NARODNA IN UNIVERZITETNA KNJIŽNICA 030032744 GESCHICHTE DER EISENBAHNEN DER OSTERR.-UNGAR. MONARCHIE. I. BAND. II. THEIL. GESCHICHTE DER EISENBAHNEN OESTERREICH1SCH -UNGARISCHEN MONARCHIE. I. BAND. II. THEIL. WIEN * TESCHEN * LEIPZIG. KARL PROCHASKA K. U. K. HOFBUCHHANDLUNG & K. U. K. HOFBUCHDRUCKEREI. MDCCCXCVI1I. JT 567 ^>t> ZUM funfzigjAhrigen regierungs-jubilaum SEINER KAISERLICHEN UND KONIGLICH- APOSTOLISCHEN MAJESTAT FRANZ JOSEPH I. UNTEK DEM PROTECTORATE UNTER BESONDERER FORDERUNG SR. EXC. DES K. U. K. GEHEIMEN RATHES HERRN SR. EXC. DES K. U. K. GEHEIMEN RATHES HERRN DR. LEON RITTER V. BILltfSKI FML. EMIL RITTER v. GUTTENBERO MINISTER A. D. ETC. ETC. MINISTER A. D. ETC. ETC. UNTER MITWIRKUNG DES K- U. K. REICHSKRIEGSMINISTERIUMS UND HERVORRAGENDER FACHMANNER HERAUSGEGEBEN VOM OESTERREICHISCHEN EISENBAHNBEAMTEN-VEREIN. UNTER M1TWIRKUNG DER FACHREFERENTEN: WILHELM AST, K. K. REOIERUNGSRATH, HANS KARGL, K. K. MINISTERIALRATH A. D., DR. FRANZ LIHARZIK, K. K. SECTIONSCHEF UND DEŠ REDACTIONS-COMITES: FRANZ BAUER, ALFRED BIRK, THEODOR BOCK, KARL GOLSDORF, FRANZ MAHLING, JOSEF SCHLUSSELBERGER REDIGIRT VON HERMANN STRACH. ■9 ALLE RECHTE, DAS GESAMMTE WERK BETREFFEND, BEHALTEN SICH DAS REDACTIONS-COMITE UND DIE VERLAGSHANDLUNG VOR. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. Vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart. Von Ignaz Konta, k. k. Hofrath. D IE Ki.nd.heit des osterreichischen Eisenbahnwesens \var keine freud- volle, dessen erste Auferziehung eine recht miihsame. Von dem Augen- blicke an, da der k. k. Baudirector Ferdinand Mayer seine Vorschlage fiir die Herstellung einer Eisenbahn von Linz nach Lambach an die k. k. Landesregierung vorlegte [1818]; bis h. A. v. Gerstner, der wiirdige Sohn seines bertihmten Vaters, dessen Ideen verwirklichend, die erste fiir den offent- lichen Verkehr bestimmte Eisenbahn auf dem europaischen Festlande — die Linz-Budcveiser Pferde-Eisenbahn —• ins Dasein rief; bis der weitblickende Ghef des Hauses S. M. v. Rothschild mit Hilfe und nach den Planen und Eingebungen des Professors Franz Riepl dem Zeit und Raum besiegenden »Dampfrosse« die ersten Wege in Oesterreich schuf; bis der Jiinger und Nach- folger Gerstner’s, Mathias Schonerer, als Bautiihrer der Gloggnitzer Bahn, im hohen Gedankenfluge die erste Trače iiber den Semmering zog [1839]; bis Meister Karl Ghega sem klihnes, von der ganzen Welt angestauntes Werk, die erste Ueber- schienung der Alpen vollfuhrte [1848 bis 1854]; bis der Grosshandler H. D. Lind- heim mit dem Projecte Wien-Linz-Salz- burg und der geistige Mitbegrtinder der Kaiser Ferdinands-Nordbahn Hein- nch Sichrovsky mit seinem »Memoran¬ dum« liber die Herstellung einer Eisen¬ bahn Stockerau-Linz-Salzburg zum An- Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Tbeil, schlusse an die bayerischen Bahnen hervortrat [1855]; bis die hochmogenden Fiirsten Leo Sapieha und Johann Adolf Schwarzenberg zwei grosse Projecte, ersterer jenes der Carl Ludwig-Bahn, letzterer jenes der Kaiser Franz Josef- Bahn der Verwirklichung zufiihrten [1857 und 1865]; bis wackere Manner der Arbeit, wie die Gebriider Klein, Adalbert Lanna, Karl Schwarz u. A., alle diese Schienenstrassen erbaut hatten, — diese ganze lange Zeit war fast vollends aus- geftillt von den Miihsalen der Bewaltigung von Hindernissen und Widrigkeiten. Die Schopfer des osterreichischen Eisenbahnwesens begegneten allenthalben Vorurtheilen, Unglauben hinsichtlich der Niitzlichkeit und Misstrauen in den dauern- den Bestand des neuzeitigen Verkehrs- mittels. Sein Organismus, nur Wenigen ge- nauer bekannt, erfuhr eine oft wechselnde Heranbildungsweise, die nicht immer die richtige gewesen. Das Privatcapital, das sich zuerst herangewagt, den Neuling zu pflegen, wurde bald wieder zaghaft, \veil es vielerlei, mitunter recht herbe Enttauschungen erlitt. Daraufhin in die eigene Obhut des Staates iiber- nommen [a. h. Entschliessung vom 19. December 1841], gebrach es der jungen, jedoch schon in ihrer vollen Wichtigkeit erkannten Einrichtung zwar nicht mehr an einer gedeihlichen Regel- massigkeit der Ausgestaltung, wohl aber immer noch an der Beschleunigung der- selben. Mannigfache anderweitige Erfor- 1 4 Ignaz Konta. dernisse des Staatshaushaltes beengten den Aufwand fiir den Bau von Schienen- strassen schliesslich in einem Masse, dass er abermals der Privatthatigkeit iiber- lassen wurde [a. h. Entschliessung vom 8. September 1854]. Das raschere Wachsthum des oster- reichischen Eisenbabnnetzes begann daher erst, nachdem seit der Griindung seiner ersten Dampfbetriebslinie bereits ein Vierteljahrhundert verflossen war. Unauf- gehalten blieb indes die Entfaltung auch weiterhin nicht. Enge verkniipft mit den Geschicken und abhangig von der all- gemeinen Lage des Reiches hat, wenn diese sich verdiisterte, stets auch jene Decennium Die erste und wirkungsvolle Anregung zu neuem Thun und Schaffen gab das, gleich am ersten Haltepunkte der Kaiser- reise in die vom Kriege am meisten heim- gesuchten Kronlander, namlich in Briinn, an den Ministerprasidenten Grafen Belcredi erlassene Allerhochste Handschreiben vom 18. October 1866, ivomit Seine Majestat den a. h. Wunsch aussprach, es moge, »um den durch die Kriegscalamitaten in der Markgrafschaft M a h r e n hervorgerufenen Nothstand thunlichst zu lindem und der arbeitenden Classe in moglichst um- fassender und anhaltender Weise Be- schaftigung zu geben, der Bau der Mahrischen Landes - Eisenbahnen *) mit Aufgebot aller Krafte in der Art beschleu- nigt werden, dass mit dem Unterbau derjenigen Linien, welche die durch den Krieg am meisten beschadigten Gegenden durchziehen, noch im Laufe dieses Jahres begonnen werden kann«. Die »Mahrischen Landesbahnen«, als welche damals hauptsachlich die Linien: Briinn - Iglau, Briinn - Olmiitz - Sternberg, Briinn-Ungarische Grenze [gegenTrencsinj und Teeitz - Znaim - Maissau gegolten hatten, waren namlich schon langere Zeit hindurch Gegenstand eifrigen Be- muhens der Handelskammern Briinn und *) Vgl. Bd. I, i.Theil, H. Stracli, Eisen¬ bahnen mit Zinsengarantie. S. 407. einen Riickschlag erlitten, so namentlich aus Anlass der finanziellen Erschiitte- rungen im Jahre 1857 und der ausseren Vervvicklungen im Jahre 1859. Eine der heftigsten Storungen ver- ursachten die Ereignisse des Jahres 1866; denn diese hatten, wie auf allen wirth- schaftlichen Gebieten, so auch auf j enem des Eisenbahnbaues einen nahezu volligen Stillstand zur Folge. Als jedoch die Waffen niedergelegt und die Volker wieder zu friedlicher Arbeit zuriickgekehrt waren, kam bald frisches Leben auch in den Entwicklungs- gang des osterreichischen Eisenbahn- wesens. 1867-1876. Olmiitz, der Mahrisch-Schlesischen Acker- bau-Gesellschaft sowie des Landtages und, Dank den von Letzterem be- willigten Geldmitteln, auch in den tech- nischen Vorarbeiten bereits so weit ge- diehen, dass mindestens einzelne ihrer Strecken sogleich hatten in Angriff ge- nommen werden konnen. Dahin zielte auch der weitere Wortlaut des Aller- hochsten Handschreibens, indem dieser nicht nur dem Unternehmen einen Staats- vorschuss in Aussicht stellte, »wenn sich ein Consortium gebildet haben wird, welches im vorgeschriebenen Wege die formliche Eisenbahn-Concession erlangt hat und hinlangliche Garantieen bietet, dass mit Hilfe eines verhaltnismassigen Staatsvorschusses der Ausbau der con- cessionirten Bahn vollkommen sicher- gestellt sei«, sondern schliesslich auch nachdriicklich betonte, es seien »nach Massgabe des Zutreffens jener Voraus- setzungen die Einleitungen derart zu treffen, dass noch im Laufe des Jahres der Betrag von Einer Million Gulden fiir Mahrische Nothstands-Eisenbahnbauten zur effectiven Verwendung gelange«. Diese a. h. Willenskundgebung fand sofort kraftigen Wiederhall. Zahlreiche Personlichkeiten aus den vornehmsten Kreisen des Landes und seiner Hauptstadt vereinigten sich mit dem Comitč, welches schon im Anfange des Jahres 1866 die Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. S Zustandebringung der Linie Briinn- Olmiitz -Sternberg unternommen hatte, zu einem grossen Consortium, das nun um die definitive Concession fiir eben diese Linie nebst einer Abzweigung nach Prerau einschritt und, in Anhoffung des Staatsvorschusses sowie einer Subvention aus Landesmitteln beabsichtigte, den Bau noch im Spatherbste zubeginnen. Weiter- hin machte sich das Consortium an- heischig, auch die Linien von Sternberg einerseits iiber Romerstadt und Jagerndorf nach Leobschiitz, andererseits tiber Hannsdorf und Grulich nach Mittehvalde, nebst einer Abzweigung nach Freiwaldau auszufuhren. Es verlangte fiir diese Linien eine Staatsgarantie und machte in dem Gesuche geltend, dass die erivahnten Fortsetzungen und die durch sie zu erzielenden wichtigen Anschliisse an das Preussisch- Schlesische Bahnnetz ihren Zweck nur dann vollstandig erfiillen \vurden, wenn fiir die Mahrischen Landesbahnen eine e i g e n e Gesellschaft gebildet und hiedurch auch eine den Verkehrsinteressen des Landes wohlthatige Concurrenz ge- schaffen werden mochte. Anfanglich schien die An- gelegenheit wirklich den vom Consortium gewiinschten Verlauf zu nehmen; mindestens konnten die am 23. December 1866 gefassten Beschliisse des Mahrischen Landtages, mit welchen den Landesbahnen eine Capitals-Subvention [durch Uebernahme von Actien al pari im halben Betrage der seitens des Staates gewahrten Subvention] bewilligt wurde, in jenem Sinne gedeutet \verden, weil darin namentlich in Betreff der Linie Briinn- Sternberg nebst der Abzweigung nach Prerau, der Ausbau durch ein Consortium als erste Bedingung der Subventionirung aufgestellt erscheint. Mit einem Male erfuhr jedoch die Sach- lage eine vollstandige Aenderung dadurch, dass die Kaiser Ferdinands-Nord- b a h n, welche, trotz aller ihrer Gegen- anstrengungen und Verwahrungen, in der Frage des Erganzungsnetzes der Staats- eisenbahn-Gesellschaft unterlegen war und sich nicht sofort wieder einem neuer- lichen Privilegiums - Streite aussetzen mochte, nun auch ihrerseits in die Be- werbung um die Linie Brtinn-Sternberg eintrat, und das Flandelsministerium es vorzog, zunachst diesen Antragen naher zu treten. Die betreffende Verstandigung ging der Nordbahn unterm 4. Januar 1867 zu und die alsbald begonnenen Verhandlungen nahmen einen so giin- stigen Fortgang, dass der Concessions- Entwurf nicht nur binnen Kurzem ver- einbart, sondern auch mit a. h. Ent- schliessung vom 11. Marž 1867 grund- satzlich genehmigt wurde. Derselbe hatte eigentlich nur die Linie von Br tinn tiber Wischau, Pross- nitz und Olmiitz nach Sternberg nebst einer Abzvveigung nach Prerau [im Ganzen 140'6 km] zum Gegenstande, machte aber die Nordbahn verbind- lich, auf Verlangen der Regierung, auch die Fortsetzungslinie Sternberg- Reichsgrenze, zum Anschlusse an das preussisch-schlesische Bahnnetz, auszu- fiihren, woraus sich zugleich folgem lasst, warum die Gesellschaft, obzwar sie den Ausbau dieser Fortsetzungslinie lediglich als eine fernliegende Eventualitat be- trachtete [Bericht an die Generalversamm- lung vom 15. April 1867], dennoch die Abb. I. Station Raussnitz [im Bau] mit dem Kaiser Josef-Denkmal. 6 Ignaz Konta. Abb. 2. Durchstich bei Lultsch. [1868]. Bezeichnung »Mahrisch-Schlesische Nordbahn« fiir das lieue Unternehmen wahlte. Das auf beilaufig 14,000.000 fl. veranschlagte Anlage-Capital fiir die so- gleich auszufiihrenden mahrischen Linien solite, gemass der mit dem Finanz- ministerium getroffenen Vereinbarung vom 13. April 1867, mittels fiinfprocen- tiger, zum Curse von 85 zu begebender Prioritats-Obligationen aufgebracbt, die beziigliche Vorsorge fiir den etwaigen Fortsetzungsbau aber einer besonderen Uebereinkunft vorbehalten werden. Nun blieb noch die Zustimmung der Actionare einzuholen und als dieselbe durch die ausserordentliche Generalver- sammlung vom 15. April 1867 ertheilt war, konnte sich die Nordbahn fortan als Be- sitzerin der neuen Linie Briinn-Sternberg nebst der Abzweigung nach Prerau an- sehen. Die definitive Concession wurde unterm 6. Mai 1867 ausgefertigt. Sie lautete fiir die vorerwahnten Linien und auf die Dauer von 99 Jahren, bestimmte fiir das neue Unternehmen eine vollstandig gesonderte Rechnungslegung, geivahrte demselben eine zehnjahrige Steuerfreiheit sowie die staatliche Garantie jenes Jahresbetrages, \velcher zur Verzinsung und Tilgung des Anlage-Capitals nothvvendig war,*) raumte *) Das am 22. Mai 1867 im Nachhange zur Concessions - Urkunde abgeschlossene Uebereinkommen zwischen dem Finanzmini- sterium und der Kaiser Ferdinands-Nordbahn berechtigt dieselbe, sammtliche Geldmittel der Staatsvervvaltung das Recht ein, die neuen Linien nach Ab- lauf von 30 Jahren [gerechnet vom TagederBetriebseroffnung] jederzeit einzulosen, umgrenzte die Plohe der Maximaltarife, setzte fiir den Baubeginn einen Termin von sechs Wochen und fiir die Bauvollendung einen solchen von langstens drei Jahren fest. Die piinktliche Einhaltung dieser Pristen war keine leichte Aufgabe; denn in der kurzen Zeit vom Beginn der Con¬ cessions-Verhandlungen bis zur anberaumten Inangriffnahme des Baues konnten genaue Pro- jecte unmoglich erstellt werden — und als dieselben dann [grosstentheils schon wahrend des Baues selbst] voll¬ standig ausgearbeitet worden waren, zeigte sich, dass die neuen Linien iveitaus hoher als 14,000.000 fl., namlich mitsammt den Auslagen fiir die Ervveiterung der Einmiin- dungsstationen und dem durch Terrain- Rutschungen verursachten Mehraufwande, etvva 24,000.000 fl. kosten \viirden. Einer anderen Unternehmung ivaren aus solchen Zwischenfallen wahrschein- lich bedrohliche Verlegenheiten erivach- sen. Die Nordbahn aber kam, vermoge ihrer technischen Leistungsfahigkeit und ihres festgegrundeten Credites, glatt dartiber hinweg. Die Bedachtnahme auf diese — unter den damaligen Verhalt- nissen besonders wichtigen — Factoren diirfte denn auch von bestimmendem Einflusse darauf gewesen sein, dass die Regierung bei der Concessionirung der Linie Briinn-Sternberg von den Bewprbun- gen des Landes-Consortiums vollig absah und sich fiir die alte Nordbahn entschied. Hiedurch wurde allerdings die Aus- fiihrung der von Seite dieses Con- sortiums geplanten iibrigen Strecken in die Ferne geriickt und fiir absehbare Zeit das Gegengervicht aufgehoben, welches die einheitliche Concessionirung fiir die neuen Linien, durch Ausgabe von Prioritats-Obligationen zu beschaifen, welche unter den in der Concession festgesetzten Begiinstigungen zu fiinf Procent verzins- lich sind. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 7 des ganzen angestrebten Netzes an eine neue Unternehmung dem vorhandenen Zustande geboten hatte. Da aber die Mahrisch - Schlesische Nordbahn eben- falls eine directe Verbindung zwischen der Landeshauptstadt und Olmiitz, be- ziehungsweise Prerau, dem Knotenpunkte der nordlichen Verkehrsrichtungen, her- stellte und den fruchtbarsten Gegenden [Hanna] sowie mehreren Stadten Mahrens die langentbehrte Einbeziehung in den Eisenbahn-Verkehr brachte, so nahm das Land auch mit dem zunachst Erreichten gerne vorlieb, umsomebr als die, bald und kraftigst in Gang gesetzten Bauten den breiten Schichten der Bevolkerung Thal, dann eine kleine Wasserscheide und bei Nimlau die March iibersetzt. Erheblichere Schwierigkeiten bereiteten jedoch nur die in den Einschnitten bei Lultsch und Eiwanowitz vviederholt eingetretenen Rutschungen, welche auch noch nach der Betriebseroffnung leidige Storungen verursachten. [Abb. I—4.] Die Eisenbahnbauten in Mahren, welche sohin als die Einleitung der neuen Schaffensara gelten konnten, erstreckten sich auch auf das am 1. December 1866 concessionirte, insgesammt 205‘5 km lange Erganzungsnetz der Staatseisen- bahn-Gesellschaft, dessen mahrischer Theil: [Briinn-] Stfelitz-Grussbach-Landes- grenze und Grussbach-Znaim mittelbaren Ersatz bietet fiir die in dem urspriingli- Abb. 3. Wischau [1869]. reichliche Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst gaben und, wie die kaiserliche Fiirsorge dies bezvveckt hatte, dem Noth- stande steuerten. Die Linie Briinn-Nezamislitz nebst der Zweigbahn nach Prerau gelangte bereits im Jahre 1869 [30. August], der Rest der Hauptbahn im Jahre 1870 [1. Juli, be- ziehungsweise 1. August] zur Eroffnung. Die Trače der Mahrisch-schlesischen Nord¬ bahn geht von Briinn iiber Raussnitz — knapp vorbei an der ewig denkvrardigen Stelle, wo Josef II. mit eigener Hand den Pflug ge- fuhrt — in den Thhlern des Hiigellandes zwischen der Schwarzawa und der March, dann iiber die secundare Wasserscheide bei Lultsch nach Wischau, Eiwanowitz und Nezamislitz und von da einerseits iiber Kojetein [Marchuberbruckung] nach Prerau, andererseits iiber Prossnitz und Olmiitz nach Sternberg. In diesem letzteren Tracenzuge wird hinter Prossnitz die Anhohe von Wra- howitz erstiegen, bei Wrbatek das Blatta- chen Programme der »Mahrischen Landes- bahnen« enthalten getvesene directe Linie Briinn-Znaim. Wahrscheinlich aus diesem Grande oder aber gleichfalls aus Nothstandsriick- sichten schreibt die Concessions-Urkunde [§ 3, Schlussalinea] ausdriicklich vor, dass diese Verbindung so schnell als moglich hergestellt werde; deshalb wurden denn auch die Erdarbeiten noch im Winter 1866/67 an mehreren Punkten zugleich begonnen. Hernach griff die Thatigkeit auf den bis Wien und Marchegg reichenden, nieder- Osterreichischen Theil dieses Netzes tiber. Jede seiner Strecken erforderte einen be- sonderen Aufwand an Arbeitskraften, theils wegen der eben erwahnten Dringlichkeit, theils weil namhafteTerrainschwierigkeiten zu bewaltigen und auch viele Kunstbauten auszufiihren waren. Erstere kamen haupt- 8 Ignaz Konta. Abb. 4. Viaduct bei Nemojan [im Bau, 1868]. [Nach einer Photographie von Q. Trapp in Briinn.] sachlich bei Znaim [Uebergang iiber das Leska-Thal] und zwischen Laa und Stfelitz vor, wo drei Wasserscheiden zu iiber- setzen und die Htigelketten des mahrischen Mittelgebirges an vier Stellen mittels Tunnels [137—266 m lang] zu durch - brechen waren. Die Unterbauobjecte hauften sich [abgesehen von diesen Tunnels] zumeist im Donau- und im Thayagebiete und in der Trače der Briinner Verbindungsbahn. Besonders hervorzuheben sind: die 789 m lange Eisenbriicke [continuirliche Gittertriiger, fiinf Felder] iiber den Donaustrom bei Stadlau, welche die erste stabile Donau- briicke ist,*) und der Viaduct iiber das Iglava-Thal [Eisenconstruction, Gitter- balken, Mittelpfeiler aus gusseisernen mit Beton ausgegossenen und auf Steinsockeln aufsitzenden Rohren], dessen ebenso sehr gepriesene als andererseits auch ange- fochtene, von Nordling erfundene Bau- art hier zum ersten Male in Oesterreich angewendet wurde. Die Baukosten dieses Netzes betrugen im Zeitpunkte der Vollendung seiner ersten Herstellung [rund] 40,000.000 fl., erfuhren aber spaterhin eine namhafte Steigerung, die sich, nach dem Hinzu- kommen des Aufwandes fiir verschiedene Zweig- und Verbindungslinien in und bei Wien, auf mehr als 10,000.000 fl. belief. Die Trače der Linie Wien-Stadlau- Grussbach-Stfelitz zweigtausserhalb des *) Vgl. Bd. II, J. Zuffer, Briickenbau, sowie die betreffenden Abbildungen jenes Capitels. Wiener Hauptbahnhofes in weitausholen- den Bogen vou der alten Haupttrace Wien- Bruck ab, durchzieht nach Uebersetzung des Wiener-Neustadter Canals die Simme- ringer Haide, tritt dann iiber den Donau- canal hin\veg in den Wiener Prater ein, dessen Hauptallee auf einem Viaduct tiber- setzt wird, und gelangt, nachdem auch der Donaustrom mittels einer machtigen Brucke passirt wird, norchvarts durch das Donauthal bis Stadlau. Von Stadlau \veiter zieht die Trače in gerader nord- westlicher Richtung durch das Marchfeld, tibersetzt bei Stissenbrunn die Nordbahn, hernach bei Poysdorf und Staatz zwei durch Auslaufer des Mannharts-Gebirges gebildete Wasserscheiden, um in die Tief- ebene der Thaya und bis Grussbach zu ge- langen. Hier das Thal tibersetzend zieht diese Linie an den Abhangen des Mah¬ rischen Mittelgebirges bis zur hochstge- legenen Station Kromau und von hier aus, dieHiigelketten an vier Stellen mittels Tunnels durchbrechend und das Iglava-Thal [zwischen dem zweiten unddrittenTunnel] auf dembereits erwahnten, grossen Viaducte tibersetzend, nach Stfelitz, wo sie in die Trače der Brlinn- RossitzerEisenbahn einmundet. [Abb. 5 und 6.] Die Zwe i gb a h n nach Znaim miindet in Grussbach aus der ITauptlinie des Ergan- zungsnetzes aus, und fiihrt tiberPossitz,Honitz und Mtihlfraun nach Znaim zum Anschlusse an die Oesterreichische Nordwestbahn. Der Marchegger Fliigel zweigt in Stadlau von der Hauptbahn ab und fiihrt in gerader Richtung ostwarts iiber Gross-Enzers- dorf, Siebenbrunn und SchOnfeld nach March- egg zum Anschlusse an die siiddstliche Linie der Staatseisenbahn. Die Terrainverhaltnisse derbeidenletzte- ren Strecken boten, mit Ausnahme des Ueber- ganges iiber das Leska-Thal bei Znaim, keinerlei Schwierigkeiten. Dadurch, dass dieBrunn-Rossitzer Eisen- bahn das Bindeglied zwischen den beiden Netzen der Staatseisenbahn-Gesellschaft wurde, war es auch nothwendig geworden, der Strecke Stfelitz-Briinn eine ihrer neuen Bestimmung entsprechende Ausgestaltung zu geben. Es wurde die Trače bei Briinn umgelegt, um die Bentitzung der Nord- bahnstation Ober-Gerspitz entbehrlich zu machen, ferner in Briinn selbst der Bahn- hof der Rossitzer Bahn mit jenem der Staatsbahn durch Geleise verbunden, und ersterer, nachdem die Staatseisenbahn- Gesellschaft zur Zeit der Vollendung ihres Erganzungsnetzes auch den Betrieb der Rossitzer Bahn iibernommen hatte, in einen Frachtenbahnhof [der Staatsbahn] umgewandelt. Der Vertrag iiber die ge- dachte Betriebsfiihrung vvurde am 15. Juni Geschichte der Eisenbabnen Oesterreichs. 9 1870 vorerst auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen. Seitdem galt die Brtmn-Rossitzer Eisenbahn mehrentheils schon als ein Bestandtheil der Linien der Staatseisenbahn-Gesellschaft, welche denn auch stets die Mittel zur Deckung der Er- fordernisse der Rossitzer Bahn vorstreckte, bis die Generalversammlung des Jahres 1872 der letzteren durch die Aufnahme eines Prioritats-Aniehens von nominale 1,800.000 fi. fiir die Refundirung sorgte. Zwischenfragen finanzieller Natur hemmten jedoch die volle Ingangsetzung der noch im Spatherbste 1866 von den Concessionaren selbst begonnenen Arbeiten. Die Bauunternehmung Ge- briider Klein und Adalbert Lanna, die auf Grund des mit den Concessionaren abgeschlossenen Bauvertrages vom 27. De¬ cember 1866 die Fortsetzung und Voll- endung des Baues der Strecke Pilsen- Budvveis sowie den Bau der Prager Abb. 5. Viaduct der Staatseisenbahn iiber die Prater-Hauptallee in Wien. [Nach einem Original im Besitze des Ober-Inspectors A. Paul der Staatseisenbahn-Gesellschaft.] In Bo hm en umfassten die damaligen Eisenbahnbauten nur die am 23. October 1866 in Angriff genommenen, I42'3 km langen Strecken der Bohmischen Nordbahn, dann die 26 - 4 km lange Fortsetzung des Schwadowitzer Fliigels der Slid-norddeut- schen Verbindungsbahn bis zur Reichs- grenze bei Konigshain und die 3'2 km lange Verbindung Prag [Sandthor]-Bubna [Staatsbahnhof] der BuschtShrader Bahn. Umso freudiger wurde dem Zuwachse entgegengesehen, welcher vom Baue der Kaiser Franz Josef-Bahn, deren am 11. November 1866 concessionirte Linien vorwiegend [mit 460 km] in Bohmen liegen, zu ervvarten stand.*) *) Beztiglich der Vorgeschichte dieser Bahnen vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach, Ge¬ schichte derEisenbahnenOesterreich-Ungarns von den ersten Anfangen bis zum Jahre 1867. I Verbindungsbahn en, um die Pauschal- vergiitung von 17,024.200 fl. [darunter die Staatsvorschiisse im Baarbetrage von 6,500.000 fl.] ubernommen hatte, war namlich gesonnen, auch alle ubrigen Strecken auszufiihren; zuvor aber wollte sie, um das Risico des sodann erweiterten Baugeschaftes zu verringern und den Werth sowie die Marktgangigkeit der wieder in Zahlung zu nehmenden gesell- schaftlichen Titel zu erhohen, die Bahn mit neuerlichen staatlichen Beneficien [abermaligem Vorschuss, Verlangerung der Steuerfreiheit, Erhohung des Baucapitals etc.] ausgestattet sehen. Die Concessionare ihrerseits schlossen sich diesen Wiinschen gerne an, da ihnen ebensowohl die Erlangung neuer Be- gunstigungen, als auch die Uebertragung der gesammten Bauten an eine so leistungs- 10 Ignaz Konta. fahige und vertrauenswiirdige Unter- nehmung nur \villkommen sein konnte. Vielleicht war ihnen auch ein anderes Vorgehen benommen, weil die Bauunter- nehmung, theils als Mitconcessionar, theils ob ihres grossen Titelbesitzes, eine mass- gebende Stimme hatte. Sie uberreichten also die ihnen unterm 5., beziehungsweise 15. Mai 1867 zugegangenen Angebote der Bauunternehmung dem damaligen Finanz- minister und zugleich Leiter des Handels- ministeriums,- Freiherrn von Becke. Die Angebote lauteten — die Erfullung jener Begehren vorausgesetzt — auf Ausfiih- rung der ganzen Bahn, gegen Ueber- nahme sammtlicher Actien und Priori- taten. Da aber bis zur endgiltigen Erledi- gung der Angelegenheit geraume Zeit verstrich, so erwuchsen hieraus Verzo- gerungen in der Vergebung, beziehungs- weise allgemeinen Inangriffnahme der Bauten. Ein Bescheid vom 28. Juni 1867 verstandigte die Concessionare, dass das Finanzministerium mit a. h. Entschlies- sung vom 27. Juni 1867 ermachtigt wurde, im verfassungsmassigen Wege ein Ge- setz zu erwirken, womit der Kaiser Franz Josef-Bahn mehrere Begiinstigungen und Erleichterungen betvilligt werden, und zwar: Ein weiterer unverzinslicher Staats- vorschuss von fiinf Millionen Gulden gegen Refundirung in Actien zum Pari-Curse ; Auflassung des besonderen Personen- Bahnhofes in Wien arn Franz Josefs-Quai, vorbehaltlich der Bestimmung des Punktes filr die Anlage eines concentrirten Per- sonen- und Frachtenbahnhofes in Wien nach dem Ergebnisse der politischen Be- gehung ;*) Ervveiterung der Steuerfreiheit; Verringerung des praliminirten Fahr- parkes auf den wirklichen Bedarf. Wie\vohl nun schon die blosse Anwartschaft auf jene Beneficien zum Abschlusse eines Additional- Vertrages mit den Bauunternehmern fiihrte [24. Juli 1867], kraft des- sen ihnen unter gleichartigen Be- stimmungen wie im alten Vertrage und gegen Aus- handigung weite- rer 24,907.000 fl. in Actien und 39,645.400 fl. in Prioritats-Obliga- tionen der Bau und die vollstan- dige Ausriistung der ganzen Bahn tibertragemvurde, so war dadurch, dass ihnen zugleich freigestellt werden musste, den Bau der Strecken Gmiind- Prag und Pilsen-Eger erst danit auszu- fiihren, bis jene Begiinstigungen wirklich erlangt sein wiirden, auch mit dem *) Bei den Begehungs-Commissionen am 16, 25. und 29. November 1867 verlangten die Vertreter der Stadt Wien, dass der Haupt- bahnhof oder, falls dies nicht thunlich ware, wenigstens der Personen-Bahnhof moglichst nahe an der inneren Stadt, also etwa in dem Baron Puthon’schen Garten [IX. Bezirk] an- gelegt werde. Die Gesellschaft ihrerseits hielt aber das urspriingliche Project, den grossen Bahnhof auf dem in der Nahe der Ferdinands - Wasserleitung [Nussdorf] ge- wahlten Platze zu errichten, sowohl aus bau- und betriebstechnischen, wie aus bcono- mischen Riicksichten, iiberdies aber auch aus Abb. 6. Iglava-Viaduct bei Eibenschitz [im Baue]. [Nach einer photographischen Aufnahme von F. Seifert, im Besitze Sr. Excellenz des Eisenbahn-Ministers Dr. Ritter v. Wittek.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. II Additional-Vertrage eigentlich nur die Sicherung des Baues der Strecke Budweis- Wien neu erzielt. Die Geldbeschaffung fiir diese Strecke und fiir die schon urspriinglich vergebene Strecke Pilsen-Budweis hatte mittlerweile die osterreichische Credit - Anstalt auf waltungsrath der am 31. August 1867 mit einem aus 160.083 Actien a 200 fl. und 247.800 Prioritats-Obligationen a 200 fl. zusammengesetzten Anlage-Capitale von nominal 81,576.000 fl. constituirten Ge- sellschaft: »K. k. priv. Kaiser Franz Josef-Balin« die Concessionare und Abb. 7. Johann Adolf Fiirst zu Sch\varzenberg. [Nach einem Originale aus der k. u. k. Fideicommiss-Bibliothek.] Grand des Vertrages vom 31. Mai 1867 ubernommen. In diesem Stadium loste der Ver- der Ursache aufrecht, weil dann die Mog- lichkeit bestiinde, den Bahnhof mittels einer Pferdebahniiber dieRossauerLande und dem Franz Josef-Quai unmittel- bar mit dem Hauptzollamte, somit auch mit der Nord- und der Sudbahn in Verbindung zu setzen, wodurch der einschlagigen Bestimmung der Concession [§ 4, alinea 3] einstweilen in provisorischer Weise entsprochen wiirde. [Bericht an die I. ordentliche Generalversammlung.] Die Entscheidung fiel zu Gunsten der Commune aus, die aber einen Theil der Mehrkosten iibernahm [siehe Seite 12]. deren Executiv - Comite in der Ge- schaftsfiihrung ab. An die Spitze des- selben trat als Prasident der um das Zustandekommen dieser Unternehmung besonders verdienstvolle Johann Adolf Fiirst zu Schwarzenberg. [Abb. 7.] Die Leitung der gleichzeitig emchteten General-Direction ubernahm der bereits am 6. December 1866 von den Concessionaren zum General-Director ernannte, friihere General-Secretar der Bohmischen West- bahn, kaiserlicher Rath HeinrichKogerer, ein altbewahrter Eisenbahnfachmann. Also bereits unter der Aegide des Ver\valtungsrathes wurde am 11. No- 12 Ignaz Konta. vember 1867 ein Theil der gesellschaft - lichen Titel [30.000 Actien zum Curse von 7 o°/ 0 = 140 fl. und 30.000 Prio- ritats-Obligationen zum Curse von 84°/ 0 = 168 fl.] zur offentlichen Zeichnung aufgelegt. Der hiebei erzielte, an sich bedeutende Erfolg, scheint aber auf die obschwebenden gesellschaftlichen An- gelegenheiten keinen oder nicht den er- warteten Einfluss genommen zu haben; vielmehr wurde der Verwaltungsrath gar bald inne, dass das am 30. December 1867 ins Amt getretene Cabinet Auers¬ perg [Carl] einer Gewahrung der von der frtiheren Regierung verheissenen Beneficien abhold sei. Der Verwaltungs- rath trachtete daher die Bauunterneh- mung zu vermogen, dass sie ohne Riick- sicht auf die im Additional-Bauvertrage enthaltene aufschiebende Bestimmung hinsichtlich der Inangriffnahme der Stre- cken Pilsen-Eger und Gmiind-Prag, sich bereit erklare, »den Bau dieser beiden Strecken zugleich und unverweilt zu beginnen und, statt innerhalb der con- cessionsmassigen Baufrist, binnen drei Jahren zu vollenden, sobald die ange- strebten Begiinstigungen auf verfassungs- massigem Wege Gewahrung gefunden haben«. Der Verwaltungsrath wollte namlich mit der im allseitigen Interesse gelegenen bedeutenden Abkiirzung der Bauzeit eine Handhabe erlangen, um auch die neue Regierung den Wiinschen der Ge- sellschaft geneigter zu machen. Die Bauunternehmung \villigfe in die Er- klarung und der Verwaltungsrath iiber- reichte dem Ministerium am 23. October 1868 die beziigliche Eingabe, auf welche hin die Angelegenheit jetzt thatsachlich in rascheren Fluss kam, ohne jedoch eine bessere Aussicht auf das volle Ge- lingen der gesellschaftlichen Bestrebungen zu eroffnen. Das Ergebnis der wiederholt gepflo- genen Verhandlungen war schliesslich, dass die Regierung sich dazu verstand, der Gesellschaft noch einen Staats- vorschuss von 4 ’/ 4 Millionen Gulden sowie eine Erhohung der Staatsgarantie um denjenigen Betrag zu gewahren, der zur Verzinsung und Tilgung des Mehr- aufwandes fiir den Wiener Bahnhof, fiir die stabile Brucke iiber die Donau bei Tulln und die Umlegung der Prager Verbindungsbahn ausreichte, — hingegen forderte die Regierung, dass der Bau der Strecken Pilsen-Eger und Gmiind- Prag sogleich in Angriff genommen und die Vollendung aller concessionirten Linien bis spatestens Ende 1871 durch- geftihrt werde, ferner eine auch mit einem Stege fiir Fussgeher versehene stabile Donaubriicke bei Tulln hergestellt werde, deren Pfeiler iiberdies fiir eine mit ihr zu verbindende Strassenbriicke verbreitert sein miissten. Diese Stipula- tionen sowie eine besondere Bestimmung, derzufolge die Gesellschaft, gegen ent- sprechende Erhohung der Staatsgarantie, auch die Fliigelbahn Absdorf-Krems baldigst ausfiihren solite, waren in die Form eines Uebereinkommens gekleidet, iiber dessen unbedingte Annahme der Verwaltungsrath sich im Vereine mit der Bauunternehmung binnen acht Tagen zu erklaren hatte. Die betreffende Auf- forderung ging dem Verwaltungsrathe am I. Februar 1869 zu. Es galt also eine \veittragende Ent- scheidung zu treffen. Die Bauunter¬ nehmung gab ohneweiters, der Ver- waltungsrath nach einigem Zogern und vorbehaltlich der Genehmigung seitens der Generalversammlung die Zustim- mung. Dass ihm dieselbe schwer fiel, ist begreiflich; denn wahrend die erlangten Zugestandnisse weit hinter den Hoffnun- gen der Gesellschaft zuriickblieben, legte ihr das Uebereinkommen manche iiber die urspriinglichen Concessions-Bedingungen hinausgehende Verpflichtungen auf, welche eine die Rentabilitat der Bahn beriihrende Erhohung ihres Anlage - Capitals er- heischten. Die Anordnungen beztiglich des Wiener Bahnhofes trafen die Gesell¬ schaft — abgesehen von dem grosseren Aufwande an Capital — weniger, da die Regierung, im Hinblicke auf die erfolglos gebliebenen langwierigen Ver¬ handlungen, eine Einigung dahin ver- mittelte, dass der Bahnhof, nicht wie urspriinglich projectirt gewesen, an der Nussdorfer Linie, sondern, wie die Com- mune es verlangte, innerhalb des Wiener Burgfriedens, und zwar im IX. Bezirke Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 13 am rechten Ufer des Donaucanals errichtet werde, wogegen die Gemeinde einen Bau- beitrag von 500.000 fl. leisten oder die zur Verzinsung und Tilgung dieses Be- trages erforderliche Annuitat von 25.315 fl- auf Concessionsdauer garantirt. Die staat- liche Zinsengarantie wurde hiedurch nicht beriihrt, weil die Regierung selbst die Annuitaten-Zahlungen der Gemeinde in Empfang zu nehmen hatte. Der Gemeinde- rath entschied sich in seiner Sitzung vom 26. October 1868 fiir die Garantieleistung. Vorstellung zu erheben sowie auch auf die in dem Uebereinkommen mit Stillschweigen iibergangenen friiheren An- suchen der Gesellschaft, insbesondere wegen der Zugestejiung eigener Tarife fiir die Prager Verbindungsbahn, aufmerk- sam zu machen; er kam aber damit nicht zum ge\viinschten Ziele. Die Regierung legte das Uebereinkommen nebst einem Gesetze iiber den sofortigen Ausbau der Kaiser Franz Josef-Bahn dem Reichs- rathe vor, welcher hieriiber zunachst Abb. 8. Die erste Donaubriicke der Kaiser Franz Josef-Bahn bei Tulln. Anders stand es jedoch hinsichtlich der Donaubriicke bei Tulln; denn dieselbe war anfanglich als definitives Object beantragt, wurde dann von der Regierung und dem Reichsrathe, eben im Interesse einer Ver- ringerung des AnlagerCapitals, zur Aus- fiihrung in Holz bestimmt und musste nun doch in definitiver Weise und uberdies, wie oben erwahnt, nicht blos als Eisen- bahnbriicke hergestellt werden. Zudem wurde, wegen der Kiirze der Baufrist, eine holzerne Nothbriicke erforderlich, die allerdings zugleich als Werksbriicke zu dienen hatte [Abb. 8]. Der Verwaltungsrath unterliess darum nicht, gelegentlich seiner am 8. Fe¬ bruar 1869 iiberreichten Zustimmung zu dem Uebereinkommen neuerliche in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 27. April 1869 verhandelte und hiebei nur insoferne an den Vorlagen etwas anderte, als er die Bestimmung wegen der baldigen Ausfiihrung der Flugelbahn Absdorf-Krems aus dem Uebereinkommen rvegliess und sie mit Begrenzung der betreffenden Staatsgarantie in der Hohe einer Annuitat fiir ein Capital von nominale 750.000 fl. pro Meile als Art. II in das Gesetz selbst aufnahm, welches, nach Passirung auch des Herrenhauses, am 20. Mai 1869 die a. h. Sanction erhielt. Das Gesetz ermachtigt die Regierung zum Abschlusse des Uebereinkommens sowie zur Beauftragung der Gesellschaft, dass sie, gemass Art. II der Concessions- Urkunde und gegen Erhohung der Staats- 14 Ignaz Konta. garantie im obigen Ausmasse, die Fliigel- bahn Absdorf-Krems bis spatestens drei Monate nach der Eroffnung der Haupt- bahnstrecke Wien-Absdorf herstelle. Der definitive Abschluss des Ueberein- kommens erfolgte am 2. und die Auf- forderung zum Baue der Fliigelbabn nach Krems am 6. Juni 1869. Die Actionare genehmigten das Uebereinkommen in der Generalversammlung vom 26. Juni 1869. Jetzt erst war der Werdeprocess der Kaiser Franz Josef-Bahn im Wesentlich- sten zu Ende gediehen, zwar nicht ganz so wie die Gesellschaft es erwartet hatte, immerhin aber mit dem Ergebnisse, dass sie einer neuerlichen staatlichen Beihilfe theilhaftig geworden, der rasche Ausbau der Bahn vollends gesichert erschien und die Arbeiten nunmehr auf allen Strecken in Angriff genommen \verden konnten. Dies geschah denn auch in so ausgedehntem Masse, dass die mehr als zweijahrige Verzogerung des allgemeinen Baube- ginnes vollkommen wett gemacht wurde. Es gelangten zur Eroffnung: Budweis-Pilsen[i35'8^m] am 1. September 1868, Eggenburg-Budweis f 134 -6 km] am I. No¬ vember 1869 und Wien-Eggenburg [78’ 7 km\ am 23. Juni 1870, Gmttnd-Čerčan [143-0 km] am 3. September _ 1871, Cerčan-Prag [40-5 km] am 14. December 1871, Absdorf-Krems [31 km] am 10. Januar 1872, Pilsen-Eger [106-0 km) am 28. Januar 1872. Eine Verspatung war nur rucksichtlich der Prager Verbindungsbahn [5'8 km] eingetreten, welche erst am 15. August 1872 zur Eroffnung gelangte; daflir aber \vurde die Fltigelbahn Absdorf-Krems, deren Plane die Regierung wiederholt abgeandert und erst am 9. Mai 1870 genehmigt hatte, in der kurzen Zeit von neun Monaten vollendet. Die stabile Donaubriicke bei Tulln wurde am 30. Mai 1874 dem Verkehre libergeben. Inzwischen hatte die Gesellschaft gleich den iibrigen fiinf in Wien ein- miindenden Bahnen, also mit einem Sechs- theile, an dem zum Preise von 2,000.000 fl. vollzogenen Ankaufe der Wiener Ver¬ bindungsbahn theilgenommen [20. Fe- bruar 1870], ferner die 0-9 km lange, am 1. Marž 1873 eroffnete Schleppbahn zur Donau bei Klosterneuburg ausgefuhrt und liber Verlangen der Regierung [25. November 1873] auch die 36'3 km lange Linie B u d w e is - W e s s e ly, zu deren Herstellung sie gemass § 2 der Concessions - Urkunde verpflichtet war, sobald die Umwandlung der Linz-Bud- weiser Pferdebahn in eine Locomotiv- bahn zur Durchfiihrung kam, erbaut und am 8. Juni 1874 eroffnet. Ihre Ausfiihrung hatten, im Wege der beziiglichen Offertver- handlung vom IO. August 1872, die Unter- nehmer Anton Haudek und Franz Neubauer erstanden. Die fiir diese Linie sowie zur Deckung der anderweitigen Erfordernisse [Absdorf-Krems, Mehrkosten des Wiener Bahnhofes, Tullner Brucke, Prager Ver¬ bindungsbahn] nothigen Geldmittel waren zufolge Beschlusses der Generalversamm¬ lung vom 28. Juni 1871, beziehungsweise 26. Juni 1873 durch eine neue Ausgabe von 52.000 Actien a 200 fl. und von 20.000 Prioritats-Obligationen a 200 fl. be- schafft worden, wobei rucksichtlich der nicht von den alten Actionaren al pari be- zogenen Actien, ebenso wie rucksichtlich der Obligationen ein Aufgeld erzielt wurde. Mit Ende des Jahres 1874, als jenem der Vollendung des ganzen Netzes der Kaiser Franz Josef-Bahn, betrugen die Baukosten desselben 96,695.476 fl. Die von Wien ausgehende eingeleisige Haupttrace der Kaiser Franz Josef-Bahn ftihrt am rechten Ufer des Donaucanals nach Nuss- dorf,dann liber Klosterneuburg und St. Andra [Tullnerfeld] nach Tulln, wo der Donaustrom mittels einer in derselben Weise wie die Stadlauer Staatsbahnbriicke construirten, 459'5 m langen eisernen Gitterbriicke [funt Felder], deren Pfeiler nicht nur fiir zwei Bahngeleise, sondern auch fiir eine daran- gefligte Strassenbriicke angelegt sind, iiber- setzt wird. Am linken Donauufer angelangt, zieht die Trače iiber Absdorf [Abzweigung nach KremsJ und Maissau gegen Eggenburg, Sigmundsherberg und GOpfritz, woselbst sie einen Auslaufer des Mannhartsberges ersteigt, um sodann iiber Schwarzenau nach Gmiind [Abzweigung der Linie nach Prag] zu ge- langen und bei Bbhmdorf in das Konigreich Bohmen einzutreten. Von der Landesgrenze an zunachst sanftes Hiigelland und, bei Gratzen, ein ausgebreitetesTeichgebietdurch- ziehend, ftihrt die Trače dann auf die HOhe von Zaluži, von wo aus sie sich in das Moldau- Thalherniedersenkt, daselbst denKnotenpunkt Budweis [Abzweigung nach Wessely], her- nach bei dem gleichnamigen ftirstlich Šchivar- zenberg’schenLustschlosse die StationFrauen- berg erreicht, weiterhin aber nach Protivin abbiegt, um liber Strakonitz und Horaždiovitz Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 15 auf die Wasserscheide bei Volšan, sodann hinab in das Thal des Uslava-Flusses und denselben entlang iiber Nepomuk, Blo\vitz, Stiahlau und Pilsenetz liber die Radbuza [Eisenbriicke] nach Pilsen zum Anschlusse an dieBohmische Westbahnzu gelangen. Ausser- halb dieser Station, einige Profile weit mit der Bohmischen Westbahn parallel bleibend, lenkt die Trače der Kaiser Franz Josef-Bahn dann in das Miesthal ein und zieht iiber Mies- Kladrau, Plan-Tachau und Kuttenplan nach Marienbad, sodann an Sandau voriiber in das Egerthal hinab, wo sie in Eger ihren Endpunkt erreicht, beziehungsweise Anschluss an die Buschtžhrader Bahn [Richtung nach Karlsbad] schaft [Hrabovka] und der Bohmischen West- bahn [Smichov] durch diePrager Verbindungs- bahn beiverkstelligt wird. Letztere besteht aus zwei Ausastungen, deren eine am Fusse des Žižkaberges in die Geleise der Staats- eisenbahn-Gesellschaft einmiindet, wahrend die andere in entgegengesetzter Richtung nach Vvšehrad und von da auf einer 296 m langen Eisenbrticke liber die Moldau nach Smichov fiihrt. Die Abzweigung Absdorf-Krems miin- det hinter der Station Absdorf aus der Haupt- linie aus, zieht dann langs der Stocker- auer Strasse nach Kirchberg, hernach siid- lich gewendet iiber Wagram und, nach Ueber- Abb. g. Provisorischer Bahnhof der und an die bayerische und sachsische Staats- bahn findet. [Vgl. Abb. 8—13.] [Abb. 9 zeigt den provisorisch angelegten, bis zum 4. Juni 1872 in Verwendung gestandenen ersten Wiener Bahnhof.] Die Linie Gmund-Prag zweigt, tvie oben enviihnt wurde, in Gmiind aus der Linie Wien- Eger ab, folgt dem Laufe des Lasnitz-Flusses, bertihrt die Orte Suchenthal, Wittingau, Lomnitz, Wessely, Sobčslau und Tabor, er- steigt sodann den Hohenzug von Stupčitz, zielit von hier iiber Konopišt und Benesehau ur das Sazava-Thal hinab, sodann eine zvveite Hiihe bei Strančitz empor, und gelangt an Ličan und Ourinoves voriiber bei štetem Ge- talle nach Nusle und von da durch einen 11401« langen, die »KOniglichen Weinberge« unterfahrenden Tunnel nach Prag, wo der An¬ schluss an dieLinie derStaatseisenbahn-Gesell- Kaiser Franz Josef-Bahn in Wien. setzung des Kamp-Flusses, bis Hadersdorf, sodann wieder parallel mit der Fahrstrasse iiber Hadersdorf nach Krems, vor ivelcher Stadt der Krems-Fluss ubersetzt wird. Die Zweiglinie Budweis-Wessely bil- det die directe Verbindung der beiden Statio- nen, nach welchen sie benannt ist. Ihre Trače folgt im Allgemeinen der Fahrstrasse und zieht iiber Zamost zur Wasserscheide bei Schmiedgraben hinan, fiillt hernach rasch ab, tritt bei Sevetin in das Teichgebiet von Lhota und Horusitz ein und gelangt im Bereiche desselben, nach wiederholter Uebersetzung der FliisseLužnitz undNežarka, nach Wessely zur Einmiindung in die Linie Gmtind-Prag. Aehnliche Griindungsphasen wie die Kaiser Franz Josef-Bahn hatte auch die mit ihr an einem Tage concessionirte i6 Ignaz Konta. Kronprinz Rudolf-Bahn durchzu- machen, deren Bau den Alpenlandern neue verdienstgebende Regsamkeit brin- gen solite. Insbesondere wegen dieses letzteren Zweckes war, tiber a. h. Ent- schliessung vom 21. November 1866, auch ihr ein in Actien al pari zuriickzuzahlender Staatsvorschuss von fiinf Millionen Gulden bevvilligt worden; jedoch unter der im Art. II des bezuglichen Uebereinkommens vom 12. December 1866 seitens der Re- gierung ausdriicklich angefuhrten Bedin- gung, dass der Bau der Hauptbahn- strecken St. Valentin - Steyr und St. Michael-Villach sofort begonnen und binnen langstens zwei Jahren vollendet werde. Gleichwohl begann der Bau in ausgiebigerer Weise erst im Frtih- jahre 1867 und auch dies nur zufolge einer vorlaufigen Uebereinkunft mit der Bau- unternehmung Thomas Brassey, Ge- briider Klein und Karl Schwarz, wahrend der Abschluss eines definitiven Bauver- trages noch von einer vorherigen Re- gelung der finanziellen Grundlagen der ganzen Bahn abhangig blieb. Den Schlussel zu dieser Regelung bil- dete die ziffermassige Feststellung des Anlage - Capitals, da die Concessions- Urkunde [§ 17] nur besagt, dass der Staat »ein j ahrliches 5 percentiges Reinertragnis von dem aufgewendeten und gehorig nach- zuweisenden Capitale nebst der zur Til- gung dieses Capitales erforderlichen jahr- lichen Quote in Silber fiir die Dauer der Concession garantirt . . .«, wahrend die Concessionare, wie nicht minder die Anglo-osterreichische Bank, als das von ihnen erwahlte Finanzirungs-Institut, und, nachdem hier ebenfalls eine Pauschal- vergebung beabsichtigt war, auch die Bauunternehmung vor Allem Klarheit dariiber gewinnen wollten, welche Summen auf die Anlage der Bahn verwendet \verden konnten und diirften. Sie be- miihten sich darum allesammt, jene Fest¬ stellung zu erzielen; im Vordergrunde blieben jedoch die Concessionare, fiir welche der aus ihrer eigenen Mitte an die Spitze der schon am 1. Januar 1867 errichteten Verwaltung getretene General - Director, Georg A i c h i n g e r, das Wort fiihrte. Diese wendeten sich an die Regierung und erwirkten auch, dass mindestens das Capital fiir die schon im Bau befindlichen Strecken genau beziffert wurde. Es geschah dies mittels des Finanzministerial-Erlasses vom 23. Februar 1867, welcher dasselbe mit 30,000.000 fl. feststellte, unter der Be- dingung, dass die auf diesen Betrag half- tig auszugebenden Actien und Prioritats- Obligationen sogleich in feste Hande iiber- zugehen hatten. Die Erfiillung dieser Bedin- gung begegnete keinen Schwierigkeiten, da die Anglo-osterreichische Bank, wie ge- sagt,mit den Concessionaren liirt war. Sie iibernahm die Werthe, abziiglich der zur Refundirung des Staatsvorschusses be- stimmten 25.000 Actien, verpflichtete sich hiefiir die, einschliesslich der Inter- calarzinsen, 21,350.000 fl. betragende Bau- summe an die Concessionare, beziehungs- weise Bauunternehmung baar auszu- bezahlen [Uebereinkommen vom 27. Fe¬ bruar 1867] und veranstaltete in den Tagen vom 26. bis 28. Marž 1867 die Ausgabe der Actien, zum Curse von 65 °/ 0 = 130 fl., wobei eine bedeutende Ueber- zeichnung stattfand. Angesichts der so weit fliissigen Geldmittel ging auch die Bauunter¬ nehmung rasch in den Abschluss eines definitiven Vertrages ein, der ihr den Bau und die Ausriistung der Strecken St. Valentin - Steyr und St. Michael- Villach gegen die Pauschalvergiitung von 21.350.000 fl. iibertrug und sie verpflich¬ tete, diese Strecken sammt und sonders bis langstens 12. December 1868 betriebs- fahig zu tibergeben. Das Ministerium ge-, nehmigte den Vertrag am 15. Juni 1867. Wabrend der Einleitung gleicher Massnahmen fiir die Bestimmung des Baucapitals der iibrigen Strecken, erfolgte am 1 g. Juli 1867 die staatliche Genehmi- gung der Gesellschafts-Statuten und am 20. Juli 1867 die Constituirung der Actien- Gesellschaft: »K. k. priv. Kron¬ prinz Rudolf-Bahn«, deren Fond vorerst auf 30,000.000 fl., bestehend aus 75.000 Actien a 200 fl. Silber und 50.000 Prioritats-Obligationen a 300 fl. Silber bestimmt war. Von den letzteren wurden 15.000 Stiick am 29. October 1867 zum Curse von 8o°/ 0 == 240 fl. mit bestem Erfolge zur offentlichen Zeichnung aufgelegt. o o Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 17 Die neuen, nunmehr vom Venvaltungs- rathe angekniipften Verhandlungen mit der Regierung zogen sich bis in den Spatherbst hinein, fanden aber einen be- friedigenden Abschluss, indem ein Finanz- ministerial-Erlass vom 23. December 1867 das garantirte Anlage - Capital fur die Strecken Steyr -Weyer, Rottenmann - St. Michael, St. Veit-Klagenfurt, Launsdorf- Mosel mit 25,940.449 fl. und jenes fiir die Strecken Weyer - Rottenmann mit 21,417.403 fl. bezifferte. 9. Februar 1868 vorgenommenen und am 16. Marž 1868 vom Ministerium ge- nehmigten Vergebung waren die gleichen wie bei den urspriinglich vergebenen zwei Strecken, nur trat jetzt der Charakter der Bauunternehmung als General-Entre- prise dadurch noch deutlicher hervor, dass ihr tur die pauschalirten Leistungen die Bausumme von nominale 25,940.449 fl. in gesellschaftlichen Werthen [zur einen Halfte in Actien, zur andern in Prioritats- Obligationen] ubergeben wurde, welche Abb. 10. Bau der Brucke liber die Donau bei Tulim. Da hiedurch die finanzielle Grund- lage der ganzen Bahn, mit Ausnahme des Fliigels Klein-Reitling-Amstetten, allen Betheiligten offenkundig ge\vorden und dem Anscheine nach auch jeder Grund einer Verzogerung entfallen war, glaubte man allenthalben die weitere Vergebung der Arbeiten je eher gewartigen zu konnen. Sie vollzog sich auch wirklich bald nach- her, jedoch wieder nur theilweise, und z\var blos rucksichtlich der erstgenannten Strecken. Die Modalitaten dieser am ubrigens sogleich an die Anglo-oster- reichische Bank tibergingen, die ihrer- seits wieder die Actien [50.000 Stiick] am 4. Mai 1868 zum Curse von 65 °/ 0 = 130 fl. emittirte und hiebei aber- mals eine starke Ueberzeichnung er- zielte. *) *) Von den Obligationen gelangten 20.000 Sttick a 300 fl. am 9. November 1868 zum Curse von 210 fl. [70%] zur Ausgabe; auch hiebei fand eine namhafte Ueber¬ zeichnung statt. Geschichte der Eisenbahnen. I. Band; 2. Tbeil. 2 Ignaz Konta. Die eben besprochene Bauvergebung umfasste auch die neu hinzugekommene, auf Grund des Gesetzes vom I7juni 1868 mit einem Anlage-Capitale von 2,038.000 fl. ausgestattete und der Gesellschaft am 20. Juli 1868 concessionirte kleine Strecke St. Michael- L e ob en, die im Zu- sammenhange mit der ebenfalls von den Griindem der Kronprinz Rudolf-Bahn pro- jectirten, aber seither der Sudbahn con- cessionirten Strecke Leoben-Bruck a. M., die Verbindung dieser beiden Bahnen im nordlichen Theile Steiermarks herstellt. Um dieselbe Zeit befasste sich der Verwaltungsrath, trotz der Sorge um die restliche Sicherstellung des Baues der alten Strecken, noch mit dem Projecte einer zweiten, an die Sudbahn an- schliessenden neuen Linie. Er war den Verhandlungen liber die Concessionirung der Linie L a i b a c h-T a r v i s , deren Aus- fiihrung die Regierung in Anbetracht der gedriickten wirthschaftlichen Lage des Landes Krain ehestens sichern wollte, beigezogen worden, und ,trat in die Be- werbung ein, obzwar oder vielleicht weil ein Zusammenhang dieser Linie mit dem gesellschaftlichen Bahnnetze nur durch die seitens der Gesellschaft schon von Anfang her angestrebte Fortsetzung der Kronprinz Rudolf-Bahn zu erzielen war. Das ganze Vorliaben gliickte librigens nicht alsobald; denn obschon der Reichs- rath die am 18. Mai 1868 im Abgeordneten- hause eingebrachte Regierungsvorlage ohne Verzug und sehr wohlwollend, nam- lich unter Erhohung des Anlage-Capitals auf durchschnittlich i,200.000fl. pro Meile, erledigte, konnte die Concessionirung doch nicht mehr im Jahre 1868 erfolgen, weil zuvor die Sudbahn befragt werden musste, ob sie von ihrem concessionsmassigen Vorrechte auf die Linie Laibach-Tarvis Gebrauch machen wolle; die Frist zur Beantwortung der unterm 8. August 1868 diesfalls an sie ergangenen Aufforderung erstreckte sich iiber vier Monate und uberdies verliefen die sohin erst nach dem 8. December 1868 eingeleiteten eigentlichen Concessions - Verhandlungen nicht so einfach. Die Sudbahn hatte sich nicht ernstlich gemeldet, hingegen waren der Kronprinz Rudolf-Bahn in einem Laibacher Con- sortium, ferner in dem Bauunternehmer G. Pankratz hartnackige Concurrenten erstanden und sie vermochte das Feld schliesslich nur dadurch zu behaupten, dass sie sich mit einem um 5000 fl. pro Meile geringeren Anlage - Capitale begniigte. Die ihr [auf Grund des Gesetzes vom 9.Juli i868]-am 23. Februar 1869 ertheilte Concession enthalt im Allgemeinen gleiche Bestimmungen wie fur die iibrigen gesell¬ schaftlichen Linien mit dem Unterschiede, dass das Anlage-Capital ziffermassig, nam- lich mit 1,195.000 fl. pro Meile bestimmt und die Bauzeit fur die ganze Linie mit drei Jahren bemessen wurde. Den Bau tibernahm auf Grund des, ebenfalls erst nach langwierigen Verhandlungen, am 20. September 1869 zustande gekommenen Vertrages, wieder die General-Unterneh- mung Thomas Brassey, Gebriider Klein und Karl Schwarz gegen Ueberlassung der ftir diese Linie auszugebenden gesell¬ schaftlichen Werthe, von welchen die Actien [40.689 Stiick a 200 fl.] in den Tagen vom 20. bis 28. December 1869 zum Curse von 160 fl. emittirt wurden. Inzwischen war es der Gesellschaft end- lich gelungen, den Bau der schwierigsten aller alten Linien, d. i. jen er von Weyer nach Rottenmann, sicherzustellen. Die ausserordentliche Verzogerung dieser An- gelegenheit ist auf folgende Umstande zuriickzuftihren: Der Vervvaltungsrath liess gegeniiber dem urspriinglichen Projecte ein zweites, geringere Anlagekosten er- heischendes Bauproject ausarbeiten, wel- chem aber das Ministerium erst nach langem, durch technische Rlicksichten hervorgerufenen Widerstreben zustimmte [Marž 1869]; dann verursachte die Wahl der Bauunternehmung noch einen weiteren Aufschub. Sei es, dass die alte General- Unternehmung vermeinte, mit der um 1,117.403 fl. herabgeminderten Bausumme nicht das Auslangen zu finden, oder dass die Anglo-osterreichische Bank von der Lust angewandelt wurde, auch an dem Bau- geschafte selbst einen Antheil zu haben, — Thatsache ist, dass nach weitwendigen Verhandlungen die Bank, als General- Unternehmung, den Bau und die Ausru- stung der Strecke, um die hiefiir bestimm- ten Actien und Prioritats - Obligationen Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 19 in dem herabgeminderten Betrage von nominale 20,300.000 fl. ubernahm. Der Vertrag wurde am 30. Juni 1869 ausgefertigt und am 12. Juli 1869 vom Ministerium mit der Vidi- rungsclausel versehen. Am selben Tage brachte die Bank die ihr neu iiberlasse- nen 5o.75oActienzumCurse von 162 fl. pro Stiick zur Ausgabe. Wie sich spater- hin zeigte, erfuhr die Anglo- osterreichische Bank bei diesem Baugeschafte arge Enttauschungen; sie hatte die Arbeiten an die fran- zosische Unternehmung Ro¬ man, Lonry & Gobbert in Subaccord gegeben, wurde aber von dieser im Stiche gelassen und musste den Bau unter schweren Opfern in eigener Regie vollenden. Die Bahngesellschaft gerieth jedoch dabei nicht in Mitleidenschaft; ihre Thatigkeit fiir die Sicher- stellung des Baues der alten Linien, ausgenommen den kurzen Fliigel Klein-Reif- ling-Amstetten, war, nach- dem dariiber fast drei Jahre dahingegangen, endlichzum Abschlusse gelangt; sie konnte sich daher jetzt mit Fug und Recht der Er- ganzung des gesellschaft- lichen Bahnnetzes zu- wenden. Hiefiir traten natiirlich jene Projecte in den Vorder- grund, deren bereits in der Concessions-Urkunde vom 11. November 1866 vorge- sehene Verwirklichung nur von der betreffenden An- ordnung der Regierung ab- nangig geblieben war. Nach- dem aber das eine, das die Verbindung der Kron- prinz Rudolf-Bahn mit der Kaiser Franz Josef-Bahn Abb. 11. Brucke iiber die Donau bei Tulln. 20 Ignaz, Konta. betraf, durch die mittlerweile seitens der Kaiserin Elisabeth - Bahn eingegan- gene Verpflichtung zur Herstellung der Anschlussstrecke Wartberg-St. Valentin gegenstandslos geworden war, beschaf- tigte sich der Vervvaltungsrath um so nachhaltiger mit dem anderen, die Fort- setzung der Kronprinz Rudolf-Bahn be- zweckenden Projecte. Folgend einem Beschlusse der ersten ordentlichen Generalversammlung [14. December 1868], hatte der Verwal- tungsrath zunachst die Verliingerung der Bahn bis an die Reichsgrenze gegen Udine ins Auge gefasst, beim Ministerium die poli- tische Begehung zumindest der Theil- streckeVillach- Tarvis nach- gesucht, diejetzt auch als Binde- glied zwischen der Linie Lai- bach-Tarvis und dem alten Bahn- netze der Gesell- schaft zu dienen, somit doppelte Wichtigkeit hatte. Als ihm hiertiber ledig- lich die Aus- arbeitung . eines neuen Operates anheimgegeben \vurde, brachte der Verwaltungsrath das letztere am 26. November 1869 in Vorlage. Im Hinblicke auf die einschlagige Resolution des Abgeordnetenhauses vom 10. Juni 1868 und auf die am 13. Marž 1869 an den Reichsrath gelangte, jedoch am 29. April 1869 wieder zuriick- gezogene Gesetzesvorlage liber die Er- ganzung des osterreichischen Eisenbahn- netzes, welche auch die Verbindung der in Villach zusammentreffenden Bah- nen mit dem Meere behandelte, hatte der Verwaltungsrath sich ferner bemiiht, eine neuerliche Entscheidung der Re- gierung iiber den Weiterbau der Bahn von Tarvis nach dem Siiden hervor- zurufen, um der schon in den ersten Be- rathungen iiber die Grtindung der Kron¬ prinz Rudolf-Bahn aufgestellten Devise »jusque a la mer« gerecht zu werden und, \vie der Bericht an die zvveite Ge¬ neralversammlung sich ausdriickt, »die Bahn nicht in Villach »verenden« zu lassen, sondern sie zu einer europaischen Verkehrsstrasse auszugestalten. Die Generalversammlung vom 29. No¬ vember 1869 stimmte alledem zu, er- machtigte den Verivaltungsrath zur Er- werbung der Concession fiir das Ver- bindungsstiick Villach - Tarvis und er- neuerte gleichzeitig die Beschlusse hin- sichtlich des Ausbaues der Bahn bis an das Adriatische Meer. Gestutzt auf dieses Mandat erging sich nun der Ver- ivaltunefsrath in stets dringenderen Vor- stellungen beim Ministerium, bis dasselbe eine \varmere Empfanglichkeit fiir die alt- gehegten Wiin- sche der Gesell- schaft insoferne bekundete, als es die legislative Si- cherstellung der StreckenVillach- Tarvis und Tar- vis-Gorz einlei- tete. Allein die am 3. Marž 1870 im Abgeordne- tenhause einge- brachten Gesetz- entwiirfe waren keineswegs ge- eignet, die Hoffnungen der Gesellschaft um Vieles hoher zu stimmen; denn der eine die Strecke Villach-Tarvis be- treffende Gesetzentwurf, zog neben der Concessionirung an die Kronprinz Rudolf- Bahn — unter Gevvahrung einer Staats- garantie von 85.000 fl. pro Meile —- auch die allfallige Erbauung auf Staats- kosten in Betracht, und der zweite lautete iiberhaupt nur auf Herstellung einer staat- lichen Linie von Tarvis iiber den Predil nach Gorz. Es diimmerte eben schon das wieder- auflebende Staatsbahn-System, und fiir die Kronprinz Rudolf - Bahn erschien dadurch ebensowohl ihre unmittelbare Ausmiindung am Meere, als auch ein er- heblicher Zuwachs der eigenen Linien in dieser Gegend nahezu ausgeschlossen. Die Vertagung des Reichsrathes vereitelte die Erledigung dieser Vorlagen. Daraus und aus dem alsbald eingetretenen Abb. 12. Station Budweis. [1868.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 21 Abb. 13. Bestandene Holzbriicke liber die Mies [zwischen Schweissing und Josefihiitte]. [Aus der Bauzeit der Kaiser Franz Josef-Bahn.] Ministerwechsel entwickelte sich fiir die Gesellschaft eine etwas gunstigere Sach- lage. Der neue Leiter des Handelsmini- steriums, Freiherr v. Pretiš, Hess die Predil-Frage vorderhand ganz offen und brachte riicksichtlich der Strecke Villach- Tarvis am 8. November 1870 eine zweite Regierungsvorlage ein, die zwar gleiche finanzielle Bedingungen wie der erste Gesetzentwurf, aber nicht die Alternative des Baues auf Staatskosten enthielt. Auch der Reichsrath hatte auf dieselbe nur fiir den Fali zuriick- gepriffen, als die mit der Gesellschaft zu fiihrenden Concessions-Verhandlungen zu keinem befriedigenden Ende fiihren wiirden. Der Eisenbahn-Ausschuss des Abgeordnetenhauses beschrankte die Staatsgarantie auf den Hochstbetrag von 260.000 fl. jahrlich und schaltete die Bestimmung ein, dass die Bauarbeiten im Wege der Offertausschreibung ver- geben werden sollten. In dieser Fas- sung wurde das Gesetz am 24. Fe¬ bruar, beziehungsweise 28. Marž 1871 von beiden Hausern des Reichsrathes angenommen und. am 24. April 1871 sanctionirt. Nun trat aber ein neues Hemmnis ein. Die Gesellschaft wollte die Trače am linken Ufer des Gailitzbach.es [auf der »Sonnseite«] iiber Goggau nach Ober- Tarvis fiihren, das Ministerium hingegen sie auf das andere Bachufer verlegen. Es wurden also nochmalige, zeitraubende Studien vorgenommen, welche schliess- lich die Zweckmassigkeit des alten Projectes vollauf bekraftigten und ihm die ministerielle Genehmigung ver- schafften [15. October 1871], worauf dann am 25. November 1871 die Er- theilung der Concession folgte. Dieselbe enthalt die in den vorerwahnten Gesetzes- Bestimmungen ausgesprochenen Bedin¬ gungen, erklart die Strecke Villach- Tarvis als einen integrirenden Bestand- theil der Linie Laibach-Tarvis und begrenzt die Bauzeit mit zwei Jahren. Der Bau wurde am 12. April 1872 an die bei den Offertverhandlungen min- destfordernde Unternehmung Fritsch und Theuer um die Pauschalsumme von 2,427.530 fl. fiir den Unterbau, dann 3 fl. pro Currentmeter Oberbau [exclusive Material] und 201.283 fl. fiir die Maurerarbeiten an den Briicken vergeben. 22 Ignaz Konta. Ausser dieser Strecke fiel der Gesell- schaft im Jahre 1871 noch eine kleine Linie, jene von Hieflau nach Eisen- erz zu, welcher wegen der von ihr er- warteten Erleichterung und V erwohlfeilung der Erzverbringung und Roheisenerzeu- gung, sohin auch Hebung der inlan- dischen Eisenindustrie und insbesonders riicksichtlich des Frachtenverkehrs der Kronprinz Rudolf - Bahn, grossere Be- deutung beigemessen wurde. sicherte er ihr nebst der Bewilligung zur Bildung einer eigenen Actien-Gesellschaft der »Innerberger Hauptgewerkschaft« auch die zum Baue einer »Berg\verks-Eisenbahn von Eisenerz einerseits, nach Hieflau, an- dererseits nach Leoben« zu [25. September 1868]. Sodann iiberliess er der Unter- nehmung das von der k. k. General- Inspection der osterreichischen Eisen- bahnen ausgearbeitete Project fiir die Strecke Eisenerz-Hieflau um den Kosten- Der Gedanke, diese Schienenstrasse anzulegen, war ein alter; die Staats- verwaltung, als sie noch Besitzerin der Innerberger Hauptgewerkschaft gewesen, verfolgte ihn schon Jahrzehnte hindurch, wobei sie allerdings vor\viegend nur die Plerstelltmg einer Bergwerksbahn im Auge hatte. Um die Schatze des Erzberges dem Eisenbahn-Verkehre zuganglicher zu machen, wurde auch die Trače der Kronprinz Rudolf - Bahn von Admont aus nicht geradwegs, sondern liber Hieflau nach St. Valentin gefiihrt. Nachdem der Staat seine 99 27 / 100 An- theile an der Innerberger Hauptgewerk- schaft an die Credit-Anstalt verkauft hatte, betrag von 5500 fl. [xo. August 1869]. Statt die Sache sogleich rveiter in die Hand zu nehmen, liess sich jedoch die Innerberger Hauptgeiverkschaft andere Projectanten zuvorkommen, Projectanten, die obendrein eine fiir den allgemeinen Verkehr bestimmte Bahn anstrebten, auf deren Zustandekommen die Regierung umsomehr Gewicht legen musste, als inzwischen noch andere Bergwerksbesitzer im Erzbachthale die Belehnung zum Berg- baue auf sehr ausgedehnten Flachen erhalten hatten und es sich nun darum handelte, auch den Eržen aus diesem Reviere billige und ungehemmte Ver- frachtung zu sichern. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 23 Die Concession fiir die Strecke Vor- dernberg-Leoben war am 8. Juli 1869 dem Consortium des Grafen Meran, die Vor- concession fiir die Strecke Hieflau-Eisen- erz am 27. April 1870 dem Consortium Hirsch-Rossiwal zutheil geworden. Erst diese letztere V erleihung scheint die Bestrebungen derHauptgewerkschaft frisch angefacht zu haben. Diese legte das Project fiir die Bergwerksbahn von Hieflau-Eisen- erz-Vordernberg vor, verlangte die Bau- bewilligung und verfocht fortan mit grosser Beharrlichkeit ihr vermeintliches Recbt auf die Ausfiihrung dieser Bahn. Da aber in die Thalenge zwischen Eisenerz und Hieflau zwei Bahnen nur mit iibermas- sigem Kostenaufvvande hjitten eingebaut werden konnen und das Ministe- rium, in Wahrung des all- gemeinen Interesses, auf die Sicherstellung einer offentlichen Bahn bedacht bleiben musste, verstan- digte 'es die Hauptgewerk- schaft, dass fiir den Fali, als sie gleiclrvvohl die An- spriiche auf eine lediglich ihren eigenen Zwecken dienende Bergwerksbahn aufrecht hielte, die letztere nur in einer Weise ange- legt werden diirfte, welche den Bau einer offentlichen Bahn nicht beirre. Daraufhin machte die Hauptge\verkschaft sich erbotig, die Berg- werksbahn in beschranktem Masse auch dem allgemeinen Verkehre nutzbar zu machen. Die in denTagenvom 29. Novem¬ ber bis 1. December 1870 gefiihrte Com- mission hatte fiir die Hauptgewerkschaft kein giinstiges Ergebnis, indem alle fach- mannischen Theilnehmer der Commission die Herstellung einer Bergwerksbahn an Stelle der offentlichen Bahn geradezu als einen »beispiellosen volkswirthschaft- lichen Missgriff« erklarten. Wahrend so die Hauptgewerkschaft mit ihren Anschauungen und Ansprtichen allein geblieben war, theilte jetzt auch die offentliche Meinung des Landes den Standpunkt der Regierung. Diese forderte daher zunachst die Hauptgewerk- schaft auf, die Herstellung einer offent¬ lichen Bahn zu iibernehmen und zog, nachdem die Aufforderung erfolglos ge¬ blieben, die Bewerbungen der Leoben- Vordernberger Bahn und der Kronprinz Rudolf-Bahn in naheren Betracht; erstere verlangte eine dreissigjahrige Steuer- freiheit, letztere beanspruchte dagegen in erster Linie eine Staatsgarantie. Die Leoben-Vordernberger Bahn, als ein kaum erst entstandenes Unternehmen, das ohnehin mit mannigfachen Schwierig- keiten zu kampfen hatte, schien aber minder geeignet, noch eine zweite, vor- aussichtlich fiir lange Zeit ohne Ver- bindung mit der ursprunglichen Linie bleibende Bahn zu bauen und zu be- treiben, wahrend die Kronprinz Rudolf- Bahn nicht nur einen bereits gesicherten Anschluss, sondern auch bessere Gewa.hr fiir die Durchfiihrung des Baues und fiir eine beiderseits vortheilhafte Betriebs- fiihrung bot. Das Ministerium unterbreitete demnach am 2. Mai 1871 dem Reichsrathe eine die Concessionirung an die Kronprinz Rudolf- Bahn betreffendeVorlage, welche nach vor- ausgegangener verfassungsmassiger Be- handlung am 16. Juli 1871 die Sanction als Gesetz erhielt, das nun die Grundlage der am Abb. 15. Stadt Steyr. [Nach einer Photographie von J. Reiner, Klagenfurt.] 24 Ignaz Konta. 23. Juli 1871 der Kronprinz Rudolf-Bahn verliehenen Concession bildete, deren hauptsachliche Bestimmungen folgende sind: fiir die Bahn von Hieflau nach Eisenerz gelten dieselben Bedingungen \vie filr die alten Linien der Gesellschaft; die Staatsgarantie ist mit 100.000 fl. be- messen; das diesem Betrage entsprechende Anlage-Capital [von liochstens nominale 2,000.000 fl.] bildet mit dem garantirten Capitale der anderen gesellschaftlichen j Linien ein Ganzes; die Bauarbeiten sind im Offertwege zu vergeben und binnen Jahresfrist zu vollenden, \vobei noch vor- gesorgt werden muss, dass die Bahn schon frliher sovveit fahrbar sei, um \venigstens Erze und andere Bergtverks- producte zu befordern. Letztere Anordnung wurde mit Riick- sicht auf die Innerberger Hauptgetverk- schaft getroffen, die unausgesetzt daran malinte, dass sie grossen Schaden er- leiden wiirde, wenn sie ihre neuen Hochofen-Anlagen in Hieflau und Schwe- chat mangels einer ausreichenden Erz- zufuhr nicht reclitzeitig in Betrieb setzen komite. Dessenungeachtet verzogerte sich die Vergebung des Baues bis 3. De¬ cember 1871; Ersteher desselben gegen die Pauschalsumme von 759.208 fl. fiir den Unterbau und 5 fl. 35 kr. fiir die Cur- rentklafterOberbau [excl. Material] blieben bei der an diesem Tage vorgenommenen Offertverhandlung der Fabriksbesitzer Josef Werndl in Steyr und der Eisenbahn- Ober-Ingenieur Josef Beyer in Wien; die Hochbauten etc. gelangten auf Grund von Einheitspreisen zur Vergebung. Der am 22. Januar 1872 abgeschlossene Bau- vertrag \vurde am 16. Marž 1872 vom Ministerium genehmigt. Die Actionare ertheilten die Zustimmung zur Ertverbung der beiden neuen Concessionen in der Ge- neralversammlung vom 5. December 1871. Bei den Erorterungen iiber die Con- cessionirung der Eisenbahn Hieflau-Eisen- erz an die Kronprinz Rudolf-Bahn kam auch die endliche Inangriffnahme der Strecke Klein-Reifling-Amstetten eindringlich zur Sprache. Der Verwal- tungsrath entschuldigte die Verzogerung mit den nothwendig gewesenen vielfachen Tracirungen und mit der aus diesem Grunde hinausgeschobenen politischen Begehung. Als aber diese Amtshandlung in den Tagen vom 16. bis 21. Mai 1870 stattfand, erwies sich das Project noch immer nicht als ein entsprechende s; es wurde daher nur bedingungstveise und erst nach einer nochmaligen Abanderung am 15. December 1870 endgiltig ge¬ nehmigt. Die Offertverhandlung fiir die Bauvergebung erfolgte am 22. Februar 1871, nahm aber auch keinen glatten Verlauf, \veil der Verwaltungsrath nicht dasjenige Angebot, welches bei derOffert- eroffnung sich als das billigste heraus- stellte, sondern eine seitens der Unter- nehmungen Diem-Reinhart und Gebriider Klein nachtraglich iiberreichte, um 11.000 fl. giinstigere Offerte beriicksichtigen wollte, welchen Vorgang das Ministerium hin- gegen verwehrte. Der Bauvertrag wurde also am 4. April 1871 mit der Unterneh- mung Fritsch und Theuer abgeschlossen, die tibrigens ihr urspriingliches Bestgebot aus freien Stiicken noch um 12.000 fl. ermassigte und die bis Ende August 1872 zu vollendende Herstellung des Unterbaues sammt allen Nebenleistungen um die Pauschalvergiitung von 2,767.838 fl. iiber- nahm. Fiir die Legung und Beschotterung des Oberbaues erhielt sie 5 fl. 50 kr. pro Currentklafter; die Lieferung des Eisen- und Sch\vellenmaterials besorgte die Gesellschaft selbst, desgleichen die Grund- einlosung. Die Hochbauten wurden zu Einheitspreisen vergeben. So \var denn endlich, 4^2 Jahre nach ihrer Concessionirung und nach- dem der niederosterreichische Landtag bereits die Anwendung von Zvvangs- massregeln gegen die Gesellschaft ver- langt hatte [Abendsitzung vom 1. September 1870], auch der Bau dieser letzten alten Strecke sichergestellt. Die Beschaffung des, unter Gutheissung der Regierung [Handels-Ministerial-Erlass vom 12. Januar und 7. Februar 1872], mit 18,723.800 fl. veranschlagten Anlage- Capitals *) der letztbesprochenen drei Baustrecken war wieder der Anglo-oster- reichischen Bank ubertragen, die aber bis zum Schlusse des Jahres 1872 nur Werthe im Betrage von 7,184.800 fl. wirklich *) Dasselbe vertheilte sichwie folgt: Klein- Reifling-Amstetten 11,632.100 fl.; Eisenerz- Hieflau 1,966.500 fl.; Villach-Tarvis 5,125.200 fl. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 25 emittirte; der Rest kam dureh freihandigen Verkauf auf den Markt. Um wie viel frtiher die Kronprinz Rudolf-Bahn bei besserer Ausniitzung der Zeit im ganzen Umfange dem Verkehre hatte nutzbar sein konnen, das erhellt aus der Thatsache, dass trotz aller Saumnisse das alteNetz genau ein Jahrvor Ablauf der hiefiir concessionsmassig festgesetzten, allerdings reich bemessenen Frist voll- Laibach-Tarvis, 102 km , am 14. December 1870; Ktipfern [Weyer]-Rottenmann, 84'S km, am 20. August 1872; Klein-Reifling-Amstetten, 43-5 km, am II. No¬ vember 1872; Hieflau-Eisenerz, I4'6 km, am 6. Januar 1873; Villach-Tarvis nebst der Verbindung mit der Sudbahn in Villach, 30U km, am 25. No¬ vember 1873. Das Betriebsgebiet der Gesellschaft . [vgl. Karte, Abb. 14] umfasste iiber- Abb. 16. Tunnel bei AJtenmarkt. endet war. Von den einzelnen Strecken wurden eroffnet: St. Valentin-Steyr,20'3 km, am 15. Augusti868; St.Michael-Villach, 175 km, am l9.0ctoberl868; St. Micliael-Leoben nebst der Verbindungs- Curve bei St. Michael, ii - 6 km, am I. De¬ cember 1868; Glandorf [St. Veit]-Klagenfurt, I7'4 km, am 15. April 1869; St. Michael-Rottenmann, 55'2 km, am 29. und Launsdorf-MSsel, 2/p3 km, am 30. Sep¬ tember 1869; Steyr-Ktipfern [Weyer], 41-1 km, am 7. Oc- tober 1869; dies noch die beiden im Jahre 1870 in Pacht genommenen Bergwerksbahnen Mosel-Hiittenberg, 5 l an g> und Zeltweg-Fohnsdorf, 7 - 9 km lang. Erstere war Eigenthum der Htitten- berger Eisenwerks-Gesellschaft in Klagen- furt, wurde am 6. October 1870 fiir den Montan-Giiterverkehr erbffnet und steht zufolge a. h. Bewilligung vom 12. November 1870 seit 10. Marž 1871 auch fiir den Personenverkehr in Be- niitzung; die zweitgenannte Balm, der 26 Ignaz Konta. Alpinen Montangesellschaft [als Nachfol- gerin der steiermarkischen Eisenindustrie- Gesellschaft] gehorig, tvurde am 8. April 1870, beziehungsvveise in der Fortsetzung bis zum Antonischacht, am 29. Februar 1871 eroffnet und dient ebenfalls dem all- gemeinen Verkehre, ohne dass sie jedoch jemals als offentliche Bahn concessionirt oder erklart worden \vare. Am Ende des Jahres 1874, als des ersten vollen Betriebsjahres aller damaligen [eigenen] Linien der - Kronprinz Rudolf- Bahn [620 km], haben die Anlagekosten derselben 110,045.32011. betragen, spater- hin aber sich noch um mehr als vier Millionen Gulden erhoht. Die eingeleisige Kronprinz Rudolf-Bahn miindet an zwei Stellen aus der Hauptlinie der KaiserinElisabeth-Bahn aus: inAmstetten, von wo sie entlang der Ybbs und nach zweima- liger Uebersetzung dieses Flusses [Eisen- briicken] nach VVaidhofen, Oberland [kleine Wasserscheide] undWeyer, sodann iiber die Enns [Eisenbriicke] nach Kastenreith und Klein- Reifling fiihrt, ferner in St. Valentin, von wo sie im Ennsthale iiber Steyr, Diirnbach, Reichramming und Grossramming nach Kiipfern [Weyer], dannin einem Felsentunnel durch den Kastenreithberg und vveiterhin theils in Felsen eingeschnitten, theils in die Enns eingebaut dem Vereinigungspunkte [Kastenreith, beziehungsweise Klein-Reifling] entgegenzieht. In derTheilstreckeKastenreith- Klem-Reifling haben die beiden Ausgangs- linien eine gemeinsame Trače. Hinter Klein- Reifling begmntderlandschaftlich schone,aber auch technisch schwierige Theil der Bahn. Sie steigt zunachst an den Berglehnen bis zum Lausabache [Grenze zwischen Oberosterreich und Steiermark], senkt sich dann zurStation Weissenbach-St. Gallen und passirt auf diesem \Vege den Klausbach-Viaduct [Eisenconstruc- tion] und drei Tunnels. Nachher stetig an- steigend, iiber den Weissenbach hinweg und nach abermaligerDurchfahrung dreier Tunnels wird die Station Gross-Reifling, sodann unter gleichgearteten V erhaltnissen [4 Tunnels, En ns- briicke, Erzbachbriicke] die Station Hieflau [Abzweigung nach Eisenerz] erreicht, fiir welche das Terrain nur durch bedeutende Felsenabsprengungen und Einbauten in die Enns gewonnen werden konnte. Nunmehr die bisber eingehaltene siidliche Richtung verlassend und sich direct nach Westen rvendend, tritt die Bahn in die unter dem Namen »Gesause« bekannte hochromantische Schlucht ein, zieht, irnmer ansteigend, durch die Felswand Ennsmauer, dann durch einen zweiten Tunnel unter der Fahrstrasse »am Hochsteg« dahin, setzt im »Kummer« auf das linke Ennsufer iiber, gelangt daselbst zu der in prachtvoller Gebirgslandschaft liegenden Station Gstatterboden, dann zum Gesause-Ausgang, wo sie nochmals das Enns¬ ufer \vechselt und durch einen Tunnel in das herrliche Ennsthal bei Admont austritt. In massiger Steigung wird hernach die Station Liezen erreicht, von \vo aus die Bahn auf weitem Wege zuriick nach Osten, iiber Rotten- mann, Gaishorn, Wald [Wasserscheide] und Mautern nach St. Michael fuhrt. Hier zweigt die kurze, in dem stellenweise sehr eingeeng- ten Murthale, ohneZrvischenstation, angelegte Anschlusslinie nach Leoben ab, und anderer- seits nimmt die Hauptlinie ihren Fortgang, zuerst in siidlicher Richtung, entlang der Mur, die zweimal iibersetzt wird, iiber Kraubach nach Knittelfeld, dann westwarts gewendet iiberZelt\veg[AbzweigungderBergwerksbahn nach Fohnsdorfj und Judenburg nach Unz- markt. Fortan in siidlicher Richtung empor zu der machtigen Wasserscheide bei Schauer- feld, dann im steten Gefalle weiterziehend, gelangt die Bahn iiber Neumarkt, Frie- sach, Hirt, Treibach und Launsdorf [Ab- zweigung nach MOsel], nach St. Veit an der Glan, wo sie sich in zwei Arme theilt, deren einerdie iiberGlandorf,Zollfeld undAnnabichl nach Klagenfurt fiihrende Zweiglinie bildet, der andere aber die Hauptlinie in westlicher Richtung, iiber Feldkirchen, Steindorf und die am Ossiacher See gelegenen Ortschaften, nach Villach |Anschluss an die Siidbahn] fortsetzt. Daselbst schliesst die Erganzungs- linie nach Tarvis an, deren letztes Stiick, welches, ober sich die Reichsstrasse mit ihren vielen Kunstbauten, unter sich die tiefeingerissene Schlitza-Schlucht, besonders romantisch ist. Von Tarvis aus nach Stid- osten hin, im Savethal, geht die weitere Fortsetzung der Bahn iiber Assling, Rad- mannsdorf, Krainburg, Bischoflack, Zwi- schenwassern und Vizmarje nach Lai- bach [Anschluss an die Siidbahn]. Auf diesem Zuge iibersetzt die Trače die Wasserscheide bei Ratschach, mehrere Thaler und Gewasser, so die Save [wieder- holt], den Zeyerfluss, den Weissenbach u. a. m. Die Fliigelbahn Hieflau-Eisenerz fuhrt durch einen, unmittelbar hinter der Ab- zweigestation beginnenden Tunnel in den Rangirbahnhof [der Fliigelbahn] und dann bei fortwahrender Steigung iiber Radmer und Munichthal nach Eisenerz. Sie iiber¬ setzt dreimal den Erzbach und einmal den Felsbach. Der Platz fiir den Rangir¬ bahnhof Hieflau musste ebenso wie jener fiir die Station Radmer durch grossartige Felsensprengungen gewonnen vverden. Die Nebenlinie zu dem karntneris.chen Erzberge bei MOsel zweigt in Launsdort ab, iibersetzt die Gurk und fiihrt in nOrd- licher Richtung liings des Gertschitzbaches, dessen Ufer viermal gewechselt werden [Holzbrucken], iiber Briickl, Eberstein und Klein-St. Paul nach MOsel, wo die Berg- vverksbahn nach Hiittenberg anschliesst. [Vgl. Abb. 15 - 30.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 27 Zuriickkehrend zu dem chronologischen Ausgangspunkte dieser Mittheilungen, ist vor Anderem der a. h. Entschliessung vom 25. Marž 1867 zu gedenken, mit welcher die schon in dem friiheren Ab- schnitte*) besprochenen, als Anhang zu den Goncessions-Urkunden der damaligen »jungen Bahnen« zwischen diesen und der Regierung vereinbarten Vertrage sowie deren von den ersteren Compaciscen-. ten nachtraglich erbetenen Abanderungen a. h. Genehmigung vom 9. April 1867 [beziehungsweise vom 30. Juni 1866] zwischen der Regierung und der Sudbahn abgeschlossenen Vertrage vom 13. April 1867 ihren Ausdruck fanden. Diese Ge- sellschaft besass bis dahin die staatliche Garantie eines 5 ' 2 °/oh? en Reinertrag- nisses, war aber verpflichtet, die Halfte desselben, falls und soweit es 7 °/ 0 des Anlage-Capitales ubersteigt, vom Jahre 1870 an zur Abzahlung des Kaufschillings- Abb. 17. Gross-Reifling. [1869.] endgiltig genehmigt und sohin die un- erquicklichen Garantie-Streitigkeiten bei- gelegt wurden, unter denen jene Bahnen [Elisabeth-Bahn, Theissbahn, Siid-nord- deutsche Verbindungsbahn, Bohmische Westbahn] seit dem Jahre 1863 viel zu leiden hatten. — [Finanzministerial-Erlass vom 24. April 1867.] Sodann miissen wir bei den Trans- actionen verweilen, welche in dem mit *) Vgl. Bd. I, 1. Theil, H. Strach, Ge- sehichte der Eisenbahnen Oesterreich-Ungarns von den ersten Anfangen bis zum Tahre 1867. Seite 470 u. ff. restes fur die ihr tiberlassenen ehemaligen staatlichen Linien zu verwenden [vgl. Bd. I, Theil 1, Seite 434]; nun verzichtete die Sudbahn auf die Netto-Garantie und tauschte hiefur sowie fiir einige neu iiber- nommene Verpflichtungen ein: die Garantie eines Brutto-Ertragnisses von 100.000 fl. pro Meile und die Verbindlichkeit zur Ab- stattung des Kaufschillingsrestes mit einem Zehntel des Brutto-Ertragnisses, soweit es 107.000 fl., beziehungsweise einem Viertel, soweit es 110.000 fl. pro Meile tibersteige, jedoch mit der Einschrankung, dass in dem Falle, als die Gesellschaft vom I. Januar 1880 an die Einkommensteuer zu entrichten 28 Ignaz Konta. haben solite, die Zahlung des Zehntels, beziehungsweise Viertels an den Staat insolange und in dem Masse nicht statt- finde, als es zur Entrichtung der Ein- kommensteuer in Anspruch genommen werden miisste;*) ferner die Verlange- rung der Goncessionsdauer um 14 Jahre [namlich auf 99 Jahre vom I. Januar 1870 an] und der Steuerfreiheit um 11 Jahre [namlich bis I. Januar 1880] — und die Enthebung von der Obliegenheit des Baues der Strecke Marburg-Pettau. Die hauptsachlichsten der neu einge- gangenen Verpflichtungen der Gesellschaft \varen : die Ausfiihrung des Hafenbaues in Triest fiir Rechnung des Staates gegen ein Entgelt von 13,500.000 fl.; die Herab- setzung der Frachttarife ftir grossere Ent- fernungen; das ganzliche, beziebungsweise voriibergehende Aufgeben des conces- sionsmassigen Vorrechtes auf verschiedene *) Aus diesen Bestimmungen [Artikel 10 und 12 des Vertrages] entwickelte sich in dem Augenblicke, als die Steuerfreiheit aufhorte, ein Rechtsstreit, der funfzehn Jahre andauerte. Das Finanzministerium verlangte, obwohl das Brutto-Ertragnis nach Abzug der Einkommen- steuer und der verschiedenen Zuschlage nicht mehr jene HShe hatte, die einen Anspruch des Staates begriindete, dennoch eine Kaufschil- lingsrate, weil die Sudbahn die Einkommen- steuer zum Theile auf die Prioritare iiber- walzt hatte und die obige Vertragsbestim- mung sich angeblich gar nicht auf die »auto- nomen« Steuerzuscblage beziehe. Die Ge¬ sellschaft hingegen lehnte die Forderung, unter Hinweis auf den Wortlaut des Ver¬ trages, beharrlich ab, worauf sie von der Staatsverwaltung zuerst beimHandelsgerichte und, als dieses sich fiir incompetent erklart hatte, bei dem zustandigen Schiedsgerichte geklagt wurde. Eine Entscheidung kam da- mals nicht zustande. Die Antrage der Siid- bahn blieben unerledigt und die ganze Sache gerieth ins Stocken bis anlasslich der in der jungsten Zeit gefiihrten Verhandlungen tiber die von der Gesellschaft beabsichtigte Auf- nahme eines Investitions-Anlehens die Regie- rung die Austragung dieses Rechtsstreites zur Vorbedingung machte. Daraufhin wurde das Schiedsgericht von beiden Streittheilen iibereinstimmend ersucht, das unterbrochene Verfahren wieder aufzunehmen und das Ur- theil zu fallen. Dies geschah durch den Schiedsspruch vom 24. Februar 1897, womit zu Recht erkannt wurde: Es habe flir die Auslegung und Arnven- dung des dritten Absatzes des Art. 12 des Uebereinkommens vom 13. April 1867, R.-G.- Bl. 69, der Grundsatz zu gelten, dass das nach Absatz 2 des Art. 12 des bezogenen Linien; die Verpflichtung zum Baue einer Bahn von Kottori [Kanizsa] nach Barcs und einer Zweiglinie von Bruck a. d. Mur nach Leoben. Dass diese Abmachungen fiir die Ge¬ sellschaft gevvinnbringend gewesen seien, ja sogar dass sie dabei auch nur volle Gleichvverthigkeit der eingetauschten Rechte und Pflichten erzielt hatte, wurde seither von ihren Interessenten \viederholt angezweifelt. In der Generalversamm- lung vom 30. April 1867 theilten jedoch die Actionare die Befriedigung, \velche der Verwaltungsrath iiber den Vertrags- schluss zu erkennen gab, ebenso wie sie mit Genugthuung die hoffnungsreiche Schilderung der Zukunft ihres Unter- nehmens vernahmen. Dieselbe hat sich allerdings anders gestaltet; daran ist aber fast ausschliesslich die iibermassige Kost- spieligkeit der ersten Geldbeschaffungen Uebereinkommens zur Abstattung des Rest- betrages derlaut§ 15 derConcessions-Urkunde vom 23. September 1858 zu zahlenden Ab- losungssumme bestimmte Zehntel des Brutto- ertragnisses, soweit dasselbe 107.000 fl., be- ziehungsweise Viertel des Bruttoertragnisses, soweit dasselbe 110.000 fl. pro Jahr und Meile iibersteigt, zunachst zur Abstattung der der Gesellschaft obliegenden Zahlung der vollen staatlichen Einkommensteuer sammt staat- lichen Zuschlagen sowie zur Zahlung der Plaifte der nichtararischen Umlagen und Zu¬ schlage zur Einkommensteuer zu verwenden ist, ohne Rticksicht darauf, ob die Gesell¬ schaft in Anvvendung des den Steuertragern in § 23 des Einkommensteuer-Patentes vom 29. October 1849 eingeraumten Rechtes die Steuer von den Passivzinsen ihren Glaubigern in Abzug bringt oder nicht; dass somit nur der allenfalls verbleibende Rest zur allmah- lichen Abstattung des noch aushaftenden Restbetrages der AblSsungssumme an die Staatscasse abzuftihren ist. Die auf Grund dieses Schiedsspruches fiir die Jahre 1S80 bis einschliesslich 1895 fallig gewordene Abschlagszahlung auf den Kaufschillingsrest fiir die Linie Wien- Triest zuziiglich der 6°/ 0 igen Verzugszinsen bis zum Zahlungstage [31. Marž 1897] be- trug 1,669.949 fl. 78 kr., welche Summe aus dem ErlOse des 4°/ 0 igen Mark-Anlehens bedeckt wird. Die unverzinslicheKaufschillingsrestschuld ftir die Linie Wien-Triest und weiters auch jene fiir die lombardisch-venetianisclienLinien, welch letztere nach vollstandiger Tilgung der ersteren Schuld nach den gleichen Grund- satzen abzustatten ist, betragen sohin noch 32,707.791 fl. 53 kr. [Vgl. Geschafts-Bericht der Sudbahn pro 1896.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 29 schuld, welche die Hohe des Anlage- Capitals verdoppelten. Die auf Grand des Vertrages auszu- fiihrenden zwei neuen Linien, hatten schon darum vermehrte Wichtigkeit fiir die Gesellschaft, weil beide den iibrigen gesellschaftlichen Linien reich- haltige Lager guter Kohle erschliessen, Anlage an anderer Stelle bereits ausfiihr- lich geschildert wurde,*) bildet mit ihren Steigungs- und Krummungsverhaltnissen und den vielen Kunstbauten ein wiirdiges Seitenstiick zur Semmeringbahn; sie besitzt zwar keinen Scheiteltunnel, dafiir aber eine grossere Anzahl und Gesammtlange an Tunnels [22 mit zusammen 5233 m Abb. 18. Ennsmauer-Tunnel. und zwar die ungarische Linie das j Fiinfkirchner, die osterreichische das I Leobner Becken. Ihr Bau hat im Sep- ! tember 1867 begonnen und war nach ! Jahresfrist vollendet. Die Eroffnung fand am 1. September 1868 statt. Wenige Tage vor der Inangriffnahme dieserbeiden Linien, am 24. August 1867, wurde die »Brennerbahn« dem Betriebe tibergeben. Diese sch\vierige, von dem gesellschaftlichen Baudirector Karl von Etzel vorbereitete, imjahre 1864 begon- nene und von Achilles Thommen im Ver- ein mit Pressel vollendete Bahn, deren Lange], davon zwei mit Kehren, welche hier zum ersten Male in Amvendung kamen. Wahrend desjahres 1867 verpflanzte sich die neue Eisenbahn-Bauthatigkeit auch in die ostlichsten Gemarkungen Oesterreichs, da sowohl die Carl Ludwig- Bahn, als auch die Lemberg - Czerno- *) Vgl. Bd. I, 1. Theil, H. S trač h, Ge¬ schichte der Eisenbahnen Oesterreich-Ungarns von den ersten Anfangen bis 1867. Seite 415 u. ff. 3° Ignaz Konta. witzer Balin am i$- Mai 1867 die Con- cession zur Fortsetzung ibrer Linien erhielten und beide Gesellschaften unver- weilt zur Ausfiihrung des Weiterbaues schritten. Die Strecke Lemberg -Brod y- Russische Grenze war schon in der ersten Concession fiir die Carl Ludwig-Bahn [1857] inbegriffen; die Concessionirung dieser Linie \vurde jedoch auf Ansuchen der Griinder dieser Bahn wieder fallen gelassen und ihnen in der abgeanderten Concession vom 7. April 1858 nur das Vorrecht vor dritten Bewerbern vorbehalten. Als nun Jahre vergingen, ohne dass die Gesell- schaft sich um den Fortsetzungsbau weiter bekiimmerte, nahm die Brodyer Kaufmannschaft sich dieses Projectes riihrig an und gab damit den Anstoss zu mehreren interessant gestalteten Be- werbungen, die ebensovrohl die Brodyer als wie die ostgalizische Strecke nach Tarnopol zum Gegenstande hatten. Neben dem emeritirten Ober-Ingenieur der Carl Ludwig-Bahn Ladislaus Z a p a 1 o- wicz, der auf Grund der Bewilligung vom 26. September 1864 eingehende Vor- arbeiten durchgefiihrt hatte, befasste sich der Ingenieur G i 1 e s von der englischen Bauunternehmung der Lemberg-Czerno- witzer Bahn mit dem Projecte und gleich- zeitig bildete der Prasident der Carl j Ludwig-Bahn, Leo Ftirst Sapieha, in Ge- meinschaft mit dem General - Secretar dieser Gesellschaft, Dr. Johann Ritter von Herz, und dem Grafen Severin Bor- kowski ein Consortium, das eine eigene Gesellschaft fiir die neuen Strecken griinden wollte und sich bereits von Seite der alten Bahn sowohl des Verzichtes auf ihr diesbeziigliches Vorrecht als auch der Betriebfuhrung auf jenen Strecken vergewissert hatte. Diesem Consortium traten die osterreichische Credit-Anstalt in Verbindung mit dem Bankhause To- desco, das ebenfalls im Verwaltungsrathe der Carl Ludwig-Bahn vertreten war, und schliesslich noch eine andere Ver- einigung gegenuber, an deren Spitze sich der Fiirst Sanguszko, Graf Alfred Potočki und das Mitglied des Venvaltungsrathes der Carl Ludwig-Bahn Graf Wladimir Borkowski befanden. Diese Constellation blieb nicht un- beachtet; denn angesichts der durch den \Vettbewerb dreier mit der Ver- waltung der Carl Ludwig-Bahn in Be- rtihrung stehenden Gruppen erwiesenen Bedeutung der Fortsetzungsstrecken, warf sich von selbst die Frage auf, warum die Concession nicht von dem hiezu ohne- hin bevorrechteten Stammunternehmen angestrebt werde. Daher erschien es blos als naturgemass, dass der Fiirst Sapieha und der General-Secretar von Herz, wie auch die Gruppe der Credit- Anstalt wieder von der Bewerbung zu- riicktraten [1866]. Die anderen frtiheren Genossen des Fiirsten Sapieha, unter nunmehriger Fuhrung des Grafen Severin Borkowski, und das Consortium des Fiirsten Sanguszko hielten jedoch die Concurrenz aufrecht und setzten sie eifriger denn je fort. Beide riefen die Unterstiitzung der Landeshauptstadt an, unter dem Versprechen, den neuen Bahn- hof innerhalb der Stadt zu errichten, wie der Gemeinderatli dies unablassig wiinschte und, in Anhoffung der baldigen Sicherstellung des so rege umworbenen Bahnbaues, auch durch eine eigens ent- sendete Deputation an den Stufen des Thrones erbeten hatte [December 1866]. Nun gab aber die Venvaltung der Carl Ludwig-Bahn denn doch die Zuriick- haltung auf, in der sie —■ laut des Be- richtes an die XI. ausserordentliche Generalversammlung —• lediglich wegen des bislang in Zweifel gestandenen An- schlusses an die russischen Bahnen ver- harrt hatte; sie machte in einem directen Concessions-Gesuche ihr Vorrecht geltend [Marž 1867] und gewann damit die Oberhand, \venngleich um den Preis einer namhaften Ermassigung der Tarife auf allen ihren Linien. Die Gesellschaft erhielt, wie schon oben erwahnt, am 15. Mai 1867 die Concession zum Weiterbau von Lem¬ berg einerseits nach B r o d y, andererseits nach Tarnopol und, im Falle des Ausbaues der russischen Bahnen b i s a n die Reichsgrenze, zum Anschlusse an die letzteren, unter Zusicherung eines Reinertragnisses von 50.000 fl. pro Meile und Gewahrung einer neunjahrigen Steuer- freiheit. Die Baufrist war auf langstens Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 31 Abb. 19. Rangirbahnhof in Hieflau. [1869.] drei Jahre, gerechnet vom 15. Januar i 1868, festgesetzt. Da die [XI.] ausserordentliche General- versammlung vom 15. Mai 1867 die Er- werbung dieser Concession genehmigte und den Verwaltungsrath zur Aufbringung des Baufondes im vorlaufigen Betrage von 15,000.000 fl. ermachtigte, konnte sogleich zur Durchfuhrung des Projectes geschritten \verden. Die Geldbeschaffung erfolgte durch Ausgabe von 20.000 Actien [Emission II] a 210 fl., welche bis auf 4000 Stiick von den Besitzern der alteren Actien bezogen Avurden, sowie ferner durch eine grossentheils an die Credit-Anstalt be- gebene [II.] Emission ftinfprocentiger Prioritats-Obligationen im Betrage von 10,800.000 fl. Die Vergebung des Baues der Strecke Lemberg-Krasne-Brody ging am 17. Juli vor sich; Ersteher blieb ein galizisches I Consortium mit dem Fursten Adam Sapieha an der Spitze, \velches fiir eine Pauschalvergtitung von 4,176.374 fl. sich verpflichtete, die Grundeinlosung und die gesammten Bauarbeiten zu be- werkstelligen und die Bahn bis 1. Octo- ber 1868 dem Betriebe zu iibergeben. Die Schienen, den Fahrpark und die Ausriistungsgegenstande beschaffte die Gesellschaft selbst. Der Bau begann im Monate August und trug viel zur Linderung des Noth- standes bei, welcher infolge der in den ersten Julitagen eingetretenen grossen Ueberschwemmungen in Galizien unter der Landbevolkerung herrschte. Gleich- falls noch im Monate August fanden die von den beiderseitigen Regierungen ein- geleiteten commissionellen Verhandhmgen in Betreff des Anschlusses der oster- reichischen und russischen Bahnen bei WoIoczyska statt, welche das durch 32 Ignaz Konta. spatere Ministerial-Erklarungen ratificirte Uebereinkommen vom 8. und 20. August 1867 zum Ergebnisse hatten und die Weiterfiihrung der Tarnopoler Strecke bis an die Reichsgrenze sogleich ermog- lichten. Den Bau der kurzen Theilstrecke Krasne-Ztoczow iibernahm gleichfalls das Consortium des Fiirsten Sapieha gegen eine Pauschalvergiitung von 770.000 fl. und im Uebrigen gleicbe Bedingungen \vie bei den friiher erstandenen Arbeiten; die restliche Strecke Zloczow-Tarnopol- Podwoloczyska wurde erst im December 1868, in Lose getheilt, an vier Unter- nehmer gegen Pauschalvergiitung von zusammen 5)614.040 fl. [exclusive Grund- eiiilosung] vergeben. UnvorhergeseheneHindernisse der ver- schiedensten Art — Mangel an Arbeits- kraften, ungiinstige Witterungsverhalt- nisse, zumeist aber die vielen Schwierig- keiten, vvelche allenthalben der Grundein- losung bereitet wurden — verzogerten die Bauarbeiten so sehr, dass die Strecken Lemberg-Kras ne - B r o d y und Kr a sne-Zlo cz 6 w, zusammen 117‘3 km, erst am 12. Juli 1869, die Strecke Zlo- czow-Tarnopol, 64 km [fur den Gesammtverkehr], am 1. August 1871*) und die Endstrecke Tarnopol-Podtvo- loczyska-Reichsgrenze, 5 2 '9 km, am 4. October 1871 eroffnet werden konnten. Inzwischen waren mit Ermachtigung der Generalversammlungen vom 24. Mai 1869 und vom 8. Mai 1871 weitere Actien und Prioritaten im Betrage von 16,000.000 fl. zum Zwecke der Be- deckung des Bauaufwandes ausgegeben, beziehungsweise den Besitzern der alteren Titel zum Bezuge iiberlassen worden. Der Bau der 7-3 km langen Theilstrecke von B r o d y bis an die russische Grenze bei Radziwil6w wurde zwar schon im Sommer 1870, d. i. gleich nachdem die Kiew-Brester Bahn den Verwaltungsrath der Carl Ludwig-Bahn benachrichtigt hatte, dass die russische Re¬ gi erung jene Gesellschaft zur Herstellung der Verbindungsstrecke Radziwilow- *) Ftir den Giiterverkelir wurde diese Strecke am 22. December 1870 in Beniitzung genommen. Oesterreichische Grenze verpflichtete, vollstandig vorbereitet, seine Inangriff- nahme aber, vvegen der lange aushaftend gebliebenen Ratification des beztiglichen internationalen Uebereinkommens vom 9. und 21. November 1870, bis in den Sommer 1872 hinausgesclioben. Er wurde von der Unternehmung Wenzel Breiter und J. Gomulinski aus- gefiihrt und in Jahresfrist vollendet; die Betriebseroffnung fand am 27. August 1873 statt, also gerade noch zur rechten Zeit, um den damals aus Russland zu- gestromten Getreidetransporten die zweite Abfuhrstrasse zu erschliessen. Die Kosten des Baues wurden aus den Geldmitteln be- deckt, vvelche die auf Grund des Beschlusses der Generalversammlung vom 6. Mai 1872, fur verschiedene gesellschaftliche Zwecke [zumeist Nachschaffungen und Recon- structionen] auf den alten Linien, erfolgte neuerliche Ausgabe von Actien und Prioritats - Obligationen im Gesammtbe- trage von 14,000.000 fl. einbrachte. Damals hatte das Gesellschaftscapital die Hohe von nominale 82,080.000 fl., wogegen die Anlagekosten der Linie Krakau- Lemberg 46,254.000 fl. und jene der Fortsetzungsstrecken 32,766.000 fl. be- trugen. Die Trače der Linie Lemberg-Podvvolo- czyska zieht von dem alten Bahnhofe in Lemberg um die Stadt nach Podzamcze, tibersetzt mittels Eisenbrticken den Thalein- schnitt und den Peltewbach, um nach Krasne [Abzweigung nach Brody] und dann iiber Kniaže, Zloczovv, Pluchow, Zborow, Jezierna, Hluboczek wielki nach Tarnopol zu gelangen, von wo aus sie im Hugellande an die Reichs¬ grenze bei Podwoloczyska fflhrt, jenseits des Grenzflusses Zbrucz der Anschluss an die russischen Bahnen [Balta, Odessa] statt- findet. Der Brodyer Fltigel zweigt in Krasne ab, iibersetzt auf einer Eisenbrucke den Bug- fluss und fiihrt, mehr nordlich gewendet, iiber Ožydow, Zablotce und Brody an die Reichs- f renze bei Radziwilow zum Anschlusse an ie Kiew-Brester Bahn. Zwischen Brody und Radziwil6w liegt neben dem normal- spurigen auch ein breitspuriges Geleise, damit die beiderseitigen Fahrbetriebsmittel bis in die genannten Grenzstationen verkehren kOnnen.*) Ausser hohen Dammen und tiefen Einschnitten zwischen Lemberg-Podzamcze [bei Kleparow] und hinter Zloczow [im coupirten *) Die meisten russischen Bahnen haben bekanntlich eine Spurweite von 1-524 [ 5 'engl.]. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. n n ,3o Terrain bei Plchorv] waren keine besonders schwierigen Bauanlagen auszufuhren. [Vgl. Abb. 31—37.] Wesentlich rascher und einfacher als der \Veiterbau der Carl Ludwig-Bahn kam jener der Lemberg-Czerno vvitzer Bahn zustande, die, eingedenk des Her- ganges ihrer eigenen Grundung, und stets bemiiht an Ausdehnunp; und Selbstandig- Gewahrleistung eines jahrlichen Reiner- tragnisses von 700.000fl. sowie einer neun- jahrigen Steuerfreiheit verliehen vvurde. Unmittelbar darnach tibernahmen die Anglo-osterreichische Bank die vorlaufige Beistellung der Geldmittel und der Unter- nehrner Thomas Brassey die Bauarbeiten. Letzterer verpflichtete sich, den Bau und die Ausriistung, mit Ausnahme der Ge- Abb. 20. Gesause-Eingang.' [Nach einer photographischen Aufnahme von E. Scherner, Villach.] keit zu gewinnen, jede hiezu sich bietende j Gelegenheit, auch ohne fremde Da- zvvischenkunft, mit wahrem Eifer erfasste. Sie versuchte also, nachdem das Vor- haben, ihre Linie auf russischem Gebiete bis an das Schwarze Meer zu fiihren, an dem Widerstreben der russischen Re- gierung gescheitert war, den Weg dahin iiber Rumanien zu finden und strebte zunachst ftir die osterreichische Strecke Czerno\vitz-Sucza\va die Concession an, welche ihr am 15. Mai 1867, mit dem Rechte zum eventuellen Ausbaue -1 der Bahn bis an die Reichsgrenze, unter Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. baude und des Fahrparkes, ftir eine Pauschalvergiitung von 7,295.000 fl. zu vollfuhren und die ganze Linie bis lang- stens Ende 1869 betriebsfahig fertig zu stellen. Der Bau \vurde concessionsgemass noch im Herbste 1867 begonnen, um der von einer Hungersnoth heimgesuchten Bevolkerung der Bukowina ehestens Er- werb zu schaffen. Als hierauf die Generalversamm- lung vom 27. April 1868 alle diese Massnahmen genehmigt und ftir die bleibende Bedeckung der Baukosten 3 34 Ignaz Konta. durch eine Prioritaten-Emission von nomi- nale 12,000.000 fl. vorgesorgt hatte, wen- dete sich der Verwaltungsrath den weit- reichenden ausserosterreichischen Planen zu, indem er, wegen der augenblicklichen statutarischen Unzulassigkeit, eine fremd- landische Concession ftir die bestehende Gesellschaft zu erwerben, durch ein aus seinen osterreichischen und Londoner Mit- Bahn von der osterreichischen Grenze nach Jassy, Galatz und Bukarest ertheilt. Allein eine plotzliche Auflosung der Kammern verschleppte die Angelegenheit, deren Erledigung sich so giinstig ange- lassen hatte. Es stellten sich auch Con- currenten ein; der preussische Bauunter- nehmer Dr. Bethel Henry Strousberg im Vereine mit den Herzogen von Ratibor Abb. 21. Tunnel am Gesause-Eingang. gliedern und dem Bauunternehmer Brassey zusammengesetztes Consortiurn mit der rumanischen Regierung in Unterhandlung trat. Ware es bei dem ersten Ergebnisse derselben verblieben, so hatte das Con- sortium sich bald am Ziele seiner Wixnsche gesehen; denn vorbehaltlich der Zustimmung der Kammern, welche fur Beginn November zu einer ausser- ordentlichen Session einberufen vvorden waren, hatte die rumanische Regierung dem Consortiurn bereits die Concession einer und von Ujest wollte das ganze moldau- walachische Balmnetz, — die englische Unternehmung Gebriider Waring & Chap- man die Linien Michaileny-Jassy-Galatz- Bukarest ausfiihren. Das gab der rumanischen Regie¬ rung die Moglichkeit, giinstigere Be- dingungen und, durch die Auftheiluno. des Bahnnetzes an verschiedene Unter- nehmungen, eine schnellere Plerstellung desselben zu erzielen. So fiel denn mit Zustimmung der im Mai 1868 neuerlich zusammengetretenen Kammern nur die Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 35 Concession fiir die Linie Suczawa-Jassy mit den Fliigelbahnen nach Botosani und Roman dem osterreichischen Con- sortium zu, unter der Bedingung, dass die unverziiglich in Angriff zu nehmenden Bauten binnen zwei Jahren vollendet \verden, wogrep:en die Reo-ierung; den Concessionaren das Expropriationsrecht, eine Bausubvention von 40.000 Francs ischen Linien sowie zu deren Vollendung bis langstens im Sommer 1870 ver- pflichtete und hiefiir die Bausubvention der rumanischen Regierung und gesell- schaftliche Titel im Betrage von nomi- nale 25,600.000 fl. in Zahlung nahm. Der Werth der rumanischen Con¬ cession fiir die Lemberg - Czernowitzer Bahn war unverkennbar; denn obzwar Abb. 22; Brucke liber den Wagenbach und Tunnel bei Goggau. pro Kilometer, eine zehnjahrige Einfuhr- zoll- und Steuerfreiheit gewahrte und ein jahrliches 7V2°/o'8" es Reinertragnis von einem Capitale von 3,743.250 Francs = 1,497.300 fl. Silber garantirte. Die Ausfertigung der Concessions- Urkunde erfolgte am 7. und 19. Juni 1868, sodann am 13. Juli der Abschluss des Bauvertrages mit dem Unternehmer Thomas Brassey, der sich in analoger Weise wie rticksichtlich der Suczawaer Bahn, zur Ausfiihrung auch der moldau- sie das gesellschaftliche Project der Pontusbahn nicht verwirklichte, bewahrte sie doch die osterreichische Linie davor, eine Sackbahn zu bleiben und iiberdies bot diese Concession ergiebige finanzielle Hilfsmittel, die allein schon den Theil- habern gute Einkiinfte dauernd sicherten. Die ausserordentliche Generalversamm- lung vom 15. October 1868 beschloss da- her glattweg, diese Concession sammt allen Rechten und Pflichten in den Besitz der bestehenden Gesellschaft zu iibernehmen, 3* 36 Ignaz Konta. Abb. 23. Leoben [1869]. deren bisherige Statuten demgemass ab- zuandern, ihr fortan die Firma: »Lem¬ berg-Czer no \vitz -Jassy - Eisen- bahn« zu geben und das Baucapital fiir die moldauischen Linien durch Aus- gabe von 50.000 Actien [II. Emission] a 200 fl. und 52.000 Prioritats-Obliga- tionen [III. Emission] a 300 fl. zu be- schaffen. Vermoge eines weiteren Ab- kommens erwarb die Anglo-osterreichische Bank diese Titel von dem Unternehmer Brassey und uberliess die Actien den Besitzern der alten Lemberg - Czerno- witzer Actien zum Preise von 140 fl. pro Sttick; die Prioritaten aber wurden tbeils freihandig begeben, theils zum Curse von 69°/ 0 zur offentlichenZeichnung aufgelegt. Die osterreichische Strecke Czerno- \vitz-Suczawa-Reichsgrenze[89 , 9/e;w] wurde, wiewohl ihre Terrainverhaltnisse ungiinstige gewesen und bedeutende Erd- arbeiten bedingten, am 28. October 1869 eroffnet. Diese Trače geht in gerader Verlangerung der Linie Lemberg-Czernowitz von letzterer Station durch den sogenannten Judengraben auf die benachbarte Hochebene, dann tiber einige Bache und die Kaiserstrasse hinweg ms Dereluithal, und in diesem stetig an- steigend bis Kuczurmare, hernach wieder uber mehrere Bache in die gebirgige Gegend bei Kiczera und Hliboka, welche in tiefen Ein- schnitten und auf grossen Dimen passirt wird, um schliesslich im Sereththale nach Czerep- koutz zu gelangen. Nach Uebersetzung des Serethflusses [Eisenbriicke] steigt die Bahn zur Wasserscheide bei Baince hinan, gewinnt in Hadikfalva dieUfer der Suczawa, entlang deren si e an der Seite der Kaiserstrasse bis Itzkany zieht, wo die Grenzstation Suczaiva errichtet ist, weil dies in der nebengelegenen Stadt gleichen Namens nicht ausfiihrbar war. Die rumanische Fortsetzungsstrecke Suczawa-Roman [102'9 km\ wurde am 15. December 1869 und ihre Ausastung von Pascani nach Jassy [76*6 km] am 1. Juni 1870 eroffnet. Dagegen konnte der Fliigel Veresti-Botosani [44" 5 km\ erst am 1. November 1871 dem Betriebe ubergeben \verden. Noch immer nach einer thunlichst unmittelbaren Verbindung mit dem Schwarzen Meere ausblickend, machte sich die Gesellschaft, als die Strecke Pascani-Jassy der Vollendung entgegen ging, die Erlangung der Concession fiir die Linie Jassy-Kischeneff zur Aufgabe. Nicht minder wollte sie ihre Expansionslust auch auf heimatlichem Boden befriedigen und von Lemberg aus, einerseits nach Norden bis an die russische Grenze bei Tomaszow, andererseits nach Siiden iiber Stryj und Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 37 Skole bis an die ungarische Grenze am Beskid, Schieneirvvege bauen. Vielleicht waren ihr auch diese gross angelegten und von der Generalversamm- lung vom 28. April 1870 gutgeheissenen Plane gegliickt, wenn nicht damals schon jene spaterhin eingetretenen Gescheh- nisse, \velche der Gesellschaft so viele Wider\vartigkeiten bereiteten, ihre ersten Schatten vorausgeworfen hatten. Wiederholte, offentlich vorgebrachte Beschwerden iiber Verkehrsstorungen und mangelhafte Sicherheit des Be- triebes veranlassten die staatliche Auf- sichtsbehorde zu ernsten Mahnungen und einige Monate darauf sogar zur Entsenduno- eines eigenen Commissars, der bevollmachtigt war, die genaue Aus- fiihrung der vom Ministerium angeord- neten Reconstructionen an Ort und Stelle zu iiberwachen, etwaige ungeeignete Ver- fiigungen der gesellschaftlichen Organe zu sistiren und erforderlichenfalls die nothvvendigen Arbeiten selbst zu ver- anlassen [November 1870]. Die nachste Sorge und Thatigkeit der Gesellschaft musste also darauf ge- richtet sein, ihre vorhandenen Linien gehorig in Stand zu setzen und das all- gemeine Zutrauen zu bewahren, be- ziehungsvveise wieder zu gervinnen. Ausser den bisher bereitsbesprochenen Bahnlinien gelangten im gleichen Zeit- abschnitte noch einige, schon friiher con- cessionirt gevvesene Strecken, zur Ausfiih- rung, beziehungsvveise Vollendung, so na- mentlich: die Fortsetzung der Aussig- Tep litzer Bahn nach Dux [io'i km\, der Schwadowitzer Fliigel [26-5 km] der Stid- norddeutschen Verbindungsbahn, die Strecke Oderberg-Teschen [31-6 km] der unter grossen Miihseligkeiten zustande gekommenen Kaschau-Oderberger Bahn, die Linien der BOhmischen Nord- bahn [142-5 km]*) und die bald nach ihrer Eroffnung aus der Zugehorigkeit zum osterreichischen Bahnnetze ausgeschiede- nen Strecken der Siebenbiirger Bahn und der Ungarischen Nordbahn.**) *) Es wurden erilffnet am 14. November 1867 Bakov-B.-Leipa [44’8 km ]; am 16. Januar 1868 B.-Leipa-Rumburg [46 km], Bodenbach- Tannenberg [401 km), Kreibitz-NeudOrfel- Warnsdorf [114 km]. **) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach, Geschichte der Eisenbahnen Oesterreich- Ungarns von den ersten Anfangen bis 1867. Abb. 24. Villach [1869]. 38 Ignaz Konta, Die Anfangsperiode des vierten Jahr- zehntes der osterreichischen Locomotiv- Eisenbahn-Aera ge'wannjedoch nicht allein durch die wahrend derselben wieder- erstandene und fast liber das ganze Reich ausgebreitete Eisenbahn - Bauthatigkeit eine epochale Bedeutung fiir den Entwick- lungsgang unseres Eisenbahnwesens, sondern auch durch die Zweitheilung, die dasselbe aus Anlass der damaligen tiefgreifenden Aenderungen in dem poli- tischen Gefiige der Monarchie erfahren hat. Die staatsrechtlichen Auseinander- setzungen mit Ungarn hatten zu einem »Ausgleiche« gefiihrt, kraft dessen die Liinder der ungarischen Krone nun ein mit eigener Regierung und Gesetzgebung ausgestatteter selbstandiger Staat — das Konigreich Ungarn — sind, der mit den iibrigen, ebenfalls einen gesonderten Staat — das Kaiserthum Oesterreich — bil- denden, cisleithanischen Konigreichen und Landern biindnismassig mancherlei An- gelegenheiten — hauptsachlich die aus- wartigen einschliesslich der diplomati- schen und commerziellen Vertretung, ferner die internationalen Vertrage, das Kriegswesen mit Inbegriff der Kriegs- marine, die Zollgesetzgebung, das Miinz- wesen, das Wehrsystem etc. — hin- sichtlich des Eisenbahnwesens aber nur jene gemeinsam hat, die das Interesse beider Reichshalften beriihren. [Gesetz vom 21. December 1867.] Es ging sohin, bald nachdem die Einsetzung der koma:- o o lich ungarischen Regierung stattgefunden [17., beziehungsweise 20. Februar 1867], zunachst die Uebervvachung des Baues und Betriebes der in Ungarn gelegenen Bahnlinien in die, vorerst mit Beihilfe osterreichischer Krafte und als Expositur der osterreichischen Aufsichtsbehorde errichtete »Koniglich Ungarische E is enb ahn - In sp ect i o n« [1. Juli 1867], dann aber, fortschreitend mit der Ausgestaltung der koniglich unga¬ rischen Centralstellen, allmahlich die Ge- sammtheit der ungarischen Eisenbahn- Agenden in das Ressort des dortigen Communications - Ministeriums iiber. Entsprechend dieser Wandlung, wie auch der in dem a. h. Handschreiben vom 14. November 1868 verkiindeten Bezeichnung des Gesammtreiches als »Oesterreichisch-Ungarische Mon¬ archie«, gruppirten sich die Eisen- bahnen desselben fortan in osterrei- chische, ungarische und gemein- same, d. h. solche, deren Linien in beiden Staatsgebieten liegen. Diese ge- mein samen Bahnen nahmen, laut Uebereinkunft der beiderseitigen Regie- rungen, das Domicil in der Hauptstadt desjenigen Staates, in welchem die Aus- dehnung der betreffenden Linien einegros- sere war. Demgemass verblieb damals die oberste Leitung der Staatseisenbahn-Ge- sellschaft und der Siidbahn in Wien, ivahrend die Kaschau-Oderberger Bahn ihren Sitz nach Budapest verlegte, wohin alsbald auch die Verivaltungen der Theiss- Bahn, Siebenbiirger Bahn und Alfold- Bahn tibersiedelten. Im Jahre 1870 war die neue Ordnung der Dinge voll- endet. Den osterreichischen Landen brachte die neue Gliederung der Monarchie die Wiederherstellung der am 20. September 1865 sistirten Verfassung und die Ein- berufung des Reichsrathes [20. April 1867], dessen iiberaus fruchtbare Thatigkeit im Anbeginne wohl nur eine fast durchaus politische gewesen; sobald jedoch die am 21. December 1867 verlautbarten neuen Staatsgrundgesetze geschaffen waren, wendete man sich in hervor- ragendem Masse auch dem wirthschaft- lichen Leben zu, insbesondere nach¬ dem das Ministerium B e u s t, das am 7. Februar 1867 an die Stelle des Cabinets Belcredi getreten, von dem Ministerium Auersperg —• dem so- genannten Burgerministerium — abgelost worden war [30. December 1867]. Die ersten wieder zur verfassungs- massigen Behandlung gelangten Eisen- bahnfragen betrafen die Concessionirung; des »n o rd w e s tl i c h - b 6 h m i s c h e n Bahnnetzes« und der »Oesterreichi- schen Nordwestbahn«. Die beziiglichen Gesetzesvorlagen wnrden am 16. December 1867 im Abge- ordnetenhause eingebracht und von diesem zwei Tage spater dem volksivirthschaft- lichen Ausschusse mit dem Auftrage zuge- wiesen, »die Berathung zu beschleunigen Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 39 Abb. 25. Babnhof Tarvis. [1870.] und in den nachsten Sitzungen nach Wiederaufnahme der Berathungen des Reichsrathes Bericht zu erstatten«. Dabei gewann die Behandlung der Vorlage iiber das nordwestlich-bohmische Bahnnetz einen kleinen Vorsprung. Den Namen »nordwestlich-boh- misches Bahnnetz« oder »Bolim i- sche Nordivest balin« trugen die Linien Pr a g-Saaz-Komotau-W eipert- Sachsische Grenze gegen Annaberg und Priesen - Karlsbad - Eger, die in ihren Hauptziigen bekanntlich schon friiher einmal, und zwar Kačič-Weipert am 25. August 1865 an Hermann Oehme und Bruno Hempel und Prag-Rakonitz- Falkenau-Eger nebstZweigbahnJanessen- Karlsbad am 26. August 1865 an das Consortium des Grafen Eugen Czernin concessionirt \varen, jedocli, weil die Unternelimer das erforderliche Capital nicht aufzubringen vermochten, unausge- fiihrt blieben und jetzt neuerlich ange- strebt wurden. *) Ein Englander Hr. Eaton, *) Vgl. Bd I, 1. Theil, H. Strach, Eisen- bahnen ohne Zinsengarantie, Seite 360. der im Saazer und Egerer Kreise auf Kohlen schiirfte und mit den Conces- sionaren der Linie Kačič -Weipert in Beziehungen gestanden, bemiihte sicli um die Vorarbeiten, ohne dass bekannt wurde, ob er dies im eigenen oder fiir wessen Interesse sonst thue. Auch Graf Czernin machte Anstrengungen um die Aufrecht- erhaltung oder Erneuerung der ihm ver- liehenen Concession. Die Buschtšhrader Bahn, die schon im Jahre 1861 die Vor- concession fiir eine Verlangerung ihrer Lana’er Linie nach Rakonitz sowie spaterhin auch jene fiir die Weiperter Linie erhalten, jedoch die Vorarbeiten im Hinblicke auf die vorerwahnten C011- cessionirungen unterbrochen hatte, voll- endete sie nun und schritt sodann um die Eroffnung der Concessions-Verhand- lungen riicksichtlich eben dieser Linien ein, wahrend ein von Functionaren der- selben Gesellschaft [Verivaltungsrath Dr. Josef Tragy und Director Josef Kress] vertretenes Consortium sich um die Saaz-Egerer Bahn bewarb und in einer die Vortheile der Zusammen- fassung dieser Linien mit jenen der 40 Ignaz Konta. BuschtShrader Bahn darlegenden Peti- tion an das Abgeordnetenhaus [iiber- reicht 20. Juli 1867], die Verleihung der Concession an diese Gesellschaft und ihre Verbiindeten erbat. Weitere Bewerber waren noch: die Sachsisch- bohmische Industrie- und Bergbau-Ge- sellschaft und Graf Emil Wimpffen, zu dessen Gunsten die erstere \vieder Ver- zicht leistete. Als aber die Regierung sich gleich- falls zu der Anschauung bekannte, dass die Vereinigung der sammtlichen projectirten Linien unter eine Verwal- tung wunschenswerth sei, iiberreichte die BuschtShrader Bahn, der damals die Bauunternehmer Gebruder Klein und A. Lanna zur Seite standen, am 3. No¬ vember 1867 das Gesuch um die Con¬ cession fiir das ganze Netz und bean- spruchte fiir die Linie Prag-Sachsische Grenze die Gewahrung eines Staatsvor- schusses von 4,000.000 fL, fiir die Linie Saaz-Komotau-Eger hingegen die Zinsen- garantie fiir. das mit 850.000 fl. pro Meile berechnete Baucapital. Die Re¬ gierung, darauf bedacht, den Staats- schatz so wenig als moglich zu be- lasten und bei einem einheitlich zu con- cessionirenden Bahnnetze nicht zvveier- lei staatliche Begiinstigungen in Anwen- dung zu bringen, nahm fiir dasselbe nebst einer zwanzigjahrigen Steuerfrei- heit eine Betheiligung des Staates mit 5,000.000 fl. und erst in zweiter Reihe die Gewahrung einer Zinsengarantie in Aussicht. Auf diese Bedingungen war denn auch die am 16. December 1867 im Abgeordnetenhause eingebrachte Gesetzes- vorlage aufgebaut, und die mit derselben einverstandene Gesellschaft glaubte nun ihrem Ziele — der Befreiung ihres Unternehmens aus seiner bisherigen Isolirtheit — umso sicherer nahe zu sein, als die im Jahre 1865 verliehenen Con- cessionen fiir die Weiperter und die Egerer Bahn, iiber a. h. Entschliessung vom 14. December 1867, fiir verfallen erklart wurden. Da erstand aber der Gesellschaft ganz unvermuthet in der Firma Gebriider Klein, die nunmehr in Verbindung mit der osterreichischen Credit-Anstalt die Concession selbstandig erwerben rvollte, ein machtiger Widerpart, der trotz seiner hohen Anforderungen an den Staat — Zinsengarantie fiir ein Anlage-Capital von beilaufig 900.000 fl. pro Meile — viele Parteiganger sowie bei einem namhaften Theile der Publicistik eifrige Unter- sttitzung gefunden hatte. Insbesondere von letzterer Seite vvurde der BuschtS¬ hrader Bahn hart zugesetzt; man machte ihr den Amvurf, dass sie gar nicht wirk- lich bauen, sondern die Concession nur zu erlangen trachte, um andere Berverber zu verdrangen und auf diese Weise das im Bunde mit dem »Kohlenverschleiss- Vereine« geschaffene »Monopol der Ver- sorgung Prags und des mittleren Bohmens mit mineralischem Brennstoff« und den hieraus fliessenden »ubermassigen Ge- winn« sich moglichst lane'e zu sichern. In die Vertheidigung der Gesellschaft theilten sich eine ganze Reihe der von den projectirten Linien beriihrten Ge- meinden und, mit seltener Ueberein- stimmung, die Journale des Landes. Allesammt verwiesen auf den grossen Unterschied zwischen den Angeboten der beiden concurrirenden Bewerber und sagten es rund heraus, dass die Anfor¬ derungen des Consortiums Klein-Credit- Anstalt ein geschaftliches Geprage an sich trugen, rvahrend jene der BuschtS¬ hrader Bahn jedweden Finanzgewinn von selbstausschlossen. Von gep-nerischerSeite erfolgten dann Angriffe auf die Tarife der BuschtShrader Bahn, doch auch diese Angriffe fanden schnelle, iiberzeugende Abwehr. Die Ftirsprecher der Gesellschaft berechneten, dass die von dem Con- sortium Klein-Credit-Anstalt zugesagten verbilligten [sogenanntenEnquete-] Tarife, bei Zuschlag der gleichzeitig fiir die erste Zeit verlangten 20°/ O igen Erhohung, im Wesentlichen den von der BuschtS¬ hrader Bahn vorgeschlagenen glichen — und fiihrten vvieder die Hohe des von dem Consortium veranschlagten Anlage- Capitals ins Treffen, die eine Anwen- dung jener Tarife gar nicht oder nur. ausschliesslich auf Kosten des garan- tirenden Staatssackels zulassen \viirde. Diese gelungene Defensive und rnehr noch das offene Eintreten der Handels- kammern in Prag und Eger sowie des Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 41 bohmischen Landesausschusses, derStadt- gemeinde Prag und der bohmischen Statthalterei fiir die Buschtehrader Balin gaben derselben eine kraftige Stiitze. vermoge deren die Gesammtlange der Balin um zwei Meilen und dementsprechend das Anlage-Capital auf 38,000.000 fl. ver- ringert erschien, hatte zur Folge, dass Abb. 26. Brucke iiber die Schlitza-Schlucht. [Nach einer Photographie von Alois Beer in Klagenfurt.] Das letzte Wort war aber noch lange nicht gesprochen. Eine, knapp vor Beginn der Verhandlungen des Reichsrathes, dem Handelsministerium uberreichte neue Offerte des Consortiums, welche nebst Anderem eine Tracenanderung vorschlug, der Meinungszwiespalt sich noch ver- grosserte und bis ins Parlament drang. Schon die Berathungen des volkswirth- schaftlichen Ausschusses lieferten kein einheitliches Ergebnis; die Majoritat be- antragte mit Zustimmung des Ministeriums 42 Ignaz Konta. Abb. 27. Weissenbach-Viaduct. [Nach einer Photographie von Prof. Reiner in Klagenfurt.] eine staatliche Unterstiltzung in Form einer Zinsengarantie von 850.000 fl. pro Meile, die Minoritat hingegen, unter Aufrechthaltung der alten Fassung des Gesetzentwurfes, auch den »Subventions- modus«; weiters \vollte die erstere eine vollige Neugestaltung des Tarifsystems, letztere dagegen die Annahme der nie- drigsten Ziffern der allgemein in Gel- tung stehenden Tarife. In gleicher Weise spitzten sich die Gegensatze im Abge- ordnetenhause selbst zu. Die Berathungen waren daher noch langwieriger gewor- den, vielleicht sogar ganz unfruchtbare geblieben, wenn nicht der Handels- minister v. Plener vermittelnd einge- griffen hatte. Er gab die Erklarung ab, dass die Regierung den von ihrer Vor- gangerin eingebrachten Gesetzentwurf, obzwar er ihr wenig zusagte, im Interesse der Beschleunigung der Angelegenheit nicht zuriickgezogen und, mit Rilcksicht auf die Lage der Staatsfinanzen, von einer Baarsubvention abgerathen habe, jedoch sich mit derselben befreunden \volle, soferne der Staatsverwaltung bei der Concessions - Verlei- hung die Concurrenz meh- rerer Bewerber offen bleibe unddarauf gesehen werde, dass nicht soiche Bestim- mungen in das Gesetz aufgenommen wurden, die nur einem Bewerber ange- nehm, fur den anderen aber unerfiillbar seien. So wurden denn beide Unterstiitzungsarten zuge- lassen, dabei allerdings die Zinsengarantie auf 890.000 fl. pro Meile er- hoht. die Tarife theils nach dem Majoritats-, theils nach dem Minoritats- antrage des Ausschusses angesetzt und die Flugel- bahnen nach Rakonitz und Franzensbad definitiv zur Ausfiihrung bestimmt. In dieser Fassung ging das Gesetz an das Herrenhaus, erfuhr. jedoch daselbst einige kleine Abande- rungen, weshalb es nochmals an das Ab- geordnetenhaus zuriickgeleitet werden musste, wo es am 25. Mai 1868 endgiltige Annahme fand. Die a. h. Sanction \vard ihm am 3. Juni 1868 zutheil.*) Nun setzte das Handelsministerium die Verhandlungen mit den Bewerbern fort, wobei das Consortium Klein-Credit- Anstalt zwar von seiner ursprunglichen Offertenoch weiter herabging, doch an der Garantie eines 5-2°/ 0 igen Reinertragnisses festhielt — die BuschtShrader Bahn aber sovvohl hinsichtlich der Erfolglassung *) Im Artikel V, Zahl 7, dieses Gesetzes sind sowohl fur den Personen- als auch flir den Giiterverkehr, insbesondere aber ftir Massenartikel n e u e, d. h. billigere M a x i- m a 1-T a r i f e festgesetzt, die nicht blos in die Concession der »BShmischen Nordwest- bahn«, sondern auch bei spateren Conces- sionirungen zur Geltung gebracht wurden. Dieses Gesetz brachte daner eine wichtige Neuerung auf dem Gebiete des Tarifwesens. [Naheres vgl. Bd. III, A. P a u e r, Frachten- Tarife.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 43 und Riickzahlung des Staatsvorschusses, als auch in Betreff der Tarife, ins- besondere far Massengiiter, Zugestand- nisse machte und hiedurch den ent- scbeidenden Sieg errang. Sie erhielt am i. Juli x868 die auf 90 Jahre lautende Concession fiir die Linie von Prag [Smichow] an die sach- sische Grenze zum Anschlusse an die Actien des ganzen Netzes, und zwar zum Emissionscurse derselben riickzuzahlender Baarvorschuss im Betrage bis 5,000.000 fl., ferner fiir zwolf Jahre die volle und fiir weitere acht Jahre die halbe Steuer- freiheit. Die ausserordentliche Generalver- sammlung vom 7. Juli 1868 genehmigte die Erwerbung dieser Concession, und Abb. 28. Arbeitsprovisorium iiber die Save. [Nacb Chemnitz-Annaberger Bahn nebst einer Fliigelbahn nach Rakonitz, dann fiir die Linie von P r i e s e n durch das Egerthal iiber K a r 1 s b a d nach E g e r nebst Zweig- bahn nach Franzensbad, mit der Ver- pflichtung, diese neue Strecke mit den alten gesellschaftlichen Linien in Verbin- dung zu bringen, den Bau binnen zwei Monaten zu beginnen und binnen drei Jahren zu vollenden. Als staatliche Unter- stutzung \vurden der Gesellschaft in dieser Concession zugesichert: ein in einer photographischen Aufnahme aus der Bauzeit.] beschloss riicksichtlich ihrer Durchfiihrung folgende Massnahmen: Die Strecke Kačic-Priesen sowie die Fliigelbahn nach Rakonitz und die Verbindung Hostivic-Smichoiv gelten als Erweiterung des bisherigen Unternehmens, dagegen die Strecken Priesen-Sachsische Grenze, Priesen-Eger und die Fliigelbahn nach Franzensbad als ein »weiteres« Unter- nehmen der Gesellschaft. Demnach solle der Baufond beschalft werden: durch Vermehrung des bestehenden Actien- 44 Ignaz Konta. capitals um 1,615.950 fl. [3078 Stlick a 525 fl.], dann durch Ausgabe von 38.000 Actien lit. B a 200 fl. [= 7,600.000 fl.] und von 5%igen Priori- tats-Obligationen im Gesammtbetrage von 15,000.000 fl.; die Actien sollten zum vollen Nenmverthe begeben werden und ware riicksichtlich jener der lit. A in erster Reihe den Besitzern der alten Actien das Bezugsrecht einzuraumen. Da die so hart erstrittene Concession alle die Anschliisse, nach welchen die Gesellschaft jahrelang gestrebt hatte, nicht nur gesichert, sondern ibr in die die Ausfiihrung der am 27. April 1868 eroffneten Verbindung Prag - Bubna [3 - 3 km] binausgekommen. Es wurde daher am 6. Juli 1868 der Umbau der Pferdebahn in Angriff genommen. Zwei Monate spater [1. September] begannen aber auch schon die Bauarbeiten auf dem neuen Netze und es herrschte fortan auf fast allen Baulinien rege Thatigkeit. Am 19. December 1868 fand zum Zwecke der Revision der Gesellschafts- Statuten eine ausserordentliche General- versammlung statt. Die von dieser be- schlossenen neuen Satzungen brachten die Gliederung des gesellschaftlichen Un- ternehmens in zwei gesonderte Gruppen [lit. A und lit. B] zum vollen Ausdrucke; denn sie verfugen die Auseinanderhal- tung der Bau- und Betriebsrechnungen beider Gruppen und die getrennte Verthei- lung ihrer Ertragnisse, insoferne dieselben nicht 10% des be- treffenden Actiencapi- tals ubersteigen, wo- gegen ein etwaiges Mehrertragnis zur Halfte an die Besitzer der anderen Actien- gattung zuzuweisen ist. Mit diesen Massnahmen bekundete die Gesellschaft von Neuem ihr geringes Ver- trauen in die Ertragsfahigkeit der zur Gruppe B vereinigten Linien sowie die Inschutznahme der Rente des alten Unter- nehmens gegen eine Schmalerung durch die befiirchtete Unzulanglichkeit der Er- gebnisse der neuen Linien. Viele Jahre hindurch schien es auch wirklich, als ob dies eine richtige Voraussicht gewesen ware; in der neueren Zeit aber bereitete die glanzende Entwicklung des Verkehrs auch dieser Linien eine angenehme Ent- tauschung. Die Geldbeschaffung ftlr die Neubauten erfolgte nicht auf einmal; von den Obliga- tionen, deren Vertrieb die Allgemeine Cre- dit-Anstalt in Leipzig Ubernommen hatte, Abb. 29. Launsdorf. eigene Hand gegeben und dadurch mit einem Schlage auch ihre friiher gehegte Sorge, ob bei andauernder Vereinsamung des alten Theiles der BuschtShrader Bahn ein Kostenaufwand fiir die Um- und Ausgestaltung der Pferdebahn ge- rechtfertigt \vare, behoben hatte, ging der Verwaltungsrath nun vor Allem daran, den Obliegenheiten gerecht zu werden, welche die Gesellschaft noch auf Grund der ihr am 11. Januar 1867 [an Stelle des Privilegiums vom Jahre 1827 und der Concession vom Jahre 1855] ver- liehenen Concession zu erfiillen hatte.*) Die Gesellschaft war, wegen der eben envahnten Besorgnis, bis dahin nicht liber *) Vgl.Bd. I, 1. Theil, H. Strach, Eisen- bahnen ohne Zinsengarantie, S. 362. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 45 Abb. 30. Eberstein. fanden bei den offentlichen Zeichnungen im Juli 1868 und Februar 1869 Theil- betrage von je zwei Millionen Thaler zum Curse von 77 Vs Silber und der Rest im freihandigen Verkaufe reissenden Absatz; von den 3078 Actien lit. A waren 1408 Stiick im September 1868 seitens der bisherigen Actionare zum vollen Nenn- werthe bezogen, die iibrigen 1670 Stiick zur theihveisen Refundirung des Staats- vorschusses zuriickgelegt worden. Von den Actien lit. B vvurden 20.616 Stiick gleichfalls dem letzteren Zwecke zuge- fubrt, 2000 Stiick fiir Rechnung der 1 alten Buschtehrader Bahn iibernomraen, die restlichen Stiicke aber Ende Ja¬ nuar 1870 im Wege der offentlichen Zeichnung begeben. Der Amverth, den ihre Titel gefunden, veranlasste die Gesellschaft, eine aber- malige Erweiterung ihres Netzes in Aus- sicht zu nehmen; sie wollte gemeinsam mit der Aussig-Teplitzer Bahn einen die beiderseitigen Linien verbindenden Schienenweg von Preschen [Aussig- Teplitzer Bahn] tiber Laun nach Kunowa ausfiihren, um die damals mehrseitig ge- plante Prag-Duxer Bahn iiberfliissig zu machen, ferner beabsichtigte sie den Fliigel Kladno-Schlan zu bauen, die Komotauer Linie am Kamm des Gebirges von Krima aus bis an die sachsische Grenze gegen Raitzenhain zu verlangern und, mit Zu- stimmung der ausserordentlichen General- versammlung vom 10. December 1870, welche hiezu die Ausgabe von Prio- ritats-Obligationen bis zum Betrage von 3,867.950 fl. *) bewilligte, eine Anzahl von Schleppgeleisen zu den im Bereiche des eigenen Netzes liegenden Gewerken herzustellen. Einige Monate spater. pro- *) Diese Prioritaten iibernahm die Union- bank, rvelche sie am 22. Februar 1871 zur Offentlichen Zeichnung auflegte. Dabei war dieUeberzeichnung so gross, dassReductionen bis zu 40°/ 0 stattfinden mussten. 46 Ignaz Konta. jectirte die Buschtehrader Eisenbahn iiberdies die Verbindung Komotau- Brunnersdorf sowie die Linien Falkenau- Graslitz, eventuell Klingenthal, Rakonitz- Jechnitz-Scheles und Rakonitz-Beraun. Fiir diese letztere Serie neuer Bahnen und zugleich auch fiir die Ausriistung des alten Netzes beschloss die ausser- ordentliche Generalversammlung vom 5. October 1871 eine nach Massgabe des Bedarfes vorzunehmende Emission von 8882 Actien lit. A, 26.000 Actien lit. B und 98.600 Prioritats-Obligationen, also insgesammt von Werthen im Betrage von 24,653.000 fl. Es kam jedoch damals nur die Linie Komotau-Brunnersdorf zustande, die eine bedeutende Wegkiirzung zwischen der Aussig-Teplitzer Bahn und der Karlsbad - Egerer Route bewirkt; sie wurde auf Grund des Gesetzes vom 15. Juni 1871, am 4. August 1871 als ein integrirender Bestandtheil des neuen Netzes der Buschtžhrader Bahn con- cessionirt und war binnen Jahresfrist zu vollenden. Die neuerliche Geldbeschaffung be- schrankte sich daher auf die fiir diese kleine Linie, dann fiir die Ausriistung des alten Netzes erforderlichen Mittel. Es gelangten demnach Ende November 1871 zur Ausgabe 5059 Actien lit. A = 2,655.975 fl. sowie 19.000 Actien lit. B — 3,800.000 fl., die sammtlich durch die Besitzer alterer Actien bezogen wurden, und Prioritats-Obligationen im Betrage von 4,500.000 fl., welche die Allgemeine bohmische Bank iibernahm, hernach aber zum Curse von 87 s / 8 Silber mit bestem Erfolge zur Subscription auflegte. Im Jahre 1872 erhielt die Gesellschaft auch noch die Concession fiir die vor- genannte Linie Krima-Raitzenhain. Dieselbe beruht auf dem Gesetze vom 28. Juni 1872, datirt vom 12. November 1872, erklart auch diese Zrveigbahn als einen integrirenden Bestandtheil des schon friiher concessionirten gesellschaftlichen Bahnnetzes und bestimmt als Eroffnungs- termin den Tag der Inbetriebsetzung der sachsischen Anschlussstrecke Raitzenhain- Chemnitz. Aus Anlass dieser Ausdehnung ihres Bahngebietes vermehrte die Gesell¬ schaft ihre Fonds, indem sie Ende De¬ cember 1872 den Rest der Actien-Emission vom Jahre 1871, namlich 3823 Actien lit. A und 7000 Actien lit. B, an die Besitzer der alteren Werthe hinausgab, und zwar die ersteren zum Preise von 700 fl., die letzteren zum Preise von 210 fl. fiir je ein Sttick. Zu jener Zeit war der Bau des am 1. Juli 1868 concessionirten »nord- westlich-bohmischen Bahnnetzes« sowie die Umgestaltung der Pferdebahn im Grossen und Ganzen beendet. Es wurden eroffnet: Wejhybka-Lana, als Locomotivbahn, 12-gkm, am 22. April 1869. Karlsbad-Eger, 53-4*)«, am 19. September 1870. Lana-Priesen-Komotau, 83-8 km, am 4. Fe¬ bruar 1871. Lužna-Rakonitz [provis.Station], 6-3 km, am 5. Juni 1871. Priesen - Karlsbad, 573 km, fiir den Giiter- verkehr am 9. November 1871; fiir den Gesammtverkehr am 9 December 1871. Tirschnitz - Franzensbad, 33 km, am 9. De¬ cember 1871. Wejhybka-Duby, 6-9 km, fiir Gtiter, am 25. Februar 1872. KomotauAVeipert-Sachsische Grenze, 577 km, fiir den Giiterverkehr am 12. Mail872; ftir den Gesammtverkehr am I. August 1872. Smichow-Hostiwitz, 193 km, fiir den Giiter- verkehr am 3 Juli 1872; fiir den Gesammt¬ verkehr am 16. September 1872. Eine erhebliche Ueberschreitung des concessionsmassig festgesetzten Eroff- nungstermins trat daher nur rticksichtlich der beiden letztgenannten Strecken ein, doch fand sie ihre Rechtfertigung. Technische Hemmnisse hatten den Bau der Weiperter Strecke verlangsamt, und als diese zu Beginn des Jahres 1872 endlich vollendet war, stand es ausser Zweifel, dass infolge der eingetretenen grossen Abrutschungen auf der sachsischen An¬ schlussstrecke Weipert-Annaberg die ein- heitliche Eroffnung der ganzen Linie Komotau-Annaberg unmoglich sei. Darum vvartete die Buschtžhrader Bahn mit der Eroffnung ihrer Weiperter Strecke bis zum Fruhjahre, um den Schwierigkeiten der Inbetriebsetzung einer Gebirgsbahn rvahrend der rauhen Jahreszeit auszu- weichen. Auf der Smichower Strecke aber hatten mannigfache Anstande bei der Grundeinlosung, dann die HluboSeper Thaliibersetzung und nicht minder die Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 47 Abb. 31. Bauanlagen der Carl Ludwig-Bahn lm Jahre 1869. [Nach photographischen Aufnahmen aus der Bauzeit von Jos. Eder in Lemberg - .] 48 Ignaz Konta. langwierigen Verhandlungen iiber die von der Regierung angestrebte Anlage eines, allen in Smichow einmtindenden Bahnen gemeinschaftlichen Bahnhofes, die Ein- haltung der Baufrist vereitelt. Die am I. November 1871 in Angriff genommene Verbindung Komotau- Brunnersdorf [12 km] wurde am 1. Marž 1873 dem Betriebe iibergeben, ebenso vier Tage spater das Fragment Rakonitz [provisorisch]—Rakonitz [defi- nitiv], beziehungsweise die ganze Linie Lužna-Rakonitz ftir den Gesammtverkehr. Die Zusammenfassung ali der vorge- nannten Strecken zu einem Gesammtnetze veranschaulicht seine reiche Verzweigung und die damit erzielten Verbindungen. Den Grnndstock der Buschtčhrader Bahn bildet demnach die von Prag [Sandthor] ausgehende, urspriinglich als Pferdebahn erbaute, spaterhin aber bis Wejhybka, beziehungsweise bis Lana in eine Locomotivbahn umgewandelte Linie, vvelche anlasslich dieser Umgestaltung, von Hostiwitz aus, mit der Station Prag [Bubna] der Staatseisenbahn-Gesellschaft verbunden wurde. Zunachst kam dann, gleichfalls von Hostiwitz aus, die Einmiin- dung in Prag-Smichow hinzu, wo damals auch die Bohmische Westbahn und die Franz Josef-Bahn zusammentrafen. Seit- dem gilt der Bahnhof in Prag-Smichow als eigentliche Ausgangsstation der Busch- tžhrader Bahn. Beide Anfangsstreckenliegen inSteigung; die alte fiihrt von Bubna in einem tiberwOlb- ten Einschnitte und durch den »Baumgarten« zum Prager Sandthor-Bahnhofe, dann liber den unter dem Namen «Sternthiergarten« bekannten Ausflugsort nach Hostiwitz; die neue tibersetzt unweit Smichow auf Via- ducten zweimal das Hluboeeper Thal, passirt dann bedeutende Felseinschnitte, erreicht bei Repy eine Tiefstelle des gegen die Moldau abfallenden Hochplateaus des WeissenBerges und dann den Gabelpunkt Hostiwitz, von wo aus die alte, umgebaute Linie nachWej- hybka [Abzweigung nach Kralup] und Lana fiihrt. Hier beginnt der neue Theil des Buschtčhrader Bahnnetzes, dessen Hauptlinie, gleich dem letzten, noch bis I. October 1873 bestandenen Reste der Pferdebahn, zunachst gegen Rinholec zieht. Bei diesem Dorfe ge- langt sie zu dem Neustraschitzer Hochplateau, dann durch einen [488 m langen] Tunnel nach Renč und Lužna [Abzvveigung nach Rakonitz]. Nun, statt der bisherigen west- lichen die nordwestliche Richtung einschla- gend, entwickelt sich die Trače abwechselnd m Steigungen und Gefallen, an Miloštin und Satkau voriiber, gegen das Goldbachthal, in welches sie nach Durchbruch eines machti- gen Weisssteinfelsens bei Schellesen eintritt, um bei Michelob auf einer 18 m hohen Brucke auf das linke Bachufer zu iibersetzen, auf dem sie, nordivarts gevvendet, bis Trno- van verbleibt, wo sie ins Egerthal gelangt. Unterhalb Saaz wird die Eger iibersetzt [Eisenbriicke] und, alsbald wieder eine mehr westliche Richtung gewinnend, passirt die Bahn von Priesen an [Abzweigung nach Weipert] das Komotauer Braunkohlenbecken bis Kaaden-Brunnersdorf [Abzweigung nach Komotau]. Von hier aus im Egerthal e nach Westen ziehend und bei Klosterle und Warta das Flussufer wechselnd, bleibt die Bahn dann am linken Egerufer bis sie hinter Wickwitz, nach Durchbruch schroff hervortretender Basaltfelsen, in das Wistritzbachthal einbiegt, um liber Schlackenwerth in Serpentinen auf das Hochplateau bei Neudau, dann hinab zur Zettlitzer HOhe zu gelangen, auf welcher die Station Ivarlsbad angelegt ist. Hier tritt die Bahn in das Falkenauer Braunkohlenbecken, verlasst aber das Egerthal, in welches sie vor Falkenau wieder zurtickkehrt, um dann in sanften Steigungen den weiteren Theil jenes Kohlenbeckens bis Dassnitz zu durch- ziehen und, nach abermaliger Uebersetzung der Eger bei Tirschnitz [Abzweigung nach Franzensbad] in dem Grenzbahnhofe Eger [Anschluss an die Franz Josef-Bahn, baye- rische und sachsische Bahnen] ihren End- punkt zu erreichen. Ausastungen zahlte die Buschtčhrader Bahn zur Zeit der ganzlichen Vollendung des Um- und Neubaues flinf oder, mit Einrechnung der Verbindung Komotau-Brunnersdorf, sechs. Von Wejhybka fiihrt eine Linie durch das Kladno-Buschtehrader Schivarzkohlenbecken liber Duby, Buschtčhrad, Brandeisl und Zako- lan hinab nach Kralup zum Anschlusse an die Turnau-Kraluper Bahn [jetzt Bohmische Nordbahn] und die Bodenbacher Linie der Staatseisenbahn-Gesellschaft. In Duby zweigt der kleine Fltigel nach Kladno ab, und in Alt-Kladno besteht eine Verbindung mit der Nučitzer Erzbahn. Von Lužna-Lischan aus geht die kurze Seitenlinie nach Rakonitz in das gleichnamige Schwarzkohlenbecken. Von Priesen fiihrt eine Linie durch das dortige Braunkohlenbecken zu dem Knoten- punkte Komotau, dann in grossen Windungen empor auf das Plateau des Erzgebirges, beziehungsweise zur Wasserscheide bei Schmiedeberg und hernach in den Grenz- bahnhof Weipert hinab, wo sie an die sach¬ sische Bahn anschliesst. Von Komotau aus durchschneidet die in Kaaden-Brunnersdorf wieder in die Hauptlinie einmtindende Weg- kiirzung das Komotauer Braunkohlenbecken. Von Tirschnitz aus ist ohne Zwischenstation die Verbindung mit Franzensbad [Anschluss an die bayerisčhen und sachsischen Bahnen] hergestellt. [Vgl. Abb. 38—42.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 49 Abb. 32. Brucke iiber die Kleparoiver Schlucht [Carl Ludwig-Bahn i86g]. Mit Ende des Jahres 1874, als ersten vollen Betriebsjahres des ganzen eben beschriebenen Bahnnetzes betrugen die Anlagekosten desselben, ausschliesslich der Montan - und Industrie - Bahnen, 52,205.171 ft.; davon entfielen auf das alte Unternehmen 4,870.251 fl., auf die neuen Linien lit. A 20,893.903 fl. und auf jene lit. B 26,441.017 fl. Unmittelbar nach der Erledigung der Vorlage iiber das nordwestlich-bohmische Bahnnetz, begannen im Reichsrathe die Verhandlungen iiber die »Oesterrei- c h i s che N o r d we stb a h n«, als welche, gemass der Ueberschrift des beziiglichen Gesetzentrvurfes, anfanglich nur die Linie »von Pardubitz iiber Deutschbrod, Iglau und Znaim an einen Punkt der Franz Josef - Bahn mit der Zweigbahn von Deutschbrod iiber Kolin nach Jung- bunzlau« gemeint war. Die erste An- regung zum Baue einer grossen Strecke, dieser dem alten Handelszuge von Hamburg und Leipzig, beziehungs- Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. weise von Stettin und Berlin iiber Dres¬ den nach Wien folgenden Eisenbahn, fallt in das Jahr 1839; denn sclion damals hatte die mahrische Stadt Iglau mit gleichgesinnten Prager interessenten sich dafiir verwendet, dass die ge- plante Linie Briinn - Prag auf dem ktirzesten Wege, d. h. iiber Iglau, Deutsch¬ brod, Kolin oder Pardubitz gefiihrt werden moge. Wie berechtigt dies gewesen, be- zeugte die Thatsache, dass noch lange, nachdem schon Eisenbahnen Dresden und Berlin mit Wien verbanden, ein ansehnlicher Theil des Frachtenver- kehres sich auf jener Reichsstrasse be- wegte, sowie dass hiebei die Frachtsatze nicht theurer und die Lieferfristen nicht langer waren, als auf den concurrirenden Bahnlinien. Die genannte Stadt hat es auch nachmals nicht daran fehlen lassen, die Bemuhungen um die Erlangung der ihr bei der Schaffung der ersten nordlichen 4 5° Ignaz Konta. Eisenbahnen verloren gegangenen Einbe- ziehung in das osterreichische Schienen- netz bei jeder passenden Gelegenheit zu erneuern. Freilich kam sie dazu erst nach Verlauf fast dreier Decennien. Anfangs der Sechziger-Jahre war zum ersten Male wieder von der Eisenbahn- VerbindungKolin-IglaudieRede. Auch die Staatseisenbahn-Gesellschaft hat bekannt- lich bei ihren damaligen Erstlingsver- suchen, sich der Abhangigkeit von der Nordbahn zu entledigen, in die Bewer- bung um das ihre nordliche und siidliche Linie unmittelbar verbindende Ergan- zungsnetz, die Linie Gross-Enzersdorf- Kolin einbezogen und die betreffende Concession am 8. Marž, beziehungsweise 12. September 1863 in Aussicht gestellt erhalten, jedoch wegen der hiebei aus- gesprochenen Einschrankung des Ver- kehres der Strecke Znaim-Tečic auf den Localverkehr, die Angelegenheit wieder fallen gelassen.*) Hiedurch unbeirrt, viel- leicht sogar erst recbt angeregt, ver- banden sich die siidostlich von Kolin gelegenen bohmischen Bezirke und Stadte mit den dort ansassigen Grossgrund- besitzern und Industrieen zur Zustande- bringung der Eisenbahn Kolin-Iglau eventuell Znaim, nachdem hinsichtlich der Linie Kolin-Jungbunzlau ein Gleiches von Seite der dortigen Zuckerfabriken im Vereine mit den Stadten Nimburg und PodSbrad geschehen war. Gleichzeitig gewannen aber durch die damals schon in bestimmter Aussicht gestandene Fort- setzung des Schwadowitzer Fliigels der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn bis Konigshain die zu gevviirtigenden Kohlen- zufuhren aus dem Schatzlarer und Waldenburger Reviere, als auch die iiberdies die kiirzeste Verbindung mit Berlin [liber Reichenberg und Gorlitz] herstellende Linie Pardubitz-Iglau-Znaim, erhohte Bedeutung. Die Sitd-norddeutsche Verbindungs¬ bahn bemuhte sich also, diese siidliche Fortsetzung und mittels derselben auch die Unabhangigkeit von der Staatseisen¬ bahn-Gesellschaft zu erlangen. Wahrend sie nun auf Grand der Vorconcession *) Vgl. Bd. I, 1. Theil, H. Strach, Eisen- bahnen mit Zinsengarantie, Seite 402 u. ff. vom 7. Februar 1865 die Vorarbeiten ausfuhren liess und sodann im Novem¬ ber 1866 um die definitive Concession ansuchte, nahmen die vorerwahnten Ge- meinschaften eine festere Gestalt an. In Caslau bildete sich unter Fuhrung des Altgrafen Franz Salm-Reifferscheidt ein Consortium fur die Linie Kolin- Iglau [2. Januar 1867] und in Nimburg ein solches unter der Obmannschaft des Ftirsten Hugo Thurn-Taxis ftir die Linie Jungbunzlau-Kolin [13. Januar 1867]. Beide Consortien erhielten am 18. Februar 1867 die betreffende Vor¬ concession. Begreiflicherweise sahen die be- treffenden Gegenden mit Ungeduld dem Reifen der Projecte entgegen. Das Eisen- bahn-Comite der Stadt Iglau berief auf den 16. December 1866 eine Versamm- lung aller Stadtvertretungen, Grossgrund- besitzer und Industriellen derjenigen Be¬ zirke ein, die sich fur den Bau einer iiber Iglau gehenden Balin interessirten. Die Versammlung war sehr zahlreich besucht, gelangte jedoch zu keinem einheitlichen Beschlusse, weil in der Frage, ob die Bahn von Iglau aus die Richtung nach Koljn oder Pardubitz einschlagen solle, die Meinungen der Vertreter der Stadte und Bezirke Bohmens auseinander gingen, was iibrigens fiir die Stadt Iglau selbst nicht ausschlag- gebend war und sie nicht behinderte, durch Petitionen an die Regierung und den Reichsrath fiir das Zustande- kommen der Bahn iiberhaupt weiter thatig zu sein. Am 18. December 1866 wies der bohmische Landtag den Landesausschuss an, das Project der Eisenbahn Pardubitz- Iglau durch Sachverstandige vorberathen zu lassen und auf Grand dessen der Regierung sein Gutachten iiber dieses Landesanliegen vorzutragen. Die auf den 5. Februar 1867 zusammenberufene fach- mannische Commission ausserte sich dahin, dass sowohl die Linie Kolin-Deutschbrod- Iglau, als auch die Linie Pardubitz- Deutschbrod-Iglau nicht nur niitzliche, sondern auch nothwendige, ja geradezu unentbehrliche Verkehrswege darstellen, daher von der Regierung moglichst gleich¬ zeitig geschaffen und, weil sie theihveise Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 51 gleiche Tračen haben, beide in e in e Hand gelegt werden mbgen, weshalb vorzugsweise diejenige Unternehmung zu begtinstigen sei, die beide Linien zugleich ausfuhre; im Falle einer getrennten Sicher- stellung ware jedoch die Linie Iglau- Kolin, mit Riicksicht auf die freie Con- currenz, erst in zweiter Reihe an die Staatseisenbahn-Gesellschaft zu vergeben. Diese Gesellschaft war namlich am 3 - December 1866 vom Handelsministe- rium aufgefordert worden, »eine bindende schriftliche Erklarung uber die Ausfiihrung der Linie Kromau-, eventuell Znaim-Kolin abzugeben«, hatte aber ablehnend geant- wortet und das Verlangen gestellt, »dass ihr die Concession fiir die Linie Znaim- Iglau-Kolin im Voraus zugesichert \verde, falls sie darum ansuchen solite«. Veranlasst durch das oben verzeich- ne te fachmannische Votum und erken- nend, dass die Ftihrung zweier Bahnen liber Znaim nach Deutschbrod technisch wie volkswirthschaftlich nicht zu recht- fertigen ware, vereinigten sich die Con- sortien Salm und Thurn-Taxis im Sep¬ tember 1867 zur Schaffung eines, die beiderseitigen Projecte umfassenden ein- heitlichen Unternehmens. Bei stetiger Fortdauer hatte diese Concurrenz den Bestrebungen der Siid- norddeutschen Verbindungsbahn gefahr- lich vverden konnen; denn das vereinigte Consortium bestand vorzugsiveise aus Grossgrundbesitzern und Industriellen der von den angestrebten Schienenwegen durchzogenen Gegenden und erfreute sich des vollsten Vertrauens sowie der nachhaltigsten Untersttitzung aller be- theiligten Kreise. Aus den Nebenbuhlern wurden jedoch alsbald Genossen; das Consortium verstandigte sich mit der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn zur gemeinsamen Beiverbung um die Con¬ cession fiir ein unabhangiges Bahnnetz, welches aus den Linien von einem 4 * Abb. 33. Pelteivbriicke [Carl Ludwig-Bahn, 1869]. [Nach einer photographischen Aufnahme von Jos. Eder in Lemberg.] 52 Ignaz Konta. geeigneten Punkte der Kaiser Franz Josef- Bahn liber Znaim, Iglau und Deutsch- brod nach Pardubitz sowie von Deutsch- brod iiber Kolin nach Jungbunzlau, be- ziehungsweise Bakov bestehen und unter dem Namen: »Oesterreichische Nordwestbahn« ins Leben gerufen \verden solite. Inzwischen \var die Regierung am i. October 1867 im Abgeordnetenhause wegen der Einbringung eines diese Bahn betreffenden Gesetzentwurfes interpellirt und am 5. November 1867, mit Riick- sicht auf die von der Stadtgemeinde Iglau und den Grossgrundbesitzern des Znaimer und Iglauer Kreises iiberreich- ten Petitionen, aufgefordert worden, die Vorlage »noch in der gegemvartigen Session einzubringen«. Das Handelsmi- nisterium entsprach dieser Aufforderung am 17. December 1867, indem es einen die Sicherstellung der eben genannten Linien bez\veckenden Gesetzentivurf vor- legte, der Tags darauf dem volksivirth- schaftlichen Ausschusse zur schleunigsten Berathung iiberwiesen wurde. Nun trat die Staatseisenbahn-Gesell- schaft auf den Plan, obzivar sie am 5. De¬ cember 1867 mit ihrem fruheren Verlangen nach einer sozusagen unbedingtenZusiche- rung der Concession fiir die Linie Znaim- Kolin insoferne abgewiesen worden war, als das Ministerium erklarte, im Hinblicke auf ein ihm vorliegendes anderes Con- cessions-Gesuch, mit ihr keine Verhand- lungen pflegen zu konnen. Gestiitzt auf das ihr in der Concession vom 1. De¬ cember 1866 eingeraumte Mitbe\verbungs- recht fiir alle Anschluss- und Fortsetzunes- bahnen des eigenen Netzes, suchte sie jetzt bei der Regierung ganz formgerecht um die Concession fiir jene Linie an und erbat in einer Petition an das Ab- geordnetenhaus dessen Einflussnahme auf die Neuankniipfung der vom Handels- ministerium abgelehnten weiteren Ver- handlungen. Diese \vurden denn auch wahrend der damaligen Vertagung des Reichsrathes wieder aufgenommen und gediehen so weit, dass die Gesellschaft hinsichtlich des ganzen in der Regierungs- vorlage bezeichneten Netzes Anbote machte, darunter einen Garantieanspruch von jahrlich 1,855-000 tl. oder pro Meile 39.053 fl., der gegen die betreffende An- forderung des Consortiums [2,568.000 fl. fiir 50'4 Meilen] um 2780 fl. pro Meile geringer war und derselben auch dann, als Letzteres in einer Nachtragserklarung auf 2,385.000 fl. fiir 61-4 Meilen [inclu- sive Wien-Znaim] herunterging, noch so ziemlich die Wage hielt. Dies allein war jedoch fiir die Ent- scheidung nicht massgebend; die an dem Zustandekommen der neuen Linien interessirten Gegenden perhorrescirten die »franzosische Gesellschaft« und be- stiirmten den Reichsrath um die Schaffung einer »vollstandig unabhangigen« Unter- nehmung. Diesen Petitionen schlossen sich iiberdies noch der bohmische Landes- ausschuss, die Prager Handelskammer, die patriotisch-oconomische Gesellschaft sowie mehrere andere Korperschaften an und als die Staatseisenbahn-Gesellschaft sich dagegen zur Wehre setzte, entbrannte aus dem in die Oeffentlichkeit getragenen Streite ein heftiger Federkrieg, der nicht zu Gunsten der Gesellschaft ausschlug. In Flugschriften und Zeitungsartikeln fand die Frage: »Wem gebiihrt die Conces¬ sion fiir die osterreichische Nordvvest- bahn?« eine leidenschaftliche Erorterung, welche auf Seite der vielen Gegner der Staatsbahn stets in den Kehrreim: »Con- currenz gegen diese Gesellschaft, Unab- hangigkeit der neuen Linien und Befrei- ung der Siid-norddeutschen Verbindungs- bahn« ausklang. Noch \vahrend der Fehde zog der volkswirthschaftliche Ausschuss des Ab- geordnetenhauses die Regierungsvorlage in Berathung, wobei gleich der erste Artikel eine wesentliche Abiinderung dadurch erfuhr, dass im Einvernehmen mit der Regierung eine Erweiterung des in der Vorlage angefiihrten Netzes um die 13 Meilen lange Strecke Wien-Znaim, ferner um die etwa 11 Meilen lange Strecke von einem geeigneten Punkte der Jungbunzlau-Koliner Linie nach Trautenau vorgenommen wurde, »weil die hervorragende Wichtigkeit der Nord- rvestbahn die Griindung einer ganz selb- standigen Unternehmung rechtfertigt, diese aber nur dann gesichert erscheint, wenn dieselbe ihren Ausgangspunkt von Wien aus, dem Knotenpunkte des oster- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 53 Abb. 34. Einschnitt nachst der Brzežanyer Chaussee wahrend des Baues [Carl Luchvig-Bahn, 1S69]. [Nach einer photographischen Aufnahme von Jos Eder in Lemberg.] Abb. 35. Meteniower Einschnitt wahrend des Baaes [Carl Ludwig-Bahn, 1869]. ' [Nach photographischen Aufnahmen von Jos. Eder in Lemberg.] 54 Ignaz Konta. reichischen Eisenbahnnetzes, nimmt« — und weil die Nothwendigkeit der seitens der industriereichen Gegenden von Hohen- elbe, Arnau und Trautenau dringend erbetenen Eisenbahn-Verbindung nicht verkannt werden konnte. Diese Aenderung bedingte natiirlich eine andere Garantiebemessung; auch sonstige Bestimmungen, namentlich jene iiber die Tarife erhielten eine neue Fas- sung und am Schlusse des Gesetzes \vurde ein eigener Artikel [V] eingeschaltet, enthaltend die Ermachtigung der Regie- rung zum Baue der Bahn auf Staats- noch mit einer Schrift: »Die dritte Linie Wien-Znaim« an die Oeffentlichkeit und mit einer Petition an das Herrenhaus, welches jedoch am 16. Mai 1868 den Beschliissen des Abgeordnetenhauses voll- inhaltlich beipfiichtete, worauf dann das Gesetz am 1. Juni 1868 die a. h. Sanction erhielt.*) Wahrend der verfassungsmassigen Behandlung desselben hatten die ver- einigten Gegenbewerber der Staatsbahn um die Bewilligung der Vorarbeiten fiir die Strecken Wien-Znaim und von Trau¬ tenau an einen Punkt der Linie Kolin- Abb. 36. Aufnahmsgebaude in Tarnopol [1870]. [Nach einer photographischen Aufnahme von Jos. Eder in Lemberg.] kosten, falls es ibr nicht gelingen solite, die Concession auf Grund eben dieses Gesetzes binnen drei Monaten zu er- theilen. Fiir die Staatseisenbahn-Gesellschaft hatte jedoch nur die ersterwahnte Abanderung eine ausschlaggebende Be- deutung; denn sobald die Bedingung, dass die Bahn in Wien auszumiinden hat, ivirkliche Gesetzeskraft erlangte, erschien die Gesellschaft, weil ohnehin schon im Besitze einer Linie Wien-Znaim, von der weiteren Beiverbung so gut wie ausgeschlossen. Darum wendete sie sich, nachdem das Abgeordnetenhaus am 2. Mai 1868 die Antraige des Ausschusses in dritter Lesung angenommen hatte, Jungbunzlau angesucht und nach Voll- endung der Projecte auch diese Strecken in ihr Concessions - Gesuch miteinbe- zogen. Die Entscheidung fiel am 8. Sep¬ tember 1868, als dem Tage der a. h. Entschliessung, auf Grund \velcher der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn und den mit ihr vereinigten Bewerbern : Hugo Ftirst Thurn und Taxis, Franz Altgraf zu S a 1 m - R e i ff e r s c h ei d, Louis von H a b e r und Friedrich S c h w a r z die Concession fiir eine Locomotiv-Eisen- babn [mit der Benennung: »Oester- reichische Nordwestbah n«], *) Auch hier gilt die in der Note auf Seite 42 beztiglich der neuen Maximaltarife gemachte Bemerkung. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. ausgehend von Wien iiber Znaim, Iglau, Deutschbrod, Caslau, Kolin nach Jungbunzlau mit Zweigbahnen von Znaim an die Franz Josef-Bahn, von Deutschbrod nach Pardubitz und von einem geeigneten Punkte der Kolin-Jungbunzlauer Strecke nach Trau- tenau, verliehen wurde, ivelche den Concessioniiren »fiir den Fali, als ihnen die iiber Jungbunzlau erzielte indirecte Verbindung mit der Bohmischen Nord- bahn nicht geniigen solite, die Berech- tigung gibt, von einem Punkte der Jung- bunzlau-Koliner Linie eine Abzwei- gung nach Bakov zum unmittelbaren Anschlusse ihrer Linien an die Boh- mische Nordbahn — jedoch ohne An- spruch irgend einer finanziellen Begiin- stigung — herzustellen und in Betrieb zu setzen«. Diese Concession gewahrt dem Unternehmen die staatliche Ga- rantie eines jahrlichen 5%^S en R e i n ' ertragnisses des Anlage-Capitals, welches 985.000 fl. pro Meile nicht tibersteigen darf, nebst der entsprechenden Tilgungs- quote und die Steuerfreiheit fiir neun Jahre nach der Betriebseroffnung der ganzen Bahn. So war denn nach vielen Miihen und heissem Ringen auch diese grosse Bahn, ivelche den lange unbeniitzt ge- bliebenen, geradesten und kiirzesten Weg 55 von Siidost nach Nordwest wieder be- leben solite, gesichert. Als Termin fiir die Vollendung des ganzen Netzes \varen fiinf Jahre ge- geben; der Bau hatte binnen drei Mo- naten zu beginnen. Er wurde auch thatsachlich in der Strecke Pardubitz- Chrudim am 16., beziehungsweise bei Caslau am 25. November 1868 in An- griff genommen und anfanglich von den Concessionaren in eigener Regie geftihrt, bis er auf Grund des Ge- neral-Bauvertrages vom 3. April 1869 [vom Ministerium genehmigt am 23., beziehungsweise 31. Mai 1869] an die Unternehmung G. Bucher iiber- ging, welche fiir die Herstellung und erste Einrichtung der Bahn eine Pau- schalvergiitung von 56,700.000 fl. er- hielt. Das gesammte Anlage-Capital war auf nominale 80,000.000 fl. [und zvvar 36,000.000 fl. in Actien, 44,000.000 fl. in 5°/ 0 igen Prioritaten] veranschlagt. Zur Beschaffung desselben rvurden am 27. und 28. October 1868 zunachst 60.000 Actien a 200 fl. zum Curse von 7o°/ 0 , dann am 17. April 1869 eine Serie 5°/ 0 iger Prioritats-Obligationen im Nenn- werthe von 8,000.000 fl. [40.000 Stiick a 200 fl.] zum Curse von 88°/ 0 durch die osterreichische Credit-Anstalt mit glan- Abb. 37. Bahnhof Podwoloczyska im Jahre 1871. [Nach einer photographischen Aufnabme von Jos. Eder in Lemberg.] 56 Ignaz Konta. Abb. 38. Erster Hlubočeper Tiaduct. [Nach einer photographischen Aufnahme aus der Gegenwart von Jos. Gaube, Beamten der Buschtehrader Eisenbahn.] zendem Erfolge zur offentlichen Zeich- nung aufgelegt. Ungefahr in dieselbe Zeit fiel die Organisirung der Geschaftsleitung; zum Baudirector wurde der beim Baue der Brennerbahn in hervorragender Weise thatig gewesene Ingenieur Wilhelm H e 11 - wag*) [Abb. 43], zum General-Secretar *) Wilhelm H ellwag war als der zweite Sohn eines grossherzoglich Oldenburgischen Regierungsrathes am 18. September 1827 zu Butin geboren und erhielt im Vaterhause unter Fiirsorge hochgebildeter Eltern schon in friiher Jugend volle gei- stige Anregung; im Jahre 1848 absolvirte er das damals elf- classige Gymnasium in Eutin, obwohl er durch den Verlust des rechten Auges [infolge einer Verletzung] fast drei Jahre krankelte. Schon riistete er zum Ab- gange auf die Universitat, als am 24. Marž 1848 die Kunde von der Erhebung Schlesvvig- Holsteins die jugendlichen Abiturienten von den Schul- banken zu den Fahnen rief; mit dem Kieler Studenten- corps zog Hellwag gegen die Danen, wurde mit der Mehr- zahl der jungen Kiimpfer nach dem unglucklichen Gefechte bei Bau gefangen genommen und bis zum 6. September auf dem Kriegsschiffe »Dron- ning Maria« internirt. Noch im selbenjahre bezogHellvvag [spater Betriebs-Director] der fruhere Vorstand des commerziellen Dienstes der Staatseisenbahn-Gesell- schaft, Hermann Ritters- h aus en, und zum ober- sten Chef der gesammten Direction [General-Director] der Director der Stid-nord- deutschen Verbindungs- bahn, kaiserlicher Rath Dr. Gustav Gross, ernannt. Aus dieser letzteren Be- rufung ergab sich gleichsam von selbst die Folgerung, dass die alte »Pardubitzer« mit der eben geschaffenen neuen Bahn verschmolzen werden solle. Es war dies auch thatsachlich geplant und in der vielfachen Inter- essengemeinschaft der beiden Unterneh- rnungen begrtindet, konnte aber nicht verwirklicht werden. Zuerst bis zum Auf h oren der Inanspruchnahme der Staats- garantie seitens der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn, beziehungsweise bis zum Abschlusse eines die Refundirung der Staatsvorschiisse betreffenden Ueber- die Universitat Kiel, um sich ganz dem Studium von Mathematik und Naturwissenschaften zu \vidmen; allein schon im Marž 1849 trieb ihn, wie seine Collegen, der wieder ausgebrochene Krieg in die Reihen der Ingenieur-Truppen. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 0 / einkommens zwischen dieser Gesellschaft und der Regierung vviederholt vertagt, sodann, als in die Fusion noch andere Bahnen einbezogen wurden, an dem Widerstande der Actionare der Siid-nord- deutschen Verbindungsbahn [1874], her- nach auch an jenem des Reichsrathes ge- scheitert [1875], gab die Nordwestbahn das Project einer Verschmelzung beider Unternehmungen ganz auf und es ver- blieb lediglich bei der schon anfangs vollzogenen Vereinigung der beiderseiti- gen Geschaftsleitungen. Gleich schleppend, jedoch schliesslich mit gutem Ausgange entwickelte sich die Erwerbung des Stockerauer Fliigels der Nordbahn, dessen Ankauf die Nordwest- bahn sich angelegen sein Hess, um des fur diese beiden Unternehmungen, wie auch ftir den garantirenden Staatsschatz, Abb. 40. Egerbriicke bei Klosterle rvahrend ihrer Verstarkung im Jahre 1888. [Nach einer photographischen Aufnahme von N. Eckert, Prag.] AlsgewOhnlicherPionnierleistetepr Feld- dienst, machte die Schlacht bei Kolding und die Belagerungsarbeiten vor der Festung Fridericia mit, beniitzte aber den Waften- stillstand sofort, um die von hoheren Officieren geleitete Mineur-undSappeur-Officierssehule, um den Curs in Taktik und Geniewesen durchzumachen. Zum Lieutenant in der deutschen Ingenieur-Truppe ernannt, erhielt Hellwag bei den grossartigen Arbeiten zur Befestigung der Festung Rendsburg die Bau- leitung eines grosseren Werkes, spater die Bauftihrung einer grossen und befestigten bchiffsbrucke iiber die Schley bei Missunde, deren energische und fachlich umsichtige Vollendung unter fortgesetzten Kampfeii mit den Danen dem dreiundzwanzigjalirigen Offi- cier die Anerkennung und Begliickwunschung des commandirenden Generalsmit den Worten eintrug: »Von Ihnen hoffe ich eine Brucke nach Alsen bauen zu lassen.« Noch nahm Helhvag an Kampfen, Stiir- men, Befestigungs- und Barackenbauten leb- haften Antheil, bis im Friihlinge 1851 die AuflSsung der deutschen Bundes-Armee auch sein Schicksal entschied: Seine umfassende und praktische Ausbildung als Militar-Inge- nieur bestimmte ihn, statt neuerlich die Uni- versitat zu beziehen, sich mit allem Eifer den Studien an der kbniglichen polytechni- schen Schule in Miinchen zuzuwenden, wo die ausgezeichneten Vortrage des Professors Bauernfeind und die von demselben gelei- tetenUebungen fiirHelhvagdie Anregung und Quelle seiner spateren Bethatigung rvurden. Im August 1853 veriiess Helhvag die polytechnische Schule und fand sofort eine Anstellung bei Oberbaurath Karl von Etzel 58 Ignaz Konta. unerspriesslichen Baues einer mit jenem Fltigel parallel laufenden Strecke iiber- hoben zu sein. Das Geschaft \var be- reits im Jahre 1870 vereinbart, konnte aber wegen der Bedingungen, welche beim Baue der schweizerischen Centralbahn. Welche Meinung dieser Riese unter den Ingenieuren des technischen Jahrhunderts liber den jungen Helhvag hatte, geht aus einer mehrere Seiten langen Aeusserung her- vor, die Etzel im August 1864 an den gross- herzoglich Oldenburgischen Regierungs-Pra- sidenten abgab, der Helhvag zu einer hohen Stellung im Oldenburger Baudienste berufen wollte; leider ist es versagt, auch nur die springenden Punkte dieses Urtheils anzu- fiihren, das neben der eminenten geistigen Begabung Helhvag’s, dessen theoretische und praktische Ausbildung, seine allgemeine Geistesbildung sowie endlich seine Energie unter festen, hochst ehrenhaften Grundsatzen rlihmt. Hellwag folgte dem Rufe in eine hohe, reich dotirte Stellung selbst in seinem Heimatlande nicht, weil ihn, den stets Wissens- und Thatendurstigen, die interessanteren Auf- gaben beim Brenner festhielten; aus gleichem Grunde lehnte er eine ihm in ehrenvollster Weise im Jahre 1865 angebotene Professur am ktiniglichen Polytechnicum in Stuttgart ab. Dagegen folgte Hellwag nach Vollendung der Brennerbahn freudig dem Rufe einiger scharfblickender Finanziers, die ihn zum Baudirector der neugegrtindeten Oesterrei- chischen Nordwestbahn ausersehen hatten. Und nun zeigte er in kurzer Frist sein gross angelegtes Organisationstalent. Fast gleicnzeitig mit der Concessions- Ertheilung wurden die zw 5 lf Ingenieur-Ab- theilungen ftir die ganze Linie geschaffen, war der Centraldienst in strammer Organi- sation errichtet; alte und junge Ingenieure, grosse und kleine Unternehmer, Industrielle aus aller Herren Lander drangten sich um die Fahne Hellwag’s und in Allen erweckte sein sicherer, klarer, weitausschauender Blick, sein wohlwollendes und zugleich energisches Wesen, vor Allem aber seine gervinnende Persbnlichkeit, eine solche Begeisterung, dass es ihm nur durch diese und seine Fiihrung gelingen konnte, trotz der gewaltigen Storun- gen, die der deutsch-franzbsische Krieg ver- ursachte, den Bau der Nordwestbahn kraft- j voli zu fbrdern. Auf den Kreis der Ingenieure wirkte Hellwag bildend und schulemachend. Das unter seiner Anregung und Leitung entstan- dene Normalienwerk der Oesterreichischen Nordwestbahn gab durch lange Zeit die besten Vorlagen fiir alle Ausflihrungen im Eisen- bahn-Unter- und -Brtickenbaue, fiir den Ober- bau und die mechanischen Einrichtungen so- wie fiir den Eisenbahn-Hochbau. Fiir die Ein- richtung des durch besondere Umstande ausnehmend erschwerten Grundeinlbsungs- der Nordbahn von Seite der Regie- rung hinsichtlich des Kaufschillings von 1,000.000 fi. gestellt wurden, erst im Jahre 1871 endgiltig abgeschlossen \ver- den. Die auf dem Gesetze vom 21. Juni dienstes schuf Hellvvag, immer unter dem Drangen zum raschen Baue, die schleunigste Abwickelung im Auge behaltend, Anord- nungen und Typen, die von anderen Bahnen als mustergiltig angenommen wurden; und endlich gestaltete er das Rechnungs- und Controhvesen fiir den Baudienst so, dass er trotz der angespannten Bauthatigkeit und des complicirten Lieferungs-Apparates stets Klarheit tiber die Budgetirung behalten konnte. In machtig ausgreifenden Schritten er- stieg He)lwag den Zenith seines Ruhmes und nicht blos im Kreise seiner Fachgenossen galt er als einer der hervorragendsten Inge¬ nieure Mittel-Europas, sondern in vielen m- dustriellen und Finanz - Unternehmungen wurde Hellwag’s Stimme, seine niichterne und stets scharf zutreffende Meinung, seine strengen Grundsatze gescbatzt. Es war demnach natiirlich, dass man auf Hellwag’s Berufung verfiel, da man fiir das ins Stocken gerathene Gotthardbahn-Unter- nehmen einen Mann suchte, der nicht blos als Techniker, sondern auch als Unterhandler, Finanzmann und Administrator energisch die Rettung bringen solite. Hellwag war sich der ganzen Bedeutung dieses Rufes, wie der Schvvierigkeit der ihm gestellten Aufgabe bewusst; und nur die Ueberzeugung, dass eine Ablehnung ihm als Mangel an Selbstvertrauen, ja, wie er sich selbst ausdriickte, als Abdication von seinem Ansehen gedeutet werden musste, zwang ihn, anzunehmen, wiewohl ihm und seiner Familie Oesterreich ganz und bis ins innerste Herz hinein zur zweiten Heimat geworden war. Helhvag schied im Friihling 1875 von Wien, mit ihm ein Štab von ihm ausgewahl- ter Ingenieure und Hilfsbeamten, die in seiner Schule herangewachsen waren. Auch in der Schweiz stellte Helhvag wieder und vor Allem eine grundlegende und vollstandige Organisation des gesammten Tracirungs- und Baudienstes in unglaublich kurzer Zeit her; sodann ging er daran, die Schaden des krankenden Unternehmens an j der Wurzel zu suchen und zu fassen. Sein »Bericht liber die Ausmittlung der Bahnachse und des Langenprofils der Gotthardbahn etc.« vom Jahre 1876 ist als Muster klarer und umfassender technischer Darstellung und grundlicher Veranschlagung in Fachkreisen bekannt. Tracirung und Bau gingen nun ebenso stetig vorvvarts, wie die aussere Re- construction des Unternehmens — bis zu dem Zeitpunkte, da kleine Differenzen Hellwag’s mit den massgebenden Schweizer PersSnlich- keiten zu hellem Kampfe aufloderten und endlich zum Bruche und Processe fiihrten, in Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 59 1871 beruhende staatliche Genehmigung des Vertra- ges erfolgte am 21. August 1871, die Uebernahme der beziiglichen Strecke [Jedle- see-Stockerau, I9'8 km\ in das Eigenthum der Nord- westbahn aber schon am 1. Juli 1871, wiewohl der Betrieb noch drei Monate von der Nordbahn besorgt \vurde. , Um diese Zeit war der mit seltener Ruhrigkeit ge- fiihrte Bau, wie aus den \veiter unten verzeichneten Eroffnungsdaten naher er- sichtlich ist, schon vveit vor- geschritten, nachdem die in der Concessions - Urkunde nicht ausdrticklich genann- ten Aus- und Einmiindungs- punkte einiger Seitenlinien so rechtzeitig bestimmt \vorden waren, dass dar- aus keinerlei Verzogerung erstand. Mit dem Erlasse des Handelsministeriums vom 18. Marž 1869 wurde angeordnet, dass die Linie nach Trautenau von der Station Gross-Wossek [der Strecke Kolin-Jungbunzlau] uber Chlumetz, Neubid- schow, Paka, Arnau und Trautenau nach Parschnitz zum Anschlusse an den Konigshainer Fliigel der Sud-norddeutschen Verbin- Abb. 41. Ueberfahrtsbriicke der Buschtžhrader Eisenbahn. [Strecke Lužna-Lischau-Rakonitz.] [Nach einer photographischen Auf- nahme aus der Gegenwart von Jos. Gaube, Beainten der Buschtehrader Eisenbahn .1 Nacn einerpnui bp BuschtShrader Eisenbahn.] dem Hellwag schliesslich obsiegte. Hellwag war, im Vollbervusstsein seines reinen Charak- ters, seines geraden und testen Zuschreitens auf das Ziel, seiner grossen Fahigkeiten und seiner die Gefolgschaft immer hinreissenden PersSnlichkeit von Oesterreich her gewohnt gewesen, zu ftlhren! Nicht um persiinlicher Eitelkeit vvillen, sondern im Geiste der ihm Kestellten Aufgabe, vermochte er nicht, mit Misstrauen und NOrgeleien zu kampfen. Im Herbste 1880 kehrte er mit dem Ge- ttihle bitterer Enttauschungen nach Wien zuriick, wo es ihm an freundhchem Empfange und zahlreichen Versprechungen nicht fehlte; da diese unerfiillt blieben, wendete sich Hellwag verschiedenen Bauunternehmungen zu , die jedoch, mit geringem persOnlicnen vverbssinne aufgenommen, ihm ebenso viele rgen, als Nachtheile brachten. Im Herbste 1881 erkrankte Helhvag und 1 5. Januar 1882 hauchte er seine edle ele aus. Der ihm von treuen Freunden, »llegen und Jiingern gesetzte Grabstein rt dem Matzleinsdorfer evangelischenFried- fej tragt die schlichte Legende: »Rastlos schaffend — reich begabt — grosser Gedanken voli — hat Wilhelm Helhvag 1862—1868 als Bau-Inspector der SUdbahn thatigen Antheil am Baue der Brennerbahn gehabt; 1868—1875 als Bau-Director die O e st erre i c h i s c h e Nordivestbahn und die Elbethalbahn erbaut; 1875—1881 als Ober-Ingenieur den Bau der Gotthardbahn geleitet.« 6o Ignaz Konta dungsbahn gefiihrt werde, und dass an Stelle des Umweges, welchen die Trače nach dem urspriinglichen Projecte gemacht hatte, die drei Ausastungen: Trautenau- Freiheit, Pelsdorf- Hohenelbe und von einem Punkte [laut Erlass vom 17. Juli 1869: Wostromšf] nach Jičin herzustellen seien; ferner wurde mit dem Erlasse des Handelsministeriums bestimmt, dass die Flugelbahn von diese Verbindung kam jedoch nicht zur Ausfuhrung. Die Errichtung der mit einem Actien- capitale von 36,000.000 fl. [180.000 Actien a 200 fl.] ausgestatteten Gesell- schaft: »K. k. priv. O esterreichis che N o r d w e s tb ahn« ging am 26. Juli 1870 vor sich; an diesem Tage gaben auch die Concessionare die oberste Leitung der Unternehmung an den Venvaltungs- Abb. 43. Wilhelm Hellvvag. Znaim zur Franz Josef-Bahn, weil sie in der Strecke Znaim-Zellerndorf mit der Trače der Hauptbahn zusammenfallen wiirde, in Zellerndorf abzweigen und in Sigmundsherberg - Horn an die Franz Josef-Bahn anschliessen solle. Mit dem Ministerial-Erlasse vom 21. September 1870 endlich wurde die directe Ver¬ bindung der Nordwestbahn mit der Wiener Verbindungsbahn, an deren An- kauf durch die in Wien einmiindenden Bahnen die erstere sich ebenfalls bethei- ligt hatte [25. Januar 1870], genehmigt; rath ab und befassten sich nun mit der Elbethalbahn, filr welche sie soeben die Concession erhalten hatten. Hieriiber, wie auch liber die Angliederung dieser neuen Linien an die Nordwestbahn soli jedoch erst spater berichtet werden, um dem chronologischen Gange der damit im Zusammenhange stehenden ander- weitigen Begebenheiten nicht gar zu weit vorauseilen zu mussen. Darum mag die Aufzahlung der Eroffnungsdaten des ur- spriinglich concessionirten Netzes der Nordwestbahn den Abschluss des ersten Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 61 Abb. 44. NorcHvestbahnhof in Wien. Abschnittes der Mittheilungen liber dieselbe bilden. Es \vurden demBetriebe iibergeben: Kolin-Goltsch-Jenikau, 31-3 km, 6. December 1869. Kolin-Jungbunzlau, 54 '3 km, 29. October 1870. Deutschbrod-Goltsch-Jenikau, 427 km, 21. De¬ cember 1870. Gross-Wossek-Wostromi''f, 48’8 km, 21. De¬ cember 1870. Parschnitz-Pelsdorf, 31-6 km, 21. December 1870. Deutschbrod-Iglau, 25'6 km, 25. Januar 1871 • Iglau-Znaim, 98'5 km, 23. April 1871. Deutschbrod-Pardubitz, 923 km, I. Juni 1871. Wostromel--Pelsdorf, 48^0 km, I. Juni 1871. Pelsdorf-Hohenelbe, 4'4 km, 1. October 1871. Stockerau-Znaim, 73-8 km, I. November 1871. Trautenau-Freiheit, g- 8 km, 17. December 1871. Wostromfif-Jiein, 17 4 km, 17. December 1871. Wien-Jedlesee, 6 4 km, fUr den Giiterverkehr I. Juni 1872; fur den Gesammtverkehr I. Juli 1872. Jedlesee-Stockerau [als Nordwestbahn-StrJ, 19-9 km, I. Juli 1872. Zellerndorf-Sigmundsherberg-Horn, 197 km, I. Juli 1872." Die eingeleisige Trače der Oesterreichi- schen Nordwestbahn nimmt ihren Aus- gangspunkt von dem im II. Bezirke, nach dem Entwurfe des Professors W. Baumer erbauten Wiener Bahnhofe und ubersetzt den Donau- strom und dessen Inundationsgebiet auf den nach Entwiirfen von Helhvag &Gerlichherge- stellten Eisenbrticken [Strombriicke 4 Oeffnun- gen a 80 m, Inundationsbrucke 14 Oeffnungen a30 m lang] und gelangt nach Jedlesee, wo die durchKauf erworbene alte »StockerauerBahn« anschliesst. Von Stockerau gelangt die Bahn uber Hollabrunn bis Zellerndorf, wo westlich der Fltigel nach Sigmundsherberg-PIorn zum Anschlusse an die Franz Josef-Bahn abzweigt. Ueber Retz und vor Schattau, die mahrische Grenze iiberschreitend, gelangt die Bahn durch einen tiefen Einschnitt und uber den gross- artigen Viaduct iiber dieThaya[45«r hoch tiber der Thalsohle mit einer Lange von 220 m\ un- mittelbar nach Znaim, wo der Staatsbahn- fliigel von Grussbach ankniipft. Von Znaim weiter entwickelt sich die Trače in einer fast constanten Steigung von 1 : 100 bis zu der durch Auslaufer des mahrischen Hbhen- plateaus gebildeten Wasserscheide bei Schiin- wald und erreicht, mit wechselndenSteigungs- verhaltnissen iiber Mahrisch - Budwitz und Jarmeritz ziehend, nahe bei Trebitsch ihren hochsten Punkt [527-5 Meereshohe]. Hinter Okfiško gelangt die Bahn ins Iglawa- 62 Ignaz Konta. Thal, libersetzt nahe vor Iglau die Iglava und tritt hinter der genannten Station aufbohmi- sches Gebiet. In einer MeereshOhe von 5037 m erreicht sie ebenda die bedeutende Wasserscheide zwischen der Donau und der Elbe und zieht danil zumeist im sanften Ge¬ falle ins Schlapanka- und Sazawa-Thal bis Deutsch-Brod, wo der Fliigel nach Rossitz [bei Pardubitz] abzweigt, dureh den der An- schluss an die Siid-norddeutsche Verbindungs- bahn bewerkstelligt wird. Von Deutsch-Brod langs der Sazawa, diesen Fluss bei Chlistov libersetzend und das Thal bei Svetla verlassend, fiihrt die Haupttrace [von Svetla aus wieder in leichten Steigungen] bis zur Wasserscheide bei Lesch- tina [461 m Meereshohe] und von da im Ge¬ falle von I : 100 bis Časlau, dann in sanfte- rem Gefalle iiber Kuttenberg bis zu dem mit der Staatseisenbahn gemeinschaftlichen Bahn- hofe Kolin, nachdem sie vor dieser Station die Staatsbahnlinie gekreuzt hat. Jenseits Kolin wird die Elbe auf einer eisernen Brucke [132 m] iibersetzt und dureh die sandige Ebene der Elbeniederungen geht es \veiter bis Gross-Wossek [wo der eigene Fliigel nach Altpaka und Parschnitz abzweigt und die damals im Bau begriffene »Elbethalbahn« ihrenAnfangspunkt nimmt]. Vor Jungbunzlau tritt die Haupttrace in das Iserthal, iibersetzt den Iserfluss mittels einer 101 m langen eiser¬ nen Brucke und findet bei der Einmiindung in die Turnau-Kralup-Prager Eisenbahn bei Jungbunzlau ihren Abschluss. Die Flugelbahn von Z el 1 ern d or f nach Horn fiihrt in durchschnittlicher Steigung von 1 : 100 iiber Pulkau nach Sigmunds- herberg-Horn zu dem mit der Franz Josef- Bahn gemeinschaftlichen Bahnhofe. Der Fliigel Deutsch - Brod-Ross itz iibersetzt nachst Deutsch-Brod die Sazawa, geht in Steigungen iiber Pllinsko bis zur aortigen Wasserscheide [590 2 m\, von wo aus die Bahn in starkem Gefalle [1: 100] iiber Skuč nach Chrast und von da ab in massi- gerem Gefalle bis gegen Pardubitz hinabsteigt. Statt die Einmiindung in die Stid-norddeutscne Verbindungsbahn bei Pardubitz zu bewerk- stelligen, vvurde ausbetriebstechnischenRiick- sichten der Fliigel nach Rossitz gefiihrt und neben der Holzbriicke der Sud-norddeutschen Verbindungsbahn die 140 m lange eiserne Brucke der Nordwestbahn iiber die Elbe angelegt. Erst von Rossitz aus war der An- schluss mit der Sud-norddeutschen Verbin¬ dungsbahn und dureh diese in Pardubitz jener mit der Staatseisenbahn hergestellt. Der Fliigel Gross-Wossek-Parsch- nitz, der die Hauptlinie der Nordvvestbahn mit der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn einmal bei Altpaka zum zweitenmale in der Station Parschnitz [zwischen Schwadowitz und Kčnigshain] verbindet, zieht langs des Cidlinaflusses bis Wostromčf, wo der kurze Fliigel nach Jičin abziveigt. Von WostromS geht die Trače in nOrdlicher Richtung gegen Neupaka, wo die Gebirgseinsattlung in einer H5he von 439 m Seehohe dureh einen 420 m langen Tunnel durchbrochen wird. Ueber Altpaka kommt sie zu ihrem nordlichsten Punkte Starkenbach, vvendet sich ostlich, ins Elbethal eintretend, nach Pelsdorf und Arnau, die Elbe dreimal libersetzend bis Neustadtl, dort in ein kleines Seitenthal eintretend. Ueber Pilnikau und Trautenau gelangt sie dann nach Parschnitz. Der Fliigel P e 1 s d o r f - H oh e n elb e bringt den industriereichen Ort Hohenelbe und der Fliigel Trau tena u - Frei h ei t den bekannten Badeort [Johannesbad] mit dem iibrigen Bahnnetz in Verbindung. Die Erdarbeiten waren meist schwierig und vermoge der Terrainhindernisse sehr be- deutend. So \varenbeispielsweise beim Wiener Bahnhofe bedeutende Anschiittungen [3-2 m auf 470.000 m 2 ] und grosse Dammanschiit- tungen beim Thaya-Viaducte nothwendig. Vor und hinter Znaim, zwischen Okfiško und Iglau, bei Deutschbrod und SvStla und auf der Wostromer-Parschnitzer Gebirgs- strecke und bei Slcuo mussten bedeutende Sprengungen und Erdarbeiten durchgefiihrt vverden. Die Kunstbauten wurden [mit Ausnahme des bestandenen an die grosse Donaubrticke anschliessenden hOlzernen Provisoriums] aus Stein oder aus Stein und Eisen erbaut und die grossen Objecte mit Ausnahme des Thaya-Viaductes bei Znaim im Maueriverk fiir Doppelgeleise ausgefiihrt [vrgl. Abb. 44—48]. Die staatlichen Einrichtungen fiir das Eisenbahmvesen erwiesen sich schon in mancher Beziehung als mit sei- nem fortschreitenden Wacbsthum und seiner sich rasch mehrenden Einvvirkung auf die Verhaltnisse des biirgerlichen und geschaftlichen Lebens nicht mehr im Einklange stehend. Regierung und Ge- setzgebung suchten darum das Fehlende oder Unzureichende zu schaffen, bezie- hungsweise zu erganzen. Die bereits im Marž 1856 organisirte technisch-administrative Aufsichtsbehorde, die k. k. General-Inspection der osterreichischen Eisenbahn e n, wurde einer durchgreifenden Reorgani- sation unterzogen und ihr Beamtenstand dureh neue Krafte, die dem Personale der Eisenbahnen entnommen vvurden, wesentlich vermehrt.*) Anlasslich einiger in jener Zeit vorge- kommener Eisenbahn-Unfalle, namentlich aber infolge jenes auf der BShmischen Westbahn bei Hofowitz [10. November *) Naheres vgl. Bd. I, 2. Theil, Dr. Alfr. Freiherr von Buschman, Verwaltungs- Geschichte der Osterreichischen Eisenbahnen. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 63 1868], sah sich die Regierung bemiissigt, ein eigenes Haftpflicht-Gesetz fiir Eisenbahnen [Gesetz vom 5, Marž 1869] zu schaffen. *) Dem vielseitigen Verlangen nach Er- massigung der Tarife suchte die Regierung im legislativen Wege [Regierungsvorlage vom 6. Mai 1868] und spater durch Ein- berufung einer eigenen Enquete zu ent- sprechen. Das Ergebnis dieser Verhand- grosserte, desto fiihlbarer wurde der Mangel eines Behelfes zur Erlangung der Kenntnis jenes neuen \virthschaft- lichen Factors. Diese in der Fachliteratur bestandene Lticke auszufiillen, versuchte eine zu Beginn des Jahres 1868 unter dem Titel »O e s t e r r e i c h i s c h e s Eisenbahn - J a h r b u c h« erschienene Publication, welche eine systematisch ge- gliederte Sammlung der wissenswerthesten Abb. 45. Bau der Norchvestbahnbriicke uber die Donau bei Wien. lungen lieferte ein werthvolles Materiale, aus dem im Jahre 1870 der Reform- Tarif hervorging, der zuerst auf den Linien der Staatseisenbahn-Gesellschaft zur Anwendung kam.**) Aber auch die Osterreichische Fach¬ literatur des Eisenbahnwesens war bereits zu weiterer Ausdehnung und hoherer Bedeutung gelangt. Je mehr das Eisenbahnnetz der Monarchie an Ausbreitung gervann und der Kreis seiner Interessenten sich ver- *) Naheres vgl. Bd. I, 2. Theil, Dr. Victor Roli, Entwicklung der Osterreichischen Eisenbahn - Gesetzgebung. **) Naheres vgl. Bd. III, Alb. Pauef, Frachten-Tarife. geschichtlichen, finanziellen und tech- nischen Daten tiber die heimischen Eisen¬ bahnen enthielt. Der Versuch gliickte; das Werk konnte — Dank der Forderung von Seite zuerst aller, sodann nur der osterreichischen und gemeinsamen Bahnen, wie auch der Centralbehorden — sich immer besser ausgestalten und als »Eisenbahn-Jahrbuch der osterreichisch- ungarischen Monarchie«, liber ein Viertel- jahrhundert hinaus fortgesetzt werden. Seine alljahrlichen Zusammenfassungen der jeweiligen allgemeinen Vorkommnisse auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens der Monarchie und die Monographieen der einzelnen Unternehmungen, seine Ge- schichtstafeln und statistischen Nach- 64 Ignaz Konta. \veisungen, die theils vollstandigen, theils auszugs\veisen Wiedergaben der Con- cessions- und sonstigen wichtigen Ur- kunden, Generalversammlungs-Bescbliisse etc., gestalteten es zu einer verlasslichen Grundlage fiir eine kiinftige Eisenbahn- Geschichtsschreibung. Als naturgemasse Erganzung dieser Publication solite auch eine Sammlung der Constitutiv-Urkunden aller damals bestandenen osterreichischen und unga- rischen Eisenbahnen erscheinen. Die Verlagshandlung gerieht aber, nachdem sie das vollstandige Manuscript bereits tibernommen hatte, in Concurs. Wahrend der hiedurch eingetretenen Verzogerung waren jedoch die ersten Hefte der vortrefflichen, zwar nicht auf die unga- rischen Bahnen ausgedehnten, jedoch in iiberaus gediegener und auch amtli- cher Weise bearbeiteten »Sammlung der das osterreichische Eisen- b a h n \v e s e n betreffenden G e- setze, Verordnungen, Staatsver- trage und Constitutiv-Urkunden« von Josef Polanetz, k. k. Ministerial- Secretar, und Dr. Heinrich Edlem von Wittek, k. k. MinisteriaDConcipisten, erschienen [1870], ein dem Fachmanne unentbehrliches Werk, das rasch allge- meine Wtirdigung und Verbreitung fand und gegemvartig von dem k. k. Sections- rathe Dr. Schuster Edler von Bonnot in Gemeinschaft mit dem k. k. Ministerial- Secretar Dr. W e b e r in einer neuen Be- arbeitung ausgegeben \vird. An Stelle des im Ministerium fiir Handel und Volkswirthschaft redigir- ten »Notizenblatt fiir Eisenbahn- und Dampfschiffahrt - Unternehmungen«, das bis zum Jahre 1871 als Beilage des Verordnungsblattes fiir den Dienstbereich des osterreichischen Finanzministeriums erschien, trat vom Jahre 1862 eine eigene officielle Zeitschrift, das trefflich redigirte Centralblatt fiir Eisenbahnen und Dampfschiffahrt in Oester- rei ch. Die Statistik der osterreichischen Eisenbahnen war bis zum Jahre 1863 auf die dankenswerthen, immerhin aber spar- lichen Daten der von der k. k. statisti- schen Central - Commission alljahrlich veroffentlichten Zusammenstellungen und Mittheilungen aus dem Gebiete der Sta¬ tistik angewiesen. Auf Anregung des Handelsministeriums stellte die k. k. statistische Central-Commission in ihrer Sitzung vom 5. Juni 1863 die von einem Special-Comite, vvelchem auch Vertreter der grosseren Eisenbahn-Gesellschaften zugezogen wurden, berathenen Formu- larien fiir eine umfassende Statistik der osterreichischen Eisenbahnen fest. In- folgedessen wurde durch das genannte Ministerium auch die Vorlage der nach diesen Formularien verfassten Nachwei- sungen der Eisenbahn-Gesellschaften fiir das Jahr 1864 verfugt. Erst zwei Jahre spater lagen die letzten dieser, vielfach noch mangelhaft ausgefertigten Nachweisungen vor, auf deren Grundlage im Jahre 1868 die erste grossere statistische Zusammenstellung dieser Art [»Die osterreichischen Eisen¬ bahnen und ihr Betrieb im Jahre 1864«] erschien. In Ausftihrung der Bestimmungen des § 14 des provisorischen Ueberein- kommens zwischen den Regierungen beider Staatshalften [vom 29. Juli und 21. August 1868] in Bezug auf die Behandlung der Eisenbahn-Angelegen- heiten in beiden Staatsgebieten wurde die amtliche Statistik der osterreichischen und ungarischen Eisenbiihnen eingerichtet, deren Ergebnis im Jahre 1870 zum ersten Male erschien. Die Uebereinkommen, rvelche die Regierung auf Grund der Gesetze vom 20., beziehungsweise 23. Mai 1869 hin- sichtlich der »Refundirung der Staats- vorschiisse« mit der Kaiserin Elisabeth- Bahn und der Bohmischen Westbahn abgeschlossen hatte, vervvischten die letzten Spuren der ehemaligen Garantie- Streitigkeiten mit diesen Unternehmun¬ gen. Fiir die raumliche Weiterentwicklung des osterreichischen Eisenbahnnetzes ge- dachte die Regierung durch eine die Vervollstandigung desselben betreffende, am 13. Marž 1869 im Abgeordnetenhause eingebrachte Vorlage in ergiebigem Masse vorzusorgen. Dieser Gesetzentwurf war von einer Denkschrift begleitet, welche, ohne ein eigentliches Programm zu ent- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 65 halten, doch alle die Linien aufzahlte, I unternehmungen [auch der Bau auf Staats- deren Ausftihrung bereits als nothwendig kosten blieb nicht ausgeschlossen] con- oder \viinschenswerth galten, und auch j cessionirt werden sollten, je nach ihrer die Grundsatze ent\vickelte, die bei der j Wichtigkeit und Dringlichkeit in Aussicht Sicherstellung der neuen Schienemvege j genommen: Die bisher tiblich gewesenen eingehalten werden sollten. Die Mehrzahl Zugestandnisse, namlich Staatsgarantie Abb. 46 Thay.a-Viaduct bei Znaim [im Bau]. derselben hatte die Bestimmung, volks- wirthschaftlichen oder [wie insbesondere die ungarisch-galizischen] gesammtstaat- lichen Interessen zu dienen, oder Ver- bindungen mit dem Auslande oder den Provinzen unter sich herzustellen. Als staatliche Begiinstigungen waren fiir die einzelnen Bahnen, soferne sie als Privat- Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. oder Betheiligung des Staates an der Capitalsbeschaffung nebst neunjahriger Steuerfreiheit [in diesen beiden Fallen], oder blos eine dreissigj ahrige Steuerfreiheit. Gerade diese letztere Neuerung, welcher die Bedeutung einer dem Staats- schatze Schonung bringenden Aenderung 5 66 Ignaz Konta. des Systems bei Concessionirung von Eisenbahnen innewohnte, begegnete aber, weil die Regierung die Ermachtigung zur Anwendung der neuen Begiinstigungsart ein fiir allemal verlangte, so heftigem Widerstande, dass die Vorlage am 29. April 1869, »mit Riicksicht auf die Kiirze der Zeit, in welcher der Schluss der gegenwartigen Session bevorsteht«, zuriickgezogen wurde, und das Ministerium sich begntigte, die Sicherstellung einiger besonders wichtigenLinien mittels Special- gesetzen zu bewirken. Damit jedoch die Gesetzgebung nicht der Vorwurf treffe, dass sie jenes gross- angelegte Gesetz ablehnend behandelte, und dadurch nicht nur das Zustande- kommen so mancher Eisenbahnen ver- hinderte, sondern auch den Versuch »ein neues System der Concessionirung auf- zufinden«, vereitelte, — brachte der Ab- geordnete Steffens am 1. Mai 1869 ein Gesetz auf Steuerbefreiung f ii r n e u e E i s e n b a h n 1 i n i e n in Vor- schlag, das aber nur bis zum Zu- sammentritte des nachsten Reichsrathes Geltung haben und Gelegenheit bieten solite, das neue System zu erproben. Dieses Gesetz wurde am 10. Mai 1869 vom Abgeordnetenhause, sodann binnen wenigen Tagen auch vom Herren- hause angenommen, und erhielt am 20. Mai 1869 die a. h. Sanction. Zu denjenigen Linien, welche im Jahre 1869 auf Grand von Specialgesetzen ins Leben gerufen \vurden, zahlen, ausser den schon vorher besprochenen Erganzungen [Laibach-Tarvis] der Kronprinz Rudolf- und [Absdorf-Krems] der Kaiser Franz Josef-Bahn, vor Allem die Fortsetzungen der Siidbahn von Villach nach Fran- zensfeste [Pusterthal-Bahn] und von St. Peter nach Fiume, deren erste die Aufhebung der Abgeschiedenheit der Tiroler Bahn von dem iibrigen Netze der Gesellschaft sowie die ebensowohl aus commerziellen als aus militarischen Riick- sichten wichtige, siidliche Verbindung mit Tirol, die zweite hingegen die Eroffnung eines zweiten grossen Hafens ftir den osterreichischen Handel bezweckte. Die Wichtigkeit dieser Linien veran- lasste die Regierung gleich nach den Ereignissen des Jahres 1866, die Siidbahn, die, in Gemassheit der Concessions- Urkunde vom 23. September 1858, zum Bau derselben verpflichtet \var, *) wenn die Staatsverwaltung ein Dritttheil der Herstellungskosten des Unter- und Ober- baues [mit Inbegriff der Grundeinlosung] auf sich nahme, zur Erfiillung ihrer Ob- liegenheit aufzufordern und, iiber Ein- schreiten der Gesellschaft, die Geneigtheit zur Gewahrung giinstigerer Bedingungen zu bekunden. Eine Verstandigung kam jedoch weder damals, noch beim Ab- schlusse des Vertrages vom 13. April 1867 zustande. Etwas spater gelang es zwar die Hauptpunkte einer Vereinbarung festzustellen, die darauf hinausgingen, dass die Regierung eine Subvention in der ungefahren Hohe des Dritttheiles der Baukosten und, behufs Erleichterung der Geldbeschaffung, die Aufnahme eines Specialanlehens bewilligte, »auf dessen Obligationen die Staatsgarantie envahnt vverden wiirde«. Thatsachlichen Erfolg aber hatte auch dies nicht; das Ministerium holte vielmehr mittels einer eigenen Regierungsvorlage [13. Marž 1869] beim Reichsrathe die Ermachtigung ein, die Siidbahn von der Verpflichtung zum Baue jener beiden Linien zu entheben, und die Ausfuhrung derselben unter Zugestehung der Garantie eines 5 °/id£ en Reinertrag- nisses von dem wirklich aufgewendeten Anlage-Capitale [bis zur Hohe von 1,450.000 fl. pro Meile der Fiumaner, beziehungsweise 1,250.000 fl. pro Meile der Pusterthal-Bahn] sicherzustellen, be- ziehungsweise in dem Falle, als die Staatsverwaltung von dieser Ermachtigung keinen Gebrauch machen, sondern die Siidbahn zur Erfiillung ihrer Verpflichtung verhalten wollte, den concessionsmassigen Staatsbeitrag mit einer Summe von hbchstens 13,000.000 fl. zu pauschaliren oder auch ein 5 °/o'S es Reinertragnis des wirklich aufgewendeten Anlage-Capitals zuzusichern. Erst dieses von den beiden Hausern des Reichsrathes glatt erledigte *) I11 der Concessions - Urkunde vom 23. September 1858 ist zur Verbindung der Karntner mit der Tiroler Bahn die Linie Villach-Brixen vorgesehen; in dem Ueber- einkommen vom 27. Juli 1869 ist die Ftihrung derselben nach Franzensfeste [statt nach Brixen] festgestellt worden. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs, 67 Abb. 47. Znaira. Abb. 48, Trautenau. 5 ! 68 Ignaz Konta. und am 20. Mai 1869 a. h. sanctionirte Gesetz fiihrte zu der gewunschten Ueber- einkunft [27. Juli 1869], vermoge deren die Siidbahn den Bau der beiden, einen integrirenden Bestandtheil des osterreichi- schen Netzes der Gesellschaft bildenden Bahnen gegen einen mit 13,000.000 fl. pauschalirten, in sieben Halbjahrsraten ab 2. Januar 1870 zahlbaren Staatsbeitrag ubernahm und ermachtigt \vurde, das nothige Capital durch ein Special-Anlehen zu beschaffen, auf dessen Obligationen die Staatsgarantie in entsprechender Weise ersichtlich gemacht ist. Da die Baufrist knapp [bis 1. Juli, beziehungsweise 1. September 1872] bemessen und das Bauproject langst vorbereitet war, folgte dem Abschlusse des eben. envahnten Uebereinkommens mit der Regierung sogleich die Ver- gebung des Baues. Denjenigen der Linie St. Peter-Fiume erstand die Unter- nehmung Gobert, Romond und Lewy & Comp., jenen der Strecke Villach-Lienz die Unternehmung Gouin & Comp., und zwar beide imPauschalaccorde; in gleicher Weise wurde am 9. October 1869 auch die Strecke Lienz-F'ranzensfeste an die Unternehmung Hiigel, Sager und Anger- mann vergeben. Ein Theilbetrag des Specialanlehens, namlich 40.000 Stlick 5%iger Obliga¬ tionen a 200 fl. gelangte zum Curse von 90°/ 0 schon am 21. Juni 1869 im Wege der offentlichen Subscription zur Aus- gabe, wobei im Ganzen 5,669.919 Obli¬ gationen gezeichnet \vurden. Die 209 - 2/?«ilange Linie Villach-Fran- zensfeste -vvurde binnen 26 Monaten voll- endet und am 30. November 1871 eroffnet. Die technische Leitung der Puster- thal-Bahn, deren Bauausftibrung abermals einen bedeutenden Fortschritt der oster- reichischen Eisenbahn - Technik nach- \vies, lag in Han den des Directors Karl Prenninger; die Ausfiihrung der Hoch- bauten leitete der bevvahrte Architekt der Sudbahn, Director Wilhelm Flattich. Der Bau der 54^4 km langen, gleich- falls sehr schwierigen Linie St. Peter- Fiume erlitt dagegen infolge Insolvenz der unfahigen, den schwierigen Bauaus- fuhrungs-Verhaltnissen nicht gewachsenen franzosischen Bauunternehmung eine Ver- zogerung, welche die Sudbahn durch die alsbald bevverkstelligte Weiterftih- rung der Arbeiten in eigener Regie mog- lichst wettzumachen suchte; die Ver- langsamung der Fiumaner Hafenbauten, und grosse Dammrutschungen in der Bittinje - Schlucht verursachten jedoch neue Hemmnisse, so dass die Bahn erst am 25. Juni 1873 dem Betriebe tiber- geben werden konnte. Zu Ende jenes Jahres betrugen die Anlagekosten der ersteren Linie 27,324.216 fl. und jene der letzteren Linie 11,850.640 fl., erhohten sich aber weiter- hin noch um I bis 1 1 / 2 Millionen Gulden. Die Pusterthal - Bahn Villach-Fran- zensfeste durchzieht ein an Naturschon- heiten reiches Gebiet. Sie tragt in der Strecke Villach-Lienz den Charakter einer Thalbahn, von Lienz bis Franzensfeste hin- gegen ganz ausgesprochen den einer Gebirgs- bahn. Das Neigungsverhaltnis der Villach- Lienzer Strecke tibersteigt nicht 1 : 200, vcahrend auf derLienz-Franzensfester Strecke Steigungen bis I : 40 vorkommen. Von Villach bis Lienz lauft die Bahn in dem von machtigen Bergen umschlossenen Thale beinahe durchaus am linken Ufer der Drau. Hier waren sehr bedeutende Ufer- schutzbauten nothwendig. An grosseren Objecten kommen in aieser Theilstrecke sieben Gitterbriicken vor, worunter die iiber den Lienzfluss bei Spital und iiber die Drau bei Oberdrauburg die bedeutendsten sind. Von Lienz aufvvarts lauft die Linie an- fanglich noch im Thale, bis sie vor Lienz die Lehne erreicht und mit einer Steigung von i : 40 durch die Gebirgsschlucht bei Abfalters- bach gefiihrt \vurde. Die Bahn iibersetzt sodann die Drau, wird bis Unter-Vierschach am rechten Ufer derselben gefiihrt, geht hier abermals auf das linke Ufer iiber und erreicht bei Toblach die Wasserscheide zwischen der Drau und der Rienz. Von hier geht die Bahn in der Thalsohle der Rienz bis Wels- berg und sodann an der Lehne bis Bruneck, vor rvelchem Orte die Rienz mittels eines Viaductes tibersetzt wird. Von Bruneck bis Miihlbach den Cha¬ rakter der Thalbahn tragend, verlasst die Linie unterhalb des letztgenannten Ortes das Rienzthal und biegt iiber die sogenannte Schabserh 5 he in das Eisackthal ein, wo sie endlich nach Uebersetzung des Eisack und nach Passirung der ausseren Forts der Festung Franzensfeste in die Brennerbahn einmUndet. In der Strecke Lienz - Franzensfeste kommen an bedeutenderen Objecten fiinf Tunnels und sechzehn Gitterbriicken vor. Unter den Tunnels sind der Lamprechtburger Tunnel unter den Ruinen der gleichnamigen Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 69 Burg bei Bruneck, 300 m lang, und der Ochsenhiigel-Tunnel bei Schabs, die her- vorragendsten. Die grossten Gitterbriicken sind jene bei der Uebersetzung der Eisack bei Franzensfeste mit sieben Oeffnungen, der Viaduct beim Ausgang aus der Franzensfeste mit sechs (Deffnungen, die 'VVallerbach-Briicke bei MUhlbach und end- lich die Rienziibersetzung bei Percha. Aus strategischen Riicksichten mussten die Gitterbriicken vor und hinter der Franzensfeste zum Einziehen eingerichtet werden. Die Strecke Lienz-Franzensfeste enthalt auch mehrere gewolbte Briicken von grosse- rer Spannweite, unter denen jene tiber den Furkelbach bei Ollang hervorzuheben ist. In dieser Strecke \varen ferner auch langs der Drau und Rienz Uferschutzbauten und Flusscorrectionen von bedeutendem Umfange nothwendig. [Vgl. Abb. 49—56, die Bilder aus der Bauzeit nach photographischen Auf- nahmen im Privatbesitze des technischen Consulenten der Siidbahn, k. k. Oberbaurath Karl Prenninger.] Die Linie St. Peter-Fiume zweigt in der Station St. Peter [auf der Wasserscheide der Poik und Recca, beziehungsweise der Save und dem Adriatischen Meerej von der Siidbahn ab, fiihrt mehrere Kilometer weit iiber steriles Karstgebirg, durchschneidet hier- auf mehrere Seitenthaler des Reccathales und zieht dann durch dieses selbst bis zur Station Dornegg. Der Bahnbau in dieser Strecke ist infolge der Terrainverhaltnisse und der un- giinstig abfallenden Schichtungen der quer durch schnittenen Sandstein- nndMergelforma- tion ein iiberaus schwieriger und kostspieliger geivesen. Er erheischte drei Tunnels, viele bedeutende Einschnitte und hohe Damme, von welchen letzteren der iiber die Bittinje- Schlucht ftihrende, eine Maximalhohe von 52 m erreicht. Von Dornegg aus fiihrt die Trače liber den Freistritzbach und die Recca, steigt dann sanft das Loccathal hinan und erreicht bei Maloberzhe die Wasser- scheide zivischen der Recca und Bruzna, welche zugleich die Landesgrenze zwischen Krain und dem Kiistenlande bildet. Diese Wasserscheide wird mittels eines 624'I m langen Tunnels durchfahren, durch welchen die Bahntrace in das Bruznathal gelangt. Hier geht die Tafelformation wieder pldtz- lich in die Karstformation uber und nach einem nur etwa 2 km langen Laufe ver- schwindet der Bruznabach m einer Karst- hbhle. Unweit derselben ist die Station Sapiane gelegen, von welcher aus die Trače ivieder hts nach Jurdani liber steriles Karst- gestein dahinzieht. Abb. 49. Der Bau der Pusterthal-Bahn in der Lienzer Klause. 70 Ignaz Konta. Hinter der Station Jurdani beginnt die Absenkung des Terrains in dasLittorale von P'iume und mit dieser die Abweichung von der bis hieher ziemlich geraden Richtungs- linie derTrace. Diese ward erforderlich, um die vorgeschriebene Maximalsteigung von I 140 nicht tiberschreiten zu miissen. Unter diesen Neigungsverhaltnissen erreicht die Bahntrace die Station Mattuglie und schliesslich Fiume, woselbst sie in den [von der kbniglich ungarischen Regierung erbauten] Bahnhof der Carlstadt-Fiumaner Bahn [kbniglich unga- rische Staatsbahn] einmimdet. Zwischen Jurdani und Mattuglie befindet sich der 3107 m lange Rukawac-Tunnel. In letzterer Theilstrecke waren wieder be- deutende Felsarbeiten nothwendig, von welchen die beiden grossen Einschnitte nachst Fiume am bemerkenswerthesten sind. AIs zweites unter den auf osterreichische Eisenbahnbauten beziiglichen, damals er- lassenen Gesetze ward jenes vom 23. Mai 1869 sanctionirt, das die Umgestal- tung derLinz-BudweiserPferde- bahn in eine Locomotivbahn betraf. Diese Linie der »ersten osterreichi- schen Eisenbahn« entsprach schon lange nicht mehr den Anforderungen des Ver- kehres und die Regierung hatte darum bereits am 8. Juni 1867 die Kaiserin Elisa- beth-Bahn, \velche als Besitzerin der Pferdebahn zur Umgestaltung derselben bis spatestens zum Ablauf des urspriinglichen Privilegiums, namlich bis 7. September 1874, verpflichtet war, zur Vornahme der technischen Vorarbeiten aufgefordert. Das Ergebnis der letzteren fiihrte nun zu der Ueberzeugung, dass aus Verkehrs- und staatlichen Riicksichten ein zwei- facher stidlicher Anschluss mit je beson- derem Donautibergange, namlich bei Linz und unterhalb Mauthausen, unerlasslich sei. Auch das Abgeordnetenhaus hatte bei seiner Entschliessung vom 26. September 1867, mittels deren es die Regierung um eheste Bewirkung des Umbaues an- ging, den Doppelanschluss in Aussicht genommen, der so gedacht war, dass die Plauptbahn Budweis iiber Wartberg nach Linz und eine Zweigbahn von Wartberg iiber Mauthausen nach St. Valentin zum Anschlusse an die Kron- prinz Rudolf-Bahn fiihren solle. In diesem Sinne wurden denn auch die Verhand- lungen iiber die Bedingungen des Baues und Betriebes dieser Linien mit der Kaiserin Elisabeth-Bahn gepflogen. Am 18. Juni 1868 forderte das Abge¬ ordnetenhaus die Regierung auf, die Ver- handlungen zu beschleunigen und »die Gesetzesvorlage hieriiber noch in dieser Session einzubringen«. Das war nun leichter gewiinscht als vollbracht; denn die Regierung wollte die Verhandlungen auch zurr endlichen Herbeifiihrung der gleichfalls schon seit Langem in Schwebe gevvesenen Refundirung der Garantie-Vor- schiisse der Kaiserin Elisabeth - Bahn beniitzen und jede der beiden Fragen bot Schwierigkeiten genug. Es gelang jedoch immerhin, die Vereinbarung noch knapp vor Schluss des Reichsrathes zu erzielen und der verfassungsmassigen Behandlung zuzufiihren. Das am 1. Mai 1869 dem Abgeordnetenhause vorgelegte und von diesem sogleich dem volks- wirthschaftlichen Ausschusse zur Vorbe- rathung iiberwiesene Uebereinkommen setzte die Trače der neuen Linien fest, bemass die Frist ftlr die Vollendung des ehestens zu beginnenden Baues mit vier Jahren und das Anlage-Capital derselben mit einem Hochstbetrage von 1,340.000 fl. pro Meile, sicherte ein 5%iges Reinertragnis sowie eine neun- jahrige Steuerfreiheit zu, regelte die Ftihrung des Baucontos und der Betriebs- rechnung, die in den ersten neun Be- triebsjahren von jener des alten Netzes gesondert bleiben solite, und enthielt im Wesentlichen noch folgende Bestimmun- gen: Die Gesellschaft ist verpflichtet, die bei ihr noch aushaftenden Staats- vorschiisse sammt 4°/ 0 Zinsen im Laufe des Jahres 1869 zu refundiren, wobei ihr ein Sechstheil der Schuld nachge- sehen und gestattet wird, die iibrigen fiinf Sechstheile in gesellschaftlichen Actien zum vollen Nennwerthe zu begleichen; das hiezu erforderliche [Actien-] Capital darf dem garantirten Anlage - Capitale des alten Netzes zugerechnet werden; zur Abstattung etwaiger kiinftiger Vor- schiisse ist nur die Halfte und, falls nach der Auflassung der getrennten Betriebs- rechnung noch Vorschusse aushaften wilrden, welche ausschliesslich von den neuen Linien herriihren, blos ein Dritt- theil des Reinertragnisses zu venvenden, so dass der Gesellschaft die Halfte, be- ziehungsweise zweiDritttheile des letzteren Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs 71 zur freien Verfiigung bleiben; der Kauf- scbilling filr die alte Linz-Budweiser Bahn [3,500.000 fl.] wird auf das An- lage-Capital der neuen Linien iibertragen; die Dauer der Goncession der alten und der neuen Linien der Kaiserin Elisabeth- Bahn wird gleichmassig auf 85 Jalire, gerechnet vom Tage der Betriebseroff- nung der neuen Linien, festgestellt. die Regierung zum definitiven Abschlusse desselben ermachtigte, am 23. Mai 1869 die a. h. Sanction. Die Generalversamm- lung vom 16. Juni 1869 stimmte dem Uebereinkommen vollinhaltlich zu, worauf es am 30. Juni 1869 endgiltig ausge- fertigt wurde — zum Nutzen beider Theile. Die Regierung erzielte damit den sofortigen Umbau der fiir den neu- Abb. 50. Station Innichen [im Bau]. Die Erledigung dieser Vorlage war eine sehr beschleunigte. Am 8. Mai wurde sie in zweiter und dritter Lesung vom Abgeordnetenhause angenommen, allerdings unter Herabminderung des Anlage-Capitals der neuen Linien auf 1.200.000 fl. pro Meile — eine Aende- ru ng, welche jedoch das Herrenhaus in seiner Sitzung vom 12. Mai milderte, indem es sich fiir einen Betrag von 1.280.000 fl. entschied, was schliesslich auch das Abgeordnetenhaus that. In dieser Fassung erhielt das Ueberein¬ kommen, wie auch das Gesetz, welches zeitigen Verkehr nicht mehr tauglichen alten Pferdebahn sowie die dem Staats- schatze willkommene Riickerstattung der gesellschaftlichen Vorschussschuld, welche nach Abschlag von Steuern und des nachgesehenen Sechstheiles noch immer 4,751.766 fl. 30 kr. be- trug; der Kaiserin Elisabeth-Bahn brachte es die seit vielen Jahren angestrebte freie Verfiigung tiber ihre Ertragnisse, unmittelbare finanzielle Vortheile und eine mittelbare Verlangerung der Con- cessionsdauer der alten Linien um elf Jahre. v 72 Ignaz Konta. Abb. 51. Toblach. Nun schritt die Gesellschaft unvenveilt zur Erfiillung ihrer Obliegenheiten; sie tilgte die Vorschussschuld durch Ueber- gabe von 22.627 Actien a 210 fl. aus den Bestanden der im Jahre 1857 zuriick- gekauften urspriinglichen Actien, und 96 fl. 30 kr. in Baarem an die Staatsver- waltung, beschaffte sich vorlaufig einen Theil des Anlage-Capitals fiir die neuen Linien durch Ausgabe von 10,000.000 fl. in Actien [50.000 Sttick a 200 fl.] und 5,000.000 fl. in Prioritats-Obligationen [25.000 Sttick a 200 fl.], welche Werthe zumeist von den Besitzern der alteren Actien bezogen wurden, und vergab am 14. August, im Offertwege, den Bau an die »AUgemeine osterreichische Bau- gesellschaft«, \velche die gesammte Her- stellung der Bahn, ausschliesslich der beiden Donaubriicken bei Steyregg und Mauthausen, um die Pauschalvergiitung von 7,497.426 fl. iibernahm,. mit der Verpflichtung, den ganzen Bau bis spatestens 31. Juli 1872 zu vollenden. Die Herstellung der beiden Donau- briicken, deren Kosten mit 3,022.000 fl. veranschlagt gewesen, wurde mittels des am 10. December 1869 genehmigten Vertrages, gegen Bezahlung von 2,160.585 fl., an die Witko\vitzer Ge- werkschaft im Vereine mit der Unter- nehmung Gebriider Klein, Schmoll und Gartner iibertragen. Am 18. August 1869 begonnen, machten die Bauarbeiten an- fanglich rasche Fortschritte; spaterhin begegneten sie jedoch grossen Schrvierig- keiten [andauernde Rutschungen der Damme und Einschnitte bei Gaisbach etc.] und wurden iiberdies durch Elementar- Ereignisse gestort. Schliesslich verliess die Bauunternehmung am 13. Juni 1873 in vertragsbriichiger Weise den Bau, und die Bahngesellschaft sah sich ge- nothigt, denselben in eigener Regie zu Ende zu fiihrert, gegen die Unternehmung aber einen Process anzustrengen, der sich sehr lange hinschleppte. Die Linie Budweis-St. Valentin konnte zur Ganze erst am 2. December 1872 und die Strecke Linz-Gaisbach gar erst noch ein Jahr spater in Betrieb gesetzt \verden. Es wurden eroffnet: Zartelsdorf-Summerau, iyg km, 1. December 1871. Summerau-Freistadt, 9'4 k m, 6. November 1872. Freistadt-St. Valentin, 45 8 km, fiir den Gliter- verkehr, 6. November 1872; fiir den Ge- sammtverkehr, 2. December 1872. Linz-Gaisbach [Wartberg], 24^4 km, 20. De¬ cember 1873. Der Betrieb mit Pferden auf den letzten Strecken der alten Linz-Budweiser Bahn ist erst am 15. December 1872 ganzlich einp;estellt worden. Am Schlusse des ersten vollen Be- triebsjahres der neuen Linien haben die Anlagekosten derselben, einschliesslich des Kaufschillings fiir die alte Pferdebahn [3,500.000 fl.], im Ganzen 25,891.438 fl. betragen; in der Folge erhohten sie sich aber noch um mehr als 1,500.000 fl. Zur Bedeckung dieses Aufvvandes vvurden ausser den gleich im Jahre 1869 ausgegebenen Werthen im Nominalbetrage von 15,000.000 fl. tiber Beschluss der Generalversammlung vom 17. Mai 1871 noch 56.000 Prioritats- Obligationen a 200 fl. = 11,200.000 fl. emittirt, beziehungsweise den Actionaren zum Curse von 97 °/ 0 iiberlassen. [24. Mai bis 3. Juni 1871.] Die Linie St. Valentin-Budweis miindet am nordOstlichen Ende der Station St. Valentin aus, setzt bei Mauthausen — unweit der Ennsmundung —• iiber die Donau, zieht dann an den Auslaufern des dortigen Granit- gebirges in das Poneggerthal, passirt mittels eines tiefen Einschnittes die \Vasserscheide und trifft in Gaisbach [Wartberg] mit dem von Linz aus hieher fithrenden Bahnflugel zusammen Von Gaisbach [Wartberg] ftihrt die Trače nach Pregarten, hinter \velcher Station die Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 73 Aist iibersetzt ivird, und hernach theils auf, theilš langs dem Gehange der Feldaist, liber Kafermarkt, oberhalb welcher Station die Aist zum ziveiten Male iibersetzt ivird, nach Frei- stadt und von da nach Summerau. Von hier aus sich zumeist den Auslaufern des dor- tigen Granitgebirges anschliessend, fiihrt die Trače iiber Bohmisch-HOrschlag, in dessen Niihe die Landesgrenze zivischen Oesterreich und Bahmen iiberschritten ivird, nach Zartles- dorf, erklimmt sodami die grosse Wasser- scheide [zivischen dem Donau- und Moldau- Gebiete] bei Trojem, um, zumeist die Trače der ehemaligen Pferdebahn verfolgend, uber Kaplitz, Weleschin [Krumau], Holkau und Steinkirchen nach Budiveis zum An- schlusse an die Franz Tosef-Bahn zu ge- langen. Die Terrainverhaltnisse waren iiusserst schivierige, es mussten Einschnittebiszu einer Tiefe von etwa 18 m [hierunter manche in Granitfels, ivie beispielsiveise ausserhalb der Stationen Pregarten und Freistadt] und Auf- dammungen bis zu 15 111 Hohe hergestellt und ausserdem sehr kostspielige Schutz- und Ver- sicherungsbauten ausgefiihrt iverden. Eine dritte, mittels Specialgesetzes sichergestellte und mit Staatsgarantie ausgestattete Eisenbahn ivar die Linie Bludenz-Bregenz nebst den Ab- ziveigungen F eldkirch-Buchs und Lautrach-St. Margaret h e n, die schon vorlangst, in- und ausserhalb des eigenen Landes, als »Vorarlberger Bahn« bezeichnet ivurde und diesen Namen hernach auch amtlich beigelegt erhielt. Als Ausgangs-, beziehungsiveise Endstuck der schon zur Zeit der ersten Ministerschaft des genialen Bruck ge- planten und von diesem fur hochivichtig anerkannten Schienenstrasse zur Verbin- dung des Bodensees mit der Adria, ge- hort sie zu den altesten osterreichischen Eisenbahn-Projecten. Urheber des Gedan- kens, jene Verbindung zu beiverkstelligen, war, wie an anderer Stelle*) bereits nachgeiviesen erscheint, der ivackere Prasi- dent derFeldkircher Handelskammer, Karl *) Vgl. Bd. I, 1. Theil, H. Strach, Geschichte der Eisenbahnen Oesterreich- Ungarns von den ersten Anfangen bis 1867. S. 496. Abb. 52. Tunnel-Eingang bei der Lamprechtsburg [im BauJ. 74 Ignaz Konta. G a n a h 1 , der auch fast ein Vierteljahr- hundert lang fiir die Verwirklichung seiner Idee thatig gewesen. Nachdem das Project der »Bodensee-Giirtelbahn« in die Briiche gegangen war, trat der unermiidliche Ganahl neuerdings in Thatigkeit, indem er die vollstandigen Plane ftir die Linie Innsbruck-Feldkirch *) einreichte und um die Concession fiir eine von der Landeshauptstadt Tirols bis an den Bodensee reichende Eisenbahn in Bewerbung trat [Februar x868]. Ba kamen aber wieder die von Božen aus- gegangenen Gegenbestrebungen dazwi- schen, welche eine — ftir osterreichische Begriffe zumindest recht eigenartige — Verbindung der Adria mit dem Bodensee, beziehungsweise Vorarlbergs mit dem grossen Verkehre, namlich die Linie [Venedig-] Treviso - Bassano - Valsugana- Trient-Bozen-Meran-Glurns-Chur-Boden- see zum Zwecke hatten. Das war tibri- gens bald abgethan. Die Hauptsache, um welche es sich den Boznern handelte — der Linie Bozen-Meran-Chur einen Platz unter den Eisenbahn-Projecten zu verschaffen — war, allerdings ftir eine fernere Zukunft, erreicht, und das iibrige Beiwerk konnte gegentiber dem altehr- \viirdigen natiirlichen Projecte Innsbruck- Arlberg-Bodensee tiberhaupt nicht, ge- schweige denn als Ersatz desselben, ernstlich in Betracht kommen. Es war in der weitreichenden Gesetzesvorlage vom 13. Marž 1869 mitenthalten, und nach ihrer Zuriickziehung brachte der Handelsminister am 1. Mai 1869 ein die Linie Bludenz-Feldkirch-Bregenz-Bayeri- sche Grenze [bei Laiblach] nebst den Ab- zweigungen von Feldkirch nach Buchs und von Lautrach nach St. Margarethen betreffendes Specialgesetz im Abgeord- *) Diese Plane liess Ganahl auf Grund der Vorconcession, welche er anlasslich der Inangriffnahme der Brennerbahn erbeten und im Vereine mit den Firmen: Getzner, Mutter & Comp., Sysi, Duglas u. A. am 9. April 1865 erhalten hatte, ausarbeiten, und zwar von dem Baufiihrer der Brennerbahn Achilles Thommen. Fiir den Arlberg-Uebergang war ent\veder die Tunnellirung oder die Ueber- setzung mittels einer FelPschen Eisenbahn vorgesehen. Die Plane fiir die Linie Feld- kirch-Bregenz waren langst fertig und auch schon fruher einmal der Regierung vor- gelegen. netenhause ein, das sammt der vom volkswirthschaftlichen Ausschusse bean- tragten und vom Abgeordnetenhause er- ganzten Resolution: »Die Regierung wird aufgefordert, in der nachsten Session ein Gesetz zum Zwecke der Sicherstellung einer directen Bahnverbindung auf oster- reichischem Gebiete von Bludenz nach Innsbruck und von da tiber St. Johann [im Pongau] nach Salzburg und Rotten- mann einzubringen« — binnen zwolf Tagen die Zustimmung der beiden Hauser des Reichsrathes fand. Dieses am 20. Mai 1869 a. h. sanctio- nirte Gesetz ermachtigte die Regierung, jene Vorarlberger Lini en unter Ge- wahrung einer neunjahrigen Steuerfreiheit sowie der staatlichen Garantie eines 5°/ 0 igen Reinertragnisses von dem \virk- lich aufgewendeten Anlage-Capitale, das jedoch den Nominalbetrag von 1,200.000 fl. pro Meile nicht tibersteigen darf, zu con- cessioniren, oder den Bau auf Staats- kosten auszuftihren, in welchem Falle ihr ftir das laufende Jahr eine Baudotation von 2,000.000 fl. bewilligt ist. Bei den sohin eroffneten Concessions- Verhandlungen stellten sich neben dem Consortium Ganahl, das inzwischen mit der Credit-Anstalt und einigen Bauunter- nehmungen in Verbindung getreten \var, auch ein Consortium Erlanger-Pongraz und Achilles Thommen als Bewerber ein. Das letztgenannte Consortium er- wies sich als mindestforderndes und erhielt denn auch am 17. August 1869 die Concession fiir die oben ge- nannten Vorarlberger Linien bis an die Reichsgrenze zum Anschlusse an die bayerischen und schweizerischen Eisen- bahnen, mit der Verpflichtung, den Bau noch im Jahre 1869 zu beginnen und binnen dreijahren, gerechnet vom Datum der Concessions-Urkunde, zu vollenden und mit der Zusicherung eines 5 °/ 0 igen Reinertragnisses von dem Nominalcapi- tale von 1,110.000 fl. pro Meile nebst der erforderlichen Tilgungsquote, dann einer neunjahrigen Steuerfreiheit. Einen integrirenden Bestandtheil dieser Concession bilden die am 25. August 1869 abgeschlossenen z\vei Protokollar-Verein- barungen liber verschiedene bauliche Ausfiihrungen sowie liber die Modali- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 75 taten der Abtretung der Bahn, zu welcher die Concessionare sich verpflichteten fiir den Fali, als kunftighin eine Fortsetzung der Bahn von Bludenz nach Innsbruck durch einen anderen Unternehmer aus- gefuhrt werden solite. Diese Verpflichtung im Zusammen- hange mit dem oben v^rzeichneten Wort- laute der Resolution des Reichsrathes klang dem Lande \vie eine Verheissung Fiir die Geldbeschaftung traf die auch als Mitconcessionarin an dem Unternehmen betheiligte Credit-Anstalt Vorsorge; den Bau unternahmen, mittels Vertrages vom 28. Mai 1870, die bei diesem Anlasse aus der Reihe der Mitconcessionare ausgetretenen Firmen: Thomas Brassey, Gebriider Klein und Karl Schwarz als General-Unternehmung gegen Ueberantwortung des ganzen von Abb. 53. Brucke liber den Gaderbach bei St. Lorenzen, [Aus der Bauzeit der Pusterthal-Bahn.] der baldigen Verbindung mit den oster- reichischen Schienenstrassen und erhohte darum die helle Freude, die es ob der Concessionirung der wenn auch vorerst nur mit Anschlussen an fremde Verkehrsvvege ausgestatteten Bahnanlage durch Vorarlberg empfand und die es in warmen Dankeskundgebungen fiir die Regierung, die Gesetzgebung und den fiir die Zustandebringung der Bahn rast- los thatig gewesenen Handelskammer- Prasidenten Karl Ganahl zum Ausdrucke brachte. der Staatsvenvaltung garantirten Nomi- nal-Anlage-Capitals in Actien und Prio- ritats-Obligationen. Bis zur ministeriellen Genehmigung des Bauvertrages verstrich jedoch nahezu ein Jahr, weil das Mini- sterium verschiedene Mehrleistungen for- derte, iiber welche das Einverstandnis. er st am 9. Marž 1871 endgiltig erzielt wurde. Dies hatte iibrigens nicht gehindert, dass die Bauarbeiten schon friiher in Angriff genommen und insbesonders. seit Mitte 1870 in vollen Gang gesetzt Ignaz Konta. 76 wurden. Zur selben Zeit erfolgte auch die Vereinbarung des an die Stelle des Staatsvertrages vom 5. August 1865 ge- setzten neuen Staatsvertrages ddto. Bre- genz, 27. August 1870 [ratificirt 21. Januar 1871], der die Anschliisse der Vor- arlberger Bahn an die bayerischen und schweizerischen Bahnen regelte und noch darum von Wichtigkeit war, weil die vom Canton St. Gallen schon am 1. De¬ cember 1869 ertheilte Concession ftir die auf schweizerisches Gebiet fallenden Strecken der Zweigbahnen Lautrach- St. Margarethen und Feldkirch-Buchs, und der bayerischerseits auszufiihrende Bau der Theilstrecke ' Lindau-Laiblach eben von der Revision jenes frtiheren Staatsvertrajres abhing und erst nach Durchfiihrung derselben in Kraft treten konnte. Zufolge dieses Vertrages fiihrt die Vorarlberger Bahn den Betrieb auch auf den Strecken von der Reichsgrenze einerseits bis Lindau, andererseits bis Mar¬ garethen. Die Concessionirung der Liechten- stein’schen Theilstrecke fand am 15. Januar 1870 statt. Die Gesellschafts- Statuten erhielten am 9. Juni 1871 die staatliche Genehmigung, worauf die Constituirung der »k. k. p r i v. Vor¬ arlberger Bahn«, deren Gesellschafts- Capital aus 6,000.000 fl. in Actien [30.000 Stiick a 200 fl.] und 7,396.600 fl. in Prioritats-Obligationen [36.983 Stiick a 200 fl.] zusammengesetzt gewesen, am 3. Juli 1881 vor sich ging. Die mit Ende des Jahres 1870 in Wien er- richtete »Bau- und Betriebsleitung«, deren Vorstand der Inspector Wilhelm Paravicini gewesen, \vurde ein Jahr darnach zu einer Direction ausgestaltet, nach dem Ableben des Directors Para¬ vicini aber wieder aufgelassen. In Wien verblieb ein administratives Central- bureau mit dem General-Secretar Dr. Ferdinand Zehetner anderSpitze; fiir den executiven Dienst wurde in Feld- kirch eine Betriebs-Direction errichtet, welcher der Director Rudolf C le m en t vorstand. Der Bau der Hauptlinien Bludenz- Bregenz-Bayerische Grenze [62^4 km] wurde noch vor der concessionsmassigen Frist vollendet und am 1. Juli 1872 dem Betriebe tibergeben; etwas spater ge- langten auch die Fliigelbahnen zur Er- offnung, und zwar Feldkirch-Buchs, I7'9 km [so\vie die fremde Anschluss- strecke Laiblach-Lindau], am 24. October und Lautrach-St. Margarethen, 9'6 /e?«, am 23. November 1872. Die Anlage- kosten beliefen sich auf 13.257.000 fl. Im letzten Stadium des Baues der Vorarlberger Bahn schien es, als solite ihre Fortsetzung nach Innsbruck nun zur Thatsache werden. Der Handels- minister, Dr. Banhans, legte, nach vor- heriger Begutachtung des von der k. k. 00 o General-Inspection ausgearbeiteten Pro- jectes durch eine fachmannische Exper- tise, am 22. Marž 1872 dem Abgeord- netenhause einen die Herstellung der Linie Innsbruck - Bludenz betreffenden Gesetzent\vurf vor und unterstiitzte die Angelegenheit auf das Lebhafteste. Das erweckte in allen betheiligten Kreisen frohe Hoffnungen, die aber leider nur zu bald wieder in nichts zerfiossen. Das Uebehvollen des damaligen Fuhrers der Verfassungspartei begrub die Vorlage im Ausschusse, und die Vorarlberger Bahn blieb zu ihrem, wie nicht minder zum grossen Schaden des garantirenden Staatsschatzes und des offentlichen Inter- esses noch gar lange Zeit von den tibrigen Eisenbahnen Oesterreichs isolirt. Die Trače der Vorarlberger Bahn beginnt in der Mitte des die Grenze zwischen Bayern und Vorarlberg bildenden Laiblach- baches, geht eine kurze Strecke an den flachen Ufern des Bodensees entlang, bis zu jenem Punkte, wo der See den Fuss des Pfandlerberges bespiilt, und ist, hart neben der Reichsstrasse laufend, in den Bodensee eingebaut, welchen sie, den Hafen durch- schneidend, erst hinter Bregenz verlasst. Von da ab verfolgt die Trače auf eine kurze Strecke die stidwestliche Richtung, wendet sich dann gegen Siiden, erreicht ansteigend und einen Auslaufer des Gebhardtsberges durchbrechend, das Flussgebiet der Bregenzer Ache, iibersetzt diesen Gebirgsfluss mittels einer 227 6 m langen Brucke und tritt, den OrtLautrach durchschneidend, in das Rhein- thal. Von Lautrach wendet sich die Vorarl¬ berger Hauptbahn siidOstlich, fiihrt bei dem Orte Schwarzbach vortiber, geht, die ent- gegengesetzte Richtung einschlagend, in giinstigem Terrain und massigen Kriimmun- gen, Dornbirn, den industriereichsten und bevOlkertsten Ort Vorarlbergs beriihrend bis zur Dornbirner Ache, iibersetzt diesen Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 77 Abb. 54. Viaduct liber den Eisack-FIuss bei Franzensfeste [im Bau]. Abb. 55. Franzensfeste. 78 Ignaz Konta. Gebirgsbach mittels einer 72 m langen Eisen- briicke und gelangt mit einer unbedeutenden Wendung nach Hohenems und von da durch Torfmoor nach Gotzis. In der weiteren Fort- setzung von Gotzis ab fuhrt die Bahn iiber Moorgriinde und, indem sie sich nach kurzem Laufe mehr siidostlich \vendet, errreicht sie an- steigend den durch den Frutzbach ange- schwemmten Schuttkegel, iibersetzt diesen Wildbach und erreicht Rankweil. Diesen Ort durchschneidend senkt sich die Bahn in das von dem Ardezenberge und den Aus- lžiufern des Hoch-Gerachs begrenzte Thal und gelangt bei den Orten Altenstadt und Lewis vorbei nach Feldkirch. Hier vvendet sich die Bahn in einem scharfen Bogen nach Osten, zieht an dem Ostlichen Theile der Stadt Feld¬ kirch vorbei, durchfahrt in einem Tunnel die sogenannte Schattenburg und fuhrt an steilen Berglehnen entlang in das unter dem Namen Feldkirchner Defile bekannnte und strategisch wichtige Flussgebiet der 111. Innerhalb senk- rechter Felswande eingeengt, ist die Bahn daselbst, hart an derReichsstrasse fortlaufend, in den Illfluss eingebaut und zieht langs steilen Fels- und Berglehnen ansteigend, am rechten Illufer nach Satteins. Von da geht die Bahn auf das linke Illufer iiber und ge¬ langt, theilweise im Flussgebiete der 111 an- gelegt, nach Nenzing. Nach Ueberschreitung des Mengbaches wendet sich die Bahn nach kurzem Laufe und nach Durchschneidung eines vorspringenden Hiigels dem rechten Illufer zu und erreicht die Station Strassenhaus. Von hier ab geht die Bahn stetig ansteigend ihrem Endpunkte Bludenz zu. Die Fliigelbahn Lautrach-St. Margarethen zweigt von der Station Lautrach westlich ab, fiihrt iiber ebenesTerrain bei den Orten Haard und Fussach voriiber und gelangt, vorher die Dornbirner Ache iibersetzend, bei dem Orte Haag zum Rhein, welchen sie, abermals die westliche Richtung einschlagend, mittels einer l8cr6 m langen Brucke iiberschreitet, um so- dann in der Station St. Margarethen an die vereinigten SchweizerBahnen anzuschliessen. Die Fliigelbahn Feldkirch-Buchs zweigt in Feldkirch von der Hauptbahn ab, lauft m nbrdlicher Richtung mit der Hauptbahn parallel bis Altenstadt, wendet sich nach vVesten und gelangt, nachdem sie den Ardezenberg mit einem langen Bogen um- fahren hat, hart am Fusse dieses Gebirgs- stockes zur 111, iiberschreitet diesen Fluss mit einer 37-9 m langen Brucke und erreicht nach Durchbrechung einer vorgeschobenen Felsen- kuppe nachst den Orten Tisis und Gallmist die Grenze des Ftirstenthums Liechtenstein. Die Terrainverhaltnisse waren grossen- theils sehr schwierige. Die Bahn musste streckenweise durch Moore und Sumpfland gefiihrt werden, wiederholt den Rhein und mehrere Wildbache iiberschreiten, und an manchen Orten in die Gebirgswasser selbst eingebaut vverden. Auch die Bauten am Bodensee bereiteten Schwierigkeiten. [Vgl. Abb. 57-59-] Die letzte der im Jahre 1869 unter Gevvahrung staatlicher Zinsengarantie wirklich concessionirten Bahnen war die Linie Przemyšl-Lupkow, d. i. der osterreichische Theil der E r s t e 11 u n- garisch-galizischen Eisenbahn. Die Nothvvendigkeit einer Ueberschie- nung der Karpathen, welclie auf eine Lange von mehr als 800 km die Grenze und, wegen der mangelnden Verbindun- gen, auch eine formliche Scheidewand zwischen Ungarn und Galizien bildeten, war schon frirlizeitig erkannt; sie fand bereits in dem am 10. November 1854 amtlich verlautbarten Entvvurfe eines osterreichischen Eisenbahnnetzes und her- nach bei der Concessionirung der Theiss- bahn [1856] deutlichen Ausdruck. Die letztere hat denn auch, im Hinblicke auf das ihr eingeraumte Vorrecht »fiir die Fortsetzung ihrer Linien von Kaschau nach Galizien zum Anschlusse an die dortige Hauptbahn« ein Project aus- arbeiten lassen, das aber infolge der damaligen Finanzzustande unausgeftihrt blieb. Im Jahre 1864 suchten sowohl der galizische Landesausschuss als die Lem- berger Handelskammer und die Land- \virthschaftliche Gesellschaft bei der Re- gierung um ehemoglichste Concessionirung einer galizisch-ungarischen Verbindungs- bahn an, als welche sie, gestiitzt auf fachmannische Urtheile von Militar- und technischen Autoritaten, dieLinieKaschau- Eperies-Dukla mit Abzweigungen gegen Przemyšl einer- und Tarnow andererseits befiirworteten. Etliche Monate spater unternahmen die Grafen Johann Wald- stein und Erwin Schonborn-Buchheim den Versuch, ein ganzes Eisenbahn- netz, vvelches Munkacs zum Knoten- punkte haben und zur Verbindung der ungarischen mit den galizischen Bahnen eine Linie iiber Skole und Stryj nach Tarnopol, die andere von Kaschau aus iiber Eperies nach Tarnow entsenden solite, zustande zu bringen. [Vorconcession vom 7. Februar 1865.] Bei der Berathung der Gesetzes- vorlage iiber die Concessionirung der Kaschau-Oderberger Bahn kam dieFrage einer ungarisch-galizischen Eisenbahn- Verbindung gleichfalls eingehend zur Geschichte der Eisenbabnen Oesterreicbs, 79 Sprache, so zwar, dass die beiden Hauser des Reichsrathes den Beschluss fassten, die genannte Bahn solle iiber Eperies - Dukla an die Carl Ludwig- Bahn in Przemyšl angeschlossen und das bezligliche Gesetz im Jahre 1866 der Legislative vorgelegt werden. Als die Ereignisse des Jahres 1866 das Fehlen dieser Verbindung so augenfallig gemacht hatten, beauftragte das Handels- ministerium einige Ingenieure der General- Inspection mit der Ausmittlung einer zrveckentsprechenden Linie von Kaschau nach Przemyšl. Diese Tracirungs-Com- mission nahm ihren Sitz in Kaschau, be- gann noch wahrend des Herbstes die Arbeiten und kam zu dem Ergebnisse, dass die Bahn durch das Laborczthal liber Lupk6w anzulegen sei. Damit war aber die Traceflihrung noch beiweitem nicht entschieden; das zeigte sich an- lasslich der damaligen Concessionswer- bung z\veier Consortien. Eines derselben mit dem Fiirsten Adam Sapieha an der Spitze bewarb sich um die Linie Prze- myšl-Dukla-Kaschau, das zweite, von den Grafen Adam Potočki und Aladar Andrassy vertreten, strebte die Linie Przemyšl-Lupk6w-Kaschau an und jedes bekampfte in der damals iiblichen Weise, d. h. in Publicationen aller Art, das Project des anderen, wobei fiir die Duklaer Linie ihre Eigenschaft als ur- alte Communication und Heerstrasse zwischen Ungarn und Galizien, fiir die Lupk6wer Linie hingegen die leichtere und billigere Ausflihrbar- keit geltend gemacht wurden [1867]. Zu einer endgiltigen Wahl der Trače kam es jedocherst im Jahre 1868, nachdem das Reichs- Kriegsministerium bei den beiderseitigen Resje- rungen die nicht weiter aufschiebbare Sicherstel- lungeinergalizisch-unga- rischen Verbindung mit dem Ausgangspunkte Przemyšl dringendst ur- girt hatte und die von den Regierungen veranlasste nochmalige Untersuchung der Tračen gleichfalls zu Gunsten der Lupkower Linie ausgefallen war. In dem liber die gemeinsamen Berathungen ausgefertigten Protokolle vom 3. November 1868 ist verzeichnet, dass der Vertreter des Reichs-Kriegs- ministeriums sich unbedingt fiir die directe Verbindung Przemysl’s mit Ungarn liber Chyrow und Lisko, ohne nahere Bezeichnung des Karpathen-Ueberganges, jedoch gegen eine Linie durch das San- thal ausgesprochen und der Delegirte der koniglich ungarischen Regierung er- klart hat, er konne bei dem Umstande, als vorerst nur eine einzige Verbindung sicherzustellen moglich sei und es sich dabei in erster Reihe um strategische Interessen handle, nur den Aeusserungen des Vertreters der Kriegsverwaltung bei- pflichten, aber etwas weitergehend, d. h. die leichter ausfiihrbare und giinstigere Betriebsverhaltnisse bietende Trače von Zombor [Theissbahn] liber Satoralja- Ujhely, Valejte [Anschluss nach Kaschau], Toke-Terebes, Legenye-Mihaly, Homonna, Mezo-Laborcz,Lupkow, Lisko undChyrbw nach Przemyšl empfehlen. Das stimmte riicksichtlich des galizischen Theiles der Bahn und des Uebergangspunktes voll- standig mit den vorerwahnten Ergeb- nissen der osterreichischen Ausmittlungen vom Jahre 1866 iiberein; da iiberdies Abb. 56. Station Franzensfeste. 8o Ignaz Konta. die kSniglich ungarische Regierung noch im Jahre 1868 [29. November] einen Gesetzentwurf iiber die Concessionirung der ungarischen Strecke Mihaly-Lupkow vor die Legislative brachte, war die Frage der Tracefiihrung nun auch fur die osterreichische Regierung gelost. Sie brachte daher im Reichsrathe am 13. Marž 1869 neben der allgemeinen Vorlage iiber die Erganzung des osterreichischen Eisen- bahnnetzes, in \velche nicht weniger als fiinf ungarisch-galizische Verbindungs- linien Aufnahme gefunden, eine Special- vorlage ein, welche die fiir den Augen- blick dringendste Linie Przemyšl-tupkow betraf. In der Vorlage war eben- sowohl die Concessionirung unter Ge- wahrung einer Staatsgarantie von 50.000 fl. pro Meile, als auch gegebenen Falles, namlich wenn es bis drei Monate nach der Sicherstellung der ungarischen An- schlussstrecke nicht gelingen solite, die Concession zu ertheilen, der Bau auf Staatskosten vorgesehen. Die verfassungsmassige Behandlung der beiderseitigen Vorlagen ging nicht sehr glatt vonstatten. Im Reichsrathe traten vorwiegend die Anhanger der Dukla-Linie als Gegner auf, die aber zu sehr in der Minderheit waren, um die Annahme des Gesetzes vereiteln zu konnen; dieselbe fand im Abgeordnetenhause am 7. Mai, im Herrenhause am 12. Mai statt, worauf dann am 20. Mai 1869 die a. h. Sanc- tionirung des Gesetzes folgte. Im un¬ garischen Reichstage, der aus Zeitmangel die sachliche Berathung erst in der i8Č9er Session vornahm und bis dahin mit vergleichenden Studien der verschie- denen Tračen versehen sein wollte, war die Gegnerschaft mehr von personlichen Abneigungen gegen die »Familienbahn« [so benamst wegen der Concessions- werber] getragen; doch geschah auch dort der Sache kein wesentlicher Ein- trag. Es wurde die Staatsgarantie auf 40.000 fl. pro Meile herabgemindert, im Uebrigen aber die Vorlage am 12., beziehungsweise 13. Juli angenommen und hernach am 14. Juli 1869, als Gesetz-Artikel VI vom Juli 1869 sanc- tionirt, womit zugleich die Concessio¬ nirung an das Consortium Adam Graf Potočki, Aladar Graf Andrassy, August Furst Sulkowski, Gabriel v. Lonyay u. A. verbunden war. Dasselbe Con¬ sortium erhielt am 11. September 1869 auch ftir die galizische Strecke des Unternehmens eine neunjahrige Steuer- freiheit und die Garantie eines funfpro- centigen Reinertragnisses nebst der Til- gungsquote von nominale 955.000 fl. pro Meile gewahrt. Die Baufrist \vurde auf langstens drei Jahre festgesetzt. Gemass einer von den Concessionaren am 28. Au¬ gust 1869 beim Handelsministerium pro- tokollarisch abgegebenen Erklarung hatte eine gesonderte Rechnungsfuhrung fiir die beiden Strecken platzzugreifen. Nach der Dringlichkeit, welche die Regierungen der beiden Reichshalften dem endlichen Zustandekommen dieser Bahn beigelegt, ebenso nach den eifer- vollen Bemiihungen, vvelche die Con¬ cessionare an die Erlangung der Con¬ cession gewendet hatten; nach den vielen der Concessionirung vorausgegangenen technischen Untersuchungen und Begut- achtungen vvurde allenthalben gewartigt, dass die Durchfuhrung der Concessionen sich in normaler Weise abwickeln \verde, zumal als die Credit-Anstalt die Geld- beschalfung ilbernommen und die Actien [62.000 Stiick a 200 fl.] Anfangs Juni 1870, ohne alle Zwischenmassnahmen, mit Leichtigkeit an der Borse selbst ver- aussert hatte. Allein schon die Bauvergebung stiess auf Hindernisse; eine ganze Reihe von Bauunternehmungen, mit denen Unter- handlungen gepflogen worden waren, erklarte es fur unmoglich, den Bau mit den concessionsmassig gegebenen Geld- mitteln regelrecht auszufuhren, und als die Concessionare dann im Marž 1870 um desto bereitvvilliger mit dem Grafen KarlMier, hinsichtlich der galizischen, und mit den Gebriidern Braun, hinsichtlich der ungarischen Strecke, »General-Accorde« abschlossen, weil diese Unternehmer mit jenen Mitteln auslangen wollten, blieb noch immer der Bau des Grenztunnels unver- geben, den schliesslich die Concessionare selbst in Gemeinschaft mit den genannten zwei Unternehmungen libernahmen. Der am 12. Marž 1870 auf der ungarischen und sechs Tage spater auf der galizischen Strecke begonnene Bau ging unter der Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. Leitung des von den Concessionaren aus ibrer Mitte erwahlten engeren Ausschusses, dem der Baudirector Rudolf Gunesch zur Seitestand,eineZeitlangbestensvonstatten. Die Sorge um die Bewaltigung der weiterhin eingetretenen Sch\vierig- keiten fiel bereits dem Venvaltungsrathe der Actien-Gesellschaft zu, die sich auf Grand der am 19. November 1870 behordlich genehmigten Statuten am 17. December 1870 mit einem Capitale 1 : 70] sich fiir die Rampe von Mezo- Laborcz aufvvarts als unhaltbar erwies, die koniglich ungarische Regierung aber erst nach wiederholten neuerlichen Unter- suchungen der Trače und nach abermals eingeholter Zustimmung der Legislative die Amvendung von Steigungen bis 1 : 40 gestattete, und auch dann nur unter der Bedingung, dass die Gesellschaft sich ver- pflichtete, die Theilstrecke Vidranyi-Lan- desgrenze im Unterbau doppelgeleisig her- Abb. 57. Bregenz mit der Trajectanlage. von 31,500.000 fl. [62.500 Actien und 9 5 .000 Prioritats- Obligationen zu j e 2 00 fl.] und der Firma: ^Erste ungarisch-gali- zische Eisenbahn« constituirt hatte. Die auf lange hinaus letzte Annehmlich- keit bereitete ihr die am 18. April 1871 seitens der Credit-Anstalt, im Wege der offentlichen Zeichnung und zum Curse von 87°/ 0 , erfolgreich berverkstelligte Ausgabe von 40.000 Prioritats-Obligationen. Das Ungemach begann, als die in der ungarischen Concession festgesetzte Begrenzung der Steigungen [1:60 bis Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. zustellen, die Kosten des zweiten Geleises derselben jederzeit bereit zu halten und der Staatsvenvaltung Actien im Nominal- betrage von 180.000 fl. als Vergiitung fiir die durch die grosseren Steigungen verur- sachte, die Garantie-Erfordernisse beein- flussende Erhohung der Betriebskosten zu iibergeben, was in finanzieller Be- ziehung die Lage der Gesellschaft gewiss nicht verbesserte.*) *) Naheres vgl. Bd. III, J. Go n d a, Die Eisenbahnen Ungarns vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart. 6 82 Ignaz Konta. Dies nahm sich jedoch fast wie unbe- deutend aus gegen die argen Verlegen- heiten, welche der Gesellschaft daraus er- vvuchsen, dass Graf Mier sich bei Anbruch des Winters 1871 weigerte, den iibernom- menen Bau dergalizischenStrecke zuEnde zu fiihren. Die ebenso rasche als nach- driickliche Dazwischenkunft des Handels- ministers verhiitete zwar eine voll- kommene Einstellung des Baues und be- wirkte dieBeilegung dieser unerquicklichen Angelegenheit in der Weise, dass die Credit-Anstalt von ihrem bei der Begebung der Titel der ungarisch-galizischen Eisen- bahn bereits erzielten Gewinne einen Be- trag von 600.000 fl. zur Fortsetzung des Baues vvidmete, Graf Mier — gegen Verzicht auf die von ihm nachgewiesene Forderung an die Gesellschaft in der bei- laufigen Hohe von gleichfalls 600.000 fl. — aus dem Vertragsverhaltnisse entlassen wurde, und die Gesellschaft die Weiter- fiihrung des Baues in die eigene Regie nahm. Aber die Gesellschaft, welche bei der Eingehung dieses, mittels der Proto- kollar-Vereinbarungen vom 6. und 12. De¬ cember 1871, beziehungsvveise 29. Januar 1872 abgeschlossenen Vergleiches eigent- lich nur von zwei Uebeln das kleinere \vahlte, da die Einstellung des Baues und die Austragung des Falles im Process- \vege ihr gewiss noch grossere Opfer auferlegt haben wiirde, hatte damit eine schwere Last auf sich genommen; denn die zuriickgelassenen Verbindlichkeiten des Grafen Mier iiberstiegen eine Million Gulden, die Intercalarzinsen erhohten sich durch die Bauverzogerung um etwa 800.000 fl., und verschiedene auf die Ge¬ sellschaft iibergegangene Ersatzleistungen, dann die Behebung der durch Frost und Nasse verursachten Schaden an den im un vollendeten Zustande verlassenen Bauten erforderten noch weitere namhafteSummen. Zur Deckung dieser Erfordernisse con- trahirte der Verwaltungsrath mit Zustim- mung der Generalversammlung vom 27. Juni 1872 eine schwebende Schuld im Be- trage von 2,300.000 fl., und vvendete sich zugleich an die Regierung um Vergiitung der bewirkten Mehrleistungen, wie auch um Erhohung der Staatsgarantie auf den im Concessions-Gesetze [vom 20. Mai 1869] bestimmten Plochstbetrag. Das letztere Zugestandnis wurde der Gesellschaft bald zutheil, da die Regierung schon friiher an die Gevvahrung dieses Zugestandnisses gedacht zu haben schien und die be- treffende a. h. Genehmigung bereits am 21. December 1869 erflossen vvar. Sie be- \villigte also mittels Erlasses vom 21. Juni 1872 die Garantie-Erhohung, vvelche gleich- bedeutend war mit einer Vermehrung des Capitals um 45.000 fl. pro Meile, und der Gesellschaft die \veitere Ausgabe von 1698 Actien und 1465 Prioritats-Obli- gationen zu je 200 fl. [= nominale 632.600 fl.] ermoglichte. Die durchgreifende Ordnung ihrer Ver- haltnisse blieb aber der Gesellschaft noch lange versagt. Ihre Bedrangnis nahm daher mit jedem Tage zu, insbesondere nach- dem auch der Bauunternehmung der ungarischen Strecke eine sehr bedeutende Aufbesserung gewahrt werden musste, um ihr die Fortfilhrung der Arbeiten zu ermoglichen. Gleichwohl gelang es der Gesell¬ schaft, die Bahn im Jahre 1872, mit Ausnahme des Grenztunnels, fertig- zustellen, bis zu dessen Vollendung ein eigens eingerichteter Messageriedienst die Verbindung der beiden Strecken ver- mittelte. Diese Vollendung zog sich aber immer weiter hinaus. Der starke Druck des durchfahrenen Gebirges, namentlich auf der ungarischen Seite, machte die Ausmauerung des Tunnels notlrvvendig, und als diese unternommen vvurde, da zeigte es sich, dass das hiezu den Karpathen entnommene Steinmaterial keine geniigende Widerstandskraft besass. Es mussten Granitquadern aus Bohmen und Oberosterreich herbeigeschafft werden. Nicht genug daran, brach auch noch eine Cholera-Epidemie aus, welche viele Ar- beiter dahinraffte und noch mehr von der Baustelle verscheuchte. Erst im Mai 1874 war es mOglich, den Tunnel und mit ihm die ganze Bahn dem Betriebe zu iibergeben. Von den ein- zelnen Strecken derselben wurden eroffnet: Legenye Mihalyi-Homonna, 64-6 km, am 25. December 1871. Przemyšl - Chyr6w, 33'2 km, fiir Giiter am 8. Mai 1872, fiir den Gesammtverkehr am 13. Mai 1872. Chyr6w-Krošcienko, 19^4 km, am I. Juli 1872. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreicbs. 83 Krošcienko-Ustrzyki, 81 km, am 3. Septem¬ ber 1872. Ustrzvki-Komancza, 70-2 km, am 12. Novem¬ ber 1872. Komancza- 3 L.upk 6 w, 137 km, am 18. Decem¬ ber 1872. Homonna-Grenztunnel,*) 55-4 km, am 12. Juni _ 1873 - Grenztunnel, r6 km, am 30. Mai 1874. Der unvorhergesehene, so iibermassige Kostenaufwand fiir den Tunnel brachte naturlich die finanziellen Verhaltnisse der Gesellschaft auf einen noch viel tieferen Stand; sie musste neuerdings eine schwe- bende Schuld aufnehmen und war fiir den Fali, als dies nicht gelingen solite, nothgedrungenerweise auch schon be- reit, einen Theil der auf die Actien ent- fallenden Staatsgarantie zur Beschaffung eines fundirten Anlehens zu verwenden [Beschliisse der ausserordentlichen Gene- ralversammlungen vom 14. Marž, 25 - Octo- ber und 11. November 1873]. So \veit kam es nun allerdings nicht. Die beiderseitigen Regierungen sahen ein, dass es unzulassig sei, eine Gesellschaft, die im Vertrauen auf die von den staat- lichen Organen gepflogenen Erhebungen und Berechnungen, aus denen die Ab- striche an den Voranschlagen der Con- cessionare hervorgegangen \varen, die Ausftihrung der Bahn ubernommen hatte, fiir alles das, was an jenen Calculationen sich als unzutreffend herausstellte, allein aufkommen zu lassen — und sorgten nicht nur fiir die Bedeckung der beim Tunnelbau aufgelaufenen Mehrkosten von 3,600.000 fl., sondern verhalfen der Ge¬ sellschaft iiberdies zu einer grossen Bei- hilfe von Seite der Credit-Anstalt. Die osterreichische Regierung gewahrte nam- hch, auf Grund des Gesetzes vom 5. Juni 1885, der Gesellschaft einen Staatsvor- schuss von 1,800.000 fl. fiir den Fali, als die ungarische Regierung ihr eine gleiche Unterstiitzung biete und auch die Credit-Anstalt, als Finanzirungs- Institut und als Hauptglaubigerin der Gesellschaft, derselben zur Bedeckung *) Diese Strecke war schon im August t872 betriebsfahig, konnte jedoch, weil hiezu [wegen der Staatsgarantie] die Genehmigung der kOniglich ungarischen Regierung, be- ziehungsweise des ungarischen Reichstages eingeholt werden musste, erst zehn Monate spater erSffnet werden. des Capitalsabganges einen Beitrag von 2.500.000 fl. leiste; die ungarische Re¬ gierung schloss sich diesem Vorgehen an, indem sie unter denselben Cautelen eine der osterreichischen Unterstiitzung gleichwerthige Erhohung der Staats¬ garantie um jahrlich 139.836 fl. eintreten liess, und auch die Credit-Anstalt erfiillte die seitens der beiden Regierungen gestellte Bedingung. Wohl aber verblieb auch den Theilhabern der Gesellschaft die Aufgabe, den noch immer bedeutenden Schuldrest aus Eigenem zu tilgen, was jedoch in der wenig empfindlichen Weise geschah, dass [wie spater noch eingehen- der berichtet werden wird] einige Actien- coupons nicht in Baarem, sondern in Prioritaten II. Emission eingelost wurden. Im Zeitpunkte der Hilfsaction fiir die Erste ungarisch-galizische Eisen- bahn bezifferten sich die Anlagekosten, welche die Concessionare urspriinglich mit 41,624.000 fl. veranschlagt, die beiderseitigen Regierungen, beziehungs- weise Legislativen aber mit 32,180.000 fl. bemessen hatten, in Wirklichkeit mit 38.342.000 fl. Gleiclrvvie man nun den an der Hilfsthatigkeit betheiligt gewesenen Fac- toren Dank tveiss, muss man anderer- seits auch die Selbstverleugnung der Gesellschaft, die Ausdauer, mit der sie sich um die Vollendung und Festigung ihres Unternehmens bemiihte, und die Vertrauensseligkeit, mit der sie, vvahrend der argsten Bedrangnis, die Ervverbung neuer Linien ins Auge fasste, \viirdigen. Die Generalversammlung vom 27. Juni 1872 ermachtigte den Venvaltungsrath: »Die Concession von in Galizien west- warts der gesellschaftlichen Bahn zu er- bauenden Eisenbahnlinien und die Con¬ cession einer von Przemyšl aus in der Richtung gegen Tomasz6w gehenden Eisenbahnlinie sorvie die Concession einer den ungarischen Theil der gesell¬ schaftlichen Linie mit den andern dorti- gen Bahnen verbindenden Eisenbahn .... zu ervverben.« Unmittelbaren Erfolg er- zielte sie damit nicht; doch wurde die Erste ungarisch - galizische Eisenbahn vermoge der eifrigen Strebsamkeit des im Marž 1874 zum Director ernatin- ten frilheren gesellschaftlichen Central- 6 * 8 4 Ignaz Konta. Inspectors Max P i c h 1 e r als Mittelpunkt von Projecten fur die Vereinigung der galizischen Bahnen gedacht und, nachdem diese Projecte scheiterten, mit der Betriebsfiihrung staatlicher Linien betraut. Die Trače derErstenungarisch-galizischen Eisenbahn geht von Przemyšl grhsstentheils in stidlicher Richtung zunachst durch Flach- land bis Chyr6w an die Vorberge der Kar- pathen. Ueber Ustrzvkigelangtsiezurgrossen Wasserscheide bei Ustianowa zwischen dem Schwarzen Meere und der Ostsee [Dniestr und San]. Abgesehen von einer Ortlichen Gegen- steigung zwischen Olszanica und Zaluž geht die Bahn im steten Gefalle bis in das San- thal, bei Zag6rz den Fluss tibersetzend. Am linken Ufer des Sanflusses beginnen wieder die Steigungen und tiber Zagdrz geht die Trače langs des Ufers der Ostawa, und spater des Ostawica-Flusses, zieht bis Komancza und erreicht nachst Lupkovv die ungarische Grenze und den Kamm der Karpathen, welch letzterer durch den 416 m langen Tunnel durchbrochen wird. Auf ungarischem Gebiete geht es im Gefalle von 1 : 40 bis Sidrany und in sanf- terem Gefalle bis Mez 5 -Laborcz. Im Thale des Laborcz-Flusses geht es bis zur Station Homonna, bis im engen Defile vonBarkč die Ebene erreicht wird. Ueber Nagy-Mihaly, Banocz, Toke-Terebes gelangt die Bahn, auf ihremWege sanfte Hiigelketten tibersetzend, bis Legenye-Mihaly, der Anschlussstation der ungarischen Nordostbahn.*) Die Herstellung der Bahn war, abgesehen von dem grossen Tunnel, nochuberdies durchzahlreiche Ueber- bruckungen, bedeutende Erdarbeiten und Felssprengungen, insbesondere aber durch vielfache Rutschungen in der Karpathen- strecke wesentlich erschtvert. Ohne jede staatliche Begiinstigung kam im Jahre 1869 die Ostrau-Fried- lander Bahn zustande. Urheber der- selben waren der Bergbaubesitzer Ignaz Wondraeek, der Director der Zoptauer und Stefanauer Eisenwerke Alois Scholz, Dr. MaxSteinerundAnton Honvery. Die Bewilligung zu den Vorarbeiten erhielten die beiden Letztgenannten am 15. Juni 1868; desgleichen am 19. Juli 1868 die Kaiser Ferdinands - Nordbahn, die aber nicht vveiter in den Wettbewerb trat. Als nun die gepflogenen Erhebun- gen erwiesen, dass die Bahnverbindung zwischen dem Ostrauer Kohlenreviere *) Naheres vgl. Bd. III, J. Gonda, Die Eisenbahnen Ungarns von 1867 bis zur Ge- genwart. und Friedland fiir ali die vielen Industrieen jenes Bezirkes, insbesonders die erzbischof- lichen Eisenwerke nachst Friedland und die erzherzoglichen Eisenwerke in Lipina [Karlshiitte] und Baschka von augenschein- licher Bedeutung sei, und dass der schon damals vorhanden gewesene Frachten- verkehr dieser Route eine gute Rente fiir ein entsprechendes Anlage-Capital er- warten lasse, iiberreichte das Consortium am 25. September 1868 das Gesuch um die definitive Concession. Diese vvurde ihm, da es keinerlei Ansprliche an die Staatsvervvaltung stellte, bereits am 2. Januar 1869 auf die Dauer von 80 Jahren und mit der Verpflichtung verliehen, die ganze Bahn binnen lang- stens zwei Jahren dem Betriebe zu iibergeben. Fiir die Ausfiihrung der Bahn wurde von den zwei ermittelten Tračen die auf dem schlesischen Ufer der Ostrawitza befindliche und von Ostrau iiber Kunzendorf, Paskau, Lipina, Friedek, Mistek nach Friedland gehende gewahlt, weil sie sich als minder schvvierig und kostspielig herausstellte, iiberdies aber die mahrische Trače eine Unter- stiitzung von Seite der vorgenannten Werke nicht zu erwarten hatte. Den Bau iibernahm mittels Vertrages vom 30. Marž 1869 die Unternehmung Gebrtider Klein, wobei das Anlage- Capital der 4V, Meilen langen Bahn mit nominale 2,900.000 fl. und die Beschaffung desselben je zur Halfte in Actien und Prioritats-Obligationen fest- gestellt wurde. Diese Stipulationen iiber- gingen auch in das Gesellschafts-Statut, dessen behordliche Genehmigung am 15. Mai 1869 erfolgte. Nach der Verlautbarung des Ge- setzes vom 20. Mai 1869, betreffend die Steuerbefreiungen fur neue Eisen- bahnlinien, hatte neben anderen ebenfalls ohne jede staatliche Begiinstigung concessionirten Bahnen [Leibnitz-Eibis- wald, Wiener - Neustadt - Grammat - Neu- siedl] auch die Ostrau-Friedlander Bahn beim Handelsministerium die Zu- wendung der in j enem Gesetze vorge- sehenen Begiinstigungen nacbgesucbt. Da aber die klare Fassung des Gesetzes dessen Anwendung auf bereits conces- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs, 85 sionirte Bahnen ausschloss, sah sich das Ministerium bemiissigt, das Begehren ab- zulehnen [17. Juni 1869], wonach der am 1. Juli 1869, unter der Firma: »K. k. priv. Ostrau-Friedlander Bahn« constituirten Actien-Gesellschaft nichts anders eriibrigte, als sich in die bestehenden Verhaltnisse zu schicken. Der Bau wurde am 18. August 1869 begonnen und mitjahresschluss 1870 voll- endet; die Eroffnung der 32-9 km lan- gen Bahn fand am 1. Januar 1871 statt, Freiberg-Stramberg stand die Gesellschaft schon in ernstlicher Unterhandlung, die aber daran scheiterte, dass das Mini¬ sterium nicht einmal die Steuerfreiheit zugestehen mochte. Die O s t r a u-F riedlanderBahn milndet aus dem Kohlenbahnhof der Station Mahrisch- Ostrau der Kaiser Ferdinands-Nordbahn aus, kreuzt die Montanbahn und lauft mit dieser parallel bis Ostrau-Witkowitz, kreuzt sodann den Witko\vitzer Fliigel der Montanbahn und tritt nach Uebersetzung des Ostra\vitza- flusses aus dem mahrischen Gebiete nach Abb. 58. Trajectanlage in Bregenz. [Nach einer Photographie v o n W. Hogler in Bregenz.] doch musste fiir die Einfahrt in die Sta¬ tion Ostrau, bis 21. Mai 1871, das Geleise der Ostrauer Montanbahn benutzt wer- den. Den Betrieb fiihrt, ahf Grund des diesfalls am 26. October 1869 zunachst fiir die Dauer von drei Jahren abge- schlossenen [nachher immer erneuerten] Vertrages die Kaiser Ferdinands-Nord¬ bahn, welche auch die Fahrbetriebsmittel beistellt. V erschiedene F ortsetzungsproj ecte, mit denen sich die Gesellschaft im Jahre 1870 und auch spaterhin wieder befasste, verliefen im Sande. Wegen der Linien von Friedek einerseits nach Dzie- dzitz, andererseits nach Neutitschein, dann Schlesien. Ueber Kunzendorf, Paskau und langs der Ostrawitza iiber Karlshutte und Friedek-Mistek fiihrt die Trače nach Baschka, und nachdem noch einmal die Ostrawitza uberbruckt wird, gelangt die Bahn bis Fried- land. * * * Die Einfachheit der bei dem eben besprochenen kleinen Unternehmen an- gewendeten Concessionirungsweise hebt sich scharf ab, nicht nur von den bis- her in Uebung gestandenen reichlichen Zmvendungen staatlicher Begunstigungen an die Eisenbahnen, sondern auch von denjenigen, mit welchen, in der Form 86 Ignaz Konta. von langjahrigen Steuerbefreiungen, auf Grundlage des Gesetzes vom 20. Mai 1869, die Schaffung neuer Schienenwege kiinftighin gefordert werden solite; sie halt, in weitem Umrisse genommen, die Mitte ein zwischen diesen beiden Con- cessionirungs-Arten und bildet gleichsam die Brucke vom alten zum neuen Systeme, das — abgesehen von einzelnen Nachzuglern — jetzt allgemeine Geltung gewann. Der Uebergang vollzog sich rasch und ohne jede Stockung, als ob es in Oesterreich niemals staatliche Ga- rantie- oder Vorschussleistungen gege- ben hatte. Die infolge reichen Erntesegens in Ungarn und einigen osterreichi- schen Provinzen, dann der vermehrten Kohlenproduction in Bohmen und des Aufbliihens vieler heimischen Industrie- zweige gesteigerten Transporte und Einnahmen der alteren Bahnen, erhohten immer mehr den Anreiz zur Schaffung neuer Linien. Jeder Tag brachte neue Projecte, die sogleich und, ohne dass da- bei eine andere staatliche Untersttitzung, als die Steuerfreiheit, in Anspruch ge¬ nommen vvurde, viel umworben waren. Die Regierung kam dalier in die ange- nehme Lage, ohne unmittelbare Bela- stung des Staatsschatzes, die Maschen des Eisenbahnnetzes verdichten, viele Liicken ausftillen und Mangeln abhelfen zu konnen, die sich fiir das wirthschaft- liche oder gesammtstaatliche Interesse fuhlbar gemacht hatten. Wahrend der ersten Geltungsperiode des Gesetzes iiber die Steuerbefreiungen fiir neue Eisen- bahnen \vurden auf Grand desselben acht, zusammen beilaufig 380 km lange Bahnen concessionirt, welche im Nach- stehenden eine nahere Erorterung finden. L e ob en-V or d er nb er g er Bahn. Um die vorztigliche Leobener Kohle in den allgemeinen Verkehr zu bringen, dachte man schon im Jahre 1854 ernst- lich daran, von der Siidbahnstation Bruck an der Mur eine Zweiglinie nach Leoben zu fiihren und dieselbe bis Vordernberg zu verlangern. Trotz mehrfacher A11- laufe zur Schaffung dieses kurzen Schienenweges, blieb er noch lange un- gebaut. Leoben und den dortigen Kohlenwerken brachte der zwischen Re- gierung und Stidbahn am 13. April 1867 geschlossene Vertrag die ersehnte Bahn- verbindung, deren Ausfiihrung die Siid- bahn iibernommen und mit 1. September 1868 vollendet hatte. Vordernberg aber sah sich noch immer auf die alte Fahr- strasse angewiesen. Die dortigen Indu- striellen erneuerten darum umso eifriger die Bemuhungen, »auch ihren Werken jenes Transportmittel zu verschaffen, ohne welches eine Massenproduction auf die Dauer nicht concurrenzfahigbleiben kann «. Greifbare Gestalt begannen diese Be- miihungen jedoch erst dann anzunehmen, als der Biirgermeister der Stadt Leoben, Josef Herzog, und dessen Genossen im October 1868 um die definitive Concession fiir die Linie Leoben-Vordernberg, fiir welche derEisenwerksbesitzer Franz M ayr von Melnhof bereits am 29. November 1867 die Vorconcession erhalten hatte, ansuchten. Die Bewerbung schlug aller- dings fehl, weil damit das Verlangen nach eben solchen Begunstigungen, wie sie der Kronprinz Rudolf - Bahn zuge- standen wurden, verkniipft gewesen. Aber der Weg war gezeigt, der nun eingeschlagen werden solite. Das Consortium des Grafen Franz von M er a n, welches am 23. Decem¬ ber 1868 die Vorconcession fiir einige Vicinalbahnen in Steiermark, darunter auch jene von Leoben nach Vordern¬ berg, erhalten hatte, schritt gleich nach Vollendung der technischen Vor- arbeiten um die definitive Concession fiir die genannte Linie ein, vermied dabei grosse Anforderungen an die Staatsver- waltung, und kam damit zu dem ge- wiinschten Erfolge. Es erhielt am 8. Juli 1869 die auf dem Steuerbefreiungs-Ge- setze vom 20. Mai 1869 beruhende, mit einer fiinfzehnjahrigen Steuerfreiheit aus- j gestattete Concession, unter der Ver- pflichtung, die Bahn binnen langstens | zwei Jahren dem Betriebe zu iibergeben. Das Statut der Actien-Gesellschaft »k. k. priv. Leoben-Vordernberger Eisen- bahn«, mit dem Sitze in Graz und einem Capitale von 1,600.000 fl., zu 2 / 5 in Actien [3200 Stiick a 200 fl.] und zu 8 / 6 in Prio- ritats-Obligationen [3200 Stiick a 300 fl.], Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 87 wurde am 8. Januar 1870 behordlich genehmigt, worauf dann am 16. desselben Monats die Constituirung vor sich ging. Vorlaufig gelangten jedoch nur Titel im Betrage von 1,350.000 fl. zur Ausgabe, und zwar sind die Actien von den Grtindern selbst, die Prioritaten von dem Wiener Wechselhause Weiss & Fischhof iiber- nommen worden. Je 500 Stiick der beiden Werthgattungen behielt die Gesellschaft in Reserve. Den Bau iibemahm und begann im Friihjahre 1870 der Unternehmer H. Fr o h- 1 i c h. Anfanglich rasch fortschreitend, er- litten die Arbeiten durch unvorhergesehene Grundeinlosungs-Schivierigkeiten so be- deutende Verzogerungen, dass eine Er- streckung des Vollendungstermines nach- gesucht werden musste, doch wurde auch die mit 1. Januar 1872 abgelaufene neue Frist nicht eingehalten, sondern die 15'2 km lange Bahn erst am 18. Mai 1872 eroffnet. Den Betrieb und die Beistellung der Be- triebsmittel iibemahm, mittels Vertrages vom 12. November 1871, die Stidbahn auf die ganze Dauer der Concession [der Leoben-Vordernberger Bahn], jedoch mit dem beiden Theilen vorbehaltenen Rechte der Aufktindigung nach Ablauf der ersten z eh n Betriebsjahre. So weit ging Alles ziemlich glatt, wenn auch die Vermehrung der Intercalarzinsen aus Anlass der verspateten Betriebseroff- nung und die Mehrauslagen fiir die Grand- einlosung die Verausserung der reservirten Titel nothwendig machte — und die Gesell¬ schaft mit ihren, gegen Ende 1870 unter- nommenen Schritten \vegen einer Fort- setzung ihrer Bahn iiber Eisenerz nach Flieflau [siehe Rudolf-Bahn] nicht weit kam. Alsbald brachen aber schwere Sorgen iiber die Gesellschaft herein; dieErtragnisse blieben weit hinter den gehegten Er- wartungen zuriick, die Prioritaten-Coupons konnten nur mit Plilfe von Wechselschulden eingelost werden, dann wurden auch diese letzteren eingeklagt und die Bahn gerieth in Calamitaten, denen sie sich erst nach etlichen Jahren vollig zu entwinden ver- mochte. Die Leoben-Vordernberger Bahn zieht vom Siidbahnhofe in Leoben aus am linken Ufer der Mur entlang, bis sie hinter Waasen den Vordernberger Bach iibersetzt; Abb. 59. Bludenz. Ignaz Konta. hierauf gewinnt sie mit einer Steigung von l : 65 die Station Donawitz, iibersetzt dann abermals den Vordernberger Bach uild geht in gerader Richtung bis zur Station St. Peter Freienstein am linken Ufer des Vordern¬ berger Baches, wo sie einen Engpass erreicht und sich mit einer Steigung von r : 40 gegen die Station Trofaiach empcrwindet. Nachst Trofaiach iibersetzt dieselbe den Gossbach, geht hierauf mit einer continuirlichen Steigung von I :40 inmittendesThales, nachdemsie den Krumpenbach iibersetzt hat, in den Eng¬ pass zwischen Hafring und Friedau-Werk, wo sie sich zwischen Felsen und Bach bis zur Station Friedau-Werk hinschlangelt. Von hier aus geht sie in ziemlich gerader Rich¬ tung und einer Steigung von 1:40 in der Mitte des Thales bis zur Station Vordern- berg. Die Bahn iiberwindet in einer Lange von i5'225 km 231 m Steigung. Dux - Bodenbacher Bahn. In dem irrigen Glauben, dass sie den Kohlen- transport aus dem Duxer Becken, so selir er auch von Jahr zu Jahr anwuchs, stets allein werde bevvaltigen und in dereigenen Hand behalten konnen, befasste sich die Aussig-Teplitzer Bahn selbst dann, als sie iiberhaupt an eine Erweiterung ihres Unternehmens dachte, mit vveitgehenden Projecten, aber nie mit der Nothwendig- keit der Schaffung lediglich einer zweiten Abfuhrstrasse zur Elbe, beziehungsiveise zum Anschlusse an die norddeutschen Bahnen. Diese Zuriickhaltung iibte auf die Grubenbesitzer und andern Be- obachter der fortvvahrenden Ausbreitung des norddeutschen Absatzgebietes fiir die Braunkohle die Wirkung einer Heraus- forderung zur Selbsthilfe. In kurzer Frist tauchten mehrere Projecte auf, welche sammtlich dahin zielten, das Duxer Becken auf einem zvveiten Wege mit dem norddeutschen Bahnnetze in Verbindung zu setzen, so insbesondere jene fiir die Linien: Dux-Klingenberg, Mariaschein-Bodenbach, Dux-Pirna und Dux-Bodenbach. Das letztere, von dem k. k. Notar Dr. Franz Stradal in Teplitz ange- regte Project, sagte der Regierung am besten zu, weil es sich dabei um eine minder schvvierige, daher auch mit geringeremKostenaufvvandeherzustellende Linie handelte, die aus dem eigent- lichen Mittelpunkte des Kohlenbeckens un- mittelbar nach Bodenbach fiihrt und in diesem Grenzorte nicht nur dreifachen Bahnanschluss, darunter einen an die sachsischen Staatsbahnen, findet, sondern auch die Elbe trifft. Dr. Stradal hatte am 1. September 1868 die Vorconcession erhalten, bald danach auch ein iiber ge- niigende Geldmittel verfiigendes Con- sortium gebildet und das Gesuch um die definitive Concession iiberreicht. Er wurde zwar ob dieser That von dem Zorne der Aussig-Teplitzer Bahn getroffen, die ihn aus ihrer Vervvaltung, welcher er viele Jahre hindurch angehort hatte, rundvveg ausschloss; er liess sich jedoch dadurch nicht beirren, blieb seinem Vorhaben treu und erntete binnen Kurzem den Er- folg seiner Bemiihungen, indem er im Vereine mit Rudolf Stradal und den Firmen Otto Seebe, C. B. Eisentraut, Johann Liebieg & Comp., am 9. Juli 1869 die angestrebte Concession erhielt. Dieselbe beruht auf dem Gesetze vom 20. Mai 1869, gilt fiir die Linie Dux- Bodenbacb mit Anschluss an die nord- liche Staatseisenbahn daselbst und fiir eine Schleppbahn von Bodenbach zur Elbe, gewahrt dem Unternehmer eine zwanzig- jahrige Steuerfreiheit und verpflichtet die Concessionare, den Bau binnen drei Monaten zu beginnen und binnen lang- stens zwei Jahren zu vollenden. Als zu dieser Concession gehorio; ist der Handelsministerial-Erlass vom 16. Juli 1869 anzusehen, vvelcher anordnet, dass gegen entsprechende Ueberfuhrgebiihr, beziehungsweise Frachten-Garantie seitens der betreffenden Grubenbesitzer und In- dustriellen, die Bahn in die Nahe des Grubenfeldes »Britannia« zu riicken, einen Fliigel zu den Kohlenbauen des Grafen Westphalen und der Karbitzer Kohlen- bergbau-Gevverkschaft »Saxonia« sowie von Biinaburg in die Graf Thun’sche Spinnerei und von Bodenbach in die dortige Brauerei herzustellen hat. So rasch als die Concessionare in den Besitz der Concession gelangt waren, gingen sie an die Ausfiihrung derselben. Am 7. August 1869 legten sie den mittels Prioritats - Obligationen zu be- schaffenden Theil des Anlage-Capitals, namlich Titel im Betrage von 3,000.000 fl. zum Curse von 75 3 /. 4 °/o zur offentlichen Zeichnung auf und, nachdem diese bestens gegliickt war, am 1. September Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 89 1869, auch die 17.000 Actien a 200 fl. [= 3)4 00 - 0 °0 fl.] zum Curse von 178 fl. Banknoten, welche nicht minder stark tiberzeichnet wurden. Ebenfalls im Monate August 1869 wurde der an den Unter- nehmer G. Zacharias vergebene Bau in Angriff genommen. Am 8. September 1869 erhielten die Statuten der »k. k. priv. Dux - Bodenbacher Eisen- bahn« die behordliche Genehmigung, worauf, genau einen Monat spater, die Constituirung der Gesellschaft stattfand. [Capital 6,400.000 fl., Sitz in Bodenbach.] Zum Director des Unternehmens wurde der friihere Transport-Inspector der Siidbahn, Johann Pechar, ein riihriger Vorkampfer itir ermassigte Frachtsatze, ernannt. dem Hause Liebieg propagirten Vereini- gung der Dux-Bodenbacher [und der Bielathal-] Bahn mit der Aussig-Teplitzer Bahn geneigter zu rnachen, lasst sich nicht mit Bestimmtheit angeben. That- sache ist, dass der Verwaltungsrath der Aussig-Teplitzer Bahn den ihm iibermittel- ten Fusionirungs-Entwurf am 19. Marž 1871 ablehnte, bingegen die am 31. Marž 1871 zu Wien abgehaltene General- versammlung der Dux-Bodenbacher Bahn sich dafiir aussprach, die Concession fiir die Lime Ossegg-Komotau selbst mit Verzichtleistung auf die Steuer- befreiung, also sozusagen um j eden Preis anzustreben, und dass die Verwaltung der letztgenannten Gesellschaft sich erst Abb. 60. Station Konigsvvald [Dux-Bodenbach]. [Nach einer Federzeichnung nach der Natur von F. Wachsmann.} Kaum unter Dach und Fach gebracht, sah sich die Dux-Bodenbacher Bahn von lhrem Griinder getrennt. Stradal und mit ihm die Mehrheit des Verwaltungs- rathes waren der Ansicht, dass die Ge¬ sellschaft sich um die Concession fiir die Linien Prag-Dux und Dux-01bernhau be- werben solle, begegnete aber hiebei dem Widerstande des Hauptactionars Baron Liebieg, der bereits selbstandig um die Concession fiir die Prag-Duxer Bahn in Bewerbung getreten war. Als nun die in 1 rag abgehaltene erste ausserordentliche Generalversammlung vom 26. Marž 1870 sich gleichfalls gegen die Bewerbung aus¬ sprach, legte Stradal seine Vervvaltungs- raths-Stelle nieder. Etwas von seiner Ten- denz war jedoch bei der Dux-Bodenbacher Bahn zuruckgeblieben, die jetzt ihr Augen- merk auf die Linie Ossegg-Komotau richtete. Ob dies gleich von vornherein ernst gemeint war oder blos dazu dienen solite, die Aussig-Teplitzer Bahn der von daraufhin mit vermehrtem Eifer um die Er- langung der neuen Concession bemtihte. Natiirlicberweise sah die Aussig- Teplitzer Bahn dem weiteren Vordringen ihrer Concurrentin nicht mlissig zu, son- dern machte gleich dieser alle Anstren- gungen, die Concession zu erlangen. Sei es nun, dass sie zu spat zum Rechten gesehen, sei es, dass sie ungiinstigere Bedingungen stellte oder dass der Protest, welchen zahlreiche Gemeinden aus dem Erzgebirge gegen die Verleihung der Concession an die Aussig-Teplitzer Bahn erhoben hatten, ihrer Ervverbung Eintrag gethan; sei es, dass die Erwagung, die Dux-Bodenbacher Bahn konne erst durch ihre Verlangerung bis Komotau volle Pro- speritat gewinnen, zu Gunsten der letzteren Gesellschaft den Ausschlag gegeben, — diese blieb Siegerin und erhielt am 20. Mai 1871 die Concession fiir die von Komotau nach Ossegg zum Anschlusse an die Buschtehrader Bahn fiihrende Fortsetzungsstrecke, welche einen inte- 9 ° Ignaz Konta. grirenden Bestandtheil der Dux-Boden- bacher Bahn zu bilden hat. Eine staatliche Begiinstigung wurde der neuen Linie nicht zutheil, hingegen gestattet, dass die Steuerfreiheit der alteren Linie in der Weise gehandhabt werde, dass die Gesellschaft die Steuern und Ge- biihren nach Massgabe des Lžingenver- haltnisses der beiden Linien entrichtet. Die Baufrist der neuen Linie war mit z\vei Jahren bemessen. Audi diesmal wurde sogleich zur Durchfuhrung der Concession gesdiritten und wieder mit der Geldbeschaffung der Anfang gemacht. Dieselbe umfasste aber nidit blos die mit 3.950.000 fl. veranschlagten Mittel fiir die neue Linie, sondern auch die Be- deckung des Mehrerfordernisses von 488.000 fl. fiir die alte Linie und der [rund] 600.000 fl. betragenden Anlage- kosten mehrerer Schleppbahnen, ferner den Kaufschilling fiir das graflich Wald- stein’sche Kohlemverk in Dux, dessen Erwerbung die Generalversammlung vom 12. August 1871, zugleicb mit der Emis- sion von 16.000 Actien lit. B a 200 fl. und von 46.000 Obligationen a 150 fl., genehmigte. Das Haus Liebieg, welches alle Actien und 33.544 fl. Obligationen, und zwar beiderlei "VVerthe zum Curse von 69°/ 0 auf feste Rechnung genommen hatte, raumte den Besitzern der Stamm- actien [fiir die Tage vom 23. bis 30. No¬ vember 1871] das Bezugsrecht auf 8500 Actien zum Curse von 189 fl. und auf 8500 Obligationen zum Curse von 129 fl. Banknoten ein, legte die restlichen 7500 Actien am 2. Februar 1872 zum Curse von 76°/ n zur offentlichen Zeich- nung auf und ubernahm spaterhin auch die iibrigen 12.456 Obligationen zum Curse von 87 °/ 0 . Den Bau der Linie Ossegg-Komotau hat bei der am 5 - November 1871 durchgefiihrten Offertverhandlung der Ober-Ingenieur Franz R ž i h a erstan- den. Mittlerweile hatte am 2. October 1871 die Eroffnung der 50^4 km langen Linie Dux-Bodenbach stattgefunden, wel- cher am 19. December 1892 auch jene der 36 km langen Linie Ossegg- Komotau folgte. — Ein bis dahin ein- getretener weiterer Zuwachs an Schlepp¬ bahnen, die Vermehrung des Fahrparkes, die Vergfrosseruna: der Werkstatte und sonstige Erfordernisse erheischten neue Geldmittel, welche die Gesellschaft sich durch Aufnahme einer schivebenden Schuld von 2,000.000 fl.verschaffte. Das rief aber offentliche Betrachtungen ihres finan- ziellen Standes hervor, deren abfalligen Ausklang der Vervvaltungsrath in seinem Geschaftsberichte pro 1872 mit folgen- dem Satze beantvvortete: »Die Dux- Bodenbacher Bahn stellt sich zwar als ein in seiner Anlage nicht billiges Unter- nehmen dar, dieselbe ist aber weit iiber die ihr urspriinglich gesetzten Grenzen hinausgevvachsen und nunmehr ein vverth- volles Object und mit allen Mitteln aus- gerustet, um die auf sie gestellten Hoff- nungen erftillen zu konnen.« Das beruhte auf Wahrheit; jedoch in der Zeit, bis es buchstablich zutraf, erlebte die Dux- Bodenbacher Bahn gar vvechselvolle Schicksale. Die Trače der Dux-B ode nb a c h er Bahn zieht von dem Ausgangspunkte Dux gegen das Ossegger Stift hinan, biegt dann nach rechts ab gegen Hageholz, gelangt mit einem stetigen Gefalle nach Kosten und hierauf, an den Ortschaften Zuckmantel und Klein- Augest voriiber, in den sogenannten Kuh- busch, ein Eichenhain mit der Station Teplitz. Von da ftihrt die Bahn bei steter Steigung nach Rosenthal, dann weiter am Fusse des Erzgebirges bis Hohenstein und von hier iiber den historisch bekannten Ort Kulm empor zur Wasserscheide bei Klein-Kahn. Hinter der Wasserscheide gelangt die Bahn in das reizende Eulauthal, wo sie bis Bodenbach verbleibt. In diesem Thale waren sehr be- deutende Schwierigkeiten zu iiberwinden, welche die Anwendung eines Gefalles von 1:50 und einen langen und tiefen Einschnitt bedingten, durch welch letzteren die Bahn nach Konigswald und Eulau gelangt. Vor Eulau zieht die Trače in einem sehr rutschigen Terrain nach Biinaburg und von da nach der Endstation Bodenbach, vvo sie an die dort einmundenden Bahnen anschliesst. Von Dux bis Teplitz durchschneidet die Bahn das Terrain von zwanzig grossen Kohlen- werken. Die Ossegg-Komotau er Bahn zweigt in der Nahe von Dux aus der Dux-Bodenb.acher Linie ab, um sofort zur Station Ossegg zu ge- langen. V011 hier aus steigt die Trače gegen Dorf und Station Bruck und weiterhin bis zur Station Oberleitensdorf empor. Im fer- neren Laufe schmiegt sich die Trače dem Gefalle des Terrains an, beriihrt den Ort Einsiedl und breitet sich in Obergeorgenthal wieder zu einer Station aus. Fortwahrend Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 91 Abb. 61. Bodenbach. [Nach. einer Federzeichnung nach der Natur von F. Wachsmann.] fallend gelangt die Trače sodann nach Eisen- berg, um von da ab, wieder stetig ansteigend, uber GOrkau nach der Endstation Komotau zu gelangen. In derNahe des Alaunsees iiber- setzt die Trače die Aussig-Teplitzer Bahn. Am Endpunkte der Bahn — in Komotau — schliesst dieselbe an die Geleise der Buschtehrader Bahn an. [Abb. 60—63.] Neratovic-Prag. Gleich bei ihren ersten Berathungen iiber die Schaffung einer directen Verbindung zwischen Reichenberg und Prag, beziehungsweise dem Buschtčhrad-Kladnoer Kohlenbecken und dem Reichenberger Industriegebiete [1856], hatten die betreffenden Inter- essenten an eine »Turnau-Prager Bahn« gedacht.*) Das von ihnen entsendete engere Comite, welches die Angelegenheit genau erwagen und weiterfiihren solite, \vahlte aber, wie schon envahnt \vurde, von den drei vorgeschlagenen Tračen von Turnau nach Prag, Berkovic oder Kralup, die letztere, ebensowohl um der Kohlenverfrachtung nach Reichenberg hin den Weg thunlichst zu ktirzen, als auch in der Annahme, dass es gelingen wiirde, die Buschtžhrader Bahn zur Herstellung der Linie Turnau-Kralup zu vermogen. Dieser letztere Beweggrund war wohl sehr bald in Wegfall gekommen, da die Buschtžhrader Bahn den beziiglichen An- trag in ihrer Generalversammlung vom 15 - Februar 1862 ablehnte; das nun wieder auf sich selbst angewiesene Griin- dungscomite erachtete jedoch auch das erst- ervvahnte Motiv fiir \vichtig genug, um an dem Projecte Turnau-Kralup festzuhalten. Immerhin aber blieb es bei der Erwerbung der Concession fiir diese Bahn darauf bedacht, derselben das Vorrecht fiir eine Einmundungslinie nach Prag zu sichern. *) Vgl. Bd. I, i.Theil, H. Strach, Eisen¬ bahnen ohne Zinsengarantie, S. 367 u. ff. Als nun die Bohmische Nordbahn, deren Verkehr mit Prag die Turnau- Kraluper Bahn vermittelt, vollendet war und die letztere mittels der damals schon in Ausfiihrung gestandenen Prager Verbindungsbahn Anschluss an die in Prag einmiindenden Bahnen finden konnte, traf der Verwaltungsrath die Voreinleitun- gen fiir die Herstellung der Linie Neratovic-Prag [1868] und trat sodann mit Zustimmung der Generalversammlung vom 22. Mai 1869 in Bewerbung um die definitive Concession. Die Verhandlungen mit der Regierung wahrten, da die Gesellschaft keine Staats- garantie beanspruchte, nur kurze Zeit; am 20. August war sie bereits im Be- sitze der erbetenen Concession fiir die von der Stammbahn bei Neratovic ausgehende Linie nach Prag zum Anschlusse an die Kaiser Franz Josef- Bahn, eventuell an die nordliche Linie der priv. Oesterreichischen Staats- eisenbahn-Gesellschaft. Die Con¬ cession gewahrte der neuen Linie, die einen integrirenden Bestandtheil der Turnau-Kraluper Bahn zu bilden hat, auf Grund des Gesetzes vom 20. Mai 1869 eine zwanzigjahrige Steuer- befreiung, die auch in der Weise aus- gefiihrt vverden kann, dass die Ent- richtung der Einkommensteuer fiir die alte Linie nach Massgabe des Verhalt- nisses der Meilenlange der letzteren zur ersteren stattfindet. Die Baufrist war mit langstens einemjahre nach der Voll- endung der Linie Gmiind-Prag der Kaiser Franz Josef-Bahn festgesetzt. In einer Beziehung war jedoch die Con¬ cession minder giinstig fiir die Gesell¬ schaft ; sie setzte namlich, sovvohl fiir die alte als fiir die neue Linie ziffermassig um- 9 2 Ignaz Konta. grenzte Tarife fest und hob daher die freie [ Tarifbestimmung auf, welche die Turnau- j Kraluper Bahn bis dahin besessen hatte. j Das mit 3,500.000 fl. veranschlagte j Anlage-Capital wurde durch Ausgabe 5 0 /oig er Pri or itat s -Oblig a tionen im Betrage von 1,999.950 fl. [13.333 Stiick a 150 fl.] und 7500 Actien a 200 fl. beschafft. Die ersteren wurden von der »Allgemeinen deutschen Credit-Anstalt« in Gemeinschaft mit der »Allgemeinen bohmischen Bank« ubernommen und am 28. December 1869 im Wege der offentlichen Zeichnung, zum Curse von 76 3 / 4 glatt weiter begeben; die Actien wurden von den Besitzern der alteren Titel und von den Eigenthiimern der an der Bahn gelegenen Zuckerfabriken eine bedeutende Verzogerung;. Die Eroff- nung dieser I9'4 km langen Strecke und zugleich der ganzen Linie fiir den Gesammt- verkehr erfolgte am 28. October 1872. Zur selben Zeit bewerkstelligte die Gesellschaft auch eine, durch die Ver- kehrszunahme nothwendig gewordene, er- hebliche Vermehrung des Fahrparkes so- wie die Ausgestaltung der alten Linie und erbaute, ihren gunstigen Verhaltnissen entsprechend, ein eigenes Directions- Gebaude in Prag. Zur Beschaffung der hiefiir erforderlichen Geldmittel be- willigte die Generalversammlung vom 25. Mai 1872 eine weitere Erhohung des Gesellschafts-Capitals auf nunmehr 13,000.000 fl. durch Ausgabe von 5000 Abb. 62. Station und Schloss Eisenberg [Dux-Bodenbach]. [Nach einer Federzeichnung nach der Natur von F. Wachsmann.] zum vollen Nennwerthe bezogen. Die im Juli 1870 begonnenen Bauarbeiten waren in drei Lose getheilt, deren erstes [Neratovic-Lieben] an die Unternehmung Soleh & Tichy pauschaliter vergeben, das zweite [Lieben-Prag] von der Gesell¬ schaft, deren Director Georg L o w ein vorziiglicher Techniker und Administrator gewesen, in eigener Regie — unter Mit- wirkung des imTunnelbau wohlerfahrenen Ober-Ingenieurs F. Rž ih a ■— ausgeftihrt, das dritte, blos mindere Arbeiten um- fassende, einem kleinenUnternehmer gegen Einheitspreise vergeben wurde. Der Bau nahm einen ungleichmassigen Fortgang. Wahrend die 14'7 km lange Strecke Neratovic-Cakovic bereits am 23. October 1871 fiir den Giiterverkehr in Beniitzung genommen werden konnte, erlitt die Vollendung der Strecke Cakovic- Prag durch geologische Hindernisse, welche die Tunnelirung des Zižkaberges erschwerten, und durch die sehr umfang- reichen Aufschtittungsarbeiten bei Lieben, Actien a 200 fl. und 10.000 Prioritats- Obligationen a 150 fl.; wirklich begeben wurden jedoch damals nur die Prioritaten, und zwar an die Leipziger Discont-Gesell- schaft zum Curse von 93; die Actien oder richtiger die hernach statt derselben emittirten Prioritaten kamen erst spater zur Begebung. Die Trače Prag-Neratovic hat ihren Anfangspunkt in Prag, wo sie aus dem mit der Kaiser Franz Josef-Babn gemeinschaft- lichen Bahnhofe ausmtindet. Sie schlagt eine nordbstliche Richtung ein und tritt durch den Žižkaberg-Tunnel in das Liebenerthal ein. Hier wird zuerst an der linkseitigen Lehne die Staatseisenbahn iibersetzt und weiter das Liebenerthal und die Oesterreichische Nord- westbahn quer uberschritten. Sodann ver- folgt die Bahnlinie die rechtseitigen Lehnen des Liebenerthales, um in steter Steigung die Wasserscheide zwischen der Moldau und der Elbe bei Sattalitz zu ersteigen. Von diesem Plateau aus senkt sich die Trače bis an die Ufergehange der Elbe herab und mundet in Neratovic, wo ein eigener Bahn- hof errichtet wurde, in die alte Linie der Turnau-Kraluper Bahn ein. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 93 Abb. 63. Komotau. [Nach einer Federzeichnung' nach der Natur von F. Wachsmann.] Wiener - Neustadt - Grammat- Neusiedler Balin. Diese schon zu Beginn der Sechziger-Jahre von mehreren Fabriksbesitzern geplante, den Hauptsitz der niederosterreichischen Miihlen- und Spinnerei-Industrie durchziehende Verbin- dungslinie zwischen der alten Raaber und Gloggnitzer Bahn war bereits einmal, namlich am 30. September 1864, einer Gemeinschaft von Industriellen [Alexander v. Schoeller, Hermann Wittgenstein u. A.] concessionirt, und hatte spatestens im Jahre 1868 dem Betriebe tibergeben werden sollen. Trotz der bekannten Wohlhabenheit der Concessionare und ibrer Mitinteressenten wollte jedoch die Aufbringung des Capitals nicht gelingen. Nach wiederholt erhaltener Verlangerung des Termines fiir den Baubeginn, und nachdem ihnen der Versuch, eine Steuer- befreiung auf Grand des Gesetzes vom 20. Mai 1869 hinterher zu erlangen, miss- gluckte [17. Juni 1869], legten die Con¬ cessionare die Concession ganz zurtick. Das Project aber blieb nicht eine Stunde lang verwaist. Aus dem Kreise der Interessenten traten sofort andere Be- werber auf, und am 20. August 1869 erhielten der Grosshandler Gustav Schoeller in Gemeinschaft mit dem Fabriksbesitzer Alfred S k en e die mit einer ftinfzehnjahrigen Steuerbefreiung ausgestattete Concession fiir die Linie W i e n e r - Neustadt - Grammat- N e u s i e d 1 nebst eventueller Zweigbahn nach Neufeld. Jetzt ging die Angele- genheit auch rascher vonstatten. Der »Wiener Bankverein« ubernahm den Bau oder [wie es nach aussen be- zeichnet wurde] gesellte sich, behufs der Ausftihrung des Baues in eigener Regie, den Concessionaren bei, stellte auch einstweilen, d. h. bis zur Ausgabe der Titel, die Geldmittel zur Verfiigung, und \vendete den Bauarbeiten solchen Eifer zu, dass dieselben, obschon ihre Inangriffnahme durch Grundeinlosungs- Schwierigkeiten bis in den Herbst 1870 verzogert wurde, rechtzeitig zu Ende ge- diehen und die Eroffnung der 337 km langen Bahn am I. September 1871 statt- finden konnte. Inzwischen hatte das Handelsmi- nisterium am 18. Mai 1871 die Bau- bewilligung fiir den osterreichischen und die konigliche ungarische Regierung am 21. Juni 1871 die Concession fiir den ungarischen Theil [C95 km\ der kurzen Zweigbahn vonEbenfurth nach Neu¬ feld [im Ganzen 27 km lang] ertheilt, welche alsbald gebaut und am 20. Marž 1872 dem Betriebe iibergeben wurde. Die urspriinglich mit beilaufig I — C/2 Millionen Gulden veranschlagt gewesenen Anlagekosten stellten sich thatsachlich auf nominale 4,000.000 fl. — Die Betriebs- fiihrung ubernahm die Siidbahn. Die Wiener - Neustadt - Grammat - Neusiedler Bahn blieb iibrigens nicht lange ein selb- standiges Unternehmen, da sie im Jahre 1874 in die dem Wiener Bankvereine concessionirte Wien - Pottendorfer Bahn [s. d.] aufging. Die Wiener-Neustadt - Grammat- Neusiedler Bahn, zieht von Wiener-Neu- stadt durch das Centrum der niederoster¬ reichischen Miihlen- und Spinnerei-Industrie, bertihrt die Orte Ober-Eggendorf, Eben- furth, Pottendorf [Landegg], Unter-Walters- dorf und Mitterndorf [Moosbrunn] und rniin- det in Grammat-Neusiedl in die Neu-Szonyer Linie der Staatseisenbahn ein. Die Fliigelbahn von Ebenfurth nach Neufeld fiihrt bis zu den ftirstlich Esterhazy’schen Kohlengruben bei Neufeld. Die Terrainverhaltnisse waren gute, technische Schwierigkeiten waren nicht vor- handen. Salzburg-Halleiner Bahn. Ebenso wie in dem ersten, seitens der Regierung bereits im Jahre 1842 verfolgten Projecte einer Eisenbahn zwischen Salzburg und Bruck an der Mur, war die Strecke Salz- burg-FIallein auch in dem zweiten Pro¬ jecte inbegriffen, mit welchem die Re¬ gierung sich befasste, als der Staats- 94 Ignaz Konta. vertrag mit Bayern, ddto. 2i.Juni 1851, ihr den Bau einer Verbindung zwischen Steiermark und Salzburg zur Pflichtmachte. Als aber am 21. April 1856 ein anderer Staatsvertrag mit Bayern geschlossen und darin blos die Herstellung einer »directen Bahn von Wien nach Salzburg« stipulirt wurde, blieb sammt dem ganzen erst- erwahnten Projecte auch dessen Theil: Salzburg-Hallein unausgefiihrt. Ftir sich allein war dieser Theil in der Ausdehnung bis Golling, als ein kleines Unternehmen im Jahre 1863 von dem Ingenieur Julius Kitzler geplant, ohne jedoch iiber die ersten Anfange hinauszukommen. Vier Jahre spater richtete das Handelsministe- rium an die Kaiserin Elisabeth-Bahn die Aufforderung zur Bekanntgabe der Be- dingungen, unter welchen sie geneigt ware, den Bau und Betrieb der Fltigel- bahn von Salzburg nach Hallein zu iiber- nehmen. Diese Gesellschaft verlangte nun, dass in den Halleiner Salzsudwerken die Kohlenfeuerung eingeftihrt und die Kohlentransporte dahin ebenso wie die Salztransporte von Hallein nach Salzburg der neuen Linie zugesichert werden sollen. Das Alles sagte dem Finanz- ministerium nicht zu. Ueberdies fiigte das Handelsministerium dem ablehnen- den Bescheide noch die Bemerkung bei, »dass die Strecke Salzburg-Hallein einen Bestandtheil jener grossen Linie bilde, welche seinerzeit Tirol, Salzburg und Steiermark durchwegs auf osterreichischem Gebiete zu verbinden bestimmt sei, wes- halb man sich die Vereinigune; der zu- nachst zur Ausftihrung zu bringenden Halleiner Fliigelbahn mit dem erwahnten grossen Unternehmen, im Falle des Zu- standekommens des Letzteren, jedenfalls vorbehalten miisse«. Auf das hin nahm die Kaiserin Elisabeth-Bahn sich nicht weiter der Sache an, die nun, obzwar die Landtage der Alpenlander in den Jahren 1867 und 1868 dringendst nach den Linien Innsbruck-Rottenmann, be- ziehungsweise Salzburg verlangten und der Griinder der Vorarlberger Bahn, Karl Ganahl, seine damaligen Bemtihun- gen um dieZustandebringung der Arlberg- Bahn auch den vorgenannten Linien zu- wendete, dennoch nicht von der Stelle riickte, bis der Bauunternehmer Karl Schwarz im Jahre 1869 die Concession ftir die Linie Salzburg - Hallein nach- suchte und am 7. September 1869 auch erhielt. *) Beruhend auf dem Gesetze vom 20. Mai 1869 gewahrte sie dieser Bahn eine ftinfzehnjahrige Steuerfreiheit; ver- pflichtete aber den Concessionar, wenn spaterhin eine andere aus Steiermark oder Tirol iiber Hallein nach Salzburg fiihrende Eisenbahn concessionirt \verden solite, dem Concessionar dieser letzteren die Bahn gegen eine von demselben zu leistende Entschadigung abzutreten, deren Hohe der Vereinbarung beider Theile iiberlassen blieb, oder, wenn die letztere nicht zustande kame, von der Staatsver- waltung, nach den ftir die concessions- massige Einlosung der Bahn festge- stellten Grundsatzen, *) bestimmt werden solite. Der Bauvollendungstermin war auf den 7. Juni 1871 angesetzt. Die Arbeiten, mit deren Ausfiih- rung die Unternehmung Fritsch, Theuer & Comp. betraut gewesen, wurden Ende April 1870 begonnen und binnen fiinfzehn Monaten vollendet. Die Er- offnung der 17’5 km langen Bahn fand am 15. Juli 1871 statt. Die Betriebs- fiihrung iibernahm auf Grund des Ver- trages vom 8. August 1871 die Kaiserin Elisabeth-Bahn. Gestiitzt auf die Credit-Anstalt, welche ihm auch bei der Herstellung der Linie Salzburg-Hallein finanzielle Beihilfe ge- leistet, trat der Concessionar der letzteren in die Reihe der Bewerber um die Concession ftir die Bahn nach Rotten- mann und Innsbruck ein, nachdem er die beziigliche Vorconcession schon am II. April 1870 erhalten hatte. Die erst im Spatherbst 1872 getroffene Entschei- dung fiel jedoch nicht zu seinen Gunsten aus. Die grosse neue Linie [Salzburg- *) Thatsachlich ausgehandigt wurde die Concessions-Urkunde erst, nachdem der Con¬ cessionar sich mittels Eingabe vom 12. Marž 1870 bereit erklart hatte, die ihm mit den Handelsministerial-Erlassen vom 25. October 1869 und 8. Marž 1870 bekannt gegebenen Bestimmungen tiber die Art der Entschadi- gungsleistung im Falle der Abtretung der Bahn, anzunehmen. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 95 Tiroler Balin] fiel der Kaiserin Elisabeth- Bahn zu, die sohin auch die Salzburg- Halleiner Bahn einloste [August 1875]. Die Bahn miindet in Salzburg ausserhalb des Frachtenbahnhofes der Elisabeth-Bahn aus, umkreist den Kapuzinerberg an der ndrdlichen und Ostlichen Seite desselben und nahert sich dann der Salzach, an deren rechtem Ufer sie bis Hallein zieht. Auf dem Wege dahin werden die Orte Aigen und Puch bertihrt. Die Terrainverhaltnisse waren gunstige. Hohenstadt-Zoptauer Bahn. Nicht weniger als ein Zeitraum von 24 Jahren liegt zwischen dem ersten Plane und der \virklichen Ausfiihrung dieser kleinen Bahn. Sie wurde namlich schon im Jahre 1846 von Franz Klein, dem Iheilhaber der Bauunternehmung Gebrii- der Klein, in Anregung gebracht, der, nach damaliger Gepflogenheit, auch sogleich eine Subscription zur Sicherung des er- forderlichen Capitals eingeleitet hatte, jedoch dabei kein zureichendes Ergebnis erzielt haben mag; denn nach einer kurzen Frist war von dem Projecte nicht mehr die Rede, bis im Jahre 1853 neuerliche Bestrebungen den Ingenieur Schebeck veranlassten, dasselbe vollstan- dig auszuarbeiten. Ein Erfolg ging aber auch daraus nicht hervor. Ende 1862 und hernach wieder im Jahre 1867 pro- jectirten die Gebriider Klein eine Linie Hohenstadt -Zoptau - Altstadt-Goldenstein- Freivvaldau-Neisse, dann im Jahre 1869 der Graf Karl Althann uiid das Schon- berger Comite die Linie Sternberg-Nieder- lipka mit Zweigbahnen von Schonberg einerseits nach Hohenstadt, andererseits nach Zoptau. Im selben Jahre, nach der Verlautbarung des Gesetzes iiber die Steuerfreiheit fiir neue Eisenbahnen, be- warben sich auch die Gebriider Klein um die Concession fiir die Linie Hohenstadt- Zoptau allein, und es gliickte ihnen jetzt das Project, \velches sie vor mehr als zwei Jahrzehnten zuerst in Anregung ge¬ bracht hatten, zu verwirklichen. Sie erhielten am 6. December 1869 die Concession fiir die Bahn von Hohen¬ stadt im Anschlusse an den Olmiitz- Triibauer Fliigel der Oesterreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft iiber Mah- risch-Schdnberg nach Zoptau zu den dortigen Eisemverken. Der Bau war binnen drei Monaten in Angriff zu nehmen und binnen \veiteren z\vei Jahren zu voll- enden. Auf Grund des vorerwahnten Gesetzes vom 20. Mai 1869, war dem Unternehmen eine ztvanzigjahrige Steuer¬ freiheit zugestanden. Der im Friihjahre 1870 begonnene, von den Concessionaren selbst ausgefiihrte Bau ging ungestort vor sich; die Eroffnung der 22'2 km langen Bahn fand am 1. October 1871 statt. Den Betrieb iiber- nahm die Staatseisenbahn-Gesellschaft, fiihrte ihn jedoch nur zwei Jahre, da er ab 15. October 1873 von der damals ins Leben getretenen Mahrischen Grenz- b a h n, an welche der Besitz der Hohen¬ stadt-Zoptauer Bahn iibergegangen, in eigener Regie besorgt wurde. Die Bau- kosten waren mit 1,400.000 fl. veran- schlagt, stellten sich aber hdher; die Mahrische Grenzbahn entrichtete einen Kaufpreis von nominale 2,000.000 fl. Die Linie H o h e n s t a d t - Z t) p t a u hat ihren Ausgangspunkt am Stationsplatze in Hohen¬ stadt, wendet sich von da nordwestlich, iiber- setzt den Sazawafluss und nimmt unter giinstigen Steigungen ihren Lauf nach Heilen- dorf. Hinter dieser Station iibersetzt die Bahn den Marchfluss und steigt bis Blauda, geht weiter bis Mahrisch-Schonberg, iiber- setzt dann den Thessfluss, das Thessthal bis in die Nahe von Reitendorf weiter verfolgend und gewinnt sodann im Merta- thale die Station Petersdorf. Von da aus fiihrt sie eine kurze Strecke parallel mit der Aerarialstrasse, ubersetzt dieselbe mit einer Rampe, dann weiter den Mertabach mit einer Brucke und erreicht an der rechten Lehne des Mertabaches die Endstation Zdptau, in deren Nahe sich die bekannten Eisenrverke befinden, welche durch zwei Werkbahnen mit dem Stationsplatze in Verbindung stehen. Ebensee-Isehler Eisenbahn. Je mehr die Beliebtheit und der Besuch des Salzkammergutes, insbesondere der reizen- den Sommerfrische Ischl, zunahm, desto haufiger kam auch die Anlage eines Schienemveges von Gmunden nach Ischl zur Sprache. Zuerst war der Bau einer Pferdebahn in Aussicht genommen, und zwar von dem Vertreter einiger auslan- dischen Firmen in Wien, Rudolf Stetcke [1867], sowie hernach von dem Spezerei- handler Ludwig Bresanyi, dem sich spater 9 6 Ignaz Konta. die Wiener Bankhauser Ed. Fiirst und Weiss & Fiscbhof und die Verivaltungs- rathe der Kaiserin Elisabeth-Bahn Alfred Lenz und August Kaulla beigesellten [1868]. Gegen diese Projecte erhob die Gemeindevertretung von Ischl Ein- sprache, weil sie dieselben uberhaupt fur ungenilgend, iiberdies aber auch als dem Strassenverkehre und dem Zu- standekommen einer Locomotivbahn hin- derlich erachtete. Das Handelsministerium fand jedoch, dass diese Einvvande jeder sachgemassen Begriindung entbehren und ertheilte dem Consortium Bresanyi am 11. Marž 1869 die auf die Dauer von 35 Jahren giltige Concession fur eine, unter Benutzung der Reichsstrasse zu erbauende Pferdebahn amerikanischen Systems von Ebensee nach Ischl, aller- dings mit der ausdriicklichen Schlussbe- merkung, dass diese Concession »keines- wegs ein ausschliessliches Recht be- griindet, und namentlich nicht hindern kann, dass eine die Orte Ebensee und Ischl verbindende andere Transport- unternehmung, z. B. eine Locomotiv- Eisenbahn, concessionirt und hergestellt \verde«. Zu Beginn des Jahres 1869 war jedoch auchdasProject einerLocomotiv-Eisenbahn Ebensee-Ischl schon auf die Tagesordnung gestellt. Der Ischler Badearzt, kaiserlicher Rath Dr. Josef Ritter von Brenner-Felsach, in Gemeinschaft mit vielen Notabilitaten Ischl’s, erhielt nach mehrmonatlicher Be- werbung am 9. December 1869, unter Zu- gestehung einer fiinfundzvvanzigjahrigen Steuerfreiheit die beziigliche Concession [auf Grund des Gesetzes vom 21. Mai 1869] mit der Verpflichtung, vom Ischler Bahnhofe eine Pferdebahn zum dortigen Salzsudrverke herzustellen, die Strecke Ebensee-Ischl binnen langstens zwei und die Strecke Ischl-Steg binnen weiteren drei Jahren zu vollenden. Zu- gleich wurde, wegen der allfalligen Er- richtung eines Trajectdienstes auf dem Traunsee, die Anwendung der jeweiligen Spurweite der Lambach-Gmundner Bahn angeordnet. Es gab jetzt also mit einem Male zwei concessionirte Bahnen nach Ischl, Lebensbedingungen jedoch nur fiir eine derselben; die Pferdebahn, als voraussichtlich schwacherer Rivale, liess es auf einen Kampf gar nicht an- kommen, sondern raumte sogleich das Feld. Allein den Ischlern gereichte dies nicht zum Vortheil; denn auch die Loco¬ motivbahn blieb ungebaut und Ischl noch ein rveiteres Jahrzehnt ohne Eisenbahn- verbindung. Nach verschiedenen fruchtlosen Geld- beschaffungs-Versuchen, verkaufte das Consortium die Concession dem Englander j. Sharp, der nun in Verbindung mit der Wiener Wechslerbank im November 1871 die Actien-Gesellschaft: »k. k. priv. Ebensee - Ischl-Steger Eisenbahn« mit einem in 9000 Actien a 200 fl. und 9000 Prioritats-Obligationen a 300 fl. geglie- derten Capi tale von 4,500.000 fl. errich- tete. Die Wechslerbank bemiihte sich vergebens, die Prioritaten in feste Hande zu bringen. Mr. Sharp, der sammtliche Actien und auch den Bau ubernommen hatte, fiihrte den letzteren zum bedeuten- den Theile aus, musste ihn aber auf- geben, nachdem die Wiener Wechsler- bank, \velche der Bahngesellschaft noch 1,500.000 fl. fiir tibernommene Priori¬ taten schuldete, zugrunde ging [1873]. Am 23. Juli 1874 erklarte das Handels¬ ministerium die Concession als erloschen. Die Trače, und was von den Bauten und Materialien der Ebensee-Ischl-Steger Eisenbahn hiezu tauglich gewesen, fand spater bei der Salzkammergut - Bahn [s. w. u.] Verwendung. Ausser den im Vorstehenden bespro- chenen Eisenbahnen, ist auf Grund des Gesetzes vom 20. Mai 1869, auch die Linie Lobositz-Dux-Niklasberg, und zwar am 7. Juli 1869, einem von dem Prinzen Arthur Rohan gebildeten Consortium, unter Gewahrung einer zwanzigjahrigen Steuerfreiheit concessionirt worden. Diese, auch »Bohmisch-sachsische Eisen¬ bahn« benannte Linie ist, anlasslich der Berathungen des Abgeordnetenhauses uber die Erneuerung jenes Gesetzes, von dem Berichterstatter unter den im Jahre 1869 blos mit Gewahrung zeitlicher Steuerfreiheit concessionirten Bahnen auf- gezahlt und auch im »Centralblatt fiir Eisenbahnen und Dampfschiffahrt« pro 1869, als bereits der a. h. Genehmi- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 97 gung theilhaftig, angegeben. Verlaut- bart wurde die Concession jedoch nicht, ebensowenig den Concessionaren ausge- folgt, wahrscheinlich weil dieselben die Sicherstellung fiir die genaue Erfiillung der concessionsmassigen Obliegenheiten nicht leisten konnten. In dem Motiven- berichte zu dem am 7. Juni 1872 im Reichsrathe eingebrachten Gesetzentwurfe liber die Sicherstellung der Linie Brlix- Mulde ist die Linie Lobositz-Niklasberg einfach als nicht zustande gekommen bezeichnet. Darum braucht dieser An- gelegenheit auch hier nicht weiter ge- dacht zu werden. * * * Obgleich im Herbste 1869 heftige Fieberschauer den Geldmarkt durchrut- telten, welche seitens einer Minderzahl von Bedachtigen bereits als Anzeichen eines aufkeimenden schweren \virthschaft- lichen Uebels gedeutet wurden, erfreute sich die raumliche Weiterentwicklung des osterreichischen Eisenbahnnetzes auch im Jahre 1870 neuerlicher Fortschritte. Die Projectirungen mehrten sich taglich und mit ihnen die Bewerbungen um neue Concessionen. Die Regierung stand also in dieser Hinsicht fast noch besseren Verhaltnissen gegeniiber als im Vorjahre; sie war jedoch an der Fortsetzung der Concessionirungs - Thatigkeit da- durch behindert, dass die Giltigkeit des Steuerbefreiungs-Gesetzes vom 20. Mai 1869 mit dem Wiederzusammentritte des Reichsrathes [xx. December 1869] auf- horte und zur Einbringung, beziehungs- weise Erledigung von Specialgesetzen die nothige Zeit mangelte, was sich an- lasslich der am 3. Marž 1870 erfolgten Vorlage von Gesetzentvvtirfen in Betreff der Sicherstellung einiger mit Staats- garantie auszustattenden Linien [Lemberg- Stryj-Skole, Villach-Tarvis, Tarvis-Gorz und Wildenschwert - Mittelwalde], die sammtlich unerledigt gelassen wurden, unverkennbar erwies. Die Pause ivahrte aber nicht lange. Der Urheber jenes Gesetzes, der Abge- ordnete Steffens, verhalf demselben zu einer Erneuerung; er beantragte am 3. Marž 1870 die abermalige Schaffung eines derartigen, wieder nur fiir die Zeit, in welcher der Reichsrath nicht ver- sammelt ist, geltenden Gesetzes und fand hiemit besten Anklang. Sowohl bei der am 8. Marž vorgenommenen ersten, als auch bei der ziveiten und dritten Lesung des neuen Gesetzes iiber Steuerbefreiungen fiir neue Eisenbahnen, am 28. Marž, wurde von dem Antragsteller ausgefiihrt, dass das Gesetz sich als niitzlich erwiesen habe und der damit unternommene Versuch als gelungen zu betrachten sei; dass ferner, »wenn es immerhin noch Eisen¬ bahnen gebe, die infolge von Terrain- schwierigkeiten ein grosseres Anlage- Capital in Anspruch nehmen oder deren Rentabilitat sich nicht mit jener Gewiss- heit gleich beim Beginne des Betriebes nachweisen lasst, welche das Capital veranlassen kann, sich denselben unbe- dingt hinzugeben, die aber dennoch ein so grosses Interesse fordern, dass der Staat veranlasst werden kann, zu deren Zu- standekommen Opfer zu bringen, — die Zahl derselben durch die Reactivirung des Gesetzes doch jedenfalls betrachtlich vermindert wird«. Das neue Gesetz wurde angenommen, am 6. April auch vom Herrenhause, und erhielt am 13. April 1870 die a. h. Sanction. lndessen ist iibrigens, als Nachziigler vom Jahre 1869, eine Concession mit Staatsgarantie denn doch ertheilt -\vorden, namlich fiir den osterreichischen Theil der »Ungarischen Westbahn«. Diese,ursprtinglich »Raab-Grazer«, be- ziehungsweise »Stuhweissenburg - Raab- Grazer Eisenbahn« benannte Unterneh- mung ist eine derjenigen, welche in der Denkschrift zur i869erallgemeinenVorlage iiber die Vervollstandigung des osterreichi¬ schen Eisenbahnnetzes, nicht blos als fiir den Anschluss der ungarischen an die oster¬ reichischen Bahnlinien wiinschenswerth, sondern auch als eine Verbindung be¬ zeichnet ist, die fiir die Versorgung Obersteiermarks mit Getreide von grosser Wichtigkeit sei und bei Fortsetzung der Graz-Koflacher Bahn bis an die Kron- prinz Rudolf-Bahn das Mittelglied der aus Ungarn in westlicher Richtung durch die osterreichischen Gebirgslander fiihren- den kiirzesten Bahnlinie bilden wiirde. Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 7 9 8 Ignaz Konta, Ihre erste Projectirung fallt jedoch bereits in das Jahr 1862; denn damals wurde, nachdem das Project Raab- Keszthely im Sande verlief, sogleich ein anderes zur Verbindung des grossen Getreideplatzes Raab mit der Siidbahn gesucht. Am zweckentsprechendsten hie- fiir erwies sich das von dem Fabriks- besitzer Friedrich Hoffmann im Ver- eine mit. einigen Ingenieuren entvvor- fene und im Jahre 1865 in Aus- arbeitung genommene Project Graz-Raab mit der eventuellen Fortsetzung tiber die Donau bis nach Sillein; dočh erging es ihm nicht besser als seinem Vorlaufer. Darum stockte die Angelegenheit, bis die koniglich ungarische Regiernng Ende Oc- tober 1867 den Entwurf eines ungarischen Eisenbahnnetzes veroffentlichte, der auch eine Linie Raab-Molnari-Steirische Grenze [gegen Graz] enthielt und zur beztigli- chen Bewerbung Anregung gab. Sowohl in Raab als auch in Graz [hier miter Mitwirkung deš Landesausschusses] bil- dete sich ein Consortium fiir die Linie Raab-Papa-Graz; dem folgten das Con- sortium Graf Waldstein-Baron Todesco fiir die Linie Stuhhveissenburg-Veszprim- Molnari-Graz, ein Eisenburger Comite, das Consortium Ungarische Čredi tbank-Wei- kersheim und noch andere Vereinigungen. Das letztgenannte Consortium erwies sich bei den am 25. November 1868 im konig¬ lich ungarischen Communications-Mini- sterium durchgefiihrten Concessions-Ver- handlungen als Bestbieter, da es sich an- heischig machte, die Linie Stuhlvveissen- burg - Veszprim - Klein - Zeli - Steirische Grenze nebst der Zweigbahn von Klein- Zell nach Raab mit einem garantirten Reinertragnisse von 36.400 fl. pro Meile j auszufiihren.*) Es erhielt denn auch die definitive Concession zugesichert unter der Bedingung, dass es auch fiir die steirische Strecke die Concession erlangt, und bemiihte sich daher, der letzteren ebenfalls theilhaftig zu werden. Auch diese Verhandlungen scheinen glatt verlaufen zu sein, denn am 23. Marž 1869 legte schon das k. k. *) Naheres vgl. Bd. III, J. Gonda, Ge- schichte der Eisenbahnen Ungarns von 1867 bis zur Gegenwart. Handelsministerium dem Abgeordneten- hause einen beziiglichen Gesetzentwurf vor. Hier haben sich \vohl bei der am 8. Mai 1869 vorgenommenen z\veiten und dritten Lesung des Gesetzes grossere Auseinandersetzungen ergeben, doch that dies der raschen Erledigung der Vorlage keinen Eintrag. Die Meinungsverschiedenheiten be- trafen vor Allem die Wahl der Trače. Es waren namlich zwei Tračen vor- geschlagen, die auch ausserhalb des Parlamentes in den damals veroffent- lichten Streitschriften beide ihre Ver- tretung fanden. Die eine Trače galt der Linie von Graz iiber Gleisdorf [bis \vohin beide Varianten ubereinstimmen] durch das Raabthal bis zur ungarischen Grenze, die andere hingegen der nach Ueberschreitung eines zweiten Berg- riickens ins Feistritzthal bis Furstenfeld fiihrenden Linie. Fiir diese Trače hatten sich der Landesausschuss, die Statthalterei und die Grazer Handelskammer ausge- sprochen, ivahrend die Regierung und der volksvvirthschaftliche Ausschuss des Abgeordnetenhauses sich fiir die Raabthal- Linie entschieden, weil sie bei geringeren Anlagekosten eine grossere Leistungs- fahigkeit bot. Einen zweiten Streitpunkt bildete die Plohe der Staatsgarantie; die Regierungs- vorlage hatte dieselbe mit 34.000 fl. pro Meile, d. i. fiinfprocentige Verzinsung und Tilgung eines Capitals von 680.000 fl. pro Meile bemessen; der Ausschuss erhohte die Capitalsziffer auf 800.000 fl.; einzelne Abgeordnete wollten bewilligen, was Ungarn zugestanden, namlich eine Garantie von 36.400 fl. [= 728.000 fl. Capital] pro Meile; andere wollten viel tiefer herabgehen und nur die Ziifer der Vorlage bewilligen. Schliesslich wurde die Fiihrung der Bahn durch das Raabthal und eine Staats¬ garantie von 36.400 fl. [= 728.000 fl. Capital] pro Meile genehmigt. In dieser Fassung tvurde das Gesetz auch vom Herrenhause angenommen [12. Mai] und am 20. Mai 1869 a. h. sanctionirt. Wenn nun, obzwar Legislative und Regierung Werth darauf legten, dass beide Strecken in die Hande eines Consortiums kommen, dennoch die Concession fiir die Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 99 osterreichische Strecke dem Consortium Ungarische Creditbank - Weikersheim, welches die ungarische Concession am 14. Juli 1869 definitiv erhalten hatte, nicht alsbald, sondern erst am 2. Fe¬ bruar 1870 verliehen, beziehungsweise 6. Marž 1870 ausgefolgt wurde, so mag dies dadurch verursacht wor- den sein, dass das Handelsministerium das garantirte Anlage-Capital noch unter die im Gesetze vorgesehene Ziffer, namlich auf den Betrag von nom. 719.800 fl. pro Meile herabminderte, wozu sich das Consortium aber nicht leicht verstehen wollte, zumal ihm mittels der protokolla- rischen Vereinbarung vom 24. Januar 1870*) eine Reihe von baulichen Mehr- leistungen [Geleiseanlagen u. dgl.] auf- erlegt wurde. Einmal im Besitze der Concession, be- eilte sich das Consortium mit ihrer Durch- fiihrung, da nach den Bestimmungen des Artikels 3 der Concessions-Urkunde die Bahn binnen 2 x / 3 Jahren vollendet sein musste. Der Bau wurde gleich jenem der ungarischen Strecke im Pauschal- accorde an die Unternehmung Weikers- heim & Comp. und die Finanzirung an die Ungarische Creditbank im Ver- eine mit der Anglo-osterreichischen Bank und der Oesterreichischen Credit-Anstalt iibertragen, welche die Haifte des Actien- capitals, namlich 37.500 Actien a 200 fl., gleich am 30. Marž 1870 zum Curse von 83 °/ 0 mit aussergewohnlichem Erfolge [5,452.178 gezeichnete Stričke] zur Sub- scription auflegte. Etliche Wochen darnach, am 18. Mai 1870, fand auch — auf Grund der am 5. Mai 1870 behordlich genehmigten Statuten — die Errichtung der mit einem Capitale von 36,000.0006. [75.000 Actien und 105.000 Prioritats-Obligationen zu je 200 fl.] aus- geriisteten Actien-Gesellschaft »Unga¬ rische Westbahn« statt, zu deren Director der schon von den Concessionaren *) In diesem Protokolle ist auch die Be- stimmung enthalten, dass die Betriebsrech- nungen fiir die steirische und die unga¬ rische Linie abgesondert gefiihrt werden miissen und dass die Garantiesummen fiir beide Linien ein untrennbares Ganzes bil- den, daher nur eine Actien-Gesellschaft zu griinden ist, die einheitliche \Verthe zu emit- tiren hat. berufene General-Secretar Karl Ritter von Fackh ernannt wurde. Der Bau erfuhr jedoch unerwarteter- weise eine bedeutende Verzogerung dadurch, dass die Regierung Project- anderungen verlangte, die mit erheblichen Mehrkosten verbunden waren, deren Ver- giitung die Gesellschaft noch vor dem Beginne des Baues sicherstellen wollte, beziehungsweise musste, weil die Bau- unternehmung jede riber den Pauschal- accord hinausgehende Mehrleistung ab- lehnte. Es liandelte sich dabei einerseits um die Verlegung der Trače zwischen Hofstatten und Feldbach ganz auf das linke Raabufer, andererseits um die Aus- miindung der Bahn statt im Grazer Sud- bahnhofe, wohin sie von Liebenau in fast senkrechter Richtung gelangen solite, in der Schonau, woselbst nun die eigentliche Station Graz anzulegen war, und um die Verbindung der letzteren durch ein Schleppgeleise mit dem Siidbahnhofe. Namentlich die letztere Aenderung er- forderte wegen der kostspieligen Grund- einlosung und der Anlage einer eigenen Station grosse Auslagen. Die Sache wurde, nach mehrfachen und lang- wierigen Verhandlungen, in der Weise geschlichtet, dass der Gesellschaft, zu- folge a. h. Entschliessung vom 2. Juni 1872, die Erhohung des garantirten Anlage-Capitals auf den im Gesetze vom 20. Mai 1869 festgesetzten Hochst- betrag von 728.000 fl. pro Meile zuge- standen wie auch gestattet wurde, den Guterdienst in ihrem eigenen Bahnhofe zu besorgen und die hiedurch erzielte Ersparnis an den Kosten der Mitbeniitzung des Siidbahnhofes, in dem ausgemittelten Betrage von jahrlich 22.000 fl., zur Be- streitung des Mehraufrvandes fiir die Schonauer Stationsbauten zu verwenden, derart, dass sie diesen Betrag, als Ver- zinsung und Tilgung einer fiir die ge- dachten Zwecke aufzunehmenden schwe- benden Schuld, in die Betriebsrechnung einstellt. [Flandelsministerial-Erlasse vom 28. Mai und 10. Juni 1872.] Jetzt machte die Gesellschaft alle Anstrengungen, den Bau ehemoglichst zu vollenden; sie stellte auch wirklich im Jahre 1872 die Theil- strecke von der Landesgrenze bis zur Raab fertig, da aber die Regierung [mit IOO Ignaz Konta. Riicksicht aut die Staatsgarantie] eine nur theilweise Eroffnung nicht zuliess, konnte die ganze 71‘6 km lange Strecke von der ungarischen Grenze bei Jenners- dorf bis Graz erst am I. Mai 1873 dem Betriebe iibergeben werden. Der auf. Ssterreichischem Gebiete befind- liche Tlieil der Trače geht von Graz aus, wo sie mit dem Bahnhofe der Siidbahn durch ein Anschlussgeleise verbunden wurde, im steieri- schen Hilgellande iiber Messendorf, Lassnitz, Gleisdorf, Studenzen nach Fehringim Thale der Raab nach Ungarn, wo die Ungarische West- bahn tiber Steinamanger nach Stuhlweissen- burgundRaab weiterzieht. Dersteiermarkische Theil der Bahn zeigt mehrfach den Charakter einer Gebirgsbahn; bei Lassnitz wurde der sogenannte Rosenhiigel durch einen Tunnel durchbrochen, und zwischen Gleisdorf und Messendorf eine Wasserscheide tiberschritten. Ohne die Reactivirung des Gesetzes liber die Steuerbefreiung ftir neue Eisen- bahnen ware die Concessionirung der Ungarischen TVestbahn wohl im Jahre 1870 die einzige geblieben. Parlamen- tarische Zerwiirfnisse hatten die Mandats- niederlegung vielerpolnischen und anderer slavischen Abgeordneten sowie den Rtick- tritt des Ministeriums [4. April] und die Vertagung des Reichsrathes [12. April 1870] herbeigeflihrt, welch letztere bis zum 15. September wahrte. In dieser Periode wurde die Concessionirungs- Thatigkeit ebenso unmoglich gewesen sein, wie dies nach der Wiedereroffnung des Parlaments durch die inzvvischen ange- haufte Menge anderer legislativer Arbeiten der Fali gewesen ist. Der in dem Ministerium Potočki vorerst zum Leiter, dann zum Chef des Handelsamtes berufene Sections- Vorstand desselben, Sisinio Freiherr von Pretiš, der schon in seiner bisherigen Amtswirksamkeit die Erfordernisse des Eisenbahmvesens griindlich kennen gelernt hatte, ergriff daher sogleich die Handhabe, welche ihm durch das mehrerwahnte Gesetz geboten war, und brachte in rascher Reihen- folge, sowohl die schon von der friiheren Regierung vorbereiteten, als .auch die neu spruchreif gewordenen Concessionirungen zum Abschlusse. Dieselben betrafen sieben neue Eisenbahn-Unternehmungen und eine Zweiglinie der Kaiserin Elisabeth-Bahn, die sammtlich im Nachstehenden ihre Besprechung finden. Mahrisch-Schlesische Centra 1 - bahm Zugleich mit den »Mahrischen Landesbahnen« gelangten auch die schle- sischen zur offentlichen Erorterung, und zwar ebenfalls zunachst und zumeist im Landtage. Dabei standen im Vordergrunde die Lini en Troppau-Jagerndorf- Reichsgrenze gegen Neisse und Ol- miitz-Troppau-Reichsgrenze ge¬ gen Leobschutz. Der mahrische Landes- ausschuss betraute schon am 11. August 1864 den Ingenieur Czermak mit Studien zur Ausfindigmachung geeigneter Verbin- dungen zwischen den mahrischen und den preussischen Bahnen in der Richtung nach Neisse und Glatz. Das nach Be- endigung der Vorerhebungen im Jahre 1865 erstattete Gutachten dieses Ver- trauensmannes lautete jedoch dahin, dass vor Ali ena ein vollstandiges Project ftir eine Bahn von Olmiitz iiber Gross- TVisternitz, Barn und Freudenthal nach Jagerndorf vorliegen, beziehungsweise aus- gearbeitet werden miisste, weil dann erst die richtige Trače ftir eine geeignete Ver- bindung zwischen Olmiitz und den preussischen Bahnen, mindestens liber Leobschutz, ausgemittelt werden konnte. Der Landesausschuss ging darauf nicht ein. Das grosse Briinner Consortium aber, vvelches sich nach der Kaiserreise durch Mahren im Herbste 1866, behufs der Zustandebringung der »Mahrischen Landesbahnen«, gebildet hatte, nahm auch die Linien von Sternberg einerseits iiber Romerstadt und Jagerndorf nach Leob¬ schutz, andererseits liber Hannsdorf und Grulich nach Mittelwalde nebst der Ab- ziveinuno; nach Freiwaldau in sein Pro- gramm auf [s. S. 5]- Dessenungeachtet ertheilte der schle- sische Landtao; in seiner Sitzun o anderen Bahnen, denen es eigentlich um die Linie Preschen [Aussig-T eplitzer Bahn] - Laun-Kunova [BuschtShrader Bahn] zu thun gewesen ware, fanden kein Gefallen an. einer neuen direeten Linie Prag-Dux. Da weiters auch Dr. Stradal, der nicht eine einzelne Linie sondern ein ganzes Bahn- netz anstrebte, die Bewerbung fallen liess und das Consortium Schier-Kiistner-Solch auch die seine aufgegeben, waren zuletzt nur noch die Consortien Thun-Hohen¬ stein und Fink - Sladkovsky, die sich aber in letzter Stunde verstandigt haben sollen, und das Haus Liebieg im Wett- bewerbe, bei rvelchem das Angebot des Consortiums Thun-Hohenstein und Genossen sich als das giinstigste erwies. Der Sieg fiel also diesem, auch von der Sympathie der betheiligten Be- volkerung getragenen Consortium zu, und das Haus Liebieg mag nun bedauert haben, dass es im Verwaltungsrathe der Dux-Bodenbacher Bahn, beziehungsweise in deren Generalversammlung vom 26. Marž 1870, den StradaLschen Antrag: »es sei zu Handen der Dux-Bodenbacher Bahn um die Concession fur eine Eisen- bahn von Dux nach Prag und von Dux nach Olbernhau einzuschreiten«, \vegen der eigenen [Liebieg’schen] Bewerbung zu Falle gebracht hatte, was iibrigens, wie sich alsbald zeigte, der Dux-Bodenbacher Bahn nur zum Heile gereichte, wenn Abb. 67. Prag-Duxer Eisenbahn. [Egerbriicke bei Laun.] 8 * 116 Ignaz Konta. anders ihr Project nicht etwa viel besser und billiger gewesen ware, als jenes des Grafen Thun-Hohenstein. Die Concessions-Verhandlungen mit dem Consortium des Grafen Thun-Hohen¬ stein und der ihm damals noch beige- tretenen Anglobank fanden am 3. Juni 1870 ihren Abschluss. Die ihnen am 25. Juni 1870 zutheil gewordene Con- cession flir die Linie von Prag [Smi- chov] nach Dux mit einer Zweigbahn nach B r ii x gewahrte diesem neuen Unternehmen, auf Grund des Gesetzes vom 13. April 1870, eine zwanzigjahrige Steuerfreiheit und verpflichtete die Con- cessionare, die Bahn binnen drei Monaten in Bau zu nehmen und dann langstens innerhalb dreier Jahre zu vollenden. Der erste dieser Termine konnte nicht eingehalten werden, weil die durch den Ausbruch des deutsch-fran- zosischen Krieges verschlechterte Lage des Geldmarktes die Emission der Titel verzogerte. Ueber a. h. Entschliessung vom 9. October 1870 \vurde der 1. April 1871 als neuer Termin bewilligt. Die Zwischenzeit ging iibrigens nicht nutz- los verloren. Es wurde die Strittigkeit wegen der mit dem Tracenzuge der Pilsen- Priesener Bahn sich deckenden Theil- strecken Sedlitz-Dux und Obernitz-Briix einvernehmlich, wie’ auch mit a. h. Genehmigung vom 2. December 1870, dahin geschlichtet, dass die den beiden Unternehmungen gleichmassig conces- sionirte Strecke, zum gemeinsamen Be- triebe und auf gemeinsame Kosten, doppel- geleisig hergestellt werde; ferner wurde die Geldbeschaffung endgiltig mit der Anglobank, welche die sammtlichen Titel iibernahm, vereinbart, und die Vorconcession ervvorben [25. October] fiir eine Fortsetzung der Bahn von Brtix iiber Klostergrab bis an die sachsische Grenze bei M ul d e [gegen Freiberg], \velche ebenso wie die Verbindung gegen Pirna hin in dem zwischen Oesterreich- Ungarn und Sachsen am 24. December 1870 abgeschlossenen Staatsvertrage vor- gesehen ist. Zu Beginn des Jahres 1871 fand die Vorlage der Statuten und nachdem dieselben am 25. Februar 1871 die behordliche Genehmigung erhalten hatten, am 1. Marž 1871 die Constituirung der Actien-Gesellschaft: »K. k. priv. Prag- D uxe r E is en b ah n« [Sitz in Prag] statt, deren Capital vorerst mit 8,100.000 fl. in Actien [54.000 Stiick a 150 fl.] und 12,150.000 fl. in Prioritats-Obligationen [81.000 a Stiick 150 fl.] festgesetzt wurde. Von diesen Werthen legte die Anglobank am 16. Marž 1871 einen Theilbetrag von 9,000.000 fl., namlich je 30.000 Actien und Prioritats-Obliga¬ tionen, erstere zum Curse von 66 °/ 0 , letztere zum Curse von 71 °/ 0 , zur offent- lichen Zeichnung auf, welche ein gutes Ergebnis lieferte. Zur Fuhrung der Geschafte wurde eine General-Direction errichtet und an die Spitze derselben der Central-Inspector der Bohmischen Westbahn, Franz Mraz, gestellt. Der in der Strecke Prag-Sedlitz an die Unternehmer Karl Schnabel, Johann und Wenzel Muzika, in den tibrigen Strecken an die Unternehmer Adalbert von Lanna, Johann Schebeck und Max Grobe vergebene Bau wurde am 1. April 1871 in Angriff genommen und so eifrig gefiihrt, dass im Jahre 1872 schon mehr als 40 km Bahn vollendet \varen. Inmitten dieser Thatigkeit sah die Gesellschaft auch ihr Fortsetzungsproject der Verwirklichung entgegen gehen. Ihre eigene Bemiihungen, wie auch das Interesse, welches die Leipzig- Dresdener Bahn damals fiir die Ver¬ bindung Briix-Freiberg an den Tag legte, bestimmten das Ministerium, dem vorerwahnten Staatsvertrage gleich jetzt gerecht zu werden. Es legte am 7. Juni 1872 dem Abgeordnetenhause zwei Ge- setzentwurfe iiber die Sicherstellung des osterreichischen Theiles einerseits der Freiberger, andererseits der Pirnaer Ver¬ bindung vor, von denen die erstere mit Zustimmung der k. sachsischen Regie- rung als Ersatz fiir die in dem Staats¬ vertrage ausdriicklich bezeichnete, jedoch nicht zustande gekommene Linie Lobo- sitz-Dux-Freiberg galt und geradewegs zur Concessionirung an die Prag-Duxer Bahn in Aussicht genommen war. Nachdem diese Vorlagen rasch er- ledigt, beziehungsweise am 28. Juni Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 117 1872 der a. h. Sanction theilhaftig ge- worden \varen, erhielt die Gesellschaft am 4. September 1872 die Concession fiir die Linie Bri'ix-Ossegg-Kloster- grab-Niklasberg-Sachsische Grenze bei Mul d e, unter der Verpflichtung, auch eine Verbindungsbahn von Neustadt an die sachsische Grenze zum Anschlusse an die Miiglitztlial-Bahn herzustellen, sobald die Regierung dies verlangt und die beziiglichen Modalitaten festgestellt haben wiirde. Beide Verbindungen sollten integrirende Bestandtheile der Prag- Duxer Bahn sein. Als staatliche Begiinsti- gung fiir die Linie Briix-Mulde wurde eine zehnjahrige Steuerfreiheit gewahrt, auch in der Weise, dass die Ent- richtung der Steuer nacli Massgabe des Verhaltnisses der Meilenlange der alten zu der neuen Linie stattfindet. Die Bau- fristen wurden bestimmt: fiir die Strecke Briix - Klostergrab mit zwei, fiir die weitere Strecke mit langstens drei Jahren, wenn nicht die sachsische Anschluss- strecke von Freiberg an die bohmische Grenze friiher erOffnet wird, wo. dann gleichzeitig mit dieser auch die Strecke Klostergrab-Mulde in Betrieb zu setzen ware. Die am 15. October 1872 abgehaltene ausserordentliche General versammlung genehmigte nicht nur die Uebernahme dieser Concession, sondern ermachtigte auch den Verwaltungsrath, hinsichtlich der Verbindung Klostergrab-Sachsische Grenze gegen Pirna, gleichfalls geeig- nete Schritte zu unternehmen und zum Zvvecke der Vollziehung der Concession vom 4. September 1872 alles Erforder- liche vorzukehren, insbesondere die zur Deckung des Baufonds nothigen Geld- mittel im Betrage von effectiv 5,192.81711. durch Ausgabe neuer Actien und Obliga- tionen zu beschaffen. Der Form nach war dies bald gesche- hen; drei Geldkrafte: die Dresdener Bank und das Bankhaus Erlanger im Vereine mit der Deutsch-osterreichischen Bank in Frankfurt a. M. theilten sich in die Auf- gabe der Geldbeschaffung; erstere iiber- nahm die Prioritats-Obligationen im Be¬ trage von nom. 3,900.000 fl. und die letztere Gemeinschaft die Actien im Be¬ trage von nom. 2,600.000 fl. »zur Placirung«. Der Bau wurde der Unter- nehmung Nowak & Teirich Tfbertragen, welche die Arbeiten im Friihjahre 1873 in Gang setzte. In Wirklichkeit aber schlug die Geld¬ beschaffung fehl und brachte sohin auch den Bau ins Stocken. Erst nach Jahren und mit Beihilfe der Regierung komite er vvieder aufgenommen und in der Theil- strecke Briix-Klostergrab auch zu Ende geftihrt werden. Das Gluck, welches den Griindern geleuchtet hatte, war der Gesellschaft untreu geivorden; sie verfiel einem finanziellen Siechthum, das immer Abb 68. Prag-Duxer Eisenbahn [bei St. Procopi]. mehr zunahm, je weniger die Betriebs- ergebnisse ausreichten, die Verzinsung der Prioritats-Obligationen, geschweige denn die gesammten hohen Anlagekosten zu decken. Die alte Linie wurde jedoch vollendet, bevor noch der jahe Wechsel der gesellschaftlichen Lage allgemein bekannt gevvorden. Es gelangten zur Er- offnung: Chlumčan-Obernitz-Brux, 316 km [fiir den Gtlterverkehr], am 21. November 1872. Obernitz-Bilin, 10 km [fiir den Giiterverkehr], am 2i. November 1872. Dieselben Strecken fiir den Gesammtver- kehr am 2. Januar 1873. Chlumčan-Schlan, 38 km , am 2. Januar 1873. Schlan-Prag, 541 km , am 12. Mai 1873. Bilin-Dux [Ladowitz], 2'5 km, fiir den Giiter- verkehr am I. November 1873; fiir den Gesammtverkehr am 1. April 1874. Die Prag-Duxer Bahn, die auf ihrem I ganzen Zuge von der Hauptstadt BShmens 118 Ignaz Konta. bis an die sachsische Grenze eine nordivest- liche Richtung einhalt, hat ihren Ausgangs- punkt in dem mit der Bčhmischen Westbahn gemeinschaftlichen Bahnhofe Smichov, der ausserdem auch mit der BuschtOhrader Babn und der Kaiser Franz Josef-Bahn in unmittel- barer Verbindung steht. Die Trače zieht eine kurze Strecke auf gemeinschaftlichem Bahnkorper mit der B8h- mischen Westbahn dahin, wendet sich dann rechts in das Hlubofieper Thal, unterfabrt hier zweimal vor der Station Hlubočep die Linie Smichov-Hostiwitz der Buschtčhrader Bahn, fiihrt iveiter in der Thalrichtung und erreicht zwischen den Stationen Dušnik und Litowitz auf der westlich von Prag gelegenen Hochebene ihren hBchsten Punkt [4019 m SeehShe]. Von hier aus die nordliche Richtung ver- folgend, fiihrt sie liber Litowitz, Herrendorf nach Nautonitz, verlasst hier das Plateau und erreicht das Kovarer und Zakolaner Thal. Die Buschtehrader Bahn wird in dieser Strecke von der Prag - Duxer Bahn ziveimal [bei Litowitz und Zakolan] ubersetzt. Auf ihrem weiteren Zuge iiber Schlan ubersetzt sie bei Podlešin das Jemnik-Kraluper Thal mittels eines Viaductes, in der Strecke Schlan- Zlonitz das Kralowitzer Thal mittels einer eisernen Fachwerkbrucke, geht sodann von Zlonitz nordwestlich liber Klobuk ansteigend auf das Hochplateau von Perutz [35l'2 -m SeehOhe], sodann im Gefalle iiber Vrbno und Chlumčan nach Laun, ubersetzt hier mittels einer eisernen Fachwerkbrticke mit zwei Oeffnungen a 40 «7, zwei Inundationsbriicken a 20 m derselben Construction und einem langeren Damm den Egerfluss und das Eger- thal, steigt dann wieder nordlich zur Wasser- scheide des BohmischenMittelgebirges empor. Von hier aus zieht die Trače im sanften Gefalle nach Hochpetsch, trift't bei Sedlitz die von Saaz kommende Eisenbahn Pilsen- Priesen und geht mit dieser auf gemein¬ schaftlichem Bahnkorper nach Briix und Dux. Zunachst der gemeinschaftlichen Station Obernitz erreichen beide Bahnen das Biela- thal, iibersetzen den Bielafluss und fiihren thalaufwarts in nordwestlicher Richtung nach Briix. Der von der Hauptbahn in Obernitz thalabwarts nordlich abzweigende, mit der Pilsen - Priesener Bahn gemeinschaftliche Fliigel Obernitz-Bilin-Ladowitz [Dux] endigt in dem Bahnhofe Ladowitz [Dux], ist jedoch mit dem Bahnhofe Dux der Aussig- Teplitzer Bahn in unmittelbarer Schienen- verbindung, [Abb. 67—69.] Bielathal-Bahn [Aussig-Bilin]. Nichtzufrieden damit, der Aussig-Teplitzer Bahn oberhalb eine Parallelbahn [die Dux-Bodenbacher Bahn] hart an die Seite gertickt und durch die eigene Bewerbung auch das Project der Prag-Duxer Bahn gefordert zu haben, wollte das Haus Johann Liebieg & Comp. der erstge- nannten Unternehmung auch noch unter- halb eine Concurrenzlinie schaffen, nam- lich in der Richtung von Bilin durch das Bielathal nach Aussig, die ins- besondere den reichen Kohlenlagern bei Bilin und Schivaz zunutze kommen solite. Seine Bevverbung fand beim Ministerium Anklang und, da bei derselben nur zeit- liche Steuerbefreiung in Anspruch ge- nommen wurde, auch baldige Will- fahrung. o An dem gleichen Tage, der dem Con- sortium Thun-Hohenstein die von j enem Hause vergeblich angestrebte Concession fiir die Prag-Duxer Bahn brachte, am 25. Januar 1870, erhielt die Firma Johann L i eb i e g & Comp. die Concession fiir die Linie von Bilin im Anschlusse an die Prag-Duxer Bahn durch das Bielathal nach Aussig zur Verbindung mit der nordlichen Linie der Staatseisenbahn- Gesellschaft, dann an die Elbe mittels einer Schleppbahn und eventuell zum Anschlusse an die auf dem rechten Elbe- ufer befindliche Eisenbahn [Elbebahn]. Diese neue, circa 30 km lange, mit einer zwanzigjahrigen Steuerfreiheit be- dachte Linie, deren Anlage-Capital mit norri. 1,000.000 fl. pro Meile bemessen war, solite binnen drei Monaten in An- griff genommen und binnen zwei Jahren vollendet werden. Keiner dieser Termine wurde eingehalten. Das Haus Liebieg hegte namlich eine wahre Sehnsucht, seine Griindungen an die Aussig-Teplitzer Bahn anzugliedern, sei es um sie bei dieser alten ivohlbestellten Unternehmung sicher zu bergen, sei es um der letzteren darzuthun, dass nicht Feindseligkeit gegen sie, sondern die [von ihr gar riicbt oder zu spat eingesehene] Nothwendigkeit einer Vermehrung der Abfuhrstrassen fiir die Braunkohle, jene Griindungen veranlasst haben. Diese Fusionsbestrebungen nahmen jedoch viel Zeit in Anspruch. Die ersten, auf Zusammenlegung der Dux-Bodenbacher und der [damals noch gar nicht concessionirten] Bielathal-Bahn mit der Aussig-Teplitzer Bahn lautenden Liebieg’schen Antrage gingen dem Ver- waltungsrathe derselben im Februar 1871 zu, vvurden aber sofort abgelehnt, ohne dass die i87ier Generalversammlung ihn Geschiclite der Eisenbahnen Oesterreichs. II 9 darob getadelt hatte, obzwar dies von den Anhangern und Vertretern des Hauses Liebieg mit einem grossen Auf- gebote von Actien vorbereitet gevvesen. Dann beniitzte das Haus Liebieg die von damals her in seinen Handen vereinigten Actien [und Stimmen] der Aussig-Teplitzer Bahn dazu, um die letztere wenigstens zur Eingehung eines Freundschafts-Verhaltnisses zu vermogen, dessen Unterpfand die Uebernahme und tungsrathe der Aussig-Teplitzer Bahn. Bis diese Vereinbarungen abgeschlossen und die Uebertragung der Concession sowie die an die Uebernahme der letzteren gekntipften Bedingungen der Aussig- Teplitzer Bahn von Seite der Regierung genehmigt waren, verstrichen mehr als achtzehn Monate. Was die Aussig-Teplitzer Bahn ver- langte, war: erstens, dass statt des Tur sie kostspieligen und unzweckdienlichen Abb. 69. Prag--Duxer Eisenbahn. [Uebersetzung der Buschtehrader Eisenbahn bei Zakolan.] Durchfiihrung der Concession fiir die Bielathal-Bahn bildete. Die Besiegelung dieses Einvernehmens erfolgte in der am 20. December 1871 abgehaltenen ausserordentlichen Generalversammlung der Aussig-Teplitzer Bahn, welche zu- gleich die Erhohung des Gesellschafts- fonds um 3,507.000!!. zu demZvvecke be- schloss, die Gesellschaft mit den zum Baue der Bielathal-Bahn sowie auch zur Aus- dehnung der Schleppbahnen und zur Ver- mehrung des Fahrparkes erforderlichen Geldmitteln zu versorgen. Natiirlich ge- wann das Haus Liebieg bei diesem Anlasse aucheine ausgiebige Vertretungim.Verwa.l- Anschlusses der neuen Linie in Aussig derjenige in Tiirmitz gewah.lt, und zweitens dass die Herstellung einer Elbe-Schlepp- bahn von Aussig stromaufwarts in der Rich- tung nach Prag, welche Anlage ihr, eben wegen der Bielathal-Bahn, bisher verwei- gert worden war, nunmehr gestattet werde. Mittels Kundmachung des Handels- ministeriums vom 21. Januar 1872 wurde nun die Concession fiir die Bielathal-Bahn liber a. h. Entschliessung vom 20. No¬ vember 1871 an die Aussig-Teplitzer Bahn mit der Abanderung iibertragen, dass die Einmundung der ersteren in die letztere Bahn bei Tiirmitz zu erfolgen habe, und 120 Ignaz Konta. die neue Linie gleichzeitig mit der in Aussig anschliessenden Strecke der Oester- reichischen Nordwestbahn dem offentlichen Verkehre zu iibergeben sei. Da in dieser Verfiigung auch eine bedeutende Er- streckung der Vollendungsfrist gelegen war, brauchte die neue Besitzerin der Concession sich mit der Inangriffnahme des Baues nicht sonderlich zu beeilen. Fiir die Zwecke desselben brachte die Gesellschaft am i. April 1872 einen Theil der obervvahnten, in der ausser- ordentlichen Generalversammlung vom 20. December 1871 beschlossenen Actien- Emission [16.700 Stiick a 210 fl.] zur Begebung, indem sie 8350 Actien den Besitzern der alteren Titel in der Zeit vom 1. bis 30. April zum Bezuge al pari tiberliess. Die Bauarbeiten, deren Aus- fiihrung an die Unternehmung Schon & Wessely vergeben \var, haben jedoch erst im Jahre 1873 begonnen und im Friihling 1874 ihre Vollendung gefunden. Die Eroffnung der 26’1 km langen Bahn fand am 6. Juni 1874 statt. Ihre Anlagekosten beliefen sich auf nom. 3>753-45° A- und wurden, so weit sie uber die eben erwahnte Actien-[Theil-] Emission hinauslangten, durch die Be¬ gebung von 13.333 Prioritats-Obligationen a 150 fl. gedeckt. Mit dieser kleinen Linie hatte, abgesehen von den Schlepp- bahnen, die Bauthatigkeit der Aussig- Teplitzer Bahn ihr Ende erreicht. Die Bielathal-Bahn tritt, von Tiirmitz ausgehend, in das Bielathal ein, iibersetzt den Schiinfelder Bach und zieht am Biela- schachte voriiber bis Kosten. Von hi er aus geht sie in vorherrschend westlicher Richtung, welche sie bis zu ihrem Ende beibehalt, in dem hier sehr engen Bielathale, ubersetzt die Biela und fiihrt an dem sagenreichen Staditz voriiber, in dessen Nahe sie den Potokenbach iiberbruckt, durch- schneidet dann das sogenannte Konigsfeld, wobei sie in der Nahe des Premysl-Monu- mentes voriiberzieht und erreicht Tschochau- Hlinai. Von hier geht die Bahn in dem erweiterten Bielathale, meist dem Terrain sich anschmiegend, bis Hertine. Am Aus- gange dieser Station ubersetzt die Bahn den Muhlbach, iiberschreitet noch die Biela nachst dem Dorfe Welboth und geht, den Sau- bach tibersetzend, bis Auperschin. Von hier zieht die Bahn in einern grossen Bogen an der Berglehne gegen Liessnitz und erreicht, nachden sie die Biela noch zweimal und den Muhlbach iibersetzt, die in einem Basalt- einschnitte gelegene Haltstelle Liessnitz und geht weiter bis Wohontsch. Hinter dieser Station iiberbruckt sie nooh ziveimal die Biela, kreuzt die Schwazer Zweigbahn rechtwinkelig im Niveau und erreicht Schwaz- Kuttowitz, von welcher Station aus sie durch einen Bogen mit der Schwazer Zweigbahn in Verbindung gebracht ist. Nun tritt die Bahn in die Ebene zwischen dem Mittel- und Erzgebirge, geht nahezu parallel mit der Aerarialstrasse und erreicht kurz vor der Uebersetzung des Grundbaches ihren hoch- sten Punkt [187-4 m uber dem Meere]. Nun falll sie auf eine kurze Strecke und erreicht die horizontal gelegene Station Bilin. Lundenburg-Grussbacher Bahn. Nachdem die Kaiser Ferdinands-Nordbahn in ihrem Privilegiums-Streite mit der Staatseisenbahn - Gesellschaft unterlegen war und letztere die Concession fiir das Erganzungsnetz erhalten hatte, sann die erstere nach Mitteln zur Abwebr oder doch zur Abschwachung der ihr ent- standenen Concurrenz. Vorerst trat sie, als die Frage der nordvvestlichen Bahnlinien in Anregung gekommen und deren einheitliche Losung noch nicht entschieden war, in Bewerbung um die Strecke Wien-Znaim, und dann projectirte sie, um der Staatseisenbahn- Gesellschaft noch weiter in die Quere zu kommen, die Linie von Lundenburg nach Grussbach, dem Schnittpunkte der neuen Verbindung Briinn-, beziehungsvveise Znaim-Wien. Als jedoch die Linien, aus denen die Oesterreichische Nordvvestbahn be- steht, trotz aller Gegenanstrengungen der Staatseisenbahn-Gesellschaft, nicht dieser zugefallen, sondern zu einem selbstiindi- gen Unternehmen zusammengefasst worden \varen, und sie, \vahrend dieses Ereignis sich vorbereitete, das damals in der Oeffentlichkeit vielbesprochene [einerseits als eine Aussohnung geradehin, anderer- seits als eine solche zu Ungunsten der Kaiser Franz Josef-Bahn und der \verden- den Nordivestbahn gedeutete] Tarifs-, be- ziehungsweise Instradirungs - Ueberein- kommen mit der Kaiser Ferdinands- Nordbahn abschloss, welches weitere Massnahmen der Nordbahn gegen die Staatseisenbahn - Gesellschaft iiberfliissig machte, ging fiir jene auch das friihere Interesse an der Linie Lundenburg- Grussbach verloren. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 121 Um so reger vvurde dasselbe aber jetzt bei anderen Projectanten. Der Graf Alceo Bulgarini plante eine Linie Lundenburg- Laa-Zellerndorf; der Grosshandler Fer¬ dinand Figdor und Genossen gingen noch \veiter, indem sie eine Linie Lundenburg- Laa-Zellerndorf-Horn anstrebten, \vahrend die damals bestandene Vicinalbahn-Gesell- scliaft und ebenso der Gutsbesitzer Karl Kammel von Hardegger das Project Lundenburg-Grussbach aufrecht hielten. Diese im Sommer 1869 zu Tage ge- tretenen Bestrebungen, namentlich die letzterwahnte, fanden im Jahre 1870 den Beifall und die Befiirwortung des mahri- schen Landtages wie nicht minder der Fursten Liechtenstein und Mennsdorf, deren Besitzungen an die projectirte Linie zu liegen kamen. Die Concessions- Verhandlungen mit dem Gutsbesitzer K a m m el und den ihm beigetretenen Mit- bewerbern Josef Miiller, Dr. Adolf Weiss und Dr. Maximilian Steiner nahmen da- her einen raschen Fortgang und wurden, da die beiden Erstgenannten aus dem Consortium austraten, mit den zwei Letztgenannten zum Abschlusse gebracht. Dieselben erhielten am 4. September 1870 die auf Grund des Gesetzes vom 13. April 1870, mit einer zwanzigjahrigen Steuer- freiheit ausgestattete Concession fiir die bis langstens 4. Marž 1872 fertig zu stel- lende Eisenbahn von Lundenburg im Anschlusse an die Nordbahn iiber Nikols- burg nach Grussbach zur Verbindung mit dem Erganzungsnetze der Oester- reichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft. Einmal so weitgediehen, ervvacbteneu- erdings das Interesse der Nordbahn fiir die kleine Querbahn. Aeusseren Anlass hiezu bot der Umstand, dass die Regierung den Verkauf des Stockerauer Fliigels der Nord¬ bahn an die OesterreichischeNordvvestbahn nur dann zugeben wollte, wenn ein Theil des beziiglichen Erloses [von 1,000.000 fl.], als Aequivalent fiir den schon im Jahre 1890 eintretenden Heimfall jenes Fliigels an den Staat, dem Aerare zugewiesen, beziehungsweise wenn — gemass der uber die Vorstellung der Nordbahn er- flossenen spateren Entscheidung der Re¬ gierung — jener ganze Erlos auf die Herstellung einer an die Nordbahn an- schliessenden neuen Linie vervvendet wiirde, als welche letztere die Lunden- burg-Grussbacher Bahn sowohl in dem betreffenden Erlasse des Handels- ministeriums vom 27. Juli 1870, als auch in dem Motivenberichte zu der Gesetzes- vorlage iiber den Verkauf des Stockerauer Fliigels ausdriicklich bezeichnet war. Die Nordbahn ging jetzt sogarso weit, sich an dieser Bahn freiwillig mit dem Betrage von 1,000.000 fl. zu betheiligen, um deren Ausfiihrung zu beschleunigen, was. aus diesem Grande, wie auch weil der gedachte Kaufschilling nun wieder fiir eine andere neue Linie frei wurde, natiirlich der Regierung sehr \villkommen war. Das betreffende, am 21. Mai 1871 getroffene Uebereinkommen der beiden Bahnen besagte im Wesentlichen: Die Nordbahn iibernimmt Titel der Lunden- burg-Grussbacher Bahn im Betrage von 1,000.000 fl., wogegen ihr der Betrieb dieser Bahn [einschliesslich der Bei- stellung der Fahrbetriebsmittel] gegen entsprechende Vergiitung auf zehn Jahre iibertragen, die Ausiibung einer Ingerenz bei der Bauvergebung, Geldbeschaffung und Tarifirung zugestanden, wie auch das Recht zur Ernennung zvveier Mit- pjieder des Verwaltuno;srathes einge- raumt \vird. Nun wickelten sich auch alle weiteren Massnahmen sehr glatt ab. Auf Grund- lage der am 18. Juli 1871 behordlich o-enehmio-ten Statuten constituirte sich O o am 27. Juli 1871 die Actien-Gesellschaft: '>K. k. priv. Lundenburg-Nikols- burg-Grussbacher Bahn«, deren auf 4,500.000 fl. festgesetztes Capital zur einen Halfte aus Actien [11.250 Stiick a 200 fl.], zur anderen Halfte aus Prioritats-Obligationen [7500 Stiick a 300 fl.] bestand, \vovon die Wiener Wechslerbank im Vereine mit dem Bankhause Weiss & Fischhof, am 2. Au- gust 1871 7000 Actien zum Curse von 72Y2 °/o unc ^ 54°° Prioritats-Obliga¬ tionen zum Curse von 74°/ 0 mit Erfolg zur offentlichen Zeichnung auflegte. Der Bau, welchen die Concessionare selbst iibernommen hatten, begann alsbald nach der am 17. November 1871 erflosse- nen Baubewilligung und wurde im Jahre 1872 beendet; die Eroffnung der 41'! km 122 Ignaz Konta. langen Linie fand am 30. December 1872 statt. Die zur Anschaffung des Fahr- parkes bestimmt gewesene Summe von 375.000 fl. \vurde von der Bauunterneh- mung in gesellschaftlichen Actien zuriick- gelassen und ist nachher in einen eigenen Reservefonds hinterlegt \vorden. Die Besor- gung der Administrations - Geschafte wurde dem Central-Bureau der gleichfalls im Betriebe der Nordbahn stehenden Ostrau-Friedlander Babn iibertragen. In der Zwischenzeit brachte der Ge¬ neral-Director der Nordwestbahn, Dr. Gustav Gross, im Vereine mit der Firma Gebriider G u t m a n n und dem Mitconces- sionar der Lundenburg-Grussbacher Bahn, Dr. Maximilian Steiner, die Fortsetzung derselben bis an die Nordwestbahn in An- regung [Vorconcession vom27. April 1872]. Da aber hinsichtlich der Strecke Laa- Zellerndorf das Consortium Dr. Ludwig Schanzer, Josef Thomas und Josef Langthaler schon friiher in Bewerbung getreten war, vereinigten sich die beiden Consortien zu gemeinsamem Vorgehen und erhielten, da sie keinerlei staatlicheBe- gtinstigung beanspruchten, am 14. August 1872 die Concession fiir eine Eisenbahn von Zellerndorf im Anschlusse an die Oesterreichische Nordwestbahn tiber La a nach Neusiedl zum Anschlusse an die k. k. priv. Staatseisenbahn und die Lun¬ denburg-Grussbacher Bahn. Sohin vor die Frage gestellt, ob sie von der Nordvvestbahn durch eine fremde Linie getrennt bleiben oder diese erwerben solle, entschied sich die Lundenburg-Grussbacher Bahn fiir das Letztere und trat deswegen mit den Concessionaren der Zellerndorfer Linie in Unterhandlung. Dieselben er- klarten sich zur Abtretung der Conces¬ sion bereit; da weiters die am 13. Sep¬ tember 1872 abgehaltene General ver- sammlung der Lundenburg-Grussbacher Bahn die Uebernahme der neuen Con¬ cession, dann die zu deren Durchfiihrung erforderliche Erhohung des Gesellschafts- Capitales um den Betrag von 6,650.000 fl. [ 2 / 5 in Actien, s / 5 in Prioritats-Obliga- tionen], wie auch die nothige Statuten- anderung beschloss, und die Regierung alldem zustimmte [26. September 1872], so bildete die Neusiedl-Zellerndorfer Linie fortan einen integrirenden Bestandtheil der Lundenburg-Grussbacher Bahn. Den Bau tibernahmen die Concessionare der Fortsetzungslinie gegen Ueberantwor- tung der sammtlichen Titel [2,600.000 fl. in Actien und 2,990.000 fl. in Prioritats- Obligationen], wovon jedoch Actien im Betrage von 525.000 fl. fiir die seiner- zeitige Anschaffung eigener Fahrbetriebs- mittel und im weiteren Betrage von 532.000 fl. fiir etwaige Nacharbeiten reser- virt blieben. Ueber die Art der Begebung der neuen Titel ist Verlassliches nicht bekannt geworden; die Prioritaten sollen angeblich in Berlin zum Curse von 80 3 / 4 zur Subscription gelangt sein. Die Bauarbeiten wurden im Februar 1873 begonnen und noch vor Ablauf desselben Jahres beendet, so dass die neue, 50 ''5 lange Linie am 8. Decem¬ ber 1873 zur Eroffnung kam; die Fiih- rung ihres Betriebes iibernahm gleichfalls die Nordbahn. Kaum in Betrieb gesetzt, traf die Lundenburg - Grussbacher Bahn das- selbe Schicksal, von welchem damals so viele neue Bahnen ereilt wurden; Frequenz und Einnahmen liessen Alles zu wiinschen iibrig. Der Abglanz der Nordbahn, der bei ihrer Griindung auf sie gefallen, verblasste in demselben Augenblicke, als der erste Prioritaten- Coupon nothleidend geworden. Das ge- schah am I. Marž 1874; sie hatte jedoch vor vielen ihrer Leidensgefahrten das Eine voraus, dass ihre Bitternisse, aber allerdings auch ihre Selbstandigkeit schon im Jahre 1876 aufhorten. Die Lundenburg-Nikolsburg- Grussbacher Bahn zieht von Lundenburg aus eine kleine Strecke weit neben dem Bahnkorper der Nordbahn hin, tiberschreitet hiebei das Inundationsgebiet der Thaya und die .Landesgrenze zwischen Mahren und Niederdsterreich, fiihrt dann durch die Liech- tenstein’schen Forste nach Feldsberg und von da aus, wieder nach Mahren eintretend, in fast gerader Richtung nach Nikolsburg. Von dieser Station weiter geht die Trače nach Neusiedl, tibersetzt zum zweiten Male die Thaya, wendet sich dann gegen Norden und mtlndet nachst Schonau in die Station Grussbach-Schonau der Staatseisen¬ bahn ein. Die Linie Z e 11 e rndorf-Laa-Neu sie dl geht von Zellerndorf im Pulkauthale zumeist entlang des Pulkaubaches, biegt sodann Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 123 sudwarts ab, iibersetzt nachst Laa die j Staatsbahn, um in Neusiedl [Diirnholz] an die Lundenburg-Grussbacher Bahn anzu- schliessen, nachdem sie auf diesem Zuge die Stationen: Haugsdorf, Kadolz-Mailberg, Pernhofen-Wulzeshofen und Laa beriihrt hat. Dniester Bahn. Die nach dem Jahre 1866 aufgetauchten Projecte fiir ungarisch- galizische Eisenbahn-V'erbindungen und fiir die Vermehrung der Schienenwege Gali- ziens iiberhaupt, hatten mehrfach auch Ausastungen oder grosse, bis an die Ost- grenze des Landes fiihrende Linien zum Gegenstande, deren Trače die Richtung von Chyrow nach Stryj einhielt; so bei- spielsweise die in den Jahren 1868 und 1869 von der Borysfawer Petroleum- Compagnie, den Consortien der Grafen Goluchowski und Potočki geplanten Linien Przemysl-Chyr6w-Stryj-Stanislau, ferner die in den Jahren 1869 und 1870 von der Vicinalbahn-Gesellschaft, dem Doctor Clemens Raczynski, dem Grafen Krasicki und Anderen angestrebten Zweigbahnen von der Station Chyr6w der Ersten Ungarisch-Galizischen Eisenbahn nach Drohobycz, beziehungsweise Stryj. Auch das damals von der Lem- berg-Czernowitzer Bahn verfolgte Pro¬ ject Lemberg-Stryj-Beskid umfasste zwei, nach Osten und Westen fiihrende Seitenlinien, deren letztere von Stryj aus iiber Drohobycz den Anschluss an die Erste ungarisch-galizische Eisen¬ bahn in Chyr6w herstellen solite. Die Denkschrift zu der am 13. Marž 1869 vor den Reichsrath gelangten all- gemeinen Gesetzesvorlage iiber die Ver- vollstandigung des osterreichischen Eisen- bahnnetzes legte der Fortsetzung der Przemysl - Lupk6wer Linie von Chy- r6w iiber Stryj an die Ostgrenze die grbsste Wichtigkeit bei, »weil sie am Fusse der Karpathen fruchtbare Gegen- den durchzieht, die Salinen, die Ca- meralgiiter, die Tabakfabriken beruhrt, die Verwerthung der reichen Holzbe- stande und anderer Naturproducte er- mhglicht und auch die dort vorkommen- den Petroleumquellen dem Bahnver- kehre naher bringt«. Darum, und »weil sie die beiden ungarisch-galizischen Ver- j bindungslinien unter sich verbindet«, be- sagte die Denkschrift weiter, »verdiene diese gedachte Querlinie die Zuwen- dung besonderer staatlicher Begunsti- gungen«. Wahrscheinlich aus dem Grunde, dass keine der damaligen Bewerbungen Linien betrafen, die thatsachlich bis an die Ost¬ grenze reichten, zog die Regierung vorerst nur jene fiir die Strecke Chyr6w-Stryj und auch von diesen wieder nur die- jenigen in Berucksichtigung, welche sich mit einer zeitlichen Steuerfreiheit be- gniigten. Abb. 70. Boryslaw [1873I. [Nach einer Photographie von Josef Eder in Lemberg.] 124 Ignaz Konta. So erhielt denn das Consortium des Grafen Johann Krasicki am 5 - September 1870 die mit einer dreissigjahrigen Steuer- freiheit und mit sehr langen Baufristen ausgestattete Goncession ftir die Eisenbahn C hy r 6 w - D ro h o by cz - S tryj nebst Zweigbahn von Drohobycz nach Bo- rysiaw. Beim Abschlusse der Conces- sions-Verhandlungen sind in den Tagen vom 25. bis 28. August 1870 protokolla- rische Vereinbarungen zwischen der Re- gierung und den Concessionaren getroffen ■vvorden, wonach die erstere sich anheischig machte, bei der Ersten Ungarisch-Galizi- schen Eisenbahn tarifarische Erleichterun- gen fiir die Uebergangsfrachten der Dni ester Bahn zu erwirken [25. August]., wogegen die Concessionare der letzteren sich verpflichteten, das Anlage-Capital ftir die ganze Bahn innerhalb des Hochst- betrages von 12,000.000 fl. zu halten [26. August], und mit der concessions- massigen Caution von ioo.ooofl. nichtblos fiir die Einhaltung der Baufristen, sondern auch dafiir zuhaften, dass binnen langstens sechs Monaten der Nachvveis iiber die er- folgte Leistung einer mindestens 4O°/ 0 igen Einzahlung auf das gesammte Actien- capital erbracht wird [28. August]. Dessenungeachtet wahrte es ein Jahr, bis die Geldbeschaffung und der Bau sichergestellt waren, da der Geldmarkt erst nach dem Aufhoren des deutsch- franzosischen Krieges wieder zuganglicher \vurde. Im Sommer 1871 iibernahm die Vereinsbank die Begebung der Titel, und am 29. August 1871 kam der Bauvertrag mit dem Baurathe Karl Ritter v. Schvvarz und Dr. Adolf W e i s s zustande. Die behordliche Genehmigung der Statuten sowie zugleich auch die Consti- tuirungder Actien-Gesellschaft »k. k. priv. DniesterBahn« erfolgte am 30. August 1871. Das auf 12,000.000 fl. festgesetzte Capital derselben gliederte sich in 24.000 Actien a 200 fl. und in 24.000 Prioritats- Obligationen a 300 fl.; alle diese Werthe \vurden am 12. September 1871 zur offent- lichen Zeichnung aufgelegt, die Actien zum Curse von 62 °/ 0 , die Prioritiits- Obligationen zum Curse von 72°/ 0 ; von einer Ueberzeichnung hat nichts verlautet. Zum Director der Bahn wurde der Rechtsconsulent der Kaiser Ferdinands- Nordbahn, Dr. Albert Speil Ritter von Ostheim, ernannt. Anfangs April 1872 hatte endlich auch der Bau begonnen, der aber jetzt mit einem so grossen Krafteaufgebote geftihrt wurde, dass sowohl die ioo - 5 km lange Hauptlinie C hy r6 w - S tryj, als auch die 1P3 km lange Zweigbahn Drohobycz-Borysla\v noch im sel- ben Jahre zur Vollendung, beziehungs- weise am 31. December 1872, also lange vor dem concessionsmassigen Termine, zur Eroffnung gelangte. Damals schien der Gesellschaft ihre Zukunft so aussichtsvoll, dass sie nicht nur die ihr seitens der benachbarten Ungarisch-Galizischen Eisenbahn zuge- gangenen Fusionsantrage ablehnte, son¬ dern vielmehr grossen Fortsetzungsplanen nachhing; sie wollte ihre Unterneh- mung ostwarts von Stryj bis Husiatyn und westwarts von Chyrow bis Biala aus- dehnen, sohin zu einer ganz Galizien durchziehenden Hauptbahn erweitern, wo- mit die General versammlung vom 21. Juni 1873 sich vollkommen einverstanden er- klarte. Man muss annehmen, dass die Ge¬ sellschaft diese ihre Hoffnungen aus den protokollarischen Vereinbarungen vom 23. und 26. August 1871 und dem be- ziiglichen Handelsministerial-Erlasse vom 28. August 1871 ableitete; denn eine der gedachten Vereinbarungen, welche iiberdies nachtraglich zur Čoncessions- Urkunde angemerkt \vurden, lautete dahin, dass die Gesellschaft die Nordwestbahn- Tarife einzuftihren haben wird, \venn die Iiegierung binnen langstens sechs Jahren vom Tage der Betriebseroffnung in die Lage kommen solite, eine 5°/oige Staats- garantie fiir das von der Staatsvenvaltung genehmigte Anlage-Capital zu gewahren, — was auch nach aussen hin den Eindruck machte, dass bei jenen Vereinbarungen eine allfallige Concessionirung neuer Linien [vielleicht die in der erwahnten allgemeinen Gesetzesvorlage vom 13. Marž 1869 be- zeichnete Querlinie] unter Gewahrung der Staatsgarantie in Erorterung gestanden haben mag. Ihre Plane auf die eigenen Hilfsmittel stiitzen zu konnen, wird die Gesellschaft damals wohl kaum mehr gedacht Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs 125 haben; denn wenige Tage nach jener General versammlung — am 1. Juli 1873 — war sie schon genothigt, die Hilfe der Bauunternehmung in Anspruch zu nehmen, um den Prioritaten-Coupon ein- losen zu konnen. Dasselbe \viederholte sich am nachsten Coupontermine, und die Lage wurde bereits eine bedrobliche, da die Einnahmen nicht einmal zur Deckung der Betriebskosten hinreichten. Die Mass- nahmen zur Verringerung der Spesen, die Auflassung der Wiener Direction, die Herabminderung des Personalstandes etc. enviesen sich als fast wirkungslos, ebenso wie alle die wegen Erlangung staatlicber Untersttitzung unternommenen Scbritte. So hatte auch diese Unternehmung eine mehrjahrige Leidensgeschichte durchzu- machen, bis sie schliesslich unter Einbusse von !> / 6 ihres Capitals vom Schauplatze verschtvand. Die Dniester Bahn nimmt ihren Aus- j gang in der Station Chyr6w der Ersten Unga- risch-Galizischen Eisenbahn und folgt dem LaufedesFlussesStriwiacz bis unweitSambor, ubersetzt hier die Wasserscheide zwischen den Flilssen Striwiacz und Dniester und senkt sich gegen Sambor, iiberschreitet ausserhalb dieser Station den Dniester und ersteigt, die Sstliche Ricbtung beibehaltend, ztvischen Sambor und Dublany-Kranzberg den hochsten Punkt der Bahn, die Wasserscheide zwischen dem Dniester und dem Bystrzycaflusse bei Kulczyce, und fallt dann zur Station Dublany- Kranzberg ab. Unweit dieser Station iiber- schreitetdie DniesterBahn den Bystrzycafluss und immer noch die Cstliche Richtung bis Dobrowlany beibehaltend, wendet sich die- selbe hinter der letztgenannten Station siid- tvarts, ubersetzt die Wasserscheide zwischen den_ Bystrzyca- und Tysmenicaflussen und erreicht die Station Drohobycz, wo der Fliigel nach Bor}'slaw abzweigt. Ausserhalb_ der Station Drohobycz nimmt die Linie wieder die Ostliche Richtung an und behalt dieselbe bis zur Station Stryj bei. Zwischen diesen beiden Stationen \vird noch die Station Gaje wyžne beriihrt und nachst dieser letzteren die Wasserscheide zwischen dem Tysmenica- und dem Stryjflusse ubersetzt. Die Fliigelbahn nach Boryslaw zweigt in der'Station Drohobycz der Baupt- bahn ab, wendet sich sofort siidlich und zieht mit einer continuirlichen Steigung zur Station Boryslaw hinan. [Abb. 70—71.] * * * Prir den unbehinderten Fortgang der Erganzung des osterreicbischen Eisen- bahnnetzes traf es sich sehr gut, dass zwischen der Concessionirung der zuvor besprochenen neuen Linien und dem Eintritte des nachher tiber sie gekom- menen Ungemaches eine Spanne Zeit ein- geschaltet gewesen; denn der klagliche Ausgang mancher jener Griindungen hatte die Unternehmungslust gar bald erkalten lassen, die vorderhand nicht nur andauernd blieb, sondern sich noch steigerte. Was jetzt einigen Aufentha.lt ver- ursachte, \var das Ausserkrafttreten des Steuerbefreiungs-Gesetzes vom 13. April 1870, aus Anlass der Wiederaufnahme der Sitzungen der VI. Session des Reichsrathes am 8. November 1870 nach langerer Vertagung. Der Leiter des Handelsministeriums, Freiherr von Pretiš, welcher am 7. Juni 1870 ein Promemoria veroffentlichen liess, das die Erganzung des Eisenbahnnetzes als eine hochwichtige und unaufschiebbare Aufgabe der neu- gewahlten Reichsvertretung bezeichnete und darauf himvies, dass es nunmehr hohe Zeit sei, auch die Losung von Problemen in Angriff zu nehmen, deren Bedeutung zum grossen Theile den Schwierigkeiten ebenbilrtig ist, welche die Gestaltung des Bodens der Ausftihrung dieser Communi- cationswege entgegenstellt, — wollte so- hin die Thatigkeit der Legislative in An¬ spruch nehmen, um wenigstens die drin- gendsten der schwierigen Linien sicher- zustellen. Zu diesen gehorten, nach dem Prome¬ moria, inhandelspolitischerBeziehung: die galizische Strecke der Eisenbahn von Lemberg tiber S t r yj nach M u n k a c s mit den Abzweigungen Stryj-Chyr6 vv [welche seitdem als Dniester Bahn con- cessionirt wurde, siehe obenj und Stryj- Stanislau, ferner Villach-T arvis und Tarvis-Gorz, und die Arlberg- Bahn; in politischer Beziehung aber: die Linie von Pola durch I s t r i e n zum Anschlusse an die Siidbahn und die dalmatinischen Bahnen. Ausserdem ware die Mitwirkung der Legislative noch erforderlich geblieben ftir die Verbindung der Salzburg - Halleiner Bahn tiber Salzburg, einerseits mit der Nordtiroler Bahn, andererseits mit der Rudolf-Bahn bei Rottenmann, dann eine 126 Ignaz Konta. V erbindungW estgaliziens mit der Kaschau- Oderberger Bahn in der Richtung gegen Eperies. Freiherr von Pretiš begann seine Action damit, dass er von den am 3. Marž 1870 im Abgeordnetenhause eingebrachten, jedoch unbehandelt gebliebenen Gesetz- entwiirfen, zwei, namlich die in Betreff der Linien Lemberg-Stryj -Skole- Ungarische Grenze am Beskid und Villach-Tarvis, am 8. November 1870 neuerlich in Vorlage brachte. Auf den dritten jener Gesetz- entwiirfe, namlich den, welcher die Linie Tarvis-G 5 rz zum Gegenstande hatte, \vurde einstweilen nicht zuriickgegriffen, und der vierte war durch die Einbeziehung der Linie Wildenschwert-Mittelwalde in die Concession fur die Elbethal-Bahn gegen- standslos geworden. Die Berathung der erneuerten Vorlagen fand jedoch nicht mehr im Jahre 1870 statt und Freiherr von Pretiš war dabei nicht mehr betheiligt. Bevor wir nun in das Jahr 1871 ein- treten und die Schilderung des weiteren Wachsens des osterreichischen Schienen- netzes fortsetzen, scheint es geboten, die- jenigen Linien in Betracht zu nehmen, die schon seit Langerem concessionirt gewesen, aus mannigfachen Ursachen aber erst jetzt in volle Ausfiihrung kamen. Die Neumarkt-Ried-Braunauer Bahn, deren Concession vom 22. August 1865 datirt, konnte erst dann als wirk- lich gesichert gelten, bis auch die baye- rische Anschlussstrecke Braunau-Miinchen sichergestellt und liber den Anschluss der beiderseitigen Bahnen ein. Staatsver- trag zwischen der osterreichischen und bayerischen Regierung abgeschlossen war. Durch die Ereignisse des Jahres 1866 verzogert, kam dieser Vertrag; erst am 4. Juni 1867 zustande; dafiir brachte er der Bahn eine Verlangerung der Steuer- freiheit [von fiinf] auf zwanzig Jahre. Die Concessionare gingen also, nach langem Harren, jetzt umso freudiger ans Werk, was aber die Kaiserin Elisabeth-Bahn, die sich dem neuen Unternehmen bislang recht abhold gezeigt hatte, veranlasste, die Braunauer Linie nunmehr fur ihr eigenes Netz zu verlangen und des- wegen den Beistand des Reichsrathes anzurufen. Naturiicherweise kam sie mit diesem eigenartigen Begehren nicht weit; das Abgeordnetenhaus iibermittelte die be- treffende Petition dem Handelsmini- sterium, mit der Aufforderung: die Aus- fiihrung der Neumarkt-Ried-Braunauer Bahn »nach Massgabe der bereits er- theilten Concession« thunlichst zu fordern. Auf ihr gutes Recht vertrauend, liessen sich iibrigens die Concessionare durch das Auftreten der Kaiserin Elisabeth-Bahn nicht beirren, und vereinbarten mit Theodor v. Cramer-Klett und der Bank fiir Handel und Industrie in Darmstadt einen Bauvertrag, ferners mit der bayeri- schen Regierung einen Betriebsvertrag; dieser wurde am 11., jener am 13. No¬ vember 1868 endgiltig abgeschlossen. Am letzteren Tage fand auch, auf Grund des am 2. November 1868 behordlich genehmigten Statutes, die Constituirung der »k. k. priv. Actien-Gesellschaft derNeumarkt-Ried-BraunauerBahn« statt, als deren Sitz Ried bestimmt und deren Capital mit nom. 6,400.000 fL, je zur Halfte in Actien und in Prioritats-Obli- gationen [a20ofl.], bemessen war. Das Alles verfehlte nicht, die Zuversicht zu dem Unternehmen zu steigern; bis 1. Januar 1869 hatten der oberosterreichische Lan- desausschuss und, seinem Beispiele fol- gend, die iibrigen Interessenten 9000 Actien zum vollenNennwerthe gezeichnet. Die iibrigen 7000 Actien mitsammt den Einzahlungen auf die gezeichneten Actien sowie die Prioritats - Obligationen ab- ziiglich eines Betrages von nom. 900.000 fl., welcher fiir Fahrbetriebs- mittel und andere Sonderleistungen be¬ stimmt war, erhielten die Bauunter- nehmer an Zahlungsstatt fiir die Her- stellung der Bahn. Die sodann auf den 18. Januar 1869 nach Linz einberufene erste Generalversamm- lung bestatigte die Constituirung der Ge¬ sellschaft und die vorerwahnten Vertrage, von denen der mit der koniglich bayeri- schen Regierung abgeschlossene, sehr werthvolle Bestimmungen fiir die Gesell¬ schaft enthielt; denn nebstderFiihrungdes Betriebes und der Beistellung der Fahr- betriebsmittel, gegen blosse Vergiitung der Selbstkosten, iibernahm die koniglich bayerische 'Regierung die Herstellung Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs, 127 Abb. 71. Station Drohobycz [1873]. [Nach einer Photographie von Josef Eder in Lemberg.] der Grenzstrecke Braunau-Simbacli ein- schliesslich der Innbriicke gegen massige Verzinsung [2 °/ 0 ansteigend bis 4 1 / 2 °/o] und allmahliche Tilgung des halben Kosten- aufwandes, und uberdies machte sie sicli anheischig, der Linie Neumarkt-Braunau »denjenigen Antheil am grossen Verkehre zu sichern, der ihr, als der kiirzesten Verbindung zwischen Wien und Miinchen, gebiihrt«. Dieser letztere Punkt war es denn auch, der die Aufmerksamkeit der Kaiserin Elisabeth-Bahn in besonderein Masse fesselte; sie ward sich bewusst, dass bei der um 6y 2 Meilen geringeren Lange und den, zumal auf bayerischem Gebiete, giinstigeren Terrainverhaltnissen der neuen Route ein Tarifkampf zur Abwehr der Concurrenz auf die Dauer unmoglich ware, sie daher entweder den Verkebr nach Miinchen und den Durch- zug nach Westen verloren geben oder Ver- fiigung liber die neuen Linien gewinnen miisse. Sie trat darum, als die Fort- schritte des mit Ende Marž 1869 in An- griff genommenen Baues der Neiimarkt- Braunauer Bahn immer sichtbarer wurden, wegen der kauflichen Erwerbung der ge- nannten Linie mit dem Verwaltungsrathe derselben in Beziehungen, die sehr bald zu dem Ergebnisse fiihrten, dass die Eigenthumer der Neumarkt - Braunauer Bahn, den ihnen angebotenen, in Priori- taten der Kaiserin Elisabeth-Bahn zahl- baren Kaufpreis von 6,400.000 fl. an- nahmen. Die beziiglichen Vertrage mit der Bau- unternehmung als Besitzer der meisten Titel und dem Verwaltungsrathe als Vertreter der Neumarkt-Braunauer Bahn \vurden am 11., beziehungsweise 16. Juli 1870 abgeschlossen, am 29. Septem¬ ber, beziehungsweise 1. October 1870 von den beiderseitigen Generalversamm- lungen genehmigt und seitens der Regierung am 23. October 1870, unter gleichzeitigerBewilligungderConcessions- Uebertragung bestatigt, worauf dann am 1. November 1870 die Liquidation der Neumarkt-Braunauer Bahn und die Ein- losung ihrer Titel begann. Die Actio- nare erhielten die auf die Actien ge- leisteten Einzahlungen nebst 5 °/ 0 Zinsen [bis 1. November] riickerstattet und uber¬ dies ein Aufgeld von 15 fl- pro Actie. Die Eroffnung der 58 km langen Neumarkt-Braunauer Bahn hat am 20. December 1870 stattgefunden; die bayerische Fortsetzungsstrecke, welche, laut des beziiglichen Vertrages mit der bayerischen Regierung, am 1. Mai 1871 dem Betriebe iibergeben \verden solite, wurde aber infolge des deutsch-franzo- sischen Krieges erst am 1. Juni 1871 eroffnet. Die Abmachungen wegen der 128 Ignaz Konta. beziiglichen Schadloshaltung seitens der bayerischen Regierung \varen bereits eigene Sache der Elisabeth-Bahn, die den Besitz der Neumarkt-Braunauer Bahn, deren unmittelbare Erwerbung sie ur- spriinglich von der Hand gewiesen, min- mehr aber im Wege des Kaufes an sich gebracht, auch sogleich mit allen Rechten und Pflichten angetreten hatte. Diese Fliigelbahn zweigt in Neumarkt von der Wels-Passauer Linie der Elisabeth- Bahn ab und zieht liber Pram-Haag, Ried, Gurten, Altheim und Minning bis Braunau, wo sie am rechten Innufer an die bayerische Ostbahn anschliesst. Unvergleichlich schvvieriger gestaltete sich der Werdeprocess der Kaschau- Oderberger Bahn. Schon ihre Con- cessionirung nahm einen ungewohnlichen Gang.*) Das Gesetz vom io. August 1865 hatte fiir diese Bahn eine Staats- garantie von 2,450.000 fl. bestimmt; die Concessionare [Gebriider Riche und Graf Anton Forgach], denen andere Berverber nicht gegentiberstanden, verlangten aber noch mehr als in der Regierungsvorlage, aus welcher jenes Gesetz entsprungen, vorgesehen war [2,516.000 fl.]. Thatsach- lich bekamen sie mittels der ihnen in der Sistirungsperiode am 26. Juni 1866 ertheilten Concession 2,683.200 fl. zuge- standen. Auch damit noch nicht zufrieden, oder, wie ihre Angabe lautete, ausser Stande das Auslangen finden, beziehungs- weise das Baucapital beschaffen zu kon- nen, begehrten und erhielten sie weitere namhafte Begunstigungen. Das am 22. Juni 1867 vereinbarte Additional-Ueber- einkommen zur Concessions - Urkunde gewahrte namlich dem Unternehmen einen in gesellschaftlichen Actien al pari zuriickzuzahlenden Staatsvorschuss von 5,000.000 fl., ferner die Efhohung der Staatsgarantie auf 2,048.390 fl., die Aus- dehnung der Steuerfreibeit [von zwei] auf neun Jahre und die Bewilligung zur Aus- gabe von Prioritats-Obligationen im dop- pelten Betrage des Actiencapitals. In solchem Masse ausgestattet, hielten die Concessionare nun auch ihrerseits das *) Vgl. Bd. 1 ,1. Theil,H. S tr a ch, Geschichte derEisenbahnen Oesterreich-Ungarns von den ersten Anfangen bis zum Jahre 1867. S. 487. Stadium der Concessionirung fiir abge- schlossen und begannen mit den Vor- kehrungen zur Durchftihrung der Con¬ cession, indem sie sozusagen mit sich selbst, namlich mit Hektor Riche, dem Chef des Hauses Gebriider Riche, am 28. Juni 1867 einen Bauvertrag errichteten, der ihnen den Bau und die vollstandige Ausriistung der Bahn, gegen eine Pau- schalentlohnung von 36,000.000 fl. in baarem Gelde, iibertrug. Dieser Ver- trag wurde jedoch vom Finanzministerium beanstandet, sovvohl wegen der Unzu- traglichkeit, dass der Bauunternehmer zugleich Hauptconcessionar sei, als auch wegen der Stipulationen, \vonach den Gebriidern Riche noch vor der In- angriffnahme des Baues betrachtliche Summen ausgefolgt werden solite n. Das war den Concessionaren sehr un- willkommen ; denn die Nichtgenehmigung des Vertrages brachte einen Aufschub der Wirksamkeit des Additional - Ueberein- kommens, daher auch derFliissigmachung des Staatsvorschusses, mit sich. Sie er- klarten darum in einer am 13. August 1867 beim Finanzministerium, unter Beiziehung eines Delegirten der koniglich ungarischen Regierung, stattgefundenen Conferenz, jene Stipulationen aus dem Vertrage zu strei- chen und gaben auch ihre Eigenschaft als Concessionare auf, indem sie am 31. August 1867 die Concession sammt allen daran haftenden Rechten und Pflichten an den Grafen An dr 6 Langrand- Dumonceau, beziehungsweise an die von demselben gegriindete »Banque de credit foncier et industriel« in Briissel cedirten, wogegen diese den Bau neuerlich an die Gebriider Riche iibertrug. Auf Grund dieser, am 3. Septem¬ ber 1867 dem ungarischen Finanz¬ ministerium vorgelegten Abmachungen erbaten sich die Concessionare die Ge- nehmigung der an Stelle des friiheren Bau- vertrages aufgestellten »Baubedingnisse« und die Fliissigmachung des Staatsvor¬ schusses, zur einen Halfte sobald 3O°/ 0 des Actiencapitals eingezahlt sind, zur anderen Plalfte nach Massgabe des Bau- fortschrittes. Dem wurde stattgegeben. Allein die im October 1867 in Briissel versuchte Begebung der Actien miss- gluckte. Nichtsdestoweniger machten die Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 129 verbiindeten Bank- und Bauunternehmer alle Anstrengungen, leistungsfahig zu erscheinen; der Bau der kurzen oster- reichischen Strecke \vurde im Spat- herbste 1867 in Angriff genommen. Da sie aber nicht einmal hiezu die Mittel aus Eigenem beistellen konnten, wurde die Situation gar bald unhaltbar, rveshalb die Banque de credit am 29. April 1868 die Concession an die »Societe de credit foncier international« [eine andere Langrand’sche Grundung] aber der mangelhaften Herstellung wegen in der Zeit vom 15. Marž bis 5- Mai 1869 fiir den Personenverkehr geschlossen bleiben und erforderte auch spaterhin nocli umfassende Nacharbeiten. Inzwischen war die letzte, mit 15- Februar 1869 endigende Frist, binnen welcher die Con- cessionare den Nachvveis eines verfugbaren Capitals von mindestens 8,000.000 fl. erbringen sollten, fruchtlos verstrichen. Graf Langrand-Dumonceau und seine Affiliirten suchten daher, so viel sie Abb. 72. Oderberg [Kaschau-Oderberger Bahn]. [Nach einer photographischen Aufnahme von Erdelyi, Budapest.] weiter cedirte, die es tibernahm, die Ver- pflichtungen ihrer Vorgangerin zu erfiillen. Diese neue Abmachung sowie zu- gleich auch das Statut fiir die zu errichtende Actien-Gesellschaft der Ka- schau-Oderberger Eisenbahn erhielten zufolge der a. h. Entschliessung vom 10. August 1868 die ministerielle Ge- nehmigung, woraufhin die Constituirung der letztgenannten Gesellschaft oder, richtiger gesagt, blos die Einsetzung eines Verwaltungsrathes vor sich ging; denn auch das zweite Langrand’sche Finanzinstitut war nicht im Stande, die Actien an Mann zu bringen. Der Bau wurde jedoch recht und schlecht weitergefiihrt; die 31'6 km lange Strecke Oderberg-Teschen gelangte am 1. Februar 1869 zur Eroffnung, musste konnten, aus dem Schiffbruche zu retten und die Concession, deren Verfall bereits drohte, in andere Hande zu bringen. Die Anglo-osterreichische Bank erklarte sich am 12. Februar 1869 zu dieser Uebernahme bereit. Es begannen nun unter Mitwirkung der beiderseitigen Regierungen Verhandlungen, deren Er- gebnis das Uebereinkommen ddto. Pest, 21. April 1869, war, vermoge dessen die Societč de credit foncier internatio¬ nal alle ihre aus der Concession fiir die Kaschau-Oderberger Bahn hervorge- gangenen Rechte und Verbindlichkeiten, mit Genehmigung der beiderseitigen Re¬ gierungen, an die Anglo-osterreichische Bank iibertrug, welche wieder den Bau und die Ausriistung der Bahn den durch Cession der Briider Riche an die Stelle Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 9 130 Ignaz Konta. der letzteren getretenen, solidarisch ver- pflichteten Bauunternehmern : Ignaz Deutsch und Sohn, Adolf Tafler, Hein- rich Kohner und Bruder, Briider Fischl, Heinrich Briihl und Sohne, Wahrmann und Sohne und Friedrich Miiller iiberliess und sich anheischig machte, je eher eine NeubildungderKaschau-OderbergerEisen- bahn - Gesellschaft, beziehungsweise des Verwaltungsrathes derselbenzu bewirken. Die Anglo-osterreichische Bank ging sogleich ans Werk. Nach Vollzug der Uebergabe der Bauten an die neuen Unternehmer, nahm sie die Organisirung der Geschaftsleitung vor, wobei — unter gleichzeitiger Auflosung der Wiener Be- triebs-Direction — eine General-Direction fiir die allgemeine Geschaftsfiihrung und eine Baudirection zur Ueberwachung des Baues, beide mit dem Sitze in Pest, errichtet und der Ober-Inspector der Staatseisenbahn-Gesellschaft, Arthur Vi- comte de M a i s t r e, zum General-Director und der Bau-Inspector der Stidbahn, Wilhelm Renschler, zum Baudirector ernannt wurden; dann begab sie die Actien [exclusive der zur Refundirung des Staatsvorschusses zuriickbehaltenen 25.000 Sttick, also 72.000 Stiick a 200 fl.] zum Curse von 8s°/ 0 auf offenem Markte [Ende Juni 1869], ferner legte sie von den Prioritats-Obligationen im Gesammt- betrage von 38,825.000 fl. einen Theil- betrag von 5,000.000 fl. [25.000 Obli- gationen a 200 fl.] zum Curse von 88 °/ 0 mit bestem Erfolg zur offentlichen Zeich- nung auf [16. December 1869] und berief schliesslich eine ausserordentliche General- versammlung fiir den 28. Februar 1870 nach Pest ein, deren Tagesordnung die Neubildung des Verwaltungsrathes und der betreffenden Statutenanderung umfasste, welch’ letztere noch in sessione durch den Regierungsvertreter die Ge- nehmigung erhielt. Durch diese tiefgreifenden Mass- nahmen gleichsam von Grund auf neu errichtet, von den Fictionen, in die sie verstrickt war, befreit und bevvahrten Unternehmern anvertraut, konnte die Kaschau-Oderberger Bahn jetzt endlich den bestehenden Bahnen zugezahlt werden. Freilich kamen fiir sie spaterhin noch einmal schwere Zeiten, doch haben die betreffenden Geschehnisse, bei denen es sich fast ausschliesslich um Angelegen- heiten der ungarischen Linie handelte, zwar die Actienrente zu schmalern, keines- wegs aber den Bestand des Unternehmens zu erschiittern vermocht. Die Strecke Teschen - Sillein, von welcher 32^2 km auf osterreichischem Gebiete liegen, wurde am 8. Januar 1871 eroffnet. Die Entwickelung des Verkehres der osterreichischen Linie war alsbald eine erfreuliche und stetig zunehmende, so zwar, dass sie in der verhaltnismassig kurzen Zeit von acht bis neun Jahren schon der Staatsgarantie nicht mehr bedurfte. Der Ssterreicbische Theil der Kaschau- Oderberger Bahn geht von der Anschluss- station Oderberg liber eine secundare Wasser- scheide und durch die Kohlengebiete von Dombrau und Karwin nach Teschen und ge- langt durch das Olsathal tiber Trzynietz nach Jablunkau, von wo die Bahn durch das Lomna- thal zur Hauptwasserscheide zwischen dem Donau- und Odergebiete heransteigt, diegleich- zeitig auch die Grenze zwischen Schlesien und Ungarn bildet. Ueber den Jablunkapass ftihrt die" Bahn nach Ungarn.*) [Abb. 72 und 73] In der Concessions-Urkunde fiir die B o h m i s c h e N o r d b a h n vom 6. Octo- ber 1865 wurde dieser Unternehmung auch die Verbindung von Ben s en durch das Polzenthal nach B o h m i s c h - L e i p a bedingungsweise zugesichert, beziehungs- weise die Verpflichtung zur Herstellung dieser Linie auferlegt, fiir den Fali als eine directe Bahn von Aussig nach Bobmisch-Leipa nicht zustande kame und die Staatsverwaltung jene Verbin¬ dung im Interesse der Industrie fiir noth- wendig erachte. Die zur selben Zeit wie die Bohmische Nordbahn concessionirte directe Linie Aussig-Bohmisch-Leipa-Liebenau blieb unausgefiihrt und die Regierung forderte darum am 7. Januar 1869 die Bohmische Nordbahn auf, fiir den Bau der Ver- bindungslinie durch das Polzenthal Vor- sorge zu treffen. Die Gesellschaft kam dieser Aufforderung willig nach und er- klarte sich am 22. Februar 1869 bereit, die gedachte Verbindung ein Jahr nach der Eroffnung der Linie Jungbunzlau- *) Betreffs der ungarischen Strecke vgl. III. Bd,, J. Gonda, Geschichte der Eisen- bahnen Ungarns von 1867 bis zur Gegemvart. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 131 Abb. 73. Teschen. [Kaschau-Oderberger Bahn.] [Nach einer photographischen Aufnahme von Erdelyi, Budapest.] Kolin [Oesterreichische Nordwestbahn] dem Betriebe zu iibergeben. Auch die Generalversammlung vom 31. Mai 1869 sprach sich ftir die rasche Vollfiihrung des Baues aus und ermachtigte den Verwaltungsrath zur Beschaffung der nothigen Geldmittel, was allerdings keine schwierige Aufgabe war, da die Gesell- schaft — Dank der umsichtigen Leitung des Baues ihrer Stammlinie — von dem Anlage-Capitale derselben eine Summe von rund 2,000.000 fl. erspart hatte und die Kosten der neuen Lime nicht viel hoher veranschlagt waren. Da ferner die neue Linie auch darum besondere Wichtigkeit fiir die Gesellschaft besass, weil nach ihrer Eroffnung die Kohlen- tarife von Bodenbach bis Bohmisch Leipa und bis Haida nach den vvirk- lichen und nicht mehr nach der im § 11 der [alten] Concessions-Urkunde hiefiir bedungenen kiirzeren Entfernungen be- rechnet werden konnten, vrarden rasch alle Vorkehrungen fiir den Bau getroffen. Die definitive Bewilligung erfolgte jedoch erst am 16. December 1869. So kam es, dass die Inangriffnahme der Arbeiten sich bis zum Fruhjahre 1870 verzogerte. Dieselben begannen an dem von der Gesellschaft in eigener Regie ausgefuhrten Tunnel durch den Scharfen- stein, fanden alsbald ihre Fortsetzung auf den an die Unternehmer Georg Soleh und Adolf Tichy im Pauschale vergebenen ubrigen Strecken und waren binnen zwei Jahren vollendet. Die Eroffnung der 20*2 km langen Linie fand am 4. Juli 1872 statt; ihre Anlagekosten bezifferten sich auf 2,556.560 fl. Die alteren Strecken der Bohmischen Nordbahn waren bekannt- lich schon seit 14. November 1867 [Bakov- Bohmisch-Leipa], beziehungsweise seit 16. Januar 1869 [Bohmisch-Leipa-Rum- burg, Bodenbach-Tannenberg, Kreibitz- Neudorfel-Warnsdorf] im Betriebe. Die Bohmische Nordbahn geht von der Station Bakov aus, folgt in ihrem Zuge gegen Tannenberg dem Iserthale bis Klein- weisel und wendet sich hierauf in das Thal des Weissbaches, in welchem sie bis zur Station Weisswasser verbleibt. Von da ab bis zu der secundaren Wasserscheide am Stationsplatze BOsig lauft dieselbe in einem ziemlich steilen und engen Thale grbssten- theils an der Seite des »Waldsteinruhe — Thiergartens«. Bei Bohmisch-Leipa ubersetzt die. Bahn das Polzenthal und hat nunmehr stetige Steigung bis zu ihrem hochsten Punkte, der Wasserscheide auf der »Antonienhčhe« nachst der Glashutte und der Station Tannen¬ berg. Von da aus fuhrt die Bahn einerseits iiber Bensen und Tetschen nach Bodenbach zum Anschlusse an die Staatsbahn und die sachsischen Bahnen, andererseits aber liber SchOnfeld, Kreibitz und Schonlinde nach Rumburg, resp. in der Verlangerung bis an die Gersdorfer Strasse, d. i. bis zu jenem Punkte, von wo aus die Fortsetzung gegen 9* 132 Ignaz Konta. Sacbsen projectirt war. Von Kreibitz fiihrt eine Seitenlinie liber Niedergrund nach Warnsdorf. VorRumburg iibersetzt dieBahn- trace das Mandauthal. Die Trače der Strecke Tannenberg- Bodenbach hat stetes Gefalle. Sie zieht durch das Hillemiihl- und Kamnitzbachthal bis Rabstein, auf welchem Zuge die interessante Felsschlucht bei dem »wiisten Schlosse« pas- sirt wird. Bei Rabstein geht die Bahn durch das Anspachthal und langs des Polzenflusses, welcher wiederholt iibersetzt wird, bis Bensen [dem Abzweigungspunkte der Verbindungs- strecke durch das Polzenthal nach Bohmisch Leipa] und Tetschen und von da nach aber- maligerUebersetzung des Polzenflusses, dann der Elbe und des Eulaubaches nachBodenbach. Die Verbindungsstrecke Bohmisch- Leipa-Bensen geht iiber Poli tz-Sandau und Franzensthal durchwegs im Polzenthale nach Bensen, zwischen den letzteren Stationen einen 357 m langen Tunnel passirend. Die Terrain-Verhaltnisse waren so iiber- aus schwierige, dass man die Bohmische Nordbahn seinerzeit als eine unmittelbar nach der Semmering- und Brennerbahn rangirende Gebirgsbahn bezeichnete. [Vgl. Abb. 74—77 sowie Abb. 315—320 im t. Theile des Bd. I.] Warum und wodurch die ganzliche Ausfiihrung der Fortsetzungsstrecke T ep- Jitz-Dux-Komotau, welcbe der Aussig-Teplitzer Bahn am 10. Mai 1866 concessionirt worden war,*) verzogert wurde, ist eigentlich bis heute noch nicht klargestellt. Gemass § 2 der betreffenden Concessions-Urkunde war die Gesellschaft verpflichtet, die neue Strecke in der Aus- dehnung bis Dux binnen Jahresfrist und den weiteren Theil spatestens ein Jahr nach Inbetriebsetzung der Eisenbahn von Komotau in der Richtung gegen Annaberg, Prag oder Karlsbad zu voll- enden. Die 10 km lange Theilstrecke bis Dux wurde am 14. Juli 1867 eroffnet; mit dem Weiterbau aber scheint die Gesell¬ schaft zugewartet zu haben, bis jene in der Concession vorgesehene Voraussetzung zugetroffen, beziehungstveise der Bahn in Komotau ein Anschluss gesichert war. Dieses Abwarten passt zwar nicht ganz zu der Dringlichkeit, mit welcher die Gesellschaft sich wiederbolt um die ge- nannte Fortsetzung beworben hatte, diirfte jedoch der richtige Erklarungs- grund fiir die Verzogerung sein; denn *) Vgl. Bd. I, 1. Theil, H. Strach, Ge- schichte derEisenbahnen Oesterreich-Ungarns von den ersten Anfangen bis 1867, S. 367. als das Abgeordnetenhaus, bei den Ver- handlungen liber die Sicherstellung der Bohmischen Nordwestbahn, den Ausbau der Linie Dux-Komotau urgirt und das Ministerium die Berucksichtigung dieses Verlangens dem Verwaltungsrathe der Aussig-Teplitzer Bahn nahegelegt hatte, liess sich dieser seitens der Generalver- sammlung vom 30. Mai 1868 ausdrticklich ermachtigen, die Geldmittel fiir den Bau zu beschaffen und denselben »so zu be- ginnen, dass die neue Linie gleichzeitig mit einer der von Komotau nach Prag, Eger oder Sachsen projectirten Bahn- linie eroffnet werden kann«. Diese General versammlung hatte gleich¬ zeitig aucli das Vorhaben, eine Zweigbahn von D u x nach S c h w a z zu fflhren, ge- nehmigt. Das Ministerium ertheilte am 7. November 1868 die Bewilligung zu dieser kleinen Anlage, welche iibrigens noch spater als die Komotauer Linie zur Ausfiihrung kam. Die Geldmittel fiir die erwahnten Neubauten sowie zugleich auch fiir Vervollstandigungen der alten Linie, beschaffte die Gesellschaft gegen Ende 1868, und zwar durch Wiederaus- gabe der im Jahre 1858 aus dem Ver- kehre gezogenen 5 000 Stammactien a 210 fl., dann durch Emission von 1700 neuen Actien a 210 fl. und durch Auf- nahme eines Prioritats-Anlehens im Be- trage von 2,700.000 fl. [18.000 Obliga- tionen a 150 fl.]; die ersteren Titel wur- den den Besitzern der alteren Actien al pari iiberlassen, die Obligationen hin- gegen zum Curse von 86°/ 0 an die All- gemeine deutsche Credit-Anstaltin Leipzig begeben. Der Bau selbst hat jedoch erst im Sommer 1869 begonnen und die Er- offnung der 36’9 km langen Strecke Dux- Komotau am 8. October 1870 stattge- funden. Nachher gelangte auch die 4'i km lange Verbindung Dux-Schwaz zur Ausfiihrung und am 24. Marž 1871 zur Eroffnung. Von Interesse ist der Umstand, dass die Aussig-Teplitzer Bahn, zur Zeit ihres bedachtigen Zuwartens mit dem Baue der Dux-Komotauer Linie, grosse ander- weitige Bahnprojecte verfolgte, namlich : Preschen-Straschitz [in Gemeinschaft mit Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 133 der Buschtehrader Bahn], Tetschen-Nim- burg und, etwas spžiter, Ossegg-Komotau. Sie brachte jedoch keines derselben zu- wege; das erstgenannte gab sie selbst auf [5. Mai 1870]. Die Fortsetzung der Aussig-Teplitzer Eisenbahn von Dux nach Komotau durch- schneidet das am Fusse des Erzgebirges ge- legene machtige Braunkohlenlager des nord- westliehen BSnmens. Mit dem Gebirgszuge nahezu parallel ziehend geht sie in einem durchwegs wellenfi)rmigen Terrain, das Biela- thal bei Briix (ibersetzend, bis Konrotau, wo sie gleichzeitig auch ihren hOchsten Punkt findet. Weder hier noch auf dem kurzen, liber die BielaflihrendenFltigel Dux-S chwaz waren ausser einigen bedeutenderen Auf- dammungen und Einschnitten und der Biela- briicken nennenswerthe Bauwerke auszu- fiihren. . Zur weiteren Erganzung des That- sachen-Materiales aus dem besprochenen Zeitabschnitte ist auch noch Folgendes anzufiihren: Wie die Kaiserin Elisabeth-Bahn hatte auch die Bohmische Westbahn im Jahre 1869, bei. gleichzeitiger Erhohung ihres Anlage-Capitals durch Emission von Prioritats-Obligationen im Betrage von 3,000.000 fl., ihre Garantieschuld an den Staat getilgt und ihr Abhangigkeits- verhaltnis zum Staate abgestreift; sie zahlte fiir die Schuld von 1,515.353 fl. 25 kr. sammt aufgelaufenen4°/ 0 Interessen, 1,500.000 fl. in Prioritaten [Uebereinkunft vom 24. Juni 1869]. Sowohl die Staatseisenbahn-Ge- sellschaft, als auch die Siidbahn hatten allen Ernstes beabsichtigt, den Bau und Betrieb der tiirki- schen Bahnen oder blos den letzteren zu iibernehmen, und deswegen eingehende Studien, auch an Ort und Stelle, vornehmen lassen; sie gaben jedoch das ganzeVor- haben \vieder auf, nachdem die mit dem Concessionar jener Bahnen, Baron Hirsch, und dem Vertreter der Ho- hen Pforte, Daud Pascha, in Pariš gepflogenen Verhand- lungen eine gedeihliche Vereinbarung nicht in Aus- sicht stellten [1869—1870]. Die Brlinn-Rossitzer Bahn trat, nachdem sie den Nachweis geliefert, dass sie anlasslich des Anschlusses des Er- ganzungsnetzes der Staatseisenbahn-Ge- sellschaft einen Betrag von 300.000 fl. aufgewendet habe, zufolge Erlasses des Handelsministeriums vom 13. November 1869, beziehungsweise auf Grund des Uebereinkommens vom 1. December 1866, ab x. Januar 1870 in den Genuss der staatlichen Garantie eines jahrlichen Reinertrages von 175.000 fl. Die W i en e r V er b in d ungs bahn, welche bis dahin Eigenthum des Staates gewesen, wurde zufolge a. h. Entschliessung vom 21. Januar 1870, beziehungsweise auf Grund des Uebereinkommens vom 25. Januar 1870, an die sechs inWien ein- mundenden Bahnen [und zvvar Siidbahn, Staatsbahn-Gesellschaft, Nordbahn, Nord- \vestbahn, Franz Josef-Bahn, Elisabeth- Bahn] auf 90 Jahre concessionirt und, mittels des gleichzeitig vereinbarten, jedoch erst am 20. Februar 1870 abgeschlossenen Kauf- und Verkaufsvertrages, zu gleichen Antheilen um den Preis von 2,000.000 fl. verkauft. * * * Das Jahr 1871 schien sich seinen letztenVorgangern wiirdig anreihen zu \vol- len. Die Projectirungen und Concessions- Werbungen nahmen neuerdings zu und das Handelsministerium traf Zuriistungen, um den grossen Geschaftsandrang glatt be- Abb. 74. Bohmisch Leipa. [Bohmische Nordbahn.] [Nach einer photographischen Aufnahme von A. Schmeykal.] 134 Ignaz Konta. waltigen, wie auch um liber geniigendes Personale zur technischen Untersuchung und Bearbeitung der in dem Promemoria des Freiherm von Pretiš namhaft ge- machten Probleme verfiigen zu konnen. Mit i. Januar 1871 trat die am 6. December 1870 a. h. genehmigte Organisation der k. k. General-Inspec- tion der osterreichischen Eisenbahnen in Wirksamkeit, wobei diese Behorde in zwei selbstandige Abtheilungen gegliedert wurde. Ausser den hiedurch bedingt ge- wesenen, traten damals noch andere tvichtige Personalvermehrungen im Han- delsministerium ein. Der am 6. Februar 1871 als Handels- minister in das Cabinet Hohenwart be- rufene Universitatsprofessor Dr. Albert Schaffle wollte namlich technische Be- rather zur Seite haben und trug eine solcbe Vertrauensstellung seinem Landsmanne, dem vortheilhaft bekannten ehemaligen Baudirector der Siidbahn, Wilhelm P res s el an, der aber, wegen seiner Engagements bei orientalischen Eisen- bahn-Projecten einen anderen Landsmann, seinen Jugendfreund und Studiengenossen Wilhelm von N 6 r d 1 i n g vorschlug, der nun als Hofrath und bautechnischer Consulent ins Ministerium einzog, ebenso wie Max Maria Freiherr von Weber als betriebstechnischer Consulent. Ebenso riihrig wie die Ordnung der Per- sonalien, hatte der neue Minister auch so- fort die Sichtung derConcessions-Gesuche in die Hand genommen, um die spruchreifen Projecte ihrer Finalisirung, die halbreifen der Vervollkommnung und alle iibrigen der raschen Untersuchung und Bear¬ beitung zuzufuhren. Trotz dieser Vor- sorgen und seines redlichen Willens \var es ihm nicht gegonnt, Erkleckliches zu schaffen. Der klaffende Riss, der sich damals zwischen der Regierung und der Mehrheit des Reichsrathes aufgethan, vereitelte jegliches harmonische Zusam- memvirken. So lange es sich um die beiden noch von der friiheren Regierung- herruhrenden Gesetzentwurfe oder um die wenigen, im ersten Halbjahre 1871 eingebrachten kleinen neuen Vorlagen handelte, nahm deren legislative Erledi- gung wenigstens ausserlich den gewohn- lichen Gang; als aber die reine Vertrauens- frage ins Spiel kam, da brach die Zwie- tracht hervor. Am 8. Juni 1871 legte das Ministerium dem Abgeordnetenhause ein Gesetz in Betreff der Steuerbefreiungen filr neue Eisenbahnen [analog dem Gesetze vom 13. April 1870] vor, das am 15. Juni 1871 dem Finanzausschusse tiberwiesen und von diesem am 28. Juni 1871 ab- gelehnt wurde, mit der unzweideutigen Begriindung, dass die Analogie zwischen dieser V-orlage und dem friiheren Steuer- befreiungs-Gesetze fehle, iiberdies, weil fiir die kurze Zeit, bis zu welcher der Reichsrath wieder zusammentreten miisse, die Ertheilung einer solchen Vollmacht an die Regierung nicht erforderlich sei, als auch weil das Abgeordnetenhaus, als es aus seiner Initiative das friihere Gesetz beschloss, der damaligen Regie¬ rung einen Beweis grossen Vertrauens entgegenbrachte. Da nun am 11. Juli 1871 die Vertagung des Reichsrathes eintrat, konnte die Regierung bis zum Wieder- zusammentritte desselben mit keiner Con- cessionirung selbstandig vorgehen, mithin das Jahr nicht hal ten, was es bei seinem Beginne hoffen liess. Jene beiden altereh Gesetzesvorlagen betrafen die bereits besprochene Linie Villach-Tarvis und die Linie Lemberg- Stryj-Beskid mit dem Fliigel Stryj- Stanislau, die spater den Namen »ErzherzogAlbrecht-Bahn« erhielt. Die ersten Projectirungen dieser Balin, beziehungsweise einzelner ihrer Strecken fielen mit denjenigen der Ersten ungarisch- galizischen und der Dniester Bahn zu- sammen [s. d.]. Als selbstandiges Unter- nehmen in der obbezeichneten Ausdeh- nung wurde sie zum ersten Male in dem am 3. Marž 1870 vor das Abgeordneten¬ haus gelangten Gesetzentwurfe behan- delt,*) nachdem sie schon in der am 29. April 1869 zuruckgezogenen allgemei- nen Regierungsvorlage [vom 13. Marž '*) In den Ausschussberichten liber die Vorlagen vom 3. Marž und vom 8. November 1870 ist eingangs immer von einer gleichen, schon im Jahre 1869 im Abgeordnetenhause eingebrachten, beziehungsweise am 9. Decem¬ ber 1869 dem Ausschusse zugeiviesenen Vor- lage die Rede. Das beruht auf irgend einem grossen Irrthum. Jene Session wurde iibrigens Iiberhaupt erst am 14. December 1869 erbflnet. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs, 135 1869] tiber die Vervollstandigung des osterreichischen Eisenbahnnetzes an erster Stelle genannt und in der Denkschrift zu dieser Vorlage als besonders wichtig bežeichnet war. Die Vertagung und hernach Auflosung des Reichsrathes verhinderte zwar die Be- rathung des Gesetzentwurfes vom 3. Marž 1870, er wurde jedoch nach der Eroffnung des neuo;ewahlten Abgeordnetenhauses durch die Vorlage vom 8. November 1870 Goluchowski und Borkowski im Jahre 1869 geplant war und die Linien Przemyšl-Stryj-Stanislau und Stryj-Lem- berg umfasste — oder das von der Lemberg-Czernowitzer Babn im Jahre 1870 verfolgte Project: Lemberg-Stryj- Ungarische Grenze nebst Abzweigun- gen von Stryj einerseits nach Chyrow, andererseits nach Stanislau, oder aber welches sonstige Project vorlag — erscheint nirgend angegeben. Der Ausschuss, dem Abb. 75. Klein-Semmering mit dem Tannenberg. [Bohmische Nordbahn nachst Schonfeld.] ersetzt, zu deren Begrtindung die Regie- rung anfiihrte, dass ebensowohl handels- politische, als gesammtstaatliche Grtinde, wie nicht minder die Wtinsche Galiziens, die nunmehrige Sicherstellung dieser Bahn nothwendig machten und dass das Handelsministerium, weil die ihm vor- gelegenen Projecte sich als unzuverlassig erwiesen, durch seine eigenen Organe im Sommer 1870 Erhebungen an Ort und Stelle pflegen liess, deren Ergebnis auch die genauere Bezifferung des Anlage-Capitals ermoglichten. Wessen Projecte dies gewesen, ob etwa diej enigen fiir die»Galizische Siidostbahn«, welche von Seite derConsortien der Grafen die Vorlage am 11. November zuge- wiesen worden, erstattete unterm 12. Marž 1871 seinen Bericht und schloss sich hiebei in Betreff der Garantie von 42.000 fl. pro Meile dem Regierungs- entwurfe an, beantragte jedoch dieselbe pauschaliter im Betrage von 1,430.000 fl. zu gewahren und verlangte, dass die Concessionirung im Concurswege er- folgen, eventuell, wenn dies nicht recht gelingen solite, der Bau auf Staatskosten unternommen und hiefiir ein Credit von 3,000.000 fl. eroffnet werde. M it diesen Aenderungen wurde die Vor- lage, nach eingehender Erorterung am 21. Mlirz vom Abgeordnetenhause, dann am 136 Ignaz Konta. 27. April vom Herrenhause angenommen und am 25. Mai 1871 als Gesetz a. h. sanctionirt, auf Grund dessen das Mini- sterium nun die Offertverhandlung aus- schrieb, die am 16. August stattfand. Es langten zu derselben acht Angebote ein, deren hochstes [die ganze im Gesetze festgestellte Garantie von 1,430.000 fl. beanspruchendes] von der Dniester Bahn unter Gewahr der Credit-Anstalt, und deren billigstes [eine Garantie von 1,280.000 fl. nebst 25.900 fl. jahrlich fiir die Bahnhofmiethe in Lemberg und Stanislau anforderndes] von dem Fiirsten Calixt Poninski im Vereine mit der Oester- reichischen allgemeinen Bank eingebracht worden war. Die erwartete Betheiligung O o der Lemberg-Czernowitzer Bahn war aus- geblieben. An dem Wesen und Zwecke einer solcben Verhandlung festbaltend, liess die Regierung dem billigsten Ange¬ bote ihre Wiirdigung angedeihen, wie- wohl auch bei diesen Bewerbungen wie- der der Wettkampf nicht fehlte und insbesondere das Gonsortium des Grafen Borkowski, das sich bereits als Concessionar der ungarischen Fort- setzungsstrecke betrachtete, alle Anstren- gungen machte, das Feld zu behaupten. Das Consortium des Fiirsten Calixt Poninski erhielt am 22. October 1871 die Concession fiir die Eisenbahn von Lem¬ berg iiber Stryj undSkole bis an die ungarische Grenze am Beški d, zur Ver- bindung mit der von Munkacs dahin in Ausfiihrung kommenden ungarischen Strecke, und eine Zweigbahn von Stryj iiber Bolechow, Dolina und Kaiusz nach Stanislau zum Anschlusse an die Lemberg-Czernowitzer Bahn. Die Bestimmungen dieser Concession waren sehr reichhaltige; sie schrieben den Tracenzug und die Einmiindungs- punkte, das Hochstausmass der Steigun- gen und Kriimmungen sowie sonstige Ein- zelheiten fiir die Bauausfiihrung und die Beschaffung des Fahrparkes vor, ver- fiigten in Betreff des Grenztunnels am Beskid, dass derselbe ganz von der koniglich ungarischen Regierung aus- gefiihrt werde und die Concessionare blos einen Kostenbeitrag von 614.500 fl. zu leisten haben, und wahrten der Staats- verwaltung das Recht, die Herstellung eines zweiten Geleises jederzeit gegen entsprechende Erhohung der Staats- garantie vorzuschreiben. Ebenso raumten sie der Staatsver- waltung das Recht ein, die Bahn schon nach Ablauf von zehn Jahren einzulosen und, in dem Falle, als die Betriebs- einnahmen die Betriebsauslagen nicht decken oder die jahrlichenStaatszuschiisse nicht unter die Halfte der garantirten Reineinnahmen sinken sollten, den Betrieb in die Verwaltung des Staates zu nehmen oder zu verpachten. Die Staatsgarantie war mit jahr¬ lich 1,280.000 fl. bemessen und hatte fiir die Sectionen Lemberg-Stryj und Stryj-Stanislau je mit dem Tage der Eroffnung, hinsichtlich der Section Stryj- Beskid aber nicht friiher, als bis auch die ungarische Anschlussstrecke dem Verkehre iibergeben wird, in Wirksam- keit zu treten. Eine mittelbare Erhohung erfuhr diese Garantie dadurch, dass den Concessionaren gestattet wurde, dieMiethe fiir die gemeinschaftliche Beniitzung der Bahnhofe in Lemberg und Stanislau, bis zum Betrage von 25.900 fl. in die jahrlich e Betriebsrechnung einzustellen. Als Eroffnungstermine wurden fest- gesetzt: fiir die Strecke Lemberg-Stryj langstens 1 '/ 2 Jahre, fiir die Strecke Stryj- Stanislau langstens 2 l / 2 Jahre, gerechnet vom Concessionsdatum, und fiir die Strecke Stryj-Beskid der Zeitpunkt der Inbetrieb- setzung der ungarischen Strecke Beskid- Munkd.cs. Angesichts dieser bis dahin noch nicht oft angewendeten Cautelen, aus denen die besondere Bedachtnahme wiederspie- gelte, welche die Regierung dieser neuen Bahn widmete, mogen die Concessionare sich etwas beengt gefiililt haben; wenig- stens hiess es allgemein, dass sie noch nachtraglich einige Erleichterungen, be- ziehungsweise Begiinstigungen anstrebten. Von einem Erfolge in dieser Hinsicht ist jedoch nichts bekannt geworden, viel- mehr konnte man wahrnehmen, wie gut auch die Concessionare die gegebenen Thatsachen zu wtirdigen wussten. Sie trieben keine Zauderpolitik, sondern trachteten die Concession rasch in Aus- fiihrung zu bringen und vor Allem eine Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 137 Abb. 76. Polzenbriicke bei Franzenthal. [Bblimische Nordbahn.] Actien-Gesellschaft zu errichten. Dies ge- schah am 17. Februar 1872, auf Grund des am 12. Februar behordlich genehmig- ten Statutes. Die Gesellschaft, welche die Firma: »K. k. priv. Erzherzog Albrecht- Bahn« annahm und ihr Anlage-Capital auf nom. 25,299.200 fl., zerlegt in 50.599 Actien a 200 fl. und in 50.598 Prioritats-Obligationen a 300 fl., fest- setzte, schrieb am 27. April 1872 die Offertverhandlung ftir die Vergebung des Baues der Strecke Lemberg-Stryj aus, die am 11. Mai stattfand und zum Er- gebnisse hatte, dass die Bauarbeiten der genannten Strecke pauschaliter an die »Banca di construzione« in Mailand ubertragen wurden [Vertrag vom 1. Juni 1872]; die Beistellung der Oberbau- Eisen- und Holzmaterialien sowie die gesammte Ausriistung der Bahn behielt die Gesellschaft in eigener Regie. Nun ging es an die Geldbeschaffung, welche der Hauptconcessionar der Bahn, d. i. die Oesterreichische allgemeine Bank, sich schon am 14. December oder, nach einer anderen Lesart, sogar schon am 1. October 1871 gesichert hatte und jetzt eigentlich nur nach aussen abgewickelt wurde, nachdem die Gesellschaft, be- ziehungsvveise der Vervvaltungsrath, am 18. Februar 1872 ohneweiters in die bezuglichen Vertrage eingetreten war. Die Oesterreichische allgemeine Bank hatte der Gesellschaft einen Baarbetrag von I7>48o.ooo fl. gutgeschrieben und hiefiir die sammtlichen gesellschaftlichen Titel erhalten, was also einen Uebernahmscurs von durchschnittlich 69°/ 0 oder, bei Hin- zuzahlung der von ihr zu decken gewe- senen Intercalarien einen Curs von 74°/ 0 ergibt. Am 15. Mai 1872 brachte sie dann einen Betrag von nom. 12,000.000 fl., je zur Halfte in Actien und in Prioritats- Obligationen —• erstere zum Curse von 80 °/ 0 , letztere zum Curse von 8472% — mit vollem Erfolge zur offentlichen Zeich- nung. An den Folgen dieser keineswegs zum Vortheile der Gesellschaft ausge- schlagenen Verwerthung ihrer Titel, hatte sie denn auch bald und schwer genug zu tragen. Vorerst nahm jedoch Alles einen ruhigen Fortgang. Es wurde in Lemberg eine technische Direction er- richtet, zum Vorstande derselben der Ober - Inspector der Oesterreichischen Staatseisenbahn- Gesellschaft, Ladislaus von Szczepanowski, ernannt. Der am 1. Juli 1872 begonnene Bau wurde noch im selben Jahre auch auf die Strecke Stryj-Stanislau ausgedehnt, nach¬ dem derselbe, mittels Bauvertrages vom 2. November 1872, trotz der damals be- reits offenkundigen Saumseligkeit der Mailander Baubank, wieder an diese Unternehmung vergeben worden war. Die 73‘5/ewi lange Strecke Lemberg- Stryj gelangte am 16. October 1873, d. i. zwar um fast sechs Monate spater, als ausbedungen gewesen, aber immer- hin noch ohne besonderen Zwischenfall zurEroffnung; die io7'5 km lange Strecke Stryj-Stanislau, welche einjahr nach der ersteren, namlich am 22. April 1874, hatte vollendet sein sollen, konnte hin- 138 Ignaz Konta. gegen erst am I. Januar 1875 dem Betriebe ubergeben werden, weil die Bauuntemehmung vertragsbriichig ge- worden, so zwar, dass die Gesellschaft, da selbst die versuchten Zwangsmittel versagten, sich schliesslich genothigt sah, die Arbeiten in eigener Regie zu Ende zu fiihren. An den Bau der Strecke Stryj-Beskid war damals iiberhaupt nicht mehr zu denken; denn einerseits war die Hauptbedingung desselben, namlich die Ausfiihrung der ungarischen Anschluss- strecke in die Briiche gegangen, und andererseits wiirden der Gesellschaft auch die ausreichenden Geldmittel gemangelt haben. Aus dem Vertragsbruche der Bau- unternehmung war der Gesellschaft ein Verlust von beilaufig 1,742.000 fl. er- wachsen; sie selbst hatte den Voran- schlag [insbesondere fur die Grundein- losung] um 775.000 fl. iiberschritten, was allein schon einen Mehrverbrauch an Capital von rund 2,517.000 fl. ausmachte. Ausserdem blieb noch die Frage der Deckung bedeutender Mehr- und Nach- arbeiten sowie ein Betriebsausfall von etwa 400.000 fl. eine offene, beziehungsweise strittige. Waren die fur die Strecke Stryj- Beskid bestimmt gewesenen Titel in der Hohe von 7,500.000 fl. erst im Zeit- punkte des wirklichen Bedarfes ausge- geben worden, dann hatte wenigstens die Verzinsung eines unverwendeten Capi- tals die Gesellschaft nicht bedriickt. Die Sorge um die Befreiung von dieser grossen Last bewog den Verwaltungs- rath, mit Zustimmung der Regierung, zum Riickkaufe gesellschaftlicher Werthe im obigen Betrage, namlich 3,000.000 fl. in Actien und 4,500.000 fl. in Obligationen [17. bis 27. December 1873]. Aber auch hiebei hatte er eine ungliickliche Hand, indem der Riickkauf nicht zu dem mit der Oesterreichischen allgemeinen Bank vereinbarten Curse von 74, sondern in Wirklichkeit zum Curse von 78 erfolgte, was gegeniiber der ursprtinglichen Be- gebung \vieder einen Schaden von 719.500 fl. brachte. Zu alldem kam noch, dass der Verwaltungsrath eine mit 10°/ 0 verzinsliche Schuld bei der Oester¬ reichischen allgemeinen Bank aufgenom- men hatte, die zum Schlusse des Jahres 1874 die Hohe von 2,182.300 fl. er- reichte. So stand es um die Erzherzog Albrecht - Bahn kaum drei Jahre, nach- dem sie unter besonderen Bedingungen concessionirt worden war. Der am 1. Januar 1875 fallig gewesene Actien- coupon kam nur mit 2 fl. 95 kr. [statt mit 5 fl.] zur Einlosung; spaterhin trat eine noch grossere Kiirzung ein. Die nun angerufene Hilfe der Regierung wurde, wie wir alsbald sehen werden, allmahlich zum bedeutenden Theile er- langt; die Bahn vollstandig auf ihre ur- spriingliche Grundlage zuriickzuftihren, wollte jedoch nie mehr gelingen; die Wirkung der Grundungslymphe blieb eine nachhaltige. Die Linie Lemberg - Stryj nimmt ihren Ausgang von der Station Lemberg der Lemberg-Czernowitz-Jassy-Bahn, zieht an- fanglich in siidwestlicher Richtung, gewinnt aber nach Ueberschreitung der Wasserscheide nachst Lemberg eine sudliche Richtung und gelangt ohne nennenswerthe Schwierigkeiten mit continuirlichen Gefallen liber Szczerzec nach Uebersetzung des gleichnamigen Baches nach Mikoiaj6w. Bei Mikolaj6w wird der Dniester iiber- briickt und durchschneidet die Bahn sein Inundationsgebiet, daher auf dieser Bahn- strecke eine grossere Anzahl von Inundations- Objecten herzustellen war. Von da weiter fiihrt die Bahn in siid- licher, fast gerader Richtung bis Wolica und erreicht, sich mehr nach Siidwest wendend, mit fortwahrender sanfter Steigung Stryj. Die Linie S tryj-S ta ni s la u zweigt von der Station Stryj in siidwestlicher Richtung ab, umfahrt im weiten Bogen die Stadt, tibersetzt den Stryjfiuss und gelangt mit fast vollkommen siidlicher Richtung liber Morszyn nach Uebersetzung der Wasser- scheide und des Sukielflusses nach Bole- ch6w. Von hier ftihrt die Bahn in siidbst- licher Richtung bei fortivahrender Steigung nach Dolina und iibersetzt bei Hosz6w den Swicafluss. Kurz vor der Station Dolina erreicht die Bahn ihren hSchsten Punkt [34l'65 m Seehbhe]. Von Dolina fiihrt die Bahn in vollkom¬ men Sstlicher Richtung mit continuirlichem Gefalle und unter ungiinstigen Richtungs- verhaltnissen liber Krechowice nach Katusz und lauft von hier im Thale des Lomnica- flusses bis Wistowa, wo derselbe iibersetzt wird. Von Wistowa bis fast unmittelbar vor Stanislau sind die Steigungs- und Richtungs- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 139 verhaltnisse sehr ungunstig, indem die Bahn mehrere Bergthaler tibersetzen muss, so dass eine grijssere Tracen-Entwicklung auf den Berglehnen nothwendig war. Nachdem die Bahn die rechte Lehne des Jamnicathales iiberschritten, gelangt dieselbe in das Bystrzycathal und lauft hier 2'5 km weit parallel mit der Lemberg-Czernowitz- Jassy-Bahn, iibersetzt unmittelbar vor Sta- nislau den Bystrzycafluss und findet in der Station Stanislau ihren Endpunkt. Beim Bau dieser Strecke ergaben sich besondere Schwierigkeiten, da bedeutende Erdarbeiten und grbssere Objecte herzu- stellen waren, wobei noch in Betracht kommt, dass wahrend des Baues grOssere Rutschun- gen eintraten, die grosse Consolidirungs- und Entwasserungs Anlagen erforderten, Ar- beiten, die an manchen Stellen bis zum jahre 1877 dauerten. [Abb. 78 und 79.] * Ji« Von denjenigen Linien, deren Con- cessionirung auf Gesetzen beruhte, wel- che die neue Regierung im Jahre 1871 zur legislativen Behandlung gebracht hatte, sind drei, namlich: Die Zweigbahn Komotau-Brunnersdorf des Busch- tžhrader Netzes, dann die Seitenlinie Hieflau-Eisenerz der Kronprinz Rudolf-Bahn und die Fortsetzungsstrecke Ossegg-Komotau der Dux-Boden- bacher Bahn gleichfalls schon friiher be- sprochen; die restlichen drei finden im Nachstehenden ihre Erorterung. Lieboch-Wies. Um die Mitte der Funfziger-Jahre war neben der Graz-Kof- lacher auch die Schwanberg-Leibnitzer Bahn projectirt; erstere um die Braun- kohle des Lankowitzer und Voitsberger Reviers nach Graz zu bringen, letztere zu gleichem Zwecke hinsichtlich der Kohle von Steyregg, Kalkgrub, Schwar- zenbach, Eibiswald etc. Jene wurde am 26. August 1856 an die Voitsberg-Kof- lach - Lankowitzer Gewerkschaft, diese erst zehti Jahre spater, am n.Juni 1866, an das Consortium der Grazer Zucker- raffinerie concessionirt. Die Leibnitz- Eibiswalder Bahn kam jedoch auch damals noch nicht zur Ausfuhrung; ihre Concession ward vielmehr iiber a. h. Entschliessung vom 27. Februar 1871 ftir erloschen erklart [Kundmachung des Abb. 77 Bodenbach. [Nach einem Acjuarell von F. Kopallik.] 140 Ignaz Konta. Handelsministeriums vom n. Marž 1871]. Schon etwas friiher, als namlich die Aussicht auf das Zustandekommen dieser Bahnverbindung ernstlich zu schwinden begann, hatte die fortgesetzt zunehmende Kohlennoth in Graz eine andere Ver- einigung, namlich das Consortium Ehren- fest, Hewitt-Stepsky, veranlasst, die Ver- rvirklichung des alten Projectes anzustre- ben [1870]. Die Graz-Koflacher Bahn, welcheralso, an Stelie des heimgehenden, ein neuer Ri¬ vale erstand, sah nun nicht miissig zu, son- dern stellte das Gegenproject Lieboch- [Graz - Koflacher Bahn] Wies auf und fand damit, obwohl sie als Monopolistin verschrieen war, vielseitige Zustimmung. Ihre eigenen Theilhaber sprachen sich in der ausserordentlichen Generalver- sammlung vom 28. Februar 1871 fiir die Erwirkung der Concession aus und er- machtigten zugleich den Verwaltungsrath, das zur Herstellung der neuen Linie erforderliche Capital von 4,560.000 fl. durch Ausgabe von 8400 Prioritats- Obligationen a 300 fl. und 15.200 Actien a 200 fl. [wovon jedoch 5 000 Stiick fiir allfallige anderweitige Verwendung aufbewahrt werden sollten] zu be- schaffen. Wie dem steiermarkischen Landesaus- schusse, der Grazer Handelskammer, den Bezirksvertretungen und anderen Korper- scbaften, welche das Project der Graz- Koflacher Bahn befiirworteten, erschien dasselbe auch der Regierung zweck- dienlicher. Ueberdies rechnete sie darauf, bei den Concessions-Verhandlungen Zu- gestandnisse in Betreff der alten Graz- Koflacher Bahn, die volle Tariffreiheit genoss, zu erzielen. Das Handelsministerium brachte also am 3. Juni 1871 eine Gesetzesvorlage in Be¬ treff der Linie Lieboch-Wies nebst einer Abzweigung nach S t a i n z im Abgeord- netenhause ein, dessen Ausschuss dieser Bahn ebenfalls dasWort redete, weil sie eine grossere Strecke Landes fiir den Ver- kehr erschliesse, leicht einen Fliigel nach Stainz entsenden konne und ein zweites Kohlenrevier in den Bereich von Graz bringe, wodurch das Monopol der Graz- Koflacher Bahn, falls es wirklich besteht, abgeschwacht werde. Die Vorlage wurde sohin [mit einigen Zusatzen hinsichtlich der Zulanglichkeit des Fahrparkes und der Einmiindung von Industriebahnen] am 28. Juni vom Ab- geordnetenhause, am 5. Juli vom Herren- hause in letzter Lesung angenommen, erhielt am 21. Juli 1871 die a. h. Sanc- tion und bildete dann die Grundlage der am 8. September 1871 der Graz- Koflacher Bahn verliehenen Conces¬ sion. Diese gilt fiir die, einen integrirenden Bestandtheil der alten [Graz-Koflacher] Bahn bildende Linie von Lieboch iiber St. Florian und Deutsch-Landsberg nach Wies mit einer Abzweigungnach Stainz, welch’ letztere iibrigens erst dann in Ausfiihrung kommen solite, wenn fiir dieselbe eine Frachtmenge von 2,000.000 Zoll-Centner jahrlich, nach dem Er- kenntnisse des Handelsministeriums, in Aussicht genommen werden kann. Als staatliche Begiinstigung wurde der neuen Linie eine zwanzigjahrige Steuer- freiheit gewahrt, die mittelbar auch der alten Linie zugute kam, weil die Befreiung derart durchgefiihrt werden konnte, dass die Entrichtung der Einkommensteuer fiir die bestehende Bahn nach Massgabe des Verhaltnisses der Meilenlange der alten zur neuen Linie stattfindet. Ebenso wirkten noch zwei andere Bestimmungen auf die alte Linie zurlick, namlich die Umgrenzung der Tarife und die Dauer der Concession, welch’ letztere fiir beide Linien gleich- massig auf 85 Jahre, gerechnet vom Tage der auf spatestens den 8. September 1873 anberaumten Eroffnung der Linie Lieboch- Wies, festgesetzt wurde. Der Erlangung der Concession folgte sogleich die Durch- fiihrung derselben. Die Wirksamkeit der neuen Tarife auf der alten Linie begann am 20. Septem¬ ber 1871; der Bau wurde mittels Ver- trages vom 25. October 1871 an die Unternehmung Gebriider Pongratz ver- geben, die Emission der 10.200 Actien [durch Ueberlassung derselben an die Besitzer der Actien I. Emission] in den Tagen vom 15. October bis IX. November 1871 bewerkstelligt, und der Bau zu Beginn des Friihjahres 1872 in Angriff genommen. Wahrend desselben kaufte die Gesell- schaft, vorwiegend wegen der besseren Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 141 Alimentirung der neuen Linie, die Steyr- egger und Wieser Kohlenwerke an, zu \velchem Zwecke, iiber Beschluss der ausserordentlichen General versammlung vom 4. April 1872, weitere Prioritats- Obligationen im Betrage von 3,000.000 fl. ausgegeben und 3700 Stuck der ober- wahnten reservirten Actien vervvendet wurden. Die restlichen 1300 Stuck der- selben erhielt, zufolge des Vertrages vom 18. Juni 1872, die Bauunternehmung, weil die Kosten der Linie Lieboch- Wies sich durch die, wegen Erzielung besserer Steigungsverhaltnisse, vorgenom- mene Langerstreckung der Trače erhoht hatten. Aus der am 9. April 1873 er- folgten Eroffnung dieser 51 km langen Linie nahmen die Interessenten des Stainzer Fliigels Veranlassung, seinen Ausbau noch dringender als bisher zu verlangen, was aber die Gesellschaft nicht bewog, diese Leistung zu voll- filhren bevor die concessionsmassigen Be- dingungen derselben [geniigende Fracht- menge] erfiillt waren. Hingegen be- fasste sie sich eifrigst mit dem grossen Projecte Wien-Novi, das sie aber ebenso- wenig verwirklichte wie jene kleine Aus- astung nach Stainz. Die Anlagekosten der Linie Lieboch-Wies betrugen 5,728.500 fl. Die Trače der Linie Lieboch-Wies, anfanglich neben der Linie nach KOflach laufend, ubersetzt in der Richtung nach Siiden das Kainachthal in einer Hčhe von 7 m iiber der Sohle, durchschneidet sodann den von Nordwest nach Stidost streifenden Gebirgszug, um in das Oisnitzthal zu ge- langen, in welchem die Bahn theils an den Lehnen, theils im Thale selbst sudwarts in das Thal der Lassnitz gelangt, zu welchem Zwecke der bei Wolfsdorf vorspringende Gebirgsriicken durchschnitten wird. Im Lassnitzthalefuhrt die Trače aufwarts in west- licher Richtung iiber Gross-FIorian nach Deutsch-Landsberg, umzieht im Bogen diesen Ort, um dann die nOrdliche Abdachung der Leibenfelder Hochebene zu ersteigen, be- ziehungsweise mittels eines 1150 m langen und 80 m tiefen Einschnittes zu erreichen Von diesem Plateau aus fallt die Trače in siidlicher Richtung gegen das Thal der schwarzen Sulm, ivelches vor Schwanberg in der Gemeinde Trag zugleich mit dem dortigen kohlenfiihrenden Terrain erreicht wird. Von da folgt die Trače in der Richtung nach Osten der schwarzen Sulm. Dieselbe tiber- schreitend und tlieiltveise in der nOrdlichen Abdachung des, die Thaler der schwarzen und der weissen Sulm scheidenden Aus- laufers der Alpen gefiihrt, durchschneidet sie deren Vorkopf bei Gasselsberg mit einem 7 5 m tiefen Einschnitt, erreicht das Thal der weissen Sulm und ftihrt aufwarts des- selben in der Richtung nach Westen bis zum Endpunkte Wies. Rumburg-Schluckenau, Rum- burg-Georgswalde [Ebersbach]. Um dem dichtbevolkerten, industriereichen, im nordlichsten Theile Bohmens liegenden Bezirke Schluckenau-Hainspach die so- lang entbehrten Vortheile des Eisenbahn- verkehrs uberhaupt, insbesondere aber auch die Einbeziehung in das oster- reichische Eisenbahnnetz zu erschliessen, legte die Regierung, nachdem sie das im Jahre 1868 von einem Comite in Schluckenau entworfene Project fiir die Linie von Schandau [in Sachsen] iiber Wolmsdorf, Hainspach und Schluckenau nach Bautzen, nebst einer Verbindung mit Rumburg, ausser Betracht lassen musste, weil dessen Verwirklichung die bohmische Elbeschiffahrt \vie nicht minder auch die Bohmische Nordbahn beein- trachtigt hatte, der letztgenannten Ge¬ sellschaft nahe, die eigene Linie bis nach Schluckenau zu verlangern. Dem entsprechend bevverkstelligte die Bohmische Nordbahn im Jahre 1870 die Vorarbeiten und machte sich dann an- heischig, die osterreichische Theilstrecke der nun ihrerseits projectirten Linie Rumburg - Schluckenau - Bautzen spatestens bis Ende 1872 zu vollenden, und zwar selbst ohne Riicksicht auf die noch ungesicherte Fortsetzung bis Bautzen, wenn ihr die Concession bis Ende Mai 1871 verliehen wiirde. Das Handels- ministerium legte demnach am 25. April 1871 dem Abgeordnetenhause einen be- ziiglichen Gesetzent\vurf vor, wonach der neuen Linie eine zwanzigjahrige, allenfalls auch der bestehenden Linie [nach Massgabe des Langenverhaltnisses] zugute kommende Steuerfreiheit ge\vahrt, und die Dauer der Concession der ge- sammten Bohmischen Nordbahn auf 90 Jahre, gerechnet vom Tage der Eroffnung der neuen Linie, festgesetzt, beziehungs- weise erstreckt werden solite, \veil sie ohne eigenes Verschulden bis jetzt die Anschliisse an die sachsischen Bahnen entbehren musste. 142 Ignaz Konta. Der Ausschuss, dem die Vorlage am 2. Mai 1871 zugewiesen wurde, empfahl dieselbe mit dem Abanderungs- Vorschlage, dass die Gesellschaft zu verpfiichten sei, »nach der Realisirung der Anschlusse an die sachsischen Bahnen in den drei Richtungen gegen Zittau, Lobau und Bautzen, eine Fliigelbahn von Schluckenau bis Wolmsdorf herzustellen«. Mit allen diesen Bestimmungen wurde die Vorlage nach Passirung der beiden Hauser des Reichsrathes [24. Mai und 27. Juni] am 17. Juli 1871 a. h. sanctionirt und die auf ihr beruhende Concession vom 9. September 1871 ausgefertigt. Der im Offertvvege an den Unternehmer Franz Ržiha vergebene Bau der 9^9 km langen Linie wurde im Jalire 1872 beendet; ihre Eroffnung fand am 8. Januar 1873 statt. Der am 29. September 1869 abge- schlossene Staatsvertrag zwischen Oester- reich und Sachsen regelt die Anschlusse der osterreichischen an die sachsischen Bahnen bei Weipert, Gross-Schonau und Georgswalde. Der erstgenannte betrifft die BuschtehraderBahn, die beiden anderen gehen die Bohmische Nordbahn an, einer derselben, namlich der zwischen Gross-Schonau und Warnsdorf, jedoch nur in wirthschaftlicher Beziehung, da die koniglich sachsische Regierung es iibernahm, das kleine, iiber osterreichisches Gebiet fiihrende Fragment von Gross- Schonau tiber Warnsdorf nach Seifhennersdorf, selbst herzu¬ stellen. Die Ausfiihrung der Ver- bindung R u m b u r g-G e o r g s- w a 1 d e, zum Anschlusse an die Siid-Lausitzer Staatsbahn bei Ebersbach, fiel aber der B 6 h- mischenNordbahn zu, wo- gegen die koniglich sachsische Regierung auch ihrerseits eine Abzweigung der Lobau-Zit- tauer Bahn von Lobau aus eben- falls nach Ebersbach zu fiihren hatte. Da die Bohmische Nord- babn die 2'2 km lange Theil- strecke Rumburg - Gersdorfer Strasse schon seit 29. October 1869 [fiir den Kohlenverkehr] eroffnet hatte, brauchte sie jetzt nur noch die 4'5 km lange Theil- strecke Gersdorfer Strasse-Georgs\valde [Ebersbach] zu bauen. Diese und zu- gleich die ganze 67 km lange Strecke Rumburg-Georgs walde-E b e r s b a c h wurde am 1. November 1873 dem allge- meinen Verkehre ubergeben. Zur Deckung der Kosten aller dieser hier besprochenen Bauten diente das iiber Beschluss der Generalversamm- lung vom 22. Mai 1871 aufge- nommene Prioritats-Anlehen von nom. 4,500.000 tl., das allmablich an die Allge- meine deutsche Credit-Anstalt in Leipzig begeben wurde. Mit Zustimmung der¬ selben Generalversammlung bewarb sich die Gesellschaft um die Concession fiir die Fortsetzung der Linie Rumburg- Schluckenau auf sachsischem Gebiete bis Bautzen ; die Angelegenheit wurde jedoch, nachdem ihretwegen schon viele Ver- handlungen stattgefunden hatten, dadurch hinfallig, dass die koniglich sachsische Regierung sich clafiir entschied, jenen Bau auf Staa.tskosten auszufiihren. Die Linie Rumburg - Schluckenau zweigt vom westlichen Ende der Station Rumburg ab und zieht langs des Mandau- baches hin. Mit der Uebersetzung der Bezirksstrasse nach Nixdorf verlasst sie das Mandauthal und steigt zur Wasserscheide nachst der Waldecke, von wo selbe, nach einer Hori¬ zontalen von 231’2 m Lange, in einem con- tinuirlichen Gefalle von I : 75 im Walde gegen Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 143 Schluckenau sich in mehrfachen Kriimmungen hinzieht. Die Linie Eumburg-Landesgrenze- Ebersbach bildet die Verlangerung der alten Linie Bakov-Rumburg bis an die Lan- desgrenze gegen Lčbau zum Anschlusse an die sachsische Staatsbahn in der Station Ebersbach, die bereits auf sachsischem Ge- biete liegt. Ihre Trače fiihrt von Rumburg aus an die Gersdorfer Strasse, wo fiir den Kohlenverkehr die Haltestation Gersdorf- Aloisburg errichtet wurde, und dann direct an die bbhtnisch - sachsische Grenze, be- ziehungsweise nach Ebersbach, wo sie in die sachsische Staatsbahn einmiindet. Ausser den ziemlich ungtinstigen Neigungsverha.lt- nissen waren beim Bau keine nennenswerthen Schwierigkeiten zu iibenvinden. Mahrische Grenzbahn. Wahrend der Ausmittlung der Tračen fiir die nord- liche Staatsbahn hatte die Einwohner- schaft der Industrialorte in den Thalern der March, Thess und Oskava sich in den Gedanken hineingelebt, dass die Briinner Linie dieser Bahn iiber Prag an die sachsische Grenze, die Olmiitzer Linie hingegen iiber Hohenstadt an die preussi- sche Grenze gehen oder doch eine Abzweigung nach Mittelwalde erhalten werde. Der Gedanke war auch hier ein Kind des Wunsches, und als dieser nicht in Erfiillung gegangen, bemachtigte sich der Bevolkerung der bezeichneten Gegen- den eine sehr merkliche Verstimmung. Unter dem Eindrucke derselben entstan- den mancherlei Projecte fiir ortliche Schie- nenwege, die aber bald wieder der Ver- gessenheit anheimfielen, so namentlich das im Jahre 1846 zum ersten Male in Anregung gekommene Project Hohen¬ stadt - Zoptau, welches erst zwanzig Jahre spater, und zwar abermals aus Anlass von Bestrebungen um die Gewinnung der preussischen Grenze wiedererstand. DieZeit, Art und Trager allerjenerBe- strebungen sind schon in den oben voraus- gehendenMittheilungen iiber die Mahrisch- schlesische Nordbahn, die Mahrisch-schle- sische Centralbahn, die Hohenstadt-Zop- tauer Bahn und das Erganzungsnetz der Oesterreichischen Nordwestbahn [Linie Wildenschwert - Mittehvalde] ausfiihrlich angegeben. Darum mag — des Zusam- menhanges wegen — hier blos daran er- innert sein, dass das Schonberger Eisen- bahn-Comite sich am Schlusse der Sech- ziger-Jahre im Vereine mit dem Grafen Karl Althannum die Linien Sternberg-Mahrisch- Schonberg-Hannsdorf-Niederlipka-Reichs- grenze gegen Mittelwalde und von Nieder- lipka nach Wildenschwert, dann von Abb. 7Q. Urspriing-liche Inundationsbrticke der Erzherzog Albrecht-Bahn bei Mikolajow. [Nach einer photographischen Aufnahme aus der Bauzeit.] 144 Ignaz Konta. Schonberg einerseits nach Hohenstadt, andererseits nach Zoptau beworben und im Jahre 1870 die Concessionirung der Linie Wildensch\vert - Mittelwal.de an die Staatseisenbahn-Gesellschaft vereitelt hatte, indem es die Garantie-Anforderung der letzteren [70.000 fl. pro Meile] um die Halfte unterbot, jedoch mit diesem Schachzuge nicht viel fiir sich erzielte. Rucksichtlich der Linie Wildenschwert- Mittelwalde war das Consortium der Nordwestbahn - Concessionare, dem sie zugleich mit der Elbethal-Bahn zufiel, der gevvinnende Dritte und rucksichtlich der Linie Sternberg-Mittehvalde war dem Comite nur der Trost geblieben, dass der Ausschuss des Abgeordnetenhauses, an- lasslich des vorerwahnten Zwischenfalles das Schonberger Project, beziehungs- \veise dessen Concessionirung unter Ge- wahrung einer Staatsgarantie von 3 5.000 fl. pro Meile, eventuell den Bau auf Staats- kosten empfahl [Ausschussbericht vom 4. April 1870]. Wiirde der Reichsrath damals nicht vertagt worden sein, dann hatte das Eintreten des Ausschusses dem alten Projecte auch greifbaren Vorschub ge- leistet; so aber musste das Comite, dessen Riihrigkeit tibrigens nicht nach- liess, die Bewerbung von Neuem be- ginnen. Es verband sich zu diesem Zwecke mit der Bauunternehmung Ge- briider Klein, stellte sich unter die Fiih- rung des dortigen Reichsraths-Abgeord- neten Eduard Oberleithner und sammelte bei den Aemtern und Behorden zabl- reiches statistisches Material tiber die voraussichtlichen Verkehrs- und Rentabili- tats - Verhaltnisse der Linie Sternberg- Mittelwalde, welche, nachdem die Linien Wildenschwert - Mittelwalde und Hohen- stadt-Zoptau inzwischen schon concessio- nirt worden waren, jetzt von dem alten Pro¬ jecte noch iibrig geblieben. Das Ergebnis jener Erhebungen be- starkte nicht nur die Zuversicht des Comites in die Ertragsfahigkeit der Bahn neuerdings in so hohem Masse, dass es bei den nunmehrigen Verhandlun- gen mit der Regierung glaubte, noch unter den Garantieanspruch von 35.000 fl. pro Meile herabgehen zu konnen, son- dern es brachte auch der Regierung die O o Meinung bei, dass die Staatsgarantie hier als eine nominelle zu betrachten sei, da schon in den ersten Betriebsjahren ein Reinertragnis von 731.826 fl. jahrlich gewartiget werde. Unter diesen gtinstigen Voraussetzun- gen brachte nun das Handelsministe- rium, dem das Abgeordnetenhaus am 12. Mai 1871 wieder zwei einschlagige Petitionen »zur eingehendsten Wiirdi- gung und besonderen Beriicksichtigung« empfohlen hatte, am 29. Mai 1871 einen die Concessionirung der Eisen- bahnen von Sternberg im Anschlusse an die Mahrisch-schlesische Nordbahn iiber Mahrisch-Neustadt, Mahrisch-Schonberg, Hannsdorf und Grulich an einen Punkt der Linie Wildenschwert - Mittelwalde nachst der Reichsgrenze betreffenden Gesetzentwurf zur verfassungsmassigen Behandlung, in welchem dieser Bahn eine Staatsgarantie von jahrlich 336.000 fl. und eine fiinfzehnjahrige Steuerfrei- heit zugedacht war. Auch der am 6. Juni 1871 zur Vorberathung des Ge- setzentwurfes eingesetzte Ausschuss des Abgeordnetenhauses erklarte es fiir un- zweifelhaft, »dass die neue Linie zu den rentabelsten osterreicbischen Bahnen ge- zahlt werden diirfte und nur deshalb der staatlichen Begiinstigung bedarf, weil die Bedeutung der Bahn in weiteren Kreisen, namentlich auf den grosseren Geldmarkten noch nicht hinreichend be- kannt ist und die Geldbeschaffung durch eine theihveise Zinsengarantie wesentlich erleichtert wird«. Die Erledigung des Gesetzes ging daher rasch von Statten; es wurde am 21. Juni vom Abgeordnetenhause, am 27. Juni vom Herrenhause in letzter Lesung angenommen und am 14. Juli 1871 a. h. sanctionirt. Am 2. August 1871 fanden sodann die letzten Ver- handlungen des Ministeriums mit dem nunmehr zu einem Consortium ausgestal- teten Comite statt, wobei dasselbe sich protokollarisch verpflichtete, die Ziffer des Nominal-Anlage-Capitals sowie den Begebungscurs der Titel der Genehmi- gung des Handelsministeriums zu unter- werfen, gleich die erste Anlage der Stationsplatze fiir einen grosseren Zugs- verkehr einzurichten, etc., hingegen die Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 145 unmittelbare Verbindung mit Mittelwalde, ! soweit sie auf osterreichischem Gebiete j gelegen ist, grundsatzlich zugesichert erhielt. Am 11. September 1871 erfolgte die Concessionirung der genannten Lini e an die Firma Gebrtider Klein, Eduard Oberleithner, Karl Oberleithner, etc. etc. im ter den oberwahnten sowie ferner unter den Bedingungen, dass die Vergebung der Bauarbeiten und der Liefe- rungen der Controle des Ministeriums unterliegen und die Bahn spatestens binnen drei Jahren vollendet sein miisse. Nach jahrelangen Bemiihungen der ortlichen Interessenten war sohin jetzt endlich auch dem wohlhabenden und industriereichen nordlichsten Landstriche Mahrens die ersehnte Eisenbahn -Verbin¬ dung gesichert. Bei den Voreinleitungen fiir die Aus- fiihrung derselben hatten die Gebrtider Klein, als Eigenthiimer der Hohenstadt- Zoptauer Balin, mit den Concessionaren der neuen Linie die Zusammenlegung der beiden ineinander greifenden Unter- nehmungen vereinbart, um nicht jede derselben mit den Spesen einer eigenen Verwaltung belasten zu miissen. Da also bei dieser Transaction keinerlei geschaftliche Absichten vorwalteten, hielt sich der Ankaufspreis fiir die Hohenstadt- Zoptauer Bahn einfach auf der Hohe der von ihren Erbauern auf sie venvendeten Selbstkosten, die in Titeln der neuen Bahn, und zwar nom. 1,000.000 fl. in Actien und nom. 1,000.000 fl. in Prioritats - Obligationen riickzuvergiiten waren. Demnach ivurde das Anlage- Capital der vereinigten Lini en auf nom. 17,000.000 fl., namlich 9 Millionen in Actien und 8 Millionen in 5°/ 0 igen Prioritats-Obligationen, festgesetzt. Ali dies geschah im Einvernehmen mit dem Wiener Bankverein — der die sammt- lichen auszugebendenTitel zu einem durch- schnittlichen Curse von rund 80°/ 0 auffeste Rechnung nahm — und wurde am 15- Februar 1872 in Vertragsform gebracht. Daran schloss sich die am 16. April 1872, auf Grund des am 3. Marž 1872 be- hordlich genehmigten Statutes, vollzogene Constituirung der Actien - Gesellschaft »k. k. priv. MahrischeGrenzbahn«, sodann die Einrichtung der Geschafts- leitung, wobei der Bureauchef der Siid- bahn, Ignaz K o n t a, zum General-Secretar, der Baufuhrer der Hohenstadt-Zoptauer Bahn, Theodor Rodler, zum bauleitenden Ober-Ingenieur und [etivas spater] der Be- triebs-Inspector der letztgenannten Bahn, Franz Schaffer, zum Betriebsleiter er- nannt wurden. Am 20. Juni 1872 erfolgte die Vergebung des Baues an die Wiener Eisenbahn-Baugesellschaft, die am 31. Juli 1872 mit den Arbeiten begann. Mittler- weile hatte am 1. Juli die Uebernahme der Hohenstadt-Zoptauer Bahn in das Eigenthum der Mahrischen Grenzbahn, wie auch, am 18. Juli 1872, die Emission der sammtlichen Actien und Obligationen, erstere zum Curse von 174, letztere zum Curse von 186, im Wege der offentlichen Zeichnung stattgefunden. Der Bau nahm anfanglich einen guten Fortgang, erfuhr jedoch nachher dadurch einige Verzogerung, dass die Wiener Eisenbahn - Baugesellschaft zu Beginn des Jahres 1873 in Liqui- dation kam und der Bau anderweitig sichergestellt werden musste, was iibrigens bald beiverkstelligt war, da die Unternehmung Gebrtider Klein in alle Rechte und Pflichten des Pauschal- vertrages mit der frtiheren Bauunter- nehmung eintrat, daher die Ausftihrung der sammtlichen Bauarbeiten iibernahm, \vahrend die Ausrtistung der Bahn und die Beschaffung des Fahrparkes, nach wie vor, eigene Sache der Gesellschaft blieb. Der am 27. Marž 1873 abge- schlossene neue Bauvertrag erhielt am 8. April 1873 die Genehmigung des Ministeriums. Die neue, bestbewahrte Unternehmung hatte auch hier wieder eine Probe ihrer langst bekannten und anerkannten Leistungsfahigkeit geliefert, indem sie die, nach Befund der staatlichen Aufsichts- organe, ganz musterhaft ausgefiihrte Bahn schon mit Ende September 1873 bis Grulich betriebsfahig vollendete. Dies bestimmte den Verwaltungsrath, die 89'9 km lange Linie Sternberg- Grulich, wenn auch vorerst noch fiir Rechnung des Baues, sogleich dem Betriebe zu ubergeben; ihre Eroffnung sowie zugleich auch die Uebernahme des Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 10 146 Ignaz Konta. bis dahin von der Staatseisenbahn- Gesellschaft besorgten Betriebes der Hohenstadt-Zoptauer Bahn in die eigene Regie der Mahrischen Grenzbabn erfolgte O o am 15. October 1873. Die 2-g km lange Theilstrecke von Gruli c h bis zur Einmiindung in die Nordwestbahn bei Lichtenau wurde erst am 14. Januar 1874 eroffnet und zunachst von dieser Anschlussbahn betrieben, die damals ihr Erganzungsnetz ebenfalls schon bis Lichtenau dem Verkehre iibergeben, aber die Verbindungen nach Mittelwalde und Wildenschwert noch nicht fertiggestellt hatte. Sechs Monate spater horte der so- genannte Baubetrieb auf und es begann mit dem fernerbin auf Rechnung der Gesellschaft gehenden Betriebe auch die Wirksamkeit der Staatsgarantie, die sich alsbald nicht nur als nothwendig, sondern vielmehr als unzureichend erwies, da der Verkehr andauernd ein nur sparlicher blieb. Aus dieser schon wahrend des Bau- betriebes wahrnehmbar gewordenen Er- scheinung, die zu den giinstigen Aus- sichten und Erwartungen, unter denen die Mahrische Grenzbahn ins Leben ge- rufen wurde, so sehr im Gegensatze stand, erkannte der Verwaltungsrath, dass eine Vorsorge fiir die Sicherung der Zukunft des gesellschaftlichen Unter- nehmens dringend noth thue ; er befasste sich daher mit der Frage der ehemog- lichsten Erzielung eines directen An- schlusses. der eigenen Linie an das preussische Bahnnetz, wie auch mit Pro- jecten fiir die Erweiterung ihres Verkehrs- gebietes, unter denen die Linie Mahrisch- Neustadt-Gaya, beziehungsweise Goding die erste Stelle einnahm. Inzwischen war aber die Nordvvestbahn — sei es weil sie auch hier der Staatseisen- bahn-Gesellschaft und derNordbahn naher an den Leib rticken mochte, sei es weil ihre Geldkrafte auch diejenigen der Mahrischen Grenzbahn waren und diese die letztere bei Zeiten stiitzen wollten — mit einem Fusionirungsantrage hervorgetreten, wo- nach sie [die Nordwestbahn] die Priori- tatsschuld der Grenzbahn vollstandig und deren Actien zum Preise von nom. 140 fl. pro Stiick, zahlbar in Nordwest- bahn-Actien lit. A, iibernehmen wiirde. Der Verwaltungsrath legte nun die An- gelegenheit der am 25. Juni 1874 abge- baltenen ersten ordentlichen General- versammlung vor, und diese ermachtigte ihn, den Fusionsvertrag abzuschliessen, wie auch, im Falle des Nichtzustande- kommens der Vereinigung Concessionen fiir Fortsetzungslinien der Mahrischen Grenzbahn zu erwerben. Es kam jedoch weder zu dem einen noch zu dem anderen; die Fusion strandete, wie wir weiterhin noch genauer erfahren werden, im Ab- geordnetenhause, und die Fortsetzungs- projecte scheiterten an der Verschlimme- rung sowohl der allgemeinen als auch der gesellschaftlichen Verhaltnisse. Desgleichen missgliickten die nach- mals noch unternommenen Hilfsversuche; die Gesellschaft blieb auf sich selbst und ihre eigene Ivraft angewiesen, die jedoch trotz aller auf die Hebung der Einnahmen und auf eine oconomische Gebarung verwendeten Sorgfalt nicht erstarkte. Der mit fast umviderlegbarer Gewissheit vorausgesagte grosse Verkehr wurde vergebens erwartet und angestrebt; er zeigte sich nur ab und zu, wenn die machtigen Nachbarbahnen just im Streite lagen, sonst aber war er uberhaupt nicht vorhanden oder er konnte nicht iiber die von den letzteren gebildete Um- klammerung der Grenzbahn hinweg bis zu dieser gelangen. Dadurch kam es, dass diese junge Schopfung, die weder mit Griindungs- machenschaften noch mit einem Bau- deficite behaftet war, vielmehr, un- beschadet einer vorziiglichen Ausfuh- rung, nahezu 1,000.000 fl. vom Bau- capitale eriibrigt hatte und anerkannter- massen mit der strengsten Sparsamkeit verwaltet wurde, verkiimmern musste. So lange jene Ersparnis vorhielt, die Staatsgarantie bis zur Hohe des Erfordernisses fiir den Prioritatendienst zu erganzen, erlitt wenigstens die Ver- zinsung dieser Titel keinen Abbruch; als jedoch der letzte Groschen hinge- opfert war, sank auch die Mahrische Grenzbahn, welcher prophezeit gewesen, dass sie »eine der rentabelsten osterrei- chischen Bahnen« sein werde, in die Reihe der nothleidenden Unternehmungen hinab. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 147 Abb. 80. Viaduct bei Bernsdorf. [Nach einer Original-Aufnahme von Er\vin Pendl.] Die Mahrische Grenzbahn hat ihren.An- fangspunkt am Stations- platze Sternberg der Mah- risch-schlesischen Nordbahn. Von da aus fuhrt die Bahn in nordwestlicher Richtung gegen Mahrisch-Neustadt, tibersetzt daselbst den Os- lawabach und steigt nun gegen Treublitz, wo sie ihre Richtung in eine nordliche andert, und erreicht die Wasserscbeide oberhalb Ra- bersdorf [408-3 m Seehshe] und geht im Gefalle nach Frankstadt. Diesen Ort durch ■ schneidend, verandert die Bahn weiterhin wieder ihre Richtung in eine siidhstlicbe und erreicht das Hohen- stadt-ZOptauer Geleise, so- mit auch das Thessthal. Gleich nachdem sich beide Schienenstrange vereinigt haben, iibersetzen sie den Thessfluss mit zwei neben- einander gelegenen Briicken und miinden in den Stations- platz Mahrisch-SchOnberg ein. Vom Stationsplatz Mah- risch-Schonberg gehen wieder die beiden Schienenstrange parallel, im Thessthale in siidlicher Richtung im Gefalle bis Blauda, von wo aus das rechtsseitige Schienen- aar das Geleise der Hohenstadt-ZOptauer inie verlasst, um ins Marchthal einzubiegen. Das linke Marchufer in westlicher Rich¬ tung verfolgend, verandert die Bahn bei KlOsterle abermals ihre Richtung in eine nordwestliche, iibersetzt bei Eisenberg den Marchfluss und geht am rechten Marchufer bis Marzdorf, gewinnt dort wieder das linke Marchufer und geht bis Hannsdorf, wo der Marchfluss zum dritten Male iibersetzt wird. Gleich hinter Hannsdorf verandert die Bahn wieder ihre Richtung in eine nordwestliche, die sie nunmehr bis zu ihrem Endpunkte bei Lichtenau beibehalt, und entwickelt sich an- steigend an den steilen Lehnen des links- seitigen Marchufers, durchfahrt zwei vor- springende Bergnasen mittels zweier Tunnels von zusammen 244 m Lange, iibersetzt zwei- mal nacheinander die March und verlasst das linke Ufer erst hinter Grumberg-Mohrau. Bei Rothfloss iibersetzt die Bahn zum letzten Male die March und iiberschreitet gleich- zeitig hier die Landesgrenze zwischen Mahren und BOhmen. Unmittelbar nachdem die Bahn das Marchthal verlassen, erreicht sie mit einer Steigung von 1:60 die europaische Wasser- scheide zwischen der Neisse und Adler, und somit ihren hOchsten Punkt, 599’08 m tiber dem Meeresspiegel. Von da an fallt die Bahn, an der linken Lehne der Stillen Adler sich ent\vickelnd, bis zum Stationsplatz Gru- lich. Von hier aus theilt sich die Bahn, doch laufen die Geleise noch eine kurze Strecke nebeneinander her. Das rechtseitige Geleise zweigt gegen die Ssterreichisch-preussische Reichsgrenze zum Anschlusse an die Ober- schlesische Bahn ab und das linke Geleise zieht bis nach Lichtenau weiter, um daselbst in die Oesterreichische Nordwestbahn ein- zumiinden. Sieht man von dem, eine Verlan- gerung der Siid-norddeutschen Verbin- dungsbahn bis an die Reichsgrenze bei Seidenberg [nebst Abzweigungnach Tann- wald] bezweckenden Gesetze vom 1 g. Juli 1871 vorlaufig ab, weil dasselbe erst im darauffolgenden Jahre praktische Anwen- dung gefunden, dann bildet das Gesetz vom 11. Juli 1871, welches die staat- liche Genehmigung des Verkaufes der Nordbahnstrecke Jedlesee-Stockerau an die Oesterreichische Nordwestbahn zum Gegenstande hat, den Abschluss der fiir das osterreichische Eisenbahnwesen entfalteten legislativen Thatigkeit im Jahre 1871. Mittels dieses Gesetzes wurde die Re- gierung ermachtigt, aus Anlass der kauf- weisen Erwerbung der genannten Strecke [Stockerauer Fltigel] durch die Oesterreichische Nordwestbahn, auf das 10 ' 148 Ignaz Konta. dem Staate zufolge des Privilegiums [ftir diesen Fliigel] vom 28. Marž 1840 zustehende Heimfallsrecht zu verzichten, \vie auch keinen Anspruch auf den Kauf- schilling zu erheben und die Einbeziehung jenerStrecke in die Oesterreichische Nord- -vvestbahn als integrirenden Bestandtheil der Linie Wien-Znaim zuzugesteben, wenn die Kaiser Ferdinands-Nordbahn sich verpflichtet, den ihr aus diesem Verkaufe zufliessenden Kaufschilling im Betrage von mindestens 1,000.000 fl. innerhalb des Termines von fiinf Jahren zur Her- stellung einer neuen, an die Kaiser Fer¬ dinands-Nordbahn anschliessenden Eisen- bahnlinie zu verwenden. Das schon seit dem Jahre 1869 vorbereitet gewesene Kaufgeschaft ist iibrigens gleich, nachdem die Gesetzesvorlage den Reichsrath passirt hatte, namlich am I. Juli 1871 endgiltig abgeschlossen und der beziig- liche Vertrag am 21. August 1871 von der Staatsverwaltung genehmigt worden. Unter Einem mit dem Vertrags-Abschlusse erfolgte auch die Uebernahme der Strecke in das Eigenthum der Oesterreichischen Nordwestbahn, ftir deren Rechnung der Betrieb bis 1. November 1871, d. i. dem Tage der Eroffnung der [Nordwestbahn-] Strecke Stockerau - Znaim noch von der friiheren Eigenthumerin fortgeftihrt wurde. Der am 27. December 1871 eroffnete neue Reichsrath fand auch ein neues Ministerium vor. Das Blatt hatte sich vvieder zu Gunsten der Verfassungspartei gewendet, aus deren Reihen am 25. No¬ vember 1871 das Cabinet Ftirst Adolf Auersperg hervorging, in welchem Dr. Anton B a n h a n s das Flandelsamt inne hatte. Es kehrte also die Eintrachtzvvischen Regierung und Parlament zuriick und die hiedurch frisch belebte legislative Schaffensfreudigkeit kam auch dem Eisen- bahnwesen zugute. Nicht weniger als z w a n z i g, die Vervollstandigung des Bahnnetzes bezweckende Gesetzentwi;rfe brachte der Handelsminister im Laufe der VII. Parlaments-Session, die bis zum 23. April 1873 wahrte, zur verfassungs- massigen Behandlung und mit Ausnahme von dreien, welche allerdings die schon oft und vielseitig begehrten Linien tiber den Arlberg und den Predil sowie die Bahnen ftir den Localverkehr in und um Wien, also besonders wichtige Schienenwege betrafen, fanden alle diese Vorlagen auch die gewiinschte Erledigung. Gleich zahlreich waren dann die Concessio- nirungen, da die Regierung neben den auf Grundjener, nun Gesetz gewordenen Vorlagen ertheilten Concessionen noch einige andere verlieh, zu denen, weil sie mit keinerlei staatlichen Begiinsti- gungen ausgestattet waren, die Mitvvir- kung der Legislative nicht erforderlich gewesen. Auch ftir die innere Ausgestaltung des osterreichischen Eisenbahnwesens entfaltete der neue Handelsminister so- gleich eine besondere Emsigkeit; er fiihrte die durch staatliche und Sicher- heitsrucksichten immer nothvvendiger ge- wordene einheitliche Signali siru n g ein [Verordnung vom 16. Juni 1872] und setzte an Stelle des bisherigen pri¬ vaten, weil von den Eisenbahn-Verwal- tungen selbst geschaffenen, ein staat- liches Betriebs-Reglement in Wirksamkeit [Verordnung vom I. Juli 1872], das den Wiinschen des Handels- standes, wie sie in der von der Wiener Handelskammer im Jahre 1871 veran- stalteten Transport-Enquete zum Aus- drucke kamen, moglichst Rechnung trug, zugleich aber die erste Grundlage ftir die gleichfalls vom Minister Dr. Banhans ein- geleitete Vereinbarung .mit Deutschland bildete, aus welcher das ftir die beider- seitigen Reichsgebiete geschaffene, ein¬ heitliche Betriebs-Reglement vom Jahre 1874 hervorging. Er \virkte auch dahin, dass im Interesse der raschen Popularisirung der im Gesetze vom 23. Juli 1871 vorgeschriebenen, ab x. Januar 1876 obligatorischen neuen Mass- und Gewichtsordnung, das Meter- mass und -Gewicht schon vom 1. Januar 1873 an beim Baue und Be- triebe der Eisenbahnen in Anwendung komme. [Verordnung vom 26. October 1872.] Leider blieb ein grosser Theil der gesetzgeberischen und Concessionirungs- Thatigkeit ganz fruchtlos. Die beispiel- lose Agiotage in den Werthen unzahliger Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 149 Neugriindungen auf dem Gebiete des Bankwesens und der Bauindustrie nahm das Capital so vollig in Anspruch, dass die Geldbeschaffung fur neue, insbeson- dere ungarantirte Eisenbahn-Unterneh- mungen fast zur Unmoglichkeit \vurde. Wahrend im Jahre 1871 Titel neuer Eisen¬ bahnen in der H6he von 73,000.000 fl. flotten Absatz fanden, konnte im Jahre 1872 kaum die Halfte dieser Summe und im Jahre 1873 [Januar] nur noch ein Be- trag von 5,000.000 fl. stabil untergebracht werden. Noch misslicher gestalteten sich die Dinge, nachdem das Kartenhaus, das falschlich die Bezeichnung »volkswirth- schaftlicher Aufschwung« trug, in Wirk- lichkeit aber auf einer wahnwitzigen Spielwuth fusste, zusammengebrochen war und in seinem Sturze den grbssten Theil der Capitalien, \velche an gewagte Unternehmungen und an die himmel- sttirmende Speculation gebunden waren, vernichtete; denn wo noch gesunde Ver- mogen iibrig geblieben, flohen sie nun das Associations-Wesen, und alles, was Actie hiess, blieb auf lange Zeit hinaus geachtet. Ernste Anzeichen der nahen- den Krisis machten sich schon im Herbste 1872 bemerkbar, doch hielt der Taumel noch weiter an; erst Anfangs April 1873, als die »Vorsichtigen« den sclrvvanken Bau zu verlassen anfingen, trat einige Erniichterung ein, die aber bald in Angst und Schrecken umschlug; die Curse sanken jahlings in die Tiefe und am 9. Mai 1873 brach die Katastrophe herein. Hatte also im Jahre 1872 die wilde Jagd nach billigem Gewinne den neuen Eisenbahn-Unternehmungen den Geld- markt verschlossen, so war es nach dem Ausbruche der Krisis das allgemeine Misstrauen, \velches ihnen die finanziellen Hilfsmittel unzuganglich machte. An diesen Zustanden ging denn auch die Mehrzahl der Erstlingsfriichte der Thatig- keit des Handelsministers Dr. Banhans, gleich nach ihrem Entstehen wieder zu- grunde. Von den unter seiner Amts- fiihrung bislang ertheilten Concessionen, und z\var: 150 Ignaz Konta. fur die, zufolge der Gesetze vom i. April, beziehungsweise 7. und 17. Mai 1873 mit einer 20 bis 25jahrigen Steuer- I freiheit bedachten Linien Czernowitz- Nowosielica, Knittelfeld-Gonobitz-Steiri- sche Grenze und Wien-Radkersburg- Steirische Grenze sammt Zweigbah- nen Bewerber zu Abb. 81. Siid-norddeutsche Verbindungsbahn. sind die unter Nr. 3, 5, 10—12 und 16—17 angefuhrten Linien in der Gesammtlange von 117'7 Meilen = 892^9 km tiberhaupt nicht, die unter Nr. I angefiihrte erst nach Erhohung der Staatsgarantie, end- lich die unter Nr. 7 und 15 angefuhrten erst nach Gewahrung von staatlichen Bauvorschussen [erstere sogar dann noch nur theilweise] zur Ausfuhrung ge- kommen. Auch die iibrigen in der VII. Reichs- raths-Session geschaffenen Eisenbahn- Gesetze traf kein freundlicheres Los. Das zugleich mit einigen 'anderen Vor- lagen am 28. Juni 1872 sanctionirte Ge- setz fur die Concessionirung der Linie Klostergrab-Pirna unter Gewahrung einer zehnjahrigen Steuerfreiheit blieb undurch- fiihrbar; das Gesetz vom 29. Juni 1872, das eine dreissigjahrige Steuerfreiheit fiir die Linien Tarnow-Gryb6w-Leluch6w, Grybow-Zagorz, Sandec-Saybusch-Bielitz und Saybusch-Csacza vorgesehen hatte, wurde dadurch gegenstandslos, dass zu der am 9. December mit der Einreichungs- frist bis 28. December 1872 ausgeschrie- benen Offertverhandlung fur die Ver- gebung der Concession kein einziges Angebot beim Handelsministerium ein- langte; ebensowenig \var es gelungen, finden oder die schon vorhanden gewese- nen festzuhalten; so¬ gar das Gesetz vom 30. April 1873, wel- ches fur die Linie Spalato-Knin-Croa- tische Grenze nebst Abzweigung nach Žara eine Staats¬ garantie von 47.300 fl. pro Meile bewilligte, versagte, [Schloss Friedl and.] wg jj e i nze l ne Bedin- gungen desselben, namentlich die Begebung der Titel zum Durchschnitts-Curse von mindestens 85 °/ 0 und die Verbindung der Hauptbahn mit dem croatisch-ungarischen Bahnnetze, unerfiillbar waren; das Gesetz vom 7. Mai 1873, mit welchem die Linien Rakonitz-Jechnitz und Falkenau-Graslitz unter Gewahrung einer Steuerfreiheit bis zu zwanzig Jahren sichergestellt werden solite, kam nur zur Halfte, namlich riick- sichtlich der letztgenannten Linie und auch da erst, nachdem durch ein spateres Gesetz [30. April 1874] fur dieselbe ein Bauvorschuss von 1,500.000 fl. bewilligt worden war, zur Durchfuhrung. Aehnlich erging es auch dem Gesetze vom 22. April 1873 ; dasselbebewilligte fiir die westgalizischen Linien, denen schon das Gesetz vom 29. Juni 1872 gegolten hatte, nunmehr eine Staatsgarantie von 50.300 fl. pro Meile [jedoch ausschliess- lich der Linie Bielitz-Saybusch-Csacza, der wieder nur eine zwanzigjahrige Steuer¬ freiheit zugestanden wurde], eventuell die Ausfuhrung der Linie Tarnow-Lelu- chow auf Staatskosten, bei der es denn auch sein Bevvenden hatte, weil sich jetzt ebensowenig ein Bewerber ein- gestellt hatte wie bei der Offertverhand¬ lung im December 1872. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 151 Vollends aufrecht blieb somit nur das Gesetz vom 3. Marž 1873, weil es ftir die Linie Divacca-Pola nebst Zweig- bahn nach Rovigno die Concessionirung mit einer Staatsgarantie von 43.800 fl. pro Meile oder aber den Bau auf Staatskosten zuliess und die Regierung sich unter den obwaltenden Verhaltnissen gleich entschloss, von der letzteren Facultat Gebrauch zu machen. Ohne weitere Riicksichtnahme auf die vorbezeichneten, zwar concessionirten aber gleich\vohl nicht ins Dasein getre- tenen neuen Unternehmungen sowie auch auf diejenigen der oben aufgezahlten neuen Linien, welche als Fortsetzungen alterer Bahnen schon friiherhin in Er- orterung gezogen waren, namlich: die Linien Zellerndorf-Neusiedl [Seite 122], Briix-Mulde [Seite 117], Troppau-Vlara- pass [Seite 104], Krima-Raizenhain [Seite 46], Pilsen-Eisenstein und Mlatz- Joh.-Georgenstadt [Seite 107], ist an dieser Stelle blos auf die restlichen sechs Con- cessionen aus dem Jahre 1872 naher einzugehen. Reichenberg-Seidenberg nebst Flugelbahn von Eisenbrod nach Tannwald. Um die Ertragsfahigkeit ihrer Stammlinien zu steigern, hatte die Siid-norddeutsche Verbindungsbahn schon seit Langem danach getrachtet, von Reichenberg aus einen Anscbluss an das preussische Bahnnetz bei Gorlitz zu er- langen. In formliche Bewerbung um die Concession ftir diesen Fortsetzungsbau trat sie jedoch erst im Jahre 1.869. Da- mals liefen auch zahlreiche Bittgesuche von Industriellen des Reichenberger Handelskammerbezirkes bei der Regie¬ rung ein, in denen sie angegangen wurde, dem imnatiirlichen Zustande, dass der Verkehr zwischen der preussischen Lau- sitz und Bohmen den grossen Umweg iiber Zittau und Lobau nehmen miisse, ein Ende zu machen. Das Handelsministerium kam darum den Bestrebungen der Bahngesellschaft desto bereitwilliger entgegen, verlangte aber die gleichzeitige Ausfiihrung der Ziveigbahn von Eisenbrod nach Tannvvald, \velche richtiger schon im Jahre 1857 hatte in die Trače der Stid-norddeutschen Ver¬ bindungsbahn aufgenommen werden sollen, weil sie durch industriebeflissene Gegen- den und nicht, wie die dermalige Trače jener Bahn, durch unwirthliche Gebiete fiihrt. Die Siid-norddeutsche Verbindungs¬ bahn entsprach diesem Verlangen und bezog auch die Abzweigung in ihr Con- cessions-Gesuch ein, jedoch ohne damit etwas augenblicklich gewonnen zu haben; denn das ganze Vorhaben stand noch vor einem gevvaltigen Hindernisse, nam¬ lich dem Staatsvertrage mit Sachsen vom 24. April 1853, vermoge dessen die oster - reichische Regierung gehalten war, inner- halb eines Zeitraumes von 25 Jahren, ge- rechnet vom Tage der Ertheilung der Con¬ cession ftir die Zittau-Reichenberger Bahn [19. September 1857], einen an- deren unmittelbaren Bahnanschluss der Stadt Reichenberg an die sachsischen oder preussischen Bahnen, weder selbst auszufiihren, noch durch Andere ausfiihren zu lassen [Art. 1, Abs. 6]. Die. Regie¬ rung konnte daher, erst nachdem diese sonderbare Bestimmung durch den Staats- vertrag mit Sachsen vom 24. December 1870 ausser Geltung gesetzt worden war, den Gesetzentwurf iiber die Concessio¬ nirung der Linie Reichenberg - Reichs- grenze bei Seidenberg nebst der Zweig- bahn von Eisenbrod nach Tannwald im Reichsrathe einbringen. Dies geschah am 18. April 1871. Das Abgeordnetenhaus nahm aber sehr einschneidende Aenderungen an der Regierungsvorlage vor, angesichts deren die Gesellschaft sofort erklarte, unter den nun gegebenen Bedingun- gen die Concession nicht annehmen zu konnen; es war namlich die Staats¬ garantie von 55.200 fl. auf 51.600 fl. pro Meile verringert und eine Bestim¬ mung [Art. V] in das Gesetz eingeschaltet \vorden, wonach die Gesellschaft, so- bald die Regierung dies verlange, zur Verlangerung der Flugelbahn von Tann- wald iiber Gablonz bis Reichenberg und zur Herstellung einer neuen Verbindung mit der Nordwestbahn in der Richtung von Neuschloss nach Tfemošna ver- pflichtet sein solite. Das Herrenhaus, bei welchem die Gesellschaft um die Ab- lehnung jener neuen Verpflichtung peti- 152 Ignaz Konta. tionirte, Hess nur die Linie Neuschloss- TfemoSna fallen und das Abgeordneten- haus trat dieser Modification bei [3. Juli 1871]; die Verpflichtung zur allfalligen Verlangerung; der Fltigelbahn iiber Ga- blonz nach Reiclienberg kam sohin auch in dem Gesetze vom 19. Juli 1871 zum Ausdrucke. Als Begriindung hiefiir wurde der verlangerten Fliigelbahn die Eigen- schaft eines zweiten Geleises der Strecke Eisenbrod-Reichenberg beigelegt. Da aber weder der Verkehr eine solche Ausgestaltung der Hauptbahn erforderte, noch die finanzielle Lage der Gesellschaft ihr diesen Luxus ge- stattete, nahm sie Anstand, die ibr blos als eine unniitze Belastung des Unter- nehmens diinkende Verpflichtung einzu- gehen. Aus diesem Umstande, wie nicht minder auch deshalb, weil die Ueber- prtifung der Bauprojecte, insbesonders desjenigen, welches ein Comitč von In- dustriellen in Tannwald fiir die Fliigel- bahn Eisenbrod-Tannwald angefertigt und nun der Gesellschaft iiberlassen hatte, die Unzulanglichkeit der in dem ervvahnten Gesetze bewilligten Staatsgarantie ergab, ging eine neuerliche Verzogerung der Angelegenheit hervor. Erst nach lang- wierigen Verhandlungen, bei denen u. A. vereinbart wurde, dass die Regierung den Ausbau der Strecke Tannwald- Reichenberg keinesfalls frtiher verlangen konne, als bis die Linien Eisenbrod-Tann- wald und Reichenberg-Gorlitz eroffnet sein wiirden, dass sodann eine die neu zu- gewachsenen Anlagekosten vollkommen deckende Erhohung der Staatsgarantie platzgreifen solle [Z. III des Protokolles vom 19. November 1871], und dass bis zur Eroffnung der letztgenannten Linie, beziehungsweise langstens bis Ende 1874 noch die alten Personentarife *) eing;e- hoben werden konnen [Handelsministerial- *) AnlSsslich der Concessionirung der Oesterreichischen Nordwestbahn wurde die Siid-norddeutsche Verbindungsbahn als Mit- concessionar der ersteren verpflichtet, die fiir diese festgesetzten Tarife, und zwar die Frachttarife ab I.. Januar 1869, die Personen- tarite sofort nach Eroffnung der Oesterreichi¬ schen Nordwestbahn einzufuhren [Handels ministerial-Erlass an die Concessionare der Oesterreichischen Nordwestbahn vom 3. Octo- ber 1868]. Erlass vom 13. Februar 1872], erklarte sich die Gesellschaft zur Uebernahme der Concession bereit, die ihr nun tiber a. h. Entschliessung vom 31. Marž 1872 zutheil wurde. Dieselbe gilt fiir die von Reich e li¬ ber g iiber Friedland bis zur Reichs- grenze bei Seidenberg fiihrende Fortsetzung der Hauptbahn und fiir die Flugelbahn von Eisenbrod nach Tann- wald, ivelche Linien eine Staatsgarantie bis zum Hochstbetrage von 51.600 fl. pro Meile geniessen, verpflichtet aber die Gesellschaft auch, iiber Verlangen der Regierung, die Flugelbahn von Tannwald iiber Gablonz bis Reichenberg zu ver- langern, in ivelchem Falle die Staats¬ garantie auf verfassungsmassigem Wege, entsprechend den wirklichen Bau- und Geldbeschaffungskosten erhoht ivird. Im Uebrigen enthalt dieConcessions-Urkunde noch folgende wesentliche Bestimmungen: Hinsichtlich der Staatsgarantie und der Concessionsdauer werden die neuen Linien als ein integrirender Bestandtheil der Stid- norddeutschen Verbindungsbahn betrach- tet; die Steuerfreiheit wahrt neun Jahre und kanu diese Befreiung auch in der Weise ausgefiihrt werden, dass die Entricbtung der Einkommensteuer fiir die Siid-nord- deutsche Verbindungsbahn nach Massgabe des Verhaltnisses der Liinge der bestehen- den Linie zu den neuen Strecken stattfindet; die Vergebung der Bauarbeiten hat im Wege der Offertausschreibung stattzufin- den; dieGenehmigung desEmissionscurses ist der Staatsvervvaltung vorbehalten, er darf jedo.ch keinesfalls 90°/ 0 unter- schreiten ; so lange die Gesellschaft noch mit Riickzahlungen fiir Staatsvorschiisse aushaftet, diirfen bei der Bemessung der Frachtpreise die Strecken der Flugelbahn Eisenbrod-Tannwald mit der 1 1 / 2 fachen Lange gerechnet werden. Die vorlaufig offen gebliebene Vollendungsfrist fiir die Hauptbahn wurde im Artikel I des am 21. Mai 1872 zu Berlin abgeschlossenen Staatsvertrages mit dem Deutschen Reiche auf spatestens den 1. Juli 1874 anbe- raumt; hinsichtlich der Flugelbahn war sie mit zwei Jahren, gerechnet vom Tage der Baubewilligung, festgesetzt. Mit alldem war jedoch die Sicher- stellung der neuen Linie noch immer nicht Geschiclite der Eisenbahnen Oesterreichs. 153 vollstandig erzielt; die von Seite der Be- gehungs-Commissionen geforderte Ver- mehrung derStationsanlagen, wie auch die seit der Aufstellung des ersten Kosten- voranschlages [1869] bedeutend in die Hohe gegangenen Materialpreise und Arbeitslohne, machten es augenscheinlich, dass mit der Staatsgarantie von 51.600 fl. pro Meile, beziehungsweise mit dem Nun erst waren auch die finanziellen Schwierigkeiten, an denen der Bau zu scheitern drohte, beseitigt. DasHandelsministerium forderte sonach mittels Erlasses vom 9. Mai 1873 die Ge- sellschaft auf, die Bauarbeiten ungesaumt in Angriff zu nehmen, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu beschleunigen und »nach Umstanden binnen einer zu prači- Abb. 82. Siid-norddeutsche Verbindungsbahn. [Abzweigung bei Eisenbrod.] [Nach einer photographischen Aufnahme von H. Brix.] durch sie bedeckten Anlage - Gapitale von 7,409.100 fl. das Auslangen nicht zu finden sei, und veranlassten die Gesell- schaft, beim Ministerium deswegen Vor- stellungen zu erheben. Erfreuiicherweise ging dadurch nicht neuerdings viel Zeit verloren; Re- gierung und Parlament konnten sich der Richtigkeit der Thatsachen nicht verschliessen; jene brachte am 3. April 1873 einen die Erhohung der Garantie auf 59.800 fl. pro Meile bezweckenden Gesetzentwurf ein und dieses erledigte ihn so rasch, dass derselbe schon am 4. Mai 1873 als Gesetz sanctionirt wurde. sirenden Erstreckung der, kraft des Staats- vertrages vom 21. Mai 1872, mit i.Juli 1874 ablaufenden Baufrist zu vollenden«. Der Verwaltungsrath legte, nachdem er den Bau, auf Grund der am 20. Februar 1873 unter Mitwirkung der Regierung durchgefiihrten Offertverhandlung, am 25. Mai 1873 losweise vergeben hatte, die Bauvertrage fiinf Tage spater dem Ministerium vor und ervvirkte hiebei die Erstreckung des Vollendungstermines um ein Jahr. Der Bau wurde auf der Hauptlinie am 16. Juli, auf der Fliigel- bahn am 23. Juni 1873 begonnen und rechtzeitig beendet; die Eroffnung beider, 154 Ignaz Konta. insgesammt 57^2 km langen Linien fand termingemass am I. Juli 1875 statt. Das Bau-Capital wurde in dem ur- spriinglich festgesetzten Betrage von eflec- tiv 7,409.100 fl. durch Ausgabe 5°/ 0 iger Prioritats-Obligationen beschafft, welche ein Consortium [Liebieg & Comp., Dis- conto-Gesellschaft], M. A. v. Rothschild & Soline, etc.] gleich im Jahre 1872 zum Curse von g 6 'g°j 0 auf feste Rechnung an sich nahm. Fiir den auf Grund der Garantie-Erhohung noch zu beschaffenden Erganzungsbetrag von effectiv 1,488.606 fl. gelangten im Jahre 1876 Gold-Prioritaten, und zwar 7000 Stiick a 400 Reichsmark zum Curse von 90 in Silber, beziehungs- weise 95 in Banknoten zur Ausgabe. Die Baukosten erreichten die Hohe von 9,700.000 fl. Im Beginne ihrer Bewerbung um die eben besprochene Linie hatte die Siid- norddeutsche Verbindungsbahn, wie be- reits friiher erwahnt [S. 37], die Fort- setzungsstrecke Schwadowitz-Konigshain- Reichsgrenze eroffnet und zwar: Schwa- dowitz-Konigshain am I. August 1868, Konigshain-Reichsgrenze am 29. Decem¬ ber 1869, deren Tracebeschreibung hier nachgetragen wird. Die Erganzungsstrecke Schwadowitz- Konigshain-Reichsgrenz e liegt durch- wegs in gebirgigem Terrain. Sie iibersetzt das Riesengebirge, beziehungsiveise die Wasser- scheide zwischen der Aupa und dem Bober- flusse beiKonigshain. BedeutendeErdarbeiten und Felssprengungen erschwerten den Bau. GrOssere Objecte |Viaducte] waren erforder- lich bei Parschnitz, Gabersdorf, Krinsdorf und Bernsdorf. Bei Saugwitz musste die Bahn durch den Ruprechtsfelsen in einem Tunnel gefiihrt werden. [Abb. 80.] Die Linie Reichenberg - Landes- grenze [gegen Seidenberg] bildet die natiir- liche Fortsetzung der alten Hauptlinie Par- dubitz-Reichenberg. Sie fiihrt von Reichen¬ berg aus etwa 2-4 km weit auf dem fiir zwei Geleise angelegten Unterbaue der Zittau- Reichenberger Bahn, und folgt dann nach Uebersetzung des Neisseflusses dem Zuge derBezirksstrasse nach Friedland und erreicht unter Anwendung einerMaximalsteigung von l4'3°/,,o und mit Beriihrung des Ortes Einsiedel die Wasserscheide des »Hemmrich«, zwischen dem Gebiete der Neisse und Wittig in einem Rticken des Isergebirges, der mit einem 528 m langen Tunnel in einer Meereshohe von 4l8'8 m iibersetzt wird. Von hier fallt die Trače bis Raspenau-Liebwerda und senkt sich dann in das Thal des Wittigflusses, welcher hinter der Station Friedland zweimal iiberbriickt wird. Bei Weigsdorf ist die Bahn bereits in die Niederungen der Wittig gelangt. Nach nochmaliger Uebersetzung des ge- nannten Flusses bei Bunzendorf und nach Passirung der Haltestelle Tschernhausen, in einer Meereshohe von 214^9 m , zieht sie an die Landes-, beziehungsweise Reichsgrenze, um mit der 2 - o66 km langen, fremden, jedoch von der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn pachtweise betriebenen Fortsetzungsstrecke nach Seidenberg zum Anschluss an dieBerlin- GOrlitzer Bahn zu gelangen. [Abb. 81.] Die Fliigelbahn Eisenbrod - Tann- wald zweigt in der Station Eisenbrod der Hauptbahn ab, lauft mit dieser in Ostlicher Richtung auf eine Strecke von I'9 km parali el, iibersetzt den Iserfluss und geht dann nordlich im Thale des Kamenitzflusses in wechselnden Steigungen und mit zweimaliger Ueber- brtickung des vielgekriimmten Flusses bis zur Station Tannvvald am Desselbach. In dieser Strecke werden zwei Tunnels passirt und Eugenthal und Nawarow, dann die Station Swarow beruhrt. [Abb. 82—84.] Braunau - S t r as swa 1 c h n er Bahn. Die fiir die Local-Interessen des betriebsamen und an Naturproducten reichen Mattigthales sowie als Wegktir- zung fiir den Verkehr zwischen Braunau und Salzburg, beziehungsiveise auch allen iibrigen Stationen der Strecke Salzburg-Lambach, und zumindest ortlich wichtige Verbindung Braunau-Strasswal- chen war urspriinglich in einem, dem altgeplanten Projecte Miinchen-Salzburg- Bruck a. M. [1851] nachempfundenen neueren Projecte [Braunau-Strasswalchen- Salzkammergut-Bruck a. M.], welches die Ingenieure J. Kitzler und IT. Schellhorn im Jahre 1864 ausgearbeitet hatten, mit- enthalten. Als eine bis zum Anschlusse an die damals gleichfalls projectirt gewe- sene »Mondsee-Bahn« verlangerte, selbst- standige Linie wurde sie im Sommer 1870 von dem Breslauer Handelshause Reisewitz und einJahr spater auch von der Industrie- und Commerzialbank fur Ober-Oesterreich projectirt, ivelcher letz- teren sich hernach der Bauunternehmer Karl Freiherr von Schwarz zugesellte. Diese heimischen Bewerber, fiir welche der Ingenieur Kitzler ein modificirtes Project verfasste, beschrankten jedoch, als ihnen nicht nur die angehoffte 25jahrige Steuerfreiheit, sondern iiber- haupt jede staatliche Begunstigung ver- sagt blieb, das am 13. Januar 1872 iiber- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. J 55 reichte eigentliche Concessions-Gesuch lediglich auf die Linie Braunau-Strass- walchen und nahmen die Fortsetzung iiber Mondsee nach Ischl fiir spaterhin in Aussicht. Gemass des Protokolles vom 9. Marž 1872, mit welchem die Concessions-Ver- handlungen ihren Abschluss fanden, hatten die genannten Be\verber sich anheischig gemacht, die Projecte fiir diese, nach dem Auftrage des Handelsministeriums normal- oder schmalspurig auszufiihrende Fort¬ setzung binnen sechs Monaten vorzulegen. In der vom 4. Mai 1872 datirenden Con- cession selbst [§ 15] ist den Conces- sionaren auf die Dauer eines Jahres das Vorrecht auf den Weiterbau eingeraumt; andererseits aber [§ 19] die Verpflichtung auferlegt, die concessionirte Linie, wenn die Staatsverwaltung dies »fiir nothvven- dig oder zweckmassig erachten solite, iiber deren Verlangen an eine andere Bahnunternehmung gegen Entschadigung abzutreten«. Die Durchfiihrung der Concession ging schnell und glatt von Statten. Das Statut erbielt am 30. Juni 1872 die behordliche Genehmigung, worauf dann am 12. Juli 1872 die Constituirung der Actien-Gesellschaft »k. k. priv. Brau- nau-Strasswalchner Eisenbahn« erfolgte. Das auf 5,000.000 fl. festgesetzte, in 10.000 Actien a 200 fl. und in 10.000 Prioritats-Obligationen a 300 fl. geglie- derte Gesellschafts-Capital wurde von dem Wiener Bankhause Weiss & Fischhof im Vereine mit der Frankfurter Wechsler- bank und der preussischen Creditbank iibernommen, hernach aber [Mitte Januar 1873] bis auf die fiir Fahrbetriebsmittel reservirt gebliebenen 1750 Actien zur offentlichen Zeichnung [die Actien zu 7 5 °/o, die Prioritaten zu 79 1 / 2 °/ 0 ] auf- gelegt. Den Bau hatte der Mitconcessionar, Karl Freiherr von Schwarz, beziehungsweise die von ihm errichtete »Oesterreichische Eisenbahn-Baugesellschaft« pauschaliter iibernommen, im Juli 1872 begonnen und in etwas mehr als Jahresfrist vollendet. Die Eroffnung der 37-4 km langen Bahn fand am 10. September 1873, also lange vor Ablauf des concessionsmassigen Ter- mines, statt. Die Fuhrung des Betriebes I wurde an die Kaiserin Elisabeth-Bahn iibertragen, welche auch den Fahrpark beistellte. Nocli wahrend des Baues schritt die Gesellschaft, unter Vorlage der Projecte, um die Concession sowohl fiir eine normal- spurige, als auch fiir eine schmalspurige Eisenbahn von Strasswalchen iiber Mond¬ see nach Ischl ein; hiebei musste sie es aber auch bevvenden lassen, da die Auf- rechthaltung des Stammunternehmens ihr genug zu thun gab. Unvorhergesehene, gar nicht fiir Bahnzwecke bestimmte Mehrleistungen verursachten ein Bau- deficit, welches, trotz der vom Handels- ministerium diesfalls bewilligten Erhohung des Anlage-Capitals [12. Februar 1874] um »vorlaufig« 500.000 fl., nicht bedeckt ■vverden konnte, weil seit dem Ausbruche der Krisis ungarantirte Titel keine Ab- nehmer fanden. Ueberdies Hessen die Verkehrsverha.lt- nisse Alles zu wunschen iibrig; die Ein- nahmen reichten nicht einmal an die Aus- gaben hinan und, nachdem es aus dem eben angefiihrten Grunde jetzt unmoglich geworden, die zuriickgelegten 1750 Actien zur Anschaffung eigener Fahrbetriebsmittel zu verwerthen, war die Gesellschaft ausser Stande, den Betrieb in die eigene Hand zu nehmen oder doch die Kosten der fremden Betriebsfiihrung herabzudriicken, sondern blieb auf Gnade und Ungnade der Kaiserin Elisabeth-Bahn iiberantwortet, die nicht die mindeste Lust und nicht das geringste Interesse hatte, sich zu Gunsten der kleinen Concurrenzbahn, sei es hinsichtlich der Ueberlassung von Transporten, sei es hinsichtlich der Be- triebskosten, irgend ein Opfer aufzuerlegen. In der Anfangsperiode des Betrie¬ bes half das Finanzirungs-Consortium iiber die Schwierigkeiten hinweg, dann aber ging es rasch abwarts. Fiir die Ein- losung des am I. Juli 1874 fallig gewor- denen Prioritaten-Coupons konnten die Geldmittel nicht mehr aufgebracht wer- den. Weder der Verwaltungsrath noch die am 22. Juni 1874 abgehaltene erste ordentliche Generalversammlung wussten Rath zu schaffen; jener erschopfte seine Weisheit darin, dass er den Platz raumte und die Actionare durften an sich und an ihrem Unternehmen die Bitternisse 156 Ignaz Konta. der Unterstutzungs-Werbung und Bediirf- tigkeit sowie nachher der »Sanirung« erfahren. Die Trače der B r auna u-S tr as s walch- ner Eisenbahn geht von der Station Braunau der Elisabeth-Bahn uber denMattig- bach in fast štetem Gefalle in stidostlicher Richtung liber St. Georgen, Mauerkirchen, Mattighofen, Munderfing, Friedburg nach Steindorf - Strasswalchen wieder zur Ein- miindung in die Elisabeth-Bahn. DieTerrain- verhaltmsse waren flir den Bau Iiberaus giinstige. Kahlenberg-Bahn. Inmitten des Hastens und Drangens nach Eisenbahn- Projecten, welches zu Beginn der Sieb- ziger-Jahre ein fast allgemeines war, ge- langten auch solche zur Geltung, deren Verwirklichung nicht eben wirthschaft- lichen Bediirfnissen entsprach, sondern vielmehr der Annehmlichkeit dienen solite. So wurde denn auch, angeregt durch die Erfolge der Rigibahn, das System der- selben nach Oesterreich verpflanzt, und die Anlage von Zahnradbahnen auf die Sophienalpe, die Raxalpe, den Schneeberg, die Schmittenhohe, den Schafberg und den Kahlenberg in Anregung gebracht. Bis zur Concessionirung sind aber damals nur die beiden letztgenannten gediehen. Zur Ausftihrung kam nur die Kahlenberg- Bahn, um deren Zustandebringung sich der Ingenieur der Staatseisenbahn-Gesell- schaft, Karl Maader, seit dem Jahre 1871 bemiiht hatte. Mit ihm in Verbindung standen die Erbauer der Rigibahn, Nikolaus Riggen- b a c h und Olivier Z s c h o k k e, ferner der Baurath Acbilles Thommen und der Advocat Dr. Josef Win i warter. Sodann befasste sich noch ein zweites, von Victor v. Ofenheim gebildetes Consortium mit einem gleichen Projecte, machte jedoch binnen Kurzem gemeinsame Sache mit den ersten Bewerbern, denen schliesslich auch die Unionbank beigetreten war. Die Concessionirung erfolgte auf Grund der a. h. Entschliessung vom 6. Juli 1872, mittels deren der Handelsminister er- machtigt wurde, »die von der Unionbank in Verbindung mit den Consortien des Nikolaus Riggenbach und des Victor Ritter von Ofenheim angesuchte Con- cession zum Baue und Betriebe einer Locomotivbahn mit Zahnradbetrieb von Nussdorf auf den Kahlenberg zu ertheilen und auch in Zukunft f ii r a h n 1 i c h e Bergbahn- Un t e r n e h m u n g e n mit der Bewilligung zum Baue und Betriebe vorzugehen«. Es war also das Maader’sche Project, welches den Eisenbahnen dieser Gattung in Oesterreich Eingang verschaffte. Leicht gemacht war ihnen das Zustan- dekommen iibrigens nicht; denn wahrend sie selbstverstandlich zu den grosstmog- lichsten Sicherheits-Vorkehrungen sowie dazu verpfiichtet wurden, alle Bauten so- gleich definitiv aus Eisen und Stein herzu- stellen, und auch verschiedene Leistungen nach Art der anderen Eisenbahnen auf sich nehmen mussten, erfreuten sie sich keiner staatlichen Begiinstigung, ja nicht einmal des Enteignungsrechtes. Die Kahlenberg - Bahn hat diesen Mangel schwer empfunden; denn die Anrainer derselben machten sich ihn weidlich zunutze, und die Unionbank nahm ihn zum Vorwande, die iiber- nommene Finanzirung des Unternehmens wieder zurtickzulegen, wodurch der Bau erheblich verzogert wurde. Derselbe begann erst im April 1873, nachdem der Baseler Bankverein und die Bank von Winterthur ihn um das auszugebende Actiencapital von 2,000.000 fl. iiber- nommen hatte. Die Constituirung der »K ali len berg-Eise 11 bahn - Gesel 1 - schaft, System Rigi« mit einemGrund- Gapitale von, wie gesagt, 2,000.000 tl., zerlegt in 20.000 Actien a 100 fl., fand aut Grund der am 20. April 1873 behordlich genehmigten Statuten am 10. Mai 1873 und die Eroffnung der 5'5 km langen Bahn am 7. Marž 1874 statt. Mit Ende eben dieses Jahres betrugen ihre Anlage- kosten 1,796.950 fl. Weitere Angaben, insbesondere uber die technische Ausfuhrung der Bahn, sind einem spateren Capitel, welches ausschliesslich den kleineren, ortlichen Schienenwegen gewidmet ist, vorbehalten. Wien - Pottendorfer Eisen¬ bahn. Zuerst als Ausgangsstrecke der im Jahre 1869 von Stephan Tiirr ge- planten grossen Schienenstrasse gedacht, welche von Wien liber Pottendorf und Oedenburg bis hinab ati die tiirkische Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 157 Grenze zum Anschlusse an die orienta- | lischen Bahnen fiihren solite, sodann in dem Graf Barthenheim’schen Projecte Wien-Ebenfurth-St. Polten und in anderen zur selben Zeit [1869—1871] in der Richtung gegen die ungarische Grenze projectirt gewesenen kleinen Schienen- wegen inbegriffen, wurde. die Linie Wien- Pottendorf das Object mannigfacher Be- werbungen, deren Zahl allmahlich bis auf 13 anvvuchs. Von allen diesen Projecten erwiesen sich jedoch nur drei als wirklich brauchbar, namlich jenes des Wiener Bankvereines [Wien-Ebenfurth-Ungarische Grenze], dann des Freiherrn von Erlanger [Inzersdorf-Ebenfurth] und des Consor- tiums Schoeller-Liebieg [Wien-Ebenfurth- Ober-Piesting, eventuell Gutenstein]. Gegen den Wiener Bankverein eifer- ten aber die Wiener Handelskammer und einige Tagesblatter, weil er Beziehungen zur Siidbahn habe, was auch wirklich der j | Fali gewesen sein mag. Fur die Regierung konnte dies aber umsoweniger einen Ausschliessungsgrund bilden, als die Siid- bahn, vermoge ihres concessionsmassigen Vorrechtes, ohnehin eines oder das an- dere Project hatte selbst verwirkli.chen kdnnen. Andere Stimmen wieder machten zu Gunsten des Wiener Bankvereines geltend: seine Capitalskraft, welche die sichere Ausfiihrung der Bahn verbiirgte, ferner die Bereitwilligkeit der Siidbahn, einen Betriebsvertrag mit ihm einzugehen und der neuen Linie jene Frachtmengen zuzuwenden, welche die alte Strecke Wien-Wiener-Neustadt zu ihrer Ent- lastung abzugeben vermag, was als eine Gewa.hr fur den guten Bestand der neuen Unternehmung volle Beachtung verdiente. Die Siidbahn hat eben, im Gegensatze zu anderen grossen Bahnen [z. B. der I Kaiserin-Elisabeth-Bahn in Ansehuno: 1 c> Abb. 83. Sud-norddeutsche Verbindungsbahn. [Nawarow, Strecke Eisenbrod-Tanmvald.] 158 Ignaz Konta. der Neumarkt-Braunauer oder gar der Braunau-Strasswalchner Bahn], die un- abwendbar gewordenen kleinen Con- currenzlinien nicht bekriegt, vielmehr dieselben recbtzeitig als Hilfsrouten ftir sich zu gewinnen und zu beniitzen ge- wusst. Der Wiener Bankverein erhielt also am io. September 1872 die Conces- sion fiir eine von Wien liber Inzers- d o r f nach Pottendorf und an die ungarische Grenze gegen Oedenburg fiihrende Eisenbahn, deren Bau binnen acht Monaten zu beginnen und bis langstens 10. Mai zu vollenden war. Eine staatliche Begiinstigung genoss die Bahn nicht; sie gelangte aber bald zu einer Art mittelbaren Zinsengarantie. Der Wiener Bankverein hatte namlich die noch im Jahre 1872 mit den Conces- sionaren der Wiener-Neustadt-Grammat- Neusiedler Bahn [siehe Seite 93] verein- barte Verschmelzung dieser mit der Wien- Pottendorfer Bahn zu einem Unternehmen, auf Grund der am 10. April 1873 erflossenen principiellen Genehmigung des Handels- ministeriums durchgefiihrt und bei diesem Anlasse die Verpachtung des Betriebes der vereinigten Bahnen an die Siidbahn auf die ganze Dauer der Concession und gegen einen unabanderlichen Pachtschilling von jahrlich 550.000 fl., d. i. eines Betrages, welcher die 5°/ 0 ige Verzinsung und Tilgung des mit 10,770.000 fl. bemessenen Anlage-Capi- tals deckt, zuwege gebracht. Die Verhandlungen iiber die genaue Festsetzung allerEinzelheiten des Betriebs- vertrages und der hiernach einzurichtenden Statuten der vereinigten Bahnen zogen sich zwar in die Lange, thaten aber der ganzen Transaction als solcher keinerlei Eintrag. Die Statuten erhielten am 30. Marž 1874 die behordliche Genehmigung, worauf dann am 6. Juni 1874 die Constituirung der Actien-Gesellschaft »Wien-Pottendorf — Wiener-Neustadter Bahn« vor sich ging; der Vertrag iiber die Verpachtung des Betriebes wurde [nach vorausge- gangener, Zustimmung seitens der ausser- ordentlichen Generalversammlung der Siidbahn vom 3. Juni 1874] am 21. und 22. Juni 1874, mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1875, definitiv abge- schlossen*) und am 7. August 1874 staatlich genehmigt. Von dem Anlage-Capital der neuen Gesellschaft, \velches, wie erwahnt, 10.770.000 fl. betragt [21.950 Actien a 200 fl. und 31.900 Prioritats - Obli- gationen a 2,00 fl.], wurden 26.400 Priori- tats-Obligationen am 25. November 1874 durch die Allgemeine Oesterreichische Bodencredit-Anstalt zum Curse von Sg 0 / 0 zur offentlichen Zeichnung aufgelegt. Den Bau ftihrte die Unternehmung; Hiigel undSager, unter Aufsicht der Baudirection der Siidbahn, in der Zeit vom Mai 1873 bis Ende April 1874 soiveit aus, dass die 26 - x km lange Linie M e i d 1 i n g- Pottendorf und die 1 ’3 km lange V e r- bindungzur Donaulande beiMitbe- niitzung einer 3^7 km langen Theilstrecke der Donaulandebahn dem Betriebe iiber- geben werden konnte. Die Eroffnung der restlichen eigenen, 5 km langen, Strecke Meidling-Inzersdorf und mit ihr jene der ganzen Linie [ohne weitere Mitbe- niitzung der genannten fremden Bahn] fand am 3. November 1875 statt. Bis dahin war es der Gesellschaft auch gelungen, eine Gleichstellung ihrer beiden Concessionen zu erzielen; dieselbe er- folgte mittels deš Gesetzes vom 24. Marž 1875, ivelches die der Wiener-Neustadt- Grammat-Neusiedler Bahn zugestandene fiinfzehnjahrige Steuerfreiheit aufhob, hin- gegen der vereinigten Wien-Pottendorf- *) Der Vertrag enthalt u. A. die folgen- den hauptsachlichen Bestimmungen: Die Pachtlinien werden der Siidbahn in einem vollkommen betriebsfahigen und ausgeriiste- ten Zustande tibergeben und sie kann die¬ selben so beniitzen, als ob sie deren Eigen- thiimerin ware, muss aber auch alle Betriebs-, Erhaltungs- und Erneuerungskosten, Steuern und sonstige Lasten allein tragen. Fiir die Besorgung des Dienstes der allgemeinen Verwaltung erlialt sie jahrlich 1500 fl. und als Betriebs-Reserve 200.000 fl. ein fiir alle Mal von der verpachtenden Gesellschaft, auch werden ihr 750 Actien der Wien-Potten- dorf-Wiener-Neustadter Bahn iiberantwor- tet. Die Siidbahnhingegen entrichtetin Seme- stralraten [Januar—Juli] einen unverander- lichen Pachtschilling von jahrlich 550.000 fl, der in keinem Falle, auch nicht wegen ausser- ordentlicher Ungliicksfalle, eine Schmalerung erleiden darf. Ausserhalb der Vertrags- bestimmungen hat die Siidbahn weitere 100.000 fl. als Specialreserve fiir etwaige kiinftige Reconstructionen erhalten. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 159 Wiener-Neustadter Bahn eine sieben- jahrige Steuerfreiheit zusprach und die Concessionsdauer fur beide Bahnen ein- heitlich auf neunzig Jahre, gerechnet vom 1. Januar 1875 an, festsetzte. Anlasslich der Verlautbarung dieser abgeanderten Concessions-Bestimmungen wurde die Gesellschaft uberdies von der Verpflichtung zum Ausbaue der Theil- strecke Pottendorf-Ungarische Grenze »bis auf Weiteres« enthoben [Kundmachung des Handelsministeriums vom 3. Juli 1875]. Solcherart nach innen und aussen aller Sorge iiberhoben, fiihrt die Gesellschaft ein still-behagliches Dasein. Die Linie Meidling-Pottendorf zweigt am stidlichen Ende der Station Meid- ling aus der Sildbahnhauptlinie ab, durch- schneidetin sudwestlicherRichtung, und zwar in einem 1200 m langen, bis 9 m tiefen Einschnitte den Wienerberg, wendet sich dann gegen Osten und lauft langs des Wienerberges fort bis zu dem Punkte, wo sie die Donaulande-Bahn der Elisabeth-Bahn iibersetzt; dann wendet sich die Trače wieder gegen Siiden, um die Hauptrichtung fortan bis zur Einmiindung in die Linie Wiener- Neustadt-Grammat-Neusiedl bei Wampers- dorf beizubehalten. Die Trače, welche nur kleine, der Donau zufliessende Gewasser iibersetzt, beriihrt die Ortschaften: Inzersdorf, Hennersdorf, Achau, Miinchendorf und Ebreichsdorf. Die Bauausfiihrung war, besonders in der Strecke Meidling-Inzersdorf, wo ein nfachtiger Damm herzustellen war, eine ziem- lich schwierige. Chotzen-Neusorge nebst Flii- gelbahnen. Gestiitzt auf die bei den Friedensverhandlungen in Prag getroffene und in der Ministerial - Erklarung vom 27. August 1866 [P. 2] zum Ausdrucke ge- brachte Vereinbarung, dass es derpreussi- schen Regierung gestattet sein solle, die schlesische Gebirgsbahn auf osterreichi- schem Gebiete, namlich iiberBraunau [in Bohmen] nach Glatz zu fiihren, haben die benachbarten preussischen Haandelskam- mern sogleich und mit grossem Uebereifer die Herstellung einer Eisenbahn durch das »Braunauer Landel« befiirwortet, jedoch ohne Erfolg, weil die preussische Regie¬ rung es vorzog, die Fortsetzung der schlesischen Gebirgsbahn auf durchwegs preussischem Gebiete zu bewerkstelligen. Die Stadt Braunau und das »Landel« brauchten sich aber darob nicht zu gramen; denn alsbald begann daheim eine Ruhrigkeit, welche ihnen die Einbeziehung in das vaterlandische Eisenbahnnetz ver- schaffte. Im Jahre 1869 projectirte der Brau- nauer Fabrikant Johann Schroll die Ver- bindung Chotzen-Braunau und spater hat das Consortium des Ftirsten Johann Colloredo-Mannsfeld erst allein, nachher in Gemeinschaft mit der Breslau-Schvveid- nitz-Freiburger Bahn, eine von Otten- dorf iiber Braunau, Neusorge, Nachod, Opočno und Tyništ nach Chotzen [mit einer Variante von Opočno iiber Reichenau nach Wildenschwert] fiihrende Eisenbahn nebst Anschliissen an die preussischen Bahnen von Ottendorf nach Neurode und von Neusorge nach Friedland, wie auch einer Flugelbahn von Nachod nach Skalitz, eventuell von Neustadt nach Josefstadt angestrebt. Im Jahre 1871 bewarb sich um diese Linien auch die Staatseisenbahn-Ges ells chaft, welche zum Ersatze fur die ihr entgan- gene Linie Wildenschwert-Mittelwalde einen anderen Anschluss an das preus¬ sische Bahnnetz suchte und ebenfalls von der vorbezeichneten preussischen Gesell¬ schaft — die damals zur Verlangerung ihrer Linien nordlich bis Stettin und Stvinemunde und siidlich bis zur bohmi- schen Grenze ermachtigt worden war — die Einladung zur Verbindung der bei- derseitigen Bahnnetze erhalten hatte oder, nach einer anderen Version, weil sie vom Handelsministerium zur Bewer- bung aufgefordert war und bewog das genannte Consortium, zu ihren Gunsten zuriickzutreten, was dasselbe am 16. Juli 1872 auch wirklich that Daraufhin fanden die Concessions- Verhandlungen mit der protokollarischen Vereinbarung vom 25. Juli 1872 ihren Abschluss. Die Staatseisenbahn-Gesell- schaft nahm, gleichwie vor ihr das Con¬ sortium, lteinerlei staatliche Begiinsti- gung in Anspruch und bewilligte iiber- dies, einem Verlangen des Ministe- riums entgegenkommend, die Zulassung eines landesfurstlichen Commissars zur Ueberwachung ihres Unternehmens, die sie, weil durch die Concessionen fiir ihre alteren Linien hiezu nicht verpflichtet, bislang immer abgelehnt hatte. i6o Ignaz Konta. Die Staatseisenbahn - Gesel 1 - schaft erhielt demnach am 14. Septem¬ ber 1872 die Concession fiir die Lime C h o t z e n-N e u s o r g e mit Anschliissen einerseits uberBraunau gegenNeurode, andererseits gegen Waldenburg und einer Zweigbahn von der Strecke N e u- stadt-Nachod an einen geeigneten Punkt der Siid-norddeutschen V erbindungs- bahn, und gewann damit eine gegeniiber allen Concurrenzlinien kiirzeste Route fiir den Verkehr mif Berlin sowie von Pest ab audi mit Breslau und dartiber hinaus. Die neue Linie, deren Bauzeit auf langstens drei Jahre festgesetzt war, gilt im Allgemeinen als ein integrirender Bestandtheil des alten gesellschaftlichen Netzes, doch muss [gemiiss § 9 der Con- cessions-Urkunde] fiir sie eine abgeson- derte Betriebsrecbnung gefiihrt werden, wenn die Gesellschaft in die Lage kommt, die fiir die alteren Linien gewahrte Staats- garantie wirklich in Anspruch zu nehmen. Die ausserordentliche Generalversamm- lung vom 23. Mai 1873 gab dem Ver- vvaltungsrathe, bei gleichzeitiger Geneh- migung der Goncessions-Erwerbung, die Ermachtigung zur Beschaffung des fiir die neue Linie erforderlichen Capitals von 15,000.000 fl. durch eine Prioritaten- Emission, und dieser entschied sich fiir die Ausgabe von 75.000 Stiick 5 °/ 0 iger [ungarantirter] Obligationen a 200 fl., welche im November 1873 durch die Credit-Anstalt zum Curse von ioo 1 j 2 an die Darmstadter Bank be- geben wurden.*) *) Eine weitere und zu Beginn des Jahres 1875 von denselben Banken, jedoch zum Curse von 10372, iibernommene Serie 5 0 / b b selben gar bis zum 6. Marž 1875. Die- selbe nennt als Concessionare den Grafen Victor Wimpffen im Vereine mit Adolf Horst, Leopold Hutterstrasser, Alexander C u r t i und August K o s 11 i n; gilt fiir die Linien Leobersdorf- St. Polten mit der Zweigbahn von Scheibmuhl nach Schrambach, eventuell Freiland, ferner Leobersdorf- Gutenstein und Pochlarn-Gaming. Die Concessionare wurden verpflichtet, sobald die Staatsverwaltung es verlange und die Bedingungen feststellt, auch die Fortsetzungsstrecken Leobersdorf- Ebenfurth und St. Polt en-Trais¬ mauer, eventuell nach Mautern, und zwar sammtlich, mit Ausnahme der Linie Leobersdorf-St. Polten und deren Abzweigung, als Secundarbahnen zu erbauen. Fiir die Hauptbahn \vurde der 3. Januar 1877, fiir die beiden schon con- cessionirten Secundarlinien der 3. Januar 1878 als Vollendungsfrist bestimmt, und als staatliche Begiinstigung fiir alle drei ein e z\vanzigj ahrige Steuerfreiheit gewahrt. Geschichte der Eisenbabnen Oesterreichs. 189 Abb. 93. Bahnhof Selzthal. Nebstdem nahm die Staatsverwaltung, auf Grund des Gesetzes vom 16. Mai 1874 und des zugleich mit der Concession ver- bffentlichten Uebereinkommens vom 31. Januar 1875, durch Ertheilung eines in Actien al pari riickzuzahlenden Vor- schusses im Betrage von 2,500.000 fl., an der Geldbeschaffung Theil. Um den Baubeginn zu beschleunigen, Hess das Handelsministerium die Detail- projecte fur die Linie Leobersdorf- St. Polten samrnt Zweigbahn von Or- ganen der General-Inspection, fur Rech- nung der kunftigen Gesellscbaft, aus- fiihren und gestattete auch, dass hin- sichtlich der beiden Secundarlinien ein Gleiches von Seite des Concessionars August Kostlin geschehe. Die politischen Begehungs-Commissionen konnten daher in der Zeit vom 19. Mai bis 13. No¬ vember 1875 vorgenommen werden. Je nach ihrer Beendigung begannen auf den einzelnen Theilstrecken auch sogleich die Arbeiten. Dieselben waren gegen Pauschal- vergutung an drei Unternehmungen ver- geben, und zwar Leobersdorf-St. Polten samrnt Zweigbahn an Carlo Ronchetti und Pietro Ganazzini, Leobersdorf- Gutenstein an Karl Hofbauer & Comp., Pochlarn-Gaming an Franz Kraus, Johann Prokop und Georg Schlechter; die Hoch- bauten, die Lieferung des Eisenmaterials ftir den Oberbau sowie der Fahrbetriebs- mittel etc. wurden gesondert vergeben. Sammtliche Unternehmer und Liefe- ranten nahmen ftir einen Procentsatz ihrer Verdienstsummen Actien al pari oder zum Curse von 95 in Zahlung. Davon wurde, wie auch von den sonsti- gen Actienzeichnungen, mancher Betrag hinfallig; immerhin verblieben aber Actien im Nennwerthe von 1,100.000 fl. dauernd untergebracht. Mehr zu guten Preisen zu placiren waren die Concessionare nicht im Stande; ebensowenig gelang ihnen die Begebung der Obligationen. Eine staatliche Zinsengarantie voraus- Ignaz Konta. 190 gesetzt, bot man ihnen fiir Goldprioritaten 80°/ 0 und ftir Titel in osterreichischer Wahrung 72 °/ 0 des Nominalbetrages. Solche Anbote waren nicht darnach an- gethan, der Regierung neue Neigung zum Garantiesysteme einzuflossen. Wah- rend sie sich also in dieser Beziehung durchaus ablehnend verhielt, schenkte sie andererseits dem von den Concessio- naren an sie gerichteten Hilferufe als solchen, volle Wiirdigung. Bis die Bethatigung derselben mog- lich geworden, gerieth aber sowohl der Bau, als auch die Errichtung der Gesell- schaft ins Stocken. Das Statut hatte wohl am 5. October 1875 die behordliche Genehmigung erhalten und die Einbe- rufung der constituirenden Generalver- sammlung war bereits auf den 18. De¬ cember 1875 anberaumt; sie unterblieb jedoch infolge der noch mangelnden festen Grundlage fiir den Bestand der Gesellscbaft. Die Verhandlungen mit den Con- cessionaren iiber die ihnen zu gewahrende Unterstiitzung begannen Mitte Januar 1876. Zuvor hatte das Handelsmini- sterium durch gepflogene Erhebungen festgestellt, dass fiir den Bau und die Ausriistung der Bahn ein Capital von effectiv 9,309.000 fl. erforderlich, hievon aber [durch den Staatsvorschuss und die anderweitig untergebrachten Actien] nur ein Betrag von 3,592.800 fl. gedeckt sei. Mittels der Protokolle vom 19. und 20. Januar, beziehungsweise auch 7. Fe¬ bruar 1876 wurde nun vereinbart, dass die Staatsverwaltung sammtliche Obli- gationen des Prioritats-Anlehens in seiner nunmehr festgesetzten Hohe von nom. 7.622.000 fl. zum Curse von 7 5 °/ 0 , also um den Kaufpreis von 5>7i6.5oofl. unter der Bedingung iibernimmt, dass das Actiencapital um den nicht bege- benen Betrag von nom. 590.000 fl., also von nom. 4,200.000 fl. auf 3.610.000 fl. herabgemindert, ferner der Regierung nebst allen herkommlichen Sicherheiten auch vier Stellen im Ver- waltungsrathe der kiinftigen Gesellschaft und eine weitgehende Einflussnahme auf die Gebarung eingeraumt werden, die Constituirung der Gesellschaft ehestens erfolge u. s. w. Die beziigliche Gesetzesvorlage wurde am 15. Februar 1876 im Abgeordneten- hause eingebracht, jedoch keineswegs mehr so freundlich aufgenommen, wie die in Betreff des ersten Staatsvor- schusses. Den damaligen vereinzelten Gegnern gesellten sich nun viele neue hinzu; man eiferte gegen den feurigen Localpatriotismus, verlangte, dass der Krankheit »morbus ferroviaticus« Ein- halt gethan, der Bau der Seitenbahnen sistirt und die Hauptlinie als Secundar- bahn ausgefiihrt werde, wie auch, dass wenn schon der Staat fast sammtliche Baulasten trage, er auch der alleinige Bauherr sein soli. Nur die Beredsamkeit und der Einfluss des Abgeordneten Dr. Herbst, dessen Ausspruch: »man diirfe nicht vor den Thoren der Reichs- haupt- und Residenzstadt Eisenbahn- ruinen entstehen lassen«, schon im Aus- schusse die Ablehnung der Vorlage ver- hiitet hatte, bewahrte sie auch jetzt vor diesem Lose; sie wurde nach einer heftigen Debatte am 29. Februar vom Abgeordnetenhause angenommen. Das Herrenhaus stimmte diesem Beschlusse noch knapp vor der Vertagung des Reichsrathes bei, worauf am 12. Marž 1876 die a. h. Sanctionirung des Ge- setzes erfolgte, auf Grund dessen sodann am 9. Mai 1876 das neue Ueberein- kommen mit den Concessionaren ab- geschlossen wurde. Nun kam der Bau auf allen Linien in vollen Gang; auch die Constituirung der Gesellschaft: »K. k. priv. nieder- osterreichischeSud-West-Bahnen« mit dem neu festgesetzten Capitale von nom. 11,232.000 fl. [davon 3,610.000 fl. in Actien] fand, wenngleich abermals ver- spatet, am 19. October 1876 statt; eine Gesundung der Verhaltnisse dieses eigenartig zusammengefiigten Eisenbahn- Unternehmens war jedoch, wie sich nur zu bald herausstellte, noch keineswegs erzielt. Die oben bezifferten Geldmittel reichten nicht aus zur vollkommenen Fertigstellung der Bahn und fiir das Mehrerfordernis von 621.129 fl, konnte die Bedeckung nicht gefunden werden, iiberdies blieben auf die von Privaten gezeichneten Actien Einzahlungen in der Hohe von 173.390 fl. aushaftend. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 191 Unter dem Drucke dieses Deficites suchte die Gesellschaft, nicht ganz eilf Monate nach ihrer Errichtung, neuer- dings Zuflucht bei der Regierung, von der sie am 7. September 1877 die noch- malige Gewahrung uirmittelbarer Staats- vorschtisse oder die Unterstiitzung des gesellschaftlichen Credites durch Ein- ržiumung des Vorgangsrechtes vor den | zuschlagen ihr schon bei der Be- rathung des Gesetzes vom 12. Marž 1876 im Abgeordnetenhause nahegelegt \vorden war: sie entschloss sich zur Erwerbung der Bahn durch den Staat. Die hieriiber gefuhrten Verhandlun- gen mit dem Venvaltungsrathe gediehen unter den obwaltenden Verhaltnissen bald zu Ende. Am 19. October 1877 Abb. 94. Pola. [Nach einer photographischen Aufnahme von A. Beer in Klagenfurt.] im Staatsbesitze befindlichen Prioritats- Obligationen oder allenfalls die Biirg- schaftsleistung fiir eine aufzunehmende schwebende Schuld erbat. Dadurch gerieth aber auch die Re¬ gierung in eine unangenehme Lage; denn - ebensowenig als sie der Gesell¬ schaft noch rveitere Staatsmittel zuwen- den mochte, konnte sie ein Unternehmen, an welchem der Staatsschatz bereits in bedeutendem Masse betheiligt gewesen, dem ohne ihre Dazwischenkunft unver- meidlichen Concurse verfallen lassen. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, betrat sie nun den Weg, welchen ein- wurde protokollarisch vereinbart, dass die Bahn mit allen concessionsmassigen und sonstigen Rechten, dem gesammten beweglichen und unbeweglichen Zugehor und Vermogen, wie auch sammtlichen in Handen der Gesellschaft befindlichen' Actien an den Staat iibergehen soli, wogegen dieser die Vollendung und Inbetriebsetzung der Bahn iibernimmt, in die mit staatlicher Genehmigung geschlossenen Vertrage der Gesell¬ schaft eintritt, die hieraus erwachsenden Verbindlichkeiten sowie alle sonstigen gesellschaftlichen Schulden selbst be- gleichen und fiir jede voli eingezahlte 192 Iarnaz Konta. Actie eine Baarzahlung von 35 fl. leisten soli. Bei diesen Abmachungen wurde die, anlasslich der Concessions-Ertheilung von den Concessionaren erlegte Caution von 50.000 fl., die gemass § 3 des Ueber¬ einkommens vom 9. Mai 1876 auch zur Sicherstellung der vollstandigen Einzah- lung der von Privaten gezeichneten Actien zu dienen hatte, als verfallen erklart. Soweit es an den Actionaren gelegen war, begegnete das Protokollar-Ueber- einkommen vom 19. October 1877 keinem nachhaltigen Widerspruche. Einzelne be- klagten sich zwar in der ausserordent- lichen Generalversammlung vom 27. No¬ vember 1877 dariiber, dass kein Unter - schied gemacht werde zwischen den- jenigen, welche fiir die Actien volle Baarzahlung geleistet oder volhverthiges Aequivalent gegeben, und denjenigen, welche [als Unternehmer, Lieferanten etc.] die Actien »gewissermassen nur als freie Pramie erhalten haben« ; die Versamm- lung als solche, in der ja auch der staatliche Actienbesitz vertreten war, beschloss jedoch die Annahme des Ueber- einkommens, da auch den lautesten Opponenten ein Riickempfang von 17°/ 0 der Einzahlungen besser diinkte, als der unzweifelhaft ganzliche Verlust im Falle des Concurses. Dem Parlamente aber gefiel nur das Grundsatzliche der Vereinbarung; der Einlosungspreis fiir die Actien schien ihm hingegen viel zu hoch bemessen. Das Abgeordnetenhaus, welchem der Entwurf des Gesetzes iiber die Erwer- bung der Niederosterreichischen Siid- West-Bahnen am 10. November 1877 vorgelegt wurde, oder richtiger gesagt, schon der Eisenbahn-Ausschuss setzte das Entgelt fiir die Actien auf 10 fl. pro Stiick herab, und dabei verblieb es auch. Das Plenum des Abgeordnetenhauses erklarte sich am 17. Juni 1878 mit diesem Antrage sowie mit der Begriin- dung desselben, dass namlich die Actien auf lange hinaus keine Aussicht auf ein Ertragnis, daher auch gar keinen Werth hatten, mithin die 10 fl. nur eine Ent- schadigung seien fiir den Verzicht der Actionare auf den ihnen zustehenden Antheil an der Verwaltung der Bahn, einverstanden; das Herrenhaus trat diesen Beschltissen am 20. Juni bei, und am 5. Juli 1878 erhielt das Gesetz, kraft dessen die Regierung unter den, wie vorerwahnt geanderten Bedingungen, zur Enverbung der Niederosterreichischen Siid - West- Bahnen ermachtigt, wie auch mit einem Specialcredite von 900.000 fl. ausgestattet wurde, die a. h. Sanction. "VVegen des verringerten Einlosungs- preises fiir die Actien musste die An- gelegenheit nochmals einer Beschluss- fassung der Actionare unterzogen werden. Das geschah bereits in der ersten und zugleich letzten ordentlichen General¬ versammlung vom 28. Juni 1878 und endete, trotz heftigen Widerstrebens von Seite einiger »Meistbetroffenen«, mit der Ermachtigungf des Verwaltuns:srathes zum Abschlusse des Uebereinkommens mit der Regierung unter den Bedingun¬ gen der neuen Gesetze sowie zur Auf- losung der Gesellschaft. Der Vollzug dieser Beschliisse war inzwischen iiberaus dringend geworden. da immer rnehr Schuldbetrage fallig und die Glaubiger der Gesellschaft ungedul- dig wurden. Es folgte darum rasch nach einander: am 20. Juli 1878 der Abschluss des Uebereinkommens; am 3. August 1878 die Uebergabe der Bahn an den Staat und zugleich die Kund- machung des Plandelsministeriums, mittels welcher die Concessions-Urkunde vom 3. November 1874 ausser Kraft ge- setzt, der Bahn die neue Bezeichnung »K. k. niederosterreichische Staats- b ah n e n« gegeben und ftir die Ver- waltung eine mit den Functionen des bisherigen Verwaltungsrathes betraute Ministerial-Commission errichtet wurde, schliesslich am 6. August 1878 der Beginn der Thatigkeit dieser Commission und zu¬ gleich auch die letzte Sitzung des Ver- waltungsrathes. Hiemit horte der vier Jahre hindurch ktinstlich aufrechterhaltene Bestand der Bahn als Privatunternehmen auf, und begann ihr Dasein als das, was sie durch die Natur des iiberwiegend grossten Theiles ihres Anlage-Capitals und die staatliche Einflussnahme auf ihre Griin- dung und Ausfiihrung eigentlich schon vom Anbeginne gewesen, namlich als Staatsbahn. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 193 Abb. 95. Klattau. [Pilsen-Eisenstein.] Die nachtragliche Umvvandlung legte ubrigens dem Staatsschatze keineswegs grossere Opfer auf, als wenn die Bahn gleich urspriinglich und ausschliesslich auf seine Kosten in Angriff genommen worden ware; denn die Erwerbung und Vollendung der 154'179 km langen Bahn kam derStaatsverwaltung auf insgesammt baar 9,100.000 fl. zu stehen, d. i. 59.050 fl. pro Kilometer, wahrend der Bau und die Ausriistung effectiv 9,210.590 fl., oder 59.740 fl. pro Kilometer, gekostet und andere Bahnen ahnlicher Art einen Auf- wand von durchschnittlich 63.800 fl. er- fordert haben. Der neue Eigenthumer der Bahn und die von ihm eingesetzte Verrvaltung der- selben fanden schon alle Linien im Be- triebe stehend vor; es \vurden namlich eroffnet: Leobersdorf-Kaumberg, 31-6 km, I. September 1877. Leobersdorf-Gutenstein, 32-8 km, I. September 1877. Kaumberg-St. Polten, 43-8 km , 3. October 1877. POchlarn-Kienberg [Gaming], 37 6 km , 22. Oc- tober 1877. Scheibmiihl-Schrambacli, 84 km, I. Juni 1878. Die Nacharbeiten fiir die ganzliche Vollendung und Ausriistung der Bahn, wie nicht minder die Abrechnungen mit den Unternehmern und die Austragung der mitunter sehr verwickelten Grund- einlosungs-Angelegenheiten, gaben jedoch der Ministerial-Commission noch genug zu schaffen. Die Einlosung der Actien und sohin auch die Liquidation der Ge- sellschaft war erst mit Ablauf des Jahres 1881 beendet. Zum Director der Bahn ernannte die Ministerial-Commission alsbald nach dem Beginne ihrer Wirksamkeit den Betriebs- leiterderNiederosterr,eichischenSud-West- Bahnen, Karl Z e i n e r, der voli treuer Pflichterfullung auf diesem Posten ver- blieb, bis die Bahn im Jahre 1882 in die Verwaltung der damals errichteten »k. k. Direction fiir Staatseisenbahn-Betrieb in Wien« iiberging. Die Hauptlinie Leobersdorf-St. Polten zweigt in der Stidbahnstation Leobersdorf in siidwestlicher Richtung ab, umfahrt, sich nach Nordvvesten wendend, den Ort Leobersdorf und fiihrt in dieser Richtung imThale der Triesting, diesen Fluss fiinfmal iibersetzend, zu den Stationen: En- zesfeld, St. Veit a. d. Triesting, Triesting- hof, Berndorf, Pottenstein a. d. Triesting, Weissenbach a. d. Triesting, Altenmarkt- Thennebergund Kaumberg. Unmittelbarhinter der Station Kaumberg beginnt die Bahn mit 25°/ 00 zur Wasserscheide der Triesting und Golsen emporzusteigen, rvelche sie unmittel- bar vor der Ausweichstation Gerichtsberg mit einem 169 m langen Tunnel [SeehOhe 566'28 m] unterfahrt. Von Gerichtsberg fallt die Bahn mit 25°/ 00 in das Thal der GOlsen bis zur Station Hainfeld. Von hier aus fiihrt die Trače im Thale der Golsen und Traisen zu den Stationen St. Veit a. d. Golsen, Scheib- mtihl, Wilhelmsburg und milndet sodann in St. Polten in die Elisabeth-Bahn ein. Vor der Station Wilhelmsburg wird der Traisenfluss iibersetzt. Die Linie S ch eibmuhl-Schrambach zweigt in der Station Scheibmiihl von der Hauptlinie Leobersdorf-St. Polten in siidOst- licher Richtung ab, wendet sich dann nach Sildwesten und steigt, den GOlsenlluss mit einer Brucke iibersetzend, im Thale der Traisen bis Schrambach. Ausser der letzt- genannten Station zahlt diese Linie noch die Haltestellen Traisen und Marktl, Stangenthal und die Station Lilienfeld. [Abb. 99.) 13 Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 194 Ignaz Konta. Die Linie Leob ers d orf-G u te ns t ein zweigt von der Hauptbahn Leobersdorf-St. Polten in der currenten Strecke [bei Wittmanns- dorf] in siidlicher Richtung ab, erreicht bei Steinabruckl das Thal des Kalten Ganges und ftlhrt, sich westwarts wendend, in diesem Thale, den Kalten Gang mit Briicken neunmal iibersetzend, zu den Stationen: Wollersdorf, Piesting,Ober-Piesting,Waldegg, Oed,Pernitz- Muckendorf undGutenstein. [Abb. ioound ioi.] Die Linie P 6 c hi arn-Ki enb er g fiihrt von der Station Pčchlarn derElisabeth-Bahn vorerst in westlicher Richtung und auf etwa 1*2 km Lange auf gemeinschaftlichem Bahnkorper mit der Elisabeth-Bahn, wendet sich dann nach Stiden und ftihrt im Thale der grossen Erlauf zu den Stationen: Erlauf, Wieselburg a. d Erlauf, Purgstall, Scheibbs, Neubruck und Kienberg-Gaming. Hinter der Station Erlauf wird der Erlauffluss und hinter der Station VVieselburg der kleine ErlaufHuss iibersetzt. [Abb. 102.] Noch eine andere Privatbahn, be- ziehungsweise die Strecke einer solchen, deren Inangriffnahme die Regjerung; durch einen Staatsvorschuss zu bewirken gedachte, war die Linie Rakonitz- P r o t i v i n, die aber noch, bevor es zu dieser Hilfeleistung kam, die Meta- morphose zur Staatsbahn durchmachte. Die Linie Rakonitz-Protivin lag mitten in der grossen, »Bohmische Siidwestbahn« benannten Eisenbahn Liebenau - Kusch- warda [nebst Abzweigung], welche mehrere Projecte verwirklichen solite, die theils als eigene Unternehmungen, theils als Erganzungen bestehender Bahnen, schon seit dem Jahre 1868 geplant und um- worben waren, nun aber vom Handels- ministerium zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefasst und als solches ver- meintlich sichergestellt wurden. Zu letzterem Zwecke hatte die Re- gierung am 22. Marž 1872 dem Abge- ordnetenhause einen Gesetzentwurf vor- gelegt, der zwar gerade deshalb, weil er die vielseits gewunschte Vertheilung der einzelnen Strecken der Bohmischen Siid- westbahn an die nachbarlichen Bahnen ausschloss, auf erhebliche Gegnerschaft stiess, trotzdem aber, infolge der eindringlichen Fiirsprache des Handels- ministers Dr. Banhans fiir die einheitliche Vergebung des ganzen Netzes [15* Juni 1872], vom Reichsrathe angenommen wurde, sodann am 28. Juni 1872 die a. h. Sanction erhielt und auch die Grund- lage der Concession bildete, welche — nachdem keine der Nachbarbahnen sich um das ganze Netz bewerben mochte — am 8. October 1872 den vereinigten Consortien des Fiirsten Johann Adolf Schwarzenbergunddes Grafe n Edmund Hartig verliehen wurde. Diese Concession galt fiir die Eisen¬ bahn von Liebenau iiber Bohmisch-Leipa, Leitmeritz, Postelberg, Rakonitz, Beraun, Pfibram, Bfesnic und Pisekzum Anschlusse an die Kaiser Franz Josef-Bahn in Ražic oder Proti vin, nebst Fliigelbahnen von Postelberg nach Komotau, von Reichstadt oder Bohmisch-Leipa in der Richtung iiber Zivickau und Gabel gegen Zittau, und von BPesnic iiber Strakonitz, Wollin und Winterberg bis an die bayerische Grenze bei Kuschwarda mit der Richtung gegen Passau; sie gewahrte diesem Netze eine zehnjahrige Steuerfreiheit, verpflichtete die Concessionare den Bau binnen sechs Monaten zu beginnen, sodann bis langstens 8. October 1877 zu vollenden, und fiir die Erfiillung dieser Verpflichtung durch den Erlag einer Caution von 500.000 fl. Sicher- stellung zu leisten. Schon friiher, namlich in dem Concessionirungs-Protokolle vom 6. September 1872, hatte das Handels- ministerium, entsprechend den bei der Berathung des vorbezeichneten Gesetzes im Abgeordnetenhause laut gewordenen Verlangen, die Bestimmung getroffen, dass diejenigen Strecken, welche in den von der Ueberschwemmung [Mai 1872] heim- gesuchten Gegenden liegen, beziiglich der Reihenfolge der Baufiihrungen vorzugs- weise zu beriicksichtigen seien. Zu diesen Strecken zahlte vornehmlich jene von Beraun nach Rakonitz. Der Ausbruch der wirthschaftlichen Krisis vereitelte jedoch die Geldbe- schaffung auch fiir diese blos mit einer iiberdies nur kurzen Steuerfreiheit aus- gestattete Eisenbahn. Die Concessionare sahen die Unmoglichkeit, den Bau ohne staatliche Unterstutzung auszufiihren, schon im Sommer 1873 ein, und erbaten sich einen Vorschuss von 3,000.000 fl. zur Inangriffnahme der Theilstrecke Zditz- Pfibram, wurden aber abgewiesen. So¬ dann machte die fortwahrend zunehmende Verschlechterung des Geldmarktes dasZu- standekommen der Bahn immer fraglicher. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. j 95 Aus diesem Anlasse erhoben sich Stimmen gegen die Regierung, weil sie der stiickweisen Vergebung der neuen Bahn an die bestehenden Nachbarbahnen \viderstrebt hatte. Diese Vorwiirfe-waren jedoch sehr unzutreffende; denn die hiebei zunachst in Betracht kommenden nach- barlichen Unternehmungen, namlich die Buschtčhrader und die Pilsen-Priesener Bahn, waren zu jener Zeit selbst nicht im Stande, die ihnen bereits obgelegenen concessionsmassigen Verpflichtungen zu erfullen [siehe Falkenau - Graslitz und Pilsen-Eisenstein] und wiirden dies hin- sichtlich der ihnen etwa neu zuge- befriedigenden Ergebnisse fiihrten, ist bis heute noch nicht recht bekannt geworden Die Freunde der Gesellschaft lobten es, dass der Verwaltungsrath, unter den schwierigen finanziellen Verhaltnissen, dem alten Netze nicht neue Lasten auf- btirden wollte fiir eine Linie, »deren Er- tragsfahigkeit ungewiss erscheine und zum bedeutenden Theile jener der Linie Gmiind - Prag Abbruch thun wiirde« ; Andere hingegen setzten die Zuriick- haltung auf Rechnung der personlichen Beziehungen massgebender Mitglieder des Verwaltungsrathes zu den Concessionaren der Bohmischen Siidwestbahn. Abb. 96. Montirung der Eisenbahnbriicke liber den Angelfluss bei Roth-Pofič. [Pilsen-Eisenstein.] wachsenen Baustrecken noch weniger vermocht haben. Die Bohmische West- bahn aber, die mit den Concessionaren enge verbunden und, durch die Theil- nahme an den Verhandlungen, wie auch durch die Mitfertigung des Protokolles vom 6. September 1872, ein besonderes Interesse an der Bohmischen Stidwestbahn zu nehmen schien, ging jetzt der Sache ganz aus dem Wege. Die Regierung hielt sich denn auch nicht an jene Controverse, sondern viel- mehr an die Nothwendigkeit, den Bau wenigstens in den von den Hochwasser- schaden betroffenen Bezirken ehestens zu beginnen, als sie wegen der Herstellung und Angliederung der Strecke Rakonitz- Protivin an die Kaiser Franz Josef-Bahn im Januar 1874 mit dem Verwaltungs- rathe der letzteren Verhandlungen an- kniipfte. Warum dieselben zu keinem Angesichts der Fruchtlosigkeit jener Ankniipfungen verhandelte die Regierung nun wieder mit den letztgedachten Gon¬ cessionaren; es kam am 21. Januar 1874 eine Vereinbarung zustande, wonach die Staatsverwaltung zum Zwecke des sofortigen Beginnes und der Durchfuhrung der Strecke Rakonitz-Protivin einen unver- zinslichen Baarvorschuss von 8,000.000 fl. gewahren und hiefur Actien der zu er- richtenden Gesellschaft zum vollen Nenn- werthe in Zahlung nehmen solite, die Con- cessionare hingegen sich verpflichteten, den Bau gleich nach Erhalt der Baubewilligung zu beginnen und binnen langstens 2 1 / 2 Jah- ren zu vollenden, wie auch die Gesellschaft ehestens, und zwar spatestens binnen sechs Monaten, zu errichten. DerHaftung hiefur, welche iibrigens keine personliche sein solite, lag die Voraussetzung zugrunde, dass es gelingen werde, die Prioritats-Obli- 13* 196 Ignaz Konta. gationen in einem entsprechenden Zeit- raume zum Curse von mindestens 80°/ 0 zu begeben. In dem Protokolle- vom gleichen Datum wurde das effective Bau- capital fiir die ganze 20^3 Meilen lange Strecke mit 18,000.000 fl. bemessen. Die Vereinbarung und der Gesetz- entwurf in Betreff des definitiven Ab- schlusses desselben wurden am 10. Fe¬ bruar 1874 im Abgeordnetenhause ein- gebracht, jedoch gleich im Eisenbahn- Ausschusse wesentlich abgeandert. Dieser verlangte namlich \veitgehendere Cautelen und Bedingungen fiir die Ausfiihrung der Bahn, beziehungsweise den Bau auf Staatskosten, woraufhin die Regierung — nachdem die Concessionare bei einer mit ihnen nochmals gepflogenen Ver- handlung erklart hatten, die neuen Be¬ dingungen nicht annehmen zu konnen, vielmehr auf die Concession zu ver- zichten — einen den Staatsbau be- z\veckenden neuen Gesetzentwurf un- mittelbar dem Eisenbahn-Ausschusse vor- legte, von wo aus er beftirwortet an das Abgeordnetenhaus gelangte. In ihrer neuen Fassung lautete die Vorlage dahin, dass die Linie Rakonitz- Protivin auf Staatskosten erbaut und zu diesem Zwecke der Regierung ein Credit von 8,000.000 fl. pro 1874 aus dem Nothstands-Anlehen eroffnet \verden solle, dass ferner die von den Concessio- naren gedeckten Vorauslagen und be- schafften Materialien fiir diese Linie im Schatzungsvverthe vergiitet werden dtirfen, und dass die Concession vom 8. October 1872 fiir erloschen erklart \verde, jedoch unter Einraumung des Vorrechtes auf alle darin bezeichneten Linien an die bis- herigen Concessionare auf die Dauer von z\vei Jahren. Das Abgeordnetenhaus nabm am 29. April 1874 den Gesetz- entwurf an und beschloss zugleich die Resolution: Es mogen vor Allem die Theilstrecken Rakonitz-Beraun und Zditz- Pfibram in Bau genommen werden. Das Herrerihaus sprach am 5 - Mai 1874 seine Zustimmung aus und die a. h. Sanction erhielt das Gesetz am 16. Mai 1874. Auf diese Weise also geschah es, dass auch die Linie Rakonitz-Protivin auf Staatskosten gebaut wurde und, nach¬ dem weder die friiheren Concessionare von ihrem Vorrechte Gebraucli gemacht, noch andere Bewerber sich eingestellt hatten, eine staatliche Linie blieb. Die Vergebung des Baues erfolgte im Offertwege am 11. Juni 1874; Er- steher desselben blieb, gegen einen Pauschalbetrag von 11,373.000 fl., Karl Freiherr von Schvvarz, der die Ausfiihrung an die Unternehmung J. Muzika & Comp. iibertrug. Schienen, Schwellen, Fahrbe- triebsmittel etc. hatte die Staatsverwaltung selbst beschafft. Der Bauconsens wurde am 13. Juni ertheilt und hernach der Bau sofort begonnen; als Vollendungstermin war der 25. December 1876 festgesetzt. Trotz der durch neuerliche Elementar- ereignisse verursachten Schaden und Storungen ist jedoch die 101 '6 km lange ■ Strecke Zditz-Protivin schon am 20. De¬ cember 1875 und die 42 km lange Strecke Rakonitz-Beraunam 30. April 1876 dem Betriebe ubergeben worden. Die 9'2 km lange Zwischenstrecke Beraun-Zditz ge¬ langte nicht zur Ausfiihrung, vielmehr statt derselben die gleiche Strecke der Bohmischen Westbahn in Mitbenutzung, wofiir die Staatsverwaltung auf die Dauer des beziiglichen Vertrages vom 6., respec- tive 13. Mai 1876 an die genannte Ge- sellschaft nebst einem Pracipuum von 10.000 fl. einen — nach dem Verhaltnis der von beiden Bahnen in dieser Strecke ge- fiihrten Achsen ermittelten — jahrlichen Beitrag zu den Kosten der Capitals- Verzinsung sowie der Bahnerhaltung und Bewachung zu leisten hatte. Die hiedurch in Wegfall gekommenen, mit 500.000 fl. veranschlagt gewesenen Bau- kosten der genannten Zwischenstrecke er- hohten das Ersparnis an Capital auf rund 1,000.000 fl.; die Anlagekosten betrugen namlich im Ganzen nur 16,021.623 fl. Den Betrieb ftihrte nicht die Staats- verwaltung selbst; er wurde, da keine der Nachbarbahnen diesfalls annehmbare Bedingungen stellte, zuerst der weit- abliegenden Dux-Bodenbacher Bahn, um deren Sanirung das Ministerium damals bemiiht war, sodann vom 1. Januar 1877 an, der Aussig-Teplitzer Bahn, in welche die Dux - Bodenbacher Bahn aufgehen solite und, nachdem die letztere wieder selbstandig geblieben, schliesslich mittels Vertrages vom 26. Februar 1877 [ab Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 197 x. Marž 1877] der Bohmischen Westbahn iibertragen, welche ihn, bis zu seiner ara 1. Januar 1884 erfolgten Uebernahme in die Staatsregie, fiir Rechnung des Staates fiihrte, und zwar lediglich gegen Ver- giitung der Selbstkosten und einen im Verhaltnisse der beiderseits zuriickge- legten Zugskilometer stehenden Beitrag zu den Verwaltungsspesen. Fiir die Dauer dieses Vertrages wurde jener vom 6., respective 13. Mai 1876 ausser Kraft gesetzt. Wasserregulirungen wechseln rasch ab und verursachten vielfache Bauschwierigkeiten. Die Richtung nach Siiden nehmend, passirt die Trače unmittelbar bei Stadtl den 217 m langen Bassa-Tunnel, gleich darnach den 154 m langen Konigsteig-Tunnel und etwa 600 m weiter den 235 m langen Buda-Tunnel, vor welchem auf freier Bahn die Haltestelle »Burg Piirglitz« errichtet wurde In der gleichen Richtung \veiterziehend, fiihrt die Trače, in die steil abfallende Felslehne eingeschnitten, zur Einmiindung des Ra- konitzbaches in den Beraunnuss. Das Th.al wird mittels eines hohen und langen Steindammes, der Fluss mittels einer 150 m Abb. 97. Siidportal des Tunnels bei Lindenhammer. [Strecke Falkenau-Graslitz.] [Nach einer photographischen Aufnahine von Franz Somrner.] Die Rakonitz-Protiviner Bahn, be- stehend aus den zwei nicht zusammenhan- genden, aber durch das zur Bohmischen Westbahn gehorige Zwischenstuck [Beraun- Zditz] mit einander verbundenen Strecken Rakonitz-Beraun undZditz-Protivin, nimmt ihren Ausgang von Rakonitz und zieht an den Thalgehangen des gleichnamigen Bachesin siidostlicher Richtung undimGef&lle gegen Stadtl, auf diesem Wege den Rakonitz- bach viermal iibersetzend. Die zahlreichen Windungen dieses Baches erforderten scharfe Biegungen der Trače und bedingten uberdies die Anlage eines 80 m langen Tunnels bei dem Dorfe Chlum sowie zablreiche Regu- lirungen des Baches. Von Stadtl ange- fangen ist das Thal vielfach gewunden, sehr enge und von steilen Lehnen einge- schlossen. Tunnels, hohe Damme, Bach- und weiten und in einem Radius von 375 m ge- legten Eisenbriicke iibersetzt und hernach die Station Piirglitz erreicht. Dem nach Norden gewendeten Beraunthale folgend, fiihrt die Trače nun in stetigem Gefiille und nach Passirung des 32 m langen Stfibrny-Tunnels in die Station Zbečno, vor welcher sie aus der nOrdlichen in die stidliche Richtung gelangt. Nach Durch- fahrung eines langen und tiefen Ein- schnittes wieder die sildOstliche Richtung gewinnend, iibersetzt die Bahn, in un- mittelbarer Nahe des Ortes Žloukovic, mit einer 150 m langen eisernen Gitter- briicke, auf das linke Flussufer, woselbst sie Neuhtitten erreicht. Von da aus mit sanftem Gefalle in dem sich immer mehr erbreiternden Beraunthale siidostwarts rveiter- gehend, gelangt die Trače zur Station 198 Ignaz Konta. Althtitten und dann, sich vom Flusse entfernend, auf bedeutenden Dammen und durch tiefe Einschnitte in sudlicher Richtung zur Stadt Beraun, die sie im weiten Bogen umfahrt, um wieder an das Ufer und nach Uebersetzung des Flusses in die Station Beraun der Bbhmischen West- bahn zu gelangen. Der stidliche Theil der Balin fiihrt von der Station Zditz die Litava entlang in das interessante Brdy-Gebirge, das sie fast genau in sudlicher Richtung durchschneidend, erst hinter Pl-ibram wieder verlasst. Ueber Lo- howitz, dann durch die als Fundgrube von Petrefacten bekannt gewordenen Einschnitte bei der Station Jinec, gelangt die Balin zur altberiihmten Bergstadt Pi-ibram. Von Pl-ibram aus zieht die Trače, unter Passi- rung des I km langen Broder Einschnittes, der \Vasserscheide des Litava- und Vlčava- Gebietes entgegen, wo zugleich in einem 7 m tiefen Satteleinschnitte der hiichste Punkt der Balin [558 m iiber dem Meeres- spiegel] erreicht wird. Aus dem sich gegen Siiden bffnenden Einschnitte tritt die Balin in die Region des bohmisch-mahrischen Plateaus, das an das eben verlassene Brdy- Gebirge anschliesst. Das plotzliche Abfallen des Terrains bedingte hier die Anbringung einer langen Schleife, in welcher die Station Milin liegt. Von hier aus fallt die Bahn bis zur Station Tochowic und zieht in gerader siid-vvestlicher Richtung gegen Poiic, um mit einer neuerlichen Steigung einen Bergriicken zu gewinnen, und dann, nach der in be- deutender Hčhe ausgefuhrten Uebersetzung der Vlčawa auf deren Sstliches Ufer ab- fallend, in die Station Biesnic zu gelangen. Ab Biesnic gewinnt die Bahn wieder den Charakter einer Thalbahn; sie fiihrt in starkem Gefalle gegen den Badeort Gut- \vasser, \vendet sich an der Ruine Hradek gegen Stidosten, libersetzt wieder die Vičava mittels einer eisernen Gitterbriicke und gelangt durch tiefe Einschnitte und iiber hohe Damme zur Station Mirowic und von da, stets am rechten Ufer der Vičava [hier Skalice genannt], zur Station Čimelic. Plinter Čimelic verlasst die Bahn das Gebiet der Vičava, fiihrt in sudlicher Richtung durch dichte Waldbestande in den Bereich des Lomnitzbaches, passirt die Station Vraž und hinter derselben die secundare Wasser- scheide zwischen dem Wotava- und Lomnitz- bach-Gebiete und tritt nach Passirung der Station Čižova in die Thalerbreiterung der Wotava ein, wo der Fluss mit einer 120 m weiten Eisenbrlicke tibersetzt wird, um in die eigentliche Station Pisek zu gelangen. Hier kommt die Trače in das Gebiet des Blanitzfiusses, beriihrt, etwas gewendet, die Station Putim, dreht sich dann nach Sud- osten, tibersetzt den Blanitzfluss und den Blanitzarm mittels Eisenbriicken und gervinnt dann mit einer langen, iiber eine ausgedehnte Wiesenfiache dahinziehenden Geraden die Station Protivin. [Abb. 103 und 104.] Als das letzte der aus den Regierungs- Vorlagen vom 10. Februar 1874 hervor- gegangenen thatsachlichen Ergebnisse fiir die Vermehrung der osterreichischen Schienenwege, ist der auf Staatskosten unternommene Bahnbau in D a 1 - m a t i e n anzufiihren, der, wenngleich nur von geringer Ausdehnung und darum die alten Plane nur in bescheidenem Masse verwirklicliend, dennoch besondere Wiir- digung verdient, weil bis dahin Dalmatien das einzige »eisenbahnlose« Land der ganzen Monarchie gewesen. Die ersten Anregungen zu Eisenbahn- Anlagen in Dalmatien reichen bis in die Anfangsperiode unseres Bahnwesens zurtick und gingen, in Riicksichtnahme auf Fiume, von den ungarischen Behorden und Landtagen [1843 und 1847/48] aus. Mitte der Fiinfziger-Jahre und seitdem noch lange Zeit machten die genannte Hafenstadt sowie die dortige Handels- kammer mannigfache Anstrengungen um die Zustandebringung einer Eisenbabn- Verbindung mit Dalmatien. Zu Ende des Jahres 1861 projectirte auch derEnglander Charles Boyd eine von Triest iiber Fiume nach Žara und von da durch ganz Dal¬ matien bis Cattaro fiihrende Schienen- strasse mit Fortsetzungen nach Belgrad etc., erhielt aber nicht die Bewilligung zu den Vorarbeiten. Im Lande selbst beschaftigte sich zuerst der Biirgermeister von Spalato, Dr. Anton Bajamonti, mit der Angelegen- heit; er projectirte im Jahre 1862 eine, laut seines damals veroffentlichten. Pro- memorias, von Spalato aus, Dalmatien in der mittleren Breite durchschneidende Linie an die bosnische Grenze gegen Livno [und Fortsetzung bis Belgrad] und erhielt am 10. December 1862 die be- ziigliche Vorconcession. Ihmfolgten: die Stadtgemeinde Žara mit dem Projecte Zara-Knin [-Bosnien] -Esseg und die Han- delskammer von Spalato mit dem Pro¬ jecte Spalato-Knin [Vorconcession 12. Juni 1864]. Begreiflicherweise fanden diese Bestre- bungen die warmste Theilnahme und Be- furvvortung; der wiederholt kundgegebene einmtithige Wunsch der Landesvertretung sowie der bedeutendsten Gemeinden und Korperschaften des Landes, liess das Zu- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 199 standekommen der Bahn als ein wahres Bediirfnis er- kennen. Dies war noch mehr und auch vom Standpunkte des Gesammtreiches der Fali, nachdem die Ereignisse des Jahres 1866, gleichwie beziig- lich Istriens auch hi er den Mangel einer Eisenbabn- Verbindung empfindsam vor Augen fiihrten. Die Regierung entschloss sich demnach zur Vervvirk- lichung der dalmatinischen Bahnprojecte dadurch beizu- tragen, dass sie die tech- nischen Vorarbeiten auf Ko¬ sten des Staates bevverkstel- ligen und noch im Jahre 1866 mit den Hohenmessungen beginnen liess. Diese Pro- jectsarbeiten vvurden im Jahre 1869 beendet. W ahrenddessen tauchten tibrigens von pri- vater Seite neue Projecte auf, so namentlich jene des Gra- fen Eugen Zichy und des Englanders Ralph Earle, von denen das erstere die Linie von Pest iiber Neusatz durch die Militargrenze bis Spalato, das zweite hingegen ein ganzes dalmatinisches Bahn- netz zum Gegenstande hatte [1868], femer dasjenige der Gebriider Pongratz fiir die Linie Barcs-Novi- Knin-Dernis-Spalato und das von Stefan Tiirr auch in seiner Denkschrift iiber die Verbindung des ungarischen Donau- thales mit der Adria vertretene Project einer Eisenbahn von Essegg iiber Brod nach Bosnien und Dalmatien bis Spalato, Sebenico und Žara [1869]. Ein zweites Mal legte die Regierung ihr Interesse an die dalmatinischen Bahnen dadurch offen an den Tag, dass sie in ihre, die Vervollstandigung des oster- reichischen Eisenbahnnetzes bezweckende Gesetzesvorlage vom 13. Marž 1869 auch eine Bahn von Spalato iiber Knin in der Richtung gegen Krain aufnahm und zur Begrtindung dieses Vorschlages hervorhob, wie nothwendig es sei, Dalmatien mittels einer Schienenstrasse enger an das Innere Abb. 98. jtJrucke iiber die Z\vodau bei Lindenhammer. [Strecke Falkenau-Graslitz. [Nach eiaer photographischen Aufnahme von Franz Sommer.] der Monarchie zu kntipfen. Diese Vorlage hatte, obrvohl sie schon am 29. April 1869 wieder zuriickgezogen wurde, nicht verfehlt, die offentliche Aufmerksamkeit von Neuem fiir die »Einbeziehung Dal- matiens in die Reihe der mit Eisen¬ bahnen bedachten Kronlander« wach- zurufen. Dr. Bajamonti bildete ein Con- sortium fiir die Verbindung Barcs-Sissek- Spalato nebst Zweigbahnen von Knin nach Sebenico und Žara, von Otocac nach Zengg sovvie von Ogulin nach Brod; Stephan Tiirr plante noch eine Eisenbahn von der Narentamiindung iiber Fort Opus nach Bosnien, die allerdings nur zum kleinsten Theile Dalmatien zu- gute gekommen \vare ; die Stadtgemeinde Žara projectirte ein ganzes Bahnnetz fiir Dalmatien, Slavonien und die Militar¬ grenze ; ein griechisch-franzosisches Con- 2CO Ignaz Konta. sortium endlich beabsichtigte die Durch- stechung der Landenge von Korinth und die Herstellung eines von dort ausgehen- den Bahnnetzes langs der Kuste des Adriatischen Meeres bis nach oder auch durch Dalmatien. Die beziiglichen Vor- concessionen wurden fast sammtlich im Mai 1870 ertheilt. So schon und . grossangelegt alle diese Vorhaben auch waren, vielleicht sogar gerade weil sie zu weitreichende gewesen, blieben sie doch nur Projecti- rungen. Als nun deren Unfruchtbarkeit offenbar wurde, und die Unruhen im Gebiete von Cattaro sowie die unter Hinweis auf dieselben im Reichsrathe gestellten Interpellationen wegen des Bahnbaues in Dalmatien, an die Dring- lichkeit des letzteren mahnten, liess die Regierung das im Jahre 1869 von der k. k. General-Inspection vollendete Project fiir die Linie von Spalato iiber Knin zur Fortsetzung durch die Militargrenze bis Carlstadt und mit Abzweigungen nach Trau, Sebenico und Žara, einer durch- greifenden Umarbeitung unterziehen, weil dessen Verwirklichung sonst zu kostspielig gewesen ware. Es wurde jetzt die Linie Spalato-Perkovič-Dernis-Knin-Croatische Grenze [bei Pasic] mit Abzweigungen von Perkovič nach Sebenico und von Ocestovo nach Žara gewahlt und in- folge des inzwischen begonnenen Baues der croatischen Linie Carlstadt-Fiume, der Anschluss an diese bei Touin in Aussicht genommen. Das Ergebnis der im Jahre 1871 beendeten Umarbeitung war: eine giinstigere Entivickelung. der Trače, die Einbeziehung der Braunkohlen- lager von Siverič in die Llauptlinie und eine Verringerung der Baulange [um 7 - 3 Meilen] auf 30'8 Meilen und der effectiven Baukosten [um 15,730.000 fl.] auf 21,481.000 fl. Dieses neue Project, an welchem iibrigens im Jahre 1872 noch einige Nach- besserungen vorgenommen wurden, bil- dete nun die Grundlage fiir den am 17. De¬ cember 1872 im Abgeordnetenhause ein- gebrachten Gesetzentivurf, vermoge des¬ sen die Regierung ermachtigt werden solite, die vorgenannten dalmatinischen Bahnlinien entvveder auf Staatskosten auszufiihren [fiir welchen Fali sie pro 1873 eine Baudotation von 3,000.000 fl. in Anspruch nahm] oder unter Gervahrung einer Staatsgarantie im Hochstbetrage von 44.500 fl. pro Meile zu conces- sioniren. Das Abgeordnetenhaus hatte die Vor- lage im Grundsatzlichen wohlwollend behandelt und, folgend den Antragen seines Ausschusses, sogar die Garantie- ziffer auf 47.300 fl. pro Meile erhoht, doch aber von dem. Baue auf Staats¬ kosten »aus staatsrechtlichen Griinden« vbili g abgesehen und die Concessionirung der dalmatinischen Linien von der Siche- rung ihres Anschlusses an das oster- reichisch-ungarische Bahnnetz abhangig gemacht, \veil ein isolirtes dalmatinisches Netz weder den mit s einer Ausfiihrung angestrebten Ztvecken entsprechen, noch den Aufwand fiir dasselbe rechtfertigen wiirde [1. April 1873]. Vom Herrenhause am 17. April mit den gleichen Aenderungen angenommen und sodann am 30. April 1873 a. h. sanctionirt, war wohl jetzt ein Gesetz iiber die Sicherstellung der dalmatinischen Bahnlinien geschaffen, seine Durchfiihrung erwies sich jedoch als unmoglich ; denn der Ausbruch der ivirthschaftlichen Krisis und insbesonders die Ungewissheit hin- sichtlich der Erzielung des Anschlusses, vereitelten die Concessionirung. Damals hiess es, die koniglich unga- rische Regierung habe sich bereit erklart, eine Verbindungslinie von der Carlstadt- Fiumaner Bahn bis zur croatischen Grenze zwischen Pasic und Pribudic zu bauen; zur Erfullung dieser Zusage kam es je¬ doch nicht. Welche Umstande dies hin- derten, ist noch unbekannt; man wird jedoch schwerlich fehlgehen, wenn man ihnen die Besorgnis wegen einer Concurrenzirung Fiumes durch die dal¬ matinischen Hafen zuzahlt. Jedenfalls bleibt es eine bedauerliche Thatsache, dass die Losung der Anschlussfrage, die fremden Nachbarstaaten gegeniiber so oft schon gegliickt, j ust hier nicht gelingen vvollte und auch fiir weiterhin aussichtslos erscheint, nachdem die Militžir- grenz-Bahnen, bei welchen zum letzten Male auf die Verbindung Ogulin-Pasic [dalmatinische Grenze] Bedacht genom¬ men war, wesentlich anders ausgefiihrt Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 201 wurden, als sie vom Chef der Militar- grenz-Verwaltung, Feldzeugmeister Frei- herrn von Mollinary, in denjahren 1873 bis 1876 projectirt und mit seltener Ausdauer und Ueberzeugungstreue ver- fochten worden waren. Solite nun der alte Zustand nicht neue Fortdauer gewinnen, dann musste die Regierung eine andere Vorsorge fiir den Bahnbau treffen. Sie entschloss sich hiezu umso rasclier, als Dalmatien im Jahre 1873 von einer Missernte betroffen verlangten das ganze Netz und, wenn dessen Verbindung mit den ungarisch- croatischen Bahnen nicht moglich sei, seine Ausweitung gegen Banjaluka hin und klagten, dass nicht einmal' die Hauptstadt des. Landes in den Eisen- bahn-Verkehf einbezogen \verde. Ware es auf diese Abgeordneten allein an- gekommen, dann hatte die Vorlage wahr- scheinlich eine ungiinstige Erledigung gefunden und Dalmatien noch langer jedweder Schienenstrasse entbehrt. Zum Abb. 99. Lilienfeld. [K. k. mederosterreichische Staatsbahnen, Scheibmuhl-Schrambach.J wurde, und es daher auch galt, der noth- leidenden Bevolkerung Hilfe zu bringen. Der Handelsminister Dr. Banhans legte also am 10. Februar 1874 dem Ab- geordnetenhause einen, die staatliche Ausfiihrung der Linie Siveric-Spalato nebst Abzweigung nach Sebenico sowie die Ertheilung eines ersten Baucredites von 1,000.000 fl. bezweckenden Gesetz- entwurf vor, damit, ohne Rucksicht auf den mangelnden Anschluss, der Bau alsbald in Angriff genommen werden konne. Das Ministerium erachtete nam- lich die genannte Linie an und fiir sich als befahigt und berufen, einem Ver- kehrsbediirfnisse zu gentigen und wollte darum mit ihr nur den Anfang machen. Damit waren jedoch die dalmatini- schen Abgeordneten nicht befriedigt; sie Glucke ftir das Land fasste die Mehrheit des Hauses die Sachlage ganz anders, namlich dahin auf, dass das neue Gesetz das alte keineswegs aufhebe. Der Gesetz- entvvurf wurde also am 1. Mai 1874 vom Abgeordnetenhause angenommen und, nach der am 6. Mai erfolgten Zustim- mung des Herrenhauses, am 16. Mai 1874 a - h. sanctionirt. ■ Dass Regierung und Reichsrath bei der Schaffung dieses Gesetzes unentwegt an dem Gedanken festhielten, sobald als thunlich auch die iibrigen dalmatinischen Linien in Ausbau zu bringen, erhellt insbesonders noch aus zwei Momenten. Das Handelsministerium begleitete die neue Vorlage mit Erlauterungen, die deutlich bekundeten, dass dieselbe that- sachlich darauf abziele, den Bau des 202 Ignaz Konta. beim Eintritte gtinstigerer Verhaltnisse ganzlich auszufuhrenden Bahnnetzes in Dalmatien endlich einmal zu beginnen — und das Abgeordnetenhaus fasste bei der Annahme des neuen Gesetzes zu- gleich eine Resolution, durch welche die Regierung aufgefordert wurde, das Zu- standekommen der Anschlussvereinbarung mit der koniglich ungarischen Regierung zu beschleunigen und tiberhaupt jene Hindernisse ehestens zu beheben, welche die »vollstandige Realisirung des Gesetzes vom 30. April 1873« und die »Gesammt- sicherstellung des dalmatinischen Eisen- bahnnetzes« behindern. Allerdings bestand das Haupthindernis darin, dass jene Ge¬ setzes-»Realisirung« nach wie vor an die Losung des Anschlussproblems gebunden blieb. Gleichzeitig mit der Sanction des Gesetzes vom 16. Mai 1874 war auch die a. h. Bewilligung zur Inangriffnahme des Baues erfolgt, der nun fast unverweilt, namlich Mitte Juni 1874 bei Spalato wie auch an zwei anderen Stellen begonnen und vorerstprovisorisch von den Unternehmern Paul Palese und Dorr & Trigari gefiihrt, nachher aber am 21. December 1874 im Offertwege an die Unternehmung Baja- monti, Trigari, Knauer und Gross zu Einheitspreisen vergeben wurde; des- gleichen im Juni 1876 die Hochbauten an die Triester Firma Peter Palese. Schienen,. Schwellen, Fahrbetriebsmittel, Ausrtistungs-Gegenstande etc. hatte die Staatsverwaltung selbst beschafft. An- lasslich der Bauvorbereitung erhielt die Strecke Siveric-Perkovič-Spalato [83'3 km\ die Bezeichnung »Hauptlinie«, die Strecke Perkovic-Sebenico [217 km) die Bezeich¬ nung »Fliigelbahn« der Dalmatiner Staatsbahn; erstere solite am 1. De¬ cember 1876, letztere am 1. Juli 1877 vollendet sein. Mannigfache Schwierig- keiten benahmen jedoch die Moglichkeit zur Einhaltung dieser Fristen. Die Theil- strecke Siveric-Sebenico ist vom 22. Mai 1877 an in provisorischer Weise zur Ab- fuhr der Kohle aus den Werken auf dem Monte promina beniitzt worden; die Er- offnung der ganzen Bahn [105 km) fiir den offentlichen Verkehr fand, unter leb- haften Freude- und Dankeskundgebungen der Bevolkerung, am 4. October 1877, als am Tage des Namensfestes Sr. Ma- jestat des Kaisers, statt. Beide Linien wurden als Bahnen zweiten Ranges erbaut, dem Terrain moglichst angeschmiegt und in der kiirzesten Trače gefiihrt, die nament- lich in der Strecke von Castel 'vecchio bis an die Cicola-Lehne ein ganz unwirth- liches Karstgebiet durchzieht. Grosse Er- schwernisse bereitete tiberdies der Mangel an Unterkunft, air gangbaren Wegen und an Wasser. Um das letztere in ausreichen- der Menge auch fiir den Betrieb zu be- schaffen, mussten mit einem Kostenauf- wande von 549.534 fl. eigene Wasser- versorgungs-Anlagen hergestellt werden, von denen insbesonders die Fassung der Quelle des Jadroflusses und die Wieder- instandsetzung der alten romischen W asser- leitung bei Spalato, ferners die Hebe- werke und Leitungen im Kerkathale zu erwahnen sind. Die Ueberwindung aller dieser Miihsale fand ihren Lohn in einem bedeutenden Kostenersparnis, das allerdings zum grossen Theile auch da- durch erzielt rvurde, dass zufolge des Gesetzes vom 14. April 1877 [betreffend die Eroffnung von Crediten pro 1877 fiir die Staatsbahnbauten] verschiedene technische Erleichterungen zur Anwen- dung kamen. Das Anlage-Capital war mit 12,369.700 fl. veranschlagt; die wirk- lichen Ausgaben betrugen jedoch nur 10,972.230 fl. [= 104.500 fl. pro Kilo¬ meter]. DerBetrieb, welcher nach der urspriing- lichen Absicht der Regierung im Con- cessionswege an eine Privat-Unterneh- mung tibertragen werden solite, ver- blieb mit a. h. Bevvilligung vom 21. Juni 1877 denn doch in der eigenen Regie der Staatsverrvaltung. Mit ihm begann also die Wiederaufnahme des staatlichen Eisenbahnbetrie- bes inOesterreich, es war dies ein bescheidener Anfang, denn die Ein- richtungen und Leistungen des Betrie- bes der Dalmatiner Staatsbahnen waren die denkbar einfachsten. Nach der Eroff¬ nung der Bahn verkehrten auf der Haupt¬ linie wochentlich vier Ziige in jeder Richtung und auf der Fliigelbahn stets zwei Anschlusszuge zu jedem Zuge der Hauptlinie. Vom 15. Februar 1878 an, Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 203 Abb. 100. Piesting. [K. k. niederosterreichische Staatsbahnen, Leobersdorf-Gutenstein.] trat auf einzelnen Theil- strecken eine kleine Vermeh- rung der Zugszahl ein. Trotz aller Sparsamkeit blieben je- doch die Ergebnisse unzurei- chende, was hauptsachlich der Isolirtheit der Bahn zuzu- schreiben ist. Die. Betriebs- Direction hatte ihren Sitz in Spalato; zu ihrem Vorstande wurde der vormalige Betriebs- chef der Gotthard-Bahn, Frie¬ drich Neumann, ernannt, der, nach seiner am 25. Februar 1880 erfolgten Berufung zum Stellvertreter des k. k. Be- triebsverwalters der Kronprinz Rudolf-Bahn, den Commissar der k. k. General-Inspection, Gustav Gerstel, zum Nach- folger erhielt. Die Betriebs-Direction liess nichts un- versucht, den Verkehr zu heben und be- zeichnete, gleich nach Beginn ihrer Wirksamkeit, ganz freimiithig dieWeiter- fuhrung der Bahn mindestens bis Knin, wo fiinf Strassen einmtinden und die Giiter aus Bosnien ihren Stapelplatz haben, als das geeignetste Mittel zur Besserung der Verhaltnisse. Auch das Land und seine Vertreter begehrten ohne Unterlass den Ausbau der Bahn und die Verwendung des beim ersten Baue er- iibrigten Capitals zur Verlangerung der Hauptlinie bis Knin. Diese Fortsetzung kam nach vielen Jahren \virklich zu- stande; alles Uebrige ist noch der Zukunft vorbehalten. Die Hauptlinie der k. k. D a lm a ti n er Staatseisenbahn beginnt an einer ausserhalb des Hafens voii Spalato gelegenen seichten Bucht des Canals von Brazza, fuhrt von dort durch einen ir bis 13 m tiefen Felseinschnitt zur Station Spalato, deren Plateau beinahe vollstandig durch Verschiit- tungen im Hafen von Spalato gewonnen wurde. Sogleich nach dem Austritte aus der Station Spalato windet sich die Bahn in einem 749 m langen, durchschnittlich 4 — 5 m > stellenweise aber bis zu 15 m tiefen, grOssten- theils aus dem Felsen gesprengten Einschnitte mit drei Gegenkriimmungen von 250 m Radius zwischen den Gebauden der Vorstadt Lucaz und dann in einer langeren Geraden durch die Vorstadt Manus hindurch, wendet sich dann gegen Osten, bis sie in einem langen Bogen das čstliche Ende der Meeres- bucht von Vraniza umfahrt und die dortige 300 m breite Felsrippe durchschneidet. Sodami ubersetzt sie den Jadrofluss genau an seiner Miindung ins Meer und gelangt kurz darauf zu der theilweise durch Verschilttung einer kleinen Meeresbucht geivonnenen Station Salona. Dort verlasst die Bahn die Kiiste und betritt den mit Wein und Oliven reich be- bauten unteren Theil der Lehne des Berges Kossiak und fiihrt langs derselben in west- licher Richtung zur Station Castelvecchio. Mit Steigungen von 1:40 an Felsrippen und durch vier Tunnels gelangt die Bahn weiter zu der 361 m iiber dem Meeresspiegel liegenden Station Labin, die sich bereits im Karstgebiete befindet, welches erst beim Ein- tritte in das Thal der Cicola bei Derniš vvieder verlassen wird. Von Lab ni aus zieht sich die Bahn in offener Karstgegend etvVa 3 1 / 2 km weit bis zum Rande des steil ab- fallenden, 160 m tiefen Thalkessels von Dolač. Von dort wieder [mit zumeist 1140] ansteigend, erreicht sie die Wasserscheide gegen das Thal von Perkovič und von dort aus im Gefalle die Station Perkovič-Slivno. Von hier geht die Bahn durch ein breites Karst- thal, steigt durch nicht unbetrachtliche Ein¬ schnitte zur Station Unešie und von dieser auf den hochsten Punkt der Dalmatiner Bahn [Cote 373 m]. Von da ab senkt sich die Trače, um von Žitnic aus mit einer leichten Steigung, den senkrecht absttir- zenden Felswanden der Cicolaschlucht aus- vveichend, an der von Dernis flussaufwarts fuhrenden Lehne, die Thalsohle zu erreichen und den Cicolafluss und dessen Fluth- Oflfnung zu iibersetzen. In vveiteren Stei¬ gungen von 1 : 50 wird uber Dernis die Sta¬ tion Siverič erreicht. Die Fliigelbahn P erko vic-S eb e nico zweigt bei der Station Perkovič unter einem sehr spitzen Winkel ab, ubersetzt den Tor- 204 Ignaz Konta. rente Dabar und erreicht mit Gefallen von l : 60 bis I : 45, unter ziemlich ungiinstigen Richtungsverhaltnissen, die Station Verpolje und lauft dann von hier mit geringen Stei- gungen und Gegensteigungen, ohne [mit Ausnahme eines einzigen grSsseren Ein- schnittes] bedeutende Arbeiten erfordert zu haben, bis etwa 900 m vor die Station Sebe- nico. Die Theilstrecke bis zu dieser Station jedoch sowie das Stationsplateau von Sebe- nico, welches I 7'4 m tiber dem Meeresspiegel auf einer durchaus unebenen, mit Felsen- trtimmern besaeten Flache herzustellen war, und die etwa 250 m vor Beginn der Station Sebenico abzweigende »Rivabahn«, die mit einem 616 m langen Gefalle von x : 40 un- mittelbar zu einer Ufermauer am Meere fiihrt, verursachten sehr betrachtliche Erd- und Felsarbeiten. [Abb. 105—107.] * * * Die im Vorhergehenden erorterten, als Nothstandsbauten in Ausfiihrung ge- kommenen Linien von zusammen 7 22’2 km oder, wenn man die Linie Pilsen-Eisenstein gleichfalls wie ein ganz neu geschaffenes Unternehmen mit hinzuzahlen will, von 8i9 - 6 km Lange, machen also den Fort- schritt aus, \velchen das Jahr 1874 der Entwicklung des osterreichischen Bahn- netzes brachte. Selbst dieses Ergebnis, das im Hinblick auf die damalige Zer- riittung der wirthschaftlichen Verhaltnisse immerhin noch als ein betrachtliches gelten konnte, erfuhr aber eine Schmale- rung dadurch, dass ihm die Annullirung mehrerer Concessionen,*) somit derWeg- fall eines bereits ftir gesichert gegoltenen Bahncomplexes von rund 602 km gegen- iiberstand. Weit mehr als der Riickschlag, den die raumliche Ausbreitung des Bahn- netzes erlitten, verdiisterte indes die finanzielle Bedrangnis, in \velcher sich die meisten ungarantirten Bahnen be-. fanden, die allgemeine Lage des oster¬ reichischen Eisenbahnwesens. Eine ganze *) Es wurden ftir erloschen erklart die Concessionen ftir die Eisenbahnen: Bozen-Meran, 28'1 km, mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 14. Juli 1874. Ebensee-Ischl, 303 km, mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 23. Juli 1874. Altheim-Scharding, 28'8 km, mittels Kund¬ machung des Handelsministeriums vom 4. December 1874. Liebenau-Kuschvvarda [Bohmische Siidwest- bahn], 515 km, mittels des Gesetzes vom 16. Mai 1874; — zusammen 602 2 km. Reihe von Unternehmungen, die schon vom Baue her verschuldet gewesen oder durch das Ausbleiben der erhofften Be- triebsertragnisse mit Deficiten zu kampfen oder unter diesen beiden Uebeln zu leiden hatten, geriethen ausser Stand, ihren Ver- pflichtungen nachzukommen, und \varen sicher dem Gant verfallen, \venn nicht das sogenannte Curatoren-Gesetz*) vom 24. April 1874 sie vor diesem Lose bewahrt hatte. Der erste Abschnitt dieses Gesetzes verfiigt namlich, dass in Angelegenheiten, welche gemeinsame Rechte der Besitzer von Theilschuld-Verschreibungen [Priori- tats-Obiigationen u. dgl.] betreffen, die einzelnen Besitzer ihre Rechte nicht selbstandig geltend machen konnen, vielmehr in allen Fallen, bei denen es sich ergibt, dass die Rechte dieser Be¬ sitzer durch Verzug gefahrdet oder die Rechte eines Anderen in ihrem Gange gehemmt wiirden, ein gemeinsamerGurator zur Vertretung der Rechte der Besitzer von Theilschuld-Verschreibungen vom G erichte zu bestellen ist, wodurch also etwaigen Zwangsmassregeln seitens einzelner Obli- gationen-Besitzervorgebeugt, zugleichaber ein Organ zur gemeinsamen Vertretung ihrer Rechte geschaffen wurde, mit \velchem die bedrohten Gesellschaften ihre Schuldenangelegenheiten auf giit- lichem Wege regeln konnen. In seinem zweiten Abschnitte behandelt das Gesetz die biicherliche Eintragung des Pfand- rechtes filr die Besitzer der gedachten Theilschuld-Verschreibungen, und es steht damit im Zusammenhange das eigens geschaffene Gesetz vom 19. Mai 1874, »betreffend die Anlegungvon Eisen- bahn-Buchern, die Wirkung der an einer Eisenbahn eingerdumten Hypothekar- rechte und die biicherliche Sicherung der Pfandrechte der Besitzer von Eisenbahn- Prioritats-Obligationen«, wodurch \vieder *) Der Titel dieses Gesetzes lautet: »Gesetz, betreffend die gemeinsame' Ver¬ tretung der Rechte der Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament tibertragbaren Theilscbuld -Verschreibungen und die biicherliche Behandlung der ftir solche Theilschuld-Verschreibungen einge- raumten Hypothekarrechte.« [Naheres vgl. Bd. I, 2. Theil, Dr. V Roli, Entwicklung der Eisenbahn-Gesetzgebung ] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 205 fiir die bis dahin ganzlich fehlende Inta- bulation j en er Pfandrechte gesorgt wurde. In der Folge ist die ordnende und das Vertrauen zu den Eisenbahn-Obli- gationen starkende Wirkung dieser legis- lativen Vorkehrungen deutlich hervor- getreten; zur Zeit, da sie getroffen wurden, ausserte siclr jedoch ihr Nutzen, wie ge- sagt, vornehmlich nur in den ihnen ent- stammten weitreichenden Stundungen fiir die nothleidenden Unternehmungen, die aber, \veil anderer Hilfe bar, im Uebrigen fortkrankten. Am schlimmsten waren jene daran, \velche [wie z. B. die Lundenburg-Griiss- bacher und die Braunau-Strasswalchner Bahn u. s. w.] ohne Besitz eines eigenen Fahrparkes die Betriebfiihrung an Nach- barbabnen iibertragen hatten, jetzt aber infolge der geringen Einnahmen weder die Kosten des Betriebes decken, noch ihn selbst iibernehmen konnten, daher Gefalir liefen, den Verkehr einstellen zu miissen und dann sequestrirt zu werden oder gar die Concession zu verlieren. Betriebsabgange waren iibrigens auch bei einigen garantirten Bahnen zu einem chronischen Uebel geworden, das fiir diese, \venngleich minder bedrohlich, so doch immer noch folgenschwer genug war, weil es eine Haufung der Schulden oder Kiirzung der Actienrente nach sich zog und das Vertrauen zu der Garantie herabdriickte. Dem Allen ist es zuzuschreiben, wenn die Eisenbahn-Papiere, welche bislang gegen die Verheerungen der Krisis gefeit schienen und sich \vie ein Schutzwall gegen das Weitergreifen des allgemeinen Niederganges ausnahmen, jetzt ebenfalls einer heftigen Entwerthung anheimfielen und die Schrecknisse der wirthschaftlichen Venviistung mehrten und steigerten. Nun erst erwarmte sich auch der Reichsrath einigermassen fiir den Ge- danken, dass zur Eindammung des Ver- falles oder, riach anderer Lesart, zur Neuregelung des Eisenbahnwesens etwas geschehen miisse. Zum Ausdrucke ge- langte diese Regung aber wieder nur in ganz platonischer Weise: der Reichsrath verlangte von der Regierung und diese versprach ein ausfiihrliches Programm [24. November 1874]. Draussen hatte indes die Publicistik nicht aufgehort, den Ernst der Lage zu besprechen — an die Dringlich- keit einer Sanirungsaction zu mahnen. Ueber die Art derselben, gingen freilich die Meinungen vveit auseinander. Fu- sion, Aufrechthaltung und Unterstiitzung der bestehenden Unternehmungen, riick- haltslose Staatsgarantie, allgemeiner Staatsbau und Staatsbetrieb, wurden in bunter Abwechslung empfohlen. Ueber- einstimmung zeigte sich nur in dem Be- gehren nach Klarstellung der Frage vvegen Deckung der Betriebsdeficite bei garantirten Bahnen durch den Staat. An Stimmen, welche eine Unter- suchung und Lauterung der inneren Ver- . haltnisse des Eisenbahnwesens heischten, fehlte es gleichfalls nicht. Neues, beziehungsweise Urspriing- liches wiesen jedoch diese Rathschlage nur wenig auf, einige waren sogar schon von Massnahmen der Regierung ganz oder theilvveise iiberholt; denn der Bau auf Staatskosten hatte bereits bei etlichen neuen Linien [den sogenannten Nothstands- bauten] seine erste Wiederanwendung gefunden ; fiir die Zusammenlegung einer Anzahl von Gesellschaften sowie žur Bedeckung der Betriebsdeficite garan- tirter Unternehmungen war, wie alsbald folgt, ein erster Schritt schon unter- nommen und die Priifung der technischen und administrativen Zustande einzelner Bahnen liess die Aufsichtsbehorde seit Jahr und Tag sich besonders angelegen sein. Was die Oeffentlichkeit von dieser Obsorge erfuhr, betraf allerdings nur zum geringeren Theile die in der soge¬ nannten Griindungszeit entstandenen Schaden; fiir die Eindringlichkeit des Vorgehens lieferten aber die damaligen Geschehnisse bei den alten galizischen Bahnen einen eclatanten Beweis. Vielfache, auch im Reichsrathe wieder- holt vorgebrachte Beschwerden iiber Ver- kehrsstorungen und Unsicherheit des Betriebes auf der Lemberg-Czerno- w i tz-J a s sy - Ei s enb a h n hatten das Handelsministerium schon im Jahre 1870 zur Anordnuna: einer griindlichen tech- nisch-administrativen Untersuchung der Bahn, dann [28. November] zur Entsen- 206 Ignaz Konta. dung eines diesfalls mit besonderen Voll- machten versehenen Commissars [s. S. 37] und schliesslich [14. December] auch dazu veranlasst, dem Verwaltungsrathe eine durchgreifende, der Betriebs-Direction in Lemberg ausreichende Befugnisse zu raschem und kraftigem Handeln ein- raumende Reorganisation des V erwaltungs- und Betriebsdienstes aufzutragen. Anstatt fur die ptinktliche Befolgung der an sie ergangenen Weisungen zu sorgen, gefielen sich Verwaltungsrath und General-Direction darin, dieselben zu kritisiren und mit Verwahrungen zu be- antworten, deren Ton iiberdies dem Ministerium sehr missfiel. Die Gegensatze verscharften sich mit jeder neuen Anordnung, und zu solchen fand die Aufsichtsbe- horde immer wie- derVeranlassung. Die Actionare hatten von diesen jahraus jahrein sich fortspinnen- den Vorgangen keine Kenntnis. Noch in derGene- ralversammlung vom 29. April 1872 folgten sie ganz sorglos den Antragen des Verwaltungsrathes, be- schlossen zum Zwecke der Abstos- sung schwebender Schuldposten wie auch zur Schaffung eines geniigenden Betriebs - Capitals, eine vierte Priori- taten-Emission im Betrage von nom. 5,400.000 fl. und gaben zur Verzin- sung und Tilgung dieses Anlehens 2°/ 0 von der bis dahin aus den Staatsgarantieen genossenen 7 °/oi& en Actienrente ab. Die neuen Obligationen wurden zum Curse von 75 V s an ein Berliner Consortium begeben und von diesem am 6. und 7. August mit vorzuglichem Erfolge zum Curse von 80 zur offentlichen Zeichnung aufgelegt. Kein ausseres Anzeichen verrieth daher, dass die Lemberg-Czernowitzer Bahn einem Geschicke entgegengehe, wie es vordem in Oesterreich noch keiner Eisen- bahn-Unternehmung widerfahren war. Um desto grosser war die Ueber- raschung aller Theilhaber der Gesellschaft, als der Handelsminister am 7. October 1872, auf Grund des § 12 des Eisenbabn- Concessions-Gesetzes vom 14. September 1854, die Sequestration ihrer oster- reichischen Linien anordnete. Dem Ver- waltungsrathe selbst konnte aber diese Massregel nicht so ganz unvermuthet ge- kommen sein; denn abgesehen von Allem, was schon vorausgegangen, wusste er, dass ihm mittels Erlasses vom 4. Sep¬ tember 1872 die unverweilte Ausfuhrung einer Reihe von Weisungen in Betreff einer sparsameren Einrichtung des ge- sellschaftlichen Haushaltes, namentlich durch Verringe- rung bestimmter Personalunkosten [Beziige des Ge¬ neral-Directors und zweier ande- ren Oberbeamten, Diaten, Wagen- auslagen etc.], bei sonstiger V erhan- gung der Seque- stration aufgetra- gen war, und dass er auch die¬ sen Weisungen nicht nachkam, vielmehr gegen dieselben zuerst in der Sitzung vom 23., dann mittels Ein- gabe vom 25. September 1872 heftig remonstrirte. In dem Sequestrations-Decrete war zugleich die Bestellung des k. k. Regie- rungsrathes Karl Barycliar zum Se- quester und des k. k. Inspectors Ferdinand Perl zum Sequester-Stellvertreter ausge- sprochen, der Amtsantritt des Sequesters gleich auf den 8. October 1872 anbe- raumt und von diesem Tage an die statutarische Wirksamkeit der General- versammlung, des Verwaltungsrathes und des General-Directors, riicksichtlich des osterreichischen Theiles der gesellschaft- lichen Unternehmung, aufgehoben. Vor dem Beginne der Verwaltungs- raths-Sitzung vom 7. October, in welcher der landesfurstliche Commissar die Seque- stration verkundete, nahm der General- Abb. 101. Waldeg-g. [K. k. niederosterreichische Staatsbahnen, Leobers dorf-Gutenstein.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 207 Director Victor Ritter von Ofenheim, der nicht wie das gesammte iibrige Personal, unter die Amtsgewalt des Sequesters treten mochte, seinen Abschied. Da bald darauf auch der technische Director und der Vorstand des finanziellen Dienstes zuriicktraten, hatte der Sequester bei der von ihm sogleich ins Werk gesetzten Neueinrichtung des Dienstes Gelegenheit, auf wichtige Posten Personen seines Vertrauens zu steli en. Zum Betriebs- Director wurde der Ober-Ingenieur der Kaiserin Elisabeth-Bahn, Adolf L a u d a,*) ernannt, der nun in Gemeinschaft mit den bautechnischen Abtheilungen vor Allem auf die gute Instandsetzung des Bahnkorpers und die Erzielung eines ungestorten Be- triebes hinwirkte. Unterdessen wendete sich der V erwaltungsrath an die Oeffentlich- keit. Mittels einer am 10. December 1872 ausgegebe- nen, sammt ihren Beilagen einen 195 Seiten starken Quartband bilden- den Denkschrift, zog er sowohl die Nothwendig- keit als auch die Berechtigung der Se- questration in Erorterung oder auch in Zweifel und rief das Urtheil aller un- parteiisch Denkenden, inbesonders der Fachleute, dartiber an, »ob der Regierung keine andere, weniger einschneidende Massregel zu Gebote stand, um die durch Sequestration angestrebten Zwecke zu erreichen«. Die Wirkung dieser Publication war jedoch nicht die seinerseits erwartete. Trotz des Aufsehens, das die Angelegen- heit allenthalben hervorgerufen hatte, *) Im Jahre 1874 kehrte Lauda wieder in die Dienste der Kaiserin Elisabeth-Bahn [als Verkehrs-Director] zuriick und erhielt den Vorstand des commerziellenDepartements der Lemberg - Czernowitz- Jassy -Eisenbahn, Julius Schreiber, zum Nachfolger in Lem¬ berg. machte sich bei der Besprechung der- selben, soweit sie sich nicht vollig gegen den Vervvaltungsrath kehrte, eine auf- fallende Zuriickhaltung bemerkbar, und zwar nicht blos jetzt, sondern auch, mit ganz vereinzelten Ausnahmen, in der am 26. April 1873 abgehaltenen General- versammlung fiir die rumanischen Linien der Gesellschaft. Das Verhaltnis dieser zu den seque- strirten osterreichischen Linien gestaltete sich nun wie zwischen zwei fremden Unternehmungen. Fiir die ihm ver- bliebene »Gestion« richtete der Ver- waltungsrath einen gesonderten Dienst ein, dessen Leitung der zum General- Secretar ernannte frtihere Prasidial- Secretar der Ge¬ sellschaft, Gustav K ir h n e 1 1, inne hatte. Einem alt- gehegten Verlan- gen der rumani¬ schen Regierung nachkommend, wurde mit Zu- stimmung der eben erwahnten Gene¬ ral versammlung nunmehr auch eine Art Trennung der Gesellschaft voll- zogen, namlich in der Weise, dass fiir die rumanische Linie ein aus der Mitte des Verwaltungs- rathes- gewahltes »Comite dirigeant« in Bukarest eingesetzt und in Jassy eine eigene Betriebsleitung errichtet wurde. Dies Alles behinderte aber keines- wegs, dass der Verwaltungsrath sich ohne Unterlass bemiihte, der Wiederkehr normaler Zustande die Wege zu ebnen; seine, wie nicht minder auch die von den englischen Actionaren unternommenen Annaheruirgsversuche blieben jedoch fruchtlos. Das Ministerium liess mehrere dahinzielende Eingaben ohne Erledigung. Der Abgesandte des, schon seit der Griindung der Gesellschaft, gleichsam zur • Vertretung des bei ihr investirten Capitals, bestehenden Comites [von Mit- gliedern des Verwaltungsrathes] in Lon¬ don, Sir William Drake, wurde zwei- Abb. 102. Peutenburg- b.ei Kicnberg-Gaming. [K. k. niederosterreichische Staatsbahnen, Pochlarn- Kienberg•-Gaming•.] 208 Ignaz Konta. mal vom Handelsminister empfangen, zuerst am 30. October 1872, dann am 3. October 1873; Alles was er dabei erreichte, bestand indes nur in einem ihm am 30. November 1873 zugemittelten Verzeichnisse der fiir nothwendig er- kannten Reconstructionen und Nach- schaffungen und der hiefiir erforderlichen Geldmittel im Gesammtbetrage von 5,183.391 fl. Anfangs des Jahres 1874 glaubte der Verwaltungsrath, beim Ministerium end- lich einige Geneigtheit zur Anbahnung von Verhandlungen wahrgenommen zu haben. Er uberreichte daher wieder ein Gesuch um Aufhebung der Sequestration, worauf ihm am 4. Februar 1874 der Bescheid zuging, dass der Sequester an- gewiesen wurde, in Verhandlungen ein- zutreten. Dieselben begannen auch wirk- lich am 8. Februar und fanden in dem Protokolle vom 16. Marž 1874 ihren Abschluss. Die aufgestellten Punctatio- nen gingen dahin, dass die Gesellschaft sich verpflichten solle, fiir Plerstellungen und Anschaffungen 2,000.000 fl. zu ver- wenden und auf alle Anspriiche gegen die Regierung zu verzichten, wogegen ihr gestattet wiirde, zur Ordnung der finanziellen Lage des Unternehmens ein Nominal-Capital von 7>4°o.ooo fl. zu emittiren und den fiir die Verzinsung und Tilgung desselben erforderlichen Betrag von jahrlich 135.000 fl. in die Betriebsrechnung einzustellen. Das Proto¬ koli wurde dem Ministerium vorgelegt, brachte aber die Angelegenheit noch immer nicht in weiteren Fluss. Der Sequester waltete daher viel langer seines Amtes, als allgemein voraus- gesetzt war, und er hatte viel zu schaffen, um alle die M angel zu beheben, welche sovvohl bei der schon am 30. Sep¬ tember 1872 vom Handelsminister ange- ordneten, gleich nach Eintritt der Seque- stration begonnenen und im Frtihjahre 1873 beendeten Collaudirung der ganzen Bahn, als auch bei der Austibung des Betriebes sich herausgestellt hatten. Nach der Collaudirung und auf Grund ihrer Ergebnisse fand auch eine Priifung der Baurechnungen statt, welche dazu ftihrte, dass die Regierung gegen den ehemaligen General-Director einen Straf- process anhangig machte. Am 16. De¬ cember 1873 wurden v. Ofenheim und z\yei andere Oberbeamte der Gesellschaft in Haft genommen ; nach sieben Wochen zwar auf freien Fuss gesetzt, ver- blieben dieselben noch weiter in Unter- suchung. Hatte schon die Sequestration Aufsehen genug verursacht, so rief das neue Ereignis geradezu eine Erregung hervor, ahnlich derjenigen, von welcher die Oeffentlichkeit im Jahre 1860, an- lasslich des Strafverfahrens gegen den Creditanstalts-Director Richter ergriffen war; der Process Ofenheim endete jedoch nicht so tragisch wie jenes. Die Gerichtsverhandlung begann am 4. Januar 1875 und dauerte nahezu zwei volle Monate; sie war ein machtiges geistiges Ringen zwischen Anklage und Vertheidigung, die sich mit einem grossen Aufgebot von Zeugen und Sachverstan- digen gegeniiberstanden, und einander mit den scharfsten Waffen der Beredsam- keit, . des juristischen und technischen Wissens bekampften. In der ersten Nach- mittagsstunde des 27. Februar 1875 zogen sich die Geschworenen zur Berathung der ihnen vorgelegten zahlreichen Schuld- fragen zuriick, und um 6 Uhr Abends gaben sie ihr Verdict ab, das durch- gehends auf nichtschuldig lautete. Hierauf vom Gerichtshofe sogleich freigesprochen, gingv. Ofenheim ganz heilund an seiner Ehre unverletzt aus dem Processe hervor; aber von der thatigen Betheiligung am Eisenbahnwesen, dem er schon unter Ghega, also seit einem Vierteljahrhundert, gedient hatte, zog er sich ftir immer zuruck. Gegen die beiden anderen, gleichfalls in Untersuchung gestandenen Oberbeamten wurde das Verfahren nicht fortgesetzt. Ungemein verschiedene, eine ganze Scala von Gefiihlsausserungen — tiefe Entriistung bis lautesten Beifall —• um- fassende Kundgebungen begleiteten den Ausgang des Processes. Fiir die Lemberg- Czernovvitzer Bahn ward ihm doppelte Bedeutung beigemessen; denn fiirs Erste hatte die Wucht und Art der vom offent- lichen Anklager gegen ihren obersten Beamten erhobenen Anschuldigungen, wenn dieselben-aufrecht geblieben waren, auch das Ansehen der Gesellschaft nicht Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 209 Abb. 103. Tunnel bei Piirglitz [Strecke Rakonitz-Beraun]. [-Nach einer Photographie von H. Eckert & J. Miillern.] unbertihrt gelassen, und ftirs Zweite konnte sie die Wiedereinsetzung in alle ihre Rechte jetzt sicherer erhoffen, weil eben der Process, vor dessen Beendigung, laut einer personlichen Bemerkung des Handelsministers Dr. Banhans, an eine Aufhebung der Sequestration iiberhaupt nicht zu denken war, nunmehr seinen Abschluss gefunden hatte. Der Vervvaltungsrath, dem daran ge- legen war, schon die nachste ordentliche Generalversammlung nicht abermals nur fiir die Gestion der rumanischen Linien einberufen zu miissen, erneuerte deshalb seine Vorstellungen, und erfreute sich nun von Seite des damals interimistisch mit der Leitung des Handelsministeriums betrauten Ackerbauministers von Chlu- mecky eines Bescheides [vom 31. Marž 1875], in welchem die Geneigtheit ausgesprochen war, in Verhandlungen einzutreten, sobald der Verwaltungsrath seitens der Generalversammlung mit den nothigen Vollmachten ausgestattet sein werde. Dem weiteren Ersuchen um die sogleiche Eroffnung der Verhandlungen konnte, infolge der Theilnahme des Ministers an der Kaiserreise nach Dal- matien, nicht \villfahrt werden. Die Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. ordentliche Generalversammlung vom 30. April 1875 trug daher noch ganz dasselbe Geprage wie ihre beiden Vor- gangerinnen, immerhin aber liess die eingehende und freimiithige Erorterung auch der Angelegenheiten der 5 ster- reichischen Linien bereits erkennen, dass zu Gunsten der letzteren eine Wendung sich vorbereite. Eigentliche Vollmachten hatte diese Versammlung dem Verwaltungsrathe nicht ertheilt; sie sprach jedoch, »um ihm eine Stiitze gegentiber der Regierung zu geben«, den einhelligen Wunsch aus, das Ergebnis der bevorstehenden Verhand¬ lungen moge dem Aufsichtsrathe so recht- zeitig zur Priifung mitgetheilt werden, dass er sein Gutachten hieriiber der nachsten Generalversammlung erstatten konne. Am 21. Mai 1875 tibersandte das Ministerium dem Vervvaltungsrathe die »principiellen Grundlagen« fiir die Ver¬ handlungen und bald danach auch die Einladung zu der auf den 18. Juni an- beraumten ersten Besprechung. Diese wurde durch den Minister selbst eroffnet, dann in mehreren Sitzungen fortgesetzt. Die Verhandlungen bewegten sich nicht auf dem Boden des Protokolles vom G 210 Ignaz Konta. Abb. 104. Pribram. 16. Marž 1874; von der Gewahrung einer Staatsgarantie fur das auf die Reconstruction und Nachschaffungen verwendete Capital [bis Ende 1874 4,200.000 fl.] wollten die Vertreter der Regierung nichts mehr wissen. Das erschwerte natiirlich die Auseinander- setzungen, da die Delegirten des Ver- waltungsrathes neben der Ordnung aller schwebenden Fragen auch die Sicher- stellung der bisherigen Actienrente [5 °/o ] anstrebten. Desungeachtet kam schliess- lich doch die Einigung zustande, und die Unterfertigung des Protokolls vom 10. Juli 1875 beurkundete die Beilegung des Zwistes. Die Hauptpunkte der Vereinbarung lauteten also dahin, dass die Gesellschaft dem Sequester hinsichtlich seiner Ge- schaftsfiihrung und der von ihm bis Ende 1874 gelegten Rechnungen das Absolu- torium ertheile, wogegen die Regierung ihrerseits, infolge der vom Sequester be- \virkten Herstellungen und Neuanschaffun- gen, die sequestrirten Linien mit Ende 1874 als in vollkommen concessions- massigem Zustande betrachte, daher auch gestatte, die vom Sequester seit I. Januar 1875 ettva fur derartige Leistungen noch gemachten Auslagen in die Garantie- Rechnung einzustellen; die Sequestration solite am Schlusse desjenigen Monats auf- gehoben werden, in welchem die General- versammlung dem Uebereinkommen zu- stimme. Von den iibrigen Stipulationen sind noch hervorzuheben: die nachtragliche Genehmigung fruherhin nicht anerkannter Posten der Betriebsrechnung im Gesammt- betrage von 554.372 fl. und die damit im Zusammenhange gestandene Neube- zifferung der gesellschaftlichen Garantie- schuld an den Staat. Der Verwaltungsrath beeilte sich nun, auf den 30. Juli eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen, und die englischen Actionare, deren grosser Titelbesitz immer schwer in die Wag- schale fiel, fur den Friedensschluss zu gewinnen. Mit dieser heiklen Mission waren der Viceprasident und der General- Secretar der Gesellschaft betraut. Sie hatten einen harten Stand bei den erbosten Briten, und waren des Erfolges erst dann sicher, als der Vertreter des Londoner Comites, Sir William Drake, sich ihnen an die Seite stellte und [mittels eines Rundschreibens, in welchem rundweg gesagt war, dass es sich um eiir Com- promiss handle, welches zwar den Rechten der Gesellschaft wenig gentige, gleichwohl aber zur Annahme empfohlen werden miisse, weil es unter den gegebenen Ver- haltnissen das Beste sei, was im Interesse der Actionare erzielt werden konnte] die Mehrheit der englischen Theilhaber ver- mochte, dem Verwaltungsrathe ihreVoll- machten zur Generalversammlung zu tiberlassen. Dieselbe verlief denn auch ganz ruhig. Nachdem der Verwaltungsrath seinen Bericht und der Revisions - Ausschuss sein Gutachten iiber die mit der Regie¬ rung getroffene Vereinbarung erstattet hatte, genehmigte die Versammlung ohne jede Debatte das Protokollar- Uebereinkommen und ermachtigte den Verwaltungsrath zur Beschaffung eines Capitals von 3,260.000 fl. zur Deckung der iiber die vorhandenen Mittel hinaus- reichenden Erfordernisse von insgesammt 5,032.200 fl. Gleich nach Schluss der Versammlung loste die Regierung den Bann, mit welchem sie die Gesellschaft belegt hatte. Das Amtsblatt vom 31. Juli 1875 verlautbarte die [vom 30. datirte] Kundmachung des Handelsministers, dass »die Sequestration mit 31. Juli 1875 auf- gehoben ist«, der Sequester und dessen Stellvertreter von ihren diesfalligen Func- tionen entkleidet, der Verwaltungsrath und die Generalversammlung aber wieder in Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 211 ihre volle statutenmassige Wirksamkeit eingesetzt werden. Tags darauf, am i. August 1875, fand die Riickubergabe der Verwaltung der sequestrirt gewesenen Linien an den Verwaltungsrath statt, der sofort die Neubesetzung der obersten Dienstposten vornahm. Hiebei erfuhren die friiherhin vom General-Director versehenen Ge- schafte eine Zweitlieilung, ahnlich wie bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn. Diese Einrichtungen und Personalien, denen sichtlich ein versohnendes Princip innewohnte, bezeichneten das Ende des Ausnahmszustandes, in welchem die Lemberg-Czernowitzer Bahn sich fast drei Jahre lang befunden hatte. Da beide Parteien bestrebt waren, die Erinnerung an denselben zu verwischen, senkten sich allmahlich die Schleier der Vergessenheit iiber die ganze Episode und deren Begleiterscheinungen. Die Abb. 105. Stadt-Einschnitt Spalato. [Dalmatiner Staatseisenbahnen.] Zur Leitung des Bau- und Betriebs- dienstes wurde in der Person des k. k. Regierungsrathes Claudius Ritter von K 1 a u d y [bis dahin Ober-Inspector der k. k. General-Inspection] ein General- Inspector berufen, hingegen jene aller ad¬ ministrativen Angelegenheiten in dieHande des General-Secretars Anton K ti h n e 1 1 gelegt. Auch im Verwaltungsrathe selbst vollzogen sich einige Aenderungen. An die Stelle einzelner alterer Mitglieder traten neue und nebstdem erhielt er durch Coop- tirungen [darunter jene des friiheren tech- nischen Directors Emanuel Ziffer], dann durch die Aufnahme eines von der Regierung entsendeten Mitgliedes frischen Zuwachs. Verwaltung und die neue Geschafts- leitung wetteiferten fortan in der Pflege des wiederhergestellten Einvernehmens mit den vorgesetzten Behorden, so zwar, dass die Gesellschaft schon wenige Monate nach ihrer Rehabilitirung hoch genug in der Gunst stand, um dazu ausersehen zu werden, den Grundstock der damals von der Regierung geplanten Eisenbahn-Vereinigung in Galizien zu bilden, wovon spater noch besonders die Rede sein wird. Wahrend des iiber die Lemberg- Czernowitzer Bahn niedergegangenen Ungewitters fuhr ein Blitzstrahl auch in 14* 212 Ignaz Konta. das Nachbarhaus — die Carl Ludwig- Bahn. Hi er kam es jedoch zu keinem hellauflodernden Brande; der Ziind- stoff war bald aufgefunden und die gesellschaftliche Verwaltung sofort be- miiht, die Flammen abzudampfen. Das drauende Gewolke nahm die Richtung zur Carl Ludwig-Bahn hiniiber, als die Aufsichtsbehorde, welche, durch mehrere, schon im Herbste 1872 erschienene Zeitungsartikel formlich dazu aufgefordert, bei der Prtifung der Garantie-Rechnung pro 1872 mit besonderer Eindringlich- keit zu Werke ging, auch thatsachlich ganz aussergewohnliche Mangel ent- deckte. Einerseits waren dem Betriebe des neuen Netzes Ausgaben angelastet, die ganzlich oder doch zum Theile die, eine Staatsgarantie nicht in Anspruch nehmende alte Linie angingen; andererseits ent- hielten die Rechnungen Posten, die lediglich Privatsachen des General- Directors betrafen und daher uberhaupt nicht mit der gesellschaftlichen Gebarung vermengt sein sollten. Dies hatte zur Folge, dass der Handelsminister am 29. Juli 1873 eine Disciplinar-Untersuchung [nach § 85 der Betriebs-Ordnungvom 16. November 1851] gegen den vorervvahnten Functionar ver- fiigte und das Finanzministerium mittels Erlasses vom 13. September 1873 an den Rechnungen eine Reihe von Ab- strichen vornahm. Damit \var nun auch fiir die Verwaltung der Carl Ludwig- Bahn ein sehr ernster Moment gekom- men; denn schon war davon die Rede, beide Nachbarbahnen unter eine Ver- waltung zu nehmen, d. h. dem Sequester der Lemberg-Czemowitzer Bahn zu unter- stellen, und die Ergebnisse der gegen den General-Director gefuhrten Unter- suchung an das Landesgericht zu leiten. Der rasche Entschluss des Verwaltungs- rathes, sich einer Austragung der Be- mangelungen willig zu unterziehen, wie nicht minder der Umstand, dass der Gene¬ ral-Director Dr. Johann Ritter von H er z schon im ersten Stadium der gegen ihn gefuhrten Untersuchung in Triibsinn ver- fiel und am 9. December 1873 aus dem Leben schied, und dass die Erben alle ihn treffenden Ersatzleistungen mit dem im Vergleichswege festgestellten Betrage von rund 120.000 fl. auf sich nahmen, ermoglichten jedoch eine gerauschlose j Abivicklung der peinlichen Angelegenheit, j die iibrigens die Enthebung des Central- Directors Louis de Lens und den Riicktritt einiger Verwaltungsrathe nach sich zog. Aij die Spitze der Geschaftsleitung berief der Verwaltungsrath den General- Secretar der Bohmischen Westbahn, Dr. Eduard Sochor, der mit 1. Januar 1874 seinen neuen Posten in der Eigenschaft eines Central-Directors ubernahm, nach etlichen Wochen aber zum General- Director ernannt wurde und den fruheren Director der Dniester-Bahn Albert Speil Ritter von O stheim [als Central-Inspec- tor, sodann administrativen Director] zum Stellvertreter erhielt. Den Actionaren umfassenden Auf- schluss uber das Vorgefallene zu geben, enthielt sich der Verivaltungsrath; er beschrankte sich darauf, im Eingange des Berichtes an die Generalversamm- lung vom 21. Mai 1874 zu erwahnen, dass in der Amtsfiihrung des friiheren General-Directors »hinsichtlich der Be- streitung von Anschaffungen« Unregel- massigkeiten vorgekommen seien, die aber dem Verwaltungsrathe, der stets eine sorgfaltige Controle iibte, nicht zur Last gelegt werden konnen, ferner dass die Gesellschaft entschadigt ivurde, und dass Einrichtungen getroffen seien, »welche die Wiederholung eines ahnlichen Gebarens insoweit unmoglich machen, als dies durch organische Diensteseinrich- tungen uberhaupt erzielt werden kann«. Einzelne Actionare plankelten zwar gegen den Verwaltungsrath, in dem sie das hohe Ausmass seiner Tantieme anfochten, sie blieben aber in verschwindender Minder- heit. Seitdem deckte Grabesstille Alles, was man die »AffaireHerz« genannt hatte. Das Hineinleuchten in verworrene und unlautere Verhaltnisse, das Streben nach Ordnung und Siihne derselben, hatte dem Handelsminister Dr. Banhans zahl- reiche Dankesbezeugungen eingetragen, ihm aber auch eine grosse Gegner- schaft zugezogen, die sein Vorgehen oder zumindest die Art desselben, nicht anders denn als Fehler gelten lassen wollte und in diesem Sinne sich sehr vernehmlich machte, besonders anlasslich der Ende Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 213 Februar 1875 krankheitshalber erfolgten Beurlaubung des Ministers, deren Zu- sammentreffen mit dem Abschlusse des Processes Ofenheim dem Gerede Vorschub leistete. Etliche Pfeile wurden ihm sogar noch nachgesandt, als er — wegen fortdauernd gestorter Gesundheit 1 —- sem Amt schon niedergelegt und beim Eintritte in den Ruhestand sich der a. h. vollen Anerkennung der »mit patriotischer Hingebung und eifriger Pflichterfullung ge- leisteten treuen und vorziiglichen Dienste« erfreut, also eine glanzende Rechtfertigung gefunden hatte. — Die a. h. Handschreiben, welche den Ministerwechsel vollzogen, erflossen am 19. Mai 1875. Dem neuen Chef des Han- delsamtes, Johann Ritter von C h 1 u m e c k y, waren die Geschafte dieser Centralbehorde bereits gelaufig, da ihre Leitung ihm schon seit der Beurlaubung des frtiheren ! Handelsministers anvertraut war. Trotz- j dem hatte das ihm zugefallene Erbe 1 eine Unsumme von Sorge und Miihsal iiber ihn gebracht; denn wohin sein Auge sich wandte, begegnete es einem Nothstande, der dringende Ab- hilfe heischte, nirgend aber einem Ausblicke auf deren bal- dige Ermoglichung. Die erste Ueberzeugung davon mochte er schon wahrend der Vertretung des frtiheren Handelsministers gewonnen haben. Eine der damals besonders brennenden Fragen war, weil das Vertrauen in die Wirkiing der Staatsgarantie tief beriih- rend, diejenige hinsichtlich der Deckung der Betriebsdeficite bei garantirten Bahnen. Diese Unternehmungen und mit ihnen weite Kreise der Bevolkerung hingen dem Glauben an, dass der Staat, sobald er die 5 %ig e Verzinsung des genehmigten Anlage-Gapitals oder ein be- ziigliches Ertragnis gewahr- leistet habe, auch fiir allfallige Betriebsabgange aufkommen miisse, da von einem Ertrag- nisse nicht die Rede sein, be- ziehungsweise die voli e Ver¬ zinsung des Capitals nicht eintreten konne, wenn und insoweit die Betriebs- kosten des Unternehmens nicht gedeckt seien. Die Regierung hingegen hatte den Grundsatz aufgestellt und bereits wieder- holt, namentlich bei den Budgetdebatten, vertreten, »dass die bei dem Betriebe garantirter Bahnen sich ergebenden Be- triebsausfalle keinen Gegenstand der staatlichen Garantie-Leistung bilden«. Die betreffenden Bahnen sahen sich daher vor die Notlrvvendigkeit gestellt, entweder den Verpflichtungen, zunachst gegen ihre Theilhaber, untreu zu werden oder, zum Zwecke der Aufrechthaltung der ur- spriinglich zugesicherten Zinsrate, sich in aufreibende Schulden zu stiirzen. Besondere Aufmerksamkeit lenkte in dieser Beziehung die Vorarlberger B a h n auf sich, die infolge sowohl ihrer Abgeschiedenheit von dem osterreichi- schen Schienennetze als auch der Con- currenz der nachbarlichen fremden Ver- Abb. 106. Einschnitt bei Cera. [Dalmatiner Staats^isenbahijLen.] 214 Ignaz Konta. kehrsanstalten, keine rechte Entwicklung nehmen konnte, andererseits aber, auf Grund von Staatsvertragen, zu bedeu- tenden, die Betriebskosten vermehrenden Leistungen im Anschlussdienste verpflich- tet war, also unter Verhaltnissen litt, deren Abanderung oder Beseitigung nicht im Machtbereiche der eigenen Verwaltung lag. Riicksichtlich dieser einen Bahn, bei tvelcher so ausserordentliche Um- stande vorwalteten, machte die Regierung eine Ausnahme. Nachdem sie der Ge- sellschaft auf Grund der a. h. Entschliessung vom II. September 1874 die Erhohung der concessionsmassigen Garantie [5 °/ 0 Reinertrag fiir nom. 1,110.000 fl. pro Meile] bis zu dem im Gesetze vom 20. Mai 1869 festgesetzten Maximum [ 5 °/o Reinertrag fiir nom. 1,200.000 fl. pro Meile] und hiemit die Erhohung des garantirten Anlage-Capitals fiir die ganze 11'943 Meilenlange Bahn von i3,257.ooofl. bis zum Hochstbetrage von 14,331.600 fl. zugestanden hatte, um ihr die Vornahme von Erweiterungsbauten und die Nach- schaffung von Fahrbetriebsmitteln zu er- moglichen [Handelsministerial-Erlass vom 15. September 1874] legte die Regie¬ rung am 24. November 1874 dem Ab- geordnetenhause einen die Gewahrung von Staatsvorschiissen zur Deckung der Betriebsdeficite dieser Bahn bezwecken- den Gesetzentwurf vor. Obwohl der Motivenbericht zu dieser Vorlage wieder die vorhin erwahnte Sen- tenz, dass Betriebsausfalle keinen Gegen- stand der staatlichen Garantieleistung bilden sowie uberdies noch den Beisatz enthielt, dass die Regierung »in Ueber- einstimmung mit der Reichsvertretung« an j enem Grundsatze festhalte, kam doch allenthalben die Meinung zum Ausdrucke, das Parlament werde nicht umhin kon- nen die ganze Frage aufzurollen und zur Losung zu bringen. Diese Ervvar- tung ging jedoch nur zur Halfte in Er- fiillung. Bei der Berathung des Gesetz- entwurfes am 15. Marž 1875 fiihrten einige angesehene Abgeordnete eine all- gemeine Erorterung der Frage herbei, beleuchteten dieselbe sowohl vom recht- lichen als auch insbesondere vom volks- wirthschaftlichen Standpunkte aus, und wollten sie zu Gunsten aller betreffenden | Bahnen einheitlich erledigt wissen; die Mehrheit des Hauses hielt aber an den Antragen des Eisenbahn-Ausschusses fest, welche sich nur mit der Vorarlberger Bahn befassten und hauptsachlich darauf hinausgingen, dieselbe durch falhveise Staatsvorschiisse zu unterstiitzen, soweit der zur Erschopfung des im Gesetze vom 20. Mai 1869 festgesetzten Garantie- Maximums fiir diese Bahn noch verfiig- bare Betrag von rund 9ii.ooofl. langen wiirde. Die Gesellschaft hatte namlich, seitdem ihr die Garantie-Erhohung zutheil geworden, vorerst nur 163.900 fl. neu verausgabt, daher noch den vorbeziffer- ten Rest frei, der fiir die Zeit bis zur Besserung der Verkehrsergebnisse als ausreichend erachtet wurde, zumal nach weiteren Antragen des Eisenbahn- Ausschusses auch Bestimmungen in den Gesetzentwurf aufgenommen wur- den, vermoge deren die Tilgung der Actien bis zum Aufhoren der Betriebs- abgange unterbleiben und die vom Mi- nisterium schon am 15. September 1874 vorlaufig genehmigte Erhohung der Personen-Tarife dauernde Geltung haben solite. Das so eingerichtete Gesetz erhielt am 28. Marž 1875 die a. h. Sanction;*) die Actionare der Vorarlberger Bahn nahmen in der Generalversammlung vom 14. Juni 1875 die einschlagige Statuten- anderung vor und ermachtigten den Ver- waltungsrath zur Vermehrung des An¬ lage-Capitals um den fiir die obenbe- zeichneten Erfordernisse verausgabten Betrag von 139.600 fl., was durch Ver- ausserung von 698 gesellschaftlichen Prioritats-Obligationen a 200 fl. geschah. Die Staatsverwaltung sorgte fortan fiir die Deckung der Betriebskostenabgange. Der Vorarlberger Bahn war also ge- holfen, die allgemeine Frage wegen der Betriebsdeficite blieb aber nach wie vor offen. *) Auf Grund dieses Gesetzes eine be- sondere Vereinbarung mit der Gesellschaft einzugehen, erachtete die Regierung nicht fiir nothwendig und brachte dies mit dem Han- delsministerial-Erlasse vom 13. Juni 1875 dem Verwaltungsrathe zur Kenntnis. [Vgl. die Osterreichische Eisenbahn - Gesetzsammlung von Pollanetz und Wittek, Band V, Abthef- lung 2, S. 467.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 215 Abb. 107. Stations-Platz und Rivabahn Sebenico. [Dalmatiner Staatseisenbahn.] Fast noch weiter in den Vordergrund geriickt erschien zur selben Zeit die durch den allgemeinen Ruf nach Eisenbahn- bauten, die kaum langer aufschiebbare Vor- sorge fiir eine zielbewusste Vervollstan- digung des Bahnnetzes. Es gebrach aber noch an einem Plane fiir die Reihen- folge und fiir das System der Sicher- stellung neuer Linien; den solite erst das zugesagte Programm bringen. Fiir den Augenblick stand nur eine Linie in Behandlung, namlich die Salzkammer- gut-Bahn, die schon im Jahre 1874 Gegenstand eines Specialgesetzes [s. S. 170] und noch friiher in ihren Theilen bereits einmal concessionirt war. Und selbst die Zustandebringung dieser einen Linie gelang nur mit Hilfe der W i e d e r- anwendung der vollen Staats- garantie. Die siidliche Strecke wurde, \vie bereits erwahnt, nachdem die am II. Marž 1869 concessionirte Pferdebahn Ebensee-Ischl zu Gunsten des gleichzeitig in Anregung gekommenen gleichen Locomotivbahn- Projectes aufgegeben worden war, als schmalspurige »Eisenbabn Ebensee-Ischl- Steeg« am 9. December 1869 dem Con- sortium des Ischler Badearztes Dr. Johann Ritter von Brenner-Felsach, concessionirt, \velches jedoch, weil es die Geldmittel nicht beschaffen konnte, die Concession dem englischen Unternehmer J. Sharp verkaufte [1871]. Diesem gelang es z\var, eine Gesellschaft zu bilden und die Wiener Wechslerbank fiir die Finanzirung zu gewinnen, gleichwohl aber nicht den ganzen Baufond aufzu- bringen. Die Actien [1,800.000 fl.] blieben in seiner eigenen Hand und der Erlos fiir die Prioritats - Obliga- tionen [nom. 2,700.000 fl.] ungefahr zur Halfte bei der Wechslerbank aushaftend. Mit den sparlichen Zufliissen und den von ihm selbst beigestellten Mitteln wurden die Arbeiten im Jahre 1872 end- lich in Angriff genommen und bis zur Vollendung des Unterbaues der Strecke Ebensee-Ischl fortgesetzt; dann brach die wirthschaftliche Krisis aus, die Wechsler- bank ging unter und begrub in ihrem Sturze auch die von ihr »finanzirte« Eisenbahn. Die nordliche Endstrecke der neuen grossen Bahn umfasst einen Theil der am 7. Januar 1873 dem Baurathe Karl Freiherrn von Schwarz in Gemeinschaft mit der Industrie- und Commerzialbank fiir Oberosterreich ohne jegliche staatliche Begiinstigung concessionirte, infolge der Krisis aber iiberhaupt nicht in Angriff genommene, 3 - 8 Meilen lange »Altheim- Schardinger Eisenbahn«. Das Mittelstiick — die eigentliche »Salzkammergut-Bahn« —wurdeEnde 1870 von der Stadtgemeinde Ried in Ver- bindung mit der Wolfsegg-Traunthaler Kohlengewerkschaft, dem Biirgermeister 216 Ignaz von Ischl u. A. projectirt. Sie war ge- plant, um die Kohlenflotze des Hausruck mit den Salinen in unmittelbare Ver- bindung zu bringen, das Absatzgebiet dieser Kohle zu erweitern, dieVerfrachtung des Salzes sowie die Verwerthung der Holzbestande der staatlichen Forste des Koppen zu erleichtern und den Fremden- verkehr in das an Naturschonheiten reiche Salzkammergut zu steigern. Ihre Trače solite von Passau oder Scharding iiber Ried, Timmelkam, Kammer, Ischl, Aussee und St. Martin nach Steinach zum An- schlusse an die Salzburg-Tiroler Balin fiihren. Bei der Prtifung des Projectes hatte sich jedoch herausgestellt, dass aus oconomischen und technischen Griinden die Fiihrung der Bahn uber Attnang und Gmunden nach Ischl vortheilhafter sei. Dadurch kam sie aber mit dieser Strecke in die Trače der Ebensee-Ischler Bahn zu liegen, was fiir die letztere den Nutzen hatte, dass ihre aufgelassenen Bauten, soweit sie fur die normalspurige Bahn verwendbar blieben, wieder einen Werth erhielten. UieConcessionswerber stimmten dieser Aenderung zu, liessen auch das Begehren nach staatlicher Unterstiitzung, als welche sie hauptsachlich eine Ueber- nahme von Actien oder Steuerfreiheit erbeten hatten, fallen und erhielten am g. April 1873 die Concession. Die Durch- fiihrung derselben scheiterte gleichfalls an der Unmoglichkeit der Geldbeschaffung. Wegen der wirthschaftlichen Be- deutung der Bahn auf deren vielseits befiirwortete Sicherstellung weiter be- dacht, suchte nun das Handelsministerium neue Anhaltspunkte hiefiir zu gewinnen; es verhandelte zunachst mit den bis- herigen Concessionaren [Protokoli vom 29. Januar 1874], bewilligte eine zeit- liche Staatsgarantie, die in dem Ge- setze vom 6. Mai 1874 mit 57.000 fl. pro Meile auf die Dauer von zwanzig Jahren festgesetzt wurde,*) und trat, nach- dem jene Concessionare die Angelegenheit gewissermassen aufgegeben hatten, un- mittelbar mit der Kronprinz Rudolf- B a h n in Concessions -Verhandlungen ein [Protokoli vom 27. Mai 1874], welche *) In der Regierungsvorlage vom 10. Fe¬ bruar 1874 war eine 25jahrige Dauer der Staatsgarantie in Aussicht genommen. Konta. Gesellschaft sogleich mit allem Eifer an die Sache ging, weil sie in der Ervverbung der neiien Linie ein geeignetes Mittel erblickte, die Umklammerung seitens der Siidbahn und Elisabeth-Bahn wenigstens nach einer Richtung hin zu durchbrechen. Da aber, wo sie auch anklopfte, die Finanzirung abgelehnt wurde, insolange die Staatsgarantie nicht fiir die ganze Dauer der Concession zugesichert war, entschloss sich die Regierung, eine be- ziigliche Abanderung des Gesetzes vom 6. Mai 1874 zu bewirken, was durch das aus der Vorlage vom 24. Februar 1875 hervorgegangene Gesetz vom 28. Marž 1875 geschah. Nun wurden die Concessions - Verhandlungen endgiltig zum Abschlusse gebracht [Protokoli vom 13. und 29. April], hiebei die Uebernahme der verwendbaren Entitaten der Ebensee- Ischl-Steger Bahn*) geregelt, wie auch — infolge des Nichtzustandekommens der Altheim-Schardinger Bahn **) — nicht Andiesenhofen, sondern Scharding als nordlicher Endpunkt der Bahn bestimmt, ferner die Intervention der Regierung in Betreff der Mitbeniitzung der zur Ver- bindung mit dem alten Netze der Rudolf- Bahn dienenden Elisabeth-Bahn-Strecke Selzthal-Steinach zugesichert, und hierauf am 27. Mai 1875 die neue Concession fur die Salzkammergut-Bahn ***) an die Kronprinz Rudolf-Bahn hinausge- geben. Dieselbe umfasst die Linie von Steinach liber Aussee, Ischl, Ebensee, Attnang und Ried nach Scharding sowie die Fliigelbahnen von Achleiten nach Thomasroith und von Eben¬ see zu den dortigen Salinen und zum Traunsee, gewabrt diesem Unterneh- men fiir die ganze, mit 90 Jahren be- messene Concessionsdauer eine Staats- *) und **) Die Concession fiir die Ebensee- Ischl-Steeger Bahn wurde iiber a. h. Ent- schliessung vom 23. Juni, und jene fiir die Altheim-Schardinger Bahn iiber a. h. Ent- schliessung vom 19. November 1874 als er- loschen erklart [Kundmachung des Handels- ministeriums vom 23. Juni und vom 4. De¬ cember 1874]. ***) Die Annullirung der alten, vom 9. April 1873 datirenden Concession brauchte nicht kundgemacht zu werden, weil dieselbe weder thatsiichlich ausgefertigt noch verlautbart worden war. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 217 garantie von 57.800 fl. pro Meile und bestimmt den I. Juli 1875 als Termin fiir die Inangriffnahme, beziehungsweise den 27. November 1878 als spatesten Termin fiir die Vollendung des Baues. Zum Zwecke der Geldbeschaffung ermachtigte die Generalversammlung vom 26. Juli 1875 den Verwaltungsrath dahin zu wirken, dass mit Genehmigung der Regierung allenfalls statt der Silber- spater [10. und 11. November] zum Curse von 88 3 / 4 erfolgreich zur offent- lichen Zeicbnung auflegte. Bis dahin war im Wege einer be- schrankten Offertverhandlung auch schon der Bau vergeben worden, und zwar an den Unternehmer Karl Freiherrn von Schwarz, der sich zur Herstellung, Aus- riistung und rechtzeitigen Vollendung der Bahn um die Summe von 385.000 fl. Abb. 10S. Station Steinach-Irdning. titel [27,740.000 fl.] solche in Gold aus- gegeben werden diirfen, weil das aus- landische Capital, auf welches allein damals gezahlt werden konnte, sich von den Silberwerthen vollig abgewendet hatte. Die Regierung liess der Gesell- schaft freie Hand, machte jedoch den ausdriicklichen Vorbehalt, dass »derStaats- schatz lediglich die gesetzliche, in Silber garantirte Annuitat als Maximum seiner Leistungen anerkenne«. So hat denn die Gesellschaft 5 °/o ig e Goldprioritaten im Betrage von nom. 25,220.000 fl. aus- gegeben, welche ein durch den Wiener Bankverein vertretenes Finanzconsortium zum Curse von 88°/ 0 theils [ 2 / 5 ] in feste Rechnung, theils in Option nahm und pro Meile verpflichtete. Der Vertrag er- hielt am 2. November 1875 die Genehmi¬ gung des Handelsministeriums. Nach- traglich betheiligte sich auch die Firma Klein an dem Baue. Die gesellschaftliche Bauleitung versah der Ober-Inspector August P 1 a 11 e, der [nachdem der General - Director Georg Ritter von Aichinger im Herbste 1873 wieder in den Verwaltungsrath, aus dem er hervorgegangen, eingetreten war] als General - Director - Stellvertreter fungirte, bis der Director der Ebensee-Ischl-Steeger Bahn, Moriz Mora\vitz, der auch die technischen Projecte der Salzkammergut- Bahn ausgearbeitet und die Concessions- Verhandlungen gefiihrt hatte, an die 2 I 8 Ignaz Konta. Spitze der Geschaftsleitung der Kron- prinz Rudolf-Bahn berufen wurde. Unter der Obbut dieser bewahrten Techniker machte der Bau rasche Fort- schritte, so zwar, dass die Hemmung, welche durch die seitens des Bankver- eines unterlassene Ausubung der Option auf einen Rest des Goldanlehens entstan- den und erst durch die Belehnung des- selben von Seite der Bodencredit-Anstalt behoben war,*) fast unbemerkt blieb und die ganze, I 79'5 km lange Bahn schon am 23. October 1877, also mehr als ein Jabr vor dem concessionsmassigen Voll- endungstermine eroffnet wurde. Die An- lagekosten betrugen nach Ablauf des ersten Betriebsjahres 24,896.416 fi., er- hohten sich jedoch allmahlich auf den bei der Goncessionirung veranschlagten Hochstbetrag von 25,220.000 fl. Der am 18. Juni 1877 abgeschlossene und am 14. August 1877 vom Handels- ministerium genehmigte Peage-Vertrag [der erste in Oesterreich] sicherte der Gesellschaft die freie Mitbeniitzung der zwischen dem alten Netze der Rudolf- Bahn und der Linie Steinach-Scharding liegenden, 18 km langen Elisabeth- Bahn-Strecke Selzthal-Steinach [-Irdning]. Was jedoch hievon, beziehungsweise von dem Hinzukommen der Salzkammergut- Bahn zum Bahngebiete der Rudolf-Bahn erwartet worden war — eine ansehnliche Besserung ihrer Ertragsverhaltnisse — ist nicht zugetroffen; die Gesellschaft war vielmehr auch weiterhin bemiissigt, die Staatsgarantie in hohem Masse in Anspruch zu nehmen. Die Hauptlinie der Salzkammergut- Bahn, welche, der Bauart nach, zu den schwierigeren Gebirgsbahnen gezahlt werden muss, verbindet in ihrem Zuge durch die Strecke Steinach-Irdning-Gmunden die rei- zendsten Punkte des von Naturfreunden und der Touristenwelt wohlgewiirdigten Salz- lcammergutes. Von der Station Steinach-Irdning ausge- hend, zieht die Bahn in westlicher Richtung, *) Es handelte sich da um einen An- lehensrest von nom. 8,865.200 fl., den die Bodencredit-Anstalt mit 6,000.000 fl. belehnte, spaterhin aber zum Curse von 81-2 theils in feste Rechnung, theils in Commission nahm; der letzte Posten dieser Prioritaten wurde erst im November 1878 [an franzOsische Geld- krafte] verkauft. durch den 185 m langen Unterburger- und 335 m langen Burgstallerwand-Tunnel, tiber- briickt den Wallerbach und Grimmingbach und erreicht bei Klachau ihre hOchste Er- hebung. [833 m Seehohe.] Die Bahn durch- schneidet nun das hier erstiegene, die Wasser- scheide zwischen Enns und Traun bildende Hochplateau, auf vvelchem sich die Station Mitterndorf und an dessen Ende sich die Station Kainisch befindet, fiihrt dann in nord- vvestlicher Richtung im Gefalle bis gegen Aus- see hin. Vor der Station Aussee wird der Kai¬ nisch traunfluss ubersetzt. Von hier weitergeht die Trače im Allgemeinen in siidivestlicher Richtung am linken Ufer der Traun am Fusse des Koppengebirges — wegen des gewaltigen Lawinenganges vom Koppen liber das Haslingerriff, mit Benutzung zweier Traunbriicken, auf die Lange von einigen hundert Metern das Ufer wechselnd — dann wieder am linken Traunufer die Landes- grenze von Steiermark und Oberosterreich iiberschreitend, im wilden, hochst romanti- schen Koppenthale mittels starken Kriim- mungen und štetem Gefalle in schwierigem Lehnenbau durch den 56 m langen Mtihl- werkstein-Tunnel, iibersetzt hier nochmals den Traunfluss und gelangt hierauf in ein kleines Seitenthal, an dessen am Hallstatter See gelegenen Ende die Ortschaft und der Stationsplatz Obertraun liegt. Von der Station Obertraun zieht die Bahn in einer nahezu nordlichen Richtung nach Ueber- setzung des Wehrgrabens, in den 165 m langen Wehrgraben-Tunnel, auch Saarstein- Tunnel genannt, und nach dem Austritte aus demselben langs des Ostlichen Ufers des Hallstatter Sees, in einer Hohe von 13 m uber dem Seespiegel nach Steeg. Von da weiter an Goisern, Anzenau und Laufen vorilber zieht die Bahn fortwahrend nordlich, die Ufer desTraunflusses wechselnd, imTraun- thale mit massigem Gefalle und gunstigen Richtungsverhaltnissen, durch den 69 m langen Ischler Tunnel, bis nach Ischl. In dieser Strecke wird die Traun dreimal iiberbruckt. Indem die Trače nun den reizend gelegenen Curort Ischl und den an der Traun gele¬ genen Bahnhof verlasst, ubersetzt dieselbe knapp darauf wieder den Traunfluss, und geht von nun ab uber Mitterweissenbach bis Ebensee in nordostlicher Richtung mit massigem Gefalle, in ziemlich zahlreichen Krummungen sich dem Laufe des Traun- flusses anschmiegend, am rechten Ufer des- selben fort. In dieser Strecke wurden die Traun, der Redtenbach und Frauenvveissen- bach uberbriickt. Von der am stidlichen Ufer desTraunsees gelegenen Station Ebensee zieht die Trače nach CJebersetzung des Traunflusses und Aussendung zweier kleinen Industrie- geleise [zum Traunsee und zur Saline], in schwierigem Gebirgsbaue in nordlicher Rich¬ tung, zuerst langs des langgestreckten westli- chen Ufers des Traunsees nacfh Traunkirchen, dann in einiger Entfernung vom Seeufer, in zahlreichen Krummungen, an Ebenzweier Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 219 Abb. 109. Brucke iiber die Traun bei Aussee. voriiber nach dem reizend gelegenen Stadt- chen und klimatischen Curorte Gmunden. Diese Strecke bot in dem nur 6-5 km langen Theile zwischen Ebensee und Traun- kirchen die meisten Bauschwierigkeiten, weil hier die Trače mit stets wechselnden Stei- gungsverhaltnissen in schwierigem Lehnen- baue dahinzieht und in rascher Folge die Durchfahrung von fiinf Tunnels erfordert. Die Tunnels sind: der 1428 m lange Sonn- stein-Tunnel,*) der 224 m lange Siegesbach- Tunnel, der in m lange Forst-Tunnel, der 159 m lange Calvarienberg-Tunnel und der 90 m lange Stein-Tunnel. Von Gmunden aus den Charakter einer schwierigen Gebirgsbahn verlierend, steigt die Trače massig bis zur H6he von Pinsdorf [historisch bekannt aus dem Bauernkriege], fallt von da an und zieht im Aurachthale iiber Aurachkirchen, bis gegen gegen Puchheim, ubersetzt dann den Agerfluss und mittels anschliessendem Damm das gleichnamige Thal, um dann Attnang zu erreichen, von wo aus die Trače zum Theile auf dem Bahn- kbrper der hier vormals bestandenen scbmal- spurigen Kohlenbahn Attnang-Thomasroith *) Beim Baue des Sonnstein-Tunnels ge- langte die vom Ingenieur Alfred Brandt erfundene Bohrmaschine, welche auch spater am Arlberge die vorziiglichsten Dienste leistete, zum erstenmale in Oesterreich zur Anwendung. [Naheres S. Bd. II, A. Birk, Tunnelbau.] in ziemlich starker Steigung und vielen Krtimmungen zur Stati on Manning-Wolfsegg [Anfang des Hausruck-Kohlenreviers] und von da am Abhange des Hausrucks weiter zur Station Holzleithen gelangt. Diese Sta- tion ist Abzweigungsstation fiir die 5-816 lange Fliigelbahn nach Thomasroith. Von Holzleithen steigt die Bahn bis zur Ein- fahrt in den Hausruck-Tunnel. Vom Tunnel aus ftthrt die Bahn in štetem Gefalle iiber die Haltestelle Hausruck nach der Station Eberschwang, wo sie die Grenze des Haus- rucker Kohlenreviers erreicht und dann immer in starkem Gefalle und in vielfachen Krummungen bis Ried. Von dieser Station aus zieht die Bahn an den Stationen Aurolz- mtinster und St. Martin voriiber nach An- diesenhofen, auf diesem Zuge 'immer dem natiirlichen Gefalle des Andiesenthales sich anschmiegend, ubersetzt den Andiesenbach knapp vor dessen Miindung in den Inn und fiihrt sodann im Innthale zur Station Suben und von da nach Uebersetzung des Pram- flusses in der Nahe des Ortes Pramersdorf bis Scharding, dem Endpunkte der Salz- kammergut-Bahn. [Abb. 108—115.] Von den anderen Vermachtnissen des friiheren Handelsministers konnten ein- zelne erst spater nutzbar gemacht werden, wie beispielsweise die Beschliisse des Reichsrathes hinsichtlich der Gewahrung 220 Ignaz Konta. einer Unterstiitzung an die Erste unga- risch-galizische Eisenbahn und das Gesetz vom 28. Marž 1875 iiber die Zugestand- nisse ftir die Sicherstellung einer Secun- darbahn von der Station Elbogen-Neu- sattl zur Stadt Elbogen — oder sie wurden vollig gegenstandslos, \vie die Fusions- verhandlungen und das Gesetz vom 28. Marž 1875, welches in Abanderung des Gesetzes vom 3. Mai 1874 die fiir die Linie Troppau-Vlarapass zugestan- dene Staatsgarantie von 51.800 fl. pro Meile unter gewissen Bedingungen, nun- mehr fiir die ganze Dauer der Concession gewahrte, beziehungsweise die Regierung ermachtigte, im Falle des Nichtgelingens der Concessionirung, vorerst den Bau der Strecke Troppau-Neutitscbein auf Staats- kosten in Angriff zu nehmen. Dies letztere Gesetz war insoferne erfolglos, als hiedurch weder eine Concessionirung der genannten Bahnlinie, noch deren Bau als Staatsbahn erreicht wurde. Seine eigene Thatigkeit richtete der Handelsminister von Chlumecky gleich von vornherein darauf, die Heilung des im Eisenbahmvesen eingerissenen Siechthums, welche das am 20. Marž 1875 auf Ferien gegangene Parlament so ganz und gar der Initiative der Regierung tiberlassen hatte, nach Moglichkeit zu bewirken. Unter den hieftir ins Auge gefassten Massnahmen war dem Eisen- bahnbaue auf Staatskosten und der Einfuhrung zeitgemasser Neuerungen auf administrativem Gebiete ein hervorragen- der Platz eingeraumt. Darum liess er sich, theihveise schon wahrend seiner provisorischen Amtsfiihrung, die' Gewin- nung neuer Hilfskrafte angelegen sein. Zu Ostern 1875 zog Wilhelm von Nordling, der mit a. h. Entschliessung vom 25. Marž 1875 zum Sectionschef und General-Director des osterreichischen Eisenbahmvesens ernannt worden war, zum zweitenmale in das Handels- ministerium ein,*) mit erhohtem Range und vielumfassendem Wirkungskreise. *) Von 1871 bis April 1872 fungirte von NOrdling als Hofrath und bautechnischer Consulent im k. k. Handelsministerium [s. S. 134], hernach war er bis zu seiner Wieder- berufung in dasselbe General-Director der Theissbahn. Fiinf Monate spater erfolgte auf Grund der a. h. Entschliessung vom 16. August 1875 die Reorganisation der k. k. Ge¬ neral- Ins p ec tion,*) \vobei dieselbe in fiinf gleichgestellte, je von einem General-Inspector [mit dem Range eines Hofrathes oder Regierungsrathes] geleitete Abtheilungen gegliedert wurde, —- und die Errichtung einer Direction fiir die Staatseisenbahn-Bauten, welche neue Behorde den Baudirector der ungarischen Ostbahn, Julius Lott, zum Vorstande erhielt. In die Z\vischenzeit fielen ein er- quickliches und ein neuerdings herab- stimmendes Geschehnis. Das erstere war die vollstandige Wieder- aufrichtung der Leoben-V ordernber- ger Balin, welche am 16. Januar 1874, infolge des strengen Vorgehens einzelner Wechselglaubiger, plotzlich in Concurs ge- rathen war [s. S. 87], aber, Dank dem Zu- sammenwirken aller Interessenten, vor dem Untergange bewahrt blieb. Es hatte sich, gleich nach der ersten Tagfahrt zur Anmeldung der Schuldforderungen, ein Ausgleichs-Comitd gebildet, welches auf Grund folgender Vorschlage einen aussergerichtlichen Vergleich zustande brachte: Die Hauptglaubiger nehmen fiir ihre Forderungen gesellschaftliche Prioritats-Obligationen III. Emission zum Curse von 90°/ 0 in Zahlung; zu diesem Zvvecke vverden solche Prioritaten im Betrage von nom. 300.000 fl. aus- gegeben, wovon 75.000 fl. in Reserve verbleiben ; die Prioritaten-Besitzer willi- gen in die Nichteinlosung der i874er Coupons und die Sistirung der Tilgung in den Jahren 1874—1877. Sammtliche Vorschlage fanden die Zustimmung der Glaubiger, wie auch der Curatelsbehorde [22. September 1874] und der Regierung, worauf der Concurs aufgehoben und, seitens des nun wieder in Function ge- tretenen Verwaltungsrathes, eine ausser- ordentlliche Generalversammlung ein- berufen wurde. Diese fand am 15. No¬ vember 1874 statt, genehmigte den Ausgleich sowie die neue Prioritaten- *) Die neue Organisirung wurde mittels Verordnung des Handelsministeriums vom 26. August 1875 verlautbart. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 221 Emission, zu welcher hernach auch die Regierung, unter gleichzeitiger Verlaut- barung der diesfalls erforderlich gewese- nen und mit a. h. Entschliessung vom 3. Januar 1875 bewilligten Abanderung der Concessions-Bestimmungen liber das Verhaltnis des Actien- zura Priori- taten-Capitale [Kundmachung des Han- delsministeriums vom 5. Januar 1875], die definitive Zustimmung ertheilte. Da auch die Slidbahn [als Betriebsfuhrerin] auf ihr Compensationsrecht verzichtet hatte und die Befriedigung der Glaubiger mit den neuen Prioritaten ungestort vor sich ging, fand die Generalversammlung vom 20. Juni 1875 die Gesellschaft be- reits wieder in geordneten Verhaltnissen, die sich weiterhin allmahlich zu glanzen- den gestalteten. Jenes andere Geschehnis betraf die Braunau-Strasswalchner Bahn, die gleich nach ihrer Eroffnung zu den allernothleidendsten Unternehmungen ge- horte [s. S. 155]. Unvermogend, die Priori- tats-Obligationen zu verzinsen, kam sie schonim Juli 1874 unter Curatel, und mit einem taglich vvachsenden Betriebs- deficite belastet, war sie ausser Stande, der Elisabeth-Bahn, welche den Betrieb besorgte, volle Vergiitung zu leisten. Die Folge davon waren Unterstutzungs- gesuche an die Regierung und, nachdem dies nichts gefruchtet hatte, eine Bitte an die Elisabeth-Bahn um Stundung ihrer Forderung. Die Antwort hier- auf war eine Kiindigung des Betriebs- vertrages [11. Juli 1874]. Ohne Mittel zur Anschaffung eines Fahrparkes und zur Flihrung des Betriebes in eigener Regie, trat die Gesellschaft nun mit Verkaufsantragen an die Elisa¬ beth-Bahn heran, die aber an dem ge- ringen Anbote scheiterten. Der Verwaltungsrath und der Curator hatten einen Kaufpreis von 2,000.000 fl. und dann, in einer am 6. August 1875 im Handelsministerium abgehaltenen Conferenz, 1,500.000 fl. ver- langt, die Elisabeth - Bahn aber nur zu- erst 700.000 fl., dann 800.000 fl. ge- boten, und ehe der Curator noch Zeit gefunden, die bereits fiir den 9. September einberufenen Prioritare wegen etwaiger anderer Verkaufsbedingungen zu befragen, stellte sie [die Elisabeth-Bahn] in den Abendstunden des 31. August den Betrieb Abb. IIO. Wehrgrabenbriicke und Tunnel ivahrend der Montirung. [Salzkammergut-Bahn.] 222 Ignaz Konta. der Braunau-Strasswalchener Bahri ein, woraufdas Handelsministerium am i. Sep¬ tember 1875 iiber dieselbe die Seque- stration verhangte und den k. k. Sections- rath Dr. Wilhelm Leddihn zim Sequester bestellte. Letzterer vereinbarte sofort mit der Elisabeth-Bahn die Wiederaufnahme des Betriebes, der nun am 3. September neuerdings begann. Angesichts dieser Vorgange be- schloss die am 9. September abge- haltene Prioritaren - Versammlung den Verkauf der Bahn um den Preis von 1,000.000 fl.; jetzt wollte die Elisa- beth-Bahn aber nur mehr 500.000 fl. geben. Das Hangen und Bangen der Gesellschaft wahrte dann noch zwei Jahre; denn erst im Jahre 1877 kam der Verkauf [und zwar an den Staat] zu- stande. Bis dahin dauerte die Seque- stration und wurde der Betrieb einfach fiir Rechnung des Sequesters besorgt. * * * Zehn T age nach dem Wiederzusammen- tritte des Reichsrathes, am 29. October 1875, brachte der Handelsminister v. C h 1 u- mecky den Entwurf eines Gesetzes iiber den Bau neuer Eisenbahnlinien auf Staatskosten ein, und entwickelte bei diesem Anlasse in einer ebenso ge- diegenen als inhaltreichen Rede alle jene »Gesichtspunkte, welche die Regie- rung bei den Reformen auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens kiinftig leiten sollen«. Dieses Program m legte vorerst die Liickenhaftigkeit und ungleiche Ver- theilung des Bahnnetzes dar, wies die Sorge fiir die Ausfuhrung der Haupt- bahnen in erster Reihe der Regierung, hingegen diejenige fiir das Zustande- bringen von Nebenlinien vorwiegend den Interessenten zu und befiirwortete, zum Zwecke derV erminderung der Anlagekosten von rein ortlichen, in schwierigem Terrain gelegenen Schienemvegen, die Anwendung der Schmalspur; dann zog es die be- stehenden Uebelstande und deren Ur- sachen*) in Betracht, bezeichnete als *) Neben den von ausserhalb des Eisen- bahnwesens heriibervvirkenden ungiinstigen Einfliissen [Nothwendigkeit der Heranziehung theuren, fremdlandischen Capitals, Vertheue- Mittel zur Behebung der Schaden einer- seits administrative und legislative Re¬ formen [rasche aber richtige Priifung der Garantie-Rechnungen, Abanderung des Concessions-Gesetzes, der Betriebs-Ord- nung und des Enteignungs-Verfahrens, Frei- lassung der Betriebsrechnungen von Aus- gaben fiir Erganzungsbauten und Nach- schaffungen etc.], andererseits die »Ver- einigung kranker Unternehmungen, unter Zugrundelegung ihres \vahren, also des zu ermittelnden commerziellen Werthes unter einer entsprechenden Capitalsreduc- tion miteinander und mit anderen Eisen- bahnen«. Die Frage, ob Staats- oder Privatbau vvurde jedoch nur im All- gemeinen beriihrt und dahin beantwortet, dass ihre Entscheidung jeweils davon abhangen soli, ob der Staat oder die betreffende Gesellschaft sich das nothige Capital zu besseren Bedingungen be- schaffen kann. Eben im Hinblicke auf den damals viel besseren Staatscredit hatte die Regie¬ rung in der vorerwahnten Gesetzesvor- lage nur den Staatsbau in Aussicht genommen, und zwar der Hauptbahnen: von der Wiener Verbindungsbahn zum Anschlusse an die Kaiser Franz Josef- Bahn nebst Abzweigung entlang der regulirten Donau [Donau-Uferbahn], von Innsbruck nach Bludenz [Arlberg-Bahn] und von Tarvis nach Gorz [Predil-Bahn], ferners der normalspurigen Localbahnen: Bozen-Meran, Kriegsdorf-Romerstadt und Czernowitz-Nowosielica, und der schmal- spurigen [i m\ Localbahnen: Miirzzu- schlag - Neuberg, Cilli - Unterdrauburg, Unterdrauburg-Wolfsberg und Freuden- thal-Saubsdorf. Fiir alle diese Linien rung des Baues und Betriebes durch die grossen Terrainschvvierigkeiten, Verkumme- rung der wirthschaftlichen Verhaltnisse durch die Krisis etc.] waren als Ursachen der einge- rissenen Schaden auch Mangel in den ad¬ ministrativen und legislativen Massnahmen angegeben und diesen zugezahlt: Ungenau- igkeit bei der Veranschlagung der Anlage¬ kosten, geringe Voraussicht iiber die Ertrags- und Entwicklungsfahigkeit der einzelnen Bahnen, Zulassung kleiner an sich lebens- unfahiger Gesellschaften, Nichthintanhaltung der gewinnsuchtigen Speculation und der durch sie verursachten riesigen Griindungs- kosten, Unzulanglichkeit der Eisenbahn-Ge- setzgebung und der Staatsaufsicht etc. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 223 in der Gesammtlange von 530 km waren die Kosten mit 76,540.000 fl. veranschlagt und hievon pro 1876 ein Betrag von 12,350.000 fl. gefordert, riberdies fiir die bereits im Baue befindlichen staatlichen Linien ein Betrag von 11,342.720 fl. Die Bevolkerung begriisste freudig das nunmehrige kraftige Eingreifen der Regierung, von dem die Besserung wenig- stens auf einem der wichtigsten wirth- Widerspruche gestandenen Ansicbt, liess er sich auch dann nicht abbringen, als der Handelsminister mit gewissenhafter Ueberzeugung die Gegenerklarung ab- gab, die Finanzlage des Staates sei keineswegs so erschiittert, dass er nicht die zum Ausbaue seines Eisenbahnnetzes erforderlichen Geldmittel zu beschaffen vermochte. Das Schicksal der Vorlage war also schon besiegelt, ehe noch ihre Abb. III. Brucke iiber die Traun bei Laufen. [Salzkammergut-Bahn.] schaftlichen Gebiete erhofft wurde. Der Reichsrath aber beharrte noch weiter in seiner schier heiligen Scheu vor jedem grosseren Aufwande, und als das Ab- geordnetenhaus, um in der Sache denn doch nicht ganz miissig zu bleiben, daran ging, einige der vorbenannten Local- bahnen zu bewilligen, sprach dessen Eisenbahn-Ausschuss gleich in seinem ersten hierriber erstatteten Berichte die Ansitht aus, dass »in der derzeitigen wirthschaftlichen Situation nicht davon die Rede sein kann, neue Weltverkehrs- linien zu schaflen«. Von dieser, mit der gesammten offentlichen Meinung im Berathung eigentlich begonnen hatte. .Nicht genug daran, verhielt sich das Abgeordnetenhaus auch dem Programme gegeniiber kuhi bis ans Herz hinan. Die Anwendung der Schmalspur wurde gleich von vornherein abgelehnt und die Idee der Fusionirungen auf das Heftigste be- kampft. In dieser Frage stand jedoch das Parlament im Einklange mit einem grossen Theile der Oeffentlichkeit, freilich aus sehr verschiedenen Beweggriinden. Was in England, dessen Eisenbahnen seit jeher vollstandig unabhangige, in Entstehung und Betrieb lediglich auf freier Concurrenz beruhende Privatunter- 224 Ignaz Konta. nehmungen gewesen, schon im Jahre 1845 begonnen und mehr als dreissig Jahre hindurch unaufhorlich fortgesetzt wurde, um die Auswuchse des wilden Wettbewerbes zu beseitigen ;*) was in Frankreicb, wo der Staat die vollste Ein- flussnahme auf das Eisenbahnwesen be- sitzt, dazu gedient hatte, die Verwaltung des letzteren, gleich jener der staatlichen Dienstzweige, streng centralistisch zu gestalten, und in denjahren 1852—1857 das Monopol aufzurichten, das Bahnnetz unter sechs grosse Gesellschaften zu vertheilen ;**) was sodann in grosserem oder geringerem Masse und zu ahnlichen Zwecken auch in einigen anderen Staaten Nacbahmung gefunden, die Fusion, wurde nun in Oesterreich zur Heilung der durch die Krisis verursachten Uebel, nebenbei aber auch zur Schaffung von neuen grossen Netzen ausersehen, welche den altbestehenden machtigen Unter,- nehmungen Concurrenz bieten konnten. Anfanglich, d. h. insolange den zur Aufgehung in die benachbarten grossen Bahnnetze bestimmten Linien eine schonende Behandlung in Aussicht ge- standen, allenthalben als Wundermittel betrachtet und gepriesen, biisste die »Fusion« die Zuneigung des Publicums immer mehr ein, je weniger die Interessen der kranken und schwachen Unter- nehmungen gewahrt erschienen, also ins- besondere nachdem die Theorie vom »commerziellen Werthe« in die Praxis Eingang gefunden hatte. Und der Reichs- rath seinerseits wollte weder eine Macht- vermehrung der grossen Bahnen, noch »Sanirungen« in diesem Sinne und Stile zugeben, am allerwenigsten aber dem Staate dieserwegen bleibende Lasten auf- erlegen. *) Vgl. Dr. Gustav Cohn »Die Entwick- lungderEisenbahn-GesetzgebunginEngland«, Leipzig 1874; »Zur Beurtheilung der eng- lischen Eisenbahn-Politik«, Leipzig 1875; »Die englische Eisenbahn-Politik der letzten zebn Jahre«, Leipzig 1883; ferners H. Schwabe »Ueber das englische Eisenbahnwesen, Reise- Studien«, Wien 1877, und M. M. Freiherr v. Weber »Nationalitat und Eisenbahn- Politik«, Wien 1876. **) Vgl. Alfred Picard »Les chemins de fer franpais», torne deuxieme, Pariš 1884, und die zuvor errvahnte Schrift von M. M. Freiherrn v. Web e r. Der erste Versuch \vurde mit der soge- nannten »Nordwestbahn - Fusion« unternommen, welche die Vereinigung der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn, dann der Mahrischen Grenzbahn und der Lundenburg-Grussbacher Bahn mit den beiden Netzen der Oesterreichischen Nord- westbahn bezvveckte. Die Oesterrei- chische Nordvvestbahn bot hiezu gerne die Hand; von ihren eigenen oder auch von den grundsatzlichen Gegnern der Fusionen wurde dies jedoch nicht blos auf ihre offenkundige Expansionslust zuriickgefuhrt; man bezeichnete sie viel- mehr als selbst einer Kraftigung dringend bediirftig, da sie, nach dem Ausbruche der Krisis, festbegebene Actien und Obli- gationen des Erganzungsnetzes im Ge- sammtbetrage von 12,212.000 fl. vom Wiener Bankvereine zuriicknehmen musste, die seitens der Generalversamm- lung vom 26. Juni 1874 beschlossene anderweitige Finanzoperation [Verringe- rung des Actiencapitals lit. B von 30 auf 24 Millionen und Aufnahme eines Goldanlehens von 28 Millionen Reichs- mark] aber noch nicht bewerkstelligen konnte; man nahm den Umstand, dass von diesem Anlehen zwei Millionen Reichsmark zur Erganzung des Capitals des garantirten Netzes . bestimmt waren, zum Anlasse, die Ertrags- und Rechts- verhaltnisse der beiden Netze naher zu ervvagen und die Fortdauer der unge- schmalerten Verzinsung der garantirten Actien in Zweifel zu ziehen. Soweit es sich um die Begebung des neuen An- lehens handelte, war jedoch in Wirklich- keit nur der von den Curatoren gefiihrte Streit um die Rangordnung der biicher- lichen Eintragung der verschiedenen An¬ lehen Ursache derVerzogerung. Nach dem Vollzuge der Intabulation iibernahm die Deutsche Vereinsbank in Frankfurt a. M. das Anlehen zum Curse von 91 fl. 75 kr. fur 200 Reichsmark, theils in feste Rechnung, theils in Option. *) Die sonstigen Be- denken aber erwiesen sich bald als be- ■*) Bis Ende 1875 hatte das Consortium bereits Prioritaten im Betrage von 10,550.000 Reichsmark bezogen; ein Theil hievon wurde am 14. und 15. April 1875 zum Curse von 977% i n Bankvaluta zur Sffentlichen Zeich- nung aufgelegt. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 225 Abb. 112. Ischl. griindete. Dies beriihrte jedoch noch in lceiner Weise den G ang der zwischen der Regierung und der Oesterreichischen Nord- westbahn, und zwischen dieser und den Verwaltungen der anderen Bahnen ge- pflogenen Fusionsverhandlungen, nach deren Beendigung die ausserordentliche Generalversammlung vom 18. Juli 1874 den Verwaltungsrath zum Vollzuge der Fusion, beziehungsweise zur Erwerbung der oben genannten Bahnen fur die Oester- reichische Nordwestbahn ermachtigte. Die Siid-norddeutsche Verbin- dungsbahn, deren Vereinigung mit der Oesterreichischen Nordwestbahn schon bei der Goncessionirung der letzteren in bestimmte Aussicht genommen, nachher bei verschiedenen Anlassen, so namentlich bei den im Jahre 1869 gefuhrten Ver- handlungen iiber die Riickzahlung der Garantie-Vorschtisse, seitens der Regierung verlangt worden war, jedoch immer wieder verschoben werden musste, weil die Staats- garantie stets von Neuem in Anspruch genommen wurde, solite nunmehr ohne Riicksicht auf diesen Umstand zum Voll¬ zuge kommen, und zwar unter folgenden Modalitaten: Die Oesterreichische Nord- westbahn ubernimmt die Prioritatsschuld der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn zur Selbstzahlunm desgjeichen die Ver- pflichtung zur Riickerstattung der dieser Bahn bis Ende 1873 zutheil gewordenen Garantie-Vorschusse nebst 4°/ 0 Zinsen [9'6 Millionen] mit dem Betrage von 4,580.000 li. [in zwei Jahresraten] und erfolgt den Actionaren fiir je 11 Actien der eigenen Bahn 9 Actien lit. A der Oesterreichischen Nordwestbahn. Dieses Verhaltnis, welches darauf beruhte, dass die ersteren Actien eine staatlich garantirte Verzinsung von nur 9 fl. Banknoten, die letzteren dagegen eine solche von 10 fl. Silber geniessen, wurde jedoch von den Theilhabern der Stid-norddeutschen Ver¬ bindungsbahn in der Generalversammlung vom 27. Juni 1874 so heftig bekampft, dass dieselbe geschlossen und erst auf den 26. September zu einer neuen Tagung einberufen wurde. Bis dahin war eine Einigung dadurch herbeigefuhrt worden, dass die Oesterreichische Nordwestbahn sich verbindlich machte, jede der 75.000 Actien der Siid-norddeutschen Verbin- Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 15 226 Ignaz Konta. dungsbahn gegen je eine 5°/o'g e au f 200 fl. Bankvaluta lautende Prioritats- Obligation der Oesterreichischen Nord- westbahn auszutauschen. Auf die M a h r i s c h e G r e n z b a h n, als einen das Erganzungsnetz bis Stern- berg und Hohenstadt, also bis mitten in das nordmahrische Verkehrsgebiet der Nordbahn und Staatseisenbahn-Gesell- scbaft, fortsetzenden Schienenweg, hatte die Oesterreichische Nordvvestbahn langst ein Auge geworfen. Schon vvahrend des Baues der beiderseitigen Linien fanden zwischen massgebenden Betheiligten der beiden Unternehmungen stille Annaherun- gen statt, welche gleich damals auf die Fusionirung abzielten und eine dervvesent- lichsten Ursachen waren, dass der Aus- bau der Mahrischen Grenzbahn bis nach Mittelwalde unterblieben ist. Als nun die Ertragnisse dieser Bahn weit hinter den Erwartungen zuriickblieben, strebten auch die Hauptactionare der Mahrischen Grenzbahn und mit ihnen die beiderseits betheiligten Geldinstitute die Fusion an, was der Regierung insoferne nicht un- vvillkommen \var, als sie dadurch der ohne jedes eigene Verschulden in eine tible Lage gerathenen Unternehmung auf billige Weise die verdiente Hilfe bieten konnte. Die Mahrische Grenzbahn litt einzig und allein darunter, dass alle Factoren sicb in der Verkehrsergiebigkeit derselben getauscht hatten, dass demzu- folge die als iiberhaupt fur uberfliissig gegoltene Staatsgarantie zu karg be- messen vvurde [336.000 fl. jahrlich, d. i. 4°/ 0 fur das Prioritaten-Capital] und nun nicht einmal die volle [5%i& e ] Verzinsung der Obligationen gesichert war. Die Ver- einigung solite daher in der Weise vor sich gehen, dass die Prioritatsschuld der Mahrischen Grenzbahn ganzlich [8,000.000 fl.] und die Actien im Ver- haltnisse von 10 [Mahrische Grenzbahn] zu7 [Oesterreichische Nordwestbahn lit. A] von der Oesterreichischen Nordwestbahn iibernommen werden sollten, vvomit die Generalversammlung vom 25. Juni 1874 sich einverstanden erldarte. Die L u n d enb u r g-Gr u s sb a c h e r Bahn war schwer nothleidend. Durch die infolge der Krisis unterbliebene Aus- fuhrung der ungarischen Anschlusslinie Lundenburg-Tyrnau lediglich auf den zusammengeschrumpften Localverkehr an- gewiesen, brachte sie nicht einmal so viel ein, um die Kosten des Betriebes zu decken. Im Jahre 1873 konnte die Verzinsung der Prioritaten-Coupons nur mehr mit fremder Beihilfe geschehen. Der am I. Marž 1874 fallige Coupon blieb dagegen schon uneingelost, was nattirlich die Einsetzung der Curatel nach sich zog. Die Fusion solite ihr nun die Sanirung oder, richtiger noch, die Er- losung bringen; der Preis, um welchen die Oesterreichische Nordvvestbahn sie iibernehmen wollte, \var mit Zustimmung der Generalversammlung vom 27. Juni 1874 auf 5,350.000 fl. in 5 0 / 0 igen un- garantirten Obligationen lit. C der Oester¬ reichischen Nordvvestbahn festgesetzt, wo- von 650.000 fl. auf die Actionare ent- fielen. Bevor jedoch die Angelegenheit noch irgendvvie spruchreif gevvorden, war die Gesellschaft von der ganzlichen Ein- stellung des Betriebes bedroht, indem die Kaiser Ferdinands-Nordbahn wegen des stetig wachsenden Betriebsdeficites der Lundenburg - Grussbacher Bahn die Fiihrung des Betriebes auf derselben am 14. Juli 1874 zuriicklegte und die Oester¬ reichische Nordvvestbahn ihn erst iiber Intervention des Handelsministeriums tibernahm. Der Gesetzentvvurf iiber die Vereini- gung aller dieser Unternehmungen vvurde vom Ministerium am I. Mai 1874 im Abgeordnetenhause eingebracht; er war im Wesentlichen auf den vorstehend ervvahnten Bedingungen aufgebaut, dachte daher der Oesterreichischen Nordvvestbahn eine Erhohung der Staatsgarantie in dem Masse zu, dass dadurch die von dieser Gesellschaft zum Zwecke der Fusion und zur Riickzahlung der Garantieschuld der Siid-norddeutschen Verbinduno;sbahn hinauszugebenden garantirten Titel ge- deckt erschienen. Ziffermassig ausge- driickt war dies eine fur das alte Netz lit. A der Oesterreichischen Nordvvestbahn, dann fur die Siid-norddeutsche Verbin- dungsbahn und die Mahrische Grenzbahn insgesammt mit 6759:0. 50kr. pro Kilometer bemessene Garantie. Ausserdem war eine Ausdehnung der Garantie auch auf die Erfordernisse fiir Ervveiterungsbauten und Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 227 Nachschaffungen des garantirten Netzes und, speciell filr die Linie Grussbach- Zellerndorf, dieselbe Steuerfreiheit wie fur die Linie Lundenburg - Grussbach [20 Jahre] vorgesehen. Allein es waltete ein eigener Unstern liber dieser Vorlage. Der Reichsrath wurde am 7. Mai 1874 vertagt; sie konnte also, wie sehr auch der Handelsminister Dr. Banhans sich dafiir einsetzte, nicht mehr in Behandlung genommen vverden; dann machte die Aufbesserung; der Umtausch- bedingungen, welche die Actionare der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn in der Generalversammlung vom 26. Sep¬ tember 1874 erzielt hatten, beziehungs- \veise die daraus entspringende weitere Garantie-Erhohung eine Abanderung der einschlagigen Bestimmungen des Gesetz- entvvurfes nothwendig. Die beziigliche Novelle gelangte wieder sehr verspatet, am 24. Februar 1875, vor das Abgeord- netenhaus und stiess schon im Eisenbahn- Ausschusse aufheftigen Widerstand. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder war schliesslich geneigt, die Fusion zu ge- nehmigen, und zwar unter folgender Ab¬ anderung des Gesetzes : die Refundirung der Garantieschuld der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn erfolgt mit dem Betrage von 5,000.000 fl. und der Umtausch der Actien der Mahrischen Grenzbahn in dem Verhilltnisse von 10:4; die verlangte Mehrgarantie ist mit der Ziffer von jahr- lich 679.134 fl. begrenzt; auf sammtlichen Fusionslinien sollen die Tarife der Oester- reichischen Nordwestbahn eingefiihrt werden. Eine Minderheit, an deren Spitze aber der einflussreiche Fiihrer der da- mals tonangebenden Verfassungspartei, Dr. Herbst, stand, verwarf hingegen das Fusionsproject, weil es ein en mit dem angestrebten und auch auf an derem Wege erreichbarenZwecke inkeinemVerhaltnisse stehenden Aufwand nach sich ziehe, die Rechtsverhaltnisse der Oesterreichischen Nordwestbahn noch vervvickelter gestalte, jede einzelne Grundbuchseinlage des ver- einigten Netzes mit Prioritatsschulden iiberlaste, und die Verzinsimg der Actien lit. A der Oesterreichischen Nordwestbahn einer starkeren Schmalerung aussetze, was nicht durch einen Act der Gesetz- gebung herbeigeftihrt \verden solle. I Dr. Herbst bekampfte in der Vollverhand- lung vom 19. Marž 1875 mit atzender Scharfe den Gesetzentwurf wie auch die Vorschlage der Ausschussmehrheit und beantragte Uebergang zur Tagesordnung. Fur den Handelsminister von Chlumecky war es eine ebenso schivierige als unan- genehme Aufgabe, die Vorlage, an der er sogar nicht Theil hatte, zu vertheidi- gen; er that es jedoch mit aller Hin- gebung. Dadurch gerieth nun die Majo- ritat des Abgeordnetenhauses in die miss- liche Lage, entweder sich von dem Fiihrer abzuwenden oder das gleichfalls der eigenen Partei angehorende Ministerium im Stiche zu lassen. Um dies zu ver- meiden, entschied sie sich fiir die Ver- tagung, welche ubrigens — da eben wieder der Sessionsschluss bevorstand — gleichbedeutend war mit Begrabung der Angelegenheit, zumal als auch die Nord- westbahn sie allmahlich ganz aufgab. Thatsachlich erfolgte am 29. October 1875 die Zuriickziehung der Vorlage. Das Fehlschlagen des ersten Ver- suches hielt indes die Reoderuno; nicht ab, noch andere zu unternehmen, den en der General-Director des osterreichischen Eisenbahnwesens zu Gevatter gestanden und die Pathenbriefe in Form zweier, das Wesen und die Erspriesslichkeit der Fusionen behandelnden Broschiiren*) mitgegeben, beziehungsvveise vorausge- schickt hatte. Zunachst kam jetzt die so- genannte »galizische Fusion« an die Reihe, um welche sich die Verwal- tung der Ersten ungarisch-galizi- schen Eisenbahn oder, richtiger ge- sagt, der riihrige Director dieser Unterneh- mung, Max Pichler, schon seit dem Jahre 1874 bemiihte, weil ihnen die Verschmel- *) Es ivaren dies: »Ueber die zur Ent- wicklung des franzosischen Eisenbahnnetzes angewendeten Mittel« von Leon Aucoc, deutsch herausgegeben von Wilhelm von NOrdling, Wien, 1875; ferner »Du regime des traveaux publics en Angleterre« von Ch. de Franaueville; Auszug hieraus iibersetzt von Victor Wilke und unter dem Titel «Eisenbahn Concurrenz und Eisenbahn- Eusionen in England« deutsch heraus¬ gegeben von Wilhelm von Nčrdling, Wien, 1875. Diesen Broschiiren gleichsam gegeniibergestellt hat M. M. Freiherr von Weber seine Schrift «Werth und Kauf der Eisenbahnen«, Wien, 1876. 15 ' 228 Ignaz Konta. zung der jungen galizischen Bahnen und die Vereinigung der staatlichen Linie Tar- now-Leluchow mit den fusionirten Linien als fiir die Entwicklung des Verkehres aller dieser Bahnen unumganglich noth- wendig erschien und das Wachsen des- selben die Ungarisch-galizische Eisen- bahn von dem sie schwer belastenden Betriebs-Deficite befreien konnte. Da- durch, dass diese Gesellschaft damals auch von der Sorge um die Bedeckung eines Baudeficites von mehr als sieben Millionen Gulden bedruckt war, liess sie fur eine Weile die Fusionsbestrebungen ruhen. Nachdem aber die beiderseitigen Regierungen und die osterreichische Credit-Anstalt sie von jen er Sorge grossentheils befreit hatten [s. S. 83], wendete sich die Gesellschaft sogleich wieder der Fusionsfrage zu. Sie iiber- reichte im Friihjahr 1875 dem Ministerium eine Denkschrift, in welcher die Lage der jungen galizischen Bahnen geschil- dert, die Monopolisirung des ganzen Eisenbahn-Verkehres in Galizien bekampft sowie auch die Uebernahme des Be- triebes der allenfalls ohne Verbindung mit den fusionirten Linien bleibenden Staatsbahn Tarn6w-Leluchow angeboten \vurde, und erhoffte nun eine baldige giinstige Erledigung. Es ging jedoch nicht nach ihrem Wunsche; sie blieb sogar vollig ausgeschaltet aus dem ganzen Vereinigungs-Proj ecte. Die Bestimmung, den Stamm der »durch Fusion zu griindenden neuen Unternehmung« zu bilden, fiel der erst vor Kurzem wieder zu Ehren gekom- menen Lemberg-Czerno witz-Jassy- Eisenbahn zu, die mit grosster Be- reitwilligkeit auf das Vorhaben der Re- gierung einging, weil sie dadurch, nebst anderen Vortheilen, ali e Anwartschaft auf den Besitz des ganzen siidgalizischen Bahnnetzes und auf die freie, von der Carl Ludwig-Bahn ungehemmte Ent- \vicklung des Verkehres zu gewinnen hoffte. Die beztiglichen Verhandlungen fanden mit den Protokollar-Vereinbarun- gen vom 16. und 27. November 1875 ihren Abschluss, vermoge deren die Gesellschaft nicht nur die unmittelbar anschliessende Albrecht-Bahn und die mit dieser im Zusammenhange stehende Dniester-Bahn, sondern auch die fernab liegende staatliche Linie Tarnow-LeIu- chow zu den im Nachfolgenden einzeln angegebenen Preisen von insgesammt 38,379.400 fl. kauflich erwerben und hiefiir eigene Actien und Prioritats- Obligationen ausgeben und dieserwegen einer weiteren Staatsgarantie von jahr- lich 1,957.3493. theilhaftig werden solite. Ferner waren der Gesellschaft zuge- sichert: die Gestattung einer zur C011- solidirung der eigenen schwebenden Schuld bestimmten Actien-Emission im Betrage von 4,500.000 fl.*) und, als Ver- gtitung fiir das [zum Behufe der Durch- fiihrung der ganzen Transaction] auf- gegebene concessionsmassige Recht der Deckung ihres eigenen Geldbedarfes zu zwei Dritttheilen in Prioritaten, ein Be- trag von 450.000 fl. aus dem Kauf- schillinge fiir die Staatsbahn Tarno\v- Leluchow.**) Ausserdem winkte der Ge¬ sellschaft die Erlangung der Concession fiir die Linien: Czernowitz-Nowosielica, Stryj-Beskid, Lemberg-Tomaszow, Gry- bow-Zagorz und Neu-Sandec-Ošwiecim und des Mitbeniitzungsrechtes fur die Strecke Chyrow-Grybow der Ersten un- garisch-galizischen Eisenbahn.***) Ange- sichts alles dessen zogerten natiirlich auch die Theilhaber der Gesellschaft keinen Augenblick, dem Uebereinkommen vollinhaltlich beizupflichten. Es geschah dies in der ausserordentlichen General- versammlung vom 22. December 1875. Was nun die einzelnen oben be- nannten Fusionsbahnen anbelangt, so befanden sich zwei derselben in arger Bedrangnis. Die Erzherzog Albrecht- Bahn krankte an einem, grossentheils aus den ihr auferlegten Mehrleistungen und der Vertragsbriichigkeit der Bau- unternehmung entstandenen Baudeficite, zu dessen Deckung schwebende Schulden aufgenommen wurden [s. S. 138], deren Anwachsen und Kostspieligkeit dazu fiihrten, dass am 1. Januar 1875 der Actiencoupon statt mit 5 fl. nur mit 2 fl. 95 kr. eingelost \vurde, was natiir¬ lich den Credit der Gesellschaft be- deutend erschiitterte, so zwar, dass sie, *) **) und ***) Vergleiche die Artikel X, XII und XXIII des Protokolls vom 16. November 1875. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 229 verfolgt von zahlreichen Wechselklagen, Ende Marž 1875 im Begriffe stand, die Eroffnung des Concurses selbst herbei- zufiihren. Vorausgegangen war ein Ansturm der Actionare, welche in der ersten ausserordentlichen Generalver- sammlung vom 15. Februar 1875 die Antrage des Verwaltungsrathes auf Stornirung der riickgekauften Titel [s. S. 138] und Beschaffung frischer Geldmittel zur Tbeckung aller Erforder- nisse ablehnten und ein Comite zur Wege der Fusion bis langstens 31. Octo- ber bewerkstelligt, fiir welchen Fali dann noch eine weitere Erhohung der Garantie bis zudem im Gesetzevom 25. Mai 1871 fest- gesetzten Hochstbetrage -von 1,430.000 fl. eintreten konnte. Trotz dieser Zusage verschlimmerte sich die Lage von Stunde zu Stunde, bis es durch Einwirkung der Regierung am 22. Marž 1875 gelang, mit dem Frankfurter Hause Erlanger eine Uebereinkunft dahin zu treffen, dass dasselbe der Gesellschaft fiir den Augen- Abb. 113. Traunbrucke bei Ebensee. [Salzkammerg-ut-Bahn ] Prtifung der Lage der Gesellschaft und der ganzen bisherigen Geschaftsfiihrung einsetzten. Nun wurde auch die Regie¬ rung noch ofter und dringender als bis dahin um eine Untersttitzung angegangen, man erreichte aber nur, dass das Handelsministerium mittels Erlasses vom 8. Marž 1875 eine Vergiitung der baulichen Mehrleistungen zusagte. Die- selbe solite in Form einer Erhohung der Staatsgarantie um den Betrag von 63.000 fl. erfolgen, wenn die Glaubiger der Gesellschaft sich verpflichten, bis mindestens Ende OctoberkeinerleiZwangs- massregeln zu ergreifen und die Gesellschaft die Ordnung ihrer finanziellen Lage im blick mit Vorschiissen aushalf, dann die auf Grund der ersterwahnten Garantie- Erhohung auszugebenden Prioritaten im Betrage von 1,200.000 fl. auf feste Rech- nung nahm und auch Second-Prioritaten im Betrage von nom. 4,000.000 fl. fiir die Zeit bis 31. October mit 50°/ 0 belehnte, wogegen die Regierifng die Er¬ hohung der Garantie um 63.000 fl. gleich eintreten liess, und die weitere [um noch 42.000 fl.] neuerlich zusicherte. Da- durch war eine kurze Frist gewonnen. Am 5. April 1875 fand abermals eine ausserordentliche Generalversammlung statt, in welcher das Priifungscomite die Lage der Gesellschaft getreulich schilderte, 230 Ignaz Konta. das selbst nach der Garantie-Erhohung und der auf Grand derselben vorzuneh- menden Prioritaten - Vermehrung noch unbedeckt bleibende Erfordernis mit 1,993.289 fl. bezifferte und, in ziemlicher Uebereinstimmung mit dem Verwaltungs- rathe, folgende Antrage stellte: Fusio- nirung mit einer Nachbarbahn, Ausgabe von 4,000.000 fl. in Second-Prioritaten, Genehmigung des bereits erfolgten Riick- kaufes der Titel [s. o.] und der Reduction des Actieneapitals um 3,000.000 fl., d. i. auf 7,119.800 fl. Ali dies wurde fast einhellig angenommen undzugleicb, um mit der Vergangenheit vollig zn brechen, auch ein neuer Verwaltungs- rath gewahlt. Die Zukunft gestaltete sich aber nicht besser; die seitens der Gesellschaft unternommenen Fusions- versuche misslangen,*) und die von der Regierung angesetzte Frist eilte dem Ende zu. Da nahm nun das Ministerium die Sache selbst in die Hand und schloss am 10. September 1875 mit dem Ver- waltungsrathe ein Protokollar-Ueberein- kommen, wonach die gesellschaftlichen Linien an eine im Wege der Fusion zu bildende neue Unternehmung abgetreten werden sollten, welche die Garantie- Vorschussschuld und die Prioritaten I. Emission der Erzherzog Albrecht-Bahn im ganzen urspriinglichen Betrage von nom. 15,179.400 fl. zu iibernehmen und der letzteren, nach vorausgegangener Stor- nirung ihres ganzen Actieneapitals und der Second-Prioritaten ein Entgelt von 4,000.000 fl. in garantirten Prioritaten [der neuen Unternehmung] zu leisten haben wurde. Wie viel hievon fiir die Actionare eriibrigt hatte, war nicht ziffer- massig bestimmt, weil die Gesellschaft fiir ihre iibrigen Verbindlichkeiten selbst aufkommen solite und auch zur Bildung eines Reserve- und Erneuerungsfondes verpflichtet gewesen ware. Trotzdem stimmte die ausserordentliche General- versammlung vom 11. November 1875 auch diesem Uebereinkommen zu; es war dies eben vermeintlich ihr letzter Ausweg. *) Die Vereinigung mit derDniester-Bahn missfiel der Regierung und die Verhandlun- gen mit der Carl Ludwig-Bahn ftihrten iiber- haupt zu keinem greifbaren Ergebnisse. . Noch schlimmer stand es um die Dniester-Bahn. Seit der am I. Juli 1874 erfolgten Nichteinlosung der Priori- taten-Goupons unter Curatel befindlich, mit Betriebsdeficiten kampfend und von schwebenden Schulden bedrtickt, wollte auch diese Gesellschaft ihr Heil in der Fusion suchen, fand aber gleichfalls nir- gend eine willkommene Aufnahme. Die Carl Ludwig-Bahn hatte sie vielleicht gewahrt, wenn nicht die Lemberger Handelskammer, der galizische Landtag und andere Korperschaften jeder Macht- erweiterung dieser grossen Unternehmung in den Weg getreten waren. Damals betrugen die Einnahmen der Dniester- Bahn 19.277 fl. pro Meile; der Priori- tatendienst allein erforderte aber eine jahr- liche Reineinnahme von 24.300 fl., be- ziehungsweise eine Roheinnahme von 60.750 fl. pro Meile. Die Hoffnung aut eine Verzinsung des Prioritats-Capitals er- schien daher in weite Ferne geriickt, und der Curator versuchte nun die Umwand- lung der Prioritats-Obligationen in Prio- ritats-Actien bei gleichzeitiger Abstempe- lung der Halfte des Nennwerthes der Stammactien. Merkwiirdigerweise ver- schmahten die Prioritare diesen guten Rath des Curators; sie lehnten es in ihrer Versammlung vom 24. Juni 1875 ab, statt Glaubiger Eigenthiimer der Bahn zu werden, worauf dann der Curator, Dr. Freiherr v. Hainberger, an- gesichts der stetig wachsenden Nothlage, sich mit einem Verkaufsangebote an die Regierung wendete, welche sich bereit fand, die Bahn um den Preis von 2,100.000 fl. zu erwerben und das be- ziigliche Uebereinkommen am 8. Novem¬ ber 1875 abschloss. Eine Woche spater gab der Curator dem Verwaltungsrathe hievon Kenntnis, wobei er zugleich die unverztigliche Einberufung einer ausser- ordentlichen Generalversammlung ver- langte und nachdrucklichst betonte, dass er j eden Widerstand oder auch nur Ver- schleppungsversuch mit der Einleitung von Zwangsmassregeln beantworten miisste. Der Verwaltungsrath fugte sich hilf- und willenlos; hingegen nicht so ganz die am 31. December 1875 ab- gehaltene ausserordentliche Generalver¬ sammlung. Dieselbe erging sich in Ver- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 231 wahrungen und Ausfallen, genehmigte aber dennoch das inzwischen auch von der Curatelsbehorde gutgeheissene Ver- kaufs-Uebereinkommen und beschloss die Liquidation der Gesellschaft. Da zu jener Zeit der Schuldenstand der Gesell¬ schaft 300.000 fl. betrug und den Actionaren schenkungsweise 1 fl. 50 kr. pro Actie zugedacht war, verblieben von dem Kaufschilling nur 1,764.000 fl. fiir die Prioritaten-Besitzer. Diese biissten daher 7 3'7 °/ 0 , die Actionare 99• 2 5 °/ 0 des Capitals ein. DerKaufpreis fiir die 19^4 Meilen lange, auf Kosten des Staates in Ausfiihrung gestandene Linie Tarn6w-Leluch6w sammt dem von der Staatsverwaltung beizustellenden Fahrparke war im Ar¬ tikel IV des Uebereinkommens vom 16. November 1875 mit 16,000.000 fl., zahlbar in Actien al pari der Lemberg- Czernowitz-Jassy-Eisenbahn, festgesetzt, wovon jedoch die Gesellschaft 500.000 fl. zu Cassendotirungen und Materialanschaf- fungen sowie auch den bereits weiter oben bezeichneten Betrag von 450.000 fl. in Abzug bringen konnte [Artikel VI und ■ XII desselben Uebereinkommens]. Seinem ganzen Umfange nach wurde dieses Fusionsproject erst am n. Januar 1876, als dem Tage, an welchem die betreffende Gesetzesvorlage vor das Ab- geordnetenhaus gelangte, allgemein be- kannt und auch sogleich einer eingehenden Erorterung unterzogen. Ausserhalb des Parlamentes, zumal in Finanzkreisen, wo die Fusionen, wegen der von denselben er- hofften Heihvirkung bislang angestrebt und gewiinscht vvorden waren, gabsichnun, ob der Einschatzung der Fusionsbahnen nach ihrem commerziellen Werthe, eine form- liche Bestiirzung kund und innerhalb des Parlamentes machten sich viele Bedenken gegen das Fusionswerk geltend. Der Eisenbahn-Ausschuss des Abgeordneten- hauses fand weder den Verkauf der Linie Tarn6w-Lelucb6w, deren Verbindung mit den iibrigen fusionirten Linien den Bau der fehlenden Zwischenstrecken, also die Schaffung einer vollstandigen Parallel- bahn der Carl Ludwig-Bahn bedingen wiirde, noch auch die beabsichtigte Unterstutzung der Erzherzog Albrecht- Bahn fiir angezeigt und kam zu dem Beschlusse: der Staat soli die Tarnow- Leluch6wer Bahn behalten, die Dniester- Bahn erwerben, beide in Staatsbetrieb nehmen oder etwa benachbarten Unter- nehmungen in Betrieb geben, riicksicht- lich der Albrecht-Bahn aber dahin trachten, »mit einigem Wohlwollen das zu erzielen, was sie durch die bedeutende Erhohung der Staatsgarantie und mit der Fusion erstrebt«. Demzufolge \vurde die Vorlage am 1. Marž 1875 vom Abgeordneten- hause abgelehnt und nur der Ankauf der Dniester-Bahn genehmigt. Das beziig- liche Gesetz erbielt am 18. Marž 1876 die a. h. Sanction. Die wieder allein gebliebene Erz¬ herzog Albrech t-B a h n war hiedurch noch manchen Fahrlichkeiten ausgesetzt, namentlich beim Ablaufe der Frist, bis zu welcher das Haus Erlanger die Second- Prioritaten belehnt hatte. Nachdem sie aber beim Handelsministerium insoferne eine Unterstutzung gefunden, dass es ihr zu einenr anderweitigen Belehnungs- Credite [beim Wiener Bankverein] verhalf, wie auch hinsichtlich der Bildung von Reserven erheblicheNachsicht angedeihen liess, und nachdem sie die Einlosung der Actiencoupons auf Jahre hinaus theil- weise oder ganzlich sistirte, vermochte sie sich immerhin noch aufrecht.zu er- halten. Ehe das Jahr 1875 zu Ende gegangen, hatte die Regierung auch die Vorbereitiin- gen zur Ersetzung der gescheiterten Nord- ■vvestbahn-Fusion getroffen. Sie sah sich hiezu hauptsachlich dadurch veranlasst, dass die Lage der Lundenbur g-Gruss- bacher Bahn nun geradezu unhaltbar geworden war. Der liber Intervention der Regierung verlangerte Betriebsvertrag mit der Nordvvestbahn lief am 15. April 1876 ab, und die finanziellen Verhalt- nisse verschlechterten sich immer mehr; die Gesellschaft stand also vor dem ganz- lichen Zusammenbruche. Da traten die Curatoren mit der Regierung in Ver- kaufsverhandlungen ein und vereinbarten mit ihr die Abtretung der 123 Meilen langen Lundenburg - Grussbacher Bahn sammt und sonders und ganzlich lastenfrei um den Preis von 1,700.000 fl. [Protokoli vom 20. December 1875]. Der Vervval- 232 Ignaz Konta. tungsrath lehnte es ab, den Vertrag mitzu- fertigen, da er »die Verantwortlichkeit nicht theilen wollte, ein Unternehmen mit einem Anlage-Capitale von 11,000.000 fl. um den Preis von 1,700.000 fl. hintanzu- geben« ; dessungeachtet nahm die An- gelegenheit den gleichen Verlauf wie bei der Dniester-Bahn. Es wurde eine ausserordentliche General versammlung einberufen; diese fand am 27. Januar 1876 statt, gab die Einwilligung zu dem Verkaufe der Bahn und beschloss die Liquidation der Gesellschaft. Dafiir er- hielten die Actionare ein Entgelt von 2 fl. pro Actie. Um der M ahr i s c h en Gr e n zb ah n beizustehen, vereinbarte die Regierung, mit ihr neuerlich die Abtretung des ge- sammten Unternehmens an eine von der Staatsverwaltung zu bezeichnende Unter- nehmung, und zwar unter Bedingungen, die sich von den fUr die »Nordwestbahn- Fusion« festgestellt ge\vesenen haupt- sachlich dadurch unterschieden, dass die Actionare jetzt nur ein Entgelt von 3,000.000 fl.*) erhalten sollten [Pro¬ tokoli vom 2. Januar 1876], was die- selben iibrigens nicht abhielt, in der ausserordentlichen Generalversammlung vom 5 - Januar 1876 auch dem neuen Uebereinkommen glattweg zuzustimmen. Zum Grundstocke der Fusion war diesmal die Mahrisch-schlesische Nord- bahn, beziehungsweise die KaiserFerdi- n a n d s-N o r d b a h n erkoren, welche, an- lasslich ihrer Bewerbung um die Con- cession filr die Linie Bielitz-Saybusch, sich zum Ankaufe der Lundenburg-Gruss- bacher Bahn erboten und die Vereinigung der Mahrischen Grenzbahn mit der Mahrisch-schlesischen Nordbahn ange- regt hatte. Darum bezeichnete man dieses Fusionsproject geradehin als »Nordb ahn- Fusion«. Das Interesse, welches die KaiserFerdinands-Nordbahn an demselben hatte, erklart sich von selbst. In der Mahrischen Grenzbahn konnte die Mah¬ risch-schlesische Nordbahn ihre natiir- liche Fortsetzung einerseits bis Hohen- *) Das war kaum halb soviel als anlass- lich des ersten Fusionsversuches vereinbart gewesen und blieb noch um 600.000 fl. hinter dem Betrage zurilck, den der Eisenbahn- Ausschuss dazumal bewilligen wollte. stadt [Staatseisenbahn-Gesellscliaft], an- dererseits bis Grulich-Wichstadtl [Nord- westbahn], eventuellbis Mittelwalde[Ober- schlesische Eisenbahn] finden, und mit der Lundenburg-Grussbacher Bahn, an der die Kaiser Ferdinands-Nordbahn aus Con- currenzriicksichten ohnehin schon mit 1.000. 000 fl. betheiligt war, konnte die letz- tere, filr den Fali, dass die [Waagthal- Bahn] Linie Tyrnau - Lundenburg doch noch zustande karne, dass Mittelglied einer zukunftsreichen Exportroute nicht nur vollstandig, sondern jetzt auch sehr billig erwerben. Vorsichtsweise strebte sie ubri- gens die Staatsgarantie fiir die Lunden¬ burg-Grussbacher Bahn an, liess jedoch hievon wieder ab, nachdem das Handels- ministerium mit Erlass vom 30. Januar 1876 erklart hatte, diese Bahn ohne- weiters an eine andere Gesellschaft verkaufen zu konnen. Die Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn schloss also mit der Regierung zwei Protokollar - Ueberein- kommen ab; das eine am 16. Januar 1876, betreffend die Erwerbung der Mahrischen Grenzbahn fiir die Mahrisch- schlesische Nordbahn um den Preis von 3.000. 000 fl., und Eintritt der Kaiser Ferdinands-Nordbahn als Selbstschuldnerin fiir die Prioritaten undGarantie-Vorschiisse der Mahrischen Grenzbahn gegen ent- sprechende Erhohung der Staatsgarantie fiir diese Bahn, namlich von 336.000 fl. auf 561.938 fl. jahrlich, — das zweite am 5. Februar 1876, betreffend den An- kauf der Lundenburg-Grussbacher Bahn um den Preis von 1,700.000 fl. Die Actionare der Kaiser Ferdinands-Nordbahn genehmigten in der ausserordentlichen' Generalversammlung vom 16. Februar 1876 die sammtlichen Vereinbarungen, mithin auch die Ervverbung und Durch- fuhrung der Concession fiir die Linie Bielitz-Saybusch. Der legislativen Behandlung wurden die Vereinbarungen am 4., beziehungs- weise 8. Februar 1876, und zwar in drei getrennten Vorlagen zugefiihrt. Im Eisen- bahn-Ausschusse [des Abgeordneten- hauses] widerfuhr ihnen kein Leid; der- selbe wiirdigte es vielmehr, dass die Vereinigung der Mahrischen Grenzbahn mit der Mahrisch-schlesischen Nordbahn eine erheblich geringere Staatsgarantie Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 233 Abb. 114. Sonnsteinlehne. [Salzkammergut-Bahn zwische;n Ebensee und Traunkirchen ] erfordere, als die friiher geplante Fusion mit der Oesterreichischen Nordwestbahn, und ftir den Staatsschatz aucli noch des- halb entsprechender sei, weil die von der jetzt vorgeschlagenen Zusammenlegung der Bahnen erhoffte Steig-erunp- der Er- tragnisse beiderseits nur garantirten Linien zugute karne. Im Abgeordneten- hause selbst theilte jedoch die Fusions- vorlage alsbald das Schicksal ihrer Vor- gangerinnen. Noch heftiger als diese letzteren bekampft, weil, nach Meinung der Einen, das »zum Dogma gewordene Princip der Fusionirung und Sanirung von kranken Bahnen auf Kosten des Staates und der Steuertrager« dem Be- rufe des Staates keineswegs entspricht, und, nach Meinung der Anderen, »der Staat alle kranken Bahnen unter Bedin- gungen der Billigkeit an sich ziehen und den Selbstbetrieb iibernehmen soli« — \vurde die Vorlage, trotz bester Befiir- wortung von Seite des Berichterstatters und auch des Handelsministers, welcher iiberdies die drei Vorlagen als untrenn- bares Ganze bezeichnete, in der sehr erregten Sitzung vom 23. Februar 1876 abgelehnt. Der Geldmarkt beantwortete diese Abstimmuno- mit einem drangenden Ausgebote von osterreichischen Eisen- bahnwerthen; das vermochte aber an den gegebenen Thatsachen nichts mehr zu andern. Gleichsam als wollte sie ihre Ab- neigung gegen die Fusionen noch deut- licher hervorkehren, liess die Mehrheit der Reichsvertretung unmittelbar nach der Ablehnung jener einen Vorlage den beiden anderen, in glattester Weise, eine zustimmende Erledigung angedeihen. Die- selben erhielten am 12. Marž 1876 die a. h. Sanction und gelangten auch sogleich zum Vollzuge. — Die Mahrische Grenzbahn bildete nun fortan ein grosses Fragezeichen. W eder sie selbst noch das Ministerium wusste, was mit ihr oder ftir sie geschehen solle. Der Ver\valtungsrath liess sich noch geraume Zeit hindurch alljahrlich von der Generalversammlung ermachtigen, im Wege einer Fusion oder auch in sonstiger Weise eine Sanirung zu bewirken; er fand jedoch keine Gelegenheit mehr, von dieser Vollmacht Gebrauch zu machen. Im Jahre 1878, da der Rest ihrer beim Baue ersparten Fon d s, aus denen sie 234 Ignaz Konta. seither das von der Staatsgarantie unbe- deckte ftinfte Procent des Prioritaten- Coupons bezahlte, zurNeige ging, wendete sie sich wieder an die Regierung, welche auch wirklich eine die Erhohung der Garantie auf 410.057 fl. beztveckende Gesetzesvorlage im Reichsrathe ein- brachte. Dieser bewilligte aber nur einen Vorschuss von 75.000 fl. zur Volleinlosung des Prioritaten-Coupons im Jahre 1879 [Gesetz vom 21. April 1879]. Weiterhin auf sich selbst angewiesen, konnte sie ab 1. Marž 1880 den Prioritaten-Coupon nur mehr mit 4 fl. einlosen, kam daher unter Curatel und fristete sich dann noch muhselig fort, bis sie im Jahre 1894 vom Staate eingelost wurde. Unbeirrt von den keineswegs er- muthigenden Erfahrungen, welche die Regierung mit ihren bisherigen Fusions- vorlagen gemacht hatte, trat sie im Jahre 1876 nochmals mit einer solchen an den Reichsrath heran. Die Dux - Boden- bacher Bahn, deren Verkehr sich in ungeahnt machtiger Weise entwickelte, jedoch auch bedeutende Erweiterungs- bauten und Vermehrungen der Fahr- betriebsmittel erheischte, war durch die allgemeine Verschlechterung des Geld- marktes ausser Stand gesetzt, ihre Er- fordernisse im Wege der Erhohung des Anlage-Capitals zu beschaffen und suchte sich mit Creditoperationen zu helfen. Von den Staatsvorschusscassen hatte sie, gegen Verpfandung von Prioritaten III. Emission, Darlehen im Betrage von 1,210.000 fl. erhalten, im Uebrigen aber schwebende Schulden aufgenommen, deren Kostspieligkeit ihr verderblich zu werden drohte. Die wachsende Gefahr erkennend, richtete der Verwaltungsrath an die Regierung die Bitte um eine finanzielle Unterstiitzung oder eine unmittelbare Betheiligung des Staates an dem Unter- nehmen, durch Uebernahme von Actien im Betrage von fiinf Millionen Gulden. Dieses Begehren erschien dem Ministerium »ebensowohl der Form als dem Umfange nach zurBerucksichtigungnicht geeignet«; immerhin aber wurde der Verwaltungs- rath eingeladen, zu Verhandlungen iiber die Bedingungen, unter welchen die er- betene Unterstiitzung getvahrt werden konnte, Vertreter zu entsenden [Handels- ministerial-Erlass vom 8. Juni 1875] ■ Gleich beim Beginne dieser am 21. Sep¬ tember 1875 eroffneten Verhandlungen wurde nun den Delegirten der Gesell- schaft verktindet, dass nach dem Pro- gramme, welches die Regierung sich fur die Unterstiitzung nothleidender Bahnen aufgestellt habe, auch die Dux-Boden- bacher Bahn eine Hilfeleistung nur dann ervvarten konne, wenn sie ihren nach dem commerziellen Werthe abzuschatzenden Besitz im Wege der Fusion an eine andere Unternehmung oder zu diesern Zwecke vorerst an den Staat iibertrage. Die Abgesandten der Gesellschaft wehrten und verwahrten sich gegen die Anwendung jenes Programmes auf ein so kraftig entwickeltes und zukunftreiches Unternehmen wie die Dux-Bodenbacher Bahn. Da aber die Regierung an ihren Principien unabanderlich festhielt, kam am 28. September 1875 ein Protokollar- Uebereinkommen zustande, wonach das gesammte Eigenthum der Dux-Boden- bacher Bahn an eine von der Regie¬ rung namhaft zu machende andere Unternehmung iibergehen, diese aber alle Schulden der aufhorenden Gesell¬ schaft auf sich nehmen und den Actionaren der letzteren ein Entgelt von nom. 1,650.000 fl. [also etwas mehr als ein Fiinftel ihres Stamm-Capitales] in garan- tirten Prioritats-Obligationen leisten solite. Bezeichnenderweise hat auch die so- gleich auf den 30. October 1875 ein- berufene ausserordentliche Generalver- sammlung das Uebereinkommen zwar scharf kritisirt, dasselbe eine »gewaltsame Enteignung« genannt, aber fast einhellig angenommen. Nun hielten beide Theile die Angelegenheit bereits fiir vollends abgeschlossen. Die Regierung setzte bei der Bahn einen eigenen Commissar ein und iibertrug derselben, als einer nun- mehr dem Staate gehorenden Linie, den Betrieb der auf Staatskosten ausgefiihrten Rakonitz - Protiviner Bahn [December 1875], und die Gesellschaft ihrerseits be- trachtete sich bereits als in Liquidation stehend. Gleichwobl kam die Transaction nicht zustande; sie hatte sich nach dem Plane Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 235 der Regierung noch auf andere hilfs- bediirftige bohmische Bahnen erstrecken sollen, scheiterte aber an dem Wider- stande der letzteren. So manche Theil- haber der Dux-Bodenbacher Bahn freuten sich darob, weil sie wegen des augen- blicklichen Nothstandes nicht an dem vvahren Werthe und dem kiinftigen weiteren Aufbliihen ihres Unternehmens verzweifeln mochten; sie vermeinten schon mit dem Gewinne an Zeit etwas fiir die Besserung ihres Loses erreicht zu haben. Das war jedoch insoferne irrig, als das Drangen der Glaubiger ein Ab- warten kaum zuliess und eine Hilfe, welche den Actionaren nicht schwere Opfer auferlegt hatte, damals nirgends zu erhoffen stand. Der Verwaltungsrath, dem jedes Zogern gefahrlich schien, wendete sich abermals an die Regierung, und diese wollte nun, gestiitzt auf die unter Mit- wirkung ihres Specialcommissars aufge- nommene Vermogens-Inventur der Ge- sellschaft, eine Unterstiitzung durch Ueber- nahme neu auszugebender Prioritats- Actien im Betrage von 4,000.000 fl. ge- wahren, unter der Bedingung, dass die Gesellschaft ihr altes Actiencapital durch Abstempelung von 6,600.000 fl. auf 1,656.000 fl. [also auf den vierten Theil] herabmindere und das Prioritats-Anleben III. Emission [1,599.000 fl.] bis auf eine Quote von 400.000 fl. ganzlich zuriick- ziehe [Protokoli vom 24. Januar 1876]. Dass durch diese Vorsichten jede Verlustgefahr fiir den Staat ausgeschlossen, ihm vielmehr ein guter Gewinn geradezu sicher war, lag klar zu Tage. Dessunge- achtet ist in der Unruhe und Aufregung, welche die Vervverfung der »Nordbahn- Fusion« bei den Abgeordneten selbst verursacht hatte, eine Stunde spater auch die mit j en er Vorlage gleichzeitig [8. Fe¬ bruar] eingebrachte Vorlage iiber die Be- theiligung des Staates an der Dux-Boden- bacher Bahn untergegangen [23. Februar 1876]. Hiedurch zu den iiussersten Mass- nahmen gezwungen, sistirte der Vervval- tungsrath die Einlosung der Prioritaten- Coupons, was sofort die Aufstellung eines Curators zur Folge hatte, und dann stellte er uberhaupt alle nicht den Betrieb betreffenden Zahlungen ein, was natiir- lich die Eroffnung des Concurses nach sich hatte ziehen mussen, wenn nicht durch Hinzuthun der Regierung und des Curators noch im letzten Augenblicke ein fiir die Zeit vom 15. Marž bis 15. December 1876 giltiges vorlaufiges »Arrangement« getroffen worden ware. Vermoge desselben stundete die Regierung die Schuld an die Vorschusscassen und die Firma Klett & Comp. ihre eigene Wechselforderung [2,240.586 Reichsmark], ferners ubernahm diese Firma Wechsel- schulden der Gesellschaft im Betrage von 672.420 fl. zur Selbstzablung und eroffnete ihr iiberdies einen Credit von 460.000 Reichsmark, vvogegen die Gesellschaft, mit der Zustimmung der Curatel, der genannten Firma 4,500.000 fl. verschrieb und das biicherliche Pfandrecht vor den Prioritats-Glaubigern einraumte. Wie traurig es damals selbst um die vorztiglichsten Unternehmungen, wenn sie sich in Verlegenheiten befanden, be- stellt war, wird, mehr noch als durch die vorstehenden Ziffern, dadurch be- rviesen, dass der Verwaltungsrath, um auch eine dauernde Ordnung zu bewirken, nunmehr mangels irgend einer ander- weitigen Hilfe genothigt war, sich der seit dem Bestand der Dux-Bodenbacher Bahn ihr feindlich gegeniiberstandenen Aussig-Teplitzer Bahn in die Arme zu werfen. Diese Gesellschaft verstand es, die gute Gelegenheit zu niitzen. Nach einigem Stolziren erbot sie sich am 17. September 1876, die Dux-Boden- bacher Bahn [ohne die Kohlenwerke] um den Preis von 9,276.900 fl., zahlbar in Actien und Prioritaten [der Aussig- Teplitzer Bahn], zu erwerben. Knapp vor seiner Entscheidung erhielt der Verwal- tungsrath auch von der Anglo-oster- reichischen Bank ein Sanirungs-Angebot, das zwar in materieller Beziehung etwas gilnstiger, in den Nebenbedin- gungen aber weit iiber das Ziel hinaus- greifend war. Die Regierung, welcher die beiden Offerten am 6. November 1876 vorgelegt wurden, empfahl darum neuerliche Ver- handlungen mit der Aussig-Teplitzer Bahn, die sich nun zur Erhohung des Kaufpreises auf 10,000.000 fl. verstand, 236 Ignaz Konta. falls ihr verschiedene staatliche Begiin- stigungen, so namentlich: Steuerfreiheit fiir sammtliche Linien bis 8. October 1890, einheitliche Gestaltung der Concessionen, Gebtihren- und Steuerfreiheit fiir alle aus der Fusion erwachsenden Rechts- geschafte undEmissionen, gewahrt wiirden. [Protokoli vom 27. November 1876.] Ueberdies ward bedungen, dass die Forde- rung der staatlichen Vorschusscassen an die Dux-Bodenbacher Bahn auf 600.000 fl. herabgesetzt und den Actionaren der letz- teren das Wahlrecht eingeraumt werde, der Regierung fiir diese verringerte Schuld entweder das gesellschaftliche Kohlen- werk oder Actien der Aussig-Teplitzer Bahn zum Curse von 270 fl. pro Stiick in Zahlung zu geben. Den Actionaren solite von dem Kaufschillinge ein Be- trag von mindestens 840.000 fl. eriibrigen. Hinterher langte auch noch ein Angebot von dem Wiener Bankhause S. M. Reitzes ein, das aber gleichfalls weder von der Regierung noch vom Curator genehm gehalten wurde. Erstere erklarte sich vielmehr bereit, die vorer- wahnten Fusionsbedingungen der ver- fassungsmassigen Behandlung zuzuftihren und dahin zu \virken, dass die Firma Klett & Comp. bis 31. Januar 1877 keine Zwangsmittel gegen die Gesellschaft in Anwendung bringe. Von diesem Sachverhalte an sich, noch mehr aber von den absprechenden Urtheilen, mit welchen die Oeffentlichkeit ihn begleitet batte, heftig erregt, Hessen die Actionare der Dux-Bodenbacher Bahn in der ausserordentlichen Generalver- sammlung vom 16. December 1876 dem Unmuthe die Ziigel schiessen. Sie er- gingen sich stundenlang in bitteren An- klagen, bekampften die Antrage des Ver- waltungsrathes und verlangten von ihm, selbst auf jede Gefahr hin, die Auf- suchung eines anderen Ausweges aus der Zwangslage; als es jedoch zur Ab- stimmung kam, da hatte sich der Wind plotzlich gedreht, und der Pact mit der Aussig-Teplitzer Bahn wurde mit 460 gegen 69 Stimmen en bloc angenommen. Nun brachte die Regierung am 19. December 1876 die Fusionsvorlage im Abgeordnetenhause ein. Dieselbe wurde im Eisenbahn-Ausschusse nur binsichtlich der Steuerbefreiung einigermassen ge- andert, sonst aber zur Annahme empfoh- len. Dessungeachtet blieb ihr die Mehr- heit des Hauses abgeneigt, theils aus den schon bei allen friiheren Fusionsvorlagen geltend gemachten Griinden, theils auch wegen der von zahlreichen Prioritaten- Besitzern iiberreichten Petitionen um Schutz gegen die Beeintrachtigung ihrer verbrieften Rechte. Die Entscheidung fiel in der Vollsitzung vom 16. Februar 1877; nach einer geradezu mit Leiden- schaftlichkeit geftihrten Erorterung wurde auch diese Fusion, trotz ihrer besonderen Vertheidigung seitens des Handelsmini- sters, der hiebei sogar die bedeutsame Erklarung einfliessen Hess, dass er, »\venn diese Vorlage ebenfalls fallen solite, kaum noch etwas fiir die Sanirung von Eisen- bahnen zu thun vermochte«, mit 103 gegen 101 Stimmen abgelehnt. Fiir die Verwaltung der Dux-Boden- bacher Bahn kehrten damit die Verlegen- heiten zuriick, denen sie bereits fiir immer entronnen zu sein wahnte; sie nahm am 1. Marž 1877 den vor zwei Monaten an die Aussig-Teplitzer Bahn abgege- benen Betrieb der eigenen Bahn*) wieder an sich, schaute iiberallhin nach Hilfe aus und berief ein um das andere Mal die Actionare zusammen, um sich Raths zu erholen. Die eigentliche Drangsal horte jedoch gar bald auf, da sich jetzt mit einem Male Darlehens- und Sani- rungsangebote in auffalliger Menge ein- stellten, darunter auch ein den gegebenen Verhaltnissen am besten angepasstes klares Anerbieten der Societe belge de chemin de fer, welches denn auch ange¬ nommen wurde. Diese belgische Ge¬ sellschaft, die eben damals einen erheb- lichen Theil ihrer finanziellen Thatigkeit nach Oesterreich verlegt hatte, stellte namlich ein zur Deckung der dringend- sten Falligkeiten und sonstigen Erforder- nisse ausreichendes, durch zwei Jahre gar nicht, dann aber halbjahrig kiind- bares Darlehen von effectiv 4,500.000 Reichsmark in Gold zu 7°/ 0 und gegen primo loco Sicherstellung zur Verfiigung, *) Die Fuhrung des Betriebes auf der k. k. Staatsbahn Rakonitz-Protivin hatte die Regierung mittels Vertrages vom 27. Februar 1877 der Biihmischen Westbahn iibertragen. Gescbichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 237 unter der Bedingung, dass die Dux- Bodenbacher Bahn bis zur erfolgten Riickzahlung dieses Darlehens den Be- trieb ihrer Linien keinem Dritten iiber- lassen diirfe und der Gurator sich fiir die Dauer von 2 l / 2 ]ahren des Rechtes begebe, die Forderungen der Prioritare geltend zu machen. Der bezugliche Vertrag wurde am 24. April 1877 abgeschlossen, noch am selben Tage von der Regierung und drei Tage spater von der Curatel genehmigt. mogenstheiles die volle Selbstandigkeit bewahrt. Darum galt seither sowohl den Prioritaren gleichwie den Actionaren dieser Bahn das Scheitern der Fusion als ein wahrer Gliicksfall. Die Regierung hingegen konnte aus dem Schicksale ihrer Vorlagen dieUeber- zeugung schopfen, dass in Oesterreich weder die Fusion als solche, noch ihre Benutzung zu Sanirungszwecken, Boden zu finden vermag, am allerwenigsten aber, wenn ihr die nicht einmal die Abb. 115. Bau der Salzkammergut-Bahn. [An der siidlichen Miindung des Sonnenstein-Tunnels z\vischen Ebensee und Traunkircben.] Die Dux - Bodenbacher Bahn hatte also geniigend Zeit und Mittel gewon- nen, um ihre Verhaltnisse in Ruhe ord- nen zu konnen. Freilich galt es noch liber mancherlei Wirrnisse, die jetzt mehrentheils nur von den wegen des Sanirungsgeschaftes einander bekriegen- den Finanzinstituten verursacht wurden, hinwegzukommen; aber ehe die zwei Jahre um waren, hatte das Unternehmen sich selbst geholfen und, wie in einem spateren Abschnitte dieser Mittheilungen noch des Naheren zu besprechen bleibt, ohne Hinopferung irgend eines Ver- Rechte der Glaubiger schonende Theorie vom commerziellen Werthe zugrunde gelegt ist. Thatsachlich sind denn auch von ali den angestrebten »Fusionen« nur zwei, und zwar solche verwirklicht worden, bei denen weder eine Werthverminderung in Frage kam, noch der Staat eine, geschiveige gar neue Leistung auf sich zu nehmen hatte. Es waren dies: die schon bei der Constituirung der »Wien- Pottendorf-Wiener-Neustadter Bahn« [s. S. 158] vollzogene, jedoch erst auf Grund des Gesetzes vom 23B Ignaz Konta. 24. Marž 1875 vollig geregelte Vereini- gung der Wi e n e r- N eu s ta d t - G r am- mat - Neusiedler Bahn und der Meidling - P ottendorfer Bahn, wobei die beiden Concessionen gleich- gestellt, deren Dauer auf 90 Jahre ab I. Januar 1875 festgesetzt, die Steuer- freiheit der Grammat-Neusiedler Bahn fiir die Zeit von sieben Jahren halftig auf beide Linien ubertragen und, zufolge a. h. Entschliessung vom 7. December 1874, beziehungsweise 30. April 1875, die Pottendorfer Bahn von der con- cessionsmassigen Verpflichtung zum Aus- baue der Theilstrecke Pottendorf-Unga- rische Grenze entbunden wurde [Kund- machung des Handelsministeriums vom 3. Juli 1875], ferner die auf Grund des Gesetzes vom 7. Juni 1877 ins Werk gesetzte ganzliche Verscbmelzung der Br un n - R o s s i t z er Bahn mit der Oesterreichischen Staatseisen- babn-Gesellschaft, durch welche eigentlich nur die Legitimirung des zwischen diesen beiden Unternehmungen schon seit der Concessionirung des Er- ganzungsnetzes [der Staatseisenbahn-Ge- sellschaft] bestandenen Verhaltnisses be- wirkt wurde. Weil nun die Kaiser Fer- dinands-Nordbahn auch bei diesem An- lasse wieder ihre Privilegialrechte geltend zu machen suchte, bedurfte diese Ver- einigung noch einer besonderen Ge- nehmigung, welche erst am 15. Decem¬ ber 1878, und zvvar von Seite des Mini- steriums des Innern ertheilt wurde. Der Vertragsabschluss liber die Vereinigung der beiden Unternehmungen*) erfolgte am II. Marž 1878 und die Verlautbarung der mit a. h. Entschliessung vom 14. De¬ cember 1879 beivilligten Uebertragung *) Die Oesterreichische Staatseisenbahn- Gesellschaft tibernahm die Briinn-Rossitzer Bahn sammt allem ZubehOr, trat dafilr hin- sichtlich der Prioritats-Anlehen von zusam- men 2,250.000 fl. als Selbstschuldnerin ein und bezahlte fiir jede der 10.290 Prioritats- Actien [a 200 fl.] den Baarbetrag von 175 fl. Mehr als die Halfte dieser Actien sowie die sammtlichen Stammactien [252 Stiick a 525 fl.] hatte die Staatseisenbahn-Gesellschaft iibri- gens schon zur Zeit ihrer ersten Bewerbung um die [Wien]-Znaim-Tečicer Linie [1863] an sich gebracht, um sich einen ausreichen- den Einfluss auf dieRossitzer Bahn zu sichern. fSiehe Bd. I, I. Theil, Seite 402 u. ff.] des Privilegiums, mittels Kundmachung der Handelsministeriums vom 21. Decem¬ ber 1879. — Was aus dem Schiffbruche der Fusionsprojecte gerettet ivurde, fand bal- dige Bergung. Auf Grund des Gesetzes vom 18. Marž 1876 hatte der Staat gleich am 1. April 1876 von der Dniester- Bahn Besitz ergriffen, deren Betrieb er an die Erste ungarisch-galizische Eisenbahn iibertrug, die densel- ben vorerst einfach fiir Rechnung des Staates, dann aber, zufolge des Betriebs- vertrages vom 10. April 1876, gegen Vergutung der Selbstkosten fiihrte, bis er im Jahre 1884 in die eigene Regie der Staates ubernommen wurde. Die Liquidation der Gesellschaft und die Flussigmachung des Kaufschillings begann im Tuni; die Ausserkraftsetzung der Concessions-Urkundž erfolgte durch die Kundmachung des Handelsministeriums vom 8. August 1876. Vermoge des eben erwabnten Betriebs- vertrages ubernahm die Erste ungarisch- galizische Eisenbahn auch den Betrieb der k. k. Staatsbahn Tarn6w-Lelu- chow, der gleichfalls erst acht Jahre spater an die Staatsvenvaltung zuriick- kam. Die Lundenburg - Grussbacher Bahn ging am 15. April in den Be¬ sitz und Betrieb der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn tiber. Die con- cessionsmassigen Befugnisse ivurden je- doch erst mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 23. August 1876 an die Kaiser Ferdinands-Nordbahn ubertragen und bei diesem Anlasse auch einisie Bestimmung-en der beiden Gon- cessions-Urkunden der erstgenannten Bahn ausser Kraft und hiefiir die im Ueber- einkommen vom 5. Februar 1876 [Ar¬ tikel III bis XVI] enthaltenen einheit- lichen Bestimmungen in Wirksamkeit gesetzt.*) Das Ergebnis der Liquidation *) Diese Abanderungen betreffen im Wesentlichsten: Tarifnormirungen, Pauscha- lirung des steuerbaren Reinertriignisses der Linie Lundenburg-Grussbach fiir die ganze Dauer der Steuerfreiheit [behufs Ermhgli- chung der Fiihrung einer gemeinschaftlichen Betriebsrechnung], Verlangerung der Con- cessionsdauer auf 90 Jahre vom 6 Mai 1876 an etc. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 239 der nun aus der Reihe der selbstandigen Unternehmungen geschiedenen Lunden- burg-Grussbacher Bahn war ein geradezu klagliches, denn die Begleichung der Betriebsforderungen der Nordwestbahn, dann die Abfindung der Actionare mit 2 fl. pro Actie und die Befriedigung verschiedener Glaubiger liess von dem Kaufschillinge nur noch so viel iibrig, dass die Prioritaten I. Emission [7484 Stiick a 300 fl.] blos mit 44'39°/ 0 und jene der II. Emission [13.300 Stiick a 300 fl.] gar nur mit 13'75°/o ^ es Nenn\verthes eingelost werden konnten. Das Gelderfordernis zum Ankaufe der Lundenburg-Grussbacher Bahn, ferners zum Baue der nachfolgend besprochenen Linie Bielitz-Saybusch und zur Vervoll- standigung der Hauptbahn, deckte die Kaiser Ferdinands-Nordbahn, iiber Be- schluss der Generalversammlung vom 3. Mai 1876, durch ein Prioritats-Anlehen im Betrage von nom. 7,5000.00 fl., wovon jedoch vorerst nur die Halfte, und zwar an die eigenen Actionare, zum Curse von 88°/ 0 , begeben wurde.*) Einer etwaigen besonderen Vorsorge fiir die Verzinsung und Tilgung dieses Anlehens war die Gesellschaft gleich von vorn- herein iiberhoben, da ihr schon die im *) Zur Vervollstandigung der Daten iiber das Anlage-CapitalderKaiser Ferdinands- Nordbahn muss hier beigefiigt vrerden, dass dieselbe seit dem Jahre 1866 ausser den Prioritaten fiir die Mahrisch-schlesische N ordbahn im Gesammtbetrage von 24,000.000 fl. noch 12.934 Actien zum Curse von 150 fiir je 100 fl. C.-M. und Obligationen im Nenn- werthe von 18,150.000 fl. ausgegeben hat. Die Haupt-Emission [6777 Actien und 14,400.000 fl. in Prioritaten] fand im Jahre 1872 statt. Aus dieser wurden auch die Kosten der stabilen Brucke iiber dieDonau [Abb. 116] und der Tracenumlegung zwischen Wien und Floridsdorf — einschliesslich der zehn Durchfahrtsbriicken fiir die kiinftige »Donaustadt« — gedeckt. Das Gliick lachelte der Nordbahn auch beim Baue der neuen Donaubriicke; derselbe konnte »im Trockenen«, d. h. bevor noch der Strom in sein neues Bett geleitet war, voll- fiihrt werden. Die neue Strecke Wien-Florids- dorf wurde am 26. Marž 1874 dem allge- meinen Verkehre ubergeben, nachdem sie anlasslich der Kaiserreise nach Russland am 11. Februar eriiffnet und am 23. Februar dem Personenverkehr dienstbar gemacht worden war. Jahre 1876 iiberfliissig gevvordene \veitere Dotirung des vor 31 Jahren gegrundeten und nun bis zur Hohe von 10,226.274 A- angewachsenen Reservefondes A reich- liche Mittel verfiigbar machte. Die auf dem Gesetze vom 12. Marž 1876 beruhende Concession fur die Linie B ie 1 itz - Say bus ch gelangte am 30. Mai 1876 zur Ausfertigung. Ihre Bestimmungen sind mit den fiir die Mahrisch-schlesische Nordbahn geltenden in Einklang gesetzt, nur geniesst die neue Linie keine Staatsgarantie, sondern eine 25jahrige Steuerfreiheit, welche [z\vecks der Ermoglichung einer gemein- schaftlichen Betriebsrechnung fiir sammt- liche ungarantirten Linien der Kaiser Ferdinands-Nordbahn] auf ihre ganze Dauer mit jahrlich 80.000 fl. pauschalirt ist. Der Baubeginn war auf den 30. November 1876 anberaumt, die Vollendungsfrist mit langstens zweiJahren bemessen. Zum ersten Male hatte die Kaiser Ferdinands-Nordbahn das Project einer Verlangerung ihrer Dzieditz - Bielitzer Fliigelbahn nach Saybusch ins Auge gefasst, als bei Ablauf der Sechziger- Jahre die Bestrebungen um die Ausge- staltung des galizischen Bahnnetzes und dessen Verbindung mit den ungarischen Bahnen sich geltend zu machen begannen. Die Vorconcession fiir die ungarische Strecke von der galizischen Grenze bis Csacza erhielt sie am 17. Juli 1868. Da jene Bestrebungen damals fruchtlos ge- blieben, liess auch die Nordbahn ihr Project .ruhen, bis im Jahre 1871 die Linie Bielitz-Saybusch-Csacza von dritter Seite [Ingenieur Gentilli u. A.] in An- regung kam, und alsbald auch in die damals erstmalig zur legislativen Behand- lung gelangte Galizische Transversalbahn einbezogen wurde [s. S. 171]- Das allein schon war Grund genug, sich des Projectes ernstlich anzunehmen. Es lag aber jetzt noch ein zweiter vor. Das Gesetz vom 11. Juni 1871 ver- pflichtete die Gesellschaft, den Erlos fiir die an die Nordvvestbahn verkaufte Fliigel¬ bahn [s. S. 57] binnen langstens ftinf Jahren zur Herstellung einer neuen an die Nordbahn anschliessenden Linie zu verwenden. Sie konnte also mit Erftillung 240 Ignaz Konta. dieser Obliegenheit zugleich auch die altgeplante Verlangerung der Dzieditz- Bielitzer Zweigbahn bewirken, und sie wollte dies nunmehr, nachdem die wegen der Investirung jenes Erloses [1,000.000 fl.] vollfiihrten mannigfacben Studien dargethan hatten, dass der gedachte Weiterbau, sowohl in An- sehung der Verkehrsbedeutung, als auch der zu gevvartigenden Ertragsfahigkeit, den ubrigen gepriiften Projecten weit voraus sei. *) Die.Regierung stimmte dem bei, doch verlangte sie statt der von der Kaiser Ferdinands-Nordbahn beabsichtigten An- lage einer Kopfstation in Bielitz einen unmittelbaren Anschluss der alten an die neue Linie, was die Unterfahrung eines Theiles der Stadt bedingte und die ur- spriinglich mit 1,894.000 fl. veranschlagten Baukosten bedeutend erhohte. Daran ware das Vorhaben wieder gescheitert, wenn nicht die Giiterverwaltung des Erzherzogs Albrecht sich im Interesse der an der projectirten Linie liegenden erzherzog- lichen Besitzungen mit einem Betrage von 500.000 fl. an dem neuen Unter- nehmen, »auf Gewinn und Verlust«, be- theiligt hatte. Nachdem sie diese Partnerschaft ge- funden, erklarte die Kaiser Ferdinands- Nordbahn am 20. Januar 1876 proto- kollarisch, die mit dem Handelsministerium schon frtiher vereinbarte Concession iiber- nehmen zu wollen und erhielt dieselbe, wie bereits oben dargelegt erscheint. Die Ausarbeitung der Detailplane, von denen insbesondere jene fiir die 268 m lange, tunnelirte Unterfahrung der Stadt Bielitz die grosste Sorgfalt erforderten, nahm langere Zeit in Anspruch. Darum konnte die Vergebung des Baues erst am 11. December 1876 stattfinden; sie erfolgte auf Grund von Mindest-Einheitssatzen im Wege einer Offertverhandlung, an der sich fiinfzehn Baufirmen betheiligten. Er- steher blieb die Unternehmung F. Soukup. Einzelne Arbeiten wurden iibrigens schon *) Laut des Berichtes an die ausser- ordentliche Generalversammlung vom 16. Fe¬ bruar 1876 liess die Nordbahn insbesondere noch folgende Projecte untersuchen: Goding- Gaya, Bisenz-Gaya, Hullein-Kremsier und Napagedl-Kremsier-Kojetein. am 30. November in Angriff genommen. Die Eroffnung der ganzen 20’8 km langen Linie fand 4 1 / 2 Monate vor dem con- cessionsmassigen Vollendungstermine, namlich am 18. August 1878, statt. Die Strecke Bielitz-Saybusch zweigt unmittelbar hinter dem Aufnahmsgebaude in Bielitz rechts ab und fiihrt nach Kreuzung der Bahnhofs-Zufalirtsstrasse in einem Bogen von 400 m Radius durch die Stadt Bielitz. Die Hohenlage der Stadt bedingte hiebei die Herstellung eines liber 900 m langen, an seiner tiefsten Stelle 12-5 m tiefen Ein- sehnittes, der auf eine Lange von 268 m eingewolbt werden musste. Besondere Sclrwie- rigkeiten machte bei der Ausftihrung dieses Bauwerkes die Ueberfiihrung des Nipper- und des Miiblbaches, besonders jene des ersteren, dessen Sohle unter den Scheitel des Object-Gewolbes reichte, und deshalb mit Hilfe einer schmiedeeisernen genieteten Rohre von 125 m Lichtweite und gleicher HOhe, deren Unterkante unter den innern Gewolbsscheitel reicht, bevvirkt werden musste. Der Milhlbach wurde in einem ge- mauerten Gerinne iiber den gewolbten Ein- schnitt hinweggefiihrt. Gleich ausserhalb des gewolbten Ein- schnittes iibersetzt die Trače den Bialafluss. Um die fiir die Ueberbriickung erforderliche Hbhe zu gewinnen, war es nothig, eine Stei- gung von I4'286 0 / oo einzulegen. Nach Ueber- setzung des Bialaflusses gelangt die Bahn auf galizisches Gebiet und zieht zunachst am rechten Bialaufer, dann weiter entlang des Mesnabaches in continuirlichen Stei- gungen, bis sie die HOhe der Wasser- scheide zwischen dem Biala- und Solagebiete erreicht. Auf diesem Zuge, der an indu- striellen Anlagen und malerisch gelegenen GehSften durch ein von schon bewaldeten Bergen beiderseits eingerahmtes Thal stetig aufwarts fiihrt, werden mehrere Zufliisse der Biala uberbriickt, welche mit Rilck- sicht darauf, dass diese Gewasser durchaus Wildbache sind, grossere Objecte erforder¬ ten. Die Ueberschreitung der Wasserscheide erfolgt mittels eines Einschnittes von 450 m Lange und 5-151 m Maximaltiefe. Im Ge- falle geht die Trače in das weite Thalbecken des Solagebietes und zieht entlang des Zim- nikbaches, der auf eine Lange von nahezu 600 m regulirt und uberbriickt \verden musste. Ueber einen Milhlbach und den Zilka- bach an Lodygowice voriiber den Kalnabach iibersetzend, gelangt die Bahn in das ausge- dehnte Inundationsgebiet des Solaflusses, dem sie iviederholt so nahe riickt, dass sie durch Anlage von Faschinenbauten vor Unter- waschungen geschiitzt werden musste. Von da ab zieht die Trače zum Endpunkte der Bahn, der Station Saybusch, hinan. * * * Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs, 241 Abb. 116. Briickenfelder der Nordbahnbriicke iiber die Donau bei Wien. [Nach einer photographischen Aufnabme von August Navratil,] Von den vorhin aufgezahlten, in der Gesetzesvorlage vom 29. October 1875 zur Ausfiihrung auf Staatskosten vorge- schlagenen Hauptbahnen kam bislang nur die D o n a uuf er b a h n in Wien zustande, deren Herstellung eigentlich schon in dem urspriinglichen Programme fur die Donauregulirung vorgesehen war, das auf die Verbindung aller in Wien einmilndenden Bahnen untereinander und mit den einzelnen Landungsplatzen am neuen Stromufer ausdrucklich Bedacht genommen hatte. Daraus entsprangen in der »Griin- dungszeit« zahlreiche einschlagige Pro- jecte, *) die aber allesammt vor der im Jahre 1870 und seitdem noch wiederholt eingetretenen Concessionswerbung der *) Im Jahre 1867 plan te das Consortium des Grafen Hugo Henckel-Donnersmark eine »Wiener Giirtelbahn«, welche auch die in Wien einmiindenden Bahnen mit dem pro- jectirten Donauhafen verbinden solite; im Jahre 1869 projectirten: der Fiirst Ernst Windiscbgratz und Genossen ein »Central- Eisenbahnnetz in Wien und Umgebung«, dann die Wiener Bank in Gemeinschaft mit Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. Donauregulirungs - Commission zuriick- \vichen. Diese wollte eine vom Sporne bei Nussdorf zu den Uferbahnhofen der Wiener Bahnen sowie zu den Anlagen der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft und bis zum Winterhafen oberhalb der neuen Miindung des Donaucanales fiih- rende, doppelgeleisige Bahn erbauen und die beziiglichen Kosten aus dem Erlose der durch die Donauregulirung gewon- nenen Grundfiachen decken. Der Ausbruch der wirthschaftlichen Krisis machte aber den Verkauf der »Donaugriinde« unmoglich und nachdem ihr andere Geldmittel zum Bahnbaue mangelten, musste auch die Donauregu- lirungs-Commission die Bewerbung um dem Baurathe Karl Schwarz »Eisenbahnen in und um Wien«. Diese Projecte hatten, gleich dem damals auch vom Grafen Kasimir \VIodecki aufgestellten, nebst anderen Ver- bindungen auch diejenige der Wiener Bahn- hčife und Landuhgsplatze zum Zwecke. Im Jahre 1872 kamen noch andere derlei Projecte dazu, so von Seite des Wiener Bankvereins, der Gesellschaft fur Industrie-, Forst- und Montanbahnen u. m. A. 16 242 Ignaz Konta. die Concession aufgeben. Statt der letzteren erbat sie sodann die Ausftihrung der Donauuferbahn auf Staatskosten, welche Bitte vom Lande Niederosterreich und der Stadt Wien, als den neben dem Staate noch an der Donauregulirung be- theiligten Curien, lebhaft unterstiitzt wurde. Die Regierung nahm sich darum warmstens des Projectes an, meinte jedoch, dasselbe, weil die Kaiserin Elisabeth-Bahn bereits eine Verbindung zur Donau [bei Albern] besass, auf eine eingeleisige, schon bei der Stadlauer Brucke der Staatseisenbahn - Gesellschaft endigende Linie beschranken, hingegen eine. Fort- setzung: der Wiener Verbindung-sbahn vom Nordbahnhofe zur Nordwestbahn und zu den Geleisen der Kaiser Franz Josef-Bahn in Nussdorf in Anregung bringen zu sollen. Hienach wiirden die von der Donauregulirungs - Commission mit 500.000 fl. veranschlagten Kosten der Donauuferbahn sich auf 230.000 fl. verringert und die Erganzung der Wiener Verbindungsbahn einen Aufwand von 970.000 fl. erfordert haben. In dieser Anordnung war also das Project in die am 29. October 1875 vor den Reichsrath gelangte Gesetzesvorlage iiber den »Bau neuer Eisenbahnlinien auf Staatskosten und die Eroffnung von Specialcrediten ftir das Jahr 1876«, und zwar an oberster Stelle aufgenommen worden. Der Budgetausschuss des Abge- ordnetenhauses, welcher bald darauf mit der Regierung ubereingekommen war, ftir die einzelnen in der Vorlage ange- fiihrten Bahnen und Credite Special- gesetze zu schaffen, brachte dieses Ver- fahren gleich bei der Donauuferbahn in Anwendung, liess jedoch die Fortsetzung der Wiener Verbindungsbahn vorlaufig fallen, empfahl dafiir die doppelgeleisige Anlage der Donauuferbahn vom Nuss¬ dorfer Sporn bis zur Stadlauer Briicke sowie die Herstellung einer im Oberbaue vorerst eingeleisigen Verbindung der Kaiser Franz Josef-Bahn [von Nussdorf aus] mit der Donauuferbahn und — zu Zwecken dieser beilaufig 1,004.000 fl. erfordernden Bauten — schon pro 1876 die Eroffnung eines Credites von 600.000 fl. Das Abgeordnetenhaus nahm diese Vor- schlage an [10. Februar 1876], die, nach Zustimmung auch des Herrenhauses, am XI. Marž 1876 die a. h. Sanction zum Gesetze erhielten. Nun fertigte die k. k. Direction ftir Staatseisenbahn-Bauten mit aller Be- schleunigung die Detailplane an, so zwar, dass der Bau der 4^3 km langen Strecke vom Quai-Bahnhof der Nordbahn bis zur Stadlauer Brucke bereits am 23. August 1876 begonnen werden korinte. Derselbe war an den Unternehmer Josef Urban vergeben und binnen sieben Wochen.vollendef worden. Die Eroffnung dieser Strecke fand am 26. October 1876 statt. Den Betrieb iibernahm damals, zu- folge eines am 12. October 1876 einge- gangenen Vertrages, die Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn gegen ein Pauschale von 6000 fl. jahrlich fiir den Stations- dienst und Vergiitung ihrer iibrigen Leistungen nach den wirklich aufge- laufenen Kosten. Die 4 km lange Fortsetzungsstrecke vom Quai-Bahnhof der Nordbahn bis zur Station Nussdorf konnte wegen ver- schiedener Strittigkeiten erst im Sommer 1877 in Angriff genommen werden. Sie wurde von der Unternehmung Redlich & Berger innerhalb elf Monaten fertigge- stellt und am 24. August 1878 dem Betriebe iibergeben. Fast unmittelbar danach kiindigte das Handelsministerium den Betriebsvertrag mit der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und betraute ab I. Januar 1879 die kurz vorher errichtete Verwaltung der k. k. nieder- osterreichischen Staatsbahnen mit der Betriebsfiihrung. Den Zugforderungsdienst versah von diesem Zeitpunkte an die Staatseisenbahn-Gesellschaft. Mannigfache Einschrankungen der Bahnanlagen, insbesonders die mit a. h. Entschliessung vom II. August 1876 genehmigte einstweilige Weglassung des zweiten Geleises und Erleichterungen be- ziiglich der Sicherheits-Vorkehrungen, ver- ringerten die Baukostenum fast 300.000 fl. Dieses Ersparnis diente spater zur weiteren Fortsetzung der Donauuferbahn von der Stadlauerbriicke bis zur Donaulande-Bahn der Kaiserin Elisabeth-Bahn bei Kaiser- Ebersdorf. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 243 Die D o nauuf erb ah n zweigt am siid- lichen Ende der Station Nussdorf in einem Bogen von 183 m Radius ab, erreicht nach einer kurzen Steigung von 8°/ 00 auf der Donaucanal-Brucke [89 m Stutzvveite] die HOhe von 9 m iiber dem ortlichen Nullwasser- stand, iibersetzt auf der in einem Winkel von 40° schief gelegten Brucke den Donau¬ canal und geht sodann mit einem Gefalle von 12'/2 bis 8°/ 00 bis zum Donau-Quai. Im weiteren Verlaufe zieht die Bahn in einer Entfernung von 67-3 m von der Uferkante den Donau-Quai entlang und findet im Quai-Bahnhof der Nordbahn an diese und an der Stadlauerbrticke an die Staats- eisenbahn Anschluss. [Abb. 117.] Zwar nicht durch die schon wieder- holt erwahnte grosse Gesetzesvorlage selbst, doch aber aus Anlass derselben wurde noch die sogenannte »Pontebba- Bahn« / Tarvis-Pontafel ins Dasein gerufen. Der Handelsminister v. Chlumecky bob in der bede.utungsvollen Rede, mit vvelcher er am 29. October 1875 jeneVor- lage miindlich einbegleitete, ausdriicklich hervor, dass die genannte Verbindungs- liriie nur darum keine Aufnahme in den Gesetzentwurf gefunden, weil die Aus- fiihrung der italienischen Ankniipfungs- strecke sehr im Riickstande und daher der Anschluss in Pontafel noch nicht sobald zu gewartigen war, dass jedoch die Regierung fiir die rechtzeitige Her- stellung der osterreichischen Strecke sor- gen wolle, wenn die Vorkehrungen auf der italienischen Seite gestatten werden, riicksichtlich der Bewerkstelligung des Anschlusses mit einem bestimmten Zeit- punkte zu rechnen. Das Abgeordneten- haus erachtete jedoch diesen Termin schon als gekommen, da gelegentlich der Eroffnung der Theilstrecke Udine- Ospedaletto [16. November 1875] die Vollendung der iibrigen Strecken von Seite der italienischen Regierung fiir Ende 1877 in Aussicht gestellt wurde. Es verlangte daher in dringendster Weise die »Erschliessung des altenVer- kehrsweges nach Italien«, und die Regierung entsprach nunmehr diesem Wunsche. Die Vorgeschichte der Pontebba-Bahn reicht weit zuriick und hat bemerkens- werthe Momente aufzuweisen. Urspriing- lich war eine von Villach zum Ansčhlusse an die Linie Verona-Triest fiihrende Eisenbahn, als Fliigel der am 9. Januar 1875 concessionirten »Karntner Bahn«, vorgesehen. Nach der am 23. September 1858 erfolgten Zuriicklegung dieser Con- cession und nachdem in der am selben Tage ertheilten Concession fiir die Siidbahn blos die Linie Marburg-Villach Aufnahme fand, hatte es auch von der siidlichen Fortsetzung jener Linie dauernd sein Abkommen, wiewohl in Karnten und in Triest die Bestrebungen um dieselbe eigentlicli nicht mehr aufhorten. Freilicli blieben sie nicht lange einheitliche. Bis zum Jahre 1864, und insbesondere noch zur Zeit der Projectirung der Kronprinz Rudolf-Bahn, traten, gleich den Handels- kammern von Steiermark, Karnten etc., auch jene von Triest und Gorz fiir die Linie Haag - Leoben - Villach - Udine ein, nachher aber setzten sie dem Projecte Villach-Tarvis-Udine jenes der »Predil- Bahn« Villach-Gorz entgegen. Die Con¬ cession fiir die Kronprinz Rudolf-Bahn nahm insoferne auf das erstere Project Bedacht, als sie [§ 2] die Concessionare verpflichtete, auf Verlangen und nach Abb. 117, Brucke der Donauuferbahn iiber den Donaucanal bei Nussdorf. l6 s 244 Ignaz Konta. Wahl der Staatsvenvaltung auch eine von Villach nach Triest oder einem ande- ren Kustenpunkte, mit Einschluss einer Linie bis zur Reichsgrenze in der Rich- tung gegen Udine, fiihrende Eisenbahn herzustellen. Im Schlussprotokolle zu dem am 23. April 1867 zwischen Oesterreich und Italien abgeschlossenen Handels- und Schiffahrts-Vertrage hatten die bei- derseitigen Regierungen, in theilweiser Ausfiihrung der Bestimmungen [Art. XIII] des Friedenstractates vom 3. October 1866, sich gegenseitig verpflichtet, »den Bau derjenigen Eisenbahnstrecken zur directen Verbindung der osterreichischen mit den italienischen Eisenbahnlinien zu begiinstigen und zu concessioniren, welche von einer der beiden Machte bis zur Grenze bei Primolano auf der einen und bis zur Grenze Friauls bei Pontebba auf der anderen Seite concessionirt oder gebaut wurden . . . . «. Mit der Her- steliung der Strecke Tarvis-Pontafel war also fortan auch die Erfiillung einer volkerrechtlichenV erpflichtung verbunden. Der Ausbau der italienischen Linie liess jedoch lange auf sich warten. Vorerst der Allgemeinen Romischen Bank zuge- dacht, wurde dieselbe dann der Ober- italienischen Eisenbahn-Gesellschaft con¬ cessionirt, welche im October 1873 die Arbeiten in der Theilstrecke Udine- Tricesimo begonnen, aber wenig be- schleunigt hatte, was nun — wie gesagt — der osterreichischen Regierung Ver- anlassung bot, mit der Sicherstellung des Baues von Tarvis nach Pontafel, den sie, wenn nicht anders, so doch j eden Augen- blick durch die Kronprinz Rudolf-Bahn [s. o.] bewirken konnte, immerfort zuzu- warten. Wahrenddessen drangten die Alpen- 1 jnder immer ungestumer nach Verwirk- lichung des alten Projectes, und stemmten sich die Anhanger der Predil-Bahn gegen dasselbe. Die Gegensatze steigerten sich bis zum offenen Streite, welche'n zu ent- scheiden der Reichsrath wiederholt durch Petitionen angerufen wurde [1868, 1872 und 1874]. Die Regierung selbst schien der Predillinie den Vorzug zu geben; denn mit Ausnahme des binnen Kurzem wieder zuriickgezogenen Gesetzentwurfes vom 13. Marž 1869 [s. S. 20], der auch eine Verbindung der in Villach zusammentreffenden Bahnen mit dem Meere und den venetianischen Eisen¬ bahnlinien vorgesehen hatte, handelten alle spateren einschlagigen Vorlagen [3. Marž 1870, 22. Marž 1872 und 29. October 1875] nur von der Predil¬ linie. Dadurch gerieth sie aber in Wider- spruch mit den Anschauungen des Reichs- rathes. Im Jahre 1874 hatte der Eisenbahn- Ausschuss, anlasslich der Berathung der an das Abgeordnetenhaus gelangten Petitionen um den Bau der Strecke Tarvis-Pontebba, sich zu Gunsten dieser Begehren entschieden und eine Resolution beantragt, durch welche die Regierung aufgefordert wurde, wegen des An- schlusses der beiderseitigen Bahnlinien ungesaumt Verhandlungen mit der ita¬ lienischen Regierung zu pflegdn, und sodann zur Sicherstellung des Ausbaues der Kronprinz Rudolf-Bahn von Tarvis bis Pontafel noch im Laufe der Session 1874/75 Vorlagen einzubringen, damit die Inbetriebsetzung dieser Strecke gleich- zeitig mit jener der italienischen Linie Udine-Pontebba erfolgen konne. Das Abgeordnetenhaus berieth hieruber am 25. und 27. Januar 1875 und nahm, nach einer heftigen Auseinandersetzung mit den in kleiner Minderheit gewesenen Vertheidigern des Predil, die Resolution an, nur ohne die Worte: »noch im Laufe der Session 1874/75*« Eine ahnliche, allerdings beide Verbindungen betreffende Resolution wurde am 24. Februar 1875 auch vom Herrenhause gefasst. Als nun die Gesetzesvorlage vom 29. October 1875, mit welcher die Re- crierung zahlreiche neue Linien sicher- stellen wollte, abermals die Pontebba- Bahn nicht umfasste, brachte dies im Abgeordnetenhause eine merkliche Ver- stimmung hervor, welche, trotz der oben erwahnten mtindlichen Darlegungen des Handelsministers, dazu fiAhrte, dass das L selbe am 11. Januar 1876 eine im Budget- Ausschusse beantragte und von dem Specialbericliterstatter [als welcher danrals der Fiihrer der Majoritat, Dr. Herbst, fungirte] in gereizten Worten begriindete, neuerliche Resolution annahm, mittels Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 245 deren die Regierung angegangen wurde, den Gesetzentwurf liber die Sicherstellung der Strecke Tarvis-Pontafel jedenfalls noch im Laufe der Wintersession zur verfassungsmassigen Behandlung zu bringen. Diesmal setzte das Parlament seinen »einmiitbig kundgegebenenWillen« durch. Bereits am 25. Januar 1876 gelangte eine Gesetzesvorlage vor das Abge- Triest, aufforderte. In letzterer Beziehung hatten die Bemuhungen der Regierung den gewtinschten Erfolg; *) in die Her- stellung einer gemeinsamen Wechsel- station auf osterreichischem Gebiete wollte die italienische Regierung nicht willigen, weshalb sowohl in Pontafel als auch in Pontebba je ein Grenzbahnhof angelegt wurde. Die Vergebung des Baues geschah Abb. 118. Malborgeth. [Tarvis-Pontafel.] ordnetenhaus, vvelche den Bau der Strecke Tarvis-Reichsgrenze und die Bewilligung eines Specialcredites von 400.000 fl. pro 1876 bezweckte. Sie wurde, unter Ver- dopplung derCreditsumme, am 22. Februar 1876 erledigt und, da auch das Herren- haus nicht mit der Zustimmung zogerte, am 12. Marž 1876 a. h. sanctionirt. Zu- gleich mit dem Gesetze nahm der Reichs- rath auch zwdi Resolutionen an, deren eine darauf abzielte, dass der Grenz¬ bahnhof auf osterreichischem Gebiete er- richtet werden moge, wahrend die zweite die Regierung zur Erwirkung aller zu- lassigen Erleichterungen des Durchzugs- verkehres, insbesondere von und nach im Weg;e der Offertverhandluna: vom 4. April 1877, an der sich nicht weniger als 41 Unternehmer betheiligten. Ersteher desselben blieb das Consortium Fischer, Kranz & Kurz mit einem Preisnachlasse von 25'5°/ 0 , welcher ebenso wie die grosse Zahl der Bewerber um einen so kleinen Bahnbau [24^7 km] das treue, aber keines- wegs erfreulicheSpiegelbild der damaligen ivirthschaftlichen Verhaltnisse bot. Die sogleich in Angriff genommenen Arbeiten machten rasche Fortschritte, so zwar, dass *) Vgl. Art. 19 derUebereinkunft zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien vom 2. Octo- berl879, betreffend die Eisenbahn-Anschliisse bei Cormons, Ala und Pontafel. 246 Ignaz Konta. die Eroffnung der Bahn fur Ende Juli 1879 in Aussicht genommen war. Karnten harrte mit Sehnsucht dieses Augenblickes; denn dort lagen schon grosseGiitermengen zur Verfrachtung auf der neuen Verkehrs- route bereit. Das Land musste sich aber noch weiter gedulden, da dieVerhandlungen mit Italien, welche alle drei osterreichisch-italienischen Eisenbahn-Anschlusse zum Gegenstande hatten, sich hinzogen, und die Regierung dem Ansuchen der karntnerischen Handels- kammer, dass die osterreichische Strecke, ohne Riicksicht auf die internationalen Verhandlungen, dem Betriebe tibergeben werden moge, nicht leicht willfahren konnte. Wie sehr ubrigens die Regierung sich angelegen sein liess, die Verhand¬ lungen mit Italien zu beschleunigen, erhellt daraus, dass deren Zuendefiihrung dem Handelsminister v. Chlumecky auch nach seinem Riicktritte [s. w. u.] anver- traut blieb, »damit nicht durch den Per- sonenwechsel eine Storung oder weitere Verzogerung eintrete«. In der That ge- lang es den Bemiihungen dieses Staats- mannes, die »Uebereinkunft, betreffend die Eisenbahn-Anschlusse bei Cormons, Al a und Pontafel«, am 2. October 1879 zum Abschlusse zu bringen, worauf dann am 11. October die 24^7 km lange Bahn fur den localen und am 30. October 1879 auch fur den internationalen Verkehr eroffnet wurde. Den Betrieb ftihrte, auf Grund des mit ihr schon am 5. Marž 1879 abge- schlossenen Vertrages, die Kronprinz Budolf-Bahn, die sich aber dessen nicht lange zu erfreuen hatte, da auch ihre eigenen Linien am I. Januar 1880 in den Staatsbetrieb ubergingen. Die Anlagekosten der Strecke Tarvis- Pontafel-Reichsgrenze haben im Ganzen 3,565.325!!. oder pro Kilometer (44.13511. betragen. Die Linie Tarvis-Pontafel fiibrt, indem sie bis an ihren Endpunkt immer die westliche Richtung verfolgt, zunachst auf starken, meist hohen Stiitzmauern an steile Berglehnen angebaut, an der Ortschaft Unter- Tarvis voruber zur Haltestelle Ober-Tarvis, dann aber auf das andere Ufer des Bartolo- b.aches iibergehend zur Station Saifnitz em- por, die auf der 805 m liber der Meeresflache liegenden Wasserscheide zwischen dem Adriatischen und dem Schwarzen Meere ge- legen ist. Hinter Saifnitz gewinnt die Bahn mittels eines starken Bogens und in steter Steigung die Berglehne, uberbriickt den Fuchsgraben und zieht sodann im Gefalle theils an der Lehne, theils in der Thalsohle langs des Fellaflusses zur Station Uggowitz, ausserhalb vrelcher der Ugwabach und der Fellafluss tibersetzt wird. Entlang dieses rasch zur Adria eilenden Flusses im steten Gefalle gelangt die Bahn in die Haltestelle Malborgeth, die gegeniiber der kleinen Grenzfeste gleichen Namens angelegt ist. Nach dem Verlassen dieses Punktes wird der Ranegraben und vor Lussnitz der Gra- nudabach uberbriickt. Nachdem die Trače nunmehr stets dem rechten Ufer des Fella¬ flusses sich anschmiegt und einen starken Schuttkegel durchbricht [gewolbter Einschnitt von 38'2 m Lange], erreicht sie die stattliche Anlage der Endstation Pontafel. Die bei- laufig 1 Hectometer lange Theilstrecke von der Ausmiindung aus dem Bahnhofe Pontafel bis zu der in der Mitte des Ponte- banaflusses liegenden Reichsgrenze ist doppel- geleisig ausgefiihrt. Die Brucke liber dlesen FluSs [Eisenconstruction von 33 m lichter Weite, doppelgeleisig] fallt zur einen Halfte auf čsterreichisches, zur anderen Halfte auf italienisches Gebiet. [Abb. 118 u. .119.] Diese Strecke war [abgesehen von winzigen Erganzungen] auf geraume Zeit hinaus die letzte dem osterreichischen Schienennetze zugewachsene »Haupt- bahn«. Alle sonstigen Linien, vvelche in dem hier behandelten Zeitabschnitte noch geschaffen wurden, gehoren den »Local- bahnen« an, die jetzt in den Vorder- grund zu riicken begannen und spaterhin eine Hauptrolle in der Vervollstandigung unseres Bahnnetzes ubernahmen. Oesterreich folgte hierin dem Beispiele Ungarns, welches — zuruckgreifend auf die von seinem Landes-Culturvereine schon friiher gegebenen Anregungen und unterstiitzt von der Staatseisenbahn- Gesellschaft — bereits im Jahre 1870 »Secundarbahnen« zu schaffen begonnen und damit auf dem Continente blos Frankreich voraus hatte. Will man jedocb die »Erste osterreichische Eisen- bahn« [Budweis-Linz-Gmunden] und die ebemalige Prag-Lanaer Pferdebahn blos als Nebenbahnen in derzeitigem Sinne betrachten, dann besitzt Oesterreich auch hinsichtlich solcher Anlagen die Prioritat. Publicistisch war hier der General- Inspector [nachmals General-Director] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 247 Abb. 119. Pontafel. der Sudbahn, Friedrich Schiller, zuerst fiir dieselben eingetreten, indem er in seiner Broschiire »Ueber die Erbauung von Localbahnen in Oesterreich« [Wien, 1867] die Nothwendigkeit des Baues solcher Bahnen darlegte, »welche in die eigentlichen Werkstatten der Production eindringen, den bereits bestehenden Eisenbahnlinien [manchmal auch Fltissen und Canalen] die Erzeugnisse und Pro- ducte einzelner Landerstrecken zufiihren und Rohstoffe herbeischaffen oder um- gekehrt« . Es wahrte auch gar nicht lange, dass diese Frage Actualitat gewann. Altbewahrte Bauunternehmer [Gebruder Klein, Karl Schwarz u. A.] nahmen Stellung zu derselben und in der Maien- zeit der Grtindungsara entstanden ver- schiedene neue Unternehmungen, die sich — wie z. B. die »Vicinalbahn-Gesell- schaft«, die »Gesellschaft fiir oster- reichische Verbindungsbahnen«, die »In¬ dustrie-, Forst- und Montanbahn-Gesell- schaft« u. A. • — die Pflege des Local- bahnwesens zur Aufgabe machten. Die letztgenannte Gesellschaft wollte sich insbesonders mit schmalspurigen Bahnen befassen, die schon damals Fiirsprecher gefunden, darunter den technischen Gon- sulenten des Handelsministeriums, Wil- helm von Nordling,*) und auch bereits unter den vielen, in jener Zeit zahl- reich aufgetauchten Projecten fiir Local- verbindungen in und um Wien' ver- treten waren. Im Reichsrathe kam die Frage -— nachdem die Vorlage tiber die »Sicher- stellung von den Localverkehr in Wien und Umgebung vermittelnden Eisen¬ bahnen« [April 1873] unerledigt geblie- ben — erst im Jahre 1874 anlasslich der Berathung des Gesetzes tiber die Sicherstellung der Leobersdorf-St. Poltener und der Dalmatiner Bahn eingehender zur Erorterung. Unmittelbar zur Schaffung von Bahnen minderer Ordnung ftihrte — abgesehen von dem Gesetze tiber die Elbogener Secundarbahn [28. Marž 1875], die je- doch erst im Jahre 1877 wirklich con- *) Siehe dessen »Stimmen tiber schmal- spurige Eisenbahnen«, Wien, 1871. 248 Ignaz Konta. cessionirt wurde — die grosse Gesetzes- vorlage vom 29. October 1875, durch welche diese bis dahin sehr verschieden benannten Verkehrswege die Bezeichnung »Localbahnen« erhielten. Da die umfassende Schilderung des gesammten Localbahnwesens und sein.es Entwicklungsganges einem eigenen Ca- pitel vorbehalten ist,*) diirfen wir uns hier mit den vorstehenden Bemerkungen begniigen, wie auch weiterhin auf die blosse Registrirung der jeweils zu- stande gekommenen Localbahnen und der auf sie Bezug habenden Daten allgemein eisenbahngeschichtlicher Natur beschranken. Demnach kommt an dieser Stelle nur noch zu verzeichnen, dass im Jahre 1876, auf Grund der Gesetze vom 12. und 13. Marž 1876, folgende Linien als eigentliche Localbahnen zur Ausfiihrung auf Staatskosten sichergestellt wurden: Mit Einrechnung dieser Linien und bei Ausserachtlassung aller hinfallig gewor- denen Concessionen, gelangten wahrend des Zeitabschnittes, dem unser Riickblick bisher gegolten hat, nicht weniger als [die im Vorangehenden ausfiihrlich be- sprochenen] siebzig Bahnen in der Gesammtlange von rund 7000 km zur Sicherstellung, beziehungsweise Aus- fuhrung, und es gewann hiedurch das osterreichische Eisenbahnnetz fast eine Verdreifachung seines Standes vom Jahre 1866. *) Siehe Bd. I, 2. Theil, C. Wurmb, Lo¬ calbahnen. Das ist eine machtige und bleibende Errungenschaft. Schon ihrethalben, nicht minder aber auch wegen der Miihen und Kampfe, die sie gekostet, wegen der lehrreichen Begleiterscheinungen sowohl des grossartigen Aufstieges, als wie des ihm nachgefolgten heftigen Riickschlages und insbesonders auch wegen der mannig- fachen Neuerungen und Verbesserungen, welche es unserem Eisenbahnwesen ge- bracht hat — darf das Decennium 1867—1876 stets einen hervor- ragenden Platz in der oster.reichi- schen Eisenbahn-Geschichte be- anspruchen. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 249 II. Decennium 1877—1886. Der Tiefstand, auf welchen die Ent- wicklung des osterreicbischen Eisenbahn- wesens seit dem Jahre 1873 zuriick- gegangen war, blieb leider ein anhaltender. Die Nach\virkungen der wirthschaftlichen Krisis ausserten sich vvohl nicht mehr in acuten Bedrohnissen der einzelnen Unternehmungen; denn was schwer krank gewesen — war entweder schon vom Schicksale ereilt oder miibselig so weit gestiitzt, dass es noch halbwegs fort- bestehen konnte; was aber nur von einer voriibergehenden, sei es wirklichen, sei es angedichteten Kranklichkeit oder Schwache befallen gewesen, hatte in- zwischen Zeit gefunden, allmahlich von innen heraus zu gesunden und zu erstarken. Chronische Folgeiibel machten sich je- doch noch fortgesetzt geltend. Das Ver- trauen wollte nicht zuriickkehren, die Unternehmungslust nicht wieder er- \vachen. Darunter litt natiirlich zuerst und im erheblichsten Masse die Vervollstandi- gung des Bahnnetzes; private Unter- nehmer meldeten sich nicht und hinsicht- I lich des Baues auf Staatskosten begeg- nete die Regierung auf Schritt und Tritt der Zuruckhaltung des Parlamentes, ins- besonders gegeniiber den »grossen Pro- blemen«. Auch die programmatische Gesetzes- vorlage vom 29. October 1875 [sieheSeite 222] blieb bis auf einzelne aus demProjecte losgeloste kleine Bruchstiicke ohne Ergeb- nis, so zwar, dass die Regierung, \velche nicht mehr hoffen konnte, die mit dieser Vorlage angestrebten grossen Ziele zu erreichen, dieselbe am 10. Januar 1877 ganz zuriickzog. Hiedurch entstand aber in Betreff des Ausbaues unserer Schienenstrassen nochmals eine grosse Leere, infolge deren die Sicherstellung neuer Linien nun wieder jahrelang fast ganzlich ruhte. Zu den wesentlichsten Ursachen der Vertrauenslosigkeit zahlte auch nach wie vor die Erschlaffung des Eisenbahn-Cre- dites, we1che wieder zum nicht geringen Tbeile auf die von der Regierung bislang versagde Deckung der Betriebsdeficite garantirter Bahnen zuriickgefiihrt wurde. Diese Frage war bekanntlich eine strittige. Regierung und Parlament verneinten jeg- liche Verpflichtung des Staates fiir die Betriebskosten - Abgange aufzukommen, wahrend die Oeffentlichkeit eine vollig entgegengesetzte Meinung vertrat [siehe Seite 213]. Weil die rechtliche Seite der Ange- legenheit, vermoge des Wortlautes der beztiglichen Concessions-Urkunden, denn doch nicht als eine ganz unzweifelhafte erschien, unternahm der um die Auf- richtung und Fortentwicklung des Eisen- bahnwesens rastlos bemiihte Handels- minister v. C h 1 u m e c k y auch die Schlichtung dieser Frage. Dabei wollte er jedoch der Regierung, fiir das Auf- geben ihres bisherigen Standpunktes, einen erhohten Einfluss auf die betreffen- den Bahnen sowie iiberhaupt neue, weit- reichende Befugnisse zum Schutze des garantirten Staatsschatzes verschaffen. Der Handelsminister hatte am 10. De¬ cember 1876 dem Abgeordnetenhause einen Gesetzentwurf vorgelegt, dessen Wortlaut — kurz zusammengefasst — Folgendes besagte: Die Regierung vvird ermachtigt, den garantirten Bahnen Vorschiisse zur Deckung etvvaiger Be¬ triebsdeficite zu gewahren [Artikel I]; mit der Zusicherung oder Leistung sol¬ eh er Vorschiisse ervvirbt sie aber das Recht, den Betrieb der betreffenden Bahnen bis zur erfolgten Ruckzahlung jener Vorschiisse, ganz oder theilweise selbst zu iibernehmen oder von einer anderenUnternehmung besorgen zu lassen [Artikel II]; wenn Bahnen mindestens fUnf Jahre hindurch mehr als die Halfte der Staatsgarantie in Anspruch nehmen oder aus diesem Titel eine Summe schuldig geworden sind, welche minde¬ stens 50°/ 0 vom Nennwerthe des garan¬ tirten Actiencapitals erreicht, ist die Staatsverwaltung berechtigt, den Betrieb dieser Bahnen an sich zu nehmen 250 Ignaz Konta. und bis zur erfolgten Riickzahlung mindestens der Hlifte der Garantieschuld zu behalten [Artikel IV] ; Bahnen, welche den Staatsschatz dnrch fortgesetzte In- anspruchnahme von Garantie-Vorschiissen erheblich belasten oder deren finanzielle Lage dringend einer Regelung bedarf, kann der Staat erwerben, in welchem Falle er die gesammte Prioritžitsschuld zu seinen Lasten zu iibernehmen und den tibrigen vereinbarten Kaufschilling in 4 %ig en tilg- baren Eisenbabn-Schuldverschreibungen zu entrichten haben wiirde [Artikel V]. Wer etwa aus dem blossen Texte des Gesetzentwurfes sich der Bedeutung desselben nicht bewusst geworden, der konnte aus dem umfassenden Motiven- berichte, gleichwie aus der nach Form und Inbalt vortrefflichen Rede, mit wel- cher der Handelsminister auch diese Vor- lage einbegleitete, vollste Klarheit ge- vvinnen. Es handelte sich um nichts Gerin- geres, als um die Schaffung ganz neuer Grundlagen fiir die Ordnung und ktinf- tige Gestaltung des Eisenbahnwesens. Die Garantieschuld der Bahnen an den Staat hatte im Jahre 1876 schon die Hohe von 100,000.000 fl. iiberschritten und die Erfordernisse aus diesem Titel drohten den Staatshaushalt immer mehr zu uberburden. *) Dem vorzubeugen \varenjedoch die Gerechtsame, welche der Staatsverwaltung gegeniiber den garan- tirten Bahnen bisnun zugestanden, unzu- reichende. Ausgehend von der Ueber- zeugung, dass garantirte Unternehmungen, deren Ertragnisse hinter den Ausgaben weit zuruckstehen oder welche tief verschuldet sind, kein Interesse mehr an der Ver- besserung ihrer wirthschaftlichen Lage nehmen, sondern nnr auf Gefahr und Kosten des Staates arbeiten, erachtete die Regierung es fiir nothwendig, die Selbstandigkeit solcher Bahnen aufzu- heben oder dieselben vbili g zu erwerben. Daraus musste sich aber ganz von selbst eine Neuordnung ergeben und der Han¬ delsminister durfte mit gutem Rechte ver- kiinden, dass die legislative Genehmigung *) Siehe denMotivenbericht [Nr.589derBei- lagen zum stenographischen Protokolle der Vlil. Session] und die ihm beigegebenen Ta- bellen. dieser Massnahmen »einen Wende- punkt auf dem Gebiete der E is e n- bahn-Politik« herbeifiihren \viirde. Die Tendenz und Fassung der Vor- lage blieb indes nicht unansfefochten. Man nannte sie »Sequestrations-Gesetz« ; man warf ihr vor, dass sie sich iiber die Constitutiv-Urkunden der garantirten Bahnen hinwegsetzen und in die wohl- erworbenen Rechte derselben »gewalt- sam eingreifen wolle, daher nur neue Missstande und Wirren zur Folge haben miisse; und gar manche Streitschrift sol- chen Inhaltes vvurde [auch vom Ausland her] gegen sie ins Feld geschickt, so — um nur eine der riickhaltslosesten zu nennen —- die im Januar 1877 bei L. C. Zamarski in Wien herausgegebene, welche »die Ansichten eines patriotischen Fachmannes, der die ganze Geschichte der osterreichischen Eisenbahnen seit ihrem Entstehen mitgemacht hat«, zum Ausdrucke brachte. Der Reichsrath stand jedoch diesmal in iibenviegender Mehrheit ganz auf Seite der Regierung. Dies zeigte sich zunachst im Eisenbahn-Ausschusse. Der- selbe hatte zwar die Vorlage »ins Mil- dere amendirt«, indem er die Zulassig- keit der Sequestration fiir den Fali der Ueberschuldung [50% des Actiencapi- tals] ausschloss und die Bedingungen, unter \velchen das von der Regierung sonst noch vorgesehene Sequestrations- recht wieder erloschen solite, ermassigt [statt fiinf nur drei Jahre der Nichtinan- spruchnahme des Staatsschatzes] — im Uebrigen aber die in dem Gesetzent- wurfe aufgestellten Grundsatze, ausge- nommen die Uebertragung des Betriebes an eine andere Privatbahn, gutgeheissen hatte, und es geradezu als eine Pflicht der finanziellen Selbsterhaltung bezeichnet, vvenn der Staat seine Hoheitsrechte in strammere Ausubung bringe. Sodann trat derBerichterstatter jenes Ausschusses, Dr. R u s s, wie in seinem mit grosser Sachkenntnis verfassten und mit reichem Ziffernmateriale ausgestatteten schrift- lichen Berichte, auch bei den am 5. Juni 1877 begonnenen Berathungen des Ab- geordnetenhauses mit aller Warme fiir die Vorlage ein. Den Antragen des Ausschusses traten alsbald viele Abge- Geschichte der Eisenbabnen Oesterreichs. 251 Abb. 120. Hochwasserverheerung im Pasterthal [1882.] [Bahn- und Strassenzerstorung bei Marbach unterhalb Niederndorf.] 252 Ignaz Konta. ordnete bei, einige jedoch auch entgegen. Diese letzteren bezeichneten die Gesetzes- vorlage als einen bedenklichen Versuch und als einen unberechtigten Bruch mit dem an sicli richtigen, jedoch schlecht angewen- deten Garantie-Systeme. Ihnen antwor- tete mit durchschlagendem Erfolge der Handelsminister und, nachdem nocli Minister Dr. Josef Unger den Rechts- standpunkt entwickelt hatte, gelangte der Entwurf, dessen Berathung vier Sitzungen hindurch dauerte, am 15. Juni 1877 in zweiter und sogleich auch in dritter Lesung znr Annahme. Wegen einiger, zumeist nur formaler Aenderungen, wel- che er im Herrenhause erfahren, musste er jedoch nochmals an das Abgeordneten- haus geleitet werden, das ihn nun am 14. December 1877 endgiltig erledigte; zehn Tage spater erhielt er die a. h. Sanction als »G e s e t z, die garanti r- ten Bahnen betreffend.« *) Am 14. December 1877 wurde also die F a h n e der E i s e n b a h n - V e r- staatlichung z um zweiten Male in Oesterreich entrollt; bis zur Umsetzung des Programms in die That verstrich aber noch geraume Zeit, und die Regierung, unter welcher es geschaffen ward, hatte an der Anwendung des neuen Gesetzes kein Theil mehr. Alsbald von grossen Fragen der inneren und ausseren Politik vollauf in Anspruch genommen, blieb ihre Mitvvirkung an der Verstaat- lichung nur noch auf den mit j enem Gesetze in keinem Zusammenhange ge- standenen Ankaufe zvveier kleinen Bahnen beschrankt. Eine derselben war die schon seit 1. September 1875 sequestrirte Braunau- Strasswalchener Bahn fsiehe Seite 221 J, welche, dieUnhaltbarkeit ihrer Lage erkennend und von Zwangsmassregeln des Curators bedroht, nun selbst in die Arme der Staatsverwaltung fllichtete. Die Ge- sellschaft verlangte und die Regierung bewilligte einen Kaufpreis von nom. 1,000.000 fl. in Prioritaten der Kaiserin Elisabeth-Bahn oder 875.000 fl. in Barem; *) Der § 6 dieses Gesetzes ermachtigt die Regierung, auch hinsichtlich nicht verschul- deter garantirter Bahnen vorlaufige Verein- barungen tiber den Ankauf derselben zu treffen. das beziigliche Protokollar - Ueberein- kommen wurde am 25. April 1876 ab- geschlossen, und, nachdem der Curator demselben beigetreten war, durch die Generalversammlung vom 20. Juli 1876 genehmigt, welche auch sogleich die Liquidation der Gesellschaft beschloss. Die legislative Genehmigung des An- kaufes erfolgte durch das aus der Re- gierungsvorlage vom I. December 1876 hervorgegangene Gesetz vom 7. April 1877, worauf dann am 31. Mai die Bahn in das Eigenthum des Staates tiber- nommen, hiebei auch die Sequestration aufgehoben, und, mittels Kundmachung des Flandelsministeriums vom 21. Juni 1877, die Concessions - Urkunde vom 4. Mai 1872 ausser Kraft gesetzt wurde. Dass bei diesem Ankaufe noch an die Wiederverausserung der Bahn gedacht war, zeigte nicht blos die unbestimmte Weise, in welcher das Uebereinkommen von dem »Erwerber« sprach, sondern auch die ihm offen gelassene Wahl der Entrichtung des Kaufschillings. Da aber die Zahlung in Barem geleistet wurde, mogen inzvvischen andere, vielleicht schon von der Annahme des Verstaatlichungs- Gesetzes beeinflusste Absichten Geltung gewonnen haben. Die Belassung des Betriebes in den Handen der Kaiserin Elisabeth-Bahn geschah lediglich aus oco- nomischen Grilnden. Der neue, beiderseits halbjahrig kilndbare und auf Grundlage der Vergtitung der Selbstkosten errichtete Betriebsvertrag trat am I. August 1877 in Wirksamkeit. Am selben Tage ver- standigte der Prioritaten - Curator, Dr. Max Buri a n, die Prioritaten-Besitzer, dass ihnen ftir jede Obligation a 300 fl. vorlaufig ein Betrag von 74 fl. zur Aus- zahlung gebracht werde. Von einer weiteren Zahlung hat nichts mehr ver- lautet; es kann daher die Einbusse an Prioritaten-Capital mit 7O'83°/ 0 des Nenn- werthes oder 62’I °/ 0 vom Emissions-Curse [233 fl. 50 kr.] beziffert werden. DasActien- capital [1,650.000 fl.] ging ganzlich ver- loren. Die andere, um ein Jahr spater durch den Staat angekaufte Bahn, war die »NiederSsterreichische Stidwestbahn«, deren Bestand als Privatunternehmen ohnehin nur ein figurlicher gewesen, Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 253 nachdem ihr Anlage-Capital fast ganz aus Staatsmitteln beigestellt worden ist. Davon sowie von den Bedingungen und dem Vollzuge des Ankaufes wurde jedoch schon friiher [Seite 190] ausfuhrlich ge- sprochen; es geniigt also, hier daran zu erinnern, dass die Balin bei ihrem Ueber- gange in den Besitz des Staates den Namen »K. k. niederosterreichische Staats- bahnen« erbielt und ihr Betrieb fortan vom Staate selbst gefiihrt wurde. Was liingegen vor und wahrend der Erschliessung der neuen Richtung sonst noch an Reformarbeiten unternommen wurde, gedieh ungestort zu Ende und auch zur praktischen Verwerthung. Hiezu gehoren vornehmlich: Die Verordnung vom 10. Februar 1877, betreffend die E i n f ii h r u n g e i n e r neuen einheit- lichen Signalordnung;*) dasGesetz vom 15. Juli 1877 liber die »Maximal- tarife fiir diePersonen-Beforde- rung und einige allgemeine Transport- Bestimmungen«, welches die Fahrpreise gleichartig gestaltete und fiir manche Bahnen um ein Geringes aufbesserte ;**) das Gesetz vom 5. December 1877 [Novelle zum Curatoren-Ges etz], welches den Eigenmachtigkeiten der Curatoren, wie solche bei den damaligen Verkaufen ungarantirter Bahnen vorge- kommen sind, Schranken setzt, den Obligations-Besitzern das Recht und die Moglichkeit bietet, bei wichtigen Fragen von dem Curator gehort zu werden, ihre Meinung geltend zu machen, dessen Massnahmen durch freigewahlte Ver- trauensmanner zu beaufsichtigen und allenfalls auch anzufechten; das Gesetz vom 18. Februar 1878, betreffend die »Enteignung zum Zwecke der Herstellung und des Betrieb e s von Eisenbahnen« [Expropriations- Gesetz], welches das Recht der zwangs- weisen Enteignung nun auch den Schlepp- bahnen und Tramways einraumt, der ganzen Grundeinlosung einen offentlichen Gharakter verleiht, das Verfahren ab- kiirzt u. s. w.; endlich die Aufraumung *) Vgl. Bd. III, G Gerstel: Mechanik des Zugsverkehrs, und L. Kohlfiirst: Signal- und Telegraphenwesen. **) Naheres hieruber: Bd. III,Th. E ngl i s c h : Personentarife. der Riickstande in den Garantie-Abrech- nungen und die Austragung der um sich gevgriffenen Zwistigkeiten hinsichtlich der A u sl egu n g von G a r a n t i e - B e s t i m m u n g e n, welche letzteren wichtigen Erfolge dem emsigen Walten der ordnenden Hand Nordling’s zu danken sind. Auch die Umgestaltung der S ii d- bahn in eine rein inlandische Unter- nehmung wurde, nachdem die Trennung ihrer b e i d e n Netze seit 15 Jahren anhangig undGegenstand derBemuhungen von fiinf osterreichischen Handelsministern gewesen, nunmehr verwirklicht. Der Ur- sprung und erste Flergang dieser lang- wierigen Angelegenheit ist schon an friiherer Stelle besprochen;*) ihr weiterer Verlauf war, in kurzen Umrissen ge- schildert, folgender: Als im Jahre 1866 die osterreichisch-italienische Grenze eine weitere Verriickung erfahren hatte, und die nunmehr noch unabweislicher ge- wordene Sonderung des Bahngebietes der Stidbahn einen ausdrlicklichen Vertrags- punkt [Artikel XII] im Wiener Frieden vom 3. October 1866 bildete, begann die Regierung zum zweiten Male auf den Vollzug dieser Massnahme hinzuwirken. Schon in dem Vertrage vom 15. April 1867 [Artikel 15] verpflichtete sie die Ge- sellschaft, die Trennung sogleich vorzu- nehmen, und die finanzielle Auseinander- setzung binnen fiinf Jahren durchzufiihren. Gerade diese gestaltete sich aber zu einem geradezu untibenvindlichen Hindernisse, da ein rechter Schltissel fiir die Theilung des Gapitals nicht gefunden, und die gemeinsame Haftung fiir die Prioritats- schuld nicht aufgelassen werden konnte. Weder die Gesellschaft, noch die von der Regierung berufenen Experten und eingesetzten Commissionen vermochten dieser Schwierigkeit beizukommen. Ueber sie verbreitete sich denn auch das Memo¬ randum, welches der General-Consulent der Gesellschaft, Paulin T a 1 a b o t, im October 1871 dem Handelsministerium iiberreichte, mit der Bitte, dass die An¬ gelegenheit einer gemeinsamenBerathung, an der auch Vertreter der Regierungen *) Siehe Bd. I, I. Theil, H. Strach: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreich- Ungarns bis zum Jahre 1867. 254 Ignaz Konta. theilzunehmen hatten, unterzogen werden moge. Es wurde nun vor Allem, die Er- ledigung des internationalen Theiles der Angelegenheit angestrebt. Da kam wieder der damals von dem koniglich ungarischen Finanzminister, Grafen Lonyay, propa- girte Ankauf der ungarischen Sudbahn- linien dazwischen [1872], was osterreichi- scherseits nicht ungern gesehen wurde, weil die zur Ermoglichung der Separation ins Auge gefasste Verstaatlichung blos der osterreichischen Linien nicht genugt und auch zu Verwicklungen mit Ungarn gefiihrt hatte. Die ungarische Regierung ersuchte um den Aufschub der Ver- handlungen, und der italienischeDelegirte, Cambray-Digny, unterliess seine Reise nacli Wien. Mit dem Scheiden Lonyay’s aus der ungarischen Regierung war auch dessen Project gefallen; die osterreichische Regierung musste also gleichfalls den Gedanken an die Erwerbung der oster¬ reichischen Linien aufgeben, und blieb darauf angewiesen, die Gesellschaft aber- mals und nachdriicklich an die Erfullung ihrer Verpflichtung zu mahnen. Freiherr von Pretiš, der als Leiter des Handelsministeriums die Gesellschaft bereits im Jahre 1870 zur Vorlage eines Trennungsplanes gedrangt hatte, knupfte jetzt, als Finanzminister, seine am 21. December 1872 der Gesellschaft ertheilte Bewilligung zu einer weiteren Ausgabe 3 0 / 0 iger Obligationen an die Warnung, dass ihr keine Geldaufnahme mehr ge- stattet wiirde, bevor nicht die Trennung vollzogen ist, — und der Plandelsminister, Dr. B a n h a n s, trug ihr am 24. April 1873 auf, den betheiligten Regierungen binnen sechs Monaten ein vollstandiges Trennungs-Programm vorzulegen. Dem entsprach die Gesellschaft; ihre Denkschrift lehnte sich aber an das Talabofsche Memorandum an, und iiber- liess der Regierung die Ermittlung der auf jedes Netz entfallenden Quote der 3°/ 0 igen Prioritaten. Die Schwierigkeiten bestanden also fort; ihre Ueberwindung, so fraglich sie auch erschien, wurde jedoch immer dringender; denn die Lasten des italienischen Netzes steigerten sich fortwahrend, die offentliche Meinung eiferte dagegen, dass die guten Ertrag- nisse der osterreichischen Linien noch langer dem Moloch des italienischen Besitzes geopfert werden, — und das Abgeordnetenhaus forderte, mittels der ziemlich ungestiimen Resolution vom 6. Mai 1874, die Regierung auf, fiir den schleunigsten Vollzug' der Trennung zu sorgen. Ueberdies begann jetzt die Gesell- ‘ schaft ihrerseits ungeduldig zu werden; der Goupon ihrer Actien war im November 1874 theilweise, im Mai 1875 ganzlich nothleidend geworden; die Falligkeit ihrer Bons [36,000.000 fl.] riickte heran [1876 bis 1878]; ihre schwebende Schuld [damals 44,297.500 fl.J wurde immer driickender, — und die Ordnung ihrer Verhaltnisse hing fast vollstandig von der Durch- fiihrung der Trennung ab. Es war daher gar nicht abzusehen, was nun werden solite. Da fiigte es sich besonders giinstig, dass in Italien eben die Verstaatlichung der Eisenbahnen auf die Tagesordnung gelangt, und die Lust zur Erwerbung auch der oberitalienischen Bahnen rege gervorden war. Die beziiglichen Er- offnungen gingen zwar der Gesellschaft vorerst nur mittelbar zu, sie ermangelte aber gleichwohl nicht, dieselben unver- weilt in Betracht zu ziehen, weil sie sehr richtig erkannte, dass der Verkauf des italienischen Netzes den gordischen Knoten der Trennung mit einem Schlage zu los en vermochte. Die Verhandlungen wurden Ende September 1875 zu Luzern eroffnet und von dem Prasidenten des Pariser Comites der Gesellschaft, Baron Alfons v. Roth¬ schild einerseits, und dem Bevollmach- tigten der italienischen Regierung, Ritter Quintino Sella [Mitglied des italienischen Parlaments, friiher italienischer Finanz¬ minister und seither Trager der Ver- staatlichungs-Idee] andererseits, gepflogen. Sie waren der Grossartigkeit des ge- planten Geschaftes entsprechend lange und schwierige. Alle ihre Einzelheiten zu schildern wtirde aber viel zu weit fiihren, darum mag hier nur ihrer Haupt- phasen und Ergebnisse gedacht sein. Nach kurzer Unterbrechung, in Basel wieder aufgenommen, schlossen die Ver¬ handlungen vorlaufig mit dem Vertrage Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 255 vom 17. November 1875, der sogenannten »Baseler Convention«. Dies Alles blieb in- des geheim gehalten, bis die Zustimmung der Regierung eingeholt und die Sache reif genug war, auch den Actionaren žur Beschlussfassung vorgelegt zu werden. Die staatlichen Vereinbarungen nahmen jedoch nicht den gewiinschten raschen Fortgang; die auf den 27. Januar 1876 einberufene ausserordentliche General- wurden am 25. Februar abgeschlossen; die Generalversammlung fand am 28., die Unterzeichnung des Staatsvertrages am 29. Februar 1876 statt. Nun ward auch die Baseler Con¬ vention veroffentlicht. Ihre wichtigsten Bestimmungen lauteten dahin, dass Italien die auf seinem Gebiete liegenden gesell- schaftlichen Linien um den Preis von 75 2 -375-6i8 Francs er wirbt, fiir den j eni gen Abb. 121. Hochwasserkatastrophe niichst dem Bannberger Anger. [Ansicbt gegen Thalseite an der Pusterthal Bahn. 1882.] versammlung musste um einen Monat ver- tagtwerden, Sellakam erst am 22. Februar nach Wien und es bedurfte dann des eifrigsten Zusammenwirkens aller Be- theiligten, um die grosse physische und geistige Arbeit, deren die Abmachungen erheischten, rechtzeitig zubewaltigen. Das Protokollar-Uebereinkommen der Gesell- schaft mit der osterreichischen und der ungarischen Regierung, ferner ein zwischen Sella und Baron Rothschild vereinbarter Zusatzvertrag zur Baseler Convention, Theil dieses Capitals, \velcher den von Seite der Gesellschaft auf den Bau oder Ankauf der verschiedenen Linien verwendeten Summen entspricht [613,252.478 Francs], eine feststehende Jahresrente in Gold bezahlt, die bis Ende 1954 jahrlich 33,160.211 Francs, sodann bis Ende 1968 jahrlich 13,321.008 Francs betragt, jedoch der Einkommensteuer unterliegt; ftir den zweiten, dem Werthe des Fahi-parkes und sonstigen Betriebs-Inventars ent- sprechenden Theil des Kaufschillings Ignaz Konta. 256 [139,123.139 Francs] aber eine Quote von 20,000.000 Francs der gesellschaftlichen Schuld an die Mailander Sparcassa uber- nimmt und weiters eine den Capitalsrest von 119,123.139 Francs vollends deckende Menge von Titeln der fiinfprocentigen italienischen consolidirten Rente erfolgt. Die Materialvorrathe sollten besonders vergutet werden. In dem Zusatzvertrage vom 25. Februar 1876 gelangten die Sicherstel- lungen zum Ausdrucke, welche die oster- reichische Regierung begebrt hatte, um der nun eine rein inlandische Unter- nehmung werdenden Siidbahn das aus den italienischen Annuitaten - Zahlungen fliessende Einkommen ungeschmalert zu erhalten. Es wurde namlich die Steuer- leistung pauschalirt, demzufolge die Hohe der Annuitaten fiir die erste Periode mit 29,569.887 Francs und fiir die zweite Periode mit 12,774.751 Francs bemessen und ausdriicklich festgesetzt, dass diese Betrage »von jeder weiteren directen oder indirecten Steuer und von jeder Beitrags- leistung zu Zwangsanleihen in Italien frei sein werden und in keinem Falle aus welchem Grande immer reducirt werden konnen« [Art. IV]. Das zwischen der osterreichischen Regierung [unter Beitritt der ungarischen] und der Gesellschaft geschlossene P r o- tokollar - Uebereinkommen vom 25. Februar 1876 umfasstdie Bedingungen, unter welchen die Regierung die Baseler Convention genehmigte, sowie die infolge der Trennung nothwendig gewordenen Aenderungen an dem Vertrage vom 13. April 1867 und dem am selben Tage geschlossenen Uebereinkommen iiber die Abstattung der restlichen Ablosungs- summe fiir die lombardisch-venetianischen Eisenbahnen. Dasselbe bestimmt also vornehmlich, dass sowohl die etwa vom Staate zu leistenden Garantie-Vorschiisse, als auch die von der Gesellschaft aus ihren Ertragsuberschiissen abzustattenden Kaufschillingsreste [siehe Seite 27], nicht mehr auf Grundlage der vereinigten Roh- ertragnisse sammtlicher Linien, sondern derart ermittelt werden sollen, dass das Rohertragnis der osterreichisch - ungari¬ schen Betriebslinien durch die Kilometer- zahl der letzteren getheilt und sodann in Ansehung der Garantie der etwaige Ab- gang von dem mit 100.000 fl. pro Meile, beziehungsweise 13.182 fl. pro Kilometer garantirten Rohertragnisse, in Ansehung der Zahlung auf die Kaufschillingsreste aber der iiber ein Rohertragnis von 107.000 fl., beziehungstveise 110.000 fl. pro Meile oder 14.100 fl., beziehungsweise 14.500 fl. pro Kilometer hinausgehende Betrag in Rechnung genommen werde. Ferner wurde die Gesellschaft verpflichtet, die ihr zufliessenden Kaufschillinge fiir die italienischen Linien vor Allem zur Tilgung der schwebenden Schuld und der Bons zu vervvenden und die alten dreiprocentigen Prioritaten ehethunlichst gegen neue auf die Firma »K. k. priv. Siidbahn - Gesellschaft« lautende Obligationen auszutauschen, welche die ausdruckliche Zusicherung erhalten sollen, dass fiir deren Verzinsune; und Tileruner auch die von der italienischen Regierung zu zahlenden Annuitaten haften. Der am 29. Februar 1876 abgeschlos- sene Staatsvertrag zwischen Oester- reich-Ungarn und Italien gibt der ganzen Abmachung die volkerrechtliche Sanction und erkennt an, dass mit dem auf Grund¬ lage der Baseler Convention und des Wiener Zusatzvertrages beruhenden Trennungs- acte dem Artikel XII des Wiener Friedens vom 3. October 1866 Geniige geschehen, daher die ganze Angelegenheit geregelt erscheint. Die Beschliisse der ausserordentlichen Generalversammlung vom 28. Februar 1876 sprachen die Genehmigung der vor- envahnten Rechtshandlungen der Gesell¬ schaft aus, wie auch die Ermachtigung des Verwaltungsrathes die hinsichtlich der Trenirane: erforderlichen Vereinbarunaren mit der osterreichisch - ungarischen Re¬ gierung zu treffen und die sodann noth- wendig werdende Statuten-Aenderung vor- zunehmen. Eine Erorterung der Angele¬ genheit wurde vermieden, einerseits in der Erkenntnis, dass die so vorbereitete Tren¬ nung der beste Ausweg sei, »aus lastigen Verhaltnissen und aus der bedrohlichen Lage herauszukommen«, andererseits weil die Vertrage noch die Parlamente der be- theiligten Staaten zu passiren hatten. In der That waren Kauf und Trennung noch lange nicht gesichert. Die »Toscaner«, Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 257 eine machtige Partei des italienischen Parlamentes, bekampften die Verstaat- lichilng und insbesondere die Baseler Convention mit solcher Wucht, dass darob die Stellung des Ministeriums Minghetti erschiittert wurde; es fiel am 18. Marž, neun Tage nach der Vorlage der Con¬ vention. Das neue Cabinet Depretis stand derselben scheinbar gleichgiltig ge- geniiber, war aber sehr zufrieden, als die Mehrheit der Kammer - Ausschiisse sich am 4. April gegen die .Berathung der Angelegenheit aussprach, denn es konnte andere Kaufbedingungen stellen. Und darum mag ibm zumeist zu thun gewesen sein, denn trotz jenes Votums der Kammer-Ausschiisse machte dasMini- sterium sich anheischig, filr dieConvention einzutreten, wenn die Gesellschaft einen ausgiebigen Preisnachlass gewahrte und den Betrieb noch einige Zeit fortfiihrte. Die neuen Unterhandlungen wurden zwischen dem Delegirten der italienischen Regierung, Staatsrath Correnti, und dem Prasidenten des Pariser Comites der Gesellschaft, Baron Alfons v. Rothschild, gepflogen und waren keine angenehmen, denn sie bestanden vorwiegend in einem hartnackigen Markten. Bei dem Nach- lasse von 12,000.000 Lire angelangt, er- klarte der Vertreter der Gesellschaft, nun keinen Schritt mehr zuriickzuweichen, sondern eher von der ganzen Sache ab- zustehen. Das wirkte; die italienische Regierung gab sich mit den errungenen 12,000.000 Lire zufrieden und, nachdem die Gesellschaft gegen die Weiterfiihrung des Betriebes bis I. Juli 1877 oder I. Januar 1878 keine Einwendung erhob, wurde iiber die neuen Abmachungen am II. Juni 1876 zu Pariš eine Urkunde aus- gefertigt, welche den Titel »Compromis« erhielt. Dadurch, dass die Gesellschaft den abgelassenen Betrag einfaCh der italienischen Regierung zur Verfiigung stellte, konnte die Baseler. Convention un- verandert bleiben. Die amtliche Be- glaubigung des Compromisses erfolgte durch die zu Rom errichtete »Additional- Acte« vom 17. Juni 1876. Die Trennung und die einzig gedeili- liche Durchfuhrungsweise derselben war also neuerdings vollkommen vereinbart, fiir gesichert wollte sie der Verwaltungs- rath jedoch erst dann ansehen, wenn der Vorlage die legislative Genehmigung zu- theil geworden. In Italien geschah dies am 30. Juni 1876, in Oesterreich neun Moiiate spater. Der Entwurf des Gesetzes »iiber die theilweise Abanderung der mit der Sudbahn-Gesellschaft abgeschlossenen Vertrage« gelangte am I. December 1876 vor das Abgeordnetenhaus und wurde vom Handelsminister v. Chlumecky gleich in seiner grossen Rede, mit welcher er die damaligen Regierungsvorlagen ein- begleitete, der besonderen Aufmerksam- keit des Reichsrathes empfohlen. Der Eisenbahn-Ausschuss und ihm folgend auch die Mehrheit des Abgeordneten- liauses erklarten sich fiir die Vorlage, die nun am 2. Marž 1877, wenn auch nicht ganz widerspruchslos, angenommen wurde, das Herrenhaus stimmte am 23. Marž zu und am 6. April 1877 erhielt sie die a. h. Sanction. Nun erst waren alleZweifel undSorgen gebannt, alle Bedingungen fiir die Losung der schwierigen Frage erfiillt und nur noch die letzten Vpllzugsmassnahmen zu treffen, welche der Verwaltungsrath iibrigens geniigend vorbereitet hatte. Die Actionare, denen schon in der General- versammlung vom 28. Juni 1876*) um- fassende Aufklarungen iiber die Natur des Pariser Compromisses gegeben wurden, ertheilten demselben in der ausserordent- lichen Generalversammlung von 9. August 1876 die Zustimmung; die an die Stelle des revidirten Statutes vom Jahre 1862 tretenden neuen Statuten hatten bereits am 18. November 1876 die staatliche Genehmigung erhalten und hierauf die handelsgerichtlichen Eintragungen der wieder einfach »K. k. priv. Sudbahn- Gesellschaft« lautenden Firma, ihres Sitzes in Wien etc., am 28. November 1876 stattgefunden. Der Hauptact der Trennung wurde am 1. Juli 1876, als dem Tage, an welchem die italienischen Linien in den Besitz *) Diese Versammlunghatte auch beschlos- sen, dass die fiir die Obligationen in Frankreich und Italien zu entrichtenden Steuern [Coti- rungs-, Einkommen- und Gewinnsteuer] nicht mehr den Actionaren zur Last fallen, sondern vom 1. Januar 1877 an, durch einen Abzug von 1 Franc [50 Cts. von jedem Prioritaten- Coupon] gedeckt werden sollen. Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. TheiL 17 25' Ignaz Konta. ihres neuen Eigenthiimers ubergingen, vollzogen. Gleichzeitig begann der ge- sellschaftliche Pachtbetrieb auf denselben, der bis zur Mitternachtsstunde des 30. Juni 1878 wahrte. Die Abrechnungen und finanziellen Auseinandersetzungen mit der italienischen Regierung zogen sich jedoch bis zum Herbst 1881 hinaus. Das zahlte jedoch nur mehr zu den inneren Ange- legenheiten. Nach aussen war das Trennungswerk vollendet und gekennzeichnet, als am 30. Juni 1877 die Generalversammlung zum ersten Male nach 16 Jahren wieder in Wien tagte. Das endliche Gelingen der Loslosung des grossten inlandischen Eisenbahn-Unternehmens von fremder Botmassigkeit; das Aufhoren des un- natiirlichen Zustandes, in welchem die Gesellschaft sich so lange befunden hatte; 750.000 Actien a 200 fl 4,139.861 Stiick 3°/oige Prioritats-Obligat. 250.000 » 5°/ 0 ig e » » 90.000 » 6°/ 0 ige Bons Die Aufgabe, die neue Ordnung der Dinge zu festigen und auszugestalten, fiel in Balde einer neuen Geschaftsleitung zu, da der General - Director, Eugen B o n t o u x, welcher 18 Jahre im Dienste der Gesellschaft gestanden, infolge einer politischen Aeusserung, zu der er sich in der franzosischen Kammer hinreissen liess, am 24. Januar 1878 zuriicktrat, und in dem bisherigen gesellschaftlichen Be- triebs-Djrector, Friedrich Julius Schiller, der schon seit Langem die Seele des commerziellen und Betriebsdienstes ge- wesen, am I. Juli 1878 einen ausge- zeichneten Nachfolger erhielt. Dieser Wechsel kam der Gesellschaft nicht ungelegen, da sie einer leitenden Personlichkeit bedurfte, deren Thatkraft ganz ungetheilt dem gesellschaftlichen Unternehmen zugewendet blieb; denn zu den kaum iiberblickbaren laufenden kamen immer noch wichtige aussergewohnliche Angelegenheiten hinzu. Um davon nur einige, die anderweiti g nicht mehr erwahnt werden, hervorzuheben, seien hier angefiihrt: die Uebernahme des Be- triebes der k. k. Staatsbahnen Unterdrau- die finanzielle Erleichterung, welche ibr der Verkauf des italienischen Netzes brachte, — ali dies fand begreiflicher- weise nicht blos bei den unmittelbar Betheiligten, sondern auch bei der All- gemeinheit lebhaften Beifall. Wie jeder bedeutenden Angelegenheit, fehlte es jedoch auch dieser nicht an Kritikern; sie malten die Zukunft der Gesellschaft nicht in hellen Farben, und nahmen dabei, nebst der Hohe des Ge- sellschaftsfonds, auch das Verhaltnis des Actiencapitals zur Schuldsumme und die Differenz zwischen Nennwerth und ge- lieferten Erlos der Titel zum Untergrunde. Laut Bilanz pro 1876 bezifferte sich namlich der Stand des Capitals mit nom. 1.045,972.200 fl., beziehungsweise effectiv 602,583.497 fl., und gliederte sich in: effectiv fl. 150,000.000 395,180.920 42,831.221 I 4 , 57 l - 456 602,583.497 burg-Wolfsberg und Miirzzuschlag-Neu- berg [27. August 1879]; die Abtretung der 497 km langen Linie Agram- Carlstadt an den ungarischen Staat, gegen eine, wahrend der ganzen Con- cessionsdauer, das ist bis 31. December 1968 von der koniglich ungarischen Regierung an die Gesellschaft zu ent- richtende, unwandelbare und ganz steuer- freie Rente von jahrlich 240.000 fl. in Gold*) [Vertrag vom 11. Marž 1880, beziehungsweise Gesetzartikel XLIV vom Jahre 1880]; die Errichtung einer Betriebs-Direction inBuda- pest, zu deren Vorstand der Verkehrs- leiter der ungarischen Siidbahnlinien, Max Bram, koniglicher Rath, ernannt wurde; endlich die Belegung der Prio- ritaten-Zinsen mit einem S t e u e r- abzug von I Franc pro Coupon, nachdem *) Zugleich verlangerte die koniglich ungarische Regierung die Steuerfreiheit fur die ungarischen Linien der Siidbahn auf zehn Jahre, das ist vom 1. Januar 1880 bis 31. De¬ cember 1889. Die Uebergabe der abgetretenen Strecken an den ungarischen Staat erfolgte am 1. Juli 1880. nominal fl. . . . . 150,000.000 a 200 fl. 82 7,972 - 2 oo [ 500 Frcs.] 5o,ooo.ooo J 18,000.000 1 . 045 , 972.200 Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 259 eine Verlangerung der Steuerfreiheit auch fur die osterreichischen Linien nicht mehr erreicht werden konnte und die Actionare nicht die ganze Steuerlast auf sich nehmen mochten. Eine ganz besondere Thatigkeit und einen sehr grossen Geldaufvvand, welcher auch die Consolidirung der Gesellschaft erheblich verlangsamte, ist derselben aus den umfangreichen Schaden erwachsen, \velche die am 15. und 16. September Behebung der Schaden auf den iibrigen Strecken. Mehr als 8000 Mann \vurden in Thatigkeit gesetzt und alle Hilfsmittel in Anwendung gebracht, um die Wieder- aufnahme des Verkehres je friiher zu er- moglichen. Gleichwohl konnte dies auf der Tiroler Bahn erst am 19. December 1882 und auf der Pusterthalbahn gar erst am 27. Januar 1883 erzielt werden, und zwar grossentheils mit Hilfe von Provi- sorien. Die Fertigstellung der definitiven Abb. 122. Einschnitt in Krinsdorf zur Bauzeit [Brux-Klostergrab]. 1882 iiber Karnten und Tirol hereinge- brochenen Hochvvasser den gesell- schaftlichen Linien zufiigten. Vom Bahn- korper wurden 139 Stellen in einer Ge- sammtlange von 157 km ganzlich und weitere 67 km theilweise, ferner 40 Briicken und Durchlasse und sonstige Ob- jecte zerstbrt. [Abb. 120 und 121.] Am argsten war die Strecke in dem engen Drau- thale zwischen Abfaltersbach-Thal und Lienz, dann die Strecke Toblach-Bruneck und die Siidtiroler Linie betroffen. Derver- dienstvolle Erbauer der Pusterthalbahn, Director Karl P r e n n i n g e r, arbeitete mit Riesenanstrengung an der Wieder- herstellung seines Werkes und an der | Bauten und der Schutzvorkehrungen gegen die Wiederholung solcher Verheerungen dauerte bis in das Jahr 1885. Ausser diesen Arbeiten hatte die Gesellschaft liber Wunsch der Interessenten auch die Reconstruction der olfentlichen Ob- jecte fin den von der Bahn durch- zogenen Gegenden gegen blosse Ver- giitung der Selbstkosten ausgeftihrt. Fiir alle diese Leistungen ernteten die Gesellschaft und deren Organe allge- meine Wiirdigung und auch a. h. Aus- zeichnungen. Die Kosten der Wieder- herstellungsbauten beliefen sich auf bei- nahe 4,000.000 fl., wovon jedoch 4 / 5 den Betrieb belasteten. 17* 26 o Ignaz Konta. Das Prioritats - Anlehen vom Jahre 1885 im Betrage von 40,000.000 Mark, dessen erste Halfte am 9. und 10. Juli zum Curse von 94'5 durch die Rothschild- gruppe begeben wurde, hatte ganz an- deren Zwecken [Refundirungen, Starkung der Reserven etc.] zu dienen. Neben einer so grossartigen Trans- action und so bedeutenden Geschehnissen wie die eben besprochenen, nehmen sich gewohnliche Begebenheiten fast unschein- bar aus. Gleichwohl muss, der Zeitfolge nach, hier die Erorterung einer verhaltnis- massig kleinen Sanirung, als Ausgangs- punkt unserer weiteren Betrachtungen, angereiht werden. Bald nach Beginn des Baues ihrer Linie Briix-Mulde [1873] widerfu.hr der Prag - Duxer Bahn das Ungemach, dass die mit der Titelbegebung ftir diese Linie betrauten Bankhauser [s. S. 117] vertragsbruchig wurden und es einzu- richten wussten, dass die Gesellschaft sich mit einem Reugelde abfinden liess. Der Verwaltungsrath glaubte diesen »Modus« einer Processfuhrung vorziehen zu sollen. Wie hoch das Ponale ge- wesen, hat er jedoch nicht verlautbart; keineswegs konnte es die Gesellschaft auch nur annahernd schadlos halten fiir die Verluste und bitteren Verlegenheiten, die ihr aus der nicht rechtzeitigen Be- gebung des grossten Theiles jener Werthe envachsen sind. Was das Reu- oder Strafgeld an Baarmitteln geliefert hatte, wurde ebenso wie der Betriebsiiberschuss der alten Linie auf den Neubau' ver- wendet, hielt aber nur fiir eine Weile vor. Nicht genug daran, blieben auch die Ertragnisse der alten Bahn hinter den gehegten Erwartungen gar weit zuriick. Am 1. Juli 1874 konnte der Prioritaten- Coupon nicht mehr eingelost werden. Das driickte nattirlich den Werth der gesellschaftlichen Titel noch tiefer. herab und machte die Begebungen fiir die neue Linie vollends zur Unmoglichkeit. Die Gesellschaft befand sich dlso in zwei- facher Nothlage. Eine derselben wurde durch den Prioritaten-Curator [Dr. Anton Lederer, Landesadvocat in Prag] selbst gemildert, der in der richtigen Ueber- zeugung, dass er mit der Schonung und Untersttitzung der Gesellschaft die von ihm vertretenen Interessen am besten wahre, von der Stunde an eine wohl- wollende Haltung gegen dieselbe einnahm. Die zweite aber gestaltete sich immer peinlicher, da die Unterstiitzungsgesuche an die Regierung erfolglos waren. In ihrer Verlassenheit trat die Gesell¬ schaft in Beziehungen zur Leipzig- Dresdener Bahn, die sich den Anschein gab, die Concession und die bereits aus- gefiihrten Bauten der Linie Briix-Mulde um den Preis von 1,000.000 fl. erwerben zu wollen, hinterher aber die unglaub- lichsten Bedingungen . stellte, an denen die Sache nach Jahr und Tag scheiterte. Das eigenthumliche Vorgehen derLeipzig- Dresdener Bahn liess den Verdacht auf- kommen, dass sie auf die Bedrangnis der Prag-DuxerBahn speculirte, um gegebenen Falles das ganze Unternehmen der letzteren zum Buchpreise an sich zu bringen.*) Aber auch die Regierung konnte Aeusse- rungen des Staunens dartiber vernehmen, dass sie den Verkauf einer osterreichi- schen Bahnlinie an eine auslandische Gesellschaft zulassen, ja sogar — wie aus dem im Prag-Duxer Geschaftsbericht pro 1874 citirten Handels-Ministerialerlass vom 21. April 1875 hervorging —• darauf hinwirken wollte. Als die Verhandlungen mit der Leip- zig-Dresdener Bahn ins Stocken gerathen waren, erneuerte die Gesellschaft ihre Unterstiitzungsgesuche an die Regierung und wendete sich im December 1874 auch an den Reichsrath, welcher die flehentliche Petition am 20. Marž 1875 der Regierung zur eingehendsten Prtifung und Wiirdigung tibermittelte, nachdem der Eisenbahn-Ausschuss auch die all- fallige Anbahnung einer Fusion der Prag-Duxer Bahn mit einer bereits im Betriebe stehenden bohmischen Bahn an- geregt hatte. Beim Herannahen der Bauperiode des Jahres 1875 machte der Verwaltungsrath noch einen letzten Ver- such bei der Regierung, indem er fiir den Augenblick nur einen Vorschuss von *) Vgl. die im Juli 1875 erschienene Denk- schrift des Dresdener »Comite zur Vertretung der Interessen der Inhaber von Prioritaten der Prag-Duxer Bahn« und das von dem Anwalte Schraps in Crimitschau an die Prioritare versendete Rundschreiben Nr. 5. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 261 250.000 fl. zur Fortsetzung des Baues der halbfertigen Strecke Briix-Kloster- grab erbat, in welcher bereits baare 1.560.000 fi. investirt vvaren. Da auch dieser Versuch misslang, schwang sich der Verwaltungsrath zu dem Gedanken auf, der Gesellschaft durch das Zusammen- wirken ihrer Theilhaber .und Glaubiger aufzuhelfen. Die Generalversammlung vom 26. Juni 1875 stimmte dieser Idee sogleich bei. *) Auch der Curator war dem Projecte zugethan und bereit, einer aufzunehmenden schwebenden Schuld im Betrage von 1,000.000 fl. die Sicher- stellung im Vorrange vor den Priori¬ teten einzuraumen, was aber die Priori- tare in deren am 29. Juli 1875 zu Dres¬ den abgehaltenen Versammlung ablehnten. Wieder um eine Hofmung armer, machte der Verwaltungsrath geradezu verzweifelte Anstrengungen, um irgendwo Plilfe zu finden und die Gesellschaft vor dem Zusammenbruche zu bewahren; er beschaftigte sich mit den verschiedensten Finanzprojecten und mit dem von Priori- taten-Besitzern angeregten Verkaufe der Bahn an ein von diesen eigens gebildetes Consortium. Wahrend dessen tauchte vor der Gesellschaft das Gespenst des »commerziellen Werthes« auf; sie kam jedoch mit dem blossen Schrecken davon. Die Regierung, deren Fusionirungs- thatigkeit sich damals den nothleidenden bohmischen Bahnen zugewendet hatte [s. Seite 234—235], \var mit dem Cura¬ tor tibereingekommen, dass die' Bahn, auf Grand ihreš commerziellen Werthes, *) Bei den bezuglichen Erbrterungen wurde aus dem Schosse der Versammlung die Frage nach der Ursache der beharrlichen Venveigerung jedweder Staatshilfe aufge- worfen, was ubrigens frtiher schon auch von Seite der Offentlichen Meinung geschehen war; doch ward hiefur weder aa noch dort eine Antwort gefunden. Die Tagesblatter haben je nach ihrem Parteistandpunkte eines- theils die im Gegensatze zur Regierung stehenden politischen oder nationalen Ten- denzen einzelner Mitglieder des Venvaltungs- rathes, anderntheils die Siihne heischenden Griindungssiinden, oder die Zweifel an der Bestandsfahigkeit des Unternehmens, als jene Ursache bezeichnet und zur Bekraftigung der ersterwahnten darauf hingewiesen, dass die benachbarte Dux-Bodenbacher Bahn ein grosses Darlehen aus den staatlichen Aus- hilfscassen bekam. um den Preis von 4,284.000 fl., zahlbar in 5 °/oig en garantirten Prioriteten einer neu zu grundenden Unternehmung, vom Staate ubernommen werden solle. Die Curatelbehorde veranlasste aber, einem Antrage des Curators folgend, die Er- mittlung des Werthes der Bahn durch einige der Regierung fernestehende Sach- verstandige und das Ergebnis dieser Expertise war die Bemessung des com¬ merziellen Werthes der gesellschaftlichen Betriebslinien mit 8,668.000 fl. Daraufhin verlangte der Curator von der Regierung eine Aufbesserung ihres Anbotes; er wurde aber abgewiesen und darnit hatte es von diesem Verkaufe, \vie iiberhaupt mit der Fusion der bohmischen Bahnen, sein Bewenden. Der Verwaltungsrath war bei den vorervvahnten Verhandlungen der Regie¬ rung mit dem Curator abseits gestanden, dah er von ihrem Fehlschlage nicht nur nicht unangenehm beriihrt, sondern viel- mehr zu neuer Unterstutzungswerbung angeeifert worden. Auch der Curator willigte, im Hinblicke auf das giinstige Ergebnis der Expertise, nunmehr ganz bestimmt in die Aufnahme eines der Prioritatenschuld vorangehenden Anlehens von 1,000.000 fl. und leistete so den Bestrebungen des Verwaltungsrathes be- deutenden Vorschub, denn auf eine so gute Hypothek Geld zu beschaffen, konnte der Gesellschaft nirgendmehr schwer fallen. Der Verwaltungsrath wen- dete sich jedoch zunachst wieder an die Regierung und dann auch an den Reichs- rath [Februar 1876] mit der Bitte um einen Vorschuss von 1,000.000 fl. zur Consolidirung des Unternehmens und zur Fertigstellung der Strecke Briix-Kloster- grab sowie um Erstreckung der Voll- endungsfrist fiir die Strecke Klostergrab- Mulde bis Ende 1880. Nun anderte sich die Situation. Der Handelsminister v. Chlumecky dachte, wie anderen Bahnen, ohne alle Vorein- genommenheit auch der Prag-Duxer Bahn die erbetene Hilfe zu. Bereits am 8. April 1876 fand iiji Beisein und unter Zustimmung des Prioritats-Curators der Abschluss des Protokollar-Uebereinkom- mens statt, in welchem die Bedingungen, unter denen im Falle der Genelnnigung 262 Ignaz Konta. des Reichsrathes der Vorschuss ertheilt werden solite, festgestellt waren. Die- selben lauten im Wesentlichen dahin, dass die Vorschuss-Summe mit 5% verzinst und in 24 gleichen halbjahrigen Raten ab 1. Juli 1880 getilgt \verde und das biicherliche Pfandrecht vor den Priori¬ teten geniesse; dass der Curator, unter aus- driicklicher Verzichtleistung aufZwangs- massregeln, sich verpflichte, bis zur ganzlichen Tilgung des Staatsvorschusses nur die nach den Abstattungen auf letz- teren eriibrigenden Betriebsvorschiisse fur sich in Anspruch zu nehmen; dass die Gesellschaft von ihren ilbrigen Glaubi- gern Zufristungen erlange, welche die Gefahr einer Executionsfuhrung und Con- curseroffnung mindestens bis Ende 1876 vollstandig beseitigen; endlich dass der Bau der Strecke Brux-Klostergrab spate- stens mit I. Mai 1876 wiederaufgenommen und noch innerhalb desselben Jahres vollendet werde. Schon der blosse Abschluss dieses Uebereinkommens verschaffte der Gesell- schaft einen billigen Acceptationscredit von 520.000 fl. bei der Anglo-Oesterreichi- schen Bank und sohin die Mittel zur sofortigen Fortsetzung des Baues. Eine den vorstehenden Bedingungen entspre- chende Uebereinkunft mit dem Curator, in welcher er sich ubrigens die weitest- gehende Controle der ganzen gesell- schaftlichen Gebarung sicherte, \vard auch bald erzielt und am 15. August 1876 in Vertragsform abgeschlossen. Da weiters die Auseinandersetzungen mit den iibrigen Glaubigern jetzt gleichfalls keinen Schwierigkeiten begegneteri, konnte die Gesellschaft nunmehr ruhig auf die legis- lative Entscheidung tiber die Gewahrung des Staatsvorschusses warten. Die bezugliche Regierungs-Vorlage gelangte am 1. December 1876 vor das Abgeordnetenhaus und am 13. Marž 1877 zur zweiten Lesung, welcbe zwar nicht sehr glatt verlief, aber doch mit der An- nahme der Vorlage endete. Sie passirte alsbald auch die dritte Lesung und das Herrenhaus und erhielt am 16. April 1877 die a. h. Sanction als Gesetz. Mittler- weile war die Strecke Briix - K 1 o s t e r- g r a b, deren erster grosserer Theil bis Ossegg [13-8 km] schon am 18. De¬ cember 1876 eroffnet wurde, auch in dem zweiten Theile bis Klostergrab [4 - i km] vollendet und am 15. Mai 1877 dem allgem einen Verkehre iibergeben worden. Hiebei hatte sich herausgestellt, dass die Gesellschaft zu den Zwecken, welchen der Staatsvorschuss zu dienen hatte, nur 900.000 fl. benothige; sie nahm also blos diesen Betrag in Anspruch [Ende Juni 1877], deckte da- mit die Schuld an die Anglobank sowie andere schwebende Posten, schliesslich, im Vergleichswege, auch eine Nachtrags- forderung der Bauunternehmung der alten Linie und. befand sich dann seit 1878 in einer ungefahrdeten Lage. Diese Wendung, welche deutlich zeigte, \vie leicht der Gesellschaft zu helfen war und auch schon friiher hatte geholfen werden konnen, gab ihr also wieder einen festen Halt. Fiir die voll- standige Regelung ihrer Verhaltnisse blieb jedoch noch viel zu thun, bis zur Befriedigung der Prioritaten-Besitzer und gar erst der Actionare, noch ein weiter Weg zuruckzulegen; denn ali dies hing von einer bedeutenden Besserung der Ertragnisse ab, die aber ohne den directen Anschluss der Prag-Duxer Bahn an das sachsische Bahnnetz kaum zu gewartigen stand. Der Verwaltungsrath und der Curator, unterschiedliche Comites, die sich zur Vertretung und Wahrung der Interessen der Prioritare, beziehungsweise Actionare [in Sachsen] gebildet hatten, Ingenieure, die Projecte fiir eine billigere Ausfuhrung der Strecke Klostergrab- Mulde ausgearbeitet hatten, Kohlenge- werkschaften und sonstige Interessenten suchten darum unablassig, den Ausbau dieser kurzen, aber schwierigen Strecke zu ermoglichen. AUe diese Bemiihungen blieben indes erfolglos, weil das erforderliche Baucapital iiberhaupt nicht oder nur unter Bedin¬ gungen erhaltlich gewesen ware, auf welche die Gesellschaft nicht eingehen durfte. Der Verwaltungsrath musste sich sohin einstweilen begniigen, durch sorg- same Pflege des Verkehres und thun- lichste Verringerung der Betriebskosten die Ertrags verhaltnisse zu heben. In ersterer Beziehung traf er mit der Curatel ein Abkommen, wonach von den Ueber- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 263 schussen, ab 1878, jahrlich 30.000 fl. insolange zur Vermehrung des Fahr- parkes vervvendet werden durften, bis die Nachschaffung von 100 Kohlen- und 50 Giiterwagen bewerkstelligt war und aus Sparsamkeitsgriinden kam er mit der Verwaltung der Pilsen-Priesener Bahn tiberein, dass vom Jahre 1880 an der Betrieb der Strecke Dux-Brux nicht mehr durch\vegs von beiden Gesellschaften, sondern in der Theilstrecke Dux-Ober- nitz nur von der Pilsner-Priesener Bahn [ Zinsengarantie fur das Baucapital nicht zustande kam. So vergingen auch weiter- hin noch viele Jahre, bis die oftgenannte Strecke dem Betriebe iibergeben wurde und die von ihr ervvartete Steigerung der Ertragnisse auch wirklich eintrat. Die Trače der Zweiglinie Briix-Mulde [Moldau] unterfahrt bei Brilx die Aussig- Teplitzer Bahn, fiihrt iiber Oberleutendorf nacb Bruch, wo sie die Hauptlinie der Dux- Bodenbacher Bahn iibersetzt und dann an dieselbe anschliesst. UeberOssegg am Fusse des Erzgebirges weiterziehend "iibersetzt sie Abb. 123. Viaduct bei Krinsdorf im Bau [Briix-Klostergrab]. und in der Theilstrecke Obernitz-Briix ausschliesslich von der Prag-Duxer Bahn gefiihrt werde. Ferner brachte er mit Be- willigung des Handelsministeriums vom 15 - September 1880 auf der Strecke Briix-Klostergrab den Secundarbetrieb in Anwendung. Im selben Jahre wurde die Geld- beschaffung fiir den Ausbau der Strecke Klostergrab-Mulde neuerdings versucht, jedoch wieder erfolglos, da die Prioritare sich weigerten, ihr Vorgangsrecht aufzu- geben und die von dritter Seite vor- geschlagene Bildung einer Gemeinschaft von Prioritaren, Bergwerksbesitzern und sonstigen Interessenten zur Leistung einer das Krinsdorfer Thal [Abb. 122 und 123] und erreicht Klostergrab, von wo aus die Fort- setzungsstrecke "bis Mulde die Verbindung mit den Koniglich Sachsischen Staatsbahnen iiber Freiberg herstellen solite. Durch die Unmoglichkeit, unter den damaligen Zustanden des Geldmarktes neue Titel zu begeben, war noch eine ganze Reihe von Eisenbahnen [auch garantirte] genothigt, zur Deckung ihres Geldbedarfes sch\vebende Schulden auf- zunehmen, die ihnen spater sehr driickend, nicht selten auch bedrohlich wurden und, da eine Aenderung der allgemeinen Ver- haltnisse nicht sobald zu erwarten stand, schliesslich dazufiihrten, dass die Actionare 264 Ignaz Konta. und Prioritaten - Besitzer zusammen- wirkten, um ihre Unternehmungen vor tiefgreifender Schadigung oder, wo es bereits schlecht genug bestellt gewesen, vor dem volligen Untergange zubewahren. Dass bei diesen Anstrengungen die grosste Last auf die Schultern der Actionare zu liegen kam, ist natiirlich. Dies entsprach auch den von Seite der Regierung und des Parlaments vielfach geausserten An- schauungen und wurde »Selbstsani- rung« genannt. Begreiflicherweise prallten bei diesen Proceduren die Interessen - Gegensatze heftig aneinander, es fehlte fast nirgends an Weiterungen mit der Curatel, an Ein- wendungen einzelner Prioritare oder Gruppen von solchen, an Auflehnungen der Actionare, endigte aber dann mit Vergleichs-Abschliissen. Um nicht diese meistens sich gleichenden Vorgange, riicksichtlich jeder der betreffenden Ge- sellschaften, einzeln erzahlen und dadurch in allzu ofte \Viederholungen verfallen zu miissen, wurde, ankniipfend an das eben Vorausgeschickte, hier blos ein Verzeichnis derjenigen Unternehmungen beigegeben, welche ihre Gesundung, sei es ohneweiters, sei es erst in der letzten Phase der Verlegenheiten, durch das eigenste Hinzuthun und unbeirrt von speculativen Nothhelfern, bewerkstelligt haben: Betrag Bezeichnung Jahr ! Art und "VVeise Benennung der Bahn des zu decken gewesenen Erfordernisses der unternommenen Sanirung Kaschau-Oder- berger Bahn. fl. 4,600.000 Entschadigung der Bauunternehmung ftir Mehrleistungen 1876/79 Kilrzung der Actiencoupons*) um je I fl. ftir alle Zeit Oesterr. Nord- westbahn . . 3,766.440**) Buschtžhrader Bahn. 3,700.000 Erganzung des Bauaufwandes fiir das garantirte Netz und Betheiligung am Ankaufe der Wiener Verbin- dungsbahn Schwebende Schuld 1877 1877 Klirzung der Coupons der [garant.] Actien lit. A um jahrlich hOch- stens 2 fl. Von 1877—1886 Tilgung der Priori¬ taten nicht durch Verlosung son- dern durch bOrsenmassigen Riick- kauf; EinlOsung der Prioritaten- Coupons lediglich in Silber; ferner Bezahlung der Actien - Dividende in Prioritaten III. Emission zum Curse von 84% *) Zur Regelung ihrer finanziellen Angelegenheiten wurde der Kaschau-Oderberger Bahn anlasslich und im Zusammenhange mit der Erwerbung des ungarischen Theiles der Eperies-Tarn6wer Bahn eine Separat-Garantie von jahrlich 346.618 fl. 85 kr. in Gold gewahrt, hingegen die urspriingliche [concessionsmassige] Garantie in Silber um jahrlich I 93-577 A- 59 kr. ftir immer zu Lasten der Actionare herabgemindert [ungarischer Gesetz- artikel XXXVII vom Jahre 1879]. Auf Grundlage der Separat-Garantie wurde ein Gold- anlehen von nom. 6,828.000 fl. ausgegeben, welches die Anglo-Oesterreichische Bank zum Curse von 87 in Noten ubernahm. Die bsterreichische Regierung hatte mit alledem nichts zu schaffen, weil zufolge der zwischen den beiden Staatsverwaltungen getroffenen Protokollar-Vereinbarung vom 23. December 1875 die ungarische Regierung verpflichtet war, die Anspriiche der Bauunternehmung zu schlichten, nachdem die osterreichische Regierung dieserwegen von der im Ganzen 2,498.390 fl. betragenden concessionsmassigen Garantielast die Summe von 540.000 fl. auf sich genommen, obzwar im Verhaltnisse der Bahnlange nur 511,598 fl. auf die Osterreichische Strecke entfallen waren. Fiir Inve- stitionszwecke der letzteren Strecke aber gevvahrte die Osterreichische Regierung im Grunde des Gesetzes vom 20. Juni 1879 die ErhOhung der Garantie um einen Betrag, welcher die 5%ige Verzinsung und die Tilgung eines Nomin.albetrages von 1,200.000 fl. deckt. Die hierauf von der Gesellschaft in eben dieser HOhe ausgegebenen Silber- Prioritaten hat die Unionbank im Januar 1880 zum Curse von 87'05 B.-N. tibernommen. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 265 Benennung der Bahn Bezahlung von Zins und Capital der Anlehen lediglich in Silber; Sistirung der Prioritaten-Tilgung bis langstens 1885; Verzicht der Actionare auf die Dividende inner- halb desselben Zeitraumes* **) ***) Ktirzung der Actiencoupons um je 1 fl. und Einlosung derselben vom 1. Juli 1879 bis zum I. Ja¬ nuar 1882 in Prioritaten al pari Einlosung der Actiencoupons vom 1. Juli 1878 bis zum 1. Juli 1882 in Prioritaten II. Emission, und zwar fur 36 Coupons eine Obli- gation a 200 fl. Sistirung der Prioritaten-Tilgung und normalen Verzinsung bis langstens Ende 1882; statt der Letzteren sowie zur Abstossung der schwebenden Schuld werden die verfiigbaren Ueberschiisse ver- theilt: mit 75% [spater 70] an die Prioritare und mit 25% [spater 20] an die Inhaber der schwebenden Scliuld Verzinsung undTilgung der Priori¬ taten nur in Silber; Verzicht der Actionare auf die Dividende bis langstens 18S4-J--J-) Kurzung des Juli-Coupons der Actien um 1 fl. durch neun Jahre ab 1881 Kurzung des ■ Actiencoupons um je 1 fl. 25 kr in den vier Halb- jahren vom l. Juli 1885 bis l. Ja¬ nuar 1887 Fur die Investitions-Erfordernisse der ungarischen Linien hat die ungarische Regierung gesondert vorgesorgt. **) Friiher war das Capitalconto des Erganzungsnetzes mit diesem Betrage be- lastet. Die Klarstellung der Rechtsverhaltnisse zwischen den beiden gesellschaftlichen Netzen machte aber die Uebernahme der ganzen Post auf das garantirte Netz und, nachdem eine Garantie-Erhohuug unerreichbar gewesen, die Bedeckung zu Lasten der Actionare nothwendig. ***) Die Sanirung war bereits im Jahre 1881 beendet. f) Ein bedeutender Theil des Mehraufvvandes wurde schon friiher von den beider- seitigen Regierungen und von der Credit-Anstalt gedeckt [siehe Seite 83]. ff) Die Sanirung war schon im Jahre 1881 beendet. Wo aber Finanzkiinste, welche auf Sanirungs- oder »Entgriindungs« - Ge- schafte abzielten, die Oberhand gewonnen hatten, oder zu erringen bestrebt waren, da spielten sich ganz andere Vorgange ab und mussten die Actionare vveitaus grossere Opfer bringen, mitunter das Eigenthum oder docli die Rente ihres Besitzes fast ganz hingeben. Solclies vviderfuhr beispielsweise den Theilhabern der Graz - Koflacher Bahn, deren Missgeschick aus einem Erfordernisse von 1,000.000 fl. entstanden war. Sie hatte die Kosten des Baues 266 Ignaz Konta. der Linie Lieboch-Wi.es [siehe Seite 140] und der Aufschliessung neu erworbener Kohlenwerke [Steieregg] zu gering ver- anschlagt, die in den Jahren 1873 und 1874 nachtraglich ausgegebenen Titel aber nicht mehr an Mann gebracht, ob- zwar ihre Actien damals noch eine Dividende von 7 ’/ 2 °/ 0 bezogen. Die »schwebende Schuld« \vard also auch hier das leidige Auskunftsmittel. Im Jahre 1875 wurde jedoch die Placirung der Wechsel immer schwieriger und es musste nun je eh er getrachtet werden, dieselben auf lange Sicht zu stellen und in feste Hande zu bringen. Dies gelang mit Hilfe des benachbarten Gewerken August Z a n g, der vorerst 800.000 fh, dann im Jahre 1876 weitere 200.000 fl. gegen 6 1 / 2 °l 0 ige Verzinsung und Sicherstellung auf dem gesammten Besitze der Gesellschaft herlieh, alsbald aber auf andere Gedanken kam, noch im selben Jahre die ganze Schuld kiindigte und hartnackig jede Stundung ver\veigerte. Damit begann das Unheil. Fur den ersten Augenblick half die Oesterreichische Sparcasse in Wien mit Vorschiissen aus, dann sistirte die Ge¬ sellschaft die Zinsenzahlung auf die Prioritaten und ervvirkte von den sodann eingesetzten Curatoren ein fur unbestimmte Zeit geltendes, achttagig kundbares Mora- torium. Von der Vertretung der Priori¬ taten-Besitzer war also vorlaufig nichts zu befiirchten, umsomehr hingegen von der im Juni 1877 anhangig gewordenen Zang’schen Klage. Um einer zivangs- weisen Sequestration vorzubeugen, ver- einbarte der Vervvaltungsrath mit den Curatoren die freiwillige Aufstellung e in e s Sequesters, und zwar in der Person des Betriebs-Directors der Oester- reichischen Nordwestbahn, Hermann Ritter v. Rittershausen, der am 26. Juni sein Amt antrat. Sequester, Curatoren und Verwaltungsrath bemuhten sich nun gemeinsam der von Seite Zang’s drohenden Execution Einhalt zu thun und Zeit und Mittel zur Befriedigung dieses Glaubigers zu gewinnen, da die Aeusserung, welche die schon friiher von den Curatoren ent- sendete Sachverstandigen - Commission liber den Besitzstand und die Ertrags- fahigkeit des gesellschaftlichen Unter- nehmens abgegeben hatte, den Sturz desselben geradezu als Frevel erschienen liess. Mit welchen Absichten sich Zang trug, wurde in authentischer Weise nicht klar- gestellt; man muthete ihm zu, dass er den gesellschaftlichen Besitz unter den Hammer bringen und dann an sich reissen wolle. Das mag denn doch, wenigstens dem vollen Umfange nach, nicht richtig gewesen sein; denn schliess- lich gab er sich mit Frachtermassigungen fiir seine Kohlensendungen zufrieden und willigte hiefiir —• unter Vorbehalt der Executionsfiihrung blos auf die Wieser Werke —- in ein Mofatorium bis Ende November 1877. Nun, da wieder Zeit gewonnen war, ging es an die Entwerfung von Sanirungs- planen. Der Verwaltungsrath selbst, so- wie nachher auch der Wiener Bank- verein machten beziigliche Vorschlage, die aber, weil sie die Prioritaten-Besitzer zu stark getroffen hatten, dem Wider- stande der Curatel begegneten. Wahrend dessen machte die Socižte belge de chemins de fer, welche damals allent- halben in Oesterreich nach einem guten Fischzuge auslugte, sich an die Sache heran. Die Verhandlungen dauerten aber so lange, dass dariiber die Zang’sche Zufristung verstrich und wieder Gefahr im Verzuge war und die Gesellschaft sich nothgedrungen an den ihr von den Belgiern gereichten Strohhalm klammerte. Die Prioritaten-Besitzer kamen dabei verhaltnismassig gut, die Actionare aber um desto schlimmer weg; denn der am 22. November 1877 mit der Societe belge geschlossene Vertrag lautete im Wesent- lichen dahin, dass die Baarzahlung der Prioritatenzinsen je nach dem Range der Obligationen um ein bis drei Jahre hinausgescboben und inzwischen durch eine Vergutung in neuen 2°/ 0 igen Priori¬ taten ersetzt werde, ferner dass alle un- begebenen Actien zu vernichten und alle im Umlaufe befindlichen [32.798 Stiick a 200 fl.] einzuziehen, statt dieser aber 34.000 neue Actien a 200 fl. auszugeben seien, wovon 5467 Stiick zur Einlosung der alten Actien im Verhaltnis von einer neuen auf je sechs alte dienen, 167 Stiick zur Auswechslung der Gaution bei der Geschichte der Eiseiibahnen Oesterreichs, 267 Credit-Anstalt verwendet und die rest- lichen 28.366 Stiick im Nennwerthe von 5,673.200 in das Eigenthum der Societč belge iibergeben werden sollten, welche hiefiir die Zang’sche Forderung und die Schuld an die Sparcasse im Ge- sammtbetrage von 3,224.308 fl. tilgt und sodann die als Pfand bei der Spar¬ casse hinteriegten unbegebenen Priori- taten und Actien an die Gesellschaft zuriickstellt. Ueberdies hatte die Societe belge auf die Dauer von neun Jabren [1878 bis 1886] jenes Reinertragnis, welches als Dividende zu vertheilen kame, fiir sich in Beschlag genommen und die Aufhebung der Sequestra- tion ausbedungen. [Letztere erfolgte am 31. December 1877.] Vor die Alternative gesteilt: Concurs oder Vertrag mit der Societe belge, wahlten die Actionare in der ausser- ordentlichen Generalversammlung vom 19. December 1877 den Vertrag als das kleinere Uebel und raumten den Belgiern auch sofort drei Stellen im Verwaltungs- rathe ein. Jetzt zu einem Hauflein der »iibri- gen Actionare« zusammengeschrumpft, wurden die vorhin mit Recht beneideten ehemaligen Vollbesitzer der Graz-Kof- lacher Eisenbahn- und Bergbau-Gesell- schaft sich denn doch allmahlich ihrer neuen Lage bewusst. Das alte Unter- nehmen war wohl aufrecht erhalten, aber ftinf Sechstheile des Eigenthums daran war ihnen —• gelinde gesagt — entschvvunden und beziiglich des letzten Sechstheiles kein geniigender Einfluss verblieben. Einzelne der alten Actionare forderten also, anlasslich der Generalversammlung vom 28. Juni 1878, die Bestellung eines Comite zur Erforschung der Ursache des grossen Capital-Verlustes, andere hingegen verlegten sich aufs Bitten um Zugestehung einiger Einflussnahme und Zuwendung wenigstens eines Bruch- theiles der Ertragnisse noch vor Ablauf der neunjahrigen Sperre — woraufhin die Belgier sofort versicherten, stets »in loyaler Weise vorgehen« zu wollen. Ob ihnen nun mit jener Zusicherung wirk- lich ernst oder nur darum zu tliun war, beschwichtigend einzuwirken — jedenfalls hatten sie das Letztere erreicht und auch guten Grand hiefiir gehabt. Auf der Tagesordnung dieser General¬ versammlung stand namlich die Beschluss- fassung iiber die Uebertragung des Betriebes an die Siidbahn auf die Dauer von fiinfzig Jahren, wie sie die Societe belge noch vor der Eingehung des Vertrages mit der Graz-Koflacher Bahn schon mit der Siidbahn verabredet hatte und nun ins Werk setzen wollte. Nach den Praliminarien war der Siidbahn fiir die vollstandige Versehung des Be- triebsdienstes, einscliliesslich der Erhal- tung und Erneuerung der Bahn, des Fahrparkes und des Inventars, eine Ver- giitung von 4O °/ 0 der Roheinnahme in- solange dieselbe den Betrag von 1,050.000 fl. nicht iibersteigt, fiir. den iiber diesen Betrag hinausgehenden Ueberschuss bis zu 100.100 fl. 45 °/ 0 und fiir weitere Ueberschiisse 50°/ 0 zugesagt. Die Vergiitung durfte aber nie weniger als 320.000 fl. pro Jahr betragen; auch solite die Siidbahn berechtigt sein, fiir Erweiterungsbauten und Vermehrung des Betriebsmaterials io°/ 0 von dem Betrage, um welchen die jahrliche Roheinnahme iiber 1,200.000 fl. liinausreicht, vorweg in Abzug zu bringen und die Fahr- betriebsmittel wie ihre eigenen zu ver- wenden. Das Personale solite auch weiterhin dem Pensionsfonds der Graz- Koflacher Bahn angehoren, die Siidbahn aber jene statutenmassigen Leistungen auf sich nehmen, welche bisnun der Graz-Koflacher Bahn oblagen. Die Generalversammlung genehmigte — man mochte fast sagen selbstverstand- lich — auch dieses Vorhaben der Societe belge und der Betrieb iiberging am 1. September 1878 an die Siidbahn, wie- wohl der Betriebsvertrag selbst erst am 5. September, als dem Tage der Zu- stimmung der Regierung endgiltig abge- schlossen*wurde. Die »alten« Actionare hatten also nicht nur den grossten Theil ihres Capitals, sondern jetzt auch die eigene Fiihrung des Betriebes verloren. Das war der Schlusspunkt einer »Sani- rung«, die stets an jene triibe Zeit er- innern wird, in der es moglich ge- wesen, dass eine vorziigliche, daher auch bald wieder zu neuem Wohl- stande gelangte Unternehmung mit einem gut fundirten Capitale von 268 Ignaz Konta. 13.280.000 fl.,*) wegen einer anfang- lichen Schuld von 800.000 fi. fast dem Untergange verfallen und einem Ge- schicke, wie das eben geschilderte, preisgegeben sein konnte. Uebrigens erwies sich die Socidtč belge sehr fiirsorglich um. das Gedeihen der nun sozusagen ihr gehorenden Graz- Koflacher Unternehmung; sie streckte Geld vor zum Ankauf zweier neuer Kohlenwerke und suchte .sich auch in der Verwaltung niitzlich zu machen. Als die vermehrte Production und Verfrach- tung der Kohle eine erhebliche Steigerung der Ertragnisse in nahe Aussicht stellte, fiihlte sie sogar ein menschlich Riihren fiir die alten Actionare, zu deren Gunsten sie nun, gegen entsprechende Vergiitung, die Vertheilung einer Dividende freigeben wollte. Das meinte sie in der Weise zu veranstalten, dass 15.000 Seconde-Actien a 200 fl. ausgegeben und ihr [der Societe] in Ablosung aller ihrer Anspriiche liber - antwortet werden. Die Generalversammlung vom 28. Mai 1880 ging ohneweiters hierauf ein; die Regierung aber liess die Ab- machung nicht zu [Erlass vom 12. Juni 1881], weil die mit einem gleichen Stimmrechte, wie die Stammactien, aus- gestatteten Seconde-Actien, die ersteren vollends erdriicken konnten. Es wurde also ein anderer Plan entworfen: die Societe belge verzichtet auf den ferneren Einbehalt der Reinertragnisse, wenn ihr dafiir sowie als Zahlung fiir die ob- erwahnten [neuen] Darlehen von etwa 800.000 fl., gesellschaftliche Debitoren mit 400.000 fl. und 2000 Stiick neue, mit den alten vollkommen gleichwerthige Actien al pari iibergeben. werden. Der Verwaltungsrath holte hieriiber in der ausserordentlichen Generalversammlung vom 7. November 1881 die »Willens- meinung« der Actionare ein, die natiir- lich bejahend ausfiel und zugleich, unter Widerrufung friiherer Beschliisse, die *) Nach der Sanirung hatte das Gesell- schafts - Capital hingegen die Hohe von 14,262.850 n. und gliederte sich in 34.000 [neue] Actien a 200 fi. ■= 6,800.000 fl., die alten [drei] Prioritats-Anlehen von zusammen 6,720.000 fl. und das neue 2°/ 0 ige Anlehen von 743.850 fl. Erhohung des Actiencapitals durch Aus- gabe von 4000 Actien guthiess, wovon 2000 Stiick an die Societe belge ausge- folgt, die anderen 2000 Stiick aber fiir Investitiomszwecke aufbewahrt werden sollten. Auch die Regierung genehmigte noch vor Ablauf des Jahres 1881 die neue Vereinbarung. Im Jahre 1882 erfreuten sich die Actionare nun wieder des Bezuges einer Dividende, welche, nach den Beschltissen der Generalversammlung vom 28. April gleich, diesmal 11 fl. betrug. Demzufolge wurden die Actien wieder »mit Zinsen gehandelt« und gingen bald liber pari. Das beniitzte die Societž belge, um einen Posten von 24.000 Stiick aus ihrem Actienbesitze an die Unionbank und deren Consorten zu verkaufen. Nimmt man an, dass dies zu einem Preise ge- schah, welcher dem i882er Jahres- Durchschnittscurse der »Koflacher« gleichkam [217 fl. 95 kr.], dann hatten die Belgier einen Erlos von rund 5.230.000 fl. und sohin, gegeniiber ihrem ersten Aufvvande, einen baaren Gewinn von mehr als 2,000.000 fl. er- zielt, ungerechnet die ihr noch ver- bliebenen 6366 Actien, welche damals einen Werth von 1,387.500 fl. besassen und ungerechnet die Eingange von den iibernommenen Debitoren [400.000 fl.], woraus sie sich allerdings noch fiir den zweiten Aufwand von 800.000 fl. bezahlt zu machen hatte. Da die Gesellschaft keinen Eisenbahn- betrieb mehr zu fiihren hatte, trat ihr langjahriger und verdienstvoller General- Director, Reinhold E i s 1 , welcher unter den Misslichkeiten und Aufregungen der letzten Jahre bedeutenden Schaden an seiner Gesundheit erlitten, am I. Juli 1882 in den Ruhestand. Zu seinem Nach- o rade, Feuergnomen und Nixen, rauchen- den Opfergefassen etc. reichgeschmuckte »Triumphwagen*) des Feuergottes, \vel- cher sich eben mit einer Wassernymphe vermahlt« und vor dessen Throne sechs Damen in heraldischen Costiimen einzelne Lander des Reiches versinnlichten; aber- mals Bannertrager zu Pferde, zahlreiche Eisenbahn-Arbeiter mit ihren Gerathen und Werkzeugen. [Abb. 124.] — In den damali- gen Berichterstattungen wurde dieser prach- tigen lebensvollen Gruppe einstimmig die Palme zuerkannt. — Auch eine Huldi- gungs-Gabe, bestehend aus einer Samm- sellschaft concessionirt; ihre Spurweite solite 1 m betragen. *) Der Festwagen [11 m lang, 4^8 m hoch] war nach Makarfs Entwurfe vom Bildhauer Rudolf Weyr erbaut und plastisch ausge- schmuckt. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 281 Uebersicht des Fortganges derersten Prioritaten-Convertinmgen in Oesterreich 1880 — i8go. *) Bei denjenigen Bahnen, deren Prioritaten-Einlosungstermin auf den I. Januar fallt und daber die beziigliche Tilgungsquote in der Bilanz des vorausgegangenen Jahres nicht berucksichtigt erscheint, konnen mitunter die Summen der in Urnlauf gewesenen Titel mit den zur Convertirung gelangten Betragen um die Ziffer der letzten Tilgungs- quoten differiren, was jedoch fur diese Zusammenstellung bedeutungslos ist. 282 Ignaz Konta. lung- kunstlerisch ausgeflihrter Ansichten bemerkenswerther Landschaften und Bau- \verke an ihren einzelnen Linien liessen die Eisenbahn-Vervvaltungen durch eine Deputation iiberreichen, welcher am 18. April die Ebre zutheil ward, von Sr. Ma- jestat huldvollst empfangen zu werden. Manchen Industriezweigen erbliihte vvirklich von damals an die lang ver- misste Regsamkeit. Die Zuriistungen zu den grossen Festlichkeiten hatten vielen Be- volkerungskreisen Arbeit und Verdienst gebracht; der allgemeine Geschaftsgang begann sich zu beleben und Handel und Wandei sich wieder aufvvarts zu bewegen. Von dem Gebiete des Eisenbahnbaues aber wollte der Bann noch immer nicht weichen. Im ganzen Jahre 1879 ist blos die 5 '2 km lange Fortsetzungsstrecke Stadlauer- brucke-Kaiser-Ebers d o rf der Donau- uferbahn in Wien neu hinzugekommen; ihre Ausfiihrung geschah, zufolge des Gesetzes vom 1. Juni 1879, gleich dem alteren Theile der Donauuferbahn [siehe Seite 241] auf Staatskosten, jedoch unter Leistung eines Beitrages von Seite der Kaiserin Elisabeth-Bahn, welche das leb- hafteste Interesse hatte, die durch die Donauregulirung verlorene Verbindung mit dem Hauptstrome wieder zu ge- \vinnen und sich daher mittels Vertrages vom 15. December 1879 zur Leistung eines Beitrages von 150.000 fl. verpflich- tete, hiefur aber gegen jahrliche Bezah- lung von 10.000 fl. die Mitbenutzung der neuen Strecke gewann. Diese galt darum vom Tage ihrer Eroffnung [am 12. October 1880] in administrativer Be- ziehung als eine Verlangerung der Donau- landebahn Hetzendorf-Kaiser - Ebersdorf. Zur Deckung ihrer mit 450.000 fl. ver- anschlagt gewesenen Anlagekosten dienten die beim Baue des alteren Theiles er- zielten Ersparnisse von 300.000 fl. und die vorerwahnte Beitraefleistuna:. Eine gleichfalls der Verbindung des Eisenbahn-Transportes mit der Schiffahrt dienende Anlage hatte damals die Oester- reichische Nordwestbahn in Laube geschaffen. Sie errichtete dort einen grossen Elbe-Umschlagplatz [Abb. 125], ftihrte eine Schleppbahn nach Tetschen und vereinbarte sowohl mit den osterreichischen Nachbarbahnen, als auch mit den Elbe-Schiffahrts-Unternehmungen directe Tarife, vvodurch dem osterrei¬ chischen Handel ein billiger Weg fiir die mittels der Elbe zu erreichenden Relationen eroffnet vvurde. Die Gesell- schaft versprach sich von diesen Ein- richtungen eine bedeutende Steigerung des Verkehres auf dem Erganzungsnetze, die wirklich bald eintrat und eine nam- hafte Erhohung des vordem weit unter. pari gestandenen Curses der Actien lit. B mit sich brachte, welche es er- moglichte, dass die noch im Portefeuille gewesenen 5000 solcher Titel Ende 1880 zum Preise von 227 fl. 27 kr. pro Stuck begeben werden konnten. In dem be- zuglichen Erlose fanden auch die Kosten der neuen Anlage ihre Deckung. Der AufschwungLaubes und des Elbe verkehres und gar erst die nicht ohne Hinzuthun der Nordwestbahn errichtete » Oesterreichische Nordwest-Dampfschiffahrts- Gesellschaft» erregte in hohem Masse das Missfallen der Preussischen Staatsbahnen und riefen einen Tarifconflict mit den deutschen Eisenbahnen iiberhaupt hervor, der erst durch das am I. Juli 1883 in Kraft getretene »Uebereinkommen der Verwaltungen des deutsch-osterrei- chisch-ungarischen Seefahrer-Verbandes« seine Beilegung gefunden.*) Wahrend desselben ging der Curs der Actien lit. B wieder so sehr zuriick, dass die Gesellschaft die schon in der General- versammlung vom 7. Juni 1882, zu Zwecken der Nachschaffung von Fahr- betriebsmitteln etc. beschlossene Ver- mehrung des Actiencapitales um 6,000.000 fl. erst im Marž 1883 theihveise bewerkstelligen komite. Die Deutsche Bank in Berlin ubernahm damals 15.000 Actien lit. B zum Curse von 226 1 / 1 . Die Umschlagstelle in Laube und die i'g km lange Verbindung mit Tetschen wurden am 1. Marž 1880 dem Betriebe tibergeben; letztere war, als »Schleppbahn«, keine eigentliche Er- weiterung der gesellschaftlichen Linien. *) Eingehende Mittheilungen ilber die Entstebung und den Verlauf des Streites sind in Konta’s Eisenbabn-Jahrbuch, Jahr- gang XVI, Seite 18 und XVII, Seite 14 f. enthalten. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 283 Die friiher erwahnte Fortdauer der Stockung in der raumlichen Entwicklung des osterreichischen Bahnnetzes hatte jetzt ihren Hauptgrund in dem gespannten Verhaltnisse der Regierung zum Parla¬ mente, welches darob von jeder ausser- politischen Thatigkeit fast ganz abkam. riums nicht gllickte, blieb das alte noch weiter im Anite, bis es am 16. Februar 1879 von dem Cabinet S tremayr abge- lost wurde, in welchem iibrigens die meisten der bisherigen Minister ver- blieben. Dies \var jedoch auch nur ein Provisorium. In den Monaten Juni und Abb. 126. Julius Lott. Das Cabinet Auersperg stand schon seit dem Jahre 1877 nicht mehr auf gutem F usse mit der Verfassungspartei, also mit der da- maligen Mehrlieit des Abgeordnetenhauses, und gab wiederholt seine Entlassung; zum zweiten Male am 13. Juli 1878, nach dem Abschlusse des Berliner Vertrages, weil eben die Occupation Bosniens eine der Hauptursachen des Zwistes war. Da aber die Zusammensetzung eines von der Parlaments-Majoritat getragenen Ministe- Juli fanden die Neuwahlen in den Reichs- rath statt; die Verfassungspartei gerietb in die Minderheit und am 12. August 1879 traten die meisten der friiheren Minister, mit ihnen auch der wegen seinerausgezeichneten Fahigkeiten, seiner unermiidlichen Thatigkeit und seines concilianten Wesens iiberaus geschatzte Handelsminister v. Chlumecky, zuruck. Am selben Tage \vurde das Cabinet Taaffe ernannt. Damit erst hatten 284 Ignaz Konta. die krisenhaften Zustande ihr Ende ge- funden; es war eine hochwichtige poli- tische Wendung eingetreten. So schwerwiegend und nadihal tig deren Folgen fiir die friiheren herrschenden Parteien und die von ihnen verfochtenen Principien sidi gestalteten, dem Eisen- bahnwesen brachte sie einen frischen Entwicklungsgang, neben diesem aber auch die ganzliche Umgestaltung. Die Anregung zur Wiederentfaltung regerer Bauthatigkeit ging, wie im Jabre 1866, unmittelbar von allerhochster Stelle aus. Die Thronrede, mit welcher am 8. Oc- tober 1879 der neue Reichsrath eroffnet wurde, verhiess die vollste Aufmerksam- keit der Regierung fiir die Entwicklung des Eisenbahnwesens, insbesondere auch den »Bau der immer wichtiger werdenden Arlbergbahn«, und der neue Handelsminister, Karl Freiherr Korb - Weidenbeim, schritt unge- saumt zur Vorbereitung dieses grossen Werkes. Er berief eine technische En- quete zur Priifung der Frage, welches der beiden damals neu vorgelegenen Projecte fiir die Tunnelirung des Arl- berges den Vorzug verdiene, und liess alsbald auch die Regierungs - Vorlage ausarbeiten. Die Enqušte tagte am I. und 2. Oc- tober 1879 und sprach sich, wie es auch die Expertise vom 22. Februar 1872 schon gethan hatte, fiir den langeren »unteren« Tunnel aus. Der General-Direc- tor des Gsterreichischen Eisenbahnwesens, v. Nordling, der seit dem Jahre 1875 unablassig die »obere« Tunnelanlage be- fiirwortete, beharrte auch jetzt auf seinen Anschauungen und kam dadurch zu Falle. Der Handelsminister hatte sich namlich fiir den von so vielen hervorragenden Fachmannern empfohlenen unteren Tunnel entschieden, und der Sectionschef hieraus die Consequenzen gezogen. Vielleicht war auch der erregte Verlauf der Enquete mit eine Veranlassung zu dem jahen Bruche. Wilhelm v. Nordling gab nun seine amt- liche Thatigkeit in Oesterreich fiir immer auf und, obzwar er mit manchem seiner Vorhaben, insbesondere den Fusionirun- gen und den Ervverbungen von Bahnen nach dem »commerziellen Werthe« einer ebenso zahlreichen als erbitterten Gegner schaft begegnete, blieb ihm doch — wie dies bereits an anderer Stelle hervor- gehoben wurde — das unleugbare Ver- dienst, die aus den Garantie-Verhaltnissen entstandenen Verwicklungen entwirrt und der Saumnis in den Garantie-Abrechnun- gen ein Ziel gesetzt zu haben. Nicht minderrasch, wiefiir dielngang- bringung des Eisenbahnbaues trug Korb- Weidenheim auch Sorge fiir die Wieder- aufnahme des Staatsbetriebes im grossen Stile, in dem er dem bis- nun brach gelegenen Gesetze vom 14. De¬ cember 1877 lebendige Wirksamkeit gab. Es fand seine erste Anwendung bei der Kronprinz Rudolf-Bahn, welche bereits ein Jalirzehnt hindurch die Staats- garantie iiberaus [bis Ende 1879 mit 47,557.282 fl.] in Anspruch genommen und auch sonst noch das Augenmerk der Aufsichtsbehorde seit Langem auf sich gelenkt hatte. Nach den damaligen, unwidersprochen gebliebenen offentlichen Mittheilungen soli die plotzliche, ohne Einvernehmen mit dem Ministerium verfiigte Enthebung des gesellschaftlichen General-Directors, Regierungsrathes M o r a w i t z, das Mass voligemacbt haben. Thatsache war aller- dings, dass dieser anspruchslose, ehren- hafte und pflichtgetreue Fachmann, unter dessen Leitung die Zustande der Bahn sich wesentlich zu bessern begannen, man- chen Strauss mit dem Verwaltungsrathe, namentlich mit dem friiheren General- Director, der zur Zeit des grossen Lau- terungs-Processes in den Verwaltungsrath zuriickgetreten war, zu bestehen hatte. Die gewaltsame, allenthalben scharf kriti- sirte Losung des Dienstverhaltnisses er- folgte am 9. December 1879. Zwei Wochen nachher — am 24. December — wurde die Gesellschaft vom Handels¬ minister verstandigt, dass die Staats- verwaltung im Sinne des § 4 des vorei'- wahnten Gesetzes, den Betrieb der Bahn ab 1. Januar 1880 fiir Rechnung der Ge¬ sellschaft fiihren werde; am 29. December fand die Feststellung der beziiglichen Modalitaten, Tags darauf die amtliche Kundmachung der Uebernahme des Be- triebes in die Vervvaltung des Staates sowie die Ernennung des General-Inspectors Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 285 der osterreichischen Eisenbahnen, k. k. Regierungsrathes Ferdinand Ritter Perl von Hildrichsburg, zum k. k. Betriebs- vervvalter statt, dessen Amtsgewalt sich auf ali e Dienststellen und das Gesammt- Personale der Gesellschaft erstreckte. Bahn gelangte auch der von ihr besorgte Betrieb der Linie Tarvis-Pontafel in die eigene Verwaltung des Staates. Mittlerweile war der Gesetzentwurf iiber den Bau der Arlbergbahn vollendet worden, welchen der Handelsminister nun Abb. 127. Das Lott-Denkmal auf dem Arlberge. Am Neujahrstage 1880, also genau ein Vierteljahrhundert nach dem ersten Abverkaufe von osterreichischen Staats- bahnen an Privat-Gesellschaften, begann ernstlich die Zuruckfiihrung des Eisen- bahnwesens zu dem damals verlassenen Principe, und die Kronprinz Rudolf-Bahn war die erste grossere Privatbahn, mit welcher die Verstaatlichungs-Thatigkeit eroffnet wurde. Zugleich mit dieser am 24. Januar 1880 der Legislative vor- legte. Diese und die von ihm bereits am 29. November 1879 im Abgeordneten- hause eingebrachte Vorlage iiber die Zugestandnisse und Begiinstigungen fiir Localbahnen bildeten einen erheblichen Theil der ersten wirthschaftlichen Tha- tigkeit der neuen Reichsrathssession. Erforderte auch die letztere Vorlage eine kraftige Vertretung, so kam dieselbe 286 Ignaz Konta. doch kaum in Anschlag gegeniiber den grossen Anstrengungen, deren die auf- rechte Erledigung der nun zum dritten Male dem Parlamente vorgelegenen Arl- bergfrage erheischte. Dank den gedie- genen Ausfuhrungen des Handelsministers, der sowohl im Ausschusse als in der Vollsitzung des Hauses mit wahrem Feuereifer ftir die Vorlage eintrat, gliickte es jedoch die meisten ihrer gewese- nen Gegner zu bekehren und tiber die Fahrlichkeiten, von denen spaterhin noch ausfuhrlicher die Rede sein wird, hinweg zu kommen. Der Erfolg war ein vollstandiger. Das Gesetz, betref- fend den Bau der Arlbergbahn, gen *) und die schon \vahrend seiner ver- fassungsmassigen Behandlung gegriindete, beziehungs\veise am 8. Mai 1880 errich- tete »O es t e rreichis che Localeisen- bahn-Gesellschaft«, welche fortan eine rege Thatigkeit auf dem Gebiete des Localbahnvvesens entwickelte. Zwei Localbahnen wurden iibrigens noch auf Grund von Specialgesetzen concessionirt, namlich die 3I’6 km lange Bože n-Mera n er Balin, welcher das Gesetz vom n. Marž 1876 einen Staats- vorschuss von 1,000.000 fl. zugesichert hatte, an den Grafen Anton Brandis in Gemeinschaft mit dem Ingenieur Heinrich B 6 h m, und auf Grund des Gesetzes vom Abb. 128. Langenschnitt der Arlbergbahn. erhielt am 7. Mai, und jenes hinsichtlich der Bedeckung des im Jahre 1880 ein- tretenden Erfordernisses ftir diesen Bau [2,100.000 fl.] am 30. Mai, jenes tiber die Zugestandnisse und Begtinstigungen ftir Localbahnen am 25. Mai die a. h. Sanction. Das letztere [kurziveg »L o c a 1 b a h 11- Gesetz« benannte], mit einer Giltig- keit bis 31. December 1882 ausgestat- tete Gesetz ermachtigte die Regierung, bei Concessionirung neuer Localbahnen mannigfache Erleichterung in Bezug auf die Vorarbeiten, den Bau und Betrieb eintreten zu lassen und eine dreissigjahrige Steuerfreiheit zu ge- wahren. Im Zusammenhange damit stand die Verordnung vom 29. Mai 1880, in welcher jene Erleichterungen naher angegeben und auseinanderge- setzt wurden. Die Folge desselben wa- ren zahlreiche Concessions-Bewerbun- 1. Juni 1879 die 20'i km lange Linie Caslau-Zawratetz nebst Abzwei- gung Skowitz-Bučic an die Bau- unternehmung Schon & W e s s e 1 y in Gemeinschaft mit dem Ingenieur Hermann Ritter v. Schwind. [Die erstgenannte Bahn gelangte am 5. October 1881 und die letztgenannte Linie streckemveise vom 1. November 1880 bis 14. Februar 1882 zur Eroffnung.] Um einer allfalligen Sicherstellung der von der Pilsen-Pries en er Bahn unausgefiihrt gelassenen Linie Mlatz- Johann-Georgenstadt, als Local- bahn, Raum zu schaffen, erklarte die Kund- machung des Handelsministeriums . vom 6. Mai 1880 die Concession ftir diese Linie [siehe Seite 107] als erloschen. *) Ueber die auf Grund des Localbahn- Gesetzes concessionirten Linien folgt im Ab- schnitte »Localbahmvesen in Oesterreich« von P. F. Kupka eine Gesammtnachweisung. Bludcnz Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 287 Abb. I2g. Brucke uber die Oetzthaler Ache. [Innsbruck-Landeck.] [Nach einer photogr. Aufnahme aus der Bauzeit der Arlbergbahn.] Alle sonstigen Vorbereitungen zu weiterem riihrigen Schaffen blieben fur den Freiherrn v. Korb nutzlos, da er schon am 26. Juni 1880 zuriicktrat. Sein am selben Tage ernannter Nach- folger, Alfred Ritter v. K r e m er-Aurode, vollzog am 17. Juli 1880 die Uebernahme der Erzherzog Albrecht-Bahn in den Staatsbetrieb [siehe Seite 273], con- cessionirte etliche Localbahnen und fiihrte zu Ende des Jahres 1880 die Vergebung des Baues des Arlberg-Tunnels sowie die Verhandlungen mit der Kaiserin Elisa- beth-Bahn durch, aus denen das Ueber- einkommen vom 24. December 1880 her- vorging, welches die Betriebsiibernahme und die eventuelle Einlosung dieser Bahn durch den Staat zum Gegenstande hatte. Mehr fiir das Eisenbahnwesen zu vollbrin- gen ward ihm nicht beschieden; denn neuerliche Verschiebungen in den Partei- verhaltnissen des Abgeordnetenhauses veranlassten auch ihn, sein Amt, das er kaum erst sechs Monate inne hatte, am 14. Januar 1881 niederzulegen. Der innerhalb so kurzer Zeit dritte Handelsminister, Felix Freiherr von Pino- Friedenthal, stand hingegen gleich vom Tage seiner Ernennung [14. Januar] an, nicht auf schwankem Boden; das Cabinet war nunmehr ein homogenes, und fand seine Stiitze in einer festgeschlossenen und [wie ihr Fiihrer, Graf Hohen- wart, sich ausdrilckte] »als grosse Partei organisirte« Mehrheit des Abgeordneten¬ hauses. Freiherr von Pino konnte daher mit Aussicht auf guten Erfolg ein e rege Thatigkeit entfalten und that dies auch in vollstem Masse. Zunachst widmete er sich der von seinem Amtsvorganger eingeleiteten Verstaatlichung der Kaiserin E 1 is ab eth-B a h n. Dieses grosse Vor- haben hatte seinen Ursprung erstens: in der Nothwendigkeit, das in den Staats¬ betrieb ubergegangene Netz derKronprinz Rudolf-Bahn und die auf Staatskosten zur Ausfiihrung gelangende Arlbergbahn durch staatliche Linien sowohl unterein- ander, als auch mit der Hauptstadt des Reiches in Verbindune: zu brinnen: zvveitens: in dem Streben nach Verwirk- lichung des Gedankens, welcher dem Gesetze vom 14. December 1877 zu Grunde gelegen, d. h. der Zuruckfiihrung des Eisenbahnvvesens in die Eigenver- 288 Ignaz Konta. vvaltung des Staates, wie dies, neben vielen anderen wirthschaftlichen und politischen Umgestaltungen, insbesondere in Deutschland mit seinem aus dem grossen siegreichen Kriege gevvonnenen Macht- und finanziellen iViitteln kraftigst ins Werk gesetzt — und auch schon in Ungarn zum Principe erhoben wurde. Der Handelsminister v. Kremer hatte zu diesem Zvvecke die Verstaatlichung der Stidbahn geplant, und, nachdem diese sich als unthunlich ervvies, den Zusammen- schluss der Kronprinz Rudolf-Bahn mit den Niederosterreichischen Staatsbahnen, bei gleichzeitiger Verlangerung der letz- teren bis an die allenfalls auch zu ver- staatlichende Wien-Aspang-Bahn. Als jedoch auch dieses Project, theils anjder minderen Zweckdienlichkeit, theils an dem Kostenpunkte, scheiterte, fasste er die Verstaatlichung der Kaiserin Elisabeth- Bahn ins Auge, und lud die Verwaltung derselben am 13. November 1880, unter Hinweis auf § 6 des Gesetzes vom 14. December 1877 [siehe Seite 252 ], zu Ver- handlungen ein, denen folgende Antrage der Regierung zur Grundlage dienen sollten: Uebernahme des ganzen Netzes der Kaiserin Elisabeth-Bahn mit I. Januar 1881 vorderhand in den staatlichen Be- trieb; Leistung der garantiemassigen Annuitaten ftir die Verzinsung und Tilgung der Prioritaten; Gewahrung einer jahr- lichen Rente von 11 fl. Banknoten ftir jede Stammactie, beziehungsweise 10 fl. Silber ftir jede Actie II. und III. Emission ; vollstandige Erwerbung der Bahn durch den Staat, sobald die Wahrungsstreitig- keiten mit den Prioritaten-Besitzern bei- gelegt sind, und sodann Umtausch der gesellschaftlichen Titel gegen staatliche Goldobligationen. Die Gesellschaft hatte damals gerade sehr viel unter jenen Streitigkeiten zu leiden, und war eben im Begriffe, mit den Prioritaren einen kostspieligen Aus- gleicn einzugehen, dessen Zustande- kommen jedoch von der schtvierigen Bedingung abhangig blieb, dass seine Rechtsgiltigkeit ftir die deutschen Gerichte staatlich gewahrleistet werde. Die M 5 g- lichkeit derFortdauer derCoupon-Processe und der Unsicherheit in dem Ausmasse der Actienverzinsung stimmte den Ver- waltungsrath recht willig zum Eintritte in die Verhandlungen mit der Regierung, von denen er ubrigens eine Erhohung der Actienrente und die Uebernahme der Valuta-Differenzen zu Lasten des Staates erhoffte. In ersterer Beziehung zeigte sich die Regierung entgegenkommend, indem sie die Rente um einen halben Gulden pro Actie der I. und II. Emission erhOhte; dieTragung der aus demCoupon- streite etwa hervorgehenden Mehrzahlun- gen lehnte sie aber rundweg ab, und gestattete schliesslich nur die Heran- ziehung der gesellschaftlichen Reserve- fonds zu diesen Leistungen. Auf diesen Grundlagen wurde das Uebereinkommen vom 24. December 1880 aufgebaut, vvelches auch schon die Be- dingungen ftir die ganzliche Erwerbung der Bahn umfasste, namlich: Die Be- rechtigung des Staates zur jederzeitigen Einlosung der Bahn; Gebrauchmachung von diesem Rechte erst dann, \venn der Prioritaten-Dienst keine Mehrlasten ver- ursacht [d. h. nach der Beilegung der Coupon-Processe]; Eintritt des Staates als Selbstschuldner ftir die Prioritats- Anlehen von nom. 87,782,000 fl.; Aus- tausch der Actien gegen staatliche, mit 5°/ 0 in Gold verzinsliche, binnen 85 Jahren ruckzahlbare Eisenbahn-Schuldverschrei- bungen im Gesammt-Nennwerthe von 59,000.000 fl. o. W. Gold, wobei je eine Stammactie mit 190 fl., eine Actie II. Emission mit 168 fl., und eine Actie III. Emission mit 160 fl. be- werthet und den einzelnen Actionaren freigestellt wird, den Fortbezug der oben- erwahnten Renten ftir die Zeit bis zur Tilgung des Titels zu wahlen;*) Ueber¬ nahme des gesammten Dienstpersonals unter Wahrung seiner ervvorbenen Rechte. Gleich nach dem Abschlusse des Uebereinkommens berief der Verwaltungs- rath eine ausserordentliche Generalver- sammlung auf den 31. Januar 1881 ein, deren Verlaufe allenthalben mit grosser Spannung entgegengesehen wurde, weil aussergewohnlich zahlreiche Anmeldungen einliefen. Ebenso gross war die Ent- *) Die Regierung hatte sich vorbehalten, statt der 5 0 / O igen nur 4°/ 0 ige Schuldverschrei- bungen im Nominalbetrage von 74,000.000 fl. Gold zu erfolgen. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. Abb. 130. Die Arlbergbahn bei Roppen [Roppener Wasserleitungl. tauschung, als die erschienenen 90 Actio- nare, welche 55.731 Actien und 1378 Stimmen vertraten, den Bericht des Ver- waltungsrathes lautlos anhorten, das Uebereinkommen ohne jede Frage und Antwort mit allen gegen drei Stimmen annahmen, und, fiir den Fali der Ein- losung der Bahn, die Liquidation der Gesellschaft beschlossen. Man wollte diese Erscheinung darauf zuriickfiihren, dass Finanz-Institute, \velche sich der Regierung gefallig erweisen wollten, viele »Stiicke« [so z. B. die Landerbank allein bei 24.000] und »Actionare« beigestellt hatten. Dies kann jedoch wenigstens insoferne nicht fur zutreffend gelten, als unter den vielen Anwesenden sich denn doch Jemand gefunden hatte, um Ein- sprache zu erheben, wenn diese berechtigt gewesen ware. Von Ergebung oderUnter- wiirfigkeit konnte also nicht die Rede sein. Die Theilnehmer wussten vielmehr genau, was sie thaten, indem sie gerne auf den Gliicksfall manchmaliger hoherer Dividen¬ den verzichteten, um sich dafiir eine gute, unter Garantie des Staates stehende Rente zu sichern; sie hatten alle Ursache, mit dem Uebereinkommen wohl zufrieden zu sein. Aus diesem Umstande schmiedeten nun aber die neuen oppositionellen Parteien des Abgeordnetenhauses manche Waffe gegen das Uebereinkommen, welches am 22. Februar 1881 vor den Reichsrath gelangte. Der besonders ausfuhrliche Motivenbericht zu dieser Vorlage zahlte alle die Grtinde auf, welche die Regierung vermocht hatten, auf dem in Gemassheit des Gesetzes vom 14. December 1877 eingeschlagenen Wege in so bedeutsamer Weise vorzuschreiten; er besprach ins- besondere die Nothwendigkeit, »Eisen¬ bahnen, an welchen der Staat in iiber- wiegendem Masse finanziell betheiligt ist, und welche Verkehrsrichtungen verfolgen, denen eine besondere staatswirthschaft- liche und handelspolitische Wiclitigkeit zukommt, der unmittelbaren Verfiigung des Staates zu unterstellen, wie dies in den Nachbarstaaten bereits in der Haupt- sache geschehen ist«; er wies weiter den Fortgang der Eisenbahn-Verstaat- lichung in jenen Staaten ziffermassig nach, desgleichen die Ersparnisse und sonstigen vvirthschaftlichen Vortheile der Vereinigung der Kaiserin Elisabeth-Bahn, der Kronprinz Rudolf-Bahn, der Linie Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 19 290 Ignaz Konta. Tarvis-Pontafel, derNiederosterreichischen Staatsbahnen, der Donauuferbahn, der Braunau-Strasswalchener Balin, der Arl- bergbahn und der Vorarlberger Bahn zu einem einheitlichen Staatsbahnnetze; er legte dar, wie sehr dieses Netz die Tarif- politik des Staates fordere und dem Durch- zugsverkehre nach dem Westen zustatten kame und erklarte unumwunden, dass »die Ervverbung der Kaiserin Elisabeth- Bahn eine wichtige und nothwendige Erganzung jener Massnahmen sei, von deren rechtzeitiger Durchfiihmng es ab- hangt, ob in Oesterreich die Institution des Staats-Eisenbahnbetriebes sich wieder dauernd einburgern oder nur die Zahl der voriibergehenden Versuche vermehren soli, die nach wechselnden Tagesstro- mungen auf verkehrspolitischem Gebiete einander in rascher Folge abgelost haben«. Trotzdem wurde die Vorlage, wie gesagt, heftig bekampft. Parteien und Personen, die friiher bei den Erorte- rungen der verschiedenen Sanirungs- und Fusionsvorlagen immer wieder die Verstaatlichung verlangt hatten, kehrten sich jetzt gegen dieselbe, theils aus, grundsatzlichen, theils aus finanziellen, vonviegend aber aus politischen Be- weggriinden. Dies geschah zunachst im Eisenbahn-Ausschusse, dessen Mit- glieder, soweit sie uberhaupt der Ver- staatlichungs - Action zugethan waren, weitergehendere Cautelen gegen etwaige aus den Valuta - Schwankungen sich ergebende Mehrleistungen im Falle der ganzlichen Einlosung der Bahn, sowie Bestimmungen verlangten, \velche den Zweck der Action im Gesetze selbst zum Ausdruck bringen und vorbeugen sollten, dass die Regierung den Betrieb wieder aus den Handen gebe. Als die letztere sich mit den Aenderungen ein- verstanden erklart und der Ausschuss die Vorlage endlich angenommen hatte [23. Marž], erfuhr dieselbe sodann im Abgeordnetenhause selbst womoglich noch scharfere Angriffe. Die Berathungen, bei denen die politischen Parteien sich in geschlossenen Reihen gegenuberstanden, wah rt en vom 5. bis 7. April sozusagen Tag und Nacht, liessen mitunter recht deutlich erkennen, dass der Widerstand auch hi er einen mehr politischen Hinter- grund habe, und endeten bei der nament- lichen Abstimmung mit der Annahme des Gesetzes. Damit war jedoch nicht wie sonst schon das Meiste gewonnen; denn im Herren- hause besass die Verfassungspartei noch die Mehrheit und was gewartigen liess, dass sie den Kampf ihrer im Abgeord¬ netenhause unterlegenen Parteigenossen fortsetzen werde. Dies war auch wirklich der Fali und zeigte sich gleich bei den Vorberathungen in der Eisenbahn- und Finanz - Commission, welche zwar er¬ klarte, keinescvegs gegen die Verstaat¬ lichung zu sein, doch aber das Ueber- einkommen sowolil wegen der darin festgesetzten Goldzahlung, wie auch im Hinblicke auf die noch andauernden Coupon-Processe, als ein fur den Staat viel zu ungiinstiges bezeichnete. [2. Juni.] Die Entscheidung des Herrenhauses war also leicht vorauszusehen; es kam jedoch vorlaufig zu keiner solchen, da der Reichsrath am 4. Juni plotzlich ver- tagt wurde. Die Regierung pflog nun neuerliche Verhandlungen mit der Gesellschaft, um dieselbe zu bewegen, dass sie von der bedungenen Goldzahlung des Staates ab- sehen und sich mit einer etwas erhohten Zahlung in Silber begnugen mbge. Dies misslang und die Verhandlungen hatten blos die Verlangerung der am 30. Juni ablaufenden Giltigkeit des Uebereinkom- mens bis Ende 1881 zum Ergebnisse. Das hieriiber ausgefertigte Protokoli vom 28. Juni wurde seitens der ausserordent- lichen Generalversammlung vom 30. Juli 1881 genehmigt. Das ganze Vorhaben und mit ihm auch das Verstaatlichungs-Princip selbst erschien nun gefahrdet, so zwar, dass bereits ein Verkauf der Kronprinz Rudolf- Bahn oder etwa deren Auftheilung an die Nachbarbahnen nicht blos von aussen angeregt, sondern auch an massgebender Stelle in Betracht gezogen wurde. Die Raben der Societe belge flatterten wieder auf und die von der noch jugendfrischen Landerbank damals geplante »Eisenbahn- betriebs-Gesellschaft« fur die schon ver- staatlichten oder auf Grund des Seque- strations-Gesetzes noch vom Staate zu Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 29I ubernehmenden Bahnen horte auf, ein blošses Phantom zu sein. Knapp vor der Wiedereroffnung des Reichsratlies bemiihte sich der Handels- minister die eigens einberufene Eisenbahn- Commission des Herrenhauses zur Er- neuerung ihrer Verhandlungen zu bewegen [18. November], sie lehnte dies ab. Zwei Tage spater verlautbarte das Amtsblatt die Ernennung einer Reihe neuer Mit- glieder des Herrenhauses und nach weiteren zwei Tagen wurde die Vollsitzung des- selben zur Berathung der Vorlage an- beraumt. Sie solite am II. December beginnen, wurde aber infolge der Ring- Eisenbahnbetrieb in Wien« und die Ernennung des — schon 1881 in den Verwaltungsrath gewahlten und in der eben erwahnten Venvaltungs- raths-Sitzung [ab 1. Januar 1882] in den Ruhestand getretenen — General- Directors der Kaiserin Elisabeth-Bahn, Sectionschef Alois von C z e d i k, zum provisorischen Vorstande dieser Direction, mittels Kundmachung des Handesmini- steriums vom 27. December 1881 ver- lautbart wurde. Am 1. Januar 1882 ward also die Schaffung eines grossen staatlichen Be- triebsnetzes zur vollendeten Thatsache. theater - Katastroplie auf den Abend des 12. December verschoben und am 13. fort- gesetzt, beziehungsweise abgeschlossen. Die Debatten waren iiberaus erregte und gaben Zeugnis von dem schroffen Gegen- satze der politischen Parteien. Die Abstim- mung ergab indessen die Ablehnung des Commissions-Antrages und die Annahme der Vorlage, welche dann durch die a. h. Sanction vom 23. December 1881 zum Gesetze erwuchs. Nun traf die Regierung alle Vor- kehrungen zur rascben Durclifilhrung des- selben. Am 24. December erhielt der Verwaltungsrath, bei gleichzeitigem Aus- drucke der dankenden Anerkennung fiir seine vieljahrigen, erspriesslichen Lei- stungen, die Verstandigung von der Uebernahme des Betriebes durch den Staat, welche gleichwie die Bestellung einer »K. k. Direction fur S ta at s- Am selben Tage traten auch die Ver- einbarungen iiber die gesellschaftliche Betriebsfuhrung auf der Braunau-Strass- walchner Bahn [siehe Seite 222] und die Mitbentitzung der neuen Strecke der Donauuferbahn [siehe Seite 282] ausser Kraft. Die weitere Organisirung des Staats- betriebes fand im ersten Halbjahre 1882 statt, ihre Grundlage bildete das mit a. h. Entschliessung vom 24. Februar ge- nehmigte und mittels Verordnung des Handelsministeriums vom 26. Februar 1882 kundgemachte Statut, das zwar nur den Titel »Grundziige fiir die Organi- sation des Staatsbetriebes auf den west- lichen Staatsbahnen und vom Staate be- triebenen Privatbahnen« ftihrte, gleich- wohl aber umfassende Satzungen fiir die neue Institution enthielt, von denen jedoch hier nur die zur Umralimung des Ganzen 19- 292 Ignaz Konta. gehorenden Hauptbestimmungen hervor- gehoben sein sollen, da sie anderen Orts ausfuhrlicher erortert werden. *) Das Statut bestimmt zunachst, dass zur Fiihrung des Betriebes der oben ge- nannten Bahnen eine ausserhalb des Handelsministeriums stehende, jedochdem- selben unmittelbar untergeordnete Central- Verwaltungsstelle mit dem Sitze in Wien errichtet werde, vvelchedie »K. k. Direction fiir Staats-Eisenbahnbetrieb in Wien« sowie den »Staats - Eisenbahnrath« in sich schliesst und einen von Sr. Majestat dem Kaiser ernannten Prasidenten zum Vor- stande, beziehungsweise Vorsitzenden hat; es bezeichnet ferner diejenigen Ver- waltungs - Angelegenheiten, welche dem Handelsministerium selbst vorbehalten bleiben, regelt den Wirkungskreis der einzelnen Factoren der Central - Ver- waltungsstelle, wie auch die Zusammen- setzung des Staats-Eisenbahnrathes, dann den Wirkungskreis der Direction und die Gliederung des Executiv - Dienstes, zu dessen Besorgung die »K. k. Ober-Bahn- betriebsamter« eingesetzt wurden. Wahrend die Einrichtung der letzteren und der Dienststellen der Direction zu Ende gedieh, ubertrug das Handelsmini¬ sterium mittelsKundmachungvom 19. Juni 1882 die Befugnisse, welche dem k. k. Betriebsverwalter der Kronprinz Rudolf- Bahn und der Ministerial - Commission fiir die Verwaltung der k. k. Nieder- osterreichischen Staatsbahften [sammt der Donauufer - Bahn] eingeraumt gewesdn waren, an die Direction, und mit' a. h. Entschliessung von 24. Juni erfolgte die Ernennung ihres provisorischen Vor- standes, Alois Czedik von Briindels- b erg, zum Prasidenten. Da inzwischen — auf Grand des Gesetzes vom 14. December 1877 und des Protokollar-Uebereinkommens vom 25. August 1869 [siehe Seite 74], welehes *) Naheres im Abschnitte »Verwal- tungs-Geschichte der osterreichischen Eisen- bahnen« von Dr. Alfr. Freiherr Buschman. Eine Analyse der Administration ist auch in der »Geschichte des Eisenbahnwesens« von Dr. Theodor Haberer, Wien 1884, ent- halten, ebenso im XVI. Jahrgang von K o n t a’s Eisenbahn-Jahrbuch ein Abdruck der wesent- lichen Punkte der Verordnung vom 26. Fe¬ bruar 1882. seit der Inangriffnahme der Arlbergbahn Actualitat erlangt hatte — auch die Uebernahme der Vorarlberg er Bahn in denStaatsbetri.eb verfiigt und, ebenfalls am 24. Juni, amtlich kund- gemacht worden war, fiel auch diese Bahn schon unter die am I. Juli 1882 punktlich und regelrecht begonnene Wirk- samkeit der k. k. Direction fiir Staats-Eisen¬ bahnbetrieb. Nach aussen hin war ihre erste That eine Herabsetzung der Fahr- preise auf allen Linien der westlichen Staatsbahnen. Die Meinung, dass der wiedererstandene staatliche Eisenbahnbetrieb nunmehr j eden Zvveifel an den Neubeginn der Herrscbaft des Staatsbahn-Principes ausschliesse, wurde gar bald, wenn auch nur voriiber- gehend, erschiittert, und zwar durch den am 5. April 1881 vor das Abgeordneten- haus gelangten Gesetzentwurf liber die Sicherstellung der Galizischen Trans- versalbahn, mit welchem abermals auf die Concessionirung zuriickgegriffen wurde. Das allgemeine Staunen hieriiber war umso grosser, als in diese Bahn bereits bestehende staatliche Linien zu liegen kamen und dieselbe neben _ den wirthschaftlichen auch bedeutenden ge- sammtstaatlichen Interessen zu dienen be¬ stimmt war. Es waren jedoch die Betrach- tungen iiber die auffallige Erscheinung kaum in vollen Gang gekommen, als schon der Umschwung eintrat. Der Eisen- bahn- Ausschuss verlangte gleich von vornherein den Staatsbau; der Handels- minister erklarte sich sofort mit der Aenderung einverstanden und vertrat die¬ selbe auch im Parlamente, welcbes — wie spater des Naheren dargelegt wird — die V orla ge nach heftigen Erorterun- gen annahm. Auch diese erhielt no.ch vor Ablauf des Jahres 1881, namlich am 28. December die a. h. Sanction und wurde, als Gesetz betreffend den Ausbau der Galizischen Trans- versalbahn — unverweilt kundge- macht. Dasselbe verfiigte, dass die zu dieser Bahn noch fehlenden Strecken: Saybusch-Neu-Sandec, Grybow- Zagorz, Stanislau-Husiatyn [letz- tere als Localbahn] mit einem Aufwande von hochstens 24,000.000 fl. auf Kosten des Staates ausgefuhrt werden. Rtick- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 293 sichtlich der grossen Bahnen blieb also die Concessionirung vermieden. Jene der Localbahnen nahm hingegen einen immer grosseren Aufschwung. Von allen Seiten stromten die Bewerber um Concessionen von Localbahnen herbei und mannigfache Bauunternehmungen \vidmeten sich fast ausschliesslich der Pflege dieses neuen Zweiges des Eisen- bahnwesens; eine derselben — Johann Muzika und Karl S c h n a b e 1 — bildete im Vereine mit der Landerbank und noch regama - zum Baue einer von Wien nach O o diesen Ortschaften fuhrenden Dampf- tramway gegeben und sich auch um die beziigliche Goncession beworben. Der Handelsminister entsendete nun eine eigene Commission nach Italien, wo zu .j en er Zeit schon ganze Netze solcher Anlagen bestanden, um das Wesen und die Niitzlichkeit derselben an Ort und Stelle zu erheben. Der Bericht dieser Commission*) lautete so giinstig, dass fortan auch mit dieser Gattung von Eisen- Abb. 132. TJebersetzung- des Innthales bei Landeck. [Original-Aufnahme von Anton Hlavaček.] anderen Finanzinstituten eine eigene Ge- sellschaft zum Baue von »Verbindungs- bahnen in Bohmen«, die bei ihrer am 3. November 1881 erfolgten Gonstituirung die Firmabezeichnung »Bohmische C o m m er z i alb a h n en« wahlte, mit einem Stammcapitale von 4,560.800 fl. ausgestattet war und ihre Thatigkeit so- gleich eroffnete. Damals reiften auch die ersten Pro- jecte der Dampftramways in Oester- reich. Die Miinchener Locomotivfabriks- Firma Krauss & Comp. hatte, zuriick- greifend auf die alten Bestrebungen, fiir die Schaffung guter Verbindungen zwi- schen Wien und seinen ausserhalb des Eisenbahn-Verkehres gebliebenen Um- gebungen, insbesondere auf die schon in den Jahren 1872 und 1873 vorcon- cessionirt gewesenen Linien Wien-Mauer- Modling, beziehungsweise Briihl, die An- bahnen zu rechnen blieb. Mancherlei Schwierigkeiten [der Protest der Siidbahn, die Neuheit des Systems, die Fuhrung der Bahn mitten durch die Ortschaften etc.] verzttgerten jedoch den Beginn der Versuche. Krauss & Comp. erhielt erst am 30. Juli 1882 die Goncession fiir die iO'4 km lange Linie Hietzing-Perchtolds- dorf, die am 27. October 1883 eroffnet *) »Bericht uber die Concessionirung, den Bau und Betrieb der Dampftramways in Italien. Mit besonderer Berucksichtigung der Dampftramways in den Umgebungen von Florenz und Mailand. Infolge Auftrages des k. k. Handelsministeriums erstattet von Franz Schulz,, k. k. Regierungsrath und Ober-Inspector der k. k. General-Inspection der osterreichisclien Eisenbahnen, Julius Gl ti c k, Inspector der k. k. General-Inspection der osterreichisclien Eisenbahnen, Dr. Max Freiherr von Buschman, k. k. Ministerial- Vice-Secretar im Handelsministerium.« TWien, 1882.] 294 Ignaz Konta. wurde. In den Jahren 1885 und 1886 kamen dann die Erganzungsstrecken Wien-Hietzing [3 ‘3 km], Perchtoldsdorf- Modling [33 km] und Plietzing - Ober- St. Veit [2‘4 km] hinzu, nachdem die- selbe Firma am 3. April 1884 auch fiir die 26'1 km lange Linie Wien-Stammers- dorf-Gross-Enzersdorf die Concession er- halten hatte. Diese Linie wurde am 7. Juni 1886 eroffnet. Das waren, wie gesagt, die ersten Dampftramways in Oesterreich, die bald vielfache Nach- ahmung fanden. Eine der wesentlichsten Schwierig- keiten, welche der Dampftramway Wien- Perchtoldsdorf entgegen gestanden, war die Bedachtnahme auf die W i e n e r Stadtbahn, welche zu jener Zeit gleichfalls von Neuem projectirt wurde, und zwar vornehmlich von den Eng- landern Ed. Jenkins, Josef Fo gerty und James C. Bunten. Man brachte diesem Projecte allseitig das lebhafteste Interesse entgegen und freute sich, als Fogerty am 25. Januar 1883 die Con¬ cession fiir die »Wiener Gurtelbahn« er- hielt. Als jedoch die Detailplane bekannt geworden waren und gezeigt hatten, dass diese Bahn nicbt einmal recht zu den Vororten hinausreiche, also die von ihr erhoffte Aufschliessung neuer An- siedlungsbezirke nicht biete und oben- drein durch ihre Fiihrung auf eisernen Viaducten die Schonheit der Stadt beein- trachtigen sollen, da wurde sie iiber die Massen angefeindet. Das vereitelte auch die Finanzirung. Schliesslich ging Alles in die Briiche; die Caution von 1,000.000 fl. verfiel und die »Stadtbahn« blieb noch vveitere flinfzehn Jahre ungebaut. Der stetig zunehmenden Localbahn- Bewegung sahen auch die alten Plaupt- bahn-Unternehmungen nicht miissig zu; die Prag-Duxer Bahn erwarb am 30. September 1881 die Concession fiir die Secundarbahn Zlonic-PIospozin, 8 km lang, und am 23. December 1882 jene fiir die nunmehr als Localbahn auszu- fiihrende Strecke Klostergrab-Mulde [siehe Seite 262], 15-9 km lang; die Buschtš- hraderBahn*) erwarb am 17. Mai 1882 *) Am 14. November 1S81 verlor die Bustž- hrader Bahn durch das Ableben des General- Directors Josef Ritter von Kress ihren lang- die Concession fiir die 123 km lange Localbahn Krupa - Kolleschowitz; die Siidbahn erwarb am 21. Juni 1882 die Concession fiir die 67 km lange Localbahn Liesing - Kaltenleutgeben, am 23. August 1882 jene fiir die 43 km lange Secundarlinie Modling-Hinterbriihl — die erste elektrische Bahn in Oesterreich und am 2. Juni 1884 jene fiir die 30'9 km lange Localbahn Spielfeld- Radkersburg; die Carl Ludwig-Bahn iibernahm am 11. Juli 1882 die am 22. No¬ vember 1881 dem Consortium des Fiirsten Adam Sapi eh a verliehene 146^9 km lange Localbahn Jaroslau-Sokal; die Bohmi- sche Nordbahn envarb am 4. August und beziehungsvveise 26. December 1885 die Concessionen fiir die 43 km lange Localbahn Bohmisch-Kamnitz—Stein- schonau und fiir die 4’8 km lange Lo¬ calbahn Rohrsdorf—Zwickau; die Lem- berg-C z ern o witz-J a s sy-E isenbahn erwarb am 8. Januar 1886 die Concession fiir die 88'4 km lange Localbahn Lem- berg-Belzec [Tomaszow], fiir die sie aber nachher eine eigene Gesellschaft errich- tete; die Staatseisenb ah n -Gesell¬ schaft erwarb am 21. August 1881, be- ziehungsweise 28. December 1882,11. Marž 1883, 15. Januar, 3. Juli und 22. October 1884, 6. Januar und 5. November 1886 die Concessionen fiir siebzehn Localbahnen in der Gesammtlange von 397 km. Die letztervvahnten Concessionirungen umfassten auch die Linien Segen Gottes- Okfiško und Briinn-[Schimitz-]Vlarapass, welche mit der Z\veitheilung der osterreichischen Staatseisen- bahn-Gesellschaftim Zusammen- hange standen. Dieses wichtige Ge- schehnis hatte seinen Ausgang in den schon vorlangst eingetretenen Zervviirf- nissen zwischen der Gesellschaft und der koniglich ungarischen Regierung, welch letztere in dem Streben, nach »Verselbst- standigung der Verkehrsinteressen des Landes«, stets dem \Viderstande jener begegnete. Die Riickwirkung dessen ausserte sich insbesonders darin, dass die Gesellschaft keines ihrer grosseren jahrigen Geschaftsleiter; an seine Stelle trat am 22. December 1881 der bisherige gesellschaftliche Betriebs-Director "VVilhelm ! Kretschmer. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 295 ungarischen Eisenbahn-Projecte [Kikinda- Belgrad, Budapest-Semlin, Ofen-Raab- Wien] mehr durchzusetzen vermochte, sogar den schon vollzogenen Ankauf der Waagthalbahn fallen lassen musste.*) An- fangs Marž 1882 gewann es den An- schein, als ob der seit Jahren im Stillen fortgeftihrte Kampf endlich aufhoren solle. Die Ge- sellschaft be- warb sich da- mals neuer- dings um die Concession fiir die Linie Ofen- Uj-Szonynebst Abzweigung zum Graner Kohlenbecken, verzi chtetehie- bei auf die Staatsgarantie und rnachte sich erbotig, der Regierung die freie Tarif- bestimmung fiir diese Linie zu iiberlassen. Nur zu bald zeigte sich je- doch, dass die Hoffnung auf eine nunmeh- rige Besserung des Verhaltnis- ses eine triige- rische gewe- sen und die Re¬ gierung ernst- lich an den Bau einer Pa- rallelbahn denke. Darob in Schrecken versetzt, machten die Pariser Grossactionare mit Hilfe einer kleinen Palastrevolution dem bedrohlichen Zustande ein Ende. Sie traten, mit Umgehung der Wiener Geschaftsleitung, in Beziehungen zur koniglich unga¬ rischen Regierung und vereinbarten mit derselben, nach kurzen vertraulichen *) Vgl. Bd. III, J. Gonda: Geschichte der Eisenbahnen in Ungarn seit 1867, S. 404 und ff. Verhandlungen, binnen drei Tagen einen Vertrag, welcher den Frieden mit der ungarischen Regierung her- stellte, aber auch die Einheitlichkeit des Unternehmens aufhob und die alten Traditionen der Gesellschaft himveg- wischte. Die von Seite der letzteren Hauptbetheiligten an diesen Vorgangen waren der Fi- nanzier Edm. Joubert, der iiber die Mehr- heit der Actien verfiigte, dann der Secretar des Pariser Co- mite A. Ronna und der Bau- director Aug. de Serres. Am 17. April kamen die Punctationen zu Stande und am 21. April wurde die ferti- ge Abmachung dem nicht we- nig iiberrasch- ten Verwal- tungsrathe wie auch der Oeffentlichkeit mitgetheilt, worauf der Ge¬ neral - Director Emil K o p p sofort zuriick- trat. Abgesehen von denjeni- gen Bestim- mungen, deren Erorterung ausschliesslich in das Capitel iiber die ungarischen Eisenbahnen gehort, umfasste der Vertrag noch die folgenden Flauptpunkte: Er- richtung eines selbstandigen Verwaltungs- rathes und einer ebensolchen Direction fiir die ungarischen Linien mit dem Sitze in Budapest; Berechtigung der koniglich ungarischen Regierung, das staatliche Einlosungsrecht riicksichtlicli der ungarischen Linien unabhangig von den osterreichischen schon vom I. Januar 1895 Abb. 133. Aquaduct unter der Rauriser Muhre bei Strengen. [Arlbergbahn.] 296 Ignaz Konta. an jederzeit ausiiben zu konnen; Aus- tausch der Linie Bruck - Uj - Szony gegen die Waagthalbahn; Gleichhaltung der Tarifs - Einheitssatze der Strecke Wien- Bruck mit denjenigen, welche die Koniglich Ungarischen Staatsbahnen fiir die Strecke Uj-Szony-Bruck einfiihren; Vereinbarung von Cartellen liber die Theilung des Verkehrs; gegenseitige Einstellung jeg- licher Concurrenz. Kaum bekannt geworden, erregte die Abmachung ebenso grosses Aufsehen als arge Befiirchtungen hinsichtlich der Handelsinteressen der westlichen Reichs- halfte und insbesondere des Wiener Platzes. In den offentlichen Blattern, im Reicnsrathe und im Wiener Gemeinde- rathe, in der Wiener Handelskammer und Mehi- und Fruchtbbrse, in Ver- sammlungen und Vortragen wurde die Gefahrlichkeit des Vertrages eingehendst erwogen und die k. k. Regierung zurn Schutze der bedrohten Interessen auf- gerufen. Dem gerecht zu werden, war keine leichte Aufgabe; denn die k. k. Regierung befand sich vor einer voll- endeten Thatsache und konnte nur noch vermoge des Mitbestimmungsrechtes beziiglich der fiir die Umgestaltung der Gesellschaft erforderlichen Statutenande- rung einwirken. Das Handelsministerium wusste jedoch dieses Recht kraftig zu handhaben. Gleich in der ausserordentlichen Generalversammlung vom 10. Juni 1882, die sich iiber den zwei Tage vorher nun auch urkundenmassig ausgefertigten Vertrag mit der koniglich ungarischen Regierung aussprechen solite und, wie bei dem Stimmenaufgebote der fran- zosischen Actionare vorauszusehen \var, glattweg zustimmend aussprach, \vurde der Verwaltungsrath dur eh einen foe- sonderen Erlass des Handelsministers mit den Bedingungen vertraut gemacht, an deren Erfilllung die osterreichische Regierung ihre Zustimmung zu den Statutenanderungen kniipfte. Sie verlangte vor Allem: Neufeststellung der Garantie- verhaltnisse des Erganzungsnetzes und gleichartige Festsetzungen sowohl hin¬ sichtlich des staatlichen Einlosungsrechtes als auch in Betreff der Verkehrsbegiin- stigungen fiir das osterreichische wie fiir das ungarische Netz, verschiedene Gautelen in Ansehung des Prioritaten- Capitals etc. Die Gesellschaft wusste also, noch bevor der »ungarische Ver¬ trag« rechtskraftig geworden, woran sie sei und der Prasident des Vertvaltungs- rathes betheuerte noch in der General¬ versammlung selbst, auch den Forderun- een der osterreichischen Regierung: be- reitvvilligst zu entsprechen. Die beziiglichen Verhandlungen be- gannen gleich, nachdem der General- Director K op p definitiv ausgeschieden und die Geschaftsleitung an den Stell- vertreter desselben, Oskar Binder, oder, richtiger gesagt, an den fortan allein mass-' gebenden Baudirector de Serres tiber- gegangen war. Die erste Conferenz fand am 5., die zweite am 11. Juli statt; die weiteren Besprechungen aber folgten nicht mehr so rasch und gestal- teten sich mitunter recht schwierig, weil das Handelsministerium an seinen For- derungen unabanderlich festhielt. Es wahrte daher bis in den Herbst, ehe die Delegirten der Gesellschaft sich voll- standig fiigten. Das eigentliche Ueber- einkommen kam sogar erst am 12. No¬ vember 1882 zum Abschlusse. Die Regierung erzielte damit »eine vollkommene Gleichstellung der commer- ziellen Interessen beider Reichshalften; besondere Zugestandnisse fiir den oster¬ reichischen Verkehr und fiir die Approvi- sionirung Wiens sowie in Betreff der Concurrenz mit den staatlichen Linien und auch der Kaiser Franz Josef-Bahn ;*) das Recht zur Einlosung sammtlicher osterreichischer Linien, sobald die konig¬ lich ungarische Regierung die dortigen Linien ab 1. Januar 1895 wann immer einlose; die Mitwirkung der Gesellschaft beim Ausbaue der Bohmisch-Mahrischen Transversalbahn durch die Ausfiihrung der Linie Segen Gottes-Okfiško und deren Fortsetzung bis an die ungarische Grenze gegen den Vlarapass; die Be- rechtigung zur Mitbeniitzung [Peage] sowohl der Linie nach Okfiško als *) In der Fursorge fiir diese Balin wollte man nicht blos eine Bedachtnahme auf den garantirenden Staatsschatz, sondern auch schon eine solehe auf die Ausdehnung der Verstaatlichungs-Thatigkeit erkennen. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 297 auch »der an dieselben anschliessenden gesellscliaftlichen Strecken bis zu j enem Punkte, wo in dieselben etwa kunftig dem Staate gehorige oder im Staats- betfiebe befindliche Bahnen einmunden werden, welche im Zusammenhange mit jenen Strecken eine Bahnverbindung des Nordostens der Monarchie mit Okfiško [Iglau] darstellen« [§ 8 des Ueberein- kommens]; die tarifarische Verfiigung auch iiber die Strecke Wien-Briinn fiir Verkehre nordostlicher Richtung [ab Briinn] vor und nach den etwa ktinftig anschliessenden, staatlichen Betriebslinien [§ 9 des Uebereinkommens]; die Siclie- rung einer Reihe noch anderer Lo- calbahnen. Das Handels- ministerium erntete hie- fur das Lob, dass dieses Uebereinkom- men »den bestgelunge- nenVertrags- abschliissen « .beizuzablen sei. Aber auch die Gesell- schaftbrauch- te sich nicht zu beklagen; sie konnte nun den Ver- trag mit der koniglich ungarischen Regierung zur Durchfiihrung bringen und die beziigliche Statutenanderung unbehindert vornehmen; sie hatte n eh e Anwartschaft auf die Ausbreitung auch ihres osterreichischen Netzes und stand nicht mehr unter dem Verdachte einer Beeintrachtigung des osterreichischen Interesses. Die ausserordentliche General- versammlung vom 21. December 1882 genehmigte das Uebereinkommen und die Statutenanderung, auf welcher die dualistische Gestaltung der Gesellschaft und deren nunmehrige Firma: »Priv. Oesterreichisch-Ungarische Staaatseisenbahn-Gesellschaft« beruhte, ferner die Geldbeschaffung fiir den Bau und die Enverbung neuer Linien im Wege der Ausgabe neuer Prioritaten [100.000 Stiick 3°/ 0 ige a 500 Francs sowie 4°/ 0 ige im Gesammtbetrage von 45,000.000 fl. in Gold] und wahlte den neuen, fiir jedes der beiden Netze gesonderten, Vorstand der Gesellschaft, dessen Wirksamkeit am 19. Marž 1883 begann. ' Vorher schon, namlich am 28. De¬ cember 1882, hatte sie die Concession erhalten fiir die mit einer 30-jiihrigen Steuerfreiheit ausgestattete Linie Se g en Gottes- Okf iško nebst Zweigbahn nach Gross-Meseritsch, deren erste »vorlaufig«, die letztere aber dauernd als Secundarbahn auszufiihren bis spate- stens 1. Sep¬ tember 1885 zu vollenden und sodann fiir den Staat jederzeit ein- losbar waren. Die Eroif- nung dieser Linien fand am 4. und 13. Juni 1886 statt. Bei allen Jenen, welche davon absa- hen, diese Concessioni- rung als den Anfang der Sicherstellung der lang ersehnten, vom Vlarapass bis an die bayerische Grenze reichende Querbahn zu begriissen, er- weckte sie wenig Befriedigung; denri seit zwanzig Jahren war diese Bahn, als eine grosse handelspolitische Verkehrsstrasse, geplant und angestrebt, *) und, nachdem das Staatsbahn-Princip wieder auf den Schild gehoben war, als ein ivurdiges Object der staatlichen Eisenbahn-Bau- thatigkeit angesehen. Das Ueberein¬ kommen mit der Staatseisenbahn-Gesell- schaft bot Gelegenheit, und das Gesetz vom 26. December 1882, iiber die Ver- langerung der Wirksamlceit des Localbahn - Gesetzes bis E n de *) Siehe die spaterhin folgenden, umfas- senderen Mittheilungen uber die »Bohmisch- Mahrische Transversalbahn«. Abb. 134. St. Christof auf dem Arlberge. 298 Ignaz Konta. 1884, die Handhabe, noch weitere Trans- versalbahn-Strecken an diese Gesellschaft zu concessioniren. Sie erhielt auch that- sachlich am 22. October 1884 die Con- cession ftir die vorlaufig als Secundar- bahn herzustellende Linie Schimitz- [Brtinn] V 1 a r a p a s s, nebst eventuellen Abzweigungen nach Koritschan und Ostra, und zvvar unter Einbeziehung der ibrerseits angekauften Localbabnen Hradisch-Ungarisch-Brod und Bisenz- Gaya, wovon Briinn-Gaya am 10. October 1887, die Endstrecken aber erst Ende October 1888 eroffnet wurden. Das machte diese Transversalbahn zu einem merkwurdigen Gebilde; denn wenngleich ihre, nach diesen Goncessio- nirungen noch iibrigen Strecken auf Staatskosten zu Ausfuhrung kamen, \var dabei doch das System der blossen Luckenausfullung aufrecht erhalten ge- blieben. Das am 25. November 1883 a. h. sanctionirte Gesetz, betreffend den Bau der Bohmisch-Mahri- schen Transversalbahn, gilt nam- lich den im Artikel II genannten, west- warts von Iglau auf Staatskosten mit einem Aufvvande im Hochstbetrage von 27,300.000 fl. auszuftihrenden fiinf Zwi- schenstrecken [s. w. u.]. Die auf Seite der Regierung anfanglich beabsichtigt ge\vesene Zustandebringung der beiden Transversalbahnen im Wege der Goncessionirung diirfte am richtigsten als eine Reflexwirkung der alten Principien bezeichnet werden. Da diese Erscheinung aber die offentliche Meinung beirrt und formlich dazu gedrangt hatte, den lauten Wunsch nach einer genauen Bestimmung der -vvirklich geltenden eisenbahnpoliti- schen Grundsatze zu erheben, so konnten die von der Regierung nun der Reihe nach getroffenen anderweitigen Mass- nahmen als eine das Festhalten an der Verstaatlichung bekundende Anvvort auf jenes Verlangen gelten. Sie \vusste sich das sofort oder binnen Kurzem wirksam werdende Recht zur Einlosung noch einiger Privatbahnen zu ervverben, be- wirkte den Uebergang etlicher Staats- bahnen in den Eigenbetrieb des Staates, und sorgte auch ftir die Fortsetzung dreier staatlicher Linien. In ersterer Beziehung handelte es sich zunachst um die Turnau - Kraluper B a h n und die B 6 h m i s c h e N o r d- bahn. Diese Bahnen waren auf Geheiss des hiebei keineswegs zu Schaden ge- kommenen Bankhauses Reitzes, welches durch Ankauf von Actien *) dieser zu- kunftsreichen Unternehmungen iibervvie- genden Einfluss auf dieselben gewonnen hatte, eine Verschmelzung einge- gangen, und zwar in der Weise, dass die altere Turnau-Kraluper Bahn von der jiingeren Bohmischen Nordbahn angekauft wurde. Diese P'orm wurde gewahlt, weil letztere Gesellschaft noch gentigend Spiel- raum zu einer Prioritaten-Emission besass, daher den Kaufpreis durch eine die Bahn- Ertragnisse wenigerinAnspruch nehmende Geldbesc.haffung zu decken vermochte. Die Bohmische Nordbahn iibernahm daher alle Passiven der Turnau-Kraluper Bahn, und vergiitete ftir jede auf nom. 200 fl. lautende Actie der letzteren einen Barbetrag von 175 A’ und eine Actie der Bohmischen Nordbahn a 150 fl., oder, nach Wahl der Actionare, statt des Barbetrages von 175 fl. nur 75 fl. bar und 100 fl. in Actien der Bohmischen Nordbahn al pari. Die Kraluper Actien wurden nichts weniger als iiberzahlt; denn pro 1880 hatten sie ein Ertragnis von 14 fl., und pro 1881 ein solches von 17 fl. geliefert, wahrend der Reingewinn der Bohmischen Nord¬ bahn damals noch dem Sanirungs-Conto zufloss. Anlasslich der Vereinigung wurde auch die Convertirung der beiderseitigen 5 0 / 0 ig en Prioritats-Aniehen in ein 4°/ 0 iges Goldanlehen vorgesehen. Zu diesen Transactionen war jedoch die Genehmigung der Staatsverwaltung erforderlich, welche hiefiir Gegenleistungen beanspruchte und erhielt, darunter gewisse Leistungen ftir Post und Telegraph, Tarif- Zugestandnisse, die Herstellung derLocal- bahn Schluckenau-Wolmsdorf und das Recht, die vereinigten Bahnen ab 1. Januar 1884 jederzeit einlosen zu konnen, gegen Zahlung eines Entgeltes, welches der auf den 1. Januar des Einlosungsjahres mit 4 l /2 °/o discontirten, aus den drei letzt- jahrigen Ertragnissen in der iiblichen *) Es hatte im Vereine mit der Unionbank auch die im Besjtze der, gemeinsamen Staats- Activen gewesenen 27.000 Actien der Bohmi¬ schen Nordbahn angekauft [Februar 1882]. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 299 Weise ermittelten, jedoch mindestens ein Reinertragnis von 1,700.000 fl. zur Grund- lage habenden Rente*) gleichkomme, und in 4 V 2 %iS en ! binnen 85 Jahren al pari ruckzahlbaren Staats-Schuldverschreibun- gen zu entrichten sei. Das beziigliche Protokollar-Uebereinkommen der Regie- rung mit den beiden Gesellschaften wurde am 26. Mai 1882 abgescblossen and seitens der Generalversammlungen vom 29., beziehungsweise 30. Juni 1882 ge- nehmigt, wobei die Actionare der Turnau- Die Prag-D uxer Bahn, der es im Jahre 1878 miihselig gelungen war, ihren Fort- bestand zu sichern [siehe Seite 262], durfte danim noch keineswegs der Ruhe frohnen; denn wie die durchgreifende Ordnung ihrer Verhaltnisse, stand auch der Aus- bau nach Mulde, von dem die Plebung ihrer Ertragsfahigkeit abhing, noch in weitem Felde. Sie arbeitete also unab- lassig an der Erreichung dieser Ziele. Dem wendete aber die bereits wieder im vollen Auf bliihen begriffene D u x- Abb. 135. St. Anton, Ostportal des Arlbergtunnels mit dem Lott-Denkmal. Kraluper Bahn zugleich die Auflosung ihrer Gesellschaft, andererseits aber jene der Bohmisehen Nordbahn die Vermehrung des Actiencapitals auf 12,999.950 fl. durch Ausgabe von 33.333 neuen Actien a 150 fl. und die Convertirung der 5 °/o^g' en Anlehen in ein 4°/ 0 iges Goldanlehen von nom. 43,500.000 Reichsmark beschlossen. Mit 1. Januar 1883 ging die Turnau-Kraluper Bahn in die Bohmische Nordbahn auf. Aus ahnlichem Ani as s e gewann die Regierung auch die Naheriickung der Einlosbarkeit der beiden Duxer Bahnen. *) FiirdieZeit bis 1895 war noch ein per- centualer, je nach der hinausgeriickten Einlo- sungszeitstufenweise abfallenderZuschlagzur Rente [1885: 6°/ 0 , 1895: I °/ 0 ] gewahrleistet. Bodenbacher Bahn das vollste Augenmerk zu, weil sie von der ge- sundeten und gut ausgeriisteten Prag- Duxer Bahn eine scharfe Concurrenz be- fiirchtete, zumal nach dem Ausbau der Strecke Klostergrab-Mulde [recte Moldau], welche den Weg der Kohlensendungen nach Deutschland namhaft abkiirzt. Der kluge Director der Dux-Bodenbacher Bahn ersann nun einen Plan, wonach die Prag- Duxer Bahn*) auf die Dauer von zwanzig *) Am 7. April 1881 starb der General- Director der Prag~Duxer Bahn, Franz Mraz; am 17. November 1881 wurde der gesellschaft- liche Inspector Ludrvig Komrs, der bis dahin provisorisch mit der Leitung der Geschafte be- traut gewesen, zum Betriebs-Director ernannt. 300 Ignaz Konta. Jahren, gegen einen percentuellen Antheil an den Roheinnahmen, in den Betrieb der ersteren ubergehen solite. Zugleich trat die an der Dux-Bodenbacher Bahn betheiligte Dresdener Bank mit neuer- lichen Sanirungs-Antragen an die Prag- Duxer Bahn heran. Die beiden Projecte sollten einander erganzen und fordern; sie wurden jedoch vom Verwaltungsrath der letztgenannten Bahn alsbald abgelehnt [30. April 1881]; der Sanirungs-Vor- schlag insbesondere, weil er sehr com- plicirt war und der Gesellschaft nicht einmal einen augenblicklichen finanziellen Vortheil bot. . Am 30. September 1881 erhielt die Prag - Duxer Bahn die Concession fiir die 8 km lange Localbahn Z 1 o n i c- Hospozin [sieheSeite294], welcheam 17. Juli 1882 dem Betriebe iibergeben \vurde. Dieser kleine Bau kostete blos 137.000 fl.; allein die Umstandlichkeiten, tvelche die Bedeckung eines verhaltnismassig so ge- ringftigigen Betrages ihr bereitete, fiihrte der Gesellschaft die Beengtheit ihrer Lage wieder vor Augen. Daraufhin, wie auch weil die noch immer erhoffte Staatshilfe sich nicht einstellen \vollte, wurde nun der Verwaltungsrath viel zuganglicher fiir Sanirungs-Antrage, und die Dresdener Bank war mit solchen rasch zur Hand. Sie hatte in Gemeinschaft mit dem Wiener Bankverein und noch anderen Finanz- Instituten neue Vorschlage gemacht, die, als der Ausbau der Strecke Klostergrab- Moldau darin an erster Stelle Aufnahme gefunden, zu der gewiinschten Einigung fiihrten. Dieselbe erfolgte am 17. Juni 1882 und umfasste folgende Hauptpunkte: Die Strecke Klostergrab-Moldau solle auf Grund einer neuen Concession hergestellt werden, welche die im Localbahn-Gesetze vor- gesehenen Begiinstigungen gewahrt; die hiezu sowie zur Tilgung der schwebenden Schulden erforderlichen Geldmittel werden durch Ausgabe 5%iger Goldprioritaten im Nennwerthe von 5,000.000 fl. be- schafft, welche seitens des Banken-Con- sortiums zum Curse von 111 fl. Noten fiir 100 fl. Gold iibernommen werden; die Einlosung der ruckstandigen Priori- taten-Coupons geschieht durch 4°/ 0 ige Vorzugs-Actien im Gesammtbetrage von nom. 4,996.500 fl.; die von der urspriing- lichen Emission fiir die Linie Brtix-Mulde [Moldau] noch unbegebenen Titel werden vernichtet; das Banken - Consortium garantirt fiir die Dauer von vier Jahren die Verzinsung der gesammten Prioritats- Anlehen; als Gegenleistung erhalt es von den Prioritaren unentgeltlich die Halfte der vorerwahnten Vorzugs-Actien. Die Actionare genehmigten diese Vereinba- rungen in der Generalversammlung vom 27. Juni 1882. Nun galt es die neue Concession fiir die Strecke Klostergrab-Moldau zu er- wirken. Dies ergab die Gelegenheit, bei welcher die Regierung sich das Recht sicherte, das ganze Unternehmen der Prag-Duxer Bahn vom 1. Januar 1890 jederzeit einlosen, den Betrieb derselben aber schon vom I. Januar des auf die Eroffnung der Strecke Klostergrab-Moldau folgenden Jahres iibernehmen zu konnen. Ueber die beziigliche Entschadigung der Gesellschaft wurde viel verhandelt, schliess- lich einigte man sich dahin, dass die Regierung im Falle jener Einlosung eine aus dem Durchschnittsergebnisse derletzten drei Jahre zu ermittelnde Rente im Mindestbetrage von 1,410.000 fl. und im Falle der Betriebsiibernahme ein Er- tragnis garantirt, \velches dem mittleren \virklichen Ertrage der nachstvoraus- gegangenen zwei Jahre zuziiglich stufen- weise abfallenderZuschlage von to—6°/ 0 *) gleichkommt. Das betreffende Protokollar- Uebereinkommen wurde am 21. und 30. September 1882 abgeschlossen und infolgedessen die Concession vom 4. Sep¬ tember 1872, rtichsichtlich der Strecke Klostergrab-Mulde, mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 23. October 1882 annullirt. Die. Prioritaten-Besitzer genehmigten in ihrer Versanlmlung vom 27. November die vereinbarte Sanirung und die Actionare in der ausserordentlichen Generalversamm¬ lung vom 28. November 1882 das Ueber- einkommen mit der Regierung. Hierauf erhielt die Gesellschaft am 23. December *) Die Scala war folgende: pro 1887 lo°/ 0 , fiir jedes der Jahre 1888 — 1890 8% und pro 1891—1894 je 6%. Der fiir das Jahr 1894 ermittelte Garantiebetrag behielt fiir alle folgenden Betriebsjahre Geltung. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs 301 Abb. 136. Langen [Tunnel-Ausgang]. 1882 die neue, auf dem Localbahn-Gesetze beruhende, mit einer 3qjahrigen Steuer- freiheit ausgestattete und [unbescliadet der frtiheren Einlosung] bis I. November 1963 giltige Concession fiir die Strecke Klostergrab-Moldau, deren Bau auch sofort an die Unternehmung Schon & Wessely vergeben und am 1. April 1883 in Angriff genommen wurde. Die Eroffnung dieser Strecke fiir den Kohlen- verkehr fand am 6. December 1884, jene fiir den Gesammtverkehr am 18. Mai 1885 statt. Was die Dux-Bodenbacher Balin mit Besorgnis erfullt hatte, war also wirklich eingetreten, namlich die voll- kommene Sanirung der Prag-Duxer Bahn und deren Ausbau nach Moldau; iiber- dies lag jetzt noch deren Uebereinkommen mit der Regierung vor. Die erstere Gesell- schaft kam darum jetzt umso eifriger auf die Idee der Vereinigung der beiden Bahnen zurtick ; diesmal mit Erfolg, da nunmehr bei der einen wie bei der anderen Unternehmung dieselben Geldkrafte be- theiligt waren. Gleichwohl zogen sich die Verhandlungen liinaus, erst am 18. De¬ cember 1883 wurden die betreffenden Uebereinkommen unterfertigt. Eines hatte den Ankauf der Prag-Duxer durch die Dux-Bodenbacher Bahn zum Gegenstande, das zweite hingegen dieBedingungen,unter welchen die Regierung dieser Vereinigung zustimmte. Dass hierunter die Berechti- gung zur jederzeitigen Uebernahme des gesammten TJnternehmens in den Staats- betrieb ab I. Januar 1885, beziehungs- weise zur ganzlichen Einlosung vom 1. Januar 1892 an, in erster Reihe stand, kann im Hinblicke auf die von der Prag- DuxerBahn schon fruher erworbene gleiche Gerechtsame, als selbstverstandlich gelten. Eine Aufzahlung der bezuglichen Einzel- bestimmungen ist jedoch hier entbehrlich, weil das ganze Vorhaben an formalen Schwierigkeiten scheiterte. Gemass Artikel II des vorerwahnten Uebereinkommens vom 18. December 1883 solite namlich in den Vorzugsrechten der Prioritats-Actionare eine Beschrankung eintreten, die aber vergeblich angestrebt wurde, weil die seitens der ausserordent- lichen Generalversammlung der Prag- Duxer Bahn vom 28. October 1882, gleichzeitig mit der Genehmigung des Uebereinkommens mit der Regierung, beschlossene Statutenanderung, fiir kiinf- tige Aenderungen Stimmeneinhelligkeit vorschrieb, diese jedoch bei der zu- tage getretenen erheblichen Opposition gegen die Vereinigung, nicht zu er- zielen war. 302 Ignaz Konta. Es mussten also, wenn nicht die Sache vollig aufgegeben werden wollte, neue Vereinbarungen getroffen werden. Diese hatten das Protokoli vom 22. April 1884 zum Ergebnisse, wonach die Dux-Boden- bacher Bahn der Prag-Duxer Bahn fiir die Ueberlassung ihres Betriebes ein jahrliches Reinertragnis von je 950.000 fl. pro 1885 und 1886, 1,000.000 fl. pro 1887, je 1,050.000 fl. pro 1888 und 1889 und je 1,100.000 fl. pro 1890 und die folgenden Jahre zusicherte und die Prag- Duxer Bahn der Dux-Bodenbacher Bahn das Recht einraumte, die erstere vom 1. Januar 1885 an jederzeit, gegen Ueber- nahme aller Passiven sowie Zahlung eines Pauschalpreises von baren 8,000.000 fl. kauflich zu ervverben; ausserdem ver- pflichtete sich die Prag-Duxer Bahn ihre 5 0 / 0 igen Silberprioritaten in ein 4°/ 0 iges Goldanlehen zu convertiren. Nebstdem wurde am 26. April 1884 ein formlicher Betriebsvertrap; abgeschlossen. Gleichfalls am 26. April 1884 kam auch ein neues Uebereinkommen mit der Regierung zustande, durch das sie in ahnlicher Weise wie bei allen frtihern derartigen Vereinbarungen insbesondere erwarb: das Recht zur Uebernahme des Betriebes der vereinigten Unter- nehmungen [mit Ausnahme der Dux- Bodenbacher Kohlenwerke] vom 1. Januar 1886 an wann immer, gegen Garantie eines Pauschalbetrages, welcher fiir jedes der Jahre 1887—1894 dem Durchschnitte der in den nachstvorausgegangenen zwei Jahren wirklich erzielten Ueberschusse beider Unternehmungen nebst einem Zu- schlage gleichzukommen hat, der pro 1887 6°/ 0 , pro 1888—1890 je 5°/ 0 und pro 1891 —1894 je 4°/ 0 jenes Durch- schnittes betragt*); das Recht, vom 1. Januar 1892 an, die beiden Unter¬ nehmungen einzulosen, gegen Zahlung einer aus den wirklich erzielten Ueber- schiissen der vorausgegangenen drei Jahre speciell zu ermittelten Rente von min- *) Der fiir das Jahr 1894 ermittelte garan- tirte Betriebsubersehuss hatte als solcher fiir alle folgenden Jahre zu gelten. Die vom Staate geleisteten Garantiezahlungen waren als Vorschusse [nebst 4°/ 0 ZinsenJ riickzu- vergiiten, sobald in spateren Jahren die vvirklich erzielten Ueberschiisse den garan- tirten Pauschalbetrag iibersteigen sollten. destens 3,100.000 fl., wovon vorerst auf die Dux-Bodenbacher Bahn 1,690.000 fl. und 1,410.000 fl. auf die Prag-Duxer Bahn als fixe Quote entfallen und etwaige Reste aufgetheilt \verden sollen. Die Generalversammlungen der beiden Gesellschaften vom 29. und 30. Mai 1884 genehmigten vollinhaltlich diese Ver¬ einbarungen und ebneten sich hiedurch einen neuen Weg zu ihrer Vereiniefunsf. Die Regierung aber hatte ein weiteres Mittel zur Bildung der angestrebten staat- lichen Durchzugsroute Bodenbach-Prag- Budweis-St. Valentin-Laibach-Triest ge- wonnen und konnte nun fiir die Ver- bindungen Bodenbach - Prag nach freier Wahl die BShmische Nordbahn oder die beiden Duxer Bahnen beniitzen. Die Convertirung der 5°/ 0 igen Silber¬ prioritaten der Prag-Duxer Bahn wurde im August 1884 bewerkstelligt, nachdem die Finanzgruppe des Wiener Bankvereines das Convertirungs-Anlehen [4°/cdg e Gold- prioritaten] von nom. 13,206.600 fl. uber- nommen und zum Curse von 92°/ 0 im Wege der offentlichen Zeichnung begeben hatte. Damit entfiel auch der Grund zum Fortbestande der Curatel. Wahrend der nicht eben sehr glatten Abwicklung aller dieser Angelegenheiten kiindigte die Regierung die Betriebsver- trage hinsichtlich der I s t r i a n e r, Rako- nitz - Protiviner, Tarnow-Lelu- c h 6 w e r und DniesterBahn, infolge- dessen die erstere ab 1. Januar 1883, die iibrigen ab I. Januar 1884 in d en Ei gen- betrieb des Staates ubergingen. Am 1. Juni 1883 gelangten auch die beiden Linien der MahrischenGrenz- bahn in den Staatsbetrieb, und zwar die garantirte auf Grund des Sequestrations-Gesetzes vom 14. December 1877, die ungarantirte zufolge des Proto- kollar-Uebereinkommens vom 15. April 1883. Zum k. k. Betriebsvenvalter der- selben \vurde der in gleicher Eigenschaft auch bei der Erzherzog Albrecht-Bahn eingesetzte Regierungsrath Max Ritter v. Pichler, zu dessen Stellvertreter der gesellschaftliche General-Secretar, Re¬ gierungsrath Ignaz Konta ernannt; ihre diesfallige Thatigkeit dauerte jedoch nur vom 1. Juni bis Ende December 1883. Mit dem Neujahrstage 1884 iibernahm Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 3°3 die zur Verwaltung der Dniester- und Tarn6w-Leluchower Staatsbahri, der Erz- herzog Albrecht-Bahn und der Mahri- schen Grenzbahn eigens errichtete k. k. Ministerial-Commission die Fiih- rung des Betriebes aller dieser Bahnen, einschliesslich der 8’5 km Iangen Secun- darlinie Dolina-Wygoda, welche seit der Eroffnung [2. Juli 1882] von der k. k. Betriebsvenvaltune: der Erzherzog; O o Die vorhin angedeutete Fortsetzung dreier staatlicher Linien wurde bewirkt durch das Gesetz voai 28. Februar 1883 iiber die Herstellung von Abz w eigun- gen der Galizischen Transver- salbahn einerseits von Sucha nach Ošwi§cim und Podgorze, anderer- seits von Saybusch an die Landesgrenze gegen Csacza; durch das Gesetz vom 1. Juni 1883 iiber die Plerstellung einer Abb. 137. Langen. Albrecht-Bahn mitbetrieben wurde. Die I4’i km lange Localbahn Wittmanns- dorf-Ebenfurth [eroffnet 23. August 1883], welche die westlichen Staatsbahnen mit dem ungarischen Bahnnetze verbin- det, iibergab ihren Betrieb mittels Ver- trages vom 2. August 1883 an die k. k. Direction fur Staatseisenbahn-Betrieb in Wien; desgleichen die am 1. Mai 1882 eroffnete, 8’8 km lange Localbahn Vockla- bruck-Kammer, zufolge des noch mit der Kaiserin Elisabeth-Bahn abgeschlos- senen Betriebsvertrages vom 31. Decem¬ ber 1881. Abzweigung der Istrianer Bahn von H e r p e 1 j e nach T r i e s t, welches der Regierung auch das Recht einraumt, sich die freie Mitbeniitzung der Siidbahnstrecke Laibach-Divača im Enteignungswege zu verschaffen, wenn es nicht gelingen solite, diesfalls bis Ende 1884 ein Ueberein- kommen mit der Sudbahn abzuschliessen; ferner durch das Gesetz vom 5. Juni 1883 iiber den Ausbau der Dalmatiner Bahn von Siveric nach Knin. Fiiglich konnte in diese Rubrik auch die mittels des Gesetzes vom 4. Juni 1883 genehmigte Errichtung einer Tra- 304 Ignaz Konta. jeetanstalt auf dem Bodensee* eingereiht werden, weil damit gewisser- massen eine liber den Bodensee hiniiber- fiihrende Fortsetzung der Linie Inns- bruck-Bregenz geschaffen ward. Aehn- liches gilt von dem am 7. Juni 1883 zwischen der Siidbahn und der k. k. Direction fiir Staats-Eisenbahnbetrieb ab- geschlossenen P e a g e-V e r t r a ghinsicht- lich der Strecke Worgl-Innsbruck, \veil derselbe dem Staatsbetriebe das Recht einraumt, diese 58^7 km lange Strecke, welche die Arlbergbahn mit den iibrigen Linien des westlichen Staats- bahnnetzes verbindet, gegen Entrichtung eines Bahngeldes,*) wie ein selbstan- diger Betriebsunternehmer [jedoch aus- schliesslich des Localverkehres] mitzu- betreiben. Den in Galizien liegenden Staats- bahnen wurde zur selben Zeit die 79'3 km lange Strecke Stryj-Beskid neu angefiigt, tvelche ehemals der Erzherzog Albrecht-Bahn concessionirt war und nun auf Grund des Gesetzes vom 7. Juni 1883 vom Staate selbst in Ausfiihrung ge- nommen wurde. Hatte das Alles noch nicht geniigt, das Festhalten an dgr Verstaatlichung des Eisenbahnwesens zu bekraftigen, dann musste dies den in Balde nach- gefolgten ganzlichen Ervverbungen von Privatbahnen fiir den Staat sicher ge- lingen. Ehe \vir uns diesen neuen Be- gebenbeiten zuwenden, haben wir uns jedoch mit den Monographien derseit dem Jahre 1880 vom Staate selbst zur Aus- fiihrung gebrachten Linien zu befassen. Arlbergbahn. Die Genesis der Linie Innsbruck-Bregenz erreicht, wie schon in dem »Eisenbahn-Jahrbuch der Oesterreichisch-Ungarischen Monarchie« [Jahrgang III, Seite 402 f.] dargethan und von dort in zahlreiche Publicationen iiber- *) Das Bahngeld setzt sich zusammen aus dem im Verhaltnisse der von den beider- seitigen Ziigen in der Peage-Strecke zuriick- gelegten Achskilometer zu berechnenden Antheile an der 5'2%igen Verzinsung des Baucapitals, dann aus den Antheilen an den Kosten der Bahnerhaltung, des Verkehrs- dienstes, der Elementarschaden etc., welche letzteren Antheile nach bestimmten Schliis- seln ermittelt werden. gegangen ist, bis in das Jahr 1847 zu- riick; sie fallt mit jener der Vorarlberger Bahn [siehe Seite 73] zusammen, gleich- wie beide in Karl Ganahl ein und den- selben geistigen Urheber haben. Der weitblickende Handelsminister v. Bruck war fiir die Herstellung der Eisenbahn- Verbindung zwischen Adria und Bodensee iiberaus eingenommen. Mit seinem erst- maligen Scheiden aus dem Ministerium [23. Mai 1851] fiel jedoch die Ange- legenheit in Vergessenheit, aus der sie auch sein Wiedereintritt in dasselbe [10. Marž 1855] nicht befreite; denn jetzt war er Finanzminister und, als Hiiter des Staatsschatzes, ausser Stande, jene Unterstiitzungen zu gewahren, ohne welche die Privatthatigkeit, der die Weiterent- \vicklung des Eisenbahnnetzes nun wieder uberlassen war, an einen so schwierigen und. kostspieligen Bau sich nicht heran- wagte. • Es wurde nun vorerst an die Zu- standebringung der Vorarlberger Bahn gedacht; doch auch diese \vollte nicht so bald gelingen. Zunachst \var das von franzosisclien Geldkraften [Consortium: Talabot-Wirth-Sand] entworfene, nach etlichen Jahren aber klaglich gescheiterte Project einer »Bodensee-Gurtelbahn«*) und nachher das Auftauchen von Planen fiir Bahnverbindungen iiber den Lukmanier oder von Innsbruck iiber Reutte nach Kempten, hindernd dazwischen gekommen. Diese Plane wurden freilich von den mittlerweile wiedererstandenen Landtagen Tirols und Vorarlbergs heftig bekampft, die Fernbahn iiberdies von Bayern selbst vereitelt, \vorauf dann die Regierung be- reits in der Denkschrift zu dem im Jahre 1864 veroffentlichten »Entivurfe eines neuen Eisenbahnnetzes der osterreichi- schen Monarchie«, welche auch die Linie Innsbruck-Imst-Feldkirch-Dornbirn enthielt, das Project Innsbruck-Bregenz nachdriicklichst befiirwortete; allein von weiteren Erfolgen war dies nicht begleitet.. Gleichwohl setzte Ganahl seine Be- miihungen fort. Im Vereine mit der Blu- denzerFirmaGetzner, Mutter & Comp. *) Siehe Bd. I, 1. Theil, H. Strach: Ge- schichte der Eisenbahnen in Oesterreich-Un- garn bis 1867, Seite 246. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 305 und anderen Genossen liess er, auf Grand der Vorconcession vom 9. April 1865, durch Achilles Thommen, den Erbauer der Brennerbahn, Vorarbeiten ausfiihren, bei welchen sowohl auf die Durchfahrung des Arlberges, als auch auf dessen Ueber- schreitung mittels einer FelPscben Steil- bahn, \vie sie damals voriibergehend beim Mont-Ceniš in Verwendung gestanden, Bedacht genommen war. Allein auch damit wurde nichts weiter erzielt, als dass die Regierung, unter Ablehnung des Systems Fell, sich fur die Tunnel- lirung des Arlberges aussprach. statteten Berichte liber die von den Han- delskammern in Innsbruck und Feldkirch ilberreichten Petitionen um den Bau der Arlbergbahn deren hohe Bedeutung er- orterte und zu dem Schlusse gelangte, die Regierung moge noch im Laufe der- selben Session eine diese Bahn sicher- stellende Vorlage einbringen. Da auch dies nichts gefruchtet hatte, gingen die genannten Landtage in der Herbstsession des Jahres 1868 daran, die Concessionirung wenigstens der beider- seitigen Thalstrecken bis zum Arlberge zu erwirken und hiedurch zugleich das Abb. 138. Pumpenhaus in Langen. Die Interessenten drangten indes die heimatlichen Vertretungskorper zu that- kraftigerem Vorgehen, was zur Folge hatte, dass die Landtage von Tirol und Vorarlberg am 5., beziehungsweise 20. De¬ cember 1866 eine Vorstellung bei der Regierung beschlossen und Ganahl, als Mitglied des letzteren Landtages, diese Gelegenheit erfasste, um zu beantragert, es sei die Bahn auf Staatskosten auszu- ftihren, wenn sich nicht auf Grundlage einer zu erwirkenden Zinsengarantie alsbald Privatunternehmer fanden. Im Reichsrathe kam die Frage am 17. December 1867 zum ersten Male zur Sprache, als der Abgeordnete Frei- herr von Ktibeck in seinem, im Namen des volkswirthschaftlichen Ausschusses er- zur selben Zeit stark im Schvvange ge- wesene Fernbahn-Project zu beseitigen. Dies gelang, da — wie bereits erwahnt wurde — die bayerische Regierung selbst dem gedachten Projecte mit todtlicher Eifersucht entgegentrat. Auch die eine der beiden Thalstrecken, namlich die Vorarlberger Bahn, wurde am 17. August 1869 concessionirt, nachdem der am 13. Marž 1869 vom Handelsminister v. P1 e n e r im Reichsrathe eingebrachte Gesetzentwurf liber die Vervollstandigung des Eisenbahnnetzes, welcher [sub Art. II, Zahl 5] auch die Linien von Inns¬ bruck bis zum Anschlusse an die schweize- rischen und bayerischen Bahnen, als solche bezeichnet hatte, die wegen ihrer grossen Wichtigkeit unter staatlicher Bei- Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 20 306 Ignaz Konta. hilfe oder vollig auf Kosten des Staates ehestens auszuftihren sei — alsbald \vieder zuriickgezogen ivorden war. [Siehe Seite 64 f.] Bei der dritten Lesung des Gesetzes tiber die Concessionirung der Vorarl- berger Bahn forderte das Abgeordneten- haus die Regierung nochmals zur Vor- lage eines die Sicherstellung der Linie Innsbruck-Bludenz bez\veckenden Gesetz- entwurfes auf, weil es sich wohl bevvusst ivar: einerseits der schon vielfach be- tonten, ebensowohl politisch wie wirth- schaftlich hochwichtigen Bedeutung dieser Linie und andererseits der nur kiimmer- lichen Existenz, welche der ohne Zu- sammenhang mit dem tibrigen Babnnetze der Monarchie dastenenden Vorarlberger Bahn beschieden war. Die Regierung; selbst mag dessen nicht minder inne gewesen sein, denn sie verpflichtete die Concessionare dieser Bahn zur Abtretung derletzteren an die kiinftige Fortsetzungrs- linie nach Innsbruck [siehe Seite 74 f.] und rechnete hiebei auch mit einem Zeit- raume von nicht einmal fiinf Jahren. Sie musste also vermeint haben, den Bau binnen Kurzem ins Werk setzen zu konnen. Das erwies sich abermals als irrig. Weit mehr als die finanzielle hat die technische Seite der Frage deren Losung hinausgeschoben. Noch immer wollte die endgiltige Entscheidung tiber die Her- stellungsweise nicht reifen, wiewohl die Regierung sich schon friiher fiir die Durchfahrung des Arlberges ausgesprochen und nunmehr fiir die Richtigkeit dieser An- schauung eine schier unanfechtbare fach- mannische Bestatigung erhalten hatte. Es war ihr namlich von dem Ingenieur Ernst Pontzen eine Denkschrift zu Gunsten der Durchbohrung des Gebirges iiberreicht worden, \velche das Handels- ministerium dem Oesterreichischen Ingenieur- undArchitekten-Ver- eine zur Begutachtung tibermittelte und dieser, nach sorgfaltiger Berathung durch ein aus den hervorragendsten oster- reichischen Eisenbahn-Technikern gebil- detes Comitž, mit dem Bemerken guthiess, dass »bei der Wichtigkeit der Arlbergbahn und der darum besonders nothwendigen Sicherung der Ungestortheit ihres Be- j triebes, nur dieDurchfahrungdes Arlberges mittels eines tiefen Tunnels und die Anwendung einer Steigung von hochstens 35°/oo empfohlen werden kann.« Machtige Geschehnisse, tiberaus ge- eignet, die Dringlichkeit der Inangriff- nahme des Baues ins hellste Licht zu stellen, bewirkten gleichwohl keine wesentliche Beschleunigung. Der deutsch-franzosische Krieg hatte in den kriegfiihrenden Staaten Ausfuhrverbote zur Folge und Vorarlberg, das auf drei Seiten vom Auslande um- geben, auf der vierten aber nur mittels eines schwierigen Alpeniiberganges mit Tirol verbunden war, gerieth dadurch in vollige Abgeschiedenheit; es drohte ihm eine Hungersnoth*) und die Regierung konnte diese Gefahr nur durch miihsam erwirkte Ausnahmsverftigungen Bayerns beseitigen. Das niederdriickende Gefiihl solcher Abhžingigkeit einer osterreichi- schen Provinz vom Auslande, zitterte noch lange nach. — Dieser emsten Mahnung folgten bald zwei andere, aber handelspolitische: am 25. December 1870 die Durchbohrung des Mont-Cenis und am 31. October 1871 der Abschluss des Staatsvertrages zwiscben Deutschland, Italien und der Schweiz liber die Aus- ftihrung der Gotthardbahn. Das Handelsministerium, welchem die bereits vorhandenen Projecte weder ver- lasslich noch vollstandig genug erschie- nen, beauftragte im Sommer 1871 die k. k. General-Inspection derosterreichischen Eisenbahnen mit der Ausarbeitung eines neuen umfassenden Projectes fiir die Gebirgsstrecken, veranlasste iiberdies die geologische Untersuchung des Arlberges soivie meteorologische Beobachtungen wahrend des Winters 1871/72. Die auf den sorgfaltigen Erhebungen des Geolo- gen Heinrich Wolf fussenden neuen Projectirungs-Arbeiten waren unbeschadet ihrer allseitig anerkannten Vollstandigkeit und Genauigkeit schon am Schlusse des Jahres 1871 vollkommen fertig. Sie um- fassten eigentlich zwei Bauprojecte, nam¬ lich fiir eine directe Linie Bludenz-Stu- ben-St. Anton und von da »sonnseitig« *) Vgl. »Die Arlbergbahn. Eine Denkschrift.« Wien, 1872. [Anonym herausgegeben von Dr. Ferdinand Z eh e tner, damals General-Secre- i tar der Vorarlberger Bahn.] Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 307 bis Landeck sowie fiir eine von Bludenz iiber Langen- mit Schleifen nach Stuben- St. Anton und von da »schattenseitig« bis Landeck fuhrende Linie, ferner fiinf Varianten fiir die Durchbohrung des Arl- berges selbst, betreffend zwei hochliegende, zwei tiefliegende Tunnels und einen tiefstliegenden Tunnel mit Langenunter- schieden von 5*515 km bis I2‘400 km, Kostenunterschiede von 14,818.200 fl. bis 24,361.500 fl. [bei eingeleisiger Anlage] und Bauzeiten von sieben bis elf Jahren.*) der ersten Sitzung den tecbnischen Theil, indem sie sich fast einhellig fiir den tiefsten Tunnel, fiir dessen ziveigeleisige Anlage und fiir die doppelspurige Her- stellung des gesammten Unterbaues aus- sprach. Die zweite Sitzung solite den finanziellen Theil erledigen; hiezu fehlte es aber an einer statistischen Unterlage. Der Experte Eugen Bontoux, General- Director derSiidbahn, iibernahm es, dieselbe zu beschaffen und betraute den Verfasser dieser geschichtlichen Riickschau, der Abb. 139. Die Arlbergbabn im Klosterthale. [Original-Aufnahme von Anton Hlavačelc.] Wegen dieser Varianten, doch auch um die gesammte Ausfiihrungsweise und die zu erwartenden finanziellen Er- gebnisse der Bahn auf ein fach- mannisches Gutachten stiitzen zu konnen, berief der Handelsminister Dr. Banhans eine Expertise. Dieselbe trat am 22. Februar 1872 zusammen und erledigte gleich in *) Vgl. »Technischer Bericht iiber das Project der Arlbergbahn [Bludenz-Landeck] sammt Beilagen und zugehorigen Acten- stiicken. Herausgegeben im Auftrage des k. k. Handelsministers von der Bauabtheilung der k. k. General-Inspection der Osterreichi- schen Eisenbahnen« [Wien 1872]. damals Beamter der Siidbahn war, mit der Erstellung einer Statistik des voraus- sichtlichen Verkehrs der Arlbergbahn. Die Aufgabe war, mangels ausreichen- den Materials, keine leichte. Nach einer zwei Tage und Nachte hindurch darauf verwendeten Arbeit gelang es jedoch, an der Hand der Verkehrsergebnisse be- stimmter Relationen der Siidbahn und Kaiserin Elisabeth-Bahn den Nachweis zu liefern, dass die anfangliche Fracht- menge mit 415.000 t jahrlich zu veran- schlagen sei. Diese Ziffer, welche mit einer kleinen Aufrundung auch bei den nachherigen Gesetzvorlagen beniitzt und 20 ’ 3°8 Ignaz Konta. spaterhin durch die Thatsachen bestatigt wurde, scheint aber die am 26. Februar i872wieder zusammengetretene Expertise enttauscht zu haben; denn die Rentabilitat erfuhr jetzt eine Erorterung, als ob es sich lediglich um ein Erwerbsunternehnaen und nicht um ein unabweisliches Staats- erfordernis gehandelt hatte. Bemerkens- werth war dabei auch der Umstand, dass trotz des absprechenden Urtheils liber die Ertragsfahigkeit der Bahn den- noch ihre Sicherstellung durch Conces- sionirung verlangt und der Staatsbau nur von den zwei nichtosterreichischen Experten, Bontoux und Thommen, empfoh- len \vurde. In dem einen Punkte, dass keine Zeit mehr zu verlieren sei, war jedoch die ganze Expertise wieder voll- kommen einig. Dies hat denn auch seine Wirkung nicht verfehlt. Der Handelsminister legte am 22. Marž 1872 dem Abgeordneten- hause einen Gesetzentwurf vor liber die Ausfiihrung der Arlbergbahn auf Staatskosten mit einem Aufvvande von beilaufig 42,000.000 fl. einschliesslich des tiefliegenden, 12.400 m langen Tunnels und des durchwegs fiir Doppelspur her- zustellenden Unterbaues. Der Motiven- bericht zu dieser Vorlage enthielt neuer- dings zahlreiche Beweisgriinde fiir die Wichtigkeit und Dringlichkeit dieser Bahn; er betonte, dass sie das letzte Glied zur Vollendung einer die westliche Reichshalfte von deren aussersten Gren- zen durchziehende Ausfuhrstrasse nach der Schweiz und nach Frankreich bilde — dass sie auch fiir den Norden Oester- reichs sowie fiir den Giiteraustausch zwischen den westlichen Nachbarlandern der Monarchie und dem Oriente von hoher Bedeutung sei — also dem ganzen Reiche zugute komme, und ihre Aus¬ fiihrung dah er keinen weiteren Aufschub vertrage. Der Eisenbahn-Ausschuss trat auch wirklich sofort in die Vorberathung des Gesetzes ein. Das bedeutete jedoch nicht viel, spndern war nur der Anfang der langen parlamentarischen Leidens- geschichte der Arlbergbahn. Mit einem Male erhoben sich Stim- men dafiir, die Bahn von Innsbruck durch das Lechtbal an den Bodensee zu fiibren und verlangten die nochmalige Befragung der Experten, die aber natiirlicherweise ihr friiheres Gutachten aufrecht hielten [22. Mai 1872]. Trotzdem liess das Handelsministerium schleunigst Traci- rungen im Lechthale vornehmen, deren Ergebnisse die Beniitzung desselben geradezu ausschlossen [Wiener Zeitung vom 9. Juli 1872]. Ebenso ging es mit den im Ausschusse laut gewordenen finanziellen Bedenken. Der Finanz- minister Freiherr v. Pretiš zerstreute die- selben indem er darauf verwies, dass sich die Auslagen auf eine Reihe von Jahren vertheilen und bei einer Angele- genheit von soleh volkswirthschaftlicher Bedeutung das finanzielle Moment nicht ausschlaggebend sein konne. Schliess- lich kam auch noch die Heranziehung Ungarns zu Beitragsleistungen in Anre- gung, die aber vom Handelsminister mit Erfolg bekampft wurde. Der zum Be- richterstatter gewahlte Abgeordnete Fiirth verfasste nun einen ebenso griind- lichen, als der wichtigen Sache, der er gegolten, wohlwollenden Bericht, dessen Ausgabe am 4. Juni 1872 erfolgte. Wie bitter musste aber seine Ent- tausebung gewesen sein, wenn er etwa der Meinung war, der Vorlage einen Weg geschaffen zu haben. Er ward ihr versperrt von dem verneinenden Geiste, der damals das Abgeordnetenhaus be- herrschte, und in der Abendsitzung vom 6. Juni 1872 wurde ihr vom Ausschusse der Fortgang benommen. Dr. Herbst erklarte sich als ihr Gegner; es gab hef- tige Auseinandersetzungen mit dem Mini¬ ster L as s er und mit denjenigen Ab- geordneten, welche gleichfalls fiir die Vorlage eintraten, dann einigte man sich auf Vertagung. Die verlangten Ergan- zungsdaten liber die zu gewartigenden Verkehrsmengen wurden geliefert; der Berichterstatter arbeitete auf Grund der- selben einen Nachtragsbericht aus, der am 15. Februar 1873 vertheilt wurde und allgemeinen Anklang fand; er wies iiberdies, unter namentlicher Bezeichnung der einzelnen Abgeordneten, das Vor- handensein einer Majoritat fiir die Vor¬ lage nach; der Vorarlberger Abgeord¬ nete v. F r o s c h a u e r urgirte am 23. April 1873 die Angelegenheit, erhielt aber die Antwort: »Die Arbeiten seien noch nicht Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 309 Abb. 140. Lawinenschutz-Anlag , en zwischen vollendet«, und der Reichsrath ging aus- einander, ohne den Gesetzentwurf, dessen Einbringung er vor vier Jahren vom Biirgerministerium dringendst gefordert hatte, zu erledigen. Die Erstarrung des wirthschaftlichen Lebens, welche nach dem Ausbruche der Krisis vom Jahre 1873 immer weiter um sich gegriffen, ware wieder eine ernste Mahnung gewesen, das alte Project end- lich der Verwirklichung zuzufiihren. Alle Welt rief nach Arbeit und Verdienst; die Schaffungderselbenware einerettende That gewesen, hatte den verheerenden Folgen der Katastrophe Einhalt gethan; der Eisenbahnbau war das beste Mittel hiezu, weil er den breiten Schichten der Bevolkerung, den mannigfachsten Ge- werben und Industrien Beschaftigung gibt; er \vtirde damals infolge der ge- sunkenen Preise von Lohn und Material, mindestens geraume Zeit hindurch, viel billiger zu bewerkstelligen gewesen sein ; die Arlbergbahn war vollkommen reif zu Inangriffnahme, auch langst schon Klosterle und Danofen. [Aus der Bauzeit.] als drindend nothwendig erkannt, also wohlgeeignet, das erste Object der neu anzufachenden Thatigkeit zu sein. Das Alles verfing jedoch nicht. Man hatte die »Vermeidung grosser Ausgaben zum obersten Grundsatze erhoben« und sah nicht, wie hiedurch die Versumpfung des wirthschaftlichen Gebietes und die Entvverthung des VolksvermOgens ge- steigert wurde. Es kann darum nicht verwundern, wenn die fortgesetzten Wiinsche und Bitten der unmittelbaren Interessenten der Arlbergbahn ungehort verhallten, die unterschiedlichen, im Jahre 1874 gestellten Interpellationen und versuchten Betreibun- gen wirkungslos blieben und dies die Stimmung in Tirol und Vorarlberg ver- bitterte, so zwar, dass der Landeshaupt- mann Dr. Ju s s el in der Eroffnungs- sitzung des Vorarlberger Landtages arn 6. April 1875 . »den Gerechtigkeits- und Billigkeitssinn der Brudervolker Oester¬ reichs« in dieser Sache anrief. Aehnliches konnte der Handelsminister v. Chlu- 3io Ignaz Konta. m e c k y bei seiner im Herbste 1875 unter- nommenen. Bereisung Tirols dortselbst vernehmen. Er hat denn auch in dem am 29. October 1875 vor das Parlament gebrachten Eisenbahn-Programm die Arl¬ bergbahn in die erste Reihe gestellt. Wie es dieser Vorlage ergangen, ist schon friiher mitgetbeilt worden. [Siehe Seite 222 f. und Seite 249.] Was jedoch die Arlbergbahn an und fiir sich betrifft, so \vurde ihr Bau abermals vereitelt; jetzt vielleicht nicbt so sehr durch die Scheu in Wirklichkeit nur ein »Product der Zifferngruppirung« sei und kehrte sich in markigen Worten gegen die Vertretung, \velche die Regierung der Sache ange- deihen Hess; er schlug die Neuerung aus dem Felde und hatte vielleicht damit die Vorlage in Betreff der Arlbergbahn gerettet. Allein die Regierung wollte auch die Predilbahn erzwingen, ausserte durch den Mund des Finanzministers, Freiherrn von Pretiš, »ohne Predil kein Arlberg« und machte so jede weitere Verhandlung Afob. 141. Aquaduct beim Wilden Tobel, [Nach einer photographischen Aufnahme von G. Wolf, Hofphotograph in Konstanz.] vor den Ausgaben, als durch ein neues von N o r d 1 i n g entworfenes, »billigeres« Project mit blos eingeleisiger Trače, Stei- gungen bis 30 °/ 00 und einem kurzen [6'740 km langen] aber 1415 m hoch gelegenen Tunriel — und durch die verhangnisvolle Zusammenkoppelung der Arlberg- mit der Predilbahn. In die Bresche, welche die Nordling- sche Aenderung in das alte, bereits all- seitig gutgeheissene Project gelegt hatte, trat zur Vertheidigung des letzteren, der Abgeordnete Fiirth, und zwar wieder als Berichterstatter. Er bekampfte in der glanzenden Darlegung vom 22. Februar 1876 die Neuerung, bewies, dass die an- gebliche Verbilligung um 7,700.000 fl. zu nichte. Die ganze Vorlage wurde am 28. Januar 1877 zuriickgezogen. Nun ruhte die Frage vollig, bis nach zwei Jahren die neue Zoll- und Handels- politik Deutschlands, welche einer f5rm- lichen Grenzsperre gegen Oesterreich gleichkam, es augenscheinlich machte, wie sehr es zu beklagen sei, dass die Bahn nicht schon langst gebaut war. Die Karntner Handelskammer rtittelte das offentliche Interesse an der Sache wach; sie beschloss, am 26. Mai 1879, anzustreben, dass dem nun bitter empfun- denen Maneel einer unabhangrigen Ver- bindung Oesterreichs mit der Schvveiz und durch diese mit Frankreich schleunigst abgeholfen werde; sie erbat von den Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 31 1 Handelskammern der Nachbarprovinzen eifrige Unterstiitzung, insbesondere in dem Sinne, dass dieselben bei den bq- vorstehenden Reichsrathswahlen fiir die endliche Sicherstellung der Arlbergbahn wirken mogen — und sie erzielte mit der von ihr hervorgerufenen Bewep'uno- einen gtinstigen Erfolg. Die Innsbrucker Handelskammer eroffnete am 7. Juli 1879 den Petitionssturm dieser Vertretungs- korper; die Angelegenheit gewann einen acuten Gharakter und die Regierung jetzt ganz geraden [das heisst nicht polygonal gebrocbenen], darum auch nur mehr 10.270 m langen doppelgeleisigen, und dem Nordling’schen »oberen« eben- falls geraden, 7000 m langen eingeleisigen Tunnel. Fiir die Entscheidung solite das Gutachten einer abermals einberufenen Enquete massgebend sein. Dieselbe sprach sich nach zweimaliger Berathung [1. und 2. October 1879] mit iiberwiegender Mehrheit \vieder fiir den unteren Tunnel aus und erklarte eine Vergleichung der Abb. 142. Die Arlbergbahn bei Wald. schickte sich von Neuem an, ihr gerecht zu vverden. Diese Regierung war aber nicht mehr die friihere und das Abgeordnetenhaus, dem sie gegeniiberstand, ein frischge- \vahltes, in seinen Parteiverhaltnissen wesentlich anders zusammengesetztes. Der als Nachfolger v. Chlumecky’s am 12. August 1879 i ns Amt getretene neueHandelsminister, Freiherr von Korb, suchte vor Allem Klarheit iiber die vor- handenen Projecte zu gevvinnen und die sodann vorzubereitende Regierungsvorlage von jedem vervvirrenden Beivverke frei zu halten. Es galt hauptsachlich die Wahl zu treffen zwischen den beiden Tunnel- Alternativen, namlich dem »unteren« beziiglichen Kosten fiir unthunlich, weil auch der obere [billigere] Tunnel, falls er iiberhaupt fiir zulassig erachtet wiirde, doppelgeleisig angelegt werden miisste, was natiirlich mit einer Erhohung seiner Kosten, beziehungsweise bedeutenden Verringerung des Kostenunterschiedes [30’6 gegen 35'16 Millionen] verbunden ware. Dem Vorsitzenden der Enquete, Wilh. von Nordling, kam es schwer an, dieses Votum, \velches seinem [das heisst dem Nordling’schen] Projecte den Boden ab- grub, durch formgerechte Abstimmung festzustellen. Das verscharfte die Gegen- satze und trug mit dazu bei, dass der Handelsminister, der sich nun auch fiir 312 Ignaz Konta. die wiederholt und von so hervorragenden Fachmannern empfohlene untere Trače entschied —■ den General-Director von Nordling und dessen Project fallen liess. Der Verlauf und Ausgang der Enquete machte noch lange von sich reden; sie fand auch in dem nachgefolgten, ge- sprochenen und geschriebenen Meinungs- austausch v. Nordling’s mit seinen Geg- nern *) eine Art offentlich gefiihrter Fortsetzung; allein diese iibte keinen hemmenden Einfluss mehr. Die a. h. Thronrede, mit \velcher der neugetvahlte Reichsrath am 8. October 1879 eroffnet wurde, gedachte des Baues der »immer wichtiger \verdenden Arlberg- babn«, und verhiess — wie einige Wochen spater auch der Bescheid an die Depu- tation, welche der Vorarlberger Landes- *) Den Reigen eroffnete die von Sections- chef v. Nordling — gleichsam als »Minori- tiits-Gutachten« — herausgegebeneBroschiire: »Die Alternativ-Tračen der Arlbergbahn« [Wien, Waldheim, 1879]. Diese Schrilt rief eine ganze Reihe von Kritiken und Gegen- schriften hervor, deren scharfsten eine, betitelt: »Die Alternativ-Tracen der Arlbergbahn und die Broschilre des Herrn v. Nordling, k. k. Sectionschef und General-Director des Oster- reichischen Eisenbahnwesens a.D., vom Stand- punkte eines Experten der Majoritat bei der Enquete im October 1879 — von Franz Ritter v.Stockert, k.k.Regierungsrath und Central - Inspector der Kaiser Ferdinands-Nordbahn«, im Januar 1880 bei Faesy & Frick in Wien erschien; darauf folgte ein von dem Bahn- Director der Stidbahn, Karl v, Prenninger, am 14. Februar 1880 im Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein gehaltener Vortrag: »Der Bau der Arlbergbahn« [im Druck erschienen bei Lehmann & Wentzel in Wien]; an diesen Vortrag knupfte sich eine Discussion, welche mehrere Vereins- versammlungen hindurch wahrte; hieruber verbreitete sich die Broschure: »Die Arlberg¬ bahn und die Frage derStellung derTechniker im staatlichen und socialen Leben im Oester¬ reichischen Ingenieur- und Architekten-Ver¬ ein. Reden und Beitrage der Herren C. Buchelen, A. Thommen, W. v. Nordling, F. Ržiha, W. v. Engerth, F. v. Stockert, A. Friedmann, J. Rieael und M. Konyves- Tdth. Herausgegeben von Wilhelm v. N iird- ling, k. k. Sectionschef und General-Director des 5 sterreichischenEisenbahnwesens« [Wien, 1880]. Ausserdem ist hervorzuheben die Bro- schiire: »Die Arlbergbahn, von Marko vits« [Wien, Gerold’s Solin]. Vom Standpunkte des Geologen wurde das Nordling’scheProject in der Schrift: Die Tunnelfrage bei der Arl¬ bergbahn, von Dr. Gustav Adolf Koch [Wien, 1880], bekampft. ausschuss vveeen der Arlbergbahn an Se. Majestat entsendet hatte — baldige Gesetzesvorlagen zu deren Sicherstellung. Die Regierung trachtete nun, von Ungarn Beitragsleistungen oder»Compensationen» zu erlangen, weil die neue Schienenstrasse fiir den ungarischen Export von besonderem Nutzen sei, und, nachdem ein Einver- nehmen hieruber insofern erzielt war, dass Ungarn den Bau der Linie Sissek-Novi sovvie die Regulirung der Donau bei' Gonyo und am Eisernen Thore zusagte, legte der Handelsminister, Freiherr von Korb, am 24. Januar 1880 dem Abge- ordnetenhause einen Gesetzentvvurf »be- treffend den Bau der Arlbergbahn« vor, der schon nach zwei Tagen dem Eisen- bahn-Ausschuss zur Vorberathung iiber- wiesen wurde. Der Text dieser neuesten [dritten] Arlberg-Vorlage war kurz und biindig. Der erste und wichtigste seiner vier Artikel lautete auf Ermachtigung der Regierung zur Herstellung einer von Innsbruck ii b e r L a n d e c k und durch den Arlberg bis zum An- schluss an die Vorarlberger Bahn fuhrende Eisenbahn auf Staatskosten, mit einem Aufvvande von hOchstens 35,600.000 fl. »Der Bau hat noch im Jahre 1880 zu beginnen.« Der Motivenbericbt hingegen war sehr umfassend. Er schilderte die Bedeutung und staatliche Nothwendigkeit der Bahn, ihre Trače und ihren voraussichtlichen Verkehr, die zu erwartenden Gegen- leistungen Ungarns, das Bauprogramm etc., und lieferte zu einzelnen der Dar- legungen ein reiches Ziffernmateriale. Von alldem kann jedoch hier nur hervorgehoben werden, dass die neue Projectirung zwischen den beiden friiheren die Mitte einhielt, indemsie »mitdemziveigeleisigen, geraden und tiefliegenden Tunnel [Cul- minationshohe 1310 m ] von 10.270 m Lange, dann den eingeleisigen Zufahrts- strecken ohne Schleife und der Gesammt- kostenziffer von 35,600.000 fl. die Vorziige der friiheren Projecte zu verbinden suchte, ohne den Boden der neuesten praktischen Erfahrung zu verlassen«. Die Bauzeit war fiir den grossen Tunnel mit fiinf bis sechs Jahren, fiir die offene Strecke mit vier Jahren angenommen. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 313 In ihren Anfangsstadien nahm die Vorberathung einen gunstigen Fortgang. Dazu liatte wesentlich beigetragen: die seitens des commerziellen Vorstandes der k. k. General-Inspection, Regierungsrathes Steingraber, mit besonderer Geschick- lichkeit und unter Hinzuthun des Bundes- rathes bewirkte Vereinbarung mit den schweizerischen Bahnen, wodurch die Arlbergbahn vor Concurrenzen thunlichst geschtitzt und bei allen Verkehren mit den meistbegiinstigten fremden Bahnen Regierung die Beseitigung jener Hinder- nisse erwirkt werde, welche [wie ins- besondere das Fehlen verschiedener Bahn- anschliisse, die Schiffahrtshindernisse in der Donau etc.j die gesammten Ver- kehrsinteressen des Reiches schadigten. Eine Partei wol!te sogar einschlagige Bestimmungen in das Gesetz selbst auf- genommen wissen. Das \var gleich- bedeutend mit einer nochmaligen Hinaus- schiebung oder gar, wie es durch ahn- liche Verclausulirungen bei der Dalmatiner Abb. 143. Radonnatobel-Briicke im Bau. [Arlbergbahn.] in gleiche Reihe gestellt wurde, ferner der durch die geanderte handelspolitische Lage hervorgerufene Umschwung der Gesinnung bei Vielen, die friiher nicht zu den Freunden des Projectes zahlten, — Allem voraus aber die liberzeugende Be- fiirwortung, welche der Handelsminister mit gliicklicher Beredsamkeit dem grossen Vorhaben widmete. Am 22. Februar 1880 war die Vor- lage bereits vom Ausschusse grundsatzlich gutgeheissen. Dann thurmten sich aber die Schwierigkeiten. Es wurde eine Resolution beantragt, dass noch vor Ausfuhrung des Arlbergbahn-Gesetzes bei der ungarischen Bahn der Fali gewesen [siehe Seite 200 f.], Vereitelung des Baues. Der Handels¬ minister bemuhte sich darum, jene Partei zu bewegen, von dem bedrohlichen Ver- langen abzustehen. Es gelang ihm dies in der Ausschuss-Sitzung vom 26. Februar, in welcher der Vorlage nun vollends zugestimmt wurde. Die Berichterstattung blieb wieder dem alten Kampen fiir die Arlbergbahn, Josef Ftirth, iibertragen, der sich seiner Aufgabe abermals mit gewohntem Eifer hingab. Am 10. Marž 1880 forderte die Regierung einen Credit fiir den Bauaufwand im Jahre 1880, und an eben diesem Tage begann 3 r 4 Ignaz Konta. auch die zweite Lesung der Arlberg- Vorlage. Je naher die wichtige Entscheidung riickte, desto heftiger wurden die Angriffe in- und ausserhalb des Parlamentes. Die Gegnerschaft filhlte sich bereits sehr in der Minderheit und bediente sich darum der \vuchtigsten Waffen, von denen so- gar manche im Auslande geschmiedet waren. Man bezeichnete die Bahn als iiberfltissig, wenn nicht gar in mancher Beziehung als eine Gefahr [z. B. fur Triest]; man kam auf die Frage der Rentabilitat zuriick, forderte Herabminde- rung der Kosten durch Anwendung des Za,hnradsystems*) und benutzte fremd- landische Schriften**) und Zeitungsartikel zum letzten Ansturme. Auch die unent- schiedene Haltung der galizischen Ab- geordneten, welche sich mehr um die Transversalbahn zu kiimmern schienen, \var ein bedenkliches Symptom. Gliicklicherweise gelang es den treff- lichen Ausfiihrungen des Handelsministers, des Berichterstatters und der Abgeord- neten Gustav Gross und Hausner, dem Reichsinteresse zum Siege zu verhelfen. Der Minister appellirte am Schlusse seiner glanzenden Rede directe an die Vaterlandsliebe des Parlamentes, welches »jene Opfer, die die Verhaltnisse und die Sache selbst erheischen, bringen und sein Votum in die Worte zusammen- fassen moge: die Arlbergbahn muss ge- baut werden, und zwar so rasch als moglich«; der Abgeordnete Gross ver- folgte einen gleichen Gedankengang und sagte schliesslich : »Wenn die Erzeugnisse unseres heimischen Fleisses, unseres *) Dazu mag die Broschiire: »Die Arl¬ bergbahn als Zahnradbahn und die daraus sich ergebenden Ersparnisse. Eine technische Skizze von Ingenieur Rudolf R. v. G unese h« [Wien, 1880] den Anstoss gegeben haben; denn sie behauptete, dass dieses System ausreichen und eine Ersparnis von 10,000.000 fl. bieten \viirde. **) A. Memminger [Oswald Stein], vor- mals Bureauchef der Schweizer Bahnen, hatte sich in seinem Buche: »Die Alpenbahnen und deren Bedeutung fur Deutschland und Oester- reich, mit besonderer Beziehung auf Gott- hard, Brenner, Arlberg und Fern [Zurich, 1878J« sehr abfallig iiber das Arlberg-Project ausgesprochen, spaterhin aber eine Art Widerruf geleistet. vaterlandischen Bodens durch das Alfenz- thal nach Vorarlberg rollen, dann mag man auf das Westportal des Arlberges die stolzen Worte setzen: Austriae im- perium saxa loquuntur« ; der Abgeordnete Hausner beleuchtete die verschiedenen Ansichten iiber die Rentabilitatsfrage und meinte kurz und biindig: »es sei mog¬ lich, dass man sich mit der Arlbergbahn irre, dies sei aber besser, als wenn gar nichts geschehe und unser Export von der Erlaubnis des Deutschen Reiches ab- hangig bleibe« — und der treuherzige Be- richterstatter geisselte die fremdlandische Fiirsorge um unsere Finanzen, rieth den Triestern, vor der Arlbergbahn keine Furcht zu hegen und nur »einen anderen [das heisst guten] Geist bei sich ein- ziehen zu lassen« und verwahrte sich dagegen, als ob er fur eine »Weltbahn« und nicht »fiir eine osterreichische Bahn plaidire, eine Bahn, die bestimmt sei, Oesterreich politisch und vvirthschaftlich frei und unabhangig zu machen.« — Diese Reden ziindeten, der Patriotismus siegte, die Vorlage wurde am 13. Marž in zvveiter und dritter Lesung angenommen, des- gleichen am 2. Mai vom Flerrenhause, welches vorerst noch das Verlangen nach der »Compensation« Sissek-Novi aus- merzte, und am 7. Mai 1880 erhielt das Gesetz die a. h. Sanction. Nun erdrohnte Tirol und Vorarlberg von Jubel und Dank. Freudenfeuer er- glanzten auf den Bergen; Alles wett- eiferte in Dankeskundgebungen. Am n. Mai war grosser Festtag in Innsbruck und im alten Rathhause fand eine feier- liche Gemeinderathssitzung statt, in wel- cher begeisterte Ansprachen die Weihe des Tages verkiindeten und dem unaus- loschlichen Danke an Se. Majestat den Kaiser Ausdruck gaben. Nach 32 Jahren horte die Arlbergbahn auf, eine Frage zu sein; der Ruf sie gelost, das alte wichtige Project der Vervvirklichung zu- gefiihrt und damit eine grosse That voll- bracht zu haben, fiel dem Cabinet Taaffe und dem neuen, in seiner Mehrheit so ganz anders zusammengesetzten Parla¬ mente zu. Solite die friihere Saumnis nochirgend- wie wettgemacht, dem Gotthard kein gar zu grosser Vorsprung gegonnt werden, Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 315 Abb. 144. Radonnatobel-Briicke bei Dalaas. dann musste man ungesiiumt und mit aller Kraft ans Werk gehen. Das geschah denn auch. Das Gesetz vom 9. Mai 1880 bewilligte einen ersten Credit voii 2,100.000 fl., am 16. Mai erfolgte die a. h. Anordnung der Inangriffnahme des Baues, mit dessen Leitung das Handels- ministerium schon Tags vorher die k. k. Direction fiir Staats-Eisenbahnbauten be- traut hatte. Nach dem von ihr sofort aufgestellten Bauprogramme sollten die Thalbahn Innsbruck-Landeck [71'8 km\ im Herbste 1882, die beiden Zufahrt- strecken [53‘2 kni\ im Sommer 1884, der grosse Tunnel [i0’2 km\ aber im Herbste 1885 vollendet und bis dahin der Ver- kehr tiber den Arlberg, wie seinerzeit am Semmering, mittels Achsfuhrwerk be- werkstelligt werden. Am 14. Juni 1880 begannen an der Ost-, am 22. Juni an der Westseite die Arbeiten an den Vor- einschnitten und am 24., beziehungsweise 25. Juni der Vortrieb von Hand beim grossen Tunnel, und zwar einstweilen auf Grund kiindbarer Accorde. Weiter als bis hieher sein Werk zu geleiten, war dem Handelsminister Freiherrn von K o r b nicht gegonnt; er trat am 26. Juni 1880 zuriick. Sein Nachfolger, Alfred Ritter von Kremer, konnte schon am 10. August die von dem Vorstande der leitenden Baubehorde, k. k. Oberbaurathe Julius Lott*) [Abb. 126] schleunigst vorberei- *) Als Sohndesnachmals alsProfessoran der philosophischen Facultat in Wien -rilhmlichst bekannten Dr. Fr. C. Lott, am 25. Marž 1836 in Wien geboren, erhielt Julius Lott seine erste Ausbildung in GiJttingen, wo sein Vater als Universitats-Professor thatig war. Nach dessen im Jahre 1849 erfolgter Berufung an die Universitat in Wien besuchte Julius Lott das k. k. akademische Gymnasium und nach Absolvirung desselben die technische Hoch- schule in Wien. Die technischen Studien vollendete er im Jahre 1859 in Karlsruhe, woselbst er sodann auch durc-h kurze Zeit als Supplent Professor Keller's und im badischen Staatsdienste beim Eisenbahnbau Verwendung fand. Im Jahre 1861 wurde Lott durch Etzel zu den Projectirungs - Arbeiten fiir die Brennerbahn herangezogen, und sodann mit der Ausftihrung der Strecke Patsch-Matrei — einer der schwierigsten der ganzen Balin — betraut. Er bewahrte sich dort in solchem Masse, dass der Bauleiter der Brennerbahn, Achilles Thommen, bald nachdem dieser die Stelle des Bau-Directors der Ungarischen Staatsbahnen angetreten hatte, Lott die Leitung der Tracirung der Strecke Karistadt-Fiume [1867] und Gross- wardein - lvlausenburg [1868] iibertrug. Im Jahre 1869 wurde er in die Direction der Unga¬ rischen Staatsbahnen berufen, wirkte daselbst als Ober-Inspector bei den Staatsbahnbauten und nachher als Vorstand der Bau-Ueber- wachungsabtheilung fiir die concessionirten Bahnen. Als im Jahre 1871 derBau der Ungarischen Ostbahn infolge Vertragsbruches der General-Unternehmung ins Stocken gerieth und die Gesellschaft den Bau weiterfiihren 3i6 Ignaz Konta. teten Profilstypen fiir den Albergbahn-Tun- nel genehmigen. Sodann vrarden alleDetail- projecte sowie das Operat fiir die eigent- liche Vergebung des Tunnelbaues aus- gearbeitet; am 23. December 1880 fand die Offertverhandlung statt. Ersteher blieben die Unternehmer G. Ceconi und Briider L app mit einem Aufgebot von 2 °/ 0 fiir die \vestliche und 5 °/ 0 fiir die ostliche Halfte. Fiir die erstere waren Kosten mit 6,028.403 fl., fiir die letztere mit 5,960.103 fl. und fiir die 1400 m langen Ausmiindungen mit 107.688 fl. veranschlagt; die Vollendungsfrist war auf Mitte August 1885 anberaumt, das Ponale fiir die Ueberschreitung derselben mit 800 fl. pro Tag und die Pramie fiir musste, berief sie Lott zum Bau-Director. Die glanzende Art, in der er die vielen und grossen hier angehauft gewesenen Schwierig- keiten bewaltigte, begviindete seinen Ruf als ausgezeichneter Bautechniker, und wendete ihm mit der allgemeinen Aufmerksamkeit auch jene des damaligen General-Directors der Theissbahn, Wilhelm v. Nordling zu, welcher sodann als Sectionschef und General- Director des osterreichischen Eisenbahnwesens bei der Reorganisirung des Osterreichischen Staatseisenbau-Dienstes und Errichtung der k. k. Direction fiir Staats-Eisenbahnbauten, Lott zum Vorstande dieser Behorde erwahlte [1875]. Sein gediegenes technisches Wissen, seine reichen Erfahrungen und sein weiter Blick auch fiir alle administrativen Fragen, behiiteten ihn davor, seine Aufgaben ledig- lich aus dem Gesichtspunkte technischer Probleme losen zu wollen. Dadurch aber erwarb er sich nur noch rascher das Vertrauen aller massgebenden PersOnlichkeiten des ihm vorgesetzten k. k. Handelsministeriums. Beim Amtsantritte Lott’s standen die Ra- konitz - Protiviner, die Tarn6w - Leluch6wer, die Istrianer und Dalmatiner Bahn im Baue; spater kamen die Localbahnen Kriegsdorf - ROmerstadt, Unterdrauburg-VVolfsberg und Miirzzuschlag - Neuberg hinzu. Fiir die erste- ren waren noch die damaligen Normalien fiir Hauptbahnen massgebend, riicksichtlich der Localbahnen aber galt es, der damals eben zum Durchbruche gelangenden Stromung Gel- tung zu verschaffen, welche dahin zielte, Bahnen von geringerer Bedeutung mit mog- lichster Einfachheit und geringem Kostenauf- rvande herzustellen. Die Gediegenheit der damals von Lott verfassten Projecte dieser Art machte dieselben mustergiltig, so zwar, dass die von ihm zur Durchfiihrunggebrachten Grundsatze spater auch bei den von Privat- unternehmern ausgefuhrten Secundar- und Lo¬ calbahnen vielfach zur Anwendung gelangten. Ausser den bereits erwahnten Linien kamen unter Lotfls Leitung noch die Local- jeden Tag Zeitgewinn ebenso hoch be- messen. Die Accord-Unternehmung [Redlich und Ceconi], welchemitdenTunnelarbeiten vorlaufig betraut gewesen, raumten ihren Platz am 12. Januar 1881 der neuen Unter- nehmung ein, die sogleich mit grosstem Fleisse weiter arbeitete. Auf der Ostseite wurde fiir den maschinellen Betrieb das Stossbohrsystem Ferroux mit Lufttrans- mission, auf der Westseite das vorztigliche Brandfsche Drehbohrsystem mit Wasser- transmission, welches hier zum ersten Male seine praktische Nutzamvendung fand, fiir die Installation bleibend, angenommen.*) Dank den von der Direction**) getroffenen Vorkehrungen und der Thatkraft der Bau- bahn Erbersdorf - LVtirbenthal und die Haupt¬ bahnen: Donauuferbahn und Tarvis - Pon- tafel zur Ausfiihrung. Die grosste und rvichtigste Aufgabe fiel jedoch der Staatseisenbahn-Baudirection und ihrem unermiidlichen Vorstande im Jahre 1880 zu; dieselbe umfasste die Aufstellung des endgiltigen Projectes fiir die Arlbergbahn und sodann die Installation dieses auf Staats- kosten unternommenen gigantischen Bauwer- kes. Lott widmete sich mit ganzer Seele diesem epochalen Vorhaben und nahm daran vollsten Antheil, als er schon von schvverer Krankheit befallen war. Es ward ihm nicht vergbnnt, die Vollendung seiner letzten und bedeutendsten Arbeit zu erleben. Im Laufe des Jahres 1882 nahm auch noch die Projectirung und Bauvergebung der Galizischen Transversalbahn die Tbatigkeit Lotfs in hervorragender Weise in Anspruch. Dass die ausgezeichnete Wirksamkeit Lotfs auch die verdiente Anerkennung ge- funden, ist nur naturlich. Im Jahre 1880 er- folgte seine Ernennung zum k. k. Oberbaurathe bei gleichzeitiger Stabilisirung im Staats- dienste, und zu Ende des Jahres 1882 erhielt er den Orden der eisernen Krone, welche Aus- zeichnung ihn bereits auf dem Krankenlager traf. Er starb am 24. Mai 1883. Seine Jiinger und Freunde errichteten ihm vor dem Ostportale des Arlbergtunnels ein Denkmal [Abb. 127] und widmeten den Rest der hiezu eingeflossenen Beitrage zu einer den Namen Lotfs tragenden Stiftung fiir hilfsbediirftige Witwen und Waisen nach Beamten der k. k. Staatsbahnen. •) Naheres tiber den Bau des Arlberg¬ tunnels siehe Bd. II, A. Birk: Tunnelbau S. 236 und die Abb. 97—101 in jenem Ab- schnitte. **) Vorstande der technischenDirections- Abtheilungen und als solche am Baue der Arlbergbahn in hervorragendem Masse be- theiligt waren: fiir Unterbau und Brllcken: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 317 leitung, an deren Spitze der k. k. Inspector, Adolf Doppler, und, als dessen Stell- vertreter, der k. k. Commissar Wilhelm W r a s c h t i 1 gestanden ; Dank ferner der EmsigkeitderBauunternehmung und ihres eintrachtigen Zusammenwirkens mit den staatlichen Organen, machten die Leistun- gen gleich von Stund an erfreuliche Fort- schritte, welche, geschiitzt und gefordert von einem giitigen Geschicke, sich stetig und bis zu einem ungeahnten Masse steigerten. Eineform- liche Bauge- schichte hier aufzunehmen, ist nicht mog- lich.* *) Uns kommt nurzu, die vvichtig- sten Momente hervorzuhe- ben und fest- zuhalten. Am 25.Juni 1881 waren bereits die ersten 1000 m Tun- nel vollendet. Die Feier die- ses Ereignis- sesfandinAn- vvesenheit des Handelsministers, Freiherrn von Pino, und des Vorstandes der Direction der Staats - Eisenbahnbauten, k. k. Ober- baurathes Julius Lott, statt. In den Tagen vom 10. bis 13. August be- suchte Se. Majestat der Kaiser die Baustatte und drijckte wiederholt Seine a. h. Zufriedenheit iiber das Gesehene aus. Mit Ende des Jahres erreieliten die auf- gefahrenen Richtstollen eine Gesammt- Ludwig H us s, k. k. Inspector; fiir Oberbau, Mechanik und Fahrbetriebsmittel: Gustav Platte, k. k. Inspector; fiir Hochbau und Ausriistung: Friedrich Setz, k. k. Ober- Ingenieur. •) Eine solehe ist vorbanden in den von der k. k. Direction fiir Staats-Eisenbahn- bauten und nachher von der k. k. General- Direction der Osterreichischen Staatsbahnen, veroffentlichten »Denkschriften iiber den Fortschritt derProjectirungs- und Bauarbeiten der Arlbergbahn« [Wien, 18Sr, 1882 und 1890.] lange von 3220 m und die Bohrarbeit im Jahre 1881 nicht weniger als 2574 m, was nach Abrechnung der Zeitverluste durch Nivellements einem Tagesfort- schritte von durchschnittlich 3’6 m gleich- kam. Angesicbts der iiberaus giinstigen Arbeitsergebnisse \vurden nun auch die Einleitungen fiir die Inangriffnahme der Aussenstrecken beschleunigt. Nachdem wahrend des Sommers und bis weit in den Herbst hinein die verschiedenen Begehungs- Commissio- nen vorge- nommen wor- den \varen, fand am I. Oc- tober 1881 die Offertaus- schreibungfiir dieVergebung des Unterbaues und der Ober- baulegungder Thalstrecke Innsbruck- Landeck statt. Es liefen 43 Angebote ein, von denen je- doch nur zwei Beriicksichti- gung fanden, namlichjenes einervonmeh- reren Unternehmern gebildeten »Ti roler Eisenbahn-Bauunternehmung« riick- sichtlich der ersten drei Lose undjenes der U nternehmung BruderRedlich&Berger riicksichtlich der ubrigen sieben Lose, wobei Preisnachlasse von i2 - 4°/ 0 bis 1 7" 7 °/o un d hiedurch ein Kostenersparnis von 426.600 fl. erzielt wurde. Die Be- schaffung der Schienen und Schwellen erfolgte gesondert, ebenso die Vergebung der Hochbauten, deren Ersteher ebenfalls die letztgenannte Unternehmung war [31. December], und zwar wieder ver- moge eines Abgebotes von 137 °[ 0 . Der Bau der Thalbahn hat am 15., beziehungsweise 21. November 1881 begonnen und zehn Monate spater aucli schon 'jener der beiden Rampenstrecken, nachdem die beziiglichen Vergebungen am 6. August 1882 erfolgt waren. Er- Abb. 145. Arlbergbahn bei dem ehemaligen Gipsbruche bei Dalaas. 3i8 Ignaz Konta. steher blieben hier von 14 Offerenten die nachbenannten Unternehmungen: Ue¬ fo rud er Redlich & Berger, M. Casagranda und E. Benuzzi, A. Kis s, M. Bisztak und G. Pollak. Von allen wurden Preisnachlasse [von 7'7 °/o — 11 ' 5 °/o 1 un ^ hiedurch wieder eine Kostenersparnis von 540.000 fl. erzielt. Mit Jahresschluss 1882 waren bereits 6813 m des Tunnels durchbohrt; es stellte sich also damals der Stollenfort- schritt auf durchschnittlich (485 m pro Tag, d. i. beinahe doppelt so gross als urspriinglich angenommen \vurde. Auch auf den offenen Strecken gediehen die Arbeiten sehr rascb, zumal riicksichtlich der Fluss- und Uferschutzbauten, denen der milde und trockene Winter 1881/82 wohl zustatten kam und einen Vorsprung ermoglichte, der sich umso werthvoller erwies, als der Sommer ein regnerischer und an Wasserschaden sehr reicher war. Damals lag der Director des Baues, Ober-Baurath Julius Lott, schon schwer krank darnieder; er starb, \vie bereits er- \vahnt, am 24. Mai 1883. Sein Steliver- treter Friedrich Dieterle war ihm am 15 - November 1882 im Tode vorange- gangen. Der Flandelsminister berief nun den Ober-Inspector der k. k. General-In- spection, Johann Poschacher, zurLeitung der k. k. Baudirection,*) demfortan auch die Weiterftihrung des Arlbergbaues zufiel. Im Sommer 1883 gelangte die 71'8 km lange Thalbahn zur Vollendung. Am 30. Juni, 8 Uhr Abends, ging in fest- lichem Traueraufzuge die letzte Wagen- post von Innsbruck nach Landeck ab, und am I. Juli fuhr das Dampfross auf der neuen Schienenstrasse dorthin. Zu- gleich begann, auf Grund des Peage-Ver- trages vom, 7. Juni 1883 [siehe Seite 304], die Mitbenutzung der 587 km langen Sudbahnstrecke Worgl-Innsbruck. Diese Eroffnung kam gerade recht; denn gar bald hatte die neue Linie schon die Zufuhren des Materials und der Aus- *) Als Baudirector-Stellvertreter fungirte der kaiserliche Rath Dr. Franz Liharzik, welcher neben seinen Obliegenheiten als General-Secretar und k. k. Betriebsverwalter- Stellvertreter der Erzherzog Albrecht-Bahn auch die Besorgung der administrativen Agenden der k. k. Baudirection ubernommen hatte. riistungs-Gegenstande fiir die eigentlichen Arlbergstrecken zu besorgen. Am 10. August rvurden auf der Westseite die Schiisse von der Ostseite zum ersten Male gehort, und drei Monate spater — am 13. November, 3 Uhr 30 Minuten Nachmittags — beim Abschiessen auf der Westseite zwei Bohrlocher der Ost¬ seite blosgelegt. Sofort trug der Telegraph nach allen Richtungen die frohe Kunde, dass die Riesenarbeit vollbracht, das grosse Werk gelungen ist. Die Absprengung der noch verbliebenen 17 m dicken Steinmasse wurde aber auf den ig. November ver- schoben; die Tunnelbau-Unternehmung hatte eine Ehre darein gesetzt, den Durch- schlag als ein kostbares und seltenes Namenstags-Angebinde Ihrer Majestat der Kaiserin darzubringen, und mit einer der Bedeutung des Ereignisses wtirdigen Feierlichkeit vorzunehmen. Es hatte sich hiezu eine auserlesene Festversammlung eineefunden: Der Handelsminister Frei- herr v. Pino mit den obersten Beamten der Eisenbahn-Section und der Directionen fiir den Staats-Eisenbahnbau und -Betrieb, die Spitzen der Behorden und autonomen Korperschaften Tirols und Vorarlbergs, zahlreiche Fachmanner, Abgeordnete und sonstige geladene Gaste, die am Baue betheiligten lngenieure, die Arbeiterschaft etc. Allesammt begaben sich in freudiger Erregung durch das geheimnisvolle Dunkel der »langgedehnten Rohre« zu dem unter- irdischen »Festplatze« und harrten spannungsvoll des epochalen Augen- blickes, in welchem der letzte Rest des machtigen Hindernisses fallen solite, welches bislang verhindert hatte, dass das industriereiche, treue, westliche Grenz- land Oesterreichs mit dem Herzen der Monarchie in unmittelbare Verbindung trete. Um die Mittagsstunde des, Elisabeth- Tages entlud der Handelsminister den zu den Minen geleiteten elektrischen Strom — und die Durchbohrung des Arlberges war eine vollendete Thatsache, die Scheidewand beseitigt, welche dem unbehinderten Verkehre zwischen Vorarlberg und den iibrigen Landern des Kaiserstaates — zvvischen Ost und West — entgegengestanden. Der Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 319 Durchschlag erfolgte, fast auf den Tag genau, drei Jahre nach der ersten maschinellen Inangriffnahme, und um I3 l l 2 Monate frtiher als bedungen war. Die ganz unvergleicbliche Leistung, die alle bisher erzielten derlei Erfolge vveit hinter sich lasst, und vollfiihrt wurde ohne die vielen Opfer an Menschenleben, welche friihere Tunnelbauten gefordert hatten, verdiente und fand mit Recht allseitige Anerkennung. Der Handelsminister durfte darum bei seinen in eine Huldigung fiir 320 Ignaz Se. Majestat den Kaiser Franz Joseph I. ausgeklungenen Festreden mit Stolz betonen,. dass »osterreichi- sche Wissenschaft, osterreichi- scherMuth und osterreichischer Fleiss dies zuStande gebracht«, und dass der Jubel iiber das grosse Ereignis in der ganzen Monarchie und weit iiber ihre Grenzen hinaus wiederhalle »zur Ehre der osterreichischen Arbeit«. »Ehre der Arbeit« lautet auch der Spruch, der auf den Denkmtinzen prangt, welche zur Erinnerung an den fortan mit unverganglichen Lettern in den Annalen der osterreichischen Culturgeschichte ver- zeichneten 19. November 1883 an Ort und Stelle des Durchschlages vertheilt wurden. Dass es an heller Festesfreudig- keit und inniger Begluckwunschung aller an dem Baue Betheiligten, insbesondere der anlasslich der Feier mit a. h. Aus- zeichnungen Bedachten, nicht fehlte, braucht nicht erst erwahnt zu werden. Wohl aber bleibt besonders zu ver- zeichnen, dass in tiefempfundenen Worten auch der beiden Manner gedacht wurde, denen ein neidisches Geschick verwehrte, die Vollendung des grossen Werkes zu schauen, an das sie die erste Hand gelegt: des Freiherrn von Korb-Weidenheim, dessen thatkraftiges Einstehen fiir die Ver- wirklichung des alten Arlberg-Projectes bevvirkte, dass der Gedanke zur That geworden, — und Julius Lott’s, der zur Ausfuhrung dieser Schopfung berufen gewesen, und bis zu seinem letzten Athemzuee ihr mit Liebe und Begeiste- rung, mit allen Fasern seines reichen Wissens und KOnnens anhing. Als die Feierlichkeiten*) voriiber und die »ersten Menschen, welche die Reise nach Vorarlberg und zuriick durch den Arlberg zuriickgelegt hatten«, wieder von dannen gezogen waren, nahmen die Arbeiten ihren weiteren Fortgang, wo- moglich noch frischer und frohlicher als zuvor. Bei Ablauf des Jahres 1883 *) Eine ausfiihrliche Beschreibung der Festlichkeiten findet sich in der Schrift: »Die Festfeier am Arlberge anlasslich des Tunneldurchschlages am 19. November 1883. Dargestellt von den k. k. Ministerial-Secre- taren Dr. Franz Meissl und Dr. Josef Ritter v. Ktichler.« Konta. waren 85 ’ 7 °/o des Vollausbruches und 82'7°/ 0 der Mauerung des Tunnels voll- endet. Auf den offenen Strecken wurde gleichfalls mit vollster Kraftentfaltung gearbeitet. Die Vollendung der neuen grossen Schienenstrasse riickte also mit Riesenschritten naher. Darum begann jetzt auch unten am Bodensee ein riihri- ges Schaffen; denn die mit dem Gesetze vom 4. Juni 1883 genehmigte Herstellung einer Trajectanstalt musste sehr beschleu- nigt werden, um den Schiffsdienst gleich- žeitig mit der Arlbergbahn in Betrieb setzen zu konnen. Zur Besorgung jenes Dienstes wurde in Bregenz eine der staat- lichen Eisenbahn-Verwaltung unterste- hende»K.k. Bodensee-Schiffahrts- Inspection« errichtet und mit 1. De¬ cember 1883 activirt. Die Ausfuhrung der technischen Einrichtungen und des Schiffparkes [zwei Dampfboote a 80 Pferdekrafte, vier Trajectkahne, ein Salon- dampfer] hatte die osterreichische Bau- gesellschaft im Vereine mit der Firma Escher Wyss in Zurich um den Betrag von 540.000 fl. erstanden. Die Gesammt- kosten der Anlage waren mit 820.000 fl. bemessen. Fiir die Arlbergbahn selbst trat ein Mehrerfordernis von 5,700.000 fl. ein, theils durch die grosse Pramienzahlung an die Tunnelbau-Unternehmung theils durch die nothwendig gewordenen Maue- rungen im Tunnel, welche vermoge der geologischen Untersuchungen, die einen Ausbruch im festen Gestein ervvarten liessen, gar nicht in Anschlag ge¬ bracht worden waren. Das Parlament genehmigte ohneweiters diesen Mehrauf- wand und das aus der beziiglichen Re- gierungsvorlage [14. Februar 1884] her- vorgegangene Gesetz vom 5. April 1884 verfiigte einfach die Erhohung der ur- sprunglich mit 35,600.000 fl. festgesetz- ten Baukosten der Arlbergbahn 4uf 41.300.000 fl. Nun glichen die Baustrecken bald einem gigantischen Bienenstocke. Im Tunnel standen durchschnittlich bis zu 5000, auf den offenen Strecken bis zu 11.000 Arbeiter taglich in Vervvendung. Am 14. Mai 1884 wurde der letzte Stein in den Tunnel eingemauert. Ende August fanden die Bruckenproben statt; Geschichte der Eisenbalmen Oesterreichs. 321 Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. am 3. September durchlief der erste Zug die ganze Strecke von Landeckbis Bludenz und am 6. September begann die Be- niitzung der Bahn vorerst ftir den Giiter- verkehr. Es sollten eben, wiewohl die am 7. September im Beisein des Handels- ministers vorgenommene technisch-poli- zeiliche Prtifung der Bahn durchwegs die glanzendsten Ergebnisse geliefert hatte, keinerlei Vorsichten aus- ser Acht gelas- sen und auch dem Personale Zeit gegeben werden, sich mit den beson- deren Betriebs- verhaltnissen dieserBahnver- traut zu ma- chen, bevor die- selbe dem all- gemeinen Ver- kehre iiberge- ben\vurde. Dies solite erst am 21. September geschehen.*) »Kaum in die Oeffentlich- keit gelangt, hat diese Nachricht allerorten die freudig- ste Stim- rnung er- weckt; denn dielangst er- sehnte, vom Auslande unabhangige Schienenverbin- dung zwischen den Gestaden des Boden- sees und dem Innern der Monarchie, stand fertig da. Nicht blos einzelne Kreise oder Lander ausserten darob ihre Freude, sondern das ganze Reich Abb. 147. Schmiedtobel-Briicke bei Dalaas. *) Hinsichtlich der Eroffnung glaubt der Verfasser bier nur wiederholen zu sollen, was er, als ein Theilnehmer der Eroffnungsfahrt, unter dem machtigen Eindrucke der selbst- geschauten Feierlichkeiten schon im XVIII. jahrgange seines Eisenbahn-Jahrbuches ge- schrieben hat. und alle seine Volker feierten das grosse Werk, das fur alle Zeit ein un- vergangliches Denkmal bleibt: der Re- gierung, die es ins Leben gerufen, und ali der wackeren Werkleute, deren gei- stige oder physische Kraft es zur Aus- fithrung brachte. Die Freudes- und Dankeskundgebun- gen mehrten sich mit jedem Tage und steigerten sich biszumjubel, als es bekannt wur- de, dass die Er¬ offnung der Arl- bergbahn eine festliche sein und Seine Ma- jestat der Kaiser daran theilneh- men werde. Ihren H-ohe- punkt erreich- ten sie aber in V orarlberg, als am 20. Septem¬ ber von Inns¬ bruck aus die fei erliche Er¬ offnungsfahrt n ach Bregenz stattfand. Es war da, als ob ein breiter,tiefer Strom von Freu¬ de und Dank- barkeit sich in ein Meer von Patriotismus er- gosse und das ganze Volk sich herandrangte, zu bekunden, wie gliicklich es sich ftihle, aus der Abgeschiedenheit von den tibrigen Provinzen der Monarchie endlich erlost zu sein. So gestaltete sich diese Eroffnungsfahrt zu einer epochalen Feier, sowohl in Ansehung auf die grosse wirthschaftliche Bedeutung des Ereignisses, dem sie gegolten, als auch durch die sie verherrlichende A n- wesenheitSr. Majestat des Kaisers der, begleitet vom Handelsminister und anderen Rathen der Krone, dem Prasi- denten der k. k. General - Direction Ignaz Konta. 322 der osterreichischen Staatsbahnen, meh- reren Functionaren der obersten Staats- behorden sowie des staatlichen Eisen- bahnbaues und -Betriebes, vielen Reichs- rathsabgeordneten etc. etc. — gekommen war, dem gliicklich vollendeten Riesen- werke die Weihe zu geben und, umbraust von den Huldigungen der Bevolkerung, Zeuge gewesen der Erschliessung des neuen osterreichischen Handelsweges nach dem Westen Europas.« Am 21. September fand die Eroffnung fiir den allgemeinen Verkehr statt, und [ \vahrend in Bregenz die Festlichkeiten ihren glanzvollen Verlauf nahmen, die Mitglieder der Regierung, insbesondere der Handelsminister, mit Gliickwiinschen zu dem errungenen Erfolge iiberhauft wurden und die hochverdienten Bauorgane die kaiserliche Anerkennung ernteten — rollten schon oben durch den Arlberg die Personenziige, dichtbesetzt mit Rei- senden, die von allen Seiten herbeieilten, [ das Meisterwerk der bsterreichischen Ingenieure zu bewundern. Die am 22. Sep¬ tember aus Bregenz zuriickkehrenden Festgaste machten in St. Anton kurze Rast, um das Andenken Lott’s zu ehren und der Uebergabe seines Denkmals in die Obhut der Ver\valtung der k. k. Staats¬ bahnen beizivvvohnen. Die Feier fand beim Standorte des Denkmals vor dem Ost- portale des grossen Tunnels statt. [Siehe Abb. 127 und 135.] Die k. k. Bodensee-Schiffahrt hatte schon am 15. September 1884 ihren Dienstbegonnen. Der neue osterreichische Handels\veg stand also, nachdem er ein Menschenalter hindurch blosses Project gewesen und sodann in der kurzen Zeit von vier Jahren erbaut wurde, als ein wohlvollendetes Ganzes da, nicht blos bis an das »sclrvvabische Meer« sondern noeh liber dasselbe hiniiberreichend, ein neuer machtiger Lorbeer im Ruhmes- kranze der Austria. Die Gesammtkosten der Arlbergbahn haben beim Abschlusse der Baurechnung 41,299.920 fl. oder 305.495 fl. pro km be- tragen, wovon 19,082.641 fl. auf .den Arlbergtunnel entfielen. Die Trače der Arlbergbahn ist in baulicher Beziehung in zwei Partien gesondert: in die Thalstrecke I n n s b r u c k - L a 11 d e c k und die Gebirgsstrecke Landeck-Bludenz. [Vgl. Abb. 128.] Das bezeichnende Merkmal der ganzen Bahn bildet die beinahe ausschliess- liche Verwendung von Bruchsteinen fiir das Mauerwerk und die Ausfiihrung der vielen technisch hochinteressanten Viaducte und gewčlbten Briicken aus diesem Materiale. Der Lauf der ganzen Trače folgt fast genau der Richtung von Ost nach West. In geographischer Hinsicht liegt der grbssere Theil dieser Bahn [10579 km] in Tirol und nur ein kleineres Stiick [30-97 km] in Vorarlberg. Vom Bahnhofe Innsbruck [580-8 rn SeehOhe] abzweigend, gelangt die Trače nach Ueber- setzung des Sillcanales auf die Siidseite der Stadt Innsbruck und nahert sich dem Inn- flusse. Von Innsbruck bis Landeck [km 0 — 73-4] bleibt die Bahn im Innthale, von Landeck bis St. Anton im Stanzerthale [km 73-4 —100-13], von St. Anton bis Langen [km 100-13—110-38] im lnnern des Arlberges und endlich von Langen bis Bludenz [km 110-38—13676] im Klosterthale, das der Alfenzbach durchfliesst. Im Innthale an der Voelserlehne und bei dem sogenannten bosen Ranggen musste der Raurn fiir den Bahnkorper theils dem Innbette abgerungen, theils durch Ein- schneiden der Lehnen gewonnen werden. Im Uebrigen fuhrt dieTrace im Thalboden zumeist parallel mit dem Flusse zu den Stationen Voels, Kematen, Zirl, Flaurling, Telfs und Silz und erreicht die Station Oetzthal, welche in der etwa 5 km langen, colossale Gneis- findlinge bergenden Schutthalde errichtet ist, die einstens bei einer grossartigen Naturrevolution durch die Oetzthaler Ache in das Innthal geworfen worden sein muss, und in welche sich im Laufe der Zeit so- \vohl der Inn als auch die Oetzthaler Ache ivieder 20 m tief eingeschnitten haben. Von der in \vildromantischer Gegend gelegenen Station Oetzthal geht die Trače in einen 800 m langen und bis zu 10 m tiefen Ein- schnitt zur Oetzthaler Ache und iibersetzt die- selbe auf einer Eisenbahnbriicke von 80 m Lichtrveite und 18 m H 5 he [Abb. 129, vgl. auch Bd. II, S. 293, Abb. 152] und gelangt im Ge- falle nach Roppen und in das 3-5 km lange Defile, in welchem der Inn zvvischen 30 m hohen Felswanden fliesst. An dieser Stelle waren die bedeutendsten Bauschwierigkeiten der ganzen Thalstrecke zu iiberwinden und musste der Raurn fiir dieBahndenFelswanden und dem Flusse abgerungen werden. [Abb. 130.] Der von Silden einmiindende Pitzbach wird mit einer 40 m langen Eisenbrticke iiber- setzt. Die lange Felsengalerie, die die Bahn durchfahrt, zahlt zu ihren bedeutendsten Kunstbauten. Beim Austritt der Bahn aus dem Defild liegt die Station Imst. Von hier ab zwangt sich die Trače wieder zwischen dem rechten Innufer und den anschliessenden Berglehnen hindurch, erreicht die Imsterau und nach Passirung noch einer Thalenge die Station Sch 5 nwies. Im weiteren Zuge geht es noch durch einige Thalengen, dann um- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 323 fahrt die Bahn den Schuttkegel vor der Kronburg, hinter welchem bedeutende Fluss- correctionen ausgefuhrt werden mussten. Bei der Haltestelle Zams tritt die Bahn in ein enveitertes Thalbecken und erreicht Landeck [776-5 m Seehohe], [Abb. 131]. Die Strecke Landeck-Bludenzist bau- lieh wieder in drei Theiistrecken gegliedert: Landeck-St.-Anton [Ostrampe], St.-Anton- Langen [Tunnelstrecke] und Langen-Bludenz [WestrampeJ. Der Unterbau in den beiden Rampenstrecken wurde zum grossten Theil unter sehr schwierigen Verhaltnissen her- gestellt, die Steilheiten der Lehnen und die ivechselnde Gebirgsbeschaffenheit nOthigten hier zur Anwendung oft _ sehr hoher Futtermauern und Lehnenviaducte, da es galt, ein, nur geringe Cohasion be- sitzendes Gebirge zu stiitzen. Die Ein- schnitte bei der Ostrampe waren theils in Glimmerschiefer, theils in den, denselben uberliegenden Verwitterungsproducten zu ftihren, andererseits waren machtige Kalk- schuttbildungen zu durchsetzen. Ausserhalb der Station Landeck steigt die Trače sofort bedeutend an [25°/ 00 ] und fiihrt auf einem bis zu 10 m hohen Damm zur Uebersetzungs- stelle des Innthales, liber welcher ein 23 m hoher, im Lichten 157 m weiter Viaduct in zehn Oeffnungenhiniiberfuhrt. [Vgl. Abb. 132 und Bd. II, Seite 297, Abb. 156.] ISfach Durch- bruch eines Plateaus diluvialer Natur gelangt die Bahn in das Stanzerthal, ein Seitenthal des Inns, welches vom Rosannabach durch- flossen wird, der sich mit dem aus dem slid- lich gelegenen Patznaunerthal kommenden Trisannabache vereinigt und alsSannafluss bei Landeck in den Inn miindet. Von Landeck bis Pettneu fahrt die Bahn, ein knrzes Stiick bei Flirsch ausgenommen, auf dem stidlichen, von Pettneu bis St. Anton jedoch auf dem nordlichen Gehange des Rosannathales, wobei sich ihre Nivellette bei Wiesberg bis zu einer Hčjhe von 86 m liber die Sohle des Sanna- flusses erhebt, wahrend sie sonst im Mittel nur in einer Hohe von 40 m iiber die Thalsohle hin- zieht. Im Stanzerthal zieht die Trače vorerst langs einercirca3 km langen,vondenVerwitte- rungsproducten desUrgebirgesgebildeten, mit zahlreichen Wasseradern durchzogenen Leline dahin und iibersetzt den Zapplbach mittels eines Viaductes von drei Oeffnungen a 8 m. In dieser Strecke war die Erdbewegung bereits eine bedeutende, da Einschnitte bis 8 m Tiefe und Aufdammungen bis 12 m Plohe auszu- fiihren waren. Im weiteren Zuge gelangt die Bahn fortwahrend ansteigend, mit Aufdam¬ mungen bis zu 18 m und Einschnitten bis zu 20 m zur Station Pians [910-7 m Seehohe], deren Plateau durch Abgrabung eines Berg- sturzes gewonnen wurde. Gleich ausserhalb dieser Station wird der Ganderbach mit einem Viaducte von vier Oeffnungen a 10 m I.icht- weite iibersetzt und dieTrace gelangt, zweiFels- riicken durchbrechend, andie felsigeLehne der »Mayenwand«, an welcher Trockenmauernbis zu 40 m Hohe, drei Viaducte und Felsein- schnitte bis zu 24 m. Hohe ausgefuhrt wer- den mussten. Nach Passirung des Schlier- tobels und an dem romantisch gelegenen Schlosse Wiesberg voruber, wird die Trisanna- schlucht [Ausmiindung des Paznaunerthales in das Stanzerthal] erreicht, ivelche mittels eines grossartigen Bauwerkes Iibersetzt wird. Es ist dies die hochste Brucke Oesterreichs, derTrisanna-Viaduct [vgl. Bd. II, Abb. 128, 150 und 151], der eine Mitteloffnung von 115-4 m Lichtweite hat, woran sich einerseits drei, an¬ dererseits vier gewolbte Oeffnungen a 9 m anschliessen, dessen beide Hauptpfeiler eine Hohe von 58-2, respective 54-9 m Hohe und in Schwellenhohe [87-4??! liber derThalsolde] eine Breite von 7-7 m und eine Dicke von4'5 m haben. [Gesammtlange des Viaductes 231-6 m.] Nach Uebersetzung der Trisanna nimmt die Trače statt der ab Landeck eingehaltenen siidwest- lichen Richtung eine nordwestliche an und ge¬ langt, stetig steigend, durch den 2i2'4«j.langen "Weinzierl-Tunnel an den schwierigsten Theil der Ostrampe, die sogenannte »Strengener Lehne«, welche zumeist mit Verwitterungs- producten des Urgebirges bedeckt ist und der zahlreichen Wasserrisse und Muhrgange wegen entweder mittels Aauaducten unter- fahren [Abb. 133] oder mittels Viaducten iibersetzt iverden musste, ausserdem aber auch Futtermauern bis zu 10 m Plohe und Trockenmauern bis zu 20 m Hohe nothwen- dig machte. Weiter ansteigend und durch den Moltertobel-Tunnel [75-o?nlang] hindurch und liber den Oberen Geigertobel-Viaduct erreicht die Bahn die Station Strengen [ 1027-9«? Seehohe und30 m liber derThalsolde]. Gleieh hinter dieser Station wird ein Schutt¬ kegel mittels einer machtigen Abgrabung umfahren. Nach Uebersetzung des unteren Klausbaches folgen mehrere Anschnitte, die den Einbau von hohen Futtermauern erforderten, sodann ein 20 m langer Aqua- duct, mittels dessen der obere Klausbach unterfahren wird, und nach Durchbrechung eine Felsriickens mittels eines 15 m tiefen Einschnittes, sowie nach Umfahrung der colossalen Ablagerungen des Ganderbaches die Station Flirsch [1122-2 m Seehohe]. Ausserhalb Flirsch iibersetzt die Trače den Rosannabach mit einer 26 m weiten Brucke, ferner den Flirschbach und sodann, um den alljahrlich am linken Rosannaufer zu Thal kommenden Muhren auszuweichen, abermals den Rosannabach mit einer 35 m weiten Brlicke und fiihrt nunmehr am rechten Ro¬ sannaufer zwischen Bach und Lehne, wes- halb dort bedeutende Correctionen und Fluss- bauten erforderlich waren. Etwa 500 m von der letzten Rosannabriicke entfernt, wird die bisher continuirliche Steigungvon25 0 / 0 !, unter- brochen,beziehungsweise auf l3-4°/ 00 verringert. Bei dem Dorfe Schnann gelangt die Trače in ein offenes Thalbecken, andert hier die bisherige nordwestliche Richtung in eine nahezu west- liche, durchzieht die Schnannerau, iibersetzt dann nochmals die Rosanna [36 m weit] und nahert sich nach Passirung der Station Pettneu 21 * 324 Ignaz Konta. 1195'7 m Seehohe] der Reichsstrasse [Landeck- Bludenz], kreuzt dieselbe am Ende der Gan- derau im Niveau, steigt hernach wieder stark an, schlagt die siidwestliche Richtung ein, durchbricht nach zweimaliger Uebersetzung sowohl des Rosannabaches, als auch der Reichsstrasse, das Defile zwischen St. Jakob und St. Anton mittels eines 200 m langen und 18 m tiefen Einschnittes und gelangt sodann zur Station St. Anton [13027 m See¬ hohe], dem Ausgangspunkte der »Tunnel- strecke«. Dieselbe kreuzt am Stationsende die Reichsstrasse, wendet sich dann in einem Bogen von 300 m R. nach Westen und zieht mit einer Steigung von 2%o durch das »Ost- portal« in den 10.249-9 m langen zweigeleisi- genArlbergtunnel ein, in weichem,4ioo«j vom Ostportale entfernt, der hOchste Punkt der Bahn [13109 m Seehbhe] erstiegen wird, Derselbe liegt 487 m unter dem hochsten Punkte der Arlbergstrasse bei St. Christof. [Abb. 134.] Sodann wird mit einem Ge- falle von I5°/ C0 der Rest des Tun- nels passirt und nach Ueber¬ setzung der am Ausgange der- selben situirten Alfenzbachbriicke die Station Langen [1216-9 m See¬ hohe] erreicht. [Abb. 135—137.] Ueber den Bau des Tunnels selbst, ist bereits an andererStelle das Nahere gesagt. [Siehe Seite 318 und Bd.II, A. Birk: Tunnel- bau.] Fiir den maschinellen Be- trieb waren auf der Ostseite der Rosannabach, auf der Westseite der Alfenzbach mit seinen ober- halb von Langen gelegenen Ne- benflussen benutzt. Abb. 138 stellt das Innere des Pumpen- hauses fiir den Bohrbetrieb wah- rend der Bauzeit dar. Von Langen aus wendet sich die Trače der nbrdlichen [sonn- seitigen] Lehne des Klosterthales zu [Abb. 139], unterfahrt nach Passirung eines tiefen Ein¬ schnittes den Simastobel mit einem gewolbten Aquaduct und entwickelt sich unter stetiger An- wendung des Maximalgefalles von 29 u / 00 auf den anfangs noch massig geneigten Leh- nen, geht durch einen erst spater neu gebauten 460 m langen Tunnel durch den Schuttkegel des grossen Tobel. [Siehe Seite 326.] Zum Schutze der Bahn gegen die an dieser Stelle aus dem dahinter- liegenden Thalkessel haufig her- vorbrechenden Lawinen*) wurde seinerzeit, circa 300 m oberhalb der Bahn, eine gemauerte Klause in das Bacbbett eingebaut, von welcher aus ein seit- her reconstruirtes Leitvverk aus Trockenmauern in sanftemBogen gegen die bei km m-6 mit einem hohen Damme iibersetzte Terrainmulde zu- ruckfiihrt, in der die Schneemassen der Lawinen sich unschadlich fiir die Bahn ablagern kOnnen. Bald nach der Passirung des grossen Tobels tritt die Bahn an die nun steilabfallende Berglehne, iiberschreitet in ra- šcher Folge zwei gewOlbte Viaducte von 70 m und 33 m Lange und gelangt unmittelbar nach Ueberbriickung eines Lawinenganges an die tief eingeschnittene Felsschlucht des Waldli- tobels, welche mit einem kiihn gewolbten, ge- mauerten Bogen von 41 m Spannung in der Hbhe von 35 m liber der Bachsoble in der Gesammtlange von 62-5 m tiber- briickt wird. [Vgl. Bd. II, Abb. 127 a und 1276.] An den . steilen Berglehnen stets im Gefalle iveiterziehend und das im Thal- grunde in anmuthiger Lage sich ausbrei- *) Ueber Lawinenschutz - Anlagen auf der Arlbergbahn siehe Bd. II, A. Birk: Eisenbahnbau, Seite 220 ff. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 325 tende Dorf KlOsterle fast 100 m unter sich lassend, passirt die Bahn eine besonders lawinengefahrdete Strecke unter zwei star- ken Schutzdachern [Abb. 140, vgl. auch Bd. II, Abb. 83], unterfahrt nach mehrfachen Kriim- mungen den Lavvinengang am wilden Tobel mit einem gevvolbten Aquaduct [Abb. 141] und gelangt, nach einigen scharfen Contre- curven, wobei eine breite Thaleinbuchtung mit einem 15 m hohen Damme tibersetzt und der Spreubach tiberbriickt wird, in die Kreuzungs- station Danoten [1073-6 m See- hohe]. Von hier aus zieht die Bahn mit einem Gefalle von 29°/ 00 in rveitaus- holendemBogen um die demThal- gehange vorge- lagertenmachti- gen Schuttkegel des Glong- und Stelzistobels herum,iibersetzt diesezwei Bach- laufe, \vendet sich sodann wie- der der steilen Thallehne zu und entwickelt sich langs der- selben, rechts in die Felswande tief einschnei- dend und links zumeist auf machtigen Tro- ckenmauern ge- stiltzt, an der Ortschaft Wald vorilber [Abb. 142] bis zur Aus- mundung des Seitenthales des Radonnatobels, welches auf ei¬ nem im Bogen von 350 m ange- legten Viaducte mit einer ge- wOlbten Mittel- 0ffnungvon20»n Weite und beiderseits anschliessenden, je zwei 10 m weiten SeitenOffnungen in der Hohe von 14 8 m iiber der Bachsohle tibersetzt wird. [Abb 143 und 144.] Hernach zieht die Bahn in einem tiefen Einschnitte durch einen vorgelagerten Riicken, unterfahrt unter vielfacher Anwendung complicirter, zumeist aus Mauern bestehender Kunst- profile einen vorspringenden Felskopf, passirt einen gew 5 lbten Viaduct mit an- schliessender, auf BOgen gestellter, 68 m langer Stiitzmauer, hernach den Lawinen- gang am Mtihlentobel sowie noch einen zweiten Lawinengang und die Stelle, wo die vormalige Schutthalde eines friiher bestan- denen Gipsbruches mit einem machtigen Danim [Inhalt 62.ooo m 3 ] iiberschuttet wurde. [Abb. 145 ] Nun tritt die Bahn, nach Unter- fahrung eines Lawinenganges, abermals in sehr steil geneigte Lehnenpartieen, iiber- vvindet die ihr dort entgegenstehenden Sclnvierigkeiten durch fast continuirliche An- wendung hoher AVandmauern und erreicht nach einer schar¬ fen Wendung oberhalb der Kirche der Ort¬ schaft Dalaas, das flachge- neigte Vorland des sich hier plotzlich kessel- artig erweitern- den Thales und die hier errich- tete Station Da¬ laas [931 '6 m SeehčheJ.Im Be- reiche dieser Station musste eine sehr kost- spielige, liber 500 m lange ab- gepflasterte Ge- rinnanlage fiir die Durchfiih- rung des Mut- tertobels, wie auch eine 38 m weite eiserne Brucke iiber die Station herge- stellt werden. Von Dalaas aus iiberschreitet die Bahn in einer schon in der Station begin- nenden scharfen Wendung und in starkem Ge¬ falle den Thal- kessel des Hol- lentobels auf einem gew 5 lb- ten Viaducte [drei MittelSff- nungen von 22 m lichter Weite und zwei NebenOifnungen von 15 m und 8 m Spannungj mit beiderseits anschliessenden machtigen Aufdammungen in der H6he von 24 m iiber der Bachsohle, durchfahrt dann einen tiefen Einschnitt sowie eine kurze Thaleinbuchtung, zu deren Ausfiillung eine 44 m hohe Aul- dammung erforderlich \var, und gelangt nach Passirung des 68 m langen Rockentunnels in ein Terrain, in welchem sich die Schwie- rigkeiten und die zu deren Bewaltigung aus- gefuhrten Bauten zu einer Grossartigkeit Abb. 149. Brunnentobel-Viaduct. [Nach einer Zeichnung von Nieriker aus der Bauzeit.] 326 Ignaz Konta. steigern, die bei keiner der bis dahin ausge- ftihrten Gebirgsbahnen ihresgleichen finden. [Abb. 146.] Zunachst zieht die Bahn iiber langere, 13 m hohe Stiltzmauern dabin, durchbricht dann, zu einer scharfen Contre- curve ausholend, einen Felskopf mittels des 94 m langen Scbmiedtobel-Tunnels und iiber- setzt bald nach ihrem Austritt aus demselben, in einer Hohe von 54-5 m itber der Bachsohle die grossartige Felsschlucht desSchmiedtobels auf dem gleichnamigen, in einem Korbbogen von 250, respective 500 m Radius ausge- fiihrten gewi 3 lbten Viaduet [drei Mittel- Offnungen mit 22 m Spannung und je eine 12 m weite Seitenoffnung, Abb. 147], um- fahrt hernach in einer scharfen Wendung nach der entgegengesetzten Richtung die steil abfallenden Felswande der sogenannten Engehvand [Abb. 148] und tritt, nach Ge- wahrung eines schaurig-schonen Ausblickes auf die unter der Bahn gahnenden Abgrtinde in einen Tunnel, mittels dessen die restliche Masse des Engelwandfelsen durchfahren wird und welcher sammt der an seinem Ausgange an- gebauten tunnelartigen Gallerie zum Schutze der Bahn gegen die an dieser Stelle haufig vorkommenden Steinabsttirze, eine Lange von 247 m hat. In ihrem \veiterenZ uge tibersetzt die Bahn auf einem 76 m langen bis 247 m hohen Viaduet die Thaleinbuchtung am Brun- nentobel [Abb. 149], umfahrt dann — angesichts der wildromantischen Felswande der gegen- tiberliegenden Thalseite und eines schonen, iiber eine hohe Felswand absttirzenden Wasserfalles [Abb. 150] — die steilen Fels- wande am sogenannten Engelwaldchen in einer scharfen Kriimmung, zu deren Be- waltigung Felsanschnitte bis zu 40 m senk- rechter Hohe mit einer Massenbewegung von iiber 53.000 m 3 erforderlich waren und gelangt durch einen 209 m langen Tunnel an die steilen Wiesen der sogenannten Bratzerhalde, deren Terrain bis auf erheb- liche Tiefen nur aus lockerer Erde besteht und die Anwendung hoher und sehr wider- standskraftiger Wandmauern erforderte. Nach dem Verlassen dieses hochstschwie- rigen Terrains erreicht die Bahn, nachdem sie noch einen 78 m langen gewolbten Ein- schnitt zu durchfahren hat, die Kreuzungs- station Hintergasse [824-2 m Seehohe]. Die Anlage dieser Station begegnete eben- falls sehr grossen Schwierigkeiten, da wegen derlosen Bodenbeschaffenheit viele Vorsichts- massregeln zu treffen waren. Die Station liegt nur zum Theile auf Naturterrain, zum anderen Theile aber auf drei Viaducten mit zusammen 14 Oeffnungen von 10—12 m Spannung, an und zwischen welche sich Stutzmauern anschliessen, die auf Bogen fun- dirt und mit Strebepfeilern verstarkt sind. [Abb. 151.] Von der Station Hintergasse aus neuer- dingsin das Maximalgefalle von durchschnitt- lich 30 %o tibergehend, tibersetzt die Bahn alsbald das tiefeingeschnittene Seitenthal des Schanatobels mit einer 40 m weiten Eisencon- struction undje einer ge vvblbten SeitenOffnung von 10 m Spannung, in der Hohe von 18 8 m iiber der Bachsohle [Abb. 152], gelit dann eine langere Strecke iiber Trockenmauern von 7— II m Hohe und in rascher Folge durch zwei Tunnels von 97 und 153 m Lange, einen gewolbten Viaduet durch einen dritten Tunnel [146 m lang] und einen 32 m langen iiberwolbten Einschnitt, verlasst hernach am Masonbach, welcher mit einer 12 m weiten Eisenconstruction tiberbriickt ist, die steile Berglehne, um nun in den vor- gelagerten Hiigelzugen und in den sich immer mehr verflachenden Vorlandern dem Thal- boden zuzueilen. Hier verliert die Bahn all- mahlich den ausgesprochenen Charakter einer Gebirgsbahn. Sie hat jedoch noch mehrere tiefe Einschnitte zu passiren, einen auf dem Scheitel seines machtigen Schuttkegels schnell dahinfliessenden gefahrlichen Wildbach, den Miihlentobel, unter einem Winkel von 74 0 zu unterfahren [gewolbter Aquaduct 13 m hreit], [Abb. 153I, eine breite Thalbildung mittels eines iiber 400 m langen, im Mittel 13 m hohen Dammes und einen Wildbaeh mittels einer Eisenconstruction von 14-4 m Weite zu ubersetzen, ehe sie die Station Bratz [704-4 m Seehohe] und mit dieser die vorletzte Thalstufe erreicht. Von da weiter, mit starkem Gefalle, tibersetzt die Bahn die Reichsstrasse und das tief eingesehnittene Rinnsal des Grubsertobels und erreicht end- lich den Thalboden. In diesem zieht die Bahn auf massigen Aufdammungen und im Gefalle von 16 %„, der Reichsstrasse entlang und tritt, nachdem sie die west- liche Richtung aufgegeben und sich nach Nordwesten gewendet hat, in den vollkom- men ebenen Thalboden, auf welchem sie mit einer liingeren Geraden und einem Ge¬ falle von 6- 6°/oo in die Station Bludenz [558-44 m Seehbhe], der schon seit dem Jahre 1872 im Betriebe stehenden Vorarl- berger Bahn einmiindet. DerArlberg zahlt zu den unwirthlichsten Gebirgspassen Tirols und die Gefahren, wel- chen die Bahnanlage durch Lavvinen, Mur- gange, Steinschlag und dergleichen ausgesetzt erseneint, waren wohl schon bei der ersten Anlage erkannt, doch machte die Aufeinan- derfolge von Elementarereignissen und Be- wegungserscheinungen mehrfache Recon- structionen des BahnkOrpers nothwendig. So mussten bereits im Jahre 1885 die Schanatobel-Briicke reconstruirt, zwischen Wiesberg und Strengen Schutzbauten gegen Steinschlag ausgefiihrt und die Strecke Dalaas- Hintergasse gegen Ausbriiche des Schmiedtobel geschtitzt werden. Im grossen. Tunnel selbst mussten einige Mauerringe re¬ construirt werden. Durch einen am 9. Juli 1892 im Gebiete des grossen Tobels erfolgten Bergsturz wurde die Bahn in einer Lange von 240 m vollstandig zerstOrt. Um die neue Linie in dieser, derartigen Gefahren haufig ausgesetzten Strecke zu schiitzen, \vurde die Bahn unterirdisch im Gehange und Muhren- schutt des grossen Tobels durch den gleich- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreicbs. 327 namigen neuen, 446 m langen Tunnel ge- filhrt.*) Sofort nach der Betriebseroffnung musste im Arlbergtunnel das zweite Geleise, dessen Ausfiihrung erst fiir einen spateren Zeitpunkt in Aussicht genommen war, gelegt werden. Die Erfahrung lehrte, dass das gewahlte eiserne Oberbau-System unter den chemi- schen Einwirkungen im Tunnel zu selir litt und wahrend der Jahre 1893 und 1894 wurde dieser Oberbau im Tunnel durch einen holzernen ersetzt. Die schwie- rige Aufgabe, den Larvinen und Bergstiir- zen und den da- mit verbunde- nen Gefahren fiir die Bahnan- lage zu begeg- nen, rvurde durch die seit- her in ausge- dehnter Weise durchgefuhrten Schutz -Verbau- ungen in befrie- digender Weise zu Ibsen ver- sucht. **) Die Verbauung hat den Ziveck, die sich ansammeln- den und in Be- rvegung gera- thendenSchnee- massen zu thei- len und die aus hoher gelege- nen, nicht ver- bauten Stellen abrutschenden Schneemassen in ihrem Ab- gange aufzu- halten. Die ur- spriinglich an- gewendeten,un- zulanglichen Verpfahlungen *) Ausfuhrliche Mittheilungen liber die Bauanlage und die erfolgten Reconstructionen enthalt die 1896 ausAnlass des zehnjahrigen Betriebes erschienene Denkschrift »Die Arl- bergbahn« der k. k. Staatsbahn-Direction in Innsbruck. **) Naheres hieriiber siehe Bd. II, Alfred Birk: Eisenbahnbau, Seite 223, und die Denk¬ schrift »Die Arlbergbahn«, herausgegeben von der k. k. Staatsbahn-Direction Innsbruck 1896. \verden nunmehr durch Trockenmauern, Schneebrucken und Schneerechen ersetzt und die hiedurch geschiitzten Flachen durch Auf- forstung noch weiter gesichert. fAbb. 154, 153 und 156]. Immerhin bringt die Lage der Bahn es mit sich, dass ihre Gefahrdung durch Elementarereignisse, Wildbache, Stein- schlage Rutschungen, Muhrungen, Bergstiirze und Larvinen keinesvvegs zu den Seltenheiten zahlt. [Vgl. Abb. l57.]Diegenann- te Denkschrift der Staatsbahn- Direction Inns¬ bruck bringt eine interessan- te Zusammen- stellung der Be- triebs- und Ele¬ mentarereignis¬ se auf der Arl¬ bergbahn in den ersten zehn Jah- ren ihres Betrie- besunddiestatt- liche Reihe die¬ ser Vorkomm- nisse lehrt, wie schwierig sich in dieser Hin- sichtderBetrieb dieser Bahn ge- staltet und wel- cher Aufivand von Vorsorge und Achtsam- keit dazu ge- hort, die mit sol- chen Elementar- ereignissen ver- bundenen Ge¬ fahren abzu- wenden. Um die Ein- richtung des Be¬ triebes der Arl¬ bergbahn hat sich der derma- lige k. k. Gene- ral-Inspectorder osterreichischen Eisenbahnen, Gustav Gerstel, besondere Ver- dienste erwor- ben. Die Betriebsfuhrung im Tunnel erfor- derte Massnahmen, fiir rvelche noch geringe Erfahrungen vorlagen und jene des Mont- Cenis und Gotthard nur zum geringsten Theile verwerthet werden konnten. Die ausserge- wohnlichen Betriebsverhaltnisse in dem nahe- zu bestandig mit Rauch und Gas erfiillten langen Tunnel erheischten besondere, unter allen Umstanden verlassliche Betriebsein- richtungen. Ueberdies erforderte die Be¬ triebsfuhrung der ganzen Gebirgsbahn be¬ sondere Vorkehrungen fiir die Aufrechtei'- Abb. 150. Wasserfall des Masonbaches. [Nach einer Zeichnung von Nieriker.] 328 Ignaz Konta. haltung eines gefahrlosen, regelmassigen Be- triebes. Gerstel, der im August 1884 die Leitung der Betriebs-Direction Innsbruck ubernommen hatte, traf die gesammten Vor- einleitungen und spater die gesammte Be- triebsorganisation und Betriebsdurcbfuhrung in verkehrstechnischer Beziehung.*) Als ganz specifische Einfuhrung mag ein von Gerstel unter schweren Kampfen dort in Anwendung gebrachtes System der Zugbremsung seitens des Zugspersonales erwahnt werden, vvelches sich allmahlich als Norm fUr alle schwierigen Gebirgsstrecken der osterreichiscben Staats- bahnen Geltung verschaffte und damit den Zug- trennungen wie dem Durchgehen von Zugen auf steilen Rampen ein Ziel setzte. In welch trefflicher Weise die Frage einer rationellen und sicheren Betriebsftihrung auf der Arl- bergbahn durch Gerstel gelost wurde, be- weist der Umstand, dass die damals ge- trdffenen Dispositionen im Wesentlichen bis heute keine weitreichende Aenderung erfahren haben und die Arlbergbahn ihre Aufgabe, eine der vvichtigsten Linien des Weltver- kehres zu bilden, voli und ganz zu erfullen in der Lage ist. Galizische Tr an s ver s alb ah n. Einzelne Strecken dieser Bahn begreifen recht alte Projecte. An Ošwiecim-Pod- 'gorze war schon im Jahre 1854 gedacht; Stanislau-Husiatyn figurirte bereits als ein Theil der im Jahre 1868 geplanten »Galizischen Stidostbahn«; ebenso Bielitz- oder Krakau-Saybusch-Csacza seit dem Jahre 1869 in mannigfachen Vorconces- sionen. Diese beiden Strecken horten auch die ganze Zeit liber nicht mehr auf, Gegenstand eifriger Bewerbung zu sein. Chyrow-Stryj, die nachmalige »Dniester-Bahn« [siehe Seite 123], und Stryj-Stanislau, die »Erzherzog Albrecht- Bahn« [siehe Seite 134], waren gleichfalls seit dem Jahre 1868 vviederholt in An- regung. Von der Strecke Grybow-Zag6rz und von der Herstellung der ganzen Transversalbahn vvar im Jahre 1872, anlasslich der Sicherstellung der Linie Tarnow-Leluchow [siehe Seite 170], zum ersten Male die Rede. Das Parlament wollte damals statt der letztgenannten Linie gleich alle noch fehlenden Strecken der Transversalbahn *) Vgl. hieriiber den Vortrag GerstePs im Club Osterr. Eisenbahnbeamten am 27. Marž 1888, abgednickt in der »Oesterreichischen Eisenbahn-Zeitung«, Jahrgang 1888, und die vviederholt genannte Denkschrift der k. k. Betriebs-Direction Innsbruck iiber die Arl¬ bergbahn. sicherstellen und meinte dies mit einer geringen Staatsgarantie [24.000 fl. pro Meile] bewirken zu konnen. Das beziig- liche Gesetz [vom 29. Juni 1872] blieb aber, gleichwie das spatere vom 23. April 1873, erfolglos, weil sich keine Bevverber meldeten. Die Regierung fiihrte daher blos die Linie Tarnovv-Leluchovv, und zwar auf Staatskosten aus. Zum zweiten Male kam die Trans¬ versalbahn bei Gelegenheit der im Winter 1875/76 versuchten »Galizischen Fusion« [siehe Seite 227] in Erorterung. Der Eisen- bahn-Ausschuss des Abgeordnetenhauses mochte aber, im Gegensatze zu seinen Be- richterstattungen vom Jahre 1872 und 1873, jetzt von der Transversalbahn, als einer Parallelbahn der Carl Ludwig-Bahn, nichts wissen und selbst galizische Ab- geordnete nahmen Partei fiir diese Ge- sellschaft.*) Die Vorlage wurde also ab- gelehnt, das nordvvestliche Endstiick der Transversalbahn, namlich die Strecke Saybusch-Bielitz, aber nunmehr an die Nordbahn concessionirt [siehe Seite 239]. EinigeZeithindurch blieb es dann ganz stili von dem Transversalbahn-Projecte, jedoch nur nach Aussen hin; in Wirk- lichkeit wurde um das ostliche Endstiick derselben heftig gerungen und dabei auch auf die Vervvirklichung des Gesammt- projectes abgezielt. Die Carl Ludvvig- Bahn strebte die Strecke Tarnopol- Husiatyn, die Lemberg-Czernowitz-Jassy- Eisenbahn hingegen die Strecke Dubowce- [Halicz-] oder Stanislau-Husiatyn an. Letztere Gesellschaft gewann die Ober- hand, so zwar, dass sie zufolge ihres Concessions-Gesuches vom 3. November 1879 schon vermeinte, sich auf bestimmte Zusagen stiitzen zu konnen, namentlich in Betrelf einer staatlichen Betheiligung mit etwa einem Dritttheile der auf 5,000.000 fl. veranschlagten Kosten. In die Rivalitat traten dann noch ein : die Erste Ungarisch-Galizische Eisenbahn, indem sie am 20. Januar 1880 dem Handelsministerium eine Denkschrift iiberreichte, welche die Vortheile des Ausbaues der Strecke Stanislau-Husiatyn sowie der Vereinigung dieser neuen mit *) Vgl. die Broschure: »Zur Fusions- Geschichte der galizischen Eisenbahnen« [Wien, L. Rosner, 1875]. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 329 den schon bestehenden jungen galizischen Bahnen darlegte und wahrscheinlich den Zweck hatte, eben dieser Gesellschaft eine fuhrende Rolle bei der Neugestaltung des siidgalizischen Eisenbahnnetzes zu verschaffen; — ferner die tiberall auf- tauchende Societe belge, welche friiher eine Verbiindete der vorgenannten Ge¬ sellschaft war, nachher aber ohne und gegen dieselbe vorging. Dies that jedoch den Bestrebungen der Lemberg - Czernowitz - Jassy - Eisen- bahn keinen Eintrag. Anlasslich der Abb. 151. Station Hintergasse im Bau. [Nacb Tracenrevision der beiden Projecte [4. bis 10. Marž 1880] wurde der Strecke Stanislau-Husiatyn insoferne der Vorzug eingeraumt, dass der galizische Landes- ausschuss, die Lemberger Handelskammer und der Vertreter der Militarvervvaltung ausdrucklich erklarten, der Bau der Strecke Tarnopol-Husiatyn miisse unter- bleiben, wenn derselbe das Zustande- kommen der Strecke Stanislau-Husiatyn beeintrachtigen solite; die Lemberg- Czernowitz-Jassy-Eisenbahn beschrankte ihr Concessions-Gesuch nur mehr auf diese Strecke und verzichtete schliesslich auch auf die Betheiligung des Staates, was ihre Position noch mehr festigte. Mit einem Male nahm die Angelegen- heit jedoch eine ganz andere Wendung. Der Handelsminister v. Kremer, welcher entgegen dem unausgesetzten Verlangen der bei den Neuwahlen im Jahre 1879 geradezu mit der Verpflichtung zur Sicherstellung der Transversalbahn vom Lande entsendeten Abgeordneten, nur die Strecke Stanislau-Husiatyn conces- sioniren, alles Uebrige aber einer spateren Zeit vorbehalten wollte, trat am 14. Januar 1881 zuriick und sein Nachfolger, Frei- herr v. Pino, sah sich veranlasst, dem Begehren des einfiussreichen Polenclubs Rechnung zu tragen. einer Zeichnung von Nieriker aus der Bauzeit.] An Materiale ftir die Sicherstellung der ganzen Transversalbahn hatte er vorgefunden: die bereits erwahnte Denk- schrift der Ersten Ungarisch-Galizischen Eisenbahn, ferner ein Memorandum der Societe belge, welches gleichfalls die Vereinigung ali er schon bestehenden jungen galizischen Bahnen sowie deren Zusammenschliessung durch den Ausbau der fehlenden Zwischenstrecken vorschlug, zu deren Ausflihrung sehr betrachtliche Zuwendungen begehrte und bei Erlan- gung derselben die Bildung einer eigenen, mit einem Gapitale von 51,000.000 fl. aus- zustattenden Gesellschaft in Aussicht stellte, — endlich die Beschliisse des galizischen Landtages vom 23. und 24. Juli 1880, wonach das Land sich 330 Ignaz Konta. anheischig machte, 1,000.000 fl. zur Grundeinlosung und 100.000 fl. zn den Kosten der Strassenumlegungen beizu- tragen und Befreiung von allen Um- laeen auf die Dauer der staatlichen Steuerfreiheit zu gewahren. Von diesen Zusagen des Landes niclit befriedigt und von der Regierung wegen der geplanten Titelausgabe von 51,000.000 fl. fur einen Bauaufwand von etwa 30,000.000 fl. formlich zurecht- gewiesen, zogen die Belgier sich in den Schmolhvinkel zuriick. Unterdessen war ihnen aber in der Landerbank ein mach- tiger Concurrent erstanden. Auch sie bewarb sich um die Concession fur die Transversalbahn [14. Februar 1881], ar- beitete jedoch im jugendlichen Ungestume tiberdies an der Errichtung einer grossen »Eisenbahnbetriebs-Gesellschaft«, welche sammtliche Staatsbahnen sowie alle schon in den Staatsbetrieb ubernommenen oder noch zu ubernehmendenBahnen betreiben, hieftir aber die Garantieschulden der be- treffenden Bahnen dem Staate sogleich zuriickzahlen solite. Sie setzte dieses Project in einer Denkschrift auseinander, welche namentlich bei der Finanzverwal- tung freundliche Aufnahme fand und danach angethan schien, die Verstaat- lichungs-Thatigkeit in Frage zu stellen. Zumindest war die Landerbank jetzt ein Factor, mit dem gerechnet wurde, und zwar zunachst in Sachen der Transversal¬ bahn. Da aber die Lemberg-Czernowitz-Jassy- Eisenbahn schon von friiher her Zu- sicherungen hinsichtlich der Strecke Sta- nislau-FIusiatyn besass und ihrer Haltung ein gewisser Einfluss auf das Gedeihen der Transversalbahn beigemessen ward, so versuchte man die Combination, dass die Landerbank den Bau und die Finan- zirung, die Lemberg- Czernowitz-Jassy- Eisenbahn hingegen den Betrieb der ganzen Transversalbahn iibernehme. Zwischen beiden Gesellschaften kamen am 16. Marž 1881 zwei Vereinbarun- gen zustande. Die eine besagte, dass die Lemberg - Czernowitz - Jassy - Eisen- bahn sich an dem neuen Unternehmen mit einem Beitrage von 2,400.000 fl. be- theilige, wogegen ihr der Betrieb sammt- licher Linien der Transversalbahn auf Concessionsdauer, jedoch unbeschadet des staatlichen Einlosungsrechtes iiber- tragen wiirde. Die andere sicherte der Landerbank einen in Actien al pari rtick- zablbaren Staatsvorschuss zum Baue der Linien Saybusch—Neu-Sandec, Grybow- Zagorz und Stanislau-Husiatyn zu, ver- pflichtete sie aber zur Uebernahme der noch weiter auszugebenden Titel [4,000.000 fl. in Actien und 24,000.000 fl. Gold in Prioriteten], sowie zu verschiedenen Riick- lassen im Betrage von 1,770.000 fl. Zu- gleich wurden ihr technische Erleichte- rungen, 3ojahrige Steuerfreiheit und das Vorrecht auf mehrere Seitenlinien fur die Dauer von zwolf Jahren gewahrleistet. Aus diesen Vorgangen mag es sich erklaren, dass inmitten oder doch neben der Verstaatlichungsthatigkeit wieder die Concessionirung einer grossen Bahn be- \virkt werden solite. Die beziigliche Gesetzvorlage kam am 5. April 1881 vor den Reichsrath, gelangte aber nicht weiter als bis in den Eisenbahn-Ausschuss des Abgeordnetenhauses; denn gleich dort wurde der Bau auf Staatskosten und die einschlagige Abanderung der Vorlage beschlossen. Der Berichterstatter v. Koz¬ lovski unterzog sich rasch und -vvillig dieser Aufgabe. Schon nach zwei Tagen legte er den neuen Entrvurf vor, welcher dahin lautete, dass die genannten drei Strecken binnen 3 1 / a Jahren mit einem Aufwande von hochstens 24,000.000 fl. auf Staatskosten auszufiihren seien, falls Galizien die Beisteuer von 1,100.000 fl. leiste. Ausserdem war darin jetzt auch schon der Staatsbau der Fortsetzungs- strecken nach Csacza, Podgorze und Os ; wigcim und die Bewilligung eines Credites von 60.000 fl. fur die sogleiche Vervollstandigung der Projecte vorge- sehen. An dieser Ausweitung der Vorlage nahmen aber die czechischen Abgeordneten Anstoss, weil sie diese augenscheinlich nothwendigen Erganzungsstrecken gleich- sam als Faustpfand ftir die ebenfalls schon Jangst erstrebte Bohmisch - Mahrische Transversalbahn behalten wollten. I11 der sonach abermals geanderten Fassung wurde die Vorlage, trotz des Wider- standes, dem sie bei der »Linken« be- gegnete, am 21. Mai 1881 von der Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 331 eine fest geeinigte Mehrheit bildenden »Rechten« des Abgeordnetenhauses an- genommen. Weiterhin erging es ihr aber wie der Vorlage liber die Verstaatlichung der Kaiserin Elisabeth-Bahn [siehe Seite 290 und f.]; sie kam erst im Winter nach dem »Pairs-Schube« im Herrenhause zur Verhandlung und \vurde dann am 14. December erledigt. Die a. h. Sanction erhielt sie am 28. December 1881, ebenso wie das Landesgesetz iiber die Beitrags- leistung seitens Galiziens. Abb. 152. Schanatobel-Viaduct im Bau. [Nach einer Zeichnung von Nieriker aus der Bauzeit.] 332 lgnaz Konta. Da mittels Artikel III des eben er- wahnten Gesetzes vom 28. December 1881 ein Credit von 2,500.000 fl. zum Zwecke der Vorarbeiten fiir den An- schluss an die Kaschau-Oderberger Bahn eroffnet war, rucksicbtlich der beiden anderen Erganzungsstrecken aber eine Resolution des Parlamentes die Revision der Vorarbeiten verlangt hatte, brauchte die Regierung auch beztiglich dieser Strecken nicht miissig zu bleiben. Sie traf also schleunigst die nothigen Vor- kehrungen, und, nachdem sie inzwischen auch denGesetzentwurf liber dieBohmisch- Mahrische Trans versalbahn vorbereitet hatte, konnte sie mit aller Beruhigung nunmehr auch die Vorlage iiber die oben genannten Erganzungsstrecken einbringen. Diese kam am 27., jener am 28. Marž 1882 vor den Reichsrath. Die Verhand- lungen iiber die Nachtrags-Vorlage waren ganz glatt verlaufen, \venn nicht die Frage, ob der Anschluss an die Kaschau- Oderberger Bahn auf osterreichischem Gebiete bei Mosty, oder auf ungarischem Gebiete bei Csacza zu beivirken sei, er- hebliche Meinungsverschiedenheiten her- vorgerufen hatte. Fur den ersteren sprachen verkehrspolitische, fiir den letzteren oconomische und gesammtstaat- liche Griinde. Die Regierung; neigte diesem zu. Ungarn verlangte jedoch fiir die Mittragung der Kosten Gegenleistungen commerziellerNatur[Cartelle], die geeignet waren, die freie Verkehrsbewegung auf der Transversalbahn zu schmalern. Der Eisenbahn-Ausschuss entschied sich darum fiir den Anschluss in Mosty und anderte die Vorlage in diesem Sinne ab. Sein am 20. Mai 1882 hieriiber erstatteter Bericht blieb aber infolge Ver- tagung des Parlaments unerledigt. Beim Wiederzusammentritt desselben waren indes die Verhaltnisse wesentlich andere geworden; einerseits dadurch, dass die Staatseisenbahn - Gesellschaft anlasslich ihrer Dualisirung die Waagthalbahn erworben und den Ausbau der Strecke Csacza-Galizische Grenze ubernommen hatte,*) andererseits dadurch, dass sich *) Riicksichtlich des Zwischenstiickes Csacza-Sillein schloss die Staatseisenbahn- Gesellschaft einen Mitbeniitzungs-Vertrag mit der Kaschau-Oderberger Bahn. Bewerber um eine von Saybusch iiber Teschen und Wallachisch-Meseritsch bis an die Bohmisch-Mahrische Transver¬ salbahn fiihrende Linie einstellten, und hiemit Aussichten auf eine die Selb- standigkeit der Galizischen Transversal¬ bahn sichernde zweite westliche Ver- bindung erschlossen. Als nun der Handelsminister dem Abgeordnetenhause am 26. Januar 1883 hievon umfassende Mittheilung machte, trug es dem Ausschusse eine neue Be- richterstattung auf. Diese erfolgte am 28. Januar miindlich und gipfelte in dem Antrage: Die Regierung werde ermachtigt, Abziveigungen der Galizischen Trans¬ versalbahn von Sucha iiber Skawina einerseits nach Podgorze, andererseits nach Ošwiecim, ferner von Saybusch bis zur ungarischen Grenze in der Richtung nach Csacza, mit einem Aufivande von hochstens 11,500.000 fl. auf Staatskosten herzustellen. In dieser Fassung wurde das Gesetz angenommen und am 28. Februar 1883 a. h. sanctionirt. Zum Zrvecke der Beschleunigung des Baues verlangte die Regierung alsbald zu dem ihr in diesem Gesetz eroffneten Anfangs- Credit von 100.000 fl. einen weiteren von 2,000.000 fl., der ihr mittels Gesetz vom 10. Juni 1883 ertheilt wurde. Damals standen die Hauptstrecken schon in vollem Baue. Seine Vergebung hatte am 25. Juli 1882 stattgefunden, und zwar im Pauschalaccorde. Es waren fiinf Angebote eingelaufen, von denen jenes des Consortiums Schwarz [Karl Freiherr v. Schwarz, Knaur & Gross, Lowenfeld’s Witwe & Comp.] sich als das mindest- fordernde erwies und angenommen wurde. Das Consortium erbot sich namlich, die Bahn um den Pauschalpreis von 20,984.000 fl. oder, bei Anwendung von Holzbriicken, um 20,284.000 fl. und, fiir den Fali der Einbeziehung der Stadt Gorlice in das Netz der Transversalbahn, die beziigliche Ausastung um 110.000 fl. herzustellen. Nachtraglich hat dasselbe, gegen verschiedene Bauerleichterungen, einen Nachlass von 580.000 fl. zuge- standen. Als Vollendungstermine vvaren festgesetzt: fiir die Strecke Grybow- Zagčrz der 30. Juni, fiir die iibrigen Strecken der 31. October 1884. Der erste Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 333 Spatenstich erfolgte am 17. October 1882 in Sporysz bei Saybusch. Das Zuriickgreifen auf die seit Langem verpont gewesene General - Entreprise und deren Anwendung bei einem Staats- baue hatten viel von sich reden gemacht; eine unwiderlegliche Erklarung des Vor- ganges wird sich auch schwer finden lassen. Um desto unangenehmer machte sich der Bodensatz bemerkbar, den er zuriickgelassen, namlich: die sogenannte Kamihski-Angelegenheit, umfassend Pro- visions-Anspriiche an die Unternehmung CVS K Gryb 6 w-Zag< 5 rz, 114'2Žm,am 20.August, Stanislau-Buczacz, 717 km , am I. No¬ vember ftir Gilter-, am 15. November filr den allgemeinen Verkehr, Saybusch-Neu-Sandec, I46'6 km , am 16. December, Buczacz - Kopyczynce, 51-6 km , am 31. December, Kopyczynce - Husiatvn, 2fl km, am 31. December filr Giiter. Ošwiecim-Skawina-Podg6rze, 64^0 km, am 1. August, Saybusch-Zwardon, 37‘3 km, am 3. No¬ vember fiir den Personen-, am 15. Novemberfiir den Gesammt-Verkehr, Sucha-Skawina, 45 6 km, am 22. Decbr. Abb. 153. Miihlentobel-Aquaduct. [Nacb einer Zeichnung aus der Bauzeit.] — und andererseits die von der letzteren erhobenen Nachtragsforderungen, die eigentlich bis heute noch nicht endgiltig abgethan sind. Der Bau der Abzweigungen wurde am 10. Mai 1883 in kle.inen Losen ver- geben. Da 20 Offerte vorlagen, konnten er- hebliche Abschlage [zusammen 435.250 fl.] erzielt werden. Die Arbeiten begannen im Juni 1883. Trotz der Storungen, welche der Bau durch die im Juni 1884 eingetretenen Hochwasser erlitten hatte, gelangten sammtliche Strecken, mit Ausnahme der kleinen Ausžlstung nach Gorlice [4'2 km], noch in der zweiten Halfte des Jahres 1884 zur Eroffnung, und zwar: Fiir den allgemeinen Verkehr wurde die Strecke Kopyczyhce-Husiatyn am 1. Februar 1885 eroffnet. Zwei Monate spater, am 8. April 1885, folgte auch die Eroffnung der 4 -2 km langen Ausastung Zag6rzany-Gorlice, deren Bau erst im Juni 1884 begonnen hatte, weil die Stadt- gemeinde Gorlice bis dahin mit dem zu- gesicherten Beitrage von 5000 fl. im Riick- stande geblieben war. Mit der Inbetrieb- setzung der Strecke Grybow-Zag6rz hat auch die Mitbentitzung der 64’3 km langen Strecke Zag6rz-Ghyr6w der Ersten Ungarisch - Galizischen Eisenbahn be¬ gonnen, \venngleich der beziigliche Peage- Vertrag erst am 25. November 1884 formlich abgeschlossen wurde. Derselbe 334 Ignaz Konta. beruhte im Hauptsachlichen auf denselben j Grundlagen wie jener iiber die Mit- | beniitzung der Strecke Worgl-Innsbruck ! [siehe Seite 304] und war das in der Peage - Strecke inverstirte Capital mit 5,300.000 fl. berechnet. Das 4 km lange, der Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahn Abb. 154. Verbauung im Langentobel bei km III* 3 / 5 . [Arlbergbahn.] angehorte Zwischenstiick von Stanislau bis Chryplin [dem eigentlichen Aus- miindungspunkte der Endstrecke nach Husiatyn] wurde als Verlangerung der Gemeinschafts-Station Stanislau betrachtet und behandelt. So war denn Galizien eigentjich schon mit Ablauf des Jahres 1884 im Besitze der so lange erstrebten, den ganzen Suden des Landes durchziehenden Eisen- bahn, die ihm die Unabhangigkeit von der Carl Ludwig-Bahn und die leichtere Verwerthung und Verfrachtung seiner Boden-, Forst- und Industrie-Erzeugnisse bringen solite. Freilich mochte die alte Bahn ihre bisherige uneingeschrankte Herrschaft nicht widerstandslos aufgeben, es bedurfte daher vielfacher commerzieller Massnahmen, um ein friedliches Neben- einanderwirken der beiden Langsbahnen zu ermoglichen und dauernd zu sichern. Die Kosten der Galizischen Trans- versalbahn beliefen sich rticksichtlich der Hauptbabn-Strecken auf 24,099.214 fl. und rticksichtlich der Abzweigungen auf 11,299.98511., von den ersteren fanden 1,100.000 fl. in den Beitragen des Landes ihre Bedeckung, so dass zu Lasten des Staates 22,999.214 fl. verblieben. Die Strecke Z wardoh - Saybusch, mittels deren die Galizische Transversalbahn an die von der Oesterreichisch-Ungarisclien Staatseisenbahn-Gesellschaft gleichzeitig her- gestellte Strecke Zwardon-Csacza und durch diese ,wieder an die Kaschau - Oderberger Bahn, beziehungsweise an das ungarische Bahnnetz anschliesst, hat ihren Ausgangs- punkt an der die ungarisch - galizische Landesgrenze bildenden europaischenWasser- scheide [zwischen Donau und Weichsel] in der Nahe des Dorfes Zwardon. Die Ueber- setzung dieser Wasserscheide, welche nicht, wie urspriinglich projectirt gewesen, mit einem Tunnel, sondern mittels eines Ein- schnittes von 132 m Maximaltiefe in giinstiger Weise [662'»» ti. d. M.] bewirkt wurde, liegt auf dem hčchsten Punkte nicht nur der Theil- strecke Zwardoh-Saybusch, sondern der gan¬ zen Galizischen Transversalbahn. Von der in einsamer Hohe liegenden Station Zwardon ftihrt die Bahn, mit der Maximalneigung von l8°/ 00 abfallend, durch Waldgebiet, und senkt sich dann an der Berglehne zum Thalboden des Czernabaches, woselbst die Station S61 errichtet ist. Im steten Gefalle durch das Thal des Slanicabaches, denselben iibersetzend, geht sie hierauf tiber ein breites, meist sumpfiges Wiesenterrain auf die linksseitige Berglehne iiber. Am Fusse der machtigen, zu Abstiirzen und Rutschun- gen sehr geneigten Berglehne ftihrt die Trače, gesichert einerseits durch starke Ufer- schutzbauten, und andererseits durch um- fangreiche Entwasserungsanlagen, hart am Ufer und theihveise im Flussbette der S61a, Abb. 155. Steinschlag-Schutzbau im Schnann auf der Arlbergbahn. [Nach photographischen Aufnahmen im Besitze der k. k. Staatsbahn-Direction Innsbruck.] nach Raycza. Durch mSchtige Steinbau- ten langs des Flusses geschiitzt, gelangt die Bahn nach Uebersetzung desselben zur Station Mil6wka. Mit dem sich er- vveiterten S61athale stetig fallend, trifft die Bahn noch einmal den Sčlafluss, tibersetzt den Zabnicabach und gelangt unmittelbar hierauf zu der auf einem Zwischenplateau liegenden Station Wegierslta-G6rka. Unter- halb des Dorfes Ciecina wird der Sdlafluss zum Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 335 zweitenMale iibersetzt, an dessen linken Ufer die Balin nun in dem breiten fruchtbaren Sblathale die Station Saybusch-ZabIocie er- reicht, welche vordem Eigenthum der Kaiser Ferdinands - Nordbahn war, nunmehr aber dem Staate gehort. Bei dem letzten Wechsel der Station Say- busch beginnt die Strecke Saybusch-Neu- Sandec. Die Trače iibersetzt den Sdlafluss und erreicht die Station Friedrichshiitte. Von da tritt die Bahn an eine felsige, steil ansteigende bewaldete Lehne, an welcher sie, zum Theil in hoch hinaufreichenden Anschnitten, meist un- mittelbar am Ufer des ziveimal tiberbriickten Koszarawaflusses da- hinfiihrt und die Sta¬ tion jelesnia erreicht. Hinter derselben be¬ ginnt sie die Rampe zur Wasserscheide von Hucisko im Thale des Pewelkabaches anzusteigen und er¬ reicht die unmittelbar an der Wasserscheide liegende Station Hu¬ cisko [550-80 m See- hohe]. Nach Ueber- setzung der Wasser- scheide im 8 m tiefen Einschnitte senkt sich die Bahn mit dem Maximalgefalle von 18% 0 , um geli t in schar- fen Bbgen einen vor- springenden Berg- riicken, Iibersetzt dann weiter mittels eines 13 m hohen Viaductes und eines daran an- schliessenden Dam- mes von 400 m Lange das Thal des Lachoiv- kabaches und erreicht nach Passirung des Dorfes Lach6wice die gleichnamige Station. Ausserhalb derselben wendet sie sich ge- meinsam mit der Reichsstrasse in das Thal des Stryszawka- baches, gelangt bis Sucha, nachst welcher die Linie nach Skawina, respective Ošiviecim und Podgdrze abzweigt. Von dem Gabelungs- punkte rechts abschwenkend, steigt die Trače nun im Skawathale an, iibersetzt gleich darnach den Skawafluss und gelangt nach Mak6w. Von da weiter ansteigend, wendet sich die Bahn im scharfen Bogen gegen den Skawafluss, setzt wieder auf das Jinke Ufer iiber, er¬ reicht hier ein kleines Plateau, nach dessen Ueberschreitung der aus einem romantischen Seitenthale heraustretende Skawicafluss iiber¬ setzt wird und tritt an eine steile, felsige Lehne, an derem Fusse die Bahn nun hart am Ufer des Skawaflusses weiter zieht, bis sie vor dem Dorfe Osielec wieder den Thalboden gewinnt und von da aus zur Station Osielec hinansteigt. Gleich hinter dieser Station kehrt die Trače mittels einer Brucke auf das rechte Skawaufer zuriick, durchdringt mit einem II m tiefen und 200 m langen Einschnitt einen vor- springenden felsigen Bergriicken, tritt aus diesem unmittelbar in das Bett des ver- legten Skawaflusses, fiihrt dann im Thal iveiter, den Skawafluss einigemale iiber- setzend, bis sie nach Jordan 6w gelangt, wo derFluss dann zum siebentenMale iiberbriickt wird. Sie gelangt sodann zur \Vasserscheide, welche mittels eines nur etwa 5 m tiefen Einschnittes [496 vi liber dem Meeres- spiegel] passirt wird. Von da an abfallend, erreicht die Bahn das Rabathal, wo sie den Rabafluss iibersetzt, um zur Station Cha- bdvvka zu gelangen, ivelche die Eingangs- station des bis an das Tatragebirge sich er- streckenden, an Na- turschonheiten iiber- aus reiclienNeum ark- ter Bezirkes bildet. Von Chab6wka zieht die Trače in dem sich erbreiternden Thale stufenweise abfallend weiter, gelangt zu der Haltestelle Rabka, in deren Nahe das heil- kraftige Bad gleichen Namensliegt.lmThale abwarts gehend, na- hert sie sich bald darauf dem Rabka- flusse, langs welchem sie hinzieht, iibersetzt denselben und er¬ reicht die Station Za¬ lete. In der Thalsohle tiberschreitetdieTrace noch vier, bedeutende Geschiebe fiihrende "Wildbache, ivechselt hernach das Rabauler und erreicht Mszana dolna, hinter welcher Station der Mszanabach iibersetzt wird und der Anstieg zur Wasserscheide beginnt. Sie wendet sich dem nbrdlich gelegenen Sattel der Wasser- scheide zu, durchfahrt den zwischen dem Slomka- und Kasinathale liegenden Rucken in einem Einschnitte von 8 m Tiefe, iiber¬ setzt hierauf den Kasinabach auf einem I2‘5 m hohen Viaducte und erreicht Kasina wielka, von \vo aus die Trače sich in den wildromantischen Gehangen des Snicz- nica-Berges entivickelt, um ihren hOchsten Punkt [C5te 595’5] zu erreichen. Nun ab¬ fallend, durchbricht die Trače eine vorge- schobene Bergmasse und erreicht die schon im Gefalle liegende Wasserscheide [Cote Abb. 156. Steinschlag-Schutzbau auf der Arlbergbahn im Scbnann [Felskopf na*ch der Verbauung]. [Nach photog:raphischen Aufnahmen im Besitze der k. k. Staatsbahn-Direction Innsbruck.] 336 Ignaz Konta. Abb. 157. Polygontrager des Glongtobel-Objectes durch die Lawine ins Thal geworfen. [2. Februar 1893.] 5393], welche sie in einem Einschnitte von 47 m Tiefe passirt. Von der Station Dobra aus entwickelt sich die Trače auf dem gegen Stiden abfallenden Gehange des Dobrzankathales, iibersetzt hiebei die Plas- k6n-Schlucht mit einem 25 m hohen Viaducte und nachdem sie noch den Jasnabach auf einem 13-6 m hohen Viaduct passirt, er- reicht sie die Thalsohle. In dieser fiAhrt die Bahn zu der malerisch gelegenen Station Tymbark, iibersetzt dann den Lososinafluss, folgt demselben durch theilweise versumpftes Terrain, dessen Entwasserung wahrend des Baues vorgenommen wurde, und steigt zur Station Limanowa hinan. Unmittelbar nach dem Austritte aus dieser Station beginnt der weitere Anstieg zu der auf einem kahlen Riicken der Wasserscheide liegenden Station Pisarzowa. Von daan fallt die Trače, tiber- setzt mehrere Schluchten mittels Dammen von bedeutender Hohe und zieht zu der im Gefalle angelegten Station Medna. DasSeiten- thal des Klodniankabaches iibersetzend, er- reicht sie die Thalsohle des .Smolnikbaches, tiber welchen hinweg sie in das Dunajecthal und in diesem zur Station Marcinkowice gelangt. Auf einer Brucke von 300 m Licht- weite den'Dunajecfluss [Abb 158] iibersetzend, fiihrt die Bahn zu der im grossen Sandecer Plateau besonders schon liegenden Station Neu-Sandec der Tarn6w-Leluch6wer Staats- bahn. Gryb6w-Zag6rz nebst der Aus- astung nach Gorlice. Die Strecke Gry- b6w-Zag6rz nimmt in der zu diesem Zwecke errichteten Station »Str6že« der k. k. Staatsbahn Tarn6w - Leluch6w ihren Aus- gang, steigt in nordčstlicher Richtung zu der secundaren Wasserscheide bei Szalowa hinan, wo sie die hochste Cote der ganzen Strecke [376 m\ erreicht. Von da an in ostlicher Rich¬ tung abwarts ftihrend, ge¬ langt sie zur Station Wola lužanska und dann in viel- fachen Krtimmungen in die Niederung des Wolski- baches. Hier erhalt die Bahn den Charakter einer Thal- bahn und liegt bis zur Ropa- briicke ununterbrochen in einem sanften Gefalle. Die nachste Station ist Zag6- rzany, an derem siidwestli- chem Ende die 4-2 km lange Ausastung nach Gorlice abzvceigt. Die Fortsetzung der Plauptiinie tritt bei Zag6- rzany in das Thal des Ropa- flusses. Sie bertihrt die Sta¬ tion Biecz und schlagt bei Siepietnica die siidostliche Richtung ein, welche sie bis SkoIyszyn und Trzcinica beibehalt. Den Ropafiuss und WisIokafluss iiber- setzend, erreicht sie Jaslo. Von da aus liber die Station Tarnowiec bis zum Jasiolkaflusse eine rein ostliche Richtung einhaltend, durchzieht die Bahn das Inundationsgebiet des Jasiolka- flusses, den sie uberbriickt und gelangt durch einen ziemlich langen Einschnitt auf die Hohe der Station J edlicze. Ueber Krosno und Iwonicz zieht die Bahn in giinstigem Terrain der Station Ryman6w zu und senkt sich von da in das kurze Inundationsgebiet des Kom- pachabaches und des Morawaflusses, welche beide iibersetzt we.rden. Nachdem der WisIok- fluss iibersetzt wird, steigt die Trače binter der Station Zarszyn, um die PIčhe der Station Nowosielce-Gniewosz [C6te 3I7'6] zu gewin- nen. Bis Sanolt liegt die Bahn in starkem Gefalle, weshalb auch die hier vorkommenden kurzen Damme und Einschnitte von relativ namhafter Hohe, respective Tiefe sind, ge¬ langt nun in das Thal des Sanflusses und steigt schliesslich die steilen Abhange hinan, auf deren Hohe die Station Neu-Zag6rz [Cote 3033] theilweise in einem 10 m tiefen Ein¬ schnitte situirt ist. Stanislau-Husiatyn. Diese ostliche Endstrecke der Galizischen Transversalbahn beginnt nicht unmittelbar in Stani slau, sondern in der daselbst anschliessend an den Korper der Lemberg - Czernowitzer Bahn errichteten Station Chryplin. Von hier fiihrt die Trače in gerader Ostlicher Richtung zur Station Tyšmienica, nimmt dann eine nordOstliche Richtung an, iibersetzt den Wo- ronafluss und erreicht die erste Wasserscheide [C6te 330 m], auf welcher die Station Tlumacz- Palahicze situirt ist. Ueber 01 esz 6 w und NRni6w, hinter welcher Station eine nOrd- liche Richtung eingeschlagen wird, gelangt die Bahn in das Thal des Dniester, iibersetzt diesen Fluss mit einer Brucke von 324'8 m Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 337 Lichtweite tritt in das Thal des Wyczulki- baches und gelangt zur Station Korošciatyn. Auf ihrem weiteren Zuge iibersteigt die Bahn eine zweite Wasserscheide [C6te 381]. Nachdem der Koropiecfluss iibersetzt wird, gelangt die Bahn ins ebene Terrain, auf welchem die Station Monasterzyska situirt ist. Nun steigt die Bahn zur dritten und hOchsten Wasserscheide hinan [Cote 395'87]. Sodann abivarts ziehend und mit einer nord- ostlichen Richtung in die Niederung eines Seitenthales einbiegend, gelangt sie zur Station Jezierzany, bewegt sich danil in einer Thalmulde aufwarts, um die vierte Wasserscheide [C6te 38420] zu tibersetzen und gelangt hernach mit sanftem Ge- Thalsohle des Serethflusses, iibersetzt diesen in nOrdlicher Richtung und : gelangt in die Ebene bei Czortk6w. Hier schlagt die Trače eine nOrdliche Richtung ein, folgt ein kurzes Stiick dem Ufer des Serethflusses, be- ginnt dann zu steigen, iibersetzt mit einem gewolbten Viaducte das Puchlathal, biegt in Ostlicher Richtung in die Puchlaschlucht ein, erreicht mit fortgesetzter Maximal- steigung wieder ein Hochplateau, wendet sich da erst nach Siidosten, dann wieder nach Nordosten und ftihrt zur Station Hadyn- kowce und hernach, mehrere Bache tiber- schreitend, zur Station Kopyczynce. Von hier nimmt die Bahn eine ostliche Richtung, iiber- setzt einen 200 m breiten Sumpf und erreicht Abb. 158. Reconstruction der Dunaj ec-Briicke bei Neu-Sandec. fStrecke Saybusch-Neu-Sandec der Galizischen Transversalbahn.] falle auf das Plateau, wo die Station Buczacz errichtet ist. Von hier zieht die Bahn in das Strypathal hinab, iibersetzt den Potokbach, durchfahrt sodann mittels eines Tunnels von 260 m Lange einen Bergrucken, iibersetzt den Strypafluss und steigt an der linken Strypalehne zur fiinften Wasserscheide [C6te 365 25] hinan. Von der Wasserscheide abfallend durchschneidet die Bahn einen langgestreckten Teich und zieht dann Ostlich bis Pyszkowce. Sodann fiihrt die Trače in stidOstlicher, fast gerader Richtung, auf ein | sanft geneigtes Plateau und zur Station Džuryn, von wo aus die Bahn, liber das Hochplateau in Ostlicher Richtung weiterzieht und die Station Kalinowszczyzna erreicht. Von hier halt die Trače erst eine stidOstliche Richtung ein, entwickelt sich sodann im Gefalle in nOrdlicher, dann Ostlicher Rich¬ tung an einer steilen, durch kurze aber tiefe Schluchten unterbrochenen Lehne in das Sereththal. In diesem Zuge iibersetzt die Bahn die Bialaschlucht mit einem 29 m hohen Viaducte von 75 m Lichtweite, kommt an die iiber Wasylkowce die an der russischen Grenze gelegene Station Husiatyn. [Cote 284-20.] S u ch a-S k a wi n a. Von Sucha abz weigend geht die Trače dieser Verbindungsstrecke in eine nordliche Richtung iiber, und tritt in das Inundationsgebiet der Skawa, dann in ein steil abfallendes, felsiges Terrain, das sie mit der Strasse und stellenweise auch mit dem Flusse zu theilen hat. In der Ebene weiterziehend, iibersetzt sie den Tarnawka- Wildbach und erreicht das Inundationsgebiet der Skawa, beziehungsweise den Fluss selbst, in welchem sie weit eingebaut ist. Nunmehr eine nordOstliche Richtung einschlagend, ftihrt die Bahn in štetem Gefalle und ge- schtitzt durch starke Dammversicherungen streckenweise im alten Flussbett dahin, bis sie mit einer Wendung nach Norden Skawce erreicht. Hinter dieser Station wird der Skawa- fluss mittels einer eisernen Briicke von drei Oeffnungen a 37-13 m Lichtweite [schief unter 70-3°] in einer Hohe von 5'6 m iibersetzt. [Abb. 159.] Aus dem Inundationsgebiete in Geschicbte der Eisenbahnen. I. Band, 2, Theil. 22 338 Ignaz Konta. nordostlicher Rich tune aufwarts weiter- ziehend, tibersetzt die Bahn den Stry- sz6wkabach und spater ein enges Seiten- thal und den Porzycebach mittels eines 7 m hohen Dammes und erreicht Stryszow. Gleich ausserhalb dieser Station beginnt die Bahn zur Wasserscheide hinanzuziehen. Mehrere Seitenthaler tibersetzend gelangt die Bahn zum hochsten Punkte der Zweigbahn, zur Station Stronie [294 m Seehohej. Von hier aus die ostliche Richtung einschlagend, fallt die Bahn und passirt ein sehr schwieriges Terrain, tvelches ihr den ausgesprochensten Charakter einer Gebirgsbahn verleiht. Un- mittelbar hinter der Station Stronie durch- setzt die Bahn den 5 m hohen Satteleinschnitt der secundaren Wasserscheide zwischen dem Skawa- und dem Skawinkaflusse, dann gegen Nordost gewendet, eine breite Mulde mit einem 16 »ihohenDamme iiber einentiefen Wasserriss, um nach nochmaliger Durch- brechung von Felsgestein in scharfer Kriim- mung und auf einem darnach folgenden, 7 m hohen Damine die nordwestliche Richtung und die Lehne eines breiten Seitenthales des Cedranbaches zu gewinnen. Unter ofterem Wechsel der Richtung, Passirung eines gros- seren Einschnittes und mehrerer Wasserlaufe erreicht sie den Kalwarjaberg, den sie in einem 6 m tiefen Einschnittedurcbfahrt, liber welchen auf eisernerUeberfahrtsbrticke der Wallfahrts- weg [Kreuzweg] hinweg gefiihrt ist. Nun zu- meist die nordostliche Richtung einhaltend, tibersetzt die Bahn noch vier tiefe Seiten¬ thaler mit 8—13 m hohen Dammen, durchbricht drei grOssere Lehmeinschnitte ehe sie die Sta¬ tion Kalwarja erreicht. Alsdann an der linken Lehne des Cedronbaches sich allmahlich in das Inundationsgebiet desselben niedersenkend, passirt die Bahn auf einem 10 m hohen Damme einen Wasserriss und hernach auf einem 9 m hohen Damme ein breites sumpfiges Seitenthal des Cedronbaches und gelangt nach wiederholtem Wechsel der Richtung in die Thalsohle, in welcher sie parallel mit dem Bache einherzieht, bis sie Lencze er¬ reicht. Im Inundationsgebiet des Skawinka- flusses abfallend, erhebt sich die Bahn so- dann auf den bei Radzisz6w befindlichen Ter- rainriicken, passirt ein Rutschgebiet und trifft, ohne weiteren Schwierigkeiten zu begegnen, an der Skacvinkabriicke mit der von Osvviecim nach Podgčrze fuhrenden Linie zusammen, mit ivelcher sie parallel in die Endstation Skawina einzieht. Oswiecim-Skawina-Podgdrze. Der Ausgangspunkt dieser fast ausschliesslich von Ost nach West sich entwickelnden Bahnlinie ist die der Nordbahn und der Oberschlesischen Bahn gemeinsam dienende Station Ošwiecim. In scharfem Bogen wen- det sich die Trače zur senkrechten Ueber- briickung des Sdlaflusses und durchzieht das sumpfige Inundationsgebiet der Weichsel. Nach st Dwory verlasst die Trače das Inun¬ dationsgebiet der Weichsel, um auf giinstigem Terrain nach Przecisz6w zu gelangen, von wo nach Durchfahrung einer an Raseneisen- stein reichen Niederung mit freundlichem Ausblicke auf die jenseits der Weichsel ge- legene Burg Lipovviec alsbald auch die im Einschnitte befindliche Station Zator erreicht wird. Nun gelangt die Trače in das Inun¬ dationsgebiet der Skawa und tibersetzt diesen Fluss mittels einer schiefen Eisenbrucke, ersteigt ein Hochplateau, passirt Rycz6w und folgt weiterhin ohne Schwierig- keiten dem Fusse des in die Weichselniede- rung abfallenden Plateaus. An den Hohen von Kossotva und Nowe Dwory vortiber, er¬ reicht die Trače die fur den Pilgerzug nach dem Wallfahrtsorte Kahvarja wichtige Station Brzežnica und fiihrt sodann zur Station Wielkie Drogi. Von da weiter passirt die Bahn eine secundiire Wasserscheide und vereinigt sich dann mit der, aus dem Ska- winkathale kommenden Linie Sucha-Skawina, tibersetzt in Gemeinschaft mit derselben den Skawinkaflussund ziehtmitihrindiedenbeiden Linien gemeinsam dienende Station Skatvina ein. Von hier aus steigt die Bahn auf die H6he von Sidzina hinauf und fallt zur Station Swoszowice ab, in deren Nahe sich das Schwefelbad gleichen Namens befindet. Von dieser Station weiter fiihrt die Bahn in vielfach gewundenem Zuge unter Uebersetzung des TVilgabaches in die Kalkfelsenpartie Krzemionki, welche im Gefalle mittels eines 1300 m langen, bis zu 10 6 m tiefen und etwa 150 m weit in den Felsen eingesprengten Einschnittes durchsetzt wird und erreicht auf 7^5 m hohem Damme in dem mit einer Erdbewegung von 200.000 m 3 hergestellten Anschlusse an die Carl Ludwig- Bahn die Endstation Podgčrze. Bohmisch-Mahrische Trans- versalbahn. WieihreHauptbenennung, hat diese Bahn mit der vorangehend be- sprochenen auch manche Schicksale ge- mein. Beide waren schon langst projectirt, zumal in den Endstrecken, beide kamen miihselig und stiickvveise zu Stande und entbehrten daher des einheitlichen Ge- prages, beide waren bis linapp vor der ganzlichen Sicherstellungimmer als Pri.vat- unternehmungen gedacht und sind schliess- lich auf Staatskosten ausgebaut worden. Eine der nunmehrigen tvestlichen End- strecke ahnliche, jedoch directe Ver- bindung Taus-Klattau-Horažd’ovic zahlte zu denjenigen »Bohmischen Landes- bahnen,« deren Bau schon die im Jahre 1863 vom bohmischen Landtage ein- gesetzte Eisenbahn - Commission befiir- wortet hatte. Ebenso gehorte die ostliche Endstrecke Briinn - Ungarische Grenze [Trencsin] zu den »Mahrischen Landes- bahnen,« welche der mahrische Landtag Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 339 und mit ihm noch andere Korperschaften des Landes, sowie auch das »Comite fiir die mahrischen Eisenbahnen«, um die Mitte der Sechziger -Jahre eifrigst er- strebten. Diese Strecke war auch eine derjenigen, denen das a. h. Handschreiben vom 18. October 1866 [siehe Seite 4] insbesondere gegolten hatte. Am 23. De¬ cember 1866 bewilligte der mahrische Landtag fiir dieselben eine Subvention im halben Betrage der nach jener a. h. Willenskundgebung auch vom Staate zu ervvarten gewesenen Beihilfe. Infolge der Concessionirung der Mahrisch-Schlesischen Nordbahn und des rischerseits geplanten Linie Rosenheim- Deggendorf-Zwiesel auf bohmischem Ge- biete, sich wieder um die Strecke Taus- Horažd’ovic angenommen, ohne iibrigens damit iiber die ersten Vorarbeiten hinaus- zukommen. Im Jahre 1869 befasste sich die Nordbahn mit dem Projecte Hradisch- Vlarapass ; desgleichen die Credit-Anstalt und Andere. Auch fiir die Strecke Briinn-Ungarische Grenze fanden sich neue Be\verber, so namentlich die Con- sortien des Freiherrn v. Weidenheim und des Fiirsten Alfred Windischgratz. Ali dies wurde jedoch in den Hinter- grund geschoben durch die nun aufge- Abb. 159. Brucke iiber den Skawafluss. [Strecke Sucha-Skawina der Galizischen Transversalbahn.] Erganzungsnetzes der Staatseisenbahn-Ge- sellschaft [siehe Seite 6,und Bd. 1 ,1 .Th.,Seite 407] loste sich jedoch das Landescomite auf und die Ausftihrung aller ausserhalb der eben erwahnten Concessionirungen verblie- benen Strecken fiel wieder der Ungewiss- heit anheim. Der Prasident der Briinner Handelskammer, Ernst Johann Herring, der auch das erste mahrische Consortium gebildet hatte, beivirkte zwar den Zu- sammentritt eines neuen Gonsortiums fiir die Verbindung Briinn-Trencsin, das am 9. December 1867 die beziigliche Con- cession nachsuchte ; allein die Einsprache der Nordbahn und die in massgebenden Kreisen eingetretene Aenderung in den Anschauungen iiber die Nothwendigkeit jener neuen Verbindung, fiihrte die Ab- lehnung des Gesuches herbei [a. h. Ent- schliessung vom 22. Juli 1868]. Unterdessen hatte Johann Freiherr v. Liebig in Verbindung mit anderen Interessenten der Fortsetzung der baye- tauchten Projecte fiir die ganze Querbahn, unter denen jenes des Bauunternehmers Karl S c h w a r z den ersten Platz einnahm. Dasselbe umfasste urspriinglich nur die Linie Sillein-Briinn-Iglau-T abor-Klattau- Taus oder Furth, wurde aber mit Riick- sicht auf die Concurrenz-Projecte nach- traglich auch auf die Strecken Klattau- Deggendorf und Briinn-Vlarapass ausge- dehnt. Das ganze Unternehmen solite den Namen: »Bohmisch-Mahrische Ostbahn« fiihren und, wiesein Projectant beanspruchte, die Staatsgarantie geniessen. Die vollstandigen Plane gelangten im Mai 1872 zur Vorlage. Die erheblichste Concurrenz bereiteten die Projecte Iglau-Budweis-Kuschwarda und Briinn - Pilsen, zumal fiir dieselben keinerlei Staatshilfe in Anspruch genom- men wurde. Da aber Mahren immer dringender die directe Verbindung mit den ungarischen Bahnen am Vlarapasse verlangte und auch der Landtag sie 22 * 34° Ignaz Konta. neuerdings urgirte [3. December 1872], so ordnete das Handelsministerium die technisch - militarische Revision des Schwarz’schen Projectes an, welche am 8. Januar 1873 begonnen, aber keine be- friedigenden Ergebnisse geliefert hat, wes- halb die k. k. General-Inspection der osterreichischen Eisenbahnen am 27. April 1874 mit einer Neuaufnahme der ganzen Linie von Furth iiber Tabor, Iglau und Briinn bis zum Vlarapasse betraut wurde. Auch dasjahr 1875 ging nicht zu Ende, ohne dass der mahrische Landtag mah- nend und drangend fur die Bahn ein- getreten ware. Im Jahre 1874 bezeichnete der Ab- geordnete Steudl anlasslich der De- batte iiber Rakonitz-Protivin [29. April] die Ausfiihrung der genannten Transversal- bahn als eine richtige Hilfsaction, weil sie weitgestreckte, unter der Krisis leidende Bezirke vom Nothstande befreien wiirde. Ein Jahr darauf brachte der Abgeord- nete Dr. Sturm im Abgeordnetenhause einen directen Antrag auf den Bau dieser Bahn ein, erzielte aber damit gleichfalls keine Wirkung. Im selben Jahre liessen fremde Geldkrafte die Linien Briinn- Iglau und Briinn-Hradisch traciren und machten sich anheischig, dieselben auch ohne Staatsgarantie zu bauen, falls die Regierung weitgehende technische Er- leichterungen bewillige [Februar 1876], was jedoch abgelehnt wurde. Dasselbe widerfuhr einem Antrage der mit ihren Fangarmen iiberallhin ausgreifenden Socičte belge, die gegen volle Staats¬ garantie oder grosse Betheiligung des Staates an der Geldbeschaffung, den Bau ausfuhren wollte. Dann gerieth die An- gelegenheit vollig ins Stocken, wiewohl unzahlige Petitionen und fortwahrende Interpellationen im Reichsrathe und in den Landtagen, das Verlangen der Be- volkerung nach dieser Bahn inimer ver- nehmlicher zum Ausdrucke brachten., Erst nachdem der Graf Sigmund Berchtold im Jahre 1880 ein Consortium fur die »Mahrische« Transversalbahn gebildet, und dem Zustandekommen der- selben seinen Einfluss und seine eifrige Thatigkeit zugewendet hatte, kam die Frage vvieder in Fluss. Allein gleichwie die im Jahre 1877 zu Tage getretene Spaltung unter den Interessenten des bohmischen Theiles der Bahn [die Einen hielten an der alten Trače fest, die Anderen wollten dieselbe von Iglau iiber Budvveis und Krumau an die bayerische Grenze gefiihrt sehen] die Nothwendigkeit der grossen Querlinie in Zweifel setzten, that jetzt die Beschrankung der Bestrebungen blos auf den mahrischen Theil der Bahn ihrer Einheitlichkeit schweren Abbruch, — und die zugleich beabsichtigte Her- stellung der einzelnen Strecken als Secundarbahnen benahm der ganzen Linie die ihr seit jeher und auch von fachlicher Seite beigemessene Bedeutung fur den grossen Durchzugsverkehr. *) Das Consortium wollte die Strecken Vlarapass—Ungarisch-Hradisch—Kfenowitz nebst Abzweigung Snowidek-Gaya, und die Strecke Segen Gottes-Startsch nebst Abzweigung Wladislau—Gross-Meseritsch als Secundarbahnen ausfuhren, welche mit den dazwischenliegenden Strecken Kfenowitz-Briinn der Mahrisch-Schlesi- schen Nordbahn und Briinn-Segen Gottes der Rossitzer Bahn eine von der ungari- schen Grenze bis an die Oesterreichische Nordwestbahn reichende Mahrische Trans¬ versalbahn gebildet haben wiirden. Fiir dieses Unternehmen vvurden vom Staate eine Zinsengarantie von 175.000 fl. [820 fl. pro Kilometer], vom Lande eine Sub- vention von jahrlich 47.775 fl., von den zehn durch die Bahn beriihrten Strassen- bezirken jahrliche Beitrage von 1000 bis 3000 fl., und von den Anrainern eine Betheiligung an der Geldbeschaffung durch Uebernahme von Prioritatsactien oder Naturalleistungen beansprucht. Die Consorten und deren Vertreter gewannen vermoge einer in Wort und Schrift**) be- triebenen Propaganda alsbald viele An- hanger ■— aber auch Nachahmer. An den verschiedensten Orten bildeten sich Comitds, deren Plane jedoch weit *) Vgl. B. Wiillersdorff: »Das Eisen- bahnnetz im -svestlichen Theile der oster- reichisch-ungarischen Monarchie«, Wien, 1875. **)Eduard Ritter von F el d e gg: »Priifung der Rentabilitat projectirter Bahnen, mit be- sonderer Anwendung auf die Mahrische Transversalbahn« [Wien, 1880], und Dr. M. Z a c h und Eduard Ritter von F e 1 d e g g: »Die Mahrische Transversalbahn und ihre Interessenten« [Briinn, 1881]. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 341 auseinander gingen. Ein einziges hielt noch an dem alten Projecte Sillein-Taus fest, und veroffentlichte eine Denkscbrift iiber die langst bekannte Wichtigkeit dieser Bahn. Alle iibrigen suchten blos die ihren eigensten Bedurfnissen ent- sprechenden Linien zustande zu bringen. Ein Projectant, Richard Clemens Heller in Iglau, wollte iiberdies ein ganzes Netz von »Bohmisch - Mahrischen Secundar- bahnen« schaffen, welches auch Strecken der Transversalbahn umfassen solite. In Bohmen bemuhte sich Graf Ferdinand Chotek um die altprojectirten Strecken, wobei er dieUntersttitzung der czechisclien Abgeordneten fand, die ihre Zustimimmg von der ungarischen Grenze iiber Hradisch, Briinn, Iglau und durch Bohmen bis an die bayerische Grenze fiihrenden Trans- versalbahn noch im Jahre 1881 im Reichs- rathe einzubringen. Die Besprechung fand am 3. April 1881 statt, forderte jedoch vvieder nur grosse Meinungsverschieden- heiten zutage. Die czechischen Abge¬ ordneten hielten treu an dem alten ein- heitlichen Projecte fest; der Abgeordnete Dr. Pl e r b s t hingegen wollte die Bahn lediglich als ein Netz ortlicher Verbin- dungen gelten lassen, sprach sich iiber- dies gegen den Anschluss an die unga¬ rischen Bahnen aus und befiirwortete blos die Strecke Iglau-Neuhaus-Wessely; die Abb. 160. Bau des Viaductes und der Brucke iiber den Igelfluss in Iglau. [Bohmisch- Mahrische Transversalbahn]. Nach einer Photographie von Johann Haupt in Iglau. zum Bau der Galizischen Transversalbahn von bindenden Zusagen fiir die Ausfiih- rung der Bohmisch-Mahrischen Trans¬ versalbahn abhangig machten [siehe Seite 330]. Angesichts der grossen Zerfahrenheit lud der Handelsminister die hervor- ragendsten Abgeordneten von Bohmen und Mahren zu einer Besprechung, um die Meinungen, welche sie selbst iiber die ganze Angelegenheit hegten, genau kennen zu lernen. Es war dies auch darum dringend geboten, weil der Eisen- bahn-Ausschuss aus Anlass der Behand- lung der zu Hauf vorgelegenen ein- schlagigen Petitionen eine Resolution beantragt hatte, wonach die Regierung aufgefordert \verden solite, eine Gesetzes- vorlage zur Sicherstellung der ganzen, czechischen Abgeordneten erklarten sich fiir den Staatsbau, alle anderen zunachst fiir die Concessionirung. Das Abgeordnetenhaus nahm die vor- erwahnte Resolution am 1. Juni, das Herrenhaus eine etwas allgemeiner ge- fasste am 17. December 1881 an. Die Regierung legte nun am 28. Marž 1882 einen Gesetzentwurf vor, der zwar den verschiedenen Wiinschen riicksichtlich der einzelnen Strecken angepasst war, von der Einheitlichkeit der Bahn aber Um- gang nahm, daher vorwiegend nur die zwischen den schon bestehenden Bahnen einzufiigenden Strecken zum Gegenstande, und von diesen wieder etliche, darunter auch die ostlichen Endstrecken, in die zweite Reihe gestellt hatte. Dieselben sollten als Localbahnen im Wege der 342 Ignaz Konta. Concessionirung, oder, soweit diese nicht gelange, auf Staatskosten geschaffen werden, \venn die Interessenten und die bei- den Lander entsprechende Beitrage leisten. Der Eisenbahn-Ausschuss unterzog die Vorlage sofort einer Abanderung; erwollte der Bahn ihren einheitlichen Charakter noch moglichst wahren, sie ausdriicklich »Bohmisch- Mahrische Transversalbahn« benennen, und ihre ostlich von Brtinn gelegene Trače genau bestimmt wissen. Der neue Entvvurf besagte also, dass die zur Eisenbahn-Verbindung von derunga- rischen bis zur bayerischen Grenze noch fehlenden Strecken mit dem veranschlagten Kostenbetrage von 43,198.000 fl. aus Staatsmitteln innerhalb sechs Jahren her- zustellen seien, wenn Bohmen 2,5oo.ooofl., Mahren 1,900.000 fl. beisteuere, und auch die Interessenten sich entsprechend be- theiligen. Ftir mehrere Seitenlinien waren allfallige Staatsunterstiitzungen in Aus- sicht genommen. Damit der Transversal¬ bahn, trotz ihrer sttickweisen Zusammen- fiigung, die Eigenschaft einer einheitlichen Verkehrslinie gesichert bleibe, wurde in den Entwurf iiberdies eine Bestimmung aufgenommen, des Inhalts, dass dem Staate das Recht zustehen solle, die Mit- beniitzung der in die Gesammtrichtung der neuen Bahn fallenden, schon be- stehenden Strecken als Servitut im Enteignungswege in Anspruch zu n eh m en, sofern es nicht gelingen solite, mit den betheiligten Bahnvenval- tungen ein Uebereinkommen zu treffen, vermoge dessen dem Staate gegen Ent- richtung einer zu ermittelnden fixen Entschadigung die freie Mitbeniitzung jener Strecken eingeraumt wiirde. Diese wichtige, hier zum ersten Male erscheinende gesetzliche Anord- nung, welche in der auslandischen — insbesondere der englischen, preussischen und franzosischen — Gesetzgebung Vor- bilder hatte,*) machte viel von sich reden. Die aufgetau eliten Zweifel iiber die Zu- lassigkeit der Anwendung der Expro- priation auf die Mitbeniitzung von Bahn- strecken, wurden jedoch bei den betreffen- den Debatten im Parlamente von den Ver- _*) Vgl. den am 5. Marž 1883 erstatteten Bericht des Eisenbahn-Ausschusses. tretern der Regierung, als welche zwei der ausgezeichnetsten Juristen, namlich die Ministerialrathe Dr. von W i 11 e k und Dr. Steinbach fungirten, mit dem Hin- weise auf das allgemeine biirgerliche Gesetzbuch [§ 365] behoben, da auch das auf einem Privilegium beruhende ausschliessliche Beniitzungsrecht, kein Hindernis filr die aus Riicksichten des offentlichenWohles, gegen Entschadigung, stattfindende Beschrankung des Privilegial- rechtes bilden konne. Gleichwohl war diese Frage auch im Herrenhause Gegen- stand eingehendster Erorterung und die vom Referenten der Eisenbahn-Commis- sion, Dr. Flabietinek [vormals Justiz- minister], hiertiber erstattete Aeusserung, sprach der Neuerung keineswegs das Wort, sondern wollte sie nur darum gelten lassen, weil die Regierung erklart hatte, unter der Mitbeniitzung lediglich ein Peage-Verhaltnis zu verstehen. Da der Reichsrath noch vor der ganz- lichen Ausfertigung jenes neuen Entwurfes vertagt [26. Mai 1882] und in der Zeit bis zu seinem Wiederzusammentritte [5. December] das Uebereinkommen mit der Staatseisenbahn - Gesellschaft vom 12. November 1882 abgescblossen wor- den war, wonach dieselbe unter Anderem die Ausfuhrung der Strecke Segen Gottes- Okfiško iibernahm und sich zur Fortsetzung derselben bis an den Vlarapass verpflichtet hatte [siehe Seite 296] •— musste die Vor¬ lage nochmals geandert werden. Der Eisenbahn-Ausschuss iibertrug diese Auf- gabe am 2. Januar 1883 dem Abgeord- neten Hladik, der bereits am 1. Februar den neuen Entwurf vorlegte. Dieser be- traf blos die restlichen, westwarts von Iglau gelegenen fiinf Strecken: Iglau-Ober- Cerekve-Neuhaus -Wessely, Horaždovic- Schuttenhofen - Klattau, Ober - Cerekve- Pilgram-Tabor, Tabor-Miihlhausen-Pisek- Ražice, Janovic-Neugedein-Taus, welche nach und nach mit einem Aufvvande von hochstens 27,300.000 fl. auf Staatskosten ausgefiihrt werden sollten, wenn nicht, wie schon die Regierungsvorlage besagte, die Concessionirung einer oder der anderen Strecke gelingen solite. Der Eisenbahn- Ausschuss nahm noch die Strecke Budvveis- Salnau unter die Plauptbahnstrecken auf und kiirzte die Baufrist um ein Jahr. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 343 Die Berathungen im Abgeordneten- hause begannen am io. April; kein ein- ziger von den vielen Rednem trat gegen die Balin auf; Anfechtungen erfuhr nur die vorerwahnte Bestimmung liber die allfallige Erwirkung der Mitbeniitzung im Enteignungswege; sie wurde jedoch am 13. April wie Tags darauf das ganze Gesetz mit Mehrheit angenommen. Eben- so wickelten sich die Debatten im Herren- hause ab [16. Mai]. Nachdem alles so- weit gediehen war, handelte es sich noch um die Beitragsleistungen. Die Landtage hielten sich an die Beschliisse des Reichs- rathes; der bohmische sicherte am 17. Juli 1,250.000 fl., der mahrische am 18. October ns.ooofl. als 5°/ 0 igen Bei- trag zu den betreffenden Kostensummen zu. Die Zeichnungen der Anrainer wur- den im October von einer Regierungs-Com- mission aufgenommen. Sodann erfolgte am 25. November 1883 die a. h. Sanc- tion des Gesetzes und drei Monate spater, am 28. Februar 1884, die a. h. Anordnung der Inangriffnahme des Baues. Derselbe umfasste jedoch [als Staats- bau] nur die urspriinglich vorgesehenen fiinf Linien, da jene von Bud\veis nach Salnau an die Oesterreichische Local- Eisenbahn - Gesellschaft concessionirt wurde [30. August 1884]. Die Daten iiber die Vergebung, den Beginn und die Vollendung der Arbeiten sin d aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich : Die Verzogerung bei der letztgenann- ten Strecke ward dadurch verursacht, dass die Interessenten-Beitrage lange auf sich warten liessen. Es musste denn auch eine Erstreckung der, laut des Ge¬ setzes vom 25. November 1883, mit 1. Januar 1889 endigenden Baufrist er- wirkt iverden; das geschah mittels des Gesetzes vom 29. Juni 1888, welches den Termin bis Ende 1889 hinausriickte. Da zu j en er Zeit auch die von der Staatseisenbahn - Gesellschaft erbauten StreckenSegen Gottes-Okrisko undBriinn- [Schimitz] Vlarapass gleichfalls schon im Betriebe standen, so hatten nunmehr auch Bohmen und Mahren ihre, wenn- gleich eigenartig zusammengefiigte Quer- bahn. Die Kosten derselben beliefen sich im Ganzen auf 25,674.226 fl. oder 82.187 A' P ro Kilometer. Es \vurden also 1,625.770 fl. erspart, infolgedessen Mahren nur 115.000 fl. und Bohmen nur 1,168.710 fl. beizutragen hatte. Die Interessentenleistungen waren mit 538.340 fl. eingeschatzt. Die Bbhmisch-M ahr ische Trans- versalbahn schliesst in Iglau an die Oester¬ reichische Nordwestbahn an. Von Iglau bis Kardasch Rečic liegt die Bahn auf dem Plateau des bohmisch-mahrischen Grenz- gebirges, vorerst im Thale der Igel [Iglava], welche hier die Grenze zwischen Bohmen und Mahren bildet. Um die Verbindung des neu angelegten Bahnhofes der k. k. Staats- bahnen [»Stadt Iglau«] mit der Nordwestbahn herzustellen, musste ausser dem Viaducte 344 Ignaz Konta. beim Nordwestbahnhofe [vgl. Bd. II, Abb. 129], das Igelthal iloerbrilckt iverden [Abb. 160]. Vom Bahnhofe der k. k. Staats- bahnen zieht dann die Trače in grossem Bogen durch die sogenannte Zigeunerleiten, wo die im tiefeingeschnittenen Thale fliessende Igel nabe an den BahnkOrper herankommt. Im Igelthale hat die Bahn den Fluss haufig zu uberbriicken und befindet sich daher ab- wechselnd bald auf mahrischem, bald auf bdhmischem Gebiete. Nachdem die Trače die stellenweise schroff abfallenden Lehnen bei Fussdorf verlassen bat, tritt sie auf die linke Seite des Flusses, wo sie bis Wolframs- Cejl bleibt. Von hier bis zur Haltestelle Unter-Cerekwe wird der Fluss dreimal iiber- brtlckt und die vorspringende Lehne des Spielberges durchschnitten. Am linken Igel- flussufer, der an den Thalabhangen dahin- ziehenden Strasse folgend, gelangt die Bahn bis Battelau, wo dieselbe aus der bisher eingehaltenen stidwestlicben Richtung in die westliche ilbergeht. Bis Ober-Cerekve wird diese Richtung beibehalten, von dort ab aber, nachdem der Schlossteich iibersetzt wurde, die sudliche Richtung eingeschlagen. Bei Ober-Cerekve zweigt der Fliigel gegen Tabor ab. Durch das von kleinen Hiigelziigen begrenzte Igelthal ansteigend, gelangt der nach Wessely fiihrende Fliigel liber Oberndorf an derrechten Lehne zur Wasserscheide zwischen der Donau und Moldau, wo Ihlavka-Katha- rinenbad in einer SeehOhe von 658 m als die hochstgelegene Station der ganzen Strecke in baumloser Gegend liegt. In Schlangen- windungen, an den bewaldeten Hiigeln eingeschnitten, fallt die Trače iiber Wilimetsch zur Station Počatek-Serowitz und iveiter durch zahlreiche lange Einschnitte iiber Popelin nach Gross - Bernharz, von wo sie im weiten Bogen zur Station Jareschau, sodann die Lehne des Pihalberges durch- schneidend,. in das Thal des Nežarkabaches bis Neuhaus gelangt. Ausserhalb Neuhaus den Bach iibersetzend, fiihrt die Trače das Thal verlassend, langs der Strasse nach Diebling und dann im coupirten Terrain durch den St. Barbarawald nach Kardasch- Itečic. Von hier bis Wessely durchfahrt die Bahn die Flache eines in vorhistorischer Zeit eingetrockneten Sees, an zahlreichen Teichen voriiber, einzelne derselben sowie mehrere Bache der \vasserreichen Gegend iibersetzend Zwischen dunklen "VValdern ge¬ langt die Bahn iiber Donow bis Wessely- Mezimosti, dem Knotenpunkte, wo die Trače Anschluss an die Linien nach Wien, Budweis und Prag findet. Die Strecke' Ober-Cerekve-Tabor- Pisek-Ražice zweigt ausserhalb der Station Ober-Cerekve im scharfen Bogen nachNorden ab und halt bis Pilgram eine ivesentlich nord- Ostliche Richtung ein. Durch Hiigellandschaft zieht die Trače vorerst bis Dobrawoda und von dort gemeinschaftlich mit der Bezirksstrasse durch ein hiibsches, schluchtenartiges Thal zur Haltestelle Rinarec, von wo aus im reizenden Thale des Bielabaches, nachdem derselbe iiberbriickt worden, parallel mit der Strasse Pilgram erreicht wird. Auf hohem, anstei- gendem und in scharfen Curven gefiihrtem Damme verlasst die Bahn Pilgram und, die vvestliche Richtung einschlagend, gelangt sie zur Haltestelle Wlasenitz, nachst welcher das Thal des Hejlovbaches iiberbriickt wird, so¬ dann durch kleine Nadelwalder ansteigend, zur Station Neu-Cerekve, nachdem auch der gleichnamige Bach iibersetzt wurde. An der machtig aufragenden Ruine Kamen voriiber, zur Haltestelle Leskorvitz ansteigend, durch grosse Einschnitte und verhaltnismassig hohe Viaducte, welche die Querthaler des Trnaiva- und Neuhoferbaches uberbriicken, gelangt die Bahn nach Patzau, wo sie langs der Trnawa aus der nordwestlichen in die siidivestliche Richtung iibergeht. Das an- muthige Trnawathal verlassend, dann am Patzauerwald voriiber, gelangt die Bahn bis Wobratain-Černowitz und durch den langen Občina-Einschnitt und nach Uebersetzung des Leickowbaches nach Kladrub - Poiin. Auf grossem Viaducte das Thal des Chočiner- baches iibersetzend, geht die Trače bis Chejnow. Ausserhalb dieser Station wird aber- mals auf machtigem Viaducte der Chejnow- bach iiberbriickt und durch Nadehvalder fiihrt die Bahn thalabwarts bis Dobronitz. Auf grosser, eiserner Briicke das Thal des Chotovinskybaches iibersetzend, gelangt die Bahn durch den Hiittenvvald nach Tabor, wo sie in den Bahnhof der ehemaligen Kaiser Franz Josef-Bahn einmiindet. Vom Bahnkčrper der Hauptstrecke am Ende des tief unter dem Bahnniveau gelegenen Jordanteiches abzweigend, geht die Trače gegen Dražice-Wejrec und durch viele Einschnitte und liber Viaducte nach Jistebnic-Bažejovic und Sepekau, wo der Smutnabach [Abb. 161] iibersetzt wird, und weiter uber einen machtigen steiner- nen Viaduct, der das Thal des Mtihl- hausenerbaches iiberbriickt, nach Miihlhausen. Hier wendet die Bahn sich gegen Siidwesten und gelangt iiber Weseličko-Branic durch ausgedehnte Waldungen nach JetStitz, hinter welcher Ortschaft sie eine streng siidliche Richtung nimmt, um dann in scharferCurve in der Nahe des Moldautbales nach Norden einzubiegen. Durch Einschnitte und Wald fiihrt die Bahn in sanftem Bogen iiber denbertihmten Červena-Viaduct [67-4 m hoch], die zweit- hOchste Briicke Oesterreichs, deren Montirung unter der Leitung Ludwig Hus s’ zum ersten Male in Oesterreich ohne Anrvendung von Geriisten in geradezu genialer Weise durch die Erste Bobmisch - Mahrische Maschinen- fabrik in Prag durchgefiihrt wurde. [Abb. 162]*) Zwei Gedenktafeln an den Pfeilern dieses Bauvverkes kiinden in gutgemeinten Reimen von den Miihen seiner Herstellung: *) Vgl. auch Bd. II, J. Zuffer: Briicken- bau, S. 296 und Abb. 159 a und 159 b. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 345 Abb. 161. Smutnabach-Viaduct fim Baul. [Bohmisch-Mahrische Transversalbahn, Strecke Tabor-Pisek.] »Vieles Mannes Wissen, Vieles Mannes Fleiss, Vieles Mannes Muhe, Vieles Mannes Schweiss Schuf dieses Bauwerk Hoch und hehr Zu unser aller Ehr.« »Fest auf Fels das Fundament, Starker Stein und gut Cement, Eisen zah, Nietung dicht, Trau auf Gott und schwanke nicht.« Ueber Wlastetz durch ziemlich bedeu- tende Einschnitte geht es nach Zahoric und in weitem Bogen nahert sich die Trače dem Wottawaflusse, biegt aber in scharfer Curve wieder nach Sudwest, fallt abermals in scharfer Biegung nach Siiden ab, um in einer grossen Doppelcurve nach Pisek zu gelangen. Von Pisek geht es in siidlicher Richtung nach Putim, hinter welcher Station vor der Uebersetzung des Planitzflusses die Bahn nach Protivin abzweigt, wahrend die Transversalbahn bis Ražice fortfiihrt, um von hier aus den Anschluss iiber Strakonitz nach Pilsen herzustellen. Die Theilstrecke Horaž d’owi c-Klattau zweigt von der Hauptstrecke Budweis-Pilsen bei der Station Horažilbvic-Babin ab. In west- licher Richtung gelangt die Trače nach Horaž- dbvic Stadt und an der Wottawa aufwarts zur Station Hieic, durch das Wottawathal nach Žicho\yic - Raby. [Abb. 163.] Amrechten Wottawaufer tritt die Bahn mehr in das coupirte hiigelige Terrain und unmittelbar vor der Station die Wottawa uberbrtickend, gelangt sie nach Schtittenhofen. In ziemlich gunstigem Gelande fiihrtdie BahntiberHradek, Mokrosuk, Kolinec, Malonitz, Nemilkau [Abb. 164] in vvestlicher, dann in nordwestlicher und endlich in nbrdlicher Richtung iiberBeschin, Nesnaschau und Teinitzl nach Klattau. Die Theilstrecke Janowi c-Taus zweigt bei Janowic aus der Linie Pilsen-Eisenstein ab und zieht langs des linken Ufers des Choden-Angelbaches im breiten Thale, hart am Bache aufwarts. Bald nach Passirung der Haltestelle Auborsko wendet sie sich nach Westen, verlasst das Thal und zieht nach Norden in ein von Nordwest nach Siidost verlaufendes Seitenthal zur Station Putzeried. Die Bahn halt sich am Ostlichen Rande des Thales und gelangt nach Lautschim. Ein kurzes Stilck nach Westen ziehend, iibersetzt die Bahn die Strasse und beschreibt einen scharfen Bogen, um am ivestlichen Thalrande zur Station Neugedein zu gelangen. In mehr- fachen Curven zieht sie dann tiber Kauth nach Taus, wo der Anschluss an die BOh- mische Westbahn hergestellt ist. Herpelj e-Triest. Bei den par- lamentarischen Verhandlungen iiber die Arlbergbahn und die Transversalbahnen hatten die Vertreter Triests ihre Wiinsche, hinsichtlich der Abkiirzung des Weges aus dem Innern der Monarchie nach Triest und seiner Befreiung von dem ausschliesslichen Einflusse der Siid- bahn, dem Reichsrathe oftmals nahe gelegt. Sie verlangten die Verbindung des Emporiums mit der Kronprinz Rudolf- Bahn. Die Regierung suchte auch diesen Wiinschen nach Moglichkeit gerecht zu vverden. Durch die Lage der Staats- finanzen gezvvungen, sich grosse Zuriick- haltung aufzuerlegen, wollte nun die Re- 346 Ignaz Konta. gierung zunachst die Strecke Herpelje- Triest, durch welche der zu Ungunsten Triests bislang vorhandene Langen- unterschied gegeniiber der Route St. Peter- Fiume behohen wurde, sogleich auf Staatskosten sicherstellen, fiir die Ver- bindung mit der Kronprinz Rudolf-Bahn aber die Vorarbeiten be\verkstelligen, \venn und in dem Masse als ihr die vorlaufig in der Hohe von 40.000 fl. angeforderten Mittel hiezu zu Gebote stiinden. Dahin lautete denn auch der Gesetz- entwurf, den die Regierung am 27. Marž 1882 dem Reichsrathe vorlegte, doch war in dem Motivenberichte die Linie Divaea-Laak als die Verbindung mit der Kronprinz Ru¬ dolf-Bahn schon bestimmt anpepeben. Dies o o missfiel aber dem Eisenbahn-Ausschusse des Abgeordnetenhauses, wahrscheinlich weil er ge\villt war, die Entscheidung iiber die Richtung, welche der gedachten Verbindung gegeben werden solle, noch vollstandig offen zu lassen. Er hielt es fiir zweckdienlicher, Plerpelje-Triest als eine Zweiglinie der Istrianer Bahn, be- ziehungsweise als ein von der spateren, etwaigen vollig selbstandigen Verbindung der Kronprinz Rudolf-Bahn mit Triest unabhangiges Bauobject zu behandeln. Um aber doch einen, wenngleich blos unselbstandigen Zusammenhang zwischen der Kronprinz Rudolf-Bahn und der neuen Istrianer Zweiglinie und durch diese mit Triest selbst herzustellen, priff der Ausschuss zu dem Auskunftsmittel, welches diesfalls bei der Bohmisch- Mahrischen Transversalbahn zum ersten Male Anwendung gefunden, d. h. zu einer Einschaltung in das Gesetz, wo- nach der Regierung das Recht eingeraumt wurde, die freie Mitbeniitzung der Siid- bahnstrecke Laibach-Divača im Ent- eignungswege zu erwirken, wenn es nicht gelingen solite, dieserwegen bis zum Ablaufe des jahres 1884 ein Ueber- einkommen mit der Stidbahn abzu- schliessen. Doch wurden hiebei jene An- schauungen beriicksichtigt, welche sich bei der Behandlung des Gesetzes iiber die Bohmisch-Mahrische Transversalbahn im Herrenhause geltend gemacht hatten; die enteigenbare Mitbeniitzung durfte nur hinsichtlich des Durchgangsver- kehrs platzgreifen. Auch die beson- dere Beitragsleistung der Interessenten, als welche hier die Stadt Triest fungirte, wurden aus j enem Gesetze heruber- genommen. Fiir die selbstandige Verbindung Triests mit der Kronprinz Rudolf-Bahn glaubte der Ausschuss genug gethan zu haben, wenn er eine Resolution bean- tragte, \velche die Regierung zur unge- saumten Vornahme der hiefiir etwa noch erforderlichen Studien und sodann thun- lichst baldiger Einbringung entsprechen- der Gesetzes vorlagen aufforderte. In dieser Anordnung und Geleitung kam der Entwurf nach Jahr und Tag — am 5. Mai 1883 — wieder vor das Abgeordneten- haus und daselbst am 7. Mai, im Herren¬ hause am 18. Mai zur Annahme. Die a. h. Sanction wurde ihm am I. Juni 1883 zutheil. Die mit drei Jahren bemessene Baufrist konnte nicht eingehalten werden, weil Triest die Leistungsfahigkeit der blos als Secundarbahn projectirten Linie er- hoht wissen wollte, was sowohl an und fiir sich als auch mit Riicksicht auf die gesetzlich festgestellte Bausumme [3,340.000 fl.] immer neue Studien noth- wendig machte und die Vergebung der Arbeiten bis zum 18. September 1885 verzbgerte. Ersteher derselben blieb von neun Offerenten die Unternehmung A. Bianchi & Comp., welche den Bau am 26. October 1885 begann, jedoch die versaumte Zeit unmoglich einzubringen vermochte. Die Regierung Hess sich daher den Vollendungstermin um ein Jahr erstrecken [Gesetz vom 7. Juli 1886]; allein auch dies reichte noch nicht vollends aus, weil infolge der Cholera die Arbeiten vom 8. August bis 16. Septem¬ ber 1886 eingestellt bleiben mussten. Die ganze Linie, einschliesslich der erst zu Beginn des Jahres 1887 in Angriff penommenen, 2'8 km lanpen Rivabahn von St. Andrea bis zu den Triester Hafen- geleisen, wurde am 5. Juli 1887, unter Betheiligung des Handelsministers Frei- herrn v. Pino und zahlreicher Festgaste feierlich eroffnet und unmittelbar danach dem allpemeinen Verkehre tiberpeben. o o Einen Monat friiher, am 7. Juni 1887, kam nach langen und schwierigen Ver- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 347 •handlungen der Peage-Vertrag liber die Mitbentitzung derStidbahnstreckeLaibach- Divača zum Abschlusse, der in manchen Stucken von j enem beziiglich der Strecke Worgl-Innsbruck [siehe Seite 304] ab- weicht, z. B. darin, dass der Personen- verkehr vorlaufig ganz der Sudbahn iiber- lassen, ferner die Peagirung des Giiter- verkehres ohne Doppeldienst, d. h. nur Im ersten Halbjahre 1889 wurde aut Rechnung der k. k. Seebehorde die 4-3 km lange Schleppbahn von Triest [St. Andrea] zum Petroleumhafen [in St. Sabba] her- gestellt; ihre Eroffnung fand am 23. Juli 1889 statt. Die gesammte Linie Herpelje- Triest ist dem Bahngebiete der Istrianer Bahn [siehe Seite 174] zugezahlt, deren Betrieb schon vom I. Januar 1883 an Abb. 162. Montirung des Moldau-Viaductes bei Červena. [Bohmisch-Mahrische Transversalbahn, Strecke Tabor-Pisek.] durch die Zugskraft und das Personale der Sudbahn zu bewerkstelligen blieb, hingegen die Verzinsung und Tilgung des in der Peage - Strecke investirten Capitals [20,457.300 fl.] nur mit 5 x /ie°/o bemessen ward, u. s. w. Allein er machte die Anwendung des Enteignungs verfahrens iiberflussig und ermoglichte auch ohne dasselbe eine mittelbare Verbindung der Kronprinz Rudolf-Bahn mit Triest, welche nunmehr eine zvveite von Triest in das Innere des Reiches ftihrende Schienenstrasse bildet. vom Staate selbst ubernommen wurde. Die Baukosten der Linie Herpelje- Triest haben insgesammt 3,336.584 fl. oder 155.233 fl. pro Kilometer betragen, jene der letzterwahnten Schleppbahn be- liefen sich auf 220.000 fl. Herpelje-Triest. Die Bahn hat in der Station Herpelje-Kozina [49071 m Seehohe] ihren Ausgangspunkt, wo sie sofort in das fast continuirlieh bis Triest beibehaltene Maxi- malgefalle von 2 >°°loo iibergeht und in einer scharfen, gegen Westen ausholenden Curve das Karstplateau tiberquerend, sich der steilen Felslehne des Bottačbaches zuwendet. Halb 348 Ignaz Konta. in Felsen gehauen, halb auf der Anschiittung gefiihrt, folgt si e, nachdem sie nun die Haupt- richtung nach Westen angenommen, der Con- figuration der Lehne, ubersetzt auf einem 20 m hohen gew 5 lbten Viaduet den Nasirski- Potok, welcher gleichzeitig die Formations- grenze zwischen dem Karstkalk und dem tbonschieferartigen oberen Eocan bildet. In ihrem weiteren Verlaufe ubersetzt die Trače zwei grossere Schluchten mit vollen Dammen, durchbricht mit einem 16 m tiefen Einschnitt den scharf vorgeschobenen Ge- birgsrucken, ubersetzt den Krvavi - Potok und erreicht Draga, ubersetzt sodann den Skrokelca - Potok auf einem 16 m hohen gewolbten Viaduet, geht von da wieder in die Karstformation iiber, greift in einer scharfen Wendecurve nach Osten aus und . durchzieht die flache, mit reichem Cultur- boden bedeekte Seitenthalmulde bei Draga, um an dieser Ortschaft und —■ nach einer abermaligen, der friiheren entgegengesetzten Wendung — auch an der Ruine Tabor vor- tiber — wieder das hier einen schluchtartigen Charakter annehmende Bottačbach-Thal zu gewinnen. In diesem Zuge hat die Trače alle Merkmale einer Gebirgsbahn angenommen. Sie fiihrt hoch iiber der Thalsohle, in den Felswanden eingeschnitten (Abb. 165], an dem Weiler Bottač vorbei, durchbricht in vier Tunnels von 22 3,47, 82'2 und 97-5 m Lange die vorspringenden Felskbpfe, ubersetzt tiefe, mit Gebirgsschutt ausgefiillte Felsrisse und ge- langt wieder in die Thonschieferformation, vvelche nun nicht mehr verlassen wird. Auf ihrem weiteren Zuge fiihrt die Bahn durch einen tiefen Einschnitt unter den Hausern von Horvati vorbei und erreicht die Station Boršt [218-29 SeehChe]. Die Bahn tiberschreitet auf einem 21 m hohen, gewolbten Viaduet den Potok Zesti, sowie zugleich die Landes- grenze zwischen der Markgrafschaft Istrien und dem Gebiete der StadtTriest, durchbricht mittels eines 224 m langen Tunnels den Berg- riicken, ubersetzt dann die tief eingerissene Schlucht des Corrente Longera^auf einem 32 m hohen und 133-7 m langen, gemauerten Viaduete von neun Oeffnungen [6 a 10, 3 ži 12 m] [Abb. 166] sowie die Schlucht bei Cattmara auf einem 12 m hohen, gew 5 lbten Viaduet von sechs Oeffnungen d 10 m Spannweite und tritt hier in das Freihafengebiet von Triest ein. Sich fortwahrend dem coupirten Terrain anpassend, ubersetzt die Bahn unterhalb von Rosminovie den Posar-Potok auf einem 28 m hohen, gemauerten Viaducte und vor dem Weiler Lorencich mittels eines 133-3 m langen und 19-5 m hohen Viaductes den Srane- Potok, durchfahrt dann in einem tiefen, beider- seits mit Futtermauern versehenenEinschnitte den vorgenannten Weiler und erreicht als- bald die in der Nahe der FriedhOfe gelegene Haltestelle St. Anna [81-9 m Seehohe] und hernach die reichcultivirte Umgebung der Stadt Triest, uberbruckt die Reichsstrasse nach Istrien. durclischneidet — nachdem vor- her noch ein tiefer Einschnitt und ein lang- gestreekter hoher Damm passirt wurde — die siidliche Spitze des Stadtviertels von St. Giacomo, in rascher Aufeinanderfolge drei Strassen auf Eisenconstructionen iibersetzend, n&hert sich nun rasch dem Lloyd-Arsenale und lauft parallel zur Strasse von Servola in einem iiber 300 m langen tieferen Ein¬ schnitt hin, unterfahrt in einem 46 m langen iiberw 5 lbten Einschnitte diese Strasse und er¬ reicht unmittelbar ausser derselben das 2 5 m iiber dem Meeresspiegel gelegene Stations- plateau von Triest-St. Andrea, rvelches zum grossten Theile erst dem Meere abgerungen werden musste. Die am \vestlichen Ende dieser Station beginnende Rivabahn umfahrt in scharfen Curven langs der von friiher vorhan- denen Quaimauern die Spitze von St. An¬ drea, tangirt das k. k. Artillerie-Arsenal, durchschneidet die nunmehr zwischen Bahn und Strasse angesebiittete Sacchetta della rada und folgt, von da an ins Strassenniveau gelegt, dem Zuge der langgedehnten Riva, ubersetzt auf einer mit Riicksicht auf den Eisenbahn-Verkehr umgestalteten und be- deutend verstarkten eisernen Drehbriicke den Canal grande und verbindet sich endlich mit den Geleisen der neuen Hafenanlage am Siidbahnhofe Triest. Siveric-Knin. [Fortsetzung der Dalmatiner Bahn.] Zehn Jahre nach der Eroffnung der Dalmatiner Bahn [siehe Seite 198 f.} erhielt die letztere ihre Fort- setzung von Siveric nach Knin, es ge- schah dies nicht urplotzlich, sondern nach vielem Drangen seitens der Bevolkerung und, zum nicht geringen Theile auch in der Absicht und Hoffnung, den frag- wiirdig,en Ertragsverhaltnissen der alten Strecken einigermassen aufzuhelfen. Einen neuen Bittgang um diesen Fort- setzungsbau eroffnete der Abgeordnete Dr. M on ti mit seinem am 14. November 1879 diesfalls im Reicbsrathe eingebrachten Antrage, der jedoch schon im Eisenbahn- Ausschusse zur Ruhe. gebettet wurde. Der Bericht vom 19. December 1879 sagte hieriiber: Der Zeitpunkt ftir den Bau sei noch nicht gekommen, zuerst seien gute Strassen nothwendig, damit die Bahn alimentirt werde. Das stand nun aber gar nicht im Einklange mit der anderer- seits vorgebrachten Klage, dass die [alte] Bahn unter der Concurrenz des Achs- fuhrvverkes und der Tragthiere so sehr zu leiden habe. Des Weiteren wollte manjetzt, infolge der Occupation Bosniens, den Anschluss nicht mehr in Ogulin sondern nach Novi oder Banjaluka Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 349 anstreben, \vas jedoch gleichfalls nicht einspruchslos bleiben konnte, weil der Weg zu jedem dieser Anschliisse richtiger Weise iiber Knin fiihren musste und es daher geboten war, vorlaufig bis zu diesem Knotenpunkte funf wichtiger Strassenziige, der zugleich Einbruchstation des bosnischen Verkehrgs mit dem Meere ist, zu gelangen. Die Sache wurde ver- tagt. Nun versuchte der Abgeordnete Dr. Klaic sozusagen den Ausschuss beim Worte zu nehmen und stellte zu Beginn desjahres 1881 den Antrag auf Verbindung der Dalmatiner Bahn mit dem Gsterreichisch- ungarischen Bahnnetze bei Novi »durch das Unnathal liber Knin« etc. Al- lein auch dies hatte nur die sehr allgemein gehaltene Reso- lution zur Folge: die Regierung moge die nothi- gen Erhebun- gen und Verhandlungen pflegen, wie die gedachte Verbindung hergestellt werden konnte und »in dem Falle, dass mit der ungarischen, beziehungsvveise bosnischen Regierung ein Einverstandnis erzielt \vird«, entsprechende Antrage zu stellen. Zugleich wurde auch der alte Monti’sche Antrag formgerecht abgelehnt [i. Juni 1881]. Die Dalmatiner fanden hierin natiir- lich nichts weniger denn Beruhigung. Dr. M on ti befragte darum im Marž 1882 neuerdings den Handelsminister iiber den Stand der Angelegenheit und, als der letztere im Herbste desselben Jahres Dalmatien bereiste, konnte er im Lande selbst die dringenden Bitten der Be- volkerung vernehmen, ebenso aber auch von den klaglichen Verhaltnissen des dort vorhandenen Bahnrumpfes sich iiber- zeugen. Das verfehlte seine Wirkung nicht. Kaum heimgekehrt, veranlasste der Han¬ delsminister die Vorbereitung eines Ge- setzentvvurfes iiber die Fortsetzung der Dalmatiner Bahn nach Knin auf Staats- kosten, und brachte denselben am 3. Marž 1883 im Reichsrathe ein. Zur allge- meinen Ueberraschung verlief die Ver- handlung ziemlich glatt. Das Abgeord- netenhaus beschloss wieder eine Reso- lution wegen der zu pflegenden Anschluss- Verhandlungen mit der ungarischen und bosnischen Regierung, nahm jedoch den Gesetzentwurf am 7. Mai 1883 in letzter Lesung an und am 5. Juni 1883 erhielt er die a. h. Sanction. Wiederholte Projectsanderun- gen verzogerten die Inangriff- nahme des Bau- es ; seine Ver- gebung fand erst am 7. Septem¬ ber 1885 statt, und zwar an die von sechs Offe- renten mindest- fordernde Unter- nehmung Alois Meichsner undjulius Dreossi in Sebenico. Die Ar- beiten begannen am 4. October, nahmen anfanglich einen normalen Fortgang, be- gegneten aber spater in dem sumpfigen Inundationsgebiete des Kerkaflusses bedeu- tenden Schwierigkeiten; es traten daselbst wiederholt Dammsetzungen ein, welche eine ausserordentliche Vermehrung der ver- anschlagten Arbeiten und eine Verlang- samung des Baues verursachten. Die Er- offnurig der 197 km langen Strecke fand am 7. Juni 1888 statt. Ihre Kosten be- trugen 1,626.474 fl. oder 82.563 fl. pro Kilometer. Jetzt bleibt abzuwarten, wie bald und in welcher Weise die Verbindung der Dalmatiner Bahn mit dem osterreichisch- ungarischen Bahnnetze bewerkstelligt wird. Die dalmatinischen Abgeordneten j horten nicht auf, die offentliche Auf- j merksamkeit fiir diese Frage rege zu er- halten. Abb. 163. Aufnahmsg;ebaude der Bohniisch-Mahrischen Trans- versalbahn in Zichowic-Rabi. [Strecke HoražcTowic-Klattau.] 350 Ignaz Konta. Die Trače derStrecke Siveric-Knin als Fortsetzung der bereits beschriebenen [Seite 203] Linie Spalato—Perkovic-Slivno—Siveric fiibrt von Siveric tiber einen Sattel, der die stellenweise versumpfte Thalebene »Petrovo Polje« von dem nOrdlich gelegenen machtigen Thalbecken von Knin trennt, zu der am Fusse des Monte Promina gelegenen Station Kossowo [243 m Seehohe]. Die Haltestelle Kalderma passirend gelangt die Balin, die Kerka und unmittelbar auch einen ki einen Nebenfluss derselben iibersetzend, bis Knin. Stryj-Beskid. Auf den alteren Theil der Geschichte dieser Linie hier nochmals naher einzugehen, ist iiberfliissig, da er bereits in den ersten Mittheilungen iiber die Erzherzog Albrecht-Bahn ent- halten ist [siehe Seite 134 f.]. Immerhin mag jedoch daran erinnert sein, dass diese Gesellschaft den Ausbau der Linie Stryj-Beskid unterlassen hatte, weil die im Jahre 1871 schon fiir gesichert ge- goltene ungarische Anschluss - Strecke Beskid-Munkacs nicht zu Stande ge- kommen war, und dass die Regierung davon Umgang nahm,. die Erzherzog Albrecht-Bahn zur Erfiillung ihrer con- cessionsmassigen Verpflichtung zu verhal- ten, weil eine in den Karpathen endi- gende Sackbahn fast keinen Zweck ge- habt, ihr Bau und Betrieb aber die auch sonst schon arg bedrangt gewesene Ge¬ sellschaft vollends zugrunde gerichtet hatte. Eine neuerliche Concessionirung der Linie Stryj-Beskid nahm die Regierung anlasslich der im Jahre 1875 geplanten »galizischen Fusion« [siehe Seite 228] in Aussicht; die Ablehnung der beziiglichen Vorlage vereitelte aber das Vorhaben. Gleiches geschah auch hinsichtlich der im Jahre 1881 getroffenen Vereinbarun- gen mit der Landerbank und der Lem- berg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahn, welche die Concessionirung der Galizischen Trans- versalbahn etc. betrafen und ebenfalls auf die Linie Stryj-Beskid Bedacht ge- nommen hatten [siehe Seite 330]. Nun liess aber das gesammtstaatliche Interesse, welchem hauptsachlich zu dienen diese Linie bestimmt war und welchem die vielen russischen Eisenbahn- bauten eine erhohte Actualitat gaben, ein weiteres Hinausschieben des wichtigen Bahnbaues nicht zu. Die Regierungen O o beider Reichshalften einigten sich daher in einem anfangs Februar 1883 abge- haltenen Ministerrathe zu gemeinsamem Vorgehen und beschlossen, dass jedes der beiden Staatsgebiete seinen Theil der Linie Stryj-Beskid-Munkacs auf Staatskosten ausfuhre. Oesterreichischerseits, wo das noch von der Erzherzog Albrecht-Bahn er- stellte Project vorhanden war, konnte bald zur That geschritten werden. Das Handelsministerium liess dasselbe einer genauen Ueberpriifung unterziehen und legte am 2. Marž 1883 dem Reichsrathe einen Gesetzentvvurf liber den Bau der Linie Stryj-Beskid vor. Die neue Sicher- stellung dieser Linie begegnete keinem Widerstande; die Vorlage \vurde sowohl vom Abgeordnetenhause [8. Mai], als auch vom LIerrenhause [15. Mai] unver- andert angenommen und am7.Juni 1883 a. h. sanctionirt. In Ungarn hingegen musste erst ein Project ausgearbeitet werden, was auch die verfassungsmassige Erledigung der Angelegenheit hinaus- riickte. Dieselbe erfolgte mittels des Gesetzartikels VIII vom Jahre 1884 [29. Marž]. Jetzt erst konnten auch die Verliandlungen iiber den Anschlusspunkt und iiber die Betriebsftihrung auf der Grenzstrecke zu Ende gefiihrt werden. Die beziiglichen Protokolle vom 7. und 8. Mai 1884 setzten fest, dass die Wech- selstation auf osterreichischem Gebiete in Lawoczne errichtet, der Betrieb von der ungarischen Grenze bis dahin aber mit j enem der ungarischen Linie dienst- lich vereinigt werden soli, und dass als spatester Eroffnungstermin der beider- seitigen Linien der 1. April 1887 zu gelten habe. Wegen der grosseren Lange des ungarischen Antheiles am Grenz- tunnel \var der Beginn der Arbeiten dort auf den I. August 1884, in Oesterreich aber auf den I. April 1885 anberaumt. Die osterreichische Regierung liess jedoch schon vi el friiher einzelne Objecte und den Stollenbau am Beskid-Tunnel durch die vorlaufig bestellten Unterneh- mungen Fritz Mii 11 er & Comp. und A. B i a n c h i & Comp. in Angriff nehmen. Die eigentliche und gesammte Vergebung des Baues erfolgte am 24. Mai 1885. Ersteher blieben [von 13 Offerenten]: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 351 Godlowski & Szymberski riick- sichtlich der Strecke Stryj-Skole und M. von Frohlich riicksichtlich der Strecke Skole - Beskid; beide iiber- nahmen ibrerseits die Arbeiten anfangs Juni 1885. In der ersteren Strecke machten dieselben so rasche Fortschritte, dass sie binnen Jahresfrist vollendet waren; in der zweiten Strecke hingegen konnten sie wegen der Umvirthlichkeit der Gegend und der ausserst ungiinstigen klimatischen Verhaltnisse nur miihselig bewaltigt werden. Im Beskid-Tunnel wurde am 20. April mit dem Sohlen- stollen die Landesgrenze erreicht und am 29. April 1886 der Durchschlag be- Averkstelligt. Am 4. April 1887 unter- nahmen die Vertreter des Handelsmini- steriums und der k. k. General-Direction der osterreichischen Staatsbahnen im Vereine mit vielen geladenen Gasten eine feierliche Befahrung der 79-3 km langen Bahn bis zur Landesgrenze, wo sie mit den Theilnehmern der ungari- schen Eroffnungsfeierlichkeiten zusammen- trafen. Die Eroffnung der ganzen Bahn fiir den allgemeinen Verkehr fand am 5. April 1887 statt. Die Linie Stryj-Beskid[-Mun- kacs] bildete die dritte liber die Karpathen fiihrende, unmittelbare Eisenbahn-Verbin- dung zwischen Galizien und Ungarn. Ihre Kosten stellten sich osterreichischer- seits auf 7,239.887 fl. oder 91.286 d. pro Kilometer. Die k. k. Staatsbahnlinie Stryj-Beskid muss in baulicher Hinsicht in zwei Linien gesondert werden, namlich in die Thalstrecke Stryj-Lawoczne und in die Gebirgsstrecke Lawoczne-Beskid [Landesgrenze]. S trv j-L awo czn e. Die in ihrem Zuge fast ununterbrochen ansteigende Trače die- ser Strecke zweigt von Stryj ab, verfolgt — von der siidwestlichen Richtung nur wenig abweichend — das breite und flache Stryjthal, gelangt zur Station Lubience; iibersetzt die von Stryj nach Munkacs fiihrende Reichs- strasse, deren Richtung sie bis zur Ueber- setzung des Stryjflusses beibehalt; bald dar- nach durchbohrt die Trače einen schmalen, das Stryjthal und das Oporthal scheidenden Rucken »Mi<5dzybrody« genannt, mit einem Tunnel von 130 m Lange, iibersetzt gleich hinter diesem Tunnel den Oporfluss und ge¬ langt nach Synow6dzko wyžne. Von da am linken Oporufer weiterziehend, passirt sie die Thalenge von Skole und erreicht sodann die Station Skole. Unmittelbar nach dieser Station nimmt die Bahn nun bleibend ihren Lauf durch das Oporthal, in welchem der Fluss achtmal sowie mehrere Neben- bache auf Eisenbriicken iibersetzt und die Stationen Hreben6w, Tuchla, Slawsko und Lawoczne [Abb. 167] erreicht werden, welch letztere die Grenze zwischen der Thal- und Gebirgsstrecke bildet. Lawoczne-Beskid. Diese kurze Strecke verfolgt weiter das Oporthal und steigt an dessen linker Lehne zur Station Beskid [789-9 m Seehohe] 'hinan, nach- dem sie das Oporthal auf einem Viaducte mit sechs Oeffnungen a 40 m Lichtweite und 33-2 m Lichthohe [Abb. 168], verlassen hat und injenes des Popid-ruski-Czertyszbaches iiber- gegangen ist, in welchem auch ein Seitenthal iibersetzt wird. Von der Station Beskid an, etwas mehr westlich schwenkend und an- steigend, durchbohrt die Trače den zwischen Galizien und Ungarn lagernden Karpathen- riicken, hier »Beskid« genannt, mit einem Tunnel, dessen Lange auf der galizischen Seite 713-56 m betragt und erreicht bei einer Hohe von 792-191 m tiber dem Meere die Landesgrenze, allwo die Bahn an die unga- rische Linie Munkacs-Beskid anschliesst. Die Gesammtlange des Beskid-Tunnels betragt 1746-56 m. * * * Die eben besprochenen Neubauten vermehrten den staatlichen Eisenbahn- besitz um II28"8 km. Einen weitaus grosseren Zuwachs erhielt er durch die im Jahre 1 884 vollfiihrten E r w e r b u 11- gen schon bestandener Privat- bahnen. Diese Thatigkeit umfasste eines- theils solche Unternehmungen, welche sich bereits im Staatsbetriebe befanden, anderntheils Unternehmungen, die damals noch ganz selbstandig waren. Zu den ersteren zahlte vor Allem die Kaiser in Elisabeth-Bahn, deren Betrieb der Staat seit 1. Januar 1882 fiir seine eigefte Rechnung fiihrte und deren ganzliche Erwerbung schon ver- m 5 ge des Uebereinkommens vom 24. De¬ cember 1880 festgestellt war [siehe Seite 288 und 291]. Den Zeitpunkt des Voll- zuges konnte die Staatsverwaltung wahlen, sobald der Staatsschatz [als Uebernehmer der gesellschaftlichen Priori- tats-Schuld] aus den Wabrungsstreitig- keiten, welche damals den osterreichischen Bahnen arge Unbill zufugten, keine Mehrbelastung zu fiirchten hatte. Der vielen vergeblichen Ausgleichs- und sonsti- gen Versuche zur Gewinnung friedlicher Beziehungen zu den Prioritaren miide 352 Ignaz Konta. geworden, unternahm die Gesellschaft die Convertirung ihrer Silberanlehen in eine Goldschuld, welche — wie die Regierung schliesslich genehmigt hatte [3. Mai 1883] — mit 4°/ 0 verzinslich und riicksichtlich der an die Stelle der alten, binnen 29 Jahren riickzahlbaren Titel [Emission 1860/62] tretenden Obli- gationen von 54,417.000 Reichsmark steuerpflichtig, riicksichtlich aller iibrigen, binnen 73 Jahren riickzahlbaren Obliga- tionen von 108,291.600 Reichsmark aber steuerfrei sein solite. Den Umtausch, bei welchem nom. 190 Mark fiir je 100 fl. gegeben wurden, besorgten die Organe der Direction fiir Staatseisenbahn-Betrieb mit bestem Erfolge. Am 2. Juli 1883 war die Operation im Grossen und Ganzen vollendet. Im September schritt dann der Vervvaltungsrath um die ganz- liche Einlosung der Bahn ein, die nun mittels Kundmachung des Handels- ministeriums vom 24. Juni 1884 vollzogen wurde. Die am 4. December 1884 be- gonnene Liquidation der Gesellschaft war am 21. December 1887 beendet. Aus Anlass einer Geldbeschaffung zum Zwecke der Ausriistung der Vorarl- berger Bahn fiir den ihr mit der Er- offnung der Arlbergbahn bevorstehenden grossen Verkehr, hatte die Verwaltung der ersteren bei der Regierung eine Er- hohung der Staatsgarantie, im Rahmen des ihr schon urspriinglich zugedachten Garantie-Maximums [siehe Seite 74] nach- gesucht. Die Regierung willfahrte dem am 19. October 1883, kniipfte jedoch hieran [unter Anderem] die Bedingung, dass die nun auszugebenden 4205 neuen Obligationen a 200 fl. Silber einem etwa aufzunehmenden Convertirungs - Anlehen nachstehen sollen. Es war also schon damals an eine Convertirung gedacht, und zwar vornehmlich im Interesse der Verhiitung eines Wahrungsrisicos des Staates im Falle des Ankaufes der Bahn. Dieser wieder war im Grundsatzlichen schon durch das Protokoli vom 25. August 1869 [siehe Seite 74] vorbereitet und lag jetzt nahe, weil diedort angegebenen Vor- aussetzungen fiir die Abtretung der Bahn, namlich die Ausfiihrung der Arlbergbahn durch eine andere Unternehmung bereits zugetroffen und iiberdies der Staat selbst jene »andere Unternehmung« war. Die Regierung hatte denn auch sozusagen in Fortsetzung der Verhandlungen iiber die zuvor erwahnte Capitalsvermehrung, solche iiber die Erwerbung der Bahn eingeleitet. Dieselben fuhrten zum Ab- schlusse des Uebereinkommens vom 11. December 1883, das auf folgenden Hauptpunkten beruhte : Die Staatsverival- tung kann vom I. Juli 1874 an die Bahn wann immer erwerben und iibernimmt dann sammtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft, insbesondere der Prioritats- Obligationen von insgesammt nom. 8,237.600 fl., zur Selbstzahlung; ferner gibt der Staat den Actionaren fiir ihre Titel im Gesammt-Nominalbetrage von 5,988.000 fl., 5°/oig e > steuerfreie und bis langstens 1962 zum vollenNennwerthe von 200 fl. riickzahlbare Eisenbahn-Schuldver- schreibungen; eine Rtickzahlung der Garan- tie- und Betriebsdeficit-Vorschiisse findet nicht statt; die Gesellschaft ist ver- pflichtet, ihre Prioritatsschuld nach den Weisungen der Regierung zu convertiren. Das Uebereinkommen fand ohneweiters die Zustimmung der ausserordentlichen Generalversammlung vom 8. Januar 1884, und sodann mittels des Gesetzes vom 8. April 1884 die Genehmigung der Legislative. *) "VVahrenddessen ging, vom 1. April an, die an die Boden- Creditanstalt iibertragene Convertirung vor sich, wobei fiir je nom. 100 fl. des 5 u / 0 igen, 117 fl. des neuen 4°' 0 igen An- lehens gegeben wurden. Durch ver- schiedene Formalitaten etwas aufgehalten, ubernahm der Staat die Bahn erst Ende 1885 in sein Eigenthum. [Kundmachung des Handelsministeriums vom 20. De¬ cember 1885.] Die Liquidation der Ge¬ sellschaft wurde in der Zeit vom 4. Mai 1886 bis 26. Juni 1888 abgewickelt. Um nicht inmitten des staatlichen Betriebsnetzes eine blos sequestrirte, also noch gesellschaftlichen Einfltissen aus- gesetzte ■ und bedeutende societare Aus- lagen verursachende, grosse Privatbahn auf die Dauer fortbestehen zu lassen, *) Die Bewilligung zur Uebertragung des Eigenthums der auf schweizerischem Gebiete gelegenenTheilstrecken an die osterreichische Staatsverwaltung erfolgte auf Grund des Bundesbeschlusses vom 21. Marž 1884. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 353 entschloss sich die Regierung auch zur kauflichen Erwerbung der Kronprinz Rudolf-Bahn. Das Handelsministerium berief also Vertreter der Gesellschaft zur Wiederaufnahme der beztiglichen Ver- handlungen, welche schon im voraus- gegangenen Jahre angeknupft, jedoch an der Meinungsverschiedenheit iiber das Ausmass der Actionar-Rente gescheitert waren. Von Seite der Gesellschaft wurden namlich zuerst io fl., dann 9 fl. 75 kr. beansprucht, von Seite der Regierung aber nur 9 fl. zugestanden; ersteres mit der Begriindung, dass die schwebende Schuld in we- nigen Jahren getilgt sein und dann die Ktir- zung des Cou- pons *) aufho- renwiirde;letz- tereshinwieder darum, weilfur den Staatnicht blos die schwe- bende Schuld, sondern auch die ihm bei der Verzinsung und Tilgung der Goldobli- gationen mog- licherweise zu- fallenden be- sonderenAgio- lasten in Betracht kamen. Bei den neuerlichen Verhandlungen einigte man sich auf den Betrag von 9 fl. 75 kr., und schloss am n. December 1883 ein Uebereinkommen ab, wonach, vom 1. Januar 1884 an, die Bahn auf Rechnung des Staates betrieben, und von diesem wann immer eingelost werden konnte. Bis dahin hatte der Staat die ftir den Prioritaten-Dienst und zur Deckung der Actienrente erforderlichen Betrage beizustellen, im Falle der Einlosung der Bahn aber die gesammte Prioritats-Schuld von nom. 57,910.500 fl. in Silber und 25,220.000 fl. in Gold zur Selbstzahlung zu tibernehmen, und den Theilhabern der Gesellschaft fiir ihre Actien im Nominal- *) Vgl. die Tabelle auf Seite 264 und 265. betrage von 55,585.800 fl. [inclusive der schon getilgten] Eisenbahn - Schuldver- schreibungen im gleichen Nennwerthe zu ubergeben, die mit 4 3 / 4 % verzinslich, steuerfrei und bis langstens 1960 riick- zahlbar sein sollen. Auch hier ward die Gesellschaft zur Convertirung der Priori¬ teten verpflichtet, von der Rtickzahlung der Garantie-Vorschusse entbunden, und ihr die Uebernahme des Personals [wie bei der Kaiserin Elisabeth-Bahn] zugesichert. Da die Vorschuss-Schuld sich auf 72,774.987 fl. belief, daher das Actien- capital um 17,189.187 fl. iiberstieg, durften die Actionare, denen gleichwohl ihr Capital vollig und die Rente nahezu ungeschmalert erhalten blieb, mit der Verstaatlichung wohl zufrieden sein. Sie gaben denn auch in ihrer ausser- ordentlichen General ver- sammlungvom 29. December 1883 dem Uebereinkom¬ men die vollste Zustimmung. Nicht so glatt erging es ihm im Parlament; dort wurde die Garantie- schuld gar sehr erwogen, die Hohe der Rente ange- fochten, und an den wirthschaftlichen Verhaltnissen der Gesellschaft Kritik geiibt. Schliesslich erhielt aber das Ueberein¬ kommen auch die legislative Genehmi- gung. [Gesetz vom 8. April 1884; s. w. u.] Mittels Erlasses vom 7. Juni 1884 verstandigte das Handelsministerium die Gesellschaft, dass der Betrieb ihrer Linien fortan und auch riickwirkend auf die Periode seit 1. Januar 1884 ftir Rechnung des Staates gefuhrt wird. Die Convertirung wurde von den- selben Geldkraften, zur selben Zeit und unter den gleichen Bedingungen wie bei der Vorarlberger Bahn bewirkt, und hiebei die schwebende Schuld mit 1,633.900 fl. in das neue 4 %'g e [Convertirungs-] Silber- anlehen miteinbezogen, wodurch dieselbe 23 Abb. 164. Aufnahmsgebaude der Bohmisch-Mahrischen Transversal- babn in Nemilkau. [Strecke Horaždowic-Klattau.] Geschichte der Eisenbahnen. I. Band. 2. Theil. 354 Ignaz Konta. sofort getilgt w'erden konnte. Ebenfalls wegen der mannigfachen Formlichkeiten [Loschungen, Eiutragungen etc.] kam die Einlosung der Bahn erst 1887 zum Voll- zuge. [Kundmachung des Handelsmini- steriums vom 28. August 1887.] Gleich- wohl muss die Transaction derVerstaat- lichungs-Thatigkeit im Jahre 1884 zugezahlt werden. Die Liquidation der Gesellschaft dauerte zwei Jahre, vom 13. December 1887 bis xi. December 1889. Vierundzwanzig Stunden nach dem Abschlusse der Uebereinkommen liber die vollstandige Verstaatlichung der beiden letztbesprochenen Bahnen waren auch die Verhandlungen uber die Erwerbung der Kaiser Franz Josef-Bahn durch den Staat zu Ende gediehen. Dass diese Bahn nicht lange mehr ein Privatunternehmen bleiben wiirde, galt von dem Augenbličke an, in welchem das Staatsbahn-System wiedererstanden war, als ausgemachte Sache; einmal weil auch diese Unternehmung die Staats- garantie erheblich in Anspruch genommen hatte, und weiters weil seit der Errichtung des staatlichen Betriebsnetzes die Noth- \vendigkeit, ihm ein selbstandiges Ver- kehrsgebiet in Bohmen zu sichern, sich von selbst ergab, und die Kaiser Franz Josef-Bahn nicht nur ein solches bereits gut betreutes Gebiet besass, sondern mit ihren bis Prag und Eger reichenden Linien den Staatsbetrieb in den Stand setzte, auch »auf die anderen, den Transit aus und durch Bohmen nach dem Siiden, namentlich den Alpenlandern, vermitteln- den Bahnen sofort einen massgebenden Einfluss zu tiben«. Wie frtihe die Regierung ihr Augen- merk hierauf gerichtet, das geht aus den bereits mitgetlieilten Massnahmen zur Er- langung der Berechtigung zur Inbetrieb- nahme und beziehungsvveise baldigen Ein- losuner einiger bohmischen Bahnen sowie hinsichtlich ge wisser V erkehrsbeziehungen der Staatseisenbahn-Gesellschaft zu den k. k. Staatsbahnen und zur Kaiser Franz Josef-Bahn [siehe Seite 296, 298, 300 und 302] deutlich hervor. Und dass auch die Bevolkerung die Verstaatlichung dieser Bahn wiinschte, ward durch die einschla- gige Resolution des Staats-Eisenbahnrathes vom '28. April 1883 ausser Zweifel gestellt. Eigentliche Verhandlungen mit der Gesellschaft hatten am 27. December 1882 begonnen; dieselben betrafen zu- nachst die Ueberlassung des Betriebes an den Staat, gingen aber bald \veiter, nachdem die Delegirten der Gesellschaft sich nur zu einer sogleich vollstandigen Abtretung der Bahn verstehen wollten. Aus diesem Grunde, wie auch wegen des erheblichen Unterschiedes zwischen der seitens der Regierung angebote- nen und der gesellschaftlicherseits ver- langten Actionar - Rente [9 - 5 o:ii - 5o fl.] verliefen die Verhandlungen damals erfolglos. Nach Jahresfrist benachrichtigte das Handelsministerium die Gesellschaft, dass die Regierung nunmehr geneigt sei, mit dem Betriebe auch das Eigenthum der Bahn zu erwerben und bei diesem An- lasse fur eine Prioritaten-Convertirunsr zu sorgen, welche jede Belastung der Actionare ausschliesse. Die Verhandlungen wurden also am 26. November 1883 von Neuem angekniipft, blieben aber, obwohl die Regierung jetzt eine Rente von io'5o fl. anbot, nochmals ohne bestimmtes Ergebnis. Mit der Zukunft des Unter- nehmens rechnend, beharrten die.gesell- schaftlichen Vertreter auf einer Rente von 11'50 fl. ; die Regierung hingegen meinte. liber ihr Angebot nicht hinaus- gehen zu diirfen, weil selbst in dem Falle, als die Bahn etwa in der Zukunft mehr als 5 °/ 0 abwerfen solite, der liber- schiessende Betrag zur Tilgung der hocli angewachsenen Garantieschuld verwendet werden miisste, daher fiir lange Zeit nicht den Actionaren zugute kommen konnte. Der Verwaltungsrath ging in seiner getreuen Wahrnehmung der gesellschaft- lichen Interessen so weit, dass er auch die seitens der Regierung gevviinschte Befragung der Actionare ablehnte, bis er denselben das richtige »Substrat«, worunter er hauptsacblich die Zusicherung der seinerseits angesprochenen Rente ver- stand, vorlegen konnte. Die Regierung vermied es, mit Hilfe der im Besitze ihrer Fonds gewesenen und ihr sonst noch zur Verlugung gestandenen Actien die Einberufung der Generalversammlung zu erzwingen; sie ubermittelte der Gesell- Geschichte der Eisenbahnen Oe sterreichs, 355 schaft am 30. November 1883 den Ent- wurf eines Ueberemkommens, erneuerte hiebei den Wunsch- nach Einbe- rufung der Actionare, bemerkte aber ausdriicklich, dass es dem Verwaltungs- rathe unbenommen bleibe, ihnen seine etwa von dem Angebote der Regierung abvveichende Ansicbt riickhaltslos zum ■Ausdrucke zu bringen. Daraufhin fand am 11. December 1883 eine nochmalige Unterhandlung und mens,*) mit der einzigen Abanderung, dass der Praclusivtermin fiir die legislative Ge- nehmigung des Ueberemkommens eine Kiirzung um sechs Monate erfuhr. Die Regierung fasste nur dieses und die mit der Vorarlberger und der Kron- prinz Rudolf-Bahn abgeschlossenen Ueber- einkommen in eine Gesetzesvorlage zu- sammen [wahrscheinlich zur Abkiirzung des Verfahrens] und brachte dieselbe am 22. Januar im Reichsrathe ein. Der Eisen- Abb. ’l65. Fels-Partie bei Bottac. Tags darauf der Abschluss des Ueber- einkommens statt, allerdings noch immer unter dem Vorbehalte des Verwaltungs- rathes, seinerseits den Actionaren die Beanspruchung einer 5 1 / 2 °/oi£ en R ente in Vorschlag zu bringen [Protokoli vom 12. December 1883]. Hiezu kam es jedoch eigentlich gar nicht, weil in der nunmehr auf den 21. Januar 1884 ausgeschriebe- nen ausserordentlichen Generalversamm- lung das Angebot der Regierung einer jahrlichen Rente von 10 fl. 50 kr. zuerst zur Abstimmung gebracht und sogleich angenommen wurde, desgleichen der ganze iibrige Theil des Uebereinkom- [K. k. Staatsbahn Herpelje-Triest.] balm-Ausschuss des Abgeordnetenhauses befurwortete sie und letzteres selbst folgte dem, wiewohl der Fiihrer der Linken, Dr. Herbst, dagegen war. Da die finan- ziellen Verhaltnisse der Vorarlberger und der Kaiser Franz Josef-Bahn wohlge- ordnete und unanfechtbare gewesen, kehrte Dr. Herbst sich zumeistgegen jenederKron- *) Auch dieses Uebereinkommen enthielt die Bestimmung, dass der Gesellschaft eine Pflicbt zur Riickzahlung der Garantie-Vor- schiisse [21,042.356 fl.] nicht mehr obliegt, soivie dass der Staat das gesammte gesell- scbaftliche Personal unter Wahrung der er- worbenen Rechte ubernehme. 23*. 356 Ignaz Konta. prinz Rudolf-Bahn und gegen das Ausmass der Rente fiir die Actionare der beiden letztgenannten Gesellschaften. Die Mehr- heit des Parlamentes stimmte aber der Vorlage vollinhaltlich zu, die sodann am 8. April 1884 die a. b. Sanction zum Gesetze erhielt. Bis dahin hatte die auch mit der Convertirung der Prioritaten der Kaiser Franz Josef-Bahn [57,214.400 fl.] betraute Boden-Greditanstalt diese Operation unter den gleichen Bedingungen wie bei den beiden anderen Bahnen bereits zum Voll- zuge gebracht. [15. Februar bis I. Marž.] Die Regierung konnte daher unaufgehalten zur Durchfiihrung des Uebereinkommens schreiten. Mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 29. April wurde die Uebernahme der Bahn durch den Staat auf den 1. Mai anberaumt und mit Erlass vom 31. Mai die Auflosung der General-Direction der Kaiser Franz Josef-Bahn, so\vie die Unterstellung des gesammten Unternehmens ab 1. Juli 1884 unter die k. k. Direction fiir Staats-Eisen- bahnbetrieb verfiigt. Der verdienstvolle General-Director, Hofrath Heinrich Ritter von Kogerer, trat in den Ruhestand. Die Liquidation der Gesellschaft wurde in der Zeit vom 27. Januar 1885 bis 5. Juni 1888 abgewickelt. Eine natiirliche Folge des Ankaufes der Kaiser Franz Josef-Bahn war die Erwerbung der Eisenbahn Pilsen- Priesen [K omota u] durch den Staat; denn diese galt schon immer als eine Erganzung jener, und bot iiberdies dem Staatsbetrieb die Moglichkeit, einen Einfluss auch auf ihre vielen Anschluss- bahnen zu gewinnen. Nebstdem fiel aber noch ins Gewicht, dass die jungere der beiden gesellschaftlichen Linien, namlich die von Pilsen nach Eisenstein, ganz aus Mitteln des Staates erbaut wurde [siehe Seite 178], der Staat aber gleichwohl einer Ingerenz auf deren Betriebsfiihrung ent- behrte und dieser Zustand sich mit dem neuen System schlecht vertrug. Das Handelsministerium, welches schon seit Langem mit der Gesellschaft in Ver- handlungen liber die Regelung ihrer ver- ivickelten Verhaltnisse gestanden, kam nun auf seine bereits mit dem Erlasse vom 15. Januar 1876 angeregte Ueber- lassung der ganzen Bahn an den Staat zuriick und zog auch die beiden Priori- taten-Curatoren den weiteren Auseinander- setzungen zu. Ausschlaggebend war je- doch, da die Prioritaten II. Emission ohnehin zumeist dem Staate gehorten, die Haltung des Curators der Prioritaten I. Emission. Dieser war, obzvvar er das mit Ende 1882 abgelaufene Vergleichs- Uebereinkommen mit der Gesellschaft [siehe Seite 182] am 20. December 1882 auf die Zeit bis Ende 1892 erneuert hatte und daher wieder ein Jahrzehnt hindurch keine Zwangsmittel amvenden konnte, dennoch wenig vvillfahrig und erst dann zum Abschlusse bereit, als die Regierung sich erbotig rnachte, jene Prioritaten, wovon noch nom. 11,940.000 fl. im Um- laufe waren, zur Selbstzahlung zu iiber- nehmen, allerdings nur mit einer von 5 0 / 0 auf 4°/ 0 herabgesetzten Verzinsung. Auch der Verwaltungsrath machte anfanglich bedeutende Schwierigkeiten; er \vollte nur die Linie Pilsen-Eisenstein ohnevveiters abtreten, fiir die alte Linie aber den Actionaren eine allmahlich steigende Rente zugesichert haben. Schliesslich kam eine Einigung dahin zustande, dass die Regierung einen Zahlungsbetrag von nom. 7,157.600 fl. in 4°/ 0 igen, steuerfreien und bis langstens 1. Juli 1963 zu tilgenden Staatsschuld- verschreibungen zusagte und der Gesell¬ schaft ihr Braunkohlenwerk, vvie auch die Deggendorfer Schleppbahn sammt der dortigen Umschlagsanlage und die damit zusammenhangende Schiffahrts- Unternehmungbeliess. Letztere, die »S tid- deutsche Donau-Dampfschiffahrt«, hatte ihre Thatigkeit am 20. Marž 1883 begonnen und solite, zum Zwecke der Hebung des Verkehres auf den gesell¬ schaftlichen Linien, die iiber dieselben nach Deggendorf verfrachtete bohmische Braunkohle donauabwarts nach Wien, Budapest etc. bringen. Der Werth dieser Investitionen war Ende 1883 mit 2,186.412 fl. ausgevviesen. Der als Aequivalent fiir die Ver¬ zinsung seines Besitzes an gesellschaft¬ lichen Prioritaten II. Emission dem Staate zukommende Antheil an den an- gesammelten Ertragnissen der Linie Pilsen- Eisenstein [sammt Zinsen im Ganzen Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 357 1,511.274 fl.] wurde vergleichsvveise auf 4,310.000 fl. festgesetzt und der Gesell- schaft zur Barzahlung am I. Juli 1884 aufgegeben. Auf seine iibrigen Rechte als Glaubiger der Gesellschaft, sowohl hinsichtlich der Bauvorschusse von 7,000.000 fl., als auch hinsichtlich der iibernommenen Prioritaten II. Emission im Betrage von nom. 10,499.850 fl., leistete der Staat Verzicht. Wegen der 358 Ignaz Konta. Uebernahme des Personals ging er analoge Verpflichtungen ein, wie bei den vorausgegangenen Verstaatlichungen. Die Menge und verwickelte Natur der Verhandlungspunkte zogen die ein- verstandliche Erledigung derselben in die Lange, so zwar, dass der Abschluss des Uebereinkommens erst am 26. April 1884 erfolgte. Jetzt musste aber auch noch die Zustimmung der Actionare und Prioritare eingeholt werden. Das geschah in der ausserordentlichen Generalver- sammlung vom 11. Mai und in der Ver- sammlung der Prioritare [I. Emission] vom 15. Mai; riicksichtlich der Prioritaten II, Emission, die ohnehin zumeist [8y 5 °/ 0 ] im Besitze des Staates waren, ertheilte die Curatel-Behorde gleich am 8. Mai den Zustimmungsbescheid. Nun erst war die Angelegenheit auch zur legislativen Behandlung reif. Diese ging iiberraschend schnell von statten. Der beziigliche Gesetzentwurf wurde am 17. Mai im Reichsrathe ein- gebracht und erhielt bereits am 8. Juni 1884 die a. h. Sanction. Ebenso rasch gelang die Durchfuhrung des Gesetzes. Am. 15-Juni erliess das Handelsministe- rium die Kundmachung, dass die Balin vom Staate ubernommen sei, und am 1. Juli 1884 ging dieselbe in die Ver- waltung der k. k. Direction fiir Staats- Eisenbahnbetrieb liber. Bei diesem Anlasse trat der gesell- schaftliche Director, kaiserlicher Rath Karl Claudy, der, als Nachfolger des friiheren Directors Karl Hladik, im Jahre 1879 die Leitung der Geschafte iiber- nommen hatte, in den Ruhestand und wurde mit dem Titel eines Regierungs- rathes ausgezeichnet. Die Convertirung der Prioritaten I. Emission vollzog sich in der aller- einfachsten Weise, namlich durch blossen Umtausch der 5°/ 0 igen Obligationen gegen die gleiche Anzahl der neuen 4°/ 0 igen, abzugfreien Titel [15. December 1884 bis 15. Januar 1885]. Der nicht im Be¬ sitze des Staates gewesene Theil der Prioritaten II. Emission [1,500.000 fl.] wurde mittels eines gleich hohen Betra- ges der als Entgelt fiir die alte Linie herausgegebenen Staatseisenbahn-Schuld- verschreibungen eingelost. Dadurch verblieben der Gesellschaft von diesem Entgelte nur noch nom. 5,657.600 fl. ; hieraus musste sie die schvvebende Schuld tilgen, welche Ende 1883 mit 3,936.803 fl. zu Buche stand. Falls dies zum vollen Werthe geschah, eriibrigten dann fiir jede der 60.000 Actien a 150 fl. etwa 30 fl. Ausserdem hatten sich dieselbe in den Werth der vorerivahnten, im Besitze der Gesellschaft verbliebenen Investitionen zu theilen. Die Liquidation fand in der Zeit vom 5. Januar 1885 bis Ende November 1887 statt. Die Curatel horte am 7. April 1887 auf. Mit der Eisenbahn Pilsen-Priesen [Komotau] ging auch die 9^9 km lange Kohlenbahn Littitz-Niirschan in das Eigenthum der Staates iiber. Die¬ selbe setzte sich aus verschiedenen in den Jahreri 1867 und 1870 erbauten Schleppbahnen zusammen, welche seitens der Gesellschaft im Jahre 1877 ange- kauft und in den Jahren 1877 und 1881 w'eiter ausgestaltet wurden. Die staat- liche Eisenbahn-Verwaltung hat dieselbe vom 1. Januar 1887 an den ofientlichen Bahnen zugezahlt. Nach dieser grossen Ausbreitung des staatlichen Bahngebietes in Bohmen, trug die Regierung Sorge, demselben auch den Weg bis an die Elbe und zu dem fiir viele Verkehrsrelationen, insbesondere den Transit zwischen Triest und den nordlichen Hafenplatzen wichtigen Aus- gangspunkt Bodenbach zu erschliessen. Sie bediente sich hiezu der beiden Duxer Bahnen, deren Uebernahme in den Staats- betrieb, allerdings erst vom 1. Januar 1886 an, schon in dem Uebereinkommen vom 26. April 1884 [siehe Seite 302] vor- gesehen und genau umschrieben war —• und liess die k. k. Direction fiir Staats- Eisenbahnbetrieb, ein zeitweiliges Ueber¬ einkommen mit der Dui-Bodenbacher und mit der Prag-Duxer Bahn treffen vermoge dessen. dieselben schon vom 1. Juli 1884 an indenStaatsbetrieb iibergeben wurden. Diese Abmachung erfolgte am 17. Mai 1884 fiir die Zeit bis zum 1. Januar 1886,*) binnen welcher die leadslative Genehmienmo; des erst- o o o *) Am 7. December 1885 fand.. die ein- vernehmliche Hinausriickung dieses Termines um sechs Monate statt. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 359 erwahnten Uebereinkommens erwirkt wer- j den solite. Da aber auch wahrend des Provisoriums der Betrieb nicht fiir Rech- nung des Staates zu gehen hatte, blieb den Verwaltungen der beiden Gesell- schaften noch eine erkleckliche Einfluss- nahme eingeraumt und ihrem Director, Johann P e eh ar, der uberdies zum Leiter des Pragerk. k. Oberamtes ausersehen war, die unmittelbare Versehung des Dienstes noch weiter iibertragen. Das Anwachsen des staatlichen Be- triebsnetzes rtickte die Frage, ob und inwiefern seine Verwaltung einer Aende- rung zu unterziehen sei, in den Vorder- grund. Die Nothwendigkeit einer Neu- einrichtung stand bald allentlialben ausser Zvveifel, iiber die Art derselben gingen jedoch die Meinungen weit auseinander. Die nationalen Parteien rviinschten und auch Fachmanner beftirworteten eine Theilung mindestens. nach zusammen- hangenden Gomplexen. Dieser Gedanke schien wirklich Anklang gefunden zu haben ; denn geraume Zeit \var viel davon die Rede, dass zwei Vervvaltungstellen, eine fiir das westliche, die andere fiir das. nordbstliche Netz errichtet werden. Man bekam sogar schon die Namen von Personlichkeiten zu horen, welche fiir die Leitung des letzteren in Betracht kamen. Von anderer einflussreicher Seite, die hie- bei auch im Kreise der damals bestandenen Verwaltungsstelle kraftige Unterstutzung gefunden, wurde jedoch das Festhalten an der Einheitlichkeit des ganzen Orga- nismus und seiner Vorstehung so ernst und dringend als unerlasslich bezeichnet, dass dies schliesslich massgebend blieb und allen widerstrebenden Anstrengun- gen ein Ziel setzte. Das am 8. Juni 1884 a. h. genehmigte und mittels Verordnung des Handels- ministeriums vom 23. Juni 1884 verlaut- barte Statut fiir die n e u e Organi- sation der Staatseisenbahn-Ver- waltung bestimmte namlich, dass »die Fiihrung des Betriebes auf den in eigener Verwaltung des Staates befindlichen Staatsbahnen und vom Staate betriebenen Privatbahnen, wie auch die Fiihrung des Staatseisenbahnbaues unter der Ober- aufsicht des Handelsministers, durch eine demselben unmittelbar unterstehende ein- ( heitliche Dienststelle erfolge, welche un- abhangig von den sonstigen Eisenbahn- Agenden des Handelsministeriums fungirt, die Bezeichnung: K. k. Gen era 1 - Direction der o s te r r ei c hi s chen Staatsbahnen fiihrt, und in den An- gelegenheiten ihres Geschaftskreises als Executiv - Organ des Plandelsministers fungirt«. Im Sonstigen lehnte sich daš Statut an die bereits in den Grundziigen fiir die erste Organisation aufgestellten Principien an, gab aber — wie anderen Orts ausftihrlich dargethan ist*) — der neuen leitenden Dienststelle eine.grossere Selbstandigkeit und einen rvesentlich erweiterten Wirkungskreis, und machte den S t a a t s-E isenbahnrath, der vor- dem einen Theil der Central-Verwaltungs- stelle bildete zu einem dem Handels- minister beigegebenen Berathungskorper. Die Versehung des ausseren Dienstes iibertrug die neue Anordnung eigenen, der k. k. General - Direction untergeord- neten Dienststellen, und zwar die L.eitung des localen Betriebsdienstes den k. k. Eisenbahn-Betriebsdirectionen, die Besorgung des Traject- und Schiff- fahrtdienstes auf dem Bodensee der k. k. Bodensee-Schiffahrts-Inspection und die Ausfiihrung neuer Staatsbahnen den k. k. Bauleitungen. An die Spitze der k. k. General- Direction wurde mit a. h. Entschliessung vom 12. Juli 1884 derbisherige Prasident der Direction fiir Staats-Eisenbahnbetrieb, Alois Freiherr Czedik v. Brundels- berg, berufen. Dann folgte die Besetzung der iibrigen hoheren Posten [Directoren, General - Directionsrathe etc.] und am 1. August 1884 begann die neue Ver- waltung ihre Thatigkeit, nachdem das Handelsministerium ihre Activirung sowie zugleich die Auflosung der k. k. Direction fiir Staats-Eisenbahn¬ betrieb und der k. k. Ministerial- C o m m i s s i o n fiir die V er vvaltung der Mahrischen Grenzbahn und der galizi- schen Linien, mittels Kundmachung vom *) Vgl. den Abschnitt >Verwaltungs - Ge¬ schichte der osterreichischen Eisenbahnen« von Dr. Alfred Freiherr v. B u s c h m a n ; sowie auch: Dr. Theodor Haberer »Das osterrei- chische Eisenbahnrecht« [Wien 1885] und Konta’sEisenbahn-Jahrb.Jahrg.XVIII, S.20lff. 360 Ignaz Konta. 27. Juli 1884 verfiigt und verlautbart hatte. *) Seit dem Anbeginne der zweiten Halfte des Jahres 1884 also stand Oesterreich, nach manchem Schwanken in Sachen der Verstaatlichung und nachdem es dann viele Miihen und Opfer auf sie ver- \vendet hatte, im Besitze eines grossen, mehrentheils geschlossenen und die Haupt- adern des Verkehres mit dem Westen umfassenden, staatlichen Betriebsnetzes, welches mit seinem noch zu Ende des- selben Jahres erreichten Umfange von mehr als. 5100 km, ein gebietender Factor in den volkswirthschaftlichen, verkehrs- und handelspolitischen Fragen war. ’ Man glaubte nun, dass ihm selbst, wie nicht minder der staatsfreundlichen Stromung, der er, nach den vortrefflichen Ausftihrungen eines unserer hervor- ragendsten Reichsboten,**) sein Entstehen hauptsachlich verdankte, Schwerkraft ge- nug innewohne, um eine nochmalige Ab- weichung im Entwicklungsgange des neuen Systems zu verhindern. Doch gleich die nachste, allerdings harte Probe ftihrte zum Beweise des Gegentheils. Der herannahende Ablauf des Privi- legiums der altesten und maehtigsten o o Locomotiv-Eisenbahn der Monarchie -— der Kaiser Ferdinands-Nordbahn — heischte baldige Entscheidung tiber die Zukunft dieses Unternehmens. Die eigenen Interessenten desselben strebten die Erneuerung des Privilegiums an, die Bevolkerung wiinschte sein Aufhoren her- bei und im Reichsrathe hatten sich schon fruhzeitig Stimmen ftir die Verstaatlichung erhoben. Die erste einschlagige An- regung ging anlasslich der Budgetdebatte am 16. Mai 1881 von dem Abgeordneten Friedmann aus. Ftir die Regierung mag es gewiss auch verlockend gewesen sein, die gute Gelegenheit zu niitzen und die ertragreichste, uberdies mitten ztvischen den beiden staatlichen Betriebsnetzen ge- legeneEisenbahn ftir denStaat zu erwerben. *) Die Auflosung der k. k. Direction ftir Staatseisenbahnbauten erfolgte erst nach der Vollendung der Arlbergbabn, namlich am 1. October 1884. **) »Die Verstaatlichung der Eisenbahnen in Oesterreich von Dr. Josef Kaizl, Professor an der k. k. Bbhmischen Karl Ferdinands- Universitat in Prag« [Leipzig 1885]. Allein beim naheren Hinzusehen fand sie, dass einem solchenVorhaben viele, mitunter sogar kaum zu tiberwindende Schwierig- keiten entgegen stiinden. Zu den bedeutendsten derselben zahlten: erstens die eigentliche Rechts- frage, die darin wurzelte, dass der Artikel 10 des Privilegiums vom 4. Marž 1836*) die Erneuerung desselben verhiess, wenn die Unternehmung sich »als ntitzlich be- wahrt hatte« —■ was die Gesellschaft naturlich behauptete, aber auch durch eine pragmatische Geschichte der Entwicklung und der Leistungen der Kaiser Ferdinands- Nordbahn unter Beweis stellte; zvveitens die Frage, wie der Werth der »Real- und Mobiliar-Zugehorungen, mit welchen die Gesellschaft »als Eigenthtimer frei schalten konnte« [ebenfalls Artikel 10], bei der etwaigen Ablosung zu ermitteln sei. Die Fachliteratur und neben ihr die mannigfachsten Berufskreise beschaftigten sich eingehendst mit diesen Fragen; das Er- gebnis der Erorterungen waraber nureiner Reihe von einander widersprechenden Schlussfolgerungen, wiewohl sie zum Theile von gelehrten Korperschaften ■—• beispielsweise vom juridisch-poiitischen Lesevereine, der schon am 9. Februar 1881 das Aufhoren oder den Fortbestamd der Nordbahn-Gesellschaft in denKreis seiner »Besprechungen« gezogen hatte — oder sonst berufenen Fachmannern ausgingen. Die einen bejahten, die anderen ver- neinten entschieden, dass der Gesellschaft ein Recht auf Erneuerung; des Privilegiums zustehe; und hinsichtlich des Bahneigen- thumes, das so ziemlich allgemein der Gesellschaft unbestritten zuerkannt wurde, \vollte man einerseits den vollen Ge- brauchs- und Nutzwertb, andererseits blos den Bruchwerth und auf dritter Seite einen im Enteignungswege festzu- stellenden Schatzungswerth gelten lassen. VVahrend so dieser Meinungsstreit immer weiter um sich gegriffen, ent- brannte auch jener tiber die Vortheile der Belassung der Nordbahn als Privat- Unternehmen oder ihrer Verstaatlichung, wobei nach den verschiedenen Partei- standpunkten das Lob der Gesellschaft gesungen oder die Schadlichkeit ihres * ‘) Siehe Bd., I, 1. Th., S. 134 u. ff. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 361 Monopols arg beklagt \yurde. Letzteres geschah insbesondere auf Seite vieler Handelskammern, Industriellen und sonsti- gen Kohlen-Consumenten und des Ge- meinderathes der Reichshauptstadt. Die beiden Hauptbetheiligten hatten sich jedoch die ganze Zeit liber zuwartend verhalten und blos Rechtsgutachten ein- geholt. Die Regierung bestellte eine eigene, aus Vertretern der Ministerien des Handels, der Finanzen und der Justiz zusammengesetzteMinisterial-Comraission zur Priifung der rechtlichen Tragweite des Nordbabn-Privilegiums. Das von dieser erstattete Gutacliten besagte im Haupt- sellschaft, indem sie der Regierung am 16. Mai ein auf den vorerwahnten Ar¬ tikel 10 gestiitztes Gesuch um Erneuerung des Privilegiums iiberreichte. Dem waren Veranderungen in der gesellschaftlichen Direction vorausgegangen. Der nach dem Rucktritte des Prasidenten Josef S tu m m er Ritter von Traunfels, der diesen Posten seit 1843 inne hatte, zu dessen Nachfolger gevvahlte Simon Freiherr von Winterstei« [1882], schied ganzlich aus der Direction, ebenso alsbald auch der Freiherr M. von Konigs- w a r t e r. Dass dies mit der angestrebten Losung der »Nordbahnfrage« in Zu- Abb. 167. Lawoczne. [K. k. Staatsbahn Stryj-Beskid.] sachlichen: Die Bahn gehort nach dem Ablaufe des Privilegiums unbestreitbar der Gesellschaft; aus demselben folgt jedoch keineswegs, dass die Staatsverwal- tung verpflichtet ist, das Privilegium ohneweiters zu verlangern, sondern die Berechtigung hat, an seine Wiederver- leihung Bedingungen zu kniipfen und, wenn eine Einigung nicht zustande komme, entweder die Bahn selbst zu betreiben oder durch Andere betreiben zu lassen, nachdem der gesellscbaftliche Besitz im Wege des freien Uebereinkommens oder mittels Enteignung erworben worden ist. Der Weg der Vereinbarung war es denn auch, den beide Betheiligten nachher einschlugen, die Regierung jedoch nicht um die Bahn sogleich zu erwerben, son¬ dern um die strittigen Punkte durch klare, biindige Vertragsbestimmungen voll- kommen zu ordnen und so den kunftigen zwistlosen Heimfall der ganzen Unter- nehmung an den Staat vorzubereiten. Betreten wurde dieser Weg im Jahre 1883 ; den ersten Schritt machte die Ge- sammenhang stand, wollte nicht zu- gegeben werden. Unbestritten blieb jedoch, dass der neue Viceprasident [und vom Jahre 1884 an Prasident], Julius H e r z, sowie das neugewahlte Directions- Mitglied Dr. Philipp Mautlmer, welche beide die Gesellschaft bei den Verhandlungen mit der Regierung ver- treten haben, Vertrauenspersonen des Hauptactionars der Gesellschaft, namlich des Hauses Rothschild waren. Beilaufig ein Jahr lang hatten die Verhandlungen gedauert, ehe ihre erste Frucht — das Uebereinkommen vom 10. April 1884 — das Tageslicht er- blickte. Seine Bestimmungen gingen im Wesentlichen dahin, dass die Gesellschaft eine neue, das gesammte Netz als eine einheitliche Unternehmung umfassende Concession auf die Dauer von achtzig Jahren [bis 31. December 1965] erhalt, hingegen der Staatsverwaltung die volle Ausiibung der Aufsicht sowie das Recht einraumt, das ganze Netz vom I. Januar 1904 an jederzeit einzulosen [unter den 362 Ignaz Konta. . ublichen Bedingungen], ferner dass die Nordbahn sieh verpflichtet: das gesammte Actiencapital innerhalb der Concessions- dauer zutilgen,*) die Garantie-Vorschiisse fiir die Mahrisch-Schlesische Nordbahn [7,655.657 fl. nebst Zinsen] — unbeschadet des allerdings nur bedingten Fortbestandes der Staatsgarantie — sogleich zuriick- zuzahlen, die Tarife der westlichen Staats- bahnen und iiberdies fiir Kohle einen be- sonderenZonentarif einzufuhren, ali e Tarife und Refactien zu veroffentlichen, die fehlenden Strecken der Linie von Bielitz iiber Teschen und Wall.-Meseritsch bis zur Bohmisch - Mahrischen Transversalbahn, wieauch einen Circumvallationsfliigel bei Krakau zu erbauen, innerhalb der nachsten zehn Jahre die Summe von 10,000.000 fl. auf den Bau von Local- bahnen zu verwenden, allen Anspriichen aus dem Privilegium zu entsagen u. s. w. Die Actionare der Kaiser Ferdinands- Nordbahn hatten in ihrer ausserordent- lichen Generalversammlung vom 7. April 1884, unter bitteren Klagen liber die ihr auferlegten driickenden Bedingungen, also gleichsam nur der Macht weichend, das Uebereinkommen gutgeheissen und den von einem Opponenten gestellten Antrag auf Einsetzung eines Actionar- Comites zur Ueberpriifung des Ueber- einkommens abgelehnt.**) Die Regierung ihrerseits meinte das Beste gethan und erreicht zu haben; denn das Ueberein¬ kommen entwirrte die verwickelte Rechts- frage, bereitete den lastenfreien Heimfall wie auch eine regelrechte Einlosung der Bahn vor und brachte dem Staate zu- *) Bislang hatte eine Actien-Tilgung nicht stattgefunden, weil die Bahn sammt den Zugehorungen nach Ablauf des Privilegiums Eigenthum der Gesellschaft blieb. **) Derselbe Antragsteller, Ed, Beer, schlug auch vor, es mOge mit Riicksicht darauf, dass »die Actionare heute vielleicht zum letzten Male auf Grund des alten Privi¬ legiums tagen, des Griinders der Nordbahn in einer wiirdigen Weise gedacht und be- schlossen werden: es sei als Servitut des Nordbahnhofes grundbttcherlich zu ver- zeichnen, dass das Standbild weiland Salomon v. Rothschild’s den Platz, welchen esjetzt im Bahnhofgebaude einnimmt, fiir immer- wahrende Zeiten einnehmen soli«. Dieser Vorschlag wurde mit Stimmeneinhelligkeit zum Beschlusse erhoben. gleich noch andere Vortheile vvirthschaft- licher und finanzieller Art ein. Nicht so zufrieden gaben sich die vielen Gegner der Gesellschaft und der Privatbahnen iiberhaupt, und noch weniger das Parlament, dem das Uebereinkommen am 24. April vorgelegt wurde. Selten noch begegnete eine Vorlage solchen Anfeindungen und Gegenstromungen und die Folge davon war, dass der Eisen- bahn-Ausschuss sich nicht sowohl mit ihr selbst als mit den andrangenden An- tragen auf Verstaatlichung oder Abschluss . eines neuen giinstigeren Uebereinkommens beschaftigte. Durch die Vertagung des Reichsrathes wurde das Uebereinkommen tibrigens gegenstandslos, da die Gesell¬ schaft nicht weiter gebunden war, wenn es nicht bis 1. Juli 1884 die legislative Erledigung erlangte. Die ganze Frage stand nun wieder auf dem alten Punkte und die Gesell¬ schaft abermals vor einem ungewissen Lose; ihre Theilhaber nahmen in der Generalversammlung vom 25. Juni 1884 eine formliche Kampfesstellung gegen die Anfeindungen der Gesellschaft ein und erklarten unumwunden, sich in der Vertretung ihrer Rechte durch keinerlei Hetze beirren zulassen. Draussen breiteten sich aber sowohl die Bevvegung zu Gunsten der Verstaatlichung als auch jene Erscheinungen aus, welche der An- gelegenheit schliesslich auch noch einen ausgesprochen politischen Anstrich gaben. Die formliche Zuriickziehung der ersten Vorlage erfolgte am 4. December 1884. Inzwischen hatte die Regierung ein neuerliches Rechtsgutachten von »autori- tativer juristischer Seite«, namlich von dem Prasidium des Obersten Gerichts- hofes eingeholt. Dasselbe kam in seinen streng sachlichen Darlegungen zu dem Schlusse, dass die Gesellschaft auch nach dem Ablaufe des Privilegiums Eigen- thiimerin der Privilegiallinien bleibt, der Staat aber im Principe berechtigt sei, sie zum Zwecke ihres ungestorten Fo.rt- betriebes auch im Wege der Expropriation zu erwerben; nur mtissten die Normen, wann und in welcher Weise die Ent- eignung bestehender Eisenbahnen ilber- haupt platzgreifen kann, erst durch ein Gesetz festgestellt werden, dessen Be- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 363 stimmungen jedoch keineswegs gegen die Vorschriften des allgemeinen biirger- lichen Gesetzbuches verstossen diirften, wonach der Enteignete fiir alle durch die Enteignung erlittenen vermogensrecht- lichen Nachtheile schadlos zu halten ist. Dieses Gutachten nun, dessen Ver- offentlichung auch die Wogen des Meinungskampfes wesentlich glattete, be- starkte die Regierung in ihrer Ansicht, dass die Erwerbung der Nordbahn unter den bisherigen Rechtsverhaltnissen, in Riicksicht auf den Staatsschatz, nicht geboten sei — und bestimmte sie, neuer- liche Verhandlungen mit der Nordbahn zu eroffnen. Bei diesen hatte fiir die Gesellschaft schon ihr neuer General- Secretar, Regierungsrath Richard [ e i t- teles [bis dahin Vorstand der Ab- theilung fiir Garantie - Abrechnungs - wesen bei der k. k. General-Inspection der osterreichischen Eisenbahnen], mit- gevvirkt, der am 1. October 1884 in die Dienste der Kaiser Ferdinands - Nordbahn tibertrat und zuerst den damals in den Ruhestand ubernommenen, altgedienten General-Secretar, Hofrath J. Ritter von Jacobi, ersetzte, nachher aber zum Ge- neral-Director aufstieg. Am 10. Januar 1885 kam ein zweites Uebereinkommen zustande, welches sich von dem fruheren hauptsachlich in Fol- gendem unterschied: Die Dauer der zu ertheilenden einheitlichen Concession endet schon . am 31. December 1940, also um 25 Jabrefrtiher; bis dahin miissen nicht blos das Actiencapital, sondern auch die Prioritats-Anlehen getilgt sein; die Ge¬ sellschaft bezahlt dem Staate den Betrag von 1,314.732 fl. als Aequivalent fiir den Aufschub des Heimfallrechtes an den Strecken Floridsdorf-Jedlesee, Gansern- dorf-Marchegg und Oderberg-Annaberg; die gesammte Tarifbestimmung ist dem Staate vorbehalten; alle Tarife [daher jetzt auch die Personentarife] werden vom Handelsministerium nach den Satzen der westlichen Staatsbahnen festgesetzt, doch soli dabei in Betracht kommen, dass. der Reinertrag der offentlichen Bahnen nicht unter jenen Betrag sinke, der einer Dividende von 112 fl. fiir jede der 74.511 1 / i Actien entspricht; das dem Staate einge- raumte Peagerecht wird auch auf die bis Briinn fiihrende Strecke der Mahrisch- Schlesischen Nordbahn ausgedehnt; die Gesellschaft baut nebst den friiher be- stimmten fiinf noch weitere fiinf Local- bahnen u. s. w. Nachdem die Nordbahn - Direction diesmal davon abgesehen hatte, das Uebereinkommen schon vor seiner legis- lativen Behandlung vor die Actionare zu bringen, konnte es unverweilt dem Ab- geordnetenhause vorgelegt werden. [20. Januar 1885.] Die Aufnahme daselbst war wieder keine freundliche ; die Mehr- heit des vorberathenden Eisenbahn-Aus- schusses kam zwar bald von der Ver- staatlichung ab, gab aber noch manchen Bedenken Raum, die eine abermalige Abanderung zu Ungunsten der Gesell¬ schaft nach sich zogen, so namentlich die Begrenzung der Dividende mit 105 fl., nachher sogar nur mit 100 fl., und die Ueberlassung der Halfte des dariiber hinausgehenden Reinertrages an den Staat. Die Minoritat des Ausschusses war jedoch auch damit noch nicht zu- frieden, setzte sich . noch weiter fiir die Verstaatlichung ein und bekampfte die Vorlage auch im Vollhause, wo sie am 21. Marž 1885 zur Berathung gelangte. Die Debatten waren iiberaus erregte. Als Hauptkampfer standen sich die beiden Berichterstatter des Ausschusses gegen- iiber, fiir die Majoritat Dr. v. Bilih.sk i, fiir die Minoritat Dr. Herbst; ausser- dem sendeten die beiden Parteien noch andere ihrer gewiegtesten Redner ins Treffen. [Dr. Rieger, Dr. Russ etc.] Der Kampf wahrte vier Sitzungen hindurch, da immer noch neue Antrage vorgebracht und erortert vvurden, hauptsachlich in Betreff der Kohlentarife und der Rech- nungslegung. In der denkwiirdigen Abend- sitzung vom 27. Marž 1885 kam es zur Abstimmung; dieselbe ergab die An- nahme der Vorlage, der am 20. April auch das ITerrenhaus zustimmte. Nun hatte die Gesellschaft sich zu entscheiden. Das geschah in der gleich- falls denkwiirdigen ausserordentlichen Generalversammlung vom 20. August 1885. Bis dahin hatte die Direction sich selbst in der neuen Sachlage zurecht- gefunden, die Antrage fiir die Actionare vorbereitet und die letzten V ereinbarungen 364 Ignaz Konta. mit der Regierung getroffen. Diese kamen am 17. Juli zum Abschlusse und batten, nebst den Entwurfen der Concessions- Urkunden fur das kiinftige' einheitliche Netz der Nordbahn und [gleichsam als Normale fur die Concessionen der iibrigen Localbahnen] auch jener ftir die. Local- bahn Bielitz-Wadowice, noch zum Er- gebnisse: die endgiltige Feststellung des Uebereinkommens nach den vom Reichs- rathe daran vorgenommenen Aenderungen, ■welches darum fortan »Uebereinkommen vom 10. Januar und 17. Juli 1885« be- titelt ward; ferner die Feststellung der vorzunehmenden Statuten - Aenderungen sowie der Bedeckung des Geldbedarfes und der Convertirung der alten Prioritats- Anlehen etc. Die ausserordentliche General versamm- lung vom 20. August 1885 nahm einen der Tragweite der zu fassenden Be- schlusse wiirdigen V erlauf; sie nahm die von der Direction gegebenen Anhalts- punkte fur die Beurtheilung der Situation ruhig entgegen, allerdings nicht ohne darzuthun, dass ihr das Ueberein¬ kommen nichts weniger denn Freude be- reite, vielmehr nur als das zu wahlende kleinere Uebel erscheine; sie bedankte ferner die Ausdauer und Treue der Direc¬ tion in dem ftir die Actionare gefiihrten »bitteren und peinlichen Kampfe« und beschloss in voller Genehmigung der Directionsantrage: dieAnnahme des Ueber¬ einkommens sowie der durch dasselbe be- dingten neuen Gesellschafts-Statuten, die Ermachtigung der Verwaltung zur Er- wirkung der Goncession sowohl ftir die schon im Betriebe stehenden, als auch fur die vertragsgemass zu bauenden Linien; ferner zur allfalligen Erwer- bung der in die Linie Bielitz-Bistritz [Stadtebahn] fallenden Strecken Bistritz- Hullein-Kremsier und Weisskirchen-Wsetin und zum Ankaufe der Rothschild’schen Montanbahn Dombrau - Michalkowitz; dann zur Durchfiihrung aller mit der Neu- gestaltung der Gesellschaften zusammen- hangenden Abrechnungen, Refundirungen und Geldbeschaffungen, wie auch zur Convertirung der alten Anlehen. Am 6. September 1885 erfolgte dann die a. h. Sanctionirung des Gesetzes liber die »Bedingungen fiir die zum Be- triebe der Kaiser Ferdinand s- Nordbahn zu ertheilende neue Concession und die Ausiibung der hienach dem Staate vorzu- haltendenEinlosungsrechte«.Von diesem Tage bestand also das Ueberein¬ kommen fur beide Vertragsgenossen zu Recht und hatte die »Nordbahnfrage« ihre endgiltige Losung gefunden. Der grosse Streit war ausgetragen und der Gesellschaft, unter neuzeitigen Bedingun¬ gen, ein Fortbestand auf x8—-25 Jahre eingeraumt. Noch im letzten Viertel desjahres 1885 begann die Gesellschaft die Erfiillung ihrer vertragsmassigen Obliegenheiten und die Vorbereitung fur ihre Um- formung; sie fiihrte die neuen Kohlen- tarife ein, vollzog den Ankauf der Mon¬ tanbahn [1. October], leistete die Ruck- zahlung der Garantie-Vorschtisse fur die Mahrisch-Schlesische Nordbahn, erwei- terte aus Anlass der bevorstehenden Bauten die beziiglichen Dienstabtheilun- gen und berief an deren Spitze den als wohlerprobten Fachmann bekannten Director der Mahrisch-Schlesischen Cen- tralbahn, Wilhelm A st. Damals war der gesellschaftliche General-Inspector, Hofrath Wilhelm Freiherr v. Eichler, der seit 15. Juni 1864 oberster Chef der technischen Dienstzweige der Nordbahn gewesen, nach einer fast funfzigjahrigen, ausgezeichneten Thatigkeit im Eisenbahn- wesen, m den Ruhestand getreten. In ihre neuen Verhaltnisse trat die Gesellschaft am 1. Januar 1886 ein; denn an diesem Tage erhielt sie die neue Concession und erloschen nicht nur das Privilegium vom 4. Marž 1836, sondern auch alle ihr seither zutheil ge- wordenen Concessionen und zugestan- denen »Exemtionen, Sonderrechte und Befreiungen«. Diese neue, vorwiegend nurmehr auf dem Concessions-Gesetze vom Jahre 1854 beruhende Concession gibt der Gesellschaft, deren Firma fortan: »K.,k. pri v. Kaiser Ferdi n ands- Nord¬ bahn« zulautenhatfvordemhiesssie »Aus- schliesslich privilegirte« . . .], das Recht zum Betriebe aller bisher von ihr er- bauten oder envorbenen, dem offent- lichen Verkehre dienenden Eisenbahnen, sowie zum Baue und Betriebe der Linien Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 365 Bielitz-Bistritz, Kremsier-Koje- tein und des Circumvallations- F 1 ii g e 1 s bei Krakau, gewahrt diesen letzteren binnen 2 1 / 2 Jahren zu vollen- denden Linien eine dreissigjahrige Steuer- freiheit, hebt die gesonderte Rechnungs- fiihrung fur die Mahrisch-Schlesische Nordbahn auf, bestimmt, dass deren Staatsgarantie nur fiir den Fali wirksam bleibt, als zur Verzinsung und Tilgung ihres Anlage-Capitals die gesammten Ein- nahmen und das Vermogen der Gesell- scbaft nicbt ausreichen solite — und gilt wie bei den anderen osterreichischen Bahnen, die eigentliche Geschaftsleitung fungirte. Die neue Einrichtung; derselben hatte indes schon am 1. Februar statt- gefunden, bei welcher Gelegenheit der nunmehrige Director Hofrath Richard Jeitteles mit dem Vorsitze in der Direction betraut wurde. Diese Generalversammlung beging zugleich die Feier des funfzigjahrigen Jubilaums der Nordbahn und des Ein- trittes dieser altesten Locomotivbahn Oesterreichs in die kunftigen Decennien Abb. 168. Bau des Opor-Viaductes. unbeschadet des mit I. Januar 1904 in Wirksamkeit tretenden staatlichen Ein- losungsrechtes fur die Dauer bis 31. De¬ cember 1940, wo dann das gesammte, den Gegenstand der Concession bildende Unternehmen sammt und sonders an den Staat tibergeht, und zwar: die Bahn lastenfrei, der Fahrpark gegen eine zu vereinbarende oder im Schatzungswege zu ermittelnde Vergiitung. Die Neuconstituirung der Ge- sellschaft ging auf Grund der am 2. Februar 1886 behordlich genehmigten neuen Statuten in der ausserordent- lichen Generalversammlung vom 17. Fe¬ bruar 1886 vor sich. Dieselbe wahlte einen zwolfgliedrigen V e r w a 1 1 u n g s- rath, wahrend als »Direction« fortan, [K. k. Staatsbahn Stryj-Beskid.] ihres Bestandes. Es war dies jedoch keine rauschende, prunkvolle Festlichkeit. Die Theilhaber der Gesellschaft ehrten das Andenken der Griinder der Nord¬ bahn, Franz Xaver RiepPs und Salomon von Rothschildi, bedachten den treuen Mitarbeiter des letzteren, Moriz Ritter von Goldschmidt, welcher der Verwal- tung seit 1836 ununterbrochen angehorte, mit Kundgebungen des Dankes und der Verehrung, sprachen demFreiherrn Albert von Rothschild die Anerkennung fur die Forderung des gesellschaftlichen Unter- nehmens aus — und widmeten aus den allgemeinen Reserven 200.000 fl. zu einem Unterstiitzungsfonds fiir unter- geordnete hilfsbediirftige Bedienstete und deren Witwen und Waisen. 366 Ignaz Konta. Die gewohnliche Geschaftsthatigkeit begann die neue Verwaltung, in der iibrigens die friiheren Directoren wieder Platz gefunden, mit der Aufnahme einer 4%igen Anleihe von nom. 62,700.000 fl., wovon jedoch einstweilen nur 40,260.500fl. wirklich ausgegeben wurden, die theils zu Refundirungen und den Zahlungen an den Staat dienten, theils fiir die Neu- bauten und zur Convertirung der alten 5°/ 0 ig en Anlehen [von denen noch 16,418.775 fl. in Umlauf waren]. Emission und Convertirung: erfolgten zum Curse von 95 °/ 0 in den Tagen vom 10. bis 24. Marž unter lebhafter Betheiligung der Actionare, denen ein Bezugsrecht auf die neuen Obligationen zugestanden war. Am 4. Juni 1886 erhielt die Gesell- schaft auch die Concession fiir die ur- spriinglich nur bis Wadowice projectirt gewesene, nun aber im Interesse des Anschlusses an die Galizische Trans- versalbahn mn beilaufig 17 km verlan- gerte Localbahn Bielitz-Kalwarja, deren Vollendung gleichfalls auf langstens den 30. Juni 1888 festgesetzt war. Nun wurde zur Inangriffnahme der Bauten geschritten und hiebei mit dem »Circumvallations-Flugel« : Krakau-Pod- g6rze - Bonarka der Anfang gemacht [Ende 1886, Unternehmung: Redlich und Berger]. Die ubrigen Linien kamen erst im Fruhjahre 1887 daran; der Einheitlich- keit wegen, mag jedoch Alles zusammen gleich hier naher besprocben werden. DieLinieBielitz-Bistritz, welche im Zusammenhange mit der Kremsierer Bahn und der Erganzungsstrecke Kremsier- Kojetein die friiher geplant gewesene Linie Bielitz-Teschen-Olmiitz oder -Briinn ersetzt und zugleich auch das alte Project der »Schlesischen Stadtebahn«* *) verwirk- licht [deren Trače wieder grossentheils mit jener zusammenfiel, die schon ur- *) Abgesehen von einzelnen kleineren Strecken waren projectirt: Teschen-Friedek- Neutitschein-Leipnik [oder Olmiitz] im Jahre 1869 von Otto Schiller und Genossen; die eigentliche »Stadtebahn« Krakau-Bielitz- Teschen - Friedek - Wallachisch - Meseritsch Holleschau-Hullein im Jahre 1870 von einem Comite in Teschen im Vereine mit der Stadtge- meinde daselbst. Letzteres Project begegnete der Gegrierschaft dererzherzoglichen Cameral- Verwaltung und mehrerer Concurrenzen insbesonders jener der Ostrau-Friedlander sprunglich der Nordbahn zugedacht ge- wesen, aber vermoge der damaligen feind- lichen Haltung der Stadte gegen die Eisenbahn, aufgegeben werden musste] kam nicht der ganzen Lange nach neu zur Ausfiihrung. Dies war vielmehr nur riicksichtlich der Strecken Bielitz-Friedek [67'7 km], Friedland-Krasna [39'6 km], Wallachisch-Meseritsch-Bistritz am Ho- stein [25’3 km] und Kremsier-Kojetein [8‘8 km] der Fali. Die dazwischen liegen- den Strecken bat die Gesellschaft an- gekauft oder in Mitbeniitzung genommen [Friedek-Friedland]. Infolge dieser Er- werbungen mussten die Projecte wieder- holt geandert werden, was den Beginn und die Ausfiihrung des Baues verzogerte. Derselbe wurde erst am 7. April 1887 vergeben, und zwar: Kremsier-Kojetein an Peter Kraus; Bilawsko-Hotzendorf an Mattoni und die Union-Baugesell- schaft; Hotzendorf-Friedland und Friedek- Bielitz an Redlich und Berger. Neben der Einleitung des Baues gingen die Verhandlungen wegen der Erwerbung der vorerwahnten Zwischen- strecken einher. Zuerst kam der A n- kauf der Kremsierer Bahn*) zu Bahn und der Mahrisch-Schlesischen Central- bahn, welche damals mit bedetttenden Fort- setzungsplanen umgingen. Dann kam die Societe belge mit einem, »\vie bei dieser Ge- sellscbaft ublich« ganz unbestimmten »ohne Anfangs- und Endpunkte aufgestellten« Projecte, gegen welches das Comite in Teschen heftig agitirte [1881]. Schliesslich projectirte auch noch die Landerbank die Linie Bielitz- oder Saybusch-Brunn [als Con- currenz der Nordbahn]. *) Die Kremsierer Bahn, seit dem jahre 1868 wiederholt projectirt, \vurde am 30. Juni 1880 riicksichtlich der Strecke Hullein Krem- sier an die Stadtgemeinde Kremsier und deren Genossen concessionirt, vvelche am 2. Mai 1881 eine .Gesellschaft errichteten. Diese erhielt am 4. August 1881, 26. Februar 1882 und 14. Februar 1883 die beziiglichen Concessionen fiir die Fortsetzungsstrecken Kremsier-Zborowitz, Hullein-Bistritz, Bistritz- NVallachisch-Meseritsch; letztere Concession ward jedoch vom Handelsministerium fiir erio- schen erklart Zur Eroffnung gelangten: Hul- lein-Kremsier, 6 km, 15. December 1880; Krem- sier-Zborowitz, 165 km, I. November 1881; Hullein-Holleschau, 7-5 km, 24. September und Holleschau-Bistritz, 10 7 km, 15 - Novem¬ ber 1882. Die nicht fiir die Stadtebahn ver- wendete Strecke Kremsier-Zborowitz gehbrt jetzt zu den Localbahnen. G.eschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 367 Abb. 169. Einschnltt bei Przikas-Osiczko. [Kaiser Ferdinands-Nordbahn, Strecke Hullein-Wallachiscb-Meseritsch..] Štande, nicht gar leicht, weil die Nord- bahn anfanglich nur die in die Trače der Stadtebahn fallenden Strecken Krem- sier-Hullein-Bistritz ervverben, die Be- sitzerin derselben aber den kleinen Rest [Kremsier-Zborowitz] allein nicht behalten wollte. Der am 7. Januar 1887 abgeschlossene Kaufvertrag betraf jedoch die ganze [sammt der Unterbriickung bei Hullein, r2 km] 41'9 km lange Krem- sierer Bahn. Der Kaufpreis betrug 2,100.000 fl. Bis zu der auf den Tag der Eroffnung der Stadtebahn, langstens aber den 1. Juli 1888 anberaumten Uebernahme des Eigenthums besorgte die Nordbahn den Betrieb der Krem- sierer Bahn fiir Rechnung ihrer fruheren Besitzerin. Gleichfalls nur miihsam gelang auch die Erwerbung der Linie Weiss- k i.r c h e n -W seti n.*) Hier bildeten haupt- sachlich die hohen Anforderungen der Oesterreichischen Localeisenbahn-Gesell- schaft, welche in jener Linie den Kern von verschiedenen ktinftigen Concurrenzrouten *) Eine Eisenbahn von Weisskirchen tiber Wsetin nach Sillein war schon am 18. Sep¬ tember 1863 concessionirt, und zwar an Emil Raikem in Wsetin und J. B. Even in Briissel; da sie aber ungebaut blieb, verfiel die Con- cession (29. Marž 1871]. Zehn Jahre spater wurden die Linien Pohl-, respective Neu- titschein-Wsetin projectirt. Fiir die erstere [nebst Abzweigung nach Krasna] erhielt die Oesterreichische Localeisenbahn-Gesell- der Nordbahn zu besitzen vermeinte. Die Einigung erfolgte schliesslich in der Weise, dass die Nordbahn, auf Grund der bezuglichen Vertrage vom 12. Sep¬ tember 1887, jene Linie sammt deren Fliigelbahnen um den in 4%igen Local- bahn-Prioritaten [der Nordbahn] zu ent- richtenden Preis von 2,580.000 fl. an- kaufte, vorlaufig jedoch nur den Betrieb ab 1. October 1887 in Pacht nahm. Dieses Verhaltnis vvahrte ubrigens nur etliche Wochen, da schon am 24. De¬ cember 1887 auch die Eigenthumsiiber- nahme vollzogen wurde. Die Einigung wegen der M i t b e- niitzung der Strecke Friedek- Friedland [iO'i km] der Ostrau-Fried- lander Bahn gliickte gar erst, nachdem die Nordbahn sich durch Ankauf eines bedeutenden Postens von Actien jener Gesellschaft erheblichen Einfluss auf die- selbe verschafft hatte; denn auch ihr hatten Zukunftsplane vorgeschwebt, die auf eine Concurrenzirung der Nordbahn hinausliefen. Der Peage-Vertrag, vvelcher den Bau der Parallel-Strecke iiberflussig schaft am 27. Juli 1882 die Concession, welche am 12. December 1884 fiir Weisskirchen- Wsetin abgeandert wurde. Eroffnungsdaten: Weisskirchen-Krasna, 24-9 km, 1. November 1884; Krasna-Wsetin, 19^4 km, 1. Juli 1885. In die Trače der Stadtebahn fallt nur die Theilstrecke Krasna-Wallachisch-Meseritsch, ri km; der iibrige Theil ist jetzt in das Localbahnnetz eingereiht. 3 68 Ignaz Konta. machte, \vurde am 5. Februar 1888 ab- geschlossen. Damals waren die Neubauten schon weit vorgeschritten, theilweise sogar bereits vollendet. Es gelangten zur Er- offnung: der Circumvallations- F lil g el bei Krakau [sammt den Ver- bindungscurven 7^9 km lang] am I. Januar, die Stadtebahn [exclusive der Peage- Strecke i6y3 km lang] und die Local- bahn Bielitz-Kalwarja [sammt den Verbindungscurven 59'9 km lang] am 1. Juni 1888. Der Bau der letzteren kam zugleich mit jenem der Stadtebahn zur Vergebung; Ersteher desselben blieben die Unter- nehmer R. von P i s c h o f riicksichtlich der StreckeBiala-Wado\vice und Epstein & Blau riicksichtlich der Strecke Wado- wice-Kalwarja. Die »Stadtebahn« Kojetein-Bielitz beriihrt in ihrem Zuge die bedeutenderen Stadtge- meinden Kremsier, Hullein, Bistritz am Hostein, Wallachisch - Meseritsch, Krasna, Frankstadt, Friedland, Friedek - Mistek, Teschen, Skotschau und miindet in Bielitz in die altbestandene Babnstrecke Dzieditz-Say- busch der Nordbahn ein. Die bei der Traceftihrung in einem zu- meist den Charakter des Mittelgebirges fiihrendenGelande unausweichliche Kreuzung zahlreieher Wasserscheiden und Flussthaler gestaltete das Langenprofil der Bahn zu einem weit bewegteren, als es die sonstigen Hauptstrecken der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn aufweisen. Von Kojetein bis Kremsier und noch liber letztere Station hinaus, ftihrt die Bahn durch das Inundationsgebiet des Marchflusses, dessen Hauptgerinne mit einer 50 m weiten Briieke iibersetzt wurde. Vor der Station Hullein wurde die Linie auf 3-6 km neu hergestellt, um die directe Durchfahrt der Zuge in dieser Station zu ermoglichen, in welcher die Anlage eines Inselbabnhofes durchgefiihrt wurde. Auf den bis Bistritz am Hostein beibehaltenen Theilen der Kremsierer Localbahn wurde die Umstaltung der meist aus Holz ausgefiihrten Briicken und sonstigen Unterbauobjecte, die Auswechslung des leichten Localbahn-Oberbaues gegen das Schienensystem der neuen Hauptbahn sowie die Erganzung der alten Localbahn durch Wachterhauser, Schranken und Einfriedungen durchgefiihrt. Von der Station Bistritz am Hostein, welche zur Gewinnung giinstiger Neigungs- und Richtungsverhaltnisse verlegt werden musste, ftihrt die Bahn am Fusse der nordlichen Abdachungen der kleinen Karpathen im Mittelgebirge iveiter. Nach Ersteigung eines Hochplateaus fallt die Trače wieder zum Thale des Betschflusses [Abb. 170] und erreicht nach dessen Ueber- briickung die Station Wallachisch-Meseritsch der bestandenen Localbahn Mahrisch-Weiss- kirchen-Wsetin, von vrelcher die ri km lange Strecke bis Krasna in die neue Bahnverbin- dung einbezogen wurde. Von Krasna an ersteigt die Bahn unter Anwendung einer langen Rampe die Wasser- scheide zwischen der Donau und Oder und erreicht die Station Hotzendorf [Abb. 171], von welcher die Flugelbahn nach Neutitschein ab- schwenkt. Im weiteren Anstiege bis zum Sattel bei Wernsdorf erreicht die Trače das Lornna- thal, durchquert dasselbe bis zum Sattel bei Gross-Kuntschitz und fallt sodann gegen das ThalderOstrawitzaab,welchessiebeiFriedland erreicht. Diese frtihere Endstation der Ostrau- Friedlander Bahn erhielt vvesentlich grossere Geleise-Anlagen und ein neues Aufnahms- gebaude. In der der Ostrau-Friedlander Bahn ge- horigen Peage-Strecke von Friedland bis Friedek wurden bedeutendere Reconstruc- tions-Arbeiten an den Briicken und Uferver- sicherungen gleichzeitig mit dem Neubau der Anschluss-Strecken der Nordbahn durch- gefiihrt und sind besonders die neuen Ueber- briickungen iiber den Ostrawitza - und Morawkafluss an Stelle der daselbst be¬ standenen hblzernen Jochbriicken er - wahnenswerth. Der wesentlich erweiterten und vervoll- standigtenStationFriedek folgt die Ersteigung eines von vielen grbsseren Bachen durch- furchten Hochplateaus, von welchem die Bahn dann wieder in das Thal der Olsa hinabfallt, wo die Kaschau-Oderberger Bahn mittels Ueberfahrt gekreuzt und die Station Teschen erreicht wird. I11 letzterer erfolgte die Herstellung neuer Geleise-Anlagen und eines mit der Kaschau-Oderberger Bahn ge- meinsamen neuen Aufnahmsgebaudes. Nach Uebersetzung des Olsaflusses mit einer im Ganzen 60 m weiten Brucke, ersteigt die Bahn im Thale des theilweise regulirten und verlegten Boberbaches die Wasserscheide zwischen Oder und Weichsel bei Golleschau, in welche Station die Flugelbahn zu dem im Weichselthale liegenden Eisenwerke Ustron einmiindet Im weiteren Abfalle der Bahn gegen die Weichsel wird die Station Skotschau erreicht, hierauf nach der im Ganzen 80 m vveiten Ueberbrtickung der Weichsel mit Be- niitzung vorhandener Thalfurchen das Hoch- plateau bei Heinzendorf erstiegen, von wo die Bahn nach Kreuzung zahlreieher grbsserer Bache noch bis zur Wasserscheide nachst Lobnitz ansteigt und dann gegen Bielitz zu wieder fallt, welche Station nach Ueber¬ setzung der Bahnstrecke Dzieditz-Bielitz mittels einer Ueberfahrtsbrucke mit einem langeren Bogen erreicht wird. Von der Station Alt-Bielitz vermittelt eine zweite Verbindung ohne Berubrung der Station Bielitz den direeten Uebergang der von Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 369 Teschen auf die Localbahn Bielitz-Kalwarja gefiihrten Ziige. In dieser Endstation der Stadtebahn wurden rvesentliche Umstaltungen und iiberdies ein grosses neues Aufnahms- gebaude errichtet. [Abb. 172.] Die 7-6 km lange Circum vallations- linie in Krakau verbindet die Endstation Krakau der Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit der k. k. Staatsbahnlinie Ošwiecim-Pod- g6rze, indem sie die Stadt Krakau im Stiden und Osten umkreist [wobei ein bestandener Festungswall als Bahndamm beniitzt wird], dann die Weichsel »in deren Fluthen sich der Wawel mit seinem berilhmten Schlosse und derhistorischen Domkirche spiegelt« iiber- briickt, und in der neuhergestellten Station Podgčrze-Bonarka an die oben genannte Staastbahnlinie anschliesst. Ein 0’5 km langer Eine neben der Weichselbriicke gelegene Haltestelle »Zwierzyniec« dient fiir den Per- sonenverkebr der zunachst gelegenen Theile der Stadt Krakau. Am Schlusse des ersten Jahres ihres neuen Bestandes hatte das Anlage-Capital der Kaiser Ferdinands-Nordbahn die Hohe von nom. 160,276.612 fl. und gliederte sich wie folgt: 74.511V 4 Actien a 1000 fl. C.-M. = 78,236.812 fl. 6. W., 5%ige Prioritaten vom Jahre 1872 14,400.000 fl., 5 %ig e Prioritaten der Mahrisch-Schle- sischen Nordbahn 24,000.000 fl., 4°/ 0 ige Prioritaten vom Jahre 1886 40,531.500 fl., Abb. 170. Betschbriicke bei Wall.-Meseritsch. [Kaiser Ferdinands-Nordbahn]. Verbindungsbogen vermittelt den directen Anschluss an die Linie Wien-Krakau in der Richtung gegen Wien. An seiner Anschluss- steile wurde ein Rangirbahnhof im Zuge der Hauptbahn hergestellt. Ein ziveiter 0-5 km langer Verbindungs¬ bogen in Podgdrze dient dem directen An- scblusse an die k. k. Staatsbahnen in der Richtung gegen Lemberg und somit ist jeder Endpunkt dieser Bahnlime mit der Anscnluss- bahn in beiden Richtungen verbunden. Zahlreiche Objecte mit einer Gesammt- lichtweite von 367 m dienen zur Aufrecht- haltung der Communicationen als Durch- fahrten fiir die von der Stadt radial aus- gehenden Strassen, oder als Durchlasse fiir die Hochwasser der Weichsel, deren Inun- dationsgebiet die Bahn durchquert. Bei der Ueberbriickung der Weichsel musste auch fiir die Ueberfiihrung eines Strassenzuges gesorgt iverden und ruhen die beiden fiir Bahn und Strasse getrennten Constructionen auf gemeinsamen, 19-5 m langen, pneumatisch fundirten Pfeilern. Krakau-Oberschlesische Titel 3,108.300 fl. Hievon waren bereits verlost: von den verschiedenen Prioritaten - Emissionen 1,845.200 fl. und von den Krakau-Ober- schlesischen Werthen 1,035.900 fl. Obwohl die Losung, welche die Nord- bahnfrage gefunden, im Lager der Gegner nicht anders betrachtet wurde, als ein dem Verstaatlichungs-Principe gethaner Ab- bruch — gethan, wenngleich oder weil die staatsfreundliche Stromung sich dies- mal auf der linken Seite des Parlamentes be- fun den hatte und obwohl die Anhangerje- nes Principes auch daraus Besorgnis schopf- ten, dass der vom Eisenbahn-Ausschusse erstattete Mehrheitsbericht iiber die Nord- bahn-Vorlagenachdriicklich beton te, dieses Princip beruhe noch auf keiner abstracten legislativen Genehmigung — deuteten Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 24 370 Ignaz Konta. Abb. 171. Hotzendorf. [Kaiser Ferdinands-Nordbahn.] doch alle Anzeichen darauf hin, dass dem Verstaatlichungs-Gedanken dieVor- herrschaft gesichert bleiben solle. Das Gesetz vom 26. December 1884, ivelches erst viel spater und in geander- ter Form zur Durchfiihrung kam, solite schon im ersteren Zeitpunkte die voll- standige Einlosung der Erzherzog Albrecht-Bahn bewirken; das am 11. December 1884 geschlossene Ueber- einkommen mit der Bohmischen Westbahn und das beztigliche Gesetz vom 4. April 1885, beide betreffend die Neufestsetzung der Staatsgarantie aus Anlass der vorzunehmenden Convertirung der gesellschaftlichen Prioritaten,*) ent- *) Der bei der Convertirung sich erhO- hende Nominalbetrag der Prioritats-Anleihe machte eine Ausdehnnng der Tilgungsfrist und dies wieder eine Verschiebung im Aus- masse der Staatsgarantie nothwendig. Die- selbe \vurde nun fur die Zeit von 1885 bis 1948 mit 1,248.000 fl. und pro 1949 mit 840.738 fl. festgesetzt, wogegen die Gesellschaft sich verpflichtete, die Tilgung der Actien, die nach den alten Tilgungsplanen erst im Jahre 1917 zu beginnen hatte, schon vom Jahre 1885 eintreten zu lassen, ferner die aus der Convertirung erwachsende Verringerung der Jahreslast um rund 100.000 fl. nicht zur Er- hohung der Dividende, sondern fiir Bahn- zwecke zu verwenden und die Halfte dieser Ersparnis von der Einlosungsrente abrechnen zu lassen. Der Beginn des EinlOsungsrechtes wurde auf den 30. Juni 1892 vorgeriickt. Die Convertirung erfolgte in den Tagen vom 18. bis 31. December 1884, wobei fur je nom. 100 fl. der 5°/ 0 igen Silberprioritaten, hielten vorsorgende Bestimmungen fiir die Einlosung und eine kleine Naher- riickung des Termines fur den Beginn der staatlichen Berechtigung hiezu; das am 28. December 1884 geschlossene Uebereinkommen mit der Oesterrei- chischen Nordwestbahn und das beziigliche Gesetz vom .19. November 1885 in Betreff der Erhohung der Staats¬ garantie um den Betrag von jahrlich 474.260 fl. zum Zwecke von Refundirun- gen,*) wobei der Beginn des staatlichen Einlosungsrechtes in Ansehung des garan- tirten Netzes um Jahre naher ge- riickt, namlich auf den I. Januar 1895 festgesetzt ivurde; die Protokollar-Ver¬ nom. m fl. der 4°/ 0 igen Anleihe von nom. 14.303.000 fl. und fiir 100 R.-M. der 5°/ 0 igen Goldprioritaten, 105 R.-M. 4°/ 0 ige gegeben wurden. *) Der Bau des garantirten Netzes hatte nom. 80,310.000 fl. gekostet; die Staatsgarantie betrug 985.000 fl. pro Meile, deckte daher ein Capital von nom. 81,368.170 fl. Der hie- von eriibrigte Rest [900.570 fl.] reichte fiir die nachtraglichen Investitionen nicht aus; diese Kosten wurden also mit Zustimmung der Regierung in die Betriebsrechnung einge- stellt. Die beziiglichen Posten hatten mit Ende 1883 die Hohe von 1,830.840 fl. erreicht und waren fiir die nachsten Jahre mit noch 7.834.000 fl. veranschlagt. Zur definitiven Bedeckung dieser Erfordernisse wurde nun, nach Herabminderung der kunftigen Inve¬ stitionen auf den Betrag von nur 6,780.000 fl, vereinbart, dass die Gesellschaft auf Grund- lage der obbezifferten Garantie-ErhShung ein 4°/ 0 iges Prioritats-Anlehen von nom. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 371 einbarung mit der Aussig-Teplitzer Bahnvom 23.November 1885, betreffend die Convertirung des gesellschaftlichen 4 1 / 2 °/o'g en Goldanlehens in ein 4°/ 0 iges, womit zugleich der Beginn des staat- lichen Einlosungsrechtes auf den 25. Juni 1900 festgesetzt und eine Reihe von An- ordnungen hinsichtlich der Einlosungs- rente getroffen wurde; die im October 1884, beziehungsweise Juni 1885 den Vervvaltungen der Carl L u d w i g- B a h n und der Siid-norddeutschen Verbindungsbahn von Seite des Ministeriums ertheilten Weisungen hin- sichtlich der Rechnungslegung und Ver- mogensnachweisung, im Hinblicke auf die herannahende [1886—1888] Inkraft- Abschluss von Vertragen, vermoge deren einige biezu concessionsgemass nicht verpflichtete Localbahnen ab 1. Januar 1887 in den Staatsbetrieb iiberzugehen hatten, konnten als bedeutsame Merkmale dafiir gelten, dass ein weiteres Ab- gehen von der auf dem Verstaatlichungs- Principe fussenden Eisenbahn-Politik aus- geschlossen erscheine. Alle die vorbereitenden Massnahmen und ebenso die mittels der Gesetze vom 28. December 1884 und vom 29. Juni 1886 bewilligte Verlangerung der Giltigkeit des Localbahn- Ge¬ setze s bis 1. Juli, beziehungsweise 31. December 1886, femer die mittels des Gesetzes vom 8. November 1885 aus- Abb. 172. Bahnhof Bielitz. [Kaiser Ferdinands-Nordbahn.] tretung des staatlichen Einlosungs¬ rechtes , und auch die nun fast regelmassig in die Concessions-Urkunden fiir die Localbahnen aufgenommene Bestimmung beziiglich der Betriebs- ftihrung durch den Staat* *) sowie der 11,000.000 fl. aufnehme, aus dem Erl 5 se der- selben die zu Lasten des Betriebes verrech- neten Investitionskosten dem Staate bar ver- giite und die kiinftigen Erfordernisse decken solle. Die ausserordentliche Generalver- sammlung vom 29. December 1884 stimmte dem zu. Nachdem das Uebereinkommen durch das obenerwahnte Gesetz legislative Genehmigung erhalten hatte, wurde Ende 1885 eine Quote von nom. 3,650.000 fl. zum Curse von 88-25 an die Boden-Creditanstalt begeben. *) Seit dem Jahre 1884 waren noch folgende Localbahnen in den Staatsbetrieb libergegangen: St, PSlten-Tulln, 45-8 km ; Asch-Rossbach, 15 km\ Fehring-Furstenfeld, 20 km; Wels-Aschach, 20-3 km. gesprochene Erstreckung derWirk- samkeit des Gesetzes [vom 25. Mai 1883] betreffend die Gebtihren- erleichterungen bei Conver- tirungen von Eisenbahn-Prioritatsobli- gationen begegneten keinerlei Schwierig- keiten. Bei dem nachsten Versuche, ein grosse- res Vorhaben in die That umzusetzen, stiess die Regierung jedoch abermals auf den Widerstand der sie bekampfenden politischen Parteien. Die Spannung war eben eine hochgradige. Das Handels- ministerium hatte das am 26. April 1884 »in Betrelf der Betriebsubernahme und der eventuellen Einlosung der Dux-Boden- b a c h e r und der Prag-Duxer Bahn« mit diesen Gesellschaften geschlossene Uebereinkommen [siehe Seite 302], am 25. Januar 1885 der Reichsvertretung vorgelegt, um mit der legislativen Ge- 24* 372 Ignaz Konta. nehmigung desselben die Handhabe zur bleibenden Einverleibung dieser Bahnen in das staatliche Betriebsnetz zu ge- winnen. Das »sterbende Abgeordneten- haus« •vvollte aber nach den Aufregungen, welche die Nordbahn -Debatte hervor- gerufen hatte, nicht in die Behandlung der Vorlage eintreten, sondern dieselbe dem neu zu wahlenden Parlamente tiber- lassen. War schon dies von keiner guten Vorbedeutung, so liess die, anlasslich der Neuwahlen eingetretene Verscharfung der politischen Gegensatze noch weniger einen ruhigen Gang der parlamentarischen Erorterungen gewartigen, umsoweniger als der Fiihrer der Linken bereits bei jener Debatte sich auch mit den Duxer Bahnen befasste und der beziiglichen Vorlage eine eingehendere Wiirdigung verheissen hatte. Es kam auch wirklich, gleich nachdem der Gesetzentwurf am 2. October 1885 dem neugewahlten Ab- geordnetenhause vorgelegt und von diesem an den Eisenbahn-Ausschuss liberwiesen worden war, zu heftigen Auseinander- setzungen, die bei den am 16. Februar 1886 begonnenen Berathungen im offenen Hause bis zu Angriffen personlicher Art gegen den Handelsminister auswuchsen. Die ganze Vergangenheit der Prag- Duxer Bahn und die Entstehung ihres Verhaltnisses zur Dux-Bodenbacher Bahn \vurde aufgerollt, das Uebereinkommen als ftir den Staat schadlich bezeichnet und eine Reihe privater Angelegenheiten in Erorterung gezogen, was die Erregung immerfort steigerte. Der Handelsminister wies naturlich die gegen ihn selbst erhobenen Vor- wtirfe entriistet und mit Scharfe zuriick; die Regierungsvertreter legten mit iiber- zeugenden Worten die Erspriesslichkeit der Einbeziehung der beiden Duxer Bahnen in das staatliche Betriebsnetz dar, wie auch die vortheilhafte Weise, in welcher dies vermoge des Uebereinkommens be- \virkt wurde und die Redner der Majoritat bemiihten sich zur Geltung zu bringen, dass es sich um eine nutzliche Fort- setzung der, seitens der Gegenpartei an¬ lasslich derNordbahn-Debatte so dringend befiirworteten Verstaatlichungs-Thatigkeit und nicht [wie Dr. Rieger voli Unmuth ausrief] um den »Ankauf von Vor- geschichten« handle. Dessenungeachtet dauerte es drei Sitzungstage, bis die Redeschlacht aus- getobt hatte und die Debatte wieder auf das sachliche Gebiet zuriickgefiihrt war. Dann ergab sich auch rasch die Annahme der Vorlage [26. Februar], welche nun am 11. April 1886 die a. h. Sanction zum Gesetz erhielt, und in der am 27. April verfugten, beziehungsweise am 1. Mai 1886 vollzogenen bleibenden Uebernahme der beiden Bahnen in den Staatsbetrieb sogleich ihre praktische Nutzanwendung fand. Das Verstaatlichungs - Princip stand also wieder auf vollkommen festem Boden, den es seither auch nicht mehr verlassen hat. Allein die Vorgange, unter denen es den wichtigen Sieg errungen, ver- leideten dem Handelsminister, Felix Frei- herrn von Pino, sein Amt; er trat am 16. Marž 1886 zuriick. Seine Verdienste um das osterreichische Eisenbahnwesen aber blieben fiir immer unbestreitbare; denn unter seiner mehr als funfjahrigen Amtsfiihrung wurden die Arlbergbahn und die Galizische Transversalbahn gebaut, und die Bohmisch - Mahrische Transversalbahn sichergestellt, hat das Localbahmvesen seine erste Ausbreitung erhalten und die Verstaatlichung ihren ersten grossen Weg zuriickgelegt. Die letzte von diesem Minister ver- tretene Eisenbahn-Vorlage betraf die Ver- mehrung des Fahrparkes der k. k. Staats- bahnen [Gesetz vom 26. Juli 1886], von \velcher im nachsten Abschnitte ausfiihr- licher die Rede sein \vird. Vortibergehend war nun die Leitung des Handelsministeriums dem Sections- chef Karl Freiherrn von Pusswald anvertraut, der hiemit seine langjahrige, an Arbeit und Miihen, aber auch an Erfolgen und Ehren reiche Beamtenlauf- bahn abschloss, von welcher 36 Jahre auf den Eisenbahndienst, beziehungsweise auf die Amtsthatigkeit in der Eisenbahn- Abtheilung des Handelsministeriums ent- iielen, wo er die ganze Stufenleiter vom Concepts-Adjuncten bis zum Sectionschei erstieg, sich allseitige Hochachtung und Werthschatzung erwarb, und wiederholter a. h. Auszeichnungen zu erfreuen hatte. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 373 Abb. 173. Tieferlegung der Wiener Verbindungfsbahn und Bau des Tunnels im Jahre 1873. [Nack einer photographischen Aufnahine aus der Bauzeit.] Die kurze Zwischenverwaltung endete am 26. Juni 1886 als dem Tage der Ernennung des Marquis Olivier von Bacquehem zum Handelsminister, der sein allseits geriihmtes Konnen und Wollen sofort auch der Betreuung des Eisenbahnwesens vvidmete. Er hatte dabei voraus, dass die Wege bereits geebnet waren, doch harrten auch seiner noch grosse Aufgaben. Die Hinwegraumung der Schaden und Trummer aus der Griindungs-Aera und der ihr nachgefolgten Krisis — diese schvvere Arbeit, welche bis weit in das Decennium i877bis i886binein angedauert hatte — war nahezu vollbracht, und das Verstaatlichungs\verk, welches diesem Jahrzehnt die Signatur gegeben, schon zu ansehnlicher Machtigkeit gediehen, dessen Ausbau aber noch gar lange nicht vollendet. Von dem beim Ablaufe des Jahres 1886 auf 13.656 km angewachsenen osterreichischen Eisenbahnnetze gehorten dem Staate nur 26 - 3°/o = 359 2 [Bau- lange], und die Ausdehnung der da- mals im Staatsbetriebe gestandenen eigenen und fremden Linien [zusammen 5229 km Betriebslange] betrug noch nicht ganz 38-3 °/ 0 d es vorbezifferten Umfanges des Gesammtnetzes. Es blieb also schon hier genug zu thun iibrig, nicht minder aber auch auf dem Gebiete des Localbahnwesens, dessen iippiges Emporkeimen dem Jahrzehnt seine zweite Denkvvtirdigkeit verliehen hat. 374 Ignaz Konta. III. Decennium Der Zeitabschnitt, in den wir nun- mehr eintreten, gehort erst der Halb- vergangenheit an; Personen und Dinge stehen noch in frischen Farben vor uns. Dies erleichtert den Aussenanblick, er- schwert aber in manclier Beziehung das Urtheil liber das Wahrgenommene. Wir miissen also bemiiht bleiben, unseren Betrachtungen die Unbefangenheit zu \vahren. Auf die mannigfachen Rechtshand- lungen undGesetzgebungs-Acte, aus denen die zweite Verstaatlichungs-Aera in Oester- reich hervorgegangen, aber — durch die Neuconcessionirung der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn —■ audi dem Privat- betriebe eine bis mindestens 1904 ge- sicherte Lebensdauer erwachsen ist, folgten zunachst Massnahmen zur ge- horigen Ausriistung des Staatsbetriebes. Die friiheren Eigenthiimer der meisten seiner Linien waren namlich theils wegen ihrer beengten finanziellen Verhaltnisse, theils aus Ursache der bereits ange- strebten oder vorgeahnten Verstaatlichung recht zuriickhaltend in den Ausgaben fiir Nachschaffungen undVervollstandigungen gewesen, so dass jetzt derStaatfur diese Er- fordernisse aufkommen musste. Auch sind dadurch, dass die neue Institution »im ersten Jugendfeuer allen Wiinschen des Publicums in uneingeschranktem Masse nachzukommen« bestrebt \var, bedeutende Unkosten entstanden. Der Mangel an Fahrbetriebsmittel, insbesondere auf den galizischen Linien, hatte sich sehr bald und empfindlich fiihlbar gemadit. Anfanglich glaubte man, ihm durch Anmiethung von Maschinen und Wagen abhelfen zu konnen; dies er- wies sich aber als unzureichend und zugleich unwirthscbaftlich. Es wurden daher die nothigen Nachschaffungen eingeleitet, deren Kosten allmahlich die Hohe von 5,403.000 fl. erreichten. Zur Bedeckung derselben, wollte die Verwaltung des Staatsbetriebes sich des Pensionsfonds ihrer Angestellten bedienen, in der Weise, 1887-1896. dass der Fonds die Fahrbetriebsmittel be- zahle und sie gegen eine Leihgebiihr, welche einer jahrlichen Verzinsung der Anschaffungskosten mit i°/ 0 liber dem jeweiligen Bankzinsfuss [fiir EscompteJ, mindestens aber 5 °/ 0 an den Staatsbetrieb vermiethe, unter Einraumung der Be- fugnis dieses Rollmaterial nach und nach um den Selbstkostenpreis anzukaufen. Der Fonds hatte bereits 971 Wagen bei- geschafft und weitere grosse Ankaufe vorbereitet. Als aber die Angelegenheit vor den Reichsrath kam,*) bemangelte er daran: die erst nachtraglich einge- holte verfassungsmassige Genehmigung und die Heranziehung eines Versorgungs- Institutes zu derlei Transactionen,**) was wohl das Geschaft grossentheils ruckgangig machte, im Uebrigen aber glimpflich verlief. Das Gesetz vom 26. Juli 1886 bewilligte die ganze Summe von 5,403.000 fl. und die k. k. General- Direction konnte die Nachschaffungen unbehindert vollenden. Nun handelte es sich noch um die Erlangung der Indemnitat fiir die seitens der Venvaltung des Staatsbetriebes in der Zeit von 1881 —1885 gleichfalls auf eigene Hand bewerkstelligten baulichen und sonstigen Vervollstandigungen im Kosten- betrage von wieder mehr als 5>ooo.ooo fl. Diese ihm nicht villkommene Aufgabe *) Die Vorlage war schon am 21. Februar 1885 und nachdem sie damals unerledigt ge- blieben, am 2. October 1885 zum zweiten Male eingebracht worden. Zur Verhandlung gelangte sie erst am 25. Februar 1886. Des Zusammenhanges wegen wurde die beziig- liche Mittheilung jedoch hier heruberge- nommeii. **) Diese Transactionen gaben den ersten Anstoss zu der noch im selben Jahre [29. Oe- tober] aus einem anderen Anlasse [Ankauf des Itzlinger Sagewerkes durch den Pensions¬ fonds] von dem Abgeordneten Dr. Kei), im Wege einer Interpellation vorgebrachten An- regung: dass »bei der FructificirungderFonds- capitalien die jeweils fiir die Anlage von Pupillargeldern bestehenden gesetzlichen Vor- schriften Anwendung finden sollen«, was nachher thatsachlich in den Fondsstatuten festgesetzt wurde. Geschichte der Eisenbabnen Oesterreichs 375 fiel schon dem neuen Handelsminister Marquis von Bacquehem zu. Er unterzog Hch derselben gleich bei seinem ersten Erscheinen vor dem Reichsrathe, namlich in der Eroffnungssitzung der Herbst- session vom Jahre 1886 [29. September]. Die offenherzige Rede, mit der er den damals vorgelegten gegenstandlichen Ge- setzentwurf einbegleitete, die Sachlage schilderte und die getroffenen Vorkebrun- gen gegen eine Wiederholung so nam- hafter Ueberschreitungen darlegte, ver- fehlte ihre Wirkung nicht. Und als er bei der zweiten Lesung der Vorlage [21. Mai 1887] dieselbe mit gleicher Warme vertrat, erlangte sie — wenn auch nebst mehreren Resolutionen in BetrefF der kiinftigen Aufstellung und Einhaltung; der Voranschlage u. s. w. ■— die Zustimmung des -Abgeordnetenhauses. Am 5. Juni 1887 erhielt sie die a. h. Sanction zum Gesetze. Dasselbe be- willigte »zur nachtraglichen Ausgleichung der Mehrerfordernisse« einen Betrag von 5,222.000 fl. und bereinigte hiemit zur Ganze die erste fiinfjahrige Periode des Staatsbetriebes. Sobald dies erzielt war, widmete sich der neue Handelsminister einer zweiten von friiher her anhangig ge\vesenen Frage, und zwar derSchaffung eines neuen Localbahn-Gesetzes, \vel- ches die, seit der Ausserkrafttretung des mehnnals erneuten Localbahn-Gesetzes vom Jahre 1880, entstandene Liicke aus- filllen solite und taglich dringender wurde, weil die Erganzung des osterreichischen Eisenbahnnetzes sich fortan zumeist auf dem Gebiete des Localbahnwesens voll- ziehen zu \yollen schien. Seit dem Jahre 1880 waren damals bereits 1500 km Localbahnen concessionirt und der Wett- bewerb um die Zustandebringung solcher Schienenwege nahm fortvvahrend zu. Die Regierung strebte denn auch seit Langem die Ersetzung des provisorischen durch ein dauernderes Localbahn-Gesetz an; sie brachte schon am 14. Marž 1884 eine hierauf abzielende Vorlage im Reichs¬ rathe ein und erneute dieselbe [da sie in der damaligen Session unerledigt ge- blieben] am 18. Juni 1886. Beide Gesetzentwurfe stimmten hin- sichtlich der Bau-, Betriebs- und An- schluss-Erleichterungen, dann der Be- niitzung offentlicher Strassen als Bahn- korper und der gegen billige Vergutung zu iibernehmenden Betriebsfuhrung seitens der Anschlussbahn, im Wesentlichen iiberein. Der zweite Entwurf umfasste aber alle Arten der fiir den offentlichen Verkehr bestimmten Localbahnen [aus- genommen die in einer gleichzeitig ein- gebrachten anderen Vorlage gesondert be- handelten Strassenbahnen mit Pferdebe- trieb] und liess die in der a. h. Thronrede vom 26. September 1885 betonte Fiirsorge fiir die »Erleichterung des Zustande- kommens von localen Schienenwegen« noch viel deutlicher erkennen, sorvohl durch rveitere Zugestandnisse in Bezug auf staatliche Beihilfe, die Tarife, die Leistungen ftir offentliche Zwecke [Post, Telegraph, Militar etc.], die Gebiihren- befreiung u. s. w., als auch durch die Aus- dehnung der zu gewahrenden Steuerfreiheit [von 20] bis zu ^o Jahren und die Verrin- gerung der Einschrankungen hinsichtlich der Ausgabe von Prioritats-Obligationen. Wie der friihere hat indes auch der zweite Entwurf kein besonderes Entgegen- kommen, vielmehr eine Erledigung iiber- haupt erst dann gefunden, als der Handels¬ minister, der fiir ihn wiederholt [im Eisen- bahn-Ausschusse und im Abgeordneten- hause] bestens eingetreten war, sich mannigfachen Abanderungen, insbesondere der Bestimmung, dass die Wirksamkeit des Gesetzes am 31. December 1890 wieder erloschen solle, anbequemte. Nach dem Ausspruche des Berichterstatters, Dr. v. Bilinski, scheiterte die dauernde Regelung des Localbahnwesens daran, dass iiber die gesetzliche Defiriition des Begriffes »Localbahnen«, iiber die Um- grenzung des Rechtes zur Beniitzung nichtararischer Strassen, namentlich unter Amvendung der Enteignung, und iiber die grundsatzliche Ordnung der ganzen Finanzirung solcher Bahnen eine Einigung nicht erzielt werden konnte. D as nach den Beschliissen des Abgeordnetenhauses vom 27. Mai zustande gekommene und am 17. Juni 1887 a. h. sanctionirte neue Localbahn-Gesetz \var also wieder nur ein provisorisches. Da es aber die alten Vollmachten der Regierung nicht nur wieder auf leben liess, 376 Ignaz Konta. sondern immerhin auch erweiterte, trug es bald gute Friichte, allerdings nicht mehr im Jahre 1887, in welchem iiber- haupt keine Concessionirung stattfand. Die in diesem Jahre verlautbarten Con- cessionen stammten sammtlich aus dem letzten Abschnitte des Jahres 1886 und beruhten noch auf dem alten Localbahn- Gesetze. Eine ihrer -vvichtigsten war die am 29. December 1886 an die Carl Ludwig - Bahn auf die Dauer von 65 Jahren verliehene Concession fiir die Localbahn von D e m b i c a nach Nad- brzezie nebst Abzweigung nach Roz- w a d 6 w, welche so rasch durchgefiihrt \vurde, dass die ganze Anlage [107'2 km] bereits am 30. und 31. October 1887 zur Er- offnung gelangte. Den Bau ftihrte die Unter - nehmung Frohlich aus; zur Deckung der bezuglichen Kosten von 3,500.000 fl. und sonstiger Erfordernisse diente ein 4 0 / 0 ig es , am 24. Juni 1887 zum Curse von 95‘3 an die Unionbank begebenes Prioritats-Anlehen von nom. 4,999.800 fl. Die Gesellschaft erhoffte von dieser, schon seit einigen Jahren geplanten, in das »Einmiindungsgebiet der San in die Weichsel« ftihrenden Linie eine Starkung des Verkehres der Hauptbahn, was sie auch mit der Localbahn Jaroslau-Sokal [siehe Seite 294] angestrebt, jedoch nur in geringem Masse erzielt hatte, aber weid- lich benothigte; denn vom Jahre 1885 an war ihr Wohlstand immer mehr ab- warts geglitten. Die Theilnahme der Galizischen Transversalbahn an der Giiterbewegung, die vordem ganz der alten Bahn zugefallen; die unausweichlich gewordene Ermassigung der Tarife; die verkehrshemmenden Folgen der Zoll- erhohungen — alle diese Umstande trugen dazu bei, dass die bislang ertrag- reiche Unternehmung nun ihre Actien kaum mit 5 °/ 0 und nachher gar nur mit 4°/ 0 verzinsen konnte, und der Preis der letzteren von hoch tiber dem Nennwerthe [im Jahre 1884 noch 294 bis 267] unter denselben herabging. Starken Cursabschlagen unterlagen im Jahre 1887 auch die Actien der Siid- bahn, und wurde dies auf Rechnung der Pčage-Vertrage gesetzt, \velche die Gesellschaft am 7. Juni 1887 hinsichtlich der Strecke Laibach-Divača mit der oster- reichischen Regierung [siehe Seite 347], und am 29. October 1887 hinsichtlich der Strecke Sissek - Agra m mit der koniglich ungarischen Regierung abge- schlossen hatte. Man wollte namlich die aus diesen Vertragen fliessenden Peage- Gebuhren weitaus nicht als Aequivalent fiir den bezuglichen Verkehrsentgang gelten lassen und besorgte einen erheb- lichen Ausfall am Ertragnisse. Im Gegensatze hiezu setzten die Werthe der Kaiser Ferdinands- N o r d b a h n die Aufwartsbewegung fort, obzrvar diese Gesellschaft den Geldmarkt jetzt noch bedeutend in Anspruch zu nehmen hatte. Im Jahre 1887, und zwar gleich zu Beginn desselben, bewirkte sie die Convertirung sowohl der noch im Umlaufe gewesenen 5°/ 0 igen Priori¬ teten derMahrisch-Schlesischen Nordbahn [23,729.500 fl.] als auch des 5°/ 0 igen Hauptbahn-Anlehens vom Jahre 1872 [13,362.700 fl.] in 4°/ 0 ige Anlehen von nom. 24,440.000 fl. und 15,767.000 fl. Rticksichtlich der ersteren wurden den Prioritaren nom. 115 fl. [garantirt] und riicksichtlich des letzteren nom. 118 fl. fiir je 100 fl. der alten Anlehen ange- boten, und, wiewohl die ganze Operation keine zwangsweise war, gelang dieselbe fast vollstandig schon innerhalb der an- beraumten Anmeldefrist. [10. Januar bis 7. Februar.] Mit der Convertirung war auch die Aufnahme von nom. 3,000.000 fl. zur Deckung des Mehraufwandes fiir die Mahrisch-Schlesische Nordbahn verbun- den. Die Capital-Beschaffung fiir den Bau der Localbahnen, die Dotirung der Baureserven fiir das alte Unternebmen und fiir die Herstellung des zweiten Ge- leises in der 72 km langen Strecke Ošvviecim-Oderberg folgte binnen Kurzem nach. Infolge der damaligen Triibung der ausseren Lage des Reiches war die Frage der Herstellung von Doppelgeleisen, wie uberhaupt die Aufgabe, ihre Linien so auszugestalten, dass dieselben unter allen Umstanden den staatlichen Anforderungen vollauf gerecht zu \verden vermogen, auch an andere Eisenbahn - Unternehmungen herangetreten. So vor Allem an die Erste Ungarisch-Galizische Eisen- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 377 bahn, welche das zweite Geleise legen, den Fahrpark vermehren, die Stations- Anlagen erweitern solite u. s. w. Die Mittel hiezu musste die Staatsverwaltung mit einer Garantie-Erhohung aufbringen helfen. Die beziiglichen Verhandlungen mit der Regierung reichten eigentlich bis in das Jahr 1886 zuriick, wurden aber dadurch gehemmt, dass fiir die ungarische Strecke gleiche Auslagen zu machen waren, die Bedeckung aber ein- heitlich erfolgen solite. Die koniglich ungarische Regierung \vollte zwar das zweite Geleise vorlaufig nur in der 4 km langen Theilstrecke Mežo Laborcz-Vidrany ausgeftihrt, hin- gegen die Refundirung alterer Posten wie auch die Deckung der in den nachsten zehn Jahren nothwendig werdenden In- vestitionen in die Geldbeschaffung mit- einbezogen wissen, und diesfalls eine die Verzinsung und Tilgung 4°/ 0 iger Priori¬ teten im Betrage von nom. 2,200.000 fl. deckende Garantie-Erhohung um jahrlich 92.903 fl. 80 kr. gewahren. Erst nachdem das beziigliche Ueber- einkommen am 21. Januar 1887 abge- schlossen worden war, konnten die Ver¬ handlungen mit der osterreichischen Regierung fortgesetzt und beendet werden. Dieselben gingen jedoch jetzt tiber den urspriinglichen Rahmen hinaus, weil auch die osterreichische Regierung zugleich fiir die Fundirung sowohl der frtiheren als auch der noch nachfolgenden Investitionen vorzusorgen wtinschte. Es wurde ver- einbart, dass die osterreichische Garantie um den Betrag von jahrlich 481.410 fl. 60 kr. erhoht werde, und dass das auf Grund dieser Annuitat aufzunehmende 4°/ 0 ige Prioritats - Anlehen von nom. 11.400.000 fl. zu Riickzahlungen im Ge- sammtbetrage von 3,209.592 fl. 82 kr. [darunter den Staatsvorschuss von 1.800.000 fl. aus dem Jahre 1875] sowie zur Deckung der Kosten des zweiten Geleises, dann der Fahrpark-Vermehrung und kiinftiger Investitionen dienen solle. Auch hatte die Regierung sicli die Ab- anderung einiger Concessions-Bestimmun- gen ausbedungen, so namentlich, dass beim Erloschen der Concession auch das gesammte bewegliche Zugehor der Bahn unentgeltlich an den Staat uberzugehen habe. [Uebereinkommen vom 10. Juni 1887.] Nachdem diese Vereinbarungen die le- gislative Genehmigung erhalten hatten, und zwar ungarischerseits mittels des am 6. Juni a. h. sanctionirten Gesetzartikels XXXIII vom Jahre 1887 und osterrei- chischerseits mittels des Gesetzes vom 13. Juni 1887, traf die Gesellschaft Vor- sorge fiir die Begebung des aufzuneh- menden 4°/ 0 igen Prioritats-Anlehens im Gesammtbetrage von nom. 13,600.000 fl., welche am 22. September 1887 imWege einer Offertverhandlung bewerkstelligt wurde. Ersteher blieb die Gruppe Anglo- Oesterreichische Bank und Niederosterrei- chische Escomptebank mit dem von ihr angebotenen Uebernahmscurse von 87' 57 1 / 2 fhr je nom. 100 fl.*) Der An- lehenserlos stellte sich also etwas hoher als veranschlagt gewesen, namlich auf 11,910.200 fl., wovon der Gesellschaft nach Begleichung der Schuldigkeiten [3,501.565] und Bedeckung der im Jahre 1887 bewerkstelligten Anschaffungen und Bauten [3,623.275 fl.] noch 4,785.757 fl. pro 1888 und die folgenden Jahre ver- blieben. Die Kosten der nachtraglich verfugten Legung des Doppelgeleises in der ganzen ungarischen Strecke hat die koniglich ungarische Regierung aus der auf Grund des Gesetzartikels XVII vom Jahre 1888 ftir mehrere Bahnen aufge- genommenen Sonderanleihe gedeckt.**) Bei der Herstellung des Doppel¬ geleises auf der osterreichischen Strecke war die Mitwirkung der Gesellschaft nur eine geringe; denn iiber Anordnung des Handelsministeriums besorgte die k. k. General-Direction der Oesterreichischen Staatsbahnen die Ausfiihrung, damit die Gesellschaft iiberhoben sei, fiir die kurze Zeit dieser Arbeiten ein eigenes Bau- personale aufzunehmen.. Die letzteren waren in Losen an mehrere Unternehmer vergeben und mit aller Beschleunigung *) Im Mai 1888 legten die Banken das Anlehen zum Curse von 88'25 zur Offent- lichen Zeichnung auf, wie damals behauptet wurde, mit gutern Erfolge. **) Die Erste Ungarisch-Galizische Eisen- bahn erhielt eine neue Garantiequote von jahrlich 301.980 Reichsmark und demzufolge einen Darlehensbetrag von 6,230.800 Reichs¬ mark zugeschieden. 378 Ignaz Konta. vollendet worden, so zwar, dass die Doppelspur in der Strecke Przemyšl- Chyrow-Zagorz [98 km] am 13. Januar und in der Strecke Zagorz-Lupkow [48 km] am 5. Juli 1888 eroffnet werden konnte. Auf der ungarisclien Strecke leitete die Gesellschaft selbst den Bau, der in dem Fragmente bis Vidrany [4 km] schon am 1. December 1887 und in der iibrigen Strecke bis Legenyi-Mihalyi [115 km] binnen sechs Monaten [i.Juni bis 29. No¬ vember 1888] beendet wurde. Riicksichtlich der anderen Bahnen, welche derlei Ausriistungen in grosserem Massstabe vorzunebmen hatten, \vird die betreffende Mittheilung spaterhin, an zeit- gerechter Stelle folgen. Hier sind noch mehrere Vorkomm- nisse des Jahres 1887 besonders hervor- zuheben, und zwar: Der Uebergang einerweiteren Anzahl von L o c a 1 - bahnen in den Staatsbetrieb;*) der Beginn der Wirksamkeit der inter- nationalen Vereinbarungen tiber die »technische Einheit im Eisen- bahnwesen«, nachdem die in der Berner Conferenz vom 15. Mai 1886 beschlossenen Normen hinsichtlich der Spurweite der Geleise, der Construction der Fahrbetriebsmittel und der zollsiche- ren Einrichtungen der Eisenbahnwagen am 1., beziehungs\veise 10. Februar 1887 amtlich verlautbart worden waren [Kundmachung des Handels- und be- ziehungsweise Finanzministeriums]; die mittels Gesetzes vom 19. Marž 1887 er- folgte Regelung der Steuerpflicht der Oesterreichischen Staats- b ah ne n, wonach dieselben, falls sie nicht zeitliche Steuerbefreiung geniessen, der Erwerb- und Einkommensteuer zu unterziehen und hiedurcn zur Entrichtung der Gemeinde- und Landessteuern ge- halten sind; die auf Grund der kaiser- lichen Verordnung vom 19. September [und Kundmachung des Gesammtmini- steriums vom 8. November] 1886, be- *) Es waren dies die der Oesterreichi¬ schen Local-Eisenbahn-Gesellschaft angehor- ten Linien: Elbogen-Neusattel, 5'3 km, Cho- dau-Neudek, 137 km, Kaschitz-Radonitz, 4 km, Nusle-Modran, I2'i km, Olmtltz-Čelle- chowitz, 35’8 km, Bohmisch Leipa-Niemes, i8'3 km, fernerPotscherad-Wurzmes, 17-2 km. treffend die Unpfandbarkeit der Fahrbetriebsmittel erfolgte und mittels Verordnung des Justizministeriums vom 31. Marž 1887 verlautbarte Aus- wecbslung von Reciprocitats-Erklarungen mit dem Deutschen Reiche, durch welche die Freiztigigkeit der beiderseitigen Eisen- bahn-Fahrzeuge gevvahrleistet und der speculativen Industrie der Gouponprocesse [siehe Seite 279] das Hasslichste ihrer Zwangsmittel entwunden wurde. Eine gleiche Vereinbarung mit Italien enthiilt der Handels- und Schiffahrts-Vertrag vom 27. December 1887. Auch die Reform der Vorschrif- ten fiir den Bau von Eisenbahn- briicken brachte das Jahr 1887, und zwar mittels der Verordnung des Handels- ministeriums vom 15. September, »be- treffend die Sicherheitsriicksichten, welche bei Eisenbahnbriicken, Bahnuberbriickun- gen und Zufahrts-Strassenbriicken zu be- obachten sind«. Im ersten Jahrestheile verursachten Todesfalle Personal-Veranderungen in den obersten Posten zweier Bahnen. Nach langer Krankheit verschied am 30. April der vieljahrige Director der Aussig- Teplitzer Bahn, Friedrich Edler v. Em- perger, zu dešsen Nachfolger am 19. Juli der Ober-Inspector, Leonhard Schweigert ernannt wurde. An den Folgen eines kurz vorher erlittenen Ab- sturzes in einem Maschinenraum starb am 8. Mai 1887 der General-Director der Bohmischen Nordbahn, Georg Loew, der seit der Griindung dieser und der jetzt mit ihr vereinigten Turnau-Kralup- Prager Bahn an der Spitze ihrer Ge- schaftsleitungen gestanden und sich auch in weiteren Kreisen grosser Beliebtheit erfreut hatte. Seine Stelle blieb fast ein Jahr lang unbesetzt. In dieser Zeit fiihrte der Ober-Inspector Franz Lat die Ge- schafte. Am 17. April 1888 wurde der friihere General-Director der Kaschau- Oderberger Bahn, Regierungsrath Arthur Vicomte de M a is tre, der aus Anlass eines allen Beamten die vollkommene Kennt- nis der magyarischen Sprache vorschrei- benden Erlasses der koniglich ungarischen Regierung [2. October 1887] dort seine Demission nehmen musste, zum General- Director der Bohmischen Nordbahn be- Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 379 rufen. Ihn ersetzte bei der Kaschau- Oderberger Babn der Ober-Inspector der koniglich ungarischen General-Inspection, Peter Rath, in der Eigenschaft eines »geschaftsfiihrenden Directors«, da die General-Director-Stelle aufgelassen wor- den war. Am Schlusse des Jahres hat das von dem Professor Dr. Lorenz Ritter v. S tein gegriindete und seit einem Vierteljahr- hundert herausgegebene »Centra 1 - blatt ftir Eisenbahnen und Dampfschiff- fahrt« • [siehe Seite 64] zu bestehen auf- g e h o r t, nachdem das Handelsministe- rium mittels Kundmachung vom 22. No¬ vember 1887 anordnete, dass die vor- eeschriebene Verlautbarung von Tarif- begiinstigungen im Eisenbahn-Giiterver- kehre etc. nunmehr in dem amtlichen, vom 1. Januar 1888 erscheinenden »Ver- o r d n u n g s b 1 a 11 desk. k. H a n d e 1 s- ministeriums f ti r Eisenbahnen und Schiffahrt« zur Veroffentlichung gelangen sollen, \velches zugleich zur Verlautbarung auch anderer amtlichen und sonstigen Mittheilungen in Eisenbahn- und Schiffahrts-Angelegenheiten zu dienen hat. Zur \veiteren Pflege des wissen- schaftlich-literarischenTheiles des friiheren Centralblattes gab Professor v. Stein hierauf die »Zeitschrift fiir Eisenbahnen und Dampfschiffahrt« heraus. Mit dem Jahre 1888 begannen die Concessionirungen auf Grand des neuen Localbahn-Gesetzes, die drei Jahre hin- durch ungestort ihren Fortgang nahmen und vielen altgehegten Wiinschen die Erfiillung brachten. Den Anfang rnachte die Steyrthalbahn, welche die e r s t e dem allgemeinen Verkehre dienende Schmalspurbahn Oesterreichs ist und als »Sinnbild des im Einklange mit dem Regierungsprogamme vom Jahre 1885 stehenden Bruches mit dem starren Fest- halten an der Normalspur« eine be- sondere Bedeutung gewann. Dann folgte eine grosse Reihe anderer Localbahnen, darunter zehn, zu deren Ausfuhrung die Kaiser Ferdinands - Nordbahn sich in ihrem Uebereinkommen mit der Regierung vom 10. Januar, beziehungs- weise 17. Juli 1885 [siehe Seite 364] verpflichtet hatte, ferner zwei kleine Ver- bindungsstrecken der Staatseisen- bahn-Gesellschaft, u. s. w. Auch auf Grand von Special-Gesetzen fanden Concessionirungen von Localbahnen statt, von denen hier nur jene der Linie Eisenerz - Vordernberg hervor- gehoben wird, *) weil bei derselben, wegen ihrer Wichtigkeit fiir die um den Erz- berg gruppirte Eisenindustrie, zum ersten Male nach langer Zeit ivieder die Ge- wahrung einer Staatsgarantie in An- vvendung kam. Die Kaiser Ferdinands-Nord- bahn, deren Bauthatigkeit sich nun auf die Localbahnen erstreckte, sorgte un- verweilt fiir die beziigliche Geld- beschaffung. Nach den Beschliissen der ausserordentlichen Generalversammlung vom 20. August 1885 solite zum Zwecke der Enverbung der Linie Weisskirchen- Wsetin [siehe Seite 367] und des Baues von Localbahnen ein 4°/ 0 iges Prioritats- Anlehen im Betrage von nom. 12,300.000 fl. aufgenommen werden. Da aber durch die Verlangerung der Linie Bielitz- Wadowice bis Kahvarja [siehe Seite 366] und durch die vermehrte Anzahl der in Aussicht genommenen Localbahn-Bauten das Erfordernis gewachsen \var, beschloss die Generalversammlung vom 26. Mai 1888 jenes Anlehen in der Summe von nom. 20,000.000 fl. aufzunehmen. Der Verwaltungsrath vollzog diesen Beschluss und begab am i.Juli 1888 einen Theil- betrag von 8,000.000 fl. zum Curse von 98^ an die Actionare der Gesellschaft. Zur Deckung der schon friiher erwahnten sonstigen Erfordernisse [Legung des Doppelgeleises in der Strecke Oderberg- Osvviecim, Dotirung der Baureserven etc.] bewilligte dieselbe Generalversammlung die Aufnahme eines anderen 4°j 0 igen Anlehens im Betrage von nom. 15,000.000 fl., welches jedoch erst im Juli 1891 emittirt und wieder im Theilbetrage von 7,500.000 fl. an die Actionare der Ge¬ sellschaft zum Curse von 98°/ 0 begeben wurde. Die am 10. Juli 1888 an die Unternehmungen Briider Redlich und Berger, Pis chof und Lowenthal iiber- tragene Herstellung des gedachten zweiten *) Vgl. auch im Bd. I, 2. Th., den Ab- schnitt iiber »Oesterreichs Localbahnen« von P. F. Kupka. 380 Ignaz Konta. Geleises gelangte grossentheils noch im Jahre 1888 zur Vollendung. Bedeutende Ausriistungen musste aus der obenerwahnten Ursache auch die Kaschau-Oderberger Bahn be- werkstelligen. Die Grundlage zur Geld- beschaffung hiefiir gaben jedoch in ahn- licher Weise und unter analogen Be- dingungen, wie bei der Ersten Ungarisch- Galizischen Eisenbahn die beiderseitigen Staatsverwaltungen. Die koniglich unga- rische Regierung gewahrte in Gemassheit des Gesetzartikels XVII vom Jahre 1888 und des Uebereinkommens vom 8. Juni 1888 eine Special-Garantie von jahrlich 362.292 Reichsmark und vermoge dieser eine Zuweisung von nom. 7,477.000 Reichsmark aus der von ihr selbst zum Curse von 91'36°/ 0 iibernommenen In- vestitions - Anleihe. Daraus deckte die Gesellschaft die Riickzahlungen der von der koniglich ungarischen Regierung er- haltenen Vorschiisse [1,615.960 fl.] sowie anderweitige Schulden im Betrage von 837.000 fl. und die Kosten der In- vestirungen. Oesterreichischerseits erhielt die Gesellschaft auf Grund des Ueber¬ einkommens vom 3. Mai und des Ge- setzes vom 25. Juni 1888 eine Erhohung der Staatsgarantie um jahrlich 232.778 fl., welche die Unterlage fiir ein 4°/ 0 iges Prioritats-Anlehen von nom. 5,500.000 fl. bildete. Dasselbe wurde von der Gruppe der Allgemeinen osterreichischen Boden- Creditanstalt zum Curse von 91% fest tibernommen. Aus dem Erlose zahlte die Gesellschaft die restlichen Garantie- Vorschtisse fiir die osterreichische Strecke [einschliesslich derZinsen] von 2,530.1431!. zuriick, *) desgleichen sonstige Schulden im Betrage von 495.668 fl., wo ihr dann noch 1,979.190 fl. fiir die Investitions- Erfordnisse verblieben. Die genannte Bankengruppe vollftihrte auch die Convertirungen der gesellschaft- lichen Anlehen, nachdem die beztiglichen Verhandlungen sich seit Jahr und Tag *) Fiir die Osterreichische Strecke wurde die Staatsgarantie schon seit dem Jahre 1879 nicht mehr in Anspruch genommen; vielmehr leistete die Gesellschaft aus dem Anlehen vom Jahre 1879 schon eine Abstattung von 173.172 fl. Siehe Bd. II, Dr. Ritter v. Wittek, »Oesterreichs Eisenbahnen in der Staatswirth- schaft« S. 23. hingezogen hatten. Eine erste Verein- barung war schon am 29. Mai 1886 zu- stande gekommen; doch blieb ihr die Genehmigung der koniglich ungarischen Regierung versagt, welche gunstigere und minder verwickelte Bedingungen verlangte, nach anderer Lesart aber, auch \veil sie die vom koniglich ungarischen Finanz- minister Grafen Szapary damals geplante »grosse ungarische Gonvertirung« nicht durch gleichartige pri vate Operationen be- einflussen lassen wollte. Dies hatte zur zur Folge, dass die Gesellschaft die Couponstempel-Gebiibr fiir die Prioritats- Obligationen, deren sie anlasslich der Convertirung ledig zu \verden hoffte, noch weiter aus Eigenem tragen musste, da die versuchte Ueberwalzung auf die Prioritaten - Besitzer nicht gelang. Die Convertirung wurde thatsachlich erst dann moglich, als die koniglich unga¬ rische Regierung die Umvvandlung der 5°/ 0 igen staatlichen Schuldtitel in minder verzinsliche Werthe schon zum bedeuten- den Theile bevvirkt hatte. Nach einigen taktischen Wendungen stellte die ge¬ nannte Bankengruppe, der iibrigens auch die letztervvahnte grosse Operation an- vertraut gewesen, neue Antrage, auf Grund deren nun am 26. October 1888 die endgiltigen Convertirungs-Verein- barungen abgeschlossen wurden, vermoge welcher die neu auszugebenden Oblica- tionen volle Stempel- und Gebiihren- freiheit geniessen, die Banken von dem Convertirungs-Gewinn einen Betrag von 1,600.000 fl. an die beiderseitigen Re- gierungen, beziehungsvveise der Gesell¬ schaft iiberlassen sollten, letztere aber sich verpflichtete, die Stempelfreiheit der Prioritaten-Coupons zu erwerben, was ihr durch Entrichtung einer mit 194.000 fl. vereinbarten Pauschal-Abfindung an die koniglich ungarische Regierung gelang. Daraufhin erfolgte mittels des aus der Vorlage vom 26. Februar 1889 hervor- gegangenen Gesetzartikels X vom Jahre 1889 die Bewilligung der Gebiibren- und Stempelfreiheit fiir die neuen Titel und gleich einen Tag nach der a. h. Sanc- tionirung desselben, also am 28. April 1889 die Convertirungs - Verlautbarung mit der Anmeldefrist bis 7. Mai 1889 und mit dem Angebote von nom. 110'50 fl. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 38 l 4°/ 0 ig e fiir je nom. 100 fl. alte 5°/oige Silberprioritaten, beziehungsweise nom. 21C40 Reichsmark 4°/' 0 ige fiir je nom. 100 fl. 5°/ 0 ige Goldobligationen. Fiir die noch im Umlaufe gewesenen 5°/ 0 igen Silberobligationen vom Jabre 1868 und 1879 im Gesammtbetrage voii nom. 39,149.800 fl. und die 5°/ 0 igen Gold¬ obligationen vom Jahre 1879 im Betrage von nom. 6,735.600 fl. wurden 4°/ 0 ige Titel von nom. 47,140.800 fl., beziehungs- weise nom. 16,541.400 Reichsmark aus- gegeben. Angeregt von dem Erfolge dieser Convertirung hat die Gesellschaft im Juni 1891 auch die 5 u /oigen Silber¬ prioritaten der Eperies-Tarn6wer Bahn [im ursprtinglichen Betrage von nom. 4,285.200 fl.] und ihre Antheile an der 5, beziehungsweise 4 1 / 3 °/oig en ungarischen Goldinvestitions-Anleihe vom Jahre 1876 und 1888 in 4°/ 0 ige Anlehen gleicher "VVahrung umgewandelt. Verhandlungen grundsatzlicher Natur pflog die Regierung im Jahre 1888 auch mit der Oesterreichisch - Ungarischen Staatseisenbahn-Gesells chaft. Gegenstand derselben war die Revision der Formel fiir die Ermittlung des Rein- ertragnisses des Erganzungsnetzes, nach- dem die Geltungsdauer des im Jahre 1883 fiir die Zeit von fiinf Jahren festgesetzten Coefficienten abgelaufen war. Die Ver¬ handlungen fanden darnit ihren Abschluss, dass in dem Protokollar-Uebereinkommen vom 30. December 1888 ein fiir die Jahre 1888—1892 geltender neuer Schliissel zur Berechnung der Betriebs- Ausgaben aufgestellt, fiir die Briinn- Rossitzer Bahn aber die Riickzahlung aller noch aushaftenden Garantie - Vor- schtisse bedungen wurde. Ungleich mehr als diese glatt abge- wickelte Angelegenheit beschaftigte da- mals das seit zwanzig Jahren unablassig verfolgte Orientbahn-Project die Gesell¬ schaft. Obzwar die alten Plane einer Fortsetzung ihrer ungarischen Linien bis und durch Serbien, beziehungsweise Ru- manien zum Anschlusse an die tiirkischen Bahnen und einer Pachtung der letzteren langst gescheitert waren, hatte sie sich des Gedankens an die Ervverbung des Besitzes oder doch Betriebes jener Bahnen noch immernichtzu entschlagen vermocht. Im Mai 1887 versuchten der Verwaltungs- raths-Prasident Ed. J o u b e r t und der Di- rector de S er res neuerdings in Constan- tinopel Verbindungen anzukntipfen, von denen sie Vieles erhofften. Hierin ge- tauscht traten sie nachher mit dem Haupt- interessenten der tiirkischen Bahnen, Baron Hirsch, in Verhandlungen ein, \velche die Enverbung der Actien der Betriebs-Ge- sellschaft dieser Bahnen und deren Um- wandlung in eine osterreichisch-unga- rische Unternehmung bezweckten. Dem widersetzte sich zwar das Pariser Comite der Staatseisenbahn-Gesellschaft und verlangte, dass zugewartet werde, bis die zwischen der Pforte und Baron Hirsch schwebenden Streitigkeiten ihren Austrag gefunden haben wiirden. Sowie dies durch den Schiedsspruch Professor Gneisfs geschehen und die Lage geklart \var, diinkte dem* Verwaltungsrathe der Ab¬ schluss des Geschaftes so nahe geriickt, dass er eine ausserordentliche General- versammlung zur Beschlussfassung liber dasselbe einberief. Sie wurde aber nicht abgehalten und erst im August 1889 kam ein Vorvertrag zu Stande, welcher die finanziellen Bedingungen, bei denen es sich um die Beschaffung eines Capi- tales von 85,000.000 Francs handelte, feststellte und der Staatseisenbahn-Ge¬ sellschaft die Rolle der Betriebs-Gesell- schaft der Orientbahnen zudachte, wofiir sie Actien dieser neuen Gesellschaft im Betrage von 25,000.000 Francs iiberneh- men solite. Als jedoch die osterreichischeVereins- commission, welche wegen der Aban- derung der Statuten der Staatseisenbahn- Gesellschaft befragt werden musste, Schwierigkeiten machte und liberdies Baron Hirsch noch mit dem Verlangen nach Sicherung der 5 %i& en Verzinsung der Prioritats-Actien hervortrat, zerschlug sich die Sache abermals und endgiltig. Nun wurde sie in der Oeffentlichkeit lediglich als eine fehlgeschlagene Privat- Angelegenheit JouberPs bezeichnet. Ob damit der Gesellschaft ein Dienst erwie- sen wurde, muss wohl dahingestellt blei- ben, denn es konnte ihr nicht gleich- giltig sein, als williges Werkzeug eines Speculanten zu erscheinen. Hort aber — wie nicht anders moglich —jeder Zweifel 382 Ignaz Konta. dariiber auf, dass die Gesellschaft mit ihren vieljahrigen Bestrebungen nur dem eigenen Interesse dienen wollte, dann dtirfte sie den Misserfolg umso harter empfunden haben, als die grosse Schienen- strasse nach dem Goldenen Hom inzwi- schen ganzlich vollendet worden war. Es hatte lange gedauert und viele Verhandlungen erfordert, bis die »Con- fšrence a quatre« die Ausfuhrung der im Berliner Vertrage vom 8. Juli 1878 enthaltenen Bestimmungen iiber den Aus- bau der Orientbabnen zu Wege brachte. Serbien kam seinen Verpflichtungen willig nach. Bulgarien und die Ttirkei saumten. Erst nach endlosen Bemiihungen der »Conference« gelang es auch, diese Lan- der zur Erfullung ihrer Obliegenheiten zu bewegen; sie verpflichteten sich in der Convention vom 9. Mai 1883 zur Fertigstellung ihrer Linien bis 15. Octo- ber 1886. Der serbisch-bulgarische Krieg und die inneren Wirren in Bulgarien ver- ursachten neue Verzogerungen. Wahrend Serbien schon am 14. September 1884 die erste Linie [Belgrad-Nisch] dem offent- lichen Verkehre iibergab, folgten Bul¬ garien und die Tiirkei erst im Jahre 1888 nach. Am 18. Mai fand die Eroffnung der Linie [Nisch-jVranja-Ueskiib-Salonichi statt; am 12. August 1888 vereinigte ein von der bulgarischen Regierung zur Weihe des \veltgeschichtlichen Ereignisses ver- anstaltetes glanzendes Fest, dieausWien, Budapest, Belgrad und Constantinopel in der Hauptstadt Bulgariens eingetroffenen Gaste — und Tags darauf, am 13. August .1888, ging von Sophia aus der erste di- recte Zug nach Constantinopel ab. Der Traum: »Morgen- und Abendland mit einem Schienenstrange zu verkniipfen«, war nun verwirkliclit. Um die neuerschlossenen grossenVer- kehrswege dem Handel der osterreichisch- unsiarischenMonarchie bestmoglichst nutz- bar zu machen, hatten die beiderseitigen Staatseisenbahn-Vertvaltungen es unter- nommen, sovvohl die technischen als ins- besondere auch die commerziellen Ein- richtungen des Betriebes der ganzen, von den aussersten Grenzen Oesterreich-Un- garns bis Constantinopel und Salonichi reichenden Transitroute einheitlich zu ge- stalten. Ein Erfolg wurde jedoch sogleich nur in ersterer Beziehung erzielt. Nach Jahresfrist gelang dann noch, die hierzu- lande geltenden Transport-Vorschriften [inclusive Warenclassification, Betriebs- reglement etc.] auf den orientalischen Bahnen einzubiirgern; die Erstellung wohlfeiler Tarife fiir den Durchzugsver- kehr wollte jedoch nicht glucken und die alten Wasserwege konnten die Concurrenz behaupten. Die von der neuen Welt- strasse ertvarteten, umfassenden Vortheile blieben also hinsichtlich des Giiter-Tran- sits vorlaufig aus, und auch von einer dominirenden Einflussnahme auf denselben fiel den osterreichischen und ungarischen Staatsbahnen nur wenig zu. Im heimatlichen Bereiche erhielt da- gegen der osterreichische Staatsbetrieb zu jener Zeit eine weitere Ausbreitung. Am 26. Februar, beziehungsweise 1. Oc- tober 1888 iibergingen concessions- gemass die eben eroffneten Strecken Nieder-Lindewiese-Ziegenhals [25-4 km] undNieder-Lindewiese-Hannsdorf[30'5/em] der von der Oesterreichischen Localeisen- bahn-Gesellschaft mit staatlicher Unter- sttitzung erbauten Localbahn Haunsdorf- Ziegenhals, welche zufolge des Staats- vertrages mit dem Deutschen Reiche vom 14. Marž 1885 *) in Ziegenhals an das preussische Bahnnetz anschliesst, in den Staatsbetrieb — und nach Kiindigung der betreffenden Betriebsvertrage gelangten auch die staatlichen Localbahnen [siehe Seite248] Miirzzuschlag-Neuberg[i 14 km] und Unter-Drauburg-Wolfsberg [38 km], welche von der Siidbahn, dann Erbers- dorf-Wtirbentbal [204 km] und Kriegs- dorf-Romerstadt [i3'8 km], welche von der Mahrisch-Schlesischen Centralbahn betrieben wurden, ab I. Januar 1889 in die eigene Regie des Staatsbetriebes. Ueberdies begann auch die Fort- setzung der Verstaatlichungs- thatigkeit, welche •— bedeutsamer Weise — jetzt »gemeinsame«, namlich solche Bahnen betraf, die in beiden Reichshalften gelegen waren, jedoch ein einheitliches Capital und eine einheitliche Verwaltung besassen nnd dieserwegen, *) Mittels diesesStaatsvertrages sind auch die Anschlusse : Mittelstein - Ottendorf [Braunau], Barzdorf-[Heinersdorf]Ottmachau und Ratibor-Troppau gesichert worden. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 383 wie auch weil sie als das »eiserneBand« der beiden Staatsgebiete gegolten hatten, gegen jede vorzeitige, das heisst vor Ab- lauf der concessionsmassigen Fristen ein- tretende Trennung und Einlosung gefeit schienen. Als die k. ungarische Regierung das gemeinscbaftliche Vorgehen in Anregung brachte, war in der That blos die Ueber- nahme des Betriebes auf Grund der Se- questrations-Gesetze beabsichtigt, und Staatsgarantie die Vorbedingungen fiir die Anwendung der Sequestrations-Gesetze langst erfiillt hatten. Wohl aber brachte die Erste Ungarisch-Galizische Eisenbahn am 28. September 1888 ihre vollige Ver- staatlichung in Vorschlag. . Die beiden Regierungen stimmten demselben zu und wendeten ihn auch auf die Ungarische Westbahn an. Oester- reichischerseits wurde nun darein ge- willigt, dass die in Galizien, beziehungs- Abb. 174. Wiener Verbindungsbahn nachst dem Sud- und Staatsbahnhofe nach dem Umbau im Jahre 1873. die Erlasse vom 19. August 1888, mit welchen die Regierungen der beiden Staatsgebiete, nach vorausgegangener grundsatzlicher Einigung, sowohl der Ersten Ungarisch-Galizischen Eisenbahn als auch der Ungarischen W estbahn den V erstaatlichungs-Be- schluss verkundeten, sprachen nur von einer solchen aus »betriebsokonomischen und eisenbahnpolitischen Erwagungen« gebotenen Betriebsubernahme. Jede der beiden Regierungen wollte die in ihrem Territorium befindlichen Strecken fiir Rechnung der betreffenden Gesellschaft in Verwaltung nehmen. Ein rechtlicher Einwand dagegen konnte nicht erhoben werden, nachdem beide Unternehmungen durch reichliche Inanspruchnahme der weise Steiermark liegenden Strecken der beiden Bahnen ab 1. Januar 1889 vom Staate gegen Leistung der garantirten Annuitaten ubernommen und fiir dessen eigene Rechnung betrieben werden. Mit der Ungarischen Westbahn ward ausser- dem vereinbart, dass sie zur Deckung der bereits vorgenommenen sowie der noch zu bewirkenden Investitionen iiber Verlangen der Regierung ein 4°/ 0 iges Prioritats-Anlehen von nom. 1,500.000 fl. ausgeben solle, dessen Verzinsung und Tilgung vom Staate mit einer Annuitat von 63.632 fl. garantirt oder zur Selbst- zahlung ubernommen werden wiirde. Ungarischerseits wurde die sogleiche Einlosung der dortigen Strecken gegen Zahlung der auf dieselben entfallenden 384 Ignaz Konta. Quoten zur Verzinsung und Tilgung der Actien und Prioritaten vorgezogen, jedoch mit dem Vorbehalte, dass die Erwerbung des unbedingten Eigen- thumsrechtes erst dann nachfolgen konne, bis der Staat die ihm freigestellte jeder- zeitige Einlosung aller auf die ungarischen Strecken entfallenden Actien vollzogen habe, Beide Regierungen hatten den Gesellschaften die Riickzahlung der aus dem Titel der Staatsgarantie und der Bedeckung der Betriebskosten - Abgange erhaltenen Vorschiisse*) erlassen und die Uebernahme des Personals, unter Wahrung seiner erworbenen Rechte, zugesichert.**) Auf diesen Grundlagen bauten sich die betreffenden Uebereinkommen auf, rvelche die osterreichische Regierung am 20. December 1888 mit der Ersten Unga- risch - Galizischen Eisenbahn und am 22. December 1888 mit der Ungarischen Westbahn abgeschlossen hatte***) und die Schlussbestimmung enthielten, dass, wenn die legislative Genehmigung derselben nicht bis Ende Juni 1889 erfolgen solite, die staatliche Betriebsfiihrung nach den Bestimmungen des Sequestrations-Ge- setzes vom 14. December 1877, also fiir Rechnung der Gesellschaften stattfinden wiirde. Dies trat nicht ein. Am 1. Januar 1889 wurde der Betrieb der Ersten Ungarisch - Galizischen Eisen¬ bahn und der Ungarischen W e s t- bahn von den Staatsverwaltungen ubernommen; die Actionare der beiden Gesellschaften stimmten in ihren ausser- ordentlichen Generalversammlungen vom 9., respective 17. Februar 1889 den Ueber¬ einkommen zu, und die beiderseitigen Legislativen genehmigten dieselben mittels des ungarischen Gesetzartikels XIV vom Jahre 1889 und des osterreichischen Ge- setzes vom 25. Mai 1889. *) Die Erste Ungarisch-Galizische Eisen¬ bahn schuldete damals 16,176.285 fl., die Un- garische Westbahn 4,929.438 fl. an den Oster¬ reichischen Staatsschatz. **) Wegen des von jeder der beiden Regierungen zu tibernehmenden Personal- standes hatten dieselben untereinander be- sondere Vereinbarungen getroffen. ***) Der Abschiuss der Uebereinkommen zwischen der kOniglich ungarischen Regie¬ rung und diesen beiden Gesellschaften fand am 22., beziehungsweise 23. December 1888 statt. Seitdem fiihren die beiden Gesell¬ schaften nur noch ein Scheindasein; sie sind Eigenthiimer ihrer Linien, haben aber keinerlei Befugnisse liber dieselben. Dieses Verhaltnis wird dauern, solange die betreffenden Actien bestehen; denn selbst dann, wenn die osterreichische Regierung von dem ihr, zufolge jener Uebereinkommen, schon vom 1. Januar 1889 an zustehenden Einlosungsrechte Gebrauch machen rviirde, hatte sie die Prioritats-Anlehen — nach Massgabe der mit der koniglich ungarischen Regierung zu treffenden Vereinbarung — zur Selbst- zahlung zu iibernehmen, den Actionaren aber bis zum Ablaufe der Concessions- dauer eine bestimmte Annuitat zu ent- richten ; es sei denn, dass die letztere im discontirten Capitalswerthe auf einmal zur Abstattung kame. Die sonst noch getroffenen Vor- kehrungen ftir die Erweiterung des staat- lichen Bahngebietes erstreckten sich zunachst auf die Ausarbeitung eines Ge- setzentwurfes, betreffend die Sicherstellung der Linie Jasi o-R z e s z 6 \v und der Vor- lage desselben an den Reichsrath. Die Frage der Verbindung JasIo’s mit der Carl Ludwig-Bahn an sich war jedoch schon eine alte; denn sie spielte bereits im Jahre 1864 einmal, als der galizische Landesausschuss eine ungarisch-galizische Eisenbahn von Kaschau liber Eperies und Dukla einerseits nach Przemyšl und andererseits nach Tarnoiv anstrebte, ferner in den Jahren 1865 und 1867 anlasslich ahnlicher Projectirungen seitens des Grafen Johann Waldstein und des Ftirsten August Sulkowski [siehe Seite 78]. Infolge der andersartigen Gestaltung des galizischen Bahnnetzes gerieth sie aber immer mehr in den Hintergrund, aus dem sie erst in der neueren Zeit wieder her- vorgeholt wurde. Fiirst Eustach San- guszko plante 1884 bis 1887 die Linie Dembica - Jaslo - Ungarische Grenze, und der Ingenieur Leopold Ritter von Macie- j o w s k i ein Jahr spater die Linie Rzeszow- jaslo-Dukla-Ungarische Grenze. Viele Ge- meinden petitionirten aber um die Linie Jaslo-Dembica. Im Jahre 1888 liess die Oesterreichische Credit-Anstalt die Vorarbeiten ftir eine Localbahn von Rzeszow nach Tarnowice Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 385 [nachst Jaslo] oder Jedlicze ausarbeiten, worauf der Fiirst Sanguszko sein Project ebenfalls in dieser Weise abanderte. Beide Projecte wurden Ende August 1888 der Tracenrevision unterzogen, wobei der Wunsch zum Ausdruck kam, die neue Linie aus einer mehr ostlich gelegenen Station der Transversalbahn [Jedlicze oder Krosno] ausmiinden zu lassen. Die Regie- rung wahlte aber Jaslo zum Abzweigungs- punkte, und holte nun sowobl bei der Credit-Anstalt, als auch bei dem vom Fiirsten Sanguszko inzwischen gebildeten »Landesconsortium« Erkundigungen iiber die Sicherstellung des Baues ein. Beide stellten Anforderungen, welche dessen unmittelbare Ausfiihrung auf Staatskosten als vortheilhafter erscheinen liessen. Die Regierung legte nun am 12. Marž 1889 dem Reichsrathe einen Gesetzentwurf vor, wonach die Linie Jaslo-Rzeszow als Localbahn mit einem Kostenaufwande von hochstens 5,500.000 fl. aus Staatsmitteln erbaut werden solle, und der nachste Geldbedarf hiefiir durch Verausserung der im Besitze des Staates befindlichen 7500 Actien lit. B der Buschtehrader Bahn*) zu decken sei. Wahrend der Berathung dieser Vorlage wurden noch mannigfache Begehren nach Aenderungen der Trače vorgebracht, die aber keine Annahme fanden; vielmehr erhielt das Gesetz in der von der Regierung beantragten Fassung am 20. Mai 1889 die a. h. Sanction. Drei Monate spater fand die losweise Vergebung des Baues statt; Ersteher blieben [von 29 Bewerbern] die Unter- nebmungen Frei und Genossen und Prokowicz, Kiss & Gali. Die am 23. September 1889 begonnenen Arbeiten waren binnen Jahresfrist vollendet, so dass die 70 km lange Linie am 12. October 1890 dem Betriebe iibergeben werden konnte. Ilire Anlagekosten haben 5,237.700 fl. betragen. Nicht ganz einen Monat, nachdem die eben besprochene Gesetzesvorlage vom Abgeordnetenhause angenommen *) Diese Actien a 200 fl. hatte der Staat im Jahre 1874 ftir den zum Baue der Linie Falkenau-Graslitz gewahrten Baarvorschuss al pari inZahlung genommen [sieheSeite 184]; bei der Einbringung des oben ervvahnten Ge- setzentwurfes war ihr Cursstand 335. worden war, brachte die Regierung daselbst einen die voliš tandige Riick- erwerbung der Wiener Verbin- dungsbahn bezweckenden Gesetzent- wurf ein [7. Mai 1889]. Zwei Einsechstel- Antheile derselben waren mit der Kaiserin Elisabeth-Bahn und der Kaiser Franz Josef-Bahn an die Staatsverwaltung zu- riickgelangt; einen dritten solchen An- theil hatte sie von der Kaiser Ferdinands- Nordbahn auf Grand des Uebereinkom- mens vom 10. Januar und 17. Juli 1885 [siehe Seite 364] und, zufolge der be- ziiglichen Ankiindigung vom 2. October 1886, um den Pauschalpreis von 600.000 fl., mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1887 erworben; folglich handelte es sich nur noch um drei [‘/ c -]Antheile. Von den Besitzern derselben [siehe Seite 133] waren die Staatseisenbahn - Gesellschaft und die Oesterreichische Nordwestbahn sogleich zur Abtretung bereit, und zwar gegen Jahresrenten, welche bis Ende 1959 laufen und ftir die erstere 28.000 fl., ftir die letztere aber 39.000 fl. betragen sollten. Riicksichtlich der Siidbahn, wel- cher eine Jahresrente von 33.000 fl. zuge- dacht war, erwartete die Regierung eine gleiche Bereitwilligkeit. Darum lautete der Gesetzentwurf auf die Erwerbung aller drei Antheile. Er war vornehmlich damit begriindet, dass Rucksichten volkswirthschaftlicher und verkehrspolitischer Natur dafiir sprechen, eine Verkehrsader, welche die bedeutend- sten Bahnnetze der Monarchie verbindet und zugleich das Weichbild der Reichs- Hauptstadt durchzieht, wieder der un- mittelbaren Verfugung des Staates zu unterstellen. Der Reichsrath vviirdigte diese Motive und erledigte die Vorlage so rasch, dass dieselbe schon am 30. Mai 1889 die a. h. Sanction zum Gesetz er- halten konnte. Dies fiihrte jedoch vor- laufig nur zu der am 26. Juni 1889 voll- zogenen Ertverbung weiterer zwei An¬ theile; denn mit der Siidbahn kam die beziigliche Vereinbarung erst im Jahre 1894 zustande. Die Kosten der Riickerwerbung der Wiener Verbindungsbahn stellten sich auf 3,826.460 fl.; *) sie waren daher *) Dieser Betrag setzt sich zusammen: aus dem Werthe der beiden Antheile der Kaiserin Elisabeth- und Kaiser Franz Josef- 25 Geschichte der Eisenbahnen. I. Band. 2. Theil 386 Ignaz Konta. um 1,826.460 fl. hoher als der Erlčs, welchen der Staat im Jahre 1870 erzielt hatte. Dafiir bekam er aber jetzt eine voll- kommen reconstruirte und in der Strecke Arsenal-Matzleinsdorf vollig umgelegte Lime* *) zuriick. Die friiheren Eigen- thiimer hatten auf diese baulichen Aen- derungen 1,867.180 fl. verwendet. Der Betrieb wurde jedoch, auch hin- sichtlich des am I. September 1881 noch- mals und bleibend eingefuhrten Personen- verkehres,**) selbst nachdem der Staat schon das gesammte Eigenthum an der Wiener Verbindungsbahn erworben hatte, noch weiter zwischen der Siidbahn und Nordbahn getheilt. Das wird wahrschein- lich so bleiben bis die Wiener Stadtbahn in Matzleinsdorf einmiindet oder die dor- tigen Anlagen auch ohnedies umgestaltet, beziehungsweise erweitert werden. Fortfahrend in der zuvor bezeichneten Thatigkeit, langte die Regierung nun bei der Verstaatlic-hung der Lemberg- Czernowitz-Jassy-Eisenbahn an, welche auch riicksichtlich der Linie Lemberg-Czernowitz schon fiinfjahre hin- durch ununterbrochen mehr als die Halfte der Staatsgarantie in Anspruch genommen hatte, daher nach dem Sequestrations- Gesetze vom Jahre 1877 [siehe Seite 252] zur Uebernahme in die Verwaltung des Bahn [1,289.060 fl.], dann der Pauschalver- giitung an die Nordbahn [600.600 fl.] und dem fiir die Zeit bis Ende 1959 zu 5°/ 0 capitali- sirten Werthe der obenervvahnten Renten von zusammen 100.000 fl. [das ist 1,937.400 fl.]. *) Die neue Strecke ist nachst dem Arsenale tiefer gelegt, dann mittels eines Tunnels unter den Anlagen der Staatseisen- bahn-Gesellschaft hindurch zu einem vor dem Siidbahnhofe errichteten Stationsplatze und von hier aus, beim Viaducte liber die Himberger und Laxenburger Strasse, mittels eines zweiten Tunnels unterhalb der Sudbahn auf die Stadtseite der letzteren gefiihrt, um dann auf einer Rampe zum Frachtenbahn- hofe Matzleinsdorf hinanzusteigen und dort die Verbindung mit der Sudbahn zu ge- winnen. Den Anschluss an die Geleise der Staatseisenbahn-Gesellschaft vermittelt ein von ihrem Hauptbahnhofe aus zu dem vor- ervvahnten Stationsplatze [der Verbindungs¬ bahn] fuhrender Schienenstrang. [Abb. 173 und 174.] **) Zum ersten Male war der Personen- verkehr anlasslich der Wiener Weltausstellung am 15. Mai 1873 eingefiihrt, jedoch nach kaum acht Wochen wieder aufgelassen worden. Staates vollends reif geworden war und — infolge der bereits friiher eineretretenen Loslosung ihrer rumanischen Linien — der Anwendung jenes Gesetzes in keiner Weise mehr eine Schwierigkeit bereiten konnte. Die Abtrennung der rumanischen Li¬ nien, bezuglich deren schon 1884 und 1885 Verhandlungen zwischen der ru¬ manischen Regierung und der Gesell- schaft stattgefunden hatten, kam im Jahre 1887 nochmals zur Sprache; diesmal jedoch nur in Betreff der Ueberlassung des Betriebes an die rumanische Staats- verwaltung. Dem gleichen Ztvecke galten die im Sommer 1888 mit dem konig- lichen rumanischen Bautenminister, an¬ lasslich seiner Anwesenheit in Wien, ge- pflogenen Besprechungen. Gleichwohl vollzog sich die Scheidung oder doch der erste Act derselben nicht im gegen- seitigen Einvernehmen. Am 23. October verlautbarte der »Monitorul Official« ur- plotzlich ein am 7. October erlassenes konigliches Decret, welches die Seque- stration des Betriebes der rumanischen Linien der Gesellschaft fiir den 30. Oc¬ tober 1888 [12 Uhr Mittags] anordnete. Diese nach den Bestimmungen der Con- cessions-Urkunde weder fiir moglich noch fiir zulassig gegoltene Massregel verur- sachte allenthalben grosses Aufsehen und die offentlichen Blatter unterzogen sie einer eingehenden Kritik. Allein weder die Scharfe dieser Erorterungen noch die vom Verwaltungsrathe eingelegten Ver- wahrungen gegen den Regierungsbeschluss vermochten daran etwas zu andern. Alles was die schleunigst nach Bu- karest gereisten Vertreter der Gesellschaft dort erzielten, bestand darin, dass die rumanische Regierung amtlichkundmachte, ihrer Garantieverpflicbtung wie bisher ptinktlich nachkommen zu wollen. Die Sequestration wurde also am 30. October vollzogen. Die Gesellschaft musste dem- nach mit den gegebenen Thatsachen rechnen und eine neue Regelung ihres Verhaltnisses zum rumanischen Staate anstreben. Es geschah dies mit raschem Erfolge, da ein Wechsel in der Person des Bautenministers die Verstandigung erleichterte. Der Verwaltungsrath hatte verschiedene Vorschlage erstattet sowie, Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 387 infolge einer Einladung der rumanischen Regierung, Bevollmachtigte nach Bukarest entsendet, und diese brachten, trotz aller Schvvierigkeiten, schon in etlichen Tagen ein Uebereinkommen zuwege, wonach die Sequestration aufhoren, der Staat den Betrieb ganz auf eigene Rechnung fiihren und der Gesellschaft fur die ganze Con- cessionsdauer oder bis zum Ankaufe der Bahn die garantirte Jahressumme von 3,865.173 Francs in Gold, ohne irgend einen Steuer- oder sonstigen Abzug, halb- jabrlich [April-October] bezahlen solite. Die Ausfertigung des Uebereinkom- mens fand am 22. [10.] Januar, gleich darauf auch die legislative Genehmigung und am 4. Marž [20. Februar] 1889 seine Sanctionirung statt. Zugleich vvurden die strittig gewesenen Rechnungsposten aus der Zeit von 1880—1887 ausgetragen und fur das auf den rumanischen Linien venvendete Personal sowie fur die Tren- nung des Pensionsfonds entsprechende Vorsorge getroffen. Nun schwieg aller Groll. Die Generalversammlung vom 30. April 1889 nahm den Bericht liber das Arrangement einfach zur Kenntnis und hiemit Abschied von dem ausseren Besitze ihrer rumanischen Linien. Ein Gleiches auch hinsichtlich ihrer osterreichischen Linien zu thun, blieb ihr nicht lange erspart, da — wie schon weiter oben in Kiirze erwahnt ist — die k. k. Regierung den Betrieb jener Linien an sich nahm. Hier ging dies aber in ganz normaler Weise vor sich. Am 20. Mai 1889 verstandigte das Handels- ministerium den Verwaltungsrath, dass unabweisbare betriebsoconomische und eisenbahnpolitische Beweggrlinde die An- wendung des Gesetzes vom 14. December 1877 erheischen, die naheren Moda- litaten der auf den 1. Juli 1889 an- beraumten Uebernahme des Betriebes sowohl der eigenen Linien der Gesell¬ schaft, als auch der von ihr betriebenen Localbahnen, jedoch einvernehmlich er- ortert werden konnen. Die Besprechungen fanden am I2.juni im Handelsministerium statt, worauf dann die festgesetzten »Be- stimmungen«, in welchen den Wiinschen der gesellschaftlichen Vertreter, »soweit dies mit Riicksicht auf die bestehenden rechtlichen und thatsachlichen Verhaltnisse zulassig erschien«, Rechnung getragen war, am 19. Juni hinausgegeben, zugleich auch die Anordnungen hinsichtlich der Betriebfiihrung durch die k. k. General- Direction der Ssterreichischen Staats- bahnen amtlich kundgemacht, und am i.Juli 1889 die osterreichischen Linien der Lemberg - Czernowitz - Jassy - Eisen- bahn nebst den von ihr betriebenen Local¬ bahnen *) in das staatliche Betriebsnetz einbezogen rvurden. Von diesem Tage an erlosch jede Ingerenz des Verwaltungsrathes auf die Agenden des Betriebes und auf das unter die Amtsgewalt der k. k. General-Direction getretenen Personales. Gleichwohl hat er, Gebrauch machend von der ihm frei- gestellten Wahl, ein eigenes Bureau fur den Verkehr mit der rumanischen Re¬ gierung und die Besorgung der societaren Angelegenheiten beibehalten. Die Sequestration dauerte, bis die Regierung auf Grund des Gesetzes vom 22. Juni 1894 und des durch dasselbe genehmigten Uebereinkommens vom 8. Marž 1894 die Fiihrung des Betriebes der Linien Lemberg-Czernowitz-Suczawa fur Rechnung des Staates, und zwar mit Wirksamkeit schon vom I. Januar 1894 an, iibernahm. Massgebend hiefttr waren: einerseits die Nothwendigkeit von Investi- tionen zur Erhohung der Leistungsfahig- keit der Bahn und die Vorsorge fur die Deckung der beziiglichen Kosten, deren Tragung nicht der Gesellschaft auferlegt werden konnten; andererseits dieErspriess- lichkeit der Vereinfachung des Rechtsver- haltnisses des Staates zur Gesellschaft. Es wurde also diesfalls ein ahnlicher Vor- gang gewahlt wie bei der Ersten Unga- risch-Galizischen Eisenbahn [siehe Seite 377]. Der Staat iibernahm es, der Gesell¬ schaft das ganze garantirte Reinertragnis, *) Es waren dies folgende Bahnen: B u k o- winaer Localbahnen mit den Linien Czernovvitz-Nowosielica [31-2 km\, Hliboka- Berhometh sammt Zweigbahn nach Czudin t7l'7^;n],Berhometh-Mezebrody [9/ew],Hatna- Kimpolung [67 5 km], Wama-Russ-Molda- witza [20 km\, Hadikfalva-Radautz [8'l km ]; Kolomeaer Localbahnen mit den Linien Kolomea-Szczepanowski [T4'l km], Nadwor- nianski - Kniaždw6r [7-1 km], Peczenižyn- Stoboda rungunska - Kopalnia [io - 9 km ]; Lemb erg-B elzec [Tomaszdvv] 88'4 km. 25 * 388 Ignaz Konta. namlich insgesammt 2,200.000 fl. jahrlich als feste Rente bis zum Ablaufe der Con- cessionsdauer oder bis zur concessions- massigen Einlosung auszuzahlen und zur Deckung der Investitions-Auslagen eine Annuitat von 438.543 fl. oder 877.086 Kronen zu leisten, beziehungsvveise filr das hiedurch fundirte, 4°/ 0 ige Prioritats- Anlehen von nom. i 0,000.000 fl. oder 20,000.000 Kronen als Selbstzahler ein- zutreten, — wahrend die Gesellschaft dem Staate die Betriebsfuhrung auf dessen eigene Rechnung iiberliess, ferner sich zur Aufnahme des gedachten Anlehens sowie auch dazu verpflichtete, aus dem Erlose desselben die bisher zu Lasten des Betriebes, beziehungsweise der Garan- tierechnung bewirkten Investitionen [Ende 1893 beilaufig 3,400.000 fl.] dem Staats- schatze riickzuvergiiten,*) die neuen Leistungen zu deckeh und aus dem Reste einen Investitionsfond **) zubilden, dessen Verwaltung und Verwendung dem Staate vorbehalten blieb. Die Theilhaber der Gesellschaft gaben in der Generalversammlung vom 31. Marž 1894 dem Uebereinkommen ihre Zustim- mung; von Seite der Regierung wurde dasselbe gleich nach der a. h. Sanctio- nirung des Gesetzes vom 22. Juni 1894 perfectionirt. Seitdem ist die Gesellschaft eigentlich nur mehr Besitzerin der Renten, die sie von der osterreichischen und von der rumanischen Regierung bezieht; sie befindet sich jedoch dabei sehr wohl und vertheilt, insbesondere mit Hilfe der rumanischen Goldzahlungen, auch Superdividenden. Das Investitions-Anlehen \vurde im Januar 1885 zum Curse von 98°/ 0 an die Niederosterreichische Escompte-Ge- sellschaft begeben. *) Diese ausserordentliche Einnahme des Staates erhielt laut Artikel III des Gesetzes vom 22. Juni 1894 die Bestimmung. zur theil- weisen Deckung der Kosten der zufolge Ge¬ setzes vom 26. December 1893 aus Staats- mitteln herzustellenden Linie Halicz-Ostr6w [sammt Abzweigung] zu dienen. **) Nach dem Motivenberichte zu dem Entwurfe des vorstehend erwahnten Gesetzes wie auch nach den eigenen Bestimmungen desselben [Artikel III] soli der Investitions¬ fond auch zur Unterstiitzung von neuen, in Ostgalizien auszufiihrenden Localbahnen, welche an die Linie Lemberg-Czernowitz- Suczawa anschliessen, herangezogen werden. Der in Oesterreich seltene Fali, dass Verkehr und Ertrag zur Ursache der Le- gung des Doppelgeleises wurden, ereignete sich bei der Aussig-TeplitzerBahn. Dank ihrer immer reicher fliessenden Frachtenquelle — dem Kohlentransporte — iiberschritten die jahrlichen Rohein- nahmen dieser glticklichen Unternehmung die Summe von 150.000 fl. pro Meile und die Staatsvervvaltung nahm hieraus Ver- anlassung, die Gesellschaft zur Erftillung der nun eingetretenen concessionsmassigen Verpflichtung hinsichtlich der Herstellung des zweiten Geleises aufzufordern [28. Fe¬ bruar 1888]. Der Verwaltungsrath liess also das im Laufe der friiheren Jahre bereits von Aussig bis Dux [28 - 2 km] gelegte Doppelgeleise bis nach Komotau [weitere 36-8 km] fortsetzen. Die Ar- beiten waren schwierige, weil der neue Schienenstrang — wegen der eigen- artigen Trače der Bahn und der zahl- reichen Abzweigungen zu den Kohlen- schachten — bald auf der einen, bald auf der anderen Seite des alten Geleises angelegt werden musste und der Betrieb nicht durch den Bau behindert sein solite. Gleichwohl gedieh der letztere innerhalb 15 Monaten zur Vollendung und wurde die neue Anlage am 4. October 1889 eroffnet. Zur Deckung der beziiglichen Kosten wieauch des mit48o.22ofl. veranschlagten Aufwandes filr den damals noch unter- nommenen Bau eines zweiten Hafens in Aussig bewilligte die ausserordentliche Generalversammlung vom 31. Juli 1889 die Erhohung des Actiencapitals um den Betrag von 2,421.000 fl. In der Art und Weise, wie diese Vermehrung des Gesell- schafts-Fonds bewerkstelligt wurde, spie- gelte sich der gdanzende finanzielle Stand des Unternehmens; denn die Einzahlungen [90 fl. auf jede der 25.442 Actien] ge- schahen mit 2,004.843 fl. aus den nach Vertheilung der Superdividenden aufge- sparten Ertragnisresten pro 1887 und 1888, im Uebrigen aber aus den sonstigen Baarbestanden der Gesellschaft und fanden in einer Abstempelung der Actien auf den Betrag von 300 fl. ihren Ausdruck. Welchen Werth der Geldmarkt diesen Titeln beilegte, das zeigte ihr Cursstand, der von 660 zu Ende des Jahres 1886 Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 389 auf 1200 im Jahre 1889, 1500 im Jahre 1890 und 1600 im Jahre 1895 stieg. Auf dem staatlichen Bahnnetze kamen im selben Zeitpunkte gleichfalls bedeutende Vervollstandigungsbauten zur Ausfiihrung, darunter das am 15. December 1889 vollends erbffnete Doppelgeleise in der 33'3 km langen Strecke W i e n-T u 11 n,*) zahlreiche Briickenauswechslungen, Sta- tionserweiterungen, Sicherungsanlagen etc. Ausserdem sorgte die Staatseisenbahn- Verwaltung fiir eine neuerlicbe Ver- mebrung der Fahrbetriebsmittel, nachdem ihr das Gesetz vom 14. Januar 1889 den hiezu erforderlichen Credit von 4,62 5.000 fl. bewilligt hatte. Eine kleine aber wichtige Ausgestaltung erfuhr auch die Oesterreichische Nordwestbahn durch die Erbauung der langst geplanten Verbindung zwischen dem Hauptbahnhofe und derDonau- uferbahn in Wien; denn sie gewann damit einen neuen, sehr giinstig gelegenen Umscblagplatz und die freie, nicht mehr auf die Beniitzung der Nordbahnstrecke Jedlesee-Wien gebundene Ueberleitung des Durchzugverkehres von und nach den iibrigen in Wien einmiindenden Bahnen. Die Eroffnung der blos i'2km langen Strecke fand am 1. Marž 1890 statt; ihre Kosten beliefen sich auf bei- laufig 280.000 fl. Zu denjenigen Linien, auf deren bessere Ausriistung im gesammtstaat- lichen Interesse Werth gelegt ward, zahite auch die Carl L u d \vi g-B ah n, und zwar handelte es sich da vornehmlich um die Legung des zweiten Geleises. Die Gesellschaft plante diese Vervoll¬ standigungsbauten schon im Jahre 1877, verschob aber die Ausfiihrung immer wieder, weil die russischen Giitersendun- gen nach dem Westen andere Wege ein- zuschlagen begannen. Ein Zwang konnte auf die Gesellschaft umsoweniger aus- *) Dieser Bau war urspriinglich als selb- standige Localbahn gedacht und als solche in der Concessions-Urkunde fiir die Linie St. Pblten-Tulln sammt Zweigbahn [12. Mai 1884] mitenthalten, wurde aber spater infolge von Anfechtungen seitens des Parlamentes wieder aus jener Concession ausgeschieden [Kundmachung des Handelsministeriums vom 13. December 1886] und auf Staatskosten ausgefiihrt. geiibt werden, als sie zu jener Leistung concessionsmassig erst dann verpflichtet war, wenn der einjahrige Rohertrag die Ziffer von 250.000 fl. pro Meile iiber- steigen wiirde. Als nun die Gesellschaft sich mit der Absicht trug, ihre 4 1 / s %igen Prioritats-Anlehen in 4 °/oi& e zu conver- tiren, nahm die Regierung diese Gelegen- heit wahr, um hinsichtlich des zweiten Geleises eine Vereinbarung zu erzielen. Die Verhandlungen gingen jedoch nur langsam von Statten und fanden erst in dem Uebereinkommen vom 30. Juli 1889 ihren Abschluss. Dasselbe bestimmte im Wesentlichen Folgendes: Die Gesellschaft fiihrt den Bau ehemoglichst aus und tragt zu den mit effectiv 18,000.000 fl. veranschlagten Kosten desselben nicht nur die Halfte des Convertirungs-Gewinnes, mindestens aber 1,500.000 fl. bei, sondern widmet auch zur Verzinsung und Tilgung des weiteren Aufvvandes die Halfte jener Reinertrags-Ueberschiisse ihres Gesammt- unternehmens, welche den zur Vertheilung einer 4°/ 0 igen Actiendividende erforder¬ lichen Betrag iibersteigen; die Staats- verwaltung hingegen deckt das iibrige Erfordernis fiir die Verzinsung und Til¬ gung desjenigen Theiles der neuen An- leihe von nom. 20,000.000 fl., welcher nebst der gesellschaftlichen Capitalszmven- dung noch fiir die Herstellung des Doppel- geleises verausgabt wurde. Bei der con- cessionsmassigen Einlosung der Bahn ubergeht dasselbe mit an den Staat, welcher hiefiir an die Gesellschaft jene Annuitaten bezahlt, die zur Verzinsung und Tilgung der Kostenquote nothwendig sind, deren Deckung nicht der Gesell¬ schaft obliegt. Um nicht ein ganzes Baujahr unbe- niitzt verstreichen zu lassen, hatte die Gesellschaft — gestiitzt auf die ihr fiir alle Falle zugesicherte Schadloshaltung — die Arbeiten sofort in Angriff genommen, was derselben gut zustatten kam und ihre Vollendung mit i.Juli 1891 ermoglichte. Die Genehmigung des Uebereinkommens begegnete indess keinen Schwierigkeiten. Die Actionare gaben ihm in der ausser- ordentlichen Generalversammlung vom 28. October die Zustimmung, und der Reichsrath erledigte den beziiglichen Ge- 39° Ignaz Konta. setzentwurf im Marž 1890; die a. h. Sanction desselben erfolgte am 22. Marž 1890. Sein Inhalt stand insoferne nicht vollig im Einklange mit dem Ueberein- kommen, als er die Hohe der Staats- Zuschiisse zu den Baukosten von den gesellschaftlichen Zuwendungen unab- bangig machte und auf die Dauer bis 1957 mit einem jahrlichen Betrage von hhchstens 862.290 fl. in Silber festsetzte, bei gleichzeitiger Zuweisung der gesell¬ schaftlichen Giebigkeiten an den Staats- schatz. Den Kem der Uebereinkunft hatte dies aber nicht beriihrt. Das neue einheitliche [4°/oige] An- lehen im Betrage von nom. 75,000.000 fl., wovon 49,699.300fl. zur Convertirung der 4 1 /., °/ 0 igenPrioritaten [4 5,006.3 00 fl.], ferner 5.000. 000 fl. zur Unificirung der bereits 4°/ 0 igen Anleihe vom Jahre 1887 und 20.000. 000 fl. fiir das zvveite Geleise dienten, wurde schon friiher an die Gruppe der Unionbank begeben, vvelche einen Theilbe- trag von nom. 40,000.000 fl. am 14. Mai 1890 zum Curse von 96 [sowohl gegen Baarzahlung als auch im Umtausche] zur offentlichen Zeichnung auflegte. An die Bedachtnahme auf die Ver- mehrung der Leistungsfahigkeit und Sicher- heit des Betriebes reihte sich jene auf die Forderung der Reiselust und des Giiteraustausches, insbesondere durch Verwohlfeilung der Fahr- und Frachtpreise. Hiebei schritt der Staatsbetrieb voran. Aelteren einschla- gigen Publicationen, * *) namentlich aber der vom Abgeordneten Siegmund am 9. April 1889 beantragten Erstellung eines Zonentarifes **) vollste Aufmerk- *) Dr EduardEngel: »Eisenbahnreform« [Wien l885undjena 1888]; Dr.Theod. Herzka »Das Personenporto. EinVorschlag zur Durch- fiihrung eines billigen Eisenbahntarifes im Personenverkehr der Eisenbahnen« [Wien 1885]. Weit friiher hat Dr. Perrot diese Frage in seinen Schriften: »Die Reform des Eisen- bahntarifwesens im Sinne des Penny-Portos« [1867] und »Die Anwendung des Penny-Porto- systems auf den Eisenbahntarif und das Packet-Porto« [Rostock 1872] behandelt. **) Dieser anlasslich der Budgetdebatte gestellte Resolutions-Antrag lautete im We- sentlichen: Die Regierung moge beim Deut- schen Eisenbahn-vereine und bei den Ver- waltungen der iibrigen continentalen Bahnen dahin wirken, dass die Personentarife einer Reform in der Richtung unterzogen werden, samkeit zuwendend, brachte die k. k. Ge- neral-Direction der osterreichischen Staats- bahnen am I. Juli 1889 zunachst auf ihren Wiener Localstrecken eigene, fiir bestimmt abgegrenzte Entfernungen und die in den- selben liegenden Stationen geltende, zu- gleich im Preise neuerdings ermassigte Fahrkarten zur Ausgabe. Sodann nahm die Staatseisenbahn-Verwaltung aus den bei diesem Versuche gevvonnenen Er- fahrungen hinsichtlich der Vereinfachung des Fahrkartenwesens und der praktischen Anwendung des Zonensystems, wie auch im Hinblicke auf die iiber Antrag des Abgeordneten Dr. Russ*) gefassten Be- schliisse derHerbstsession 1889 desStaats- Eisenbahnrathes Veranlassung noch vi el \veiter zu gehen und, unbeirrt von dem Lobe und Tadel, den die ahnlich gear- tete, am 1. August 1889 auf den koniglich ungarischen Staatsbahnen in Wirksamkeit gesetzte grosse Tarifreform gefunden hatte, am 16. Juni 1890 den sogenannten »Kreuzer-Zonentarif« einzufiihren, der eine abermalige [also schon die dritte] Herabminderung der Fahrpreise um durchschnittlich 36 °/ 0 in sich fasste [allerdings bei gleichzeitiger Aufhebung des Freigepacks] und zufolge des Gesetzes vom 25. Mai 1890, oder auch aus Concurrenzriicksichten allmah- lich von vielen Privatbahnen angenommen wurde.**) — Einjahr spater, am 1. Juli 1891, trat auf dem staatlichen Betriebsnetze ein neuer Giitertarif in Geltung, der sich von dem friiheren einerseits durch eine giinstigere Classification, andererseits durch billigere Grundtaxen, und insbe¬ sondere durch die Einftihrung eigener j Wagenladungs-Classen fiir den Sammelgut- dass vermittels »Aufstellung eines einheit- lichen und einfachen, wenn auch mehrstuli- gen Zonentarifes allen, somit auch den un- bemittelten Classen derBevblkerung diemOg- lichst billige Benutzung der Eisenbahnziige auch zur Benutzung grbsserer Strecken er- mOglicht werde«. *) Dr. Victor Russ hat am 25. Novem¬ ber 1889 iiber dieses Thema auch einen Vor- trag in der »Gesellschaft der bsterreichischen Volksvvirthe« gehalten, an den sich eine leb- hafte Erbrterung und am 16. December 1889 ein weiterer Vortrag des Privatdocenten Dr. Julius von Roschmann-Hiirburg kntlpfte. **) Siehe auch Bd. III, den Abschnitt uber Personentarife von Th. Englisch. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 39 1 Verkehr und fiir Massenartikel unter- schieden hatte. *) Auch diese Neuerung fand bei den Verkehrs-Interessenten leb- haften Beifall, und beim Staatseisenbahn- Rathe, in dessen Sitzung vom 20. April 1891 der Vorstand des commerziellen Dienstes der k. k. Staatsbahnen, Hofrath Dr. Franz Liharzik, das Wesen und Ziel der Reform erlauterte, dankende Anerkennung, nicht so ganz aber in denjenigen parlamentarischen Kreisen, welche von der Frachtverbilligung eine ungiinstige Riickwirkung auf die Bahn- ertragnisse, daher in weiterer Linie auch auf den Staatsschatz besorgten. [Budget- debatte vom 10. Juli 1891.] Inmitten dieser Reformthatigkeit blieb das Augenmerk auch der Fiirsorge fiir das Personale zugewendet. Mancher Schritt zur Verbesserung der materiellen Lage desselben und zur Erleichterung des ebenso anstrengenden als verant- wortungsvollen Dienstes wurde gethan, und der Flueelschlao; der neuen Zeit nicht iiberhort, die neue Einrichtungen heischte. Die Eisenbahn-Verwaltungen vereinigten sich sowohl zur gemeinsamen Durch- fiihrung der Unfallversicherung nach dem Gesetze vom 28. December 1887 und zur freivvilligen Ausdehnung derselben auf das nicht unter dieses Gesetz fallende Personal, als auch zu einer moglichst einheitlichen Kranken- versicherung der Arbeiter nach dem Gesetze vom 30. Marž 1888, wobei viele der neuen, beziehungsweise umgevvan- delten Eisenbahn-Krankencassen grossere als die vom Gesetze vorgeschriebenen Leistungen auf sich nahmen. Ein von den Bahnvenvaltungen eingesetztes sieben- gliedriges Comite,**) dessen Vorsitz und Geschaftsfiihrung die k. k. General- Direction der osterreichischen Staats¬ bahnen iibernommen hatte, entwarf in der kurzen Frist vom 2. Mai bis 6. August 1888 das Musterstatut fiir die Eisenbahn- Krankencassen und das Statut fiir eine *) Naheres siehe Bd. III im Abschnitt Frachtentarife von A. Pauer. **) Ueber die Zusammensetzung dieses Comites [Bahnvervvaltungen und Personen] sowie iiber die Arbeitstheilung in demselben enthalt Konta’s Eisenbahn-jahrbuch, Jahr- gang XXI, S. 42, genaue Angaben. »Berufsgenossenschaftliche Un- fallversicherungs - Anstalt der osterreichischen Eisenbahnen«, und legle diese Entwiirfe nach erfolgter Zustimmung der Bahnvervvaltungen am 27. September 1888 der Regierung vor. Das erstervvahnte Musterstatut fand bal- dige Erledigung; die Bahnen konnten daher die neuen Krankencassen piinkt- lich am 1. August 1889 in Wirksam- keit setzen. Das andere Statut erhielt erst nach langeren Verhandlungen liber die Anwendung des Umlage - Systems [statt des Capitaldeckungs-Verfahrens], iiber die Beisteuer zum gemeinsamen Reservefond aller staatlichen Versiche- rungs-Anstalten und iiber den Termin der freivvilligen Ausdehnung der Ver- sicherung — am 20. October 1889 die definitive staatliche Genehmigung. Das behinderte zwar nicht, dass die genannte Versicherungs-Anstalt an dem fiir die iibrigen territorialen Anstalten diesfalls anberaumten Termine, namlich am 1. No¬ vember 1889, in Thatigkeit trat, doch war der Vorstand bis zu der am 18. December 1889 abgehaltenen constituirendenGeneral- versammlung ein provisorischer. Vermoge des Gesetzes vom 20. Juli 1894 und des hiernach abgeanderten, am 11. December 1894 staatlich genehmigten Statutes er- folgte die Ausdehnung der Versicherung auf sammtliche Betriebe, beziehungsvveise Bedienstete der Eisenbahnen.*) Eine. Serie anderer administrativer Einvvirkungen der Regierung galt der allgemeinen Herbeifiihrung einer richtigen und die finanzielle Gebarung klar aus- weisenden Rechnungslegung der Privat- bahnen sowie der thatsachlichen und ausreichenden Dotirung der Reserven. Die meisten Vervvaltungen kamen den Wiinschen der Aufsichtsbehorde bereit- \villigst entgegen, und bei den iibrigen halfen Verhandlungen nach. Solches war beiderOesterreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn - Gesellschaft der Fali, in deren Bilanz pro 1888 einige Posten bemangelt ivurden, z. B. die be- reits auf 800.000 fl. angewachsen ge- wesenen Vorschiisse zur Verzinsung und *) Siehe auch Bd. III, E. Engelsberg, Wohlfahrtseinrichtungen der Osterreichischen Eisenbahnen. 39 2 Ignaz Konta. Tilgung der Prioritaten der Bohmischen Commerzialbahnen; Annuitaten fur Schie- nenerneuerungen, deren Kosten das Mini- sterium sogleich getilgt sehen wollte; zu Lasten des Baues verrechnete Betriebs- ausgaben u. s. w. In dem Verhaltnisse der Gesellschaft zu den Bohmischen Commerzialbahnen trat ubrigens einige Aenderung dadurch ein, dass die letzteren die Linie Brandeis- Mochow und die Schleppbahn Neratovic- Elbekosteletz an die erstere formlich ver- kauften, denKaufschilling von 1,200.000 fl. in den eigenen, d. h. Commerzialbahn- Prioritaten aus dem Portefeuille der Staatseisenbahn-Gesellschaft bezahlt er- liielten und hievon blos 536.970 tl. zu Investitionen verwendeten, den Rest von 663.000 fl. aber vernichteten, um die Prioritatsschuld herabzumindern. Die Jahreslast fur diese Anlehensschuld erfuhr sodann vermoge der im Einvernehmen mit der Staatseisenbahn-Gesellschaft, als der Besitzerin sammtlicher Titel der Commerzialbahnen, bewerkstelligte Um- wandlung der 5°/ 0 igen Gold- in 4%ige Noten-Prioritaten eine erhebliche Ver- ringerung. Da ferner die Staatseisenbahn- Gesellschaft von dem tiber die Annuitat fur den Prioritatendienst der Commerzial¬ bahnen hinausreichenden Ertragnisse der- selben jeweils 25% als Gewinnantheil und 75 % a ^ s Abstattung auf die oben- erwahnte Zinsenschuld vertragsmassig bezog, so war auch fur deren allmahliche Tilgung gesorgt. Die Uebertragung der Concession fiir die 12 km lange Local- bahn Brandeis-Mochorv auf die Staats- eisenbahn - Gesellschaft wurde mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 18. Juli 1890 bevvilligt. Die Con¬ cession fiir dieVerbindungsstreckePohičan- Mochow und die Verlangerung von Brand- eis nach Neratovic erhielt die Gesellschaft [auf Grand des Gesetzes vom 15. Marž 1890] am 21. Juni 1890. An den Bilanzbemanglungen hatte auch die koniglich ungarische Regierung sich lebhaft betheiligt und dadurch zur Regelung der Angelegenheit wesentlich beigetragen; sie stellte jedoch zugleich noch andere Forderungen, so namen tli ch in Betreff der Theilung des Wagenparkes und Bahnfundus sowie der Trennung der gesellschaftlichen Directionen fiir den Baudienst und die Domanen nach den beiden Netzen. Da die Domanen keinen Bestandtheil des Eisenbahn-Unternehmens bilden, wahrte sich die Gesellschaft die Einheitlichkeit der beziiglichen Ver- waltung; in den tibrigen Punkten hin- gegen fiigte sie sich fast durchwegs dem Begehren der koniglich ungarischen Regierung. Hievon wurde gerade die- jenige Personlichkeit getroffen, welche in hervorragender Weise an der Duali- sirung der Gesellschaft mitgewirkt hatte ; denn Baudirector wie auch Prases des Directoriums fiir die osterreichischen Linien war August de S e r r e s und, weil ihm die Einengung seines Wirkungs- kreises nicht zusagte, trat er am 1. April 1890 ganzlich aus dem gesellschaftlichen Dienste. Der Zufall fiigte es, dass um dieselbe Zeit auch der Verrvaltungsraths-Prasident Edmund J o u b e r t, der bei der Zwei- theilung der Gesellschaft sozusagen die Hauptrolle gespielt hatte, seine Stelle niederlegte. Dies hing nicht mit den ge¬ sellschaftlichen Angel egenheiten, sondern mit den Verwicklungen zusammen, in die er durch die Betheiligung an dem grossen »Kupferringe« gerathen war; die end- liche Beriicksichtigung der altgebegten Wiinsche, dass an der Spitze der Ge¬ sellschaft und auf den Dienstposten der- selben nnr Angehorige der osterreichisch- ungarischen Monarchie stehen mogen, hatten diese Demissionen jedenfalls er- leichtert. An die Stelle de Serres’ wurde mit Venvaltungsraths - Beschluss vom 14. Marž 1890 der k. k. Hofrath Rudolf G r i m u s Ritter von G r i m b u r g berufen und bei der Constituirung des Verrval- tungsrathes nach der Generalversamm- lung Excellenz Dr. Sisino Freiherr von Pretis-Cagnodo zum Prasidenten des vereinigten Verwaltungsrathes gewahlt; der letztgenannte Functionar starb jedoch am 15. December 1890 und erhielt dann in dem Viceprasidenten Theodor Ritter von Taussig einen Nachfolger. Die Auflosung der Baudirection, die Theilung des Zugforderungs- und Werk- stattendienstes und die beziiglichen Aenderungen in der Geschaftsfuhrung traten mit i.Juni 1890 in Wirksamkeit. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 393 Die koniglich ungarische Regierung gab sich jedoch damit nicht lange zufrieden, sondern wollte alsbald die Verstaat- lichung der auf ungarischem Ge- biete gelegenen Linien der Ge- sellschaft. Nach dem Vertrage vom 8. Juli 1882 [siehe Seite 295 f.] ware sie hiezu erst vom I. Januar 1895 an berechtigt ge- wesen; die Gesellschaft setzte jedoch dem ibr deutlich zu erkennen gegebenen Willen, die Erwerbung je friiher zu bewirken, keinen Widerstand entgegen. So kam denn — um dies gleich hier zu er- wahnen — nach langeren Verhandlungen ein am 7. Juni 1891 definitiv abge- schlossener Vertrag zustande, der in der Hauptsache Folgendes bestimmt: Die koniglich ungarische Regierung lost die ungarischen Linien der Staatseisen- bahn-Gesellschaft mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1891 ein*) und bietet als Entgelt hiefur eine durch 75 Jahre zahlbare Annuitat von 10,665.000 fl. 6. W., welche nach Abschlag einer nicht erhohbaren I0%igen Steuer, mit dem jahrlichen Nettobetrage von 9,598.500 fl. **) in zwei gleichen Semestralraten [Januar.-Juli] ganzlich abzugfrei zu entrichten ist; wenn ein Monat vor dem Falligkeitstermine einer Annuitatsrate der durchschnittliche Goldcurs an der Wiener Borse hoher ist als 117%) so leistet die koniglich unga¬ rische Regierung zu der betreffenden Rate ein Aufgeld, welches der procen- tuellen Curssteigerung auf einen Gold- guldenbetrag von 3,250.000 fl. gleich- kommt; zur Vollendung ihrer noch im Baue befindlichen Strecken gibt die Ge¬ sellschaft dem ungarischen Staate einen Vorschuss von 5,000.000 fl., dessen Ver- zinsung und Riickzahlung durch eine seitens des ungarischen Staates vom *) Der bilanzmassige Werth dieser Linien in der Betriebslange von 1499-4 km [exclusive Lissava-Anina mit 23-5 km) sammt Inventar und Materiale betrug 165,086.867 fl.; ihr Fahr- park bestand aus 326 Locomotiven, 468 Per- sonen-, 6054 Gilter-, 247 Gepackswagen, 5 Dampfern, 25 Schleppern und 7 Landungs- schiffen. **)DieseRente entspricht einer 5'8l5°/ 0 igen Verzinsung des effectiven, oder 5'O45°/ 0 des Nominal-Anlage-Canitals, oder 4 - 45°/o bei Be- rechnung des Goldagios bei den Geld- beschaffungskosten mit 15%. Jahre 1891 bis einschliesslich 1965 zu zahlende, vollig abzugfreie Annuitat von 250.0000. erfolgt; die Annuitaten und der Vorschuss \verden auf den erworbenen Linien intabulirt; das Personal wird iiber- nommen, der Pensions- und auch der Provisionsfonds entsprechend getheilt. Von Seite der Actionare erhielt der Vertrag in der ausserordentlichen General- versammlung vom 9. Juli 1891 die Zu- stimmung, und von Seite der ungarischen Legislative mittels des Gesetzartikels XXXVIII vom Jahre 1891, worauf dann der Besitzwechsel vor sich ging und die gesellschaftliche Direction in Budapest am 18. August 1891 ihre Thatigkeit ein- stellte. Die Domanen, Berg- und Hutten- werke blieben naturlich von alldem un- beriihrt und nach wie vor freies Eigen- thum der Gesellschaft, nur war sie ge- halten, bis spatestens 1. Juli 1892 eine Domanen-Direction in Budapest zu er- richten. *) Auf die Rechtsverhaltnisse des oster- reichischen Netzes der Gesellschaft hatte die Lostrennung ihrer ungarischen Linien vorerst keine Rtickvvirkung geiibt. Die k. k. Regierung machte von der ihr zu- gegangenen Einladung, gemeinsam mit der ungarischen in die Verstaatlichungs- Action einzutreten, keinen Gebrauch, son¬ dern zog es vor, zuzuwarten, bis sie die ihr aus dem November-Uebereinkommen vom Jahre 1882 [siehe Seite 296 f.] erwachsenen Einlosungsrechte verwerthen kann. Nur insoferne scheint die geiinderte Sachlage nicht ohne Einfluss geblieben zu sein, dass die Gesellschaft [wahr- scheinlich \vegen der nahegeriickten Mog- lichkeit der Verstaatlichung auch der oster- reichischen Linien] den friiher schwung- haft betriebenen Bau von Localbahnen einstellte. Das Localbahnwesen im AUgemeinen horte indess nicht auf, gute Fortschritte zu machen. Eine vom Herzogthum Steiermark unternommene besondere For- derung des Baues von Localbahnen liess sogar eine neue bedeutende Entwicklung desselben erhoffen. Der steiermarkische Landtag, welcher schon immer den Local- *) Siehe auch Bd. III, J. G o n d a, Ge- scbichte der Eisenbahnen in Ungarn von 1867 bis zur Gegenwart, Seite 410. 394 Ignaz Konta. bahnen seines Landes reichliche Unter- stiitzung zugevvendet hatte, beschloss namlich am 18. November 1889, die letztere fortan in ein System zu brin- gen, wonach die Localbahnen moglichst unter die Obhut des Landes genommen, auf die Mittel und den Credit desselben gestiitzt und hiedurch vor der Vertheue- rung der Geldbeschaffung und des Baues behiitet werden sollten. *) Ueber die hieraus hervorgegangenen Schopfungen in Steiermark gibt der das osterreichische Localbahnwesen behan- delnde Abschnitt weiteren Aufschluss; eine zutreffende Darstellung des damit ver- knupften Erfolges wird erst nach Verlauf mehrerer Jahre moglich sein; hingegen ist schon an dieser Stelle zu verzeichnen, dass zunachst die Konigreiche Bohmen und Ga- lizien und nachber auch noch andere Pro- vinzen sich dem Vorgehen Steiermarks insoferne anschlossen, als auch sie die For- derung ortlicher Schienenwege in erhebli- chem Masse und nach genau umschriebenen Regeln unternahmen. Doch geschah dies weder auf ebenso breiter finanzieller Grundlage noch mit der Absicht, Con- cessionar oder Eigenthiimer von Local¬ bahnen zu werden; die Unterstiitzung blieb vielmehr auf die Gewahrung von Zinsengarantien oder Darlehen, die Ueber- nahme von Titeln oder die Leistung von Beitragen a fonds perdu beschrankt, was aber gleichwohl nicht verfehlte, auf die Schaffung von Localbahnen giinstigen Einfluss zu uben. Die Regierung ihrerseits sorgte durch die Bewirkung wiederholter Erstreckungen der Giltigkeit des Localbahn-Gesetzes vom 17. Juni 1887 [siehe Seite 375] da- fiir, dass sie in der Concessionirung von Nebenbahnen, in der Fortgewahrung der in j enem Gesetze vorgesehenen Bau- und Betriebserleichterungen, finanziellen Be- giinstigungen etc. nicbt gehemmt \viirde. Diese Erstreckungen reichten vermoge des Gesetzes vom 28. December 1890 bis Ende 1893 und vermoge des Gesetzes vom 2 7. De¬ cember 1893 noch weiter bis Ende 1894. *) Ausfiihrliche Mittheilungen tiber die Einzelheiten des Systems und die zu seinerDurchfiihrung getroffenen Massnahmen sind in Konta’s Eisenbahn-Jahrbuch, Jahr- gang XXI, Seite 10 ff., enthalten. Eine Localbahn, namlich die von Schramb ach nach Kernhof, gelangte damals ganz auf Staatskosten zur Ausfiih- rung, um dem Fliigel Scheibmiihl-Schram- bach der Niederosterreichischen Staatsbahnen, ein Stiick jener Fort- setzung zu geben, tvelche ihm schon urspriinglich von den »Niederosterreichi¬ schen Stidwestbahnen« zugedacht, aber infolge des finanziellen Unvermogens dieser vormaligen Privat-Unternehmung unterblieben war. Nach dem alten Pro- jecte solite der Fliigel iiber Terz einer- seits nach Mariazell, andererseits nach [Neuberg-] Murzzuschlag gehen [siehe Seite 187 f.]. Auch die Regierung nahm, als sie sich mit der Frage des gedachten Ausbaues zu beschaftigen begann, die- selben Tračen in Aussicht und liess auf Grund der ihr mittels Gesetzes vom 30. Juni 1888 zutheil gewordenen Er- machtigung die beziiglichen Plane aus- arbeiten. Aus diesen erhellte, dass der gesammte Bau mindestens 5,922.000 fl. kosten vviirde. Darum wurde beschlossen, einstweilen nur die Thalstrecke von Schrambach iiber Freiland und St. Egyd nach Kernhof auszufiihren, zu deren Kosten von beilaufig 1,400.000 fl. Inter- essentenbeitrage in der Werthhohe von mindestens 100.000 fl. sicher gewartigt werden konnten. Der Handelsminister legte also am 25. April 1890 dem Reichs- rathe einen die Herstellung dieser Strecke auf Staatskosten bezweckenden Gesetz- entwurf vor, der — nach unbehinderter Erledigung — schon am I. Juni 1890 die a. h. Sanction erhielt. Wiederholte Projectsanderungen verlangsamten den zu Ende 1890 an die Unternehmer Josef v. Rauchberger, Vincenz Gottscheber und Karl Schmits in Losen vergebenen und im Jahre 1891 begonnenen Bau; die Eroffnung der 2 5’6 km langen Strecke fand am 2. Juni 1893 statt. Die Anlage- kosten betrugen 1,387.100 fl. Die Trače dieser Linie zieht von Schram¬ bach stets in siidlicher Richtung dem Laufe der Traisen folgend, vorerst bis Freiland, wo sich das Thal in das Turnitzer und Hohen- egger Traisenthal scheidet. Durch das letztere vom steilen Bergabliange eingeengte Thal fiihrt die Balin, indem sie die rasch dahin- fliessende Traisen vorher uberbriickt, zur Haltestelle Innerfahrafeld und von da durch Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 395 das sich erbreiternde Thal, den Fluss bei Furthof abermals iibersetzend, nach Hohen- berg. Noch zweimal iiber die Traisen, dann prachtige Waldpartien und Felseinschnitte passirend, gelangt die Bahn zu der durch die dortigen Eisenwerke bekannten Station St. Egydi am Neuwald.. An der nachst dem gleichnamigen Markte gelegenen Haltestelle St. Egydi voruber zieht die Bahn sodann in starken Steigungen mitten durch einen herr- lichen Naturpark zur Station Kernhof, welche mit dem vielbesuchten Wallfahrtsorte Maria- zell einen regen Verkehr hat. Auf den Umstand, dass die oben er- orterten Zurtistungen fiir die Forderung des Localbahnwesens fast sammtlich erst in einer spateren Zeit rvirksam wurden, mag es zuriickzufiihren sein, dass das Jahr 1891 gar keine Concessionirung auf- zuweisen hatte. Dagegen brachte es einen weiteren Fortgang der Verstaat- 1 i c h u n g. Die kaiserliche Thronrede, welche am 11. April 1891 die neue [XI.] Session des Reichsrathes einleitete, wies auf »die beziiglich mehrerer Privat- bahnen nahegeriickten Termine der Ein- losbarkeit durch den Staat hin, welche die Regierung veranlassen werden, den successiven Fortgang der Eisenbahn- Verstaatlichung in eingehende Erwagung zuziehen und nach reiflicher Priifungjedes einzelnen Falles in verkehrspolitischer und finanzieller Beziehung die geeigneten Antrage zu stellen«. Dies war auch wirk- lich der Fali und, wenngleich nicht Alles sofort zutraf, was damals in der Oeffentlichkeit fiir nahe bevorstehend be- zeichnet ward [so namentlich die Ein- losung der Oesterreichischen Nordwest- bahn,*) Staatseisenbahn, Stidbahn, Kaiser *) Bei der Oesterreichischen Nord- westbahn war damals, ausAnlass des am 24. December 1890 erfolgten Ablebens des Ge- neral-Directors, Hofrathes Dr. GustavGross, der seit der Grundung der Gesellschaft die Geschafte derselbengefilhrt hatte, die General- Direction aufgelassen und an deren Stelle ein Directions-Collegium eingesetzt worden, in welčhemdas Verwaltungsraths-Mitglied, Ober- baurath Achilles Thommen, den Vorsitz ftihrte. Da mit Ende des Jahres 1890 auch der Betriebsdirector Hermann Ritter von Rittershausen aus dem activen Dienste f eschieden ist, hingegen derGeneral-Secretar, egierungsrath Dr. Alex. Eger, zum Director und der Betriebsdirector-Stellvertreter Moritz Wilhelm zum Subdirector ernannt wurde, bestand das Collegium aus eben diesen beiden Functionaren, dann aus dem Maschinen- Ferdinands-Nordbahn* *) etc.], die Verstaat- lichungs - Thatigkeit als solche begann riihrig fortzuschreiten. Vorerst wurde die im Jahre 1884 be- gonnene, jedoch wieder ins Stocken ge- rathene Einlosung der Erzherzog Albrecht-Bahn zuEndegefiihrt. Hiezu war die Beseitigung der Hemmnisse erforderlich, welche den Vollzug des [Einlosungs-]Gesetzes vom II. December 1884 [siehe Seite37o] behinderthatten und hauptsachlich in der Ungleichartigkeit der gesellschaftlichen Anlehenslasten [Gold- und Silber-Obligationen mit verschiedenen Ruckzahlungsfristen], dann in der wegen des Goldagios veranderlichen Relation zu dem garantirten Reinertragnisse und in der aus ersterer Ursache entsprun- genen Unmoglichkeit einer gleichmassigen Annuitat fiir die gegen Staatsschuldver- schreibungen auszutauschenden Actien bestanden. Eine von dem Bankhause E r- 1 ang er und Sohne**) in Frankfurt a. M. der Gesellschaft angebotene freiwillige Prioritaten-Convertirung lieferte nun die Handhabe zur Behebung der erwahnten Schwierigkeiten; denn laut jener Offerte sollten die beiden Prioritaten-Gattungen durch ein 4°/ 0 iges und bis Ende 1964 riickzahlbares Silberanlehen im Betrage von nom. 18,700.000 fl. ersetzt***) werden, \vodurch die Frage des Goldagios ge- bannt und auch die Erzielung einer gleichmassigen Annuitat fiir das Actien- Director, kaiserlichen Rath Johann Langer und dem Baudirector Wenzel Hohenegger. Diese Einrichtung wahrte jedoch nicht lange; es wurde wieder ein leitender Director eingesetzt und der Director Alexander Eger auf diesen Posten berufen. •) Bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn hatte zu Beginn des Jahres 1890 gleichfalls eine Aenderung in der obersten Geschafts- leitung stattgefunden, indem die gesammte Direction einem Gen er al-Direct or unter- stellt, der bisherige Directions - Vorsitzende, Hofrath Richard Jeitteles, auf den neuen Posten berufen und die ganze Geschafts- leitung in zw 5 lf Sectionen gegliedert wurde. **) Diese Firma war durch ihrenbedeuten- den Besitz von Actien und Obligationen der Erzherzog Albrecht-Bahn [siehe Seite 229] an derselben stark betheiligt ***) Nach der Verlosung am I. Mai 1890 befanden sich noch im Umlaufe: S^ige Sjilber- prioritaten im Betrage von nom. 11,622.900 fl. und 5°/oige Goldprioritaten im Betrage von nom. 3,748 800 fl. 39 6 Ignaz Konta. Capital moglich geworden ware. Der ge- plante Titelumtausch solite im Verhalt- nisse von 115 fl., beziehungsweise 135 fl. in neuen 4° /0 igen, filr je 100 fl. nom. der alten 5%igen Silber-, respective Gold- Obligationen vor sich gehen. Der Regierung war die Sache recht willkommen; gleichwohl aber machte sie, im Hinblicke auf die aus der Con- vertirung den Actionaren erwachsenden Vortheile, die Genehmigung der Trans- action davon abhangig, dass die Gesell- schaft dem Staate das Einlosungsrecht unter giinstigeren als den concessions- massigen Bedingungen einraume und das Actiencapital auf die Halfte berabmindere. Dementsprechend kam also am 4. Juli 1890 ein TJebereinkommen zum Ab- schlusse, wonach der Betrieb vom I. Januar 1892 an vom Staate fur dessen eigene Rechnung gefiihrt werden und dieser hiefur ein Entgelt von 954.137 fl. pro Jahr bis zum Ablaufe der Concessions- dauer und ausserdem eine Annuitat fur die 4°/ 0 ige Verzinsung und die Tilgung der zu Investitionszwecken dienenden Erhbhung des neuen Anlehens auf nom. 20,000.600 fl. entrichten solite; ferner die Gesellschaft sich verpflichtete, das nunmehr vom Jabre 1891 an binnen 74 Jahren zu tilgende Actiencapital um die Halfte, das ist auf die Summe von 3,559-9°° A- herabzumindern und dem Staate das Recht einraumte, die Bahn jederzeit einzulosen unter der Bedingung, dass er die Prioritatsschuld zur Selbst- zahlung tibernimmt und jede ungetilgte Actie gegen eine 4°/ 0 ige steuerfreie Eisen- bahn-Schuldverschreibung im Betrage von nom. 100 fl. umtauscht, bis zum Vollzuge des Umtausches aber die Actiencoupons mit dem Betrage von 2 fl. steuer- und stempelfrei einlost. Von der Riickerstattung der Staatsvorschiisse aus dem Titel der Zinsengarantie und der Betriebs-Deficite so- wie der 4°/ 0 igen Zinsen hierauf [zusammen 19,508.740 fl.] wurde abgesehen. Nachdem die ausserordentliche Gene- ralversammlung vom 31. Juli 1890 dem Uebereinkommen zugestimmt hatte, fiihrte die Regierung dasselbe der legislativen Behandlung zu. Die Vorlage an den Reichsrath erfolgte am 18. December 1890 und dann in der neuen Session desselben ein zweites Mal am 11. Mai 1891 in ein er etwas geanderten Fassung, welche jedoch nicht das Uebereinkommen betraf. Mittlerweile hatte in der Zeit vom. 9. bis 24. Februar die Convertirung stattgefunden und die ausserordentliche Generalversammlung vom 11. April 1891 die Frist filr die Verbindlichkeit des Ueber- einkommens bis Ende 1891 erstreckt. Das Abgeordnetenhaus nahm den Ge- setzentcvurf am 10. Juli an und am 28. August 1891 erhielt er die a. h. Sanction. Da vermoge des guten Fortganges der Convertirung die ganze Sachlage wesent- lich vereinfacht wurde, brauchte die Re¬ gierung nicht erst ein Zwischenstadium eintreten zu lassen, sondern konnte die Bahn gleich vollig einlosen, was sie denn auch mit I. Januar 1892 that und mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 11. December 1891 amtlich verlaut- barte. Nacbher kam die Carl Ludwig- Bahn an die Reihe, riicksichtlich deren die Verstaatlichungs-Begehren schon seit Jahr und Tag von allen Seiten herange- drangt und im Staatseisenbahn-Rathe wie auch im Parlamente lebhafte Unter- stutzung gefunden hatten. Das Abgeordne¬ tenhaus bethatigte dies dadurch, dass es — einer vom Eisenbahn-Ausschusse vom 19. Februar 1890 gegebenen Anregung folgend —- bei der Annahme des Ge- setzes iiber die Herstellung des zweiten Geleises [siehe Seite 391] an die Regie¬ rung die Aufforderung richtete, alle Vor- bereitungen zu treffen, dass diese Bahn im Zeitpunkte der Vollendung des Doppel- geleises vollstandig oder mindestens hin- sichtlich des Betriebes vom Staate tiber- nommen werden konne. Die Regierung entsprach bereitwilligst dieser Resolution, da auch sie die Ein- beziehung der gesellschaftlichen Linien in das staatliche Betriebsnetz, »aus volks- wirthschaftlichen und eisenbahnpolitischen Riicksichten«, filr unausweichlich erach- tete. Das Handelsministerium Hess also am 29. April 1891 dem Verwaltungs- rathe die beziigliche Verstandigung zu- gehen, gab hiebei der Erwartung Aus- druck, dass es gelingen werde, eine freie Vereinbarung iiber den Einlosungspreis zu erzielen, erklarte jedoch zugleich, dem Geschichte der Eisenbahnen Oesterreicbs. 397 Letzteren nur die \virkliche Ertragsfahig- keit der Bahn zugrunde legen zu konnen und gegebenen Falles »auch ohne vor- herige Verhandlung zur Einlosung zu schreiten«. Das concessionsmassige Recht hiezu stand der Regierung hinsichtlich der Strecke Krakau-Przemyšl und der beiden Localbahnen jederzeit, hinsichtlich der Strecke Przemyšl-Lemberg vom 4. No¬ vember 1891 an zu; hinsichtlich der iibrigen Strecken war dies zwar erst vom 15. Mai 1897 an der Fali, auf diese fand aber, zufolge der erheblichen Inanspruch- nahme der Staatsgarantie, das Sequestra- tions-Gesetz Amvendung. Wenn die Re¬ gierung trotzdem von der »uneinge- schrankten Ausniitzung ihrer Befugnisse« absehen \vollte, so geschah dies zur Ver- meidung von Rechtsstreitigkeiten, die immerhin aus der ungenauen Fassung mancher Bestimmungen der alten Con- cessions-Urkunden hervorgehen konnten. Der Verwaltungsrath seinerseits wieder \vusste dem vorerwahntejn Ministerial- Erlasse die richtige Deutung zu geben und das Anerbieten einer »freien Ver- einbarung« wohl zu wilrdigen. So wurden dennVerhandlungen eingeleitet und etliche Wochen hindurch gepflogen; sie gestal- teten sich mitunter recht schwierig, da die Regierung zum ersten Male vor einer concessionsmassigen Einlosung stand und ftir den Fali, als es zu keiner Einigung kame, um desto sorgsamer bedacht sein musste, jedwedem Prajudice vorzubeugen, der Vervvaltungsrath aber begreiflicher Weise die gesellschaftlichen Interessen vertheidigte. Erst gegen Ende Juni wurde eine vollstandige Uebereinstimmung er- reicht. Der Verwaltungsrath, dem es darum zu thun war, die Actionare ehebaldigst von der Angelegenheit zu benachrichti- gen, hatte schon friiher eine ausseror- dentliche Generalversammlung auf den 27. Juni einberufen und konnte ihr nun den Entvvurf des mit der Regierung ab- zuschliessenden Uebereinkommens vor- legen. Dasselbe umfasste insbesondere folgende Hauptpunkte: Der Staat ilber- nimmt mit 1. Januar 1892 das gesammte Eigenthum und alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft und tritt daher ruck- sichtlich der Prioritats-Anlehen als Selbst- schuldner ein; die Actionare erhalten pro 1891 eine 4%ige Verzinsung, vom Jahre 1892 an aber eine jahrliche Rente von 10 fl. [das ist rund 4 - 76 °/o von 210 fl.]; die Actien werden vom 31. Januar 1893 an zu Staatsschuldverschreibungen abge- stempelt, vom I. Januar 1900 an inner- halb 90 Jahren oder auch friiher zum vollen Nennwerthe von 210 fl. getilgt; die Staatsverwaltung kann das Actien- capital auch vor dem I. Januar 1900 mit 220 fl. pro Sttick zuriickzahlen; das ge¬ sammte Dienstpersonal wird unter Wah- rung der ervvorbenen Rechte vom Staate iibernommen ; die Gesellschaft trifft keine Riickzahlungspflicht hinsichtlich der er- haltenen Garantievorschlisse.*) Etliche, jedoch schrill klingende Stim- men erhoben sich gegen die Vereinba- rung; die Mehrheit der Actionare aber genehmigte sie vollinhaltlich und ermach- tigte zugleich den Vervvaltungsrath zur Invollzugsetzung, worauf zunachst am 30. Juni 1891 die Ausfertigung des Ueber¬ einkommens erfolgte. Dem Reichsrathe wurde es am 13. October 1891 vorge- legt; auch dort stiess es auf nicht ge- ringen Widerstand, den aber sowohl die Beweisgriinde, welche derHandelsminister noch miindlich ftir die Erspriesslichkeit der Vorlage entwickelte, als auch die glanzende Dialectik des Berichterstatters Dr. Ritter von Bilinski rasch bewal- tigten. Das Abgeordnetenhaus nahm das Uebereinkommen und den beziiglichen Gesetzentwurf am 18. November an, wel- cher, nach Zustimmung auch des Herren- hauses, schon am 25. November 1891 die a. h. Sanction erhielt. Nun hatte der Verwaltungsrath die letzten Massnahmen ftir die Durchfiih- rung des Uebereinkommens, insbesondere fur die Uebergabe der Bahn zu treffen. Die Regierung ihrerseits verlautbarte mittels Kundmachung des Handelsmini- steriums vom 9. December 1891 den Uebergang der Bahn an den Staat, ver- fiigte die Fuhrung des Betriebes durch die k. k. General-Direction der osterreichi- schen Staatsbahnen und vollzog am *) Diese ungedeckte Schuld aus diesem Titel betrug ohne die Zinsen [beilaufig 5,925.160 fl.] rund 18,116000 fl. 398 Ignaz Konta. I. Januar 1892 die Uebernahme. Bei diesem Anlasse traten der General- Directork.k. Hofrath Dr. Eduard S o c h o r Freiherrvon F.riedri ch sth al, der administrative Director k. k. Regierungs- rath Albert Ritter Speil von Ostheim, der Betriebs-Director k. k. Regierungsrath Wenzel Sladko wski und einige and ere Oberbeamte in den Ruhestand, wobei die zwei Letztgenannten mit dem Hofraths- titel ausgezeichnet wurden. Fiir das Ge- schaft der Bauabrechnung des Doppel- geleises verblieb beim Verwaltungsrathe ein kleines Bureau, welches erst sechs Monate spater aufgelost wurde. Sodann vollzog die Regierung die Einlosung der Dux-Bodenbacher und der Prag-Duxer Bahn, wozu sie durch das Gesetz vom 11. April 1886 [siehe Seite 372] ermachtigt und vermoge des Uebereinkommens vom 26. April 1884 [siehe Seite 304] berechtigt war. Die Dux-Bodenbacher Bahn hatte, ob- zwar sie es als sicher annehmen konnte, dass die Staatsverwaltung gleich bei Ein- tritt des vertragsmassigen Termines von ihrem Einlosungsrechte Gebrauch machen werde, sich angeschickt und in der ausser- ordentlichen Generalversammlung vom 29. Juli 1889 beschlossen, die Prag-Duxer Bahn mit I. Januar 1890 anzukaufen und zur Beschaffung des Kaufscbillings von 8,000.000 H. neue Actien lit. B und lit. G auszugeben,beziehungsweise ihren Finanz- Instituten gegen Baarzahlung zu tiberlassen, welche wider die Weiterbegebung an die Actionare der beiden Gesellschaften zu- sagten. Dieselbe Generalversammlung beschloss ferner die freiwillige Conver- tirung der 5°/ 0 igen Prioritaten sovvohl der eigenen, als ■— nach dem Ankaufe der Prag-Duxer Bahn — auch dieser Gesellschaft in 4°/ 0 ige Anlehen, sei es durch Abstempelung, sei es durch Aus- gabe neuer Titel. Die Prag-Duxer Bahn, \velche zufolge der Vereinbarungen vom Jahre 1884 [siehe Seite 302] an die Dux-Bodenbacher Bahn gebunden und dem Einflusse der- selben Geldkrafte untervvorfen war, musste sich einfach fiigen; der gerade damals bei manchen Actionaren, durch diewach- senden Ertragnisse der Bahn, rege ge- wordene Wunsch nach Wiedergewinnung der Selbstandigkeit der Gesellschaft, blieb wirkungslos. Das Vorhaben der Dux-Bodenbacher Bahn, insbesondere der finanzielle Theil des Geschaftes fand indess eine sehr ver- schiedenartige Beurtheilung und die min- dest giinstige dort, wo unter Hinvveis auf die zu gewartigende Einlosung beider Bahnen jede \veitere Transaction fiir iiber- fliissig gehalten, wenn nicht gar als Mittel zum Zwecke der Erzielung von Einanzgewinnen stigmatisirt wurde. Auch die Regierung verhielt sich nicht gleich- giltig, sondern sprach sich gegen die Ausgabe ungleichartiger Actien aus, weil insbesondere den Actien lit. C kaum ein innerer Werth zukame und daher ihre Ausniitzung zu Speculationszwecken zu besorgen stiinde. Ueberdies machte der beztigliche Erlass [30. November 1889] auf den Ablauf der Steuerfreiheit und auf die in den nachsten Jahren eintre- tenden Investitions-Erfordernisse aufmerk- sam, welche die Ertragnisse nicht unbe- riihrt lassen diirften. . Daraufhin kam von den erwahnten Beschliissen der Actionare der Dux-Boden- bacher Bahn lediglich derjenige zur Durchfuhrung, welcher die Convertirung betraf, jedoch durch die seitens der Regie¬ rung genehmigten Beschltisse der General¬ versammlung vom 15. Mai 1891 eine Aenderung dahin erfuhr, dass die Con¬ vertirung nicht durch Abstempelung, sondern durch Ausgabe neuer Titel zu bewerkstelligen und dabei auch fiir die Deckung der Investitions-Erfordernisse *) vorzusorgen sei. Es wurden also 4°/ 0 ige Titel im Betrage von nom. 15,000.000 fl. Silber und 3,999.900 Reichsmark ausge- geben; davon dienten zum Umtausche gegen die alten noch im Umlaufe ge- Avesenen 5 °/oig en Obligationen: nom. 8,846.550 fl. Silber und 1,864.350 fl. *) Es waren zu decken: Die Kosten des zweiten Geleises, weil die concessionsmassige Voraussetzung fiir diese Herstellung [Brutto- Einnahmen von 140.000 fl. pro Meile in zwei auf einander folgenden Jahren] bereits ein- getreten war, ferner die Kosten verschiedener Erweiterungsbauten und der Nachschaffung von Fahrbetriebsmitteln. Auf den mit bei- laufig 5,600.000 fl. veranschlagten Bedarf hatte die Gesellschaft eine Summe von 3,750.000 fl. an die Regierung abgestattet. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 399 Gold [= 2,728.700 Reichsmark]. Die Convertirung geschah in der Zeit vom 14. bis 30. Juli 1891 und gegen eine bare Aufzahlung von 10% des Nenn- werthes der eingelieferten 5°/ 0 igen Priori¬ teten. Die Prag-Duxer Bahn nahm ebenfalls im Jahre 1891 ein neues 4°/ 0 iges Gold- anlehen von 15,000.000 Reichsmark auf, welches nach den Beschliissen der Gene¬ ral versammlung vom 27. Mai 1891 so- wohl zur Convertirung der 5°/ 0 igen Gold- prioritaten, als auch zur Deckung von Investitions - Erfordernissen *) bestimmt war. Die Convertirung ging, als eine blos freiwillige, langsam von Statten; es befanden sich alte Obligationen noch im Umlaufe, als die Gesellschaft im Jahre 1896 eine neuerliche Umwandlung ihrer Prioritatsschuld, diesmal in eine 3%ig e > unternahm. Wahrend die beiden Gesellschaften mit der Durchfuhrung der Convertirungen beschaftigt gewesen, wurden sie mittels des Handelsministerial - Erlasses vom 22. September 1891 in die Kenntnis ge- setzt, dass die Regierung beschlossen habe, beide Unternehmungen mit I. Januar 1892 gegen Ausbezahlung der vereinbarten Einlosungsrente [mindestens 3,100.000 fl.] in das Eigenthum des Staates zu iiber- nehmen und bereit sei, etwaige »aus der Einlosungs - Operation sich ergebende Detailfragen im Einvernehmen mit den beiden Gesellschaften baldthunlichst zur Austragung zu bringen«. Fiir die letztere ergab sich auch wirklich geniigender Stoti'; dies behinderte jedoch nicht den Einlosungsact, der mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 25. Decem¬ ber 1891 verlautbart und mit Jahresschluss vollzogen wurde. Die wichtigsten der seitens der Ge- sellschaften vorgebrachten Wiinsche und Anregungen galten zumeist einer ge- naueren Feststellung der Einlosungsrente, fiihrten aber trotz wiederholter Be- sprechungen zu keiner Einigung, wes- halb das Handelsministerium jene Rente, *) Diese Erfordernisse umfassten eine Pauschalabstattung von 1,200.000 fl. an die Regierung und die Tilgung der gleichfalls fiir Investitionen aufgenommenen schvveben- den Schuld von 734.570 fl. nach Massgabe der pro 1889—1891 auf den gesellschaftlichen Linien erzielten Betriebsuberschiisse, zunachst und vor- behaltlich kiinftiger Vereinbarung mit 3,308.163 fl. bezifferte [Erlass vom I7-Juni 1892]. Darauf fanden neuerliche Ver- handlungen statt, welche nun das. Pro- tokollar-Uebereinkommen vom 25. Juli 1892 zum Ergebnisse hatten, welchem zufolge die Einlosungsrente nach Abzug der io°/ 0 igen Einkommensteuer bestimmt wurde: fiir die Dux-Bodenbacher Bahn mit 1,710.000 fl. und fiir die Prag-Duxer Bahn mit 1,489.400 fl., und zwar letztere in der Weise, dass nach dem Erforder¬ nisse fiir den Prioritatendienst noch fiir jede Actie eine steuerfreie Dividende von 4 fl. verbleibe. Gleichzeitig ist die Re- ducirung des Actiencapitals bei der Prag-Duxer Bahn durch Abstempelung *) um ein Dritttheil [von 150 fl. auf 100 fl. pro Stiick] und bei der Dux-Bodenbacher Bahn durch Ruckkauf und Abstempelung auf ein Viertheil [2,040.000 fl. getheilt in 40.800 Actien a 50 fl.] festgesetzt und der letzteren Gesellschaft gestattet worden, ihren Actionaren »a raison des abge- stempelten Actiencapitales« Obligationen auszufolgen, die auf der Einlosungsrente pfandrechtlich sichergestellt werden. Diese Vereinbarungen fanden in den ausser- ordentlichen General versammlungen[Prag- Dux] vom 9. August und [Dux-Boden- bach] vom 12. November 1892 die Zu- stimmung der Actionare und gelangten dann allmahlich zur Durchfiihrung — die Emission der 3°/ 0 igen Dux-Boden- bacher Anleihe von 25,600.000 fl. Gold bereits im Jahre 1893 und zum Curse von 76%. Nun war endlich der Knauel der seltsam gesponnenen Faden, welche sich ein Jahr- zehnt lang durch die Geschicke der beiden Duxer Bahnen hinzogen, fast ganz abgewickelt; der kleine Rest desselben ging das finanzielle Gebiet und nur noch uneigentlich das Eisenbahnwesen an. Die Verstaatlichung hatte auch hier einem *) Diese Abstempelung beruhrte in keiner Weise das Recht der Stamm-Actionare aui den ihnen nach dem urspriinglichen Nominal- betrage der Actien zustehenden verhaltnis- massigen Antheil an dem Gesellschafts- VermOgen. 400 Ignaz Konta. weitgedehnten aber nicht immer erquick- lichen Capitel der bsterreichischen Eisen- bahn-Geschichte zu einem gedeihlichen Schluase verholfen. Das stetige Anwachsen des staatlichen Eisenbahn-Besitzes und Betriebes fachte die seit der ersten Organisirung des letzteren immer fortglimmende Frage der Centrali- sirung oder Decentra-lisirung der staat- lichen Eisenbahn-Verwaltung von Neuem an. Die politischen Parteien schiirten die Glut; auf der einen Seite wurde die Vereinigung der Machtbefugnisse in einem Mittelpunkte als unerlasslich be- zeichnet, auf der anderen hingegen mit allem Eifer eine Theilung verlangt. Vor- laufig kam es aber zu keiner vollstandigen Utmvalzung; die k. k. General-Direction als solche blieb aufrecht erhalten, musste aber eine Reihe von Agenden an die k. k. Betriebs-Directionen abgeben, \velchen die zufolge a. h. Entschliessung vom 7. December 1891 erlassene N o veli e zur Organisation der Staats- eisenbahn-Verivaltung [Verordnung des Handelsministeriums vom 15. De¬ cember 1891] eine namhafte Erweiterung ihres Wirkungskreises zutheil werden liess und auch eine erhebliche Mit- wirkung bei Angelegenheiten der allge- meinen Verwaltung einraumte. Zugleich erfuhren die Satzungen fur den Staats- eisenbahn-Rath mehrfache Aenderungen.*) Zvviespaltigkeiten, die damals zu Tage getreten, fiihrten jedoch einen W e c h s e 1 im Prasidium der k. k. General- Direction h er bei. Die hervorragende Personlichkeit, welche seit der Errichtung einer Direction fur den Staatsbetrieb die Leitung desselben inne hatte und eben- sowohl mit eiserner Willensstarke, als wie mit nie rastender Emsigkeit an der Organisirung, Pflege und Ausgestaltung der neuen Institution arbeitete, Freiherr v. .Czedik, zog sich in den Ruhestand zuriick, bei \velchem Anlasse ihm mit a. h. Entschliesung vom 7. Januar 1892 »in Anerkennung seiner ausgezeichneten *) Mittels Verordnung des Handels¬ ministeriums vom 18. Januar 1893 erhielt der von der Zusammensetzung des Staatseisen- bahnrathes handelnde § 17 der Novelle vom 15. December 1891 neuerdings eine gean- derte Fassung. Dienste« das Grosskreuz des Franz Josef-Ordens verliehen wurde. Mit einer anderen a. h. Entschliessung vom selben Tage erfolgte die Ernemnmg des Professors an der Universitat in Lem¬ berg, Dr. Leon Ritter v. B i 1 i h s k i, zlim Sections-Chef im Handelsministerium und zum Prasidenten der General- Direction der osterreichischen Staats- bahnen. Die Abschiednahme des fruheren und der Amtsantritt des neuen Prasidenten ging am 9. Januar 1892 in feierlicher Weise vor sich. Dabei wurden nicht blos die tiblichen Reden getauscht. Der neue Prasident entvvickelte sein Pro- gramm, in welchem die »finanzielle Sani- rung der Staatsbahnen« einen ersten Platz einnahm und als Mittel zur Er- reichung dieses Zieles vornehmlich be- zeichnet waren: Hebung des Rein- ertrages, damit aus demselben die Deckung der Erfordernisse fur die Ver- besserung der Lage des Personales und fiir die weitere Ausriistung der staatlichen Linien geschopft werden konne und die in den Staatseisenbahnen investirte Milliarde nicht auf die Dauer ohne ent- I sprechendes Ertragnis bleibe; die štete Klarstellung der finanziellen i Lage, genauere Budgetirung und Ein- haltung der Voranschlage, einfache und durchsi chtige R e c h n u n g s- abschliisse, »damit auch jeder Laie; als idealer Miteigenthiimer der Staats¬ bahnen, tiber deren finanziellen Stand geniigenden Aufschluss finde« ; die thun- lichste Bedachtigkeit in der Tarifpolitik, Verhiitung von Tarifsatzen, die unter die Selbstkosten herab- t reichen und eine allfallige Abanderung | der Giitertarife zu Gunsten des Staats- schatzes. Es korinte nicht verwundern, d-ass diese Eroffnungen die allgemeine Auf- merksamkeit auf sich zogen; denn Dr. Leon Ritter v. Bi lih s ki war vermoge seiner eben erst aufgegebenen, vieljahrigen parlamentarischen Thatigkeit gleich sehr mit den Bedtirfnissen der Staatsfinanzen \vie mit den Eisenbahnfragen, deren \vichtigste durch seine Hande gegangen, und auch mit den Anschauungen der J Reichsvertretung wohl vertraut. Die Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 401 Stimmen der offentlichen Meinung sprachen sich fast sammtlich in giinsti- gem Sinne iiber das Programm aus, das nach etlichen Monaten auch von Seite des Finanzministers eine gewichtige Bekraftigung erhielt. Dr. Steinbach [seit 2. Februar 1891 der Nachfolger Julian v. Dunajewski’s], ein vorziiglicher Vertreter der neuzeitigen staatsvvirth- schaftlichen Auffassung und erklarter Anhanger, aber auch scharfer Beobachter des Staatseisenbahnwesens, hatte den finanziellen Verhaltnissen desselbenin der Sitzunp' des Abgeordnetenhauses vora 5. November 1892 sehr ernste Worte gewidmet; er sagte: wenn die Ausgaben fortwahrend steigen und die Einnahmen zu stark herabgesetzt werden, miisse »das Staatsbahnwesen in semen Erfolgen in einer bestimmten Zeit compromittirt sein, und falls dies iange wahrt, der Moment eintreten, dass das Finanzressort —• mag es vertreten, \ver da will — darauf dringen wird, die Staatsbahnen wieder abzustossen.« Unterdessen hatte itbrigens weder die Vorbereitungund beziehungsweise Durch- fiihrung weiterer Verstaatlichungs-Opera- tionen noch die Inangriffnahme neuer Staatsbauten einen Stillstand erfahren. Die giinstige Lage des Geldmarktes veranlasste die Verwaltung der Siid- norddeutschen Verbindungs- b a h n nun ebenfalls einen Umtausch ihrer 5%igen Prioritaten in geringer verzinsliche Titel zu bewerkstelligen. Da hiezu die Genehmigung der Regie- rung erforderlich war, stellte dieselbe ihre Bedingungen; sie verlangte die Erhohung des Convertirungs-Anlehens um den Betrag von nom. 7,132.000 fl. zum Zwecke der Refundirung aller bis- her zu Lasten der Garantierechnung vorgenommenen und zur Rucklage fiir kiinftige Investitionen, gegen Erhohung der Staatsgarantie um rund 325.250 fl. jahrlich; ferner Entschadigung des Staates mit 206.000 fl. fiir den Entgang von Stempel und Gebuhren durch die Steuer- freiheit des neuen Anlehens und auch, fiir den Fali der concessionsmassigen Einlosung der Bahn, die unentgeltliche Uebergabe nicht nur der aus der er- \vahnten Anlehensquote gedeckten In¬ vestitionen, sondern auch aller zu Lasten der Betriebsrechnung nachgeschafften Betriebsmittel an den Staat, wogegen in jenem Falle die erhohte Garantie als Minimal-Einlosungsrente zu gelten habe. Das auf diesen Grundlagen abge- schlosseneUebereinkommen vom 27. April 1892 erhielt in der Generalversammlung vom 30. April 1892 die Zustimmung der Actionare und mittels des, aus der Regierungsvorlage vom 17. Mai hervor- gegangenen Gesetzes vom 28. Juni 1892, auch die legislative Genehmigung. Ar¬ tikel IV des letzteren ermachtigte die Regierung iiberdies, das staatliche Ein- losungsrecht, in Gemassheit der Con- cessions-Bestimmungen und des vor- erwahnten Uebereinkommens, zu dem ihr geeignet erscheinenden Zeitpunkte auszuiiben, wodurch nun die Sud-nord- deutsche Verbindungsbahn in gleicher Weise wie die anderen jiingsthin einge- losten Bahnen, im Grundsatzlichen, zur Verstaatlichung vollig bereitgestellt er- schien. Die Convertirung und zugleich Neu- Emission wurde von der Finanzgruppe der Credit-Anstalt in den Tagen vom 8. bis 19. Juli 1892 ausgefiihrt. Das Ge- sammt-Anlehenbetrug nom. 24,000.000 fl., wovon nom. 16,867.800 fl. zur Conver¬ tirung der 5%igen Prioritaten dienten und nom. 7,132.200 fl. die Investitions- Anleihe ausmachten. Nicht blos hiezu bereitgestellt, son¬ dern gleich wirklich vom Staate iiber- nommen wurde die I9’5 km lange Local- bahn E i s e n e r z -Vo r d e r nb erg, welche, nachdem sie schon seit dem Jahre 1864 zu den als nothwendig anerkannten Projecten gezahlt hatte, auf Grund des Gesetzes vom 5. Juli 1888 der Oester- reichischen Alpinen-Montan-Gesellschaft am 10. October 1888, theils als Ad- hasions-, theils als Zahnstangenbahn [14"6 km] nach dem Svsteme Abt con- cessionirt und am 15. September 1891 dem Betriebe ubergeben vvorden war. *) *) Umfassende geschichtliche Mittheilun- gen iiber diese Localbahn finden sich in Konta’s Eisenbahn-Jahrbuch XXI, Seite 1007 ff. Technische Einzelheiten und Abbil- dungen siehe im Abschnitte uber das Local¬ bahn wesen in Oesterreich v. P. F. Kup k a. 26 Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 402 Ignaz Konta. Um die endliche Zustandebringung dieser fiir Steiermark und seine Eisenindustrie wichtigen Eisenbahn zu ermoglichen, gewahrten der steierische Landtag in seiner Sitzung vom 21. Januar 1887 dem Unternehmen eine in 20 Jahresraten zu je 20.000 fl. zu leistende Subvention von 400.000 fl. und die Regierung, nebst einer 30jahrigen Steuerfreiheit, nach langen Jahren zu ersten Male wieder, eine Zinsengarantie im Betrage von jahrlich 166.687 A' A' r die ersten 75 Jahre und von jahrlich 89.941 fl. fiir die letzten 15 Jahre der Goncessionsdauer. Fiir die Aufbringung des Anlage-Capitals sorgte die am 8. Mai 1889 unter der Firma: »Localbahn Eisenerz - Vordern- berg« errichtete Actien - Gesellschaft durch Ausgabe von 3500 Stamm- und 5000 Prioritats-Actien a 200 fl. und von 4%ig en Prioritats-Obligationen im Nomi- nalbetrage von 3,000.000 fl. Die Stamm- actien ilbernahm zum vollen Werthe die Concessionarin, die iibrigen Werthe hin- gegen die Landerbank, und zwar die Prioritats-Actien zum Curse von 80°/ 0 , die Obligationen zum Curse von 92^05°/ 0 . Der Erlos fiir sammtliche Titel betrug also 4,261.500 fl. Die Anlagekosten waren mit 4,200.000 fl. veranschlagt. Unvorhergesehene, durch die ausser- ordentlich ungiinstige Gebirgsbeschaffen- heit, wie auch durch Wassereinbriiche in die Tunnelbauten unerlasslich ge- \vordene Verstarkungen von Stiitzmauern, Pfeilern etc. verursachten jedoch Mehr- auslagen im Belaufe von 1,875.700 fl., zu deren Deckung nur der bei der Titel- ausgabe erzielte Mehrerlos von 61.500 fl. vorhanden war. Die Regierung, unter deren eigenen Aufsicht der Bau vollfiihrt wurde, entschloss sich nun, die Staats- garantie um jahrlich 85.490 fl. zu erhohen und damit eine Unterlage fiir die Aus¬ gabe von weiteren Prioritats-Obligationen im Betrage von nom. 2,000.000 fl. zu bieten. Gleichzeitig zog sie aber auch die Erwerbung der Bahn in Betracht und die hieriiber gepflogenen Vorverhand- lungen hatten den Erfolg, dass die Alpine M ontan-Gesellschaft die unentgeltliche Abtretung sammtlicher Stammactien an den Staat zusagte und es ergab sich die Moglichkeit, die Prioritats-Actien [1,000.000 fl.] zum Curse von hochstens 90°/ 0 einzulosen und an deren Stelle auf Grundlage ihrer Garantiequote Obli¬ gationen im gleichenNennwerthe inUmlauf zu bringen. Auch hatte der steierische Landtag in seiner Sitzung vom 31. Marž 1892 beschlossen, fiir den Fali der Ver- staatlichung der Bahn den ihr zuge- sicherten Landesbeitrag in eine einmalige, mit Ende 1894 fallig werdende Capitals- zahlung von 330.000 fl. umzuwandeln. Die Gesetzesvorlage vom 3. Mai 1892, mit welchem die Regierung die legislative Ermachtigung sowohl zur Er- hohung der Garantie, als auch zur Er- werbung der Bahn einholte, passirte am 6. Juli das Abgeordnetenhaus und erhielt am 28. Juli 1892 die a. h. Sanction. Zwei Monate spater, am 10. September, be- schloss eine ausserordentliche General- versammlung der Actionare der Eisenerz- Vordernberger Bahn, ihre Unternehmung unter den in jenem Gesetze vorgesehenen Modalitaten an den Staat zu iiberlassen und in Liquidation zu treten. Der Abschluss des beztiglichen Uebereinkommens mit der Staatsvervvaltung zog sich jedoch bis zum 31. October 1893 hinaus und die Kundmachung der erfolgten Einlosung erfolgte erst am 5. November 1893. Weitere Formlichkeiten waren nicht er- forderlich, weil die Bahn sich ohnehin im Staatsbetriebe befand. Der Staat war jedoch schon mit I. Januar 1892 fiir die beiden 4°/ 0 igen Prioritats-Anlehen von je 3,000.000 fl. als Selbstzahler einge- treten. Von dem Anlehen der II. Emission dienten 900.000 fl. zur Einziehung der Prioritats - Actien, welche gleich den Stammactien vernichtet wurden. Vollen ds als Staatsbau wurde im Jahre 1892 die Linie Stanislau-W o ro¬ li i en k a gesichert, welche gleichsam Ersatz fiir die seit 1862 und bis in die Achtziger-Jahre, zumal auf ungarischer Seite, ebenso beharrlich als fruchtlos an- gestrebte Verbindung der Maramaros mit der Bukowina bieten soli. Sowohl im gesammtstaatlichen Interesse, als auch zur Hebung der wirthschaftlichen Ver- haltnisse der betreffenden Gegenden, kamen die beiderseitigen Regierungen im Jahre 1891 iiberein, statt der — mindestens fiir die Gegemvart — nicht Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 403 fur gut befundenen Zusammenschliessung der ungarischen mit den Bukowinaer Bahnlinien, eine dem letztgenannten Lande moglichst nahe geriickte Verbindung auf Staatskosten auszuftihren, und z\var unga- rischerseits die Strecke von Maramaros- Sziget bis Korosmezo, beziehungsweise an die Grenze nachst Woronienka, und osterreichischerseits von Stanislau bis an den eben genannten Grenzpunkt. Das Handelsministerium brachte also am 19. Januar 1892 im Reichsrathe einen Gesetzentwurf ein, vermoge dessen die Regierung ermachtigt werden solite, die vorbezeichnete osterreichische Strecke mit einem Kostenaufwande von hochstens 9,800.000 fl. aus Staats- mitteln herzustellen. Da zu Gunsten der Vorlage auch der wichtige Um- stand sprach, dass die neue Linie dem Staats- gute Nadworna und der Verwerthung seiner riesigen Waldbestande besonders zu Statten kame, votirte das Ab- geordnetenhaus schon am 11. Februar das Gesetz; die weitere Er- ledigung desselben ver- zogerte sich aber infolge einer Unter- brechung der Parlaments-Sitzungen, so dass es erst am I. Juli 1892 die a. h. Sanction erhielt. Der Bau des zehnten Bauloses mit dem Wasserscheide-Tunnel an der Landes- grenze wurde am 3. October 1892 an die Unternehmung Gross & Comp. ver- geben und am 20. October in Angriff genommen ; auf den iibrigen, erst zu Ende des Jahres 1892, und zwar an die Unter- nehmungen Ilgner, Radwanski & Dlugozewsti, Blau & Epstein, Keller & Simberski und abermals Gross & Comp. vergebenen neun Losen begannen die Arbeiten im Februar 1893. Der ganze Bau war in zwei Jahren soweit vollendet, dass die 94-1 km lange Strecke Stanislau - [Chaplin-] W oronienka am 20. November 1894 dem Betriebe iibergeben werden konnte. Die nur i - 4 km lange Grenzstrecke gelangte jedoch in Gemeinschaft mit der 14-8 km langen ungarischen Theilstrecke von der Grenze bis Korosmezo erst am 15. August 1895 zur Eroffnung. Die Betriebsfiihrung bis in diese ungarische Wechselstation hat, auf Grund der beziiglichen Anschluss- und Betriebsvertrage vom 3. April 1893, be- ziehungsweise 17. Mai 1894, die Ver- waltung der osterreichischen Staats- bahnen inne. Die Anlagekosten betrugen im Zeitpunkte der ganzlichen Vollendung 9,470.827 fl., diirften sich aber noch um beilaufig 335.000 fl. erhoht haben. Die Bahn Stanislau-Woronienka zweigt in siidostlicher Richtung vom Stanis- lauerBahnhofe ab; ist anfangs parallellaufend mit der Czernowitzer Bahn, tiberschreitet auf einer eisernen Brucke die Nadwornianka-By- strzycza, fiihrt bis zur Station Chryplin und schwenkt sodann in siid- westlicher Richtung ab. Im weiteren Laufe be- rilhrt sie die Ortschaf- ten Bratkowce, Tysmie- niczany,Tarnowica lesna, gelangt nach Ueber- schreitung des Strymba- flusses zur Stadt Nad¬ evoma, fiihrt gegen Osten und tibersetzt in einer bedeutenden Steigung die Wasserscheide zwischen der Bystrzyca und dem Pruth, das Fltisschen Wo- rona, schvvenkt wieder gegen Silden ab bis zur Ortschaft und Station Eojowa. Unmittel- bar vor der Station Eojowa beriihrt die Bahn die Reichsstrasse, welche von Sta¬ nislau nach Kbrosmezo fiihrt; immer in siidlicher Richtung fortschreitend, neigt sie sich tbalwarts zum Pruth, und mit einem Viaduct das Fltisschen Lubižnia iibersetzend, erreicht sie das Stadtchen Delatyn und die Station gleichen Namens. Von hier ange- fangen, liegt das Bahngeleise ununterbro- chen im Pruththale, vorwiegend am linken Flussufer, geht mittels eiserner Brucke iiber den Bach Przemyska [Abb. 175], uberschreitet in der Nahe der Ortschaft Dora auf einer grossen gemauerten Brucke den Bach Kamionka und fiihrt in den Ort Jaremcze, Station Dora-Jaremcze. Unmittelbar nach dieser Station iiber- schreitet die Bahn den Pruth auf einer grossen gemauerten Brucke von 65 m Spannweite und 28 m Hohe mit gemauerten Viaducten zu beiden Seiten der Brucke [vgl.Bd.il, Seite272, Abb. 133 a], tibersetzt dann auf das redite Ufer des Flusses, in Ostlicher Richtung und nochmals den Pruth auf einer Brucke von 48 m Spannweite und 20 m Hohe und kehrt zum linken Ufer wieder zuriick. Nach dieser Brucke, welche gleichfalls zu beiden Seiten 26* 404 Ignaz Konta. gemauerte Viaducte hat, geht die Bahn in der Nahe der Ortschaft Jamna durch einen 524 m langen Tunnel [vgl. Bd. II, Seite 271, Abb. 132 b] und spater in siidlicher Richtung in der Nahe von Narywne, durch den Berg Buk6wna, mittels eines 224 m langen Tunnels, und lauft endlich in die Station Mikuliczyn ein. Hier macht sie Windungen in sudwest- licher, dann wieder in siidlicher Richtung, tibersetzt schliesslich einige Bache, iiber welche sich gemauerte Brucken spannen, und erreicht die Ortschaft Tartar6w und die Station gleichen Namens. Nach dieser Station iiberschreitet die Bahn die Strasse, dann die Gebirgsbache Prutec, Jablonica und zum dritten Male den Pruth und erreicht die Station Worochta, [Vgl Abb. 176 und 177.] Von hier an steigt die Bahn stetig mit ein.er Steigung von I : 66, umkreist die Ort¬ schaft Worochta in westlicher Richtung, setzt zum vierten Male auf gemauerter Brucke iiber den Pruth, geht in das Thal des Flusses Paradczyn iiber und fahrt iiber einen 125 m langen Viaduct [Abb. 178] nachlanger Steigung endlich in die Station Woronienka ein. Nach dieser Station tibersetzt die Bahn die Wasserscheide und die Landesgrenze mittels eines 1221-4 m langen Tunnels, von dem 653 m auf galizischem Gebiete liegen. Die Hohe der Bahn im Tunnel betragt 836-55 m iiber dem Meeresspiegel. Diese Bahn gehiirt sowohl in Bezug auf ihre Lage, als auch auf die Art des' Baues zu den interessantesten Bahnen Galiziens. Die Brucken sind fast sammtlich aus Stein und bilden wahre Wunderwerke der Briicken- baukunst. Dieselben wurden nach den grund- satzlichen Verfiigungen des Baudirectors v. Bischoff, nach den Planen von Ludwig Huss unter Leitung des Inspectors Ritter v. K os inski ausgeiiihrt. Die Brucke bei Jaremcze ist derzeit die weitestgespannte gewolbte Eisenbahnbriicke der Welt.*) Die andere, gleichfalls vermoge eines Gesetzes vom Jahre 1892 und aus offent- lichen Mitteln in Ausfiihrimg gebrachte Bahn war die einen Theil der grossen WienerVerkehrsanlagen [Stadtbahn,Wien- fluss-Regulirung, Anlage von Sammel- canalen beiderseits des Wienflusses und des Donaucanals und Umwandlung des letzteren in einen Handels- und Winter- hafen] ausmachende W i e n e r S t a d t- bahn.**) Schon seit der sogenannten Grundungsara [1869—1873], welcheauch zahlreiche Projectirungen von Ring-, *) Vgl. auch Band II, Briickenbau v. | . Z u f f e r. **) Ausfiihrliches iiber die Wiener Stadt- bahn enthalt der derselben gewidmete Ab- schnitt im Bd. I, 2. Theil. Local- und Verbindungsbahnen fiir Wien und dessen Umgebung zu Tage gefordert hatte [siehe Seite 241 und 247], hofftendie Bewohner der Reichshaupt- und Residenz- stadt von Jahr zu Jahr auf eine zeit- gemasse Verbesserung und Bereicherung der dortigen Verkehrsmittel. Nach langem Plarren schien endlich die Erfiillung der Wtinsche dadurch nahegeriickt, dass ein von dem englischen Ingenieur und Unter- nehmer JosefF ogerty entvvorfenes Stadt- bahn-Project im Jahre 1883 bis zur that- sachlichen Concessionirung heranreifte. Allein die Freude hieriiber wahrte nicht lange; denn eine heftige Gegnerschaft der technischen Seite des Projectes und die missgluckte Capitalsbeschaffung brachte dasselbe zum Scheitern [siehe Seite 294]. Dann verstrichen abermals viele Jahre, bis die\vichtige Frage nochmals greifbare Ge- stalt gewann, und es muss dahingestellt bleiben, ob dies uberhaupt in absehbarer Zeit geschehen \vare, wenn nicht Se. M a j e- stat der Kaiser auch hierwieder das »W e r d e! « gesprochen hatte. Anlasslich der Eroffnung des Parkes auf der Tiirkenschanze am 30. September 1888 gab der Monarch in seiner huld- vollen Ervviderung auf die Empfangs- Ansprache dem a. h. Wunsche Ausdruck, »dass mit dem Bliihen und Gedeihen dieses jungen Gartens auch der erfreuliche Aufschvvung der Vororte, welche, sobald dies moglich sein wird, auch keine physische Grenze von der alten Mutter- stadt scheiden soli, stets zunehmen, und dass der Anblick Wiens und der Vor¬ orte, \velcher sich von hier aus bietet, den echten Btirgersinn, den wahren Patriotismusund die Liebe zurPIeimat unter dem Schutze des Allmachtigen stets neu beleben moge.« In dieser vielbejubelten Verheissung des Fallens der »Linien- walle« lag auch die sichere Gewahr fiir das Wiederaufleben und die baldige Losung der Stadtbahn-Frage, weil die Schaffung von »Gross-Wien« auch jene einer grossangelegten Gommunication zur Verbindung der Vororte unter einander und mit der alten Stadt naturnothvvendig bedingte. Nachdem das Reichsgesetz vom 10. Mai 1890, betreffend die »Aenderung der Wiener Linien-Ver- zehrungssteuer« sowie das hinsichtlich Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 405 der »Vereinigung mehrerer Gemeinden und Gemeindetheile mit Wien« erlassene Landesgesetz vom 19. December 1890 die z w e i t e W i e n e r Stadterweite- rung in Vollzug gesetzt hatten, ver- kiindete die kaiserliche Thronrede, mit welcher am 11. April 1891 die neue Session des Reichsrathes eroffnet wurde, dass »der Frage der Wiener Stadtbahn die eingehendste Aufmerksamkeit zu- wurfes durcbberieth und die Vereinbarung eines vollstandigen Programmes fiir die finanzielle Sicherstellung und die Aus- flihrung der »Wiener Verkehrsanlagen« zum Ergebnisse hatte. Auf dieses, vom niederosterreichischen Landtage am 15. und vom Wiener Ge- meinderathe am 27. Januar 1892 im Allgemeinen gutgeheissene Programm stiitzte sicb die am 6. Februar 1892 im Abb. 176, Pruthbriicke bei Worochta mit anschliessendem Viaducte. [Stanislau-Woronienka.] gewendet wird, und dass ihre Verwirk- lichung den Gegenstand besonderer Fiir- sorge der Regierung bildet«. Dank diesen a. h. Einflussnahmen begannen denn auch sogleich die ein- gehendsten Studien liber die Sicher- stellung eines Wiener Stadtbahnnetzes. Dabei stellte sich heraus, dass dieselbe nur im engsten Zusammenhange mit der Ausfiihrung der schon oben erwahnten anderen grossen Anlagen zvveckmassig und oconomisch erfolgen konne. Es fand also, nach einigen Vorverhandlungen, in der Zeit vom 5. October bis 16. No¬ vember 1891 eine von den betheiligten Centralstellen, von der Stadt Wien, dem niederosterreichischen Landesausschusse und der Donauregulirungs-Commission beschickte Enquete statt, welche alle einschlagigen Fragen auf Grund eines von der Regierung vorgelegten Ent- Reichsrathe eingebrachte Gesetzesvorlage, mit welcher die Regierung die legislative Genehmigung des Programmes und zu- gleich die Ermachtigung einholte, sich in Gemassheit desselben an der Durcb- fiihrung der Verkehrsanlagen und an der Beschaffung des fiir sie erforderlichen Capitals zu betheiligen. Soweit es sich um die Stadtbahn handelte, veranschlagte das Programm deren Kosten, sofern nicht einzelne, als Localbahnen gedachte Linien im Weg:e der Concessionirung; zur Aus- fiihrung kamen, mit effectiv 90,000.000 fl., wovon der Staat 8y5°/ 0 , die Stadt 7'5% und das Land Niederosterreich 5% zu tragen hatten.*) Die Herstellung solite *) Fiir den Fali der Ausfiihrung, auch der Locallinien durch die drei Curien selbst, war die Beitragsleistung folgendermassen be- stimmt: Staat 85%, Niederosterreich 5°/ 0 und Stadt Wien io"/ 0 . 406 Ignaz Konta. in drei Bauperioden [1893—1897, 1897 bis 1900 und 1900—1903] unter der Leitung einer eigenen, aus Vertretern der genannten Curien zusammenzusetzen- den »Commission ftir Verkehrsanlagen in Wien« erfolgen und war diesfalls, bei Ausscheidung der Locallinien, der An- theil des Staates an den Auslagen in der ersten Bauperiode mit 41,000.000 fl. bemessen. Stadt und Land brachten nach- traglich noch mancherlei Wiinsche hin- sichtlich der Beitragsleistung vor, was aber an den Grundsatzen des Programmes nichts mehr anderte. Auch die vom Budget-Ausschusse des Abgeordneten- hauses vorgeschlagene Aufnahme der Percentualsatze der staatlichen Beitrags- leistung' und einer naheren Umschreibuno: der letzteren in das Gesetz selbst, beruhrte nur wenig das Wesen des Programmes. Das Abgeordnetenhaus beschaftigte sich sechs Sitzungen hindurch mit der Vorlage, welche dort mannigfachen, zum erheblichen Theile auch reiner Miss- gunst entsprungenen Anfechtungen aus- gesetzt war. Der Handelsminister Marquis von Bacquehem trat gleich in der ersten Debatte [am 10. Mai] mit einer grossen, die Nothwendigkeit der Anlagen hell beleuchtenderi und alle Phasen der be- ziiglichen Vorbereitungen darlegenden Rede ftir die gute Sache ein, ebenso zu wiederholten Malen der Regierungs-Ver- treter Sections - Chef Dr. Ritter von W i 11 e k, der ihr auch in seinen spateren hoheren Stellungen ein eifriger Forderer gewesen. Im Uebrigen wusste der Be- richterstatter Dr. R u s s mit Untersttitzung der Wien freundlich gesinnten Abge- ordneten die Vorlage durch die Klippen zu steuern; die Annahme erfolgte am 21. Mai, und nach Zustimmung auch des Herrenhauses erhielt das Gesetz am 18. Juli 1892 die a. h. Sanction. Eine Woche spater, am 25. Juli 1892, fand bereits die Constituirung der »Ver- kehrs-Commission« statt, die nun rtihrig daran ging, das grosse Unternehmen ins Dasein zu rufen. Die mit einer dreissigj ahrigen Steuerfreiheit und neunzig- jahrigen Geltungsdauer [ab I.Januar 1893] ausgestattete Concession ftir die Haupt- bahnlinien [Giirtellinie, Donaustadtlinie, Vorortelinie] wurde der Commission am 18. December 1892 verliehen und von dieser unverweilt in Durchfiihrune: ge- bracht, da die Vollendungsfrist ftir be- stimmte Strecken der oben genannten Linien nur bis Ende 1897 reichte. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen am 16, Februar 1893 an der Station Michel- beuern der Giirtellinie. Zur Deckung des ersten Geldbedarfes begab die Commission von der zu emittirenden 4%igen Wiener Verkehrsanleihe von 146,400.000 Kronen, welcher mittels Gesetzes vom 4. April 1893 noch be- sonders die Befreiung von jeder Steuer und der Entrichtung der Coupon-Stempel- gebiihren bis 1. Januar 1928 eingeraumt und die Eignung zu pupillarmassigen Capital-Anlagen zuerkannt wurde, Theil- betrage von zusammen 18,500.000 Kronen zum Curse von 98 an einige Sffentliche Fonds [Postsparcassen, Versorgungs- Institute der Staatsbahnen etc.]. Die eigentliche Emission erfolgte jedoch erst am 20. Marž 1894 durch die Finanz- gruppe der Unionbank, welche von den Anlehen 80,000.000 Kronen zum Curse von 96 ’ 5 °/o erstanden und nur die Halfte dieses Betrages zum Curse von 98^5°/ 0 zur offentlichen Zeichnung aufgelegt hatte. Inzwischen war von der Commission eine neue Anordnung des Programmes getrolfen worden, nachdem die in Aus- sicht gestandene Concessionirung der Locallinien an eine Privat-Unternehmung sich zerschlagen hatte, weil die letztere, als welche die »Dampftramway-Gesell- schaft vormals Krauss & Comp.« aufge- treten war, nach langen, in Gemeinschaft mit der Landerbank gefuhrten Verhand- lungen schliesslich die Erklarung abgab, dass sie den tiberhaupt nur auf die Wien- thal- und die Donaucanallinie zu be- schrankenden Bau nur dann ausfiihren konne, wenn ihr die Staatseisenbahn- Verwaltung das mit dem Betriebe dieser Linien verbundene Risico durch Pachtung derselben abnehmen wiirde. Da ein solcher Vorgang das gerade Gegentheil dessen bewirkt hatte, was mittels der Concessionirung an eine Privat-Unter¬ nehmung angestrebt werden solite, ent- schloss sich die Commission in ihrer Voll- versammlung vom 16. Januar 1894, jene Linien ebenfalls selbst auszuftihren und Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 407 zugleich die Fortsetzung der Wienthal- linie bis Hiitteldorf, unter Einbeziehung der einzulosenden und entsprechend um- zubauenden Dampftramway-Strecke Gau- denzdorf-Hietzing*), sogleich herzustellen sowie auch die Strecke Westbahnhof- Gampendorf der Matzleinsdorfer-Linie in die erste Bauperiode aufzunehmen, hin- gegen die innere Ringlinie vorlaufig und die Verbindung Giirtel-Penzing ganzlich aufzugeben, wodurch das Auslangen mit der im Programme veranschlagten Kosten- summe noch immer gesichert bliebe. noch 17,680.000 fl. hinzuzukommen hatten. Eine weitere Aenderung des Programmes, wonach die Locallinien als Hauptbahnen gebaut, die provisorische Donaustadt- linie entfallen, hingegen die Vororte- strecke Hernals-Penzing in die erste Bauperiode einbezogen und die fiir die letztere zu Lasten des Staates gehorende Anlehensquote um noch 13,107.200 fl. erhoht werden solite, wurde mittels Ge- setzes vom 23. Mai 1896 genehmigt. Wahrenddessen war der Bau bereits kraftigst in Gang gesetzt worden. Um O o o Abb. 177. Bau der Linie Stanislau-AVoronienka bei AVorochta. [Nach einer photographischen Aufnahme aus der Bauzeit von T. Abtychowski in Stanislau.] Die legislative Genehmigung dieser neuen Anordnungen erfolgte mittels des, aus der Regierungsvorlage vom 3. Marž 1894 hervorgegangenen Gesetzes vom 9. April 1894, welches auch bestimmte, dass zu dem im Gesetze vom 18. Juli 1892 zu Lasten des Staates vorgesehenen Anlehensbetrage von 41,000.000 fl. jetzt *) Diese Strecke wurde nachher unter giinstigeren als den concessionsmassigen EinlOsungsbedingungen erworben; die Ge- sellschaft erhielt aut Concessionsdauer eine Annuitat von 22.000 ii. und eine Pauschal- entschadigung fiir den Nutzentgang wahrend der Zeit des Umbaues. Wiederholungen zu vermeiden, kann je- doch riicksichtlich der Einzelheiten der Bauvorbereitungen, Vergebungen und Ausfiihrungen nur auf das weiter folgende Capitel »Wiener Stadtbahn« hin- gewiesen und hier blos noch verzeichnet werden, dass die riihmliche, dem Sections- Chef Friedrich BischoffEdlen von Klammstein, friiher als Baudirector der k. k. Staatsbahnen und derzeit als Vorstand der Baudirection der Wiener Stadtbahn anvertraute Aufgabe der Bau- fiihrung bislang in gediegenster Weise vollfiihrt wurde, und dass die festliche Eroffnung der ersten [Giirtel-, Vororte- 408 Ignaz Konta, und obereWienthal-]Linien am 9. Mail 898, in Anwesenheit der Minister sowie zahl- reicher Wiirdentrager der drei Curien und unter a. h. Betheiligung Sr. Maje- stat des Kaisers unter spontanen, grossartigen Huldigungen fiir den erha- benenlnitiator des epochalen Werkes, statt- gefunden hat. Den Einleitungen fiir die Sicherstel- lung der Wiener Verkehrsanlagen theils vorausgegangen, theils nachgefolgt, wa- ren eisenbahngeschichtliche Begebenheiten allgemeiner Art, deren Besprechung — zeitgerecht — an dieser Stelle einzu- reihen ist. Infolge einer von der Direction der koniglich ungarischen Staatsbahnen ge- gebenen Anregung hatte die am 3. No¬ vember 1888 zu Wien stattgefundene gemeinsame Oesterreichisch-Ungarische Eisenbabndirectoren-Conferenz die Ein- fiihrung einer einheitlichen Zeitrechnung beschlossen und sich nachher mit dieser Frage an den Verein Deutscher Eisen- balin-Verwaltungen gewendet, welcher dieselbe einer Beschlussfassung durch die vom 30. Juli bis I. August 1890 in Dresden getagten Generalversammlung diesesVer- eines unterzog. Das Votum war ein zustimmendes und lautete dahin, dass die vorgeschlagene »Stunden-Zonenzeit« im innern Eisenbahn-Dienste schon zu Beginn der nachstjahrigen Sommerfahr- plan-Periode einzufiihren sei. Die Ein- holung der Genehmigung der verschie- denen Regierungen verzogerte die Ver- wirklichung um ein halbes Jahr. Den osterreichischen Bahnen gestattete der Handelsministerial-Erlass vom 6. Januar 1891 die Neuerung mit Beginn derWinter- fahrordnung, und zwar sowohl fiir den inneren als auch fiir den ausseren Dienst; ] unterdessen hatte die Berliner Sommerfahr- plan-Conferenz vom 14. und 15. Januar 1891 vorgeschlagen, fiir die neue einheit- | liche Zeit den Ausdruck »Mitteleuropaische Zeit [abgekurzt M. E. Z.]« zu gebrauchen, was riicksichtlich der osterreichischen Eisenbahnen mittels des Handelsmini- sterial-Erlasses vom 21. September 1891 genehmigt wurde. Diesemnach erfolgte die Einftihrung der »Mitteleuro- paischen Zeit« am 1. October 1891. Dieselbe wird nach dem 15. Meridian be- I stimmt, der iiber die niederosterreichische Stadt G m ii n d geht, und weicht von der friiher in Anwendung gewesenen »Prager Zeit« um zwei Minuten ab. Eine zweite, in Gemeinschaft mit dem Auslande getroffene Einrichtung, bildete das »Internationale Ueberein- kommen iiber den Eisenbahn- Frachtverkehr«, welches nach lang- jahrigen, zum ersten Male schon in den Tagen vom 13. Mai bis 4. Juni 1878 zu Bern gepflogenen Conferenzen, *) eben- daselbst am 14. October 1890 endgiltig abgeschlossen, jedoch in Oesterreich erst kraft des Gesetzes vom 27. October 1892 **) wirksam und gleichzeitig mit diesem ver- lautbart \vurde. Die Regierung erhielt namlich erst durch das er\vahnte Gesetz die Ermachtigung, alle zur Durchfiihrung des Uebereinkommens erforderlichen Be- stimmungen, wie auch die entsprechende Abanderung des Betriebs-Reglements im Verordnungswege zu treffen. Dementsprechend verfiigte der Han- delsminister im Einvernehmen mit dem Justizminister mittels Verordnung vom 10. December 1882 das Ausserkrafttre- ten des Betriebs-Reglements vom Jahre 1874 mit allen seinen Nachtragen und, ab 1. Januar 1893, die Einftihrung eines neuen Betriebs-Reglements, welches mit demjenigen Ungarns gleicli- lautend und ebensowohl mit dem inter- nationalen Uebereinkommen, als auch mit dem nunmehr »Verkehrsordnung fiir die Eisenbahnen Deutschlands« genannten Betriebs-Reglement Deutschlands best- moglichst in Einklang gebracht war. Im Zusammenhange damit standen auch die mittels Kundmacliung des Handels- ministeriums vom 20. December 1892 verlautbarten erleichternden Vor- [ schriften fiir denwechselseitigen Verkehr zwischen den Eisenbah- | n en Oesterreich - Ungarns und Deutschlands riicksichtlich der »be- dingungsweise zur Beforderung zuge- lassenen Gegenstiinde in Gemassheit des *) Ausfiibrlicheres iiber den Gang dieser Verhandlungen ist in Konta’s Eisenbahn- Jahrbuch, Jahrgang XX, Seite 18, und XXI, Seite 41, enthalten. **) Dieses Gesetz war schon im Juli 1891 i vom Reichsrathe angenommen worden. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 409 § i der Ausfuhrungsbestimmungen zum internationalen Uebereinkommen.« Solche Erleichterungen wurden aucb spater wie- der kundgemacht, z. B. am 1. Februar 1894, 15. Februar 1895, u. s. w., des- gleichen andere einschlagige Verfugungen. Dieweitere Periode brachte den oster- reicliischen Staatsbahnen einer- seits bedeutende Mittel zur neuerlichen Vermehrung des Fahrparkes, nam- lich: mittels Gesetzes vom 23. April 1893 einen Credit von 5,500.000 fl., mittels Gesetzes vom 29. August 1895 einen solchen von .10,000.000 fl. und andererseits erheb- lichen Gebietszmvachs durch weitere Ver- staatlichungen. Letztere umfassten zu- nachst Localbahnen; doch begann auch riicksichtlich dieser der Vollzug erst nach dem Jabre 1893, weil selbst die im Laufe desselben zur Vorlage gelangten, ein- schlagigen Gesetzentwiirfe mit Ausnahme eines einzigen [Laibach-Stein] nicht vor Ende December ihre Erledigung fanden. Grossentheils verursachten parlamen- tarische Uneinigkeiten die Verzogerung. Die Wahlreform-Antrage des Grafen Taaffe hatten ihm die Gefolgschaft der bisher festgefiigten Majoritat des Abge- ordnetenhauses entzogen; er legte die seit 14 Jahren innegehabte Minister- Prasidentschaft nieder und mit ihm de- missionirte das ganze Cabinet, an dessen Stelle am 11. November 1893 das vom Fiirsten Windisch-Graetz gebildete »Coalitions-Ministerium« trat, in welchem der Graf Gundaker Wurmbrand das Handelsportefeuille erhielt, wahrend der Marquis v. B acqueh e m, der als »Lieb- ling aller Parteien« zahlreiche Erfolge auch auf dem Gebiete des Eisenbahn- wesens errungen, das Ministerium des Innern iibernahm. Der neue Flandelsminister vvendete sein Augenmerk in bedeutendem Masse der Localbahn-Action, die er schon als Landeshauptmann von Steiermark eifrigst gefordert hatte [siehe Seite 394], und der Verstaatlichungs-Thatigkeit zu. Im Interesse der ersteren schuf er mit a. h. Genehmigung vom 4. Mai 1894 eine eigene Geschaftsabtheilung fiir das L o c alb ah 11 w e s en [Localbahn- Amt] im Handelsministerium und bei der General-Inspection der osterreichischen Eisenbahnen, wobei der Director des steiermarkischen Landes-Eisenbahnamtes, kaiserlicher Rath Karl Wurmb, in der Eigenschaft eines Ministerialrathes, zum General-Inspector des osterreichischen Localbahnwesens und Consulenten des Handelsministers in technisch-commer- ziellen Angelegenheiten des Localbahn- wesens sowie zum Vorstande des tech- nisch-commerziellen Bureaus des Local- bahn-Amtes, und der Ministerialrath Ludwig Wrba zum Vorstande des legislativ-administrativen Bureaus ernannt wurde. Auch die ersten Vorlagen, welche Graf Wurmbrand im Reichsrathe ein- brachte [23. November 1893] liessen schon die oben angedeutete Richtung seiner Wirksamkeit deutlich hervortreten ; denn sie betrafen die Verlangerung der Giltigkeit des Localbahn-Gesetzes bis Ende 1894 [siehe Seite 394], den Bau sovvohl privater als auch staatlicher Localbahnen und die Erwerbung solcher Bahnen durch den Staat. Gleichzeitig gelangte auch eine Vor¬ lage iiber die neuerliche A u s d e h n u n g der VVirksamkeit des Gesetzes vom 25. Mai 1883, betreffend Gebiihren- erleichterungen a n 1 a s s 1 i c h der Convertirung von Eisenbahn-Priori- tats-Obligationen [siehe Seite 280 und 371] vor das Abgeordnetenbaus, das diese Vor¬ lage alsbald annahm, so dass ihr schon am 26. December 1893 die a. h. Sanction zutheil werden konnte. Uebergehend nun zur Besprechung der aus jenen Vorlagen resultirten weite- renErvverbungen vonLo calbahnen durch den Staat ist vor Allem der schon friiher verfassungsmassig genehmig- ten E i n 1 o s u n g der L o c a 1 b a h n Lai- b a ch- S t ein zugedenken. Diese 2yikm lange Linie wurde am 14. April 1889 dem Baron Oskar Laz arini in Gernein- schaft mit Alois Praschniker concessio- nirt, am 28. Januar 1891 eroffnet und vom Staate in Betrieb genommen. An der Geldbeschaffung hatten sich das Land Krain, die Stadt Laibach sowie andere Local-Interessenten und, zufolge des Ge¬ setzes vom 1. Mai 1885, auch der Staat [mit 200.000 fl.] betheiligt. Die Con- cessionare, beziehungsweise Bauunter- 4io Ignaz Konta. nehmer, welche Forderungen fiir unvor- gesehene Mehrleistungen im Betrage von 80.000 fl. erhoben hatten, erklarten sich nun bereit, hierauf zu verzichten, wenn ihnen statt der in Zahlung genomme- nen 5 u /o'ge n Vorzugsactien im Betrage von nom. 566.700 fl. garantirte 4°/ 0 ige Prioritats-Obligationen eingetauscht wiir- den. Da diese Transaction sich fiir die Staatsverwaltung als Besitzerin von 2000 Stammactien vortheilhaft erwies, nahm die Regierung die Gewahrung der Staatsgarantie, zugleich aber auch die Einlosung der Bahn in Aussicht, zumal fiir den Fali, dass die in fremdem Be- sitze befindlichen Stammactien [ 140.000 fl. ] gegen ein Entgelt von hochstens 50°/ 0 des Nennwerthes eingezogen werden konnten. Das Flandelsministerium holte mit der Gesetzesvorlage vom 16. Marž 1893 die legislative Ermachtigung ein, sowohl zur Gewahrung der Garantie fiir das an die Stelle der Vorzugsactien zu setzende und, aus Vorsorge fiir kiinftige Investitionen, auf den Betrag von nom. 800.000 fl. zu erhohende 4°/ 0 ige Priori- tats-Anlehen [daher einer Annuitat von 33.452 fl.], als auch zu dem gedachten Ankaufe der Stammactien und sodann zur Einlosung der Bahn. Das Gesetz wurde am 22. Marž vom Abgeordneten- hause angenommen und erhielt am 12. April 1893 die a. h. Sanction. Bis zur volli- gen Austragung der Angelegenheit ver- strich aber noch geraume Zeit; die Ge- sellschaft wusste es sehr wohl zu wiirdi- gen, welchen Werth der Wegfall der 5 %ig en Vorzugsactien sowie die Auf- gebung jener Bauschuld fiir die Stamm- actionare habe, und beschloss darum in der ausserordentlichen Generalversamm- lung vom 27. April 1893 die Aufnahme eines 4°/ 0 igen Prioritats-Anlehens von nom. 800.000 fl. und die Erfiillung der iibrigen im Gesetze festgestellten Bedin- gungen fiir die Gewahrung der Staats¬ garantie. Auch die Bauunternehmer wiinschten moglichstbald in denBesitz der leichter und besser begebbaren Obliga- tionen zu gelangen. Allein bis die letz- teren emittirt, die in fremdem Besitze gestandenen Stammactien zuriickgekauft und alle Formlichkeiten erfiillt waren, gingen die Jahre 1893 und 1894 zu Ende. Bis dahin \var blos die Staatsgarantie in Wirksamkeit gestanden; der Abschluss des Uebereinkommens iiber die Einlosung der Bahn erfolgte erst am 13. December 1894, dann aber auch sogleich mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 20. December 1894 der Vollzug der Einlosung, wobei der Staat das Priori- tats-Anlehen von 800.000 fl. zur Selbst- zahlung iibernahm und 70.000 fl. auf den Riickkauf von Stammactien verwendete. Einem wesentlich anderen Beweg- grunde entsprang der vom Staate be- wirkte Ankauf der 3i’2 km 1 ang en Localbahn Czernowitz-Nowosie- litza, welche am 5.Juni 1883 dem Consor- tium des Alexander Freiherrn von Petrino concessionirt und von einer Actien-Ge- sellschaft ausgefiihrt wurde, die ur- spriinglich eine mit der Bahn gleich- namige Firmabezeichnung trug, im Jahre 1885 aber sich in die Gesellschaft der >>Bukowinaer Localbahnen» um- wandelte. Der Staatsschatz hatte sich [auf Grund des Gesetzes vom 24. April 1883] durch Uebernahme von Stammactien im Betrage von 350.000 fl. an der Geldbe- schaffung betheiligt, desgleichen die Lem- berg-Czernovvitz -Jassy- Eisenbahn durch Uebernahme von 50.000 fl. in Stamm- und 450.000 fl. in Prioritats-Actien. Letzterer Gesellschaft war auch die Be- triebfiihrung vom Tage der Eroffnung [12. Juli 1884] auf die Dauer von 20 Jahren iibertragen. Als dieselbe nun in- folge derzwischenOesterreich-Ungarn und Russland am 2./14. Januar 1893 abge- geschlossenen und am 31. Mai 1893 ratificirten Eisenbahn-Convention iiber den Anschluss der beiderseitigen Eisen- bahnen bei Nowosielitza, fiir die Her- stellung der Grenzstrecke, beziehungs- weise die Deckung der beziiglichen Kosten zu sorgen hatte, zog sie es vor, dem Staate die unbeschrankte Verfiigung iiber die ganze Linie Czernowitz-Nowosielitza zu verschaffen. Concessionsgemass er- mittelt hatte die Einlosungsrente 91.535 fl. betragen, jedoch auch mit dem zu 5°/ 0 capitalisirten Werthe derselben, das ist mit 1,792.727 fl., auf einmal bezahlt werden konnen. Bei den hieriiber gepflogenen Verhandlungen mit der Gesellschaft wil- ligte dieselbe in die Abtretung der Bahn Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 411 gegen eine Pauschalentschadigung von rund 1,790.000 fi. undindieEmissioneines 4°/ 0 igen, vom Staate zur Selbstzahlung zu ubernehmenden Prioritats-Anlehens im Betrage von nom. 2,500.000 fl. oder 5,000.000 Kronen, aus dessen Erlos das Entgelt an die Gesellschaft und die erforderlichen Investitionen gedeckt wer- den sollten. Das beziigliche Ueberein- kommen wurde am 26. Juni 1893 abge- schlossen, seitens der Actionare der Bukowinaer Localbahnen in deren General- versammlung vom 30. Juni 1893 ge- nehmigt und am 23. November der vorgesehenen, von Lindewiese aus zum Anschlusse an die preussischen Staats- bahnen bei Barzdorf [Heinersdorf] fiihren- den Flugelbahn der Linie Hannsdorf- Ziegenhals, welche gleichfalls an die preussischen Staatsbahnen anschliesst — und um die Gewinnung des Eigenbe- sitzes dieser Verbindungen; in anderer Beziehung wieder lag es auf der Hand, dass manche der gesellschaftlichen Linien, wie z. B. St. Polten-Tulln, Herzogenburg- Krems und Hadersdorf-Sigmundsherberg, wichtige Erganzungen des staatlichen Bahn- netzes bilden und dem Staate bei vollig Abb. 178. Paradczyn-Viaduct. [Stanislau-Woronienka.] legislativen Behandlung zugefiihrt. Die- selbe ging glatt von Statten und am 27. December 1893 erhielt die Vorlage bereits die a. h. Sanction, worauf der Staat mit 1. Januar 1894 in den Genuss und Besitz der Bahn eintrat. Aehnlicbe Motive wie diejenigen, welche zu der vorangehend besprochenen Verstaatlichung den Anstoss gegeben, und nebstdem no ch verkehrspolitische Riick- sichten bestimmten die Eegierung auch zur Erwerbung s ammtlicher Linien der Oesterreichischen L o c a 1 - eisenbahn - Gesellschaft durch den Staat. In ersterer Beziehung han- delte es sich um die Sicherstellung der im Staatsvertrage mit dem Deutschen Reiche vom 14. Marž 1885 [siehe Seite 382] freier Disposition liber dieselben wesent- liche Dienste bei commerziellen und Ver- kehrs-Anordnungen leisten wurden. Die Verhandlungen erstreckten sich daher alsbald aui das gesammte Bahneigen- thurn der Gesellschaft*) und fuhrten dann zu dem Uebereinkommen vom 31. Mai 1893, vermoge dessen die Gesellschaft alle ihre Linien sammt dem ganzen Zu- gehor dem Staate mit I. Januar 1894 '*) Die Gesellschaft besass damals folgende Linien: Elbogen-Neusattel, 5-3 km\ Mo¬ čo wic-Časlau-Žawratetz nebst Z\veigbahn, 24'4km-, Kaschitz-SchOnhof-Radonitz, i6'i km ; Chodau-Neudek, 137 km ; Nusle-Modran, I2'l km ; Konigshan-Schatzlar, 57 km ; Ol- mlitz-Čeilechowitz und Abzweigung , 35 8 km ; Bolim. Leipa-Niemes, 18-3^?«; St. Polten-Tulln, 46'! km; Budweis-Salhau, 71-5 km; Hanns- 412 Ignaz Konta. verkaufsweise iibertrug, ferner zur Deckung des Aufwandes flir die nun auf Staatskosten auszufiihrenden Strecken L indevviese-Barzdorf und Niklas- dorf-Zuckmantel sowie fur Investitio- nen auf den bestehenden Linien einen Bar- betrag von 3,800.000 fl. zur Verfiigung stellte und auf das ihr in Gemassheit des Gesetzes vom 8. April 1884 zugesicherte Aerarial-Darlehen zum Baue der Linie Bud\veis-Salnau verzichtete. — Der Staat hingegen tibernahm den noch ungetilgten Betrag des gesellschaftlicben 4°/ 0 igen Goldanlehens von 5,000.000 fl., sowie eine seitens der Gesellschaft neu aufzu- nehmende 3°/(>ige Prioritats-Anleihe von 70.000. 000 Kronen = 35,000.000 fl. zur Selbstzahlung und erliess der Gesellschaft die Riickerstattung des noch aushaften- den Restes von dem ihr zum Baue der Linie Hannsdorf-Ziegenhals gewahrten Darlehen. Alle societaren Abwicklungen, Abrechnungen mit den Bauunternehmun- gen, die Tilgung der schwebenden Schulden und des nicht vom Staate zu iibernehmenden 4 1 / 2 °/ 0 igen Prioritats-An- lehens III. und IV. Serie [ebenfalls 5.000. 000 fl.] blieben Sache der Gesell¬ schaft, welcher auch oblag, das Actien- capital auf den ftinften Theil [3,100.000 fl.] zu reduciren, im Uebrigen aber freige- stellt war zur allfalligen Aufnahme einer neuen Thatigkeit fortzubestehen. Die Actionare stimmten in ihrer Generalversammlung vom 20. Juni 1893 dem Uebereinkommen zu und die Legis- lative genehmigte dasselbe mittels des aus der einschlagigen Regierungsvorlage vom 23. November 1893 hervorgegangenen Gesetzes vom 27. December i893,welches die Regierung auch ermachtigte, die Ab- zweigung von Lindewiese bis zur Reichs- grenze bei Barzdorf [Heinersdorf] und die Strecke Niklasdorf-Zuckmantel mit einem Aufvvande von hochstens 1,700.000 fl. und beziehungs\veise 57 0 - 000 A- auf Staatskosten auszufiihren. Der gesammte dorf-Ziegenhals 55 9 km ; Herzogenburg- Krems, i9'9/i);i;Hadersdorf-Sigmundsherberg, 43-4 km. Von diesen insgesammt 368-2 km langen Linien standen zwei [Močowic-Časlau- Zawratetz und Konigshan-Schatzlar] im Be- triebe der angrenzenden Privatbahnen, alle ubrigen im Staatsbetriebe. [Vgl. die Anmer- kungen auf Seite 371 und 378] Bahnbesitz der Oesterreichischen Local- eisenbahn-Gesellschaft war laut Kund- machung des Handelsministeriums vom 3. Juni 1894, mit Geltung vom 1. Januar 1894, an den Staat ubergegangen, der jedoch den Betrieb derjenigen zwei Linien, welche bisher von der Oester¬ reichischen Nordwestbahn, beziehungs- weise Sud-norddeutschen Verbindungs- bahn betrieben wurden, denselben noch weiter beliess. Die Oesterreichische Local- eisenbahn-Gesellschaft besteht zwar noch, scheint aber die Hoffnung auf die Er- offnung einer neuen Thatigkeit bereits aufgegeben zu haben, denn die ausser- ordentliche Generalversammlung vom 12. November 1896 beschloss schon die Liquidation. In weiterer Ausfiihrung des eben ervvahnten Gesetzes vom 27. December 1893 [Artikel II] liess die Regierung die beiden Abzweigungen von Nieder- Lindewiese bis zur Reichsgrenze bei Barzdorf [Heinersdorf] und von Niki as do rf nach Zuckmantel in Angriff nehmen, sobald die Interessenten- Beitrage in Gemassheit jenes Gesetzes, das heisst in der Hohe von mindestens 200.000 fl. und beziehungsweise 70.000 fl. gesichert waren. Der Bau der ersteren Strecke wurde am 20. December 1894 an die Unternehmung R. Minar und P. G. Piatti vergeben und im Februar 1895 be- gonnen; der Bau der letzteren Strecke wurde am 17. Juni 1895 an die Unterneh¬ mung E. S k o d a vergeben und vier Wochen spater in Angriff genommen. Zur Eroff- nung gelangte die 26-2 km lange Strecke Nieder-Li n de wiese -Barzdorf am 2. Juli 1896 und die 8'8 km lange Strecke Niklasdorf-Zuckmantel am 31. Oc- tober 1896. Die Trače der Strecke Nie d e r-Lind e- wiese-Barz dorf zweigt in der Station Nie- der-Lindewiese von der Linie Hannsdorf-Zie¬ genhals ab, fiihrt an den Hbhenrucken, die zum Reichensteiner Gebirge gehOren, in nbrd- licher Richtung liber Setzdorf und Friede- berg, gelangt dann in das Thal des Weiden- baches, iibersetzt bei Haugsdorf-Weidenau diesen Bach und die "VVeidenauer Strasse, die bisher ihre treue Begleiterin war; von hiergeht die Bahn in vvestlicher Richtung bis Barzdorf, vonwo aus_einkurzesBahnstucknach Heiners¬ dorf an die preussische Grenze fiihrt. Die Strecke Niklasdorf-Zuckmantel Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 413 zweigt von der Linie Hannsdorf - Ziegen- hals in stidlicher Richtung ab und folgt im Thale des Elsnitzbaches genau der Richtung der Strasse, die von Ziegenhals nach Zuck- mantel fiihrt, biegt bei der Haltestelle Endersdorf in scharfer Curve nach Osten ein, um Zuckmantel zu erreichen. Unter den Regierungsvorlagen vom 23. November 1893 befand sich auch eine, welche die auf Kosten des Staates und als Hauptbahn auszufuhrende Linie Halicz-Ostrfi w [Tarnopol] sammt Abzweigungen nach Brzežany und Podhajce zum Gegenstande hatte. Das beziigliche Project glich zum gros- seren Theile ungefahr demjenigen, mit welchem die Lemberg-Czernowitz-Jassy- Eisenbahn sich zu Beginn der Achtziger- Jahre eingehend befasst hatte. Sie suchte damals Ersatz fur die ihr seitens der Carl Ludwig-Bahn vereitelte Verbin- dung mit den nordlichen Gegenden und projectirte die Linie Chodorow-Tamopol- Podwoloczyska,welchemVorhaben aber die Carl Ludwig-Bahn wieder mit ihrem, iibri- gens zu jener Zeit auch nicht zur Ver- wirklichung gelangten und dermal der »Ostgalizischen Localbahn« angehorenden Projecte Zadworze-Monasterzyska in die Quere kam. *) Die Bedeutung der genannten Linie als mittelbare Fortsetzung jener von Stanislau nach Woronienka und als \vichtige Er- ganzung des galizischen Bahnnetzes, ihr Zweck dem sudlich und westlich von Stanislau einbrechenden Verkehre nach dem Nordosten fortan den rund 280 km langen Umweg iiber Lemberg nach Tar¬ nopol zu ersparen, wie auch das weite dicht- bevolkerte und fruchtbare Gebiet zwischen den genannten drei Stadten endlich dem Handel und Wandel zu erschliessen — und endlich die Nothwendigkeit der neuen Linie liessen sich so wenig verkennen, dass die Annahme des Gesetzes schon von vorn- herein als gesichert gelten konnte. Sie erfolgte denn auch sehr rasch und am 26. December 1893 erhielt das Gesetz bereits die a. h. Sanction. Dasselbe er- machtigte die Regierung, die genannten Linien mit einem Aufvvande von hochstens *) Vgl. Konta’s Eisenbahn - Jahrbuch Jahrgang XV, Seite 144 und 159, XVI, Seite 212 und 226, XVII, Seite 223. 10.000. 000 fl. aus Staatsmitteln und langstens bis zum Jahre 1897 herzu- stellen — die beiden Abzweigungen jedoch nur unter der Bedingung, dass von dem Konigreiche Galizien und von den Interessenten Beitrage von zusammen 1.000. 000 fl. geleistet wiirden. *) Nach- dem die Voreinleitungen getroffen waren, verfiigte das Handelsministerium am 24. Juli 1894 die Inangriffnahme der Hauptlinie, fur welche nun die Bauoperate ausgefertigt und sodann die Arbeiten am 19. Marž 1895 in sieben Losen [an die Unternehmungen Czeczowiczka & W e i n e r, F. G a m s k i, L. R a d w a n s k i, E. Uderski] vergeben, beziehungsweise im Mai 1895 begonnen wurden. Die 72'3 km lange Strecke Ostro w-P o d wy- sokie diente bereits vom 25. Januar 1897 an dem Localbetriebe; am i.Juni 1897 fand auch die Eroffnung der 29^3 km langen Strecke Podwysokie-Halicz und zugleich des Hauptbahn-Betriebes auf der ganzen Linie statt. Von Ostrow bis Tarnopol [9 km] ward die Linie Ko- pyczyhce-Tarnopol der Ostgalizischen Lo- calbahnen in 'Mitbeniitzung genommen. Die Abzweigungen [von Potutory] einer- seits nach Brzežany [7 km] andererseits nach Podhajce [23 km] verblieben noch im Stadium der Vorbereitung. Dagegen kam nun auch die 42^7 km lange Strecke C h o d o r 6 w - P o d w y- s o k i e hinzu, ' zu deren Ausfuhrung auf Staatskosten — mit einem Hochstbetrage von 3,650.000 fl. — das aus der beziig- lichen Vorlage vom 15. Februar 1896 hervorgegangene Gesetz vom i.Juni 1896 die Regierung ermachtigte, unter der Be¬ dingung, dass »vom Konigreiche Galizien aus Landesmitteln ein nicht riickzahlbarer Beitrag zu den Kosten in jener Hohe ge¬ leistet tverde, welcher erforderlich ist, um die von den Interessenten zu leistenden, ebenfalls nicht riickzahlbaren Beitrage auf 1,000.000 fl.zuerganzen« —eineBedingung, die durch den Beschluss des galizischen *) Der galizische Landtag hatte in seiner Sitzung vom 19. Mai 1893 beschlossen »in Wtlrdigung der Nutzlichkeit und Wichtigkeit der bezeichneten Bahnlinien, zur Herstellung derselben eine unter Beisteuer der Localinter- essenten aufzubringende Landes-Subvention von 1,000.000 fl. zu leisten«. 414 Ignaz Konta. Landtages vom 8. Februar 1895 erfullt er- scheint. Der Bau wurde am 14. August 1896 in fiinf Losen an die Unternehmer Karl und Emanuel T a u b e r, Ludwig Radwanski und Felix II ni c ki, Kalm. Freuden- heim & Comp. vergeben und innerhalb 14 Monaten vollendet. Die Eroffnung der Bahn fand am 29. November 1897 statt. Die Trače der Linie Halicz-Ostr6w geht von Halicz nordlich tiber Bolszowce, Sko- morochy stare, Lipica dolna bisPodwysolcie, schlagt die ostliche Richtung ein, beriihrt die j Stationen Mieczyszcz6w,Potutory, iiberbriickt j bei Krzywe die Zlota lipa, einen Nebenfiuss des Dniester und gelangt in gerader Ostlicher Richtung liber Kozowa, Sloboda-Teofipolka, Denys6w - Kupczyrice, Chodaczkow - wielki nach Ostn 3 w - Berezowica, von wo aus die Verbindung mit Tarnopol liergestellt ist. Die Strecke Chodordw-Podwysokie zweigt von der Halicz - Ostr6wer Trače bei Podwysokie westlich ab und stellt tiber Puk6w, Rohatvn, Potok und Psary eine zweite Verbindung der Ostrbwer Linie mit der ehe- maligen Lemberg-Czernowitzer Eisenbahn bei Chodor6w her. Ein Jahr friiher war in Bohmen eben- falls eine Flauptbahnstrecke auf Staats- kosten zur Ausfuhrung gelangt, namlich die zur Verbindung der Bohmischen Westbahn mit der Prag - Duxer Bahn bestimmte, I5’3&»2 lange Strecke Beraun-D ušnik, zu deren Kosten im Hochstbetrage von 1,950.000 fl. das Kbnigreich Bohmen und die Interessenten eine Beisteuer von zu- sammen 150.000 fl. a fonds perdu zu leisten hatten. Die legislative Ermachti- gung zu diesem Staatsbau erfolgte mittels Artikel XIII des Gesetzes vom 19. Juni 1895 [betreffend die im Jahre 1895 sicher- zustellenden Bahnen niederer Ordnung]. Der am 29. August 1896 an den Unter¬ nehmer Franz Schon vergebene Bau ge- langte im December 1897 zur Vollendung und sodann am 18. desselben Monates die Bahn zur Eroffnung. Die Trače der Linie von Beraun nach Dušnikfilhrt nordwestlich tiber Beraun- Zavodi durch eine stimmungsvolle Land- schaft zur Station Vraz-St. Johann, iiber- setzt nachst Lodenitz das von hohen, fast senkrechten weissen Kalkfelsen gebildete Thal des Kačicerbaches, der in die Beraun lliesst, und gelangt iiber Hoi-elitz nach Dušnik. Im Jahre 1896 wurde mit der Linie Marienbad - Karlsbad auch eine Hauptbahn [II. Ranges] als Privatbahn, unter Gewahrung einer 25jahrigen Steuer- freiheit und einer Staatsgarantie in der, Hohe der zur 4%igen Verzinsung und zur Tilgung eines Anlehens von nom. 4,050.000 fl. erforderlichen Annuitat, con- cessionirt. *) Namenstrager der Concession vom 21. Mai 1896 waren: der Bezirks- obmann in Teplitz Pralat Alfred Cle- mentso, der Advocat Dr. Anton Stohr in Wien, der Stadtrath in Karlsbad Dr. F erdinand Fleischner, der Biirger- meister von Marienbad Dr. August H e r z i g, der Biirgermeister von Teplitz Dr. Josef Z i n 1 1 und der Bezirksobmann in Petschau Ernst Veit. Die Durchfiihrung dieser Concession erfolgte jedoch erst in der schon ausserhalb des Rahmens dieser Riickschau liegenden Zeit. Die Eroffnung der Bahn vvurde gegen Ende 1898 ge- vrartigt. Diese Linien waren die letzten der im Decennium 1887 —1896 sichergestellten Hauptbahnen. Alle iibrigen umfassten nur Localbahnen, zu deren Forderung das auf breiten Grundlagen beruhende, dem Staate die Leistung reicherer Beihilfe ermbgli- chende und mit einer Giltigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestattete, alle Arten »Bah¬ nen niederer Ordnung« [auch die soge- nannten Klein- oder Tertiarbahnen] umfas- sende neue Localbahn-Gesetz vom 31. December 1894 geschaffen wurde, an welches sich sodann alljahrlich die Ge- setze iiber die in jedem der betreffenden Jahre sicherzustellenden Bahnen niederer Ordnung anschlossen.**) Seitdem war abermals die Verstaat- lichungsthatigkeit in den Vordergrund ge- treten. Vorlaufer derselben waren einige »Praparationen«. DieBuschtfihrader Bahn hatte am 20. Juni 1891 die Be- willigung einer neuen einheitlichen Priori- *) Aus diesem Anlasse wurde mit a. h. Genehmigung vom 21. Mai 1896 die alte, am 25. December 1886 dem IngenieurW. Daniel in Pilsen ertheilte, jedoch unausgefiihrt ge- bliebene Concession ftir eine Localbahn von Marienbad nach Karlsbad etc., fur erloschen erldart. [Kundmachung des Handelsministe- riums vom 13. Juni 1896.] **) Ausfiihrlicheres hieriiber siehe Dr. V. Roli »Die Entwicklungder bsterr. Eisenbahn- Gesetzgebung«und P. F. Kupka »Das Local- bahnwesen in Oesterreich«. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs 415 tats - Anleihe von 60,000.000 fl., zum Zwecke der Convertirung der alten An- lehen und zur Deckung von Investitions- Erfordernissen beim Handelsministerium angesucht und nach langwierigen Ver- handlungen mit der Regierung das Ueber- einkommen vom 22. October 1893 abge- schlossen, dessen Hauptbestimmungen im Folgenden gipfelten: Die Gesellschaft ver- bindet mit der Convertirung auch die Schaffungeines In vesti tionsfonds und erhoht darum die neue Anleihe, welche eine 4°/ 0 ige Kronen-Anleihe sein soli, auf den Betrag auf 136,000.000 Kronen — 68,000.000 fl.; der Investitionsfonds wird abgesondert ver- rechnet; die Halfte des Betrages, welcher dem capitalisirten Werthe der infolge der Convertirung eintretenden Ersparnisse an den Jahreslasten entspricht, hat nach An- ordnung des Handelsministeriums zur Er- weiterung des gesellschaftlichen Unter- nehmens, insbesondere auch zur Betheili- gung an der Capitals-Beschaffung fiir an- schliessende Zweig- und Fliigelbahnen zu dienen; wenn dieser Halftebetrag zur Zeit der Einlosung der Bahn noch nicht auf- gebraucht ist, wird der beziigliche Rest von dem Einlosungspreise, soweit derselbe das concessionsmassige Minimum tiber- steigt, in Abzug gebracht; der Beginn des concessionsmassigen Einlosungsrechtes wird ftir beide Netze mit Ende 1897 fest- gesetzt. Letztere Bestimmung erhielt [nebst einigen neuen gesellschaftlichen Verpflich- tungen in Betreff der Leistungen fiir die Post, der Zugestandnisse fiir anschlies- sende Localbahnen etc.] Aufnahme in die mit a. h. Genehmigung vom 19. Juli 1894 erfolgte und mittels Kundmachung des Handelsministeriums vom 8. August 1894 verlautbarte Abanderung der be- ztiglichen Concessions-Urkunden. Da die Convertirung grosstentheils nur eine frei- \villige sein konnte, vollzog sich dieselbe nur allmahlich, ebenso die Begebung fiir Investitionszwecke nur nach dem je- \veiligen Bedarfe. Mit Ende 1896 waren von der neuen Anleihe erst 75,373.800 Kronen emittirt und von den alten 5 und 4 1 /2%ig' en Anlehen noch 5,851.000 fl. im Umlaufe. Aus Anlass einer Prioritaten-Conver¬ tirung wurde auch mit der Leoben-Vor- dernberger-Bahn eine Vereinbarung ge- troffen [20. Juni 1893], wonach diese Bahn vom 8. Juli 1899 angefangen jedei - - zeit und unter neu festgesetzten Bedin- gungen vom Staate eingelost werden kann. Die Verlautbarung der betreffenden Abanderung der Concessions-Urkunde ge- schah mittels Kundmachung des Handels¬ ministeriums vom 4. August 1893. — Die 4°/ 0 ige Convertirungs-Anleihe von nom. 1,200.000 fl. ist von der steiermarkischen Escomptebank zum Curse von iibernommen worden. Riicksichtlich der Bohmischen Westbahn gelangte die schon seit dem Jahre 1889 anhangig gewesene Frage der V erlangerung des Fltigels Chrast-Ober- Stup n o [Radnitz] zum endlichen Austrage. Die Verpflichtung der Gesellschaft zu diesem Fortsetzungsbaue ging aus der Concessions-Urkunde hervor, deren § 7 ausdriicklich besagt, dass die Bestimmung des Zeitpunktes, wann der Fliigel nach Radnitz und Wegwanow zu vollenden sei, dem Ministerium vorbehalten bleibe. Die Gesellschaft vermeinte jedoch den Bau unterlassen zu konnen, wiewohl auch der Ministerial-Erlass vom 18. Mai 1862, mit welchem ihr gestattet wurde, statt der urspriinglich concessionirten Abzweigung von Holoubkau iiber Ober- Stupno nach Wegwanow jene von Chrast nach Ober-Stupno [Radnitz] auszufiihren, die Gesellschaft neuerlich verpflichtete, die Strecke Ober-Stupno-Wegwanow auf Verlangen der Regierung zu bauen, so- bald ihre Reinertragnisse das Erfordernis fiir die Verzinsung und Tilgung des An- lage-Capitals um 192.000 fl. iiberstiegen. Sie straubte sich, den auch von den poli- tischen Behorden unterstiitzten Wiinschen der Interessenten zu entsprechen und zog die Angelegenheit hinaus, bis das Handels¬ ministerium zu Beginn des Jahres 1893 die endgiltige Entscheidung traf, dass obzwar die Verpflichtung zu dem Baue ausser Zweifel stehe, die Gesellschaft vorlaufig blos die Theilstrecke Ober- S t u p n o-B f a s-R a d n i t z ausfiihren solle. Das geschah denn auch und am 1. De¬ cember 1893 fand die Eroffnung dieses 6'6 km langen Fragmentes statt. Die nun ins Werk gesetzten Haupt- b a h n e n-V erstaatlichungen began- nen mit der schon weiter vorne mitge- 4i6 Ignaz Konta. theilten Einlosung der osterreichischen Linien der Lemberg-Czernowitz-Jassy- Eisenbahn. [Siehe Seite 387.] Dieser folgte alsbald die Erwerbung der Bohmi- schenWestbahn. Vielseitig verlangt, durch das Uebereinkommen vom 11. De¬ cember 1884, beziehungsweise das Gesetz vom 4. April 1885 [Siehe Seite 370] schon mit Ende Juni 1892 moglich ge- worden und von Seite des Handelsmi- nisters in der Budgetausschuss-Sitzung vom 7. Marž 1894 formlich- angekiin- digt — stand diese Action sozusagen stundlich bevor. Wenn sie gleichwohl erst im Herbste 1894 eintrat, war dies dar- auf zuriickzufiihren, dass die Regierung warten wollte, bis die in Schwebe ge- wesenen alteren Angelegenheiten, darunter die oben besprochene Verlangerung der Fliigelbahn und die Heranziehung der Gesellschaft zur Mittragung der Kosten des Umbaues der Station Pilsen, er- ledigt waren. Die hierauf eingeleiteten Verhandlungen mit der Gesellschaft ftihrten zu dem Uebereinkommen vom 4. October 1894, dessen Hauptpunkte, im Einklange mit den concessionsmassigen und den im Gesetze vom 4. April 1885 festgesetzten Einlosungsbestimmungen, dahin lauten, dass die Bahn mit Geltung ab I. Januar 1894 in den Besitz des Staates iibergeht, der hiefiir die gesellschaftlichen 4°/ 0 igen Prioritats-Anlehen nach dem Stande vom 1. Januar 1895 [13,720.000 fl. Silber und 999.900 fl. Gold= 1,096.3470. Noten] so- wie ein von der Gesellschaft neu zu emitti- rendes 4°/ 0 iges Anlehen von 26,500.0000. oder 53,000.000 Kronen zur Selbstzah- lung ubernimmt,*) von welch letzteren 2 3j55°-8oo fl. zur Ausschtittung an die Actionare, die restlichen 2,949.200 fl. aber dem Staate zu Investitionszwecken *) Die Jahreslast ftir die als eigentliches EinlOsungsentgelt zahlenden Anlehensbetrage von zusammen 38,367.147 fl. stellte sieh auf 1,683.370; das Reinertragnis pro 1893 betrug 1,719.239 fl. oder, nach Ausscheidung nicht wiederkehrender Reconstructions - Kosten, r,790.508; dieses letzte gesellschaftliche Be- triebsjahr gehorte jedoch, wie das ihm vor- ausgegangene, zu den ungiinstigsten der bei der Ermittlung der Einlosungsrente in Be- tracht gekommenen sieben Jahre 1887—1893; die nach dem Durchschnitts - Ertrage der tibrigen fiinf Jahre berechnete Rente bezifferte sich mit 1,738 000 fl. und zur Leistung der noch im Abrech- nungswege zu ermittelnden Vergutungen ftir Material-Vorrathe etc. dienen sollen; die Special- und Reservefonds verbleiben Eigenthum der Gesellschaft; das ge- sammte Personal wird unter Wahrung der erworbenen Rechte vom Staate iiber- nommen. Nachdem die Actionare in ihrer ausserordentlichen Generalversamm- lung vom 24. October 1894 dem Ueber¬ einkommen zugestimmt hatten, wurde dasselbe mittels der Gesetzesvorlage vom 5. November 1894 der legislativen Be- handlung zugefiihrt. Unter einer Flagge mit der »hoch- werthigen« Bohmischen Westbahn se- gelten dem Plafen der Verstaatlichung auch die M a h r i s c h - Schlesische Gentralbahn und die Mahrische Grenzbahn entgegen, da in die oben envahnteVorlage auchjeneVereinbarungen miteinbezogen waren, welche die Regie¬ rung mit diesen, seit vielen Jahren noth- leidenden Bahnen getroffen hatte. Die Schicksale derselben sind bereits in frii- heren Abschnitten dieser Mittheilungen eingehend geschildert; *) es eriibrigt da- her nur, hier noch den Schluss anzufugen. Das Interesse der Regierung an dem Besitze der M a h r i s c h-S c h 1 e s i s c h e n C e n t r a 1 b a h n entsprang vornehmlich dem Umstande, dass mittels dieser Bahn die Verbindung der bislang raumlich getrennten staatlichen Betriebslinien in Mahren und Schlesien zu einem zusam- menhangenden Netze ermoglicht wurde; ausserdem war der Regierung auch daran gelegen, den im Staatsvertrage mit dem Deutschen Reiche vom 14. Marž 1885 [siehe Seite 382] vorgesehenen Anschluss Troppau-Ratiborrechtzeitigsicherzustellen und sowohl diesen, als auch die tibrigen Anschliisse der Mahrisch-Schle- sischen Centralbahn an die preussischen Bahnen in eigene Verwaltung zu nehmen. Die Gesellschaft und noch mehr ihre Prioritats-Glaubiger konnten aber in dem Verkaufe der Bahn an den Staat nur eine Erlosung aus einer gleich uner- quicklichen wie aussichtslosen Lage er- blicken. Danim gediehen die mit der *) Siehe Seite 100 fl., 146, 220, 226, 232 f., 274 ff. Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs. 417 Gesellschaft und dem Prioritaten-Curator 1 gepflogenen Verhandlungen bald zu einem gedeihlichen Abschlusse, der in dem Uebereinkommen vom 7. Juni 1894 seinen Ausdruck fand. Die wesentlichsten Ver- tragsbestimmungen besagten Folgendes: Die Bahn geht mit I. Januar 1895 in das Eigenthum des Staates liber; die Ge¬ sellschaft hat jedoch noch unverweilt den Bau des osterreichischen Tbeiles derVer- bindung Troppau-Ratibor sowie die be- ziigliche Erweiterung ihres Troppauer Bahnhofes einzuleiten und verpfiichtet sich auch zur Aufnahme eines 4°/ 0 igen Prioritats-Anlehens von nom. 16,500.000fl. oder 33,000.000 Kronen, wogegen der Staat dieses Anleben zur Selbstzahlung ubernimmt, aus demselben das Entgelt von 14,228.400 fl. fin- die Eigenthums- iibertragung an die Gesellschaft entrichtet, den Rest von 2,271.600 fl. aber zu Inve- stitionszwecken sowie zur Vergiitung der Kosten jenes Baues und sonstiger Ab- rechnungs-Saldi behalt; die Gesellschaft verpfiichtet sich, aus deni ihr zufliessenden Entgelt einen Betrag von nom. 13,467.000 fl. zur Befriedigung der Anspriiche der Be- sitzer der 44.890 alten 5°/ 0 igen Obliga- tionen a 300 fl. in der Weise zu vervven- den, dass denselben fiir je eine solche Obligation eine neue 4%ige a 300 fl. oder 600 Kronen ausgefolgt wird; die ihr nachher verbleibenden 761.400 fl. haben zur Tilgung schwebender Verbindlich- keiten und zur Vertheilung an die Ac- tionare zu dienen; das Personale wird unter Wahrung der erworbenen Rechte vom Staate ubernommen. Die Theil- haber der Gesellschaft erklarten sich in der ausserordentlichen Generalversamm- lung vom 5. Juli 1894 mit dem Ueber¬ einkommen einverstanden und die Cura- telsbehorde genehmigte dasselbe am 10. August 1894. Fiir die endliche Ordnung auch derVer- haltnisse der schon seit 1883 vom Staate betriebenen Mahrischen Grenzbahn sprachen neben verkehrspolitischen und be- triebsoconomischen Erwagungen, einiger- massen noch dieRiicksichten aufdenEisen- bahn-Credit; denn diese Unternehmung ge- noss eine theilweise Staatsgarantie und die gleichwohl um ein ganzes Procent [von den zugesicherten 5°/ 0 auf 4°/ u ] herabgesetzte Geschichte der Eisenbahnen. I. Band. 2. Theil. Verzinsung der Prioritatenwarf noch immer ihre Schatten, ganz abgesehen von der nie- mals eingetretenen Zahlung einer Divi¬ dende auf die Actien. Nach den dies- falls schon friiher wiederholt gemachten Erfahrungen war an eine »Sanirung« im alten Sinne des Wortes nicht mehr zu denken. Die erreichbare Behebung der kranken Zustande wurde aber da- durch verzogert, dass der Verwal- tungsrath oder die Geldkrafte, welche ihn eingesetzt hatten, stets vermeinten, mehr erringen zu konnen, was natiirlich auch dem Prioritaten-Curator erwiinscht gewesen ware. Erst als die richtige Erkenntnis der Sachlage Geltung gewonnen und der Curator engere Fiih- lung mit der Regierung gesucht hatte, begannen die gedeihlichen Verhandlungen tiber die Losung des Knotens. Es kam das Uebereinkommen vom 4. Juli 1893 zu Stande, das auch in der General- versammlung vom 16. August 1893 die Zustimmung der Actionare erhielt, jedoch wegen fruchtlosen Ablaufes der zu seiner Perfectionirung festgesetzt gewesenen Frist [15. Februar 1894] wieder erlosch und nachher durch das fast gleichlautende Uebereinkommen vom 23. October 1894 ersetzt wurde. Dasselbe erstreckt sich sowohl auf die garantirte Linie Stern- berg-Grulich als auch auf die ungarantirte Linie Hohenstadt-Zoptau, nimmt ebenfalls Bedacht auf die Schaffung eines Investi- tions-Fonds und bestimmt im Wesent- lichen folgendes: Das gesammte Eigen¬ thum der Gesellschaft und ebenso ihr gesammter Lastenstand iibergehen an den Staat, der hiefiir ein Entgelt von nom. 9,028.600 fl. in Titeln eines von der Gesellschaft neu aufzunehmenden 4°/, bei Miirzzuschlag- Neuberg 58.000 fl. und bei Erbersdorf- Wiirbenthal gar 80.000 fl. Die Einnahmen standen damit auch in keinem Ver- haltnisse. Gleichzeitig stellte sich das praktische Bediirfnis heraus, einigen schon im Be- triebe befindlichen Bahnen auf einzelnen Fltigelstrecken die Einfiihrung des S e - cundarbetriebes zu gestatten. Die Genehmigung wurde regierungsseitig unter der Bedingung ertheilt, dass die fest- gesetzten ermassigten Geschwindigkeiten auch eingehalten wiirden. Damit wurde ein doppelter Zweck verbunden, und zwar eine namhafte Ersparnis fiir den gewahr- leistenden Staat, andererseits die Priifung, wie weit mit den Erleichterungen beim Secundarbetrieb gegangen werden konne. In allen diesen Fallen blieben jedoch die concessionsmassigen Verpflichtungen der Bahngesellschaften im vollen Umfange aufrecht. So wurde der Secundarbetrieb bei der Buschtčhrader Bahn auf fiinf, bei derKron- prinz Rudolf- und Nordwestbahn auf je vier Strecken, bei der Aussig-Teplitzer, Kaiserin Elisabeth-, Prag - Duxer und Siid-norddeutschen Verbindungsbahn auf je einer Strecke eingefuhrt. Aber auch Hauptbahnen erschien es schon in den Siebziger-Jahren wiinschens- Localbabnrvesen. 475 werth, ihren ortlichen Personenverkebr durch Secundarziige besorgen zu lassen; das war unter Anderem bei der Kaiserin Elisabeth-, Oesterreichischen Nordwest-, Siidbahn und Staatseisenbabn-Gesellschaft der Fali. Worin besteht eigentlich das Wesen des Secundarbetriebes ? Einfach in der Ersparnis bei den Bau- und Betriebs- kosten — das ist natiirlich nur bei neu angelegten, nicht aber bei schon be- stehenden Bahnen der Fali — infolge In Deutschland war es B a y e r n, das zuerst der Anlage von Vicinalbahnen Rechnung trug. Das Gesetz vom 29. April 1869 be- trifft »die Ausdehnung und Vervoll- standigung der bayeriscben Staatsbahnen, dann die Erbauung von Vicinalbahnen«, das sind »Bahnverbindungen von localer Wichtigkeit, die vom Staate oder Privat- Unternehmungen hergestellt \verden ; sie sollen nur unter der Voraussetzung Aus- sicht auf Unterstiitzung haben, wenn fiir Abb. 203. Lavantbriicke bei Kollnitz. [Unter-Drauburg-Wolfsberg.] [Nach einer photographischen Aufnahme von Alois Beer in Klagenfurt.] der ermassigten Fahrgeschwindigkeit; eine allgemein giltige gesetzliche Fest- stellung dieser Geschwindigkeit erschien fur die Praxis als unzulassig und hemmend; als man einsah, dass die gewohnlich mit 12—15 km bemessene Fahrgeschwindig- keit nur eine ganzlich ungeniigende Aus- niitzung des Personals und des Roll- materials gestatte, erhohte sie die Regierung in den einzelnen Fallen und ging bis zu 30 km. Eine Losung der Localbahn - Frage war das allerdings nicht. Das stetig zunehmende Bediirfnis nach Localbahnen und der Einlauf zahlreicher Projecte drangte die Regierung zur Er- lassung eines Localbahn-Gesetzes. Werfen wir nun einen fliichtigen Blick auf andere Lander, die um jene Zeit mit der Losung der gleichen Frage sich beschaftigten. dieselben die Grundenverbung und die Herstellung der Erdarbeiten ohne In- anspruchnahme von Staatsfonds gesichert ist«; ferner heisst es: »Was die Ver- zinsung des von Gemeinden oder anderen Interessenten zugeschossenen Capitals betrifft, so ist in der Regel gesetzlich festzustellen und mit den Interessenten zu vereinbaren, dass erst dann, wenn die Roheinnahmen aus dem Transport das dreifache der 4 1 / 2 °/oigeii Zinsen des aus Staatsmitteln bestrittenen Aufwandes iiber- steigen, aus dem Ueberschuss eine Ver- zinsung und Amortisation des fiir die Grunderwerbung und Erdarbeiten auf- gewendeten Capitals bis zu 5°/ 0 gewahrt werden kann, beziehungsweise gewahrt wird.« Zu diesem Zwecke wurde ein be- sonderer Baufonds aus den Ertragnissen der Staatsbahnen gebildet. 476 P. F. Kupka. Auf Grund dieser allgemeinen Be- stimmungen und durch Sondergesetze kamen bis 1876 14 Vicinalbahnen von 167 km Lange zur Ausfiihrung. Die sieben vom Staate betriebenen voll- spurigen Vicinalbahnen von 71 • I km Lange mit 1 : 70 Hochststeigungen, 200 m Kriim- mungshalbmesser und 27’2 kg Schienen- gewicht verursachten einenKostenaufwand von 5,985.000 Mark, hierunter allein fur Griinde 1,052.000 Mark, oder 84.200 Mark flir das Kilometer; sie wurden nahezu gleich den Hauptlinien ausgestattet und, mit Ausnahme zweier, durch deren schwere Locomotiven betrieben; sie unterschieden sich von den Hauptbahnen eben nur dadurch, dass siefast keinen Verkehr hatten und dementsprechend waren auch die Ergebnisse. Nur zwei der Vicinal¬ bahnen deckten ihre Betriebsauslagen, ohne jedoch dem Staate oder den Ge- meinden irgend welche Rente abzuwerfen, die tibrigen waren ganzlich passiv. Unter solchen Verhaltnissen war eine Neuregelung des Vicinalbahnwesens dringend geboten. Das neue Gesetz vom 28. April 1882 liess denLocalbahn-Interessenten die Wahl, entweder auf ihre Ansprtiche beziiglich der Ueberschiisse gegen Ruckerstattung des Aufwandes fur die Erdarbeiten Ver- zicht zu leisten, oder sich mit der Halfte zu begntigen und ein neues Ueberein- kommen mit der Regierung ivegen Ver- theilung des Ueberschusses zu treffen. Das Gesetz bestimmte tveiters, dass der Staat Localbahnen nur dann zur Aus- fiihrung bringe, wenn die Interessenten mindestens den Grund unentgeltlich bei- stellten, sowie dass bei entsprechenden Leistungen seitens der Interessenten nicht riickzahlbare Staatszuschiisse an Privat- Unternehmungen zulassig seien. Auch Baden schuf bereits 1869 ein Gesetz, betreffend Local-, Zweig- und Verbindungsbahnen, demzufolge Staats- beitrage in Aussicht gestellt wurden, wenn die Betheiligten mindestens die Kosten fur den Grunderwerb und die Erdarbeiten ubernahmen. In S a c h s e n gestand die Regierung die thunlichsten Verkehrserleichterungen zu behufs Forderung von Localbahnen, \velche die entlegensten Gegenden bequem erreichbar machen, als Verbindungslinien dienen, die Hauptbahnen befruchten und ihnen hie und da die Last des Orts- verkehrs abnehmen sollten. Diesem Lande gebiihrt unstreitig das Verdienst, die Schmalspur in Deutschland volksthumlich gemacht zu haben. Im Januar 1876 und im October 1877 legte die Regierung die Griinde dar, welche fur die vortheilhafte An\vendung der Schmalspur sprachen und brachte mehrere Staatsbahnlinien in Vorschlag. Trotzdem erfolgte wegen der bedeutenden Vorein- genommenheit die Ablehnung der Vor- lage, deren Annahme erst 1879 erlangt \verden konnte. In Preussen reifte erst allmahlich die Localbahnfrage der Entscheidung entgegen. Ani 10. Mai 1877 erliess das Ministerium der offentlichen Arbeiten eine »Sicherheitsordnung fur normalspu- rige Eisenbahnen Preussens«, bei denen vermoge ihrer untergeordneten Bedeutung Abweichungen von den Bestimmungen der bestehenden Eisenbahn-Verordnungen fur zulassig erachtet wiirden; der Staat wollte sich jedoch hiebei \veder selbst betheiligen, noch auch den Selbstver- waltungskorpern die Sorge fiir die Local¬ bahnen tiberlassen. Auf eine Anfrage im Abgeordnetenhause erklarte Minister v. Achenbach, dass er sich fiir das Gedeihen der Localbahnen lebhaft inter- essire, doch habe das Publicum noch nicht geniigend begriffen, »dass auf solchen Bahnen der complicirte Personenbetrieb dem einfacheren Giiterbetrieb nachstehen miisse«. Obzwar schon friiher der west- preussische Landtag sowie die Provinzial- Landtage von Posen und Westfalen, spater die Provinzial-Ausschusse von Schlesien und Schleswig-Holstein gegen die Secundarbahnen sich ausgesprochen hatten, und zwar aus dem Grunde, weil Begriff und Rechtszustand der Secundar¬ bahnen gesetzlich noch nicht bestimmt seien, weil der Staat selbst zur Frage der finanziellen Beihilfe noch keine Stellung genommen habe und es fraglich sei, ob die den Provinzen iiberwiesenen Dis- positionsfonds zur Erfiillung der Aufgabe ausreichten, wies das preussische Handels- ministerium die Eisenbahn-Gesellschaften an, Vorarbeiten fiir Secundarbahnen ein- Localbahmvesen. 477 zuleiten. Erst mit dem Beginne der Ver- staatlichungs - Action der Hauptbahnen [1879] wurde den Localbahnen eine wohl- wol!endere Behandlung zutheil. Am 30. October 1879 legte die Regie- rung dem Landtage einen Gesetzentwurf vor behufs Bewilligung der Mittel, theils fiir die Herstellung einer Reibe von Bahnen minderer Ordnung, theils fiir die Betheiligung von Privat-Unternehmungen, welche wirthschaftliche Nebenbahnen im eigentlichen Sinne des Wortes seien und auch technisch als solche angelegt und betrieben werden sollten. Zufolge einer Denkschrift zum Gesetz- entwurfe solite der Staat auf die Herstel¬ lung eines Netzes von Localbahnen in zwei- facher Richtung hinwirken, undzwardurch entsprechende Erleichterungen derjenigen Normen, Bedingungen und Auflagen, an welche die Eisenbahn - Unternehmungen gekniipft šind, dann durch thatsachliche Betheiligung am Bau soleh er Bahnen. Das kOnne geschehen entweder durch die Herstellung auf Staatsrechnung, unter Betheiligung der Ortsinteressenten, oder durch finanzielle Unterstiitzung bei der Ausfiihrung durch dritte Personen. Abb. 204. Lavantbriicke bei Woltsberg. [Unter-Drauburg-Wolfsberg.] Dieser Gesetzentwurf fusste auf den durch die technische Commission des Vereines Deutscher Eisenbahn - Verwal- tungen festgelegten »Grundziigen fiir die Gestaltung der secundaren Eisenbahnen«, Hannover 1876. »Als Secundarbahnen sind solche zu betrachten, an welche in Beziehung auf Fahrgeschwindigkeit und Bequemlichkeit geringere Anspriiche ge- stellt werden und welche daher billiger hergestellt und billiger betrieben werden konnen, als die Hauptbahnen.« Es wurden unterschieden Secundar¬ bahnen, \velche an die Plauptbahnen an- schliessen: I. Špur i‘435 wi, zulassige Geschwin- digkeit 12—30 km. II. Špur i'435 m i Fahrgeschwindigkeit hochst 12 km. III. Špur 1 m oder 075 m. Die Ortsinteressenten hatten dem Staate mindestens den erforderlichen Grund und Boden in natura oder durch Ersatz der Beschaffungskosten zu iiber- weisen; bilde diese Forderung eine zu hohe Belastung, so konne staatlicherseits ein entsprechender, nach der Bahnlange zu bemessender Zuschuss zu den Grund- erwerbskosten geleistet werden, vorkom- mendenfalls auch neben der Gestellung des Gelandes noch ein unverzinslicher nicht riickzahlbarer Bauvorschuss zu den Baukosten gefordert werden. Die Form der staatlichen Beihilfe besteht dann entweder in der Betheiligung am Actien-Betrage, in der Gewahrung von Darlehen unter billigen Bedingungen oder Biirgschaftsleistung, in Pramien, durch Uebernahme des Betriebes oder der Ver- waltung, durch Mitbeniitzung staatlicher 478 P. F. Kupka. Anlagen und Einrichtungen, Ueberweisung von Areal und Material fiir den Bau u. s. w. Eine gesetzliche Regelung der fiir die Concessionirung und staatliche Subventionirung der Secundarbahnen auf- zustellenden Grundsatze erscheine der Staatsverwaltung zur Zeit nicht rathsam und eine Definition zu geben, sei sehr schwer; deshalb miisse nach genauer Untersuchung in jedem Einzelfalle ent- schieden werden. Eine zweite Denkschrift zum Gesetz- entwurfe erlauterte die »Normal-Conces- sions-Bedingungen« fiir die mit Vollspur [Schmalspur blieb ausser BetrachtJ ange- legten und fiir den Uebergangs-Verkehr einzurichtenden Localbahnen. Fiir acht von den neun zum Ausbau empfohlenen Bahnen war die unentgeltliche Einrau- mung des Mitbeniitzungsrechtes von Strassen und offentlichen Wegen, inso- weit es die Aufsichtsbehorde fiir zu- lassig erachte, zugesprochen. Die Ministerial - Verordnung vom 8. Marž 1881 gestattete grundsatzlich die Mitbeniitzung offentlicher Wege be- hufs Anlage von Bahnen untergeordneter Bedeutung, was wohl belebend auf die Unternehmungslust einwirkte, doch wur- den hiebei Zugestandnisse beziiglich des Verhaltnisses zur Post- und Militar-Ver- waltung vermisst. Es folgte seit 1880 noch eine Reihe verschiedener Sondergesetze und Verord- nungen, unter denen sich das Nebenbahn- wesen machtig entwickelte, so dass Preussen heute das ausgedehnteste Netz von Localbahnen besitzt. Durch Privat- Gesellschaften kamen nur wenige, zu- meist Schmalspurbahnen zustande. In 1 1 a 1 i e n wurde die Regierung durch das Gesetz vom 29. Juni 1873 zum Bau einer Anzahl von Nebenbahnen unter besonderen Zugestandnissen beziig- lich der Anlage sowie zur Gewahrung jahrlicher Unterstiitzungen von 1000 Lire fiir das Kilometer durch 35 Jahre er- machtigt, \vobei die Bildung von Syndi- caten in den Provinzen und Gemeinden anzustreben sei. Die mit Rucksicht auf dieses Gesetz gehegten Erwartungen erfiillten sich je- doch nicht und die Regierung sah sich zu ausgiebigeren Zugestandnissen veranlasst. Mit dem Gesetze vom 29. Juli 1879 wurde der Bau von 1530 km Neben¬ bahnen [ferrovie secondarie] von rein ort- lichem Interesse beschlossen, unter Ein- haltung der Bedingung, dass die bethei- ligten Korperschaften die Leistung eines entsprechenden Beitrages nachzuweisen hatten, der fiir die ersten 80.000 Lire des Gesammtaufwandes mit 0'4, von den nachstfolgenden 70.000 Lire mit 0’3 und von den restlichen Erfordernissen mit 0'i bemessen war. Die Anwendung der Schmalspur sowie die Mitbeniitzung der Offentlichen Strassen war gestattet. Die Concessionirung erfolgte fallweise durch ein konigliches Decret. Bald iiberzog sich insbesondere Nord- italien mit einem dichten Netz von Dampf- strassenbahnen, obgleich die von den Inter- essenten iibernommenen Verpflichtungen noch als driickende empfunden wurden; diese erhielten eine wesentliche Einschran- kung mit dem Inkrafttreten der Betriebs- Convention [1. Juli 1885], derzufolge die Pachtgesellschaften der italienischen Staatsbahnen es iibernommen hatten, die in den Gesetzen bezeichneten Linien, in- soweit sie in ihr Verkehrsgebiet fallen, unter Biirgschaft des Staates auszubauen, zu betreiben und deren Gesammtanlage- kosten durch Ausgabe von Obligationen zu decken. Spatere Gesetze ermachtigten die Re¬ gierung zum Bau von neuen Nebenbah¬ nen [1000 km , Kosten 90 Millionen Lire] und erhohten weiters den Unterstiitzungs- beitragvon 1000 auf 3000 Lire fiir das Kilometer sowie die Dauer der Concession von 35 auf 90 Jahre. Frankreich schuf infolge Zusam- menwirkens von Staat, Departements, Ge¬ meinden und Interessenten anfangs der Sechziger-Jahre im Elsass Vicinialbahnen von einfachem Bau und Betrieb; die Re¬ gelung ihrer Verhžiltnisse geschah auf Grund des Vicinal-Strassengesetzes vom 21. Mai 1836 und des allgemeinen Eisen* bahn-Gesetzes. Im Jahre 1861 setzte die Regie¬ rung einen Ausschuss ein zur Vor- berathung eines Gesetzes liber die »Che- mins de fer d’interet local«, dessen Be- schliisse zwei Jahre darnach veroffentlicht wurden. Localbahnwesen. 479 Der Schwerpunkt des spater geschaf- fenen Gesetzes vom 12. Juli 1865 [Loi relative aux chemins de fer d’inter6t local] lag darin, dass der Staat solche Localbahnen nach vorausgegangener An- erkennung der utilite publique durch den Staatsrath mit nicht ruckzahlbaren Zu- Der Erfolg war keineswegs ein gtin- stiger, denn der weitreichende Einfluss der Departements- und Generalrathe auf die Concessions-Bedingungen und die An- lage der Bahn schuf eine grosse Zahl lebensunfabiger, mit den Hauptbahnen so- gar im Mitbewerb stehender Localbahnen, Abb. 205. Ramsaubach-Viaduct. [Eisenerz-Vordernberg.] [Nach einer photographischen Aufnahme von C. Weighart in Leoben.] schtissen ausstattete, und zvvarbis zu einem Drittel von dem die Departements, Gemeinden und Interessenten belasten- den Kostenaufwande; dasGesetz erlaubte in armeren Departements bis auf die Halfte hinaufzugehen, wohlhabenderen jedoch nur bis zu einem Viertel zuzuge- stehen. Der Gesammtbetrag der Staats- beihilfe durfte aber 6,000.000 Francs nicht uberschreiten. deren Anlagekosten mit den voraussicht- lichen und erzielten Einnahmen ausser Verhaltnis standen und die spater [1878] thatsachlich vom Staate ilbernommen wer- den mussten. Bestrebt, das Localbahn- wesen auf eine, alle Missbrauche aus- schliessende Grundlage zu stellen, fasste man vorerst die Verwendung von offent- lichen Strassen [l’accQtement des routes] ins Auge, was auch in dem am 17. Marž 480 P. F. Kupka. 1875 von Cailloux der Nationalver- sammlung unterbreiteten Gesetzentwurf, sowie in der Vorlage Freycinet’s [... voies ferrees etablis sur les voies pu- bliques] vom 29. April 1878 zum Ausdrucke gebracht wurde, und womit gleichzeitig den Localbahnen Staatsunterstiitzungen — einen gleich hohen Beitrag seitens der Departements und Gemeinden vorausge- setzt — von 5000 Francs und bei Linien, auf welche Wagen der Hauptbahn iiber- gehen konnten, 6000 Francs fiir das Kilo¬ meter auf 20 Jahre zugesichert ward. Ein neues Localbahn-Gesetz [11. Juni 1880] iibertrug den Departements und Municipien die Feststellung der Conces- sions-Bedingungen, verlangte jedoch die Genehmigung zur Ausfilhrung und Aner- kennung der offentlichen Niitzlichkeit im Wege eines Gesetzes, worauf bei Be- theiligung der Departements und Gemein¬ den die Zirvvendung eines staatlichen Ertragszuschusses erfolgen konne. Behufs rascherer Erreichung des Zieles zog die Regierung [1882] auch die sechs grossen Eisenbahn-Gesellschaften zur Mitwirkung heran, womit ein machtiges Netz von Localbahnen sichergestellt wurde. Frank- reich besass nun wohl ein ausgedehntes Localbahnnetz, doch waren seine finan- ziellen und oconomischen Verhaltnisse keineswegs erfreuliche. Trotz der nam- haften Unterstiitzungen von Seite des Staates und der angrenzenden grossen Eisenbahn-Linien \viesen die Localbahnen nur eine ausserst bescheidene Entwicklung auf, sie leisteten dem Lande verhaltnis- massig nur geringe Dienste und verzins- ten das Anlage-Capital gar nicht. Belgien. Das Gesetz vom 9. Juli 1875 gestattete die Anlage des Bahn- korpers unmittelbar zur Seite der Land- strassen und in gleicher Ebene, stellte aber keine finanzielle Unterstiitzung in Aussicht; es blieb daher ein todter Buch- stabe ohne jegliche Wirkung. Im Mai 1877 empfahl der Senat das angelegentliche Studium dieser Frage der Regierung, die ihrerseits erldarte, von den betheiligten Ortschaften die erste Anregung zu erwarten, wobei dann die finanzielle Seite keine uniibersteiglichen Schwierigkeiten bilden solle; das Gesetz erheischejedenfallseineVervollstandigung. Es wurde die Bildung einer Gesell- schaft in Anregung gebracht, welche den Gemeinden das zum Bau und Betrieb nothige Geld zu verschaffen, tlberall der grossten Sparsamkeit sich zu befleissen und speculative Gewinne hintanzuhalten habe. Das Eingreifen des Staates sei aber ebenso nothwendig als gerechtfertigt, schon um das Capital unter giinstigen Bedingungen zu erhalten, denn hier liege ein grosses offentliches Interesse vor. Die Gegen- leistung an den Staat bestande in einer namhaften Ersparnis bei der Erhaltung der Strassen, in einer Verbesserung des Post- und Telegraphenwesens sowie der Einnahmen der Staatsbabnen und das ohne Erhohung der Ausgaben. Der Vor- schlag fand im Lande die beifalligste Aufnahme. Zieht man in Betracht, dass der bel- gische Staat die Einlosung der Privat- bahnen unter dem Drucke der offentlichen Meinung und durch Bewilligung verhiilt- nismassig hoher Renten vollzog, so musste er insbesondere darauf bedacht sein, je- den ungerechtfertigten Mitbewerb mit seinen Linien zu vermeiden, der Lage der Staatsfinanzen stets Rechnung zu tragen und andererseits bei aller Aner- kennung der Bedeutung der Vicinal- bahnen auch auf diesem Felde seinen Einfluss geltend zu machen. Erst im Juni 1880 ging der aus Ver- tretern der beiden Kammern und der Ministerien zusammengesetzte Ausschuss an die Priifung des Antrages; im April des nachsten Jahres lag das Ergebnis der Berathungen vor und im Mai 1882 wurde ein beztiglicher Gesetzentwurf in der Abgeordnetenkammer eingebracht, aus welchem das Gesetz vom 28. Mai 1884 hervorging. Die ins Leben geru- fene »Societe nationale des chemins de fer vicinaux« unternahm es, unter Mithilfe des Staates, der Provinzen, Gemeinden und sonstigen Betheiligten, Vicinalbahnen im grossen Stil anzulegen. Es sind dies mit wenigen Ausnahmen schmalspurige [1 m], an die niederlandischen Strassen- und Nebenbahnen sich anschliessende Linien, welche alle mehr einen tramway- artigen Charakter aufvveisen. Grossbritannien. Das Gesetz vom 31. Juli 1868 »An Act to amend the Law Localbahmvesen. 481 Abb. 206. Weiritz-Viaduct. [Eisenerz-Vordernberg.] [Nach einer photograpbischen Aufnahme vofi C. Weighart in Leoben.] relating Railways« betraf auch die »Light Railways<' [leichten Eisenbahnen], die durch den festgesetzten Achsdruck von hochstens 8 t und durch eine hochste Fahrgeschwindigkeit von 25 miles \\okm\ technisch abgegrenzt erscheinen ; mit den andenveitig fallweise zu bestimmenden Bedingungen wurde das Handelsamt [Board of trade] betraut. Charakteristisch fiir die englische Ge- setzgebung ist es, dass das Gesetz fiir den Fali einer starkeren Achsbelastung oder grosseren Fahrgeschwindigkeit und fiir jeden Tag, wahrend eine derartige Ueber- schreitung platzgreift, eine Strafe von 25 £, und fiir jede Person, welche die Uebertretung herbeifiihrt, Gefangnis mit harter oder ohne harte Strafe bis zu zwei Jahren androht. Das Gesetz vom 30. August 1889, betreffend die »Light Railways« fiir I r 1 a n d, hat mehr einen finanziellen Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 31 4B2 P. F. Kupka. Charakter und enthalt keinerlei Bestim- mungen iiber Anlage oder Betrieb solcher Bahnen. Die »Economic Railways« Schottlands sind zumeist kleine, durch Parlamentsacte genehmigte, von unab- hangigen Bahngesellschaften und ohne jede Staatsunterstiitzung erbaute Zweig- linien, die nur dort entstanden, wo ein Bedurfnis und Aussicht auf eine eintrag- liche Rente vorhanden war. Die erste Linie, Edinburgh-Peebles [30 km], \vurde 1855 eroffnet. Schweden hat kein allgemeines, die Localbahnen betreffendes Gesetz, und trotzdem ist das System ausserordentlich entwickelt und entspricht vollkommen den Anforderungen des Landes. Bis 1871 wurden den einzelnen Unternehmungen von Fali zu Fali vom Reichsrathe Dar- lehen bis zu 2 / 3 der Gesammtausgaben bewilligt, von da ab jedoch der Regierung fiir eine fiinfjahrige Finanz - Periode ein Credit im Betrage von 10,000.000 Kronen bewilligt, iiber deren Vertheilung die Regierung fallweise entschied. A us dem Vorstehenden ist zu ent- nehmen, dass die in den verschiedenen Staaten zur Erreichung des gleichen Zieles angewandten Mittel verschiedene waren. Der Wunsch, der Staat mochte den Nebenbahnen seine Hilfe in dem- selben Masse wie den Hauptlinien zu- wenden, fand nicht iiberall bei Regierungen und Volksvertretungen das gleiche Ent- gegenkommen; Localbahnen befriedigen ja in erster Reihe nur ortliche Inter- essen, wahrend die staatswirthschaftliche Wirkung fiir die Allgemeinheit eigentlich verschwindet, mindestens nicht leicht un- mittelbar nachzuweisen ist. Beantwortet waren allenfalls die Fragen iiber die technische Anlage, Betrieb und Verwaltung, nicht so jene iiber die Capitalsbeschaffung. Bayern, Italien, Frankreich, spater auch Preussen gevvahrten finanzielle Unterstiitzungen in verschiedener Form, entweder von Fali zu Fali oder auf Grund allgemeiner Zu- sicherungen. Aufgabe des Staates blieb es, eine Wechselwirkung und Verbindung des allgemeinen mit dem ortlichen Interesse herbeizufiihren, und seine Fiirsorge musste eine doppelte sein, wenn er sich im Be- sitze eines eigenen Bahnnetzes befand; er konnte auch die Anlage von Neben¬ bahnen nicht ganz der Privatthatigkeit uberlassen, ohne sich damit des be- stimmenden Einflusses zu begeben. Das waren in Kiirze die Anschauungen oder Erfahrungen anderer Lander zu der Zeit [wenngleich bei der Besprechung hie und da einigermassen vorgegriffen \vurde, um ein iibersichtlicheres Bild zu gewinnen], als Oesterreich sich der Localbahn-Frage zuwendete. * * * Im Nachstehenden soli nun versucht werden, den geschichtlichen Werdegang, man konnte beinahe sagen Leidensvveg und die Entwicklung des osterreichischen Localbahnwesens in seinen Hauptziigen zu schildern. Die erste Anregung ging von 30 Mit- gliedern des Abgeordnetenhauses aus, welche am 14. October 1879 einen Antrag betreffend den Bau von Localbahnen in den vom Nothstande betroffenen Gegenden einbrachten. Die Regierung moge, hiess es darin, in einem Gesetze die Bedingungen feststellen, unter welchen der Staat denjenigen Gebieten, die durch den Bau von Secundarbahnen dem wirth- schaftlichenNiedergange entrissen wurden, die Herstellung solcher Bahnanlagen er- moglichen konnte; sie dienten den Zwecken der Industrie wie der Landwirthschaft; nur durch solche Bahnen wiirden die ackerbautreibenden Districte in die Lage gesetzt, ihre Producte rascher und in grosserer Menge auf den Markt zu bringen als bisher. Die Nothwen- digkeit der LIerstellung von Local¬ bahnen werde von allen Parteien gleich- massig anerkannt; die Meinungen gingen nur daruber auseinander, wie es mog- lich sein werde, derartige Bahnen in grosser Anzahl und mit der gebotenen Raschheit ins Leben zu rufen. Nicht blos vom finanziellen Standpunkte, auch vom Standpunkte der Gerechtig- keit sei die Herstellung von Local¬ bahnen nothwendig, denn es wtirde dem osterreichischen Reichsgedanken dadurch der richtige Ausdruck gegeben, dass in dieser Angelegenheit alle Theile des Localbahirvvesen. 483 Reiches eine gleich wohlwollende Be- handlung erfiihren. Dieser Antrag wurde 36 Mitgliedern zur Berichterstattung zugewiesen und gelangte am 11. November in den Eisen- bahn-Ausschuss; daselbst fand die An- sicht Ausdruck, dass eine Commission ein ausfiihrliches Gutachten dariiber zu erstatten habe, welche Systeme bei der Anlage von Secundarbahnen in Oester- reich in Anwendung gebracht werden sollten, ferner sei auf Grund der Ergebnisse der Entwurf einer Bau- und Betriebs- ordnung fiir Secundarbahnen auszu- arbeiten, endlich ein Unter-Ausschuss einzusetzen, der die Ausarbeitung eines Concessions-Gesetzes in Angriff nehme. Nach langerer Berathung einigte man sich jedoch dahin, vorerst die Ansicht der Regierung hieriiber einzuholen. In der nachsten Ausschusssitzung erklarte der Handelsminister Freiherr von Korb -Weidenheim, dass die Regierung vollstandig auf dem Stand- punkte dieser Antrage stehe; denn es handle sich hier »nicht allein darum, localen Bediirfnissen Rechnung zu tragen, sondern die Localbahnen sind auch das geeignete Mittel, die Hauptbahnen zu befruchten, um also namentlich jene Bahnen, welche der Staat subventioniren miisse, rentabler zu machen; das fiir Secundarbahnen anzuwendende Sj^stem miisse aber in jedem einzelnen Falle auch das richtige, d. i. den speciellen Verhaltnissen angemessene sein, es miisse also zu verschiedenen Systemen gegriffen werden; . . . .« andererseits seien aber »entvvicklungsfahige Linien gleich von vorneherein nach einem solchen System zu bauen, welches mit Riicksicht auf die zu gewartigende Stei- gerung des Verkehrs auf der betreffen- den Linie auch die nothige Erweiterung 31 * Abb. 207. Weinzettelgraben-Partie. [Eisenerz-Vordernberg.] [Nach einer photographischen Aufnahme von C. Weighart in Leoben.] 484 P. F. Kupka. und Entvvicklung derselben moglich ma- chen wiirde.« Damit war den Bestrebungen, der Schmalspur zum alleinigen Siege zu verhelfen, vorlaufig der Boden entzogen. Alle Redner, bis auf einen, waren einig, dass ein Erfolg nur dann zu ver- zeichnen sein werde, wenn die materielle Mitwirkung des Staates gesichert sei. In der Weise, wie bisher in Oesterreich Eisenbahnen gebaut worden \varen, konne nichts zustande kommen, weil man zu theuer gebaut habe. Bei manchen Bahnen bezifferten sich z. B. die Finanzirungs- kosten und Intercalarzinsen auf 50°/ 0 des ganzen Anlage-Capitals; ein billiger Bau sei jetzt Hauptbedingung. Der Handelsminister gab die bestimmte Erklarung ab, dass er ein Concessions- Gesetz fiir Secundarbahnen, welches alle Zugestandnisse und Begiinstigungen ent- halten werde, die der Staat bei dem Bau von Secundarbahnen nach Auffassung der Regierung einzuraumen in der Lage sei, schon in allernachster Zeit vor das Haus bringen werde. Die blosse Anktindigung eines beziig- lichen Gesetzes rief allenthalben die leb- hafteste Befriedigung wach und hatte eine grosse Zalil von Concessions- Werbungen im Gefolge. Am 29. November 1879 iibermittelte der Handelsminister den angekiindigten Gesetzentwurf »betreffend die Zuge¬ standnisse und Begiinstigungen fiir Localbahnen« zur verfassungs- massigen Behandlung. Die Regierung wird ermachtigt, heisst es dort, bei Concessionirung neuer Local¬ bahnen [Secundarbahnen, Vicinalbahnen und dergleichen] nicht nur in Bezug auf den Bau und die Ausriistung alle thun- lichen Erleichterungen zu gewahren, son- dern auch in Bezug auf den Betrieb von den in der Eisenbahnbetriebs - Ordnung und den einschlagigen Nachtragsbestim- mungen vorgeschriebenen Sicherheits- Vorkehrungen insoweit Umgang zu nehmen, als die mit Riicksicht auf die besonderen Verkehrs- und Betriebsver- haltnisse, insbesondere die festgesetzte ermassigteFahrgeschwindigkeit nach dem Ermessen des Handelsministeriums zu- lassig erscheint. Die Unternehmungen von Localbahnen werden von der in der Eisenbahnbetriebs-Ordnung, beziehungs- weise im Eisenbahn-Concessions-Gesetz ausgesprochenen Verpflichtung zur unent- geltlichen Befdrderung der Post u. s. w. enthoben. Gleichartige Erleichterungen in Bezug auf den Bau und Betrieb konnen nach dem Ermessen des Handelsministeriums auch fiir schon bestehende Eisenbahnen zugestanden werden, wenn auf denselben oder einzelnen Zweig-, beziehungsweise Verbindungslinien der Localbahnbetrieb mit ermassigter Fahrgeschrvindigkeit ein- gefiihrt wird. Die beim Betriebe der Localbahnen nicht zu uberschreitende Fahrgeschwin- digkeit ist nach Beschaffenheit des ein¬ zelnen Falles jeweilig durch die Regie¬ rung festzusetzen. Die Benutzung von Reichsstrassen wird gestattet, insoweit nicht durch den Bahnbetrieb die Sicher- heit des Strassenverkehrs gefahrdet er- scheint. Zulassigkeit und Bedingungen der Strassenbeniitzung sind durch die Strašsenverwaltung im Einvernehmen mit den Eisenbahn-Aufsichtsbehorden festzu- stellen. Unbeschadet der aus dem Be- stande des Mauthgefalles ervvachsenden Verbindlichkeit ist fiir die Strassenbe- niitzung ein besonderes Entgelt nicht zu entrichten. Die Kosten der ordnungs- massigen Erhaltung des bentitzten Strassen- theiles, sowie etwaige, durch die frag- liche Beniitzung veranlasste Mehrkosten der Strassenerhaltung uberhaupt, des- gleichen die Kosten fiir alle zur Hintan- haltung einer Storung oder Gefahrdung des Strassenverkehrs erforderlichen be¬ sonderen Vorkehrungen treffen die Local- bahn-Unternehmung. Andere offentliche Strassen konnen mit Zustimmung der zur Erhaltung Verpflichteten zur Anlage von Localbahnen in Anspruch genommen werden. Im Falle der Concessions-Ertheilung konnen noch nachstehende Begiinstigungen gewahrt werden: a) Die Befreiung von den Stempeln und Gebiihren fiir alle Vertrage, biicher- lichen Eintragungen, Eingaben und sonstigen Urkunden zum Zrvecke der Capitals-Beschaffung und Sicherstellung der Capitals-Verzinsung, sowie des Baues Localbahmvesen. 485 und der Instruirung der Bahn bis zum Zeitpunkte der Betriebseroffnung; b) die Befreiung von Stempeln und Gebiihren fiir die erste Ausgabe der Actien- und Prioritats-Obligationen mit Einschluss der Interimsscheine und fiir die bucherliche Eintragung der Prioritats- Obligationen, sowie von der bei der Grundeinlosung auflaufenden Ueber- tragungsgebiihr; zugestanden werden, wird in jedem ein- zelnen Falle ein besonderes Gesetz be- stimmen. Das Gesetz tritt mit dem Tage seiner Kundmachung in Wirksamkeit und er- lischt mit 31. December 1882. In der Begriindung der Vorlage war vor Allem die erhohte Be- deutung der Localbahnen in der Gegen- wart und deren Wichtigkeit fiir die Abb. 208. Eisenerz-Vordernberg [km 10-2—io*8]. [Nach einer photographischen Aufnahme von C. Weighart in Leoben.] c) die Befreiung von der Ervverbs- und Einkommensteuer, von der Entrich- tung der Goupon -Stempelgebiihren so- wie von jeder neuen Steuer, welche etwa durch kiinftige Gesetze eingefiihrt werden solite, auf die Dauer von hochstens 30 Jahren, vom Tage der Concessions-Er- theilung. Inwiefern fiir einzelne Local¬ bahnen etwa weitergehende finanzielle Unterstiitzungen seitens der Staatsverwal- tung durch Gewahrung eines Beitrages aus Staatsmitteln oder auf sonstige Weise localen Verkehrs-Interessen, fiir die an- schliessenden Hauptbahnen und fiir die Eisenbahn-Bauthatigkeit im Allgemeinen anerkannt; sie dienten zur Befriedigung localer Verkehrs-Interessen, zur Befruch- tung der anschliessenden Hauptbahnen, endlich zur Hintanhaltung eines Still- standes in der Bauthatigkeit und rviirden mit Recht nicht als blosses Schlagwort, sondern als ein wahres Bediirfnis der Zeit angesehen. Die bei Anwendung des Localbahn-Systems resultirende erhebliche 486 P. F. Kupka. Herabsetzung der Bau- und Betriebs- kosten erscheine ausschlaggebend, um das Zustandekommen neuer Bahnan- lagen in Landestheilen zu ermoglichen, welche wegen der hohen Kosten fiir Hauptbahnen auf eine Eisenbahn-Ver- bindung verzichten miissten. Die Auf- schliessung neuer Verkehrsgebiete werde dem Verkehr und den Einnahmen der bestehenden Hauptbahnen sowie bei garantirten Eisenbahnen mittelbar auch dem garantirenden Staatsschatze zum erheblichen Vortheil gereichen. Als eine wichtige Aufgabe \veit- blickender Eisenbahn - Verwaltungen erscheine es, die auf die Herstellung an- schliessender Localbahnen abzielenden Bestrebungen der Interessenten ihrerseits nach Kraften zu fordern, was in vielen Fallen selbst ohne nennenswerthe mate- rielle Opfer fiir die Hauptbahnen und doch mit ausschlaggebendem Einflusse auf die Rentabilitat der Localbahnen moglich sein diirfte. Die Aufrechterhaltung einer gewissen, wenn auch beschrankten Eisenbahn- Thatigkeit, fiir welche dem Staate nur ganz ausnahmsweise weitere Opfer zu- gemuthet werden konnen, sei wiinschens- werth, nicht nur zur Beschaftigung des technischen, Hilfs- und sonstigen Arbeits- personales, sondern auch im Interesse der betheiligten Industriezweige, welche durch den Ausbau des Hauptbahnnetzes einen wichtigen Absatzkreis verloren hatten. Aus allen diesen Er\vagungen ergebe sich fiir die Regierung die Aufgabe, nicht nur die einzelnen Plane von Fali zu Fali nach Moglichkeit zu unterstiitzen, sondern das Zustandekommen von Local¬ bahnen durch allgemeine, administrative, und soweit diese nicht ausreichten, auch durch legislative Massnahmen nach Thunlichkeit zu fordern. Die gesetzliche Normirung gewisser allgemeiner Bestimmungen und Voraus- setzungen fiir die finanzielle Betheiligung der Staatsvenvaltung an Localbahn- Unternehmungen wurde wegen prin- cipieller Bedenken, insbesondere im Hin- blick auf die iiberaus verschiedenen Pro- ductions- und Verkehrsbedingungen der einzelnen Kronlander bisher nicht als zweckmassig und zulassig erachtet. Auch fiir die Zukunft sei die gesetzliche Uebernahme einer allgemeinen Verbind- lichkeit der Staatsvenvaltung, abgesehen von den obigen Ervvagungen, welche gegen jede Schematisirung sprachen, schon mit Riicksicht auf die namhafte dauernde Belastung des Staatsschatzes wie nicht minder in Anbetracht der der- maligen Finanzlage im Allgemeinen un- bedingt ausgeschlossen. Es geniige, der Regierung im Wege der Gesetzgebung die allgemeine Ermachtigung zur Gewahrung der bisher fiir Localbahnen falhveise zugestandenen Begiinstigungen sowie von Erleichterungen beim Bau und Betrieb und Einraumung der iiblichen Steuerfreiheit zu ertheilen. Eine gesetzliche Beschrankung der Fahrgeschwindigkeit habe sich in der Praxis nicht bevvahrt. Es ist hieraus ersichtlich, dass die Regierung von allem Anfang an das Bestreben hatte, das Privatcapital heran- zuziehen. Die erwartete rasche parlamentarische Behandlung blieb aus. Schon im Eisen- bahn-Ausschuss erhoben sich unter Am derem Stimmen, welche den Heimfall einer aus Mitteln des Landes, der Bezirke und Gemeinden erbauten oder von diesen unterstutzten Bahn nicht an den Staat, sondern an das Land forderten, welc.hem AnspruchderRegierungsvertreter,Sections- chef v. Pusswald, mit dem Hinweise auf das Concessions-Gesetz vom Jahre 1854 begegnete. Der der Mehrheitspartei an- gehorige Berichterstatter legte sogar einen selbstandigen Gesetzentvvurf vor, dem- gemass [nach franzosischem Muster] Concessionen fiir Localbahnen, welche die Grenze eines Landes nicht iiber- schritten, oder nicht in Grenzbezirken lagen und vom Staate keine finanzielle Unterstiitzung beanspruchten, nicht von der Regierung oder dem Parlament, sondern von der Statthalterei im Ein- vernehmen mit dem Landesausschuss er- theilt werden sollten. Im Falle fiir eine solche Bahn eine Unterstiitzung aus Landesmitteln gewahrt vviirde, solite die Concessionirung durch ein Landesgesetz erfolgen, wahrend dem Ministerium in allen Fallen das Einspruchsrecht gewahrt bliebe. L o calb ahn we s en. 487 Dieses Zugestandnis an die Landes- Autonomie entfesselte den lebhaftesten Widerspruch und so wurde nach lange- rer Berathung die Regierungsvorlage zur Grundlage der Specialdebatte angenom- men, nachdem der Referent semen Antrag zurtickgezogen und die Berichterstattung niedergelegt hatte. sohin verhindert werden ; tiberdies fehlten die Definition des Begriffes einer Local- bahn sowie Bestimmungen, welche die Bahnen vor der »Tyrannei undAusbeutung« der Hauptbahnen schiitzten, aucli sei das Heimfallsrecht an den Staat unbegriindet. Der neue Berichterstatter hob her- vor, dass ein solcher Verzicht vom Hause Abb. 209. Vordernberg. [Eisenerz-Vordernberg.] [Nach photographischen Aufnahmen von C. Weighart in Leoben.] Im Hause selbst wurde der Gesetz- entwurf abermals von mehreren Seiten angegriffen ; er wurde als Curiosum und als mangelhaft bezeichnet. Die Er- machtigung an die Regierung, alle thun- lichen Erleichterungen gevvahren zu konnen, sei fiir drei Jabre zu weitgehend und tiberhaupt ein Verzicht auf die Pra- rogative des Hauses; der Bau jeder der Regierung »missliebigen Bahn« konne geleistet werden miisse, wenn die Re¬ gierung tiberhaupt etwas Zweckmassiges zustande bringen solle. Eine Begriffs- bestimmung sei grundsatzlich vermieden worden, weil gerade damit der Anlass gegeben sei, dass alles nach der Scha- blone behandelt und das, was in dieselbe nicht hineinpasse, von den Begtinstigungen ausgeschlossen bleibe; der Ausschuss habe gerade bezweckt, dass das Geset? 488 P. F. Kupka. iiberall da Anwendung finden solle, wo die Verhaltnisse eine solche gestatten. Be- ziiglich des Heimfallsrechtes an den Staat hoffe der B erichterstatter, dass die Regierung die F alle bezeichnen werde, in welchen dieses . Recht ohne Schaden aufgelassen werden konne. Der Regierungsent\vurf wurde mit geringen Abanderungen angenommen, er erhielt am 25. Mai die kaiserliche Geneh- migung und trat am 5. Juni 1880, als dem Tage seiner Kundmachung, in Kraft. *) Eine wesentliche Erganzung erhielt das Gesetz vom 25. Mai 1880 noch durch die Verordnung des Handels- ministeriums vom 29. Mai 1880, womit tiven Verfahrens. Die technisch formellen Forderungen, wie die Aufstellung und Vorlage eines Vorprojectes — das Ansuchen um Fristverlangerung filr technische Vorarbeiten, wenn nachge- wiesenermassen mit denselben noch nicht begonnen wurde oder nicht begonnen werden konnte, das Beibringen des General- Langenprofiles fiir Bahnen unter 30 km Lange bei Vorlage des General-Projectes und Anderes wurden fallen gelassen. Durchgreifende Neuerungen betrafen aber das Gebiet der commissionellen Be- handlung. Gegeniiber den drei Com- missionen [Tracenrevision, Stationscom- mission und politische Begehung] bean- □ i Abb. 210. Zahnrad-Locomotive. [System Abt.] in theilweiser Abanderung der Verordnung vom 25.Januar 1879 »E r 1 e i c h t e r u n g e n hinsichtlich der Verfassung und concessionsmassigen B eh and lun g derProjecte ftirLocalbahnen und Schleppbahnen« zugestandenwurden. Das Ministerium verschloss sich nicht der Erkenntnis, . dass der starre Formalis- mus der alteren Verordnung in seinem ganzen Umfange nicht nothwendig und die Schwerfalligkeit des Geschaftsganges, der eine rasche Behandlung ausschliesse, fiir die Localbahnengeradezu gefahrlich sei; es Vvar darauf bedacht, einigen Bestim- mungen eine scharfere Fassung zu geben und legte das grosste Gewicht auf die Aenderungen des weitlaufigen administra- *) Naheres uber die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Localbahnwesens siehe Bd. IV, Dr, V. Roli, Die Entwicklung der Eisenbahn - Gesetzgebung in Oesterreich [Seite 80 und ff.] spruchte die neue Verordnung nur zwei Commissionen, die, wenn keine Varianten in Frage standen, auch zu einer vereinigt werden konnten ; die politische Begehung allein soli geniigen, wenn beziiglich der Trače undStationen unter Mitwirkung der Interessenten volle Klarbeit herrsche. Die Zeit fiir die Aufstellung besonderer Projectsvorlagen, deren Prtifung und An- ordnung bei Ausschreibung von Arnts- handlungen, sowie die Fristen fiir die Auflage der Projectsplane wurden wesent- lich abgekiirzt. Die commissionellen Amtshandlungen sollen binnen langstens vier Wochen durchgefiihrt und die Protokolle binnen langstens acht Tagen dem Handelsministerium vorgelegt werden. Aber auch die Zusammensetzung der Commission selbst erfuhr wesentliche Aenderungen und Einschrankungen. Die Vortheile an Zeitersparnis waren daher sehr betrachtliche. Die an den Localbahnwesen. 489 Abb. 211. Viaduct bei Morchenstern. [Reichenberg-Gablonz-Tanmvald.] Einfluss des Gesetzes geknupften Erwar- tungen erfiillten sich auch; es entwickelte sich, untersttitzt durch einen sehr giinstigen Geldmarkt im Inlande und durch Zuzug von auslandischem, zumeist deutschem Capital, bald eine lebhafte Eisenbahn- Bauthatigkeit. Wahrend im Jahre 1880 nur 100 km Localbahnen concessionirt wurden,*) stiegen die Concessions-Wer- bungen im Jahre 1881 auf 502 km und im nachstfolgenden Jahre auf 344 km. Das war Veranlassung genug, um die Verlangerung der Giltigkeit des Ge¬ setzes in Anregung zu bringen. Am 5. December 1882 unterbreitete die Regierung dem Abgeordnetenhause eine beztigliche Vorlage und begriin- dete sie mit dem Hinvveise, dass Con- cessionen fiir 40 Localbahnen von rund 844 km Gesammtlange ertheilt und bis Ende November 1882 bereits 415 km dem Betriebe iibergeben worden waren. Der Nennwerth der ausgegebenen oder zur Ausgabe kommenden Wertlipapiere er- reiche die Ziffer von 32,947.000 fl., davon 21,622.000 fl. in Antheilscheinen und 11,325.00011. in Prioritaten. Der Regie- rung lage aber noch eine Anzahl von Projecten vor, deren volkswirthschaftliche Berechtigung und Niitzlichkeit ausser Zweifel stande, und es waren weitere Con- cessionswerbungen zu erwarten. Es sei daher Pflicht der Regierung, rechtzeitig *) Beztiglich der Concessionirungen, Er- offnungen u. s. w. von Localbahhen wird auf die am Schlusse gegebenen Zusammenstel- lungen venviesen. [Siehe Seite 510 und ff.] fiir eine entsprechende Verlangerung des Gesetzes vorzusorgen. Die Vorlage, welche die Erstreckung bis zum 31. December 1884 bezweckte, wurde am 13. December vom Abgeord¬ netenhause und am 16. December vom Herrenhause zum Beschluss erhoben und erhielt am 26. December 1882 die a. h. Sanction. Obgleich eine grossere Zahl von Eisenbahnen niederer Ordnung, die von Interessenten seit Jahren vergeblich ange- strebt worden waren, zustande kam, war doch ein gevvisser Ruckschritt erkennbar, denn im Jahre 1883 gelangten nur 147 km zur Concessionirung. Das Privatcapital blieb, nachdem die eine Rente in Aussicht stellenden Linien gesichert waren, zuriick- haltend und die Regierung, der wieder- holt eine unrichtige Anvvendung des Ge¬ setzes vorgehalten wurde, nahm die ge- gebene Sachlage zum Anlass, um auf die Schaffung eines erweiterten Local- bahn-Gesetzes hinzuwirken‘; sie stand nun- mehr vor der Wahl, entweder den Aus- bau der Linien selbst in die Hand zu nehmen, oder ihn durch Gewahrung von Unterstiitzungen und Biirgschaften zu fordern. Ilire Bestrebungen waren, um die kaum zur Entwicklung gelangte Eisen- bahn-Thatigkeit nicht ins Stocken gerathen zu lassen, nun dahin gerichtet, einerseits durch Unterstiitzungen, andererseits durch Vertriige mit einzelnen Eisenbahn-Gesell- schaften den Bau von Localbahnen kraftigst zu fordern. Dem letzteren Z\vecke entsprachen der Vertrag vom 490 P. F. Kupka. I. November 1882 mit der Prag-Duxer Eisenbahn bezuglich des Ausbaues der Linie Klostergrab-Mulde, das Ueberein- kommen vom 10. und 12. November 1882 mit der Staatseisenbahn-Gesellschaft, wo- mit diese sich bereit erklart »unter Vor- aussetzung entsprechender Betheiligung der Interessenten« die Ausftihrung von zehn Localbahnen zu iibernehmen, dann das spatere Uebereinkommen vom 10. Ja¬ nuar und 12. Juli 1885 anlasslich der Ertheilung der neuen Concession mit der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, \velche sich verpfiicbtete, »unter der Voraussetzung, dass bei Ertheilung der einschlagigen Concessionen, die jeweilig fiir Localbahnen gesetzlich zulassigen Erleichterungen be- ■vvilligt werden, zehn Localbahnen auszu- fiihren«. Am 13. Marž 1884 brachte die Re- gierung eine neue Vorlage betreffend Zugestandnisse und Begunstigungen fiir Localbahnen zur verfassungsmassigen Behandlung ein, die am 15. Marž dem Eisenbahn-Ausschuss zugewiesen wurde; sie lehnte sich im Allgemeinen an das bestehende Gesetz an, enthielt aber doch einige wesentliche Aenderungen [Peage- recht,Ausgabe vonPrioritats-Obligationen, Beniitzung offentlicher Strassen und An- deres]. Die Regierung wollte auclr jetzt ihre viel angefochtenen Befugnisse nicht nur nicht eingeschrankt, sondern auf un- begrenzte Dauer verlangert und die Re- gelung der finanziellen Verhaltnisse ihr iiberantwortet wissen; eine staatswirth- schaftliche Frage solle nicht zu einer blossen Zustandigkeitsfrage herabge- driickt werden. Die Vorlage wurde damit begrundet, dass bei sorgfaltigem Studium und auf Grund der bisher gewonnenen Erfahrun- gen sich herausgestellt habe, dass die derzeit in Kraft stehenden gesetzlichen Normen mit den nach dem bestehenden Localbahn-Gesetze zulassigen Erleichte¬ rungen im Allgemeinen vollkommen aus- reichten, um Eisenbahnen minderer Ord- nung aller Art bis herab zu den soge- nannten Dampftramways in zweckmas- siger und oconomischer Weise sicherzu- stellen. Die Normen erschienen sogar wegen ihrer allgemeinen Fassung und des Abgan- ges schablonisirender technischer und son- stiger Detailbestimmungen bei sachge- rnasser und zugleich moglichst coulanter Durchfuhrung von Seite der competenten Verwaltungs-Behorden vorzugsweise ge- eignet, bei der Concessionirung denBeson- derheiten der betreffenden Verkehrsmittel Rechnung zu tragen. Es konnte und musste demnach von einer durchgreifenden neuen gesetz¬ lichen Regelung umsomehr Umgang ge- nommen werden, als die eisenbahn- politischen Verhaltnisse, welche sich in mehrfacher Beziehung als ein Ueber- gangsstadium darstellten, hiezu -wenig geeignet erschienen und gerade auf jenem Gebiete, bezuglich dessen eine neue Con- cessionsnorm als ■wunschenswerth be- zeichnet wurde, das ist bezuglich der Dampftramways [Dampfstrassenbahnen] fiir Oesterreich noch zu wenigErfahrungen vorlagen, wahrend die einfache Ueber- tragung der im Auslande. [insbesondere Oberitalien] gemachten Erfahrungen auf inlandische Verhaltnisse nicht thunlich erschien. Der Gesetzentwurf beschrankte sich demnach mehr oder weniger darauf, das bestehende Gesetz bezuglich der durch die Regierung zu gewahrenden finanziellen Begunstigungen und sonstigen Erleichterungen durch einige sachlich gebotene Erganzungen und Abanderungen zu enveitern. Durch die bei der Bezeichnung »Lo¬ calbahnen« in Klammern beigefiigten Aus- driicke: »Secundarbahnen, Vicinalbahnen, Dampftramways u. dgl. solite ange- deutet werden, dass die Bestimmungen des Gesetzentwurfes nicht nur auf Local¬ bahnen im engeren Sinne, sondern auch auf alle Bahnsysteme minderer Ordnung Anwendung zu finden hatten. Das Gesetz solite vom Tage seiner Kundmachung an in Wirksamkeit treten und am 31. December 1887 erloschen. Nachdem der Sessionsabschnitt bereits sehr vorgeriickt war und bei der vor- handenen Stimmung des Hauses auf eine rasche Erledigung des Entvvurfes nicht gerechnet werden konnte, sah sich die Re¬ gierung genothigt, um eine abermalige Verlangerung des mit Ende 1884 ab- laufenden Localbahn-Gesetzes, und zwar Localbahmvesen. 491 bis zum i.Juli 1886 nachzusuchen; sie hoffte, dass bis dahin der neue Ent- wurf schon zum Gesetze erhoben sein \verde. Am 4. December 1884 brachte die Regierung die Vorlage ein und am 10. December stand sie bereits im Eisen- bahn-Ausschuss in Verhandlung. Der damalige Handelsminister Freiherr von Pino hatte einen iiberaus schweren und des Verkehrszvveckes als Localbahn im eigentlichen Wortsinne zur Aus- ftihrung komme. Jedenfalls konne hiefiir die Kilometerzahl nicht den Ausschlag geben.« Ferner, sagte er, wurde bean- tragt, der Regierung die Be\villigung von solchen Eisenbahnen zu entziehen, die auch wesentlich dem Transitverkehre zu dienen bestimmt seien, sowie solche, vvelche sich als Parallelgeleise einer Abb. 212. Lopio-See. [Localbahn Mori-Arco-Riva.] Stand; er vvurde gefragt, ob es richtig sei, dass auf Grund des Localbahn-Ge- setzes eine 200 km lange Concurrenzlinie zur Galizischen Transversalbahn, die EisenbahnStryj-Chodor6w-Podwoloczyska concessionirt wurde; man werde aus dieseni Vorgange der Regierung bei der Debatte iiber das Localbahn - Gesetz Schliisse ziehen. Ministerialrath Dr. von Wittek gab zunachst Aufklarung iiber den Zeitpunkt, in \velchem die Qualifi- cation einer Bahn als Localbahn erst beurtheilt und entschieden werden konne. »Es sei ganz wohl denkbar, dass auch die fragliche Bahn nach Art der Anlage bestehenden Hauptbahn darstellten und endlich solche, die zwei Hauptbahnen verbanden. Alle diese Falle, welche die Antragsteller ausnehmen \vollten, seien seither bei Concessionirungen vorgekommen und hatten vorkommen miissen. DerFiihrer der Minderheit beanstandete die Concessionirung der Bahn Tulln- St. Polten als einer zweiseitig an Haupt¬ bahnen anschliessenden Linie, \vobei sehr harte Worte, wie »Missbrauch« und »Preis- gebung der Staatsinteressen«, fielen, was vom Handelsminister entschiedenstzuriick- gewiesen \vurde. 492 P. F. Kupka. t Abb. 213. Stutzmauer mit Sparbogen und Viaduct Celva. [Valsugana-Bahn.] Im Hause erregte selbst der vor- geschlageneGiltigkeitstermin, 1. Juli 1886, Anstoss; man wollte \vissen, weshalb eine so lange Frist begehrt werde. Die einfache Verlangerung des Localbahn- Gesetzes, erklarte ein Oppositions-Redner, \velches der Regierung zu solchen Be- giinstigungen die Vollmacbt gebe, sei nicht moglich. Das ganze Gesetz sei uberhaupt nicht nothwendig, so lange das Abgeordnetenhaus tage, denn keine einzige Bahn werde beim Wegfall dieses Gesetzes ungebaut bleiben. Der Regierungsvertreter erklarte, dass es schwierig sei, der Anforderung, Bahnen nicht als Localbahnen zu be- trachten, welche wesentlich fiir den Transit- verkehr bestimmt sind, in der Praxis zu entsprechen; denn der Begriff »wesent- lich« sei doch ein ausserordentlich relativer, und es miisste in jedem Falle gefragt werden, ob denn die Bahn als eine fur den Transitverkehr wesentliche angesehen werden konne oder nicht. Unter den osterreichischen Bahnen sei es eigent- lich nur das ungarantirte Erganzungs- netz der Oesterreichischen Nordwestbahn, bei dem der Transitverkehr 60°/ 0 des Gesammtverkehrs betrage; bei der Oester- reichisch-ungarischen Staatseisenbahn be¬ trage er nicht mehr als 40°/ 0 , und es entstehe die Frage, ist es wesentlich, wenn der Transitverkehr 40 °/ 0 aus- macht oder ist es erforderlich, dass er mehr als 5 O°/ 0 ausmacht? Die Regie¬ rung solle aber auch in Zukunft ge- hindert sein, Parallelgeleise als Local¬ bahnen zu concessioniren, eine Bestim- mung, die mit Riicksicht auf § 9 lit. b des Eisenbahn-Concessions-Gesetzes nicht notlrvvendig ware, denn dieses Gesetz be- stimme schon, dass Parallelbahnen nicht gebaut werden diirfen. Der dritte Theil des Antrages beziehe sich auf solche Bahnen, welche zwei Hauptbahnen ver- binden. In dieser Richtung sei hervor- zuheben, dass von der Gesammtzahl der durch das Gesetz vom Jahre 1880 concessionirten Localbahnen nicht weni- ger als 54% solche waren, die an beiden Endpunkten an bestehende Haupt¬ bahnen anschliessen, oder die doch im Hinblick und zum Zwecke eines solchen Anschlusses erbaut worden seien. Es diirfte also eine den bisherigen Auffas- sungen und dem Bediirfnisse der Be- volkerung nach Vervollstandigung der Schienenivege wenig zusagende Beschran- kung darin liegen, dass der Anschluss an zwei Punkte von Hauptbahnen als ein mit dem Begriffe der Localbahn nicht zu vereinbarender Bau hingestellt wird. Wenn in jedem einzelnen Falle eine Vor- lage an das hohe Haus einzubringen sei, dann ware nicht einzusehen, wozu eigentlich das Gesetz iiber Localbahnen geschaffen \vorden und wozu dasselbe auch noch jetzt fur eine Gruppe von Bahnen aufrecht bleiben solle. Nach ausserst langwierigen Berathun- gen wurden die Antrage der Minderheit abgelehnt, die Verlangerung der Wirk- samkeit des Gesetzes vom 25. Mai 1880 bis 1. Juli 1886 angenommen und die Beschlusse beider Hauser am 28. De¬ cember 1884 a. h. sanctionirt. Der Gesetzentwurf vom 13. Marž 1884 wurde jedoch dem neugewahlten Reichs- rathe nicht wieder unterbreitet, sondern die Regierung unterzog denselben einer Localbahnwesen. 493 sorgfaltigen Ueberprufung und nahm theil- weise auch, infolge von im Hause ge- gebenen Anregungen, Abanderungen bei mehreren Bestimmungen vor. Am 18. Juni 1886 unterbreitete sie zwei Gesetzentwiirfe, von denen der erste die Anlage und den Betrieb von Localbahnen, der z\veite die Strassenbahnen*) [Tramways] betraf. Damit beabsichtigte die Regie- rung eine abschliessende Regelung des Localbahnwesens in \veitem Sinne, sowie die gesetzlicbe Feststellung des Strassen- beniitzungsrechtes gegen den Willen der zur Erhaltung nichtararischer Strassen Verpflichteten. Zuge und es lagen noch 50 Projecte fiir Lo¬ calbahnen in der Gesammtlange von etwa 1600 km mit einem veranschlagten Kostenaufwande vonrund 8o,ooo.ooofl.vor. Eine Erledigung dieses Gesetzentwurfes zwischen dem 18. Juni und I. Juli, mit welchem Tage die Wirksamkeit des Localbahn-Gesetzes ihr Ende erreichte, komite nicht gut angenommen werden, weshalb der Eisenbahn-Ausschuss selbst eine abermalige Verlangerung des fruheren Gesetzes in Antrag brachte. Die Minoritat erklarte, dass die Ertheilung so umfas- sender Ermachtigungen den Charakter eines Vertrauensvotums habe; aber abge- Abb. 214. Briicke ur.d Tunnel »Cantaughek. Portal gegen Tezze. [Valsugana-Bahn.] In der Begrundung wird ausgefiihrt, dass es zvveckmassig erscheine, die beiden Gruppen von Verkehrsmitteln, namlich die Localbahnen und die Strassenbahnen getrennt zu behandeln und die letzteren zum Gegenstande einer besonderen Re- gierungsvorlage zu machen. Beziiglich der allgemeinen grundsatzlichen Gesichts- punkte erachte die Regierung die ein- schlagigen Ausfiihrungen bei Einbringung der Vorlage vom Jahre 1884 auch der- zeit noch als zutreffend; auf Grund der Gesetze seien Local- und Secundarbahnen [bisjuni 1886] in derGesammtausdehnung von 1964' 5 km concessionirt worden, ausser- dem waren Vorverhandlungen behufs Sicherstellung des Baues von 307^8 km im *) Naheres hieriiber siehe im Abschnitte »Kleinbahnen« von Fr. Engel, sowie »Die Entwicklung der Eisenbahn-Gesetzgebung in Oesterreich« von Dr. V. Roli. sehen da von, sei die bestandige Verlan¬ gerung der Vollmachten positiv schadlich, weil hiedurch das Zustandekommen eines definitiven Gesetzes ausserordentlich er- schwert werde. Dem Bediirfnisse werde vollkommen Geniige geleistet, wenn be- ziiglich jener Bahnen, welche schon nahe der Concessionirung seien, die Regierung die Ermachtigung zur Bewilligung jener erhalte. Die Majoritat glaubte mit Riick- sicht darauf, dass in der Zwischenzeit auch noch fur andere als die namhaft gemachten Localbahnen die Concessionirung ange- strebt werden khnnte, die Verlangerung des Gesetzes iiberhaupt, und zwar bis Ende 1886, beantragen zu sollen. Beide Hauser stimmten diesem Vor- schlage bei, welcherBeschluss am 29. Juni 1886 die a. h. Sanction erhielt. Der Eisenbahn-Ausschuss, aut das baldige Zustandekommen eines dauernden 494 P. F. Kupka. Localbahn-Gesetzes den grossten Nach- druck legend, wahlte den Abgeordneten Dr. Ritter v. Bili n s ki als Referenten, welcher sofort bei Wiederzusammentritt des Reichsratbes [October] Bericht zu erstatten hatte. In den folgenden Berathungen des Eisenbahn-Ausschusses wurden zu dem Gesetzentvvurfe mehrere Aenderungen beantragt. So solle beispielsvveise die Unterstiitzung seitens der Regierung auch durch eine Ertragnis- oder Zinsengarantie zum Ausdrucke gelangen; die Einsetzung einer Commission fiir die Fallung des Enteignungs-Erkenntnisses bei Benutzung nichtararischer Strassen sei unbedingt nothwendig; der Staat hatte sich des Heimfallsrechtes bei den Localbahnen zu begeben. Handelsminister Marquis von Bacquehem Iibernahm es, die vielfachen gegen die Regierungsvorlage geausserten Bedenken zu zerstreuen; die Regierung sei, fiihrte er aus, bemiiht gewesen, das bestehende Localbahn-Gesetz nach den gegebenen Erfahrungen zu erganzen und iiberhaupt das Localbahnwesen thunlichst zu fordern. Den bertihrten Mangeln des Concessions-Gesetzes gegeniiber babe die Praxis sich zu helfen gewusst. Die Er- tragsgrenze fiir Tarif-Reductionen werde in der Concessions-Urkunde in der Regel mit 7°/ 0 normirt, und der Beginn der 9ojahrigen Goncessionsdauer nicht mit dem Tage der Bauvollendung, sondern mit j enem der Concessions-Ertheilung festgesetzt. In der dies ermoglichenden Elasticitat des Concessions-Gesetzes sehe der Minister einen Vortheil. Die Hinder- nisse bei dem Zustandekommeri von Localbahnen waren immer finanzielle, namlich wegen der Placirung jenes Capi- talstheiles, der kein Ertragnis erwarten lasse. UeberdieBestimmungendesGesetzes werde man sich noch leichter einigen, als iiber eine in das Gesetz aufzunehmende Definition der Localbahnen; solcher liege etwa ein Dutzend vor. Bei Berathung beztiglich der Abgrenzung der Local- von den Strassenbahnen herrschte grosse Meinungsverschiedenheit. *) Gegenuber *) Beztiglich der Localbahnen im engeren Sinne hatte die Techniker-Versammlung des Vereines Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen nachstehendeBegriffsbestimmung beschlossen: den beztiglich der Betriebsvertrage ge- machten Einwendungen errinnerte der Minister an die fiir die Hauptbahnen envachsenden Obliegenheiten. [Kaiser Ferdinands-Nordbahn.] Die Staatsvervval- tung, welche da nicht zuriickbleiben, sondern sogar etwas mehr thun solle, sei oft hiezu umso leichter befahigt, als sie den grossen Apparat ihrer Centralver- waltung besasse. Bisher wurde stets die Bedeckung der Selbstkosten durch eine pro Kilometer bemessene Minimalver- giitung gefordert. Die Frage stehe jetzt so, ob die Gesetzgebung einen Schritt weiter gehen wolle; der Entschluss, diese Betriebsfiihrung selbst mit einem kleinen Opfer zuzulassen, hange eben von dem Masse des Wohlwollens ab, welches die Regierung nicht fiir sich, sondern fiir die Localbahnen beanspruche. Die meisten Bedenken erhoben sich immer wieder gegen die zwangsweise Beniitzung der nichtararischen Strassen. Es mtisse eine Grenze geben, meinte der Ausschuss, um das Recht der Communen auf den mit grossen Kosten hergestellten Strassen zu wahren, es mtisse auch dem Begehren Wiens und den auf dem oster- reichischen Stadtetage zum Ausdrucke ge- langten Wtinschen in dieser Richtung fc> o Rechnung getragen \verden. Mit Ende 1886 war die Wirksamkeit des Localbahn-Gesetzes abgelaufen. Die Regierung hatte sich beeilt, alle weiter vorgeschrittenen Projecte noch Zu den Eisenbahnen untergeordneter Be- deutung gehoren: a) Nebeneisen bahnen [Spurweite l'43S m\, welche zwar mit ihrem Oberbau mit den Hauptbahnen im Wesentlichen iiber- einstimmen, auf welche daher sowohl Wagen als auch Locomotiven der Hauptbahnen tiber- gehen konnen, bei welchen aber die Fahr- geschwindigkeit von 40 km in der Stunde an keinem Punkte der Bahn uberschritten werden darf, und fiir we!che, dem auf ihnen zu fiihrenden Betriebe entsprechend, erleich- ternde Bestimmungen platzgreifen diirfen. b) Localeisen bahnen [Spurweite i'335 m oder ldeiner], welche dem offent- lichen Verkehre, jedoch vorwiegend dem Localverkehr zu dienen haben, mittelsDampf- kraft durch Adhasionsmaschinen betrieben werden, bei welchen ferner der grbsste Rad- druck in der Regel nicht mehr als 5000 kg betragt und die Fahrgeschwindigkeit von 30 km in der Stunde an keinem Punkte der Bahn uberschritten werden darf. Localbahnwesen. 495 vor Ablauf des Jahres zur Concessioni- rung zu bringen. Bis dahin waren con- cessionirt 86 Local- und Secundarbahnen in der Gesammtausdehnung von rund 2400 km. Von diesen kamen 77 Bahnen mit rund 2000 km ohne directe Staats- unterstiitzung zustande. Fiir die ersten Monate des Jahres 1887 lagen aus leicht begreiflichen Griinden keine conces- sionsreifen, oder wenigstens nicht so weit die speciellen Ermachtigungen der Re- gierung enthalte. Der Ausschuss entschloss sicli nun, um den dringendsten Bediirfnissen des Verkehres Rechnung zu tragen, mangels einer gesetzlichen Abgrenzung des Be- griffes der Localbahnen sowohl nach oben als auch nach unten, ferner mangels einer Regelung des Beniitzungs- r e c h t e s nichtararischer Strassen und Abb. 215. Viaduct Nr. gediehene Projecte vor, dass sie in ein Gesetz aufgenommen werden konnten. Wtirden alle Ansuchen aufgenommen, meinte der Minister, so wiirden Hoffnungen erweckt werden, die sich dann nicht erfiillen konnten, žoge man den Kreis enger, so pra- judicire man die nicht aufgenommenen Linien. Die Concessionirung der Bahnen sei wegen verschiedener Hindernisse erst mit Ende, bestenfalls Mitte Juni zu ervvarten und bis dahin alle Aus- sicht vorhanden, jenen Theil des Localbahn - Gesetzes zu erledigen, der der Valsug-ana-Bahn. der grundsatzlichen Regelung der ganzen Finanzirung der Localbahnen, vorerst jene Artikel der Regierungsvorlage, wo- mit Bestimmungen tiber die Anlage und den Betrieb von Localbahnen getroffen werdenund die die gewohnlichenVollmach- ten fiir die Regierung enthalten, dem Hause zur Beschlussfassung vorzulegen. Die Vor- lage iiber die Strassenbahnen [Tramways] wurde ganzlich fallen gelassen. Die Regie¬ rung erklarte sich mit diesem Vorschlage einverstanden, und so wurde das Rumpf- gesetz vom Abgeordnetenhause am 27., 49 6 P. F. Kupka. Abb. 216. Donaubrticke bei Krems. vom Herrenhause am 3 i.Mai angenommen, erhielt am 17. Juni 1887 die a. h. Sanc- tionirung und trat am 23. Juni 1887 mit der Wirksamkeit bis 31. December 1890 in Kraft. Das neue Gesetz [1887] hat gegeniiber jenem vomjabre 1880 in einigen Artikeln eine genauere Fassung, insbesondere riicksichtlich des Verhaltnisses zur Finanz- verwaltung, erhalten.*) In der Form einer Resolution wurde die Regierung noch aufgefordert, »die Frage der principiellen Regelung der Finanzirung von Localbahnen unter Fest- haltung einer Betheiligung des Staates, der Lander, Bezirke, Gemeinden und der sonstigen Interessenten und unter even- tueller Beriicksichtigung des Annuitaten- Principes in reifliche Erwagung zu ziehen und eine entsprechende Gesetzvorlage einzubringen«. Das Gesetz vom Jahre 1887 trug \venia; zur Entwicklung des Localbahn- netzes bei, denn gerade zu jener Zeit ist eigenthumlicherweise ein Stillstand wahrzunehmen; so wurde beispielsweise im Jahre 1887 keine Concession ertheilt. Am 4. December 1890 ward eine Vor- lage wegen Verlangerung der "VVirksam- keit dieses Gesetzes bis 31. December 1893 eingebracht. Die Regierung war der An- sicht, dass dasselbe bisher seinem Zwecke entsprochen habe, dass jedoch den fort- dauernden Bediirfnissen noch lange nicht in vollern Masse Genuge geschehen sei, was den Gegenstand fortgesetzter staat- licher Fiirsorge bilden miisse. Die bisher erzielten, immerhin beachtenswerthen Er- folge liessen eine weitere gedeiblicheEnt- wicklung erwarten, zumal wenn es ge- *) Naheres hiertiber siehe im Abschnitte »Die Entwicklung der Eisenbahn - Gesetz- gebung in Oesterreich« von Dr. V. Roli. [Seite 82 und fF.J [Localbahn Herzogenburg-Krems.] lange, durch rationelle Organisirung des Bausystems, Anwendung der schon mehr- fach mit Vortheil beniitzten Schmal- s p u r und durch stricteste Gebarungs- Oeconomie die Anlagekosten thunlichst zu ermassigen und wenn die Landesver- tretungen fortfahren wiirden, diese Be- strebungen materiell zu fordern. Die Vorlage gelangte ohne Debatte in beiden Hausern zur Annahme und erhielt am 28. December 1890 die a. h. Sanction. Im Reichsrathe war man jedoch mit der Entvvicklung der Localbahnen nicht zufrieden; man gab der Ansicht Aus- druck, dass die Gesetzgebung Manches zu wunschen ubrig lasse und hinter jener des Auslandes zuriickstehe. Ueberdies \virke auch die Stockung,welche jetzt in der Verstaatlichung der Eisenbahn en eingetreten sei, schadigend auf die Local¬ bahnen ein. Es wurde eine bezugliche Resolution vorgeschlagen und in der Sitzung vom 9. Marž 1893 angenommen.*) Mittlerweile hatte die Regierung eine Vernehmung der zustandigen Vertretungs- korper sowie der Fachkreise, welche sich berufsmassig mit dem Bau von Local¬ bahnen befassen, eingeleitet, um zu er- fahren, auf welche neu einzufiihrende Er- leichterungen und Zugestandnisse in diesen Kreisen ein besonderes Gewicht gelegt werde. Einerseits lag das Ergebnis der Umfrage noch nicht vollstandig vor, andererseits war die Bearbeitung des umfangreichen Stoffes noch nicht be- waltigt worden, so dass die Regierung sich ausser Stande sah, mit fertigen Vor- schlagen an den Reichsrath heranzu- treten. Sie unterbreitete deshalb am 23. November 1893 eine Vorlage behufs *) Den Wortlaut derselben siehe im Abschnitt »Die Entwicldung der Eisenbahn- Gesetzgebung in Oesterreich« von Dr. V. Roli, [Seite 88.] Localbahmvesen. 497 neuerlicher Verlangerung des Gesetzes, giltig bis 31. December 1894. I11 den letzten drei Jahren — heisst es u. A. in der Begriindung — \vurden 20 Localbahnen in der Gesammtlange von 510 km und mit einem Anlage-Capital von 15,240.000 fl. sichergestellt, darunter 13 Localbahnen von 171 km Lange ohne jede finanzielle Unterstiitzung seitens des Staates. wurde eine Reihe von normalspurigen Localbahnen [Lindewiese-Barzdorf, Ni- klasdorf-Zuckmantel, Trient-Tezze, sowie die schmalspurige Ybbsthalbahn in der Gesammtlange von 170 km und mit einem Kostenanschlag von 11,520.000 fl.] ge- setzlich sichergestellt. Mit dem Jahre 1894 ward behufs plan- massiger Erganzung und Vervollstandi- gung des heimischen Eisenbahnnetzes Abb. 217. Viaduct und Brucke bei "VVaidhofen a. d. Ybbs. [Ybbsthalbahn.] Die Vorlage erhielt am 27. Decem¬ ber 1893 die a. h. Sanction. Der in der Resolution ausgesproche- nen Aufforderung kam die Regierung theils durch besondere Gesetzesvorlagen theils durch eine Reihe von Verwaltungs- Massregeln nach, wie eine solche u. A. die auf Grund der a. h. Entschliessung vom 4. Mai 1894 erfolgte Errichtung eines L o c a 1 b a h n - A m t e s im Handels- ministerium und bei- der General-Inspec- tion der osterreichischen Eisenbahnen, zum Zwecke der beschleunigten Behand- lung von Eingaben, war. Auf Grund des Gesetzes vom 27. December 1893 durch Bahnen niederer Ordnung unter Zugrundelegung des gemeinsamen Zu- sammenwirkens von Staat, Land und Interessenten eine Thatigkeit entfaltet, welche sowohl im Reichsrathe als auch in der Bevdlkerung die freundlichste Auf- nahme fand. Am 5. April 1894 hat die Regierung einen Gesetzentwurf eingebracht fiir die Sicherstellung von 15 [mit zwei Alter¬ nativen], zum grossten Theile Žls Local¬ bahnen auszufiihrenden Eisenbahnen in der Gesammtlange von 531 km, be- ziehungsweise 544 km mit einem Ge- Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 32 498 P. F. Kupka. sammtkosten-Aufwande von 31,316.0003., beziehungsweise 31,896.000 fl. Die Aus- wahl der in Vorschlag gebrachten 16 Bahnen beruhte grosstentheils auf den mit den Landesausschiissen von Bohmen und Steiermark getroffenen Ver- einbarungen und bezog sich auch auf Ivarnten, Mahren und Niederosterreich. Hiebei nahm der Staat in Form einer Ertragnisgarantie und Sub ventionsleistung, beziehungsweise in der sofortigen Einlosung der fertiggestell ten Bahnen, dieBeschaffung der Capitals-Betrage von 13,843.000 fl., beziehungs\veise 13,301.00011. oder44'7°/ 0 , beziehungsweise 44 - 2°/ 0 des gesammten Bauaufwandes auf sich, woraus sich eine nominelle Jahreslast von 588.795 fl., be- ziehungsweise 566.613 fl. ergab, die aber mit Riicksicht auf die zu erhoffenden Er- tragnisse der Bahnen voraussichtlich schon in den ersten Betriebsjahren nur eine wirklicheBelastung von rund 93.500 fl.,be- ziehungsweise 101.000 fl. erwarten liess. Werden hier noch die von Bohmen und Steiermark oh ne finanzielle Beihilfe des Staates ausgefiihrten, oder zur Aus- fiihrung bestimmten Localbahnen sowie die mit einer Staatssubvention sicherge- stellte Murthalbahn einbezogen, so ergibt dies — die beiden Alternativen in abge- rundeten Durchschnittsziffern zusammen- gefasst — ein Gesammtnetz von 750 km Ausdehnung mit einem Anlage-Capital von 40,000.000 fl., wovon 14,000.000 fl. oder 35% niit einer voraussichtlichen vvirklichen Jahreslast von nur 120.000 fl. auf den Staat entfallen. Nach langerer Berathung wurde die Vorlage mit geringen Abanderungen an- genommen und erhielt am 22. Juni 1894 die a. h. Sanction; hiemit \vurden sicher- gestellt die Linien: 1. Karlsbad-Johann- Georgenstadt, 2. Beneschau - WlaSim, 3. Neuhaus-Neubystritz, 4. Zwittau- Polička, 5. Cerčan-Modfan mit Abzwei- gung, 6. Rakonitz-Mlatz, 7. Rakonitz- Pladen, 8. Pladen-Buchau, 9. Protiwitz- Petschau, 10. Briisau-Polička, 11. Zeltweg- Wolfsberg, 12. Unter-Drauburg-Wollan, 13. St. Georgen-Landesgrenze, 14. Neu- berg-Maria Zeli, 15. Mabrisch-Budwitz- jamnitz, 16. Schwarzenau-Z\vettl. Von diesen waren Karlsbad-Johann- Georgenstadt, Zeltweg-Wolfsberg und Unter-Drauburg-Wollan als Hauptbahnen zweiten Ranges, Neuhaus-Neubystritz und Neuberg-Maria Zeli [letztere solite nach Vollendung und Inbetriebsetzung vom Staate erworben werden] alsschmalspurige, alle iibrigen als normalspurige Localbahnen herzustellen. Anlasslich der Berathung dieser Local- bahn-Vorlage gab die Regierung unter allseitiger Zustimmung die Absicht kund, alljahrlich einen grosseren Complex von Localbahn-Projecten der Sicher- stellung zuzuftihren, was durch die in den einzelnen Landern geschaffenen Gesetze behufs Forderung des Eisenbahmvesens niederer Ordnung ermoglicht erschien. Die im April 1895 eingebrachte Re- gierungsvorlage betreffend die im Jahre 1895 sicherzustellenden Bahnen niederer Ordnung bezog sich auf 23 Linien [in Bohmen, Galizien, Niederosterreich und Salzburg] in einer Lange von zusammen 818'8 km mit einem Kostenaufwande von 38.780.000 fl. Davon wurden jedoch sieben Linien, I30’5 km gleich 1 5 '9°/ 0 , mit einem Anlage-Capital von 8,600.000 fl. ohne staatliche Beihilfe gebaut. Von den Gesammtkosten sollten 10.541.000 fl. oder 26'6°/ 0 durch den Staat, 20,092.0008. oder 53 - 4°/ 0 durch die Lander und 7,894.000 fl. oder 2 O °/ 0 durch die Interessenten aufgebracht werden. An der Capitalsbeschaffung fiir die mit Unterstutzung des Staates auszufiih- renden 16 Linien von 607 '3 km Lange und einem Anlage-Capital von 30,979.000 fl. betheiligte sich der Staat mit 10,541.000 fl. oder 34°/ 0 , die Lander mit 15,434.000 fl. oder 49°/ 0 und die Localinteressenten mit 4.977.000 fl. oder 17%. Die staatliche Betheiligung betrug fiir Bohmen 47• 1 °/ 0 , fiir Niederosterreich I2'i 0 / 0 , fiir Salzburg 1 7 ' 9 °/o un d fiir Galizien 17*5°/ 0 . Die nominelle Jahreslast, welche sich hieraus ergab, belief sich auf rund 445.000 fl., sie diirfte sich jedoch mit Riicksicht auf die Ertragnisse auf rund 78.000 fl. ermassigen, durch welche Jahreslast demnach ein Liniencomplex von 819 km Lange sichergestellt \var. Mit dem a. h. sanctionirten Gesetz vom 19. Juni 1895 wurden nachstehende Linien sichergestellt: 1. Marienbad-Karls- bad, 2. Schonwehr-Elbogen, 3. Wodnian- Localbahmvesen. 499 Abb. 218. Trestle-Works der Strecke Limz-Gaming km 6 V/ d . [Ybbsthalbahn.] Abb. 219. Trestle-Works der Strecke Lunz-Gaming' km 63%. [Ybbsthalbahn.] Moldautein, 4. Oerčan - Kolin mit Ab- zweigung, 5. Strakonitz-Bresnitz, 6. Neu- hof-Weseritz, 7. Absdorf-Stockerau, 8. Wiener-Neustadt-Schneeberg, 9. St. Pol- ten-Kirchberg a. P., 10. Zeli a. S.-Krimml, 11. Trzebinia-Skawce, 12. Pila-Jaworzno, 13. Ghabowka - Zakopane, 14. Borki wielkie-Grzymalow, 15. Kolomea-Zale- szczyki, 16. Beraun-DuSnik. Bei fiinf Bahnlinien, namlich Schon- wehr-Elbogen, Absdorf-Stockerau, Trze- binia-Skawce,Pila-Jaworzno undKolomea- Zaleszczyki wurde der Nachweis iiber die gesetzlicb bedungenen Interessenten- Beitrage nicht erbracht und bei der Local- bahn Chabowka-Zakopane batten sich technische, noch zu losende Meinungs- verschiedenheiten ergeben. Fiir das Jahr 1896 ward nun gemass den mit den Landern getroffenen Ver- einbarungen die Sicherstelluns; einer o o Gruppe von 25 Localbahnen mit 551 km 32* 5 °° P. F. Kupka. Lange, einem Kostenaufwand von 24,397.°°o fl. und einem Anlage-Capital von 24,832.000 fl. in Antrag gebracht. Von dieser Summe sollten 10,804.000 fl. auf Grund der vom Staate zu gewahrenden Reinertrags-Garantien, 4,630.000 fl. auf Grund der gleichartigen Garantien der betheiligten Lander, 2,123.000 fl. durch Beitrage, beziehungsweise Capitals-Auf- wendungendes Staates, 1,942.000 fl. durch Subventionen der Lander und 5,333-000 fl. durch Beitrage der Interessenten auf- gebracht werden. Die nominelle Jahresverpflichtung, •vvelche der Staat infolge der Betheiligung zu iibernehmen hatte, betragt rund 550.000 fl., das wirkliche Opfer im Hin- blick auf die zu gewartigenden Ertrag- nisse jahrlich rund 175.000 fl., welcher Betrag auch noch eine namhafte Herab- minderung erfahren diirfte. Wie in den Vorjahren, so konnten auch diesmal bei der Aufstellung des in dem Gesetzentwurfe niedergelegten Linien- programms mehrere Bahnprojecte von anerkannt wirthschaftlicher Niitzlichkeit nicht berucksichtigt werden, da die Bedingungen, von welchen die staatliche Hilfeleistung abhangig gemacht werden musste, seitens der betreffenden Landes- vertretungen und Interessenten entweder gar nicht, oder nicht im vollen Umfange erfiillt wurden. Es gilt dies insbesondere von der seit langerer Zeit projectirten, auch seitens der Regierung als bamviirdig anerkannten Vintschgaubahn. Eine Einschrankung des Programms musste auch schon vvegen der zu Tage tretenden starken Nachfrage nach Arbeits- kraften und Baumaterialien vorgenommen werden, eine Erscheinung, wie sie schon wiederholt beobachtet wurde und die in der Durchfuhrung der gross angelegten Action auf diesem Gebiete zu einem ver- langsamten Tempo mahnte. »Es wird iibrigens auch zu erwagen sein«, heisstes, »ob in Ansehung grSsserer Bahnbauten von dem in den letzten Jahren eingehaltenen Vorgange, solche in ein gemeinsames Sicherstellungs-Gesetz aufzunehmen, der Bedeutung des Gegenstandes entsprechend nicht wieder abgegangen und auf die vordem iibliche Form e inz el n e r Gesetz- vorlagen zurtickgegriffen werden soli.« Die in den Entvvurf einbezogenen 22 Localbahnen lassen sich nach der Form ihrer finanziellen Sicherstellung in drei Gruppen scheiden. Die e r s t e Gruppe umfasste elf Local¬ bahnen von 300 km bei einem Nominalauf- vvand von 13,820.000 fl., \vovon der Staat fur den bevorrechteten Theil der Anlage- kosten eine Reinertrags-Garantie fur den Gesammtbetrag von 10,804.000 fl. ge- wahren solite, diese waren: Deutschbrod- Saar, Skuč-Polička, Prachatic- Wallern, Winterberg - Wallern, Gstadt - Ybbsitz, Wolframs - Teltsch, Mauthausen - Grein, Bregenz - Bezan, Gorz - Haidenschaft, Laibach-Oberlaibach und Treibach-Klein- Glodnitz. Eine Neuerung hiebei war die Er- machtigung der Regierung, staatlich garantirte Localbahnen, \velche sich gegen- seitig erganzen oder fortsetzen, im Wege der Zusammenfassung der den ein- zelnen Linien zugesicherten Ertrags- Garantien zu einem einheitlichen Ganzen mit gemeinsamer Betriebsrechnung und Venvaltung zu vereinen; weiters konnte eine verhaltnismassige Herabminderung der bedungenen Beitragsleistungen zu Gunsten der Interessenten zugestanden werden, wenn bei Durchfuhrung des Baues nach dem Ermessen der Regierung Ersparnisse an den veranschlagten Bau- kosten mit Grund zu gewartigen waren. Die zweite Gruppe umfasste sechs, mit einer einzigen Ausnahme, auf die Reinertrags - Garantien der betreffenden Lander zu fundirenden Linien in einer Gesammtlange von 126 km und einem Anlage-Capital von 5,487.000 fl., an deren Finanzirung der Staat durch Uebernahme volleingezahlter Stammactien im Betrage von 484.000 fl. sich betheiligte. Diese waren: Ht. Tfebaii-Lochowitz, Blatna- Nepomuk, Bteznitz-Rožmital, Karlsbad- Merkelsgriin, Ober Grafendorf-Mank und Jenbach-Mairhofen. Die dr it te Gruppe umfasste fiinf, zu- sammen 62 km lange, einen Gesammtauf- wand von 2,288.000fl. erheischende Local¬ bahnen, die unmittelbar an Staatsbahnlinien anschlossen und derenBaukosten bezuglich des Theilbetrages von 1,639.000 fl. zu La¬ sten der fur die Anschlusslinien gebildeten i Investitionsfonds und bezuglich des Restes Localbahnwesen. 501 durch Beitragsleistung der Lander und Interessenten afonds perdu bedecktwerden sollten. Diese waren : Grulich-Schildberg, Barn-Hof, Olbersdorf-Hotzenplotz, Barz- dorf-Jauernig und Haugsdorf -Weidenau. Weitere Bestimmungen sollten die Regierung ermachtigen, die mit dem G esetz vom 22. Juni 1894 vorgesehene Betheili- gung des Staates an den Eisenbahnen Zeltweg-Wolfsberg und Unter-Drauburg- Wollan, d. i. die 4°/ 0 ige Reinertrags-Ga- rantie auf das gesammte Vorzugscapital im Betrage von 272.000 fl. auszudehnen. Die Vorlage erhielt am 21. Juli 1896 die a. h. Sanction. Diese, sowie die Localbahnvorlage Bau von Localbahnen unter gleichzeitiger entsprechender Betheiligung des Staates und der iibrigen Interessenten in ausgiebiger Weise zu fordern, und zwar durch Bethei¬ ligung an der Capitalsbeschaffung. Auf Grand principieller Beschliisse wurden fiir eine Reihe von Localbahnen erhebliche Unterstiitzungen zugesichert [Fehring- Fiirstenfeld, Gleisdorf-Weiz, Spielfeld- Radkersburg, Radkersburg - Luttenberg, Fiirstenfeld-Hartberg], ohne jedoch hiemit den immer dringenderen Wiinschen des Landes Genuge geleistet zu haben. Be- werber traten ohne Detailplane, Kosten- voranschlage, oft mehrmals an den Landtag heran, um sich vorerst Beitrage zu sichern. Abb. 220. Pruthbriicke zwischen Nepolokoutz und Berbestie. [Bukowinaer Landesbahnen.] vom Vorjahre fussten bereits auf dem Reichsgesetze vom 31. December 1894. Um nun die bei Schaffung dieses Ge- setzes massgebend gewesene Bewegung in den einzelnen L and er n, wenn auch nur fiuchtig zukennzeichnen,mussen wirwieder bis vor das Jabr 1890 zuriickgreifen. Einer - seits die Haltung der Regierung, anderer- seits die als unzureichend angesehenen Be¬ stimmungen des bestehenden Gesetzes, so- wie das Zogern des nur auf Gewinn gerich- teten Privat-Capitales bevrogen einzelne Lander, welche riickhaltlos anerkannten, dass der Eisenbahnbau behufs Entfaltung einer wirthschaftlichen Thatigkeit von grosster Wichtigkeit und ein unabweis- liches Bediirfnis sei, aus eigener Kraft Landesbahnen zu schaffen. Allen voran steht Steiermark. Bereits in den Jahren 1882 und 1883 erklarte der Landtag es fiir seine Pflicht, den Diesen sich mehrenden Anspriichen und ungeregelten Anforderungen gegen- iiber sollten die vom Lande jahrlich zu leistenden Betrage von vorneherein fest- gestellt werden, umsomehr, als trotz der in Aussicht gestellten reichlichen Untei - - stiitzung doch nur wenige Localbahnen zur Ausfiihrung gelangten, und zwar aus dem einfachen Grande, weil die Be- schaffung des iibrigen zum Bau erfor- derlichen Capitals nicht nur mit grossen Schwierigkeiten, sondern auch mit hohen Kosten verbunden war. Ein Uebelstand machte sich hiebei besonders bemerkbar, namlich der, dass das Bau- und Finanzgeschaft zumeist in einer Hand vereinigt war. »Ist ein Vorproject fiir eineLocalbahn ausgearbeitet« •— wirfolgen hier imWesentlichen dem Bericht des steiri- schen Landesausschusses an den Land¬ tag 1889 — »so \vird an die interessirten 502 P. F. Kupka. Lander, mitunter auch an den Staat wegen Uebernahme von Stammactien zum Nenn\verthe herangetreten. Der auf die- sem Wege zu erreichende Beitrag belauft sich selten auf mehr als 1 / 3 des Bau- erfordernisses, und nun obliegt es dem Concessionswerber, fiir die weitere Be- deckung Vorsorge zu treffen. Diese er- folgt in der Regel durch Ausgabe von Prioritatsactien, fiir welche weder eine Garantie vorhanden, noch eine Zinsen- deckung aus dem Bahnertragnis sicher- gestellt ist. Die Uebernehmer solcher Titres sind ganz bestimmte Finanzgruppen, die mit dem Concessionswerber, wenn er nicht selbst Bauunternehmer ist, ein Uebereinkommen erst dann treffen, wenn entsteht. In den seltensten Fallen verfiigt nun der Unternehmer iiber ein Capital, um aus Eigenem den Erfordernissen zu entsprechen, und ist sonach gezwungen, sich einen Barcredit zu verschaffen, wo- bei je nach seiner Vertrauenswtirdigkeit weitere io°/ 0 verloren gehen. »Ein anderer Uebelstand liegt darin, dass mit einer Vorzugsdividende von 5 °/ 0 nicht ausgestattete Vorzugsactien entwe- der gar nicht oder nur schwer an Mann gebracht werden konnen, wonach denn den Stammactien ein so hohes Zinsen- und Tilgungserfordernis voransteht, dass diese in den seltensten Fallen ein Er- tragnis abwerfen; ihr Werth sinkt dann zumeist derart, als hatte der Besitzer Abb. 221. Dniester-Viaduct bei Zaleszczyki. [Bukowinaer Localbahnen.] ein der Gruppe zusagender Unternehmer gefunden ist; die Gruppe sucht selbst- redend ihren Nutzen in einem Curs- gewinne, indem sie fiir die zu iiberneh- menden Titres einen moglichst geringen Betrag zugesteht. Das Angebot ist ein umso niedrigeres, je kleiner die zu be- gebende Summe, je geringer die commer- zielle Bedeutung der Linie und je schwie- riger ein Rentabilitatsnachweis zu erbrin- gen ist. Im allergiinstigsten Falle werden die Vorzugsactien mit 85 °/ 0 des Nenn- \verthes iibernommen, was einem Zuschlag von 15% fiir etwa 2 / s des Baucapitales gleichkommt. »Gelingt es nicht, sammtliche Stamm¬ actien unmittelbar an die Interessenten abzugeben, so wird der Bauunternehmer seinen Gewinn je nach der Hohe des zu ubernehmenden Stammactien-Betrages statt mit 5°/ 0 mit 10— 15% veranschla- gen, wodurch ein neuerlicher Verlust gleich von Haus aus a fonds perdu ge- zeichnet. »Zu dieser Vertheuerung der Local¬ bahnen gesellt sich noch der Umstand, dass die massgebenden Factoren und betriebfiihrenden Verwaltungen vielfach gezwungen sind, gleich anfanglich grbssere Forderungen riicksichtlich der Stations- anlagen und Fahrbetriebsmittel zu steli en — Investitionen, die erst nach Jahren durch die Verkehrsentwicklung oder etwa denEintritt militarischerEreignisse gerecht- fertigt waren — weil nach Vollendung des Baues die Mittel fiir Erweiterungen und Anschaffungen in der Regel erschopft sind. » Die Betriebfiihrung erfolgt mit Riick- sicht auf die seitens des finanzirenden Institutes aufzustellende Ertragsrechnung zumeist durch die anschliessenden Haupt- bahnen auf Grund einer pauschalirten Vergiitung, welche wieder so gestellt ist, dass unter allen Umstanden damit das Localbahmvesen. 503 Abb. 222. Elbebriicke bei Lobositz. [Teplitz-Reichenberger Localbahn.] Auslangen gefunden wird. Endlich ver- schlingt die Verwaltung einer Localbahn gewohnlich einen unverhaltnismassig hohen Betrag. »Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass heute im Grossen und Ganzen die Localbahnen unoconomisch, theuer ge- baut und ebenso verwaltet vverden, und daher kaum lebensfahigeUnternehmungen sind. »Die Erwagung dieser Verhaltnisse fiihrte zur Erkenntnis, dass Localbahnen nur danil eine wirthschaftliche Berechti- gung besitzen, wenn sie bei dem moglichst geringen Geldaufwand die Verkehrs- bediirfnisse thunlichstbefriedigen, welches Ideal wie bei den offentlichen Strassen erreicht wird, wenn die Beistellung der erforderlichen Mittel ganzlich durch die Betheiligten erfolgt, das heisst, eben wie bei den Strassen, nicht nur durch die Ortsinteressenten, sondern auch durch Land und Reich. »Das Land soli nicht mehr wie bisher den Localbahnen Beitrage widmeri, fur welche eigentlich kein reeller Gegenwerth eingetauscht wird, sondern die Erricbtung von Localbahnen, sofern sie nicht im \Vege der Privatspeculation entstehen, selbst in die Hand nehmen, als Concessionar und Bauherr auftreten, die Finanzirung unter Ausniitzung seines guten Credits selbst besorgen, sich einen gewissen Einfluss auf die Anlage wabren und Linien schaffen, welche allen Anforderungen der Oeconomie ent- sprechen.« Mit dem hier auszugsweise wiederge- gebenen Bericht wurde gleichzeitig ein Gesetzentwurf unterbreitet, der vom Landtage am 18. November 1889 ein- stimmig angenpmmen wurde und am 11. Februar 1890 die a. h. Sanction erhielt. Mit diesem Gesetze wurde das Land behufs Forderung der Localbahnen zur Aufnahme eines in 90 Jahren ruckzahl- baren Landeseisenbahn-Anlehens im Be- trage von 10,000.000 fl. mit dem Zins- fusse von 4°/ 0 und dazu ermachtigt, den Erlos fur die Ausfiihrung von zu- nachst vier, im allgemeinen Landes- interesse gelegenen Localbahnen [Cilli- Wollan 39'2 km , Preding-Wieselsdorf 11 ’3 km , Poltschach-Gonobitz I4’8 km, Kapfenberg-Seebach 22'9 km\ zu ver- wenden, falls die dabei betheiligten Inter- essenten ausser Stande sein sollten, die erforderlichen Geldmittelaufzubringen,\vo- bei die Bau-und Betriebs-Concessionen ent- weder von der Landesvertretung selbst er- worben oder die von Privat-Unternehmun- gen erworbenen Concessionen zur Durch- fiihrung gebracht werden sollten. Der Local- eisenbahn-Fonds solite zum Bau von Local¬ bahnen nur dann herangezogen werden, wenn die Interessenten und der Staat oder beide zusammen wenigstens ein Drittel des Gesammterfordernisses als Beitrage a fonds perdu, oder die Uebernahme von Stammactien zum vollen Nenmverthe zu- sicherten oder wenn von denselben auf Concessionsdauer die Verpflichtung uber- nommen werde, fiir den Fali, dass die j Betriebsuberschiisse der Localbahnen zur 504 P. F. Kupka. Abb. 223. Holleng-rund und Helenenthal-Viaduct. [Teplitz-JReichenberger Localbahn.] 4°/ 0 ig en Verzinsung' sowie zur Tilgungs- quote nicht hinreichen, Zuschiisse von mindestens drei Achtel des Gesammt- erfordernisses zu leisten. Die unmittelbare Ueberwachung des Betriebes solle durch dasaufGrunddes Gesetzes errichteteLocal- eisenbahn-Amt, unbeschadetdesdenStaats- organen gesetz- und concessionsmassig zustehenden Aufsichtsrechtes, erfolgen. Der Betrieb solcher Localbabnen sei in der Regel durch die angrenzenden Bahn- verwaltungen oder in eigener Regie zu fiibren. Zu den urspriinglich in Aussicht ge- nommenen Linien traten spater noch die Localbahnen Unzmarkt - Mauterndorf, Zeltweg-Wolfsberg, Unter-Drauburg-Wol- lan und St. Georgen-Sauerbrunn-Landes- grenze. Das fiir Bo h me n erlassene, am 17. December 1892 a. h. sanctionirte Gesetz lehnt sich an das steirische an, weicht jedoch insoferne von diesem ab, als das Land nur ganz ausnahmsweise als Concessionar oder Bauunternehmer auftritt. Nach diesem Gesetze kann die Ausfiihrung von Eisenbahnen niede- rer Ordnung vom Lande gefordert werden, wenn seitens der Interessenten und des Staates oder seitens einer der beiden Theile Betrage zu dem Bau- aufwande in der Hohe von \venigstens 25°/ 0 a fonds perdu oder gegen Ueber- lassung von Stammactien zugesichert, oder bei unzureiclienden Betriebsergeb- nissen Zuschiisse bis 3 / 8 des Gesammterfordernisses auf die Dauer der Concession geleistet werden. Das Land kann entweder eine Gewahr bis zu 4 °/ 0 fiir die Zinsen und Tilgung der Prioritats- Obligationen, oder ein ver- zinsliches, sicherzustellendes Darlehen bis zu hochstens 7o°/ 0 des Bauaufwandes ge- ben, ferner einen bestimmten Zinsen ertrag der Vorzugs- actien zusichern, endlich an der Uebernahme von Vor- zugs- oder Stammactien sich betheiligen. Zu diesem Zvvecke wurde die Aufnahme eines Landes-Eisenbahnan- lehens im Betrage von 10,000.000 fl. ab- geschlossen, ferner mit der Landesbank ein Abkommen getroffen, demgemass diese Anstalt 4%ig e Darlehen gevvahrt, und im folgenden Jahre der Eisenbahnrath ein- gesetzt. Gali z i en erachtete schon im Jahre 1893 die Errichtung eines Eisenbahn- Bureaus und die Einsetzung eines Eisen- bahnrathes fiir nothwendig; gleichzeitig wurde der Landesausschuss angewiesen, behufs Unterstiitzung von Eisenbahnen niederer Ordnung ab 1894 jahrlich durch 30 Jahre je 300.000 fl. im Landesbudget einzusetzen. Auf Grund des am 17. Juli 1893 a. h. sanctionirten Gesetzes konnen 1. ver- zinsliche Darlehen, 2. die Uebernahme von Actien gewahrt oder 3. die Durchfiihrung des Baues von Eisenbahnen in eigener Verwaltung des Landes sichergestellt werden, wenn die Niitzlichkeit oder Nothwendigkeit des Eisenbahnbaues durch Beschluss des Landtages anerkannt wird, oder wenn seitens der interessirten Factoren die Deckung von mindestens i / 3 des Anlage-Capitals der betreffenden Balm durch Beitrage a fonds perdu, beziehungs- weise die Uebernahme von Stammactien im Nennwerthe zugesichert oder 1 / 3 der Jahresrenten fiir Verzinsung und Tilgung iibernommen wird. Die galizische Landes¬ bank ist zur Vermittlung der Aufbringung der erforderlichen Geldmittel berufen. Am 25. December 1893 richtete der Handelsminister Graf Wurmbrand an die Localbahnwesen. 505 Landesausschiisse von Niederosterreich, Oberosterreich, Mahren, Schlesien, Tirol imd der Bukowina ein Rundschreiben, womit denselben empfohlen wird, nach dem Vorbilde des steirischen Landes- gesetzes vom 11. Februar 1890 die ent- sprechenden Schritte einzuleiten. Von einer Aufforderung an die Lander Salz¬ burg, Karnten, Krain, Gorz und Gradišča sowie Triest und Istrien wurde Umgang derung von zehn Localbabnen hoherer Ordnung. Das Land hatte bis 1894 einer grosseren Anzahl von Localbahnen [u. A. Ottrokowitz - Wisowitz, Littau - Polička, Olbersdorf-Hotzenplotz, Station Auspitz- Stadt, Romerstadt - Rabersdorf, Anders- dorf-Barn, Budwitz-Jamnitz] Unterstiitzun- gen bewilligt und fasste auf Antrag des Landesausschusses die gesetzliche Orga- nisation des Localbahnwesens ins Auge. Abb. 224. St. Gilgen und der Zwolferkogel. [Localbahn Ischl-St. Wolfgang.] genommen, da dort nur eine finanzielle Unterstiitzung einzelner bestimmter Bahn- projecte aus Landesmitteln in Betracht kommen konnte und die allgemeine Or- ganisation des Localbahnwesenš voraus- sichtlich eine praktische Bedeutung nicht erlangen wiirde. Der mahrische Landtag ermach- tigte mit Beschluss vom 31. October 1889 den Landesausscbuss, bebufs Aus- fiihrung von zunachst sechs Localbahnen beziiglich der Anlagekosten mit den nachstbetheiligten Interessenten in Ver- handlungen zu treten und empfahl der Regierung die thunlichst kraftige For- Der 1895 vorgelegte Gesetzentwurf sah ab von der eventuellen Concessions- werbung oder Fubrung des Baues und Betriebes durch das Land, gleichwie von der Errichtung eines Eisenbahnamtes, empfahl jedoch die Einsetzung eines Eisenbahnrathes. Das am 16. Mai 1895 a. Ir. sanctionirte Gesetz gestattet: 1. Die Garantirung eines jahrlichen Rein- ertragnisses behufs 4° l0 iger Verzinsung und Tilgrmo' von Prioritats-Obligationen [Eisenbahn - Schuldverschreibungen] der Hypothekar-Darlehen. 2. Die Gewahrung eines 4%igen riickzahlbaren Darlehens eventuell geg-en Refundirung in Prioritats- 00 o P. F. Kupka. 506 Obligationen, in beiden Fallen bis zu 7 O°/ 0 des vom Landesausschuss aner- kannten Bauaufwandes. 3. Die Ge- vvahrung nichtriickzahlbarer Beitrage. 4. Eine Reinertrags-Garanti e. Niederosterreich hatte fiir die Ybbsthalbahn, Gopfritz-Gross-Sieghardts, spater fiir Schwarzenau - Zvvettl und andere Linien erhebliche Unterstutzungen bewilligt, wollte aber, bevor es an die Landesgesetzgebung schreite, den Beschluss des im Zuge befindlichen Localbahn-Reichsgesetzes abwarten. Der hierauf vorgelegte Gesetzentwurf wurde am 25. Januar 1895, gleichwie das Organisationsstatut fiir den Landes- Eisenbahnrathzum Beschluss erhobenund erhielt am 28. Mai 1895 die a. h. Sanc- tion. Demgemass bestehen die an Unter- nebmungen zu gevvahrenden Unterstutzun¬ gen 1. in einer Reinertrags - Garantie; 2. in 4°/ 0 igen Darlehen; 3. der Ueber- nahme volleingezahlter Prioritats- oder Stammactien; 4. in Beitragen a fonds perdu und 5. in der Vornahme tech- nischer und commerzieller Erhebungen, Anfertigung von Projecten sowie Durch- fiihrung des Baues und Uebernahme der Verwaltung. Der Landtag Oberosterreichs verhielt sich gegeniiber dem Aus- bau von Localbahnen ablehnend; er beauftragte am 10. Januar 1894 den Landesausschuss, die Thatigkeit und Erfolge der Landesvertretungen Steier- marks, Bohmens und Galiziens einem eingehenden Studium zu unterziehen und hieriiber in der nachsten Session Bericht zu erstatten, was auch geschah. Die Ausschussmehrheit sprach sich jedoch sowohl gegen die Griindung eines Local- bahn-Fonds, als auch gegen die Einsetzung eines Eisenbahnrathes aus. Die Vorlage vvurde am 14. Februar 1895 angenommen und erhielt am 22. Juni 1895 die a. h. Sanction. Obzvvar Schlesien 1894 seine Be- theiligung bei jeder einzelnen Localbahn im Wege der Landesgesetzgebung fest- zustellen beschlossen hatte, sorgte es doch fiir eine ahgemeine gesetzliche Re- gelung, und zwar durch das Gesetz vom 5. Februar 1895, das am 3. Juni 1895 die a. h. Sanction erhielt. Aehnliche Gesetze schufen noch die Liinder Salzburg [12. Mai 1895] und Krain [17. Januar 1896]. Tirol fand hiezu keine Veranlassung, »da eine Nothwendigkeit nicht vorhanden sei, das Localbahnwesen einer gesetzlichen Rege- lung zuzufiihren, bevor nicht die Er- fahrungen in anderen Landern dafiir sprechen; es reiche vielmehr die Ver- handlung von Fali zu Fali aus«. Die gleiche Ansicht herrschte auch in Vor¬ arlberg und beide Lander gevvahrten einzelnen Linien Unterstutzungen. Dem Bukowinaer Landtag vvurde auf Grund einer Enquete des Landes- ausschusses fiir den Ausbau eines Local- bahnnetzes eine Vorlage unterbreitet und diese am 19. Mai 1893 angenommen. Es handelte sich dabei um vier Local¬ bahnen [Lužan - Zaleszczyki 42^8 km, Czudyn, beziehungsweise Radautz in das obere Suczavvathal 40 km, von Hliboka oder Ruda nach Sereth 16 km, alle drei normalspurig, und Nepolokoutz-Wižnitz 45 km schmalspurig], die als einheitliches Ganze behandelt vvurden und vom Lande durch einen lO°/ 0 igen Beitrag zu den Baukosten, und zwar durch Uebernahme der entsprechenden Zahl von Stammactien im Hochstbetrage von 500.000 tl. eine Unterstutzung fanden. Nach diesen Ausfiihrungen kehren vvir vvieder zur Besprechung der vveiteren Entwicklung der Reichs-Gesetzgebung fiir Localbahnen zuriick. Am 27. October 1894 brachte der Handelsminister Graf Wurmbrand im Ilause der Abgeordneten einen Entwurf ein, »vvomit Bestimmungen fiir die An- lage und den Betrieb von Localbahnen und Kleinbahnen getroffen vverden«. Fiir die Ausarbeitung des Entvvurfes vvaren die auf Grund des Rundschreibens vom 8. Juni 1883 eingesandten Gutachten des »Vereines zur Forderung des Local- undStrassenbahnwesens«, des »Verbandes der osterreichischen Localbahnen«, ferner jene vom niederosterreichischen und vom steirischen Landesausschusse erstatteten Eingaben [letztere von dem damaligen Landeseisenbahn-Director verfasst], sowie andere Vorschlage und die auswartige Gesetzgebung von hervorragendem Ein- fluss. Localbahmvesen. 507 Es erscheint zweckdienlich, die An- trage und Wiinsche der einzelnen Korper- schaften wenigstens in ihren Grundziigen hier anzufiihren. Der »Verband der osterrei- chiscben Localbahnen« empfahl [Juli 1893] jene Bahnen, die nur theilweise dem offentlichen Verkehr, das ist nur dem Personen- und Guterverkehre behufs Ver- frachtung bestimmter Artikel, oder privaten Zwecken dienen, in »Bahnen unterster ararischen Strassen \vard eine Reihe von Bestimmungen in Vorschlag ge- bracht. Der »Verein fiir die Forderung d e s L o c a 1 - .und S t r a s s e n b a h n- wesens« wies auf die hauptsachlichsten Ursachen hin [August 1893], weshalb das Local- und Strassenbahmvesen nicht in wiinschenswerther Weise sich entwickle. Die bisher hergestellten Localbahnen seien grrosstentheils eigentliche Neben- O Abb. 225. Schneebergbahn. Ordnung« [Tertiarbahnen] zusammen- zufassen und einer abweichenden Be- handlung und besonderen gesetzlichen Regelung zu unterziehen. Die Begiin- stigungen hinsichtlich der Steuer- und Stempelgebiihren sollten als jeder Local- bahn von vorneherein unbedingt zu- gestanden, im Gesetz zum Ausdruck gebracht und nicht durch die Regierung von Fali zu Fali gewahrt \verden. Die Bestimmung, dass eine Bahn wann i m m e r eingelost werden konne, wirke lahmend bei ihrer Griindung, weshalb diese Berechtigung erst nach 20 Jahren in Kraft zu treten habe. Auch beziiglich der Beniitzung der Reichs- und nicht- bahnen, die nur zum geringsten Theile den ortlichen Bediirfnissen entsprangen, dagegen vornehmlich anderen Zvvecken zu entsprechen hatten, wobei solche An- forderungen in bau- und betriebstechni- scher Beziehung gestellt wiirden, dass an eine angemessene Rentabilitat nicht zu denken ware; es sei daher nicht unbe- greiflich, dass das Privatcapital den Localbahnen gegeniiber sich ablehnend verhalte. In den massgebenden Kreisen glaube man, Normen zu Gunsten einer oconomischen baulichen Gestaltung, der einfachen Betriebsfiihrung und Beweglich- keit der Tarife nicht zugestehen zu konnen. Die bisherigen Begtinstigungen 5°B P. F. Kupka. fur Localbahnen waren nicht verlockend genug, um sich dem Bau solcher Bahnen mit Erfolg zu widmen. Mit den Erleich- terungen und Begunstigungen solle bis an die ausserste Grenze gegangen wer- den, es seien die Localbahnen von allen Herstellungen, Leistungen und Kosten zu befreien, welche nicht fur die eigenen Zwecke erforderlicli und auch nicht pro- ductiver Natur sind. Die Envartungen riicksichtlich einer ausgedehnten Ver- breitung der Strasse n bahnen fur den offentlichen Personen- und Giiter- verkehr hatten sich nicht erfiillt. Von 1880 bis 1893 seien nur 105 &«z, also jahrlich im Durchschnitt nur 8 km gebaut worden, davon dienten 36 km dem Personen- und Giiterverkehr und 69 km blos dem Personenverkehr, letztere waren also nur Tramways und keine Localbahnen. Es miissten fiirdie Beniitzung der offentlichen Strassen gesetzliche Bestimmungen er- lassen, die Bahnen unterster Ordnung, denen die grosste Freiheit beim Bau und Betrieb zu gevvahren sei, ausgeschieden und auf das Recht der Einlosung durch den Staat, sowie das Heimfallsrecht ver- zichtet werden. Der niederosterreichische Landesausschuss regte eine gemein- same Besprechung des Ministerialerlasses vom S.Juni 1893 an, zu welchem Zrvecke Vertreter von Steiermark, BOhmen, Mahren und Niederosterreich sich einfanden. Hiebei trat die fiihrende Stellung Steiermarks zu Tage, denn die trefflichen, auf eine langjahrige Erfahrung gestiitzten Aus- fiihrungen des Directors des steirischen Landes-Eisenbahnamtes bildeten den Angelpunkt der Erorterungen und brachten eine Fiille fruchtbarer Anregungen. Die Note des niederosterreichischen Landesausschusses vom 3. August 1893 unterstiitzte insbesondere die fach- gemassen Ausfiihrungen des steirischen Landesausschusses aufs Warmste und empfahl weiters mit Riicksicht auf die fortschreitende Entwicklung der Eisen- bahntechnik bautechnische Bestimmungen in das Gesetz nicht aufzunehmen, be- fiirwortete die weitestgehende Zuwendung von Begunstigungen, sowie Vereinfachung des Enteignungsverfahrens und gab noch der Meinung Ausdruck, dass es nur recht und billig sei, wenn der Staat, dem durch die Localbahnen ansehnliche Vortheile erwachsen, auch an derBeitrags- leistung fur solche Bahnen sich be- theilige. Der steiermarkische Landes¬ ausschuss glaubte, dass das neue Gesetz nur dann zur Forderung und Entvvicklung der Bahnen beitragen konne, wenn der Wirkungskreis der Regierung betrachtlich erweitert werde und nicht die jeweilige Zuwendung finanzieller Be¬ gunstigungen, ja sogar der Abschluss der Betriebs-Pachtvertrage der legislativen Genehmigung vorbehalten bleibe; das Zustandekommen von Localbahnen sei haufig durch den langvvierigen Weg der Vorlagen unterbunden und iiberdies von der politischen Constellation abhangig, wobei vielfach die augenblickliche giinstige Gestaltung des Geldmarktes verloren gehe. Es sollten den Unternehmungen im Verwaltungswege solche Begunsti¬ gungen zugewendet werden konnen, die keine eigentliche Belastung des Budgets darstellen. Bei der technischen Anlage und dem Betriebe sollten die weitest- gehenden Erleichter ungen zugestanden, die Mitbeniitzung der Reichsstrassen nicht wie bisher erschwert und das Tarifwesen in thunlichst einfacher Weise ausgestaltet werden, damit es sich der geanderten Handelsconjunctur rasch anzupassen ver- moge. Die sonstigen im Verwaltungswege zu gewahrenden finanziellen Begunsti¬ gungen waren zu theilen in solche, welche a) unter allen Umstanden und ohne Zeit- beschrankung und b) nur vorubergehend, insofern die eigenen Ertragnisse nicht ausreichen, bewilligt werden. Das staat- liche Peageverhaltnis diirfe den Local¬ bahnen gegenuber nicht zu Goncurrenz- zwecken ausgeniitzt werden, endlich sei die Ausgabe von Prioritaten unter ge- wissen Bedingungen zu gestatten. Das Handelsministerium fasste das Ergebnis seiner Umfrage in nachstehende Satze zusammen: 1. »Der in der osterreichischen Local- bahn-Gesetzgebung von Anbeginn fest- gehaltene Grundsatz der Allgemeinheit der ftir Localbahnen geltenden Normen und ihrer Anpassungsfahigkeit an die besonderen Falle hat sich vollauf be- Localbahnwesen. 509 wahrt und ware derselbe daher auch in dem neu zu erlassenden Gesetze aufrecht zu erhalten. 2. Es erscheint wunschenswerth, dass kiinftighin bei der administrativen Be- handlung projectirter oder schon im Betriebe stehender Localbahnen eine scharfere Individualisirung und die weitest- gehende Vereinfachung, insbesondere im Sinne der Einschrankung der bau- und betriebstechnischen Anforderungen auf das geringste, nach den concreten Ver- kehrsverhaltnissen zulassige Mass, platz- greife, weshalb es sich empfiehlt, das Lo- calbahnwesen vora Haupt- bahnwesen grundsatzlich zu trennen und fiir ersteres einen selbstan- digenOrganis- mus im Rah- men der Auf- sichtsbehorden zu schaffen. 3. Das an- gestrebte Ziel der baldigen intensiven Vervollkomm- nung des hei- mischen Lo- calbahnwesens kann aber nur dann er- reicht werden, wenn der Staat sowie die Lander und sonstigen autonomen Korperschaften sich zur Uebernahme von finanziellen Risken und Opfern entschliessen, welche das bisher ubliche Ausmass betrachtlich iibersteigen und wenn zugleich das durch die legisla- tive Behandlung erschwerte Verfahren bei Erwirkung staatlicher Beihilfen durch eine angemessene Erweiterung des admi¬ nistrativen Wirkungskreises der Regie- rung thunlichst vereinfacht und be- schleunigt wird.« Laut dem vom Handelsminister Graf Wurmbrand am 27. October 1B94 ein- gebrachten Entwurfe »ftir die Anlage und den Betrieb von Local- und Kleinbahnen« solite das beantragte Reichsgesetz gemass den Schlussbestimmungen unter gleich- zeitiger Ausserkraftsetzung des Gesetzes vom 27. December 1893, mit I. Januar 1895 in Kraft treten. Von einer Beschran- kung der Dauer des Gesetzes ward mit Riicksicht auf die geplante dauer n de Regelung der in demselben behan- delten Fragen Umgang genommen. Die Vorlage selbst zerfallt in drei Ab- schnitte, und zwar: A. Localbahnen [Artikel I—XV], deren Begriff ebenso- wenig wie friiher definirt wird, B. Klein¬ bahnen [Tertiarbahnen] [Artikel XVI bis XXI], das sind »jene fiir den offent- lichen Verkehr bestimmten Localbahnen von ganz untergeordneter Bedeutung [normal- oder schmalspurige Zweigbahnen, Strassenbah- nenmitDampf- oder elektri- schem Betrie¬ be, anderen mechanischen Motoren oder animalischer Kraft, Seilbah- nen u. s. w.], welche ohne Verbindung mit einer Ei- senbahn hohe- rer Ordnung oder lediglich mit einseitigem Anschlusse an eine solche Eisenbahn ausschliesslich den ortlichen Verkehr in einer Gemeinde oder zwischen benachbarten Gemeinden vermitteln endlich C. Schlussbestimmungen [Artikel XXII bis XXIV]. Der Entwurf gelangte mit geringen Aenderungen im Abgeordnetenhause am 12. December, im Herrenhause am 21. December zur Annahme und erhielt durch die a. h. Sanction am 31. Decem¬ ber 1894 Gesetzeskraft.*) Die Regierung war ernstlich bestrebt, mit diesem Gesetze nicht nur weitgehen- den Wtinschen der Bevolkerung nach- zukommen und fiir eine grosse Zahl sclrvvieriger Fragen die Losung zu finden, *)Naheres liber die Bestimmungen dieses Gesetzes siehe Bd. IV, Dr. V. Roli »Ueber die Entwicklung der Eisenbahn-Gesetzgebung in Oesterreich«. Abb. 226. Etschbriicke der Localbahn Bozen-Kaltern. 5io P. F. Kupka. sondern auch einen kraftigen Anstoss zur rascheren Entwicklung des als ausserst wichtig anerkannten Localbahmvesens zu geben. Mogen die Erfolge die verdienst- lichen Bemiihungen vollauf lohnen! Verzeichnis der auf Grand des Gesetzes vom 25. Mai 1880, R.-G.-Bl. Nr. 56, betreffenddieZuge- standnisse und Begiinstigungen fur Local- bahnen so\vie der spateren einschlagigen Gesetze concessionirten Localbahnen. Im Jahre 1880. Im Jahre 1881. 8. K3niggratz-WostromSf mit Ab- zweigung Sadowa-Smii'itz . . . 447 9. Nimburg-Jičin und Abzweigungen a) Krinec-Konigstadtl und b) Ko- pidlno-Libau.56'9 10. Nezvčstic-Mirbschau.194 11. Nusle-Modfan. I2’6 12. Stauding-Stramberg. 186 13. Časlau-Močovic. 4'4 14. VOklabruck-Kammer. 83 15. K6nigshan-Schatzlar sammt Ab- zweigung vonLampersdorf-Kohlen- schachten. 7'° 16. Kremsier-Zborowitz. 163 17. Chotzen-Leitomischl.22 0 18. Prelouo - Hermanmžstetz - Kalk- Podol und Abzweigung nach Pra- chowitz.212 19. Poiičan-Sadska. 6'2 20. Kralup-Welwarn. 9'8 21. Lobositz-Libochowitz.I3'8 22. Olmiitz-Čellechowitz.35 9 23. Ungarisch Hradisch - Ungarisch Brod. 21-0 24. Zlonitz-Hospozin. 8’0 25. Potscherad-Wurzmes.I7'2 26. Brandeis a. E.-Čelakowitz-Mochow I2'l 27. Jaroslau-Sokal.1463 zusammen . . 502'I Im Jahre 1882. 28. Sedletz - Kuttenberg - Kuttenberg Stadt. . 2'8 29. Hullein-Holleschau-Bistritz a. H. i8'8 30. Sch5nhof-Radonitz ll'9 31. Libau - Bakov mit Abzweigung Detenitz-Dobrowitz.47’ 32. Krupa-Kolleschowitz. 12- 33. Schwechat-Mannersdorf .... 28' 34. Liesing-Kaltenleutgeben .... 6- 35. Pohl [WeisskirchenJ-Wšetin sammt Abzweigung a) zur Glasfabrik in Krasna und b) Krasna-Rožnau . 58"I 36. Hietzing-Perchtoldsdorf .... 103 37. Bisenz-Gaya. I7'0 38. Wittmannsdorf-Ebenfurth . . . 15-2 39. Modling-Vorderbruhl-Hinterbriihl 43 40. Kremsmtinster-Michldorf . . . 2T0 41. Klostergrab-Mulde.16 0 42. Segen Gottes-OkiiškomitAbzwei- gung Studenetz-Gross-Meseritsch 733 zusammen . . 344'2 Im Jahre 1883. 43. Bistritz am Hostein-Wallachisch- Meseritsch.27-0 44. Wiener Gurtelbahn [Project Fo- gerty, Concession erloschen] . . 28'0 45. Dolyna-Wygoda.. 8'2 46. Minko\vitz - Swolenowes, Sadska- NimburgmitAbzweigungSchwarz- bach-Littau und Verbindungslinie Nimburg-Velelib.2I-I 47. BOhmisch Leipa-Niemes [18 3] mit Flugel Reichstadt-Neu-Reichstadt 213 48. Czernowitz-Nowosielitza-Russische Grenze.3 I- 4 49. Swolenowes-Smečna . . . . . 103 zusammen . . 1473 Im Jahre 1884. 50. Briinn-Tischnowitz und Rudels- dorf-Landskron.32'l 51. Elbogen-Giesshubl [nicht gebaut] 28’0 52. Wien-Stammersdorf . . 10 67 Floridsdorf-Gross-Enzersdorfl4'90 25-6 53. St. Pdlten-Tulln.46-1 54. Spielfeld-Radkersburg .... 3l'0 55. Fehring-FUrstenfeld.2f0 56. Asch-Rossbach.I5'0 57. Budweis-Salnau._ I7'5 58. Schimitz[-Brunn]-Vlarapass mit Abzweigungen a) Nemotiz-Korit- schan und b) [nicht gebaut] Wessely-Strassnitz . . . . ■ I5°'5 zusammen . . 420'8 “vIMOOOl Localbahnwesen. 511 Im Jahre 1885. 59. Wien-Wiener-Neudorf .... 12 6 60. Hannsdorf-Ziegenlials.55'9 61. Salzburg - St. "Leonhard - Reichs- grenze. I3'2 62. Bohmisch Kamnitz-Steinschonau 43 63. Hatna-Kimpolung .... 67-53 und Hliboka-Berhometh a/S. 5 2 '9 2 mit Abzweigungen: a) Karapczina.S.-Czud}'n 18-84 b) Hadikfalva-Radautz . 8-13 I47'4 64. Wels-Aschbacli.20-3 65. Kofomea-Sfoboda rungurska 25-1 sammt Abzweigungen: a) Nadwordnaer Vorstadt- Kniaždw6r.7' 1 b) Pruthubersetzung-Jablo- now [nicht gebaut] . . I5’5 47 7 66. Rbhrsdorf-Zwickau . . . . . . 4'8 zusammen . . 306-4 Im Jahre 1886. 67. Enzersdorf bei Staatz-Pois- dorf.9-4 und Jenšovic-Lužec .... 3-2 12-6 68 Lemberg-Belzec [Tomaszdrv] . . 88-4 69. Gaisberg Zahnradbahn .... 5-3 70. Perchtoldsdorf-Modling .... 33 71. Bielitz-Kalwarya.57'3 72. Linz-Urfahr-Aigen[Muhlkreisbahn] 57-8 73. Prossnitz-Triebitz mitFlugelKor- nitz-Opatowitz.88-1 74. Reichenberg-Gablonz. I3'0 75. Unter-Rohr-Bad Hall ..... 4-2 76. Herzogenburg-Krems und Haders- dorf-Sigmundsherberg .... 633 77. Zasmuk - Gross - Beovar sammt Schleppbahn zur Zuckerfabrik Beevar. 40 78. Dembica-Nadbrzezie mit Abzwei- gung nach Rozwad6w .... I07'l 79. Hietzing-Ober-St. Veit .... 2-4 80. Marienbad-Karlsbad mit Fliigel Sch5nwehr-Elbogen [Concession erloschen erklartj.70-5 81. Steinbauergasse-Centralviehmarkt [nicht gebaut]. 6-o 82. Wiener-Neudorf-Guntramsdorf . 4-6 83. Wien-Inzersdorf a. W. Berg [nicht gebaut]. 3-6 zusammen . . 5915 Im Jahre 1887. Keine Concession ertheilt. Im Jahre 1888. 84. Steyr [Garsten]-Unter-Griinburg mit Fortsetzung bis Klaus [aus- gebaut bis Agonitz, 32-2 km} . . 41-0 85. Drosing-Zistersdorf . . . .11-3 . Goding-Tabakfabrik ... 1-4 Rohatetz-Strassnitz . . . . ir6 Hotzendorf-Neutitschein . iO-I und Golleschau-Ustroh . . 5-4 39-8 86. Gleisdorf-Weiz.14-6 87. Michldorf-Klaus. 9'0 88. Eisenerz-Vordernberg. 19-5 89. Kosteletz-Gzellechowitz .... 2-7 90. Jenbach-Achensee. 6-4 91. Station Lemberg-Klepar6w-Lem- berg sammt Zweiglinien .... I7'5 92. Verbindungsbahn Schimitz-Briinn 2 0 zusammen . . 152-5 Im Jahre 1889. 93. Laibach-Stein.23-1 94. Gross-Priesen-Wernstadt mit Ab- zweigung nach Auscha .... 24-4 95. Stauding-Wagstadt. 7'5 96. Innsbruck-Hall i. T.12-1 97. Mori-Arco-Riva.24-5 98. Cilli-Wollan. . . ■ 37'5 zusammen . . 129-1 Im Jahre 1890. 99. Ischl-Salzburg.63-9 nebst Abzweigung a) Mond- see-Steindorf [nicht gebaut] und b) Zahnradbahn auf den Schafberg.5-7 69 6 100. Schwarzenau-Waidhofen a. Th. . 7 2 101. Radkersburg-Luttenberg .... 25 4 102. Zauchtl-Bautsch .... 38-831 Zauchtl-Fulnek.9'44§ Troppau-Bennisch . . . 29-660 77-9 103. Fiirstenfeld-Hartberg sammt Ab- zweigung nach Neudau .... 38-7 104. a) Horan [Pofičan]-Mochov 123 und b) Brandeis a. d. Elbe -Neratowitz [Concession er¬ loschen] .ir 2 23-5 105. Steyr [Pergern]-Bad Hall . . . 15-6 zusammen . . 257-9 Im Jahre 1891. 106. Unterkrainer Bahnen.132-6 Im Jahre 1892. 107. Wels-Unter-Rohr.24-9 108. Strakonitz-Winterberg.32-7 109. Wodnian-Prachatitz.274 no. Poltschach-Gonobitz. 14-9 111. Wieseldorf-Stainz. 11-5 112. Baden-VOslau. 5 0 113. Castolowitz-Sollnitz [Kwasnay] . 153 114. Kapfenberg-Seebach [Au] . . . 23 0 115. Salzburg-Parsch. 17 116. TIumacz-Palahicze-Ttumacz. . . 67 zusammen . . 163-1 512 P. F. Kupka. Im Jahre 1893. 117. Belvedere-Bubene. l'4 118. Morchenstern-Josefsthal .... 6-6 119. Unzmarkt-Mauterndorf .... 76 3 120. Wotic-Selean. i6 - 6 I2X. Monfalcone-Cervignano .... 166 122. Deutschbrod-Humpoletz .... 25-3 123. Arnoldstein-Hermagor.30-5 124. Plan-Tachau. 119 zusammen . . 185-2 Im Jahre 1894. 125. Ostgalizische Localbahnen . . . 197-5 126. Gbpfritz-Gross-Siegharts ... 83 127. Trient-Tezze [Valsuganabahn] . . 65-1 128. Station Auspitz-Stadt Auspitz . 6 8 129. Welchau - Wikwitz - Giesshubel- Puchstein. 80 130. Pi-ivoz-Mabr.-Ostrau. 6-1 131. Station Gmunden-Stadt Gmunden 2-6 132. .Localbahnlinien der Wiener Stadt- bahn: a) Wienthallinie.109 b) Donaucanallinie .... 5-2 c) Verbindungscurve ... l'2 173 133. Branowitz-Pohrlitz undRohrbach- Seelowitz-Seelowitz Stadt . . . 117 134. Nakfi-Netolitz-Netolitz Stadt . . 13-2 135. Mahr.-Budwitz-Jamnitz .... 207 136. Zwittau-Polička. I9'2 137. Postelberg-Laun. 10 6 138. Schwarzenau-Zwettl . ... 213 139. Waidhofen a. d. Ybbs-K.ien.berg- Gaming [Ybbsthalbahn] .... 70-6 140. Beneschau-Wlaschim.22 6 141. Neuhaus-Neubystritz.30-8 zusammen . . 53i'9 Im Jahre 1895. 142. Salzburg-Lamprechthausen . . . 26-1 143. Kojetein-Tobitschau.10 5 144. Teplitz-Eichvvald .... . . 113 145. Modran-Čerčan mit Abzweigung Mechenic-Dobl-iš. 7°'6 146. Prag-Vysočan mit Abzweigungzum Liebener Schlosse. 5 ' 2 147. Lemberg-Jan6w. 173 148. Bielitz-Zigeunenvald. 10 149. Rakonitz-Pladen-Petschau mit Ab- zweigung Protivitz [Luditz-Buchau] 103-6 150. Stramberg-Warnsdorf. 67 151. Graz-FSlling .. ro 152. SchlackenwOrth-Joachimsthal . . 8 5 153. Wr. Neustadt-Schneeberg mit Ab- zweigung nach Wollersdorf . . 41-0 154. Bukowinaer Landesbahnen a) Lužan-Zaleszczyki . . . 43'0 b) Hliboka-Sereth .... I4'2 c) Radautz-Frassin .... 427 d) Nepolokoutz-Wižnitz . 446 e) Itzkany-Suczawa ... 5-0 149 5 155. Wodnian-Moldauthein .... 22-2 156. Karlsbad-ReichsgrenzeaJKarlsbad- Neurohlau und b) Neudeck- Grenze 367 zusammen . . 511-6 Im Jahre 1896. 157 - Melnik-Mšeno mit Abzweigung n) Lhotka-Stfedenitz und b) Melnik- Elbe.303 158. Rovereto-Ravazzone. 4-6 159. Borki wielkie-GrzymaI6w . . . 31-0 160. Mšeno-Unter-Cetno. 15 2 161. Zeli am See-Krimml [Pinzgauer Localbahn].53 o 162. Teplitz [SettenzJ-Reichenberg . . 128-0 163. Kleinbahnen in Pilsen. . . . . 103 164. St. Polten-Kirchberg a. d. Pielach 31-2 165. Kleinbahnen in Czernowitz ... 67 166. Petrowitz-Karwin.io-o 167. Saitz-GOding.38-0 mitAbzweigungnachDubnian 4-0 42-0 168. Prag [Smichow]-Košif. 28 169. Strakonitz-Bfeznitz ....... 497 170. Neuhof-Weseritz.243 171. Kupk6w-Cisna.271 172. Kleinbahn in Reichenberg . . 3-4 zusammen . . 469-8 Die nachstehenden Tabellen geben ein Bild der Entwicklung des osterrei- chischen Localbahnwesens. Aus der Zu- sammenstellung auf Seite 513 ist zu ersehen, in welcher Weise sich dessen Ausgestaltung in den einzelnen Kron- landern von Jahr zu Jahr vollzogen hat. Die Zusammenstellung auf Seite 514 zeigt, wie sich die Eigenthumsverhaltnisse der Localbahnen in den einzelnen Kron- landern Ende 1896 gestalteten. Es ergibt sich die Thatsache, dass zu dieser Zeit von 3785.1 i\km Localbahnen, 689.496 km Staatseigenthum und 3095.618 km Privat- eigenthum waren. Von dem auf 44,708.000 bezifferten Gesellschafts-Capital jener Privat-Local- bahnen, bei denen eine Betheiligung seitens des Staates, des Landes oder seitens anderer Interessenten stattfand, erscheint mehr als die Halfte, und zwar 25,015.900 durch diese Factoren aufge- bracht. Der Staat allein hat zu diesen Localbahnen 7,905.000 fl. beigetragen, die Landesfonds 3,246.300 fl. und andere Interessenten 13,864.600 fl. Ueber die allmahliche Entwicklung der osterreichischen Localbahnen, sowie tlber ihre Vertheilung je nachdem sie im Staats- oder Privatbetriebe stehen, gibt die Zu¬ sammenstellung auf Seite 515 entspre- chenden Aufschluss. Die Entwicklung des Localbahnivesens in den einzelnen Landern. Localbahnwesen, 513 Geschichte der Eisenbahnen. I. Band, 2. Theil. 33 514 P. F. Kupka. Stand der LocaJbahnen in Oesterreicli mit Ende des Jahres i8g6. Localbahmvesen. 515 Auf Grund der Localbahn-Gesetze vom 27. Mai 1880, / 7 . Ju ni 1887 und 7 /. December i8g4 gebaute Localbahnen [km]. Technischer Charakter der osterreichischen Localbahnen. Wie auf seinen Hauptbahnen, hat Oesterreich auch auf den Linien, die als Localbahnen zustande kamen, in techni¬ scher Beziehung Hervorragendes geleistet. Auch hier stellte in vielfacher Beziehung die Bodenbeschaffenheit dem Ingenieur die Aufgabe, in schwierigem Gelande zu bauen und obzwar mit Rticksicht auf den Kostenpunkt die Anlage bedeutender Kunstbauten bei Nebenbahnen im Inter- esse ihref Rentabilitat vermieden werden soli, infolge der besonderen Verhaltnisse mancher osterreichischer Localbahnen Kunstbauten aufzufiihren, die in techni¬ scher Beziehung ohneweiters mit jenen der Hauptbahnen in Wettbewerb treten konnen. Es wtirde zu weit fiihren, alle bedeu- tenderen Bauwerke, die Oesterreichs Localbahnen insbesondere in denGebirgs- strecken aufweisen, aufzuzahlen, oder gar im Bilde zu geben, weshalb im Nach- folgenden nur einige der bemerkens- wertheren Localbahnen in aller Kiirze besprochen werden mogen. Nicht ihrer teclmischen Bedeutung wegen, sondern vielmehr um Anlagen 33* 5i6 P. F. Kupka. einer der alteren osterreichischen Local- bahnen darzustellen, haben Abbildungen der Wien-Aspang-Bahn, die als normal- spurige Localbahn am 28. November 1877 der »Societe belge des chemins de fer« concessionirt wurde und am 7. August 1881 von Wien bis Pitten, am 28. October bis Aspang dem Verkehr iibergeben wurde, Aufnahme gefunden. [Vgl. Abb. 199 und 200.] In technischer Hinsicht bemerkens- werther ist die auf Staatskosten erbaute und am 4. October 1879 eroffnete Secundar- bahn von Unter-Drauburg nach Wolfsberg [Lavantthalbahn] 37^9 km. [Abb. 201 bis 204.] Sie zweigt von der Pusterthallinie der Sudbahn bei Unter-Drauburg ab und ftihrt nordwestlich in der Richtung nach Wolfs- berg. Ihre grosste Steigung betragt 11 ‘4°/ 0 ) der kleinsteKrummungshalbmesser 150 m. Ausser der Uebersetzung des Miesbaches und der Drau und dreimaliger Ueberbrtickung des Lavantflusses waren schwierige Bahnbauten durchzuftihren. Bei den abgebildeten Lavantbriicken ge- langten Sch wedler-Trager zur Anwendung. Die Brucke iiber die Drau mit 80 m Licht- weite hat Paralleltrager und dient sowohl der Eisenbahn als auch dem Strassen- fuhrwerke auf derselben Fahrbahn. Durch Briicken mit bedeutenden Spannweiten sind die Localbahnen Segen- Gottes, Okriško [Chvoinitza-Viaduct bei Rappotitz und Trebitscher Viaduct iiber das Startscher Thal, vgl. Bd. II, Seite 300 und Abb. 161 des gleichen Bandes], Hadersdorf-Sigmundsherberg [Kampffluss- briicke eine Oeffnung a 7cr6 m], Postelberg- Laun [Egerbriickej, Budweis-Salnau [Mol- daubriicke mit zwei Oeffnungen a 50 m\ und Radkersburg-Luttenberg [Murbriicke mit zwei Oeffnungen a 55 nt Lichtweite Halbparabeltrager] bemerkenswertb. Die technisch interessanteste Local¬ bahn Oesterreichs ist unstreitig die Erzberg- bahn von E i s e n e r z n a ch Vordern- berg [i9'9 km]. Am 10. October 1888 der Alpinen Montan-Gesellschaft con¬ cessionirt, stellt sie die kurzeste Verbin- dung zwischen Oberosterreich und Bohmen einerseits und Steiermark andererseits her, indem sie die Station Eisenerz [691'6 m Seehohe] der Fltigelbahn Hieflau-Eisenerz iiber den Erzberg und Prebichl mit Vor- dernberg [7Č7’9 m Seehohe] verkniipft. *) Als normalspurige Adhasions- und Zahn- radbahn nach dem System Abt erbaut, war sie die erste Bahn dieses Systems in Oesterreich. **) Die Maximalsteigung betragt 7i%o> die Radien sind zumeist mit 200 m angelegt. In Eisenerz beginnend, geht die Linie durch das Krumpenthal als Ad¬ hasionsbahn. Hinter der gleichnamigen Verladestelle beginnt jedoch die starke Steigung und das Zahnrad tritt in Wirk- samkeit, bis die Station Erzberg [1070« Seehohe] erreicht ist. Dort tritt die Bahn in den 1393 m langen Platten - Tunnel, den sie als Adhasionsbahn durchzieht; beim nordlichen Tunnelportal greift das Zahnrad \vieder ein bis zum kurzen Prebichl-Tunnel, den die Trače abermals als Adhasionsbahn passirt und an dessen Ende die Station Prebichl liegt. Von Prebichl ab bis Vordernberg gelangt in massigemGefalle durchaus die Zahnstange zur Amvendung, mit Ausnahme eines kurzen Stiickes bei Vordernberg, wo die Linie nur als Adhasionsbahn ange¬ legt ist. Die bemerkenswerthesten Objecte der Bahn sind: Gleich hinter der Station Eisenerz beim historischen Schicht- thurm des Marktes Eisenerz der Schicht- thur m-Tunnel, 143 m lang, der den vorspringenden Berghang gerade unter dem Schichtthurm durchfahrt. Hinter der Verladestelle Krumpenthal, wo die Bahn im scharfen Anstiege ist, wird der 245 m lange Klammwald-Tunnel durch- fahren, unmittelbar darnach der eng ein- geschnittene Ramsaugraben auf dem stei- nernen, 100 m langen Ramsaubahn- Viaduct mit acht Bogenoffnungen, 31 m iiber der Thalsohle iibersetzt [Abb. 205]; dann folgen der Kressenber g-T u n n el, 150 m lang, beim Franzosenbiihel, hier- auf einige tiefe Einschnitte und mehrere *) Ueber die Geschielite der Erzbergbahn vgl. Bd. I, 2. Theil, Geschichte der Eisen- bahnen Oesterreichs etc. von J. Konta, S. 401 u. ff. **) Die friiher gebauten Zahnradbahnen waren nach dem System Riggenbach ein- gerichtet. [Vgl. hieriiberden Abschnitt »Klein- bahnen« von F. R. E n gel.] Localbahmvesen. 517 hohe Anschiittungen, der Sauerbrunn- grab en-Vi aduct, 20 m hoch, gleich- falls mit acht Oeffnungen, und der 117 m lange, 31 m hohe Weiritz- graben-Viaduct mit 10 Bogenoffnun- gen. Die Bahn hat inzwischen eine Kehre vollfuhrt und bei der Station Erzb erg eine absolute Hohe von 379 m iiber- vvunden. Unmittelbar hinter der Station Erzberg tritt die Bahn in ihren langsten Tunnel, den Platten-Tunnel, ein, steigt jen- seits des Tunnels im Feistergraben vvieder betrachtlich, iibersetzt den Hochdruck- graben auf dem :ro8 m langen, 32 m hohen achtbogigen Hochdruckgraben- V i a d u c t, dem folgt der Weinzettel- grab en-Vi a duet, mit sechs Bogen- offnungen 7 2 m lan g, derdengleichnamigen Graben und die Prebichler Reichsstrasse tiberbruckt. Alsbald tritt die Bahn in den 590 m langen Prebichl-Tunnel ein und erreicht inmitten desselben den Scheitel- punkt der Bahn in 1204 m Seehohe. Ab- warts gegen Vordernberg zu waren her- vorzuheben der funfbogige Rotzgraben- V i a d u c t, ferner der Rebenburghof- V i a d u c t mit sechs und der V ordern- bergerbach-Viaduct mit vier Oeff¬ nungen, der die Reichsstrasse noch ein- mal zum dritten Male tiberbruckt [Abb. 205—209]. Die Bahn wurde am 15 - September 1891 dem Betriebe tibergeben. Zur Ver- wendung gelangen combinirte Abfsche Locomotiven [Abb. 210], welche ausser- lich den gewohnlichen Adhasionsmaschi- nen mit aussenliegenden Dampfcylindern gleichen. Zwischen den Rahmen ist aber ein zweites Cylinderpaar angeordnet, das ohne Vorgelege, also unmittelbar mittels Kreuzkopf und Querstange, zwei unter- einander gekuppelte Zahnradachsen in Be- wegung setzt. Die Adhasionsmaschine arbeitet ununterbrochen an jeder Stelle der Bahn, wahrend der Zahnradmecha- nismus eingestellt wird, sobald die Zahn- stange aufhort. Versuche lehrten, dass eine solehe Maschine eine Nettolast von 99^ t und ein Rohgewicht von 150 t zu befordern im Stande ist. Reichenberg- Gablonz-Tann- wald, concessionirt 2. Juli 1886 und 15. Marž 1893, ist eine Gebirgsbahn im wahrsten Sinne des Wortes, hier wech- seln tiefe Einschnitte mit hohen Dammen, Viaducten und Tunnels [einer von 412 m Lange]. Die Station Morchenstern wurde thatsachlich ganz den Felsen abgenommen. Die grossen technischen Schwierigkeiten des Baues stellten ebenso grosse finan- zielle Anforderungen. Eines der Haupt- punkte ist der sogenannte Bettelgrund- Viaduct bei Morchenstern. [Abb. 211.] Die Strecke Reichenberg -Gablonz wurde am 26. November 1888, die Fortsetzung bis Tannvvald und der Fliigel Morchenstern- Josefsthal-M.axdorf am 10. October 1894 eroffnet. Den Betrieb fiihrt die Siid-nord- deutsche Verbindungsbahn. Mori-Arco-Riva. Die am 23. No¬ vember 1889 concessionirte 24'5 km lange schmalspurige [76 cm] Bahn ist wohl eine der landschaftlich schonsten und technisch sch\vierigsten Localbahnen Oesterreichs. Sie fiihrt von Mori [Siid- bahnstation] im I73'4 m Seehohe west- lich, erreicht stets ansteigend die Station Loppio [2 24'2 m ] in der Nahe des gleich- namigen einsamen Gebirgssees [Abb. 212], umfahrt diesen, zieht vorerst in nordlicher, dann in siidlicher Richtung, beschreibt abermals eine grosse Schlinge zum Ueber- gang in die nordliche Richtung, iiber- schreitet in km 11 die Wasserscheide [269^2 m] und senkt sich in einem grossen westlichen Bogen allmahlich zur Station Nago [221 ’9 m] herab; sie hat eine karst- ahnliche Felswildnis mit gekluftetem Ge- stein und uberhangenden Wanden durch- quert und eroffnet nach dem Verlassen des Gebirgsdefilečs einen herrlichen Blick auf den Gardasee und Riva. In Gefallen von r6'5 26 °/ 00 erreicht sie Arco [86 - 8 m] und die Endstation Riva [66‘6 m]. Die Bahn wurde am 29. Januar 1891 eroffnet. Die Valsugana-Bahn Trient- Tezze [65 km] wurde am 11. Januar 1894 concessionirt und am 27. April 1896 eroffnet und strebt die kiirzeste V erbindung zwischen Sudtirol und Venedig an. Obzwar als Localbahn in Aussicht genommen, gleicht sie in ihrer heutigen Anlage einer normalspurigen grossen Gebirgsbahn, [ndem sich ein Kunstbau an den anderen reiht. [Abb. 213—215.] Von der Station Trient [i92'5 km See- 5i8 P. F. Kupka. hohe] fahrt sie in siidostlicher Richtung liber Damme und gemauerte Viaducte, einen mit 48 Oeffnungen k 8 m lichte Weite, einen zweiten mit 74 Oeffnungen a 8 m und 1 Oeffnung mit 10 m lichte Weite, in die linksseitige Etschthalebene, wendet sich behufs Langengevvinnung nach Siiden, dann nach Durchfahrung des S. Roccotunnels [373 m Lange] nach Norden und schlagt bei der Halte- stelle P o v o wieder eine nordostliche Richtung ein, von wo sie im Thale der Fersina dem linken Ufer des Wildbaches auf Dammen, Stiitzmauern, Viaducten und durch Tunnels von 376'6, I26’2, i66'2 und 81‘5 m Lange folgt. Bei Pergine tiberschreitet sie die Wasserscheide in km 17'7 und 471 m Seehohe und zieht im Gefalle sudlich zum Caldonazzosee, um- fahrt diesen, erreicht die Station Levico in km 30’4, folgt in ostlicher Richtung dem Laufe der Brenta, diese selbst zwei- mal iibersetzend und erreicht iiber Strigno und Grigno die Reichsgrenze bei Tezze. Monfalcone-Cervignano, oder Friaulerbahn, 22. Mai 1893 concessionirt und 10. Juni 1894 eroffnet. Diese i6’4 km lange normalspurige Linie ist nicht nur von erheblicher Bedeutung fur die frucht- bare friaulische Tiefebene, sondern bildet auch die kiirzeste Verbindung zwischen Triest und Venedig. Das bemerkens- wertheste Object ist die Halbparabel- trager - Eisenbriicke iiber den Isonzo mit 7 Oeffnungen von je 50 m lichte Weite, die einen Kostenaufwand von 400.000 fl. verursachte. [Vgl. Abb. 153 a und I53b im Bd. II, Seite 293 und 294.] Die Localbahn Herzogenburg- Krems-Sigmundsherberg, 61 '3 km lang, wurde am 12. October 1866 con¬ cessionirt und am 16. Juli 1889 eroffnet. Die grosse eiserne Donaubrucke bei Krems hat vier Oeffnungen zu 80 m und zwei Oeffnungen zu 60 m lichte Weite. [Abb. 216 und Abb. 160 im Bd. II, Seite 304.] Der Betriebsdienst wird vom k. und k. Eisenbahn- und Telegraphen- Regiment besorgt. Ybbsthalbahn. Diese am 22. Octo¬ ber 1894 concessionirte schmalspurige, [76 cm\, mit einer 4°/ die grosste 250°/ 00 [1 : 4]. Der kleinste Kriimmungshalbmesser betragt 80 m, die Spurweite I m. Die Zahnradbahn ist nach dem System A b t ausgefiihrt. In den Steigungen bis zu 80°/ 00 liegt eine ein- fache Zahnstange, in den Steigungen iiber 8o°/ 00 eine doppelte Zahnstange. [Abb. 244 und 245.] Die in jiingster Zeit eroffnete Zahn¬ radstrecke der Schneebergbahn, die als Localbahn concessionirt wurde, fand bereits an anderer Stelle Erorterung.*) Elektrische Eisenbahnen. Kurze Zeit, nachdem Siemens und H a 1 s k e die erste elektrisch betriebene Eisenbahn, die im Jahre 1881 eroffnete schmalspurige Verbindungsbahn vom Ber¬ lin-Anhalter-Bahnhof zum Cadettenhaus in Lichterfelde dem offentlichen Verkehre ubergeben hatten, beschaftigte sich Fried¬ rich S c h ii 1 e r, der verdienstvolle Gene- ral-Director der Siidbahn, mit dem Ge- danken, auch im Bereiche seiner Unter- nehmung, fiir die er schon so vielfache treffliche Neuerungen geschaffen, eine elektrische Eisenbahn einzurichten. Seinen Bemiihungen verdankt sohin die erste elektrische Eisenbahn, welche auf eine grossere Lange ausgefiihrt wurde, ihr Ent- stehen, die im Jahre 1883 von der k. k. priv. Siidbahn-Gesellschaft erbaute schmal¬ spurige Bahn von Modling in die Briihl, dem beliebten Ausflugsorte der Wiener. Am 23. August 1882 war bereits die Concession erworben und am 22. October 1883 rollte auf der Strecke Modling- Klausen der erste elektrisch betriebene Wagen. Am 6. April 1884 wurde die Fortsetzung in die Vorderbriihl und am 14. Juli 1885 jene bis in die Llinterbriihl [zusammen 4 - 5 km] eroffnet. Die Spur- weite der Bahn betragt 1 m, die Zulei- tung des Stromes erfolgt von der auf dem Bahnhofe in Modling erbauten Cen- tralstation aus oberirdisch, mittels ge- schlitzter Rohren. Auch die Ruckleitung erfolgt oberirdisch. [Abb. 246.] Zur Strom- erzeugung dienen sechs primare Dynamo- maschinen von 120 Kilowatt Betriebskraft. Die Bau- und Anlagekosten der Bahn wurden aus dem Gesellschaftsvermogen bestritten und betrugen 5 20 - 000 A-> be- ziehungsweise 116.3241!. pro Kilometer. Die Anlage hat im Jahre 1895 das Anlage-Capital mit 3'42 °/ 0 verzinst. *) Vgl. Bd. I, 2. Theil, P. F. Kup k a, I Das Localbahnwesen in Oesterreich. Kleinbahnen. 555 Trotz des gelungenen Versuches, die elektrischen Bahnen einzufiihren, blieb das Vorgehen der Siidbahn ziemlich lange ohne Nachahmung. Erst in der aller- jiingsten Zeit trat ein lebhafteres Interesse koniglichen Thiergarten in Bub en S und durch die Urkunde vom 2. Februar 1893 die definitive Concession fiir diese Linie sowie fiir deren Fortsetzung bis zum koniglichen Lustschlosse in Bubenfi. Die Abb. 246. Elektrische Eisenbahn Modling-Hinterbriihl. fiir elektrische Eisenbahnen in Oester- reich zu Tage. Am 11. Mai 1891 erhielt der In- genieur Franz Kfizik vom Handels- ministerium die vorlaufige Bewilligung zur Herstellung und zum Betriebe einer elektrischen Eisenbahn von der Bel- vedere-Anhohe in Prag bis zu dem erste Strecke ward am 18. Juli 1891, die Erganzung am I. September 1893, er- offnet. [Zusammen i - 5 km.] Die normalspurig angelegte Bahn wird durch zwei Dynamomaschinen [von je 48 Kilowatt] betrieben. Die Strom- zuftihrung erfolgt durch oberirdische Trolley-Leitung. 556 F. R. Engel. Derselbe Concesslonar erhielt am 16. Marž 1895 die Bewilligung zum Bau einer normalspurigen elektrischen Bahn von Prag nach Vysooan mit der Ab- zweigung Palmovka-Lieben [zusammen 5-139 km] die am 19. Marž, beziehungs- weise 4. October 1896 dem Betriebe ubergeben wurden. Eine weitere normalspurige elek- trische Bahn, die zur Zeit, mit welcher dieser Riickblick abschliesst [Ende 1896], im Betriebe stand, hat ihren elektrischen Betrieb dem Umstande zuzuschreiben, dass man, als es sich darum handelte, die elektrische Beleuchtung des Curortes Baden bei Wien einzufiihren, bedacht war, eine \veitergehende Ausniitzung der nothwendigen elektrischen Centralstation zu schaffen und aus diesem Grande die bereits bestehende Pferdebahn far elek¬ trischen Betrieb einrichtete. Darauf ist auchdienormaleSpurweitezuruckzufubren, die beibehalten vverden musste, weil eine Einstellung des Betriebes zum Umbau der mit 1-435 m angelegten Pferdebahn unzulassig erkannt wurde. Die elektrische Bahn von Baden nach V 6 s 1 a 11, welche diese in der Nžihe Wiens so schon gelegenen und beriihmten Curorte, beziehungsweise Sommerfrischen verbin- det, dankt ihre Entstehung als elektrische Bahn der Thatkraft des Wiener Elektro- technikers Franz Fischer. Vorerst wurde die ehemalige Pferdebahn Baden-Hele- nenthal [3‘24 km] am 16. Juli 1894 als elektrische Bahn eroffnet und am 22. Mai 1895 die Linie B a d e n -V o s 1 a u [4*88 km] dem Betriebe ubergeben. Das urspriing- liche Project einer Ringbahn um den Cur- ort Baden musste \vegen der ablehnenden Haltung des dortigen Gemeinderathes auf- gegeben werden. Die Stromzufuhrung er- folgt oberirdisch [Trolley-Leitung]. Ausserdem standen 1896 noch vier -vveitere schmalspurige elektrische Eisen- bahnen im Betriebe, so dass sich im Ganzen acht verschiedene Unternehmun- gen dieser Art ergeben, und zwar: Kleinbahnen. 557 Ende des Jahres 1896 waren in Oester- reich 2,680.000 fl. in elektrischen Bahnen angelegt, die bei einer Gesammtlange von 43'635 km iiber 63 Motorivagen und 28 Beiwagen verfiigten.*) Neben der dem offentlichen Verkehre dienenden Kleinbahnen m o gen schliess- lich an dieser Stelle noch jene Bahnen Erwahnung finden, die, obzwar sie nur privaten Interessen dienen, doch wichtige V ermittler des Verkehres bilden : Die Schleppbahnen. Eine genaue Feststellung der Zahl und Lange der den besonderen Zwecken der Industrie dienenden Schleppbahnen [Industriebahnen] wurde in Oesterreich officiell erst im Jahre 1876 vorgenommen. *) Hier sind die Langen und elektrischen Betriebsmittel der erst spater ftir elektrischen Betrieb eingerichteten Strecken der Wiener Tramway-Gesellschaft nicht eingerechnet. Ueber den Stand der Drahtseil- bahnen in Oesterreich [zusammen 0-917 km\, die sammtlich mit einer Spur- weite von I m angelegt sind, gibt nach- stehende Zusammenstellung Aufschluss: Die bis dahin veroffentlichten Daten sind unvollstandig und unzuverlassig. Die von Strach im ersten Bande dieses Werkes [1. Theil, Seite 497 und 501] veroffent- lichte Zusammenstellung liber den Stand der Montan- und Industriebahnen im Jahre 1867 lasst erkennen, wie sparlich noch zu jener Zeit diese Hilfsmittel der heimat- lichen Industrie zur Verfiigung standen. Das Verkehrsgebiet von elf Haupt- bahnen umfasste zu jener Zeit in Oester¬ reich zusammen 162 km an Montan- und Industriebahnen. Auf Grund der von der k. k. statistischen Central-Commission veroffentlichten Daten waren im Jahre 1876 erst 489 km Schleppbahnen, 1886 jedoch 784 km und Ende des Jahres 1896 schon 1 135’5 km solcher Bahnen vor- Drathseilbahnen. *) Bei der Schlossbergbahn in Graz wirkt eine stabile Dampfmaschine als bewegende Kraft, wahrend hiezu bei den iibrigen Seilbahnen das Uebergewicht der mit Wasser belasteten, abwarts gehenden Wagen beniitzt wird. Die Wagen sind zu diesem Behufe mit entsprechenden Behaltern ausgeriistet. 558 F. R. Engel. handen. Dieselben vertheilten sich zu diesem Zeitpunkte, und zwar: bei den Bahnen im Betriebe der k. k. Staatsbahnen . . . 353 '2 km » » k. k. Staatsbahnen im 1135 5 km * * * Der vorliegende Ueberblick iiber das Kleinbahnwesen Oesterreichs lasst er- kennen, dass wir hier ein Gebiet be- leuchtet haben, das erst am Beginn seiner Entfaltung steht. Das, was unser Vater- land bisher an Kleinbahnen aufzuweisen hat, kann unmoglich den immer steigen- den Verkehrsbedurfnissen entsprechen, und dem privaten Unternehmungsgeiste steht hier ein dankbares Feld offen. Ein Vergleich Oesterreichs mit an- deren Landern zeigt deutlich, wie viel es hier einzubringen gilt und die That- sache, dass Ungarns Local- und Klein¬ bahnen beinahe die doppelte Lange der osterreichischen erreichen, ist markant genug, als dass es noch weiterer Hin- weise bediirfen wiirde. Aber mit Befriedigung kann alliiberall der Durchbruch eines regeren Schaffungs- geistes festgestellt werden. Von der Reichshaupt- und Residenzstadt abgesehen, welche endlich ihre Strassen- bahnen erweitert und auf elektrischen Betrieb umgestaltet, macht namentlich der Bau elektrischer Bahnen in den Provinz- stadten und auf dem flachen Lande, be- ziehungsweise die Umgestaltung der alten Pferdebahnen in elektrische Strassen- bahnen riistige Fortschritte. Es steht zu erwarten, dass bald jedes Gemeinwesen, jeder Ort in das grosse Getriebe der eisernen Verkehrswege ein- geschaltet sein wird, dass die in der Umgebung der Grossstadte als Dampf- tramways fiihrenden Proviantirungs- und Ausflugslinien baldigst durch die rascher verkehrenden und daher weit leistungs- fahigeren elektrischen Bahnen ersetzt werden. Ganz besonders aber bleibt in dem alpenreichen Oesterreich auf dem Gebiete der Bergbahnen [Zahnradbahnen] Viel zu leisten iibrig. Da auch die Industrie den Werth der Kleinbahnen langst erkannt hat, so ist es wohl nur eine Frage der Zeit, dass jedes Industrie-Etablissement, ja jeder Meierhof seine Kleinbahn erhalt, welche ihn an das grosse Schienennetz anschliesst, das seine Zweige in alle Welt hinaus- sendet, ihn an den Weltverkehr an¬ schliesst. INHALT des I. Bandes [II. Theil]. , Seite J. KONTA, Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart. 1 H. KOESTLER, Die Wiener Stadtbahn.427 P. F. KUPKA, Das Localbahnwesen in Oesterreich.467 F. R. ENGEL, Die Kleinbahnen in Oesterreich.521 K. U. K. HOF8UCHDRUCKEREI KARL PROCHASKA IN TESCHEN. CHROMOLITHOGR. ANSTALT, BUCHBINDEREI.