Zweites Mitgliederkonzert der Philh. Gesellschaft 19. November 1905 • Preis 20 Heller Wortlaut der Gesänge. o o o UUBUANA Blicke mir nicht in die Lieder! Blicke mir nicht in die Lieder! Meine Augen schlag’ ich nieder, Wie ertappt auf böser Tat! Selber darf ich nicht getrauen Ihrem Wachsen zuzuschauen! Blicke mir nicht in die Lieder! Deine Neugier ist Verrat! Bienen, wenn sie Zellen bauen, Lassen auch nicht zu sich schauen; Schauen selbst auch nicht zu, Wenn die reichen Honigwaben öie zu lag befördert haben, Dann vor allen nasche du! (Rückert.) Ich atmet’ einen linden Duft. Ich atmet’ einen linden Duft! Im Zimmer stand ein Zweig der Linde, Ein Angebinde von lieber Hand. Wie lieblich war der Lindenduft, Wie lieblich ist der Lindenduft. Das Lindenreis brachst du gelinde! Ich atme leis im Duft der Linde Der Liebe linden Duft. (Rückert.) Um Mitternacht. Um Mitternacht hab ich gewacht und aufgeblickt zum Himmel! Kein Stern vom Sterngewimmel hat mir gelacht um Mitternacht! Um Mitternacht hab ich gedacht hinaus in dunkle Schranke! Es hat kein Lichtgedanke mir Trost gebracht um Mitternacht! Um Mitternacht nahm ich in acht die Schläge meines Herzens! Ein einz’ger Puls des Schmerzens war angefacht um Mitternacht. Um Mitternachtkämpft’ich dieSchlacht o Menschheit, deiner Leiden. Nicht könnt’ ich sie entscheiden mit meiner Macht um Mitternacht. Um Mitternacht hab ich die Macht in deine Hand gegeben Herr! Herr1 über Tod und feben-Du hältst die Wacht um Mitternacht! (Rückert.) ISO Der Sänger. „Was hör ich draußen vor dem Tor, Was auf der Brücke schallen? Laß den Gesang vor unserm Ohr Im Saale widerhallen!“ Der König sprach’s, der Page lief; Der Knabe kam, der König rief: .Laßt mir herein den Alten!“ „„Gegrüßet seid mir, edle Herren, Gegrüßt, ihr schönen Damen! Welch’ reicher Himmel! Stern bei Stern! Wer kennet ihre Namen? Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit Schließt, Augen, euch! Hier ist nicht Zeit Sich staunend zu ergötzen!““ Der Sänger drückt’ die Augen ein Und schlug in vollen Tönen. Die Ritter schauten mutig drein Und in den Schoß die Schönen. Der König, dem das Lied gefiel, Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel, Eine goldene Kette reichen. „„Die gold’ne Kette gib mir nicht, Die Kette gib den Rittern, Vor deren kühnem Angesicht Der Feinde Lanzen splittern. Gib sie dem Kanzler, den du hast, Und laß ihn noch die gold’ne Last Zu ändern Lasten tragen! Ich singe, wie der Vogel singt, Der in den Zweigen wohnet; Das Lied, das aus der Kehle dringt, Ist Lohn, der reichlich lohnet. Doch, darf ich bitten, bitt’ ich eins: Laßt mir den besten Becher Weins In purem Golde reichen!““ Er setzt ihn an, er trank ihn aus. „„O Trank voll süßer Labe! O, wohl dem hochbeglückten Haus, Wo das ist kleine Gabe! Ergeht’s euch wohl, so denkt an mich Und danket Gott so warm, als ich Für diesen Trunk euch danke!““ (W. v. Goethe.) Qi Anakreons Grab. Wo die Rose hier blüht, Wo Reben um Lorbeeren sich schlingen, Wo das Turtelchen lockt, Wo sich das Grillchen ergötzt, Welch ein Grab ist hier? Das alle Götter mit Leben schön bepflanzt und geziert? Es ist Anakreons Ruh’! Frühling, Sommer, Herbst genoß der glückliche Dichter, Vor dem Winter hat ihn endlich der Hügel geschützt. (W. v. Goethe.) cis Dank des Paria. Großer Brama! Nun erkenn ich, Daß du Schöpfer bist der Weiten Dich als meinen Herrscher nenn ich, Denn du lässest alle gelten. Und verschließest auch dem Letzten Keines von den tausend Ohren. Uns, die tief herabgesetzten, Alle hast du neu geboren. Wendet euch zu dieser Frauen, Die der Schmerz zur Göttin wandelt! Nun beharr’ ich, anzuschauen Den, der einzig wirkt und handelt. (W. v. Goethe.) OS Storchenbotschaft. Des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad, Steht hoch auf der Heiden, so frühe wie spat; Und wenn nur ein Mancher so ’n Nachtquartier hätt’! Ein Schäfer tauscht nicht mit dem König sein Bett. Und käm’ ihm zur Nacht auch was Seltsames vor, Er betet sein Sprüchel und legt sich auf’s Ohr. Ein Geistlein, ein Hexlein, so luftige Wicht’, Sie klopfen ihm wohl, doch er antwortet nicht. Einmal doch, da ward es ihm wirklich zu bunt: Es knopert am Laden, es winselt der Hund, Nun ziehet mein Schäfer den Riegel — ei schau! Da stehen zwei Störche, der Mann und die Frau. Das Pärchen, es machet ein schön Kompliment, Es möchte gern reden, ach, wenn es nur könnt’! »Was will mir das Ziefer? Ist so was erhört? Doch ist mir wohl fröhliche Botschaft beschert. Ihr seid wohl dahinten zu Hause, am Rhein? Und habt wohl mein Mädel gebissen ins Bein? Nun weinet das Kind und die Mutter noch mehr, Sie wünschet den Herzallerliebsten sich her? Und wünschet daneben die Taufe bestellt: Ein Lämmlein, ein Würstlein, ein Beutelein Geld? So sagt nur, ich käm’ in zwei Tag oder drei, Und grüßt mir mein Bübel und rührt ihm Jen Biel. Doch halt, warum stellt ihr zu zweien euch ein? Es werden doch, hoff’ ich, nicht Zwillinge sein? —“ Da klappern die Störche im lustigsten Ton, Sie nicken und knixen und fliegen davon. (Eduard Mörike.) QJ Archibald Douglas. „Ich hab es getragen sieben Jahr, Und ich kann es nicht tragen mehr, Wo immer die Welt am schönsten war, Da war sie öd und leer. Ich will hintreten vor sein Gesicht In dieser Knechtsgestalt, Er kann meine Bitte versagen nicht, Ich bin ja worden so alt. Und trüg er noch den alten Groll Frisch wie am ersten Tag, So komme, was da kommen soll, Und komme, was da mag!“ Graf Douglas spricht’s; am Weg ein Stein Lud ihn zu harter Ruh’. — Er sah in Wald und Feld hinein, Die Augen fielen ihm zu. Er trug einen Harnisch rostig und schwer, Darüber ein Pilgerkleid. Da horch, vom Waldrand scholl es her, Wie von Hörnern und Jagdgeleit. Und Kies und Staub aufwirbelte dicht, Her jagte Meute und Mann, Und ehe der Graf sich aufgericht’, Waren Roß und Reiter heran. König Jakob saß auf hohem Roß, Graf Douglas grüßte tief. Dem König das Blut in die Wangen schoß, Der Douglas aber rief: „König Jakob, schaue mich gnädig an Und höre mich in Geduld. Was meine Brüder dir angetan, Es war nicht meine Schuld. Denk nicht an den alten Douglasneid, Der trotzig dich bekriegt. Denk’ lieber an deine Kinderzeit, Wo ich dich auf Knien gewiegt. Denk lieber zurück an Stirlings Schloß, Wo ich Spielzeug dir geschnitzt, Dich gehoben auf deines Vaters Roß Und Pfeile dir zugespitzt. Denk lieber zurück an Linlithgow, An den See und den Vogelherd, Wo ich dich fischen und jagen froh Und springen und schwimmen gelehrt. Und denk an alles, was einstens war Und sänftige deinen Sinn. Ich hab es getragen sieben Jahr, Daß ich ein Douglas bin!“ „„Ich seh dich nicht, Graf Archibald, Ich hör deine Stimme nicht. Mir ist, als ob ein Rauschen im Wald, Von alten Zeiten spricht. Mir klingt das Rauschen süß und traut, Ich lausch’ ihm immer noch, Dazwischen aber klingt es laut: Er ist ein Douglas doch! Ich seh dich nicht, ich hör dich nicht, Das ist alles, was ich kann, Ein Douglas vor meinem Angesicht Wär’ ein verlorner Mann!““ König Jakob gab seinem Roß den Sporn, Bergan ging jetzt sein Ritt, Graf Douglas faßte den Zügel vorn Und hielt mit dem Könige Schritt. Der Weg war steil und die Sonne stach, Sein Panzerhemd war schwer, Doch, ob er schier zusammenbrach, Er lief doch nebenher. „König Jakob, ich war dein Seneschall, Ich will es nicht fürder sein, Ich will nur tränken dein Roß im Stall Und ihm schütten die Körner ein. Und will ihm selber machen die Streu Und es tränken mit eig’ner Hand, — Nur laß mich atmen wieder auf ’s neu Die Luft im Vaterland! Und willst du nicht, so hab’ einen Mut Und ich will es danken dir Und zieh dein Schwert und triff mich gut Und laß mich sterben hier!“ König Jakob sprang herab vom Pferd, Hell leuchtete sein Gesicht, Aus der Scheide zog er sein breites Schwert, Aber fallen ließ er es nicht. „„Nimm’s hin und trage es auf’s neu Und bewache mir meine Ruh’; Der ist in tiefster Seele treu, Wer die Heimat so liebt, wie du! Zu Roß, wir reiten nach Linlithgow Und du reitest an meiner Seit’; Da wollen wir fischen und jagen froh, Als wie in alter Zeit!““ (Theod. Fontane.) Im Verlage der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach. — Druck von Kleinmayr & Bamberg. 3179