50576 [Separatakdruck aus den „MiUheilungen der Antlirop. Gesellsehaft in Wien u , Bd. XV. 1885. Versammlung in Klagenfurt, 19. — 22. Angust 1885.] Vortrag des Herrn Custos Carl Deschmann aus Laibach: Ueber die neuesten prahistorischen Funde in . Hochgeehrte Versammlung! Ich habe die Ehre, Ihnen 'einige Mittheilungen liber die neuesten prahisto¬ rischen, der sogenannten La-Tene-Periode angehorigen Funde, welche im Laufe des heurigen Friihjahres in Krain gemacht wurden, zu machen. Wollen Sie ent- schuldigen, dass ich diesen meinen Vortrag nicht mit einem reichlicheren Materiale an Demonstrationen aus- statten kann, indem ich bei meiner Abreise von Laibach gar nicht die Absicht hatte, in dieser Versammlung uber irgend einen Gegenstand zu sprechen; sondern nur nebenbei einige Objecte mitnahm, um sie meinen Freunden auf dem Gebiete der Prahistorie zur Ansicht vorzuweisen. Wollen Sie daher mit den Mangelhaften und Khapsodischen, vas ich in Folge der hier an mich ergangenen Aufforderung der sehr geehrten Geschafts- leitung Ihnen bieten kann, sich zufriedenstellen. Die jiingere Bronzezeit, welche in den Alpenliindern Oesterreichs in so ausgezeichneter Weise vertreten ist, hat nach einem der bedeutendsten Culturcentren, nam- licli nach dem Orte Hallstatt, dessen Graberfelde durch Baron Sacken’s Schilderungen eine so eingehende Be- urtheilung zu Theil gevorden ist, den Namen der Krain J ). l ) Mit Demonstrationen. 2 Hallstatter Periode erhalten, welcher Name auch in den wissenschaftlichen Werken fremder Nationen all- gemein sich eingebiirgert bat. Wenn man nun das Inventar der Hallstatter Periode sorgfaltig priift, und namentlich die aus dieser Periode stammenden Waffen, welche meist schon aus Eisen angefertigt sind, mit den Schilderungen vergleicht, welche romische Schrift- steller von der Bewaffnung der Volker entwerfen, mit denen die Romer bei ihrem Auftreten in unserem Lande in Beruhrung gekommen sind, so zeigt es sich, dass die Waffen der Hallstatter Periode mit den Schilde¬ rungen , welche uns die romischen Schriftsteller von der Bewaffnung der norischen und illyrischen Volker gegeben, nicht Iibereinstimmen. Es ist namlich nur das kurzgriffige Schwert von geringer Lange in den sogenannten Keltengrabern vorgefunden worden, wahrend nach jenen Angaben bei den Bewohnern jenir Lander lange eiserne Schwerter mit langem Griff in Gebrauch gewesen sind; daher man mit Fug annehmen konnte, dass noch eine Zwischenperiode existiren miisse, in ■welcher besonders das Eisen zu einer vollkommeneren Bearbeitung gelangte, als dies in der Hallstatter Periode der Fali war. Es war daher eine epochemachende Entdeckung, als im Jahre 1858, wenn ich nicht irre, bei Marin an dem Ufer des Neuenburgersee’s an einer Localitat, welche La-Tene heisst, eine Menge von eisernen Schwer- tern und von sonstigen eisernen Ausrustungs- und Schmuckgegenstanden gefunden vvurde, welche in ihrem Charakter durchgehends von den Gegenstžinden der Hallstatter Periode abweichen. Den Herren ist die treff- liche Bearbeitung dieser Funde durch den berlihmten Kelltsr bekannt, -welche er in den Schriften der Ziiricher antiquarischen Gesellschaft veroffentlicht hat. Als sodann durch Napoleon die Durchforschung der gallischen Befestigungen bei Alesia eingeleitet wurde, kamen dort die namlichen Schwerter und Ausrustungs- 3 gegenstande zum Vorschein, vrelche im Neuenburgersee gefunden vrorden waren. Durch diese Funde ist ein bedeutendes Materiale zur Charakteristik jener der Romerzeit unmittelbar vorher- gegangenen Eisenperiode zu Stande gekommen, welche Periode nach der Localitat La-Tene nun allgemein die La-Tene-Periode genannt wird und als solche auch in der wissenschaftlichen Welt Eingang gefunden hat. Mit dem Studium derselben hat sich eingehend PIildebkandt befasst, desgleichen Undsbt in seinen "VVerke: „Das erste Auftreten des Eisens in Europa.“ Audi in unseren Alpenlandern war zu erwarten, dass die La-Tene-Periode daselbst vertreten sein wird. Als ich gestern fliichtig die Sammlung des Karntner Geschichtsvereines durchsah, so fielen mir eine Fibel, ein Schwert und eine Lanze auf, vrelche dieser Periode angehoren. In Krain vvurde vor einigen Jahren ein Bronzehelm bei Weisskirchen aufgefunden, der mit Backenklappen versehen ist; in der Nahe desselben fand sich eine Fibel in einer Form vor, welche bishin in Krain in den Grabern der Hallstatter Periode nicht vorgekommen war. Auch sie ist eine sogenannte La-Tene-Fibel. Es wurde schon damals die Vermuthung ausgesprochen, dass auch jener Bronzehelm der La-Tene-Periode an- gehore; ein Fachmann, der sich mit dessen Studium beschaftigte, hat jenen Helm als einen gallischen Helm bezeichnet. Zur Charakteristik dieser Periode sei noch Folgendes angefiihrt. Ich weise Ihnen ein zusammengebogenes gallisches Schvrert aus den Grabern von Nassenfuss vor, welches in seiner Bbrm und Ausarbeitung vollkommen mit den Schwertern iibereinstimmt, welche am Neuen¬ burgersee und in Frankreich gefunden wurden. Das gallische Schwert unterscheidet sich vom keltischen Schwert der Hallstatter Periode durch einen viel lšingeren Griff. Das Querstiick zwischen Griff und Klinge ist schwach in die Hohe geschweift und es entspricht 4 dieser Ausbiegung eine dazu passende Erhohung in dem Scheidenrande. Die Schwertscheide ist sehr zierlich mit einer Randeinfassung umgeben, welche an dem unteren Ende durchbrochen ist. Die Lange ist gegen 1 m und h at das Schwert an beiden Seiten parallele Schneiden. Das untere Ende ist nicht spitz, sondern stumpf abgerundet. Es diirfte dieses Schwert mehr eine Hauivnffe als eine Stichvvaffe gewesen sein. Ebenso unter- scheiden sich die Lanzenspitzen aus dieser Periode. Sie sind auch lanzettformig wie in der Hallstatter Periode, nnr ist die Platte breiter; sie verschmalert sich in einen dunneren Stiel, welcher in die meist lange Diille zulauft. Charakteristisch fiir diese Periode ist die eigenthiimliche Form der Fibeln. Wahrend die Fibeln aus der Hallstatter Periode an ihrem Fussende in ein einfaches Stiick auslaufen, welches eine Nuthe zur Aufnahme der Nadel tragt, so besteht das Charakte- ristische aller La-Tene-Fibeln darin, dass das Fussstiick am unteren Ende wieder hinaufgekriimmt und mit dem Mittelstiick verbunden ist. Diese Hinaufkrummung des unteren Fussstiickes bildet eben den Charakter der La- Tene-Fibel und mogen Sie nun was immer fur eine Fibel aus einer friiheren Periode ansehen, so werden Sie nirgends diesen Typus finden, erst in der La-Tene- Periode wird er vorherrschend. Auch wird nun das Eisen viel haufiger zum Schmucke verwendet. Ein viertes charakteristisches Merkmal unter den Fundstiicken der La-Tene-Periode sind die eigenthiim- lichen, aus Schalen bestehenden Armbander, wovon ich hier ein restaurirtes, friiher zerbrochenes Stiick vor- weise. Solche halbkugelige, schalenformige Glieder an Armbandern kommen in friiheren Perioden nicht vor, sie sind aneinander gegossen, und behufs ihres festeren Zusammenhanges befindet sich im Innern noch eine Spange, welche dieselben hiilt, angebracht, und eine sehr sinnreiche Vorrichtung, wodurch das Armband ge- offnet und wieder geschlossen werden kann, nachdem es an den Arm angelegt worden ist. 5 Es war fur mich eine ausserordentliche Ueber- raschung, als ich bei den heuer vem krainerischen Landesmuseum veranlassten Nachgrabungen bei Nassen- fuss in Unterkrain Gelegenheit hatte, eine Graberstatte aus der La-Tene-Periode ober den Dorfern Slepschek und Heiligenkreutz zn constatiren, und zwar unmittelbar anschliessend an eine ausgedehnte, mehrere Joch umfassende Graberstatte aus der Hallstatter Periode. Wir hatten in dieser letzteren etliche 400 Graber mit ziemlich reichen Funden aufgedeckt, sowohl Skelett- als auch Brandgraber, und zwar letztere theils mit, theils ohne Urnen, wo in die Aushohlung des Bodens blos Asche sammt den Knochenresten geschiittet vrorden war und daruber eine Platte sich befand. Wir katten jenes grosse, der Hallstatter Periode angehorige Graberfeld beinahe ganz ausgebeutet, als wir an dem liber diesen Grabern befindlichen Hiigel- riicken weitere Nachgrabungsversuche machten, da uber- raschte uns plotzlich die eigenthumliehe Art und Weise der Bestattung, welche von Allem, was wir bisher in Krain gesehen hatten, vollkommen abwich. Es waren • keine Skelette vorhanden, sondern zerstreut in grosseren oder geringeren Entfernungen in dem Boden, und zwar in dem brockligen Dolomitfels ausgehohlte, cylindrische Graber, beilžiufig 1 / 2 m tief und im Durchmesser circa 25 cm. Im Ganzen waren deren etliche zwanzig. Am Grunde derselben befanden sich die weissen Knochen, welche aus dem Leichenbrande eigens ausgeklaubt zu sein schienen, ohne irgend eine Beigabe von Kohlen, nur mit Dolomitsand iiberschuttet. In diesen Grabern oder vielmehr Lochern steckten die doppelt zusammen- gebogenen Schwerter und nebstdem bei einzelnen auch noch Lanzen, von denen einige ganz umgebogen waren, andere aber eine schwache Krummung hatten, ferner Schildhalter, grosse Messer, Aexte mit horizontalem Schaftloch u. a. m. Dort, wo Frauengraber waren, fand man schalen- / formige, gegliederte Armringe, jedoch alle waren zer- | >. < — 6 - brochen, ferner Fragmente von Bronzefibeln, jedoch auch einzelne ganze Eisen- und Bronzefibeln, einen Glasring, Reste von glasernen Armbandern. Ich bin in der Lage, Ihnen hier eine elegante kleine Bronzefibel zu zeigen, bei welcher der Biigel mit einer schonen Kugel verziert ist. Eine andere Form der Fibeln ist diese, wo eine medaillonartige Platte am Biigel sich befindet, in vvelcher der Bronzedraht in mannigfaltigen Windungen eine hiibsche Rosette bildet. An einer anderen nicht weit von Heiligenkreutz ge- legenen Begrabnissstatte ober Ostroschnik wurden Ohrgehange von einer Form gefunden, welche von den bisherigen ganz abweichen nnd auch der La-Tene- Periode angehoren durften. Die Ohrgehange sind aus feinem Bronzedraht gearbeitet, ich habe eine solche Form rjch in keinem 'vvissenschaftlichen Werke iiber die Funde der Hallstiitter Periode erwahnt gefunden. Es thut mir leid, dass ich Ihnen keines davon vor- weisen kann. Noch etwas Charakteristisches muss ich erwahnen. Es kamen in jenen Graberlochern auch vorziiglich er- haltene eiserne Ketten vor, die an dem einen Ende mit einem grossen Ringe, am anderen Ende aber mit einem langen Endglied, an der kurzen Kriimmung ein Knopfchen tragend, versehen sind. Das Eisen ist sehr gut erhalten, wahrend es in unseren Hiigelgrabern von Rost so zerfressen ist, dass man von der feineren Bear- beitung desselben und auf welcheWeise diese stattgefunden hat, nichts mehr ivahrnimmt. Diese vorgewiesenen Schwerter sind, wie gesagt, identisch mit den »gallischen Schwertern« der West- schiveiz und Frankreichs. Sie stimmen vollkommen iiber- ein mit den Beschreibungen, wie wir sie im Livius und Diodor von Sicilien lesen. Das Eigenthiimliche ist nun das, dass Diodor anfiihrt, die Gallier hiitten ihre Schwerter an der rechten Seite an einer Kette 7 hangend getragen; die in unseren Grabern gefundenen Ketten sind als das Wehrgehange dieser Schvverter anzusprechen. Eine zweite der La-Tene-Periode angehorige Be- grabnissstatte wurde heuer im Hochsommer im Seisen- berger Gerichtsbezirke bei dem Dorfe Wallitschen- dorf, knapp neben den dortigen romischen Grabern aufgedeckt. Auch dort kamen gallische Schvrerter, Lanzenspitzen, riesige Messer, Aexte mit horizontalem Schaftloch vor. Das schonste Fundstiick daselbst war ein vorziiglich erhaltener gegliederter Bronzegiirtel mit einem schon gearbeiteten Pferdekopf als Haken des einen Endgliedes. Es wird uns moglich sein, naehdem diese Graber- statten, \vie ich bemerkt habe, vollig geschieden sind von den Graberstatten der alteren Hallstatter Periode, ein vollstandiges Inventar der La-Tene-Periode in unserem Lan de zusammenzustellen, sowie auch solche Funde von rathselhafter Herkunft, welche in die Hallstatter Periode nicht passen, zu determiniren; es ist uns bereits gelungen, einige absonderliche Gegenstfinde, welche aus Krain von verschiedenen, theils bekannten, theils unbekannten Localitaten herriihren, als der La- Tene-Periode zugehorig zu constatiren. Dies gilt auch von den Funden in St. Michel nachst Adelsberg; in der Sammlung des Fiirsten Windischgeatz finden sich einige schone eiserne Aexte von dort aus der La-Tene- Periode ausgestellt, es soli das Vorkommen dieser Gegenstande in den cylindrischen Grabern ein ganz ahnliches sein, wie es bei Nassenfuss der Fali gewesen ist. Auffallend nur ist es, dass in den Grabern der La-Tene-Periode von Bernstein, vrelcher sonst in Krain sehr haufig ist, bisher sich nichts vorgefunden hat, und naehdem Herr Baroh Hauser fruher erwahnt hat, dass in Karnten der Bernsteinschmuck ein sehr seltener ist, so erlaube ich mir zu bemerken, dass er bei uns in Krain in den Grabern aus der Bronzezeit oder der ' 8 Hallstatter Periode ein ungemein haufiger ist. In der vorigen Woche habe ich von einem Arbeiter, der ein Celtengrab in Unterkrain aufgedeckt hatte, eine grosse Partie von Bernsteinperlen, mindestens einen Hut voli, erhalten. Ich vveise hier einige derselben vor, fast von der Grosse kleiner Erdapfelknollen. Uebrigens muss ich bemerken, dass nach den Mittheilungen unseres Collegen Ljubič aus Agram in Croatien Bernsteinschmnck sehr haufig ist, u. zw. noch grossere Perlen, als sie in Krain gefunden werden. Mit diesen Mittheilungen schliesse ich den Vortrag und ersuche die geehrte Gesellschaft, die mitgebrachten Gegenstande in Augenschein zu nehmen. Ich erlaube mir noch eine Fibel vorzuweisen, ebenfalls aus dem Graberfelde von Nassenfuss, und zwar nicht weit ent- fernt von jenem der La-Tene-Periode, welche jedoch offenbar der friiheren Hallstatter Periode angehort, aus einem Frauengrabe herriihrend, in vrelchem die Reste einer ganz vermorschten Beldeidung gefunden wurden, nebstTausenden vonBronzenageln, welche denangenahten Schmuck des Kleides gebildet zu haben scheinen, unter demselben lag diese Bronzefibel von Riesengrosse mit dem reichen Kettenbehfinge, ein wahres Cabinetsstiick, sie gehort der Form der Nachenfibeln an. Ausserdem kamen in diesem Frauengrabe auch Ohrgehange und viele kleinere Nachenfibeln aus Bronze vor. Die Anzahl der ober Heiligenkreutz nachst Nassenfuss und in Wallitscherndorf ausgegrabenen Objecte der La- Tene-Periode belauft sich auf mehr als ein halbes Hundert mitunter vorziiglich erhaltener Waffen, Aus- riistungs- und Schmuckgegenstande, darunter etliche acht Eisenschwerter, von denen die Mehrzahl verbogen ist. Verlag des Verfassers. r»rnck von VVilhelm Kohler. Wien, VI. Mollarilgasse 41. ■ ■ '* '&■ .w f * ^r '' • ■