_ i 112420 Inhalt Leitende Artikel: Ueber die Restauration des Kirchengesanges. — Neber Steuerreform. — Vorarbeiten für die Landtage. — Eon- cordat und Religionsedikt. — Korrespondenzen: Klagenfurt. — Aus Zezero. (Seeland.) — Hermagor im Zuli 1862. — Vom Wörther-See. X. — Triest im August. (Hafenprojekt.) — Von der Gail. — Marburg 5. August. Preise: Diese 48, bis Ende des Jahres in Heften erscheinenden Druckbogen kosten pr. Post .5 st. — kr. ohne Post. 4 » — , am 21. September 1862. Miinmen aus IX. Hest 1862. Tas nächste Heft erscheint am 23. Oktober 1862. ' Klagenfurt. Druck von Johann Leon. Herausgeber und verantwortlicher Redacteur Andreas Cinspieler. «Uli-sW i» uoivömteliig kiisiriiiog r tjiiWni 112420 Deitrsge zur Durchführung der nalionnle», religiösen und politischen Gleichberechtigung. 112429 Oesterreich nnd Deutschland. Die alten schwarz-roth-goldenen Träume vom Jahre 1848 erwachen wieder. In dem österreichischen Reichsrathe zu Wien halten österreichische Depntirte die rührendsten Reden über und für Deutschlands Glanz, Macht und Ruhm; in österreichischen Zeitungen, welche sich des österreichischen Patriotismus ausschließlich rühmen, Para¬ hirt wieder die bekannte Phrase: „Kein Oesterreich, kein Preußen — ein einiges Deutschland;" — bei österreichischen Liedertafeln erklingen wieder die bekannten Töne: „Unser Vaterland muß größer sein;" — die beiden Abgeordneten unseres Reichsrathes Dr. Brinz und Dr. Rcchbauer schlagen einen Fünfziger-Ausschuß zur Berathung über das Vorgehen in der deut¬ schen Frage vor: ja das berühmte Parlament in der PanluSkirche zu Frankfurt spuckt wieder in dein Köpfen österreichischer Staatsmänner, denen es in 18 Monaten leider noch nicht gelungen ist, das von ganz Oester¬ reich sehnlichst erwartete österreichische Parlament in Wien znsammenzu- bringen; — die officielle „Donau-Zeitung" versteigt sich in ihrer deut¬ schen Begeisterung gar zu der die 28 Millionen nichtdentscher österrei¬ chischer Unterthemen gewiß nnd nothwcndig tief verletzenden Behauptung: Oesterreich sei eine deutsche Großmacht, uud es werde, ja es müsse auch in Zukunft eine deutsche Großmacht bleiben. So lesen wir weiter in der „Zeitung für Kärnten" folgende, in dem Munde eines Slaven gewiß hochverrätherisch klingende Worte: „Und so ist es wieder Frankfurt, wo hin sich unsere Blicke hoffnungsvoll richten. Hier begruben wir unsere Hoffnungen und hier wurden sie beim deutschen Schützentage wieder erweckt. Wer den Zug der deutschen Nation richtig versteht, der wird die Uebcr- Mgung nicht ferne halten können, daß die Form seiner wahren staatlichen Einigung nun gefunden werden müsse und daß eine Volksvertretung auf Grund allgemeiner Wahlen darin einen wesentlichen Bestandtheil aus- niachcn werde. Und so wie Kärnten seine Schützen sandte, so wird es, so hoffen wir, auch bald seine Vertreter zum deutschen Parlamente senden." Wer sich des Jahres 1848 erinnert, wird ans den ersten Blick wahrneh- uwn, daß alles dicß bereits schon da war. Man sollte doch glauben nnd hoffen, baß großes Unglück nnd bittere Erfahrung wie den einzelnen Menschen, so auch ganze Nationen nüchterner nnd klüger mache. Allein obige That- sachen beweisen das Gegentheil! Gleiche Ursachen werden auch jetzt gleiche Wirkungen hervorbriugen. Die nationale Erhebung Deutschlands im I. 514 1848 hat großartig und hoffnungsreich begonnen, aber kleinlich und arm¬ selig geendet: Aus dem Lustspiel wurde ein Trauerspiel! Wir möchten Deutsche und Slaven vor den alten Mißgriffen war¬ nen, um beide vor dem alten Unglücke zu bewahren: „viiobus üti^unli- bus tortms ß-aucist," — wenn die Völker sich in Haaren liegen und zer¬ treten, lacht und herrscht die Reaktion. Bei dem Gedanken daran blutet unser Herz, und wir sind nicht in der Lage, über diesen traurigen Gegen¬ stand selbst etwas zu schreiben. Darum bringen wir gegen alte Behaup¬ tungen über das Verhältniß zwischen Oesterreich und Deutschland auch nur alte Widerlegungen. 1. Schreiben des Franz Palackh an den Fünfziger-Aus- schuß iu Frankfurt im Jahre 1848. Das Schreiben vom 6. April l. I., womit Sie Hochgeehrte Herren! mir die Ehre erwiesen, mich nach Frankfurt einzuladen, um an Ihren „hauptsächlich die schleu¬ nigste Berufung eines deutschen Parlaments" bezweckenden Geschäften Thei! zu nehmen — ist mir so eben von der Post richtig zugestellt worden. Mit freudiger Ueberraschmig las ich darin das vollgiltige Zeugniß des Vertrauens, welches Deutschlands ausgezeich¬ netste Männer in meine Gesinnung zu setzen nicht aufhören; denn indem sie mich zur Versammlung „deutscherVaterlaudsfreunde" berufen, sprechen sie mich selbstvou dem eben so ungerechten als oft wiederholten Vorwurfe frei, als habe ich mich gegen das deutsche Volk jemals feindselig bewiesen. Mit wahrem Dankgefühle erkenne ich darin die hohe Humanität und Gerechtigkeitsliebe dieser ausgezeichneten Versammlung an, und finde mich dadurch um so mehr verpflichtet, ihr mit offenem Vertrauen, frei und ohne Rück¬ halt zu antworten. Ich kann Ihrem Rufe, meine Herren! weder in eigener Person, noch durch Abordnung eines andern „zuverläßigen Patrioten" an meiner Statt Folge leisten. Er¬ lauben Sie mir, die mich bestimmenden Gründe Ihnen so kurz als möglich vorzutragen. Der ausgesprochene Zweck Ihrer Versammlung ist: einen deutschen Bolksbund an die Stelle des bisherigen Fürstcnbundes zu setzen, die deutsche Nation zu wirklicher Einheit zu bringen, das deutsche Nationalgefühl zn kräftigen und Deutschlands Macht dadurch nach inneu und außen zu erhöhen. So sehr ich auch dieses Bestreben und das ihm zu Grunde liegende Gefühl achte und eben weil ich es achte, darf ich mich daran nicht betbeiligeu. Ich bin kein Deutscher, fühle mich wenigstens nicht als solcher, und als bloßen meinungs- und willcizloseu Ja-Herrn haben Sie mich gewiß nicht zu sich berufen wollen, folglich müßte ich in Frankfurt entweder meine Gefühle verläugneu und heucheln, oder bei sich ergebender Gelegenheit laut widersprechen. Zum Ersten bin ich zu offen und zu frei, zum Zweiten nicht dreist und rücksichtslos genug; ich kann cs nämlich nicht übers Herz gewinnen, durch Mißlaute einen Einklang zu stören, den ich nicht allein in meinem eigenen Hause, sondern auch beim Nachbar wüu- schenswerth und erfreulich finde. Ich bin ein Böhme slavischen Stammes, und habe mit all' dem Wenigen, was ich besitze und was ich kann, mich dem Dienste meines Volkes ganz und gar für immer gewidmet. Dieses Volk ist nun zwar ein kleines, aber von jeher ein eigeu- thümliches und für sich bestehendes; seine Herrscher haben seit Jahrhunderten am deutschen Fürstenbunde Theil genommen, es selbst hat sich aber niemals zu diesem Volke gezählt und ist auch von Anderen im Abläufe aller Jahrhunderte niemals dazu gezählt worden. Die ganze Verbindung Böhmens zuerst mit dem heil, römischen Reiche, dauu mit dem deutschen Bunde, war von jeher ein reines Regale, von welchem das böhmische Volk, die böhmischen Stände kaum jemals Keuntniß zu nehmen pfleg' teil. Diese Thatsache ist allen deutschen Geschichtsforschern Wohl eben so gut, wie nm selbst bekannt, und sollte sie ja noch von Jemanden in Zweifel gezogen werden, 1»°"' ich erbietig, sie seiner Zeit bis zur Evidenz sicherzustellen. Selbst bei der vollen Un- 575 nähme, daß die böhmische Krone jemals im Lehensverbande zu Deutschland gestanden Ms übrigens von böhmischen Publiciste» von jeher bestritten wird), kann es keinem Geschichtskundigen entfallen, die ehemalige Souveraiuität und Autonomie Böhmens nach innen in Zweifel zu ziehen. Alle Welt weiß es, daß die deutschen Kaiser, als solche, mit dem böhmischen Volke von jeher nicht das Mindeste zu thnn und zu schaffen gehabt haben; daß ihnen in und über Böhmen weder die gesetzgebende, noch die rich¬ terliche oder vollziehende Gewalt znkam; daß sie weder Truppen, noch irgend Regalien aus dem Lande jemals zu beziehen hatten; daß Böhmen mit seinen Kronländern zu keinem der ehemaligen zehn deutschen Kreise gezahlt wurde, die Competeuz des Reichs¬ tammergerichtes sich niemals über dasselbe erstreckte u. s. w.; daß somit die ganze bis¬ herige Verbindung Böhmens mit Deutschland als ein Berhältniß, nicht von Volk zu Bolk, sondern nur von Herrscher zu Herrscher aufgefaßt und angesehen werden muß. Fordert mau aber, daß über den bisherigen Fürstcubund hinaus nunmehr das Volk von Böhmen selbst mit dem deutschen Volke sich verbinde, so ist das eine wenigstens neue und jeder historischen Rechts-Basis ermangelnde Zumuthuug, der ich für meine Person mich nicht berechtigt fühle, Folge zu geben, so lange ich dazu kein ausdrückli¬ ches und vollgiltiges Mandat erhalte. Der zweite Grund, der mir verbietet, au Ihren Berathungen Theil zu nehmen, ist der Umstand, daß nach Allem, was über Ihre Zwecke und Ansichten bisher öffent¬ lich verlautet hat, Sie nothwendiger Weise darauf ausgchcn wollen und werden, Oester¬ reich als selbstständigen Äaiserstaat unheilbar zu schwächet!, ja ihn unmöglich zu machen, — einen Staat, dessen Erhaltung, Integrität und Kräftigung eine hohe und wichtige Angelegenheit nicht meines Volkes allein, sondern ganz Europa's, ja der Humanität und Civilisation selbst ist und sein muß. Schenken Sie mir auch darüber ein kurzes und geneigtes Gehör. Sie wissen, welche Macht den ganzen großen Osten unseres Welttheiles inne hat; Sie wissen, daß diese Macht, schon jetzt zu kolossaler Größe herangewachsen, von innen heraus mit jedem Jahrzehend in größerem Maße sich stärkt und hebt, als solches in den westlichen Ländern der Fall ist und sein kann; daß sie, im Innern fast unangreifbar und unzugänglich, längst eine drohende Stellung nach außen augenom- weu hat, und wenngleich auch im Norden aggresiv, dennoch, vom natürlichen Instinkt getrieben, vorzugsweise nach dem Süden zu sich anSzubreiten sucht und suchen wird; baß jeder Schritt, den sie aus dieser Bahn noch weiter vorwärts machen könnte, in be¬ schleunigtem Lause eine neue Universalmonarchie zu erzeugen und herbeizuführen droht, d.i. ein unabsehbares und unnennbares liebel, eineCalamität ohneMaß undEnde, welche ich, ein Slave an Leib und Seele, im Interesse der Humanität deßhalb nicht weniger lief beklagen würde, wenn sie sich auch als eine vorzugsweise slavische anknndigen wollte. Mt demselben Unrechte, wie in Deutschland als Deutschenfeind, werde ich in Rußland von Vielen als Rußenseind bezeichnet und angesehen. Nein, ich sage cs laut und offen, 'chbin kein Feind der Russen; imGegentheil, ich verfolge vonjeher mit Aufmerksamkeit und freudiger Theilnahme jeden Schritt, den dieses große Voll innerhalb seiner na- tätlichen Grenzen auf der Bahn der Civilisation vorwärts Ihm; da ich jedoch, bei aller heißen Liebe zu meinem Volke, die Interessen dir Humanität und Wissenschaft von je¬ der noch über die der Nationalität stelle, so findet schon die bloße Möglichkeit einer russischen Universalmonarchie keinen entschiedeneren Gegner und Bekämpfer, al« mich: nicht weil sie russisch, sondern weil sie eine Univcrsalmouarchie wäre. Sie wissen, daß der Sud-Osten von Europa, die Grenzen des russischen Rei- ches entlang, von mehreren in Abstammung, Sprache, Geschichte und Gesittung inerk- "ch verschiedenen Völkern bewohnt wird, — Slaven, Wallachen Magyaren nnd Deut¬ schen, und der Griechen, Türken und Skipetaren nicht zu gedenken, von welchen keines >ur sich allein mächtig aenug ist, dem übermächtigen Nachbar im Osten in alle Zukunft erfolgreichen Widerstand zu leisten; das können sie nur dann, wenn ein einiges nnd festes Band sie alle mit einander vereinigt. Die wahre Lebensader dieses nothwendigen Bölkervereines ist die Donau; seine Centralgewalt darf sich daher von diesem Strome "'cht weit entfernen, wenn sie überhaupt wirksam sein und bleiben will. Wahrlich! 516 existirte der österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müßte im Interesse Euro- pa's, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen. Warum sahen wir aber diesen Staat, der von der Natur und Geschichte beru¬ fen ist, Europa's Schild und Hort gegen asiatische Elemente aller Art zu bilden, — warum sahen wir ihn im kritischen Momente, jedem stürmischen Anlaufe preisgegeben, haltungslos und beinahe rathlos? Weil er, in unseliger Verblendung, so lange her die eigentliche und rechtliche und sittliche Grundlage seiner Existenz selbst verkannt und ver¬ leugnet hat: den Grundsatz der vollständigen Gleichberechtigung und Gleichbeachtung aller unter seinem Scepter vereinigten Nationalitäten und Confessionen. Das Völker¬ recht ist ein wahres Natnrrecht, kein Volk auf Erden ist berechtigt, zu seinen Gunsten von seinem, Nachbar die Aufopferung seiner selbst zu fordern, keines ist verpflichtet, sich zum Besten des Nachbars zu verleugnen oder aufzuopsern. Die Natur kennt keine herr¬ schenden, so wie keine dienstbaren Völker. Soll das Band, welches mehrere Völker zu einem politischen Ganzen verbindet, fest und dauerhaft sein, so darf keines einen Grund zur Befürchtung haben, daß es durch die Vereinigung irgend eines seiner thenersten Güter einbüßen werde, im Gegentheile muß jedes die sichere Hoffnung hegen, bei der Centralgewalt gegen allfällige Uebergriffe der Nachbarn Schutz und Schirm zu finden; dann wird man sich auch beeilen, diese Centralgewalt mit so viel Macht auszustatten, daß sie einen solchen Schutz wirsam leisten könne. Ich bin überzeugt, daß es für Oester¬ reich auch jetzt noch nicht zu spät ist, diesen Grundsatz der Gerechtigkeit, die saoru »u- eoru, beim drohenden Schiffbruche, laut und rückhaltslos zu proclamiren und ihm prak¬ tisch allenthalben Nachdruck zu geben; doch die Augenblicke sind kostbar, möchte man doch um Gotteswillen nicht eine Stunde länger zögern! Metternich ist nicht bloß darum gefallen, weil er der ärgste Feind der Freiheit, sondern auch darum, weil er der unver¬ söhnlichste Feind aller slavischen Nationen in Oesterreich gewesen. Sobald ich nun meine Blicke über die Grenzen Böhmens hinaus erhebe, biu ich durch natürliche wie geschichtliche Gründe angewiesen, sie nicht nach Frankfurt, sondern nach Wien hinzurichten, und dort das Ceutrum zu suchen, welches geeignet und berufen ist, meines Volkes Frieden, Freiheit und Recht zu sichern und zu schützen. Ihre Ten¬ denz, meine Herren! scheint mir aber jetzt offen dahin gerichtet zu sein, dieses Centrmn, von dessen Kraft und Stärke ich nicht für Böhmen allein Heil erwarte, nicht nur wie gesagt, unheilbar zu schwächen, sondern sogar zu vernichten. Oder glauben Sie wohl, die österreichische Monarchie werde noch ferner Bestand haben, wenn Sie ihr ver¬ bieten, innerhalb ihrer Erblande ein eigenes, von dem Bundeshaupte in Frankfurt un¬ abhängiges Heer zu besitzen? Glauben Sie, der Kaiser von Oesterreich werde sich guch dann noch als Souverain behaupten können, wenn Sie ihn verpflichten, alle wichtige¬ ren Gesetze von Ihrer Versammlung anzunehmen, und somit das Institut der öster¬ reichischen Reichsstände, so wie alle durch die Natur selbst gebotenen Provinzial-Vtt- fassungen der verbundenen Königreiche illusorisch zu machen? Und wenn dann z. ,-o. Ungarn, seinem Triebe folgend, von der Monarchie sich ablöst, oder was beinahe gleich¬ bedeutend ist, zu ihrem Schwerpuncte sich gestaltet, — wird dieses Ungarn,, das von einer nationalen Gleichberechtigung innerhalb seiner Grenzen nichts wissen will, in der Länge sich frei und stark behaupten können. Es kann aber von einem freiwilligen Anschluß der Donanslaven und der Wallachen, ja der Polen selbst an einen Staat, der den Grundsatz aufstellt, daß man vor Allem Magyare und dann erst Mensch sein müsse, nicht d" Rede sein, und von einem gezwungenen noch weniger. Um des Heils von Europ willen darf Wien zu einer Provinzialstadt nicht herabsinken. Wenn es aber in Tvic selbst Menschen gibt, die sich Ihr Frankfurt als Capitole wünschen, so muß mau zurufen: Herr! vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie wollen! . Endlich muß ich noch aus einem dritten Grunde Anstand nehmen, bei ^>>pc Berathungen mitzuwirken: ich halte nämlich alle bisherigen Projekte zu einer Reorgiv nisirung Deutschlands auf Grundlage des Volkswillens für nnausführhar und m Länge unhaltbar, wenn Sie sich nicht zu einem echten Kaiserschnitt entschließen, ich meine die Proclamirung einer deutschen Republik, wäre es auch nur als eine Ueve - gangsform. Alle versuchten Vorschriften von Theilung der Gewalt zwischen halbsvl- verainen Fürsten und dem souverginen Volk erinnern mich an die Theorien der Pb' 517 lanstere, die gleichfalls von dem Grundsätze ausgeben, die Betheiligteu werden wie Zif¬ fern in einem Recheuexempcl sich verhalten und keine andere Geltung in Anspruch nehmen, als welche die Theorie ihnen anweist. Möglich, daß meine Ansicht unbegrün¬ det ist, daß ich in meiner Ueberzeugung mich täusche, aufrichtig gesagt, ich wünsche selbst, daß solches der Fall sei, — aber diese Ueberzeugung ist da, und ich darf diesen Cam¬ pas keinen Augenblick aus der Hand geben, wenn ich in den Stürmen des Tages nicht haltuugslos mich verlieren will. Was nun die Einführung einer Republik in Deutschland betrifft, so liegt diese Frage so ganz außerhalb des Kreises meiner Com- petenz, daß ich darüber nicht einmal eine Meinung äußern will. Von den Grenzen Oesterreichs muß ich aber jeden Gedanken au Republik in vorhinein entschieden und kräftig znrückweisen. Denken Sie sich Oesterreich in eine Menge Republiken und Re- publikchen aufgelöst, — welch' ein willkommener Gruudban zur russischen Universal- Monarchie. Um endlich meine lange und doch nur flüchtig hiugeworfene Rede zu schließen, muß ich meine Ueberzeugung in kurzen Worten dahin anssprecheu, daß das Verlangen, Oesterreich (und mit ihm auch Böhmen) solle sich volksthümlich an Deutschland an- schließeu, d. h. in Deutschland aufgehcn, eine Zumuthung des Selbstmordes ist, daher jedes moralischen und politischen Sinnes ermangelt; daß im Gegentheile die Forderung, Deutschland möge sich au Oesterreich anschließen, d. h. der österreichischen Monarchie unter den oben angedeuteten Bedingungen beitretcn, einen ungleich besser begründeten Sinn hat. Ist aber auch diese Zumuthung dem deutschen Nationalgefühle gegenüber unstatthaft, so erübrigt nichts, als daß beide Mächte, Oesterreich und Deutschland, nebeneinander gleichberechtigt sich constituiren, ihren bisherigen Bund in ein ewiges Schutz- und Trutzbündniß verwandeln, und allenfalls noch, wenn solches ihren beider¬ seitigen materiellen Interessen zusagt, eine Zolleiniguug unter einander abschließen. Zu allen Maßregeln, welche Oesterreichs Unabhängigkeit, Integrität und Machtentwicklung, namentlich gegen den Osten hin, nicht gefährden, bin ich mitzuwirken immer freu¬ dig bereit. Genehmigen Sie, meine Herren! den Ausdruck meiner aufrichtigen Verehrung und Ergebenheit. Prag, den 11. April 1848. 2. Protestation des österreichischen Ministeriums in Wien hinsichtlich Frankfurts im I. 1848. Weit entfernt, den bevorstehenden Wahlen zum deutschen Volksparlamente eine bestimmte Richtung vorzeichneu oder auf dieselben Einfluß nehmen zu wollen, findet sich das Ministerium durch die bereits angeregte Frage, ob Deutschland in Zukunft eiu Bundesstaat oder ein Staatcnbund sein soll, veranlaßt, seine Ansicht auszusprechen. Von dem Wunsche des innigen Anschlusses an Deutschland durchdrungen, wird Oesterreich jeden Anlaß freudig ergreifen, welcher seine Anhänglichkeit an die gemein¬ same deutsche Sache zu bcthätigen vermag. Es könnte aber nie ein gänzliches Aufgeben der Sonder-Interessen seiner ver¬ schiedenen zum deutschenBunde gehörigen Gebietstheile, eine unbedingte Unterordnung unter die Bundesversammlung, ein Verzichten auf die Selbstständigkeit der innern Verwaltung mit seiner besonderen Stellung vereinbarlich finden, und muß sich die be¬ sondere Zustimmung zu jedem von der Bundesversammlung gefaßten Beschluß unbe¬ dingt Vorbehalten. In so ferne Letzteres mit der Wesenheit eines Bundesstaates nicht vereinbarlich erkannt würde, wäre Oesterreich nicht in der Lage, einem solchen beizutreten. 3. Rede des Abgeorneten Dr. Toman in der 115. Sitzung unseres A bgeordneten - Hauses. Ich dachte nicht in die Lage zu kommen, über den so wichtigen Gegenstand der auswärtigen österreichischen Politik gewissermaßen im Namen Jener, mit denen ich von Einem Volke der Slaven stamme, und in Abwesenheit derselben zu sprechen, — allem 518 ich muß dem Herrn Dr. Kurauda und seinen Gesinnungsgenossen entgegentreten. Es handelt sich nm den Ausspruch der Ansichten, nach welchen sich die auswärtige öster¬ reichische Politik richten müsse; zur Feststellung dieser Pnneipien müßten die Berne- ter jener Völker hier sitzen, welche den größeren Theil Oesterreichs ausmachen, und i» dieser wichtigen Frage mitzureden das Recht haben, weil sic zur Durchführung der aus¬ wärtigen Politik vorzüglich jene Mittel geben, womit die Grundsätze einer gesunden auswärtigen Politik allein durchgesetzt werden können — ick meine Geld und Sol daten. Wenn je die lluvollständigkeit des Hauses drückend ist für alle, welche gewiss Oesterreichs Machtstellung anstreben und richtig beraihen haben wollen, so ist das eben heute der Fall. Ich werde nicht die große Aufgabe übernehmen, die Politik der Slaven hinsicht¬ lich der auswärtigen Vertretung auseinander zu setzen oder deren Principien cmfzu- stelleu, aber eine Pflicht liegt mir ob, dem Herrn Dr. Kuranda in der Ansicht entaegen- zutreten, daß er, obwohl er es für leit! Unglück ansiebt, daß Oesterreich seine Macht¬ stellung in Italien verloren habe, unsere Macht und Krast auf einer anderen Grenze, auf einer anderen Seite des Reiches suchen will. Herr Dr. Kuranda hat gesagt: Wer auf zwei Stühle sich setzen will, wird endlich zwischen beiden liegen. Es ist der eine Stuhl meines Erachtens so gefährlich als der andere. Oester- reis Machtstellung liegt in den Völkern und Ländern Oesterreichs,(Bravo!) Oesterreich« Thron soll in Oesterreich, in Oesterreichs Völkern aufge¬ stellt werden und die Völker Oesterreichs werden selbst diesen Thron schützen! Sie haben noch festen Muth und kräftiges Blut. Meine Herren, verlegen wir nicht unsere Kraft und uusere Richtung nach außen; im Innern des Reiches ist hinlänglich Fond und Grund vorhanden. Dre Realisirung der Ansicht des Herrn Kuranda nöthigte mich und alle Slaven Oesterreichs, die Blicke und die Principien der auswärtigen Politik nach den; Süden zu richten, wo unsere Brüder Slaven, Christen unter dein Drucke eines Barbaren ächzen. Bisher habet; wir davon noch geschwiegen. Ich muß daher offen bekennen, daß hinsichtlich der auswärtigen Politik Oester- reichst» Deutschland ich mich den Worten jenes Mannes auschticße, der die Geschichw der Slaven wohl geprüft hat, und als er im Fahre 1848 die Einladung bekam, nach Frankfurt zn gehen, sie anssprach, nämlich den Worten: „In Frankfurt haben wir Slaven als Mitglieder des österreichischen Staates nichts zn thun.'" In diesen Worten liegen die Ansichten aller wahren und aufrichli gen Oesterreicher enthalten; sie alle — namentlich die Slaven Oester¬ reichs wollen ein einiges, im Innern auf Freiheit und Gleichberechtigung gebautes und von Außen unabhängiges und nach allen Richtungen starkes und mächtiges Oesterreich und für dieses werden sie seiner Zeit und nöthi- genfalls mit Gut und Blut einstehen. Mit Oesterreich stehen und falle» die österreichischen Slaven, darum Oesterreich um jeden Preis!' Deßwegen aber mißgönnen wir den Deutschen ihre so nöthige Ein¬ tracht und Einheit durchaus nicht, im Gegentheile wünschen wir vein Grunde unseres Herzens ihrem edlen und berechtigten Streben den gün¬ stigsten Erfolg! Aber eben darum können wir ihrHerübergreifeu in unser vielsprachiges Oesterreich durchaus nicht billigen. Wir fürchten, daß eben an diesen Nebergriffen anch ihre berechtigten Forderungen — so wie einst — auch jetzt wieder scheitern werden. Es ist wirklich auffallend, ja vrr dachtig, wie seit nicht lange her wieder das deutsche Element in Oester¬ reich betont, die deutsche Einheit, deutsches Parlament betrieben wird. 519 Wer weiß, zu was dieß Alles gut ist? Es gab eine Zeit, wo man die Slaven gebrauchte, um die wiverspäustigen Deutschen zur Ruhe zu brin gen. Vielleicht ist es au der Zeit, den Deutschen herrliche Aussichten zu eröffnen, nm die föderalistischen Nichtdeutschcn zn Paaren zu treiben? Das ist gewiß, daß sich aus dem Zanke und dem Kriege unter den Völkern die Volksfreiheit und das Volksheil noch nie entwickelt hat. Es wäre wirklich schön und erhebend, das hochherzige, gebildete und tapfere deutsche Volk durch das Band einer wahren innigen Eintracht und Einheit verbunden zn sehen! Aber Nationalstaaten sind nicht immer und überall möglich, und zum Glücke eines Volkes nicht nothwendig. Wir weisen auf den Kanton Tessin in der Schweiz hin. Die Tessiner sind echte Italiener nach Geburt und Bildung, stolz auf ihre Abstammung und streng sesthaltend an ihrem Nationalcharakter, an ihrer nationalen Kultur. Als aber in der Kammer zu Turin der radikale Bixio die Worte hören ließ: „Wir nehmen Tessin, Corsica und Malta," da erhob sich in der Schweiz ein furchtbarer Sturm. Der Bundesrath ließ einen energischen Protest nach Turin ergehen, worin es heißt: „Wir proklamiren vor dem Schweizer-Volke und vor ganz Europa eine feierliche Protestation." Und wie benahm sich erst der ganz italienische Kanton Tessin? Die Tessinischen Abgeordneten in beiden Rathen gaben die glän¬ zendsten Versicherungen der Anhänglichkeit des Tessiner Volkes an die Schweiz. Der Gemeindcrath von Lugano erließ an die dortige Einwohner schäft eine Proklamation, in welcher er erklärte, es sei mm Zeit, die Welt und die Behörden in Turin wie in Bern definitiv und für immer wissen zu lassen, daß Tessin zur Schweiz und nicht zu Italien gehöre und gehören wolle. Zugleich übersandte er dem BundeSrathe eine massenhaft unterzeichnete Adresse mit der feierlichen Versicherung, daß die Tessiner treue und aufrichtige Eidgenossen bleiben und für ihre Verbindung mit derSchweiz einstehen würden. Während also alle übrigen Italiener für die Einheit Italiens begeistert sind und zu den verzweifeltsten Mitteln greifen, nm in das geeinigte Italien eiu- zutreten: wirft sich das Häuslein Tessiner stolz in die Brust und weist jede Verlockung zum Eintritte in das geeinigte Italien trotzig zurück. Mögen die Deutschösterrcicher ans diesem Benehmen der Tessiner für sich die Lehre ziehen, daß zum Glücke eines Volkes dessen Vereini¬ gung in Einem Nationalstaate nicht geradezu und unbedingt nothwendig sei und mögen sie ihre Hauptaufgabe darin erblicken, alle Nichtdeutschen in Oesterreich als gleichberechtigte Staatsbürger und Brüder zu erkennen und in kräftiger Vereinigung mit ihnen dahin zu streben, Oesterreich un¬ ter dem Scepter Sr. Majestät uusers allergnädigsten Kaisers Franz Josef frei und glücklich zn machen. So würde für Oesterreich und Deutschland am sichersten und besten gesorgt sein. Möchten darum die Worte eines südslavischen Patrioten an geeigneter Stelle die gebührende Berücksichtigung finden: „Uns bleibt nur zu wün¬ schen, daß die Deutschen Oesterreichs endlich zu der Einsicht gelangen möch- teu, daß sie in Oesterreich und nicht in Deutschland leben, daß sie in 520 Oesterreich neben Völkern leben, die ihnen, wenn nicht in Allem ebenbürtig, so doch gewiß an Lebenskraft und in dein Streben, dieser Lebenskraft Gel tnng zn verschaffen, gewachsen sind; zn wünschen, daß unsere Staatsmänner am Ruder endlich ihre Aufgabe darin erblicken möchten, daß sie Oester¬ reich zu regieren, daß sie Oesterreichs Heil auf dem Gewissen haben, und daß für Oesterreich nur eine österreichische Politik heilbringend sein kann; endlich zn wünschen, daß die erhabene Absicht des Monarchen durch die Politik Seiner Minister nicht zn Schanden werde und daß an Oesterreich das verhänguißvolle Wort nicht in Erfüllung gehe, das Wort: „zu spät." Concordat und Religivnsedict. in. Am 19. Iuui 1861 konstitnirte das hohe Hans der Abgeordneten einen ans 12 Mitgliedern bestehenden Ausschuß zur Vorberathung der religiösen Angelegenheiten. Die wichtigste Arbeit dieses Ausschusses war der Entwurf eines Gesetzes, nach welchem die religiösen und kirchlichen Angelegenheiten des Kaiserstaates geordnet werden sollen; dieser vom Dr. Mühlfeld redigirte Entwurf wurde nun am 7. Dezember 1861 dem Hause der Abgeordneten zur Bewachung und Schlußfassung übergeben. Schon im Ausschüsse selbst konnte in dieser Angelegenheit keine Ein Helligkeit der Stimmen erzielt werden. Vier Mitglieder desselben: Bi¬ schof Iirsik von Budweis, Weihbischof Litvinoviö von Lemberg, Abt Eder von Melk und Graf Belcredi fügten diesem Entwürfe einen durch die Erklärung motivirten Protest bei, daß sie den ganzen Standpunkt, der i» demselben eingehalten wird, nicht theilen können. Und wie einst dem Con¬ cordate, so ergeht es nun diesem Neligionsedikte unter Oesterreichs großem Publikum. Die eine Partei erhebt es bis hinauf in den Himmel, die andere schlendert es nie tief genug hinab in die Hölle, — die eine Partei erblickt darin Oesterreichs und der katholischen Kirche Rettung und Heiß die andere wittert darin hingegen beider Verderben und Untergang, die eine arrangirt Petitionen für, die andere gegen das zu schaffende Religionsgesetz. Wir glauben — so wie gewöhnlich — liegt auch hier in der go> denen Mitte das Wahre und Rechte: es liegt darin Wahres und Fad schcö, Gutes und Schlechtes. Bevor wir unsere Ansicht darüber naher angeben und erörtern, möge der Comitö-Entwurf in seiner ganzen Aus¬ dehnung hier stehen. 521 I. Abschnitt. Allgemeine B e st i m m u n g e n über R e li g i o n s v e r h L lt n i s se. 1. Capitel. Religionsfreiheit. Art. I. Jedermann ist die volle Glaubens-und Gewissensfreiheit, sowie die häus¬ liche Ausübung seiner Religion gewährleistet. 2. Capitel. Wahl des Religionsbekenntnisses. Art. 2. Die Wahl des Glaubensbekenntnisses ist Jedermann nach seiner eigenen freien Ueberzeugung überlassen. Derselbe muß jedoch das hieran erforderliche Alter erlangt haben und darf sich zur Zeit der Wahl in keinem Geistes- oder Gemüthsznstande befinden, welcher die eigene freie Ueberzeugung ausschließt. Art. 3. Das zur Wahl des Religionsbekenntnisses erforderliche Alter wird für beide Geschlechter auf das erreichte 18. Lebensjahr festgesetzt. 3. Capitel. Religionsbekenntniß der Kinder. Art. 4. Für Kinder, solange sie das zur Wahl des Religionsbekenntnisses erfor- derticheAlter nicht erlangt haben, wird das Religionsbekenntniß, dem sie angehören und in welchem sie daher unterrichtet und erzogen werden sollen, nach der im folgenden Artikel enthaltenen Anordnung bestimmt. Art. 5. Wenn Eltern einer und der nämlichen Religion angehören, so ist ihr Religionsbekenntniß auch für deren eheliche oder diesen gleichgehaltene Kinder maßge¬ bend. Im Falle Eltern verschiedenen Religionsbekenntnissen anhängen, richtet sich das Religionsbekenntniß solcher Kinder zunächst nach der zwischen den Eltern darüber ge¬ troffenen rechtlichen Uebereinkunft, in deren Ermangelung aber gebührt die Bestimmung des Religionsbekenntnisses in Ansehung der Söhne dem Vater und bezüglich der Töch¬ ter der Mutter. Für ein uneheliches Kind bestimmt die Mutter desselben das Religionsbekenntniß. Im klebrigen gehört diese Bestimmung zum Rechte der Erziehung, und wer dieses Recht hinsichtlich eines Kindes hat, der ist auch befugt, das Religionsbekenntniß für solches zu bestimmen. Art. 6. Das nach dem vorhergehenden Artikel für ein Kind bestimmte Religious- bekenntniß darf solange nicht verändert werden, bis es aus eigener freier Wahl eine solche Veränderung vomimmt. Art. 7. Die Eltern und Vormünder, sowie die Religionsdieuer sind siir die genaue Befolgung der bevorstehenden Vorschriften verantwortlich. Für den Fall der Verletzung derselben steht dem nächsten Verwandten ebenso ivie den Oberen der Kirchen und Religionsgenossenschasten das Recht zu, die Hilfe der Behörden anzurufen, welche die Sache zu uutersucheu und das Gesetzliche zu vci^- sügen haben. Art. 8. Sobald ein Kind das zur Wahl des Religionsbekenntnisses erforderliche Alter erlangt hat, ist ihm von der Behörde der Schutz dieser seiner Freiheit zu gewähren. 4. Capitel. Unabhängigkeit der bürgerlichen und politischen Rechte vom Religionsbekenntnisse. Art. 9. Durch das religiöse Bekenntniß ist der Genuß der bürgerlichen und bolitischen Rechte weder bedingt, noch beschränkt. Ten öffentlichen Pflichten darf kein Religionsbekenntniß Abbruch thun. Art. 10. Die Religiousverschicdenheit ist kein bürgerliches Ehehindcruiß. Art. 11. Die Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses zwischen Kindern und bereu Eltern oder sonst zu ihrer Erziehung Berufenen benimmt diesen die ihnen wegen bor Erziehung zustehenden Rechte nicht. Art. 12. Jedermann kann insbesondere ohne Unterschied der Religion in den verschiedenen Ländern sich aufhalten Und seinen Wohnsitz nehmen, Erwerb und Nah¬ rung suchen, sowie die Zuständigkeit und das Bürgerrecht in einer Gemeinde erlangen. Auch ist jedermann ohne Rücksicht auf seine Religion fähig, in den verschiedenen Indern Besitz und Eigenthum von unbeweglichen wie beweglichen Gütern und was uniner für Rechte in Ansehung derselben zu erwerbeu. 522 Art. 13. Die Anhänger der verschiedenen Religionen Haden gleiche rechtliche Fähigkeit zur Erlangung öffentlicher Würden, Aemter und Bedienungen. Art. 14. Der Eid ist von jedermann ohne Rücksicht ans sein Religionsbe- kenittniß mit der Formel: „Sv wahr mir Gott helfe", zu schwören. Diejenigen, welchen ihr Religiousbekenntniß einen Eid überhaupt nicht gestatte!, Haden mit gleicher Wirkung die Bersicheruug durch Handschlag zu bekräftigen. IT. Abschnitt. Kirchen- und Religionsgeuosseuschafteu. 1. Unter-Abschnitt. Anerkennung. Art. 15. Eine religiöse Genossenschaft muß, uni rechtlich zu bestehen und die den Kirchen nnd ReligionSgenossenschafteu kraft dieses Gesetzes eingeräumien Rechte zn genießen, gesetzlich anerkannt sein. Art. 16. Unter der Bedingung der gesetzlichen Anerkcunung ist den Staatsbiir- gern die Freiheit zur Vereinigung in religiöse Gemeinschaften gewährleistet. Art. 17. Die gesetzliche Anerkennung kann einer religiösen Gemeinschaft ver¬ weigert oder entzogen werden, wenn und in wieferne Lehre, Verfassung oder Uebung derselben dem öffentlichen Wohle schädlich oder gefährlich sich zeigt. 2. Unter-Abschnitt. Rechte und Verbindlichkeiten. 1. Capitel. Im Allgemeinen. Art. 18. Eine jede Kirche nnd Religionsgcnossenschaft bat das Recht der öffent¬ lichen ReligionSübung, vorbehaltlich jedoch der uöthigen Maßregeln zur Sicherung der öffentlichen Ruhe und Ordnung. Art. 18. Der Staat iiinnnt ans die blvs den Glauben und das Gewissen be¬ treffenden Gegenstände einer Religion keinen Einfluß, vorbehaltlich der im Art. ll erwähnten Verweigerung und Entziehung der Anerkennung einer Kirche und Rcligions- genossenschast. Art. 20. Die Kirchen und ReligionSgeuosseufchafteu ordnen uud verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig nnd blcibeu im Besitze und Genüsse der für ihre Culnie, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde. Art. 21. Kirchen und Religionsgenossenschaften sind den allgemeinen Staats¬ gesetzen unterworfen. Art. 22. Dem Staate steht das Recht zu, auch in Religionsangelegenheiten, welche und in soweit sie das öffentliche Interesse berühren, oder mit bürgerlichen Rechts folgen in Verdingung stehen, Anordnungen zn erlassen. Art. 23. Allen Kircken nnd Religionsgenossenschaften ist vom Gesetze gleiche» Recht verliehen. Es gibt keine durch den Staat bevorrechtete Religion. Art. 24. Dem Glauben, dem Gottesdienste und den Einrichtungen jeder Küche und Religionsgenosseuschaft, ebenso wie ihren Oberen und Religiousdienern in Uebung ihres Amtes kommt gleichmäßiger Schutz gegen Verachtung oder Herabsetzung und >nr Ausrrchthaltnng des gebührenden Ansehens nnd der entsprechenden Ehre zu. Art nn Maß dieses Schutzes bestimmen die Strafgesetze. Der durch dieselben einer Religion vor den Uebrigen zugewendete besondere Schutz hat anfzuhören. , , Art. 25. Kirchen und ReligionSgenossenschafteu genießen nach außen die Recht von Vereinen und Körperschaften mit den entsprechenden Verpflichtungen. . Das Verhältnis; und der Verkehr zwischen den einzelnen Kirchen und Religion» genossenschaften ist daher nach den diesfälligen allgemeinen bürgerlichen Gesetzen z» o urtheilen und zu behandeln. 2. Capitel. Im Besonderen. 1. Titel. Im Verhältnisse zur Staatsgewalt. Art. 26. Der Verkehr zwischen den Oberen nnd den ihnen untergebenen -t ne nern nnd Angehörigen einer Kirche und Religiousgenosscuichast ist ungehindert. Tie Bekanntmachung ihrer Verfügungen ist nur Leujeuigen Beschränkung- 523 unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen. Doch müssen die all¬ gemeinen Anordnungen, welche die in einer religiösen Gemeinschaft bestehende anord- nende Gewalt in Bezug auf die Lehre, Verfassung und Ucbnng erläßt, bei ihrer Be¬ kanntmachung der Behörde des Staates in beglaubigter Abschrift mitgctheilt werden. Art. 27. Für jede Kirche und Religionsgenossenschast sind die Einrichtung, Ver¬ änderung oder Aushebung von Aemtern der Seelsorge niederen oder höheren Ranges, die Festsetzung ihrer Bezirke und Sprengel, sowie die diesfälligen Zn- und Abtheilun- gen an die Zustimmung des Staates gebunden. Art. 28. Versammlungen der Vorsteher ober Diener einer Kirche oder Religions- genossenschast, welche nicht regelmäßig znr Besorgung der gewöhnlichen Angelegenheiten gehalten werden, sie mögen mit oder ohne Zuziehung von Angehörigen der religiösen Gemeinschaft stattfinden, sind längstens drei Tage vor ihrer Abhaltung der Regierung anzuzcigen. Die Beschlüsse einer solchen Versammlung sind derRegiernng schriftlich mitzutheilen. Art. 29. Die Regierung ist, im Falle sie wahrnimmt, daß in einer Kirchs oder Religionsgenossenschast Mißbräuche oder Unordnungen eingetretcn sind, Versammlungen der Vorsteher oder Diener der religiösen Gemeinschaft mit oder ohne Zuziehung von Angehörigen derselben zur Wiederherstellung der Einigkeit und Ordnung unter ihrem Schutze zu veranlassen berechtigt, ohne jedoch in die Gegenstände der Religionö¬ lehre selbst sich einzumischen. Art. IO. Dem Landesfnrsten stehen in Ansehung der Eruennnng, der Wahl oder des Vorschlages zu kirchlichen Aemtern in einer Kirche oder Religionsgenosscn- schaft diejenigen Rechte zu, welche deren Satzungen ihm als solchem einräumen, oder ihm in Gemäßheit derselben insbesondere gewährt werden. Art. 31. Alle Vorsteher und Diener einer Kirche oder Religionsgenossenschast haben vor dem Antritte ihres Amtes dem Kaiser den Eid der Trene und des Gehor¬ sams wie der genauen Beobachtung der Gesetze und gewissenhaften Erfüllung der Pflichten zu schwören. Art. 82. Die nach den Satzungen einer Kirche oder Religionsgenossenschast den Oberen derselben über ihre untergebenen Neligionsdicner zutomniendc Amtsgewalt, «'begrifflich des Strasrichteramtes, wird von ihnen gemäß dieser Satzungen selbststän¬ dig anSgeübt. Die zwangsweise Durchführung der bezüglichen Erkenntnisse und Verfügungen hat jedoch mittelst der weltlichen Behörde stattznfinden, welche nur bei Nachweisung der Ordnungsmäßigkeit des Vorgangs daraus eingeheu kann. Art. 83. Dem Staate steht die Macht zu, im Wege des Gesetzes zu bestimmen, .wann ein Vorsteher oder Diener einer Kirche oder Religionsgenossenschast nm des öffentlichen Interesses willen, von seinem Amte zu entfernen ist, und die Negierung hat das Recht, das Gesetz in einzelnen Fällen znr Anwendung zu bringen. Art. 84. Die Vorsteher lind Diener einer Kirche oder Religionsgenossenschast haben mit den übrigen Staatsbürgern gleiche Rechte und Pflichten in bürgerlicher und Politischer Beziehung. Sie unterstehen gleich diesen den Civil- und Strafgesetzen, wie den Behörden und Gerichten des Staates. Art. 85. So weit es sich nm die Feier des äußeren Gottesdienstes nach Ort, Zeit und Zahl handelt, kann der Staat Aushebungen oder Beschränkungen verfügen. Art. 36. Dem Staate kommt es aber auch zu, in Absicht auf die religiösen Bedürfnisse seiner Bürger oder sonst im öffentlichen Interesse den Vorstehern und Die- ssern der Kirchen und Neligionsgcnosscnschaften Verpflichtungen bezüglich der Feier des äußeren Gottesdienstes in der obigen Richtung anfzulegen. Art. 37. Oeffentliche Versammlungen und Züge znr gottesdienstlichen Feier, so- wrne sie außergewöhnliche sind, müssen drei Tage vor ihrer Abhaltung den für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bestehenden Bebörden, in deren Bezirken sie statt- ffnden sollen, angezeigt, und können von diesen ans Gründen des öffentlichen Interesses untersagt werden. Art. 88. Geheime Zusammenkünfte znr Feier eines Gottesdienstes sind verboten. Art. 39. In soweit die öffentliche Sicherheit und die Forderungen der Gercch- 524 tigkeit es gestatten, ist den Kirchen und Gotteshäusern jeder Kirche und Religionsge¬ nossenschaft die Immunität gleichmäßig gewährt. Art. 40. Religiöse Institute, deren Mitglieder zufolge feierlicher Gelübde nach einer bestimmten Regel unter einer Oberleitung gemeinschaftlich leben und verkehren, sind an die Zustimmung der Staatsgewalt gebunden. Es bedarf der Genehmigung der Regeln nnd der Satzungen eines solchen In¬ stitutes von Seite der Staatsgewalt ebensowohl bei Errichtung dieser als bei Verän¬ derung jener. Der Staat kann auch in Folge seiner Genehmigung bestehende Institute derart, sobald sie den Staatszwecken schädlich oder gefährlich werden, anfhebeu und unterdrücken. Art. 41. Die Bildung eigener Gemeinden in Kirchen und Religionsgenossen¬ schaften erfordert die Genehmigung der Regierung. Die Bedingungen hierzu sind, daß die Mitglieder derselben die uöthigen Mittel zu dem Unterhalte der Religionsdiener, der Herstellung und Erhaltung der gottesdienstlichen Gebäude und Einrichtung, sowie der Bestreitung der Kosten des Gottesdienstes besitzen oder dieselben auf gesetzlich gestatte¬ tem Wege aufzubriugen vermöge». Art. 42. Andere Vereinigungen in einer Kirche oder Religionsgenossenschaft unterliegen dem allgemeinen Vereinsgesetze. Art. 43. Der Einfluß jeder Kirche und Rcligiousgenossenschaft in den Schulen ist auf den Unterricht in der bezüglichen Religion eingeschränkt. Art. 44. Die Oberaufsicht des Staates in Absicht auf Unterricht und die Erziehung in der Religion erstreckt sich auch auf den Unterricht und die Erziehung in der Religion. Insbesondere ist der Staat in Ausübung dieses Oberaussichtsrechtes befugt, in Ansehung der Unterrichts- und Erziehungsanstalten für Religionsdiener Anordnungen zu treffen und deren Befolgung zu überwachen. Art. 45. Eine Censur irgend einer Kirche und Religionsgenossenschaft in Be¬ treff der Bücher oder anderer Schriften darf nicht bestehen. Das Preßgesetz des Staates allein hat auch für Werke der Presse religiösen In¬ haltes seine volle Wirksamkeit. Art. 46. Die Gesetzgebung in Absicht auf die Ehe und dicSfällige Verlöbnisse, soweit es sich um ihre bürgerliche Giltigkeit und Wirkungen handelt, steht dem Staate allein zu und er übt die bezügliche Gerichtsbarkeit durch weltliche Gerichte aus. Zur bürgerlichen Giltigkeit der Ehe ist die feierliche Erklärung der Einwilligung der Brautleute vor dein ordentlichen Seelsorger eines derselben erforderlich. Wird ie- doch die Aufnahme dieser Erklärung aus einem nicht im bürgerlichen Rechte begründeten Anstand verweigert, so steht es den Brautleuten frei, die Ehe giltig vor der weltlichen Obrigkeit zu schließen. Art. 47. Die dermalige Ehegesetzgebung ist einer Revision zu unterziehen. Art. 48. Die Gerichtsbarkeit der geistlichen Ehegerichte geht mit einem zn bestinunenden Zeitpunkte an die weltlichen Gerichte über. Art. 49. Für Ruhestätten der Verstorbenen hat die Gemeinde Sorge zu tragen und ist das Begräbniß der Todteu eine durch die Gesetze des Staates zu regelnde Angelegenheit. . ., Jede Kirche und Religionsgenossenschaft ordnet nur die gottesdienstlichen Verruh tungen bei Leichenbegängnissen nach ihren Satzungen. Art. 50. Die Standesbücher (Geburts-, Ehe- und Sterbe: egistcr) werden von den Seelsorgern oder anderen durch den Staat bestellten Beamten in seinem Name und Auftrage nach seinen Vorschriften geführt. „ . Jede Kirche und Religionsgenossenschaft ist in der Erwerbung von Gütern » Vermögen ebenso wie in der Verfügung darüber vom Staate aus keiner besonder Beschränkung unterworfen. . . . Art. 52. Das Vermögen und Einkommen der religiösen Gemeinschaften geiuei, die gleichen Rechte nnd unterliegt den Lasten, wie ein anderes. - < k ll?n An. 53. Die in den verschiedenen Ländern bestehenden Neligionsfonde siru den Kirchen, ans deren Vermögen sie gebildet wurden, zurnckgestellt nnd bis da) deren Einküuste zum Zwecke und Besten derselben verwendet werden. 525 Das Gleiche gilt in Ansehung des in die Studienfonde der einzelnen Länder einbezozenen kirchlichen Vermögens. Art. 54. Jnwieferne Kirchen und Religionsgenossenschaften weder ans Stif¬ tungen und sonstigem Vermögen, noch durch vertragsmäßige oder freiwillige Beiträge hinreichende Mittel zur Bestreitung der religiösen Bedürfnisse besitzen und den Angehö¬ rigen zu solchem Zwecke Abgaben und Leistungen von was immer für einer Art nnd Benennung auferlegen, ist zu den diesfälligen Anordnungen die Zustimmung der Staats¬ gewalt erforderlich. Ebenso bedürfen die für gottesdienstliche Verrichtungen oder für Amtshandlun¬ gen der Vorsteher oder Diener einer Kirche oder Religionsgenossenschaft von den An¬ gehörigen derselben geforderten Gebühren der Genehmigung des Staates. Die zwangsweise Erfüllung der in gehöriger Weise angeordneten Leistungen nnd Gebühren hat mittelst der weltlichen Behörde zu geschehen, welcher die rechtlichen Be¬ dingungen hierzu nachzuweisen sind. Art. 55. Der in einer Kirche oder Religionsgenossenschaft als Abgabe an die Vorsteher und Diener derselben noch bestehende Zehent oder Leistungen, welche einen Gegenstand der Gruudentlastung bildeten, sind gegen Entschädigung auszuheben und hat diese Entschädigung nach Maßgabe der in den Gesetzen über die Grundentlastung be¬ züglich der Zehente im Allgemeinen wie in Betreff eines jeden einzelnen Landes aus¬ gestellten Grundsätze zu geschehen. Soweit ein solcher Zehent oder eine derartige Leistung bereits aufgehoben, aber die Entschädigung noch nicht erfolgt wäre, hat diese eben nach Maßgabe der bezogenen Grundsätze nachträglich zu geschehen. Art. 56. Im Falle der Notbwendigkeit haben Kirchen und Religionsgenossen¬ schaften sowohl in Ansehung des Unterhaltes ihrer Religionsdiener als auch der Her¬ stellung und Erhaltung der gottesdienstlichen Gebäude und Einrichtung auf eine Un¬ terstützung von Seite des Staates zur Bestreitung der diesfälligen Kosten gleichmä¬ ßigen Anspruch. Diese Unterstützung kann vom Staate an die von ihm zu bestimmenden Bedin¬ gungen gebunden werden. Art. 57. Den Kirchen und ReligionSgenosscnschaften stehen in Ansehung des ihren Vorstehern oder Dienern eigenthümlichen Vermögens im Falle des Todes der¬ selben keine anderen Rechte zu, als welche ihnen in Gemäßheit der bürgerlichen Gesetze und durch rechtsgiltige Verfügung der Erblasser eiugeräumt werden. Art. 58. So lauge die Gewalt der Vorsteher und Diener einer Kirche oder Religionsgenossenschaft die Grenzen ihres Wirkungskreises nicht überschreitet, kann die¬ selbe gegen jede Verletzung ihrer Rechte und Gesetze den Schutz der Staatsgewalt anrufen, der ihr von den Behörden nicht zu versagen ist. Es steht aber auch den Angehörigen einer Kirche oder Religionsgenossenschaft ebensowohl als den untergebenen Religiousdienern die Befugniß zu, im Falle sic durch die ihnen vorgesetzte Gewalt in der Kirche oder Religionsgenossenschaft gegen die fest- gesetzte Ordnung beschwert werden, dagegen den Schutz des Staates und seiner Behör¬ den anzurufen, von denen ihnen dieser zu gewähren ist. 2. Titel. Im Verhältnis; zu den Angehörigen. Art. 59. Die Macht und die Befugnisse der Vorsteher und Diener in einer Kirche oder Religionsgenossenschafc in Ansehung der Angehörigen derselben ebensowohl als die Pflichten dieser gegen jene richten sich zwar nach den Satzungen jeder Kirche und Religionsgenossenschaft selbst, es haben jedoch die in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Beschränkungen zu gelten. Art. 60. Kein Angehöriger einer Kirche oder Religionsgeuossenschaft darf von deren Vorstehern oder Dienern zn einer gottesdienstlichen Handlung, noch dazu ge- «wungen werden, die in derselben üblichen Ruhe- oder Feiertage zu beobachten. Jedoch darf er durch sein Verhalten den Gottesdienst der Uebrigen weder stören 526 noch diejenige Achtung verletzen, welche eine Kirche und Religionsgenossenschafl bei Ausübung ihrer religiösen Handlungen und Gebräuche von Jedermann fordern kann (Art. 24). Art. 61. Jnsoferne den Vorstehern oder Dienern einer Kirche oder Religion«- genosscuschast nach deren Satzungen eine Gerichtsbarkeit über ihre Angehörigen zukonmit, muß dieselbe aus die rein religiösen Sachen, nämlich des Glaubens und Gewissens und der Erfüllung der Kirchen- und Religionspflichtcn einer religiösen Gemeinschaft, nach ihrer Lehre und Verfassung eingeschränkt bleiben. Art. 62. Die Slrasgewalt der Vorsteher nnd Diener einer Kirche oder Reli- gionsgenossenschast über ihre Angehörigen darf ausschließlich nur von Strašen Gebrauch machen, welche in Entziehung gottesdienstlicher Vorthcile nnd genossenschaftlicher Rechte bis znm Ausschluß ans der Gemeinschaft bestehen. Art. 63. Nur insofernc Kirchen und Religionsgenossenschastcn weder aus Stif¬ tungen und sonstigem Vermögen noch durch vertragsmäßige oder freiwillige Beiträge hiureichende Mittel zur Bestreitung der religiösen Bedürfnisse besitzen, dürfen den An¬ gehörigen zu solchen- Zwecke Abgaben nnd Leistungen unter dieser oder jener Art oder Benennung auserlegt werden. Kein Angehöriger kann aber hierzu verhalten werden, wenn nicht die im Art. 54 geforderte Zustimmung des Staates zu solchen Abgaben oder Leistungen erfolgte. Auch zur Entrichtung von Gebühren für gottesdienstliche Verrichtungen oder für Amtsbandluugen der Vorsteher oder Diener einer Kirche oder Religionsgenossen- schäft ist kein Angehöriger verpflichtet, wenn nicht die in dem vorbezogenen Artikel auch hierzu geforderte Genehmigung des Staates besteht. 3. Titel. Im Verhältnisse zu anderen Religionsgenossen. Art. 64. Die im Staate bestehenden Kirchen und Rcligionsgenossenschaften sind sich wechselseitig gleiche Achtung schuldig, gegen deren Versagung der obrigkeitliche Schutz angernfen werden kann. Dieser ist nicht zu verweigern, jede Selbsthilfe aber ausgeschlossen. Art. 65. Jede Kirche und Neligionsgenossenschaft kann verlangen, daß sie in ihren Religionshandlungen von den Genossen anderer Religionsparteien nicht gestört werde. (Art. 24.) Art. 66. Die Angehörigen keiner Kirche oder Neligionsgenossenschaft können vcr bindlich gemacht werden, an dem Gottesdienste der anderen Amheil zu nehmen. Kein Religionstheil ist schuldig, die besonderen Ruhe- und Feiertage des andern zu halten, sondern es soll ihm sreistehen, an solchen Tagen wie an andern sein Gewerbe auszuüben und seine Geschäfte zu verrichten, jedoch mit der im Art. 60 enthaltenen Beschränkung. Art. 67. Angehörige einer Kirche oder Religionsgenossenschaft können niemals zu irgend welchen Beiträgen für die Kultus-, Unterrichts- oder Wohlthätigkeitszweckc einer andern religiösen Gemeinschaft verhalten werden. Art. 68. Der Uebertitt von einer Religionspartei zn einer andern steht jederzeit frei; doch muß er sowohl bei dem einschlägigen Vorsteher oder Diener der ncugcwähl- ten Kirche oder Religionsgenossenschaft al« der verlassenen persönlich erklärt werden. Art. 69. Keine Religionspartei darf die Genossen einer andern durch Zwang oder List zum Uebergange bestimmen. Art. 70. Durch die Rcligionsverändcrnng gehen alle genossenschaftlichen Rechte der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft an den Änsgelretenen ebenso wie die Ansprüche dieses an jene verloren. Art. 71. Die den vorstehenden Grundsätzen und Vorschriften widerstreitenden Bestimmungen der bisherigen Gesetze, ans welcher Grundlage sie beruhen, und in wel¬ cher Form sie erlassen sein mögen, können in den Königreichen und Ländern, sm welche dieses Gesetz knndgcmacht wird, zu keiner Anwendung mehr kommen. Dieses sein sollende, ziemlich umfangreiche Religionsedikt stellt sich auf einen Standpunkt, welchen auch wir größtentheils nicht theilen können. 527 Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat stellt sich der Entwurf: 1. Auf den Standpunkt des indifferenten Staates. Wie die Artikel 2, 9, 13, 14, 43, 44, 46 und 49 zeigen, prokla- mirt das Edikt die gänzliche Indifferenz des Staates gegen jede Religion, der Staat nimmt in seinen staatlichen Beziehungen und Verhältnissen auf das Glaubensbekenntnis seiner Staatsbürger gar keine Rücksicht, ihm gilt der Christ so viel als der Nichtchrist, vor dem Staate sind alle Religio¬ nen gleichberechtiget. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat hat viele Phasen durch¬ gemacht. In den ersten drei Jahrhunderten war dies; Verhältnis ein sehr kaltes — feindseliges : der Staat verfolgte die Kirche und versnchte sie mit allen Mitteln von der Erde zu vertilgen. Mit und nach Konstantins Bekehrung gestaltete sich die Sache freundlicher, die christliche Religion ward Staats¬ religion, die Kaiser waren ihre Freunde und Beschützer. Die Zeit Karl's des Großen liefert den schlagendsten Beweis, welches Glück es für die Menschheit, wie einflußreich für deren Aufschwung und Bildung es sei, wenn Staat und Kirche in aufrichtiger Harmonie und gegenseitiger Un¬ terstützung zum gemeinsamen Wohle wirken. Später wurde jedoch dieß glückliche Verhältnis gestört, indem die Kirche zu einer Macht gelangte, daß sie über weltliche Angelegenheiten, über Reiche und Regenten gebot. In dieses unnatürliche und unberech¬ tigte Verhältnis machte die Reformation im 16. Jahrhunderte den ersten gewaltigen Riß, und seither trennt sich das unnatürlich zusammen Gemengte und Gekoppelte immer mehr, Staat und Kirche gehen immer mehr und mehr auseinander und scheinen nicht eher zur Ruhe kommen zu wollen, bis nicht beide dort stehen werden, wohin sie nach dem Natnrrechte gehören. Staat und Kirche sind nun nach dem Ursprünge und dem Wesen — nach dem Zwecke, — nach den Mitteln, diesen Zweck zu erreichen, — und nach der Verfassung durchaus von einander verschieden, darum von einander zu trennen. Seit dem amerikanischen Befreiungskriege ist der Satz, „daß die Religion und das religiöse Bekenntnis; ans den Staat und die Berechtigung in demselben durchaus keinen Einfluß übe", der Lieblings¬ satz aller Publizisten und ein Staatsgrundgesetz in den meisten neuern Verfassungen, z. B. in Nordamerika, Frankreich, Belgien n. s. w. ge¬ worden, und Bischof Freiherr von Ketteler stellt S. 155 seines berühmten Wertes: „Freiheit, Autorität und Kirche" die Behauptung ans: „Es steht kein kirchlicher Grundsatz fest, welcher einen Katholiken behinderte, der Meinung zu sein, daß unter den gegebenen Verhältnissen sie Staatsgewalt am Besten thne, mit der gleich zu erwähnenden Be¬ schränkung volle Religionsfreiheit zu gewähren," und erkennt nur darin einen Mißbrauch, „wenn die Staatsgewalt unter dein Vorwande der Religionsfreiheit Sekten duldet, die de« persönlichen Gott leugnen, oder die Sittlichkeit gefährden." Wer die heutigen religiösen Verhältnisse kennt, wer die heutige Strömmung gegen Kirche und Christenthum beobachtet, 528 wer die Verhandlungen in den Volksvertretungen und die Artikel in der Presse liest, der wird nothwendig zur Ueberzeugung kommen, daß de^ heu¬ tige radikale Geist sich nicht eher beruhigen und zufrieden geben werde, bis er nicht den Staat alles christlichen Charakters entkleidet und ihn zu dem religiös-indifferenten Staate umgebildet, die Trennung zwischen Kirche und Staat durchgesetzt hat. Aeußerst interessant ist, was hierüber der obgenannte Bischof Ketteler S. 183 sagt: Staat und Kirche können sich ihrem Wesen nach nicht trennen, weil sie m dem großen Weltplan Gottes zusammengehören, sich gegenseitig unterstützen und da¬ durch die Absichten Gottes zum Heile der Menschen erfüllen sollen. Es ist doch eine überaus oberflächliche Anschauung von dem Verhältnisse zwischen Kirche und Staat, wenn mau die Ueberlrssn.iz einiger weniger Rechte an die Kirche, die ganz zu ihrem Wesen gehören, eine Trennung nennen will. Es ist das ein leeres Spiel mit Worten, benutzt um die Menschen zu tauschen, und unter diesem Scheine die Kirche und den Staat gleichmäßig zu beschädigen. Wie die Ehe nicht dadurch getrennt wird, wenn der Vater die Geschäfte des Mannes und die Mutter die des Weibes besorgt, so wird das Verhältnis; zwischen Kirche und Staat nicht aufgehoben, wenn die Kirchen- und die Staatsgewalt ihre eigenen Angelegenheiten besorgen. Wenn man die Gewäh¬ rung der Freiheiten, die die Kirche fordert, Trennung nennen will, so ist es eine Tren¬ nung, die nothwendig zur Einigkeit führen muß. Es ist unsere tiefste Ueberzeugung, daß durch die Gewährung der Selbstregiernng Staat und Kirche nicht getrennt, son¬ dern wahrhaft und bleibend geeinigt werden. Die Kirche kann und darf sich nicht vom Staate trennen, wie sie sich überhaupt von gar Nichts trennen kann, was von Gott stammt. Sie muß den Staat ehren als eine göttliche Veranstaltung zum Heile der Menschen. Sie muß ihre Glieder anhalten, der Gewalt im Staate, so weit sie der gött¬ lichen Ordnung entspricht, wegen Gott gehorsam zu sein. Sie muß das Wohl des Staates fördern mit allen ihren geistlichen Mitteln, sich über geordnete Staatsverhältnisse freuen und jede Zerrüttung des Staatswesens beklagen. Sie muß endlich der Welt verkünden, daß, wer sich unrechtmäßig der weltlichen Gewalt widersetzt, sich Gott selbst widersetzt und sich die Verdammung von Gott zuzieht. Ebenso kann und darf auch die Staatsgewalt sich von der Kirche nicht trennen, ohne ihre wesentlichen Pflichten zu verletzen. Der Staat ist verpflichtet, die Rechte der Kirchs zu schützen, wie die Rechte jedes seiner Untergebenen, und sie vor jedem ungerechten Angriffe zu bewahren. Die Pflege der Gerechtigkeit ist die von Gott dem Staate gegebene Mission und er muß sie gegen Alle üben. Der Staat ist verpflichtet, die Kirche mit Wohlwollen anznsehen und ihr zur Seite zu stehen. Auch dieser Theil seiner Aufgabe folgt aus der Natur der Staats¬ gewalt und der ihr von Gott gegebenen Pflicht. Der Staat ist verpflichtet zu diesem Rechtsschutz? und dieser Unterstützung nicht allein wegen Gott, sondern seines eigenen Wohles wegen. Wenn er sich von der Kirche trennt und von dem religiösen Glauben seiner Unterthanen, so trennt er sich von Gott und zerstört damit sein eigenes Fundament. Der Staat ist endlich zu diesem Rechtsschutz und dieser Unterstützung verpflichtet seiner eigenen Angehörigen wegen. Diese haben ein Recht darauf, daß die Staats gewalt ihre religiöse Gesinnung in ihrem kirchlichen Verbände achte und ehre miv schütze und unterstütze. Der Staat ist kein beliebiges Abstractum jenseits der Wolken, sondern eine Wirklichkeit, bestimmt zum Nutzen der Menschen, die er umschliesst, und eine Trennung von ihren höchsten Interessen ist daher Pflichtverletzung der Staats¬ gewalt. 529 Was ich aber hier gesagt habe von der Pflicht des Staates, das Recht der Kirche zu schützen und dieselbe zu unterstützen, verstehe ich nicht allein von der katho¬ lischen Kirche, sondern von jeder religiösen Genossenschaft, die von der Staatsgewalt einmal als solche zugelassen ist, und den Anforderungen der natürlichen Sittlichkeit und der Verehrung des Einen wahren Gottes entspricht." Hätte das Mühlfeld'sche Religionsedikt ein solches Verhältnis zwi¬ schen Kirche und Staat im Sinne, so könnten, ja müßten wir Katholiken uns damit begnügen, nnd für die verlornen Privilegien und Vorrechte der Staatskirche einen reellern und unvergänglichen Ersatz darin suchen, daß wir alle Katholiken für den Geist und die Werke der katholischen Kirche begeistern und sie zu eifrigen, thätigen Christen umschaffen; und dann wäre Oesterreich — mag es auch den Namen eines christlichen Staates an der Stirne nicht mehr tragen — in der That und Wirklichkeit der christliche Staat. Darin besteht nach den Worten des Mschofes Ketteler auch ins¬ besondere das Wesen des christlichen Staates, „daß die Menschen, die ihn bilden, Christen sind und zur Höhe der christlichen Würde gelangen; nicht aber darin, daß die Staatsgewalt sich christlich nennt, oder einige äußer¬ liche christliche Gebräuche beibehält." Das Mühlfeld'sche Edikt versteht aber den indifferenten Staat nicht in dem obgezeichneten Sinne; denn es stellt sich hinsichtlich des Rechtes 2. aus den Standpunkt des größten Unrechtes gegen die katholische Kirche. Mag Jemand über das Verhältnis; zwischen Kirche und Staat was immer für Grundsätze haben nnd der Staatsgewalt was immer für Rechte in Betreff der religiösen Angelegenheiten zuerkennen: so kann er doch nicht in Abrede stellen, daß die katholische Kirche in Oesterreich existirt, und zwar über 18 Jahrhunderte, somit länger als Oesterreich existirt. Unsere katholische Kirche besteht ans Gottes Gnaden! Sehr gründlich und belehrend ist, was Kardinal Wiseman in seinen Vorträgen „über Concordate" S. 33 sagt: „Wenn wir uns in Betreff der Kirche nach wahren Grundsätzen uuisehcn, müssen wir sie nothwendig dort suchen, wo sie zuerst ausgesprochen sind, in den Worten Dessen, der sie gegründet hat. Wir müssen das Neue Testament zur Hand nehmen und sehen, was unser göttlicher Heiland über die Stellung Seiner Kirche in der Welt lehrt. Was finden wir da in Hinsicht aus die Rechte der Fürsten über die Kirche, oder in Betreff des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat? Im 13. Capitel des Briefes an die Römer erklärt der h. Paulus den einfachen und schönen Grundsatz unseres Herrn: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist." Ich nenne diesen Satz einfach und schön; das waren alle Worte, die aus Seinem heiligen Munde kamen, weil sie, wie kurz sie amb gefaßt sind, doch den Keim der vollkommensten Belehrung über jenen Gegenstand enthalten nnd einer unendlich großen Entwickelung fähig sind. Wenn der Apostel die Christen zn Rom ermahnt, allen Obrigkeiten zu gehorchen, so befiehlt er ihnen, der bestehenden obrigkeitlichen Gewalt unterworfen zn sein, weil sie bon Gott komme — denn in der That komme jede obrigkeitliche Gewalt von Ihm; darum sollen sie den Gesetzen des Landes gehorsam sein, und zwar nicht ans knechtischer Mwcht, sondern um des Gewissens willen; sic sollen Steuer geben, wem Steuer gebührt, Zoll,wem Zoll, Ehrfurcht, wem Ehrfurcht, Ehre, wem Ehre gebührt; sie sollen sich erin¬ nern, daß die weltliche Obrigkeit das Schwert sübre zur Bestrafung der Bösen, und daß sie thnn müssen, was Recht isst wenn sie ihrem gerechten Urtheilssprnche entgehen wollen. Das waren die Grundsätze einer gänzlichen und vollständigen Unterthanentreue, die 530 der Apostel aufstellte, indem er die einfachen Worte unseres Herrn erklärte: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist." Wer waren diese Kaiser — diese Obrigkeiten, die das Schwert führten, diese Gewalten, denen Steuer und Zoll gebührte? Die heidnischen Beherrscher der ganzen Welt. Wenn Gottes Vorsehung einerseits den Acker für die Aussaat der Einen Glaubenssaat dadurch vorbereitet hatte, daß sie beinahe die ganze damals bekannte Welt Einem Fürstengeschlechte unterwarf, so machte sie zugleich durch eben diesen Umstand die Stellung der Kirche kritischer und schwieriger. Die Christen konnten nicht sagen: „Das Schwert ist gegen uns gezogen, wir werden zu Rom ver¬ folgt, unser Blut fließt in diesem Lande, aber ein benachbartes Königreich will uns anfnehmen und uns in Frieden leben lassen, dorthin wollen wir uns zurückziehen und dort ruhig leben; da wird uns die Gründung der Kirche, die unserer Sorge anvertraut ist, auf jede Weise erleichtert." Das war unmöglich; das Wort Gottes mußte gepre¬ digt und die Religion Christi gegründet werden unter dem Schatten jenes verfolgenden Schwertes. Er setzte das schwache Schiff Seiner Kirche auf das weite Meer, und gab ihm keinen Anhaltspunkt auf der Erde; Er sorgte nicht für geräumige Häfen, für sichere Zufluchtsorte, wo es Ruhe finden könne inmitten der Wogen; Er verknüpfte Seine Kirche nicht durch die Bande irdischer Anhänglichkeit oder Hoffnung mit den Königreichen der Erde und den weltlichen Gewalten. Und hat unser göttlicher Erlöser einmal, während Er Seine Apostel unterrichtete, eine Andeutung gegeben, daß jemals ein anderes Verhältnis; eintreten werde? Hat Er gesagt, daß nach dreihundert Jahren die Kirche in einen andern Zustand versetzt werden sollte? Hat Er gesagt: „Dann werden die Worte, die ich zu Euch geredet habe, aus euere Stellung nicht mehr anwendbar sein. Wenn Ich euch sagte: „Ihr werdet vor Könige und Fürsten gestellt werden nm meinetwillen, und Verfolgung erleiden," so sollte sich das nur auf dreihundert Jahre beziehen, während welcher man euch foltern, martern und morden wird; aber nach dieser Zeit werdet ihr vor Königen und Fürsten stehen, um geehrt und begünstigt und beschützt zu werden?" Nein; Alles, was der Herr über die Stellung Seiner Gläubigen in der Welt gesagt hat, oder was von Seinen Reden darüber ausgezeichnet ist, bezog sich auf den damaligen Zustand der Welt. Er gründete die Kirche als eine verfolgte Kirche und unterwies sie als eine verfolgte Kirche. Die Belehrungen, die Er ihr gab, waren nicht Belehrungen über Frieden, Reichthum und Größe, über sociale Stellung und Glück, sondern Belehrungen über Verachtung, Verspottung, Haß, Verfolgung, Elend und Tod. Er hat einen spätern an¬ dern Zustand nie angedentet. Während Er Regeln gab für ihr Verhalten in dem Zustande, den allein Er beschrieben hat, hat Er solche nicht gegeben für eine andere Lage, in der sie durch königliche Gewalt beschützt und begünstigt werden sollte. Was können wir anders daraus schließen, als daß unser göttlicher Erlöser die Organisation Seiner Kirche für vollkommen und vollständig wollte gehalten wissen, ohne die geringste Berührung mit der weltlichen Gewalt? Da Er Seine Kirche dreihundert Jahre lang in dieser Weise existiren ließ, baute Er sie nicht so, daß sie nach dieser Zeit verfallen sollte, sondern so, daß sie in demselben Zustande auch noch tausend Jahre hätte dauer» können. Und gesetzt, es entstände nach all' den Leiden, welche die Kirche so viele Jahr¬ hunderte hindurch erlitten hat, wieder eine Verfolgung, und in allen Theilen Europas entzöge der Staat der Kriche seinen Schutz und überließe sie noch einmal ganz sich selbst, — die Kirche würde sich als eben so fest gebaut, als eben so fähig erweisen, de» stärksten Angriffen zu widerstehen und sich selbst zu regieren, wie sie cs während der drei ersten Jahrhunderte gewesen ist; und das Schisflein Petri würde eben so stolz oben ans den Wogen schwimmen und seine heilige Last tragen, wie damals, als sein gött¬ licher Steuermann auf dem See Genesareth darin saß. Dies ist also der katholische Grundsatz: die Kirche ist eine Institution, die von unserm göttlichen Erlöser ohne alle Beziehung zur weltlichen Gewalt gegründet ish.on' alle Bedingungen zur vollkommenen Existenz ganz in sich selbst trägt und die existnr» kann, ohne mit einer andern Gewalt in Verbindung zu stehen. Der Beweis dafür liegt aber nicht allein in dem Schweigen der h. Schutz, sondern auch, und zwar noch deutlicher in dem Glauben und der Praxis der Küche selbst. Wenn Sie die Schriften der Väter lesen, die vor dem Frieden der Kirche unter Constantin lebten, werden Sie schwerlich auch nur Eine Stelle oder Einen Ausdrua 531 darin finden, worin die Hoffnung ausgesprochen wäre, der Kaiser werde einst ein Christ sein und die Kirche werde sich eines Zustandes zu erfreuen haben, verschieden von dem, in welchem sie sich damals befand; zugleich findet sich aber anderseits keine Aeußernng des Unwillens, des Mißvergnügens, noch ein Gedanke an Empörung; es wird selbst bei heidnischen Geschichtschreibern nirgendwo den Christen eine Verschwörung gegen den Kaiser Schuld gegeben, der das grausame Schwert der Verfolgung in seiner Hand hielt. Während die größten und gelehrtesten Staatsmänner und Philosophen, einer nach dem andern, als der Verschwörung gegen den Kaiser beschuldigt, starben, konnten die Heiden diese Verlänmdnng gegen die Christen nicht Vorbringen. Sie waren dem Staate treu und gehorsam in allem, was zu den Pflichten der Unterthaneu gehörte. Sie fochten in seinen Armeen, sie kämpften nicht nur einzeln, sondern auch in Legionen,unter Haupt¬ leuten, Befehlshabern und Generälen, die sich zum christlichen Glauben bekannten und die ost nach errungenem Siege lieber selbst als Opfer fielen, als am Siegesopsertheil- nahmen, die ihr Leben Hingaben für den Glauben, der ihnen Götzendienst verbot. Sie erfüllten treu ihre Pflichten als Unterthaneu. Sie konnten selbst den Heiden den Vor¬ wurf machen t „Wollt ihr wissen, wer am willigsten und sorgfältigsten die Abgaben, Steuern, Auflagen und Zölle bezahlt: fragt eure Steuereinnehmer, und sie werden euch sagen — die Cbristen." llnd während sie so treu« und geduldig waren, sprachen sie, wie ich vorhin bemerkte, nie die Hoffnung ans, es werde ein Tag kommen, wo der Kaiser ein Christ sein und das Kreuz ans seinen! Diadem thronen werde. Es war dies so wenig ein vorherrschender Gedanke bei den Christen in den ersten drei Jahrhunderten und wurde so wenig als nothwendige Entwickelung ihrer Lage betrachtet und erwartet, daß sie nicht einmal darauf zu rechnen schienen, daß dereinst der Gottesdienst mit glän¬ zenden! Ceremonien und nach einem prächtigen: Ritus, oder öffentlich mit kaiserlicher Pracht werde gehalten werden. Solche Träume, wie sie wohl oft in den Gcmiithern verfolgter Katholiken in neuern Zeiten anfgesticgen sind, störten keinen Augenblick den Gleichmuts: und die Ruhe, womit sie das LooS annahmen, das Gott ihnen bestimmt hatte. Sie scheinen dies für den natürlichen und normalen Zustand der Kirche gehal¬ ten zu haben. Sie sahen nicht auf die Zukunft, sondern ans die Zeit, die Gott ihnen gegeben, ihr eigenes Heil zu wirken. Und als der Tag der Freiheit für die Kirche kam, da finden wir bei den Christen kein Frohlocken, wir hören die Väter von den vergangenen Zeiten nicht reden als von Tagen des Elends und der Trübsal, woraus Gott sie gerettet habe. Vielmehr blickten sie mit einer heiligen Eifersucht zurück ans diejenigen, welche die Leiden zu erdulden und das Glück gehabt hatten, für Christus sterben zu können. Wir hören nicht, daß sie sich über diejenigen, die das Christcnthnm »och nicht angenommen hatten, stolz erhoben. Vielmehr nahmen sie die eingetretene Aenderung in demselben Geiste an, in welchem ihre Väter unter den: früheren Zu¬ stande der Kirche gelebt hatten. Was folgt hieraus? Daß sich keine Spur von der Auffassung findet, wonach M wahren Stellung der Kirche nothwendig eine Verbindung zwischen ihr und dem Staate und ein Schutz ihrer Rechte durch die weltliche Macht gehört. Man dachte beim Anfänge der Kirche gar nicht daran, cs werde eine Zeit kommen, wo der Staat der Kirche ihre Rechte gewährleisten werde. War also die Kirche gegründet, wie ein Samenkorn, welches in die Furche geworfen, den belebenden Frühling erwartet, nm zu keimen und aufzngehen und zu wachsen und sich ansznbreiten und Blumen und Früchte '» bringen ? Im Geqentbcil, die Kirche ist in völliger Trennung von der Welt zu ihrer höchsten' Vollendung"und zur Entwickelung jedes Thciles ihres ganzen Banes aufge¬ wachsen. Ein Banin, welcher ans einem in die Erde gelegten Samenkorn hervorgc wachsen ist, sich nach allen Seiten hin ausgedehnt hat, und nicht bloß Blätter, sondern ">sch Blttthen und Frückte trägt, kann nickt vollkommener ausgebildet sein, als sich die ksirche in diesen ersten drei Jahrhunderten ausbildete, wo sie mit der Welt und ihren Herrschern in keinerlei Verbindung stand. Ihre Bisthümer waren über die ganze Erde verbreitet. Sic war in Provinzen getheilt mit Erzbisthiimern und Patriarchaten, die stck schon ausgebildet batten und an die sich die untergeordneten Mittelpunkte der Ein hv" anschlossen. Zwischen all diesen verschiedenen Theilen bestanden Verbindungen, durch welche eine völlige Gemeinschaft hergestcllt wurde. Es gab Priester und niedere 34* 532 Geistliche; es gab zahllose gottgeweihte Jungfrauen, es gab heilige Männer, die sich von der Welt zurückgezogen hatten, um in der Einsamkeit Gott zu suchen; es gab Kirchengesetze und Canones, eine Bußordnung und Disciplinargesetze, die in der ganzen Welt mehr ober weniger dieselben waren. Es gab Liturgien, die in den wesentlichen Theilen durchaus übereinstimmten, wenn sie auch in verschiedenen Sprachen abgesaßt waren, — mit zahllosen Gebräuchen und Ceremonien. Dies alles entstand und ent¬ wickelte sich während dieser dreihundert Jahre, wo der Staat auf die Wirksamkeit der Kirche keinen Einfluß übte. Unser göttlicher Erlöser hatte also Seine Kirche nicht nur ganz unabhängig vom Staate und ohne Verbindung mit demselben gegründet, sondern Er hatte ihr auch offenbar eine Thatkraft und Lebensfähigkeit gegeben, die für ihre ganze Entwickelung ausreichte, und die Kirche war faktisch während der Zeit der Ver¬ folgungen zur vollsten Kraft und Reife emporgewachsen. Kann es wohl einen schlagendem Beweis dafür geben, daß die Kirche nicht nothwendig mit der Welt in Verbindung stehen muß, und daß sie immer ohne die Welt sortbestehen könnte, wenn das Gottes Wille wäre? Ein Lehrsatz, an dem die Ka¬ tholiken festhalten, bildete das nothweudige und verbindende Fundament des ganzen kirchlichen Gebäudes. Wiewohl die Kirche durch die räumliche Ausdehnung wie durch die Verschiedenheit der Sprache getrennt war, so war sie doch durch ein Band geeinigt, nicht so wie unorganische Körper, die in dem einen oder andern Punkte einander be¬ rühren, sondern als ein lebendiger Organismus, in welchem alle Theile in lebendiger Verbindung mit einander stehen und auf einander einwirken. Der Mittelpunkt und die Quelle dieses Lebens war der Nachfolger des Apostelfürsten, des h. Petrus. Wie sehr auch die Denkmäler jener Zeit zerstreut, wie sparsam ihre geschichtlichen Aufzeichnungen oder vielmehr geschichtlichen Fragmente sein mögen, man sieht überall jene Unterordnung unter Eine Gewalt, die Zuratheziehung Eines Orakels, jener Gewalt nämlich, die bindet und löst, der die Schlüssel des Himmelreichs gegeben sind, die zum Felsen ge¬ setzt ist, auf dem der Bau der Kirche ruht, und welche das geschriebene Wort Gottes zu ihrer Wurzel hat. Denn die Existenz dieser Gewalt, dieser Jurisdiction und höch¬ sten Autorität läßt sich Nachweisen bis zu dem, welcher sie seinen Nachfolgern über¬ lieferte — zu dem, der der Fels war, auf den die Kirche gebaut wurde, dem die Schlüssel des Himmelreichs gegeben wurden, dem gesagt ward: „Weide meine Schafe" — und der so die Vollmacht empfing, zu regieren auf Erden als Christi Stellvertre¬ ter, mit der allgemeinen Gewalt zu binden und zu lösen. Auf dieses Fundament aus¬ gebaut, hatte die Kirche ein Princip innerer Einheit, das sie befähigte, vollkommen organisirt zu bestehen, ohne den äußern Beistand weltlicher Gewalt. Ohne Rücksicht aus den Staat besteht nun die Kirche auf der gan¬ zen weiten Erde, somit auch in Oesterreich. Daß das Religionsedikt die Thatsache, Kultur und geistige Bildung habe in allen Ländern, somit auch in Oesterreich, auf dem Boden des Christenthums und der Kirche sich^ ent- wickelt, vergessen zu haben scheint, finden wir natürlich und begreiflich; , daß aber die Kirche als RechtSsubjekt in Oesterreich existirt, sollte wa» doch nicht übersehen, — und doch ist den gelehrten Herren, wie in anderer Beziehung, so auch in dieser etwas Menschliches begegnet! Nach Artikel 15 des Ediktes nämlich hängt es erst von dem freien Ermessen des Staates ab, ob er die katholische Kirche als Religionsge¬ sellschaft anerkennen, oder ihr die Anerkennung versagen wolle; und nach Art. 17 ist der Staat selbst dann, nachdem er eine Religionsgesellschast einmal anerkannt hat, noch immer berechtigt, ihr die Anerkennung wieder zu entziehen. Dieser Streich, der natürlich nur gegen die katholische Kirche geführt war, trifft aber auch und noch in höherem Grade alle neueren protestantischen Konfessionen. Mit dem Edikte in der Hand kann der Staat auch ihnen die Schulen und Bethäuser schließen, sobald das 533 öffentliche Wohl nach seiner Ueberzeugung es fordert! Die Herren Fa¬ brikanten des Religionsediktes scheinen vergessen zu haben, daß sie einen freien Staat konstituiren wollen, und von einem wahrhaft freien Staate braucht weder die Kirche noch eine andere Religionsgesellschaft eine besondere Anerkennung. Diese kommt dem freien Staate allen religiösen Gesellschaften gegenüber nur in dem Maße zu, wie jedem an¬ dern Vereine gegenüber. Die Existenz und Freiheit der Kirche liegt schon im Associationsrechte gewährleistet, und jede besondere Anerkennung wäre nichts als eine Beschränkung ihrer Existenz und Freiheit, — und der freie Staat beschränken!? Ucberall steht die katholische Kirche noch auf ihrem Rechtsboden, nur in Oesterreich wollen sie Rechtsgelehrte und Freiheitshelden in die Luft hängen, gegen sie das größte Unrecht begehen? Das Religionsedikt ist das größte Unrecht gegen die Kirche, eine Berau¬ bung der Kirche. — Hinsichtlich der Freiheit endlich stellt sich das Religionsedikt 3. auf den Standpunkt der absolutistischen Polizei anstatt gegen die katholische Kirche. Der moderne Liberalismus schwingt die Fahne der Freiheit hoch, sehr hoch, und übt doch Polizei und Thranei nach allen Richtungen. OdU lon-Barrot scheint unsere Liberalen gemeint zu haben, wo er in seinem Werke über „Centralisation" S. 8 schreibt: „Wie viele meiner politischen Glaubensgenossen, von der liberalen Partei, habe ich nicht gekannt, für welche der Liberalismus nur einzig darin bestand, den Adel zu hassen und schlecht von der Geistlichkeit zu sprechen "? Auch Cavour hat „die freie Kirche im freien Staate" zum Programm seiner Politik gemacht. Aber treffend sagt von ihm der Protestant Guizot auf Seite 29 seiner Brochüre: „Die christliche Kirche nnd die christliche Gesellschaft im I. 1861": Wenn er (Cavour) bei seinem Streben, das Königreich zu erobern und zu coustituiren, nach dem Beispiele der verschiedenen Vereinsstaateu der amerikanischen Republik nichts weiter gethan hätte, als die absolute Tren¬ nung von Staat und Kirche auszusprechen, indem er übrigens die katho¬ lische Kirche in dem Zustande beließ, in dem er sie fand, nnd im Besitz ihrer alten Institutionen, so würde er einiges Recht gehabt haben, eine solche Sprache zu führen; allein die Freiheit der katholischen Kirche zu Proclamiren, während man gegen ihren Willen in ihren Wohnsitz eindringt, um ihr ihre Besitzungen zu rauben, ihrer Traditionen zu spottcu und ihre Grundvesten umzustürzen, führwahr; ein gleiches Beispiel von anmaßender und chronischer Leichtfertigkeit, in welche hervorragende Geister verfallen, wenn sie sich dem Taumel des Ehrgeizes und des Erfolges überlassen, ist nur in der Geschichte nicht bekannt." Herr Guizot mag von unserm Re¬ ligionsedikte nichts gewußt haben, sonst wäre der Schluß des Citates an¬ ders ausgefallen. Auch unser Neligionsedikt proklamirt die freie Kirche 'M freien Staate und schmiedet dabei Fesseln, welche die Kirche zu den Zeiten ihrer heftigsten Gegner und Verfolger Wohl kaum getragen hatte. Wir wollen die der Kirche im Religionsedikte beweinte Freiheit nur fthr 534 kurz zeichnen: Das kirchliche Lehramt (Art. 33), die Feier des Gottes¬ dienstes und der religiösen Hebungen (Art. 35, 36, 37), das Begräbnis (Art. 60), der Episkopat (Art. 31, 33), das Ordenswesen (Artikel ,sB die Schule und Erziehung (Art. 43), das Scmiuarium zur Bildung der Geistlichen (Art. 44), die religiösen Schriften (Art. 45), die Ehe (Art. 46—48) ist der Staatsgewalt unterworfen. Alles in der freien Kirche überwacht, bevormundet und ordnet die Staatsgewalt! Nur dem Glauben und dem Gewissen wird die Freiheit (Art. 19) zugesichert: sehr begreiflich, da über das Innere kein Mensch urtheilet, und der Katholik diese innere Freiheit auch im Kerker und auf dem Schaffet bewahrt, und auch der freisinnige Dr. Mühlfeld keine Kette des Glaubens und Gewissens zu schmieden vermag,: nur in diesem Sinne erkennt das Edikt die Freiheit im Ernste au. Der Gallikanismus, der Febronianismus, der Iosesinismus und der Byzantinismus haben in der Vergewaltigung und Knechtung der Kirche wirklich Vorzügliches geleistet. Aber so vollständig hat noch Niemand die Selbstständigkeit der Kirche wegdekretirt und sie in die Sklaveuketten des absolutistischen Polizeistaates geschmiedet: Das Edikt steht in dieser Be¬ ziehung unerreicht da — im 19. Jahrhunderte, in dem Jahrhunderte der Freiheit, Autonomie und Selbstverwaltung! Es ist wirklich unerklärlich, wie gelehrte und sonst hochgeachtete Männer in solche Widersprüche ge- rathen können. Es dürste interessant sein, eine Erklärung dieser paradoxen Erscheinung zu finden. Schusclka, ein übrigens sehr ehreuwerther, wirk¬ lich freisinniger, nur gegen die Kirche von den gleichen, ja noch von grö¬ ßeren Vorurtheilen befangener Publizist, liefert uns diese Aufklärung. Seite 327 seiner „Reform" gibt er die Gründe an, warum die sonst Jedermann zu gewährende Freiheit nur der katholischen Kirche allein vor¬ enthalten werden müsse. Er schreibt: Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, daß die Kirche überhaupt vom Staate frei sein soll. Diesen Grundsatz haben auck die Ultramoutanen eifrig augeru- sen. Ihr wollt, sagten sie, daß alle Korporationen, Gemeinden, Vereine frei und mur¬ nom sein sollen, also müßt Ihr konsequent auch der katholischen Kirche dieselbe Freiheit und Autonomie zngestehen. An und für sich ließ und laßt sich dagegen nichts einweu- deu, und demnach hat auch der konfessionelle Ausschuß des Reichsrathes dem allste meinen Grundsatz gehuldigt und.für alle vom Staate anerkannten Rcligioiisgciiosstu schäften die gleiche Freiheit ausgesprochen. Jede Kirche soll sich nach ihren eigenen Satzungen selber regieren. Dieser gerechte Grundsatz könnte nun ohne Gefahr auch aus die katholische Kime Anwendung finden, wenn die Kirche nicht von allen andern kirchlichen Genosseuschafttn so wesentlich unterschieden wäre. Die katholische Kirche hat eine so eigcnthünUiche Or¬ ganisation, so absonderliche Satzungen, eine so ganz außerordentliche Wclrstellung, dast die Freiheit dieser Kirche geradezu nothwendig zu Konflikten führen muß mit den andern Kirchen, mit der Bildung nud den Lebensbedürfnissen der Zeit, mit der welt¬ lichen Gewalt. Die katholische Kirche hält sich für dis alleinseligmachende, sie glaubt sich be¬ rechtigt und verpflichtet, alle Andersgläubigen zu verdammen, ans die Bekehrung rscr Unterdrückung derselben hinznwirkcu. Sie macht kein Geheimnis; daraus, sie hat ostem- sich e Gebete für die Bekehrung oder Ausrottung der Ketzer. Je freier nun die Kirche ist« desto rücksichtsloser wird sie Unduldsamkeit üben, die sie für eine Gewissenspsücht 535 halt. Wir haben Beispiele erlebt: wir haben die verdammenden Predigten gehört, wir haben gesehen, wie die Unduldsamkeit Uber das Leben hinaus bis ins Grab sich erstreckte. Die Satzungen der katholischen Kirche stammen ans Zeiten, wo der kirchliche Gedanke das Gesetz der Bildung war, ja alle Bildung absorbirte. Die römische Kirche ist noch immer von diesem Geiste durchdrungen, darum hören wir, wie der Papst und unsere eigenen Bischöfe und Prediger die Bildung, welche den geistigen Ruhm der Zeit auömacht, als ein Werk der Gottlosigkeit, als eine Ausgeburt des bösen Prinzips ver¬ dammen. Gibt mau nun der römischen Kirche die volle Freiheit, so wird sie natür¬ lich ihren Satzungen gemäß mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln den Fortschritt der Bildung zu hemmen suchen, sie wird namentlich die Schule benutzen, nm die Menschheit auf den Standpunkt zuriickzusiihren, auf welchem man glaubte, daß die Sonne zum Stillstand gebracht werden könne, daß nach der Sündflut der allererste Regenbogen erschienen, daß ein Esel in menschlicher Sprache geredet. Wir haben auch davon schon Beispiele erlebt. Nach den Satzungen der römischen Kirche soll der Mensch von der Wiege bis ins Grab ein willenlos unterthäniges tributpflichtiges Geschöpf der Kirche sein, von ibr am Gänglband geleitet, ihr verantwortlich in allen seinen Gedanken und Gefühlen, Neigungen und Wünschen, Worten und Handlungen. Nach der Anschauung der rö¬ mischen Kirche wird die Menschheit niemals reif und selbstständig, sie bleibt immer ein Kind. Doch dieses Gleichuiß ist zu edel! am beliebtesten ist im kirchlichen Sprachge¬ brauch das Gleichuiß von den Schafen. Erhält nun diese Kirche die volle Freiheit, so wird sie dieselbe natürlich benutzen, um die frühere Seeleuherrschaft wiederherzustellen. Dieses Streben ist bei uns bereits hervorgetreten, und wenn es noch nicht in bedeuten¬ derem und allgemeinerem Maaße geschah, so deutet dies durchaus nicht auf ciu Auf¬ geben des Prinzips, sondern ist nur die Folge einer klugen Oekonomie in der Durch¬ führung desselben. Man wollte das Volk nicht mit einemmal wieder in die kirchliche Kinderjacke zwängen, sondern nach nnd nach. Die Satzungen der römischen Kirche stammen aus Zeiten, wo diese Kirche vom Staate nicht blos frei war, sondern wo sie den Staat beherrschte, aus Zeiten, wo es Glaubenssatz war, baß die Päpste die Lehensherren der sämmtlichen Monarchen, diese also dienst- und tributpflichtige Vasallen des römischen Stuhles seien, aus Zeiten, wo die Kaiser den Päpsten den Steigbügl hielten, wo ein Papst dem vor ibm knie- euden Kaiser die schief sitzende Krone mit dem Fuße zurecht schob, aus Zeiten, wo die Päpste ihnen mißliebige Monarchen des Thrones verlustig erklärten und die Völker des Unterthaneides entbanden. Diese Grundsätze sind von Rom nicht aufgegebcu worden; sie ruhten nur, weit sie eben nicht ansgeführt werden konnten. Die römische Knrie hat es aber bei jeder Gelegenheit als ein Hauptverderbniß der Zeit bezeichnet, daß die weltlichen Regierungen der kirchlichen Zucht entwachsen waren. Niemand kann daran zweifeln, daß die Päpste sofort wieder nach der alten Herrschaft greifen würden, wenn es ihnen nur irgend möglich wäre. Durch die Freigcbung der römischen Kirche schafft man aber einen bedeutenden Grad dieser Möglichkeit; man räumt dieser Kirche dadurch wenigstens die Macht ein, einen Staat im Staate zu bilden. Wir hören ja, wie die Bischöfe in ihren Kundgebungen ganz im Tone von Potentaten sprechen, wie sie sich als von Gottes und des römischen Stuhles Gnaden eingesetzt bezeichnen nnd des Landesberrn mit keiner Silbe erwähnen. Wir sehen ja, wie die Kirchcnsürsten eigenmächtig Verordnungen erlassen, welche tief in das öffentliche Leben eingreisen, wie sie einer der Dankbarkeit gegen den Monarchen gewidmeten religiösen Feier die Kirchen Verschließen. Die katholische Kirche, weil sie eben römisch ist, hat keinen nationalen, Vater- kindischen Charakter, uud sie wird von einem fremden, dem Staate nicht angehörigen, dem Staatsoberhaupt nicht verpflichteten Souverän regiert. Dadurch unterscheidet die katholische Kirche sich in höchst gefährlicher Weise von allen andern kirchlichen Genossen¬ schaften. Man kann ohne Bedenken jede Kirche frei geben, deren Mitglieder und Vor¬ stände sämmtlich im Staate eingebürgert, dem Landesfürsten als Uuterthanen verpflich- tet sind; es ist aber höchst gefährlich, einer Kirche die Freiheit zu geben, welche von rmem fremden Souverän regiert wird, welcher sich grundsätzlich als über alle Welt- 536 liehen Regenten hoch erhaben betrachtet, dieselben seine Söhne nennt nnd von ihnen kindlichen Gehorsam verlangt. Es ist geraden ein Preisgeben der weltlichen Sonve- ränetät, wenn man die Papste als frei berechtigte Milregenten anerkennt, da docb, wie die Geschichte in haarsträubenden Beispielen zeigt, die Papste nur zu ost gegen die weltliche Macht in offener Feindschaft ausgetreten sind, die weltlichen Fürsten maßlos mißhandelt, die weltlichen Kronen buchstäblich mit Füßen getreten haben. Ans allen diesen Gründen danerte der Kampf, durch welchen die weltliche Macht sich von der Herrschaft des römischen Stuhles emanzipiren wollte, Jahrhunderte hin¬ durch. Unsägliches Unheil hat dieser Kampf über die Völker gebracht, große Herrscher¬ geschlechter sind zu Grunde gegangen, Reiche zertrümmert worden, bis der Grundsatz zur Geltung kam, daß die Kirche im Staate nnd demselben untergeordnet, daß der Landessürst auch in kirchlichen Dingen die höchste Behörde, der oberste Bischof sei, da ja das aus dem Griechischen stammende Wort Bischof nichts anderes bedenkt als einen obersten Aufseher. Diesem richtigen Grundsätze verdankte auch Oesterreich seine frühere vortreffliche Kirchengesetzgebuug, welche schon unter Maria Theresia begonnen, von Josef II. ener¬ gisch durchgeführt, vowFranz I. und Ferdinand I. ergänzt und aufrecht erhalten worden ist. Die römische Kirche hatte sich allenthalben der neuen Ordnung der Dinge gc fügt, weil sie dieselbe eben nicht abwehren nnd ändern konnte. Sie hat jedoch den neuen Zustand nur als einen faktischen, nicht als einen rechtlichen, anerkannt, sie hat ihre alten Herrschaftsprätensionen nicht ausgegeben, sondern dieselben bei jeder Gelegen¬ heit ausdrücklich gewahrt und gegen die Anwendung der weltlichen Souveränetä! auf kirchliche Dinge fortwährend Protest eingelegt. Da sie nicht mehr mit Bannflüchen, Thronentsetzungen und Aufwiegelung der Völker wirken konnte, so verlegte sie sich auss Jammern nnd Wehklagen. Unablässig strömten vom Vatikan Jerciniadeu über die Knechtschaft, über die babylonische Gefangenschaft der Kirche. Dabei versäumte Rom es nicht, die Fürsten an ihrer schwächsten Seite zu fassen. Bei jeder Schwierigkeit, die sich im weltlichen Regiment ergab, versicherten die römischen Prediger, das sei eine Folge des gottlosen, revolutionären Zeitgeistes, und dieser greise nur deshalb nm sich, weil die Kirche der Freiheit entbehre nnd daher außer Stand sei, die Völker zum kindlichen Gehorsam zu erziehen. Diesem listigen, finstern Bestreben der römischen Kirche kam andererseits der lichte, freie Fortschritt in der staatsrechtlichen Bildung zu Hilfe. Ter StaatSbegriss wurde reiner ausgefaßt, die Wirkungssphäre des Staates enger begrenzt, die freie Selbstthätigkeit der Individuen, Vereine, Gemeinden re. anerkannt. Mit dieser Aner kennung nun kam man der römischen Kirche gegenüber in die oben erwähnte Verlegen¬ heit. Die Kirche war schnell bei der Hand mit der Forderung: Gleiches Recht sth' Alle, also auch für mich! Man glaubte, die Inkonsequenz, diese Forderung der römi¬ schen Kirche ahzuweisen, nicht begehen zu dürfen, erkannte aber die Gefährlichkeit einer unbedingten Erfüllung derselben. Man suchte ein Auskunftsmittel, und glaubte eS eben in den Concordaten zu finden. Schon der Name Concordat zeigt an, daß das Vorhandensein eines Zwiespaltes zwischen der römischen Kirche nnd der Staatsgewalt anerkannt wurde. Dieser Zwie¬ spalt sollte nun durch einen Vertrag in Eintracht verwandelt werden. Man hielt es für gefährlich, die römische Kirche unbedingt frei zu geben, weil man wußte, daß die Satzungen derselben auf Herrschaft gerichtet, daher mit der weltlichen Souvcränetät u» Widerspruch sind. Man hielt es daher für nothwcndig, die Ansprüche der römische» Kirche vertragsmäßig zu beschränken, die Rechte derselben genau zu normiren. Da» war emestheils sehr gut, anderseits aber doch sehr schädlich, denn man anerkannte da¬ durch die Gleichberechtigung der römischen Kirche mit dem Staate, mau gab zu, ein fremder Souverän in seiner Eigenschaft als Papst das Recht habe, in die inneul Angelegenheiten des Staates einzugreifen, man setzte dadurch die römische Kurie in u» Lage, sagen zu können, sie sei nm des Friedens willen nachsichtig nnd nachgiebig mw lasse sich zu Konzessionen herbei. . . Allein man kann sich dies noch gefallen lassen, wenn nur der Charakter ec CvnevrdatS aufrecht erhalten bleibt. Dieser Charakter hat aber darin zu bestehen, daß 537 durch das Concordat die Ansprüche der Kirche beschränkt, aus das geringste Maß be¬ schränkt, daß die Rechte des Staates, des Landesfürsteu gegen die Herrschaftsaumaßun¬ gen der römischen Kurie geschützt werden. Wo daS geschieh«, da kann ein Concordat nützlich sein, und weil dies bei dem österreichischen Concordat eben nicht geschehen, weil in demselben in wesentlichen Stücken oie geistliche über die weltliche Gewalt gestellt, die Souveräuetät des Kaisers jener des Papstes geopfert worden ist, deßhalb ist dieses Concordat so überaus schädlich und ein großes Unglück für Oesterreich. Wenn wir das hervorheben, so geben wir dabei doch nicht dem Kardinal Rau¬ scher unrecht, welcher wiederholt erklärt hat, der heilige Vater sei beim Abschluß des Concordats nut väterlicher Nachsicht und Milde zu Werk gegangen und habe sich zu wichtigen Konzessionen herbeigelassen. Das ist allerdings wahr. Sobald man die unver¬ änderlichen römischen Satzungen als zu Recht bestehend anerkennt, muß man zugebcn, daß die römische Kirche in Oesterreich bei weitem noch nicht in ihr ganzes altes Recht wieder eigcsetzt worden ist. Im Vergleich mit diesem alten Recht ist die Kirche aller¬ dings mit dem Concordate sehr mild ausgetreten; ans Grundlage des alten Rechtes könnte sie viel strenger sein, so streng, daß gar Viele, welche jetzt gedankenlos in den Tag hinein sich Katholiken nennen, mit Schrecken erfahren würden, was es eigentlich heiße, katholisch zu sein. Allein wenn Kardinal Rauscher auch Recht hat mit der Be¬ hauptung, daß die römische Kirche durch das Concordat noch zu wenig empfangen habe, so haben wir auf uuserm Standpunkte nicht minder recht, wenn wir behaupten, schon dieses Wenige sei viel zu viel, weil es der Zeitbildnng und dem Rechtsbegriff des modernen Staates widerspricht, weil es die Majestät nnsers Kaisers verletzt. Diesem verderblichen Concordat tritt nun das projektirte ReligionSedict aller¬ dings in mehreren wichtigen Beziehungen, ganz besonders in Betreff der Ehesachen mit glücklicher Entschiedenheit entgegen, aber cs beseitigt durchaus nicht das Concordat als solches, läßt es vielmehr in vielen tief eingreifenden Verhältnissen bestehen und aner¬ kennt das Prinzip desselben. Der konfessionelle Ausschuß huldigte eben, wie gesagt, dem an und für sich allerdings gerechten Grundsatz der Gleichberechtigung, ohne Rück¬ sicht ans die besondere Organisation der katholischen Kirche und namentlich auf den gefährlichen Umstand, daß diese Kirche einen fremden Souverän zum Oberhanpte hat. Bei diesem Umstande und bei den ganz eigenthümlicheu Satzungen der römischen Kirche hat es sehr viel Bedenkliches und Gefährliches, wenn z. B. der Entwurf eines neuen Religionsgesetzes der römischen Hierarchie den Verkehr mit Rom, die Verwaltung und Verwendung des KirchenvermögeuS vollkommen freigibt, wenn er dieser Hierarchie ein Strafrecht über die Laien sowohl, als über die untergeordneten Diener der Kirche nach den Satzungen derselben einräumt. Durch letztere Freiheit der Hierarchie ist die Freiheit des niedern Klerus arg bedroht, ja geradezu aufgehoben. Die Seelsorger sind gänzlich der Willkür der Bischöfe preisgegebeu, bei denen, wie die Erfahrung tausendfällig zeigt, der apostolische Berns nicht immer im Stande ist, die menschlichen Leidenschaften zu beherrschen. Wir begreifen übrigens, daß der konfessionelle Ausschuß cs nicht gewagt hat, das Beispiel des Kremsierer Reichstages nachzuahmen. Dieser hat bekanntlich ebenfalls die Kirchenfrciheit beschlossen, dieselbe jedoch in Betreff der römischen Kirche bis zu dem Zeitpunkte suspendirt, wo durch eine innere Reform, durch eine Synodalverfassnng dieser Kirche die Gefahren beseitigt sein wurden, welche ans den bisherigen Satzungen der¬ selben entspringen. Wegen dieses Beschlusses ist der Kremsierer Reichstag arg verketzert worden, und doch war das Votum sehr gerechtfertigt, und cs haben demselben sehr viele anf¬ uchtige Katholiken und sogar katholische Priester zugestimmt. 'Eine Reform der römi¬ schen Kirche in Haupt und Gliedern wurde schon oft verlangt, und von ehrlichen Päp¬ sten selber schon versucht. Sie ist nicht zu Stande gekommen, aber sie muß im Inter¬ esse der Kirche selber immer wieder verlangt und augestrebt werden. So laug die Päpste die Leitung der Kirche mit ihrer weltlichen Souveräuetät confundircn, so laug in der katholischen Kirche im Widerspruch mit dem Geiste des Cbristenthums, mit den Lehren des Evangeliums und der Apostel nur die Bischöfe berechtigt sind und eigen- wächtig herrschen," den Weinberg des Herrn als ihr privilegirtes Eigeuthum betrachten 538 und den in dieseni Weinberg arbeitenden Klerus als Sklaven behandeln, so lang die katholische Gemeinde, das Volk zum blinden Glauben, zum stummen, gedanken- und willenlosen Gehorsam verurthcilt ist und buchstäblich wie eine Schafheerde behandelt wird, so lang wird auch die katholische Kirche zn ihrem eigenen immer größeren Nach¬ theile in Konflikt kommen mit der weltlichen Macht, mit der Bildung der Zeit, mit der Neberzeugnng der Völker. Die katholische Kirche muß sich dem ursprünglichen Geist des Christenthnms gemäß reformiren, wenn sie nicht will, daß in immer größerem Maßstabe für die gebornen Katholiken der Eintritt in die Bildung zugleich der Aus¬ tritt ans der Kirche sei. Daraus ist nun ersichtlich, daß einerseits alte Vorurtheile gegen und unbegründete Furcht vor der katholischen Kirche, anderseits aber der Man¬ gel einer wirklich in mancher Beziehung nothwendigen und sehnlichst er¬ wünschten Reform im Innern der Kirche die leidige Quelle sind, woraus so ungerechte und geradezu unerklärliche Maßregelungen der katholischen Kirche entspringen. Was wir also zum Schlüße rufen ist nach der einen Seite l Wir verlangen keine Privilegien oder Borrechte, wir wollen gleiches Recht für Alle — darum auch keine Praveutiv-Maßregeln gegen die Kirche; — nach der andern Seite: Die freie, vom Staate nicht gehätschelte Kirche be¬ darf eines großen Aufschwunges zur Erfüllung ihrer hohen Aufgabe nach Innen und Außen, — sie wird diesen Aufschwung nur nehmen bei Durch¬ führung einer gründlichen inner« Reform; darum Reform der am Gän¬ gelbande des Staates auf eigenen Füßen zu stehen ungewohnten Kirche — Reform der Kirche durch die Kirche im Geiste der Kirche! Vorarbeiten für die Landtage. IV. Landwirthschast und Industrie. Wenn wir unsere'landwirthschaftlichen Interessen näher ins Auge fassen, und so oft hören müssen, Industrie und Landwirthschast schreiten Hand in Hand zum Wohle Kärntens vorwärts: so erinnern wir uns da¬ bei, besonders nachdem viel geschrieben wurde, daß nur die Montanin¬ dustrie, namentlich die Eisenproduktion unser Vaterland noch lebensfähig erhalte, auf die Worte eines Landmannes, die er auf hochtrabende Phra; sen der bevorzugten Stände des Weltalls als Antwort gegeben hatte: Gott! wenn du nicht wolltest und ich nichts thät', ihr Alle nichts zu essen hätt't", und glauben hiebei bemüssigt zn sein, den landwirthschaftlichen 3" teressen — entgegen der Industrie — das Wort reden zn müssen. Um diesen Gegenstand näher zu beleuchten, wollen wir vor Alle-u die Zustände in Kärnten einer nähern Untersuchung unterziehen. Kärnten zählt gegenwärtig eine Bevölkerung von nahe an vierthalb hunderttausend Seelen. Diese vcrthcilen sich: - 1. Auf Honoratioren mit Angehörigen und Dienerschaft 4000 Seelen 539 2. Bürger und Gewerbstente mit ihren Familiengliedern und Hilfsarbeitern 78.000 Seelen 3. Hüttenwerks-, Gewerks- und Fabriksbesitzer und Ar¬ beitspersonale 14.000 „ 4. Ackerballtreibende in cirea 48,000 Besitznilgen mit Familien nnd Dienstbothen pr. Hans zn 5 Personen gerechnet 240.000 „ Wenn man nun bedenkt, daß die letztere Kathegorie rein nur von dem Ertrage der landwirtschaftlichen Produktion lebt, - daß auf der produktiven Fläche von 237,330 Joch Aeckern 120 „ Weingärten 197,300 „ Gärten und Wiesen und 417,100 „ Weiden nnd Alpen allein schon an Getreide eirca 1,600.000 Metzen erbaut werden, nnbc- rncksichtigt der weitern Erzeugnisse durch den Feldbali, welche theilS zur Nahrung der Menschen nnd Thiere dienen, theils zn andern häuslichen Bedürfnissen verwendet werden, nnd zusammen mit der Getreidefechsnng lind dem Ertrage von der damit verbundenen Viehzucht ein Gestimmt, einkommen von 18 bis 20,000.000 fl. abwerfcn, somit den Ertrag der Montanerzengnisse pr. 5,000.000 fl. nm das Vierfache übersteigen, nnd alle Bewohner mit dem größten Theile ihrer Lebensmittel versorgen; so scheint die Lebensfähigkeit Kärntens wohl nicht so sehr von der montan! stischen Ausbeute nnd deren weitern Raffinerie abzuhängen, obwohl keines- wegs zu verkennen ist, daß manche schöne Summe dadurch in Zirkulazion gesetzt wird, und viele Familien darin ihr Brod finden. Wollte man aber wieder berechnen, welchen Gewinn die Gewerbe and selbst der Detailhandel allein den Berechtigten pr. Jahr abwirft, so würde jedes einzelne schon wieder allein den Montanerlrag weit über stOgen, nnd wie viele Familien leben noch dabei, obgleich auf sie die Eisenprodnktion, in wenigen Fällen ausgenommen, keinen besonder» Ein¬ fluß übt. Ein Hanptmittel znr Ausbeute und weitern Raffinerie des Eisens ist der Brennstoff nnd solchen liefern wegen Mangelhaftigkeit der bisher in Kärnten obgleich in ziemlicher Menge aufgedcckten Braunkohlen nnd ihrer noch nicht sehr ausgedehnten Verwendung nur die Forste. Inhaber von Eisenwerken waren zwar schon bei Errichtung derselben behufs der Concessionserwirknng bemüht, ihren Holzbedarf durch Ankauf der Wälder nnd dauernde Abstocknngsvcrträge für die Zukunft zn sichern. Allein durch den Fortschritt der Industrie nnd die häufig nothwendige Vergrößerung der Etablissements und mitunter auch durch ungeregelte und übermässige ' Abstockung nnd vielfältige Vernachlässigung der Waldkultnr blieb das' ursprünglich präliminirtc Erfordernis; in der Folge weit zurück und man war genöthigt, nm so mehr seinen Holzbedarf ans fremden Waldungen zu holen, als durch unverantwortliches Devastiren und ohne 540 Rücksicht auf den dringend nötlsigen Fortbestand viele der abgestockten Flächen allen Elementen preisgegeben absaßen, dabei so manchen Acker oder Wiese in den Niederungen theils ganz oder für mehrere Jahre außer Kultur setzten, nicht selten nebst dem auch das Erdreich abgeschwemmt wurde, ganz kahle Stellen entstanden und dadurch Tausende von Jochen für immerwährende Zeiten aller Kultur entzogen wurden und sich somit auch der gesammte unproduktive Boden auf einen Flächeninhalt gegenwär¬ tig von 218.400 Jochen ausdehut. Daß in Folge so gestalteter Beraubung des Waldschmnckes, dessen Fläche sich gegenwärtig über 727.200 Joch erstreckt, manche Gegend durch Ueberschwemmungen nun sehr viel leidet und auch das Klima sich fort schreitend ungünstiger gestaltet, entgeht einem aufmerksamen Beobachter nicht, und schon kommt in manchen Gegenden, wo noch vor kaum einem Jahrhunderte der türkische Weitzen mit gutem Erfolg gebaut wurde, solcher kaum mehr oder nur noch kümmerlich fort. Dagegen bemerkt man aber leider schon ein Vorrücken der Gletscher nach den Niederungen. Derlei Uebelstände in Verbindung mit denen, daß ebenfalls mehrere Tausende von Jochen abgestocktcr Waldflächeu mit stehen zu bleiben haben¬ den Samenbäumen nicht bedacht, vielweniger aber mit Waldsamen besäet, und somit ganz nur der lieben Natur überlassen wurden, — ferner, daß derlei Beispiele auf den Bauernstand übel einwirkten und ihn ebenfalls verlockten, mit seinen eigenthümlichen Waldungen derart vorzugehen und seinen Holzstand theils zur Kohlenerzeugung, theils zum Merkantilhol; ohne Noth zu verschwenden, tragen am meisten zur fortschreitenden Holznoth Kärntens bei, die stets um so größer wird, als der jährliche Mehrverbrauch von Holz den Zuwachs gegenwärtig schon um mehr als übersteigt. Wenngleich einzelne, die Zukunft fest im Auge behaltende, edel¬ gesinnte Werksinhaber durch forstgerechte Behandlung ihrer Waldungen und stette Nachpflege der fortschreitenden Noth zu steuern bemüht sind, so können sie, weil sie nur einzeln dastehen, mit ihrem anerkannt besten Wil¬ len für das Allgemeine wenig wirken, nnd es ist wirklich unverzeihlich, wie manche Gutsbesitzer so gewissenlos sein konnten, ohne Rücksicht ans ihre Nachkommen, aus die ihnen zngcwiesenen Holzberechtigten oder das allgemeine Wohl nnd überhaupt die Zukunft Kärntens, ihre namhaften Holzbestände und oft ohne durch Noth gezwungen zu sein, zu verschleudern, ihre Güter auszusaugen, um nur blos Reichthümer zu sammeln, unge¬ achtet sie durch die bestehenden Forstgesetze und selbst mehrfache Beispiele ihrer Nachbarn zur Schonung und geregelten Kultur aufgefordert wurden. Die nach und nach Eingang findende Anwendung der Braunkohle und des Torfes trägt dermalen noch wenig zur Abhilfe bei, weil eiues- theils die Mangelhaftigkeit der Braunkohle selbst vielleicht Ursache daran ist, nnd auderutheils aber wieder das gute Beispiel tüchtiger Techniker veraltete Gewohnheiten nur nach einer Reihe von Jahren auszumerzen im Stande sein wird, da man sich das noch mangelnde Fcuerungsmaterial nach alter Gewohnheit lieber aus bäuerlichen Waldungen holt. 541 Der Wald liefert aber dem Grundbesitzer seinen Bedarf an Brenn¬ holz, Streu und das Materiale für Erhaltung der Wohn- und Wirth- schaftsgebäude und ist sonnt ein Hauptbestandtheil des Wirthschaftskom- plexes. Er ist zwar wohl in der Mehrzahl in solcher Menge vorhanden, daß er dem Bauer bei Einhaltung des entsprechenden Wirthschaftsturnns seinen jährlichen Bedarf liefert; aber seltener kommt es vor, daß er ihm auch gestattet, Abhilfe zur Deckung seiner jährlichen Lasten ohne Beein¬ trächtigung der Wirthschaft daraus zu holen, und viele Realitäten gibt es wohl wieder, die in Folge ursprünglicher unbedachter Creirung, vielleicht durch Zuweisung an andere Holzbestände und aus Ursache des in der Vorzeit so wenig beachteten Waldstandcs, mehr noch aber aus später er¬ folgten beliebigen Realitätentheilungen nur spärlichen oder auch gar keinen Waldstand haben. Spekulative Werksinhaber richteten daher theils zur Schonung der eigenen Waldung, noch mehr aber des Gewinnes halber ihr Augenmerk gar bald auf die bäuerlichen Waldungen, suchten sich in den Besitz des oft üppigen Holzstandes zu setzen, und trachteten, wenn es ihnen nicht glückte, einen Abstockungs-Vertrag zu erzielen, selbst in den Besitz der Huben zu kommen, das ihnen oft um so leichter gelungen ist, als Man¬ gel an Einsicht, oft Hang zur Verschwendung oder auch Vergrößernngs- sucht in Bezug auf Ackerland zur Ausbeute häufigst Gelegenheit gaben. War dann einmal der Holzstand abgetrieben, so blieb die Fläche ihrem Schicksale überlassen, oder cs wurde die ihres Waldstandes beraubte Hube mit oder ohne die ausgebeutete Waldfläche wieder und nicht selten um höhere Preise veräußert, in neuerer Zeit aber besonders häufiger nach Auflassung der Aecker, Wiesen und Weiden und Preisgebung der Wohn- und Wirtschaftsgebäude dem Verfalle, der ganze Hubstand der Waldkultur zugeführt. Es kann wohl nicht in Abrede gestellt werden, daß derlei Vorgänge auf den Fortschritt der Landwirtschaft zumal schon dadurch, daß Wirt¬ schaften durch Verschlechterung oder Entziehung der Hubswaldung not¬ wendig beeinträchtigt werden, besonders aber wenn der ganze Grundkom- Plep der Oeronomie entzogen wird, hemmend eingewirkt und so manches zur herrschenden Theuerung beigetragen haben, und, wenngleich der höhere Werth der Bodencrzeugnisse dem Ackerbau größtenteils zu Nutzen kommt, doch immer höchst drückend auf die in der Mehrzahl befindliche, allein nur von der Handarbeit lebende Klasse einwirkt. Um nun diese Uebelstände zu beseitigen und insbesondere das Ent¬ ziehen nahmhafter Grundflächen vom Ertrage an Nahrungsstoffen für Menschen und Thiere, und Auslassen oft ausgedehnter Untcrkunftsorte zu verhindern, erfolgten die Patente vom 26. Juni 1767, 9. Juni und 4. Oktober 1769, dann insbesondere über selbst zur allerhöchsten Kenntniß gelangte Beschwerden die Hofkanzleidekrete vom 2. Juli 1802 und 28. 3uli 1808, vermöge welchen den Gewerken die beliebige Erwerbung von bäuerlichen Realitäten eingestellt wurde. Obwohl aber diese Vorschriften 542 mit Verordnung vom 16. Februar 1816 in stetter Berücksichtigung auf vollständige Erhaltung der Rustikalbesitzungen und Erwei¬ terung der Laudwirthschaft und auch unter der Verpflichtung der Erhaltung der Wohn- und Wirtschaftsgebäude im gu¬ ten Stande erneuert wurde, so wird das Gesetz noch fortwährend um¬ gangen, wie Beispiele im Gurk-, Metnitz-, Görtschitz- und Mißthale zeugen; die Zahl der ausgelassenen Häuser und obdachlosen Familien ist bereits schon sehr bedeutend. Wir erinnern uns noch der Fälle, daß sogar Werksbesitzer ihre eigentümlich besessenen Waldungen, statt selbe für die Zukunft öder die darauf erworbenen Scrvitutsrechte zu schonen, selbst noch an andere Wer¬ ker verkauften, dabei aber noch immer von dein oft abgestellten Mittel, ihren Fenerungsbedarf aus bäuerlichen Waldungen zu holen, fortwährend Gebrauch machten und hiebei die Mißstände ferner dadurch noch ver mehrte», daß sie dem Bauer, um ihn leichter zum Verkaufe zu bewegen, die Holzverkohlung und Lieferung überließen. / Anerkannt ist cs, daß bei Verkohlung durch die Bauern ihrer spär¬ lichen Erfahrung wegen eine beträchtliche Menge Hol; verloren geht; und wie weit Grundbesitzer kommen, wenn sie um einen momentanen noch größern Vortheil zu erlangen, sich persönlich mit der Verkohlung und Lieferung beschäftigen, zeigt die Erfahrung. Der vormals emsig und mit gutem Erfolg betriebene Feldbau wird mehr und mehr vernachlässigt, die zeitweilig verkommende freie Zeit gibt Anlaß zum Müssiggang und führt besonders beim Fuhrwerken des vielfach verkommenden Zuspruchs bei Wirthshäuscrn wegen leider in den meisten Fällen zur Trunksucht, in Folge welcher so mancher, vormals fleißiger Bauer sich und seine Familie zu Grunde richtet. Wie Wenig das Fuhrwerken dem Bauer einträgt, liegt schon im Rosenthale klar vor Augen, wo Bauern mit oft sehr guten Huben durch Fuhrwerken sich und ihre Thiere dahinschinden, mehrerentheils darben und in der Folge in der Mehrzahl Trunkenbolde werden, wahrend ihre Nach barii, die sich bloß und vollständig der Oekonomie widmen, gut wirth- schaften und in jeder Beziehung kräftig dastchen. Ebenso verhält es sich mit dem Hilfspersonale; während die Dienst lente der Oekonomen, deren Löhnung aber anch schon seit wenigen Jahren auf das Doppelte stieg, unter unmittelbarer Aufsicht des Hausvaters, in seiner Kost und beinahe ganzer Versorgung stehen, in religiöser, morali¬ scher und pekuniärer Beziehung beaufsichtigt, zu gesunden und Wackern Landleuten und dein Staate nützlichen Bürgern heranwachsen, bemerkt man bei so manchen Fabriken, insbcsonders bei ausgedehnten Werkskörpern, häufig das Gegentheil. Schon die Löhnung der Arbeiter, die sich damit wohl auch ihre Verpflegung selbst beizustellcn haben, beträgt bei vielen Individuen monatlich schon so viel und noch mehr, als der Iahreslohn eines Dienstbothen, d^r innige Zusammenhang mit so vielen ans ver schiedenen Gegenden zusammen gezogenen heterogenen Charakter», die falt 543 gänzliche Aussichtslosigkeit, die übermässige Anstrengung und wieder die ganz der Willkühr überlassene Benutzung der freien Stunden, die Bei¬ spiele und die kameradschaftlichen Aufforderungen führen so leicht zu nicht selten vorkommenden Ausartungen jeglicher Art, bringen Leute meist schon vor der Zeit in ein moralisches und fisisches Siechthum und bürden der Gemeinde nicht allein eine außerordentliche Last auf, sondern üben auch auf die Bevölkerung der Umgebung, besonders aber auf den Landmann und seine Hausgenossen, zumeist aber auf die Jugend ein übles Beispiel aus und die Folgen davon sind jedem unbefangenen Beobachter des Trei¬ bens bald sichtbar: darum aber auch mehrfache Klagen wegen Ueberhand- nehmens derlei Uebclstände, welche auf den Ackerbau um so nachtheiliger einwirken, als hiedurch demselben mehrfach seine besten Kräfte entzogen und nicht selten nach wenigen Jahren ganz unbrauchbar wieder überlassen werden, und noch eine düstere Zukunft befürchten lassen. Daß auch durch die Montanindustrie namhafte Summen zum Theil in das Land und zum Theil in Verkehr kommen, liegt au der Hand. Daß aber dadurch besonders viel durch deu Export aus dem Auslande kommt, lassen wir bei den mehr oder minder in die Augen fallenden, an Monopole erinnernden Roheisenpreisen in Kärnten dahingestellt sein. Weil nämlich die Erfahrung lehrt, daß man selbst unumgänglich erforderliche Artikel vom einfachen bis zum großartigsten Gcwerbs-, Haus- und Wirth- schaftsgeräthe und von der zweckmäßigsten Art in vielen Fällen und ein¬ schließlich des Transports vom Auslände billiger beziehen kann, daß Kärnten einen namhaften Bedarf daran hat, und daß mit derlei Artikeln im Lande selbst ein bedeutender Handel stattfindet: so scheint der Rothschrci, den vorzugsweise Nadgewerken über die ertheilte günstigere Einfuhrs-Ge¬ stattung erhoben und fast mit Hintansetzung des Wohles der Mehrheit der Bevölkerung, nur auf Sicherung ihres persönlichen Portheiles gegrün¬ det gewesen zu sein. Der Anwurf, den man den Nadgewerken macht, daß sie auf ihren gesammelten Schätzen sitzend, im Bewußtsein, das Heft in den Händen zu haben und von keinerlei Noth gedrängt, die Preise willkührlich bestimmen und damit den Druck nicht allein auf die weitere Raffinerie, sondern auch huf die Bevölkerung ausüben, dürfte, wenn man ihren Nettogewinn näher ins Auge faßt, vielleicht nicht ungegründet sein, und dieß um so weniger, als sie ihre vorzüglichste Sorge auf Verbesserung der Holzbestäudc in Kärnten zu richten, was ihnen bei ihrem ungeheuren Bedarf, ihren Mit ieln, ihrer Stellung als Großmacht der Industrie, ihrer Intelligenz und huch ihrer eigenen Zukunft wegen ja ihre Pflicht gewesen wäre, wie auch ferner mit aller Kraft darauf zu dringen, daß die für Kärnten bestehenden Waldgesctze entsprechend dnrchgeführt und in alten Eventualitäten nnver- rückt gehandhabt worden wären, bisher wenige Fälle ausgenommen, fast Mz versäumten und überdies; noch durch Entziehen namhafter Flächen der landwirthschaftlichen Produktion zur zunehmenden Theuerung im All¬ gemeinen auch beigetragen haben dürften, daher es vielleicht im Interesse 544 der Bevölkerung wäre, wenn die Eiseneinfuhr oder doch dessen Rohstoffe für einige Zeit, wenigstens bis eine Regelung der hiesigen Preise erzielt wurde, nicht erschwert werde. Hiebei sieht man sich aber beizufügen verpflichtet, daß einzelne Rad¬ gewerken sich durch Wohlthun, durch Errichtung von Schulen, Kran¬ kenhäusern anszeichnen, darunter aber besonders eine hochanfehnliche Familie am Krapselve, deren Ahnen schon als Beförderer der Industrie, der Agrikultur und der Kunst in der Geschichte Kärntens erhaben dastehcn, sich nm das allgemeine Wohl verdienstlich machet und durch größtentheils im Verborgenen gereichte Unterstützung der ganzen Umgebung, insbesondere der leidenden Menschheit sich wesentlich hervorthut. Ueberhaupt scheint seit nicht sehr langer Zeit her ein eigenthümlich unheimlicher Geist auch über Kärnten sich zu verbreiten, der für die zu¬ nehmende Bevölkerung vom schweren Belange sein dürfte. Größere Guts¬ besitzer beliebten nämlich seit einigen Jahren mehrfällig, sei es aus Nach¬ ahmung, Laune, Bereicherungssucht, hauptsächlich aber wohl wegen sicherer Unterbringung barer Kapitalien, ihren Güterkomplex durch Ankauf ansto¬ ßender Barternwirthschaften, Mühlen u. s. w. zu vergrößern, die mitge¬ kauften Gebäude großtentheils aufzulassen und die Güter sodann in Pacht auszugeben, die mit dem Grundbesitze erkauften Gewerbsbefngnisse aber besonders gleichlautende, wenn sie bereits im Besitze eines solchen sind, heim zu sagen oder unbetrieben zu lassen. Diese Vorgänge erinnern sehr an die sozialen Zustände Albions und Italiens, wo unter der Landbevölkerung nur zwei Klassen — Arme und Reiche — bestehen und der vormals in großer Zahl bestandene Mittel¬ stand, der Uebergang, gleichsam der Vermittler beider Klassen, verschwun¬ den, nur mehr durch Pächter ersetzt ist. Hiedurch wird den Gewerbs¬ besitzern nicht bloß zur an Monopol erinnernden beliebigen Bestimmung der Verkaufspreise das Thor geöffnet, sondern ferner die Zahl der Grund¬ besitzer nach und nach verkleinert, während jene der Besitzlosen immer höher steigt, zumal die Bevölkerung in einem geordneten Staate und nach¬ dem die Verehelichung keinem Besitzlosen bei Nachweisung nur einige» Erwerbes versagt werden kann, stets im Znnehmen ist, daher die Zahl derselben in Folge der Zeit eine Furcht erregende Höhe ersteigen muß. Daß große Gutökörper in der Hand einer Person, wenn auch einzelne mitunter sehr rationell bewirthschaftet, nie diesen Ertrag geben, als kleinere zusammen in parzellenwciser Ausdehnung von mehreren Familien betrieben, liegt am Tage, weil selbst der unbedeutendste Fleck nicht unbeachtet bleibt, und bei der Verschiedenheit der so manche kleine Wirthschaften begleitenden Sonderinteressen in der Summe ein namhafter Vortheil heranSwachst und zahlreiche Familien mit gesichertem Unterstand und Auskommen bc glückt. Wenn man übrigens fortwährend vom Aufschwungs der Induchrw hört, der besonders in allen nur erdenklichen Luxussachen ausfallend be merkbar ist, hingegen bei den unentbehrlichsten Artikeln, wie z. B. bei 545 Kleidungsstücken oder der Beschuhung durch die Wahrnehmung unangenehm berührt wird, daß sie mit jener vor kaum 30—40 Jahren erzeugten ver¬ glichen nun um das Doppelte ihrer vormaligen Preise zn stehen kommen, während ihre Daner gegenwärtig kaum den zehnten Theil der Zeit er¬ reicht, indem ehemalige Stoffe ihrer Festigkeit wegen noch für Kinder und Kindeskinder verwendet werden tonnten: so wird inan an dem stets ge¬ priesenen Aufschwnnge (allenfalls größere Eleganz, Bequemlichkeit nud mit¬ unter praktischen Nutzen abgerechnet, und daß man nunmehr auch den besonders für den Landmann so praktischen, vorzüglich in Gebirgsgegenden in jeder Jahreszeit passenden, gewöhnlich im eigenen Hause erzeugten Loden nud Leinwandstoff sogar schon in den untersten Schichten und vor¬ züglich bei den Dienstbothen durch theures Tuch und Seide verdrängt sieht) wirklich irre, nnd muß sehr bedauern, daß der Fortschritt sich nicht mehr auch auf Erzielung von größerer Dauerhaftigkeit erstreckt, und dar¬ auf nicht mehr das Augenmerk geworfen wird, warum ferner nicht Vereine oder ein solcher wenigstens zur Verminderung der Holznoth in der Pro¬ vinz angeregt werden, wo doch so vielerlei Alpen-, iLänger-, Turner- und Schützen-Vereine auftanchen, von denen sich ein reeller, allgemeiner Nutzen zum mindesten für die unterste, die Mehrzahl bildende Volksschicht!: weni¬ ger erwarten läßt. tim nun daher den obberührten Uebclständen wenigstens theilweise nach Möglichkeit entgegen zu wirken, wäre es nach unserer Ansicht drin¬ gend gebothen: 1. daß das Forstgcsetz vom 3. Dezember l.852 seinem vollen Inhalte nach entsprechend gehandhabt, nicht bloß ein todter Buchstabe gelassen, oder nur beliebig angewendet werde; 2. daß die bestehenden Vorschriften wegen Beschränkung des An¬ kaufes voy bäuerlichen Behausungen durch Gewerke, wegen Auflassung der bäuerlichen Wohn- und Wirthschaftsgebäude, so wie die beliebige Ab¬ stockung der Hubswaldungeu durch selbe republizirt und genau aufrecht erhalten werden; 3. daß zur Wiedererzielung eines kräftigen Waldstandes alsbald umfassende Vorsorge getroffen, die devastirtcn und ganz der Natur über¬ lassenen Waldungen, so wie die Mittel zu ihrer Wiedergestaltnng erhoben, uud die Eigenthümer durch entsprechende Maßregeln verhalten werden, für nnc bessere und geregelte'Waldkultnr zu sorgen, und daß hiebei z. B. auch Bedacht genommen werde, daß das, wie man hört, über Audringcn des Fideicommiß-Kurators der Graf Dietrichstein'scheu Herrschaften vor «nigen Jahren wegen beispielloser Vernachlässignng der stimmlichen Hochwälder un Unter- und Oberrosenthale deponirt sein sollende Enlschädignngökapital auf Abhilfe der durch so viele Jahre bestandenen Uebclstände und Wicder- erziclung eines tüchtigen Holzstandes zweckentsprechend verwendet, und nicht als bloße Enlschäoigung für die Fidcicommiß-Nachfolger diesen zur Verfü¬ gung zngewiesen werde; 4. daß der Vorgang, Holzschlägereien durchzuführcn, besonders wenn 3H 546 sie von einiger Ausdehnung sind, rein der Willkühr des Grundbesitzers oder Holzabnehmers überlassen bleiben, beseitigt, vielmehr jede Abstockung zm Ueberwachung dem berufenen Aufsichtsorgaue und die Art der Holzab¬ treibung, so wie die beabsichtigte Beurbarmachuug zur Widererzielung eines kräftigen Waldstandes angezeigt, das dießfällige Projekt nöthigenfalls nach Anleitung der Forstregeln geordnet, und die genaue Ausführung über¬ wacht werde; 5. daß den Bauernwaldungen doch einmal eine sorgfältigere Aufsicht zu Theil werde, damit das beliebige Niederschlagen noch nicht schlagbaren Holzes oder selbst einzelner größerer Bäume in Waldungen, woraus dau¬ erndes und in der Gesammtzahl namhaftes Unheil entsteht, das Einweiden fast jeglichen Hausviehes iu junge Waldungen und sogar Waldanflüge, das zu arge Streurechen, und die vielen überflüßigen, oft so viel Holz erfordernden Zäune möglichst abgestellt werden. Zur Durchführung der Aufsicht soll jede Gemeinde aus ihrer Mitte einen Aufseher wählen, oder mehrere Gemeinden zusammen einen forst¬ kundigen Mann aufstellen, welcher namhaft und verantwortlich zu ma¬ chen wäre; 6. daß die noch bestehenden Gemeindeweiden und Waldungen einer genauem Aufsicht untergestellt werden, damit nicht jeder Berechtigte sich darin beliebig die beste Pfeife schneiden könne, wodurch so manche Weide mit üppigem Holzwuchs und der Wald nie in einen gehörigen Be¬ stand kommen kann. Es wäre sogar sehr räthlich, geradenwegs auf Vertheilung derselben zu dringen, wobei sich doch wenigstens die rationellen Hauswirthen zu- sallenden Antheile einer geregelten Kultur erfreuen könnten; 7. daß das Pechboren möglichst hintangehalten und nur unter Be¬ obachtung der Hofkanzlei-Verordnung vom 2. April 1807 gestattet, daß Abfangen aller Insektenvögel gänzlich eingestellt werde, daß hingegen beim Auftreten besonders schädlicher Insekten zu deren Ausrottung und gegen deren Verbreitung sogleich die geeigneten Mittel in Anwendung kommen; 8. daß aus Landesmitteln für die Provinz ein technisch gebildeter Forstkontrollor aufgestellt werde, dem die Oberaufsicht über alle Waldun¬ gen znstehen würde, welcher geeignete Anträge zur Hebung des Waldstan¬ des und Abstellung aller Unfüge zu machen, und auch auf die Ausführung der getroffenen Verfügungen, jedoch nicht wie die seligen Andenkens be¬ standenen Wald-Kreiskommissäre, zu dringen hätte; 9. daß Arbeitsleute von größern Werksentitäten und Fabriken in moralischer Beziehung unter größere Kontrolle gestellt, die bestehenden Brudcrladen revidirt und in soferne geregelt werden, daß für alle Werker und Fabriken unter Mitwirkung der Arbeiter und init Berücksichtigung der bestehenden Gebräuche und Dienstverhältnisse passende Statuten ent worfen und die nach aufznstellenden Klassen in günstigen Arbeitspcrioden reichlich eiufliessen könnenden Beiträge nach Art der Statuten der Lebens und respektive Unterhalts-Versicherungsanstalten zur künftigen Unterstützung 547 der durch Arbeitsmangel, Krankheit, Beschädigung n. s. w. erwerbslosen Arbeiter und ihrer Familien möglichst fruchtbringend, und Vertrauen ge- lviimend sicher niedergelegt werden. Als Muster in jeder Beziehung könn¬ ten gewiß die in einer Fabrik in der nächsten Umgebung Klagenfurts schon seit Jahren bestehenden Normen dienen. Diese Fabrik muß nicht nur allein der seltenen Eintracht Lind Solidität der Eigenthümer und ihrer stetten Sorgfalt für die Arbeiter gerühmt, sondern auch dieß muß hervor¬ gehoben werden, daß der lobenSwerthe Gebrauch besteht, daß Kinder immer wieder in den Stufcnrang ihren betagten Eltern nachrücken, nnd daß für- entsprechende Beschäftigung auch dann gesorgt wird, wenn durch die Ein¬ führung von Maschienen Arbeiter entbehrlich geworden sind, oder auch wenn Zcitstürme selbst am Staatskörpcr rüttelten nnd manche große Wer¬ ker zur Arbeiterentlassung schritten; in dieser Fabrik war auch da keine Verminderung bemerkbar, nie eine Beeinträchtigung der Arbeiter durch Arbeits- oder Löhnungsentziehung selbst in den ungünstigsten Zeitverhält¬ nissen erhört, wohl aber ein stettcs Andrängen, dahin in Bcdicnstung zu kommen, an der Tagesordnung. Wie ferner in selber zufolge der taktvollen Würdigung des Fort¬ schrittes und entsprechender Uebcrwachuug ein eigenthümlich solider Geist unter den Arbeitern ersichtlich, gröbere Excesse hingegen noch nie erhört sind, so muß auch vorzüglich hervorgehoben werden, daß freiwillig mehr¬ fache und namhafte Unterstützungen an austanchcnde Talente erfolgten, wodurch diese in die Lage versetzt wurden, sich zu Männern heranzubil- den, von denen schon so Mancher der Stolz Kärntens geworden ist; 10. daß dahin gewirkt werde, daß Gewerks- und Fabriksbcsitzer nicht bloß ihre langjährigen und bis zur Enlkräftiguug benützten Arbeiter zu versorgen hätten, sondern auch zur entsprechenden Beihilfe an der Unter¬ stützung solcher Individuen verpflichtet werden, welche dem Ackerbau ent¬ legen in ihrem Etablissement alsbald erwerbsunfähig wurden und der Gemeinde, die von der Person in den meisten Fällen gar keinen Vorthcil Messen, dieselbe oft nicht einmal kannte, nur aus Gebnrts- oder Zu¬ ständigkeits-Verhältnissen als Versorgnngslast anheim fallen; 11. es sollen zur Hebung der Industrie Handels- und. Gewerbe¬ kammern im Geiste der Autonomie rcorganisirt nnd im Jnterefle der Land- Mirthschaft so erweitert werden, daß zur Vertretung aller Produktions- intcressen bei denselben anch landwirthschaftliche Sektionen errichtet wür¬ den. Noch besser aber würde es sein, wenn die Handels- nnd Gewerbe- kammern gänzlich getrennt, und als sclbstständc Körperschaften (Handels¬ kammern, ' Gewerbekammcrn) konstitnirt, selbstständige Agriknlturkam- Mern crcirt würden. Eine Hauptaufgabe dieser Kammern wäre es mm durch Errichtung einer Forst- und Ackerbau-Schule an der hiesigen k. k. Oberrcalschule für «ne solide, praktische Bildung und ferner durch Beschaffung von Agrar¬ banken für die Unterstützung des Grundbesitzers Sorge zu tragen. 35* 548 Der hohe Landtag möge dem einen oder dem andern der in diesem Aufsatze berührten Gegenstände seine Aufmerksamkeit zuwenden; das Wohl des Landes wird dadurch jedenfalls nur gewinnen! V. Besteuerung der Armen. 66. Verschiedenartigst sind die Interessen, welche schon im hohen Reichsrathe, in Zeitungen und Brochüren besprochen wurden, indem Stim¬ men für und wider eiferten; nur das Interesse einer gewissen Menschen¬ klasse, die doch auch dem Staatsbürgerthume angehört, ist noch nicht, oder doch nicht von dem Standpunkte aus vertreten worden, von welchem aus dasselbe auch eine Erwägung zu verdienen scheint; und doch ist es eine Menschenklasse, die keinem Lande, keiner Stadt, keinem Dorfe fehlt, es ist die Klasse der Unterstützungsbedürftigen und würdigen Armen. Hat der Staat, dessen Hauptaufgabe ja die Beförderung der Wohlfahrt seiner Staatsbürger und Staats-Angehörigen ist, um diese übliche, feine Di¬ stinktion beizubehalten, eine Verpflichtung für die Armen, welche doch mindestens als Staats-Angehörige gelten gelassen werden müssen, falls man sie, weil zu arm, als Staatsbürger nicht anerkennen wollte, zu sor¬ gen, oder hat er keine solche Verpflichtung? Wer wollte es in Abrede stellen, daß die Sorgfalt für die Armen auch dem Staate, und dieß als eine seiner eben nicht letzten Pflichten obliege? Daß der Staat die Sorge und Mitsorge für die arme Klasse der Staats-Angehörigen als seine Ver¬ pflichtung anerkenne, zeigt er durch tatsächliche Uebnng dieser Sorgfalt in mancher Beziehung, als: indem er nicht selten hoffnungslose Hoffnungs¬ bauten unternimmt, deren Erträgniß im Verhältnisse zu den Regie- Kosten voraussichtlich unter den Gefrier-Punkt zu stehen kommt, und warum dieß? um dem Proletariate Arbeit, und damit den Lebens-Unter- Halt zu biethen. Dieser Akt, obgleich von eiskaltem finanziellem Ergeb¬ nisse, ist doch erwärmt durch den Hauch christlicher Liebe, ein Opfer ist er, der dürftigen Menschheit gebracht. Der Staat übt diese Sorge, indem er die eingehenden Mnsiklizenz-Gelder, und in den meisten Fälle» auch die Strafgelder den bezüglichen Armcnfonden zugewiesen hat, und durch Zuerkennen der Stempelfreiheit für Armuths-Zeugnissc, wie über¬ haupt in 0NU8S pnuportatis. Der Staat anerkennt es also faktisch, daß er sowohl selbst für die Armen zu sorgen, als die Sorge Anderer für sie zu unterstützen ver¬ pflichtet sei. In welch' logischem Zusammenhänge steht nun aber wohl mit diesem Verpflichtungs-Anerkennen, die auch den Armen auferlegtc, leider bis nun, ausnahmslos auch für sie fortbestehende 5°/„ Einkommen¬ steuer von den Interessen der in öffentlichen Fonden anliegenden Arinen- Kapitalieu? Trifft die solcherartige Besteuerung der Armenfonde nicht die Armen selbst? Heißt das nicht mit der Rechten geben, oder geben lassen, mit der Linken aber, wenn auch noch so kleine Theile dessen nehmen, was von Andern in christlicher Barmherzigkeit den Armen zugeweudel wurde oder wird. 549 Beispielshalber angeführt: Wenn ans einem Armenfonde, nach Ab¬ schlag der Einkommensteuer die erste, also dürftigste, Klasse pr. Kopf '/.jährig, sage Einvierteljährig, nur 1 fl. 50 kr., die zweite 1 fl. 20 kr., die dritte 1 fl. Oest. Währ, erhalten kann, so ist eine derartige Be¬ steuerung doch wahrhaftig mindestens unbillig zu neunen. Doch man mag vielleicht erwiedern, wie schon erwiedert wurde: „Nicht alle Armen¬ fonde sind so schwach dotirt, es gibt deren, die Tausende im Ver¬ mögen, oder auch Einkommen haben. Ist aber diese Rechtfertigung auch stichhaltig? Also nicht alle Armenfoude so schwach, als der gedachte dotirt,- damit also doch schon die Unbilligkeit der Einkommensteuer bezüglich der Armenfonde solchen Vermögensstandes konsequent, stillschweigend so ein wenig zugestanden! Wie dann Betreff jener Armenfonde, welche noch dürftiger dotirt sind? und daß es deren in kaum geringerer Menge, als reicher dotirte gebe, daran dürfte nicht zu zweifeln sein. Doch aber bei den reich dotirtcn Armenfonden da sollte der Hund begraben liegen. Höher dotirte Armenfonde gibt es doch wohl nur in Städ¬ ten und größern Orten, wo auch die Armen-Anzahl größer, welcher Um¬ stand eben, bei Anerkennung der Ungenügenheit der bestehenden Subsi¬ stenzmittel für diese Armenmenge, edle christliche Menschenfreunde bewog, einen Theil, hie und da auch den größeren Theil ihres Vermögens, zur bleibenden Unterstützung der Armen, in Kapitalien den Armenfonden zu übertragen, als von welchen Legaten und Schenkungen aus den bezüglichen Beträgen ohnehin in der Neuzeit, an Gebühr für Eigenthums-Uebertra- gung weit aus höhere Prozenten zu entrichten kommen, als in gleichem Falle von irgend welchem auch dem reichsten Privaten, was bloß neben¬ hin bemerkt sei. Armen-Fonde sagen es schon durch ihre Benennung, daß sie keine eigentlichen: Reichen-Fonde, nicht zur Unterstützung von Reichen, sondern von Armen bestimmt sind. Und wer wohl namhaft gemacht werden könnte, der aus dem ihm zugefloßenen Almosen, von irgend welchem für reichgeltenden Armenfonde, schon reich, oder doch über die Unterstützungs- Bedürftigkeit hinausgebracht worden wäre? es wäre denn, daß Verhält¬ nisse von Außen seiner weitern Unterstützungs-Bedürftigkeit ein Ende ge¬ macht hätten. Wahr ist es, daß in Städten, aber nicht bloß aus den Armen-Kapitalien-Jnteressen, sondern, wo allmonatlich mit der Büchse für die Armen gesammelt wird, an manche Persönlichkeiten namhafte Unterstützungs-Gaben verabreicht werden, aber auch nur so, wie von der Armenkommission, in Berücksichtigung der Umstände und Familien- Berhältuisse, die Untcrstützungsbedürftigkeit anerkannt wird. Daß aber selbst Armenfonde, deren Revenuen in die Tausende gehen, nickt zureichen, der Dürftigkeit zu steuern, zeigen eben die aller- ertig bemüßigten und bei den verschiedensten Veranlassungen veranstal¬ teten Sammlungen für die Armen in nicht geringer Zahl. Also das Borschützen vcrmöglicher Armenfonde zur Vertheidigung der Einkommen- 550 steuer von Armenfonds-Kapitals-Interefsen, nur ein wässeriger Vorwand, eine verunglückte Rechtfertigung. Ein arger Druck lastet ohnedieß schon aus der Vorzeit auf den Anuenfoudeu, resvective auf den Armen selbst, indem, nubelümmerl um den Nothschrei der Armen, ausnahmslos auch die Armen, Kapitalien durch den Kurs mit in den Jnteressen-Abschlag hineingezogon, unter andern von 5"/o Münze aus LV«"/» W. W. mid von 3°/„ Münze ans 1W. W. Interessen herabgesunken sind, ein fühlbarer Ausfall! lind nachdem die Armen, den Reichen gleich, diesen Berlnst durch nahezu ein halbes Jahr hundert schwer getragen, in beständiger tröstlicher Hoffnung auf ein Vie derbesserwerden, ist die Neuzeit so weit gegangen, noch überdies;, Lao kleine Ueberbleibsel von 2Vo"/o oder gar 1'V//o in W. W. mit n"/,, Einkommenssteuer zu belasten. Das Armen-Einkommenstener Erträgniß stellt sich entweder als un bedeutend, oder als bedeutend heraus. Wollte man es unbedeutend mw daher nicht der Rede Werth nennen, so müßte ich erwieoeru: Je nnbedcu tender dieser Ertrag, desto weniger sollte man durch Abnahme dieser Armensteuer der öffentlichen Meinung lleaum geben wollen, als ob man Seitens des Staates schon auf dieses Wenige anstaude. Wenn man es aber dennoch Werth hält, dieß Wenige den Armen zn entziehen; so mag es auch der Rede Werth sein, solches zu mißbillige». Sollte aber das Ertragniß der Armen - Einkommens - Steuer ein bedeutendes genannt werden, so wäre also der Entgang, der dadurch den Armen des Staates zuergeht, ein bedeutender, was für sie um so schlimmer! Und käme, je größer der Entgang für die Armen durch diese Besteuerung ist, desto mehr dabei die Gerechtigkeit in Frage, nicht Betreff der Einhebnng und Berechnung dieser Steuer, sondern Betreff des Aktes der Besteuerung der Armen selbst. Warum besteuert man dann nicht geradezu auch das Sammlungs Tages-Ergebuiß der Straßen-Bettelei? Doch wohl, weil man solches für minder gerecht erachten dürfte. Ist denn aber die Armen-Betheilungs- gäbe aus Armeukapitals-Jnteressen, größtenthcils an verschämte Hausarme gereicht, die im Verborgenen am Hungertuche nagen, und ungeschaut von der Welt ihr Elend tragen, nicht auch ein Almosen? Dasselbe gilt von der zweiten Art der Besteuerung der Armen von den Kapitals-Interessen durch bemüssigten Gebrauch von Stempelmarkcn zur Behebung der Armen-KapitalS-Jntercssen. Den Armen-Verwaltungen wurde untersagt, mit Ausnahme des Gehaltes sür eigens bestellte Vor Walter bei größeren Armen-Jnstitutcn, für die Mühewaltung in der Armenfonds-Verwaltnng, also auch für das Schreiben der Interressen Quittungen Etwas in Anrechnung zu bringen. Schreiber dieses kann solche Maßnahme im Interesse der Armen nur vollends billigen, denn bei den Armen für solche Mühewaltung ein Entgelt suchen, wäre unchrü- lich, inhuman, lieblos. Nur ist es aber etwas fatal, weun der Staat selbst, von dem 551 dieses gerechte Verbotst ausging, nichtsdestoweniger für sich vom Armen- fonde für die Kapitals-Interessen Steuer um Steuer nimmt; Steuer durch die Stempel-Verwendung zur Jnteressen-Quittnng, Steuer mit 5°/„ vom Jnteressenbetrage. Ist es ja doch eure unaussprechliche Abnormität! Ein Crösus kann heutzutage, wo es sich um National-Anlehens-Interessen handelt, in die Tausende von Gulden an Interessen ohne Stempel-Auslage gegen unge¬ stempelte Coupons oder Quittungen, mit lachender Miene herabwischen; der Arme aber muß von seinem Almosen, das ihm von Armcukapitals- Juteressen znfließen soll, weil dieß Kapital zufällig, wenn gleich einer und derselben moralischen Person, nur unter anderer Obligations-Benennung dargeliehen ist, und noch bei dem Umstande, daß ihm die Interessen hier¬ von nur in Papier ohne Agio-Aufgeld ausgezahlt werden, für die weni¬ gen Interessen Gulden Stempel-Auslage bestreiten. Dieser Gegenstand spricht selbst zuviel für sich, oder je nachdem man es nehmen will, gegen sich, daß es überflüßig wäre, darüber noch mehrere Worte zu verlieren. Da mag einem unwillkührlich das vielverbreitete Sprichwort bestallen: „Die Gulden läßt man fahren, den Kreuzern lauft man nach". Mag wohl etwa die Gegegenbemerkung gestellt werden: Wie da von einer unaussprechlichen Abnormität die Rede sein könne, indem ja doch bei der Jnteressen-Behebung von National-Anlestens-Obligatiouen die Armen gleich den Reichen die Stempelfreiheit genießen; bei der Inte ressen-Behebung von anderartigen Obligationen aber auch die Reichen Stempel gebrauchen müssen. Kommt allerdings viel auf die Ansdrucksweise an, in welchem Lichte eine und dieselbe Sache erscheine. Das Sachverhältniß ist, mit andern Worten gegeben, dieses: Durch diebestehende Bestimmung ist den Reichen bei der Jnteressen-Behebung von den Obligationen erster Gattung dieselbe Begünstigung der Stempelfreiheit, wie den Armen zngestanden, und bei der Jnteressen-Behebung von Obligationen der zweiten Gattung müssen die Armen so gut und so viel zahlen, als die reichen: sind also bezüglich dieser Zahlungen den Reichen gleichgehalten. Und doch ist ja reich und arm nicht Eines; sondern es besteht zwischen beiden ein nicht wegzuläugnender zählender Unterschied. Macht doch der Staat selbst zwischen reich und arm einen Unterschied, wo es sich um Rechte han¬ delt, beispielshalber: das Wahlrecht, welches durch einen gewissen Cen- sus bedingt ist. — Doch wie, hat denn der Staat nicht das Recht, seine Unterthanen zu besteuern? Die Vermögenden? Ja. Hat ja doch der oberste Gesetz¬ geber, dessen Ausspruch, man mag es glauben oder nicht, am Ende allein Geltung haben wird, es ausdrücklich befohlen: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist". Also auch dem Staate, was des Staates ist. "Aber auch das Almosen der Armen? dürfte eher in Abrede zu stellen sem. Denn eben derselbe oberste Gesetzgeber, welcher gesprochen: »Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist", hat auch mit Nachdruck bei- 552 gefügt: „und Gott was Gottes ist;" nämlich die höchste Ehre und pünkt- lichen Gehorsam. Nun aber hat dieser göttliche Gesetzgeber nie und nirgend gesprochen: daß man den Armen ihr Almosen verkürzen solle, oder auch nur dürfe; Wohl aber immer und überall: daß mau den Armen Almosen geben solle. Diesem Gesetzgeber aber untersteht der Staat so gut, als jeder Private, denn bei ihm gilt, was Gesetz unt Urtheil anbc langt, kein Unterschied der Person. Kanu also auf den Ertrag der Stempel- und Einkommensteuer von Armeu-Kapitals-Jnteressen wohl der Segen von Oben ruhen? Kann dem Staate wohl diese Art Einkommens auch edeln? Sollte denn der Staat Wohl schon, nicht zu glauben, finan ziel so tief stehen, daß er auf eine derartige Beisteuer der Armen ange wiesen wäre? Aber, wenn die, wie immer Namen tragenden Steuern und sonstigen freiwilligen patriotischen Gaben nicht Unterstützungs-Bedlirs tiger, sondern selbstzahlungsfähiger Staatsbürger den Staat nicht mehr finanziell anfzurichten vermögen sollten, die Blntpfenninge der Armensteuer reißen ihn sicherlich nicht mehr heraus. Dürfte also wohl nach den Forderungen des Ehristeuthumes, der Vernunft und des Humanismus, jeuachdem das eine oder andere dieser Motive, für den Einen, oder für den Andern mehr Gewicht hat, die endliche nicht minder gerechte, als billige Auflassung der Einkommensteuer von Armen Kapitals-Interessen und des Stempelgebrauches zu den be¬ züglichen Armen - Interessen - Quittungen wünschens- und empfehlens werth sein? Sollte diesem Uebelstaude der besprochenen zweifachen Besteuerung der Arinen-Kapitalö-Jnteressen wohlgeneigt durch Nachsicht der Einkoni menSsteuer und des Stempel-Gebrauches abgeholfen werden wollen, so hält sich Schreiber dieses festens überzeugt, daß keine Stimme, außer denn der eines oder des andern Geizhalses, der umerzten Herzens, gefühllos für das Elend der armen Mitmenschheit befürchten würde, darum vielleicht einige Kreuzer mehr zahlen zu müssen, im ganzen weiten Kaiserreiche sich mißbilligend über diesen Akt christlicher Billigkeit, .ja Gerechtigkeit, gleich sam als ob einen Akt der Parteilichkeit verlauten lassen, sondern daß den Armen, diesen Ansnahms-Zustand sicherlich allseitig herzlich vergönnt, von dem Armen selbst derselbe mit innigstem Danke ausgenommen, von Gott aber mit mehrerem Segen belohnt werden würde. Sollte etwa diese Stimmerhebung über diesen Finanzgegenstand, jetzs, da eben fast in entgegengesetzter Richtung die Finanzfrage ventilirt wird, unzeitgemäß erscheinen? , ,, Aber der Anspruch auf Uebung der Gerechtigkeit und Billigtest ist ja doch nie unzeitgemäß, nur den einzigen Fall zeitweiliger oder bestän¬ diger Unmöglichkeit ausgenommen guia ml impossilstlia nomo lenetur. Eine derartige freisprecheude Unmöglichkeit dürfte aber hier wohl kaum Platz greifen. Und wer weiß, ob dieser besprochene WohlthäligkeitS-Gercchtigkcits Akt nicht ein gar glücklicher segenbringender Eingangs-Akt der neuen 553 Finanz-Operation wäre, vorerst die Beschlußfassung nämlich, nicht ferner mehr den Staatsschatz mit Steuern von Armengelderu zu bemengen, son¬ dern von nun fortan den Armen ihre Almosen Bezüge unverkürzt zu lassen und zu geben. Ans solcher Grundlage mußte gut und mit glück¬ lichem Erfolge fort zu bauen sein, denn wo der Herr das Haus nicht bauet, arbeiten die Werkslente vergebens. „Wohl dem aber, spricht König David, der für die Armen sorgt, denn zur Zeit des Unglücks — errettet ihn der Herr. ttcbor Steuerreform. v. Das Gebührengesetz. k. ?. Kein Steuergesetz trägt den Typus rein fiskalischer Natur so sehr an der Stirne, als wie das provisorische Gesetz vom 9. Februar und 2. August 1850. Drückend und hart in seinen Bestimmungen schreitet es mit ehernen Füßen über Volkswohlfahrt dahin, beleidigt das Rechtsgefühl bes Denkenden und erzeugt im hohen Grade Abneigung und Erbitterung gegen die Regierung. Dieses unglückliche Gebührengesetz mit seinen Hun¬ derten von Nachtrags- und Ergänzungs-Verordnungen scheint nur gemacht ZU sein, um den Feinden Oesterreichs eine der gefährlichsten Waffen in die Hände zu spielen, nämlich ihnen fort und fort Gelegenheit zu geben, die Bedrückung und Ungerechtigkeit, welche die Völker durch dieses Gesetz erleiden, zu politischen Hetzereien und Agitationen zu benützen. In der Stilisirung oft undeutlich oder dunkel, einer mehrseitigen Deutung fähig, öffnet es der administrativen Willkühr Thor und Riegel, wozu noch in dielen Fällen die Unwissenheit der Beamten (Dank der Anzahl der abän¬ dernden oder interpretirenden Nachtragövcrordnungen) das Ihrige beiträgt. Wer nicht gerade ein höherer Finauzbeamtc und im Fache zu arbeiten be- müßiget is? nimmt sich wohl schwerlich die Mühe, dieses Gesetz sammt der Unzahl NachtragsEerordnungen gründlich zn studiren und so bleibt dos Publikum ohne Schutz gegen Unwissenheit oder Ueberschreitungen. Zn allein dem kommt noch, daß selbst manche interpretirende Ministerial-Ver- drdunngeu, abgesehen davon, daß dieselben nicht jedesmal im Reichsgesetz¬ blatt kundgcmacht sind, aber dennoch gesetzliche Kraft haben, — öfters der llesuuden Vernunft und dem Gesetze geradezu widersprechen. Wir über¬ treiben keineswegs, sondern werden für unsere Behauptungen sogleich den Beweis liefern? Der 79, Zahl 5. des Geb. Gesetzes bestimmt, daß, wenn bei 554 gerichtlichen Angelegenheiten Eingaben an Behörden mit gar keinem oder einem geringeren Stempel als dein gesetzmäßigen versehen sind, nach Ab¬ rechnung des verwendeten Stempels das Dreifache der ordinären Ge¬ bühr einznhcben ist; während der tz. 81 G. G., welcher ausdrücklich von nichtgerichtlichen Eingaben spricht, fcstsetzt, daß bei solchen nichtge¬ richtlichen Eingaben, wenn sie mit keinem Stempel versehen sind, ent¬ weder gar nicht amtsgehandelt, oder aber im Falle der Amtshandlung das Doppelte der ordinären Gebühr nachträglich einzuheben ist. Weil mm in diesem letzteren Paragraph»! nur von solchen uichtgerichtlichen Ein¬ gaben, welche mit keinem Stempel versehen sind, die Rede ist, so hat irgend ein bureaukratisches Gewissen hohen Orts die Anfrage gestellt, wie sich zu benehmen sei, wenn eine nichlgerichtliche Eingabe, zwar mit einem Stempel, jedoch mit einem geringeren als der vorschriftsmäßige ver¬ sehen ist? Das Gesetz und die gesunde Vernunft, ließen denn doch glan- ben, daß die Entscheidung hierüber keinem Zweifel unterliege; allein der Finanz-Ministerial-Erlaß vom 10. Mai 1851, Z. 14545—15 belehrte uns eines Andern, er entschied nämlich, daß in solchen Fällen der ij. 79 des Geb. Gesetzes in Anwendung zu bringen, mithin das Drei¬ fache der ordinären Gebühr einzuheben sei, obgleich in diesem Paragraph 79 keine Silbe von nicht gerichtlichen Eingaben steht. Die sonderbare Logik dieses Ministerial-Erlasses ist nun folgende: Wenn eine Partei eine nichtgerichtliche Eingabe bei einer Behörde überreicht, z. V. ein Gewerbeconcessionsgcsuch beim Stadtmagisirat Klagenfurt, so ist der gesetzliche Stempel bekanntlich 3fl., überreicht sie nun das Gesuch ohne allen Stempel, so wird der Befund ausgenommen und es folgt die Ein¬ hebung der doppelten Gebühr pr. 6 fl.; nimmt sie aber (aus Un- kenntniß des Finanz-Ministerial-Erlasses vom 22. April 1860 Z. 23953) den nach dem Gebührengesetze Tar. Post 43 Art. 6, zu solchen Eingabe» vorgeschriebenen Stempel pr. 30 kr. C. M. oder nebst Kriegszuschlag heute) 72 kr. österr. Währ., so werden ihr außer dieser verwen¬ deten 72 kr. Stempelmarke annoch 6 sl. 84 kr. zur Zahlung vorgeschrieben. Im ersteren Falle zahlet sie also für ihr Uebersehen blos 6 fl., im zweiten aber 7 fl. 56 kr. österr. Währ. !!! — Wollten wir, so wie wir es aus eigener Wahrnehmung könnten, alle Gebrechen des Gebührengesetzes in praktischer Anwendung durch Tat¬ sachen beleuchten, so würde ein Werk von mehreren dicken Bänden hiezu nicht genügen, wir müssen uns daher nur auf Beleuchtung der schreiendsten Mißstände beschränken, welche jedoch schon Anhaltspunkte mehr als genug geben werden, nm ans gänzliche Abschaffung oder wenigstens radikalem» gestaltung dieses Gesetzes zu dringen. Nm den Wirrwar in Handhabung dieses Gesetzes voll zu uiachc», kommt noch dazu, daß oft die wichtigsten Finauz-Ministerial-Entscheirw>' gen, wie schon gesagt, im allgemeinen Reichsgesetzblatt nicht eingernct, sondern lediglich den Finanz-Landcs-Tirektionen zur Belehrung der Unter, behorden und Bureaukratie mitgetheilt werden. Diese nicht zur Kenntn-I> 555 des profane» Publikums gelangenden und dennoch gesetzliche Kraft haben¬ den Bestimmungen sind aber für dieses oft von solcher den Geldsäckel tief berührender Wichtigkeit, das; es unglaublich scheint, eS konnten bei einer vorsorgenden Regierung derlei eingreifende interpretirende Entscheidungen, der Kcnntniß des Publikums entzogen werden. Wir wollen diesfalls bloS eine kürzlich selbsterlebte Thatsache mit- theileu: Der hohe Finanz-Ministerial-Erlaß vom 25. Mai 1861 Z. 18996 —994, enthalten, nicht etwa im allgemeinen Reichsgesetzblatl, sondern im Beilagenblatt der k. k. Finanz-Landes-Dircktion zu Gratz vom Jahre 1861, ersten Band Nr. 16, lautet wörtlich: „Der in dein ffinanz-Ministerial-Erlasse vom 22. April 1860 Z. 23983—1269 (Beilage Blatt Nr. 25) festgesetzten fixen Stempelgcbnhr (bei Gewerbe Anmeldnngen oder Concessionsgesnchen) unterliegen n u r die ersten Eingaben, wodurch der selbstständige Betrieb eines Ge¬ werbes bei der Behörde augcmeldet, oder die zum Gewerbsbetriebe erfor¬ derliche Concession bei der Behörde nachgesucht wird: wird das Ansuchen uni die Concession zurückgewiesen oder zur ückgestcllt, so unterliegt das neuerliche Einschreiten, wenn die Entrichtung der gesetzlichen Gebühr für das erste Einschreiten durch Znlegnng des früheren Ge¬ suches oder auf andere glaubwürdige Weise nachgewiesen wird, nnr dem Eiugabenstempel von 30 kr. österr. Währ., saunnt Zuschlag also von 36 kr. österr. Wahr." Diese für die ganze gewerbtrcibende Klasse der Bevölkerung gewiß höchst wichtige Interpretation ist dem größten Theile des PubliknmS, so wie auch den meisten Herren Dr. Iuris, ja sogar sämmlichen Gemeinde¬ ämtern und gewiß auch manchen k. k. Protokollisten gänzlich unbekannt, weil das fragliche Mnauz-LandeS-Direktions-Beilagen-Blatt nnr den nu- lerstehenden Behörden und den Vorstehern der k. k. Bezirksämter initge- theilt wird, wovon aber, sonderbar genug, der in gewerblicher Hinsicht gewiß wichtigste Bezirk Kärntens, der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt nämlich, ausgeschlossen ist, welcher bis vor Kurzem nicht die leiseste Ahnung von der Existenz dieser Gesetzes-Sammlung hatte, und zu folgender tragisch-komischer Amtshandlung Veranlassung gab. Schreiber dieses Artikels verfaßte für einen hiesigen Hausbesitzer ein ünederholteS Gesuch um Eoncessious-Verleihung zum Betriebe eines Schank- üewerbes nach Z. 28 lit. In e. 6., der Gewerbeordnung vom 20. Dezem¬ ber 1859, er legte diesem Gesuche das erstere mit 3 fl. Stempclmarke besehene als Beilage zu und verwendete zn den, letzter« die gemäß obigen hohen Finanz-Minchtcrial-Erlaß vorgeschricbenc Stempclmarke von 30 und 0 kr. österr. Währ. Der magistratliche Einreichnngs-Protokollist wollte jedoch das Gesuch nicht annehmen und forderte die 3 fl. Stempelmarke. Dies veranlaßte den Verfasser des Gesuches eine Abschrift des obigen h. Finanz-Ministerial-Erlasses mit Angabe des Datums und der Gcschäftö- -AikHhhl (jedoch ohne Angabe der Nummer des Gratzer Finanz-Landes-Direk- / 556 tion-Beilagen-BlatteS) dem Magistrate zuzufertigen. Die Herren Ma¬ gistrats-Beamten steckten nun wohl die Köpfe zusammen, suchten den citir- ten Finanz-Ministerial-Erlaß vergebens im Reichsgesetzblatt, und weil sie solchen da nicht fanden, wurde ganz folgerichtig unserer Abschrift kein Glauben beigcmesseu, sofort der Befund ausgenommen und an die k. k. Finanzbezirksbehörde mit dem Beifügen geleitet, daß das fragliche Gesuch ein neuerliches Entschreite u sei, daß aber der Verfasser des Ge¬ suches die Beibringung des Stempels pr. .3 st. österr. Währ, verweigere. Mau sollte doch glauben, daß die dem Befunde beigefügte Bemerkung des Stadtmagistrates zu einer eingehenden Untersuchung des Sachverhaltes hatte Anlaß geben sollen: allein der concipireude Herr Beamte fand es viel einfacher, dem Befunde auf gut Glück Folge zu geben, und durch das k. k. Steueramt von der Parthei mittelst Zahlungsauftrag die Gebühr von 7 fl. 92 kr. österr. Währ, einzufordern. Eine diesfalls im kurzen Wege gemachte Reklamation fruchtete nichts, man wurde auf den schrift¬ lichen Rekurs verwiesen, derselbe auch eingebracht, aber die Folge gebende Erledigung folgte erst, nachdem die Parthei wegen der ganz und gar un- gebührlichen Gebühreu-Fordernug die Schmach der Mobilarpfändung er litten hatte!!! Wenn nun schon durch solche Amtshandlungen (deren wir allein Hunderte aufführen könnten) das kalte gemüthliche Blut eines besonnenen, Duldung gewohnten Kärntners in Wallung geräth, was läßt sich erst vom heißblütigen Italiener oder Ungar denken??!! — -—-Wo soll das Volk Schutz suchen, wenn selbst die Behörden nicht Kenntniß von mit gesetzli¬ cher Kraft bestehenden Normalien haben, und bei ostensible indebite vor¬ geschriebenen Kreuzern zu deren Abschreibung ein schriftlicher Rekurs ver¬ langt wird, welcher oft drei- und mehrmal so viel kostet, als die unge¬ recht abverlangte Gebühr? Da wird freilich lieber auch die ungerechte Steuer, wenn gleich, wie es sich leicht denken läßt, unter Murren und Schimpfen gezahlt und die lauernden Feinde Oesterreichs benützen die ihnen so oft vorkommende Gelegenheit zum — Hetzen. Wenn nun das Gebührengesetz, vermöge seiner rein fiskalischen und deshalb staatsgefährlichen Natur einer radikalen Umgestaltung bedarf, st müssen wir weiters gestehen, daß dasselbe unserer Ansicht nach den Grund¬ prinzipien des allerhöchsten Diplomes vom 20. Oktober 1860 geradezu widerspricht; denn der Staat kann in Hinkunst für Amtshandlungen, welche in das gesetzliche Bereich der autonomen Gemeinde- oder LandeS- verwaltungcn gehören, und wo die betreffenden Kosten dieser Amtshand¬ lungen aus Gemeinde- oder Landcsmitteln gedeckt werden müssen, von: rechtlichen Standpunkte ausgehend, keine weiteren Gebühren abvcrlangen. Wir wollen diesfalls wieder einige Beispiele anführen. Die Tarif-Post 43, lit. a normirt: daß alle Eingaben und Dupü kate, „die von Privatpersonen bei dem Landesfürsten, dem Reichstage, den Landes- und Gemeinde-Vertretungen, oder bei den für dieselben für Angelegenheit des Staates, der Kronländer oder der Gemein- 557 den aufgestellten öffentlichen Anstalten, Behörden und Aemtern, oder bei den ihre Stelle vertretenden Amtspersonen überreicht werden", der Stem- pelpflicht unterliegen. Nun fragen wir, wie können in einem konstitutionellen Staate mit autonomen Reichsgliedern, von Eingaben, welche das Staatsinteresse durch¬ aus nicht berühren, wie z. B. Gesuche um Verleihung einer Magistrats- Beamtenstelle, eines Stipendiums, eines Gehaltsvorschusses oder Aushilfe für Gemeinde- oder Landschaftsbeamten, Bürgerrcchtsverleihung re. rc., zu Staatszwecken besteuert werden, wo bleibt da das gewährleistete Prin- . zip der Autonomie? Die gleiche Frage läßt sich bei Aufnahme von Protokollen oder Ausfertigung ämtlicher Abschriften rc. stellen, wenn derlei Amtshandlungen von Gemeinde- oder Landesbehörden vollzogen werden. Weiters nach welchem Rechtsprinzips werden Amtshandlungen der geistlichen Behörden, welche rein geistlicher Natur sind, wie z. B. die Ausstellung von Sittenzeugnissen einer Stempelgebühr zu Staatszwecken unterworfen? dann ist es recht und billig, daß Zcugniße über das Wohl¬ verhalten der Dienstlcute, Gesellen, Lehrjungen rc. von armen, ohnehin überbürdeten kleinen Gewerbsleuten ausgestellt, einer Stcmpclgebühr unter¬ liegen? dergleichen müssen vom Standpunkte des Rechtes die Stempel¬ gebühren für gerichtliche Eingaben in Civilrechtssachen unbedingt ver¬ worfen werden. Dießfalls sagt der Verfasser der oft erwähnten Brochürc sehr treffend: „Es ist jedem Staatsbürger schon durch die allgemeine Steuerpflicht ein Recht auf den Rechtsschutz durch den Staat znerkannt, er soll diesen sonach als etwas ihm selbstverständlich zustehendes fordern dürfen, denn fr ist der eigentliche Staatszweck, sein Recht aber wird ihm beschränkt, indem er es nur gegen eine für jeden einzelnen Fall normirte Steuer geltend machen darf, weil er für die Forderung des Rechtes sich einer persönlichen Besteuerung unterwerfen muß, weil das Recht, dein Richter die Klagsache oder Verthcidigung auch nur mittheilen zu dürfen, durch Geld und Stempelform erkauft werden muß." Dieß im allgemeinen; betrachten wir aber die Sache genauer, so finden wir, daß auch hier wieder die wohlhabendere Bevölkerung auf Kosten der ärmeren bevorzugt ist. Die Stempelgebühren einer Klagssache der Einrede, Replick, Dnplick, Appellationsanmeldnng bleiben sich gleich, °b jetzt der Prozeß sich um 300 fl. oder 3 Millionen Gulden handelt; daraus ergibt sich folgendes Vcrhältniß: die Stempel-Gebühren für die Eingaben eines Prozesses sind: Klagen 2 Stempel n 36 kr.— fl. 72 kr. Einrede 2 Stempel ü 36 kr.— „ 72 „ Replik dto. .-,,72„ Duplik dto. .— „ 72 „ Eotnlirung der Akten . ..— „ 36 „ 558 Appellations-Anmeldung 2 Stempel L 5 fl 10 fl. — kr. Im Falle der Abänderung des erstrichterlichen Urtheils wieder zwei Revisions-Anmeldnngsstempel L 5 fl. . 10 „ — „ Zlisammen also 23 fl. 24 kr. ohne das Addokatenfutter, die Fristtverbnngen, dann die Perzcntnal- oder fixen Gebühren zu gedenken. Der Rcchtssuchende entweder Kläger oder Geklagter für einen Be¬ trag von 230 fl. zahlt also an Eingaben-G ebühren mehr als 10"/g, wäh¬ rend jener für einen Betrag von 2300 fl. nur 1°/o, von 23.000 nur VioVn und von 230.000 gar mir V-ooVa ,u entrichten hat!! Ziffern sind die lehrreichste Sprache. Diese drückenden Stcmpclaebührcn sind nur zu oft Ursache, daß mancher arme Schlucker, der die gesetzlichen Erfordernisse znr Erlangung eines Armuthszengnisses nicht besitzt, wie z. B. ein Beamter mit 300 fl. Gehalt, auf sein gutes Recht zur Klage oder Vertheidigung verzichten muß, weil er die Stempelgcbühr nicht zu erschwingen vermag. Geradezu aber verderblich für die Volks- daher auch Staatswohl¬ fahrt sind folgende Gebühren: 1. Die fixe Gebühr für Auoncen und Inserate. Sie sind ungerecht, weil sie schon die Hoffnung auf ein Einkommen besteuern und somit das Aufblühen der Industrie und Kunst hemmen. 2. Periodische Schriften und Kalender müssen gleichsam als perma¬ nente Volksschulen angesehen werden; sie sind bestimmt Aufklärung und Wissenschaft, in allen Schichten der Bevölkerung zu verbreiten, und in einem jungen Rechtsstaat wie Oesterreich, wo die Sünden einer absoln tistischen Regierung, die Folgen der vernachlässigten Volksbildung nur zu sehr noch fühlbar sind, sind sic desto nothwendigcr, ja geradezu im Staats¬ interesse unentbehrlich. Die Verbreitung der periodischen Schriften und Kalender nun durch Abgaben oder Stempel zu hemmen ist ein Attentat gegen die Eivilisation und in der Wirkung nm so unheilbringender, als sie gerade wieder die ärmere Volksklasse, die der Bildung und Aufklärung am meisten bedarf, am härtesten trifft, ja ihr die Quelle gesitteter Vor edlung versperrt und Arroganz und Unwissenheit, das heißt, die Verdunu mung unstreitbar befördert. Die Besteuerung der periodischen Druck schriften durch den Staat gleicht einem Ackersmmn, der ans dem Ver kaufe seines erzeugten Düngers ein Einkommen sucht, dafür aber seine Felder — brach liegen läßt! 3. Und erst die Perzentnalgebühren! diese furchtbare, stets offene, stets eiternde Wunde des National-Bermögens! — Vergebens wird unsere Finanz-Verwaltnng eine Besserung unserer finanziellen Zustände anstrcben, so lange sie nicht zur Erkenn tniß kommt, daß nicht in systematischer Ver nichtnng der volkswirthschaftlichen Kräfte, sondern in möglichster Hebung derselben der Grund des National-Reichthumes und mit ihm der finauz! ellen Staatskraft liegt. Eine Steuer, die sich aus keinem andern als dem 559 rein fiskalischen Titel rechtfertigen läßt, ist und bleibt ein Krebsschaden im staatlichen Organismus; sie gleicht dem Wurm, der die Blüthen be¬ nagt, und den Baum um seine Früchte bringt. Eine solche Steuer sind die Perzentualgebühren. So lange das Hörigkeits- und Untcrthanen-Verhält- niß existirte, hatte diese Gebühren« nhebung zu Zwecken der Grundherr- schaft einen Sinn, ihre Rechtfertigung lag in dem Prinzips des nun zu Grabe getragenen Feudalstaates, des Saugshstems. Im konstitutionellen Rechtsstaate aber, wo die moralische geistige und materielle Hebung der Volkswohlfahrt Staatszweck ist, oder doch wenigstens sein soll, — läßt sich eine rein fiskalische Steuer, weil dem Staatszwecke entgegengesetzt, nie und nimmermehr rechtfertigen. Wir wollen durch ein paar Beispiele nachweisen, mit welcher Wucht die Perzentualgebühren am Volke lasten. Ein Grundbesitzer, welcher Eigenthümer einer Besitzung im Werthe von 20.000 st. ist, hat sein ganzes Leben damit zugebracht, die Realität durch Fleiß und Anstrengung schuldenfrei zu machen, endlich ist ihm dies gelungen und er stirbt ohne Hinterlassung eines Testamentes und hat fünf Kinder zu Erben. Es entfallt sonach auf jedes Kind 4000 fl. und der Besitznachfolger übernimmt daher die Realität mit 16000 fl. belastet. Schon dieser Umstand allein macht die Uebernahme schwierig, besonders wenn ein oder mehrere Geschwister bereits großjährig sind. Nun muß er aber noch vor der gerichtlichen Einantwortung für sich und seine Geschwister die ärarischen Perzentual-Gebührcn bezahlen. Diese betragen nach T. P. 106 8, g, und Anmerkung 1, au Erbsteuer 1°/„, das ist von 20000 . 200 fl. dann an Uebertragungsgebühr 1oder. 300 hiezu der 15°„-tige Kriegszuschlag mit.75 „ Zusammen also 575 fl. Oest. W. Da nun mit Rücksicht auf die Belastung der Realität und der gegen¬ wärtigen Geldverhältnisse auf Auftreibung eines Darlehens gar nicht zu denken ist, so bleibt dem Besitzautreter nichts anderes übrig als aus dem Arbeitskapital der Realität die enorme Steuer zu berichtigen und zum Biehverkaufe rc. seine Zuflucht zu nehmen. Dies ist jedoch einer der gün lligsten Fälle, wie aber erst, wenn der Erblasser, wie häufig geschieht, eine Mehr oder minder verschuldete Realität hinterläßt?! Anstatt also beim Besitzantritte mit voller Kraft arbeiten zu können, uuiß er zum Zwecke der Steuerabtraguug sein Betriebskapital vermindern und den Besitzzustand verschlechtern!! Ein zweites Beispiel: Ein Handwerker hat durch eine Reihe von Jahren gespart und ge- °uikt, und sah sich endlich, bereits im Greisen-Alter stehend, in der Lage 1. Jänner 1861 ein Haus im Werthe von 10000 fl. mit einer Schuldenlast von 5000 fl. zu kaufen. Sein Baarvermögen betrug daher nur 5000 fl., dessen ungeachtet 560 muß er von dem vollen Werthe pr. 10.000 fl. also auch von der Schuldenlast (!!!) die 6'/-"/» Gebühr entrichten mit . 350 fl. — kr. hiezu der 15°/,-ige Zuschlag mit. 72 „ 50 ain 1. Februar 1861 geht er aber mit Tod ab, und hinterlaßt seinen gleichfalls schon alten Bruder als Erben. Dieser hat nun wieder als Erbfleuer nach T. P. 106, 3. e. und Anmerkung Geb. 1 Ges. von dem Nachlasse pr. 5000 fl. die 4°/,-ge Gebühr mit 200 „ — „ hiezu 25°/, Zuschlag mit. 50 „ — „ und '/-"/o Uebctragungsgebühr vom Werthe der Reali¬ tät, das ist von 10.000 fl. mit. 50 „ — „ hiezu 15 »/, Zuschlag mit . 7 „ 50 „ zu entrichten. Kaum au die Gewähr geschrieben, stirbt er je¬ doch am 20. August 1861 auch und der Besitz geht aus Mangel eines andern Erben auf seines Gro߬ vaters Bruders Enkel über. Letzterer hat nun aber¬ mals und zwar nach T. P. 106, 6. «I. Anmerkung 1 die Nachlaßgebühr von 5000 fl. mit 8°/, das ist 400 „ — „ und die /2°/g-ige Nebertragungsgebühr von 10.000 fl. mit.50 „ — „ dann 25°/, Zuschlag mit.102 „ 50 „ zu entrichten. Der Staat bezieht also in einem Zeitraum von kaum 9 Monaten von einem Stammkapitale pr. 5000 fl. die Summe von 1282 fl. 50 kr. Och. W. also nahezu 26°/, des gcsammten Vermögens!!! Wir fürchten die Geduld unserer Leser zu ermüden, wollten wir die traurigen Wirkungen des Gebühren-Gesetzes noch weiter ausmahlen. Weil nun das Gcbührengesetz in vieler Beziehung mit den Reichs grundsätzeu insbesondere mit dem Oktoberdiplome in Widerspruch steht, weil cs die Erlangung des Rechtes erschwert und als Vermögenssteuer die Volks- und mithin auch die staatswirthschaftlichen Zustäude offenbar verschlechtert, sollte dasselbe gänzlich aufgehoben werden. Der noch in Kraft bestehende 2. Theil des Tapgesetzes vom 2«. Jänner 1840 sollte aber einer Revision unterzogen und mit Rücksicht auf die Volkswohlfahrt die Privilegiums- und Dicnstverleihuugstaxen aut gehoben werden. IV. Die Verzehrungssteuer. „Der Nebel ärgstes ist die Verzehrungssteuer, die Domainc de> Finanzpolizeimannschaft, die den Staatsbürger als Argus bewacht nur wie Briareus ihm den Säckel leert." So spricht der Verfasser der mehr 561 erwähnten Brochure. Und es ist wahr; mußten wir das Gebührengesetz als die drückendste Steuer erkennen, so ist die Verzehrungssteuer die lästigste; denn nicht nur allein die Einhebungsart, welche die kontroll¬ pflichtigen Gewerbe-Etablissements der Botmäßigkeit derFinanzwachmannschaft unterwirft, sondern auch die Hemmung des Verkehrs und freien Gewerbe¬ betriebes, also auch des industriellen Aufschwunges, machen sie zur ver¬ haßtesten Steuer des Staates, und ihre Beibehaltung wird immer und immer ein Hinderniß der Versöhnung mit Ungarn bleiben. Dennoch müssen wir bekennen, daß die Getränkestencr eine gerechte und billige ist, weil sie eincntheils mehr oder minder Lnxusgegenstände, anderntheils aber stets nur das Einkommen trifft. Aber verwerflich ist die Fleischstener. Nebst Brod und Salz ist Fleisch das nothwendigste Lebensbedürfniß in größeren Städten und sollte schon deßhalb von der Besteuerung losgezählt werden. Allein auch in sanitäts-polizcilicher Hin¬ sicht ist die Fleischstener nicht gntznhcißen, denn nur zu ost entstehen in größeren Städten Epidemien aus Mangel nahrhafter Kost bei der ärmeren Bevölkerung. Die Besteuerung von Getreide, Obst, Hülsenfrüchten, Mehl, Brot, Viehfutter, Gemüse, Fette, Butter, Käse, Eier, dann der Belench tungs- und Feuerungsmaterialien in den sogenannten geschlossenen Städ¬ ten erzeugt und erhält das Städteproletariat, bringt Noth und Elend und mit ihnen sittlichen Verfall in die Familien, füllt Spitäler und Kerker und schwächet und entnervet das Menschengeschlecht; diese Besteuerung ist um so unbilliger, weil cs in größeren Städten abwechselnd immer Tausende von Menschen gibt, welche ohne Selbstverschulden momentan arbeitslos sind. Die Besteuerung des inländischen Zuckers ist ein Volks- und staatswirthschaftlicher Fehler, sie hindert den Aufschwung dieser Jndu strie und zugleich der Agrikultur und trägt zur Verschlechterung der Valuta bei. Von welcher grundfalschen Ansicht die Finanz-Verwaltung dießfalls ausging, beweisen die Worte Sr. Excellenz des Herrn Freiherr» v. Ccoernig in dem statistischen Werke: „Das österreichische Budget für l862". Derselbe sagt Seite 159: „Der rege Aufschwung und Ausbau der Zuckerrübe und der Erzeugung von Zucker aus derselben mittelst den vervollkommneten Methoden, überflügelte die Raffinerie des Colo "ial-Zuckermehls und die Einfuhr ausländischer Zucker ">'ten in dem Maße, daß das Zollgefäll an diesem Industrie- weige namhafte Einbußen erlitt. Die Regierung erhöhte daher "ach Maßgabe dieses Fortschrittes der einheimischen Zucker Bezeugung die Verbrauchsabgaben von derselben" l!!!). Diese wenigen Worte kennzeichnen am besten den rein fiskalischen Standpunkt, welchen die österreichische Finanz-Verwaltung in ihrer Kurz- Üchtigkeit bisher ' einnahm. Sie hemmt den Aufschwung dieser wichtigen heimische Industrie zu Gunsten des Zoltgcfälls, das heißt: zu Gunsten 36 562 der ausländische ir Industrie! — Anstatt diesen wichtigen Industrie¬ zweig sich frei entwickeln zu lassen, wird ihm die hemmende Fessel der lästigen Verzehrungssteuer angelegt, und so die Emanzipirung Oesterreichs in diesem starkkonsummirtcn Verbrauchsartikel vom Auslande und eine gewinnbringende Exportation verhindert. Aber freilich wir haben ja des Silbers in Ueberfluß, uns kommt es auf einige Millionen mehr oder weniger Abfluß nicht an ! ? Also von der gesummten bisherigen Verzehrungssteuer läßt sich eigentlich nur die Besteuerung der geistigen Müßigkeiten rechtfertigen; aber ihre bisherige Einhebungsmethode ist geradezu verdammungswürdig. Hier sprechen wieder Ziffern am deutlichsten. Im Jahre 1857 gab es nach statistischen Nachweisungen an entdeckten und behandelten, also be¬ straften Verzehrungssteuer-Gefällsübertretungen 67.972 — — rechnet man die unentdeckten mit doppelter Stärke, so ergibt sich eine Summe von circa 204.000 theils mißlungene, theils gelungene Gefällsübertretungs- Versuche. Welch' staatsgefährlicher und demoralisirender Zustand! welche ergiebige Quelle zur fortwährenden Unzufriedenheit der Völker! Zieht man nun in Betracht, daß die Verzehrungsstener-Einhebulig für geistige Getränke nie ohne Beschränkung und Belästigung des Haus- rechtes mit Erfolg bewerkstelliget werden kann, diese Beschränkung aber den bittersten Haß erzeugt, und was wir immer und immer im Auge behalten müssen, das Haupthindernis; einer Versöhnung mit den Völkern jenseits der Leitha verbleibt, so müssen wir uns aus höheren politische» Rücksichten, aus Liebe zum Bestände der Monarchie auch für Auflassung der Geträuke-Steuer auSsprecheu; dieß hindert jedoch nicht, daß die Einfuhr von Wein und Branntwein in Städten über 10.000 Einwohner zu Landes- und Gemeindezwecken besteuert werde. Man darf ja nicht glauben, daß die Aufhebung der VerzehrungH steuer dem Staatsschätze bloß Nachtheil allem und keine Vortheile bringen wird; wir glauben vielmehr, daß der Schade nur ein temporärer, die Vortheile hingegen dauernde sein werden. Jin Budget 1862 figurirt die Verzehrungssteuer mit 55,954.M> Bruto oder 53.316,000 Netto-Ertrag, also weit mehr als den fünfte» Theil der gesummten Staatseinnahmen. Allerdings eine Summe, welche man nicht so ganz gleichgiltig über Bord des Staatsschiffes werfen kann. Allein wir werden am Ende unserer Artikel zeigen, daß der Staatsschw diese Summe entbehren kann. Vergleichen wir nun die Vortheile, welche für das Volkswol», den Nationalreichthnm und die Staatssicherheit durch Aufhebung Verzehrungssteuer hervorgehen, so finden wir sie von so überwiegs'» der Art, daß dadurch die fiskalischen Nachtheile geradezu ans -»« herabsinken. Die Publikation des Gesetzes, wodurch die Aufhebung der zehrnugsstener dekretirt werden würde, würde in ganz Oesterreich vo» Festungsvierecke bis zum Rothenthurmpasse, von Cattaro bis Brodi, vo> 563 allen Nationalitäten ohne Unterschied mit gleichem Jubel begrüßt werden, ein schwerer, schwerer Alp wäre vom Herzen der Völker und einzelner Staatsbürger genommen; ja selbst wenn die Regierung sich vorläufig bloß im Prinzips für die Aufhebung der Verzehrungssteuer aussprechen möchte, — würde schon dieser Akt des guten Willens mit Freuden aus¬ genommen werden. Die Vorthcile, welche den Staatsfinanzen aus der Aufhebung der Verzehrungssteuer erwachsen müßten, wären in erster Linie: Herstellung der Handelsbilanz in Oesterreich. Die einheimischen Weine, Biere und geistigen Flüssigkeiten würven in kurzer Zeit in beträchtlichen Massen Weg und Absatz im Anstande finden, ustd die Einfuhr gleichartiger Artikel auf ein unbedeutendes Minimum herabsinken. In zweiter Linie aber wäre das Aufblühen der österreichischen Industriezweige verschiedenster Art und die dadurch bedingte erhöhte Erwerb-, Einkommen- und Grundsteuer die segenbringende Frucht dieser Aufhebung. Deßhalb rufen wir ans innerster Ueberzengung: Hinweg mit allen Hemmschuhen des Rechtes, des Handels und der Industrie und Oesterreichs Gleichgewicht im Staatshaus¬ halte ist hergestellt! Korrespondenzen. ^Klagenfurt. (Statistik der öffentlichen Lehranstalten su Klagenfurt.) Das Ende des Schuljahres veranlaßt uns über die Schulen unserer Landeshauptstadt etwas zu sagen. 1. Die theologische Lehranstalt. Diese Anstalt zählte 27 Zög- stnge, von denen 6 die hl. Weihen empfingen und 5 als Kapläuc ange stellt wurden. Wenn man bedenkt, daß durchschnittlich 12—15 Diözesan Priester alljährlich sterben, so dürfte man einen bevorstehenden Mangel an Priestern leicht erkennen. Daher wird man sich die Nothwendigkeit Errichtung des Knabensemiuars so wie die innige Theilnahme an demselben sehr leicht erklären. Durch nnscrS hochwürdigsteu Obcrhirtens Wert und Beispiel begeistert, brachten Priester und Laien bedeutende Spfer, begleiten dieß neue Institut mit deu heißestem Segenswünschen nnd sehen der allgemein erwarteten Veröffentlichung des Berichtes über den Zn stand des Fondes mit großer Spannung entgegen. Der Lehrplan für die theologischen Anstalten ist leider noch immer der alte mit der einzigen, 8ar nichts sagenden, einer sein sollenden Verbesserung, daß der eine oder der andere Lehrgegenstand in einen andern Jahrgang verlegt wurde. Dr. 564 Hau sle und andere theologischen Größen haben seiner Zeit die besteil, durchdachtesten, bestgemeinten und zeitgemäßesten Reformen vorgeschlagen. 2. Das Gymnasium. Das Lehrpersonale bestand aus 15 geist¬ lichen und 5 weltlichen Lehrern, unter denen 11 ordentliche und 5 Sup¬ plenten waren. Die Lehrer geistlichen Standes gehören durchaus dem Benediktinerorden an und werden von dem Vorwürfe, daß sich die Lehrer aus geistlichen Orden den vorgeschriebenen Lehramtscanditaten-Prüfungeii nicht unterziehen, gewiß nur im geringsten Grade berührt. Unter den 368 Schülern gehörten 274 der deutschen, 93 der slo- venischen und 1 der italienischen Nationalität an. — Nach dem Religions¬ bekenntnisse waren 367 Katholiken mch nur ein Protestant Augsburger Konfession. — Unten den 24 Schülern der 8. Klasse unterzogen sich 19 Schüler der Maturitätsprüfung, unter denen fünf ein Zeugniß der Reife „mit Auszeichnung" erhielten. 3. Die Realschule. Unter den 12 Lehrern für die obligaten Lehrfächer waren alle — mit Ausnahme des Katecheten — weltlichen Standes und alle wirkliche Lehrer, nur ein abwesender Lehrer wurde supplirt. Unter den 210 Schülern waren 161 Deutsche, 45 Slovencu und 5 Italiener; bis auf 6 Akatholiken gehörte» alle Schüler der katholischen Kirche an. Die Klagenfurter Realschule genießt die gewiß nicht geringe Aus¬ zeichnung, daß sie die erste Realschule in der ganzen österrei¬ chischen Monarchie ist, mit der eine mechanische Lehrwerkstätte in Verbindung steht. Wegen der Neuheit des Gegenstandes dürfte interessant sein zu lesen, was über diese mechanische Lehrwerkstätte der heurige Jahresbe¬ richt sagt. Da heißt es wörtlich: Durch einen hohen Ministerialerlass wnrde die Betheiligung der Realschüler an dem Unterrichte in der mechanischen Lehrwerkstätte bewilligt, und den Satzungen dieser von der lobt. Handels- nnd Gewerbekammer ans den freiwilligen Beiträgen der Kämt ner Freunde des industriellen Fortschrittes errichteten Anstalt die Genehmigung ertheilt, so dass mit 1. November 1861 die praktischen Uebungeu begonnen werden konnten. Der Unterricht besteht in der stufcnweisen und sistematischen Einübung aller Handarbeiten des Mechanikers, nämlich Geradfeilen, Drehen aus freier Hand und nut dem Support, Bohren, Schraubenschneiden, Handhabung der Metallhobelmaschiene, Le¬ then nnd Härten, dann einfachere gewöhnliche Tischlerarbeiten und Modelltischlerei. Zuerst lernen die Schüler an besonderen UebungSstücken die Handgriffe kennen, nnd wenn sie dieselben bis zu einem gewissen Grade sich angceignet haben, schreiten m zur Anfertigung genauer Werkzeuge und Instrumente, als: Lineale von Stahl oder Eisen, Winkel verschiedener Art, Schrägmaße, Schublehren, Streichmaße, Zirkel u. s. w., wie sie von dem Mechaniker selbst gebraucht werden, und bei weiterer Ausbildung tigen dieselben auch ganze Modelle einfacherer Maschieneu und Bewcgnugsmechanisinen an. Bei der Organisierung der Wcrkstätte lag cs in der Absicht der Gründer, eine wesentliche Lücke in unserem technischen llnterrichtswcsen auszufüllen, nnd die Kinm welche zwischen Theorie nnd Praxis besonders in der angewandten Mechanik besteht, beseitigen, indem die Schüler die Maschieucntheile, welche beim obligaten Unterrichn nur tbeoretisch behandelt werden können, auch wirklich ausfnhreu lernen, so dass sie bc ihrem Ucbertritt in die Paxis nicht nur einen sehr wertvollen Schatz von Erfahrung aus der Werkstätte mitbringeu, sondern auch die Befähigung erlangen, die Lehren der 565 Mechanik in der letzten Oberrealklasse, dann bei ihrem weiteren Studinm an der Iw Heren Anstalt diel gründlicher zn verstehen, als es ohne die Vorüduiiacn in der Wer! statte möglich ist. Es ist aus diesem Grunde die Anordnung getroffen worden, dass die Schüler sämmtlichcr Klassen sich bei dein Unterrichte Letheiligen, und schon in den unteren Klassen beginnen können, nm die Uebnugcu durch mehrere Jahre fortzusetzen. Jeder Schüler arbeitet wöchentlich zweimal durch 2 Stunden. Bei Eröffnung des Unterrichtes betheiligtcn sich 40 Schüler, die in 4 Abthei- lungen zn je lO cingetheilt wurden, weil die Werkstättc in ihrer jetzigen Gestalt 10 Arbeitsplätze besitzt. In jeder Abtheilung sind 8 Schüler mit Feilen, 1 mit Drehen und einer mit der Tischlerei beschäftiget, so dass im ganzen 32 Schüler feilen, 4 dre¬ hen und 4 Tischlerarbeiten anfertigen können. Während des Jahres sind 8 Schüler abgegangcn und dafür wurden 6 andere ausgenommen, so dass der Stand der Schüler am Ende des Schuljahres 38 betrug. Von den 32 Schülern, welche das ganze Schuljahr am Unterrichte sich bethei¬ ligtcn, sind etwa 20 noch im heurigen Jahr über die Vorübung hinansgekommcn, so dass sie schon zur Anfertigung von "genauen Werkzeugen schreiten konnten. 4. Die Normal- und Musterhauptschule. Diese zählte in ihren acht Abtheitungeu über 800 Schüler, von denen gewiß ein gutes Drittel Slovencu sind. ES hat uns sehr gefreut, daß der slovenischen Sprache die Gerechtigkeit endlich einmal zu Theil wurde, bei den öffentlichen Prü¬ fungen mit den übrigen Gegenständen in eine Reihe gestellt worden zn sein. Und wie wir von mehreren Seiten hörten, gingest die Prüflingen zur vollsten Zufriedenheit. Weil wir aber nicht schmeicheln, sondern loben, was Lob, und tadeln, was Tadel verdient, so müssen wir — obgleich ungern — auch das sage», daß wir uus höchlichst verwunderten, wie bei einer Prüfung — und sei sie auch mir eine Privatprnfuug - die Behauptung aufgestellt werden konnte, Kärnten sei ein rein deutsches Land. Möchte man doch einmal aufhöreu, der lieben Jugend geografische und geschichtliche Jrrthümer einzulernen! Ein gutes Drittel der Bevölke nmg Kärntens ist slovcuisch, — zu Klagenfurt, Villach, Völkermarkt rc. wird in jedem Verkaufsgewölbe die sloveuische Sprache wenn nicht gefor bsrt so doch sehr gewünscht, — die Priester, Beamten, Lehrer, Aerzte fühlen die Nothwendigkeit der slovenischen Sprache; — inan erkenne und behandle also endlich einmal offen und ehrlich Kärnten als deutsch slove nisches Land! 5. Die Mädchenschule. Der Unterricht an dieser Schule wird von den ehrwürdigen Frauen Ursulinerinnen besorgt. Wir werden schwerlich weit fehlen, wenn wir behaupten, daß es da bei 1000 Schü¬ lerinnen aus allen Gegenden Kärntens gebe. Allgemein und schon lange her wird der Wunsch ausgesprochen, daß der Religionsunterricht von «nein Katechet ertheilt und dort, wo man fürs Französische, Italienische, schlingen. Sticken n. s. w. Platz und Zeit findet, auch der zweiten Lau Verspräche — deni Slovenischen — ein Plätzchen und Stündchen vergönnt werden möchte. Weil wir gerade vom slovenischen Unterrichte sprechen, so sei dieß- bezüglich kurz bemerkt, daß er dermalen an der Realschule wie am Gym¬ nasium so eingerichtet ist, wie es gerade nothwendig ist, um ihn selbst 566 fast fruchtlos und verhaßt zu mache», die Lehrer desselben aber als un¬ geschickt und unfähig darzustelleu. Und doch haben wir schon 14 Jahre die Gleichberechtigung! Noch eines auffallenden Umstandes müssen Nur erwähnen. Wir habe» in Kärnten bei 17.000 Akatholikeu und alle Tausende liefern für die hiesigen Gymnasial- und Realschulen nur sieben Schüler! Die Protestanten Kärntens stehen den Katholiken weder an geistigen noch an materiellen Kräften nach nnd könnten somit ihre Söhne ebensogut in die Mittelschulen schicken. Woher also diese traurige Erscheinung? Wir glauben nicht zu irren, wenn wir einen der Hauptgründe darin suchen, daß für den reli- giösen Unterricht der Akatholikeu an diesen Lehranstalten gar nicht gesorgt ist. Kein christlicher Vater wird ohne großes Bangen seinen Sohu au eine Lehranstalt schicken, wo er ihn ohne allen religiösen Unterricht uud ohne allen Gottesdienst auswachsen sieht; denn die jährlich von dem evan¬ gelischen Pfarrer zweimal vorzunehmeuden Prüfungen und die österliche Abendmahlsfeier können einen geregelten Religionsunterricht uud regelmä¬ ßigen sonntäglichen Gottesdienst nicht ersetzen. Es nimmt uns daher gar nicht Wunder, daß die Akatholikeu das Zustandekommen eines Pastorates zu Klagenfurt schon ihrer lieben Schuljugend wegen mit aller Energie betreiben. * Klagenfurt. (Ersparungen in der Civil-Berwaltuug.) Unter diesem Titel brachte Nr. 69 die „Zeitung für Kärnten" einen wohl begrün deten Aufsatz über die vielen uud kostspieligen Skontrirungen der k. l Steuerämter; in demselben werden zuerst die häufigen Fälle besprochen,!» denen solche Skontrirungen stattzufinden haben, dann die Auslagen er wähnt, welche dadurch deni Staatsschätze wie nicht minder den Pmthm» anerlanfen, die Nutzlosigkeit derselben auScinandergesetzt, nnd zum Ende wirb der Antrag gestellt, die Skoutrirung der k. k. Steuerämter jenem k. » Amte zu übertragen, welches sich im Amtssitze des ersteren befindet und diesem auch übergeordnet ist. Dadurch würden sämmtliche Auslagen für die Skontrirnngem beson¬ ders jene für Reisender Kommissäre beinahe gänzlich entfallen. Der Versag« nimmt an, daß im Durchschnitte jedes Steueramt 5 Mal im Jahre un einer solchen Untersuchung beehrt wird, und berechnet jede derselben uu 10 st. — was uns etwas zu gering erscheint. Für die 1281 Steuerani ter Oesterreichs mit Ausschluß Italiens entfielen daher nach obiger Aimayns jährlich an Verwaltungsauslagen 64050 st. — somit für ganz ^est« reich nahezu 100.000 fl., zumal die durchschnittliche Auslage mit w w zn nieder angenommen wurde. Da wir wegen Mangel an Rmuu vollen Inhalt dieses Artikels in unserem Blatte nicht aufuehmcn konm - so machen wir durch diese Andeutungen besonders jene Männer a diesen Gegenstand aufmerksam, die bei Berathnng des ^taatsvou schlages für das Jahr 1863 in der Lage sein werden, über die Wendigkeit einer so großen jährlichen Ausgabe ihr Urihest abgebcn a 567 können. Daß der Hauptzweck der Untersuchungen, die Beruntreuuugen zu veriucideu und hiutanzuhalten, nicht erreicht wird, darüber sind wohl alle Finanzbeamteu einig mit Ausnahme vielleicht derjenigen, die solche Gelegenheiten blos zu angenehmen Ausflügen benützen wie z. B. von Graz aus an die Pasterzen. Nicht die Untersuchungen, sondern die Ehrenhaftigkeit und Treue der Kassebeamtcn ist der Grund, daß trotz der möglichst schlechten Bezahlung so selten Unredlichkeiten Vorkommen, und wo sie vorgekommen sind, haben sie nngeaehtet der vielen Skontrirnngen stattgefnnden, was durch die Erfahrung auch jedesmal noch bestätigt wurde. Zu diesen Bemerkungen hat nus auch Rr. 35 der „Reform" ver¬ anlaßt, wo von derselben Angelegenheit die Rede ist. Man scheint diesem Gegenstände volle Aufmerksamkeit zu widmen, und wir hoffen, daß im Reichsrathe die Stimme der öffentlichen Meinung nicht unerhört ver¬ hallen wird. Ucbrigeus liegt es zunächst im Interesse des Staatsschatzes, die Aerwaltungsauslagen zu vermindern, was nirgend so nothwcndig erscheint, als bei dem Aufwande der Administration bei Einbringung der Stenern. * Aus dem Görzerischen. (Ein antislovenischer Mnnieipal beschlnß in Görz.) Das löbliche Municipium der Stadt Görz hat in seiner Sitzung den 13. August d. I. zu beschließen geruhet, daß am hiesi gen Ghmuasinm und an der Realschule die italienische Sprache als Uu terrichtssprache einzuführcu sei, und schon im künftigen Schuljahre einige Gegenstände in dieser Sprache vorgetragen werden sollten. Behufs der Bestätigung dieses Entschlußes mögen allsoglcich die nöthigen Schritte beim hohen Ministerium gcthan werden. (Corr, in der Novice ans Görz lml 34.) Dieser Municipalbeschluß ist ein offenbarer Hieb auf die slovenische Nation im Görzerischen, deshalb finden wir es für Pflicht, ihn zu parircn. Vor allem zollen wir den zwei Herren Doctoren Tcsperis und Aisini, welche bei dieser Gelegenheit die Rechte der Slovenen in schütz hahnien, den gebührenden Dank,' sie haben sich als Männer der Gerech¬ tigkeit erprobt, indem sie cinstande» für das zeitgemäße Prinzip der na üonalen Gleichberechtigung. Es nimmt uns nicht eben viel Wunder, da,; Herr Dr. Jona auserkoren ward, diesen Antrag in den ^tadlrath zu bringen, denn zwischen Inden und Slovencu bestand von jeher kein oor- 'lialo onlonlo; allein daß ein Rechtsgelehrter ans dein slovenischen Kanale so einen bizarren, in das Bereich eines einfachen Stadtrathcs keineswegs fallenden Antrag unterstützen konnte, dies ist nnS auffallend, eben so wie es dem 16 der Görzer Landtags statutcn straks entgegen lauft, daß Herr Dr. Payer, gewählter Beisitzer des Görzer Landtagsausschusses, in bester Zeit zugleich als Advocat in Kanale zu fnngiren angefangen hat, "»d bei allen dem noch im Görzer Municipinm die Entwicklung seiner ckalienischen Ideen zur Schau trägt. Doch übergehen wir zur näheren Anschauung des obcrwähntcn Mu- «tcipalbeschlusses. Als Kaiser Josef Ik. einstens die Stadt Görz mit einem 568 Besuche beehrte, soll er bei seinem Ritte auf die Campagnuzza, dort wo jetzt der Friedhof liegt, sich umgesehcu und zu seiner Suite gesagt haben: „Görz! das Nestcheu ist schön, aber die Bügel darin singen nicht gut/' Diese Worte finden auf das gegenwärtige Municipium treffende Anwen¬ dung. Ich liebe die Stadt Görz, ich liebe sie vor jeder anderen Stadt auf dem Erdboden, sie ist schön, wirklich schön und ihr gebührt mit Recht der Ausdruck „lapn Oorian". Ich ehre auch jedes raisonnable Mitglied des Stadtrathes uud gestehe es ein, daß es im Municipinm recht beschei¬ dene, gelehrte lind gerechte Männer gibt; allein der obgenannte, mit gänz¬ lichem Umgänge der Slovenen gesaute Beschluß berechtiget mich, zu be¬ haupten, daß das löbliche Görzer Municipinm gar nicht nach den Noten, die ihm vorliegen, singt. Ich übergehe einstweilen das Diplom vom 20. Oktober 1860, so wie die Verfassungscharte vom 26. Februar 1861 ; denn der Stadtrath hat dabei wenig einznsehen, nur dies dürfte ihm vielleicht zu einer kleinen Belehrung dienen, daß die beiden Schriften in der slovenischen und italie¬ nischen Sprache bei dem Landtage sind hinterlegt worden; ich nehme aber die Verordnungen znr Regelung der Realschule in Oesterreich aus dem Jahre 1851 her. Hier heißt es 8- 10, daß die Landessprache als Unterrichts¬ sprache zn gelten habe. Das Municipinm in Görz hat nur Stadtange- legenheiten zn berathschlagen, nie aber Landesbedürfnisse zu besorgen; hat nur Stadtschulen zu regeln, nie aber Gymnasien und Realschulen zu re- formiren; also hat eö eine Note zu hoch gegriffen und ist hiemit in bas Falsetto übergegangen. Landessprachen sind im Görzerischen zwei, die slove nische und friaulische, meinetwegen auch italienische genannt; da stehen 140.000 Slovenen. gegen 70.000 friaulische Italiener. Weil der Stadt rath nur die Einführung der italienischen Unterrichtssprache znm Beschlüsse erhoben hat, so hat er offenbar um eine ganze Noten zn tief angestimmt und sich an den Regeln des General-Baßes vergriffen. Abermals eine Disharmonie! Karl Moreth erzählt in seiner Geschichte der Grafschaft Görz, daß es vor Zeiten (1628) den Bewohnern der Stadt eingefallen war, von den Gebirglern aus dem Tolmeiuischen zu verlangen, sie dürfen ihre Er¬ zeugnisse, als: Käse, Butter, Speck, Kälber u. dgl. nirgendshin als nur nach Görz zu Markte bringen. Dies war gewiß eine Intonation in Dur, allein weit gefehlt. Die Tolmeiner recurrirten dagegen nud warfen den Görzern vor, daß sie von ihnen nie verlangt haben, sie sollen ihre Weine nur ihnen zum Verkaufe anbietcn; die Anstrebung der Görzer wurde höheren Orts als überspannt kassirt und die Stimmgeber zu diesem un¬ sinnigen Anträge beschämt; denn sie hatten nicht die rechte Tonart gewählt. Die Stadt hatte einen bedeutenden Nachtheil davon, zumal die Gebirgler mit ihren Produkten haufenweise in das Venetianische zogen. Also verlangt auch das löbliche Municipium, wenigstens indirect, daß die Slovenen st" an hiesigen Lehranstalten dem Jtalienismus fügen. Dies ist wirklich cme Dur-Intonation. Wir würden gezwungen sein, entweder zu recurriren uur 569 den Grund anzuführen, daß wir den Italienern nie die slovenische Unter¬ richtssprache aufgedrungen haben, oder wir werden die Glwzer Lehran¬ stalten verlassen müsse». Beiderseits zeigt sich mir Nachtheil. Im erste» Falle wird das hohe Ministerin»! »nS anordnen, die deutsche Lehrsprache beiznbehalten, so bekommen wir nie ei» Parallel-Gyinnasinm, nie eine or¬ dentliche Realschule. Im zweiten Falle würden die Glwzer Lehranstalten sehr wenige Studenten haben. Jedenfalls hat das Municipinm die Into¬ nation verfehlt. Also ist der Gesang des löblichen Glwzer Stadtrathcs wirklich nicht harmonisch. Das Nestchen ist schön, aber die Vögel darin singen nicht gut. Aber ist denn das löbliche Municipinm wirklich in dein Wahne be¬ fangen, daß Gör; eine italienische Stadt sei? Wir wissen es wohl, daß seit dem fünfzehnten Jahrhunderte die Einwohner dieser Stadt stets zum italienischen Elemente Neigung haben; dies gab schon dem Kaiser Leopold I., als er sich zu einem Besuche nach Görz vorbereitete, in einem Hand¬ schreiben an den Josef von Rabatta Veranlassung zu dem satyrischen An¬ strich, den er am Schlüsse seines deutschen Briefes mit den italienischen Worten anmerkte: „Uivontoro tullo turbino"; doch haben wir es in der Geographie und Geschichte noch nicht so weit gebracht, daß wir je eine Landkarte, ausgenommen die allerneueste der giovanc Italia, zu Gesicht bekommen hätten, auf welcher llmwu in die Gränzen Italiens eingezeiech »et wäre, »och waren wir so glücklich, einen geschichtlichen Zeitpunkt anf- gefnnden zu haben, der uns belehrt hätte, daß „Wpa Oorieu" in das Rad der Staatencreignisse von Italien friedlich eingeflochten wäre; vielleicht gibt uns die Geschichte Zeugnis;, daß die Stadt Görz an dem Schicksale Kärntens, Krains und Istriens, sogar Stciermarkch und Croatiens, so wie theils auch Dalmatiens stets deu innigsten Antheil nahm. Wie viele Görzer Bürger haben schon in Italien ihr Fortkommen gefunden, sind zu hohen Ehrenstellen gelangt? In Triest, in Laibach, im Lavantthale, in Zara, in Gratz, in Wien, selbst in Prag sind die Namen jener Männer ausgezeichnet, die wir Görzer mit Stolz unsere Bürger nennen. Es ist Undank, wahrer Unsinn, seiner freundschaftlichen Nation den Rücken zu kehren, um einer fremden sich anfzudringen, von welcher man doch schon diele Unannehmlichkeiten ansgestanden und für die Zukunft nichts Gutes Zu erwarten hat. Es ist Wahnsinn, jene Sprachen zurück zu weisen, sie wegznwerfen, die man im gesellschaftlichen Leben doch täglich braucht. Ein Görzer Bürger, ich wiederhole es, soll drei Sprachen in Wort und Schrift kennen, die italienische, slovenische und deutsche, wenn er seinen Namen würdig tragen will; deshalb sollen unsere Provinzial-Lehranstaltcn auch derart organisirt werden, daß der Jugend Gelegenheit gebcthen wird, dicse drei Sprachen sich anzueigneu. Dies aber ist Sache des Landtages und nicht des Görzer Stadtrathcs. * Laiba ch Ende August. (Der Student Ludwig Tcmsie »nd seine Ausschließung). Nachstehendes Histörchen vom Studen¬ ten Ludwig Toinsii: am Laibacher Gymnasium durste einigermassen zur 570 .Aufklärung der nationalen Verhältnisse in Kram dienen und den Beweis liefern, wie gerne es manche Herren sehen, wenn die slodenische Jugend das angeborne Gefühl der Nationalität nicht erstickt und seine Mutter¬ sprache zu pflegen sich untersteht. Ludwig Tomsiü, 18 Jahre alt, Student am Laibacher Gym¬ nasium, war einer der fleißigsten und fähigsten Mitarbeiter des litogra- firten Studentenblattes Namens „Torbica". Dieses Blatt war unter- haltenden und belehrenden Inhaltes und befaßte sich nie im Geringsten mit Politik, aber durch die sprachliche Reinheit und Correkthcit und die Zierlichkeit des Styls that es sich so hervor, daß es -sich in kurzer Zeit einen ziemlich ausgebreiteteu Ruf erwarb und auch in weiteren Kreisen mit Vorliebe gelesen wurde, namentlich aber wirkte es sehr erfolgreich ein auf die slodenische Jugend mit Rücksicht ans die Veredlung der Sit¬ ten, auf die Erweckung des nationalen Gefühls und auf die Vervollkomm¬ nung in der Muttersprache. Tomsie, wie bereits gesagt, hatte die größten Verdienste um die Emporbringnng dieses Blattes und bewies sich überhaupt als ein sehr talentirter und fähiger Jüngling. Jetzt auf einmal, wie aus heiterm Himmel, wurde dem Tomsie den 7. Juli d. I. die Entscheidung der Laibacher Gymnasial-Direktion mitgetheilt, zu Folge welcher man ihn: zur Kenntniß gibt, daß er aus den Schulen ausgeschlossen sei. Als Grund wird angeführt nächtliche Herumschwärmerci und Kaffeehausbesuch. K. 71 des Organisationsplaues für Gymnasien und Realschulen sagt zwar, daß der Schüler früher ermahnt werden soll, —- daß man vor der Zeit den Eltern oder den: Vormunde Nachricht zu geben habe von der dem Schüler drohenden Strafe rc. rc., was alles im obberühr¬ ten Falle nicht Statt fand, außerdem aber über alles das kein Wort verloren wurde, ob die Gründe, ans welchen er ausgeschlossen wurde, in der That wahr sind, ob Tomsie in der That ein Nachtschwärmer sei, oder in den Kaffeehäusern Herumstreiche. Jedoch worauf gründet sich diese Beschuldigung? Was das nächtliche Hernmschwärmen anbelangt, so wird da angeführt, daß ihn der Herr Gynmasialsupplent Horvat ein¬ mal in der Nacht auf der Gasse gesehen habe und zwar in Gesellschaft eines Lehrers der Laibacher-Hauptschule und das andere Mal um V--10 Uhr beim großen musikalischen Zapfenstreiche. Was die zweite Beschuldigung anbelangt, nämlich den Besuch der Kaffeehäuser, so bezieht sich dieses darauf, daß Tomsiö eines Tages nach dem Mittagessen in's Kaffeehaus ging, damit er dort einen Hauptschullehrer, seinen Bekannten, heraus¬ hole und mit ihm den verabredeten gemeinschaftlichen Spaziergang mache; sich im Kaffeehause keine 10 Minuten anfhaltend, entfernte er sich mit dem Lehrer. Das sind die ganzen Vergehen des jungen, begabten Menschen, wegen welchen er vielleicht für immer vertrieben ist von der Laufbahn, auf welcher er weiter zu kommen und dem Staate und auch seiner Nation nützlich zu werden verhieß. Entgegen diesem liegt vor nns das Zeugniß des Herrn GemeiuderatheS Josef Schwentncr, bei dem Tom- siö durch 3 Jahre instruirte und auf der Kost war, laut welchem bestä- 571 tiget wird, daß Tomsiö in Betreff der Tadellosigkeit der Sitten und des Fleißes sich stets als ein musterhafter Jüngling bewiesen habe und das Zeugniß des Herrn Miklanö Laibacher Bürgers und des Herrn Pfarrers Zierer, bei welch' Ersterem Tomsiö dnrch 4 Jahre wohnte und von welchen; bestätiget wird, daß Tomsiö immer ordentlich und gesittet war und bei der Nacht niemals herumschwärmte. Wenn wir noch erwähnen, daß das Wienerblatt „Gegenwart" und die „Grazer Tagespost" lange vor¬ dem, als Tomsiü wegen der angeführten Vergehe» entlassen wurde, von dessen Ausschließung aus der Schule schrieben, — daß Herr Professor Mel¬ zer (Deutscher) lauge vor der Ausschließung ihn warnte, er möge sich in Acht nehmen, auf daß er mit diesem Sloveueuthum nicht irgend wohin nach Sibirien gelange, — daß der Laibacher Polizei Direktor, bei dein Tom siä nach der Ausschließung war, spöttisch sich äußerte: „No, die „Torbiea" wird demnach bereits nicht erscheinen?" Wenn wir alles dieses erwägen, so scheint es uns wahrscheinlich, daß das andere Ursachen waren, wegen wel¬ chen Tomsio ausgeschlossen wurde, als die just angegebenen, und zwar diese einzige Ursache, daß er sich mit Schriftstellerei in slovenischer Sprache beschäftigte, daß er sich an einem slovenischen Blatte betheiligte und daß seine Wirksamkeit in nationaler Richtung Widerhall gefunden hatte bei der Jugend und bei den slovenischen Nationalen. Wenn es dem in der That so ist, so wäre dies; ein deutlicher Komentar der Gleichberechtigung in Oesterreich, namentlich im Slovencu Lande. Uebrigens hat der Bruder des ausgeschlossenen Jünglings als dessen Vormund den Rekurs beim h. Ministerium eingebracht, und wir sind in der That begierig, was für eine Antwort er erhalten wird. Sick—-t. Klagenfurt. (Militärisches Fest am Zollfcld. — Unser Turn¬ verein. — Fahneniibergabe. — Erste Turnfahrt auf den Dvbratsch. — Zwei Sängerfeste. — Errichtung einer städtischen Feuerwehr. — In Angelegenheilen der neuen Bah uhofstraße und d erKärutnerbahn. — Zu den Landtagswahlen. — Studeuteuconnn er;e. — Ja gd zei tnng.) Eine gewiß seltene militärische Feier wird noch im Laufe dieses Monats am söge imnnteu Zollfelde nächst Maria-Saal abgehalteu werden und wird gewiß eine Menge Schaulustige auzieheu. Es ist uäunicb jetzt gerade ein volles Jahrhundert, seil der Er¬ richtung des in Kärnten stationirten k. t. Husaren-Regiments Prinz von Wiirtemberg und dieser wichtige Moment bielhek dem gedachten löbl. Regimente den Anlaß, am 2S. 29. und 30. September in der Nähe des Herzogstuhles sich vollzählig zu versammeln, rin Zeltlager anfznschlagen nnd so in Verbindung mit zahlreichen Festlichkeiten, worüber das nähere im Festprogramme enthalten ist, die Erinnerung an die vor 100 Jahren geschehene Errichtung dieses Regimentes würdig zu feiern. Wie verlautet, sollen mehrere hochgestellte militärische Persönlichkeiten, ja Se. k. k. Majestät selbst, dnrch ihre Anwe¬ senheit dieses denkwürdige Fest verherrlichen und wir hegen nur einen Wunsch, daß kin heiterer Himmel während der drei Festtage auf das zu dieser Feier anscrwahlte Zollfeld nieder lachen möge. Der Klagenfurter Turn-Verein, der in denMärkten nnd Städten Kärntens stir Errichtung eigener Turnschnlen die lebendigste Anregung biethct und noch seiner bnnben durfte, hat seit der kurzen Zeit seines Bestehens bereits eine große Anzahl von Mit¬ gliedern gewonnen, wovon "der veröffentlichte Monatsanswcis Pro August das sprechendste Zeugniß gibt. Die Theilnabme im Publikum ist eine große, die Zahl der Turnschüler nimmt von Tag zu Tag in erfreulicher Weise zu und die musterhafte Ordnung während der Lehrstunden ist der schönste Beleg für die unermüdliche Tbätigkeit des TurnwartS und der ihn beim Unterrichte unterstützenden Vereinßmitglieder. Die feierliche Fahnen¬ übergabe im Turnsaale zum schwarzen Adler versammelte ein recht zahlreiches Pub- 572 kikum, der Saal war anständig dekorirt und nach Absingung des deutschen Liedes, welchem ein Festtnrnen folgte, wurden mehrere aus die Feier bezügliche Ansprachen ge¬ halten nnd sodann übergab der Herr Vereins-Vorstand' Leopold Nagl die wcißrothe, mit dem Tnrnsprnche „Gut Heil!" geschmückte Fahne dem Tnrnwarte Herrn Karl Meinhardt nnd dieser wieder in die Hände des Fahnenträgers Joos, welcher selbe künftighin dem Vereine voran zu tragen haben wird. Werfen wir einen Blick auf die großen Festlichkeiten, welche andere Turnvereine mit einer derartigen Feierlichkeit ver¬ banden, so müssen wir der Fahnenübergabe der hiesigen Turner das Prädikat gesuchter Einfachheit beilegen. Schon wenige Tage nach diesem seierlichcn Akte unternahm'derneue Turnverein seine erste größere Fah rt aus die Billachcr-Alpe, welche leider nicht durch¬ gehends von gutem Wetter begleitet war, welcher Umstand jedoch die rüstigen Turner nicht hinderte, nach einem ihnen zu Ehren durch die Freundlichkeit des Herrn Bürger¬ meisters in Bleiberg nnd das liebevolle Entgegenkommen der Bewohner letztgenannten Ortes arrangirten Balle, am Morgen des 8. September den steilen Dobratsch zu er¬ klimmen nnd sich an der leider trüben Aussicht zu weiden. Der Rückmarsch ging über heil. Geist und erst spät nach Mitternacht langte man wieder in Klagenfurt an. Daß die Turner überall mit einem freudigen „Gut Heil!" begrüßt wurden, bedarf wohl keiner Erwähnung. Während die Turner am Dobratsch tagten, fanden am 7. und 8. Sep¬ tember zwei Sängerverbrüderungs-Feste in Spittal und Unterdranburg statt. Am erster» betheiligten sich die Liedertafeln von Villach, Spittal, Gmünd und Sachsenbnrg, dann Deputationen der Sängcrvereine von Klagenfurt, Brixen, Botzen und Lienz. Spittal both Alles auf, um die Sänger würdig zu empfangen nnd Fürst Porzia stellte ihnen seine Burg zur Verfügung. Nach einem gelnngenen Coneerte zum Besten eines Kirchenbaues sand ein großer Commerz in den weiten Räumlichkeiten der Burg statt, der den Sängern ans verschiedenen Gauen Gelegenheit both, sich gegen¬ seitig ihre freundlichen Empfindungen initzntheilen nnd ein engeres Band der Freund¬ schaft zu schließen. Namentlich zeichneten sieb dieTirolcrsänger durch eine ungezwungene Gemächlichkeit aus nnd das heitere Fest hatte mit einem Worte durchwegs den besten Vereins. Nicht minder anregend war dieZnsammcnkunft der Liedertafeln von Wolfsbcrg und Windischgraz in Unterdrauburg nnd wir können im allgemeinen Interesse nicht umhin, recht vielfache Wiederholungen von derlei Excursionen ausrichtig zu wünschen, denn die verschiedenen Elemente rücken sich dadurch immer näher, tauschen sich ihre wechselseitigen Ideen und Bedürfnisse aus, die Einigkeit wird angebahnt und durch sie dem Fortschritte nach jeder Richtung hin die Straße geebnet. Zn einem Hauptbedürfnisse unserer Stadt gehört gewiß die Errichtung einer ordentlichen Feuerwehr. Unser Gcmeinderath, dessen reges Streben im Allge¬ meinen wir lobend anerkennen müssen, hat eine Kommission mit der Aufgabe betraut, in Betreff der Errichtung einer ständigen Feuerwehr die geeigneten Vorschläge zn machen. Wollte mau dem Muster größerer Städte folgen, wo eine bewaffnete Feuerwehr organisirt ist, so würde dies zu tief in den Säckel der Gemeinde greifen und nm dennoch den lobeuswerthen Zweck zu erreichen, dürfte eben der neugegründcte Turnverein vor Allem dazu berufen sein, die Führung und Leitung des so nothwendigen Feuerwehr- Institutes zu Klagenfurt zn übernehmen. Wer hier nur immer bei einem ausge¬ brochenen Feuer die Löschanstalten im Allgemeinen einer nähern Betrachtung unter¬ zieht, wird gestehen müssen, daß selbe allerdings gerade nicht gering zu schätzen sind, aber er wird auch finden, daß es viele gibt, die da befehlen, hingegen säst Niemanden, der gehorchen soll. Eine kluge Führung in Feucrfällen, eine gntgeschnlle Feuerwehr, die den Kommandanten pünktlich folgt und überall zur Hand ist, wo es etwas zn löschen, zn retten nnd zn schützen gibt, sind mehr Werth, als die umfassend¬ sten Löschapparate und es wäre gewiß eine der würdigsten Aufgaben unseres Cnrw Vereines, scineThätigkeit in dieser Richtung zn entfalten. Wir zweifeln keinen Augenblick, daß der Gemeinderath sich in kürzester Zeitfrist hierüber mit dem Tnrurathe nn geeignete Einvernehmen setzen werde. Die neue Bahnhofstraße, die, wie allgemein bekannt, großen Kämpfen ausgesetzt war, bis selbe zu einem endgiltigcn Beschlüße kam, gab in jüngster Zeu wieder Anlaß zn einer sehr heftigen gcmcinderäthlichen Debatte. Ten Grund hnzn bot jedoch nicht, wie die „Zeitung für Kärnten" beschönigend bemerkt,daß einige Arbei¬ ten an der Straße, nämlich der Durchbruch der Allee gegen den bestehenden G-mein- 573 derathsbeschluß früher ausgeführt wurden, als sie zur Ausführung bestimmt waren, sondern er ist lediglich zu suchen in der unbefugten Einstellung der Arbeiten und der beleidigenden Art und Weise, womit diese Einstellung erfolgte. Die Liebhaber der Allee, die selbe so gerne auf Kosten der Straße unbeschadet erhalten wissen wollten, hatten uäiulich einen Beschluß zu Staude gebracht, daß der Durchbruch der Alle bis ans die gänzliche Vollendung der übrigen Straßenstrecke hinausgeschoben werde; nun aber zeigte es sich sehr bald, daß dieser Beschluß ein wahrhafter Krebs¬ schaden für die Gemeindekasse war, denn die Wägen, welche das Materiale vom Schüttgrunde auf die untern Straßenstreckeu bis zur Gasfabrik zu verfahren haben, mußten den weiten Umweg nm denViktringcr-Damm machen und ebenso wieder zurück, und konnten daher nur d ie Häl f te der Fuhren bei gleicher Bezahlung in einem Tage leisten, die sie gegenwärtig ans dem kurzen Wege, der ihnen durch den Durchbruch der Allee zu Gebothe steht, leisten. Diese humane Rücksicht auf den ohnehin mir karg gefüllten Gemeiudesäckel, veranlaßte den von allen Verständigen gebilligten sogleichcn Durchbruch der Allee und cs wurden dadurch der Gemeinde bereits bedeutende Mehranslagen erspart. Es kommen häufig Fälle vor, daß man handeln muß, ohne die nächste Sitzung abwarten zu können, wenn so wie hier ans der Versäum¬ nis; , der Gemeinde offenbarer Nachthcil erwächst, dieß hätte der unbefugte Einsteller der Arbeiten an der Bahnhofstraße beherzigen nnd die betreffenden Anordncr in der nächsten Sitzung zur Verantwortung ziehen sollen, welche selben unter den ob¬ waltenden Umständen nicht schwer gefallen wäre; keinesfalls ist aber ein einzelner Ge- meiuderath und sei er auch Mitglied der Bau-Section, berechtiget, einen öffentlichen Bau eigenmächtig zu stören. Der über Anregung des Herrn Gemeinderathes v. Klein- mayr dem Herrn Gemeinderathe v. Hueber am Schlüße der Sitzung ausgesprochene Dank für seine thälige Verwendung in Bansachen der Gemeinde hat auf den gegen¬ wärtigen Fall gar keinen Bezug und beschöniget des letzteren Vorgehen in keiner Be¬ ziehung. In Folge gemeinderäthlichen Beschlußes werden die gegenwärtig ans der Straße liegenden Steine im Graben zur seinerzeitigen weitern Eindellung des Feuer¬ baches abgelagert und in Folge weiteren Beschlußes werden an der östlichen Seite der Platzallec noch 3 und an der westlichen noch 4 Bäume weggenommen und so die Allee- straße durch Abgrabuug wieder fahrbar hergestellt; das dießbezügliche Ersuchschrciben an den hohen Landesausschuß ist bereits abgcgangen. Ein Ministerial-Erlaß au die Südbabn-Gesellschast fordert die letztere auf die kärntnerischc Bahn noch im Laufe dieses Jahres herzustcllen, widrigens diese Herstellung vom Staate auf Kosten und Gefahr der Gesellschaft vorgenommen würde. So sehr wir dieses energische Vorgehen lobend anerkennen müssen, so glauben wir doch fast mit Zuversicht annchmen zu können, daß die so heiß gewünschte Eröffnung der Kärntncrbahn uns noch lauge auf die Erfüllung wird warten lassen. Ist der Bahnhof auch schon äußerlich hergestellt, so gibt cs an der laugen Strecke noch viel seit Jahren Versäumtes nachzuholen und wenn wir die lange Periode seit Beginn der Kärntner, bahn bis zum heutigen Tage überblicken, so fällt uns hiebei nothwendig der allbekannte Landwehrmarsch ein „Nur langsam Vorau." Die Land wah lbezirk e St. Veit und Hermagor haben je einen Ab- geordneten in den Landtag zn wählen und während Herr Sebastian Jsepp sein Mandat am 2. August znrllcklegte und die Neuwahl^), wie wir vernehmen, schon auf den 15. September angesetzt war, ist bezüglich einer Ersatzwahl für den bereits am 9. Juni abgestorbenen Johann Karner noch immer nichts bekannt. Dieses Einhalten mit der Neuwahl wär? nur dann zu entschuldigen, wenn man die Absicht hätte, die Ergänzung«. Wahlen unmittelbar erst dann vornehmen zn lassen, wenn die Zeit der Eröffnung des neuen Landtages bekannt ist. Dadurch würden allerdings in eiutreteuden Todesfällen sich wsch wiederholende Wahlen in einem nnd demselben Bezirke vermindern, e« müßte dieser Grundsatz dann aber auch ans alle Wahlen in ganz Kärnten ausgedehnt werde». In Klagenfurt haben im Laufe der heurigen Ferien zwei Commerze der Kärntner Veb indnngsstndenten im Gasthaussalon znm „Geyer" slattgesnnden. Viele Studentenfrcnnde ans den, Publikum haben sich hiebei eingesunken nnd wer nur immer das lebendige Treiben dieser Söhne der Wissenschaft einer aufmerksamen Beob¬ achtung unterzog, wer ihre bunten mit Krast vorgetragenen Lieder vernahm, wer ihren Markten von Vaterlandsliebe und Freiheitsgeist strotzenden Ansprachen lauschte, den ' Wurde untMrbqrtt Weise fistirt. D. Sk. 574 mußte die Erinnerung an seine eigene Jugend mit einem gewissen Wehmuthsgesiihle durchdringen und ihm die Ueberzengung vor Augen stellen/daß die nenen politischen Verhältnisse auch neue Menschen geschaffen haben. Während der Student in den fin¬ stern Vorjahren unter der despotischen Knute pedantischer Lehrer seufzte, während ihm jede Art von Verbindung als ein Verbrechen ansgclegt wurde, ist es der Studenten¬ schaft der Gegenwart gestattet, in Verbrüderungen zusammen zu treten, eigene Abzei¬ chen zu tragen und bei fröhlichen Commerzen sich gegenseitig die Meinungen auszutau¬ schen. Wir betrachten dies jedenfalls als einen Fortschritt der Zeit, als eine Bildnngs- schnle für das parlamentarische Leben, in das sie die nächste Zukunft einfuhren kann. Eine unter so schönen Auspizien ausgewachsene Jugend wird den im Keimen begriffenen Baum unseres constitutionellcn Lebens gewiß nicht verdorren lassen. Herbstliche Nebel ziehen bereits über unsere Berge durch unsere Thälcr, es be¬ ginnt die Zeit für die edle Jagdlust. Das Wild wird in seinen Verstecken durch eil¬ fertige Hunde anfgeschreckt, und fällt, indem es seinen bellenden Feinden zn entrinnen glaubt, dem sicheren Geschoße des Jägers als Beute anheim. Um den freundliche» Lesern von Allem, was um uns geschieht, eine kurze Skizze zu liefern, werden wir auch nicht ermangeln, die zahlreichen Freunde der Jagd zu befriedigen und ihnen so manches Bemerkenswerthe mitzntheilen. Tue Jagd ist ein Vergnügen, dessen jeder theilhast werden soll, dein es anders Neigung und Verhältnisse gestatten. Der Jagdpachtschilling ist ein Bestandtheil des Gemeindevermögens und bei diesen unbestrittenen Thatsachen stellt es sich unzweifelhaft heraus, daß bei Jagdpächtern, welche die gesetzlichen Bedin¬ gungen zu erfüllen im Stande sind, kein Unterschied obwalten und die Hintangabe der Pachtung an den Mcistboth gebunden sein soll. Dies war aber früher leider nicht immer der Fall und wir könnten viele Geschichten erzählen, die gerade das Gegentheil beweisen. Ein untrügliches, abnorme Verhältnisse ansschließendes Jagdgesetz, das die autonome Gemeinde in ihren Rechten schützt, gehört zn den nothwendigsten Bedürf¬ nissen des Landes, wir werden diesem Gegenstände daher einen ausführlicheren Artikel widmen und durch Auszählung von Thalsachen ein ziemlich grelles Bild den Lesern darüber hinstellen, wie es vor dem mit den Jagdverpachtungen gehalten wurde. Zeitnngsrevue. * Wir haben schon öfters bemerkt, daß es vorzüglich zwei Gegenstände sind, i» denen die liberale „Zeitung für Kärnten" mit sichtlicher Vorliebe Geschäfte macht: „Kirche und Nationalität." Unter dem reizenden Titel: „Klostergeschichtcn" brachte sie in Nr. 63 zwei Geschichtchen, welche ganz geeignet waren, das Publikum mit Verachtung und Haß gegen das Klosterwesen zu erfüllen. Beide Histörchen waren von der Art, daß jeder Unbefangene deren Unwahrscheinlichkeit, ja Ertogenheit auf den ersten Blick erkannte. Aber hilf, was helfen kann, der Stoff ist einmal pikant und beliebt, was liegt also daran, eine Lüge mehr oder weniger! Aber der bösen That folgte dermalen die Strafe sogleich ans dem Fuße nach. Das erste Geschichtchen, als wäre von den Schwestern des Mnzenz-Hospitals ein vierjähriges Kind mit bloßen Füßen auf einen geheitzten Herd gestellt und so furchtbar mißhandelt worden, mußte die „Zeitung für Kärnten", zwar nicht ans eigenem Pflicht¬ gefühle, sondern in Folge eines „Eingefendct" schon in einer ihrer nächsten Nummern widerrufen. Bezüglich der andern Klostcrgeschichte schreibt der „Volksfrennd" in Nr. 201 Folgendes: Unsere Leser kennen wohl die journalistischen Pappenheimer in Wien und an¬ derwärts schon zur Genüge, die nach einer besonderen Vorliebe beständig in rother Uniform gehen. Besagte Pappenheimer zeichnen sich immer dadurch ans, daß sic in allen möglichen Winkeln der Erde nach einem Seandalgeschichtchen gegen die Katholiken herumschnuppern, und wenn sie keines aufspüren können, so machen sie sich die Sache bequem und erfinden sich eins. Eine solche Schauergeschichte machte vor kurzem die Runde durch unsere Pappenheimer Blätter, worin von einer Nonne zu Paris erzählt wurde, die einem Dienstmanne ein Kistchen gab, „darin that sich ein Kind befunden haben" und sodann gab sie dem Manne ein Glas Wein, „was selbiges Gift g'Auen 675 ist." — Diese Geschichte wurde von der „Gazette des Tribnnaux" schon längst in folgender Weise berichtigt: „Ein Journal spricht heute von Gerüchten, welche in Paris umlaufen und ein abscheuliches Verbrechen betreffen, das in einem Kloster begangen worden sein soll. Diese Gerüchte nun sind ganz und gar unbegründet und die Behörden suchen die Er¬ finder oder Verbreiter dieser rein ans der Luft gegriffenen Erzählungen ausfindig zu machen. Wir sind zugleich von der competentesten Stelle ermächtigt, zn erklären, daß die sogleich angestellten Nachforschungen auch nicht das Geringste nachgewielen haben, was nur in der entferntesten Weise zu solchen Anschuldigungen hätte Anlaß geben können." Wäre uns nun die Sache nicht so begreiflich, so müßten wir eS wahrhaftig unbegreiflich finden, warum unsere Pappenheimer Blätter, die so brühheiß das Schan- dergeschichtchen erzählten, nicht eben so brllhheiß auch von der amtlichen Berichtigung Notiz nahmen. — Wir kennen unsere Pappenheimer! Was die Nationalität betrifft, so waren die Tage nach der Jahresfeier der Oitavuioa in Marbnrg und nach der Zusammenkunft von Slovcnen in Veldes wahre Honigwochen für die „Ztg. s. K.". Kein in irgend einer Zeitung enthaltener, natürlich gegen die Slovenen gerichteter Artikel entging dem scharfen Ange der unermüdeten Redaction: Alles wurde geröthelt und abgedrnckt. Aber, o Ironie des Schicksals! selbst hiebei sollte die Strafe nicht ansbleiben. Die in Graz erscheinende „Tagespost" eine der grimmigsten Gegnerinnen der Slaven, und als solche von der „Ztg. f. K." na¬ türlich sehr hochgeschätzt und gründlich auSgebeutet, brachte in Nr. 204 am ö. Sept, folgenden Leitartikel: „Zur nationalen Verständigung". „Neuerdings ist die Nationalitätenfrage, welche seit einiger Zeit schlummerte, in das Bereich einer ziemlich erregten Discussion gezogen worden, und haben sich die na¬ tionalen Gefühle in Demonstrationen Luft gemacht. Mitten im Sturme der aufge¬ wühlten Leidenschaft ertönte wie eine Friedensglocke der Mahnruf zur Versöhnung. Zwar ist es in der Natur der Leidenschaft von jeher gelegen, gegen Argumente, die ihr unbequem scheinen, mit Taubheit gewaffnet zu sein — dessenungeachtet war aber doch Verständigung von jeher die Brücke zur Versöhnung. Da wir es nun im Interesse der beiderseitigen Nationalen von höchster Wichtigkeit halten, daß sich in der Na¬ tionalitätenfrage eine Partei der rechten Mitte heranbilde, welche diesseits und jenseits vermittelnd einschritte: so wollen wir vom Standpunkte dieser Zuknnstspartei auf die nationalen Wirren speciell unseres Vaterlandes einen Blick werfen. Was wollen die Führer der slovcnischeu Bewegung? — den Durchbruch des nationalen Bewußtseins in der Masse des bis dahin indifferenten Volkes. Gegen die¬ sen Zweck kann sich der Unwille der deutschen Bevölkerung unmöglich kehren; er kann höchstens gellen den Mitteln, welche einzelne nationale Führer zur Erreichung dieses Zweckes wählen. Denn Individuen und Völker sind und bleiben Kinder ihrer Zeit; sie beten Dasjenige an, was die Spruche des Rades zuoberst emporhebt. Unserer Zeit aber hat es beliebt, das Nationalitätsbewußtsein zn einer Idee von höchster bewegender Kraft, znm mächtigsten Motor der Weltgeschickc zu gestalten. Nationen von altbewährter Cultur und solche, die sich in den Kreis der Cultnr- völker erst drängen, sie umfassen die Idee der Nationalität mit gleicher BegeislerungS- wärme, und in der großen Völker-Familie des europäischen Coutinentes ist nicht ein Volk oder Völklein, dessen Pulse für diese Idee nicht höher schlügen. Der Deutsche blickt nach Frankfurt, macht in Turner- und Schützenfeste» wie in Liederklängen feinen Gefühlen Luft. Der Drang, aus den zerstreuten Gliedern, welche de» geographischen Begriff „Deutschland" anSmachen, das einige, große, deutsche Vater¬ land zu schaffe», war niemals größer als jetzt. Und wer konnte, sei er Deutscher oder Slave, diesen Drang mißachten? wer wollte ihn gar verhöhnen? Mit scheuem Tritte versucht auch der Slave die Laren und Penaten seiner Na¬ tionalität aus der Verborgenheit der häuslichen Stube an das Tageslicht der Welt- geschichtlichen Ocffentlichkeit zu tragen; er will in der Amtsstube, ini Gerichtssaale, im Schnlzinimer diesen Laren und Penaten eine Stätte gegönnt sehen; an die Stelle des häuslichen EnltuS seiner Muttersprache will er die öffentliche Ausübung seines Natio- nalitätsbekenntnisses treten lassen. Parum ruft er sein ^ivio hinaus in die Welt — dar-' -ichtet er hie und da als nationale LultuSstätte eine Ätavniea. Wer wollte 576 deßhalb den Stein gegen ihn aufheben? Am wenigsten offenbar Diejenigen, welche den Sinn für die eigene Nationalität im Busen warm bewahren, welche also ans eigener Erfahrung wissen, daß die Worte: „Muttersprache, Stammverwandtschaft, Rationaiität" kein leerer Schall sind. Die deutsche Nationalität befindet sich in offener Ueberlegenhcit den Anfängen slavisch-nationaler Bewegung gegenüber. Die deutsche Sprache ist ciue europäische Lultursprache, die Trägerin hoher literarisch-wissenschaftlicher nnd philosophischer Bil¬ dung. Für den österreichischen Kaiserstaat insbesondere ist und bleibt sie der Born moderner Cultur und Aufklärung, au dem sich die Höherstrebenden jeder Zunge nnd Nationalität durch lange Zeit Raths erholen w wie sie es bisher thaten. Diese cnlturgeschichtlicheu Verhältnisse lassen sich nicht ignoriren, sie lassen sich nicht hinweg- decretiren durch irgend welche abstracte Gleichberechtiguugsformel. So wie in der demo¬ kratischen Gesellschaft, welche ans der Basis absoluter Gleichheit aufgebaut ist, die Prä- ponderanz des Talentes, die Dictatur des Genies, die Wirkung des Fleißes nicht aus¬ hört: so wenig vermag auch die proclamirte Gleichberechtigung die historischen Ver¬ hältnisse der Bedeutung der einzelnen Nationalitäten zn nivelliren, die wallachische Lite¬ ratur und Cultnr-Entwicklung der deutschen gleich zu machen. Eines vermag sie aber allerdings — nämlich den Bestrebungen nach Entwicke¬ lung und Geltendmachung der Nationalität bei den andern Nationen den gesetzlichen Bo¬ den zu unterbreiten. Ans der Unbedeutendheit ober llnscheinbarkeit der momentanen Ent- wickelnngs-Stufe irgend einer Nationalität kann man kein Argument machen gegen ihre Entwickelungssähigkeit in der Zukunft. Wenn wir iu der Weltgeschichte znrückblättern, so sehen wir höchst gebildete Völker, wenn ihre Stunde geschlagen, abtreten und die Cul- turaufgabe an andere, bisher für roh gehaltene Nationen abgeben — denn die Cultur läßt sich nicht mit einem Privilegium belegen und die Keime des Genies, welche die Newtone und Platone heranbilden, sind von Natur ans gleichmäßig verthcilt unter den Menschenköpfeu. Die Weltgeschichte hat keine Eile; was nicht heute geschieht, kann morgen ausgeführt werden, und wir würden darin keine Absurdität erblicken, wenn Jemand die Behauptung aufstellte, daß in irgend einer künftigen Entwickelungsphase der Menschheit die schwarze Menschenrace, deren Menschenrechte, ja deren Meuschen- natur gegenwärtig nur auf einem beschränkten Theile des geschichtlichen Schauplatzes anerkannt ist, der vorzüglichste Träger und Bewahrer der Gesittung und Bildung sein werde. Gegenseitige Duldung möge also das Schlagwort sein für das Verhalten ver¬ schiedener Nationalen. Und wenn der Kampf, diese allgemeinste Form für den welt¬ geschichtlichen Fortschritt, auch iu dieser Beziehung nicht zu vermeiden ist, so möge er doch mit ehrckicheu Waffen geführt werden und nicht bis zur offenen Negirnng der eine» oder der andern Nationalität sich versteigen. Verspottung aber Desjenigen, was unserem Nachbar für das Höchste gilt, halten wir zum mindesten für kein gentlemani- sches Verfahren. — Spott und Verhöhnung sind Waffen, welche alle Brücken eines gegenseitigen Verständnisses schonungslos Niederreißen. Sie führen namentlich in der Nationalitätsfrage den blinden, rohen Vernichtungskampf herbei, wo gegenseitige Riva¬ lität alle die segensreichen Wirkungen herbeisührcn könnte, welche eine höhere Vorsicht an den Sprachnnterschied geknüpft wissen wollte". Wir begrüßen diesen herrlichen Artikel der „Tagespost" mit der aufrichtigsten Freude, nnd wünschen nur, daß er bei allen wahrhaft liberalen Zeitungen Anklang und Nachahmung finden möchte! Die „Stimmen ans Jnncrösterreich" haben stets seit ihrem Programme bis zu ihrer neuesten Nummer aus Verständigung und Versöhnung der Nationalitäten hingewirkt, aber freilich immer bemerkt, daß man umsonst von Frie¬ den spricht, wenn man keine Befriedigung biethet. Darum Verständigung, Versöhnung und Befriedigung der Nationalitäten, dann folgt unausbleiblich die allgemeine Freiheit der Völker. Wir glauben die ersten Zeilen unjers Programms hier auführen zu sollen: „Es ist noch nicht so lauge her, als durch die Uneinigkeit der Völker die Freiheit der Völker zn Grunde ging. Die Freiheit ist jugendlich wieder erstanden. Darum thut Einigkeit der Völker jetzt besonders noth. Also Friede und Eintracht unter den österreichischen Volkern durch gegenseitige Verständi¬ gung, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, durch thatsivchsiche-Anerkennung und Verwirkli¬ chung der Gleichberechtigung aller Nationalitäten." '