UDK 81'25:929Trubar P. Jochen Raecke Univerza v Tübingenu PRIMUS TRUBER UND JURIJ DALMATIN ALS ÜBERSETZER - MIT DEN AUGEN JERNEJ KOPITARS GESEHEN Prispevek kaže, da je Kopitar na eni strani prepoznal Trubarja in Dalmatina kot prva, ki sta pisala slovenščino, na drugi strani pa je kritiziral njun način pisanja slovenščine. Njune prevode je ocenil kot mešanico nemških in slovenskih besed. S tem je pokazal in dokazal da nikakor ni razumel, kaj je bil temeljni namen Trubarjevih in Dalmatinovih prevodov. Nista namreč prevajala, da bi dokazala, da imajo Slovenci svoj narodotvorni jezik, ampak zato, da bi se narod lahko zveličal, da bi lubi preprosti Slovenci mogli lahku zastopiti knjižna besedila. The article shows that Kopitar on the one hand recognized Trubar and Dalmatin as being the first people to write in Slovene, but on the other hand he criticized the way in which they wrote. He described their translations as a mixture of German and Slovene words. With this statement he revealed that he did not understand why Trubar and Dalmatin translated into Slovene in the first place. They did not translate in order to show that Slovenes had their own language, but in order to facilitate understanding, so that people could find salvation. Ključne besede: identifikacijska vloga jezika, sporazumevalna vloga jezika, Primož Trubar, Jurij Dalmatin, Jernej Kopitar Key words: denotative function of language, communicative function of language, Primož Trubar, Jurij Dalmatin, Jernej Kopitar 1 Auch wenn die folgenden Zeilen einen Beitrag zu einem Symposium in Slovenien darstellen und in einer slovenischen Zeitschrift erscheinen, sind sie nicht in slovenischer Sprache geschrieben. Sie sind vielmehr in jener Sprache geschrieben, die Jernej Kopitar in den übersetzungen Trubers und Dalmatins so schmerzlich in die Augen fiel. Das Deutsche in den slovenischen Texten der beiden ist aber im vorliegenden Zusammenhang mehr als nur das, was Kopitars Kritik hervorrief: es ist auch die Sprache, in der diese Kritik geäußert wurde. Es kann also durchaus seltsam wirken, wenn Kopitar Truber und Dalmatin in reinster deutscher Sprache den Vorwurf macht, in ihren (doch immerhin) Slovenisch geschriebenen Texten fände sich viel zu viel Deutsches. Zu Primus Truber meinte er, dass er »überhaupt stark germanisire« (Kopitar 1808/1980: XXXV), dass dieses »Germanisiren« eigentlich unnötig sei, also »ohne Noth« geschehe und dass er deutsche Wörter oft nur aus Bequemlichkeit anstelle slovenischer verwendete (Kopitar 1808/1980: 55). Und wenn er seine Kritik in der rhetorisch durchaus ansprechenden Formel gipfeln lässt, Truber schreibe eigentlich gar nicht Krainisch, sondern »Deutsch mit Krainischen Wörtern« (Kopitar 1808/1980: 28), dann ist es ja schon ein Lob, wenn er 1808 meint, Dalmatin »horchte ungleich aufmerksamer auf die Stimme des Slavischen Genius, als der Anfänger Truber« (Kopitar 1808/1980: 37 ) und »sein D a l m a t i s i r e n ist ein viel kleineres übel als Trubers G e r m a n i s i -ren« (Kopitar 1808/1980: 28). Nur muss er dieses halbherzige Lob 1809 schon wieder zurücknehmen, weil er in Wien erkennen muss, dass der übersetzer der Spangenberg- schen Postille gar nicht Dalmatin, sondern Sebastian Krelj war (Kopitar 1808/1980: 424). Dalmatin war also kein geringerer Germanisierer als Truber. Im vorliegenden Beitrag geht es damit um den Kopitarschen Vorwurf des Germanisierens in Primus Trubers und Jurij Dalmatins Slovenisch geschriebenen Texten, resp. um die Deutsch geäußerte Kritik an den vielen deutschen Blümchen, aus denen der slovenische Kranz (auch) bei ihnen auf deutsche Art geflochten sei (Kopitar 1808/1980: 54). Das bedeutet, dass das Deutsche der eigentliche Verhandlungsgegenstand dieses Beitrags ist. Und wer es nicht wenigstens passiv beherrscht, wird nichts von dem verstehen, was überhaupt verhandelt wird. Passive Beherrschung heißt dabei bekanntlich nicht mehr, als dass man Deutsch geschriebene Texte versteht, es heißt nicht, dass man es auch so gut spricht, wie Truber und Dalmatin es zweifelsfrei konnten. Von entscheidender Bedeutung dafür, dass sie so viel Gebrauch von ihren aktiven Deutschkenntnissen gemacht haben, dürfte aber ein weiterer Umstand sein, nämlich der, dass sie das Deutsche nicht nur gut sprechen, sondern auch gut schreiben konnten. Das gibt sich nicht nur in zahlreichen rein Deutsch geschriebenen Briefen und Vorreden zu erkennen. Das Vermögen, Deutsch zu schreiben, dürfte es auch gewesen sein, das ihnen bei der Niederschrift ihrer slovenischen Texte so viel strukturell Deutsches (neben dem materiell Deutschen) in die Feder fließen ließ, dass es dem selber ja Deutsch schreibenden Kopitar nur so zu Mute werden konnte, als ob er eigentlich einen deutschen Text lese, in dem nur die Wörter nicht deutsch seien. Wollte man allerdings ernsthaft versuchen, zu verstehen, weshalb denn in Trubers und Dalmatins slovenischen Übersetzungen so viel Deutsches anzutreffen ist - Kopitar wollte das offensichtlich nicht -, dann müsste man sich etwas klar machen, was Kopitar sich wiederum nicht klar gemacht hat. Wie man Slovenisch spricht, wussten Truber und Dalmatin aus ihrer Praxis als Prediger in ihrer »windischen« Heimat zur Genüge, wie man jedoch Slovenisch schreiben sollte, darüber mussten sie sich nächtelang den Kopf zerbrechen. Und eine Lösung dafür, wie man richtig, gut und verständlich für das einfache Volk schreibt (und für andere; als Angehörige des einfachen Volkes wollten sie ja gar nicht Slovenisch schreiben), die konnten sie nun einmal nicht in Slovenien, sondern nur in Deutschland finden. Denn da hatte ein Martin Luther in kaum zu übertreffender Weise gezeigt, wie man richtig, wirkungsvoll und eben vor allem: für das einfache Volk verständlich schreiben konnte. Daran schließt sich eine zweite Frage an, die Kopitar genauso wenig in den Kopf gekommen ist: Was sollte denn, vom Standpunkt Trubers und Dalmatins aus gesehen, eigentlich schlecht daran sein, wenn man eine Sprache, die bislang nicht geschrieben, sondern lediglich zur leichteren Bewältigung eines schweren Alltags gesprochen wurde, wenn man also eine solche Sprache mit anderen Wörtern genauso schrieb wie jene Sprache, für die Martin Luther von Gott die Aufgabe erhalten hatte, der Welt zu zeigen, wie man schreiben konnte, »so dass sie es denn verstehen«. 'Sie' sind dabei nach Luthers bekannten Worten »die Mutter im Hause, das Kind auf der Gassen, der Vater auf dem Markt«. Für die wurde nämlich bis zu Luther nirgendwo im christlichen Abendland geschrieben. Wenn man also das nur im Hause, auf dem Felde und im Stall gesprochene Slovenisch in der gleichen Weise zu einem geschriebenen und schreibbaren Slovenisch machen wollte, wie Martin Luther das bis dahin ja ebenfalls nur »im Hause, auf der Gassen und auf dem Markt« gesprochene Deutsch zu einem geschriebenen und schreibbaren Deutsch gemacht hatte, warum sollte man ein solches Slovenisch dann nicht nach diesem Bilde schaffen, genau so wie Gott doch den Menschen »nach seinem Bilde« geschaffen hatte? Und wenn Gott der Herr selber so verfahren war, was sollte dann an diesem Verfahren, nach dem Bilde eines Vorhandenen etwas Neues zu schaffen, schlecht sein? Konnte das Slovenische denn nicht nur gewinnen, wenn man es zukünftig genauso gut schreiben konnte, wie das Deutsche? Und der Weg war schließlich der nämliche, den man in der Geschichte der Schriftsprachen immer beschritten hatte: man bildete sprachliche Erscheinungen, Phraseo-logismen oder syntaktische Konstruktionen, die es in einer bis dato nur gesprochenen Sprache zujenem Zeitpunkt nicht gab und auch gar nicht zu geben brauchte, man bildete also solche Erscheinungen, Phraseologismen oder syntaktischen Konstruktionen, die in der Vorbildsprache bereits vorhanden waren, einfach nach. Oder hatten es die Mönche im Mittelalter, die die ersten deutschen Texte verfassten, hatten es Kyrill und Methodius, die die ersten slavischen Texte verfassten, seinerzeit anders gemacht, als sie Texte aus dem Lateinischen und Griechischen ins Deutsche resp. Slavische übertrugen? 2 Kopitars Blick auf die übersetzungstätigkeit von Truber und Dalmatin ist also leicht erkennbar nicht von der reinen und auch nicht von der praktischen Vernunft der Aufklärung erhellt, sondern von einer Einstellung gegenüber dem Deutschen verdunkelt, die alles andere als »vernünftig« war. Sucht man nach einer Erklärung oder Begründung dieser »unvernünftigen« Einstellung, dann kann man sie leicht darin finden, dass Kopitar geistig zwischen zwei verschiedenen Denkparadigmen oder Geisteshaltungen hin- und herwanderte, weil er seine Bildung und geistige Ausbildung an der Wende vom Rationalismus zum Historismus erhielt. Insofern darf man sich nicht wundern, dass man in seiner Grammatik zwar auch rationale und pragmatische Argumentationen findet, aber eben nicht durchgehend. Er trug mit dem aufkommenden Historismus und dem zu Ende gehenden Rationalismus gleichsam zwei Seelen in der Brust, eine rationalistische und eine historistische. Und diese letztere war stark von Herders romantischer Denkweise geprägt (Raecke 2002). Als wesentliches Anliegen des vorliegenden Beitrags stellt sich damit heraus, dass Kopitars Blick auf Truber und Dalmatin als übersetzer aus einem bestimmten Denkparadigma heraus begründet werden soll - einem Denkparadigma, das ganz natürlich das Denkparadigma seiner Zeit war und auch unter der damaligen slovenischen Intelligenz immer stärker Platz griff. Mit der Begründung ist natürlich verbunden die Idee, Verständnis für Kopitars Kritik zu erreichen. Verständnis allerdings nicht in dem Sinne, dass ihrem Autor Recht gegeben wird. Es soll vielmehr aufgezeigt werden, dass Kopitar eine Auffassung von der Leistung der Sprache hatte, die man kennen muss, wenn man seine Kritik verstehen will. Die Kenntnis ändert dann aber nichts daran, dass der Kritiker Truber und Dalmatin schlichtweg missverstanden hat, missverstanden i n dem, worum es diesen beiden letztlich ging, und missverstanden deshalb, weil er das, was er selber mit seiner Grammatik wollte, weit über das stellte, was Truber und Dalmatin wollten. Und weil er sich darüber hinaus für das, was Truber und Dalmatin mit ihrem Werk im Sinn hatten, gar nicht ernsthaft interessierte. Dessen ungeachtet möchte ich die Bemerkung einflechten, dass mir der kritische Blick Kopitars sympathischer ist, als mancher andere Blick, der in Trubers und Dal-matins Leistung nichts anderes sieht als etwas, das selbst mit hymnischen Worten nicht genug gepriesen ist. Denn Kopitars Blick ist kritisch, ist nüchtern und lässt deshalb bestimmte Dinge bei Truber und Dalmatin genau s o erkennen, wie sie sind. Im Unterschied zu manchem, was in heutiger Zeit über Truber und Dalmatin zu hören und zu lesen ist, verliert Kopitar bei seinem Lob dafür, dass das Slovenische von diesen beiden zum ersten Mal in der Geschichte zu Papier und in Buchform gebracht wurde, nicht aus dem Auge, was in diesem Slovenisch genau genommen gar nicht slovenisch ist, will sagen: nicht im gleichen Sinne slovenisch ist, wie es dasjenige ist, das in ihnen aus schließlich slovenisch ist. Weil Kopitar Deutsch konnte (im Unterschied übrigens zu vielen, die nur Slovenisch können und deshalb Germanismen gar nicht erkennen können!) sah er vieles bei Truber und Dalmatin, was zwar slovenisch gekleidet, zur gleichen Zeit aber auch in deutschen Texten in Mode war und daher mit einiger Sicherheit aus dem Deutschen stammte. Bei aller Anerkennung, die Kopitar Truber und Dalmatin dafür aussprach, dass sie sich getrauten, ihr Windisch in Form von Büchern nach Slovenien zu bringen, verschwieg er also nicht, was er meinte, an diesem Windisch tadeln zu müssen. Und dafür gebührt ihm durchaus Lob, denn es weist ihn aus als jemanden, der über einfache, d.h. auf ein unreflektiertes Nationalgefühl gegründete Loblieder für die beiden Pioniere der slovenischen Schriftsprache deutlich hinauskam. Und außerdem ließ er es als derjenige, der Truber wiederentdeckte und damit gleichsam wiederbelebte, von Anfang an als fragwürdig erkennen, in Primus Truber den »Vater« der heutigen slovenischen Schriftsprache zu sehen. Wirkung konnte in Slovenien nämlich nur sein Ziehsohn Dalmatin mit seiner Bibelübersetzung verzeichnen, denn anders als Trubers Schriften war diese dort nicht verboten bzw. verbrannt worden. Trubers Schriften waren allenfalls in irgendwelchen privaten Bibliotheken versteckt und konnten gar keine Wirkung entfalten. Das konnte nur Dalmatins Bibelübersetzung und insofern kommt Truber nicht als Vater, sondern höchstens als »Großvater« der slovenischen Schriftsprache in Frage. 3 Dieses Lob für Jernej Kopitars kritischen Blick auf Truber und Dalmatin als übersetzer heißt, wie gesagt, nicht, dass man Kopitars Kritik ohne Weiteres teilen könnte. Das Lob geht lediglich dahin, dass er sich nicht in überschwänglichen Lobeshymnen erschöpfte, sondern in Truber und Dalmatin letztlich - und das auch ganz gewiss zu Recht - nur den Anfang von etwas sah, das erst noch zu seinem Ende gebracht werden musste. Und das Lob für Kopitar heißt genauso wenig, dass er an dieser Stelle vor allem als derjenige herausgestellt werden soll, dem das Verdienst zufällt, auch Truber und Dalmatin zu so etwas wie einer Wiedergeburt in Slovenien verholfen zu haben. Mit dem auch ist gemeint, dass Kopitar ursprünglich »nur« ganz Slovenien resp. dem slovenischen Volk zu seiner Wiedergeburt verhelfen wollte, indem er in Form einer Grammatik für alle Slovenen die Grundlage für eine gemeinsame Schriftsprache schuf, so wie sein großes Vorbild J. Chr. Adelung sie für das Deutsche geschaffen hatte. Jedoch gelangten ihm in Žiga Zois Bibliothek, als deren Verwalter oder Bibliothekar er als junger Mann eingestellt wurde, einige von Trubers und Dalmatins Werken gleichsam als Glücksfälle in die Hände, und so konnte er diese beiden als die ersten anführen, die den Slovenen die Schriftlichkeit gebracht hatten, so wie Methodius und Kyrill sie einst den Slaven gebracht hatten. (Die Freisinger Denkmäler fielen ihm erst später in die Hände.) Was Kopitar ursprünglich und überhaupt insgesamt wollte, will ich hier allerding auch nur erwähnen, nicht verhandeln; hier geht es allein darum, ihn nicht weniger kritisch zu sehen, als er Truber und Dalmatin gesehen hat, und aus dieser kritischen Sicht heraus eine Antwort auf die Frage zu versuchen, wie er denn überhaupt zu einer derart negativen Bewertung von Trubers und Dalmatins Slovenisch gelangen konnte. Denn wenn er sie dafür tadelt, dass sie nicht nur, wie viele später, mit »krainischen Blümchen einen Kranz auf deutsche Art geflochten« hätten, sondern darüber hinaus auch viele krainische Blümchen »ohne Noth« und aus »Bequemlichkeit« durch deutsche Blümchen ersetzt hätten (die entsprechenden Zitate s.o.), dann geht die Kritik ja in die Richtung, Truber und Dalmatin hätten eigentlich das schlimmste »Kauderwelsch« (Kopitar 1808/1980: 54) geschrieben, das es in der Geschichte des Slovenischen bis zu Kopitar gab. Da aber drängt sich doch die Frage auf, welche Geisteshaltung hinter diesem derben Tadel steckt. Eine Antwort auf diese Frage wäre übrigens natürlich zugleich die Antwort auf die weitere Frage, weshalb es noch lange nach Kopitar in Slovenien soviel Kritik an Truber und Dalmatin als übersetzer gegeben hat. Denn die spätere Kritik tut ja in Wirklichkeit nicht mehr, als dass sie mit nur noch schärferen Worten anprangert, was Kopitar schon viel früher mit scharfen Worten gegeißelt hatte. Steht damit konkret die Verurteilung des Gebrauchs von Wörtern oder auch Konstruktionen des Deutschen im Slovenischen in Frage, sollte man sich zuvor ganz generell bewusst machen, dass der Tadel an fremden Elementen in Texten, die an sich in der sog. Muttersprache des Autors verfasst sind, nichts ist, was man als 'allgemein verbreitet', 'selbstverständlich', 'naturgegeben' oder gar als 'natürlich' ansehen könnte. Denn in wissenschaftlichen Werken wimmelt es bekanntlich von Fremdsprachlichem und wer sonst in der Gesellschaft auf sich gehalten hat oder auch heute noch auf sich hält, versuchte und versucht immer wieder, andere wissen zu lassen, dass er diese oder jene Fremdsprache beherrscht. Einfach, indem er dieses oder jenes Wort in seine Rede wie absichtslos einfließen lässt. Verurteilt wird so etwas also keineswegs immer und es werden häufig damit auch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen: auf der einen Seite wird man gesellschaftlich höher angesehen, auf der anderen Seite wird man leicht als zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen gehörend erkannt und anerkannt. Ärzte geben sich auf diese Art und Weise gern als solche zu erkennen, Theologen tun das, das tun aber auch Zuhälter und Politiker tun es immer öfter. Kann damit schnell Einigkeit darin erreicht werden, dass eine Abwehrhaltung gegenüber oder der Tadel an fremdsprachlichen Elementen keineswegs natürlich ist, dann ist er logischerweise von anderer Art, und das heißt, er ist »k u 11 ü r l i c h «. Solcher Tadel hat mit Kultur zu tun, und Kultur ist immer entweder ein soziales Schichtenphänomen oder an bestimmte Gruppen gebunden, immer jedoch ein Zeitphänomen. Und diese Zeitbedingtheit aller Urteile über Truber und Dalmatin möchte ich hier en passant ansprechen. Kopitar bietet mir also willkommene Gelegenheit, etwas mit ihm zu tun, was im Jargon populärer Wissenschaftlichkeit hieße, dass ich ihn instrumentalisiere, d.h. nur zu benutzen, um etwas zu exemplifizieren. Das nämlich, dass wir uns auch und gerade in diesem Truberjahr der Zeitgebundenheit unserer Urteile und Erkenntnisse viel klarer bewusst werden sollten, als wir das normalerweise tun. Wenn Friedrich Schiller klassisch formulierte: »Es ist der Geist, der sich den Körper baut«, dann möchte ich das postmodern umformulieren zu: »Es ist der Geist der Zeit, der sich die Helden baut«. Und das soll sagen, dass auch unser Zeitgeist sich Truber und Dalmatin als »Helden unserer Zeit« baut. Noch einmal anders gewendet: wir sollten uns dessen bewusst werden, dass wir viele Dinge an Truber und Dalmatin heute genau s o und nicht anders sehen, weil wir in unserer Zeit leben, weil wir uns in den Diskursen unserer Zeit bewegen und uns Helden schaffen, die wir selber leider nicht sind. Die Folgerung daraus ist: Wir sollten nicht auf die Idee verfallen, dass wir die beiden heute richtig sehen. Wir sehen sie allenfalls richtiger. Aber: Der richtige Truber und der richtige Dalmatin waren Erscheinungen ihrer Zeit. Was spätere Zeiten aus ihnen gemacht haben, waren immer Erscheinungen dieser Zeiten, weil sie einfach zu jeweiligen Zeitgenossen gemacht wurden. Als solche wurden sie beurteilt oder auch verurteilt. Wir wissen mit Sicherheit, dass diese Urteile und Verurteilungen falsch waren oder den beiden wenigstens nicht gerecht wurden. Wir wissen aber nur, dass sie f a l s c h waren; wie sie richtig wären, wissen wir nicht, und wir können das auch nicht, weil wir keine Zeitgenossen Trubers und Dalmatins sind. Der Weg, der übrig bleibt, um wenigstens in die Nähe der »richtigen« Truber und Dalmatin zu gelangen, ist der, dass wir versuchen, uns zu ihren Zeitgenossen zu machen. Bloß sollten wir uns klar darüber sein: selbst wenn wir versuchen, uns zu ihren Zeitgenossen zu machen, wird man in späteren Zeiten den Kopf schütteln und sich fragen, wie man sie denn nur so sehen konnte, wie wir sie heute sehen. Damit dieser Punkt konkret wird: Ich kann sogar schon heute nur den Kopf schütteln, dass man in beiden, vor allem aber in Primus Truber, Vorläufer oder Wegbereiter unseres heutigen europäischen Gedankens sehen will. Natürlich hat das damit zu tun, dass Slovenien jetzt Mitglied der europäischen Union ist und im Augenblick sogar den Vorsitz in derselben führt, nur wird den sehr bald Frankreich übernehmen, und wenn man in Frankreich jemanden nach Primus Truber fragt, dann schaut der einen mit großen Augen fragend an. Dass Trubers Konterfei heute auf allen slovenischen 1-Euro-Stücken prangt, macht ihn ja noch nicht zu einem Menschen, der den Europäern eine einheitliche Währung auf einem relativ einheitlichen Markt bescheren wollte. Was er wollte, war etwas anderes: nämlich den einfachen Slovenen den Weg in den Himmel öffnen, nicht nach Europa, denn davon waren sie längst ein Teil. Wenn auch einer, der am Rande lag und ständig von Türken bedroht war. 4 Der hier zur Verhandlung aufgeworfenen Frage nach der Berechtigung der Kopi-tarschen Kritik an Trubers und Dalmatins »Germanisiren« kann man in unterschiedlicher Weise nachgehen: Man kann sich etwa praktisch mit ihr auseinandersetzen, d.h. überprüfen, wieweit denn beide überhaupt »Deutsch mit krainischen Wörtern schrieben«, und vor allem auch, ob sie das eigentlich »ohne Noth« taten. Aber das will ich hier nicht tun, weil zu dem Thema der verschiedenen praktischen Formen von Germanismen bei Truber nicht nur eine Dissertation von E. Seitz (Seitz 1998) erschienen ist, sondern dazu auch schon vorher nicht wenig Literatur in die Welt entlassen wurde. Und diese ist ganz natürlich schon bei E. Seitz erwähnt und besprochen. Sie muss also nicht mehr behandelt werden. Entsprechend ist es auch viel sinnvoller, die Frage anders als praktisch zu stellen, nämlich so, wie sie bislang kaum oder gar nicht gestellt wurde, d.h. in dem Sinne theoretisch, wie es vorstehend schon kurz entwickelt wurde: Wie ist Kopitar überhaupt zu seinem Vorwurf gekommen bzw. wie ist Kopitars Kritik aus seiner Zeit und seiner allgemeinen Geisteshaltung heraus zu verstehen? Um ohne Umschweife zur Antwort zu kommen: Kopitar sieht die Dinge so, weil er den Kopf voll gestopft hatte mit Herders romantischen Ideen vom Volk und von den Völkern. Diese Ideen liefen und laufen bekanntlich immer noch darauf hinaus, dass Völker durch die Verschiedenheit der Sprachen zustande kommen. Daraus folgt: es gibt genau so viele Völker, wie es verschiedene Sprachen gibt. Oder anders gewendet: Völker kommen dadurch zustande, dass nicht alle Menschen gleich sprechen, sondern nur jeweils bestimmte Menschen das tun. Die es tun, bilden ein Volk, wer anders spricht, gehört zu einem anderen Volk. Dieser so einfache und scheinbar einsichtige Herdersche Gedankengang hat sich in der jüngeren Geschichte der europäischen Völker - vor allem der südosteuropäischen - als verhängnisvoller Irrweg erwiesen. Und da ich das inzwischen schon mehr als nur ein Mal ausgeführt habe, das letzte Mal in Raecke 2008b, möchte ich das hier nicht wieder tun, sondern für unseren konkreten Fall nur darauf hinweisen, dass Primus Truber und Jernej Kopitar gerade Beispiele dafür sind, dass Völker nicht dadurch zustande kommen, dass Menschen gleich sprechen, sondern dadurch, dass Menschen in bestimmten historischen Konstellationen oder aufgrund bestimmter historischer Gegebenheiten als zu einem Volk gehörig gedacht oder konzipiert werden. Mit der gleichen Sprache ist es so, dass sie am Ende der sog. Ethnogenese steht, weil diejenigen, die zum gleichen Volk gehören sollen, oder besser und genauer gesagt: die als zum gleichen Volke gehörig gedacht werden, eine gemeinsame Sprache bekommen. Voraus geht also die Konstruktion von Völkern, und die geschieht aufgrund von Bedingungen, die sich letztlich historisch zufällig sind. Formelhaft gesagt kommen Völker durch die Geschichte zustande, nicht durch ihre gleiche Sprache. Die gleiche Sprache setzt vielmehr voraus, dass eine zahlenmäßig nicht festgelegte Menge von Menschen als eigenes Volk konzipiert wird. Wer ein lebendes Beispiel dafür sucht, findet es in den Bosniaken. Die waren auf jeden Fall vor ihrer Sprache da und suchen jetzt ihre Sprache. Unser Beispiel sei hier allerdings zunächst Primus Truber. Dieser bezeugt aus eigener Anschauung oder besser gesagt: aus eigener Anhörung - und er hat es nicht nur einmal getan -: dass nämlich das Windische zu seiner Zeit überhaupt nicht überall gleich, sondern von Land zu Land (gemeint sind Krain, Steiermark usw.), ja von Dorf zu Dorf »mit vilen Wörtern vnd Accentibus anderst vnd vngleich geredt« wurde (Sa-krausky 1998: 97). Die Idee, dass all das, was realiter oder materiell verschieden war, dennoch eigentlich Eines sei, also das »Windische«, ist entsprechend ein rein geistiges Konstrukt, das seine Grundlagen in historischen Bedingungen oder Gegebenheiten, nicht aber in der materiell fassbaren sprachlichen Wirklichkeit hat. Kopitar als weiteres Beispiel beschreibt in seiner Grammatik an vielen Stellen die Verschiedenheiten von Niederkrainisch und Oberkrainisch, und wären die politischen Verhältnisse zu jener Zeit und vor allem die Konstruktion der slovenischen Geschichte durch seinen geistigen Vater A. T. Linhart anders gewesen, so hätte man in den verschiedenen Formen des Sprechens, die Truber und auch Kopitar beschreiben, selbstredend Realisierungen verschiedener Sprachen gesehen. Was Herder neben dieser falschen Auffassung von der Reihenfolge 'Volk und gemeinsame Sprache' weiterhin so problematisch macht, ist die Idee, dass die Angehöri gen eines Volkes die gleiche Sprache hätten. Denn stellt man die Frage, wann zwe Sprachen gleich sind, gibt es, wenn die Antwort logisch konsistent sein soll, nur eine sie sind gleich genau dann und nur dann, wenn sie identisch sind. Nur gibt es identisches Windisch allenfalls in ein und demselben Dorf, und Truber betont oder beklagt ja gerade, weil es das übersetzen so schwer macht, dass das Windische nicht überall gleich gesprochen wird, »sonder offt über 2. oder 3. Meil anderst vnd vngleich« (Sakrausky 1998: 97). Wenn Truber in all denen, die da so »anderst vnd vngleich reden«, Winden sieht oder erkennt, dann ganz offensichtlich nicht, weil sie gleich sprechen oder die gleiche Sprache sprechen, sondern obwohl sie verschieden sprechen. Und realiter ist auch die sprachliche Vielfalt der ursprüngliche Zustand (Raecke 2008a), der erst dann und dadurch verändert wird, dass Angehörige des gleichen Herrschaftsgebietes eine für alle verbindliche Sprache »verordnet« bekommen. Bei dieser »Verordnung« geht es um zwei an sich verschiedene Dinge: erstens soll in diesem Herrschaftsgebiet die Grundlage dafür geschaffen werden, dass alle Beherrschten (und meist auch die Herrschenden) relativ leicht miteinander kommunizieren können und zweitens soll die sprachliche Verschiedenheit beseitigt werden. Denn diese bedingt primäre Identitäten und hält sie fest. Durch solche primären (regionalen) Identitäten wird aber die Identität mit dem übergeordneten Staat logischerweise zu einer sekundären und das wird oft nicht gern gesehen (Raecke 2008c). Als Ideal gilt, dass alle Angehörigen eines bestimmten Volkes gleich sprechen und das war es auch, was Kopitar mit seiner Grammatik erreichen wollte. Auch er wusste, wie schon gesagt, aus der praktischen Erfahrung, dass die slavische Sprache in Krain, Kärnten und Steiermark jeweils ganz verschieden klang und er mit seiner Grammatik ein Slovenisch für alle, die er als Slo-venen ansah, überhaupt erst schaffen musste, aber dieses praktische Wissen konnte ihn nicht von seiner theoretischen Überzeugung abbringen, dass die Slovenen nur deshalb alle Slovenen sind, weil sie gleich, d.h. Slovenisch sprechen. Hier liegt aber gerade eine der wesentlichen Leistungen Primus Trubers. Nicht aus der Idee heraus, dass die sprachliche Zersplitterung der Slovenen überwunden werden müsste, ist er »schlecht bey Bewrischer Windischer sprach/ vnd wie mans auff der Rastzhitz redet/^ »bliben« (Sakrausky 1998: 105). Vielmehr hat er erkannt, dass geschriebene Texte völlig anders rezipiert werden als gesprochene. Bei geschriebenen Texten lernt man nämlich relativ schnell, zwischen dem zu unterscheiden, wie ein Wort geschrieben und wie es im eigenen Dialekt gesprochen wird, genauer gesagt: in welcher Buchstabengestalt dieses oder jenes Wort einem unter die Augen und in welcher Lautgestalt es einem normalerweise an die Ohren kommt. Das war, um ein praktisches Beispiel anzuführen, die Basis, auf der im 19. Jahrhundert in Kroatien in der Latinica für eine Zeit lang der Buchstabe e eingeführt wurde. Den konnte jeder aussprechen, wie er wollte, ob als 'e', als 'ije', als 'je' oder als 'i'. Entsprechend lernt jeder sehr schnell, dass ein Trubersches leipu oder meistu für das steht, was man selber als lepo oder auch lipo, als mesto oder auch misto kennt und aussprechen würde. Und ob ein lahko nun lahko oder lähko gesprochen wird, stört niemanden bei der Rezeption dieses Wortes über die Augen. Wer dieses Phänomen live erleben möchte, lasse sich ein und denselben in der Hochsprache geschriebenen Text von den Sprechern verschiedener Dialekte vorlesen. Er wird staunen, in welch unterschiedlicher Lautgestalt der gleiche Text an sein Ohr gelangen kann. Die Buchstabengestalt der Wörter hat für Dialektsprecher so gut wie nichts mit der Lautgestalt der gleichen Wörter in ihrem Dialekt zu tun. Nur sind die geschriebenen Wörter deshalb nicht etwa unverständlich, und das war Primus Truber wenigstens intuitiv klar, als er sich nicht darum bemühte, ein Gemeinslovenisch zu schaffen. Ein solches braucht man höchstens, wenn man sich regelmäßig mündlich in einem größeren Gebiet verständigen will, nicht aber, wenn man geschriebene Texte verstehen soll. Und nur darum war es Truber zu tun. Er wusste also sehr wohl zwischen der physikalischen und der visuellen Gestalt von Wörtern zu unterscheiden. Das scheinbar so natürliche »Schreibe, wie du sprichst« und »Sprich, wie es geschrieben steht« ist nämlich für Schriftsprachen ohnehin eine Fiktion, weil Schriftsprachen immer supradialektalen Charakter haben. Folgte man dem »Schreibe, wie du sprichst« konsequent, müsste jeder Dialekt seine eigene Orthographie haben. Denn Dialekte sind ja klassisch gerade durch Unterschiede in den Lauten definiert, nicht im Wortschatz. Da sind sie natürlich auch unterschieden. Aber diese Unterschiede waren für Truber relativ leicht dadurch zu überwinden, dass er nach außen hin einer rhetorischen Figur frönte, der reduplicatio in sensu oder auch retriplicatio in sensu, die in Wirklichkeit meist nur regionale Synonyme zur Auswahl stellte, in der Annahme, dass jeder sich das in seinem Dialekt Geläufige heraussuchen würde. Für die Bibel, wo man ja nicht beliebig Synonymreihen anbringen kann, wählte Dalmatin dann übrigens Luthers Verfahren, nämlich ein Glossar im Anhang. Gehen wir diesen Gedankengang schnell zu Ende, kommen wir zu dem Schluss: Indem er das einzig Sinnvolle tat, nämlich bei seiner »Bewrischen Sprach, wie mans auff der Rastzhitz redet« für seine geschriebenen Texte zu bleiben, weil er dieses Windisch ja nun wirklich beherrschte - und mit jeder anderen Form des bis dato nur gesprochenen Slovenischen hätte er seine Leser vor die gleichen Probleme gestellt (Raecke 1995: 390-391) -, indem er also so schrieb, dass ein jeglicher Windischer »er sey ein Creiner/Vndersteyrer _ müge leicht versteen« (Sakrausky 1998: 105), hat Truber allen jenen Slaven, die unter österreichischer Herrschaft vereint waren und dazu keine andere Sprache kannten als diejenige, die in ihrem Dorfe im Bauernmilieu gesprochen wurde, die Möglichkeit geboten, sich einem größeren Ganzen zugehörig zu fühlen. Dass viele in Slovenien die letztlich viel stärker von Kopitar als von Truber geprägte Schriftsprache dennoch bis heute nicht gut beherrschen, ist dabei ein ganz anderes Problem (Raecke 2008d). 5 Als Romantiker und Herderanhänger, der er neben dem Rationalisten auch war (Raecke 2002), konnte Kopitar nur der - wie gerade aufgezeigt - völlig falschen Überzeugung sein, dass die Slovenen als Volk durch ihre slovenischen Wörter, Ausdrücke und ihre slovenische Syntax, d.h. durch ihre allen Slovenen gemeinsame Sprache zustande kommen, und dass alle deutschen Wörter, Ausdrücke und die deutsche Syntax sie gleichsam zu Deutschen machten. Wer sie anstelle slovenischer Wörter gebrauchte, verriet seine slovenische Identität. Halten wir wegen des begrenzten Raums auch diesen Gedankengang möglichst kurz, kommen wir schnell zu dem Punkt, dass Kopitar von Sprache ganz allgemein und vom Slovenischen im Besonderen eine Auffassung hatte, über die Truber und Dalmatin nur verwundert den Kopf geschüttelt hätten. Während für ihn die deutschen Wörter, Ausdrücke und die deutsche Syntax gleichsam vom Teufel kamen, sahen Truber und Dalmatin in ihnen mit Sicherheit keine Geschenke aus der Hölle. Sonst hätten sie sie ja gewiss nicht verwendet. Der offensichtliche Gegensatz in der Einstellung zu Germanismen in slovenischen Texten erhält seine Erklärung aus dem Umstand, dass Kopitar und die beiden Reformatoren in ihrem Leben und mit ihren Werken jeweils ganz Unterschiedliches zu erreichen suchten. Der Romantik verdanken wir ein sprachliches Reinheitsgebot, das sich daraus begründet, dass man zu etwas Besonderem nur durch das Eigene wird und dass man durch das Eigene zugleich zu etwas Anderem wird, als alle anderen es sind. Im Zuge der Entdeckung und Verherrlichung des Individuellen, des Originellen und des Individuums wurden Völker ebenfalls als Individuen aufgefasst, die ihre Individualität und Identität haben. Als Romantiker hielt sich Kopitar selbstverständlich an dieses Reinheitsgebot, so wie er es ab 1813 auch Vuk Karadžic für das Serbische vermittelte. Dagegen ging es den Reformatoren mit ihrer vordergründig ganz ähnlich klingenden Forderung, man solle einfach, rein und verständlich in der Sprache des Volkes schreiben, hintergründig doch um etwas ganz anderes als um die Schaffung reiner Sprachen. Abgesehen davon, dass in der Reformation und in der Romantik mit zwei ganz unterschiedlichen Volksbegriffen operiert wird - in der Reformation sind das Volk nur die Angehörigen der niedrigen Stände, in der Romantik ist das Volk die Gemeinschaft aller Menschen, die die gleiche Sprache sprechen ohne soziale Unterschiede -, abgesehen von den unterschiedlichen Volksbegriffen also haben Truber und Dalmatin die Bibel und die anderen geistlichen Schriften nicht mit dem Ziel übersetzt, allen Slovenen eine eigene Schriftsprache zu verschaffen, eine Schriftsprache noch dazu, die im Prinzip nicht schlechter sein sollte als jede andere Schriftsprache in Europa und über die sie sich als Volk identifizieren konnten, Truber und Dalmatin übersetzten vielmehr deshalb, weil ihre »lieben, armen« Slovenen, für die ihre Schriften gedacht waren, keine andere Sprache dieser Welt verstanden als diejenige, die sie auf dem Felde, im Dorf, im Stall und im Hause sprachen. Truber schrieb allein für den »gemeinen ungewan-derten Mann, der nur Windisch konnte«. Für diejenigen Slovenen, die des Deutschen mächtig waren und des Deutschen in aller Regel viel mächtiger als des Slovenischen, hätte Primus Truber die Heilige Schrift oder den Katechismus niemals ins Slovenische übertragen. Wozu auch, denn die hatten die Katechismen und vor allem die Lutherbibel in einer deutschen Sprache, die Truber in seinem »Bewrisch, wie mans auff der Rastchitz redet«, an Klarheit und Verständlichkeit - auch nach seinen eigenen Worten - gar niemals hätte übertreffen können. Da Truber und Dalmatin Slovenisch folglich allein für die ungebildeten Einsprachigen schrieben - mit den gebildeten Mehrsprachigen im Lande korrespondierten sie Deutsch oder seltener Lateinisch -, schrieben sie gemäß dem protestantischen Postulat in deren Sprache, weil sie es sonst nicht hätten verstehen können. Und in deren Sprache gab es eben keine gekünstelten oder kunstvollen Wörter und vor allem keine nur der Schönheit der Rede dienenden lexikalischen Schnörkeleien. Prüfstein für alles war die Verständlichkeit. Die entsprechenden Prinzipien finden sich genauso bei Truber wie bei Dalmatin formuliert, und zwar z.T. bis ins Wort hinein identisch mit denen, die Martin Luther vor ihnen bildkräftig zu Papier gebracht hatte (Raecke 1995: 382-383). Aber konnte es denn auch ein anderes Programm geben als Luthers »denselben auf das Maul sehen, wie sie reden«, wenn sie es denn verstehen sollten? Entsprechend konnte es Truber und Dalmatin nur gleichgültig sein, wo die Wörter herkamen, die jene im Munde führten, für die sie schrieben. Wenn sie sie selber gebrauchten, war sicher gestellt, dass sie sie kannten und verstanden. Ob gnada oder leban, gvishnu oder nuzno aus dem Deutschen ins Slovenische gelangt waren oder ob sie schon immer im Slovenischen gebraucht wurden, konnte von denen, die sie benutzten und kein Deutsch konnten, niemand wissen oder beurteilen. Truber und Dalmatin hatten also eine absolut pragmatische Sprachauffassung, die von der natürlichen Annahme ausging, dass Wörter, die man aktiv gebraucht, auch versteht. Entsprechend waren die einfachen Leute auch die Instanz, die vorgab, wie der Wortschatz auszusehen hatte, den man in den geschriebenen Texten verwendete. Dieser pragmatischen Sprachauffassung, nach der die Sprache allein der Kommunikation, d.h. der Verständigung dient, stand Kopitars Sprachauffassung polar entgegen. Wir können diese letztere symbolisch nennen. Für sie ist entscheidend, dass es symbolischen Wert hat, ob ein einheimisches oder ein fremdes Wort verwendet wird. Wer ein ursprünglich deutsches Wort anstelle eines ursprünglich slovenischen resp. slavischen Wortes gebraucht, verschmäht die Möglichkeit, seine Zugehörigkeit zu Menschen auszudrücken, zu denen er eigentlich gehört, d.h. entweder zu den Slovenen oder wenigstens zu den Slaven. Wer es so sieht, für den ist die Sprache weniger ein Instrument der Verständigung als ein Mittel der Zuordnung, der Eingrenzung und der Abgrenzung. In der Folge natürlich auch der Ausgrenzung, weil man sich nicht eingrenzen und abgrenzen kann, ohne andere auszugrenzen. Wer eigene Wörter hat und sie nicht gebraucht, will der Welt offenbar nicht zeigen, was man an Eigenem hat und tut so, als ob dieses Eigene nicht den gleichen Wert hätte und die gleiche Funktion erfüllte, wie das Fremde (Raecke 2008a). 6 Diese letzten Gedanken wieder auf eine einfache Formel gebracht ergibt: Truber und Dalmatin waren Praktiker und Rhetoriker, Kopitar war Theoretiker und Grammatiker. Den beiden ersteren war daran gelegen, dass ihre Texte von ihren Adressaten verstanden wurden und bei diesen die von ihnen gewünschte Wirkung zeigten, dem letzteren war daran gelegen, dass von allen Slovenen richtiges und reines Slovenisch geschrieben wurde. Welches das richtige Slovenisch sein sollte, stellten oder besser legten Grammatiker wie er oder lange Zeit vor ihm - übrigens in doch ganz anderer Weise - Adam Bohorič fest. Allerdings gilt es sich klarzumachen, dass richtiges Slovenisch und reines Slovenisch nicht das Gleiche sind. Richtiges Slovenisch heißt nämlich zunächst einmal nicht mehr, als dass es jenes Slovenisch ist, dass jeder Slovene sprechen will, der nicht zugleich oder sogar zunächst einmal etwas anderes sein will als ein Slovene. Es ist das für alle Slovenen gemeinsame Slovenisch, das als Schriftsprache oder Standardsprache bezeichnet wird. Möchte jemand zugleich auch oder sogar zunächst einmal Kärntner, Steiermärker oder etwas anderes sein, so wird er entweder dieses »richtige« Slovenisch gar nicht sprechen (sondern höchstens schreiben) oder er wird immer wieder entsprechende sog. dialektale Blümchen in seinen Kranz aus Standardblumen hineinflechten (Raecke 2008d). Damit sind aber Fremdwörter allgemein oder Germanismen im Besonderen aus dem richtigen Slovenisch logisch überhaupt nicht ausgeschlossen. Das Kriterium ist nur die allgemeine Verbreitung und die Anerkennung durch die Vertreter der Norm. In der Phraseologie übrigens, in der es von Lehnübersetzungen aus dem Deutschen nur so wimmelt, fällt das normalerweise nicht auf, weil die Blümchen, aus denen der Kranz auf deutsche Art geflochten ist, slovenisch sind. Reines Slovenisch heißt dagegen, entweder immer schon Slovenisch, also seit Menschengedenken, oder exklusiv Slovenisch, d.h. so, dass niemand sonst auf der Welt ein lautlich und semantisch ähnliches Wort gebraucht. Aus der Verständigungsfunktion der Sprache ist ein reines Slovenisch nicht zu begründen. Wir verstehen normalerweise auch das, was man »gebrochenes« Deutsch oder Slovenisch nennen mag. Ausländer machen das klar und Migranten machen es immer klarer. Entsprechend war auch der Wunsch Kopitars, ein reines Slovenisch zu haben, ein Wunsch, der sich in keiner Weise rational begründen lässt. In dieser Hinsicht unterscheidet es sich vom richtigen Slovenisch, denn das lässt sich tatsächlich rational in der Weise begründen, dass dann, wenn alle Slovenen die gleichen Wörter und die gleichen Formen sowie die gleichen Satzbaumuster verwenden, die Verständigung zwischen ihnen einen optimalen Grad erreicht. Nur spielt da, es sei noch einmal betont, die Herkunft der Wörter, Formen oder auch syntaktischen Fügungen keine Rolle. Richtig heißt in der Sprache lediglich, wie schon einmal gesagt: gleich resp. verbindlich für alle, die diese Sprache sprechen wollen oder sollen. Ob alle Slovenen entweder leban oder življenje sagen, ist logisch ohne jede Bedeutung. Dagegen liegt ein reines Slovenisch auf einer gänzlich anderen begrifflichen Ebene, und das ist, noch einmal formelhaft zusammengefasst, nicht die praktische oder pragmatische, sondern die symbolische. Für Menschen, die neben dem Slovenischen auch Deutsch können, heißt življenje statt leban zu sagen, ein eigenes Wort für das zu verwenden, was die Deutschen als Leben bezeichnen. Und das symbolisiert Selbständigkeit und Unabhängigkeit im Denken und in der Kultur. Und nur so rechtfertigen sich schließlich Staaten oder Nationen (Raecke 2008a). Für Truber und Dalmatin war die Sprache dagegen nichts, mit dem man sich selber oder anderen seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit demonstrieren konnte oder sollte; für sie war sie reines Mittel der Verständigung, dabei aber der Verständigung nicht nur zwischen Menschen, sondern vor allem zwischen dem Menschen und Gott, jenes Gottes, der für alle Menschen der Vater ist, und jenes Vaters, der sich über seinen eingeborenen Sohn im Neuen Testament den Menschen ein zweites Mal offenbart und ihnen vor allem im Neuen Testament »sein Wort« gegeben hatte als Möglichkeit, ihn zu bekennen, sich mit ihm zu verständigen, seinen Willen zu erfahren und ihn für alles zu loben, was er seinen Geschöpfen Gutes getan hatte. Nach dem Turmbau zu Babel hatte er die Sprachen verwirrt, damit die Menschen sich nicht wieder darüber verständigen könnten, wie sie ihrem Schöpfer gleich werden könnten, mit dem Pfingstwunder hatte er diese Strafe aufgehoben, jedes Volk sollte Gottes Wort verstehen und seinen Schöpfer loben können. Das ist der Grund, weshalb auf dem Titelblatt des Abecedarium das Paulinische (Römer 14) Et omnis lingua confitebitur Deo (in Luthers Übersetzung Und alle Zungen sollen Gott bekennen) zu lesen steht und sich auf dem Titelblatt des Register und summarischer Inhalt das ebenfalls Paulinische (Philipper 2) Alle Zungen sollen bekennen/ das Jesus Christus der Herr sey/ zu Ehre Gottes des Vatters. (Sak-rausky 1998: 127) geschrieben findet. Dass diese letztere deutsche Version von Martin Luther stammt, verwundert nicht, denn er hatte der deutschen Zunge das Bekenntnis Gottes möglich gemacht. Truber wollte dieses der slovenischen Zunge möglich machen, die Paulinische Aufforderung war für ihn zentral. Er verstand sie als an ihn gerichteten göttlichen Auftrag (Ahačič 2007: 234-241), dieses Bekenntnis auch denen möglich zu machen, die es in ihrer Sprache bis dato nicht ablegen konnten, weil ihnen die Grundlage dafür, nämlich das Wort Gottes, in ihrer Sprache nicht zugänglich war. Truber wollte seinen »lieben, armen« Slovenen also den Weg zu Gott öffnen, der ihnen über die lateinische oder auch die deutsche Bibel verschlossen war. Sie verstanden Lateinisch so wenig wie Deutsch. Er wollte ihnen aber nicht den Weg in die EU öffnen, denn die EU hätten sie viel schneller erreicht, wenn sie damals Deutsch gelernt hätten und damit letztlich deutsch geworden wären. Als Österreicher oder Deutsche hätten sie nicht die Schwierigkeiten gehabt, die sie als Slovenen hatten. Nicht nur, in die EU zu kommen, aber auch. Die Mittel, die es brauchte, den »lieben, armen« Slovenen den Weg zu öffnen, auf dem sie in den Himmel kommen konnten ('v=nebu pryti', wie es auf dem Titelblatt des Windischen Katechismus von 1550 heißt), lagen diesen »lieben, armen« Slovenen dabei auf den Lippen, man musste sie von diesen nur ablesen. Kopitar dagegen wollte den Slovenen den Weg zu einer Schriftsprache öffnen, die den großen bereits ausgebildeten Schriftsprachen in Italien und Deutschland ebenbürtig wäre. Und dazu musste man allen, die Slovenen sein wollten, vor Augen führen, wie sie zu schreiben hätten. Man durfte ihnen also nicht einfach von den Lippen ablesen, sondern ihnen vor Augen halten, wie sie ihre Gedanken in der Zukunft aufschreiben sollten. Denn nur so würden sie dem Rest der Welt zeigen können, dass sie nicht weniger Wert sind als die schriftgebildeten Völker dieser Erde. Vor allem aber: nur so würde man der Welt etwas sagen können, das man nur auf Slovenisch sagen kann. Denn Völker sind Individuen, von denen jedes, sonst wäre es keines, nur eine Sprache als seine Sprache hat, in der es das sagen kann, was man anders nicht sagen kann. Je weniger Fremdes eine Sprache enthält, desto mehr ist das durch eine solche reine Sprache zum unverwechselbaren Individuum herausgebildete Volk nur es selber. Was Truber und Dalmatin auf der einen und Kopitar auf der anderen Seite trennt, ist folglich der Weg, den sie ihren Landsleuten mit ihrem Slovenisch öffnen wollten: im ersten Falle war es der Weg zu Gott, im zweiten Falle war es der Weg zu sich selber. Zu Gott konnte man als Slovene auch mit Wörtern aus dem Deutschen gelangen, wenn man sie denn verstand, zu sich selber konnte man als Slovene mit Wörtern aus dem Deutschen nicht kommen, gerade dann nicht, wenn man sie verstand. Denn die ließen die deutsch bestimmte Vergangenheit nicht ins Grab sinken, sondern immer wieder aufleben, und die selbst bestimmte Zukunft damit in weite Ferne rücken. Kopitar konnte Truber und Dalmatin als Übersetzer also nur mit Tränen in den Augen sehen, und das waren keineswegs nur Freudentränen. Literaturverzeichnis Kozma Ahačič, 2007: Zgodovina misli o jeziku in književnosti na Slovenskem: protestantizem. Ljubljana. Jernej Kopitar, 1808/1970: Grammatik der slavischen Sprache in Krain, Kärnthen und Steyer- mark. (Nachdruck d. Ausgabe Laibach 1808). München: Trofenik. Jochen Raecke , 1995: »er sich des schwären Wercks /nämlich die Hauspostill D. Martini Luthe-ri/ in die Windische Sprach zu vbersetzen vnderfangen« - 'Windisches' in der 'Windischen Sprach' der Truberschen 'Hishna Postilla'. Ein Leben zwischen Laibach und Tübingen: Primus Truber und seine Zeit. München: Sagner. 382-413. - - 2002: »Schreibe wie Du sprichst, dann ist es richtig, weil vernünftig, schreibe wie Boho- ritsch, dann ist es besser, weil Krainisch« - Kopitars Orthographie-Konzeption zwischen Rationalismus und Historismus. Historizem v raziskovanju jezika, literature in kulture. Mednarodni simpozij Obdobja - Metode in zvrsti. Ljubljana. 261-283. - - 2008a: An ihren Worten sollt ihr sie erkennen - Zuordnung, Eingrenzung und Abgrenzung als Grundfunktionen der Sprache. Slavistische Linguistik 2007/2008. München: Sagner. - - 2008b: Reinlichkeitsfimmel aus Todesangst - Zum Lebensgefühl der Sprecher kleiner(er) slavischer Sprachen. Festschrift für Gabriella Schubert. - - 2008c: Wörterbücher als Normierungsinstrumente - oder: Wann Sprachen den gleichen Wortschatz für alle haben sollen. Am Beispiel des Kroatischen. Aspekte, Kategorien und Kontakte slavischer Sprachen. Festschrift für Volkmar Lehmann zum 65. Geburtstag. Hamburg: Kovač. 334-345. - - 2008d: Weshalb die Slowenen immer noch Dialekte haben. Obdobja 26. (In Druck.) Oskar Sakrausky, Primus Lruber, 1989: Deutsche Vorreden zum slowenischen und kroatischen Reformationswerk. Wien: Evang. Presseverband. Elisabeth Seitz, 1998: Primus Truber - Schöpfer der slovenischen Schriftsprache? Versuch einer Antwort unter besonderer Berücksichtigung des Satzbaus. München: Sagner. Povzetek Ko Kopitar po okroglih dvesto letih ponovno odkrije Trubarja in Dalmatina in ju obudi kot začetnika slovenske pisane besede, se njegovo zadovoljstvo nad tem, da sta oba pravzaprav položila temelje slovenskega knjižnega jezika, meša z jezo nad številnimi germanizmi, ki sta jih uporabljala. Ta prispevek skuša odgovoriti na vprašanje, kaj je pravzaprav tako zelo jezilo Kopitarja. Kopitar je bil romantik in je sledil Herderju v naziranju, da se narodi oblikujejo skozi jezik. Samostojen narod mora imeti svoj jezik, tak, ki se kar najbolj razlikuje od drugih. Povedano na kratko: čim bolj slovenska bo slovenščina, tem bolj slovenski bodo Slovenci. Nemščina pri tem samo moti. Tako pojmovanje jezika kot dejavnika identifikacije je v nasprotju s pojmovanjem jezika kot sredstva komunikacije pri Trubarju in Dalmatinu. Zanju je bilo pomembno, da je naslovnik razumel povedano ali napisano; kriterij pri tem pa je bila razumljivost in ne izvor besed. Razlika med Kopitarjem na eni in Trubarjem in Dalmatinom na drugi strani je torej v tem, da sta slednja želela pisati tako, da bi ju slovenski narod razumel, Kopitar pa je hotel, da bi ta narod pisal v čisti slovenščini.