79 Csaba Földes ∗ UDK 811.112.2'28(439):81'246.2 Universität Erfurt DOI: 10.4312/linguistica.60.2.79-103 BILINGUAL GEPRÄGTE KOMMUNIKATIONSSTRUKTUREN AUF DER GRUNDLAGE FRÄNKISCHBASIERTER UNGARNDEUTSCHER MUNDARTEN DER GEGENW ART („Wenn wir Deutsch anfangen, aber Ungarisch wird es äh, geht es aus“. Ausspruch einer 80-jährigen Informantin aus dem primär rheinfränkischen Wieland/Villány, UZSK_E_0075, S. 14) 1 HINTERGRUND, VERORTUNG UND ZIELE Die konzepttheoretische und empirische Grundlage des vorliegenden Aufsatzes bildet ein aktuelles Forschungs- und Dokumentationsprojekt 1 unter dem Titel „Digitales Por- tal ‚Ungarndeutsches Zweisprachigkeits- und Sprachkontaktkorpus‘“. Das Vorhaben wurde von der deutschen Kulturstaatsministerin in ihrer Eigenschaft als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) insgesamt für einen dreieinhalb- jährigen Zeitraum – erste Projektphase: vom 01.09.2015 bis 31.12.2017, zweite Pro- jektphase vom 01.01.2018 bis 31.03.2019 – am Lehrstuhl für Germanistische Sprach- wissenschaft der Universität Erfurt bewilligt (Projektnummern: K 44-41000/1#92 bzw. K 44-41000/1#75). 2 Das Projekt ist inhaltlich zum einen im Rahmen der diatopisch orientierten Va- riationslinguistik (Stichwort Regionalsprachen- bzw. Sprachdynamikforschung), zum anderen in dem der Zwei- bzw. Mehrsprachigkeitsforschung und der synchron aus- gerichteten Kontaktlinguistik anzusiedeln und operiert mit einer triangulativen For- schungsstrategie, siehe Földes (2016a: 322f.). Hinzu kommt die Korpuslinguistik für die Dokumentation und Erschließung. Das Hauptanliegen ist eine variations- und kontaktlinguistische Erforschung ungarndeutscher mündlicher Diskurse im interakti- ven Alltag der Verständigung sowie die Erstellung eines digitalen Portals mit einem ∗ csaba.foeldes@uni-erfurt.de; foeldes@foeldes.eu 1 Dessen Grundidee, Konzept und inhaltliche Strukturen, einschließlich auch der logistisch- operativen Arbeitsschritte und -verfahren, bildeten bereits den Gegenstand mehrerer Publikationen, z. B. Földes (2016a) und (2016b), sodass sie im vorliegenden Beitrag nur knapp erörtert werden. 2 Für die Förderung sei auch an dieser Stelle vielmals gedankt. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 79 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 79 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 80 ungarndeutschen Zweisprachigkeits- und Sprachkontaktkorpus. Im Einzelnen geht es um die Aufzeichnung von bestandsgefährdetem regionalem Sprachmaterial des Deut- schen als Minderheitensprache in Ungarn. Dies realisiert sich in der Erarbeitung eines Zweisprachigkeits- und Sprachkontaktkorpus mit echten Diskursrealisationen 3 aus drei wichtigen Siedlungsregionen deutscher Minderheiten, das den zentralen Projekt- gegenstand bildet. Dazu wurde ein öffentlich zugängliches digitales Portal eingerichtet: Strukturiertes und kommentiertes ungarndeutsches Sprachmaterial wird vor allem für sprach- und kulturwissenschaftliche, aber auch für sozial-, mentalitäts- und alltagshis- torische Studien dargeboten. Damit werden Prozesse und Folgen des sprachlich-kultu- rellen Austausches sowie Verflechtungen der sprachlich-kommunikativen Verhältnisse systematisch erfasst und dokumentiert (Földes 2016a: 323). 4 Dieser Beitrag soll vor dem Hintergrund der obigen kurzen Skizzierung des Projekt- designs ausgewählte, aus dem Projektfundus hervorgegangene erste Forschungsbeob- achtungen und -ergebnisse über einige rezente ungarndeutsche Kontaktvarietäten frän- kischer Provenienz aus Südungarn (aus der sog. „Schwäbischen Türkei“) präsentieren. Ziel ist es, die aktuelle Diskursrealität an diesem Material evidenzbasiert zu erschlie- ßen und daraus charakteristische Prozesse, Muster und Resultate vor allem von Kon- takt- bzw. Interaktionsgeschehen, die das Profil der ungarndeutschen Gegenwartsdia- lekte heute markant prägen, zu extrahieren. Dabei verdienen auch Effekte sukzessiver Spracherosion besondere Beachtung. Somit soll letztlich ein sprachwirklichkeitsnahes Bild der heutigen ungarndeutschen Kommunikationskultur und Kompetenzstruktur im gegebenen Kontext erarbeitet werden. 2 DER SPRACHKOMMUNIKATIVE DISPOSITIONSRAHMEN Die sprachlich-kommunikative Situation der deutschen Minderheit in Ungarn zeichnet sich durch einen umfassenden und durchdringenden soziokulturellen sowie sprachlichen Austausch aus. In dieser kulturellen Fugenposition ist das Deutsche weder Mutter- noch Fremdsprache im herkömmlichen Sinne des Wortes. Das kommunikative Milieu der Ungarndeutschen wird seit über 250 Jahren durch immer intensiver werdende Außen- kontakte (und z. T. Konflikte) mit dem Ungarischen – und in geringeren Ausmaß mit anderen Umgebungssprachen bzw. -varietäten – geprägt: Ungarisch übt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen sukzessiv wachsenden Druck auf das kommunikative Handeln und auf das Sprachrepertoire der Ungarndeutschen aus; der Einfluss des Unga - rischen nahm schließlich nach 1945 einen übermächtigen Umfang an. Mithin ist die soziale Wirklichkeit ,Deutsch als Minderheitensprache‘ heute (in der Untersuchungsregion wie auch generell) paradigmatisch durch eine markante, zu- gleich aber immer instabiler werdende Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit (im Weiteren: 3 Terminus im Sinne von Roth (2015: 37f.). 4 Zum internationalen forschungsstrategischen Kontext vgl. die Feststellung von Adamou (2019: 640): „Spoken corpora are of special interest to linguists focusing on contact, as they potentially include a wide range of contact phenomena and may reveal a information about the cognitive processes involved in production and comprehension of bilingual speech“. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 80 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 80 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 81 Mehrsprachigkeit) –als „permeable“ 5 Mehrsprachigkeit und „fluide“ Diglossie 6 – und gleichzeitig durch eine enge Verquickung mit dem Ungarischen als überaus dominanter Kommunikationssprache gekennzeichnet. In den verschiedenen Interaktionssituationen wird produktiv wie rezeptiv im Wesentlichen – wenn auch in unterschiedlichen Domä- nen und mit unterschiedlicher Häufigkeit – auf drei sprachliche Kodes und ihre subtilen Übergangs- bzw. Mischformen zurückgegriffen, und zwar auf die jeweilige ungarndeut - sche Siedlungsmundart, auf die ungarische Standardvarietät und (zumindest sporadisch) auf die deutsche Standardvarietät. Das heißt, dass eine Mehrsprachigkeit bei strukturell unähnlichen Sprach(varietät)en mit ungleichwertigem Status und Prestige besteht. Dies führt zu einem asymmetrischen Charakter des Sprachkontaktes. Diese Konstellation könnte man etwa ‚ bilinguale Dialekt-Standard-Diglossie‘ nennen. Den in der mündlichen Ingroup-Kommunikation verwendeten besonderen, bilingual-transkulturell geprägten Varietätentyp bezeichne ich als ‚Kontaktdeutsch‘ (vgl. Földes 2005: 37). Dabei sind die sprachlichen Formen und ihre Diskursrealisationen durch eine außerordentlich hohe Dynamik gekennzeichnet, mitunter zeigen sich sogar Ansätze von Fluktuation so- wie u. U. eine zunehmende Labilität. Folglich ist Okkasionalität ein immanentes Merk- mal der gegenwärtigen ungarndeutschen Redeweise. Demzufolge praktizieren Ungarn- deutsche einen spezifischen, ausgesprochen kontextgebundenen bilingual-oszillierenden Sprech- bzw. Gesprächsstil, der in Abhängigkeit von den kommunikativen Bedingungen variiert und der sogar für die Symbolisierung sozialer Identität (und Alterität) eine Rolle spielt (siehe Földes 2013: 122). In Bezug auf die Beherrschung der deutschen Sprache, in welcher Varietät auch immer, lässt sich zwischen den Extremen „sehr kompetent“ und „erodierte (produktive) Kompetenz“ ein weites Kontinuum aufspannen, in dessen Mitte sich die sog. semispeaker (also Halbsprecher) 7 befinden, die über eine durchaus limitierte produktive Kommunikationskompetenz verfügen. Ein nicht unwesentlicher Teil der Ge- währspersonen der vorliegenden Studie gehört in diese Gruppe. Zu den Prämissen gehört mithin: Das sprachlich-kommunikative Verhalten ungarn- deutscher Sprecher, die in mehrsprachigen und polykulturellen Räumen aufwachsen und leben, unterscheidet sich grundlegend von dem einsprachiger Sprecher des Deut- schen z. B. im zusammenhängenden deutschen Sprachraum. Als Reflex auf die verän- derten soziokulturellen Rahmenbedingungen ist die Herausbildung neuer kommunika- tiver und sprachlicher Formationen selbstverständlich. So entstanden u. a. spezifische Zwischenformen und Verbindungen aus den verfügbaren Kodes, bei denen prototy- pisch drei Phänomenklassen in Erscheinung treten: (a) Prozesse interlingualer Trans- fers/Übernahmen, (b) zwischensprachliche Kopien und (c) Sprachalternierungen. Die ersten beiden Manifestationsarten fasse ich (siehe Földes 2013: 122) unter Hybridität zusammen, während Typ (c) als Synkretismus betrachtet wird. 8 5 Vgl. zu diesem Terminus Tabouret-Keller (1969: 306). 6 Zur Opposition „rigide“ vs. „fluide“ Diglossie vgl. Pauwels (1986: 15). 7 Vgl. zu dieser Terminologie Dorian (2009: 552) und Eller-Wildfeuer (2013: 101f.). 8 Diese terminologische Distinktion kann naturgemäß keine absolute Trennschärfe aufweisen, da die lebensweltliche sprachkommunikative Realität oft fluide und dynamische Sprachphänomene bietet. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 81 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 81 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 82 3 DIE EMPIRISCHE MATERIALGRUNDLAGE UND DAS EINGESETZTE VERFAHREN Die im Blick stehenden authentischen Diskurssegmente gehen auf direkte („face-to- face“) Kommunikation – nach der Gesprächstypologie von Huneke/Steinig (2013: 95) auf sog. Kontaktgespräche – zurück. Hierzu ist von Bedeutung, dass es sich um gruppen - interne Kommunikation, um Mündlichkeit und gesprochene Sprache handelt mit allen ihren Merkmalen wie Konstruktionsbrüchen, vielen Abtönungen, Pausen, Wiederholun- gen usw. Die für den Beitrag ausgewerteten Daten entstammen allesamt fränkischba- sierten Dialekten aus den folgenden Orten der „Schwäbischen Türkei“: Hetfehell (ung.: Hetvehely), Nadasch (ung.: Mecseknádasd), Tiedisch (ung.: Töttös) und Wieland (ung.: Villány). Der zeitliche Umfang der Audioaufnahmen beträgt insgesamt 6:22:20, die ent- sprechenden Transkripte 9 der 15 Gespräche umfassen zusammen 467 Seiten. Das ganze Material ist in unserer Datenbank unter www.uzsk.de abruf- und einsehbar. Es handelt sich um eine theoriegeleitete, primär empirische Untersuchung: Im Rah- men eines induktiv orientierten korpusbezogenen Herangehens wurde das Datenmate- rial in einem Bottom-up-Verfahren beschrieben und expliziert. 4 BEFUNDLAGE: SPRACHKONTAKTE, UMBRÜCHE UND EROSIONSMOMENTE Aufgrund der grundsätzlich dynamischen Verfasstheit donauschwäbischer sog. Sprach- inselmundarten konnte die Auseinandersetzung mit den eruierten natürlichen Daten eine Spannbreite unterschiedlicher Sprachphänomene zutage fördern. 4.1 Minderheitensprache Deutsch als mundartliche Varietät Es konnten viele Dialektbesonderheiten erschlossen werden, z. B. das (veraltete) Dia- lektlexem Sinnerin (Wieland, E_0075, S. 10f.) 10 : (1) 9 Ausführliche Informationen über Anlage und Vorgehensweise des eigens von uns entworfenen Notationssystems, das auf dem Minimaltranskript von GAT 2 basiert, finden sich im Beitrag von Földes (2016b: 176 ff.). 10 Zur Bezeichnung der Belegstellen: Angegeben werden der Untersuchungsort (hier: Wieland), der Name des Datenbankeintrags (hier verkürzt: E_0075, in der Datenbank vollständig: UZSK_E_0075) und die Seitenzahl der Fundstelle in dem in der Datenbank unter www.uzsk.de abrufbaren Transkript (hier: S. 10f.). Alle folgenden Belegstellen werden analog markiert. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 82 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 82 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 Sinnerin ist eine Formvariante von Söhnerin mit der im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (1991: Spalte 1423) belegten Bedeutung „frau des Sohns, schwiegertochter (besonders im südwestdeutschen gebiete, neben söhnin […]) […] söhnerin oder sühnerin heist an einigen Orten die schnur“. Söhnerin und Schnur werden auch in modernen Wörterbüchern mit dem Vermerk „veraltet“ bzw. „noch landsch.“ mit der Bedeutungsangabe ‚Schwiegertochter‘ angegeben (z. B. Dudenre- daktion/Scholze-Stubenrecht 1999: 3593 bzw. 3421). 4.2 Minderheitensprache Deutsch als Kontaktinkubator: Prozesse und Ergebnisse Am zahlreichsten und vielgestaltigsten traten im Korpusmaterial Mehrsprachigkeitsphäno- mene (vor allem Prozesse und Folgen von Sprach- und Kulturkontakten) in Erscheinung. 4.2.1 Transferenzen Das untersuchte Kontaktdeutsch hat sich gleichsam als Hybriditätsinkubator erwiesen, daher soll laut der in Abschnitt 2 genannten Typologie zunächst auf die ermittelten Hyb - riditätserscheinungen kurz eingegangen werden. Spätestens seit Matras (2009: 146 ff.) ist bekannt, dass zwischensprachliche Transferenzen in verschiedenen Bereichen auftreten können: Transferierbar sind u. a. (a) konkrete Sprachformen, (b) abstrakte Strukturmus- ter, (c) Bedeutungen und (d) Gebrauchskontexte für Wörter oder Strukturen. Aus Um- fangsgründen beschränkt sich dieser Aufsatz schlaglichtartig auf die Betrachtung einiger ausgewählter Phänomentypen. Auf diese Basis aufbauend können demnächst feinkörni- gere Studien mehr Details aufdecken und diese ausführlicher erläutern. Im „Spezialkode“ der Ungarndeutschen begegnen einem regulär hybride Sätze bzw. Sequenzen, wie tut sie korrepetálni, matek und es szakmai usw., vgl. Beleg (2) aus Het- fehell mit einem hessisch-rheinfränkischen Basisdialekt (E_0066, S. 37f.): (2) Linguistica_2020_2_FINAL.indd 83 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 83 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 84 In manchen Sequenzen lässt sich ein gekonntes Balancieren zwischen den beiden Sprach(varietät)en beobachten, Wieland, E_0072, S. 13: (3) Die Aussage der 101-jährigen (!) Gewährsperson kann gewissermaßen als „Paradebei- spiel“ für das Zusammenspiel der beiden Sprachen gelten: (1) Die syntaktischen Regeln des Deutschen werden hier trotz der ungarischen Transferenzelemente eingehalten, also: „Nun sage ich Gergő [ein männlicher Vorname], warum nicht hast [du] noch nicht wei - tergelernt? Noch weiter.“ Die Wortstellung spiegelt also ein deutsches Muster wider, nämlich einen Spannsatz mit einem finiten Verb an letzter Stelle. (2) Auch das hybride Kompositum továbbgelernt (‚weitergelernt‘) ist grammatisch korrekt, es folgt allerdings ungarischen semantischen Regularitäten, denn statt des Verbs továbbtanul (‚weiterler- nen‘) würde man im Deutschland-Deutschen in Bezug auf Hochschulen eher studieren sagen. (3) Im Schlussteil wiederholt die Sprecherin das Adverb weider (‚weiter‘) auf Deutsch, was als bilinguale Dopplung betrachtet werden kann, 11 vgl. Abschnitt 4.2.2. Es überrascht nicht, dass im Material – neben den hier nicht zu thematisierenden phonologischen – die lexikalisch-semantischen Transferenzen am stärksten vertreten sind. Dabei erfasst der areale Sprachkontakt zuerst Lexeme außerhalb des Kernlexi- kons, dann den gesamten Wortschatz des Dialekts aufgrund der zunehmenden Domi- nanz des Ungarischen und der damit einhergehenden Marginalisierung der Minderhei- tensprache. 12 Belege sind z. B.: (4) anyakönyvvezető (‚Standesbeamtin‘, Hetfehell, E_0067, S. 17); (5) gyűszűvirág (‚Fingerhut‘, Tiedisch, E_0119, S. 22); (6) hittan (‚Religionslehre‘, Nadasch, E_0142, S. 54 sowie Tiedisch, E_0068, S. 30); (7) igazgató (‚Direktor‘, Tiedisch, E_0119, S. 31); (8) művésztelep (‚Künstlerkolonie‘, Wieland, E_0071, S. 19 und S. 20); (9) szociológus (‚Soziologe‘, Tiedisch, E_0119, S. 34) und (10) tekercselt (‚gespult, gewickelt‘, Wieland, E_0083, S. 13). Belege für den Transfer von Elementen des Grundvokabulars sind u. a. (11) unoka (‚Enkel‘, Wieland, E_0072, S. 35); 11 Eine andere Interpretation wäre, dass es sich um eine nachträgliche Übersetzung von tovább handelt, weil der Sprecherin bewusst ist, dass die Hauptsprache der Interaktion Deutsch ist, ihr aber nicht gleich das korrekte deutsche Wort eingefallen ist. Deshalb übersetzt sie es dann im Nachhinein, um ihre Orientierung an der aktuellen Interaktionssprache Deutsch kenntlich zu machen. 12 Zu ähnlichen Beobachtungen gelangt auch z. B. Knipf-Komlósi (2011: 133 ff.) aufgrund ihrer empirischen Studie über die deutsche Minderheitensprache in der Batschka. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 84 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 84 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 85 (12) alig (‚kaum‘, Hetfehell, E_0066, S. 4 und S. 5); (13) főztem (‚ich habe gekocht‘, Nadasch, E_0142, S. 61) und hogyan (‚wie‘, Nadasch, E_0142, S. 33). Der absolute Spitzenreiter ist der Diskursmarker (14) hát (etwa: ‚dann, nun‘), der in sämtlichen Dialogen aus allen Untersuchungsorten gehäuft auftritt; als Beleg könnte z. B. das Transkript Wieland, E_0072 dienen, in der dieses Transferlexem 253-mal vorkommt. Manche Wörter werden nicht korrekt transferiert, was wahrscheinlich auf Unsi- cherheiten in der Sprachkompetenz der Sprecher hinweist, z. B. (15) nyuszikaszáj (wörtlich: „Häschenmaul“, also korrekt und adäquat: nyúlszáj ‚Ha- senscharte‘, Hetfehell, E_0066, S. 39). Eine Kontaktwirkung zeigt sich auch darin, dass sehr viele Internationalismen/Eu- ropäismen bzw. Wörter fremder Herkunft, die es in beiden Sprachen in ähnlicher Form gibt, nach den Artikulations- bzw. Aussprachekonventionen des Ungarischen vorkom- men. Das zeugt davon, dass diese Sprachzeichen über die Struktur der Umgebungsspra- che Ungarisch in die deutsche Dialektvarietät Eingang finden, z. B. (16) gáz (‚Gas‘, Tiedisch, E_0119, S. 17f.); (17) generáció (‚Generation‘, Hetfehell, E_0067, S. 13 und S, 14, Wieland, E_0071, mehrfach S. 20) und (18) traktor (‚Traktor‘, Nadasch, E_0142, S. 27 und S. 29, Wieland, E_0071, S. 5, S. 17 und mehrfach S. 19). Einen großen Teil von ihnen machen die Kulturwörter und die „Sachmodernismen“ aus, die in der Forschungsliteratur in Bezug auf andere Dialektlandschaften bereits mehrfach thematisiert wurden, z. B. von Knipf-Komlósi (2011: 135 und 138). Es werden nicht nur Simplizia transferiert, sondern auch, um nur drei Beispiele zu nennen: (a) komplexe Benennungen als Wortgruppen, 13 vgl. Wieland, E_0072, S. 9: (19) (b) Adjektiv-Substantiv-Verbindungen, vgl. Wieland, E_0072, S. 10: (20) 13 Die von der Sprecherin gewählte ungarische Wortverbindung orr-fül-gégészet (wörtlich: ‚Nasen- Ohren-Halsheilkunde‘) ist nicht stimmig, eigentlich müsste es fül-orr-gégészet heißen (also wörtlich: ‚Ohren-Nasen-Halsheilkunde‘). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 85 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 85 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 86 (c) oder eben mehrteilige Konjunktionen, vgl. Wieland, E_0072, S. 58: 14 (21) Hier wird die zweiteilige Konjunktion entweder – oder durch ungarisch vagy – vagy (wörtlich: „oder – oder“) ausgedrückt. Frequent sind auch hybride Substantivkomposita wie (22) Herzorvos (‚Herzarzt, Kardiologe‘ als Determinativkompositum aus deutsch Herz + orvos = ‚Arzt‘, Wieland, E_0072, S. 9) und von der Wortbildungsart her eben- falls als hybride Zusammensetzungen einzustufenden Adverbien wie (23) dehogynet (nach dem Modell dehogynem: ungarisch dehogy + deutsch net ‚nicht‘ im Sinne von ‚doch‘, Wieland, E_0072, S. 6). Der kommunikative Umgang mit Jahreszahlen weist ebenfalls auf eine ungarische Vorlage hin: 15 Beispielsweise wird in einem Beleg 1917 nicht mit neunzehnhundert- siebzehn verbalisiert, sondern es folgt ungarischen Mustern, wie folgender Beleg aus Nadasch, E_0070, S. 6 demonstriert: (24) Die fortgeschrittene Symbiose der beiden Sprach(varietät)en wird u. a. auch daran deut- lich, dass z. B. bei ungarischen Verben in hybriden oder in sonst einsprachig deutsch- dialektalen Sätzen die Suffigierung oft durch deutsche Flexive erfolgt. Beim Partizip II wird dem ungarischen Wortstamm das deutsche Partizipialpräfix ge- vorgeschaltet: (25) gedíszít (‚geschmückt‘, Nadasch, E_0142, S. 2), (26) gekövetelt (‚verlangt‘, Nadasch, E_0142, S. 54 und S. 57), (27) getelepít und rausgetelepít (‚gesiedelt‘ und ‚ausgesiedelt‘, Wieland, E_0075, S. 6 und S. 12) usw. Noch interessanter sind ungarische präfigierte Verben, die mit deutschen Partikel- verben kombiniert werden. Hier ist das deutsche ge-Präfix zwischen dem ungarischen (trennbaren) Verbalpräfix und dem ungarischen Stamm positioniert. Die Endung -t im 14 Dasselbe Phänomen ist auch z. B. in Wieland, E_0072, S. 48 sowie in Hetfehell, E_0066, S. 8 und 21 belegt. 15 Im Ungarischen werden auch die Jahreszahlen von 1100 bis 1999 nach Tausendern (und nicht nach Hundertern) zusammengefasst. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 86 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 86 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 87 Auslaut kann sowohl als Teil des ungarischen Wortstammes wie auch als deutsches Dentalsuffix interpretiert werden, vgl. Beleg (28) mit dem Partizip Perfekt fölgedíszít (‚aufgeschmückt‘), Nadasch, E_0142, S. 1: (28) Sehr produktiv ist das Konstruktionsmuster, in dem ungarische Nomina in eine deut- sche Präpositionalphrase inkorporiert werden, vgl. Beleg (29) aus Wieland, E_0075, S. 2. (29) Also in die Óvoda gegangen, d. h. in den Kindergarten gegangen. Ähnliche Beispiele sind aus dem Korpus u. a. (30) die warn auf gyakorlat, d. h. sie waren im Praktikum, Nadasch, E_0070, mehrfach S. 20 und S. 22; (31) dass se se uffgenomme hon uff de egyetem, d. h. dass sie sie aufgenommen haben auf/in die Universität, Hetfehell, E_0066, S. 25 und S. 26; (32) in de bölcsőde gange, d. h. in die Kinderkrippe gegangen, Wieland, E_0075, S. 17. Von hohem Aufschluss sind die Belege, in denen ein und dieselbe grammatische Funktion zweimal und sogar mit kategorial unterschiedlichen Mitteln ausgedrückt wird. Eine derartige morphosyntaktische Markierung wäre beim Kontakt von zwei modernen indogermanischen Sprachen nicht möglich, da aber Deutsch und Ungarisch typologisch disparate (und genetisch nicht-verwandte) Sprachen sind, konnte z. B. in der folgenden Präpositionalphrase die Ortsbestimmung zweifach bezeichnet werden: Einmal mit der deutschen lokalen Präposition in und ein andermal mit dem ungari- schen Superessiv-Suffix 16 -on, also in Martonvásáron (,in Martonvásár‘), vgl. Tiedisch, E_0119, S. 42: 17 (33) 16 Grundbedeutung: Position auf einem Bezugsobjekt. 17 Ähnliche Beispiele aus einem anderen ungarndeutschen Ort mit der Basismundart Schwäbisch finden sich mit ausführlichen Interpretationen in Földes (2005: 153 ff.). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 87 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 87 24. 03. 2021 14:20:48 24. 03. 2021 14:20:48 88 Uneinheitlich ist der Umgang mit den Lexemen ungarischer Provenienz im Hin- blick auf ihre grammatische Integration: Mal werden sie den Regeln der deutschen Sprachvarietät gemäß flektiert (als Regelfall), mal weisen sie ungarische Kasussuffixe auf (z. B. Beleg Nr. 34 aus Wieland, E_0072, S. 26) oder bleiben in ihrer ungarischen Nennform und erhalten weder eine ungarische noch eine deutsche Endung, vgl. Beleg (35) aus Hetfehell, 0066, S. 31. (34) (35) Im Beleg (34) wird die ungarische Akkusativendung -t bei den beiden Vorkommen von szósz (‚Soße‘) verwendet, während im Beleg (35) das Lexem jogosítvány (‚Führer- schein‘) ohne Flexionsendung steht. Noch mehr fällt das syntaktisch-lexikalische Phänomen der hybriden tun-Periphrase unter Rekurs auf ungarische infinite Verbformen auf, z. B. aus Wieland, E_0072, S. 14: (36) Weitere Belege sind u. a. (37) tut végezni, d. h. tut abschließen, Wieland, E_0072, S. 40; (38) tu eich megkínálni, d. h. tu euch (etwas) anbieten, Nadasch, E_0142, S. 63; (39) tun tornázni, d. h. tun turnen, Wieland, E_0072, S. 57 und S. 58. Vgl. auch die Belege (1) und (2). Auch in semantischer Hinsicht (Bedeutungsumfang, Unter- bzw. Überspezifizie- rung etc.) entfaltet Ungarisch seine Strahlkraft, vgl. Beleg (40) aus Hetfehell, E_0067, S. 58 im Sinne von ,ich kann es nicht genau sagen‘: 18 (40) Der Beleg (41) zeigt den Gebrauch des Wortes Programm in seiner häufigen ungari- schen Bedeutung: ‚zu tun haben‘ bzw. ‚etw. vorhaben‘, Wieland E_0071, S. 9f.: (41) 18 Dem ungarischen Adverb pontosan kann im Sprachsystem des Deutschen sowohl pünktlich als auch genau entsprechen. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 88 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 88 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 89 Man kann beobachten, dass das Gros der salienten Belege mit ungarischen Bau- plänen, Konstruktions- bzw. Formulierungsmustern zu erklären ist; folglich treten in Bezug auf Rektionen, Kollokationen, syntaktische Strukturen etc. vielgestaltige impli- zite Kontaktmanifestationen auf, man könnte sie auch zwischensprachliche Parallel- strukturiertheiten nennen z. B. (42) der hot angst von wasser, Tiedisch, E_0068, S. 17, Standarddeutsch: der hat Angst vor dem Wasser, aber ungarisch: fél a víztől (d. h. wörtlich: ‚Angst vom Wasser haben‘). (43) die ist auch in krebs gestorwe, Tiedisch, E_0119, S. 28, Standarddeutsch: die ist auch an Krebs gestorben, aber ungarisch: ő is rákban halt meg (d. h. wörtlich: ‚auch sie ist in Krebs gestorben‘). Da Wortschatzelemente zugleich soziale und kulturelle Phänomene sind, hat man es in vielen Fällen speziell mit kulturell motivierten Kontaktphänomenen zu tun. Bei- spielsweise Maß- und Mengenangaben wie Dezi(liter) 19 als ein Zehntel Liter, in Ungarn (und in Österreich) überaus geläufig (Wieland, E_0072, S. 55f.): (44) Auch der Namenstag 20 weist bei den Ungarndeutschen eine kulturbezogene Bedeutung auf (Wieland, E_0075, S. 23): (45) Man kann nicht immer eindeutig entscheiden, ob ein interlinguales Kontaktphä- nomen vorliegt oder ob die Gründe für die (synchrone) Auffälligkeit innerhalb des Deutschen zu suchen sind. Beispielsweise lässt sich das Kompositum (46) Fliegerplatz im Sinne von ‚Flugplatz‘ (Wieland, E_0075, S. 10) als Transferenzübersetzung aus dem ungarischen Determinativkompositum repülőtér (wörtlich: ‚Flieger‘ + ‚Platz‘) deuten. In anderen Fällen liegt die Annahme nahe, dass Sprachkontaktprozesse am Werk sind, wie z. B. beim Verb (47) aufsteigen in der Bedeutung ‚aufstehen‘: z. B. Hetfehell, E_0066, S. 40 und Wieland, E_0083, S. 4, da das entsprechende ungarische Lexem felkel von seiner Morphemstruktur her mit dem deutschen Verb aufsteigen korrespondiert. Das Grimmsche Wörterbuch belegt 19 Als Lemma auch z. B. im Wörterbuch der donauschwäbischen Lebensformen verzeichnet, vgl. Gehl (2005: 184). 20 Auch bei Gehl (2005: 711) gebucht. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 89 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 89 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 90 allerdings: „aus dem bette, vom tische aufsteigen, oder beidemal blosz aufsteigen für aufstehen“ [Hervorhebungen im Original] (Grimm 1984: Spalte 748). Insofern müssen diese Belege nicht unbedingt als Kontaktergebnisse interpretiert werden, womöglich handelt es sich um ältere Formen bzw. Bedeutungen. Für intrasituative Variation liegen auch Beispiele vor: Gelegentlich schwanken in den Diskursen die (ungarn)deutschen und die ungarischen Lexeme selbst für identische Referenzobjekte. Beim folgenden Beleg könnte man noch denken, dass der Sprecherin aus Gründen der Geläufigkeit zunächst das ungarische Wort otthon einfällt und sie erst einige Minuten später auf das deutsche Äquivalent Altersheim kommt, 21 Nadasch, E_0070, S. 3 und S. 6: (48) bzw. (49) Auffälliger ist, dass in einem anderen Dialog eine Sprecherin zuerst das korrekte deut- sche Lexem verwendet, dann aber das ungarische Pendant tévé (mit ungarischer Aus- sprache), vgl. Wieland, E_0072, beide S. 57: (50) bzw. (51) Diese und andere Schwankungen können einerseits als lexikalische Parallelformen (nativ und transferiert) aufgefasst werden, andererseits demonstrieren sie, dass die mehrsprachige Kompetenz und Performanz ausdrückliche Prozessualität und Dynamik aufweisen, nicht geradlinig sind und mitunter auch Brüche und Widersprüche oder zu- mindest Inkonsequenzen zeigen. 22 Der Sprachkontakt kann mitunter zu Frequenzsteigerungen führen: Das Adverb (52) vielmal 21 Eine andere Sache ist, dass sie dann etwas später wieder otthon sagt. 22 Auch in der phonetischen Realisierung gibt es Schwankungen: Dieselbe Sprecherin verwendet innerhalb einer Dialogsequenz zuerst schwäwisch, dann schwäbisch und schließlich schwawisch (Hetfehell, E_0067, S. 5). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 90 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 90 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 91 mag auf den ersten Blick als veraltet gelten, wie es z. B. im Duden (Dudenredak- tion/Scholze-Studenbrecht 1999: 4324) gekennzeichnet ist. Eine Berücksichtigung der Kontaktsprache Ungarisch, in der dieselbe Struktur gängig ist: sokszor, legt jedoch die Annahme nahe, dass hier der Sprachkontakt den Ausschlag gibt, zumal in den hier analysierten 15 Gesprächen diese Form vielmal nicht weniger als 31-mal vorkommt. Gelegentlich gibt es im Datenkorpus zudem Belege, denen zwar ein deutsches Konzept zugrunde liegt, das aber mit ungarischen Redemitteln realisiert wird, was für ein hohes Maß an kultureller, identitätsbezogener und sprachlicher Überkreuzung bzw. Überblendung spricht; vgl. Beleg (53) aus Wieland E_0072, S. 59f.: (53) Im Ungarischen würde man wohl kaum első (‚das Erste‘) sagen, vielmehr wäre egyes (‚der Einser‘) geläufig, sodass hinter dieser ungarischen Sprachmanifestation ein deut- sches Modellkonzept zu vermuten ist. In ähnlicher Weise dürfte die hybride Kombina- tion vagy so 23 eigentlich dem deutschen Nominationsmuster oder so folgen (Hetfehell, E_0066, S. 13): (54) Eine gesonderte Erwähnung verdienen die ungarndeutschen hybriden Irrelevanz- konstruktionen mit der ungarischen Vorsilbe akár-. Sie zeichnen sich durch hochgradi- ge Produktivität aus und sind gleichsam im gesamten donauschwäbischen Siedlungs- raum verbreitet (vgl. Földes 2005: 168f. und Szabó 2010: 381). Vgl. z. B. Belege (55) und (56) aus Nadasch, E_0070, S. 25 24 und E_0142, S. 42: (55) 23 Die nebenordnende Konjunktion vagy = wörtlich: ‚oder‘. 24 Analog auch in Belegen aus Tiedisch, E_0119, S. 12 und Hetfehell, E_0067, S. 12. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 91 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 91 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 92 (56) Die durch Zusammensetzung konstruierten ungarischen Indefinitpronomina werden vom bilingualen Sprachträger re-etymologisiert; dadurch tritt ihre Motivation klar in Erscheinung: Das Präfix akár- 25 wird aus der Zusammensetzung isoliert und mit den deutschen Fragepronomina was bzw. wo verknüpft. Es gibt auch eine ganze Wort- bildungsreihe: akárwer, akárwie, akárwann etc. In den Diskursen werden sie deutsch flektiert, nicht nur in pronominaler, sondern auch in konjunktionaler Funktion. Sie kön- nen als Irrelevanzkonditionalien aufgefasst werden, bei denen ein w-Wort mithilfe der Partikeln auch und/oder immer generalisiert wird, also entspricht akárwas in etwa der Wortgruppe was auch immer. Diese Irrelevanzkonditionalien nehmen eine Zwischen- stellung zwischen Konditionalität und Konzessivität ein (vgl. Szabó 2010: 385). Vermutlich erfreuen sich die mit dem Präfix akár- gebildeten Komposita großer Verbreitung, weil die als Muster dienende ungarische Konstruktion sprachlich viel ein- facher, ökonomischer und transparenter ist als die entsprechenden analytischen Aus- drucksweisen des Deutschen (w-Fragewort + auch immer + oft noch ein Nebensatz). Der Transparenz fällt eine besondere Bedeutung zu, weil sie dem kognitiven Prozess entgegenkommt und damit den zwischensprachlichen Transfer begünstigt (Földes 2005: 170f.). Die kommunikative Verwendung dieser hybriden Irrelevanzkonditiona- lien in großem Umfang ist ein Indiz dafür, dass diese Strukturen im mentalen Lexikon der Sprecher bereits als neutrale Grenzgänger fungieren und in ihren Kontroll- sowie Monitorinstanzen in deutschsprachigen Zusammenhängen nicht mehr als „fremd“ empfunden werden. Hybriditäten dieser Art setzen eine besondere sprachliche Kompe- tenz voraus, eine „Metagrammatik, die sprachliches Wissen umfasst, über das Mono- linguale (oder Bilinguale, die ausschließlich in einem monolingualen Modus, einmal in Sprache A und einmal in Sprache B operieren) nicht verfügen“ (Auer 2009: 93). 4.2.2 Kode-Umschaltung und bilinguale Dopplung Kommunikativer Synkretismus (siehe Abschnitt 2) offenbart sich in den erschlossenen Sprechproben grundsätzlich in Form von Kode-Umschaltung und bilingualer Dopplung. Kode-Umschaltung hat als Äußerungsformat bzw. als bilingualer Gesprächsstil vie- le Gesichter. Auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit der konzepttheoretischen Basis dieses komplexen Phänomens sei an dieser Stelle verzichtet; zentrale Erkenntnis- se bietet z. B. die Monographie von Gardner-Chloros (2009). Im vorliegenden Aufsatz wird „Code-switching“ im Anschluss an Müller (2017: 9) als „sanfter, ohne Häsitatio- nen und Pausen vonstattengehender Wechsel zwischen zwei oder mehreren Sprachen“ begriffen. 26 Viele Kode-Umschaltungssequenzen zeigen ein harmonisches Bild; dabei verlangen besonders die intrasentenziellen Wechsel vom Sprecher intakte 25 Sinngemäß: ~ egal. 26 Dabei ist diese Begriffsbestimmung insofern zu spezifizieren, als damit nicht nur ein Wechsel zwischen Einzelsprachen, sondern auch zwischen Varietäten einer Sprache gemeint werden kann. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 92 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 92 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 93 sprachkommunikative Fertigkeiten in beiden Sprachen: In diesen Fällen werden an den Schaltstellen die syntaktischen Regeln beider Sprachen weitgehend beachtet, es ent- stehen kaum Konflikte zwischen den aufeinandertreffenden grammatischen Strukturre- gularitäten. Vgl. Beleg (57) Hetfehell, E_0066, S. 45: (57) Aus vielen Belegen lässt sich hingegen eher auf Kompetenzschwierigkeiten schlie- ßen. Diese Umschaltungsitems, bei denen also unzureichendes Performanzvermögen den Wechsel auslöst, kann man als code-shifting (Silva-Corvalán 1983: 85) oder als Kodemischung (Auer 1999: 309) explizieren, vgl. Beleg (58) aus Tiedisch E_0068, 4f.: (58) Linguistica_2020_2_FINAL.indd 93 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 93 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 94 Man erkennt hier, dass die Sprecherin B2 ständig nach Wörtern sucht und kaum eine Balance zwischen den zwei Sprachen findet. Neben offensichtlichen Sprechproduktionsschwierigkeiten tritt im Kode-Umschal- tungsbeleg (59) aus Hetfehell, E_0067, S. 52 eine zwischensprachliche Kompromiss- form als hybrides Produkt auf, nämlich das Adverb svájcerosan. Bei dieser interlin- gualen Verknüpfung formnaher Elemente findet eine Koaktivierung bei der Sprachpro- duktion statt: Das deutsche Lexem schweizerisch wird dem phonologischen System des Ungarischen angepasst und mit einem Suffix des semantischen Kasus Essiv-Modal 27 ergänzt. Die sprachübliche ungarische Form wäre svájciasan gewesen. (59) Für bilinguale Dopplungen als besondere Art von Synkretismus lieferte die Daten- sammlung ebenfalls zahlreiche Belege. Es handelt sich hier um eine Äußerungsstra- tegie, bei der die vollständige Mitteilung oder ein Teil von ihr im Anschluss in der anderen Sprache nochmals ausgedrückt wird, also eine Wiederholung desselben Inhalts in zwei Sprachen erfolgt (vgl. Földes 2005: 239 ff.): Oft betrifft die Dopplung nur einzelne Konstituenten, z. B. im Beleg aus Wieland, E_0072, S. 42: (60) Sie kann sich aber auch auf ganze Wortgruppen beziehen, vgl. Nadasch, E_0070, S. 2: (61) 27 In der Funktion einer Modalbestimmung bei Adjektiven, ausgedrückt mit den Suffixvarianten -n/-an/-en. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 94 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 94 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 95 4.2.3 Sonstige kommunikative Praktiken Außerdem fallen als Folge von Mehrsprachigkeit nicht lediglich die unter 4.2.1 und 4.2.2 illustrierten Variationsmuster auf, sondern auch z. T. recht subtile Vermeidungs- strategien, Übergeneralisierungen u. a. Es heißt: Aus kontakt- bzw. variationslingu- istischer Sicht ist nicht nur das relevant, was der mehrsprachige Diskursakteur sagt und wie er das sprachlich umsetzt, sondern auch, was und warum er etwas nicht sagt, warum er sich bestimmter Zeichen(kombinationen) der einen Sprache gar nicht oder kaum bedient. Eine Erfassung dieser Phänomene wäre allerdings nur durch aufwändige Frequenzuntersuchungen etc. möglich (Földes 2013: 133). 5 EROSIONS- BZW. ATTRITIONSPROZESSE 5.1 Deutsch als Minderheitensprache zwischen Kontaktkreativität und Sprach- verschleiß Ein Teil der obigen Belege kann im Rahmen der lebendigen Dynamik multilingua- ler Sprachkompetenz als kreativer Umgang mit beiden Sprach(varietät)en interpretiert werden (vgl. die Belege 3, 55 und 56). Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass manche Diskursbeispiele (z. B. die Belege 58 und 59) eher Unsicherheit und/oder Schwund in den sprachkommunikativen Fertigkeiten in Bezug auf das Deutsche (und gelegentlich auch in Bezug auf das Ungarische) nahelegen. Es lässt sich jedoch nicht einfach ent- scheiden, was kontaktbedingter Sprachwandel, was individuumspezifische Sprachero- sion (language attrition) und was intergenerationeller Sprachverlust (language shift) ist, vgl. de Bot/Weltens (1991). 5.2 Spracherosion: Konzeptualisierungen, Manifestationen und Interpretationen Für das teilweise oder das totale Vergessen einer Sprache sollen hier im Anschluss an Schmid (2011: 3) die Termini Spracherosion oder Attrition (engl. language attrition) ver- wendet werden. 28 Die Strukturen der einst erworbenen, aber immer weniger gebrauchten Sprache gehen mit der Zeit zurück und der Sprecher kann sich dieser somit nicht mehr be - dienen: Das Individuum büßt seine Sprachkompetenz ein (vgl. Wildfeuer 2017: 199). Es gibt hierfür in der Forschungsliteratur unterschiedliche Konzeptualisierungen: Nach Riehl (2014: 93) und Köpke (2019: 350), deren Modell auch der vorliegende Aufsatz folgt, ist zwischen (1) dem individuellen (= Spracherosion, Attrition) und (2) dem gesellschaftli- chen (= Sprachwandel, Sprachwechsel) „Vergessen“ einer Sprache zu differenzieren. Bei Wildfeuer (2017: 199f.) hingegen gibt es zum einen (1) den „Sprachverlust“, welcher das Aufgeben einer Varietät bedeutet und zum anderen (2) den „Sprachtod“, welcher sich auf das globale Verschwinden eines ganzen Sprachsystems bezieht. 29 Beide Phänomene wer- den von ihm jeweils in „Sprachverschiebung“ (gesellschaftlich) und „Sprachverfall“ (in- dividuell) untergliedert. Die Sprachverschiebung innerhalb des „Sprachverlustes“ kann 28 Über die Problem- bzw. Forschungsgeschichte referiert z. B. Anstatt (2011: 7 ff.) 29 Viele Forscher nehmen keine Differenzierung vor und sprechen im Hinblick auf die eingeschränkte Vitalität des Deutschen als Minderheitensprache einfach von „Sprachverlust“, z. B. Foschi Albert (2018: 113). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 95 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 95 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 96 etwa mit Riehls ‚Sprachwandel‘ gleichgesetzt werden. Der Sprachverfall innerhalb des „Sprachverlustes“ kommt Riehls ,Spracherosion‘ bzw. ,Attrition‘ nahe. 30 Sprachstrukturelle und funktionale Spracherosion ist – wie de Bot/Lowie/Verspoor (2007: 7) ausführen – ein hochkomplexer und zum Teil unvorhersehbarer Restrukturie- rungsprozess, welcher graduell verläuft (Köpke 2019: 365). 31 Er beruht auf Mehrspra- chigkeitseffekten, die in Abschnitt 4.2 diskutiert wurden. Es gibt zwei Phänomene der Attrition: (1) Erscheinungen, welche durch einen Mangel an Gebrauch verursacht, und (2) Entwicklungen, die durch Sprachkontakt induziert werden (vgl. Riehl 2014: 95). Es ist anzunehmen, dass im analysierten Sprach-Mikrokosmos beide Typen miteinander zusammenhängen. 32 Anzeichen für eine beginnende Attrition sind lexikalisch-semanti- sche Fehloptionen, Ausdrucksfehler, Wortsuche und nicht-funktionale Kode-Umschal- tungen, vgl. z. B. Belege (40) und (58). Unter Sprachwechsel oder auch Sprachwandel (engl. language shift) wird hier die Sprachumstellung einer Gemeinschaft verstanden (vgl. Schmid 2011: 3). Dieser Pro- zess hängt eng mit Attrition zusammen, denn diese beginnt bei einzelnen Sprechern und verbreitet sich in der Sprachgemeinschaft (Riehl 2016: 254). Aufgrund der Kom- bination von Attrition in einer Generation und dem Wechsel der Generationen können so Sprach(varietät)en verloren gehen: Die folgenden Generationen bekommen eine von Sprachvereinfachungsprozessen geprägte Varietät als Input, welche zur Kommu- nikation nicht in vollem Maße ausreicht. Dieses Problem findet sich oftmals in Migra- tionssituationen, wenn die Sprecher die Erstsprache nicht in ihren literaten Formaten erwerben können und/oder es kaum Möglichkeiten gibt, die Sprache lebensweltlich anzuwenden (Riehl 2014: 93 und 2016: 254). 33 Für Erosionsprozesse können verschiedene Erklärungen postuliert werden. Zu- griffsprobleme auf sprachliche Items (etwa Wortfindungsschwierigkeiten), für die im Obigen manche Belege stehen, vgl. (58), lässt sich z. B. die Schwellenwerthypothese (engl. activation threshold) von Paradis (2004) heranziehen. Diese besagt, dass ein 30 Bei der Attrition gibt es nach Hamers und Blanc (2005: 77–79) drei verschiedene Arten: (a) die umweltbedingte, (b) die altersbedingte und (c) die pathologische. Die umweltbedingte Attrition tritt durch einen eingeschränkten/geringen Gebrauch der Sprache auf (das ist also der Typ, der im vorliegenden Fall von Relevanz ist), während die altersbedingte aufgrund von Alterungsprozessen und die pathologische aufgrund von Krankheiten oder Traumata zum Vorschein kommt. Die umweltbedingte Attrition betrifft vorrangig mehrsprachige Menschen in einem anderssprachigen Umfeld. Die Sprache (meist die Erstsprache) wird zu wenig vom Sprecher benutzt, da die dominante Sprache der Umgebung Medium der täglichen Kommunikation ist (Schmid 2011: 4). Somit kommt es zur Schwächung der Position und zum Abbau des Systems der Erstsprache. 31 Der variable Input und der schwindende Gebrauch leisten also Simplifizierungs- und Restrukturierungsprozessen Vorschub. 32 Mithin spielen Prozesse der Spracherosion (aus Sicht des Individuums) und des Sprachabbaus (aus Sicht des Kollektivs) ineinander; der Sprachabbau vollzieht sich allmählich über mehrere Sprechergenerationen. 33 Im Gegensatz dazu bezeichnet Wildfeuer (2017: 199) den Sprachwechsel als „Sprachverschiebung“. Dieser Prozess findet nach Wildfeuer während eines Generationswechsels in Richtung der dominierenden Kontaktsprache statt. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 96 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 96 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 97 Item durch eine bestimmte Anzahl positiver Impulse seine neurale Grundlage erlangen kann. Das Hören und Benutzen eines Wortes stellt einen Impuls für den Kommunikator dar und die Anzahl der Impulse, die für die Verfügbarkeit des Items notwendig sind, ergibt den Schwellenwert. Somit kommt der Inputfrequenz große Bedeutung zu: Der Input hinterlässt Gedächtnisspuren und wirkt sich auf das neuronale System und die internen Prozesse aus; das interne System verantwortet die Nutzbarmachung des Inputs im kommunikativen Haushalt (vgl. de Bot 2018: 144). Sobald ein Item im Kopf des Kommunikators durch einen Impuls aktiviert wird, sinkt sein Schwellenwert und es werden weniger Impulse benötigt, um es erneut zu aktivieren. Nach jeder Aktivierung wird demzufolge der Schwellenwert herabgesetzt, er steigt danach allerdings ein wenig an, sobald die Impulse wieder abnehmen (Paradis 2004: 28). Einheiten, mit denen der Sprecher bereits hinreichend Erfahrung gemacht hat, können ohne hohe kognitive An- strengung aktiviert werden; solche Einheiten sind im Gedächtnis des Sprechers schon so verankert (engl. entrenched), dass sich ihre Aktivierung bereits zu einer automati- sierten Routine entwickelt hat (Schmid 2007: 118). 34 Im Sinne des Frequenz-Prinzips korreliert die Vorkommenshäufigkeit einer sprachlichen Einheit innerhalb eines Dis- kurskollektivs mit dem Grad an kognitiver Verfestigung der Einheit im Sprachwissen der Mitglieder desselben Diskurskollektivs (Ziem/Lasch 2013: 103). Im Sinne der Re- gression von Entrenchment (vgl. Riehl 2015 und 2016) kann man darin mehrere Ten- denzen feststellen. Im Spracherwerb werden, wie Riehl darlegt (2015: 286 und 2016: 260), konkrete Konstruktionen zuerst erworben (z. B. Mama gibt der Tochter den Ted- dy) und allmählich abstrakte Schemata entwickelt (X gibt Y dat Z akk ). Außerdem bleiben konkrete Konstruktionen mit hoher Gebrauchsfrequenz als Einheit/Ganzheit erhalten (die sog. frozen units), vgl. Riehl (2015: 286 und 2016: 260), z. B. in Rente gehen in Beleg (64) aus Tiedisch, E_0119, S. 30: (64) Es ist aufgrund der Literatur (Riehl 2015: 286; 2016: 260) und der empirischen Befun- de des Projekts anzunehmen, dass im Verlauf der Spracherosion abstrakte Schemata zuerst verlorengehen (z. B. die vom Verb zugewiesene Dativmarkierung, vgl. Beleg aus Tiedisch, E_0119, S. 24 mit dem Verb ausweichen): (65) 34 Die Anzahl der für die Verfügbarkeit notwendigen Impulse kann nach Paradis (2004: 29 und 31) je nach der Neuheit oder Häufigkeit des Items schwanken. Um den Schwellenwert gering zu halten und um Wortfindungsschwierigkeiten vorzubeugen, muss die Sprache regelmäßig benutzt werden. Wird ein Item nicht aktiviert, so kann der Sprecher nicht mehr darauf zurückgreifen. Attrition ist die Folge einer längeren Aktivierungspause. Durch intensive Nutzung oder durch erneuten Input wird der Schwellenwert geringer und die Attrition kann aufgehalten und die Sprache für den Sprecher wieder zugänglich gemacht werden (Paradis 2004: 28). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 97 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 97 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 98 Zudem scheint zu gelten: Konkretere Konstruktionen werden länger im Gedächtnis behalten (z. B. von Präpositionen zugewiesene Dativmarkierung, Riehl 2015: 286, vgl. die Belege 34 und 56) und Einheiten mit einem hohen Grad bestimmter Salienztypen 35 fordern ebenfalls eine geringere kognitive Anstrengung für den Aktivierungsprozess (vgl. auch Schmid 2007: 119). Im Sinne der dynamischen Systemtheorie erzeugen Sprachkontakte nicht nur bestimmte Effekte, sondern weisen eine völlige Vernetzung und Interaktion miteinander auf (vgl. de Bot 2018: 143 ff.). Folglich bedeutet Erosion „nicht nur den Verlust einzelner Elemente oder Strukturen: Wenn Elemente verloren gehen, kann sich das Gesamtsystem neu organisieren, um zu einem neuen Attraktor- Zustand zu finden“ (de Bot 2018: 144). Ob bzw. inwieweit die Erosions-, Kulturtransfer- und Transkulturationsprozesse so- gar zu einer Dekulturation, 36 also zur „Verlernung“ der ursprünglichen eigenen Kultur geführt haben, soll hier nicht erörtert werden. 5.3 Unvollständiger Spracherwerb? Insgesamt ergibt sich eingedenk der immer spärlicheren Inputsituation der Ungarn- deutschen in den vergangenen Jahrzehnten das grundlegende Dilemma: Liegt bei diesen Phänomenen tatsächlich Erosion oder einfach unvollständiger Spracherwerb (incomplete acqusition, Montrul 2009) vor? Zu dessen Klärung bedarf es fundierter Langzeituntersuchungen. 6 SCHLUSSBEMERKUNGEN Die durchgeführte datensensitive empirische Betrachtung hat, indem sie sich in einem ungarndeutschen Kontextrahmen mit dem informellen Alltagssprachgebrauch der genuinen Kommunikationsvarietät im nähesprachlichen Modus auseinandersetzte, eine besondere Kultur der diskursiven Mehrsprachigkeit unter Bedingungen intensi- ver und permanenter Sprachkontakte beschrieben. Der Sprachverwendungstyp ‚Kon- taktdeutsch‘ gilt im gegebenen Kontext als die pragmatisch neutrale („unmarkierte“) Sprachwahl. Dabei war zu berücksichtigen, dass mündlicher Sprachgebrauch zwischen einer gewissen Normorientierung und variablen pragmatischen Spielräumen oszilliert. Es ist klar geworden, dass Sprache als komplexes adaptives System besondere Aus- prägungen generieren kann: Die Studie förderte ein heterogenes Ensemble von kon- taktinduzierten kommunikativen Mustern und Sprachformen sowie bilinguale Kopro- duktionen an der Schnittstelle zwischen mehreren Sprach(varietät)en mit einer Band- breite vertikaler und horizontaler sowie inter- und intrasituativer Variation zutage; in vielen Belegen waren dabei Kontextualisierungshinweise zu beobachten. Angesichts der weitgehenden Fluktuation des Sprachgebrauchs besteht ein allgemeines Problem 35 Beispielsweise die Kontraktionen von Präposition und bestimmtem Artikel (am, beim etc., z. B. am freito:g, Nadasch, E_0142, S. 11) und die mehr oder weniger festen Wortgruppen (in die schul; siehe Beleg 2), vgl. Riehl (2015: 283 und 287). 36 Zum Begriff vgl. Lüsebrink (2016: 144). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 98 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 98 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 99 bei den Daten zu Deutsch als Minderheitensprache darin, zu eruieren, was ist konstant, was ist kollektiv – und was ist einmalig und individuell? In der Mehrsprachigkeitsliteratur wird im Falle von Kontaktphänomenen spre- cherseits meist systematische Intentionalität vorausgesetzt und dementsprechend sind Interpretationsbemühungen im Hinblick auf die Sprachwahl und/oder auf den Einsatz bestimmter Redemittel charakteristisch. Aus den Beobachtungsdaten des Projekts lässt sich jedoch schließen, dass oft keine ausgeprägte konversationelle Funktion für den Gebrauch der einen oder anderen Sprache oder Sprachform feststellbar ist. Diesen Be- fund stützt auch die Bemerkung von Berend (2013: 109), derzufolge „‘motivlose Va- riation‘ auch im deutschen Sprachraum häufig der Fall ist und dass auch einheimische [also bundesdeutsche – Anmerkung von mir: C. F.] Dialektsprecher häufig Varianten mischen, ohne dafür offensichtliche Gründe zu haben“. Schließlich kristallisierten sich Konturen einer in gewisser Weise „postfränkischen“ Dialektausprägung, also einer spezifischen sprachlich-kommunikativen „Grenzgänger- Varietät“ heraus, wobei auch deutlich wurde, dass sich in der kommunikativen Welt von Ungarndeutschen zunehmend Erosionserscheinungen bemerkbar machen: Die Wortfluency lässt nach und eine langsame Restrukturierung des Systems setzt ein, die wohl in semantischen und morphologischen Domänen anfängt. Dies führt sukzessiv zu einer Abnahme der Funktionstüchtigkeit „ungarndeutscher“ Dialektvarietäten. Literatur ADAMOU, Evangelia (2019) „Corpus linguistic methods.“ In: J. Darquennes/J. C. Sal- mons/W. Vandenbussche (Hrsg.), Language Contact. An International Handbook. Berlin/Boston: De Gruyter Mouton, 638–653. ANSTATT, Tanja (2011) „Sprachattrition. 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Es wurde klar, dass bei den ermittelten Kontaktphänomenen prototypisch drei Klassen eine Rolle spielen: (a) interlinguale Transfers/Übernahmen, (b) zwischensprachliche Kopien und (c) Sprachalternierungen. Die ersten beiden Manifestationsarten fasst der Aufsatz unter Hybridität zusammen, während Typ (c) als Synkretismus betrachtet wird. Dabei wurde auch deutlich, dass sich in der kommunikativen Welt von Ungarndeutschen zuneh- mend Erosionserscheinungen zeigen: Die Wortfluency lässt nach und eine langsame Restrukturierung des Systems setzt ein, die augenscheinlich in den semantischen und morphologischen Domänen anfängt. Dies führt sukzessiv zu einer Abnahme der Funk- tionsvitalität ungarndeutscher Dialektvarietäten. Schlüsselwörter: Mehrsprachigkeit, Sprachkontakt, Interkulturalität, deutsche Dialekte Abstract BILINGUAL COMMUNICATIVE STRUCTURES BASED ON RECENT FRANCONIAN-BASED GERMAN DIALECTS IN HUNGARY This evidence-based study presents current German contact varieties of Franconian ori- gin from Southern Hungary. Based on a research and documentation project, the paper reveals characteristic processes, patterns and results of intensive German-Hungarian contact and interaction. Among other things, the research has revealed specific interme- diate forms and convergences that could be gathered from the speakers’ language use. By describing numerous overt and covert transfer processes, code switches, bilingual doublings and similar phenomena, the profile of a “post-Franconian” dialect manifesta- tion as a specific linguistic and communicative “cross-border variety” was developed. Within the detected contact phenomena, three prototypical classes could be identified: (a) interlingual transfers/adoptions, (b) instances of interlingual copying, and (c) in- stances of code-switching. The paper presents the first two types of phenomena as Linguistica_2020_2_FINAL.indd 102 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 102 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49 103 hybridisms, while type (c) is regarded as syncretism. It also became clear that the lan- guage of the Germans in Hungary is increasingly affected by phenomena of erosion. Word fluency is diminishing and a slow restructuring of the system is beginning to take place, probably first in the semantic and morphological domains. At a second stage, this can lead to a decrease in the functional vitality of German dialect varieties in Hungary. Keywords: multilingualism, language contact, interculturality, German dialects Povzetek DVOJEZIČNI VIDIKI KOMUNIKACIJSKIH STRUKTUR V SODOBNIH FRANKOVSKONEMŠKIH NAREČNIH GOVORIH NA MADŽARSKEM Pričujoča empirično zasnovana študija predstavlja aktualne madžarskonemške stične jezikovne zvrsti frankovskonarečnega izvora na južnem Madžarskem. Izvedena je bila v okviru raziskovalnega in dokumentacijsko zasnovanega projekta, v okviru katerega so bili raziskovani karakteristični procesi, vzorci in rezultati intenzivnih nemško-ma- džarskih stikov in interakcij. Študija med drugim razkriva specifične vmesne oblike in povezave iz dostopnih je- zikovnih kodov govorcev. S pomočjo opisa številnih očitnih in zakritih transferenčnih procesov, menjavanja kodov, dvojezičnih podvajanj itd. je bilo mogoče opisati profil „postfrankovskega“ narečja, torej specifične „vmesne“ jezikovnosporazumevalne zvr- sti. Raziskava je jasno pokazala, da imajo pri tem prototipično vlogo tri vrste jezikov- nostičnih pojavov: (a) medjezikovni trastferji/prevzemanja, (b) medjezikovne kopije in (c) medjezikovno preklapljanje. Prvi dve vrsti pojavov sta v članku poimenovani kot hibridnost, tip (c) pa je označen s pojmom sinkretizem. Pri raziskovanju se je jasno pokazalo tudi, da se v madžarski nemščini čedalje bolj pojavlja erozija. Tekoči govor (Wortfluency) je začel usihati, pojavljati se je začelo prestrukturiranje sistema, ki se evidentno začenja v semantičnih in morfoloških segmentih, to pa sukcesivno vodi k zmanjšanju funkcionalne vitalnosti madžarskonemških narečnih zvrsti. Ključne besede: večjezičnost, jezikovni stik, medkulturnost, nemška narečja Linguistica_2020_2_FINAL.indd 103 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 103 24. 03. 2021 14:20:49 24. 03. 2021 14:20:49