Aellnummer der ,Gottscheer Zeitung^ a» läßlich der KOÜ-Ia-rfeier Wilhelm Aschinkel, Hiosegg: Aas IMstied in der deut¬ schen Sprachinsel Hottschee. Wie anderwärts ist auch in der deutschen Sprachinsel Gottschee das Volkslied im Versiegen begriffen. Manch kostbares Gut, an dem un¬ sere Altvordern mit allen Fasern ihres Herzens hingen, hat die Neuzeit unbarmherzig hinweg¬ geschwemmt. Der Forscher und Sammler konnte noch vor wenigen Jahrzehnten nach altem Gute schürfen und wie aus einer nie versiegenden Quelle an Liedern, Sagen und Märchen schöpfen. Mit dem versagen der Spinnstube ist die Sangeslust ermattet und der Liederschatz schrumpft immer mehr und mehr zusammen. Damals freilich, als noch die Spinnräder ber Dorfschönen in der Spinnstube surrten, als man an langen Winterabenden oft bis zum Morgengrauen hinter dem Spinnrade saß, stand das Volkslied in hohem Ansehen und wurde von jung und alt eifrig gepflegt. Es wurde gesungen ohne Unterlaß, ein Lied reihte sich unvermittelt an das andere. Kanin hatte eine Sängerin die ersten Töne eines Liedes angestimmt, setzte schon der ganze Thor ein, und dazwischen schwirrten die Räder im Takte, als wollten sie erzählen von Türken und Hungersnot, von Pest und Krieg. So ran¬ nen die Stunden dahin, bis die Uhr schon lange nach Mitternacht zeigte. Nun ist es anders geworden. Das Spinn¬ rad träumt seit vielen Jahren vergessen und verlassen auf dem Dachboden von längst ver¬ klungenen Tagen. Die heutige Jugend kennt das Spinnrad kaum vom Hörensagen. W Nur die gemeinsamen Arbeiten regen, wie vor Jahren, zum Singen an. Wenn sich heute noch die Mädchen des Dorfes, die immer die Hauptträgerinnen des Volksgesanges waren, beim Rübenstoßen oder beim Auslösen der Fi¬ solen und Maiskörner treffen, kommen die allen Volkslieder wieder zu Ehren und alt und jung erbaut sich an dem Geiste, der aus ihnen zu uns spricht. In letzter Stunde hat inan die Wichtigkeit des Volksliedes erkannt und versucht, diesen kostbaren Schatz zu heben. Herr (Oberlehrer I. Perz hat in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nach alten Liedern geforscht und sie ausgezeichnet. Er hat sich da¬ durch ein dauerndes Andenken in den Herzen aller Gottscheer gesichert. Ein glücklicher Zufall spielte mit, daß ge¬ rade zur damaligen Zeit Prof. Dr. A. Haussen in Prag sich für das Gottscheer Lied sehr in¬ teressierte und die gesammelten Lieder einer wissenschaftlichen Bearbeitung unterzog. Sein Buch „Die deutsche Sprachinsel Gottschee" er¬ regte in der Heimat und in der Fremde berech¬ tigtes Aufsehen und war bald vergriffen. Gott¬ schee verdankt der Herausgabe dieses Buches jH7 Lieder, die dadurch der Vergessenheit ent¬ rissen wurden. Das begonnene Werk eiferte nun zur wei¬ teren Arbeit an. So ist es dem Schreiber dieser Zeilen gelungen, rund HOO Lieder niederzu¬ schreiben, die er dem Volksmunde abgelauscht hatte. Er durchzog alle Gaue unseres geliebten Heimatlandes und kehrte oft mit reicher Beute von seiner Wanderung heim. Manchmal glückte es ihm, von einer Frau HO und mehr Lieder aufzuzeichnen, was von dem großen Reichtum unseres Liederschatzes zeigt. Unser unvergeßlicher Landsmann Direktor Dr. Hans Tschinkel in Prag hat die gesam¬ melten Lieder wissenschaftlich verarbeitet und das Ministerium in Wien wollte gerade im Jahre WH an die Drucklegung des Werkes, das nun¬ mehr 677 Lieder umfaßte, schreiten, als der Ausbruch des großen Weltkrieges die Heraus¬ gabe vereitelte. Die Folgen des Krieges haben die vollständige Herausgabe wohl auf Jahre hinaus verschoben. Die äußerst wertvolle Samm¬ lung ging in den Besitz des Prof. Dr. John Meier in Freiburg i. Br. über. Sicheren! Ver¬ nehmen nach soll in Kürze eine Auswahl der schönsten Lieder im Buchhandel erscheinen, was nur wärmstens zu begrüßen wäre. Der große Reichtum unserer Lieder wirkt geradezu herzerfreuend. Einen Großteil der Lieder haben unsere Ahnen wohl schon mit ins Land gebracht, was daraus zu ersehen ist, daß sie als Varianten zu den Liedern anderer deutscher Stämme unschwer zu erkennen sind. Doch dürfte das sangesfrohe s5. und j6. Jahrhundert auch in Gottschee neue Blüten angesetzt haben. Was die Volkslieder in der Mundart an¬ betrifft, sind sie in Form und Inhalt typisch. Sie beginnen meist mit den Worten: „Brr vris ischt auf" und erscheinen im Gewände strenger Reimloflgkeit. Sie schreiten in 2 oder 3 Zeilen in fortwährenden Wiederholungen gleichsam zögernd weiter. Die Melodie ist weich und tief traurig, was dadurch bedingt wird, daß der Gottscheer mehr zur Wehmut als zur Heiterkeit neigt. Der karge Boden, dem er die magere Ernte durch müh¬ same Arbeit abringen muß, ist auf sein Gemüt sicherlich nicht ohne Einfluß geblieben. Die Türkeneinfälle, Pest, Hungersnot und Kriege haben auch das Ihrige dazu beigetragen. Von der tiefen Wehmut, die aus vielen Liedern zu uns spricht, möge nachstehendes Lied, das im Hinterlande heute noch häufig gesungen wird, Zeugnis ablegen: 1. Ls bac'n amol zbuai usrmai buashlain. Aube, aube, main bs buashlain. 2. Gsschtuarbsn ischt ir lisbai ammo. ch Direktor Dr. Kans Uchinkek z. Shai zischsnt ahin af's grisns vraithof. Thai schraisnt auch z'r laut'r schtimms: 5. „Sho klisb di, sho klisb di, kölshbusrzai eards. S. Unt lusß insch außar insh'r lisbai ammo." ?. Gsklöbsn Hot shi dai kolshbuarzs eards. 8. Unt außar ischt kamsn ir lisbai ammo. 9. Unt außar't shi prucht a luaible pruat. !0. A luaible pruat, a putschte bain. II. Nus assst unt trinkst, main ds usrmsn buashlain. !2. Shi haushst unt puschst ir ds usrmsn buashlain. !Z. v'rshbundsn ischt ir lisbai ammo. Im Unterlande sind die Melodien etwas lebhafter, was auf die anschließende Weinge¬ gend von Maierle zurückzuführen sein dürfte. Die Mehrzahl der Lieder ist religiösen In¬ haltes. Im schroffen Gegensatz zu den übrigen deutschen Stämmen treffen wir in Gottschee die ernste Ballade, von denen „Dai schians mera- rin" die bekannteste ist. Sie werden meist zwei¬ stimmig gesungen, wobei sich die zweite Stimme in Terzen oder Quinten bewegt. Neben geistlichen Liedern finden wir Liebes-, Hochzeits-, Spott-, Trink-, Totenlieder u. a. Alle diese Lieder vermeiden jedes derbe Wort, was um so verwunderlicher ist, da der Volksmund sonst gewöhnlich eine unverblümte Sprache führt. Von den 677 Liedern sind etwa drei Viertel in der Mundart, die übrigen in neuhochdeut¬ scher Sprache abgefaßt. Letztere haben zweifel¬ los in den letzten Jahrzehnten im Lande Ein¬ gang gefunden. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß vor Jahren bei Begräbnissen freie rhythmische Totenklagen oft von den Leidtragenden selbst oder von be¬ stellten Klageweibern gesungen wurden, die in ergreifender Weise die Tugenden des Verstor¬ benen besangen. Ferner ist es bemerkenswert, daß nicht in allen Teilen des Gottscheer Landes die gleichen Lieder gesungen werden. Jedes Gebiet hat seinen eigenen Liederstock. So singt man im Hinter¬ lande andere Lieder als im (Ober- und Unter¬ land, als im Tfchermoschnitzer Tale oder im Hochtale von Suchen. Nur die schönsten perlen unseres Lieder¬ schatzes, wie „Dei scheans merarin", die Hoch¬ zeitslieder und einige andere, sind Gemeingut des ganzen Landes geworden. Daher stammt auch der große Reichtum der Volkslieder in unserem Lande. Der Gottscheer ist im großen und ganzen nicht unmusikalisch; es fehlt ihm mehr oder weniger an der Sangesfreudigkeit. Es ist tief bedauerlich, daß ein Großteil des Liederschatzes bereits in Vergessenheit ge¬ raten ist. Dieser Verlust könnte leicht dadurch wettgemacht werden, wenn man bei jeder Ge¬ legenheit alte Gottscheer Volkslieder sänge. Schöpfen wir ohne Unterlaß aus diesem Born heimatlicher Volksdichtung in frohen und trüben Tagen! Amalie Erker, Witterdorf: Autatte. Erzählung in der Gottscheer Mundart. „Bu hent ds Zeitn?-Io, bu hent ds Zeitn, bis i noch a bintschigss pirble pin grban, a Pisble, a pese, wenf Zusl hoach und zboa proit." — Sho drzelrt dar autr Goschpar in Nochparn und tust a Hescheitz. — „Autatte Hot rächt gshot. — Io, dennar! . . ." Gonz wrtramst schagst ar nus ahin und denkst noch. Aus ischt schtills atin in dr Schtubn, lei as 'n Pfeiflein kudrts, bis aus a Rachlukn. —r „Bues is ottr dennar gsban?" wrugrt nus neigirig der Gorsch. — „Buss rs ischt grban? — Gndrs Zeitn, ondrs Leits, ondrs Manndr, ondrs Beibr." — Asha, asha! Buss pringsscht du noch wirrhar?" risfst nus ds Goschparin won dr Gwnponk har. Shi Hot grud Milich gsschlugn und nus gslishnt, buss ds Manndr drzelnt. — Umar um dan oichein Tisch, beldr woar in Binkl schteat, shitznt shei, a Krusg Moscht geat an ds Scheids. — „Nus drzel abak, biss ottr denar ischt gsban," shugst dar Andrsch. „Scheans Zeitn wor insch Kindrlein, den a et gusts. — Mein Alte — Gott dr Herr treascht ihn — ischt a gustr Wutr, a wilgsploitr Monn gsban. Kindrlein sheibr sheksei um ds Schißl gsshassn und hobn ds Ganzslein aus dr Milich außar gswuchn. Autatte Hot ibr inshr ds Kepfs a apur Lefflwolls gsnom, ottr ischt ar bidr hin af ds Gwnponk odr afs Meisrle gean shitzn. Atte Hot wleißig Holz gswirst und asho Hot ar a pur Groschn wrdisnst, odr ischt ar mit n Roschn af Kurlschtodt um Boizs. Gftein Hot ar a won Krobotn auhar Bein wor dr Birts prucht. Inshr Rosch Hot a großei Klocks gshot, ben d, Shamars (Säumer) um Bein hent grgean. Sho ischt Atte et wil ahoims gsban. Begn damon sheibn dir Kindrlein an meari- schtn pei Autattein gshong. Ben ar drzelst Hot won Krisgs, won Tirkn und Franzoshn, hobn dir gslishnt bis ds Haftleischmochars. I pin shein 's Lisbischts gsban — Gott gib mon aus Gusts! — Ben i augn af ds Gwnponk hon gsbelt, pin i af shein Schtiwl gsschtean, ottr Hot ar mir shein Daumnegl gsroichrt und — Hopps — schon pin i af shein Knisn gsshassn. In Bintr Hot inshr Ammo gsschpunnen, Atte Hot gsbirchst und ds Musms Hot insch Königheshlein und a Woldrkittlr grmochst. A- woar ischt oftein rächt a peashss Battr gsban. S Hot gsplushn und grshnibn. Dr Bind Hot dr Haushntir gswecklt und ds Klachl (Türschloß aus Holz) Hot gstschikst. Ubr in dr Schtubn is wein burm grban. Iedss Hot shein Urbeit gshot. Leane Hot Attein gsholfn, Andrle Hots Licht gsshneizst, Mins Hot Sefein grshboigst, Ioshe Hot won Gwn uhar grschagst und i — i pin af Autatteisch Knisn gsrittn. pei shein Daumnegl hon i mi gshubst und gslishnt, buss ar insch drzelst. — Io, wil Hot insh Autatte drzelst, wil Hot ar insch gslearst. Won Boldr und won Tirlein, won pilichn und Mudrn, won Engltaschn (Iltis) und preitslein (Wiesel), won parn und Belwn. Autatte Hot olldrhont Gsschichtn gsbescht. Won shburzn Manndrn