Nr. 4. April 3900. m. Jahrgang. mMiik l^grau,sag3f beg - U ■ ^gjggi -g c^n H—Mj M Š^ggr~ Bezugsbedingungen. Der „Stern der Neger" erscheint als illustrierte Monatschrist am Anfange jeden Monates und kostet jährlich 3 Kronen (3 Mark) mit Postversendung. Wir richten an unsere Freunde die innige Bitte, ans Liebe zum göttlichen Herzen Jesu und zu den armen Negern Centralafrikas uns unterstützen zu wollen durch Verbreitung dieser Zeitschrift in ihrem Bekanntenkreise und Werbung neuer Abnehmer. Förderer und Vertreter zur Verbreitung des „Stern der Neger" werden an allen Orten unter sehr günstigen Bedingungen gesucht. Der Ertrag des „Stern der Neger" wird zur Heranbildung von Missionären für die armen Neger in Centralafrika verwendet. Neu hinzukommende Abnehmer erhalten die bereits erschienenen Nummern nachgesandt. Adresse für Bestellung des „Stern der Neger": Missionshaus der Söhne des hlst. Herzens Iesu in Mühland bei Brixen (Tirol). löngttptbn kr šibite des heiligsten HeiMS Ich, Missionäre für Eeulral-UWa oder Sudan. Bedingungen der Ausnahme. Die Congregation hat neben der Selbstheiligung der Mitglieder die Bekehrung der Neger von Centralafrika oder Sudan zum Zwecke. Sie besteht aus Ordenspriestern und Ordenslaienbriidcrn. Zur Aufnahme ist für alle der Beruf zum Ordensstande erforderlich sowie der aufrichtige Wille, sich und seine Kräfte der Bekehrung der Neger zu weihen. Außer Priestern werden aufgenommen Studenten und Laienbruder. Für die Studenten wird die vollendete V. Gymnasialclasse verlangt. In Mühland müssen alle 2 Jahre Noviziat machen, worauf sie, wenn nach dem Urtheile der Obern kein Hindernis entgegensteht, die heiligen lebenslänglichen Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ablegen. Die Studenten setzen dann ihre Studien für das Priesterthum fort. Beim Eintritt muss jeder eine bescheidene Ausstattung an Kleidung und Leibwäsche mit sich bringen und soviel Geld, als zur Rückkehr in die Heimat erforderlich ist, wenn solche aus einem triftigen Grunde sich als nöthig erweisen sollte. Nach ihrem Eintritte, seien sie Studenten oder Laien, übernimmt das Institut ihre Versorgung mit allein Nöthigen, in Gesundheit und Krankheit, wie für seine Söhne. Behufs Aufnahme in die Congregation ist an die unten bezeichnete Adresse einzusenden: 1. Ein selbstgeschriebenes Aufnahmsgesuch mit kurzer Lebensbeschreibung und der Erklärung, Ordensmann und Missionär für die Neger lebenslänglich sein zu wollen. 2. Das Zeugnis des Bischofes der eigenen Diöcese. 3. Das und Firmungszeugnis. 4. Pfarramtliches Sittenzeugnis. 5. Aerztliches Gesundheitszeugnis. 6. (Bei Minderjährigen) die Einwilligung des Vaters oder Vormundes. 7. (Bei Studenten) die Zeugnisse der absolvierten Gymnasialclasscn, besonders der letzten. 8. (Bei Laien) im Gesuche angeben, ob sie ein Handwerk verstehen. Adresse: Hochw. U. Obern bes Missionshauses der Söhne bes hlst. Herzens 2esu in Mühland bei iSrimt (Tirol). ftWiwk -IeitHpP jiK in jjtfntuu Organ des Uilsionshauses der „Zähne des s)sll. Herzens Jefn". Evfcheinl am Anfange jedes Mlonaks. Mr. 4. April 1900. III. Jaljrgang. Inhalt: Marion-Verein für Afrika. — Nachrichten aus dom Marion-Verein. — Erste Reise unserer Missionäre im wiedereroberten Sudan (Fortsetzung). — vom afrikanischen Sclaven 511m katholischen Priester (Fortsetzung). — Erinnerungen an eine Reise im Rothen Meere (Fortsetzung). — Festmahle des Lhalifen Abdullah!. Dieser unter betn Protectorate S r. k. und k. a p o st o l i s ch e n M a j e st ä t Kaiser Franz Josef I. im Jahre 1851 gegründete Verein für Katholiken der im Reichsrathe vertretenen Königreiche unb Länder unter der Obhut des österreichischen Episcopates hat die Förderung der katholischen Missionen unb der Sclaven-befreinng in Afrika zum Zwecke. Der Central-Ansschnss des Vereines befindet sich in Wien. Präsident desselben ist Se. Eminenz Cardinal Fürsterzbischof Dr. Anton G r n scha. In jeder Bischofstadt bildet sich eine Diöcesan-Abtheilnng mit einem Divcesan-Ansschnss; in jeder Pfarre eine Pfarr-Abtheilnng mit Pfarr- 74 Märien-Verein für Afrika. Ausschuss. Eine Pfarr-Abtheilung kann constituiert werden, sobald in einer Pfarre mindestens fünfzehn Mitglieder sich befinden. Ebenso können in den einzelnen Pfarren Frauengruppen sich bilden, wenn mindestens zwanzig Frauen dem Vereine beigetreten sind. Mitglied des Vereines kann jeder in Oesterreich wohnende Katholik werden, der sich verpflichtet, täglich ein Vaterunser und ein Ave mit dem Zusatze t. „Bitte, o Himmelskönigin Maria, für die unglücklichen Neger!" 11. „Auf dass sie mit uns würdig werden der Verheißungen Christi!" zu beten, und einen monatlichen Beitrag von mindestens 5 kr. ö. W. leistet. Theilnehmer werden solche, die sich zum Gebete nicht verpflichten, aber mindestens 1 fl. im Jahre spenden. Wohlthäter sind solche, welche nach Belieben eine einmalige oder öftere größere Gabe dem Vereine zuwenden. verliehen von Sr. H. Papst Pius IX., durch Breve vom 5. December 1852: Ein vollko mmener Ablass, nach vorausgegangener würdiger Beicht und Communion und unter den gewöhnlichen Bedingungen: 1. Am Feste der Auffindung des heiligen Kreuzes. 2. Am Feste Mariä Geburt, dem Hanptfeste des Vereines. 3. Einmal in jedem Monate, wenn man an jedem Tage des Monates die vorgeschriebenen Gebete verrichtet. Ein Ablass von 100 Tagen, so oft man ein Vereinswerk (das tägliche Gebet oder das Almosen) verrichtet. Bei Neugründnng von Pfarrgruppen übernimmt die Einleitung aller jener Schritte, welche zur behördlichen Genehmigung solcher Pfarrgruppen, resp. des Statutes, uothweuoig sind, der Vice-Präscs des Wiener Diöcesau-Ausschusses, der Hochw. Monsignor Anton Schöpfleuthner, Domcapitular bei St. Stephan in Wien I., Stephansplatz 6. Möge gerade jetzt, da die alte österreichische Mission im Sudan sich wieder eröffnet und die Missionsthätigkeit in Afrika in steigender Entwicklung begriffen ist, die Liebe zu den unsterblichen Seelen der armen Afrikaner und auch die Dankbarkeit für die Gnade des wahren Glaubens recht viele Oesterreicher bewegen, sich diesem heimischen Missionsvereine anzuschließen, und für die Ausbreitung desselben recht thätig zu sein. Ablässe für die Mitglieder, Nachrichten au§ ZemNanenverein Mr Nfrika. Marien-Werein für Afrika. In der unter dem Vorsitze Sr. Eminenz des hochw. Herrn Cardinals Fürsterzbischof Dr. Anton Grnscha am 23. Februar abgehaltenen Jahresfitznng des Centralansschnsses wurden die eingelaufenen Spenden folgenden Missionen zugewiesen: Der unter österreichischem Protectorate stehenden Mission für Centralafrika 13.000 Kronen, dem österreichischen Missionshause in Brixen 13.000 Kronen, der Franciscanermission für Oberagypten 1000 Kronen, dem Missionshause St. Gabriel bei Mödling 1000 Kronen, den Schwestern vom guten Hirten in La Marsa (Tunis) .300 Kronen, den Oblaten vom heil. Franz von Sales 300 Kronen, dem Missionär Franz Mayr in Pietermaritzburg (Natal) 300 Kronen. D'farrgruppc St. Aochus, III. Wien. Ueber tue bereits in letzter Nummer erwähnte General-Versammlung der Pfarrgruppe St. Rochus auf der Landstraße, welche ant 24. Jänner 1900 im Festsaale des Gemeindehauses stattfand, geht uns noch ein ausführlicherer Bericht zu. Hochwürdiger geistl. Consuleut Hr. Pfarrer und geistl. Rath Gold begrüßte die zahlreiche Versammlung auf's herzlichste und betonte, dass der heutige Abend ein wirklicher Eliteabend sei, nachdem so hohe Gaste erschienen seien, als: Hochw. Hr. Cauonicus Schöpfleuthner, P. Remigius, hochw. Cooperator Pflüger, zwei Missionsbrüder aus Mühland bei Brixen und Frau Gräfin Ledochowska. Er wies auf das kommende Fest: Pauli Bekehrung hin, um dann daraus für alle zu eutnehnten, wie wir uns die Frage stellen sollen: Was soll ich thun? und wie es eines Jeden Pflicht sei, durch Gebet und materielle Hilfe an der Ausbreitung des wahren Glaubens mitzuhelfen. Alsdann gab er der Schriftführerin, Frl. Bermann, das Wort, um den Rechenschaftsbericht für das verflossene Vereinsjahr.1899 abzulegen. Die Gruppe zahlt 452 Mitglieder; im Februar 1899 wurden 110 fl. und im Juni 90 fl an den Diöcesanausschuss abgeliefert, bereits waren wieder 160 fl. eingeflossen. Hierauf hielt P. Remigius Ruez, Franciseaner in Wien, eine seiner begeisternden Reden, wo er zu einem Kreuzzug aufforderte, nicht zur Eroberung von Ländern, sondern von unsterblichen Seelen. An der Hand von Ziffern zeigte er, wie das Missionswerk itn 19. Jahrhundert an Größe zugenommen hat, in Afrika z. B. von '/2 Mill, bis zu 3 Mill Katholiken. Trotzdem die Protestanten über viel mehr Geldmittel verfügen, sind ihre Bekehrungsversuche in keiner Weise so vom Erfolg gekrönt, als wie die Missionen der Katholiken. Erstens ist eben diesen nur die Sendung von oben dazu ertheilt worden, da Christus die Apostel und deren rechtmäßige Nachfolger in alle Welt gesandt hat; dann führen die Missionare ein Lebeit voll Opfer und Entsagung; endlich haben sie die rechte Methode, indem sie zuerst die trägen Schwarzen zur Arbeit anleiten und dann erst auf ihre Belehrung hinwirken. Soviel aber auch die Missionen sich ausgebreitet haben, bleibt doch noch viel zu thun übrig und der hochw. Redner bittet daher dringend auch ferner dem Vereine treu zu bleiben, neue Mitglieder anzuwerben und so die christlich-sociale Bewegung auch in Afrika zu fördern. Hochw. Hr. Pfarrer Gold dankte für die herrliche Rede unb da er wegen Arbeitsübcrbür-dung seine Stelle als geistl. Consulent niederlegen musste, übertrug er dieselbe dem hochw. Herrtr Cooperator Pflüger, welcher dieselbe zu übernehmen die Güte hatte und dann die Wahl des Ausschusses vornahm. Hierauf hielt hochw. Hr. Canonicus Schöpflenthner eine Ansprache, in welcher er dem hochw. Herrn Pfarrer Gold ttnd dessen Nachfolger hochw. Hrn. Pflüger als geistlicher Coitsulent, sowie den Damen des Ausschusses für ihre Bemühungen, sowie der Frau Gräfin für ihr Erscheinen seinen Dank anssprach und die Mittheilung machte, dass er eben timt Sr. Eminenz dem Cardinal Grus eh a komme und der Versamiitlnng dessen Gruß und Segen zu übermitteln habe, sowie dessen Wunsch, sich für die Zeitschrift „Stern der Neger" zu interessieren tmd sie fleißig zu abonnieren, da deren Erträgnis den armen Schwarzen zugute kommen soll und diese Zeitschrift daher auch sie, wie der Stern der hl. 3 Könige zum Glauben führen soll. Keiner möge den Saal heute verlassen, schloss der hochw. Redner, ohne den Entschluss: „Ich bleibe dem Marienvereine treu und werde trachten auch andere dafür zu begeistern." Nun hielt der ehrwürdige Bruder Carl Klodt, ans dem Missionshause timt Mühland eine sehr interessante Ansprache über seine eigenen Erfahrungen und Anschauungen in Afrika, wo er nicht als Priester, aber als ehemaliger Schreinergeselle, nun als Missionsbruder längere Zeit weilte: Er beschrieb in anschaulicher Weise die Gebräuche der Schwarzen bei ihren Hochzeitsfesten u. dgl. nt., die Art und Weise, wie die Missionäre bei der Bekehrung und Vorbereitung zur hl. Taufe bei den Negern vorgehen itttb besonders über die Errichtung einer Station in Assuan, wo Redner selbst gegenwärtig und thätig war und die trotz der vielen Anfeindungen von Protestanten und Arabern glücklich zustande kam; Redner bat auch ferner durch Gebet und materielle Unterstützung mithelfen zu wollen. Während des Vortrages wurden an die Anwesenden Photographien von Naturaufnahmen von verschiedenen Gebäuden, Pälmenhaine, Negergruppen rc. zum anschauen vertheilt, was großen Beifall fand. Endlich hatte Frau Gräfin Ledochowska die Güte, einige Worte an die Versammlung zu richten. Sie wolle nur gemeinschaftlich mit den Anwesenden eilte Gewissenserforschung anstellen, vor welcher wir alle Gott danken sollen, dass er uns seit unserer Geburt schon zum wahren Glauben teufen hat und uns dann fragen: Ob wir auch alles gethan um andere zum wahren Glauben zu bringen? sind wir Alle Mitglieder des Marientiereins? haben wir auch andere Mitglieder geworben? uns auf Missionsschriften abonniert oder andere dazu veranlasst? it. s. tu. Wir sollten nun den Vorsatz fassen, alles dies auch eifrig zu thun, was nicht nur zum Vortheile der Neger, sondern auch unserer eigenen Seele sein Ivird. Hochw. Consulent Hr. Cooperator Pflüger schloss die animierte Versammlung mit Dank an alle und es wurden dann noch viele neue Mitglieder anfgenominen. Usarrgrnppe gtntioritctt, Wien. Im großen Saale des Gemeindehauses des zehnten Bezirkes hielt mit 11. März die Pfarr gruppe Favoriten des Marienvereines für Afrika, die im vorigen Jahre begründet wurde und unter ihrem Präsidenten, hochw. Herrn Cooperator Peter Sir, eine überaus erfolgreiche Thätigkeit entwickelt, eine Versammlung ab, zu der sich ein zahlreiches distinguiertes Publicum, namentlich Vertreter mehrerer Korporationen und Vereine, eingefunden hatten. Nach der Eröffnungsansprache des Vereinsprüsidenten nahm als erster Redner P. Carl Friedrich aus der Gesellschaft Jesu das Wort zu einem interessanten Vortrage über die Missionen am Zanibesi in den portugiesischen Besitzungen, während Fr. Carl Klodt über die Missionsthätigkeit in Centralafrika sprach. Beide erzielten durch ihre Vorträge großen Beifall, ebenso Canonicns Msgr. Anton Schöpslenthner, welcher unter- anderem an die Versammlung die Bitte richtete, beit Marienverein für Afrika zu unterstützen. Im Laufe des Abends wurde auch die Neuwahl des Ausschusses tiorgenommen. Gewählt wurden die Herren Cooperator Peter Sir, Leopold Hruza, Johann Cymbal, Josef Halbgebaner, Johann Schacher! Franz Tippmann, Hans Fritsche und zu Revisoren Pfarrer Eduard Karabaezek und Herr Wilhelm Berger. Der Abend brachte auch einige gelungene Aufführungen der Jünglingsvereinscapelle unter der Leitung ihres Mnsikdireetors Baxa, sowie humoristische Vorträge der Herren Richter und Scheiringer. Der hochw. Herr Sir brachte bei seinen Schlussworten ein dreifaches Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus, welches lebhaften Widerhall bei den Anwesenden fand. Mit der Absingnng der Volkshymne schloss die schöne Versammlung. ^CX Ds. H^elNlS ^srtUvt'. Eigentbum der 5t. petcus Ciauec-'Sobalität. csLj^>r^^ZZ> ■tile Krist MstrrrWsslonlireii» mÄererilikrtk» Won Assncrn nnch (3)möermcm unö gurücß. Von P. Wilhelm Banholzer, F. S. C. (Fortsetzung.*) egen 3 Uhr wurde mit dem Abfahren Ernst gemacht und wir stiegen ein. Die Bahnbeamten waren vom Befehlshaber über unsere Abreise benachrichtigt, und keiner forderte uns ein Billet ab. Einmal int Wagen einlogiert, bleibt man dann bis zur nächsten Haltestelle, d. h. bis Atbara, von Billetnntersnchern unbehelligt, da gegenwärtig noch niemand nach dem Sudan reisen darf ohne besondere Erlaubnis des Gouverneurs in Omderman. Das ist bequem. Bis dorthin können wir uns also im „Salun" einrichten, wie es uns behagt. Ein feiner Nordwind weht und trägt die vom Sand aufsteigende Hitze weg. Wir versprechen uns zum voraus herrliche Stunden in der frischen Wüsten-luft. — Endlich ein Pfiff: der Zug hebt an. Gott sei Dank, dass wir die Welt eine Weile los werden. Noch eben sehen wir die grünen Ufer und den Silber-spiegel des alten Nils, dann sind wir in der Wüste allein. Auch die Sonne verschwindet: gleich einem Fenerball liegt sie weit unten am Horizont — mit einem Schlage versinkt sie, und nun wird es erst recht einsam. — Die Temperatur fällt int Augenblick, und der ungemischte, scharfe Nordwind dringt durch alle Ritzen des Wagens, so dass wir uns besser bekleiden müssen. Was für ein Bild! Die Wüste unter den Sternen in Halbmondbelenchtmig! Wie habe ich mir sie nnfrenndlich und schreckhaft gedacht! Die Wüste ist keine Wildnis; die Abwesenheit alles Lebens schafft ein Bild der Einförmigkeit, aber das Bild des Todes und des Schweigens wirkt ernst und unwiderstehlich auf unsere Einbildungskraft. Der Mensch braucht nur Sinn und Herz zu haben, und die ganze Oede hat für ihn Leben. Me der Eindruck der Wüste auf die Phantasie, so wirkt die Wüstenlnst vermöge ihrer paradiesischen Reinheit auf die Lungen, die wie neugeboren arbeiten. Der Zug sauste tüchtig dahin, und wir rechneten darauf, am Dienstag-Abend in Atbara zu sein. Da gegen 8 Uhr hielt ans einmal der Zug an. Es war etwas an der Maschine gebrochen, hieß es. Kurz und gut, der Maschinist hämmerte und arbeitete eine gute Zeit an der Locomotive herum. Am Ende gelang es ihm, wie einige Soldaten meinten, „den Esel wieder auf die Beine zu bringen". Aber *) Siehe Nr. 3 Seite 60. nur für eine kurze Weile: bei der nächsten Haltestelle blieb der Zug schon wieder stehen. Es wurde nun nach Wadi-Halfa telegraphiert, dass an der Maschine etwas gebrochen fei, und man so nicht weiter könne. Darauf kam der Befehl, man solle sich weiter behelfen, so gut es gehe, bis zum Bahnhof Nr. 6, da keine andere Maschine zur Verfügung stehe. Der Maschinist schlug daher „ein paar dicke Nägel in die wunde Stelle ein" und ließ davondampfeu. — Der Bahnhof N r. 6 ist eine Haltestelle mit einer größeren Werkstätte, auf dem halben Wege nach Abn-Hamed. Drei bis vier Zelte mit einem halben Dutzend Soldaten, movon zwei das Telegraphieren verstehen, sind auf so einer Haltestelle in der Wüste. Die Lebensrnittel für die Leute, werden alltäglich durch die aus Atbara und Haifa kommenden Züge gebracht. Die Haltestellen sind alle einfach numeriert, weil weder ein Stein, noch ein Baum, noch irgend etwas vom Saude verschiedenes vorhanden ist, das ihnen einen Namen leihen könnte. Bis Abn-Hamed sind neun solcher Stationen. Ich schlief heute trotz der Unsicherheit der Fahrt schon nach Mitternacht ein. Den Grund davon nahm ich sofort am Morgen beim Aufstehen mit der Sonne wahr: unser Zug stand nämlich schon lauge wieder still. Also hatten die „dicken Nägel" nicht viel geholfen. Nun begannen selbst die ägyptischen Reisenden die Geduld zu verlieren, und gerade vor meinem Fenster schimpfte ein dicker Kerl, von den Officiersbm scheu im Wagen hinter uns lebhaft applaudiert, über „den Esel von einer Locomotive", die nicht voran, über das dumme Ross, das nicht laufen wolle. Dann stellte er sich vor die unschuldige Locomotive hin und schrie sie an. Alle Schuld wurde dem Maschinisten zugeschrieben, der ein Engländer war. Wenn der gute Mann arabisch verstand, hat er bittere Worte zu hören bekommen über sich und seine Nation. Aus dem Wagen hinter uns schrie ein arabischer Sergent: ,,Kän ahsan, er-ragl da jmsehy-and jatsehy bedalu uahed min el-auläd el Massriin. Min šaman ehna krmna ft Atbara — lau kan keda. (Es wäre gescheidter, wenn der Mensch da abgienge und an seiner Stelle eines der „Kinder" Aegyptens die Sache in die Hand nähme. Wir wären, wer weiß, wie lauge schon in Atbara, wenn unsereiner da vorn stände.)" Um die Locomotive herum saßen dann noch viele, die nicht geschlafen hatten, von denen der Engländer auch keine Lobreden hörte. — Inmitten dieser Unzufriedenheit arbeitete jedoch der verständige Biaschinist unbekümmert weiter und schlug wieder „einige Nägel" ein. Die Schadhaftigkeit der Maschine war in Wirklichkeit dadurch herbeigeführt worden, dass sie, die schon am Cap der guten Hoffnung im Dienste gestanden, keine Vorrichtung gegen das Eindringen des seinen Sandes hatte, wie sie die neuen amerikanischen Maschinen besitzen. — Gegen 7 Uhr war wieder alles in Ordnung, und man konnte hoffen, ohne neuen Aufenthalt den Bahnhof Nr. 6 zu erreichen. Es war höchste Zeit. Wir hatten schon Dienstag und hatten noch nicht einmal den halben Weg nach Abn-Hamed zurückgelegt. Die aufgehende Sonne hatte, wie gestern, int Nu die Temperatur geändert, und wir legten von der Nachteinwickelung so viel ab, als möglich war. Draußen glitzerte der Sand schon derart, dass die Augen es nicht mehr ertragen konnten und sich unwillkürlich vom Fenster abwendeten. Das war kein Verlust. Herrschte ja doch überall das alte Einerlei. Es gab so Gelegenheit, etwas über die Eisenbahnlinie, ans der wir fuhren, über ihre Kosten und ihren Wert nachzudenken. — Vor allem wunderte ich mich darüber, dass die Eisenbahnlinie nicht schnurstracks, sondern in Krümmungen ihren Weg fortsetzte, obwohl bis jetzt kein Hindernis sich ergeben hatte, das einen Umweg nöthig machte, und die Wüste immer wie ein Sandmeer spiegeleben anhielt. Vielleicht liegt der Grund dieser Wendungen in unmerklichen Steigungen und Senkungen des Terrains oder in der bisweiligen Unsicherheit des lockeren Untergrundes. Unterwaschungen des Dammes sind hier nicht denkbar, da wir noch aitßerhalb der Regenzone sind; eher wäre eine Zer- störung desselben durch die Wüstenstürme möglich. Der nackte Bahnkörper der Linie Abu-Hamed hat der Regierung nichts ge kostet, weil ihr das ganze Wüstengebiet gehört. Auch die Erd arbeiten haben nur geringe Kosten verursacht, weil sich der Wüstensand wie Schnee schaufeln lässt Endlich besteht das Arbeitspersonal aus gefangenen Derwischen und ägyptischen Soldaten, deren f Alte, christliche Kopini« erstere umsonst, die letzteren nur mit einem geringen Lohnaufschlag ihre Dienste seiften- — Bei den Haltestellen liegt ein Doppelgeleis, weil hier die auf- und abfahrenden Züge sich begegnen. Ein dort hart am Geleise stehender Wasserbehälter wird aus dem jedesmal passierenden Zuge für die Bedürfnisse des Personals gefüllt. Als, wie mir erzählt I wurde, einmal ein Zug wegen meilen- weiter Zerstörung des Bahndammes nicht zur nächsten Haltestelle gelangen konnte, verdursteten einige Soldaten.'—Unsere „vernagelte" Maschine mochte es auf zwölf Kilometer in der Stunde bringen. Immerhin erreichte sie noch den versprochenen Bahnhof Nr. 6 um 1 Uhr. Der „alte Gaul" wurde dann abgespannt und auf einer Abzweigung des Geleises in die Reparaturwerkstätte geführt. Wir hatten das Vergnügen, mitten in der Wüste in einer furchtbaren Sonnenglut zu warten, bis dem „alten Gaule" die Eisen aufgenagelt waren. Das sollte bis abends 8 Uhr dauern. In Atbara und Berber wusste man vielleicht nicht einmal von unseren Schmerzen. — Auf dem „Bahnhof Nr. 6" hatten wir uns bald umgesehen. Zum Unterschied von den vorhergehenden „Bahnhöfen" hatte dieser einen Wasserbehälter auf hohem Gerüste, der mittels einer Pumpe aus einem Brunnen gefüllt wird. Nebenan stehen ein halbes Dutzend aus Eisenbahnschwellen gekartete Hütten für die Mechaniker und Soldaten. Darauf folgen die Werkstätten, aus demselben Material Erste Reise unserer Missionäre im wiedereroberten Sudan. 81 gebaut, und ein Lager von Schienen und Schwellen. Ringsumher ist kein grüner Zweig sichtbar. Umsomehr überraschen die Taubenschwärme, die über uns hin-und herfliegen. Sie werden von den Soldaten unterhalten. — Für uns gibt es hier nichts als Wasser. Wehe dem, der sich nicht in Haifa tüchtig vorsieht! Man weiß nicht, was dem Zug in der Wüste zustoßen kann. Geduld bringt Rosen. Die Eingeborenen schliefen, und wir wären die einzigen Ungeduldigen gewesen, Hin ZZeduinemvcib. hätten wir uns nicht ihrer Ergebung in den Willen Gottes angeschlossen mit einem kollu chär — auch so gut. — Die Haltestelle soll nicht weit von Morad, Ans-ruhepnnkt der Karawanen zwischen Korosko-Abu-Hamed, liegen. P. Ohrwalder hatte in Morad auf seiner Flucht nach Norden den ersten sicheren Punkt erreicht, um ein wenig auszuruhen. Es lagen damals 100 Ab ab das unter Salem-Pascha im einsamen Flecken. — Abends 8 Uhr gab die ausgebesserte Locomotive durch einen gewaltigen Stoß laut, dass sie marschbereit sei. Kaum angesetzt, fuhr sie ohne Pardon drauf los. 82 Erste Reise unserer Missionäre im wicdererobcrten Sudan. U-bu-Hamed, 27. September 1899. HMichts ermüdet mehr als Nichtsthun und Warten. Daher schliefen wir vom v Bahnhof Nr. 6 an vorzüglich. Erst als am Morgen die Locomotive wieder einen jener Stöße gab, die mehr im Hinterkopf als im Gedächtnis eingeprägt bleiben, erwachte ich. Wir standen in Abu-Hamed, der letzten Station der Wüstenbahn. Es war noch dunkel. Wir sahen deshalb weder den eigentlichen Ort Abu-Hamed noch ein Stück des Kataraktes. Vielleicht gibts Gelegenheit auf dem Rückwege. Zum Glück war der Aufenthalt unter diesen Umständen kurz, und ich hatte mir kaum die Augen ausgerieben, als Abu-Hamed schon hinter uns war. Von nun an fahren wir nahe am Nil entlang. . Von der Eisenbahn aus . haben wir jetzt einen freien Blick über das ganze gerühmte Nilgelände, während wir vom Schiffe aus bis Halfa nur die nächsten Uferstreifen zu Gesicht bekamen. Völlig neue Bilder treten uns entgegen: die allein herrschende Dompalme, bald einsam stehend, bald in unregelmäßigen Gruppen — hier als ausgewachsener Baum, dort in der zierlichen Strauchperiode, aber immer vernachlässigt und mit den Schuppen und Blättern vergangener Jahre, verkündet eine neue Gegend und lässt aus ihrem verwilderten Zustande auf die Verwilderung und Sorglosigkeit der Bewohner schließen. Die breitknochigen Stammrippen, die abgestorbenen Aeste und Blätter liegen vom Winde losgelöst in allen Winkeln und über alles Gestein hin zerstreut. Zwischen einzelnen Gruppen finden sich noch die Abfälle von vielleicht sechs bis sieben Jähren her. Niemand sammelt diese brennbaren Ueberreste, wohl wegen der zu großen Entfernung und der Spärlichkeit der menschlichen Niederlassungen. Man sieht auf weite Strecken keine Menschen, und die Verlassenheit der fetten, baumreichen Ufer ist geradezu kläglich. Knochen von Menschen und Thieren machen die allgemeine Wildnis erklärlich, in der sich nur ein paar Hirten mit mageren Geißherden sehen lassen. Zwischen den zwei Bergen, die im Osten sich erheben, kam P. Ohrwalder auf der Flucht nachts heraus, um am Nile Wasser zu fassen. Er wusste sogar noch die Stelle, wo er und die Seinen ans eine berittene Derwisch-Wache stießen, der sie zur Rettung des eigenen Lebens ihre letzten Pfennige auslieferten. Bis weit ins Land hinein, soweit das Auge reicht, sind Dorngestrüppe und mattgrüne, dichte Gesträucher, die den von der Wüste ankommenden Saud aushalten. Ueberall, wo dieser Strauch einige Höhe erreicht hat, haben sich kleine Sandhügel gebildet, die ihrerseits einen wirksamen Damm gegen den an vielen Orten stark vorgeschrittenen Saud bilden. Wie eine am Wege gemachte Erfahrung zeigt, ist dieser Strauch die beste Schutzmauer gegen die Wüste, besser noch als der Suntbaum, der viel empfindlicher ist und immer Wasser nöthig hat. Nach etwa fünfstündiger Fahrt hart am Ansgange des bewachsenen, wenngleich verwilderten Landes, verlässt die Bahn auf einmal ihre bisher eingehaltene Richtung und geht tief in die Wüste hinein. Nur noch selten kommt der Nil zu Gesicht. Wo aber die Eisenbahn auf eine Weile durchs Culturland hindurchfährt, finden wir die Dompalmen eigenartig zugerichtet. Die Eingeborenen scheinen in genügender Anzahl sich zusammengethan zu haben,' um die junge Wildnis zu reinigen, die auch hier nach dem Abzug aller kampffähigen Leute nach Omderman zusammen- Erste Reise unserer Missionare int wiedereroberten Sudan. 83 wuchs. Sie zünden unter den langhaarigen, verkümmerten Palmen ein Feuer cm, das den ganzen Unrath vergangener Jahre verzehrt. Da steht dann die sonst so zierliche Palme da, ohne Aeste, ohne Blätter, ganz vom Feuer geschwärzt bis zur kleinen Blätterkrone, das einzige Zeichen, dass in dem kohlschwarzen Stamme noch Leben ist. Auch einige Kornfelder sahen wir inmitten der schwarzen Gesellen, die ersten, denen wir begegneten. Die Menschen sind aber sehr rar, zahlreicher sind die Gräber, die immer durch ein einsames Fähnlein, bald zur Rechten, bald zur Linken, angekündigt werden. Wer nicht den Schnellzug benutzt, wie wir, hat nach einer Fahrt von sechs bis sieben Stunden jedesmal einen kleinen Aufenthalt von einer Stunde mitzumachen, während dessen die Locomotive mit den Wasserbehältern in die Abzweigung der Hauptbahn nach deni Nile einfährt, um aus einem hoch erhobenen Behälter hart am Nil neues Wasser zu fassen. Ein jeder kann dann davon haben, so viel er will. Das warme, schmutzige Nilwasser reinigt und kühlt sich in den üblichen Wasserkrügen (Gnllen) sehr schnell und wird nach ein bis zwei Stunden trinkbar; wenn die Krüge einem starken Nordwind ausgesetzt sind,, geht es noch schneller. Das Wasser bewährt sich als das beste Getränk in diesen . Ländern, wo geistige Getränke sehr gefährlich sind. — Nachdem unser Zug Wasser-eingenommen, gieng er wieder in die Wüste. Enttäuschung! Dachte ich mir da die neue Bahn von Abn-Hamed nach Atbara, den Windungen des Nils folgend, immer inmitten bebauten Landes und überraschender Naturbilder, und nun haben wir die Wüste zu beiden Seiten beinahe auf der ganzen Linie. Gegen 6 Uhr erschienen die ersten Vororte von Berber, und nach halbstündiger Fahrt waren wir auf dem Bahnhof, der sehr weit von der eigentlichen Stadt entfernt ist. Wir hatten weder Gelegenheit noch Zeit, hineinzugehen, um neue Mundvorräthe zu kaufen. In dem nur noch eine Stunde entfernten Atbara war sicherlich an nichts Mangel. — Die Leute im Distriet Berber sollen mit der neuen Regierung sehr zufrieden sein und die Verhältnisse seit einem Jahre sich sehr gebessert haben. Bis nach Atbara hatten wir wieder Wüste, kümmerten uns aber wenig um dieselbe und packten ungeachtet Sonnenuntergang und Mond und Sterne unsere Siebensachen im „Salun" zusammen, um für den Ausstieg in Albara und eventuell auch für die Einschiffung auf den Dampfer bereit zu sein. Interessant ist nur die reine, ungemischte Wüste von Halsa nach Abu-Hamed, was nachher kommt, macht den Eindruck einer leeren Einöde. — Die Linie At-bara-Chartum ist bis auf 28 Meilen fertiggestellt, aber noch nicht dein allgemeinen Verkehr übergeben. (Fortsetzung folgt.) Gisenvahnstation in der Wüste. (Nach einer Photographie von P. Ohrwaldcr.) Um» «frihitpjtii Sdmicn pt luitljolpjcii Prikstrr. Dcrniek Sorüv 'AHarim Den, Negerpriester aus dem Stamme der Dinka in Central-Afrika, zum Katholicismus bekehrt 1874, Priester seit 8. Mai 1887, gestorben 11. Jänner 1900. (Eine Selbstbiographie.) V. (Fortsetzung.*) (Kriegsanfänge gegen die Dinka. Ein Kampf an den Ufern deS Weißen Niles. Krankheit und Tod meines Bruders.) Die Baggnrah hatten mit den Dinka Frieden geschlossen und konnten diese letzteren nun ziemlich ruhig sein, wiewohl kleinere Baggnrah-Meuteu von Zeit zu Zeit ihre Nachbarn belästigten, indem sie einen förmlichen Einfall unternahmen und Stücke Viehes von der Weide stahlen oder auch hier und da einen Dinka heimlicherweise ermordeten. Das waren Anzeichen eines zwar nicht so baldigen, wohl aber eines unausbleiblichen Sturmes, der sich entwickeln sollte. Wieder waren die Dinka von ihren eigentlichen Ansiedelungen nach Hirtengewohnheit in die Ferne gezogen und hatten sich in der Nähe eines See's (ich glaube, es ist der No-See des Bahr-el-GhazLl und Bahr-Abiad), der als Grenze zwischen den Dinka und den BaggLrah-Arabern galt, niedergelassen. Sie waren hier so gut wie in Feindesland. Eines Tages hatte sich eine größere Anzahl W.iber etwas weiter vorgewagt und der BaggLrah-Grenze sich genähert, um dort wildwachsende Früchte zu sammeln. Das gab den neidischen Baggnrah, die voll Hass gegen die Dinka und begierig waren, diese schöne Gelegenheit sich nicht entgehen zu lassen, Anlass zu einer Sclaven-Razzia. Sie giengen auf die Weiber los und führten verschiedene in Sclaverei ab; die anderen konnten sich mit knapper Noth durch die Flucht aus ihren Händen retten. Nach dieser Treulosigkeit erklärten sie noch erst den Dinka den Krieg. Diese aber, wohl wissend, dass sie sich außer ihrem gewohnten Terrain einer großen Gefahr aussetzen würden, wiesen die Kriegserklärung zurück. Die BaggLrah, welche daraus den Schluss zogen, dass die Dinka vor ihnen Furcht hätten, fuhren nun in ihren gewohnten Raubzügen fort, ja dehnten dieselben noch aus und raubten bald Knaben oder Mädchen, bald Ochsen, Kühe, Ziegen it. s. w. So machten sie es durch mehrere Wochen. In dieser Zwischenzeit hatten sie aber zu ihrem Könige oder Häuptlinge Hamadnn gesandt, damit er ihnen eine Truppe, welche mit Feuerwaffen versehen sei, nachsende, damit sie einen großen Sieg über die Dinka erringen könnten. Diese aber waren noch in letzter Stunde von einem Landeskinde im Feindeslager, das einst von den Baggürah in seiner Jugend *) Siehe Nr. 3 Seite 52. Vom afrikanischen Sclaven zum katholischen Priester. 85 geraubt und naturalisiert worden war, aber noch ein wenig Vaterlandsliebe in seinem Busen suhlte, von dem ganzen Plane verständigt worden und zogen sich darum sofort in jener Nacht noch weiter in ihr Land zurück. Beim ersten Morgengrauen sahen sie aber schon eine starke Reiterei; es waren die Araber auf dem Fuße nachgefolgt und hatten sich in einer Entfernung von etwa einem Kilometer gelagert. Als meine flinken Landsleute das bemerkt hatten, trieben sie in aller Eile ihre Herden fort, und schickten auf Nachen Greise, Weiber und Kinder weg, während alle Männer und streitkräftigen, wüthigen Jünglinge den Arabern in tapferster Weise Widerstand leisteten. Mit ihnen war ein Weib zurückgeblieben, das die Waffen ihres Mannes ergriffen hatte und mit solcher Wuth gebrauchte, wie nur ein Mann es hätte thun können, so dass nun sie anfangs für wahnsinnig und rasend hielt, während dem jedoch nicht so war. Die Unserigeu trieben aber die treulosen Araber von dem Felde, auf dem sie von ihnen angegriffen worden waren, zurück, und erst als die Dinka sich vergewissert hatten, dass all' ihre Leute und Habe bereits in Sicherheit, d. h. jenseits des Stromes gebracht worden, und auf dem Kampfplatze niemand mehr da sei, warfen sie sich in den Strom und erreichten schwimmend das jenseitige Ufer, ohne auch nur einen Mann verloren zu haben. Die Baggurah, über diese schmähliche Schlappe wüthend, verdoppelten nun ihren Rachedurst und sannen darauf, wie sie ihn stillen und die Dinka niederschmettern könnten. Es waren schon mehrere Monate seit dieser Schlappe verstrichen, als sie am Strome (Weißer Nil) streifend eine Stelle gefunden hatten, wo sie ziemlich leicht über denselben hinüber setzen konnten und nun siegesgewiss waren. Bald waren sie, und zwar in früher Morgenstunde, kampfbereit da und begannen ein wuth-entbranutes Gefecht, das sie durch mehrere Tage wiederholten; aber alles Kämpfen fiel zu ihren Ungunsten aus, denn in dieser kleinen Ruhezeit oder Waffenstillstand, wenn ich so sagen darf, hatten sich die jüngeren Dinka im Lanzenwerfen und zur Selbstvertheidigung so wohl eingeübt, dass in jener Kriegs- und Kampfeszeit ein jeder seine Vaterlandsliebe in heldenhafter Handhabung seiner Waffe bewies. Die Dinka hatten darum wieder die Siegeslorbeeren für sich, während die Feinde zu ihrer neuen Schlappe mehr Todte und Verwundete als wir hatten; und was für uns besonders glorreich war, hatten wir eine ganze Reihe von Gefangenen, die Feinde hingegen nicht einen einzigen aus unserer Mitte. Die Dinka wollten nun wahren und dauernden Frieden haben, und hielten es darum für angezeigt, aus diesem Gebiete des Haders, der Räubereien, Scharmützel und blutigen Kämpfe ganz wegzuziehen und die inneren Steppen ihres Gebietes aufzusuchen und auszunützen. Es dauerte jedoch nicht lange, da kamen unsere Blutfeinde, die BaggLrah, auch dahin. Da sie wahrgenommen hatten, dass die Dinka nun jeglichen Krieges sich enthalten wollten und darum die verschiedenen Diuka-Stämme mit ihren Herden sich zerstreut hatten, so hofften sie wenigstens jetzt ihre Rache stillen zn können, umsomehr, da auch die von ihrem Fürsten verlangte Hilfstruppe mit Feuerwaffen zu ihnen gestoßen war. 86 Vom afrikanischen Sclaven 511111 katholischen Priester. Die Unseligen hatten sich int Innern des Landes an einem großen Wasser-Sammelbecken gelagert, was alle Vortheile für ihre Herden hatte. Eines Tages nun giengen mehrere Weiber zn diesem kleinen See, um Wasser zu holeu und fanden dasselbe ganz getrübt, und nichts Böses ahnend, meinten sie, dass die Viehherden zur Tränke hier gewesen sein müssten; indes waren es die Araber. Sie nahmen nun in ihre Gefäße Wasser ans und kehrten in ihre Wohnungen zurück, und als sie in dieselben eintreten wollten — einige waren schon darin, wie z. B. meine Adoptiv-Schwester 9t(üb — wurden sie Plötzlich von einer BaggLrah-Rotte angefallen und als Selavinnen abgeführt. Bei diesem Geschrei der Verzweiflung und den Flintenschüssen erkannten die Unseligen bald, um was es sich handle. Sie kamen heran, nicht um zu kämpfen, da sie in Anbetracht der Feuerwaffen ihrer Gegner keine Aussicht auf Erfolg haben konnten; aber nichtsdestoweniger kam es zum Kampfe, und sie kämpften so tapfer, dass sie die Araber trotz ihrer Gewehre zurücktrieben und vom Wasser fern hielten. Als der Baggärah-Anführer das sah, erkannte er anch sofort die Gefahr und überzeugte die Seinen, von diesem Terrain sich ganz zurückzuziehen, damit nicht etwa die Dinka sie halb verdurstet und darob in einem Zustande von Schwäche und Mattigkeit überfallen und vernichten könnten. Die Gründe des Anführers verfehlten ihren Eindruck nicht, und wurde darum ein regelrechter Rückzug angetreten, worauf wir wieder einige Zeit Ruhe hatten. Die Verluste der Dinka waren an jenem Tage sehr bedeutende an Todten und Verwundeten. Mein Onkel (mütterlicher Seite) hatte am selben Tage alle fünf Finger seiner Rechten verloren; denn eine Kugel war durch den Schild, welchen er mit derselben Hand führte, gedrungen, und hatte ihm alle Finger abgerissen. Dank der Hilfe der Bewohner von Uende-Dil, welche vor den Arabern geflohen waren und sich mit uns. vereinigt hatten, konnte man zn ihrem und unserem Vortheile den Arabern Widerstand leisten und den Sieg über sie erringen. Nach diesem vergeblichen Kampfe waren die Araber mit ihrem geringen Erfolge, wenige Selavinnen nur und einige Thiere, die sie geraubt hatten, abgezogen. 9lnch die Unseligen verließen den Kriegsschauplatz und kehrten in ihre engere Heimat zurück. Dort erkrankte, wohl infolge der überstandenen Strapazen, mein Bruder. Da es sich im Anfang nur um geringe Fieber handelte, so achtete man nicht so sehr darauf, zumal er schon seit seinen Knabenjahren an einem beständigen Husten litt, gegen den kein Mittel gefunden werden konnte. Zu diesem seinem Husten gesellten sich nun beständige Kopfschmerzen, die immer ärger wurden. Obschon sehr leidend, wollte mein Bruder doch allen Familienpflichten genau nachkommen und war ihm besonders daran gelegen, eine alte Schuld von einem gewissen Gläubiger herauszubekommen, und er machte sich auch zu diesem Zwecke ans den Weg. Dort holte er sich aber erst recht den Todesstachel. Der Gläubiger beschäftigte sich mit Magie, er war Zauberer. Seine zwei Söhne wollten aber von einer Bezahlung der betreffenden Schuld nichts wissen und bestürmten ihren Vater in einem fort, dass er nichts, gar nichts ansbezahle. Einer von des Zauberers Söhnen überfiel dazu meinen Bruder ungeahnter Weise und schlug namentlich ans Vom afrikanischen Sclaven zum katholischen Priester. 87 dessen Brust zu. Infolge dessen nahmen die Fieber rasch und an Heftigkeit zu, und er war kaum imstande, sich nach Hause zu schleppen, wo ihn nach wenigen Tagen auch noch die Blatternkrankheit befiel, die er wohl aushielt, aber er musste beständigen Brustleidens wegen das Bett Hilten. Die Mutter, welche den nnver- § 00 iS © sl .5 4 te- ti meidlichen Tod herannahen sah, trug Sorge dafür, dass wir vorher noch in einer anderen Hütte Aufnahme fanden, um uns den Schmerz zu ersparen, den tvir als Zeugen des Hinscheidens unseres Bruders, der unser zweiter Vater geworden war, empfunden haben würden. — An seinem letzten Morgen klagte er über Schmerzen, wie er sie noch nie verspürt hätte, und dieser Zustand wurde bis Sonnenuntergang 88 Vom afrikanischeil Sclaven znnl katholischen Priester. immer ärger; dann starb er im Beisein der Mutter und jenes Nuör-Mannes, der noch in unserem Hause war. Als wir von dieser traurigen Thatsache durch unsere Mutter verständigt worden waren, kehrten mir, von Schmerz tief gebeugt, nach Hanse zurück. Am folgenden Tage dachte man an dessen Beerdigung. Dazu aber war Wasser nöthig, um die Erde, welche außer der Regenzeit ungemein fest ist, zu befeuchten. Dieses Wasser nun wollte die Mutter selbst vom Strome, ’ der noch dazu etwas entfernt war, holen. Natürlich musste sie oft denselbeu Weg machen, da das irdene Gefäß, mittels dessen sie das Wasser auf ihrem Kopfe herbeischaffte, nur wenige Liter fasste. Auch aus dieser Thatsache wird der geneigte Leser schließen können, mit welcher Liebe diese Mutter ihren Kindern zugethan war, während sie sonst nach anderer Mütter Art in heidnischen Ländern den Leichnam wohl hatte den reißenden Thieren oder Raubvögeln aussetzen können. Nachdem die Familie in solcher Weise zusammengeschmolzen war, that die Mutter ihr möglichstes, um uns zu nähren und anständig zu versorgen, denn ihre Hoffnungen ruhten auf uns. Diese ihre Sorgen und Mühen halfen aber wenig; denn nicht lange nachher wurden wir durch blutdürstige und treulose DschallLba, welche auf die armen Neger wie ans Wild Jagd machen, unserer Mutter beraubt, die selbst in harte Sclavenbanden geworfen wurde. Kurz vor meines Bruders Tod hatten die Dinka beschlossen, gute Weideplätze im Süden aufzusuchen, da dort außerdem keine Wassernoth herrsche. Die Alten jedoch waren, bis auf einige, nicht dafür, und riethen beständig ab, wegen der Gefahren von Seiten der Baggnrah, welche mit den Dschallnba vereint, sich dort eingenistet hätten. Doch auf den Rath der wenigen Alten gestützt, zogen die Jungen gegen den Rath der Mehrheit dahin ab — zu ihrem eigenen Verderben ! Eine Unzahl von Baggürah und Dschallnba stürmten auf sie ein, und der größte Theil von Männern, Weibern, Kindern und Vieh wurden ihre Beute. Unter diesen Gefangenen war auch ein Jüngling, den ich sehr wohl kannte und leiden mochte, der nach mehr denn dreimonatlicher Gefangenschaft entfliehen und die Heimat erreichen konnte. Dieser erzählte dann von der grausamen Behandlung, deren diese Henkersknechte den armen Negern gegenüber sich bedienen und selbst rühmen: dass die Neger an einen langen Baumstamm, den sie auf ihrem Nacken tragen müssen, der Reihe nach gebunden würden, um gleichen Schrittes vorwärts zu kommen, dass ihnen die Hände und theilweise selbst die Füße gefesselt werden, damit sie nur kurze Schritte machen könnten und das Entlaufen dadurch verhindert würde; dass sie Hunger und Durst leiden müssten und ihr tägliches Brot der Korbntsch (Peitsche aus Rhinoceroshaut geschnitten) sei; dass diese entmenschten Tyrannen sich noch auf andere grausame Weise über die Neger ergötzten, z. B. mehrere derselben nackt und zusammen geknebelt, gleichzeitig auf einen großen Ameisenhaufen werfen imb dass sie ihnen noch andere und ärgere Pein verursachten. (Fortsetzung folgt.) Irinnmtngfii im ti« Brist im R«!ht» Mttrt. Von P. Xaver Geyer F. S. C. (Fortsetzung*) •"'l m Morgen des 29. Mürz herrschte große Feuchtigkeit, die fast lästiger war JvL als die trockene Hitze. Das Schiff war mit Thau bedeckt, aus allen Poren ö trat der Schweiß. Im Laufe des Vonnittags unterhielt ich mich im Gespräche mit den Pilgern. Mehrere unter ihnen machten die Pilgerfahrt zum achten, ein Alter aus Beyruth zum elften Male. Während ich mit einem Türken sprach, sammelten sich zahlreiche Neugierige um uns. Sie waren stolz, von mir angeredet zu werden und boten mir von ihrer trockenen Kost an. Manche staunten, dass ich arabisch sprach. Eine Frau fragte, ob ich auch bete. Ueber die bejahende Antwort war sie erfreut und sagte zu einem neben ihr stehenden Griechen: „Du bist ohne Religion, dieser aber kennt Gott und thut Gutes!" Ein Pilger sagte: „Wenn Du betest, kennst Du auch den Koran?" „Ich habe ihn gelesen theils in arabischer und theils in deutscher Sprache." Alle entsetzten sich darüber, dass der Koran in deutscher Sprache bestehe. Es ist ihnen ein Greuel, ihr heiliges Buch in fremde Sprachen übersetzt zu sehen, da derselbe von Allah in arabischer Sprache geoffenbart wurde und als Wort Gottes wörtlich, wie er geoffenbart wurde, aufgenommen werden muss. „Warum leset ihr den Koran?" fragte einer. „Um zu sehen, welches sein Inhalt sei". „Sein Inhalt ist Gottes Wort," entgegnete jener. „Der Koran enthält manch Gutes, aber auch viel Schlechtes." „Gott kann nichts Schlechtes offenbaren." Ich sagte: „Nebst anderem heißt es in der 34. Sure, (Vers 31), dass Allah dem Propheten das Privilegium ertheilt habe, jede gläubige Frau zu sich zu nehmen. Es ist nicht möglich, dass Gott solches gestatte." Sie sahen sich verwundert an und wisperten sich in die Ohren. Ich bat sie, mir einen Koran zu zeigen. Sie erklärten, dass sie keinen besäßen, obwohl ich mehrere daraus hatte lesen sehen; eine persische Frau rief: „Es ist verboten, den Koran in die Hände von Ungläubigen zu geben," und ein Alter erklärte: „Es ist nicht nothwendig, nachzusehen, wir wissen, dass der Koran Gottes Wort enthält." „Kein Mensch, der Vernunft besitzt und sie gebraucht, kann glauben, dass ein Mann, der sich solche Freiheiten gestattet, wie Mohammed, Gesandter Gottes sei." *) Siehe Nr. 1 Seite 2l. ß 90 Erinnerungen an eine Reise tut Rathen Meere. Alle riefen: „Der Koran ist Gottes Wort, wir wissen es." Eine Frau bemerkte: „Die Christen verstehen den Koran nicht," während aitdere sagten: „Ja, sie verstehen ihn nicht, er ist ihnen verschlossen, Gott hat sie geblendet." Die Muselmänner lassen keine Kritik des Koran zu und ihr Schlusswort ist stets: „Der Koran ist Gottes Wort, Allah hat ihn dem Propheten geoffen- Wustkanlen in Kairo. baret." Den frommen Gläubigen ist selbst die Erklärung des Koran, wie sie z. B. an der muselmännischen Hochschule der Azhar in Kairo betrieben wird, ein Greuel, da man den Koran buchstäblich und wörtlich nehmen müsse. Das Festhalten am Buchstaben des Koran und das mechanische Auswendiglernen seiner Worte, ohne in den Geist einzudringen, ist ein großes Hindernis für die Entwicklung der islamitischen Wissenschaft; die geographischen und astronomischen Vorurtheile der alten Zeit gelten als unantastbare Wahrheiten, eben weil sie im Koran stehen. Auffallend an der Unterredung war mir, dass auch die Frauen sich daran betheiligten und sich über meine Aeußerungen noch mehr erbitterten als die Männer. Trotz des religiösen Eifers, den sie zur Schau trugen, habe ich keine Frau beten, wohl aber viele rauchen sehen. Im Verlaufe des Gespräches äußerte ein Sanitätsbeamter beschwichtigend: „Wir werden sehen, die Wahrheit wird Recht behalten," worauf alle erwiderten: „Ja, die Wahrheit wird siegen, Allah kerim, Gott ist gütig. Wir haben das Ende für uns, el- acher haggena. Jetzt ist alles verwirrt, aber das Ende wird unser sein. Die Christen freuen sich auf dieser Welt, sie bekriegen die Gläubigen, aber das Ende wird uns den Sieg bringen. Der Wahrheit gehört das Ende, (Sott ist gütig," während ein türkischer Derwisch sagte: „El-sokut ahsan, Allah kerim u älim, Schweigen ist besser, Gott ist gütig und allwissend." Ich verkehrte gerne mit den Moslims, um ihre Anschauungen kennen zu lernen; je länger und öfter ich mit ihnen redete, desto mehr überzeugte ich mich von der Schwierigkeit ihrer Bekehrung. Sie riefen stets Allah, den Propheten, die Wahrheit, das Weltende zum Zeugen an, ohne ans meine Ausführungen einzugehen. Die gleiche Erfahrung macht man bei Unterredungen mit gelehrten Muselmännern. Eine wissenschaftliche Discussion über religiöse Fragen ist nutzlos, da ihnen die dazu nothwendige Bildung fehlt und sie immer die Antwort wiederholen: „So steht es im Koran, es ist also wahr." Alles, was dem Koran widerstrebt, ist Unglaube. Die frommen Muselmänner würdigen übrigens, einen Christen nicht einer Antwort auf religiöse Fragen, sie sagen, eine solche Unterredung mit Ungläubigen sei eine Gotteslästerung. Mit Discnssionen und polemischen Schriften wird man gegen den Islam nichts ausrichten, die muselmännischen Gelehrten gehen nicht ans die christlichen Beweisgründe ein, sie treten denselben von vornherein mit Verachtung, Hass und der Ueberzeugung gegenüber, dass die Wahrheit auf ihrer Seite sich befindet. (Fortsetzung folgt.) Jeltniiilslsi'ifi’n -cs Chalifcn Mullihi. Diu beritt an, 4. Mürz 1900. ^^^^Mlle diejenigen, die über den Sudan zur Zeit des Mahdi gelesen oder davon reden gehört haben, besitzen wohl Kenntnis von der unersättlichen Habsucht des Chalifen Abdullah! el Taischi. Dieser Blutmensch miss-V handelte dreizehn Jahre lang, d. h. von 1885—1898, das unglückliche Land, entvölkerte es und warf es in drückende Armut, sodass es sich nur nach Verlauf vieler Jahre erholen kann. Endlich kam der Tag, da auch er von der 8* 92 Festmahlzeiten des Chalifen Zlbdullahi. Scene verschwinden sollte, und dies geschah am 24. November 1899 zu Omdebrjga. So blieb der Sudan von einem seiner härtesten Unterdrücker befreit. Während der grausame Abdullahi herrschte, mussten sämmtliche sich das Aussehen von armen Leuten geben. Wehe demjenigen, der in einer äußeren wohlhabenden Erscheinung austrat. Sofort hafteten auf ihm die neidischen Blicke des Chalifen, der unter irgend einem Vorwände, wäre er gerecht oder ungerecht, ihn um Hab und Gut brachte. Zwei Sachen unter anderem waren während dieser Schreckenszeit streng verboten, d. h. der Gebrauch von Tabak und von geistigen Getränken, z. B. die Bnsa (Kornbier). Demjenigen, in dessen Hanse dergleichen Sachen entdeckt worden waren, wurden sämmtliche Güter confisciert. Wenn irgend einer unglücklicherweise in den Augen des Chalifen Verdacht erregt hatte, so warfen bisweilen dessen Häscher bei Nachtzeit jenem Armen ein Tabaksblatt in den Hof und giengen ab. Am folgenden Morgen in aller Frühe erschien die Polizei, fand natürlich mit Leichtigkeit jenes Tabaksblatt und zeigte es dem erschrockenen Hausherrn. Dieser wurde buchstäblich jedwedes Besitzes beraubt. Sein Hab wurde verkauft nebst seinen Sclaven, sogar die Dachbalken wurden weggeschüppt mit den Matten und unter den Hammer gebracht. Der arme Teufel, der auf so ungerechte Weise ausgeplündert wurde, betheuerte umsonst seine Unschuld. Da half kein protestieren. Denn es befand sich niemand, an den er sich wenden könnte; er bekam gehörige Stockprügel nebenbei und mochte wohl Gott danken, wenn er noch dem Gefängnis entrann. Solch ungerechte, gewaltthätige Vollzuhungen fanden fast alle Tage statt. Das davon erhobene Geld wanderte in die Kisten des gierigen Chalifen. Von Zeit zu Zeit jedoch schien der Chalife seine sprichwörtliche Habsucht zu vergessen. Er nahm sogar den Schein von Geoßmüth und Freigebigkeit an, indein er bei gewissen Gelegenheiten seine sonst so unterdrückten Unteithauen zn einer ozuma, d h. Festmahlzeit, einlud. Niemand möge sich von dem velführerischen Namen „Festmahlzeit" täuschen lassen, noch an jene Mahlzeit denken, welche der König Assuerus seinen Unterthanen vorbereitete. Diese Festniahle des Chalifen hatten mit jenen des Königs Assuerus nur das gemein, dass sie umsonst waren. Uebrigens waren diese Mahlzeiten abscheulich und eckelig in jeder Hinsicht, sodass ein großer Theil der Gäste gern darauf verzichtet hätte, woserne es ihnen freigestanden wäre. Solche Festmahle fanden bei den höchsten Feierlichkeiten statt. Deren gab es zur Zeit des Mahdi vier. Nämlich der sogenannte gorban bevian, Fest, das man in gewissem Sinne Ostern der Muselmänner nennen kann. An diesem Tage feierten sie das Gedächtnis des Patriarchen Abraham, als er den Widder schlachtete. An diesem Feste, das Fleischfest genannt, verschlingt jeder Muselmann Lammfleisch, so lange er kann. Eine andere große Festlichkeit ist am Ende des Ramadan, d. h. am Schlüsse des Fastens, das Zuckerfest genannt. Ferner feierte man hier auf festliche Weise die Geburt und die Himmelfahrt des Propheten. Am Vorabende dieser Feierlichkeiten ließ der Chalife einen kleinen Hof kehren, der sich in der Nähe seiner Wohnung befand und von einer Mauer umgeben war. Innerhalb dieses Hofes fand das Festmahl statt, zu welchem sämmtliche erwachsene Festmahlzeiteil bež Chalifen Abdullahi. 93 Personen von Omderman männlichen Geschlechtes eingeladen waren. Am Festmorgen erschienen acht Männer, die an acht eisernen Ringen einen gewaltigen, hölzernen Behälter, gatah genannt, herbeischleppten und inmitten des Hofes niederließen. Dieser Behälter bestand aus einem einzigen Stücke, hatte einen Durchmesser von wenigstens zwei Meter und war mehr als einen halben Meter tief. Er war unreinlich über die Maßen, da er niemals gewaschen wurde. Schmutz-rusten bedeckten ihn von innen und von außen, und zu den alten Krusten kamen von Fest zu Fest neue dazu, so dass dieser gatah einem Schweinetrog ganz ähnlich war. Aus solchem Tafelgeschirr bediente der Chalife Abdullahi seine Gäste bei den höchsten Feiertagen. Nun in Bezug ans den Festimbis; dieser musste wohl dem Geschirre entsprechen. Er bestand aus Faterita-Brot. (Die Faterita ist eine Art Durra.) 94 Festmahlzeiten des Ehalifen Abdnllcihi. Dieses Brot bereitet man auf folgende Weise. Man dehnt den Teig in dünnen Schichten auf einer erhitzten, eisernen Platte von runder Form aus. Dieser Teig, da er dünn auf der Platte ausgedehnt wird, ist rasch gebacken; er wird weggenommen und eine neue Schichte darauf gelegt und so geht es weiter. Bei solchen Gelegenheiten war eine ansehnliche Quantität von Brot nöthig, das natürlich auch eine sehr lange Arbeit erforderte, eine Arbeit, die nachlässig verrichtet wurde und an Reinlichkeit viel zu wünschen ließ. So geschah es, dass in diesem Brote mit dem Faterita-Mehl auch andere nnznkömmliche Bestandtheile vermischt waren. Mit dem soeben beschriebenen'Brote und einigen Knochen nebenbei wurde der gatah bis ungefähr zur Hälfte angefüllt und der Festschmans war bereit. Nun kamen die Gäste, sich am Frendenmahle zu erquicken. Jeder Emir brachte seine Leute. Diese hockten auf die Erde mit verschränkten Beinen und die Mahlzeit begann. Sämmtliche Tischgenossen bedienten sich der Gabel, die Mutter Natur ihnen gegeben hatte, d. h. ihrer fünf Finger, ohne sich darum zu kümmern, ob dieselben reinlich waren oder nicht. Wann ein Emir mit ungefähr 30 Leuten erschien, giengen die Sachen gar nicht übel, denn alle oder sack alle fanden mit den riesiegen gatah herum einen Platz. Im Falle jedoch, dass ein Emir siebzig und mehr Personen mit sich brachte, da gestaltete sich die Sache etwas ernst und schwierig. Alsdann bildeten sich um den berühmten gatah herum zwei und auch drei Reihen von Gästen. Diejenigen der zweiten Reihe mussten ihre Hände über die Kopfe der in der ersten Reihe sitzenden hinausstrecken, und diejenigen der dritten Reihe mussten sich über die der zweiten und ersten Reihe werfen, um einen Brocken zu erhaschen. Das war ein Arm- und Händestrecken, ein Raufen und ein Wirrwarr, der schwer wenn nicht unmöglich zu beschreiben ist. Etwas bei Seite hatte der Chalife ein Angareb stellen lassen, von welchem er persönlich der Mahlzeit anwohnte, die Gäste betrachtete und gemüthlich lächelte, den Kopf auf die Hand gelehnt. „Glückliches Fest, o Brüder," sagte er zu ihnen, „befindet ihr euch alle wohl? Das folgende Jahr hoffe ich Kairo zu nehmen; hierauf gehe ich nach Mekka und nach Konstantinopel; ich hoffe auf reiche Beute; ihr aber sollt euch der Ruhe und des Friedens erfreuen u. s. w." Anderemale hielt er die Festpredigt: „Nicht wahr, o Brüder," sagte er, „heute feiern wir das Gedächtnis unseres Stammvaters Abraham. Abraham hat an diesem Tage den Widder geschlachtet. Ist es nicht so, o Brüder?" „Ganz genau so," antworteten die Richter, die um ihn herum saßen. Plötzlich unterbrach er die Predigt und rief seinen Leuten zu: „Wohlan, o Diener, bringet Brot". Da kamen in aller Eile Selaven mit vollen Körben herbei und füllten den gatah dermaßen an, dass das Brot darin wie ein kleiner Hügel aufgeschichtet lag, so dass die der einen Seite die ihnen gegenüber sitzenden Tischgcnossen nicht erblicken konnten. Der Bruder des Ehalifen, namens Jacub, und andere Emire reichten den Durstigen in Kürbisschalen Trinkwasser dar. Wieder andere Emire hatten den Aufrag, die Fliegen zu vertreiben, welche in ganzen Schwärmen sich auf der Mahlzeit niederließen. Während eine Abtheilung um den gatah herum mit Essen beschäftigt saß, stand eine andere in der Nähe in Er- Festmahlzeiten des Chalifen Abdullah!. 95 Gmderman. Nach einer Photographie von P. Ohrw alder. (Originalbild des „Stern der Neger".) Wartung. Kaum hatten sich die ersten erhoben, traten sofort die andern herbei, den Platz zu besetzen. Am Abend wurde der gatah mit einer Matte flüchtig bedeckt und so stehen lassen. Am folgenden Morgen bei Ankunft neuer Gäste wurde die Matte wieder abgehoben. Da sah man ein Wimmeln von rothen Käfern, zarazir genannt, die in allen Richtungen chin davonliefen. Diese hatten sich ebenfalls bei Nachtzeit gesammelt, ohne eingeladen zu sein, um die Mahlzeit des Chalifen zu versuchen. Um solche Kleinigkeiten kümmerten sich die Gäste nicht, sie ließen sich ruhig nieder und fuhren mit der Mahlzeit weiter. Man brachte neues Brot.. Irgend ein Käfer, der sich mit der Flucht verspätet hatte, wurde vom neuankommenden Brote tier* schüttet und zerquetscht und gerieth den Gästen während des Essens zwischen die Finger. Von Zeit zu Zeit erschien auch inmitten des Brotes ein hälbmeterlanger Kameelsknochen, der eher roh als gekocht war. Solche Mahlzeiten waren natürlich ganz anders als schmackhaft. Dennoch priesen die Gäste dieselben, verherrlichten die Freigibigkeit ihres Herrn und nannten sich glücklich und geehrt, an der Tafel des Landesbeherrschers essen zu können. Jedweder bemühte sich möglichst viel davon zu verzehren. Wehe demjenigen, der irgend welches Zeichen von Verachtung gegeben hätte, er hätte es sicher mit dem eigenen Kopfe büßen müssen. Wenn irgend einer von delicatem Geschmacke Ekel zu haben schien, so machte ihm der Chalife Muth zum Essen. „Esset, o Brüder, esset alle," rief er aus, „Wasser her, damit das Brot weich wird". Da benetzten die Emire, die hinter den Gästen standen, den Brothügel mit einem reichlichen Wassergusse, und weil sie dabei nicht zu genau schauten, so ereignete es sich, dass nebst dem Brote auch die rings herum sitzenden Gäste begossen werden, so dass diese zu einer nnd derselben Zeit sich sowohl der Mahlzeit als auch des Bades erfreuten. Der Chalife lächelte hierzu. Einige der Gäste füllten am Ende des Essens sich noch die Taschen mit jenem Brote an, indem sie behaupteten, auch ihre Familien des Segens des Chalifen theilhaftig machen zu wollen. Dabei empfand Abdullahi ein besonderes Wohlgefallen. „Nehmet, nehmet hin," rief er aus. „Diese 96 Festmahlzeiten des Chalifen Abdullah!. sind wirklich von den mtjmgert,'1 sagte er alsdann zu seinen Emiren gewandt. Auch die Christen, die sich hier in der Gefangenschaft befanden und im Verlaufe jener Jahre hier ein wirklich unglückliches Leben führten, wurden bei solchen Gelegenheiten nicht vergessen. Auch sie wurden eingeladen, um sich an der Tafel ihres Herrn zu erquicken. Als die Reihe au uns kanr, fanden wir den gatah immer voll, erzählte mir einer von ihnen. Schon der Anblick jenes schmutzigen Behälters erregte Ekel. Dennoch zwangen wir uns, einige Brocken zu verschlucken, um Missfallen zu vermeiden. Tie soeben beschriebenen Festmahlzeiten dauerten einige Tage lang. Das was am Ende der Mahlzeiten übrig blieb, wurde im Behälter gelassen und gierig all-mählig in Fäulnis über. Bisweilen ereignete cs sich, dass die Officiere des Chalifen eine kärgliche Mahlzeit traf; um ihren Hunger zu stillen, aßen sie die noch im gatah befindlichen Ueberbleibsel, obwohl dieselben schon übel rochen und so leerten sie den gatah. Auch der Bruder des Chalifen Jacub gab mitunter Mahlzeiten, er inachte aber die Sachen in Ordnung und bereitete gute Speisen zu, weshalb seine Mahlzeiten allgemein gefielen. Nach Beginn des Krieges der Anglo-Aegypter gegen den Sudan unterließ es der Chalife, solche Mahlzeiten zu geben, da er an andere Sachen zu denken hatte. Bei der Einnahme von Omderman verschwand unter anderen Gegenständen auch der gatah; wahrscheinlich hat er in irgend einem englischen Museum geendigt. Als Gedächtnis jener Festmahle bleibt nichts mehr als der Hof, in welchem sie gehalten wurden und ein Theil der Personen, die damals die Rolle der Gäste spielen mussten. Diese pflegen bisweilen davon zu erzählen und sind herzenssroh, dass jene Zeiten vergangen sind. P. @ffo Amtier, F. S. C. “ 7 Aloisius Cavbmal von (Eanoffa f. ‘vrt m 12. März starb Se. Eminenz Aloisius Cardinal von Canossa, Bischof ilrV' von Verona. Geboren am 20. April 1809 wurde er 1841 Priester und 1862 Bischof von Verona. Im Consistorium des 12. März 1877 wurde er zum Cardinal mit dem Titel des hl. Marcellus creiert. Er erwarb sich große Verdienste um die afrikanischen Institute seiner Bischofsstadt. R. I. P. Für die Redaction: P. XitUcr Geyer F. S.C. — Druck von A. Wcger's sb. Hofbnchdruckcrci, Brixen.