UDK 782Mozart:159-964.6 Bernd Oberhoff Universität Kassel Univerza v Kasslu Die unbewusste Sinnebene in Mozarts Oper Idomeneo Podzavestna raven smisla v Mozartovi operi Idomeneo Prejeto: 11. februar 2009 Sprejeto: 1. maj 2009 Ključne besede: psihoanaliza glasbe, Mozart, psihoanaliza in opera, Idomeneo, psihoanaliza in muzikologija, Ojdipov kompleks in opera Izvleček Ob svojih kliničnih izkušnjah je psihoanaliza razvila nekaj metod, ki služijo razvozlavanju podzavesti in ki jih moremo koristno uporabiti ta razumevanje podzavestnih tem v glasbenih delih. Avtor predstavi dve takšni metodi - iritacijsko teorijo in analizo nasprotnega prenosa - ter pokaže, kako je s tema instrumentoma moč odkriti latetntni smisel Mozartove opera Idomeneo. Oba metodološka pristopa pokažeta, da pri opernem dogajanju, ki sicer prikazuje brezhiben odnos med očetom in sinom, gre v resnici za smrtni boj med obema. Received: 11th February 2009 Accepted: 1st May 2009 Keywords: Psychoanalysis of Music, Mozart, Psychoanalysis and Opera, Idomeneo, Psychoanalysis and Musicology, Oedipuscomplex and Opera Abstract Die Psychoanalyse hat in ihrem klinischen Erfahrungsfeld etliche Methoden zur Entzifferung des Unbewussten entwickelt, die auch für das Verstehen unbewusster Themen in Werken der Musik dienstbar gemacht werden können. Bernd Oberhoff stellt zwei solcher Methoden vor - die Irritationsanalyse und die Gegenübertragungsanalyse - und demonstriert, wie mit Hilfe dieser Instrumente ein Aufdecken eines latenten Sinnes von Mozarts Oper Idomeneo möglich ist. Beide methodischen Annäherungen lassen offenbar werden, dass unterhalt der manifesten Opernhandlung, die ein untadeliges Vater-SohnVerhältnis zur Anschauung bringt, ein mörderischer Kampf zwischen Vater und Sohn tobt. Einleitung Was geniale Musik auszeichnet, ist die Tatsache, dass sie aus dem Unbewussten geschöpft ist. Große Komponisten haben dies immer gewusst. Johannes Brahms hat im Gespräch mit dem amerikanischen Musikjournalisten Abell darauf hingewiesen, dass jede wahre kompositorische Inspiration einem Raum entstammt, den 'die heutigen Psychologen das Unterbewusste nennen' (Abell 1955, S. 56 ff.). Den Akt des Komponierens charakterisiert Brahms als eine Art 'Halbtrance..., ein Zustand, in welchem das bewusste Denken vorübergehend herrenlos ist und das Unterbewusstsein herrscht, denn durch dieses ... geschieht die Inspiration' (ebd.). Auch der Begründer der modernen Musik, Arnold Schönberg, war davon überzeugt, dass die Inspirationsquelle im Unbewussten liegt: 'Das Schaffen des Künstlers ist triebhaft. Das Bewusstsein hat wenig Einfluss darauf. Er hat das Gefühl, als wäre ihm diktiert, was er tut. Als täte er es nur nach dem Willen irgendeiner Macht in ihm, deren Gesetz er nicht kennt. Er ist nur der Ausführende eines ihm verborgenen Willens, des Instinkts, des Unbewussten in ihm' (Schönberg 1922, S. 497) Von dieser Einsicht hat die Musikwissenschaft bislang leider wenig Gebrauch gemacht. Es scheint so, dass sie lieber der Formalästhetik eines Eduard Hanslick gefolgt ist, wonach Musik nichts weiter als 'tönend bewegte Form' (Hanslick 1854) ist. Diese Einschätzung mag für mittelmäßige, uninspirierte Kompositionen zutreffen. Doch geniale Werke zeichnen sich dadurch aus, dass sie virulente unbewusste Themen transportieren. Und es sind diese unbewussten Themen, die den eigentlichen Reiz und die Faszination eines Musikwerkes ausmachen. Was liegt also näher, als die Musik mit den Mitteln der Wissenschaft vom Unbewussten, der Psychoanalyse, zu entziffern? Ausgangspunkt und wesentliche Erkenntnisquelle einer psychoanalytischen Musikanalyse ist das subjektive Erleben von Musik. Da wir gemeinhin von einer wissenschaftlichen Methodik Objektivität erwarten, ist ein subjektives Erleben als Erkenntnisinstrument natürlich zunächst einmal suspekt. Der subjektive Faktor im Akt der Rezeption bringt in der Tat einige Unwägbarkeiten in eine wissenschaftliche Analyse. Es wäre jedoch töricht, ihn deswegen als unbrauchbar zu verwerfen und beiseite zu schieben, denn das wäre gleichbedeutend mit einem Verzicht darauf, die unbewussten Sinnstrukturen in einem Musikwerk erkennen und verstehen zu lernen. Subjektivität ist nicht in jedem Fall gleichzusetzen mit Unklarheit und Verzerrung. Man kann durchaus eine geübte und reflektierte von einer ungeübten und unreflek-tierten Subjektivität unterscheiden. Je mehr ein Mensch sich über seine verborgenen Wünsche, Phantasien und Triebregungen Klarheit verschafft hat, umso leichter kann er sie als eigene Zutat beim Rezipieren eines Musikstücks erkennen und muss sie nicht der Komposition als dessen Eigenschaft unterschieben. Wir müssen also das Wagnis eingehen, uns auf unsere subjektiven Reaktionen beim Hören einer Musik einzulassen, auch auf die Gefahr hin, zunächst einmal vornehmlich den eigenen Idiosynkrasien oder konflikthaften psychischen Strukturen zu begegnen. Wir dürfen aber getrost darauf vertrauen, dass sich im Fortgang des fachlichen Diskurses die gültigen von den subjektiv verzerrten Eindrücken und Erkenntnissen scheiden werden. Achten wir auf die Plausibilität der geschilderten Perzeptionen und verfolgen wir aufmerksam den Prozess der konsensuellen Validierung durch die Analysen verschiedener Autoren, so werden wir am Ende des Weges zu den wahren unbewussten Sinnstrukturen der Musik gelangen. Ein alternativer Weg steht uns nicht zur Verfügung. Alfred Lorenzers Feststellung hat nichts von ihrer Gültigkeit verloren: 'nur als 'subjek- tive' Analyse lässt sich modo psychoanalytico der latente Sinn erschließen' (Lorenzer 1986, S. 68). Welche Methoden hat die Psychoanalyse anzubieten, um die unbewussten Bedeutungsstrukturen eines Musikstückes zu entziffern? Ich werde im Folgenden an Mozarts Oper Idomeneo einmal die Anwendung zweier solcher Methoden praktizieren, um den latenten Sinn zu erschließen. Es handelt sich zum einen um die sog. Irritationsanalyse und zum anderen um die Gegenübertragungsanalyse. Beide Methoden zeichnen sich dadurch aus, dass sie die eigenen Empfindungen im Erleben eines Musikwerkes aufmerksam zur Kenntnis nehmen und kritisch reflektieren und evaluieren. Die manifeste Handlung des Geschehens in Mozarts Idomeneo lässt sich in Kürze folgendermaßen zusammenfassen: Ilia, die trojanische Prinzessin, die in griechischer Gefangenschaft lebt, beklagt ihr trauriges Schicksal. Einerseits hasst sie die Griechen, weil sie Troja zerstört haben, andererseits beginnen sich in ihr Liebesgefühle gegenüber dem kretischen Prinzen Idamantes zu entwickeln, der zu ihrem Lebensretter wurde. Idomeneo, König von Kreta, hatte, als er in Seenot geriet, Gott Neptun gegenüber einen Schwur geleistet, er werde den ersten Menschen, dem er nach seiner sicheren Rückkehr an Land begegnet, auf dem Altar opfern. Dieser erste Mensch ist dann zu seinem Schrecken sein eigener Sohn Idamantes. Um die Opferung zu umgehen, plant Idomeneo, Idamantes außer Landes zu schicken. Doch Neptun fühlt sich hintergangen und schickt ein Ungeheuer, dass sich mordend über das Königreich hermacht. Nun bleibt Idomeneo keine andere Wahl, als die Opferung des Sohnes vorzunehmen. Idamantes ist bereit, das Opfer auf sich zu nehmen, um die Götter wieder zu besänftigen, ja er fordert den zögerlichen Vater sogar dazu auf, ihm den Todesstoß zu versetzen. Im letzten Moment verhindert Ilia die grausige Tat, indem sie sich selbst als Opfer anbietet. Die Götter sind durch dieses mutige Verhalten versöhnt. Sie verzichten auf einen Menschenopfer und lassen durch eine unterirdische Stimme verkünden: 'Idomeneo sei nicht mehr König, König sei Idamantes und Ilia seine Gemahlin.' Unter Jubelgesängen und einem Ballett werden der glückliche Ausgang und die Hochzeit des jungen Paares gefeiert. Soweit die Opernhandlung. Der Inhalt des Geschehens erscheint eindeutig. Es spricht alles für jene Exegeten, die in Mozarts Idomeneo das aus kultureller Frühzeit stammende Phänomen der Kindesopferung zum Thema erhoben finden. Mozarts Musik fällt dabei die Rolle der musikdramatischen Ausgestaltung dieses antiken Dramas zu. Dieser Einschätzung wird sicherlich niemand widersprechen wollen. Und doch erscheint es mir, als wäre damit nicht der gesamte Sinn erfasst, den diese erste große Oper Mozarts auszeichnet. Der Übermacht des Augenscheinlichen habe ich als psychoanalytischer Musikforscher eigentlich nur eine Winzigkeit entgegenzusetzen und zwar jene Winzigkeit, die der Eth-nopsychoanalytiker Georges Devereux einmal in den schlichten Satz fasste: 'Ein leichtes Unbehagen sagte mir, dass es hier etwas zu verstehen gäbe' (Devereux 1967, S. 340). In diesem Sinne werde ich im Folgenden einmal meinem 'leichten Unbehagen' nachspüren und mich jenen Passagen dieser Oper zuwenden, die für mich etwas Irritierendes oder Störendes an sich haben. Ich wähle also die Methode einer Irritationsanalyse, um einer möglichen latenten Thematik auf die Spur zu kommen. Was ist irritierend an dieser Oper? 1. Der unschuldige Idamantes und Elektras mörderische Wut Idamantes stellt gleich im 1. Akt seine edle Gesinnung unter Beweis, indem er den anlandenden trojanischen Gefangenen die Fesseln abnehmen lässt. Offen wirbt er um die Gunst Ilias. Seine erste Arie beginnt mit den Worten 'Non ho Colpa', ich habe keine Schuld. Man weiß nicht genau, worauf sich diese Feststellung bezieht, aber es geht dem Librettisten wohl schlicht und einfach darum, diesen jungen Prinzen als rein und makellos erscheinen zu lassen. Sie merken schon, wie sich bereits hier in mir ein leichter Affekt gegen diesen kretischen Prinzen einzustellen beginnt, weil mir bei dessen Edelmut und Reinheit, sowie der etwas zu oft betonten Unschuld etwas unbehaglich zumute wird. Es erscheint Elektra, die Tochter des Griechenkönigs Agamemnon, die ebenfalls Liebesgefühle zu Idamantes hegt. Es bleibt ihr nicht verborgen, dass der Prinz mehr an der jungen Trojanerin als an ihr interessiert ist. Dieser Umstand macht sie wütend. Überwältigt von rasender Eifersucht beschwört sie in einer Rache-Arie die Furien der Unterwelt. Im B-Teil dieser Arie werden unverblümte Morddrohungen gegen die Rivalin ausgestoßen. Dieser Rachegesang der Elektra ist eine große, dramatische Arie, die zu den eindrucksvollsten dieser Oper zählt. Man kann sagen, Mozart setzt hier einen deutlichen Akzent und gibt mit dieser kraftvollen Musik zu verstehen, dass diese heftige Affektivität nicht randständig ist, sondern ihr ein zentrales Gewicht zukommt. So verständlich Eifersucht und Gekränktheit über Idamantes Werben um Ilias Zuwendung sein mögen, so wenig verständlich ist das Ausmaß an überbordender Aggressivität, die hier zum Ausbruch kommt. Dieses Ausmaß an kaum zu kontrollierenden und unverhüllten Aggressionen gegen Ilia lassen sich aus dem Handlungsgeschehen nicht wirklich herleiten. Ilia hat ja noch nicht einmal kund getan, ob sie Idamantes überhaupt liebt. Insofern fragt man sich, woher soviel mörderische Wut bei Elektra stammt. Hier der Text ihrer Arie (nach Angermüller 2005). 1. Akt, 6. Szene Nr. 4 Arie („Tutte nel cor vi sento") Elektra Euch fühl ich all ich im Herzen, Furien des dunklen Hades, fern sind so großen Leiden Liebe, Dank und Erbarmen. Wer dieses Herz mir raubte, das Herz, das das mein verriet, soll in meinem Wüten fühlen Rache und Grausamkeit. Unmittelbar im Anschluss an Elektras Arie braut sich auf dem Meer ein Unwetter zusammen. In der Bühnenanweisung heißt es: '...das noch bewegte Meer schlägt an die Felsen, zertrümmert Schiffe am Ufer'. Man bekommt den Eindruck, dass sich Elektras heftige Affektivität gleichsam in der äußeren Umgebung fortsetzt. Elektras innere Wut wird zu Neptuns Wüten in der äußeren Wirklichkeit. Ein eindrucksvolles Bild einer unabgegrenzten Innen/Außenwelt. Gibt es zwischen den mörderischen Affekten Elektras und Neptuns zerstörerischem Wüten einen Zusammenhang? 2. Das Aufeinandertreffen von Vater und Sohn In der 8. Szene begegnen wir zum ersten Mal Idomeneo, dem König von Kreta, der entgegen allen Befürchtungen nicht auf dem Meere umgekommen ist, sondern die Heimreise von Troja heil überstanden hat. 'Endlich sind wir gerettet', sind seine ersten Worte. Doch diese Einschätzung ist nur für die äußere Situation zutreffend. Die sich nach und nach einstellende Ruhe des Meeres lässt Idomeneos innere Unruhe umso lauter werden. Er denkt an seinen 'grausamen Schwur', den ersten Menschen, der ihn bei seiner Rückkehr auf Kreta begegnet, auf dem Altar zu opfern. Idomeneo wähnt die Götter offensichtlich durstig nach Menschenblut. Die Person, die sich am Strand dem Idomeneo nähert, ist - man ahnt es schon - niemand anderer als sein eigener Sohn Idamantes. Bei Idamantes ist die Wiedersehensfreude groß, jedoch der Vater wendet sich erregt und bestürzt ab. Idamantes versteht diese Abwendung als eine brüske Zurückweisung und gibt seinen Gefühlen in der Arie 'Den geliebten Vater finde ich wieder und verliere ihn' Ausdruck. Der Mythos bemüht sich sehr darum, diese gescheiterte Annäherung zwischen Vater und Sohn aus einer edlen Gesinnung heraus motiviert erscheinen zu lassen. Der Vater wendet sich ab aus Erschütterung und Mitleid mit dem Sohn, und der Sohn ist traurig darüber, den Vater so abweisend und bestürzt zu erleben. Tatsache ist jedoch, dass Vater und Sohn hier nicht zueinander finden. Irgendetwas steht zwischen ihnen. Ich wurde an dieser Stelle spontan an Mozarts Beziehung zu seinem Vater Leopold erinnert, und zwar zu jener Zeit, die der Fertigstellung des Idomeneo unmittelbar vorausgeht. Ich meine Mozarts seltsames Gebaren bei seiner Rückkunft aus Paris (1779), einer Rückkunft, die er so lange es eben ging hinauszögerte. In seinen Briefen tat er stets so, als wäre es ihm das wichtigste Anliegen, seinen Vater sobald als möglich wiederzusehen. Aus Paris schrieb er: 'Das herz lacht mir wenn ich auf den glücklichen tag dencke wo ich wieder das vergnügen haben werde sie zu sehen und von ganzem herzen zu ümarmen' (Brief vom 31.7.1778, Nr. 471, Bd. II, S. 428). Doch das war wohl nur die halbe Wahrheit, gleichsam die offizielle Version, welche die darunter liegende dunklere Realität überdecken sollte. Denn Mozart tat alles dazu, den direkten Weg nach Salzburg zu verfehlen. So machte er längere Zeit Station in Straßburg, dann reiste er gegen den ausdrücklichen Willen des Vaters noch nach Mannheim, machte Zwischenstation in Kaysersheim (Kaisheim) und hielt sich länger in München auf. Der Vater fühlte sich zum wiederholten Male an der Nase herum geführt und erlebte richtigerweise dieses unendliche Hinauszögern der Rückkunft als eine Aggression gegen seine Person. Sein Ärger darüber entlud sich dann im Brief vom 28.12.1778. Knapp und unmissverständlich lässt er seinen Sohn wissen: 'Ich will also, daß du alsogleich nach meiner Vorschrift abreisest, da es abscheulich ist, und ich mich schäme alle Welt versichert zu haben, dass du auf Weihnachten ... ganz gewiß hier seyn wirst. Himmel, wie oft hast du mich zum Lügner gemacht' (Briefe II, S. 526). Mozart reagiert auf diesen Rüffel seines Vaters in gleicher Weise wie Idamantes: 'Non ho colpa'. In seinem Schreiben vom 8.1.1779 heißt es: 'ich weis mich nichts schuldig, dass ich von ihnen vorwürfe zu befürchten hätte; - ich habe keinen fehler (...) begangen' (Briefe II, S. 536). Nun, das Libretto will es ebenfalls so, dass auch Idamantes 'sich nichts schuldig weiß" und „keinen Fehler begangen' hat. Da wir, anders als Mozart und seine Librettist Varesco, uns nicht 100 Jahre vor Sigmund Freud sondern 100 Jahre danach befinden, sind uns bestimmte Mechanismen, die der Mensch gegen unerwünschte psychischen Regungen einsetzt durchaus bekannt und vertraut. Wir haben zudem gelernt, dass wir in mythischen Erzählungen, ähnlich wie im nächtlichen Traum, oftmals auf einen Doppelsinn treffen. Der Doppelsinn entsteht dadurch, dass ein anstößiger Gedanke vom Traumzensor so umgewandelt worden ist, dass alles Anstößige aus ihm entfernt ist. Der Gedanke hat also eine Entstellung erfahren, die man rückgängig machen muss, um den ursprünglichen oder eigentlichen Sinn zu erkennen. Es gibt etliche solcher Entstellungsmechanismen, die in der sog. Traumarbeit Anwendung finden. Einer dieser Mechanismus ist z.B. die Verkehrung, bei der die Dinge geradezu entgegengesetzt dargestellt werden, als sie in Wirklichkeit sind: Großes erscheint ganz klein oder Dunkles ganz hell. Ist in der Darstellung Idamantes vielleicht dieser Mechanismus der Verkehrung von dunkel in hell am Werke? Wird der junge Prinz nicht die ganze Oper hindurch deshalb als makellos und strahlend hell dargestellt, um auf diese Weise von seinen dunklen Seiten abzulenken, die uns verständlich machen könnten, warum der Vater den Sohn zu töten beabsichtigt? Aus Freuds Arbeiten über die Träume ist noch ein anderer Mechanismus bekannt, der zur Tarnung anstößiger Wahrheiten Anwendung findet, nämlich die Verschiebung. Bei der Verschiebung werden Eigenschaften oder Gefühlsregungen von einer Person auf eine andere verschoben. Auf diese Weise kann verborgen bleiben, wer der eigentliche Träger dieser Regungen ist. Wenn wir einmal diesen Mechanismus der Verschiebung in Betracht ziehen, so fällt auf, dass zwar Idamantes und auch Idomeneo ausschließlich edel und liebevoll erscheinen, um sie herum jedoch heftigste destruktive Leidenschaften lodern. Wir haben davon gerade zuvor etwas im Gesang der Elektra erlebt, wo es in ihrem 'Wüten' um 'Rache und Grausamkeit' ging, und wir erleben es bei Gott Neptun, von dessen wilden Toben in dieser Oper immer wieder die Rede sein wird. Ist es möglich, dass es sich bei diesen aggressiven Energien um Affekte im Innern von Idomeneo und Idamantes handelt, die nur auf Elektra bzw. Neptun verschoben sind und von diesen Personen stellvertretend ausgedrückt werden? 3. Ilia, eine Geliebte von Vater und Sohn? Wir gehen über zur 2. Szene des 2. Aktes, die, wenngleich äußerst knapp und nahezu unscheinbar, eine ganz neue und völlig unerwartete Perspektive auf das Operngeschehen wirft. In dieser Szene treffen erstmalig der kretische König Idomeneo und die trojanische Prinzessin Ilia aufeinander, und es entwickelt sich auf engstem Raum zwischen den beiden eine emotionale Nähe und Innigkeit, die man so nicht erwartet hätte. Diese beiden Personen scheinen sich nicht gleichgültig zu sein. Ähnlich wie in der Zauberflöte die Beziehung zwischen Pamina und Sarastro, so besitzt auch diese Beziehung eine gewisse erotische Qualität. Das Libretto des Abbate Varesco bemüht sich zwar, diese als eine Vater-Tochter-Erotik erscheinen zu lassen. Aber es ist unübersehbar, dass Idomeneo der hübschen Trojanerin recht weitgehende Angebote macht. So hören wir aus seinem Munde an Ilia gewandt: 'Über mich, über meine Schätze, verfüge, Ilia, und ich werde sorgen, dir deutliche Beweise meiner Freundschaft zu geben.' Darüber hinaus gibt es Anzeichen dafür, dass Idomeneo in Konkurrenz zu seinem Sohn um die Gunst Ilias buhlt. Wir erleben, wie Idomeneo gegenüber Ilia die Rettungstat seines Sohnes herunterspielt und stattdessen sein eigenes Verdienst daran herausstreicht: 'Als mein Sohn Idamantes dir die Freiheit schenkte, war er nur der glückliche Vollbringer des väterlichen Willens. Wenn er mir dabei zuvorgekommen ist, bestätige ich alles, was er tat, dir nützlich zu sein'. Dieses Werben um die Zuneigung der trojanischen Prinzessin muss aufhorchen lassen. Und wenn wir dann noch erfahren, dass in der französischen Vorlage zu diesem Libretto, in Antoine Danchets Tragédie lyrique Idoménée Ilia ganz real die Geliebte des Idomeneo war, so taucht plötzlich eine Konstellation auf, die wir auf Grund des bisherigen Geschehens nicht unbedingt vermutet hätten. Gemeint ist das hier sich andeutende ödipale Dreieck zwischen Idomeneo-Ilia-Idamantes. Wenn ich diese Konstellation ödipal benenne, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass wir uns in vorfreudianischer Zeit befinden, in der man solche Affekte und Phantasien noch nicht begrifflich und psychologisch einzuordnen wusste. Infolgedessen wird man sich von den mit diesem Komplex verbundenen heftigen libidinösen wie auch aggressiven Affekten äußerst bedroht gefühlt und sie tunlichst von seinem Bewusstsein ferngehalten haben. Aber es gab im ausgehenden 18. Jahrhundert auch die gegensätzliche Tendenz. Die Menschen begannen sich für das innerpsychische Geschehen zu interessieren. In der Nachfolge von Jean Jacques Rousseau richteten sie ihren Blick auf ihr Inneres, um dort in Kontakt mit der Stimme der Natur, d.h in Kontakt mit ihrer psychischen Realität zu gelangen. Was die Zuwendung zur inneren psychischen Realität angeht, gab es also widerstreitende Tendenzen. Man war einerseits neugierig, interessiert, ja fasziniert, aber man hatte auch Angst vor einer Konfrontation mit bedrohlichen und überfordernden Affekten und Phantasien. Genau solch eine Ambitendenz zwischen Neugierhaltung und ängstlichen Zurückschrecken erleben wir hier im Idomeneo. Die ödipale Thematik wird einerseits auf die Bühne gebracht, aber sogleich alles dafür getan, dass sie unerkannt bleibt. Den ödipalen Konflikt kann man erahnen, aber noch nicht wirklich dingfest machen, d.h. das Ödipale lebt nur in der Latenz. Der Librettist Abbate Varesco ist ganz offensichtlich darum bemüht, die Fährte des Ödipalen, die er in die Oper hineingebracht hat, sogleich wieder abzuschwächen und zu vernebeln. Wie wir noch sehen werden, wird ihm Mozart dabei seine entschiedene Gefolgschaft anbieten. Ilia beantwortet die libidinöse Zugewandtheit des Königs mit gleichartigen Gefühlen. Ihre Arie 'Da ich den Vater verlor' ist eine schöne, sehr persönliche und intime Arie. Arnold Werner-Jensen (2001) spricht bezeichnender Weise von 'geheimen Neigungen' und 'unaussprechlichen Gefühlen', die sich in der Musik dieser Arie ausdrücken: Bereits das zart durchbrochene Vorspiel... markiert die Atmosphäre der Liebessehnsucht. Dritter und vierter Takt weisen voraus auf Taminos stimmungsvolle 'Bildnis'-Arie ('Ich fühl es, ich fühl es...') (Werner-Jensen 2001, S. 130). Flöte und Oboe schildern in warmen Klangfarben das zärtliche Gefühl, das im Innern Ilias gegenüber Idomeneo erblüht ist. 2. Akt, 2. Szene Nr. 11 Arie („Se il padre perdei") Ilia Da ich den Vater verlor, die Heimat, die Ruhe, (zu Idomeneo) bist du mir jetzt Vater, geliebte Heimat ist Kreta für mich. Jetzt denk ich nicht mehr an Sorgen und Kummer, da Freude und Friede anstatt meiner Leiden der Himmel mir gab. (Geht ab.) Indem Ilia in die Rolle einer sowohl vom Vater als auch vom Sohn geliebten Frau gerät, bekommt ihre Person von diesem Punkt an etwas Schillerndes. Idamantes fühlt sich einerseits heftig zu ihr hingezogen, doch diese Liebe macht ihn zugleich immer unruhiger und verwirrter. Um der tödlichen Konfrontation mit dem Sohn auszuweichen, denkt Idomeneo daran, Idamantes mit Elektra außer Landes zu schicken, in der Hoffnung, dass die Götter sich daraufhin beruhigen. Doch es erhebt sich urplötzlich ein Sturm und dem Meer entsteigt ein furchtbares Ungeheuer, das Tod und Verwüstung über das Land bringt. Mit dem Auftauchen dieses Untiers sind alle Pläne dahin, durch eine Flucht dem Willen der Götter zu entkommen. Damit ist auch Idamantes gezwungen, sich weiterhin im ödipalen Dreieck auseinandersetzen. So äußert er gegenüber Ilia 3. Akt, 2. Szene Rezitativ Idamantes Mein Vater, voll Raserei und Zorn, blickt finster mich an und meidet mich und verbirgt mir den Grund. Von deinen Banden gefesselt setzt mich deine Härte neuen Leiden aus. Ein wildes Ungeheuer schafft überall furchtbare Verheerung. Ich gehe, um es zu bekämpfen und versuche es zu besiegen oder der Tod beende meine Qualen. Wir erleben in diesen Worten die drei zentralen Ängste der ödipalen Situation ausgedrückt 1. die Angst vor der Aggression des Vaters ('Mein Vater, voll Raserei und Zorn, blickt finster mich an') 2. die Unsicherheit, ob es gelingt, die Liebe der Mutter zu erringen ('Von deinen Banden gefesselt setzt mich deine Härte neuen Leiden aus') und 3. die Angst vor den eigenen Todesphantasien gegen den Vater ('Ein wildes Ungeheuer schafft überall furchtbare Verheerung. Ich gehe, um es zu bekämpfen und versuche es zu besiegen'). Mit anderen Worten, dieses wilde Ungeheuer stellt eine Symbolisierung dar, und zwar eine Symbolisierung der ödipalen Tötungswünsche Idamantes' gegen den Vater. In dieser Drucksituation gesteht Ilia Idamantes offen ihre Liebe, was Idamantes einerseits erfreut, aber zugleich die ödipale Situation zuspitzt. Als Idomeneo auftritt und Zeuge der Liebesbezeigungen von Idamantes und Ilia wird, reagiert er übertrieben erschreckt, so als sähe er etwas Verbotenes oder Ärgerliches. Idomeneos 'Himmel, was seh ich' und 'Ich habe die Wahrheit geahnt...' und auf der anderen Seite Ilias ängstliches 'Ach, wir sind entdeckt' und Idamantes 'Fürchte dich nicht, Geliebte', wo er sich schützend vor Ilia stellt, lassen sich stimmiger auf die zweite Sinnebene einer latenten Rivalität im Dreieck Idamantes-Ilia-Idomeneo beziehen als auf die manifeste Ebene zaghafter Liebesgesten zweier junger Menschen. Idamantes empfindet die latente Aggression in der Beziehung zum Vater zunehmend als belastend, so dass er beginnt, das Vater-Sohn-Verhältnis in Frage zu stellen. Zu Ido-meneo gewandt, äußert er: 'Herr, schon wage ich es nicht mehr, dich Vater zu nennen'. Und er fährt fort: 'Womit habe ich dich je beleidigt? Weshalb meidest du mich?... hasst und verabscheust mich?' Hier wird die Aggression des Vaters gegenüber dem Sohn erstmals konkret ausgesprochen, obwohl Idomeneo diese doch stets verneint. Das moderne Verständnis des Ödipuskomplexes geht eh davon aus, dass die Aggression nicht nur in einer Richtung als eine Todeswunschphantasie des Sohnes gegen den Vater besteht, sondern es auch im Vater eine Aggression gegen den Sohn gibt, die entweder auf Grund eines eigenen nicht gut gelösten ödipalen Konflikts besteht oder aber sich als eine Gegenaggression gegen die Aggression des Sohne einstellt. Idamantes spricht hier die Aggression oder Gegenaggression des Vaters in seiner Frage offen an: 'Weshalb hasst und verabscheust du mich?' Die Parallelen zum Ödipusmythos sind in dieser Szene unübersehbar. Ödipus, der unwissentlich seinen Vater Laios getötet und seine Mutter Jokaste heiratet, herrscht an der Seite seiner Mutter lange Zeit über sein Königreich Theben, bis eines Tages eine furchtbare Pest über das Land hereinbricht. Die Priester befragen das Orakel und erhalten zur Antwort, dass die Pest verschwinden würde, wenn der Mörder des Königs Laios aus dem Lande getrieben sei. Auch hier im Idomeneo ist eine Plage über das Land gefallen und der Schuldige soll außer Landes geschickt werden. Bei Ödipus diente das Außer-Landes-Gehen als Sühne für Vatermord und Blutschande, offenbar erhofft man sich hier Gleichartiges. Idamantes spürt (wie Ödipus) sehr richtig, dass er mit dem Erscheinen des Ungeheuers irgendetwas zu tun hat. Deshalb die bange Frage an seinen Vater: 'Vielleicht erzürnte Neptun meinetwegen? Doch was ist meine Schuld?' Verstünde er die Sprache der Symbole, so könnte er in dem wilden Ungeheuer die Manifestation seiner verdrängten Aggressionen gegen den Vater gewahr werden. In der folgenden 7. Szene wechselt der Schauplatz vom Königspalast unmittelbar in das Innere des Opfertempels. Idomeneo tut gehorsam und gottergeben seine Pflicht und eröffnet die Zeremonie mit den Worten: 'Empfange unser Opfer, o König des Meeres'. Als Arbaces hereinstürzt und verkündet, dass Idamantes das grauenerregende Untier besiegt hat, dürfte man erwarten, dass ein allgemeiner Jubel einsetzt. Doch nichts geschieht. Man geht achselzuckend über diese Heldentat hinweg und fährt in der Vorbereitung der Opferzeremonie fort. Warum findet diese Tat so wenig Beachtung? Diese Szene ist allein vom psychologischen Gehalt her sinnvoll zu interpretieren. Die Heldentat ist deshalb bedeutungslos, weil sich die ödipale Aggression innen und nicht außen befindet. Es hilft wenig, im Außen ein Ungeheuer zu besiegen. Dieser Sieg beseitigt nicht das eigentlich Ungeheure: die mörderischen Phantasien gegen den Vater im Innern von Idamantes. Idamantes wird im weißen Opfergewand hereingeführt und erklärt seine freudige Bereitschaft, den Opfertod zu erleiden. Er fordert den Vater zum Todesstoß auf. Es ist nur allzu klar, dass Idamantes mit dieser erhabenen Geste sowohl vor seinen Vatermordphantasien als auch vor seinen Kastrationsängsten ausweicht. Im entscheidenden Moment erscheint Ilia am Opferaltar und verhindert mit den Worten 'Halt ein, o König, was tust du?' den Todesstoß des Vaters gegen den Sohn. Sie bietet sich selbst an Stelle von Idamantes als Götteropfer an. Mit Ilias mutiger Tat sind auch die Götter aufgerufen, in die Handlung einzugreifen. Eine unterirdische Stimme verkündet aus der Tiefe der Bühne den göttlichen Ratschluss: 'Idomeneo sei nicht mehr König. König sei Idamantes und Ilia seine Gemahlin.' Der Mord am Sohn findet also nicht statt, stattdessen wird der Sohn sogar mit der Königswürde und der Hochzeit mit Ilia belohnt. Alle Umstehenden - mit Ausnahme von Elektra - sind hoch erfreut. Idomeneo verkündet in einer staatsmännischen Rede seine Abdankung und indem sich die Hochzeitsfeier von Idamantes und Ilia unmittelbar anschließt, gibt es genügend Gründe, die Oper mit überschwänglichen Jubelgesängen und einer prachtvollen Hochzeitsfeier enden zu lassen. 4. Elektra als Sprachrohr der abgewehrten mörderischen Energien Dass hier am Ende der Oper keineswegs alles in bester Ordnung ist, macht wieder einmal Elektra deutlich, unsere Seismographin für verdrängte Affekte. Während der Orakelspruch bei allen Umstehenden Freude und Erleichterung auslöst, erleben wir bei Elektra eine völlig gegensätzliche Reaktion, die sie in höchst erregter und drama- tischer Deklamation in Rezitativ und Arie zu Gehör bringt. Sie beschwört die Furien der Unterwelt und will ihrem Bruder Orest in das Todesreich folgen. Die Arie beginnt mit den Worten: 'Von Orest und Ajax trag ich im Herzen die Qualen.' Es ist vermutlich nicht rein zufällig, dass sie mit Orest und Ajax den Mord am eigenen Vater und an der Mutter in Erinnerung ruft. Nr. 29a Arie ('D'Oreste, d'Aiace') Elektra Orestes und Ajax! Ich fühl eure Qualen! Die Fackel Alektos' gibt mir schon den Tod. Zerfleischet das Herz mir, ihr Nattern und Schlangen, oder ein Dolch wird das Leiden in mir beenden. (Sie geht voll Zorn ab.) Kehren wir noch einmal zur unterirdischen Stimme zurück. Zunächst einmal klingt der Orakelspruch recht unverfänglich. Doch wenn wir einmal den Ratschluss der Götter am Ende von Glucks Iphigenie auf Tauris zum Vergleich heran ziehen, so fällt auf, dass dort die vom Himmel herabschwebende Göttin Diana, sich darauf beschränkt, zu verkünden, dass die Götter durch das mutige Verhalten der Protagonisten ausgesöhnt sind und auf ein Menschenopfer verzichten. Dieser humane Schiedsspruch hätte sich auch hier angeboten. Doch der göttliche Ratschluss in Mozarts Idomeneo begnügt sich nicht damit, sondern fordert noch etwas Zusätzliches, nämlich, die Entmachtung Idomeneos. In dieser zusätzlichen Verfügung steckt die eigentliche Brisanz und das psychologisch Bemerkenswerte dieses Spruchs der Himmlischen. Die Götter verbünden sich offensichtlich mit den ödipalen Wunschphantasien, die in Idamantes Seele lebendig sind und sorgen dafür, dass sie in Erfüllung gehen: der Vater wird aus dem Weg geräumt, der Sohn tritt an seine Stelle und bekommt die von Vater und Sohn gleichermaßen geliebte Frau zugesprochen. Wir erleben zwar keinen de facto Vatermord, wie später im Don Giovanni, aber der hier gewählten abgemilderten Fassung einer Entmachtung des Vaters und der Machtübernahme durch den Sohn kommt traumsymbolisch die gleiche Bedeutung zu. Soweit die Ergebnisse meiner Irritationsanalyse, die als latenten Sinn dieser Oper eine ödipale Konfliktproblematik ans Tageslicht gefördert hat. Nun mag es sein, dass dem einen oder anderen Leser die aufgeführten Belege für die latente Ödipalität in dieser Oper noch nicht ausreichend erscheinen und er noch weitere geliefert haben möchte, möglichst welche, die unabhängig vom persönlichen Empfinden des Autors existieren. Nun gut. Wenn es zutrifft, dass eine ödipale Dynamik in dieser Oper virulent ist, so müsste sich diese auch in Gegenübertragungsreaktionen von Menschen bemerkbar machen, die mit diesem Werk intensiv befasst sind, also z.B. Dirigenten oder Regisseure. Wechseln wir also das diagnostische Instrumentarium und gehen einmal von einer Irritationsanalyse über zu einer Gegenübertragungsanalyse. 5. Gegenübertragungsreaktionen auf Mozarts Idomeneo Die klinische Erfahrung hat gelehrt, dass in einem psychotherapeutischen Prozess das Unbewusste des Patienten auf das Unbewusste des Therapeuten Einfluss zu nehmen versucht. Dieser Vorgang birgt für den Therapeuten die Gefahr, dass er, ohne dass ihm dies bewusst wird, in etwas hineingezogen und verwickelt wird, das ihn daran hindert, seine neutrale Position aufrechtzuerhalten. Gelingt es ihm jedoch, die vom Patienten induzierten Phantasien, Gefühle, Handlungsimpulse etc. wahrzunehmen und einer kritische Begutachtung zu unterziehen, so bietet sich ihm die Chance, Bedeutsames über unbewusst virulente Themen im Patienten oder in der Beziehung zum Patienten in Erfahrung zu bringen. Sigmund Freud hat deshalb seinen Kollegen den Rat gegeben: 'er [der Arzt] soll dem gebenden Unbewussten des Kranken sein eigenes Unbewusstes als empfangendes Organ zuwenden' (Freud 1912, S. 381). Was der Arzt in seinem Inneren dann empfängt, ist gleichsam das Gegenstück zur Übertragung des Patienten und wird als Gegenübertragung bezeichnet. Solche Gegenübertragungen lassen sich auch für das Gebiet des Musikpsychoanalyse nutzbar machen. Auch Musik, bzw. das Gesamt von Musik und Szene kann im Hörer Gegenübertragungsreaktionen auslösen, die etwas über den latenten Sinn des Musikwerkes aussagen. Wenn solche induzierten Gegenübertragungsimpulse nicht lege artis reflektiert und kontrolliert werden, haben sie die Tendenz, sich in spontane Handlungen umzusetzen. Von solchen Gegenübertragungshandlungen soll im Folgenden die Rede sein. Wir werden sie bei Dirigenten, Regisseuren, ja beim Komponisten selbst finden und einer kritischen Analyse unterziehen. Mit anderen Worten, wir werden uns im Folgenden der Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte dieser Oper zuwenden, um uns von dieser Seite her dem unbewussten Sinn des Idomeneo zu nähern. 5.1. Mozarts Problem mit der unterirdischen Stimme Als einen ersten Gegenübertragungsakteur darf ich Mozart höchst persönlich vorstellen. Ich hatte bereits erwähnt, dass Librettist und Komponist das Ödipale einerseits in die Oper hinein gebracht, andererseits aber auch viel dafür getan haben, dass diese Thematik nicht über die Schwelle des Bewusstseins tritt. Wie sehr Mozart durch das Ödipale in dieser Oper beunruhigt war und wie er sich an dessen Verdrängung aktiv beteiligt hat, zeigt sich an zwei Ereignissen: 1. an seinen kurz vor der Uraufführung vorgenommenen beträchtlichen Kürzungen und 2. an Mozarts Problem mit dem Orakelspruch. Auf Mozarts Kürzungen werde ich hier nicht näher eingehen. Dazu kann man an anderer Stelle etwas nachlesen (Oberhoff 2008). Beschäftigen möchte ich mich im Folgenden mit Mozarts Schwierigkeiten mit dem Orakelspruch. Über kein Detail dieser Oper hat Mozart mit Vater Leopold mehr korrespondiert als über die Orakelszene. Schon diese Tatsache allein mag als ein Hinweis darauf gelten, dass in diesem Orakelspruch eine Vater-Sohn-Thematik lebendig ist, die sich nicht nur auf der Opernbühne, sondern auch im konkreten Leben Mozarts zeigen sollte. Mozarts Reise nach München zur Einstudierung seines Idomeneo ist - ohne dass er es zu diesem Zeitpunkt selbst weiß - bereits sein Abschied von Salzburg und damit auch vom Vater. Er wird in sein Dienstverhältnis nach Salzburg nicht mehr zurückkehren, sondern fern der Heimat in Wien sein Leben in die eigene Hände nehmen und eine Frau heiraten, mit der der Vater nicht einverstanden ist. Doch bleiben wir beim Orakelspruch. Mozart hatte ernstliche Probleme mit dem, was die unterirdische Stimme verkündet. Am 29. November 1780 schreibt er an den Vater: 'Sagen Sie mir, finden Sie nicht, dass die Rede von der unterirdischen Stimme zu lang ist? Ueberlegen Sie es recht. - Stellen Sie sich das Theater vor, die Stimme muss schreckbar seyn - sie muss eindringen - man muss glauben, es sey wirklich so - wie kann sie das bewirken, wenn die Rede zu lang ist, durch welche Länge die Zuhörer immer mehr von dessen Nichtigkeit überzeugt werden? - Wäre im Hamlet die Rede des Geistes nicht so lang, sie würde noch von besserer Wirkung seyn. - Diese Rede hier ist auch ganz leicht abzukürzen, sie gewinnt mehr dadurch, als sie verliert.' (Briefe III, S. 34f.) Vater Leopold stimmt im Antwortbrief den Bedenken des Sohnes zu und übermittelt an den Librettisten Varesco die Bitte, den Orakelspruch zu kürzen. Doch Varescos verkürzte Fassung ist Mozart noch nicht kurz genug. Einige Wochen danach heißt es im Brief an den Vater: '... der orackel spruch ist auch noch viel zu lange - ich habe es abgekürzt' (Brief vom 18. Januar 1781, Bd. III, S. 90). Doch noch immer schien ihm der Spruch der Himmlischen nicht richtig, so dass er noch eine weitergehende Kürzung vornimmt. Was von Varescos Urfassung durch Mozarts Kürzungsaktivitäten schließlich übrig blieb, veranschaulicht die folgende Übersicht. Die Originalgestalt im Libretto von Abbate Varesco lautete folgendermaßen: Amor hat gesiegt ... Idomeneo wird das schwere Vergehen vom Himmel vergeben, aber nicht dem König, der seine Versprechen halten muss ... er sei nicht mehr König ... es sei Idamantes ... und Ilia seine Gemahlin, Neptun sei beruhigt, der Himmel zufrieden, die Unschuld belohnt. Dem Reich Kreta schenke er Frieden. Im Himmel beschlossen ist ein so würdiger Bund. Die gekürzte Version Varescos: Idomeneo wird das schwere Verbrechen vom Himmel vergeben, aber nicht dem König, König sei Idamantes ... und Ilia seine Gemahlin; dem Reich Kretas schenke er wieder Frieden. Im Himmel beschlossen ist ein so würdiger Bund. Mozarts weitere Kürzung: Amor hat gesiegt ... Idomeneo sei nicht mehr König ... es sei Idamantes ... und Ilia seine Gemahlin, Neptun sei beruhigt, der Himmel zufrieden, die Unschuld belohnt. Mozart noch weitergehende Kürzung (die schließlich zur Aufführung gelangte): Idomeneo sei nicht mehr König, König sei Idamantes und Ilia seine Gemahlin. Es ist nicht wirklich nachzuvollziehen, warum die erste Version Varescos weniger bühnenwirksam sein soll als Mozarts letzte Fassung. In Glucks Iphigenie auf Tauris spricht die herabschwebende Göttin Diana mindestens soviel Text wie Varescos 1. Fassung und man kann nicht sagen, dass ihr Auftritt nicht wirksam ist. Im Gegenteil erhält ihr Erscheinen durch den längeren Text noch ein größeres Gewicht. Es muss also einen anderen Grund haben, warum Mozart soviel Schwierigkeiten mit dieser unterirdischen Stimme hatte und sie womöglich am liebsten ganz gestrichen hätte. Darüberhinaus ist auch nicht unbedingt nachvollziehbar, dass diese Stimme 'schreckbar seyn' muss, wie Mozart meint. Sie könnte ja auch erlösend und befreiend sein, wie es Diana in Glucks Iphigenie ist. Auch diese düstere Vorstellung weist darauf hin, dass die Stimme offensichtlich etwas Bedrohliches mitzuteilen hat, etwas so Bedrohliches, dass Mozart es möglichst kurz haben möchte. So wie Idamantes gegen das bedrohliche Ungeheuer in den Kampf zieht, so zieht Mozart gegen diesen Orakelspruch zu Felde. Mozart selbst gibt uns einen Tipp, wo möglicherweise die Hintergründe für seinen Kürzungswahn zu suchen sind. Im zitierten Brief vom 29.11.1780 kommt ihm bezüglich dieser unterirdischen Stimme eine Assoziation in den Sinn, die da heißt: Hamlet. Ihm hat bei diesem Theaterstück nicht gefallen, dass der Geist so lange auf der Bühne präsent ist: 'Wäre im Hamlet die Rede des Geistes nicht so lang, sie würde noch von besserer Wirkung seyn.' Der Geist in Shakespeares Drama fordert bekanntlich vom Prinzen Hamlet, dass er den Mann an der Seite seiner Mutter ermorden soll, um selbst die Nachfolge des Vaters als König anzutreten. Sigmund Freud hat Hamlet immer wieder gern als ein Beispiel eines ödipalen Dramas par excellence angeführt. Hamlet zeigt eine sichtliche Hemmung, diesen Mordauftrag zu vollziehen. Dazu Freud: 'Hamlet kann alles, nur nicht die Rache an dem Mann vollziehen, der seinen Vater beseitigt und bei seiner Mutter dessen Stelle eingenommen hat, an dem Mann [also], der ihm die Realisierung seiner verdrängten Kinderwünsche zeigt' (Freud 1900, S. 272). Die Geisterstimme mit ihrem Mordauftrag hat Hamlet gleichsam mit seinen eigenen verdrängten ödipalen Wünschen konfrontiert. Tut nicht die unterirdische Stimme im Idomeneo das Gleiche? Auf der manifesten Handlungsebene erlebt der Zuschauer zwar nur eine Entmachtung des Vaters und die Heirat einer sowohl vom Vater als auch dem Sohn geliebten Frau. Auf der unbewussten Sinnebene jedoch sorgt der Orakelspruch für die vollständige Erfüllung der ödipalen Wünsche, wie wir sie in Idamantes vermuten dürfen: den Vater aus dem Weg räumen und die Mutter heiraten. Wenn man es recht bedenkt, so ist die kürzeste Fassung, die eigentlich das Ödipale minimieren soll, diejenige, die es am deutlichsten - im Sinne von kurz und knapp - ausspricht: 'Idomeneo sei nicht mehr König, König sei Idamantes und Ilia seine Gemahlin'. So scheint Mozart auch in seiner Kürzungswut unbewusst Shakespeare gefolgt zu sein, der den alten Schwätzer Polonius an einer Stelle (2. Akt, 2. Szene) sagen lässt: Weil Kürze denn des Witzes Seele ist, Weitschweifigkeit der Leib und äußre Zierrat, Fass' ich mich kurz. Und dass der Witz in ganz bevorzugter Weise und vor allem in aller Kürze das Verborgene und Verdrängte aus dem Unbewussten hervorholt, hat uns nicht zuletzt Freud in seiner Schrift 'Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten' (1905) nahegebracht. Soweit Mozarts Probleme mit der unterirdischen Stimme. Doch werfen wir noch einen Blick auf andere Gegenübertragungsreaktionen gegenüber dieser Oper, und zwar auf solche von Dirigenten und Regisseuren in der weiteren Aufführungsgeschichte des Idomeneo. 5.2. Von Kürzungen und anderen Kastrationen Es gibt keine Oper von Mozart, an deren Libretto oder an dessen Musik von nachgeborenen Komponisten und Dirigenten so viel verändert, um- und neugeschrieben wurde wie beim Idomeneo. Etliche dieser Kürzungen kommen durchaus Kastrationen gleich. So hat z.B. Ermanno Wolf-Ferrari bei seiner Münchner Aufführung im Jahre 1931 nicht nur große Teile der Rezitative, sondern auch ganze 8 der 14 Arien (60%) gestrichen. Solch ein tollkühner Eingriff stellt nun wirklich bereits eine grobe Verstümmelung dar. Die Krönung liefert jedoch Richard Strauß. Strauß schrieb 65 Partiturseiten eigener Musik, die er in die Oper einfügte und darüber hinaus benannte er Elektra eigenmächtig in „Ismene" um. Strauß war sich immerhin seiner Ungeheuerlichkeit bewusst, denn er äußert seine Bereitschaft, falls nötig, sich dereinst im Jenseits wegen dieser Pietätlo-sigkeit persönlich gegenüber Mozart zu verantworten. Alfred Einstein hielt mit seiner Entrüstung über dieses Vorgehen nicht hinterm Berg und sprach von 'Vergewaltigung'. Ich denke, wir können diesen Vorgang nun präziser als eine (versuchte) Kastration Mozarts durch einen nachgeborenen Sohn benennen. Die beiden gerade namentlich genannten Nachfahren des Urvaters Mozart haben sich auf des Meisters Stuhl gesetzt und an dessen Potenz herumgeschnippelt. Richard Strauß trifft mit seiner eigenmächtigen Umbenennung der 'Elektra' in 'Ismene' das unbewusste Geschehen dieser Oper mit instinktiver Sicherheit, denn Ismene ist bekanntlich die inzestuös gezeugte Tochter des Ödipus. Wahrscheinlich mehr intuitiv als bewusst drückt Strauß damit aus, dass Elektra ein Sprachrohr für das Ödipale in dieser Oper ist. Und damit dieses Faktum auch deutlich wird, hat er sie in Ismene umbenannt. In dieser Genealogie der Kürzungen, die Kastrationen gleichkommen, ist noch eine weitere Inszenierung aus jüngster Zeit anzufügen, und zwar die Neuenfels-Inszenierung an der Deutschen Oper in Berlin aus dem Jahr 2006. Diese Idomeneo-Inszenierung ist deswegen in die Schlagzeilen geraten, weil Ende 2006 Anschläge von islamistischen Terroristen befürchtet wurden. Die Intendantin der Deutschen Oper Berlin hatte aus Sicherheitsgründen weitere Aufführungen des Idomeneo ausgesetzt. Doch auf öffentlichen Druck hin, wurden die Aufführungen im Dezember 2006 wieder aufgenommen. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, zur letzten Aufführung am 29.12.2006 nach Berlin zu reisen. Vor dem Haus ein großes Polizeiaufgebot und drinnen eine Sicherheitskontrolle wie an einem amerikanischen Flughafen. Jeder Besucher musste eine Sicherheitsschleuse passieren und wurde auf verdächtige Gegenstände hin durchleuchtet. Das war in der Tat ein besonderes Erlebnis. Eine Oper unter Polizeischutz! Auch darin deutet sich recht bildhaft an, dass diese Oper offenbar etwas äußerst Gefährliches in sich birgt. Was war der Stein des Anstoßes? Der Regisseur Hans Neuenfels hatte in seiner Inszenierung wahrhaftige Götter auf der Bühne auftreten lassen, nicht nur Neptun, sondern auch Buddha, Jesus und Mohammed. Allein das Auftreten dieser Götter stellte noch kein Ärgernis dar, zumal man dem Propheten Mohammed das Gesicht mit einem Schleier verhüllt hatte. Nein, das Ärgernis war Folgendes: Nach dem Verklingen der letzten Töne des Schlusschors öffnet sich noch einmal der Hintergrund der Bühne und der zurückweichende Chor macht dem auf die Bühne taumelnden Idomeneo Platz, der aus einem Plastiksack die abgeschlagenen Köpfe von Buddha, Jesus und Mohammed hervorholt und jeweils auf einen Stuhl platziert. Idomeneo schnauft und keucht bei dieser Präsentation seiner Mordopfer und fällt nach vollendeter Tat halb wahnsinnig zu Boden. Also, auch hier wird drei Mal 'gekürzt'. Hatte sich Mozart das Kürzen nur am Spruch der Götter erlaubt, so tut dies Neuenfels an den Göttern selbst. Das Thema, vor dem Librettist und Komponist bis zuletzt zurückgeschreckt sind und das nur durch Traummechanismen abgemildert und entstellt auf der Schattenbühne mitleben durfte, wird in dieser angehängten scena ultima von Neuenfels in all seinem Schrecken, den es für die menschliche Seele hat, und in unbarmherziger Offenheit präsentiert: Die ödipalen Todeswünsche gegen den Vater und gegen das väterliche Gesetz. Bibliography Abell, Arthur (1955): Gespräche mit berühmten Komponisten. So entstanden ihre unsterblichen Meisterwerke. Garmisch-Partenkirchen (Schröder-Verlag) 1962. Angermüller, Rudolph (Hg.) (2005): Wolfgang Amadeus Mozart. Sämtliche Opernlibretti. Stuttgart (Reclam). 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Nemški glasbeni psihoanalitik Bernd Oberhoff predstavlja dve taki metodi - iritacijsko analizo nasprotnega prenosa - ter pokaže, kako je s tema instrumentoma moč odkriti latentni smisel Mozartove opere Idomeneo. Oba metodološka pristopa kažeta, da pri opernem dogajanju, ki sicer prikazuje brezhiben odnos med očetom in sinom, gre v resnici za smrtni boj med obema. Oberhoffova analiza jasno kaže, da gre pri libretistu Varescu kot pri skladatelju Mozartu za močno ambivalentnost glede ojdipovsko konfliktne tematike, ki se kaže tako, da je kot podzavestna tema na odru sicer prisotna, vendar ob velikem prizadevanju, da bi se kot taka obdržala pod pragom zavesti oziroma zavestnega.