über Rohitsch-Sauerbrunn. Separat-Abdruek aus den „Mitteilungen des "Vereines der Ärzte in Steiermark", 1913, Nr. 7. Seit diesem Jahre werden auf Wunsch des Ministeriums des Innern mit den Herren, welche sich für die Physikatsprüfung in Graz vorbereiten, Exkursionen in größerer Ausdehnung gemacht, um den Herren Gelegenheit zu geben, bedeutendere hygienische Einrichtungen kennen zu lernen. Da derartige Einrichtungen für Kurorte von besonderer Bedeutung sind, habe ich mit den Herren Rohitsch-Sauerbrunn besucht, weil dort, man kann wohl sagen, fast alle Anlagen des Kurortes im letzten Jahrzehnt in glück- lichster Weise umgestaltet wurden. Zur Erläuterung des Gesehenen wurden auf mein Ersuchen von dem Direktor von Rohitsch-Sauerbrunn, Herrn Dr. Mulli, und vom dortigen Apotheker Herrn Magister Br. Herz kurze Vorträge gehalten, welche über das in der letzten Zeit Geschaffte einen guten Überblick bieten. Da diese Mitteilungen die steiermärkische Ärzteschaft im allgemeinen interessieren dürften, habe ich sie mit Zustimmung der Herren Mulli .und Herz der Redaktion der Zeitschrift „Mitteilungen des Vereines der Ärzte in Steier-. mark" zur Veröffentlichung übergeben. Wprausnitz Hygienische Einrichtungen von Rohitsch-Sauerbrunn. Besprochen von Direktor Dr. Mulli. Seit dem Jahre 1903 begann die Umgestaltung der Landes-Kuranstalt; alle Einrichtungen, wie Bäder, Wohnungen, Hotels und Cafes, wurden modernisiert und ist seit dieser Zeit, ein nicht unbedeutender Aufschwung der Landes-Kuranstalt zu verzeichnen. Grundlegend für den ganzen Aufschwung war die Schaffung einer neuen modernen Trinkwasserversorgung im Jahre 1906. Alle bis zu diesem Zeitpunkt bewirkten Neuerungen konnten nicht eher zur Geltung gebracht werden, bis nicht die Kuranstalt durch die Erlangung der neuen Trink- wasserleitung der alten Misere des Wassermangels und des schlechten Wassers überhoben worden ist. Die Trinkwasserversorgung vor dem Jahre 1906 bestand in schlecht situierten und schlecht gefaßten Tiefbrunnen, welche zur Zeit des Hochsommers zum größten Teil versagten oder nur spärlich und schlechtes Wasser gaben. Die damalige einzige, sogenannte Hochquellenwasserleitung namens Alexander-, Pernegger- und Gobetzquelle hat ihren Ursprung in den westlich von der Kuranstalt hinziehenden Kalk- hügeln mit Dolinenbildungen und reichlicher Besiedlung und lieferte nicht einwandfreies Wasser, welches zur Regenzeit schmutziggelb war. Viele Erkrankungen waren auf den Genuß des schlechten Wassers zurückzuführen; im Kurpublikum wurde eine solche Krankheitserscheinung als „Sauer- brunner Krankheit" schlechtweg bezeichnet. Das Quellgebiet der neuen Wasserleitung befindet sich 360 m über dem Talkessel am Südhange des den Norden des Kurortes begrenzenden Gebirgsstockes Wotsch' und Pleschiwetz, dessen ßücken mit herrlichen Fichten- und Tannenwäldern und dessen Hang mit schönen alten Buchen- wäldern bedeckt ist. Inmitten dieser Waldidylle quillt aus den Felsen der silberreine Quell, welcher durch eine technisch und hygienisch einwandfreie Fassung durch Vortrieb von Stollen in den Felsspalten gesammelt und zu Tal geleitet wird. Der Rohrstrang in die Landes-Kuranstalt ist 4 7cm lang. Das Quellgebiet sowie das ganze Einzugsgebiet der Quellen ist un- bewohnt. Es befindet sich in demselben weder eine Behausung noch eine Viehweide, nur einige Waldwege durchkreuzen dasselbe. Es sind also auch in dieser Richtung die Grundbedingungen für ein einwandfreies Trink- wasser gegeben. Die Quellen liefern Wasser von einer konstanten Temperatur von 8-4° G. Nach der chemischen Analyse erweist sich dieses Wasser als ein vollkommen reines, tadelloses Trinkwasser. Die bakteriologische Unter- suchung (welche Herr Prof. Dr. Wilhelm Prausnitz vorgenommen hat) ergab ein sehr günstiges Resultat. Dieses Wasser, welches ursprünglich nur die Landes-Kuranstalt mit Trinkwasser versorgen sollte, wurde bald auch in alle Badeanstalten und Hotels eingeleitet und, soweit die Ergiebigkeit es zuließ, auch an Private abgegeben. Da nun in den letzten Jahren der Bäderkonsum in großem Maße zugenommen hat (600 Bäder pro Tag), ist der Verbrauch an Wasser derart gestiegen, daß im Herbste 1912, dank der Fürsorge des steier- märkischen Landesausschusses, an die Erweiterung der Wasserleitung ge- schritten worden ist. Nach einem Projekte.des Ingenieurs Hans Dirnböck in Graz wurde durch Vortrieb eines neuen Stollens in einer Länge von 25 m die be- deutende Menge von 4 Sekundenliter bereits gewonnen und es kann diese Frage als glücklich gelöst bezeichnet werden. Das Wasser der Hochquellenleitung ist in allen Häusern der Landes- Kuranstalt eingeleitet, so daß den Gästen ein einwandfreies Trinkwasser zur Verfügung steht. Außerdem wird das Wasser zu Badezwecken verwendet, und zwar im Kaiserbad, bei den Kohlensäurebädern und im Sonnenbad. Wichtige Dienste leistet das Wasser bei der Klosettbespülung sowie auch zur Bekämpfung der Staubplage. Durch eine vom Hofrat Dr. Ludwig in Wien im Jahre 1904 unter- nommene Analyse der Tempelquelle wurde konstatiert, daß diese Quelle bedeutende Schwankungen aufwies, weshalb der genannte Gelehrte dem steiermärkischen Landesausschusse nahelegte; die Quellen einer genauen Untersuchung und Beobachtung zu unterziehen. Diese Beobachtungen hatten zur Folge, daß im Jahre 1907 die Fassung der Mineralquellen in Angriff genommen worden ist. Auf Grund eines geologischen und quellentechnischen Gutachtens des damaligen Stadtgeologen von Karlsbad Dr. Josef Kn ett, welcher inzwischen zum k. k. Quelleninspektor der böhmischen Mineralquellen ernannt worden ist, wurde ein Teil des Quellengebietes in der Nähe des alten Tempel- brunnens aufgedeckt und das brüchige Material bis auf den gewachsenen Felsen abgehoben. Nach Abhebung des Humus zeigte sich eine gelbe Lehmschichte, welche dann in blauen Tegel überging. An der Grenze des Tegels mit dem brüchigen Steinmaterial stiegen bereits Sauerwässer mit heftiger Kohlensäure-Entwicklung auf. Das brüchige, von Kohlensäure zer- setzte Gestein zeigte einen tuffartigen Charakter und war reichlich mit feinen Aragonitnadeln durchzogen. Stellenweise war das Gestein höhlen- arüg ausgewaschen und an den Wänden dieser Höhlungen zeigten sich — 3 — herrliche Aragonitdrüsen, welche die Sprudelschale bildeten. Nach Durch- stoßen dieser Höhlungen traf man auf festeres Gestein, welches die Geologen als Andesittuff bezeichnen. In diesem Gestein zeigten sich ganz kleine Spalten und Haarrisse, aus welchen das Mineralwasser und die Kohlensäure stoßweise herausdrang. Das ganze Arbeitsfeld war in einer Länge von 80 m und in einer Breite von 30 m abgedeckt und es wurden über 10.000 m3 Erd- und Stein- material aus der Grube befördert. Als nun die Quellspalten bloßgelegt waren, wurde an die Fassung der einzelnen Quellen geschritten, nachdem vorher die einzelnen aus- strömenden Wasser chemisch untersucht worden sind. Hiebei zeigte sich die eigentümliche Erscheinung, daß auf dem ver- hältnismäßig kleinen Arbeitsfelde von 240 in2 verschiedene Quellen in ver- schiedener Konzentration aufgetreten sind. Jede einzelne Quelle wurde während der ganzen Arbeitszeit zu wiederholten Malen chemisch untersucht und es zeigte sich im Laufe der Beobachtung, daß jede Quelle für sich eine gewisse Konstanz aufwies, so daß, bevor mit der Fassung vorgegangen wurde, diese Quellen (im Vergleich mit den alten Analysen) in drei Gruppen eingeteilt worden sind: Die Tempelgruppe mit einer Konzentration bis 35 g in einem Liter, die Styria quelle mit einer solchen bis 60 g und' die Donati- quelle mit einer Konzentration von über 60 g bis 109 g. Letzte Quelle hat sich als die höchstkonzentrierte erwiesen und ist als ein bedeutender Gewinn für die Landes-Kuranstalt zu bezeichnen. Die Fassung der Quellen wurde nun in der Weise vorgenommen, daß auf die Quellspalten ein Zinntrichter aufgesetzt worden ist. Diese Trichter wurden mit säurebeständigen Klinkerziegeln, welche in Königs- hofer Schlackenzement gelegt worden sind, gedichtet. Es wurde wegen des starken Gasauftriebes in der Nähe der. Quellen notwendig, mehrere Lagen von solchen Ziegeln darüber zu schlichten, oft acht Lagen, bis endlich die Fassung gedichtet war. Aus dem Trichter ragt nun ein Zinnrohr, mittels welchem die Wässer in die mit Glasziegeln ausgekleideten B.eservoirs geleitet werden. Um das seitliche Eindringen der oberflächlichen Grundwasser zu ver- hüten, wurden zwei Betonwände im Abstand von 80 cm aufgeführt und der Zwischenraum mit Lehm verschlemmt. Im Juli 1908 war die Fassung beendet und es konnten die Quellen dem Betriebe übergeben werden. Die Wässer waren vorher chemisch und bakteriologisch untersucht; letztere Untersuchung ergab ein vollkommen keimfreies Wasser, worauf die behördliche Bewilligung zum Versand der Wässer erteilt worden ist. Da der hydrostatische Druck der Mineralwässer nicht so groß ist, daß dieselben über Tag aufsteigen, wird das Wasser mittels eigens kon- struierter elektrischer Pumpen zu den Brunnen und in die Füllanlage gehoben. Mit diesen beiden Neuerungen, Schaffung von gutem Trinkwasser und der Fassung der Mineralquellen, hat die Landes-Kuranstalt einen großen Fortschritt zu verzeichnen; sie verdankt insbesondere diesen beiden Schöpfungen den in neuerer Zeit genommenen Aufschwung. Die Bäder wurden durch die Errichtung des Kaiserbades mit allen Kaltwasserprozeduren, Mechanotherapie und elektrischen Bädern, dann durch die Modernisierung der alten Badehäuser, „Styria"-Bäder mit den Kohlensäurebädern, ausgestaltet. Um weiteren Ansprüchen genügen zu können, wurde in jüngster Zeit ein Licht-, Luft- und Sonnenbad errichtet. * — 4 — Auch der Wohnungshygiene wurde die größte Aufmerksamkeit ge- widmet, die neuen Gebäude, wie „Erzherzog Johann", „G-razerheim", Kurhaus I und II, erhielten harte Brettelböden, lichte und luftige Gänge. In allen Häusern befinden sich Klosette mit Wasserbespülung, elektrisches Licht in den Zimmern und Gängen. Das "Wäsche- und Bettzeug wird reichlich ge- wechselt und in der eigenen Dampfwäscherei sorgfältig gereinigt. Die Fäkalien werden in Betongruben aufgefangen und mittels Exhaustoren in die außerhalb der Landes-Kuranstalt gelegene Sammel- grube entleert. Für eine größere Abortgruppe der Häuser am Kurplatz wurde im Jahre 1912 eine Abwasserreinigungs-Anlage errichtet, welche die behördliche Genehmigung erhielt. Diese Kläranlage, welche nach dem biologischen Verfahren erbaut worden ist, besteht aus einer Sammelgrube (50 m3), einer Faulgrube (25 m3), einem Oxydationsraum (75 m3) und einem Revisions-, beziehungsweise einem Desinfektionsschachte. Bei der Kollaudierung der im Betriebe stehenden Anlage wurde das tadellose Funktionieren der Anlage festgestellt. Die weiteren Proben der Abwässer zeigten ein günstiges Resultat. In der Landes-Kuranstalt befinden sich noch bei der Dampf was eher ei zur Klärung der Abwasser und im Hotel „Post" zur Klärung der Küchen- und Abwasser kleinere Klär- anlagen nach demselben System. Zur Bekämpfung der Staubplage wurden die Straßen und Promenaden mit Wasser besprengt, welches teils aus den Feuerhydranten entnommen oder mit dem Straßensprengwagen aufgespritzt wird. Ebenso wurden Ver- suche mit Chlorkalzium gemacht. Der dem Betriebsrauchfang entsteigende Rauch wird dadurch un- schädlich gemacht, daß die Feuerung durch Zuführung von frischer Luft mittels Exhaustors eine wenig raucherzeugende ist. In letzterer Zeit wurde der Nahrungsmittelkontrolle eine erhöhte Auf- merksamkeit zugewendet und die veterinär-polizeilichen Vorschriften streng gehandhabt. Alle Nahrungsmittelgewerbe, insbesondere Gasthaus und Fleischerei, wurden durch den k. k. Bezirkstierarzt aus Rohitsch streng überwacht. (Herr Bezirkstierarzt Zabadilek aus Rohitsch wird die Freundlichkeit haben, über seine Amtstätigkeit selbst zu berichten.) Ebenso wurden die Milchwirtschaften und der Verkauf der Milch un- unterbrochen kontrolliert und Schutzimpfungen bei den Milchkühen vor- genommen, da Milchkuren einen Heilfaktor des Bades bilden. Die landschaftliche Bäckerei wurde vollständig umgestaltet und der ganze Betrieb modern ausgestattet. Der Obstmarkt wurde ebenfalls streng überwacht. Im Hotel „Erz- herzog Johann" wurde eine diätetische Küche eingeführt, bei welchem Unter- nehmen die ganze Speisenverabfolgung unter Kontrolle der Brunnenärzte gestellt ist. Aus dem kurzen Berichte ist zu entnehmen, daß in den letzten Jahren dank der Fürsorge des Landes eine große Anzahl von wichtigen Neuerungen eingeführt worden sind, welche den Ruf unserer Landes-Kuranstalt zum Wohle der leidenden und genesungsuchenden Menschen weit über die Grenzen unseres engeren Heimatlandes zu tragen geeignet erscheinen. Die chemische Zusammensetzung des ßohitscher Sauorbrunn. Besprochen von Br. Herz, Mag. pharm. Es sei gestattet, einiges über die chemische Zusammensetzung unserer Heilquellen mitzuteilen; ich möchte nur vorher mit einigen Sätzen die geschichtliche Entwicklung unseres Kurortes skizzieren, um so mehr, als ja der — 5 — ärztliche Stand zur Entstehung und Entwicklung des Kurortes vieles bei- getragen hat. Über die ersten Anfärige des Kurortes sind wir ganz im unklaren — jedenfalls dürfte der Ort und die Quelle den Römern bereits bekannt ge- wesen sein; die vielen Funde aus römischer Zeit deuten auf diesen Um- stand hin. Den Ortsbewohnern war die Quelle seit jeher bekannt, die Leute schätzten die Heilkraft des "Wassers, tranken dasselbe als Mittel gegen alle Krankheiten —• auch wurde das liebe Vieh mit dem "Wasser behandelt und soll von diesem mit besonderer Vorliebe getrunken haben. Um die Quelle herum waren stets ganze Scharen wilder Tauben versammelt. Ein Graf Zriny fand auf einer Jagd im Jahre 1645 diese Quelle, trank das Wasser, aufgemuntert durch das Zureden der Ortsbewohner, eine Zeitlang fort und genas vollkommen von seinem hartnäckigen Leber- leiden und von Gelbsucht. Die Tatsache verschaffte der Quelle einen aus- gezeichneten Huf. Um diese Zeit machte der Wiener Leibarzt der Kaiserin Eleonora, Prof. Dr. Paul v. Sorbait, zahlreiche Versuche mit unserem Wasser und veröffentlichte die damit erzielten Erfolge. Die Veröffentlichung durch einen so hervorragenden Arzt, wie. es v. Sorbait war, hatte zur Folge, daß zahlreiche Professoren und Ärzte ebenfalls das Wasser bei ver- schiedenen Krankheiten verordneten und die Heilungsresultate veröffent- lichten. Unter anderen waren es Regierungsrat Prof. Ulm er v. Warten- burg, Leibarzt Dr. H e r d o 1, Physikus Dr. F e h r, Physikus Dr. Wagner. — Durch die zahlreichen Publikationen seitens so vieler hervorragender Ärzte wurde das Rohitscher Wasser immer mehr verlangt und wurde be- reits damals in fast alle Länder Europas verführt. Das erste größere Werk über Rohitsch-Sauerbrunn stammt aus der Feder des Dr. Joh. Benedikt Gründel, Stadtphysikus in Marburg. Das Buch erschien im Jahre 1685 unter dem Titel: „Roitschocrene, seu scrutinium physico-medico-chemico acidularum Roitschensium". Nach Dr. Gründel entsprang die Quelle mitten auf dem Wege, nahe dem Dorfe Heiligenkreuz unter einem hohlen Weidenstamm. Das Wasser perlte stark vom Grund auf und verbreitete einen Geruch ähnlich demjenigen, wenn man einige Tropfen Ht, SOi mit Eisenfeilspänen zusammenmischt. Das Wasser war farblos, kristallklar, färbte sich auf Zusatz von Veilchen- saft grün und von Galläpfeltinktur schwarz. Der Brunnen war ganz offen und unter freiem Himmel allen elementaren Einflüssen ausgesetzt. Die Einwohner getrauten sich nicht, ihn mit einer Mauer einzufassen, aus Angst, die Kraft des Wassers könnte darunter leiden. Damals bereits befanden sich, wie uns Dr. Gründel erzählt, um die Quelle herum einige Lehm- hütten und Bretterbuden zur Aufnahme von Kurbedürftigen; da jedoch diese Wohnungen vielen zu primitiv waren, so zogen es manche Kranke vor, in Pettau oder Marburg zu wohnen, und ließen sich täglich das frisch- gefüllte Wasser ins Haus zustellen. Es würde zu weit führen, wollte ich den Ausführungen des Dr. Gründel weiter folgen — jedenfalls verdient dieser Autor, der mit großem Fleiße und Umsicht alles Wissenswerte über Rohitsch-Sauerbrunn in seinem Werke zusammengetragen hat, vollste Anerkennung — und werde ich nicht zu weit gehen, wenn ich behaupte, daß kein zweiter Kurort aus dieser Zeit über ein so umfangreiches, wertvolles Buch verfügt. Wie bereits erwähnt, wurde das Wasser damals sehr stark begehrt und in großen Mengen ausgeführt, obzwar die Füllung des Wassers eine äußerst primitive und beschränkte war. Beschränkt deshalb, weil das Wasser nur bei anhaltend schönem Wetter geschöpft werden konnte — primitiv, da die ganze Verwaltung des Brunnens, das heißt Füllung, Ver- — 6 — Sendung, Verkauf etc., in Händen einer Person gelegen war, und zwar in denen des Ortspfarrers. Später nahmen verschiedene Personen für sich das Recht in Anspruch, das Wasser zu füllen und zu verkaufen, es entstanden Grenzstreitigkeiten und langwierige Prozesse. Durch die starke Nachfrage stiegen auch die Preise des Wassers (so wurde zum Beispiel damals in Wien für eine Flasche Sauerbrunn 1 fl. 15 kr. gezahlt, für damalige Zeiten wohl eine horrende Summe); dazu kamen noch einige gewissenlose Händler auf die Idee, das Wasser zu fälschen, indem sie einen minderwertigen Säuerling, die ja in unserer Gegend so häufig vorkommen, unter der Marke „Rohitscher" verkauften. Daß all diese Umstände nicht dazu beitragen konnten, das Vertrauen, das man zum Rohitscher Wasser hatte, zu stärken, ist klar. Um nun diesen unhaltbaren Zuständen ein Ende zu bereiten, erteilte Kaiser Karl VI. im Jahre 1720 den „aylft Wiener bürgerlichen Apothekern" das Privilegium privatum „zur Füllung und Verkaufung dieses Sauerwassers in dem Erzherzogthum Österreich und der Residenz Wien". Die Apotheker schufen nun zweckmäßige Verbesserungen und erreichten mit ihrer soliden Geschäftsgebarung, daß sie in den ersten drei Jahren 20.000 Flaschen Wasser verkauft haben, wohl ßin Beweis, welcher Wertschätzung sich unser Säuerling erfreut hat. Die Apotheker ließen einige Jahre später eine Statue des heil. Johannes von Nepomuk errichten, die, bis auf den heutigen Tag sehr gut erhalten, unsere Parkanlagen ziert. Als Kaiser Josef das Privilegium nicht mehr erneuerte, ging der Brunnen in bäuerliche Hände über. Die ganze Zeit, während welcher die Apotheker gewissermaßen Pächter des Brunnens waren, wird von allen Autoren übereinstimmend als die Glanzzeit in der Entwicklungsgeschichte des Kurortes geschildert. Nach Erlöschen des Apothekerprivilegiums trat wiederum für Rohitsch- Sauerbrunn eine traurige Zeit ein. Das Wasser wurde durch anderes aus dem Auslande eingeführtes Mineralwasser, und zwar Selters und Spaaer, immer mehr verdrängt, der gute alte Tempelbrunnen, der sich damals in bäuer- lichen Händen befand, konnte der großen Reklametrommel, mit der andere Wässer angepriesen wurden, nicht folgen und geriet immer mehr und mehr tin Vergessenheit. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die steiermärkischen Landstände, den großen Wert des Wassers kennend, die Quelle und Gründe herum erworben hatten, begann für Sauerbrunn eine neue Epoche. — Langsam wurde der Kurort, immer mehr aufgesucht, Häuser wurden gebaut, neue Wege geschaffen etc. In den letzten zehn Jahren entwickelte sich der Kurort derart, daß er unter den Kurorten der Monarchie in der ersten Reihe steht. Alles Alte wurde niedergerissen, umgesetzt, umgebaut — wo Ur- wälder und feuchte Wiesen waren, entstanden schöne Parkanlagen und Promenadeplätze, an Stelle der alten Lehmhütten und Baracken sind große palastähnliche Häuser und Hotels gebaut worden, die wohl den verwöhntesten Kurgast befriedigen können —, die Zahl der Kurgäste, die anfangs kaum einige Hundert betrug, hat die Zahl 5000 längst überschritten und wir hoffen, daß die Zahlen noch steigen werden, — an Stelle des Pfarrers, der die Flaschen abfüllte, trat die Maschine, respektive die elektrische Kraft in ihre Rechte, und werden jährlich über 3,000.000 Flaschen gefüllt und alle an den Mann gebracht. Aus der alten Zeit blieb nichts mehr übrig als die Statue des heil. Johannes von Nepomuk und die aus der Tiefe im ewig gleichen Tone sprudelnden Quellen. Verblieben ist noch der Glaube an die wundertätige Kraft des Wassers und die ganz besondere Anhänglichkeit an die Quellen bei unserer Land- bevölkerung. Mag der Weg hoch so schlecht sein, die Witterungsver- hältnisse noch so ungünstige, am Freitag holt sich der Bauer sein Deputat — 7 — an "Wasser, welches an diesem Tage der'Woche gratis ausgegeben wird. Bei jeder Erkrankung wird ausnahmslos zuerst Sauerwasser getrunken — zu Ostern wird das Gebäck mit Sauerwasser gebacken —,. es kommen am Karfreitag ganze Prozessionen mit den unmöglichsten Behältern (Milch- kannen, Schnapsfassein etc.), den oft sehr weiten "Weg nicht scheuend — nur um das Sauerwasser zu holen. Konservativ in allem und jedem, wie unsere Landbevölkerung ist, haben die Leute nur' zum Tempelbrunnen Vertrauen — kommt während der Saison ein Bauer nach Sauerbrunn, wird er es nie versäumen, ein oder mehrere Gläser Wasser zu trinken. —• Noch nie sah ich einen Bauer bei einem andern Brunnen sich aufhalten als beim Tempelbrunnen. Wohl ist die Tempelquelle die älteste, sie mußte aber mit der Zeit der Styriaquelle, die in den achtziger Jahren entdeckt wurde, langsam Platz machen, und als erst vor sechs Jahren die Donati- quelle zutage gefördert wurde, da lenkte diese Quelle förmlich den Kurort in andere Bahnen. . Die erste Wasseranalyse wurde von dem bereits erwähnten Dr. Gründel ausgeführt; diese Analyse sowie die späteren Analysen aus dem. 17. Jahr- hundert vom Apotheker Suess, Dr. Diettl, Dr. Vest haben für uns nur mehr einen historischen Wert, obzwar die Ergebnisse dieser Analysen mit den bis auf den heutigen Tag gemachten übereinstimmen. Die erste, nach modernem Stande der Wissenschaft gemachte Analyse stammt vom Prof. Dr. Schrott er aus dem Jahre 1837, die zweite vom Prof. Dr. Buchner 1875 — in neuester Zeit wurde das Wasser von Hof- rat Dr. Ludwig, Dr. E. Hott er und im Laboratorium des Allgemeinen österreichischen Apotheker-Vereines untersucht. Seit dem Jahre 1908 werden die Quellen monatlich einer Kohtrollanalyse unterzogen. Diese monatlichen Analysen beschränken sich bloß auf die Feststellung des Ge- samtrückstandes, Bestimmung der Kohlensäure, als CO2, und der Schwefel- säure, als 8O3 berechnet. Durch die den modernsten Anforderungen ent- sprechenden Quellfassungen wurde erreicht, daß die Mineralwässer den äußeren Einflüssen nicht ausgesetzt sind und die Quellen jederzeit die gleiche Konzentration aufweisen. Die monatlichen Analysen seit dem Jahre 1908 weisen so minimale Schwankungen auf, daß dieselben kaum erwähnenswert erscheinen. Alle drei Quellen, Tempel, Styria und Donati, weisen dieselbe qualitative chemische Zusammensetzung auf, nur die Konzentration der einzelnen Quellen ist eine verschiedene. Die schwächste .Quelle, Tempelquelle, wird nur für leichte Kuren be- nutzt und steht hauptsächlich als Tafelwasser im Gebrauch. Infolge seines reichen Gehaltes an Kohlensäure und kohlensauren Salzen übertrifft dieses Wasser an Geschmack und Bekömmlichkeit alle bisher bekannten Tafelwässer. Alle Wässer sind'kristallklar, farblos, von einem angenehmen prickeln- den Geschmack, Temperatur 9—10°; die Wässer werden vom Prof. Dr. Prausnitz auf Grund der von ihm vorgenommenen bakteriologischen Untersuchung als durchaus einwandfrei bezeichnet. Die wichtigsten Salze, die in unseren Wässern enthalten sind und von hohem medizinischen Werte derselben sprechen, sind: Kalium und Natriumsulfat, Kalziumbikarbonat, Natriumbikarbonat, Magnesiumbikarbonat und freie Kohlensäure. Speziell der hohe Gehalt an Magnesiumbikarbonat neben den anderen wichtigsten Hauptbestandteilen verleihen den Wässern ein ganz besonderes Gepräge. Besonders die Donatiquelle, deren Reichtum an Magnesiasalzen neben großen Mengen von Natriumsulfat bildet unter den alkalisch-salinischen Wässern ein Unikum, und gebührt derselben eine ganz exzeptionelle Stellung. — 8 — Nach der vom Prof. Dr. Ludwig gemachten Analyse sind in der Donati- quelle in 10.000 Teilen Wasser enthalten: Schwefelsaures Kalium............... 0-660 Schwefelsaures Natrium............... 27'848 Chlornatrium.................... 1-043 Brorrmatrium.................... 0001 Jodnatrium..................... O'OOl Phosphorsätires Natrium............... 0-008 Borsaures Natrium................. 0099 Natriumbikarbonat ................. 18-546 Lithiumbikarbonat.................. 0081 Ammoniumbikarbonat................ 0115 Kalziumbikarbonat.................. 6'948 Strontiumbikarbonat................. 0-010 Magnesiunibikarbonat................ 57'514 Eisenbikarbonat................... 0'085 Manganbikarbonat.................. 0'017 Aluminiumoxyd................... 6001 Kieselsäureanhydrid................. 0'498 Organischer Kohlenstoff............... 0-031 Summe der Bestandteile...............113-42G Summe der Salze..................86'022 Freie Kohlensäure..................20'327 Die Summe der Salze in der Donatiquelle verhält sich in einem Liter zu der Summe der Salze anderer ähnlicher Quellen wie folgt: Donatiquelle ....................11'34 g Marienbader.....................1020 g Kissingen......................9'00 g Vichy........................7-9 g Karlsbader Sprudel.................6-3 g Daß die Kurdirektion die Quellen sozusagen hegt und pflegt, ist selbstverständlich — täglich oft mehrmals wird der Quellschacht inspiziert, die einzelnen Wasserbehälter sehr oft gereinigt —; der Füllschacht steht unter fortwährender Kontrolle eines Beamten und wird förmlich jede einzelne Flasche gründlich durchgeschaut, bevor dieselbe gefüllt wird, das Korkmaterial ist ebenfalls ein vorzügliches, und nur so läßt es sich erklären, daß die Reklamationen im Verhältnis zu der großen Anzahl der verkauften Fiaschen zu den Seltenheiten gehören. In unseren Quellen hätten wir Heilwässer allerersten Ranges, Wässer, die wohl verdienen würden, ganz anders gewürdigt zu werden von seiten unserer heimischen Arzte, als dies leider der Fall ist. Mit der Donatiquelle werden sogar im Auslande Versuche gemacht und die Erfolge sind, wie es die gewiß nicht vorurteilsfreien Ausländer mitteilen, geradezu großartige. Ein Warschauer Arzt Dr. R 6b in kommt am Schlüsse seiner Arbeit zu dem Eesultate, daß die Donatiquelle von allen bisher bekannten Heilwässern dieser Gattung die beste und allen ähnlichen Wässern vorzuziehen wäre. „Nemo propheta in patria sua." Die Kurgäste, die zu uns kommen, sind größtenteils Ungarn, Kroaten und Serben. Fast ausnahmslos preisen die Leute in allen Tonarten die mustergültige deutsche Ordnung, die Billigkeit der Wohnungen und Lebensmittel, die Herrlichkeit unserer Gegend und nicht zuletzt die groß- artige Wirkung unserer Wässer. Die paar Hundert, die aus dem Lande Steiermark zu uns kommen, sind schwer zu befriedigen, ziehen immer Vergleiche mit anderen Kurorten, wobei unser schöner Kurort, die Perle von Steiermark genannt, immer zu kurz kommt. Mit Unrecht! Denn das, was dieser Kurort in den letzten zehn Jahren geleistet hat, verdient ganz anders gewürdigt zu werden, und die Einrichtungen, die in neuester Zeit Im Selbstverlage des Vereinps der Ärzte Steiermjirks. — K. k. Univorsifciits-BuchdrucUeroi „Styria", Graz