes. Der Vorstand fiihrt die Venvaltung und vertritt das Pensionsinstitut nach innen und aufien. Dem Ausschusse des Lokalbahnver- bandes ist insbesondere vorbehalten die Feststellung allgemeiner Verivaltungs- grundsatze, die Feststellung der Verwal- tungskosten, die Bestatigung der Wahl des Vorsitzenden des Vorstandes, die Untersuchung und Entscheidung von Be- schwerden gegen die Geschaftsfuhrung und die Entscheidung iiber Berufungen von Bediensteten oder deren Hinterblie- benen und der beteiligten Unternehmun¬ gen gegen Entscheidungen des Vorstandes. Die Organe des Pensions- und Provi- sionsfonds der elektrischen Unternehmun¬ gen der koniglichen Hauptstadt Prag sind: die Generalversammlung, der Ver- waltungsausschufi und der Aufsichtsaus- schufi. Die Generalversammlung besteht aus den Mitgliedern des Verwaltungs- ausschusses und aus den von den Bedien¬ steten gewahlten Delegierten. Jede Dien- stesabteilung wah.lt einen Delegierten. Der Venvaltungsausschufi besteht aus einem vom Verwaltungsrate der Unter¬ nehmung aus seiner Mitte gewahlten Vorsitzenden und aus zwolf Mitgliedern, von denen die eine Halfte vom Verwal- tungsrate der Unternehmung und die andere Halfte von den Bediensteten ge- wiihlt wird. Der Aufsichtsausschufi besteht aus drei Mitgliedern, von denen ein Mitglied vom Verwaltungsrate der Unter¬ nehmung und zwei von der Generalver¬ sammlung gewahlt werden. Die Befugnisse dieser drei' Fonds- organe sind analog jenen bei den Orga- nen des Pensionsinstituts des Verbandes der osterreichischen Lokalbahnen. Samtliche vorbezeichnete Institute unterstehen der Aufsicht des Eisenbahn- ministeriums. Eine von den bisher besprochenen Organisationsformen vollig verschiedene Organisation besitzt das im Jahre 1899 gegriindete Pensionsinstitut der Grazer Tramwaygesellschaft. Dieses Institut steht namlich in gar keiner organischen Ver- bindung mit der Eisenbahnunternehmung, sondern ist vielmehr als reiner Versiche- 494 Dr. Theobald Pollak. rungsverein im Sinne des kaiserlichen Patentes vom 26. November 1852, RGB. Nr. 253, konstituiert. Vom Standpunkte dieses Gesetzes unterliegt das Pensionsinstitut der Grazer Tramwaygesellschaft auch nicht der Aufsicht des Eisenbahnministeriums, son- dern j en er des Ministeriums des Innern, welches allerdings bei seinen diesen Verein betreffenden Entscheidungen das Einvernehmen mit dem Eisenbahn- ministerium pflegt. Was die Art betrifft, in welcher die Mittel zur Deckung der von den Pensions- instituten zu prastierenden Leistungen aufgebracht werden, so wird ausnahms- los an dem Grundsatze festgehalten, dafi sowohl die Eisenbahnunterneh- mung-en als auch die Bediensteten Beitrage o _ o an die Versorgungsinstitute zu leisten haben. Das prozentuelle Verhaltnis zwischen den Beitragsleistungen der Unternehmungen und jenen der Be- diensteten ist verschieden. Die ersteren bewegen sich zwischen 50 und 200°/ 0 der letzteren. Versicherungstechnische Grund¬ satze gelangen bei derBeitragsfestsetzung, bis auf geringere Ausnahmen, nicht zur Anwendung. Pliedurch entstehen mit der Zeit Gebarungsabgange, welche um so grofier sind, je alter der Fonds ist. Fiir die Deckung der Gebarungs¬ abgange kommen dieEisenbahn- unternehmungen auf. Dies geschieht bei den einzelnen Unternehmungen ent- weder in Form von aufierordentlichen Beitragen in der H 5 he des jeweiligen Gebarungsabganges oder in Form von unverzinslichen, bei Erzielung von Ge- barungsuberschtissen riickzahlbaren Vor- schtissen. Der Vorbehalt des Riick- forderungsrechtes ist aber ein rein for- meller; denn Fonds, bei welchen die Beitragsleistungen sich tief unter dem versicherungstechnischen Niveau halten und, soweit sie von den Bediensteten zu prastieren sind, auch nicht erhoht werden diirfen, konnen Gebarungsiiberschusse niemals erzielen. Auf versicherungstechnischer Grund- lage sind nur folgende Institute er- richtet: 1. der zweite Pensionsfonds der Kaiser Ferdinands-Nordbahn (gegriindet 1893), 2. das zweite Pensionsinstitut der Bohmischen Nordbahn (gegriindet 1905), 3. der Provisionsfonds der Aussig- Teplitzer Eisenbahn, 4. der Pensionsfonds der Stauding- Stramberger Bahn und 5. das Pensionsinstitut des Verbandes der osterreichischen Lokalbahnen. Was die unter 1 und 2 bezeichneten Fonds betrifft, so haften die Unter¬ nehmungen, da die Fonds Bestandteile ihres Vermogens bilden, selbstredend mit ihrem ganzen Vermogen fiir die von den Fonds iibernommenen Verpflichtungen; die volle Haftung fiir die Verpflichtungen der Fonds hat auch die sub 3 genannte Unternehmung iibernommen, obgleich der Fonds mit selbstiindiger juristischer Person- lichkeit ausgestattet ist; die unter 4 und 5 angefiihrten Unternehmungen haben fiir die Deckung etwaiger Gebarungsabgange bei den Fonds aufzukommen. Die Grazer Tramwaygesellschaft, deren Pensionsinstitut nicht nur ver- sicherungstechnisch fundiert, sondern auch als Versicherungsverein im Sinne des kaiserlichen Patentes vom 26. No¬ vember 1852, RGB. Nr. 253, kon¬ stituiert ist, kommt fiir die Deckung etwaiger Gebarungsabgange dieses Ver- eines nicht auf. Der Gesamtbetrag der in den Jahren 1898—1907 entstandenen und von den osterreichischen Eisenbahnen gedeckten Gebarungsabgange belief sich auf K 84,244.050; hievon entfallen auf die Versorgungsfonds der k. k. oster¬ reichischen Staatsbahnen allein K 39,774-539- Nunmehr eriibrigt noch, den Rechts- mitteln, welche den Bediensteten zur Durchsetzung ihrer gegen die Fonds er- hobenen, von diesen jedoch nicht aner- kannten Anspriiche zustehen, eine kurze Besprechung zu widmen. Die einzelnen Fondsstatuten lassen in dieser Beziehung folgendes Prinzip er- kennen: Bei jenen Fonds, die iiberhaupt keine selbstandigen Rechtssubjekte sind, und ebenso bei soleh en Fonds, welche zwar mit juristischer Personlichkeit ausgestattet sind, jedoch von den Eisenbahnunter- nehmungen, wenn auch unter Mitwirkung Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 495 eines ihr zur Seite stehenden, blofi als beratendes Organ fungierenden Aus- schusses venvaltet werden, kommt die Entscheidung iiber strittige Ansprtiche der Bediensteten prinzipiell den ordent- lichen Gerichten zu. Bei jenen P'onds dagegen, welche von einem autonomen Ausschusse ver- waltet vverden, lafit sich der Grundsatz verfolgen, dafi die Austragung strittiger Anspriiche derBediensteten einem Schieds- gerichte vorbehalten ist, welches inner- halb der durch die bestehenden Gesetze, insbesondere durch die Zivilprozefi- ordnung vom i. August 1895, RGB. Nr. 113, gezogenen Grenzen entscheidet. Allerdings kommt dieses Prinzip nicht ausnahmslos zur Geltung, denn von den durch nicht autonome Ausschusse ver- walteten Fonds besitzen das Pensions- institut der Buschtehrader Eisenbahn und jenes der Graz-Kofiacher Eisenbahn ein Schiedsgericht; wahrend von den durch autonome Ausschusse verwalteten Fonds das Provisionsinstitut der Osterr.- ungar. Staatseisenbahn-Gesellschaft, das Unterstiitzungsinstitut der Kaschau-Oder- berger Eisenbahn und das Pensionsinstitut des Verbandes der osterreichischen Lokal- bahnen kein Schiedsgericht haben. Bei einigen Privatbahnfonds ist zwar den Bediensteten auch ein statutenmafiiges Beschwerderecht an das Eisenbahn- ministerium eingeraumt. Die von diesem Ministerium iiber solche Beschrverden getroffenen Entscheidungen sind jedoch, soweit hiebei zivilrechtliche Anspriiche der Bediensteten in Frage kommen, weder fiir die beschwerdefiihrenden Be¬ diensteten noch fiir den Fonds, gegen welchen die Beschwerde gerichtet ist, bindend, so dafi den Bediensteten die endgiiltige Austragung solcher Rechts- streitigkeiten vor dem zustandigen Ge- richte unbenommen bleibt. Ein Beschwerderecht der Bediensteten an das Eisenbahnministerium ist ferner auch in den Versorgungsstatuten der k. k. osterreichischen Staatsbahnen vorgesehen. Dieses Beschwerderecht entspricht aber nur der Funktion des Eisenbahnministeriums als oberster Ver- waltungsstelle der Versorgungsfonds der k. k. osterreichischen Staatsbahnen, ohne dafi hiedurch der ordentliche Rechtsiveg abgeschnitten wiirde. Zur Beurteilung der finanziellen Ge- barung der Invaliden- und Alters- versorgungsfonds der osterreichischen Eisenbahnen und deren Leistungen seit 1898 bis 1907 mogen nachstehende Haupt- ziffern der Rechnungsergebnisse dienen: Der Vermogensstand samtlicher Ver¬ sorgungsfonds betrug im Jahre 1898 K 102,728.833, ivoran die Versor¬ gungsfonds der k. k. oster¬ reichischen Staatsbahnen mit K 42,873.927 partizipierten. Im Jahre 1907 wiesen samtliche Versorgungsfonds einen Vermogensstand von K 156,738.838 aus, \vovon auf die Versorgungsfonds der k. k. osterreichischen Staatsbahnen K 94,854.185 entfallen. Die Steigerung der Fondsvermogen bei samtlichen Eisenbahnen betragt somit 5 2 ' 57 °/ 0 , die Steigerung der Fondsver- mogen bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen allein i2i'24°/ 0 . An Ruhe- und Versorgungsgeniissen wurde im letzten Dezennium von den Fonds der osterreichischen Eisenbahnen ein Gesamtbetrag von K 220,536.763, von den Fonds der k. k. oster- reichischen Staatsbahnen allein ein Gesamtbetrag von K 95,397.385 verausgabt. Die Ubersicht auf S. 496 veran- schaulicht die Hohe der Gebarungs- abgange*) zu Ende der Jahre 1898 und 1907 sowie deren Verteilung auf die einzelnen Bahnverwaltungen: *) Bei 16 Fonds war kein Gebarungs- abgang vorhanden. Diese Erscheinung tindet ihre Erklarung darili, dafi bei einigen dieser Fonds das Griindungsjahr noch nicht weit zurilckliegt und bei den anderen die Einrich- tung versicherungstechnischer Natur ist. Zu diesen Fonds gehoren: das Provisionsinstitut der Buschtehrader Eisenbahn (gegr. 1874), der Pensionsfonds derNeutitscheiner Lokalbahnen (gegr. 1881), das Provisionsinstitut fiir Diener und Hilfsbedienstete der k. k. osterreichischen Staatsbahnen (gegr. 1882), das Pensionsinstitut fiir Beamte und Diener der k. k. priv. Eisenbahn Wien—Aspang (gegr. 1885), der Pensionsfonds der Steyrtalbahn (gegr. 1891), der Pensions¬ fonds der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, Abt. B (gegr. 1893), das Unterstiitzungsinstitut der Ivaschau-Oderberger Eisenbahn (gegr. 1897), das Pensionsinstitut des Verbandes der oster- 49 6 Dr. Theobald Pollak. Gebarungsabgang: 1. Bei dem Pensionsfonds der Kaiser Ferdinands- Nordbahn (Abteilung A, gegr. 1844/1873) 2. Bei dem Pensionsinstitut fiir Beamte und Diener der a. priv. Buschtehrader Eisenbahn (gegr. 1855)... 3. Bei dem Pensionsinstitut der Osterr.-ung. Staatseisenbahn-Gesellschaft (gegr. 1856) 4. Bei dem Pensionsinstitut der k. k. priv. Aussig-Teplitzer Eisenbahn (gegr. 1858) . 5. Bei dem Provisionsinstitut der Ost.-ung.Staats- eisenbahn-Gesellschaft (gegr. 1860) . . . 6. Bei dem Pensionsinstitut fiir Beamte der k. k. priv. Siidbahngesellschaft (gegr. 1861) 7. Bei dem Pensionsinstitut der Graz-Koflacher Bahn (gegr. 1862). 8. Bei dem Pensionsinstitut der k. k. priv. Bohmischen Nordbahn (Abt. I, gegr. 1866) 9. Bei dem Pensionsinstitut der k. k. priv. Siid- bahngesellschaft fiir Diener (gegr. 1867) 10. Bei dem Pensionsinstitut der Osterr. Nord- west- und der Siid-Norddeutschen Verbin- dungsbahn (gegr. 1870) . 11. Bei dem Pensionsinstitut der Kaschau-Oder- berger Eisenbahn (gegr. 1870/1876) . . . 12. Bei dem Pensionsinstitut*) fiir Beamte und Unterbeamte der k. k. osterreichischen Staatsbahnen (gegr. 1882) .. imjahre 1898 von K 986.112 » » 400.000 » » 657.965 » » . » » - . » » 494.900 » » 49 .5 92 » » 7.416 » » 356.660 » » 158.645 » » i,559-83i im Jahre 1907 auf K 1,456.171 » » 733-112 » » 1,136.521 » » 167.929 » » 40.430 » » 963.726 » » 162.829 » » 462.359 » » 1,273.106 » » 561.342 > » 78.778 » » 6,607.792 Werden zu den im letzten Jahrzehnt von den Eisenbahnunternehmungen ge- deckten Gebarungsabgangen noch die von ihnen in demselben Zeitraume gelei- steten ordentlichen Fondsbeitrage, u. zw.: K 20,599.710 von den k. k. osterreichischen Staatsbahnen und K 36,152.081 von den Privatbahnenhinzugerechnet, so ergibtsich eine Gesamtleistung von K 140 , 995 . 84 - 1 , an welcher die k. k. osterreichischen reichischen Lokalbahnen (gegr. 1898), das Pen¬ sionsinstitut der Stauding-Stramberger Lokal- bahn (gegr. 1898), der Provisionsfonds der Be- diensteten der k. k. priv. Aussig-Teplitzer Eisen¬ bahn (gegr. 1899), der Pensionsfonds der Nieder- osterreichischen Landesbahnen (gegr. 1900), der Pensions- und Provisionsfonds der elektrischen Unternebmungen der konigl. Plauptstadt Prag (gegr. 1900), das Pensionsinstitut der Grazer Tramwaygesellschaft (gegr. 1900), die Pensions- kasse fiir Bedienstete und Arbeiter der stadt. Strafienbahnen in Wien (gegr. 1904), der Pen¬ sionsfonds der Kleinbahn Konigshof—Beraun— Koneprus (gegr. 1904) und das Pensionsinstitut der' k. k. priv. Bohmischen Nordbahn (Abt. II, gegr. 1905). Staatsbahnen mit K 60,374.249, die osterreichischen Privatbahnen mit K 80,621.592 partizipieren. Gegeniiber der Tatsache, dafi die Ver- pflichtungen der Invaliden- und Alters- *) Mit dem Pensionsinstitut fiir Beamte und Unterbeamte der k. k. Ssterr. Staatsbahnen sind folgende 24 Fonds vereinigt: Kaiserin Elisabeth-Bahn,Kronprinz Rudolf-Bahn,Vorarl- berger Bahn, NiederOsterr. Staatsbahnen, Istria- ner Staatsbahn (seit 1. Juli 1882); Rakonitz- Protiviner Staatsbahn (seit I. Janner 1884), Dalmatiner Staatsbahn (seit 1. April 1883), Kaiser Franz Josef-Bahn, Eisenbahn Pilsen— Priesen (Komotau) (seit I. Juli 1884), Dniester- bahn, Tarn6w-LeIuchower Staatsbahn, Erz- herzog Albrecht-Bahn, Mahr. Grenzbahn (seit 1. August 1884),Ungar. Westbahn (seit I. Janner 1890), Lemberg—Czernowitz — Jassy-Eisenbahn (seit 30. November 18951, Prag-Duxer Eisen¬ bahn, Dux-Bodenbacher Eisenbahn (seit 31. Juli 1893), Erste ungar.-galiz. Eisenbahn, galiz. Karl Ludwig-Bahn (seit 31. Dezember 1892), Mahr.-schles. Zentralbahn, Bohm. Westbahn (seit 30.Juni 1895), Bozen-Meraner Bahn (seit I. Juli 1906), Kremstalbahn und Miihlkreis- bahn (seit I Mai 1908). Die Wohlfahrtseinrichtimgen der osterreichischen Eisenbahnen. 497 versorgungsinstitute nur dadurch erfullt werden konnen, dafi die Bahnunterneh- mungen Zuschiisse in so enormer Hohe zur Deckung der Gebarungsabgange leisten, verliert die in gewissen Kreisen beharrlich vertretene und propagierte An- schauung, als ob das Erfordernis fiir die Ruhe- und Versorgungsgeniisse im Wege der Selbstversicherung der Bediensteten aufgebracht wiirde, jedwede Grundlage. Krankenversicherung - . Die osterreichischen Eisenbahnen be- wirken die Krankenversicherung ihres Personals in der fast ausnahmslosen Regel durch die auf Grand des Gesetzes vom 30. Marž 1888, RGB. Nr. 33, errichteten Betriebskrankenkassen; nur jene Bahn- verwaltungen, deren Personalstand ein sehr geringer ist, versichern ihre Bedien¬ steten bei den Bezirkskrankenkassen. Die Eisenbahn-Betriebskranken- kas s en gewahren ihren Mitgliedern nahezu ohne Ausnahme \veit hohere Unterstiitzun- gen als die Bezirkskrankenkassen. Die Be- strebungen der Arbeiter, welche auf eine Reform der Krankenversicherung abzielen, richten sich auch nicht so sehr gegen die Betriebskrankenkassen der Eisenbahnen, als gegen die Bezirkskrankenkassen und die Betriebskrankenkassen von Industrial- unternehmungen. Dies geht sowohl aus den Ergebnissen der Enquete, welche im Jahre 1897 aus Anlafi der angestrebten Reform der Krankenversicherung stattfand, als auch aus den Beschlussen des Arbeitsbeirates hinsichtlich der in Vorbereitung stehenden Ausgestaltung der Arbeiterversicherung hervor. Die Enqueteteilnehmer verlang- ten insbesondere eine Erweiterung der Kassenleistungen in dem Sinne, dafi die Unterstiitzungsdauer iiber die gesetzliche Zeit von 20 Wochen bis zu 52 Wochen erstreckt werde, das mit dem Ausmafie von 60 % des Taglohnes festgesetzte Krankengeld eine Erhohung bis zum ge- setzlich zulassigen Maximum von 75 % erfahre, eine Erhohung der Beerdigungs- kosten auf das 5ofache Krankengeld und eine Erweiterung der Unterstiitzungs- dauer fiir Wochnerinnen von 4 auf 6 Wochen eintrete. Was die Stellung- nahme der Eisenbahnkrankenkassen zu den in der Enquete geforderten Begiinstigun- gen betrifft, so haben schon vor langerer Zeit nicht nur diese, sondern sogar noch viel weitergehende Begiinstigungen in die Kassenstatuten der k. k. osterreichischen Staatsbahnen und spiiter auch in jene der meisten Privatbahnen Eingang gefunden. In der weitaus tiberwiegenden Mehrzahl der Statuten der Krankenkassen ist fiir das Krankengeld eine Bezugsdauer bis zu 52 Wochen vorgesehen; enverbslose Mitglieder, welchen nach dem Gesetze das Krankengeld und die sonstigen Kassen¬ leistungen fiir die Dauer von sechs Wo- chen gebiihren, behalten ihre Anspriiche an die Eisenbahnkrankenkassen fiir die Dauer von 20 Wochen; nach den meisten Statuten der Kassen betragt das Krankengeld 70% und nach einigen unter gewissen Voraussetzungen sogar 75% des Taglohnes; auch die H 5 he des Beerdi- gungskostenbeitrages iibersteigt in der Regel bei weitem das im Gesetze nor- mierte Minimum; bei der Krankenkasse der k. k. osterreichischen Staatsbahnen werden die Wochnerinnen durch 2oWochen unterstiitzt und erhalten iiberdies noch einen Entbindungskostenb eitrag. Auch sonst gewahrt die Kranken¬ kasse der k. k. osterreichischen Staats¬ bahnen und ebenso auch einige Privatbahn- Krankenkassen eine Reihe von Unter- stiitzungen, die iiber die gesetzliche Ver- pflichtung weit hinausgehen. Hieher gehort insbesondere dieAngehorigenversicherung, deren Kosten jenen fiir die Versicherung der Mitglieder mindestens gleichkommen. Bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen wurde vor zweijahren auch die Behandlung der Kranken durch Spezialarzte und die Unterbringung von Kassenmitgliedern in Kurorten auf Kosten der Krankenkasse eingefiihrt. In letzterer Beziehung hat die Staatseisenbahnverwaltung mit 106 Bade- und Kurortsverwaltungen Ubereinkommen geschlossen, durch welche den Kassen¬ mitgliedern Freiplatze oder weitgehende Preisermafiigungen fiir den Kurgebrauch zugesichert werden. Im Schlammbade Pistyan, mit welchem auch ein solcher Vertrag besteht, haben im abgelaufenen Dezennium mehr als 1000 Staatsbahn- 32 49 8 Dr. Theobald Pollak. bedienstete, in Karlsbad weit mehr als 500 Staatsbahnbedienstete auf Kosten der Krankenkasse volle Verpflegung nebst Wohnung, Bedienung, arztlicher Hilfe, Badern und sonstigen Kurmitteln gefunden. Ferner wurde eine grofiere Anzahl von Freiplatzen im Sanatorium in Hall in Tirol, in Rohitsch-Sauerbrunn, in der Fangoanstalt St. Stefano, in der Wasser- heilanstalt Sassow in Galizien und im Sol- und Schwefelbade Truskawiec in Galizien verliehen. — Auch von den Krankenkassen der Privatbahnen wird seit neuerer Zeit ftir kurbedtirftige Bedienstete teils durch Gewahrung von Gelduntersttitzungen, teils durch unmittel- bare Bezahlung der auflaufenden Kur- kosten gesorgt. Die Gewahrung dieser erhohten Lei- stungen ist nicht auf eine Erhohung der Mitgliedsbeitrage, die auch nicht statt- gefunden hat, zuriickzufiihren, sondern wurde vielmehr einzig und allein dadurch ermoglicht, dafi die Bahnverwaltungen eine ganze Reihe von Ausgaben, welche nach dem Gesetze eigentlich die Kassen selbst treffen rviirden, auf sich nehmen. So werden den definitiven Bediensteten wahrend der Krankheitsdauer die vollen standigen Beziige bis zu einem Jahre aus Betriebsmitteln gezahlt, wodurch die Krankenkassen der Verpflichtung zur Zahlung des Krankengeldes enthoben werden. Uberdies besorgen die Eisen- bahnen die Verwaltung der Kranken¬ kassen unentgeltlich. Um ein Bild der Entwicklung der Betriebskrankenkassen der osterreichischen Eisenbahnen im letzten Dezennium zu geben, soli im nachstehenden eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten stati- stischen und Rechnungsziffern aus den letzten zehn Jahren, ftir welche das stati- stische Material bereits vorliegt, d. i. aus den Jahren 1897 bis Ende 1906, vorge- fiihrt werden. Was die aufiere Organisation dieses Zweiges der Ftirsorgetatigkeit betrifft, so sind seit dem Jahre 1897 drei neue Betriebskrankenkassen errichtet, ander- seits aber wieder infolge der fortschrei- tenden Eisenbahnverstaatlichungen drei von den im Jahre 1897 bestandenen 26 Privatbahnkrankenkassen der Kranken¬ kasse ftir das Personal der k. k. osterreichi¬ schen Staatsbahnen inkorporiert worden, so dafi die Gesamtzahl aller bestehenden Eisenbahn-Krankenkassen trotz der ein- getretenen Veranderungen gegenwartig ebenso wie im Jahre 1897 27 betragt. Im Jahre 1897 zahlten die Kranken¬ kassen der osterreichischen Eisenbahnen insgesamt 150.727 Mitglieder; diese Zahl stieg bis zum Ende des Jahres 1906 auf 217.185. Hievon entfielen auf die k. k. oster¬ reichischen Staatsbahnen 71.349 im Jahre 1897 und 106.596 im Jahre 1906. Der Mitgliederzuwachs bei samtlichen Bahnen betragt daher 44"O9°/ 0 ; bei den k. k. oster¬ reichischen Staatsbahnen hat eine Ver- grofierung des Mitgliederstandes um 49 - 4o°/ 0 , bei den Privatbahnen eine Ver- grofierung um 39'32°/ 0 stattgefunden. Der Gesamtstand der Reserven am Anfang des Jahres 1897 betrug K3,027.426, wovon auf die Krankenkasse der k. k. osterreichischen Staatsbahnen K 945.672 entfielen; am Ende des Jahres 1906 waren diese Reserven zusammen auf K 5,985.972 und bei den k. k. osterreichi¬ schen Statsbahnen allein auf K 1,829.313 angewachsen. Die Beitrage der Bahnvenvaltungen zu den Krankenkassen beliefen sich in der Pe¬ riode 1897--1906 aufK17,086.668, woran die k. k. osterreichischen Staats¬ bahnen mitK 9,032.346 und die Privat¬ bahnen mit K 8,054.322 partizipieren. Die Ausgaben samtlicher Kranken¬ kassen, welche sich aus den Leistungen ftir Krankengelder, Entbindungs- und Beerdigungskostenbeitrage, jenen ftir die Kosten der Arzte und Medikamente, ftir Spitalsverpflegskosten und Badekuren, ferner aus den Verwaltungskosten, even- tuellen Dotierungen von Untersttitzungs- fonds und sonstigen Ausgaben zusammen- setzen, betrugen in den Jahren 1897 bis 1906 K 47,968.181, wovon auf die Kran¬ kenkasse der k. k. osterreichischen Staatsbahnen K 23,903.278 und auf die Privatbahnkassen K 24,064.903 ent- fallen. Die jahrlichen Ausgaben haben sich in dieser Periode bei den k. k. osterreichi¬ schen Staatsbahnen um 78‘8o°/ 0 , bei den Privatbahnen um 8o‘5O°/ 0 erhoht. Die jahrlichen Einnahmen der Kranken¬ kassen sind in derselben Zeit bei den oster- Die Wohlf'ahrtseinrichtungen der Osterreichischen Eisenbahnen. 499 reichischen Staatsbahnen um 63^45°/ 0 und bei den Privatbahnen um 67'9O°/ 0 ge¬ sti egen. Auf das einzelne Kassenmitglied ent- fielen durchschnittlich von den Jahres- leistungen bei der Krankenkasse der k. k. osterreichischen Staatsbahnen 22 K 82 h im Jahre 1897 und 27 K 57 h im Jahre 1906, bei den Privatbahnkrankenkassen 2 i K 3C h im Jahre 1897 und 27 K 33 h im Jahre 1906; die Steigerung betriigt hienach bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen 2O - 8°/ 0 und bei den Privatbahnen 28‘3°/ 0 . Die Summe der jahrlichen Mitglieds- beitrage ist bei den k. k. osterreichi¬ schen Staatsbahnen von K 1,114.400 auf K 1,802.300 (um 617°/ 0 ) und bei den Privatbahnen von K 1,172.400 auf K 2,054.000 (um 75'i%) gestiegen. Die Anzahl der Krankentage betrug bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen im Jahre 1897 919.220 und im Jahre 1906 l, 642.601, somit um 787°/ 0 mehr als im Jahre 1897, bei den Privatbahnen im Jahre 1897 986.426 und im Jahre 1906 1,758.725, somit um 78'3 0 / o mehr als im Jahre 1897; bei dieser Zahlung blieben diejenigen Erkrankungsfalle, \velche mit einer nur dreitagigen oder noch kiirzeren Berufsstorung verbunden waren, aufier Betracht. Die durchschnittliche Dauer der mit einer Berufsstorung von mehr als drei Tagen verbundenen Erkrankungen betrug bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen im Jahre 1897 177 Tageund im Jahre 1906 I9'9 Tage, bei den Privatbahnen im Jahre 1897 i5 - 4TageundimJahrei906 i7'9Tage. Die Zahl der Arzte, welche den kassenarztlichen Dienst versehen, betrug im Jahre 1898 946, wovon 496 auf die k. k. osterreichischen Staatsbahnen entfie- len, und stieg bis zum Jahre 1908 auf 1310, vvovon auf die k. k. osterreichischen Staats¬ bahnen allein 839 entfallen. Die jahrlichen Kosten des arztlichen Dienstes sind in der Periode 1897 —1906 bei den Staatsbahnen von K 439.600 auf K 706.100*) und bei den Privatbahnen von K 265.900 auf K 468.100 gestiegen. Die Steigerung dieser Kosten ist nicht nur auf die Ver- *) Vom Jahre 1906 bis 1907 stiegen die arztlichen Ausgaben der Krankenkasse der k. k. osterreichischen Staatsbahnen von K 706.100 auf K 756.309. mehrung der Kassenarzte, sondern auch auf ihre bessere Dotierung zuriickzufiihren. Eine der grofiten Ausgabenposten der Krankenkassen bildet jene fiir Medi¬ le amen te. Sie stieg von K 643.200 im Jahre 1897 auf K 1,072.600 im Jahre 1906; hievon entfallen auf die k. k. osterreichi¬ schen Staatsbahnen K 426.000 im Jahre 1897 und K627.700 im Jahre 1906, auf die Privatbahnen K 217.200 im Jahre 1897 und K 444.900 im Jahre 1906. — Die Jahre 1907 und 1908, welche hier noch nicht in Rechnung gezogen werden konnten, \verden eine noch hohere Steigerung der Ausgaben fiir Medikamente aufwei- sen,*) weil in den Jahren 1906, 1907 und 1908 die Arzneitaxen eine vvesent- liche Erhohung erfahren haben. Bei nicht weniger als 194 Arzneimitteln sind Preissteigerungen bis zu 200°/ 0 zu verzeichnen, aufierdem sind auch Me- dizinalglaser, Salbentiegel, Watte und viele Verbandstoffe im Preise namhaft gestiegen. Die Krankenkassen geniefien allerdings einen gesetzlichen Nachlafi, der sich gegenwartig auf 33% des Ge- samtrechnungsbetrages belžiuft. Allein gegeniiber der enormen Preissteigerung ist dieser Nachlafi viel zu gering. Trotz- dem weigern sich die Apotheker, auch diesen geringfiigigen Nachlafi den Kran¬ kenkassen im gutlichen Wege einzu- raumen; sie wollen ihn auf die fiir ver- sicherungspflichtige Kassenmitglieder ge- lieferten Medikamente beschranken und die Ausschliefiung eines Nachlasses fiir die nicht versicherungspflichtigen Mit- glieder und die Angehorigen der Kassen¬ mitglieder durchsetzen. Selbstverstandlich steht dieser Vorgang der Apotheker ganz im Widerspruche mit der Arzneitaxe, ivelche, wie bereits erivahnt, die zvvingende Norm aufstellt, dafi der Nachlafi fiir den Gesamtrechnungsbetrag der Kranken¬ kasse zu gewahren ist.Sollten die Apotheker ihr Verhalten gegeniiber den Kranken¬ kassen zu andern nicht gewillt sein, dann wird wohl den Krankenkassen nichts anderes tibrig bleiben, als im Interesse *) Vom Jahre 1906 bis 1907 stiegen die Medikamentenausgaben der Krankenkasse der k. k. osterreichischen Staatsbahnen allein von K 627.700 auf K 684.750, somit um K 57-050. 32 * 5oo Dr. Theobald Pollak. ihrer Selbsterhaltung eigene Apotheken zu errichten, wozu sie nach dem Gesetze berechtigt sind. Schliefilich soli noch jener Bestrebun- gen gedacht werden, welche auf die Einfuhrung der freien Arztevvahl abzielen. Der Arbeitsbeirat, welcher vor einigen Monaten auch zu dieser Frage Stellung genommen hat, vervvarf die freie Arzte- \vahl in jeder Form und auch ein Teil der Arzte, der allerdings die Minoritat bildete, warnte vor einer solchen Mafi- nahme, weil sie weder im Interesse der Arzte, noch in jenem der Krankenkassen gelegen ware. Dali die Einfuhrung der freien Arztewahl geradezu den Ruin der Kassen zur Folge hatte — eine Eventuali- tat, die auch von den Arzten kaum her- beigewtinscht werden diirfte —, kann nach den schlimmen Erfahrungen, welche von einer inlandischen Betriebskranken- kasse und einigen Kassen im Deutschen Reiche, in der Schweiz und in anderen Landern mit der freien Arztewahl gemacht wurden, nicht zweifelhaft sein. Unfallversicherung. Die regelmafiigen Trager der Unfall¬ versicherung sind in Osterreich nach § 9 des Gesetzes vom 28. Dezember 1887, RGB. Nr. 1 ex 1888, die territorialen Versiche- rungsanstalten. Aufier diesen Anstalten sind zufolge § 58 des zitierten Gesetzes auch Berufsgenossenschaften als Trager der Unfallversicherung ausnahmsweise zugelassen. Bisher besteht in Osterreich nur eine Berufsgenossenschaft. Sie wurde im jahre 1889 von den osterreichischen Eisen- bahnverwaltungen errichtet und fiihrt die Firma: »Berufsgenossenschaftliche Unfallversicherungsanstalt der osterreichischen Eisenbahnen«. lhr Sitz ist Wien. Urspriinglich nahm diese Anstalt ge- genuber den territorialen Anstalten in gewissem Sinne eine untergeordnete Stel¬ lung ein, welche insbesondere dadurch zum Ausdruck kam, dafi sie nach § 59 > Abs. 2 UVG., verpflichtet war, die Kapi- talswerte der Unfallsrenten an die terri¬ torialen Versicherungsanstalten auszufol- gen, wodurch die Verpflichtung zur fer- neren Auszahlung der Renten allerdings an die letzteren Anstalten ilberging. Ftir die Ausfolgung der bezeichneten Kapitals- \verte mufiten die der berufsgenossen- schaftlichen Unfallversicherungsanstalt an- gehorenden Eisenbahnunternehmungen iiberdies die Haftung als Biirgen und Zahler iibernehmen. Von- diesen Verpflichtungen wurde die berufsgenossenschaftliche Unfallversi¬ cherungsanstalt durch das Gesetz vom 20. Juli 1894, RGB. Nr. 168, betreffend die Ausdehnung der Unfallversicherung, be- freit, so dafi diese Anstalt seit dem Jahre 1895 den gleichen Rang einnimmtwie die territorialen Unfallversicherungsanstalten. Die Organisation der berufsgenos- senschaftlichen Unfallversicherungsanstalt weicht in manchen Beziehungen von jener der territorialen Anstalten ab. Bei den letzteren Anstalten ist der Vorstand das Hauptorgan, bei der berufsgenossen¬ schaftlichen Unfallversicherungsanstalt da- gegen ist nicht der Vorstand, sondern die Generalversammlung der Delegierten als oberstes Organ anzusehen. Auch die Zusammensetzung des Vor- standes der berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherungsanstalt ist eine andere als bei den territorialen Anstalten. Der Vorstand der letzteren ist ein Kollegium, \velches aus einer durch drei teilbaren Zahl von Mitgliedern gebildet wird. Von den Mitgliedern wird ein Drittel von der Regierung ernannt, ein Drittel aus dem Kreise der Betriebsunternehmer und das letzte Drittel aus dem Kreise der versi- cherten Personen gewahlt. Der Vorstand der berufsgenossenschaftlichen Unfallver¬ sicherungsanstalt ist ein Kollegium, in welchem die Eisenbahnunternehmungen und die versicherten Personen paritatisch vertreten sind. Die Berufung in den Vor¬ stand erfolgt a u s s c h 1 i e fi 1 i c h durch W a h 1 in der Generalversammlung, \velche aus zwei Kurien, und zwar der Kurie der von den Unternehmungen ernann- ten Delegierten und der Kurie der von den Versicherten gewahlten Delegier¬ ten, besteht. Jede Kurie wahlt neun Vor- standsmitglieder. Der Vorstand wahlt aus seiner Mitte einen Obmann und zwei Obmannstellvertreter. Der Beitritt der Eisenbahnunterneh¬ mungen zu der berufsgenossenschaftlichen 5oi Die Wohlfahrtseinrichtungen der Osterreichischen Eisenbahnen. Unfallversicherungsanstalt ist kein obli- gatorischer. Die Aufnahme jener Eisen- bahnunternehmungen, welche der Anstalt nicht schon im Zeitpunkte ihrer Griin- dung angehorten,*) kann vielmehr nur unter der Bedingung erfolgen, dafi zwei Drittel der Mitgliedsverwaltungen der Auf¬ nahme zustimmen. Die Bildung des Versicherungsfonds erfolgt wie bei den territorialen Anstalten nach dem Kapitaldeckungsprinzipe. Danach werden in jeder Rechnungsperiode so viel Beitrage von den Unternehmungen er- hoben, als zur versicherungstechnischen Deckung des Kapitalswertes der in dieser Periode zur Entstehung gelangten Renten- anspriiche erforderlich erscheint. Bei der berufsgenossenschaftlichen Anstalt sind aber die Mitgliedsverwaltungen iiberdies zur Deckung des sich aus der Gebarung ergebenden Defizits verpflichtet und haften auch fiir die wahrend der Dauer ihrer Mitgliedschaft entstandenen Verbindlich- keiten der Anstalt solidarisch mit ihrem ganzen Vermogen, wahrend fiir die den territorialen Anstalten angehorigen Be- triebsunternehmungen weder eine Ver- pflichtung zur Deckung eines Defizits noch Cine Haftung fiir die Erfiillung der Ver- bindlichkeiten der Anstalten besteht. Die Bemessung der Versicherungs- beitrage erfolgte bis zur Einfuhrung des Gesetzes vom 20. Juli 1894, RGB. Nr. 168, bei der berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherungsanstalt in gleicher Weise wie bei den territorialen Anstalten nach einem Tarife, welcher auf Grand des Beitragssatzes aufgestellt wurde, der fiir je ein Gefahrenprozent und einen Gulden O. W. des Arbeitsverdienstes als er¬ forderlich ermittelt wurde. Je nach der Gefahrlichkeit des versicherungspflichtigen Betriebes wurde derselbe in eine hohere oder niedrigere Gefahrenklasse mit einem hoheren oder niedrigeren Prozentsatze eingereiht. Seit dem Inkrafttreten des *) Die Staatseisenbahnverwaltung gebort der berufsgenossenschaftlichen Unfallversiche¬ rungsanstalt seit deren Errichtung an. Sie hat von der im § 4 UVG. den Staatsbetrieben ein- geraumten Befreiung von der Unfallversiche- runirspflicht keinen Gebrauch gemacht und hiedurcli freiwillig die Doppellast der Unfall- versicherung und der Ruheversorgung ihrer verletzten Bediensteten iibernommen. vorerwahnten Gesetzes werden die Bei¬ trage der Eisenbahnunternehmungen zwar auch weiterhin nach versicherungstech¬ nischen Grundsatzen ermittelt, eine Einrei- hung der Betriebe in Gefahrenklassen und Gefahrenprozente findetjedoch nicht mehr statt. Fiir die Feststellung der Beitrage gilt vielmehr cler Grundsatz, dafi in jedem Rechnungsjahre das fiir die versicherungs- mafiige Kapitalsdeckung der zu leisten- den Entschadigungen ermittelte Erforder- nis, soweit es durch die Einnahmen nicht gedeckt ist, auf die einzelnen Mit- gliedsbahnen im Verhaltnisse der von ihnen. in dem betreffenden Rechnungs¬ jahre angemeldeten vollen Jahresarbeits- verdienste repartiert wird, so dafi nach Abstattung der samtlichen Versicherungs- beitrage in jedem Rechnungsjahre die Ausgaben durch die Einnahmen zur Ganze gedeckt erscheinen. Die Ausubung der Staatsaufsicht iiber die berufsgenossenschaftliche Unfall¬ versicherungsanstalt wird vom Ministe- rium des Innern und dem Eisenbahn- ministerium in der Weise geiibt, dafi dem Ministerium des Innern die Staatsaufsicht in versicherungstechnischer Beziehung, fer- ner die im § 16 UVG. umschriebene Einflufinahme auf die Feststellung des Beitragstarifs vorbehalten bleibt, dagegen die Einhaltung des fiir die Anstalt gel- tenden Statuts und der sonstigen zur Amvendung kommenden Bestimmungen des UVG. durch die Anstalt und durch die ihr beigetretenen Eisenbahnvenval- tungen unmittelbar von der k. k. General- inspektion der osterreichischen Eisenbah¬ nen auszuiiben ist. Rekurse und Beschwer- den gegen die Entscheidungen der Ge- neralinspektion werden vom Eisenbahn- ministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern entschieden. Zur Entscheidung iiber Entschžidi- gungsanspriiche, welche von den Ver- sicherten gegen die Anstalt erhoben, von ihr aber nicht anerkannt werden, ist das Schiedsgericht der berufsgenossenschaft¬ lichen Unfallversicherungsanstalt aus- schliefilich zustandig. Gegen Erkenntnisse des Schiedsgerichtes sind Rechtsmittel oder Klagen nicht zulassig. Bis zum Jahre 1895 waren bei der berufsgenossenschaftlichen Anstalt nur 502 Dr. Theobald Pollak. jene Bediensteten, welche in den Hilfs- betrieben der Eisenbahnen, Werkstatten, Heizhausern, Steinbrtichen, Schottergewin- nungsstatten und bei der Ausfiihrung von Bauarbeiten, also aufierhalb des Verkehrs beschaftigt waren, versichert. Durch das Gesetz vom 20. Juli 1894, RGB. Nr. 168, wurde aber die Unfallversicherung auf samtliche Betriebe der Eisenbahnen, also auch auf den Verkehr ausgedehnt. Diese Ausdehnung hatte ein gewaltiges Empor- schnellen der Zahl der bei der berufs- genossenschaftlichen Anstalt versicherten Eisenbahnbediensteten zur Folge. Wah- rend namlich die Anzahl dieser Versi¬ cherten im Jahre 1894 nur 34.435 betrug, stieg sie im Jahre 1895 auf 168.633, also auf nahezu das Flinffache. Eine weitere namhafte Vergrofierung erfuhr der Kreis der bei der berufsgenos- senschaftlichen Unfallversicherungsanstalt der osterreichischen Eisenbahnen Versi¬ cherten dadurch, dafi die Eisenbahnunter- nehmungen auf Grand des Artikels V des Gesetzes vom 20. Juli 1894 aufier den versicherungspflichtigen Bediensteten auch jene Personen, welche, obgleich nicht versicherungspflichtig, doch den Gefahren des Eisenbahnbetriebes ausgesetzt sind, zur Versicherung bei der berufsgenossen- schaftlichen Unfallversicherungsanstalt an- melden, so dafi seit dem Jahre 1895 das gesamte Eisenbahnpersonal einschliefilich der in den Bureaux beschaftigten Bedien¬ steten, sowie auch jene Staatsbediensteten, welche nach den Konzessionsbedingungen oder sonst bestehenden Vorschriften von der Eisenbahn ohne Anspruch auf Entgelt befordert werden milssen, das sind die bei den Postambulanzen beschžiftigten Postbediensteten, die Telegraphenbedien- steten, die in den fahrenden Ziigen die Zollrevision vornehmenden Finanzwach- organe, die Polizeiorgane, die Gendar- meriemannschaft u. s. w., bei der Anstalt gegen die Folgen von Betriebsunfallen versichert sind. Aufier der Erweiterung des Kreises der Versicherten bewirkte das Gesetz vom Jahre 1894 auch noch eine Erhohung der Entschadigungsleistungen filr gewisse Ka- tegorien von Unfallen. Es sind dies die beim Verkehre sich ereignenden Unfalle, von welchen die versicherten Eisenbahn- und Staatsbediensteten betroffen werden. Bis zum Jahre 1895 waren solche Unfalle nach dem GesetzevomS- Marž 1869, RGB. Nr. 27 (dem sog. Haftpflichtgesetze), zu entschadigen. Durch das Gesetz vom Jahre 1894 wurde das Uaftpflichtgesetz ftir die letztgedachten Personen aufier Kraft ge- setzt, an dessen Stelle jedoch die Be- stimmung getroffen, dafi wenn diesen Personen auf Grand des Haftpflichtgesetzes ein Entschadigungsanspruch zustehen wiirde, die dem Verletzten gebtihrende Unfallsrente um die Halfte, beziehungs- weise bis auf das Doppelte des normal- mafiigen Ausmafies (d. i. bei Ganzinva- liditat von 60 auf 90°/ 0 und bei dau- erndem Siechtum bis auf I2o tf / 0 des vollen Jahresarbeitsverdienstes einschliefilich der veranderlichen Beziige, wie Kilometer- und Stundengelder u. dgl.) und die den Hinterbliebenen nach solchen Verletzten gebiihrende Rente um zwei Drittel des normalen Ausmafies zu erhohen ist. Welch aufierordentliche Lasten den Ei- senbahnunternehmungen besonders durch die letztere Gesetzesbestimmung envacb- sen sind, soli an spaterer Stelle ziffermafiig nachgewiesen werden. Uber die Entwicklung der berufsge- nossenschaftlichen Unfallversicherungs¬ anstalt der osterreichischen Eisenbahnen in den Jahren 1898—1907 ist folgendes zu be- merken: Die Zahl der bei der Anstalt gegen die Folgen von Betriebsunfallen versicherten Personen (standige Bedienstete und Ar- beiter) ist von 241.994 im Jahre 1898 auf 292.711 im Jahre 1907 gestiegen. Die Steigerung der Anzahl der Ver¬ sicherten in der angefiihrten Zeitperiode betragt somit relativ 50.717 oder 20^96°/ n . Die Verteilung der versicherten Be¬ diensteten nach den einzelnen Dienst- zweigen ist aus der Zusammenstellung auf Seite 503 ersichtlich. In den Jahren 1898—1907 liefen bei der Anstalt im ganzen 160.192 Unfalls- anzeigen ein. Die Zahl der eingelangten Anzeigen betrug im Jahre 1898 9616 und hat sich im Laufe der 10 Jahre mehr als verdoppelt, indem sie im Jahre 1907 auf 25.755 gestiegen ist. Wahrend im Jahre 1898 auf 10.000 Versicherte 5o6'3 Unfallsanzeigen kommen, stellt sich Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 503 das analoge Verhaltnis fiir das Jahr 1907 auf 999. Diese betrachtliche Steigerung gestattet aber keinen Schlufi auf eine tatsacbliche Vermehrung der Unfalle, erkliirt sich vielmehr daraus, dafi im Kreise der Versicherten die Kenntnis von den Anspriichen, welcbe das Unfallver- sicherungsgesetz gewahrt, zunimmt und dafi die beziiglichen Anspriiche nach- driicklicher verfolgt werden. Auch die Eisenbahnunternehmungen sehen sich haufig veranlafit, auch nicht anzeige- pflichtige Unfalle anzumelden, um einen eventuellen Schadenersatz, den sie im Falle der Verjahrung des Versicherungs- anspruchs auf Grand btirgerlichen Rechtes aus Eigenem zu leisten hiitten, zu vermei- den. Von den 160.192 Unfallsanzeigen der zehnjahrigen Zeitperiode betrafen nur 38.880 (oder 24-27%) solche Unfalle, welche eine Entschiidigungsleistung der Anstalt begriindeten. In den ubrigen 121.312 Unfallen trat eine Entschadi- gungspflicht nicht ein, und zwar in der iiberwiegenden Mebrzahl dieser Falle aus dem Grande, weil die Heilung vor Ablauf der gesetzlichen Karenzfrist von vier Wochen erfolgt war. Die Zahl der eine Entschadigung be- griindenden Unfalle ist wahrend des zehn¬ jahrigen Zeitraumes im gleichen Mafie wie die Zahl der Unfallsanzeigen iiber- haupt gestiegen. Im Jahre 1898 betrug die Zahl dieser Unfalle 2664, im Jahre 1907 dagegen 5263. Der Prozentsatz dieser Unfalle in bezug auf samtliche eingelangten Unfallsanzeigen blieb in den ersten fiinf Jahren ziemlich konstant (durchschnittlich 2Tg°/ 0 ), in den nachsten fiinf Jahren ist ein standiges Sinken bis auf 2O-43°/ 0 im Jahre 1907 zu bemerken. Von den 38.880 eine Entschadigung begriindenden Unfallen waren 23.242 (oder 59-78 °/ 0 ) Betriebsunfalle mit An- spriichen auf normale Renten nach den §§ 6 und 7 des Ursprungsgesetzes und 15.638 (oder 4 O- 22 °/ 0 ) Verkehrsunfalle, mit Ansprtichen auf erhohte Renten nach Art. VII des Gesetzes vom 20. Juli 1894. Die Tafel auf Seite 504 bietet eine Ubersicht iiber die Verteilung der eine Entschadigung begriindenden Unfalle auf die einzelnen Diensteskategorien und ge- trennt nach Unfallen aufierhalb des Ver- kehrs (U. G.) und Unfallen beim Ver- kehre (A. G.). Was die Folgen der eine Entschadi¬ gung begriindenden Unfalle betrifft, so ist nachstehendes zu bemerken: In 36.949 Fallen (95’O3 0 / 0 ) hatte der Unfall eine voriibergehende oder dauernde Erwerbsunfahigkeit, in nur 1931 Fallen (4*97°/ 0 ) den Tod zur Folge. Wahrend die Zahl der Unfalle mit nachfolgender Erwerbsunfahigkeit fast standig zunimmt (von 2465 im Jahre 1898 bis zu 5012 im Jahre 1907), bleibt die Zahl der todlichen Unfalle ziemlich konstant. Die fiir Unfalle zu leistenden Ent- schadigungen setzen sich zusammen aus den Renten an Erwerbsunfahige (und zwar zeitliche Renten fiir die Dauer des Heilverfahrens und dauernde Renten fiir 504 Dr. Theobald Pollak. bleibend Erwerbsunfahige), Renten an die Hinterbliebenen (Witwen, eheliche und uneheliche Kinder und Aszendenten), Beerdigungskosten und endlich aus Ab- fertigungen an Witwen im Falle der Wiederverehelichung und aus Abferti- gungen an Erwerbsunfahige und an Hinter¬ bliebene. Wahrend der Periode 1898—1907 wurden an Entschadigungen im ganzen K 49,770.567-05 gezahlt, und z\var: 1. an Renten fiir Erwerbsunfahige K 41,146.333-31 2. an Renten fiir Hinterbliebene K 8,350.310-07 3. an Beerdigungskosten » 123.649-80 4. an Abfertigungen » 150.273-87 Die Summe ad 1 ergibt sich aus K 15,288.187-57 fiir Heilverfahrensrenten und aus K 25,858.145-74 fiir Renten an Erwerbsunfahige nach Abschlufi des Heil- verfahrens. Die Summe ad 2 setzt sich zusammen aus K 4,100.340-34 fiir Witwenrenten, K 3,972.623-96 fiir Kinderrenten und K 277.345-77 fiir Aszendentenrenten. Die Gesamtentschadigungen sind von K 1,703.264 im Jahre 1898 auf K 8,351.747-09 im Jahre 1907 gestiegen, davon die Renten an Erwerbsunfahige von K 1,396.070-58 auf K 6,843.386-46 und die Renten an Plinterbliebene von K 283.512-30 auf K 1,472.661-44. Aufier diesen angefiihrten, auf gesetzlicher Grundlage basierenden Ent¬ schadigungen werden von der berufs- genossenschaftlichen Unfallversicherungs- anstalt der osterreichischen Eisenbahnen aus einem besonderen Fonds noch aufierordentliche, in die gesetzliche Entsch&digung nicht einrechenbare Unter- stiitzungen an Hinterbliebene von durch Unfall getoteten Arbeitern gewahrt. Die Hohe dieser aufierordentlichen Unterstiitzungen belief sich in der Zeit- periode 1898 — 1907 zusammen auf K 50.206. Sowie aber die Gewahrung dieser aufierordentlichenUnter- stiitzungen sich als ein praeter legem-Akt darstellt, so ist auch die allgemeine Handhabung des Unfall-V ersicherungs-Gesetzes durch die Anstalt die denkbar Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 505 liberalste, auf die z um nicht ge- ringsten Teile die exorbitante Steigerung der den Bahnver- waltungen aus der Unfallver- sicherung erwachsenden Lasten zuriickzuftihren ist. Nach § 16 UVG. sind die am Schlusse des Rechnungsjahres noch fliis- sigen Renten, wie bereits an fruherer Stelle erwahnt, kapitalistisch zu bedecken, indem fiir jede Rente das nach ver- sicherungstechnischen Grundsatzen zu ermittelnde Deckungskapital in die Bilanz einzustellen ist, welches (unter der Vor- aussetzung, dafi die angenommenen Rechnungsgrundlagen den tatsachlichen Verhaltnissen moglichst nahe kommen) mit den auflaufenden Zinseszinsen hin- reicht, um davon die Rente bis an das Lebensende des Rentenbezugsberechtigten zur Auszahlung bringen zu konnen. Diese Kapitalswerte der der berufsgenossenschaftlichen Unfallver- sicherungsanstalt der osterreichischen Eisenbahnen aus derVerpflichtung zur Entschadigungsleistung e r - wachsenen Belastungen sind von K 11,204.161 -40 im Jahre 1898 auf K 83,808.470-33 im Jahre 1907 gestiegen, haben also in dem zehnjahrigen intervali 1898/1907 eine Erhohung um K 72,604.30893 erfahren. Von dem Gesamterfordernis an Dek- kungskapitalien ftir das Jahr 1907 per K 83,808.470-33 entfallen K 69,708.886-28 auf Renten an Erwerbsunfahige und K 14,099.584-05 auf Hinterbliebenen- renten. Die korrespondierenden Zahlen ftir das Jahr 1898 sind K 8,043.07874, bezw. K 3,161.082-66. Werden die gezahlten Barent- schadigungen, ferner die Deckungs- kapitalien fiir die durch die Anstalt selbst zur Auszahlung gelangenden Renten und die Rentemverte, welche an die (terri- torialen) Arbeiter - Unfallversicherungs- anstalten behufs Regulierung jener Renten abzufiihren sind, deren Auszahlung die letzteren Anstalten gegen Abfuhr des Deckungskapitals fiir die berufsgenos- senschaftliche Unfallversicherungsanstalt seinerzeit ubernommen haben, summiert, so ergibt sich die G e s a m t - belastung durch Unfallsent- schadigungen. Diese betrug im Jahre 1898 K 12,908.505-26 und ist im Jahre 1907 auf K. 92,160.217-42 gestiegen. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Ubersicht iiber die in den einzelnen Jahren von 1898 bis 1907 geleisteten Bar- entschadigungen, iiber die zur Bedeckung der fliissigen Renten erforderlichen Deckungskapitalien (und zwar die abso¬ luten Betrage und die Steigerung gegen- iiber dem Vorjahre), weiters iiber die an die territorialen Anstalten behufs Rentenregulierung abgefiihrten Renten- 5°6 Di". Theobald Pollak. werte und endlich liber die auf einzelne Jahre entfallende Gesamtbelastung durch Unfallsentschadigungen und deren Zu- nahme gegeniiber dem Vorjahre. Bemerkenswert ist hiebei die unge- heure Steigerung des Deckungskapitals pro 1905 gegeniiber dem Vorjahre im Ausmafie von K 21,181.556' 14. Diese Steigerung findet darin ihre Erklarung, dafi die G-rundlagen fiir Berechnung der zur Deckung der Verpflichtungen der Anstalt erforderlichen Fonds durch den Erlafi des Ministeriums des Innern vom 4. Februar 1903, Z. 5415, eine wesentliche Anderung erfahren haben. An Versicherungsbeitragen \vurden in den Jahren 1898—1907 K 116,690.209-83 eingezahlt, wovon K 59,740.651 '47 auf die k. k. 6ster- reichischen Staatsbahnen ent- fallen. Im Jahre 1898 beliefen sich die Ver- sicherungsbeitrage auf K 6,509.259-13, bis zum Jahre 1907 haben sie sich mehr als verdoppelt und sind auf K 15,890.15876 gestiegen. Die der Berechnung der Versicherungs- beitrage zu Grande zu legenden L o h n- s u m m e n der versicherten Personen sind von K 218,862.7 J 4'5 2 im Jahre 1898 auf K 335,048.322-80 im Jahre 1907 gestiegen. Im Jahre 1898 entfiel auf K ioo-— Lohnsumme ein Versicherungsbeitrag von K 2-98, im Jahre 1907 ein solcher von K 474. Die bereits envahnte vom Ministerium des Innern angeordnete Anderung in der Berechnung der Deckungskapitalien er- forderte im Jahre 1905 die Leistung eines auBerordentlichen Versicherungsbeitrages ftir die Jahre 1895—1905 in der Hohe von K 15,394-830-53. Von diesem Betrage entfallen auf die Jahre 1898—1907 K 12,138.11474. Die Gesamtzahl der am Ende der zehn- jahrigen Periode (1898—1907) fliissigen Dauerrenten betragt 12.038. Der Jahres- betrag dieser Renten beliiuft sich auf zusammen K 6,004.327-08. Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbalmen. 507 Hievon entfallen auf dauernd Ervverbsunfabige 6639 Renten mit . . K 4,469.061-96 Witwen 2165 Renten mit » 787.77372 Kinder 3050 Renten mit » 703.068-96 Aszendenten 184 Renten mit.» 44.422 - 44 Die Anzahl der Renten an dauernd Erwerbsunfahige hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre versiebenfacht, die Zahl der Witwenrenten mehr als ver- vierfacht, jene der Kinder- und Aszen- dentenrenten verdreifacht. Der Durchschnitt des Jahresbetrages einer im Jahre 1907 auf Grund des Ursprungsgesetzes (also fiir Unfalle aufierbalb des Verkehrs) zuerkannten Vollrente betriigt K 673-65, der Durch¬ schnitt einer auf Grund des Artikels VII des Gesetzes vom Jahre 1894 (fur Un¬ falle beim Verkehre) zuerkannten Voll¬ rente belauft sich auf K i594'36. Unter je 100 Invaliditatsfallen waren im Durchschnitt der 10 Jahre: 27*2 Falle ganzlicher Invaliditat, in vvelchen die Renten 60 oder 90 bis 120°/ 0 , 207 Falle teihveiser Invaliditat, in wel- chen die Renten 41—50°/ 0 oder 60—75%, 10 Falle teihveiser Invaliditat, in wel- chen die Renten 31—40% oder 46—60%, i 6 - 9 Falle teihveiser Invaliditat, in \vel- chen die Renten 21—30% oder 31—45%, 25*2 Falle teilweiser Invaliditat, in wel- chen die Renten bis inklusive 20 oder 30% des Jahresarbeitsverdienstes betrugen, je nachdem das Gesetz vom Jahre 1887 oder jenes vom Jahre 1894 zur An- \vendung gelangte. Die Vervvaltungskosten der Anstalt sind von K 159.30076 im Jahre 1898 auf K 687.799-91 im Jahre 1907 ge- stiegen. Diese grofie Steigerung findet in der enormen Zunahme des Geschafts- umfanges der Anstalt ihre Erklarung. Die Ergebnisse der Finanzgebarung der berufsgenossenschaftlichen Unfall- versicherungsanstalt der osterreichischen Eisenbahnen in den Jahren 1898—1907 ist in den Hauptposten aus der nach- stehenden Tabelle zu ersehen: Wahrend der letzten zehnjahrigen Pe¬ riode wurden im ganzen 5526 Klagen beim Dr. Theobald Pollak. 508 Schiedsgerichte der berufsgenossenschaft- lichen Unfallversicherungsanstalt der osterreichischen Eisenbahnen eingebracht, zu welchen aus dem Jahre 1897 noch 60 Klagen als unerledigt iibernommen wurden. Setzt man die Zahl der Klagen zu der Zahl der Unfalle, \velche eine Entschadigung begriindeten, inBeziehung, so ergibt sich, dafi auf sieben Unfalle eine Klage entfiel. Von den 5586 Klagen wurden 5438 Klagen erledigt, so dafi zu Ende 1907 nur noch 148 Klagen uner¬ ledigt blieben. Von den Klagen wurden 225 zuriickgezogen, 347 durch Einstel- lung des Verfahrens, durch Vergleich oder in anderer Weise und 4866 durch schiedsgerichtliches Erkenntnis erledigt, und zwar 3449 Klagen (70 - 88 0 /o) durch Abweisung des Klagebegehrens und 1417 (29*12°/ 0 ) durch vollstandige oder teilweise Stattgebung des Klagebegehrens. Die von Jahr zu Jahr steigende In- anspruchnahme des Schiedsgerichtes hat die Regierung in den letzten Jahren veran- lafit, die Zahl der von ihr zu ernennenden Schiedsgerichtsbeisitzer von 8 auf 14 und die Zahl der von der Generalversammlung zu vvahlenden Beisitzer von 8 auf 12 zu erhohen. Gegenwartig besteht das Schieds- gericht aus einem Prasidenten und dessen Stellvertreter sowie aus 26 Beisitzern. Im Jahre 1898 gehorten der Anstalt 40 Bahnunternehmungen als Mitglieder an. Wahrend der Jahre 1898—1907 sind 12 Bahnunternehmungen ausgetreten und sechs neu eingetreten, so dafi der gegen- wartige Mitgliederstand aus 34 Bahn¬ unternehmungen zusammengesetzt ist. Die Verringerung des Mitgliederstandes ist fast ausscbliefilich darauf zuriick- zufiihren, dafi der Betrieb der aus- getretenen Bahnen auf andere Mitglieds- verwaltungen iibergegangen ist. Jene Bahnverwaltungen, welche nicht Mitglieder der berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherungsanstalt der oster¬ reichischen Eisenbahnen sind, bewirken die Unfallversicherung ihrer Bediensteten bei den territorialen Versicherungs- anstalten. DieseBahnen gehoren ausnahms- los der Kategorie der Kleinbahnen an. Nur die Unternehmung der staddschen Strafienbahnen in Wien gehort weder der berufsgenossenschaftlichen noch der terri¬ torialen Anstalt an. Die Versicherung der Bediensteten dieser Unternehmung erfolgt vielmehr in der Weise, dafi die Gemeinde Wien ihnen und ihren Angehorigen beim Eintritte eines Betriebsunfalls Pensionen in der Plohe der im Unfallversicherungs- gesetze festgesetzten Renten gewahrt. Diese Versicherungsform ist zulassig, weil die Bediensteten der staddschen Strafien¬ bahnen in Wien Gemeindebedienstete sind, auf solche Bedienstete aber, ebenso wie auf Bedienstete staatlicher Betriebe,*) das Unfallversicherungsgesetz keine An- wendung findet, wenn ihnen und ihren Plinterbliebenen beim Eintritte eines Be¬ triebsunfalls der Anspruch auf eine Pension zusteht, welche die Hohe der in den §§ 6 und 7 UVG. normierten Rente erreicht oder iibersteigt. Nunmehr ware noch die Art, in wel- cher die Unfallversicherung rucksichtlich der wechselweise tiber die Landesgrenzen tibergreifenden Eisenbahnbetriebe durch- gefiihrt wird, zu besprechen. Bisher ist eine gesetzliche Regelung dieser Ver- haltnisse noch nicht erfolgt. Gegenuber dem Deutschen Reiche besteht gegen- wartig der faktische Zustand, dafi die in diesem Reiche dauernd beschaftigten Bediensteten der hierlandischen Eisen- bahnunternehmungen bei der Privatbahn- berufsgenossenschaft in Liibeck, die nur vorubergehend dort beschaftigten hier¬ landischen Bediensteten aber bei der berufs¬ genossenschaftlichen Unfallversicherungs¬ anstalt der osterreichischen Eisenbahnen gegen die Folgen von Betriebsunfallen versichert sind. Es ist aber ebenso wiinschenswert als notwendig, diesen faktischen Zustand durch einen legalen zu ersetzen, welcher die Burgschaft bieten vviirde, dafi tatsachlich alle in solchen tibergreifenden Betrieben ver- vvendeten Arbeiter und Beamten der Wohltaten der Unfallversicherung nach der hierlandischen oder ausliindischen Gesetzgebung teilhaftig werden und anderseits auch ausgeschlossen werde, dafi durch die gleichzeitige Anwendung beider Gesetze auf dieselben Personen eine sachlich nicht nur uberfliissige, *) Von diesem Exemtionsrechte hat die Staatseisenbahnverwaltung keinen Gebrauch gemacht (vide Anmerkung auf Seite 501). Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 509 sondern sogar bedenkliche Doppel- versicherung Platz greife. Dieses Bedurfnis hat die Regierung veranlafit, im No¬ vember des Jahres 1907 im Reichsrate den Entwurf eines Gesetzes einzubringen, durch welches die Regierung ermachtigt werden soli, mit den Regierungen solcher Staaten, in welchen der inlandischen Unfallversicherungsgesetzgebung entspre- chende Ftirsorgeeinrichtungen bestehen, Abkommen zur Regelung der Wechselbe- ziehungen auf diesem Gebiete abzuschlie- fien. Nach diesem Gesetzentwurfe, welcher vom Abgeordnetenhause auf Grund des Be- richtes des sozialpolitischen Ausschusses am 26. Juni 1908 angenommen worden ist, kann im Falle der Gegenseitigkeit 1. die Versicherungspflicht rucksicht- lich der Arbeiter und Betriebsbeamten von Betrieben im Inlande, welche Bestand- teile eines auslandischen Unternehmens sind, ausgeschlossen und auf Arbeiter und Betriebsbeamte von Betrieben im Auslande, welche Bestandteile eines in¬ landischen Unternehmens sind, ausgedebnt, 2. das bei Feststellung von derlei Be¬ trieben zu beobachtende Verfahren abwei- chend von den Bestimmungen der betreffen- den inlandischen Gesetzgebung geregelt, 3. die Aufhebung der Bestimmung des § 42, Absatz 1 des Gesetzes vom 28. Dezember 1887, RGB. Nr. 1 ex 1888 (Kapitalsabfindung von auslandischen im Auslande sich aufhaltenden Anspruchs- berechtigten), riicksichtlich der Ange- horigen jener Staaten, deren analoge Gesetzgebung die gleich giinstige Be- handlung osterreichischer Staatsange- horiger anerkennt, zugestanden werden. Der osterreichischen Unfallgesetzge- bung gleichwertige Fiirsorgeeinrichtungen bestehen im Deutschen Reiche schon seit langer Zeit und in den Landern der un- garischen Krone seit dem Jahre 1907. Unterstiitzungen aus den Mitteln der Eisenbahnverwaltungen. Die Bahnverwaltungen gewahren: d) Dem aktiven Personal in unverschul- deten Notfallen einmalige Unterstiitzungen, b) invalid gewordenen und nicht pen- sionsberechtigten Bediensteten und Arbei- tern sowie deren Witwen und Kindern,wenn diese Bediensteten zehn Jahre langgedient haben, fortlaufende Gnadengaben und c) ehemaligen Bediensteten, die kiirzer als zehn Jahre gedient haben, einmalige Unterstiitzungen. Die Staatseisenbahnverwaltung hat in denjahren 1898—1907 fiir Unterstiitzungs- zwecke K 8,122.320 verausgabt, wovon K 2,927.960 auf einmalige Unterstiitzungen an aktive Bedienstete, K285.334 auf ein¬ malige Unterstiitzungen an ehemalige Bedienstete und deren Hinterbliebene und K 4,909.026 auf fortlaufende Gnaden¬ gaben an ehemalige Bedienstete und deren Hinterbliebene entfallen. Die von der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn in der Periode 1898 bis 1905 fiir die gleichen Zwecke verausgabte Summe betragt K 4,914.639, wovon K 210.813 auf einmalige Unterstiitzungen und K 4,703.766 auf fortlaufende Gnaden¬ gaben an invalid gewordene Bedienstete und deren Hinterbliebene entfallen. Die von der Osterr.-ungar. Staats- eisenbahngesellschaft im letzten Dezen- nium gewahrten Unterstiitzungen beliefen sich auf K 800.547, wovon K 84.120 auf einmalige Unterstiitzungen und K 716.427 auf fortlaufende Gnadengaben an ehe¬ malige Bedienstete, deren Witwen und Waisen entfallen. Von der Osterreichischen Nordwest- bahn \vurden im gleichen Zeitraume Gnadengaben, Invalidenlohne und Unter- stiitzungen an ehemalige Bedienstete und deren Hinterbliebene im Gesamtbetrage von K 1,564.608 ausgezahlt. Die Aussig-Teplitzer Eisenbahn ge- wahrte in der letzten zehnjahrigen Periode den invalid gewordenen Bediensteten und ihren Hinterbliebenen fortlaufende Gnaden¬ gaben im Gesamtbetrage von K 189.509. Die Societa Triestina Tramway hat im Jahre 1905 einen Unterstiitzungsfonds zu dem Zvvecke gegriindet, um jenen Be¬ diensteten, die wegen Uberschreitung der Altersgrenze nicht mehr zur Teilnahme an dem Pensionsinstitut des Verbandes der osterreichischen Lokalbahnen zuge- lassen werden, im Falle der Invaliditat fortlaufende Gnadengaben zuzuwenden. Dieser Fonds wurde bisher mit einern Betrage von K 20.000 dotiert. Dr. Theobald Pollak. 510 Wohnungsfursorge. Bis gegen Ende des vorigen Jahr- hunderts standen die Eisenbahnverwal- tungen dem Probleme der Wohnungs- fiirsorge fiir ihre Bediensteten ziemlich ferne. Wenn sie tiberhaupt in die Woh- nungsfilrsorge eingriffen, so geschah es nur in jenen Fallen, in denen das rein dienstliche Interesse es erforderte. Die Bahnunternehmungen beschrankten sich deshalb darauf, in unmittelbarer Nahe der Bahnanlagen Dienstwohnungen zu er- richten. Der Wohnungsfursorgetatigkeit im eigentlichen Sinne wendeten sich die oster- reichischen Eisenbahnunternehmungen erst mit dem Beginne dieses Jahrhunderts zu. Nunmehr aber steht die Wohnungsfrage im Vordergrunde ihrer Fursorgetatigkeit. Die Eisenbahnunternehmungen sind zu der Erkennthis gelangt, dafi sie vielleicht mehr als jeder andere Arbeitgeber ein Interesse daran haben, bei der Losung der Wohnungsfrage tatkraftig mitzuwirken. Der Eisenbahndienst ist ein schwerer und verantwortungsvoller. Die Grundbedingung fiir seine klaglose Ab\vicklung ist sowohl die korperliche als die seelische Gesundheit derjenigen, die ihn zu ihrem Berufe er- wahlt haben. Fiir die erkrankten Bedien¬ steten ist allerdings schon lange durch die Eisenbahnkrankenkassen entsprechend vorgesorgt. Damit sind aber jene Auf- gaben, die den hygienischen und sozialen Interessen entspringen, noch keineswegs erfiillt. Vom Standpunkte dieser Interessen mufi nicht nur dafiir gesorgt werden, dafi die Kranken wieder gesund werden, son- dern auch dafiir, dafi die Gesunden gesund bleiben. Dieser letztere Zweck kann aber in erster Linie nur im Wege einer durch- greifenden Verbesserung der Wohnungs- verhaltnisse herbeigefuhrt werden; nur in der guten Wohnung kann die korper¬ liche und seelische Gesundheit gedeihen, auf welcher sich die Grundpfeiler des sozialen Friedens : Sittlicbkeit, Ordnungs- liebe, Sparsamkeit und Mafiigkeit auf- bauen. Die Erkenntnis der eminenten Bedeutung, welche der Wohnungsfrage innewohnt, ist nicht zum geringsten da- durch gefordert worden, dafi das rasche Anwachsen der Stadte und Industrialorte im letzten Jahrzehnt es den Eisenbahn- bediensteten unmoglich machte, in nicht allzugrofier Entfernung von der Arbeits- statte eine auch nur halbwegs gute Woh- nung zu einem erschwinglichen Preise zu erlangen. Diese Verhaltnisse erfuhren noch dadurch eine wesentliche Verschar- fung, dafi auch die Zahl der Eisenbahn- bediensteten im letzten Jahrzehnt in einer sprunghaften Progression gestiegen ist, eine Erscheinung, die einerseits in der ge- waltigen Zunahme des Verkehres und anderseits in der fortschreitenden Aus- gestaltung der Arbeiterschutzmafinahmen ihren Grund hat. Von diesen Schutzmafi- nahmen kommen hier insbesondere die im Jahre 1898 eingeftihrte Regelung der Dienst- und Ruhezeiten fiir die im exe- kutiven Betriebsdienste verwendeten Eisen- bahnbediensteten, sowie das Gesetz vom 28. Juli 1902, RGB. Nr. 156, betreffend die Regelung des Arbeitsverhaltnisses der bei Regiebauten von Eisenbahnen und in den Plilfsanstalten derselben verwen- deten Arbeiter, in Betracht. Bei den k. k. osterreichischen Staats- bahnen wuchs der Stand der Bediensteten von 133.095 im Jahre 1898 auf 185.441 im Jahre 1907. Und so war es auch die Staatsbahnvenvaltung, die zuerst eine grofizugige Wohnungsfursorgeaktion im letzten Jahrzehnt eingeleitet hat. Zur Durchfuhrung dieser Fiirsorge- aktion werden in erster Linie die Mittel der bei den k. k. osterreichischen Staats- bahnen bestehenden Invaliden- und Alters- versorgungsfonds und in zweiter Linie auch jene der iibrigen Fiirsorgefonds der k. k. osterreichischen Staatsbahnen ver- wendet, wobei jedoch an dem Grund- satze festgehalten wird, dafi nicht mehr als dieHalfteder einzelnenFondsvermogen in Immobilien angelegt werden darf. Die Verwendung geschieht auf drei- erlei Art: 1. Die Fonds bauen die Wohnungen fur eigene Rechnung und behalten sie auch in eigener Verwaltung. 2. Die Fonds bauen die Wohnungen wohl fiir eigene Rechnung, vermieten sie aber einer Baugenossenschaft mit der Amvartschaft, das Eigentumsrecht an den Gebauden nach Refundierung des Anlage- kapitals zu erwerben und Die Wohlfahrtseimichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 3. die Fonds stellen den Baugenossen- schaften Darlehen zum Zwecke der Er- bauung von Bedienstetenwohngebauden zur Verfugung. Die von den Fonds errichteten Woh- nungen werden als Mietrvohnungen be- handelt und den Bediensteten auf der Grundlage eines rein privatrechtlichen Mietvertrages zur Beniitzung iiberlassen. Die Staatseisenbahnver\valtung geht bei der Vereinbarung des Mietzinses im allgemeinen von dem Grundsatze aus, dafi der Mietzins 4°/ 0 des Baukapitals scbnittlich eine konstante 4°/ 0 ige Ver- zinsung abwarfen, nicht zu verkiirzen, wird den Fonds der auf diese Verzinsung fehlende Betrag aus Staatsmitteln ersetzt. Die gesamten Kosten der Admini- stration dieser Kategorie von Fonds- gebauden werden von der Staatseisenbahn- venvaltung getragen. Hiedurch erzielen die Fonds sehr betrachtliche Ersparnisse, welche es ihnen ermoglichen, die Miet- zinsgrenze entsprechend herabzusetzen. Bei Herstellung von Wohnungen wird vor allem auf die richtige Austvahl des Abb. 233, Kolonieanlage in Neu-Sandez. erreichen soli, dafi aber die Mietzinse fiir die einzelnen Wohnungen stets et\vas unter den ortsiiblichen Mietzinsen fiir gleichrvertige Privatwohnungen zu halten sind. Nur in jenen Fallen, in welchen sicb wegen zu hoher Boden- und Baukosten eine 4°/ 0 ige Verzinsung des Anlagekapi- tals nicht erzielen lafit, \vird von dem Grundsatze der 4°/ 0 igen Verzinsung aus- nahmsweise abgegangen und der Miet¬ zins nur auf der Grundlage einer 3°/ 0 igen Verzinsung des Anlagekapitals festgesetzt. Um aber die Fonds, deren Vermogens- fruktifizierung friiher nahezu ausschliefilich im Wege der Beschaffung von pupillar- sicheren Wertpapieren erfolgte, die durch- Baugrundes Gewicht gelegt. Im Interesse der okonomischen Verwendung der ver- fiigbaren Fondsmittel und um eine Bau- weise und Ausstattung: der Wohnunp;en zu ermoglichen, die nicht nur den An- forderungen der Gesundheit, sondern auch jenen der Behaglichkeit Rechnung tragt, wird fiir die tunlichst billige Enverbung der Bauplatze Sorge getragen; hiebei \vird aber darauf Bedacht genommen, dafi die Bauplatze sowohl fur den Verkehr zur Arbeitsstatte als auch fiir jenen zur Schule und zu den Lebensmitteleinkauf- stellen giinstig gelegen sind. Wo bahneigene, jedoch fiir Betriebs- zwecke entbehrliche Grundflachen vor- handen sind, werden diese Grundflachen 512 Dr. Theobald Pollak. von der Staatseisenbahnvervvaltung den baufuhrenden Fonds zu mafiigen Ver- kaufspreisen iiberlassen. In jiingster Zeit haben einzelne Ge- meinden in der Erkenntnis, dafi durch die Wohnungsfiirsorgetatigkeit der Staats- eisenbahnverwaltung nicht zuletzt auch die Gemeindeinteressen wesentlich gefor- dert werden, den baufuhrenden Fonds geeignete Gemeindegriinde unentgeltlich ins Eigentum iibertragen. Eine Gemeinde hat sich bereit erklart, geeigneten Baugrund zum Selbstkosten- dafi die Reform in nicht allzu ferner Zeit zur Einfiihrung gelangen werde. In den meisten Kronlandern sind die Entwiirfe fiir neue zeitgemafie Bau- ordnungen bereits fertiggestellt. Was den Typus der Hauser betrifft, so wird an Orten mit teueren Grund- und Baupreisen der Typus des modernen Biirgerhauses gewahlt, welches in grofie- ren Orten drei bis vier Geschosse, in kleineren Orten eine geringere Anzahl von Geschossen erhalt. Es gilt als Regel, dafi in den einzelnen Geschossen nicht mehr Abb. 234. Bedienstetenwohngebaude in Wien, XIII. Bezirk, Hiitteldorf. preise zur Verfugung zu steli en und uberdies fur die Neubauten einen 5O°/ 0 igen Nachlafi von den Gemeindeumlagen auf die Dauer von zehn Jahren zuzusichern. Eine machtige Forderung wiirde aber die Wohnungsfiirsorgetatigkeit ganz be- sonders durch eine auch von wirtschaft- lichen und sozialen Gesichtspunkten getragene Reform der geltenden Bau- ordnungen erfahren. Die gegenwartigen Bestimmungen sind veraltet, fiir die Mittel- und Kleinstadte viel zu streng und verteuern daher die Produktionskosten in solchem Mafie, dafi speziell die Miet- zinse fiir Kleinwohnungen noch nicht geniigend ermafiigt werden konnen. Es ist aber gegriindete Aussicht vorhanden, als vier Wohnungenuntergebrachtwerden. Vom Baugrunde wird im hygienischen Interesse hbchstens die Halfte verbaut, die andere Halfte dagegen fur die Her- stellung von grofieren Gartenanlagen und Kinderspielplatzen verwendet. In solchen kleineren Orten, wo die Bodenpreise noch keine Rolle spielen, werden auch Ein- und Zweifamilien- wohnhauser errichtet. Wenn irgend moglich, wird auch den Mietparteien in den grofieren Hausern Gartengrund zur Anlage von Gemiise- garten zur Verfugung gestellt. Das Aus- mafi eines solchen Gartengrundes ist fiir jede Partei mit wenigstens 60 m 2 fest- gesetzt. 513 Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. In den grofieren Fondshausern be- findet sich ein gemeinsamer Saal, in welchem Zeitschriften und Biicher be- lehrenden und unterhaltenden Inhaltes aufliegen. Wannen- und Brausebader stehen nahezu in allen Fondshausern den Mietparteien zur Bentitzung frei. Aufier- dem sind in den grofieren Hausern Kindergarten eingerichtet. Die Wasch- ktichen sind entweder im Souterrain oder auf dem Dachboden untergebracht. Die Wohnungen der Beamten erhal- ten mindestens zwei Zimmer, ein Kabineti, Die Bestanddauer betragt in der Regel 50 Jahre. Fiir die Inbestandnahme der Wohn- hauser hat die Genossenschaft dem Fonds einen einer 4°/ 0 igen Verzinsung des Anlagekapitals entsprechenden Mietzins in halbjahrigen, im vorhinein am 12. Februar und am 12. August eines j eden Jahres falligen Raten zu entrichten. Die Genossenschaft hat wahrend der Bestanddauer auch das Anlagekapital in halbjahrigen Raten zu tilgen und die Tilgungsraten gleichzeitig mit den Zins- Abb. 235. Bedienstetenvvohngebaude in Wien, XIX. Bezirk, Heiligenstadt. ein Vorzimmer und eine Ktiche mit einer bentitzbaren Gesamtwohnungsflache von mindestens 80 m' i . Die Wohnungen der Unterbeamten bestehen mindestens aus einem Zimmer, einem Kabinett und einer Ktiche mit einer bentitzbaren Gesamtwohnungsflache von mindestens 45 m 2 und die Wohnungen der Diener und Arbeiter enthalten mindestens ein Zimmer und eine Ktiche mit einer bentitzbaren Gesamtwohnungsflache von mindestens 33 Fiir die Inbestandgabe der aus Fonds- mitteln erbauten Wohnhauser an Bau- genossenschaften gelten folgende Grund- siitze: raten am 12. Februar und am 12. August eines j eden Jahres zu entrichten. Nach erfolgter Tilgung des Anlage¬ kapitals werden die Wohnhauser von dem Fonds der Genossenschaft ins Eigen- tum iibertragen. Der Fonds behalt sich fiir den Fali, dafi die Genossenschaft mit zwei Miet¬ zins- oder Tilgungsraten im Riickstande bleiben oder aus welchen Grunden immer in Liquidation treten solite, das Recht vor, den Bestandvertrag zu den orts- iiblichen Aufktindigungsterminen einhalb- jahrig zu ktindigen und 50% der von der Genossenschaft geleisteten Tilgungs¬ raten zu seinen Gunsten fiir verfallen zu erklaren. 33 514 Dr. Theobald Pollak. Die Genossenschaft verpflichtet sich, die in Bestand genommenen Wohnhauser wahrend der ganzen Bestanddauer ord- nungsmafiig in stand zu halten, gegen Feuersgefahr zu versichern, ferner die hieraus erwachsenden Kosten sowohl als auch alle von diesen Hausern abzustatten- den, wie immer Namen habenden Steuern und Abgaben, sowie alle sonstigen mit Wohnungen fiir die Genossenschafter sein. Der Kreis der Mitgliedschaft soli auf das im aktiven Dienste der k. k. oster- reichischen Staatsbahnen stehende Per- sonal beschrankt sein; es konnenjedoch auch Witwen nach Genossenschaftern auf die Dauer des Witwenstandes der Ge¬ nossenschaft beitreten und aufierdem Ge- Abb. 236. »Eisenbahnerhof« in Wien, XIV. Bezirk, Rudolfsheim. dem Besitze und der Beniitzung dieser Hauser verbundenen Auslagen aus Eigenem zu be 9 treiten. Die Wohnungen diirfen nur an Staats- bahnbedienstete vermietet werden, wobei in erster Linie die Genossenschafter zu beriicksichtigen sind. Aftervermietungen sind verboten. Fiir die Gewahrung von Fondsbau- darlehen an Baugenossenschaften sind vom Eisenbahnministerium folgende allgemeine Bedingungen aufgestellt worden: Zweck der Baugenossenschaften mufi die Beschaffung billiger und gesunder nossenschafter, die aus dem aktiven Dienste ausscheiden, Mitglieder bleiben. Zwei Drittel der genossenschaftlichen Wohnungen aber mtissen den im aktiven Dienste stehenden Genossenschaftern vor- behalten sein. Der Geschaftsanteil mufi 200 K be- tragen. Er mufi hoher bemessen sein bei Geno ssenschaften, die sich mit der Herstellung besserer Wohnungen befassen. Die Genossenschaftsstatuten mtissen die Bestimmung enthalten, dafi eine hohere als 4 °/oig e Dividende nicht zur Verteilung gelangen darf und dafi bei Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 515 Abb. 237. Fassade des »Eisenbahnerhof« in Wien, XIV. Bezirlt, Rudolfsheim. Auflosung der Genossenschaft der nach Rlickzahlung der Geschaftsanteile ver- bleibende Uberschufi nicht den Genossen- schaftem, sondern einem gemeinniitzigen Zwecke zufallt. Die Genossenschaft mufi sich ver- pflichten, der Staatseisenbahnverwaltung ihre jahrlichen Bilanzen, Geschaftsberichte und sonstigen Bekanntmachungen, sowie die Protokolle liber die Generalver- sammlungen und Revisionen unaufgefor- dert vorzulegen, sowie den hiezu beauf- tragten Organen der Staatseisenbahnver- waltung jederzeit Einsicht in ihre Biicher zu gewahren, jede geforderte Auskunft zu erteilen und die Teilnahme an allen Vereinsversammlungen und Vorstands- sitzungen zu gestatten. Des weiteren mufi sich die Genossenschaft verpflichten, eine Besichtigung ihrer Grundstiicke, Bauten und Wohnungen durch Beauf- tragte der Staatseisenbahnverwaltung zu jeder angemessenen Zeit zuzulassen. Das Baudarlehen gelangt nach Mafi- gabe des Baufortschrittes zur Aus- zahlung. Das Darlehenskapital samt Neben- gebiihren ist pupillarmafiig und simultan auf dem Realbesitze der Genossenschaft primo loco sicherzustellen. Das Darlehen ist pro rata temporis et quanti mit 4°/ 0 zu verzinsen und durch jahrliche Annuitaten im Betrage von x °/ 0 der Darlehenssumme zu tilgen. Abb. 238. Bediensteten\vohngebaude in St. Polten. 33 : Dr. Theobald Pollak. 516 Abb. 239. Bedienstetemvohngebaude in St. Polten. Jedes belehnte Gebaude ist gegen Feuersgefabr bei einer inliindischen Ver- sicherungsanstalt zu versichern. Ausbe- zahlte Versicherungssummen sind einzig und allein zur Behebung der entstandenen Schaden zu verwenden. Erfolgt ohne vorherige Einholung der Zustimmung der Staatseisenbahnvenval- tung eine freiwillige Veraufierung des belehnten Grundbesitzes oder einzelner Teile desselben, so wird das Darlehen sofort fallig. Der Staatseisenbahnverwaltung wird seitens der Genossenschaft das Recht eingeraumt, ilber die solide Bauaus- fuhrung der zu belehnenden Hauser zu wachen. Den Baugenossenschaften wurden seitens der Staatseisenbahnverwaltung Baudarlehen im Gesamtbetrage von K 1,500.000 gewahrt. Eine weitere nachdriickliche Unter- stiitzung wird den Baugenossenschaften auch dadurch zu teil, dafi ihnen die Staats- eisenbahnverwaltung Subventionen und Frachtermafiigungen fiir den Transport von Baumaterialien gewahrt und dafi sie gestattet, die bei den Genossenschaftern ausstandigen Raten der gezeichneten An- teilsscheine und die falligen Mietzinse im Wege des Gehalts- oder Lohnabzuges hereinzubringen. Gegenwartig bestehen neun Bau¬ genossenschaften, und zwar: zwei in Wien (eine Beamten- und eine Bedien- stetenbaugenossenschaft), je eine Be- amtenbaugenossenschaft in Innsbruck und Krakau, je eine Bedienstetenbaugenossen- schaft in Landeck, Villach, Knittelfeld, Laun, Stanislau und Czernowitz. In Bildung begriffen sind eine Bedien- stetenbaugenossenschaft in St. Veit a. d. Glan und eine in Oderfurt. Aus den Mitteln des Provisions- instituts fiir Diener und Hilfs- bedienstete der k. k. osterreichi- schen Staatsbahnen wurden erbaut: in W i e n: der aus einer Gruppe von neun dreistockigen Hausern bestehende »Eisenbahnerhof« im XIV. Bezirke (Ru- dolfsheim) mit 144 Wohnungen, zwei dreistockige Hauser im XIII. Bezirke (Hiitteldorf) mit 32 Wohnungen und vi er dreistockige Hauser im XIX. Bezirke (Heiligenstadt) mit 68 Wohnungen ; aufierhalb Wiens: die aus sechs Ein- und 96 Zwei- und Dreifamilien- hausern bestehende Kolonieanlage in Neu-Sandez*) mit 254 Wohnungen, die fiir 50 Familien bestimmte Kolonieanlage in Attnang, die aus 37 Ein- und Zwei- familienhausern bestehende Kolonieanlage in Laun, die aus 19 Hausern bestehende Kolonieanlage in St. Pblten mit 200 Woh- nungen, 4 Gebaude in VVilten mit 36 Woh- nungen, 4 Gebaude in Bischofshofen mit 48 Wohnungen, 3 Gebaude in Knittelfeld mit 36 Wohnungen, 2 Gebaude in Cho- dor6w mit 24 Wohnungen, ein Haus in St. Veit a. d. Glan mit 16 Wohnungen und ein Gebaude in Karlsbad (Fischern) mit 20 Wohnungen. Das Gesamtanlagekapital fiir die vor- genannten Hauser mit 980 Wohnungen betragt K 4,400.000. Im Baue begriffen sind: in Wien 9 Hauser mit 155 Wohnungen, in Triest 13 Hauser mit 220 Wohnungen, in Lem- *) Diese Kolonie bestand schon vor dem Jahre 1898. Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 517 berg 12 Hauser mit 192 Wohnungen, in Villach 16 Hauser mit 192 Wohnungen und in Klagenfurt 8 Hauser mit 78 Wohnungen. In der nachsten Bauperiode gelangen zur Errichtung: in Wien nachst dem Franz Josefs-Bahnhofe 12 Hauser mit 220 Wohnungen und im XIII. Bezirke (Penzing) 1 Haus mit 24 Wohnungen, in St. Polten 16 Hauser mit 192 Woh- und in Stanislau 7 Hauser mit 120 Woh- nungen. Das fiir diese teils bereits im Bau begriffenen, teils im Jahre 1909 zur Ausfuhrung gelangenden Bauten mit zusammen 2257 Wohnungen erfor- derliche Kapital belauft sich auf rund K 10,000.000. Aus den Mitteln der Kranke li¬ li as s e f 11 r das Personal der k. k. Abb. 240. lin Baue begriffene Bediensteteirvvohngebaude in Wien, XV. Bezirk. nungen, in Gorz 6 Hauser mit 96 Woh- nungen, in Aftling 5 Hauser mit 6oWohnungen, in Villach 4 Hauser mit 24 Wohnungen, in Lundenburg 5 Hauser mit 48 Wohnungen, in Mahr.-Ostrau 6 Hauser mit 72Wohnungen, in Oderberg 4 Hauser mit 48 Wohnungen, in Dzieditz ein Haus mit 12 Wohnungen, in Seibers- dorf ein Haus mit 4 Wohnungen, in Zabierzow ein Haus mit 4 Wohnungen, in Szczakorva 2 Hauser mit 24Wohnungen, in Krakau 15 Hauser mit 216 Wohnungen, in Lemberg 16 Hauser mit 256 Wohnungen osterreichischen Staatsbahnen wurden in Wien (Hiitteldorf) 3 drei- stockige Hauser mit 48 Wohnungen erbaut. Das Anlagekapital betragt K 280.000. Von den den Fonds gehorigen Hausern in Wien wurden 9 Hauser mit 144 Wohnungen dem ersten Spar- und Bau- vereine von Bediensteten der k. k. oster¬ reichischen Staatsbahnen in Wien in Be- stand gegeben. Von den bestehenden Baugenossen- schaften hat die Bedienstetenbaugenossen- schaft in Wien mit einem Gesamtkosten- Dr Theobald Pollak. Abb. 241. Kolonieanlage der Spar- und Baugenossenschaft in Knittelfeld. aufwande von K 247.183 4 dreistockige Hauser mit 64 Wohnungen, die Bedien- stetenbaugenossenschaft in Knittelfeld mit einem Gesamtkostenaufwande von K 439.733 55 Hauser mit 193 Woh- nungen und die Bedienstetenbaugenossen- schaft in Landeck mit einem Gesamt- kostenaufwande von K 50.000 5 Hauser mit 22 Wohnungen errichtet. Die Beamtenbaugenossenschaften in Krakau und Stanislau begannen noch im Jahre 1908 mit ihrer Bautatigkeit. Die finanzielle Lage der Baugenossen- schaften ist mit Ausnahme von zwei Genossenschaften vollstandig geordnet und giinstig. Bei der einen dieser zwei Genossenschaften war eine besondere finanzielle Unterstiitzung durch die Staats- bahnverwaltung erforderlich. Beziiglich der anderen Baugenossenschaft werden gegenwartig im Eisenbahnministerium die Mittel und Wege erwogen, welche zur Sanierung ihrer Verhaltnisse geeignet sind. Die Ursachen, auf welche die finanziellen Kalamitaten dieser beiden Genossen¬ schaften zuriickzufiihren sind, liegen darin, dafi sie sich im unbegreiflichen Gegensatze zu den anderen Bauge- nossenschaften nicht an die Staatseisen- bahnverwaltung um Ge\vahrung billiger Baudarlehen wandten, sondern sich mit privaten Geldgebern in Verbindung setzten, von denen sie die Baudarlehen nur unter ungiinstigen Bedingungen erhielten. Was die Tatigkeit der Privatbahn- verwaltungen auf dem Gebiete der Woh- nungsfiirsorge betrifft, so waren auch diese Verwaltungen darauf bedacht, die fiir ihr Personal geschaffeften Wohnungs- unterkiinfte entsprechend auszugestalten. Šo wurde die von der Aussig-Teplitzer Eisenbahn errichtete Kolonie in Aussig, welche urspriinglich aus fiinf Hiiusern mit 50 Wohnungen bestand, durch die Er- richtung eines neuen Wohngebaudes mit acht Wohnungen erweitert. Ferner wurde je ein Haus in Prodlitz bei Aussig und in Briesen bei Proschen, wo sich die Wohnungsverhaltnisse fiir die Bediensteten besonders schwierig gestaltet haben, aus den Mitteln des Pensionsinstituts der Aussig-Teplitzer Eisenbahn angekauft, welches die in diesen Hausern befindlichen Wohnungen den gesellschaftlichen Be¬ diensteten gegen einen mafiigen Miet- zins zur Bentitzung uberlaf.it. Diese Ver- mehrung der Wohngebaude erforderte ein Anlagekapital von K 80.000. Auch bei der Osterreichischen Nordwestbahn haben die Kolonieanlagen in Jedlesee, Nimburg und Tetschen eine Ausgestal- tung erfahren. Diese Kolonien bestanden urspriinglich aus 45 Gebauden mit 310 Wohnungen, wahrend sie gegenwartig aus 56 Wohngebauden mit 415 Woh- nungen bestehen. Die durch diese Er- weiterung aufgelaufenen Mehrkosten be- tragen K 493.207. Das von der Oster¬ reichischen Nordwestbahn fiir diese Ko¬ lonien aufgewendete Anlagekapital betragt K 3,235.000. Zum Zvvecke der Verbesserung der Wohnungsverhaltnissedes Personals haben die Eisenbahnunternehmungen noch eine ganze Reihe allgemeiner Mafinahmen ge- troffen, von denen hier nur die wich- tigsten angefiihrt werden mogen: Dem in 'grofien Stadten stationierten Personal wird auf Ansuchen die Erlaubnis erteilt, aufierhalb des Stationsortes Woh- nung zu nehmen, sofern in den auswar- tigen Orten giinstigere Wohnungsverhalt- nisse herrschen. Derselben Begiinstigung werden unter gleichen Umstiinden auch Die Wohlfahrtsemrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 519 die Bediensteten der kleineren Stations- orte teilhaftig. Der ortliche Umkreis, in welchem die Wohnungsnahme gestattet ist, wird fur die einzelnen Dienstorte von Fali zu Fali bestimmt. Gewisse Grenzen miissen aller- dings der ausrvartigen Wohnungsnahme sowohl im Interesse des Dienstes als auch im Interesse des Personals selbst gezogen werden, weil sonst das Personal durch Zuriicklegung zu weiter Wege zwischen Wohnort und Dienststelle in seiner Arbeitskraft beeintrachtigt oder in den notigen Ruhepausen verktirzt werden wiirde. Dem Personal, dem die Bervilligung, aufierhalb des Dienstortes Wohnung zu nehmen, erteilt worden ist, wird freie Fahrt zwischen Wohn- und Dienstort gewahrt. Uberdies wird in Beriicksichtigung des Umstandes, dafi in den auswartigen Wohn- orten die Approvisionierungs- und Schul- verhaltnisse in der Regel ungiinstig sind, den Familienangehorigen der betreffenden Bediensteten zum Zwecke des Lebens- mitteleinkaufes und ihren Kindern zum Zvvecke des Schulbesuches Freifahrt be- willigt. Fiirsorge fiir Lebensmittel- beschaffung. Die Lebensmittelmagazine, welche dem Zwecke dienen, den Bahnbediensteten aller Kategorien die notrvendigen Lebensmittel in guter Qualitat und zu den billigsten Preisen zu liefern, sind auch im letzten Jahrzehnte ihrer Aufgabe vollkommen gerecht geworden. Die Zahl der bei den osterreichischen Bahnverwaltungen be- stehenden Magazine hat sich seit dem Jahre 1898 von 23 auf 39 erhoht. Derzeit bestehen folgende Lebensmittelmagazine: bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen die Magazine in Wien, Westbahnhof, in St. Polten, Gmiind, Linz, Salzburg, Innsbruck, Kmttelfeld, Pilsen, Budweis, Bodenbach, Laun, Prag, Tabor, Jagerndorf, Jaslo, Rzeszow, Sucha, Tarnow, Lemberg, Stanislau und Czernowitz, bei der KaiserFerdinands-Nord- bahn in Wien Nordbahnhof,*) *) Dieses Magazin ist inzvvischen in das Eigentum der Staatseisenbahnverwaltung iibergegangen. Abb. 242. Strafte in der Kolonieanlage der Spar- und Baugenossenschaft in Knittelfeld. 520 Dr. Theobald Pollak. bei der Bohmischen Nordbahn das Magazin in Bohm.-Leipa, bei der S vi d b a h n die Magazine in Wien, Marburg und Innsbruck, bei der S t a a t s - E i s e n b a h n g e s e 11 - schaft die Magazine in Bohm.-Triibau, Prag,Stadlau, Marchegg,Wien,Simmering, Halbstadt, Briinn, Bodenbach und Wessely a. M., bei der Osterreichischen Nord- westbahn und S vi d-N orddeutschen Verbindungsbahn das Magazin in Wien mit Filialen in Reichenberg, Nim- burg, Jedlersdorf und Tetschen, bei der Aussig-Teplitzer Bahn ein Magazin, bei der Kaschau-Oderberger Eisenbahn ein Magazin. Der gesamte Warenumsatz derLebens- mittelmagazine ist von 13,840.000 K im Jahre 1898 auf 27,352.000 K im Jahre 1907 gestiegen. Die bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen bestehenden Lebensmittel- magazine sind auf Grand des Gesetzes vom 9. April 1873, RGB. Nr. 70, als registrierte Genossenschaften mit be- schrankter Haftung organisiert, wahrend die Magazine der Privatbahnunternehmun- gen interne Institutionen dieser Unter- nehmungen darstellen. Um den Lebensmittelmagazinen die Erfiillung ihrer eminent humanitaren Auf- gabe zu ermoglichen, werden ihnen von den Bahnverwaltungen namhafte Be- giinstigungen zugewendet. Unter diesen Begunstigungen sind insbesondere zu nennen: die Gewahrung von unverzins- lichen Darlehen, die unentgeltliche oder nur gegen ein geringes Entgelt erfolgende Beistellung der notigen Lokalitaten, die Hereinbringung der von den Magazinen den Bediensteten kreditierten Betrage im Wege des Gehalts- oder Lohnabzuges und die Gewabrung von Frachtbegiinstigungen fvir den Warentransport. Diese den Lebensmittelmagazinen im letzten Jahr- zehnt zugewendeten Begunstigungen reprasentieren einenWert von mindestens K 1,700.000, wovon auf die k. k. oster¬ reichischen Staatsbahnen K 1,300.000 entfallen. Es soli aber nicht unerwahnt bleiben, dafi die Lebensmittelmagazine wegen dieser Begunstigungen den heftigsten An- griffen durch die Flandels- und Gevverbe- treibenden ausgesetzt sind. In den letzten Jahren haben sich die Angriffe noch bedeutend verscharft und es wurde nichts Geringeres als die ganzliche Auflassung der Lebensmittelmagazine gefordert. Diese Angriffe und Forderungen er- scheinen aber keineswegs gerechtfertigt; die Lebensmittelmagazine gehoren zu den- jenigen Wohlfahrtseinrichtungen fvir das Eisenbahnpersonal, deren es absolut nicht entraten konnte. Die Bahnbediensteten sind auf fixe Bezvige angewiesen und nicht wie die Angehorigen anderer Erwerbskreise in der Lage, die ihnen aus der stetigenVerteuerung aller Lebensbedingungen erwachsenden Lasten ganz oder teilweise auf andere zu iiberwalzen. Aus diesem Grunde sind die Lebensmittelmagazine, welche ihnen beim Viktualienbezuge die billigeren Preise des Grofikaufers vermitteln, fiir sie vom grofiten wirtschaftlichen We.rte, und dieser steigert sich noch in demselben Mafie, als die Eisenbahnen sich weiter ausbreiten und in dvinn bevolkerte Gegenden vordringen, wo die Approvisionierung der oft weitab von grofieren Ortschaften untergebrachten Bediensteten sonst auf die grofiten Schvvierigkeiten stofien wvirde. Diese besonderen Verhaltnisse, welche sich mit denen bei anderen Unternehmungen nicht vergleichen lassen, legen den Eisenbahn- verwaltungen geradezu die Pflicht auf, die zu Gunsten ihrer Bediensteten errichteten Lebensmittelmagazine kraftigst zu fordern. (Jbrigens ist es eine Erfahrungstatsache, dafi die heftigen Klagen, welche bei der Bildung neuerLebensmittelmagazine gegen sie erhoben wurden, bald wieder ver- stummten, da sich die Gewerbetreibenden mit den neuen Verhaltnissen immer noch ganz gut abgefunden haben. Zur Ausgleichung dieser Gegensatze tragen nicht zuletzt die Bahnverwaltungen selbst bei, indem sie in nachdrucklichster Weise dafur Sorge tragen, dafi jede mifi- brauchliche Ausniitzung dieser Wohlfahrts- einrichtungen hintangehalten werde, damit die den Magazinen gewahrtenBegtinstigun- gen lediglich den Eisenbahnbediensteten und nicht unbefugterweise auch bahn- fremden Personen zu gute kommen. Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 521 In dieser Richtung diirfte den Eisen- bahnvervvaltungen eine ebenso wirksame als willkommene Unterstiitzung zu teil werden, wenn der der Vollendung ent- gegengehende Entwurf eines neuen Ge- setzes liber die Erwerbs- und Wirtschafts- genossenschaften Gesetzeskraft erlangt haben wird. In diesen Gesetzentwurf rverden dem Vernehmen nach eine Reihe von neuen Bestimmungen aufgenommen werden, welche die Sicherstellung einer in jeder Beziehung ordnungsmafiigen Gebarung der Lebensmittelmagazine bezwecken. So sollen unter anderem die Befugnisse der Registergerichte erweitert, die Rechte der Minderheit der Genossen- schafter in der Generalversammlung ge- nau umgrenzt und weitaus strengere Ge- barungs- und Strafbestimmungen als die in dem geltenden Gesetze vorgesehenen erlassen werden. Das Kinderasyl in Feldsberg, welches von der Kaiser Ferdinands-Nordbahn errichtet wurde, ist dazu bestimmt, Kinder beiderlei Geschlechts, und zwar 100 Knaben und 100 Madchen von Nordbahn- bediensteten, und zwar: in erster Linie von im Dienste todlich verungliickten Bediensteten aller Art, in zweiter Linie Kinder von aktiven, definitiv angestellten und in dritter Linie Kinder von sonstigen Bediensteten nach Mafigabe der Wtirdigkeit und Bediirftigkeit der Eltern ohne Unterschied der Nationalitat und Konfession in Ob- sorge zu nehmen, sie vom 6. bis zum 14. Lebensjahre vollig zu erhalten, zu bekleiden, ihnen eine sittliche und religiose Erziehung, den gesetzlich vorgeschriebe- nen Schulunterricht und die Vorbildung fur das praktische Leben angedeihen zu lassen. Abb. 243. Kinderasyl Feldsberg. Fiirsorge fur Erziehung und Unterricht.*) Auf diesem Gebiete wurden aus Anlafi des sojahrigen Regierungsjubilaums Sr. Majestat des Kaisers Franz Josef I. zwei aufierordentlich segensreich wirkende Institutionen ins Leben gerufen. Es sind dies das Kinderasyl in Feldsberg und der Kaiserjubilaums-Wohl- tatigkeitsverein fiirTochter von Bediensteten der k. k. o s t e r r e i c h i- schen Staatsbahnen. *) Das Fachbildungswesen ist hierunter nicht inbegriffen. Die den Unterrichtszwecken dienende, mit dem Asyl verbundene fiinfklassige Volksschule geniefit das Offentlichkeits- recht. Um den Bestand der Anstalt fur immer- wahrende Zeiten zu sichern, hat die Staats- eisenbahnverwaltung im Jahre 1898 sich bereit erklart, die Anstalt im Falle der Verstaatlichung der k. k. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn zu iibernehmen und im Sinne des Stifters weiter zu fiihren. Dieser Fali ist inzwischen eingetreten und die Anstalt in das Eigentum der Staats- eisenbahnverwaltung libergegangen. Das Asyl und die Asylschule stehen unter der Leitung eines Direktors. Mit der Leitung 522 Dr. Theobald Pollak. des Hauswesens und der Oberaufsicht in bezug auf Erziehung und weibliche Hand- arbeiten ist die Gattin des Direktors betraut. Der Wirkungskreis dieser Personen sowie jener der Lehrkrafte und anderen Ange- stellten der Anstalt ist durch besondere Vorschriften auf das genaueste geregelt. Derzeit wirken am Asyl aufier dem Direktor und seiner Gattin funfVolksschul- lehrer, zwei Volksschullehrerinnen, eine oder zwei Industrielehrerinnen. Die er- forderlichen gewerblichen und unterge- ordneten hauslichen Arbeiten besorgt ein Dienstpersonal, das aus einerWirtschafterin, ergebenden Schwierigkeiten befriedigend sind, geniefien die Zoglinge in der An¬ stalt eingehende Unterweisung in solchen Nebenfachern, welche fur ihr weiteres Fortkommen wertvoll sind. Diese Neben- facher sind: Knabenhandfertigkeitsun- terricht, gewerbliche Arbeiten, hausliche Arbeiten und weibliche Handarbeit. Der Knabenhandfertigkeitsunterricht umfafit Anleitung in Kartonage-, Holzschnitz- und Hobelbankarbeiten, wahrend die fahigeren Knaben in der schulfreien Zeit in der Schuster-, Schneiderwerkstatte so- wie im Garten zu den ftir sie geeigneten Abb. 244. Kinderasyl Feldsberg. vier Aufsehern, vier Aufseherinnen, einer Krankenwarterin, drei Hausdienern, einer Kochin, sechs Kiichen- und Hausmadchen besteht.Fiir dieNiederdruckdampfheizungs- anlage ist ein Maschinist angestellt. Den arztlicben Dienst im Asyl ver- sehen ein Asyl- und ein Bahnarzt; die zahnarztliche Pflege der Zoglinge liegt in den Handen eines Nikolsburger Zahn- arztes. Beobachtungs- und Kranken- zimmer stehen zur Verfiigung. Im Mittel- gebaude ist eine Brause- und Wannen- badeanlage untergebracht. Aufier dem normalen Volksschul- unterricht, dessen durchschnittliche Re- sultate trotz der aus der Gemischt- sprachigkeit des Schiilermaterials sich gewerblichen Arbeiten angehalten wer- den. Auf den Unterricht der Madchen in weiblichen Handarbeiten wird natur- gemafi besonderes Gewicht gelegt. Ein Teil der mit Ablauf des vier- zehnten Lebensjahres entlassenen Knaben wird nach Mafigabe der freien Platze in den Nordbahn-, jetzt Staatsbahnwerk- statten als Lehrlinge untergebracht und dortselbst ausgebildet. Die iibrigen Knaben sowie die Mad¬ chen werden mit vollendetem vierzehnten Lebensjahre ihren Angehorigen zur weiteren Ausbildung. und Versorgung ubergeben. Eine ganze Reihe von grofiherzigen Spenden ermoglicht es, den bestqualifi- Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 523 zierten Zoglingen ansehnliche Geschenke zuzuwenden. So werden alljahrlich aus dem Hardt-Fonds (Stiftung des friiheren landesfiirstlichen Kommissars bei der k. k. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn, der Munifizenz des verstorbenen Ver- waltungsrates der k. k. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn Alfred von Lenz in der Lage, den Betrag von 1000 Kronen unter die 20 besten Absolventen und Abb. 245. Speisesaal fiir die \veiblichen k. k. Sektionschefs Dr. Ritter von F[ a r d t) eine Anzahl von Schiilern und Schiilerinnen mit Kleidungsstiicken oder anderen der individuellen Veranlagung der Zbglinge entsprechenden Gegenstanden (Werk- zeugkasten oder dgk) beteilt. Im Jahre 1907 war die Anstaltsdirektion dank Zoglinge im Kinderasyl zu Feldsberg. Absolventinnen der Anstalt zur Verteilung zu bringen. Seit dem Eroffnungsjahre \varen die Platze der Anstalt stets voli besetzt. Die Zahl der Aufnahmswerber steigt von Jahr zu Jahr. Im Durchschnitte scheiden jahr- lich etwa 20—40 Zoglinge aus; diesem 524 Dr. Theobald Pollak. Abgange stehen aber im Durchschnitte jahrlich 170 Aufnahmswerber gegeniiber. Die Anlagekosten des Asyls beliefen sich auf K 640.000; die Betriebskosten be- laufen sich durchschnittlich auf K 113.800 fiir ein Jahr, so dafi bei dem Verpflegs- stande von 200 Zoglingen auf einen Zogling ein durchschnittlicher Jahres- kostenbetrag von K 568 entfallt. Die Gesamtbetriebskosten in den Jahren 1902 bis 1907 beliefen sich auf K 682.800. Der Kaiser j ubilaums-Wohl- tatigkeitsverein fiir Tochter von Bediensteten der Staatseisenbabnver- waltung wurde von einem aus den Kreisen der Bediensteten der Staatseisenbahnver- waltung gebildeten Komitee zu dem Zwecke ins Leben gerufen, um Tochtern von un¬ bemittelten Bediensteten durch Ge\vahrung von Stipendien, Verleihung von Stiftplatzen an Erziehungsinstituten oder Erteilung von Unterstiitzungen die Mittel zu einer besseren Ausbildung zu gewahren und weiters soleh en Tochtern durch Zu- \vendung von Heiratsausstattungen die Eingehung der Ehe zu erleichtern. Der Verein, welcher von der Staats- eisenbahnverwaltung mit 4000 K jahrlich subventioniert und auch sonst tatkraftig unterstiitzt wird, zahlt gegemvartig 6 Ehrenmitglieder, 18.348 Mitglieder, 52 Stifter und 42 Forderer. Das Vereinsvermogen belauft sich auf K 257.000. In denjahren 1898 bis 1907 hat der Zentralausschufi des Vereines 193 Stipendien zu K 400, 488 Stipendien zu K 200, 160 Stiftpliitze an Erziehungs¬ instituten im Durchschnittswerte von je K 500 und 190 Heiratsausstattungen zu K 500 verliehen und an Unterstiitzungen fiir Schulzvvecke den Betrag von K 238.000 verteilt. Insgesamt wurde somit in der be- zeichneten zehnjahrigen Periode ein Be¬ trag von K 587.800 fiir Vereinszwecke verausgabt. Von den weiteren im letzten Jahr- zehnt der Unterrichtsfursorge ge- widmeten Institutionen verdienen noch folgende hervorgehoben zu werden: Imjahre 1898 wurde von der Staats- eisenbahnverwaltung in der Arbeiter- kolonie in Neu-Sandez ein zweites fiir 500 Kinder bestimmtes Schulgebaude mit einem Kostenaufwande von K 120.000 errichtet und unentgeltlich in das Eigentum der Schulgemeinde Neu-Sandez iibertragen, welche noch im selben Jahre eine vier- ldassige offentliche Volksschule aktiviert hat und dieselbe seither auf ihre Kosten erhalt. Imjahre 1908 erfuhr die seit demjahre 1866 bestehende, von derStaatseisenbahn- verwaltung erhaltene fiinfklassige Volksschule fiir Knaben und M a d c h e n in Lemberg eine wesent- liche Ausgestaltung, indem diese Schule in eine vierklassige Volksschule fiir Knaben und Miidchen und in eine dreiklassige Biirgerschule fiir Knaben umgewandelt wurde. Die von der Staatseisenbahnver- waltung bestrittenen Erhaltungskosten dieser Schule, welche im letzten Dezennium von 2972 Kindern besucht war, beliefen sich in diesem Zeitabschnitte auf K 22 1.040. Uberdies hat die Staatseisenbahn- venvaltung in den Jahren 1898—1907 unbemittelten Bediensteten der oster- reichischen Staatsbahnen 2039 Unter- richtsbeitrage im Gesamtbetrage von K 312.780 verliehen uird dem Schul- fondsvereine fiir Be die n štete der Staatseisenbahnverwaltung Subventionen im Gesamtbetrage von K40.683'94 zugervendet. Vom Schulfonds- vereine selbst wurden in der genannten Zeit- periode unbemittelten Beamten 1456 Sti¬ pendien im Gesamtbetrage von K 29 r.200 erteilt, um ihnen die Ausbildung ihrer Kinder an Mittel- oder Llochschulen zu ermog- lichen. Aus der imjahre 1902 errichteten und in der Verwaltung des Schulfonds- vereines stehenden »D r. E g o n S t r a u C- Schulstipend i um-S tiftung« wurden stiftsbriefgemafi an Kinder soleher Be¬ diensteten der Staatseisenbahnverwaltung, bei denen die im Statut des Schulfonds- vereines fiir die Stipendienverleihung nor- mierten Voraussetzungen nicht zutreffen, Stipendien im Gesamtbetrage von K 600 verliehen. Im Jahre 1904 wurde von einem aus Staatsbahnbediensteten in Lemberg ge¬ bildeten Komitee die Institution des »Kinderheims« fiir die Bediensteten des L emb erger Staatsbahndirektionsb ezirkes ins Leben gerufen. Dieses Kinderheim hat den Zweck, drei- bis secbsjahrigen Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 525 Kindern der iirmsten von den in Lem¬ berg wohnenden Bediensteten, deren Gattinnen auch in die Arbeit gehen miissen, tagsiiber Unterkunft, Pflege, Nahrung und Erziehung angedeihen zu lassen. In den Jahren 1904—1907 waren dort insgesamt 320 Kinder untergebracht. Die hiefiir verausgabten Kosten beliefen sich auf K 31.400. Die Staatseisenbahn- verwaltung wendete dieser Institution im letztenJahrzehnt Subventionen im Gesamt- betrage von K 6000 zu. Derschatta, die Gemahlin Sr. Exzellenz des Herrn Geheimen Rates, Eisenbahn- ministers a. D. Dr. Julius Edlen von Der¬ schatta steht. Das Stiftungskapital, wel- ches sich im gegemvartigen Zeitpunkte auf K 300.000 belauft, wurde durch Spenden aus den Kreisen derStaatsbahnbediensteten und aus anderen Kreisen, die dem Wohle der Staatsbahnbediensteten liebevolles Interesse entgegenbringen, aufgebracht. Die Ertriignisse des Stiftungskapitals wer- den teils zur Errichtung von eigenen Kinder- Abb. 246. Turnhalle im Kinderasyl zu Feldsberg. Schliefilich wiire noch einer im Monat Juli 1908 aus Anlafi des sechzigjahrigen Regierungsjubilaums Seiner Majestat des Kaisers Franz Josef I. ins Leben gerufenen Stiftung zu gedenken, die, den Aller- hochsten Intentionen entsprechend, der Kinderftirsorge gewidmet ist. Diese Stif¬ tung, welche den Namen »Kaiser Jubilaums-Stiftung zum Z w e c k e der Fursorge ftir Kinder der Be¬ diensteten der k. k. osterreichi- schenStaatsbahnen« fiihrt, verdankt ihre Entstehung einem aus Bediensteten der Staatseisenbahnvenvaltung und deren Frauen gebildeten Komitee, an dessen Spitze Ihre Exzellenz Frau Flora von heimen fiir Kinder von Bediensteten der Staatseisenbahnvenvaltung, teils zur Kre- ierung von fiir solche Kinder bestimmten Freiplatzen in anderen Kinderfiirsorge- anstalten verwendet werden." Bei dem grofien Wohltatigkeitssinn, der den Staatsbahnbediensteten von jeher eigen war, ist bestimmt zu hoffen, dafi der Spendenzuflufi auch in Zukunft reichlich sein und die Ausgestaltung der Stiftung in solchem Mafie ermOglichen \vird, dafi ihre Wohltaten immer weiteren Kreisen der Staatsbahnbediensteten zu teil werden. Auch die Privatbahnverwaltungen sind darauf bedacht, das Studium der Soline ihrer Bediensteten teils durch eigene 526 Dr. Theobald Pollak. Schulen, teils durch Stipendienverleihungen zu fordern. So hat die Osterr.-ungar. Staatseisenbahn - Gesellschaft anlafilich ihres fiinfzigj ahrigenBestandes beschlossen, jahrlich den Betrag von K 40.000 zu dem Zwecke zu widmen, um vom Studienjahre 1905/06 angefangen studierenden Sohnen gesellschaftlicher Bediensteter Studiensti- pendien zu verleihen. Fiir dlesen Zweck wurden bisher K 120.000 verausgabt. Die Osterreichische Nordwestbahn be- sitzt in ihrer Arbeiterkolonie in Nimburg eine mit Offentlichkeitsrecht ausgestattete vierklassige Volksschule, welche in denjah- ren 1898—1907 von 1645 Kindern von Nord\vestbahnbediensteten besucht war. Die in diesem Zeitraume fiir den Schul- betrieb aufgelaufenen Kosten betragen K 183.139. Bei der Siidbahngesellschaft bestehen zwei Volksschulen, welche ebenfalls offent- lich sind und von denen sich die eine in Breitenstein und die andere in Mar- burg befindet. Diese Schulen waren im letzten Dezennium von 3394 Kindern von Sudbahnbediensteten besucht, und die in dem erwahnten Zeitraume von der Eisen- bahnunternehmung bestrittenen Schulbe- triebsauslagen beliefen sich auf K 177.273. Aufierdem besitzt die Sudbahngesell¬ schaft ein Kinderasyl im XII. Bezirke Wiens. In dieser Anstalt waren in den Jahren 1898—1907 3795 Kinder von Sud¬ bahnbediensteten untergebracht. Die An- staltskosten betrugen in diesem Zeitraume K 136.800. Die Aussig-Teplitzer Eisenbahn ge- wahrt ihren Bediensteten Studienbeitrage. Die Hohe eines solchen Beitrages beziffert sich auf K 50 bis 200 jahrlich. Die hieftir entfallenden Ausgaben betrugen im letzten Jahrzehnt K 20.000. Vorschuftwesen und Sparkasseneinrichtungen. Fiir diese beiden Zwecke bestehen bei den meisten Bahnverwaltungen Institu- tionen, durch welche dem Personal die Moglichkeit geboten ist, einerseits Er- sparnisse bequem und sicher anzulegen, anderseits aber auch Gehaltsvorschiisse unter giinstigen Bedingungen zu erhalten. Fiir das Personal der Staatseisenbahn- verwaltung ist in dieser Hinsicht durch die »Spar-und Vorschufikasse fiir Bedienstete der k. k. osterreichi- schen Staatsbahnen« vorgesorgt. Von dieser Kasse werden Spareinlagen nach dem jeweils vom Eisenbahnmini- sterium zu bestimmenden Bedarfe und nach Mafigabe der erlassenen Direk- tiven von Fali zu Fali angenommen. Die geringste Spareinlage ist mit K 2 fest- gesetzt. Als Einlagestellen fungieren, neben der k. k. Hauptkasse der oster- reichischen Staatsbahnen in Wien, die Bahnstations-, Bahnbetriebsamts- und Staatsbahndirektionskassen. Der Zinsfufi fiir Spareinlagen wird nach der Verschiedenheit ihrer Riickzahl- barkeit (auf Sicht oder gegen ein- bis dreimonatliche Kiindigung) jeweils vom Eisenbahnministerium festgesetzt und be- trug im Jahre 1907 fiir die a vista und die in ein bis zwei Monaten nach erfolgter Kiindigung riickzahlbaren Spareinlagen 3'/ 2 , beziehungsweise 3 8 / 4 °/ 0 und fiir Ein- lagen mit dreimonatlicher Kiindigung 4°/ 0 . Vorschiisse werden an alle aktiven im Jahresgehalte stehenden Bediensteten unter Bedachtnahme auf das exekutionsfreie Existenzminimum, das gegenwartig K 1600 betragt, bis zur Hohe von 8o°/ 0 des Jahres- gehaltes mit der Beschrankung erteilt, dafi der Vorschufi im einzelnen Falle den Be¬ trag von K 2400 nicht iibersteigt. Ausnahmsweise werden Vorschiisse auch ohne Bedachtnahme auf das exe- kutionsfreie Existenzminimum an die im Jahresgehalte stehenden Bediensteten bis zur Plohe des dreimonatlichen Gehaltes und an die im Monatsgehalte stehenden Ma- nipulantinnen bis zur Hohe des einmonat- lichen Gehaltes bewilligt. Bei der Aufnahme von Darlehen, welche den Betrag eines Monatsgehalts iiber- steigen, mufi in der Regel eine entspre- chende Lebensversicherungspolizze beige- bracht werden. DerZinsfufi der Vorschiisse \vird vom Eisenbahnministerium jeweils festgesetzt und betragt dermalen 5%. Vorschiisse bis zur Hohe eines Monats- gehaltes sind in 12, grofiere Vorschiisse in 24 bis 60 Monatsraten zuriickzuzahlen. Die Spar- und Vorschufikasse ist als Hilfsanstalt derStaatseisenbahnverwaltung Die Wohlfahrtseinrichtungen der dsterreichischen Eisenbahnen. 527 organisiert. Bei der Verwaltung steht dem Eisenbahnministerium und deirStaats- bahndirektionen ein von der erstgenannten Stelle aus dem Kreise der aktiven Be- diensteten ernannter mehrgliedriger Aus- schufi als beratendes Organ zur Seite. Die Summe samtlicher Spareinlagen belief sich zu Ende des Jahres 1907 auf K 415.036. DasVermogen der Kasse betrug am 31. Dezember 1907 K 666.927. Imjahre 1907 wurden 5294 Vorschiisse bis zur Hohe eines Monatsgehaltes und 503 grofiere Vorschiisse im Gesamtbetrage von K 619.380 erteilt. In den Jahren D. Der Spar- und Darlehens- verein der Bediensteten der k. k. Staatsbahndirektion in Innsbruck (gegriindet 1904). Diese Vereine sind auf Grund des Ge- setzes vom 9. April 1873, RGB. Nr. 70, als Genossenschaften, und zwar der sub B genannte mit unbeschrankter und die drei anderen mit beschrankter Haf- tung konstituiert, ihre Verwaltung ist daher vollkommen autonom. Der erstgenannte Verein zahlte zu Anfang des Jahres 1898 5231 Mitglieder, zu Ende des Jahres 1907 5839 Mit- Abb. 247. Ferienkolonie in Tuchla. 1898—1907 belief sich die Summe der erteilten Vorschiisse auf K 6,740.023. Ahnliche Ziele, wie die Spar- und Vorschufikasse fiir Bedienstete der k. k. osterreichischen Staatsbahnen, verfolgen vier vom Staatsbahnpersonal ins Leben gerufene Vereine. Es sind dies: A. Der Spar- und Kreditverein der Beamten und Diener der k. k. Staatsbahnen in Galizien (gegriindet 1871). B. Der Vorschufiverein der Beamten und Diener galizischer Eisenbahnen (gegriindet 1873). C. Der Spar- und Darlehensverein der Bediensteten der k. k. Staats¬ bahndirektion in Wien (gegriindet 1902) und glieder. Der Darlehenszinsfufi war im Jahre 1907 mit 5'5%, der Spareinlagen- zinsfufi mit 4 , / 4 °/ 0 festgesetzt. Zu Ende des letzteren Jahres bezifferten sich die Spareinlagen auf K i,229,789’04, die haft- pflichtigen Genossenschafteranteile auf K 724.676 - 24. An Darlehen wurden in den Jahren 1898—1907 insgesamt K 15,861.622^40 erteilt. Der zweitgenannte Verein zahlte zu Anfang des Jahres 1898 415 Mitglieder, zu Ende des Jahres 1907 533 Mit¬ glieder. Der Darlehenszinsfufi war im Jahre 1907 mit 6'5 °/ 0 , der Spareinlagen- zinsfufi mit 5 ' 5 °/o festgesetzt. Zu Ende des letzteren Jahres bezifferten sich die Spareinlageir auf K 309.847 - 22, die haft- pflichtigen Genossenschafteranteile auf 528 Dr. Theoba Pollak, K 209.084/60. An Darlehen \vurden in den Jahren 1898—1907 insgesamt K 3,272.342'9i erteilt. Der drittgenannte Verein zahlte zu Ende des Jahres 1902 456 Mitglieder, zu Ende des Jahres 1907 2951 Mit¬ glieder. Diese grofi e Steigerung der Mitgliederzahl ist darauf zuriickzufuhren, dafi der Verein seine ursprtinglich blofi auf den Bereich der Staatsbahndirektion Wien beschrankte Tatigkeit in den letzten Jahren auf den gesamten Bereich der k. k. osterreichischen Staatsbahnen ausgedehnt Der viertgenannte Verein zahlte zu Ende des Jahres 1904 161 Mitglieder; dieser Mitgliederstand erhohte sich im Jahre 1907 auf 668. — Der Darlehens- zinsfufi war im Jahre 1907 mit 6%, der Spareinlagenzinsfufi mit 5 °/ 0 fest- gesetzt. Zu Ende des letzteren Jahres betrugen die Spareinlagen K 50.493^02, die haftpflichtigen Genossenschaftsanteile K 84.505’i3, die Reservefonds K65i‘97. An Darlehen wurden in den Jahren 1904 bis 1907 insgesamt K 289.937^40 erteilt. Auch dieser Verein wird von Abb. 248. Ferienkolonie in Tuchla. hat. DerDarlehenszinsfufi \var imjahrei907 mit 6 °/ 0 , der Spareinlagenzinsfufi mit 5°/o festgesetzt. Zu Ende des letzteren Jahres be- zifferten sich die Spareinlagen auf K 59.880, die haftpflichtigen Genossenschaftsanteile auf K 359.000, die Anlehen auf K 277.951, die Reservefonds auf K 18.500.' An Dar¬ lehen wurden in den Jahren 1902 bis 1907 insgesamt K 1,435.197 erteilt. Im Jahre 1908 fiihrte der Verein zum Zwecke der Forderung des Sparsinns der Bediensteten die Institution der Heimsparkassen ein. Von der Staatseisenbahnverwaltung werden dem Vereine alljahrlich Subven- tionen zugewendet. der Staatseisenbahnverwaltung subventio- niert. Von den sonstigen Spareinrichtungen bei den k. k. osterreichischen Staats¬ bahnen ist die »Kindersparkasse von Angestellten u n d sttindigen A r b e i t e r n der k. k. Nordbahn- direktion« zu erwahnen. Diese Kasse verfolgt den Zweck, den minderjahrigen Kindern der Bediensteten der k. k. Nord- bahndirektion Gelegenheit zu bieten, kleine Geldbetrage, die sie von ihren Angehorigen erhalten oder irgendwie selbst verdienen, anzusammeln und durch zinsbare Anlegung zu vermehren, wo- durch ihnen der spatere Eintritt in Die Wohlfahrtseinrichtungen der osterreichischen Eisenbahnen. 529 das praktische Leben erleichtert werden soli. Z ur Forderung des Sparsinns wird der Kindersparkasse alljahrlich ein Zu- schufi von K 1000 aus Betriebsmitteln bewilligt, der in 100 Sparpramien von je K 10 geteilt, an die gleiche Anzahl solcher Sparer zur Verteilung gelangt, die durch mindestens sechs Jahre ohne Unterbrechung Spareinlagen gemacht haben und deren Vater Jahresbeziige bis zu K 2000 erhalten. Am 31. Dezember 1907 betrug die Anzahl der Sparer 2936, deren Gesamt- guthaben sich auf K 1,071.614 belief. Der Vermogensstand der Kasse betrug zu Ende 1907 K 1,077.235, die Sparein¬ lagen werden mit 4°/ 0 verzinst, die Ge- samtzuschiisse des Betriebes in den Jahren 1898—1907 betrugen K 10.000. Was das Spar- und Vorschufiwesen bei den Privatbahnen betrifft, so wurde von der Siidbahngesellschaft im Jahre 1898 eine Spar- und Vorschufikasse ins Leben gerufen, deren Organisation jener der Spar- und Vorschufikasse der k. k. Ssterreichischen Staatsbahnen analog ist. Die Anzahl der Einleger betrug zu Ende des Jahres 1907 219 und die Summe der Einlagen K 881.377. Der Einlagen- zinsfufi bewegte sich in den Jahren 1898 bis 1907 zwischen 5 und 4 1 / 2 °/ 0 und der Darlehenszinsfufi zwischen 5 und 4 8 / 4 %. Die Summe der in dem genannten Dezen- nium erteilten Vorschiisse belief sich auf K 6,869.924. Bei der Osterreichischen Nordwestbahn wurden in den Jahren 1898—1907 aus dem gesellschaftlichen Unterstiitzungs- fonds Vorschiisse im Gesamtbetrage von K 927.376 und aus dem als Genossen- schaft mit beschninkter Haftung konsti- tuierten »Spar- und Vorschufivereine« Vorschiisse im Gesamtbetrage von K 5,031.383 erteilt. Gesundheitspflege. Die bei den osterreichischen Eisen¬ bahnen bestehenden umfangreichen Ein- richtungen zum Schutze von Leben und Gesundheit der Bediensteten finden an -anderer Stelle dieses Werkes eine ein- gehende Wiirdigung.*) An dieser Stelle soli nur ein ganz besonderer Teil der der Ge¬ sundheitspflege gervidmeten Institutionen besprochen werden, die den Zweck ver- folgen, schwachlichen und rekonvaleszen- ten Kindern unbemittelter Bediensteter und Arbeiter vvahrend der Feri en Erholung und Kraftigung zu bieten. Als solche Institutio¬ nen wirken die Ferienkolonien. Durch opferwillige Beitrage des Personals und der Bahnverwaltungen ins Leben gerufen, erhalten die Ferienkolonien auch die zur Fiihrung ihres segensreichen Betriebes erforderlichen Mittel von denselben Spen- dern. Von den Ferienkolonien bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen sind jene in Kemmelbach, Jagdberg, Mils, Zams, Stadlpaura, Zamost, Worochta, Rabka, Zelenianka und die im Jahre 1898 zur Feier des fiinfzigjahrigen Regierungsjubi- laums Sr. Majestat des Kaisers Franz J o s e f I. mit einem Kostenaufwand von 54.000 K errichtete Ferienkolonie in Tuchla hervorzuheben. Die in die Kolonien entsendeten Kinder \verden vollstandig unentgeltlich verpflegt. Die Nahrung ist gut, kraftig und reichlich. Und so kann es nicht fehlen, dafi die Erfolge, welche durch die Unterbringung der Kinder in diesen Kolonien erzielt werden, stets uberaus erfreulich sind. In den Jahren 1898—1907 wurden in den Ferienkolonien der k. k. osterreichi¬ schen Staatsbahnen insgesamt 2914 Kin¬ der verpflegt. Die hieraus erwachsenen Kosten beliefen sich auf K 168.544. Hiezu rvurden von der Staatseisenbahnver- waltung K 96.580 beigetragen. Schliefllich ware noch die Ferien¬ kolonie der Osterreichischen Nord- westbahn inFalgendorf zu erwahnen. In den Jahren 1898'—1907 rvurden in dieser Kolonie 879 Kinder vollstandig verpflegt. Die Auslagen, rvelche hieftir zu bestreiten \varen, betrugen insgesamt K 70.000. Werden die in denjahren 1898 bis 1907 aufgelaufenen Kosten der einzelnen Fiirsorgeeinrich- tungen der osterreichischen Ei¬ senbahnen rekapituliert, so ge¬ langt man zu folgendem Ergeb- n i s s e. *) Dr. Ritter v. Brit to, »Sanitatsvvesen«. 34 co Tj- m o 530 Dr. Theodor Pollak. Die Ausgaben samtlicher Eisenbahnvenvaltungen fiir die Wohlfahrts- einrichtungen belaufen sich daher im letzten Dezennium auf K 356,063.458 .—. Von diesen Ausgaben entfallen K 176,435.183. — auf die k. k. osterreichischen Staatsbahnen allein. Kaiserdenkmal im Kinderasyl zu Feldsberg. Sanitatswesen Von Dr. Hugo Ritter v. Britto, k. k. Hofrat im Eisenbahnministerium. B EI einem so grofien Betriebe,welcher, wie der Eisenbahnbetrieb, einer- seits ein Heer von Bediensteten in verantwortungsvollen Stellungen be- schaftigt, anderseits mit seinen Betriebs- mitteln taglich, ja stiindlich Tausende von Reisenden befordert, mufi naturgemafi auch der Sanitatsdienst eine hoch- wichtige Rolle spielen. Auch dieser Dienst- zweig hat in den letzten Dezennien durch die grofien Fortschritte des Eisen- bahnwesens iiberhaupt, insbesondere aber zufolge der in sozialpolitischer Hinsicht getroffenen Mafinahmen, nicht unwesent- liche Anderungen erfahren. Die oberste Uberwachung und Leitungdes gesamten Eisenbahn- sanitatsdienstes erfolgt durch das k. k. Eisenbahnministerium, bei welchem eigene arztlicheFachorgane fun- gieren, welche bis gegen das Ende des Jahres 1907 dem Departement 5, dem die Agenden der Wohltatigkeitsfonds und sonstigen Humanitatssachen, sowie die Angelegenheiten des Eisenbahnsanitats- wesens zugewiesen waren, unterstellt wurden. Mit dem Erlasse vom 22. De- zember 1907 wurde fiir die Besorgung der Agenden des Eisenbahnsanitatswesens eine eigene Dienstesstelle geschaffen, welche die Bezeichnung »Sanitatsbureau« ftihrt und dem folgende Agenden zuge- wiesen sind: alle die Regelung des Sani- tatswesens auf den Staats- und Privat- bahnen betreffenden Angelegenheiten, sowie insbesondere die oberste Leitung und t)berwachung des Sanitatsdienstes auf den im Staatsbetriebe stehenden Eisen- bahnen; die Mitwirkung bei der Losung eiseribahnhygienischer Fragen, insbeson¬ dere bei den das Personal betreffenden Angelegenheiten, und zwar hinsichtlich der Bekleidung, Bekostigung (speziell wahrend der Fahrt), Dienst- und Ruhe- zeiten, Urlaube u. dgl.; in Bauangelegen- heiten, und zwar hinsichtlich der Ent- wtirfe von Normal- und Spezialplanen fiir Administrationsgebaude, Bahnhofe, Werk- stattenanlagen, Wachterhauser und Uber- nachtungsraume, sowie hinsichtlich der Anlage vonW ohngebauden fur Bedienstete, von Personalbadern, Isolierraumen, Brun- nen etc.; in Verkehrsangelegenheiten, und zwar hinsichtlich des Signalwesens, der Ausstattung, Beleuchtung, Beheizung, Reinigung und Desinfektion der Fahr- betriebsmittel, der Liiftung von Tunnels, endlich hinsichtlich der Bahnhofrestaura- tionen; und endlich die Fiihrung der Statistik liber die Erkrankungs- und Sterb- lichkeitsverhaltnisse fur den Dienstbereich der Staatsbahnverwaltung. Der k. k. Generalinspektion der oster- reichischen Eisenbahnen ist fiir den Uber- wachungsdienst in sanitarer und eisen- bahnhygienischer Beziehung gleichfalls ein arztliches Fachorgan zugeteilt. Ferner ist jeder Staatsbahndirektion zur Durchfiihrung der durch das Statut der Krankenkasse und hinsichtlich des Sanitatsdienstes iibertragenen Geschafte ein mit Beamtencharakter beldeideter arzt- licher Beirat, ein »Sanitatskonsu- lent«, zugewiesen, dessen Aufierung oder Gutachten in allen einschlagigen Ange¬ legenheiten einzuholen ist. Die Obliegen- heiten dieser Sanitatskonsulenten beziehen sich im allgemeinen auf die unmittelbare 534 Dr. Hugo R. v. Britto. Uberwachung der Ausiibung des Sanitats- dienstes im Bereiche des betreffenden Staatsbahndirektionsbezirkes in admini- strativer und hygienischer Beziehung. Die Agenden des Sanitatskonsulenten wurden urspriinglich von einzelnen Bahnarzten neben ihrer bahn- und kassenarztlichen Tatigkeit gefuhrt. Mit Riicksicht auf das Anwachsen dieser Agenden ging das Bestreben der Staatseisenbahnverwaltung jedoch dahin, die Sanitatskonsulenten von jedem bahn- und kassenarztlichen Dienste zu entlasten, um denselben die Moglichkeit zu bieten, sich ihren Agen¬ den voli und ganz zu widmen. Diese Reform ist mit Ausnahme der kleineren k. k. Staatsbahndirektionen bereits durch- gefiihrt. Zum Zwecke der Verwaltung und Ausiibung des exekutiven Sanitatsdienstes ist das gesamte Staatsbahnnetz in ein- zelne bahnarztliche Bezirke geteilt und fiir jeden derselben ein Bahnarzt be- stellt, welcher sowohl den Sanitats- als auch den kassenarztlichen Dienst zu besor- gen hat. In grofien Stationen, in welchen fiir das Personal mehrere Bahnarzte bestellt sind, sind die bahnarztlichen Bezirke in der Weise gebildet, dafi entweder jedem Bahnarzte ein bestimmtes ortlich genau abgegrenztes Territorium zugewiesen ist, in welchem er riicksichtlich aller in dem- selben wohnenden Bediensteten und deren Angehorigen den arztlichen Dienst zu ver- sehen hat, oder aber, dafi jeder Bahn¬ arzt das Personal bestimmterDienstzweige ohne Riicksicht auf ihr Domizil zugewiesen erhalt. Die erstgenannte, sogenannte ter- ritoriale Abgrenzung der bahnarztlichen Bezirke, hat sich, wo sie bisher bestand, als besonders vorteilhaft ervviesen, so dafi das Bestreben der Staatseisenbahnver- \valtung in den letzten Jahren dahin ging, in allen grSCeren Stationen, wo mehrere Bahnarzte angestellt sind, diese Eintei- lung einzufiihren. Die Bahnarzte besitzen im allgemeinen keinen Beamtencharakter, sie konnen diesen erst dann erreichen, wenn ihre Be- ziige infolge bedeutenden Umfanges ihrer bahnarztlichen Obliegenheiten eine be- stimmte Hohe (von K 1600 jahrlich auf- warts) erreichen. Diese beamteten Bahnarzte sind vertragsmafiigangestellt, und nur die speziell in den Dienstver- tragen erwahnten Bestimmungen der Dienstordnung finden auf sie Anwendung; sie erwerben iiber ihr Ansuchen auch das Recht auf Altersversorgung (Pension) gegen Entrichtung der satzungsmafiigen Beitrage an das Pensionsinstitut. Um aber auch den nicht beamteten und daher nicht pensionsfahigen, ervverbsunfahig gewor- denen Bahnarzten eine Altersversorgung zu ermoglichen, wurde im Jahre 1893 der»Arzteunterstiitzungsfonds« gegriindet, aus welchem solchen Bahnarzten, sowie im Falle ihres Ablebens, auch deren Hinterbliebenen fortlaufende Gnadengaben oder einmalige Abfertigungen gewahrt werden. Zu den Agenden der Bahnarzte ge- hort, aufier ihrer kassenarztlichen kura¬ tiven Tatigkeit, in administrativer Be¬ ziehung vor allem die Untersuchung der in den Eisenbahndienst neu Aufzuneh- menden und der schon im Dienste Ste- henden hinsichtlich ihrer Korperbeschaf- fenheitund ihres Gesundheitszustandes, der Unterricht des Personals in der ersten Hilfeleistung bei Unfallen und plotzlichen Erkrankungen, die Revision der Rettungs- einrichtungen, die Wahrnehmung sani- tarer und hygienischer Ubelstande. Zur ambulatorischen Behandlung der Kranken sowie zur Besorgung der administrativen Agenden werden den Bahnarzten in den grofteren Stationen, zumeist auf den Bahnhofen oder auch in den Werkstatten von der Bahnverwaltung eigene, den modernen wissenschaftlichen Anforderun- gen entsprechend eingerichtete Ordi- nationsraume (Ambulatorien) zur Ver- fiigung gestellt. Bei den dsterreichischen Privateisen- bahnen ist der Sanitatsdienst im allge¬ meinen in analoger Weise organisiert wie bei den k. k. osterreichischen Staats- bahnen. Den Zentrajstellen sind als arzt- licher Beirat die Chefarzte zur Dienst- leistung zugewiesen, Bahnarzte besorgen in den einzelnen ihnen zugewiesenen Bezirken den exekutiven Sanitatsdienst (bahn- und kassenarztlichen Dienst). Die Bahnarzte der Privateisenbahnen haben je¬ doch mit Ausnahme der bei den grofieren Bahnverwaltungen angestellten Chefarzten nicht den Beamtencharakter. Die Agen- Sanitatswesen. 535 den der Bahnarzte der Privateisenbahn- verwaltungen sind dieselben wie bei den k. k. Staatsbahnen. Zu den wichtigsten Aufgaben des Eisenbahnsanitatsdienstes gehort die U n- tersuchung des in den Eisenbahn- dienst einzustellenden und angestellten Personals. Es gibt wohl kaum eine Berufsklasse, in deren Hand das Wohl und Wehe so vieler Menschen liegt, wie vollig gesundeBedienstete in den Dienst ge- stellt werden, dafi dieseBediensteten mog- lichst lang dienstfahig erhalten bleibenund dafi sie im Falle der Dienstunfahigkeit be- ziehungsweise Dienstuntauglichkeit recht- zeitig aufier Dienst gestellt werden. Es wurden daher bei allen Eisenbahn- yerwaltungen schon friihzeitig die arzt- lichen Untersuchungen ali er Aufnahmsbe- werber vor ihrer Anstellung, sowie die Abb. 249. Hilfszug - zur Abfahrt bereit. das Personal der Eisenbahnen. Die we- nigsten von den Tausenden von Reisen- den, die taglich die Eisenbahn beniitzen, machen sich diese Abhangigkeit klar; sie denken nicht daran, dafi die Sicher- heit eines Eisenbahnzuges von dem Fehler eines einzigen Bediensteten abhangig sein kann, dafi der Fehler eines einzigen Bediensteten die schwersten Folgen her- beifiihren kann, auch wenn alle ubrigen ihre Pflicht tun. Aufgabe des Eisenbahnsanitatsdienstes ist es demnach vor allem zu sorgen, daE in jeder Beziehung, korperlich wie geistig, periodischen Untersuchungen der bereits im Dienste Stehenden eingefuhrt. Die ersten Vorschriften (bei den k. k. Staats¬ bahnen) uber die Bedingungen fur die physische Tauglichkeit zum Eisenbahn- dienste wurden in der im Jahre 1883 in erster Auflage erschienenen Instruktion fur den Sanitatsdienst hinausgegeben und der Bahnarzt hatte sich in seinem Gutachten iiber die Tauglichkeit oder Untauglichkeit auszusprechen. Durch eine spatere Anordnung der k. k. Ge- neraldirektion der Ssterr. Staatsbahnen haben diese Vorschriften insofern eine 536 Dr. Hugo R. v. Britto. teilweise Abanderung erfahren, als die Entscheidung iiber die Tauglichkeit der von den Bahnarzten Untersuchten nicht den Bahnarzten, sondern auf Grund des bahnarztlichen Gutachtens den Dienst- vorstanden anheimgegeben wurde. Die sich haufenden Anfragen einzelner Staats- bahndirektionen beziiglich derVerwendung jener Beamten und Aufnahmswerber fiir den exekutiven Betriebsdienst, welche kein normales Sehvermogen, wie z. B. Kurz- sichtigkeit, besitzen, veranlafite das k. k. Eisenbahnministerium mit Erlafi vom 18. Mai 1899, genaue Vorschriften iiber die Be- dingungen zur Tauglichkeit fiir den Eisen- bahndienst mit Riicksicht auf die Beschaf- fenheit der Sinnesorgane hinauszugeben. In- zwischen war gelegentlich der Beratungen der neuen Verkehrsinstruktion im Septem¬ ber 1898 das gemeinschaftliche Verkehrs- komitee von derKonferenz der osterr.-ungar. Eisenbahndirektoren angewiesen worden, fiir samtliche osterr.-ungar. Bahnen giiltige, einheitliche Bestimmungen iiber die phy- sische Tauglichkeit zum exekutiven Eisen- bahndienst auszuarbeiten und sie der nachsten Konferenz zur Genehmigung vorzulegen. Bei den Beratungen des gemeinschaftlichen Verkehrskomitees, dem auch die Eisenbahnchefarzte beigezogen worden waren, ergaben sich Meinungs- verschiedenheiten hinsichtlich der Be- dingungen fiir die Beschaffenheit der Sinnesorgane zum exekutiven Eisenbahn- dienste, so dafi die Einholung von Gut- achten mehrerer Fachmanner auf dem Gebiete der Augen- und Ohrenheilkunde notwendig wurde. Dadurch erlitten die Beratungen eine bedeutende Verzogerung. Im November 1904 wurden sodann die von der Direktorenkonferenz angenom- menen Bestimmungen dem Eisenbahn¬ ministerium unterbreitet, welches diesen Entwurf auf Grund der Ergebnisse einer ad hoc einberufenen Konferenz der Fach- organe des Eisenbahnministeriums, der Sanitatskonsulenten, der gleichfalls spezial- arztliche Sachverstandige beigezogen worden waren, neuerlich abanderte und sodann in der abgeanderten Form mit dem Erlasse vom 24. August 1906 als fiir alle osterreichischen Eisen- bahnen giiltige »Bestimmungen iiber die physische Tauglichkeit zum exekutiven Eisenbahn- dienste hinsichtlich des Se h-und Horvermogens« in Kraft setzte. In diesen Bestimmungen ist vor allem an dem Grundsatze festgehalten, dafi an das Personal hinsichtlich des Seh- und Horvermogens bei der Neuaufnahme in den exekutiven Eisenbahndienst moglichst strenge Anforderungen zu stellen seien, dafi hingegen fiir die periodischen Wiederholungspriifungen in den mog- lichsten Grenzen gelegene mildere An¬ forderungen Platz greifen konnen. Es sollten diese Grundsatze nicht nur die grdfitmoglichste Sicherheit des Betriebes erzielen; sondern auch den Interessen des Personals entsprechen, weil durch hohere Anforderungen bei der Aufnahme eine die Verwaltung wie Personal finan- ziell schadigende allzu friihzeitige Aufier- dienststellung vermieden wird; bei den periodischen Wiederholungspriifungen hin¬ gegen konnte eine Erleichterung der Anforderungen mit Riicksicht auf die praktische Erfahrung des langer dienenden Personals zugestanden werden. Mit den neuen Bestimmungen sind weiters die alten, dem heutigem Stande der Wissen- schaft nicht mehrentsprechenden Priifungs- methoden gefallen: so wurde die bisher ubliche empirische Priifung der Seh- scharfe mittels Leseproben durch die wissenschaftliche Priifung mittels der Snellenschen Sehprobentafeln, die bisher vorgeschriebene Priifung des Farbenunter- scheidungsvermogens mittels farbiger Papierblatter oder Wollbiindel durch die Priifung mittels der Holmgrenschen Woll- proben und der pseudoisochromatischen Tafeln von Stilling und die Priifung des Horvermogens mit der Taschenuhr durch die Priifung mittels der artikulierten Fliistersprache ersetzt. Mit dem Inkrafttreten der neuen Be¬ stimmungen sind beziiglich der Sinnes¬ organe an das Personal des exekutiven Eisenbahndienstes bei den osterreichischen Eisenbahnen strengere Anforderungen gestellt worden als bei den auslandischen Bahnen. Die seit der Einfiihrung der obener- wahnten Bestimmungen iiber die physische Tauglichkeit zum exekutiven Eisenbahn- dienste mit denselben gemachten prak- Sanitatswesen. 537 tischen Erfahrungen haben jedoch die Not- wendigkeit ergeben, gewisse Erleichterun- gen namentlich bei der Aufnahme von absolvierten Hochschiilern eintreten [zu lassen, das Eisenbahnministerium be- schaftigt sich demzufolge dermalen mit einer den Bediirfnissen entsprechenden Neubearbeitung dieser Vorschriften. Zu den weiteren wichtigen Aufgaben des Eisenbahnsanitatswesens gehort die dingungen fiir den Betrieb einer Eisen- bahn die Bestimmung, dafi die bei etwa eintretenden Ungliicksfallen zur Unter- stiitzung, Rettung und Abwendung grofierer Gefahren dienlichen Mittel in hinreichender Menge und gehoriger Beschaffenheit vorhanden sein miissen. Mit Erlafi des k. k. Handelsministeriums vom 18. Dezember 1869 wurde der von S. R e i fi erfundene Trag- und Rettungs- Abb. 250. Hilfszug - mit dem Sanitatskorps. Einrichtung eines allen Anforderungen entsprechenden Rettungswesens bei Eisenbahnunfallen und bei plotzlichen Erkrankungen. Bald nach der Einfuhrung der Eisen- bahnen in Osterreich wurde bereits mit dem Hofkanzleidekrete vom 6. Oktober 1847 das Mitfiihren von Notapparaten in den Personenziigen sowie die Bereithal- tung von Rettungsmitteln in den grofieren Stationsplatzen angeordnet. Die mit kaiserlicher Verordnung vom 16. No¬ vember 1852 hinausgegebene Eisenbahn- betriebsordnung enthalt unter den Be- apparat (eine zusammenlegbare Trag- bahre mit einem Behaltnis fiir Rettungs- mittel) bei den Eisenbahnen eingefuhrt, wahrend die Verordnung des Handels¬ ministeriums vom 18. Oktober 1876, betreffend »die Grundziige der Vor¬ schriften fiir den Verkehrsdienst auf Eisenbahnen mit normalem Betriebe« bestimmt, dali den Ziigen mit Personen- beforderung je ein Rettungskasten und eine Tragbahre beizugeben sind. Die der¬ malen bei den osterreichischen Eisen¬ bahnen bestehenden Vorschriften iiber das Rettungswesen wurden durch den 538 Dr. Hugo R. v. Britto. Erlafi des Handelsministeriums vom 23. Janner 1889 im Einvernehmen mit dem k. k. Ministerium des Innern, als oberster Sanitatsbehčrde, und zwar auf Grund eines vom Obersten Sanitatsrate und von Spezialsachverstandigen aus- gearbeiteten Elaborates, ali en k. k. Staats- und Privatbahnverwaltungen zur Danachachtung hinausgegeben. Diese Vorschriften unterscheiden sich von den friiheren Vorschriften wesentlich dadurch, dafi auf Grund der mit dem Mitftihren der Rettungsapparate in den Personenziigen gemachten Erfahrungen, die bisher portativen Rettungsapparate stabilisiert wurden. Das Rettungswesen, wie es gegen- wartig bei den osterreichischen Eisen- bahnen organisiert ist, richtet sich in seinen Grundzugen nach den Be- stimmungen des vorerwahnten Handels- ministerialerlasses vom Jahre 1889, hat aber bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen dureh die standige, diesem Gegenstande seitens der Staatseisen- bahnverwaltung gewidmeten Obsorge, namentlich in den letzten zehn Jahren, wesentliche Erweiterungen erfahren. Die bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen in Gebrauch stehenden Rettungsapparate bestehen in gedeckten und offenen Tragbahren, grofien und kleinen Rettungskasten und in Verbands- kžisten; samtliche Rettungsapparate wer- den nach einer seinerzeit von der k. k. Generaldirektion der osterreichischen Staatsbahnen genehmigten einheitlichen Type hergestellt. Tragbahren, teils ge- polsterte und gedeckte, teils offene, zu- sammenlegbare, mit Segeltuch iiber- spannte, stehen in jeder Station in Bereitschaft. Grofi e Rettungskasten, mit Instrumenten fur grofiere Opera- tionen und mit Verbandmaterial fiir eine grofiere Anzahl von Verletzungen ausgestattet, sind in solchen Stationen aufgestellt, von welchen aus ein Plilfs- zug eingeleitet werden kann. In allen Domizilstationen eines Bahnarztes ist, falls sich dort im Sinne obiger Be- stimmung nicht ohnehin ein grofier Rettungskasten befindet, ein kleiner Rettungskasten mit den notigen Instrumenten und Verbandmaterial fiir die erste Hilfeleistung bei mehreren Verletzungen aufgestellt. In allen iibrigen Stationen, wo weder ein grofier noch ein kleiner Rettungskasten aufgestellt ist, steht, mit Ausnahme der Haltestellen, ein Verbandkasten bereit, welcher das notwendige Verbandgerate fiir die erste Hilfeleistung bei Verletzungen vor Ankunft eines Arztes enthalt. Aufier- dem sind in allen grofieren Arbeitszentren, wie in Heizhausern, Werkstatten oder Stationen mit zahlreichem Personal und ausgedehnten Anlagen nach Mafigabe des erfahrungsmafiigen Bedarfes teils Rettungs-, teils Verbandkasten aufgestellt. Der Inhalt der grofien und kleinen Rettungskasten sowie der Verbandkasten ist dureh die mehrerwahnte Verordnung des Handelsministeriums vom Jahre 1889 genau vorgeschrieben. Die Rettungsapparate werden jahrlich mindestens zweimal von den Bahnarzten, aufierdem aber auch noch dureh Organe der k. k. Staatsbahndirektionen, be- ziehungsweise der Generalinspektion der osterreichischen Eisenbahnen, revidiert. Im engen Zusammenhange mit dem Rettungswesen steht die S c h u 1 u n g des gesamten Personals des exekutiven Dienstes in der erste n Hilfeleistung bei Verletzungen und plotzlichen Erkran- kungen vor Ankunft eines Arztes dureh die Bahnarzte, und zwar an der Hand einer eigens fur diesen Zweck verfafiten Instruktion, mit welcher die genannten Bediensteten beteilt werden und aus welcher sie eine Priifung zu bestehen haben. Der Unterricht seitens der Bahn¬ arzte hat sich darauf zu erstrecken, das Personal mit den verschiedenen Arten der Rettungsapparate und deren Inhalt und Anordnung vertraut zu machen, sie iiber die erste Versorgung der Wunden unter aseptischen Kautelen, iiber Blut- stillung, iiber Anlegung von Not- yerbanden sowie iiber Lagerung und Ubertragung Verletzter zu belehren; praktische Ubungen vervollstandigen den Unterricht. Eine wesentliche Erweiterung hat das Eisenbahnrettungswesen bei den k. k. osterreichischen Staatsbahnen dureh die im Jahre 1901 begonnene Aufstellung von eigenen Sanitatswagen Sanitatswesen. 53 in den mit Hilfslokomotiven und Re- quisitenwagen ausgestatteten Stationen und durch die Errichtung von eigens geschulten Sanitatskorps in diesen Stationen erfahren. Derlei Sanitats- wagen beziehungsweise Sanitatskorps waren bis dahin nur bei der k. k. Kaiser Ferdinands-Nordbahn aufgestellt. Die Sanitatswagen sind zu diesem Zwecke eingerichtete geschlossene Giiter- Derlei Sanitatswagen, die zusammen mit den eigens fiir den besonderen Zweck eingerichteten Gerate(Requisiten-)wagen und den notwendigen Mannschaft(Per- sonen-)wagen einen Hilfszug bilden, sind im Bereiche der k. k. Staatsbahnen bis nun insgesamt 46 in ihren Bestimmungssta- tionen aufgestellt, eine weitere Aufstel- lung von 10 Sanitatswagen beziehungs- weise Hilfsziigen ist in Aussicht genommen. Abb. 251. Ubung eines Sanitatskorps (bei Probealarmierung). wagen, sogenannte Malteserwagen, mit seitlichen Verschub- und Stirntiiren, \vie solche im Kriegsfalle vom Malteserorden fiir die Zusammenstellung von Ver- wundeten - Transportziigen verwendet werden. Sie enthalten acht Tragbetten, einen grofien Rettungskasten, zwei Tischchen, die zusammen mit einem Tragbett zur Herstellung eines Ope- rationstisches verwendet werden konnen, einen Feld- und einen Stiegensessel, einen Meidinger Waggonofen, eine Kiste fiir Brennmaterial u. a. m. In den Standorten dieser Hilfsziige wurden, wie erwahnt, aus dem Personal selbst eigene — freiwillige — Sanitats¬ korps errichtet. Die Aufgabe dieser Hilfs- mannschaften besteht hauptsachlichst darin, bei Eisenbahnunfallen und Per- sonenverletzungen die arztliche Hilfelei- stung zu unterstutzen, von den Arzten ihnen iibertragene oder auch ohne arzt¬ liche Weisung notwendige erste Hilfe- leistung durchzufiihren, die fiir eine wirk- same Rettungstatigkeit notigen Vor- und Nebenarbeiten zu besorgen, endlich die 54 ° Dr. Hugo R. v. Britto. Ubertragung und Unterbringung von Ver- letzten zur weiteren Versorgung undWar- tung zu bewerkstelligen sowie die Be- gleitung und Wartung transportierter Ver- letzter zu iibernehmen. Jedes Sanitatskorps besteht, je nach der Anzahl des verfiigbaren Personals, aus 6—20 Mitgliedern. An der Spitze jedes Korps steht der Korpsarzt (Bahnarzt) fur den facharztlichen Teil und ein Korpsfiihrer oder dessen Stellvertreter (zumeist ein Beamter oder Unterbeamter) fur die Dispositionen zur Durchfiihrung der arztlichen Anordnungen sowie fiir die Leitung der selbstandigenHilfeleistung innerhalb der durch die Instraktion uber die erste Hilfeleistung gezogenen Grenzen. Die Sanitatsmannschaft gliedert sich in Sanitatsgehilfen, die selbstandig Hilfe leisten und bei den Manipulationen der Arzte assistieren, und in Sanitatsdiener, die lediglich untergeordnetere Handreichun- gen, wie das Herbeischaffen von Rettungs- behelfen, das Tragen, Ein- und Auswag- gonieren der Verletzten u. s. w. besorgen. Die Ausbildung der Korpsmitglieder findet in der Weise statt, dafi durch die Korpsarzte vorerst die Korpsfiihrer und deren Stell¬ vertreter, durch letztere sodann die iibrigen Mitglieder eingeschult werden. Alljahrlich finden in der ersten Halfte des Jahres tibungen, in der zweiten Halfte des Jahres Probealarmierungen statt. Im Bereiche der Staatseisenbahnver- waltung sind bis nun insgesamt 50 Sani¬ tatskorps organisiert. Die mit den Sanitatskorps bisher ver- anstalteten Probealarmierungen haben nach den iibereinstimmenden Berichten der Staatsbahndirektionen eine vorziig- liche Schulung erwiesen. Der Hilfszug mit den Sanitatskorps war fast durch- wegs 35—45 Minuten nach dem Ein- treffen der Unfallmeldung in der Korps- station zur Abfahrt bereit. Aus den beigegebenen Abbildungen 249, 250 u. 251 ist ein zur Abfahrt bereiter Hilfszug, ein vor dem Plilfszuge aufgestelltes Sanitatskorps und eine Ubung eines Sanitatskorps anlalMich einer Probe- alarmierung zu ersehen. Weitere Ausgestaltungen des Eisen- bahnrettungswesens hinsichtlich der Ret- tungseinrichtungen beziehungsweise hin¬ sichtlich der Modernisierung des gegen- wartigen Inhaltes der Rettungskasten sowie der Aufstellung neuer Typen von Rettungskasten sind in Durchfiihrung be- griffen, insbesondere auch in der Richtung, dafi auch in den Personen fiihrenden Ziigen ein kleinerer Vorrat von Verbandmaterial fiir etwa wahrend der Eisenbahnfahrt vor- kommende kleine Verletzungen mitge- fiihrt werden soli. Eine weitere Aufgabe des Sanitats- dienstes Hegt in der Mitwirkung bei der Losu n g eisenbahnhygie- nischer Fragen sowohl 'in den das- Personal betreffenden Angelegenheiten als auch in Verkehrs- und Bauangelegen- heiten. Gerade in diesem Belange bietet sich dem Sanitatsdienste ein weites Feld fruchtbarster Tatigkeit. Es liegt nicht im Rahmen dieser Ar- beit, ali die Fragen zu erortern, die einer Behandlung seitens des Sanitatsdienstes harren; es sei in dieser Richtung auf die bereits friiher genannten Agenden des Sanitatsbureaus verwiesen. Es sollen im folgenden nur einige Fragen, die in der letzten Zeit in Angriff genommen wurden, eine kurze Erorterung finden. Der allgemein aufgenommene Kampf gegen die Tuberkulose konnte auch die Eisenbahnverwaltungen nicht unbe- riihrt lassen. Das Eisenbahnministerium hat mit dem Erlasse vom 31. Dezember 1905 eine Reihe von fiir alle Eisenbahn- verwaltungen geltende Mafinahmen ge- troffen, von denen das »Spuckverbot« mit Strafandrohung an erster Stelle steht, mit einer in allen Warteraumen, Hallen, auf den Bahnsteigen, in den Restaurationen, Magazinen, gewerblichen Betriebsanlagen, Bureaus, Kasernen und Personenwagen affichierten »W a r n u n g«. Weiters wurde die Aufstellung von hygienischen Spucknapfen nach einer Type in ali den genannten Raumen ver- fiigt, welche den vom Obersten Sanitats- rate hieriiber bekanntgegeben Prin- zipien entspricht. Das gesamte Personal \vurde durch die Hinausgabe eines Zirku- lars eindringlichst uber das Wesen der Tuberkulose, uber die Mafinahmen zur Verhiitung ihrer Ausbreitung, insbesondere uber die Gefahrlichkeit des Ausspuckens auf den FuBboden und liber sonstige hy- gienische Vorschriften, sowie iiber die Sanitatswesen. 541 Luftung und Reinigung der Wagen und der fur den Verkehr, fur den Bureau- dienst, fur die gewerblichen Betriebe und zum Wohnen bestimmten Raume be- lehrt; das Personal wurde gleichzeitig unter Strafandrohung aufgefordert, nicht etwa durch Ausspucken auf den Boden anderen ein schlechtes Beispiel zu geben. Die Bahnarzte wurden verhalten, die mit Tuberkulose in ihrer Behandlung stehen- den Bahnbediensteten und deren Ange-' horige entsprechend zu belehren und Falle von vorgeschrittener Tuberkulose der vor- gesetzten Dienstesstelle anzuzeigen. Es wurde ferner Vorsorge getroffen, dafi samtliche Kleider sowie die Wohnung nach an Tuberkulose Verstorbenen ent¬ sprechend desinfiziert werden. Unter den Mafinahmen allgemein hy- gienischer Natur ist auch die Mal ari a- tilgungsaktion der Staatseisenbahnverwal- tung in Dalmatien und Istrien zu nennen. An das in diesen Gebieten stationierte Bahnpersonal wurde schon seit einer Reihe von Jahren wahrend der Monate Juli bis Ende September, in welchen erfahrungs- gemafi die Gefahr einer Erkrankung an Malaria a m grofiten ist, im Interesse einer besseren Ernahrung und zur Hebung der Widerstandsfahigkeit Rotwein, Kaffee und Zucker in natura nach einem bestimmten Verteilungsmodus verabfolgt. Zur Auf- klarung des Personals wurde eine ge- meinverstandliche, kurzgefafite Belehrung uber das Wesen und die Bekampfung der Malaria in der deutschen und in den Landessprachen an die Bediensteten so- wie an lesenskundige Arbeiter der im Malariagebiete gelegenen Strecken ver- teilt. Zum Zwecke der Malariabekampfung wurden die Bahnarzte in Istrien, Gorz- Gradiska und Dalmatien nach getroffenem Einvernehmen mit der k. k. Statthalterei in Triest und Žara angewiesen, das erforderliche Chinin in Form der staat- lichen Chinin- und Chininarsenpraparate als drogierte Pastillen aus salzsaurem Chinin zu ein, zwei und fiinf Dezigramm, ferner Pastillen aus salzsaurem Chinin und arsensaurem Natron zur Behandlung chronischer Malariafalle zu verschreiben, und zur Vermeidung von Doppelbehand- lungen vorkommendenfalls mit den staat- lichen Endemiearzten das Einvernehmen zu pflegen. Diese Behandlungsweise hat sich durchwegs bewahrt und hat erfreu- liche Ergebnisse aufzuiveisen. Im Jahre 1902 wurden sodann einige Wachterhauser der Linie Divacca—Pola als Versuchsstationen fur die auch auf den italienischen Bahnen bewahrten me- chanischen Schutzmafinahmen ausersehen und der Bahnarzt sowie die Bahnerhal- tungssektion in Pola mit der Durch- fiihrung der zu treffenden Malariaschutz- mafinahmen betraut. Gleichzeitig mit den Adaptierungen dieser Wachterhauser mit den Drahtnetzvorbauten und Drahtnetzver- sicherungen der Fenster wurden nocli wahrend der Wintermonate in der Um- gebung der Wachterhauser und langs der Bahnstrecke vorhandene Wasserlachen verschiittet, Unebenheiten in den Bahn- graben und auf Bahngrund iiberhaupt zur Vermeidung von Wasseransammlungen ausgeglichen und mit der Ausrottung und Verbrennung des im Bereiche des dichten Niederwaldes wuchernden Buschwerkes begonnen. Die Bahmvachter selbst wurden zum Schutze gegen Mtickenstiche wahrend des Streckendienstes zur Abend- und Nachtzeit mit Handschuhen aus dichtem Kakistoff und, den klimatischen Ver- haltnissen entsprechend, mit einem dichten, jedoch leichten Strohhute ausgestattet, an welchem eine, das ganze Gesicht schiitzende Drahtmaske angebracht ist, welche sich nach hinten und unten in eine Hiille aus Baumwollstoff fortsetzt, die am Halse von den Kleidern fest- gehalten wird. Fiir die genaue Beobachtung der er- teilten Weisungen bei Abnahme der Krankheitsfalle wurden Remunerationen vorgesehen. Schon der erste Versuch war von besten Erfolgen begleitet; die giin- stigen Resultate haben die Staatseisen- bahnverwaltung veranlafit, die Schutz- vorkehrungen gegen die Malaria in er- weitertem Mafie zu treffen. Es wurden sodann im Jahre I904weitere 16 Wachter- hauser mit den Schutzvorrichtungen ausge¬ stattet. Die Tilgungsresultate sind in den Wachterhausern der Istrianer Linien er- freulicher als in jenen derdalmatinischen Linien. Seit dem Bestande des Sanitatsbureaus wird dieses in allen einschlagigen eisen- 542 Dr. Hugo R. v. Britto. bahnhygienischen Fragen zur fachman- nischen Begutachtung herangezogen. Einzelne aktuelle Fragen konnten be- reits eingehend behandelt werden, wie zum Beispiel die Begutachtung des Entwurfes den hygienischen Anforderun- gen entsprechender Kasernenbauten, die Ausarbeitung einer Kasernenordnung fur das Personal u. s. w. Dem Sanitatsdienst, dessen Bedeutung als wichtiger Dienstzweig der Staatseisen- bahnverwaltung immer mehr anerkannt wird, steht sonach ein immer grofieres Feld fur seine Tatigkeit offen. In seiner nachsten Aufgabe steht die Losung einer Reihe grofier Aufgaben, zu denen die Neubearbeitung der Instruktion fur den Sanitatsdienst, die Umarbeitung der Vor- schriften fur die physische Tauglichkeit fiir den exekutiven Eisenbahndienst, die Reorganisation des gesamten Rettungs- wesens, die Reorganisation des bahnarzt- lichen Dienstes beziehungsweise die Re- gelung der bahnarztlichen Bezuge und Stellung der Bahnarzte, eine Reihe eisen- bahnhygienischer Fragen, wie zum Bei¬ spiel die Alkoholfrage, die Frage der Verpflegung des Personals, die weitere Errichtung von Badeanstalten, u. v. a., gehoren. Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und in der Herzegowina. Von Karl Schnack, Hofrat und Direktor der Bosnisch-herzegowinischen Staatsbahnen. jr' D IE Aufgabe, die materielle und kul’ turelle Ent\vicklung B o s n i e n s und der Herzegowina zu fordern, hat Osterreich-Ungarn zielbevrafit in erster Reihe durch Schaffung und Ausge- staltung eines Bahnnetzes zu losen verstan- den.*) Wie ldaglich es mit denVerkehrs- wegen und Verkehrsmitteln in den in jahrhundertelanger Weltabgeschiedenheit gehaltenen Provinzen zur Zeit der Okku- pation bestellt war, ist in dem Beitrage des Oberingenieurs Zezula im III. Bande der »Gescbichte der Eisenbahnen der osterr.- ungar. Monarchie« skizziert worden. Eine einzige Bahn, die normalspurig angelegte 87 km lange Linie Banjaluka—Novi, war aus turkiscber Erbschaft iibernommen worden, als eine bereits dem vollstandigen Verfalle iiberlieferte Bahn, auf der seit dem Jahre 1875 der Betrieb eingestellt war. Am 29. Juli 1878 hatten die k. k. Truppen auf Grund des Berliner Vertrages die bosnische Grenze uberschritten. Nur miihsam konnten die Militarkolonnen vor- dringen. Neben der sofort in Angriff ge- nommenen Verbesserung und Umlegung der wichtigstenW ege wurde die Herstellung einer Schleppbahn geplant und mit deren Herstellung die Generalbau-Unternehmung Hiigel & Sager betraut, rvelche nach dem eben beendigten Bahnbau Temesvar — Orsova Werkzeug, Materialien und sogar die allerdings sehr primitiven Be- triebsmittel einer Feldbahn verfugbar hatte. Mit der Uberwachung des Bahnbaues wurde in Slawonisch-Brod eine aus drei Offizieren bestehende Bauleitung betraut. Die schmal- spurige, aus Mitteln des Okkupations- kredites herzustellende Bahn solite einen provisorischen, feldmafiigen Charakter er- *) Vgl. die beigegebene Karte. halten und nur dem Zwecke dienen, ftir die nachsten Monate den Nachzug der Militar- bediirfnisse zu vermitteln. Sie solite nur von der Broder Save-Ubersetzung bis iiber das Vrandulrer Defilč reichen, wofiir eine Gleislange von 145 km und eine Bau- zeit von zwei Monaten berechnet wurde.*) Mit allen Mitteln gefordert, ging der Ban anfangs flott von statten. Am 4. Ok¬ tober 1878 fuhr die erste Lokomotive schon einige Kilometer ins Land hinein — es war dies eine jener kleinen, bei Hilfs- bahnen haufig verwendeten Maschinen mit 76 cm Spurweite, die dem kiinftigen bosnisch-herzegowinischen Bahnnetze das Geprage geben solite. Bald fand jedoch der Fortschritt beim Bahnbau arge Storungen. Die Schiffe, die das Baumaterial von Orsova bringen sollten, wurden auf der Save von Insurgenten aufgehalten und zum Uberflufi stellte sich als noch schlim- merer Feind ein andauernder Landregen ein, dem schliefilich eine Uberflutung des Savegebietes folgte. Dem Hochwasser fiel alsbald der Lagerplatz der Bau- unternehmung mit allen Magazinen, *) Mit Riicksicht darauf, dafi in der »Geschichte der Eisenbahnen der osterr.-ungar. Monarchie« III. Bd. die Entstehungsge- schichte der ersten bosnisch-herzegowinischen Eisenbahnen nur kurz skizziert erscheint, ist mit Riicksicht auf das hervorragende Interesse, das diesen Landern sowie den kulturellen Leistungen der Monarchie im ehemaligen Ok- kupationsgebiete derzeit zukommt, eine etwas eingehendere Schilderung des ersten Wirkens unserer Kulturpioniere auf verkehrstechni- schem und verkehrswirtschaftlichem Gebiete hier eingefiigt worden. Die Geschichte der zur Militarbahn umgestalteten Linie Banjaluka —(Novi—) Doberlin ist in dem Beitrage des k. u. k. Eisenbabnbureaus im Generalštabe iiber »Militareisenbahnwesen« (S. 375 ff.) enthalten. 35 546 Karl Schnack. Werkstatten und Vorraten zum Opfer. Miihselig mufiten wochenlang die beim iiberschwemmten Lagerplatze in Bosnisch- Brod aus dem Wasser geholten Schienen auf kleinen Dampfbooten durch die Ukrina nach Novoselo geschleppt werden, und erst nachdem das Wasser so weit gesunken war, dafi bei Siekovac eineSave-Uferstation angelegt werden konnte, wurde gegen Ende Dezember der Verkehr zwischen den Saveschiffen und der Schleppbahn wieder aufgenommen. Um diese Zeit war die Strafie zwischen Brod und Siekovac noch nicht fahrbar, wohl aber von hier gegen das Innere des Landes. Der iiber Dervent, Doboj, Maglaj, Zepče und Zenica fiihrende Weg wurde aber auch iiber alle Mafien in Anspruch genommen. In un- unterbrochenen Kolonnen walzten sich die Militarfuhnverke in beiden Richtungen iiber diesen notdiirftigen Fahrvveg, der bei der herrschenden Witterung bald in einen entsetzlichen Zustand geriet. Eine Unzahl von Kadavern der der iiber- mafiigen Anstrengung erlegenen Pferde kennzeichnete die »Fahrbahn«, auf der die Bauunternehmung ihre Materialien weiterschaffen mufite. Die Zufuhr des Bauholzes war so beschwerlich und kost- spielig, dafi die Unternehmung, obzwar ihr das Holz in allen Bestanden unentgeltlich zur Verfiigung stand, es vorzog, zwei Bosnabriicken aus Eisen herzustellen. Der Fuhrlohn von Brod nach Sarajevo stieg auf K 120 fiir den Meterzentner, einheimische Arbeiter standen keine zur Verfiigung und den aus der Ferne herbei- gerufenen mufi te hoher Taglohn zuge- standen werden. Trotzdem gelang es, 4000 Mann aufzutreiben, und 40 Ingenieure wetteiferten unter Strapazen und Ent- behrungen in dem Bestreben, zum Ge- lingen dieses nur unter aufierordentlichen Schwierigkeiten herzustellenden Bahn- baues beizutragen. Erst Endejanner 1879 waren die Schienen bis Doboj gelegt. Weitere acht Wochen dauerte es, bis Maglaj erreicht wurde, da in dieser Strecke zwei Ubersetzungen des hoch- gehenden Bosnaflusses herzustellen waren. Am 22. April war die Bahn bis Zepče beniitzbar, wo wider Erwarten die ver- einbarten 145 km Bahnlange erreicht waren, wahrend urspriinglich das 31 km weiter gelegene Vranduk das angestrebte Ziel gewesen war. Die Messungen auf den unverlafilichen Karteri hatten mit den wirklichen Entfernungen nicht iiber- eingestimmt. Am 12. Februar wurde ein regelmafiiger Lastzugsverkehr eingeleitet, vom 1. Mai ab wurde auch schon die Post befordert. Durch ein neuerliches Ubereinkommen mit dem Reichskriegsministerium wurde der Weiterbau bis Zenica sichergestellt. Immer aber war es die trostlose Witterung, die den Baufortschritt arg beeinflufite. Im engen Bosnatale gab es wahrend der ganzen neun Monate langen Bauzeit keine fiinfzig regenfreien Tage. In fortwahrendem Kampfe mit Hoch- wasser waren zwei weitere Bosnabriicken auszufiihren und am 8. Juni 1879 erfolgte unter dem Jubel der osterreichischen Kolonie und Staunen der einheimischen Bevolkerung iiber die nie gesehenen »Feuervvagen« die Bahneroffnung. Ende 1878 wurde der Bau der Ver- bindungsbahn Slawonisch - Brod — Bosn,- Brod sowie die Herstellung einer eisernen Brucke iiber die Save beschlossen und die Ausfiihrung der Bauunternehmung Karl Freiherrn v. Schwarz ubertragen. Diese Strecke gelangte am 10. Juli 1879 mit der ganzen Strecke Brod—Zenica zur Eroffnung, nachdem es erst zu dieser Zeit gelungen war, den vom Hoclrvvasser verwiisteten Bahndamm zwischen Brod und Siekovac wiederherzustellen. Schon im Anfange des Jahres 1879 wurden zwischen Dervent und Siekovac Marodentransporte auf der Bahn gefiihrt und bei dem Mangel sonstiger Verkehrs- mittel war es der Bauunternehmung nicht moglich, die zahlreichen, von Offizieren, Beamten, Unternehmern und Kaufleuten erhobenen dringenden Ansuchen nach Beforderung auf der Bahn zuriickzu- weisen. Die Militarbauleitung beantragte daher anfangs Marž beim Reichskriegs¬ ministerium auch die Beforderung von Personen, fiir welchen Zweclt einige Low- ries adaptiert wurden, zu genehmigen und auch die Beforderung von anderen als Militargiitern zuzulassen. Ab 7. Mai 1879 wurde die Annahme von Zivilfracht in Wagenladungsgiitern zugelassen und aus- nahmsweise der Transport von Kranken Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina. 547 gestattet. Einzeln reisenden Offizieren und Beamten konnte die Beniitzung der Bahn nach Mafigabe des verfiigbaren Raumes auf ihre eigene Gefahr gestattet werden. Die Ftihrung des Betriebes wurde vorlaufig der Bauunternehmung H ii g e 1 & Sager tibertragen. Bei der technisch-polizeilichen Prtifung der Bahn am 15. Mai 1879 wurde der Zustand der Bahn fiir derart zufrieden- stellend erklart, dafi die Einfiihrung von Personenziigen mit 15 km Geschwindig- keit ohne Bedenken auch im Nachtver- kehr gestattet \vurde. Mit 14. Juli 1879 wurde demgemafi die Bahn dem offentlichen Betriebe iiber- geben und am 10. September ganzlich in militarische Verwaltung iibernommen und der »Direktion der k. k. Bo sna¬ hah n« unterstellt. Die Špur dieser ur- sprtinglichen Rollbahn wurde vorbildlich fiir das bosnisch-herzegowinische Bahn- netz und es ist das unbestreitbare Ver- dienst der Kriegsverwaltung, durch die Aufrechthaltung des Bahnbetriebes die Zweckmafiigkeit der Schmalspur erprobt, wie es das Verdienst des k. und k. gemein- samen Finanzministeriums bleibt, die Vor- teile dieses Systems sofort richtig erkannt und zum Besten der beiden Landesge- biete ausgestaltet zu haben. Durch die kurz nach ihrer Eroffnung verfiigte Freigebung der Bahn fiir den Personen- und Zivilguterverkehr erschien ihre urspriingliche Bestimmung als blofi temporar zu beniitzende militarische Schleppbahn vollstandig geandert. Der Verkehr entwickelte sich mit solcher Leb- haftigkeit, dafi die Bahn aus lokalen Be- diirfnissen heraus, wie kaum eine zweite Linie, zur Sekundarbahn mit regelmafiigem Personen- und Postverkehr und in kurzer Zeit zur Hauptverkehrsader des ganzen Landes sich erhob. Dadurch erwuchs fiir die leitenden Behorden die Aufgabe, die Leistungsfahigkeit der Linie den gestei- gerten Anspriichen entsprechend zu heben, sie vollig umzugestalten. Die Trasse der Bahn war vollstandig dem Terrain an- geschmiegt.Kriimmungen mit Halbmessern unter 50 im, ja 35 m, die ohne Zwischen- gerade einander folgten, zahlten keines- wegs zu den Seltenheiten. Die Breite der Unterbaukrone betrug nur 2‘5 m und fiir eine Entwasserung war nur sparlich vor- gesorgt. Die Objekte, mit geringen Aus- nahmen, \varen aus Flolz und nur provi- sorisch hergestellt, Bettungsmateriale war nur notdiirftig vorhanden und verschwand iibrigens in kurzer Zeit in dem durch die anhaltenden Regengiisse durchweichten Untergrunde. Samtliche Schienen hatten ruhenden Stofi, Unterlagsplatten fehlten ganz. Die Weichen waren Schleppwechsel mit Wei- chenkurven von 27 m Radius. Mit Aus- nahme der Station Brod, die 460 m lang angelegt war, verfiigte keine andere Sta¬ tion iiber mehr als 120—200 m Lange. In der Regel war ein Nebengleis das Um und Auf der ganzen Anlage. Dafi die Hochbauten als primitiv hergestellte Fachvverkbauten in dieses Gesamtbild hineinpafiten, bedarf wohl nicht beson- derer Hervorhebung. Der urspriingliche Fahrpark bestand aus 20 zweiachsigen Kraufischen Tender- lokomotiven und 400 »Giiterwagen«, Lowries, mit einer Tragfahigkeit von 2 t mit holzernem Untergestelle, an dem die Achsbiichsen ohne Vermittlung von Fe- dern direkt befestigt waren. In der Langs- richtung der Wagen \var ein kraftiger, mit dem Gestelle fest verbundener eichener Balken durchgezogen, der die Stelle eines Mittelpuffers vertrat und an dessen Enden auf der Unterseite die Haken fiir eine Kettenkupplung vorgesehen waren. Von diesen federlosen Wagen wurden zehn als »Personenwagen« derart umge- staltet, daB auf vier Ecksaulen ein Dach angebracht und die Stirnseite zum Schutze gegen Wind und Wetter verschalt wurde. Die anderen Seiten konnten durch Leinen- vorhange geschlossen werden. So sah vor 30 Jahren die erste bosnische Bahn aus. Inzwischen war aber auch die LinieBanj aluka-—(Novi—)Doberlin unter Leitung des Pioniermajors Johann P. Tomaschek in standgesetzt worden. Bei dieser Arbeit fanden die aus Detachements der Genie- und Pioniertruppe zusammen- gesetzten Feldbahnabteilungen ihre erste feldmafiige Verwendung. Nach der miihselig durchgefiihrten Restaurierung dieser Linie wurde Major Tomaschek mit der Leitung der Di¬ rektion der Bosnabahn betraut. Noch^im 35 * 548 Karl Schnack. Jahre 1879 wurden auch auf dieserBahn ent- sprechende Personen-und Postwagen ange- schafft und die dringendsten Adaptierungen durchgefuhrt. In den folgendenjahren wur- den mehr als 50 km der urspriinglichen Trasse verlegt, alle Bogen mit weniger als 60 m Radius sowie alle storenden Kontra- kurven beseitigt. Die Lange der Strecke Brod—Zenica wurde um mehr als 2 km ge- kiirzt. Von 1400 Bogen der ersten Anlage entfielen 300 ganz, mehr als 800 proviso 1 rische Brticken und Durchlasse wurden durch definitive Objekte ersetzt. Die offenen Objekte von 3 m Spannweite (eroffnet 29. April 1886) in Betrieb nahm. Alle iibrigen miter Leitung der Landes- regierung erbauten Linien wurden der Direktion der Bosnisch-herzegowi- nischen Staatsbahnen unterstellt. Der Ausbau des Schmalspurnetzes schritt riistig vorwarts. Die Eroffnungs- daten der einzelnen Strecken sind im Bd. III d. W. (S. 583) angefuhrt. Am 27. Juli 1895 wurde auch die Bosnabahn der Leitung der Bosnisch- herzegowinischen Staatsbahnen unterstellt. Schon im Jahre 1896 standen in Bosnien und der Herzegowina 775 km Eisenbahnen und dariiber erhieltenfiisenkonstruktionen. Auch der Oberbau erfuhr eine durch- greifende Umgestaltung. Die ursprunglich eingelegten unge- dexelten Buchenschwellen von 10 cm Starke wurden durch Eichen-, spater durch impragnierte Buchenschwellen starkeren Profils ersetzt, das Schotterbett erbrei- tert und der Oberbau verstarkt, die Hoch- bauten vollstandig durch Gebaude ersetzt — kurz aus der Rollbahn wurde inner- halb kurzer Zeit ein mustergtiltig gelei- tetes Bahnunternehmen, das nach dem im Jahre 1882 erfolgten Ausbau der Linie bis Sarajevo (78*6 km, eroffnet 5. Ok¬ tober 1882) auch die vom k. und k. ge- meinsamen Finanzministerium erbaute, 66 - 7 km lange Linie Dobo j—Siminhan im offentlichen Betriebe, und zwar 107 km normalspurige Bahnen und 668 km Bahnen mit der schmalen Spunveite von 076 m. Normalspurig ist die k. und k. Militar- bahn Banjaluka—Doberlin, welche in der letzteren Station an die koniglich unga- rischen Staatseisenbahnen anschliefit, eine Fortsetzung iiber Banjaluka binaus in das Innere Bosniens aber bisher nicht ge- funden hat. Ferner befinden sich auf bosnischem Boden und im Eigentum der bosnisch- herzegowinischen Landesverwaltung, aber im Betriebe der koniglich ungarischen Staatseisenbahnen die i - 5 km lange normalspurige Strecke der BroderVer- bindungsbahn von der Grenze, d. h. der Mitte der Savebriicke bis in die An- Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzego\vina. 549 schlufistation Bosnisch-Brod derBosnisch- herzegowinischen Staatsbahnen, und die gleichfalls normalspurige X km lange Endstrecke der Lokalbahn Vin k ovc e— Breka von der Mitte der dortigen Save- briicke bis in die auf bosnischem Boden gelegene Endstation Brčka. Alle im offentlichen Betriebe stehen- den Schmalspurbahnen Bosniens und der Herzegowina unterstehen somit der D i- rektion der Bosnisch-herzego- winischen Staatsbahnen in Sarajevo, \velche der Landesregierung fiir Bosnien und die Herzegowina untergeordnet ist. Die Schmalspurbahnen Bosniens und der Herzegowina beginnen im Norden in Bosnisch-Brod, wo sie an die koniglich ungarischen Staatseisenbahnen mit einem grofien Umladebahnhof anschliefien. Bis zum Jahre 1901 fanden diese Bahnlinien die Verbindungmit dem Adria- tischen Meere nur durch die siidliche, m Dalmatien ganz nahe der herzego- winischen Grenze gelegene Endstation Metkovič, bis zu welcher durch den 21 km langen regulierten Unterlauf der Narenta Seeschiffe, welche den Tiefgang von 5 m nieht ganz erreichen, auch bei Niederwasser fahren konnen. Diese Beschrankung des Schiffsver- kehres, dann das Fehlen eines eigent- lichen Hafens in Metkovič und die man- cherlei Erschwernisse, welche der Schiff- fahrt in einem Flusse mit stark wech- selnden Wasserstanden zeitweise ent- gegenstehen, lassen Metkovič keineswegs als vollwertigen Hafen erscheinen. Als nachstgelegene, voli brauchbare Hafen fiir den Handelsverkehr Bosniens und der Herzegowina kommen Gravosa (Ragusa) und Spalato in Betracht und als es galt, eine neue Verbindung Bos¬ niens und der Herzegowina mit dem Meere zu schaffen, fiel die Entscheidung vor- erst auf Gravosa. Die Eisenbahn Gabela—Bocche di Cattaro mit den Abziveigungen Hum — Trebinje und Uskoplje — Gravosa. Durch den vorwiegend aus strategischen Riicksichten durchgefiihrten Bau der schmalspurigen Eisenbahn von Gabela I in die Bocche di Cattaro erfuhr das Schmalspurnetz Bosniens und der Herzego- wina eine wesentliche Erweiterung. Indem auf die ausfiihrlichere Entstehungsge- schichte dieser Bahn in der »Allgemeinen Entwicklungsgeschichte« (S. 23 u. ff.) ver- wiesen wird, sei hier nur zusammen- fassend festgestellt, daU der Bau der im seinerzeitigen Okkupationsgebiete ge- legenen Teilstrecken laut osterreichischer kaiserlicher Verordnung vom 7. Juli 1898 (RGB. Nr. 122) und ungarischem Gesetz- artikel XXIV, 1898 (sanktioniert am 4. April 1898) beschlossen wurde. Auf Grand dieser Gesetze gaben die beiden Regierungen ihre Einwilligung, dafi seitens der bosnisch-herzegowinischen Landesverwaltung zum Zwecke des Baues einer schmalspurigen Eisenbahn von der Station Gabela der Bosnisch-herzego- winischen Staatsbahnen bis zur Dalmatiner Grenze und in der weiteren Fortsetzung dieses Bahnbaues in der Richtung gegen die Bocche di Cattaro fiir die erforder- liche Teilstrecke, welche die zur Herze- gowina gehorige Sutorina durchquert, endlich fiir eine von der erstgenannten Bahnlinie abzweigende Fliigelbahn nach Trebinje und eine zweite bis zur Dalma¬ tiner Grenze in der Richtung nach Gra¬ vosa (Hafen von Ragusa) ein in 60 Jahren amortisierbares Darlehen bis zur Maximal- hohe von fl. 11,000.000 (K 22,000.000) aufgenommen werde. (Uber die Bestreitung der Zinsen und Amortisationen verfiigen die §§ 2 und 3 der zitierten Gesetzentwiirfe.) Fiir den Bau der auf Dalmatien entfallenden Strecke wurde der Betrag von fl. 5>8 i 6.000 = K 11,632.000 praliminiert. Schon bei der seinerzeitigen Bemessung des Kreditanspraches wurde den zu er- wartenden ungiinstigen Bauverhaltnissen ausgiebig Rechnung getragen, in Wirk- lichkeit erwiesen sich diese noch weit schwieriger und erforderten zu ihrer Be- waltigung bedeutend hohere Kosten, als bei Aufstellung der Projekte und Kosten- anschlage anzunehmen war. Die Lange dieser Bahn betragt ins- gesamt 207 km, und zwar entfallen auf die Linie 1. Gabela—Zelenika . . 169 km 2. Hum—Trebinje ... 17 » 3. Uskoplje—Gravosa . . 2i » 55o Karl Schnack. Auf Dalmatien entfallen 75 km , und zwar : 1. Uskoplje-Landesgrenze— Gravosa.18 km 2. Glavska - Landesgrenze— Zelenika.57 » Von der ganzen Bahnlinie Gabela— Bocche mit ihren beiden Flugelbahnen liegen 130 km auf herzegowinischem und 59 km auf osterreichischem (dalmatini- schem) Gebiete. Die Bahnlinie Sarajevo — Ostgrenze. Von iiberaus grofier Bedeutung fiir die Landesvenvaltung, um das schone Slidostbosnien endlich dem Verkehre und dem Handel zu erschliefien, eine Anzahl wichtiger Grenzgarnisonen mit dem Herzen des Landes besser zu ver- binden und Bosnien sowie die Herzego- wina hoffentlich in nicht ferner Zeit auch dem Durchgangsverkehre zu eroffnen, war Abb. 253. Sarajevo—Ostgrenze. Gajbriicke im Stadtgebiete von Sarajevo. Die herzegowinischen Teilstrecken sind am 16., die dalmatinischen am 17. Juli 1901 dem Betriebe iibergeben worden. Die Durchfuhrung des Baues der her- zegowinischen Strecken erfolgte als Regie- bau durch die Bauabteilung der Landes- regierung fur Bosnien und die Herzego- wina unter der Leitung des Sektionschefs Fritz P as sini und des Hofrates Michael R auch, j ene der osterreichischen Strecken durch eine dem kaiserlichen Rate Ober- inspektor Johann Jenšovsky unterstellte Bauleitung der k. k. Eisenbahnbaudirektion. die Flerstellung einer Bahn von Sarajevo zur tiirkischen und zur serbischen Grenze. Diesen Notwendigkeiten folgend und nach erlangter Genehmigung der gesetz- gebenden Faktoren Osterreichs und Un- garns ist kurze Zeit nach der Vollendung der Linie Gabela—Bocche von der Bau¬ abteilung der Landesregierung fur Bosnien und die Herzegowina mit der Trassierung einer schmalspurigen Bahn begonnen worden, welche — von Sarajevo aus- gehend — nach Uvac an die tiirkische Grenze ftihrt und in dieser letzteren Station Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina. 5Si an die zur Zeit projektierte Sandschak- bahn und durch diese an das Netz der orientalischen Eisenbahnen Anschlufi fin- den soli. Eine Fliigelbahn fiihrt nach Vardište an der serbischen Grenze und dort kann der Anschlufi an die zur Zeit im Baue befindliche Linie Stalac—Kruševac— Cačak—Užice der serbischen Staatsbahnen gefunden werden. Schon anfangs des Jahres 1900 waren die gemeinsamen Ministerien an die Regierungen der beiden Staatsgebiete der Monarchie mit dem Begehren herangetreten, fiir den Ausbau des bosnischen Eisenbahnnetzes in der Richtung von Sarajevo bis zur Sandschakgrenze von Novibazar ungesaumt Vorsorge zu treffen. Bei den hieriiber gefiihrten Verhandlungen wurde seitens der osterreichischen Regierung die Fortsetzung der Schmalspurbahn Spalato —Ar- žano auf bosnischem Gebiete bis Bugojno neuerdings durch- zusetzen versucht, wahrend von der bosnischen Verwaltung zwecks Verbesserung der An- schlufiverhaltnisse des bosni¬ schen Bahnnetzes auch der Bau einer Verbindung von D o b o j nach Š a m a c im Bosnatale an- gestrebt \vurde. Auf die Ausfuhrung dieser Linie wurde im Hinblicke auf die schwierigen Betriebs- verhaltnisse der Bosnabahn zwischen Do- boj und Dervent Wert gelegt und fiir die Verbindung Doboj—Šamac die Normal- spur befiirwortet.*) Damit war auch die Frage aufgeworfen, ob nicht auch fiir die Bosnische Ostbahn die Normalspur zu wahlen und die Bosna¬ bahn in eine normalspurige Transitlinie umzubauen ware. Es stand aufier Zweifel, dafi sowohl den betriebstechnischen als den Verkehrsinteressen am besten mit einer durcfrvvegs normalspurigen Bahnlinie gedient ware, welche es ermoglichen vviirde, die aus Osterreich-Ungarn iiber die ge- *) Siehe Strach »Allgemeine Entvvicklungs- geschichte«, S. 33 ff. plante Anschlufistrecke Doboj—Šamac nach Bosnien eintretenden normalspurigen Ziige und Wagen ohne Umladung bis zur Siidostgrenze des Landes, im Falle des Ausbaues der Sandschakbahn auch iiber diese auf die orientalischen Bahnen, welche gleichfalls Normalspur haben, zu befordern. Die Kosten des Umbaues der 187 km langen Strecke Doboj—Zenica—Sarajevo Abb. 254. Sarajevo—Ostgrenze. Station Pale. hatten aber mehr als K 50,000.000 er- fordert. Die Mehrkosten einer normal¬ spurigen Ausfuhrung der Linie Sarajevo —Sandschakgrenze waren mitK2 7,000.000 veranschlagt. Diesem namhaften Mehr- aufwande stand die Tatsache entgegen, dafi die Schmalspur der Bosnisch-herzego\vini- schen Staatsbahnen einen soleh hohen Grad technischer Ausbildung und Lei- stungsfahigkeit erreichthatte, dafi sie den zu gewartigenden Verkehrsbediirfnissen noch fiir lange Zeit hinaus, jedenfalls insolarige geniigen wird, bis die Anschlufiverbin- dungen mit den orientalischen Bahnen hergestellt sein werden. Es erschien daher mit der gebotenen Okonomie unvereinbar, weitergehende Opfer zu bringen, als die Wahl einer Trasse, die in gleicher Weise wie die Teilstrecke Zenica—Sarajevo den 552 Karl Schnack. Abb. 255. Sarajevo—Ostgrenze. Prača-Katarakte nachst der Station Mesiči—Rogatica. spateren Umbau der Schmalspur in die Normalspur moglichst erleichtert. Durch das in den Parlamenten beider Staatsgebiete eingebrachte Gesetz wurden die Regierungen ermachtigt, ihre Ein- willigung zu geben, daft seitens der bosnisch-herzegowinischen Landesregie- rung zur Bestreitung der fiir die Aus- fuhrang einer schmalspurig, jedoch im Tracč einer normalspurigen Hauptbahn herzustellenden Eisenbahn von Sarajevo bis zur Sandschakgrenze im Limtale nachst U v a c mit der Abzweigung iiber Višegrad bis zur serbischen Grenze im Rzavatale nachst V a r d i š t e sich ergebenden Kosten im Maximalbetrage von K 75,000.000 ein in 60 Jahren zu amortisierendes Darlehen aufgenommen ] ■: werde. Dem in friiheren Fallen eingehaltenen Vorgange entsprechend, wurde auch die Zustimmung erteilt, das die aus friiheren Gesetzen erwachsenen Riickzahlungsanspruche der gemeinsamen Akti¬ ven beziiglich der an Bosnien und die Herze- gowina erteilten Eisen- bahndarlehen dem Zin- sen- und Tilgungserfor- dernisse dieses neuen Darlehens nachstehen sollen. Die fur den Bau der Linien Mostar — Rama, Rama—Sarajevo und Janjiči—Bugojno— Jajce aus den gemein¬ samen Aktiven bewillig- ten Darlehen von ins- gesamt K 31,200.000 sind nach den Bestim- mungen der beziiglichen Gesetze unabhangig von den Betriebseinnahmen dieser Bahnlinien aus Landesmitteln zu ver- zinsen. Das jeweilige Erfordernis hiefiir wird im Gesamtbetrage von K 929.000 in das bos- nisch - herzegowinische Landesbudget eingestellt und an die gemein¬ samen Aktiven abgefiihrt. Diese Zinsen bildeten einen Teil jenes Betrages, welcher zur Bestreitung der Zinsen und Amorti- sationsraten des fur den Bau der Linie Gabela—Bocche di Cattaro und Trebinje •—Gravosa aufgenommenen Darlehens so- wie zur Deckung des allfalligen Betriebs- defizits dieser Bahnlinien in den ersten zehn aufeinanderfolgenden Jahren aus den gemeinsamen Aktiven bestimmt war. Als Amortisationsraten der friiher be- zogenen Darlehen aus den gemeinsamen Aktiven hatten bisher die reinen Betriebs- iiberschiisse dieser aus den Geldern der gemeinsamen Aktiven gebauten Bahnlinien sowie ferner die fiir diesen Zweck ver- fiigbaren Betriebsiiberschusse der Linie Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina. 553 Brod—Zenica zu dienen gehabt. Die Linien M o s tar—Rama, Ram a—S ara- jevo und Janjiče—Bu go j no—Jajce hatten aber infolge ihrer kostspieligen Betriebsverhaltnisse und des verhaltnis- mafiig geringen Verkehrs keine Betriebs- tiberschiisse abgeworfen. Die gesetzlich festgelegte weitere Stundung der Riickzahlung der Uberschiisse dieser Linien bedeutete demnach keinen Entgang fiir die gemeinsamen Aktiven. Der Bau der Bosnischen Ostbahn be- gann im Jahre 1903. Die Trasse zweigt in der Seehohe von 528'19 m vom bestehenden Bahnhofe Sarajevo ab, umfahrt an den Hangen des Berges Trebevič die ganze Stadt Sara¬ jevo — den Reisenden ein Panorama von unvergleichlicher Schonheit bietend — und gelangt sofort in die Engschlucht des Miljackaflusses, an deren wildzer- rissenen Steilwanden eine grofie Anzahl von Tunnels, von Stiitzmauern und sehr hohen Steinsatzen auszuftihren war. Die Miljackaschlucht zeigt stellenweise Ahnlichkeit mit der Sillschlucht an der Brennerbahn zwischen Innsbruck und Matrei. In der Station Pale erreicht die Bahn die Talsohle in einer von Bergen um- saumten waldigen Hochflache und fiihrt an den Berglehnen in der schon von Sarajevo aus eingehaltenen Steigung von 18 pro Mille bis zum Karolinensattel — einer Einsenkung des Jahorinagebirges — welcbe mit einem 852 m langen, die Scheitelkote von 946 - oo m er- reichenden Tunnel durchsetzt wird. Von der am Ostportal dieses Tunnels gelegenen Station Stambulcič senkt sich die Bahn mit anhaltenden Neigungen von nicht mehr als 18 pro Mille im Flufitale der wilden Prača bis zu der an der Miindung der Prača in die Drina in der Seehohe von 340 m gelegenen Station Ustiprača-Goražda. Von dieser Station aus bestehen sehr gute Strafienverbindungen mit den bos¬ nischen Bezirks- und Garnisonsstadten Gorazda, Foča, Čajnica und mit dem im turkischen Sandschak Novibazar gelegenen Plevlje. Die 55 km lange Strecke im Prača- tale ist iiberreich an Bauschwierig- keiten der mannigfachsten Art und zeigt in fast ununterbrochener Folge eine sehr grofie Anzahl von Tunnels, grofien Fels- einschnitten und Felsabschnitten, sclrvvie- rigen Lehnenbauten, Stiitzmauern, Futter- mauern, Steinsatzen, Briicken und Durch- lassen. Auf langen Strecken waren die Schluchten ganz unwegsam und mufiten erst Trassierungsstege durch Felsspren- gungen hergestellt werden. Abb. 256. Sarajevo—Ostgrenze. Partie an der Drina zwischeu U&tiprača und Megjeg-je. Von Ustiprača aus folgt die Bahn dem linken Ufer der Drina abermals an Steilwanden durch lange Tunnels und iiber gewaltige Mauern, hoch iiber dem Flusse, erreicht die Station Megjegje und iibersetzt bald darauf die Drina, unmittelbar nach der Miindung des Lim mit einer ktihnen Eisenbriicke von 130 m Spannweite in einer Offnung. Unmittel¬ bar am Briickenpfeiler des rechten Ufers teilt sich die Bahn und zwei Tunnels offnen ihre Portale. Nach links zweigt die Bahn zur serbischen Grenze ab. Nach rechts tritt die Bahn — den langen Tunnel verlassend — in den 554 Karl Scbnack. Felsenengpafi der Limmiindung imd aber- mals folgt bis nahe an die Station S e t i- h o v o eine iiberaus malerische Strecke mit zahlreichen Tunnels und gewaltigen Fels- abschnitten hart am Ufer des Flusses. Der weitere Teil dieser Bahnlinie bis zu der an der tiirkischen Grenze in der Seehohe von 38r6o m gelegenen End- station U v a c zeigt stellenweise auch noch ganz erhebliche Bauten, tritt jedoch be- und dessen Tal sich klammartig ver- engt, so dafi auch hier wieder strecken- weise Tunnels, grofiere Brticken, hohe Mauern und Felsabschnitte einander folgen. Die Station Vardište liegt in der Seehohe von 440^00 m unmittelbar an der serbischen Grenze. Zur Charakteristik des Terrains der i67‘oo km langen Ostbahn dient, dali Abb. 257. Sarajevo—Ostgrenze. Drinabriicke, 130 m Lichtweite. treffs der Bauschwierigkeiten im grofien und ganzen gegen die friiher angefiihrten Strecken zurtick. Von der Drinabriicke aus bleibt der gegen die serbische Grenze fiihrende Fliigel der Bahn bis zur Station V i š e- grad unmittelbar am rechten Ufer des Flusses und in der ersten Halfte dieser Strecke kennzeichnen abermals Tunnels, sehr hohe Felsabschnitte und hohe Mauern den Charakter des Baues. Nach der Station Vi š e gr a d tritt die Bahn in das Seitental des Rzavaflusses, der einen sehr gewundenen Lauf hat nicht weniger als 99 Tunnels in einer Gesamtlange von 13.554 m zu durch- brechen waren. Der Bau der Bosnischen Ostbahn ist von der Bauabteilung der Landesregierung als Regiebau unter der Leitung der schon friiher genannten beiden Funktionare durchgefiihrt worden. Die Eroffnung erfolgte am 4. Juli und am I. August 1906. Seither sind keine anderen Bahnlinien trassiert und gebaut worden. Sowohl die von Osterreich lang ersehnte Linie B u- gojno — Aržano als auch die vorwie- gend im ungarischen Interesse gelegene Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina. 555 Abb. 258. Sarajevo—Osfgrenze. Das Limtal an der Miindung in die Drina. Verbindung Do¬ bo j — S a m a c sind noch unaus- gefiihrt. Zu Ende des Jahres 1907 stan- den in Bosnien und der Herze- gowina 1072 km Eisenbahnen im offentlichen Be- triebe, von wel- chen 104 k m auf die normalspuri- ge k. und k. Mili- tarbahn Banjalu¬ ka—Doberlin, 3 km auf die ein- gangs angefiihr- ten zwei kurzen normalspurigen Bahnstrecken und 965 km auf die schmalspurigen, der Direktion der Bos- nisch-herzegowinischen Staatsbahnen unterstellten Linien entfallen. In Bosnien und der Herzegowina ent- fallt demnach 1 km Eisenbahn auf 477 km 2 Flache des Landes. In Bosnien und der Herzegowina ent¬ fallen auf 1 km Eisenbahn 1686 Einwohner und diese Lander stehen mit dieser Ziffer giinstiger wie die osterreichischen Kronlander Dalmatien, das Kiistenland, Galizien und die Bukowina. Die Entuoicklimg des Verkehres. Wenn man ein vollstandig klares Bild liber die Entwicklung des Verkehrs und des Handels in Bosnien und der Herzego- wina erhalten will, soiveit derselbe durch die Eisenbahnen vermittelt wird, so sind hieftir die Ergebnisziffern des Betriebes der schmalspurigen Bosnisch-herzegowini- schen Staatsbahnen zu beniitzen, weil diese geschlossenen Bahnlinien alle Haupt- verkehrswege des Landes umfassen, wah- rend die mit den Bosnisch-herzegowini- schen Staatsbahnen nicht zusammenhan- gende k. und k. Militarbahn Banjaluka— Doberlin nur den Verkehr eines bosni- schen Kreises vermittelt, welcher gleich- falls eine erfreuliche Entivicklung zeigt, aber doch nur Ziffern von lokaler Be- deutung umfabt und an den Hauptziffern wenig Anteil hat. Aufierdem bilden die Schmalspur- bahnen die charakteristische Type der Bahnen Bosniens und der Herzegoivina und es ist von Interesse, zu sehen, ob diese — deren relativ billige Bauaus- fiihrung dem Lande jahrlich Millionen an Kapitalszinsen erspart hat und immer ivieder aufs neue erspart —- ihrem grofien Zwecke trotzdem entsprechen. Vor dem Eingehen in die Detailziffern ist anzufiihren, dafi von den zu Ende des Jahres 1907 im offentlichen Betriebe ste- henden 965 km Schmalspurbahnen Bos¬ niens und der Herzegowina 935 km Eigentum der bosnisch-herzegoivinischen Landesverwaltung sind, und auf diese Linien allein beziehen sich die nachfol- genden Angaben. Zu Ende des Jahres 1896 hat die Lange der Eigentumslinien der Bosnisch- herzegoivinischen Staatsbahnen 638 km betragen. Diese haben demnach in den seither vergangenen 11 Jahren um 297 km = 46 - 6°/ h zugenommen. Da aber der Verkehr auf den neuen Linien noch erheblich geringer ist als auf den schon langere Jahre im Be¬ triebe stehenden, wird bei den Verglei- Karl Schnack. 556 chen auf diesen Umstand Riicksicht ge- nommen werden. Der Zivilpersonenverkehr. Anzahl aller Zivilreisenden, nach Teilstrecken gerechnet: 1896 . . 949.342 1907 ■ ■ ■ 2,419,757 Zunahme.1,470.415 Von dieser entfallen auf die Der Giiterverkehr. An Parteigutern sind befordert worden : Nettotonnenkilometer: 1896 49,528.536 1907 18^332.953 Zunahme.139,804.417 Von dieser entfallen auf die Alt- strecken allein.122,225.107 Die letztere Ziffer entspricht einer jahr- lichen Durchschnittszunahme von 22-4°/ 0 . Die Gesamteinnahmen des Bahn- betriebes. Altstrecken *) allein . 1,137.128 Die letztere Ziffer entspricht einer jahr- lichen Durchschnittszunahme von IO‘ 9 °/ 0 . *) Unter »Altstrecken« sind die nach- stehenden Linien verstanden: Sarajevo—Bosn.- Brod Saraj e vo — Metkovič Doboj—Simin han Lašva— Bugoj no Dl.-V akuf—Jaj ce Vogošca—Cevljanovič. Diese haben betragen: 1896 ... K 4,249.144 1997 ...» 11,825.742' Zunahme.K 7,576.598 Von dieser entfallen auf die Alt¬ strecken allein.5,966.299 Die letztere Ziffer entspricht einer jahr- lichen Durchschnittszunahme von I 2 ' 8 °/ 0 . ^Abb. 259. Sarajevo—Ostgrenze. Partie an der Drina zwischen der Drinabriicke und Višegrad. Bei allen Bahnen des Ver- eines Deutscher Eisenbahn- verwaltungen — welchem be- kanntlich auch die oster- reichischen sowie die ungari- schen Staatseisenbahnen sowie alle grofieren Privatbahnen Osterreichs und Ungarns an- gehoren — erreicht die jahr- liche Einnahmensteigerung in den letztvergangenen iojahren nur 3 ' 7 % i m Durchschnitt. Die in den angefiihrten Ziffern bei den Bosnisch-herze- gowinischen Staatsbahnen zu Tage tretende ganzbedeutende Steigerung des Verkehrs ist keine sprunghafte, sondern eine mit geringen Schwankungen kontinuierlich aufwarts ge- hende und lafit somit einen sicheren Schlufi auf die unbe- streitbar giinstige wirtschaft- liche Entwicklung Bosniens und der Herzegowina zu. ■ j Die Transportleistungen der sc h m alspurigen Bosn is ch-her- zegowinischen'Staatsbahnen. Im unmittelbaren Zusam- inenhange mit dem ganz be- deutenden Amvachsen der Ein- Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina. 557 nahmen steht auch das rasche Empor- steigen der Leistungen des Verkehrs. Mit allen Gattungen von Ztigen zu- sammen sind auf den Bosnisch-herzego- winischen Staatsbahnen an Zugskilometern gefahren worden: im Jahre 1896 .... 1,371.040 im Jahre 1907 .... 4,047.033 Zunahme. 2 >675-993 Von dieser entfallen auf die Alt- strecken allein.2,013.706 Die letztere Ziffer entspricht einer jahrlichen Durchschnittssteigerung um I3’4 0 / 0 . Dabei ist aber zu bemerken, dafi die Durchschnitts-Bruttolast eines Zuges auf den Altstrecken von 114 t im Jahre 1896 auf 156 t im Jahre 1907 gestiegen ist. Die Durchschnitts - Bruttolast eines Zuges h at im Jahre 1906 nach der Statistik des Vereins Deutscher Eisenbahnverwal- tungen bei den Bahnen Čsterreichs 267, bei den Bahnen Ungarns 264 t betragen und erreicht bei den Schmalspurbahnen Osterreichs nur 34 t. Es sind die Zugsleistungen auf den sehmalspurigenBosnisch-herzegowinischen Staatsbahnen demnach ganz nennenswerte — besonders unter Beriicksichtigung dessen, dafi sich bei diesen Bahnlinien zahlreiche Strecken mit starken Neigun- gen — darunter inmitten der Hauptlinie die Zahnstangenstrecke liber den Ivan mit 60 pro Mille Neigung — befinden. Die Massenbewegung auf der 264 km langen Linie Brod—Sarajevo hat im Jahre 1907 fiir je I km Betriebslange 1,178.000 Bruttotonnen, auf der 178 km langen Bahnlinie Sarajevo—Metkovič — in¬ mitten welcher die Ivaniibersetzung liegt — 838.000 Bruttotonnen erreicht und reiht damit die scbmalspurigen Bosnisch- herzegoivinischen Staatsbahnen betreffs ihrer M.assenbewegung den normalspurigen Hauptbahnen zweiten Kanges an. Die Ausgestaltung der alteren Bahn¬ linien. Bei der normalspurigen k. und k. Militarbahn Banjaluka—Doberlin sind in den letzten Jahren nennenswerte Ver- besserungen am Unterbau und vornehm- lich am Oberbau sowie entsprechende Nachschaffungen an Fahrbetriebsmitteln durchgefuhrt worden, doch bewegen sich diese Arbeiten in einem durch die mafiige Steigerung des Verkehres enger gezogenen Rahmen. Ganz anders gestalteten sich die Ver- haltnisse bei denschmalspurigenBosnisch- herzegowinischen Staatsbahnen, deren alteren Linien fiir einen sehr bescheidenen Verkehr gebaut und eingerichtet waren und deren Ausgestaltung den rapid an- steigenden Anforderungen des Verkehres ohne jedes Zogern in allem und jedem folgen mufite. Dann war die Bahnverwaltung noch vor die Aufgabe gestellt, die Reisenden und die Geschaftswelt moglichst wenig empfinden zu lassen, dafi ihre Bahnlinien nur schmalspurig sind. Zur Durchfubrung dieser grofien Auf- gaben sind der Bahnverwaltung aus den Betriebsiiberschiissen alljahrlich ganz be- deutende Geldbetrage zur Verfugung gestellt worden. Aus diesen Mitteln ge- langten in den 11 Jahren 1897 bis ein- schlieftlich 1907 zur Verwendung: fiir die Vermehrung des Fahrparkes.K 12,517.135 fiir Verbesserungs- und Enveiterungsbauten auf den alteren Bahnlinien » 8,426.057 fiir die Vermehrung der sonstig. Bahneinrichtung » 256.178 im ganzen . . K 21,199.370 In dieser Summe sind jene Betrage nicht enthalten, welche •— wie zum Bei- spiel ein Teil der Neuanschaffungen von Lokomotiven und Wagen und die be- deutende Vergrofierung der Hauptwerk- statte in Sarajevo — aus den Bau- krediten der neuen Bahnlinien gezahlt worden sind. Von den Bauausfiihrungen sind fol- gende hervorzuheben: Unterbau. Umfangreiche und systematische Trassenkorrektionen im Zuge der altesten Bahnstrecke Brod—Zenica, um eine raschere Fahrt der Zuge moglich zu machen, Versicherungsarbeiten an den Einschnitts- und Abschnittsboschungen und an den Flufiufern, Ersatz aller Holz- 558 Karl Schnack. briicken und Durchliisse im Zuge der Bahnlinie Doboj — D.-Tuzla durch solche aus Eisen oder Stein, die Verstarkung der Eisenkonstruktion an mehreren Briicken der Bahnlinie Brod—Sarajevo, der Ersatz der Holztrager an zahlreichen offenen Durchlassen der Bahnlinien Brod—Sarajevo—Metkovič durch Trager aus armiertem Beton. Oberbau. Auf den Bahnlinien Doboj'—D.-Tuzla und Vogošča—Cevljanovič ist der alte Oberbau, welcher ziemlich mangelhafte feste Stofie hatte, durch einen besseren mit schwebenden Stofien ersetzt worden. wicht fiir den laufenden Meter haben, wird dieser durch eine Verstarkung der Laschen- verbindung, durch Vermehrung der Unter- lagsplatten und der Anzahl der Schwellen verstarkt, welche in scharfen Gleisbogen auch langer als die Normalschwellen genommen werden. Bahnhofe. In allen Strecken, auf welchen die zu grofie Entfernung einzelner Stationen dem Zugsverkehr Schwierigkeiten be- reitete, sind Betriebsausweichen — bis- her zehn — eingeschaltet worden. In Bosnisch-Brod gelangte ein ausgedehnter Abb. 260. Bosn.-herzegk Staatsbahnen. Personenzugs-Heifidampflokomotive. Auf der Hauptlinie Brod—Sarajevo ist in langeren Strecken der bei allen Neubaustrecken venvendete, fiir eine Bahn mit der schmalen Spurweite von 07 6 m sehr schwere Oberbau mit Stahlschienen von 21'9 kg Gewicht fiir den laufenden Meter verlegt worden. Bei diesem Oberbau \verden versetzte Stofie angewendet und neuestens nach er- folgreichen Vorversuchen die Schienen- kopfe nicht senkrecht, sondern schrag unter 6o° abgeschnitten, um die Schlage der Rader der Fahrbetriebsmittel beim Fahren iiber die Schienenstofie zu mildern. Dieser Oberbau hat auch gesprengte Laschen erhalten. Auf jenen Strecken der Bahnlinie Brod—Sarajevo—Metkovič, welche einen Oberbau mit Schienen von 17*8 kg Ge- Uferbahnhof an der Save zur Neuaus- fiihrung und eine bedeutende Vergrofierung des AnschluFbahnhofes steht im Baue. Die Gleise in samtlichen wichtigeren Stationen haben eine erhebliche Ver¬ mehrung erfahren. In den letztvergan- genen 11 Jahren sind auf den Altstrecken 63 - 5 km Stationsnebengleise neu her- gestellt worden und ihre Lange hat seit dem Jahre 1896 demnach eine Vermeh¬ rung um 88°/ 0 erfahren. Eine erhebliche Anzahl von Aufnahms- gebauden —■ unter diesen das grofie Gebaude in der Grenzstation Brod — sind ganz neu hergestellt worden. Auch die Anlagen fiir den Giiterdienst haben eine durch den steigenden Ver- kehr gebotene Ausgestaltung erfahren. Die neuen grofieren Giitermagazine ge- langen nach ganz modernen Typen mit Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina. 559 Dachoberlichten und sageformigenPerrons s* zur Ausfiihrung. Fiir das Bahnpersonal sind Wohn- gebaude und Kaserngebaude nach Mafi- gabe der verfiigbaren Geldmittel her- gestellt worden. Zugfovdenings- und Werkstatten- anlagen. Dem rasch steigenden Verkehre folgend, ist der grofite Teil der kleinen, alten Heizhauser durch modeme zweck- entsprechende und weit grofiere Gebaude ersetzt worden, welche auch Olkeller, Vorratsraume und die erforderliche me- von 1,650.000 K eine Vergrofierung ihrer friiheren Anlage auf dasDoppelte erfahren und beschaftigt dermalen 700 Arbeiter. Verkehrssicherungsanlagen. Die Notwendigkeit der fortwahrenden Vergrofierung der Gleisanlagen auf den wichtigeren Bahnhofen machte es bisher leider unmoglich, Weichenstell- werke grofieren Umfanges berzustellen. Doch sind auf den Hauptlinien in einer erheblichen Anzahl von kleinen Stationen und Betriebsausweichen Weichenver- rieglungen in Verbindung mit Stations- Deckungssignalen hergestellt worden. Abb. 261. Bosn.-herzeg 1 . Staatsbahnen. Lastzngslokomotive. chanische Einrichtung erhalten und nachst welchen Kohlenschuppen von aus- reichender Grofie hergestellt sind. Bei den Wasserstationen hatten noch im Jahre 1897 die meisten nur ganz ldeine Reservoirs von 8 bis 12 m s Wasser- fassungsraum, die durch Handpumpen mit der Stundenleistung eines Kubikmeters gespeist \vurden. Nunmehr sind alle wichtigeren Wasser- stationen der Altstrecken mit Eisenbeton- reservoirs von 40 bis 100 m 3 Wasserfas- sung und mit Motorpumpen versehen. Nachst der Station FIrasno der Bahn- linieGabela—^Bocche ist imjahre 1908 ein Eisenbeton-Wasserreservoir von 6000 m 3 Fassungsraum hergestellt \vorden. Die Hauptwerkstatte in Sarajevo hat vor zwei Jahren mit einem Kostenaufwand Der Ausgestaltung des Telegraphen und des Telephons wird fortgesetzt grofie Sorgfalt zugewendet. Ausnahmslos alle Stationen und aufierdem Streckemvachterhauser haben Telephone, die meisten Stationen aufier¬ dem noch Morse-Apparate. Der Fahrpark. Der Fahrpark der Bosniscb-herzego- winischen Staatsbahnen hatte zu Ende desjahres 1896 einenWert von 1^9,414.428. Zu Ende des Jahres 1907 wurde be- reits eine Werthohe von K 30,843.819 erreicht, nachdem die Anschaffungen in den letztvergangenen n Jahren den Be- trag von K 21,429.391 erfordert haben Karl Schnack. 560 Ge deckt wurde das Erfordernis aus den Betriebsiiberschiissen der alteren Linien und aus den Baukrediten der Bahnlinien Gabela—Bocche und Sarajevo—Ostgrenze. Ein Restbetrag wird aus den Betriebs- iiberschussen der nachsten Jahre gezahlt werden. Ein Vergleich des Fahrparkbestandes zu Ende der Jahre 1896 und 1907 ergibt folgende Ziffern: Lokomotiven Anzahl Pferdekrafte 82 14-530 177 38.460 Zu Ende 1896 1907 Vermehrung 95 23.930 Geschwindigkeit von 20 km in der Stunde zu befordern vermogen. Schon mit den vorhandenen Personen- zugslokomotiven der friiheren Type wer- den die Personenzuge auf jenen Strecken der schmalspurigen Bosnisch-herzegowini- schen Staatsbahnen, welche kein ungiin- stiges Langenprofil haben, mit derselben Reisegeschwindigkeit befordert wie Per¬ sonenzuge normalspuriger Hauptbahnen. Mit den Schnellziigen dieser Bahnen vermogen die Bosnisch-herzegowinischen Schmalspurbahnen allerdings nicht Schritt zu halten. Abb. 262. Bosn.-herzeg. Staatsbahnen. Vierachsiger Aussichtswagen. Im Verlaufe des Jahres 1908 erfolgte abermals die Ablieferung neuer Lokomo¬ tiven, so dafi sich der Bestand zu Ende des Jahres 1908 auf 208 mit 47.740 Pferdekraften stellt. Unter diesen befinden sich fiir den Betrieb auf den Zahnstangen- strecken des Ivan und des Komar 31 Abt- sche kombinierte Adhasions- und Zahn- radlokomotiven mit 9000 Pferdekraften. Die neuesten Typen sind dreifach gekuppelte Heifidampf- Personenzugs- lokomotiven mit 67 t Belastung je einer Triebachse, welche tiber anhaltende Steigungen von 8 pro Mille Ziige von 125 t Bruttolast mit einer Ge- schwindigkeit von 45 km in der Stunde befordern, und vierfach gekuppelte Heifi- dampf-Lastzugslokomotiven mit 8 t Be¬ lastung je einer Triebachse, welche tiber anhaltende Steigungen von 18 pro Mille Ziige von 170 t Bruttolast mit einer Personemvagen Im Laufe des Jahres 1908 ist abermals eine Vermehrung der Personenwagen er- folgt, zu Ende dieses Jahres betragt deren Anzahl 306 mit 7557 Platzen. Zu bemerken ist, dafi eine Anzahl kleiner Wagen mit veralteter Bauart ver- kauft und durch neue, viel grofiere und bequemere Wagen ersetzt worden ist. Alle neueren drei- und vierachsigen Personenwagen sind mit der automatischen Luftsaugebremse, Patent PIardy, versehen und haben Dampfheizung. Die in die Personenzuge der Haupt- strecken eingestellten Wagen sind durch- wegs Durchgangswagen mit Mittelgang Entwicklung der Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina. 56l oder mit Seitengang und mit Toilette- raumen versehen. In den Mittelgangwagen hat sowohl in der ersten als in der zweiten Wagen- klasse jeder Reisende einen gesonderten Fauteuil. In den Nachtziigen werden den Rei- senden der ersten Wagenklasse gegen eine Aufzahlung von 4 K bequeme Schlaf- stellen hergerichtet. Postwagen u. Gepackwagen Anzahl Zu Ende 1896.53 1907.120 Vermehrung.67 Im Jahre 1908 sind abermals 3 Ge- packwagen nachgeschafft worden. Unter den Postwagen befinden sich acht vierachsige Postambulanzwagen. Giiterwagen Anzahl. Ladegew. in Tonnen Zu Ende 1896 1133 10.281 * » 1907 3222 30.830 Vermehrung 2089 20.549 , Im Jahre 1908 ist die Nachschaffung von Giiterwagen fortgesetzt worden und zu Ende dieses Jahres sind 3440 Gii- terwagen mit einem Ladegewichte von 32.986 t vorhanden. Nach dem Ladegewichte und der Achsenanzahl gruppieren sich die Giiter- wagen wie folgt: 601 Wagen mit 2 Achsen und 6'o t Ladegewicht, 402 Wagen mit 2 Achsen und 7-5 t Lade- gewicht, 2038 Wagen mit 3 Achsen und io t Ladegewicht, 399 Wagen mit 4 Achsen und 15 t Ladegewicht. Von den zweiachsigen Wagen sind 314 so stark und mit einem derartigen Fassungsraume gebaut, dali sie statt wie bisher mit 7'5 mit 10 if, 986 drei- achsige Wagen mit 15 t und 190 vier¬ achsige Wagen mit 20 t beladen werden konnen, sobald die im Zuge befindliche Verstarkung einer Anzahl eiserner Briik- ken vollstandig durchgefuhrt sein wird. Seit dem Jahre 1891 werden aus- nahmslos alle Giiterwagen der Bosnisch- herzegowinischen Staatsbahnen mit der automatischen Luftsaugebremse (Patent Hardy) oder mit der Bremsrohrleitung fiir diese versehen. Mit Riicksicht auf die vorhandenen zahlreichen Steilrampen be- tragt die Anzahl der mit Bremsen ver- sehenen Giiterwagen nicht weniger als 68°/ 0 der Gesamtzahl. Den Anforderungen des Verkehres ent- sprechend, mufiten die Bosnisch-herze- gowinischen Staatsbahnen schon vor Jahren darangehen, fiir ihre schmal- spurigen Linien Speziahvagen zu kon- struieren, und heute sind fast alle Arten jener Wagen vorhanden, welche sich auf den normalspurigen Hauptbahnen vor- finden. Die Bosnisch-herzegowinischen Staats¬ bahnen verfiigen dermalen iiber eine aus- reichende Zahl von Grofi- und Klein- viehwagen, iiber Obstwagen, Bierwagen, Fleischivagen, iiber Holzkohlen-, Koks-, Schnittholz-, Rundholz- und Langholz- wagen, iiber Ei;zwagen und Kesselwagen verschiedener Art und Regiewagen. Seit zehn Jahren ist auch nicht ein einziger Fali vorgekommen, dafi in der Station Brod, woselbst der Ubergang von der Normalspur auf die Schmalspur statt- findet, irgend eine Sendung wegen ihrer besonderen Grofie oder Schwere hatte von der Weiterbeforderung auf der Schmal¬ spur ausgescblossen werden mussen. Personalvorsorgen. Schritthaltend mit der raschen Aus- dehnung der Bahnlinien und der starken Zunahme des Verkehres auf den alteren Strecken der Bosnisch-herzegowinischen Staatsbahnen hat auch das Personal eine bedeutende Vermehrung erfahren. Die Anzahl der Beamten, Unterbeam- ten, Diener und standigen Arbeiter hat zu Ende des Jahres 1896 .... 2306 und zu Ende des Jahres 1907 . . 5757 betragen, also eine Vermeh¬ rung um. 345 1 erfahren. In den fruheren Jahren mufite das besser vorgebildete Bahnpersonal zum grofiten Teile aus Osterreich und Ungarn bezogen werden. Dermalen wird der Neu- bedarf auch dieser Bediensteten grofiten- teils durch Landeseinheimische und Sohne von Bahn- und Landesbedienste- ten gedeckt. 562 Karl Schnack. Die Rechtsverhaltnisse zwischen der Bahnverwaltung und ihrem Personal sind durch eine auf ganz moderner Grund- lage beruhende Dienstordnung geregelt und auch die Gebiihrenvorschriften tra- gen den berechtigen Anforderungen des Bahnpersonals Rechnung, soweit es die finanziellen Verhaltnisse der Bahnverwal- tung nur irgend zulassen. Fiir die im Gehaltsbezuge stehenden Bediensteten aller Gruppen besteht ein gut dotierter Pensionsfonds und fiir alle Plilfsbediensteten und standigen Arbeiter ist im Vorjahre ein auf versicherungs- technischer Basis gegriindeter Alters- versorgungsfonds geschaffen worden. Das gesamte Personal ist gegen Unfalle versichert. Der bestehende Kranken- und Unter- stiitzungsfonds hat im Jahre 1907 seinen Teilnehmern Benefizien im Ausgaben- betrage von K 196.589 gewahrt und das Lebensmittelmagazin in Sarajevo, an welchem das ganze Bahnpersonal teil- nimmt, hatte im selben Jahre einen Warenumsatz im Werte von K 1,130.395. Schlufibemerkung. Seit der Zusammenfassung aller im offentlichen Betriebe stehenden schmal- spurigen Bahnlinien Bosniens und der Herzegowina unter die Direktion der Bos- nisch-herzegowinischen Staatsbahnen sind 13 Jahre vergangen. Auch in dieser Zeit hat sich die Bahnverwaltung alle auf die hierlžlndigen Verhaltnisse mit Vorteil anwendbaren Neuerungen zu eigen gemacht und alle Sorgfalt darauf verwendet, die Bosnisch- herzegowinischen Staatsbahnen, trotz ihrer urspriinglich iiberaus bescheidenen An- lage und trotz ihrer schmalen Špur zu einem wirksamen Forderungsmittel der \virtschaftlichen Verwaltung und des Wohlstandes dieser schonen Lander zu gestalten. § rte zid, i J o > ikmar 'EGLIA ■::""v*z, lija® ,, V ^ OJ//(>.. V ^ Nfl ■^2; 'VGotechse^.j 1K «w£ ' ! Ob.iiosd, Ts j llel 'nembl®J Dragalus ^^ /wdo \B/-o r-. 7[^' c, Mradi/v n | Z / 4 -H -A vraatojuco/f Pisarozrisuv -Artfrtadt Hstroivvaros) -ifo&ew?&o ^^/(9AvyA5*/M Zelena, '^addak^stt °Gimffamk, '\. 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