tWolischeMsionsreitschrist üerLohne öes heiligsten ßerrens Jesu,' (Organ des Manen-Verelns für Rfriha) Dient vornehmlich der Unterstützung und Ausbreitung der ITlissionstntigkeit der Söhne des heiligsten Berzens 3esu und sucht Verständnis und werktätige hiebe des Missionswerkes in Wort und Schritt zu fördern. Das Arbeitsfeld dieser Missionäre ist der Sudan (Zentral-Hfrika). Der „Stern der Reger" erscheint monatlich und wird vom Missionshaus milland bei Brixen (Südtirol) herausgegeben. flbonnemenfspreis ganzjährig mit Posfversendung 2 K — 2 ITIk. — 3 Frc. Der Heilige Vater Papst Pius X. hat der Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den apostolischen Segen erteilt. Für die Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige Hiessen gelesen, mit Empfehlung der hochwürdigsten Oberhirten von Brixen, Brünn, Lieitmerit}, hinz, Olmüb, IBarburg, Crienf, Triest und Wien. Heft 5. Mai 1914. XVII. 3ahrg. Pafer Wilhelm Banholzer f. Am 21. Februar 1914 um 1 Uhr nachmittags übermittelte mir der Generalgouver-neur des Sudans folgendes Telegramm des Gouverneurs von Kodok: „Mit tiefem Bedauern melde ich den soeben hier er-folgten Tod des Paters Bauhölzer. Melden Sie es gütigst der österreichischen Mission. Die Leiche wird rn.it Boot nach Lul gebracht". Das war ein ebenso unerwarteter als schwerer Schlag für mich und unser Vikariat. Einer unserer tüchtigsten Missionäre ward uns entrissen, dessen Verlust wir gerade fetzt, da das Vikariat über die Schwierigkeiten des Anfangstadiums hinwegzubringen ist, doppelt fühlen. Im letzten Winter fühlte er sich öfters kränklich, obwohl sonst diese Jahreszeit die beste ist. Es wurde ihm wiederholt nahegelegt, in Khartoum Erholung zu suchen. Er hing aber mit allen Fasern seiner Seele so sehr an seiner Station und an seinem Volke, daß er sich einstweilen nicht dazu entschließen konnte. Obwohl er heiter und fröhlich war, zehrte das fieberschwere Klima an der Widerstandsfähigkeit seiner kraftvollen Natur. Am Mittwoch, 11. Februar las er die letzte heilige Messe und am Abend zwang ihn das Unwohlsein, das Bett aufzusuchen. Er und alle hofften, daß der Fieberanfall bald sich legen werde. Aber am folgenden Tage stellten sich starker Schüttelfrost und heftiges Erbrechen ein, die Anzeichen von schwerer Erkrankung an Malaria, der unvermeidlichen Folge eines längeren Aufenthaltes in diesen faulen Sumpfgegenden. Seine Mit-brüider, die Schwestern und zwei Neophi-ten gaben sich alle Mühe um ihn. Am Freitag legte er wie gewöhnlich seine Beichte ab. Am Sonntag wurde auf seinen Wunsch 98 Stern der Neger. Heft 5. der Arzt von Kodok gerufen, welcher dem Kranken Chinineinspritzungen verabreichte und, bä er den Zustand nicht für gefährlich hielt, am Montag wieder abreiste. Aber in der Nacht von Montag auf Dienstag verschlimmerte sich der Zustand wieder. Man schickte sogleich nach dem Arzt, der am Dienstag abends den Kranken mit eigenem Schiff in das Spital nach Kodak überführte; da der Arzt die Krankheit nicht für gefährlich hielt, fuhren nur ein Bruder und zwei Neophiten mit. Am Freitag morgen kehrte der Bruder zurück und brachte die freudige Kunde, daß der Pater Superior viel besser sei, einige Nahrung zu sich genommen habe und frei von Erbrechen sei. Der Kranke wünschte, daß der hochw. Pater Stang, sein jahrelanger und treuer Mitarbeiter, am Montag früh nach Kodok komme, um mit ihm alles zu besprechen, dann wollte er mit dem nächsten Schiffe nach Khartoum reisen. Am Samstag mittags erschien in Lul in Eile einer der beiden Christen vom Krankenlager und meldete, daß es mit dem hochw. Pater Superior schlechter stehe. Zugleich teilte der Gouverneur in einem Briefe mit, daß der Kranke mit einem eigenen Schisse nach Khartoum gebracht werden solle. Am Montag kam der kleine Dampfer und holte den Bruder, der den Kranken nach Khartoum begleiten sollte. Indessen verschied dieser um 11 Uhr 20 Minuten im Spitale zu Kodok, umgeben von zwei Christen und zwei Katechumenen. Am Abend brachte der Bruder die teure Leiche nach Lul, wo sie in der alten Kapelle aufgebahrt und am Sonntag morgens um 8 Uhr in Gegenwart aller Christen und vieler Leute der Umgegend beerdigt wurde. Pater Banholzer war zeitlebens ein Mann der Tat, ein Freund jenes ruhigen, lärmlosen, sich selbst genügenden Schaffens, das, allem flitterhaften Auf- | sehen abhold, nur den Erfolg suchte, ohne damit zu prunken. Nun, nachdem er diese Welt des Hastens nach Anerkennung verlassen, soll sie ihm ungesucht zuteil werden. Pater Wilhelm Bauhölzer ward als Sohn einer angesehenen und kinderreichen Goldarbeiterssamilie am 6. Mai 1873 zu Rottweil in Württemberg geboren. Nach Absolvierung des humanistischen Gymnasiums seiner Vaterstadt widmete er sich zu Innsbruck den theologischen Studien. Gott wollte ihn für die auswärtigen Missionen. Am 20. März 1895 trat er in das Noviziat der Söhne des heiligsten Herzens Jesu zu Verona für die Mission von Zentralafrika ein und nach zweijährigem Noviziate legte er die ersten Gelübde ab. Seine Oberen sandten ihn bald nach Afrika, wo er in der Kirche der heiligen Familie zu Heluan in Ägypten am 19. Dezember 1897 zum Priester geweiht wurde. Das folgende Jahr verbrachte er in der Negerkolonie zu Gesira bei Kairo und dann einige Zeit in der Missionsstation zu Assuan in Oberägypten. Indessen war von der anglo-äghptifchen Armee der Sudan wiedererobert und aus der Gewaltherrschaft des Khalisen Abdullahi, Nachfolgers des Mahdi, befreit worden. Pater Banholzer betrat unter den Ersten das wiedererschlos-sene Missionsgebiet und langte im September 1899 zu Omdurman an. Er blieb dortselbst, während der apostolische Vikar mit dem Missionsschiffe „Redemptor" den Weißen Nil befuhr und die Station Lul bei den Schilluknegern gründete. Am 21. November 1901 verließ er Omdurman als Teilnehmer an der Missigns fahrt des „Redemptor" bis nach Fort Berkeley, dem äußersten schiffbaren Punkte des oberen Nils. Seine prächtige Schilderung dieser Fahrt erschien im „Stern der Neger", 5. Jahrgang. Am 23. Feber 1902 kehrte er nach Lul zurück. L u l blieb von nun an Heft 5. ötern der Sieger. : jenem aufgeblasenen Kraftgefühl, welche ein Zeichen schwachbegabter und dabei eingebildeter Halbgebildeter sind, ebenso weit war seine äußere Sprödigkeit entfernt von Herzenskälte. Vielmehr war seine Verstan-desklarheit gepaart mit jener i@emiit§tiefe, welche dem Handeln Hingebung und Ausdauer sichert. Und diese beiden Eigenschaften besaß er in hohem Grade. Diese glück-liche Veranlagung machte ihn wie geschaffen zur bahnbrechenden Bekehrungsarbeit unter einem wilden Volke. Und darin zeigte sich sein ganzer Vollwert. Er war Negermissionär mit Leib und Seele. Als solcher war er nicht ein Nachahmer, sondern ein Bahnbrecher. Mit leiblichen Augen betrachtet, deckt sein Grabeshügel auf dem engen Friedhofe am Ziegelgemäuer der alten Missionskapelle in Lul vernichtete Hoffnungen und durchkreuzte Pläne. Was hätte dieser Vollmensch noch alles leisten können! Glänzende Fähigkeiten, mannhafte Tatkraft, rüstiges Mannesalter, staunenswerte Kenntnis von Sprache und Geist des Volkes, vor allem eine derart heroische Hingebung an dasselbe, daß sein ganzes Sein und Sinnen für dessen Glück und Seligkeit sich verzehrte, alles Eigenschaften eines vollwertigen Missionärs, und alles nun unwiederbringlich vom stummen Grabe verschlungen! Das ist bis zu Tränen traurig! Und doch! Nicht ohnmächtige Betrübnis fühle ich an diesem Totenhügel! Nicht geknickte Hoffnungen und zertrümmerte Lebensideale wurden da zu Grabe geschaufelt, sondern da ward Hoffnung verankert und das Missionsideal verherrlicht! Dieses stumme Grab spricht, und laut ist seine ^Sprache, Vin ,Mann von erklärter Tropentauglichkeit, in der Vollkraft der Jahre und des Schaffens, ein Missionär von ausgesuchter Tüchtigkeit, hat er sich mitten unter seinem Volke zur Ruhe hingelegt, ein Märtyrer seiner Liebe zu ihm. Sein Tod ist ebenso wie sein Wirken ein Israel, eine Gottessaat, die aufsproßt und blühende Früchte zeitigt! Auf sein Grabeskreuz gehört die Inschrift: „Niemand hat eine größere Liebe als der, der sein Leben hingibt für seine Freunde". Überzeugungsvoller als der glänzendste Missionserfolg reden dieses Grabkreuz und dessen Inschrift zu uns, seinen Hinterbliebenen Mitbrüdern: „Vorwärts ohne Zagen und Zaudern, hinweg über mein kühles Grab, voran durch Kampf zum Siege und durch zähe Arbeit zur Bekehrung unserer Schil-litf!". Eindringlicher als flehentliche Missionsbriefe ruft dieses Grab den Wohltätern zu: „Liebe Freunde, unterstützet die Mission der Schilluk!". Und erfolgreicher als die feurigsten Werbeschriften predigt dieses Grab: „Katholische Jugend, eile herbei und führe mein Werk, dem ich erlegen, fort!". Und nach Milland dringt sein Ruf: „Missionszöglinge, bereitet euch vor, hebt auf die Fahne, die meinem Arme entsunken, und tragt sie zum Siege!" Und wie diese Worte zünden unter den jungen Leviten! „Hier bin ich, sende mich!" Mit dieser Bitte drängt sich ein Dutzend vor. Am Grabe des Helden wächst der Mut! Und nun, mein lieber Pater Bauhölzer, ruhe sanft und in Gottes Frieden! Ich stehe mit den übrigen Missionären an deinem Grabe! Und uns zur Seite stehen die schwarzen Neuchristen und Katechumenen! Brennende Tränen rinnen von den Wimpern und aus den Herzen brechen ringende Gebete. „O Herr, gib ihm die ewige Ruhe," flehen wir Missionäre, „und das ewige Licht leuchte ihm!" vollenden die Neger. Und das Gebet wird zum Hymnus, der Grabeshügel zum Monument und das Kreuz zum Siegeszeichen! Diese Zeilen seien die Palme, mit der dein Bischof dei- Heft 5. 107 Stern der Neger. neu Sarg umflicht! Und wir alle winden den Kranz der Siebe, Dankbarkeit und Bewunderung um dein Grab! Von deiner Ruhestätte wehen uns Mut, Erhebung und Aufrichtung zu. Wir ergreifen das Banner, das dir entfallen, heben es mutvoll auf und tragen es unentwegt durch Sturm und Wetter zum Siege, zum Siege Christi über dieses unser teures Schillukvolk. * * * Im Anhange fetze ich hieher beu letzten Brief, den der teure Tote an mich gerichtet hat. Es war sein Vierteljahrsbericht an mich. Er soll ganz wörtlich folgen und uns einen Mick in die missionseifrige Seele, sowie in Freud und Seid des Glaubensboten am Abende seines Tagewerkes gestatten. Der Brief lautet unverkürzt: S u I, 20. Jänner 1914. „Hochwürdigster Herr Bischof! Seit Ihrem letzten Besuche ist ein Fortschritt zu verzeichnen: Die Jugend von zwei großen Dörfern hat sich den frühern Kirchenbefuchern angeschlossen, so daß nun am Sonntagmorgen von allen Seiten die schwarzen Söhne unserer Mission anrük-ken. Sieben Neugetaufte haben am Samstag zum erstenmal gebeichtet, sehr wohl vorbereitet und mit großem Eifer. Das Verständnis für die Beichte ist bei diesen Negern sehr groß, weil sie von ihrem Elend so tief überzeugt sind, und die Folge ist, daß sie nach der Beicht wirklich fühlen, daß sie geheilt und umgewandelt sind. Man sollte meinen, die Beichte sei für den stolzen Schilluk eine schwere Sache, das Gegenteil ist der Fall. Bei dem Gefühl der großen Niedrigkeit, das bei ihm von Zeit zu Zeit eintritt, ist die Beichte ein wahres Regenerationsbad für ihn. Vier neue Katechumenen werden gegenwärtig auf die heilige Dause vorbereitet. Täglich ist Katechismusunlerricht, dreimal wöchentlich für die Jünglinge und dreimal für die Kinder, Knaben und Mädchen. Mit Kuhhörnern wird das Zeichen zum Unterricht gegeben, und bald stürzen aus allen Hütten die jungen Krausköpfchen. Dreimal wöchentlich ist Schreibunterricht für alle, die den Griffel zu halten imstande sind. Viel Zeit nimmt die ärztliche Hilfe in Anspruch, die wir den Seuten angedeihen lassen. Unser Ruf ist gut, trotzdem unser Wissen gering ist, Es ist aber höchste Zeit, daß wenigstens eine Schwester auf dem Platze ist, die in einem Spitale gelernt und gedient hat und imstande ist, Wunden und Knochenbrüche nach der neuesten Methode zu behandeln. Wir haben in den Ärzten der amerikanischen Mission eine Konkurrenz, mit der wir nicht Schritt halten können. Gerade in der ärztlichen Hilfe liegt ein großes Mittel zur Seelengewinnung, oder wenigstens zur Bekämpfung des Glaubens an Zaubermittel und -mächte. Benedicere et sanare gehören zusammen wie Seih und Seele. Auch der eine oder andere Pater sollte einem verständigen Arzte beigegeben werden als Gehilfe, damit er einen Notverband anlegen und Wunden behandeln lerne. Es ist höchste Zeit, daß wir in diesem Punkte nicht unwissend dastehen, sonst gehen mit der Zeit unsere, eigenen Christen ins amerikanische Spital, und man kann es ihnen gar nicht verübeln. Am Sonntag ist immer eine Predigt, gleich nach der heiligen Messe. Von hieraus dringen alle Heilswahrh>eiten hinaus ins Schillukland; es kommen sehr viele Seilte vorübergehend, und diese tragen das Gehörte hinaus in die Dörfer, wo es besprochen und vertieft wird. Auch privatim läßt sich viel tun. Es ist wertvoll, gute Beziehungen zu allen Seu- 108 Stern der Neger. Heft 5. ten zn unterhalten; wenn sie dann auf Besuch kommen und allein mit uns sich unterhalten, zeigen sie sich viel natürlicher und sind sehr empfänglich für gute Worte und Ratschläge. Ein Schilluk, der von Zeit zu Zeit kommt, um Rat zu holen oder auch bloß, um sich zu unterhalten, ist schon halb Nächstes Jahr Pflanzen wir die neue Nyafsäbaumwolle, die sich sehr gut bewährt und wenig Wasser braucht. Von dieser Seite kommt vielleicht ein Gewinn. Hätten wir nur immer Arbeit, so könnten wir Hunderte von jungen Leuten beschäftigen. gewonnen. Der Einfluß unter vier Augen ist sehr groß auf die Schwarzen. Es läßt sich soviel noch machen, hätten wir nur ein paar Brüder, die ein Handwerk verstehen. Die Schmiede haben ein hohes Ansehen irrt Schilluklande, sie werden wie große Schelks behandelt; jeder, der ein Handwerk gelernt, ist ein großer Mann. Es ist ewig schade, daß sich da gar nichts tun läßt. Einkünfte hat die Mission noch keine. Der schöne Garten am Flusse wird nur unterhalten, um den Jungen Arbeit zu verschaffen. Das riiltal von Redschaf bis ®3n1o = Die Arbeit in der Mission ist eine hoffnungsvolle, trotz der vielen Krankheiten, denen man ausgesetzt ist. Das große Elend in der Mission, das deprimiert und die Flügel sinken läßt, ist der Mangel an Geld und Brüdern. Die Leute draußen haberr vielfach eine ganz armselige Ansicht über Mission und Missionsarbeit. Die Arbeit ist eine großartige, die jeden intelligenten Menschen dauernd bereit macht, sich der Sache zu opfern. Wir stirb zu jeder Arbeit bereit, wenn wir nicht mehr erreichen, so liegt die Schtild am Gelde. Wir brauchen Geld, um die juit Heft 5. Stern der Neger. 109 gen Schilluk für eilt paar Monate an uns zu fesseln und ihnen Gelegenheit zu geben, das Wort Gottes zu hören und im Werke zu sehen. Wenn die neue Missionsstation nördlich von Kodak recht bald eröffnet werden kann, so bedeutet das einen neuen wichtigen zwischen Kodak und Kaka. In einem Briese umn 6. Februar hatte ich den Verstorbenen beauftragt, im Einvernehmen mit dem englischen Gouverneur der Provinz den Platz für die neue Missionsstation zu wählen und mir darüber zu berichten. Den Brief ließ sich Pater Bauhölzer auf dem ... "■ r: krro, tum Berge RedtrfiaE aus geiehen. Schritt nach vorwärts in der Eroberung des Schilluklandes für Christus. Ihr gehorsamster, dankbarer Diener P. W. Banholzer F. S. 0." Pater Bauhölzer vertrat mich in der Leitung der Mission während meiner letzten Europareise 1912—1913. Nun übernehme ich.seine Vertretung und die Ausführung seines Testamentes. Im Namen und zum Gedächtnisse dieses meines ausgezeichneten Missionärs richte ich an alle Freunde und Gönner unserer Mission die innige Bitte um Beiträge zur Gründung der neuen Missionsstation für die Schilluk Krankenlager vorlesen, als bereits das Fieber all sein Denken und Wollen in tödlichem Weh zu verschlingen begonnen hatte. Diese Neugründung war sein letzter Plan und Lieblingswuusch. Ich werde ihn ausführen, sobald ich die Mittel dazu besitze, und die Station dem hl. Bonifatius weihen. Gaben für diesen Zweck bitte ich an die Redaktion des „Stern der Neger" mit der Widmung „Für die Bouifatius-Mission" zu senden. Khartoum, 15. März 1914. t Fr. Xau. Geyer, apostol. Vikar von Khartoum. Die ilomaden des östlichen Sudans. (Schluß.) Studie des hoch«. P. Sol. Buber F. S. E. In schroffem Gegensatze zu den Bewohnern des Berges Wuruba und Umgebung stehen die Nomadenstämme.der Samar 'eiboäb, der HaoschendoLb und der Eebscher. Diese können als eine Priester-kaste bezeichnet werden. Sämtliche Stam-nresangehörigen sind Fakirs, d. h. sie führen ein frommes Leben. Sie rauchen nicht, gebrauchen weder geistige Getränke, noch trinken sie Kaffee oder Tee, und beobachten außer dem Ramadan auch den Schobön-monat, d. h. sie fasten zwei Monate im Jahre. Sie scheren sich das Haupthaar, kleiden sich nur in ein Umschlaggewand und tragen am Halse einen gewaltigen Rosenkranz mit großen Körnern; sie sollen alle lesen können.* Scheit der Samar 'eidoä'b ist Onur, derjenige der Haoschen-doäb heißt Abdel Kader, und Al amin ada-röb der Eebscherscheik. Die beiden letzteren halten sich von. jedem Umgänge mit Andersgläubigen fern. Ersterer aber, nämlich Onur, läßt sich häufig zu Kafsala blicken. Er ist von langer Gestalt, hager und braunrot im Gesichte. Das Haar des Hinterkopfes hat er zu zierlichen Zäpfchen geflochten und darüber einen Turban gewunden. Trotz feines hohen Alters, er soll nämlich zwischen 80 bis 90 Jähren stehen, ist er dennoch rüstig und hat auf dem Kopfe kein weißes Haar; feine Leute sagen, der Prophet habe ihm die Hände aufgelegt. Er ist freigebig mit den Armen und deshalb recht beliebt. An den überlie- *) Oft ziehen sie unter den anderen Stämmen herum, erteilen Segensspendungen und rühmen sich auch der Heilkunde. Übrigens scheint es mit ihrer Wissenschaft nicht weit her zu sein. Ein kranker Beduine begibt sich zum Fakir. Dieser betastet ihm das wehe Glied, z. B. den Kopf oder den Arm. speit ihm dreimal daraus, und der Patient bildet sich ein, besser zu stehen. fetten Vorschriften hält er strenge fest, er raucht daher nie, und nimmt keine geistigen Getränke zu sich, dafür tut er sich aber an den Wassermelonen recht gütlich. All seinem ganzen Wesen kann man llichts Fanatisches oder Unanständiges wahrnehmen. Oft kann man ihn bei christlichen Kaufleuten eintreten und sich mit ihnen unterhalten sehen; mit ihnen teilt er Freud' und Leid. Er duldet nicht, daß man in seiner Gegenwart rauche; tritt zufällig ein Muselman rauchend in einen Laden, wo er sich befindet, so weist er ihn mit den Worten zurecht: „Mache, daß du weiter kommst, du Ungezogener." Onur ist der angesehenste Fakir; sein Name ist bei sämtlichen Nomadenftämmen vom Roten Meere bis zum Atbaraflusse bekannt. Selbst die Bewohner vom Berge Wuruba verehren ihn. Einmal im Jähre pflegt er sich dorthin zu begeben. In einiger Entfernung vor dem Felsentore setzt er sich auf eine Strohmatte nieder. Die Nachricht seiner Ankunft verbreitet sich rasch. Räuber, Mörder, Diebe und was sonst noch der Bergkessel an braven Leuten enthält, alles strömt herbei; auf den Knien nähern sie sich ihm, küssen ihm Hände und Füße, erflehen seinen Segen und versehen ihn mit reichlichen Geschenken. Aber die Felsentür darf auch Scheik Onur nicht betreten. Die Beduinen, welche in der italienischen Erythräa-Kolonie wohnen, oder in den Grenzstrichen zwischen dieser und dem englisch-ägyptischen Sudan ansässig find, haben sich bis auf den heutigen Tag noch größtenteils vom Mohammedanismus fern 'gehalten und sind Heiden. Zu erwähnen wären folgende Stämme: Jlit, Batoma, Kavedjü, Mogaröb, Bärin, Salaj Logadod, Aimasa und Basa. Sie haben Heft 5. Ill Stern der Nege r. zwar alle Kenntnis von einem Schöpfer des Weltalls, lassen aller den lieben Gott einen guten Mann sein; von Mohammed wollen sie nichts wissen. Sie verehren das sogenannte „Seheti", Jb. h. das Regenkind, nämlich ein Kind, das an einem Regentage auf die Welt kommt; es gilt als glückbringend und wird mit dem Namen Sefom bezeichnet, sei es nun ein Knalle oder ein Mädchen. Wenn das Kind das Alter der Vernunft erreicht, wird es als Nothelfer anerkannt. Bedeckt sich z. B. der Himmel mit Gewitterwolken, so lassen die Nomaden das Kind herbeibringen und sagen: „Dedai, verschaff' uns diesen Regen, der am Himmel hängt." Das Kindlein streckt seine Händchen empor, und ruft: „Komm', o Regen, komm'." Regnet es wirklich, so werden des Knrdes -glückliche Eltern mit Geschenken überhäuft, bleibt aller der Regen aus, so wird das arme Kinde beiseite geschoben, und man nimmt seine Zuflucht zu einem anderen Knaben, und in Er-mangelung eines solchen zu einem Mädchen. Ebenso geschieht es, wenn dem Stamme irgendein Mißgeschick oder ein Unglück zustoßt. Sämtliche erwähnten Nomaden sind recht wild. Der Jünglmg bleibt solange unbeachtet, bis er sich nicht ein gewaltiges, buschiges Haupthaar gepflegt hat, Tefa genannt; während dieser Zeit hat er einen Mord zu begehen, linfo zwar an den Angehörigen eines anderen Stammes; -gelingt ihm die Tat, so verbreitet sich die Nachricht davon wie ein Lauffeuer; es heißt, der betreffende Jüngling hat bereits ein Opfer gefällt, er ist ein Mann. Nun steht ihm das Recht zu, frei um die Hand eines Mädchens zu werben und die Verlo-bung findet alsbald tmch getroffener Wahl statt. Aller bevor er das Mädchen sein nennen kann, hat er dem künftigen Schwiegervater unbedingt einen neuen Be- weis von Mannhaftigkeit zu liefern, echt nach afrikanischen Begriffen. Er muß nämlich eine zweite Bluttat verrichten. Der heiratslustige Jüngling geht nun buchstäblich auf Menschenjagd aus. In einem Hinterhalte versteckt, oder in dichtem Laubwerk eines Baumes verborgen, lauert er auf einen Vorübergehenden, gleich einem wilden Tiere. Kommt ihm ein Opfer unter, so schneidet er ihm die Nase, ein Ohr oder einen Finger ab, meistens aller skalpiert er dasselbe, d. h. er zieht ihm die Kopfhaut all und eilt damit zu des Mädchens Vater. Dieser betrachtet mit Befriedigung die blutige Trophäe, und meint dann: „Ja, du bist wirklich ein Mann, du verdienst meine Tochter." Und die Vorbereitungen zur Hochzeit werden gleich getroffen. Mitunter gelingt es den: Bräutigam trotz aller Bemühungen nicht, ein Menschenleben zu erhaschen, und in diesem Falle verhilft ihm seine Auserwählte zum Erfolge. Beide schleichen sich unbeachtet gu einem fremden Dorfe hiit. Der Jüngling kauert sich in einem Verstecke, das Mädchen verbirgt sich in einem Gebüsche und beginnt in Jammertöne auszübrechen. Irgend jemanden im Orte rührt das Erbarmen für das schreiende Wesen und er kommt näher, um Beistand zu leisten. Da stürzt der Jüngling aus seinem Hinterhalte hervor, sticht den gutmütigen Hilfebringer grausam nieder und schneidet ihm nebenbei ein Glied ab. Zufrieden kehren hierauf beide ins heimatliche Darf zurück und halten fröhlich Hochzeit. Nach der Hochzeit ist der Mann nicht mehr zum Morden verpflichtet, aber es ist ritterlich für ihn, wenn er möglichst viele umbringt, damit erwirbt er sich den Ruf eines Tapferen. Es heißt: jener besitzt so und so viele Kopfhäute, er ist ein Held. Diese sind für ihn ebensoviele Ehrenzeichen. 112 Heft 5. Stern der Neger. Bei einem Todesfälle versammeln sich sämtliche Krieger. „Wer hat diesen Menschen da getötet?" rufen sie, und die Gegend hallt wider von wildem Geschrei und Waffengeklirr. Hieraus wird der Tote zu Grabe getragen, und on jenem Orte beigesetzt, den er sich bei Lebzeiten zur letzten Ruhe auserlesen hatte, dann folgen ein schier endloses Weinen und Mahlzeiten, je nach dem Vermögen der Verwandten desVer-storbenen. Liegt eine Bluttat vor, so ziehen die Angehörigen des Ermordeten sorgfältige Erkundigungen über den Stamm des Mörders ein. Mitunter gelingt es, den Mörder ausfindig zu machen, und dann wird bittere Rache geschworen. Bei stockfin-stererNachtüber-rumpelt der Stamm mit überlegenen Kräften das Dorf des Missetäters. Alles, was sich in den Weg stellt, wird niedergehauen, die Überlebenden fuhrt 'man nach Jnnerabessiuien in die Gefangenschaft ab und verkauft sie dortselbst als Sklaven. Verschiedene dieser Nomaden, besonders die an der Sudangrenze ansässigen Jlit, kommen nach Kassala und bieten Stocke, Seile und hübsche Flechtarbeiten zum Ver- kaufe feil. Das sind jedoch meistens nur die Ärmsten und Bedürftigsten des Stammes. Wer auf andere Weise sein Leben fristen kann, meidet die Regierungsorte und verweilt in der heimatlichen Wildnis. Kommen sie zu einem Regierungsposten, so sehen diese Leutchen ganz harmlos aus, mit geducktem Kopfe laufen sie in den Straßen herum und niemand mochte es ihnen ansehen, daß sie unter Schafspelzen so wilde Instinkte bergen. Draußen in der Steppe fühlen sie sich wieder in ihrem Element und alles weicht ihnen scheu aus. DieRegierungist gegenüber dem Treiben dieser Nomaden fast machtlos. Der Häuptling kann zwar aus Abfragen hin die Aussage machen, daß jemand seiner Untergebenen einen Mord begangen hat, aber er wird sich sorgfältig hüten, die Schuldigen zu nennen, sonst droht ihm Verderben von seiten der eigenen Leute. Daß unter solchen Umständen von einem Gedeihen des Landes feine Rede sein kann, ist selbstverständlich. Die italienische Kolonialverwaltuug bemüht sich zwar nach Kräften, diese barbarischen Sitten auszurotten, doch bisher vergebens. Heft 5. 113 Stern der Neger. Jedweder Scheik, der Bei Mordtaten dem Regierungsbeamten bie erwünschten Auskünfte verweigert, verfällt selbst dem Tode. Einmal wurden so über 40 Personen erschossen, das wirkte zwar abschreckend, aber leider nur für den Augenblick. Nun hat die italienische Regierung eigene Häuptlinge angestellt, die eine Anzahl Soldaten zur Verfügung haben und einen jeden Mörder augenblicklich verhaften können; dieser wird dann dem königlichen Kommissär überliefert. Die Kapuzinerpatres von Keren haben neulich unter diesen Stämmen eine Missionsstation eröffnet. Möge sie gedeihen. Der liebe Gott verleihe, daß erwähnte wilden Nomaden wie auch andere Völker sich recht bald unter das Joch Christi beugen! Des Kindes Geheimnis. (Nachdruck verboten.) Von ßermcmn Weber. „Es ist Wirklich zu bewundern, mit welcher Glaubensfreudigkeit unsere Missionäre selbst in die entlegensten Erdenwinkel einbringen!" sagte der Schneidermeister Menke, von seiner Zeitschrift aussehend. „Wahrhaftig, es ist zu bewundern! — Und mit welch großer Opferfreudigkeit die braven Männer ans Werk gehen! Auf gebrechlichen Fahrzeugen werden die tiefsten Flüsse durchquert; finstere Urwälder, voll feindlichen Menschen und Tieren, werden furchtlos durchwandert, ohne daß man die Gefahren beachtet, und alles nur darum, um den armen Heiden das Licht des Christentums zu bringen! Fürwahr, ein gottgefälliger Beruf!" Frau Menke, ihren Strickstrumpf in der Hand haltend, nickte beifällig. „Du redest wahre Worte, Josef," antwortete sie dann zustimmend. „Rüstig schreitet das Werk der Heidenbekehrung voran; denn Gottes Segen rüht allenthalben auf den Missionen! Herrliche Früchte sind schon erblüht aus bm Saatkörnern, welche die Missio-näre in Not und Gefahr unter den Heiden ausstreuten; überall entstehen christliche Gemeinschaften; man erbaut Gotteshäuser, wenn auch arm und schmucklos, und inmitten der Wildnis, wo einst der wilde Kriegsvuf erbarmungsloser Kannibalen ertönte, erklingen jetzt Kirchenglocken, um unsere bekehrten schwarzen Brüder zum Gebete zu rufen!" „Ja, ja, viel Gutes ist schon geschehen, aber unendlich viel bleibt noch zu tun übrig!" gab der Schneidermeister eifrig zurück. „Sehr viele Menschen stehen dem Missionswerke noch teilnahmslos gegenüber; sie freuen sich zwar über die Erfolge unserer Glaubenshelden, aber sie sind zu bequem und zu engherzig, um auch das Ihrige zu dem großen Werke beizusteuern. Ein jeder, arm und reich, Erwachsene und Kinder, müßte sich an dem Glaubenswerke betätigen, und wenn es auch nur mit einem kleinen Scherslein wäre. Und wenn das geschähe, dann würde es in den finsteren Heidenländern bald anders aussehen!" — Die zehnjährige Lisbeth, der Eheleute einzige Tochter, die während des elterlichen Gespräches tief über ihre Schularbeiten gebeugt gesessen hatte, war dem Gespräche über die Heidenbekehrung mit heimlichem Interesse gefolgt. Den geröteten Wangen des Kindes sah man an, daß die Worte der Eltern tief in sein Herz gefallen waren und dort innige Teilnahme für dashohe Werk der Missionäre erweckt Platten. Die Worte des Vaters, daß jeder. Erwachsene mtb Kinder, 114 Stern der Neger. Heft 5. an bet Heidenb Ächtung mitarbeiten müsse, hatten einen bewunderungswürdigen Entschluß in dem kleinen Mädchen erweckt. Wer Lisbeth sagte nichts von alldem. Als sie ihre Schularbeiten beendet hatte, packte sie ihre Sachen zusammen und verließ das Zimmer. Die Eltern glaubten natürlich, daß Lisbeth, wie gewöhnlich, zum Spielen gehe und beachteten ihr Fortgehen nicht. Das Mädchen aber hatte etwas anderes zu tun. Ohne sich lange zu besinnen, stieg es die Treppe hinauf, in das zweite Stockwerk, wo die alte Frau Meier wohnte, klopfte an und trat ein. „Nun, Lisbeth, wolltest bit mich ein malbesuchen?" fragte die Alte, in ihrem Lehnstuhl sitzend. Lisbeth nickte und sagte dann errötend: „Ich wollte auch fra-gen, ob Sie nichts für mich zu tun hätten, Frau Meier — ich — ich möchte mir etwa? verdienen." „Du möchtest dir etwas Geld verdienen?" fragte die Frau erstaunt. „Wie kommst du denn auf den -Gedanken, Kind? Willst du dir für das Geld denn etwas besonderes saufen?" „Der Water hat gesagt, d-aß alle Meu-schen, auch die Kinder, mitarbeiten müßten, um die Heiden zu bekehren!" antwortete die Kleine wichtig. „Ich habe nachmittags immer freie Zeit, und da dachte ich —" „Du bist doch ein braves Kind. Mancher Erwachsene könnte von dir noch lernen i" unterbrach Frau Meier, die plötzlich sehr ernst geworden war, die Worte des Mädchens. „Nun höre zu, was ich dir sage, Lisbeth: Du kannst mir von heute ab jeden Nachmittag Brot und Butter unb was ich sonst noch gebrauche, holen und mir auch hier in der Wohnung etwas beistehen, alles inOrdnungzu halten. Zum Lohn dafür bekommst du von mir jeden Sonntag fünfzig Pfennig, die du bann für die Heidenkinder ersparen kannst. Bist du mit meinem Vorschlage einverstanden?" „O, wie gern!" rief Lisbeth, freudig von einem Bein auf das andere hüpfend und rasch ausrechnend, wie hoch ihr Kapital sich nach Ablauf eines Jahres stellen würde. „Zwei-undfünszigmal fünfzig Pfennigsind sechsundzwanzig Mark; ein Heidenkind loszukaufen, kostet einundzwanzig Mark, sagt unsere Lehrerin, für die fünf Mark, die bann noch übrig bleiben, helfe ich ein Kirchlein bauen. — Wer den Eltern sagen Sie nichts davon, nicht wahr, liebe Frau Meier? So ganz heimlich möchte ich mir das Geld ersparen, daß niemand etwas davon bemerkt, und toenn bann ein Jahr verflossen ist, sage ich zum Vater: „Dieses -Geld habe ich für die Heidenkinder verdient"." Sie find ganz entzückt über das i'chöne neue Kleid. (Photographic von P. Zorn.) 115 Stern der Neger. Heft 5. „Wo läßt du aber das Geld, das niemand es findet?" fragte die alte Frau, ihre Rechte wie segnend auf ben Kopf des Kindes legend. „O, ich halbe schon ein Versteck dafür!" sagte Lisbeth eifrig. „Ganz unten in unserem Küchenschranke steht ein altes Blech-kästchen, welches niemand mehr gebraucht; da hinein lege ich das Geld." Klein-Lisbeth hatte ihren Dienst angetreten. An jedem Nachmittag stieg sie nach Beendigung ihrer Schularbeiten zu Frau Meier hinauf, half der alten Frau kleine Arbeiten verrichten und ging mit dem Korb zum Bäcker und Krämer. Jeden Sonntag bekam sie nun ihren kleinen Lohn, manchmal in Silberstückchen, manchmal auch in Nickel- und Kup-fermünzen, und freute sich jedesmal königlich darüber. Mit möglichster Vorsicht brachte sie das Geld dann in dem kleinen Versteck unter, voll Sorge jedesmal, daß die Mutter sie überraschen könnte. — So waren viele Wochen dahingeeilt. Mit unermüdlichem ‘CSifer hatte Lisbeth während dieser Zeit ihre Arbeiten bei Frau Meter verrichtet und schon oft den kleinen Geldbetrag erhalten. Die Eltern schienen von dein stillen Wirken der jugendlichen Missionshelferin keine Ahnung zu Habens sie sprachen wenigstens nie darüber, und Lisbeth glaubte ihr Geheimnis gut bewahrt. — Der Abend wollte sich niedersenken, als Lisbeth von ihrem heutigen Einkauf zurückkehrte; es war diesmal etwas später geworden, als gewöhnlich. Als sie nun die Sachen bei Frau Meier abgeliefert hatte und die elterliche Küche betrat, sah sie, has die Mutter nicht anwesend und der Vater in seiner Werkstatt beschäftigt ivar. „Jetzt ist es Zeit, einmal den kleinen Schatz zu zählen," dachte Lisbeth. Schnell zündete sie die Küchenlampe an und rech- nete im Kalender nach, wie lange sie schon bei Frau Meier in „Diensten" stand. Gerade zwölf Wochen waren es am vergangenen Samstag gewesen. 'SedfS Mark mußten sich also in dem Kästchen befinden. Mit hochrotem Kopf zählte das Mädchen die Geldstücke, Silber, Nickel und Kupfer bedächtig in je eine Reihe legend, und sah nach Beendigung ihres Nachzählens verwirrt und verwundert auf. Hatte es sich denn getäuscht? — Nicht sechs Mark, sondern zwölf Mark befanden sich in dem Kästchen!" Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu! . . . Lisbeth dachte und dachte, ohne fick)! bie Tatsache erklären zu können, unv begann dann, den Inhalt des Kastens noch einmal nachzuzählen. In ihrem 'Eifer hatte sie nicht gehört, daß sich hinter ihr die Tür geöffnet batte und die Mutter eingetreten war. Frau Menke stand einen Augenblick bewegungslos, als»sie ihr Töchterchen bei der seltsamen Beschäftigung erblickte. Dann glitt es wie tiefe Rührung über ihre Züge und unhörbar trat sie näher. „Du gutes Kind!" sagte sie dann mit sonderbar weicher Stimme, den Arm liebkosend um das erschreckt aufspringende Mädchen schlingend. „Ach, Mutter!" rief Lisbeth bestürzt, als sie ihr Geheimnis entbleist sah, und wollte beide Hände verbergend über die kleine Geldsumnte ausbreiten, doch die Mutter wehrte leise ab. „Du gutes Kind!" wiederholte die Frau ihre Worte. „Der Himmel erhalte dir dein braves Herz, das voll Mitgefühl für bie armen Heiden schlägt! . . . Glaubst du denn, daß der Vater und ich dein kleines Geheimnis nicht entdeckt hätten? Heimlich fragten wir Frau Meier, um den Grund deiner Arbeitsamkeit zu erfahren, und sie erzählte uns dann von deiner stillen Räch- st-enliebe. . . Doch nicht beschämen solltest bu uns; Heimlich vermehrten wir den Inhalt deiner verborgenen Sparkasse, um dir recht bald die Freude, ein Heidenkind loskaufen zu können, zu bereiten. Vereint wollen wir jetzt sparen, um unseren schwar- zen Mitmenschen Gutes zu tun, damit sich einst bas Wort des Gottessohnes segnend an uns erfüllen möge: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder in meinem Namen tut, das habt ihr mir -getan!"." 7, 6m Tiroler ilMionär in Äquatorial = Afrika, Dem heben nacherzählt von Robert Conolli. m (15. Fortsetzung.) Der Feind alles Guten konnte nicht ruhig zusehen, wie ihm die Herrschaft, welche er bereits seit Jahrhunderten unbestritten innehatte, allmählich entrissen wurde; er entfachte daher einen erbitterten Kampf gegen dlüs Kreuz. So heftig war dieser Kampf, daß bie jung aufgesproßte Pflanze des Christentums tjätte zugrunde gehen müssen, wenn sie nicht Hin Werk Gottes gewesen wäre. In einem entlegenen Winkel des Waldes lebte abgeschieden von aller Welt ein alter Zauberer oder Hexenmeister, ein großer Berater der bösen Geister; als Medizinmann war er nicht weniger berühmt wie als Giftmischer, so daß er meistens nur mit dem Namen Giftmischer benannt wurde; sein Name war Kikele, was soviel bedeuten will wie „Verräter der Schlangen". Weit und breit war er bei allen vevhllßt; sein berüchtigter Name war 'überall bekannt; der König selbst hatte Furcht vor ihm und ließ all seine Verbrechen ungestraft durchgehen, da es der schlaue Zauberer verstanden hatte, den nicht weniger abergläubischen als grausamen König in seine Netze zu verstricken. Er hatte ihn nämlich wissen lassen, daß er beim ersten Vorgehen gegen ihn >ber blutigen Rache anheimfallen würde. Das Ungeheuer tj-atte drei Frauen gehabt, die.er aber zugleich mit seinen Kindern vor einiger Zeit auf dem Sklavenmarkte zu Abekuta verkauft hatte. Kaum hatte sich Friedrich in Aboms niedergelassen, als dieser Kikele auch mit seinem Hasse gegen denselben hervortrat; aber nicht nur gegen Friedrich richtete sich seine Verfolgungswut, sondern auch gegen alle, welche dem Fremden anhingen oder ihn beschützten. Zuerst nahm er den Kampf mit einer Verleumdung auf: er verbreitete überall, daß der Fremde, welcher sich bei ihnen niedergelassen habe, gekommen sei, einem 'Einfall der Weißen den Boden zu bereiten; alle Neger sollten dann gefesselt abgeführt werden, um jenseits des -großen Wassers gemästet und aufgefressen zu "werden. Zur Bestätigung seiner Verleumdung fügte er dann noch hinzu, daß auch der König dem „Goldbart" — so nannte er Friedrich — die Rückkehr nach Porto-Novo verboten habe; er sei nämlich von den Palast-Fetischen gewarnt worden, und es sei ihm verkündet worden, daß es in diesem Falle mit seiner Herrschaft zu Ende sei. Ta Kikele sah, daß man seinen Worten nicht nur keinen Glauben schwenkte, sondern daß die meisten sich darüber noch lustig Heft 5. stern der Nege r. 117 machten, jo schlug er einen anderen Weg ein; er versuchte es mit den Kindern, die sich zum Unterrichte zu Friedrich begaben. Eines Abends begab sich Friedrich wie gewöhnlich nach vollbrachtem Tagewerk mit seinem treuen Katechumenen Gabriel auf den bereits erwähnten Hügel; oben angekommen, setzten sie sich icnn Fuße des Kreuzes nieder, um von den Mühen des Tages auszuruhen und die frische Luft zu genießen. Das Gespräch drehte sich natürlich um die neu errichtete Station und die verschiedenen Schwierigkeiten, welche der böse Feind dem neu aufsprossenden Christe ntu me bereiten würde und bereits bereitete. „ . . . Gott möge dir deinen guten Willen erhalten, ihm in allen Lagen bienen zu wollen," unterbrach Friedrich Bei einer Gelegenheit seinen Katechumenen; „ich mache dich aber darauf aufmerksam, daß du zu kämpfen und schwer zu kämpfen haben wirst; denn der böse Feind wird dich ob deines schönen Loses sicherlich beneiden." „Daran habe auch ich schon gedacht," war die Antwort des Katechnmenen. „Der Teufel wird sich sagen: Siehe, wie der Mensch da gleich mir schwarz ist, und doch wohnt in ihm eine Seele, die glänzender ist als der Mond, wenn er in seiner ganzen Fülle leuchtet. Nicht wahr, Vater, so wird es fein?" „Ganz gewiß, mein Sohn, siehe aber zu, daß du darob nicht hofsärtig werdest; benütze die ©nabe Gottes nur dazu, ihm zu bienen und zu danken. ..." „Und mich nach dem Martyrium zu sehnen wie jene guten Christen, von denen du mir so schöne Einzelheiten erzählt hast. Ist es vielleicht eine Sünde, sich darnach zu sehnen?" „Nein, es ist nicht nur keine Sünde, f anbetn sogar ein heilsamer Wunsch; aber glaubst du, daß der Herr die Gnade, für den wahren Glauben zu sterben, einem jeden verleihe? Man muß sich derselben würdig machen, und dann . . ." „Würdest du, Vater, gerne für deinen Glauben sterben?" Friedrich nickte mit dem Kopfe, doch schienen in diesem Augenblicke seine Gedanken sich mit etwas anderem zu beschäftigen; unentwegt richtete er seine Augen aus einen Punkt des ntfljen Busches, bis er sich endlich mit leiser Stimme an seinen Gefährten wandte: „Hast du nichts gesehen?" „Wo?" „Dort zwischen dem ersten Busche Hai sich etwas bewegt. . ." Friedrich hatte noch nicht geendet, als Gabriel aufsprang und nach einem festen Stocke griff. „Ich weiß, um was es sich handelt," sagte er zu gleicher Zeit. „Es ist der Panther, den toir auch sonst schon oft um unsere Hütten herum gehört haben." Jetzt erhob sich auch Friedrich, und' beide wollten sich langsam zurückziehen. In diesem Augenblick vernahmen sie einen starken Krach. Ein dürrer Ast des nebenan stehenden wilden Feigenbaumes war abgebrochen und zur Erde gestürzt und mit ihm ein kohlschwarzer Körper, der sich jedoch gleich wieder aufrichtete und wie ein Blitz an ihnen vorbeischoß. Es tour der berüchtigte Zauberer. Er führte gegen ben Missionär und feinen Katechumenen etwas im Schilde, daran war nicht mehr zu zweifelt:; schon früher hatten sie beobachtet, wie er sich in später Abendstunde um Friedrichs Wohnung herumtrieb. Während des Tages war nichts zu fürchten, um so gefährlicher war es übet bei Nacht. Friedrich mußte also dafür ioi= gen, sich für alle Fälle zu schützen und einem eventuellen 'Überfalle zuvorzukommen ; er begab sich daher zum Könige, und dieser versprach, Ihn vor dem Zauberer zu schützen. 26. Kapitel. Das Arbeitsfeld unseres Katechisten Bo saß eine gewaltige Ausdehnung; sein Unternehmen war daher überaus wichtig, seine Lage hingegen mißlich, wenn nicht gefährlich, und manchmal sogar furchtbar. Trotzdem verlor er den Mut nicht. Mit aufmerksamem uni) ruhigem Blicke, mit eisernem Willen, Energie und großmütigem Herzen machte er sich an die Arbeit. Es gelang ihm daher auch trotz der schlechten Verhältnisse, viel zu erreichen. Mitte Dezember schrieb er mir unter anderem auch folgendes: „ . . . Es sind bereits sechs Monate verstrichen seit meiner Ankunft hier m Wo ms. Bisher war mein Wirken nicht ganz fruchtlos. Ich konnte 58 sterbende Kinder taufen, und in einigen Tagen wird, wie mein Oberer au§ Porto-Novo schreibt, ein Priester ankommen, der dann gleich 28 Kindern die heilige Taufe spenden kann. ... Zu Weihnachten wird auch mein Katechumene Gabriel mit seiner glanzen Familie das Sakrament der Wiedergeburt empfangen. ... In allen Schwierigkeiten, die mir bisher zugestoßen sind, habe ich noch immer Trost gefunden, und ich fühle mich hier in der Verlassenheit vielleicht glücklicher als so maircher in seinem Überflüsse. Nur eines betrübt mich, und bciB ist, daß ich die Tröstungen unserer heiligen Religion so lange entbehren muß. Du," fügte er bezüglich dieses Punktes hinzu, „weißt nicht, was es heißt, sich allein und verlassen zu finden ohne die Tröstung des eucharistischen Brotes! Hätte ich wenigstens das Allerheiligste in meiner Kapelle, um vor betn Tabernakel mein Herz ausschütten zu können . . ., aber nein, es find bereits mehr als sechs Monate, daß ich der Darbringung der £)eiligj'±en Geheimnisse nicht mehr beiwohnen kann. Du schreibst mir, daß der Herr mit meinem Willen zufrieden sei. Ich verstehe dich, inzwischen aber fühle ich mich an manchen Tagen von unsagbarer Trauer befallen . (Fortsetzung folgt.) Verschiedenes. Der Staudamm am Weißen Nil. Die Sudanregierung hat sich entschlos-sen, am Weißen Nil, südlich von Khartoum, einen Staudamm zu errichten. Der Zweck des Staudanlmes ist, das Wasser des Nils aufzuspeichern, damit , man im Süden von Assuan über mehr Wasser verfügt. Der südlichste Nilstaudamm ist bekanntlich derjenige von Assuan. Man glaubt, daß nach der Errichtung des Stauwerkes ant Weißen Nil das aufgespeicherte Wasser ausreichen wird, damit sowohl in Oberägypten als auch im Nildelta die Sefi-Kul-turen, d. h. solche, die das ganze Jahr über grünen, angewendet werden können. Auch hofft man, daß alsdann in Unterägypten die Bewässerung eine regelmäßigere und ausgiebige werden kann. Dann auch ist der Staudamm dazu angetan, unnötige Überschwemmungen des Nils zu verhüten, hauptsächlich zur Zeit der Nilschwelle. Lord Kitchener interessiert sich sehr für das aussichtsreiche Projekt, und Sir Ismail Pascha Sirry, der ägyptische Minister der öffentlichen Arbeiten, hat schon einen englischen Ingenieur in die Gegend geschickt, wo der Staudamm erstehen soll. Die Pläne des neuen Staudammes werden in kurzer Zeit fertiggestellt sein. Mit den Ausfüh-rungsarbeiten soll im nächsten Jahr begonnen werden. Sie sollen in zwei bis drei Jahren fertiggestellt sein und die Heft 5. latern der Neper. 119 Baukosten werden auf 500.000 bis 700.000 Pfund (10,000 000 Mark) veranschlagt. Der Tempel von Philae. In feinem soeben erschienenen Bericht vom Jahre 1912 schreibt Sir Mafpero über die heutige Lage des Tempels von Philae unter anderem wie folgt: Das war Wohl der letzte Winter, in dem die bisher verschonten Teile des großen Tempels während der Touristensaison trocken liegen konnten, und den Umstand, daß das Wasser am 26. November 1911 und am 5. Dezember 1912 noch nicht die ganze Insel überschwemmt hatte, hatte ich ausgenützt, um die Beschaffenheit der Bauwerke, des Kioskes des Nectanebo, die Säulenhallen, Pylonen und das Hadrian-wie das Diokletian-Tor eingehend zu prüfen; das ist alles noch fest. Doch geringere Sicherheit darin hege ich für die kleine Athorkapelle und besonders für den Trajankiosk, dessen Oberpartien mir sehr schwer zu sein scheinen, wenn ich an die alten Fundamente und die neuen Unter- bauten denke, auf denen er ruht. Naheliegende Gefahr besteht trotzdem nur für das Gebäude des großen Tempels. Wie ich das bereits in meinen früheren Berichten auseinandergesetzt habe, sind die Lagen non weichem Sandstein, die seit 1902 dem Wasserhochstand entsprechen, von einem Salpeterstreifen von 30 bis 40 Zentimetern angefressen, und zwar an der Nord- und Südwestseite; sie zerkrümeln zwischen den Fingern, die Hieroglyphen zerbröckeln und die Zersetzung nimmt von Jahr zu Jahr zu. Als ich die Sache untersuchte, war ich fast entschlossen, dem Plane stattzugeben, und die angegriffenen Stellen mit dem Messer herausschneiden und die zersetzten Stücke durch neue Blöcke ersetzen zu lassen. Aber nach reiflicher Überlegung beschloß ich dann doch, noch abzuwarten; vielleicht wird die Hebung des Wasserspiegels durch Veränderung des Berührungspunktes mit der Luft den Zerfall aufhalten. Sollte indessen nach Ablauf von zwei oder drei Wintern keine Besserung eintreten, dann allerdings wäre es an der Zeit, auf dieses äußerste Mittel zurückzugreifen. Empfehlenswerte Bücher und ZeitfdiriWen. „Jerusalem zum dritten JDialc". Preis 1 K. Reinertrag für das arme ist. Marien-Knaben-asyl. Zu beziehen: Wien, VII/3, Bernardgassc 27. Alban Stolz. „Die meisten Schriftsteller, welche populär sein wollen, sind wahre Bettler und Speichellecker vor dein Volke; sie bücken und beugen sich, geben sich Mühe. rechte Volkssprache zu affektieren und das Volk zu bcschmeicheln. Wo echtes Talent ist, da steht der populäre Schriftsteller dem Volke gegenüber mit Autorität, als Lehrer und Herr. Sie müssen zu ihm aufschauen und sich vor ihm beugen und fühlen, daß er einer ist, der Gewalt hat und von Gottes Gnaden herkommt." Diese Worte stammen von Alban Stolz, sie passen aber auch ganz vorzüglich auf ihn selbst. Hundcrttausendc haben sich vor der Macht seines Wortes gebeugt und gefühlt, daß er einer ist, der Gewalt hat und von Gottes Gnaden herkommt. Welch gewaltigen Eindruck rief es her- vor, als Stolz in den religiösen und politischen Wirren Badens in den 40er und 50er Jahren die Fackel des Glaubens hoch emporhob und das Schwert der Wahrheit in seinen Streitschriften so siegreich führte! Welchen Einfluß hat der gottbegnadete Mann auf ganze Generationen ausgeübt durch seinen berühmten „Kalender für Zeit und Ewigkeit". In Hunderttausenden von Exemplaren wurden sie verbreitet und haben Unzähligen das Herz warm gemacht, haben Gottesglauben und Gottesliebe bei diesen Seelen neu geweckt. Und das Einzigartige bei diesen Kalendern ist, daß sie heute noch denselben Wert, dieselbe Anziehungskraft haben wie vor 60, 70 Jahren. Da ist cs auf das freudigste zu begrüßen, daß der Herdersche Verlag, welcher ja fast alle Werke des Dichters herausgegeben hat, der neben der illustrierten Oktav-Ausgabe schon eine billige Volksausgabe druckte, nun die . Kalenver sir eit und Ewigkeit" in Einzelausgaben, und zwar in 120 Stern der Sieger. Heft 5. Taschenformat, in schmucken, modernen Pappbänden und zum billigen Preise von je 50 Pf. auf den Büchermarkt bringt. „In der Nacht von Mariä Empfängnis wachte ich auf und erblickte hell und fast wie einen Stern den Gedanken in der Seele, ich solle meine Kalender für das Volk schreiben." So tauchte ihm aus des Herzens tiefstem Grunde die Inspiration zu seinem Schaffen und Gestalten auf. Bon seinem ersten Kalender: „Mixtur gegen Todesangst, für das gemeine Volk und nebenher für geistliche und weltliche Herrenleute" (jetzt 27. Aufl.), sagt Stolz selbst, daß er nirgends mehr seine eigene innere Seele aufgedeckt habe als hier. Es hat jemand dieses Buch den gewaltigsten Totentanz des 19. Jahrhunderts genannt, einen Gemäldezyklus in Worten. Hier schlägt Stolz die Taste der letzten Dinge an, wie es neben ihm nur wenige verstehen, und weiß die Tiefe unserer Seele zu erschüttern, aber es ist auch ein „Trostbüchlein vom Tode". Der Zweitälteste Kalender (1844): „D a s M e n s ch e n g e w ä ch s, oder wie der Mensch sich und andere erziehen soll" (jetzt 24. Stuft.), will nicht zwischen Gräbern spazieren führen, sondern vom Leben reden. Und er redet in so eindringlicher und zu Herzen gehender Weise von dem Entstehen, Wachsen, Slusreifcn und Vergehen des Menschenlebens. Ein Erziehungsbuch, ein Buch voll Lebensweisheit! Sllles so anschaulich und konkret in Bildern und Beispielen, wie nur die scharfe Beobachtungsgabe und starke Gestaltungskraft unseres Dichters cs fertig bringt. Die drei folgenden „Kalender für Zeit und Ewigkeit" (1845—1847) behandeln das Gebet des Herrn, „Das Vaterunser" (23.—25. Aufl.). Wie hier Stolz die Worte des Herrn auslegt und den Geist derselben ausgeschöpft hat, das wird so bald nicht seinesgleichen finden: das vermochte nur ein so inniges religiöses Gemüt, ein starkes religiöses Innenleben, mit dem sich eine so hervorragende poclische Intuition verband. Besonders herrlich ist die wundervolle Erklärung der Anrede, weiter die ausgiebige, lebenswahre Auslegung der Brotbitte (wer erinnert sich da glicht der prachtvollen, heiteren Schilderung des Spatzenlebens) und die grandiosen Natur- und Seelenbilder in dem letzten Teile. Dies „Vaterunser" in jedem Hause, in jeder katholischen Familie, das wäre ein Segen und ein Quell beständiger Seelenfreude. Zehn Jahre später (1858) schrieb Stolz wieder einen Kalender. Diesmal wählte er ein Thema, das ihm, dem kindlichen Verehrer der Mutter Gottes, große Freude bereitete. Es ist „Der unendliche G r u tz" (das Gegrützet seist du, Maria) (16. Aufl.). Wie sanft und innig weiß er hier das Lob INariens zu verkünden, er, der sonst so oft die Schrecken und all das Furchtbare der letzten Dinge in lebendigster Weise vor Slugen stellt. Der Kalender 1859 führt den Titel: „Das Bilderbuch Gotte s" (15. Stuft.). Der Sternenhimmel erscheint Sllban Stolz als Nacht- kapelle Gottes, der Junisommer als Hochzeitstag des Heiligen Geistes. Und so ist dem großen Dichter und Prediger die ganze Natur als ein aufgeschlagenes Bilderbuch Gottes, in dem er liest und aus dem er tiefe, ernste Wahrheiten für die Seele herausliest. „2t B C für große Leut e" (K.alender für Zeit und Ewigkeit 1864, jetzt 16. Aufll) ist ein Spiegel, den Stolz mit Freimut den Fehlern und Lastern vorhält, in dem er aber auch die Tugenden sehen läßt. Hier ist reiche Gelegenheit für ihn, seinen überlegenen Humor, aber auch manchmal bittern Spott zu zeigen, so daß die Lektüre oft genug köstliche Freude bereitet, dabei aber immer eindringlich und wirkungsvoll bleibt. „Kohlschwarz mit einem roten F a-d e n" (1873, jetzt 9. Aufl.) enthält acht Aufsätze über die gefährlichsten Spiele (Heiraten, Schulsachen, Zeitungen usw.). Stolz sagt von dem Kalender, „daß er rauh und borstig ausgefallen ist und viele Nagelspitzcn hat, an denen sich manche unangenehm ritzen werden". Am abgeklärtesten, künstlerisch wie inhaltlich am vollendetsten ist von allen Kalendern der für 1876: „D i e h l. Elisabeth, die gekreuzigte Barmherzigkeit" (8. Aufl.). Dieses Hohelied von der Liebe, die sich opfert und kreuzigt für die leidende Menschheit, gehört zu dem Schönsten der religiösen Literatur und ist auch rein literarisch ein Meisterwerk der deutschen Prosa. Sllle diese genannten so billigen Bände mögen eine immer weitere Verbreitung finden. Es ist ja heutzutage ein wahrer Jammer, daß die Unterhaltungsliteratur in weiten Kreisen die ernste Lesung und besonders die religiöse Lektüre immer mehr verdrängt. Was vermöchten allein die Werke von Sllban Stolz zu wirken, wenn man sic in aller Hände brächte. Denn Stolz besitzt nicht nur herzinnige Frömmigkeit und den Freimut unbestechlicher Wahrheitsliebe, sondern er ist einer der größten Dichter des 19. Jahrhunderts. Nicht nur für das „Volk", sondern auch für die Gebildeten sind die Schriften eine Quelle religiöser Erhebung und Erneuerung, sowie auch ästhetischen Genusses trotz mancher Kanten und Ecken. In seinen Werken finden sich echte Perlen, Bilder, Schilderungen, wie unsere Literatur nur wenige aufzuweisen hat. Eine Reihe solch schöner Stellen aus den Schriften von Stolz sind zusammengestellt in „Edelsteine aus reicher Schatzkammer" 4. u. 5. Aufl., Herder (346 ©.), in Pappband 2 Mk. Die systematisch geordneten Proben des tiefen Gemütes, der religiösen Innigkeit, der dichterischen Anschaulichkeit und Genialität werden Stolz viele neue Freunde gewinnen. Das Buch ist auch besonders geeignet zum Vorlesen. Mögen in jedem Hause ein oder mehrere Bände dieser Meisterwerke von Stolz vorhanden sein. Jeder deutsche Katholik müßte zu ihm aufschauen und fühlen, „daß er einer ist, der Gewalt hat und von Gottes Gnaden herkommt". Pastor G. Becker, Hannover-Linden.