D i c Krim und Odessa von Professor Dr. üarl üoch. Ncuc AilSssnde. Leipzig, 1867. D i e Krim und Odessa. Neise Erinnerungen aus dem Tagebuche des Professor Dr. üarl üach. Ncuc Ausgabe. Leipzig 1<^l)7. Vorwort. E s giebt vielleicht kein i!and in Europa, was so häufig verkannt wird, als gerade die Krim. Selbst in Nußland, und zumal in Petersburg, hat man eben so irrige Ansichten, als bei uns. Als Katharina II. sie in Besitz nahm und dir wegen der großen Fruchtbarkeit sowohl als auch wegen der romantischen und schönen Gegenden gerühmte Halbinsel selbst kennen zu lernen wünschte, täuschte man die große Kaiserin wahrend ihres Aufenthaltes daselbst aus mir uncrklärbaren Gründen absichtlich und legte allerhand Scheindörfer an, wo der kaiserliche Zug durchging. Wahrscheinlich hätte sie aber doch bei einem längern Aufenthalte Orlegenbeit gehabt, sich von den nähren Zuständen zu überzeugen, wenn sie nicht plötzlich ihr unscheinbares Häuschen in Sebastopol hätte verlassen müssen, um möglichst schnell den ruchlosen Plänen fanatisirter Tataren zu entgehen. So hat sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die irrige Meinung von der großen Fruchtbarkeit der Krim erhalten und ist selbst durch die bessern Neise-beschrcibungcn, besonders zweier Männer, des leider zu früh verstorbenen Dubois dc Montp<>reur und des Fürsten Anatol Demidoss, noch nicht hinlänglich widerlegt worden. Es kommt noch dazu, dasi man auf den größcrn Karten, welche jetzt durch die Umstände veranlaßt, schnell bearbeitet und herausgegeben wurden, selbst die inPariö von der Dcmidoff'schen großen reduzirten nicht ausgeschlossen, zabl-reiche Ortschaften eingetragen findet, die zum grösiten Theil gar nicht eristircn, aber ganz dazu geeignet sind, die falsche Ansicht von der aroßen Fruchtbarkeit der Halbinsel zu bestärken. Der Irrthum erklärt sich dadurch, daß die Tataren der Ebene den größten Theil des VI Vorwort. Jahres noch Nomaden sind und in kurzen Zwischenrämnen, je nachdem ihren Heerden das nothige Futter geboten wird, ihre Aufenthaltsorte ändern. Auf den Karten sind nun meistens alle dicse Orte nicht allein als Dörfer eingetragen, sondern man findet sogar anch eine Menge Namen ausgeführt, welche noch auö der Zeit stammen, wo dir Knm unter der Herrschaft der Tatarchanc stand. Die Schilderung einer Reise in diesen, die Aufmerksamkeit Europa's so sehr in Anspruch nehmenden Gegenden, welche, frei von politischen Raisonnements, nur einfach über die Zustände dirses interessanten Landes belehrt, dürste daher Manchem nicht unwillkommen fein. Ich glaubte am besten eine klare Ansicht von der Beschaffenheit und den Zuständen der Krim zu geben, wenn ich dcnsclbcn Weg einschlüge, den ich in meinen frühern Ncisewerken verfolgt habe, und mit Treue nur das wieder gäbe, was ich mit eigenen Augen gesehen und beobachtet hatte. Mag Manchem dicse sehr genaue Schilderung der Reiseroute schleppend und dagegen cine pikantere Aufeinanderfolge lvüuschcuswerth erscheinen, so glaube ich doch, daß nmn Verfahren allein es Iedcm möglich macht, eine richtige Kenntniß von dcr Halbinsel zu erhalte». Zum bessern Verständnisse habe ich noch in zwei Anhängen allgemeine uatn» historisch? Beschreibungen der Krim und dcr Nordküste des Schwarzen Meeres gegeben, die wohl im Stande sind, meine Schilderungen hier und da zu ergänzen. Cbe» so wird durch die ideellen Profile der verschiedenen Hebungen die eigenthümliche Bildung des Krim'schen Küstengebirges auch den ?aien klar werden. Eo will ich nun dieses Werkchm, was gleichsam dm Schlußstein meiner Reiseberichte enthält, derselben freundlichen Nachsicht empfehlen, deren sich meine frühern Arbeiten erfreuten. Die Anerkennung, die meinem Streben geworden, sind mir cinc grosie Genugthuung für all' die maunigfachen Opfer, welche ich freiwillig der Wissenschaft und zunächst der Kenntniß wenig, zum Theil gar nicht, von Europäern besuchter Gegenden des in jeglicher Hinsicht gewichtigen Orientes brachte. Berlin, den !md Gvzählungm; die Kosaken als Grenzwächter; Kertsch und sein Handel; Panlikapäcu; dac! Musen»,; «in Makrotephalen-Tchädl-l; Tmutorakan; ein Mausoleum der neuesten Zeit; Grabhügel; Fürst Herheu-lidse; blausaures Eisen. S. 1^17. Zweites Kapitel. Theobosia (Kassa) und Karaßubasar. Pampas und Steppe; die Halbinsel Kertsch und die Landzunge Arabat; Tataren; Theodosia; Herr uon Smitten; Kaffa; Türkische Grausainkeiten; Verödung der Krim; die Häuser und die Lage von Theodofü»; ein deutsches Wirthshaus; Krim'sche Weine; bunteS Völkergcwnre; die Juden; Bodenverhältnisse; Schafherden; Kameelc; Diligen^en; Karaßubasar; Handwerker ; der Schirinselsen. S- l? —32. Drittes Kapitel. Sympheropol. Taunsches Hotel; daS Gouvernement; die Tataren; Sultan - Kalga; Sahinghirei; Akmetsched; die Neustadt; .die Kathedrale; der Vasar; ein kur- VIII I,ch,ilt. ländischer Jude; Vieh; Obst und Obstgärten ; daS Thal des Salan'; Aepscl; Herr von Steven ; Herr von Hübncr; ein russischer Arbeiter; tatarische Ordnung ; Abreise; Charakter der Gegend. S. 32 — 44. Viertes Kapitel. P a k t sch isarai und D sh u s fn t h l al e h. Die Spalte des Tschuruckßn; Kleidung der Tataren; Kebabdschi; Vkmed-shi; das Vhansschlosi; Gerichtssaal; Harem; Marie Potohka; furchtbare Nachc; Thläueiiquellc; Mausoleum; ein tatmischcr Begläbnißplatz; Zig«,-ner; eine Felseulirche; bieIudenveste; Rabbi Salomon Beim;Karaim; Talmud - Anhänger; Geschichtliches; die Synagoge; Iusaphat - Thal. S. 44 —lil. Fünftes Kapitel. Sebastopol. Die Landzunge; Bodenverhältnisse; LhersoneS; die Gothcü;der ill.im^ Sebastopol; Hafen; Nikolani?-Bastei; Dock.'; Kai; Bibliothek; Knche; Kosarsky ; Katharina !!.; Vonlcvard; Flotte dcs Schwarzen Meeres ; Tscher-norätschkai Infjerman; Wasscrlcitung; Tunnel; Krypten; Nsch^koff'schc Schlacht; ein Invalide. S. <>2 — «l. Seäzstes Kapitel. Balallawa nnd dae! K» stengeb i rg e. Das alte Che,son; BalaNawa; die Lästrigoum Homer's; Pariheuion; Mondschein-Partie; Vaidar; die neue Straße; ein (hebinM'asi; schöne Aussicht; Vegetation; Kirkinneiß; thcnre Pnift; das Küstcngebirge; seiiu-Vildllüg; die Inrawand; die Iaila. S. »1 - 9<'.. Siebentes Kapitel. Alupka; Maharatsch; Nikita. Simeiß; Alnpfa; Fürst Nolonzoff; unfruchtbare Umgegend; Gärtner Kehbach ; die Anlagen; eine Plutonische ^niption; fremde Slräucher; Mangel an Rasenplatzen; das Schloß; der rasche Postillon; Aussichten; Ore-anda; Gaspra; i!ivadia; Ialta; Maharatsch; Fürst Golitzin; die Unsti» Inhalt, IX mid ihr Kunstsinn; Maßandn,; Nifita; H«r v»u Havtwiß; Obst- und Weincultur; der Krim'schc Wein; fremdes Gehölz; die Korkeiche; Major Frombder; ein Sturm. S> 9it; Grabhügel; Fürst Herheil-lidse; biansaures Eisen. Äls ich nach zwei langen und ziemlich beschwerlichen Nciscn im Orient hart aui Ufcv dn / rmst wegen der Rällbcrcim seiner Ve-ivohncr gcfiirchtctcn Halbinsel Taman stand, um unch nach dem Ziel meiner Wünsche, dcm gelobten Lande der Nüssen, der Krim, cinzuschifsm, erschaute ich, nochmals zurückblickend, die letzten Ausläufer dcs kaukasischen Gebirges. Alles, was ich in ihnen erlebt hatte, ging mir vor der Seele vorüber, und so groß auch die Sehnsucht war, die mich nach anderthalbjähriger Abwesenheit von der Hcimath und den Theuren, die ich dort hinterlassen, ergriffen, so wurde es mir doch unendlich schwer nun ans immer von den Ländern, die ich, je mehr ich mit ihnen vertraut wurde, auch um so lieber gewonnen, zu scheiden. Die Menschen hatten nnch fast allenthalben freundlich ausgenommen; Nmnand säst hatte mich betrübt und Jedermann das Scinige beigetragen, um mir den Aufenthalt in der weiten Ferne angenehm zu machen. Gradc da, wo man am Meisten für mich gefürchtet, in den rnrch Räubereien verrufensten Osgmden, mitten im kaukasischen und vontischen Gebirge, war es mir am besten ergangen. Nur aus dem Lande der ungastlichen Kurden kommen nicht immer Koch, dic Knm. ' 2 Gastfreundschaft der Kaukasi«. ^l. Kap. freundliche Erinnerungen. Wenn ein Kaukasicr ober ein Osse mich mit den Worten „du bist Herr hier und ich bin nut meinen Söhnen nur zu deinen Diensten bereit" in seinem gastlichen Hause aufnahm, so war die Anrede keineswegs, wie bei uns häufig, eine Höflichkeit, die man nur aussprach, sondern ein jcdes Glied der Familie war in der That darauf bedacht, mir meine Wünsche möglichst an den Augen schon abzusehen und sie rasch auszuführen. Mit den Worten „Herr erlaube mir, daß ich unserm Wirthe die Zahne einschlage" trat einmal in dem ersten grusifchcn ^georgischen) Dorfe, was ich nach längerer Abwescnheit in damals noch unabhängigen Gcbirgsgaucn des Kaukasus erreicht hatte, eine jener schönen, ich möchte sagen, Homerischen, Gestalten, wie man sie häufig dort findet, zu mir und brachte mich in nicht geringe Verlegenheit, denn es war mir ja hinlänglich bekannt, daß ein Kauka-sier etwas ebenso rasch auszuführen weiß, alö er es sich vorgenommen. (6r hatte früher mich gastlich in seinem Hause aufgenommen und mir zu Ehren ein Paar Schweine geschlachtet. Hier erhielt ich aber nur ein Paar .Hühner und Eier, nach seinem Gefühl von Ehrc viel zu wenig für einen Gast, der aus dem fernen Füengistan (Europa) gekommen sei. Als ich ein anderes Mal auf jähem Felsen einen seltenen Vaum erblickte und eben im Begriffe war, von ihm nur einige Zweige zu holen, trat mir mein Führer keck entgegen und duldete auf keine Weise, daß ich mich irgend einer Gefahr aussetzte. „Du befiehlst da über mich, wo irgend etwas zu deiner Freude geschehen kann, und willig erfülle ich alle deine Wünsche. Wo ich aber Gefahr für dich erblicke, schuldest du mir blinden Gehorsam, denn ich will nicht, dasi man mir dereinst vorwerfe, ich hätte nicht die nöthige Sorgfalt für das Leben meines Gastfrcuudes gehabt." Vald darauf brachte man den ganzen Vaum, von dem ich einige Zweige gewünscht hatte, abgehauen und legte ihn zu meinen Füßen. „Nun nimm, Herr, was dein Herz beliebt." Es mögen die wenigen Züge genügen. Aber auch die geschichtliche Wichtigkeit des Landes, was ich eben verließ, hatte von jeher l-Ka^ OdvsseuS'Irrfahrten, g meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Als noch in Asien die Cultur gehegt und gepflegt wurde, war der Kaukasus die gewichtige Mauer, über die die nahen Söhne des Nordens nur selten zu dringen vermochten. Jetzt aber pflegt der kalte Norden Knust und Wissenschaft und von Europa ans werden die übrige» Erdtheile einer bessern Gesittung entgegengesührt. Wie jetzt die europäische Cultur bereits jenseits des kautasischm Gebirges Wurzel gefaßt hat, so war die asiatische Civilisation vor fast eben so viel Jahren vor Christus, als wir nach Christus zahlen, umgekehrt bis in die jenseitigen Ebenen vorgedrungen. Indische Cultur blühte vor 30U0 uud mehr Jahren auf dem nordwestlichsten Ende deS Kantasus. Ein berühmter Reisender, Dubois de Montp^reur, versucht nicht ohne Glück, die Irrfahrten des Odysseus nach dein Schwarzen Meere zu versetzen. Mag man einwenden, daß der Sänger dcr Odyssee gewiß dann auch die Dardanellen und den Bosporus erwähnt haben winde, wenu die genannten Irrfahrten nicht westlich von dem Schauplätze des trojanischen Krieges, im Mittelländischen Meere, sondern zum Theil nördlich in dem Pontus Eurinus stattgefunden hätten, su ist doch keineswegs abzuleugnen, daß der Verfasser dcr Vn^o .'»uwui- lw c-luc.,50 mit viel Glück versucht hat, seiner Meinung Geltung zu verschaffen. Ist doch bei der gewöhnlichen Annahme eben so wenig Italiens gedacht. Es ist auch gar sehr die Frage, ob dcr Sänger der Odyssee die Inseln und Länder, von denen er spricht, selber genauer kannte und demnach wußte, wie und wo ste lagen. Nimmt man mehre Sänger an, so würden selbst einander widersprechende geographische Verstöße ihre Erklärung darin finden. Mit Vestimmtheit lassen sich eigentlich nur zwei Gegenden festsetzen: das Land der Lotophagen, wohin ein Nordwind trieb, und das Land des Gebietes dcr kimmcrischen Männer. Das erstere ist Aegyptcn, das andere dieKrim und die ganze Nordküste des Schwarzen Meeres. Wie bekannt, dachten sich die Alten Kimmerien als ein dunkles Land „ganz von Nebel umwölkt und Finsterniß, wo nimmer auf jcn' aufschauet Helios her mit leuchtenden Sonnenstrahlen." Kimmerien konnten die Alten ketneöwegs etwa nach dcr Eüdküste 4 ObysseuS'Irrfahrten. sl.Kav. Frankreichs versetzen; und doch müßte es dort gelegen haben, wenn Man Sicilicn für die Insel Thrinatia hält. Daß die zurrst genannte Insel in dcr That dereinst den Flamen Thrinatia führte, liegt allerdings außer allem Zweifel und möchte auch der einzige Grund sein, dasi man den Dd^ssens vom ^ande der Lotophagen, also von Acgyp-tcn aus, weit nach Westen hm in das Mittelländische Mecr verschlagen sein läßt. Aus dem Argonautenzuge wissen wir, daß den Alten das Schwarze Meer und seine Küsten bekannt waren, aber wir haben nirgends Kunde, daß sie zur Zeit des trojanischen Krieges oder kurz nachher mit Italien nnd Sicilien genauer vertraut gewesen wären. Es kommt noch vazu, dasi Kirke, die Schwester des Actes, Königs von Kolchis, in Aeäa wohnte und dasi Oovsseus von da anö nur einen Tag bedürfte, um nach dem Gebiete der kimmerischm Männer zn gelangen. Setzt man Aeäa in die Nahe Ciciliens, wie es häufig geschieht, so müsite der Sänger des elften Gesanges auch nicht die oberflächlichste Kenntniß von der Lage Kinnneriens gehabt haben. (5s kommt noch dazu, dasi die Schwester des Actes nicht mehre hundert Meilen weit von ihrem Vruder wohnen mochte, sondern wahrscheinlich in der unmittelbaren Nähe. AnKimmcricns Küste war das <5nde des tiefen Okecmosstromcs und der Eingang in das unterirdische Reich des Hades. Auf Taman mochten vor AttNN Jahren die mit Feuer verbundenen Auswürfe der dortigen Schlammvulkane wcit bedeutender als jetzt sein; diese konnten demnach leicht zur (Erklärung des Pyriphlegcton, jenes Stromes dcr Unterwelt, in den, Feuer floß, Veranlassung geben. Ferner ist die Sage von zusammenschlagenden Felfen im Snden des Schwarzen Meeres und am Ausgang des Thrakischen Bosporus, wie cö scheint, älter als die von denen bci Ekilirn. (§s ist mehr als wahrscheinlich, daß die älteren Sänger des Argonautenzugcs unter ihren Snmplc-gaden dieselben Felsen verstanden, die Homer mit dem Namen der Sknlla und Chawbdis belegt. Gewiß wurden ste erst später auf die Felsen der Meerenge von Sicilien übertragen. Wie gesagt, auf jeden Fall ist diese Erklärung, welche übrigens Duboio de Montpm'eur I'Kap.^ Strcifzügc der Kosaken. 5 einem französischen Philologen enllchnt hat, interessant und verdient weitere Berücksichtigung. Äuf meinem Schiffs, was mich von Taman nach Kcrtsch, der östlichen Halbinsel der Krim, bringen sollte, befanden sich auch einige Kokken, schöne junge Leute/Wclche vaterländische bieder sangen. Die Klcinrussm, zu denen man die ächten Kosaken rechnet, sind in ganz Rußland nicht allein wegen ihrer Vicbe zum Gesänge, sondern auch wegen ihrer Fertigkeit im Singen und der eigenthümlichen melodischen Stimme bekannt. In allen Kirchen der größern Städte Nußlands lind es Kleinrussen, welche die Kapelle daselbst bilden und mit ihrem Gesänge die Orgel vertreten. (5ö ist aber nicht immer die Stärke und das Metall, wodurch sich die Stimme des Kleinrusscn auszeichnet, sondern mehr noch der eigenthümliche melancholische Ton, der zum Herzen spricht, und die Frömmigkeit, so wie die Pietät, die allen ihren Gesänge» mehr oder weniger inwohnt. Ich spreche nur von dem ächten Kosaken, der wenigstens, wenn er auch nicht direct von venen am Don oder am Dnjepr abstammt, doch aus der Ukraine, einem alten kosakischen Besitzthume, seinen Ursprung ableitet. Tic Kosaken dcr frühern und jetzigen Zeit sind wesentlich von einander verschieden. Die des !0. und 17. Jahrhunderts spielten im Ostm unseres vaterländischen Erdthciles eine wichtige Nolle. Am Don und am Dnjepr hatten sich thatendurstige Männer ;n gemcius hastlichem Handeln vereinigt. Wie die Waräger und Wikinger im Norden zogm sie mil ihren leichten Fahrzeugen aus uud beunruhigten selbst den stolzen Herrscher Stambul's in der nächsten Nähe seiner Residenz. Trcbisond »ind Sinope (jetzt Einup genannt) unterlagen ihren Naubzügrn mehr als einmal; Kosaken bedrohten das heilige Srrai *) des damals allmächtigen Padischah unv plünderten in Kcnstantinopel. Die stolzen Herrschn' dcs Morgen-unv Abendlandes, wie die Sultane sich selbst nennen, gingen aus allen Kämpfen siegreich hervor, sprachen allm christlichen Nationm Hohn *) Eo, und zwar mit dem sch.nfen ,.s", spreche die Tlufe,, dac« Wcrt aus; die SchreibartTerail ist für uns salsch, obwohl von den Franzosen eingefühlt. El'm so heißt es Tnl'is>,'„d m!d nicht Trebizonve, Erserum nicht Cv^rum., y Streifziige der Kosaken. ^ l. Kap. und — fürchteten sich vor rincr Handvoll christlicher Abenteurer. Sie, die jeden Augenblick drohten, über Deutschland herzufallen, zwei Mal bis nach Wien vordrangen, vermochten den Räubereien der Kosaken im eigenen Lande nicht Einhalt zu thun. Nach einem solchen kühnen Einfalle, der den Sultan Murad sogar in den eigenen vier Pfählen bedrohte, soll dieser einstens ausgerufen habeni „Vor mir zittert die ganze Christenheit und ein Häuflein Kosaken verursacht mir schlaflose Nächte." Die Einfälle auf türkischem Gebiete dauerten selbst noch fort, als die Krim und die ganze Nordküstc des Schwarzen Meeres, also auch der Ausfluß des Dnjepr, den Sultan als ihren Herrn anerkannten und man alle Vorkehrungen getroffen hatte, dieKo-salen am eben genannten Flusse,*) die, weil sie jenseits der Wasserfälle desselben wohnten, den Namen Saporoger erhielten, abzuhalten. Kriegsschiffe verfolgten umsonst die kosakischen flachen Fahrzeuge nach den Mündungen der kleinen Flüsse, oder »lach den sumpfigen Usern des Nordens. Selbst die beiden Vestcn, Kinburn und Otschakoff sOcza-low), die an der Mündung des Dnjepr erbaut, den Aus- und Eingang bewachen sollten, vermochten eben so wenig, wie die große eiserne Kette, welche weiter oben quer über den Fluß gezogen wurde, die Kosaken von ihren Einfällen abzuhalten. In dunkler Nacht vernahmen die Wächter der Kette die Ankunft ihrer Feinde, und von beiden Seiten erdröhnten die Kanonen, nach der bedrohten Stelle gerichtet. Eö warm aber nicht die Tschaikcn, die Fahrzeuge der Kosaken, welche die Kette bewegt hatten, sondern große Baumstämme, die von den kühnen Abenteurern vorausgeschickt wurden und die ganze Ladung der Kanonen erhielten. Nun erst näherten sich allmälig und mit Porsicht die Kosaken und überschritten die gefährliche Stelle. Am Tage verbargen sie sich in dem Schilfe der morastigen Nfer oder besteckten ihre Fahrzeuge mit Schilf, um sich so den Blicken ihrer Feinde zu entziehen. Noch schwieriger war die Rückfahrt, die bei der Wachsamkeit *) Dieser Name des bekannten Flusses wud so aiiclgcsvroche», wie er hier geschrieben ist, nicht Dnieper, wie er sonst sogar in Geographien heißt. 1-Kap.i Kosakische Sänger. 7 der Türken den Dnjepr aufwärts nur mit der äußersten Gefahr geschehen konnte. Um diese zu vermeiden, gingen die Kosaken gewöhnlich durch die Meerenge von Kcrtsch in das Asow'schc Meer und von da den Don aufwärts bis zum Einfluß der Donetz. Wie weit sie dirsen Nebenfluß aufwärts fuhren, hing von dem Wasserstande ab. Sobald die Schiffsahrt nicht weiter möglich war, trugen die Kosaken ihre leichten Fahrzeuge, die oft nur aus ausgeholten Weiden oder Pappeln bestanden, auf den Schultern bis zuv Samara, einem Neben-fiuße des Dnjcpr und langte» so, oft erst nach drei, vier und selbst sechs Monaten, wiederum in der Heimath an. Ich setzte mich zu den Sängern und ließ mir von den Thaten ihrer Vorfahren erzählen. Der Kosak ist mit Necht stolz auf seine Geschichte, die wir leider zu wenig kennen. Ls wäre wohl d^r Mühe werth, daß Jemand die Erzählungen, wie sie im Munde des Volkes sind, sammelte; es würde gewiß manche Lücke in der Geschichte ausgefüllt werden. In den langen Winterabenden erzählt der Hausvater gern von dem, waö er erlebt, aber auch von dem, wa6 ihm in seiner Jugend berichtet wurde; so erbt sich die Geschichte der Kosaken vom Vater auf den Sohn fort. Nicht weniger sind es die Gesänge und Lieder, welche die Helden der Vorzeit und ihre Thaten besingen und zahlreiches Material zur Geschichte des Landes geben. Der Kosak, der mir berichtete, wurde allmälig lebendiger; seine Erzählung geschah in der Weise, als hätte er das, was er mir mittheilte, selbst erlebt. Wenn er von der nächtlichen stillen Fahrt sprach, wurde seine Stimme leiser, alS wenn die Wächter der Kette sie vernehmen könnten. Mit den Händen ahmte er und seine Gefährten das Plätschern der Nndcr auf hohem Meere nach; seine Stimme wurde lauter, wenn ein Sturm die leichten Fahrzeuge ergriff und sie oft gerade dahin schleuderte, wo sie kurz vorher erst den Spähern der Türken entronnen waren. Aengstlich schien er nach dem Schilfe zu greifen, was jede Tschaile mit sich führte, um dieser daö Ansehen eines Schilfwaldes zu geben. Wie er aber an den Nrbersatt selbst kam, sprangen alle Kosaken mit Geschrei auf, als wollten sie noch einmal den Ort überfallen, dun es im Gesänge galt. g Die Kosaken al6 Grcuzwächi^. ^I. Kap. Jetzt sind die Kosaken Grenzwächter des weiten russischen Rei-chcs geworden. In einem langen Streifen ziehen sie sich von der polnisch-pmtschcn Grenze und im Norden dreier grosien Reiche! der Türkei, Persiens und China's, bis an das große stille Meer dahin und schützen im Südcn ihr großes Vaterland gegen die Ginfälle räuberischer Horden, im Westen aber versperren sie den Culttirerzeug-nissen des übrigen Europa den writer« Weg. Die Nachkommen der frühern Kosaken reichten aber nicht aus, nm solche weiläufige Grenzen zu bewachen; so hat man im Verlause drr Zeit Bewohner aus andern Gegenden Nußlands und namentlich Kleinrnssen dazu verwandt. Aber auch außerdem wurden sogar nichtchristliche, aber kriegerische Stämme, wie Baschkiren, Kirgisen uno Kalmücken, zu Kosaken gemacht und verrichten nun mit den übrigen nicht allein dieselben Geschäfte, sondern haben auch dieselben Einrichtungen. Es that mir leid, dasi ich wegen, geringer Kenntniß der russischen Sprache nicht alles selbst verstand; zum Glück war aber der Führer des Pakctbotts ein Deutscher und ergänzte gern mir das, was mir entgangen. So verging die Zeit sclbst rascher als mir lieb war. Allmälig traten dic Conturen der gegcnübcrliegenden Küste deutlicher hervor und bald befanden wir uns in dcr halbmondförmigen Vucht des Hafens von Kertsch. Da der Wind aber gerade entgegen war, gelang es uns erst nach lang/m ^avirm im Haftn selbst einzulaufen. Vs hatte die Ueberfahrt vier Stunden gedauert. Zum ersten Male fand ich nach langer Entbehrung wieder ein deutsch eingerichtetes Wirthshaus. <5m deutscher Kellner nahm mir beim Nntritt dm Mantel ab und führte mich in ein sauber ausgestattetes Zimmer. Nur der kann dic Wohlthat der uaterlänvischm Wirthshäuser ganz erkennen, der eine, lange Zeit unter Völkern sich herumbcwegt bat, wo Wirthshanser noch nicht cristiren und wo man der freiwilligen oder unfreiwilligen Gastfreundschaft von Leuten, die oft kaum sin sich genug hatten, überwiesen ist. Monate lang wußte ich oft nicht, wohin ich meinHaupt des Abends legen sollte; Wochen lang wurde mir manchmal keine andere Nahrung gereicht, als saure Milch over ein? Hirsenpolenta, in dcr weder Butter noch Salz war. 1. Kap.^j Anflmft in Kitsch. 8 Kertsch ist cine neue Stadt, aber ein Gemisch von Italienischem und Russischem. Häuser mit flachen Dächern erinnern an das erstere, breite weitläufige Straße» und zum Theil ungepftastcrte Wege an das letztere. Im Ganzen gewährt die Stadt einen freundlichern Anblick, alS sonst kleine russische Städte zu geben vermögen. Sie soll jetzt gegen 1N,N00 Einwohner bcsitzm, eine Zahl, die gewiß sich mit der Zeit vergrößern wird. Aber erst dann verspricht Kertsch eine Bedeutung zu erhalten, wenn die Länder am Don sich einer größcrn Cultur erfreuen. So ist Kcrtsch zwar jetzt schon die Vermittlerin zwischen diesen und dem Süden, aber die Erzeugnisse der Donländrr sind noch so gering, daß die Ausfuhr gar nicht von Bedeutung ist. Die Don'schen Kosaken, die den wichtigeren untern Theil des Don« gcbietes einnehmen, bauen selbst nnr so viel Getreide, als sie zum eigenen Haushalte bedürfen. Außerdem leben sie einfach und haben, wenigstens der gemeine Mann, wenig oder gar keine Bedürfnisse. Die Tlliffc zu ihren Kleider,, machc» sie zum großen Theil selbst, oder erhalten diese aus russischen Fabriken. So beschränkt sich denn der meiste Handel auf die Erzeugnisse der nächsten Umgegend, aus Fische uuv Salz, die beide in den Orten nördlich am Asow'schcn Meere gegen Getreide eingetauscht wcrren. Großer Verkehr findet namentlich mit Taganrog statt, einer Stadt, die vor einigen zwanzig Jahren wichtig zu werden versprach, jetzt aber, seitdem Kertsch sich hebt, ihre Vedeutuug verloren hat. Das Salz wird in kleinen Seen, welche sich südlich von Kcrtsch befinden und von denen die größeren Opuk unv Tschokrek heißen, gewonnen. Fische werden getrocknet und als Heringe eingcsalzeu. Mehre tausend Tonnen gehen von den letzter« alljahrig nach dem Süden Nußlands. Auch Caviar wird bereitet. Da die Störe hier keine so bedeutende Größe besitzen, wie die am Ausflüsse der Wolga und dcö Kur-Arares, so sind auch die Caviarkörner kleiner, geben aber an Geschmack den Mrachan'schen durchaus nichts nach. Da, wo jetzt Kerlsch steht, blühte einige huudert Jahre v. Chr. Pantikapäon, die Ncsivmz der bosporanischen Könige. Die Bedeutung dieser gricchischm (iolome bat man erst in der neueren Zeit 10 DaS alte Pantikapäon. ^1. Kap. erkannt, wo man eine Menge Zeugen aus dem grauen Alterthume aufgefunden hat; sie wird noch gewinnen, je mehr man den Uebcr-blcibseln seine Aufmerksamkeit zuwendet. Leider hat man die kostbaren Zeugen jener alten Zcit, die man namentlich in Gräbern vorfand, zum großen Theil nach Petersburg gebracht und sie dort in der Eremitage aufgestellt. Ich für meinen Theil hätte cine vollständige Sammlung an Ort und Stelle passender gesunden. Ich habe die Sammlung in Petersburg zwei Mal gesehen und jedes Mal die Menge und den Reichthum bewundert. Es liegt nicht in meinem Zwecke über das, was man bereits gefunden, so »vie über die Geschichte des bosporanischrn Reiches genau zu berichten 5 ich will nur kurz mittheilen, waö ich hicr gesehen. Für mich war eö von großem Werthe, daß der Director des archäologischen Cabinetcs in Kcrtsch, Herr von Vlarcmbcrg, mir schon von früherer Zeit bekannt war und mit großer Freundlichkeit mich selbst mit allen Sehenswürdigkeiten bekanntmachte. Er theilte mir seinen Plan mit, dm er nach der Strabonischen Beschreibung des alten Pantikapäon für die Umgegend vonKertfch entworfen hatte und der mich, wegen der großen Uebereinstimmung der damaligen Angaben mit dm jetzigen Zuständen, in hohem Grade intercssnte. Kertsch liegt dicht am Hafen, während das Pantikapäon dcs Strabo aufHügeln erbaut war. DieAkropolis befand sich nach vorn, so ziemlich in der Mitte, während der Verg, wo sie stand, in» Süden der heutigen Stadt sich hinzog und mit einem unbedeutenden Höhen-zuge in Verbindung stand. Auf einer prächtigen steinernen Treppe erstiegen wir die erste Hohe, auf der das Museum für die geringern und schwieriger zu transportirendcn Gegenstände des Alterthums liegt. Es nimmt sich von weitem sehr hübsch mit seinen Säulen aus; leider verwendet man aber nicht die gehörige Sorgfalt auf sein Aeußeres, was um so wünschenswerthcr wäre, als das Gebäude selbst seiner Lage halber den Einflüssen des Wetters sehr ausgesetzt ist. Man erfreut sich oben angekommen einer herrlichen Uebersicht der nächste» Umgebung. Zufällig hatten auch gegen fünfzig Schiffe und unter andern ein preußisches, Anker geworfen und belebten das Bild. 1. Kap.) DaS Museum dcr Alterthümer. 11 Nach Süden und landeinwärts versperrten die Hohen selbst jede weitere Fernsicht, aber nach Norden breitete sich eine endlose graue.Steppe aus, die nur durch uralte Grabhügel, (Tumuli, Kurgan) wenig unterbrochen wurde. Eine Menge zerbrochener Bildsäulen und beschädigter Skulpturen lagen vor dem Gebäude; das Bessere hatte man in dem innern geräumigen Saale ausgestellt. Pon vorzüglicher Schönheit erschien, trotz seiner Beschädigung, ein Apollokopf, an dessen Wangen ein röth-licher Schimmer bemerkbar war. Außerdem war der Marmor blendend weiß und in hohem Grade feinkörnig. Noch mehr interessirte mich ein großer Sarg, ebenfalls von Marmor, dcr wohl dereinst einem andern von Holz alö Einschluß gedient hatte. Leider war er von den Türkm, den frühen Herren dieser Gegend, so verstümmelt worden, das? man von din Skulpturen nur wenig noch deutlich erkannte. Auf dem Deckel befanden sich zwei riesige Figuren, denen man aber die Köpfe abgeschlagen hatte. Daneben stand ein vorzüglich gearbeiteter Sarg aus Cedcrnholz, der hinsichtlich seines Schnitzwerkes mich lebhaft an die deutschen Truhen im Miltrlalter erinnerte. Einige Zicrrathm, die ich später durch einen Juden erhielt, habe ich dem archäologischen Museum in Berlin mitgetheilt. Ebenso Sandalen ans grauer Vorzeit. Die Masse einiger Vasen, die mehr vder weniger etrurische Formen besaßen, hatten Aehnlichkeit mit unserm Porzellan ; ebenso interessirtcn wich eine Art gläserne Geschirre, die sich durch ihre Leichtigkeit auszeichneten. Vor Allem jedoch nahm der ziemlich erhaltene Schädel eines zehn-bis zwölfjährigen Knaben meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch. Die sämmtlichen Knochen waren außerordentlich dünn, wie man sie sonst bei uns kaum bei einem ein- bis zweijährigen Kinde beobachtet. Das Merkwürdigste war aber die Länge der Stirnbeine, die ziemlich die Länge des ganzen Gesichtes hatten. Es erinnerte mich dieser Umstand einigermaßen an die Makrokephalen deS-Herodot. Wahrscheinlich mochte aber der Schädel von einem kranken Kinde sein. 12 Da<5 Miiseinil der Altcrthiimer. ^l. Kap. Seltsam »rar es dann allerdings, daß die Ausdehnung des Schädels nicht auch zu gleicher Zeit in die Breite zugcnommmen hatte. Unter den vielen Inschriften, die hier ausgestellt waren unv, N'enn ich mcht irre, zum großen Theil in dem ('«»-pus inscriptioinün von Vokh bekannt gemacht geworden sind, befand sich auch die, welche aus Tannin aufgefunden wurde und mit Bestimmtheit nachwies, daß das russische Großfürstcnthum Tmutorakan deS ltt. u. l 1. Jahrhunderts seinen Hauptsitz auf der Halbinsel Taman hatte. Vis dahin kannte man dessen Lage gar nicht »nd iocntifuirte Tmutorakan sogar mit Astrachan. Dieses Monument war das einzige mit alt» ussischcn Buchstaben, denn alle übrigen hatten griechische Inschriften. Dieses ruft sischc Fürstenthum im äußersten Süden war von Bedeutung, indem es Zeugniß giebt, wie weit damals russicher Nnfluß gegangen sein muß, wenn in dieser (5>«tfernung die russiche Macht nicht allein gedeihen, sondern sogar zur Blüthe kommm konnte. Vin Großfürst besiegte die Kasoghen lKosaken d. i. Tscherkesscn) und Issen (Offen oder Ossethcn) in einem entscheidenden Treffen und unterwarf sich diese beiden jetzt noch zum Theil widerstehenden Volksstämme. Außer diesen Monumenten fanden sich in dem Kcrtscher Mu-seuln nur noch wenige Spangen, Ringe und Ketten vor. Was ich sah, hatte eine bellgoldgelbc Farbe und schien aus dem reinsten Gold verfertigt zu scin. V's qkbt hier Zudcn, welche mcbr geheim als öffentlich Handel mit Antiquitättu, namentlich mit Munzcn, treiben. Früher war es ihnen streng untersagt; aber gerade dadurch wurde Vieles nach dem'Auslande vertaust, was man gern besessen hatte und für die Vervollständigung der Petersburger Sammlung auch von sehr großem Nutzen sein mußte. Durch die Bemühungen d?s Herrn von Blaremberg ist aber jetzt der Handcl unter der Vc-dingnng frei gegeben, daß alle Antiquitätcu erst dem hiesigen Museum zum Verkauf angeboten werden. Die Juden tränen aber noch nicht rechtz diesem Umstände und meiner Bekanntschaft mit dem Director hatte ich es wohl zn verdanken, daß alle Verkäufer hoch und theuer mir versicherten, für den Augenblick nichts zu besitzen. Aus verschiedenen minder werlhvollVn Steinen des Alterthums 1 - Kap.) DaS Museum der Merchmnel. 13 hat man dicht am Hafen einen Brunnen gebaut, der, abgesehen von seinem alterthümlichen Interesse, sich auch sehr gut ausnimmt. Dicht bei ihm liegen aber noch eine Menge Inschriften herum, aus die man der größeren Verstümmelung und Unleserlichfeit halber keinen weiteren Werth legt. Gs möchte aber doch Manches darunter sein, dessen Erhaltung man im Interesse der Wissenschaft wünschen könnte. Leider fehlt der nothige Namn, um auch diese Gegenstände gegen Wind und Wetter hinlänglich zu sichern. Von dem Musrum aus bestieg ich die vordere Hohe nach dem Meere zu, wo einst die Akropolis gestanden haben mag. Man findet aber hier wenig Spuren alten Gemäuers, dagegen nimmt ein klcmer Tempel der neuesten Zeit die höchste Stelle ein. Dieser Tem-Prl bedeckt das Grabmal rineö früheren Gouverneurs von Kcrtsch, mit Namen Stamkofföky. Durch ihn geschahen die meisten Ausgrabungen und Nachforschungen von Bedeutung. Die Wissenschaft verdankt diesem unterrichteten Manne mcmchr wichtig Eutdlckmig. Es scheint aber, alö wenn leider damals die russische Regierung noch nicht das Interesse wie jetzt an diesem Gegenstande gehabt hätte, denn eine Menge wichtiger Antiquitäten aus jener Zeit sind verschwunden. StamtoM, besaß selbst eine vorzügliche Münzensammlung, namentlich ans der Zeit der booporauischm Konige und vermachte diese nach seinem Tode einem Freunde in Paris. Als auch dieser starb, ließ der Kaiser Nikolaus die ganze Sammlung um einen bedeutenden Preis ankaufen; so wanderte diese nach der Eremitage in Petersburg, um dort im Interesse der Wissenschaft aufgestellt zu werde». Tie erwähnten Spuren eines Gemäuers liegen hinter dem bezeichneten Tempel. Man erzählte mir, daß hier noch vor kurzer Zeit ein Thurm gestanden, und daß der großeMiihridates daftlbstein Schlosi, von dem aus er zu seinen versammelten Truppen gesprochen, br-fcssm hätte. Man nennt den Berg deshalb noch heut zu Tage Berg des Mithndates. Das Gesteiu, aus dem der ganze Höhenzug hauptsächlich bcstrht, ist ein sehr weicher Kalk, aus der neuesten tertiären Zeit, der stincr Eigenthümlichkeit halber den Namen Kalk vonKertsch erhalten hat, meistens ader bei uns Eteppcnkall genannt wird, und 14 Begräbm'ßplllhe. ^!. Kap. sich auch außerdem auf der Halbinsel Krim häusig vorfindet. Er ist der leichten Bearbeitung halber ein vorzüglicher Baustein, und wird zu diesem Zwecke gewöhnlich in lange viereckige Stacke zersägt. Da wo Kertsch jetzt steht, war ohne Zweifel ein uralter Vegräb-nißplatz. Ein Menge Grabhügel, sogenannte Tumuli, ziehen sich außerdem namentlich in nördlicher Richtung hin, sind aber zum größten Theil bereits von Genuesern, Tataren, Türken und Nüssen so durchwühlt, daß nur wenige noch die ursprüngliche Ginrichtung zeigen. Nach Dubois des Montp6reur, der eine vorzügliche Beschreibung in dem oben genannten Werke geliefert, hat man in der ältesten milesischen Zeit die Gräber in den leichten Kalkstein gehauen. Später schloß man zuerst die Näume, in denen die Särge aufgestellt wurden, durch Mauerwcrk, deren Steine jedoch dutch keinen Mörtel mit einander verbunden waren, vollständig ein und überschüttete sie erst mitGrde, so daß ein kegelförmiger Hügel entstand. Ein solcher Grabhügel diente in der Regel einer ganzen Familie als Vcgräbnißplatz; wahrscheinlich wurde er um so höher erbaut, je vornehmer ein Besitzer war. Wenn man die Menge der Grabhügel, die sich Stunden weit hinziehen, sieht und bedenkt, daß die ärmeren Leute weniger kostspielig begraben wurden, und ihre Grabhügel daher schon in der kürzestrn Zeit wiederum verschwanden, daß daher alle noch zu unterscheidenden Grabhügel vornehmen Leuten angehörten, so muß man in der That über die Wohlhabenheit und den Reichthum des alten Panti-kapäon, der nördlichsten Colonie der Milesier, erstaunen. Seit Jahrhunderten hat man die Hügel durchwühlt, um Gold und Silber oder sonstige Kostbarkeiten aufzusuchen; und doch findet man noch bis in die neueste Zeit fast alljährlich Münzen, Spangen, Ringe und dergl., deren Arbeit nicht weniger unsere Verwunderung in Anspruch nimmt. Ich sah in Petersburg Ohrringe und Armbänder, die mit einer Kunstfertigkeit gearbeitet waren, daß sie noch jetzt einen Vergleich mit den Arbeiten unserer anerkanntesten Goldschmiede aushalten. Die Menge der Gegenstände, welche man noch findet, deutet aber auch auf einen Lurus der Frauen hin, den man nicht vor zwei I. Kap.) Vegvabnißplätze. 13 und drittchalbtausend Jahren in diesem entfernten Winkel der damals civilisirten Welt gesucht hätte. Herr von Vlaremberg hatte den Tag, als ich die Gegend der Grabhügel besichtigte, Leute ausgesendet, um Nachgrabungen anzustellen. Leider war aber keine günstige Stelle ausgesucht worden, denn wo man grub, fand man nichts. Wie es schien, hatte man zu verschiedenen Zeiten hier die Erde schon durchwühlt. Man fand die innern Gräber verschüttet, ja selbst die Gebeine durcheinander geworfen. Die Mächtigen und Stolzen, die einst hier begraben wurden, gedachten ihr Andenken der spätern Zeit zu erhalten; sie ahndeten "bcr nicht, daß ihre Gebeine dereinst profanen Händen preisgegeben würden. Das sind Früchte eines überhebenden StolzcS und Hochmuthes. Den Armen stört Niemand i» seinem einfachen Grabe; er wird zu Staub, aus dem er gmommen, durch Gottes Wcrk, ohne erst menschlicher Habsucht zu verfallen. Desto mehr interessirten mich die beiden großen Grabhügel, selche ohne Zweifel Königen ihren Ursprung verdankten und später deren Gebeine einschlössen. In dem größten stand der marmorne Sarg, von dem ich oben bereits gesprochen habe. Der Hügcl mochte ungefähr cincHöhe von 100, am Grunde aber einem Durchmesser von 150Fuß besitzen. Ein schmaler, 140Fuß langer, 10Fuß breiterund sehr hoher Gang führte zu dem innern viereckigen Naum von !5Fuß im Durchmesser. Nach oben sind die Ecken abgerundet, das Ganze läuft aber kegelförmig zu. Die Höhe mochte ungefähr 40 Fuß betragen. Die Wände zeigten gar keine Spuren mehr von irgend einer Verschönerung. Da auch sonst der Naum sich keineswegs der Reinlichkeit erfreute, so machte daö Grabmal einen höchst unangmehmen Eindruck auf mich. Kertsch besitzt mit der ganzen kleinen Halbinsel, auf deren östlichem Ende die Stadt liegt, einen besondern Statthalter, und zwar, während mciuer Auwcscnheit, in der Person des grusischen Fürsten Herheulidse. Dieser besaß eine Vorliebe für Deutschland, dem Lande, wie er sich ausdrückte, aller Erfindungen und tiefen Denker. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte er alies,was die Wissenschaft dort zu 16 Der Statthalt« von Kertsch. ^l. Kap. Tage förderte. Noch mehr ivar die Familie deutsch. Die Fürstin, in Dresden erzogen und selbst dadurch mehr oder »reuiger deutsch geworden, sprach mit ihren Kindern nur deutsch) der Unterricht fand ebenso in deutscher Sprache statt. Eine deutsche Erzieherin hatte die Heranbildung der noch jugendlichen Töchter übernommen. Den Fürsten intercsftrten anch die eigenen Umgebungen, namentlich in naturhistorischcr Hinsicht; ich sah bn ihm eine recht hübsche Sammlung von Mineralien, die hauptsächlich ans Verstrinerungen des Kcrtschcr Kalksteines, aus Polvvenstücken, die hier kegelförmige Hügel, ähnlich den Grabhügeln, oft mittcn auf freiem Felde bilden, «. m.A. bestanden. Mehr noch nahmen mich Muscheln, die zu Unio und Anadonta z:> gehören schienen, in Anspruch, da sie zum Theil mit den schönsten Nadeln eines blausauren (5isensalzes angefüllt waren. Nach den« Fürsten sollen diese Muscheln sich keineswegs selten in dem Sande am Ufer des Meeres vorfinden, besonders nach Norden zu in der Nähe eines Vorwerkes, wo auch eine Schwefelquelle von 1A" N, aus der Spitze eines Kalkhügcls vorkommt. Wen« in der Neise des Herrn Anatol von Drmidoff gesagt wird, daß von diesen Muscheln sich noch keine Ercmplarc in irgend einem europäischen Museum befänden, so ist dieses ein Irrthum, da ich dergleichen schon lange dem Verliner habe zukommen lassen undDubois de Montp<''reur bereits ebenfalls deren in seiner Sammlung besaß. Nicht weit von dieser Stelle ist auch cin Schlammvulkan, der sich von denen auf der Halbinsel Tama» nicht im Geringsten unterscheidet. Er bildet einen sehr breiten, aber nicht hohen und oben abgestntztcn Hügel. ^ 2. Kap.^ Pampas und Steppe. 17 Zweites Kapitel. Theodofla (Kassa) und Karaßubasar. Pampas und Steppe; die Halbinsel Kertsch und die Landzunge Arabat; Tatarm; Thecdosia; Herr v. Smitten; Kassa; Türkische Granscimkcitm; Verödung der Krim; die Häusei und die Lage von Theodosia; ein deutsches Wirthshaus; Krim'schc Weine; buntes Völkergewinc; die Juden; Voden-Verhältnisse; Schafheerde»; Kamele; Diligeuccn; Karasiu-Äasar; Handwerker; dcr Schirinftlsc». Den 17. September verließ ich Kertsch und eilte nach dem 13 72 Meile entfernten Theodosla. Der Weg führt in rein westlicher Richtung über eine durch unbedeutende Hügel unterbrochene Steppe. Diese unterscheidet sich aber wesentlich von denen in Ciskaukasicn und nähert sich mehr den amerikanischen Pampas. Unter diesem Namen Versteht man nämlich in Südamerika einen ebenen oder höchstens wellenförmigen Landstrich, dcm zum großen Theil die Quellen fehlen. Aus dieser Ursache findet sich nur zur Negcuzcit eine größere Vegetation vor, während zur heißen Sommerzeit sich die Gegend in völlige Wüste umgewandelt hat und kaum noch einige Kräuter und sparrigc Sträucher, die beide sich nicht des gewöhulichcn Pftanzengrüncs erfreuen, zu ernähren vermag. Der Boden besteht auf der ganzm Ostscitc der Krim meistens aus Kalk und Mergel und gehört der neuern tertiären oder Diluvialzcit au. (5s kommt noch dazu, daß wie in den ächten Wüsten, auch hier, ein nicht unbedeutender Salzgehalt dem Gedeihen der Pflanzen hinderlich ist. Die hiesige Steppe hatte ebenfalls ein graues Ansehen. Alle Pflanzen, die auf ihr, aber ziemlich gedrängt, vorkamen, besaßen wehr oder weniger eine graue Farbe und durchschnittlich nur die Höhc "nes Fußes. Es waren wenig Arten, die aber große Strecken einnahmen uud dadurch die Ginfönnigklit der Gegend noch unendlich vermehrten, wie Ccnecionen, Astern, Skabiosen, Malven, Umbellife-"n u. s. w. 5 Pflanzen die in Cistaukasicn die großcrn Kräuter auf den Koch, die Krim. 2 18 SteMnpflatizen. I/.'. Kap. Steppen bildeten, fehlten hier ganz. Hauptsächlich sah ich weißen Andorn und zivar Uul-iukium rioreßi-ilwin t. /^. c'lLlioum ^lill. Diese Pflanze ist es auch hauptsächlich, welche mit L^ii^oplii!!» den sogenannten Äurjan bildet, der in den Gesängen der Steppenbewohner und in den Erzählungen der kleinen Kinder daselbst eine große Nolle spielt. Ich werde später, wo ich Gelegenheit habe, specieller über die südrussische Steppe zu sprechen, des Purjan noch weiter gedenken. Nächst dem weißen Andorn ist es ein Veifusi, ^l'l^misw lüin'Üi,,^ 1../?. wul'ici» Li,, welche die am meisten verbreitete Step-penpftanzc in der hiesigen Gegend ist. seine Vlüthcnkörbchen b> sitzen einen intensiv-aromatischen Geruch und werden allgemein als Wurmsamrn, semon cin«L, von den Tataren benutzt. Was ich in russischen Apothckcn als Wurmsamen gesehen habe, unterschied sich von dem nnsrigen durch mehr ninvliche Nlüthcnkörbchen, ich ver^ mag aber nicht zu sagen, von welcher Pflanze er speciell gesammelt wird. Wahrscheinlich ist es ebenfalls eine von den vielen Varietäten der ^. i!ü>! iliiü.l I.., welche dieses in Rußland viel benutzte Arzneimittel liefert. Zu den übrigen Pflanzen, die ich hier in großer Verbreitung sah, gehört noch eine Flockenblume mit sparrigcn Aesten und kleinen Vlüthcnkörbchen, ^sntiiul-«^ cUliu5.5 l.:m,. Sie trägt ebenfalls bisweilen zu der Vildung des Vurjcm bei. Endlich habe ich noch unsern rothen Ohrentrost: OI00M05 i-udi-l ?0i-5,, zu nennen. Die kegelförmigen Hügel ziehen sich noch einige Meilen über Kertsch hinaus 5 nach Dubois dc Montpöreur sind es zum großen Theil nicht Grabhügel, sondern Polypenstöcke. Vci der ersten Station Sultcmofska beginnt das Lan? sanft wellenförmig zu werden und man nähert sich der unbedeutenden Erhebung, welche sich »lehre Meilen weit westwärts hinzieht. Hier war in der spätern Zeit die Grenze des Reichs der bosporanischcn Könige, deren Besitzungen sich in der Negel mehr auf der andern Seite des Bosporus ausbreiteten. Die Erhöhung zieht sich selbst noch in das Asojssche Mecr hinein und bilvet dort die schmale Landzunge von Arabat. Ans ihr führt eine Straße nach dem südrussischen Fcstlande, die hauptsächlich von Kert- -.K^ Tataren. 1l> scherKauflmten benu^t wird. Zwischen der genannten Landzunge und d"' ngentlich Krim'schen Halbinsel liegt das Faule oder Todte Meer, ^ gmannt, wegen seines morastigen, im Sommer iibelriechcnden und ungesunden Wassers. Große Schilfwälder ziehen sich in ihm dahin und dienen einer Meng? Sumpfvögel zum Soinmeraufenthalte. Dir Erhöhung ist fruchtbarer als die Ebene, welche ich eben durchfahren hattc, und dient hauptsächlich den Tataren als Weide sür ihre zahlreichen Heerden. Die hiesigen Tataren oder Noghaier untcrschisden sich wesmtlich von denen der kautasischen Nordseitc, in« ^"n sir sich ,v<.it mchr ihr ursprüngliches Gepräge in Physiognomie nnd Körperbau erhalten haben. Eic besaßen obue Ausnahme eine kurze und gedrungene Figur, ein runocs aufgedunsen^ Gesicht und ichlichtes, schwarzes, aber glanzloses Haupt-, jedoch wenig Varthaar. Die Augen warm geschlitzt und die Pupille kounte man fast gar nicht vom dunklen Augenringe untsrschei^en 5 bride bildeten einm l'einrö-we^s angenehmen Contrast mit dem gelblichen Weis; des übrigen Auges. Die kurze und gcdruugene Nase, zum Theil aufgeworfmc Lippen und ein nur wenig hervorragendes Kinn trugen eben so wenig, wie der kurze Hals und die wulstigen Glieder, zur Verschönerung des wenig über 5 Fuß im Durchschnitte hohm Körpers bei. Und doch findet man, namentlich Mädchen von siebzehn bis zwanzig Jahren, die, trotzdem im Allgemeinen sie sich im Aenßern von ihren Landslenttn nicht unterscheiden, nicht allein den Anspruch auf Schönheit machen, sondern ihn selbst auch verdimeu. Das gewöhnliche Gelb der Haut besitzt bei diesen riuen so zarten Teint uud scheint von leichtem Karmin wie angehaucht, so daß es gar nicht so sehr uuangcnchm auffällt, wie es soust bei den ältern Frauen der Tataren der Fall ist. Selbst die geschlitzten Augen, weun man einmal sich an sie gewöhnt hat, und die Milde, die sich in ihren Blicken cmsspricht, vermögen wohl auch Männer Indoeuropäischen Stammes zn gewinnen. Wenn aber cme junge, früher noch so schöne Frau erst ein und zwei Kinvcr gehabt hat, so verlieren sich nicht allein schnell ihre Reize, sondern es macht sich allmälig auf dem Gesichte eine solche Häßlichkeit geltend, wie man diese bei uus fast nie findet. Frauen von dreißig Jahren haben 2* 20 Tataren. ^2. Kap. das Ansehen, als warm sie Matronen, die im Leben schon viel erduldet haben. Gin interessanter Umstand ist es, daß die hiesigen Tatarm nicht den Dialekt ihrer Landsleutc am Kaukasus sprechen, sondern eine Aussprache besitzen, dic sich von der in Konstantinopcl nur wenig unterscheidet. Ueber die Stationen Arghin und Propatschkaja fährte mich mein freundlicher Postillon nach Thcodosia. Die Postanstalten sind in der Krim und allenthalben da, wo der Fürst Woronzoff einen Ginfluß besitzt, vorzüglich. Anstatt der mnldenfminigen Wagen erhält man hier eine kleine Art Holsteincr. Die Sitze fehlen aber doch; man ist gezwungen, sich auf Heu zu legen oder mit seinem Gepäck es sich so bequem zu machen, als es eben geht. Die Pferde wurden auch nicht so kurz angespannt, lvie es im übrigen Nußland der Fall ist. Man sah, daß man hie und da etwas Gutcö von den deutschen Colonicn, die sich in der Krim vorfinden, angenommen hatte. Dadurch unterscheiden sich die Krim'schm Tataren wesentlich von den Vcwohncru Transkaukasiens, wo Tataren und Grusier (Georgier) Jahre lang in elendem Schmutz und Armuth neben deutschen Colonistrn wohnen, täglich deren Wohlstand sehen, und doch gar nichts von dem, was ihre Lage wesentlich verbessern konnte, annehmen. Da man in der Negel allein rcis't, so ist das Meisen auf der Post in Nußland doch nicht so wohlfeil, als es scheint. Im Durchschnitt kommt die Meile acht Groschen zu stehen, einen Preis, den ich in Deutschland nur für die Schmllposten bezahle, aber dabei doch cinc ganz andere Bequemlichkeit erhalte. Die Sonne, ging eben unter, als ich in Theodosia ankam und wiederum in einem deutschen Wirthshause ein recht gutes Unterkommen fand. Zum ersten Male nach langer Zeit sah ich endlich einmal auf meinem Lager ein weißes, linncnes Tuch ausgebreitet und das Kopfkiffen weiß überzogen. In Kcrtsch war es mir noch nicht so gut gegangen, obwohl ich bereits schon cinc Matratze und ein mit Leder überzogenes Kopfkissen erhalten hatte. WaS das für cin Genuß für Jemand ist, der diese Bequemlichkeit und Reinlichkeit so 2- Kap.) Theobosia. Hl lange entbehrt hat, kann der gar nicht fühlen, welcher dieMarlcu unseres Vaterlandes nicht überschritten. In dm Ländern dieser und der vorigen Neise, selbst in Tistis in den WirlhShänsern und sonst l« den Konaks, bietet man dem Gaste eine etwas erhöhte Stelle zum Lager an und überläßt es ihm, sich dieseS außerdem nach seiner Vequcnllichfcit zurechte zn machen. Zu meiner großen Freude fand ich in Theodofia außcr zwei Niga'schcn Kaufleute!,, noch einen Tifliser Bekannten, Herrn von Smitten. Wir vereinigten uns schnell zu gemeinschaftlicher Ncise. l.s war niir um so angenehmer, als ein langer Aufenthalt unter ganz fremden Menschen, von deren Sprache man kaum einige Brocken ^"stcht, zuletzt doch langweilig. ja selbst unangenehm werden kann, zumal wenn, wie jetzt, der Hauptzweck kein anderer ist, als die grosie Strecke Wi'gcS zurückzulegen, „m in dic Heimat!) zn gelangen. Theodosia odcr Flodosia, wie die Russen, die das griechische „Th" stets wie „F" aussprcchen, die Stadt nennen, ist, wie sie jetzt steht, neuern Ursprunges und verdankt den Nüssen ihre Vrbauung. Aber schon 5Nl) Jahre vor Christus rnstirle, wahrscheinlich ans der nämlichen Stelle eine milcsischc Colonie, die dmsclbm Namen sührte. Sie war bald dm boöManifchm Königm oder dein Freistaat Chcr-son zinspflichtig, bald aber auch unabhängig, erhielt jedoch niedieVe-dentung, welche Pantikapäon besaß. In den ersten Jahrhunderten nach Christus kam vic Stadt in Verfall und scheint in den ersten Zcitm der Völkerwanderung ganz und gar zu Grunde gegangen zu sein. Erst im 13. Jahrhundert, als die Mongolen sich der Krim bemächtigt hatten, wurde auf derselben Stelle eine Stadt, Kapha odcr Kassa genannt, erbaut, die bald darauf die Genueser in Äesitz nahmen. Unter diesem mächtigen Freistaate blühte Kassa rasch empor, so das? die Stadt schon ein Jahrhundert darauf mehr dmn I UU,00U Einwohner zählte und den Namen des zweiten Konstantinopel erhielt. Kaufleute von Kassa führten Handel bis tief in das kaukasische Gebirge und selbst bis jenseits des caspischcn Meeres. Im dreizehnten bis fünfzehnten Jahrhundert scheint diese Colo-nle der Genueser selbst der Muttcrstadt an Macht und Reichthum 32 Kassa. » Kap. nicht nachgestanden zu haben, aber trotzdem erhielt sie fortwährend anö Genlta ihren Statthalter. Während dieses in innern Fehden seine schönsten Kräfte vergeudete, oder im Kampsc mit dem stolzen nnd gleich mächtigen Vmcvig nicht selten darniederlag, erweiterte Kassa von Iahrhnnvlrt zu Jahrhundert scinc Besitzungen, so daß allmä-lig die wichtigsten Hasenpläl^e nn der ganzen Cndknste des Schwarzen Meeres in seine Gewalt tamen. Doch die Eroberung Konstan-tinopels l^53 durch die Türken war für Kassa das Vorzeichen des eigenen Unterganges. Neun Jahre später sir! Trebisond in die Hände desselben Eroberers, M'ohamed ll. Nachdem wiederum dreizehn Jahre verflossen warm, übergab sich das reiche und mächtige Kassa, ohne sich nur im Geringsten zu wehren, dem allgemeinen Feinde der Christenheit. (?ö giebt wohl außer dem maeedonischeu Alerandcr, den erstell Chalisen nnd den spätern Mongolen wcnig Konige, die in der kurzen Zeit von zweiundzwanzig Jahren solche blühende und mächtige Städte, von denen zwei die Residenzen grosier Reiche waren, so verwüsteten, wie der grausame Mohamcd ll, Kaffa hatte sich freiwillig der Gnade übergeben. Seine Einwohner wollten dem Schicksale Konstantinopels und ?rebisond's entgehen und trautcn moslemitischen Worten. 'Als wen» nicht genug warnende Zeugen des schändlichsten Verrathes und der gemeinsten Trenlosigkcit vorausgegangen warm ! Die Stadt erhielt Gnade, aber 40,000 (5inwol)ucr mußten uach dem verwüsteten Konstantinopel übersiedeln nnd 17,00 Knaben wurden ihren Müttern entrissen, nm dem Großherrn und den übrigen Mächtigen des Neicheö zn gemeiner Wollust zu dienen. Alle Sclavm nahmen die neuen Herren in Anspruch. Cs durste nicht geplündert werden, aber man zwang die unglücklichen Bewohner, die Halste ihres Vermögens auszuliefern. Doch dieses alles war nur der kleine Anfang von dem, »ras in den nächsten drei Jahren geschehen sollte. Der Tatarchan Mengli Ghirei, derselbe, der erst durch die Macht der Genueser auf den Thron gehoben war, vollendete bald die Grausamkeiten, die die Türken in dieser Zeit schon gethan. Schilvernngm aus der damaligen Zelt übcr-irch'm Alles, was mau sonst in der Weise vernehmen kann. (5s 2. Kap.) Kaffa. 33 stossen im vollen Sinne dcs Wortes Ströme von Vlut. Schiffs, gefüllt mit genuesischem Golde und genuesischen Kostbarkeiten gingen nach Konstantinopel. Doch was die thörichten Bewohner Kaffa's nicht gethan, das thaten die kleinern Orte und Vesten. Sie wehrten sich mannhaft gegen die hcranstünnenden Massen und fielen lieber im offenen, wenn auch hoffnungslosen Kampfe, als dasi sie sich einer solchen Gnade ^reiö gaben. Die grausamen lind treulosen Anhänger des Islam sollten von Neuem sehen, das) Christen auch todeS-muthig für ihren Glauben sterben konnten. Wenige Mann trotzten in Mangup der Wuth eines sieggewohnten Tyrannen und der bedeutendsten Uebermacht. Nachdem Alles geraubt und geplündert war und keine Schätze mehr aus dem früher reichen Kaffa nach Konstantinopel gingen, glaubte der stolze Padifchah, daß es nur seines Winkes bedürfe, um von Neuem die Stadt zum Sammelplatz asiatischer Reichthümer zu machen. Doch mit der Ermordung und Vertreibung der Genueser war aller Handel verschwunden. Vergebens waren alle die Vergünstigungen , deren sich von neuem die Stadt Kaffa erfreute. Wo einmal Verfall sich geltend macht, da vermag am wenigsten des Menschen Wille ihn aufzuhalten. Vinnen wenigen Jahren war bereits um Kaffa alle Cultur verschwunden. Eine traurige Oedc trat an die Stelle des frühern regen Lebens. Anstatt der Menschen zogen alsbald Schaft längs der Küste hin und nährten sich von den Kräutern dcr neu entstandenen Steppe. Nun ist die Krim russisch geworden. Schon Katharina II. erkannte das große Gewicht der Halb-infcl und glaubte sie Heden zu können. Mit geringen Unterbrechungen versuchten auch die Kaiser Alexander und Nikolaus ihr den frühern Glanz wieder zu geben; weder Opfer noch Anstrengungen wurden gescheut. Aber nur sehr langsam geht es vorwärts. Die Geschichte sagt uns, daß Städte, einmal zu Grunde gerichtet, nie ihren alten Glanz wieder erreichen. Es können neue Orte an die Stelle der alten treten, aber diese scheinen von nun an verdammt, unbedeutend zu bleiben. Vor wenig Jahrzehnten wnrdc Odessa erbaut; ihm scheint eine Zukunft bevor zu stehen. Odessa hat bereits den ganzen 84 Die Krim. ^2. Kap. Handel mit Südrußland an sich gezogen; trotz der weniger Vortheil-Haften Lage vermag doch keine Stadt auf den weiten Küsten des Schwarzen Meeres jetzt nur einigermaßen zu rivalisircn, alle sine selbst mehr oder weniger von Odessa abhängig. Theodosla bat dasselbe Geschick, wie Taganrog; man verwendete vor dreißig Jahren alle Sorgfalt auf seine Merkantilische Entwickelung. Aber plötzlich hielt man Kertsch für einen günstigeren Stapelplatz; ! damit wurde auch die Sorgfalt auf diese. Stadt übertragen. Jetzt haben die Engländer in ihrem mit Franzosen und Türken gemeinschaftlichen Kampfe die Wichtigkeit der Krim in politischer und strategischer Hinsicht erkannt. Die Krim von dem russischen Neichc trennen, heißt, trotz ihres sonstigen geringen Gewichtes in merkantilischcr und landwirthschaftlicher Hinsicht, doch so viel als diesem für sein Ucbergcwicht in Vordcrasien die Pulsader durchschneiden. Rußlands Streben, was schon Peter der Große erkannte, ist nach Süden gerichtet. Um dort Voden zu gewinnen, unternahm Katharina II. kostspielige und gefährliche Kriege. Man weiß in Petersburg zu gut, dasi einem russischen Großfürsten einmal das morgenlänbische Reich angetragen wurde. Die Zeit wird uus lehren, welche Erfolge die Verbündeten im Suden haben werden. Für den Handel ist Thcodosia unendlich wichtiger als Seba-stopol. Eine bequeme Straße führt nach dem Innern der Halbinsel, die im Osten der Cultur auch zugänglicher ist, als im Westen. In das nahe Ai'ossschc Meer mündet der Don; noch näher ist der Ausfluß des Kuban. Eine Verbindung mit den den Nüssen feindlichen Bergvölkern ist sehr leicht. Das alles sind Momente, die den Besitz Theodosia's namentlich für dic Engländer außerordentlich wichtig machen, zumal auch Theodosia wegen der nahen Anhöhen sich auch weit leichter gegen ein Landheer vertheidigen ließ, als Sebastopol. Aber trotzdem würde die Behauptung der ganzen Krim, und auch nur eines Punktes, selbst für Engländer und Franzosen zu den größten Schwierigkeiten gehören. /Theodosia macht einen freundlicheren Eindruck als Kcrtsch, schon deshalb, weil es nicht so weitläufig gebaut ist. Die Häuser ziehen 2. Kap.) Die Knm. 28 sich, einem Halbmonde gleich, um dm geräumigen Hafen herum und besitzen italienische Formen und Einrichtungen. Ohne Ausnahme fast sind sie sämmtlich mit überbauten Gängen oder mit Valkonen versehen und haben flache Dächer. Die Straßen erscheinen ziemlich breit und sind sämmtlich gepflastert. Während auf der Innenseite des Häuser-Halbmondes das Meer begränzt, so zieht sich auf der äusiern Seite cine zusammenhängende Neihe von Hügeln herum. Diese gehören der östlichen Abdachung des Krim'schcn Küstengebirges an und bestehen aus Mergel und Kalk, ebenfalls tertiären Ursprunges. Leiber boten sie sämmtlich ein nacktes graues Ansehen dar; und doch sagt uns die Geschichte von prächtigen Gärten der reichen Genueser. Das alte Kassa kann übrigens auf keinem Fall auf den Naum, den jetzt Thcodosia einnimmt, beschränkt gewesen sein, und zog sich gewiß noch über den Hügeln hin weit in die Steppe hinein. Von Uebcrblcibseln aus der alten griechische» Zeit ficht man gar nichts; «ach den Berichten hiesiger Einwohner hat sich auch nichts vorgefunden. Was aus der Gnechenzcit auf dem hiesigen Museum aufbewahrt wird, wurde bciKcrtsch und anderswo gefunden. Wichtiger sind die Monumente, welche aus der Genueser Zeit stammen. Man fangt leider erst jetzt an, auch deu nicht griechischen Alterthümern mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Sichtbar sind noch Ruinen auf den Hügeln, die das Horn des Halbmondes um den Hafen an seinen beiden Enden begränzen. Der Thurm, auf der Seite nach Kcrtsch zu, ist zwar klcin und oben abgestutzt, besitzt aber außerordentlich feste Mauern. Auf der entgegengesetzten Seite sind die Ruinen weniger erhalten, scheinen aber von größerm Umfange gewesen zu sein. Unser freundlicher Wirth setzte uns ein gutes deutsches Mittagsessen vor. Ich hatte so viel von den Krim'schcn Weinen gehört, daß ich wohl begierig war, den Rebensaft da, wo er in der nächsten Nähe bereitet wurde, kennen zu lernen. „Was befehle» die Herren für Wein?" war die Antwort dcö WirthcS auf unsere Anfrage. „Wünschen Sie Forster-Trammer, Iohannisbcrger, oder Leistcnwein? 29 Krim'sche Weine. ^2. Kap. Oder sind sie weniger patriotisch und geben dem Getränke ans französischen, spanischen »der lapischen Reben erzielt, den Vorzug? Ich rathe Ihnen dann einen gräflichen Vorveaur von ausgezeichnet« Gute." „Nicht fremde Weine wollen wir, lieber Landsman», fondern Krim'schcs Getränk" entgcgncten wir. „Ich sehe, meine Herren," erwiderte wiederum der Wirth, „daß Sie zum ersten Male in der Krim sind, denn sonst würden Tic wissm, daß dic sämmtlichen Weine, die ich angeboten habe, aus Trauben bereitet werden, die m der Krim reifen. Unsere Wttnbergsbesitzer haben sich nämlich mit großen Kosten die bessern Nebeusol ten aus allen Ländern, selbst aus Amerika, kommen lassen, nennen cibn' fortwährend den gewonnenen Wein nach den Neben, die die Trauben geliefert haben. S>' isi mein Rheinwein nicht am Nhcinc bereitet, sondern auf der Südküstc und zwar, wie gesagt, nur von Rebmsorten, die uom Nheine bezogen wurden. Da der Graf Woronzoff—damals war er noch nicht ssürst— den besten Wein erzielt, so giebt man jeoem guten Weine auch dcn Namen des gräflichen, selbst wenn er nicht auf gräflichen Weinbergen erzielt ist." So eines Bessern belehrt, tranken wir der Ncihc nach die renommir-tcstcu Sorten: Iohannisbergcr, Steinwcin, St. Julien, Champagner, Madera , Cap-Wein und fanden auch zum Thril, zumal für Icmanv, der längere Zeit in Asien grade nicht in der Auswahl verwohnt war, ein gar nicht übles Getränk, das aber jedoch nicht die geringste Arhnlichteit mit den Sorten, deren Namcn sie führten, besaß. Das Einzige, was sie gemein hatten, war der Preis, denn bei einem Preise von zwei Rubeln damaliger Assignaten (gegen 2N Sgr.) waren die Weine nicht einmal 'niltelmäsiig zu ucnnen. Für die etwas bessern zahlten wir einen Silbenubel und mchr, also über I Thaler. Wenn in der Krim die Zahl der verschiedenen Völkerschaften auch nicht so groß ist, als auf dem kaukasischen Isthmus, so würden gewiß jedem Fremden die verschiedenen Trachten, die man in Theodo-sia sieht, anffallen. In den Städten, demnach auch hier, sind die Beamten mit wenigen Ausnahmen Russen, die reichern Kaufleute aber Gnechen und Armenier, bisweilen Italiener, die ärmeren hingegen Juden, die Handwerker endlich meistens Deutsche. Außerdem 3. Kap.) Abreise nach T^iuvhevopol. 2? sieht man auch hier und da einige Zigeuner. Die ursprünglichen Bewohner der Krim, die Tataren, dir auch in der Umgegend von Theodosia, so wie in der ganzen Ebene dieselbe Physiognomie und Körperconstitution besitzen, wie ich sie sniher beschrieben, ziehen mit wenigen, alsbalo z« erwähnenden Ausnahmen, mit ihren Schaf-und Ninderhcerden, so lange als möglich hn'um und bringen den Winter i» elenden Dörfern zu. Seitdem die Nüssen von der Krim Besitz genommen, haben die Tataren einen Theil ihres Grundes und VodenS, und zwar in der Regel den bessern, den Ansiedelungen anderer Völker abgetreten. So hat man unter Anderm aus dem Innern Nußlands eine Menge Juden übergesiedelt und diese armen Leute, die nur für den Handel geboren zu sein glauben und in Rußland noch mehr als bet uns alle Arbeit scheuen, gezwungen, grade eine Beschäftigung , gegen die sie die größte Abneigung besitzen, die Land-wirthschaft, zu treiben. Man hoffte russischerleits, sie amGrsien von ihrem vagabondirendcn Trciben durch cine bestimmte Lebensart abzubringen ; allein die Nachkommen Abrahams ziehen sich Mmälig in die Städte und werden dort bald dieselbe unerträgliche Last, wic sie im westlichen Rußland allmthallmi da sind, wo sie sich einmal eingenistet haben. In der Umgegmo von Theodosia enstiren einige deutlchc Colonien, dir damals erst ansingen, etwas zu gedeihen. Man erkennt die Deutschen immer schon von Weitem an ihren Wagen, die gegen die plumben einheimischen ein wahrhaft zierliches Ansehen haben. Nach Tische setzten wir unsere Neisc nach Sympheropol, dem Hauptorte des taurischen Guuernements, fort und legten die ganze Strecke von hundertundacht Werst, also von 15^ M., innicht weniger als acht Stunden zurück. Svmpheropol liegt im Norden des Krim-scheu Gebirges. Aufunserm Wegedahin ließen wir das letztere zur Linken liegen und betraten alsbald wiederum die offene Steppe. Ich hatte von der Fruchtbarkeit der Krim so viel gelesen und noch mehr ge-hvrt, daß ich in der That mich gar nicht zu Necht finden konnte, auf dem Wege mitten durch die Halbinsel nach genannter Hauptstadt anstatt eines fruchtbaren, mltivirtm Bodens zum großen Theil 28 Krim'sche Schaft. ft. Kap. traurige Pampas zu sehen. Den Namen Steppe verdienen in der That die Landstriche zwischen Thcodosia und Sympheropol, wenigstens im Herbste, nicht. Wenn schon der Vodcn der Halbinsel von Kertsch ein fahlgraucs, unfreundliches Ansehen hatte, so erschien dieses in noch weit höherem Grade mitten in der Krim. 'Zwar sah ich hier noch dieselben Pflanzen wie dort vorherrschend, aber sie hatten ein ärmlicheres Ansehen und standen nicht so gedrängt. Es kam noch dazu, daß je mehr nur uns Svmpheropol näherten, der Voden aus blendend weißem und leicht zerrciblichcm Kalke bestand und nur hier und da von einer schwachm Ackerkrume bedeckt erschien. Durch Wind und Wetter war die Oberfläche schnell verwittert und ein feiner Staub wurde voni Winde uns entgegen getragen. Wenn nun schon der Anblick einer solchen blendend weißen Kalkssäche auf das Auge sehr unangenehm einwirkt, so ist aber der in der Luft hcnonfliegende Kalkstaub noch um so peinlicher, als er sehr leicht langanhaltende Augenentzündungen hervorruft. Selbst die mehr daran gewöhnten Vewvhncr der Steppe leiden nicht selten, lind zwar selbst epidemisch, an der sogenannten ägyptischen Augenentzündung. Wo eine Quelle dem Voden entfloß, sah es auch freundlicher uud grüner aus. Dergleichen fruchtbare Stellen, wahre Oasen, kamen aber nicht den Tataren, den ursprünglichen Vesitzern der Krim, zu Statten, sondern, da dicsc keine feststehenden Wohnungen darauf besaßen, hatte man sie für herrenloses Land erklärt und russischerseits in Besitz genommen. Russische Edelleute benutzen dergleichen Oasen jetzt zu Gütern oder auch nur zu Vorwerken. Hier und da begegneten unö Echafhrerden oft von ll)0U und mehr Stück; die Schafe hatten jedoch kcineöwegö das gute Ansehen, wie ich eö in Ciskaukasien bei den dortigen Noghaiern gefunden, und schienen mehr oder weniger ausgeartet zu sein. Sie standen auch hinsichtlich ihrer Gestalt zwischen den sogenannten Fcttschwänzen uud den jetzigen russischen Steppenschafcn Mitte inne. Der Schwanz war nur an der Vasis mit Fett umlagert und verschmalcrte sich nach der Spitze zu, so daß er ein pyramidenförmiges Ansehen hatte. Die meisten Schafe besaßen eine schmutzig-gelbliche Farbe z viele waren 2. Kap.) Kamele. n. Leider schmieren die Tataren die Nader ebcn so wenig, wie die nomadisirenden Völker Asiens. Ein für unsere Ohren unausstehliches Knarren ertönt in der endlosen Ebene, wenn die Wagen in Vewegung gesetzt werden. Die Ursache liegt in religiösem Aberglauben, wornach eincstheils rechtschaffene Leute nicht Ursache haben, still cinherzuwandern und sich uor dem eigenen Geräusche zu fürchten, andcrntheils dürfen Mohamedaner sich nicht des Schweinefettes bedienen; Hammel- oder 3tindcrfctt würde aber nicht dieselben Dienste thun. Die hiesigen Tataren scheinen industriöfer als ihre Landsleute jenseits des Kaukasus zn sein. Sie haben sich nämlich nach Art dcr Deutsche» eine Art überdeckter Rollwagen erbaut und unterhalten mit diesen cine fortwährende Verbindung zwischen Iheodosia, Kara-ßubasar und Eympheropol. Für wenige Groschen macht man auf ihnen große Strecken. Auf dem ganzen Wege von lii'/i Meile liegt ein großes Tatarendorf, waö I5,0t)l1 (Einwohner haben soll. Es führt den Namen nach dem Flüßchen, an dem eö liegt, Schwarzwasser-Markt (und nicht Nothwasftr-Mavkt, wie Kühl meint,) denn diests bedeutet das tatarische Wort Karasmbasar. Man sieht sich hicr auf einmal wiederum mitten in den Orient versetzt, ja selbst mehr als fast in allen grusischen und sonst transkaukasischen Ortschaften. Katharina II. überlieft den Tataren nur zwei Orte, Karasmbasar und Vaktschi-Sarai, in denen diese ungehindert in ihrer Weise leben konnten. Vis jetzt hat man das Versprechen der großen Kaiserin heilig gehalten und fortwährend dürfen nur Tataren die beivcn Orte bewohnen. Gs erinnerte mich in der That auch Karasüibasar an Trcbisond, wenigstens an die eigentliche innere Stadt. Enge »nd krumme Straßen, durch die man aber doch zum Theil fahren konnte, finden sich auch hicr vor. Hohe wcißc Mauern schließen den Hofranm gegen die Straße ab; hinter ihnen liegt das Wohnhaus der Familie und ein Garten, in dem die weiblichen Glieder, ohne von fremden männlichen Augen erschaut zu werden, sich der freien Natur crfrcum können. 2. Kap^ Karaßu-Vasar. 81 Karaßubasar ist reich an Moscheen, deren zwei und zwanzig vorhanden sein sollen, nnd an Minarehs, von denen ich sieben zählte. Die erstern stellten meistens große viereckige Näuine dar und zeigten, wenigstens von außen, nur weiße Wände, dir letzttrn hingegen waren außerordentlich schmal «nd zierlich nnd nahmen sich zwischen dem Häuscrgewirre lind dem frischen Grün der Gärten ganz eigenthümlich ans. Malerischer ist unberingt ein solches tatarisches Dorf, als eine russische Stadt, wo leider die nicht selten großen nnd sonst hübschen Kirchen und Thürme durch ihre bunten Farben keinen angenehmen Eindruck hinterlassen. Wie in Tiflis und sonst im Oriente führt das männliche Geschlecht auch in der kleinen Tatarei, denn so nannte man noch zn Ende des vorigen Jahrhunderts die Krim und einen Theil der Nordküste des Asoff'schen Meeres, ein öffentliches Leben. Alle Handwerker arbeiten ans der Straße oder wenigstens in ihren offenen Läden; die ein Gleiches arbeiten, sitzen neben einander, so daß einmal die Schuhmacher, dann die Schneider u. s. w. eine Ncihc bilden. Berühmt sind die erstern und ihre Schuhe werden besonders von den Moha-medancrn gesucht. Aber auch andere Ledcrarbtttm werden hier vorzüglich bereitet. Nächstvem hatKaraßubasar gute Scheiden sür Kindshals (Chandschar der Türken) und Messer, die im vorigen Jahrhunderte tief nach Asien hinein verkauft wurden. Karaßubasar liegt am Südfuße des Krim'schen Küstengebirgeö, was nach Norden zu zum großen Theil allmälig verläuft, so daß man von liier aus säst unbemerkt den Nucken des Gebirges ersteigen kaun. Außer eiuer unbedeutenden Erhebung, von ungefähr 4—50l1 Fuß Höhe und einer Stunde Länge, sieht man aber nur kleine Hügel oder vielmehr wenig wellenförmigen Voden. Die erwähnte Höhe fallt aber, wie das Hauvtgcbirge, nur auf der einen Seite jäh ab, wahrend sie von der andern aus sehr leicht erstiegen werden kann. Die Tataren nennen sie wegen des Kalkgesteines, aus dem sie besteht, den weißen Felsen, Akkaja, bei dcn Nüssen hingegen führt sie dm Namen „Schirinfrlsm." Die angesehust? und reichste Tatarmfamilie, nämlich, die allein eheliche Verbindungen mit dcn Töchtern des Ta- 8L Sympheropol. ^3. Kap. tarchanes eingehen konnte, hatte den Namen Schinn und besaß alles Land im Osten der Krtm'schen Halbinsel. Die mächtigen Häupter dieser Familie trotzten nicht selten, auf ihre Macht gestützt, ihren Herren, den Tatarchancn. Dann rief der Schirm seine Vasallen und Mannen zusammen und auf demselben weißen Felsen, der hier emporragt, wurde berathen. Drittes Kapitel. Sympheropol. Taurisches Hotel; das Gouvernement) die Tataren; Sultan - Kalga; Sa-hinghivei; Nkmetschcd; die Neustadt; die Kathedrale; dci Vasar; ein lm-ländischcr Jude; Vieh ; Obst und Obstgärten; daS Thal deS Salgir; Aepfcl; Hcrr Uon Stegen; Hen von Hübucr; ein russischer Arbeit«; tatarische Ordnung; Abreise; Charakter der Gegend. Nach kurzem Aufenthalte in Karaßubasar traten wir unsere Weiterreise cm und gelangten alsbald nach Sympheropol. In einem der vier Wirthshäuser, was den stolen Namen des „Taurischm Hotels" führte, stiegen wir ab. Ich weiß nicht, ob es dasselbe ist, in dem Herr Kohl, der geistreiche Verfasser der Reisen in Südrußland und vieler anderen ähnlichm Werke, ebenfalls darin seine Wohnung aufgeschlagen hatte; der Beschreibung nach must es allerdings dasselbe gewesen sein. So gut sich auch daö Hotel von außen ausnahm nnd so ein stattliches Gebäude eS darstellte, so stimmte doch die innere Ginrichtung nicht im geringsten damit überein. Wir bekamen ein Zimmer angewiesen , in dem wohl seit vielen Wochen dcr Etubcn-mensch — Stubenmädchen giebt es hier nicht, wie in Deutschland — keine Ordnung gemacht hatte. Auf dem Tische lag so dichter Staub, daß man mit einem Griffel die Geschichte mehrer Reisetage hätte eintragen können. Es fiel dem Kellner auch gar nicht ein, den Schmutz 3. Kap.^ Synipheropol. 85 zu entfernen; auf unser freundliches Ersuchen erwiderte cr ganz naiv, dasi er sich um dergleichen Dinge nicht bekümmern könne, denn diese Art Ordnung zn halten, läge dem Stubenmenschen ob. Anstatt der Betten erhielten wir zwar eine Matratze, jedoch ohne alle leinenen Uebcrzügr und Tücher. Es mochten viele Menschen schon da geschlafen haben, aber wiederum die Zeit lange her sein, wo man die Schlafstellen einigermaßen gereinigt hatte. Auch in Betreff der Speisen vermißten wir unsern Wirth in Theodosia. Alles war herzlich schlecht und theuer. Für dic Portion schlechten Kaffee zahlten wir nicht weniger als (nach damaligem Gelde) l Nubcl /ll) Kopeken, also ungefähr !4 Sgr. Es ist eine Eigenthümlichkeit nicht allein der russischen, sondern auch der deutschen Wirthshäuser, daß die Preise zu der Güte der Speisen und Getränke in der Negrl im umgekehrten Verhältnisse stehen. Smnpheropol ist die Hauptstadt des taurischen Gouvernements, zu dem ansier dcr Halbinsel Krim sjedoch, wie obcu beveitS erwähnt, mit Ausnahme des im Osten sich besonders abtrennenden Theiles, der Halbinsel von Kertsch und Ienikaleh,) noch die Nordküstc des Asofs'schm Meeres gehört. Es umfaßt dic sogenannte Kleine Tatarei oder die Besitzungen der Tcttarchcme im letzten Jahrhunderte ihrer Eristenz. Die meisten Tataren verließen jedoch nach der Besitznahme des Landes durch die Russen im Jahre 1783 ihr Vaterland und fanden einestheils bei den Tscherkesscn, die häufig früher thre Oberherrschaft anerkannt hatten, anderntheils bei ihren Landslcutcn in Vessarabien eine Zufluchtsstätte. Kaum ein Drittel der frühern Gin-wohncr ist zurückgeblieben, hat aber trotz der Bemühungen von Seiten der Nüssen nur zum Theil ihr herumziehendes Leben aufgegeben. Wenn man diese Leute auf die Vortheile der Landwirthschaft aufmerksam macht, antworten sie gewöhnlich, „mein Vater hat ein Nomadenleben geführt und ift glücklich gewesen; so will auch ich dasselbe thun," oder „wie Gott den Franken Verstand, den Nüssen den Pflug, den Armeniern das Zählbret gegeben, so hat er unS auf den Wagen angewiesen." Sympheropol hieß früher Akmetschcd, d. i. Weißkirchen. Ich Koch. tic Krim. " 34 Tatarische Chans. ^3. Kap. weiß nicht, warum die Nusfcn dm Namen nicht lieber übersetzt und dafür die griechische Venennnng Ei'Mpheropolis, was nützliche, nach andern Doppel-Stadt bedeuten soll, gewählt haben. In der frühern tatarischen Zeit war hier der Sitz des Majordomus, dcS Sultan-Kalga, während derTalarchan selbst in Äaktschifarai seine Wohnung aufgeschlagen hatte. Der Sultan-Kalga stellte eine wichtige Person dar, der, wenn der Chan verreist oder krank war, die Zügel der Ne-gicrung ergriff, aber auch außerdem, da er nnter alle Vefehle und Anordnungen des Chan's das Siegel zu setzen hatte, eine große Macht in den Händen besaß, sie jedoch nie misbrauchte. Dadurch unterschied sich der tatarische Majordomus wesentlich von dem der ältern fränkischen Könige, dem es so langc nach der Herrschaft gelüstete, bis er sie endlich ohne weitern Widerspruch auch in Vesttz nahm. Wenn der Kalga-Sultan krank oder verreist war, so hatte er wiederum in dein Sultan Nureddin seinen Stellvertreter. Mit dem Namen der Sultane oder eigentlich Ssultane wurden nämlich die Prinzen uud Prinzessinnen der herrschenden Familie belegt. Von dieser, die ihre Abstammung von Dschingiß- Chan selbst ableitet und den Namen Ghirci führt, lebt nur noch ein Glied in der Krim. Eahin-Ghnci, der letzte von den Nnssen eingesetzte und in seiner Stellung erhaltene Chan, war endlich der innern Streitigkeiten, die dem Lande und Volke großes Unheil brachten, müde und übergab seine Herrschaft auf gleiche Weife, wie später Georg XIII. in Grusicn sein Königreich, mehr durch die Umstände gezwungen als freiwillig, der Katharina II.; aber trotzdem mußten die Russen das Land Schritt vor Schritt erobern. Der arme Sahin-Ghirci fand keine Nuhe mehr im eigenen Lande und zog sich nach Konstantinopel zurück. Dort wurde natürlich der srüherc Vasall sehr ungnadig empfangen und nach der Insel Rhodus, wohin gewöhnlich in Ungnade gefallene hohe Würdenträger gehen, verwiesen. Nach kurzer Zeit erhielt der Unglückliche als besondere Gnade die seidene Schnur, d. h. nach türkischem Nitus war er gezwungen, sich damit selbst daS Leben zu nehmen. Der frühere Gegcnchan Sclim-Ghirei, floh mit allen Großen des Reiches nach Tscherkessien und trug viel dazltbei, die alte Feindschaft und deuHaß derVcwobner dieses LandcS gegen Nusiland zu erhalten. Nur ein Glied der herrschenden Familie blieb, wie bereits gcsagt, zurück^ dessen Sohn lebt noch daselbst, aber in großer Zurüekgezogenlicit. Er ist an eine Engländerin verheil athct unv läßt nun seine Kinder in der Protestantischen Neligion erziehen. Eine seiner Töchter war 18^4 in Begriff, sich mit einem Herrn von Gersdorf, wenn ich nicht irre, einem gebornen Schlesier, aber in russischen Diensten, zu verhcirathen. Sonderbares Geschick! Die letzte der sanatischen Dschingisz-Ehaniden, der Erbfeinde dcr Christenheit, die mchr als eininal allen Christen Vernichtung drohten, selbst Christin und zwar, umgeben von Anhänqcrn der allein seligmachmden rusnsch-qricchischen Kirche, Protestantin uud verheilathet an einen Prcteftanten! Möchten die verbündeten Mächic das alte Tcitarenreich in ncuer christlicher Gestalt »vieder auflichtn» unv cincm d>-r jetzigen pvotestantischi'u )lachfo»imen Dschin^isi-Ehans ihr Elle zurlickgrben! Das »värc weni^stmö eine Ausgleichuug, bei der die Herrscher Frankreichs und GnglandS beutlich an den Tag lVgen tonnten, dasi nur das allgemeine Wohl nnd nicht Sonvemtteressen sic zu diesem Kampfe, bestimmt hätten. Da einmal ein griechisches Neich in Konstantinopel keine Lcbcns-dalter haben soll, dem ich übrigens meinerseits nicht beipflichten kann, so vermöchte wohl ein protestantisches Königthum, dem man aber nicht, N'ie dem heutigen Griechenland, absichtlich die F'lugel verschneiden darf, dem russischen Einfluß im Suden am besten entgegen zu steuern und vielleicht auch dem altersschwachen Islam neue Kräfte zu verleihen. Eympheropol besitzt jetzt 8N0N Einwohner und 300 Häuser. Es hat als Sitz der »bersten NegirruugSbehörde eine Bedeutung erhalten, der es auch sein schnelles Wachsen verdankt. Es besteht aus zwei Theilen, der alten Tatarenstadt, die noch fortwährend den Namen Wcisitirchen, M'metsched, führt, und der russi'chen Neustadt. Vcive stchcn im grellsten Gegensatze zu einauder. Enge krumme Straßen durchziehen die erstere. Das Haus ist entweder mit der Rückseite an die Straße gelehnt oder steht mitten im Hosraume, der 3' 8ft Sympherovol. ^3. Kap. unmittelbar in den mit Buschwerk und Bäumen bepflanzten Garten übergeht. Mit Ausnahme des Theiles, wo die Handwerker sitzen, arbeiten und verkaufen, ist es still und ruhig. Nur selten begegnet man einem Tataren oder einem Kinde, noch wenigrr einem weiblichen Wesen, welches aber in einem weißen Tuche, das die ganze Figur einhüllt, einhergeht, in der Regel aber gern nach dem Fremden l»gt, der sich in ihren einsamen Straften verirrt. Die Neustadt hingegen besitzt große breite Straßen, die, wmn auch nicht durchaus gepflastert, doch wenigstens chanssirt sind, und meist einstöckige Häuser. Die Breite der Straften steht leider zu der Höhe der Häuser in keinem Verhältniß. Es kommt noch dazu, daß, so viel und so gern sich alichdie^'ulssen außerhalb ihres Hauses herumtreiben, die Straßen doch im Allgemeinen öde nnd leer erscheinen. Außerdem vermehren noch die großen Plätze, die für Städte mit hohen Häusern eine Bedeutung haben, die Weilläusigkeit. Von besonders schonen Gebäuden ist mir in Sympheropol außer der neuen Kathedrale keins aufgefallen. Diese besteht aber aus einen» gleichschenkeligen Kreuze und besitzt in der Mitte eine gewölbte Kuppel. Die Gemälde, welche die Kirche besitzt, sind sämmtlich sehr mittelmäßig und demnach ohne Weilern künstlerischen Werth. In der Nähe befindet sich auch der viereckige Obelisk des Helden der Krim, des Fürsten Dolgoriiki-Krimstoi. Auf der einen Seite trägt der Obelisk in Marmor gehauen das Bild dcs Fürsten, auf der andern sein Wappen und auf der dritten deu russischen Adler. Auf der vierten ist der Sieg des Christenthumes über den Islam durch eine Tatarentause dargestellt. Das Gestein, aus dein der Obelisk besteht, ist Grünstein, eine auf der Südküste gewöhnliche Steinarr. Es war grade, als wir die Straßen durchwanderten, Freitag, einer der beiden Tage in der Woche, an dmcn Markt gehalten wird. Symphcropol ist der eigentliche Sammelplatz nicht allein sin alle Erzeugnisse der Krim, sondern auch für auswärtige Waaren. Die günstige Lage, so ziemlich in der Mitte, doch mehr gegen den Süden hin, macht es zur natürlichen Vermittlerin für alle Bewohner der Ebene sowohl als des Gebirgeö. Eine schöne Straße führt von da 3. Kap.) Dio Iudcu. 37 nach der Südküstc, mit der die Stadt nothwendiger Weise auch wegen der dort zahlreich sich vorfindenden Landhäuser und Gärten in beständigem Verkehr stehen muß. Erzeugnisse werden gebracht und gegen andere eingetauscht. Die Tataren hatten Kamele, Pferde, Schafe und Rinder zum Verkaufe ausgestellt, die Deutschen boten Gemüse, Butter und Käse feil, die Nüssen hingegen Getreide und Brot. Eine Menge Juden trieben sich außerdem herum und suchten sich durch allerhand Dienstleistungen einen, wenn auch noch so geringen, Unterhalt zu verschaffen. Ein junger Kerl von einigen zwanzig Jahren wurde unser Fiihrcr. Cr war vor wenig Jahren mit vielen andern seines Volkes aus Kurland nach der Krim versetzt worden. Man hatte ihn, wie die Anderen, zum Ackerbau gezwungen. Die Zeit, die er da durchlebt, schilderte er mit den grellsten Farben. Er zeigte mir die Hände, damit ich »och die Schwielen sehen sollte, die er durch dte harte Arbeit bekommen. Zuletzt konnte er es, wie er meinte, nicht mchr aushalten. So sei er in dicscm Frühjahre, als die Feldarbeit wieder begonnen, davon gelaufen, und suche sich nun in Eympheropol sein Vrot zu verdienen. Wie gewöhnlich bei seinen Glaubensgenossen, so war es ebenfalls hier die Arbeitsscheu, welche ihn zum Vagabunden machte. Wenn anch bci uns in Preußen und in Deutschland sehr häufig die Klagen gegen die Juden ungerecht sind, so ist es doch leider wahr, daß die Nachkommen Abrahams für die polnischen und südlichm Provinzen Nußlands der Fluch des Landes sind. Vcvor nicht diesem Unfug und zwar von der Wurzel aus gesteuert wird, sind alle Bemühungen der Negierung, dieselben zu heben, umsollst. Die Juden werden nur dann 'Ackerbauer, wenn man sie in eine Gegend, wo sie nur auf sich angewiesen sind und ihnen gar keine Gelegenheit gegeben ist, Handel zu treiben, versetzt werden. Daß Juden sogar gute Landwirthe werden können, habe lch mchr als einmal in Kaukasien gesehen. Man hat der russischen Regierung bei unö oft den Vorwurf der Härte und Grausamkeit gemacht, daß sie die Juden zwang, ihre alten Sitten nnd Gebräuche abzulegen, und später sie selbst in un-wirthbare Gegenden übersiedelte. Ich kann meinerseits durchaus 38 Dic ^udm. I'.!. Kap. nicht in dm Vorwurf einstiminen, so, hart auch cine nnfteiivilltge Verfetzung sein mag. Wer in Polen, i?itthaucn und den übrigen russischen Provinzen, wo Juden sich aufhalten, cine längere Zeit gewesen ist und ihr Treiben beobachtet hat, wird mir sicher beistimmen. Dic russische Regierung ist dm nicht jüdischen Bewohnern jener Provinzen schuldig, sie gegen die vielseitigen O-uälercien und Bedrückungen von Seiten der Juden in Schutz zu nehmen. Man sindet in genannten Provinzen höchst selten cine jürische Familie, die sich durch ihrer Hände Arbeit und durch ihren Fleiß ernährt, denn mit wenigen rühnllicheu Allsnahmen scheuen sie die Arbeit wie das Feucr und hängen sich wie Blutegel den übrigen bessern Bewohnern an, um von deren Fleiße sich auf leichtere Art zu ernähren. In der Negel treiben sie irgend einen vorthrilhaften Handel mit allerhand Kleinigkeiten uud machen bei dem gemeinen Manne, der sich in Polen und Rußland, N'ie fast allenthalben, leider noch auf tiefer Stuft befindet, den Unterhändler. (5s ist aber kein ehrliches Geschäft, was sie mit den armen, nicht grave sehr befähigten Bauern treiben, sie sich aller Mittel bedienen, um möglichst viel Vortheil zu ziehen. Betrügereien sind bei ihnen ganz gewöhnliche Dinge. Da die Juden die einzigen sind, die baares C»1eld haben, so sind die Bauern, wenn sie diescs berürsen, auch gezwungen, zu einem Juden ihre Zuftncht zu nehmen. Eie müssen Zinsm zahlen, die an daS Unglaubliche gehen, over treten schon auf mehre Jahre hin ihren Ertrag an Ge-treioe oder Vieh ab. Dabei sind die Juden gewöhnlich auch die Pächter der Vranntwcinschenten nnd tragen durch diese wiederum direct zur Entsittlichung des Volleö bei. Das Vieh, was auf dem großen Marklplatzc zum Verkauf ausgestellt war, erschien mir nur mittelmäßig; die Pferde warm sogar schlecht nnd ziemlich hoch im Preise. Ein besseres Ansehen hatten die Schafe. Auch Kamele fanden sich vor uud wurde daö Stück mit 4—500 Rubel Assignaten, also 120—15l) Thlr. angeboten. Vor Allem intercssirtc mich das Obst, was hauptsächlich Tatarm zu Markte gebracht hatte». Mau rühmt zwar in ganz Nuß-land Krim'sches Dbst, was ich aber hier sah, stand keineswegs mit 3. Kap.) Knm'scheS Obst. 89 dem Nufe im Einklänge. Das Aussehen, besonders der A.'pfel, war mit den« innern Gehalte in kmsem Verhältnisse; schon bei dem ersten Durchschneiden fiel mir gleich das gröbere Fleisch auf. Ohne Aus-Nahme ging der zarte und feine Geschmack allen Sorten, die ich hier untersuchte, ab; auch fehlte das Aroma, was unsere Aepfel mehr oder weniger besitzen. Cs schien nur, als wenn man den Vänmen nicht die gehörige Sorgfalt gewidmet. Ich muß jedoch gleich hinzufügen, daß dieser Vorwurf keineswegs alle Garten- und Obstplan-tagenbesiycr trifft, denn ich hatte später oft genug Gelegenheit, auch sehr gutes Obst zu sehen und zu tosten. Noch schlechter als die Aepfel waren die Birnen, die mir in der That zum Theil nicht besser erschienen, als unsere wilden oder sogenannten Holzbirnen. Um desto vorzüglicher fand ich dagegen, wie immer im Osten (5'inopa's, die Arbusen oder Wasser-, weniger die Zucker-Melonen. Von den erstern haben die besten ein rosafarbenes Fleisch und werden hauptsächlich in der Nähe von Taganrog gebaut. Von da ans führt man sie nach allen Gegenden, selbst nach Petersburg, Moskau, Konstantinopel und Smyrna. So wenig mich das Krim'sche Obst auf dem Markte zufrieden stellte, so vorzüglich fand ich es in den Obstgärten der Herren von Steven, Mühlhausm »ndHübncr. W war in der That eine Freude, in den großartigen Anlagen herum zu wandern. Nirgends erblickte man auch uur das tlnnste dürre Neis an einein Vaume oder das Dnrcheinanderwachsen der Äcste. Die Stämme waren sämmtlich gut gezogen und schienen mir zum großen Theil nul ein Altervon fünfzehn bis zwanzig Jahren zu haben. Die Obstgärten ziehen sich namentlich im Süden der Stadt an dem Salgir hin, dem größten und fast einzigen Flusse der Krim, der aus dem Hochgebirge und zwar hauptsächlich vom Zeltbcrgc (Tschatyrdagh) seine ersten Wasser erhält und in das Faule Meer sich ergießt. Der genannte Fluß bildet hier einen tiefen Einschnitt in den Nummulitentalk, welcher den Voden bedeckt, während die Stadt Cmnpheropol anf der nordwärts sich hinziehenden Terrasse sich ausbreitet. Es giebt hier Obstgärten von so 40 Kiim'scheS Obst. »Kap. bedeutendem Umfange, daß sie jährlich in guten Jahren mehre Tausend Thaler einbringen. ' Die Krim scheint die einzige Landschaft in dem großen Nusi-land zu sein, wo die Obst- und Wmmlltur einigermaßen gedeihtj und hier selbst sind es wiederum nur wmige Striche. Außer dem obern Thale des Salgir werden nur noch in der Nahe von Sudak, von Scbastopol und auf der Südtüstc Obst und hauptsächlich Aepfel gebaut. Die Südfrüchte sind in Petersburg, Odessa und den meisten an der Sec gelegenen größern Städten im Durchschnitt wohlfeiler als die guten Sorten der Birnen und Aepfel. Ich glaube aber doch nicht, daß unser Obst dem hiesigen nachsteht, im Gegentheil fehlen in der Krim mehre Sorten, die bei uns zu den vorzüglichsten gehören. (5ine so große Sorgfalt, wie man sie bei eifrigen Obstzüchtern in Deutschland nur irgend finden kann, widmen namentlich die deutschen Besitzer in der Krim der Obstcultur. Freilich ist ihr Grtrag dort wcit bedeutender. Wie man in der Champagne, wie bekannt, nur schlechten Wein zu trinken bekommt, während der gute ausgeführt wird, so geht es auch hier mit dem Obste. Jeder gute Apfel wird bei den eigentlichen Obstzüchtcrn sorgfältig in weiches Papier gewickelt und in Kisten gepackt, die dm schwerfälligen Steppenwagcn übergeben werden. So wandert das Obst dreihundert und mehr Meilen meist nordwärts. C'ben so sorgfältig wickelt man es wiederum in Moskau und Petersburg heraus. Man kann sich den Preis fclbst denken, den ein Vorsdorfer Apfel oder ein guter Calvill iu den genannten Städten haben muß, wenn fchon in der Krim das Stück mit einem Silbcrgroschen bezahlt wird. Leider vermochte ich über die Ausfuhr nichts Bestimmtes zu erfahren z auf keinen Fall ist sie aber so bedeutend, als man gewöhnlich glaubt. Im Saalthalc von Nudolstadt bis Naumburg wird gewiß mehr Obst gewonnen, als in der ganzen Krim. ES that mir unendlich leid, daß der Staatsrath von Steven, einer der ausgezeichnetsten Votanitcr und Entomologen, grade auf seiner jährlichen Insplctionsreifc sich befand. Ich hätte mich vor Allem gefreut, einige Tage der Durchsicht seines ausgezeichneten 3. Kap.^ Herr v. Stcvcn und Herr v. Hiibncr. 41 Herbariums mich widmen zu können. Hen'i.'on Stcvm kennt namentlich die Pflanzen des südlichen Nußlands und des Kaukasus, den er selbst mehrmals bereist hat, sehr genau. Ihm verdanken wir nächst dem verstorbenen Professor der Botanik in Charkoff, Marschall von Vieberstein, die erste Kenntniß der Flora der bis dahin völlig unbekannten Länderstriche. Herr von Steven ist aber nicht allein Vota-mkcr, denn nicht weniger Verdienste hat er sich um die russische Fauna und hauptsächlich um die Kenntniß der Insekten erworben. Dazu kommt noch der Nus eines liebenswürdigen Mannes, der allen Reisenden, die nach dem Süden Rußlands ihre Schritte gelenkt haben, mit Rath und That an die Hand geht; aber auch außerdem steht er mit den meisten Gelehrten Guropa's in litcrärischer Verbindung und führt mit der größten Bereitwilligkeit alle Austräge auö, um die man ihn ersucht. Nm desto angenehmer war mir eine andere Familie, an dic ich empfohlen war, und zwar um so mehr, als das Haupt derselben, Herr von Hübncr, die größte Zeit seiner Studien in Deutschland und grade in Jena zugebracht und eine Thüringerin gcheirathct hatte. Ich weiß in der That nicht, wer von unö über den gegenseitigen Vc-sitz glücklicher war. Die ganze Zeit des kurzen Aufenthaltes auf seinem in der Nähe Sympheropols liegenden Gute wurde fast nur mit Erzählungen und Verichten über das deutsche Vaterland hingebracht. Herr v. Hübner befaß ebenfalls einen Obstgarten, dcu cr sechs Jahre vor meinem Besuche angelegt hatte und der sichtlich zu gedeihen schien. Seine Arbeiter bestanden aus einem Russen und mehreren Tataren. Der Erstere führte eine so eigenthümliche Lebensart, daß sie wohl verdient bekannt zu werden. Wahrend man sich bei uns für Miethen u. f. w. der vierteljährigen Zeit bedient, wird in Rußland fast alles W'trät, d. i. auf vier Monate oder auf ein Dntteljahr, abgemacht. Der russische Gärtner 5cs Herrn von Hübner war in der Regel vier Monate außerordentlich fleißig und lebte dabei so frugal, daß er kaum ein Wodka (Schnäpschen) des Tages ül'er trank. Brot und eine schlechte Schtschi (Gemengsuppc) oder Vcrfchtsch sKohl-suppe) war alles, was er zu sich nahm. Cobald aber das Drittel- 42 Russischcö und tatarisches Lcb.'n. ft. Kap. jähr fein Cndc erdichte, ging auch die Arbeit nicht mehr von Statten. Er erbat sich seinen Lohn, der im Sommer aus fünfzig und mehr Thalern bestand, und ging mit diesem von dannen. Die schönste Carosse mit zwei Pferden smit mehr darf der Vauer nicht fahren) wurde sogleich für einige Tage gemiethet und ein Bedienter angenommen. Mit der beliebten seines Herzens oder einem guten Freunde, an dem eS ihm bei dergleichen Umständen nie mangelte, fuhr er zuerst spazieren. Im Anfange ging AUes in der größten Ordnung ab; der Arbeiter spielte den L^iix! »oi^ncln-. Gr bewirthete seine Freundin und seine Freunde mit den besten Speisen, denen jedoch nie Zwiebeln fehlen durften, und mit den feinsten Getränken; vor Allem muhte Champagner vorhanden sein. Wie die Nacht einbrach und die Zahl der Freunde sich vermehrte, ging es auch toller zn; um Mitternacht befand er sich gewöhnlich im trunkenen Zlistande, der damit allen übrigen Festlichkeiten ein C'nde machte. Am andern Morgen, wenn er ausgeschlafen, ging dasselbe Leben von Neuem an, bis auch wiederum die späte Zeit herangekommen war, wo er nichts mehr von sich wußte. Auf diese Weise trieb er es so lange, als er nur noch einen Kopeken in der Tasche hatte. War aber endlich alles Geld ausgegeben, so erschien er am andern Morgen wiederum zur bestimmten Stunde im Obstgarten, ging wie gewöhnlich an seine Arbeit und war so fleißig, wie früher. Im grellen Gegensatze mit dem Leben dieses gemeinen Nüssen stand das der Tataren. Das verdiente Geld brachten sie heim zur Familie, mit der sie ausier der Arbeitszeit ihre müßigen Stunden verlebten. Kein Kopeken wurde außerhalb des Hauses verzehrt. Das Familienleben derKrim'schen Tataren soll überhaupt vorzüglich sein. Ich habe Mehre gesprochen, die sich längere Zeit in tatarischen Dörfern, besonders auf der Südküste, aufgehalten und Gelegenheit gehabt hatten, dasselbe kennen zu lernen. Man konnte mir die Eintracht der Glieder unter einander, die Ordnungsliebe und die Thätigkeit der weiblichen und dcn Fleisi der männlichen Glieder nicht genug rühmen. Herr von Hübner erzählte mir, daß ein Tatar im Durchschnitt eben so viel arbeitet, als zwei Nüssen. Kommt man in ein !j. Kap.^ Die Steinäxte« dcr Krim. 43 tatarisches Dorf auf dcrSudruste, so fällt schon beim ersten Schritte die Reinlichkeit m dcn Straszen und an den Häusern auf. Nirgends laufen, wie es besonders in Asien bei Christen und Mohame-danern dcrFall ist, nackte oder nut lumpen bchangeneKinder umber. An der Küste verbergen sich die Frauen auch gar nicht so ängstlich vor den Blicken der Fremden und die Männer behandeln sie besser, nicht als Waare, wic es bei ilnen übrigen Mannsleuten und Glaubensgenossen in Asten der Fall ist. (5s war ein schöner Sonntag-Morgen, als wir wiederum in eine»!Postwagen sasim und rasch, von einem Dreigespann geführt, der früher» Residenz der Krim'schcn Herrscher zufuhren. Äaghtschisarai, oder hier vielmehr Vaklschisarai ausgesprochen, liegt dreißig Werst, also ungefähr 4'/, Meile von Sympheropol entfernt. Der Weg führt in süd-südwestlichcr Richtung auf dem schrägen Nordabhange dcS Krim'schen Küstengcbirgcs nach der Westküste zu. Im Anfange geht es über eine gleichförmige Ebene mit wenig Pflanzen beseht; jemchr man sich aber dem Orte seiner Bestimmung nähert, um so wellenförmiger wirb der Vodcn. Selbst kleine Hügelrcihen ziehen sich hie und da hin. An die Stelle des Nmumuliten-Kalkes tritt alsbald ein KreidegMlde, was aber in seinein äußern Erscheinen sich auch nicht im geringsten von dem frühern Gesteine unterscheidet. Die oft blendend weiße Fläche thut dem Auge keineswegs wohl, doch ist dieser Kalk fester alö die jüngere Formation und verwittert nicht so leicht zu jenem schädlichen Pulver, was bei Karaßubasar so unerträglich wurde. So hatte ich von Kertsch an bis hierher alle die verschiedenen Niederschläge von der neuesten bis zur Kreidezeit verfolgt. Dort bildete der Stcpvenkalt nul Polypenstöcken, der neuesten tertiären oder quatcrnären Formation angeho'rig, die Felsen ; bei Karaßubasar warm es die gewöhnlichen tertiären Gebilre, die wiederum bei Sym-pheropol durch den Nummulittnkalk, der ältesten Tertiär- oder nach andern Geologen der jüngsten Sekundärzeit angehörig, vertreten wurden. Hier nun war wiederum ein älteres Gestein, Kreide an die Reihe gekommen; balv werden wir Iuragebilde kennen lernen und sehen, daß diese wiederum von Thonschiefer bedeckt werden. 44 Die Vegetation der Krim. si. Kap. Auf der zwcitcn Hälfte des Weges kamen wir auch durch kleine Thäler, welche von unbedeutenden Bächen bewässert wurden. Damit erschien wiederum eine andere Vegetation. Gs war weder die der Krim'fchen Pampas, noch die der später mehr zu berücksichtigenden Steppen, sondenl eine Vegetation, wie sie auch in Deutschland, hauptsächlich in Kalkgegenden, vorhanden ist und sich nicht durch einen bestimmten Charakter ausspricht. Die Pflanzen sind mannigfaltiger; keine bestimmte Art nimmt eine große Strecke ein. Gräser stehen hier allerdings den fußhohen, meist buschigen Staudengcwächsen an Menge nach ; aber einjährige Pflanzen kamen nicht wenige vor. Namentlich waren die Ränder an den Wegen ziemlich wie bei uns bewachsen. An den Hügeln erschien, da der Negcn, wie bei uns, unter gleichen Umständen das Ansrtzcn von Humus unmöglich macht, die Vegetation außerordentlich gering. (§s kommt freilich noch dazu, daß es Herbst war, wo auch fruchtbare Gegenden nicht mehr das frische Grün des Frühlings und der ersten Sommermonate besitzen. Die Tataren bethätigten hier in der That das, was ich oben von ihnen gesagt hatte. Der Voden war zum Theil bebaut oder wenigstens vortheilhaft benutzt. Man sah, daß die Bewohner sich keine Mühe verdrießen ließen, um ihren Feldern auch in» Sommer wo es hier fast gar nicht regnet, die nöthige Feuchtigkeit zu geben. Viertes Capitel. Baktschisarai und Dshuffutlikalch. Die Spalte des Tschlirufß»; Kleidung der Tataren; Kebabdshi; Mmefdshij das Chansschloß ; Gcvichtsscial; Harem; Marie Pototzka; furchtbare Nache; Thräuenqllclle; Mausoleum; ein tatarischer Vegväbmßplak; Iigemler; eine Felsenkirche; die Indenveste; Rabbi Salomon Beim; Kanu'm; Talmud-Aühäüger; Geschichtliches; die Synagoge; Iosaphat-Thal. Man sieht Baktschisarai nicht eher, bis man an den Ausgang dcs engen Thales kommt, in dem es liegt. Dicscr Hauptort der 4. Kap.) Valtschisarai. 45 Krim'schcn Tataren bietet seiner eigenthümlichen Lage halber einen ganz andern Anblick dar, als das in der Ebene liegende Karasiubasar, zumal es in der Bauart nnd Einrichtung der Häuser ebenfalls abweicht. Der Kreidckalk befitzt nämlich hier eine tlefe Spalte, in der ein frischer Bach, Tschurutsm, stießt. Die Ränder der Spalte fallen gegen den Ausgang derselben schräg, weiter oben hingea.cn sehr steil ab. Da die Nrcite des Thales ungefähr 500 — 1000 Schritte beträgt, so bleibt gerade so viel Nanm übrig, das, eine Straße und zwei Reihen Häuser Platz haben. Es versteht sich von selbst, daß die letztcrn kcinc große Ausdehnung, wenigstens nicht in die Breite haben können, sondern rinc bescheidene Größe besitzen. Sie lehnen sich mit ihrer Rückseite an den Verg, dessen hier weniger abschüssige untere Theil den Bewohnern alö Garten dient nnd auch mit allerhand Gesträuch, hauptsächlich abcr mit Obstbäumen, bepflanzt ist. Ost ist vorn noch ein Hofraum, der aber dann durch eine hohe Mauer abgesperrt wird. Die Häuser selbst besitzen keine flachen Dächer, sondern diese haben einen Giebel, von dem ans die beiden Seiten in einem rechten Winkel abfallen. Zum Decken dcs Daches hat man sich der Hohlziegel bedient. Recht hübsch nehmen sich die hohen Feueressen aus, da sie, von weitem ans betrachtet, mit den höhcrn und zahlreichen Minarchs im Einklänge stehen und nicht wenig an die gothische Bauart erinnern. Auch die Tataren im Vaktschisarai unterscheiden sich wesentlich von ihren Landslcuten in Karasiubasar nnd noch mehr von denen in der Steppe, deren Beschreibung ich weiter oben gegeben habe. Ihre Kleidung ähnelt der armenischen. Sie besteht zunächst aus einem langen, mcist aus braunem oder blauem Tuche angefertigten Kaftan, der nach unten und au den Seiten geschlitzt ist und eng anliegende Aermel besitzt. Die Beinkleider haben zwar im Allgemeinen dcn alt-türkischen Schnitt, sind aber durchaus nicht so weit und mehr für das Gehen und Arbeiten berechnet. Zur Kopfbedecknng besitzen die Tataren eine kurze zylindrische Pelzmütze von der Hohe eines Fußes. Oben wird der Cylinder durch mcist rothes Tuch, was mit Gold oder Silbcrtressen besetzt erscheint, geschlossen. 4li Tatarische Gebräuche. ^j. Kap. Vaktschisarai zieht sich wohl cine Stunde weit ün fast gleich engen Thal? hin. Auf beiden Seiten stehen in der Regel vor dm Häusern Vuden, in denen die Handwerker arbeiten und verkaufen. Berühmt sind die Ledcrarbciten; Schuhe, Kindshalschcidcn, Pletken oder Reitpeitschen u. f. w. werden nicht allein in der Krim verbraucht, sondern gehen auch auswärts. Vieles erinnerte mich an ächt türkische Städte, so namentlich die Kebabdshi, jene Garköche, welche die Speisen anf öffentlicher Straße zubereiten. Ein großer kupferner Kessel steht auf einer Art uonHecrdc und schließt dasHammcl-sseisch ein, was mit allerhand Gewürzen, hauptsächlich mit Zwiebeln, pikant gemacht wird. Wcun es gar ist, wird es auf flache Schüsseln gelegt und verkauft. Wie ein Stück heraus ist, kommt ein anderes hinein. Wahrend man in Konstantinopcl nnd sonst die Suppe nicht liebt, scheint stc hier gern gegessen zu werden. Ich sah Tataren, dic mit kleinen hölzernen Schüsseln iu der Hand, sich den Inhalt, den sie wiederum mit hölzernen Löffeln zu sich nahmen, wohlschmccken ließen. Für wenige Pfennige, höchstens für ein Paar Groschen, erhält man hier so viel, um selbst den begierigsten Magen zufrieden zn stellen. Auch den Spicßbraten, Schischlik, fand ich hier cbttl so zubereitet wie im Oriente. Knaben drehten dm hölzernen Spieß, der über nnd über mit kleinen Fleischstückm befttzt lvar, über nicht rauchendem Kohlenfeuer. Auch die Ckmekoshi, Väcker, bereiteten ihre verschiedenen Sorten von Vrot vor den Augen der Zuschauer. Wie in Konstantinopcl bestreute man gewöhnlich die kleinen Vrote mit Schwarzkümmel, hie und da auch mit Anis, und ertheilte ihnen dadurch einen aromatischen Geschmack. Enolich waren auch die Kaffeehäuser dieselben. Das Gastzimmer fand sich in der Negel in der ersten Etage, da Parterre ein Laden warz eine Galerie, die sich außerhalb dcs erstern hinzog, gestattete den Rauchern ihre Pfeife in freier Lust zu geuicßen. So ziemlich in der Mitte von Vaktschisarai mündet auf der rechten Seite ein kessclartiges Thal ein. In ihm erbauten sich die frühern Herrscher der Kleinen Tatarei einen Palast, der noch in seiner ganzen Integrität besteht „nd sorgfältig von der russischen Regierung 4. Kap.) Tin Chan-Palast. 47 erhalten wird. (5m viereckiger Gedächtnißstcin von geringer Höhe steht vor dcm t^ingaugc und sagte unö, daß die große Katharina am 14. (alten oder 26. neueres Stylcö) Mai 178? sich hier befand. Die Bauart ist eigenthümlich und weicht von ähnlichen Gebäuden, die ich im Oriente gesehen, ab. Ein bestimmter Plan ist keineswegs überall herauszufinden. Die Zimmer sind ;um Theil unregelmäßig, und stehen nicht immer in ordentlichem Zusammenhange. Von Naumcrsparniß, wie sie hauptsächlich bei nns in den neuern Gebäuden vorherrscht, ist in diesem Chans-Schlosse gar keine Rede; allenthalben findet man unbenutzte Stellen. Schnitzwerk herrscht besonders an den Fenstern, weniger an dcn Decken und Thüren vor; leider hatte man Alles mit einer grellen rothen oder grünen Farbe angestrichen. Die Gemälde, die man an dcn Wänden nnd sonst wo angebracht hatte, waren roh und ohne allen künstlerischen Werth. Früher, als die Tatarchane hier noch wohnten, die Fußböden auch mit prächtigen Teppichen belegt waren und an den Seiten sich kostbare Diuanö hinzogen, mag allerdings das Ganze emen andern (5iiidl»sk gemacht haben. Es fielen mir dic Stühle und Tische auf, welche sich in vielen Zimmern vorfanden und in der That von dem letzten Tatarchane Sahin-Ghirei benutzt waren. Aber gerade diese Nachahmung der europäischen Moden zog ihn den Haß seiner Unterthanen zu und rief hauptsächlich die häufigen Empörungen hervor, gegen die er sich nur durch russische Hilfe behaupten konnte. Das Sarai hatte einen bedeutenden Umfang und bildete ein unregelmäßiges, wenig geschobenes Viereck. Früher soll es noch größer gewesen sein, bevor die rnssichc Regierung einen Theil, der baufällig war, abbrechen ließ. Wenn man durch das enge Thor in dcn Hofraum tritt, so hat man rechts die Zimmer des Chans und seiner Familie, links die Moschee und die Mausoleen, und hinter sich die Nänme für die Dienerschaft, die jetzt aber jedem Fremde», der irgend ein gewichtiges Empfehlungsschreiben vorzeigen kann, für leine Aufnahme zu Gebote stehen. Die Zimmer hatten eine verschiedene Größe und Form; in dcn größeren befanden sich Fontainm. 48 Gin Chan-Palast. »Kap. Mehr nach hinten liegt der Gcrichtssaal. Er bildet ein rundliches, hohes Zimmer und besitzt einc vergoldete Decke. Wenige Fenster führen ihm Licht zu; wenn aber die Nichter einc gewichtige Sache entscheiden mußten, so hatte man auch diese verschlossen und den Raum durch Lichter schwach erleuchtet, damit nichts den Lauf der Gerechtigkeit hemmen oder auch nur storm könnte. Der Angeklagte wurde vernommen und, wenn er für schuldig befunden, links abgeführt, um sogleich die Strafe abzubüßen. War er aber für unschuldig erklärt, so ging er rechts ab und gelangte alsbald in den, freien Hosraum, um sich wiederum seiner Freiheit zu erfreuen. Bisweilen fiel es dem Chane ein, selbst sich zu überzeugen, ob die Richter gerecht wären. Zu diesem Zwecke war zur Seite des Gerichtssaales nach oben ein kleines Gemach,, eine Art Galerie, angebracht, wrlchcs aber durch ein Gitterwerk so verschlossen werden konnte, daß Niemand im Saale wußte, ob der Ll'an anwesend wäre oder nicht. Wehe dem Nichter, der nicht nach seiner Ueberzeugung Necht sprach ! Der Harem war im hintern Theile des Hofes und durch eine hohe Mauer von dem vordern Naumc abgeschlossen. Er bestand aus einem nicht sehr großen Garten, in dem ein zicmlich einfaches Haus mit fünf an einander liegenden Zimmern befindlich war. Hier lebten die vier Frauen des Chanes, meist in stiller Zurückgczogcnhcit. In der Regel befolgte nämlich der Herrscher der Kleinen Tatarei die Vorschrift des Koranö mehr als der Padischah und die Großen dcs Reiches in der Türkei, wornach ein Gläubiger höchstens vier Frauen haben soU. Außer diesem eingeschlossenen Naume gehörte noch ein kleines Gärtchen mit einem Vade auf der einen Seite des Hauvt-flügels zum Harem. Ein schmaler Gang führte zu diesem Vade-gärtchen direct von den Zimmern dcs Chancs. Endlich war noch ein kleines Zimmer vorhanden, von dein aus ein Fenster die Aussicht auf das Vab gestattete. Der stolze Herrscher der Krim liebte nämlich seine badenden Frauen bisweilm zu belauschen. In dem obern Theile der Ehaneö-Wohnung zeigte man uns die Zimmer, in denen die durch den unglücklichen russischen Dichter Puschkin besungene Marie Podohta (Podocka) gelebt haben soll. Es 4. Kap.) Marie Potocka. 4H geht nämlich die Sage, von der jedoch die Geschichte nichts weiß, daß gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts hin drr Tatarchan cincn Einfall nach Polen gemacht nnd die schöne Tochter des reichen Grafen Podotzky (Potocky) gefangen mit sich genommen habe. Ge-blcndct von denn Reizen, u^rsnchte er jedoch nmsonst, ihre Liebe sich zu erwerben. Alle Anträge scheiterten an dem festen Sinne der Polin, die nur der Ihrigen daheim gedachte nnd keiner Frende sich mehr hingab. Die besten Gemächer im ganzen Schlosse bekam Marie, die schönsten Kleider nnd was sonst der Orient Vorzügliches besaß, wurden herbeigeschafft, nin der Trauernocn auch nur ein Va'chcln abzugewinnen. Im Palaste cineö Nachkommen Dshingißchans wurde eine christliche Kapelle erbaut und christliche Priester lasen die Messe. Alles war umsonst, Marie blieb still und zurückhaltend. Je «lehr der stolze Chan sich zurückgewiesen sah, um so heftiger wurde, seine Liebe. Er, der früher sich nur in Naubzügm gefallen, dem der wilde Krieg zur zweiten Natur geworden, dcr Strome Vlutss, ohne eine Miene zu verziehen, vergirsicn tonntl-, war. jetzt kleinlaut und durchschritt still und m sich versenkt die weiten Näumc seines großen Schlosses. Da half kein Ncdcn nnd k.in Mahnenz er bnhltc fort und fort um die Liebe Mariens. Wenn auch immer von Neuem zurückgewiesen, vermochte er doch nie und nimmer ohne dem Gegenstande seiner Liebe zn sein. Alles that der mächtige Herr der weit und breit gefürchtetcn Tataren, was nur irgend seiner geliebten Marie eine Freude machen konnte. An ihren Augen .suchte er ihre kleinsten Wünsche zu errathen und versäumte keine Gelegenheit, wo er, der Anhänger von Mohammeds stolzer Lehre, der Christin eine Aufmerksamkeit, eine zarte Rücksicht erweisen konnte. Marie sah daö und war tief ergriffen. Der Haß wandelte sich allmälig in Achtung um. Aber immer vermochte sie nicht dem Feinde ihrer illeligi^n und dem Manne, der sie ihren geliebten Eltern nnd dem theuern Vaterlande entrissen, ihre Hand zu rechen. Und doch war drr Tatarchan schon glücklich; allmälig verschwanden die düsteren Züge seines schönen männlichen Gesichtes. Er gab sich einer Hoffnung hin, die ihn seinen, endlichen, heiß erwarteten Ziele nähcr bringm sollte. K>,'ch, dlc Krim. 4 5tt Marie Potoeka. si. Kap. Ruhe kehrte in seinem Innern wieder ein. Da entriß ihm plötzlich die unglückliche That einer Eifersüchtigen den Himmel, in dem er bald zu schwelgen geglalibt. Der Chan hatte früher seine ganze Gunst einer Grufinerin (Georgierin) geschenkt. Diese, eifersüchtig auf ihre neue und glückliche kleben buhlerin, dachte ob der Zurücksetzung mit d.n übrigen Frauen des Harems nur daran, sich von der gehaßten Favoritin zu befreien. Leicht war es ihr dnrch Verstellungen, deren Gunst zu gewinnen; doch all ihr Sinnen war vergebens, die schöne Marie zn verderben. Da vermochte dir Morgenlanderin nicht langer ihren Haß znrnefzuhalten, nnd sties, cineS Tageö den Dolch in die Vrust der Unschuldigm, die lautlos darniedersank. Kaum hatte der Tatarchan die entsetzliche That vernommen, als er anch furchtbare Strafe über die Schuldigen verhängte. Einem Wahnsinnigen gleich durchirrte er die weiten Gemächer seines Schlosses und rief vergebens nach seiner geliebten Marie, die ihm balv ganz anzngehören schien. Alle ssrauen deö Haremö wurden hingerichtet, die Mörderin aber von Pferden zerrissen. Ueber dem Grabe seiner Geliebt,» wnrde ein prächtiges Mausoleum erbant, an dessen Stufen, so oft der Morgen und der Abend wiederkehrte, der Ehan heiße Thränen der Wehmut!) vergoß. So verging ein Tag nach dem andern, eine Woche nach der andern. Seine Ruhe war dahin. Doch plötzlich raffte er sich auf und stürzte sich von Neuem in das Kriegsgetümmel. Verwüstung folgte seinen Schritten. Dörfer und Städte wurden in ihren Trümmern begraben, bis der Unglückliche den Tod fand, dcn er suchte. Dieser Erzählung scheint eine Verwechslung mlt der schönen Grusincrin, Dilara-Veke, zu Grunde zu liegen, da, wie schon oben angedeutet ist, die Geschichte, namentlich PolenS, keine Gräfin Marie Potocka leunt, die von dem Tatarchan geraubt wäre. Fortwährend erzählt man aber in Vaktschi-Sarai von der unglücklichen Polin und zeigt ein Mausoleum, was ibr der l:cslc. 5^ einer schönen gewölbten Kuppel ohne alle Inschrift. Außer diesem Mausoleum ließ aber auch der tiefbctrübtc Chan noch eine Fontaine meinem seiner Lieblingszimmer erbaum, die den Zustand seines Heraus darstellen sollte und den Namen dn^l)ran>nq>lllle,Eslsebil, e>hielt. Eiebesteht nämlich aus mehrern pyramidcnartig nbcrcmandcr liegenden Cas-cadcn. Das Wasser stießt aus dem obersten Vecken über den gciuzen Nand desselben in ein anrcres und weiteres ab, was sich gerade darunter befindet. Da dieses größer ist, aber nur dieselbe Menge Wasser, wie das darüber liegende erhält, so stießt dieses hier etwas spärlicher über und zwar wiederum in ein weiteres Becken. So wiederholt sich das-selbe noch einige Mal bis das unterste Vecken endlich einen so großen Umfang besitzt, daß das Wasser nur in Form von Tropfen überfließen kann. Diese Tropfen sollm aber die Thränen darstellen, die der stets trauernde Chan des Nachts vergoß. Nach andern Reisenden soll sich eine Inschrift alls dieser Fontaine vorfinden, die allerdings mit der eben erzählten Geschichte keinen Zusammenhang hätte. Sie lautet nämlich: „das Angesicht von Baghd-Sharai freut sich über die wohlthätige Sorgfalt des Krim Gherci, des Erleuchteten. Seine schützende Hand hat den Durst des Landes gestillt. „Wenn es nnen Brunnen giebt, wie dttser, so ;eige er sich. „Damaskus und Bagdad haben viele Diuge gesehen, aber keinen so schönen Brunnen. Im Jahre I l<'»7 (nach Mohaiumers Flucht)." Der Vegräbnißplatz im Hofraume neben der Moschee ist klein, bietet aber einen freundlichen Anblick dar, da allerhand Buschwerk mit frischem Laubwerk und selbst Obstbäume, wenigstens Pfirsichen, darauf stehen. Nicht gerade die wichtigsten Tatarchane lilgen aber hier begraben. Ansier den beiden hoben Mausoleen, die ebenfalls eine kllppelartige Form besitzen, ist der Naum mit einfachen Gräbern bedeckt. Grabsteine mit arabischen uud türkischen Inschrift,» nannten dmen, die der Sprachen mächtig waren, die Namen derer, die hier begraben liegen. Die meisten goldenen Inschriften an den beiden Mausoleen mochten wohl Sprüche aus dem Koran sein. Als wir den Herrschersitz der Tatarchane besichtigt hatten, miethe- 4* 52 Mchammedamsche Gottesäcker. si. K^,p. tcu wir ein Paar Pserde und ritten durch den übrigen Theil des aus einer Straße bestehenden Vaktschisarai, um eincsthcils den obern engern und pittoreskeren Theil der Spalte, anderntheils aber auch eine berühmte Indenvestc näher kennen zu lernen. (5rst nach ^ Stunden erreichten wir das Ende der beiven Häuserreihen und gelangten von den Wohnungen der Lebenden an die Grabstätten der Todten. Ein Aegräbnißplatz hat bei den Mohammedanern immer etwas Freundliches und besitzt nie den melancholischen Anstrich wie bci uns häufig die christlichen Gottesäcker. Anstatt des UemsMo morj und dergleichen grausen Nachahmungen dcs menschlichen Skelettes, sieht man ueben andern fröhlichen Menschen Freunde und Verwaudte der Verstorbenen und hier Vegvabmcn, die sich aber keineswegs der Wehmuth und Trauer überlassen, sondern in Freude der Vorangegangenen, die nun all dein irdischm Ungemach überhoben sind und paradiesische Freuden genießen, gedenken. Keine hohe Mauer umschließt den geheiligten Naum, um ihn gegen Beschädigungen und sonstigen Frevel zu schützen; der ungebildete Anhänger des Iclam trägt in seinem Herzen, auch wenn er noch so wenige Jahre zählt, für Gräber eine Ehrfurcht, die er nie aus dem Auge setzt. Das Thal war allmälig enger geworden und wir kaineu zu einem Zigeunerdorse. Einen so traurigen und selbst ekelhaften Anblick diese verwahrlosten Menschen allenthalben, bier aber fast mehr als anderwärts darbieten, so hat doch das hartnäckige Festhalten an Sitten und Gebräuchen nicht weniger als die Liebe zum frcicn und ungebundenen Leben, so wie die Abneigung gegen die Fesseln unserer Cultur, die leider auch oft mehr Schein als Wahrheit ist, etwas Eigenthümliches, ich möchte ftlbst sagen, Achtunggebietendes. Man darf iu der That den Zigeuner nicht mit dcr Geringschätzung betrachten, als eS leider nur zu häufig bci uns geschieht. Ihre frühere Geschichte nicht weniger, als die neueste in Spanien und Ungarn erzählt uns von Zigeunern mehr als ein Vttspicl eines Cvelmuthes und einer natürlichen, gesunden und, nicht so oft verschrobenen Dcn-kungswtise, welches unsere volle Anerkennung verdient. Unsere staatlichen Verhältnisse machen es allerdings nothwendig, dem Zigeuner- 4. Kap^ Zigeuner und Beduinen. 58 lcbcn entgegen zu treten, aber ich lvill darallf hiinveisen, daß selbst die nach unsern Begriffen noch so eknven und erbärmlichen Menschen auch eine achtungwerthe Seite haben können. Lebt rt>va der wilde Beduine in seinen Wiisten anvers als der Zigeuner bei uns? Wir kennen meist das Leben des ersteren nnr von der poetischen Seite, wahrend das des letzter» uns in seiner nackten Scite bekannt wurde. Den Beduinen hindert nichts in seinem Hange nach zügelloser Freiheit, der Zigeuner muß sich allenthalben nach den Eitlen des Landes richten, in dcm cr sein herumschweifmdes Leben führt. (§r lebt nicht allein von Igeln, Matten und Mäusen, denn auch in Arabien fangen die Beduinen der Wüste dergleichen Thiere lebendig und verzehren sie ohne alle Zubereitung. (5ine Wiistenrattc hat schon mehr als einmal heftigen Streit in Arabien wegen ihres Besitzes, selbst unter den Bewohnern eines und desselben Zeltes, hervorgerufen. Die Thalspalt»'theilt sich alsbald, ^ird aber um desto enger. Die Felsen fallen stnl herab und eine scharfe, ja selbst bisweilen überhängende Kante bildet den Nand der obersten Terrasse. Ncberall sieht man in dcm leicht zu bearbeitenden Kalkgcsteinc Hohlen, die in uralten Zeiten, che die Menschen sich Hänser zu bauen lcrntcn, bewohnt wurden. In ihnen waren damals die Vcwohncr des Thales gegen die Nrbcrfällc der unter Zellen lebenden Steppenbewohner gesichert. In einer solchen Höhle fand man uor mehrern Jahrzehnten, nachdem in der Krim das christliche Kreuz wiederum den Halbmond verdrängt hatte, ein Marienbild. Der glückliche Fnnd war bald rings herum bekannt und es ging seine Knnde von Jahr zn Jahr weiter. Viele Menschen kamen, um es zu erschauen. Gs geschahen Wunder und damit wurde der jährliche Andrang der Menschen auch großer. Fromme Menschen ließen sich in dcr Hohle nieder und reiche Spenden gläubiger Christen gestatteten schon bald darauf die Hohle in eine mehr wohnliche Kapelle umzngestalten. Aber auch so wurde sie in kurzer Zeit zu klein und vermochte nicht mehr all die Wallfahrer in sich ^ aufzunehmen, dir sich, bcsondcrs an gewissen Festen, einfanren. Man sah sich bald gezwungen einen Anbau anzubringen; einem Echiral-benneste gleich hängt dieser nnn jetzt kühn an dem Fchm und ein 34 Usiftenskci M°mis!n-. — Dshuffiith - Kalch. ^4. Kap. vergoldetes, weit hin glänzendes Kren; sagt dem Wandere, der unten imThale einhergeht, daß hier oben ein heiliger Ort sei. Wer ihn aber besuchen will, darf nicht schwindelig werden, denn Treppen sind in das Gestein der gerade abfallenden Wand gehauen und Leitern vermitteln die verschiedenen Absätze. Wehe dem, dessen Fuß nur cin-mal strauchelt. Für mich ist es das größte Wunder, daß hier noch kein Unglück geschehen scin soll. Oblvobl Nllr ein Paar Priester vorhanden sind, die in der Kapelle regelmäßig Gottesdienst halten, so führt doch der Ort ocn Namen eines Klosters. Nsipenökoi Monastic bedeutet übrigens nicht, wie meistens gesagt wird, „Fclsentloster", sondern vielmehr „Kloster zur Himmelfahrt Maria". Wir ritten weiter und erschauten balv auf der entgegengesetzten Ente des Klosters, die hart am Rande stehenden Häuser der Iuden-vestc, denn dieses bedeutet das tatarische Dshuffuth-Kalch. Cm eigenthümlicher Anblick, der mich aber an das, was ich in Asten bisweilen gesehen, erinnerte; oben Häuser, darnntcr Höhlen, die ältesten Wohnungen der Menschen. Die Spalte verliert stch allmälig; von nun an wurde der Weg so steil, daß wir von unsern Pferden absitzen und zu Fuß gehen mußten. Oben angekommen, sah ich wiederum dieselben kleinen Hänser oder Sakly, wie ich sie so häufig in Onisim und sonst gesehen. Durch einfache übernmmdergeleHte und von keinem Mörtel verbundene Steine schlössen die Bewohner Dshuffuch-Kaleh's eiuen viereckigen Raum ab, den ste ihre Wohnung nannten, und deckten diesen nach oben zu mit Stangen und Flechtwerk, auf das wiederum eine Schicht Lehm kam. Die Wohlhabenderen, deren es hier mehr als sonst im Oriente giebt, hatteu zwar im Allgemeinen dieselbe Bauart für ihre Häuser angewendet, den abgeschlossenen und größerm Raum jedoch in einige Zimmer abgetheilt. Die Häuser der Hleichsteu besassm sogar ein Stockwerk, in dem die Familie lebte und zu dem man durch eine hölzerne Treppe von Außen aufstieg; die untern Räume dimtcn in diesem Falle zur Aufbewahrung der Geräthe und hier und da zur Aufnahme des Viehes. In der Regel hatte dieses aber seine Ställe in zngänglichen Felsenhöhlen. Das Haus selbst stand nuist in dem hinteren Theile des kleinen Hof- 4. Kap.) Die Karaim. 59 raumes, dcr nach vorn gegen die enge krumme Straße durch cine Mauer abgesperrt war. Es war uns so vielerlei Gutes über den hiesigen Geistlichen, den Nabbi Salomon Vcim, z» Ohren gekommen, daß wir gar kein Bedenken trugen, thn aufznsnchen und durch ihn Manches über seine Landölcutc, die eine besondere Secte bilven und den Namen der Kannten oder eigentlich Karaim habe», zu erfahren. Wir hatten unS nicht getänscht, denn der Rabbiner nahm uns nicht allein mit der größten Freundlichkeit auf, sondern wurde selbst unser liebenswürdiger Führer. Die Kenntniß mchrer Sprachen ist im Oriente keineswegs eine Seltenheit. Auch der Rabbiner Salomon Beim bewegte sich mit Leichtigkeit in acht Sprachen und unterhielt sich mit uns deutsch. Obwohl noch jung, ser mochte kaum A» ^ahre zahlen,) so gilt er doch unter seinen Glaubensgenossen und anch sonst für einen Gelehrttn; auch uns wurde es schon in der ersten Viertelstunde klar, daß wir keinen gewöhnlichen Juden vor unö halten. Die Bewohner Dshuffuth-Kalch's fiele,, mir durch ihr Aussehen ans, denn sie unterschieden sich in Plwsiognomie und Körper-constitntion wesentlich von unseren Iudm. Obwohl von kleinerer Statur, hatten sie doch keinen gedrungenen Körper. Dcr Kopf war nicht in die Länge gezogen, sondern mehr rundlich. Auch das volle und ebenfalls rundliche Gesicht, auf dem keineswegs scharfe Züge ausgeprägt waren, hatte nichts Jüdisches. Im Durchschnitt haben die Juden bei uns und überhaupt eine große Nase, bei den Karaim hingegen ist sie eher klein als mittelmäßig zn nennen, geht aber wie in dcr griechischen Physiognomie von der Stirn ziemlich gerade herab. In den ebenfalls rundlichen Ängen ist ein dnnklcr Ring vorhanden, der sich wenig von der Pupillr abschcidet. Der Mund erscheint außerordentlich klein nnd das Kinn stcht nur sehr wenig vor. Das Kopfhaar ist zwar schwarz, aber nicht so hart als das unserer Juden. besitzt jevoch ebenfalls keinen Glanz. Der Vart scheint sich bei den Karaim nur mäßig zu entwickeln. In der Kleiduug weichen die hiesigen Iuocn nur wenig oder gar nicht von den Tataren in Naktschisarai ab; nur hinsichtlich VV Die Karaim. s^. K.ip. deö Haupthaares unterscheiden sie sich seit der Zeit von ihnen, wo die Krim Rußlands Oberhoheit anerkannte, indem sie dieses nicht mchr nach mohammedanischen Sitten scheren. Ebenso haben sie mit Ausnahme derer, welche die Religion vorschreibt, auch alle Gebräuche mit ihnen gemein und bedienen sich auch der tatarischen Sprache. Sie leben meist vom Handel und besitzen im Vaktschisarai ihreArbeits- nud Handels-buden. An jedem frühen Morgen wandern sic hinab und des Abends vor einbrechender Nacht kehren sie wieder h.im. Nach Herrn von Hart-hausen, dessen vorzügliches Werk, „Stndien liber die inner» Zustände Nußlands", nicht genug zu empfehlen ist, bedienen sich die Karaim in der Familie eines tatarischen Dialektes, der mehr im Osten gesprochen wird, nämlich des Dshagatai. Die Karaim haben in der neuesten Zeit das Interesse der Gelehrten sowohl, als auch ver russischen Regierung iu Anspruch genommen. Da ich aus meinen Reisen iu den Kaukasusländern und iu Armenien wahrend meiner beiden Rnsen mir cö angelegen sein ließ, über die daselbst wohnenden Juden Aust'uust zu erhalteu, so möchte es vielleicht von einigem Werthe sein, wenn ich meine Ansichten nicht zurückhalte und zlrar nm so mehr als sie mit den Angaben des von der russichen Regierung mit der Untersuchung über die Abstammung der Karaim besonders beauftragten Anhängers dieser Eecte, Abraham Firkowitsch, so ziemlich übereinstimmen. Die Karaim uuterschcideu sich zunächst dadurch wesentlich vou den übrigen Jude», den sogenannten lalmudlsteu, das; sie den Talmud d. h. die spätern Ueberlieferungen nicht alö lieillges Vuch anerkennen. In den »»eisten Stücken stimmen sie zwar übereln, aber doch haben sie auch Gebräuche, die wiederum wesentlich abweichen. Wie den Mohammedanern vier Franen erlaubt siud, so auch den Karaim; die Fälle jedoch, wo Jemand unter ihnen von diesem Rechte Gebrauch macht, sind außerordentlich selten. Ferner schneiden sie bei der Mschueivimg nicht die ganze Vorhaut durch. Im Heumonate baben sie nur einen Festtag, während die Talmudisten deren zwei besitzen. Veim Schlachten des Viehes bedienen sie sich endlich, nament- 4. Kap.) Karalm und Talmudistcu. 8? llch beim Herausnehmen der Eingeweide, nicht derselben formellen Vorschriften u. f. w. Nach den neuesten Untersuchungen ist es wahrscheinlich, daß die Karaim von den Juden abstammen, die in die babylonische Gefangenschaft geführt wurden und nicht wieder heimkehrten. Daß sich Juden in Armenien und in den transkaukasischen Bändern, so wie im Osten des kaukasischen Gebirges, hauptsachlich in Daghestan, schon lange vor der Zerstörung Jerusalems niedergelassen hatten, und das? viele Anzeichen vorhanden sind, woruach diese fortwährend mit ihrcn wieder zurückgekehrten Landslcuten in Palästina in Verbindung standen, habe ich schon mehrmals in meinen frühern Reiseberichten Gelegenheit gehabt, weitläufiger zu besprechen. Ich muß daher, wer sich speciell für diesen Gegenstand interessirt, dorthin (Reise durch Nußland nach dem kaukasischen Isthmus 2. Vd. und Wanderungen im Oriente.'l. Vd.) verweisen. Wenn die Juden 'Armeniens lind des kaukasischen Isthmus schon lange vor Christus von ihrem frühern Vaterlande fern gewesen waren, so mußttn doch die Vande, die schon vorher allmalig locker geworden sein mögen, nach der Zerstörung Jerusalems ganz und gar zerreißen. Es scheint in der That in der spätern Zeit alle Verbindung aufgehört zu haben. Die armenischen und kaukasischen Juden erhielten sich die Lehre Mosiö um so reiner, als sie zum großen Theil, namentlich in Daghestan, ungestört ihrem vom Vater auf den Sohn vererbten Cultus huldigen konnten. Ganz anders aber verhält es sich mit denen, die in Palästina zurückgeblieben und später vertrieben vder von selb.st geflüchtet waren, denn bei ihrer allenthalben sehr untergeordneten Stellung nahmen sie von andern Völkern, unter denen sie lcbtün, wenn auch oft nur durch die Verhältnisse bestimmt, manches in ihrem Cultus auf. Die cabbalisiischen Streitigkeiten unter den Christen gingen, wenn auch auf andere Weise, ebenfalls auf die unter ihnen lebenden Juden über. Die talmudistischc Lehre wurde hauptsächlich in den Schulen von Tiberias und Babylon im fünstm bis achten Jahrhundert im Iudenthumc ausgebildet. Von Jahr zu Jahr faßte sie festere Wurzel und verschaffte sich endlich volle Gel- 38 Kavaim ,md Talinu^istcu. ^4. Kap. tung. Natürlicherweise hatte sich auch der talmudistische Gottesdienst um so mehr von dem der in Armenien und im Kankasns wohnenden Juden entfremdet, je treuer die lchtcrn dem Urjudenthumc geblieben waren. (5ö gilt ein Gleicheö für ulle Anhänger des alten Testamentes, die vor Einführung des Talmud mit ihren Landsleuten nicht mehr in Berührung standen. So sollen namentlich iu China zahlreiche Inden wohnen, die ebenfalls nichts vom Talmud wissen. Ein Tlieil der Juden in Armenien und am Kankasns lernten erst sehr spät den Talmud kennen und erhielten ihn nach vielseitigen Bemühungen ihrer Glaubensgenossen in Konstantinopcl. Im dritten VandemeinerWanderungenimOrientehabe ich ebenfalls weitläufiger darüber berichtet. Ueber die Einführung des Talmud entstand unter den kankasischcn Juden ein hcfliger Streit; diejenigen, welche ihrem Glauben treu blieben, waren gezwungen, auszuwandern und begaben sich nach der Krim. Hier saudm sie Glaubensgenossen vor. Aber nach den historischen Dommenten des oben genannten Abraham Firkowitsch läßl sich die Anwesenheit von Juden in Dshuffuth-Kaleh bis in das Jahr 65l) v. Chr. zurückführen. Nach genanntem Gelehrten leben jedoch auch forlwährmv im Kaufasus Juden, die den Talmud nicht anerkennen; ibre ZM soll aber sehr gering sein. Außerdem finden sich wenige Karaiin in mehrern westlichen nnd südlichen Gouvernements von Rußland. Nach allem diesem kann man die Karann keineswegs als eine iüdischc Seete ausehen, die sich von der Mutterkirche getrennt hat. Im Gegentheil sind sie gerade die Juden, welche sich die reine Lehre erhalten haben, während die Talmudisten umgefchrt bedeutend abgewichen sind. Die jetzige NeformM'tei unter den deutschen Juden suchte auch, zum Theil wenigstens, den Cultus auf das Urjudenthum zurückzuführen und nähert sich dadurch wesenllich den Karaim. Die Karaiin sind in ihrem Urtheile über Andersgläubige bei Weitem milder als die Talmud!sim. Dieser Umstand mag hauptsächlich die Ursache sein, warum ihrem Ausenlhalte untcrMohamme-danern und Christen weniger ^chwi.rigk.iten entgegengesetzt wurden, als jenen. So viel man weiß, haben die Kavaim nirgends Vcr- 4. Kap.) Karaim und Talnnidisten. 5V folgnngen wegen ihres Glaubens erlitten. Sie find auch weit arbeitsamer und deshalb wohlhabender. Keineswegs stchm sie wie die Tal-inudisten in Betreff der Treue und l5hrlichfeit in gleich schlechtem Nufc. Aus dieser Ursache bemerken Handwerker in Sebastopol absichtlich auf ihren Aushängeschildern, daß sie zu den Karaim gehören. Ueber den Ursprung des Wortes Karaim ist man verschiedener Meinung. Am Wahrscheinlichsten ist die, wornach die Inden, welche nach Armenien aus Assyrien und Vabylonien versetzt wurden, den Namen Karaim besaßen. Nach andern wäre die Bezeichnung Karaim oder Karäer ursprünglich für die Anhänger des Nabbi Aman, der den Talmndistcn in Syrien entgegentrat nnd eine besondere Seete gestiftet haben soll, gebraucht worden. Dic Anwesenheit von Inden im Kankafus mag in dem ersten Jahrhunderte nach <5hy. bcreutender grivesen ftin. Vielleicht hatten sie einen wesentliche» (^inflnsi allf die Annal'me der indischen ^i,'li-giou dnrch die Chasaren. Es ist aus jeden AaU cine cl>ienthi!N>lichc Erscheinung, daß ein ganzes Volk aus einmal ein? Religion annimmt, deren Anhänger anch nicht den geringsten (>inftüsi ausübten und bereits mehr oder weniger der Verachtung H>reiö gegeben waren.' Ebenso unerklärbar ist es, wohin die Mischen Chasarm nach ihrer Vertreibung gekommen sind. Da deren Herrscher in der Krim ihren Hanptsitz hatten, so ist es ferner nicht unwahrscheinlich, dasi eine Menge Juden ans dem Kaukasus veranlaßt wurden, sich unter ihren nenen Gsaubenßgenoffen in der Krim niederzulassen. Das älteste Document der Karaim in Dshuffuth-Kaleh stammt auch in der That aus der Vlnthezeit der jüdischen Chasaren in der Krim, nämlich ans dem 7. Iahrhuudert. Mein Gcwährsmaun aus Kuba mag demnach doch nicht so Unrecht haben, wenn seiner Behauptung nach die Krim'schm Karaim ursprünglich aus dem Kautasüs stammten, nur dasi er die Auswanderung weit später geschehen laßt. Auch unser liebenswürdiger Wirth Rabbi Salomon V.-im stimmte, als ich das, was ich in Kuba vernommen, ihm mittheilte, bei, znmal anch unter seinen Landslenten sich die Sage vorfände, da>; ihre Vorfahren ans der Umgegend von Derbcnd gekommen seim. yn Jüdische Vegräbnißvlätzc. ^. Kap. Wir besahen uns dic neuerbaute Synagoge. Sie ist von Außen zwar unansehnlich, desto mel'r besitzt sie aber im Innern allerhand kostbare Geschirre, die zum großen Theil, selbst die vielen feuchter, auS dem reinsten Silber gefertigt sind. Mehr interessirte mich eine Pergamentrollc, auf welcher das alte Testament höchst sauber und zierlich in hebräische Sprache geschrieben war. Von den vielen andern Manuscripten, die der Freiherr von Harthausen gesehen hat, und von denen er sich für die Verbesserung des Vibcltertes und für die Geschichte so vicl verspricht, habe ich leider keins gesehen. Es ist wahrscheinlich, dasi in den ersten Zeiten der Tatarenhen'-schaft in der Krim die Chane ihre Nesivenz in dem festen Dshuffuth-Kaleh besaßen. Mehrere Grabmäler von Tataren deuten wenigstens darauf hin. Unter andern zeigte nns der freundlich? Nabbi ein zwar kleines, aber sonst hübsches Mausolrnm, lv.is nm- ans cunr Kllppel bestand. Hier soll die schöne Tochter eines Tatarchans, der Tochtanwsch genannt wird, begraben liegen. Wer dieser Tochtamvsch gewesen? ob der unglückliche Herrscher von Khlptschakh, der in einer Schlacht gegen Timnr Krone lind Leben verlor, oder irgend cln an-d'crer, wußte mir Salomon Äeiln ebenso wenig zu sagen, als was es für eine Vcwandtniß mit dem Gatten der schönen Chanstochter, dem Gmm'scr Icfrosin, gehabt habe. Spät am Abende traten wir unsern Ni'ickweg an. Der freundliche Priester führte uns noch zu dem Gottesacker. (5r liegt weiter unten gegen den Anfang der Schlucht, die hier den Namen des Io-saphat-. Thales führt. Die jüdischen Vegräbnißplätze haben sonst, namentlich in Konstantinopel und überhaupt in Asien, cinen sehr traurigen Eindruck auf mich gemacht; ganz anders war es hier. Ich sah zwar wiederum blendend weiße Kalksteine; aber in größter Ordnung stanoen die dicht oft mit goldenen Inschriften besetzten Grabmäler neben einanver lind wichen, weniger Ulmen und Weißbuchen, beschatteten die heiligen Stellen. 2)as grelle Weiß wurde durch das liebliche Grün des Vaumlaubes unendlich gemilvert. Ein Grabmal hatte aber genau die Form des andern. Die Sonne war bereits untergegangen, als wir uns wiederum 4. Kap.) Tatarische Vegrabnißplätzc. V1 in der Nähe deS Klosters zur Himmelfahrt Maria befanden, zum Glück leuchtete der ziemlich volle Mond mit seinem matten Lichte. Ich »reiß nicht, warum ich schon von meiner Kindheit an, Felsen-Partien gern im Mondscheine gesehen habe. Ich erinnere mich noch genau der Zeit, wo ich als Gymnasiast aus einer Reise in der sächsischen Schweiz die ganze Monvscheinznt benutzte, nm die interessantesten Punkte derselben, besonders die Umgegend der Vastei, zu beschauen. Die Felsen nehmen sich bei Mondschein ganz anders auS als bei hellem Sonnenlichte. Wildes bizarres Gestein wird gemildert, da die Conturen sich nicht so schars abschneiden, andere Partien hingegen durch Mondschlagschatten romantischer. Das Dunkel hinter den beleuchteten Vorspringen giebt der Phantasie Gelegenheit, sich neue Vilvrr zu schaffen, die selbst lcbfudig zn werden scheinen, wenn zufällig von Wind bewegte Väume aus dem Schatten werfenden Vorsprunge stehen. Wiederum kamen wir zu den Zigeunern, sahen die glühenden Oefen und vernahmen den lauten Ton des schwingenden Hammers, denn alle Zigeuner sind, wie bekannt, gebornc Schmiede. Die gerad aufgerichteten und an dcrSpiße mit einem Turban versehenen Grabsteine des tatarischen Gottesackers warfen lange Schatten, die, den Geistern gleich, ruhigen Schrittes einher zu waudcln schienen, in der Weise, wie wir uns selbst zu Pferde weiter bewegten. Die Straften der Tatarenstadt waren still und leer. Das laute Geräusch des TageS war verschwunden. Nur in den Kaffeehäusern brannte ein mattes Licht; sonst war es dunkel, denn die Häuser haben hier ihre Rückseite der Straße zugewendet oder lagen versteckt im Hofraume. pnv-lich kamen wir wiederum zu der Poststation, die außerhalb der Thalspalte alls freiem Felde liegt und von der wir ausgegangen, und beschlossen, die helle Mondnacht auch weiter zn benutzm und noch eine Station zurückzulegen. Vl Ankunft in Sevastopol. ^3. Kap, Fünftts Capitel. Scbastopol. Die Landzunge-, V^iiverhaltnissl-; Ch^rscn^; die ^otb.n; der Name Se-baslepel; Haft,,; Nikelai^-Bastei; Dogc«; Kai; Pil'liolhet; Kirche; Kosaro ly ; Kathaima II, ; Äoxlevard; Flotte des Schwamm Meeres; Tscher-norätschka; Iukjerman; Wafferleitima,; Tunnel; Krypten; Uschafoff'sche Schlacht^ ein Invalide. Vald saßen wir wiederum auf den» kleinen Postwagen und wurden voll dem Drci^cspann rasch dahiugrfühvt. Äus dcr Hälfte des 23 Wcvst langen Wegcs kamcn wir in das hübsche muldenförmige Thal des Velbcck, was ein einziger Obst- und Weingarten zu sein schien. Von Seiten dcr Tataren sollen hier die besten Aepfel gezogen werden. Das Dorf, was darin liegt und sich weit dahin zieht, führt den Namen Duwantoi, d. i. Dmvan-Dorf und hat eine außerordentlich freundliche Lage, denn in jedem Obstgarten liegt ein Haus. An dcr Poststation hielten wir an, ließen unstre Sachen hinein schaffen und bsschlossen hier zu übnuachttn, in» am andern Morgm iu all,'r Frühe dein kamn I '/^ Meile entfernten Sebastopol zn;ufahrm. Der Tag graute und wir sasien wiederum im Wagen. Nach einer Ctlinde halten w'ir bereits die Hafenbucht von Sebastopol erreicht und fuhren anf einem Kahne nach der aus der andn'lt Seite lieqenren Stadt. Wnd.'rum ,var eö ein deutscheö Wirthshaus, in dem wir ein gntcs Nntnkommen fanden. Wir gönnten uns kaum so viel Zeit, um ein Glas Kaffee — in Rußland trinkt man, wie in Cl'iddcutschland, Kaffee und Thl-c gnrohnlich aus Gläsern -zu trinken und wanderten durch die eigenthümliche Stadt. Unser freundlicher Wirth, der qewölmlich in der ganzen Stadt mit seinem Vornahmen Johann (oder da die Nnssen das „h" nicht haben und sonderbarer Weise nicht dafür stch des ähnlicheren „ch," sondern des harten „g" bedienen, Iogann) bekannt ist, hatte uns das Nothige mitgetheilt, um uns zunächst eine gute Uebersicht zu verschaffen. 5. Kap^ Vodeuvechälimsse. YI Der Voden, auf dem Sebastopol li^t, ist in jeglicher Hinsicht ein so interessanter, daß er ivohl eine nähere Beschreibung verdient. Wie der Kaukasus an seinen beiden (5iioen in schmale Landzungen ausläust, so nicht weniger das Krim'sche Küstengebirge, wenigstens auf scinein Westende. Es hat sich alls dir>e Weise eine Landzunge gebildet, die sich von Ost nach West zieht und in dieser Richtung eine Länge von ungefähr A Meilen besitzt. Die Breite mag gegen l^, der ganze llmsang hingegen «—9 Meilen betragen. Sie bildet ein durch Schluchten vielfach zerrissenes Plateau, was sich auch nach Ost noch eine Strecke fortseht und dort gegen.das scste Land durch eineThalspaltc, in deren oberm Gnde cinVach fließt, getrennt wird, während der untere sehr tiefe Theil durch das Meer ausgefüllt ist. Es hat sich dadurch ein schmaler Meerbusen gebildet, der einen der besten Häfen der ganzen Welt bildet lind seiner Vorzüglichkeit halber Uon der russischen Negierung auch als Kriegshafen für die Flotte in: Schwarzen Meere benutzt lind fortwährend dazu eingerichtet wird. Gs kommt noch dazu, daß die Landzunge wiederum aus seiner Nordssite Uier Spalten besitzt, die ebenfalls sehr tief sind und sich mit Wasser aus der großen Hase»bucht angefüllt habcn. Nach Dllbois de Montp<>renr sino diese Vertiefungen nicht neptunische Auswaschungen, sondern vltltanischeu Ursprunges. Durch Ansbrüche ist das darüber liegende sehr ueue Gestein, das nach ihm dem Steppenkalkc angehört, vielfach verändert worden. Versteinerungen findet man jedoch nur sehr selten und die wenigen sind so verändert worden, dasi sich, wenigstens in der Vucht von Sebastopol, keine mit Bestimmtheit mehr erkennen läßt. Je mehr man sich aber weiter nach Osten wendet, also dahin, wo die vulkanischen Einflüsse geringer waren, häufen sich die Muschelschalen; man hat bald die höchst interessante Thatsache, daß die Muscheln im Anfange dem Meere, später jedoch süßen Gewässern angehört haben, daß beide aber auch zum Theil bunt durcheinander liegen. Das Gestein wird übrigens nach Süden zu älter; wahrend im Norden es der nmesten Tertiärzeit angehört, wird die Landzunge im Süden durch Iurage-bildc begränzt. V4 Dev Name ChersomsoS. ^o. Kav. Das Plateau ist sehr unfruchtbar, zumal noch Wasser-Mangel dazu kommt. Seine Oberfläche stellt einen ächten Pampas dar, der nur im ersten Frühlinge und im Herbste sich mit geringer Vegetation bedeckt. Als ich hier verweilte, sah ich nur wenige Flockenblumen mit kleinen Älüthenkörbchen l Oniinil-lü» «üMi^i I.om. und <^. nlk» I..), Andorn mit grailfilzigcnBlattern (HI<»rrnd!^!>! p^^^ilüuü, I..), Wernntth (^rl«mi!,i» ziontic:» l,, und Mlniliiiw l.. /^. il<:llupo,lil,m uil,i^l,!li I.., :lll»uiu Il^ocd, ^lnsuox in^umn I., u. f. w.). Nur da, wo die Landzunge mit dem Frstlande zufaunncnhängt, wuchs (5'ichcngebüsch. Wahrscheinlich schon im 6. Iahrhunecrtc v. Lhr. siedelten sich an der nördlichen Hafenbucht Handeltreibende Bewohner der pon-tischn: Hcrakleia c>n uud gaben dcr neue» Colonie den Namen ihrer Vaterstadt. Der dürre, unfruchtbare Vodcn dcr Halbinsel erinnerte sie aber keineswegs an die grünen uud bewachsenen Landschaften ihrer Heimath und veranlaßte später die Griechen sie Cherrouesos oder Chersonesoö, d.h. »nsruchtbare Insel, zu nennm. Zur Unterscheidung von andern Halbinseln — denn Chcrsoncsos bedeutct bei ren Griechen auch eine in das Meer sich hinsinzichcnde Landzunge — bekam diese uoch dm Veinamen des hcrakleotischcn Chersonesoö. Mit der Zeit erhielt die Stadt, welche den Namen tihcrson annahm, um so mehr Gewicht, als ihre Bewohner den ganzen Handel mit der Nord-und Westküste des Schwarzen Meeres an sich zu reißen vermochten und dadurch zu Wohlhabenheit und Macht gelangten. (5lsersüchti^ auf ihre Blüthe versuchttu die bosporcmischen Könige auf der andern Teite der Krim vergebens, sie zu demüthigen. Im Gegentheile zogrn sie hä'usig die kürzern. In dcn Zeiten der Voltmvandenmg ging Pantikapäon unter uud alle Reiche und Völker im Norden des Schwarzen Men'ss verloren sich auö dein Vliche der Grschichte, nur Cherson rrhielt sich, wenn auch nicht mit der frühern Bedeutung, gegen alle Etnrme. Als die Gothen die Krim bewohnten, scheinen sie sich auch (^hersous bemächtigt zu haben, denn Prokop nennt sie bestimmt eine gothische Stadt. 2. Kap.) Die Gothen dc^ Krim. YY Die Geschichte der Gothm in der Krim ist, so wichtig und interessant sie auch fein müßte, noch keineswegs hinlänglich erforscht, lim so mehr müssen wir dem Professor Maßmann, der sich überhaupt schon um deutsche AlterthumSkundc sehr verdient gemacht hat, Dank wissen, daß er jetzt die Zeit ihres Aufenthaltes in der Krim zum Gegenstande besonderer Untersuchungen macht. In einem besondern Vortrage, welchen er in der geographischen Gesellschaft zu Berlin hielt und der bereits auch in den Monatsberichten abgedruckt ist, hat cr die Wichtigkeit dek Gegenstandes verdientermaßen hervorgehoben. In der ersten Zeit der Völkerwanderung zogen sich die Gothm in das wilde und wenig zugängliche Küstengebirgc zurück und erhielten sich in demselben wenigstens bis in das sechzehnte Jahrhundert. Als die Ehasaren Herrn der Halbinsel Krim wurden, erhielt diese den Namen Chasarien 5 fortwährend wurde aber die Südrüste und namentlich der westliche Theil mit dcr oben bezeichneten Landzunge Gothien genannt. Der Name (Chasarien verschwand anö der Geschichte, während die Bezeichnung Gothien für denselben Umfang blieb. In einem Vertrage zwischen dem Herrscher der goldenen Horde und den Genuesern von Kassa, der im Iahrc 1380 abgeschlossen wurde, wird Gothien den letztern zugesprochen. Cs müssen demnach in dieser Zeit noch Gothen in der Krim cristirt haben. Die bekannte und viel besprochene Erzählung des Holländers Nubruquis, der im Jahre 1253 hier noch gothisch sprechen hörte, ist gewiß keine Fabel, sondern eine Thatsache. Vrst die rohen Horden dcr Türken fielen mit wahrer Tigerwuth, von der zu sprechen ich schon oben Gelegenheit hatte, über die unglücklichen christlichen Bewohner und demnach auch über die Gothen her und metzelten sie nieder oder zwangen sie doch wenigstens, ihren Glauben abzuschwören nnd den Islam anzunehmen. Gin Zeitgenosse erzählt die heldenmuthige Vertheidigung der beiden Herzöge von Mangup, eincr jetzt in Trümmern liegenden Vnrg, und nennt diese die letzten Neste des gothischen Volkes und dcr gothischen Sprache. Nach einem andern Schriftsteller, dcr freilich hundert Jahre später lebte, sollen jedoch diese beiden Herzöge Griechen gewesen sein. Küch/dicKnm. 5 W Bedeutung des Wortes Sebastcpol. s5. Kap. Während meines längcrn Auftnthaltes auf der Südküstc hatte ich vielfach Gelegenheit mich mit dm dortigen Bewohnern l>cka»«nt zu machen. Sie führen zwar ebenfalls ben Namm der Tataren, un-terscheioen sich aber wesentlich von denen der nördlichen Lbencn. Es ist gar keine Frage, daß sic eines ganz andern Ursprungs sind und vielleicht feinen Tropfen mongolisch-tatarischen VlutcS in sich haben. In der Größe stimmen si« noch am Meisten mit ihren Glaubensgenossen überein, aber in Physiognomie und Korperconstitulion weichen sie so sehr ab, daß ihre Verschiedenheit schon allen unv selbst den oberflächlichsten Reisenden aufgefallen ist. Ich weiß freilich nicht, wie die Gvthcn ausgesehen haben, und will auch gar nicht mit Bestimmtheit aussprechen, daß die Tataren des Gebirges gothischen Ursprunges sind. Viel Aehnlichkeit besitzen allerdings die letztern mit den Griechen. Es ist wohl auch gar kein Zweifel, daß griechisches Vlnt, zum Theil wenigstens, in den Tataren der Eüdküste stießt. Die Männer sind im Allgemeinen zwar klein, wie auch die Griechen, aber sonst recht hübsch, nur etwas untersetzt und besitzen stets eine edle Physiognomie. Frauen und Mädchen sieht man nicht selten unverschleiert. Nach dieser gewiß nicht uninteressanten Abschweifung kehre ich zu der Beschreibung des heutigen Sebastopolö zurück. Die Nüssen, welche das griechische Vcia nicht, wie wir, unserm deutschen „b" ahnlich, sonder« wie „w" aussprechen, nennen die Stadt Sewastu-polis. (5s giebt wenige Städte, in deren Namen auch ihre Bedeu-tung liegt. Zu ihnen gehört aber Sebastopol, denn das Wort bedeutet eine Ehrfurcht gebietende oder kaiserliche Stadt. Man braucht nur die drei Paar Basteien, welche den Eingang zum Hafen bewachen, oder die Riesenarbeiten der Admiralität, die Docks u. s. w. anzusehen, welche die russische Regierung seit mchrern Jahrzehnten aufführen läßt und von denen ich alsbald weiter sprechen werde, und man wird gewiß den nöthigen Respekt bekommen. Den Namen Sebastopolis erhielt in den ersten Iah» Hunderten nach Christus Dioslurias, noch früher das wichtigste Emporium aus derOstküste des Schwaben Meeres, von feinen damaligen Herren, den byzantinischen 5. Kap.) Der Hafen von Zebastopol. O? Kaisern. Aber grade scitvcm die Stadt dcu stolen Namen trug, kam sie in Verfall. Nicht so verhält es sich mit dem heutigen Scbastopolis, das mit jedem Icchrzehent an Bedeutung gewonnen hat. Kein Ort im Schwarzen Meere scheint so berufen zu sein eine wichtige Nolle zu spielen, als Sebastopol. Nährcuo der Name Ecbastopol don der Ost-knste des Schwarzen Meeres auf den russischen Kriegshafcn übertragen wurde, hat man die Bezeichnung des hier in uralter Zeit liegenden Chcrson einer Handelsstadt gegeben, die am Ausflusse des Dnjcpr liegt und ;u großen Erwartungen berechtigen sollte, aber, bis jetzt wenigstens, keineswegs diesem entsprochen hat. Ich beginne bei der Beschreibung von Sebastopol mit dem Hafen. (5r zieht sich ungefähr eine Stunde landeinwärts und wirv allmälig flacher. Am Ausgauge mag dic Breite eilte Viertelstunde und etwas mehr betragen. Nach Norden zu wird die Bucht durch ein hohes Ufer begräuzt, südlich hingegen laufen, wie schon oben erwähnt, vier kleinere Buchten in die Landzunge hinein und sind allenthalben von ziemlich hohen Ufern umgeben. Von ihnen werden die bnrm mittlern als Kriegsl'äseu benutzt. Diese besitzen selbst gegen ihr oberes Ende noch cinc Tiefe von fast vierzig Fuß, also hinlänglich, um die größten Schiffe zu tragen. Nur die erste Bucht nu-wcit des Einganges, die den Namen der Artillcriebucht führt, dürfen allein Kanffartheischiffc benutzen, während die letzte, die sogenannte Schiffwcrftsbucht, nicht gebraucht wird. Obwohl anch außerhalb der Hafenbucht das Meer allenthalben cinc nicht unbedeutende Tiefe besitzt — denn am 'Ausgangc derselben beträgt diese siebzig, achtzig und mehr Fuß — so ist doch zur Sicherung der Einfahrt die nöthige Vorsicht dadurch getroffen/ daß in der Ferne zwei Lcuchtthürme erbaut und so zu einander gestellt sind, daß, wenn man ohne Gefahr in den Hafen einlaufen will, der eine Lcuchtthurm den andern vollständig decken muß, so daß man nur den einen sehen darf. Die Räume des ganzen Hafens find so groß, daß in ihnen nicht allein die russische Flotte des Schwarzen Meeres eine sichere Zuflucht fiudcn kann, sondern daß auch sämmtliche Kauffartheischiffe, srlbst wenn 5' U8 Der Hafen t>on Sebastopol. » Kc,p. ihre jetzige Zahl sich verdoppeln sollte, sich darin den Nachstellungen ihrer Feinde entziehen können. Man kann sich wohl denken, daß die russische Negierung auch die nöthige Sorgfalt getragen hat, um die eigenen Schiffe im Haftn zu sichern, jedem fremden hingegen den Eingang zu verwehren. Vier starke Basteien, auf jeder Seite zwci, stehen zu diesem Zwecke gleich am Anfange der Hafenbucht und vermögen mit ihren Kanonen das furchtbarste Kreuzfeuer zu unterhalten. Die bciven äufzrrstcn fuhren den Namen der Aleranders- und Konstmuins-Vastei. Von den beiden innern war, als ich mich hier befand, die eine auf der Südseite im Osten der Artilleriebucht, welche den Namcn Nikolaus-Vastci besitzt, so ziemlich fertig, während die gegenüberliegende erst in Angriff genommen war. Es wurde uns erlaubt, die Nikolaus-Pastei näher zu besichtigen. Mir war das Herz ganz wehmüthig, als ich hier nichls als Mordinstrumentc sah. Die genanntcVastei bildet einen etwas flachen Halbmond >»nd besitzt drei über einander liegende Etagen. Nie man sich denken kann, war das ganze Gebäude bombenfest. Ich wunderte mich, das; man den weichen Eteppentalt von Inkjermann zum Vau benutzt hatte, da dieser, Wind und Wetter ausgesetzt, schucttrr verwittert als Granit uud anderes plutonisches Gestein, was man, namentlich außerordentlich harten Grünstem (Diorit), in der Nähe hätte haben tonnen. Vielleicht ist aber grade weiches Gestein am besten geeignet, Vombcn zu widerstehen. Daß Granit unsern jetzigen Wurfgeschossen keineswegs auf die Länge der Daner wiedersieht, haben wir in diesen Tagen erst bei der Eroberung von Vomarsxnd gesehen. Im Erdgeschosse lagen die Bomben und Granaten; ich sah die Oeftn, in denen die Kugeln bis zum Nothglühen erhitzt wurden, ehe man sie wirst. In den Etagen waren drei Vattcrim, cine jrdc mit 190 Kanonen, aufgestellt. Die gro'ßcrn Kanonen, welche vierund-scchszigpfündige Kugeln werfen, hatte man von den übrigen getrennt und standen in besondern kleinen Zimmern, hinter denen der Raum wiederum für die Kanzlei und zu ähnlichen Crfordcrnisscn benutzt 5. Küp.) Die Docks von Sebastcpol. !>xiim« 0x)p1>vl!il Liod.) mit hüb-sehen Kronen das Nild verschönern. Die Anhöhen, welche alls drei Selten sich rings herum ziehen, schienen auch mehr bewachsen zu sein, als es außerdem auf der Landzunge dcr Fall ist. Auf der Seite rechts mündet ein kleinerer Kessel ein; seinen obern Thcil hat man zu einem Bassin benutzt, um das wenigeQuell-wasser, namentlich abrr das, was während dcr Regenzeit und sonst fällt, oder durch das Echnceschmelzen sich bildet, zu sammeln. Die ganze Einrichtung erinnerte mich lebhaft an die berühmten Wasserleitungen von Konstantinopel. In einem neun Fuß breiten Canalc wird das Wasser aus dem Eammelkessel rings um die Berge, welche 5. Kap.) Del Aquädukt. 75 auf der einen Seite jcncn einschließen, nach dem großen !Thalc geleitet. Um einc Schlucht zu vermeiden und dadurch für deu wcitcrn Laus an Falle zu gewinnen, hat man über diese einen Aquädukt geführt, der von sechs Vogen getragen wird und eine Länge vvn lirca 200 Fuß besitzt. Die Anhöhen am uordcrn Ausgange machen ferner cincn bedeutenden Vorsprnng und man sah sich genöthigt, diesen zu dnrchgrabcn. Auf diese Weise ist ein Tuunel entstanden, der zu den vorzüglichsten gehört, die ich gesehen habe. Achtzig Matrosen, die der ^2. Equipage zugetheilt waren, arbeiteten, alle vier Stunden sich ablösend, Tag und Nacht und bedurften doch einer Zeit von fünfzehn Monaten, um das große Werk zu Stande zu bringcu. Den 19 3 l. Juli 1832 wurde er begonnen und erst den 19/31. October des nächsten Jahres war er fertig. Zum Glück war das Gestein, namentlich im Anfange, wo es aus einem graugrünlichcm Mergel bestand, nicht hart nnd lies: sich leicht bearbeiten. Mehr Schwierigkeit mag schon der Numnnllitenfalt, der später dc» Mergel ersetzt, dargeboten haben. Innerhalb des zwöls Fuß breiten und sechs Fuß hohen Tunnels ftießt daö Wasser in einem besondern Vettc von vicr Fuß Tiefe und neun Fuß Breite. Vei dieser Einrichtung bleibt ein Raum von drei Fuß übrig, der zu einem Fußpfade auf beiden Seiten des eigentlichen Canales benutzt ist. Wir scheuten nicht dieMühe, den ganzen langen Tunnel, der zu 13A Saschenen oder russischen Klaftern, also ungefähr zu 9l)l) preußischen Fuß mir angegeben wurde, durchzuwandern und uns von der Vorzüglichkeit dieses interessanten Vauwcrkes selbst zu überzeugen. Dicht am Vingange des Aquäduktes in den Tunnel befindet sich eine iuteressanle Kr^ptc neben andern kleinen. Sie soll dereinst einer Kirche angehört haben und früher weit größer gewesen sein. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts, so erzählte unser geschwätziger Matrose, sei plötzlich ein Theil zusammengebrochen und den Verg hereingestürzt. Daö weiche Gestein — es ist wiederum derselbe grau-grünliche Mergel, durch den ein Theil des Tunnels gehauen ist — ist leider gar nicht dazu geschaffen, Skulpturen nnd überhaupt Ver- ?y DieKrYpten von Inkjermaun. ^.Kar. zierungm auf die Länge der Zeit zu erhalten. Dieses mag auch die Ursache sein, warum ich keine Spuren vorfand. In einigen Zellen, die wahrscheinlich in alter Zeit von Mönchen bewohnt wurden, hatten jetzt Matrosen, die die Aufsicht über die ganze Leitung führen, ihr Lager aufgeschlagen und brachten die ganze Zeit des Sommers darin zu. Weit großer als diese Krypten schienen mir andere Fclsm-Aus-höhlungen zu sein, die auf der entgegengesetzten Seite der Thalspalte, aber ebenfalls gegen den Ausgang hin, sichtbar waren. Ich hatte nicht Lust, zumal der tiefe Stand der Sonne uns an den Rückweg mahnte, die Thalspalte qucr zu durchwandern und auch die jenseitigen Krypten zu besichtigen, da ich von der Ansicht der diesseitigen so wenig befriedigt war. Sie führen nach einer frühern Vurg, die auf der Hohe liegt, den Namen der Kl'.'ptcn von Infjermann und sind bereits von einigen Reisen'ocu erwähnt und auch beschrieben wordcn. Der Führer brachte uns eudlich aus demselben Vote wiederum zurück. Wir verfolgten die ganze Zeit über mit unsern Augen die in der That großartige Wasserleitung, wie sie sich an den Vcrgen und durch alle Schluchten windend hinzog. Ueber die größte, die nach ihrem Besitzer, die Nschakoff'sche Bucht heißt und eine ziemliche Breite und Länge besitzt, hat man wiederum einen Aauädukt gebaut. Dieser ist bedeutend größer als der erstc und ruht auf sechzehn Vogcn. Die Läng« mag gegen 300 Schritte betragen. Man hat auch hier den leichten Kalkstein benutzt. Die Schlucht besitzt ein sehr freundliches Ansehen und war zu einem Park umgeschaffcn. Mittrn darin sah ich auch ein nettes Landhaus, llntcr den Gehölzen, die hier des Menschen Hand angepflanzt hatte, befand sich auch neben der spitzblättngen Esche, die ihr sehr ähnliche Terpenthin-Pistazie. Weniger gefiel mir der große Pavillon, da er nicht in rein chinesischem Geschmacke erbaut war und die bunten grellen Farben, mit denen man ihn angestrichen hatte, einen unangenehmen Eindruck machten. Sonderbar, aber keineswegs unschön, nahm sich ein hoher Mastbaum aus, der mitten aus dem Pavillon emporragte. 5. Kap.) Nußlandö Stellung zur Tm'lci. 77 Es wurde Nacht. Unser gutmüthig«- Fährmann erzählte uns aus seinem vielfach bewegten Leben. Seit vierzig Jahren diente er auf der Flotte. Fndlich sei er seines hohen Alters wegen aus dem activen Dienste entlassen und beziehe eine Pension, von der er aber leider nicht leben tonne. Für den Augenblick habe er bei einem Schiffer Beschäftigung gesunden, der, gegen die bestimmte Abgabe von 5000 Nubel, daS Recht erhalten hat, zweiunddreißig Vote zur Verfügung der Bewohner, versteht sich gegen eine bestimmte Vergütung, zu stellen und die Verbindung zwischen den einzelnen Landzungen und der gegenüberliegenden Küste zu vermitteln. Die Boote waren zwar einfach, schienen aber recht dauerhast zu sein. Im Durchschnitt kostete ein jedes l 10— 130 Rubel (120— 150 Thaler). Ehe ich die Beschreibung meiner weitern Reise beginne, möchte es vielleicht von Interesse sein, einige Worte über die Möglichkeit einer Eroberung und eventuellen Besetzung Sebastopolö durch die Westmächte zu sagen. Ich habc schon oben bn der Beschreibung Kaffa's dieftn Oll als den bezeichnet, der tregcn seiner Lage und möglichen Befestigung alle Aufmerksamkeit der Westmächte verdient, und auf jeden Fall eine größere Wichtigkeit besitzt als Sebastopol. Das alte Cherson war zu rincr Zeit sehr bedeutend, hat aber doch nie den Glanz wie Kassa, das heutige Thcodosiopvl, erreicht. Gs ist nicht zu leugnen, daß Sebastopol für Nußland eine Bedeutung von großer Tragweite besitzt, daß, so lange nicht ein kräftiger Thron, der im Fall der Noth sich selbst erhalten kann, in Konstantinopol errichtet ist, Nußland bei dem unausbleiblichen und ohne Zweifel bald eintretenden Falle des türkischen Reiches vor allen übrigen Mächten und selbst vor Oesterreich in bedeutendem Vortheile ist. Daß Nußlands Kaiser sich als die rechtmäßigen Nachfolger des mor-genländischcn Reiches betrachten und nicht ohne Ursache den byzantinischen Doppel-Adler in ihrem Wappen aufgenommen haben, spricht man selbst russischer Seils ganz offen aus. Nicht erst durch den Frieden von Hunfjar-Skelcssi, sondern schon weit früher durch den Frieden von Kutschuk-Kainardshi (!??/<) erhielt der Kaiser von Rußland eine Art Bcaufsichtigungsrechl über alle Anhänger der mor- 18 Rußlands Stellung zur Türkei. ^5. Kap. genländischcn Kirche und faßte damit cincn fester« Fuß inmitten des türfischcn Reiches, als ihm alle die in Europa und Asien abgetretenen Provinzen verschaffen konnten. Eifersüchtig auf dieses Vorrecht, suchte Nußland zunächst die Forderungen der Lateiner in Betreff der heiligen Stätten zu vereiteln, und als ihm dieses nicht in der ge-wüuschten Weise gelang, sich dadurch zu entschädigen, daß eö von dem Sultan verlangte, das bis dahin beanspruchte Mfsichtsrecht über die Anhänger der morgenlandischcn Kirche zu einem formlichen Schntzrccht umzuwandeln. Die türkische Negierung erkannte die Gefahren, welche seiner an und für sich schwachen Selbstständigkeit dadurch drohten, und wußte, daß alle christliche,, Stämme, namentlich aber die Griechen und Armenier, nie die Drangsale nnd Unbilden , die man ihnen seit melmrn Jahrhunderten angethan, vergessen und jede Gelegenheit ergreifen würden, um sich an ihren Unterdrückern zu rächen. Der Sultan widerstand und hat in der That gegeigt, daß trotz der Renegaten und sonstigen mächtigen Unterstützungen doch noch einige Lebenskraft in seinem Reiche sein musi, um so zu widerstehen. Aber trotzdem verhehlen fich die Wcstmächte doch nicht, daß die Stunde nicht mehr fern scin möchte, wo, um mich des jetzt häufig gebrauchten Ausdruckes zu bedienen, der kranke Mann bei allen Versuchen seiuc noch einmal auflodernden Kräfte zu eihalten, doch stirbt. Ehe irgend eine der Wcstmächtc und selbst Oesterreich herbeieilen kann, vermag Nußland von Sebastopol aus rasch hmtcrcinandsr cine Anzahl von Gruppen nach Konstantinopcl zu werfen, die, einmal im Besitze der Hauptstadt, nicht so leicht herausgeworfen werden mochten, auch wenn sie nicht durch die Snmpatl'ien der Griechen unterstützt würden. Wie schwierig es ist und welcher Zeit es bedarf, ehe von Frankreich und England aus bedeutende Heere nach dein Oriente gebracht werden können, haben wir jctzt gesehen. Und man mus, in der That noch die Schnelligkeit bewundern, mit der hauptsächlich die Franzosen Truppen nach der Türkei schafften. Man muß bedenken, daß Nußland zwei Depots in der Nähe besitzt, von denen aus rasch Verstärkungen nachfolgen könnten. Wosncscnst, diese 3. Kap.) Rußlands Stellung zur Türkei. 79 größte Militanvolonie Nußlands, liegt am Vug, also an cincm schiffbarm Flusse und nicht fcrn von seinem Ansftnsfc. Am Kaukasus standen bis daher 160— 1800U0 Mann zur Bekämpfung der Gebirgsvölker. Auch hier konnten, wie wir es ja bereits gesehen, 60 —80000 Mann, ohne gerade die russischen Provinzen jenseits und diesseits dcö Gebirges einer Gefahr Preis zu geben, rasch in Poti oder Suchumkaleh eingeschifft oder zu gleichzeitigen Operationen in Armenien und Kleinasien benutzt werden. Man sieht also, daß dic Nachtheile für die Wcstmächte und Oesterreich sehr bedeutend sind, und daß sie demnach auch jetzt Alles aufbieten müssen, um bei gewissen Eventualitäten bereit zu sein. Die Zerstörung Scbastopols und dic Vernichtung der keineswegs, wie man glaubt, zu verachtenden russischen Flotte im Schwarzen Meere wiirvc allerdings in der nächsten Zeit von der Furcht befreien. Ich glaube auch, daß dieses das einzige Ziel der Westmächtc ist und daß man ihrerseits nicht an eine dauernde Besetzung der Krim oder nur Scbastopols denkt. Daß der zuletzt genannte Ort von der Eee aus zu nehmen ist, bczwrisclt man jetzt allenthalben. Wohl liegt aber die Möglichkeit von der Landscitc her. Als ich vor nun zehn Jahren in Eebastopol war, baute man noch au dm Hasenbescstigun-gen, die Stadt war aber offen und für gar keine Vertheidigung von der Landscite eingerichtet. Ob man in letzterer Hinsicht später Fürsorge getroffen hat, weiß ich nicht, bezweifle es aber, daß in der Weise etwas Bedeutendes geschehen ist. Sebastopol hat allerdings auch hinsichtlich scincr Befestigung eine günstige Lage, da cs im Norden einer Landzunge liegt, die sehr leicht nach der Landseite zu abgesperrt werden könnte, denn sie bildet eine Art Plateau, was nur in Süd-Ost mit dem eigentlichen Küsten-gcbirge zusammenhängt. Dieses Plateau hat eine Länge von vier und eine Breite von nicht ganz drei Stunden. In der alten Zeit des (5herson'schen Freistaates wurde am ostlichen Abfalle des Plateaus eine Mauer gegen die Ginfälle der Scythen und der bosporanischcn Könige errichtet, die in ihrer einfachen Zusammensetzung wohl der damaligen Kriegführung widerstand, jetzt hingegen ganz anders er- 80 Rußland und die Westmächle in der Krim. s5. Kap. baut werden müßte, wenn man siegreich aus einem ungleichen Kampfe hervorgehen wollte. Diese Mauer, von der man noch zu Anfange dieses Iahrhundrrtes nicht unbedeutende Neste sah, begann in der Nahe von Inkjcrmann und dem oben erwähnten Sammclplake für die Wässer zur Speisung der Werftc oder Docks und zog sich in gerader südlicher Nichtung bis nach Balallawa hinab. Wegen der nllenthalben hohen Lage der Lanvzunge und wegen Mangels eineö nur einigermaßen Passenden Landungsplatzes vermögen an dieser selbst gar reine Truppen ausgeschifft werden. Die Landung der Franzosen und Engländer mußte entweder bei dem Städtchen Valaklawtt oder im Norden Sebastopols, am Ausflusse des Velbek oder bei Gnpatoria geschehen. Der zuerst erwähnte Fall hat große Schwierigkeit, da wohl eine sehr sichere Hafcnbucht vorhanden ist, der Eingang zu derselben aber außerordentlich leicht verwehrt werden kann. Es kommt noch dazu, daß das Thal von Valaklawa keineswegs so geräumig ist, um eine große Truppenzahl aufzunehmen. Landen die Truppen im Norden, so haben sie außerdem den Vortheil, daß sie die Basteien aus der Nordseite leichter vom Nucken aus angreifen können unv, einmal im Besitz derselben, mit geringern Kräften zu operiren vermögen. Ich habe schon gesagt, daß man sich wohl begnügen dürfte, die Flotte des Schwarzen Meeres und die Festungswerke Sebastopols zu zerstören. Eine dauernde Besetzung möchte den Westmächten ungeheure Opfer kosten und am (5ndc doch zu keinem Resultate führen. Ein Gibraltar würde Sevastopol nie und nimmer werden. Das Schwierigste bei der dauernden Besetzung ist stetö die Unterhaltung einer so bedeutenden Truppenmassc, als für die Behauptung eines sehr entfernten Ortes nothwendig erscheint. Wollte man mit Seba-stopol die ganze Krim wegnehmen, so würden sich die Schwierigkeiten nur steigern, da die Nähe eines immerhin mächtigen Feindes die größten Vertheidigungsmaßregeln verlangt, zumal dieser wieder nur darauf bedacht sein müßte, sich der Halbinsel von Neuem zu be« mächtigen. Die Krim wird nie im Stande sein, neben der Bevölkerung noch bedeutende Hcere zu ernähren, denn mit Auönahmc der 6. Kap.) Nußland und die Westmächte in der Krim. 81 wenigen Thäler fehlt Wasser; ohne dieses, zumal nicht einmal Was-srrlcitungen gemacht werden können, ist keine Fruchtbarkeit und am allerwenigsten Getreidebau möglich. Der Glaube von der großen Fruchtbarkeit der Krim, dem man sich selbst in Nußland ganz allgemein hingiebt, stammt noch aus der Zeit der großen Katharina, die der Fürst Potjomkin (Potemkin) durch ephemere Colvuien zu täuschen suchte. Auch die jetzigen Kriege in der europäischen Türkei habcn uns gezeigt, wie schwierig es ist, auf eine längere Zeit große Truppenmassen in nicht eivilisirten Landern zu unterhalten. Die Zeit wird uns lehren, was kommen soll. Die Westmächte haben ihre schwierige Lag? ebenfalls erkannt «nd gewiß nicht eher den Angriff versucht, als bis sie ihrer Sache sicher waren. In der Ostsee scheint man für dieses Jahr jede weitere Operation aufgegeben zu haben, nicht so im Schwarzen Meere, wo man auf jeden Fall in diesem Jahre noch ein bestimmtes Nefultat erreichen will. Sechstes Hapitel. Valaklawa und das Küstengebirge. DaS alte Kherson; Aalaklawa; die Lästn^onen Homers; Parthenion; Mondschein-Parti^; Vaidar; die umc Straße; ein Gebirgspaß; schone Aussicht; Vegetation; Kirkinnciß; theure Preise; das Kustengcbirge; seine Viloung; die Iurawand; die Iaila. Den andern Tag nahmen wir uns vor, die Ruinen des alten Cherson oder Korsnn, die weiter südwestlich von Sevastopol liegen, aufzusuchen. Dubois dc Montpüreur und Kohl habcn so aussühr-lichc Beschreibungen des jetzigen Zustandes der berühmten Handelsstadt des Alterthums gegeben, daß es überflüssig sein möchte, von Neuem aufzuzählen, was an Ruinen noch vorhanden ist. Ich käme selbst um so mehr in Verlegenheit, als mein Tagebuch, was ich übrigens stets mit großer Gcuauigt>it und zwar gewöhnlich an Ort uud Stelle führte, durchaus nicht mit den Beschreibungen übereinstimmt. Die Koch, dic Krim. ß 82 Die Ruinen von Chersv'.i. ^,. Kap. beiden genannten Reifenden haben weil mehr gesehen als ich; ich sah nur durcheinander liegende Steinhaufen, wenige Mauertrümmer und sonstige Spuren, und vermochte weder die Ruinen eines Tempels, noch die einer Kirche heraus zu finden. Man erzählte nur jedoch, das; allerdings noch vor wenigen Jahren die Trümmer bedeutender gewesen wären und daß sie iu einem Jahrzehnt vielleicht ganz verschwunden sein könnten. Zuerst habe die Erbauung Nikolajeff's an» Vug, die in der That früher umfangreichen Ruinen des alten (5herfon sehr verringert; denn man holte namentlich die prächtigen Grünstem-Quadern für die dortigen Häuser. Seitdem Scbastopol entstanden, sei dann vollends das brauchbare Gestein der Ruinen zu mancherlei Bauten benutzt worden. Dieser Frevel, — ich musi in der That diesen Ausdruck brauchen, — ist aber weniger von Seiten der Regierung geschehen, denn der Kaiser hat befohlen, alle Rliinen der Vorzeit zu erhalten, als vielmehr von Privaten. Man zeigte mir in Sebastopol Häuser, die fast nur aus Steinen des alten Cherson erbaut sein sollten. Am Nachmittag des 25. Septembers verließen wir das freundliche Sebastopol, um nach der berühmten Südküste unsere Schritte zu lenken. Den ursprünglichen Plan, die Landzunge und hauptsächlich ihre Küsten einer nähern Untersuchung zu unterwerfen, musite ich aufgeben, um Zeit genug zu haben, die für einen Naturforscher wichtigere Südküstr mit Muße swdircn und dann zur rechten Stunde mit dem Dampfschiffe nach Odessa gehen zu können. So fuhren wir in einem Dreigespann rasch über den classischen Vodm der Landzunge hinweg nach ihrer Südseite. Dort liegt ein griechisches Städtchen, Valaklawa mit Namen, ebenfalls an einer Vncht, die sich landeinwärts erstreckt. Der Weg bis dahin beträgt nur zwölf Werst, also etwas über drei Stunden. Man hatte mir zwar schon Manches über die eigenthümliche Lage des genannten Städtchens erzählt, aber als wir das Plateau herabgingen und der Kessel mit dem dunkelblauen Wasser in der Mitte sich allmälig vor unsern Blicken ausbreitete, übertraf das, was wir sahen, alles, was uns zu Ohren gekommen war. Der Kessel o. Ktch.1 Vcilaklawa. 83 mag ungefähr zwanzig Minuten im Durchschnitt habm und wird, mit Ausnahme einer schmalen Spalte, rings herum von ziemlich steilen, nur zum Theil bewachsenen Felsen, dir eine Hohe von einigen hundert Fuß besitzen, eingeschlossen. Die eben erwähnte Meeresbucht füUt fast den ganzen Kessel aus, und wird mit Ausnahme der uns entgegengesetzten Seite, wo das Wasser bis hart an die Felsen geht, von einem grünen Rasenteppiche umsäumt. Hier liegt auch das kleine Städtchen Balaklawa, alls wenigen Häusern, aber aus desto mehr Verkaufslädcu bestehend. Die Grtrcide- und Gemüse bauenden Bewohner haben sich an dem Abhänge, den wir herabgestiegen waren, angesiedelt, um den Erzeugnissen ihres Fleißes naher zu sein. Man nennt den ländlichen größeren Ort mit dem tatarischen Worte Ka-diköi, was im deutschen Nichtcrdorf bedeutet. Die Einwohner sind Griechen, welche zur Zeit der großen Katharina dir Türkei verließen und, mit besonderen Privilegien versehen, sich an derselben Sielte niederließen, wo vor längcralö 2l)l)U Jahren kleinasiatifcheLcindsleute, Milesicr, ebenfalls sich angesiedelt und die Colonle Symbolon (Cembalo bei den Italienern des Mittelalters) gegründet hatten. Diese Colcnie erlangt? jedoch nie eine größeve Vc-deutuug und war in dcr Regel von dem mächtigen Freistaat Cherson abhängig. Als die Genueser auf der Südküste festen Fuß gefaßt hatten, kam Cembalo bald unter ihre Botmäßigkeit. Mit dem Untergänge ihrer Herren ging auch diese Stadt zu Grunde. Später wohnten Tataren hier, bis auch diese wiederum gegen das Ende deS vorigen Jahrhunderts Griechen Platz machen mußten. Achttausend Seelen waren es, die damals den griechischen Archipel verließen und sich hier ansiedelten. Die Zahl scheint mir auf keinen Fall noch eben so groß zu sein; ich weiß aber nicht, ob sich diese durch Krankheiten verringert hat, oder ob später Einzelne an andern Orten eiuen bleibenden Aufenthalt erwählten. Die Griechen haben noch fortwährend ihre eigene Gerichtsbarkeit und eine selbstständige Gemeindeordnung, deren Vorsteher nur der russischen Behörde verantwortlich ist und ihr jährlich Rechnung ablegt. Sie sind zwar von der Rekrutirung befreit, müssen aber ein Bataillon von 500 6' 84 Die Umgegend vou Valaklawa. s> Kap. Mann organisiren und damit die Aufsicht über die ganze Südküste führen, damit keine fremden Waaren eingeschmuggelt werden. AlS ich dem dunklen Wasser entlang ging, bemerkte ich Quallen, also Meerthicre, das beste Zeichen, daß jenes kein Binnensee, sondern eine mit dem Meere durch einen schmalen Ausgang zusammenhängende Vucht sci. Ich war neugierig, die berühmten Fische Kephal und Petuch, die man hier anpreist, aber schon Kohl herzlich schlecht fand, näher kennen zu lernen. Daß Kephal die Meeräsche oder der Harder ftlu^i! Opln,!^ I..) scin mochte, konnte ich nur denken, denn auch die Franzosen bedienen sich derselben Bezeichnung. Der Petuch ist die Meerbarbc Julius d^butus), die bei den alten Griechen den Namen Trigla führte. Der Anblick der romantischen Felsenhohen, die übrigens hier nicht aus Nummulitenkalk, sondern aus einem graubläulichcn oder röthlichen Jura bestehen, gewinnt durch die zahlreichen Ruinen, die sich auf ihnen befinden. Gs stand hier auf jedem Fall die alte Burg, von der aus man den Eingang zur Hafenbucht beherrschte. Man sieht jetzt noch eine weitläufige Ringmauer und zwcl so ziemlich erhaltene Thürme, von denen der eine hart über dem schmalen Ausgaugc der Hascnbucht erbaut ist. Ein gegen Stürme und Ucber-fälle sicherer Hafen mag kaum irgend wo anders noch erlstiren. Nur ist er zrcur glaubt hier die Stelle gefunden zu haben, die Homer in seinem zehnten Gesänge der Odyssee schildert. In der That, wenn man mit diesem Vuche in der Hand den Hafen von Valaklawa besucht, so möchte man auch fast meinen, daß der Sänger die Umgegend mit eigenen Augen erschaut habe. Es ist nämlich die Stelle, wo Ovyssenö in das Land, und zwar zunächst in den Hafen der Lästrigonen kommt und die Voß mit folgenden Worten wiedergegeben hat: , „Als zu dem trefflichen Port wir gelangten, welchem der Felsen ! Nings umher ausstarrcnd an jeglicher Seit' emporsteigt, Aber die vorgestreckten Geklüfte sich gegen einander Vornhin drehn an der Mündung; ein eng geschlossener Eingang: 6. Kap.) Die Lästngonen. 85 Lenkten sie hinein alle die zwiefach rudernden Schiffe. Sie umlagen im Raum des umhügelten Portes befestigt, Nahe gereiht, denn nie stieg einige Well' in dem inner», Weder grosi noch klein. Rings schimmerte heiteres Gewässer. Aber ich selbst hielt draußen allein das dunkele Mcerschiff, Dort am Ende dcr Nucht, und knüpfte die Scil' an den Felsen." Diejenigen, wclchc mit einer gewissen Vornehmthuerci jede Ansicht und auch diese, die nicht mit dcr ihrigen übereinstimmt, auf die Seite legen, und fest dabei verharren, daß die Irrfahrten des Odysseus in dem Mittelländischen Meere stattgefunden haben, mögen nurbcdenkm, dasi wahrscheinlich dcr ganze Trojanische Krieg, wenigstens in dcr Weise, wie er besungen, zn den Sagen gehört, an denen die vorgeschichtliche Zeit der Griechen so reich ist. Auf jeden Fall bleibt es höchst interessant, wenn man eine Gegend findet, die genau auf eine Loealbeschrcibung des Dichters paßt, und sie näher bezeichnet. Man braucht ja sonst nichts weiter damit sagen zu wollen. Dubois stützt sich, um seine Behauptung zu bekräftigen, auf die Geschichte, die hier in den frühesten Zeiten Völker wohnen läßt, die Menschen mordeten. Während Vater Homer die Lästrigonen als Menschenfresser schildert, läßt der Sänger dcr Iphigcnie, dcr bereits in emer Zeit lebt, wo die Griechen sich einer hohen Cultur erfreuten, die Fremden, die an die kimmerische Halbinsel verschlagen wurden, der Diana opfern. Wie aber die Beschreibung Homer's auf die Umgegend von Valaklawci paßt, so ist die Schilderung des Aufenthaltes von Orestes und Pylades auf dcr taurischcn Halbinsel der Art, daß sie ebenfalls mit derselben Gegend so ziemlich übereinstimmt. Sollte nicht schon die Versetzung derIphigcnie von Aulis nach Tau-rls ein Fingcrzcichen sein, daß die Griechen zu Homer'S Zeit so ziemlich genaue Kenntniß von den Ufern des Schwarzen Meeres hatten? Gine Versetzung der Irrfahrten des Odysseus aus dem griechischen Archipel nach dem Pvntus Eurinus ist in der That nicht so etwas Absurdes, als man hier und da meint. Giucs dcr Vorgebirge, die von der Landzunge, dem heraklco-tischcn Chcrsones, sich in das Meer vorschieben, war ohne Zweifel 8ft Eine Mondfcheinparli?. ft. Kap. das Jungfrauen - Vorgebirge, Parthenion. Dort sott aber auch, nach der Meinung der Griechen der Dianentempcl gestanden haben, in dein Thaos Oberpriester war und alle Fremden, die hierher verschlagen wurden, der Göttin opfern ließ. Da, wo Iphigcnie dereinst gewaltet haben soll, liegt, nach der Ansicht Duboi's und Anderer, jetzt ein Kloster, was dem heiligen G?org gewidmet ist, und dessen Mönche den Sommer über znm Theil auf dm Schiffen ocr russische» Flotte zubringen. Die Besichtigung der romantischen und interessanten Gegend hatte uns fast den ganzen Nachmittag aufgehalten. Wir warteten dcn Sonnenuntergang ab, und fuhren endlich bei herrlichem Mondenscheine noch bis zur nächsten Station Baidar, die zweiundzwanzig Werst 5 >Vi!Ic1. und I'«lwn^ I..), unsere Weißbuche und die dcsOricnteö (l^rpinu« Lolulu5l.. und ol icmlillis l^-un.), derHafcrschleheustrauch (prunus ingililial..), derSchwarzdoru si'iunus 5lnno5i, I..), mehre Weißdorn-Arten (Onwoßi,« mLwilocni-p!» Muk. Ox^ac-mllm und I.. uiano^'m, .Iixxi.), der Feuerstrauch (O<»l.l6gu5 I^i-aeanlks ?oi-8.), der Wachholder mit hellbraunröthlichm Zapfen- VO ?l»f>mft in Kirkinneiß. ^. Kap. beeren ^unipsl-ug i-ul68csn8 Linlc) und wenige andere. Jährige und ausdauernde Kräuter bemerkte ich nur wenige; für sie war allerdings die Zeit schon spät geworden. Was ich aber sah, war mir gerade genug, um zu sehen, daß Gräser, Lippcnblülhlcr, Krcuzblüthler und Distelgcwächse (^nai-ocepliälus) hier vorherrschten. In Blüthe fand ich noch Pferdcminze (klmUlül 8)Ivo«l>'i5 I.,), Bohnenkraut (8u!ul^>> lwrl«n8i3 I..) Naute und die Sporndistel (XoiUwpl^üuni Gegen Mittag kamen wir in dem Tatarcndorfe Kirkinneiß, wo unser Dreigespann schon lange sich der Ruhe erfreute, an. Wir waren doch müde geworden und gönnten uns deshalb die kurze Ruhe einer Stlinde. Man verdankt, wie vieles andere Gute, es hauptsächlich dem Fürsten Woronzoff, daß man auf der Südküstc bequem reist. Allenthalben hat er gute PostHäuser einrichten lassen und sieht streng darauf, daß auch gute Wagen und Pferde vorhanden sind. Nur eins bedürfte einer Abänderung, die namentlich weniger bemittelten Reisenden, besonders Gelehrten, die keinen volle« Beutel haben, zu Gute käme: es müßten nämlich die Preise für Speisen und Ge; tränke, so wie für die Wohnzimmer, nicht allein in dein Tarife, son-dern in der That heruntergefttzt werden. Für das Geld, was man hier für Wohnung und Kost zahlt, könnte man in Wien, Berlin oder Dresvcn in dcn besten Gasthofm logiren. Für ein Paar in Vuttcr geschlagene Gier mußte ein Jeder von uns cinen halbm Sil-benubcl (grgcn !6Gr.) zahlen. Gine gleiche Summe verlangte man in Vaidar nur für die Vrlaubnisi, die Nacht anf einer hölzernen Bank zubringen zu dürsen. Die Tasse oder vielmehr daö Glas Thee oder Kaffee kostete überall 25—3«, ja selbst 40 Kopeken (8—12 Gr.) Kirkinnriß hat eine romantische Lage nicht weit vom Fuße der Felscnwand und mitten untcr den freundlichsten Obstgarten. Besonders erfreute ich mich an dcn prächtigen Wallnußbäumcn, die hier die Platanen des Orientes vertreten. Die Häuser unterscheiden sich wesentlich von denen in Valtschisarai und sind, wie in Grusien, an die Berge angebaut. Wie dort besitzen sie flache Dächer, auf denen die Familie die Abendzeit, gewöhnlich in Freude und Lust oder stnmm P. Kap.) Das Krim'sche Kttstengebirge. !)1 einer Erzählung lauschend, zubringt. Die Wände bestehen wiederum wie in Grusien aus übereinander gelegten Steinen, die durch keinen Mörtel mit einander verbunden sind. Ehe ich in der Beschreibung meiner Reise weiter fortfahre, wird cs des Verständnisses halber gut sein, wenn ich einige Bemerkungen über das Krim'sche Küstengebirge vorauösende, zumal dieses eigenthümlicher Art ist und sich wesentlich vom kaukasischen und andern Gebirgen unterscheidet. Wenn auch verschiedene Hebungen schon in sehr früher Zeit stattgefunden haben mögen, so ist die letzte und bedeutendste doch ohne Zweifel erst da geschehen, als schon tertiäre Niederschlage in bedeutender Menge erfolgt warcn. Die Erde berstete in einer Ausdehnung von gegen zwanzig Meilen und ein im Innern der (5rde gefertigtes Gestein trat durch die Spalte. Die Mittellinie des Druckes muß sich aber allmälig etwas und zwar nach Norden zu verrückt haben, so daß der eine Spaltenrand, der zuletzt durch keinen Druck von »lntcn mehr in drr Höhe gehalten »vurde, wieder biö unter die Flulhen des Meeres uicdcrsank und jetzt fortwährend von die» sem bedeckt wird. Desto mehr steigerte sich der Druck auf der andern Seite, deren Rand auch um so hoher gehoben wurde. Wärm die unterirdischen Gewalten noch starter gewesen, als sie in der That waren, so würde auf jedem Fall ein Theil des Randes abgerissen sein. Wir hätten das interessante Schauspiel gehabt, nepttmischc Gebilde, ohne allen Zusammenhang mit den übrigen Flötzschichten, von plutonischcm oder gar vulkanischem Gesteine getragen zu sehen. Im Kaukasus ist allerdings etwas Achnlichrs vorhanden, denn die dortigen Gebirgskessel bestehen meistens aus Thonschiefer, also dem ältesten Flö'tzgebilde, der rings von Trachyt umgeben ist. Hier ließ der Druck nach, bevor die Lostrennung geschehen konnte. Aus dieser Ursache sehen wir auch nur an dem Fußc des steil emporgerichteten Nordrandcs plutonische« und weniges vulkanisches Gestein, was bei regelrechten Hebungen und zu Tage kommen des unterirdischen Gesteines grade den Rücken des Gebirges, aber bei zeitig nachlassendem Drucke zwischen den beide» gehobenen Rändern eine gleichlaufende Thalspalte bilden müßte. Grade der 92 Das Knm'sche Küstengebirge. l6.KaP. schräge Abhang, auf dem die Straße dahin führt und auf oder an dem die Land- und Lusthäuser russischer Großen befindlich sind, ist der eigentliche Nucken, der aus unterirdischen, nicht aus durch Niederschlage gebildetem Gesteine besteht. Flüssige Massen scheinen wenig durchgedrungen zu sein; selbst die Vasalte, die m Form eines Teiches wohl auf der Oberfläche erschienen, sind nur in geringeren Massen vorhanden. Zum Theil bilden sie kegelförmige Felsen, die rings vom Meere umgeben sind. Desto häusiger ist das krystallinische Gcmeng-Gestein, waS, weil es aliS den Tiefen hervorgehoben ist, auch den Namen des Plutonischen führt, aber durch das unterirdische Feuer in seiner Struktur vielfach verändert ist. Rein, als ächter Granit, soll es sich nur an wenig Stellen vorfinden. Gben so sind mir ächte Lava-gcbilde nicht vorgekommen. Ich zweifle jedoch keineswegs daran, daß diese eben so wie jene anf der Oberfläche enstiren. Desto häufiger sind ophitischc und Mandelstcinbildungcn. Das innerhalb der Erdrinde gefertigte, aber doch während seines Heraustretens mehr oder weniger veränderte Gestein, was große Strecken auf dem bezeichneten Abhänge einnimmt, ist Grünstein (Diorit), wie gewöhnlich graugrnnlich gescheckt und oft von großer Aehnlichkcit mit dem Serpentin. Vr bildet zusammenhängende Massen, aber bedeckt auch als Trümmergestcin, oft in ungeheuren Blöcken, den Voden. Ich habe versucht, um auch Laien das eben Gesagte mehr verständlich zu machen, die verschiedenen Hebungen und Durchbrüche, welche im Allgemeinen anf der Grde regelrecht vorkommen, durch Profile zu versinnlichcn. Die gradcn Striche zeigen ans den Flltthcn des Wassers nicdergcschlagcms oderFlktz-, die netzartig verbundenen und von jenen mehr oder weniger bedeckten Linien aber im Innern der Erde gefertigtes oder plutonisches und vulkanisches Gestein an. No. IV. entspricht dem Küstengebirge, wo der rechte Spaltenrand wieder unter die Oberfläche dcs Meeres herabgesunken ist. Nenn man nun noch einmal einen Blick auf die hier an der Küste vorkommenden Felscnartm wirst, so besteht, wenigstens in der Mitte der großen von Westen nach Osten sich hinziehenden Spalte, dcr eigentlich den Nucken des Gebirges darstellende Abhang, wie o. Kap,) Das Krim'sche Küstengebirge. V3 ^ Einfache Hebung. Das Plutonische Gestein wird noch von der ursprünglichen Decke, den Flützschichten bedeckt. ^ Einfacher Durchbruch. Einfaches Gebirge. ^ Durchbruch mit abstehenden Spaltenrändern ; dreifache Gebirgskette. (Der Kaukasus.) k> Oberfläche des Meeres. Ein gehobener Spaltenrand als Gebirge (das Knm'sche Küstengebirge). b< Neide Ränder der Spalte gehoben; doppelter Höhenzug. 94 Das Krim'sche Küftengebirge. ^;. Kap. wir eben gesehen haben, also hauptsächlich aus Grünstem und ähnlichen porphyrischcn Gesteinen und wird an einzelcn Stellen von schwarzen Vasallen ersetzt. Wo das unterirdische Gestein jedoch nicht durchgedrungen ist, also cm den beiden Enden der großen Spalte im Osten und Westen, aber auch außerdem an einigen Stelle,,, wird das pllitonische Gestein noch von grauschwärzlichem Thonschiefer, der außerdem den untersten Theil der gcradaufgerichtetm Felswand darstellt, bedeckt. Diese selbst besteht zum größten Theil aus einem grau-gelblichem Jurakalk, einem Gestein, was auch mit sehr wenigen Ausnahmen, die Kante des Randes bildet und sich eine längere oder kürzere Strecke auf dem nördlichen, allmälig abfallenden Nordab-hange fortsetzt. (3s versteht sich uon selbst, daß dieses entworfene Bild nur im Allgemeinen gilt, und daß an einzelnen Stellen, wo der Druck am stärksten war, auch Nisse in dem Rande entstanden und dadurch nun unterirdisches Gestein an die Oberfläche gelangte. Dieses ist namentlich weiter im Osten und zwar so ziemlich in der Mitte derLä'ngs-spalte der Fall, wo der höchste Verg des Küstengebirges, der Tschatyr-dagh, (d. i. Zeltberg) bis zu einer Höhe von 4700 Fuß sich erhebt. Man wird mir vielleicht einwmden, daß, wenn die Spalte während der Tertiärzcit entstand, auch Tertiärgebilde den Kamm des nördlichen Spaltenrandes (des jetzigen Küstmgebirges) bedeckcn müßten. W ist dieses auch an wenigen Stellen der Fall. W kommt nämlich Nummulitenkalk, den doch die meisten Geologen zur Tertiärzeit rechnen, in drr Nähe des äußersten Randes vor, z. V. an dem eben erst genannten Tschatyrdagh. Wenn dieses aber nur ausnahmsweise der Fall ist, so muß man bedenken, daß schon vor der großen Hebung und zwar in der Sekundlnzcit des Jura die Liuie, wo später das Gebirge sich bildete, gehoben sein mag und auf diese Weise über den Spiegel des Meeres kam. Daß das Krim'sche Küstengebirge, den nördlichen Nand der großen Spalte bildet, erklärt den höchst interessanten Umstand, daß eö nach Norden zu saust abfällt. Während von dem Kamm aus die Südseite nur den Durchmesser von '/4 oder kaum V2 Stunde besitzt, 5. Kap.) Das Krim'sche Kilstengebirge. <>5 beträgt dieser auf der Nordscite mehre Meilen. Weder der Jurakalk, noch die ältern und neuern tertiären Gebilde erscheinen ferner auf der Nordseite gcklüftet, sondern liege» mit geringer Neigung ziemlich st^ch auf. Dieses ist aber wiederum die Ursache, warum der Nordabhang so wenige Quellen besitzt und demnach der Vodcn auch mehr oder weniger unfruchtbar erscheint. Nur die höchsten Theile des Gebirges, die wegen ihrer hohen Lage häufig von Wollen umgeben sind, zeigen eine bessere Vegetation, die aber doch nie die Ueppigkeit besitzt, wie man sie z. V. auf den Höhen des Schwchcr Jura findet. Die Tataren ziehen in: Hochsommer mit ihren zahlreichen Heerden auf diese nach Norden zu stachen Höhen und geben diesen deshalb den Namen Iaila. Damit bezeichnet man in Kleinasien und sonst im türkischen Reiche allgemein mattenreichc Gegenden des Hochgebirges, in denen die Einwohner mit ihrcn Heerdrn den Hochsommer zubringen. Mit Unrecht nennen daher Fürst von Demidosf und viele andere Reisende das Krim'sche Küstengebirge Iaila. Der übrige, leidtr größere Theil drS Nordabhangcs besitzt während der wärmern Monate nur eine sehr kärgliche Vegetation, die näher zu charakterisircn, ich schon mehrmals Gelegenheit gehabt habe. Aber auch im Frühjahr ist sie spärlich. Mit vollem Rechte konnte ich daher diese ganzen Striche, welche sich mit einer Breite im Durchschnitte von zwci Meilen an der Norvseitc des GebirgeS hinziehen, mit den amerikanischen Pampas vergleichen. Nur allmälig gehen ste in die wahre Steppe über. Daß auch auf dem Nordabhange Wassermangel fühlbar lst, erklärt sich aus der geringen Zerklüftung. (5s können aus dem Regen und sonstigen Niederschlagen sich keine bedeutenden Quellen bilden. Alles Wasser der Erde ist aber, wie bekannt, nur von den Niederschlagen abhängig. Je poröser der Boden erscheint und je mehr ein Gebirge durch verschiedene Hebungen zerklüftet tst, um so mehr werden sich auch Quellen, die den Wasserreichthum einer Gegend bedingen, bilden können. Wmn nun aber auch der schmale Südabhang arm an Quellen ist, so liegt ohne Zweifel die Ursache darin, daß das in den Klüften sich sammelnde Wasser in dem Meere selbst zum Vorschein kommt. 96 Abreise von Kirtinneiß. ^7. Kap. SicbcntcZ Oapitcl. Awftka; Maliaratsch; Nikita. Simeiß; Alupk^; Fürst Noronzoff; nnfrnchtbare Umqegend; Gärtner Kehlbach; die Anlagen; eine plntonischo Eruption; fteindc Sträucher; Mangel an Nasenplätzen; das Schloß ; der rasche Postillon ; Aussichtcn; Oveanda; Gaspra; Livadia, Ialta; Maharatsch; Finst Galitzm; die Fürsti,l und ihr Kunstsinn; Maßandra; Nikita; Herr von Hartwiß; Obst- und Wein-cultur; der Krim'sche Wein; fremdes Gehölz; die Korkeiche; Major Frö'inddcr; ein Stnnu. 9lach differ nothwendigen Abschweifung kehre ich zu der Beschreibung meiner Reise zmück. Nachdem wir in Kirkinneiß ein fnigaleö Frühstück zu uns gcnommcu hatten, traten wir unsere Weiterreise an und erreichten alsbald Alupta, das berühmte Schloß des Fürsten Woronzoff. Der Weg führt auf der Höhe des oft erwähnten Abhanges dahin, während die Landhäuser uud Schlösser entweder dicht am Ufer des Meeres liegen oder sich mitten in dem Grüne des lichten Niederwaldes auf einem Vorsprunge befinden. Jetzt thut es mir leid, daß ich nicht lieber zu Fuß gegangen bin und de» Weg längs der Meeresküste gewählt habe. Unser Plan war, direct nach Ialta, dem Hauptorte auf dcr Küste, zu gehen und von da aus Ausflüge nach allen Seiten htn zu machen. Das geschah denn auch in vollem Maße; wir sahen zwar andere reizende Punkte, aber hierher kamen wir doch nicht wieder. Vor Allem hätte ich gern Simeis;, das Landhaus einer der geifwlchsten Frauen, welche Rußland besitzt, der Natalie Fedorowna Nanschkin, besucht. 1838 hatte ich Gelegenheit gehabt, die auch nicht weniger liebenswürdige Frau in Odessa kennen zu lernen; ich würde gewiß jetzt vou ihr auf Manches aufmerksam gemacht worden sein, was mir nun entgangen ist, zumal sic auch mit Liebe die Flora der Krim studirt hat und deshalb mit Herrn von Steven in steter Verbindung stand. So mußte ich mich begnügen, ts wenigstens aus der Ferne erschaut zu haben. Außer 7. Kap.) Nlupka. 97 Snneiß sahen wir am Vieeresufer cin zweites Landgut, was den Namen Mtschctka führt und einen nicht weniger freundlichen Anblick darbietet. Ich hattc so viel von Alupka, dem Alhambra des Fürsten Woronzoff in der Krim, vernonnnen, baß ich mich freute, nun selbst die Widersprüche der verschiedenen Reisenden losen zu können. Der Gine schreibt voller Entzücken über das, waS er gesehen, während der Andere sich in hohem Grade getäuscht fühlt. Waö dem Vinen großartig und ergreifend erscheint, ist dem Andern wild und plump. Der Eine findet nur graues Gestein, der Andere die reizendsten Partieen. Wenn man über etwas ein Urtheil abgeben will, ist es zunächst durchaus nothwendig, daß man den eigenen Geschmack nicht für die Quintessenz aller Aesthetik hält, sondern man mnsi zunächst alle Verhältnisse, die gegeben, berücksichtigen und sich, so weit als möglich, auf den Standpunkt von dem, dessen Werk man bnniheilen will, stellen. Wenn es auch auf der Südfüste k.'ineöwegs hundert andere Punkte giebt, wie hie und da ausgesprochen wurde, die vor Alupka den Vorzug verdienen, so will auch ich gar nicht ableug-nen, daß Oreanda und Livadia, von denen ich alsbald weitläufiger sprechen werde, eine schönere und noch freundlichere Lage besitzen. Liebt mau aber mehr das Romantische und Groteske, wie es ohne Zweifel bei dem Fürsten Woronzoff der Fall ist, so giebt es gewiß auf der ganzen Halbinsel keinen zweiten Punkt, der in dieser Hinsicht den Anforderungen entspräche. Das, was die Kunst gethan, sagte mir ebenfalls nicht weniger zu; wenn ich für meinen Theil auch gestehen musi, daß ich Manches anders, namentlich Vieles gemildert hätte. Aber selbst bei den gelungensten Anlagen finden sich nachträglich oft noch fromme Wünsche ein, deren Ausführung nun nicht mehr so laicht ist. So geht es wohl auch mit Alupka. Je mehr ich mich der Vcsitzung deö Fülsien näherte, um so steiler wurde der Boden und um so mehr hinderte allerhand durcheinander geworfenes Gerolle jede einigermaßen genügende Vegetation. Das freundlich?Grün und die bewachsenen Felsen, die bei Kirtinneift und weiter mich so erfreut hatten, verschwanden in der Nähe von Koch, dic Krim, ? 98 Alupka. ^. Kap. Alupka allmälig. Alles schien todt zu stin z überall blickte nur nacktes Gestein hervor, oder Steintrümmer lagen nmhcr, ohne von grünen Kräutern oder Gräsern bedeckt zl» sein. Selbst die orangefarbenen oder graugrünlichcn Parmelim und Lecideen, diese Schüsselflechten, welche bei uns das Gestein schnell überziehen und die ersten Zeichen einer im Verwittern beginnenden Oberfläche sind, waren nur sparsam vorhanden. Nuv hier und da stand Dünlitzen- und Schwarzdorn-, Eichen- oderVuchmgcstnipp, oder, der früher näher bezeichnete Wachholder in den Klüften und sonst auf dem Abhänge. Desto großartiger war abcr die todte Natur. Das viele Trümmcrgestcin, durcheinander geworfene Felsen und mchre hundertFuß hohe, Mauern gleich grad emporgerichtete, Thoitschiefenvändc sagten mir, daß hier die Wirtllng der unterirdischen Kräfte bedeutender gewesen sein mußte, als an andern Stellen dcrSüdküste. Selbst der aufgerichtete Spaltenrand stieg hier weit steiler als sonst, bis zu einer Höhr vonATM Fuß empor. Kein Strauch, kein Väumchen hatte irgendwo in dem Jura, aus dem die Felscnwcmd bestand, so viel Platz gefunden, um nur einigermaßen zu gedeihen; nur ganz oben, I5,l)ll Fuß über Alupka, hat sich der Rand zerklüftet und es sind eine Menge Spitzen und Zacken entstanden, zwischen denen einiges Gehölz, namentlich die taurische Fohre eine, wenn auch noch so kärgliche, Nahrung finden konnte. Grade da nun, wo Vulkans Werkstätte in vormenschlicher Zeit am thätigsten gewesen war, wo die Natur am wildesten erschien, wollte Fürst Woronzoff seine großartigen Anlagen ausführen. Ihm gefiel das wilde Durcheinanderliegen des Gesteines, cr hatte Wohlgefallen an den grausrncrregenden Fclsenwänden, ihn schreckte nicht das nur kärglich den Voden bedcck.nde Gesträuch, denn grade hier hatte cr ein größeres Feld, seinen Kunstsinn an den Tag zu legen. Was Anderen Hinderniß war, faßte er zn einem Nahmen zusammen, um das zu Stande zu bringen, was er nun vollendet hat. Meisterhaft hat er es mit seinem kunstsinnigen Gärtner Kehbach verstanden, dem Starren Leben einzuhauchen. Seit fünfundzwanzig Jahren waltet hier die Kunst und lauschtder Natur eine Schönheit nach der andern ab. 7- Kap.) Muvka. lw Man traut tauin den Augen. Ringsum ein unfruchtbarer, schwärzlicher oder fahlgrauer Vodcn, und in dm Anlagm dir üppigste Vegetation. Südeuropa, der Orient und selbst Ameriw haben ge-spcndet. Der Contrast, wcnn mau aus der mehr starren, aber immer großartigen Natur, in den schönen, mit dcn mannigfaltigsten Reizen geschmückten Park des Fürstm tritt, ist in der That außerordentlich; man hat kaum Zeit die große Mannigfaltigkeit der bald Wundcr-lieblichcn, balv bizarren Gruppen der Pflanzenwelt und des Gesteines in Augenschein zu nehmen. 'Alle zwanzig Schritte wird etwas Neues gebolcn, was sich mit dem eben Gesehenen gar nicht angleichen läßt. Soll auch ich «inen Tadel aussprechen, so möchte ich eher behaupten, eö sind der Schönheiten für dcn beengten Naum nicht allein zu viel, sic erschnncn auch noch zu großartig. Es fehlen die Ncbergä'ngc von dem Einen zu dem Ander«. Das A«ge wird ohne Unterlaß in Anspruch grnomluen; es hat keinen Punkt, wo cö, wenn auch noch so kurz, ruhen und sich wieder erholen kann. Die Mudrückc sind mächtig nnd doch folgen sie rasch aufeinander. Ich hätte gewünscht, daß alles dieses, was ich gesehen, auf dcm drei- und mehrfachen Raume ausgedehnt gewescn wäre. Der Körper bedarf selbst Nuhe-punkte: Lauben, Nischen, Grotten u. s. w., wo er eine Zuflucht finden kann. Der Maler würde hier sich reichliche Nahrung für seine Kunst, aber auch für seinen Schönhcits-Einn holen. Und doch könnte es ihm schwer werden, ein Vild abzugrenzen-; denn auch für ihn ist auf kleinem NauMc zu viel. Aber Studien vermöchte der Künstler m seinem Stizzenbuche einzutragen, von denen er später gewiß gern Gebrauch machte. Dubois de Montp^reur bezeichnet den Ort näher, von dem aus in vormenschlicher Zeit die Verheerungen in der Erdrinde stattgefunden haben. Er nennt ihn aber mit Unrecht einen Krater, denn nirgends trat flüssiges Gestein eine längere Zeit hindurch aus der Tiefe hervor. Nur Verstungm sind geschehen, aber Plötzlich und nachdem der nördliche Spaltenrand schon bereits »nächtig gehoben 7" 100 Alnpka. ^7. Kap. war. Der greise Vater Vulkan rüttelte in seinem Zorne an einer Pfoste und das Gewölbe, was über seiner Werkstatt sich hinzieht, krachte. Der Thonschiefer richtete sich an einzelnen Stellen gra'o empor; ans den offenen Stellen wurde der Grünsten oder der ophiti-sche Granit, wie der oben genannte Reifende die früher unterirdischen Massen nennt, zerbröckelt, d. h. in Stücken von 3 — 5, aber auch von 12—16 Fuß im Durchmesser herausgeworfen. Ein Theil des durcheinanderlicgenden Gesteines rollte den schrägen Abhang hiuab und erreichte zum Theil das Meer. So steht man allenthalben Grünstem-Massen zerstreut, den erratischen Blöcken oder den Moränen ähnlich, aber doch ganz verschiedener Art. Später oder zugleich mit der Eruption lösten sich Stücken des emporgerichteten Jura und bedeckten dcn Voden ebenfalls mit seinen Trümmern. Wo es am wildesten war, hat die Kunst gemildert; Felsen-pflanzen sind in künstliche Spalten gepflanzt nnd andere treiben ihr frisches Grün mitten zwischen den Trümmern. Epheu, Wintergrün und Huflattig sind hauptsachlich hier benutzt. An andern Stellen hat man das herumliegende Gestein auf einander gethürmt, um eine Art natürlicher Grotte herzustellen und zu gleicher Zeit eine Vertiefung zu erhalten, die wiederum zu einem kleinen Teich benutzt wurde, in dem Schildkröten ihre feuchte Wohnung besitzen. Unsere nordischen Nohrbombcn stehen hier neben den äthiopischen Ealocasien lNiclim'lNli ilOicmm X, <^>I1l» auf den mohammedanischen Vegräbnißplätzcn empor. HerrKehbach war selbst so freundlich, unser Führer hier zu sein. Er machte uns auf Manches aufmerksam, waS uus wohl beider' Kürze dcr uns zugemessenen Zeit entgangen wäre. So zeigte er unS die betden gwstten CMcssm, welche Fürst Potjomkin (Potemkiu), der sichtige Günstling der großen Katharina, während der Anwesenheit seiner Gebieterin im Jahre 1787, gepflanzt haben soll. Interessant ist es, das, alle Cypressen, die man jetzt auf dcr Krim sieht, von diese» beiden entstanden sind. Nir suchen vergebens die Mannigfaltigkeit im dargebotenen Laube dcr Bäume und Sträucher, wir sie hier dem Beschauer entgegentritt, in den künstlichen Hainen Deutschlands. Vei unsern Gehölzen ist nicht die große Abwechslung in dcr Form des Laubes; da herrschen die länglichen Plätter, wie sie die beiden Buchen, unsere Obstgehölze, Pappeln und (möglichst schmal) die Weiden besitzen, vor; weniger häusig sind schon diegrößcrn, mehr rundlichen und handförmig getheilten Blätter der Linden und Ahorn-Arten; noch mehr treten die Gehölze mit gefiederten Glättern bei uns, wenigstens in den ältern Anlagen, zurück. Da sieht, man fast nur Eschen, Wallnuß- und Rhus-Arten, Akazien und schwarzen Flieder, und selbst diese nicht in dcr Weise benutzt, wie es wohl wünscheuswerth Wäre. Erst dcr neuern Zeit ist es vorbehalten, auch hierin eine größere Mannigfaltigkeit hervorzurufen. Dem Meister in der Landschaftsgärtnerei, dem Generalvirector der Königlichen Garten m Sanssomi, Lemw, gehört wiederum das Verdienst, nnt gutem Ve,-spiele vorangegangen zu sein unv dergleichen Gehölze durch dle Königliche Landesbaumschule mehr zu verbreiten. Gs sei mir gestattet, Umrisse zu geben von den Gruppen der Gc- 102 Awpka. ^. Kap. holze im schönen Parke zn Nlnpka. Hiev stand mit seinen prosit» Vlättern und ausgebreiteten brannröthlichen Zweigen ein Fcigcn-odcr ein Papier-Maulbccrstranch und daneben ragte über beide der Lotuspflaumcnbaum (Diasp^i^g I^olus I..) oder die Tcrpcnthin-Pi-stazie hervor; dort bildete die Sommereiche, die spitzblättrige Vschc und der Zürgclstranch das Hintergebüsch und im Vordergründe standen der Schotenbaum (^ei-ois Kilicjuiistl-um I..), der Silberbaum Da«c,F,ni3 l,0Non8,'8 Lied,), beide Lcbensbäumc ^i'^'n oi'ionlilii« und uc!0il1cMn!i8 I.,) und der strauchartige Jasmin. Majestätisch strebten nach den höhern Regionen der Wallnußbaum, die Platane des Morgen- nnd die des Abendlandes, der Tulpcnbaum, die groß-blnthigr, so wie die spitzblättrige Magnolie, der Manlbecrbaum mit rothen und weißen Früchten u. a. m. Daneben sah man wieder die feinblättrige Akazie des Orientes i^cinkl ^liidrizziii >Vi!KI,), die einzige Ärt ihrl's Geschlechtes, die ans dem alten Contincnte so weit nach Norden, bis znm -4 4. Grad geht, so wie die Trauer-Esche mit ihrem gelben, herabhängenden Äcsten, die nnr wenig von ihren Blattern bedeckt sind. Einzig in jeglicher Art erschien mir ein öaubcngang. Eine grosie Nrihc verschiedener rcmontirender Rosen hatt.-n hier redlich das Ihrige beigetragen, um mit ihren immer von Neuem erscheinenden Blüthen dem Garten in allen Monaten, wo nicht Vorcas der Vegetation hemmend entgegentritt, seltene Neize zu verleihen. Zur Zeit der Haupt-Vlüthe, also im Mai, muß der Laubmgang in der That wunderschön sein. Thee- und Vankö - Nosensträncher, die bei unS kaum oder gar nicht im Winter aushalten, erfrieren nicht anf der Südkuste, wenn sie nnr leicht bedeckt werden. Der freien Rasenplätze waren leider zu wenig vorhanden und sie selbst zn den großartigen Umgebungen zn beschränkt. W kommt noch dazu, daß sie wiederum zu Gruppen von Trompetenbänmen (^ataipl, 8^rin^,'>«l'o!il! 8i,»5), Japanischen Quiltensträuchern, La-gerströmien, Mahonien, Hortensien n. s. w. benutzt wurden und hier und da auch vom Laurus-Tin ^Vikui-imm Im»,-; I,,), NoSmarin, Oleander, von der binsenförmigrn Pfrieme ^si.il-liuiu ^uricoum I^.) s.Kap.) Alupka. 103 und dcln strauchartigen Durchwachs (Luploui-um lruUcosum I..) umsäumt waren. Wenn die Oertlichleit schon weniger Rasenplätze erlaubte, so vermißte ich ebenfalls und zwar in noch weit höherm Grade hier und da ein Gartenhäuschen, oder einen Pavillon, ja selbst die Laube. Man hat in der neuerm Zcit alles auf die Ausschmückung des Schlosses verwendet. Vun Gebäuden sind außerdem eine recht hübsche Mo-schcc mit einem Thurme, eine tempelartige Kirche mit ringsherum gehenden dorischen Säulen, das frühere Schloß, die Wohnuug des Gärtners und ein Wirthshaus vorhanden. Leider ist der Fürst Woronzoff zu weuig hier; er würde dann gewiß uoch, was durchaus des bis dahin beschränkten Raumes halber nothwendig ist, die Anlagen bis an die steil emporgerichtete Felsen-wand ausdehnen und diese selbst, wenigstens zum Theil, mit in den Bereich seiner Schöpfung zirhcn. Es wäre hier ein Felo eines Lemw würdig. Gr verstände gewiß dieFelsmwand zu beleben und ihr neben dem Grotesken noch eine freundlichere Seite abzugewinnen. Ich wende mich nun der Beschreibung des Schlosses zu, des Alhambra der Krim. Man erzählt sich, daß allein die Entwürfe und Pläne, die in England, dem Lande, wo der Fürst erzogen und dem er mit Vorliebe zugethan ist, verfertigt wurden, allein dic Summe von 18,0Utt Eilberrubeln gekostet haben follcn. Man braucht sich deshalb auch nicht zu verwundern, daß der Bau selbst bis zum Jahre 1844, wo ich das Schloß besichtigte und wo noch Manches bis zur Vollendung fehlte, die Summe von gegen zwei Millionen Thaler gekostet hatte. Auf einem geebneten Platze, der leider für das große Gebäude zu klein ist, gegen Nil) Fuß über dem Meere, liegt das neue Schloß und besteht aus einem Hauptgebäude und auö zwei Flügeln. Es ist m gothisch-maurischem Geschmacke erbaut. Das Material hat hauptsächlich derselbe Grünstein, den ich schon mehrmals erwähnte, und der hier ganz bequem in ungeheurem Blocken herum liegt, geliefert. Außerdem ist aber noch, namentlich zum Nuterbau, ein grau-grünlicher und feinkörniger Sandstein, der sich weiter östlich in der 104 Alupka. l?. Kap. Nähe des alsbald weiter zu erwähnenden Nikita befindet, verwendet. Ich glaube nicht, dasi man mit der Wahl des zuerst genannten Gesteines gut gethan hat; denn wenn der Grünstrin wegen seiner Härte auch Jahrtausenden zu trotzen vermag, so ist doch die unbestimmte Farbe des Gesteines dem Gebäude durchaus nicht günstig. Auf dem festen Lande hat man leider nirgends einen geeigneten Punkt, von dem aus man sich eine gute Ansicht oder gar einen Ueberblick verschaffen könnte. Diese beiden hat man nur auf dein Meere und zwar erst in ziemlicher Entfernung vom Ufer. Vei der graugrünlichen, ich mochte sagen, unsichcrn Farbe des Gesteines ist es aber nicht möglich, dieConluren des herrlichen Gebäudes scharf zu unterscheiden. Alle die Spitzen, Thürmchen und sonstigen Verzierungen schneiden sich dem Auge in dieser Ferne nicht hinlänglich ab und verschwimmen in der Ansicht »lehr oder minder durch einander. Es wurde leider, als wir die innern Raume des Schlosses besichtigten, daselbst vielfach gearbeitet; so vermochte ich auch nicht den Totaleindruck, den sonst das Gebäude zu machen nicht verfehlt haben würde, zu erhalten. Die Zimmer sind im Allgemeinen geräumig, hoch und bequem eingerichtet; sie weichen in so fern von dem gothischen Style ab, als die kleinen Kämmerchm und sonstigen unbenutzten Näume fehlen. Für mich ist dieses durchaus ein Gewinn. Nur bei der Treppe hat man sich zu treu au die Vorschriften gehalten, denn diese ist so schmal, daß ein Herr seine Dame nicht mit einiger Bequemlichkeit hinaus führen kann, sobald der Wne oder dieAndcre auch nur die geringste Vorpulenz besitzen sollte. Noch enger ist die Treppe, die auf die Terrasse geht, da hier sclbst eine Person mit einem nicht gewöhnlichen Umfange sich nur schwierig hinauf winden könnte. Das Hauptgebäude besteht nach vorn aus dem prächtig deeorir-tcn Tpeiscsaale, der durch Hinwegnahme der Fenster in einen offenen Salon umgewandelt werden kann. Man erzählte mir jedoch, dasi er währenv der wärmern Zeit gar nicht benutzt werden könnte, da sich in dem großen, allerdings der Sommerseite zugewendeten Raume, stets eine unerträgliche Hitze ansammele. Sollten sich nicht, namentlich iu der Höhe, Züge anbringen lassen, durch die die Luft, ohne 7.KaP.) AluM. 105 auf die Anwesenden einen schädlichen Ginftusi auszuüben, sich tl-neucrn könnte! Vine Kaskade und selbst ein Springbrunnen würden ebenfalls die Wärme mildern und außerdem die Schönheit des Speifc-saalcs erhöhen. Am besten wurden aber ohne Zwcifel ein Paar Platanen vor dem Hause sein. Ihr Stamm müßte freilich hoch genug sein, um der Fernsicht keinen Abbruch zu thun; die Krone würde dann die heißen Strahlen der Sonne von dcm Sprisesaalc abhalten. Wahrscheinlich trägt auch der Grünstein als guter Wärmeleiter nicht wenig bei, die Hitze im Sommer auch in den andern Zimmern zu erhöhen. Nach Herrn Kehbach sinv in vm warmen Sommermonaten m»r die Zimmer ans der Rückseite, also nach der Fclsenwand hin, bewohnbar. Von den beiden Flügeln ist der nach Osten zu sich befindliche zur Wohnung dcr fürstlichm Familie eingerichtet. Im Erdgeschosse besitzt die Fürstin ihre Zimmer, von denen das, was zu ihrem gewöhnlichen Aufenthalte bestimmt ist, im chinc fisch cm Geschmacke einge-nchttt ist. DieTapetcn sind hier aus Stroh gefertigt. Die obern Näumc gehören, mit Ausnahme deö einen, was der Fürstin zum Schlafzimmer dient, dcm Fürsten; wcnigcrpnmkvoll Harmoniren sie mit dem einfachen Sinne ihres Besitzers. Der rechte Flügel besteht aus einer Menge neben einander liegender kleinerer Zimmer, die zur Aufnahme von Gästen dienen. Das Dach ist eine flache Terrasse, die eine herrliche Aussicht auf die nächste Umgebung und auf das große blaue Meer darbietet. Wrr hier noch nicht genug sieht, kaun anch einen der beiden Thürme ersteigen, die in viereckiger Form sich vorn crhcben. Am Mt-telgcbä'ude befindet sich zu gleichem Zwecke auch ein Balkon. Die Sonne war eben hinter den Vcrgcn hervorgekommen, als wir am 26. September wiederum auf unserm Postwagen saßen und unserm Bestimmungsorte Ialta zufuhren. War uns früher auf den traurigen Pampas der Ebene das Dreigespann zu langsam gefahren, so ging es uns nun zu schnell. Umsonst riefen wir unserm Postillon «I)0li8c>Il6» (etwas langsam) zu, der bärtige Kutscher behauptete s«i-nerseitS zur rechten Zeit in Ialta sein zu müssen. Naiv bemerkte er weiter, daß andere Reisende sich stcts über das langsame Fahren bei 10U Charakter dcr Landschaft u»d Vegetation. ^7. Kap. ihm beklagt hätten. Cin kleines Trinkgeld that aber, wie häufig, mehr als alle Vernunftgründe. Abcr immcr ging es noch zn rasch. Wir trösteten uns znlctzt mit der AuSsicht, daß wir später noch alles mit mehr Mnsic betrachten würden. Alupta liegt an einer Bucht, oie im Westen durch ein Vorgebirge, Merdwen, brgränzt wird. Nach Osten zieht sich der Abhang ebenfalls tiefer in das Meer hinein und trägt auf dem dortigen Vorgebirge einen Lcuchtthlnm. Weiter nach Osten hin biloct das Meer wiederum eine Vucht, aber von größer», Umfange. Mitten in ihr liegt der Hauptort der Südküste, Ialta. Wie man den Nucken des Abhanges, welcher die Vucht vonAlupka und die von Ialta von einander scheidet, überschritten hat, ändert sich mit einem Male der Charakter der ganzen Landschaft nicht weniger als der der Vegetation. Die Felsenwand tritt weiter zurück und steigt nicht mehr so grade wie früher, sondern in Absätzen in die Höhe, deren Nand mit kärglichen: Gehölz bcfctzt ist. Auch der Abhang wird ein anderer; er geht nicht in einer Wölbung bis zum Meere hinab, sondern scheidet sich eben« falls in mehre Absätze, die jedoch nur auf kleinere Stellen beschränkt sind. Sie fallen nämlich nach vorn plötzlich ab, verlaufen aber meistens nach den Seiten. Ein besserer, zum Theil selbst üppiger Vaumwuchs breitet sich am Meere aus und zieht sich wohl eine halbe Stunde weit bis zur großen Felsenwand. Während unten das freudige Grün der Laubhölzer und seine verschiedenen Nuamirungm mit dem blaulich-grüncn Meere, auf dem Gottes Friede zu ruhen schien, und mit dem darüber gewölbten blauen Himmel das lieblichste Vild darbot, war auf der andern Seite an und aus der großen Felsmwand das schaurige Graugrün der taurischm Föhren mit ihren wagcrechtcn Arsten, geeignet, eine melancholische Wirkung in dem Gemüthe des Menschen hervorzurufen. Die erste großartigeAnlage, zu der wir kamen, warKlein-Ore-anda. Gö schien in derThat, als hätten hier die Menschen nichts weiter nöthig zu thun, als sich Wohnungen zn bauen. Die schöne Besitzung gehörte dem General Leon Narischkin, einem Nachkommen der Mutter ?. Kap,) Orcanda. — GaSpra. 107 der berühmten Natalie Narischkin, die Peter der Große wegen ihrer blendenden Schönheit nicht wmiger, als wegen ihres hervorragenden Geistes, zur zweiten Gemahlin sich erkor. Als die Großfürstin Helena Pawlowna sich hier befand und über alles, was sie sah, entzückt war, stellte der galante Nnsse der Schwägerin seines erhabenen Kaisers das ganze Landgut für die ganze Dauer ihres Lebens zur Verfügung. Ein kleinerer, aber nicht minder reizender Landsitz liegt vorn am Meere in der Nähe des Vorgebirges, was den Leuchtthurm trägt. Er führt den Namen Gaspra und gehört einem Fürsten Galitzin, der früher Gencralpostmeistcr war und einer Operation am Auge halber seine Stelle niederzulegen sich gezwungen sah. Er hielt sich eben hier auf, um sich eines südlicheren Klima's zu erfreuen. Vald kamen wir nach Groß-Oreauda, der herrlichen Besitzung des Kaisers. Leider geht hier die Straße durch dichtrs Gebüsch; eine kleine, häßliche Mauer sperrt alle Einsicht zu den schönen Parkanlagen. Endlich erreichten wirLiuadia, unstreitig dc?°lieblichstcn Vlinkt der ganzen Südküste. Es gehört dem Grafen PototzN, russischem Gesandten in Neapel. Die Mauer war durch ein einfaches Geländer ersetzt, was hinlänglich gestattete, die reizenden Anlagen zum Theil schon von außen in Augenschein zu nehmen. Von hier aus fühlte uns endlich die Straße direct nach Ialta. Ialta und weiter nach Osten Aluschta sind die einzigen Orte auf dcr Tüdküste, wo sich Alluvium gebilvet hat und wo man einige hundert Fnß weit aufuollkommem ebenen Boden gehen taun. DavKü-stmgebirge ist hier nicht allein weiter als sonst zurückgetreten, sondern besitzt auch eine tiefe Spalte, die den bis dahin zusammenhängenden Nand theilt. Aus dieser Spalte kommt ein frischer, lrbendi^r Bach, der die zahlreichen Quellen ringsum sammelt, hervor, stürzt sich mit lautem Gnnurmcl über Fels und Stein und führt, namentlich wenn der Schnee schmilzt, eine Menge Geröll mit sich fort in das M.rr. Man sollte es nicht glauben; der Ialta-Vach hat kanm die Lange ciner Stunde „nd doch ist er es, der, freilich im Verlaufe uon mehrcrn Iahrtauseuden, die kleine Alluvial-Gbenc, die sich in der Mitte der 108 Ialta. ^7. Kap. großen Blicht allmälig au denUfcrrand angelegt, gebildet hat. Nach fernern zwei odcr drei Jahrtausenden ist gewiß diese „m das Mehrfache größer und umfangreicher. Die kleine Uferebene hat man bmntzt, um rincn Ort anzulegm, der zwischen all den einzelnen Herrschaften und Besitzungen die Vermittelung herstellen sollte. Ma» nennt Ialta eine Stadt, aber sie besteht kaum ans einigen vierzig Ha'uscrn, die nnr eine Straße bilden. Dic hier wohnenden Kaufleute verdienen kaum ihren Namen, da sie nur die allernothwcndigsten Bedürfnisse führen und nicht im Stande sind, dic bescheidensten, darüber hinausgehenden Wünsche zu befriedigen. Die auf der Südküstc lebenden Familien sind mcistenS gezwungen, ihre Bedürfnisse aus Symphcropol zu beziehen und müssen sich deshalb immer mit den nöthigen Porräthcn alts eine längere Zeit versehen. Die russische Regierung hat in der That alles gtthan, um eineötheils den Vcwohncrn der Slidküste Cmnmmma-tionsmittel, namentlich mit Odessa, zu verschaffen, andcrntheils um Ialta zu heben; aber umsonst! Alle vierzehn Tage hält hier ein Schiff an, das von Kerlsch kommt und nach Odessa geht und umgekehrt. Zum Schutz der Schiffe hat die Negierung ferner einen Hafen-damm erbaut, in dem aber nur selten ein Schiff seine Zuflucht sucht. Fragt man nach den Ursachen, so lassen sie sich leicht beantworten. Die Südküstc ist nur cin sehr schmaler Strich, den zum Theil Ta-tarendörfer, zum Theil Landgüter russischer Großen eingenommen haben. Ein nicht geringer Theil ist auch so unfruchtbar, daß er allc Cultur gradezu unmöglich macht. Die hiesigen Tataren sind zwar zum großen Theil wohlhabend, ihre Bedürfnisse sind aber der Art, daß stc diese sich selbst verschaffen können. Anderntheils bauen sie kaum mehr, als was sie für dcn eigenen Gebrauch bedürfen z nur Schafe und Obst verkaufen sie. Die zwölf bis sechzehn russischen Herrschaften, welche vom Mai bis September hier zubringen, sind zu wenig an der Zahl, nm einen brdentcndcn Einflnß auf Handel und Wandel auszuüben. Außer frischem Fleische, Eiern, Milch, Butter und Gemüse führen sie alles mit sich, was sie brauchen 5 selbst die genannten Lebensmittcl werden znm Theil auf dem eigenen Land- ?, Kap.) Ausflug nach Maharatsch. 109 gute gewonnen oder von Tataren bezogen. Die hier Jahr aus, Jahr ein wohnenden Inspektoren und Kastellane haben ohne Ausnahme Oekonomie und verschaffen sich demnach ebenfalls die meisten Ve-dürsuissc. Die Lage von Ialta ist reizend. Die wenigen Häuser im Vordergründe, die bis 4N00 Fuß hoch ansteigende Felsenwand, welche sich in Form eines Amphitheaters herumzieht, im Hintergrunde und zwischen beiden der mit dem mannigfaltigsten Grün bewachsene Abhang , welcher in der oben naher bezeichneten Schlucht ziemlich hoch steigt und hier und da mit einzelnen stehenden Garttnhäuscrn besetzt ist; dieses Alles giebt ein schönes, für den Maler aber zu umfassendes Vild. Anf der Westseite liegt das liebliche Livadia; auf der Ost-feite steigen steile Felsen empor und gehen bis nahe an das Meer, dort die Hafenbucht begrenzend. Noch am Nachmittage macht?,, wir einen llemen Anöstilg nach Maharatsch; dem Landsitze deS Fürsten F. V. Golizin (Galitzin ausgesprochen), welcher dicht jenseits des Felscnvonprunges liegt. Mit Ialta ändert sich insofern die Gebirgsformation, als Thonschiefer weit häufiger erscheint und keine Durchbrüche eines plutomschm Gesteines mehr erfolgt sind. Der erstere füllt aber nicht den ganzen Abhang aus, sondern wtrd nach oben, also in der Nähe der Felsenwand, durch einen sehr feinen graugrünlichen oder röthlichen Sandstein ersetzt. Die Felscnwand selbst besteht aber wie früher hier wiederum ans demselben Jurakalk, dessen ich schon mehrmals Erwähnung gethan habe. Maharatsch ist der Name eines Tatarend orfes, was früher hier eristirte, seit längerer Zeit aber schon verlassen ist. Der Vesitz deS mehr und minder unfruchtbaren Terrains ist nach und nach in verschiedene Hände gekommen, aus denen aber einige hübsche Landgüter hervorgegangen sind. Vor Allem ist das Landgut des Fürsten F. P. Galitzin zu nennen. Im Jahre 1838 hatte ich in dem fürstlichen Hause zu Odessa die freundlichste Aufnahme gesunden und die schlimme Zeit durchlebt, wo Pest und Erdbeben eine, wenn auch kurze Zeit alle Einwohner der Stadt in Angst und Furcht versetzte. 11N Ausflug nach Maharatsch. ^7. Kap. Gs that mir schr weh, daß drr Sticfsohn des Fürsten, Fürst Konstantin Suworoff^), abwesend war und sich seit einigen Wochen in Petersburg aufhielt. Ich bin dem vortrefflichen ssnkel des großen italischen Helden von meiner ersten Ncise her zu großem Dante verpflichtet. Nicht allein, daß er sich meiner in Tiflis, wo er sich damals aufhielt, auf die freundlichste Weise annahm und mich mit Nath und That unterstützte; er ließ mich sogar, als ich am Fuße dcö classischen Ararat aufs Krankenlager geworfen, mehre Tage zwischcn Leben und Tod schwankte und später, nur sehr langsam genesend, nach Tiflis zurückkehrte, nach seinem gastlichen Hause bringen und pflegte mich selbst ans die rührendste Weise. In seiner Gesellschaft machte ich später die Reise nach Odessa und fand in dem Haufe seiner fürstlichen Aeltrrn die Ausnahme, die der Freund eincs geliebten Sohnes nur irgend erwartm dürfte. Die Fürstin Galitzin widmet sich selbst der Verschönerung der schon an und für sich freundlichen Anlagen. Wenn anch nicht Alles, so war doch das Meiste, das Werk ihrer Schöpfung. Es verstand die hochgebildete Frau, der Natur ihreverborgensten Schönheiten abzulauschen. Nicht allein rannte sie die zahlreichen Ziersiranchcr und Vanme mit dem lateinischen Namen, sie nannte mir auch die Kräuter und Unkräuter, dic von selbst hier wnchsen. Unter besserer Führung konnte ich die zwar nicht umfassenden, aber in jeglicher Hiusicht entsprechenden Anlagen nicht besichtigen. Os ist der Fürstin vollständig gelungen, die verschiedenen Nnancirnngen in Form und Farbe dcö Laubes in einer Weise zu benutzcn, wie man es selten findet. Vor allem reizend erschien ein Cypressen Wäldchen. Die Wege warm so geführt, daß keine Schönheit des Parkes dem Ange verborgen bleiben konnte; in nicht gezwungener Schlangenform führten sie von einer lieblichen Gruppe zur andern. Wenn auch das Schloß keineswegs in der Größe mit denen in Alupka und Oreanda zu rivalisiren vermochte, so bietet seine Lage *) Gewohnlich schreibt man bei »nö Suwaroff, eine durchaus falsche Schreibart, auf die ich schon mehrmals aufmcrlfam gemacht habe. /. Kap^ D^r Gatten von Nilita. 111 doch Reize dar, die man in jenen großen Gebäuden nicht findet. Es liegt zunächst als einfaches Lusthaus mittcn im freundlichsten Grün; schattige, weithin greifende Aeste der nahen Väume schlnücken stlbst zum Theil die offene Halle der Südseite. Von hier aus erblickt man d»s nahe Meer, was sich in der Unendlichkeit zn verlieren scheint. Zufällig segelten einige Schiffe auf den stillen Flulhen dahin „nd tn,^cn zur Erhöhung des Reizes in dem gegebenen landschaftlichen Vilde nicht wenig bei. Hier saß ich bei dem fürstlichen Paare bis spat in die Nacht. Ungern trennte ich mich und trat deshalb den Nückwcg nach Ialta an. Für den andern Morgen (den 27. September) hatten wir uns die Besichtigung des in ganz Nußland, aber anch außerdem bekannten und hinlänglich gewürdigten Gartens von Nikita vorgenommen. Als der Tag graute, saßm wir wiederum in unserm kleinen Wagen nnd fuhren über Maharatsch dem genannten Orte zu. Auf dem Wege liegt das Dorf Masandra im freundliche» Gebüschc, so versteckt, daß man nnr hier und da die Giebel der Häuser erblickt. Auf cincm frcim Platze hat man eine kleine Kirche, einem Theseus-Tempel nicht unähnlich, aber freilich ohne Säulen, erbaut. Hübscher als die Kirche ist noch die Aussicht, die man fast nach allen Seiten hin besitzt. Die Straße führte nns später hart an der Grenze des Thonschiefers und des feinkörnigen, oben bereits besprochenen Sandsteines nach Nikita, einem schönen großen Dorfe, in dessen Nähe der berühmte Garten liegt. Prächtige Wallnußbäume beschattete« hier die kleinen, aber reinlichen und netten Häuser, die ihres tcrrasscnartigen Vaucs halber in dcr Nahe und Ferne einen freundlichen Anblick darboten. Der Garten liegt tiefer und zieht sich bis an das Meer hinab. Leider fanden wir den Director der kaiserlichen Anstalt, Herrn von Hartwiß, nicht zu Hause; dieses hinderte aber die liebenswürdige Hausfrau keineswegs, uns im Namen ihres Mannes aufzunehmen und für uns bis zu dessen Ankunft die nöthige Sorge zu tragen. Es war dieses wiederum ein Zeichen jener russischen Gastfreundschaft, 112 Der Garten von Nilita. ^7. Kap. deren ich mich zu erfreuen auf beiden Neism hinlänglich Gelegenheit hatte. Nikita verdankt dem früher bereits erwähnten und ausgezeichneten Botaniker, Herrn von Steven, seine Entstehung. Er machte vor vierzig Jahren auf die Nothwendigkeit der Gründung rincr allgemeinen Vaumschulc für die weiten nnd meist holzlosen russischen Provinzen aufmerksam und erbielt bald darauf auch den Auftrag, in der Krim eine solche zu errichten. Herr von Sttvcn war ganz dcr Mann, der alle Schwierigkeiten, die sich, wie man sich leicht denken kann, in Menge darboten, zu überwinden vermochte. In kurzer Zeit war dcr Garten gegründet uud gewann von Jahr zu Jahr einen gro'ßern Einfluß zunächst auf die Krim und die südlichen Provinzen Rußlands. Da wurde Herr von Steven, nachdem er zehn Jahre der Anstalt ehrenvoll vorgestanden hatte, abgerufen, und ihm eine wichtigere Mission anvertraut. In Petersburg legte man mk Necht auf die Hebung der Pflanzemultur in den südlichen Provinzen einen großen Werth, glaubte aber mit der Gründung einer solchen Anstalt, wie Nikita darstellte, nicht genug gethan zu haben. Man brauchte einen Mann, dcr die Bewohner der Krim und dcr eiskaukasischen Provinzen nicht allein auf die Vortheile der Obst- und Wcineultur, so wie des Seidenbaues aufmerksam machte, sondern ihnen auch mit Nath und That bnstand. Es konnte wiederum keine bessere Wahl als die des Herru von Steven getroffen wcrven. Alleö, was seitdem in der Landescullur in genannten Provinzen geschehen ist, hat man hauptsächlich diesem ausgezeichneten Gelehrten zu verdanken. An Erven's Etellc wurde für Nikita ein livlä ndischer Edelmann, dersich in eineVorliebe für Gartencultur besaß, ernannt. Herr v. Hartwiß fand sich schnell in den neuen Wirkungskreis. Mit Eifer studirte er die wichtigsten deutschen nnd französischen Schriften über Obst- und Gartencultur. Seit siebenundzwanzig Jahren steht er nun der Anstalt vor und hat wesentlich dazu beigetragen, daß sie nicht allein in Rußland, sondern auch außerhalb des genannten Ncichcs sich dcr vollen Anerkennung erfreut. Es ist dieses um so verdienstvoller, als der Garten keineswegs in der ?. Kap.^ Der Garten von Nikita. HZ Weife mit Mitteln bedacht ward, als es sonst bei dergleichen Anstalten in Nußland der Fall ist. Früher erhielt der Director außer sel-ner eigenen Besoldung von 5000 N. Ass. (also gegen 1500 Thlr."), zur Verwendung auf den Gartm nur eine Summe von 10,000 Nubeln. In der neuesten Zelt hat man die Summe um die Hälfte «höht. Außerdem besitzt der Garten endlich durch den Verkauf von Stämmchen, Fechsern u. s, w. noch die Einnahme einer gleichen Summe. Das Ganze, was demnach Herr von Hartwiß auf seinen Garten verwenden tann, übersteigt nicht die Summe von 20,000 N"b. Ass. salfo von c. 0000 Thlrn.) Preußen besitzt eine ähnliche Anstalt, die Königliche Lan-dcsbaumschulc bci Potsdam, welche unter der speciellen Leitung des GeneraldirectorS Lenno m Sanösouci steht, und sich in cincm so erfreulichen Zustande befindet, daß sie nicht allein sich selbst ohne allen Zuschuß von Seiten des Staates erhält und dabei regelmäßig von den, benutzten Lande sogar cine Art Erbpacht bezahlt, sondern sogar aus den Ueberschüsftn sich ein Grundcapital angelegt hat. Wir wollen jedoch lnueoweqs dadurch dem Garten von Nikita auch nur einen entfernten Vorwurf machen, denn bedenkt man die Schwierigkeiten , die zunächst schon die entfernte Lage von den übrigen Ländern Europas, wo Garten - und Obst- Cultur blüht, mit sich führt, den Mangel an brauchbaren Gärtnern in Nußland, und weiß man, wie uicl auf der Südküste die Arbeitsleute kosten, so wird man gewiß selbst die anscheinend große Summe von 6000 Thaler für eine solche Anstalt sehr mäßig sindm. Der Garten von Nikita versorgt fast ganz Nußland mit veredelten Obst- und Weinsorten; aber auch außerdem werden noch eine Menge Ziersträucher und Forstbäume nach allen Gegenden des Reiches hin versendet. Der Preis ist so niedrig gestellt, daß auch weniger Bemittelte im Stande sind, daS , waö sie wünschen, auö der *) Ich habe schon erwähnt, daß man v°l ,chn Jahren noch Assignaten m Rußland besaß, dercn 3', und einige Kopeken l Silberrnbel ausmachten. Jetzt sind die ersten, eingezogen »nd das Papiergeld hat „nt dem Silbergeld gleichen Werth. Hoch, die Krim. " 114 Der Garten von Nikita. l?. Kap. kaiserlichen Baumschule beziehen zu können. Für das Tausend Pfropfreiser oder Weinfechscr zahlt man in der Krim nur ungefähr 1 ^/> Thaler, in den übrigen Provinzen hingegen das Doppelte. Wcnn man nun weiß, daß jährlich fur 1500 Thaler verkauft wird und 2/3 dieser Snmme nnr der Erlös für Pfropfreiser und Fechser ist, so kann man sich selbst berechnen, daß jährlich weit über eine halbe Million nach allen Gegenden hin versendet wird. Gewiß eine ahn« sehnliche und ehrenvolle Zahl. Vei der Obst- nnd Weincultur verfolgte Herr von Hartwiß den ganz richtigen Grundsatz „non nm!w, 5«6 mullum" nnd ent« fernte deshalb stets alle Sorten wiedernm, von denen er sich überzeugt hatte, daß sie cinesthcils wegen ihrer Mittelinäßigleit nicht eine größere Bedeutung verdienten, anderntheils aber zu viel Sorgfalt verlangten, um zu gedeihen. In der Obst- und Wcincultur muß ebenfalls, wie überhaupt sonst, derVrtrag und dieOülc in einem bestimmten Verhältnisse zu der darauf verwendeten Mühe stehen; für den Landmann — und dieses gilt für den Russen sowohl als für den Deutschen und Franzosen — hat man hingegen noch zu bedenken, daß er nicht Sorten wählt, dic sehr sorgsam gepflegt werden müssen. Derm Cultur muß immer dem Gärtner vom Fache überlassen bleiben, da der Landmann hierzu weder die nöthigen Kenntnisse hat, noch auch meist die Zeit besitzt, welche dergleichen Obstsorten in Anspruch nehmen. Das Obst, was ich hier genoß, besaß mehr Aroma, als das was ich in Sympheropol, auch außerhalb des Marktes, gegessen. Von vorzüglicher Güte waren die Reinette», von denen man auch einige neue Sorten erzielt hatte. Weniger Sorgfalt war auf die Cultur dcr Birnen verwendet. Diese Frucht fand ich auch sonst in Rußland nicht gut. Nach Herrn von Hartwiß gedeihen sie wenig, und erhalten nie das Aroma und den Wohlgeschmack, wie man beide in Deutschland kennt. Von den zahlreichen Pflaumen, die ich hier sah, fand ich eine, welche nur als Augustpftaume genannt wurde, ganz vorzüglich. Aprikosen habe ich nicht mehr gesehen, werden aber viel gebaut. Die Spätpfirsichen waren ohne weiteren Werth. Die 7. Kap.^ Dcr Gavtcn von Nikita. N5 hier gezogenen Mandeln crschicnen mir vorzüglich; aber die Anpflanzungen sind doch viel zu klein, um bedeutenden Ertrag damit erzielen zu können. Mit besonderer Vorliebe führte Herr von Hartwiß uns zu seinen Weinanlagcn. Dic Neincultur ist eine Lieblingsbeschäftigung der hiesigen Herrschaften und kostet dem Staate, wie nicht weniger den Privaten, cnormc Eummcn. Man cnltiuirte gegen 4NU Sorten. Ganz Europa bis nach Lissabon, Madera, Südafrika, Asten von Tiflis bis nach Schiras und selbst daS nördliche Amerika waren in Contribution gesetzt, um für die Sndküste dcr Krim das Beste von ihren Neben zu liefern. Man hat keine Kosten gescheut, um eine berühmte Weinrebe auch auS dem verborgensten Winkel der Vrde kommen zu lassen. Aber alle die vielen Sorten haben auf dem Krim'schen Voden ihre Eigenthümlichkeiten mehr oder weniger verloren und nichts weiter behalten alö die Namen. Ten frühen Würz-bnr^cr, den rheinischen Nießling, den phälzischen Tramincr, den beliebten Vordeaur n.s. w. erkannte ich wohl an ihrem Laube einiger? maßen, nicht aber an den Beeren und noch viel weniger an den Weinen, die man daraus bereitet hatte. Nnr die beiden amerikanischen Sorten, die man auch bei uns unter dem Namen dcr Catauba und der Isabcllc mehr dcr schönen Form ihrer Vlätter halber zieht, waren dieselben geblieben und hatten sich, gegen die unsrigen wenigstengö, nicht verändert. Ob ste sich aber auch nicht von denen Nordamerika's unterscheiden, ist eine andere Frage. Vei dem Genuß dcr Weinbeeren siel mir etwas auf, was alle Krim'schcn Sorten, mit sehr wenigen Ausnahmen, gemein haben, nämlich: eine dickere herbere Schale. Herr von Hartwiß gab uns auch Gelegenheit, die hier bereiteten Weinsotten näher kennen zu lernen. Ich selbst bin z» wenig Kenner, um ein Urtheil aussprcchcn zu können. Nach dem Urtheile Sachverständiger aber steht der Ertrag zu den darauf verwendeten Kosten in keinem Verhältnisse. Von dem hohen Preise rer Krim'schcn Weine habe ich schon früher zu sprechen Gelegenheit gehabt. In Odessa, was freilich «in Freihafen ist und fremde Weine mit einer geringen Abgabe einläßt, kostet der gute Krim'sche Vordeaur immer etwas 8" 11V Der Garten von Mita. ^. Kap. mehr als der gleich gute und achte aus Frankreich. Aus dieser Ursache erhält man dort nur die schlechter» gewohnlichen Sorten, aber immer wiederum zu verhältnißmäßig hohem Preise, und trinkt den bchcrn Wein nur in Familien, die ihn selbst gebaut haben oder aus Patriotismus auf die Tafel bringen. DerKrim'schc Rheinwein hatte mit der Säure auch das Aroma verloren. Ebenso vermißte ich an dem Vorveaur den herben Geschmack. Anderntheils wurden uns in Nikita und noch mehr in Ma-haratsch bei dem Fürsten F. V. Galitzin so vorzügliche Weine eigener Fabrikation vorgesetzt, daß sie auch bei den geübtesten Wcintrintcrn Veifall erhalten hätten. Man sagte uns aber selbst, daß die Bereitung dieser Sorten mit außerordentlicher Sorgfalt geschehen müsse. Es sei gar nicht möglich, sie in den Handel zu bringen; es sei denn, daß man mit großem Verluste weggebe oder enorm hohe Preise stelle. Es ist übrigens eine allgemeine Ansicht, selbst der Weinzüchter in der Krim, daß man zwar viel Sorgfalt auf die Weincultur verwendet, aber sehr wenig Leute besitzt, die die Wcinbercitung mit Sachkenntnis! leiten können. Man hatte ungeheure Summen auf die Urbarmachung des sterilen Nodens verwendet, mit fast eben so viel Snmmcn Weinreben aus allen Gegenden der Erde bezogen und Winzer kommen lassen, die die Neben mit Sorgfalt cultiviren, aber es fehlen meist die sachkundigen Küfer, die den erhaltenen Wein in und nach der Gährung zu behandeln verstehen und, man sollte es kaum glauben, die zweckmäßigen und entsprechenden Gera'the. Auch der Gartenkunst im engern Sinne widmet Herr von Hart-wiß seine volle Aufmerksamkeit. Mit Ausdauer, ich möchte sagen Hartnäckigkeit, versucht er ausländische Sträucher und Väume zu acclimatisiren. So überwintern hier sämmtliche ostindischc Noscn, die wir als .«6mp6rNc»-6li8, NmsLlio, Olevilie», Lanlcsi», Ikoü und wie alle die Abarten und Bastarde heißen mögen, im Freien und werden nur bisweilen, wenn man eine strengere Jahreszeit als gewöhnlich kommen sieht, im Winter bedeckt, ^oblic?« 8c.-ml^n8 <üav., rothe und blaue Passionsblumen, ^lomuu^^uro.-i sied. «nd Noi-i^a Iliunl)., lecomn i-iu!icm,8 ^U55. und andere Schlinggewächse schlän- 7. Kap.) Der Garten von Nikita. 117 geln sich an Strauchwerk, an Lauben u. s.w. in solcher Ueppigkeit empor, als wäre eben hier ihr Vaterland. Ganze Strecken sah ich mit Oclbäumen bepflanzt; aber cs wird doch nie grlingen, die Ocl-baumcultur, die ja selbst auf der gegenüberliegenden Südküstc deö Schwarzen Meeres nicht gedeihen will, auf der Nordküstc einzuführen. Die vielen und nicht selten ganz unerwarttten Fröste, die sich am häufigsten im März einstellen, todten nicht selten ganze Vämnc. Die kalten Nächte, die auch sonst im Frühjahr kommen, sind ebenso den jungen Trieben und dem Laube in hohem Grade nachthcilig. Ferner finden sich hier viel Korkeichen vor. Die Korksubstanz hatte sich aber so wenig entwickelt, daß nicht mehr vorhanden war, als an unsern Korkulmen. Ich habe schon früher ausgesprochen, das; die Korkeiche eben so wenig, als unsere Korkulme, eine sclbst-ständigc Species darstellt. Oorcu8 llox I.. stand hier mitten unter den Korkeichen (Y. 8uk«i- L.), und unterschied sich außer dem Mangel der geringen Korksubftanz auch gar nicht von der letzteren. Was übrigens die Korkulme anbelangt, so muß man dic, welche gewöhnlich bei uns vorkommt und nur eine Abarr der DImu8mp68ll'i3l.. d.h. unserercr gewöhnlichen Ulme darstellt, von der U. sudewg.i 1u8Z. also dcr sicilianischm, aber auch von der der kaukasischen Flor unterscheiden. Wenn schon fast sämmtliche Wnnländcr auf der Erde der Krim ihren Veitrag geliefert hatten, so mußten hingegen sogar für die landschaftliche Ausschmückung der Anlagen fast alle Länder der Erde steuern. Nur was unmittelbar unter den Tropen wächst und das Klima für Palmen und baumartige Farrcnkrauter verlangt, war hier nicht vertreten. Am meistm hatten die KaukasuZländcr und Nordamerika geliefert. Aus den crstern stammen unter andern : clle-6itFcIllil ci,5i>i(^I)3s., 1>l<.'l-ao!llpi!5!C!!u<">5wu8 c.^.klo^, Itlloclaöon-öl-on pontkum I.., ^,!o!i iwnlil:» I.., rim,8 No^lmlmmima I.ec1. und 11^,.^ en^Il!^ C, I(oc,'Il; aus vem letztcrn hingegen viele Eichen, untcr denen die hochgipfrligen lw^cu» t!«<^-in«il VV>il!8onI>. und l'"!u^N8 Dm-,, ferner Magnolien, Gleditschien, die Wcihmuths-kicfer, die kanadische Tanne u. s, w. Sibirien hatte die ihm eigen- 118 Der. Major Frömbder. s/. Kap. thümliche Lärche geliefert, Nordeuropa unter andern seine sämmtlichen Nadelhölzer, Irland seinen ihm eigenthümlichen Tarus und Gpheu, Spanien die schone I'mu^ plliz.ipo Loi88., die Valearen Luxus duloul-ic:» I.l,m., die kanarischen Inseln Viburnum i-ußosum I'ttl-5. und Oioo^.lplinl! soole«8 Xo65> Nordafrika Vidul-inlin Iinu8 I.., Südafrika Haiden und Pelargonien, KIvi-Lin« usi-il'lm» I.,, Syrien : llilii^u« 8;siilcu8 I.. unv die Crder, Persien : ^< t,ei.i .Ililidris-8in VVillc!., Kleinasien: csNi8 loui-nefoi-ilii I.»m., die Himalaya-länder einige Rhododendren und die dort wachsende Lcder, Nepal: ljoliNlomw st'ü^'isc'!-!» HlnN., Ostindien: ^8!l!ilium ^innliilioiuin I.., Ilwi, l^llc'il I.. /^. benß1uilc!i,8lß, China: l^>ß«i'sti'uuimu inclü^l I.., Ulicillm .iiilsuwm I.., 0>«u slü^i-.MZ T'lwlüi., Japan: CamMcn, <^ii,^Iici l^ilol^ I.., dieses seltsame Nadelholz mit breiten Blättern, Californien . pinus 3»^ilii2lu> Do»!;!., das amerikanische Hochland: Mahonien, Fuchsien, Vskallonkn, das Tiefland hingegen: ^gav^ imiuiicnNl! 1^,, ^l^li'oumci'ic» l^iglll !>., ^, pßül^ciiul I^lim,, die Laplata-Ctaaten: ^i,kol,iai-mmm !e;nl,x 1'oi-8t. Die Vcsichtignna, dcS Nilitacr Gartens hatte den ganzen Tag in Anspruch gcnommm nnd wurde noch am andern Morgen fortgesetzt. Herr von HarNrisi war für mich so belehrend, dasi ich gcn, eine längere Zeit mich fesseln lirß; erst am zweiten Tage verließen wir nach Tisch das gastfreundliche Haus. Auf dem Nückwcgc nach Ialta sprachen wir in einem andern Landgute von Maharatsch ein. Ich hatte seinen Besitzer zwei Tagc vorher bei dem Fürsten Galitzin kennen gelernt und war ihm außerdem empfohlen worden. Gs war dieses der Major Frömbder, derselbe Ingenieur-Offizier, dcm man dic guten Communieationswege auf dcr Südküste verdankt. Sein Landgut unterschied sich von denen, die ich bisher gesehen, wesentlich. Mit Mönahmc dcS Gartens von Nikita gehören die Landgüter l'ohen Herrschaften, die einen Theil im Jahre daselbst zubringen; sie sind deshalb hauptsächlich dem Vergnügen nnd nur nebenbei dem Nutzen gewidmet. Obwohl zwar das Landhaus des Major Fro'mbvcr nicht allein wohnlich, sondern auch ?. Kap.) Stürme in der Krim und auf dem Schwarzen Meere. 119 bequem eingerichtet erschien, so wurde doch die Hauptsorge den Weingärten gewidmet. Mit vieler Mühe hatte der Besitzer den sterilen Thonschieferboden urbar gemacht, erfreut sich aber jetzt schon eincö nicht unbedeutenden Ertrages. Wo die ursprüngliche Vegetation sich hier noch vorfand, war sie ärmlich. An Kräutern bemerkte ich kaum einige Hieracien und Teucrien. Die wrichhaarigblättngc Eiche, die morgcnländischc Weißbuche, der Dürrlitzcnstrauch, Maßholder und Sohlweiden warm vorherrschend, bildeten aber durchaus nicht ein dichtes Gesträuch. Nur Ebereschen, deren kleine und rothe Apfclbecrm bei uns hie und da als Eva's Nirncn bekannt sind, bildeten ansehnliche Baume. Gin furchtbarer Sturm e,hob sich gegen Abend und bestimmte uns, die freundliche Einladung des Majors anzunehmen und hier zu übernachten. Stürme sind ü-berhaupt auf der See und an der Küste großartiger als im Binnenlandes an der Sndküstc der Krim mid überhaupt auf dem Schwarzen Meere haben sie aber nicht selten einen so drohenden Charakter, daß dle stärksten Näume umgeknickt werden und Schiffe zu Grunde gehen. Gerade dieses mag hauptsächlich die Ursache sein, daß man selbst auf gutcm Voden nirgends Stämme von einigermaßen bedeutendem Umfange findet. Neben den räuberischen Vewohmrn ringsum mögen gewiß auch die häufigen Stürme Veranlassung zu der Vcnennung des ungastlichen Meeres 1'mUn5 llxenus, dic das Schwarze Meer in den ältesten Zeiten führte, gegeben haben. Oft bilden die Stürme Wirbel und heben Erde, Steine, Väume und Gesträuch in die Höhe, um es an einer andern, vst mehre Meilen weit entfernten Stelle wiednum fallen zu lassen. Erst nach Mitternacht wurde es einigermaßen ruhig; bis dahin heulte laut der Sturm und die Wogen des Meeres hoben sich häuser-hvch, um sich an dem felsigen Ufer zu zerschellen. Wehe dem Schiffe, daß dann in der Nähe der Küste sich befindet, dmn es ist rettungslos verloren. Ein Glück dann noch für die Menschen, die es mit sich führt, wenn eö diesen gelingt, auf leichtem Kahne eine flachere Ufrr-stclle zu erreichen. Am andnu Morgm ritten wir nach Ialta zurück, wo man 120 Groß-Oreanba. l»> Kap. uns längst erwartet hatte. Es war die Nachricht eingelaufen, daß das Dampfschiff, was die Verbindung zwischen Kcttsch und Odessa herstellt, schadhaft geworden sei und die gewöhnlichen Fahrten eingestellt habe; von der russischen Regierung sei aber ein anderes Dampfboot znr Verfügung gestellt. Doch wir warteten den ganzen Tag umsonst und beschlossen deshalb am andern Morgen, wiederum einige Ausflüge in der reizenden Umgegend zu machen. Achtes Aapitcl. Dreanda und liivadia. DaSGärtnerhä^chen; Har Regner; vulkanische Eruption; Aussicht; Vegetation; drei Spaziergänge; die erste Felsenwand; der hohe Nachholder; daS Schloß; Bataten; zwei Felsenblöcke; der Thi^rgartcu; die zweite und dritte Felsenwand; die taurische Föhre; der Erdbecrftrauch; die vierte Felsenwand; Epheupstauzen; Magebi; ein Sturm; Livadia ; Graf Pototzti; freundliche Anlagen; daS Schloß; Aussicht; Nasenplähe uud schöue Gruppen; Mangel an Grotten uud Lauben; Klein-Oveanoa; der Wachh»lder mit gelbll.-then Früchten; Mistclschmc!ro<)cr; C»p Aithador; eiu Leuchtthurm; ein Herbar Krim'scher Pflanzen. Am 1. October wanvcrte ich nach Groß-Oreanda, was man auch das Kaiserliche nennt. Hart an der Landstraße llegt dort inmitten eincr romantisch-lieblichen Gegend, die von vier schroffen Felswänden natürlich begränzt wird, ein klcincs Häuschen; Nastur-tien, Cobäcn, Passionsblumen, Maurandien und Jasmin ranken so dicht an seinen Wänden empor, als wären diese gar nicht vorhanden. Ihm zur Seite befinden sich Vlumenboskets von brennendrothen Fuchsien, blauem Salbei, verschiedenen Cuphä'en, Vouvardien und andern unsern Gärten angehörenden, durch thrcn lebendigen Farben-schmuck sich auszeichnenden Pflanzen. Darüber erheben sich Myrten, Lorber, Phillyreen und der immergrüne Kreuzdorn und eontrastiren 8.K«p.) Groß-Oreanda. 131 mit ihrcm frischen bald glänzendem, bald mattem Laube gegen die vordere Blummpracht. Dieses einsame Häuschen bewohnte damals ein sinniger Gärtner, Herr Rogner, aus dem Hannoverischen gebürtig und jetzt Inspector des kaiserlichen Gartens in Kutaiß in Transtaukasicn. Gern folgte ich der freundlichen Einladung seines Besitzers, und lebte länger als eine Woche in seiner angenehmen Gesellschaft. That schon die gastliche Aufnahme eines Landsmannes dem nach der Hcimctth sich sehnenden Herzen unendlich wohl, so erfreute ich mich noch mehr an dem wissenschaftlichen Streben des Herrn Rogner, ver bei seiner Kenntniß der Südküste, und zwar hauptsächlich in pflanzlicher Hinsicht, mich über Vieles belchrte und manches Wichtige und Interessante mir mittheilte. In seiner Verleitung war für mich jede Wanderung in der Nähe und in der Ferne von großen» Nutzen. Oreandil hatte sich der ^nser Alexander ,uit seiner hohen Ge-mcchlm auserlesen, m» während der schönern Jahreszeit und fern von dem geräuschvollen Leben der Resivenz hier in stiller Zurückge-zogcnhcit zuzubringen. Umgeben uou seltenen Reizen vermochte wohl der erhabene Herrscher das gemüthliche uno betrachtende Leben, wor-nach er sich in seinen letzten Jahren so sehr gesehnt, zu führen. Da überraschte ihn plötzlich der Tod in Taganrog; die Kaiserin Elisabeth folgte dem Vorausgegangenen schon sehr bald nach dem Jenseits. Der Kaiser Nikolaus schenkte die schöne Besitzung der Kaiserin Ale-randra (Charlotte von Preußen), die sie auch im Jahre 1837 besuchte, seitdem aber, so viel mir bekannt ist, nicht wieder in Oreanda gewesen ist. 1837 wuroe einem englischen Baumeister, einem gewissen Herrn Hunt, der Auftrag gegeben, ein Schloß zu bauen, würdig der hohen Besitzerin, aber auch würdig der reizenden Lage, während Herrn Rögncr es überlassen wurde, die Natur in der Entfaltung ihrer Reize zu unterstützen. Die Lage von Oreanda unterscheidet sich/ wie ich schon früher ausgesprochen habe, wesentlich von der Alupka'ö. Der tobende Gott, welcher dereinst in der Unterwelt seine Werkstätte aufgeschlagen hatte, der greise Vulkan, rüttelte hier wohl ebenfalls heftig an den Pfosten 122 Groß-Onanda. s8. Kap. des Erdgewölbcs, aber umsonst versuchte cr für das im Innern gefertigte Gestein einen Ausweg zu verschaffen. Die dichten Kalklagcr wurden zwar hier und da senkrecht in die Höhe gestellt, an andern Stellen aber zertrümmert und das Trümmergestein bunt durch einander geworfen. So stehen nun die Felsen in Form von einigen hundert Fust hohen Wänden seit vielen Iahrtauscndctt unvcrrückt da und tragen zum Theil auf ihrer Höhe andere Trümmcrfelsen, die jeden Augenblick drohen, in die Tiefe hinabzustürzen. Aber Vulkan hat sich seitdem tiefer in das Innere zurückgezogen z nur an einzelnen Stellen der großen Erde ragen seine feucrsprühenden Essen hoch über den Gefilden, wo Mcnschm wandeln, hervor. Oreanda besteht aus einer schiefen Anhöhe die gegen Norden hin von einer senkrecht bis zur Höhe von ein Paar tauseno Fuß gehobenen Felscnwand begrenzt, im Süden hingegen von einem bald laut tobenden, bald friedlichen Meere umspült wird. Auf den Seiten ist die Aussicht umfassender als in Alupta. Nach Westen hin reicht sie bis zum heiligen Theodor (Aithodor), d. h. vcm Vorgebirge, auf dem der früher erwähnte Leuchtthurm steht, nach Osten hingegen breitet sich die Vucht von Ialta aus. Dort liegt dicht am Mecresstrande das nur aus einer Straße bestehende Städtchen gleichen NamenS. Dann kommt ein Vorsprung, der „nmittclbar in die hintere Fclsenwand überzugehen scheint. Hinter ihm liegt Maharatsch mit seinen Tatarcnhäusern und Landgütern. Von Orcanda aus erblickt man auch die Spalte am Vortheilhastesten, welche die Felsen-wand in zwei Theile bringt, und eine in terrassenförmige Absätze zerfallende Schlucht bildet. In ihr liegen mehre Landhäuschcn, die kaum aus dem frischen Grüne herausragm. In Oreanda ist nicht allcin die Ausficht umfassender als in Alupka, auch die nächste Hingebung ist eine andere. Der wilde Charakter hat sich durch die Anlage selbst in Alupka nur gemildert, er ist mehr romantisch geworden, aber auch hier und da grotesk geblieben. In Orcanda findet man nirgends eine Spur dieser Wildheit. Schon der größere Raum mildert die urweltlichcn Zerstörungen auf der Oberfläche. Der vom Himmel sallmdc Negcn kann hier nicht 8. Kap.) ' Groß-Oreanda. 12g so tief eindringen, um als unterirdischer Vach dem Meere zuzufließen, sondern sammelt sich in Spalten uno Ritzen an, die über dem Niveau des WasserS liegen. An verschiedenen Stellen kommen Quellen zum Vorschein. Wasser ist aber mit der nöthigen Wärme das hauptsächlichste Erfordnniß für das Gedeihen der Pflanzen, die auch deshalb hier weit frischer und dichter erscheinen als in Alupka. Den fahlgrauen oder schwärzlichen Vodcn, der dort allenthalben sich geltend macht, wo keine Anlagen sind, sucht man in Oreanda vergebens. Ueberall haben Eichen, Vuchm, Dürrlitzcn u. s.w. rin frisches Grün. Selbst die Fch'en bitten meist reine vollkommen nackte Oberfläche dar. Nicht allein sieht man auf ihnen bunte Flechten, sondern auch Sile-nen; Nelken und Glockenblumen haben sie mehr oder weniger überzogen. Sonst wachsen auf und an ihnen noch Epheu, Wachholoer, Erdb«rgcstväuch und ähnliche Geholze. Selbst tamische Föhren sind von dem Nandc der Iaileu, wo sie sonst fast nur vorkommen, herun-tergekommen und haben sich aus den aus dein AbHange heraussagenden Felscnpartien hier und da angesiedelt. Ich habe jetzt nur im Allgemeinen die Lage von Oreanda ge-schildert; ich werde nun versuchen die Eindrücke, die sich mir auf den verschiedenen Spazicrgängen kundgaben, in einen Nahmen zu fassen und dm Erinnerungen Worte zu geben. Es wird mich ftcum, wenn es durch einfache Veobachtung der Natur, wie diese mit verschwenderischer Hand Ncize entfalten läsil, und durch getreues Wiedergeben des Gesehenen mir gelingt, nur einigermaßen anzudeuten, was selbst dem Pinsel schwer würde, in derselben Großartigkeit wiederzugeben. Leider hat man bis jetzt Schilderungen der Art zu sehr vernachlässiget. Man gab sich wohl den Eindrückn hin, hielt eö aber nicht für werth, diese in Worte zu fassen. Andernlheilö führen solche Betrachtungen und Schilderungen zu der Natur zurück, von der wir durch Vücherstndium leider gar zu sehr abgewichen sind. Von unserer freundlichen Wohnung gingen wir an einem schönen Morgen aus, um die unter uns nach dem Meere zu gelegenen Partien kennen z» lernen. Eine der vier Fclsenwändc, zwischen 5cmn, wie ich früher gesagt, die Wohnnng liegt, wnrde zurrst er- 134 Die erste Felsenwanb. »Kap. stiegen, um für diese Wanderung zunächst einm Uebcrblick zu erhalten. Eic lag unter uns und nach Westen zu. Mit ihrem Nucken lehnte sie sich dein schräg aufsteigendem AbHange an, ragte aber noch weit hervor, so daß sie, von da aus gesehen, eine kegelförmige Höhe von circa 100 Fuß darstellte. Ein Weg führte in schlangelnder Wcise durch freundliches Gebüsch auf den Gipfel, wo isolirtc Felscu bunt durch einander lagen. Ohne Zweifel war die Erhöhung die ursprüngliche Crddeckr, die zertrümmert in die Höhe gehoben wurde und nun in Form eines Kegels auf der emporgerichteten Fclsenwcmd ruht. Sie bot einen eigenthümlichen Anblick dar. Ein Fels stand senkrecht z ein anderer lehnte sich schief an diesen an und bildete dadurch eine Spalte. Gin dritter befand sich wiederum wagcrccht auf der Spitze des ersten und lag so in drohender Stellung seit einigen Jahrtausenden. Oben cmgckommcn, weiß mau in der That nicht, wohin man seitfe Vlicke zuerst wenden soll; man schweift von einem Punkte zum andern, von der Nähe in die Ferne und umgekehrt, bis man nach und nach ruhig wird, um nüt Muße zu genießen. Nm dieses zn können, setzte ich mich auf eineKnüppelbank und schnitt mir dadurch alle Fernsicht ab. Da lagen vor mir die oben erwähnten gewaltigen Vlö'cke, die zum Theil durch kleineres Gestein in ihrer Lage rrhaltcn wurden. Daneben klaffte, wie der Rachen eines Thieres, eine tiefe Spalte mir entgegen. Auf der andern Seite meiner Naturbank standen zwei Felsen einander gegenüber und bildeten eine Art Thor, durch das der Weg in den eingeschlossenen Raum führte. Hinter mir erschaute ich einen uralten Zürgclstrauch (O!l>8 m'lLn) mit dunklem und mattem Laube und fast trocknen, orangefarbenen Beeren. Zwischen dem Thore lind einem der im Anfange erwähnten Felsen stand eine prächtige, hier einheimische Pistazie (?'5lacw nmtic!<»I?i8cn. «t. U07.) mit gekrümmtem Stamme, der sich den Umständen gefügt hatte. Ihre weit hin greifenden Aeste bildeten ein natürliches Dach für das Thor. Weiter vorn befand sich hart über der jähen Tieft «in prächtiges Crcmplar eines der Wachholdcr l^mipL^u^ oxeelZ» Lieli.) die anstatt der Nadeln, gleich dein Lebcnsbauluc oder der Cy- 8. Kap.) Großer Wachholberstrauch. 125 Presse, anliegende, fleischige Schuppen besitzen, vo» einer Stärke, wie ich sie sonst nirgends in der Krim, wohl abcr hier und da in dem Tschorukthalc gesehen habe. Dcr Stamm hatte nicht weniger denn 3'/2 Fuß im Durchmesser. Wenn man bedenkt, das; der Wachholder ungemein langsam wachst. so gehörte ohne Zweifel mehr als ein Jahrtausend dazu, mn ihm eine solche Stärke zlt geben. Gr ist demnach vielleicht das einzige Gehölz, was alle die verschiedenen Völker zur Zeit der Völkerwanderung kommen und wieder verschwinden sah. Ich verließ endlich die Bank, um auch der Ferne meine Vlicke zuzuwenden. Da stand ich auf einem Felsen nnd schaute von meiner schauerlichen Höhe wcit hinaus in das Meer, auf dessen dunkelblau-grünlichcn Fluthen langsam einige Schiffe mit weißen Segeln vorwärts getrieben wurden. So wcit selbst das bewaffnete Auge nur blicken tonnte, zog sich die unendliche Wasserfläche dahin. Ich habe auch später, besunderö deS Abends hier gestanden und der sinkenden Sonne, die noch lange das geliebte Vaterland mit ihren wohlthuenden Strahlen erfreute, sich aber auch dort endlich hinter dein westlichen Horizonte verlor, meine Vlicke zugewendet. Tief unter mir und zwar mehr zur Rechten breitete sich die nur wenig abschüssige Fläche selbst aus. Sie wurde als die günstigst gelegene Stelle bezcichuct, um das kaiserliche Schloß zu tragen, und deshalb noch mehr geebnet. Nach dem Meere zu begrenzten sie zwei ungeheure Felsenblöcke. Das schönste Laubholz bedeckte allenthalben den Voden. W war selbst zu viel vorhanden, denn cö fehlten die Wiesen und Nasen, auf denen das Auge, wo so viel geboten wird, gern ruht. Zur rechten Hand lag eine andere emporgerichtete Fclsenwand und trug auf ihrer nackten Kante dorische Säulen in Form einer Nuine. Endlich verließen wir den zwar schaurigen, abcr doch schönen Gipfel der Felsenwand. In ihrer Nähe hat man einen Steinbruch angelegt. Das herumliegende frische Gestein contrastirtc wunderlich, aber keineswegs angenehm, mit den andern, mit Flechten, Moos u. s. w. bewachsenen Felsen. Es wird eine lange Zeit dauern, bcvor Mutter Natur und die Kunst dicseö nackte Gerölle den Augen wie- 126 Die Umgegend von Oreanda. ^. Kav. derum zu entziehen und die unterbrochene Harmonie vom Neuen hervorzurufen vermag. Vom Schlosse war damals, wo ich die Krim besuchte, erst das unterirdische Geschoß und das Parterre fertig; eben wollte man mit dem ersten Stockwerke beginnen. Das Gebäude bildet ein Viereck und steht genau nach den Himmelsgegenden, verstößt aber gerade deöhalb gegen alle Regeln der Aesthetik, denn es befindet sich in einer unnatürlichen Stellung zu dem Höhenzugc und dem diesem parallel laufenden Mecresufer. Die unterirdischen Näume waren sämmtlich gewölbt, schienen mir aber etwas zu klein. Hier hat man sich dcs Grün-stcins bedient, der für den obern Van dnrch schwach röthlichen Jurakalk und durch den blendend weißen Stein von Inkjermann ersetzt ist. Ueber das Ganze ließ sich noch kein Urtheil aussprechen. Es schien mir aber, als wenn leider die Verzierungen hinsichtlich ihrer Größe in keinem Verhältnisse zu ihrem hohen Standpunkte ständen. Die nächste Umgebung des Schlosses ist etwas sumpfig; aber gerade dieser Reichthum an Wasser wäre geeignet, einen Teich mit allerhand schönen Wasserpflanzen anzulegen. Prächtige Silberweiden und hohe Erlen bildeten einen anmuthigcu Hain, den verwilderte Weinreben und Gpheu umrankten. Namentlich boten die ersteren einen sehr hübschen Anblick dar und erinnerten mich lebhaft an die Urwälder des alten Kolchis, wo stc in völlig ungebundener Freiheit bis zu den höchsten Spitzen der Baume klettern und von einein Stamme zum andern oft natürliche Guirlanden bilden. Der Epheu blühte über und über; aber cbcn deshalb besaßen seine Blätter nicht mehr die schöne gezackte Form, die uns so sehr gefällt. Von hier aus wendeten wir unsere Schritte nach dem Meere und zwar zunächst zu den beiden mächtigen Felsenblöcken, die gleichsam als Wächter an dem Strande standen. Gin gewundener Pfad führte unter den, ?aubdache großer Wallnußbäume und später durch dichteres Gehölz nach einem Wasserfalle. Die dunkle Umgebung des Laubholzcs und die nur durch daö Plätschern des Wassers im Vache, so wie durch das fernere Getose des brandenden Meeres unterbrochene Ruhe der Natur wirkte ganz eigenthümlich auf das Gemüth. 8. Kap.) Die Umg^md von Oicmida. 127 Noch weit« im Zickzacke gelangten wir endlich auf einen fteien Platz, den die aus dem Mecre herausragenden Fclsenblocke nach vorn beschränkten. Hier in völligem Schutze gegen den Wind hatte Herr Rogner eine Art tropischen Gartens angelegt. Die schöne Paradies, feige ^lu5.i s^cii^c!.-, I..) stand hier in sonst nicht gekannter Ueppigkeit; die große» und glänzenden Blätter waren fast gar nicht geschlitzt »,nd hingen wohlgefällig mit ihren Spitzen über. Eben waren die Vlüthrnkoll'cn herausgetreten. Nicht weit davon war eine große Strecke mit Bataten (U-ü^z oclulis ckoi^) bepflanzt. Diese interessante Pflanze gehört zu der Familie der Winden und ersetzt in allen Tropenländern unsere Kartoffel, die dort nicht gedeihen will. Ursprünglich stammt sie aus Ostindien und hat sich seiner Nützlichkeit halber über alle tropischen und subtropischen Lander verbreitet. Herr Nögner liesi unö ;um Mittagsbrot ein Gericht von den Knollen zurecht machen. Sie besitzen einen süßcrn Geschmack als unsere Kartoffeln und ähneln deshalb mehr den Knollen deö Tuvlnambur (lloNi'nUms lud«i-U5i,5 I.,), die unter dem Namen der Vrdbirne auch bei uns hier und da angebaut wird, sich aber nie in gleicher Weise, wie die Kartoffel, des allgemeinen Beifalles erfreut. Der Tupinam-bur stammt übrigens ebenfalls aus Amerika und zwar ausVrasilien. Mit großer Mühe hat man einen Pfad in das Gestein des einen Felsenblockcs, der dicht am Meere steht, gehauen und gelangt auf diesem bequem auf seine Höhe. Heftiger Wind peitschte jetzt die kurz vorher »och ruhige Wasscrmengc und weißer Schaum bedeckte in langen Streifen dic bewegte Oberfläche. Mit einer Gewalt wurden die Wogen an das feste Gestein geschleudert, daß sie lant heulend, zum Theil in Schaum und Staub verwandelt, zurückprallten. Welch ein Contrast bot sich dar, als ich dem Meere den Nucken wandte und aufwärts nach dem Gebirge blickte! Dicht unter mir der freie Platz zum Theil der Cultur anheimgegeben, zum Theil einen Wiesengrund darstellend, dann die Anfänge des kaiserlichen Schlosses und zuletzt ein dichtes, in allen Nuancirungen sich gefallendes Grün, aus dem einige Felsenwände herausragten, bis dahin, wo nacktes Gestein sich 138 Der Thiergarten in Oreanda. ^8. Kap. noch um einige tausend Fuß erhebt und aus seinem Gipfel die melancholischen Föhren trägt. Von hier aus führte uus Herr Nvgnrr durch verschiedene Gänge und Anlagen nach dem Thiergarten, einen, eine Stunde im Umfange fassenden Naume, in dem kein dichtes Gehölz vorhanden ist, sonder» sich nur einzelne Eichbaume vorfinden. Man hat 'duw5 ^!u1i'r l844, als wir Vier gegen Mittag zwei Postwagen bestiegen, und den Weg auf der großen Straße nach S^mpherovol, dem Hauptorte des taurischcn Gouvernements, einschlugen. Ich hatte hier wiederum Gelegenheit, einen ander» Theil der Südküste, wo die Kunst weniger gethan, kennen zu levnen. Wir fuhren von Ialta aus über Maßandra und Maharatsch durch bekannte Gegenden und hart an der Grenze der Thonschiefer- und Sandstein-Region nach Aidanil. So helßt nämlich auch die erste 10'/^ Werst von Ialta entfernt? Station nach einem Vorgebirge, was sich als Endpunkt eines sich von dem Hauptzuge des Gebirges ablösenden Rückens an das Meer vorschiebt. Auch die Ansiedelungen der Umgegend, welche erst später stattfanden, haben den Namen Ai-danil erhalten. Das Wort selbst stammt, wie alle ähnlichen Benennungen, welche mit „Ai," d. i. „heilig" beginnen, aus dem Griechischen. „Ai" soll aus «>o,- (hagios), was in der Sprache der alten Griechen ebenfalls „heilig" bedeutet, eutstanden sein. Die byzantinischen Griechen liebten, Vorgebirge mit dem Namen eines ihrer Heiligen zu belegen, auch wenn keine Kirche oder anderes heiliges Gebäude darauf stand. So haben wir schon Aithodor, d. i. heiliger Theodor, als das Vorgebirge kennen gelernt, was die große Bucht von Ialta nach Westen zu begränzt. Aidanil, d. i. heiliger Daniel, heißt nun das Vorgebirge, was diesclbeVucht nach Osten zu schließt. Mit dem genannten Vorgebirge boten sich uns ganz neue An- 144 DerVürberg. »Kap. sichten dar. Hinter Aidanil zieht sich d«s Land wiederum mehr zu-rl'ick und das Meer bildet ebenfalls einen Vusen, an Grösie ziemlich gleich dem von Ialta, aber ganz anderer Art. (5r wurde nach Osten durch ein Vorgebirge geschieden, was einen kegelförmigen Massen-Frlfen von gegen I80N Fuß Hohe bildet, der nur wenig mit den übri-gem Gestein znsaminen hängt. Daneben ragen völlig isolirt einige kleinere Felsen aus dem Wasser heraus. Man hat den plumpen Felsen, um den die Straße führt, mit einem Bären verglichen, der sich mit seinen Junge» an das Meer blgiebt, um seinen Durst zu löschen, und ihn deshalb mit dem Names Aiudagh, d. h. Värberg, belegl. Er ist m geologischer Hinsicht deshalb außerordentlich wichtig, weil er der Mittelpunkt einer der bedeutendsten Eruptionen der ganzen Südlüste ist. Nachdem die Decke, welche bis dahin die Oberfläche deS Vodcns bildete, geborsten war, wurden die im Innern gefertigten Massen als Grünstem in die Höhe gehoben und stehen mm mehre Jahrtausende schon unverrückt auf derselben Stelle. Wind und Wetter haben zwar im Herlaufe dieser langen Zeit ihren Einflnß auszuüben versucht, aber das harte Gestein ist nur in so weit auf seiner Oberfläche verändert worden, als das ursprüngliche grangrnnlich-und welßschcckige Ansehm in eine schwärzliche Farbe umgewandelt ist. Während derVarberg eine mehr oder weniger abgerundete Masse bildet, so bemerkt man in der ganze» Umgebung um desto mehr die Verwüstungen, dic sein Heraustreten verursacht hat. Zunächst zieht sich um seinen Fuß ein Kranz von schwärzlichem, so wie grangvünlich «nd wcißgcschecktcm Gestein, das allmälig in Porphyr und Melaph'.'r überzugehen scheint. Iu weiterer ssntfernnng liegen allenthalben größere und kleinere Trümmer, bald aus Thonschiefer, bald aus Kalk bestehend, herum. Der früher erwähnte Sandstein setzt sich und zwar in ziemlich gleicher Richtung, fort, aber seine röthliche Farbe hat sich in eine graugrünliche umgeändert. Hier mr? da geht er auch, ohn« Zweifel in Folge der erwähnten Eruption, in Conglomerat über. So abwechselnd und mannigfaltig auch früher die Aussichten gewesen waren, so bot sich doch unsern Blicken immer wieder Neues dar. In hohe,» Grade romautisch war die Lage des grosicn Tataren- 9- Kap.) Der Värberg. 145 dorses Iurßuff. So etwas fchlt in der sonst so reizenden Vucht von Ialta. Die terrassenförmig übereinander liegenden Hänser und die schönen Wallnusibäume, welche jene beschatten, bilden ein Vild, was wohl verdiente, einmal von einem Maler in einen Nahmen gefaßt zu werden. DieHäuser bei uns mit ihren rothbraunen und in einem rechten Winkel abfallenden Dächern nehmen sich gar nicht so malerisch auS, als die weit schlichter» Wohnungen der Tataren. Interessanter sind schon für den Maler die Dörfer mit Strohdächern, besonders wenn diese bereits einige Jahre alt sind. Es thut mir ordentlich leid, daß die Strohdächer mit ihrer oft reichen Vegetation von Moosen nnd Gräsern immer weniger werden. Ich würde gern mich in Iurßuff einige Zeit aufgehalten haben, wenn meine Gefährten mcht so sehr gedrängt hätten. So fuhren wir um den Värberg herum und langten alsbald in Vöjuk-Lcnnbat (hier Vijuk-Lambm ausgesprochen) d. i. Groß-Lambat, waö siebzehn Werst von Aidanil entfernt liegt, an. Von hier alls nahm sich dieser Massenf>a.rl freundlicher als von der andern Seite aus; dichtes Eichcngchölz bedeckte mit Ausnahme der ziemlich steil abfallenden Abhänge den Rücken. Mit dem Aiudagh erhält anch die Vegetation dcrSüdtüste eine andere Gestalt. Oberhalb der Vnchtm von Ialta und noch mehr der von Alupka besitzt das Gesträuch ein mehr spaniges Ansehen; die Aestc stehen zum großen Theil in einem Winkel ab, der mehr als ^5 Grad beträgt, und verzweigen sich in derselben Weise weiter. Hier hingegen herrscht zwar die Strauchform ebenfalls noch vor, aber Eichen und Buchen erscheinen zum Theil schon mehr baumartig, denn der Hauptstamm läßt sich meist bis zum Gipfel verfolgen. Die Aeste habcn ferner eine mehr ruthenförmige Gestalt, d. h. sie stehen in einem Winkel von 45 Grad und weniger ab und sind im Verhältniß zu ihrer Breite länger als gewöhnlich. Die weichhaarig-blättrige Eiche (s>u.^l.8 pul)c^«,>8 NiM,,), die mit der orientalischen Weißbuche bis hierher das hauptsächlichste Gehölz bildete, verschwindet jenseits (östlich) des Aiudagh allmälig und es tritt die ihr zwar ähnliche, aber sttts größere Wintereiche (0us>",^ go^ililiora 8m.; 0. Nobm->VNI<1,) an die Stelle. Es ist nicht zu leugnen, daß Koch, dic Krim. 146 Die Gegend vcn Sudak. , ^9. Kap. das Laub der letztern durch ihr frischeres und dunkleres Grim einen freundlicheren Anblick darbietet als das der erstcrn mit ihrer graugrünen Farbe. So wie man den Aiudagh überschritten hat, eröffnet sich den Blicken ein anderer Meerbusen, der die beiden frühern an Ausdehnung übertrifft. Gr zerfällt wiederum in mehre kleinere Buchten. Nach Osten zu wird er von einem weit hervortretenden Vorgebirge, Me-ganup, an dem (aber noch diesseits) die jetzt wieder aufgebaute uud sehr alte Handelsstadt Sudat liegt, begrenzt. Es giebt Dinge in der Welt, die man durchaus nicht begreifen kann. Vald ist es der Zufall, der eine günstig gelegme und alle Hilfsmittel darbietende Gegend unberücksichtigt läßt, balv sind es aber auch die Menschen, die sie nicht beachten. Die ganze Strecke von Aiudagh bis zum Vorgebirge von Sudak bietet, wenigstens in der ersten Hälfte, so viel Schönheiten dar, daß ich gar nicht begreifen kann, warum hier sich keine reichen Nüssen niedergelassen haben. Fast Alles, was dic Vuch-tcn von Alupka und Ialta bieten, findet man auch hier, aber außerdem noch vieles, was dort fehlt. An verschiedenen Stellen hat der greise Vulkan an den Pfosten der Erdrinde mächtig geschüttelt. Gestein, in der Tiefe der Erde gefertigt, ist herausgetreten und bildet hier cilicn mäßigen Felsen, dort liegt es in Trümmern herum. Zum Theil unterscheidet es sich von dem oberhalb der Vucht von Alupta, indem es dem Feuer mehr ausgesetzt war und dadurch eine Porphyr-artigere Struktur erhielt. Ich habe Stücken gesehen, wo es schwer wurde, in der gestaltlosen Masse noch Fcldspath- und andere Krystalle zu unterscheiden, wo also ein Uebcrgang zu den basaltartigen Gesteinen vorhanden war. Man findet hier auch ein Trümmcrgestein, was aus Flotzgebilden zusammengesetzt ist, und eine Art Puddingstein darstellt. Der Thonschiefer, welcher östlich von Ialta in Verbindung mit Sandstein auf der Oberfläche des Vodcns vorherrscht, so wie der Kalk, der wiederum westlich vou Ialta am häufigsten unter denFlötz-gcbildcn erscheint, kommen hier beide neben einander, das zuerst genannte Gestein jedoch überwiegend, vor. Endlich ist das Terrain östlich vom Aiudagh, von dem, wie 9. Kap.) Der Tschaiyr-Dagh. 147 wir es aus der andern Seite kennen gelernt haben, außerdem noch wesentlich verschieden. Abgesehen davon, daß hier also häufigere und mächtigere Durchbrüche unterirdischen Gesteines geschehen sind, so ist auch der Spaltenrand (d. h. der Nucken des Küstengebirgcs) noch an verschiedenen Stellen geborsten; es haben sich dadurch weit mehr Thäler und Schluchten gebildet, als westlich vom Aiudagh der Fall erscheint, wo eigentlich nur die Schlucht von Ialta vorhanden ist. An einer Stelle hat sich sogar ein Stück von ungefähr einer Stunde im Durchmesser Von der ursprünglichen Decke des Bodens völlig getrennt und ist von dem unterirdischen Gesteine noch 1000 Fuß höher, als sich jetzt der Spaltenrand befindet, gehoben. Da liegt eö noch und bildet heut zu Tage dcn höchsten Verg in dcr Krim, den Tscha-tyr-Dagh d. h. Zeltberg. Eine Umwallung, wie man sie häufig im Kaukasus sieht, hat nicht statt gefunden. Das unterirdische Gestein ist auf drei Scittn deutlich zu unterscheiden. Der Tschatyr-Dagh bildet oben eine ziemlich ebene Fläche, die nach allen Seiten hin steil abfällt. Eine thalähnlichc Schlucht, die besonders nach Norden und Süden hervortritt, umgicbt dcn Fuß des Verges. Der bedeutendste Durchbruch ist außerdem in der Umgegend des Dorfes Aluschta, also südlich vom Tschatyr-Dagh und in cincr Richtung mit demselben, erfolgt. Von hier aus nach Osten zu sind die unterirdischen Kräfte weit geringer gewesen. Es erfolgen nicht allein gar keine Durchbrüche eines Plutonischen Gesteines mehr, auch der Thonschiefer verschwindet alsbald und Jurakalk tritt an seine Stelle. Dasselbe Gestein bedeckt von nun an dieHöhc des Gebirges wie den schmalen Küstensaum. Ich habe dic ganze Strecke von Aluschta bis Theodosia nicht bereist, allein nach Allem, was ich darüber vernommen und was der fleißige Dubois dc Montpl-reur, so wie Fürst Anatol Demidoff mit seinen Naturforschern berichtet haben, sind schon ein Paar Stunden östlich von Aluschta keine Durchbrüche mehr erfolgt. Das Gebirge stellt demnach von null an nicht mehr den nördlichen und emporgehobenen Spaltenrand dar, sondern ist eine auf beiden Seiten ziemlich gleichmäßig gehobene Erhöhung. Es erklärt dieses natürlich, daß auch der Eüdfuß nicht mehr aus anderem nnd zwar HO* 148 Das Knm'sche Küstenaebnge. »Kap. ursprünglich tiefer liegendem Gesteine, sondern aus demselben Kalte, wie der Nucken besteht. Die Höhe vom östlichen Theile deöKrim'schen Küstcngcbirgcö ist im Durchschnitte auch geringer und beträgt in der Mitte kaum noch 2U00 Fuß. Das ganze Gebirge wird durch die eben erwähnte grosie Trennung deö Spaltenrandes nnd Erhebung des Tschatyr-Dagh Kap.) Aluschta. 131 Zu einer bequemen Straße benutzt werden, die dort unmöglich gewesen wäre. Die alten Griechen hatten die Wichtigkeit der Lage von Aluschta noch nicht erkannt. Vielleicht bestimmte sie auch dic geringe Cultur auf dem ganzen Küstensaumc ihre Colonieen mehr an den landen des Gebirges anzulegen, von denen aus sie bequemer mit den Bewohnern der Ebeue in Verbindung treten konnten, strst die Byzantiner wurden aufmerksam und schon Justinian erbaute die Vestc Aluschtm. Der Ort kann später nicht unbedeutend gewesen sein, denn man sieht allenthalben und in ziemlich weitem Kreise noch von allerhand Gemäuer Spuren. Gs haben sich später Tataren auf derselben Stelle angesiedelt und die vorhandenen Ruinen zwar weniger für ihre schlichten Wohnungen benutzt, als überhaupt'zu ihrem Verfalle beigetragen. Es finden sich jetzt noch drei ziemlich erhaltene Thürme vor, von denen sonderbarer Weife cin jeder eine andere Gestalt besitzt. Der cine ist rund, der andere hingegen viereckig und der dritte hat sogar sechs Seiten; alle drei zeichnen sich aber durch dic dicken Mauern aus, deren Stärke grade eine Klafter betrug. Aluschta besitzt in seiner nächsten Umgebung ein außerordentlich freundliches Ansehen. Dic Häuser sind zwar nicht, wie es sonst bei den Tatarcndörfern der Fall ist, an den Höhen angelehnt und liegen deshalb auch nicht zum Theil in der Grde, sondern stehm srci und bilden ziemlich enge und krumme Gassen. Die Bewohner zeichnen sich durch Betriebsamkeit aus und beschäftigen sich hauptsächlich mit Wein- und Obstbau. Die nächste Umgebung schien cin einziger Garten zu sein, dessen grünes Laub zu den nackten, in der Nahe uud in der Ferne befindlichen Fclsenparticn einen freundlichen Contrast bildete. Der hier gebaute Wein soll, obwohl er keineswegs die Pflege erhält, wie in den herrschaftlichen Anlagen, doch vorzüglich scin und ganz gewöhnlich unter dem Namen des „gräflichen" verkauft werden. Von dem Umfange und der Bedeutung der hiesigen Wcimultur kann man sich einen Begriff machen, wenn man erfährt, daß gegen eine halbe Million Nebenstocke die Trauben zur Bereitung des Weines liefern. Hier schien noch nicht die Sitte zu sein, daß man die guten 152 DaS Knm'sche Fiebcl. ^9. Kap. Sorten nach auswärts verkauft und die schlechtem im Hause behält, denn in dem sonst mittelmäßigen, aber durch sein äußeres Ansehen impcnirende» Wirthshause erhielten wir ein so vorzügliches Getränk, wie wir es bis jetzt kaum für Geld erhalten hatten. Dir Sonne senkte sich eben in das Meer, als wir wiederum auf unserm kleinen Postwagen saßen und auf der großen Straße, die man, wie schon srüher erwähnt, dem Kunstsinne und der Geschick-lichkeit des Major Frömbder verdankt, die bereits näher charakterisirte Schlucht aufwärts fuhren, um endlich das Gebirge wiederum zu überschreiten und nun auf immer die schöne Südlüste zu verlassen. Die Richtung, welche von Ialta bis zum Bärberge eine nordöstliche, von da aber cine fast rein-nördliche gewesen war, wurde nun eine norvnordwestlichez in dieser Richtung lag Sympheropol. Je höher wir kamen, um desto kühler wehte der Wind. Wir warfen bald unsere Mäntel um, um nicht noch, nachdem wir auf der Küste vom sogenannten Krim'schen Fieber, einer 'Art Inter-mittens (Wechsel- oder kaltes Fieber), trotz des vielen Gcnießens von Obst frei geblieben waren, nachträglich zu erkranken. Dieses Fieber ist zwar eine gewöhnliche Erscheinung auf der Südküstc, aber sehr leicht und hat mit dem, was auf der Ostküste des Schwarzen Meeres nicht selten den Menschen nach den ersten Anfällen tödtet, nichts weiter als den Namen gemein. Oft blickten wir nach dem Meere zurück, aber leider kam schon bald finstere Nacht und damit war uns alle Fernsicht geschlossen. Zum Olück erschien alsbald der Mond am fernen Horizonte und leuchtete uns mit seinem erborgten Lichte auf unserer nächtlichen Fahrt. Auf dem höchsten Punkte dicht an der Straße und an einer Quelle steht zum Andenken an den General Kutußoff ein Gcdächtnißstein. Nicht weit davon ist eine Stelle, wo man sich einer herrlichen Aussicht auf die Südküstc und auf das darüber sich hinziehende weite Meer erfreut. Hier stand auch einmal der verstorbene Kaiser Alcrander und blickte, entzückt über alles, was vor ihm lag, hinaus iu die weite Ferne. Ein Obelisk bezeichnet jetzt die Stelle, von wo aus dieses geschah. Leider mußten wir auf diesen Genuß verzichten. Vergebens 9. Kap.) T cmschan-Aasar. 153 suchten wir auch nach den Ruinen des eisernen Thores, ,vas die Nilhrrn Bewohner der Südküste znn, Schlitze gegen Ucberfälle aus dem Norden erbaut haben sollten. Man muß übrigens nicht glauben, daß hier in der That ein eisernes Thor gewesen sei z der Name Demirkapn, was im Türkischen eben dieses hcißt, deutet in der Regel für Länder, wo ein türkischer Dialekt gesprochen wird, nichts weiter "", als daß sich ein Paß daselbst befindet. Im ganzen Oriente und hauptsächlich in den nördlichen Ländern von Kleinasien bis an das Kaspischc Meer hört man dic Vezcichnung Demirkapn sehr häufig. Die Perser bedienen sich dafür des Wortes Derbend, aber doch nicht in dieser Allgemeinheit, sondern eigentlich nur für cincn wirklichen Engpaß. Endlich hatten wir den Rücken des Gebirges, der hier, wie oben schon gesagt, qegen 250N Fuß über dem Spiegel des Schwarzen Meeres liegt, überschritten und erreichten balo darauf die Station Tauschan (oder Taffschan)-Basar, d. h. Hasenmarkt. Der Wirth war wiederum ein Dcxtschcr und setzte unS freudig vor, was Küche und Keller hergab. Wenn Leute, die nur auf den Ertrag ihres Wirthshauses angewiesen sind, in diesen entlegenen Gegenden höhere Preise stellen, so muß man auch bedenken, daß alle Lebensmuts hier nothwendiger Wcisc theurer sind und daß die Anzahl der Fremden, die diese Slraße passircn und etwas verzehren, sehr gering ist. Wir bezahlten gern, denn alles, was wir erhielten, war gut und schmackhaft zubereitet. Am andern Morgen fuhren wir über Mahmud-Sultan dem ncunundzwanzig Wcrst, also über vier Meilen, entfernten Symphe-ropol zu. Wir hatten den Zeltberg zur Linken und freut.» unö über den Anblick, den er darbot. Sein Gipfel sowohl, als die steil abfallenden Seiten waren nirgends von Gehölz bedeckt; in der Schlucht, selche sich rings herum zieht, sah ich abcr zum Theil, eben so wie auf den Höhen des Kammes selbst waldartiges Gesträuch, hauptsächlich aus Wintereichen bestehend. In geologischer Hinsicht ist der Nordabhang hier deshalb sehr wichtig, weil er die einzige Stelle darbietet, wo Plutonisches Gestein und Schiefer zu Tage liegt. (5s konnte 154 Der Salgir. ^9. Kap. dieses aber aus der einfachen Ursache nicht anders sein, als der Riß, den der nördlich gehobene Nand der Spalte erhielt, hier sehr tief eingedrungen war. GZ bleibt mir dabei jedoch unerklärlich, daß bei dem Durchdringen des plutonischcn Gesteines keine größere Zerstörung statt gefunden hat. Strintrümmer, wie man sie auf der Südküste an allen Stellen findet, wo Durchbrüche erfolgt sind, sucht man hier vergebens. Höchstens deutet das Couglomcrat, was unter andern auch den Fuß des Tschatnr-Dagh zum Theil bedeckt, und aus Quarz, Thonschiefer und Sandstein besteht, aber zum großen Theile nur lose zusammenhängt, jedoch an einzelnen Stellen eine Vulkanische Einwirkung deutlich zeigt, auf die Revolution hin, die hier dereinst stattfand. Auf unserer Seite der Vertiefung, welche durch den Niß sich bildete, stießt jetzt ein Fluß, Salgir genannt, der das Wasser der meisten Quellen, die an dem Tschawr-Dagh und in der nächsten Umgebung ihren Ursprung haben, aufnimmt und, mitten durch die Halbinsel fließend, sich endlich in das Meer ergießt. Wie gering die Zahl der Quellen oder vielleicht auch, wie unbedeutend die Wasser-mengc «n diesen Vergen scin muß, ersieht man daraus, daß der Sal-gir selbst nach achtstündigem Laufe, nämlich bei Svmpheropol, so wenig Wasser besitzt, daß man, im Herbste wenigstens, fast trocknen Fußes durch sein Vett gehen kann. Cs kommt freilich der Umstand dazu, daß kein größeres Thal auf der ganzen Krim sich eines solchen Anbaues erfreut, wie das, durch welches der Salgir fließt, lind wo das dargebotene Wasser so in Anspruch genommen wird. Ich habe schon einmal Gelegenheit grhabt, der Thätigkeit und des Fleißes der Krim'scheu nicht herumziehenden Tataren rühmend zu gedenken; Alles, was ich hier sah, machte einen um so freudigern Eindruck auf mich, als ich bisher immer gewöhnt war, den Islam als das Symbol der Trägheit in Betreff des Anbaues und der Cultur zu betrachten. In den transkaukasischen Provinzen tritt allerdings die ange-borne Arbcitscheu des Mohammedaners nicht so grell hervor, weil er sich auf Kosten seiner christlichen Mitmenschen keine Vortheile mehr, wie früher, aneignen kann. In einem mohammedanische Staate aber, 9. Kav.^j Ankunft in Svmphnipol. 155 Wo er sich als Herrn betrachtet, dem Gott die Christen und die übrigen Andersglaubendm nur gegeben hat, um für ihn zu arbeiten, ist der Anhänger des KoranS, so vorzügliche Eigenschaften cr auch sonst zum Theil hier und da besitzt, wegen seiner Indolenz und Trägheit nicht weniger, als wegen seines Bettclstolzes sehr ost unausstehlich. Die Dörfer folgten in kurzen Zwischenräumen aufeinander und boten fortwährend den freundlichsten Anblick dar. Die Häuser unterschieden sich hier aber wesentlich von denen auf der Südküste, weil sie, wie es auch der Fall in Vaktschisarai war, keine flachen, sondern mit Ziegeln bedeckte, so ziemlich einen rechten Winkel bildende Dächer besitzen. Gewöhnlich liegt gleich hinter dem Hause der Obstgarteu. Das frische Grün derselben, die rothen Dächer der Häuser und dic schlanken, aber blendend weißen Minareh's geben ein hübsches Bild. Während dcr Weg von Aluschla nach dem Kamm deS Gebirges sich hin und her schlangelte und dabei doch ziemlich steil war, so merkte man hingegen schon von Tanschan-Vasar an kaum, daß die Fläche, auf der man fuhr, sich senkte. So eine geringe Neigung hat der Nordabhang dcs Krim'schen Gebirges. Je näher wir Smuphcro-pol kamen, erschienen auch die Gesteine wieder, die ich auf dcr frühern Tour im Norden dcs Gebirges kennen gelernt hatte. Schon ein Paar Stunden vor genannter Stadt begann der Nummulitcnkalk, durch den hier der Salgir sein Vett gegraben hat. In Sympheropol crhicltm wir anstatt unserer beiden Postwagen eine Kalesche, die der General Narischkin uns zur Bequemlichkeit angeboten hatte. Mein Postschein lautete aber auf Postwagen; um etwaigen Unannehmlichkeiten zu entgehen, begab ich mich mit meinem Tifliscr Freund auf die Polizei, um die Kalesche- auf dem Postscheine eintragen zu lassen. Zum Unglück, oder vielmehr zum Glück, denn ich hätte später größere Unannehmlichkeiten haben können, frug man nach meinem Paß; ich mußte eingestehcn, daß ich keinen hatte. Man hielt dieses für unmöglich, zumal ich in den Besitz eines sogenannten kaiserlichen Postschcines (Kronspodoroschne) war. Es wurde natürlicher Weise der Verdacht rege, daß ich entwe- 15U Unannehmlichkeit in Sympherepol. ^'^. Kcn'. l der nicht auf ehrliche Weise zu dem letztern gekommen sein möchte, oder daß ich meinen Paß an irgend einen flüchtigen Polen abgegeben hätte. Eins war so schlimm, »vie das Andere. Der Polizcichcf wagte aber doch nicht, da ich besonders von der preußischen Regierung an die russische empfohlen zu sein vorgab und er augenblicklich in mir den Ausländer erkannte, gegen mich einzuschreiten, und las mir alle Gesctzcsstellen vor, unter welchen Bedingungen dcr Eintritt auf russischem Gebiete zulässig ist. Ich erklärte thm den ganzen Hergang, wie meine sämmtlichen Effecten auf dem Transporte von Vrserum nach Tiftis in einer Schlucht eine lange Zcit begraben gclegen hätten, wie ich dcr Regierung in Tistis von Seiten des russischen Gesandten in Konstantmopcl angemeldet und empfohlen worden sei und wie man sich bci dem ersten Vctrcten des russischen Gebietes bei Alerandropol, als man den Paß verlangte, mit meiner Aussage beruhigt hätte. Ich erzählte ferner, daß man in Tistis mit der größten Freundlichkeit alle meine wissenschaftlichen Untersuchungen wesentlich unterstützt und mir deswegen während des Herumrcisens in Trans-tautasien sowohl als für meine Rückreise zum bessern Fortkommen einen Postschein, als reise ich auf allerhöchsten Veschl Tr. Majestät des Kaisers, ausgehändigt habe. Ich als Fremder könne nicht wissen, daß man außer diesem Postscheine noch einen besondern russischen Paß bedürfe. Alles, was man mir aus dcr Gesetzsammlung vorgelesen habe, beziehe sich auf die Bedingungen, unter denen dcr Eintritt erlaubt sciz auf mich könnten aber nur die Gesetzesstellen eine Anwendung finden, dic mich mit den Bedingungen bekannt machten, unter denen ich- wieder aus Rußland herauskäme. Dcr Polizeichcf erklärte mir offen, daß auf diesen Fall kein Gesetz cristirc; denn ich möchte wohl der erste und einzige sein, dcr fast ein Jahr ohne Paß herumgereist sei. Er dürfe leider mich nicht eher entlassen, als bis nach Tiftis geschrieben sei und von dort die Bestätigung meiner Aussage einträfe. Unter diesen Umständen hätte ich allerdings das Vergnügen haben können, mehre Wochen noch in der Krim zu verweilen. Der Polizeichef rapportirte die ganze Angelegenheit an den v. Kap.) Abreise von Sympheropol. 157 Gouverneur. Da rettete mich ein Umstand vor wcitern Unannehmlichkeiten. Ich hatte an Herrn v. Humboldt von Tiftis aus einm Ve-richt in Form eines Briefes über die letzten Ausflüge meiner Neise nach dem Kaspischen Meere abgesendet. Dieser Vericht wurde in der preußischen Staatszeitnng abgedruckt und ging von da als Ueber-setzung in das russische Journal „der Invalide" über. Die Nummer, welche meinen Bericht enthielt, war glücklicher Weise den Tag vorher inEympheropol angekommen. Der Gouverneur, um sich Gewißheit über meine Person zu verschaffen, frug mich über mehre Punkte meiner zurückgelegten Neise, die in dem Berichte näher erörtert waren. Da meine Antworten genan mit diesem übereinstimmten, zweifelte er zwar nicht länger, daß ich dieselbe Person sein mochte, glaubte aber nicht, es über sich nehmen zu können, mir einen russischen Paß auszustellen. Dieses könne nur in Odessa geschehen, wo ein preußischer Consul residire. Obwohl wiederum ohne Paß, war ich doch froh, aus dieser allerdings fatalen Angelegenheit noch mit heiler Haut davon zu kommen und fuhr deswegen in der Gesellschaft der früher bezeichneten Herren noch an demselben Nachmittage ab. Von Eympheropol ist es bis Pcrekop, also bis zu der Stelle, wo die Halbinsel Krim mit dem Festlandc zusammenhangt, 142 Werst (20"/? Meilen). Rechnet man die Entfernung von Smnphero-pol bis an die Küste deö Schwarzen Meeres, also bis Aluschta, die 44 Werst oder 6^? Meilen beträgt, noch hinzu, so erhalt man die größte Vreite der Krim, also 186 Werst oder 26V? Meilen. Die Länge von Osten nach Westen beträgt, insofern man die etwas abgesonderte Halbinsel Kcrtsch im Osten nothwendiger Weise dazu rechnet, ohngefähr 34 Meilen, also V, »»ehr. Wenn man Sympheropol verläßt, verschwindet auch alsbald der Nummulitenkalk und späterer tertiärer Kalt tritt an scinc Stelle. Aber auch dieser macht bald den neuesten qualernärcn Gebilden, dem sogenannten Steppenkalke, der als Kalkstein von Kcrtsch bei dieser Stadt selbst einen, wenn auch noch so unbedeutenden Höhcnzug bildet, Platz. Nacktes Gestein tritt von nun an nicht mehr zu Tagez cs wird allenthalben von Humus, der auf Alluvium ruht und eine 158 Die nördliche Krim. ft. Kap. sehr verschiedene Dicke besitzt, bedeckt. Der Voden wird wenige Meilen von Symphcropol so eben, daß auch nicht mehr die geringste wellenförmige Erhebung erscheint. Dieselbe langweilige Einförmigkeit setzt sich auf dem ganzen langen Wege bis Perekop fort und wird auch sonst durch nichts unterbrochen. Kein Dorf sahen wir bis zu genanntem Orte. Die fünf Poststationen vermochten wegen ihres erbärmlichen Ansehens die langweilige Einförmigkeit kaum zu unterbrechen. Ich will ihre Namen, obwohl sie gar keine Bedeutung außerdem haben, aber doch, da sie auf den Karten meist falsch angegeben sind, hier aufführen: Ssarabouß, Trckablcm, Aibar, Djur-meneh und Iuschun; sie lagen 17, 24, 22, 24 und 21 Werst der Neihe nach von einander entfernt. Auch keine Hcerde von Nindern oder Schafen begegnete uns z Menschen sahen wir nur auf den Stationen. Nciscnde schildern die Tage lang andauernde Einförmigkeit auf der See, wo »nan nur den Himmel über sich und das Wasser unter sich hat; allein diese bietet doch schon bel dem geringsten Winde eine unebene Wasserfläche dar. Delphine folgen, begierig nach den Abfallen schnappend, und andere Seethierc bringen eine Abwechslung hervor. Eine Ebene aber, wie sie im Norden der Krim und sonst im Süden Nußlands gegeben ist, bietet im Herbste, wo alle Vegetation fast verschwunden ist und nur noch die graufilzigen Vci-fuß- und Weißen Andorn-Arten, vielleicht hier und da auch Ccntaureen sich dem Auge zeigen, den traurigsten Anblick dar. Der schone blaue Herbsthinnncl, der sich über uns wölbte, contrastirte keineswegs mit dem grauschwarzen Voden auf eine angenehme Weise. Die verdorrten Stengelüberrestc, an denen kein grünes und zum Theil selbst kein vertrocknetes Vlatt mehr zu sehen war, und die Nisse des Bodens vermochte man unmöglich eine Abwechslung zu nennen. Das Einzige, dem man sich hingeben konnte, war das immer und selbst in dieser traurigen Einöde großartige Vild der Unendlichkeit. Wohin man auch blickte, sah man rings um sich bis in die weiteste Ferne, ohne etwas zu erschauen, nirgends einen Anhaltepunkt, auf dem das Auge, selbst nur die geringste Zeit, hätte ruhen können. 9. Kap.) Perekop. 15!) Wenn auch kaum cin Drittel der frühern Bewohner noch in der Krim lebt, so würde man doch zu jeder andern Zeit etwas Leben in diesen Ebenen gefunden haben. Im Frühlinge herrscht sogar hier ein rcgcs Treiben und Durcheinandcrleben. Viele Tausende von Schafen und Nindcrn durchziehen, von Hirten und Hunden geführt, die bunte Steppe und nähren sich von den noch saftigen Kräutern. Vunte und schwarze Staare folgen namentlich den Schafherden, um sich grade Kon dem Ungeziefer, was die armen Thiere unendlich quält, zu nähren; wiederum werden sie selbst von Habichten und Adlern umschwebt, um diesen zur Nahrung zu dienen. Aber auch außerdem herrscht Leben. Giftige und unschädliche Schlangen erfreuen sich der frischen Sonncnwärmc, Eidechsen laufen zwischen den Kräutern dahin, um sich ebenfalls und zwar von Käfern und andern Insccten zu nähren. Auntc Schmetterlinge umschwärmen die in allen Farben sich gefallenden Vlumen. Wie aber die letzten Tage des Juni kommen, nähern sich die Tataren mit ihren Hecrdcn dem Süden und bringen von der Hälfte des Juli bis spät in das Jahr, wo der Regen sich in Schnee verwandelt, auf den Höhen des Krim'schen Gebirges zu, wo ihnen eine frischere und gesündere Nahrung gcbotcn wird. Im December verlassen sie gewöhnlich erst die Iailen (d. i. die Gebirgsweiden) und ziehen sich in die Steppen zurück, wo unterdeß die Knospen der Kräuter und Gräser, nachdem sie einige Monate geruhet, langsam zur Entwickelung kommen und dem Vieh eine karge Nahrung darbieten. Pcrckop hat scit den ältesten Zeiten, wo der Ort unter diesem Namen noch gar nicht cristirte, eine wichtige Nolle gespielt. Das Culturvolk der Krim zog quer über den nur eine Stunde breiten Isthmus, durch den die Halbinsel mit dem festen Lande zusammenhängt, eine Mauer und bewachte ängstlich die Thürme, um den rohen Skythen den Eingang zu verwehren. Das Perekop der Tatarm liegt ohne Zweifel auf derselben Stelle; aber keine Mauer sperrt den Isthmus mehr ab, sondern ein tiefer Graben, der durch Thürme vertheidigt wird. Von hier aus zogen die bmtesüchtigen Schaaren IVtt SIlcschli. sst. KviP. des Tatarchancs, uin in dem christlichen Norden sengend und bren-nmd einzufallen. Gewöhnlich im Frühlinge, wenn die Regenzeit vorüber war und die, Pferde hinlänglich Nahrung auf den weiten und menschenleeren Steppen des heutigen Neu-Nusilands fanden, geschahen die Naubzüge bis nach Klioff (Kieff, Kiew) und Moskau. Lodernde Flammen bezeichneten den Weg, dm die Tataren genommen hatten. Tausende armer und unschuldiger Menschen wurden alljährig i» die Sclave» ei geführt, und Christen waren es leider häufig, die den Menschenhandel zwischen dem Tatarchan und den Osmancn vermittelten. Daö heutige Per^»ng angegeben wird, vermochte unsere Aufmerksamkeit nicht lange zu ftsscl». Obwohl anßerdcm noch Sitz eines Kreises, ist der Ort doch von gar keiner Bedeutung; es wird auch diese nicht mehr erlangen, wo der Norden und die Krim einem und demselben Herrn gehorchen. Wir fuhren deshalb am andern Morgen weiter, um baldmöglichst Aleschki, eine andere Kreisstadt von 4WN Einwohner», zu erreichen. Dieselbe Ebene setzt sich zwar fort, aber das Terrain und die Vegetation unterscheidet sich. Ein sandiges, hier und da auch sumpfiges Alluvium tritt an die Stslle der wenigstens im Frühjahre fruchtbaren Humusdecke. Anstatt einer Steppe bieten stch wiednlim Pampas dar. Die Entfernung von Pcrekop bis Aleschki beträgt !«2 Werst (14'/, Meile). Ein Paar ärmliche Dörfer. Kalantschak, Äolschoi-Kopan (s,» osier Kanal) und Kostogriwa^a (Knocheuhügel), 33, 30 uud 2? Werst von ciuanrer e'Useriu, lagcn aus dem Wege. Die Richtung, welche von Svmpheropol bis Pnekop eine nmdliche, mit geringer Abweichung nach Wcstm, gewesen war, änderte sich von Perekop bis Alcschki in eine nordwestliche um. Zwii'chm Kostogri-waja und Aleschti auf einer Entfernung von 17 Werst breitet sich eine wahre Sandwüstc aus, durch die wir mit unserm schweren Wagen nur langsam kamen. Aleschki liegt an einem Arme des Dnjepr (nicht Dnieper oder gar Dniper, wie man auf manchen Karten und in manchen geogra- 9. Kap^ Die Bevölkerung der Krim. 161 Phischm Handbüchern liest), der hier von Osten kommt und die nordliche Grenze des taurischcn Gouvernements bildet. Im Osten reicht es bis zum kleinen Flusi Vcrda. In dieser Ausvehnung bildete es in der Mitte des vorigen Jahrhunderts die kleine Tatarci. Wic bevölkert dieses kleine Ländchen von 11L0 Quadratmeileu damals im Verhältniß zn der jetzigen Zeit gewesen sein musi, ersieht man daraus, daß es gegen I U0,im, 11 162 Abreift nach Aleschki. s9. Kap. Norden vermöchte die Krim und das Festland dcs taurischen Gouvernements einer größern Bevölkerung wieder zuführen. In AlcschN bestiegen wir ein Voot mit einem Segel, um dcr Hauptstadt des (5hcrson'schcn Gouvernements, die auf der Nordscite des Dnjepr liegt, zuzufahren. Vs ergriff mich cin eigcnthümlichcs Gefühl, als ich mich auf dem in der Geschichte des Mittclaltcvs so außerordentlich wichtigen Etroine befand und von cmem Arme in den andern fuhr. Schilfwälder umsäumten leider die Ufer und sperrten alle Fernsicht. In denselben Schilfwäldcrn verbargen sich, lric ich schon gleich im Ansänge dcs Vuchcs erwähnt habe, vor drci und mehr Jahrhunderten die Eaporoger, unstreitig die kühnsten und tapfersten Kosaken, die es je gegeben, am Tage, mn dcs Nachts aus ihren schlechten. FahfMgcn weiter abwärts zu fahren und an dem Erbfeinde des Christenthums die Unbilde,,, die er in Westen geschlagen, ;u rächen. Die einst wichtigen Festungen Otschakosf^Oczakow), was der russischen Ucbermacht lange trotzte und endlich nur durch die Tapferkeit dcr so schwcrgckränt'tcn Saporoger erobert wurde, und Kinburn, sind jetzt unbedeutend. Auf dcr entgegengesetzten Richtung, dem Strome aufwärts, liegt daö Städtchen Pereslawl, wo in der Zeit dcr tatarischen Herrschaft eine Kette quer über dcu Strom ge-zogen war, um die räuberischen Kosaken abzuhalten. Alle größeren und kleinerm Stcppenflüsfe, so auch der Dnjepr, fließen, wie man sich bei dem gcringm Falle denken kann, außerordentlich langsam, theilen sich gegen das Ende ihres Laufes zunächst in sine Menge Arme und münden endlich in eine große Vucht, die die Rnssen mit dem Namen Liman belegen, bevor sie das Meer erreichen. DaS Land, was im Süden den Dnjepr «Liman einschließt ist angeschwemmtes, wahrend im Norden ältere Ufcrgebiloe vorhanden sind. Dieses neu angeschwemmte Land setzt sich im Osten weiter fort und bildet vielleicht die Hälfte des ganzen tatarischen Festlandes. Dcr Mccressand, aus dem Aleschki lugt, wird später von einer Thonerde bedeckt, die nach Osten zu an Mächtigkeit zunimmt. Wahrscheinlich liegt er auf Granit, der weiter oben die sogenannten Dnjcpr^ Stromschncllen bildet, und, da er eine horizontale Lage besitzt, die ',!. K.w.^ Chnsou. — Nikolajeff. 163 Regenwasscr nicht tiefer einvringen läßt. In dem Sande sammeln sich aber dic Wasser um so mehr, jc mächtiger er ist. Bis zu ihm muß man graben, nm einen Brunnen zu erhalten. Während in der Nähe von Aleschki man schon bei einer Tieft von 10 — 20 Fuß Wasser erhält, ist weiter nach Osten cinc Tieft von 80 und 100 Fuß nothwendig. Und trotzdem fließen dic Brunnen dort oft so sparsam, daß kaum ttnc ans hundert Schafen bestehende Hccrde ihren Durst löschen kann lind die Wasser selbst schon in den ersten Tagen des August ganz unv gar vcrsiechcn. In Chcrson hielten wir Mittag und bekamen wiederum in einem deutschen Wirthshause gute Speisen. Cherson ist eine außerordentlich freundliche Stadt, die, wie keine andere in Nußland, nicht wenig Aehnlichkcit mit Mannheim und andern neueren Städten unseres Vaterlandes besitzt. Die Straßen sind nicht so breit wie gewöhnlich und gepflastert, Eigenschaften, dic selbst den größern Städten im Innern Nußlands nur in geringem Maße zukommen. Die Hoff-nungm, welche man bei ihrer Gründung hegte und die Veranlassung 'n dem bedeutungsvollen Namen gaben, sind nicht erfüllt. Cherfon blühte schnell auf, Ovessa überflügelte es aber bald so, daß es zur unbedeutenden Handelsstadt wurde. Als ich am 12. Januar 1838 in Begleitung des Fürsten Su-woroff hier war, herrschte eine strenge Kälte, dic an diesem Tage die Höhc von 22 Grad erreicht hatte. Jetzt erfreuten wir nns eines freundlicheren WetterS und fuhren auf dem besten Wege noch den Nachmittag nach dem nur 5,9 Werst, also gegen 8'/. Meile entfernten Nikolajcff zu, und zwar in derselben nordwestlichen Richtung, die wir schon in der letzten Zeit verfolgt hatten. Wir beschlossen in Nikolajeff zn bleiben, um die für RusilandS Schifffahrt in« Schwarzen Meere so gewichtigen Anstalten zu sehen. Hier wurden bis jetzt die Kriegsschiffe gebaut und ausgebessert. Die Stadt bietet nicht den freundlichen Anblick dar, wie Cherson. Die Strasion sind außerordentlich breit und es tritt wiederum der schon an andern Stellen gerügte Uebelstand hervor, daß die Höhe der einstöckigen Häuser zn der Vrcite der Straßen in keinem Verhältniß 11* 1«4 Nilolajcff. ^.'. Kap. stcht. Die Häuser besitzen sämmtlich außer dem Erdgeschoß nur ein Stockwerk oder selbst dieses nicht. Da mm außerdem die Straßen nicht gepflastert und die Häuser ohne Ausnahme auf drei Leiten von tinem Hof- und Gartenraume umgeben sind, so wird durch die Weitläufigkeit eine rasche Communication ungcmrin erschwert. Handel und Wandel herrscht freilich nicht hier; so hat es allerdings auch nicht viel zu bedeuten, wenn die Vcwohuer Nikolajcff's mehr Zeit gebrauchen, um zu einander zu kommen, als eigentlich nothwendig ist. W kommt nu« noch dazu, daß der größte, und namentlich der männliche, Theil dcr Einwohner oft mehr als die Hälfte im Jahre außerhalb der eigentlichen Wohnungen zubringt. Die Stadt hatte im Anfange der dreißiger und selbst noch der vierziger Jahre weit mehr Einfluß als jetzt, wo Sevastopol iu der Krim an Wichtigkeit gewinnt. Sie dimtc nämlich früher als Winteraufenthalt für die ganze Vemanmmg der russischen Kriegsflotte im Schwarzen Meere; noch hat auch der ganze Stab derselben mit den Eontreadmiralm an der Spitze seinen Sitz in Nikolajeff. Früber überwmterten ebenfalls sämmtliche Kriegsschiffe in dcr Nähe; weshalb auch die Matrosen mit dcr übrigen Seemannschaft angewiesen waren, hier ihre Wintcrqnartiere zu beziehen. Jetzt habcn sie diese meist in Sevastopol. Nikolajcff liegt nicht weit von der Vereinigung des Ingul mit dem Vug, der hicr eiucn über eine Stunde breiten Liman bildet und demnach bei einer Länge von 7 — 8 Meilen auch im Stande war, die ganze Flotte aufzunehmen. Wir bcsnchtcn znerst den Professor dcr Astronomie, Knorre, einen der freundlichsten und liebenswürdigsten Gelehrten in Nußland, den ich schon im Jahre 1838 kennen gelernt hatte. Nachdem wir zuerst unter Leitung des Directors die Sternwarte näher besehen, wanderten wir zuerst dem Arsenale zu. Hicr arbeiteten über tausend Menschen alles daö, was eine Flotte von 21 großen und 66 kleinern und großern Fahrzeugen bedarf. Allenthalben herrschte die größte Nüh-riglcit und eine Ordnung, wie sie wohl auch bei einem Etablissement dcr Art sehr nothwendig ist. Unser Führer, ein junger freundlicher Seeofficier, machte uns nach und nach mit den verschiedenen Werk- 9. Kap^ Abreist von Nikolajeff. 165 stätcm und )licdcrlagcn sämmtlicher Schiffsmaterialien bekannt. Vor allem intcrcssirtc uns das Modell eines Linienschiffes, woran auch Alles bis auf das Kleinste nachgebildet war. Man erzählte uns/ daß allein das Segelwerk und die Stricke hierzu eine Summe von sechstausend Silberrubcln gekostet hatten. Es liegt außerhalb meines ZweckeS, eine Beschreibung alles dessen, was wir gesehen, zu geben, zumal ich doch zu wenig mit den Erfordernissen und Leistungen von dergleichen Anstalten vertraut bin, um ein Urtheil darüber zu haben. Am andern Tag fuhren wir in aller Frühe über den breiten Bug, um möglichst bald das vierzehn Mcilcn entfernte Odessa zu erreichen. Die Nichtung war cine südwestliche. Nir hatten dasselbe freundliche Wetter, dessen wir uns seit der Abreise aus Oreanda erfreut hatten. Dieselbe Sttppc, welche zwischen Nikolajeff und Chcrsou lag, setzte sich auch jenseits deS Vug fort. An die Stelle der Tataren aus der Horde Iedisan, die noch im Anfange der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts diese Steppen bewohnten, sind christliche und jüdische Ansiedler getreten. Was den Vodcn anbelangt, so war er weit fruchtbarer, als der in der Steppe Dshcmboiluk oder des taurischm Festlandes und selbst als dcr großtc Thcil der Krnn'schrn Halbinsel. Zwar hatte die Vegetation schon lange ihr frisches Ansehen verloren; es fehlten jedoch hier zum großen Theil die weißen Andorn- und Neifusi-Artcn, die nur in der Krim so unangenehm gewesen waren, und wurden durch Astern, Scnccionm und cinigeLiPpcnblüthler, die selbst hier unv da noch blühten, vertreten. Itttt Neifefatalitäten. ^0. Kap. Odessa. Neisefatcilitäten; Paß-Angelegenheit; bei Pftudo-Nosen; General Aglosti-fchcff; Ausehm der Stadt; Vergleich der russischen Kolonien mit denen Englands und Nordcimenka'ö; Odessa von der Steppe an« dckachtet; Voulevard, die ^roße Treppe; die Pest von »83^; Statistisches; rie Winde; <>lmtor^ der Haftn und die Nhede; Odessa als VcrmitÜliin «nt dem Innern; Handcls-gegcnstände; Abreise; Vcßarabicn; Lemi'.'rg; Krafau; Ankunft in Jena. Vö war doch ziemlich spät gcwordm, als wir in Odessa anlangten und in einem ?inigcnn.is!m unscin Wünsclim mtsprcchendrn Wivthshausc cin leidliches Untcrlommm fandm. Wiv batten alts den Poststatioum mannigfachen Aufenthalt gehabt^ ohne dcn kaiserlichen Postschcin, der mir eine unbestimmte Anzahl von Pferden zur Verfügung stellte, möchten unö wohl ncnc Unannehmlichkeiten entstanden fein. Die Kalesche war nicht im Postscheinc eingetragen und so entstand hier und da bei dem einen oder dcm andern Postmeister, das Bedenken, das; ich diesen gerade nicht auf eine ehrliche Wcisc erhalten haben möchte. (5ö kam noch dazu, das, Niemand von uns einen Orden hatte, noch irgend einen Titel oder Rang von Vinftliß besasi; und doch waren Papiere mit solchm Vollmachten einem Ausländer ausgeftvllt. Man schüttelte dcn Kopf, wagte aber nicht, mir das vorzuenthalten, wozu ich ein Nccht hatte. Am meisten gab der Ort, wo ich Rußland verlassen wollte, nämlich Vrod'.' in Galizien, den Postmeistern allerhand Bedenken. Man hatte allerdings in Tis'lis ein Versehen gemacht, dasi man einen nicht russischen Ort als Endziel für Rußland m dem Postscheinc eingetragen hatte; cö kam nun noch dazu, daß eigentlich Niemand recht wuszte, wo Vrov« lag. Die Posthaltcr sind aber streng angewiesen, alle Reisenden nur nach dem Orte zu führen, der auf dem Postschein eingetragen ist. Vevor wir daher in der Kalesche einstiegen, wurden 10, Kap.) Neisefatalitäten. 1-. Rosen, ausgab, von dem preußischen Consulate eine nicht unbedeutende Summe Geldes zu erheben. Es hatte zufällig in einer der russischen Zeitungen gestanden, daß Dr, Rosen sich von mir getrennt habe und sich aus der Reise uach Odessa befände, um von da nach Konstantinopol, seinem neuen Vc-Nlföorte, zu gehen. Das Cousulat war auch in der That angewiesen, uns, insofern nur Oo.'ssa aus der Neisc berühren sollten, mit Rath und That zu unterstützen. Der Herr I'l-, Pseudo- Rosen spielte seine Nolle so gut, daß cr wahrscheinlich scv'M schlanen Betrug in 168 Neue Paßplackereien. l«0. Kar. Ausführung gebracht hatte — wenn ich nicht da;u gekommen wäre. Dhne Zweifel war ihm meine Ankunft znr Kenntniß gekommen. Mein Empfang daselbst war deöhalb auf dcm preußischen (ion-sulatc, wie man sich wohl anch denken kann, im Anfange etwas mnsterios. Vs wurde von den Leuten, welche auf dem Vureau vorhanden waren, heimlich gesprochen. Ich sah wohl, zumal auch hier UNb da ein verstohlner Vlick auf mich fiel, daß ich der Gegenstand des heimlichen Gespräches fein mochte; ich konnte aber nm so weniger dic außerordentlich höfliche Behandlung des Aureanchcfs begreifen. Man suchte mich absichtlich länger aufzuhalten, alö es nothig schien. Vs gingen Vinigc fort nnd famen bcdeutllngövoll wieder. Endlich wurde ich aus dieser peinlichen Verlegenheit erlöst, indem der Consul selbst, den ich im Jahre 1838 hier kennen gelernt, und zu dcm ich während meines achtwöchentlichen Aufenthaltes in Odessa in geselliger Beziehung gestanden hatte, plötzlich kam, mich schars in's Auge faßte und sogleich aufvas Freundlichste begrüßte. Unter Lachen erfuhr ich/ daft man mich bis dahin für einen Betrüger, den falschen v>, Nofen aber für den ächten gehalten habe. Mein An;ug, der keineswegs nach so einer langcn Ncisc in nicht civilisirtcu Bändern mehr für eine feine Kaufmannswelt passen mochte, hatte ebenfalls dazu beigetragen, meine Person in ein salschcö Licht ;n stellen. Herr Pseudo - Noscn ließ sich aber nicht mehr sehen uud alle Ve-mühungm waren vergebens, dc» Betrüger zu ergreifen. Meine Paß-Angelegenheit Verursachtemir trotzdem mancherlei Schwierigkeiten, denn man war selbst von Seiten des preußischen Consulates der Meinung, daß ich mit meinem russischen Passe Mißbrauch getrieben nnd ihn wahrscheinlich einem unglücklichen Polen ;ur flucht gegeben hätte. Man hielt es hier, wie in Sympheropol schlechterdings für unmöglich, daß ich ein Jahr lang in Nußland herumreisen konnte, ohne mit einem Paß versehen zu sein. Der Ches dcö Paßbureauö hielt die Angelegenheit für fo gewichtig, daß er sie an den Kriegsgonverncur, General Aglostischefs weiter berichtete. Zum Glück war ich diesem von meiner ersten Reise im Kaukasus her ebenfalls persönlich bekannt; ich hatte selbst im Äal're 1837, 10. Kap,) Qocssa und TifliS. 1M Kap. englischer Sitte. Diese spricht sich ganz besonders in den geschlossenen Gesellschaften aus. Die Ursache liegt dann, daß Fürst Woronzoff in England erzogen wurde und fortwährend für englisches Wesen eine Vorliebe an den Tag legt. Von Nußland aus nennt man gern Odessa das russische Florenz. In manchen Dingen hat es allerdings eine entfernte Achnlich-kelt, aber im Allgemeinen möchte es doch mehr im Scherze gemeint sein, als im Ernste, denn von all den Schönheiten, die Florenz auf jeden Schritt bietet, sucht man vergebens etwas in Odessa, wo allenthalben die Neuheit und nur das Streben nach Kunst und Verschönerung, nicht aber ihre Gediegenheit, entgegen tritt. Odessa hat allerdings, wie schon gesagt, mehr daS Ansehen einer italienischen Stadt, da hauptsächlich die Häuser mit flachen Dächern darauf hinweisen, aber die breiten Straßen und die gemessen nebeneinander hergehenden Bewohner erinnern doch zu lebhaft an Nußland. In einer Hinsicht stimmen auch Italiener und Nusfeu mehr mit einander, als mit andern Völkern übcrcin, nämlich in Mangel an Reinlichkeit, hauptsächlich bei den niedern Classen. Die Wirthshäuser sind in Nußland wo möglich uoch schlechter als in Italien. Die saubern und netten Zimmer mit reinlichen Vettcn sucht mau in Italien znm großen Th.il eben so vergebens als in Rußland. Selbst in Petersburg, Moskau uud Odessa erhält man in den Wirthshäusern nur lederne Matratzen und Kopfkissen, ohne alle linnene Ueberzüge. Man muß deren Benutzung, wcnn sie vorhanden sind, ziemlich theuer bezahlen. Ein Silbcrrubcl ist, der gewöhnliche Preis. Der Nussc hat sich so sehr daran gewöhnt, auf Reisen nicht allein scin ganzeS Bettzeug, sondern anch sämmtliche Utensilim zum Waschen, so wie zur Thec-bereitung mit sich zu führen, daß er auch in den größcrn Städten, wo man alleö dicscs haben sollte und vielleicht auch haben könnte, keine Ausnahme macht. Jeder Nicht-Nüsse, der dieses nicht thut und deshalb gegen die Nationalsittc verstößt, wird, wcun er elwa unwillig wird und sich beklagt, wegen seiner Unkenntnis; der einheimischen Sitte mit einem verächtlichen Achselzucken betrachtet. Die Russen stehen bei ihren Colonisationöversuchen gerade im IN. Kap.) Odessa und seine Bewohner. 171 umgekehrten Verhältnisse zu andern Völkern, namentlich zu vm Engländern und Amerikanern. Diese beiden am Meisten colonisivenden Völker sind vor Allem darauf bedacht, sich selbst, »renn sie sich in einem noch so entlegenen Wintel der Welt angesiedelt haben, den Ort ihres neuen Aufenthaltes so schnell als möglich bequem zu machen und zunächst mit ihren anwohnenden Landsleutcn in möglichst nahe Verbindung zu treten. Vor Allem machen sie deshalb Wege und erbauen Wirthshäuser; diesen folgen, wenn die Bevölkerung zunimmt, rasch andere Communicationsmittel, selbst Eisenbahnen. Die frühere Einöde ist oft schon in einigen Jahrzehnten geschwunden. Nicht so der Nüsse, dem das Bedürfniß sich seinen Mitmenschen anzuschließen, iu weit geringerin Grade eigen ist. Er bekümmert sich zunächst nur um die Scholle, aufder er angewiesen ist; ihm ist eö gleich, wie andere Leute, die er gar nicht weiter vermißt, zu ihm kommen, oder ob sie nut ihm in Verbindung treten wollen. Diese Gleichgültigkeit geger. Fremde hat der Russe selbst nicht bei einer Stadt wie Odessa verleugnet, die in der kurzen Zeit von drei Vierteln eines Jahrhunderts einen so raschen Aufschwung erhalten hat, daß sie beinahe 10<),^. ^7^ freundlicheres Ansehen erhalten, zinnal die erste Sorge des Besitzers eines solchen (5hutor'ö ist, sich durch Anpflanzungen von Bäumen und Gesträuch einen schattigen und kühlenden Ausenthalt zu verschaffen. Die Regierung unterstützt im hohen Grade alle Bestrebungen der Art und hat bereits nicht unbedeutende Kosten daraus verwendet, ebenfalls Alleen, Haine und Gebüsch anzupflanzen. Im Anfange war es, wie man sich von einer Holzteeren Gegend denken kann, un-gcmein schwierig, da die ersten Anösaaten in der Regel mehr oder weniger fehl schlugen; jetzt wo nun einmal etwas, und wenn auch noch so wenig, Gehölz vorhanden ist, läßt sich dieses leichter vermehren. In dieser Hinsicht ist namentlich von Seiten des botanischen Gartens, der lange Zeit unter der Direction des in mehrfacher Hinsicht bekannten Naturforschers, Professors von Nordmann, stand, viel geschehen. Doch ich kchre zur Beschreibung des Hafens zurück. Von Sei-ten des Gouvernements ist alles Mögliche geschehen, um einigermaßen die widrigen Süd- und Südostwinde weniger schädlich zu machen. Vor Allem hat man durch zwei Molen, die die ganze Bucht in drei Abtheilungen bringen, ihren schädlichsten Pinsius?, wenigstens für die eigentlichen Hafen, gebrochen. Diese Molcn ziehen sich weit in das Meer hinein und haben jede vorn auf ihrer Spitze eine Batterie zur Vertheidigung. Die nördliche von diesen ist dir, welche in der Neuesten Zeit den Namen der Echegaleff'schen erhalten hat und mit viel Geschick und Kühnheit gegen die Angriffe der Westmächtc vertheidigt wurde. Dicht bei der südlichen Batterie steht ein Leuchtthurm, durch den man des Nachts im Stande ist, sicher in die Nhede einzulaufen. Der mittltt'c Theil der Hafenbucht bildet die Nhedc, während rechts (also inebr südlich) der sogenannte Quarantine-, links salfo Mehr nördlich) hingegen der cigenttiche Kriegs- oder sogenannte Pra-Uka-Hafcn sich befindet. Aus den crstern sind hauptsächlich alle nicht russischen Schiffe, auch wenn sie nicht von verdächtigen Orten kom-Mc», angewiesen. Gin besonderer Naum darin ist für die abbegränzt, welche Quarantine halten müssen. Darüber liegt auf hohem Ufer Kl)ch, dic Krim, 12 178 Der Hafen vou Ovessa. ^w. Kap. die Citadelle z wehe dem Schiffe, dessen Führer wagen sollte, bevor Erlaubniß gegeben ist, den ihm angewiesenen Ort zu verlassen; es würde in dcr kürzesten Zeit in Grnnd und Voden znsammcnge-schosstn sein. Dcr Haftn auf ver mchr nördlichen Seite ist weit kleiner, abcr auch um desto gesicherter gegen die gefährlichen Winde. Gr führt den Namen dcs Pratika-Hafcnö, in dem die Schiffer in dcr freien Ausübung ihres Willens sin lidan» pi^lic») ungehindert sind, d. h. aus-laufen kiinncn, wenn sic wollen. In der neuesten Zeit scheint er nur für Kriegs- und die zehn Aussichtsschiffc bestimmt und allen andern, selbst russischen Capitäncn, »erschlossen zu sein. Die zehn eben genannten Aufsichtsschiffc haben dic Controle für die einheimischen Fahrzeuge und bestimmen dic Fahrt derselben zum Einlaufen in den einen oder andern Hafen. Odessa bildet die Vermittelung zwischen dem Innern Vefsara-bicns, Ncunlsilands und selbst zum Thcil einiger der mittlern russischen Gouvernements, wie Podoliens, Volhyniens und der Ukraine. Hauptsächlich werden nur Rohprodukte ausgeführt, dagegen bei der bekannten Sperre gegen ausländische Fabrikate nur wenig Gegenstände eingeführt. Diese kommen auch wiederum mehr dcr Stadt, die, wie bekannt, ein Freihafen ist, zu Gute, als dem innern Lande. Odessa besitzt aus dieser Ursache, obwohl russische Stadt, fast nur sehr wenige russische Erzeugnisse. Alles was man außer Rohprodukten sieht, haben die übrigen Länder Europa's geliefert. Im Durchschnitt setzt der Erport jährlich an Geld über 40 Million Eilberrubel, also zwei und drei Mal mehr als der Import, in Bewegung. Die Gegenstände des Grportes sind hauptsächlich Getreide, besonders Noggm, und ausicrdcm Talg und Wolle. Das zuerst genannte kommt hauptsächlich aus der Ukraine, aus Podolien und Vessarabicn, die beiden andern Gegenstände hingegen bezieht man aus Ncurußland. Der Talg wird am meisten von Engländern gekauft und für die Maschinen benutzt. Meist besteht der letztere aber aus sogenanntem Lcichenfett, was ans Fleisch bereitet wird. Dieses hat nämlich, der wenigen Consumenten halber, einen so geringen Preis in Ill.Kap.^ Talg und Wolle. 17y den vbm genannten Provinzen Nußlands, daß cs znm großen Theil in cigends dazu angefertigte Wasserbehälter geworfen wirb, um daselbst eben in Leichmfett umgewandelt zu werden. Was die Wolle anbelangt, so geHort >1e den schlechter« Sorten an, und steht im Preise so ziemlich mit der ncuholländischcn gleich. Die großen Erwartungen, welche man früher sich für Neurußland aus der Schafzucht versprach, haben sich gar nicht gerechtfertigt. Die Merino-Schafe, welche man mit sehr großen Opfern besonders aus Deutschland kommen ließ, sind allmälig wiederum ausgestorben und Steppenschafe an ihre Stelle getreten. Die Zahl der Schiffe, die jährlich auölaufcn, hat in den letzten Jahren gegcn 15l)l) betragen und ist fortwährend im Steigen. Mein Aufenthalt in Odessa dauerte nur wenige Tage. Die St^dt war mir aber von früher her sehr bekannt, da ich im Anfange des Jahres 1838, trotz Pest und Erdbeben, unter den angenehmsten Verhältnissen in ihr eine schöne Zeit von acht Wochen verlebte. Diese kurze Zeit reichte jetzt aus, um die Erinnerungen von Neuem zu beleben und vor Allcm meine frühern Bekannten aufzusuchen; denn es trieb mich mächtig hin nach dcr Heimath und den Theuren, die diese einschloß. Nasch ging ich über Tiraspol vorwärts; Vessarabicn, welches der Dnjestr von Nmrusiland trennt, betrat ich in Vender, dieser durch den kühnen Zug Karls XII. hinlänglich bekannten Festung. Diese fruchtbare Provinz, wenigstens der Theil nordwestlich vom Meere, berechtigt zu Hoffnungen; allenthalben sah ich angebaute Felder und üppige Wiesen, die mit der Zeit, wenn auch erst rationelle Landwirthschaft Wurzel gefaßt hat, wohl den doppelten Und dreifachen Ertrag geben möchten. Vei Nowo-Sclitza verließ ich endlich das große russische Reich und betrat die Bukowina, um damit wiederum mehr vaterländischen Sitten und Gebräuchen entgegen zu gehen. Ein deutscher Postwagen erinnerte mich zuerst an das geliebte Vaterland. Ueber Tschernowitz reiste ich in angenehmer Gesellschaft nach Lembcrg, hielt mich daselbst ein Paar Tage auf und ging dann »veiter nach Krakau, der frühern Residenz der einst mächtigen Polen-Könige. Mehre von ihnen liegen dort begraben. Es 52* 180 Ankunft in Jena. slO. Kap. wurde Klakau später Frcistadt, aber träumte nur kurze Zeit von der Freiheit, deren sie sich auch uie im Ernst erfreut hatte. Ueber Nres-lau, Dresden und Leipzig eilte ich endlich Jena, meinem damaligen Wohnorte, zu und langte nach mancher gefahrvollen Zcit, manchen Opfern, großen Mühen und vielen Beschwerden wiederum am 2l). Oktober 1844 daselbst an. Anhang. I. Klima und Venetation der krim'schen Südküste. Geographische Lage; der Sommer; der Frühling; der Spätherbst; der Winter; (Kigenthümlichfeitcu in der Vegetation; fremde oder eigenthümliche Gehölze. Betrachten wir das Klima der Kl im, so sindet man eine Menge Eigenthümlichkeiten, die noch'keineswegs hinreichend erklärt sind. DieSüdküstc liegt zwischen dem 44. und -45. Grade nördlicher Vreite, also in gleicher Entfernung vom Acquator wie etwa das nördliche Italien, namentlich Genua und Venedig. Es kommt uoch d^zn, daß die Krim Halbinsel ist, also Secklima besitzt und daß, wenn auch die nördlichen Ebenen den rauhen Winden des östlichen Europa ausgesetzt sind, die südliche Küste durch ein im Durchschnitt 4<)UN Fuß hohes Gebirge vollkommen geschützt erscheint. Westwinde herrschen vor; sonst kommt die Luftströmung aus Süden. Nach allem diesem sollt« man ein gelindes Klima erwarten, was mit dem Nord-italiens verglichen werden könnte. Das Klima ist aber im Allgemeinen hart und entspricht nicht einmal dem von Mailand, was um einen Grad nördlicher liegt i mit dem von Nordsrankreich hat eö manches gemein. Es besitzt aber wiederum so viel Eigenthümlichkeiten, daß es in eben so viel Fallen abweicht, als eS übereinstimmt. Legt man ans die Pflanzenwelt Gewicht, so könnte noch eher England, und zwar der Theil, der 6—8 Grad nördlicher als die Krim liegt und ebenfalls volles Sceklima besitzt, damit verglichen werden. 184 Das Klima der Krim. ^. Anh. Negelmaßige Wittcrungs-Veobachtungen sind, so viel ich irciß, noch nicht gemacht worden und genaue Jahres- und Monats isothermen lassen sich noch nicht feststellen. Der Sommer ist im Allgemeinen heiß. Im Durchschnitt herrscht vom Mai bis August eine Wärme von 17 — 2l) Grad N, Das znm großen Theil nackte Gestein der Fclsenwandc und die Stcinlrümmer auf dem AbHange vermehren am Tage die Wärme nicht unbedeutend. Erwärmte Lust steigt in die Höhe und wird durch Zufluß vom Meere ans ersetzt. Es herrschen demnach die Sommermonate hindurch am Tage die sogenannten Brisen oder Seewinde vor. Mit Sonnenuntergang tritt Windstille ein und dauert in der Negel die ganze Nacht hindurch. Dieses ist wohl hauptsächlich Nrsachc, warum die Temperatur des Nachts nur wenig fällt, ja selbst bisweilen höher, als am Tage steigt. Die höchste Wärme, die Herr Nögner im Juli beobachtete, betrug einmal 27 Grad II., während sonst das Thermometer an den heißesten Tagen nur 24 Grad zeigte. Die Hitze wird um so fühlbarer, als Negen in dieser Jahreszeit zu den Seltenheiten gehört. Thau ist merkwürdiger Weise auf der Südküste selten nnd an vielen Stellen selbst gar nicht beobachtet worden. Obwohl das Nfergcbirge im Durchschnitt nur eine Höhe von ^NllN Fuß besitzt, so sind seine Iailen, d. h. die als Weideplätze benutzten Stellen des Nückens, doch außerordentlich kalt. Hier mögen die kalten Nord-Ost-Winde, die aus Sibirien kommen, ihren Einfluß geltend machen. Während im Sommer die Wärme auf der Küste, selbst noch bei 5—800 Fusi Höhe, sehr selten unter 1?GradIi, sinkt, so sind auf den Iailcn i0 und 12, ja selbst 7 Grad eine gewöhnliche Erscheinung. Die Südküfte besitzt eigentlich keinen Herbst, abcr einen doppelten Frühling, in so fern man unter Frühling das erneute Erwachen der Vegetation versteht. Der eigentliche Frühling, der mit dem unsrigcn hinsichtlich der Zeit übereinstimmt und bald von Anfang oder selbst Mitte April bis Mitte Juni dauert, bald und zwar häufiger, im März beginnt und dann im Mai sein Ende erreicht hat, ist nicht wie bei uns die schönste Jahreszeit; es bcrrscht bier in jeder Hinsicht und durchaus die größte Veränderlichkeit. Diese Erscheinung I. Anh.) Das Klima dcr Krim. 185 hat übrigens die Südküste mit vielen Ländern des Orientes gemein. Anfang März ist nicht selten das schönste Wetter und die Vegetation beginnt sich üppiger wie gewöhnlich zu entfalten; da tritt im April Plötzlich kühles, ja selbst kaltes Wetter ein und das Thermometer sinkt selbst bis unter Null. Vs scheint, als wollte nun erst der Winter beginnen. Weit mehr Annehmlichkeiten bietet der Spatherbst, dcr eine Art zweiten Frühlinges darstellt. Ein Theil der Sträucher und Väumc treibt von Frischem und erhält sogar frisches Grün. Gegen Ende August nimmt nämlich gewöhnlich die Hitze ab und es treten Herbsttage ein; Negcu wechselt mit Wind und schönem Wetter ab. Gegen die Tag- und Nachtglciche wird aus dem Winde Sturm, der nicht selten in Orkan ausartet und furchtbare Verheerungen hervorruft. In^vieser Zeit regnet eö viel. Der bis Ansang Septembers dürre, völlig ausgetrocknete Vodtn zieht begierig die ihm reichlich gebotene Feuchtigkeit an z Quellen, die gegen August hin versiecht waren, werden wieder flüssig. Hat es sich — wie die Leute mir sagten—bis zu dem 3. und 6. Oktober abgeregnet, so heitert sich plötzlich dcr Himmel aus und es kommt das schönste Wetter im ganzen Jahre. Während die zweite Hälfte des Oktobers und namentlich der November und December in Deutschland sehr oft eine unangenehme Zeit ist, erscheint diese auf der Süvküstc dcr Krim als die freundlichste, wo vor Allem die Gehölze ein neues Leben beginnen. Diese regelmäßig-schönen Tage dauern bis in die zweite Hälfte des Decembers, sehr häusig auch bis Neujahr. Von nun an wechseln Wind und Regen wiederum mit Sonnenschein ab. Das Thermometer schwankt zwischen 2 — 6 Grad Wärme, fällt bisweilen unter Null, steigt aber auch bis !l> Grad. Der Regen verwandelt sich bisweilen m Schnee, der aber kaum länger als eine Stunde dauert und meist schon schmilzt, wie er fällt. Gegen Ende Februar oder im Anfange des März tritt in der Negel größere Kälte ein und es sinkt das Thermometer nicht selten bis l0 und 12 Grad unter den Gefrierpunkt. Mitte März kommen dann aber häufig 186 Das Klima d Grad Wärme. Im Jahre 1844, wo ich mich auf der Südlüste befand, war der Winter im 'Allgemeinen gelinder gewesen 5 abev doch fiel das Quecksilber am 11. April auf -^ 1 Grad, am 13. April sogar auf —3 Grad. Im Jahre !84tt hatte man am ersten Osterfciertagc 8 Grad Kälte. Man kann wohl denken, daß cin solcheö wechselndes Klima auf die Vegetation keinen guten Einfluß hat. Eine Menge Sträucher und Bäume, die in England im Freie» gut gedeihen, kommen auf der Südküste deshalb gar nicht oder nur kümmerlich fort. Aber außerdem bemerkt man noch Eigenthümlichkeiten, die von großem Interesse stnd. Während Orangen, selbst bedeckt, gewöhnlich erfrieren und l. Anh^ Einwirkung des Klimas üiif die Vcgetatirn. 18? die Myrte im Freien ein kümmerliches Ansehen erhalt, hat eine Dattelpalme (slioonix ck,s'!v!ls<>,,> I..), die selbst jetzt nicht mehr bei Snwrna, wo sie zur Griechcnzeit doch gedieh, fortkommt, sieben Jahre lang, wenn auch bedeckt, im Freien ausgehalten. Merkwürdig ist, daß umgekehrt Azaleen und Rhododendren, die sogar bei uns leicht fortkommen, auf der Südküstc im Freien nicht gut aushalten wollen. Die sonderbarste Erscheinung bietet unser Wachholder, der weder aus Stecklingen noch aus Samen gezogen auf der Sudküste lange dauert und in der Negel schon nach drei und vier Jahren, und zwar immer nach einem Winter, wieder zu Grunde geht. Alle Väume haben in der Krim Neigung zur Strauchsorm, ia sämmtliches Gehölz wird nicht so hoch als bei uns. Selbst dcrMaß-holdcr besitzt im Durchschnitte auf der Südküste und sonst nur eine Hkhe von 12—16 Fuß. Sträucher, welche perennirendc Vlatter besitzen , wachsen hauptsächlich nur von September bis Neujahr und haben zum großen Theil während der Sommermonate in ihrem Wachsthume einen vollständigen Stillstand. Dir übrigen Gehölze treiben jedoch, wie unsere Sträucher, im Frühlinge und zwar in größerer Ueppigkeit. Auch bei ihnen tritt im Sommer, wo wenig Negen und fast gar kein Thau fällt, mehr oder weniger ein Stillstand im Wachsthume ein. Obstaugen erhalten biS Juni oft Mannshöhe und Fingcrstärke; im zweiten Jahre besitzen sie nicht selten schon eine nicht unbedeutende Krone. Steinobstkerne im Frühjahre gelegt, keimen schnell und können im zweiten Jahre oft schon okulirt werden. (5in Sämling der ^u^t-Lssu» s>^nlmi. - II. An on ace ae. ^r ♦-. 0. Asinina triloba Dun. ^cnnfvbantftt^ 5f»vtba. I. iM;.] 93evjeict;iuf bev hiüivivtett ©etyülje. 189 III. Menispermeae. 10. Mcnispermum canadense L. -DloVtantcrifa. U. Cocculus laurisolius Dec. Oflittticn* IV. Berberide a e. 12. Mahonia Irifolia Schult. 3J?mfj>. 13. « sasciculata Sims. 9?fitgvanaba. 14. « diversifolia Sweet. Snvfsltn=icits;c((a»b. 61. « Cavenia Bert. 6(;iti. 62. « acanlhocarpa Willd. OJeugtanaba* XXVII. Caesalpi niar eae. 63. Ccrcis Siliquaslrum L. £>cftlid)cö ©übeuroVst. 64. « canadensis L. Siovbcumufa. 65. Gymnocladus canadensis Lam. Snorbamcrifa* 66. Ceratonia Siliqua L. ©utfuvt^a, Oiovbafvifa. G7. Cassia marylandica L. DJorbamevifa. 68. « tomcntosa L. ©itbamcvifvi. 69. Gleditschia caspica Dsf. Oiicnt. 70. « triacanthos L. 0ioibantcrifa. 71. « sinensis Lam. Gfjina. XXVIII. Pa pi 1 ionaccac. 72. Edwardsia microphylla Salisb. *Hcuf«Ianto. 73. « grandillora Salisb. (fbrnb. 74. Sophora japonica L. 3a^an/ (J(;ina. 75. Erythrina Crista galli L. 93vafificn. 76. Phascolus Caracalla L. Oflmbictt. 77. Coronilla glauca L. <£übstLtt. XXXII. Calycantheae. 121. Calycanthus floridus L. Jlarolina. 122. Chimonanthus fragrans Lindl. $a!pan, Qti)U\a. XXXIII. Granntcae. 123. Punica Granatum L. Orient. XXXIV. Myrteae. 124. Myrtus communis L. ©u'bcuritya. XXXV. Sali cariaceao. 125. Lagerstroernia indica Dec. dfjina, 3aJpan. XXXVI. Rhamneae. 120. Collelia ferox GUI. el Hook. Qffltl. 127. Rhaninus Alaternus L. «SubfUVOpci, Ovtmt* 128. Paliurus australis Grtn. Orient. XXXVII. Cclastrincae. 129. Celastrus scan dens L. O'iurbanicrifa. 130. « buxifolius L. ©iibofrifa. 131. Evonymus jnponicus L. 3apan. XXXVIII. Saxisrageae. 132. Escallonia rubra Pers. gjjtfü 133. a floribunda II. B. K. OMigranaba. 134. « speclabilis Hort. 33sltfv(. »nbefannt, 135. Hydrangea Hortensia Dec. (Sfyiucu Stoij, bic Ätim. 13 194 aSerjridjmij Ut fuWivivteu ©el;ö(je. [[. sMj. XXXIX. On agrariaceae. 136. Fuchsia coccinea L. (SiibaiHCvifa» 137. « fulgens Mo<;. Sees. ÜHmfo. XL. Ribesiaceae. 138. Ribes Uva crispa L. SSatci'Icmb untjefannt* 139. « Grossularia L. Gbmb* 140. « reclinatum L. ÄaufafuS. (?) 141. « rubruni L. ©ubcuvopa. 142. « alpinum L. ©üb* unb ÜJiittcfcttvopa. 143. « aureuni Pursh. Olovtmnwvifa. 144. « sanguineum Pursh. (S6mb. XLI. Cactoac. 145. Opunlia coccinellifcra Mill, ©übantfi'ilsl. XLII. Passisloreae. 146. Passidora coerulea L. $cvu. 147. a racemosa Brot. SBvoftlifn. 148. « hybrida Hort. SSatevInnb unOcFannt* XLIII. Umbelliscrae. 149. Bupleurum sruticosurn L. SübcuiüVa/ Storbafrifa» XLIV. Corneae. 150. Aucuba japonica L. 3a^att. 151. Benthamia fragisera Endl. Jslepal. XLV. Caprisoliace ae. 152. Lonicera Periclymenum L. SSlitkL tinb ©iibfuro^a* 153. « Caprifolium L. ©übeui'üpa» 154. « sempervircns L. Otovbamcvtfa. 155. « chinensis Wats, (iljina. 156. Symphoricarpos vulgaris Mich. SRorbamerifa, 157. Yiburnura Opulus L. (Suro^«/ -Orient. 158. « Tinus L. ©ubcuro^a, 9iovbafvifa. 159. « rugosum Pers. Sauarcn. I. SCnfy,] SBerjetcOniji bcv fuTtiimtm ©etyoljc. 195 XLVI. Cain panulaceae. 160. Campanula pyrarnidalis L. a. 161. Trachelium coeruleum L. ©arbinicn, Üftorbafrifa. XLYH. Compositae. 1G2. Nardosmiu (ragrans Rchb. ©iibcuropa, 9}m'bafrifa. 163. SantolinaCharaae-Cyparissus L. OfbtSübeuropa. 16/4. Mnlricaria capensis Thunb. 198. « europaca L. SiitisCfurDpa, Ovtent* 199. Phillyrea angustisolia L. ©üti=ßu»:o))a. 200. « media Lk. (§bn\*. 201. « latisolia L. ©benb. 202. Fonlanesia phillyreaeoides Lab. @i)iicn. LV. Jusmineae. 203. JasminurasruticansL. 8ÜDcuvoVst/ OTortafrif«, Ovient* 204. « lniraile L. ©übcuvo^«* 205. « granditlorum L. Oflintoien. 206. « revolutum Sims. (Sbntb» 207. « officinale L. europa» LVL Polemoniaceae. 208. Cobaca scandens Cav. 3ÄfXtfo. LVII. Solanaceae. 209. Solarium Pseudocapsicum L. aWabtra* 210. Cestrum Parqui L. gt)ili. LVfll. Bignoniaceae. 211. Tecoma radicans .Tuss. Ssiorbatiuvifa. 212. « capensis G. Don. (Sübafvifa» I. Qlntj.] 93«jcidjuijS b« fultfoirtcn ®tl)öl$e. 197 213. Aescynanthus grandiflorus Spreng, 23cnj}as«u 214. Bignonia caprcolata L. Oiovbammfru 215. Catalpa syringaefolia Sims. (Sftcnb. LIX. Acanthaceao. 216. Gcndarussa Adhatoda Stoud. (Seldom LX. Strophularineae. 217. Halleria lucida L. ©übafrtfa. 218. Chelone barbata Cav. Sftnifo. LXr. Labialae. 219. Rosmarinus officinalis L. ©iiöeuvoipii, Olorbafrifa. 220. Salvia Grahami Benth. OHcrifo. 221. « involucrala Cav. 9J?aiEo, n222. Phlomis sruticosa L. @iit>oft=(5'uvopa* 223. Teucrium srudcans L. ©iibcuropa, S^ovbafvifa. LXII. Primuleae. 224. PriumJa chinensis Lour. (&l)ina> LXIII. Aristolochiaceae. 225. Aristolochia longa L. ^iibeuro^sl, Orient. LXIV. Laurinoae. 226. Laurus nobilis L. ©libcuropn, Orient. 227. Orcodaphue soetens Noes. 3}iabfia. 228. Persea carolinensis Nees. sJJüibautaifa, 229. « indicu Spr. 5ljprcn, danavm. 230. Sassafras officinalis !SToes. 9ii>rbamevifa. LXV. Elaeagt) eac 231. Elaeagnus lioriensis Biob. Ottcnt. LXYI. Thy mclaoaccac. 232. Daphne Lnureola L. (Siibntrova. 233. « Cncorum L. (56cnb. 234. « odora Thunb. Sap.m. 235. « hyhrida Sweet, SJSatcrstinb itnOcfannt. 23(5. « collina Sra. station. 198 33«jeidjnij!j ber futtwtrtttt ©e^ol^. [I. 9(nl). 237. Daphne oleoides L. Orient. 238. « pontica L. Orient. LXVII, Garryaccae. 239. Garrya olliplica Dougl. (Satiformcn. LXVIFI. Moreae. 240. Moms ;ilh;> L. .Client* 241. « tmilticaulis lVrml. SEatn'tanb unManiit 242. « niyra L. SübcitroVn, dient, 243. « rubra L. Sftorfcanmifa. 244. Broussonetia papyriscra Vent. Ssl^an. 245. Fious Carica L. ©iibciivoVrt, ;Ovifttt, LXIX. Cellideac. 240. Cellis australis L. ©übiOflcuroVa. 247. a Tournesortii Lam. Jltfinasicn. 248. « occidentalis L. SRorbaiiifrifa. LXX. Ulmeae. 249. Ulmus campestris L. (£uvttya, Ovicnt, 250. » efifusa Willd. S6cnb. LXXI. Eup liorbiaceae. 251. Buxus sempcrvirens L. ©nbeuvo^a, Orient. 252. » balearica Lam. JBalrcirfit. LXX.IL Myricoac. 253. Complonia asplcnifolia Grtn. SJovbamcrifa, LXXIII. Salicineae. 254. Salix babylonica L. Vivien, SWcfityotamicn. LXXIV. Platancae. 255. Platanus orientalis L. Orient. 256. « occidenialis L. SWorbametifo. LXXV. Balsaraisluac. 257. Liquidanibar styracillua L. ^ortaiUfrifa. ' I. Situ).] J8erjeic$ni|jfcetfulticM:teitx c^ct^lilera I.. Ncrbafrika, Syrien. IiXXXI. l>mil!ieo»6. 291. 8mil3x excels» 1^,. Orient. 292. NU80U8 c»^Io38um I.. Südcuropa, Orient. 294. « U^pop1l>lluin I.. Gbcnd. I^XXXII. ^loino»«, 295. ^loc; inui-^nl-ililei-n M, Südafrika. 296. Vucca Nlamenl«.^ L, Virginim, Karolina. 297. « gloi-iosu I.. Ebcno. I.XXXIII. ^F:,V6<-»L. 298. ^8»VL "MSl-iciMll I.. Südamerika. I.XXXIV, ^ff,,^!»iNl,«.,e. 299. ^IiosmülN! 3feld; die Unterkränter. Klima und Vodetlverhältnisse haben das südliche Rußland so eigenthümlich gestaltet, daß es wohl der Mühe werth sein dürfte, einige Worte darüber zu sprechen. Von dem Herze» Deutschlands zieht sich eine Ebene, nach Norden und Süden an Breite zunehmend, bis nach dm Ural hin und bildet so einen Dreieck, von dem daö eben genannte Gebirge die Vasis darstellt. Im Norden haben geringe Erhebungen stattgefunden; selbst unbedeutende Höhenzüge, die sich im Nordost befinden, abcr an ihren höchsten Stellen kaum etwas über tausend Fuß über dem Spiegel des Meeres liegen, konuen bei cimr Ausdehnung von vierzig Längen- und eben so vkl Breitengraden kaun: in Rechnung gebracht werden. Au den meisten Stellen ist die Oberfläche wellenförmig, doch nur in einem Grade, dasi die Hügel und Plateaus in Betreff ihrer Lage über dem Meere kaum 202 Physiognomie SüdrußlandS. sll. Anh. eine Höhe von einigen hundert Fuß besitzen; es giebt aber auch Gegenden, die vollständig eine Ebene, der des Meeres gleich, bilden. Im Norden dieser weiten Ebene befinden sich große Wälder, die zum Theil seit Jahrtausenden nicht gelichtet sind, zum Theil aber auch jetzt gelichtet werden. Der Voden ist dort allenthalben mit einer starken Humusdecke versehen und das Klima unterscheidet sich hinsichtlich seiner Veränderung nur wenig von dem Deutschlands. Nach Osien nnd Süden zu nehmen die Wälder ab, so daß im 50. Grad nördlicher Breite in den Meridianen des Schwarzen Meeres kaum noch Buschwerk und Haine vorkommen. Mehr nach Osten zu gehen die Wälder nicht einmal so weit nach Südcn herab; die Waldgrenze beginnt bereiiS dort mit dem 55. Grad nördlicher Breite. Es ist wohl kein Zweifel, dasi der waldlose Zustand des Südens in der ganzen Reihe von Jahren, wo Menschen elistin habcn, ebenfalls vorhanden gewesen ist und allmälig die Eigenthümlichkeiten hervorgerufen hat, die jetzt Neurußland, das Land der Don'schen Kosaken und Ciskaukasien, so wie die untern Wolga-Länder vor Allem auszeichnen. Die hier wohnenden Völker waren gezwungen, ihren Wohnort öfters zu wechseln, da eine und dieselbe Stelle nicht im Stande war, den Menschen mit seinem Vieh zu ernähren. Ackerbau gedeiht nur in wenigen guten Jahren; so gestaltete es sich von selbst, daß hier nur Nomaden leben konnten. Ganz anders verhielt es sich in der Mitte, wo Wälder und waldlose Gegenden aneinander grenzten und sich eine Zone bildete, in der weder das Eine noch das Andere das Uebergewicht erhielt. Durch des Menschen Thätigkeit wurde den beiden Zonen, der Wald-zonc im Norden und der waldlosen Zone im Süden, allmälig Voden abgewonnen; es vergrößerte sich die Mittclzone, in der vor Allem der Ackerbau gedieh und die deswegen auch von Äckerbau treibendenVölkem bewohnt wurde. Die nördlicheZoue mit ihren Wälvern hatte ebenfalls ihre Eigenthümlichkeiten, die wiederum die Menschen dort bestimmten, eine Lebensart sich zu wählen, die damit haruwnirte. Die Wälder gestatteten ebensowenig, wie die waldlosen Gegenden im Südcn, Ackerbau, dagegen botcn sie Wilo u»d andern Thieren Aufenthalts- II. Anh.1 Wüsten. 203 orte dar. Die Menschen in diesen Wäldern wurden nothwendiger Weise Jäger. Ich wende mich für den Zweck dieses Buches der südlichen von den drei erwähnten Zonen zu, da durch diese ein großer Theil meiner Reise führte. Man nennt die offenen, waldlosen, aber mit hohen Kräutern bedeckten Gegenden Steppe, trägt aber mit Unrecht in der neuesten Zeit diesen Namen anch ans pflanzenlosc Gegenden überhaupt, auf Salz- und andere Wüsten, über. Das Wort Steppe ist russischen Ursprunges nnd wird zunächst von Vegetationszuständen benutzt, wie wir sie in Deutschland gar nicht kennen, wie sie jedoch im östlichen Südcuropa, in Sibirien und in Armenien sehr häufig vorkommen. Aber nicht allenthalben in genannten Landern stnd Steppen, sondern sie wechseln mit Pampas unv Wüsten einerseits unv mit Wiesen andrerseits ab. Cs ist deshalb nothwendig, die verschiedenen Begriffe von Steppe, Miese, Pampas und Wüste wissenschaftlich festzustellen/ bevor man überhaupt davon sprechen kann. Unter Wüsten versteht man größere und kleinere Landstriche, in denen den Pflanzen gar nicht oder nur karg die Bedingungen geboten sind/ unter denen sie gedeihe» können. (5ö kommen selbst nur wenige und dann eigenthümliche Pflanzen vor, die für dergleichen unfruchtbare Landstriche auch besonders organisirt siud. Alle haben ein spairiges Wachsthum und sind meistens, wenigstens an der Basis, mehr oder weniger holzig. Blätter entwickeln sich überhaupt in geringerem Grade, als es sonst bei ähnlichen Pflanzen der Fall ist, und haben ein mrhr graugrünes Ansehen. Jährige Kräuter kommen höchst selten vor, Vänmc gar nicht. Die Vegetation ist das ganze Jahr hindurch dieselbe; kaum ist sie in den rändern der gemäßigten Zone, wo Wüsten vorkommen, während des Frühlings, in den heißen Gegenden aber während der Regenzeit etwas frischer. Dir Ursache der Wüste kann im steinigen Boden, im Flugsand oder einem, wenigstens im Uebermaße, den Pflanzen schädlichen Veifatze im Boden liegen; darnach erhalten wir die Stein- und Geröll-, die Sand- und endlich die Salzwüsten. In den zur dritten oder südlichen Zone gehörenden Länderstrichen kommt meineS Wissens nur die Salzwüste 204 Steppe. ^II. Anh. vor, während Sandwüstcn jenseits des Caspische» Meeres, Geröll-wüsten, z. V. m Kleinasien die den Alten schon bekannte westliche Katakekaumcne, und Steinwüstcn, hauptsächlich in Arabien und in der Sahara beobachtet sind. Die Russen nennen die Ealzwüsten am untern Terek, an der untern Kuma, an der Manytsch, am Glton-Sec ll. s. w. nicht leicht Steppe, sondern häusiger Solnije, ein Wort, was unserm Allsdruck Salzwüstc entspricht. Göbcl's Reise geschah nicht, wie er selbst sagt, in den Steppen Südrußlands, sondern hauptsächlich in den Salzwüstcn. Steppe und Wiese, denen man noch Matte hinzufügen kann, sind der directe Gegensatz von den verschiedenerlei Wüsten. Steppe entspricht dem Hochwalde, nur daß hier die Pflanzen holziger und dort krautartiger Natur sind. Wie in dem Hochu^lde, so stnd auch in der Steppe größere Pflanzen vorhanden, deren Verästelung nicht au der Vasis, sondern oberhalb des ersten Drittels des Stengels geschieht. Wie ferner im Hochwalde sehr oft kleineres Gesträuch, sogenanntes Unterholz, vorhanden ist, was den Stamm der Väume oft umgicbt, in der Regel aber an den Rändern am Vcstcn gedeiht, so wachsen auch hier kleinere Kräuter von 1 und 2 Fuß Höhe unter den großen, 6, 8, ja selbst II) und !2 Fuß hohen Pflanzen. Kräuter von 20 und 3l) Fuß Hohe, von denen andere Reifende sprechen, habe ich nirgends auf den Steppen gesehen; es mag wohl überhaupt diese Angabe auf einem Irrthum beruhen. Dicfcn Steppen entsprechen einigermaßen in Amerika die Savannen. Doch stehen hier die Kräuter gedrängter und haben eine gleichere Größe. Es tritt wenigstens der Unterschied von Hoch- und Unterkrant nicht so deutlich hervor. Die Höhe der einzelnen Pflanzen beträgt bald nur 3 und 4, bald aber auch 6 und 8, ja selbst 10 und 12 Fuß. Im rrstern Falle gehen die Savannen in die Wiesen über. Die nordamerikauischen Prairien, wie sie namentlich in Canada vorkommen, möchten zum Theil hierher gehören, zum Theil aber auch ächte Wiesen sein. Washington Irving's Prairien sind aber ächte Savannen. Diese unterscheiden sich aber außerdem noch wesentlich von den Steppen, daß Voötets von Sträuchern häusiger II. Anh.) Wiese und Matte. 20g vorkommen und Gräser, namentlich aber Halbgräser, eine größere Nolle spielen. In den Steppen fehlt zwar das Gesträuch nicht absolut, aber es bildet nicht leicht Voskets, sondern mehr ein Gestrüpp, was hauptsächlich an Rändern vorkommt. In den ächten Steppen spielen ferner die Gräser eine untergeordnete 3tollc und l>o!i-, I^tuc^-und Ll-0mu8-Artm (Rispengräser, Schwingel und Trespen) M)t man nur als Unterkraut. Auf den Wiesen haben alle Pflanzen ziemlich die gleiche Höhe von 1^/2 — 2 Fuß 5 nur wenige ragen heraus. Gräser, Papiliona-ceen, Composite» und oft Glockenblumen herrschen vor. Die Verästelung geschieht nicht auf eine sparrigc Weife und ist überhaupt gering. Die Pflanzen berasen sich zum großen Theil so, daß man den Voden gar nicht sehen kann. Wenn man auf einer Wiese etwas fallen läßt, so wird cs von den )>ntern sogenannten Wurzelblättem der Pflanzen, besonders der Gräser, getragen. Nicht so ist es, selbst in den dichtesten, Steppen, wo schon leichtere Gegenstände alsbald den Vodcn berühren. Vci weniger dichtem Pftanzmwuchse vermag man sogar die Erde mit den Augen zu unterscheiden. Den Wiesen schließen sich die Malten an. Hier ist dcr Pftan-zcnwuchs noch dichter und die Kräuter erreichen eine geringere Höhe. Schon von der Wurzel aus verästeln sich die meistm vielfach; aber die Aeste sind kurz, zertheilen sich mehrmals und tragen fast sämmtlich Blüthen, so daß weder Steppen noch Wiesen dieselbe Farbenpracht aufzun'ciscn im Stande sind. Die beiden jetzt eben genannten Vegetationszustände besitzen auch eine bestimmte Zeit, und zwar den späten Frühling, wo sie am Meisten Nlumcn besitzen. Das ist aber nicht bci dcr Matte der Fall, wo die Pflanzen hinsichtlich ihrer Vlüthczeit häufiger abwechseln. Matten kommen zwar hauptsächlich c Knm. ^ 21ft Der Boden Südrußlands. ^ll. Anh. üppige Vegetation z sämmtliche Pflanzen erreichen keine bedeutende Höhe und stehen weniger dicht beisammen. Der Russe hält diesen Boden außerdem noch für kalt und giebt hauptsächlich diesem Umstände die geringere Fruchtbarkeit Schuld. DieKreidcformation hat ihre hauptsächlichste Entwickelung auf der Ostscitc des Granitstreifens, den sie an der Vcrda auch hier und da umlagert. Sie breitet sich in der ganzen Ukraine aus und trägt dort kleine Wälder und einen Nodcn, der sich sehr zum Ackerbau eignet. Weiter nach Osten zieht sie sich durch das Land der Don'schcn Kosaken. Dieser fruchtbare Boden hat eine eigenthümliche, oft mächtige Schicht, von den Großrusscn Tschernosoin (Schwarzerde), von den Klcinrusscn aber Nedzina genannt. Sie besteht zum großen Theil aus Dammerde und weniger aus einem fetten Tone, besitzt ein schwarzes Ansehen, trocknet aber leider sehr schnell aus und zerfallt in eckige Stücken. Eben so schnell zieht sie hinwiederum Feuchtigkeit an und verwandelt sich bei Uebermaß von Wasser in einen schwarzen Vrei. Die Fruchtbarkeit wird durch einen geringen Gehalt an Salpeter erhöht. Der Kreidekalk ist mehr oder weniger porös, zieht die Feuchtigkeit der obern Schicht bis zu einem bestimmten Grade an und bildet hier und da Quellen. Da das Gestein sich leicht zerbröckelt, so erscheint daö Nasser der Quellen und Vächc in der Ncgcl trübe und milchig. Die Nüssen nennen dergleichen Vache mit dem Namen Maloschnaja Räki, d. h. Milchbäche. Der Stevpenkalk hat seine größte Verbreitung im Süden und kommt hauptsächlich im westlichen Theile der Noghai-Ebene und in derKrim, ferner westlich vom Dnjepr im ganzenCherson'schen Gouvernement bis nach dem südlichen Podolien und zu dem Dnestr vor. Auf der andern Seite breitet sich diese Formation im Norden des Kaukasischen Gebirges aus. Hier bildet er einen wellenförmigen Vo-den, in den zuerst genannten Länderstrichen hingegen eine gleichförmige Ebene, die fast nirgends unterbrochen wird. Sie wird von einer mehr weniger mächtigen Schicht bedeckt, die nach unten thonig und mit Dammerde vermischt erscheint, nach oben hingegen nur aus der letztern besteht. Oft liegt zwischen dem Steppen kalke und der fest II. Ach.) Die klimatischen Pcvhältittsse. 211 darüber liegenden Schicht noch Tand, der ächter Mecressand aus der neuesten Zeit ist und an einzelnen Stellen anch zn Tage kommt. Die obere Dammerde ist bisweilen mit wenig Thon und noch weniger Sand versetzt, enthält etwas Salpeter und hat ein schwarzes Ansehen. Sie ist außerordentlich fruchtbar und ernährt in der Regel eine üppige Steppenvegetation. Diese oberste, unmittelbar die Oberfläche bedeckende Schicht hat große Aehnlichkcit mit der Tschernosom oder Schwarzerde, unterscheidet sich aber wesentlich dadurch, daß sie ausgetrocknet, nicht in ectige Stücken, sondern in einen seinen Staub, der in der wärmcrn Zeit unerträglich werden kann, zerfällt. Was die klimatischen Verhältnisse anbelangt, so zeichnen sich die Länder der waldlosen Zone durch Vrtremc ans. Während die mittlere Iahreswärme 6—8 Grad beträgt, steigt das Quecksilber an einigen Stellen, die der Wärme-Gntwickelung gerade günstig liegen, bis zu 32 Grad und selbst mehr, während es wiederum und zwar bisweilen an denselben Orten im Winter bis zu 26—28 Grad unter den Nullpunkt sinkt. Im Januar besitzen die Länder im Norden des Schwarzen Meeres cmc und dieselbe Temperatur wie Stockholm, nämlich die Monatsisotherme von — 4" R., im Juli hingegen herrscht in den zuerst genannten Gegenden das Klima von Madeira mit der Monatsisotherme von ^-18" 3t. Es kommen demnach im Verlaufe der zwölf Monate in den Ländern nördlich vom Schwarzen Meere alle Klimate vor, die zwischen denen von Madeira und Stockholm liegen. Stockholm liegt abcr ziemlich um eben so viel Breitengrade nördlicher, als Madeira sich südlicher befindet. Die waldlose Zone des südlichen Rußlands besitzt demnach die Temperatur von 27 Breitengraden. Wie groß die Einwirkung eines so wechselnden Klima's auf dic Vegetation hauptsächlich, aber auch auf das organische Leben überhaupt, sein muß, kann man sich denken. Sie ist um so größer, als sich der Wechsel schon auf einzelne Tage beschränkt. Man kann die erste Hälfte des Tages mit leichter Kleidung einher-gehcn und muß in der zweiten zum Pelze greifen. Eben so groß die Ertremc zwischen Hitze und Kälte erscheinen, eben so groß und selbst noch größer sind sie in Vetrcff der Nieder- 14* 212 Die klimatischen Verhältnisse. s!I. Anh. schlage. Nach dem, was ich schon vorausgeschickt habe, wird man finden, daß überhaupt Negcn weit seltner eintritt, als es bei andern Verhältnissen unter gleichen Breitengraden sein müßte. Hier kommt noch die große Differenz der Niederschlage während der kühlern und während der wärmern Jahreszeit hinzu. Im ersten Frühjahre, Spätherbste und Winter betragen die Niederschlage zusammengenommen gegen 35l)—4<1<) Millimeter, in der übrigen warmen Jahreszeit hingegen kaum 1W—15N Millimeter. InVerlin beträgt für die zuerst genannte Zeit der Niedcrschlag I4N0 Linien, in der andern hingegen 1750 Millimeter; trotz der nördlichern Lage Berlins ist demnach die Menge deS meteorischen Wassers in der kühlern Zeit weit größer, als in den Ländern iui Norden des Schwarzen Meeres. Die Differenz ist in der wärmern Jahreszeit selbst bedeutender. Leider besitzen wir für die Länder, von denen ich eben spreche, noch gar keinc Witterungsbcobachtungen, die eine Ncihc von Jahren hinter einander angestellt worden' wären. Eine mittlere Zahl läßt sich eigentlich noch gar nicht feststellen. Gs giebt Jahre, wo die Niederschlage überhaupt bedeutend sind, und wiederum andere, denen sie ganz und gar abgehen, wo es also weder regnet, noch schneiet. Aufmerksame Beobachter kennen Zelten, wo in einem Zeiträume von 22, ja andere sogar von 23 Monaten, auch kein Tropfen Ncgen zur Erde kam. Bisweilen folgen fünf und sechs Jahre auf einander, in denen ziemlich viel Regen fällt; dann kommt wieder eine längere Trockenheit. Gerade dieser Umstand ist es, der den Ackerbau in diesen Gegenden zum großen Theil und für jetzt wenigstens, wenn auch nicht unmöglich, doch prccär macht. Die größten Proviantmagazine sind nicht im Stande, mehre Jahre hindurch Miscrnten auszugleichen. Es kommt ferner dazu, daß die Niederschlage primär und se-cundär die Wassermengen in den Flüssen und Bächen bedingen. Die großen Flüsse bringen im Frühjahre eine Menge Wasser aus der Wald- und mittlern Zone herab und erhalten selbst von den sogenannten Steppenflüssen, d. h. denen, die in der waldlosen Zone ihren Ursprung haben, oft so reichliche Nahrung, daß sie übertreten und II. Anh.) Die klimatischen HcrhälttiM. Z1Z große Strecken übcrschwettlmcn. Je mehr der Voden sich mit Feuchtigkeit sättigen kann, um so langer wird er auch dem Austrocknen widerstehen und um so mehr vtrmag er die Vegetation im raschcrn Wachsthumc zu unterstützen. Sind die Überschwemmungen nur gering gewesen, oder haben gar nicht stattgesunden, so erhalten auch die Steppenflüsse wenig Nahrung und versiechen schon außerordentlich bald. Mit dem Versiechen dieser Wasser tritt in der Negel ein völliger Stillstand im Wachsthum der Vegetation ein. Der Frühling dauert nur kurze Zeit. Er beginnt in der Krim oft schon Anfang März, bisweilen aber auch viel später. Nasch entwickelt sich trotz der häufigen Nachtsröste die Vegetation und sammelt in den Steppen die Kräfte, um einer lange andauernden Hitze zu widerstehen, oder geht nach wenige» Monaten, wie es in den Pampas der Fall ist, zu Grunde. Je mehr die Pflanzen den Voden zu bedecken vermögen, um so länger grünen sie auch, wo sie aber schon zeitig, wie in den Pampas, absterben, erwärmt stch der Voden außerordentlich schnell. Es beginnt nun ein Ausströmen erwärmter Lust, das selbst des Nachts fortdauert und fast gar nicht unterbrochen wird. Da gerade die Gegenden am Schwarzen und Asoff'schen Meere die wenigste Vegetation besitzen, so erscheinen auch hicr in der ganzen wärmern Zeit fast gar keine Regen. Cs toben sich oft im nahen Meere die größten Gewitter ab; es ergießt sich hier der Negen in Strömen, aber kein Tropfen fällt auf das Land. Umgekehrt sammeln sich bisweilen über dem Festlande Regenwolken, es sindcn selbst in den höchsten Regionen elektrische Entladungen statt, aber die er-stern wenden stch dem Meere zu, wo kein erwärmter Luftstrom der Neigung, sich zu senken, entgegentritt. Auch wird die Feuchtigkeit, die eben sich gebildet hatte, häusig von demselben erwärmten, durchaus nicht gesättigten aufsteigenden Luftstrome augenblicklich wieder verzehrt. Mit jeder Woche im Sommer wird die Hitze unerträglicher. Im Anfange besitzt der Himmel das reinste Vlau; nur über den größcrn Flüssern, wo beständige Ausdünstung erfolgt, erscheint er mehr oder weniger trübe. Valb aber verschwindet schon die reine 214 Die klimatischen Verhältnisse. s.!1. Anh. Farbe, sie wird von Tag zu Tage milchiger; es erscheint jenes Flimmern, was man auch bei uns an heißen Tagen bemerkt, im Süden, namentlich aber über Wüsten, ganz gewöhnlich und viel stärker erscheint. Auf gleiche Weise färbt sich die Sonne beim Untergang allmälig röther, wenn sie auch nie das grelle, blutrothe Ansehen erhält, wie es gewöhnlich in Arabien und in der Sahara gesehen wird. Wie in den eben genannten Ländcrstrichm kommt bisweilen auch im Norden des Asoff'schcn und Schwarzen Meeres ein heißer Wind, der aber nur strichweise erscheint nnd. allerdings schwächer ist, vor. Er trocknet noch mehr als der Oftwind aus und hat die nachthciligstc Einwirkung auf die Pflanzenwelt. Alle Pflanzen hängen die Vlättcr, werden gelb und gehen oft zu Grunde. Am schlimmsten ist es, wenn er über Getreidefelder weht. Im Juli ist bereits alles Wasser in den Pampas und den daran grenzenden Gegenden versucht z im August und im Anfange Septembers sucht man selbst in dm Steppengegcnden, freilich mit Ausnahme der größern Flüsse, umsonst Wasser. Auch hier geht nun allmälig die Vegetation zu Grunde «nv man erblickt nur die 6 und 8 Fnß hohen Stengel der Hochkräuter, die die Nüssen zum Theil Vurjan nennen und zu allerlei, namentlich auch als Brennmaterial für den Winter, benutzen. Mitte September tritt kühleres Wetter ein, in dem sich der obere Passat, wenn auch kurze Zeit, in der waldlosen Zone senkt und Veränderungen in der Temperatur hervorruft. Damit beginnt der Anfang einer neuen Vegetation. (5s bilden sich an den mehrjährigen Pflanzen nicht allein die Knospen für daö nächste Jahr, sie schlagen selbst zum Theil auö und bedecken sich mit frischem Grün. In» October regnet es ziemlich viel und der Boden erweicht sich auf eine Weise, daß er nur mit Mühe betreten werden kann. Im November wird es kälter und es treten Stürme ein, wie wir sie gar nicht kennen. Wirbel spielen hier eine Hauptrolle imo nchten oft große Verwüstungen an. Im December beginnt in der Negel der Winter, häufig aber ohne daß eine Flocke Schnee fällt. Um so empfindlicher ist deshalb die Kälte, namentlich den Pslanzm, die wcitc Strecken hin zu Grunde gchcu. Es giebt aber auch wiederum Winter, wo viel Schnee fällt. ll. Anh.) Die klimatischen Verhältnisse. 21F Die Stürme sind in dieser Jahreszeit weit stärker und vor Allem ist es der Ost- und Nordost-Wind, der bisweilen mehr als die Halste der Zeit während cineö Jahres weht und nicht selten in einen Orkan ausarten kann. Er hebt den Staub in die Höhe und treibt ihn in Form einer Säule vorwärts. Schlimmer ist er aber, wenn Schnee liegt und die ganze Masse durch Wirbel in die Hohe gehoben und dann wagcrecht vorgeschoben wird. Wehe der Heerde, die von einem solchen Schneetreiben (Samet von den Russen genannt) überrascht wird. Das Vieh ergreift eine Angst, in deren Folge sie nach allen Seiten zerstieben. Man kann kaum vor sich hinsehen, und so läuft Alles in der Irre herum. Da ein Schneetreiben bisweilen mehre Wochen, in der Regel jedoch nur drei Tage währet, so finden Schafe und Rinder, aber auch Menschen, oft ihre Wohnungen gar nicht wieder, ermüden vor Angst und Hunger und gehen endlich nicht selten durch die Kälte zu Grunde. Noch häufiger kommt es vor, daß, hauptsächlich Schafe, geradezu in das Meer oder in große Flüsse laufen und dort ertrinken. Noch häufiger werden Schafe eine Veute der Wölfe. Zum Glück haben die Hirten ihre Kennzeichen, sobald ein Sturm nahet, und bleiben in dieser Zeit mit den Heerden in den Ställen z der Tatar laßt aber sein Vieh auch den Winter über im Freien und setzt es allen Gefahren eines solchen Schneewehens aus. Man braucht sich deshalb nicht zu wundern, wenn in ungünstigen Jahren wenigstens ein Drittel seiner Hecrdcn zu Grunde geht. Nicht minder gefährlich sind die Schneegestöber (Wjuga bei den Russen), wenn auch nur ein mäßiger Wind weht und selbst Schnee-fall, wo völlige Windstille herrscht. Es tritt ost eine Dunkelheit ein, die kaum erlaubt, zehn Schritte vor sich zu sehen. Wer nicht einen guten Ortssinn, ich möchte sagen Instinkt besitzt, kann sehr leicht die Wege und damit die Richtung verlieren und sich den größten Gefahren aussetzen. Reisen im Winter, zumal wenn Schnee gefallen ist, sind im südlichen Nußland an und für sich mit Gefahren verbunden^ Vei den großen Entfernungen der Dörfer von einander kann man diese leicht verfehlen z aber selbst wenn man in ihrer Nähe ist, kommt es häusig vor, daß man die niedrigen Häuser, die zum Theil 216 Vegetation der sübruss. Pampas u. Steppen. ^11. Anh. in der Erde liegen und von den Russen deshalb Eemljankcn, d. h. Erdhütten, genannt werden, ganz übersieht. Fürst Woronzoff hat sich deshalb ein großes Verdienst erworben, daß er in kurzen Zwi-schcnräumcn, wenn ich nicht irre, von einer Werst znr andern, bis 12 Fuß hohe weiße Steinpyramiden aufführen ließ, die dic Richtung des Weges genauer bezeichnen. Ich bin geneigt zu glauben, daß auch die sogenannten Grabhügel oder Tumult (Mohilli oder Kurgan bei den Eingcborncn) und die steinernen Steppcnbilder bci den frühern hier wohnenden Völkern zum großen Theil einen gleichen Zweck gehabt baben. Auf der Nordküste des Schwarze» Meeres fand ich immer, daß Tumuli und Stcpprnbilder eine bestimmte Richtung hatten, die sich von Osten nach Weste» erstreckte. Da ich einmal die Tumuli erwähnt habe, will ich noch eine Eigenthümlichkeit anführen, die unser ganzes Interesse in Anspruch zu nehmen im Stande ist. Visher hatte man geglaubt, daß nur die in solchen Grabhügeln gefundenen Steine aus weiter Ferne stammten, nach den Untersuchungen eines Mannes,der viele Jahre in jenen Gegenden lebt, scheint es aber auch, als wenn ein großer Theil dcr Erde, die zu dem Hügel verwendet war, wenigstens nicht in der nächsten Nähe aufgefunden, sondern aus weiter Ferne hierher geschafft wurde. Sollte die noch bcl den Don'schcn Kosaken allgemeine Sitte, etwas vaterländische Erde in einem Veutelchen auf der Vrust zu tragen, um diese, im Fall eines plötzlichen Todes mit in das Grab zu nehmen, nicht ebenfalls derselben Pietät zu dcr Scholle, auf der man geboren, zuzuschreiben sein? Nachdem ich nun die Voden- und klimatischen Verhältnisse näher bezeichnet habe, will ich auch verslichen, die beiden Vegetationszustände dcr südrussischen Pampas und der Steppen mit wenigen Worten näher zu bezeichnen. Was die nstern anbelangt, so sind sie in dem »restlichen Theile der Noghai - Ebene am reinsten ausgeprägt. Sie zeichnen sich durch cine Vcgetationsdaucr von drei und vier Monaten und durch eine Reihe gesellig-wachsender Pflanzen aus, die gruppenweise und ziemlich dicht beisammen stehen. In der Regel sind es nur vier bis acht Arten, die mit einander abwechseln, wäh- !I. Anh.) Vegetation der südruss. Pampas ui,d Steppen. 217 rcnb die übrigen Pflanze» vereinzelt vorkommen und zur Physiognomie der Pampas nichts beitragen. Die gemeinste Pflanze der Pampas ist das Haargras i8lip;l ^-pilwlal^., Tyrse von den Nüssen genannt); denn es nimmt nicht selten mehr als die Hälfte des Flächenraumcs ein. Nächst ihr kommt das verwandte Federgras, (8Up!l psniuün l.., bei den Russen gclwlkonoi ll-üvv.i, d. i. Seidmkraut), von dem gewöhnlich ein Viertel die Pampas bedeckt. So wenig man bei uns diese beiden Gräser als Futter für Schafe und Rinder liebt, so bilden sie doch in den südrussischen Ebenen die hauptsächlichste Nahrung. In ihren« Wachsthnmc haben beide eine entfernte Aehnlichkcit mit einigen Orchideen, die sich durch Scheinzwicbcln fortpflanzen, indem das Ansetzen der jungen Knospen nur nach einer Richtung geschieht. Mir schien es, als wenn diese Richtung von den herrschenden Winden abhinge, denn die meisten, die ich untersuchte, setzten ihre Knospen auf der West- und Eüdwest-Seitc an. Die abgestorbenen Stengel und Vlattübcrrestc gehen nicht gleich zu Grunde, sondern dauern noch cineZcit hindurch. Es bilden sich auf dies» Weise einen und mehr Zoll über dem Vodcn erhabene Rasenstücke. Etwas Aehnliches sehen wir auch bei uns auf feuchten Wiesen bei mehrern Nictgrästrn, hauptsächlich bei (^i-ox c.'»n5pita5l, I., und 6. acml'a 1^., nur mit dem Unterschiede, daß hier die neuen Knospen nicht nach einer bestimmten Seite und nach außen hin sich ansetzen, sondern mehr nach innen. Wenig verschieden ist aber die Bildung nemr Knospen bei 8cwiiu8 Ilolo^clwoini« I.. und anderen Pflanzen. Well das Ansetzen der neuen Knospen ziemlich regelmäßig nach einer Seto 23iujaii4Sfratt$ein 219 Gymnoclinc millosoliata C. Koch, Artemisia austriaca Jaeq., A. raaritima L., A. pontica L., Linosyris villosa Dec., Iimla ger-manica L, Pulioaria dysenlerica Grfn., Taraxnm ofsichiale Yill-, Sonchus asperL.^Centaurca ScabiosaL., C.dissusaLam.,Tl]ymus Marschallianus Willd., Salvia nutans L., S. pratensisL., Lamium amplexicauleL., Marrubium peregrinum L., Linaria vulgarisMill., Euphorbia Gerardiana Jacq., E. tcnuisolia Bieb., E. Esula L., Slaticc (atarica L.? S. latifolia Jell., Salsola Kali L. unto Iris puniila L., Tulipa sylvestris Ii., Tulipa Gesneriana L., Muscari Ieuco-j)]iaoinn C. Koch, Alliurn rotundum L., A. flavura L. itnb A. I)3in!>tuii» I.. hauptsächlich vorhanden. Die ächten Steppen kommen, wie früher schon bereits bemerkt ist, am Schönsten im Lande der Don'schen Kosaken nnd in Ciskau-lasien vor. Hier haben die größcrn Pflanzen die Höhe von 6 — 8 und mehr Fuß, so daß man die Erzählungen von den Kosaken begreift, wornach dieses kriegerische Volk auf seinen Zügen sich in dem Dickichte dcr Steppen mit den Pferden leicht verbergen konnte. Die größern Pflanzen unterscheidet der Nüsse von den kleinern auch den Namen nach. Die erster»» bieten seinem Vieh keine odcr nur wenig Nahrung dar, dagegen dienen ihm die zum Theil holzigen Stengel im Winter als Brennmaterial. Er nennt diese Kräuter Vurjan, trägt aber auch diesen Namen alls alle hohen Unkräuter über, die in seinen Gärten und Feldern mehr wuchern, als die Culturpflanzen, und diese oft ganz verdrängen. Man vernimmt deshalb häufig die Klage über das Ucberhandnehmen des Vurjan, bemüht sich aber keineswegs, die lästigen Unkräuter auszurotten. Professor Schlriden in Jena gebraucht in seinen vorzüglichen Vorlesungen über das Leben einer Pflanze das Wort Vurjan für eine bestimmte Pflanze, nämlich für 6vp5Us)Inw l^mcililatii I.., die aber die Nüssen gerade nicht zu dem Vurjan rechnen. Diese 6yp8«9!nl2 pi,n>l-il!;tti, I.. ist unter dem Namen I'ol-cli-itiliolo, d.h. Spring ins Feld eine sehr bekannte Step-pcnpftanzc, die in den Märchen und Erzählungen, hauptsächlich bei den Kindern, eine der Ierichorose ähnliche Nolle spielt. Die zuerst genannte Pflanze, die in der neuesten Zeit wegen ihrcs leichten An« 220 Die Vurjan-Pstanzen. ^ll. Anh. sehens und der hübschen kleinen Blumen bei uns sehr häusig zu Bouquets verwendet wird, verästelt sich nämlich vielfach und zwar sogleich «on der Wurzel an, in der Weise, daß sie einen dichten runden Vusch bildet. Hat sie verblüht und die Samen ausgeworfm, so bricht dcrHauptstengcl au seiner Vasis ab, und die rundliche Pflanze wird nun vom geringsten Winde hin und hergeführt. Andere kleine, ebenfalls vertrocknete Pflanzen hangen sich ihr an; es bildet sich all-mälig ein ziemlich dichter Knäuel, der bei stärke» tu Winde leicht über die Steppe hinweggcführt wird. Er ist dieSteppenh«?, die den Leuten Glück und Unglück bringt. Cs ist jedoch nicht immer die 6)>i»5o-pliil/i l'.'lMsul^w I.., welche solche Knäuel bildet und zu allerhand Märchen Veranlassung gegeben hat. Auch ?d1olui3punßon8VVilI<1., die allerdings schwerfälliger ist, aber ebenfalls in Form eines rundlichen Vouquetö wächst, wird vom Winde durch die Steppe getrieben, und von den Kindern als Steppenhere begrüsit. Die hauptsächlichsten Vurjanpflanzen oder Hochkräutcr gehören den Familien der Kompositen, der Dipsaceen, der Umbcllifercn, der Malvaceen, Papilionaceen und Labiaten an, hauptsächlich sind aber doch hier die drei ersten vertreten. Unter den Composite« spielen die Disteln wieder eine Hauptrolle. Alle Pflanzen aufzuführen, liegt nicht in dem Zwecke dieses Buches; ich begnüge nuch daher nur die zn nennen, welche die größte Verbreitung besitzen nnd auf die Physiognomie der Steppe einen Ginfluß haben : I^liimip^nli.iomco- phalus L., Silybutn marianum Grtn., Onopordon Acanlliiuin L., Carduus crispus L., Epitrachys serrulata C. Koch, E. lanceolata C, Koch, Cirsiuni arvcnse Scop., Lappa niajjor Grtn., L. tomen-losa Lam., Cichorium Intybus L., Lactuca Scariola L., Senecio Doria L., S. macrophyllus Bieb,, S. Jacobaea L., S. erucaefolius f,., Tanacetum vulgäre L., Artemisia Absinthium L.; A. vulgaris L., A. proccra Willd., Pyrothrum corymbosumWilld., Xanlhiutn spinosum L., X. Strumarium L,, Inula Uclenium L., Galatclla punctata Lindl. 93on ^)ipfacccn lja.be id) ju nennen : Dipsacus lacinialus L., Cephalaria tatarica Schrad. unb C. centaurioides Coult.; Don Urn* II. Nnh.1 DieTrawa-Pstanzen. 2Z1 tJeinfci'ftt I;tn gegen: Eryngium campestre L., E. planum L., Liba-notis sibirica C A. Mey., Silaus Besseri Dec, Ferulago sylvatica Hchb., Ferula latarica Fisch., Peucedanum ruthenicum Bicb., Pa-stinaca saliva L., Ileracleum sibiricum L., II. Spliondylium L., Siler trilobura Scop., Anthriscus sylvestris Hoffra., Cliaerophyllum bulbosum L., Cachrys crispa Pers., Conium maculatum L.; ton 9)Jabaceen: Luvatera thuringiaca L., L.biennisBieb., Althaea ossi-cinalis L., A. cannabina L., A. jficifolia Cav., Malva Alcea L., M. sylvestris L.; ticm 5|3a^isionacfcn: Melilotus coerulea Lam., M. alba Lam., M. osficinalis Pers., Glycyrrhiza glandulifera W. et K., G. cchinalaL. unt Galega ofiicinalis L.; enbtirf) »on CaMatcn: Salvia austriaca L., S. pralcnsis L.; S. sylvestris Koch, Ncpcta panno-nica L., N. violacea L., Slachys rocla L., Phlomis pungensW., P. lul^eroäa I.. Außerdem habe ich aus andern Familien hauptsächlich noch Voi-bl,3oum-Arten und eine O^oiln',", dmnms I. zu nennen. Alle kleinere Pflanzen, namentlich der Steppen und Wiesen, die die hauptsächlichste Nahrung des Viehes bilden, nennen die Nüssen Trawa. Soll aber ein Unkraut, d. h. eine kleinere Pflanze, die auf Culturland und zwar gegen die Absicht des Besitzers, wächst, bezeichnet werden, so setzt man in Rußland noch «lurn^'i! (d. i. häßlich) vor. Ich bezeichne die bis 1 '/2 Fuß hohen Kräuter der Steppe als Untcrkräuter. Es gehören hierher aus der Familie der Cynaroce« phalen zahlreiche Ccntaurecn: ^ircliwz l>ut<-»n8 I.., ^. ,-,c«lil1,0uIe8 1^., <^ vulßiii'iö, Xosilnlilnmum llliuuum I^. ^ aus der Familie ber (Soi'Vintifevm: Aster Ainellus, lirigeron canadcnsis L., Lino-syris vulgaris Gass., L. villosa Dec, Inula Conyza Dec, I. Oculus Christi L., I. britannica L., Anlhemis rulhcnica Bieb., A. Gotula L., Achillea nobilis L., A. Gcrberi Willd., A. Millosoliuni L., Gymnocline millefoliata C. Koch, Matricaria inodora L., Heli-chrysura arenarium Mnch.; Don ^uctucaccni ^aulptfäcsjlicfj inn*: Sonchus asperVill., Taraxacum osficinaleWigg., Scorzoncra tau-rica Bieb., Tragopogon major L., T. pratensis L., T. floccosus W. et K. 232 Hoch- und Unterlräuter. ^11. ?lnh Nachstdem sind die Labiaten hauptsächlich vertreten und zwar toltrdj: Mcntha sylvestris L., M. pratensis Sole, Origanum vulgäre L., Thymus Marschallianus Bieb., T. odoratissimus Bieb., T. nummularius Bieb., T. SerpyllumL., Acinos thymoides Mncli, Clinopodium vulgäre L., NepetaCatariaL., Glechoma hederaceum L., Dracocephalum Moldavica L., Prunella grandiflora L., P. vul-garis L., Scutellaria allissima L., Marrubium peregrinum L., M. vulgäre L., Betonica officinalis L., Slachys recta L., Leonurus Cardiaca L., L. MarrubiastruraL., Lamiura albumL., Ballola nigra L., Teucrium Chamaedrys L-, T. Polium L. S3on $a!pinottrtceen tjerifdjen ttov: Onobrychis saliva Lam., Coronilla varia L., Vicia Cracca L., V. sepium L., fet;r fctele Qlfha* gatuS, incfyie SMcbicaijo, Ononis Columnae All., 0. lrircina Jacq.; Don Um&cUifnm: Trinia Kitaibelii Bieb., Falcaria ltivini Host, Aegopodium Podagraria L., CarumCarvi L., Pimpinella Snxifraga L., Seseli variumTrev., S.campeslre Bess.? S. tortuosum L., Ru-mia leiogyna C. A. Mey.7 Cnidium venosüm Koch, Daucus Carola L., Caucalis daucoides L. Sntliss) fmb noes) (Sriiciferm ju nmnm, tote ltntevfräutcr in bm <2tc!p^m fmb, namHc^: Barbarea vulgaris R. Br.; B. arcuata Rchb., Lunaria rediviva L., Berteroa incana Dec, Alyssum caly-cinum L., A. rostratum Slev., A. minimum Willd., Hosperis ma-tronalis L., Sisymbrium oslicinale Scop., S. junceum Bieb., S. Loeselii L., S. Irio L., S. Sophia L., Erysimum striclum Grtn., E. aureum Bieb., Camelina saliva Crantz, Capsella Bursa pasioris Mncb., Lepidium Draba L., L. latifolium L., Sinapis arvensis L., Crambe tataricaJacq., C. aspera Bieb., Bunias orienlalis L. (35icfc bm eft and) cifö fflurjan.) Die Gräser spielen eine untergeordnete Rolle in den Steppen. Zncclmrum Ui,vol!ii!»u Liud. gehört zu den Hochkräutern. Die andern sind sämmtlich Nnterkräuter und gehören hauptsächlich den Geschlechtern Lolium, 1>>liouln, V^oinus, ^L8luc3, Xuolel'ia, paa, ?i»Ieum, ^lopocui-u? und anderen, aber weniger, an. Es sind auch II. Atth.i Die holzigen Pflanzen Südrußlands. 233 meist die Arten, welche bei uns vorkommen. Ich übergehe die übrigen Familien, da sic mehr oder weniger nur einzeln stehendeNepräsentan-ten besitzen. Am meisten sind noch die Lhcnopodiaceen, Guphorbia-cecn, Volngoneen, Plantaginecn, Plumbagineen, hauptsächlich aber die Aspcrifolien, die Ncscdecn, Gcraniaceen, Malvaceen und vielleicht die Scrophularinecn vertreten. Daß »arjboi:n »ovEommm^ aufjcrbem ifir Primus Padus L., P. Chamacccrasus Jacq., Amygdalus nana L.; Don ^omawen: Crataogusoxyacantha L., C monogyna. Jacq., Cotonoastor vulgaris Lindl., Pyrus Malus L. (getiu^ nid)t tuitb); toon Oiofaceen : Spiraea crenata L.; Kubus caesius L., R. srulicosus L., Rosa pimpinellifolia L., }\. canina L., R. rubiginosa L.; öon DKjamncm : Rhamnus calharlica L., 2Z4 Die holzigen Pflanzen Südnißlands. lll. Anh. R. FrangulaL.; Don Wnacavbtcumt: RIius Cotinus L.; toon (Sclafh-i; turn : Evonyraus europaeusL.; i?on £atnaticecn: Tamarix tetran-dra Pall.; »on SBevtkiibeen : üerberis vulgaris L.; ton Qlcfviufm : Acer campestre L., A. lataricuiu L.; i>on ». A. Geihlers Wcltsseschichte der altcn - mittleren — neueren — und neuesten Zeit. In biographischer Form. :i Vändc. Neue elegante Ausgabe. 1805. 2 Thaler. Dasselbe Werk in :l elegante Halbfrzbändc gebunden 2 Thlr. 2« Ätgr. Geschichte von Belgien. Von -^ cndrik (sonscicncc. Mit Stahlstich: Leopold I. Elegante Ausgabe. 18<',5. I Thaler. Geschichte Dänemarks bis auf die neueste Zeit. Von ss. A. Allen. Mit dem Portrait Christian's IV, nach K. v. Mandcrn. Nclic sehr elegante 'sllwgabe. l8<><>. l Thaler. Weschichte ?lorwene„s. ^>on Andreas ^aye. Mit dem Portrait Pcter Tordenskjold's nach Dcnncr. Elegante ^lnSgabe. 18l'»0. l Thlr. Geschichte Frankreichs. Von (5. dc Äonncchose. Mit dem Portrait >Nichclicn's nach Phil. Champagne. Reue sehr elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte HpauieuS. Von Ascargorra. Mit dem Portrait Pdilipp'S I I. nach van der Werff. (^'lrgantc Ausgabe. 18<'/». 1 Thaler. Geschichte des russischen NeichS von I. H. Schnihler. Deutsch von l)l- (^d. Vur^hardt. Elegante Ausgabe. 1805). 1 Thaler. Geschichte des osmanischen NeicheS von Pouioulat, Vlit dem Portrait Abdul Mcdschid's nach Dussault. 'Ilcuc sehr elegante Aluigabe. l^'>. l Thaler. Geschichte der nordameritanischen Freistaaten. Von E. Williardö. Mit dem Portrait Washington's nach Longhi. Neue sehr elegante Ausgabe. l«05i. 1 Thaler. Geschichte von Indien von Tb. Kcightlcy. Ucberseht und bis auf die neueste ^eit fortgeführt von I. Scybt. Neue sehr elegante Auögabe in 2 Äändcn. 1806. Preis 1 Thlr. 10 Ngr. Geschichte einzelner Abschnitte. Der Hansabund. Von l^. Gustav Gallois. Mit dem Portrait Jürgen Wulienwcber's von Milde. Neue sehr elegante Ausgabe. iM. I Thaler. Geschichte der ennl. Revolution bis zum Tode Karl's I. Von Franz Guizot. Mit dem Portrait Karl's I. Neue sehr elegante Ausgabe. 180."i. 1 Thaler. Geschichte Rich. Cromwell's und der Wiederherstellung des Könissthums in (5-na.land. Von Franz Guizot. Mit dem Portrait des Generals Monk. Elegante Ausgabe. 1800, 1 Thaler. Geschichte Oliver GromweN's und der enalischen Republik. Von Franz Guizot. Mit dem Portrait Eromwcll's. Elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. 2 Geschichte einzelner Abschnitte. Geschichte der französischen Revolution. 1789—1813. Von F. A. Mi a net. Mit dcm Portrait Mirabcau's nach Naffct. Neue sehr elegante Ausgabe. 18<»5. 1 Thaler. Geschichte der Februar-Revolution. Von A. dc Lamartine. Mit dcm Portrait Lamartinc's. Elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte Italiens. Aus dem Englischen des N. H. Wrightson. Mit dcm Portrait Pins ix. 1805. I Thaler. Aus dem Feldlager in der Krim. Vricfc des Timcscorrcspon- dcntcn W. Russell. Deutsch bearbeitet von Iul. Scybt. Neue sehr elegante Ausgabe. 180'». 1 Thaler. Geschichte der Kalifen. Vom Tode Mohamcd's bis zum Vinsall in Spanien. Von Washington Irving. Neue sehr elegante 'Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Garibaldi's Feldzug in beiden Sicilien. Bericht eines klugen zeugen. Von (?ap. ssorbcs. Deutsch von I. Scybt. Äicuc elegante Ausgabe. 180',. ''/, Thaler. Das Tilrkische Reich in historisch-statistischen Hchilderunssen Von Molbcch, Chesncy und Michel sen. 1805. 1 Thaler. Biographie Attila und seine Nachfolger. Von A mcdc'c Thierry. Deutsch von l>,-. p'd. Vurckhardt. Neue sehr elegante Außgabc in 2 Bänden. 1800. 1 Thaler 10 Älgr. Geschichte Karl's des Großen. Von Ioh. ssr. Schrd der. Mit dcm Portrait Karl's dcö Großen nach Albrecht Dürer. N cue sehr elegante Ausgabe. 1805». 1 Thaler. Geschichte Kaiser Maximilian's I. Von Karl Haltaus Mit dcm Portrait Maximilian's nach Albrecht Diircr. Neue elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Ionann k»uh und das Concil zu (5ostnih. Von E. de Vonne-chose. Mit dem Portrait Johann Huß'. Neue elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte des KaiserS Karl V. Von Ludwig Storch. Mit dem Portrait Karl's nach Tizian. Elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte Kaiser Joseph's«. Von A. Groß-Hoffinger. Mit dcm Portrait Joseph's. Ncuc sehr elegante Ausgabe. 1805. 1 Thlr. Erzherzog Karl von Oesterreich. Von A. Groft-Hofflngcr. Mit dem Portrait des Erzherzogs Karl. Neue elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte Karl deS Zwölften. Von Andr. ssrhrell. Mit dem Portrait Karl's. Ncuc sehr elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte Gustav Adolph's. Von Andr. Fryxcll. Mit dem Portrait Gustav Adolph's nach Anton van Dyk. Neue elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte des Herzogs von Marlborough und des spanischen Orbfolgetrieges. Von Alison. Mit Portrait. Ncuc elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte der Konigin Maria Vtuart. Von F. A. Mignet. Mit dcm Portrait Maria's nach ^ucchari. Neue sehr elegante Ausgabe. 1800. 1 Thaler. Nelson und die Seekriege von N93-l8«:l. Von I. dc la GraviKre. Mit dcm Portrait Nelson's nach Abbott. Neue sehr elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Biographie. 3 Geschichte deS Kaisers Napoleon. Von P. M. «aurcnt. Mit dem Portrait Napoleon's nach Dclarochc. Neue sehr elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte Peter's des Gransamen von ssastilien. Von Pros pcr M<». 1 Thaler. Die Venriinder der französischen Htaatseinheit. — Der Abt Sugcr. — Ludwig der Heilige. — Ludwig Xl. — Heinrich lV. — Richelieu. — Ma^arin. — Vom Grafen L. de Carn6. Deutsch von I. Scybt. Neue elegante Ausgabe. 18«0. 1 Thaler. sänder- und Völkerkunde. Drei Reisen um die Welt. Von James Cook. Neu bearbeitet von Fr. Steger. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Eine Weltnmseaelunn mit der schwedischen Kricgsfrcqatte „Eugenic." Von N. I. Andcrsson. Deutsch von Kannegießer. Neue elegante Ausgabe. 18N5. 1 Thaler. Die Krim und Odessa. Ncise-Erinnerungcn von Prof. Dr. Karl Koch, Neue elegante Ausgabe. 18M. 1 Thaler. Süd-Rußland und die Donauländer. Von 3. OlipHant, Shirley Brooks. Patrik O'Nricn und W. Smyth. Neue elegante Ausgabe. 1806. ! Tbaler. Reise-Erinnerunnen aus Sibirien von Prof. Dr Christoph Hanstecn. Deutsch von l)r. H. Sebald. Neue elegante Ausgabe. 1800. 1 Thaler. Die Kaukasischen Länder und Armenien. Von Cu rzon, Koch, Macintosh, Spencer und Wil bra ham. Neue elegante Ausgabe. 18l>5. 1 Thaler. Wander«na.en durch die Mongolei nach Tliibct von Huc und Gäbet. Deutsch ! Von Karl Andrcc. 1806. 1 Thaler. Wanderungen durch das chinesische Reich von H uc und Gab ct. In deutscher Bearbeitung von K. Andrec. 180li. 1 Thaler. Mungo Park's Reisen in Afrika voll der Westküste zum Niger. Neu bearbeitet v. D,-. Fr. Steg er. Elegante Ausgabe. 1800. 1 Thlr. Die afrikanische Wüste und das Vand der Schwarzen am obern Nil. Vom Grafen d'Escayrac de Lauture. Neue elegante Ausgabe, 1800. 1 Thaler. 4 Länder- und Völkerkunde. Südafrika und Madagaskar geschildert durch die neuen Ent-dectungsrciscndcn namentlich Livingstone und Ellis. Neue elegante Ausgabe. l8<'.'>. l Thaler. West-Afrika. Seine Geschichte, seine Zustände und seine Aussichten. Von I. Lcighto n Wilson. Elegante A usgabe. M«. ! Thaler. Die Ostsee und ihre Küstenländer. Geographisch, naturwissenschaftlich und historisch, abschildert von A. von Ehel. Neue elegante Auögabc. M'»>',. l Thaler 10 Ngr. Ncisen im Nordpolmeere von F. El is ha Kent Kane. Ucbcrs. von I. Scybt, Neue elegante Ausgabe, lki',5. 1 Thaler. Wanderungen durch Texas und im mexikanischen Grcu.Uande. Aus dem Englischen des ss. ^. Olmstcd. Elegante Ausgabe. l8M>. ITHlr. Buenos-AUres und die Argentinischen Staaten. Nach den neuesten Quellen. Herausgegeben von Karl Andrcc. Neue elegante Ausgabe. 1«<><». I Thaler. ^ clauögegcdcn von K a r l A ndrc c. Neue elegante Ausgabe, lki'».'). 1 Tlialcr. Wandernnsscn durch Australien von Oberstlieutenant Eharlcs s^iundy. Deutsch bearbeitet von Friedrich Gcrstackcr. Neue elegante Auöaabc. !^<«>. 1 Thaler. Zwei Ncisen in Peru. Gegenwärtiger Aufschwung und Zukunft dieses saures nach den neuesten Entdeckungen geschildert von Clemens N. Markham. l^;.'.. Preis l Thaler. Naturkunde. Der l>;eist in der Natur. Von H. C. Oersted. Deutsch von Prof. l^i-. Kanucgiefier. Mit Portrait. Neue elegante Ausgabe iu 2 Bänden. 1tt«N. l Thaler Kl Ngr. Naturschilderungen von I. F. Sch ouw. Deutsch von H. Zcisc. ?)tit Biographie und Portrait des Verfassers. l««'»5. 1 Thaler. Ehcmische Bilder auS de,n Alltagsleben. Nach dcm Englischen des Ia mc ö I o h n st o n. Ncllc elegante Allsgabe. 1^<»5>. ! Thaler. Die Witteruugslehre zur Belehrung und Unterhaltung für alle Stande von l>!-.G. A Iahn, Neue elegante Ausgabe. !8l»5. ITHlr. Naturlenre. Von D>-. E. C. Brewer. Nach der 8. Aufl. des cngl- Originals v. lir. O. Mar bach. Elegante Ausgabe. I8W. l Thaler- Vlassiker und Volksliteratur. Sophokles. Deutsch von O. Marbach. Nebst einführender Abhandlung. Die griechische Tragödie und Sophokles mit erläuternden Einleitungen uud Anmerkungen. Elegante Ausgabe. 18L0. 1 Thaler. Das Nibelungenlied. Neuhochdeutsche Ucbersehung von Oswald Marbach. Nebst einführender Abhandlung. Das Nibelungenlied und die altgcrmanische Voltssagc mit Anmerkungen und ausführlicher Iuhaltsangabc. Neue elegante Ausgabe. 18<',l». 1 Thaler. Westslawischer Märchenschah. Ein Charakterbild der Vohmen, Mäbrcr und Slowaken, in ihren Märchen, Sagrn, Geschichten, Volksgcsängcn und Sprichwörtern. Deutsch bearbeitet V. Wenzig. Mit Musikbcilagcn. Neue elegante Ausgabe. 16N«. l Thaler. Esaias Tegn^r's Dichterwerte. Inhalt: Die ssrithjofssagc. — Axel. — Die Nachtmahlskindcr. — Gedichte. — Deutsch vob Edmund Lobcdanz. Mit Biographie und Portrait des DichterS. Neue elegante Ausgabe. 1860. 1 Thaler.