Nm. XXX. v^, 1804. ^ Latbacher O^H Wochenblatt. 1 Zum Nutzen und Vergnügen. Der Zerstreute. Fortsetzung. Schon vor längerer Zeit sind in diesem Blatte ewiae kurze Fragmente über die Zerstreuung gc- es.tt 'orden deren versprochene Fortsetzung man bis mm schuldig geblieben ist. Die Sunden Leser müssen es nichts anders als eben dieser leidigen Zerstreuung zuschreiben, wenn ftc einen so zerstreuten AuM erhalten. Da der Zerstreute fast lmmcr nur den lc.ch. tcn Kindern seiner eigenen Phantasie nachschw.'-be so bat er nicht selten das Sch.cksal iencv Philosopkcn, dcr in einer schönen Nt vernachlässiget: der darf sich nicht be lag n wenn er unsere Nachsicht, dle w,r anfa zM mit ihm hatten, nach und nach m Gleichgul >g- ' kcit Uns kommt es dann sehr wahrschemllch vor, dajs tM heimliche Bosheit, oder eine gewisse, über ^ alles wcgschreitende, sogenannte Starkgeistercy untcr dem Gewände dieser fehlerhaften Gewöhn- ^ hcit verborgen sey. So hat ein einziger begangener Fehler oft einen entscheidend nachthciligen Einfiuß auf die tlmstigc Lebenszeit manches Zerstreuten gehabt; ,md die sonderbaren Schicksale, welche diese Menschen — wenn sie die günstige Natur nicht über den Wechsel des Zufalles durch äußer« Olncksgüter gestellt hat — meistens erleiden mußten, waren größten Theils nur die Folgen ihres eigenen Vergehens. Die Familie Bach, welche für den Ruhm der deutschen Tonkunst unverwelklichc Lorbcrn er? l-lingen hat, sicttt uns in den Z Söhnen dcs großen Sebastian Back eben so ausgezeichnete Männer im Hache dcr Knust auf, als sie ihrem Charactcr nach unendlich von einander unter« schieden waren. Emanucl war solid, Christian leichtsinnig, und Frirdemann, der älteste — zerstreut. Wahrend die beyden ersten Geld genug hatten, überall geachtet und geliebt wurden, und der eine im reichen Hamburg, der andere im prächtigen London leben konnten: mußte Friede« mmmdarbeil, hatte immer mit Feinden zu kämpfen, und lebte unstat. Es sckien, als wäre ev dazu gemacht, die Geduld seiner Gönner und F/eundc auf die Hartesten Proben zu sehen, unk lvenn gleich sein Herz keinen Antheil an dem Verdrußc hatte, den er ihnen verursachte: so vergaß man dennoch zuletzt über seine gänzliche I Charakterlosigkeit die Güte seines Herzens. —< Noch als Jüngling ließ er allen, die mit ihm umgicngen, das Unglück ahnen, das einst mit schwerer Last auf seinem Leben ruhen sollte. Friedrich Doles, sein Busenfreund, wohnte mit ihm lange Zeit in dein Hause seines Vaters. Beyde Jünglinge besuchten einander täglich. Einst kommt Fricdemann hinauf in Friednchs Zimmer, und. findet für ihn das Essen aufgetragen, aber ihn selbst nicht. Er beschließt zu warten, geht im Zimmer auf und ab, setzt sich in Gedanken zu Tische, ißt die Speisen auf, steckt Messer und Löffel ein, und geht, da eben bey seinem Vater zum Essen geläutet wird, in den ersten Stock hinunter. Da nun alle bey der Tafel sitzen, kömmt Dolcs hinein, und fragt seinen Freund: hast du oben meine Speisen gegessen? Bewahre Gott, antwortete Fricdemann ganz ernsthaft, keinen Bissen; du siehst ja, daß ich hier esse, und mit gutem Appetite. Nu, sagte Doles lächelnd, so gieb mir wenigstens mein Eßzcug zurück. Hier fuhr der handfeste Fricdc-mann gewaltig auf: Was, schrie er, mich zum Dieben zu machen, der andern Leuten, wenn sie nicht da sind, auf ihr Zimmer gienge, und ihre Sachen einsteckte! Das sollst du — und flugs eilte er dem fliehenden Dolcs nach. Alles erschrickt; man hält ihn auf, hört etwas in seiner Tasche llingcn, und zieht Friedrichs Eßzeug heraus. Da verstummt Friedcmann, erkennt sich, Und ^ruft dann mit Thränen im Auge: Friedlich! komm zurück! ich bin wieder einmal der dumme Teufel gewesen— und mit diesen Worten fiel er an den Hals seines zurück gekommenen Freundes. Iugendfehler, sagt man— aber ich finde, daß man solche Fehler im spateren Alter selten, oder gar nicht ablegt; — Friede-wann wenigstens konnte es nicht. Als er durch seine Kunst ansieng berühmt zu werden, erhielt er den Nuf als Organist an der Hauptkirche zu Halle in Sachsen. Hier nahm er sich iest vor, seinen haßlichen Fehler zu vermeiden, und bath deßwegen seine Hausleute, ihn zu mahnen, , lvcnn die Glocken das Zeichen zur Andacht geben würden. Das thaten sie anch fleißig. Allein Vach war der Mann nicht, der die Uhr im Kopfe trug; und gcradc damals daran dachte, wenn er am meiste» sollte. Oft ereignete es sich daher, daß er aus die Mahnung der Hauslcute vnn Claviere ausstand, uyd zur einer Kirchen- ihüre hinein, zur andern hinaus ganz ruhig wieder nach Hause gicng, um seine vorhin abgebrochenen Phantasien fortzusetzen. Hatte er nun dem Balgentreter, der ihn genau kannte» die Schlüssel zur Orgel gelassen, so wußte dieser gewöhnlich Raty zu schaffe, und Bachs Stelle durch jemand andern zu Ersetzen. Ader einsmals — es war am ersten Pfingstlage —> geht Bach, um ja nichts zu übersehen, vor der Zeit in die Kirche; seht sich — bis die Gemeinde versammelt seyn würde, in die Francnzimmcrstühle; vergißt sich aber, und bleibt, die Schlüssel zur Orgel in der Tasche, auch dann noch stncn, als die Glocken schon ausgelautet haben, und das Orgelspicl anfangen soll. Man wartet ziemlich lange, allein es bleibt oben still; man dreht sich nach dem Chöre. die Orgel ertönt noch nicht; man winkt, man schüttelt die Köpfe, und — der Organist Vach schüttelt auch: Nn, sagte er ziemlich laut zu sich, soll's mich doch selbst wnndern, wer heute Orgel spielen wird. — Nicht wahr, meine Leser! das war zu arg?-^ Gerade so dachten die Herren Kirchcnoorsteher,' und gaben ihm mit ziemlich oerständlichcr Miene den klugen Rath, diesem Dienste zu entsagen. Bach verstand auch den Inhalt, nahm seinen Wandcrstab, und wanderte bis an das Cnde seines Lebens. Aber nicht bloß die Mittelklasse, und waS um diese zunächst herum ist, hat sich allein diesen Fehler angeeignet; er ist auch in dcr hohen Welt zu Hause, und wird dort um desto auffallender, je mehr wir uns berechtiget glauben, bey hohen Personen auch nur hohe Eigenschaften zu entdecken. Ein sonderbares Gefühl wandelt den Menschenbeobachter an, wenn er Männer, die durch Geburt, Talente, und die Gunst der wandelbaren Göttinn auf einen erhabenen Posten gestatt, mit gewaltigem Geiste in den Gang der Weltbegcbniheiten eingreifen, folgenreiche Ereignisse herbey führen, und die Schick« salc dcr Lander bestimmen, wenn er solche Manner, gleichem in Kindcsklcidern erscheinen sieht. Der b^rn!)m:c Herzog von Sülly, des großen Heinrich des Vierten von Frankreich geliebter Freund und Minister, der die schmerzlichen Wunden des Staalcs, die ihm der innerliche Krieg geschlagen hatte, mit großer Geschicklich-keit zu heilen wußte; der die N.ation durch ihren König glücklich zu machen »erstand z und dessen Staälssunst den kllropaischel? Mächten Eblfurcht gegen seinen Soul^rain einftößle; war nicht, immer Herr über die Handlungen seines Geistes, dlc ihn selbst betrafen. Im ?)tan-lcl gebullt beklagte er sich einstens in der Kir« c^e gegen einige Vornehmen dcs Rcschcs bitter üdcr die Kälte des Winters, und verstchcrte, er werde dasAiehcr bekoinmen. Man gestand ihm, es sey nichc kälter als gewöhnlich,.And äußerte die Vermuthung, daß er vieüeichl nicht hinlang» lich grgen die Hölle geschützt sey. Da nahm er den Mantel aus einander, —>dcr große Süll y stand ohne Hoscn^ Diese Schivachhcit äußert /ich, so wie viele andere, zw;..- .-.och immer innerhalb der nülür» lichen Grenzes: des Menschen; ader man sollte cs kaum glauben, und doch ist es wahr, daß die Geistesabwesenheit diä zu einem so hohen Grad steigen könne, daß sie ocnnahe an Wahn» sinn zu gränzen scheint. Sehen sie, meine Lcftr'. dort einen Mann im sausenden Gallov eine Stunde lang zu Hause um ein Billiard herum svrina.cn; wie ein Pferd auf der Reitschule wiehern, loben, aueichlagcn; und sich endlich f^. schr ermüden, daß er zu Bette getragen wird um seinen H^arrlismuS auszuschlafcn. Es ist cin Main, dessen ncfbl!>''"^ '- Genie in Iahrhun-d.rlcl! o ncBcysri^ Minister, der wic rin Goi: anf scinrn ^^,i,g den er beherrschte; auf dicGroft» dio co demüthigte; und aufdas Volk, das er zum Fnßschamcl brauchte, herabsah; cin Sta.'.tömann, der in dem blutigen Zojahrigen Kriege den kühnen Plan, Schweden und Österreich zn schwachen, saßlc und sorlsctz-le; in dessen Kopfe damals die volilisckcn Kräfte des ganzen Europa abgewogen wurden; —-und dessen gefürchteles Ansehen am Hose Ludwig des lZ. ; ungeachtet der n ächtigstcn Fcinde, nur mit dem Ende seines Ledcns auf hörte; es ist der Herzog und Cardinal Richelieu. Weit srcundlichcr und wieder im Kreise der m ' ! Natur erscheint uns der bcrühmlc ^ lf' r^n Sciikcnberg. Er sott mit nn- gclncincn , n alle Feinheiten eines ge- bildeten ^ o verbunden haben, wenn ihn dle Geisleegegen^arl nicht verließ. Er wurde einst, als eben seine Gemahlinn im Kindbette lag, in ein vornehmes Haus zur Tafel geladen. »btach mancherley Gesprächen bey Tische verliert s tt sich in Godanken, ärgert sich heimlich über » d'ie schlcchlc Zubereitung d« Speisen, steht end^ lich aus, und sagte zu den Aasten milder größten- Artigkeit eines besorgten Hauswirches: Mtine'Herrcn! Sie werden' mich entschuldigen, daß meine Speisen heule so schlecht smd, allem meine Frau liegt in den Wochen. — Es ist wahr, cinc Aufrichtigkeit von der Art wurde kein Weltmann ohne die Rolle eines Zerstreuten bewiesen haben. v fDie Fortsehnn«, sol Vertilgung der den Pflanzen schädlichen Insekten. Herr Tatin, cin Saamenhändler und Mitglied des ^tbenöe llez art5, hat cin Recept bekannt gemacht, welches zur Vertilgung der Ameisen, Raupen, Erdflöhe und anderer Insekten als untrüglich anzusehen seyn soll. C5 besteht in folgender Zusamineilschung : Man nimmt 60 Bouteillen Flußwasser ; 2 Pfund Schwcfclblumen; 2 i<2 Pfund schwarze Seise^ und eben so viele Schwämme, von welcher Art suc seyn mögen. Mau naht die Schwescldlumen in ein Sältchcn, und locht dieses in der Halste der obcnbcnannten Quantität Wasser, wo« bcy man das Säckchcn mit einem Holze oft und stark drückt, damit sich das Wasser ft stark als möglich mit vchwesel belad?. Man M ' ^ gießt alsdann die dreyßig andern Voutcillen ^ mit der schwarzen Seife und dcn kleingeschnit-3 lcnen Schwämmen dazu, und laßt alles drey i , Tage lang stehen, indem man dic M-."' "" s lül)rt. Herr Talin versichert, dap w. '^ Pflanzen in dieses Wasser taucht, odcr ;ic .! „ nur damit besrrcngt, alle Insckleu davon ^ -> lich vertilgt werden. Ein Faß von 240 len dieses Wassers soll nicht höher als 0 zu stedon kommen, und Z Bouteillen sollen ro^ lig hinreichend seyn, ganze Hainen von solchen Insekten zu todten. Dcs Greises Echwanknllcd. ^ Wie wallt dic Saal so voll und reich )m leisen Wcstgeko''e'. Wie schwillt das Gras so seidenweich! Wie wogt so sanft der Erlcnlcich! Wie glüht die Purpurrose'. — O! alles ist so schön und groß Ans Gottes weitem Runde'. Wohl mir', wohl nur! daß ich das Lovs: Ein Mensch zu senn, w ganz genoß! Wohl mir in dieser Stunde'. Mir hat die Zeit das Haar gebleicht, Den Ausblick mir regsten; Und dennoch eil' ich froh und leicl'l Bis mir dic Hand mcin Schuygcist reicht, Wenn Todesahnung flüstert. Noch blüht mir jener Rosenstrauch, ^ Mir wehn noch semc Dusle'. — Noch labet mich dcr Morgcnhauch! Zur mich schwirrt jene Lerche auch Auttmhelnd in die Lüfte'. -—> ' ») Dies:s s.oönc Gedlibt ro'l 3>»',n und Emosin->l»n.' b.»t einin ,lln^ei talentvolle, Stcuerm^lke?;um Velf^sser, d«r durch dles« )^a«:'dl>lütbtn die schone ' Hossiumi erweckt, ihn inst auf dem deutschen 'i'ar-n.:sse einen eh -nvo cn >an.^ bcl,auvt«n zu sebtn. Emi e klein« M lngcl ab^crcchnec .^h.ntt m demsel» b«n Hchit äfthettsch'gcha lvollc Sunp!l^:it reu« «a: turpocste. So mdchte ,S z. B. weh. ^ klnbtll des 3ones gewmncn, we:m ?lousstau darin nnt emem Hlld«, gleich den andern aus der Nauir cnom»N«N/ verwtchselt wütdt. ,,Dem Nalur,^sild geformt sinkcimen, ii^ ein duntlee Nu3d uct. der letzt« :X«lM der :«?tcn Ttrapbe besetz« c, s»er vie^t», sowohl il^ <,r^:nm^llsch«^ >'l< «hytm«,' u« Htnsicht das Wovt ,?,- i'.-v ^ c > e: .in seine Ilelle qcdbrt Wo dlc Anl. ' ' vorhanden ist. qecade da ist ,l^ ^ "' ^ier, und freue «(ck üen Erde! ' '.' M«r lsll^r Tod nicht fürchterlich: Denn. alles dürgt mir hicr, düß ich Äert wi^der,-^ besser werhc ^ .^ ^ nnd' ich mrinc Lieben all', ^'>c nnr voraus gegangen: Der Hoffnung holdn " '^ahl lirdeilt das grause S^. ^ Und lächelt Trost dem Bangen. . Leb'wolil! Lcb'wohl'. NaturZefild! Dem ick, gcforml entkeimte, Das b,ald.auch meinen Staub nmhüllt. Und dic. verglühte Stirne knhlt, Die einst so lieblich träumte!j sliu Erlentcich, in grüner Nacht N>le Rousseau will ich liegen! Im Hayn, wo nur Aedi wacht, Soll nch der Wellchen Silberprachl Um meinen Hügel schmiegen; z Und an' dcn ümveln Lcichenstcin Sey diese Schrift geaycl: „Hicr schläft ein Mensch, der nur allein ...)m Hochgefühle: Mensch zu seyn, „Dcö'Daseyns Werth geftbct." ______33- Anekdoten. Ein Edelmann svrach fehr laut mit nncm Prinzen de G^ic.ni l.- wider dcn Cardinal Ri-chelieu. der Frankreich drückte und arm mach-tc. „Nlchi so laut, sagte der Prinz, hier sind einige oon seinen Crcaturen , die es hören koin:» ten." - Es waren Arme, die um ein Almosen balln n. Ein orcnßischcr Offizier, der in den königli» ^ chcn Forsten eincn Hirsch geschossen halle, wurde um lac, Thaler gestraft. Besorgt, daß dic< scr Frevel ibm noch übcrdicß seines Monarchen Ungnade zuziehen möchte, bat er diesen in ci< ner wrbmülblgen Surpliek um Verzeihung» Sehr tröstlich aber resolvirlc Friedrich der Ein» zigc: „Hat nichts zu sagrn. Für den Prci» ,^ stehe» meine Hirschen zu Diensten." ^ Man lühmle einst in Gegenwart einer cln-slcktsvotlcn Dame dcn Verstand cuic^ cbcn :n.i^ schr klugen Mannes. O ia! sagte sie, er nu:ß freylich oiel haben, denn er gicdl n^cing aus.