Ueber die W i c h t i g k e i t der slavischen traditionellen Literatur als Von Dr. (S reg or Krek, w. Professor an dur st. 1. Oberrealscliule urid Docent fur slavische Philologie und Literatur an der k. k. TJniversitat in Graz. Wien, 1869. Druok von Leopold Sommer. * . ■ v V orbemerkung. bas Nachfolgende ist ein grosseres, entsprechend uragestaltetes Fragment einer akademischen Vorlesung, die ich zu dem Zwecke gehalten, die Horer zur eifrigen Lese des im Volke noch reichlich erhaltenen geistigen Schatzes, mit Umgehung anderer kulturgeschicht- lich wich tiger Momente, aueh dadurch anzuregen, dass desšen Be- deutung fur den Mythus in einer, wie es \venigstens in der Absicbt lag, dem jetzigen Standpunkte der Mythologie entsprechenden Weise hervorzuheben versueht ward. Dieser Appell erschien ebenso ange- messen als nothwendig; angemessen, da jene, zu denen diese Worte gesprocheu wurden, so recht noch den Schliissel zum Herzen des Volkes besitzen, dem sie entsprossen und unter dem sie noch zeitweilig leben, sich ihnen daher der Volksmund ohn e Riickhalt und ohne Schuchternheit offnet, ein Umstand, der sonst den Sammlern, wie allgemein bekannt, nur sehr selten zu Gute kommt; nothwendig, weil die alles uivellirende Zeit auch diesen ehrwiirdigen Ueberresten dadurch mit dem Verderben droht, dass sie mehr und mehr aus dem Gedachtnisse des Volkes schwindend der Vergessenheit anheimfallen. Haben diese Zeilen dazu beigetragen, einige Perlen der traditionel- len Literatur durch schriftliehe Aufzeichnung und Veroffentlichung der Vergessenheit entrissen zu haben, so haben sie ihren Zweek erreicht. Die hier nicht veroffentlichten Kapitel behandelten die bisherigen Richtungen in der Auffassung und Behandlung der Mythologie im All- gemeinen und jene der slavischen insbesondere, sowie eine genauere kritische VVurdigung derLetzteren, woran sich dieFrage nach derEnt- stehung, Fortbildung, Umgestaltung u. s. w. der Mjthen in dem Sinne anschloss, wie sie der gegenwartige Standpunkt der Mythenforschung auffasst, der den ursprunglichen Inhalt der Mythologie in den Natur- erscheinnngen erblickt. Dabei durfte selbstverstandlich eine Anfiih- rung jener Werke keineswegs fehlen, die sich die Losung dieser und 4 anderer, tiberhaupt in das Gebiet der vergleichenden Mvthenkunde einschlagiger, Fragen zur Aufgabe gestellt und wurden die bezug- liehen Leistungen eines Afanasjev, Br4al, Buslajev, J. Grimm, Kuhn, Mannhardt, M. Muller, Orest Miller, Pietet (in lingni- Htischer Beziehung), Pott, Schwartz und anderer gebuhrend hervor- gehoben. Dass auch eine genauere Literatur der bisherigen Sammlun- gen des in die einzelnen Zweige der slaviseben traditionellen Lite¬ ratur fallenden Materials, insovreit mir naturlieh solebes, der ich so gut wie ganz auf meine Privatbibliothek angewissen bin, zu Gebote stand, gegeben ward, sowie dass die spracblichen Bezeichnungen fiir diese einzelnen Zvveige einer Betrachtung unterzogen vvurden, ver- steht sicb von selbst. — Leid thut es mir, die im Texte vorkommen- den slaviseben Citate nieht auch uingedeutscbt bringen zu kčnnen, was manchem vielleicht erwiiuscht gekommen ware; dies musste, um mehr Ranm zu gewinnen, unterbleiben. Schliesslich noeb eine Bemerkung. Icb bin zu wenig Optimist, um nicht einsehen zu kčnnen, dass das vvissenscbaftlicbe Feld, auf das auch naehstehende Zeilen gerathen sind, neben vielen ausge- zeichneten Anlniogern nicht minder gediegene Gegner zabit, — bin aber andererseits auch vvieder zu wenig Pessimist, um zu glauben, dass der Anprall, der bis jetzt, von mehreren Seiten her auf diese Wissenschaft gemacht vvird, die Existenz derselben in Frage stellen kčnnte. Wird sich auch in dem im Entstehen begriffenen Gebaude so mancher Stein anders wenden lassen und wird manch’ anderer ganz entfernt vverden miissen, so steht dennoch der bisherige Ban, das lasst sich mit Recht behaupten, im Uehrigen auf einer festen Basis. So kann denn auch im Naehfolgenden, obwohl ich mich auf die besten Quellen gestiitzt zu haben glaube, so manches uuterlaufen sein, das eine Negatiou erfahren wird, oder ohne meine geniigende Belebrung erfahren bat, und wenn an Stelle des Irrthumlichen Richtiges gesetzt werden solite, kann auch mir die Belehrung nur envunscht kommen und ich werde nicht ermangeln, den Irrtum einsebend, von demseL ben Katheder herab die solebermasseu reformirte Lebre Vurzutragen, im Siime behalteud die Worte des J. IIus, der da sagt) de trinitate op. I. 31): a primo studii mei tempore koc milu statui pro regula, ut quotiescunque saniorem- sententiam in quacunque materia perceperim, a priori sententia gaudenter et humiliter declinarem, sciens, quoniamilla qu-ae scimus, sunt minimo, illorum quae ignoramus. Niemanden, der eine,wenn auch nur fluchtige Bekanntsehaft mit den Resultaten neuerer und neuester Mvthenforschung gemacbt, kanu es entgangen sein, dass dieselbe bei ihren Untersuchuugen als eine hčchst bedeutsame Quelle die traditionelle Literatur heraDzieht, ein wissenschaftliches Materiale, das vor nicht langer Zeit selbst von renommirten, namentlich klassisehen, Mythenforsehern, wenn nicht verachtet, so doch nicht gebuhrend beachtet ward. Wir nennen diesen Literaturzweig den traditionellen, weil derselbe nicht durch schriftliche Fkirung, sondern durch mundliche Ueberlieferung von einer Generation zur andern sich fortpflanzend als geistiges Erbe dem Gedachtnisse der Volker erhalten gebliebcn ist, und scheideu ihn hiermit von den schon ursprunglich schrift- lich niedergelegten Geisteserzeugnissen eines Volkes, die allgemein unter den Begriff Literatur subsumirt werden, oft auch mit der Be- schrankung, dass man darunter nur jene Denkmaler versteht, die aus freier, mithin vorzugsvveise poetischer Geistesthatigkeit hervorgegan- gen sind. Beide Zvveige zusammengenommen bestimmen erst den in Rede stehenden Begriff als einen solchen, unter dem die Gesammtheit der in Schrift und Wort uberkommeneu Geistesproducte einer Natiou zu versteben ist. Haben wir iibrigens die Ety mologie des Wortes im Auge, so miissen wir uns allerdings eingestehen, dass wir dem Begriffe Literatur auch etwas einverleibten, was demselben in diesem Sinne nur insoferne angehoren kann, als dasselbe bereits durch schrift- 1 i c h o Uebermittelung der Vergessenheit entrissen ward, obvvol man auch in dieser engherzigen Fassung kaum wird in Abrede stellen konnen, dass auch jener geistige Voiksbesitz, der erst auf emsige Sammlerliitnde vvartet, um durch die Schrift veroffentlicht zu werden, nicht minder hieher zu ziehen ist. Will man iibrigens auch hier auf eine genauere Distinction eingehen, die man aber fuglich fur iiber- fliissig halten kann, so ist es geratben, die Literatur v.at’ im Slavischen pismenost oder književnost und den andern Zvveig 6 slovesnost zu nennen, aus Griinden, die so an der Hand liegen, dass wir uns der Muhe iiberhoben halten, darauf weiter einzugehen. . Bleiben wir bei der oben gegebenen Fassung des Begriffes Lite¬ ratur, so ist damit implicite bereits ausgesprochen, dass die Literatur in diesem Sinne mit dem inneren wie aussern Leben eines Volkes auf das Innigste verwaehsen ist, dass zvvisehen beiden eine Reciprocitat, eine. Wechselseitigkeit besteht, d. h. die Entwickelung und die Fort- schritte der Literatur von der Kultur des Volkes abhangen und aude- rerseits die Literaturerzeugnisse wieder ihren geistigen Typus dem Volkerleben einpragen, und inan thut gewiss recht, wenn man Buffon’s Ausspruch erweiternd bemerkt: die Literatur ist die Nation, denn wie durch den Styl die Personlichkeit des einzelnen Menschen, so wird durch die Literatur die Personlichkeit der Nation, d. i. die Nationalitiit bestimmt. ’) Nach dem kurz Envahnten wird kein Zweifel dariiber obwalten kbnnen, welchen Zweig wir als den alterthuinlicheren zu betrachten haben, denn der traditionelle hat nicht nur Bestandtheile aufzuiveisen, die weit hinter die Zeit jeder schriftlichen Aufzeichnung zuruckrei- cheu, sondern einige selbst einer Periode angehoren, die uns die Arier in ihrem Gesammtverbande vorfiihrt als das arische Urvolk, dem Embryo nachmaliger grosser und weltgeschichtlicher Volker- schaften. Auf diese kullurgesckichtlich bedeutsameErscheinung im Einzel¬ nen zuerst hingewiesen zu haben, ist ein nicht hoch genug anzuschla- gendes Verdienst der vergleichenden Sprachforschung, Spraehver- gleichung, Glottik oder welcher Name noch dieser etwas liber ein halbes Jahrhundert alten Wissenschaft (begriindet im Jahre 1816 durch Fr. Bopp’s Conjugationssystem) beigelegt wird, ivoruber im Nachfolgenden nochEiniges bemerkt werden kann. AufGrund der von dieser Wissenschaft angestellten Untersuchungen ward auch die My- thenforschung in eine neue Balin geleitet und ihr, die vormals stets auf partikularistisches Studium gebaut nur einseitige, von der Will- kiir der Ausleger abhangige Resultat-e zu Tage forderte, hier ein sicheres Regulativ zur Seite gegeben. Naehdem \vir uns in kurzester Weise fiber den Begriff Literatur ausgesprochen, sei nun allsogleich der Bestandtheile Erwiihnung gethan, die unter den Begriff der traditionellen Literatur zu subsumi- ren si ud und beziiglich deren Eintheilung wir nach dem Vorgange ') r;wiaxoi)T,: HcTopua pyccKofi cjioBecnocTHCaHKTneTep6ypri,. 1863.1. pg. 1. 7 Anderer ‘) eine formale und eiae reale Seite ia Betracht za zieheu haben werden, wobei wir zur ersterea die Spracbe uud zur letzteren Marchen * 2 ) und Sagen, Spruehwčrter, Zauberspruche, Aberglauben, Rathsel und Lieder recbnen iniissen. Es ward schon angedeutet, dass vor fiinf Decennien in der Erfor- schung des Sprachbaues eine neueMethode,die komparative, neben der sich fast gleichzeitig die historische heranbildete, eingeschla- gen ward. Diese Wissenschaft steht heute wohl unanfechtbar da und hatte sich, trotz des ihr von einer Seite her entgegengebraebten iiber- triebenen Skepticismus, fruhzeitigere allgemeine Geltung verschafft, hatten ihr nicht einzelne, ihre Grundsatze nicht achtende, Anhanger dadurch nicht unerheblieh geschadet, dass sie mitunter das strenge wissensehaftlicheForsehendurchwillkurlicheKombinationen ersetzten. Die historisch vergleiehende Sprachforschung hat nun die hohe Wichtigkeit der Sprache auch fiir jene Momente des Volkerlebens naehgewiesen, fur die sich bis dahin jede andere Quelle als unzurei- chend erwies. Sie war es, die uns iiber die Kulturverhaltnisse des arischen Urvolkes ein ziemlich klares Bild entworfen und den Schleier geluftet, der jeder andern Wisseuschaft (Geschichte, Geologie, Ar- chaologie) den Einbliek in die Geheimnisse des geistigen Kulturlebens in der Periode des arischen Gesammtverbaudes verhiillte. Nur in der Sprache ist das kult urh istorische Volksleben dieser Zeit, in der das ungetheilte arischeVolk noch gemeinsame Wohnsitze und Rede besass, deutlich ausgesprochen und driickt die Sprache dies in einer Formen- kraft und Fiille aus, die desto abgesclnvachter wird, je weiter wir in der Sprachengeschichte spateren Zeiten zueilen, wobei die Geschichte # des Volkes einen Riickschlag auf das Organ der Sprache iibt. 3 ) So verlockend es ware, sich liber diesenGegenstand des Breitern auszulassen und dem arischen Drvolke in seinem Leben, Denken und Fuhlen und dessen Stellung der Naturnmgebung gegenaber an der Hand dieses einzigen Wegweisers nachzusptiren, miissen wir doch im Hinblicke auf die uns gestellte Aufgabe darauf verzichten und sei zur ‘) J. G. v. Hahn: griechisehe und albanesische Marehen. Leipzig 1864. I. pg. 13- Anm. 2. a ) Fabeln und Schwanke sind fur die Mythologie wertlos. 3 ) »Es lasst sich sogar objeetiv nachweisen,« meintA. Schleicher (deutsche Sprache, Stuttgart 1860, pg. 35), »dass Geschichte und SpraehenUdckelung im umgekehrten Verhaltnisse stehen. Je reicher und gewaltiger die Gesehichte, desto rascher der Sprachverfall; je amer, je laogsamer und trager verlaufend jene, desto treuer erhalt sich diese.* 8 Orientirung in diesern Punkte auf A. Kuhn’s grundlegende, im Jahre 1845 erschienene und imJahre 1850 mitErweiterungen und Aenderun- gen in Weber’s indischenStudien (I. 321—363) wieder abgedruckte Schrift (zur altesten Geschiehte der indogermanischen Volker), auf J. Grimm’s Erorterungen uber diesen Punkt (Geschiehte der deut- schen Sprache, I. Auflage, I. 1—160; 2. Aufl. 1—112), auf den eben so kurzen als durchdachtenVortragJusti’s (in Fr. v. Raumer’s histo- rischem Taschenbuch 1862, pg. 303—342), auf die nieht minder biindige Ausfiihrung M. Carriere’s (die Kunst im Zusammenhang der Kulturentwickelung und die Ideale der Menschheit I. 340—367), im Einzelnen auch auf Pauli’s Abhandlung (liber die Benennung der Korpertbeile bei den Indogermanen, Berlin 1867), ganz besonders aber auf Pictefs les origines Indo-europeens ou les Aryas primitifs (I. Pariš 1859, II. ib. 1863) hingewiesen, worin dieser Gegenstand in einer zwar etwas breit augelegten, aber durchgehends sehr anzie- henden Weise besprochen wird und das Werk als der erste umfas- sende Versuch einer linguistischen Palaeontologie betrachtet werden kann, auf das sich jede Weiterforschung stutzen muss. Dass in dieser Periode bereits religioseAnsehauungen festen Halt gewonnen und dass schon hier der Mythus ausgepragt gewesen, \vird man wol keinen Augenblick bei einem Volke zweifeln, dem spaterhin die weltgeschichtliche Aufgabe zufallt, der Trager des Geisteslebens unter denVolkern zu werden, und wirklich haben auch hier die dariiber angestelltenUntersuchungen bereits manehes wichtigeResultat znTage gefordertjdasohneVermittelung linguistischerForšchung sicherlichnie , erreicht worden ware. Hieriu wird dfe Sprachwissenschaft vorzugs- weise von denHymnen der Vedas und darunter von jenen des Rigveda, aus dem sich die altesteGestalt des arischenGlaubens wiederspiegelt, kraftigst unterstutzt. Die Sammlung dieser IIymnen ward allerdings erst 1100 oder 1200 vor Chr. beendet, ‘) allein die altesten Hymnen gehbren einer Zeit an, wo sich der Mythus erst zu entwickeln beginnt und die darin erhalten gebliebenen religiosen Anschauungen stehen, wie Kenner behaupteu, jenen des arischen Urvolkes ebenso uahe, wie ‘) Ausfuhrlieheres hieriiber und liber die Veden selbst vergleiche man be¬ sonders in M. Muller’s Essays, Leipzig 1869,7 1—48; bezuglieh der Redaktion stiramt mit Muller auch Alfred Maury uberein (vgl. Croijances et legendes de VAnliqiritc\ pag. la). 9 sich unter den arischen Sprachen die Sanskrita nach ihrem gramma- tischen und lerikalen Baue der arischen Ursprache arn innigsten ausschloss, kurz, unter den arischen Schwesterspraehen die grosste Altertiimliehkeit betvahrte, so dass hier die Worter oft noch zwi- schen der Bedeutung gdttlicher Wesen und dem eigentlichen Aus- drucke der Vorstellung vielfaltigen Schvvankungen unterliegeu. Daiuit ist aber, um einem allfalligen Missverstandnisse vorzubeugen, nur ausgesprochen und mit M. Muller ‘) zu bemerken, dass, wie die Sanskrita als der friiheste Niederschlag arischer Rede gefasst werden muss, auch der Veda als der friiheste Niederschlag arischen Glau- bens anzusehen ist, \vobei also die Anuahme ausgeschlossen bleibt, als sei in den Veden die Quelle religioser Anschauungen aller arischen Volker und in der Sanskrita die Mutter arischer Sprachen zu suchen. Diese Periode wird auch fur die Sprache, die jetzt noch keine Sub- stantiva kannte, von M. Muller die mythenbildende genaunt und ist nach ihm jedes der gemeinschaftlichen arischen Worter, die als Appellativa zu nehmen sind, welche charakteristische Attribute eines Begriffes bezeichneten, gewissermassen eiu Mythus. Dabei ward immer nur jenes Attribut gewahlt, das der jeweiligen Anschauung und Betrachtung als der charakteristischeste vorkam und da eiuent Begritfe in der Regel mehr als ein Attribut zukommt, 2 ) sowie bei verscliiedenen Betrachtungen, je nach der Auifassung, bald das eine bald das andere dieser Attribute zur sprachlichen Bezeichnung des Gesammtbegrifles passender erschien, so ist es natiirlich, dass fur ‘) M. Muller op. c. pg. 23- s ) Treiiend sprieht sieh daruber K. W. L. Heyse folgandermassen aus: Die Worter Ticno;, equus, Pferd u. s. w. dienen allerdings zur Bezeichnung dfefe- selben Objectes und haben also, rein begrifflieh betraehtet, vollig denselben Iuhalt. Spractilich betraehtet aber driickt keines dieser Worter in "VVahrheit den Begi iff aus als die Totalitat der ih n eonstituirenden Bestimmungen. Das Wort bezeiehnet iiberhaupt nur die Vorstellung nach irgend einem Merkmale, vvelches von dem Volksbewusstsein als charakteristisch aufgefasst wurde. Der Begriff kanu nur immer einer sein, denn er ist das geistig erfasste Objeet selbst. Die Vorstellung hingegen kann verschieden sein, denn sie beruht auf der besonderen Auffassungs- oder Ansehauiingsweise des individuellen ttei- stes. Sie fasst das Objeet nur von einer Seite, naeh einem bestimmten Merk¬ male auf. Die eine Sprache z. B. kann das Pferd als das laufende Tbier bezeiclinen, die andere als das Zugthier oder als das wiehernde, das mit einer Mahne versehone u. s. w. (System der Sprachwissenschaft von K. W. L. Heyse; herausgegeben von Dr. II. Steinthal, Berlin 1856, pag. 159 ) 10 denselben Begriff mehrere Namen existirten, aus denen spater nur eines behalten uod die ubrigen als nutzlos von der Sprache weiter uicht beachtet wurden. Es sind dies die Synonymen, die alle den gleichen Begriff, aber jedes nach einem andern Attributo ausdriickten. \voraus zu erklaren ist, dass mehrere Gotter selten in mehreren Sprachen dieselbe Benennung haben, obwol sie derselben Wesenheit sind. Da nun aber weiters mehrere Begriffe gleiehe Attribute aufweisen, so erhielten sie sprachlieh denselben Namen, wodurch sich die Polyonymie in der Sprache entwickelte. So wird in dem Veda die Erde urvi (weit), prithvi (breit), mahi (gross) ge- nannt und mit mehreren Namen, deren Nighantu 21 erwahnt. Diese 21 Worter wiirden synonym sein, aber urvi ist nicht blos als ein Name der Erde gegeben, sondern bedeutet aueh einen Fluss. Prithvi bezeichnet nicht blos die Erde, sondern auch den Himmel und die Dammerung. Mahi wird gebraucht fur Kuh und Sprache so gut als fur Erde. Daher witrden Erde, Fluss, Himmel, Dammerung, Kuh und Sprache Homonyme werden. Viele dieser Metaphern sind vergessen, viele Wurzel untergegangen und daber die Mythen verdunkelt. ‘) Die Sprache speciell anlangend, ist aus dem eben beriihrten Grunde auf das Sanskrit zuriickzugehen oft unerlasslich und urver- vvandte Sprachen bekommen von dieser Seite eine erwiinschte Be- leucbtung, vvogegen das auf dem Gebiete der letzteren Gewonnene nicht selten auf das Sanskrit zuruckvvirkt und in denselben rnanche dunkle Partie erhellen hilft. Haben wir den Sprachbau im Auge, so ist schon beziiglich der lautlichen und formellen Strukturen des. selben, damit die Durchdringung eine allseitige werde, die esoterische Forschung mit der exoterischen zu verbinden, d. i. die Erseheinun- gen einer Sprache wol zunachst aus sich selbst, aus der Bildung dieser einzelnen Sprache zu erklaren, es aber auch nicht zu ver- schmahen, die einzelnen Erscheinungen mit jenen der urverwandten Sprachen behufs Gewinnung allgemeiner sprachlicher Normen zu ver- gleichen, welcber Umstand nicht selten die bereits an einer Sprache gewonnenen und als unumstosslich richtig gehaltenen Resultate hau- fig modifieirt und auch mitunter ganz umstosst. Dieser Art der For¬ schung mussen wir es zuschreiben, dass beispielsweise Bopp schon in ‘) M. Muller eompar. Mythol. pag. 32, 34, 44 bei Chr. Petersen, griechische Mythologie in Ersch-Gruber’s allg. Encyklopadie der Wissanschaften und Kunste, I. Seet. 82, pag. 75—79- 11 der ersten Auflage seiner vergleiehenden Grammatik so manches von Dobrovsky in den institutiones linguae slavicae dialecti veteris offen Gelassene oder unrichtig Erklarte zu losen und zu berichtigen ver- stand. Hier aber, wie fur die ganze arische Vorzeit ist die vergleiehende Methode geradezu unerlasslich, denn um nachweisen zu konnen, dass das arische Urvolk irgend einerf religiosen Begriff besass, ist der Nachweis nothig, dass die spraehliche Bezeichnung hiefiir bei allen arischen Volkerscbaften oder wenigstens bei der Mehrzahl derselben die namliche gewesen, was nur dann der Fali sein kann, wenn das hiefiir verwendete Wort in diesen Sprachen nicht nur dieselbe Wur- zel, sondern auch dieselben Suffixe aufweist. Eine solche Wortana- lyse, die auch die Bedeutung der Wurzel ebenso genau bestimmen soli, wie Riicksicht darauf nehmen muss, welche Beziehung der¬ selben, beziehungsweise dem Stamme, durch die Wortsuffixe gegeben worden, ist das einzig verlassliche Mittel, in diesen dunklen Schacht zu driugen. *) Aus der den meisten arischen Volkern eigenen Bezeichnung fiir den Begriff Gott lasst sich, um nur dieses eine hier beispiels- weise anzufuhren, mit Evidenz schliessen, dass der arische Stamm bereits vor der Sprachtrennung gemeinsame Gotter verehrt habe. Die auf die Wurzel div ruekzufuhrende Bezeichnung hiefiir ist urspr. daivas, skr. devas, gr. fteoc, * 2 ) lat. deus, 3 ) lit. devas, altpr. deivs, D Aber selbst dieser subtile Vorgang ist oft unzureiehend, da, wie W. v. Humboldt, Pott, G. Curtius bewiesen und M. Breal naher ausfiihrte (les idees latentes du langage, Pariš 1868), neben der VVurzel und den Suffisen aueb eine Bestimmung im Worte hinzutritt, die nur im Gedanken und nieht lautlieh im Worte ausgedruckt ist. Vgl. H. SteinthaPs Beurtheilung dieser Schrift (Zeit- sehrift fiir Volkerpsyehologie und Sprachwissenschaft VI. 281—284). 2 ) Doeh vergleiebe man G. Curtius: Grundziige der griechischen Etymologie (2. Aufi. Leipzig 1866), woselbst er sich S. 450, sich stutzend an Sehleieher’s Ansiclit in der Zeitsohrift f. vergl. Spraclif. IV. 399 (fl-eo? zu 0-uetv), gegen die Hieher- beziehung des gr. D-so? aussprioht und es im Anschlusse an Doderlein zur W. Hes begehren, flelien, stellt, mithin 5-s-o-s fur ein 0-ea-o-g stiinde und 0-eo's der Angeflehte, Angebetete bedeuten wiirde, gegen welche Etymologie sich Pott verwahrt. (Etymologisehe Forschungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen, 2- Aufi. 2- Theiles 2. Abtheilung, Detmold 1867, pag. 996-) Zuerst aber war es naeh Pott (op. c. II. 2 pag. 992) Fr. Windischmann, der (in dem 'VVerke: Fortschritt d. Sprachk. Miinchen 1844) gegen die Zusammenstel- lung von Heds und deus Bedenken erhob und es als ein Derivatuin von skr. W- dha annahm und dasselbe mit Schopfer erklarte. Pott selbst zog zur Ent- 12 let. devs, ir. dia, koru. duy, wal. duv, vvogegen der geraianische Zweig im skand. tivar (nur im Plur. gebr.) eiue Eriuuerung au dieses Wort behielt und das Zendvolk iu Folge religioser Spaltung eiue Be- griffsanderung eintreten liess und unter daevas nur mehr bose, fiu- stere Geister verstand, trotzdem uus die Etjmologie des Wortes auf etwas ganz Entgegeugesetztes fuhrt. Es darf uus dies nicht im min- desten Wuuder nehmen, wenn wir uus vergegenvvartigen, dass ja auch die obersten Gottheiten uuserer Vorfahreu mituuter einem ahnlichen Schicksale verfielen, sobald die Obristianisiruug des Volkes vollzogeu war, und es ist eine ganz analoge Erscheinung, \venu die Anhauger Zoroasters abschworen mussten, keine Verehrer der daevas, zu denen aueh der oberste Gott Iudra gezahlt ward, zu sein, als vveuu der christianisirte Slave die friiher verehrteu Gottheiten verabscheueu uud sie als finstere Damoneu betrachten musste, oder der Germane etwa den Thunar oder Wuotan abschvvor, bevor er Christ ward. Aber auch die Slaven haben sich dieses Wortes nicht ganz ent- schuldigung des d das o&deis herbei (Anz A. L. Z. 1848, pag. 859) refusirte aber (op. c. II. 1. pag. 995), einsehend, dass in obd-stg, urjfhig das 5' fur x durch den aspirirenden Einfluss von ef? bedingt ist, was daraus klar wird, dass \veiblich nie die Aspirata, sondern stets die Media vorkommt (oožeiua). G. Biihier sich ebenfalls gegen die Hieherbeziehung des dso? ausspreehend, versucht eine doppelte Losung der Aufgabe (Orient und Occident, herausg. von Tli. Bt-.nfey I. pag. 568—573, II. pag. 338).. . Dafiir aber sprieht sich unter Reserve neben Kuhn, L. Mever u. a. aueh Bopp aus, der das gr. d gegenuber dem skr. d, das hier am meisten Anstoss erregt, durch Analogieen wie do pa und d-ofdrrjp fur skr. dvar, dvaram und duiiitar zu erklaren sucht und annimmt, dass sowohl das d von dopa wie von deo's nur in Folge einer ungesetzlichen Entartung an Stelle eines d trat. Das e aber gegenuber deiu skr. e anlangend, erkennt er darin den ersten Theil des skr. aus ai zusammengezogenen Diph- thongs (vergleichendes Aecentuationssystem, Berlin 1864, pag. 288. 89.). L. Meyer erklart das Verhaltniss des dso? zu devils so, dass im Gr. das i und v auslielen und Letzteies aspirirenden EinHuss auf den Anlaut ausiibte (Bemerkungen zur altesten Geschichte d. grieeh. Mythologie, Gottingen 1857, pag. 6). Sub indice lis est; dennocli darf man sich tur die Ableitung auch des gr. ded? von der Wur- zel div aussprechen und zwar, wie Delbruck (Zeitsehr. f. Volkerpsvch. u. Sprachvv. III. 492 Anrn.) sich aussprfcht, in der Ueberzeugung, dass vveder die Pliysiologie der Laute noch die historische Sprachforschung schon in der Lage sind, sich positiv fur die Unmoglichkeit des Deberganges vom arischen d in gr. d auszuspreehen. 3 ) L. Geiger (Ursprung und Entw. d. menschl. Spraehe u. Vernunft, Stutt¬ gart 1868, I. pag. 479, Anm. 191) denkt falsehlieh an eine Entlehnung dieses lateinischen Wortes aus dem Griechischen. 13 aussert und klar ausgepragt, fiudet. sich dasselbe im serb., bulg. und russ. divi. (im skr. bedeutet div noch den Himmel), obwol in nicht ganz iibereinstimmender Bedeutung. Das Serbiscbe nahert sich in der Bedeutung des div* einigermassen der Anschauung des Zendvolkes, indem es dem Etymon vvidersprechend damit einen gigas ‘) und mythisch gefasst, eine den Lichtgottheiten feindliche Macht bezeich- net, welcher Anschauung sich das Russische ziemlich enge an- schliesst, *) wahrend das Bulgarische mit diesem Worte die Bedeu¬ tung des Sturmwindes verbindet, wie man dies aus dem Satze er_ sehen kann : ahbj, ahbb roim, ^hb-f. ^hbb m. 3*6h rpn3e, ahbt. a« 8 )" ro36a roTBH, ahb' 1 , <51 Ansa ro3da 3 ) Immerhin aber ist eine Annaherung in der Anschauung der Slaven mit dem Zendvolke (auch im arm. dev und neupers. div schlagt diese Bedeutung durch 4 ) in diesem Puncte unver- kennbar und spridit dieser Umstand fiir Kuhn’s einst E ) ausgespro- chene, aber von S hleicher angefochtene Vermutung, dass die sla- vischen Sprachen mit dem Zend und der persischen Sprache lan- ger in Verbindung geblieben sind, als mit den iibrigen arischen Sprachen. Die oben aufgezahlten Worter stammen also von einer gemein- schaftlichen Wurzel div ab und das skr. d e vas ist daraus durch die Gunirung (daiv = dev, wozu noch a und s als Suffixe mit bekannten Funktionen treten) entstanden und bedeutete °) zunachst der Glanzende, Himmlische, Leucbtende und dann Gott, ’) vvobei mit Sicherheit anzunehmen ist, dass man die Gottheit im leuchtenden Himmel verehrte. Da veiters diese Worter in allen angefiihrten Spra¬ chen auch im Plural vorkommen, diirfen vir nicht nur schliesen, dass die arischen Volker zur Zeit der Losung ihres Gesammtverbandes bereits eine Bezeichnung fur den Gottesbegriff hatten und dieselbe in ihre neuen VVohnsitze mitnahinen, sondern auch dass mehrere Gčtter es *) Bvk cpncra pjeBHHit y Beuy 1852. s. v.; 2 ) A'i>annci>eBt noeTHvecKia B 033 pl!Hia CjiaBBHT. na npnpo,ny II. MocKBa 1868, pag. 618; 3 ) op. e. II. pag. 617; *) J. Grimm (deutsche Mythologie, Gottingen 1854, pag. 939) meint, auch das neutest. griech. Stapoko;, das in der Septuaginta noch nicht vorkommt konne aus einem morgenlandischen, dem pers. div. oder lat. divus verwandten, ■\Vorte entstanden sein; 5 ) vgl. "Weber’s indische Studien, I. pag. 324; 6 ) For- menlehre der kirchenslavischen Sprache, Bonn 1852, pag. 13; *) M. Miiller, Vorlesungen uber die Wissenschaft der Sprache, II. pag. 420; Schleicher die deutsche Sprache pag. 86; 7 ) Ein solcher Begriftsiibergang ist auch bei der W. svar, glanzen, zu bemerken, da suras Gott heisst. Grassmann in: Zeitschr. f. vgl. Spraehf. IX. 3 und G. Curtius op. e. 213. 14 gewesen sind, denen sie ihre Verehrung gezollt. ’) Zur selben Wur- zel oder eigentlich zu dieser und zur W. dju, aus der erstere durch eine Verwaudlung der Vokale in Halbvokale und der Halbvokale in Vokale entsteht, a ) gehort auch der Name des giiechischen obersten Gottes Zsb? (Gen. Ato e), sowie ein Beiname des Indra, djaus, wie niebt minder der Ju-piter der Rorner, der skand. Tyr, tvornach sicb im agls. Tiv, ahd. Zio biiden lasst. 3 ) Zeti? ist fur Ajeo? und wie im skr. die Deklinationen zwischen den Stamraen djav djau und div, so schwankt sie im gr. z\vischen Zso, Ajsn und AtF und zwar so, dass wir erstern, der sich aus der W. dju durch Zulaut bildete, vor konsonan- tischen und letzteren vor vokalischen Deklinationssuffixen treffen. Auf den volleren Stamm diov, skr. djav stiitzen sich die italischen Formen, wie der osk. Dat. AtouFsi, der altlat, Gen. Diovis und nach abgefalle- nem d auch Jovis, dessen Nom. und Voc. sich nur in Verbindung mit pater findet, welches nach einem weitergreifenden Lautgesetze in piter sich verkiirzte, entsprechend dem Skr., woselbst sich auch nicht mehr patar, sondern nur pitar findet. Ausserdem ist in den genannten Endungen aus Jov durch die Kontraktion ein Ju geworden (vergl. bubus aus bovbus) und wir bekommen eine Form Jupiter (skr. djaus pita gr. Zsu? TCarrjp), die, was der Ertvahnung wert ist, im umbr. doeh Jupatar lautet. Die germanischen Worter sind zwar nach der Grundform gebildet, mithin sprachlich auf alle Falle in Vergleich zu ziehen, allein iu dem Wesen des ahd, Zio ist die ursprunglicheIden- titat mit Zeu? nicht mehr zu erkennen. 4 ) Wenu man in altrussischen Quellen liest: „OBf> flHM ampTeTJ, a flpyrHH /ihbhh; Tpl>uy K.ia,iyTb ahbI, uepyHy, xopcy“ 6 ) so konnte man verleitet werden, auf einen sl. Dij (Div) und eine Diva zu denken. Dies ware jedoch irrtumlich, e ) weil diese Formen nachgebildet und dem Griechischen entlehnt sind, wie ‘) Dieser letzteren, von Kutin (die Herabkunft des Peuers und des GStter- trankes, Berlin 1859, pag. 4) ausgesprochenen Ansicht wird von H. D. Miiller (Hermes -Saramejas und die vg). Mythologie, Gottingen 1868, pag. 14, 15) heftig widersprochen, weil dieser Pirnat keine besondere Eigenthiimlichkeit in seiner Bildung zeigt, die sich in allen Sprachen wiederfande. Wir halten das Argument schon deshalb fur nieht zutreffend, weil ja sehon dureh die bisherige mythologische Forschung die oben ausgesprochene Ansicht Kuhn’s ihre Besta- tigung gefunden hat. * *) M. Miiller op. c.. II. 417; a ) j. Grimm op. e. 175- *) Curtius op. c. 543; Meyer op. e. 5, 6; 5 ) AIit. pyc. .ta. IV. 99 bei Afanas- jev op. e. I. 128; °) anderer Ansicht scheint Afanasjev zn sein, vgl. op. c. I. 128, 225. 15 uns andere und darunter selbst altsloveuische Quellen ersteu Ranges geniigend belehren. ctro a hh > leroJKč Arknniun uoroif k kitu mao- IvfeKTi udi ©YM{HHK'k COTONHNTi. COd. SUp. 6. 21; KAHBTv A Hra rAdTO- Af (St. a hk{C ) miraculum, zu ziehen, dem ein lit. divas mit derselben Bedeutuug entspricht, sowie zur selbeu Wurzel auch die slav. Bezeichnung fur Tag gehort, altslov. A hHb 5 skr. divam, dinas, lat. dies, lit. denas. Im Altsloveni- sehen und allen auderen slavischen Sprachen ist nach Analogie urver- wandter Sprachen nach einem bekannten Gesetze v ausgefallen; im lat. biduum (=biduvum) findet sich das v vvieder, das in „dies“ gleichfalls ausfiel. 2 ) Auf diese Weise beruhrt sich der Begriff des Himmels mit jenem des Tages, der ebenso gottlich personificirt gedacht ward. 3 ) Aus dem arischen Gesammtverbande losgelost, theilte sich das arische Volk in mehrere selbstandige Volkerschaften und traten einige frviher, andere spater ilire Wanderung nach unserem Welttheile an, die beiden nun sogenannten arischen Zweige in der Urheimat, in Asien, 4 ) zurucklassend. Auch jetzt, wo sie daran sind, ihr Sonder- ‘) Fr. Miklosich lexicon palaeoslovenico-graeco-latinum Vindobonae 1802 —1865 s. v.; 8 ) Miklosich op. c- s. v.; Curtius op. c. 213; 8 ) Die darauf sich stiitzenden Ausfflhvungen vgl. man bei Grimm op- c. 177; Pott op. c. II., pag. 953 u. 1053- 4 ) Eine paradox klingende Gegenansicht hat vor nicht langer Zeit Benfev ausgesprochen und wir sind es schon dessen bedeutendem Namen sehul- dig, dies hier zu notiren. Dieser gelehrte Sprachforscher meint naralich (vgl. dessen Vorwort zu Fick’s W<5rterbuch der indog. Grundsprache, Gottingen 1868), dass, seitdein es dureh die geologisehen Untersuchungen feststeht, dass Europa seit undenkbaren Zeiten der Wohnsitz von Mensehen war, alle Grunde, welche man bislier fur die Einwanderung der Arier von Asien aus geltend gemacht hat und die wesentlich auf den mit unserer friihesten Bildung uns eingepragten Vorurtheilen fceruhen, in ihr niehts zerfallen. Ihin scheinen wenigstens uber- wiegende Griinde dafiir zu sprechen, dass bei weitem eher Europa der Ursitz der Arier sei, den er einst specieller mit einiger Wahrscheinlichkeit. nachweisen zu konnen hofft. Schon jetzt aber stiitzt er seine Ansieht mit der Ausfuhrung, dass fur die bedeutendsten asiatischen Raubthiere, den Lorven und Tiger, sowie fur das asiatische Transportthier Kamel, eine gemeinsame Benen- nung abgeht, wogegen sich dieselbe fur den Baren und den Wolf, sowie fur die meisten Hausthiere allerdings findet. — Dieser Hypothese, die, insoweit mir ein Einblick diesbezuglich moglich ist, von der Kritik gar wenig Beachtung gefunden, sehliesst sich auch Geiger an (op. c. pag. XVI), dem auch dieBaumve- getation fur Benfey’s Ansieht zu sprechen scheint und sich weiters geetehen rnuss, 16 leben zu beginneo, ist es vvieder die Spracbe, die uns genugende Anhaltspunkte bietet in der Losung der Frage, in welcher Reihen- folge die Trennung erfolgte, und sie ist es wieder, die uns auch die Kulturzustande der Slaven aufdeckt, nachdem sie in Europa sich an- gesiedelt und als slaviseher Gesammtstamm ihre Wohnsitze zvvischen den Karpathen, dem schwarzen und baltischen Meere einnahmen, von wo sie sich vvieder im Verlaufe von Jahrhunderten, nachdem sie neuer- dings ihre territoriale Solidaritat aufgegeben, vveithin nacb Westen und Suden ausdehnten und nur zwei Zweige, die Russen und Po¬ len, so ziemlich in jenem ursprunglichen Stammsitze zuruckliessen. Die Auswanderuugen aus dem Mutterlande gingen nach P. J. Šafa- fik’s grfindlichen Dntersuchungen (vgl. dessen Kapitalwerk slovanske starožitnosti v Praze 1837, 1005 pag.) im 5., 6. und 7. Jahrhunderte nach Christi vor sich und vvurden in dieser Zeit vveite Landerstrec- ken von ihnen eingenommen, indem sie sich bis zur Einmundung der Elbe in die Nordsee, zur Saale und dem Bohinervvalde und von den tirolischen Alpen bis in das illyrische Dreieck hinein ansiedelten und abgesondert von einander ein selbstandi ges, nationales und politisches Leben zu fuhren begarmen. Das ist der Moment, wo die ein e slavische Spracbe sich in Sei- tensprachen zu theilen beginnt, die sich nun selbstandig entfalten und an Uebereinstimmung des grammatischen Baues desto mehr ein- bussen, je vveiter wir spatern Jahrhunderten zueilen, vvas ja ganz in der Natur der Sache gelegen ist, wenn vvir bedenken, dass zvvischen dass ein einmaliges Ueberstrihnen einer weitausgedehnten Bevolkerung in das innere Asien leichter zu denken ist, als eine mehrfach in Zwisehenraumen wie- derholte Einwanderung von Asien naeh Europa. — Die Hypothese gehort wol zu den uberraschendsten und kiihnsten, die je von der Spi'aehforscbung aufge- stellt wurden und solite sich die in Aussicht gestellte Ausfuhrung und Begriin- dung als richtig erweisen, so wird dies einen neuen Beweis des holien VVertes kotnparativer Sprachwissensehaft abgeben. Bis jedoch dies gesckieht — und ein leiser Zweifel, dass es geschehen wird, kann uns, ohne Benfey’s sonstige grosse Leisfungen za schmalern, allerdings besehleicben — haben wir noeh allen Grund, an der bis nun liber diesen Gegenstand herrschenden Ansicht fest- zuhalten und wird uns ein wissenschaftlicber Konservatismus in diesem Puncte baum ubel ausgelegt werden durfen. *) Weitergehend sind die Muthmassungen Sembera’s (zapadni Slovane v praveku) und Terst«njak’s, die einer genauern Beaehtung und grundlichen Pru- lung der Gelehrtenwelt empfohlen werden mussen, um auch hier, wo es noth- wendig erscheinen solite, au den bisher festgehaltenen Ansiehten Aenderungen vorzunehmen. 17 »len einzelnen slavischen Volkern ganze Jahrhunderte keine auf dem Gefuhle eine,s gemeinsamen Ursprunges basirende VVechselseitigkeit besteht und jeder der slavischen Sprachen eine unbehinderte selb- standige Fortentvvickelung zu Theil ward. Trotzdem aber finden wir, von lautlichen und formellen Erscheinungen nicht zu reden, eine grosse Anzahl Worte, die sich, dialektische Verschiedenheiten abge- rechnet, in allen slavischen Sprachen wieder finden und sicherlich dem Sprachschatze des noch ungetheilten slavischen Volkes entnom- rnen sind, da auf eine konventionelle Uebereinstimmung ebensovvenig gedacht werden kanu, vvie auf eine durch alle slavischen Sprachen hindurch gleichmassig erfolgte eigene Bildung soleher Worter. Diese Worter nun sind es \vieder, die uns den Kulturzustand des slavischen Volkes, den es zur Zeit seines Gesammtverbandes besesseu, ebenso aufhellen, vvie dies beziiglich des arisehen Urvolkes mit Hilfe der Sprachvergleichung zu erzielen ist. *) Auch darauf einzugehen miissen wir, vveil nicht zur Sache geho^ rig, Verzicht leisten und moge nur der Bezeichnung fiir Gott fiiichtig ‘) Dieser miihelohnenden Aufgabe unterzog sieh mit vielem Gesehicke J. E. VVoeel in der Abhandlung: o vzdelanosti slovanskeho narodu v prvotnich sidlech jeho (časopis muzea kralovstvi českeho XXXVIII. ročnik, sv. 4 pg. 353—370), sowie in dem. treflliehen Werke: pravek zemč češke v Praze 1868, pg. 245—260. Manches dort Beigebraehte vriirde den Gegenstand noch genauer beleuchten, wenn den "VVortivurzeln und deren Bedeutung eine grossere Beach- tung gewidmet vvorden ware, da im Einzelnen nicht nur konstatirt, welche Be- zeichnungen dieser Periode zuzusehreiben sind und aut weleher Kulturstute das Volk gestanden, sondern auch ermittelt worden ware, welche Anschauung den einzelnen Bezeiclinungen zu Grunde gelegen. Es wiirde vielleicht durch dieses Verfahren manches aufgestellt werden, was eine Berichtigung erfiihre, aber schon zur Weiterforschung angeregt zu haben, ist hier ein nicht unbedeuteu- des Verdienst. So liesse sieh beim Worte nebo (St. nebes), das allen slavi- sehen Volkern in der Bedeutung coelum eigen ist, und das wir mit skr. nabhas, gr. vetpos, lat. nubes, altn. niti, ahd. nebul, lit. debesis, let. debes zusaminen- stellen konnen, mit Weber (Indische Stud. I- 326) an die W. nabh —ligare, nectere denken, wonach nabhas, vstpoe, nebo als das Himmel und Erde ver- bindende (vgl. nabhis — Nabelschnur) Gewolk benannt ward. Es ist anzunehmen, dass auch der Slave ursprilnglich diesen konkreten Sinn mit dem Worte ver- band und erst nach und nach damit einen nicht sichtbaren Aufenthaltsort der Abgesehiedenen bezeichnete, wobei man an das altnord. Nifiheimr (vergl. Grimm d- Myth. png. 760- 63) erinnert wird, das allerdings nach spaterer christlicher Anschauung als der Ort der Strafe angesehen ward, in vorckristlicher Zeit da- gegen ein, freilich unterirdisehes, Schattenland bezeichnete, das die Bestimmung hatte, Verstorbene (niflfarin=mortuus) in sich aulzunehmen. t 18 gedacht vverden, fur die das slavisehe Volk in seiner europaischen Urheimat eine der Wurzel bhag, skr. bhadž entnommene und ein bagas voraussetzende Form altsl. Kor-h. entwiekelt bat, das eine nahe Verwandtsehaft mit skr. bhaga dominns (und auch Name einer Vedengottheit und der aufgehenden Sonne), mit Altpers. baga, Zend bagha= deus besitzt und in nachste Parallele mit skr. bbaga itkooToc divitiae 2 ) und Wortern wie lit. bagas, na-bagas, u-bagas (tctco^os pauper), altslovenisch c^eoriv 3 ), nsl. bei Trubar bog, in Valjavec’ens pripojedke bogec, alles pauper bedeuteud, lit. bagotas, let. bagats altsl. Korar’K ukooaio?, dives, wovon KoraT'KCTUO tcZootos divitiae, Xp^p-ata pecuniae *).zu bringen ist. Darnach kilnnen wir nicht fehlgehen, wenn wir als Erstlingsbedeutung fur bog opulentus und darnach, und dies laut geschichtlicher Zeugnisse schon fur die vor- christdiche Zeit, venerabilis annehmen, und es steht ein altsl. KOrdTTs. zu goi"k in demselben Verhaltnisse, wie ein lat. dives zu deus und bildet einen Gegensatz zu den finstern Darnonen, fur die das unge- theilte slavisehe Volk einen Namen altsl. srken hatte, das zu lit. baisus und let. bais zu stellen ist und mit der Wurzel skr. bhi=timere zu- sammenhangt, vvovon altsl. rohth ca, Got* ca cpo[k'.ad«i tirnere, lit. bijoti, bijau, let. bitis u. a. Beide Bezeichnungen vvurden bei der Ohristianisirung der Sla¬ ven, vvobei man so gutes anging auch mitgebrachteAnschauungen mit dem neueu Glaubeu zu verknupfen bestrebt war, beibehalteu und so vvard bog auf die Bezeichnung des christlichen Gottes s ) und bes auf ‘) Andere denken an die W. bha, splendere, von der Feifalik unrichtig auch das Wort bes leitet. 2 ) Man beachte: Bastian das Bestandige in den Menschenrassen Berlin 1868 pag. 181 Anin. 1 und pag. 221 Anm. 2; 3 ) wie Bernhardy (slav. Jahrbiicher fur Literatur und Kunst I. 342) haben will, der in Gott, Seiende, wodurch die bei allen Volkern wiederkehrende tiefere Ansieht ausgesprochen sein sol), dass die Armen, Kranken und Schwachen von hohern Machten einer besondern Begiinstigung sich erfreuen. *) Miklosieh op. cit. s. v.; Fick op. c. s. rad. bhag. 5 ) Einen mythischen Sinn hat nocli bog im Volks- liede, venn es heisst: o a Bora oa ciapor KpBHnKa (I!yi; cpncKe nap. njecMe II. 440) und scheint damit zusammenzuhangen, dass eine nieht unbedeutende Anzahl von Krankheiten und Pflanzennamen, denen eine mythische Bedeutung kaum wird abgesprochen vverden konnen, mit diesem VVorte gebildet ersebei- nen. So ist die serbische Bezeichnung bogiša fur die Schwertlilie (iris ger- nianica-Linrie) geviss nicht ohne Bedeutung und gewinnt »m mvthologischen VVerte umsomehr, wenn man denkt, dass in derselben Sprache dieselbe Biume auch perunika heisst, welches letztere VVort auch als Frauenname im Serbi- gehen zu finden ist. (Vergl. Vuk rječnik s. v.) Bezuglich der Benennung von 19 jene desTeufels iibortragen und ftir letzterenBegriff unter demEinilusse des Ohristentums neben dem mittelbar aus dem hebraischen entlebu- teu coTOHa aaravd?, satanas, dem aus dem griecbischen entstammten AuuikcaTv 8ta[3oXo?, diabolus, und dem mit antvi-jati passend verbun- denen ji^KaBi. onoktoc, perversus, irovijp6? malus, auch der Ausdruek Hsnpma3Hk gebildet, den wir dem gothischen mannl. unholtha und vveibl. unholtho an die Seite stellen, womit Ulfilas in der Regel nicht 8id(3oko<;, sondern Saigovi&v ubersetzt, und da sieh das weibl. in die- sem Falle weit haufiger angevvendet findet, auch beweist, dass bei den Gothen die Vorstellnng weiblicner Damonen ubervvog. vvas J. Grimm ‘) zu der sinnigen Bemerkung Veranlassung gibt, es sei im Hinblicke auf die heidnische Gottin Holda nahegelegt vvorden, der- selben im Gegensatze zu ihrer Milde ein bosgesinntes feindliches Wesen als weibliehe unbolda entgegenzustellen. Dieses iiEnpHiasHK bat im Altslov. die Bedeutung rcovTjpta und im tropischen Sinne auch 8id(3okoc und erscheint meist in der weiblichen Form auf-b (doch cod. supr. 183. 12 Neiipma3NTv), wesswegen auch das den weiblichen Substantiven eigene Possessivsuffix in Anwendung kommt: mripH- «3 hhh’k tgo Stafiokoo. Die urspriingliche i-Form findet sich noch in einem Sticherar aus dem 12. Jahrhundert als nenpnui3»H, wo die Lautabsdnvachung, wie in den altesten, namentlich glagoli tischen Quellen (cath, glag. doz. I. 281; fCAAH,irfecTH, «n"kA‘'CTii in einem Apost. des 12. Jahrh. . . , fur catu . ..) noch nicht eintrat. Das Wort selbst erscheint in den altesten glagolitischen und cyrillischen Quellen fur das griech. itovijpo? und 8iaflok&<; und wird, da es auch in den lateinisch gesehriebenen Freisinger Denkmalern vorkommt, zugleich den pannonischen Slaven vindicirt; 2 ) es ist alter als jedes der fur denselben Begriff in Anwendung gekommenen Worte, mit Ausnahme von bšs. In dieser Zeit der Ungetrenutheit gebrauchte also das slavische Volk zur Bezeichnung des Gottesbegriffes ein VVort, das im gleichen Pflanzennamen nach Gottern finden wir trcffiiehe Analogieen im Rigveda: Indra- puslipa, methonica superba, Indrabhesha, getroekneter Ingwer; Indraijan, Hanf; ebenso werden viele Blumen nach dem Golte Thor benannt: Thdihat, Thorhialin aconitum bycoctuin, Thorboll osmunda crispa u. a. (Mannhardt: gennanische Mythen, Berlin 1858, pag. 137, 139)- ») Grimm. op. c. 942. 2 ) Miklosieh op. cit. s. v.; Šafafik: uber den Ur- sprung und die Ileimath des Glagolitismus. Prag 1858; pag. 38; indem: glago- litische Fragmenle. Prag 1857, pag. 56; * 20 Siuue dem Altpersischen und dem Zendvolke eigen gewesen, eiu Umstand, der uns auf eine oben erwahnte Ansicht Kuhn’s erinuert, aber andererseits ivieder zu bedenken gibt, dass das Lit. und Let. hiebei an dem Worte festhalt, das dem arischen Gesammtstamme eigen gewesen ist. Er\vahnenswert aber, namentlich im Hinblicke auf die religiosen Ansehauungeu des Zendvolkes, bleibt die Ueber- einstimmung im Ursprunge und Verwendung des Wortes bei diesem Volke und den Slaven, vvelche Erscheinung wird so erklart werden konnen, dass diese Volkerdas Wort in ihrem Sprachschatze beibe- hielten, wahrend dasselbe andern urverwandten Volkera aus dem Gedachtnisse entscbwand, etwa so, wie sich einige urspriingliche Mythen bei einem Volke mit besonderer Vorliebe krjstallisirten, vvahrend sie bei einem urvervvandten zweiten der Vergessenheit an- heimfallen. — Im Uebrigen aber muss hier en passant erinnert wer- den, dass uns das Verhaltniss der slaviscben zu den erauischen Sprachen noch nieht geniigend aufgeklart erscheint. Die Spraehe also ist es einmal, die wir unbedingtzu Rathezie- hen miissen, wo es sich um Mythen handelt, die wir dem gesammten slaviscben Volksstamme vindiciren wollen und wobei alle slavischen Sprachen gleichberechtigt in Betracht zu kommen haben. Obwol die alteren Perioden derselben zunachst unser Interesse in Anspruch nehmen, sind es gar nicht selten lokale Dialekte der einen oder der andern unter den slavischen Sprachen, die uns eine reiche Ausbeute gewahren. So wie wir es in der Spraehe antreffen, dass einzelne Gebiete derselben einen besonderen Konservatismus in den sprach- lichen Formen zeigen, vornehmlich solehe, die abseits vielen Verkeh- res liegen oder Sprachgranzen abgeben, so stosst uns auf, dass manch’ viehtiger Beitrag zur Mythenkunde und Archaologie iiber- haupt in provinziellen Wortvorršithen erhalten geblieben ist, ja sich mitunter selbst in topische Benennungen gefltichtet hat. *) Zur Stunde wird allerdings die Forschung insoferne beengt, als wir noch ein auf der Hohe der jetzigen Lexikographie stehendes allgemeines slavisehes Wotterbuch entbehren und sich selbst die VVorterbucber einiger slavischen Sprachen nicht riihmen konnen, die Fundgrube vvenigstens der grossten Mehrzahl, da sich ja auf ‘) Man erinnere sich hier nur an Perunja ves, Perkunji vrh, topisehe Be- zeiehnungen im slovenisehen Theile der Steiennark oder an russ. Aaundorii /taatAndori, (Afanasjev op. c. I. 65. Anm. 2) und vergl. damit Ortsnarnen, wie Thorlof, Thorslund (Thors Hain), ThSrsakar (Mannhardt op. c. 139). 21 Vollstandigkeit nie rechuen lasst, der im Volksmunde und in der Schrift lebender Worte zu sein. Dessvvegen muss Mogliches ange- strebt und Aveitern Forsehungen der Weg geebnet Averden, was be- zuglich des altesten Kulturzustandes des slavischen Gesammtvolkes durch die oben in Erwahnung gebrachte Abhandlung glucklich unter- nommen ward. Bevor Avir zum realen Theile des im Volksmunde erbalten geblie- benen geistigen Volksschatzes scbreiten, ziemt es raitzAvei Worten der Volkssitten zu erwahnen, die wir zwar just zu einer traditionellen Literatur nicht leicbt rechnen kiinnen, es sei denn dass damit auch Gesproehenes oder Gesungenes oder auch beides zugleieh verbunden ist, in denen aber dennoch viel fiir die Mythologie Wichtiges erhal- ten geblieben ist. Nichts ist, was das Volk neben der Sprache und Religion fester zu erhalten tracbtet, als die Sitten, die es vou den Vatern geerbt, welche Anhanglichkeit an das Althergebrachte Avieder der Wissenschaft zum grossen Nutzen kommt. Auch hier ist zwar scbon manches der Vergessenheit zum Opfer gefallen, allein immer- hin treffen \vir auch bei den Slaven Sitten, Gewohnheiten und Ge- brauchean, diewiralseinen ganzenviinschtenBeitragzuraltern Sitten- kunde nicht minder wie der Mythologie begriissen durfen. Viele die- ser Gebrauche vveisen auf religiose und mythiscbe Anschauungen einer Zeit zuruck, die Aveit jenseits der Geschiehte liegt und die For- schung hat richtig erkannt, ’) dass dieselben in der Regel Ilandlun- gen nachahmen, die man in der Natur zu bemerken glaubte, Avas fiir Friiblings- und Hochzeitsgebrauche besonders zutreffen soli. Der Mensch fuhlte sich von den Erscheinungen und Aeusserungen der Natur abhangig und da er sich dieselben nicht dienstbar maehen konnte, Avar er doch bedacht. es zu veranlassen, dass deren Wirkung fiir ih n eine Avohlthatige Averde. In den Naturerscheinungen, Avobei Avir die Phanomene des Himmels in erster Linie im Auge haben, sah der Naturmensch, durch die seiner Umgebung entnommenen Verglei- chungen veranlasst, Avirkliche Wesen, die er sich mit Denken und Empfinden, ohne noch gerade an menschliche Personlichkeit zu ver- fallen, ausgestattet daehte, Avorunter einige schon ihrer ganzen We- senheit nach ebenso Avohlthatig als die andern zerstorend wirken. Nicht minder richtig ist es anzunehmen, dass man die zerstorend ) Schwartz: der Ursprung der Mythologie, Berlin 1860, pag- 10, Anm. 1. wirkenden, finsteru Weseu im Kampfe mit den wohlthiitig vvirkendeu, lichten, begriffen und auch die einen durch unmittelbares Eingreifeu der andern hervorgerufen wahnte, so wie die e rstern ferne zu halten, bestrebt vvar und die letztern wieder herbeizufuhren wiinschte, was gerade vielfaltig durch eigene Gebrauche unternommen vvard, durch die.mau dasselbe zu thun der Meinung vvar, vvas in den gross- artigen Aeusserungen der Natur nach dieser Anschauung vorging, uud von denen er gleiehsam eine Kopie in seiner mittelbaren oder unmittelbaren Umgebung gefunden. Glaubte man etwa, dass der Kegen durch das Rollen der Dounersteine oder durch das Peitsehen des Gewittermeeres mit den Biitzruthen entstand, so lag gevviss die Vorstellung nahe ; man konne Regen erzeugen, wenn in einen See Steine gevvorfen, oder dessen Wasser mit Peitsehen geschlagen \ver- den, ’) ein Gebrauch, den wir nicht nur bei mehreren arischen und daruuter auch slavisehen, sondern auch bei nichtarischen Vol- kern antreffen. — Den Kampf anlangend, ist diese Anschauung fiir den im Kindesalter des Geistes stehenden Menschen ein natiirlicher, den er in vermeinten Kampfeserscheinungen des Tageslichtes mit der Dunkelheit der Nacht beobachten kounte, uud ersteres in der Ge- vvalt feindlicher Miichte gehalten glaubte, vvoraus sich der Glaube erklart, dass bei jeder Verfiusterung Sotine und Mond von einer Schlange aufgefressen vverden und der Litaucr meint, die Fiuster- niss enstehe, wenn der Sonneuvvagen von einem Daraon angefallen vvird, daher man dem in Gefahr schwebenden Himmelskorper durch allerlei larmende Handlungen zu Hilfe koiumen miisse, um das Dn- geheuer zu verseheuehen.Einem ahnlichen Kampfe stand er taglich entgegeu, denn auch das Schwinden des Tages und Ileranrucken der Nacht stellte er sich nicht anders vor and endete die Vorstellung gervohnlich mit dem Tode der Sonne, daher sie ara kommenden Mor- gen ueu geboren oder mit neuer Kraft geriistet gedacht ward, welche Anschauung nicht geiindert vvard, vvenn die Sonne im Fruhlinge ihre vvohlthuenden Strahlen der neuerwachten Natur zu senden begann, die ausserdem die Vorstellung zuliess, sie sei der Verzauberung ') lbid. 2G0, 261- 2 ) Grimm op. c. 669, 670, vro noeh anderes beigebracht viri; Schwarfz op. e. 78, 79, vrelcher Mythenforscher auch die Bemerkung macht, es koime dieser oft stundenweit horbare Larm an die ursprungiieho Scenerie, an den Angriff im Gewitter zu malinen scheinen, vvas eine Nacliah- mung des Donners vrtite, der dieses Ungethiim zulotzt zu verseheuehen schion- 23 gliieklich entronnen. ') Dies erfuhr erst eine Aenderung, als man ein- mal dazu kam, sicli die Sonne als stets die namliche zu denkeu und da sprach man in kindlicher Naivetat nur mehr von einem Enttraumen und Wiedererwachen der Sonne. *) Bedeutender als mythologische Quelle vverden die Gevvohnhei- ten und Sitten, vvenn dieselben an gesprochenen oder gesungenen Worten ein Accompagnement erfahren, das dieselben illustrirt. Auch von diesem geistigen Besitze haben die Slaven manches der Verges- senheit entrissen und es, vvie die Gebrauche im allgemeinen, mehr oder minder gliicklich auch fflr die VVissenschaft zu verwerten ge- sucht, den darili liegenden Širin zu entrathseln trachtend. Hiei' darf man sich ubrigens namentlich von dem Umstande nicht irreleiten lassen, dass die Ausfiihrung dieser Gebrauche auf christliche Fest- tage fallt, ja mitunter selbst die spraehliehe Bezeichnung dem christ- lichen Kultus entweder vvirklich entnommen haben oder es nur entnom- men zu haben scheinen. So vverden wir keinen Augenblick zweifeln, dass unser kres (allg. ignis festivus und dann bes. das Johannisfeuer), den man unglaublicherweise als eine Erinnerung an die Lauffeuer zur Zeit der Turkenkriege zu erklaren die seltene, nicht beneidens- werthe Kuhnheit liatte, eine eminent vorchristliche Sitte ist, vveil vvir es historisch festgestellt haben, dass das Anzunden von Feuern chri- stianisirteu Volkern als eine heidnische, zu Ehren von Gottheiten, deren Namen wir sogar mitunter bezeichnen konnen, bestandene, Sitte untersagt war. Ein ahnliches Bervandtnisshat es(was die Gebrauche anlangt, denn die Bezeichnung ist eine entlehnte) mit der koleda (altsl. KOrtA^a), woriiber vvir uns hier, da e s sich um die nahere Ausfiihrung eines besonderen Falles handelt, des Nahern aussprechen vvollen, um spater darauf einfach verweisen zu kiinnen. Die mit den christlichen Weihnachtsceremonien zusammenfallen- den, dem Heidentume entstammten, Gebrauche unter den Slaven zeichnen sich vor den iibrigen durch eine besondere Fulle und Ver- schiedenheit aus, daher vvir nur Einiges davon hier ervvahnen kdnnen. Der Christabend heisst bei den Serben, Kroaten und theilvveise bei den Slovenen 3 ) baduji dan, badnji veče(r), bei den Bulgaren 6*^- ‘) Schwartz op. c. 226- 8 ) O. Mna.ie[n>: onbiTt HCTopnaecKaro ofiosp-fenia pyccKoii caonecHocT« G. HeTep6ypri> 1865, pag. 24—26. s ) — Bezuglich dieser vgl. Novice 1856, N. 103; Nov. 1867, Nr. 5; die Bezeichnung ^reti večer ist christl. Ursprung-s. 24 hhk'i> *), bei den Russen cone./ii.HHK.b, bei den Polen und Čechen ščodry dzien, štčdry večer (mittellat. largum sero, largus vesper), bei den Čechen ausserdem noch babi večer, was an das angels. inodra- neht=matrum nox erinnert, bei den Lausitzer Serben svačina. Die Be- zeichnung badnji večer wird gevvahlt, weil fiir diesen Abend fur jedes Haus zwei bis drei junge Eichen gefallt verden, die abgeastet den Namen badnjaci (Sing. badnjak) fiihren und bei eintretender Damme- rung in’s Haus gebracht und aufs Feuer gelegt werden. Das Fiillen geschieht in einigen Gegenden vor Sonnenaufgang, vvobei die Baume mit Getraide unter den Worten „dobro jutro i čestit ti badnji dan“ be- schiittet vverden. In Risano und anderen Orten des Kustenlandes um- winden die Madchen und Frauen die Eichstamine mit rother Seide, Zwirn und Goldrat, schmiicken sie mit Lorberblattern und verschie- denen Blumen und werden, withrend die badnjaci in das Ilaus getra- gen werden, auf beiden Seiten der Thiire Kerzen angezundet. Ist nur der Hausvater bei eingetretener Dammerung mit dem ersten Baum- stamme liber die Sehwelle getreten, so spricht er den oben citirten Spruch und wird von einem Hausgenossen mit Getraide beschiittet mit den Worten: dao ti Bog sretnji i čestiti. Statt des Beschiittens mit Getraide hat man in einigen Orten das Begiessen mit dem Weine und in Risano wacht stets Jemand beim Feuer, um den badnjak, wenn er durchbrennen will, mit dem Weine zu begiessen, von ivelchem Ge- brauche auch Vuk den Namen badnjak = vigiliae abgeleitet. 2 ) Den ersten Besuch am VVeihnachtstage halt man von Wichtigkeit, wess- wegen man hiezu Jemanden bestimmt, und um sich vor Jedermann Unberufenen zu scbutzen, geht an diesem Tage in derRegel Niemand als ein solcher polaznik in ein fremdes Haus, der am friihen Morgen erscbeint und gewohnlich im Handschub Getraide bei sich hat und selbes vor der Thurschwelle mit den Worten ausschiittet: Ilristos se rodi, vvorauf einer von den Hausgenossen, ihn ebenlalls mit Getreide l)eschiittend, erwidert: va istina rodi. Darnach begibt sich der polaz- Miua,s,nHOBU,n 6«bJirapcKii napo^mi ničim bi, 3arpe6b.l861, pag. 521- ’) Darnach ware also badnjak zu altslov. YpTrjyopetv vigilare und zu einer Wurzel skr. budb scire, zd. budh videre, gr. iml, lit. bud (vgl. Miklosich op. c. s. v.) zu stellen, wogegen Potebnja (o mhomuookomtj .'mauenui irJiKOTopi,rx7. od|»i,i ( oirf, h noBbpiii Mocuiia 1805, pag. 1 auf die skr. W. badh denkt und badnjak mit Wortern wie altstl. 5 o c t n hevteiv pungere, lit. badyti, badau zusammenstellt. Es ist ubrigens gar nieht unmoglieh, dass auch bi er heidnischen Gebrauchen der Name ausgetauseht ward. 25 nik unter Begluckviinschungen zu den badnjaci, nimmt die Feuer- schaufel und schlagt damit auf den brennenden badnjak, dass die Funken stark umherfallen, sprechend: ovoliko goveda, ovoliko konja* ovoliko koza, ovoliko ovaca, ovoliko krmaka, ovoliko košnica, ovoliko sreče i napredka, worauf er die Asche auseinanderschtirt und einige Munzen hinein- oder statt dessen auf den badnjak vvirft, den man ubrigens nicht ganz verbrennen lasst, sondern die letzten Enden vom Feuer nimmt, sie verloschen lasst und sie zwischen die Aeste junger Obstbaume legt, was ihr Wachstum fordern soli. ‘) Die Eiche var naeh slavischer Aulfassung ein dem Donnergotte Perun geveihter Baum, den man sich gevissermassen im badnjak vorgestellt daclite, und ihu nocb jetzt im Volksgebrauehe vie einen Menschen anspricht, ihm Wein reicbt und ihn vie sonst einen Men- sch.en beschuttet. Da das Beschutten und das Begiessen mythiscli ge- fasst, vie erveislieh und erwiesen, dasselbe ausdrucken, erinnert uns dieser Gebrauch an das himmlische Wasser, das den schvarzen Ge- witterwolken entstrOmt, und giebt uns Veranlassung, dasselbe zu einer Form des indischen Mythus zu stellen, vvornach Indra das himmlische Wasser trinkt, das er mit seinem himmlischen Hammer- blitz den Wolken, die als dessen Kuhe gefasst rverden, entlockt, wenn es von ihm heisst: du trankst von den Kuhen, du trankst von Soma o Held (Rigveda e. Rosen XXXII. 12) und er aucli den Beina- men dohan, der Melkende oder gavam gopati, der Kiihe Hirt, hat- Auch nach dem germanischen Mythus melkt Thunar seiae himm¬ lischen Kiihe, die Wolken, deren Milch, der Regen oder Thau, ihm als Starkung dient und diese Anschauung noch erhalten geblie- ben ist, wenn goth. daggvus, altn. doggr. ags. dedv, ahd. touvvi, rnlul- tou, nhd.Thau zu skr. doha=Milchgehort, vozu es vonKuhn(Weber’s ind. Studien I. 327) bezogen wird. a ) Vom himmlischen Feuer, dessen Spriihen gleichwol der Donnergott erzeugt und das man nach dem Beigebrachten im Ilerdfeuer darstellte, var man des Reichtums und jedweden Gliickes und Segens gevartig, und wurden ihm zur Errei- chung dessen Opfer gebracht, daher auch hier auf den badnjak oder in die Kohlp Munzen gelegt vurden. ! ‘) ‘) Dieses und noeh amlerea Hiehergehorige bei Vuk op. cit. s. .v. und in dessen Montenegro und die Montenegriner (XI. Lieferung der Reisen und Lan- derbeschreibungen der altern und neuesten Zoit, Stuttgart und Tubingen 1837) pag. 103 f. 2 ) Mannhardt op. c. 3, 4- 3 ) Potebnja op. c. 2, 3. 26 Einem badnjak entsprechend ist der blukku-vakars, Block- abend der Litauer und Letten, ‘) der skand. jul-block, der engl. yule-clog, d. 1. ein Holzklotz, der auch am Weibnachtsabende in das Feuer gelegt und wo moglich brennend erhalten wird, z ) das franz. ealigneau. 8 ) Letzteres streift in vielen Punkten mit dem serbischen Gebrauche ganz besonders iiberein, ein deutlicher Beweis, dass dieser slavische Gebrauch noch vor der Zeit der Trennung der verschiedenen slavischen Volker aus deren Gesammtverbande bestanden habeu miisse. 4 ) Die Weihnachtsgebrauche tveisen aber auch auf eine andere mannliche Gottheit hin, die die Sudslaven mit der scheinbar ganz christlichen Bezeichnung božič kennzeichnen, die es aber in vieler Beziehung wol nicht ist, was unschwer aus der Ueberlieferung ent- nommen werden kann, da vorchristliche Zfige darin unverkennbar sind. Wird man einen solchen Zug in einem Liede nicht anerkennen wollen, das am Weihnachtstage von den Jiinglingen von Hans zn Haus gesungen wird und in dem man wunscht, dass die Kuhe viel Milch geben mochten, um den božič darin baden zu konnen, 5 ) so ist ein derartiger Gedanke in folgenden zwei ebenfalls bei gleicher Gele- genheit gesungenen Liedern vvohl kaum abvveislich. 6 ) Bei den Letten heisst dieser Abend ausserdem kukju vakar, was an die slovenische Gewohnheit mabnt, ara Abende vor dem Christabende den kue-kruh zu backen, in das verschiedene Pflanzen gethan werden, denen im Uebrigen eine mythische Bedeutung zugesprochen wird; bei den Litauern (vgl. Nesselmann’s lit.'VVorterbuch pag. 207) ist kocos ein mit aberglaubischen Gebrauelien verbun- denes Abendessen. Genaueres im Slovenski glasnik IV. 17. 18. Entfernter hieher zu ziehen ist auch der deutsehe Christbrand, vroriiber verglichen werden wolle A. Kuhn, Sagen, Gebrauche und Marehen aus VVestfalen, Leipzig 1859. II. 103 bis 106- a ) W- Mullef, Gesehichte und System der altdeutsohen Religion. Got- tingen 1844, pag. 144, Anm. 2, wo auch erwahnt wird, dass im Mecklenburgi- sehen der julblock noch bekannt sein soli. s ) Wolf, Beitrage 118, 119 bei Potebnja, op. c. 3, 4. 4 ) Potebnja op. e. 2, 3 und eine Ausfuhrung uber die Beziehung' der Kerze zum Donner und eine Aufzahlung und Erklaj-ung anderer slavischer Weihnachtsgebrauche am Christabende, pag. 4 f.; — j. j. Hanuš bajeslovny kalendaf slovansky v Praze 1860, pag. 20, 41. 5 ) Byic Oe*. Kapapiih: hchbot h odnuajn napoja cpncnora pag. 6 und ders. pjeumiK s. v. no-ae^a. 6 ) Byu Gr. Kap. cpucue napo/me njecMe y lieuv 1841, I-, pag., 115, 116- 27 AoMaliHHe, Kojie^o; ročno,imie kojic^o! sac-racMo Te sa nciepom, r,:i,e Benepy th nenepani. fie.unr rp.ioH bhho nujeni, n onima 6ncep 6pojnin, n pyifaMa rajTan n.ieTem; A o .Vij HaMa npaj rajTana, Ha oe.n’ hesro Bora mo.iht’ 8a CTapora aa Baumana, aa M-Jia^ora 3a Bo m aha Boacnh 6aje no eiseM cneTj’, no cBeir eBery, no onoMe ete. ypaHHJia Kone,io! cTapa Majna, Ko.ie ( i,o! cBeToj npKUH Ha jyTpen>y, cycpeie je ene-ni lleiap Ha jeJieHy s.iaTopory, sitaToporj Hnapory: „BpH’ ce naTpar, CTapa Majno, eBo cy th rocTH , 1 , 0111.1 n, AoOpu roeiii KOjieljaHH, noju op,e, Bora Mone sa CTapora sa Baumana, 3a MJia^ora 3a Boviiiiha 11 etc. \Vir haben schon der Auffassung Kaum gegeben, dass, wenn nicht alle Anzeichen triigen, uuter badnjak Perun zu verstehen sei, der nun aueh, und zwar mit dem Attribute der Alte, in den angezogenen Lie- dern wieder vorkommt, was uns an seine sonstigeBezeiebnung ded ‘) (altsl. % dmcoc avus, gr. Delo? lit. und let. dedas = senex, avun- culus) 2 ) erinnert, die ein Analogon an Donar-Thorr findet, den man auch den Altvater nannte. Was man unter božic zu denken habe, wird durch eine andere Sitte ziemlich nahe gelegt; es pflegt nam- lich in Bosnien und Hercegewina der Hausvater friib morgens am Weibnachtstage vor dem Hause zu rufen: cjaj donte h 6oamhy, wobei er die Namen aller seiner Hausgenosseu der Reihe nach nennt 3 ) und "w o ran s die Anschauung durehscbimmert, dass man sich des Menscben Wohlergehen von dem Licbte der Gottheit ab- hangig dachte. Ist die Setzung bog niebt ein spaterer christlicher Zusatz, so wird man auch hier den im badnjak erkannten Perun wie- dersehen, der uns in einer ahnlichen Beziehung zum hellen Himmel erscheint, wie Indra, der nach dem Rigveda die Finsternisse zerstreut, die glanzvollen Welten offnet, die Morgenrotbe erweckt und die Sonne, das leuchtende Gestirn, mit ihrem Licbte herauffuhrt, oder wie ') Man vgl. untsr anderein: koleda, koleda dždku, dej orišku k snedku, was auf Perun weiset, da ihm die Niisse heilig gewesen sind. Ilanuš op. c. 21- Man vgl. noch: K. J. Erben prostonarodni češke pisne a fikadla v Praze, 1864, pag- 39- Daraus erklart sich auch, warum in Serbien (cf. 15yK Ct. Itap. pjeuHHK s. v. 6omiih; id. Montenegro, pag. 105) am Weihnachtsabende auf das Stroh, das die Hausfrau in gebiickter Haltung im Zimmer oder in der Kiiche streut, einige Nusse gelegt werden. — In einem serbisehen Liede (B. IleTpanoBHh epncne nap. njecMe hs Bočne, y CapajeBy 1867, I. 2 heisst es: cTapor cBaTa cBeiora Hjinjy (— Perun). 2 ) Miklosich, op: c. s. v. 3 ) Byn jkiibot pag. 5- pjeuiiHK s. v. 6o®iifc; uber eine ahnliche kleinrussische Gewohnheit bei Potebnja op. c. 19. 28 Thnnar, der die Schatten der Nacht vertreibt, Sounenschein verleiht, and die leuchtenden Gestirne am Himmel befestigt. ‘) Die andere uns entgegentretende Gottheit ist der Sonnengott selbst, der nach uralter Anschauung am W^ihnachtstage yvieder geborea wird, und es trifft auch fur diesen Mythus A. Kuhn’s Bemerkung zu, s ) dass die Weih- nachtsgebrauche als eia Vorspiel zum Sommerempfange anzusehea seien. 3 ) Bemerkenswert im Liede ist aueh die Stelle: božic baje po svem svetu,indemhierbajatinicht die derserb.altsl. undneusl.Sprache sonst eigene Bedeutung liudBetv incantare, aber auch nicht jene von [iohsDča&a' fabulari, wovon auch Emcnu [j.oO-ck; fabula,in welchemFal!e das Wort zu einem skr. bhaš, gr. cpirjpi, cpdsxo>, lat. fari 4 ) zu stelleu ist, haben kann, sondern splendere bedeutet und mit W0rtern vvie skr. bhami, gr. tpaivco (tpavVj, Fackel) zu vergleichen ist, welche Wor- ter einer VVurzel skr. bha angehoren und beweisen, dassleuchten und sprechen urspr. eines gewesen sei und sich erst allmalig der Unter- schied heranbildete, wes\vegen es nicht Wunder nehmen kann, wenn noch bei Sophokles das tpodvetv von der Kede gebraucht wird, vvenn es z. B. Antigone 621 heisst: idstvov irco? rcšipavmi. 5 ) — Dies bestatigen auch andere Lieder, die zu dieserZeit beiUmzugen gesun- gen werden, und es sei hier n ur noch auch auf Byu cpncue h. n. I. 117 und dess. c. h. n. ns XepneroBnne yEe>ry 1866, pag. 340 verwiesen. In ‘) "W. Mannhardt germ. Mythen, 140—143- s ) Zeitschr. f. vgl. Sprchf., V., 490- 3 ) Zur Bestatigung dessen vreisen wir voriibergehend auf die Anziindung der mit Peclikranzen umwundenen Rader und das Eollen derselben von einem Berge in’s Thal, womit die Winterwende der als llammendes Rad gedaehten, Sonne noch vor zwanzig Jahren bei den Slovenen Karntens und den Polen in Galizien gefeiert ward, in vielen Gegenden Deutsclilands dagegon noeh heute gefeiort vvird. Die Bulgaren nennen den December KOJiojKen, (Kapanejiom. 270 bei Afanasjevt op. e. I., 212), d. i. den Monat der Entziindurg des Sonnenrades, die Zeit der Wiedergeburt des Sonnengottes, was uns auf die Veden fuhrt woselbst aueh die Sonne als Rad aufgefasst wird, wofiir die Bezeichnung un- geschl. čakram oder mannl. eakras verwendet wird, die Bopp (glossar. sanscrit. s. v.) in Uebereinstimmung mit Curtius (Grundz. d. gr. Etym. 145) und Kuhn (Herab- kunft 53, 54) mit gr. xo vXoq zusammenstellt. Auch die Bdda nennt die Sonne fagrahvel (das schone, lichte Rad) und hat Zacher (gothisch. Alphabet 115) vveiters bevviesen, dass die angels. Pormen hveohl, hveogul, hveogl, ebenlails dem gr. y.oy1o<; entsprechen, woraus man weiter den Namen jul, altn. hiol, jo!, sehwed., dan. hjul, jul, altschw. hinghl. uinsomehr leitet, als das alte Kalender- zeichen lur die Wintersonnenwende, zugleich Bezeichnung fur die Rune hv, die Form dos Sonnenrades 'zeigt. Kuhn, op. c. 54. Mannhardt, Gotterwelt 235; J. Grimm, d. Myth. 004. *) Miklosich, op. cit. s. v. 5 ) Curtius op. cit. 207. 8. slavisehen Marchen werden den Lichtgottheiten goldene Gaben darge- braeht, sowie im Allgemeinen das Gold im mythischen Sinne mit dem Lichte in inniger Beziehung steht, was auch aus dem Liede (Vuk, I. 117) entnommen werden kanti, wenn es heisst, dass der božid die Thiire und Thurpfosten vergolde, d. i. beleuchte. ‘) Dass man bei obiger Annahme nicht fehlgegangen, erhellt auch aus einem Koleda- liede, das uns in einer bulgarischen und čechischen Variante erhal- ten geblieben ist und von dem es mit Sicherheit angenommen werden muss, dass die christliche Anschauung umsomebr erst spater substi- tuirt ward, als ja die christliche Ueberlieferung das hier Erzahlte mit keiner Silbe erwahnt. Es wird darin 2 ) das Baden entweder Marias selbst im Flusse oder Christus durch dessen Mutter und das Tragen Ohristi durch die Engel in den Himmel besungen. Allgemein muss bei Weihnachtsliedern, wovon manche einen tiefeu mythischen Kern in sich bergen, statt der entnommenen Bezeichnung koleda, welehes Wort in den Liedern mitunter durch slava vertreten wird, auf Vertauschung einer heidnischen Gottheit gedacht werden und ist anzunehmen, dass man bei Absingung dieser, mit allerhand Gebrauchen verbundenen, Liedern in diesem stereotypenRefrain sonst den Namen einer bestimm- ten Gottheit ausgesprochen babe. Unser Lied anlaugend, werden wir mit Beiziebung eines urverwandten und zwar litauischen Mythus die soeben geausserte Ansicht bestatigt finden. Danach ist die Perkuna teto, die Mutter des Donnerers Perkunas, die die miide und bestaubte Sonne im Bade aufnimmt, und sie gebadet und glanzend arn folgen- den Tage wieder entlasst. “) An die Stelle der Mutter Perkunas (= sl. Perun), der, wie wir horten, eine nahe Beziehung selbst zur Sonne hatte, 4 ) tritt in den slavischen Koledaliedern beim Baden des Sonnengottes, freilich im ganz christlichen Gewande, dessen Mutter selbst, was aus leiclit begreiflichen Griinden eine altere Auffassung involvirt, als die litauische und unter welcher mythischen Erschei- nung, was genauer auszufiihren zu weit reichen w(irde, die Morgen- rothe zu verstehen ist. 6 ) ‘) Potebnja op. cit. pag. 16—21; Hanuš op. cit. 21. 2 ) BescoHOBi. : 6ojirap- ckbi nlicHH II., 11; Erben op. cit. pag. 43; Sušil moravske nar. pisne v Brne 1860, pag. 739- 3 ) K- Sehwenk, Mythologio der Slaven, Franufurt am M. 1855, pag. 107- 4 ) Im Rigveda heisst Indra der Erzeuger von Sonne, Himmel und Morgenrothe. Mannhardt, germ. Mythen 140. 5 ) Orest Miller, op, cit. 28 f- Sla- vische Gebrduche mit mythischem Inhalte im Allgemeinen anlangend, muss auf die sclion citirte interessante Schrift Hanušens (baj. kalendar) hingewiesen wer- 30 Es steht uns die weitere Aufgabe bevor, den realen Theil der traditionellen Literatur in der Weise kurz zu besprechen, wie dies soeben betveffs der Sprache und der Sitte geschehen ist. 1. Das Marchen und die Sage, obtvol beide namentlich im Gegensatze zum Wirklichen, zur Geschichte manchesGemeinsame auf- weisen, naussen dennoch ihrer Wesenheit nach auseiuander gehalten werden, wie dies vor allem die Briider J. und W. Grimm, die zuerst die bobe Bedeutung derselben far die Mjthologie erkannten, getban baben. Den Unterschied kennzeiehnen sie im pragnanten Satze: „Das Marchen ist poetischer, die Sage historischer; jones steht beinahe nur in sich selber fest, in seiner angeborenen Bliite und Vollendung; die Sage von einer geringeren Mannigfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besoudere, dass sie an etwas Bekanntem und Bevvusstem haftet, an einem Orte oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen." ‘) Gleichzeitig aber erkannten sie auch den Getviun, der aus der Sage und dem Marchen fur die Mjthologie gezogen werden kann, wenn sie annahmen, dass in ihnen in dieser Gestalt uoch fortdauernde Mythen anzunehmen seieu. * 2 ) Ueber das Marchen imBesonderen aussertsich W. Grimm in folgender Weise: „Gemeinsam allen Marchen sind die Ueberreste eines in die alteste Zeit hinaufreichenden Glaubens, der sich in bildlicher Auffassung ubersinnlicher Dinge ausspricht. Dies Mythische gleicht kleinen Stuckchen eines gesprungenen Edelsteins, die auf dem von Gras und Blumen ubertvachsenen Boden zerstreut liegen und nur von dem scharfer blickenden Auge entdeckt werden. Die Bedeutung davon ist langst verloren, aber sie wird noch empfun- den und gibt dem Marchen seinen Gehalt, vvahrend es zugleieh die nattirliche Lust an dem Wunderbaren befriedigt; niemals sind sie blosses Farbenspiel gehaltloser Phantasie. Das Mythische dehnt sich aus, je weiter wir zuriickgeheu, ja es scheint den einzigen Inhalt der altesten Dichtung ausgemacht zu haben.“ s ) Und J. Grimm aussert sich hieruber so: „Sie (die Marchen) sind, wie sich immer unzweifelhafter herausstellt, die wunderbaren letzten Nachklange uralter Mythen, die den, in der auch die Vemertung derselben fur die Mythologie meist mit Gluck durehgefiihrt ist. ‘j Deutsche Sagen, herausg. von den Briidern Grimm, Berlin 1819,1. Anfang der Vorrede; hei Arthur und Albert Sehott: walachisehe Marchen, Stuttgart und Tuhingen 1845, pag- 308. *) Kindermarchen, 2. Ausg. 1819- I. XXVItI. hei Sehott, op. c. 309. 3 ) Kinder- und Hausmarchen, ges. durch die Briider Grimm, 3- Aufl., Gottingen 1856, pag. 409- 31 hber ganz Europa hin Wurzel geschlagen, und geben reichhaltigen, um so unerwarteteren Aufschluss viber verschiittet geglaubte Gange und Verwandtschaften der Fabel insgemein.Man lasse fahren dcn Wahn, sie seien an irgend einer begunstigten Stelle aufgewaeh- sen und von da erst auf ausserlieh naehweisbarem Weg oder Pfad in die Ferne getragen worden.Wie zwischen den Sprachen aller europaischen Volker uberall grossere oder geringere Beriihrung waltet, so schlagt auch ein allgemeiner Grundlaut dieser episehen und mytbischen Elemente an, die gleichwohl jedem Volke auch in eigen- thumlicher Besonderheit werden diirfen, und man muss es gestandig sein, dass ihre Einstimmung, vvie ihre Vielgestaltigkeit der Forsehung gleichen Vorschub leistet." ‘) Der Dntersehied, der zwisehen Marchen und Sage besteht, ist keineswegs ein bedeutender und gevvissermassen bei sich gleichblei- bendem Stoffe nur auf die Verscbiedenheit der Ueberlieferungsform und auf einen Unterschied der Gotter- und Heldensage besehrankt, da dasjenige, vvas von der Gčttersage bis jetzt in der Ueberlieferung erhalten geblieben ist, sich im Marchen erhalten hat und dasjenige, was eine geschichtiiche Verarbeitung gefundeu, in der Heldensage niedergelegt ist. 2 ) Ein in der Natur des Mensehen tief begriindetes Streben ist die Versinnlichung des auf diese Weise Ueberlieferten und die moglichste Anpassung desselben an seine ^Lebensverhaltnisse, daher die allmalige, mehrere Entwicklungsstufen aufvveisende Anthro- pomorphosirung der Naturerscheinungen, beziehungsweise Gotter, und Loslosung derselben von den Kraften der Natur, Entkleidung jedweder Naturbedeutung, -vrodurch dieselben sterblichen Mensehen gleichgestellt werden, eine Stufe der Ueberlieferung, auf der uns das Marchen, das noch vieles AVunderbare enthalt, entgegentritt. Der nachste Schritt ist die Abstreifnng des Wunderbaren, sovvie die Lokalisirung des Erzahlten auf bestimmten Orten als Schauplatz der Begebenheiten, sowie die Historisirung, die Uebertragung dieser Be- gebenheiten auf eine historische Persoulichkeit, wodurch der auf diese Weise durch fortgesetzte Versinnlichung des Marchens entstan- denen Sage ein jungeres Kolorit verliehen wird. Dessen ist sich nicht zu wundern, denn je rnehr die alten Zeiten dem Volksgedachtnisse *) Pentamerone; in’s Deutsche iihersetzt von Felix Liebrecht, Breslau 1846, Vorrede pag. VIII; vgl. bei J. G. v. Hahn griech. und albanesische Marchen, Leipzig 1864, I. 3 ) Sehott, op. e. 315- entschvrinden und die Erinnerungen darau abgeschwacht werden, zu desto grčsserem Bediirfnisse muss es werden, die Mythen in jiingere, namentlich historisch hervorragende Zeiten zu verlegen und ihnen auch die Scenerie derselben anzupassen. ‘) Die Form sowohl des Marchens als der Sage, besonders aber der Letzteren ist, so wie sie uns vorliegt, spatern Zeiten angehijrend, der Inhalt dagegen, so modi- ficirt er auch im Einzelnen erscheint, gehort einer uralten Periode an, da derselbe bei verschiedenen arischen Volkerschaften wesent- lich derselbe ist und im Einzelnen wohl entlehnt sein kann, der gros- sen Mehrzahl der Falle dagegen als ureigner Besitz dieser Volker angesehen werden muss und auf eine gleiche, allen arischen Volkern gemeinsame Naturanschauung schliessen lasst. Wir haben damit ausgesprochen, dass wir die Marchen ebenfalls als einen Theil jenes geistigen Besitzes der arischen Volker ansehen, den sie bei der Ausscheidung aus dem asiatischen Gesammtverbande ebenso in ihre neuen Wohnsitze mitnahmen, wie die Sprache. An diesern geistigen Erbe hielten die arischen Volker in ihrem Sonderleben ebenso un- erscbutterlich fest, wie an der Sprache, was fur die aufFallende Ver- wandtschaft derselben, die an der Verwandtschaft der Sprachen die beste Analogie besitzt, wol die passendste Erklarung sein durfte. Wie liesse sich sonst die Marchenvenrandtschaft zwar urverwandter, aber nie weder im materiellen noch geistigen Verkehr gestandener Volkerschaften erklaren? Man wird an eine Entlehnung schlechter- dings nicht denken konnen, wenn man bei einem Vergleiche vieler slavischen Marchen mit den galischen, die J. F. Campbell im Jahre 1860 herausgegeben s ) und in den westlichen Hoehlanden Schott- lands gesammelt bat, auf Uebereinstimmungen gestossen sein wird, die sie ausserdem auch mit den Marchen anderer Volker theilen. Dass aber die Sagen und Marchen im Volksmunde so zahe festgehahen wurden, kann man dem Umstande zuschreiben, dass man dieselben einst als giittliche Wahrheiten hochhielt, sie mitliin im Glauben eine Sanktion erhielten. a ) ‘) Hahn, op. cit. Emi. 4—7; Mannhardt, die Gotterwelt, pag. 34- ’) Eine Uebersetzung nepst austiihrlichem Nacliweise verwandter Marchen anderer Vol¬ ker ward von Reinhold Kohler in Benlevs Orient und Occident, II. 98—126; 294—331; 486—506; 677—690, geliefert. Campbell weist an diesen Marehen viele Ueberreste alten Glaubens und Sitte naeh und findet in einem Marchen sogar einen Rest aus der keltischen Urzeit, was Kohler zwar zugiebt, aber be- merkt, es braucht deshalb das ganze Marchen doch in jener Zeit noch nicht existirt zu haben. Or. u. Oec., II 9,9. 3 ) Hahn r op. cit. I. 16- 33 Anderer Ansicht in diesem Punkte ist Th. Benfey mit eiuem nicht kleinen Anhange tucktiger Gelehrten, der allerdings an eine Enllehnung verfallen ist, die, wie ervvahnt, im Einzelnen auch nicht geleugnet werden kann. Benfey halt dafiir, dass die Marchen, die wir als gemeinsames geistiges Besitztum aller arischen Volker aD- nahmen, nur dem indisehen zu vindiciren seien und von Indien aus in geschichtlicher Zeit iiber Europa und fast liber die ganze Welt sich ausdehnten, und zwar dermassen, dass vor dem 10. Jahrhuu- derte n. Chr. vvenige und auch diese durch mundliche Ueberlieferung, mit Ausnahme der durch die Uebersetzung des Pančatautra oder Kali- lah und Dimnah bekannt gewordenen, den Weg nach Europa gefun- den haben. Von da ab vvard die mtiudliche Ueberlieferung durch die literarische ersetzt und Uebersetzungen indischer Erzahlungsvverke in das Persische und Arabische veranstaltet, und iiber die islamiti- schen Reiche in Asien, Afrika und Europa verbreitet, wobei auch der christliche Oceident davon Kunde erhielt. Grosser noch und fruhzei- tiger war die Verbreitung derFabeln, Marchen und Erzahlungen nach China und Tibet und von den Tibetern kamen sie zu den Mongolen, von denen es sicher ist, dass sie die indisehen Erzahlungsvverke in ihre Sprache ubertrugen. ‘) A. Schiefner, der einst dieser Ansicht Benfey’s huldigte, ist, was fiir die ganze Anschauung von Bedeutung vverden kann, in neuerer Zeit bereits derselben theihveise abtriinnig geworden, indem er dem occidentalen Ursprunge mancher mongoli- scher Marchen das Wort redet. * 2 ) Mit Berucksiehtigung hieher einschlagiger grundlieher Forschun- gen, wozu wir ausser dem von den Briidern Grimm a. A. Gesagten, ganz vorzugsvveise das von Ilahn in der Einleituug zu den grie hi- schen und albanesischen Marchen, sowie jenes in Orest Miller’s obzori. Angefiihrte 3 ) rechnen, halten wir an der obeu ausgesprochenen An¬ sicht um so fester, als Benfey’s Belege fiir seine Ansicht vvirklich nicht unbedingt Zvvingendes bieten und auch nicht in der Weise ab- geschlossen sind, um die Hypothese als endgiltig lestgestellt anse- hen zu konnen. Dabei sei aber nochmals hervorgehoben, dass wir in seltenen Fallen an eine Erborgung, die aber nicht gerade auf eine indische (juelle zuriickgefuhrt werden muss, allerdings denken niiis- ‘) Th. Benfey, Pantsehatantra, fiinf Biicher indischer Fabeln, Marchen und Erzahlungen. Leipzig 1859, I. pag. XXIII, XXIV. 2 ) Cuhktu. BIjaumoctm 1864 Nr. 287 bei Or. Miller, op. cit. 142- 3 ) Af'anasjev’s ofters in mythologi- sehen Sehriften citirte Abhandlung cna3Ka h Mnen liegt mir leider nicht vor. 3 34 sen, sovie dass wir bei aufstossehd&r Aehnlichkeit von M&rchen bei nicht stammvePlvandten Včlkern ofters auf eino innere Einheit der Natur des Menschengeistes zu denken haben, dessen Tliatigkeit aueh diese Sehatze ihr Dasein verdanken, als aber auf eine Mitthei- lung von einem andern Volke, weil es feststeht, dass das Marchen zu den „cirkulirenden Geisterkapitalien" keines Volkes weder je gehbrt h at, noeh gehOrt. ‘) Bei Festhaltung der Ansicht nun, dass aueh das Marchen, auf das Zeit und Umstaude geriugeren Einfluss ausdehnten als auf die Sage, ein allen ari S eh e n Volkerschaften ureigener Geistes- schatz sei, ergibt sich nach dem Beriihrten aueh dessen hohe Wich- tigkeit fur den Mythus, wobei ubrigens aueh hier eine Distinktion ebenso zulassig als nothvvendig erscheint, weil der Inhalt der Mar¬ chen eine grosse Verschiedenartigkeit aufvveist. Eine solehe unter- nahm mit Zugrundelegung von Afanasjev’s grossartiger, auf Mar¬ chen verwandter Volker Bezug nehmender Marchensammlung (Hapoa- hhh pyccniH ciiasiui MocKBa 1860—63, 8 Bande) der scharfsinnige Orest Miller in der Besprechung dieser Sammlung (pasdopi, cdopHHKa pyccKHxi> CKa 30 K'j> A. H. AeanacheBa CaHKTneTep6ypri> 1866, pag. 23 f., Separatabdruck aus dem TpuAnaTbierBepToe npHcya^eHie yHpeat- AenHbixi, /l,eMHAOBHM'i. uarpaAh ibid. , pag. 94 ff.) und ausfuhr- lieher im opjte, pag. 144 f., dessen Ausfiihrungen hier, als fur die slavische, und \vir hoffen aueh fur die Mythenforschung im Allgemei- nen vvichtig, kurz wiedergegeben werden sollen. An der Spitze aller stehen jene Marchen, 2 ) die vorzugsiveise den Charakter des Mythischen in sich bevvahrt haben und deren An- zahl bei den slavischen, wie andern arischen Volkern eine so grosse ist, dass aueh hier eine uahere Unterscbeidung vorgenommen werden rnuss und jene Marchen obenan zu setzeu sind, die den Kampf des Lichtes mit der Finsterniss in physischer Fassuug darstellen, d. h. die ‘) II. F. Willer hat(Mythologie und Naturanschauung, Leipzig 18G3, pag. 90 f.) mit Recht darauf hingewiesen und vorzugsweise an den in J. G. Mufler’s Ge- schichte der amerikanischen Urreligionen (Basel 1855) gelieferten Daten, da in der finnischen Kalevala doch an eine Moglichkeit de.r Einwirkung anderer, zuniichst aber arischer Volker gedacht werden konnte, den Beweis geliefert, dass die Uebereinstimmung mythischer Grundanschauungen weiter reieht als die Einheit der Volker und Sprachstainme. 2 ) Es versteht sich ubrigens von selbst, dass wir in unserer Darstellung von jenen Marchen schon a priori abgesehen haben, die auf Humor und Satyre berechnet sind und einen entschie- den spatern Orsprung nicht verhehlen konnen, ja selbst noch heute mehrere ihresgleichen erfunden iverden. 35 Mythen nocb ganz physiseh erscheiDen, worau sich andere anreihen, in denen uns eine abstraktere *) Auffassung der Gottheiteu, bezie- hungsweise Naturerscheinungen entgegentritt. Hier ist der Kampf des Lichtes mit dem Dunkel in einigen, von einander veraehiedenen, Reihen vou Begebenheiten dargestellt, vvelcher Dnterschied iibrigens keineswegs so gross ist, ura nieht die hiehergehorigen Mareheu als blosse Varianten einer urspriinglichen Koneeption anseheu zn kon- nen, vvelche Varianten sicli etwa so darstellen lassen: 1. Das Tages- licht wird von einem furchtbaren (zwolfkopfigen) Drachen (=Gewitter) verschluugen; aber von einem Jiinglinge (= dem blitzerzeugenden Donnergott) wird dem Drachen das Haupt zersckmettert, und das Licht ergiesst sich wieder iiber das ganze Konigreich. Bezeichnend ist es hier, dass das Licht weder theriomorphisch, noch antropomor- phisch, sondern als solches selbst, erscheint. Nieht anders ist es, wenn die Marchen von einer Zuriickhaltung des irdischen VVassers (= die Regengusse) durch den Teufel, einer spateren Substitution fur den Gewitterdrachen, erzahlen. 2. Das Himmelslicht ist in ver- schiedenen VVunderdingen zu erkennen, die der Heldenjungling bald fur den Vater oder den Konig, bald auch fur sich zu gewiunen bat. Derart sind die goldenen Aepfel, der goldene Vogel, der goldweihige Hirsch, das goldmalmige Pferd, das goldbeborstete Schvvein, wobei das Gold auf ein lichtes Wesen hin\veist und auch die slavischen Gebrauche es zur Geriuge darthun, dass man darunter verscbieden gestaltete Sonnenmythen zu denken habe. Dem entsprechend ist auch das lebendige Wasser, das wiedcr zum Leben erw.eekt (d. i. der Natur neues Leben einhaucht) nnd das Augenlicbt wieder gibt (d. i. nach dem Regengusse leuchtet vvieder das grosse Himmelsauge — die Sonne). Den Jiingling erringt sich aber auch eine ebenso wunderbar« Braut, eine spatere antropomorphisehe Erscheinung fur das Sonnenlicbt, die helle Morgenrothe . . ., die auch die Eigenheit besitzt, dass ihr Lacheln den Blumen 'das Bliihen entlockt (== die Natur verjiingt). Mit historischen Ziigen durchfloehten sind spatere Brautwerbungen, wie sie deutsclie mitteialtertiche Dielitung im Ort- nit, Hugdietrich u. A. besitzt, aber auch dem slavischen Volksepos nieht unbekannt sind. 3. Die Liehterseheinungen werden schou ganz antropomorphisch dargestellt: so als Jungfrau, die aus der Gewalt ‘) Aber nieht etwa im Sinne vom Gegensatze zu konlcrat zu fassen- 2 ) Nach M. Mflller (Vorl. u. d. Wiss. d. Sprache II. 436) die Morgenrothe. 3* 36 — des Drachens durch den Jungling gerettet, oder als Jungling, der von der Jungfrau aus der Gewalt des Meerkonigs befreit wird, welche beide Formen auch in den epischen Liedern mehrerer arischer Vol- ker (Slaven, Germanen, Grieehen, Franzosen ....), mitunter mit schristlichen Anschauungen durckflochten, nicht wenig vertreten sind. Dem Juglinge wird mitunter eine unnatiirliche Abstammung zuge- sebrieben; so vom Stier, Baren, Fuchs, Fisch — alles theriomorphi- sche Vorstellungen der von Perun’s Donnerkeile getroffenen Gewitter- wolke. 4. Die Wiedererlangung der Hutter, Frau, Schvvester oder Tochter vom Drachen, die nach einig-en Marchen gutwillig erfolgt, naeh anderen dagegen erst erz\vungen werden muss, vvovon sich eben- falls Anklange in mythischen epischeu Liedern nacbweisen lassen. So gehort dazu die Entfubrung der Helena, l ) die ihrem Gatten zu- ruckerorbert vvird und sich mit ihm vvieder vereinigt; nieht anders auch einige serbische epische Lieder, wie eines bei Vuk Stefanovič Karadžič vorkommende ’) oder die russischen uber Mihajlo Potyk'j, Ivanoviču. 3 ) Als Wiedererringung eines Mannes mit Hilfe einer Frau, deren wir im Marchen nirgends begegnen, ist von nicht geringerem Interesse ein russiscbes Lied mit historischen Anklangen, das uber Stavn. Godinovič-u und der Vasilista Mikulična handelt. 4 ) 5. Die Rettung der schlummernden, versteinerten oder verwandelten Jung¬ frau, oder die Errettung des verwandelten Konigssohnes oder dessen Helfers, also gewissermassen ein Gegensatz zum fruher ervvalmten Raube der vermenschlicht gedachten lichten Naturerscheinungen. Mitunter begegnet die Versteinerung eines ganzen Konigreiches (als mytbisches Bild fiir die Erstarrung des Lebens der Natur im Win- ter). 6 ) Ein anderer Zug ist hier wieder, vvenn die Jungfrau, die durch die Kunste der bosen Zauberin zum Drachen, Baren u. s. w. geworden, erst dann die menschliche Gestalt \viedererlangt, wenn sich der Jungling entschloss, sich mit ihr zu verheiraten oder umge- kehrt die Jungfrau dem verzauberten Jungling freivvillig ihre Hand anbot und ihn hierdurch der Verzauberung befreite. — Nicht minder gehčrt hieher das reizende Marchen von zamaraška, pepeljuga, pepel- juška, cendrillon, Aschenputtel, vvelches, wie dies aus den vorhan- *) Nach JI. Miiller (Vorl. u. d. Wiss. d. Sprache II. 436) die Morgen- rhtlie. s ) epn. Hap. n. 11.26—38. 3 ) Pm6hhicobt>: nlicimMocKBa 1861 — 64. 1.206 bis 209; 0. Mnjuepi: xpHCTOMaria in, oni.iTjc C. UeTep6. 1866, pag. 146—7. 4 ) Ryb- nikova. op. c.1.241—251; irkCHH cofip.KHplieBCKHMbMocKBa 1860—62, IV. 59—68. s ) Vergl AeanacbeBi: cKaBKH V. 196—197; eine Variante VIII. 429. 37 denen Marchensammlungen zu entnehmen ist, bei allen arischen Volkern in ganz gering von einander abtveichenden Varianten vor- kommt. 6. Wider lichte Wesen erheben sieh ihneu venvandte, die ihnen zum Verderben werden. — Die bose gesinnte Sehwester todtet den Bruder oder die Schivester, aus deren Grabe aber ein Schilfrohr oder Massholder oder ein Knochen erwachst, weleher zum Pfeifchen geschnitten, mit menschlichen Lauten das Verbrechen offenbaret. ‘) Hieher gehoren auch Marchen, dio da erzahlen von der Verleumdung neidischer Schwestern ilber ihre vom Gemahl entfernt weilende Mit- sehwester, die ihm Kinder versprochen, deren Ilande bis an den Ellbogen golden und die Fusse bis an die Kniee silbern u. s. w. wur- den, die ihm aber statt des Versprochenen Hundchen . . . geboren habe. — Nur ein anderer Zug ist es, wenn neidische Schvvestern den Brautigam ihrer naturlichen Schwester zu verderben trachten, der aber den Nachstellungen entgelit und sieh endlicb mit der Braut verbindet. An Stelle der neidischen Schwestern treten in andern Marchen Briider auf, deren Neide der juugere Bruder zum Opfer zu fallen bestimmt ist, aber ihren Nachstellungen glticklich zu entgehen versteht. 7. Hier zeigt sieh der Kampf des Lichtes mit der Finster- *) nach einem russischen Marchen singt es: »00 no Majiy — ms.iv, 'iyMa'icni,i:y. rpan, ^a ne Bpaasi Moro cep^enbna bi, npan; MeHe cecTpnu,a 31. cunTy cry6ioa, HnjKTb y cep^eiibKo /i,a-n ycTposmjia.« A«airaci.ein>: cnaann VIII. 314; oder: no M,ijiy .; mhhh cecTpnu,a- 3pa^HHii,a, 3a KpacHbi aro^KH, 3a nopBomiH noooTKn. id. V. Nr. 17; nach einem dentschen wieder: Aeh du liebes Hirtelein, Du blast auf meinem Knochelein. Mein Bruder hat mich erschlagen, unter der Brucke begraben, um das wilde Schwein, fflr des Konigs Tochterlein. Bruder Grimm: Kinder- und Hausmarchen, Gottingen 1843. I. 175; eine Variante vergl. man in Haltrich’s deutsehen Volksmarchen aus Siebenbur- gen. Berlin 1856, pag. 227 (Marchen Nr. 42 »der Rohrstengel« betitelt). Nach einem altsehottischen Liede macht ein Harfner eine Harfe aus dem Brustbein der ersauften Schwester, wozu nach einem faroischen Lied noch die weitere Bestimmung folgt, dass aus den Haaren der Erschlagenen die Saiten gemacht werden; Bruder Grimm, op. c. III. 55, 56, woselbst noch andere Varianten; schwedische Volkslieder der Vorzeit iibertragen von R. "VVarrens; mit einem Vorwort von Dr. Ferd. Wolf. Leipzig 1857, pag. 189 ff. und pag. 296; fiber den mythischen Inhalt solcher Marchen: AeaHacbeBt noei. Boaap. II. 494 f; 38 niss in Jer Vefleumdung der von dem Manne zartlich geliebten Schwester durch die eigene Frau, was ibm naeh und naeh zu Harten gegen die erstere Veranlassung gibi. Treffliche Varianten daven sind auch in poetischer Fassung bei den Serben, Bnlgaren und Slovenen erbalten. 8. Von Seite der bosen Stiefmutter hat die Tochter (selte- ner erscheint hiefur der Stiefsohn) allerlei Nachstellungen und Uebel- thaten zu erdulden, die jedoch fur letztere schiesslich doclr stets einen glucklichen Ausgang nehmen. Idiebei ist ihr audi die verstor- bene Mutter behiiflich, die mitunter inGestalt einer Kub wieder er- seheint und dem gequalten Tochterchen rathend zur Seite steht, ’) Seltener envahnen nocb die Marchen der Stieftochter und des Stief- sohnes, weleh’ letzterer in diesem Falle durch irgend einen Zufall zu irgend einem Thier vvird. 9. Die bose Stiefmutter trachtet ihre eigene Tochter der mittlervveile mehr und mebr ihrer Geivalt entzogenen Stieftocbter dem Konigssohne durch List anzutrauen, was ihr jedoeb misslingt. — Aus dem Angefiihrten erhellt, dass die Mythen hier be- reits an der Stute der Anthropomorphosirung angelangt seien, * *) sehr vieles von menschliehen Zustanden in die Marchen getragen vvard, was zu einer immer grosseren Verdunkelung des Mythus beitragen musste. Daraus erkl&rt sich auch das unstreitig spatern Zeiten ange- borigc widerliehe Koiorit, Zeit und Umstanden entsprechende Umge- staltung, Moderuisirung, vieler Marchen, sowie die Vereinigung vieler zu einem (daher auch die vielen Varianten) und die Setzung mehrerer Wesen fiir eines, was die Eruirung des darin eathaltenen mythi- schen Sinnes mitunter nicht wenig erscinvert. — Eine andere Abthei- lung von Marchen bilden jene, die von drei Briidern (selten Sehwe- stern) zu erzahlen wissen, wovon die beiden alterii *■) verst&ndig und der jungste ein Narr ist, der sich aber bei Ausfuhrung von Thaten Naeh einer serbisehen Variante (Volksmarchen der Serben, gesammelt und lierausgegeben von Vuk Stefanovič Karadžid, in’s Deutsche iibersetzt von dessen Tochter Wilhelmine. Berlin 1854 Nr. 32) kaut sie dem Tochterchen den Flachs und lasst sich den fertigen Faden aus dem Ohre herausziehen. *) Dahei spricht der Umstand fiir eiue besondere Altertumlichkeit, dass iu den Marchen dasselbe bald vom Madchen, bald vom Jiinglinge erzahlt wird und naeh Afanasjev auf jene iil teste inytliische Zeit zuriickweist, wo noch die Geschlechtsbezeichnung der GStter sich noch nicht festgesetzt. “) Verstandig in dem Sinne, der diesem Worte auf dem Markte des Alltagslebens eigen ist, wo jeder mir seine Interossen verfieht und mit prahlerischer Ostentation seine Vorzuge in deu Vordergrund zu stellen trachtet und jener ein Narr, iveil ihm diese sociale Tugond, diese praktische Weisheit abgeht. Das Marchen stellt s 39 als ganz verniinftig crweist, welcbe Marchen schon oft einen psyclio- logischen Charakter aufveisen, obvol es aucli an solchen durchaus nicht gebricht, die uns veranlassen mfissten, sie als die letzte Stufe den vorhinein Erwalmten anzureihen. ') Die Anzalil derselben ist im Vergleicbe zum Sujet keine geringe und iiberbrucken dieselben den Zugang von den rein mythischen zujenen Marchen, in denen uns die ursprungliche Naturanschauung nicht so sehr in physischen als viel- mehr ethischen Zugen charakterisirt erscheint, ja manchmal gar nicht dem Mythus, sondern lediglieh dem Ethos angehort, vas wieder der Eruirung des Zustandes der Sitte und besonders des altesten Gevohn- beitsrechtes bei den Slaven zu gute kommt. 2 ) Dass jedoch auch in vielen dieser Marchen mit ethisch-mythischem Inhalte der My- thus nicht schwer zu erkennen ist, braucht nar einer voriibergehen- den Erwahnung. Gehorten ja dochhieher die slavisclien Rojenice(altsl. po>K,A,£MH!i,A)undSojenice (altsl. die klassischen Parcen, die skandinavisehen Nornen u A., das urspriiuglich zveifelsohne einen durchvegs physischen Charakter liatte, in den uns vorliegen- den Formen dagegen vielfach mit ethischen Zugen und rationalisti- selien Zusatzen durchflochten ist, das den dem durchvvegs mythi- schen Marchen eigenen Reiz abstreift und das Wunderbare und Uebernaturliche mit Alltaglichern und Natiirlichen (welches Wort hier einen ublen lvlang bat) ubertuncht. Auch bei dieser Abtheilung liessen sich scharfere Auseiunnderhaltuugen von Marchen anstellen, vas jedoch hier uuterlassen werden kanu, da ihre Bedeutung fiir die Mvthologie keine so bedeutende ist und die generelle Bezeichnung fur unseren Zweck umsomehr genugt, als, wie eben envahnt, viele hieher zu zahlende Marchen durch theilweises Aufgeben ihres Cha- rakters eher fur die ethische Welt- und Lebensanschauung eines Volkes einen Beitrag abgeben. Es ward eben an dem Sinne der Mar¬ chen geriittelt und derselbe derart modificirt, dass man in denselben irgend einen Zug des socialen oder offentlichen Lebens brachte. Solchen Aenderungen haben vir es auch zu danken, dass z. B. in einem bestimmten Marchen bei einem Volke noch Drachen auftreten, sich dahei iramer an die Seite des moralischen Rechtes, das schliesslicli iinmcr im jungsten Bruder siegt. Niiher ausgefulirt bei Afanasjevt: ckcskii I, pag. XVI, XVII. ‘j Ueber diese Marchen handelt O. Miller ausfuhrlicher im onniTi pag. 153—167, woratif hier nicht. genauer eingegangen werden kann. J ) Dar- uber wieder ausfiihrlieher bei Orest Miller, op. cit., pag. 167 ff. 40 die bei einem urvenvandten durch Rauber ersetzt werden. Bei die- sem Inhaltswechsel wird man es audi nicht auffallig finden, dass den Marchen der Charakter der Legende aufgedruckt ward und man jenes, was zunachst mythisch zu fassen war, auf cbristliche Beziehungen auszudehnen verstand, wobei das eine sehr belebrend ist, dass nam- lich bei einem Volke ein solches bestimmtes Marchen schon in die- ser Fassung erscheint, wahrend es in der Variante eines urvervvand- ten Volkes noch ganz mytbischen Sinnes auftritt. ') Das in einzelnen Perioden besonders seharf hervortretende Geistesleben eines Volkes war immer auch fiir dessen nreigene Geistesschatze und so audi fiir die Marchen von Bedeutung, und so musste auch der grossartige Kampf christlicher mit heidnischen Ideen an denselben nicht spur- los vorubergegangen sein. — An diese schliessen sich wieder Mar¬ chen an, die eine Verauderung durch den Einfluss erfuhren, der auf dieselben mittelst literariseher Erzeugnisse ausgeubt und Elemente daraus mit den Marchen venvoben wnrden. Ja es kommen Falle vor, dass ganze Stucke aus fremden Literaturen aufgenommen und ent- sprechend umgestaltet wurden, ein Fali, in dem auch wir eine Ent- lehnung ohne Umschvreife zugeben mussen, die tibrigens die natur- lichste Erklarung fiir sich hat, was von ganzen Marchenkreisen schlech- terdings nicht zu erweisen sein wird. Beispiele hiefur anzufiihren erscheint uberflussig, man wird deren in ziemlicher Zahl finden, wenn man Pypin’s Werk onepai. jiHTepaTypHOH HCTopin CTapHnnwx'j, no- BtcTefi h cKa30Kj> pyccKHxi> C. IIexep6ypr h 1858(360 pag.)einer griind- licheren Durchsicht untrzieht. Aber auch der Einfluss heimischer Literatur ist mitunter Ursache dieser Erscheinung und bedeutsam genug, sich einen solchen Weg in die tratitionelle Literatur zu bah- nen, welchermassen z. B. das Marchen von Car Namaj s ) aus der Zadonščina entstanden ist, und sich mitunter Marchen aus dem histo- rischen Epos ohne mythischer Anklange entwickelten. — Endlich zu erwahnen sind noch die Thiermarchen, von denen J. Grimm behaup- tet, a ) es gebe kaum etwas in der ganzen Geschichte der Poesie und Literatur, das ergiebiger und geeigneter ware, den Zusammenhang urverwandter Volker darzulegen, eine Gegenanschauung Benfey’s, der in der Einleitung zum Pan&atautra mit einer erstaunlichen Bele- senheit den indischen Ursprung derselben nachzuweisen bemuht ist. *) Man vergl. eim n sehlagenden Fali bei Galahov op. c. 20- ! ) AeaHacbeBi. ckh3kh VI. Nr. 63 s ) Gottingische gelehrte Anzeigen 1863, pag 1361. 41 * Auch hier aber muss mit Grimm ‘) bemerkt \verden, dass von Benfey allerdings die Berfihrung vieler indischen Marchen mit den europai- schen nachgewiesen wird, dass aber aus dieser Uebereinstimmung noch keine Ableitung folge, ebensotvenig als man naeh den Beruh- rungen und Erlauterungen, die in vielen Pnnkten vom Sanskrit urver- vvandten Sprachen zu Theil werden, auf eine Entlehnnng verfallen wird. „Wie schwer balten wiirde es,“ meint er, *) „die Pfade und Gilnge zu entdecken.auf welchen unsereVorfahren, seitdem sie schon auf diesem Welttheil wobnen, der asiatisehe Mythus zugelangt seiu solite; so lange sie in Asien selbst, woher sie stammen, hausten, hatte es zahllose Wege gegeben, die uns jetzt verborgen sind, wie viel ein- gepragte Erinnerungen und Vorstellungen mussen sie undenkliche Zeiten hindurch mit sich getragen haben.Aus Indien mag liber Persien und Kleinasien den Grieehen und Slaven manches znge- fiihrt sein, aber unter ihnen allen hafteten liingst schon die Haupt- zuge der Sage.“ Man thut daher nicht Unrecht, wenn man in den Thiermarehen (wohl zu scheiden von den Thierfabeln) auch den Nie- derschlag ursprunglicher gesellschaftlicher Zustande der Menschen sieht, allein im Hinblicke auf die Thatsacbe, dass man die Thiere als Sinnbilder oder Abbilder der Gotter ansah und ihnen Verehrung zollte, ist es ebenso nothwendig anzunebmen, dass darin, wie in anderen Zweigen der traditionellen Literatur die poetische Naturanschauung sich ausspricht 3 ) und etwa auf die Hirten- und Jagerepoche 4 ) des arischen Gesammtverbandes hinweist, wo der Mensch im trauten Um- gange mit den Thieren lebte, in deren Natur er manches erkannte, was ihm selbst eigen gevvesen, und anderes, was ihm dieselben als rathselhafte Wesen erscheinen lasseu musste. Ersteres veranlasste ihn den Thieren menschliche Gefiihle, Gedanken, Handlungen und selbst die Spraehe zuzuschreiben, daher in den Marchen oft der Pas- sus vorkommt: „als die Thiere noch redeten“, Letzteres sie als hobere Wesens zu betrachten, wesswegen sie im Mytlius als Sinnbilder der Gotter, der Naturbilder oder Apotypomena der Naturphanomene vor- ‘) 1. c. pag. 1362- a ) ibid. pag. 1362 und 1372- 3 ) Die hobo “VVichtigkeit des slavischen Thiermarchens fur die Mythologie hat in sehr ausfuhrlicher Weise am Mythus uber Jaga-baba Potebnja nachgewiesen. cf. op. cit., pag. 107 f. Sehr instruktiv ist auch das bei Orest Miller op. c. pag. 189 f. Gesagte, sowie in Afanasjev’s nocT. B033p. das Kapitel dacHocjiOBiinia CKa3ama o sBljpait I, pag. 592 1. G Wie wieder die Naturerscheinungen der Hirte anders und der Jager wieder anders aufiasst vergl. man Carriere, op. c. I. 55. kommen, auf die alles dasjenige ubertragen ward, was man vordem vom Natorbilde glaubte, das man jetzt seiner Naturbedeutung ent- kleidet. Es ist dies jene Stufe des Mythus, den man mit dem Namen Theriomorphismus, Zoomorphismus bezeichnet, unddergewissermassen eine Mittelstufe abgibt zvvischen der rein physischen Naturanschauung und der anthropomorphischen, vvobei beim Sichheraubilden der Letz- teren die tberiomorphische fast ganz vem h en musste, indem jetzt die Thiergestalt nur insoweit sieh erhielt, als man auf eine zeitweilige Verwandlung der in Menschengestalt gedaehten Gotter in Thiere dachte, oder nur einzelne Glieder der Gotter die thierische Bildung annehmen liess. Diese Bemerkungen, denen sich viele feinere Unterscheidungen einsehalten Hessen, a ) die aber hier ausgeschlossen sein miissen, mogen hinreichen, den Werth des Marehens und der Sage tur die Mythologie kurz gekennzeiclmet zu haben, und es soli nur noch an einem speciellen Falle jener Wert verdeutlicht werden. Ein sloveni- sches Marehen s ) erzahlt, dass bei der Geburt eines vornehmen Mad- chens alle Vilenzu Gaste geladen worden seien; jede Vila hatte ein bis an den Boden reichendes goldenes Haar, ein goldenes Gewaiul mit silbernen Spitzen (selbstverstandlich eine spatere Veranderung) und einen silbernen Giirtel. Unter diesen befand sich eine Bose (zlo¬ česta) und da jede irgend ein schones und gutes Geschenk brachte, uberreichte nur diese ein zvar schones aber vterderbenbringendes ; und zwar ein Schachtelchen, in dem geschrieben stand, das Madchen werde siehvielenGliickes und grosserSchonheiterfreuen,aberschliess- lieh vom Verderben ereilt vverden. Nachdem dasselhe envachsen und zu vollster Schonheit sich entfaltete und sich zu verheiraten im Be- griffe stand, ereignete es sich, dass die Vila erschien und es in Stein verwandelte, indem sie es mit einer Ruthe geschlagen. — Ein Kaiser kam auf die Jagd, verirrte sich aber und trachtete sich bei Jemanden nach dem Wege zur erkundigen, wobei er zum Sehlosse gelangte, in dem das Madchen versteinert steht. Er fragt einen Diener um Aus- ‘) Deber diesen letzteren Umstand u. d. Apotypomen, Mannhardt, Gotter- welt 23, 26, 27; Galahov, op. c. 22. s ) Riicksichtlich naherer diesbezuglieher Ausfuhrungen vergl. man eben die beiden oben citirten Sehriften Orest Miller’s und ausserdem auch das bei Galahov, op. c., iiber das Marehen, pag. 19—25, Gesagte, sodann Afanasjev’s Unlersuehungen dariiber in dessen grosser Marchen- sammlung, sowie das bei den Brudern Grimm, Ilahn, Sehott u- A. Vorgebrachte. a ) Matija Kračmanov Valjavec: narodne pripovjedke, n Varaždinu 1858, pag. 56 — 5.7. 43 kunft, auf velehem Wege er wieder heira gelangen kanate, der ihm jedocli dieselbe nicht gab, weil er aucb zu Stein erstarrt var. Er er- geht sich nun weiter im Schlosse und trifft aueh das schone Miidchen an, das sich zur Heirat vorbereitete, kusst es aus Freude, vas ihr vieder Leben verleiht. Jedem der Diener aber gibt er einen Schlag, in Folge dessen sie auch der Reihe naeh ervachen; schliesslich hei- ratet er das Madchen. — Mit diesem Miirehen stimmt das deutsche rom Dornroschen ‘) iiberein, dass wir an dieser Stelle neben der fran- zOsischeu und italieuischen Version zur Vergleichung heranziehen. — Einem Konige vard ein Madchen geboren, das so schon var, dass er sich nicht zu fassen vusste und ein grosses Fest veranstaltete, vozu er nicht nur Vervandte, Freunde und Bekannte, sondern auch die veisen Frauen einlud, damit dieselben dem Kinde hold und gewogen wurden. Ihrer varen 13 im Reiche, da er jedoch nur 12 gol- dene Teller hatte, lud er die eine.nicht ein. Die geladenen erschie- nen und beschenkten das Kind mit Wunderdingen und als eben 11 darunter ihre Wfinsche gethan hatten, trat die 13. herein und rief mit lauter Stimme: „die Konigstochter soli sich in ihrem funfzehnten Jahre an einer Spindel stechen und todt hinfallen“, womit sie sich rachte, dass man sie nicht auch einlud. Sonach verliess sie unter Besturzung aller Anvesenden den Saal und es trat die zwolfte her- vor, die ihren Wunsch noch nicht gesprochen und da sie den bosen Ausspruch nicht aufheben, vol aber mildern konnte, so sprach sie: „es soli aber kein Tod sein, sondern ein hundertjahriger tiefer Schlaf, in den die Konigstochter falit.“ Sonach befahl der Konig die Abschaf- fung aller Spindeln im ganzen Kouigreiehe, um sein liebes Kind vor dem Unglticke zu bewahren. Dasselbe wuehs heran und gingen an ihm ali e Gaben der veisen Frauen in Erfullung und Jedermann, der es sah, musste es lieb haben. An dem Tage aber, an dem die Jung^ 1'rau gerade 15 Jahre alt getirorden, eroignete es sich, dass sie allein zu Ilause var, bei velcher Gelegenheit sie bei Besehung vieler Stu- ben und Kammern des Schlosses auch an einen alten Tliurm kam, die Treppe hinaufstieg und zu einer kleineu Thiire gelangte. Als sie die Thfire offnete, siehe, da sass eiue alte Frau 2 ) und spann emsig Flachs. „Ei du altes Mutterchen,“ redete sie sie an, „vas machst ‘) Bruder Grimm, Kinder- und Hausmarelien, Gottingen 1843, Nr. 50. *) Es ist mit Mannhardt (Germanisehe Mythen 615) anzunehmen, dass diese alte spin- nende Frau koine andere ist, als jene, die ihr bei der Geburt Ungluck vorhersagts. 44 du da?“ „Ich spinne,“ sagte die Alte und niekte mit dem Kopte. „Wie das Ding so lustig herumspringt,“ sprach das Madchen, nahm die Spindel und wollte auch spinnen. Aber kaum hatte sie die Spin- del angeriihrt, als sie sich damit stach und der Zaubersprucb in Er- fullung ging. Augenblicklich verfiel sie in einen tiefen Sehlaf, der sieh uber das ganze Schloss verbreitete und auch uber den Konig und die KOnigin, die eben heimgekommen waren, und uber deren ganzen Hofstaat. Em das Schloss aber begann eine Dornenhecke zu wachsen, die nach und nach so gross ward, dass man nicht einmal die Fahnen auf den Dachern mehr sah. In dem Lande aber ging die Sage voin schonen schlafenden Dornroschen und es kamen Konigssohne, die vergeblich durch die Hecke in das Schloss zu dringen trachteten, denn die Aeste hielten sich fest beisammen und die Jiinglinge blieben in den Dornen hangen, und gingen jarnmerlich dabei zu Grande. Nach langen Jahren kam wieder ein Konigssohn und da gerade an diesem Tage die 100 Jahre verflossen waren, gliickte ihm sein Vorhaben, denn als er sich der Dornenhecke naherte, waren es lauter grosse, schone Blumen, durch die er unbeschadigt in’s Schloss gelangte, alles im Sehlaf versunken vorfand und auch Dornroschen, das so schon war, dass er die Angen nicht abwenden konnte, sich buckte und ihm einen Kuss gab, wobei Dornroschen sogleieh die Augen aufschlug und ihn freundlich anblickte. Zu gleicher Zeit erwachte alles im Schlosse und ward schliesslich auch die PL chzeit des Konigssohnes mit dem Dornroschen in aller Pracht gefeiert. — Dem entsprechend ist die franzosische Version bei Perrault,‘) die Aehnliches unter dem Titel: la belle au bois dormant, erzahlt. Auch hier werden zur Taufe der Konigstochter die Feen des Landes, sieben an der Zahl, als Gevatterinnen gebeten, nicht aber auch eine alte, die seit funfzig Jahren ihren Thurm nicht verliess und man sie gestorben glaubte. Man legt jeder ein goldenes Gesehirr vgr; wahrend des Gastmales erscheint auch die achte und erzurnt, dass man ihr nicht dasselbe thun konnte, spricht sie, nachdem bereits sechs dem Kinde gute Ga- ben darbrachten, die Konigstochter werde sieh mit einer Spindel in die Hand stechen und daran sterben. Es tritt die eine vor, die den Sprach noch nicht gefallt und erkliirt, nicht sterben werde sie, sondern in tiefen Sehlaf versinken. Der Sprach geht in Erfullung und die Konigs¬ tochter iiberfallt ein Sehlaf und um das Schloss wachst ein dichter ) Verg. Mannhardt, op. cit. 611 . Wald, daher die Juug-frau den Namen la belle au bois dormant erhalt. Nachdem hundert Jahre verflossen, dringt ein Kiinig durch den Hag und erlost die Prinzessin, mit der er sich vermalt und die ihn nach- ber mit zwei Kindern, Aurore und Jour, beschenkt. — Nicht viel ab~ seits liegt das ueapolitanische Marchen. ‘) Hier werden Weise und Wahrsager gerufen, die bei der Geburt der Talia (so heisst das Mad- cben) verkunden, das Neugeborene vverde sich einst an eiDem Flachs- agen zu Tode stechen. Zur Verhiitung des Unglucks durfte kein Flachs im Schlosse gelassen werden. Nachdem das Madchen schon envacbsen war, sieht es eines Tages eine spinnende Alte voriiberge- hen, und beim Anfassen des Rockens stosst es sich einen Agen unter den Fingernagel und sinkt todt zu Boden. Man setzt es unter einen Thronhimmel auf einen Sessel nieder und verschliesst die Thore des Schlosses. Einst kam ein Konig in jene Gegend auf die Jagd, und dabei ereignete es sich, dass ein Falke durch das Fenster in die Kam- mer, wo sich Talia befand, flog und der Konig ihn suchend ebenfalls dorthin gelangte, und die Liebe der Sehlafenden genoss. Die Kinder, die sie ihm gab, hiessen Luna und Sole und Feen waren es, die ihr dieselben an die Brust legten. Da sie (die Kinder) aber einstmals dieselbe nicht finden konnten, erfasst eines den Finger und saugt und zieht den Flachsagen heraus, wobei Talia wieder ervvachte. a ) J. und W. Grimm wiesen darauf hin, 3 ) dass Dornrbschen auf *) Pentamerone ubersetzt von Liebrecht V. 5, bei Mannhardt, op- eif. 612; Aeanactem. cicaaKH VIII. 439 and noeT. ito3:ip. II. 426, 427- 2 ) Etwas entfein- ter liegend, aber dennoch unbedingt auch hieher zu ziehen, ist das waiachisch« Marchen: der Teufel im Fasshahnen (Schott, wal. Marchen Nr. 7), vroselbst als Ursache der Verzauberung die Tanzwuth angegeben wird- Eine Kaiserstochter will namlich nur Jeneu heiraten, der sie im Tanzen iibertreffe. Niemand war im Stande die Prinzessin zu ermiiden, bis endlich ein Fremdling erschien, der der Teufel selbst war, sie im Tanzen besiegte, aber sie auch verschmahte und sie und den Kaiser, den ganzen Hof, den Palast und die ganze Stadt mit allem was darin lebte, zu Stein erstarren Hess, welcher Zauber so lange liber allen liegen solite, bis einer kommt, der den Teufel iibenvindet. Letzteres gelang einem lustigen Gesellen durch Ueberlistung des Teufels, worauf sich Alles so- fort belebte und der Befreier des Khnigs Eidam ward. — Eigentiimlich ist hier die Ursache der Verzauberung und Entzauberung, sowie dass der Teufel die in den Marchen urverwandter Volker den Vilen, iveisen Frauen u. s. w. zugeschriebene Rolle spielt, was uns iibrigens auch nicht Wunder nehmen darf, wenn wir in Betracht ziehen, dass christliche Anschauungen auch auf die spa- tere Gestaltung des Marchens ihren Einfluss iibten. s ) Kinder- und Hausmar- cheu, 3- Auflage. Gottingen 1856, pag. 85- 46 die Sage von Brynhilldr erinnere uail wesejitlich damit iibereinstirame. Nach der Erzahlung der alteren Edda ward die Valkyre Sygrdrifa, d. i. Brynhilldr von Odin zur Strafe daffir, dass sie Agnar den Sieg verlieh, der von Odin dem Hjalmguonar zngedacht war, mit einem Schlafdorn (svefnkorn) iu’s Haupt gestochen, und er umschloss sie und ihre Burg mit dem Feuer, dureh das Sigard reiten musste, ehe er zu ihr dringen und ihr die Briinne abziehen konute, was sie aus dem Schlafe er- vveckte. ‘) Ueberall tritt uns hier der eine Grundgedanke entgegen und zwar der winterliehe Schlaf (Tramu) der Natur und ihr Wiederenvachen im Fruhlinge, weun die Erdengottin mit dem liellen Ilimmelsgotte (slav. Perun) sicb verbindet 2 ) und dieselbe mit himmlisehem Nass befeuch- tet, oder aber zufolgeAullassung anderer Marchen derselbe eine himm- liscbe Gottin (des Friihlingsgewitters?), die in den Marchen als die Mutter von Morgenrothe und Tag, von Soune und Mond betrachtet vvird, von dem Tode oder (Winter)schlafe erlost, in den sie von einem Damon des Winters versenkt wird. 3 ) Nichts war der ursprunglicheu Naturanschauung naturlicher, als sich die VViederkehr der schonen Jahreszeit, in der alle rauhen Naturkrafte ihre Macht verloren, als einen Sieg einer lichten, Gutes spendenden Gottheit wider wilde, ver- derbenbringende Damonen vorzustellen und das Hervordringen und Bliihen der Gevvachse als Folge der Verbindung anzusehen, in die jene Gottheit mit der Erdengottheit getreten war, die man sich mit- unter (man denke an den Persephonemythus) in der rauhen Jahres¬ zeit in der Un.tervvelt befindlich dachte. 4 ) — Die sich stets gleich *) Simrock: die Edda, Stuttgart undTiibingen 1851, pag. 168, 169; ders.: Handbuch der deutschen Mythobgie, 2- Aufl. Bonn 1864, pag. 384- Daran er- innert auch ein mahri.-ches Koledalied (Sušil mor. nar. pisne, pag. 749), naeh dem sich der Bursche die geschenkte Braut erst erringen, uber Berg und Thal fahren muss, bis er in einer Kaminer auf weissem Bette die Braut mit ver- bundenem Haupte iiegend findet, die erst sein eigen ist, wenn er ihr den Ring vom Finger ziehon kann. Es heisst: .... Kam pojedem pro nevestu? pfes ty hory, pfes ty doly až k tein Rimkdm do komory v tej komore bile lože. Na tom loži panna leži, zavazanou hlavu drži, na prste ma zlaty prstan. Kdo ten prsten shnat bude? Ten znjiste jeji bude. Vergl. Bratranek: das mShrische Volkslied. Oesterreiehische Revue, III. 1, pag. 37. s ) Man dachte aueh an den Sonnengott. Vergl. Aoauaci.ein, CKauKH VIII. 440; Chr. Petersen, op. cit. pag. 86- s ) Aomiaenem. noeT. noanp. II. 429; Mannhardt, germ. Mythen, 612- *) "W. Miiller, system. d. altd. rel. 304—305- 47 bleibende Folge der Jahreszeiten ist ein unabanderliches Gesetz, ein ■8-žatpatov, eine unvermeidliche Folge des gethanen Ausspruches der Gottheit, die scbon bei der Geburt der rriythischen Schonen (d. i. beim Ervrachen des Friihlings) bestimmt, selbe werde in ihrer Jugend- blflte dcn Tode, beziehungsweise einem lange andauernden Schlafe, verfallen, aus dem sie erst nach langer Zeit mit ihrer ganzen, eben- falls entsehlumraerten, Umgebung wieder entzaubert wird, d. i. bis ein neuer Fruhling durch die Lande zielit. — Dieses Eutschlummern der Natur in der rauhen Jahreszeit wird als ein Versteinern angese- hen, da dieselbe durch VVinterstiime und Frost derart erstarrt, dass jegliches Leben aus ihr entscllwunden zu sein scheint, und auch die Gewitterwolken, durch die Kalte gefesselt, dieselbe nicht benetzen und gleichfalls sozusagen dem Naturmenschen versteinert erscheinen. Die¬ selbe Ansehauung ist nicht blos auf uuser Marchen beschraukt, son- dern ist auch sonst garnichtseltenvertreten,undderselbenaiichin die- sen Fallen die eben gegebene Auslegung zu Grunde zu legen, wie man aus den Marchen: Vila v Molin-gradu; ') der gute Peter und seine Brfider; *) o širokem, dlouhem a žarookim 3 ) und der Lange, der Breite und der Scharfaugige; 4 ) oKaMeirk/ioenapcTBo, 5 ) entuehmen durfte. Ja die slavische traditionelle Literatur weist Ueberreste auf, die die oben ausgesprochene Ansicht direkt bestiitigen. Bei den Serben heisst die Zeit zu Ende Marž oder zu Anfang April, wenn der Schnee neuer- dings fant, 6a6min j apnu, K03jmtiii, no3ajMennu,n oder auch wasbezeich- nender ist dadann y kobh. Man erzahlt sich niimlich, dass ein Weib, das zu dieser Zeit seine Ziegeu auf die Weide trieb, infolge seines Uebermutes sammt diesen erfror und sodann sammt den Ziegen zu Stein ward und man dieselben noch heute sehen konne, das VVeib in der Mitte und die Ziegen um dasselbe und alle noch versteinert. 8 ) Dasselbe erzahlen sich auch die Bulgaren 7 ) und derart mit der ser- bischen Ueberlieferung tibereinstimmend, dass vvir der Pflicht, darauf vveitereinzugehen, (iberhoben sind, undnur ervvahnen, dass derOrt, wo sich die versteinerte Alte befindet, und der in der serbisehen Tradition nicht weiter bestimmt erscheint, hier auf die II la [) n.i aii n n a ve r s etz t w i rd, was verinutlich keine wirkliche topische Bezeichnung sein wird. 8 ) ') Valjavec nar. prip. 17—21. 2 ) Haltrich, Volksmarehen aus dem Sach- senlande in Siebenb., Nr. 25. 8 ) Božena Nemcova slovenske pohadky a povesti v Praze 1858, pag. 605—618. 4 ) V^enzig, vvestslaviseher Marehensehatz, Leip¬ zig 1857, pag. 130—140. 5 ) Aeaiiacnnt caasK. V. Nr. 40, VIH. 429—432. °J ByK Ct. Kap. pjeuHire s. v. 7 ) MiMafluuonnu op. e. 523—524. 8 ) Aeanacbmb noev. B 03 ap. II. 429, I. 586- 48 Als mit der Zeit die Sage gauz in das Gebiet der Menschheit her- abgezogen ward und man den Sinu der urspriinglichen Ansehauung nichtmehr fiihlte, suchte man sieh denTod oderdenZauberschlaf sozu erklaren,dass man sagte, eiue ubelvvollende Vila habe denselben durch das Beruhren des Madchens mit einer Zaubergerte, Zauberruthe ver- anlasst, oder ein boses Zauberweib habe dieJungfrau mit einer Spin- del, Dom oder einem spitzen Nagel, Flacbsagen (worunter man sich etwaeinenSpeerodereineandere spitze Waffe dachte,womit dieSchick- salsgottin den Menschen todtete) gestochen, vvorauf dasselbe in einen Tangen Schlaf verfiel. ‘) Es sind also Schicksalsgottinnen, denen dies zukommt, und aueh nach slavisehem Mjthus solite man die rojenice dial. rodjenice (altsl. p HCTopHMecKie oaepKH CaHKTneTep6ypn> 1861 I. 111; PaaaxoBT, op. cit. I. 25- ‘) Diesen Gedanken hat sorgfaltig Buslajev durchg-ef uh rt in der Abhandlung pyccKiil oiiri. h iiocjiobhum (die ganze Abh. in dem eben cit. Werke T. pag. 80—111 und ein musterbafter Auszug bei Galahov, op- c. I. 25—30), vvorauf wir verweisen, da wir naher darauf nicht eingehen konnen. 57 rang des darin enthaltenen vvirklich Mythisclien der Wissenschaft d er Mythologie von Nutzen sein kanu. Als Eeminiscenzen an jene Periode sind Spriichwčrter wie: hbi, nycTaro ^ynjia jiw6o era*«., au6o cobh, .infto cit mb caTaHa, ivelches in Verbindung zu bringen ist mit dem Aberglauben bei den Polen, dass der in eine Eule verwandelte Teufel in einer ausgehohlten Waide hause (daher es heisst: zakochal sie jak diabel w sucbey wierzbie) und den Leuten den Tod verkunde; —h:h.m> bi. jiict, mo^h^ich iihhmt,; — das Auffressen der himmlischen Liehtkorper durch einen Wolf ist ausgesprochen in dem Spruchworte: cipuft bojiki. na nedt sbh3aw jioBHTi.. *) — Dass man in dem Koledafeste wirklich die Feier der Geburt der Sonne zu verstehen habe, beweist wieder ganz deutlieh folgendes serbische Spriichwort: riHTajirr Kypjaua: kb^ je najBeha 3hmb? — a on o/vroBopno: ce cym*e pal)a. 4 ) — Mythisch zn fas- sen ist auch das Spruchwort: bsh^ih bi. .vhcy, mo^hjihcb Ko.*ecy, indem das Anbeten eines Rades sieherlich auf die Sonne zu beziehen ist, dessen Emblem das Rad gewesen ist. * * 8 ) Der Mensch, ganz von den Erscheinungen der Natur abhangig, suchte sich dieselben auch nach seinem Kindesverstande zu erklaren und da ihm die natiirlichen Gesetze derselben verscblossen blieben, blieb ihm auch iathselhaft, \vie so gewisse Ursachen stets die nam- lichen Wirkungeu zur Folge haben. Er glaubte nur zu bemerken, dass hiebei zvvischen den einzelnen Naturausserungen und den rnut- masslichen Ursachen eine geheime Wechselwirkung bestehe und die Resultate seiner Beobachtungen legte er wieder in diesen pragnanten Satzchen nieder, die sich so leicht dem Gedachtnisse einpragen lassen und. nicht leicht wieder vergessen werden. Ihre Altertiimlichkeit aber zeigt sich eben in der Uebereinstimmung des durch sie Ausgespro- chenen mit andern mythischen Ueberresten der traditionellen Litera¬ tur, denen auch der grbsste Skepticismus die Bedeutung als Quelle der Mythologie nicht abspreehen kann. *) Das Namliche zu sagen ist auch von gewissen altertumlichen Vergleichen, in deren metaphorischer Ausdrucksweise ebenso mvthische Anschauungen noch eine letzte Zufluchtsstatte gefunden, ‘) I’a^axoBT. op. c. I. 26 und. mehreres Andere bei BycjiaeBT> op. c. I. 120 ff. “) Bj-k. Gre*. Kap. epncKe naporne nocjiOBHii,e y Eeuy 1849 s. v. Karto. 8 ) AeaHaebeBT. noeT. B033p. I. 213: man.vergl. auch op. c. I. 108- *) Aea- HRCbeBT. op. c. I. 26, 30- 58 wie nicht minder in Weissagungen und Segnungsformeln, die mitunter fur den Mythus von Bedeutung sein konnen. Doch aber mdss erinnert werden, dass die Kritik letztere, sovvie auch den Aberglan- ben, trote ihres altertumlicli scheinenden Kolorits, dennoch manch- mal als spatere Erzeugnisse des Volksgeistes anerkennen wird, und die Slaven speciell anlangend, wird sich manehes hieher zu zahlende aus dem Einfiusse der ap.okrypben Literatur und anderes aus der Missdeutung christlicher Anschauungen erklaren lassen. Nichtsdesto- weniger aber wird auch nach dieser Sonderung inanches zuruckblei- ben, was die Wissenschaft wird verwerten konnen. Wenn z. B. das slovenische Madchen in der Weihnachtsnacht in mitternachtiger Stunde zu einem Flusse zu kommen trachtet, um in dem Wasserspie- gel boi Beobachtung gevvisser Fonnalitaten seinen kiinftigen Gatten zu sehen, oder in dieser Nacht der Prophetie lauscbenden russi- schen Jungfrau das Wort h^h als Zeichen der Verheiratung, ea/vh als deren Gegentheil und jihjkh als das des Todes gilt, s ) so ist es, worauf auch W. Miiller bezuglich eines ahnlichen deutschen Aber- glaubens hinwies, 3 ) keineswegs ein blosser Zufall, dass dies gerade zu dieser Zeit geschieht, sondern lasst mitWahrscheinlichkeit schlies- sen, dass zu der Zeit eine Gottheit, die den Ehen vorstand, beson- ders verehrt ward. — Unter allen slavischen Volkern ist auch der Glaube verbreitet, dass Zauberinen oder Hexen es den Kiihen anthun konnen, dass sie die Milch versagen mussen, oder dass sie selbst dieselben melken. In dieser Gestalt ist der Glaube eine spatere christ- liche Aenderung, wo die heidnischen Gottheiten, mogen sie ehedem auch als gutesspendende Wesen verehrt worden sein, als bose Damo- nen aufgefasst wurden. Unter diesem Einfiusse entwickelten sich auch nach und nach die Systeme von Teufeln und Hexen, die viel- faltig an die Stelle alter Gotter und vveiser Frauen und Vilen 4 ) ge- treten waren, 5 ) die wir schon oben als Wolkenfrauen autfassen konnten, hinter denen man sich, wie vveiter zu vermuten ist, °) rin- r ) "tVorunter nur die Festhaltung an einzelnen heidnischen Meinungen und nicht etwa der gesaramte Mythus zu verstehen ist. ! ) AeaiiacneBT. op. c. I. 39, Anm. 4. 3 ) G^sch. u. system d. altd. religion, Gottingen 1844, pag. 20. 4 ) Die Vilen sind noch in Volksliedern dentlich in ihrcr Natur als VVasserfrauen, die in den "VVolken wohnen, gekennzeichnet. Man vergl. diesbeziiglich u. A. ein serbisches Lied bei Vuk 1. 151—152; iibers. von Talvy II. 52; auch bei Mann- hardt, germ. Mythen 570. 5 ) J. Grimm, kleinere Schiiften, Berlin 1856 II. 23- *) Schwartz, Sonne, M o ud und Sterne, 38- 59 derartige Geschopfe daehto, denen die Regenstrahlen entstromten, was man sieh dadurch erklarte, dass man sagte. die Wolkenfrau melke die himmlischen Kiihe. In den Veden wird die Wolke ausdriick- lieh als ein Stali bezeichnet, in welchem ein feindlieber Diimon die geraubten Kuhe verbirgt, die Indra dadurch wieder erlangt, dass er mit dem Blitze das Thor des Stalles offnet. Die epische Poesie der Inder dachte sich den Wolkensegen als eine Kuh, kamaduh, die von Indra mit dem Blitze gemolken wird. *) Hieher gehort denn auch der Glaube in Thessalien, dass Zauberinen bei Mondesfinsternissen den Mond zu sich ziehen und sodann denselben zu ihren Zauberkunsten melken, *) was nur dann einen Sinn haben kann, wenn demselben eine myth. Deutung gegeben wird.— Endlich noch etwas aus dem vielen, das sich noch anfuhren Hesse. Wenn man in Bohmen glaubt, 3 ) dass der Blitz nur den besen Geist erschlagt, der um den Menschen tanzt, und wenu er zur selben Zeit in den Menschen sich versteeken kann, so erschlagt der Blitz Beide, so ist daraus ersichtlich, dass man das Gewitter vvirklich als einen Kampf der Lichtgottheiten mit bosen Damonen auffasste. 4 ) Manches von mythologischem Werte haben auch die Zauber- spriiche erhalten, die zwar gewiss nicht in ihrer urspriinglichen Durchsichtigkeit, vielmehr mit Veranderungen, an uns gekommen sind, die aber auch in dieser Form als Quelle der Mvthologie nicht zu verschmahen sind. Nicht leicht anderswo so als hier, stossen wir auf Rathselhaftes und auf den ersten Anblick Unerklarlicbes, das uns aber bei naherer Betrachtung als VViederhall einer langst ver- klungenen Zeit und als einlleberrest der poetischenNaturanschauung einer vorhistorisehen Generation erscheiut. Eine genauere Verglei- chung wird sogar nicht selten auf Analogieen in den Vedahymnen stossen, jedoch mit dem Unterschiede, dass in den IIymnen die Durch¬ sichtigkeit und der Zusammenbang des auf diese Weise analog Be- fundenen noch fortbesteht, vvahrend dies dort nicht der Fali ist und der urspriinglich in die Spriiche gelegte Sinn, der dem Volke schon unverstandlich gevvorden ist, nur durch wissenschaft-liche Kombina- tion vermittelt werden kann, vorausgesetzt, dass man es versteht, sich in der Denkungsweise dieses frflhen Volkes zurecht zu finden. Ihrem innern Kerne nach aber sind sie sich gleich geblieben und *) Kuhn, Herabkunft d. F. u. d. Gr. 213. a ) Schwartz, op. c. 38. 3 ) časo¬ pis česk. muz. .1856, pag. 66- 4 ) Grohmann, op. c. 36- 60 haben in dieser Beziehung eineu Charakter betvahrt, dem eine ab- siehtliche Profanirung nicht viel anthun konnte. Fur Unterhaltung und Erheiterung unpassend und nur geistige Ueberreste enthaltend, von denen viele nur in ausserordentlichenLebenslagen desMenschen, etwa um bei Wabrsagungen den die Zukunft hiillenden Schleier zu heben u. s. w., vervvendet wurden, fliichteten sich die Zauberspriiche allmalig aus dem Munde des Volkes, um ausscbliessliehes Eigentum anfanglich der Priester (im heidnischen Sinne gemeint) und dann der Wahrsager und Zauberer zu vverden, an die sich das Volk wendete, wenn man bei gervissen Vorkommnissen einer ubernatiirlichen Hilfe bedurfte. ‘) Insoferne sie aber heute noch in der Tradition fortleben, vveist man ihnen einerseits einen ganz praktischen , andererseits dagegen einen ausserordentliehen, ubernatiirlichen Charakter zu. Mittelst dieser Spriiche glaubte man sich diese oder jene Naturkraft unterwurfig zu machen, aber auch sich von einem gegenwartigen Uebel zu befreien oder sich das kunftige Gliick zu sichern und zu er- forschen. Mitunter sind diese Spruche grossern Umfangs a ) und haben nicht selten die Form von Gebeten, die sie jedoch nicht erst im Laufe der Zeit angenommen haben mussten, sondern gewiss auch, im Hin- blicke aut' ihre Verwendung, schon ursprunglich hatten, daher die Aenderungen einer christlichen Substitution und nicht willkvirlichen Einschiebungen und der damit bedingteu ganzen formellen Urage- staltung zuzuschreiben sind. Aus diesen Spriichen ist zu ersehen, welche hohe Bedeutung man dem VVorte zuschrieb, das oft auch mit Gebrauchen verbunden war, die, wie envahnt, \vieder nichts anderes ausdriicken, als was man in den Naturerscheinungen einst zu bemer- ken glaubte. Die regelmassige VViederkehr gevvisser Naturerschei¬ nungen (miissen wir wieder und wieder sagen), die fur den Menschen theils rvokfratig, theils verderblich wirkend \vurden, musste ihn veran- lassen, durch gevvisse Mittel letztere von sich ferne zu halten und das Wirken der ersternwiederzuveranlassen,was man auch durch gewisse Sprucheerreichenzukonnen glaubte, die in spaterer Zeit, als sie Eigen¬ tum eines besonderenStandes oder bestimmter Personen wurden, noch durch ihr geheimnissvolles Wesen im Ansehen standen, \velches ihre ‘) AeanacbeB’!. op. c- I. 43, 44- s ) Sehr kurz sind die serblschen Sehvvur- oder Beschw6rungsspriiche, deren sich eine nicht^unbedeutende Anzahl in Vuk’s cpncKe Hap. nocaoBHue s. v. kako angeiflhrt findet; — čechische mit deutschen * untermischt bei Grohmann, op. c. pag 149—186, deutscke bei Ad. Kuhn, Sa¬ gen, Gebrauche und Marchen aus Westfalen, Leipzig 1859, II. 190—215 u. s. w. 61 Existenz in der Tradition sicherte. Die Entstehung derselben geht mit- hin ebenfalls in jene dunkleZeit zuruck, wo sich noch derMensch ganz abhiingig von den Aeusserungen der Natur wusste und die Macht des freien, subjeetiveu menschlichen Willens noch nicht zum Durchbruche gelangte, woraus man weiters folgern kann, dass die Anzahl solcher Spriiche ehedem grSsser gewesen sei und der Kreis derselben enger werden musste, sobald die Abhangigkeit minder gefiihlt zu tverden begaDn. Dass einige vor Jahrhunderten schon aufgeschrieben tvurden, beweist sporadisch die apokryphe Literatur und altere geistliche Lieder einiger slavischen Nationen, worin solches erhalten geblieben ist. Doch diirfen wir diesen keine zu grosseBedeutung zuscbreiben und beiVerwertung derselben fflr die Mythologie behutsam zu Werke gehen, da es sieh zeigen wird,dass dieselben haufig erborgt und nicht des sla¬ vischen VolkesUreigentum genannt werden konnen ’)• — Da sind jene ’) Dass ubrigens auch hier manche Perle beivahrt liegt, erhellt zur Genuge aus einer Abhandlung Buslajev’s (o cpoflCTBi ognoro pyccKaro saK.iaria ei> HtMeu,KHMi. op. eit. I. 251—268), in der er den russischen Spruch: »npHCTami rocno^H k'L AodpoMy eejiy A^ Jl J r ) cbhtmH Ilerp-r, n Ilane-Vb, Miixamio apxaiue^n>, amejibi xpncTOBbi, pa6y 6oa;iio, H.nnpem,; 8T>6acajincfl — cu.liiia.uicH gnU BbICOTbI BMliCTO . . . CpOCT3Cfl T'li.10 C1 TliJlOMB, KOCTb CT> KOCTbKh, iKIUa 3VKH- aoio; aaneuaTa.ri, caMB XpncTOC , f. bo bcukomb ue-ioBliKli neiaTb; aarreifit Ty pany y pada 6ojKia, HMfipeKB, bb Tpii a hh h bb T P H uhcbi, m 6ojh hh CBep6u 6e3t KpoBH, 6esB paHM, bo bIikh aMHHB,” mit einem germanisehen vergleicht, den J. Grimm kritisch gewurdigt und fur die Mythologie verwertet hat (vergi. dessen kleinere Schriften II. 12 ff- und d. Mythologie, pag. 1181) und welcher Spruch so lautet: »Phol ende AVodan vuorun zi holza, du wart demo Balderes volon sin vuoz birenkit; thu biguolen Sinthgunt, SunnA era suister, tilu biguolen Fru£, Vollit era suister, thu biguolen Wodan, sd he wola conda, sose benrenki, sose bluotrenki, sose lidirenbi, ben zi bena, bluot zi bluoda, lid zi geliden, sdse gelimida. sin.« J. Grimm, op. c., wo auch der Text in's Latein transferirt vorkommt. Der Unterschied beider Spriiche besteht darin, dass die letztere Fassung eine ursprunglich mythisch gebliebene ist, dagegen erstere in christlicner Umklei- dung erscheint, aber darum nicht minder myth. Charakters ist und dann, dass die russische lediglich den Spruch enthžlt, wahrend die germanische auch noch er- zahlt, wie so und bei welcher Gelegenheit er angewendet ward. Daraus durfen wir schliessen, einmal, dass die Entstehung solcher Spruehe der mvtliischen Periode angehSre und dann, dass dieselben auch einen Bestandtheil der dlte- sten episehen Poesie abgaben, voraus sie sich spater als selbstandige Episo- 62 von grSsserer Wiehtigkeit, die man unmittelbar aus dem Volksmunde entnommen und Leuten abgelauscht bat, denen nocb heutein einzelnen Theilen der Slavenheimat die libernatiirliche Gabe des Zauberns zuge- mutet wird,und welche Spruehe vorherrschend beiKrankheitsbeschvvo- rungen in Anwendungkommen und theils religiosen, tbeils mjthischen Inhaltes sind. ‘) Der \Virkung flnsterer Damonen zugeschrieben, be- handelte man die Krankheiten manchmal ganz personlich, wie in dem Atharvaveda, wo einer Fieberkrankheit, dem Takman gedrobt, ge- flucht wird und man sich sogar mit Bilten an ihn wendet, sich vor ihm, wie vor Gottern verneigt, um ihn zu vertreiben (Atharvaveda I. 25) oder ihn in einen bosen Menschen zu bringen. 2 ) In diesen den loslosten. (Buslajev, op. e. I. 251). Beweis dessen sind uns die Veden, denen solche Spruehe einverleibt sind und woriiber A. Kuhn ausfiihrlicher gesprochen hat in der interessanten Abbandlung: indische und gerraaniscke Segensspriiche (Zeitsehr. f. vgl. Spraehforseliung, XIII. 49—74 u. 113 — 157). Hiebei erinnere man sich an den dechisehen hieher gehorigen Sprueb: Maso k masu, kost k kosti, krev k krevi, voda ke vode. (Čas. desk. muz. 1860, pag. 57 und Groh- mann, op. e. 154-) — In christlicher Zeit sehrieb man nocb heidnischen Gottern, die jetzt zu finstern Damonen wurden. eine bose Macht und Einwirkung auf die Menschen zu, und daher wurden auch jene Spruehe, in denen soleher heid- niseher Gottheiten Erwahnung geschieht und eine christliche Substitution nieht beliebt ward, als ein von der neuen Lehre geduldetes Mittel angesehen, Krank¬ heiten zu heilen, die man sich als von einer bosen Gottheit beigebraeht daehte (Grijnm op. c. II. 23). Daraus mag es auch erklart werden, dass, wie bereits erwahnt, eine nicht unbedeutende Anzahl von Krankheiten in slavischen Spra- chen ihren Namen der Gottheit (altslov. 6on>) entnommen haben, fur deren Bezeiehnung auch hier vrieder ein Beweis vorliegt, dass selbe (dom namlich) in vorchristlicher Zeit entstanden und schon Eigentum des noch ungetheiiten slavischen Volkes gevcesen ist. Hiebei ist von Interesse zu beobachten, dass fur dieselbe Krankheit mitunter bei versehiedenen slavischen Volkern eine ver- schiedene, aber doch bei beiden uralte, Bezeiehnung besteht. So heisst die Apo- plexie im Russ. nocTpiji. und im Oech. boži ruka und ware noch zu beiner- ken, dass im Čeeh. eine Krankheit, sowol strelec als auch božee heisst, welche Bezeichnungen soiuit als synonym anzusehen sind. Man wird auch dem eine Bedeutung beimessen konnen und behaupten, dass jenes. was die Griechen durch ein myth. Wesen ausdruekfen/im Slavischen in diesem Falle durch ein Wort symbolisirt erscheint. (Weiteres noeh bei Buslajev op. e. I. 254—257; Grimm, op. c. 24 ff., wo nanrentlich ein dauischer Spruch fur unsern Fali sehr beleh- rend ist und Kuhn, op. c. 59 ff ) ') Mehrere dieser langern Spruehe finden sich in Or. Miller's xpncroMaTia angefuhrt., vrorunter wir ubrigens einem den mythisehen Sinn absprtchen mfissen. -j Grohmann, op. c. 147, 148 und als Analogie zu vergl. ein Glaube, angeftihrt pag. 163 dess. Buches. 63 — und dann auch Spriichen, die man in andern Fallen recitirt, wnrden auch lichte Naturkrafte apostrophirt, worauf die erhaltenen Ueber- reste ausdriicklieh himveisen, in denen sieh in einen unmittelbaren Verkehr mit diesen Kraften gesetzt wird. Man geht da in Regionen des Souuenaufganges, umhiillt sich mit der hellen Morgenrothe, um- giirtet oder besetzt sich (wie mit Nageln gleichsam) mit Sternen, 4 ) wascht sich mit dem Honigthau, wischt sich ab mit der Sonne oder gurtet sich nach andern Varianten mit derselben oder setzt sie auf das Haupt, welches letztere auch vom hellen Himmel gesagt wird, dem man in diesem Falle das Epitheton der kupferne gibt, was auf die Anschauung, sich das Feuer metallen zu denken, hinweist. 2 ) — Neben diesen Spriichen gibt es wieder andere, in denen die Natur¬ krafte eine untergeorduete Rolle spielen und man die ganze VVirkung der Macht des Wortes vindicirt, womit es sich erkliirt, wenn in den Spriichen das Wort mit dem Epitheton krepki belegt wird. Dasselbe ist machtiger als das Wasser, schvverer als dasGold, hoher (reichend) als ein Berg, starker als der feurige Stein Alatir. Dieser Stein liegt inmitte des Meeres (sc. des himmlischen) an einer Insel, der der Name Bujan-i. gegeben wird, und wir erkennen in diesem mythischen Bilde nach allem, was dariiber iiberliefert ist, die Sonne, 3 ) die auch *) In Schwaben glaubt die Voltstradition, die Sterne seien Kopfe der sil- bernen Nagel, die das Himmelsgewolbe zusammen halter. (Birlinger und Buck: Volkstiiinliches aus Scliwaben, Freiburg in Breisgau 1861, I. 189 bei Schwartz Sonne, M. u. St., pag. 65.) a ) 0. Mn./uepa onnni, HCTop. odoap. pyc. caob . 67—69, 72, 75, -84. — Die finnisehe Kalewala beriehtet ausfuhrlieb, wie der Selimied Ilmarinen eine neue Sonne und einen neuen Mond schmiedet. Es heisst da (vergl. Sehwartz Urspr. d. M. 235): Feuer sehlug nun der Alte Hess die Flamtnen munter spriihen aus des Schwertes Feuerschneide, aus der flammenreiehen Kiinge; sclilug das Feuer in die Nagel; Hess es in die Glieder rauschen in des Ilimmels oberm Raume, aut der Sternenhurde Eb’ne, bat das Feuer angesehlageu, birgt darauf den Feuerfunken in dem goldgeschmuckten Beutel, in der silberreichen Lade, giebt zum Wiegen es der Jungfrau, giebt’s der Jungfrau in den Luiten, dass ein neuer Mond entstehe, eine neue Sonne waehse. s ) Der Ansielit Afanasjev’s (ef. op. cit. I. 454), man habe darunter die Wolke zu verstehen, wird von Orest Miller (ef. op. eit. ^ono-Anema, pag. 11), und wie uns sebeint mit Recht, widersprochen. 64 nach den Mythen urverwandter Vdlker solchergestalt erscheint. Im Altnordischen ist eiue Bezeichnung fur die Sonne gimstein himins (gemma eoeli), im Angelsachsischen heofones gim, vuldres gim; *) die Iuderbenennen sie auch dinamani oder aharmani = Edelstein des Tages, 2 ) und mit Anlehnung an die volkstiimlichen Anschauun- gen nenoen sie Anaxagoras, Demokritos und Metrodoros einen gliihen- den Stein oder Klumpen (kt&ov, irsrpov, jx68pov btattopov. 3 ) Nicht befremden darf es uus, wenn auf dem Steiue Alatir bald ein Vogel, ein schSnes Madchen oder ein Stier sitzt, denn alles dies sind wieder Bilder, unter denen man sich in verschiedenen Epochen dieselbe Sonne vorstellte, die uns eben als gluhender Stein erschienen ist. 4 ) Wir bemerken noch einiges liber den mythischen Wert der Rath- sel, um schliesslich etwas ausfuhrlicher auf die Lieder einzugehen. In dem Rathsel liegt noch mancherRest alter metaphorischer Sprache verborgeu, deren Eigenheit es ist, einen Namen von dem Gegen- stande, dem er eigentlich zukornint, auf andere Gegenstande zu uber- traffen, von denen es uns diinkt, als ob sie an den Eigentiimlichkei- ten des ersten Theil hatten. 5 ) Unter den beiden Metaphern aber, der radikalen, die besonders in isolirenden und agglutinirenden Sprachen stark vertreten ist, und der poetischen, *) habeu wir hier die Letztere im Auge, da es auch im Wesen des Rathsels gelegen ist, einen Ge- genstand mittelst eines andern, irgendwie mit dem erstern analogen, vorzustellen. In gar manchem Rathsel wird uns auf den ersten Bliek vas widersinnig vorkommen, weil es uns nicht im Nu begreiflieh wird, wie das Volk zvischen Gegenstanden Analogieen finden konnte, die unserm raisonirenden Verstande schlechterdings nicht auffallen konnten. Diese Anschauung jedoch muss schvvinden, sobald theils durch analoge Erscheinungen in andern Zveigen der traditionellen Literatur, theils durch ein Vertiefen in die mOgliche Denkungsweise dieses friihesten Volkes unsere Zveifel belioben verden. In dem Volke selbst, in dessen Munde noch heute das Rathsel klingt, hat sich die Wechselbeziehung eines Gegenstandes mit einem andern, auf den die Merkmale des erstern ubertragen werden, noch erhalten, allein der eigentliche Gedauke dieserBeziehung und der Grund dessen Entstan- J. Grimm d. Mythol. 665. 5 ) Justi uber das eddische Gied von Fiolsvidr in Benfey’s Orient und Oecident II. 61- °) Xenoph. Metri. IV. 7, 7; Plut. pl. phil. II. 20, bei Schwartz Sonne, Mond u. Sterne 1, 2- *) Orest Miller op. e. 77—SO. 5 ) M. Miiller Vorlesungen uber die Wissenschaft der Sprache II. 331, 332; “) worubw M. Miiller op. cit. 334 ff. — 65 — denseins ist im Laufe so vieler Jahrhunderte im Volksgeiste venvischt \vorden, dem uberhaupt die eigentliche Bedeutung des Althergebrach- ten nicht mehr gelaufig ist. Dass auch die Rathsel zu diesem Alther- gebracbten zu ziihlen seien, beweist deren plastiscbe epische Kon- ception, die ungewohnliche Kuhnheit der Vergleiche und die Naive- tat der Vorstellung, — alles Momente, die fiir deren (der Rathsel) holies Alter Zeugniss abgeben und sie von den s p ater entstandenen unterscheiden. Da aber das ganze Wesen derselben mit der poeti- schen spraehlichen Metapher in Verbindung steht, wird es auch ieicht begreiflich, dass sie eine vvichtige Quelle der Mythologie bilden und darunter nicht am wenigsten jene, die zu ihrem Verstandnisse einer wissenschaftlichen Analyse bedurfen, da sie unmittelbar nicht zuganglich sind. 4 ) In eine enge Verbindung mit dem Mytbus gehracht, erlangte das Rathsel nach und nach den Charakter eines geheimen und gehei- ligten geistigen Schatzes und ward als ein vorzugliches Eigentum gottlicher Wesen angesehen, und nur seltenen Sterblichen zugetheilt betrachtet, daher denn auch die Belohnung fiir die gluckliche Lčsung nach dem Zeugnisse derMarchen stets eine bedeutende ist, und zwar in der Regel die Iland einer Prinzessiu. Im griechischen Mythus gibt die Sphynx (ein, wie man meint, aus Aegypten in die griechische Sage iiberbrachtes Bild der Sonne) die Rathsel zum Losen auf und im skandinavischen Norden streiten nach der Ueberlieferung der Edda die Gotter und Riesen im Rathsel-geben und Losen mit einan- der, und wird das Misslingen mit dem Kopfe bezahlt. Ebenso sind nach slavischem Glauben die Jaga-baba, die Rusalka und Vila, denen dieses zukomint und gleich jenen todten, der das Rathsel nicht zu losen vermag. Mehr oder minder vvurden auch die Orakelspriiche und die Spruche, die der Druide auswendig lernen niusste, in eine solche Sprache gehiillt und wurden, insoferne sie als gefliigelte Worte dem Volke bekannt wurden, als Aeusserungen einer hbheren Verstandes- thatigkeit angesehen. s ) Das war es auch, \vas die Rathsel vor wesentlichen Aenderun- gen schiitzte und ihnen ihre stereotyp gevvordene Form bevrahrte. Wir bemerken nun unter ihnen, wie unter den Gebraucheliedern, deutlich mehrere Stufen ihrer Bildung und vindieiren den einen, ge- ’) Afanasjev, op. cit. I. 22, 24, 25. 2 ) Afanasjev, op. c. I. 25; Orcst, Miller, op. e. 61. 5 66 geniiber den andern ein hoheres Alter, wie ja dies bei mehreren Zwei- gen der traditionelleu Literatur zutrifft. Und so begegnen uns denn hier Ratbsel, in denen die Naturerscheinungen veder an der Stufe der Anthropomorphose, noch der Theriornorpbose erscheinen, son- dern noch lediglich als leblose Materie aufgefasst werden, vas be- kanntlieh nach denAusfiihrungen der vergleichendenMythenforschung als eine fruhere Stufe der Mythenbildung anzusehen ist. So geartet ist das Eathsel: e,via nima Macaa (= Sonne) BceMy CBtry /točna, oder: hhcht 7 > KOxeai (= Mond) /nesaHocTO ne/tepi,, iudem die Vorstellung der Sonne als ein Becher oder glanzende Urne und uberhaupt als ein Gefass, aus dem die Strahlen, wie Flussigkeit gleichsam herabge- schuttet verden, und die Vorstellung des Mondes als Ressel, eine uralte ist. Ersteres erinnert unter anderen auch an die griechische Sage von der Sonn.enschaale und dem Sonnenbecher, in dem Helios den Okeanos durchschifft. ‘) — Nicbt anders ist es auch, venn ein kroatisches Ratbsel die Sterne als Niisse in einem Siebe, in dem sich auch eine grossere Nuss (= der Mond) befindet, ansiebt, oder ein litauisches den Vollmond einen Fladen nennt, vas uns auch die dani- sche Sage naher bringt, nach der der Mond ein Kaše ist, der aus der Milch der Milchstrasse zusammen rann. a ) — Bemerkeusvert ist auch die Auffassung der Sonne als goldene Spindel (h 3 jb onna bu okho 30- jioto BepeTeiio), vas uns auf die Kalawala erinnert, in der die Sonne als des Schopfers Spindel bezeichnet wird und woraus sich wieder leicht die anthropomorphische Vorstellung der Sonne als der hiinmli- schen Spinnerin entwiekeln konnte. *) — Nicht auffallend ist auch die Auffassung der Sonne und des Mondes als Edelsteine (nojie no-ACBiiiicuoe (= das Firmament) ... h /\Ba axoHTa. 4 ) Von diesen theilveise scbon der Ilirtenperiode angehorigen An- schauungen ist zur Zoomorphose nur ein Schritt und die Vorstellung der Sonne als Kuh (6ypaa KopoBa «repe 3 jb npac.no ivia/trnj, ; te/tua doata upaBHipi chmkh-hti. cbhti> iianxjiHiwa), des Mondes als Fiilleu (chbhh jKepedeip. Hepe 3 T. npac.no r-na/tmi.), der Sterne als Ziegen (ui.ru ko3m moctomi., yBHfla^m 3 opw, nona/ta-nn bi Bo/ty), des Himmels (Firmamen- tes) und der Erde als zvei Stiere (/tBa 6uua 6o/tyica, BM-kcrh ne com- AyTCH) u. s. v., eine nicht auffallende. 5 ) *) Schwartz, Sonne, Mond u. Sterne, pag. 23. 2 ) Setiwartz, op. c. 9j; Orest Miller, op. c. 62, 03. :! ) Schwartz op. e. 12; Orest Miller op. c. 63. 4 ) Afanas- jev, op. cit. I. 214, Anm. 4. °) Or. Miller, op. cit- 63, 64. — 67 Der Uebergang von dieser Stufe zur Anthropomorphose wird ver- mittelt durch Rathsel wie: dpameiia kohh He nofiMari, (= der Wind) oder: y daTionnui atepe6e^h-BceMy Mipy ne CAepjKan. (der Wind), in denen die Theriomorphose dadurch ein matteres Ansehen gewinnt und endlich sieh ganz verliert, dass dieselben als der oder jener menscblichen PersSnlichkeit angehorend, als dessen Attribute vor- komraen, die spaterhin, nachdem die Anthropomorphose durchge- fflhrt ward, die namliche Naturerscheinuug vorstellten, die vordem in Thiergestalt gedacht wurde. Die Anthropomorphose selbst aber bildet auch im Rathsel die dritte Stufe der Entwick.elung. In slavi- scher, speciell russischer Ueberlieferung erscheint in den Rathseln besoDders die Sonne anthropomorphosirt und dies als weibliches Wesen, was gegeniiber der in andern Quellen der traditionellen Lite¬ ratur erhalten gebliebenen Anschauung desselben Himmelskorpers als mannliehen Personlichkeit, als ein Grad grosserer Altertiimlich- keit zu betrachten ist (vergl. KpacHaa Ak B ymKa no He6y xoahti>). Als Jungfrau betrachtet der Volksglaube auch die Morgenrothe (altslov. 3 apra, 3opia, W. zr., skr. ghr., ghar lucere; vergl. ghr-na, ghr-ni Hitze, gr. funkelnd, lit. žeriu, žer-eti glanzen, ags. glimo Glanz, ') die auf dem Felde (Himmelsfelde) spielend ihre Schlussel (— den Tliau) verlor; der Mond bemerkte dieselben, kummerte sich jedoch nicht darum (d. h. der Thau vergeht nicht beim kuhlen Leuchten des Mondes), vviihrend die Sonne sie nahm, d. h. durch ihre brennenden Strahlen den Thau verzehrt. (KpacHaa ,3/1,mina no noono Krpajta, k.iiohh uoiepajia; comme nuio, kjiiohh uam.io; iihaI.-ii., a» He CKaateiT.; — 3apa 3apamin,a, Rpacnaa A^Binja, npaia sauupajia (eine Variante zum Obigen und das Thor gemeint, hinter dem der Tag hervorkomrnt, anbricht), no no.uo ry.»uia, kjuohh norepajia, BHA r hxb, 00.1040 cnpano). Dies mahnt an ein deutsches, auch in Sclnveden bekanntes Rathsel, in welchem die Sonne Jungfer rnundelos genannt wird, die den Sehnee, den Vogel lederlos verzehrt, a ) und seinerseits wieder an das čech. Rathsel,in dem es heisst: Sletel ptaček bezperak, na naš stromek bezlistak, prišlo na nej bezzubatko, sežalo to bezperatko. 3 ) — An¬ thropomorphosirt erseheinen uns im Rathsel, und zvvar als Bruder und Schwester, auch der Tag und die Nacht (cecrpa ia> 6paxy bi. roera *) Miklosich, op. c. s. v.; Fick, op. cit. s. rad. gliar. 2 ) Schwartz S., M. u. St. 201; Mannhardt., Gotteiwelt 94; Afanasjev, op. c. I. 500, wo noch an- dere, auch slavische, Analogieen beigebraeht \verden. 3 ) K. J. Erben: proston. Seske pisne a fikadla v Praze 1864, pag. 13. 68 a oin, on, cecipM upanemi), als Briider das Feuer, die Erde und das Wasser (ecTb Tpn Opara p o/1,111,1 e : oahi«, 'h, eri,-n e iiaicTca, flpirOH mara-He n a m, ere,n, Tperifi rrvuieri.-iie iiarv-iHercH). * *) So muss also, wie aus diesen vvenigen Anfuhrungen zu entneh- men sein diirfte, auch das Rathsel als Quelle des Mythus in Beruck- sichtigung gezogen werden, uud bewahrte dasselbe die fruhesten myth. Naturansehauungen sogar pragnanter und unverfalsehter als so mancher andere Zweig, dem wir auch eine Stelle in der traditionellen Literatur anivieseu. 3, Die Lieder sind wol jener Zvveig des geistigen Volksscha- tzes, aus dem die Wissenschaft der Mythologie den grossten Nutzen ziehen kann. Die slavischen Volker anlangend, haben dieselben in ihrem Volksliederschatze keine geringe Anzahl auch soleher Lieder erhalten, die wir hi er im Auge zu behalten haben, aber auch eine stauneuswerte Anzahl anderer, die alle zusammen die Ausspruche alter Schriftsteller bestatigen, die die Slaven als ein sehr gesanglie- bendes Volk schildern, ’) und auch Safarik Recht geben, der da be- hauptet: 3 ) „Wo ein slavisches Weib ist, da ist auch Gesang. Haus und Hof, Berg und Thal, Wiese und Wald, Garten und Weinberg, Alles erfullen sie mit den Tonen ihrer Lieder , . . Wir glauben ohne Widersprueh sagen zu konuen, dass natiirliehe Poesie unter keiner andern europaischen Nation in soleher Fiille, Reinheit, Herzlichkeit und Gefuhlsvvarme sieh findet.“ Sprechen wir von Volks- oder Na- turliedern, so meinen wir darunter diejenigen, die nicht bloss vom Volke recitirt werden, sondern auch von demselben gedichtet wurden, wo also gervissermassen ein ganzes Volk Dichter ist in dem Sinne, dass das Lied, das allerdings irgend einmal nnr von einem, in dem sich aber die Denkungsvveise des ganzen Volkes abspiegelt und in dem Falle fiir das ganze Volk Dichter ist, gesebaffen ward, eilends Gemeingut des ganzen Volkes wird, weil es aus dem Volksgeiste her- ausgesungen worden. Auf diese Weise in den Mund aller ubergegan- gen, wird an dem Liede manches umgestaltet, wie ja auch an der Sprache, der Sage und den Sitten geandert wird, die man vielfach Zeit und Umstanden anzuhequemen trachtet. Ja mitunter ist selbst dieses Letztere nicht notlnvendig und geschieht die Veranderung ') Or. Miller, op. e. 64—66, Aonomiemfl 10, und xpncxoMaTia, pag. 12 , 13. *) Vergl. u. A. Procopius de bello gothico lib. IIL e. 14 3 ) Gesehichte d. sla- vischen Sprache und Literatur naeh allen Mundarten, Oten 1826, pag. 52. 69 ganz absichtslos, woraus sich die zahlreiehen Varianten ganz kurzer serbischer und russischer Lieder uud der specielle Fali erklaren lasst, dass dieselbe Sangerin in Italien, so oft sie aufgefordert ein bestimm- tes Lied sang, dasselbe stets vieder anders vortrug und sie darauf aufmerksam gemacht, antwortete: Ich kann nicbt dafuv, mi viene cosi. ‘) Es wird kauin bezweifelt werden konnen, dass die urspriingliche Diehtung in Gebrauchen wurzele und bei der Recitation nicht nur des Gesanges, sondern auch der Plastik bedurfte. Zu der Zeit gab es noch keine Sonderung der Poesie in Lyrik, Epik und Dramatik, hatte aber, sich lediglich mit Naturkraften beschaftigend, deren Aeusserungen, wie wiederholt angedeutet, dem Naturmenschen eben- so wunderbar als unerklarlich vorkamen, bereits alle Keime dieser spater eingetretenen Sonderung in sich. Eines selbstandigen Charak- ters entbehrend, diente sie vorzugsweise praktischen Zvvecken und ist in derselben wieder ganz deutlich die Abbangigkeit des Menschen von den Naturkraften und Naturerscheinungen, deren flintreten er theils vunschte, theils abzuwenden trachtete, ausgedriickt, ein Um- stand, den wir schon bei der Besprechung der Gebrauche hervorzu- heben Gelegenheit fanden. Auf dieser Stufe ist das Lied vol noch alter als das Gebet, das schon aus dem Opfer entsprang, welches (das Opfer) wieder die Priester voraussetzte, die es verstanden, wie J. Grimm 2 ) sich ausdruckt, den Altar zu hegen, das Opfer feierlich zu ordnen, die Weihe dariiber zu sprechen. Unterscheidet man nun mit demselben Gelehrten 3 ) drei Perioden, die erste, wo man nur opferte, die andere, wo man opferte und betete,und die dritte, wo man nur betete, so ist das mit Gebrauchen verbundene Lied zeitlich noch liber allen dreien stehend, mithin dieselben an Altertumlichkeit uber- treffend und auf eine Epoche hinweisend, wo auch noch nicht ge- opfert ward. Aus dem in diesem Stadium der Entwickelung stehen- den Liede bildete sich allmalig Mauches, was wir in Folge weiterer Formation als einen selbstandigen Zweig der traditionellen Literatur anzusehen bemiissigt varen. So entstand aus diesen mjthischen Ge- braucheliedern der Zauberspruch (zagovor), wenn sie nicht die Be- stimmung hatlen, die an einer spiitern Stufe der Entwickelung des Mytbus schon anthropomorphisch gedachteu Himmelserscheinungen *) Steinthal: (las Epos (Zeitschrift fiir Volkerpsychologie und Spraehwis- sensdiaft V., pag. 6, 7. ■) Kleinere Sehriften, II 460. a ) Kleinere Sehriften, 11. 460. 70 wieder zu wec-ken oder deren Erscheiaen hintanzuhalten, sondern dazu dienen, dem Menschen in dessen vielfaltigen Nothen dadurch eine unmittelbare Hilfe zu gevvahren, dass man durch die wnuderbare Kraft des VVortes sich die Wirkungen gewisser Naturkrafte gleičhsam dienstbar zu machen tracbtet. Dass sich ein solcher Ursprung auch von Ratbseln behaupten lasst, wird von selbst einleuchtend, wenn man ihre Natur in’s Auge fasst und sich ihre Bestimmung vergegen- wartigt. ‘) Doch wuide man irren, wollte man Allem, was uns als ein bei Gebrauchen gesprochenes oder gesungenes Lied tiberliefert ist, einon Wert als Quelle der Mytliologie zuschreiben. Mehrere dieser Lieder wird auch ein minder scharfes Kennerauge als ein in geschichtlicher, meist christlicher, Zeit entstandenes Produkt derVolksmuse erkennen, und andere haben wenigstens eine derart auffallende christliche Ge- wandung, dass es schwer, ja oft unmdglich wird, mit Sicherheit in den mythischen Inhalt, wenn sie doch einen solchen hatten, zu blic- ken, wesswegen es hiebei gerathener erscheint, sie als inindestens nicht sichere Quellen bei der Forschung nicht zu berucksichtigen. Es ist sich an dieses Princip umsomehr zu halten, als schou manches hieherGehčrige, mitAnrvendung eines bewundernswertenScharfsinns, als mythologischer Beitrag erklart ward, was sich hinterher mit Evi- denz als ein Erzeugniss nichtmythischer Zeiten deklarirte. Es ist die¬ ser sichere Weg in dem Punkte umsomehr einzuhalten, als der For¬ schung eine ganz erkleckliche Anzahl wirklich mythischer Lieder zu Gebote steht, die das Zweifelhafte unter allen Umstanden entbehren lassen. Die Lieder, die wir h ier im Auge haben, werden also vorzngs- weise bei verschiedenen Gebrauchen (Umzugen, Spielen u. s. w.) ge- sungen oder gesprochen und dies theils vom Einzelnen, theils wech- selweise, welehes Letztere eben schon einen Keim des Dramas in sich birgt. Zu diesem gehoren nun nebst vielen anderen auch die Koleda- lieder, woruber einiges Wenige bereits bei Bespreclmng der Ge- brauche gesagt ward, und an jenes ankniipfend noch hier etwas be- merkt werden soli. Was zunachst die Bezeichnung koleda selbst anlangt, bat man sich daruit viel zu schaffen gemaeht. Rakoviecki, Karamzin u. a. dach- ') O. Ma.i.repa onbin, hct. 06. pyec. cjiob. 23 , 25 , 84 ; id- pasdopa, etc. pag, 20. 71 ten sich darunter die mannliche Gottheit des Vergnugens, der Gast- maler und des Friedens; J. Kolar und Dav. Terstenjak verglicheu koleda mit der indischen Gottin Kalan da; Šafafik meinte wieder, nach bestehenden Analogieen hatte das polabische Volk der Koledici von dieser Gottheit den Namen erhalten und Kostomarov (c.iaB. MHeo^ior. 99) stellte das Wort zu kolo=Tpox6?, rota, weil das Rad auch eines der Symbole der Sonne gewesen ist. Es hat auch welche gegeben, die koleda vom lat. collecta, und andere, die es vom mittel- lat. colenda leiteten, und selbst solche fanden sich, die hiebei an das lat. collaudemus (sc. dominum) verfielen, vas beilaufig von demsel- ben Werte ist, als die Identificirung des Wortes koleda mit kolen- dani oder koleni dati. ‘) Den richtigen Weg gent man, wenn man koleda als aus ealendae entlehnt betrachtet 3 ) und darunter die ganze Zeit versteht, wahrend der im Mittelalter, ahnlich wie vordem bei den Romern die Saturnalien, die kalendae, die festa calendarum ge- leiert wurden, naeh Du-Oange: „publicae illae ac superstitiosae laetitiae, quas kalendis ianuarii, quibus annus aperitur, exhibuere primum gentiles, usurpavere etiam postmodum Christiani et quas utrique indecoris choreis , mulierumgue aut ferarum assumtis formis ac vestibus foedabant.“ Die Zeit, in der diese Feste gefeiert vurden, var keineswegs auf einen Tag beschrankt, sondern reichte vom 24. December (die romischen Saturnalien begannen gar schon am 17. d. M.) bis zum 6. Janner, umfasste also im Ganzen zwolf Tage, vvelche Zeit man in Deutschland die zwolf Nachte, Anklopferleins- ‘) Hanuš, die tZissenschaft des slavisehen Mythus, Lemberg 1842, pag. 192—194; ders. bajeslovny kalendar 49, 50. a ) »koleda f. asi. kalantdi m. pl. ealendae, nsl. koleda, VZeihnachtslied; koledo. habd., koledovati vb.; kolednik, bulg. koladr., Weihnaehten; eank. kolende; kolede: deea ta hodet na kolede, milad. 523, serb. kolenda, koleda VVeihnaehtslied; kolendati vb. Weihnachts- lieder singen, mik.; koledjani, russ. koljada, koleda; koljadovatb vb., klruss. kol’ada; kol’adovaty vb., wruss. koleda, VZeihnaehten; pol. koleda, Neujahrs- geschenk; lit. kaledos, kalda; alb. koltmlrt, VFeihnachten; rum. kolindt, VZeihnachtslied. —■ lat. ealendae.« Dr. Fr. R- v. Miklosieh, die Fremdworter in den slavisehen Sprachen, Wien 1867, pag. 27. Bemerkenswert erseheint in altserbischen Crkunden kolenbda als Mannsname. So in einer Urkumie aus dem Jahre 1352, Kojieitbfla MpbHeiuui nnd Ko.iem.ia .loMr.iiHHOBHUb (bei Mi¬ klosieh, monumenta serbiea Viennae 1858, pag. 39) und in einer anderen Ur- kunde derselbe Name ohne woitern Zunamens (op. eit. pag. 7. und T>. A aHH ' 1H t‘, pjeuHHK H3 KHH«eBHHX crpapuna cpncKMX, y liiioipaiv, 1863—1864 s. v. nachte, Rauchnachte . . . nannte und in einigen Gegenden noch heute nenut. ’) Daraus ist zu ersehen, dass die Bezeichnung koleda keiaen alten Stammbaum aufweisen konne, was uns im Uebrigen nicht verleiten kann. die Gebrauche selbst und die Lieder, die zu der Zeit des Koledafestes in Ausubung geblieben sind, damit auf eine gleicbe Altersstufe zu stellen. Vielmehr erbiicken vir in sehr vielen von ihnen einen Grad hoebster Altertiimliehkeit und sind dieselben als eine willkommene Bereicherung fiir den Mythus anzusehen, obvol sie sich urn eiu Fest krystallisirt haben, fur das uns nur mehr eine historische Bezeichnung geblieben ist, vas etwa aus dem Grunde eintreten mnsste, veil die ursprungliche, mit dem Mythos ent- standene und nach der Gottheit,, zu deren Ehren das Fest gefeiert vard, erfolgte Benennung, venn man iiberhaupt die Existenz einer solchenBenennung unbedingt anzunehmenberechtigtist, demGedacht- nisse desVolkes entschwunden var, und durch eine neue, venn auch erborgte, ersetzt verden musste. Beriicksichtigt man das weibliehe Genus des in Liedern auch ais Personifikation vorkommenden koleda, so konnto man wol an eine weibliche Gottheit, der urspriinglich die- ses Fest galt, umsomehr denkeu, wenn man im Auge behalt, dass nach slavischem Mjthus dieses auch mit der Sonne der Fali war, deren Wiedererwacben oder VViedergeburt man in dieser Zeit feierte, vorausgesetzt, das hiebei das Genus des entlehnten Wortes nicht irgendvie auch fur die slavische Sprache massgebend var. Die aus- geaprochene Ansicht wird neben andern dadurch bekraftigt, dass man die koleda nach russischem Gebrauche durch ein veissgekleidetes Madchen darstelit, sowie durch den Glauben, dass die Sonne zur Zeit ihrer VVintenvende in Sarafan und kokošnik (eine Art Kopfputz russi- scher Bauerinnen) gehiillt sich zeige, in einen Wagensteige und sich in warmere Gegenden begebe, sowie der Uinstand, dass auch die Koledalieder solches bestatigen, 1 2 ) was iibrigens nur genau mit dem Mythus anderer arischer Volker stimmt, bei denen die Sonne eben- falls weiblich gefasst erscheint, vas vir schon oben als die ursprung- lichere Anschauung anzunehmen uns veranlasst sahen. 3 ) Die Antropomorphose der Sonne und anderer Himmelskorper ist iibrigens in diesen Liedern keine Seltenheit und verden dieselben sogar redend angefuhrt und mit Familienverhaltnissen ausgestattet, 4 ) 1 ) Hanuš baj. kalemlaf 48—50- a ) 0. Miouepi. xpncTOMaTiH pag. 2- 3 ) 0. JHu.i-iepa oCisop!. pag. 28- 4 ) 0. Mu.i.iepa Xpnet pag. 2. vvobei es wieder zu bemerken bleibt, dass heidnische Gottheiten rnit- unter durch eine christliche Substitution verdrangt werden, ohne im Uebrigen dadurch das Wesen des imLiede Ausgesprochenen auch ge- andert uud eine christliche Anschauung in dasselbe gebracht zu haben, wie solches ausser mehreren anderen Liedern auch in einem mahrischen statthat, vvo Gott Vater ganz in der Thatigkeit des Don- nergottes Perun erscheint In andern Liedern wird auch von Kindern der Sonne gesprochen und vverden als solche ausdrueklich die Sterne bezeichnet und in einer russinischen (kleinrussischen) Variante ist es nur einSohn, der hier an- thropomorphisch und sogar mit Namen, als junger Ivan, erscheint und den Mond seinen Vater, die Sonne seineMutter, die (Abend)rothe seine Schwester und den grauen Falken seinen Bruder nennt. Er selbst ist hier, aller Analogie nach zu schliessen, der Abendstern, vvahrend der Falke ein Symbol des Morgensterns ist. s ) Auf dieErde herabgezogeu, vorausgesetzt, dass die ganze Ueber- lieferung aus einem Gusse ist, ist der Mythus in einem Koledaliede, in dem die Sonne wieder als vveibliches Wesen sich zeigt und sie als die Hausfrau bezeichnet wird, vvahrend der Mond der Hansvater und die Sterne die Kinder beider genannt werden, vvelches Lied auch eine Variante aufvveist, in welcher christlicher Einfluss Veranderungen ein- treten liess und insolerne von Interesse ist, als sich daraus mit Evi- deiiz schliessen lasst, dass mythische Reminiscenzen mit Fug und Reeht oft angenommen vverden miissen, wo man ein spateres, alles mythischen Kernes bares, Erzeugniss anzunehmen sich veranlasst sehen konnte. In jener Variante erscheint iibrigens die Sonne als mannliches Wesen und der Mond als dessen Sohn, was nach dem Ge- sagten eine spatere Anschauung involyirt, die in den Liedern nicht isolirt dasteht. 3 ) So vverden uns die Sonne, der Mond und der Regen als Bruder genannt, *) eine Anschauung, die wir bezuglich der bei- den Ersteren, wie die vergleichende Mythologie Zeugniss abgeben kann, auch bei anderen arischen Volkern vvieder finden. 5 ) Die AuK fassung der Sonne als mannliches Wesen lasst auch ein mahrisches Lied zu, 8 ) dessen mythischen Kern wir mit Bratranek dahin zn deu- ten berechtigt sind, dass sich der Sonnengott die vvinterliche Erdgot- ‘) Sušil moravske narodni pisne, pag. 747. 2 ) Mnaaep xpncT. 3, o6sop r h 29. 3 ) id ibid- 4 ) id- xpncT. 2. *) id. oo3op'i. 29. 6 ) Sušil op. eit. 749- 74 tin erst erringen muss, wie wir dies schon oben anzufiihren Gelegen- heit fanden. Wie bereits aus diesem Wenigen entnommen werden kano, ist in diesen Liedern die Geschleehtsbestimrnung der Sonne eine sch\van- kende. Ebenso sehwankend ist aber aueh die Familienbeziehung der- selben, sowie es hervorhebenswert scbeint, dass sie bald als Weib, bald als schone Jungfrau, ’) in ivelehem Falle der Mythus nieht sel- ten auf Maria ubertragen ward, in Koledaliedern auftritt, Umstande, die wieder in den Mythen urverwandter Volker ihre Analogieen fin- den. Das weist auf eine Zeit hin, \vo die Anschauung unserer Vorfah- ren in der Geschleehtsbestimrnung antropomorphisch gedachter Ilim- melserscheinungen jnoch schwankte, und die Verwandtsehaftsstufen unter den Gottern nocb nicht fest bestimmt waren, daber es denn kommt, dass die Sonne in einem Liede slavischer Ueberlieferung die Mutter der Morgenrothe, in einem andern eine Tochter derselben und in einem dritten der Bruder des Mondes ist, was uns auf die VVorte erinnert, die Max Mflller in der Bemerkung aussprach, dass (in den Vedahymen) der Vater einer Gottheit zuvveilen als deren Solin, der Bruder als Gatte, eine weibliche Gottheit in einem Liede als Mutter, im andern als Gattin erscheint, indem sicb die Anschauungen ander- ten und damit auch die Natur der Gotter eine andere ward. % ) Diese, dem patriarchalen Zustande der Menschheit angepassten Auffassun- gen waren keineswegs das Produkt einer abstrakten Reflexion, son- dern einer lebendigen poetischen Naturauschauung, und in dem Masse, als sich diese Anschauung anderte, anderte sich aueh das Gescblecht und die gegenseitige Beziehung der in menschlicher Ge- stalt gedachten Erscheinungen in der Natur. 3 ) — Aelter aber noch als die Annahme der Sonne als weibliches Wesen ist deren therio- morphisehe Erscheinung und darunter auch jene als eines Vogels, 4 ) ‘) Nach deutsehem Volksglauben ist in die Sonne eine Jungfrau versetzt, die die Gabe besass, so oft sie gewaschen hatte, ihre “VVasche auf die Sonnenlinie zu hangen und sie so zu troeknen. Da sie einst von einem zum Riehtplat.ze ge- fiihrten armen Siinder, den alle bedauerten. bemerkte, derselbe vverde die Strafe wol verdient haben, fiel ihr die Wasehe berunter und die Jungfrau konnte nie mehr wieder ihr Zeug an die Sonnenstrahlen aufhSngen urid als sie starb, kam sie in die Sonne, wo sie bis zum Ende der 'VVeit bleiben muss. Mannhardt, die Gotterwelt. 105, 106- 8 ) Mythologie eomparative, 57, 58, bei 0. Mrnuppi. o63opi>, pag. 29 Anm. a ) Afanasjev, op. cit. I. 89- 4 ) Auch der Blitz wird sinnreich im arischen Mythus als ein Vogel rorgestellt und ist es bei 75 die im arischen Mythus zahlreich vertreten, sicli auch im slavischen < wieder findet und sich u. A. auch in einem hieher zu beziehenden Liede erhalten hat, worauf voriibergehend erinnert, ’) und schliesslich auch bemerkt werde, dass, da in deu Koledaliedern die Sonne stets im Vereine mit andern, sei es physisch oder therio- und antropomor- phisch gedachten Himmelserscheinungen auftritt, es mit Sicherheit auzunehmen ist, dass das Koledafest nicht nur als das Fest der Wie- derkehr, der Geburt der Sonne, sondern im Allgemeinen als das Fest der harrenden Wiederkehr des Sommers, mithin diese Lieder und Gebrauche auch wieder als ein Vorspiel zum Sommerempfaug anzu- sehen sind. a ) Es ist wert, bei der oben zu Tage getretenen Fluktuation der Geschlechtsbestimmung der Sonnengottheit, in die Spraebe zu bli- cken und nachzusehen, wie es diesfalls mit der sprachlicben Bezeich- nung fur den Begriff Sonne bestellt sei. Das Wort hiefur ist altslov. CATiHku.e (nsl. solnce, bulg. exi.nne, srb.-kroat. sunce, čech. slunee, poln. stonko, russ. coAHii^e. . .. ) und ist nach Abfall des Diminutiv- suffises -ce zu stellen zu skr. surjas (fur svarjas), griech. Ssip bei Suidas (WurZel asp fur aFsp), Sstptoc bei Archilocbos (aus svarjas), zd. hvare, lat. und altnord. sbl, gotli. sauil, lit saule, welchen sainmt- lichen Wortern eine ursp. Wurzel sur—fulgere unterzustellen ist. 3 ) Rucksichtlich des dem ursprunglichen r entsprechenden 1 im Altslo- venischen und Slavischen uberhaupt vergleiche man sluti (nominari), skr. 9 -ru, griech. vXv>, goth. hlu 4 ) und bemerke, dass der ursprunglich vor r oder 1 stehende Vokal im Altslovenischen nach diesem gesetzt wird (cf. altslov. nA-hm, fur parnas lit. pilnas). Das slavisehe VVort ist den Indern der Falke (Kulm’s Herabkunft des Feuers und Gottertrankes b. d. Indog., pag. 29), bei den Grieehen der Adler, bei den Romern der Specht (id. op. cit. 30), bei den Germanen der Hahn (id op. cit. 31) und der Storeh (id. op. c. 106), bei den Kelten der Zaunkonig (id. op. c. 107); vgl. Chr. Peterseu, op. cit. pag. 84- ') Orest Miller, op. cit. pag. 32- 2 ) Orest Miller, op. cit. 30, 31, 32, 36 ; Schwart.z, Sonne, Mond und Sterne pag. 111. 8 ) Curtius: Grundzuge der grie- chischen Btymologie, pag. 48b. Dagegen ist rfkio<; urspr. Y)eX£o? und das lat. Auseiius nicht hieher zu stellen, sondern gehort zu einer "VVurzel skr. ush, die eine vollere Form in der W. vas besitzt, aus der sie durch Kiirzung entstan- den ist, und vrelche langere Form dem griech. toria und lat. Vesta zu Grunde liegt. Curtius, op. c. 356; die entgegenstehenden Ansichten, pag. 357. “) Andere Falle noch bei Schleicher: Compendium der vergleichenden Grainmatik der indog. Sprachen, 2- Autl., Weimar 1866. §■ 181. 76 ungeschlechtig, also einem Genus angehorig, dem nach Bopp ‘) und Ewald “) die Bestimmung zufallt, die leblose Natur zu vertreten. Nach Abfall des Suffixes ce erscheint es notvvendig mit Miklosich 3 ) eine Grundform muho 3 ) anzunehmen, und zwar, wie es uns scheint, aus dem Grande, weil genanntes Suffix nur ungeschlechtigen Substanti- ven angefiigt vvird, wie dies eine genauere Betrachtung des Wort- schatzes ergeben muss. Dabei scheint uns aber dieAnnahme nicht aus- geschlossen, dass eine alterePeriode derSprache, gleichsam demMy- thus entsprechend, auch dieses Wort in einem andern Genus fasste, in ■vvelchemFalle manderUeberlieferung gemass (dietimAuslaute weist), dem VVorte die Form exi,Hb 5 ) geben und es der I-Deklination anrei- hen muss, die aber sovvol manuliche als weibliche Substantiva unter sich zahlt Darauf scheint (gar nicht in Betracht gezogen, dass das Genus neutrum den beideu andern gegeniiber eine spatere Genesis in der Spraehe ist) auch da Suffix ko hinzudeuten, das im Polnischen °) an die Stelle des ce trat und in so vielen Eigennamen sich findet, die schlechterdings mit dem Neutrum nichts zu schalfen haben (vergl. Bračko, Cvetko, Jenko, Jesenko, Meško, Pečko, Pleško Eine solehe Annahme darf wol gestattet sein, wenn man ervvagt, dass in mehreren Sprachen, darunter auch im Altgriechischen im Genus Schwankungen vvahrzunehmen sind, indem in einem Dialekte fiir ein Wort ein anderesGenus festgestellt ist, als in einem andern, und man sogar die Bedeutung nach dem Genus schied, vvelches Letztere schon fiir ein Walten des blossen Zufalls in der Spraehe spricht. r ) Ueber- haupt aber muss mit Schleicher 8 ) bemerkt werden, dass die Genus- bezeichnung in den arischen Sprachen eine secundare Erscheinung ist, und dass in einer altern Periode der arischen Grundsprache das Genus noch nicht lautlich ausgedriickt ward. Darum ist es auch nicht unmoglich, dass mythische Anschauun- gen auch ein Faktor gewesen sind, die bei Feststellung des gramma- Vurgl. Gramraatik d- indoeurop. Sprachen §• 13. ’) Zeitsehrift d. deut- schen morgenl. Gesellschaft I. 49; vergl. Geiger, op. cit. 364, 365, 4S0- 3 ) Le- xicon pal- s. v. i ) In einein serbischen Liede nennt Gott die Sonne sein K.ind (čedo). J. Grimm, d. Myth. 6G6. 5 ) Nach Buslajev’s Behauptung (apsHBi. hct. — rep- cbIj/i,. I. 45, bei Alanasjev. op. cit. I. 71) soli sich im Čech. das Wort wirklieh noch in der Form finden und auch das russ. noeoaonu zieht man zur Erhar- tung bei. ") Auch im Če c h, slunko. ’) Geiger, op. cit. pag. 482- ") Op. cit. §• 24i und Beitriige zur vergl. Spraehforschung etc., herausgegeben von A- Kului u. A. Schleicher, III. 92- 77 tischen Genus von Einfluss getvesen sind und es wird naeh dem oben Gesagten wol der Schluss bereehtigt sein, dass man cat^hii auch vveiblich fasste, sowie auch das m&nnliche Geuus dabei nicht ausge- scblossen bleibt, wenn man erwagt, wie sieh das Geschlecht far den- selben Begriff in den germanischen Sprachen herausstellt, und wobei der Einfluss des Mythus sogar ganz unabweislich ist. Die Sonne ist urspriinglieh in allen germanischen Sprachen weiblich, und zwar im Einklange mit der Erzahlung der jiingeru Edda, welche Mundilfori (= Scheibenschwinger) zwei schone und holde Kinder zutheilt, einen Sohn Mgni (= Mond) und eine Toehter S61 (= Sonne), die von den Gottern an den Himmel gesetzt wurden, und die Sonne die Bestim- mung erhielt, die Hengste zu fuhren, die den von den Gottern aus Muspelheinfls Feuerfunken geschaffenen Sonnenwagen zogen. *) — Aber schon die altesten Sprachquellen schrvanken in dem Geschlechte der Sonne und Ulfilas kennt von diesem Worte drei Forinen: das ungeschlechtige sauil (marc. 1, 32; 13,24), das mannliche sunna (marc. 4, 6; 16, 2) und das vveibliche sunno (math. 5, 45; luc. 4, 40; eph. 4, 26; neh. 7, 3). Das Altnordische hat s61 (weibl.) und sunna (weibl.),derenUnterschied die altereEdda(Alvismal, 19) mitden Wor- ten gibt: S61 heiter medh monnum, en sunna medh godhum (S61 heisst es bei den Menschen, aber sunna (Sonne) bei den Gottern). In den andern deutschen Sprachen, in denen beide Bezeiehnungen geblieben sind, ist dies Wort weiblich mit Ausnahme des Mittelhochdeutschen, wo es auch mannlich sein kann. (Vergl. ahd. und altsach. sunna, schvved. *) und dan. sol, mhd. sunne, nhh. sonne.) 3 ) Noeh andere urverwandte Sprachen anlangend, ist das skr. surjas, zd. hvare, gr. yJXiog (das etymologisch von hier ferne zu halten ist), lat. sol, franzos. soldil mannlich, dagegen das lit. saule weiblich und es erseheint beispielweise bei Homer (Hymnos auf den Helios V. 4 ff.) und Hesiod (TheogonieV.371)"HXio? alsBruderder EsXVjvy),was die derEdda ent- ‘) K. Simroek, Haudbueh d. deutsehen Mythol. mit Einschluss der nord. 2- Aufl., Bonn 1864, pag. 21, 22. % ) In Schweden wird die Sonne Fru Sole ge- nannt; im Merseburger Zauberspruclie erseheint Sunna als eine an Macht dem VVodan und der Frfa gleiehe Gottin, und noch im XV. Jatnhunderte musste verboten werden, die Sonne, die man heilige Frau nannte, tur eine Gottin zu halten. Mannhardt, Gotterwelt 313,314- 3 ) J-Grimm, deutsche Grammatik, Got- tingen 1831, III- 349, 350; Ulfilas oder die uns erhaltenen Denkmaler der gothi- schen Sprache; bearb. u. herausg- von F. L Staram, 4- Aufl. besorgt von Dr. Moriz Heyne, Paderborn 1869; VForterbuch s. v.; J. II. Oswald, das gramma- tische Geschlecht und seine sprachliche Bedeutung, Paderborn 1866, pag. 13. 78 gegen stehende Anschauung reprasentirt. Indem der Mensch sich unter dem Begriffe Sonne eine fruchtbringende Maeht daehte, ver- band er dainit die Idee des Sehaffens entweder in dem Sinne des Erzeugens, in welchem Falle er sich die Sonne weiblich dachte, oder es erschien ihm die Sonne als eine Gottheit, die mit ihren Strah- len die Mutter Erde beriihrt und bewirkt, dass aus ihrem Schoosse die so geschaffene oder neu zum Leben ge weckte Natur hervorspriesse, und nach dieser Anschauung ward natiirlich die Sonne mannlich ge- fasst. 2 ) Wir erwahnten mit einem Worte des Wertes soleher kui^zerLie- der fur die Erforschung des Mythus, die bei Gebrauchen gesungen oder seltener auch nur gesprocheh wurden. Es braucht fur Jenen, der die vorhandenen Sammlungen slavischer Nationallieder etwas naher kennt, kaum erwahnt zn werden, dass uns keine geringe An- zahl kurzgefasster Lieder erhalten blieb, die eine isolirte Existenz besitzen und mithin mit Gewohnheiten und Gebrauchen nichts zu schaffen haben. Es mag eine lange Zeit verflossen sein, bis man dazu kam, die Lieder abseits aller praktischen Bestimmung, zu jeder be- liebigen Zeit und au jedem beliebigen Orte, vorzutragen, lediglich die Absicht des Singens im Auge behaltend. Mit dem Gebraucheliede konnte dies gar nicht leicht geschehen, wie uns das heutige Beispiel am besten beiehrt, wol aber mit andern mythischen Liedern und so- dann insbesondere mit der mythischen epischen Poesie, wovon man Stiicke vortrug, ohne recht tiberall den in dieselben gelegten Sinu zu verstehen, welcher Umstand aber wieder darnach angethan war, fiir die moglichste Konservirung des mythischen Inhaltes der Lieder zu sorgen. Aus der grossen Zahl der kurzen, nicht epischen Lieder wahlen wir auch hier nur ein Beispiel und dies aus einem serbischen Liede, dessen Anfang lautet: Aj ijenojito, Ajnio Moja! uito ch Taito jeAHojiHKa H y nacy TaHKOBHTa? Kan’ A a c ’ cyHny Koce mieaa, a wječeny ^sope Mejia. (Vuk nar. pj. I. 161). Hier erseheinen Sonne und Mond anthro- pomorphisch gedacht und in dem ehelichen Verhaltnisse von Frau ‘) Vergl. z. B. sunna yon W. su — parere und sunna==die Erzeugerin von weleher W- auch altslov. cbinn filius, der Erzeugte, lit. und goth. sunus, ag S . sunu zd. hunu. *) Afanasjev, op. cit. I. 71. 79 mi d Mann, was ein Seitenstiick zu dem geschvvisterlichen Verhalt- nisse abgibt, dessen wir kurz gedachten und schon eine Analogie im Rigveda und Atharvaveda fiudet, nach denen Savitar (dem Wesen nach dem Perun entsprechend) seine Tochter Surja (Sonne) dem Soma (Mond) z um Weibe gibt. *) Damit stimmt, wenn das deutsche Volk bis auf die spateren Zeiten, wenn es von Sonne und Mond redete, sich der Ausdrucksweise „Frau Sonne" und „Herr Mond" be- diente, und wenn es von ihnen folgende, so gut wie ganz mit der russischen l 2 ) iibereinstimmende, Anscbauung hatte: Die Sonne ist eine gottliche Frau und der Mond ihr Mann, der aber ein kiihler Liebhaber war, so dass es den Mond verdross. Sie schlug ihm eine Wette vor, des Inhaltes, derjenige" von ihnen beiden solle bei Tage scheinen, der zuerst aufwachen wurde, und dem andern gehore die' Naeht. Frfihe morgens zundete die Sonne der Welt das Licht an und vveckte den frostigen Gatten. Seilher leuchten beide getrennt, aber suehen sich doch einander zu nahern, was zur Zeit der Sonnenfinster- nisse geschieht, wo sie sich gegenseitig Vorwiirfe machen, aber kei- ner Recht behalt, daher sie sich wieder trennen. Im Schmerze nimmt der Mond dann ab und schwindet, bis ihn die Hoffnung ivieder belebt und voller rundet. 3 ) — Auch nach litauischer Tradition ist die Sonne (saule) die Gattin des Mondes (menu) und ward ob seiuer Liebe zum Morgenstern (aušrine) 4 ) vom erzurnten Perkunas mit dem Schvverte zerhauen, wie es im Liede nach der Uebersetzung heisst: Er gin g allein spazieren, verliebt sich in den Fruhstern, da ward Perkunas zornig, zerhieb ihn mit dem Sclnverte. Der Mond fuhrt’ heim die Sonne, es war im ersten Friihling. Die Sonne stand schon friih auf, der Mond von ihr sich trennte, AVarum hast Du getrennt Dieh? Bist einsam Kachts gewandelt? Verliehst Dich in den Fruhstern? Da war sein Herz voli Trauer. (Littauische Volkslieder, gesammelt, kritisch bearbeitet und metrisch tibersetzt von G. II. F. NesselmanD, Berlin 1853, pag. I.) Die Auffassung ist hier eine so klare und Jedermann verstandliche l ) Potehnja op. cit. pag. 230- 2 ) Afanasjev, op. eit. I. 77, 78- 3 ) Grimm, d. Myth., pag. 666; Mannhardt, die Giitterwel t, pag. 104, 105. 4 ) Dem Namen nach zu stellen zu skr. ushas, zd. u sha, gr. , lat. aurora fur aus-osa. die erstern zwei Worte von einer AVurzel us und die andern von einer durch Zu- laut verstarkten Form aus. Curtius, op. cit- 3 58; ausserdem vergl. man Pietet, les orig. Indoeur. II. 672—873. 80 dass sie wahrlich eines Kommentars nicht bedarf. Naeh einer andern, und zwar slavischen, speciell, russischen Tradition ist der Tag der Zusammenkunft beider, der Johannistag (der 24. Juni). ‘) — Das den Gottern Dienen, das auch in dem oben citirten serbisehen Liede ausgesproehen ist, ist keine isolirte Erseheinung, sondem findet sich audi in andern Liedern ausgesproehen, so z. B. eben vvieder in einem serbisehen, in dem es heisst: Cjijjkho csm dosKjv Majicy, Te mh M-ia^e BOKe, Mjia^e BOKe BHTopore, h japMOBe jaBopone, n najmu,e uiMMunipoBe, H 3;iBOpH>e OOCH.BKOBe, n C)in Kocy fleBojaMKy, *yTy ryjy pyiKOHomy. (Vuk op. c. I. 161; eine deutsehe Uebersetzung bei Talvy, Volks- lieder d. Serben JI. 185.) So sind auch naeh der Edda Thi&lfi und Roskvva Dienstleute des Th6r, die ihn uberall hinbegleiten und Mani nabm zwei Kinder Bil und Hinki von derErde weg, als sie von dem Brunnen Byrgr kamen und den Eimer Sagr an der Eimerstange Simul auf ihren Achseln trugen. Diese Kinder gehen vor dem Mani her, ude man noch von der Erde aus sehen kann. Dass diese letztere Auffas- sung die Flecken oder die schattigen Vertiefungen im Lichte des Vollmondes veranlassten, hat man mit Grund vermute! a ) — In den Liedern begegnet uns der Mond als mannliches Wesen, entspreehend dem Sprachgebrauche, indem auch die Bezeichnung fiir den Begriff Mond zugleicb Bezeichnung fiir Monat, den slavischen Spracben ein mannlicher Substantiv ist. 3 ) Es ist ein altslov. ,\vkcAii,u (-aihk ist Suffix)zu stellen zuWortern ude skr. mas, raasas, zd. maonh, maoiiba, griech. fr/jv, pujvv), lat. mensis. goth. mena, lit. m6nu, menesis, und ruckzufuhren auf die Wurzel ma = metiri, daher der Mond schon von dem arischen Gesammtvolke als Zeitmesser bezeichnet und ver- wendet war. 4 ) J. Grimm mag daher Reeht haben, wenn er meint, 5 ) dass man neben dem Sonnenjahre ein Mondjahr umsomehr gekannt habe, als sicb naeh dem Mondweehsel die Zeit viel leichter als naeh der Sonne berechnen lasst. Damit stimmt die Ansicht von M. Miiller 3 ) Afanasjev, op. c. I. 76- 2 ) Grimm deutsehe Mythol., pag. 679; Simroek, op. cit., pag. 259, 23- 3 ) Das ebenfalls gebrauchliclie luna lassen vir aus gu- tem Grande unberiicksiehtigt. 4 ) Miklosich, loxicon s. v.; Curtius, Grundz. d. griech. Etym., pag. 299. °) Deutsehe Mythol., pag. 071. 81 hberein, der dem Monde, diesem goldenen Weiser auf dem duuklen Zitferblatte des Himmels, wie er ihn nennt, die uamliche Bedeutung zuspricht, namlich als Zeitmesser zu dienen, indem man die Zeit schon Jange nach Nachten und Monden und Wintern gemessen, be- vor man anfing, sie nach Tagen, Sonnen und Jahren zu berechnen. Wenn nun, meint er weiter vvortlich, der Mond von dem Landbauer ursprunglich der Messer, der Ordner der Tage. Wocben uni Jahres- zeiten, der Regler derEbbe und Flut, der Herr ihrer Feste uad Herold ihrer Volksversammlungen genannt wurd‘e, so folgt ganz natiirlich, dass sie sich ihn als Mann dachten und nicht alš eine liebeskranke Mondgottin, welche unsere modern sentimentale Poesie an seine Stelle gesetzt bat. ‘) Den Uebergang zu dem eigentlichen episcben Liede xnythiscben Inhaltes macht eine Anzahl erzahlender Gedichte, in denen das reiu mythische Element, mitunler selbst auf der physisehen Stufe stehend, mit der Heldensage noch nicht vertauscht wird. An dieser Stufe be- ruhrt das epische Lied nicht unerheblich das in altester Fassung im Marchen Erzahlte, und steht damit mindestens auf einer gleichen Stufe der Altertumlichkeit, ja ist insoweit altertumlicher, als es noch die poetiscbe Form behielt, die in dem Marchen schon abgestreift ist, und der prosaischen Erzahlungsweise Platz machen musste. Sol- eher Lieder zahlen wir keine linbetrachtliche Anzahl; an dieser Stelle jedoch fiihren wir ein bulgarisches an, weil es wieder einen Son- uenmythus anlangt, den wir bei Besprechung des mythologischeu Wertes der Lieder nun einmal vorziiglich im Auge hatten. Es ist, dies die Pleirat der Sonne mit der schbnenGrozdanka (c-ibimoBa weHHT6a en xy6aB* rpoAflaHK*), ein Lied, das G. S. Rakovski in dem fiir die slavische Mythologie hochwiehtigen Werke: ntfka3a.ieiyb h^ih P^KOBOACTBO KaKb fla CH H3HCKBATB H HB^HpKbTb Hafi CTapH Mb|)TH Hainei’0 6 hthh, h 3 mk a, HapO/loilOKO.ikHHH, CTaparo hh upaBjieHaa, caaBHaro hh npomeciBHH h npon. 0/i,ecca 1859, pag. 127—129, veroffentlichte. Das Lied erzahlt, dass Slavka ein Toehterehen geboren, dem sie den NamenGrozdanka gab, und welchesallmaligzueinemschmucken, statt- lichen Madchen heranrvuchs. Als es einst in des Vaters Garten trat, erblickte es der Sonnenprinz, 8 ) welcher von Zauber gefesselt, drei ‘) Vorlesungen liber d. Wiss. d. Sprache, 2. Aufl., Leipzig 1866, I. 6. a ) Wir w&hlen absichtlich diesen Ausdruck. obwol es im Originale cjiMiie (= die Sonne) heisst, um jeder Ziveideutigkeit, die im Deutschen in Folge des weiblichen grammatischen Genus des Wortes Sonne entstehen musste, vo r zu- 6 82 Tage und drei Nachte bebte und nicht unterging. ') Daniach kehrte er erst wieder heim, wo die besorgte Mutter seiner mit demAbendessen harrte, einer gelten Kuh und sieben Ofen Brode. Auf ihre Anfrage, ■vvaruin er so lauge ausgeblieben, erzahlte er ihr, er babe unten auf der Erde eine schoneMaid tvahrgenommen, und bekomme er dieselbe nicht, \volle er nimmer mehr die Welt erleuchten. Desshalb mbgesich dieMut- ter sputen und zuGott geben, ihn zu befragen, ob er dieseMaid nehmen, sie lebend zu sich erheben diirfe, um sicb mit ihr zu verloben. DieMut- ter thut, was er gewiinscht und derHerr erhort ihreBitte, und man lasst am Tage des heiligen Georg eine goldene VViege (Schaukel) an den Hof der Grozdanka hinab. Gross und Klein stromte herbei und wiegte sich, endlich kam auch Grozdanka und ward von der Mutter selbst gewiegt. Da senkten sich dunkle Nebel hernieder und zogen die Wiege auf- warts, zumSchmerzc der Mutter, die derEntsteigenden nachruft: Groz¬ danka! liebssMutterkindchen! neunJahre habe ich dich selbst genahrt, darura solist du neun Jahre 2 ) weder mit dem Schwager und der Schwiegermutter noch mit dem Brautigam reden. Sie befolgte den Rath und sprach neunJahre nicht, woruber der Sonnenprinz vor Leid verge- hen wollte, indem er sie stumm wahnte. Er erkor sich nun eine andere, da er ja die Stumme nicht freien konnte, und bittet die Grozdanka als Brautjungfrau, die die Braut umhiillen musste, wobei sich der Schleier der Braut eutziindete, die die Grozdanka darob tadelte und sie eine Blinde und Taube hiess. Diese antvvortet darauf: Nicht habe ich dei- nen Schleier gezundet und bin nicht stumm und nicht blind; nur be- lahl mir die Mutter, weil sie mich neun Jahre hat genahret, auch neun Jahre zu schweigen. Aber nun sind neun Jahre voruber, und ich darf wieder sprechen. Als der Sonnenprinz und dessen Mutter dies horten, sandten sie die andere Braut nach Hause, und Grozdanka vrard mit dem Sonnenprinzen vermahlt. Damit stimmt ein slovenisches Marehen 3 ) mit Ausnahme einiger unerheblichen Varianten genau uberein. Diese Varianten sind das beugen. Zugleich wolle aber in das Wort nicht etwa die Bedeutung »der Sebn der Sonne« gelegt werden. ‘) Ein deutsehes Marehen aus Siebenburgen (Haltrieh, deutsche Volksmar- ehen aus dem Sachsenlande in Siebenburgen, Berlin 1856, pag. 4) erzahlt auch von zwei Kindern, die so lieblieb und sch5n waren, dass die Sonne auf ihrem Tagesgange sfehen blieb und sieben Tage nicht unterging. ’) Im Original heisst es wol Monate (Mtceubi), aber wie der nachfolgende Text genugend be- weist, irrtumlich fiir Jahre. n ) Slovenski glasnik 1867, pag. 93—94- 83 Niehtauftreten der Mutter des Madchens, wek-hes hier Nasta heisst, sowie das nur anderthalbtagige Ausbleiben der Sonne. Dass der Sounenprinz das Madchen bekomme, rath ihm die Mut¬ ter (auch von Gott geschieht keine Erwahnung) ein goldenes Schvvungseil auf die Erde zu werfen, und das Madchen damit herauf zu ziehen. Die slovenische Ueberlieferung fuhrt nun aber die ganze Erzahlung weiter aus und erzahlt, wie Nasta, da sie sich stumm stellte, von der Sonnenmutter zur Tante Mora um ein Sieb geschickt wird, in der Absicht, von derselben (der Mora) zerrissen zn werden. Ein Mauscheu rettet sie aber davor, indern es ihr auch rath, Mora’s Kamm und Haarflechte (vupletnik) zu nehmen, damit sie Mora nicbt ereile. Auf der Flucht von ihr verfolgt, vvirft Nasta, von ihr beinahe schon ereilt, den Kamm hinter sich, vvodurch ein Wald entstand und Mora an der Ereiiung hinderte und spAter die Haarflechte, die ein Wasser entstehen machte, das die Mora von dem weitern Verfolgen gauz abhielt. Zur Sonne (Sonnenprinzen) wieder zuriickgekehrt, be- merkt sie im Sonnenhofe ein anderes Madchen, \velches Lieder sang und zu dem Nasta bemerkte, es hatte zu friih zu singen angefangen. Dariiber vvar der Sonnenprinz sehr erfreut, allein Nasta wich seinen Liebkosungen aus, was ihn dermassen erzflrnte, dass er sie mit den Worten verwiinschte: Von nun an bist du nicht mehr Nasta, sondern lasta, und so ward sie eine Schwalbe (lastavica). Hier sehen wir wieder die Sonne als mannliches Wesen vor uns auftreten, was unsere obeu ausgesprochene Ansieht zu bestatigen ge- eignet ist und gleichfalls im Mythus nicht ohne Analogieen ist. Co-imje KHH3h, *) jijma KHnrHHH heisst es im Spruchwort. Die Serben stellen sich auch die Sonne als einen herrlichen Jungling vor, der im Son- nenreiche auf einem goldgevvirkten purpurnen Throne sitzt; neben ihm stehen zwei Jungfrauen — die Morgen- und AbendrOthe, sieben Richter, sieben Wahrsager und endlich dessen Oheim — der alte Mond. a ) — Vom Madchen sagt man, es sei schon, nano je cyHaeBa cecTpa (als ob es der Sonne Schvvester ware), wo iibrigens auch das Possessiv-Adjectiv auf die mannliche Vorstellung der Sonne hindeu- tet, indern das Suffix-KTi, mit Ausnahme einiger Pflanzennamen, nur von lebendeu oder lebend gedacbten maunlichen Substantiven Adjec- tiva bildet. — Die Slovaken erzahlen, dass dem Sonnenkonig als Be- ‘) Bei den Polen wird der Mond mit dem Epithetan ki^žye ausgezeichriet; vgl. Afanasjev, op. cit. I. 79- *) Afanasjev, op. c. I. 81. *) id. op. cit. L 82. 6 * 84 lierrscher des Himmels und der Erde zwOlf ewig junge und schone Madchen dienen, und die Russen denken sich denselben als Beherr- scber von zwolf Reichen, der in der Sonne wohnt und Kinder bat, die sich in den Sternen aufhalten. ‘) In allen slavischen Sprachen ist die Bezeichnung fur Štern, altslov. Sirkama, weiblich, analog dem skr. tara fur stara, lat. stella (mit skr. tara, stara identisch und = star-rd), lit žvaigžde, goth. stairno, altnord. stiarna; dagegen ist zd. ?tare, griech. dorrjp, ags. steorra, ahd. sterno, nhd. stern mannlich und alle bier angefiihrten W or ter mit Kubn 8 ) an die Wurzel star zu vveisen, wornacb die Sterne „die am Himmelszelt Ausgestreuten“ heissen. 3 ) Als Name des Sonnengottes ist uns die Bezeicbnung Dažbog iiberliefert und vvird derselbe ein Sohn Svarog’s genaunt. Von bei- den ist zu lesen in derlpatijevskaja letopis, wo es u. A. heisst: h 6bictj. no nOTOrrl; n no pa3 1 i,T;.iem.H h3bikb nona napi.cTBOBaiH nepaoe Mecrpoivn> (im griech. Orig. Meatpep.) oitb po^a xaMOBa, no neivrh BpeMia, no Heim, »I>eocTa (griech. "Hcpat-oto?) rime n 3Bapora (eine Variante: CoBapora) HapeKoma erynTane. tj,h me uocaraTH . cero pa^u npo3Bama n 6 orj. CBaporb (griech. 'cdv Se afkov "Hcpaiatov eisdv sudkoov).n no ceMb ti,ap- CTBOBa cbiHi, ero HMeHeM:b co.iiiiJ,e, erome Hapieno^B ^aatbdorh. conHeu,ap, cbmb CoaporOBi,, eme ecTb ^ambdorj,, 61; 60 Myntb CH.ieni,. 4 ) — Die IJebersetzung ward im X. Jahrhunderte angefertigt, also in einer Zeit, in der der heidnische Glaube nocli friseher den Slaven im Gedachtnisse gevvesen ist. 5 ) Svarog deutet auf eine Wurzel-sur = fulgere hin, 6 ) aus der mittelst einer Weiterbilduug durch a (suar = svar) ebenso sich ein svar entwickelte, wie der Pronominalstamm tva ‘) id. op. cit. I. 82. 2 ) Zeitselir. f. vgl. Spraehf. IV. 4- 3 ) Cartius op. cit. 189; Afanasjev op. cit. I. 82; Fick, Worterbuch der indog. Grundspraehe sob 1 stai - , wo eine Wurzel su=scheinen vermutet wird. 4 ) lTojmoe codp. pyec. .rJrromieeii CaiiKTneTep6ypi> TI. pag. 5; bei Safarik, sebrane spisy v P raz e 1864, III. pagr 112 in der Abbandlung: o Svaroliovi, bohu pohanskjch Slova- nuv, die zuerst im čas. eesk. muz. 1844 erschienen ist. Ausserdem vgl. man auch. Miklosich, Iexicon palaeostov. graeco-iat s. v. aarKABSonj. 5 ) Afanasjev, op. cit. I. 64. °) Dieses Wort zuin skr. Varunas und griecli. OopavcI? zu stol— len, wie dies nicht selten geschieht, ist unstatthaft, da diestm beiden VVorten die VVurzel var=tegere zu Grunde liegt, daher Varunas und Odpavrf; der Be- deckende, Umfassende heisst, wozu das Epitheton urvi, eopu?=breit, weit, das ilinen gegeben wird, nicht iibel pasat! Soviel aber ist riehtig, dass Varuna-s allerdings der Bedeutung nach insoferne passend zu Svarog gestellt werden knnn, als auch er ursprungjieh den tVoikenhiminel, im Gegensatze zu Mithra, und aus tu (altslov. tu, teke . . aber im Plural ku, euck . . uach ab- gefallenen Anfangs-T) oder der Prouominalstamm i zu ia, itje man soiches in vielen Kasus des lat. Pronomens is sehen kanm ‘) Skr. svar ist coelum und in der čechischen mater verborum ist zodiacus dureh zuor (svor) wieder gegeben. 2 ) Durch das dazugesetzte Suffix ga 3 ) entsteht ein svarga=coelum Indri, aether, das ganz unserm Svar-o-g'j. entspricht. Dieses ga findet sich in Wortern wie a^uga (sebnell gehend, laufend) — Wind, Sonne, Pfeil; aga (nieht ge- hend) = Berg, Baum. Svarog ist daher wie svarga der sich bevve- gende Himmel, der Wolkenhimmel, in dem Indra sowie der Donnerer Peruti herrscht, fiir den Svarog nur ein anderer Name ist. 4 ) Dabei wolle man sich erinnern, dass die panslavische Bezeichnung fiir Him¬ mel nebo (St. nebes) zu stellen ist zu skr. nabhas, gr. vscpo?, lit. debesis, let. debes, tvoraus hervorzugehen scheint, dass sich der noeh nieht christianisirte Slave darunter eben den Wolkenhimmel dachte, mithin Svarog und nebo Bezeichnungen desselben Begriffes sind. — Dažbbogi. dagegen ist zuruckzufuhren auf die urspr. Wurzel dagh, skr. dah, dahati == brennen, dagdha — verbrannt, lit. degn, degti, goth. dags, altn. dagr, usl. degniti = aufleuchten, und ist dažu ein nebstdem den Nachthimmel reprasentirt (Ourtius, op. eit. pag. 313; Clir. Peter- sen, op. cit. pag. 77). Varunas ward erst spater der Gott der Gewasser, sowie man von Poseidon annimmt, dass er eine besondere Aeusserung, eine besondere Seite des Zeus ist. Die vergleiehende Sprachforschung wies naeh, dass die ur- sprOngliehe Bedeutung des Meeres die von Wflste war und ist altslov. Mopie, lit. maris, lat. mare, ir. muir, goth. marei, ahd. mari, and. mar u. s. w. mit einem skr. maru in Verbindung zu stellen-, welehes Wiiste bedeutet., vrogegen Bopp mare mit vari=Wassor vergleicht, was sich als unrichtig erwies (Cur- tius, op. eit. pag. 298; Miklosich, lex. s. v.; Bopp, Aeeentuationssystem pag. 231 )- Bei der Riickfuhrung der obgenannten zwei Vforte auf die Wurzel var wird man an die litauische Benennung fiir Himmel = dengus erinnert, das mit Pott (etymo!ogische Forschungen, 2. Aufl. 2. Bandes 2. Abth., pag. 919) zu einem Veri) dengti=tegere zu stellen ist, indem sich die von Nesselinann und Bopp gegebene Erklilrung, die das Wort zu degti=brennen stellen, wegen des man- gelnden Nasals als nieht zutreffend erweist; aueh das deutsohe Wort Himmel \vird von J.Grimm (deutsche Mytho.logiepg.661) von hima=tego, vestio abgeleitet. ’) Westphal, philospphisch-histprisehe Grammatik der deutschen Spraehe, Jena 1809, pag. 118- s ) Die altesten Denkmaler der biihmisehen Spraehe, kri¬ ti sch beleuehtet von Paul Joseph Safarik und Franz Palacky, Prag 1840, pag. 226. 3 ) vgl. Bohtlingk-Rolh, Sanskrit-W6rterbueh II. 627- *) Pott, op. cit. 2. Band, 2. Abth. pag. 21. 8fi Adj. von dag uud Dažbhogi, der Gott der Sonue und des Feuers, ‘) wie Svarožižb (= Sohn des S varog), von dem die schriftliche Auf- zeiehnung gleiohfalls spricht, so bei Dithmar von Mersebnrg, welcher von den einst im nordlichen Deutschland sesshaft gewesenen Slaven u. A. bemerkt: interius autem dii stant manufacti, singulis nomini- bus inseulptis , galeis atque loricis terribiliter vestiti, quorum 'primi Zuarasici dicitur et prae ceteris a cunctis gentilibus honoratur et colitur. a ) Ebenso ist davon die Rede in einem Einsehiebsel in ein russisches Denkroal, das in einer im Jahre 1523 verfassten Abscbrift vorhanden ist, und vcoselbst es heisst: n tornemi mojihtch, 30 ByTh ero CBappjKnneMi.. 3 ) Es ist nicht zu zvveifeln, dass uns die Spraehe unter Svarog'b uud Svarožičb zwei verschiedene Lebensepoehen zeigt, so zwar, dass ersteres Wort der arischen Periode angehort, und das andere sich schon auf slavischem Boden bildete. Das Suflix ga aber anlan- gend, wird dasselbe in den jetzigen slavischen Sprachen uud auch im Altslovenisehen durch die Wurzel skr. zd. gr. i, lit. ei, let. e (vgl. altsl. ha*, skr. Ami, griech. sipa, lat. eo, lit. eimi, let. emi) ersetzt, fin- det sich dagegen in der VVortbildung noch erhalten in Wortern wie: altsl. nparK, skr. paraga, Ak,para=vallis und via u. A. *) Svarog ist also der Vater des Sonnenprinzen unseres Liedes oder Dažbogs; dessen Mutter ist die Nacht, wie Leto im griechisehen Mythus die Mutter ApoHos ist. — Der Sonnenprinz verzehrt sonst eine gel te Kuh und neun Ofen Brode, ein Zeichen, dass man sich die Sonne sehr gefrassig dachte, eine Anschauung, die durch eine Ana- logie mit dem irdischen Feuer sich bildete. 5 ) So singen noch heute ‘) Anders Miklosich, der im lex. s. v. dariiber bemerkt: vox composita, cuius pars prior imperat. verbi da esse videtur, ita ut sit dispensator divitiarum. — Vgl. auch Mikueki Hadjuo^emia h naarlriauHii o x6TO-cjiaBfliicKOMT> iiai.iub. C. HeTep- 6ypri. 1867, pag. 52- a ) Thietmari Chronicon VI. 17 in Pertz monum. Germ. hist. V. 812; Šafarik, op. c. III. 110. 3 ) Boctokobt. onacame pvccKim. h cooneueKuvi. pyKon. py»i. MyseyMa CairrrnieTcpbj-pri. 1842, pag. 228- 4 ) Afa- nasjev, op. cit. I. 65. 130; Fick op. cit. s. v. dagh; Bycjiaem, o BJiemiiii xpncT. Ha CTiaB. h3bikt> MocKBa 1848, pag- 99 ff; ders. HCTop. oiepra I. 364- 5 ) Nach indischem Mythus verzehrt Indra das Fleisch von dreihundert Stieren und trinkt drei Kufen Soma dazu, daher ist einer seiner Beinamen irubukša== vali- dus vorax, womit der slav. historische Name Jarožir = der gevvaltige Fresser, stimmt (Mannhardt, G5tterwelt, pag. 65; Terstenjak in: Novice 1857, pag. 83). Von Thors Hunger heisst es, er fresse im Hunger sieben Ochsen und hat er nicht genug, so frisst er den Bauer mit sammt dem Ptlug, den Ritter und sein Ross, den Junker und sein Schloss (Willer Mythologie und Naturanschauung, 87 die slovenischen Hirten um das Feuer hupfend: živi ogenj, jari žerec, kožoderec, vse polizavec, vse požigavec ‘) und ein russisches Rathsel besagt: ecTh ipn 6para po^mje: o^mn. 'beri. ne HaicTcn (= das Feuer), ApyrOB liberh He HaiibeTca (== die Erde), Tpeiift ryji!ieT-b ne HaryjiaeTCH (— das Wasser). 2 ) In den Marchen begegnet es, dass die in’s Son- nenreich gelangten Mensehen in Gefahr kommen, von der Sonne ver- zebrt zu vveiden (vgl. „ich rieehe, rieche Menschenfleisch," ein Pas- sus in slavischen und deutsehen Marchen). — Am Tage des heiligen Georg 3 ) das ist bei Beginn des Fruhjahrs, lasst man eine goldene Wiege (= Wolke 4 ) herab, in der sich Grozdanka (= die in der Zeit schon im schonen Bluthenschmueke prangende Friihlingsnatur) von ihrer Mutter (der Erdenmutter,= der slavischen Demeter = Gemeter, indem Sd eine dorisehe Nebenform von 7d, 77) ist) wiegen lasst Diese hat dasTochterchen neuuJahre genahrt unddesshalbsolle es auch neun Jahre nicht reden. Sieben und neun Jahre 5 ) sind mythische Jahre fur die Bezeichnung der Wintermonate und es ist unserem Liede analog, wenn Minos neun Monate der Britomartis nachjagt oder neun Jahre in der Hohle des Zeus vveilt. e ) Es ist darunter nicht allein die ganze Winterszeit zu verstehen, sondern allgemein der Zeitraum vom Herbst, wo man den Samen der Erde vertraut, bis dahin, wo derselbe keimt Leipzig- 1863, pag. 40. Anm.). Vielesser treten auch in den Marchen auf und auch das slavische episehe Lied weiss davon nicht wenig zu erzahlen. Einiges in dieser Beziehung Hervorragende wolle man in Af'anasjev’s oft citirtem Werke II. 703, 706, 708 und an anderen Stellen vergleichen. ‘) Novice 1857, Nr. 21. 2 ) 0. Miller: spucTOMama pag. 13; Afanasjev, op. cit. II. 39- ■’) Am Vorabende ziehen im Rosenthale in Karnten die Kinder lau- tend von Haus zu Haus und singen: Sveti šent-Juri potrka na duri, ’ma eno hlaco zeleno, drugo rdečo; je še le prišel v deželo, ga je že vse veselo, tičice v grmovji, kukovca v bukovji; rumene rožice lepo eveto, se sveta šent-Jurna veselo. (Slov. glasnik I. 158). *) Genaueres vgl. man bei Schvvartz, Ursprung der Mythologie, pag. 34—36 und pag. 266- 5 ) Erstere erscheinen u. A. in einem slovenischen Marchen (Val¬ javec pripovj. 154—157, in einem serbischen epischen Liede bei Vuk II. 51—61 und bei Bogoljub Petranovič : cpncue naporne njecMe H3 Boeme h Xepu,eroBHHe y BuorpaA}' 1867, pag. 121 u- s. w. “) Schwartz, op. cit. pag. 184- 88 und bliiht und iiberhaupt die Natur in ihren Brautschmiiek sich klei- det und dureh Blumen \vieder redet. ‘) So v. eit der in beiden Recensionen im allgemeinSten Umrisse enthaltene myth. Sinn. Er erinnert uns im Einzelnen unwillkurlich an den nordischen Mythus von Freyr und Gerdhr, wie er uns in der altern Edda berichtet wird. 2 ) Darnach setzte sich Freyr einst auf Hlidskialf und sah auf die Welten hinab. Da bemerkte er im Norden in Jotunheim ein Madchen, das so sehon und lieblich \var, dass vom Wiederscheine ihrer Arme Luft und VVasser und alle Welteu strahl- ten. Vor Sebnsucht konnte er weder schlafen, noch trinken; da schickte denu Njordhr, sein Vater, den Diener Skirnir zu ihm, zu er- fragen, was dem Sobne fehle, vvorauf dieser ant\vortete, er habe eine schone Maid gesehen, und wenn er dieselbe nicbt bekomme, wolle er nimmer leben, wesswegen Skirnir zu Gerdhr gehen musse, um far ihn zu freien. Mit dem Schwerte Freyrs geriistet, fuhr nun Skirnir dahin und warb um das Madchen fur ihn, und erhielt nach iangem Widerstreben, indem Gerdhr erklart, sie wolle keineswegs mit ihm beisammen sein (womit die slovenische Variante stimmt), die Ver- heissung, sie wolle nach neun N&chten an den Ort kommen, der Barri heisst, und wolle daselbst mit Freyr Hochzeit halten. — Gerdhr ist die im Winter unter Sehnee und Eis befangene Erde, die im Fruh- linge aus der Gewalt damoniseher Machte \vieder erlčst wird und ihre Vermahlung im Haine Barri (d. i. dem griinenden, mithin im Friihjahre) feiert. 8 ) In der slovenischen Variante -vvird das Madchen von der Son- nenmutter (im lit. Mythus heisst sie ausdriicklich die Gattin Perkunas und hat den Namen Perkuntele) zu ihrer (scil. der Sonnenmutter) Tante um ein Sieb (= Regen) gesehickt, in der Absicht, sie zu verderben, d. i. die Saat undFruchtder Fruhlingserde zuschadigen. Vom Untergange, der ihr bevorsteht, errettet sie die Maus, in der man richtig fur den griechischeu und germanisehen Mythus, was wir auch fur den slavi- schen zu beanspruchen berechtigt sind, das Symbol des zwischeu den Wolken dahinhuschenden Blitzes erkannte. 4 * ) Dabei befiehlt sie ihr auch Mora’s Kamm und Haarflechte mitzunehmen, die ihr auf der Flucht gute Dienste leisten werden, indem sich dureh den Wurf ') Dav. Terstenjak in der Zeitschrift: Slovenski glasnik XI., pag. 24. 3 ) Siraroek, die Edda, pag. 27—32; ders. Handbuch der deutschen Mythologie 64 ff.; Mannhardt, Gottervvelt, pag. 238, 239. 3 ) Simrock, Handb. d. deutsehen Mjthol., pag. 67. *j SebvvarU, Sonne, Mond und Sterne, pag. 60 und 255. 89 der erstern ein Wald und der letztern ein Wasser bilden vverde. Beide sind sonst ailch Sjmbole des Sounenstrahls, mussen aber hier, in Folge der weitern Bestimraung in der Ueberlieferung, anders gedeutet werden. Urvenvandte Mjthen sagen uns, wie d les Schw,artz an ver- »chiedeneu StelleD seiner beiden Werke (Ursprung der Mjthologie und Sonne, Mond und Sterne) nachvvies, dass wir hier vieder an den Blilz, unter dem Walde aber an die Regemvolke zn denken haben. ') Es heisst also dies Letztere nicbts anderes ais, dass der Blitz die Re- genwolke (einen himralischen Wald) schaffe, aus der sieh das be- fruchtende Nass auf die Friihlingserde ergiesst, und dieselbe vor dem ihr drohenden, den Fnihlingsschmuck und die Saaten vernichtendeu, Ungemach errettet \vird. Das Mfidchen unserer Ueberlieferung heisst Nasta, ganz die Bezeichnung fiir die Friihlingsnatur, die aus deri Fesseln der VVinterdamouen und dem Schlafe, in dem sie geti alt en tvorden, zum neuen Leben ervvaeht, und w«nu es vveiter heisst, das- sie von dem Sonnebprinzen in eine Sclnvalbe venvandelt ward, sn ist diese Himveisung auch leicht begreiflich, denu die Schwalbe ist ja auch so recht das Sjrnbol der Friihlingsnatur. 2 ) Wir haben absichllich das bulgarische Lied im Auszuge mitge- theilt, um ein Platzchen fiir das naehfolgende sloveuiselie zu haben, dessen eminent mjthiscber luhalt eine AnfCihrung unbedingt ver- dient. Der Abdruck gesehieht ohne jedweder, wir meinen spraebli- clier, Veranderting, denn eine andere wiire schon gar unstatthaft. Das Lied fand sieh im Nachlasse des eifrigen und mit allen Eigen- sehaften eines besonnenen Sammlers des geistigen Volksschatzes aus- gestatteten Stanko Vraz und lautet (vergl. Slovenski glasnik XI. 201, 2 > also - .. Oj svetel, svetel grad stoji, Pred gradam so lipe tri, Pred gradam so lipe tri; Pod lipam zbor častit sedi: V sredi svetli gospodar, V sredi svetli gospodar! Rožič zvit prime v roke, In piska, — tresejo se gore. Pervič zapiska, zaroži, Perv služabnik tu stoji. Kaj se, kaj se po svet godi? Povej nam zdaj služabnik ti! Jez pridem iz perve dežele, V nji vesel dobri ljudje, Z celim svestam v mir žive. Drugič piska, zaroži, Drug služabnik tu stoji. Kaj se, kaj se po svet godi ? Nam razloži sluga ti! Jez pridem iz druge dežele. ‘) Fiir den Wald ais Symbol der Wolke im germanischen Mythus verg: man auch Mannliardt’s gerin. Mythen, pag. 209, 354, 385- ~) Dav. Terstenjak im Slov. glasnik X. 108; Afanasjev, op. cit. II. 543. 90 Ker Polkonji so doma, Za vojske navajeni; Kot blisk so urni in strašni - ; Pesoglave uganjajo, Ki nič eloveškiga ne vedo. V tretjič piska, zaroži, Tretj služabnik tu stoji. Kaj se, kaj se po svet godi? Nam razloži služabnik ti! Jez pridem iz tretje dežele, Ker doma velik ljudje; Gore na gore znašajo, Prot neb’ sopihajo in šturmajo, Pa kolkor viš’ se vzdigjejo, Hujs jih strele bijejo. V četertič piska, zaroži, Cetert služabnik tu stoji. Kaj se, kaj se po svet godi? Nam razloži služabnik ti! Jez pridem iz četerte dežele, Ker tiče kraljestvo si drže, Ž-lezne kljune, parklje 'majo, In s pogledam otrovajo; Med sabo v strašni vojsk’ žive, Ko toča merlič na tla lete. V petič piska, zaroži, Peti služabnik tu stoji. Kaj se, ka se po svet godi? Razloži nam služabnik ti! Jez pridem iz pete dežele, Ker si zver’ kralja drže, Vsaka želi več imet, Pa mora še za se v strah’ živet. Večanje t’lenje noč in dan, Srečen, komur to ni znan'. V šestič pizka, zaroži, Šest’ služabnik tu stoji. Kaj se, kaj se po svet godi? Nam razlož, služabnik ti! Jez pridem iz šeste dežele, Ker gospodarjo modre glave, Skrivnosti pretuhtujejo. Sivobradci znajo govorit, Kakor bi rožce sadil, Njih bi zmiraj lahko poslušal, De b’ ne jedel in ne pil. V sedmič piska, zaroži, Sedm’ služabnik tu stoji. Kaj se, kaj se po svet godi ? Nam razlož, služabnik ti! Jez pridem iz sedme dežele, Ker junaeje kraljujejo. Koder kol po svet gredo, Junaške pojejo, godo. Nič jim pretežko ni Si zaslužit kaj časti. Kamur doseže kol morje. Njih bendera se permole; Svetinje jih spremljajo, Pred nesrečam varjejo. V’ osmič piska, zaroži, Ena ptica perleti. Kaj se, kaj se po svet godi? Razloži nam ptiea drobna ti! Jez pridem iz osme dežele, Kamur od tod nihče ne gre. Divice kakor tud’ žene Same brez mož kraljujejo. 'Njih lepoti je sve krotko. Bodi si zver, at kar živo. Njih dežela Kolovozia Z zlatmi hrib’ ograjena; Po zlatim pešk’ vode teko, Rožce božji duh dajo. Ko V kdo ’tel dežel’ vzeti, Bi mogel umret brez milosti. Viši z neba bi b’li nam pomoč. Poterjenje mira ti dam pisano, S čisto kprvjo, podpisano, De v Čari gori ni zbrisano. Devetič piska, zaroži, Račiča bela perleti. Odložila tri peres, Deklica je kot z nebes. Kaj se, kaj se po svet godi? Razloži nam deklica zdaj ti! Jez sim iz devete dežele Jeleniča, Do nas nobeden prit’ ne zna. Jez ti za gotov povem, Per nas žene kraljujejo, Ki več ko drug ljudje vedo* Per nas možake je dobit, Ki černo šolo znajo učit, Sebe in kraljestvo skrit. 91 Potlej je odperla škateleo, Iž nje potresla štupico; Zginila je Jeleniča, De se ni vedlo kod in kam, Ko blisk je odletela dam. Svetli gospodar tako goyori: Z ženskim se ne bojujemo, Mirne per miru pustimo; Pesoglavcov ne potrebujemo, In tako per mir ostanemo. Eine Deutung hievon ward bei Gelegenheit der Abhaltung die- ser Vorlesung bereits versueht; ich behalte mir jedoch vor, da wir uns bier darauf weiter nicht einlassen konnen, indem dies viel Raum in Anspruch nehmen wiirde, an einem andern Orte den Gegenstand ausfiihrlicher zur Sprache zu bringen. Das mythisehe Element, das in dem altesten Liede vielfaltig noch in rein physischer Gestalt erscheint, wird nacb und nach mit der Heldensage vertauscht, indem dunklere, kraftigere Bestandtlieile ausgestossen, und hiefiir Menschliehes an die Stelle gesetzt wird. Diesen Process bracbte notwendig die Fort- und Umbildung des Mythus mit sich und darunter namentlich die raumliche und zeitliche Lokalisation, die anflinglich als Schauplatz der Thaten der Gotter nicbt vorhandene Orte (vergl. im nordischen Mythus Asgardhr = Gotterstadt, Thrudhvangr = Kraftaue ....) und als Zeit die Bege- benheiten, die weitab aller Gesebichte liegende Urzeit bezeiehnete, spater dagegen, als man das Bediirfniss fiihlte, die Tbaten der Gotter soviel als moglich in seine Nahe zu rucken, dieser Scbauplatz auf die Erde verlegt ward, woher es sich erklart, dass der indische Varu- nas, ursprtinglich, wie wir borten, der Gott des Wolkenhimmels, des himmlischen Wolkenmeeres, spaterhin der Gott des irdischen Meeres ward. Ebenso ist es begreiflich, dass sich mit dem allmaligenSchvvin- den der Eiinnerung an jene alte Zeit das Bediirfniss herausstellte, die Mythen in andere, lichtere Perioden, dem die naherliegenden, namentlich wenn sie auch historisch merkwiirdig und die Glanzepo- chen einer Nation reprasentirten, am besten entsprachen, zu verlegen und ihnen auch die Scenerie dieser Zeiten anzupassen, woraus sich wieder das jiingere Kolorit vieler myth. Lieder erklaren lasst. Auf diese Weise ganz auf die Erde herabgezogen, verbindet sich der Mythus mit historischen Ereignissen, verschmilzt mit der Geschichte und es bildet sich die Heldensage, in der solchermassen der Nieder- sehlag vorzeitlicher Bilder und Erinnerungen, uralter mythischer An- schauungen auf neuere Ilelden und Thaten enthalten ist. Die Mythen aber gewinnen auf geschiehtlichen Helden und Ereignissen desshalb ihren Halt, weil sie auf die Erzahlung erinnern, in der ursprunglieh y * 9'2 die Naturanschauung eine Gestalt genommen bat. ‘) So ist denii auch in diesen epischen Liedern, die von den rein historischen strenge auseinander gehalten werdenmiissen, der Kern durehgehends mythisch, und mati wird bei genauerer Betraehtung, b.esonders mit zu Rathe Ziehung der bei manchen Liedern zalilreicb vertretenen Varianten, die Bemerkung machen konnen, dass der Einfluss, dem sie ausgesetzt gewesen, zwar Umstande und Namen anderte, aber den ursprung- lichen Inhalt unbertihrt liess. So treten also allerdings an Stelle mythischer Herbert historischePersonlichkeiten und statt damonischer Machte oft Substitutionen feindlicher Vol k er u. s. w., allein der ganze Typus der Erzahlung und die Sehtirzung und Losung des Knotens derselben ist ein dem in den Marchen vorfindbaren Tone analoger, der jeder persOnlichen Willkfl.hr 'fremd und jede poetische Individuali- tat atisschliessend, jene allgemeine poetische Naturanschauung deš Volk.es reprasentirt, die die altesten Keime desMythusin sich birgt. a ) Das Mythische ist selbst dann nicht unscbvrer erkennbar, wenn sich im Liede Einfliisse fremder Literaturen oder auch jene der einheirai- schen Geltung zu varscbaffen missten, oder wenu christlicbe Au- schauuugen im Liede ausgepragt und christlicbe Namen fur heidni- sche substituirt wjjrden, vrte sich denn ja auch aus den Sitten und Gebrauchen des Volkes das Mythische herauslesen lasst, wentigleich dieselben durch eiueii solchen fremden Beisatz verandert oder da* durch ihrer ursprungliehen Bedeutung zum Theile entkleidet wurden, dass man dieselben auf christlicbe Festtage verlegte. Wir stehen an der Schwelle eines Theiles mythiseher epischer Poesie der Slaven, wo das Ilervorheben des Einzelnen nicht rnehr be- friedigen kann, sondern es sich um eine detailirte Auseinandersetzung handelt, was wol bei einer inassig angelegten Darlegnng etwa einen Raum beanspruchen wiirde, gleich jenem, den das bis nun Gesagte einnimmt. und der nns bier nicht zu Gebote steht. Ich babe iibrigens mittlenveile uber diesen Gegenstand in einer andern Vorlesung aus- fuhrlicher, als es in jener geschah, in der der Gegenstand dieser Abhandlung erortert ward, gesprochen und da ich dieselbe ebenfalls zntn Brucke vorbereite, halte ich mieh der weitern Ausfuhruugen um* somehr uberhoben, als ich damit auch erreiche, dass durch dieses Vorgehen Wiederholungen, die sonst unbediugt entstehen inussten, vermieden v/erden. ‘) J. Grimm, klemere Ssliriften II. 76; Mannhardt, Gotterffelt 32—34; 43, 46; Carriere: in der 24. Beilnge zur Augsburger allgemeiaen Zeitung vom Jahre 1868. *) Afanasjev, op. cit. I. 45, 46- Verlag- der Studiendirektion,